Ü nal: A ELTREHER DIRCRANER NN N Fi {! GR vu Wi ER M ur ji Roh [akt Wh RER M i . "N u % Ban he N IE X X ‚ une Le SINN LAD Ra 0 ar “2 RR Ruhe RN 164, a r a N ÄRRÄRRFRR Kan SMITHSONIAN. DEPOSIT } 5 T; PZN | Be SITZUNGSBERICHTE | AR DER PREUSSISCHEN | X AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN JAHRGANG 1921 ERSTER HALBBAND. JANUAR BIS JUNI %; STÜCK I—-XXXII MIT EINER TAFEL UND DEM VERZEICHNIS DER MITGLIEDER AM 1. JANUAR 1921 BERLIN 1921 VERLAG DER AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN IN KOMMISSION BEI DER VEREINIGUNG W1SSENSCHAFTLICHER VERLEGER WALTER DE GRUYTER U. CO. VORMALS 6. J. GÖSCHEN'SCHE VERLAGSHANDLUNG. J. GUTTENTAG, VERLAGSBUCHHANDLUNG. GEORG REIMER. KARL. J. TRÜBNER. VEIT U. COM». Di x a eh De ) iR = * INHALT "Verzeichnis der Mitglieder am 1. Januar 1921 Adresse an Hın. Hrruann Diers zum fünfzigjährigen Rokforjubiläum aı am 22. ee 1920 Adresse an Hrn. Varrostav von Jacı6 zum fünfzigjährigen Doktorjubiläum am 6. Januar 1921 Rugens: Gittermessungen im langwelligen Spektrum . : Orr: Traumen und Erkrankungen der Knochen und Gelenke. Kasuistische Mitteilungen aus meiner Gutachtertätigkeit in Unfallsachen. IM von Wıramowirz-MoELLEnDORFF: Melanippe e Kürentuar: Versuch eines natürlichen Systems der Oktokorallen Lüpers: Ansprache Personalveränderungen Diers: Eimstein: Jahresbericht Jahresbericht Jahresbericht Jahresbericht Jahresbericht Jahresbericht Jahresbericht Jahresbericht Jahresbericht Jahresbericht Jahresbericht Jahresbericht Jahresbericht Jahresbericht Jahresbericht Jahresbericht Jahresbericht Jahresbericht Jahresbericht Jahresbericht Jahresbericht Jahresbericht Bericht des Hrn. en über "dis Br rd Are v nz Ausgabe, Geometrie und Erfahrung . “ Jahresbericht über die Sammlung der griechischen eehriften IDEE TEE über die Sammlung der lateinischen Inschriften . über die Prosopographie der römischen Kaiserzeit . über die Politische Korrespondenz Friedrichs des Großen über die Acta Borussia . . - . 2.2» über die Kant-Ausgabe { über die Ibn-Saad- „Ausgabe : Ä über das Wörterbuch der ägypüschen Sprache über das »Tierreich« über den Nomenclator nahen generiin ie "subgenerum über das »Pflanzenreich« . Mer. . über die Geschichte des Bee hitmelß N: über die Ausgabe der Werke Wilhelm von Hurmboldk über die Leibniz-Ausgabe PR 2 über das Corpus medicorum Graecorum. . » 2 2... 4. der Deutschen Kommission N über die Forschungen zur neuhochdentschen. Spr ach- und Bildungsgeschichte der Orientalischen Kommission . e der Dirruer-Kommission . der Hunsorpr-Stiftung der Savıcnv-Stiftung der Borr-Stiftung der Hrruann-und-Erıse- „geb. Hesuken-Waxtzen- Stiftung Jahresbericht der Kommission für das Wörterhuch der denizchen Rechtssprache . Jahresbericht der Kirchenväter-Kommission . ‚ Jahresbericht über die Bearbeitung der Flora von Papuasien und Mikronesien . Jahresbericht über die Arbeiten für das Deeretum Bonizonis und für das Corpus glossarum anteaccursianarum . Jahresbericht über die germanisch- -slawikche Atehumsforschung und aber Aus- grabungen in Schussenried Jahresbericht über die Erforschung der Gb schtehle unserer Natiöralitälsgrenze Jahresbericht ‚Jahresbericht MöLtzr, G.: Sturz: Die Zeichen für » Das Bonner evangelische Universitätspredigeramt in seinem Verhältnis zu Staat, (Germanisation des Ostens) . über die akademische Jubil äumsstiftung Ri Stadt Bern‘ der ALBERT-SAansox-Stiftung »Westen« und »OÖsten« in 2% ägyptischen Hieroglyphenschrift Kirche und Gemeinde Seite a 3 N Li We “ Im f r ei } an Fra ar. nd ir nu 37 u RER N; Mir. Ho ‚von Wiramowırz-MOELLENDORFR; -Sphakteria .. . 2 u er Meissner, B.: Ein en runs Ziuckungsbüchsee W.n]. Hnan u Send. Ts up Bick£r, A. und van Ewerk, C.: Über llitzesekretine 2... De Correns: Zweite Fortsetzung "der Versuche zur experimentellen Verschiebung des, Ge- schlechtsverhältnisses. . . U re Keur: Zur Geschichte Wiberts von Ravennn. (Clemens IL) A ee o ° Hırver von GAERTRINGEN : Attische eilten römischen Kaiserzeit (saee. I— R ee SA le Ne ce ES RR Paur-Riess-Stiftung . » 2. . ERS 5. REN © EINIE-ÄIBCHER-StIFTUNGN.,, 0 = eh Denen E20 Er Rusner: Sehlußwort yT sn SO ERIEERTS LE = Mer ehnn der Schriften von w. v. er: Tasse A. a . | Scnvenannr: Exkurs zu une II. Re Liesiscn und Rusens: Über die optischen Figenschäften Sinigen Kristalle in ultraroten Spektrum. Dritte Mitteilung Hasertanpr: Zur Physiologie der Zellteilung. Sechste Meile N ei Nana. DR Diers: Lukrezstudien. IV . . . 2 ® RIES an, DZ Herrmann: Neue Untersuchungen über die Regenverhältisse von Deutschland. Zweite r Mitteilung: Die Seliueeverhältnisse . .. 818 2.246 Einstein: Über eine Bee Pe des Fündamentes "der asien Rein . BER ESTE = EERR 8 e . S Fick: Bemerkungen über N, Br U: sachenbegrit. Scuurze, W.: Tocharisch tseke peke. . . - Er? Möurter, G.: Ein ägyptischer Schuldschein der zweiundzwanzigston Din nastie ScnÄrer: Honor, eitra, eis im mittelalterlichen Latein . e 2 Heiper: Über die Beziehungen der Körperachsen zur Eiachee Be EN Chordkten. Keur: Bericht über die Herausgabe der Monumenta Germaniae historica 1920. Sturz: Reims und Mainz in der ee des zehnten und zu Beginn des elfte, Jahrhunderts"... :’. .» Husten: Die deutsche Quelle der Ballade von Koremolds EL Rurxer: Ansprache von Lauz: Antrittsrede . . . ZSCPBRe 120 Mellele en, JER KREMER a EEE Praxer: Erwiderung an Hrn. von ke RT a NE En NT a a a re WIECKEN: anne she Lüpers: Erwiderung an Hrn. Wiesen . Be f DRAGENDORFF: . Gedächtnisrede auf Hrn. Daxssei. 1 RAR N Ren Mürver, G.: Gedächtnisrede auf Hrn. Srruve Srumer: Gedächtnisrede auf Hrn. Erpmann . 3 Fick: Gedächtnisrede auf Hrn. v. Warpever-Harwrz Rorrne: Gedächtnisrede auf Hrn. Mowr . . Preisaufgabe aus dem Corneniusschen Legat . ÜHBARLOTTEN-Stiftung ‘fürı Philolomesr 1... ee ee a re re Stipendium der Enwarn-Gernarn-Stiftung . . . ©. ; Preis der Graf-Lovsar-Stiftung Stiftung zur Förderung der Ki und veligionsgeschichtlichen Sein im Raten ‚der u Ic = J TI Tel co TZLT. Asa Sespsesps SITZUNGSBERICHTE DER PREUSSISCHEN | AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN ecdHeschte #] Gesamtsitzung am 6. Januar. (5.1) Adresse an Hrn. Hıryass Diets zum fünfzigjährigen Doktorjubiläum aim 22. Dezember 1920. (S. 4) Adresse au Hın.. VArnosı. av vos Jacıc zum fünfzig jährigen Doktorjahiliitum am 6. Januar 1921. (S.6) Repess © Gittermessungen un laygwelligen Spektrun. (Mitteilung aus der Sitzung der phys.-math. Klasse vom 21. Oktober 1920.) - (5. 8) [ru PSpscH Talerel =I- Eschr: MIT DEM. VERZEICHNIS DER MITGLIEDER DER AKADEMIE AM LIANUAR 1921 l ==L-r2l-r2lerzl: N ot onen SL ! WER f 1 {1 ENT a RT n| En Si . In Kr, fi rg SONAN DE BEREIN 1924 VERLAG DER ANADEMIE DER WISSENSCHAFTEN 4 w IN KOMMISSION BEI DER vu SUNG 'WISSENSCHAFTLICHER VERLEGER WALTER DE GRUYTER U, CO. NER IAES N 3. GÖSCHEN'SCHE VERLAGSHANDLUNG. J. GUTTENTAG, VERLAGSBUCHHANDLUNG j GEORG REIMER. KARLJ. TRÜBNER. VFIT U. CONMP. BE s f F n j x I ve gli ‚Fate de igticde den. Mae Sn FR m? bei Mitgliedern 32,. berichte, in den Abhandlungen 12 Druckbogen N gen nieht übersteigen. En Sbersehreitung dieser (Grenzen ist nur nit Fear "Gesamtakadenie oder ‚der "betreficnden Klasse. statt- und. ist bei- Vorlage der Mittejlung, ausdeü ieklieh zu ahtragen. Läßt der Umfang eines Manuskoipts wer- IR Aa diese Zustimmung RUN, sein ‚werde, Nat digen Bene auf.seinen mafmäßlichen Konlang euch abschätzen zu Jassen. y Ne Sa. Or getrennten Blättern, einzureichen. Die Kosten der Herstellung, der Vorlagen. haben ig Regel die, Verfasser zu tragen, kann die % Nkademie dazu eine Bewilligun beschließen. Bi möltenden V Örlagen mit dam sehrittlichen Kostenanschlage "eines Saehverstindigen an den Vorsitzenden Sekretar’Zu "richten, dann zunäe hst yyeiter in der: Gesamtakademie ran sorlandeln. . x 2 Die Kösten der Vervtie zung übernitfinit die Aka- in. Über die ist? -— wenn .cs sich Hieht, har wenige einfäche Textfigiiren händels — «ler Kostenansehlag Gars Sach verständigen z "Beizufüigen. Überschreitet. dieser Anschlag. für die 'er- “Torderliehe Auflage bei .den Sitzungsberientan 150 Mack, Re) den "Abhandlungen 300 Mark, so Ast Vorberatung & Aurch das, Sckretariot geboten. % B> H "Nach. der, Vorlegung und Einreichung. des "> vollständigen. druekfertizgen Manuskripts am den Zuständigen Sckretar oder an len-Arohivar „wird über Aufnahme der Mitteilung. in die akademischen Schriften, und zwar; wenn eines «ler a Mit- ‚glieder ‘cs verlangt, verdeckt: abgestimmt. Mitteilungen von Verfassern, welche nieht Mitglieder der: Akademie’ sind, sollen der Regel nach‘ mır in die Sitzungsberichte aufgenommen Averden, Beschließt eine - Klasse die Aufnahme‘ler Mitteilung eines Nichtmitgliedes in die Abhandlungen, so beiart- dieser Beschluß” der Bestätigung durch die (Gesamtakademie. Aus $ 5; : Niebumitgliedern 16 Seiten in/dor gewöhnliehen Schrift je, 8 Seiten in.der gewöhn)iehen’ Sehritt.der Abhand- ; men usw.) gleie ae hit dem: Manuskkipt, jedoch Sind diese Kosten aber. auf einen ‚erheblichen Betrag zu verausehlagen, so: Soloskiriat‘ vorzuberaten und‘ BR N ar Höhe Afeser Nösten & darauf voriohiteten Antrag ist. vor «der HersteHung derbe- zyE | A LTGDE PER ‚(Portsetzung aufs. 3 des Umschlags;) „wissenschaftlichen Mitteilmngen Druck 4 Seiten übersteigt, auch für den Buch “gegeben werden. - für den Buchliandel hergestellt, indes nur dann, “erhält ein Verfasser, welcher Mitglied der ‚Ak i Abdrucke zur Y Sn. 3 zu 'erhalten; "50. edert remder.b ey sterenden Sökretars var und die Verfasser sind ztır rageuı verpäichtee SER 28 Aus 8 8 Ara allen in die Sitzungsberichte oder aufgenominenen wissenschaftlichen : Mitteflung Adressen oder Berichten. werden für die abdrucke hergestellt, die Se nach. Ers: YonGedächttisreden NEE Aion Sondär Verlasser sich Segrheklich damit einv ers Von-den Senderabarıckin alıs dem N zu unentgeltlicher. Verteilung olme, weitere exeniplare; er) ist. indes berechtigt, zu ‘gleiche auf Kosten der Akademie weitere Exemplare bis zur von noeh 100. und.anf seine Kosten noch zur Zahl von.200 im ganzen also 350) .abzi sofern er (dies reehtzeitig ‚dem redigierenden Se gezeigt hat; wiinseht er auf seing, Kosten und ahileh nich. we Ale f ei len Seht tar- weitere A Ane auf gen hält ein Nora weleher ae he Arsen zu unentgeltlicher Verteilung ohne‘ weiteres 30 pe exermplare; er ist indes "berechtigt, zu gleichem Zwee auf Koöstin der Akademie weitere Exemplare bjs zur von. öch 00) nnd. auf seine Kosten noch ter zur Zahl voii RM dm RE also 230) abziehen solern er .Hi-i8 r gezeigt hatz \wing \ Abdrnoke, zu REN der Genetunigung Ankos y Na den Klasse: - - Nichimitglienswie! und ‚dürfen nach, re rechte! gierenden Sekretasw een. 200 a abziehen‘ agen- in u, aufibre denuichien Sehr Mitteilung darf en any Einek Mr. Ye Mu stimmte wissensthnttliche keinem Falte vor ihrer Stelle anderweitig, Bi es VERZEICHNIS DER MITGLIEDER DER AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN AM 1. JANUAR 1921 l. BESTÄNDIGE SEKRETARE Gewählt von der Eirsfoeiken . . . 20%... phil.-hist. Klasse Rune 2.0... ..x.. phys.-math. Ekubnema 2 er... phys.-math. ;- enden ne 2a. phil.Shist.n = 2. ORDENTLICHE MITGLIEDER Plıysikalisel-mathematische ‘Klasse aD ee ze Philosophiseh-historische Klasse Hr. Hermann Diels Hr. Wilhelm von Waldeyer-Hartz - Franz Eilhard Schulze SE te - Otto Hirschfeld - Eduard Sachau - Adolf Engler . LEE RS NIE N: er - Adolf von Harnack - Hermann Amandus Schwarz . - Oskar Hertwig - Max Planck . eh a RS - Carl Stumpf . - Adolf Erman Emil Warburg TECK MR. er TE - Ulrich von Wilamowitz- Moellendorff . - Heinrich Müller- Breslau FR RR: - ‚Konrad Burdach . - Friedrich Schottky BL NONE SR - Gustav KRoethe . - Dietrich Schäfer - Eduard Meyer . - Wilhelm Schulze Datum der Bestätigung 1911 1912 1919 1920 Aug. Juni Mai Aug. 29 19 10 10. Datum der Bestätigung m [1 1881 1884 1884 1885 1887 1890 1890 1892 1893 1894 1895 1895 1895 1899 1901 1902 1903 1903 1903 1903 1903 1 Aug. Febr. Juni März Jan. Jan. Febr. Dez. April Juni Febr. Febr. Aug. Aug. Jan. Maı Jan. Jan. Aug. Aug. Nov. 15 18 2l 9 24 29 10 19 17 11 18 18 13 1I Physikalisch-mathematische Klasse Philosophisch-historische Klasse Datum der Bestätigung re nn nn. en nn nn, aaa I N Hr. Alois Brand . . . .„. . 1904 April 3 Hr: Hermann. Zimmermann. -. in ne. euren ee 100 Anre ee =>. Walter: Nernst: 2: 2. We nenn 251005 Nov ee Max Rubner zul an. Aa Mes A N N O0) HANNES urJohannes- Ortii. 2 ln ae le Ra SR en OD Zee, EAlbrecht »Penck:2\:: es 2:2 a re RE Ne DEZE - Friedrich Müller . . . . 1906 Dez. 24 =). Heinssch "Rubens 2" Sea Da BEA a ee RAN RaTeES 1. hebdör., Laebiseh sa En se DE - Eduard Seler .. . .... 1908 Aug. 24 - Heinrich Lüderss . . . . 1909 Aug. 5 = ‚Heinrich‘ Morf . .. . . 1I10/DEZE ir Gottlieb Haberlandt. =... 0.0.2 Rule LO RTe - Benno Erdmann . . . . 1911 Juli 25 =# Gustav Hellmann War. 0 Re le OD EZ elEmal: Sechel. =. Bm. TE we OT ORane - Johann Jakob Maria de Groot 1912 Jan.. 4 - Eduard Nordn . . . . 1912 Juni 14 ‘- Karl Schuchhard . . . . 1912 Juli 9 Emst Beckmann: A ar N TODE =, „Albert-HBanstein: 2%. men ee OBEN oe =, "Otto, Hintzen . ..-. 2 “1914 Kebrr 16 =) Man Sering.s 2 22 21914 Marze - Adolf Goldschmidt . . . 1914 März 2 = „Britz Haber ©: VNA eye LOS EDezEElIG - karl Holle, Naar o Dane - Eviedrich Meinecke . . . 1915 Febr. 15 2 1.Karl-Üoryens'. »... 20 an Se N Bea NT Anz - Hans Dragendsf . . . 1916 April 3 = Paul el OB Marz -.. Ulrich Sitz 2 re EN ENTE März - Ernst Heymann . . . . 1918 März 4 - Michael Tan. . . . . 1918 März 4 - Karl Heider . ee EN Be ee ee] OL AT | - \. Erhard Schmidt): 0... Samen a. 1. eG SErAG re] 4. \.Gustao Müller. a 8. 2» Rudolf ‚Pick % 35 wa. 2 WR ee Be TB 1 Willy‘ Kükenthal en ." . un... 2 Ve Re ey an Josefı Pompeckg. Sa = I Wi... ee) 6 ne. Se 2 EEE Max won. Laue se. ee CN 12 vn 2 BE 92T) Anz (Die Adressen der Mitglieder s. S. XII.) 3. AUSWÄRTIGE MITGLIEDER Philosophisch-historisehe Klasse Theodor Nöldeke in Straß- burg er - Vatroslav von Jagid in Wien Kabbadias in Physikalisch-mathematische Klasse Hr. Panagiotis Athen : Ä - Hugo Schuchardt in Er F Er: Wellelm Conrad Röntgen": an... 5 4. EHRENMITGLIEDER Hr. Max Lehmann in Göttingen Se Van Denz in Hamburg, ra nee - Wilhelm Branca in München Llugo Graf von und zu Lerchenfeld in En na Hr. Richard Schöne in Berlin i Br - Konrad von Studt in Berlin - Andreas Heusler in Basel k Bernhard Fürst von Bülow in Klein- Floftbek bei ehrt & Hr. Heinrich Wölfflin in München SR - August von Trott zu Solz in Kassel . - Rudolf von Valentini in Hameln Friedrich Schmidt in Berlin Richard Willstätter in München Konstantin Carathlodory in Athen. II Datum der Bestätigung EEE EEE 1900 März 5 1908 Sept. 25 1908 Sept. 1912 Sept. 1920 Dez. Datum der Bestätigung —— 1887 Jan. 24 1896 Dez. 14 1899 Dez. 18 1900 März 5 1900 März 5 1900 März 17 1907 Aug. 8 1910 Jan.. 31 1910 Dez. 14 1914 März 2 1914 März 2 1914 März 2 1914 Dez. 16 1919 Febr. 10 5. KORRESPONDIERENDE MITGLIEDER Or Klasse zäh Frhr. Auer von Welsbach auf Schloß Welsbach en) . Friedrich Becke in Wien - ” Alfred Bergeat in Königsberg . - Oskar Brefeld in Berlin . - Hugo Bücking in Heidelberg - Giacomo Ciamician in Bologna - Theodor Curtius in Heidelberg 4 - William Morris Davis in Cambridge, Masa: - Peter Debye in Zürich Ey! - Viktor Ebner Ritter von Rofenstein in Asa - Ernst Ehlers in Göttingen . - Karl Engler in Karlsruhe / Sir Archibald Geikie in Haslemere, Surrey . Hr. Karl von Goebel in München . - Alexander Goette in Heidelberg - Camillo Golgi in Pavia '- Karl Graebe in Frankfurt a. M. - Ludwig von Graf in Graz Julius Edler von Hann in Wien Hr. Sven Hedin in Stockholm - Viktor Hensen in Kiel . i - Richard von Hertwig in München - David Hilbert in Göttingen . f : - Hugo Hildebrand Hildebrandsson in To - Emanuel Kayser in München ne Felix Klein in Göttingen s - Leo Koenigsberger in Heidelberg . - Wilhelm Körner in Mailand . - Eugen Korschelt in Marburg - Friedrich Küstner in Bonn . - Philipp Lenard in Heidelberg . - Karl von Linde in München - Gabriel Lippmann in Paris . - Hendrik Antoon Lorentz in Haarlem . - Felix Marchand in Leipzig . - Franz Mertens in Wien . - Hans Horst Meyer in Wien . Alfred Gabriel Nathorst in Stockholu Karl Neumann in Leipzig Max Noether in Erlangen Datum der Wahl m [m 1913 Mai 9. 22 1920 Dez. 9 1920 Dez. 9 1899 Jan. 19 1920 Jan. 8 1909 Okt. 28 1919 Juni 26 1910 Juli 28 1920 März 11 1920 Juli 15 lS9T lan 21 1919 Juni 26 1889 Febr. 21 1913 Jan. 16 1920 Dez. 1911 Dez. 21 1907 Juni 13 1900 Febr. 8 1889 Febr. 21 1918 Nov. 28 1898 Febr. 24 1898 April 28 1913 Juli 10 1917 Mai 3 1917 Juli 19 1913 Juli 10 1893 Mai 1909 Wan az 1920 Dez. 9 1910 Okt. 27 1909 Jan. 21 1916 Juli 6 1900 Febr. 22 1905 Mai 4 1910 Juli 28 1900 Febr. 22 1920 Okt. 28 1900 Febr. 8 1893 Mai 4 1896 Jan. 30 Hr. Physikalisch-mathematische Klasse Wilhelım Ostwald in Groß-Bothen, Sachsen Wilhelm Pfeffer in Leipzig Georg Quincke in Heidelberg Ludwig Radlkofer in München N Theodore William Richards in Cambridge, Mass Wilhelm Roux in Halle a. S. Georg Ossian Sars in Christiania . Oswald Schmiedeberg in Baden-Baden Otto Schott in Jena KERLE DE} Hugo von Seeliger in München Ernest Solvay in Brüssel Arnold Sommerfeld in München Johann Wilhelm Spengel in Gießen Gustav Tammann in Göttingen Sir Joseph John T’'homson in Cambridge . . Gustav Edler von Tschermak in Wien . Hugo de Vries in Lunteren . Johannes Diderik van der Waals in re Otto Wallach in Göttingen Eugenius Warming in Kopenhagen Emil Wiechert ın Göttingen . Wilhelm Wien in München k Edmund B. Wilson in New York Philosophisch-historische Kiasse . Karl von Amira in München Klemens Baeumker in München Will; Bang-Kaup in Berlin. Friedrich von Bezold in Bonn . ‚Joseph Bidez in Gent Franz Boas in New York ‚James Henry Breasted in Chicago Harry Breßlau in Heidelberg . Rene Üagnat in Paris. Arthur Chuguet in he (Seine) : Franz Cumont in Rom EI, (ieory Dehio in Tübingen Louis Duchesne in Rom . Franz Ehrle in Rom . Paul Foucart in Paris : James George Frazer in ee , . Wilhelm Fröhner in Paris Percy Gardner in Oxford Ignaz Goldziher in Budapest Datum der Wahl 1905 Jan. 12 1889 Dez. 19 1879 März 13 1900 Febr. 8 1909 Okt. 28 1916 Dez. 14 1898 Febr. 24 1910 Juli 28 1916 Juli 6 1906 Jan. 11 1913 Mai 22 1920 März 11 1900 Jan. 18 1919 Juni 26 1910 Juli 28 1831 März 3 1913 Jan. 16 1900 Febr. 22 1907 Juni 13 1899 Jan. 19 1912 Febr. 8 1910 Juli 14 1913 Febr. 20 1900 Jan. 18 1915 Juli 8 1919 Febr. 13 1907 ‚Febr. 14 al 1920 Juli 15 1907 Juni 13 19127 Maı23 1904 Nov. 3 1907 Febr. 14 1919 Aprıla27 1920 Okt. 28 1893 Juli 20 1913 Juli 24 1884 Juli 17 1911 April 27 1910 Juni 23 1908 Okt. 29 1910 Dez. 8 Vvı Philosophisch-historische Klasse -. Francis Llewellyn Grifith in Oxford . Ignazio Gwdi in Rom Georgios N. Hatzidakis in Bien Bernard Haussoullier in Paris . ‚Johan Ludvig Heiberg in nn Antoine Heron de Villefosse in Paris . Gerardus Heymans in Groningen . Harald Hjärne in Uppsala Maurice Holleaux in Versailles . Christian Hülsen in Heidelberg Hermann Jacobi in Bonn Adolf ‚Jülicher in Marburg . En " Frederie George Kenyon in London . . Georg Friedrich Knapp in Saallurs Axel Kock in Lund Karl von Kraus in München Basil Latyschew in St. Petersburg Friedrich Loofs in Halle a. S.. Giacomo Lumbroso in Rom. Arnold Luschin von Ebengreuth in Graz ‚John Pentland Mahafy in Dublin . Wilhelm Meyer- Lübke in Bonn . Ludwig Mitteis in Leipzig Georg Elias Müller in Göttingen . Karl von Müller in Tübingen . Samuel Muller Frederikzoon in Utrecht . Franz Praetorius in Breslau Pio Rajna in Florenz . Moriz Ritter in Bonn. Karl Robert in Hallea.S. . Michael Rostowzew in St. Petersburg Edward Schröder in Göttingen Eduard Schwartz in München . Kurt Sethe in Göttingen . Bernhard Seuffert in Graz Eduard Sievers in Leipzig Sir Edward Maunde Thompson in erden Hr. Vilhelm Thomsen in Kopenhagen . Ernst Troeltsch in Berlin Paul Vinogradof in Oxford . Girolanfo Vitelli in Florenz . ‚Jakob Wackernagel in Basel . Adolf Wilhelm in Wien Wilhelm Wundt in Leipzig Datum der Wahl m 1900 Jan. 18 1904 Dez. 15 1900 Jan. 18 1907 Mai 2 1896 März 12 1893 Febr. 2 1920 Juli 15 1909 Febr. 25 1909 Febr. 25 1907 Mai 2 1911 Febr. 9 1906 Nov. 1 1900 Jan. 18 1893 Dez. 14 1917 Juli 19 1917 Juli 19 189] Juni 4 1904 Nov. 3 1874 Nov. 12 1904 Juli 21 1900 Jan. 18 1905 Juli 6 1905 Febr. 16 1914 Febr. 19 1917 Eebr. 1 1914 Juli 23 1910 Dez. 8 1909 März 11 1907 Febr. 14 1907 Mai 2 1914 Juni 18 1912 Jul 1907 Mai 2 1920 Juli 15 1914 Juni 18 1900 Jan. 18 1895 Mai 2 1900 Jan. 18 1912 Nov. 21 1911 Juni 22 1897 Juli 15 1911 Jan. 19 1911 April : 1900 Jan. INHABER DER BRADLEY-MEDAILLE Hr. Friedrich Küstner in Bonn (1918) INHABER DER HELMHOLTZ-MEDAILLE Hr. Santiago Ramon Coyal in Madrid (1905) - Max Planck in Berlin (1915) - Richard von Hertwig in München (1917) - Wilhelm Conrad Röntgen in München (1919) INHABER DER LEIBNIZ-MEDAILLE a. Der Medaille in Gold Hr. James Simon in Berlin (1907) - Ernest Solvay in Brüssel (1909) - Henry T. von Böttinger in Elberfeld (1909) ‚Joseph Florimond Duc de Loubat in Paris (1910) Hr. Hans Meyer in Leipzig (1911) Frl. Elise Koenigs in Berlin (1912) Hr. Georg Schweinfurth in Berlin (1913) - Otto von Schjerning in Berlin (1916) - Leopold Koppel in Berlin (1917) - Rudolf Havenstein in Berlin (1918) - Heinrich Schnee in Berlin (1919) b. Der Medaille in Silber Hr. Karl Alexander von Martius in Berlin (1907) - Adolf Friedrich Lindemann in Sidmouth, England (1907) - Johannes Bolte in Berlin (1910) - Albert von Le Cogq in Berlin (1910) - Johannes Ilberg in Leipzig (1910) - Max Wellmann in Potsdam (1910) - Robert Koldewey in Babylon (1910) -: Gerhard Hessenberg in Breslau (1910) - Werner Janensch in Berlin (1911) - Hans Osten in Leipzig (1911) - Robert Davidsohn in München (1912) - N.de Garis Davies mn Kairo (1912) - Edwin Hennig in Tübingen (1912) - Hugo Rabe in Hannover (1912) - Josef Emanuel Hibsch in Tetschen (1913) - Karl Richter in Berlin (1913) - Hans Witte‘ in Neustrelitz (1913): - Georg Wolff in Frankfurt a. M. (1913) - Walter Andrae in Assur (1914) - Erwin, Schramm in Dresden (1914) NEL Hr. Richard Irvine Best in Dublin (1914) AUS - Otto Baschin in Berlin (1915) - Albert Fleck in Berlin '(1915) - „Julius Hirschbery in. Berlin (1915) } - ITıgo Magnus in Berlin (1915) £ - E. Debes in Leipzig (1919) - €. Dorno in Davos (1919) - „Johannes Kirchner in Berlin (1919) - Edmund von Lippmann in Halle a. S. (1919) Freiherr von Schrötter in Berlin (1919) Hr, Otto Wolf in Berlin (1919) BEAMTE DER AKADEMIE Bibliothekar und Archivar der Akademie: Dr. Sthamer, Prof. Archivar und Bibliothekar der Deutschen Kommission: Dr. Behrend, Pr T Wissenschaftliche Beamte: Dr. Dessau, Prof. — Dr. Harms, Prof. — Dr. Karl Schmidt, Prof. — Dr. Frhr. Hiller von Gaertringen, Prof. — Dr. Ritter, Prof. — Dr. Apstein, Prof. — Dr. Paetsch, Prof. — Dr. Kullgatz, Prof. VERZEICHNIS DER KOMMISSIONEN, STIFTUNGS-KURATORIEN USW. Kommissionen für wissenschaftliche Unternehmungen der Akademie. Acta Borussiea. Hintze (geschäftsführendes Mitglied). Meinecke. Kehr. Ägyptologische Kommission. Erman. E. Meyer. W. Schulze. Sethe (Göttingen). Außerakad. Mitglieder: Junker (Wien). H. Schäfer (Berlin). Spiegel- berg (Straßburg). Corpus inseriptionum Etruscarum. Hirschfeld. W. Schulze. Corpus inseriptionum Latinarum und Griechische Münzwerke. Hirschfeld (Vorsitzender, leitet die epigraphischen Arbeiten). Dragen- dorff (leitet die numismatischen Arbeiten). von Wilamowitz- Moellendorff. Norden. Corpus medieorum Graecorum. Diel, Sachau. von Wilamowitz-Moellendorff. Deutsche Geschichtsquellen des 19. Jahrhunderts. Meinecke. Roethe. Schäfer. Hintze. Sering. Holl. Kehr. Deutsche Kommission. Roethe (geschäftsführerides Mitglied). Diels. Burdach. W. Schulze. Morf. Hintze. Kehr. Schröder (Göttingen). Seuffert (Graz). Dilthey-Kommission. Erdmann (geschäftsführendes Mitglied). Stumpf. Burdach. Roethe. Seckel. Geschichte des Fixsternhimmels. G. Müller (geschäftsführendes Mitglied). Außerakad. Mitglied: Cohn (Berlin). Politische Korrespondenz Friedrichs des Großen. Hintze (geschäftsführendes Mitglied). Meinecke. Kehr. Fronto-Ausgabe. Hirschfeld. Norden. Herausgabe der Werke Wilhelm von Humboldts. Burdach (geschäftsführendes Mitglied). von Wilamowitz-Moellendorff. Meinecke. Herausgabe des Ibn Saad. Sachau (geschäftsführendes Mitglied. Erman. W. Schulze. F. W. K. Müller. Inseriptiones Graecae. von Wilamowitz-Moellendorff (Vorsitzender). Diels. Hirschfeld. W. Schulze. Kant-Ausgabe. Erdmann (Vorsitzender). Stumpf. Roethe. Meinecke. Außerakad. Mitglied: Menzer (Halle). Ausgabe der griechischen Kirehenväter. von Harnack (geschäftsführendes Mitglied). Diels. Hirschfeld. von Wi- lamowitz-Moellendorff. Holl. Loofs (Halle). Jülicher (Marburg). Außerakad. Mitglied: Seeck (Münster), für die Prosopographia imperii Romani saec. IV— VI. Leibniz-Ausgabe. Erdmann (geschäftsführendes Mitglied). Planck. von Harnack. Stumpf. Roethe. Morf. Kehr. Erh. Schmidt. Nomenelator animalium generum et subgenerum. Kükenthal (geschäftsführendes Mitglied). von Waldeyer-Hartz. Heider. Orientalische Kommission. E. Meyer (geschäftsführendes Mitglied). Sachau. Erman. W. Schulze. F.W. K. Müller. Lüders. Außerakad. Mitglied: Delitzsch (Berlin). „Pflanzenreich“. Engler (geschäftsführendes Mitglied). von Waldeyer-Hartz. Üorrens. Prosopographia imperii Romani saec. I—II. Hirschfeld. Strabo-Ausgabe. von Wilamowitz-Moellendorff. E.. Meyer. „Tierreich“, Kükenthal (geschäftsführendes Mitglied). von Waldeyer-Hartz. Heider. Herausgabe der Werke von Weierstraß. Planck (geschäftsführendes Mitglied). Schwarz. Wörterbuch der deutschen Rechtssprache. Roethe (geschäftsführendes Mitglied). Stutz. Heymann. Außerakad. Mitglieder: Frensdorff (Göttingen). von Gierke (Berlin). Huber (Bern). Frhr. von Künßberg (Heidelberg). Frhr. von Schwerin (Straßburg). Frhr. von Schwind (Wien). Wissenschaftliche . Unternehmungen, die mit der Akademie in Verbindung stehen. Corpus seriptorum de musica. Vertreter in der (reneral-Kommission: Stumpf. Luther-Ausgabe. Vertreter in der Kommission: von Harnack. Burdach. Monumenta Germaniae historica. Von der Akademie gewählte Mitglieder der Zentral-Direktion: Schäfer. Hintze. Thesaurus der japanischen Sprache, Sachau. W. Schulze. F.W.K. Müller. xI Sammlung deutscher Volkslieder. Vertreter in der Kommission: Roethe. Wörterbuch der ägyptischen Sprache. Vertreter in der Kommission: Erman. Reichszentralstelle der naturwissenschaftlichen Berichterstattung. Planek (Vorsitzender. Erh. Schmidt. Rubens. Haber. Liebisch. Hellmann. G. Müller. Biographisches Jahrbuch und deutscher Nekrolog. Roethe. Hellmann. Haberlandt. Meinecke. Kehr. Holl. Heymann. Bei der Akademie errichtete Stiftungen. Bopp-Stiftung. Vorberatende Kommission (1918 Okt.--1922 Okt.). W. Schulze (Vorsitzender). Lüders (Stellvertreter des Vorsitzenden). (Schriftführer). Roethe. Brandl. Außerakad. Mitglied: Brückner (Berlin). Charlotten-Stiftung für Philologie. Kommission. Diels. Hirschfeld. von Wilamowitz-Moellendorff. W. Schulze. Norden. Eduard-Gerhard-Stiftung. Kommission. Dragendorff (Vorsitzender). Hirschfeld. von Wilamowitz-Moellendorff. E. Meyer. Schuchhardt. Humboldt-Stiftung. Kuratorium (1921 Jan. 1— 1924 Dez. 31). Rubner (Vorsitzender). Hellmann. Außerakad. Mitglieder: Der vorgeordnete Minister. Der Oberbürger- meister von Berlin. P. von Mendelssohn-Bartholdy. Akademische Jubiläumsstiftung der Stadt Berlin. Kuratorium (1921 Jan. 1—1924 Dez. 31). Planck (Vorsitzender). von Waldeyer-Hartz (Stellvertreter des Vor- sitzenden). Diels. Hintze. Außerakad. Mitglied: Der Oberbürgermeister von Berlin. >q u‘ x Xn Stiftung zur Förderung der kirchen- und religionsgeschichtlichen Studien im Rahmen der römischen Kaiserzeit (saee. I—-V]). Kuratorium (1913 Nov.—1923 Nov.). von Harnack (Vorsitzender). Außerdem als Vertreter der theologischen Fakultäten der Universitäten Berlin: Holl, Gießen: Krüger, Marburg: Jülicher. Graf-Loubat-Stiftung. Kommission (1918 Febr.—14Y23 Febr.). Sachau. Seler. Albert-Samson-Stiftung. Kuratorium (1917 April 1—1922 März 31). Correns (Vorsitzender). Planck (Stellvertreter des Vorsitzenden). Rubner. Orth. Penck. Stumpf. Stiftung zur Förderung der Sinologie. Kuratorium (10917 Febr. — 1927 Febr.). de Groot (Vorsitzender). F.W.K. Müller. Lüders. Hermann-und-Elise-geb.-Heckmann-Wentzel-Stiftung. Kuratorium (1920 April 1—1925 März 31). Roethe (Vorsitzender). Planck (Stellvertreter des Vorsitzenden). Erman (Sehriftführer). ‘Nernst. Haberlandt. von Harnack. Stutz. Heymann. Außerakad. Mitglied: Der vorgeordnete Minister. Max-Henoch-Stiftung. Kuratorium (1920 Dez. 1I—1425 Nov. 30). Planck (Vorsitzender). Schwarz. Schottky. Erh. Schmidt. Rubens. Paul-Rieß-Stiftung. Kuratorium (1920 Jan. 1—-1925 Dez. 31). Planck. Beckmann. Rubens. Emil-Fischer-Stiftung. Kuratorium (1920 Nov. 1—1925 Okt. 31). Beckmann (Vorsitzender). Nernst. Haber. xulI WOHNUNGEN DER ORDENTLICHEN MITGLIEDER UND DER BEAMTEN Hr.-Dr. Beckmann, Prof., Geh. Regierungsrat, Dahlem (Post: Lichterfelde 3), Thielallee 67. (F.: Steglitz. 13 82.) - = Brandl, Prof., Geh. Regierungsrat, W 10, Kaiserin-Augusta-Str. 73. (F.: Lützow 29 88.) - Burdach, Prof., Geh. Regierungsrat, Grunewald, Schleinitzstr. 6. - - Correns, Prof., Geh. Regierungsrat, Dahlem (Post: Lichterfelde 3), Boltzmannstr. (F.: Steglitz 14 58.) - = Diels, Prof., Geh. Oberregierungsrat, Dahlem, Am Erlenbusch 6. (E.: Steglitz 21 96.) - = Dragendorff, Prof., Lichterfelde 1, Holbeinstr. 14. (E.: Lichterfelde 36 20.) - = Einstein, Prof.. W 30, Haberlandstr. 5. (F.: Nollendorf 28 07.) RE Engler, Prof., Geh. Oberregierungsrat, Dahlem (Post: Steglitz), Alten- steinstr. 2. (F.: Steglitz 873.) - - Erdmann, Prof., Geh. Regierungsrat, Lichterfelde 1, Marienstr. 6. (F.: Lichterfelde 951.) - - Eriman, Prof., Geh. Regierungsrat, Dahlem (Post: Steglitz), Peter- Lenne-Str. 36. (F.: Steglitz 305.) - Fick, Prof., Geh. Medizinalrat, NW 23, Brückenallee 3. - Goldschmidt, Prof., Geh. Regierungsrat, Charlottenburg 4, Bismarckstr. 72. (F.: Wilhelm 51 28.) - de Groot, Prof., Geh. Regierungsrat, Lichterfelde 3, Dahlemer Str. 69. - Haber, Prof., Geh. Regierungsrat, Dahlem (Post Lichterfelde 3), Faradayweg 8. (F.: Steglitz 14 02.) - Haberlandt, Prof., Geh. Regierungsrat, Dahlem (Post: Steglitz), Königin- Luise-Str. 1. (F.: Steglitz 1253.) - von Harnack, Prof., Wirkl. Geh. Rat, Grunewald, Kunz-Buntschulh-Str. 2. (F.: Pfalzburg 46 69.) - Heider, Prof. Geh. Regierungsrat, W 15, Schaperstr. 15 II. (F.: Pfalzburg 54 27.) - Hellmaun, Prof., Geh. Regierungsrat, W 35, Schöneberger Ufer 48. (F.: Lützow 93 54.) 2 - Hertwig, Prof., Geh. Medizinalrat, Grunewald, Wangenheimstr. 28. (F.: Pfalzburg 62 41.) - Heymann, Prof., Geh. Justizrat, Charlottenburg-Westend, Kaiser- damm 44. (F.: Wilhelm 27 96.) - Hlintze, Prof., Geh. Regierungsrat, W 15, Kurfürstendamm 44. (E.: Steinplatz 34 04.) - - Hirschfeld, Prof., Geh. Regierungsrat, Charlottenburg 2, Mommsenstr. 6. (F.: Steinplatz 11951.) - © - Hol, Prof., Geh. Konsistorialrat, Charlottenburg 4, Mommsenstr. 13. (F.: Steinplatz 25 14.) XIV Hr. Dr. Kehr, Prof., Geh. Oberregierungsrat, Dahlem, Archivstr. 3. (F.: Steglitz 648.) - - Kükenthal, Prof., Geh. Regierungsrat, Schlachtensee, Friedrich-Wilhelm- Str. 25. (F.: ‘Zehlendorf 624.) - von Laue, Prof., Zehlendorf, Albertinenstr. 13. (F,: Zehlendorf 16 88.) - Liebisch, Prof., eh. Bergrat, NW 87, Wikingerufer 1. (F.: Norden 8936.) = - Lüders, Prof;, Geh. Regierungsrat, Charlottenburg 4, Sybelstr. 19. (F.: Steinplatz 65 76.) - - Meinecke, Prof., Geh. Regierungsrat, Dahlem (Post: Steglitz), Am Hirschsprung 13. (F.: Zehlendorf 13 23.) - - Meyer, Eduard, Prof., Geh.Regierungsrat, Lichterfelde 3, Mommsenstr.7/S. (F.: Lichterfelde 31 70.) - Morf, Prof., Geh. Regierungsrat, Halensee, Kurfürstendamm 100. (F.: Pfalzburg 38 97.) - - Müller, Friedrich W. K., Prof., Zehlendorf, Berliner Str. 14. (F.: Zehlendorf 198.) - - Müller, Gustav, Prof., Geh. Regierungsrat, Potsdam, Astrophystka- lisches Observatorium. (F.: Potsdam 367.) - - Müller-Breslau, Prof., Geh. Regierungsrat, Grunewald, Kurmärkerstr. S. (F.: Pfalzburg 96 69.) - Nernst, Prof., Geh. Regierungsrat, W 35, Am Karlsbad 26a. (F.: Lützow 26 53.) - = Norden, Prof., Geh. Regierungsrat, Lichterfelde 3, Karlstr. 26. (F.: Lichterfelde 35 38.) - = Orth, Prof., Geh. Medizinalrat, Grunewald, Humboldtstr. 16. (F.: Pfalzburg 56 21.) - = Penck, Prof., Geh. Regierungsrat, W 15, Knesebeckstr. 48/49. (F.: Steinplatz 74 08.) - = Planck, Prof., Geh. Regierungsrat, Grunewald, Wangenheimstr. 21. (F.: Pfalzburg 50 66.) - = Pompeckj, Prof., Geh. Bergrat, Schmargendorf, Auguste-Viktoria-Str. 64. - = Roethe, Prof., Geh. Regierungsrat, Charlottenburg-Westend. Ahorn- allee 39. (E.: Westend 556.) - = Rubens, Prof., Geh. Regierungsrat, NW 7, Neue Wilhelmstr. 16. (E.: Zentrum 7921.) - = Rubner, Prof., Geh. Obermedizinalrat, W 50, Kurfürstendamm 241. (F.: Steinplatz 3279.) - - Sachau, Prof., Geh. Oberregierungsrat, W 62, Wormser Str. 12. (F.: Lützow 55 84.) - Schäfer, Prof., Großherzog]. Badischer Geh. Rat, Steglitz, Friedrichstr. 7. (F.: Steglitz 28 55.) - Schmidt, Erhard, Prof., NW 23, Altonaer Str. 30. (F.: Moabit 61 88.) - - Schottky, Prof., Geh. Regierungsrat, Steglitz, Fichtestr. 128 (F.: Steglitz 23 60.) © = Schuchhardt, Prof., Geh. Regierungsrat, Lichterfelde 1, Teltower Str. 139. (F.: Lichterfelde 37 25.) xV N . Schulze, Franz Eilhard, Prof., Geh. Regierungsrat, Lichterfelde 3, Steg- litzer Str. 40/41. Schulze, Wilhelm, Prof.,Geh.Regierungsrat, W 10, Kaiserin-Augusta-Str.72. Schwarz, Prof., Geh. Regierungsrat, Grunewald, Humboldtstr. 33. Seckel, Prof., Geh. Justizrat, Charlottenburg 5, Witzlebenplatz 3. (F.: Wilhelm 34 46.) Seler, Prof., Geh. Regierungsrat, Steglitz, Kaiser-Wilhelm-Str. 3. Sering, Prof., Geh. Regierungsrat, Grunewald, Luciusstr. 9. (E.: Uhland 47 95.) Stumpf, Prof., Geh. Regierungsrat, W 50, Augsburger Str. 45. (F.: Steinplatz 114 24.) Stutz, Prof., Geh. Justizrat, W 50, Kurfürstendamm 241. (F.: Steinplatz 66 40.) Tangl, Prof., Geh. Regierungsrat, W 50, Nürnberger Platz 6. (F.: Pfalzburg 7399, Nebenanschluß.) von Waldeyer-Hartz, Prof., Geh. Obermedizinalrat, Charlottenburg 2, Uhlandstr. 184. (F.: Steinplatz 114 89.) Warburg, Prof., Wirkl. Geh. Oberregierungsrat, ee 28 Marchstr. 25b. (E.: Wilhelm 161.) von Wilamowitz-Moellendorff, Prof., Wirkl. Geh. Rat, Chaclattenbieg. Westend, Eichenallee 12. (F.: Westend 663.) Zimmermann, Wirkl. Geh. Oberbaurat, NW 52, Calvinstr. 4. . Apstein, Prof., Wissenschaftlicher Beamter, NW 52, Flemingstr. 5. Belhrend, Prof., Archivar und Bibliothekar der Deutschen Kommission, Lichterfelde 3, Knesebeckstr. 8a. Dessau, Prof., Wissenschaftlicher Beamter, Charlottenburg 4, Leibniz- str.-97. (E.: Steinplatz 190.) Harms, Prof., Wissenschaftlicher Beamter Friedenau, ‘Ringstr. 44. Freiherr Hiller von Gaertringen, Prof., Wissenschaftlicher Beamter, Char- lottenburg-Westend, Ebereschenallee 11. (F.: Wilhelm 37 23.) Kuhlgatz, Prof., Wissenschaftlicher Beamter, Falkenhain b. Finkenkrug, Hotel Kronprinz. Paetsch, Prof., Wissenschaftlicher Beamter, W 30, Luitpoldstr. 7 Ritter, Prof., Wissenschaftlicher Beamter, Friedenau, Mainauer Str. 8. Schmidt, Karl, Prof., Wissenschaftlicher Beamter, W 62, Lutherstr. 34. Sthamer, Prof., Bibliothekar und Archivar der Akademie, Schlachten- see, Friedrich-Wilhelm-Str. 53. Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei u END an I MUS 1 SITZUNGSBERICHTE DER PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. .1921 1. Gesamtsitzung. 6. Januar. Vorsitzender Sekretar: Hr. Rusner. “1. Hr. Scaucnnarpr sprach über Ausgrabungen in altgerma- nischen Burgen und Siedlungen, die er 1920 ausgeführt hat. Der Schloßberg bei Witzen (Kr. Sorau) und der Palzhebbel bei Starzeddel (Kr. Guben) ergaben eine sehr starke Holz-Erdmauer und keinen freien Burghof in der Mitte. Bei Vettersfelde an der Stelle des Goldfundes von 1882 fand sich ein Haus mit steinzeitlicher und Lausitzer Keramik, in Groß-Lichterfelde, Carstennstraße 7, ein Haus mit römischen Münzen des 2. Jahrhunderts nach Christ. In all diesen Fällen, von der Steinzeit bis zur römischen, war der Hausbau völlig gleichartig. Auf dem Höhbeck bei Gartow (Elbe) haben Hr. Scuucuuarpr und Hr. KoLpewry das Castellum Hohbuoki Karls des Großen untersucht, die Ringmauer mit 3 Toren und das Innere aufgeklärt und fränkische, sächsische und wendische Keramik der Zeit um 800 gefunden. Dicht beim Kastell wurde auch das altsächsische Dorf jener Zeit mit einer kleinen Burg (»Hexenplatz«) festgestellt. 2. Hr. Rugess las über die optischen Eigenschaften einiger Kristalle im langwelligen Spektrum nach gemeinsam mit Hrn. Liesiscn ausgeführten Untersuchungen. (DritteMitteilung.) (Ersch. später.) Die neuen Beobachtungen bilden eine Ergänzung zu den beiden früheren gleich- lautenden Veröffentlichungen. Neu untersucht wurden Wurtzit, Zirkon, Rutil, Stron- tianit und Kryolith. Besonderes Interesse besitzen die Reflexionsmessungen am Rutil, welcher unter allen bisher untersuchten Kristallen die höchsten Dielektrizitätskon- stanten besitzt. Diesen hohen Dielektrizitätskonstanten 89 bzw. 173 entsprechen außerordentlich große Werte des Reflexionsvermögens, welche für die langwellige Quecksilberdampfstrahlung tatsächlich beobachtet worden sind, 64.4 bzw. 73.3 Prozent. Es zeigt sich also auch an diesem extremen Beispiel eine gute Übereinstimmung zwischen den Ergebnissen der optischen und elektrischen Methode. 3. Hr. Hagerrannr legte eine Arbeit vor: Zur Physiologie der Zellteilung. Sechste Mitteilung. Über Auslösung von Zell- teilungen durch Wundhormone. (Ersch. später.) Das Wesen des Wundreizes, der mittels Zellteilungen zur Bildung von Wundkork und anderen Wundgeweben führt, war bisher unbekannt. In vorliegender Mitteilung wird der experimentelle Nachweis erbracht, daß die teilungsauslösende Wirkung des Wundreizes auf Abbauprodukte der mechanisch verletzten oder getöteten Zellen zurückzuführen ist, die als Wundreizstoffe oder Wundhormone fungieren. Als Versuchs Sitzungsberichte 1921. 1 2 Gesamtsitzung vom 6. Januar 1921 objekte dienten die Kohlrabiknolle, die Kartoffel und die Laubblätter verschiedener Crassulaceen. Ferner wird gezeigt, daß Teilungen in Haar- und Epidermiszellen von /oleus Rehneltianus und Aybridus, Saintparlia ionantha und Pelargonium zonale häufig schon ‚in den verletzten Zellen selbst eintreten, wenn diese am Leben bleiben, die benachbarten Zellen aber überhaupt nicht verletzt wurden. Auf Grund dieser Versuchsergebnisse wird u. a. versucht, die Entwickelungser- regung der Eizelle bei künstlicher und natürlicher Parthenogenesis sowie bei der normalen Befruchtung auf den Einfluß von teilungsauslösenden Wundhormonen zu- rückzuführen. : 4. Hr. EpvArnp Meyer überreichte sein Werk: »Ursprung und An- fänge des Christentums«, Bd. I, Die Evangelien (Stuttgart und Berlin 1921). 5. Hr. De Groor überreichte sein Werk: »Die Hunnen der vor- christlichen Zeit« (Berlin 1921). 6. Hr. von Harnack überreichte sein Werk: »Mareion: das Evan- gelium vom fremden Gott« (Texte und Untersuchungen zur Geschichte der altchristlichen Literatur, hrsg. von A. von Harnack und Ü. Schnipt, 45. Bd.) (Leipzig 1921). 7. Zu wissenschaftlichen Zwecken wurden bewilligt: 10800 Mark für das »Tierreich«, 28420 Mark und zwar 8740 Mark für das Deutsche Wörterbuch und 19680 Mark für das Deutsche Rechtswörterbuch, gıoo Mark für die Leibniz-Ausgabe, 8200 Mark für das Wörterbuch der ägyptischen Sprache, 11060 Mark für die Politische Korrespon- denz Friedrichs des Großen, 7800 Mark für den Nomenelator animalium generum et subgenerum, 28000 Mark für die Arbeiten der Orientali- schen Kommission, 1ı800,Mark für die Deutschen Geschichtsquellen des 19. Jahrhunderts. 8. Das ordentliche Mitglied der philosophisch-historischen Klasse Hr. Dıeıs feierte am 22. Dezember ı920 das fünfzigjährige Doktor- Jubiläum. Die Akademie hat ihm eine Adresse gewidmet, welche in diesem Stück abgedruckt ist. 9. Das korrespondierende Mitglied der philosophisch-historischen Klasse Hr. Ienaz Jacıc in Wien feiert am 6. Januar 1921 sein fünfzig- jähriges Doktorjubiläum. Die Akademie hat ihm eine Adresse ge- widmet, welche in diesem Stück abgedruckt ist. Die Akademie hat in der Gesamtsitzung vom 9. Dezember 1920 den ordentlichen Professor an der Universität, zur Zeit in Heidelberg, Hrn. Dr. ALEXANDER GOETTE, den ordentlichen Professor an der Uni- versität Marburg Hrn. Dr. Evers Korscaert, den ordentlichen Professor PRO RL Gesamtsitzung vom 6. Januar 1921 3 an der Universität Wien Hrn. Dr. Frırprıcn BEcke und den ordent- lichen Professor an der Universität Königsberg Hrn. Dr. ALrrep BERGEAT zu korrespondierenden Mitgliedern ihrer physikalisch-mathematischen Klasse gewählt. Die ‚Akademie hat in einer außerordentlichen Gesamtsitzung am 16. Dezember 1920 das korrespondierende Mitglied ihrer physikalisch- mathematischen Klasse, den ordentlichen Professor an der Universität München Hrn. Dr. WırneıLm Conkap RöntTeEn, zum auswärtigen Mit- gliede derselben Klasse gewählt. 1*- 4 | - Gesamtsitzung vom 6. Januar 1921 Adresse an Hrn. Hermann Dies zum fünfzig- jährigen Doktorjubiläum am 22. Dezember 1920. Hochgeehrter Herr Jubilar! An vielen Orten werden viele diesen Ihren Ehrentag in Dankbarkeit und Treue mitfeiernd begehen; für unsere Akademie ist es so gut wie ein Familienfest, denn mehr als neununddreißig Jahre gehören Sie ihr als ordentliches Mitglied an, fünfundzwanzig Jahre haben Sie als Sekretar an ihrer Spitze gestanden, und wenn Sie jetzt auch zu unserm Schmerze dieses Amt niedergelegt haben, so stützen wir uns doch weiter auf Ihre unentbehrliche, zu Rat und Tat immer bereite Einsicht und Erfahrung. Als Sie in Ihrer Doktordissertation das erste griechische Buch herausgaben, einen der Auszüge eines späten Werkes über die Lehr- meinungen der alten Philosophen, hatten Sie den Plan gefaßt, jenes Werk herzustellen, aber Sie ahnten nicht, daß damit der erste Schritt auf einer Bahn getan war, die Sie geraden Weges in unsere Akade- mie führen sollte. Eduard Zeller stellte wenige Jahre später eben- diese Herstellung als eine akademische Aufgabe. Sie leisteten viel mehr: Ihre Doxographi sammelten und sichteten die gesamte Über- lieferung und wurden eines der Werke, durch welche die griechische Philologie in eine neue Phase trat. Wer das vermochte, war zum Akademiker geboren; sehr bald nahmen Sie hier Ihren Platz ein; die Universität hat Sie erst später zu finden gewußt. Sogleich zierten Sie unsere Abhandlungen mit Arbeiten über Aristoteles, die noch heute nichts von ihrer Frische verloren haben, und nahmen. die schwere Last auf Ihre Schultern, den Kommentaren zu Aristoteles, die zumeist nur einmal vor Jahrhunderten gedruckt waren, zu einer Ausgabe zu verhelfen, welche vielleicht für immer genügen wird. Ihr Verdienst ist es nicht nur, daß die Arbeit vieler Herausgeber so einheitlich befriedigt: Sie haben erreicht, daß hier einmal der Großbetrieb der Wissenschaft eine Riesenaufgabe nicht nur unternommen, sondern auch vollendet hat. Kaum war dies ge- lungen, da steckten Sie Sich und der Akademie ein neues, noch Adresse an Hrn. Hermann Diers zum fünfzigjährigen Doktorjubiläum 5) höheres Ziel, die Sammlung der antiken Ärzte. Dafür reichten die Kräfte einer Akademie nicht aus, aber die Zeit verstattete durch die Association des academies die Zusammenarbeit mit anderen gelehrten Körperschaften. Die Association, ein so edles, so vielversprechendes ‘Unternehmen, ist durch den Weltkrieg Pertrümmert, aber Sie haben die Zusammenarbeit zu erhalten, ja noch zu erweitern gewußt, und so vertrauen wir, daß auch hier der Tag der Vollendung kommen wird. Noch in Verbindung mit den Aristoteleskommentaren hatten Sie ein besonders wichtiges medizinisches Werk erschlossen, das die Papyrusfunde ans Licht gebracht hatten. Es war eine überaus dornen- volle Aufgabe, aber ihre Lösung lohnte sich, denn nun ward es Ihnen leicht, aus den Papyrusschätzen unserer Museen die schönsten Bücher herauszugeben, und jetzt sehen wir Sie am Werke, die ent- setzlich verstümmelten Epikureischen Schriften aus Herkulaneum ver- ständlich zu machen. Daneben sind Sie schon lange auf einem anderen Felde tätig, das zwar auch die Künste des Philologen braucht, aber mit diesen nicht allein auskommt, die antike Technik. Sie aber, selbst in mancher Handfertigkeit geübt, konstruieren die antiken Schlösser, lehren den Bau der künstlichsten Uhren verstehen, helfen dem genialen Erläuterer des griechischen Geschützbaues zum vollen Verständnis der tech- nischen Schriften und verfolgen die verschlungenen Pfade, die von der Alehimie zur Chemie führen. Das scheinen. sehr verschiedene Gebiete: für Sie sind es nur Provinzen eines großen Reiches, der Wissenschaft, wie wir sagen, der Philosophie, wie Ihr Aristoteles sagte. In seinem Sinne und auf seinen Spuren haben Sie alles, was von der vorsokratischen Philo- sophie übrig ist, in jenem Werke vereinigt, das hinfort kein Philo- loge, kein Philosoph entbehren kann. Als ein Forscher aristotelischen Geistes, ein baumeisterlicher, mit Goethe zu sprechen, stehen Sie vor uns, werden Sie vorbildlich bleiben. Noch grünt Ihres Alters goldener Baum: möge er noch lange grünen. Die Preußische Akademie der Wissenschaften. 6 Gesamtsitzung vom 6. Januar 1921 Adresse an Hrn. VATROSLAV VON JAGIC zum fünfzig- jährigen Doktorjubiläum am 6. Januar 1921. Hochgeehrter Herr Kollege! An dem erinnerungsreiehen Gedenktage, den. wir mit Ihnen heute inmitten einer von Grund auf gewandelten Welt begehen, huldigen Ihnen, dem Meister der slavischen Philologie, im Geiste die Fach- genossen aller Länder ohne Unterschied der Nationalität oder des Be- kenntnisses. In der Hauptstadt des jungen Deutschen Reiches, als erster Vertreter Ihrer Wissenschaft auf dem neugeschaffenen Lehr- stuhl an der Berliner Universität, begründeten Sie einst das » Archiv für slavische Philologie« und hoben es rasch empor zum Range der führenden Zeitschrift, deren Name und Art in der Geschichte der Wissenschaft fortleben wird als Denkmal fruchtbringender Zusammen- arbeit der Nationen und zugleich als Mahnung, auch die notwendig spezialisierte Forschung des Einzelnen einzufügen in den Gesamt- organismus der slavischen Philologie. Denn wie wenige haben Sie es verstanden, die ideelle Einheit dieser so viele Völker und Sprachen umspannenden Disziplin aufrechtzuerhalten und vorbildlich zu reprä- sentieren. So sind Sie der echte Nachfolger Ihres großen Lehrers Mixrtosıcn geworden, nicht nur in Amt und Würde, sondern auch in der unbestrittenen Führerstellung, die er im Reiche seiner Wissen- schaft behauptete. Aber durch die Pietät, die Sie dem Lehrer in Treue bewahrt, haben Sie sich die volle Unabhängigkeit des Urteils und der Richtung doch niemals beschränken lassen. Stärker und be- wußter als er brachten Sie in der slavischen Sprachforschung das entwicklungsgeschichtliche Moment zur Geltung und sicherten ihre Grundlagen durch alle Künste philologischer Kritik und Beobachtung. Nie war Ihnen die Linguistik Selbstzweck, sondern nur ein Erkenntnis- mittel, freilich das vornehmste, im Dienste der umfassenderen Auf- gabe, die der slavischen Philologie gestellt ist: die geschichtliche Eigenart des Slaventums in allen seinen Lebensäußerungen dem wissen- schaftlichen Verständnis zu erschließen. Im Mittelpunkt Ihrer Forscher- arbeit stand das zentrale Problem dieser Philologie: Ursprung und Adresse an Hrn. Varroszav von Jacıc zum fünfzigjährigen Doktorjubiläum 7 Heimat der slavischen Kirchensprache, deren weltgeschichtliche Wir- kung auch die gärende Unruhe dieser Zeiten überdauern wird. Von Ihrer frühen Arbeit über den Assemanischen und den Ostromirschen Evangelientext (1865), die mit sicherem Takte an Safariks Forschungen anknüpfte, führt eine Linie stetigen Aufstieges zu der » Entstehungs- geschichte der kirchenslavischen Sprache« (1913), die zusammenfassend (las Problem von allen Seiten beleuchtet und in der allmählich erreichten Klärung der Anschauungen und Fragestellungen überall den frucht- baren Einfluß Ihres Vorbildes und Ihrer Anregung erkennen läßt. So dürfen Sie heute mit Stolz, wenn auch nicht ohne Wehmut, zurück- schauen auf ein an Leistung und Wirkung gleich reiches Tagewerk. Mag eine neue Zeit auch für die wissenschaftliche Forschung, die ihrem Wesen nach übernational ist, neue ÖOrganisationsformen suchen: wir hoffen und wünschen, daß Ihr durch den Erfolg bewährtes Beispiel unvergessen fortwirken und zur rechten Stunde Nachfolge wecken werde. Die Preußische Akademie der Wissenschaften. N N N 8 Gesamtsitzung v. 6. Jan. 1921. — Mitt. d. phys.-math. Klasse v. 21. Okt. 1920 Gittermessungen im langwelligen Spektrum. Von H. Rusgens. (Vorgetragen am 21. Oktober 1920 [s. Jahrg. 1920 S.733].) Die spektrale Zusammensetzung der langwelligen Strahlung des Auer- brenners und der Quarzquecksilberlampe ist früher nur mit Hilfe des Interferometers untersucht worden'!. Die Isolierung der Strahlung ge- schah mit Hilfe der Quarzlinsenmethode, bei welcher nur diejenigen Spektralbereiche zur Beobachtung gelangen, welche jenseits des ultraroten Absorptionsgebietes des Quarzes gelegen sind. Die Zusammensetzung der Strahlung hängt daher wesentlich von der Dicke der im Strahlengange befindlichen Quarzschicht ab. Außerdem übt die Absorption des in der Zimmerluft vorhandenen Wasserdampfs besonders bei dem Auerbrenner einen wesentlichen Einfluß auf die Energieverteilung der Strahlung aus’: . Bei der langwelligen Strahlung der Quecksilberlampe hat man zwischen derjenigen des heißen Quarzrohres und der eigentlichen Queck- silberdampfstrahlung zu unterscheiden. Der erstgenannte Strahlungsanteik erstreckt sich etwa über dasselbe Spektralgebiet wie die langwellige Strahlung des Auerbrenners, während die Quecksilberdampfstrahlung, soweit sie das Quarzrohr zu durchdringen vermag, noch wesentlich lang- welligeren Spektralbereichen angehört. Um bei den früheren interferometrischen Messungen die Strahlung des heißen Quarzrohres nach Möglichkeit auszuschließen, wurde in den Strahlengang eine Platte aus Quarzglas oder schwarzer Pappe eingeführt. Die unter diesen Umständen beobachteten Interferenzkurven ließen sich in erster Annäherung durch die Superposition zweier gedämpfter Sinus- wellen darstellen, welche den. beiden Emissionsgebieten von der mittleren ! H. Rusens und R. W. Woon, diese Berichte 1910, S. ırı2. H. Rusens und O. von BAever, Berichte der Preuß. Akad. d. Wiss. ıgır, S. 666. ® H. Rusenss, diese Berichte 1913, S. 513. — Aus den auf Seite 540 mitgeteilten Interferometerkurven wurde damals auf das Vorhandensein mehrerer Maxima und Minima in der Energieverteilungskurve des Auerbrenners geschlossen. Hr. E. C. WENTE (Physical Review XVI S. 133, 1920) hat diese Versuche neuerdings wiederholt und bestätigt, doch erstreckt sich seine Interferometerkurve nicht bis zu so großen Gang- unterschieden wie die damals von mir aufgenommenen. F Rusens: Gittermessungen im langwelligen Spektrum 9 Wellenlänge 218 u und 343 x entsprachen. Aus der starken Dämpfung der Sinuskurven konnte auf eine erhebliche Inhomogenität der Strahlung geschlossen werden. Versuche, welche ich bald darauf mit Hilfe eines Beugungsgitters von der Gitterkonstanten 9 = 0.3716 mm anstellte, um Näheres über die spektrale Zusammensetzung der langwelligen Strahlung des Auerbrenners und der Quecksilberlampe zu erfahren, blieben zunächst aus Mangel an einem genügend lichtstarken Spektralapparat ohne Ergebnis. Diesem Mangel wurde dann durch Konstruktion eines großen Spiegelspektro- meters mit Spiegeln von 10 cm Durchmesser und 44 em Brennweite ab- geholfen. Es wurden drei $x8 cm große Kupferdrahtgitter verwendet. Über die Drahtdicken d und Gitterkonstanten g gibt die folgende Tabelle I Aufschluß. Tabelle E Gitter Drahtdicke d | Gitterkonstante g I 1.004 mm 2.0027 mım U 0.483 » 0.9991 II 0.196 » 0.3997 » Hrn. Institutsmechaniker Muselius bin ich für die sorgfältige Her- stellung dieser Gitter sowie des größten Teiles der übrigen hier ver- wendeten Apparate zu großem Danke verpflichtet. Die freie Öffnungsbreite war, wie man sieht, ebenso wie bei den früher von mir benutzten Gittern! angenähert gleich der Drahtdicke. Beugungsgitter dieser Art sind für Spektraluntersuchungen im lang- welligen Spektrum sehr günstig, weil die geradzahligen Spektra nahezu vollkommen ausfallen und die ungeradzahligen besonders lichtstark sind. In Fig. ı ist die Versuchsanordnung dargestellt, wie sie zur Unter- suchung der Quecksilberlampe diente. A bedeutet das zylindrische Quarz- rohr der Lampe in vertikaler Stellung. Die Lampe brannte mit 2.3 Amp. bei 130 Volt Klemmspannung und wurde mit zwei hintereinander ge- schalteten 4ozelligen Akkumulatorenbatterien betrieben. Die Strahlung der Lampe fiel auf den Planspiegel P, von da auf den Hohlspiegel H und wurde von diesem auf dem Spalt S, des Spiegel- spektrometers $, H, H, S, konzentriert, auf dessen Tisch eines der oben besehriebenen Kupferdrahtgitter @ senkrecht zur Strahlrichtung befestigt war. Beide Spalte waren 2 em hoch. Ihre Breite variierte bei den ver- schiedenen Versuchsreihen zwischen 0.6 und 4.8 mm. Der Spektro- " H. ou Bors und H. Rusens, Wied. Ann. 49, S. 595. 1893, und Ann. d. Phys. 35, DR SASTOLT, 10 _ Gesamtsitzung v. 6. Jan. 1921. — Mitt. d. phys.-math. Klasse v. 21. Okt. 1920 meterarm 8, H, stand fest, während S, H, um die Achse des Instruments. drehbar war. Bei der Drehung dieses Armes wurden gleichzeitig die Lampe A, der Planspiegel P und der Hohlspiegel H, welche auf einem gemeinsamen Brett montiert waren, in entsprechender Weise mitbewegt. Bei der Untersuchung des Auerbrenners konnte die Versuchsanordnung wesentlich vereinfacht werden, indem der Brenner auf einer Schiene, welche die Verlängerung des Armes $, H, bildete, in 10 cm Entfernung vor dem Spalt 5, starr befestigt wurde. Eine Reihe von Schirmen, welche in der Versuchsanordnung zur Beseitigung fremder Strahlung angebracht waren, sind in Fig. ı der Übersichtlichkeit wegen nicht ein- Fig. 1. gezeichnet. Die aus dem Spalt 5, austretende langwellige Strahlung wurde mit Hilfe einer nahezu senkrecht zur Achse geschnittenen Quarz- linse Z von 7.5 em Durchmesser auf das Thermoelement eines empfind- lichen Mikroradiometers M geworfen. Die Brennweite der Linse Z für sichtbare Strahlung vom Brechungsindex 1.54 betrug 27 cm. Für die Brechungsexponenten des ordentlichen Strahles bei 1 10 bzw. 313 « sind die Werte 2.13 bzw. 2.11 gemessen worden. Dem Mittelwert 2.12 entspricht eine Brennweite der Linse L von 13.0cm. Hieraus folgt, daß sie ein scharfes Bild der langwelligen Strahlung vom Brechungs- index 2.12 lieferte, wenn ihre Entfernung von dem Spalt S, 33 em und von dem Thermoelement 21.5 cm betrug. Um die langwellige Strahlung noch weiter von der kurzwelligen zu reinigen, wurde in bekannter Weise ' ein kreisförmiger Papierschirm # auf die Linse L aufgesetzt, welcher die kurzwellige Strahlung abblendet, während er die langwellige nur wenig schwächt. Ferner bestand der Klappschirm D, welcher zwischen dem Hohlspiegel 4 und dem Spalt 5, eingeschaltet war, aus einer klaren Flußspatplatte von 6 mm Dicke. Der beim Aufziehen eines solchen Schirmes beobachtete Ausschlag rührt zu einem verhältnismäßig großen H. Rusens und R, W, Woor, a.a.0. S, 1123. Rusens: Gittermessungen im langwelligen Spektrum DL Teil von der langwelligen Strahlung her, weil die kurzwellige bis auf’ einen geringen von der Flußspatplatte reflektierten Bruchteil durch diese hindurchgeht!. Durch die vereinigte Wirkung der Quarzlinse Z, der Blende x und des Flußspatschirmes D wurde erreicht, daß der im Mittel- bilde beobachtete Ausschlag zum größten Teil von langen Wellen her- rührte, welche dem Spektralgebiet jenseits des Absorptionsbereichs des -Quarzes angehören. Wurde der vor der Quarzlinse Z befindliche Papier- schirm 2 aus dem Strahlengang entfernt, sonst aber nichts geändert, so überwog der kurzwellige Anteil des Ausschlags im Zentralbild den langwelligen bereits um mehr als das Zwanzigfache. Eine möglichst sorgfältige Reinigung der zu untersuchenden lang- . welligen Strahlung von den kurzwelligen Wärmestrahlen ist aber bei Spektralmessungen mittels Drahtgittern der beschriebenen Art unbedingt erforderlich. Bei überwiegender kurzwelliger Verunreinigung ist das Gitter nicht imstande, reine Spektra für die langwellige Strahlung zu liefern. Allerdings ist z. B. die Intensität der gebeugten kurzwelligen Strahlung von der Wellenlänge 4 x im Spektrum 25. Ordnung, welche der Wellenlänge 100 u im Spektrum erster Ordnung übergelagert ist, nach der Theorie unter Berücksichtigung der Dispersion um den Faktor 25°= 15625 relativ gegen diese geschwächt, so daß die gebeugte kurzwellige Strahlung als Verunreinigung der langwelligen im Gitter- spektrum hier nicht in Betracht kommt, selbst wenn man die Über- lagerung einer größeren Zahl von Spektren in Betracht zieht. Anders dagegen verhält es sich mit der kurzwelligen Strahlung, welche an den zylindrischen Drähten geometrisch reflektiert wird. Für Strahlung der Wellenlänge ı bis 4 # wirken Kupferdrähte von einigen Zehntel- millimetern Durchmesser wie zylindrische Konvexspiegel, und eine ein- fache Betrachtung zeigt, daß bei Gittern der hier verwendeten Art mehr als 2 ı Prozent der auf die Gitterdrähte auffallenden kurzwelligen Strahlung durch einfache oder mehrfache Reflexion an den Drähten zum schrägen Austritt aus dem Gitter veranlaßt werden. Dabei ist die.Intensitäts- verteilung dieser reflektierten Strahlung für die verschiedenen Austritts- winkel eine ziemlich ungleichmäßige. Hieraus folgt, daß man die kurz- wellige Strahlung durch besondere Hilfsmittel tunlichst beseitigen muß, wenn man sich in dem langwelligen Beugungsspektrum von der kurz- welligen Verunreinigung freimachen will. Ein zweiter Grund, weshalb es notwendig ist, die auf das Gitter auffallende kurzwellige Verunreinigung möglichst zu schwächen, liegt in der Inkonstanz dieser Strahlung. Kleine Temperaturschwankungen der Strahlungsquelle beeinflussen die Intensität der langwelligen Strah- ! H. Rusens, Verhandl. d. Berl. Phys. Ges. 1896, S. 108, 12 _ Gesamtsitzung v. 6. Jan. 1921. — Mitt. d. phys.-math. Klasse v. 21. Okt. 1920 lung nur wenig, die der kurzwelligen aber sehr erheblich. Die bei Ver- wendung des Flußspatschirmes ständig auf das Thermoelement auffallende kurzwellige Strahlung bewirkt daher, wenn sie gegenüber der lang- welligen sehr stark ist, eine Inkonstanz des Nullpunkts, welche die Messungen sehr beeinträchtigt und die Beobachtung sehr kleiner Aus- schläge unmöglich macht!. Die Hauptschwierigkeit der Messung beruhte auf der Kleinheit der zu beobachtenden Ausschläge. Trotz der hohen Empfindlichkeit des verwendeten Mikroradiometers” und der großen Spaltbreiten des lichtstarken Spektralapparats betrug der Ausschlag des Instruments bei der Untersuchung der Quarzquecksilberlampe im Mittelbild nur 29 mm, wovon 13 durch eine planparallele Steinsalzplatte hindurehgingen. Unter Berücksichtigung der Reflexion an den Steinsalzflächen ergibt sich hier- aus der von der langwelligen Strahlung allein herrührende Ausschlag zu 14'/, Skalenteilen. Die in einem Beugungsbild erster Ordnung vor- handene Gesamtstrahlung würde hiernach unter Voraussetzung vollkom- 4 mw mener Homogenität derselben einen Ausschlag von 14.5 X = 5.91mm hervorrufen. Dieser Ausschlag verteilt sich aber in Wirklichkeit auf ein Spektrum von etwa 10° Ausdehnung, so daß die Ausschläge an den einzelnen Stellen des Spektrums erster Ordnung nur Bruchteile eines Millimeters betragen. Bei dem Auerbrenner lagen die Verhält- nisse insofern etwas günstiger, als zwar der im Mittelbilde beobachtete, von langwelliger Strahlung herrührende Ausschlag nicht wesentlich größer war wie bei der Quecksilberlampe, sich aber die Strahlungs- energie in den Beugungsbildern auf ein engeres Spektralgebiet konzen- trierte. Bei der Messung der Ausschläge wurde teils mit Fernrohr ! In einer kürzlich erschienenen Abhandlung (Phys. Zeitschr. XXI S.374. 1920) hat Hr. H. Wrrr die Strahlung des Auerbrenners mit Hilfe eines Drahtgitters von ähnlicher Beschaffenheit wie die hier verwendeten spektral zerlegt. Die Aussonderung der langwelligen Strahlung wurde durch Anwendung eines Steinsalzschirmes und durch Einschaltung einer 4 mm dieken Quarzplatte in den Strahlengang bewirkt. In diesem Falle überwiegt die beim Aufziehen des Klappschirmes auf das Gitter fallende kurzwellige Verunreinigung die zu untersuchende langwellige Strahlung nach meiner Erfahrung noch so bedeutend, daß es schwierig erscheint, aus den in den Beugungs- spektren beobachteten Ausschlägen sichere Schlüsse auf die Energieverteilung der lang- welligen Strahlung zu ziehen. Da Hr. Wrrr seine Veröffentlichung als vorläufige Mitteilung bezeichnet, habe ich einstweilen noch von einer Vergleichung unserer Resultate Abstand genommen. ® Das Mikroradiometer liefert mit Konus für eine Hefnerkerze in 5 m Entfernung bei 5 m Skalenabstand einen Ausschlag von 280 mm, wobei unter günstigen Versuchs- bedingungen noch o.1 mm mit Sicherheit zu erkennen war. Die Empfindlichkeit des Instruments läßt sich durch Aufhebung eines magnetischen Nebenschlusses leicht ver- doppeln. doch wird hierdurch wegen der gleichzeitig eintretenden Verschlechterung des Nullpunkts kein Vorteil erzielt, Rusens: Gittermessungen im langwelligen Spektrum 13 und Skala, teils mit leuchtendem Spalt und Okularmikrometer be- obachtet. Es wurde stets der Hin- und Rückgang abgelesen. Die hier mitgeteilten Versuchsreihen wurden nur an solchen Tagen ange- stellt, an welchen der größte Fehler einer Ablesung kaum ein Zehntel- millimeter überschritt. An jeder untersuchten Stelle des Spektrums wurden 6 Ausschläge gemessen. Die eingetragenen Punkte entsprechen den hieraus gebildeten Mittelwerten. Die Ausschläge des Mittelbildes sind -in der Zeichnung auf ein Zehntel, ein Zwanzigstel bzw. auf ein Fünfzigstel der beobachteten Größe reduziert'. Die beiden Kurven für das rechte und linke Beugungsbild erster Ordnung zeigen im all- gemeinen befriedigende Symmetrie. Spektrum des Auerbrenners. Die Messungen, welehe sich auf die Energieverteilung der lang- welligen Strahlung des Auerbrenners beziehen, sind in den Kurven der Figuren 2, 3 und 4 wiedergegeben. Die Spaltbreiten betrugen 4.5 mm. Stets sind die Beugungswinkel $ als Abszissen, die beobachteten Aus- schläge als Ordinaten aufgetragen. Fig. 2 stellt das Ergebnis einer Fig. 2. 20 700,4 100u 200% 161 74 127 10 08 06 04 02 ER RN a IN or ! Der gewählte Reduktionsfaktor ist am Fuße des Mittelbildes der betreffenden Figur eingetragen. 14 _ Gesamtsitzung v. 6. Jan. 192]. — Mitt. d. phys.-math. Klasse v. 21.Okt. 1920 Versuchsreihe mit dem gröbsten Gitter I (9 = 2.0027 mm) dar. Es zeigt sich ein Maximum bei etwa $ = 1° 50’; dies entspricht einer Wellenlänge von 644, während die mittlere Wellenlänge des gesamten isolierten Strahlungskomplexes infolge der Asymmetrie der Kurve er- heblich größer ist und etwa 8ou beträgt. Bekanntlich hängt die mitt- lere Wellenlänge der isolierten Strahlung wesentlich von der Dicke der im Strahlengange befindlichen Quarzschicht ab, welche in diesem Falle durch die Linse Z und das Fenster Q gebildet wurde. Sie schwankte Fig. 3. BOu 700 u Hu 0 IJOu 1004 750 4 + oO 90 oo „o 0 „0 90 EZ a RE ER: oO je nach der Stelle, an welcher der Strahl die Quarzlinse ZL durchdringt, zwischen 3'/» und 8 mm. Wurde eine senkrecht zur Achse geschnittene Quarzplatte von 7.26 mm Dicke hinzugefügt, so ergab sich das auf der linken Seite der Figur 2 durch die punktierte Kurve angedeutete Beugungsbild. Ihr Maximum liegt bei 2° 40', entsprechend einer Wellen- länge von 93 4, während die mittlere Wellenlänge der isolierten Strahlung bereits über 100u (etwa Io5 u) beträgt. Dies steht mit den früheren interferometrischen Messungen in guter Übereinstimmung, nach welchen die mittlere Wellenlänge der nach der Quarzlinsenmethode isolierten langwelligen Strahlung des Auerbrenners bei einer eingeschalteten Quarz- schieht von 17 mm IOSw, von 27.6 mm ı12u beträgt. Die Kurven der Figuren 2 zeigen infolge der großen Spaltbreite und geringen Dispersion keine weiteren Einzelheiten. Der Anblick der Rusens: Gittermessungen’ im langwelligen Spektrum 15 Energieverteilungskurven änderte sich aber vollkommen, wenn das Gitter I durch das Gitter II (4 = 0.9994 mm) ersetzt wurde (s. Fig. 3). Jetzt traten vier Maxima und drei Minima deutlich hervor, welche in den Kurven der Figur 3 mit a, db, c,d bzw. a’, b', c' bezeichnet sind. Die Breite des ersten Maximums a ließ erwarten, daß bei Anwendung des feinsten Gitters III eine weitere Auflösung in diesem Teil der Energie- kurve eintreten würde. Das Ergebnis dieser Messungen zeigt Fig. 4. Fig. 4. 004 Yu Bu u 60u 50u 4Ou #0u 500 60u Wu Ep Op 100 e eh o7— 5 ge a5 0,4, o RE FEN 0° a DONE Ne 00 7 Be Be ame me dar > An Stelle des breiten Maximums a sind drei Erhebungen a,, b, und e, getreten, während 5 der Figur 3, welches mit d, der Figur 4 identisch ist, durch die stärkere Dispersion nur wenig verändert erscheint. Immer- hin ist eine Ausbuchtung der Kurve bei $ = 12° in beiden Beugungs- bildern der Figur 4 zu erkennen, welche auf ein schwächer ausgeprägtes - Minimum bei etwa 83 u schließen läßt'. Ferner scheint der außerordent- lich starke Abfall der Energiekurve jenseits des Maximums d, für das Vorhandensein eines Absorptionsstreifens in der Nähe von 934 zu sprechen. Die Lage der Maxima und Minima in den Kurven der Fi- guren 3 und 4 ist in den Tabellen II und III zusammengestellt, deren Anordnung keiner weiteren Erläuterung bedarf. ! Nach früheren Messungen (diese Berichte a. a. O.S. 546, 1913) ist es nicht un- wahrscheinlich, daß dieses Minimum durch die selektive Absorption des Quarzes her- vorgerufen wird. \ 16 Gesamtsitzung v..6. Jan. 1921. — Mitt. d. phys.-math. Klasse v. 21.Okt. 1920 Tabelle I. Auerbrenner, Gitter II (9 = 0.9991 mm). Maxima Minima Bezeich- SR Bezeich- länge nung a une ° |. Mittel nung es Mittel N Tabelle M. Auerbrenner, Gitter III (g = 0.3997 mm). Maxima Minima I an ä - Bezeich- ® | HR Bezeich- || i. ui Reehtes Linkes | \ Rechtes Linkes h BD nung Bild Bild | Mittel | 2 nung | "Bild Bild | Mittel s, 814’ 8° 20’ 817’ | 57-6 DI 9°24' | 9°34' |. 9929’ || 65-9 A 11° 10’ | ı1°18' | 11°14' || 78.0 In erster Linie ist die Wellenlänge der beobachteten Minima für uns von Interesse, weil sie in den meisten Fällen mit der Lage der. aus den Reststrahlenversuchen abgeleiteten Wasserdampfbanden inner- halb der Fehlergrenzen übereinstimmt. Aus den früheren interferome- trischen Messungen hatte sich ergeben, daß der Wasserdampf starke Ab- sorptionsmaxima bei 504, 534, 664, 794 und 1064 besitzt'. Der Absorptionsstreifen bei 504 liegt noch außerhalb des hier untersuchten Spektralgebiets; die übrigen aber sind mit den beobachteten Minimis a,, b,,c, = a’ und b’ identisch. c, bzw. a’ liegen allerdings bei einer um ı u kürzeren Wellenlänge als der früher beobachtete Absorptionsstreifen bei 79u. Diese Differenz findet aber wahrscheinlich ihre Erklärung dureh das Vorhandensein jener oben erwähnten schwächeren Einsenkung bei 83%, welche bei den Interferometermessungen von dem starken Minimum bei 784 nicht zu trennen ist. Als neue Tatsache tritt bei den Gittermessungen das Minimum c’ bei 132.34 auf. Wahrscheinlich handelt es sich auch hier um einen, vielleicht um mehrere Absorptions- streifen des Wasserdampfs, welche wegen der geringen Dispersion des Gitters II nicht getrennt werden können. Die Verwendung des feineren ! H. Rysens, Diese Berichte 1913, S. 513, und H. Rusens und G. Herrner, Diese Berichte 1916, S. 167. Rusens: Gittermessungen im langwelligen Spektrum 17 Gitters III verbot sich hier leider aus Gründen der geringen Strahlungs- energie. Bekanntlich läßt sich die Lage der langwelligen Absorptionsstreifen im Rotationsspektrum nach einer von Hrn. B)errun' aufgestellten Theorie aus der Feinstruktur der kurzwelligen ultraroten Absorptionsbande be- rechnen. Diese Feinstruktur ist für die bei 6.26 u gelegene stärkste Ab- sorptionsbande von Frl. Eva v. Baur” zuerst genauer untersucht worden. Die aus ihren Messungen sowie aus den von LAnereyY° und Hrn. HerrTxer und mir berechnete Lage der kurzwelligen Streifen erwies sich mit unseren direkten Beobachtungen im langwelligen Rotationsgebiet in leidlicher Übereinstimmung. Neuere Beobachtungen von Hrn. Ines* haben jedoch gezeigt, daß wenigstens bei den Wasserstoffhalogenen, bei welchen die Verhältnisse wegen der Zweiatomigkeit des Moleküls sonst einfacher liegen wie bei dem dreiatomigen Wasserdampf, die von der Bserrunschen Theorie geforderte Symmetrie der kurzwelligen ultraroten Bande eine unvollkommene ist. Die Unsymmetrie kann in der Weise gedeutet werden, daß die Grundschwingung der kurzwelligen ultraroten Bande. durch die Rotationsfrequenz der Moleküle eine systematische Änderung erfährt. Ob ähnliche Asymmetrien auch bei den kurzwelligen Banden des Wasserdampfs auftreten, läßt sich nicht mit Sicherheit sagen, doch nötigen die bisherigen Beobachtungen nicht zu dieser Annahme. . Hierin liefern auch die neuen sehr sorgfältigen Beobachtungen von Hrn. SLEATOR’, welcher das kurzwellige Absorptionsspektrum des Wasserdampfs mit einem Gitterspektrometer von hoher Dispersion untersuchte, keinen Beitrag. Allerdings ist nach Hrn. Streators Messungen die Feinstruktur der kurzwelligen Banden viel komplizierter, als aus den älteren Be- obachtungen von Frl. v. Baur geschlossen worden ist. Auch ist es sehr merkwürdig, daß sich die Symmetrie der Bande sowohl nach den Messungen von Frl. v. Baur als auch von Hrn. StreAtor hauptsächlich nur auf die Lage, weniger auf die Stärke der einzelnen Teilminima erstreckt. Jedenfalls erscheint es heute von besonderer Wichtigkeit, die Lage der langwelligen Absorptionsstreifen im Rotationsgebiet durch direkte Messungen möglichst sorgfältig zu ermitteln. Ich habe deshalb die früher von Hrn. Hrrrxer und mir zwischen 22 und 35 « ausgeführten Beobachtungen mit den jetzt vorhandenen besseren Hilfsmitteln noch- ! Nıers BserRun, Nernstfestschrift S.90, 1912, Ber. d. D. Phys. Ges. S. 640, 1914. ®2 Era von Banr, Ber. d. D. Phys. Ges. S. 731 und S. 1150, 1913. » S. P. Lasserey, Annals of the Astrophysical Observatory of the Smithsonian Institution, Vol. I S.ı27, Tafel XX, 1900. ' Einer S. Ines, Astrophysical Journal 50, S. 251, 1919. W. W. Srearor, Astrophysical Journal 48, S. 124, 1918. Sitzungsberichte 1921. 2 18 __Gesamtsitzung v. 6.J an. 1921. — Mitt. d. phys.-math. Klasse v. 21. Okt. 1920 mals aufgenommen und dieselben auf das früher für Gittermessungen unzugängliche jenseits 35 » gelegene Spektralgebiet ausgedehnt. Hier- durch wird der Anschluß unserer Beobachtungen im kurzwelligen Spektrum, in welchem die spektrale Zerlegung mit Hilfe eines Sylvin- prismas erfolgte, mit den oben beschriebenen neuen Gittermessungen im langwelligen Spektrum des Auerbrenners vermittelt. Die Versuchsanordnung wär in der Hauptsache mit der fırihör von Hrn. HeErTTxer und mir verwendeten übereinstimmend. Die Strahlung des Auerbrenners wurde nach ihrem Austritt aus dem Spielplan meter an einer Flußspatplatte bzw. an einer Steinsalzplatte reflektiert, um nur diejenigen Spektralgebiete zur Beobachtung gelangen zu lassen, welche an diesen Platten stark zurückgeworfen werden. Bei Verwendung einer einzigen reflektierenden Platte sind die isolierten Strahlungs- komplexe in beiden Fällen so ausgedehnt, daß ihre Ausläufer noch inein- andergreifen und eine kontinuierliche Beobachtung zwischen 22 und 75 4 möglich machen. Zur Konzentration der Strahlung auf das Thermoele- ment wurde bei diesen Versuchen statt der Quarzlinse Z ein vorderseitig versilberter Hohlspiegel verwendet. Die Länge des Strahlenganges vom Auerbrenner bis zum Thermoelement betrug 2.2 m, die absolute Luftfeuchtigkeit 6 bis 7 mm. Die Messungen im kurzwelligeren Teile des Spektrums, bei welchen die Reinigung durch Reflexion an einem Flußspatspiegel erfolgte, mußten mit offenem Mikroradiometer aus- geführt werden. Die Ruhelage des Instruments wurde dadurch er- heblich verschlechtert, aber die Ausschläge waren so groß, daß trotzdem die Genauigkeit der Ausschlagsmessungen genügte. Bei den Beob- achtungen im langwelligeren Teile des Spektrums, bei welchen ein Steinsalzspiegel zur Aussonderung der Strahlung diente, konnte das Instrument luftdicht geschlossen werden. Als Fenster wurde eine 0.4 mm dicke Quarzplatte verwendet. Die Ergebnisse dieser Messungen sind in den Kurven der Figuren 5 und 6 dargestellt. Stets wurde das feinste Gitter III (9 = 0.3997 mm) zur Anwendung gebracht. Fig. 5 gibt die beobachtete Energiever- teilung bei Reflexion an einer Flußspatplatte für das rechte und linke Beugungsbild erster Ordnung. Kurve A wurde bei einer Spaltbreite von 0.6 mm, Kurve B bei einer solchen von I.2 mm aufgenommen. In Kurve B sind die Ausschläge in den Beugungsbildern in !/,, in den Mittelbildern in '/;o der beobachteten Größe aufgetragen. Die Kurven A zeigen in ihrem absteigenden Ast 5 scharf ausgeprägte Minima, die Kurven B deren je 6, von denen das erste mit dem letzten der A-Kurven identisch ist. Die Lage der Minima in den Kurven der Figur 5 ist aus den Zahlen der Tabelle IV zu ersehen. Neben die berechneten Wellenlängen der 9 Minima ist die früher von Rusens: Gittermessungen im langwelligen Spektrum 19 Tabelle IV. Fiy. 3. 45n. 400 Sun 30u 25 u 20 u 30 35 u 45 3 ll 1 " Auerbrenner IR Reflexion an Flußspat it mer .9- 0,400 mm | 1 - = 1% 2 — + 4 + + 4 | B A| —. m ar | bei || \ (6) = < —! \ Ki Mr H ai ar \ ıl Hl ei IR un HN al: Zaaeiı All Bi ES Pu; 759 Auerbrenner, Reflexion an Flußspat, Gitter III (9 = 0.3997 mm). Spalt- breite 0.6 mm | 1.2 mm (u m en, Bezeich- nung Beugungswinkel & Rechtes Bild Linkes Bild a v7 Bm2% 335) 3°.49’ 4° g' A 10' 4°23' 4° 44' SEAL, 5°44:5' 6° 20’ (Rugess 1920) 22.9 u 23.8 u 25.0 u 26.6 u 28.9 u 29.0 u 30.6 u 32.9 u 33.1. KR 40.0 U 44.Iu Wellenlänge % Wellenlänge‘ (RugEns und HETTNER 1916) —— 167 > I > Hrn. Herrser und mir mit unvollkommeneren Hilfsmitteln gemessene Lage der Absorptionsstreifen zum Vergleich angegeben. und ©’ bezeichneten Streifen haben wir früher nicht zu trennen ver- 2* Die mit b’ an v 20 Gesamtsitzung v. 6. Jan. 1921. — Mitt. d. phys.-math. Klasse v. 21. Okt. 1920 mocht'. In unseren Tabellen findet sich an dieser Stelle ein als un- sicher bezeichneter Streifen bei 24.7 #, welcher, um die Unsicherheit seiner Bestimmung zu kennzeichnen, in Klammern angegeben wurde. Bedenkt man, daß die ersten 3 der früher angegebenen 6 Streifen nicht auf der Beobachtung wirklicher Minima beruhten, sondern nur aus schwachen seitlichen Verbiegungen der Energiekurve geschlossen worden sind, so ist die Übereinstimmung eine befriedigende zu nennen. Die Genauigkeit der neuen Beobachtungen übertrifft die der alten jeden- falls um ein Vielfaches. Mit dem weiteren Spalt von ı.2 mm Breite konnten die Beob- achtungen bis 45 # fortgesetzt werden. Die Minima h’, i’ und X bei den Wellenlängen = 35.7 #, 40.0 # und 44.1 x sind neu. Die Kurven der Figur 6 zeigen die Energieverteilung der Strah- lung des Auerbrenners nach Reflexion an einer Steinsalzplatte bei Fig. 6. Du 60 ou 40u 40u JOu 60u 7Ou Auerbrenner Reflexion an. Steins ‚9 0,400mm 25 20 7,5 70 05 GEN RIO IE IEN TER GE Say BE EZ A I EBZEN I mE Erweiterung der Spaltbreiten auf 2.5 mm. Das Mittelbild ist in ein Zwanzigstel der beobachteten Ausschlagsgröße gezeichnet. Über die Lage der beobachteten 5 Minima gibt Tab. V Aufschluß. Im den letzten beiden Spalten dieser Tabelle sind die aus Reststrahlversuchen ! Wir haben jedoch schon damals die Vermutung ausgesprochen, daß es sich “ hier um zwei getrennte Streifen handelt. (Vgl. die Anmerkung a.a. 0. S. 178.) Rusens: Gittermessungen im langwelligen Spektrum 2] | Tabelle V. Auerbrenner, Reflexion an Steinsalz, Gitter II (9 = 0.3997 mm). x & 2 Wellenlänge gu ER Er %r strahl- Hack Pant versuchen Bezeich- nung Beugungswinkel & Rechtes Bild | Linkes Bild | Mittel [U ex (al 57.6 u d' 65.9 u &; — abgeleiteten Wellenlängen der Absorptionsbanden des Wasserdampfs sowie die entsprechenden Minima verzeichnet, welche den Kurven der Figur 4 entnommen und: in Tab. III wiedergegeben sind. In Anbetracht der großen Schwierigkeit der aus Interferometer- versuchen berechneten Wellenlängen der Absorptionsbanden konnte man eine bessere Übereinstimmung nieht erwarten. Der Streifen bei 44 #, welcher mit dem Minimum %’ der Tab. IV gut übereinstimmt, ist früher überhaupt nicht direkt beobachtet worden, sondern sein Vorhandensein wurde aus der Tatsache geschlossen, daß die Energiekurve der Reststrahlen von Steinsalz an dieser Stelle sehr rasclı abfällt, wenn viel Wasserdampf im Strahlengange vorhanden ist, während sie bei trockener Luft wesentlich sanfter absinkt. Die folgende Tabelle VI läßt erkennen, inwieweit die Lagen der ‚beobachteten Streifen im Rotationsgebiet mit den aus der Feinstruktur der kurzwelligen ultraroten Bande bei A = 6.26 u berechneten Wellen- längen übereinstimmen. Die Daten, welche sich auf die Messungen von Frl. E. v. Baur, Lanerer sowie Rugens und Herrser beziehen, sind der Tabelle III auf S. 177 unserer früheren Arbeit entnommen. Der Vergleich mit der Messungen des Hrn. StrAror ist nur für die stärkeren von ihm beobachteten Minima durchgeführt, während die schwächeren Einsenkungen seiner Energiekurve, deren Zahl fast ebenso groß ist, hier nicht berücksichtigt worden sind'. Endlich enthält die Tabelle auch die beiden von den HH. Bsrrrum und FEucken” auf- gestellten Quantenreihen, welche sich zur Darstellung des kurzwelligeren Rotationsspektrums ziemlich gut bewährt haben. Bis etwa 40 u ist die Übereinstimmung der direkt beobachteten Streifen mit den berechneten bemerkenswert, wenn auch die vorhan- " Berücksichtigt wurden nach Hrn. Stra rors Bezeichnung auf der kurzwelligen Seite der Bande die Minima 1, 2, 4, 6, 9, IO, II, 12, 14, 16, 18, I9, 20, 20’, 21’, 22, 23 sowie auf der langwelligen Seite’ 39, 41, 42,43 und 45, unberücksichtiet blieben die schwächeren Einsenkungen 3,5, 7, 7/, 11’, 13, 13',17, 17’, 18’, 21, 22’ sowie 40, 44 und 46'. D * A. Eucken, Ber. d. D. Phys. Ges. S. 1159, 1913. 22 Gesamtsitzung v. 6. Jan. 1921. — Mitt. d. phys.-math. Klasse v.21. Okt. 1920 x Tabelle VI. Berechnet aus der Feinstruktur 3 der Bande bei A = 6.26 u nach Theoretisch berechnet Direkt E. von Baur, aus den Quantenreihen von beobachtet Langer, Rugens und SLEATOR nen 1 Bserrum n EuckeEn | 19.2 u® 19.3 u _ 9 19.3 4 ° 21 19.1 u 19.7* 19.9 Sr | 20 20.0 20.5 * 20.6 | _ | 19 21.0 21.6* 21.8 —_ 8 21.6 | 22.9 23-3 —— | 18 22.2 23.8 24.3 = a 23-5 25.0 25.2 25-3 7 | 24.7 | 16 25.0 26.6 26.9 26.9 Y 15 26.7 28.9 28.3 283.9 6 28.9 14 28.5 30.6 30.6 30.6 La, 30.7 32.9 32.9 34.2 12 33-3 35-7 35-7 36.7 5 34.7 mi 36.3 40.0 38.8 40.3 j | 10 40.0 — 42 43.0 4 43-3 | 44-1 45 OR) 44.5 = 471-5 | 49.0 49-5 51.0 | 8 50.0 57.7 55 | 56.8 3 57-8 7 57-1 65.8 62.5 | 65.3 186 66.7 72.2 69-5 | 12.5. | | 78.0 80 | 81.6 | 5 80.0 (83) |* | | (92) 91 | 92.5 2 I 86.6 | 105.8 109 NR | 4 100 113 | 132.2 126 135 | 3 133 l denen Differenzen außerhalb der Fehlergrenzen der Messungen liegen. Jenseits ou wird die Übereinstimmung schlechter, und man hat den Eindruck, als ob sich hier fremde Einflüsse mit wachsender Wellen- länge immer stärker geltend machen. Ob es sich um die Wirkung einer dritten Streifenserie handelt, wie Hr. Hrrrxer und ich früher an- genommen haben und wie es auch Hr. SreATor für möglich hält, kann noch nicht entschieden werden. Eine solche dritte Reihe brauchte sich, wenn das elektrische Moment des Moleküls senkrecht zu der entsprechen- den Rotationsachse sehr klein ist, bei direkten Messungen im Rotations- gebiet nicht bemerkbar zu machen und könnte trotzdem die Feinstruktur der kurzwelligen Banden merklich beeinflussen. Ferner ist stets zu be- achten, daß bei den Messungen im langwelligen Spektrum Fehler durch die selektiven Eigenschaften der Lichtquelle, des Strahlungsempfängers Rusens: Gittermessungen im langwelligen Spektrum 23 und der im Strahlengange vorhandenen Medien entstehen können. Auch müssen sich schwächere Einsenkungen der Energiekurve infolge der bis jetzt unvermeidlichen Unreinheit des Spektrums der Beobachtung entziehen. Spektrum der Quarzquecksilberlampe. Zur Messung der Energieverteilung der Quarzquecksilberlampe wurden zwei Beobachtungsreihen angestellt, deren Ergebnisse in Fig. 7 zur Anschauung gebracht sind. In beiden Fällen wurde das Gitter 1 Fig. 7. SE 2 EEE EN ee EL E el a7 | Quecksüberlampe I.) 8 RA me) | | i eal! ki! me - Gilterkonstarte, 9 °2300mm\ | mel] | | ; | I} | 06 JE „un N BE | 12. iz +4 + L r + 4 | | | 05 + = r Yoıl ) } a 94 + Ze n j d 9 | | N | L Q | 03 Pr PH 7 q ei: | {e) Ob Q at Ns 4% ‘ \ le d [Pr] | I} I on Hr | | i ME EIN ETTE ER ZH BURN TE ge TUR 3ER EEE ge Tl (9= 2.0027 mm) angewendet und die Breite der Spalte 8, und S, auf 4.8 mm erweitert. Die beiden Reihen unterscheiden sich dadurch, daß in der.mit A bezeichneten ein verkleinertes Bild des Quarzrohres der Lampe derart auf den Spektrometerspalt S, geworfen wurde, daß außer dem leuchtenden Faden, welcher bei voll belasteter Lampe in der Achse 24 Gesamtsitzung v. 6. Jan. 1921. — Mitt. d. phys.-math. Klasse v. 21. Okt. 1920 des Rohres verläuft und von dem fast das gesamte Licht ausgeht, auch seitliche Teile des Rohres, in welchem der Quecksilberdampf nur äußerst schwach leuchtet, auf dem Spalte zur Abbildung gelangten, während bei der Reihe B ein so stark vergrößertes Bild der Lampe auf den Spalt S, geworfen wurde, daß dieser von dem Bilde des leuchten- (len Fadens vollkommen bedeckt war. Wie aus den Kurven der Figur 7 zu ersehen ist, zeigen beide Reihen einen sehr ähnlichen Verlauf. Die. Form der Kurven spricht für das Vorhandensein eines kontinuierlichen Spektrums, doch kann es sich auch um schärfere Banden oder Linien handeln, welche sich infolge der großen Spaltbreiten und geringen Dispersion teilweise überdecken. Leider ließ sich eine bessere Auf- lösung durch Verringerung der Spaltbreiten oder durch Anwendung eines feineren Gitters wegen der Kleinheit der Ausschläge nur an wenigen Stellen durchführen. In Tabelle VII sind die Wellenlängen der Maxima und Minima für die Energieverteilungskurven der Quecksilberlampe zusammengestellt. Das erste Maximum a rührt ohne Zweifel von der Strahlung des heißen Tabelle VI. Quarzquecksilberlampe, Gitter I (9 = 2.0027 mm). Mer: Maxima Minima suchs- Bezeich-| # I Bezeich-| \ a - Manz reihe | nung es | En Mittel || Jar nung | es En | Mittel ; “ | [ a IN 2 05 Ian | 72.2 u a’ a3 ol Mara, | 3°27.5° | 120.7 u My b | a°ı5' | 4°20’ | 4°17.5'|| 149.9 u b’ Shanken | Sanceh [5° o’ 174-5 4 ) c |#62.5oL 10: Kalllar o' || 209.9 u Bene) 7°40' | 7°40' | 7°40’ 267.1 u an WoTsll oR25%W 02201 Bora | { a IS20 28 7558/12 orlleronHi a' aegolll 37.20! | 3°25’ 119.3 u 2 h b 4°20' | 4°20' | 4°20! |sr2 b' 5° ,2'.| 5° 2’ |5°.2' || 175.6 | c 65 ao 02 ara 2 Fe a Ra L d || 9°20’ | 9°20' |9°20" || 324.8 u | | Quarzrohres her, da der amorphe Quarz in diesem Teile des Spektrums in Schichtdieken von über einem ‘Millimeter noch undurchlässig ist. Die beiden Erhebungen ce und d sind offenbar mit den früher aus in- terferometrischen Messungen gefolgerten langwelligen Emissionsgebieten des Quecksilberdampfs identisch. Die Interferometermessungen hatten für die’mittlere Wellenlänge dieser Strahlungen allerdings die größeren Werte 218 bzw. 343% ergeben, während die Maxima ce und d in den Kurven der Figur 7 bei 210 bzw. 324n liegen. Es ist jedoch zu be- achten, daß bei den Interferometermessungen nicht nur die im Strahlen- gange befindliche Quarzschicht um ein Vielfaches größer war und etwa N . 4 Rusens: Gittermessungen im langwelligen Spektrum 25 23 mm betrug, gegenüber etwa 6mm im vorliegenden Falle, sondern daß früher zur Beseitigung der kurzwelligeren Strahlung des heißen Quarz- rohres auch noch eine Platte aus amorphem Quarz oder schwarzer Pappe eingeschaltet wurde. Die Einführung dieser Medien, welche eine mit wachsender Wellenlänge zunehmende Durchlässigkeit besitzen, bewirkt, daß die Maxima @ und wahrscheinlich auch 5 nahezu vollständig ver- schwinden und daß e und d nach längeren Wellen verschoben werden. Ferner wird das Höhenverhältnis von ce und d zugunsten von d ver- schoben, was gleichfalls mit den früheren Versuchen gut überein- stimmt. Das Vorhandensein des bei A= 1504 gelegenen Maximums 5 konnte aus den Interferometermessungen nicht erschlossen werden. Ob dasselbe lediglich durch die selektive Emission des Quecksilberdampfs hervorgerufen wird, ist jedoch fraglich. Das mit a’ bezeichnete Mini- mum (A = 1204) besteht nämlich ohne Zweifel aus zwei voneinander getrennten Senkungen, deren Wellenlänge etwa 105 bzw. 132 beträgt. Dies geht bereits mit einiger Sicherheit aus den in Fig. 7 eingetrage- nen Beobachtungspunkten hervor. Besonders ist die Zweiteilung des Minimums in den Kurven der Reihe B deutlieh erkennbar (punktierte Linie). Um volle Sicherheit zu gewinnen, wurde eine Versuchsreihe mit dem feineren Gitter II (9 = 0.9991) aufgenommen; darin traten trotz der Kleinheit der Ausschläge zwei scharf ausgeprägte Minima bei x = 6°0’ und 7°40’ entsprechend den Wellenlängen 104.84 und 133.44 deutlich hervor. Daß diese beiden Minima mit den Wasserdampfbanden bei 105.94 und 132.34 so nahe übereinstimmen, ist wohl kein Zufall. Ob das tiefe Minimum Ö’ bei A = 175% durch den Wasserdampf hervor- gerufen wird, ob es der selektiven Absorption eines der anderen im Strahlengange befindlichen Medien seine Entstehung verdankt oder ob es von der selektiven Emission des Quecksilberdampfs herrührt, kann hier nicht entschieden werden. Immerhin mag darauf hingewiesen wer- den, daß nach Frl. vox Banks Messungen bei 1714 ein Absorptions- streifen des Wasserdampfs zu erwarten ist', welcher mit dem Streifen erster Ordnung der Bserrunschen Reihe (1734) nahe übereinstimmt. Daß das Minimum ce’ nicht allein auf die Absorption des Wasser- dampfs zurückzuführen ist, kann auf Grund der früheren Interferometer- messungen als sehr wahrscheinlich gelten’. Es ist aber nicht ausge- schlossen, daß die Form und Tiefe dieses Minimums durch einen bei ' Auch in der Kurve des Hın. Srearor ergeben die Minima 25 und 36, von denen besonders das letztere sehr stark ausgeprägt ist, das Vorhandensein eines lane- welligen Streifens bei 178%. 2 ®2 H. Rusens und ©. von Baerver, Diese Berichte 1913, S. 802. Sitzungsberichte 1921. 3 26 _ Gesamtsitzung v. 6. Jan. 1921. — Mitt. d. phys.-math. Klasse v. 21. Okt. 1920 250 liegenden Absorptionsstreifen, wie er aus Frl. von Banrs Messungen hervorzugehen scheint, mitbeeinflußt wird!. Ob und welchen Einfluß die selektive Absorption des Quarzglas- rohres der Lampe und des Schwärzungsmittels, mit dem das Thermo- element bedeckt ist, auf die beobachtete Energieverteilungskurve aus- übt, läßt sich ebensowenig mit Sicherheit angeben’. Die Kohlensäure der Zimmerluft besitzt in den hier in. Betracht kommenden Spektral- gebieten keine merkliche Absorption’®. Eine theoretische Erklärung für die Entstehung der beiden lang- welligen Emissionsbanden des Quecksilberdampfes ist von Hrn.F.A.Linpe- mann versucht worden. Er nahm an, daß die im Entladungsraum vor- handenen positiven und negativen Atomionen nach erfolgter Annäherung umeinander rotieren und zwar in Abständen von derselben Größenordnung, wie sie die Moleküle des festen und flüssigen Quecksilbers besitzen. Die Maximalfrequenz, mit welcher diese Dipole rotieren können, ist unter der Voraussetzung, daß beide Ionen einfach geladen sind, / e I en 4% rm (e—= Elementarquantum, r—= Radius der Bahn, m = Masse eines Ions). Ist das positive Ion doppelt, das negative einfach geladen, so ergibt sich die Maximalfrequenz V 2 mal größer. Es würden hiernach zwei Emissions- banden zu erwarten sein mit einer verwaschenen langwelligen und einer scharfen kurzwelligen Grenze, deren Wellenlängen sich zu 296 » und 209 4 berechnen, was mit der Lage der Maxima c und d befriedigend übereinstimmt. Nimmt man an, daß beide Ionen doppelt geladen sind, so entsteht eine Bande, deren kurzwellige Grenze 2 v betragen würde, entsprechend der Wellenlänge 148 «. Hierdurch würde das Auftreten des Maximums b erklärt werden. Es ist jedoch sehr zweifelhaft, ob man doppelt negativ geladene Ionen im Quecksilberlichtbogen annehmen darf, während dasVorkommen von mehrfach positiv geladenen Ionen auf Grund der Kanalstrahlenversuche wahrscheinlich ist. Daß die Entstehung des ı Ein soleher Streifen folgt auch aus den Stearorschen Messungen. Die starken Minima 27.und 34 lassen im Rotationsgebiet einen Absorptionsstreifen bei 256 erwarten. ? Die Durchlässigkeit des Quarzglasrohres nimmt vermutlich mit wachsender Wellenlänge langsam zu. Als Schwärzungsmittel für das Thermoelement diente ein Gemisch von Ruß und Natronwasserglas. Das Reflexionsvermögen des Natronwasser- glases schwankt in dem langwelligen Spektrum von 22. bis 3004 nur zwischen t2 und 20 Prozent. Seine Durchlässigkeit in Schichten von über "/; mm Dieke wird erst im Bereiche der größten Wellenlängen merklich. Gegeniiber dem Natronwasserglas übt der Ruß in diesen Spektralgebieten nur eine geringe absorbierende Wirkung aus. Vgl. hierzu auch diese Berichte a. a. ©. 1913, S. 542. ei : : Vgl. H. Rusens und H. vov WArTENBERG, Ber. d. D. Phys. Ges. rgı1, S. 796. Rusens: Gittermessungen im langwelligen Spektrum 2. Maximums d möglicherweise auch auf die Wirkung der Wasserdampf- absorptionsbanden zurückgeführt werden kann, ist bereits oben hervor-, ' gehoben worden. Es bleibt weiterhin die Frage zu erörter n, ob die Quantentheorie die auf klassischer Grundlage beruhende Überlegung des Hrn. Linpemann nicht in einer Weise umgestalten muß, welche experimentell nachgewiesen werden könnte. Eine einfache Überlegung zeigt jedoch, daß dies nicht der Fall ist. Das relativ sehr hohe Trägheitsmoment der rotierenden Dipole, welches von der Größenordnung 2 x 10” ” ist, hat nämlich zur Folge, daß die Quantenzahlen der hier beobachteten Frequenzen so hohe | sind, daß sich die Feinstruktur der Banden bei Benutzung der verwende- ten spektralen Hilfsmittel nicht zeigen kann. Ausgegeben am 13. Januar. Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei NE: wi En Kar Klasse am 13. ae, a 29) AN zu: Traumen und Erkrankungen der Knochen und Gelenke, rlnp sche es OCT 21 1921 & % ’ BRENNT IE u Unson JAN.D BERLIN 1921 ‚VERLAG DER AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN IN KOMMISSION BEI DER \ . ' VEREINIGUNG WISSENSCHAFTLICHER VERLEGER WALTER DE GRUYTER U. CO. Kr VORMALS G..J, GÖSCHEN’SCHE VERLAGSHANDLUNG. J. GUTTENTAG, VERLAGSBUCHHANDLUNG. A j GEORG REINER. KARLJ. TRÜBNER. VEIT U, COMP: 2 Ei N ur EN Veröfte ke east Be 1: chen Akademie der Wissenschaften« und »Abhand- der Preußischen Akademie der Wissenschaften«. Kr Aus 8 2, ' Jede zur Aufnahme in die Sitzungsberichte oder die lungen bestimmte Mitteilung muß in einer aka- demischen ‚Sitzung vorgelegt werden, wobei in der Regel das druckfertige Manuskript zugleich emzuliefern ist. Nicht- mitglieder haben hierzu die Vermittelung eines ihrem Fache angehörenden ordentlichen. Mitgliedes zu benutzen. 83, Der Umfang einer aufzunehmenden Mitteilung soll h der Regel’in den Sitzungsberichten bei Mitgliedern 32, Mr bei Nichtmitgliederh 16 Seiten in der gewöhnlichen Schrift ‚der Sitzungsberichte, in den Abhandlungen 12 Druckbogen von je 8 Seiten in der gewöhnlichen Schrift der Abhand- lungen nicht übersteigen. "Überschreitung dieser Grenzen ist nur mit Zustimmung der Gesamtakademie oder der betrefienden Klasse 'statt- haft und ist bei Vorlage der Mitteilung ausdrücklich zu beantragen, Läßt der Umfang eines Manuskripts ver- muten, daß diese Zustimmung erforderlich sein ‘werde, so hat das vorlegende Mitglied es vor dem Einreichen von sachkundiger Seite auf seinen mutmaßlichen Umfang ‚im Druck absehätzen zu Jassen. S4. Sollen einer Mitteilung Abbildungen im Text oder auf besonderen Tafeln’ beigegeben werden, so sind die Vorlagen dafür (Zeichnungen, photographische Original- N) aufnahmen usw.) gleichzeitig mit dem Manuskript, jedoch auf getrennten Blättern, einzureichen, Die Kosten der Herstellung der Vorlagen haben in der Regel die Verfasser zu tragen. Sind diese Kosten aber auf einen erheblichen Betrag zu veranschlagen, so kann die Akademie dazu eine Bewilligung beschließen. Ein darauf gerichteter Antrag ist vor der Herstellung der be- treffenden Vorlagen mit dem schriftlichen Kostenanschlage - eines Sachverständigen an den vorsitzenden 'Selkretar zu richten, dann zunächst im Sckretariat vorzuberaten "und weiter in der Gesamtakademie zu verhandeln. Die Kosten ‘der Vervielfältigung übernimmt die Aka- demie. Über die voraussichtliche Höhe dieser Kosten ‚ist — wenn es sich nicht um wenige einfache Textfiguren handelt — der Kostenanschlag eines‘ Sachverständigen beizufügen. Überschreitet dieser Anschlag’ für die er- forderliche Auflage bei den Sitzungsberichten 150 Mark, " bei den Abhandlungen 300 Mark, so ist Vorberatung durch das Sekretariat geboten. Aus 85. Nach der Vorlegung und Einreichung des vollständigen druckfertigen Manuskripts an den zuständigen Sekretar oder an den Archivar wird über Aufnahme der Mitteilung in .die akademischen Schriften, und zwar, wenn eines der anwesenden Mit- glieder es verlangt, verdeckt abgestimmt. Mitteilungen von Verfassern, welehe nieht Mitglieder der Akademie sind, sollen der Regel’nach nur in die Sitzungsberichte aufgenommen werden. Beschließt eine Klasse die Aufnalıme der Mitteilung eines Nichtmitgliedes in, die Abhandlungen, so bedarf dieser Beschluß der Bestätigung durch die Gesamtakademie. (Fortsetzung auf S. 3 des Umschlags.) müssen, wenn es sich nicht HIELT ausreichende Anweisungen für die Anordnung und.die Wahl der Schriften enthalten. "Bei | Einse Fremder sind diese Anweisungen von dem vorle Mitgliede vor Einreichung des Manuskripts vorzunel Dasselbe hat sich zu vergewissern, daß der V; seine Mitteilung als vollkommen druckreif ansieht. Die erste Korrektur ihrer Mitteilungen besorgen Verfasser. Fremde haben diese erste Korrektur vorlegende Mitglied einzusenden. Die Korrektur sol Möglichkeit nicht über die Berichtigung von Druckf und leiehten Schreibversehen hinausgehen. Umfäng Korrekturen Fremder bedürfen der FR Ha ir gierenden Sekretars vor der Einsendung an die und die Verfasser sind zur iz der ia ; kosten verptlichtet. Aus $ 8. a Von allen in die Sitzungsberichte oder Abhand aufgenominenen wissenschaftlichen Mitellungen, u Adressen oder Berichten werden für Die Verfasser, von r | \ “exemplare; er ist indes berechtigt, zu gleichem Zweeke Druck 4 Seiten übersteigt, auch für den Buchhanät Behiade abdrucke hergestellt, die alsbald aueh Erscheinen - aus-- gegeben werden. “ Von Gedäehtnisreden werden ibenfälik a NE für.den Buchhandel hergestellt, indes nur dann, wenn Verfasser sieh ausdrücklich damit einverstanden AklRrh 89 Von den Sonderabdrucken aus den Sitzungsberichtän erhält ein Verfasser, welcher Mitglied der Akademie ish, zu unentgeltlicher Verteilung ohne weiteres 50 auf Kosten der Akademie weitere Exemplare bis zur Zahl von. noch 100 und auf seine Kosten noch weitere bis zur Zahl von 200 (im ganzen also 350) abziehen zu lassen, sofern er dies rechtzeitig dem redigierenden Sekretar an gezeigt hat; wünscht er auf seine Kosten noch mehr 'Abdrucke zur Verteilung zu erhalten, so bedarf es dazu der Genehmigung der Gesamtakademie oder der betrefien- den Klasse, — Niehtmitglieder erhalten 50 Freiexemplare und dürfen, nach rechtzeitiger Anzeige bei dem redi- gierenden Sekretar weitere 200 Exemplare auf ihre Kosten abziehen lassen. Von den Sonderabdrucken aus den Abhandlungen 'er- hält ein Verfasser, welcher Mitglied der Akademie ist, zu unentgeltlicher Verteilung ohne weiteres 30 Frei- exemplare; er ist indes berechtigt, zu gleichem Zwecke auf Kosten der Akademie weitere Exemplare bis zur Zahl von noch 100 und auf seine Kosten noch weitere bis zur Zahl von 100 (im ganzen also 230) abziehen zu lassen, sofern er dies rechtzeitig dem redigierenden Sekretar an- gezeigt hat; wünscht er auf seine Kosten noch mehr Abdrucke zur Verteilung zu erhalten, so bedarf es dazu der Genehmigung der @esamtakademie oder der betreffen- x den Klasse. — Nichtinitglieder erhalten 30 Freiexemplare = und dürfen nach rechtzeitiger Anzeige bei dem redi- gierenden Sekretar weitere 100 Exemplare auf Ihre Kosten abziehen lassen. $ 17 Eine für die akademischen ‚Schriften be- stimmte wissensehaftliche Mitteilung darf in keinem ‘Falle vor ihrer Ausgabe an jener Stelle anderweitig, sei es auch nur EIARER, SITZUNGSBERICHTE | DER PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. | 1921 u. Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse. 13. Januar. Vorsitzender Sekretar: Hr. Rugner. “Hr. Liesiscn sprach über die homogenen Deformationen der Kristalle, die durch einfache Schiebungen nach Gleitflächen hervorgerufen werden. Die einfachen Schiebungen nach Gleittlächen, durch welche die physikalischen Eigenschaften der Kristalle nicht geändert werden, sind einem einfachen geometrischen Gesetz unterworfen, solange «die Homogenität der Kristalle als eine kontinuierliche aufgefaßt werden kann. Eine vollständigere Einsicht in diese Vorgänge wird ver- mittelt durch die Kenntnis der auf röntgenometrischem Wege aufgefundenen homogenen diskontinuierlichen Strukturen der Kristalle. An dem Beispiel des Kalkspats wurde erläutert, daß die Zentren der Ionen Ca und (OÖ, schiebungsfähige Gitter bilden, deren Punkte geradlinige Strecken in der Schiebungsrichtung zurücklegen. Dagegen ist die Bewegung der außerhalb dieser Zentren liegenden Punkte, insbesondere die Bahn der Zentren der O-Atome, eine zykloidische. II. Sitzung der philosophisch-historischen Klasse. 13. Januar. Vorsitzender Sekretar: Hr. RoETHE. *1]. Hr. Heymann las über die Rechtsformen der deutschen militärischen Kriegswirtschaft und ihre Bedeutung für die Entwicklung unseres Gewerberechts. Die Rechtsgedanken mittelalterlicher und absolutistischer Bindung des Gewerbes sind im Kriegsrecht zu einer bis dahin unbekannten Höhe gesteigert, und die vorzugs- weise protektionistische Bindung früherer Zeiten ist einer Beherrschung im Allgemein- interesse — nicht nur unter tatsächlicher Beseitigung der Gewerbefreiheit, sondern auch unter Zurückdrängung von Lebensinteressen der einzelnen Unternehmer — gewichen. Die dabei verwendeten Formen der Beschlagnahme, Enteignung, Auskunftspflicht, Zwangssyndizierung usw. lassen sich auf längst vorhandene Rechtsgedanken zurück- führen; sie empfangen aber ihren besonderen Charakter durch den verbindenden be- sonderen Kriegszweck. Unter diesem Gesichtspunkte bedarf ihre Verwendung im Friedensrecht sorgfältiger Prüfung. Sitzungsberichte 1921. 4 30 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse vom 13. Januar 1921 2. Hr. Erman legte vor 'eine Mitteilung von Hrn. Prof. Dr. MöLLer in Berlin »Die Zeichen für ‘Westen’ und ‘Östen’ in der ägyp-. tischen Hieroglyphenschrift«. Das Zeichen für “Westen” wird gedeutet "Land der Federträger’, d. i. Libyen; das Zeichen für "Osten? meint “Kupferberg‘, d. i. Sinaihalbinsel. Diese Schriftzeichen müssen also aus geographischen Gründen in Unterägypten entstanden sein; das Delta muß zur Zeit ihrer Entstehung das Land der höheren Kultur gewesen sein. Orr#s: Traumen und Tuberkulose der Knochen und Gelenke 31 Traumen und Erkrankungen der Knochen und Gelenke. Kasuistische Mitteilungen aus meiner Gutachtertätigkeit in Unfallsachen. Von J. OrTH. (Vorgetragen am 2. Dezember 1920 [s. Jahrg. 1920 S. 758].) Il. Traumen und Tuberkulose der Knochen und Gelenke. Ber den von mir in der Zeitschrift für Tuberkulose veröffentlichten Gutachten über tuberkulöse Erkrankungen nach Unfällen befinden sich auch solehe über Knochen- und Gelenktuberkulosen, auch habe ich über die allgemeinen Grundsätze der Beurteilung solcher sowohl in den in jener Zeitschrift erschienenen Schlußbetrachtungen als auch vorher schon bei anderer Gelegenheit mich geäußert, aber das Gebiet der Knochen- und Gelenktuberkulosen ist ein so vielgestaltiges, jeder neue Fall bringt wieder so viel Eigenartiges, daß immer noch Neues zu sagen bleibt. Aus der großen Zahl der mir zu Gebote stehenden, noch unveröffentlichten Fälle habe ich hier eine Anzahl zusammen- gestellt, welche ich teils mehr summarisch, teils ausführlicher wieder- gebe, von denen jeder Fall eine oder auch mehrere besondere Fragen zu beleuchten geeignet ist, und bei denen mein Gutachten mit mehr oder weniger zahlreichen und meist sich widersprechenden Vorgut- achten sich abzufinden hatte. Es kamen dabei nicht nur die Besonder- heiten des einzelnen Falles und ihre Beurteilung, sondern mehrfach auch allgemeine Gesichtspunkte zur Erörterung, die teils mehr dem praktischen, teils dem rein wissenschaftlichen Gebiete angehörten. Eine immer wieder von den Gutachtern ganz verschieden be- urteilte Frage ist die nach der notwendigen Stärke der durch den Unfall herbeigeführten Veränderung, die natürlich in erster Linie von der Stärke der Gewalteinwirkung abhängig ist, aber in zweiter doch auch von dem Zustande, in dem der betroffene Körperteil sich befand, 4* 32 Sitzung der phys.-math. Klasse v. 13. Januar 1921. — Mitt. v. 2. Dez. 1920 dessen Empfindlichkeit, wie ich schon in den Vorträgen über Knochen- brüche und Knocheneiterungen dargelegt habe, sowohl von natürlichen anatomischen Verhältnissen als auch von abnormen, krankhaften Zu- ständen sehr wesentlich abhängig ist. Diese Art einer örtlichen Disposition ist also für den unmittelbaren Erfolg der Gewaltein- wirkung von Bedeutung, noch viel wichtiger ist aber für die weiteren Unfallfolgen, hier also für die folgende Tuberkulose, daß durch diese traumatischen Veränderungen. die gar nicht so sehr groß zu sein brauchen, ja bei denen, was allerdings nicht unbestritten ist, die gering- fügigeren sogar wirksamer zu sein scheinen als die schweren, eine weitere örtliche Disposition für eine tuberkulöse Erkrankung geschaf- fen wird. | Aber nicht nur örtliche, sondern auch allgemeine, konstitutionelle Verhältnisse, also allgemeine Dispositionen, spielen eine nicht zu vernachlässigende Rolle, wie uns die Zunahme der Tuberkulosetodes- fälle, aber wahrscheinlich auch der Erkrankungen an Tuberkulose im Anschluß an die Kriegsnöte und insbesondere wohl an die quantitativ wie qualitativ ungenügende Ernährung eindringlich und in beklagens- wertester Weise gelehrt hat. Diese örtlichen und allgemeinen Dis- positionen sind sowohl für das Haften von Tuberkelbazillen als auch für den Verlauf der daraus entstehenden Krankheit von Bedeutung und müssen bei der ärztlichen Beurteilung von Unfallsachen wohl im Auge behalten werden. Ich will daher, ehe ich an die Einzelfälle herantrete, zunächst noch einige allgemeine Bemerkungen über die örtliche und allgemeine Disposition zur Tuberkulose machen. In bezug auf die Dispositionslehre bei der Tuberkulose wiederholen sich jetzt ähnliche Vorgänge, wie sie sich einst beim Auf- blühen der Bakteriologie und dem Aufbau der neuen Lehre von den Infektionskrankheiten gezeigt haben: einseitige Übertreibung der Bedeu- tung der neuen Errungenschaften. Die Bakterien allein sollten Krank- heitsursache sein; ohne sie keine Krankheit, aber wo sie, da not- wendigerweise auch Krankheit. Jetzt sind es die Ergebnisse der Immunitätsforschung, die in ähnlich einseitiger Weise als für die Entstehung und den Verlauf der Tuberkulose einzig maßgebend von manchen Seiten hingestellt werden. Die Fähigkeit des Körpers, Im- ınunstoffe zu bilden, soll die einzige Grundlage der Immunität bzw. Disposition sowohl für die Entstehung als auch für den Verlauf der Krankheit sein. Ich halte diese Anschauung für völlig irrig und in ihren Konsequenzen verhängnisvoll. Die Erzeugung von Antikörpern ist ein — und ich will gern zugeben, ein besonders wichtiges — Kampf- bzw. Verteidigungsmittel des Organismus auch gegen die 'Tuberkel- bazillen, aber es ist sicherlich nicht das einzige, sondern stellt nur Orru:. Traumen und Tuberkulose der Knochen und Gelenke 38 eine der Bedingungen dar, von welchen die Ansiedelung von Tuberkel- bazillen, ihr Wachstum und ihre Vermehrung, der Verlauf der günstigen- falls durch sie erzeugten Krankheit abhängig ist. Noch viel weniger kann ich es billigen, wenn versucht wird, jede Disposition zu leugnen und zu behaupten, es gebe keine » Tuberkulosebedrohten«, die » Tuberkulosegefährdeten«, im Sinne von »Disponierten«, seien nur Phantasiegebilde, wie man es jüngst im Tuberkulose-Fürsorgeblatt lesen konnte. Wenn das aus dem Charakter der Tuberkulose als Infektionskrankheit abgeleitet wird, so ist das ein Rückfall in jenen Fehler der frühbakteriologischen Zeit, der am sichersten als Fehler durch die Feststellung erkannt wurde, daß es nicht erkrankte und nieht erkrankende Bakterienträger gibt, die nicht nur kurz ‚vorübergehend, sondern für längere Zeit patlıogene Bakterien beherbergen, von denen’ bei anderen, disponierten Indivi- duen sofort die betreffende Krankheit hervorgerufen werden kann, wenn sie von jenen agıf diese übertragen werden. Damit wird nur die alte Erfahrung bestätigt und dem Verständnis nähergebracht, daß von vielen: Personen, die in gleicher Weise der Infektionsgefahr ausgesetzt waren, nur ein mehr oder weniger großer Bruchteil erkrankt, sicherlich nieht nur deswegen, weil nicht zu allen zufällig die Infektionserreger gelangten, sondern auch deswegen, weil nicht alle Personen disponiert waren, und wenn die Schwere der entstandenen Erkrankungen in’ weitesten Grenzen schwankt, so spielt dabei ohne Zweifel die größere oder geringere Widerstandsfähigkeit des erkrankten Körpers oder, mit anderen Worten, seine größere oder geringere Disposition, ich will nicht sagen, die einzige, aber doch eine sehr wesentliche Rolle. Wer sich vor dem Worte Disposition scheut, kann auch in allen diesen Fällen mutatis mutandis von Immunität sprechen, aber das ist im Wesen dasselbe, denn Immunität ist negative Disposition. Das alles gilt auch für die Tuberkulose, und da auch sie eine bakterielle Infektionskrankheit ist, so darf man auch auf sie die bei anderen Infektionskrankheiten und anderen Bakterien gemachten Erfah- rungen anwenden. Diese haben aber gezeigt, wie ungemein empfind- lich die pathogenen Bakterien in bezug auf die Zusammensetzung ihres Nährbodens sind, wie schon minimale Beimengungen von ihnen nicht genehmen Substanzen ihre Vermehrungsfähigkeit hemmen oder auf- heben, ihre Wirksamkeit (Farbstoffbereitung, Hämolyse usw.) ver- nichten können. Sollten im menschlichen Körper nicht ähnliche Wir- kungen chemischer Substanzen vorkommen, die mit Immunkörpern nicht das geringste zu tun zu haben brauchen? Wir wissen, daß die Zusammensetzung der Körpersäfte sehr wesentlich von der Nahrung abhängt; sollte nicht die Zunahme der Tuberkulose im Laufe der 34 Sitzung der phys.-math. Klasse v. 13. ‘Januar 1921. — Mitt. v. 2. Dez. 1920 Hungerblockade auch von der veränderten Qualität der Nahrung (man denke an die Rübenzeit!) abhängig gewesen sein? Aber es kommen ja nieht nur die Bakterien und ihr Verhalten in Betracht, sondern auch die Körpergewebe, die von den Bazillen angegriffen werden und deren Abhängigkeit von (dem kompliziertesten Spiel chemischer Stoffe die immer neue gegenseitige Beziehungen und Beeinflussungen ent- hüllenden Forschungen über die Hormone man möchte sagen von Tag zu Tag immer deutlicher erkennen lassen, es kommen die Lynı- phoeyten in Betracht mit ihren wachsauflösenden Fermenten, es tritt kurzum die ganze Fülle der Abwehr- und Heilungskräfte des lebenden Organismus in die Erscheinung. Ich habe die allgemeine Disposition auch konstitutionelle genannt, denn sie ist in Besonderheiten der allgemeinen Konstitution he- gründet. Unter Konstitution verstehe ich aber die Gesamtheit der Eigenschaften des Körpers, von "denen dessen Verhalten gegenüber allen seinen Lebensbedingungen abhängig ist. „Die Konstitution eines Individuums setzt sich also aus vielen Komponenten zusammen, er- erbten und erworbenen, generellen und individuellen. Die generellen können allgemein menschliche, Rassen-, Familien-, Alters- und Ge- schlechtseigenschaften sein, und soweit sie eine Schwäche der Körpers gegenüber den 'Tuberkelbazillen ‘bedingen, sind sie Dispositionen für Tuberkulose, von denen wir danach humane, Rassen-, Alters-, Ge- schlechts- und Familiendispositionen unterscheiden können, zu denen dann die auf erworbenen Eigenschaften beruhenden rein individuellen noch hinzukommen. Sie alle zusammen machen die Gesamtdisposition aus, wie die Gesamtheit der besonderen Körpereigenschaften die Ge- samtkonstitution ausmacht. Nur die ererbten Eigenschaften als kon- stitutionelle zu bezeichnen, kann ieh nieht für vorteilhaft halten, weil man diese Eigenschaften fast gar nicht morphologisch erkennen, son- dern nur aus ihren Wirkungen erschließen kann, und weil, wenn man Wirkungen sieht, man nie sicher wissen kann, ob sie die Folge von ererbten oder von intra- oder extrauterin erworbenen Eigen- schaften sind. Auch widerspricht ein solches Vorgehen dem allge- meinen Gebrauch, nach dem unter konstitutioneller Syphilis nicht eine ererbte Konstitutionsanomalie, sondern eine nicht mehr bloß lokale, sondern den ganzen Körper betreffende erworbene syphilitische Er- krankung verstanden wird. In bezug auf die Bedeutung der humanen Disposition kanıı man auf gewisse Beobachtungen hinweisen, die es wahrscheinlich machen, daß die Menschheit ursprünglich eine größere Disposition zu Tuber- kulose besaß, als es jetzt bei den Kulturvölkern im allgemeinen der Fall ist; auf Rassendisposition weisen besonders die Erfahrungen über Orın: Traumen und Tuberkulose der Knochen und Gelenke 35 die seit langem eingebürgerten Negerrassen in Nordamerika hin; die Verschiedenheit der Tuberkulose der Kinder und der Erwachsenen hängt wesentlich mit Altersverschiedenheiten des Körpers zusammen, wie solche auch in der Alterskurve‘ der Tuberkulosetodesfälle deut- lich sich geltend machen. Das bei ihr hervortretende verschiedene Verhalten der männlichen und weiblichen "Tuberkulösen beweist, ganz abgesehen von den Beziehungen der Tuberkulose zu Schwangerschaft und Wochenbett. daß auch dabei die Geschlechtsdisposition eine Rolle spielt, wenn auch der individuellen Disposition, wie sie besonders durch die Lebensweise im allgemeinen, die Beschäftigung im beson- deren gegeben wird, ein großer Anteil dabei zukonımt. Darauf weist auch die von mir nachgewiesene Verschiebung hin, welche die weib- liche Kurve entgegen der männlichen in den letzten Jahrzehnten er- fahren hat, dafür hat uns auch der Krieg eine unerwünschte Auf- klärung gebracht, denn die weit größere Zunahme der Tuberkulose- sterblichkeit bei Frauen, und gerade in den besten Jahren, muß sicher- lich zum größten Teil auf die größere Beteiligung der Frauen an der gewerblichen und industriellen Tätigkeit zurückgeführt werden, wäh- rend verminderte Antikörperbildung und vermehrte Ansteckungsmög- lichkeit kaum eine nennenswerte Rolle spielen können. Die letzte kommt ja sicher im. Leben der Menschen, insbesondere der Kinder sehr wesentlich in Betracht; aber so sicher es ist, daß ein gut Teil der familiären 'Tuberkulosen auf eine solche erhöhte Ansteckungs- gefahr zurückzuführen ist, so wenig kann doch erwiesen werden, daß es nicht eine zur Tuberkulose disponierende Familienkonstitution gibt, mag sie eine in Generationen vererbte oder eine von den Eltern, etwa durch Alkoholmißbrauch erst erworbene sein. Es wäre verhängnis- voll für die ganze Tuberkulosebekämpfung, wenn derartige Anschau- ungen, wie ich sie vorher erwähnt habe, nach denen »zu Tuberkulose Disponierte« Phantasiegebilde sein sollen, in die Praxis umgesetzt und die prophylaktische Fürsorge und die Bestrebungen zur Hebung der Volkskraft und -wohlfahrt diskreditiert würden. Die konstitutionelle oder allgemeine Disposition kommt natürlich auch bei der traumatischen Tuberkulose der Knochen und Gelenke in Betracht, und abgesehen von dem Mangel von Tuberkelbazillen im Blut dürfte wohl ihrem Fehlen oder, anders aus- gedrückt, der bestehenden Widerstandskraft (Immunität) des Gesamt- körpers es zuzurechnen sein, daß doch immer nur ein kleiner Prozent- satz von durch eine Gewalteinwirkung betroffenen Tuberkulösen eine örtliche Unfalltuberkulose davonträgt. Aber sicherlich ist die durch die Traumen herbeigeführte ört- liche Störung und die durch sie gesetzte örtliche Disposition für Eh U De Pa, ch an Bi in f 36 Sitzung der phys.-math. Klasse v. 13. Januar 1921. — Mitt. v. 2. Dez. 1920 die Entstehung einer traumatischen Tuberkulose eine unerläßliche Be- dingung. Änderungen in der Bildung von Immunkörpern, die doch im Blute kreisen, können hier unmöglich in Betracht kommen, es müssen rein örtliche Bedingungen sein, die sicherlich gemäß ‚meinen vorhergehenden Auseinandersetzungen nichteinfache,sondern zusammen- gesetzte, sowohl die Bazillen' als auch die Körpergewebe betreffende dar- stellen. Wenn die Disposition bei der "Tuberkulose überhaupt keine Rolle spielte, so könnte es auch keine örtliche Disposition geben, und die ganze Lehre von der traumatischen Tuberkulose wäre hinfällig, nicht nur so weit sie die Entstehung eines neuen tuberkulösen Herdes in noch nicht tuberkulösem Gewebe anerkennt, sondern auch für die Fälle, bei welchen die Gewalteinwirkung eine schon tuberkulös er- krankte Stelle betroffen hat, von der daraufhin ein beschleunigtes Fortschreiten des tuberkulösen Prozesses statt hat, so daß es, sich nicht um die Neuentstehung eines tuberkulösen Herdes, sondern nur um die Verschlimmerung einer schon bestehenden örtlichen Erkran- kung handelt. Beides kommt vor, bei beiden ist eine örtliche Dis- position wirksam, denn auch in dem zweiten Falle müssen örtliche Veränderungen die Bedingung für die Verschlimmerung des Krank- heitsprozesses abgeben. Es mag zugegeben werden, daß die letzte Art traumatischer Knochen- und Gelenktuberkulose die häufigere ist, aber die andere muß doch auch. wie auch aus meiner Kasuistik zu ersehen ist, zu- gelassen werden. Indessen muß ich eindringlich betonen, was leider immer noch nicht Gemeingut aller Ärzte geworden ist, und was des- halb in Obergutachten wiederholt nachdrücklich hervorgehoben werden mußte, daß Knochentuberkulosen so selten die erste Manifestation der Tuberkulose im menschlichen Körper zu.sein pflegen, daß man so lange in jedem Falle eine anderswo im Körper gelegene Quelle für die Knochentuberkulose annehmen muß, bis das Gegenteil, d. h. das Fehlen eines solchen älteren Herdes, der Ausgangspunkt für Metastasen gewesen sein könnte, nachgewiesen ist. In den folgenden Fällen ist auch diese Frage wiederholt zur Erörterung gelangt, ich gehe daher hier auf sie nicht weiter ein, sondern kehre zu dem Ausgangspunkt meiner Betrachtungen, der notwendigen Stärke der Gewalteinwirkung, zurück, indem ich nochmals hervorhebe, daß auch eine örtlich neue Tuberkulose durelı an sich nur unerhebliche Gewalteinwirkung her- vorgerufen werden kann, eine Gewalteinwirkung, die also trotz ihrer Geringfügigkeit imstande gewesen sein muß, die Ansiedlung von im Blute kreisenden Tuberkelbazillen und ihre pathogene Wirksarnkeit zu befördern bzw. zu ermöglichen. Orra: Traumen und Tuberkulose der Knochen und Gelenke 37 1. Der erste der mitzuteilenden Fälle gehört hierher. Gutachten Nr. 833 vom 25. Juni 1920. betr. den im 16. Lebensjahre stehenden Werkstattschreiber F. W. Am 29. Januar 1917 Stoß mit dem Ellbogen gegen einen eisernen Ring; keine sichtbare Wunde, aber »ziemliche«, jedoch bald vorübergehende Schmerzen, erst später stellten sich wieder Schmerzen ein, wobei der Arm allmählich dieker und empfind- - licher wurde. Am 9. März ı917 wurde eine Entzündung des Ellbogens vom Arzt festgestellt, im Krankenhause am ı3. März eine starke entzündliche Schwellung und Fluktuation gefunden. ‚Trotz Eiterentleerung kein Rückgang, sondern am 3. April 1917 bereits eine ausgedehnte Tuberkulose, die durch Resektion beseitigt wurde. Es bestanden unter den ärztlichen Gutachtern Meinungsverschiedenheiten über die Frage, ob Tuber- kulose oder eiterige Osteomyelitis, vor allem aber über die Beziehungen der Krank- heit zu dem Unfall; Dr. O., der operiert hatte, nahm einen ursächlichen Zusammenhang im Sinne der Erzeugung eines neuen tuberkulösen Herdes an, Dr. Br., der Gerichtsarzt Dr.B. und das Oberversicherungsamt selbst lehnten einen Zusammenhang ab: es habe keine er- heblich= Verletzung stattgefunden, denn sonst wäre früher ärztlicher Rat eingeholt worden, die Tuberkulose sei älter als sechs Wochen gewesen und habe jedenfalls schon vor Ende ‚Januar bestanden, die beim Stoß empfundenen Schmerzen im Gelenk seien durch die schon vorhandene Erkrankung bewirkt worden. Diese sei nicht wesentlich ver- schlimmert worden, denn sonst hätte der Kranke nicht erst nach sechs Wochen die Arbeit eingestellt und einen Arzt konsultiert. Bei einer schleichend verlaufenden Tuber- kulose sei ein solches Verhalten begreiflich. ‚Herr Dr. O., der nochmals bestimmt erklärte, daß es sich nicht um Osteomyelitis, sondern um Tuberkulose gehandelt habe, wies demgegenüber darauf hin, daß die Tuberkulose nicht so alt zu sein brauche, da sie sich bei der allgemeinen Unter- ernährung schneller entwiekelt haben könne, auch sei der Grad der Empfindsamkeit ein verschiedener. — i » Meines Erachtens handelte es sich nieht um Osteomyelitis, denn abgesehen von der bestimmten Behauptung des Hrn. Dr. OÖ. würde diese bei dem unausgewachsenen Menschen im Schaft des Knochens gesessen haben und nicht durch Gelenkresektion zu heilen gewesen sein. Diese Tuberkulose ist zuletzt verhältnismäßig schnell ver- laufen, wie aus den ärztlichen Befundberichten geschlossen werden muß, es liegt also um so weniger Grund vor, eine alte Tuberkulose anzunehmen und ihren Beginn vor den Unfall zu lesen, als nach verbreiteter Ansicht die Erhöhung der Tuberkulose- sterblichkeit in der Kriegszeit weniger wegen höherer Zahl der Erkrankungen als wegen schnelleren Verlaufs der Tuberkulosen eingetreten ist. Wäre bei W. schon Tuberkulose mit einer großen Anzahl von Tuberkelbazillen vorhanden gewesen, dann hätten unter diesen Umständen früher Erscheinungen auftreten und diese eine stürmischere ‘ Entwicklung nehmen müssen; bei Annahme einer neuen örtlichen Infektion, bei der vermutlich nur einzelne Bazillen zur Einwirkung gelangten, ist es verständlich, daß erst später Schmerzen durch die Krankheit auftraten, daß trotz der begünstigenden Umstände die Krankheit zunächst unbemerkt und langsam verlief. Daß im März plötzlich die Verschlimmerung auftrat, dürfte damit zusammenhängen, daß damals der krankhafte, zunächst in der Tiefe liegende Vorgang in die äußeren Weichteile durch- gebrochen ist und hier eine akute Entzündung erzeugt hat. Bei dieser Sachlage, da 1. der spätere Befund. nieht ein längeres Bestehen beweist, und da 2. auch nicht die geringste Erscheinung auf eine vor dem Unfall vorhandene Knochen- oder Gelenk- tuberkulose hinwies, hat man daher kein Recht zu sagen, der Stoß zu Ende Januar 1917 habe deshalb weh getan, weil schon eine Erkrankung da war, sondern man muß zu- geben, daß die »ziemlichen« Schmerzen abhängig waren von dem Stoß, der danach doch nicht als ganz harmlos angesehen werden kann, sondern dem man zutrauen darf, daß er genügende innere Gewebsveränderungen erzeugte, um bei der gegebenen Herabsetzung der Widerstandskraft des Körpers in dem örtlichen Kampf‘ der Körper- zellen mit den, aller Wahrscheinlichkeit nach aus einem bisher noch unbekannten tuber- 38 Sitzung der phys.-math. Klasse v. 13. Januar 1921. — Mitt. v. 2. Dez. 1920 kulösen Herd im Körper des W. kommenden Bazillen diesen die Überhand zu ver- schaffen. Sicherlich besteht heutzutage die Neigung, ganz harmlose Betriebsvorkommnisse nachträglich zum Unfall zu stempeln, aber auf der anderen Seite muß doch auch berick- sichtigt werden, daß Laien nie wissen können, welche Folgen ein auch an sich gar nicht schwerer Unfall, besonders bei einem so jungen Menschen, bei denen ja nicht nur die Knocheneiterung, sondern auch die Knochentuberkulose sehr viel häufiger ist als bei Erwachsenen, haben kann. Es ist ganz bekannt, wie wenig Störungen eine Knochen- tuberkulose im Beginn machen kann, es ist deshalb durchaus nichts Auffälliges, wenn ein so Erkrankter zunächst ruhig weiterarbeitet und den Unfall nicht beachtet, be- sonders wenn der Betreffende kein besonders wehleidiger Mensch ist. Eine Sicherheit ist in einem solchen, nicht dauernd ärztlich beobachteten Falle nicht zu gewinnen, aber da hier ein nicht ungeeigneter Unfall gegeben ist, die not- wendigen räumlichen und zeitlichen Beziehungen zwischen Erkrankung und Unfall gewahrt sind, so ist mit weit überwiegender Wahrscheinlichkeit anzunehmen, daß der Vorgang am 29. Jannar 1917 (Stoß eines Tragringes gegen den Ellenbogen) die Tuber- kulose am linken Ellenbogengelenk des W. ursächlich mit herbeigeführt hat. 2. Auch in dem zweiten Falle wurde wieder der Einwand einer zu geringen Erheblichkeit des Unfalles vorgebracht, aber diesmal han- delte es sich um eine Erkrankung eines schon vor Jahrzehnten schwer ' erkrankt gewesenen Gelenkes. Da die frühere wie die jetzige Erkran- kung wahrscheinlielı tuberkulöser Natur war, so liegt der Gedanke am nächsten, daß von der früheren Erkrankung trotz der Länge der seit- dem verflossenen Zeit noch ein Nest ruhender, aber lebender Bazillen übrig geblieben war, so wie wir es von ganz verkreideten Lymphdrüsen kennen, so daß dann die neue, nach dem Unfall aufgetretene Erkrankung wirklich nur die Fortsetzung der früheren wäre, die jetzt tätigen Ba- zillen in direkter Generationsfolge von den früher tätigen herrührten; es muß jedoch auch mit der Möglichkeit gerechnet werden, daß von früher her nur eine geschwächte Stelle verblieben war, die unter der Mitwirkung der neuen Gewalteinwirkung Bazillen die Ansiedlung er- möglichte, die von einer anderen Stelle des Körpers stammten, und zwar wohl demselben Stamm angehörten, aber nicht die direkten Ab- kömmlinge der früher im Knochen tätig gewesenen Bazillen waren. Wegen der Schnelligkeit. mit der nach dem Unfall die akuten Er- scheinungen auftraten, ist die erste Möglichkeit bei weitem wahrschein- licher, ich habe deshalb im Gutachten vom Auftlackern der früheren Entzündung gesprochen. Einen anderen Streitpunkt bildete die Be- wertung des Gelenkleidens für den schließlich eingetretenen Tod. Nr. 690 vom 9. Mai 1919, betr. den A. P.in K. In seinem 16. Lebensjahre litt der beim Unfall fast 46 Jahre alte A. P.an einer linksseitigen Hüftgelenkentzündung, anscheinend tuberkulöser Natur. In den Jahren 13890—94 will er häufiger Schmerzen im linken Bein gehabt haben, war dann aber frei von Beschwerden und arbeitsfähig. Aın 7: Januar 1918 Sturz infolge Ausrutschens, Fall mit der linken Hüfte auf eine niedrige Holzplanke. Er ging ohne Hilfe nach Hause und arbeitete noch bis einschließlich ı1. Januar weiter, obwohl er andauernd Schmerzen verspürte. Am 12. Januar Konsultation des Hrn. Dr. H. wegen seit Tagen bestehender Selımerzen in Hüfte und Kreuz, die zuerst, da von einem Unfall nichts gesagt wurde, für Hexen- Orra: Traumen und Tuberkulose der Knochen und Gelenke 39 schußschmerzen angesehen, bald aber als von einer Hüftgelenkentzündung herrührend erkannt‘ und von verschiedenen Ärzten bestätigt wurden. In einer Krankenanstalt, in welche der Kranke am 27. Februar aufgenommen wurde, wurde auch noch eine linksseitige Lungenspitzentuberkulose, eine.Darmtuberkulose (es waren Durehfälle auf- getreten) und schließlich, da Eiweiß im. Harn aufgetreten war, eine Nierenentartung diagnostiziert. Am 13. April 1918 trat der Tod ein. Bei der von einem Fachprofessor vorgenommenen Leichenuntersuchung wurden folgende Befunde erhoben: 'Tuberkulöse Hüftgelenkentzündung mit Knochenfraß (be- sonders Zerstörung des größten Teils des. Gelenkkopfes); ausgedehnte Druckbrand- geschwüre mit zwischen den Muskeln und neben dem Mastdarm gelegenen Eiterhöhlen, Luftleerheit der Unterlappen beider Lungen, Läppchenentzündung im Unterlappen der linken Lunge; Kranzschlagaderverhärtung am Herzen. Milzschwellung, überhäutete Darmgeschwüre (im Dickdarm) ohne eigenartigen Charakter, im untersten Teil des Mastdarms eine häutige Entzündung, Verfettung und Verbreiterung der Nierenrinde. Der Obduzent erklärte als Todesursache die Hüftgelenkentzündung mit. ihren Folgen, dem Druckbrand und der chronischen Eiterblutvergiftung (Sepsis). Der Unfall sei nicht die Ursache der Hüftgelenkentzündung, da mit überwiegender Wahrscheinlichkeit anzunehmen sei, daß 3 Monate zur Erzeugung der gefundenen. Veränderungen nieht aus- gereicht hätten. Zudem sei der Unfall kein erheblicher gewesen, und es seinichtangegeben, daß die linke Hüfte dabei besonders getroffen worden sei. Darum schließt der Gut- achter einen ursächlichen Zusammenhang mit dem Unfall aus, wobei er sich aber gar nicht über die Frage äußert, ob nicht der Unfall eine wesentliche Verschlimmerung herbeigeführt habe. > : Gerade diesen Umstand betont aber Hr. Dr. H. und die Chirurgische Klinik (Dr. K.), denn sie nehmen an, daß durch den Unfall eine wesentliche Verschlimmerung des alten Hüftgelenkleidens herbeigeführt worden sei. Der Arzt der städtischen Krankenanstalt hat sich ebenfalls über diesen: Punkt nicht geäußert, aber auch nicht darüber, welche Bedeutung der Hüftgelenkentzündung für den tödlichen Ausgang der Tuberkulose zukam, sondern er hat sich nur damit begnügt. als Krankheit Tuberkulose der Lungen, des Darmes und des linken Hüft- gelenkes anzugeben. Anscheinend auf dieser Angabe fußend hat dann der Vertrauensarzt des Ober- versicherungsamts. Hr. Dr. W., erklärt, es sei unwahrscheinlich, daß die Hüftgelenkent- zündung von wesentlichem Einfluß auf die Lebensdauer gewesen sei, da außerdem in den Lungen und dem Darm eine tuberkulöse Erkrankung schwerster Art vorge- legen habe. — ‚Die von Hrn. Dr. W. geäußerte Ansicht ist falsch, denn eine Lungentuberkulose war überhaupt nicht vorhanden und die Darmgeschwüre waren keine si her tuber- kulösen, denn sie hatten, wie der sachverständige Obduzent erklärt hat, keinen eigen- artigen Charakter. Aber selbst, wenn es sich um Tuberkulose gehandelt haben sollte, so kann man trotz ihrer großen Zahl in ihnen deswegen keine Todesursache sehen, weil sie in Heilung begriffen waren. wie die Epithelisierung (Überhäutung) ihres Grundes mit Sicherheit beweist. Es ist deshalb auch nicht wahrscheinlich, daß die zuletzt beobachteten Durchfälle durch sie bewirkt waren, einmal, weil.sie, die Ge- schwüre, viel länger bestanden haben müssen als jene, ferner, weil für die Durchfälle andere Erklärungen sich bieten: ı. die schwere Entzündung des Mastdarms, die an- scheinend mit den diesen umgebenden Eiterhöhlen zusammenhing, 2. eine wahrscheinlich auch die Gelbfärbung der Nierenrinde bedingende Entartung, wie sie gern. bei chroni- schen Eiterungen, besonders an Knochen und bei tuberkulöser Natur der Eiterungen vorkommt, die sogenannte amyloide Entartung, nach der allerdings gar nicht gesucht worden zu sein scheint, so daß ich sie nur vermuten kann. Es besteht ‚jedenfalls aller Grund, auch die Durchfälle als. Folgen der Hüftgelenkentzündung anzusehen, deren tuberkulöse Natur freilich auch nicht unzweifelhaft nachsewiesen. wenn auch sehr wahrscheinlich ist. Darin stimme ich vollkommen mit dem Obduzenten überein, dal nach dem ganzen anatomischen Befund die Hüftgelenkerkrankung im Mittelpunkte Br a ET aus u = % u 40 Sitzung der phys.-math. Klasse v. 13. Januar 1921. — Mitt. v. 2. Dez. 1920 der Veränderungen steht, daß sie die Druckbrandgeschwüre, die von diesen ausge- gangene Eiterung und allgemeine Blutvergiftung letzten Endes bewirkt hat. Nicht ereinernenen aber kann ich mit diesem Gutachter in bezug auf die Beurteilung der Bedeutung des Unfalles, und zwar in mehrfacher Beziehung nicht. Erstens ist es aktenmäßig, daß das linke Hüftgelenk bei dem Unfall besonders getroffen worden ist (Zeuge L.). Ich kann auch nicht zugeben, daß der Unfall kein erheblicher gewesen sei, wenn darunter verstanden werden soll, daß er nicht erheblich genug gewesen sei, um ursächlichen Zusammenhang mit der Hüftgelenkentzündung zu gewinnen. Freilich ist darin dem Herrn Gutachter ohne weiteres beizustimmen, daß der Unfall die Hüft- gelenkentzündung nicht gemacht haben kann, einmal, weil sie in ihren Anfängen, wie sich sowohl aus der Lebensgeschichte des Kranken als auch aus dem anatomischen Befund ergibt, viel weiter zurückreicht, dann aber auch, weil sie durch Bakterien er- zeugt worden ist, mag sie nun, wie auch ich für das Wahrscheinlichere halte, eine tuberkulöseitrige oder eine einfache eitrige gewesen sein. Aber es bleibt doch noch die von dem Gutachter anscheinend gar nicht erwogene Möglichkeit übrig, daß der Unfall eine ältere, zum Stillstand gekommene Hüftgelenkerkrankung wieder hat auf- leben machen — und dazu war die Gewalteinwirkung, entsprechend der allgemeinen Meinung, daß dazu schon verhältnismäßig geringfügige Traumen geeignet seien, jeden- falls erheblich genug. Die Möglichkeit einer Verschlimmerung eines alten Leidens ist somit gegeben, ob auch eine Wahrscheinlichkeit? In dieser Beziehung ist es von Wichtigkeit daß nicht nur die Ehefrau erklärt hat, ihr Mann habe von dem Unfall ab Schmerzen in der Hüfte verspürt, sondern daß auch dieser selbst bei der ersten Konsultation am ı2. Januar 1918 Hrn. Dr. H. im wesentlichen das gleiche gesagt hat. Vorher waren seit langen Jahren keine örtlichen Beschwerden mehr vorhanden gewesen, und nun traten sie in unmittelbarem Anschluß an den Unfall auf. Daß P. noch einige Tage hat arbeiten können, beweist gar nichts gegen einen Zusammenhang, denn bei derartigen Vorgängen, wie hier einer in Frage steht, handelt es sich nicht um. eine plötzlich in voller Schwere vorhandene Verschlimmerung, wie etwa bei einem Durch- bruch des Magens, des Wurmfortsatzes usw., sondern um einen allmählich seinen Höhepunkt erreichenden Vorgang, bei dem auch die Schmerzen und sonstigen Er- scheinungen zunächst geringer sind und erst nach Tagen so heftig zu werden brauchen, daß sie Arbeitsunfähigkeit bewirken. Und ganz genau so war es ja auch bei P. Das lange, durch die neu aufgeflackerte Gelenkentzündung bedingte Liegen in einem großen (iipsverband hat sicher zur Entstehung des Druckbrandes beigetragen und dieser hat wieder zu der schweren Tiefeneiterung und zu der allgemeinen Blutvergiftung geführt. Damit ist aber auch schon die letzte wichtige Frage, ob die Verschlimmerung durch den Unfall eine wesentliche war, in bejahendem Sinne entschieden. Nachdem die Hüftgelenkentzündung 30 Jahre geruht hatte, und auch Schmerzen seit 24 Jahren nicht mehr aufgetreten waren, ist gar kein Grund ersichtlich, warum der erst 46 Jahre’ alte Mann, der keine Lungentuberkulose und nur uncharakteristische, aber sicher in Ausheilung begriffene Geschwüre im Darm hatte. nicht noch jahrelang hätte leben und arbeiten sollen. Der Tod des P. ist demnach durch dessen Unfall vom 7. Januar 1918 mittel- bar herbeigeführt, jedenfalls aber erheblich beschleunigt worden. In diesem Sinne hat das Reichsversieherungsamt auch entschieden. 3. Der 3. Fall betrifft eine Wirbelsäulentuberkulose, die zweifel- los zur Zeit des Unfalles nieht nur schon bestand, sondern im Fort- schreiten begriffen war. Ob sie verschlimmert worden sei, darüber gingen die Gutachten auseinander, ich habe mich für eine Verneinung entschieden, obwohl der Unfall sicher eine, wie ich meine, sehr in- teressante Einwirkung auf die erkrankte Stelle gehabt hat. Orrs: Traumen und Tuberkulose der Knochen und Gelenke 41 Nr. 821 vom 9. Juni 1920, betr. den Glasermeister P. G. in P. Der 51 Jahre alte G. hatte vom Juni 1919 ab Erscheinungen dargeboten, die, zunächst für rheumatische (Ischias) gehalten. später sich als Folgen einer Wirbeler- krankung erwiesen. Zu den Schmerzen gesellte sich allmählich noch ein Steifigkeits- gefühl; die Schmerzen waren im Liegen geringer. Gegen Mitte Oktober sprang G. von einer Leiter herab und empfand dabei heftige Schmerzen im Kreuz, so, wie wenn man nach langem Bücken sich wieder gerade aufrichten will. Daher gab er sich einen kräftigen Ruck, worauf sofort die Schmerzen nachließen und G. nieht nur so- gleich weiter arbeiten konnte, sondern auch noch 14 Tage lang seine Arbeit verrich- tete wie seither und dabei keine weiteren Beschwerden hatte als vorher. Dann nahmen aber die Störungen zu, so daß G. nur leichtere Arbeit verrichten konnte. Ende Oktober 1919 begab er sich in Ärztliche Behandlung, die immer noch gegen Ischias gerichtet war, bis der Verdacht auf Kompression des Rückenmarks auftauchte, der den Kranken in eine Klinik (Prof. M.) führte, in der am 29. Dezember 1919, also 2:/, Monate nach dem Unfall, neben einer Tuberkulose in einer Lungenspitze eine wahrscheinlich tuberkulöse Zerstörung des 3. Lendenwirbels festgestellt wurde, die im Gutachten als Zertrümmerung und Kompression des Wirbels bezeichnet ist. Ein Gibbus ist erst am 14. März 1920 von Dr. Sch. erwähnt worden. Der letztgenannte Arzt meint, der Unfall könne sehr wohl als auslösende Ur- sache in Betracht kommen. Prof. M. weist eine Entstehung ab, nimmt aber in dubio und weil er am 29. Dezember 1919 eine Zertrümmerung und Kompression des 3. Len- denwirbels gefunden habe. als wahrscheinlich eine Verschlimmerung und einen schnelleren Verlauf an. Hr. Dr. L. aber erklärte, das Leiden sei durch den Unfall nicht entstanden und nicht verschlimmert. — Mir schien kein Zweifel darüber zu bestehen, daß schon vor dem Unfall eine Tuberkulose an der Lendenwirbelsäule vorhanden war, auch ich schloß also eine Entstehung der Krankheit aus. Wichtig ist, daß vor dem Unfall nicht ein Dauer- zustand bestand, sondern ein sich verschlechternder, also fortschreitender Vorgang; wichtig ist ferner, daß offenbar die Festigkeit der Wirbelsäule schon gelitten hatte, daß im 3. Lendenwirbel schon Zerstörungsprozesse, die eine abnorme Beweg- lichkeit bedingten. vorhanden waren, denn im Liegen waren die Schmerzen ge- ringer. Nun kam der Unfall, der ohne allen Zweifel geeignet gewesen wäre, den Zu- sammenbruch eines angefressenen (kariösen) Wirbels zu ann Ein völliger Zu- sammenbruch ist aber nicht -eingetreten. denn noch am 29. Dezember 1919 war kein Gibbus vorhanden. Von diesem wird erst im März berichtet, also 5 Monate nach dem Unfall. Wohl spricht die Schilderung, die G. selbst gegeben hat, dafür, daß eine gewisse Verschiebung, vermutlich in den Wirbelgelenken, stattgefunden hat, aber diese hat er selber a einen kräftigen Ruck wieder ee und der frühere Zustand war wiederhergestellt und hielt sich, denn sonst würde G. unmöglich nicht nur am selben Tage, sondern auch noch 14 Tage lang keine weiteren erden als vor dem Unfall gehabt und seine Arbeit geleistet haben wie sonst. Erst dann kam allmählich die Verschlechterung, aber G. blieb doch immer noch arbeitsfähig. anscheinend bis Ende 1919. Dadurch ist es m. E. ausgeschlossen. daß durch den Unfall eine wesentliche Verschiebung innerhalb des Knochens, eine größere Zertrümmerung und Kompression unmittelbar Kam gerufen worden sein kann. Hr. Dr. Sch. hat zur Stütze seiner An- sicht, daß ein unsäehlicher Zusammenhang bestehe, angeführt, eine Erkrankung der Knochen sei an sich noch nicht schmerzhaft, erst wenn infolge Zerstörung die Mög- lichkeit gegeben sei, daß durch einen Fall oder Sprung von der Leiter sich Knochen- teile verschieben und Nerven und Rückenmark gequetscht werden, könnten erfahrungs- gemäß Beschwerden vorliegender Art entstehen. Es ist mir völlig unverständlich, wie daraus abgeleitet werden soll, daß der Unfall als auslösende Ursache der Be- schwerden in Betracht komme; ich kann nur gerade das Gegenteil aus dem Angeführten folgern. Wenn G. bis zu seinem Sprung keine, nachher aber wohl Schmerzen gehabt hätte, dann könnte Dr. Sch. Recht haben, aber so war es eben nicht: Schmerzen be- standen beim Unfall bereits seit 3 Monaten, also müßte damals schon eine Verschiebung 42 Sitzung der phys.-math. Klasse v. 13. Januar 1921. — Mitt. v. 2. Dez. 1920 von Knochenteilen vorhanden gewesen sein, und da nach dem Sprung mindestens noch 14 Tage lang »weiter keine Beschwerden als wie sie vor dem Unfall vorhanden gewesen waren«, bestanden, so kann der Sprung eine weitere, dauernde Verschiebung des Knochens nicht bewirkt, auch überhaupt die Beschwerden nicht verschlimmert haben. Eine ausgeprägte, anscheinend plötzliche Verschlimmerung trat erst Ende Oktober ein, denn er selbst sagte von dieser Zeit »als sich die Schmerzen verstärk- ten« und ist erst damals zum Arzt gegangen. also etwa 3 Wochen nach dem Unfall. Nach dem Dargelegten kann auch das Gutachten des Hrn. Prof. M. nicht zu- treffend sein, wenn es so aufgefaßt werden soll, daß der Unfall unmittelbar (infolge von Gewalteinwirkung) die Zertrümmerung und Kompression bewirkt habe, denn das Verhalten -des Verunfallten spricht durchaus hiergegen; es könnte ein Zusammenhang nur in der Weise bestanden haben, daß infolge des Sprunges der offenbar tuberkulöse Krankheitsprozeß verstärkt, verschlimmert worden wäre. Das ist an sich möglich, aber wenn ich bedenke, daß der Prozeß seit mindestens 3 Monaten vor dem Unfall im Fortschreiten begriffen, war und daß er wie aus der doppelseitigen Schmerzhaftig- keit sowie aus der Steifigkeit der Wirbelsäule sich ergibt, bereits eine nicht unbeträcht- liche Veränderung bewirkt gehabt haben muß. daß ferner zunächst gar keine auf eine Verschlimmerung hindeutenden Erscheinungen hervorgetreten sind, so vermag ich nicht die Wahrscheinlichkeit einer wesentlichen Verschlimmerung festzustellen. Ich konnte also nur annehmen, daß wahrscheinlich »das Leiden auch ohne Hinzutreten des an- geblichen Unfallereignisses im wesentlichen seinen Lauf genommen hätte«. Später hat Dr. Sch. nochmals ein Gutachten zugunsten des Zusammenhanges abge- geben, in welchem er mitteilt, daß es nach längerem Stilliegen dem Kranken erheblich besser geht, Schmerzen und Beschwerden nachgelassen haben und G. bereits wieder ge- wisse Arbeiten verrichten kann. Sonstige neue Tatsachen wurden nicht mitgeteilt, auch keiner meiner Gründe widerlegt, ich mußte deshalb bei meiner Anischt stehen bleiben. 4. Wesentlich anders lagen die Verhältnisse in dem nun folgenden Falle, der von neuem zeigt, wie häufig die Anfänge einer Wirbeltuber- kulose verkannt werden und wie notwendig es ist, bei allen Klagen über Schmerzen in der Wirbelsäule nach einer Gewalteinwirkung, möge sie auch nur in einer verstärkten Muskelanstrengung gegeben sein (vgl. Sitzungsber. 1920, S. 167), an eine Verletzung der Wirbelsäule mit ihren möglichen Folgen zu denken. Bemerkenswert sind auch die Schwan- kungen in dem örtlichen Befund, die sicher auch in Schwankungen der Arbeitsfähigkeit ihren Ausdruck gefunden haben würden, wenn nicht zugleich eine geistige Störung vorlıanden gewesen wäre, die in hohem Maße das Verhalten des Mannes beeinflußte. Nr. 617 vom 4. Juli‘ 1918, betr. den Schmied W.D. in R. Im Februar 1905 war der jugendliche D. an einer trockenen Rippenfellentzündung mit mäßigem Fieber erkrankt, ‘die nach 3—4 Wochen verschwunden war, im Anschluß an die aber unter heftigen Kopfschmerzen und Gliederreißen und Erscheinungen seitens der Verdauungsorgane ein Zustand psychischer Depression mit Weinkrämpfen und Wahnvorstellungen auftrat. Unter Bädergebrauch trat Besserung ein, aber später waren öfter geringere Temperatursteigerungen vorhanden. Nachtschweiße, Schmerzen rechts vorn oben auf der Brust, wo geringe Schallabschwächung, verlängertes In- spirium, zeitweise spärliche feine Rasselgeräusche festzustellen waren. Husten und Aus- wurf fehlten, der Kranke ging aber körperlich sehr zurück.. Am ı2. September 1905 fand ein anderer Arzt keine deutlich ausgeprägten Lungenerscheinungen, und auch am 7. September 1906 wurde das Fehlen von Lungenerscheinungen angegeben. Da- gegen trat die psychische Störung immer deutlicher hervor, die endlich im März 1909 in: einer Irrenanstalt als Dementia praecox diagnostiziert wurde. 2 ” i TE Örrn: 'Traumen und Tuberkulose der Knochen und Gelenke 9 Im Juli 1914 erlitt D. bei plötzlichem Überheben heftige Schmerzen mitten in der Kreuzgegend im Rücken, so daß er meinte, der ganze Rücken würde ihm brechen; er fiel zu Boden, konnte aber, nachdem er mit den Händen den Boden berührt hatte, sich, wenn auch erst allmählich, wieder aufrichten; er hat nicht weiter gearbeitet, sondern sich in die Küche geschleppt — richtig gehen konnte er nicht mehr — wo er sich niederlegte und seiner Verlobten klagte, er habe sich verhoben. Von da ab konnte D. nichts Ordentliches mehr arbeiten. Anfangs August 1914 diagnostierte Dr. B., da er objektiv nichts finden konnte, Muskelrheumatismus bzw. -zerrung, gegen die er eine erfolglose Behandlung einleitete. Im September, etwa 2 Monate nach dem Unfall, hat D. geheiratet; es ging ihm besser, er konnte in grader Linie gehen, nur nicht sich bücken; beim Stolpern und verkehrten Auftreten hatte er unerträgliche Schmerzen. Eine Röntgenuntersuchung ergab kein Resultat, obgleich noch am 2. Januar ıgız Schmerz bei Druck in der Lendengegend geklagt wurde, und so blieb es bei der Diagnose Ischias, Rheumatismus. An den Lungen wurde nur Blähung gefunden, noch am 26. Januar 1915 wurde eine Besserung festgestellt und eine Badekur in Wiesbaden angeordnet, aber bereits im April 1915 zeigte sich ein Abszeß an der rechten Seite der Lendenwirbelsäule, der punktiert wurde, und nun ergab die Röntgenuntersuchung eine Karies des 4. Lendenwirbels, die auch im Mai 19135 bestätigt wurde. Der Abszeß ver- schwand unter geeigneter Behandlung, aber nur äußerlich, denn später brach erin die Harn- organe durch. Im April 1916 war die Wirbelsäule gefestigt, die Brustorgane gesund, der Allgemeinzustand gebessert; der Urin enthielt aber immer noch von Zeit zu Zeit Eiter. Auch noch vom 8. August meldete Dr. Tsch. von wesentlicher Besserung, Aufhören der Kiterung seit Monaten, Zunahme des Körpergewichts. Im Juni 1917 konnte Dr. B. eine Verschiebung der Wirbelsäule weder durch Inspektion noch durch Palpation feststellen, es bestandaber Ataxiebeider Beine. Eine Untersuchung am 5. April 1918 ergab beidem dauernd bettlägerigen Kranken einen sehr guten Ernährungszustand, rechts neben der Lenden- wirbelsäule einen kalten Abszeß, eine leichte Rückwärtsbiegung der Lendenwirbelsäule. Die HH. Dr. B. und Dr. W. hielten einen Zusammenhang des Unfalls mit der Karies für wahrscheinlich, aber Dr. Tsch., der am 22. Oktober 1916 cinen solchen nicht für ausgeschlossen erklärt hatte, hat am ır. August 1917 die Meinung geäußert, daß keine Unfallfolge vorliege.e Von mir war von einem Oberversicherungsamt ein Gutachten verlangt worden a) über die Art des Leidens. b) iiber den ursächlichen Zusammenhang des Leidens mit dem angeblichen Unfalle vom Juli 1914. — Ich führte aus, daß D. schon im Jahre 1905 offenbar an Tuberkulose der Lunge und der Pleura gelitten hatte, daß deshalb mit größter Wahrscheinlichkeit anzunehmen sei, daß das Leiden der Lendenwirbelsäule eine Tuberkulose sei, die von dem alten Lungenherd abstamme, wenngleich dieser schon seit langer Zeit im Ruhezustand sich befinde. Wann die Metastase im 4. Lendenwirbel entstanden sei, könne niemand sicher sagen, aber da vor dem Unfall keinerlei Zeichen für eine solche Erkrankung vorhan- den waren und es so lange gedauert hat, bis sie als Knochenerkrankung erkannt wurde, so sei das Wahrscheinlichere, daß durch das Überheben eine Verletzung des 4. Lendenwirbels gesetzt wurde und dann erst an der verletzten Stelle eine sekundäre Tuberkulose entstand, die demnach mittelbar als Unfallfolge anzusehen sei. 9. Der nächste Fall betrifft einen Betriebsleiter, der schon längere Zeit vor dem Unfall an einer Wirbeltuberkulose gelitten hatte, die vor wie nach dem Unfall einen sehr wechselnden Verlauf und ent- sprechende Beeinflussung der Arbeitsfähigkeit zeigte und bei der schließ- lich eine ungewöhnliche Begleiterscheinung (Jauchung) den Tod her- beiführte. Zahlreiche angesehene Pathologen, Ärzte, Sozialmediziner haben sehr abweichende Ansichten vorgebracht. Nr. 731 vom 11. September 1919, betr. den Betriebsleiter K. Sch. in B. Anfangs August 1912 soll sich zum ersten Male eine Erkrankung der Wirbel- säule bemerkbar gemacht haben, die anfangs Dezember so schlimm wurde, daß der 44 Sitzung der phys.-math. Klasse v. 13. Jannar 1921. — Mitt. v. 2. Dez. 1920 Kranke vom 3. Dezember 1912 bis 2. Januar 1913 vom Dienste fernbleiben mußte. .Allmählich trat Besserung ein, doch blieben immer noch Beschwerden zurück. Am 21. Oktober 1913 flog Hrn. Sch. ein Stück eines explodierenden Gasmessers gegen den ‚Leib; Verletzung des rechten Zeigefingers. Quetschüung des Bauches. Am 23. Oktober erste Konsultation des Hrn. Dr. W.: Schmerzen im Unterleib, besonders in linken Hypochondrium, äußerlich nichts zu seben, aber starke Druckempfindlichkeit in der rechten Bauchseite in Nabelhöhe (vom Arzt Prellung der Muskeln angenommen), Stuhl gut, ohne Blut. Schwellung und Rötung des rechten Zeigefingervordergliedes. Unkomplizierter Heilungsverlauf, von Leibschmerzen keine Rede mehr. Am 3. Dezember 1913 letzte Untersuchung; Heilung des Zeigefingers in ungestörter ‚Weise erfolgt, Hr. Sch. als voll arbeitsfähig aus der Behandlung entlassen. 4. Dezember 1913 erste Wiederaufnahme des Dienstes, am 16. Dezember 19 13 schriftliche Erklärung des Hrn. Sch., daß er für den Unfall und seine Folgen vollständig befriedigt und abgefunden sei. Aber bald wieder Verschlimmerung: Bettlägerigkeit wegen schweren Krankheits- . gefühls am 31. Dezember 1913, Untersuchung 6 Uhr abends: nach Schüttelfrost eine Temperatur von 39.4, heftige Schmerzen in der Lendengegend, der Gegend der untersten Rippen, Druckempfindlichkeit heftigster Art in der linken Bauchseite; am 3. Januar 1914 schmerzhafte Geschwulst tief in der linken Beckenseite festgestellt. Am 10. Januar 1914 Konsultation des Hrn. Prof. B., der feststellte: Erkrankung der rechten Lungenspitze, Beugestellung beider Beine, bei Stieckversuchen heftige Schmerzen, besonders links, große Schmerzhaftigkeit des 2. und 3. Lendenwirbels bei Druck. Betastung der linken Bauchseite besonders schmerzhaft. hühnereigroße Schwellung über dem Beckeneingang links. Diese wird größer und erweist sich bei der am 28. Januar 1914 vorgenommenen Operation als außerhalb des Bauchfells gelegener, dem lleopsoasmuskel angelagerter Abszeß ınit stinkendem Eiter. In der Nacht vom 31. Januar zum 1. Februar hohe Temperatur. rechtes Bein stark geschwollen, jetzt heftige Schmerzhaftigkeit in der rechten Bauchseite, die noch am Tage vorher nicht vorhanden war, deutliche Schwellung entlang dem aufsteigenden Dickdarm; durch Operation werden hier mehrere mit stinkendem Eiter gefüllte Höhlen entleert, trotzdem zunehmende Herzsehwäche und am 2. Februar 1914 Eintritt des Todes. Sektion durch Hrn. Prof. R.: abgekapselter käsiger Herd in der rechten Lungenspitze, jauchige Phlegmone in beiden Unterbauchgegenden, ausgehend von jauchigen Psoasabszessen ; Karies der unteren Hälfte des 2. Lendenwirbels mit Zerstörung der Zwischenband- scheibe, Kommunikation der kariösen Höhle mit den Abszessen. Hr. Prof. B. erklärt den Fall so: Alte Tuberkulose der Lendenwirbelsäule, Ver- schlimmerung durch den Unfall, außerdem, wenn auch Zeichen einer groben Ver- letzung nicht gefunden wurden, kleinste Öffnung infolge der Unfallquetschung an der Rückseite des aufsteigenden Dickdarms, jauchige Eiterung im Bindegewebe, die längere Zeit ohne Erscheinungen blieb, dann sekundäre Infektion tuberkulöser Senkungs- abszesse mit akuter Verschlimmerung der Erkrankung. Schlußfolgerung: Der Unfall hat ein schweres, aber der Heilung zugängliches Leiden so verschlimmert, daß trotz Operation der Tod eintrat. Prof. L. (17. März ı919) hält nach den Berichten des behandelnden Arztes eine Darmquetschung für ausgeschlossen, zumal der Stoß gegen den Bauch nicht schwer gewesen sein könne und anfangs Dezember ı913 der Verletzte vollkommen wieder- hergestellt gewesen sei. Eine sekundäre jauchige Infektion von Senkungsabszessen könne auch ohne Verletzung entstehen. Wäre eine solche durch den Unfall erzeugt worden, so hätten früher entsprechende Erscheinungen auftreten müssen. Schluß- folgerung: Darmquetschung und Verschlimmerung der Wirbelsäulentuberkulose nicht nachgewiesen und nicht wahrscheinlich; Schl. ist unabhängig vom Unfall an seiner Wirbeltuberkulose zugrunde gegungen. : Nach Prof. D.’s Kriegserfahrungen ist (Gutachten vom 24. März 1919) der Unfall schwer genug gewesen, um eine Verletzung des aufsteigenden Diekdarms, insbesondere Blutung zu erzeugen; von hier aus, so nimmt er an, wurde das Gewebe hinter dem Darm infiziert; eine schleichende. ohne wesentliche Beschwerden verlaufende Eiterung E- rıv r r - Orrn: Traumen und Tuberkulose der Knochen und Gelenke 45 wühlte sich bis zu den tuberkulösen Herden vor und fand in diesen den Boden zu . stärkerem Aufflammen. Mit diesem Augenblick setzten die stürmischen Erscheinungen am 31. Dezember ein. deren weiterer Verlauf den Tod am 2. Februar 1913 bedingte. } Hr. Prof. F. (ro. ‚Juli 1919) wies darauf hin, daß Hr. Prof. R. anscheinend ange- ‚nonmen hat, dal die jauchige Infektion von der Wirbelsäule ausgegangen war und sekundär jauchige Seukungsabszesse und Phlegmone erzeugt habe. Hätte Hr. Prof. D. recht. so hätte zuerst rechts ein jauchiger Abszess entstehen müssen, was nicht der Fall gewesen sei. Woher die jauchige Infektion gekommen sei, vermöge niemand mit Sicherheit zu sagen: es sei weitaus mehr Wahrscheinlichkeit für die Annahme vorhanden, daß sie erst am 31. Dezember entstanden sei; bei chronischen Eiterungen bildeten sich bindegewebige Abkapselungen. wovon bei Sch. nichts bemerkt worden sei. Es bestehe also keine überwiegende Wahrscheinlichkeit eines Zusammenhanges. — Es sind in den Vorgutachten eine Anzahl allgemeiner Fragen berührt worden. 1. Die Frage der Darmverletzungen. Ich habe darüber selbst keine besonderen Er- fahrungen, will aber gern die Beobachtungen des Hrn. Prof. D. anerkennen, wonach auch an. sich geringlügigere stumpfe Gewalteinwirkungen auf die Bauchwand Ver- letzungen. inbesondere Blutungen in der Darmwandgerzeugen können. : 2. Die Frage der Durchlässigkeit der Darmwand für Darmbakterien. Nach eigenen anatomischen und experimentellen Erfahrungen muß ich dafür eintreten, daß auch ohne, sei es makro- skopische, sei es mikroskopische Durchlöcherung der Darmwandung Bakterien hin- durehdringen können, sobald eine Grewebsschädigung vorhanden ist. als welche eine Blutung schon für genügend angesehen werden kann. 3. Die Frage nach einer jauchigen Infektion einer geschlossenen Abszeß- oder tuberkulösen Höhle. Ich halte eine solche Infektion wohl für selten, aber nieht für unmöglich. Aus ı und 2 folgt, daß ich die Erklärung des Hrn. Prof. D. für nicht unmöglich halte, gegen sie sprechen aber hier mehrere Gründe, die in gleicher Weise gegen die ähnliche Erklärung des Hrn. Prof. B. sprechen. 1. Es ist keinerlei Veränderung am Darnı gefunden worden. Wäre eine solche Verletzung der Darmwand vorhanden gewesen, daß Bakterien durch sie hindurch in das umgebende Bindegewebe hätten dringen können, so hätten diese doch wohl zunächst in der Darmwand selbst sich an- siedeln und Eiterung erzeugen müssen; es wurde aber kein hierauf hindeutender Be- fund erhoben. 2. Es sind keinerlei Erscheinungen einer Darmverletzung während des Lebens hervorgetreten; der Stuhl blieb völlig normal und der Verletzte klagte über Schmerzen im linken Hypochondrium; erst beim Betasten wurden auch Schmerzen reehts, aber -ziemlich hoch, in Nabelhöhe, angegeben, die der Arzt selbst nicht auf den Darm, sondern auf die Bauchmuskeln bezog. 3. Es sind: 2 Monate lang keinerlei Erscheinungen einer jauebigen Entzündung in der Gegend des aufsteigenden Dick- darms hervorgetreten. auch nicht bei der Verschlimmerung am 31. Dezember 1913. .bei der ausdrücklich die Schmerzhaftigkeit der linken Bauchseite hervorgehoben wurde. Erst nach der neuen Verschlimmerung in der Nacht vom 31. Januar zum 1. Februar ıg14 ist eine Schwellung entlang dem aufsteigenden Diekdarm bemerkt worden. 4. Es sind keine Veränderungen anatomischer Art gefunden worden, welche auf einen chroni- schen eiterigen Prozeß neben dem aufsteigenden Diekdarm hingewiesen hätten, weder schwielige Umwandlinng des den Eiter umgebenden Gewebes, noch eine Verwachsung des in der Nähe liegenden Bauchfells, die in 3 Monaten (bis zum Tode) sicher nicht ausgeblieben wäre. 5. Der Obduzent leitete die Jauchung der Abszesse nicht von der Entzündung des Bindegewebes und nicht diese von dem Darm her, sondern um- gekehrt die Bindegewebsentzündung von den Abszessen. 6. Es trat nicht rechts, sondern links der erste Abszeß auf: noch am 31. Januar 1914 war keine Schmerzhaftigkeit in der rechten Bauclıseite vorhanden, während schon in den ersten Tagen des Januar der linksseitige Absze bemerkt wurde. Dies alles sprieht durchaus dagegen, daß beim Unfäll eine Darmverletzung, ins- besondere am aufsteigenden Dickdarm, in dessen Umgebung allein Eiterung bemerkt wurde, stattgefunden und daß an diese Verletzung sich eine jauchige Entzündung an- geschlossen hat, die 2 Monate unbemerkt blieb, um dann plötzlich heftige Er- Sitzungsberichte 1921. 5 46 Sitzung der phys.-math. Klasse v. 13. Januar 1921. —_ Mitt. a scheinungen zu machen. Die HH. B. und D. wollen diese. er ‚darauf zuritekführen. daß nun erst die schon vorhar.denen tuberkulösen Senkungsabszesse von der jauchigen Eiterung erreielt worden seien. Ihre Voraussetzung, daß schon Senkungsabszesse rein tuberkulöser Natur‘ vorhanden gewesen seien, ist durch keine ‚tatsächliche Feststellung begründet. Die tuberkulöse Wirbelerkrankung soll vor dem 7 .* Unfall auf dem Wege der Besserung gewesen sein, noch am 16. Dezember. also 2 Monate nach dem Unfall, war der Verunglückte völlig wiederhergestellt und arbeits- fähig. wie er selbst und sein Arzt erklärt hat: der erste SenkungsabszeB wurde anfangs Januar 1914 entdeekt, nachdem bereits einige Tage vorher ein Schüttelfrost mit fol- sendem hohen F ieber eingesetzt hatte, also offenbar eine jauchige Infektion bereits vorhanden war. Weder Hr. Prof. B.. der Operateur. noch Hr. Prof. R., der Obduzent, haben irgendeine Angabe gemacht. aus welcher man erschließen könnte, daß es sich um sekundär infizierte tuberkulöse Abszesse gehandelt habe; jener spricht nur von stinkendem Eiter, dieser nur von jauchigen Psoasabszessen. Ich ınuß Hrn. Dr. F. darin vollkommen zustimmen, daß man aus Hrn. R.s Protokoll als dessen Ansicht. entnehmen muß, daß die Jauchung nieht vom aufsteigenden Dickdarm, sondern von der kariösen Höhle des 2. Lendenwirbels ausgegangen ist und erst sekundär von hier aus die Psoasabszesse und die EN eiope »n gemacht hat. Dann kann aber auch die Jauchung erst Ende Dezember begonnen und schon deswegen mit dem Unfall nichts zu tun a. Dann ist es aber auch nichts Auffallendes, daß zuerst auf der linken Seite und dann nach längerer Zeit erst auf der rechten die Abszeßbildung und diffuse Eiterung zutage trat: es ist auch verständlich, daß rechts nicht ein sroßer Abszeß, wie links, sondern mehrere Abszesse vorhanden waren. ‚Gegen die Annahme, daß die "Jauchung alsbald nach dem Unfall eingetreten sei, spricht das Fehlen jeglicher De Es gibt gewiß unbemerkt verlaufende Eiterungen. aber gerade bei den Jauchigen ist das noch viel seltener wie bei den rein eiterigen, und doch müßte nach den Anschauungen der HH. B. und D. der Fiterungsprozeß von vornherein | einen jauchigen Charakter gehabt haben. Tatsächlich ist auch eine Schwellung und. Schmerzhaftjgkeit in der Gegend des aufsteigenden Dickdarms erst am 1. Februar: 1914 bemerkt worden, nachdem der linksseitige Abszeß schon seit 4 Wochen fest- gestellt und seit einigen Tagen operativ eröflnet war. Woher die Jauchung ge- kommen ist, weiß ich nicht, nur. das weiß ich, daß ein Zusammenhang mit dem Unfall durchaus unwahrscheinlich Bei der tuberkulösen Erkrankungn kann überhaupt nur eine Verschlimmerung durch den Unfall in Frage kommen. Anatomische Anhaltspunkte dafür- liegen nicht vor, ebensowenig aber auch klinische, wenigstens .in den Berichten des behan- delnden Arztes. So wenig die von, Anfang an nur teilweise vorhandene und weiter- hin immer geringer werdende und schließlich völlig verschwundene Arbeitsbeeinträch- tigung des Verunglückten für eine von Anfang an vorhandene jauchige Infektion spricht. ebensowenig spricht sie für eine wesentliche Verschlimmerung des tuberkulösen Pro- zesses; aber selbst wenn eine solche eingetreten wäre. so könnte sie doch nicht wesentlich für den Tod in Betracht kommen, 1. weil keinerlei Zeichen einer Ver- allgemeinerung der Tuberkulose an der Leiche gefunden wurden. 2. weil Schl. gar nicht an seiner Tuberkulose, sondern. an einer akuten Mischinfektion gestorben ist, die aber ebensowenig wie jene mit dem Unfall in nachweisbarem Zusammenhange stand. lehı erkläre nach alledem als meine Ansicht. daß keine Wahrscheinliehkeit für einen Zusammenhang zwischen Tod und Unfall des Hrn. Schl. vorhanden ist. 6. Während in diesem Falle zuerst die Tuberkulose und dann die Jauchung vorhanden war, trat nach meiner Meinung, die allerdings im Gegensatz zu der von Vorgutachtern steht, in dem nächsten Falle erst nach einer abgeheilten Sepsis eine nicht traumatische tuberkulöse Gelenkentzündung auf. Auch in dieser Unfallsache sind wieder wider- - Owrm: Traumen und Tuberkulose der Knochen und Gelenke‘ 47 streitende Gutachten von Praktikern und einem erfahrenen Pathologen abgegeben und mehrere allgemeine Fragen erörtert worden. Nr. 79a vom 14. Februar 1910, betr. den Steinhauergesellen W. H.in T. Der Steinhauer H. erlitt am 19. November 1894 dadurch, daß abgeschlagene Stein- stückchen in seinen Ärmel flogen, am linken Vorderarm oberhalb des Handgelenkes eine Hautabschürfung. die wohl etwas schmerzte, die H. aber zunächst nieht weiter beachtete. Abends schon stärkere Schmerzen. am nächsten Morgen bei der Arbeit Klage über Schmerzen am Arm und Feststellung einer rotangelanfenen und abge- sehürften Stelle oberhalb des Handgelenkes am linken Arm durch den Zeugen T. Nachmittags (20. November) Einstellung der Arbeit wegen zu großer Schmerzen am ' linken Vorderarm. Konsultation des Dr. W.. welcher, nach I.s Angabe. sofort Blut- vergiftung festgestellt und bereits am 21. November, also am zweiten Tage nach dem Beginn der Erkrankung, einen Einschnitt gemacht hat. In seinem am 8. Februar 1895. nieht ganz drei Monate nach dem Beginn der Er- krankung abgegebenen (iutachten gab Hr. Dr. W. an, er habe unter dem Hemdenqueder des linken Armes eine umschriebene rote Stelle von etwa Markstückgröße gefunden; von dieser sei eine tiefe Eiterung entstanden, Durch einen operativen Eingriff sei die (iefahr beseitigt worden. es seien aber noch Folgen der Krankheit bestehen geblieben. In emem 14 Jahre später abgegebenen Gutachten erklärte derselbe Arzt. die Blut- vergiftung sei eine Lymphgefäßentzündung gewesen. eine unterminierende tief zwischen das Gewebe eindringende fistulöse Bindegewebsentzündung. Während aber in dem ersten, unter dem frischen Eindruck der Beobachtungen abgegebenen Gutachten steht, durch kleine Abschürfungen der Haut sei eine Eingangspforte für die Entzündungs- erreger geschaffen worden, heißt es nun. nach 14 Jahren. auf einmal, daß diese Ent- zündung allem Anschein nach auf einer Infektion durch Tuberkelbazillen beruht habe. daß es sich um eine fistulöse Erkrankung des tiefen Bindegewebes auf tuberkulöser Basis gehandelt habe. Von einer Fistelbildung wird aber weder von dem Kranken noch von dem Arzte irgend etwas berichtet, im Gegenteil, bereits nach kaum einem Vierteljahr erklärte der behandelnde Arzt die Gefahr für beseitigt, »es blieben aber noch Folgen der Krankheit bestehen«. Diese Folgen bestanden nicht aus Fistelbildungen, sondern nur aus einer am linken Vorderarm zwischen Ellenbogen- und Handgelenk an der Beugeseite gelegenen 5 em langen Narbe, welche noch rot gefärbt (am 8. Februar 1895) und mit der darunterliegenden Muskulatur verwachsen war. Von dieser Verwachsung rührten nach Dr. W.s Meinung sämtliche noch vorhandenen Beschwerden her. Bereits am 14. Mai 1895. also ein halbes Jahr nach dem Beginn der Erkrankung, waren die Narben — es.waren eigentlich drei, aber miteinander zusammenhängende Narben — srößtenteils leicht auf der Muskulatur verschiebbar. doch war auch in der Tiefe noch ein Narbenstrang vorhanden, der zwischen die Muskulatur zu gehen schien. Weiter, am 16. November 1895. also ein ‚Jahr nach Beginn der Erkrankung, erklärte Dr. W. den Zustand des Armes, unter Zustimmung H.s. für so wesentlich gebessert, daß er die Verminderung der Arbeitsfähigkeit, welche früher auf 70 Prozent geschätzt war, nur noch zu 50. Prozent berechnete. Endlich wieder ein Vierteljahr später, am 23. Februar 1896, fand Dr. W. trotz der Klagen des H., daß. wenn er eine Zeitlang gearbeitet habe, ein Gefühl von Lähmung und Sehwäche in dem Arm auftrete, so daß er das Werkzeug nicht mehr halten könne, sondern den Arm sich erst erholen lassen müsse, doch eine so erhebliche Besserung. daß er die Schädigung der Arbeits- fähigkeit nur noch auf 25 Prozent ansetzte. Dr. W. fand nämlich den linken Arm so kräftige und in allen Gelenken so beweglich wie den rechten: die Narben in der Mitte des Vorderarmes waren nun blaßrot, mit der Haut abhebbar und verschiebbar, aber bei Druck wurde noch Schmerz empfunden. H. selbst gab damals zu, daß nieht der Arm die Ursache sei, weshalb er die einträglichere Steinhauerarbeit aufgegeben habe. sondern der Zustand seiner Augen. Knapp. einen Monat später. am 16./17. März 1896, haben zwei andere Ärzte, die DDr. D. und Sch.. den H. untersucht. Sie berichten die Aussage des H., daß ihn 5*+ 48 Sitzung der phys.-math. Klasse v. 13. Januar 1921. — Mitt. v. 2. Dez. 1920 der linke Arm gewöhnlich nicht schmerze, sondern nur bei Druck auf die Narbe, daß ihm aber noch die Ausdauer bei der Arbeit fehle. Das Ergebnis der Untersuchung war: inuere Organe gesund; rechte und linke Körperhälfte äußerlich gleich; an der Innenseite des linken Vorderarmes drei zusammenhängende Narben, welche vollständig verschieblieh sind. Die Muskelkraft der beiden Arme völlig gleich, ebenso die normale elektrische Erregbarkeit. Die beiden Ärzte erklärten die Klagen des H. für Simulation. Ich gehe auf diesen Punkt nicht ein, da ich ersucht worden bin, die Arbeitsbehinderung des H. als der Wahrheit entsprechend anzusehen. Auffällig ist die Angabe der Untersucher. dal der linke Arm an seiner stärksten Stelle sowohl ‘im Unter- wie im Oberarın ı em stärker war, doch kann dieser An- gabe angesichts der übrigen Befunde eine besondere Bedeutung nicht beigelegt werden. Der Befund an den Narben ist viele Jahre später immer derselbe gewesen: Dr. Sch. fand am 22. Mai 1908 in der Mitte des Vorderarmes die kleine Narbe von blassem. gesundem Aussehen, unempfindlich und auf der Unterlage gut verschieblich; Prof. Br. sagt in seinem Gutachten vom ı2. August 1908, Folgen der Verletzung sind ‚an der Beugeseite des Vorderarmes kaum zu finden, nur noch eine feine verschiebliche Narbe. sonst ist die Haut dieser Gegend vollkommen normal. Auch Hr. W.-E. weiß am 9. Juli 1909 nichts anderes anzugeben als: es finden sich am Unterarm einige in der Längsrichtung verlaufende fast linienförmige Narben, die anscheinend von drei Inzisionen herrühren. Hiermit habe ich alles tatsächliche Material zusammengestellt. welches der Entscheidung der ersten mir gestellten Frage, ob mit hinreichender Wahr- scheinlichkeit anzunehmen ist, daß das Armleiden des Klägers vom ‚Jahre 1894 auf tuberkulöser Infektion beruhte, zugrunde gelegt werden muß. — Wenn man den Krankheitsverlauf überbliekt, so kann gar kein Zweifel darüber sein, daß im Anschluß an eine oberflächliche Hautverletzung eine akute Infektion mit Eitererregern eingetreten ist, welehe schnell zu tiefen Eiterungen geführt hat, aber ebenso schnell zur Heilung gelangte. Die Hautnarbe hat die ganz regelrechte Um- wandlung- der Narben«nach einfachen Eiterungen, durchgemacht und hat auch nach- träglich keinerlei ungünstige Veränderung erfahren. Infolge der Tiefeneiterung sind aber auch narbige Veränderungen in der Tiefe entstanden, die offenbar mit Nerven in Verbindung stehen. woraus sich vollkommen alle die Funktionsstörungen erklären, welehe an dem Arm hervorgetreten sind. Diese Störungen haben zweifellos mit den Jahren :abgenommen und H. selbst hat schon 1896 zugegeben, daß er nicht des Armes wegen seine Profession aufgegeben habe, und 1908 hat er Hrn. Prof. Br. nur erklärt, daß er manchmal Schmerzen im Arm habe, daß er niemals Anschwellung oder Ausschlag an demselben bemerkt habe, und Hr. Br. selbst hat kaum noch Folgen der Verletzung, d. h. jener Erkrankung, finden können. In diesem ganzen Krankheitsbilde ist nichts Zweifelhaftes. nichts Unverständ- liches, nichts Außergewöhnliches: es ist ein typisches Bild einer akuten Infektion durch Eitererreger, welche schnell glatt ausheilte und nur durch in der Tiefe zurückgebliebene Narbenstränge Funktionsstörungen herbeiführte. Von einem tuberkulösen Charakter ist in diesem Bilde auch nieht die leiseste Andeutung. wohl aber kann man mit Bestimmtheit sagen. daß es sich im Beginn unmöglich um Tuberkulose gehandelt haben kann, denn Tuberkulose ist an sich eine chronische Krankheit, niemals gibt es nach Infektion mit Tuberkelbazillen innerhalb zweier Tage eine Eiterung. welche zu chirurgischem Eingreifen zwingt; ganz unerhört wäre es für eine tuberkulöse Eiterung, daß diese nach Einschneiden glatt ausheilte mit Hinterlassung einer glatten, schon . nach relativ kurzer Zeit beweelichen und schließlich nur schwer sichtbaren Narbe. Ich behaupte auf das bestimmteste, diese Erkrankung war, ‘wie es Hr. Dr. W. zur Zeit ihres Bestehens mit Recht gesagt hat, eine Infektion durch Eitererreger, aber nicht dureh Tuberkelbazillen. Auch deutet kein Anzeiehen darauf hin, daß etwa im Verlaufe der gewöhnlichen Wundinfektion eine zweite Infektion durch 'Tuberkel- bazillen hinzugekommen sei. Das ist auch die Meinung der HH. Sch.. Br. und v. H., — aber Hr. W.-E. und Hr. W. sind anderer Meinung, der letztere freilich erst nachträglich, nachdem 14 Jahre und mehr verflossen sind. Orr: Traumen und Tuberkulose der Knochen und Gelenke 49 Hr. W.-E. hat gar nicht den Versuch gemacht, zu untersuchen, ob denn die Einzelheiten des rnlkeehildeN mit der Annahme, daß es sich um eine tuberkulöse Erkrankung gehandelt habe, in Einklang zu bringen seien, sondern er beruft sich nur auf die nachträglich gegebene Beschreibung, die es wahrscheinlich. auch nur wahrscheinlich mache, daß es sieh um Tuberkulose gehandelt habe. Im wesentlichen beruft er sich auf Hrn. Dr. W.. und besonders aus seiner letzten Äußerung kann man seinen Beweis so formulieren: Dr. W. hat’s gesagt, und Dr. W. ist ein ehrenwerter Mann. Ich bin weit davon entfernt, die Ehrenwertigkeit des Hrn. Dr. W. auch nur im entferntesten anzutasten. aber ich halte mich für verpflichtet, wie es auch Hr. v. H. getan hat, die Angaben des genannten Arztes auf ihre Zuverlässigkeit zu prüfen, und da komme ich wie Hr. v. H. und der Augenarzt Hr. OÖ. zu dem Resultat, daß die Angaben des Hrn. W. nicht derart sind. daß sie ohne weiteres als beweiskräftig angesehen werden können. Es würde zu weit führen, wenn ich hier eingehend den Beweis für das Gesagte führen wollte. sondern ich muß mieh damit begnügen, einige beweisende Tatsachen anzuführen. Im Februar 1895 erwähnt Hr. W. eine 5 em lange Narbe. im Mai 1895 und im Februar 1896 spricht er von Narben, und tat- sächlich waren eigentlich 3 Narben vorhanden. Im November 1895 berichtet er von einem weißen Fleck »mitten über der Pupille«, im Juni 1896 sagt er dagegen, der Fleck decke einen Teil der Pupille: tatsächlich hat Dr. O. dieses schon am 2. Dezember 1895 festgestellt, und die HH. Sch. and D. hatten es gleichfalls schon am 19. März 1896 bemerkt. Hr. Dr. O. hatte ausgeführt, dieser Fleck habe schon lange bestanden, schon ehe ein Eisensplitter dem H. ins Auge flog, er beeinträchtige das Sehen kaum, wohl aber sei H. kurzsichtig, habe einen Bindehautkatarrh, und durch die ihm nach dem Einfliegen des Splitters zuteil gewordene augenärztliche Behandlung sehe H. jetzt besser als früher. Dr. W. folgert aus dieser ganz klaren und nicht mißzuver- stehenden Angabe. es sei ilım unverständlich, daß ein Mensch mit Hornhauttrübung besser sehen könne als ohne dieselbe. Das ist eine absolut unzulässige, böswillige Verdrehung der Worte des Gegners. Was nun gar die von Hrn. W.-E. so hoch bewertete »nachträglich gegebene Be- schreibung« der Erscheinungen vom ‚Jahre 1894 betrifft, so habe ich schon, in deı Geschichtserzählung darauf aufmerksam gemacht, daß sie offensichtlich falsch ist, denn Dr. W. schreibt jetzt von einer fistulösen Entzündung, während von einer Fistelbildung im Jahre 1894 keine Silbe erwähnt wird und nichts an der Hautnarbe auf eine solche hinweist. Es ist also schon deswegen die Behauptung des Hrn. Dr. W., im Jahre 1894 sei dieselbe Form der Erkrankung dagewesen wie jetzt. nieht richtig. Das wird noch klarer zutage treten, wenn ich nun aus den Akten die Schil- derung der jetzigen Krankheitserscheinungen zusammenstelle. Am 9. Januar 1908 meldete H.. daß er Frösteln am linken Arın habe, und Dr. W bestätigt am ı3. März 1908, daß er H. seit August 1907 zuerst ambulant, dann, seit 21. Februar 1907, im Krankenhause wegen eiterig-tuberkulöser Lymphgefäßentzündung in Behandlung habe. Am 22. Mai 1908 schilderte Dr. Sch. den Zustand folgender- maßen: An der Rückseite des linken Oberarmes, dicht oberhalb des Ellenbogens auf der Rückseite des Unterarms 2 parallele Narben usw. Sämtliche Narben zeigen ein blaurotes Aussehen und haben einzelne nicht überhäutete granulierende Stellen, die einen dünnflüssigen Eiter entleeren. Die ganze Umgebung des Ellenbogengelenkes ist geschwollen und auf Druck schmerzhaft. Besonders empfindlich ist auch der Druck auf die Gelenkknorren des Oberarms. Am 9. Juli 1909 schildert ‘Hr. W.-E. den Befund ganz ähnlich. In der Gegend des Ellenbogengelenkes finden sich 8 bläulichrote wulstige Narben, die teils in der Längsrichtung des Armes, teils quer verlaufen, die zum großen Teil von Fisteln durch- setzt sind. Mir scheint, auch ein ärztlicher Laie müsse bei einem Vergleich der Krankheitserscheinungen vom Jahre 1894 u. f. und dieser neuen sofort erkennen, daß das zwei ganz verschiedene Dinge sind: dort akute Eiterung, keine Fistelbildung, schnelle Vernarbung, glatte. dünne, immer beweglichere Narben, hier chronische, Jahre lang anhaltende Eiterung, wulstige, breite blaurote Narben, unterbrochen von zahl- 50 Sitzung der phys.-math. Klasse v. 13. Januar 1991. — Mitt. v. 2, Dez. 1920 OHZUNE pa, reichen Geschwüren bzw. Fistelbildungen, keinerlei Ne eigung zur Heilung, auch nach schon: zweijahrigem Bestand. Ich kann also nur zu dem Schluß kommen: ' 1. Die Krankheit vom Jahre 1394 hatte mit Tuberkulose gar nichts zu tun, 2. sie hatte gar keine Ähnlichkeit mit der Krankheit vom Jahre 1907. Damit könnte ich also schon die zweite Frage. oh das jetzige Armleiden mit dem damaligen in ursächlichem Zusammenhange stehe, als im negativen Sinne beantwortet ansehen, aber es wird doch nötig sein, wegen der in den Vorgutachten aufgeworfenen Fragen, die zu dieser mehr oder weniger enge Beziehung haben, noch zu verschiedenen Punkten Stellung zu nehmen. ‘Über den Charakter der neuen Erkrankung teile ich die Ansicht des Hrn.W.-E.. daß es sich um eine tuberkulöse Erkrankung handelt. wobei ich besonders auf die Tatsache Wert lege, daß das geimpfte Meerschweinchen tuberkulös geworden ist. Die Frage. woher diese tuberkulöse Infektion gekommen ist, kann man in diesem Falle ebensowenig sicher ‚beantworten als in allen anderen Fällen. Wenn es sich auch wesentlich um Veränderungen der Weichteile des linken Armes handelt, so halte ich es doch nicht für ausgeschlossen, daß eine Knochener krankung zugrunde liegt, und zwar stütze ich mich dabei auf 2 Angaben: 1. die Angabe des Hrn. Dr. Sch., daß die Gelenkknorren des Oberarms besonders druckempfindlich seien, und 2. die Angabe des Hrn. Dr. W.-E., daß in der Größe einer Walnuß direkt auf dem Olekranon (Ellenbogenknochenvorsprung) eine gerötete Stelle liege. welehe Fluktuation zeige. Es ist zwischen Hrn. Prof. v. H. und Hrn. W.-E. ein Zwiespalt darüber entstanden, in welcher Beziehung die Lungentuberkulose, welche erst in späterer Zeit der zweiten Erkrankung erkannt worden ist, zu der Armerkrankung stehe. Da ich die Beantwortung dieser Frage für die gerichtliche Beurteilüng des Falles für völlig gleichgültig halte, so will ich nur kurz bemerken. daß ich die Ansicht des Hrn. v. H.. die Lungenerkrankung könne nicht von der Armerkrankung entstanden sein, nicht teile, daß ich aber noch viel weniger der Äußerung des Hra. W.-E. zustimmen kaun, es sei die Feststellung einer sekundären Natur der Lungenerkrankung geeignet, »die Wahrscheinlichkeit fast zur Gewißheit« zu erheben, »dal in den gesunden Körper von außen Tuberkelbazillen eingedrungen sind und dann, auf dem gewöhnlichen Lymphwege weitergehend, die Lungenaffektion sekundär herbeigeführt haben«. Wenn ein bis dahin gesunder Körper an Tuberkulose erkrankt, so müssen die Tuberkelbazillen unter allen Umständen von außen in ihn eingedrungen, richtiger hineingelangt sein, mag die erste tuberkulöse Veränderung in den Lungen, den Knochen oder irgendwelchen Weichteilen aufgetreten sein. Dal} sie aber von den Knochen auf dem Lymphweg in die Lungen gelangt seien, ist absolut unmöglich, denn es gibt gar keinen direkten Lymphweg von der Een een zu den Langen, Koh bier kann nur der Blutweg die Vermittelung oberdehmen! Aber davon abgesehen, ist die Logik doch eine absonderliche, wenn A W.-E. sehließt. wenn die Erkrankung des Arms die erste tuberkulöse Erkrankung dieses Körpers ist, dann müssen die Tuberkel- bazillen dureh die im November 1894 entstandene oberflächliche Hautabschürfung von außen in den Körper gekommen sein! Abgesehen davon, daß, wie ich immer wieder betonen muß. auch nicht der Schatten eines Beweises dafür beigebracht worden ist, daß die von jener Hautabschürfung ausgegangene Erkrankung, weder in ihrem An- fang noch in ihrem Verlaufe, eine tuberkulöse gewesen sei, widerspricht es aller wissenschaftlichen Erfahrung, daß bei einer nieht von vornherein an einer Oberfläche gelegenen tuberkulösen Erkrankung die Bazillen notwendig an der nächstgelegenen Oberfläche ihre Eintrittsstelle gehabt hätten. Also ob primär oder sekundär, ‚beweist gar nichts für die Stelle, wo die Bazillen von außen in den Körper hineingelangt sind. Es ist aber auch die Schlußfolgerung des Hrn. W.-E.. weil die Lungenerkrankung erst so spät festgestellt worden ist, darum könne sie nicht die primäre tuberkulöse Krankheit bei H. sein, nicht richtig, wie Hr. W.-E. selbst beweist, indem er den Eall . Or: Traumen und Tuberkulose der Knochen und Gelenke 31 von B. erwähnt: Ein Mann hatte einen tuberkulösen Spitzenkatarrh. der zu so ‘vollkommener Ausheilung gelangte, daß der Mann 20 Jahre in vollkommener Ge- sundheit lebte, eifrig Bergsport betrieb, aber dann doch an einer Generalisation der Tuberkulose von der Lunge aus zugrunde ging. Es kann also ein Mensch 20 Jahre vollkommen gesund sein und doch noch einen tuberkulösen Herd in der Lungenspitze lıahen, von dem aus andere Körperorgane tuberkulös infiziert werden können. Folglich kann auch H.. obwohl er lungengesund schien, einen alten Tuberkuloseherd in seiner l.unge gchabt haben, der doch noch fähig war, die Knochen oder Weichteile der linken Ellenbogengegend tuberkulös zu infizieren, auch wenn er selbst erst später dem unter- suchenden Arzte erkennbar wurde. Ebensowenig stichhaltig sind die Gründe, welche gegen die Annahme ver- schiedener Gutachter, daß zwischen der ersten und zweiten Erkrankung des linken Vorderarmes wegen der räumlichen Verhältnisse ein Zusammenhang nicht bestehen könne, ins Feld geführt werden. Hr. W.-E. sagt, bekanntlich könnten tuberkulöse Affektionen an einer ganz anderen Stelle zam Durchbruch kommen, als die Infektion erfolgt ist. Es sei daher der von anderen Gutachtern (HH. Sch.. B.) aus der Tatsache. dal die tuberkulöse Eiterung auf’ der Rückseite des Arms zum Durchbruch kam, gezogene Schluß auf den fehlenden kausalen Konnex zwischen der an der Vorder-(Beuge-) Seite sich abspielenden ersten Erkrankung und der zweiten nicht gerechtfertigt, weil z. B. tuberkulöse Affektionen der Brustwirbelsäule als sog. Senkungsabszesse tief unten im Becken zum Vorschein kommen können, da der tuberkulöse Eiter unterminierend an .den Stellen des ge- ringsten Widerstandes zum Durchbruch gelangt. Ganz recht, diese Tatsache ist allen Ärzten bekannt, aber sie hat mit dem vorliegenden Falle gar nichts zu tun. Hr. B. hat schon darauf hingewiesen, daß zwischen der Beuge- und Streckseite des Vorderarms in der Tiefe das sehr widerstandsfähige Zwischenknochenband ge- legen ist. Trotzdem also Hr.W.-E. selbst als allbekannt feststellt, daß der tuberkulöse Biter an den Stellen des geringsten Widerstandes zum Durchbruch gelangt, nimmt er bei H. an, daß gerade umgekehrt der tuberkulöse Eiter von der Beugeseite des Vorder- arms auf dem Wege des größten Widerstandes nach der Streckseite durchgebrochen sei! Es besteht aber noch ein anderer wesentlicher Unterschied zwischen. einem Senkungsabszeß bei Knochenfraß der Wirbelsäule und dem Befunde bei H.: den Weg des Eiters kann man bei einem Senkungsabszeß bis zu dem Ausgangspunkt. dem Knochen, verfolgen, und an dem Knochen sind die tuberkulösen Veränderungen jeder- zeit nachzuweisen. Dem tuberkulösen Knochen würde danach bei H. die 1894 ver- letzte und infizierte Hautstelle entsprechen, diese ist aber bei H. schon nach einem. Vierteljahr nicht mehr entzündet gewesen und auch’ all die späteren Jahre bis zur letzten Untersuchung durch Hrn. W.-E. selbst vollkommen frei von Entzündung geblieben! Wo ist da die Ähnliehkeit mit dem Senkungsabzeß?! Nicht besser steht es mit den Gründen. welche Hr. Dr. W. für den ursächlichen Zusammenhang der beiden Erkrankungen anführt. Er beruft sich auf seine Be- obachtungen — diese tragen aber den Stempel der Unrichtigkeit an der Stirn. Wenn Hr. W. sagt: »Als ich die zweite Erkrankung sah, konnte ich sehen, daß die frisch "entstandene Fistel von dem alten Krankheitsherde ausging«, so muß das falsch sein. denn von einem alten Krankheitsherde war überhaupt nichts mehr zu sehen; alles, was von früheren Veränderungen noch zu sehen ‚war, das war die ganz zarte, gut bewegliche, völlig abgeheilte Narbe. Und wenn er weiter fortfährt: eine Sonde, die ich einführte, bewies mir, daß die Haut unterminiert war und daß Gänge in die Tiefe des Arms führten, welche ich bis in die Nähe des alten Krankheitsherdes verfolgen konnte, so muß ich®wieder fragen, wo war denn dieser Krankheitsherd’ Das einzige erkennbare Merkmal der früheren Erkrankung ist die feine Narbe an der Beugeseite, und diese wie ihre Umgebung ist nach der übereinstimmenden Aussage aller Unter- sucher von den tuberkulösen Veränderungen von Anfang an frei gewesen und auch weiterhin frei geblieben.. Wo ist der alte Krankheitsherd? Vielleieht in der Tiefe? 52 Sitzung der phys.-math. Klasse v. 13. Januar 1921. — Mitt. v. 2. Dez. 1920 Auf derselben Seite seines Berichtes sagt Hr. Dr. W. von der ersten Erkrankung: Die Entzündung heilte s. Z.. hat aber offenbar in der Tiefe noch Bakterien. die nicht abgestorben waren, hinterlassen. Wußte Hr. Dr. W., wo diese Bakterien saßen. so dal er schlankweg erklären konnte, eine Sonde bewies mir, daß Gänge in die Tiefe des Armes führten, welche ich bis in die Nähe des alten Krankheitsherdes verfolgen konnte? Dieser Behauptung fehlt jede tatsächliche Grundlage, und sie ist um so mehr falsch, als Tuberkeibazillen gar nicht vorhanden sein konnten. da sie auch früher nicht vor- handen waren. Also auch abgesehen von der meines Erachtens unumstößlichen Tatsache, daß die erste Erkrankung einen tuberkulösen Charakter nieht gehabt hat. halten alle Ver- suche, eine direkte Brücke von der ersten zu der zweiten Erkrankung zu schlagen. einer kritischen Betrachtung nicht stand. Weil besonderer Wert darauf gelegt zu werden scheint, möchte ich noch einmal betonen. daß auch die fortgesetzten nervösen Störungen an dem.linken Arm eine solche Brücke nicht darstellen könnten, da sie in keiner Weise einen Fortbestand der Erkrankung beweisen. sondern nur, daß die damaligen ‘Narbenbildungen in der Tiefe auch Nerven beteiligt haben. ‚Endlich sei der Vollständigkeit wegen auch noch darauf hingewiesen. daß auch eine mittelbare Beziehung zwischen alter und neuer Krankheit etwa in der Weise, daß dureh die erste Erkrankung ein Ort geringeren Widerstandes erzeugt worden sei, au dem nun die später dahingelangten Tuberkelbazillen hätten Fuß fassen können, durchaus unwahrscheinlich ist, wie schon Hr. Prof. v. H. dargetan hat. Die neue Er- krankung sitzt an einer anderen Stelle, und was von der alten sichtbar übriggeblieben ist, die Hautnarbe, ist weder selbst an der neuen Erkrankung beteiligt. noch ist es ihre nächste Umgebung. Der Schluß aus allen diesen Darlegungen kann nur lauten: 1. es ist nieht nur wahrscheinlich, sondern nahezu sicher, daß das Armleiden des H. vom Jahre 1394 nicht auf tuberkulöser Infektion beruhte, 2. es würde nach Lage der Verhältnisse höchst unwahrscheinlich sein, daß das jetzige Armleiden mit dem damaligen in ursächlichem Zusammenhange stände, selbst wenn das erste auf tuberkulöser Infektion beruht hätte. Das Reichsversicherungsamt hat sieh diesem Gutachten an- geschlossen. 7. Auch noch in einer anderen Unfallsache war auf eine traumatische Sepsis eine Tuberkolose gefolgt, aber zunächst eine Lungen-, dann eine Beckentuberkulose, und der Streit ging nicht wie in dem vorigen Fall darüber, ob die traumatische Erkrankung eine tuberkulöse war, sondern die tuberkulöse Natur der Beekenerkrankung wurde bezweifelt. Hier hat eine eigene Untersuchung durch den Nachweis von Tuberkel- bazillen im Fisteleiter den Ausschlag gegeben. 2 Nr. 6 vom 17. November 1904, betr. den 30 Jahre alten Steinträger W. Q). in B. Am 14. September 1893 Verstauchung des rechten Fußes im Knöchelgelenk, wahrscheinlich unter Absprengung eines Stückes des rechten äußeren Rnöchels. Keine äußere Wunde; es trat zwar eine starke Schwellung ein, aber auch Dr, Ro. hat am 25. Februar 1894 :niehts von Wunde oder Eiterung bemerkt. Erst mindestens "/, Jahr nach der Verletzung trat dann in dem stark entzündeten Rnöchel eine Eiterung auf, welche nach außen durchbrach. Nunmehr langwierige Eiterung, anfangs Februar 1395 Einschnitt, am 22. Februar Weichteileiterung geheilt, aber Auftreibung und Schmerz noch bis zum 3. August 1896, von wo an der Q. sich der ärztlichen»Beobaeltung entzog, Etwa 3:/; Jahre später (14. Oktober 1899) Aufnahme des Q. wegen Tuberkulose und Hämorrhoiden in das Krankenhaus F.: seit 6—8 Wochen Schmerzen in der rechten Brust. Husten und Auswurf, zweifellos Lungentuberkulose. Im Auswurf viele Tuberkel- bazillen. i A . i Örın: Traumen und Tuberkulose der Knochen und Gelenke HR ee . = Am 17. Oktober Operation der Hämorrhoiden. regelmäßige Heilung: am. 28. Oktober - Entlassung des Kranken mit nur noch kleinen W undilächen: Im Februar 1900 angeblich eine Rippenfellentzündung, die offenbar eine tuber- kulöse war. da naclı dem Gutachten des Ass.-Arztes Dr. Ro. vom 19. Februar 1900 damals eine nicht unbeträchtliche fortschreitende Lungentuberkulose bestand und der 'reichliche. häufig blutig gefärbte Auswurf viele Tuberkelbazillen enthielt. Noch in demselben ‚Jahre zeigten sich neue Krankheitserscheinungen: nachdem im Mai links ein Leistenbruch herausgetreten war, entstand eine Kiterung in der linken Leistengegend. An den Lungen waren noch abnorme Erscheinungen, abeı viel geringer; über Tuberkelbazillenabsonderung wird hier nichts gesagt. sondern nur, daß in dem Abszeßeiter aus der Leistengegend (anscheinend \Weichteileiterung) keine Tuberkelbazillen vorhanden gewesen seien. Am 20. Juli wurde Q. geheilt entlassen. Aber ein halbes Jahr später entstand an der Operationsnarbe eine Fistel, und im März meldete (). eine Verschlimmerung des aus dem Unfall herrührenden Krankbeitszustandes an. Dr. Ro. konnte aber am 18. April 1901 außer einer geringfügigen Schwellung an dem rechten Knöchel nichts Abweichendes feststellen. insbesondere waren auch die Funktionen des Fußgelenkes in keiner Weise gestört. Auch das Schiedsgericht konnte bei der Inaugenscheinnahme am 30. Mai 1901 nur normale Verhältnisse feststellen. und so wurde die Annahme einer Verschlimmerung zurückgewiesen. : Mittlerweile nahmen aber die Krankheitserscheinungen in der linken Leisten- gegend zu und am 7. ‚Juni 19017 wurde in dem Krankenhaus F. eine Rnochenerkrankung am Beeken festgestellt. die zu Operationen nötigte. bei denen ein abgestorbenes Knochen- stück entfernt werden mußte. Nach langwieriger Eiterung und einer weiteren Operation in der Nähe der ersten im November 1901 konnte der Kranke erst im. März 1902, noch mit einer Fistel in der Leiste ngegend behaftet, zur poliklinischen Behandlung ent- lassen worden, in der er heute noch steht. Über eine mikroskopische Untersuchung des . Eiters oder der wiederholt ausgekratzten Massen ist nichts erwähnt, von der Lunge nur am 7. Juni 1901 rechts hinten geringe Abweichungen der Atmungsgeräusche, kein Husten. Am 14. September 1903 fand Dr. N. an den inneren Organen nichts Krankhaftes, aber links einen Leistenbruch, je. eine Fistel am Schambein und am Oberschenkel. Die erste heilte später zu, denn Dr. K. und Dr. N., welche zwischen dein 21. und 31. De- zember 1903 mehrmals untersuchten, gaben am 5. Januar 1904 an, daß am Schambein eine tiefe, auf Druck schmerzhafte Narbe sei und nur noch eine F'istel am Oberschenkel, in die man weit mit der Sonde hineinkomme. An den inneren Organen keine Regel- widrigkeiten, doppelseitiger Leistenbruch, am Knöchel wie vorher bei Röntgenunter- -suchung veränderte Knochenstruktur zu sehen. Bei meiner zweimaligen eigenen Untersuchung habe ich festgestellt. daß am rechten äußeren Knöchel eine Verdiekung des Knochens vorhanden war. hinter der auch eine vundliche Weichteilverdickung sich fand, beide aut Druck nicht schmerzhaft. Gelenk [rei beweglich. Am Becken und in der Leistengegend noch derselbe Befund, wie Dr. K. und Dr. N. ihn angesehen haben, nur habe ich ae daß oberhalb der Narbe eine Anzahl vergrößerter, schmerzloser Lymphdrüsen zu fühlen war. Der Verband, weleher nach Angabe des Kranken im Krankenhause F. zweimal wöchentlich erneuert wird und weleher bei meiner ersten Untersuchung drei Tage lag, war ziemlich stark von Absonderung durchnäßt; bei der zweiten Untersuehung fand ich auch Tuberkel- bazillen. Obgleich der Krauke nicht über Husten klagte, ließ ich ihn husten, wobei eine eitrigschleimige Masse-zutage gelördert wurde, in welcher in großer Menge Tuberkel- bazillen nachweisbar waren. Es besteht demnach auch heute noch eine offene Tuber- kulose der Lungen. Mit Ausnahme von Dr. Bl. geben alle Vorgutachter die Möglichkeit eines Zusammenhanges des Unfälles vom Jahre 1893 mit den Krankheitserscheinungen in der linken Leistengegend und am Becken zu, aber die Frage der Wahrscheinlichkeit ist von den HH. K. und N. überhaupt nicht beantwortet: Hr. Dr. Ro., der anfänglich auch die Möglichkeit eines Zusammenhanges leugnete, hat schließlich aueh nur zu- gegeben, daß ein Zusammenhang nicht ausgeschlossen sei, Dr. G. nimmt ohne weiteres Ei 54 Sitzung der phys.-math. Klasse v. 13. ‚Januar 1921. — Mitt. v. 2. Dez. 1920. einen ursächlichen Zusammenhang an, und Dr. Nm. erklärt einen solchen als zwar nicht mit Sicherheit, aber mit ausreichender Wahrscheinlichkeit vorhanden. — Es kann kein Zweifel darüber bestehen. daß nicht die direkten Tnfallver) . # letzungen. die. Verstauchung des Fußgelenks und der etwaige Bruch des Knöchels. die Beckeneiterung gemacht haben können, sondern daß dies höchstens die Biterung getan haben kann, welche sich an der verletzten Stelle einstellte. Nun ist ja zweifel- los richtig, was von mehreren Gutachtern betont wurde, daß gelegentlich gerade Knochen- eiterungen zur eiterigen Erkrankung anderer Knochen führen können und daß es manchmal langsam verlaufende Eiterungen gibt, welche lange Zeit verborgen bleiben können. Für den vorliegenden Fall hat aber.Dr. Bl. ganz mit Recht hervorgehoben, daß keinerlei Beweis dafür vorhanden ist, daß am Knöchel eine Knocheneiter ung. be- standen hat. da weder rauher Knochen gefühlt, noch ein abgestorbenes Knochen- stückehen beobachtet wurde, und auch das Röntgenbild von Dr. K. kann diesen Beweis nicht bringen, da die gefundenen Veränderungen ebensogut durch Absprengung und schlechte Wiederanheilung eines Knochenstückes hervorgerufen worden sein können. Die noch nachweisbare Verdiekung sprieht dafür, daß die Heilung, was die Knochen- form betrifft, eine unvollkommene ist. Aber sehen wir ganz von dem Sitz der Kiterung an der Verletzungsstelle ab, — es konute ja schließlich auch von einer Weich- teileiterung ein Eitererreger nach dem Becken gekommen sein —, sondern fragen wir uns, auf welchem Wege der angenommene Transport von Eitererregern nach dem Becken vor sich gegangen sein kann. so muß ich die in verschiedenen Gutachten. erwähnten Lymphwege für ausgeschlossen erachten: bei dem gekreuzten Auftreten (rechter Knöchel, linke Leisten- und Beekengegend) muß von den Lymphgefäßen aus anatomischen Gründen abgesehen werden. Die Erreger könnten, nur durch den Blut- strom nach dem Becken geschafft worden sein. Bei der Frage, ob dies wahrscheinlicherweise der Fall gewesen ist, kommt nun (die Vorfrage wesentlich in Betracht, woher kam denn die Eiterung am verstauchten Knöchel? Dr. G. sagt, die zuerst aufgetretene Blutung sei später »durch irgendwelche Ursache in Eiterung übergegangen«, und Dr. Nm. schreibt von einem Bruch, »der durch irgendeine Ursache anscheinend zur Vereiterung kam«. Es ist für die ganze Auffassung des Falles von allergrößter Bedeutung, wenigstens den Versuch zu machen, die Ent- stehung dieser Eiterung, welch@ duer alles folgende verschuldet haben soll, zu er- klären. Die Eitererreger können an verletzte Teile von außen her gelangen, wenn die äußeren Bedeckungen verletzt waren und dadurch ein unmittelbares Eindringen von außen möglich war. Das lag hier nicht vor, denn von niemand ist eine äußere Ver- letzung erwähnt worden, und auch das späte Auftreten der Eiterung ‚(nahezu ein halbes Jahr nach dem Unfälle) spricht gegen eine direkte Infektion von außen. Zwar sagte Dr. Ro., daß diese Eiterung in der Tiefe jedenfalls schon lange bestanden habe, und er mag darin nicht ganz unrecht haben, aber gerade daß sie in der Tiefe begann und erst später nach außen hervortrat, spricht dafür, daß sie nicht direkt von außen her entstanden ist, sondern von innen her,.d. h. daß vom Blute aus — die Lymphe kommt hier nach Lage der. Verhältnisse nicht in Betracht — die Infektion der inneren Wunde erfolgt ist, dal das Blut von einer anderen Stelle des Körpers her die Bak- terien herangeschwemmt hat. Eine andere Erklärung ist nieht möglich, wenn auch nach Lage der Akten iiber diese Stelle auch nicht einmal eine Vermutung geäußert werden kann: es muß sich um eine Infektion vom Blute aus gehandelt haben. Wenn aber angenommen werden muß, daß beim Beginn der Eiterung an der verletzten Stelle eine von dem Unfall unabhängige Blutinfektion mit Eiterbakterien vorhanden war, sollte da nicht die Annalıme gerechtfertigt sein, daß auch die Beeken- eiterung das Resultat einer solehen von der Verletzung gänzlich unabhängigen Blut- infektion sei? Es hat zwar am Becken keine bekannte Verletzung stattgefunden, aber das ist um so weniger ein Gegengrund. als immerhin pathologische Zustände in der (regend der zweiten Eiterung herrschten, denn der linksseitige Leistenbruch ist gleich- zeitig mit der Eiterung im Hodensack hervorgetreten, Örrn: Traumen und Tuberkulose der Knochen und Gelenke 55 Wird schon durch diese Überlegung die Annahme eines ursächlichen Zusammen- hanges zwischen Knöcheleiterung und Beekeneiterung erschüttert, so muß ich weiterhin abermals Hrn. Dr. Bl. völlig darin zustimmen. daß der lange Zwischenraum zwischen der Heilung der Knöcheleiterung und dem Auftreten der Beckeneiterung zum aller- mindesten den Zusammenhang nicht wahrscheinlich macht. ös sind nun Versuche gemacht worden, die Beckeneiterung anders zu erklären. Hier muß ich der Annahme des Hru. Dr. Bl.. daß diese mit der Hämorrhoiden- operation in Verbindung zu bringen sei, widersprechen: die Operation und die Heilung sind so regelrecht verlaufen, die Zwischenzeit zwischen Operation und Eiterung in der Leistengegend (über */, Jahr) ist so groß, daß ich einen ursächlichen Zusammen- hang nicht für möglich halte. Dann ist auf die -Rippenfell- und Lungenentzündung hingewiesen worden, Ich gebe Hrn. Dr. Nm. zu, daß ein direkter Zusammenhang derart, daß die Erkrankung -in der Brust die Eiterung am Becken bewirkt hätte, durchaus unwahrscheinlich ist. während ein indirekter derart. daß die Erkrankung in der Brust eine ruhende Eiterung zu schnellerem Fortschreiten veranlaßte, eher denkbar ist. Aber was wär das für eine Brusterkrankung?’ (0. war bereits im Oktober 1899 mit recht schwerer Lungen- tuberkulose behaftet und hatte viele Tuberkelbazillen im Auswurf, im Februar 1900 war noch der gleiche Zustand vorhanden, darum ist es sehr wahrscheinlich, daß auch die tppenfellentzündung mit der Tuberkulose in ursächlicher Beziehung stand. Nun trat nach einigen Monaten die schwere Eiterung am Beckenknochen auf, die noch heute. nach über vier Jahren, besteht. während auch heute noch zahlreiche Tuberkelbazillen im Auswurf sich finden, trotzdem die Lungenerkrankung zweifellos geringer geworden ist. Wenn wir nun berücksichtigen, daß bekanntermaßen Tuber- kulose sehr häufig chronische Knochenerkrankungen — auch mit Eiterung — bewirkt, so liegt es nach meinem Dafürhalten am nächsten, auch bei Q. die Beckenerkrankung als eine tuberkulöse anzuselien. Die Beschaffenheit der benachbarten Lymphdrüsen stimmt mit dieser Annahme sehr wohl überein. Man könnte entgegenhalten, daß bei der Operation im ‚Juni 1900 in dem Eiter des Leistenabszesses keine Tuberkelbazillen gefunden wurden, aber das beweist nichts, denn den Ärzten ist es wohl bekannt, wie spärlich und schwer auffindbar oft die Tuberkelbazillen bei solehen Knocheneiterungen sind, und mein Befund von Tuberkelbazillen beweist, daß jetzt zweifellos ein tuber- kulöser Prozeß am Becken besteht. Ich komme also zu dem Selilusse, daß ein Zusammenhang des jetzigen Leidens des Q. mit dem Unfälle vom 14. September 1893 durchaus unwahrscheinlich ist und fast mit Sicherheit verneint werden kann. Ich komme nun zu einer Reihe von Fällen, bei welchen eine. traumatische Spättuberkulose aufgetreten ist, die im übrigen aber sehr verschiedene Verhältnisse darboten. i 8. In dem ersten hierhergehörigen Falle kam die Frage zur Er- örterung, ob Schmerzen als Brückenerscheinungen angesehen werden dürfen. Da der Fall im übrigen klar liegt, so genügt eine kurze Angabe. Nr. 823 vom 13. Juni 1920. ı6jähriger Arbeiter mit Verkrümmung der Wirbel- säule; 15. Mai 1917 durch Fall auf einen Kistenrand Bruch der g. rechten Rippe: 5. Juni gesundgeschrieben, aber noch r4 Tage massiert 29. August 1917 noch eine Verdiekung an der 8. und 9. Rippe: am 1. Oktober noch Schmerzen und Unfähigkeit. schwere Arbeit zu verrichten. Erst am 25. März 1918 Entdeckung eines tuberkulösen Abszesses an der 9. rechten Rippe, mehrfache Operationen. Eine Verdiehtung in einer Lungenspitze wurde zuerst am 1. Oktober 1918 festgestellt. Zwei Gutachter standen einander gegenüber, von denen der eine trotz der langen Zwischenzeit wegen der vorhanden gewesenen Schmerzen einen Zusammenhang an- b2 36 Sitzung der phys.-math. Klasse v. 13. Januar 1921. — Mitt. v. 2. Dez. 1020 | nahm, der andere ilın leugnete. weil als Brückenerscheinungen nur objektiv nachweis- bare Erscheinungen angesehen werden dürften. nicht aber die subjektiven Schmerzen. Es kann wohl keinem Zweifel unterliegen. dal ein alter tuberkulöser Lungen- herd vorlag, von dem die Rippentuberkulose ein Ableger war. Wenn auch diese erst am 25. März 1918 ärztlich festgestellt wurde, so war damals doch schon ein tuber- kulöser Abszelß vorhanden, der Beginn der örtlichen Tuberkulöse ist also weit früher zu legen, so daß die Zwischenzeit doch nicht so groß war, wie es auf den ersten Blick erscheinen konnte. "Dazu kommen nun die Schmerzen. welche hier, selbstver- ständlich unter der Voraussetzung der Glaubwürdigkeit. genau ebenso als Brücken- erscheinungen anerkannt werden müssen, wie das bei der eiterigen Knochenentzündung der Fall ist (vel. Sitzungsber. 1920. S. 262). Den Beginn der Tuberkulose darf man also in eine Zeit verlegen. zu der noch Veränderungen an der vom Unfall betroflenen Stelle vorhanden waren, so daß auch ich mich für einen ursächlichen Zusammenhang ausgesprochen habe. 9. In dem zweiten Falle von Spättuberkulose — diese wurde erst zwei Jahre nach dem Unfall, allerdings in schon weit vorgeschrittenem Zustande entdeckt — bestand keine Meinungsverschiedenheit unter den Gutachtern, denn er war durch die Sektion völlig aufgeklärt, er wird deshalb nur seiner selbst wegen und zur Ergänzung meiner Mit- teilungen über Traumen und Nierenerkrankungen (Sitzungsber. 1919. S. 227) kurz mitgeteilt. Nr. 697 vom 21. Mai 1919. Fast 25 Jahre alter, voll arbeitsfähiger Kohlenlader; am 29. ‚Juli 1915 Fall eines Kohlenstückes gegen den rechten Ellenbogen; sofort heftige, aber nicht weiter beachtete Schmerzen. Am 2. August 1915 Einstellung der Arbeit wegen Schwellung des Unterarmes: Bluterguß im Ellbogengelenk sowie Bruch des Radius nahe dem Gelenk. Am 17. September 1915 nur noch eine Störung der Be- weglichkeit,. im Juni 1916 Arm noch schmerzhaft, konnte nicht geradegestreckt werden. Von Weihnachten 1916 an trat eine Verschlimmerung ein, und am 13. Juli 1917 fand sich bei der Röntgenuntersuchung eine ausgedehnte tuberkulöse Zerstörung der Gelenk- flächen an Ulna und Radius. Am ır. August 1917 erfolgte der Tod, und die Leichen- untersuchung ergab eine Urogenitaltuberkulose beider Nieren, besonders aber der rech- ten, nit Verstopfung beider Ureteren, sekundäre Aussaaten in Lungen, Leber, Milz, Lymphdrüsen, rechtem Ellenbogen. Es konnte kein Zweifel darüber bestehen, dal die Lokalisation der Gelenktuberkulose ursächlich mit dem Unfall zusammenhing, daß aber diese gegenüber der schweren Urogenitaltuberkulose ganz zurücktrat und den Tod weder hervorgerufen noch wesentlich beschleunigt hatte. 10. Bei dem dritten Fall war eine Spättuberkulose nach einer traumatischen chronischen Kniegelenkentzündung aufgetreten neben einer doppelseitigen Lungentuberkulose, die wohl weiterhin in den Vordergrund treten wird. Über die traumatische Natur der Gelenk- tuberkulose sind alle Gutachter einig, dagegen habe ich die Annahme der Vorgutachter, daß diese Tuberkulose die primäre, die Lungen- tuberkulose die sekundäre sei, aus allgemeinpathologischen Gründen zurückweisen müssen. Diese Frage ist von großer praktischer Be- deutung, denn wäre die Annahme der Vorgutachter richtig, dann müßte ein etwa später an Lungentuberkulose erfolgender Tod eben- falls dem Unfall zur Last gelegt werden. Orrn: Traumen und Tuberkulose der Ruochen und Gekenke 6 Nr. 778 vom 31. Januar 1920, betr. den Kutscher H. E. in €. - Am 27. August tgı5 Fall auf das linke Knie, sofort heftige Schmerzen, aber nach Erholung Weiterarbeit: hinkte und klagte immer. Am 16. September 1915 leichte Schwellung des linken Knies: heftige Schmerzen beim Kniebeugen: solche auch noch am 13. Juli 1916: Gang hinkend, Bengung und Streekung im Knie be- schränkt. Unterschenkel abgemagert. Am 6. November 1916 alle Störungen stärker, aber bis zum 31. März 1917 Besserung, wenn auch Schwellung und Bewegungsstörungen noch vorhanden waren: eine Röntgenuntersuchung ergab außer leichter Atrophie nichts. Erst am 26. April 1917 wurden röutgenologisch stärkere Veränderungen bemerkt unıl ‘(in einem Krankenhause) Arthritis dleformans traumatica dignostiziert. Eine neue ob- Jjektive Erscheinung wurde am 9. Juli 1917 in Gestalt einer fühlbaren Verdickung der Innenhaut des Gelenkes festgestellt. sonst waren die früheren Störungen, daneben aber auch Druckempfindlichkeit vorhanden. An Brust- und Bauchorganen keine Veränderung nachweisbar. Trotz der Kniebeschwerden arbeitete E. vom. 5. Januar 1918 an, wenn auch mit Unterbrechungen. bei schlechtem Wetter war das Bein weniger gebrauchsfähig. Beschwerden traten besonders beim Besteigen des Kutscherboeks auf: gegen Ende ‚Januar 1919 nahmen die Schmerzen iin Knie dauernd zu, am 28. Februar wurde an der Innenseite des linken Knies eine fluktuierende (Greschwulst festgestellt und zugleich an der rechten Lungenspitze eine Dämpfung, Bronchialatmen und’ einige Rhonchi ge- funden. worauf die Diagnose Tuberkulose des linken Knies, wahrscheinlich seit 1917 be- stehend, gestellt wurde. Die alsbald vorgenommene Resektion ergab eine fungöse Eı- krankung der Kapsel. Dr. B. fand Mitte Dezember 19 19 noch Eilorunz am operierten Knie und nun eine doppelseitige, wenn auch rechts stärkere Lungenspitzenerkrankung. Sowohl die Chirurgen als auch Dr. B. nalımen eine traumatische chronische Glen kulose an. die schon seit mehreren Monaten bestanden habe. und eine sekundäre Tuberkulose der Lungen. — Aus der Krankengeschichte ergibt sich. duß seit dem Unfall das vorher ge- sunde Knie dauernd erkrankt war. sowie daß schließlich diese Erkrankung eine tuber- kulöse war. Nach dieser Feststellung liest die Vermutung nahe, daß die Tuberkulose des Knies schon 1917 bestand. denn die damals festeestellte Verdiekung der Innenhaut ist doeli jetzt Rherkiinssverdfie: Nicht auszuschließen ist auch. daß von Anfang an schon eine tuberkulöse Erkrankung bestand. wenn auch nichts für eine schon vor dem Unfall bestehende Erkrankung spricht und die langsame Entwicklung einerseits, die 1919 sebnell auftretenden Krankheitserscheinungen andererseits dagegen und mehr für eine zuerst einfache traumatische Entzündung sprechen. Aber traumatisch war die erste Erkrankung zweifellos. und die Tuberkulose war da, ehe noch die Krankheitserschei- nungen abgeklungen waren. Zwar kann auch ohne Trauma und ohne erkennbare örtliche Disposition eine Knochen- und Gelenktuberkulose entstehen, aber ein Trauma vermag sie doch hervorzurufen: da bier beim Beginn der Tuberkulose unter allen Umständen traumatische Veränderungen noch bestanden, so ist ein ursächlicher Zu- sammenhang höchst wahrscheinlich. Es wird sich aber nieht um eine primäre Tuberkulose handeln, sondern es ist zu vermuten, daß schon anderswo im Körper ein alter tuberkulöser Herd, wenn auch noch unerkannt. vorhanden war. Im Juli 1917 war allerdings an den Lungen noch nichts nachzuweisen. aber im Februar 1919 bestand eine rechtsseitige Spitzenerkrankung und im Dezember 1919 bereits eine doppelseitige. Danach kann es als fast sicher angesehen werden, daß eine alte Lungentuberkulose bestand, zu der sich nach dem Unfall eine sekundäre Kniegelenktuberkulose gesellte, sei es sofort oder, was mir wahrscheinlicher ist, erst später. als die bisher ruhende Lungentuberkulose eine fort- schreitende geworden war. Dieses Fortschreiten ist so spät erst eingetreten, daß sein Zusammenhang mit,dem Unfall ausgeschlossen erscheint. Das ist wichtig, weil zu erwarten ist. dab die Lungentuberkulose, die in 3/, Jahren sehon eine doppelseitige geworden ist, über kurz oder lang den Tod herbeiführen und dann inöglicherweise von Hinterbliebenen als Unfallfolge angesprochen wird. Dafür liegt kein Anhalt vor, wohl aber sehe auch ich die Gelenktuberkulose als Unfallfolge an. 38 Sitzung der phys.-math. Klasse v. 13. Januar 1921. — Mitt. v. 2. Dez. 1920 11. Die Anschauung, daß Knochentuberkulosen der Regel nach als metastatische anzusehen seien, wurde von mir auch in der Un- fallsache des Dienstmädchens S. K. in K., welches an einer Wirbel- säulentuberkulose litt, vertreten, obgleich ein älterer tuberkulöser Herd nicht nachzuweisen war. Ich hatte aber über einen söleheu — und zwar von ungewöhnlichem Sitz — eine Vermutung ausge- sprochen und hatte die Genugtuung, dab später dureh Leichenunter- suchung meine Vermutung als zutreffend bestätigt wurde, indem sielı eine schwere Genitaltuberkulose fand. "Trotzdem mußte entgegen dem, was ich betrefls des zu erwartenden Todes im vorigen Falle gesagt habe, der "Tod mit dem Unfall in ursäehlichen Zusammenhang ge- braeht werden, weil er an einer akuten, räumlich sieh an die Wirbel- tuberkulose anschließenden tuberkulösen Hirnhautentzündung erfolgt ist. Nr. 579 vom 8. Februar 1918. i Die beim Unfall 21"/, Jahre alte S. RK. hat im Jahre 1913 eine Bauchfellentzündung überstanden. litt (ob seitdem. ist nicht angegeben) zur Zeit des Unfalls an Amenorrhö. An ihren Brust- und Bauchorganen war sonst nichts Krankhaftes festzustellen. Am 6. März 1917 ist die R. sechs Stufen einer Kellertreppe hinuntergefallen und init dem Hinterkopf aufgeschlagen. Sie klagte sofort über Schmerzen im Hinterkopf. ebenso am nächsten Tage bei ihrer Aufnahme in das Krankenhaus. wo sie den Kopf steif hielt. Später verlegte sie die Schmerzen und Druckempfindlichkeit in die Hals- wirbelsäule. Man nahm eine nervös-hysterische Erkrankung an, da das Röntgenbild nichts Abweichendes zeigte, und entließ die Kranke am 24. März 1917. Am 23. Mai 1917 erfolgte dann die Aufnahme in die chirurgische Klinik in Ü., wo eine tuberkulöse Gelenkerkrankung der beiden ersten Halswirbel dureh die Röntgen- untersuchung festgestellt wurde. Im Laufe der Behandlung trat ein tuberkulöser Abszeß unter dem linken Ohre zutage, außerdem vereiterten mehrere tuberkulös gewordene Lymphdrüsen an der linken Halsseite. Bei Abgabe seines Gutachtens am ır. ‚Januar 1918 war der Zustand der Kranken nach Dr. B. ein sehr schwerer. — Da die Kranke vor dem Unfall anscheinend eine volle Arbeitskraft hatte, so ist zweifellos mit dem und dureli den Unfall eine schwere Beeinträchtigung der Arbeits- fähigkeit herbeigeführt worden, und zwar durch eine tuberkulöse Erkrankung der beiden ersten Halswirbel, an die sich noch weitere, zweifellos mit ihr ursächlich zu- sammenhängende tuberkulöse Erkrankungen angeschlossen haben. Ob etwa an den Wirbeln schon eine tuberkulöse Veränderung zur Zeit des Unfalls vorhanden war, läßt sich mit Sieherheit nicht entscheiden: der negative Befund im Krankenbause spricht an sich nicht dagegen. er beweist aber, daß jedenfalls der später sicher festgestellte tiberkulöse Prozeß sehr schnell fortgeschritten sein muß, wofür kein anderer Grund als der Unfall angegeben werden kann. War noch kein tuberkwlöser ‘Herd an den Wirbeln vorhanden. so stimmt die’ Zeit durchaus mit der Annahme überein, daß dureh den Unfall eine Ansiedelung von Tuberkelbazillen ermöglicht worden ist. Diese müssen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit von einem schon vor dem Unfall vor- handenen tuberkulösen Herd herstammen, der, trotz des negativen Untersuchungsbe- fundes. in den Lungen gelegen sein kann, den man bei der K. aber auch in den inneren Geschlechtsteilen suchen darf, wofür die Amenorrhö und die Bauchfellent- zundune im Jahre 1913 spricht, die aller Wahrscheinlichkeit nach eine tuberkulöse war. Ich meinte also, daß die tuberkulöse Wirbelsäulenerkrankung und damit die Ursache der jetzigen Erwerbsbeschränkung mit dem Unfall in ursächlichem Zusammen- hang steht, machte aber auch die Berufsgenossenschaft darauf aufmerksam, daß daraus nicht sefolgert werden dürfe, dal ein etwa später an Tuberkulose erfolgender Tod nun u. _ Orrm: Traumen und Tuberkulose der Ruochen und Gelenke 59 auch notwendigerweise als Unfallfölge aufgefaßt werden müsse. Sollte der Tod her kurz oder lang eintreten. so dürfe die. Sektion nieht versäumt werden. Nr. 624 vom 18. August 1918. Tod am 3. Mai 1918. Die von Prof. Dr. F. ausgeführte Leichenuntersuchung hat meine Vermutung betreffs eines alten tuberkulösen Herdes, vermutlich in den Geschleehtsorganen. vollanf bestätigt, denn sie hat eine chronisch-käsige Tuberkulose der Eileiter und der Gebär- mutter ergeben. Schon dieser Befund an sich läßt darauf schließen, daß diese Er- krankung bereits vor dem Unfall vorhanden war, dafür spricht aber auch der Befund 'am Bauchfell (ausgedehnte Verwachsungen mit einem käsigen Herd im Netz bei freien Gekrösdrüsen und unverändertem Darm), von dem es nicht zweifelhaft sein kann. daß er ein tuberkulöser, von der Bauchfellentzündung des Jahres 1913 herrührender war, die ihrerseits von der Tuberkulose der Greschleehtsorgane ausgegangen war. Auf die Amenorrhö will ich für die Frage des zeitlichen Bestehens der Eileitertuberkulose keinen Wert mehr legen, da sie nach neuerer Bekundung von frühester Jugend an bestand und auf einer ungenügenden Ausbildung der Geschlechtsorgane beruht haben kann, für die der Leichenbefund alierdings keine Anhaltspunkte ergeben hat. An den Geschlechtsteilen wird man also die Quelle für die traumatische Tuber- kulose der beiden oberen Halswirbel suchen dürfen, da gegenüber der bestimmten ärzt- lichen wie der Angabe der Krankenkasse, daß ihr von einer Erkrankung der K. seit dem 26. Dezember 1916. dem Beginn ihrer Mitgliedschaft. bis zum 6. März 1917. dem Tage ‚des Unfalls. nichts bekannt sei, die wiederholte Angabe der Arbeitgeberin, die K. sei während des Unfalls wegen Halsdrüsen in ärztlicher Behandlung gewesen, nicht als ausschlaggebend betrachtet werden kaun. und da andere tuberkulöse Herde auch durch die Sektion nicht nachgewiesen werden konnten. Aber selbst wenn schon vor dem Unfall tuberkulöse Halsdrüsen vorhanden gewesen wären. die als Quelle für die Wirbel- säulentuberkulose in Betracht kommen könnten. so würde das an meiner Beweisführung für die traumatische Natur dieser Wirbelerkrankung nichts ändern, da vor dem Unfall von ihr sicher noch keine Erscheinungen bestanden, auch durch Röntgenuntersuchung bald nach dem Unfall von ihr noch nichts nachgewiesen werden konnte.. Nichts geändert würde auch durch die Annahme einer alten Halsdrüsentuberkulose an der Erklärung der Todeskrankheit,. die sowohl nach der ärztlichen (klinischen) Diagnose als auch nach dem Leichenbefund eine frische tuberkulöse Hirnhäntentzündung war, da bei der Sektion verkäste tuberkulöse Halsdrüsen überhaupt nieht mehr vor- gefunden wurden. Nun könnte ja auch von der Tuberkulose der Geschlechtsteile. also von einer nicht traumatischen Quelle, eine tuberkulöse Himhauterkrankung ihren Aus- gang genommen haben, allein bei der räumlichen Beziehung der — auch dureh die Sektion nachgewiesenen — tuberkulösen beiden obersten Halswirbel zu der weichen Hirnhaut wird man mit weit überwiegender Wahrseheinlichkeit annehmen müssen, daß die tödliche Hirnhauterkrankung durch ein Übergreifen der traumatischen Wirbeler- krankung entstanden. also selbst, mittelbar, eine traumatische war. Sonach ist mit größter Wahrscheinlichkeit anzunehmen. daß der Tod der K. mit dem Unfall vom 8. März 1917 in ursächlichem Zusammenhang gestanden hat. 12. Als letzten füge ich noch einen Fall von Tod dureh Lungen- tuberkulose nach einer traumatischen Knochentuberkulose an. in dem wieder ein Gutachter die Lungenerkrankung als von der Knochener- krankung herrührend, demnach als Unfallfolge hingestellt hat. Der Fall war noch dadurch kompliziert, daß zwischen Knochen- und Ge- lenkerkrankung einerseits, Lungenerkrankung anderseits. zeitlich auch noch eine Lymphdrüsenerkrankung eingeschaltet war und daß auch noch eine sekundäre septische Infektion bei den krankhaften Veränderungen eine Rolle spielte. 60 Sitzung der phys,-math. Klasse v. 13. Januar 1921. — Mitt. v. 2. Dez. 1920 Nr. 632. vom 12. Oktober 1918, betr. den fast 24 Jahre alten Steinmetz O. G. in E. Dieser. vorher anscheinend ganz gesund. hatte sich am 23. Mai 1909 eine Ver- stauehung des linken Handgelenkes zugezogen, an die sich weiterhin eine "Tuberkulose der Handwurzelknochen und des Vorderarms anschloß. Sie wurde im August 1913 durch eine ausgiebige Operation mit so gutem Erfolg bekämpft, daß am 17. Oktober 1914 ärztlicherseits eine völlige Ausheilung in Aussicht gestellt werden konnte. Es ging dem Operierten so gut. daß er mit Beginn des Jahres 1915 eine Stelle aunehmen konnte. Aber schon nach wenigen Tagen trat eine Verschlimmerung ein durch eine ausgedehnte Eiterung am Handrücken, welche nach Dr. Pf. wahrscheinlich von einem kleinen. am Handrücken vorhandenen Fistelgang ausgegangen war. Da nach einer erhaltenden Operation die Hand absolut unbrauchbar geblieben sein würde, so wurde sie amı 4. Februar 1915 im Vorderarm abgesetzt; die Untersuchung der abgesetzten Hand ließ nirgends mehr einen tuberkulösen Herd erkennen. Die Wundheilung ver- lief ganz glatt und war am 20. Februnr vollendet. Bald darauf, am 23. April 1915. kam der Amputierte in die Behandlung des Dr. H. wegen eines hühnereigroßen Ab- szesses in der linken Achselhöhle. Eingeschnitten. entleerte sich aus ihm weißer, mit Fetzen vermischter Eiter: der Boden der Eiterhöhle zeigte verkäste Massen, in der Naehbarsehaft befanden sich einige harte Knoten. Es schloß sich eine starke Eiterung an. die aber allmählich aufbörte. so daß Hr. Dr. B. am 23. Februar 1916 nichts mehr davon vorfand. Es trat allerdings bald wieder eine Geschwürbildung ein, aber” die Erkrankung heilte doch schließlich so vollkommen aus, daß Hr. Dr. Pf, am 3. Sep- tember 1917 nur noch eine verschiebliche Narbe, sonst keine Veränderung, keine Ent- zündımg. keine Drüsenreste mehr fand. Während nicht nur vor dem Unfall G. ganz vesund erschien. sondern auch noch viele Jahre nachher kein Zeichen einer anderswo im Körper vorhandenen Tuberkulose, bemerkt worden war, insbesondere weder am 18. August 1910 noch nach der Amputation am 4. Februar ıgız. noch endlich am 3. September 1917 irgendw elehe Erscheinungen von fortsehreitender Lungentuberkulose vorhanden waren, traten später als die erwähnte Drüsentuberkulose Zeichen einer Lungenerkrankung. Husten und Auswurf auf, bis es schließlich zu offener Lungentuber- kulose kam. an der der Kranke am 15. Juni ı918 zugrunde ging. Leider hat Dr. H. nieht angegeben, wann Husten und Auswurf' zuerst bemerkt wurden, aber im Hin- blick auf die Erklärung des Hrn. Dr. Pf., daß am 3. September 1917, also dast 1/, Jahre nach der Eröffnung des Eiterherdes in der linken Achselhöhle, der Verletzte keine Klagen von seiten der Limgen äußerte und daß keine Erscheinungen bestanden, welche auf eine rasch verlaufende Lungentuberkulose hinwiesen, muß man annehmen, daß die Zeichen einer fortschreitenden Lungentuberkulose frühestens in letzten Viertel des Jahres 1917 aufgetreten sind, die Lungenschwindsucht also erst etwa 13/, Jahre nach der ersten Verheilung der Achseldrüseneiterung (23. Mai 1916) und sicherlich erst nach völliger Aush: ilung der Achseldrüsenerkrankung in die Erscheinung getreten ist. Dann aber ist sie verhältnismäßig schnell verlaufen. Was nun ihren Zusammenhang mit dem Unfall "betrifft. so hat Dr. Pf. am 13. Juli 1918 erklärt, es müsse angenommen werden. daß zur Zeit des Unfalls bereits ein tuberkulöser Herd vermutlich in der Lunge oder in Lymphdrüsen vorhanden gewesen sei. von dem aus das verstauchte Handgelenk tuberkulös infiziert worden sei. Diese Tuberkulose habe nieht verschlimmernd auf das alte Lungenleiden gewirkt, denn dieses habe jahrelang keine Erscheinungen gemacht; da sich auch an die Lymph- drüsentuberkulose keine Zeichen einer fortschreitenden Lungentuberk ulose angeschlossen hätten, so habe der Unfall weder die Entstehung noch die Verschlimmerung einer Lungen- tuberkulose verschuldet. Ir. Dr. H. beruft sich darauf, daß früher nichts an den Lungen gewesen sei, sondern Krankheitserscheinungen seitens dieses Organes erst nach dem Auftreten von Lymphdrüsentuberkulose bemerkbar geworden seien. um seinen Schluß zu begründen. daß die Handtuberkulose die Drüsentuberkulose und diese die Lungentuberkulose erzeugt habe. _ Die Entstehung der Handtuberkulose wisse er allerdings nieht zu erklären. Oxrrn: Traumen und Tuberkulose der Knochen und Gelenke : Gl In dem letzten Umstand liegt der wesentliche Unterschied zwischen den beiden Gutachten. von denen m. E. dasjenige des Hrn. Dr. Pf. das zutreffende ist. Nach dem Stande unserer Wissenschaft ist mit höchster Wahrscheinlichkeit anzunehmen, daß zur Zeit des Unfalls bereits ein tuberkulöser Herd bestand, der Verunglückte also bereits tuberkulös war und aus ebendiesem Grunde an der verletzten Stelle einen neuen tuberkulösen Herd bekam, der seiner lage, Ausdehnung und Bedeutung für die Arbeitsfähigkeit wegen sofort erkannt wurJe, während der alte Herd, nach dem mit allen Hilfsmitteln der Neuzeit zu suchen keine Veranlassung vorzuliegen schien, unerkannt blieb. Wie schon Hr. Dr. Pf. hervorgehoben hat, ist die Annahme eines solchen alten Herdes um so mehr berechtigi, als erfahrungsgemäß Steinhauer für Er- krankung an Lungentuberkulose ganz besonders veranlagt sind. Gerade dieser Um- stand spricht auch ganz besonders dafür, daß der alte Herd in den Lungen selbst oder mindestens im Bereiche der tieferen Atemwege zu suchen ist. - Nach diesen Feststellungen ergibt sich, und zwar gerade aus dem von Hrn. Dr. H. angeführten Grunde (spätes Auftreten der Lungenerscheinungen). ı. daß der Unfall als solcher diese Lungentuberkulose nieht verschlimmert hat, 2. daß dies auch nicht unmittelbar durch die Handtuberkulose geschehen sein kann, weil diese längst durch die Absetzung der Hand völlig unschädlich gemacht worden war, che überhaupt die ürscheinungen einer Lungenerkrankung zutage traten. Es bleibt sonach in der Tat nur die eine Möglichkeit übrig, mit der auch Hr. Dr. H. gerechnet hat, daß die Lymph- drüsentuberkulose fir die spätere Lungentuberkulose von Bedeutung gewesen ist. Daß es sich in der linken Achselhöhle wirklich um eine tuberkulöse Lymph- drüsenerkrankung gehandelt hat, darüber kann nach den von Hın. Dr. H. gegebenen Befundbeschreibungen kein Zweifel sein. ebenso zweifellos aber scheint es mir zu sein, daß es sieh nicht nur um eine Tuberkulose gehandelt hat. sondern um eine sogenannte Mischinfektion mit Eitererregern oder, was wohl richtiger ist. um eine ältere geringfügigere und chronische Tuberkulose, zu der sich eine akute Eiterinfektion gesellt hat. Dafür spricht einmal die auffällig schnelle Entstehung des Abszesses, der am 23. April 1915 schon hühnereigroß war, während am 20. April von einer Drüsen- erkrankung noch nichts zu bemerken war. Es spricht weiter dafür die anfänglich so sehr reichliche Eiterabsonderung und endlich der Umstand, daß diese Eiterung an eine solehe der linken Hand sich angeschlossen "hat, welche ebenfalls ungemein schnell — innerhalb weniger Tage — sich entwickelt hat und teils aus diesem Grunde, teils weil nach der bestimmten Angabe des Hrn. Dr. Pf. an der abgesetzten Hand nirgends mehr ein tuberkulöser flerd zu erkennen war, nicht als rein tuberkulöse, sondern als sogenannte septische Eiterung betrachtet werden muß. Die Verhältnisse lagen also so, daß von der tuberkulösen Hand aus Achseldrüsen tuberkulös gemacht worden waren! und daß nun wiederum von der Hand aus auf dem Lymphwege eine Eiterinfektion dieser tuberkulösen Lymphdrüsen zustande ge- kommen war. Es ist nun die Möglichkeit nicht zu leugnen, daß von den tuber- kulösen Lymphdrüsen aus Tuberkelbazillen nach den Lungen hätten gelangen können, ja man muß zugeben, dal die hinzugetretene Eiterung mit Erweichung sogar ganz besonders günstige Bedingungen für den Weitertransport von Tuberkelbazillen, sei es auf dem Blut-. sei es auf dem Lymphwege, geschaffen hat, aber es bleibt doch die Tatsache bestehen, daß dieses akute Stadium der Lyphdrüsenerkrankung spätestens am 23. Februai' 17916, an welchem Tage Hr. Dr. B. überhaupt keine Eiterung mehr fand, vorüber war und daß trotzdem noch ı1"/, Jahre später, am 3. September ı917, ! Nach den neueren Angaben von Prya über die Häufigkeit der sekundären Achseldrüseninfektion bei Lungentuberkulose vermittels der pleuralen Verwachsungen könnte natürlich die genetische Erklärung der hier vorliegenden Drüsentuberkulose eine andere sein. aber dann wäre erst recht nicht die Lunge von den Drüsen, sondern diese von den Lungen angesteckt worden. Daß hier einmal umgekehrt eine Achsel- drüsentuberkulose dureh pleurale Adhäsionen auf eine gesunde Lunge übergegriffen hätte, erscheint mir ganz unwahrscheinlich. Sitzungsberichte 1921. eG völliger le der Fe ee in noch kesgh nungen sich DuECBN, machten. - = Lungentuberkulase herstellen, so müßte man annehmen, daß ‚jene zunächst einen ganz chronischen, keine Erscheinungen machenden Herd in einer Lunge erzeugt hä ‚ der dann aus unbekannter Ursache später einen fortsehreitenden Charakter angeno hätte, wobei es ganz dahingestellt zu bleiben hätte, welche räumliche era neue Herd zu dem alten gehabt hätte und inwieweit dieser alte Herd später an d fortschreitenden Erkrankung beteiligt war. Hier müßte man also mit sehr vielen u noch dazu sehr zweifelhaften Unbekaunieu rechnen. während die gegenteilige Annalı unabhängige Entstehung der fortschreitenden Lungenschwindsucht aus dem alten Herd er, aus unbekannter, aber erst lange nach völliger Ausheilung der Hand- und Drüs ee kulose zur Wirkung gelangter hr nur mit dieser einen Unbekannten zu rechne hat, für deren Vorkommen die Erfahrung uns genügend Beispiele an die Hand. gibt. Eine Verschlechterung des Allgemeinbefindens‘ infolge der an den Unfa!] angeschlossenen Erkrankung kann dabei nicht, in Frage kommen, weil dieses nicht gelitten hatte. > 5. September 1913 hatte G. gegen früher 2 kg an Körpergewicht zugenommen, und noch >= am 23. Februar 1916 hob Dr. B. das gesunde Aussehen des G. hervor. et j Aus allen meinen Darlegungen ziehe ich den Schluß, daß es nicht wahrschein- S, lich ist. daß der Unfall nebst seinen Folgen mit der tödlichen Lungenschwindsuch N in ursächlichem Zusammenhang gestanden“ Bat da er die Langentuherkulose weder BE Nie © Bu: noch verschlimmert hat. ii _ von Wıramowrrz-MoErLEenDorrr: Melanippe 63 . Melanippe. | Von Urrıen von WILAMOWITZ- MOELLENDORFF. (Vorgelegt am 22. Juli 1920 [s. Jahrg. 1920 5. 727].) lesen Aufsatz schreibe ieh nur, um eine Gewissenspflicht zu erfüllen. Zin lieber Schüler, H. Prrersen aus Golste bei Beversen, bat mich, als er in den Krieg zog, im Falle seines Todes mich der Arbeit an- zunehmen, die er für die wissenschaftliche Staatsprüfung de Euripidis Melanippa captiva angefertigt hatte. Das war nur eine Vorfrucht der Untersuchung, die er für seine Doktorarbeit begonnen hatte, und die sich auf alle Dramen des Euripides erstreckte, deren Reste dureh neue Entdeekungen vermehrt waren. Wie energisch und erfolgreich er forsehte. hatte die Entdeckung eines bisher unverstandenen Papyrus der Hypsipyle gelehrt, Herm. 49. 156. 623. Ich weiß aus Gesprächen. daß er mancherlei gefunden zu haben glaubte. «das nun verloren ist, denn er hat den Tod auf dem Felde der Ehre gefunden. Die Examens- arbeit, die ich geprüft habe, ist so unfertig,. wie er sie schätzte, und es wäre ein schlechter Dienst, wenn ich ihre Gedanken einfach wieder- eeben wollte. Ihm zuliebe mußte ich nacharbeiten und werde nur das Fördernde hervorheben, das ich bei ihm gefunden habe. Das Gesamtergebnis ist nicht reich; aber es dürfte nützlich sein, die Grenzen des Wißbaren abzustecken, damit ähnliche Untersuchungen sich innerhalb dieser Grenzen halten. Ein einziges Mal hat Euripides zwei ganz verschiedenen Tragödien denselben Titel gegeben!, so daß die Grammatiker die »weise« und die »gefangene« Melanippe unterscheiden mußten und das Fehlen (les diakritischen Zusatzes viele Bruchstücke schwer verwendbar macht. Eben darum müssen beide zusammen behandelt werden. Von der zecmörıc glaubten wir bei Hygin Fab. 186 die Hypothesis zu besitzen und haben uns von diesem Glauben auch nicht ganz freigemacht, als die Entdeckung des Botenberichtes lehrte, daß die Söhne Melanippes ' Die beiden Hippolytos behandelten denselben Stoff; von Iphigeneia und Alk- meon sind die zweiten Dramen des Namens erst nach dem Tode des Dichters auf- geführt, also vielleicht nicht von ihm selbst benannt. 6* ı NS f : 3.4 ht re 64 Sitzung der phil.-hist. Klasse vom 13. Januar 1921. — Mitt. vom 22. Juli 1920 nicht mit Söhnen, sondern mit Brüdern der Frau zu kämpfen hatten, die für ihre Mutter galt. Da ist es-ein entschiedenes Verdienst, daß Prrersen die angebliche Hypothesis als eine spätere Nacherzählung der Gresehiehte erkennt, in der beide Dramen benutzt sind, aber so frei, daß auf keinen einzigen Zug Verlaß ist. Freilich war auf die Aecmörıc direct verwiesen, denn jetzt heißt Melanippes Vater Desmontes, aber Aiolos steht mit «uf alü dieunt daneben: das Mißverständnis wird also dem Hygin selbst nicht zur Last fallen. Der Inhalt ist in Kürze folgender: Melanippe gebiert von Poseidon Zwillinge, setzt sie aus, Hirten ziehen sie auf. Von denen läßt sie sich Theano, die Frau des Königs Metapontos von Ikaria, geben und schiebt sie als ihre eigenen Kinder unter. Melanippe ist von ihrem Vater wegen ihres Fehltrittes geblendet und eingesperrt. T'heano bekommt später eigene Kinder und treibt diese, als sie erwachsen sind, zur Ermordung der Zwillinge an. Aber die Söhne Melanippes siegen, Theano nimmt sich das Leben. Dennoch fliehen die Sieger zu den Hirten, Poseidon gibt sich als Vater zu erkennen, sie gehen zu Desmontes-Aiolos, schlagen diesen ihren Großvater tot und befreien ihre Mutter, die immer noch im Gefängnis sitzt. Poseidon macht sie wieder sehend, und sie heiratet (len Metapontos. Die Zwillinge wandern aus und gründen in Propontide ew suo momine Boeotus Boeotiam, Aeolus Aeoliam.: Der letzte Unsinn ist wohl so zu vertilgen, daß in Propontide hinter Aeoliam, zu stehen kommt, aber es ist nicht der einzige: ich mag die Ungereimtheiten nicht einzeln aufzeigen. Über den Wohnort des Aiolos ist nichts gesagt: er muß ganz nah bei Ikaria liegen, aber wo ist das, und welehe Glaubwürdigkeit hat neben Desmontes dieser Name? Wenn Metapontos zur Diana Metapontina geht. so muß man doch an die Gegend von Metapont denken, und dann liegt Munekers Änderung von icaria in Italia nahe, die doch wieder Schauplätze auseinanderreißt, welche nach der Erzählung dicht beieinander liegen. Eine andere Brechung derselben Geschichte erblickt Prrersen mit Recht bei Diodor IV 67. wo ich allerdings erst schärfer scheiden muß. Es steht «la zuerst ein Nachtrag zu den thebanischen Heldensagen, die schon über die Epigonen herabgeführt sind. Es ist ein Stamm- baum, der mit den epischen und tragischen Mythen nichts zu tun hat, sondern Stammesgeschichte in Form von Genealogien geben will. ‚Stammbaum: Deukalion, Hellen, Aiolos I., Mimas, Hippotes und Me- lanippe, Aiolos Il., Arne und Poseidon', Boiotos, Itonos, von dem vier w “. . . } . f ! Boiotos, Sohn von Poseidon und Arne, steht auch in den Scholien B 494 und 507: das erste stammt von dem Mythographus Homerieus, auf die Subskription "EANÄNIKOC EN Boiwriakolce ist also kein Ver!aß. 2. 1 y- von Wıramowrtz-MoELLENDoRFF: Melanippe (05) Söhne die Ahnherren der böotischen Führer vor llion werden. Die letzten Glieder von Arne ab stehen auch in dem Scholion zu B 494'. Arne und Poseidon, als Eltern des Boiotos. hat Euphorion‘. Aus Arne in Thessalien sind die Böoter schon nach Thukydides-Hellanikos I ı2 eingewandert. Es ergibt sich ein ganz durehsichtiger Aufbau des ethnographischen Stammbaums, wenn man die Verdoppelung des Aiolos entfernt. Sie ist entstanden, um den homerischen König der Winde, den Sohn des Hippotes, einzuordnen. Dabei hat der Genealoge den Mimas als Vater des Hippotes vorgefunden. Ich kann den Giganten, der zugleich Berggott in dem ionischen Asien ist, sonst nicht nach- weisen; er muß in alter Zeit eine besondere Bedeutung gehabt haben. In dieser Genealogie ist Boiotos der einzige Sohn des Poseidon: das ist das Natürliche, und so hat Korinna (Fr. ı) erzählt. Sein Sohn Iton ist nach dem Bundesfest der Itonia benannt. Trotzdem fügt Diodor in die Genealogie die Geschichte von Zwillingen ein, so widersinnig, daß Arne, die eben schon den Boiotos geboren hat, als schwangere von ‘ihrem Vater einem Metapontios übergeben wird, der sie nach Hause mitnimmt, wo sie die Zwillinge Boiotos und Aiolos gebiert. Meta- pontios wird also zugleich als Eigenname und Heimatsbezeiehnung verwandt. Dieser Mann adoptiert die Zwillinge. Erwachsen bemäch- tigen sie sich der Herrschaft und erschlagen Autolyte, die Frau des Metapontios, um ihrer Mutter Hilfe zu leisten; danach müssen sie aus- wandern, Aiolos geht nach den Äolischen Inseln, Boiotos in die Heimat zurück, wo er ‘seinen Großvater beerbt und das Laud nach seiner Mutter Arne benennt. ‘So Diodor: hinzufügen wird man, daß er selbst Böotien den Namen gibt. Es liegt auf der Hand, daß dies inhaltlich eine Variante zu der Geschichte von Melanippe ist. ob auf Grund der euripideischen Tragödie, bleibt ungewiß, aber es zeigt, daß die (re- schichte in verschiedenen Fassungen und auch mit verschiedenen Namen umlief. Das bestätigt sich durch Schol. Dionys. Perieg. 491, das zu Diodor stimmt, aber für Autolyte den Namen Siris bietet. Da wir also keine Hypothesis haben, müssen wir von den erhaltenen Resten ausgehen. Am wichtigsten ist der Botenbericht, der der bösen Königin erstattet wird, die Hygin Theano, Diodor Autolyte nennt; wir müssen sie zunächst namenlos lassen. Die Zwillinge werden auf der Jagd überfallen und sind ganz ahnungslos. Erst durch diejenigen, welche sie -! Die Herausgeber haben die Parallelstellen nieht gekannt, hätten aber auch so bei Diodor in Arxenvkoc APHinvkoc, im Scholion in 'ETewnöc wenigstens die Verderbnis erkennen sollen, denn der Eponymos der böotischen Kleinstadt, deren Name bei Homer und in den Scholien bald folgt. paßt nicht in die Genealogie. “Irwnoc liefert Diodor. ® Bei Stephan. Byzant. Boiwria. Kustath. zum Periegeten 426 schreibt Stephanus aus; so erklärt sich seme Berührung mit dem ebenda angeführten Kuripidesverse. 66 ° Sitzung der phil.-hist. Klasse vom 13. Januar 1921. — Mitt. vom 22. Jull 1930 für ihre Oheime halten, erfahren sie, daß sie aus Sklavenblut stammen sollen und daher die Anwartschaft auf die Herrschaft verwirkt haben. Offenbar wollen jene an ihre Stelle treten: dann gehörte das Reich nicht dem Gatten der bösen Königin, sondern dieser'. Die Stelle des Boten- berichtes im Drama bestimmt sich dadurch, daß Brass mit großer Wahr- scheinlichkeit auf dem zweiten Blatte als letzten Vers TOı|öNA" ÄTIEBH TÖAE rırärma| gelesen hat. Mindestens am nächsten liegt, daß dann die erhal- tenen Blätter die äußersten eines Quaternio waren: mehr wird man nicht leicht glauben und weniger auch nicht. Denn die etwa 350 Verse, die dann auf den Botenbericht folgten, reichen nur, wenn das, was unbedingt folgen mußte, recht kurz abgetan ward. Die Zwillinge mußten mit ihrer wahren Mutter vereinigt werden, die falsche mußte ihre Strafe finden und ein Gott den Auswanderern ihr Ziel anweisen, mag man sich dieses aus Hygin oder Diodor entnehmen. Zwei negative Schlüsse ergeben sich dabei“. Das Wiedersehen zwischen Mutter und Söhnen kann nicht in einer breiten lyrischen Szene gegeben sein, wie in Hypsipyle, Iphig.Taur., Helene. Eine solehe hat auch allem Anschein nach in der Antiope ge-: fehlt, und auch (die Elektra vermeidet hierin die Konkurrenz mit Söphokles. Ferner kann (das zweite große Stück nach dem Botenberichte nicht Platz finden, das Rededuell über die Frauen, aus dem wir einen großen Teil. der Verteidigung lesen’, von dem Angriff, den wir doch voraussetzen, nur ! Dazu paßt Fr. 502, in dem die Ehe mit einer reichen Frau und ihre üblen Folgen behandelt werden. Aber das mußte nieht notwendig eine Beziehung auf die Fabel haben, sondern konnte in dem Angrifl!' auf die Frauen vorkommen, ebenso 501. Die Sentenzen® die die Masse unserer Bruchstücke ausmachen, soll ınan nicht pressen, um über ‘die Handlung etwas zu erschließen; bei Menander stelıt es ebenso. Fr. 503 empfiehlt merpioı rAmoI in Anapästen, Das paßt für den Chor und die Situation, wie man sie sich leicht denkt, Prrersen hat riehtig beobachtet, daß solche Anapäste des Chores in den spätesten Dramen des Euripides nicht mehr vorkommen: doch erleidet das selbst eine Ausnahme, denn, wenn ich bei Satyros Fr. 38 18 richtig gelesen habe, stammt Fr. 913 aus der Auge, und dann ist die Zeit der Melanippe keineswegs sicher. ? Perersen hatte dieses Moment übersehen und setzte den Botenbericht in die Mitte des Dramas, so daß es eine Zweiteilung erhielt, wie sie oft vorkommt. Er nahm auch aus Hygin die Reise des Desmontes zur Diana Metapontina auf und glaubte, die Jagd hätte einem Untier wie dem kalydonischen Eber gegolten. Dazu fehlt jeder Anhalt. hat aber dureh man es am be=- Das lHauptstück steht in dem Florilegium Berlin. Rlass.. V 2 Satyros eine kleine Ergänzung und Berichtigung erfahren, so dal quemsten in Arnıns Supplementum Euripideum liest, das ich im ganzen doch nicht in den Händen der Leser voraussetze, sondern Naucks Fr. trag.; ich mag aueh nicht gegen einzelnes polemisieren, lehne aber die Behandlung von V. 21 und 24 des neuen Bruchstückes durchaus ab. V.8 ergibt sich durch Satyros, daß mit To ein Wort schloß; darauf folgte ... wToc Ersanel FYn#, kann das etwas anderes gewesen sein als ToYTo xPpwtöc? Der Vers vorher schließt AicxYnHNn werei; da scheint es sich um weib- liche Kleidung zu handeln. Wenn V.25 geklagt wird, man schelte das ganze (teschlecht, ei MI "EYPEEH .KAKH, so liegt auf der Hand, daß das so allgemein gesagt ist wie alles andere. Wollte die Rednerin auf einen konkreten Fall hinweisen, so mußte sie den Übergang deutlich machen. Fe ‘ ans von Wıramowri'z-MorLLENDORFF: Melanippe 6% den Vers 498 maAn TAc TeKoYcHe eAnY TIAn mıc® renoc, der doch wohl hierher gehört. Natürlich führte ein Mann den Angriff, die Verteidigung eine Frau. Aber wer waren sie? Die Fragmente geben keinen Anhalt, und so bleibt ziemlich alles unklar. So gleich def Prolog, aus dem der Vers Ton Amel Bofc "PIBBENTA BOIWTON Kanein loch wohl stammt: der Name, den der Sohn im Drama führt. mußte erklärt werden. Ebenso nötig war eine Aufklärung über den Ort und über Melanippe, und die konnte wohl nur ein Gott geben, da Melanippe. an die man sonst nur denken konnte, schwerlich über den Verbleib ihrer Söhne. unterrichtet war. Ferner heißt sie aecmörıc und ward von ihren Söhnen aus der Haft befreit!. Dies letzte kann nach dem Boten- berieht geschehen sein, kann aber auch anders gedacht werden. Unbe- dingt ist die Person, nach der das Drama heißt, auch handelnd oder lei- ‚end aufgetreten; dann kann sie nicht bis zuletzt im Gefängnis gesessen haben. Man möchte sie auch am liebsten die Verteidigungsrede für ihr Geschlecht halten lassen. Ward sie vielleicht erst innerhalb des Dramas eingesperrt oder wieder eingesperrt? Ihr Verbleib währen der zwanzig Jahre zwischen ihrer Überführung in die Fremde und ihrer Vereinigung mit den Söhnen bleibt ungewiß. Der Chor war männlich; das hat Brass aus der Endung -ntec erschlossen, die von 495, 46 übrig ist. Dann er- wartet man, daß auch eine männliche Person hervortrat, also der König, “und dem möchte man den- Angriff auf die Frauen geben. Darin würde liegen, daß er mit seiner Gattin zerfallen war. Und es ist ja notwendig, daß etwas eintrat. was diese veranlaßte, die Zwillinge beseitigen zu wollen, die bisher für ihre Söhne gegolten hatten, und daß sie damit das Reich ihren Brüdern zuwenden will, also von dem Einwanderer, dem sie ihre Hand gereicht hatte, auf ihr eingeborenes Geschlecht zurückführen. Gern möchte man glauben, daß Melanippes Auftreten, also die Gefahr der Ent- deekung, den Knoten schürzte, daß die böse Königin sie nun verhaften ließ. Aber mit einer bloßen Möglichkeit ist nichts gewonnen. Die Hand- lung läßt sich in dem, was sie zum Drama machte, nicht herstellen. Es hilft auch wenig, wenn wir nach einer ansprechenden Ver- mutung von G. KörrE (Urne Etrusche 232) auf einigen Aschenkästen die Melanippefabel dargestellt glauben. Da sehen wir eine heroische ! Sie war auf einem der ctyaorınAkla des kyzikenischen Tempels dargestellt, Anth. P. III r6. was die auch waren, und sie bringen tragische Geschichten mit Vorliebe. Ich halte daran fest, daß die abscheulichen Verse erst auf Grund der Beschreibung gemacht sind. In dieser heißt es, daß die Poseidonsöhne Aiolos und Boiotos ihre Mutter aus den Fesseln befreiten, in die sie ihr Vater wegen ihres Fehltrittes geschlagen hat. Als Aiolos sie bestrafte, waren ihre Retter Säuglinge, so in der co##; als sie die Mutter befreiten, war diese in Messapien, $o in der aecmöric. Also ist das nicht euripideisch; aber auf dem Relief war der König, der Melanippe gefesselt hatte, nicht benannt, wenn er überhaupt dargestellt war; der Erklärer warf die verschiedenen Formen der (Geschichte zusammen, ‚wie es auch bei Hygin geschieht. 68 Sitzung der phil.-hist. Klasse vom 13. Januar 1921. — Mitt. vom 22. Juli 1920 , Frau im Gespräch mit einem Jüngling, dann einen König von einem oder zwei Jünglingen bedroht, endlich die Leiche einer Selbstmörderin. Es fehlt gerade die Hauptszene, die Befreiung der Mutter: daher mag ich mich auf die Deutung nicht verlassen, die auf die Erzählung Hygias gebaut ist. Auch ein Komikervers, der Melanippe nennt, bringt uns nicht weiter. Es ist ein kleiner Papyrusfetzen, veröffentlicht von GRENFELL Huxt, Greek Papyri II Taf. 3, behandelt von Grusıvs, Mel. Weil Sı. AYTAI AANOFCAI TÖN| k ' TPYxoYci monnoic T| KAKOYMENAIC TÄP TIAPBENOIC" YTTö MHTPYION TE Kali TIATEPWN ÄBEATEPWN s oYk Hne’ Apfzwn Ania ÄNOIKTICTÖC TIc ÄN. B NYN OYn Atoina T|AC Kaklac ENEzertaı KATÄ THN Menaniti[tiHn TIENTECYPITTWI EYAWI. AnNA ZECTON. | Links stehen Scholien, die etwas helfen. Zu 2 Jovcın Kai nv[ (muß wohl etwas wie nyktup gewesen sein) - - Emlısoynevoycı. Zu 5 - - OYAEnA oikton Exeı. Zu 6.7 -- KanoFlcı TIENTALAAKTYAON z|vaon En Öl [ol KakoYproi] konAzontal. Zu 8 -- Jöntwn. Dahinter ein größeres €, nach GRENFELL soll noch ein r folgen, das mir unsicher bleibt. Dann war es Per- sonenbezeichnung. Sehon die Größe zeigt, daß es zum Texte, nicht zu den Scholien gehört. Wesentlich war, daß Brass das rrentecyPirron zyaon erkannt hat, das Urusıus in unmöglicher Form” für den Text verwertet hat. Wenn man dem Rechnung trägt, daß en nicht ent- behrt werden kann, weil Arme, Beine und Hals in den Block gesteckt werden, ergibt sich die Herstellung dieser Verse mit leidlicher Sicher- heit. Es soll also jemand in den Block gespannt werden, weil er verfolgten Mädehen nicht geholfen hat. Der Stil mischt Tragisches ein, so mag es eine Komödie gewesen sein, die eine tragische Fabel travestierte. Aber Melanippe war das nieht; mit ihr wird nur die Art der Strafe verglichen, die wiederum mit einem für die Tragödie unmögliehen Ausdruck bezeichnet wird. Dann ist es also die aecmürıc, auf deren Schieksal hingelenkt wird: es geht ihr so ziemlich wie dem kHaectHe der Thesmophoriazusen; aber in einer solchen Lage ist schwer- ! Den letzten Buchstaben liest Gresrerr N; das scheint mir unmöglich, denn von der deutlichen Hasta geht höchstens ein Strich von links unten nach rechts hinauf. Das paßt zu keinem Buchstaben. Dann bleibt nur die Hasta. ® Orvsıus verwandelt trotz dem Faksimile das letzte T V.6 in ein m. Seine Deutung des Ganzen ist vollends abenteuerlich. Er will Euripides selbst in der Unterwelt fesseln lassen und setzt das Bruchstiick in den Gerytades,. der bei Leb- zeiten des Dichters gegeben ist. h von Wıranowrrz-MoELLENDORFF: Melanippe 6% lich eine tragische Person auf die Bühne gebracht, wäre es Me- lanippe, so würde Aristophanes von ihr reden. Gedroht dagegen konnte mit dem Ärgsten werden, allenfalls auch die grausamen Leiden geschildert. | Wichtig ist der Ort der Handlung, und er bleibt nicht zweifel- haft. Hygins learia ist Mißverständnis oder Schreibfehler; mit der Diana Metapontina weist er ebendahin wie Diodor. Das wichtigste ist, daß schon Antiochos von Syrakus bestreitet, daß Melanippe zu Metabos gekommen wäre, wie er den Gründer von M&rtason-MeTATtön- tion nennt. Strabon 265 bezieht das auf die aecnüric, allein selbst wenn sie schon geschrieben war, konnte Antiochos unmöglich gegen ein athenisches Drama polemisieren. Er. bezeugt uns vielmehr, daß Euripides (die Sage vorfand, daß Melanippe den Boiotos (und Aiolos?) in Messapien geboren hätte. Im Lexikon des Photius und gleichlautend bei Stephanus Byz. findet sich die Glosse MeccAmon öroc EYsoiac Arıö MeccAriov TO? meToikHcanToc eic ‘Itanlan!. Strabon 405° sagt, daß Messapos, der von Anthedon zuwanderte, den Messapiern ihren Namen gab: das ist dieselbe Geschiehte. Das Gebirge liegt Kuboia gegenüber, Süd-. lich von Anthedon, wo Melanippe nachı dem samischen Genealogen Asios im Hause des Dios die Zwillinge geboren hat. Dies Zeugnis wendet Antiochos gegen die von Euripides befolgte Versetzung der Melanippe nach Metason Meraröntion. Die Wurzel der ganzen Geschichte ist der gleiche Name Meccämion öpoc und Meccamoı. Wenn bei Diodor in der Geschichte von Arne Meranönrioc steht, bei Hygin Metapontus, so sind das Jüngere Namen, die für Euripides keine Geltung haben. Bei Stephanus steht noch Metamöntion H riröTeron Cipic Arö MetiAsov To? CıcYooy Tor! Aiönoy. Da kommen wir auf anderem Wege zu Aiolos. Uns fehlt Jeder Anhalt aufzuklären, wie man dazu gelangt ist, den Eponymos der Böoter bei Siris geboren werden zu lassen, von wo er immer zurück- geholt werden mußte. Es kann zuerst nur die Wiederkehr des messapi- schen Namens einen ‘Messapos aus der Gegend von Anthedon hinge- führt haben, und wenn Melanippe in Anthedon lebte und wie Auge und andere gefallene Ileroinen in die Fremde verstoßen ward, kann sie diesem mitgegeben sein, so daß gar keine böotischen Ansprüche auf die Kolonie Siris darin lagen. Aber auch solche sind möglich, un- kontrollierbar wie die der Athener (Herodot 8, 62), die unseres Wissens ! Dieselbe Glosse an den zwei Orten ist merkwürdig. Stephanus ist meines Wissens von Photius nicht benutzt, und auch wenn man etwa Oros als dessen Vor- lage annimmt. bleibt die Seltsamkeit. * Die Strabonstelle ist in der jungen Handschrift Paris 7965 (D) bei Servius Aen. VIII 4 zugesetzt. Das steht bei Tnıro unter dem Text, mit Recht, aber der Be- nutzer dürfte eine Quellenangabe an solchen Stellen verlangen. 70 Sitzung der phil.-hist. Klasse vom 13. Januar 1921. — Mitt. vom 22. Juli 1920 von dem Athen der euripideischen Zeit nicht erhoben sind!. Viel bleibt ungewiß, aber das ist doch klar, daß der Tragiker die Geburt der Zwillinge von Melanippe bei Siris, in den Grundzügen also den Stoff seines Dramas überliefert erhiel{. Und ein zweites halte ich für ebenso sicher, daß er nieht mehr als das Gerippe der Fabel vorfand: Fleisch und Blut mußte er selbst schaffen. . Hier tritt endlich entscheidend hinzu, daß Timaios aus der Mela- nippe angeführt hat, Siris wäre nach einer Frau benannt (Fr. 496). So hieß in dem Scholion zum Periegeten die Frau des Metapontos. Mit vollem Recht hat Prresses geschlossen, daß wir das auch für Euripides an ‘Stelle von Theano oder Autolyte anzunehmen haben. Dann wird die Erhaltung dieses Namens (vielleicht eher in dem des Flusses Siris; die Stadt, die nach ihm hieß, bestand längst nicht mehr) von dem Maschinengott verkündet sein, genau wie es mit Dirke in der Antiope geschieht. Nun möchte man die Entstehungszeit des Dramas kennen. Da- gibt zunächst einen Anhalt Fr. 507 TI ToYc eANöNTAC OYK EÄIC TEBNHKENAI KAl "TÄKXYBENTA CYANETEIC ÄATHMATA, ein Trostwort an jemand, dem der Tod liebe Menschen geraubt hat. Das trifft auf die soeA nicht zu, wohl aber auf die aecmüorıc, die ihre Söhne für tot halten mußte und auch sonst vielerlei erlitten hatte. Mit Freuden erschließen wir so eine Szene, in welcher die Heldin der Tragödie sich vor dem Chor in breiten Klagen erging, und es paßt durchaus zu den oben ange- deuteten ersten Szenen. Hier ist wichtig, daß Eupolis den ersten Vers aufgegriffen hat, in den Demen, wenn das letzte Blatt der Handschrift von Aphrodito zu dieser Komödie gehört’, was doch (das wahrschein- lichste bleibt. Dann fällt diese Melanippe vor 413. Der Versbau gibt keine Entscheidung; in die Zeit der Medea wird ja niemand ein Drama dieser Anlage mit einem deus ex machina rücken. aber von 425 ab ist es der Form nach denkbar. ! Herodot hat ein Orakel vor sich, das die Athener aufforderte, Siris zu be- siedeln, weil es ihnen von alters her gehörte. Darin liegt niehts als die auch sonst bezeugte ionische Kolonie Siris. Auf die modernen Hyposthesen über die Besiede- lung von Siris gehe ich nicht ein. Sie sind meist ganz windig; mit einigen habe ich mich Herakl. I? ro auseinandergesetzt. Fest steht nur, daß vor der Okkupation dureh Peloponnesier (Achäer) in Siris und, wie ich nicht zweifle. weithin an- der italischen Küste Ionier gesessen haben. Diese konnten sehr wohl von Euboia kommen und Anthedon kann ebensogut zu den loniern Euboias gehört haben wie Oropos; Eunostos von Tanagra kehrt in Neapel wieder. Auch Athener der Ost- küste konnten sich beteiligt haben. ® Jensen, Herm. 51, 321. Da das Blatt zu derselben Handschrift wie die Demen gehört, kann man höchstens annehmen, daß es aus einer andern Komödie desselben Dichters wäre, was die Melanippe nur noch weiter hinaufrücken würde, . N ’ VON Wıranowrrz-MorLLENDORFT: Melanippe = mal Die co## läßt sich auch nur auf «dieselbe Zeit ungefähr datieren. Aristophanes nimmt auf sie-412 in der Lysistrate Bezug. Der Vers- bau entscheidet nicht, aber der kaum zu vermeidende Maschinengott und vor allem der Prolog mit seiner weit ausholenden Genealogie ver- bietet, hoch hinaufzugehen'. Er begann mit dem Verse Zevc, üc Ae- AEKTAI TÄC Anneelac Yrıo, und es bestand die Variante, eigentlich eine boshafte Parodie’, Zevc, öctıc 5 Zeyc. oY rAP olar TIAHNn aörwi. Nun hat die Entdeckung Rages gelehrt, daß der echte Vers in dem Prologe des Peirithoos wiederkehrte, also von Kritias übernommen war, denn daß Euripides selbst sich wiederholt hätte, wird hoffentlich niemand glauben. Kritias war bald nach 411 verbannt, man kann also seine Tetralogie nur vor 411 ansetzen, unbestimmt wie lange”. Das schiebt die cos4 entsprechend hinauf. Ich selbst habe früher gemeint, daß die aecmörıc sich in Fr. 492 scharf gegen Angriffe der Komiker auf die coe# richtete. Es ist auch unverkennbar, daß eine persönliche Abwehr vorliegt, wenn er auf’ die Leute schilt, »die, um einen Lach- erfolg zu erzielen, sich an den Weisen vergreifen«, aber dieser An- griff brauchte nicht gerade gegen die coo# gerichtet zu sein. Dazu kommt, daß Athenäus die Verse aus der aecmörıc anführt, aber hinter ihnen zwei weitere, die ganz außer Zusammenhang stehen und sich in der Verteidigungsrede für die Frauen gefunden haben. Wie sie in den Text des Athenäus hereingekommen sind, ist ganz unverständ- lich, aber dadurch wird man ängstlich, ob auch die ‚erste Versreihe wirklich in die aecmürıc gehört. In der Vita unserer Handschriften lesen wir, daß die Frauen an den Thesmophorien beschlossen. sich an Euripides zu rächen, ihn in seiner salaminischen Höhle überfielen und nur verschonten, weil er gelobte, ihr Geschlecht nicht mehr anzugreifen. Er hätte dem- ! Einen solchen Prolog hatte schon der Aiolos, gegeben vor dem Frieden des Aristophanes, denn es kann kein Zweifel mehr sein, daß Fr. ı4 richtig zum Aiolos gestellt ist. Die Genealogie fängt mit Hellen und Aiolos an. also wie sie für die Melanippe co»# galt, dann werden die Aiolossöhne nach den hesiodischen Katalogen aufgezählt, Athamas, Sisyphos, Kretheus. Salmoneus, und dieser letzte hat bereits ge- frevelt und gebüßt. Dann kann der Aiolos, der Vater von Kanake und Makareus. nicht wohl derselbe sein, sondern ein Aiolos II. Sohn des Hippotes oder Sohn der Melanippe. vermutlich das erstere. da die Fabel aut dem Aiolos der Odyssee aufse- baut ist, der seine Söhne mit seinen Töchtern verbinden mußte. * Das Verhältnis war für den Einsiehtigen imıner klar, da Plutarch Erot. 756 c erzählt, erst hätte es Zeyc öcrıc 6 Zeyc. gelautet, aber so viel Anstoß erregt, daß es Euripides bei einer späteren Aufführung geändert hätte. Natürlich stand diese Form in der Buchausgabe, das andere in der Anekdote, aber diese hatte weite Verbreitung sefunden. Wer sich ‘die Daten für das Leben des Kritias überlegt, muß so urteilen; ich habe in meinem Platon I 118 gegenüber früherem falschen Ansatz das Richtige gesagt. . 4 eo j 2 72 Sitzung der phil.-hist. Klasse vom 13. Januar 1921. —- Mitt. vom 22. Juli 1920 zufolge die Verteidigungsrede der Melanippe gemacht. Das erlaubte (die Vermutung, das Versprechen, «das er am Ende der Thesmophoria- zusen bei Aristophanes abgibt, wäre mit der Melanippe, die kurz darauf gegeben wäre, kombiniert. Die Entdeckung des Satyros stellt das anders. Die Vita hat ihre Angaben aus ihm. Er erzählt dieselbe Geschiehte und hat in der Tat geglaubt, daß der Überfall der Weiber vor die Aufführung der Melanippe fiel, und um die Aufführungszeit der Dramen hat er sich gekümmert'. Allein die Kolumne, welche auf Verse aus der aecmöric folgt, bringt solche aus den Thesmophoria- zusen, und dann sagt einer der Unterredner” cos®c (so natürlich für CABWC) YTIONENÖHKAC Ö AETW Kal TIAPANERYKÄC ME TÄC EzHräcewc. Das wird doch so zusammenhängen, daß dies der Hauptredner ist, den ein anderer mit der Bemerkung unterbrochen hatte » darauf nimmt also Aristophanes Bezug, der die ganze Geschichte in seiner Komödie be- handelt hat«. Unseren Schluß, daß die ganze Geschichte aus der Erfindung des Aristophanes stammte, dürfen wir dem Satyros nicht zutrauen. Damit rückt also die aecmorıc wirklich vor die 'Thesmo- phoriazusen auch nach Satyros. | Wenn also zwei Dramen mit demselben Titel und derselben Hauptperson um dieselbe Zeit gedichtet sind, so wird der Dichter ge- wollt haben, daß man den Zusammenhang beachtete. Aber mir ge- lingt es nicht, darüber zur Sicherheit zu kommen. Die cos4 führt eine Frau als Verkünderin höherer Weisheit ein; sie mag von der Welt wie von Aristophanes (T'hesm. 547) unter die schlechten Frauen gerechnet werden, der Diehter denkt anders, und schwerlich ließ. er sie untergehen. In der aecmörıc wird die Verteidigung der Frauen breit vorgeführt. schwerlich mit dem bösen Unterton wie Med. 422, Ion 1090. Da ahnt man einen Zusammenhang, aber denkbar ist ebenso gut, daß dies und daß jenes zuerst vorgetragen ward. ! Das folgt aus der Angabe ToY eriomenoy xeimönoc, Fr. 39 Kol. 16, 30, die oflen- bar auf eine Didaskalie geht, und aus der Ausdeutung des Chorliedes mit dem Anfang xPYceAl AH Mol mTeryrec rrepi notol, Kol. 17, das unmittelbar vor der Reise zu Archelaos gedichtet sein muß. In ibm fühlt sich der Chor, wie Horaz II 20, beflügelt und «in den Himmel entrückt. Für eine Monodie passen die Daktyloepitriten nicht. Das konnte er wohl nur sagen. wenn er durch eine ganz ungewöhn- liche Erfahrung in die höchste Verzückung geraten war. Wenn Orpheus sang, mochten die Hörer sich in die höchsten Sphären entrückt fühlen. Ich denke, es war die Wirkung der ersten Ritharodie; Amphion hatte ja die Leier von Hermes erhalten und sang ein Lied von der Kosmogonie, Fr. 1023. Das stimmt zu der Datierung. ? Arnim, gegen dessen Behandlung des Satyıos ich sonst recht viel einzuwenden habe, hat len: vermutet, daß neben Eukleia auch eine Diodora an dem Ge- spräche teilnehme (Kol. 16,14), also wohl überhaupt Frauen den Dialog führten. Aber Fr. 13 ist der Redende sicher ein Mann, vos Wiranowirz-MoELLENDORFR: Melanippe 6! Sehen wir nun die Reste der coe# an. Es lassen sich die ersten Szenen herstellen, da die Hermogenescholien ihre genaue Hypothesis liefern und H. Rage den Anfang des Prologs hinzugefunden hat!. Me- lanippe sprach ihn selbst, stellte erst sieh vor und dann ihre Mutter Hippo, die jetzt zu einer gewissen Göttlichkeit erhoben in der Gestalt einer Fuchsstute den Menschen in der Not mit Windeseille zu Hilfe kommt. Es ist eine treffende Folgerung, die PFTERSEn gezogen hat, daß eine so eingeführte Person in dem Drama handelnd eingriff. Me- lanippe erzählte "weiter, daß sie von Poseidon Zwillinge geboren hat und diese auf seine Weisung durch ihre Amme hat aussetzen lassen. Wenn der Gott das befohlen hat, sind wir sicher. daß die Kinder nicht zugrunde gehen werden. Melanippes Vater war ein Jahr lang verreist (der Diehter scheut sieh nicht, es durch einen AmenIayTicmöc wegen »ÖNoc AKOYcIOC zu motivieren); jetzt steht seine Heimkehr bevor, was Mela- nippes Sorge hervorruft. Der Abschluß des Prologs und der Einzug des Ohores smd nicht bezeugt: aber wenn die Hypothesis sagt, dab gleich nach seiner Heimkehr die Hirten zu ihm kamen und von der Auffindung der Kinder berichteten, so liegt es nahe zu glauben, daß Aiolos in einer zweiten Szene des Prologs auftrat, dann der vermutlich männliche Chor einzog, in Aufregung über das Wunderzeichen, von dem sogleich ein Hirt das Genaue berichtete: das Volk glaubt, daß die Menschenkinder von der Kulı geboren wären, und hält sie für Miß- geburten, die das Schlimmste vorbedeuten. Aiolos berät sich darüber mit seinem Vater Hellen, und dieser bestimmt ihn, die Neugeborenen zu verbrennen. Das füllt sehr gut einen Akt. In dem nächsten ver- langt Aiolos von seiner Tochter, sie solle die Kinder für den Tod schmücken, wie es Megara im Herakles 329 mit den ihren vor der Hinrichtung tun will. Das gibt dieser Gelegenheit, ihre berüchtigte Rede zu halten, in der sie unter Berufung auf ihre Mutter die phy- siologische Möglichkeit darlegte, daß eine Kuh ein menschliches Kind ' Rhein. Mus. 63. 146, danach bei Arnıw. V.ı8 ändert dieser stillschweigend Moyceion exnırofca KuwPYkion T° öroc in KwPpykön T’; das verstehe ich überhaupt nieht. Die windschnelle Fuchsstute hat keinen festen Wohnsitz, sondern schweift in dem Bergwald des Helikon, der nach den Musen. und des Parnassos. der nach der Schlauehhöble heißt. V. 8 heißt es TITöPBON A’ABÄKEN ANAON EIC AANHN MÖNIN. KAEINÄC Asehnac EoYeon. Da bemerkt Prvrersen richtig. daß hinter KaeinAc eine verbindende Partikel fehlt. Doch reicht das nicht: es ist ja die hesiodische , Genealogie berücksichtigt, also fehlt ein Vers über Doros. Wie gleichgültig ist Euripides gegen die Geschleehterfolge, wenn er Ion bei Lebzeiten des Hellen geboren sein läßt. V.ır hatte ich schon verbessert (Classical philology III 226) Ann ÄNOICTEOC AÖTOC «EM ) ONOMA [TE] TOYMON Kelc’ ÖBENTIEP HPZAMHN. Wir kannten einen Teil der Stelle aus Plutarch Mor. 431a, Ann ANOICTEoc Aöroc Emi TAN Yrioescin. »Um zu miv (meinem Namen) zu kommen, muß die Rede zu ihrem Ausgangspunkt zurück- kehren. « 74 Sitzung der phil.-hist. Klasse vom 13. Januar 1920. — Mitt. vom 22. Juli 1920 werfen könnte!, aber auch zu äußern wagte, es könnten doch auch ausgesetzte Menschenkinder sein. So weit reicht unser sicheres Wissen. Unstreitig ist, daß dann die Wahrheit an den Tag kommen mußte, also die Schuld Melanippes. Wie das geschah, ist unbekannt; vielleieht deutet die Erwähnung der Amme bei der Aussetzung darauf, daß diese gefaßt ward.und gestand. Dann glaubt man leicht, daß Aiolos seine Tochter auf‘ das schwerste A strafen wollte: bei Hygin blendet er sie und sperrt sie ein; dies war für die Aecmöric notwendig. Zur Rettung mußte Hippo erscheinen, deren Maske, vermutlich ein Pferdekopf, von Pollux. 7, 41° erwähnt wird. Fr. 432° stammt aus einer Hingeren Aufzählung ihrer prophe- tischen Künste, die nicht im Prolog stand, und aus den eratosthenischen Katasterismen erfahren wir, daß sie von den Göttern zu ihrer jetzigen Würde erhöht ist, weil sie, von Aiolos vergewaltigt, aus Scham vor ihrem Vater Chiron in den Wald geflohen war'. Wenn jetzt ihre Tochter ‘von «demselben Aiolos wegen eines gleichen imverschuldeten Fehltritts bestraft werden sollte, so ergab das Auftreten dieser Mutter eine Situation, die den Euripides wohl reizen konnte. Es versteht sich von selbst, daß die Kinder schließlich gerettet, ihre künftige Größe vorausverkündet und Melanippe weder geblendet noch zu ewiger Haft verurteilt ward, auch schwerlich einem Fremen übergeben, «der sie außer Landes führen sollte. Ihr Schicksal bleibt ungewiß. - Klar ist, daß hiermit das Drama nicht gefüllt werden kann. Die namentlich bezeugten Fragmente versagen; die Übersetzung des En- nius” liefert mit regnaummgque nostrum ut sospitent superstitentque (3 Ribb.) ein Wort, das die Erhaltung der Knäblein empfiehlt, nachdem ihre Herkunft an den Tag gekommen ist. PErrrsen macht darauf auf- merksam, dab in superstitare ein Hinweis darauf liegt, daß das Herr- schergeschlecht in den Völkern -dauert, deren Eponyme die Zwillinge ’ ' Plutarch, Sapient. coneiv. 149e und Phaedrus IIl 3 erzählen einen Apovlog: ein Haustier (Stute oder Schaf) bringt eine Mißgeburt zur Welt, halb Tier, halb Mensch. Große Aufregung, was das TEpac bedeute. Der Weise, Thal®& oder Äsop, sagt dem Herrn des Tieres, gib deinem Hirten eine Frau. ® Berue durfte die falsche Variante EYinmH nicht in den Text setzen. H TIP@TA MEN TÄ BElA TIPOYMANTEYCATO XPHCMOICI CABECIN ACTEP@N EIT ANTONAIC. Das sind die Wetterprognosen. wie sie die Parapegmata liefern, AlocHnela. f ' Die Verstirnung ist natürlich Zusatz. Zu den Brechungen des Katasterismen- buches, die Nauer als Fr. 458 gibt. ist der Aratus Latinus S. 219 Maass getreten, aber ‚ie Übersetzung ist so sinnlos, daß man schwerlich aus einem quod in historiarum rrfert mit Perersen auf einen zweiten Gewährsmann neben Euripides schließen darf. Fr. ı und 2 stammen aus der Beratwmng über das TEPac: beide gehören dem Hellen. 4, ein Hexameter /umine sie tremulo terra et cava caerula candent geht die Physiologie an: Ennius hatte aus der Rede ein Canticum gemacht. So denke ich es lieber. um nicht den Chor beizubehalten. vox Wrramowrrz-MoerLennorer: Melanippe 1) sind. Boiotos mußte seinen Namen erhalten und demgemäß die Herr- sehaft in dem Lande, das nach ihm heißt, Aiolos also Thessalien'. In diesem Ausblick auf die Zukunft mußten beide Dramen sich nahe berühren: was prophezeit ward, brauchte nieht dasselbe zu sein. Verse einer Melanippe ohne diakritischen Zusatz scheinen weiter zu helfen. Zwar das schöne Bruchstück 506. das schon VALCKENAER hierher gezogen hat, lehrt nichts für die Handlung. Wir hören die bei den Hellenen seltene, den Semiten vertraute Lehre. daß Gott ein Buch hat, in das er alle Sünden der Menschen einträgt. am sie dann zu abnden. Dem widerspricht die Redende: für eine solehe Liste reicht las Himmelsgewölbe nicht. und jedem seine Strafe zu senden, würde selbst Zeus nieht imstande sein. Ann H AlIkH ENTAYeA TIOY 'CTIN EFTYC, ei govnece’ öpän. Diese tiefe Wahrheit, daß jede Schuld sich auf Erden rächt. paßt für Hippo ungleich besser als für Melanippe. - Aber «as tut zur Handlung nichts. Melır schon ergibt 497 »Teicacee TAnae, denn aus Rücksicht auf Kinder oder Verwandtschaft ist manche Sünderin verschont geblieben; das hat «lie Weiber so freehı gemacht«. Nicht die aecmoric, sondern «die coe# konnte aus jenen Rücksichten Gnade finden. Der erste Akt hatte Aiolos und Hellen gegenübergestellt; der Vers des Ennius, der die Knäblein als Erben des Reichs erhalten will, paßt für Hellen. Fr. 500. 504. 508. 509. 520 zeigen einen scharfen Gegen- satz zwischen jung und alt, Vater und Sohn. Das wird auf das in der coo4 gegebene Paar bezogen werden dürfen; die Handlung ge- winnen wir allerdings auch damit nicht‘. So mag das Gefühl der Unbefriedigung überwiegen. Viel Po- sitives ist nicht herausgekommen, und doch ist unverächtlich, was sich für Euripides ergibt. Nicht etwa. daß er sein Urteil über das weibliche Geschlecht geändert hätte, weil er nun einmal seine Vorzüge sophistisch ins Licht setzte. Das mochte ihm gegenüber dem Gerede von seinem Weiberhasse Spaß machen. &crın morca Kal Hmin hatte er einen Chor schon Med. 1085 sagen lassen, freilich auch, daß eine musisch begabte Frau eine Ausnahme wäre, und das ist auch die weise Melanippe, ihre Mutter Hippo erst recht. Aber wohl bewährt er seine Erfindungsgabe, denn die_böotischen Stammsagen, die er auf- ! Aiolos I. herrscht vom Peneios bis zum Asopos; darin liegt, daß die Böoter als Äoler galten, was ja feststeht. Gern würde man neben lon den Vertreter der asiatischen Äoler haben; aber da hören wir nie von einem Gründer Aiolos. Es ist also wohl eine Teilung des Reiches beabsichtigt. ® Gleichgültige Sentenzen berücksichtige ich nicht; bedeutsam und ganz wıver- standen bleibt 513 Icwc AnAcToP’ oYk ETÖAMHCEN KTANEIN. wo AnAct@p Mörder bedeuten soll. Es klingt nach einer Stichomythie. Auszusetzen ist an dem Verse nichts; aber er lehrt, daß Dinge vorkamen, die ganz aus allem herausfallen, was wir sonst über den Inhalt wissen, 76 Sitzung der phil.-hist. Klasse vom 13. ‚Januar 1921. — Mitt. vom 22. ‚Juli 1920 greift, sind ärmlich genug und liefern eigentlich nur neue Namen für das gewöhnliehe Motiv, daß eine Heroine Fährliehkeiten zu bestehen hat. weil ein Gott sie vergewaltigt hat, und die Kinder aus solcher Verbindung erst durch Gefahren zu Glanz und Macht gelangen. Es ist Ja im Grunde dieselbe Geschichte, die man sieh in Theben von Antiope und ihren Söhnen Zethos und Amphion. in Anthedon, wohl auch Tanagra, von Melanippe und Boiotos und Aiolos erzählt; anders- wo hieß die Mutter auch Arne. Es ist auch dieselbe Geschichte, die mit den Namen Tyro Pelias und Neleus zuerst in Thessalien am Enipeus gespielt hat und dann mit Salmoneus nach Salamona in die Pisatis übertragen ist. Nur ist diese Geschichte sehr viel vornehmer, wie die Namen der Söhne zeigen, die keine bloßen Schemen sind, und sie ist auch schon in altepischer Zeit von den Dichtern behandelt worden. Da ist es nun sehr erfreulich, daß wir noch sagen dürfen, Sophokles hat mit der Dramatisierung dieser Geschichte den Anfang gemacht. Seine zweite Tyro', wie die Grammatiker zählen, wird schon von Aristophanes in den Vögeln berücksichtigt und ist dauernd eins seiner berühmtesten Dramen geblieben: übertragen auf Romulus und Remus lernen sie noch unsere Kinder kennen. Dann kommt Euripides und dramatisiert denselben Stoff, aber mit anderen Namen und anderem Lokal, das er sich aus entlegenen unscheinbaren Stammesgeschichten holt. Die Melanippe bei den Messapiern ist der erste Versuch. Dann gestaltet er die Hypsipylegeschichte so. die in den Epen von den ! EnGersmann (Jahrbuch arch. Inst. V 171, archäol. Stud. zu den Trag. 40) hat das Verdienst. einige etruskische Monumente auf diese Tyro hin gedeutet zu haben, was dann Trıeser (Rhein. Mus. 43. 569) dazu verhalf. die Abhängigkeit der Romulus- fabel zu erkennen. Schlagend. wie mir scheint, hat Brass den Papyrus Hibeh 3 für diese Tyro in-Anspruch genommen. die älteste aller 'Tragikerhandsehriften, aus der allerfriüihsten Ptolemäerzeit. wenn nicht noch aus dem 4. Jahrhundert. So verstümmelt die Reste sind, lehren sie doch vor allen. daß die Söhne ihren Vater kennen, ihre Mutter auch. als sie noeh in Gefahr sind, genau wie in der Antiope (Fr. f.) Die Antiope zeigt aber auch, daß die Rettung ganz schnell gehen und für das dramatische Interesse ohne Belang sein konnte. so daß die Angabe des Seholion Eur. Or. 1691 zu Recht bestehen kann. daß der Anarnwricmöc und, damit ein glücklicher Ausgang KATA Tö TEenoc Stattland. An einen Maschinengott zu denken, hat man keine Veranlassung. Der Chor war weiblich (Fr. a. e. Kol. II, meneHTPiac befriedigt aber nicht). Kine Fran. offenbar Sidero. hat einen schweren Traum gehabt und will ihn im Alpheios abspülen (Fr. d). 593 hat Navex sieh vergebens der Evidenz verschlossen, daß wirklich der erste Vers der Tragödie erhalten ist. Man muß nur trotz Aristophanes lesen TIc ÖPNIc oYTwc (oYToc cod. nach Aristophanes) EZEeAPON X@PAN EXWN » welcher Vogel. der sich ver- llogen hat. kann so jämmerlich klagen wie ich«. Das paßt für Tyro als mPoAorIzoYcA, \Monolog wie in den Traehinierinnen: das schöne Fr. 598 wird eben dahin gehören oder in eine Rede nach der Parodos an den Chor, An die Blektra erinnert manches. Die tleißige Behandlung von Rascır, Sophocles quid debeat Herodoto 8.61 zieht mit Recht den Hibeh Papyrus heran, fördert aber nichts Wesentliches. Bei Nikolaos von Damaskus Fr. 14 ist die Handlung der sophokleischen T’yro auf Antiope und ihre Söhne übertragen. von WıLamowırz-MOoELLENDORFF: Melanippe 17 Sieben höchstens mit ein paar Worten abgemacht war, wenn sie über- haupt vorkam'!. Diese beiden Tragödien waren höchstens zweiten Ranges. Dann erst gelingt ihm in der Antiope ein Meisterwerk. So ist es bei seiner unheimlichen Fruchtbarkeit und seiner unverkenn- baren Hast öfter gegangen. Die Medea hatte Peliaden und Aigeus als Vorarbeiten des großartigen Charakters, Hippolytos ist der zweite, und die Hekabe steigert sich einerseits in den Troerinnen, anderseits ist ihrer Polyxene die Makaria der Herakleiden vorhergegangen, die Steigerung liegt in der aulischen Iphigeneia vor. Was würden wir darum geben, wenn wir auch nur einmal so etwas an Sophokles be- obachten könnten, wo es doch nicht gefehlt haben kann. Schätzen wir nicht gering, daß seine Tyro den euripideischen Dramen den Weg bereitet hat. Seine Polyxene ist Voraussetzung für die Hekabe des Euripides. Noch etwas muß ich ein wenig beleuchten, da PETERSEn auch nach dieser Richtung eine treffende Beobachtung gemacht hat. Hippo, die Roßgestalt hat, ist die Tochter des Chiron. Melanippe empfängt die Kinder von Poseidon, dessen Roßgestalt bekannt ist; in Thelpusa hat er so mit Demeter-Erinys das Roß Arion-Erion erzeugt, und Mela- nippe ist doch ursprünglich ebensogut die »Schwarze Stute« gewesen, wie.Zethhos und Amphion noch in der Antiope nicht nevkönwnoı, sondern reykb roaw heißen. Dann kann Aiolos, der Vater der Melanippe, der sie mit Hippo zeugt, auch nur Roßgestalt getragen haben: diesen Schluß hat PETERSEN gezogen. Dieser Aiolos, hier eine Füllfigur, ist in Wahr- heit kein anderer als der König der Winde, den Homer vermenschlicht hat, bei dem doch Boreas die Stuten am Okeanos bespringt, wie hier die Hippo, die eine Fuchsstute nicht erst durch späte Verwandlung geworden sein kann, und die nyknAi evenanı aleeroc aiwkeral. Da tun wir einen tiefen Blick in die götterbildende Phantasie der Böoter. Die von Euripides bezeugte Roßgestalt der thebanischen Dioskuren hatte den Nachdenkenden schon gelehrt, daß auch Kastor und Polydeukes als himmlische Helfer zuerst nieht auf’ ihren Rossen, sondern als Rosse er- schienen, und wir werden das auf alle die verschiedenen Benennungen dieses Götterpaares übertragen. Ebenso mußte man sich über die Ge- stalt des Poseidon “rmoc, der zum inmioc ward, klar sein, mußte durch- ! Der Tod des Opheltes-Archemoros gehört in das Epos, das die vielen be- deutungsvollen Namen seiner Personen erfand; aber daß die Wärterin des Kindes die lemnische Hypsipyle war, brauchte darum nicht darin zu stehen, ihre Rettung durch die Söhne erst recht nicht. Hypsipyle mochte sie allenfalls heißen. Wohl aber, mußte das attische Geschlecht der EYnelaAı, wenn es von dem lemnischen Euneos der Ilias abstammen wollte, eine verbindende Sage erfinden, die dann Euripides aufgriff. Die Nemea des Aischylos enthielt den Tod des Archemoros und gehörte zu der Trilogie, die in den Eleusiniern gipfelte, die Hypsipyle in die lemnische. Sitzungsberichte 1921. 7 78 Sitzung der phil.-hist. Klasse vom 13. Januar 1921. — Mitt. vom 22, Juli 1920 schauen, daß es der Huf des "Eaıkunioc war, der die inrıov KrAnH auf dem Helikon aus dem Felsen geschlagen hatte!. In Chiron, dem Sohne des Kronos’, war ein alter Gott, der Gott der Magneten vom Pelion, un- verkennbar. Die hesiodische Medusa, die von Poseidon den Pegasos” gebiert, trägt auf der bekannten böotischen Vase selbst Roßgestalt. Die Erinyen von Potniai wird schwerlich noch jemand von den Rossen scheiden, die den Glaukos von Potniai zerrissen. Nun tritt Hippo dazu, die Euripides unmöglich als windschnelle Fuchsstute einführen konnte, wenn sie nicht im Glauben der Böoter noch lebte und in Krankheiten angerufen ward, ÄKH TIÖNwN @PAZoYcA Kal aYTApıa zu erscheinen. Wer das Sternbild des Pferdes auf sie bezog, berief sich freilich auf Euripides, aber da die Verstirnung fehlt, darf man ihre Verwandlung in eine Stute bei Ovid Met. II 635— 75 nicht aus den Katasterismen herleiten‘. Sie "ist Chirontochter und prophezeit die Zukunft des eben geborenen Askle- pios, doch ist dies Erfindung Ovids, seine Geschichten zu verbinden. Ihr heroischer Name Okyrhoe ist der eines Meermädehens, ihr spielerisch gegeben, weil ihre Mutter Chariklo gewöhnlich eine Tochter des Okeanos oder ähnlicher Herkunft ist’. Bedeutsam ist das Zusammentreffen in ! Besonders bezeichnend ist die tegeatische Geschichte, Pausanias VIII 8, 2, nach der Rhea dem Kronos ein Füllen statt des Poseidon zu verschlingen gibt, das sie ge- boren haben will: inmioc ist in Arkadien die verbreitetste Epiklesis des Poseidon: Wenn Rhea den Poseidon dadurch rettet, daß sie ihn unter Schafen verbir. st, so ist das sinnlos und geschieht nur. weil es bei der Quelle Arne geschieht, die man von AP#n ableitete, während das lykische Arna darin steckt. Aber auch dies ist wertvoll, da Arne in der rationalierten Fabel an Stelle der Melanippe tritt. ® Um diesen Sohn zu zeugen, nimmt Kronos selbst Roßgestalt an, Vergil Georg. 3,92. Pherekydes und schon die Giant en d.h. Titan omachte Schol. Apoll. Rh. 1, 554, 2,1231. , Ebendaher wird an seiner Stelle auch Poseidon Vater Chirons genannt. Schol. A 219. Wie in der Überlieferung, die uns vorliegt, das Unvereinbare zu- sammengew orfen ist, zeigt sich darin, daß die Mutter Chirons Philyra, die Linde, ist: da liegt also der Ursprung der Lebewesen, doch wohl menschlicher Ahnherren, Arrö APYöc, aus Bäumen zugrunde, und doch soll diese Philyra wieder eine Okeanos- tochter sein. ? Der Pegasos heißt natürlich nach rIHröc, nicht nach TIHr#; das war eine Farben- bezeichnung, wenn die Glossographen und wir auch nicht mehr wissen, welche. Ich glaube, dieses Fremdwort steckt auch in rrHrecimannoc mißgebildet wie TIPWTecInAoc. Schol. B zu A 266 soll Kentauros seine Mißbildung daher haben, daß eine gewisse Dulis in einer Nacht von Ixion und dem Pegasos geschwängert sei. Alberne Rationali- sierung der pindarischen Fassung. ‘ Der vollständigste Auszug aus dem Katasterismenbuche bei Hygin astr. II. 18 (191 Robert) gibt den Namen der späteren Hippe vermutlich verdorben wieder Thean; aber das gleich zu Ocyroen zu machen, ist ein zu hastiger Schluß. Schol. Pind. Pyth. 4, 181, wo noch andere Väter stehen. Die Gattin und die Mutter eines roßgestaltigen Wesens muß in derselben Gestalt gedacht sein, denn erst moderne Phantasie spielt damit, »daß ein Weib mit einem Rosse sodomitisch sich er- getzt«. Das Autoschediasma Anm. 3 spricht nicht dagegen. Pindar läßt freilich aus der Verbindung von Ixion mit der Wolke einen KentayPpoc hervorgehen, der dann die Stuten im Pelionwalde bespringt und die Kentauren zeugt; aber das ist Pindars Er, “ Fk von Wıramowrrz-MorLLENDORFF: Melanippe 19 der Farbe dieser dämonischen Stute, bei Euripides hat sie zanehn TPixa, bei Ovid erscheint sie vor ihrer Verwandlung rutilis umeros protecta ca- püllis. Sie kommt rıvenAı eyenanı al aleepoc: da ist ihre Verwandtschaft mit der Roßgestalt der Winde unverkennbar. Die ist zwar in der bil- denden Kunst niemals aufgenommen: dazu war die homerische Ver- menschlichung der Götter und die orientalische Beflügelung zu früh herrschend geworden; aber die heroischen Rosse stammten doch von Boreas oder gar Poseidon, und nachgewirkt hat das Primitive nicht nur in dem Glauben an die Befruchtung der Stuten durch den Wind, sondern auch in nunmehr als Metapher gefaßten Wendungen bis zu Horaz Carm. IV 4. 13 ceu flamma per taedas vel eurus per Siculas equitavit undas. . Die Fuchsstute, Chirons Tochter, ist weise wie der Vater, hilf- reich wie die beiden Schimmel, die in Theben von Zeus stammen, wenn die Genealogie ursprünglich ist. Diese Helfer werden die Männer anrufen, Hippo vermutlich besonders die Weiber. Endlich die Rapp- stute Melanippe. Es muß offen bleiben. ob sie nur dazu da ist, dem Poseidon die göttlichen Zwillinge zu gebären, oder selbst ein göttlich wirkendes Wesen blieb: wir kennen den Ausgang der coe#4 nicht. Ihre Söhne sind in der uns bekannten Geschichte nur noch Eponyme von Stämmen, und’ Aiolos trägt einen bereits verwandten Namen. Damag es am nächsten liegen, sie und ihre Mutter überhaupt nicht höher zu werten, - so daß nur eine Anlehnung an die den Böotern geläufige Sage von den göttlichen Zwillingen und deren Roßgestalt bliebe, und vermenschlicht war sicherlich schon was Euripides übernahm. Mich dünkt indessen wahrscheinlicher, daß die verschiedenen böotischen Städte von ihren Zwillingsgöttern verschiedenes erzählten, ihnen auch verschiedene Namen gaben: Anthedon hat jedenfalls schon im 6. Jahrhundert von Melanippe und ihren Söhnen etwas gewußt. Und dann stellt sich der thebanische Held Melanippos, der Rappe, schwerlich nur durch Zufall zu Melanippe, wenn wir ihn auch nur als Sohn (des Aktor kennen’, während Peri- klymenos, der in anderer Überlieferung die Stelle des Melanippos ein- nimmt, Poseidonsolin ist. Melanippos hat zwar einen Bruder unter den Verteidigern von Theben, aber sie erscheinen nicht als Paar. Der findung, und der Kentauros ist ein so phantastisches Gemächte, wie es Wolkengebilde uns zeigen mögen. An den gerechten Chiron denkt Pindar dabei gar nicht. Aber ein Rationalist wie Suidas machte Chiron zum Sohne des Ixion, Schol. Apoll. 1, 554, an Stelle des pindarischen Kentauros; die Wolke wird er auch irgendwie zu ent- fernen gewußt haben. Wenn Zeus den Peirithoos in Roßgestalt mit Dja erzeugt haben soll, die zu dem Zweck erst irgendwie zu einer Stute werden mußte, so ist das zwar für die Etymologie von merigein ersonnen, aber nicht spät, sondern als die roßgestaltigen Götter noch nicht vergessen waren. ' Thespiai erhob Anspruch auf Zethos und Amphion, Strabon 11. ® Es ist wohl Zufall, daß die Dioskuren von Elis, genauer die der Epeer, "AKToPIwne sind, \ 80 Sitzung der phil.-hist. Klasse vom 13. Januar 1921. — Mitt. vom 22. Juli 1920 Heros “Rappe’ wird allein stehen wie der Heros ‘Schimmel’, Leukippos, der als Gründer mehrerer Kolonien, darunter auch Metapont (Strab. 265) erscheint, und in ihm werden wir wirklich einen göttlichen Führer in Roßgestalt anerkennen dürfen. Da war also das göttliche Paar geteilt, wie das Volk sich teilte, das in die Fremde zog. Wenn zu Hause ein Ahnherr verehrt ward, konnte er eigentlich auch nur einer sein, und ihn in einem der Zwillinge zu finden, war im Grunde widersinnig. So ist es mit Aiolos und Boiotos; die Böoter ging doch nur der letztere an, und wir haben ihn auch mehrfach allein gefunden; in der aecc- mörıc ist er der eigentliche Sieger. Nun schien in seinem Namen so?c zu stecken, und eben deshalb werden die Kinder von Rindern gesäugt, oder wenigstens dieser eine'. Das stimmt zu der Herkunft von einer Rappstute und zu den neykö rıwaw durchaus nicht; aber sehr wohl ver- trägt es sich mit der Vaterschaft des Poseidon, denn der heißt gerade in Theben raYreoc (Hesiod Aspis 104). Stiergestalt hat er freilich erst angenommen, als er auf die Herrschaft über die Gewässer beschränkt, also dem Acheloos wesensverwandt ward. Das ist in dem Böotien begreiflich, das ein Bundesheiligtum des Poseidon am See in Onchestos hatte. So verstehen wir' wohl die einzelnen Züge, verwundern uns auch nicht über den Gang zur Vermenschlichung, den die alten Vor- stellungen und Geschichten nehmen mußten, aber die Überlieferung ist viel zu trümmerhaft: wir müßten den Glauben und den Kult der einzel- nen Städte kennen, von den Dichtungen etwas wissen, die dies und jenes ausgestalteten. Aber wir fassen nicht einmal die euripideischen Dramen, wie viel mehr muß unser Wissen von Melanippe und ihren Söhnen nebelhaft bleiben, da sie noch Roßgestalt trugen. Aber auch so ist der Einblick in die böotische Phantasie rel genug, auch im Gegensatz zu den Athenern‘. ! Wenn es in der aecmöric hieß TON Am®l BOFC PIßBENTA BoOIWTÖN KAneIN, liegt die Vermutung nahe, daß Aiolos von einem anderen Tiere gesäugt war, und bei einem Aionoc denkt man an eine Stute. ® Diese Andeutungen berühren sich vielfach mit’ dem tief eindringenden Auf- satze von L. Maren, Das Pferd im Totenkult, Archäolog. Jahrb. XXIX 199. Ausgegeben am 20. Januar. Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei. NE am ©. Tann. S sı) r BERLIN 1921 VERLAG DER AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN ? IN -KOMMISSION BEI DER hi RR VEREINIGUNG WISSENSCHAFTLICHER VERLEGER WALTER DE GRUYTER U. CO. BEER VORMALS G. I. GÖSCHEN'’SCHE VERLAGSHANDLUNG, J. GUTTENTAG, VERLAGSBUCHHANDLUNG. NR N . GEORG BACKEN: KARL J. TRÜBNER. VEIT U, COMP. RA Aus 8 2. Jede zur Aufnahme in die Siasingäberiches oder die ch N 1. { * - Aungen ‘der Preußischen Akademie der Wissenschaften, Abhandlungen "bestimmte ‚Mitteilung muß in einer aka- demischen Sitzung vorgelegt werden, wobei in der Regel das druckfertige Manuskript zugleich einzuliefern ist. Nicht- - ‚mitglieder haben hierzu die Vermittelung eines. ihrem Fache angehörenden ordentlichen. Mitgliedes zu, benutzen. 8.3, Der Umfang einer aufzunehmenden Mitteilung soll in der Regel in den Sitzungsberichten bei Mitgliedern 32, bei Nichtmitgliedern 16 Seiten in der gewöhnlichen Schrift der Sitzungsberichte, in den Abhandlungen 12 Druckbogen von je 8 Seiten in der gewöhnlichen Schrift der een lungen nicht übersteigen. ? Überschreitung dieser Grenzen ist nur mit RER ‘der Gesamtakademie oder der betreffenden Klasse statt- haft und ist bei Vorläge der Mitteilung ausdrücklich zu beantragen. Läßt der Umfang eines Manuskripts ver- muten, daß diese Zustimmung erforderlich ‚sein ‘werde, so hat das vorlegende Mitglied’es vor dem Einreichen von sachkundiger Seite ‘auf seinen mutmaßlichen Umfang ‘im Druck abschätzen zu lassen. ‘4 Sollen einer Mitteilung Abbildungen im Text oder auf besonderen Tafeln beigegeben werden, so sind die Vorlagen dafür (Zeichnungen, photographische Original- "aufnahmen usw.) gleichzeitig mit dem Manuskript, Jedoch auf getrennten Blättern, einzureichen. Die Kosten der Herstellung der Vorlagen haben in der Regel die Verfasser zu tragen. Sind diese Kosten aber auf- einen erheblichen Betrag zu: veranschlagen, so kann die Akademie dazu eine Bewilligung beschließen. Ein darauf geriehteter Antrag ist vor der Herstellung der be- treffenden Vorlagen mit dem sehriftlichen Kostenanschlage eines Sachverständigen an den vorsitzenden Sekretar zu richten, dann zunächst im Sckretariat vorzuberaten und weiter in der Gesamtakademie zu verhandeln. Die Kosten der Vervielfältigung übernimmt die. Aka- demie. Über, die voraussichtliche Höhe dieser Kosten ist — wenn es sich nicht um wenige einfache Texthiguren handelt — der Kostenanschlag eines Sachverständigen beizufügen, Überschreitet dieser Anschlag für die er- forderliche Auflage bei den Sitzungsberichten 150 Mark, bei den Abhandlungen 300 Mark, so ist Vorberatung durch das Sekretariat geboten. Aus $ 5, Nach der Vorlegung und Einreichung des vollständigen druckfertigen Manuskripts an den zuständigen Sekretar oder an den Archivar wird über Aufnahme der Mitteilung in «die akademischen Sehriften, und zwar, went eines der anwesenden Mit- glieder es verlangt, verdeckt abgestimmt, Mitteilungen von Verfassern, welche.nicht Mitglieder der Akademie sind, sollen der Regel nach nur in. die Sitzungsberiehte aufgenommen. werden, Beschließt eine Klasse die Aufnahme der Mitteilung eines Niehtmitgliedes in die Abhandlungen, bedarf dieser Beschluß der Bestätigung durch die Gesamtakademie. so (Fortsetzung auf 8.3 des Umschlags.) a Kbadekite ‚gibt gemäß $41, 1 bes zwei EI = laufende Veröffentlichungen heraus; »Sitzungsberichte der Preußischen Akademie der Wissenschaften« und »Abhand- “ausreichende. An ‚eisungen f für die "Anordnung ee ' Fremder sind. diese Anweisungen von dem vorlogenden ‚ ‚Mitgliede vor Einreichung des Manuskripts ‚vorzunehmen. Kr Ir "Verfasser: "und die Verfasser sind zur Haas a NEN Meg und dürfen. nach rechtzeitiger Anzeige bei dem rdli- = und die Wahl der ‚Schriften enthalten. Bei Einsendung yrelas Dasselbe hat sich zu vergewissern,’ daß der Verfass RR seine Mitteilung als vollkommen druckreif ansieht, Die erste Korrektur ihrer Mitteilungen besorgen die Fremde haben .-diese erste Korrektur an das vorlegende Mitglied einzusenden. ‘Die Korrektur soll nach . Möglichkeit nicht über die Berichtigung von Druckfchli und leichten Schreibversehen hinausgehen. Umfängliche % Korrekturen Fremder bedürfen der Genehmigung des redi- gierenden Sekretars vor der Einsendung an die Druckerei, Z kosten KerBehleh, e % Aus $ 8 £ f “Von allen in die Sitzungsberichte oder Aneamtunei aufgenommenen. wissenschaftlichen „Mitteilungen, ‚Reiten, Adressen oder. Berichten werden für die Verfass wissenschaftlichen Mitteilungen, wenn deren Infng. av Druck 4Seiten übersteigt, auch für den Buchhandel Sonder- abdrucke hergestellt, die alsbald nach Erscheinen au ‚gegeben werden, Von Gedächtnisreden werden ebenfalls Sonderabdrucke für. den Buchhandel hergestellt, indes nur dann, wenn: die Verfasser sich ausdrücklich damit EEE PREISER . 89. Von den Sonderabdrucken aus den Sitzungsberichten erhält ein Verfasser, welcher Mitglied der Akademie ist, zu unentgeltlicher Verteilung ohne weiteres, 50 Frei- exemplare; er ist indes berechtigt, zu gleichem. Zweeke auf Kosten der Akademie weitere Exemplare bis zur Zaht von noch 100 üund auf seine Kosten‘ noch weitere 'bis zur Zahl von 200 (im ganzen also 350) abziehen zu lassen, { sofern er dies rechtzeitig dem redigierenden Sekretar an- gezeigt hat; wünscht er auf seine Kosten noch mehr Abdrucke zur Verteilung zu erhalten, so bedarf es dazu der Genehmigung der Gesamtakademie oder der betreflen- den Klasse. — Nichtmitglieder erhalten 50 Freiexemplare gierenden Sekretar weitere 200 Exemplare auf ihre Kosten; 4 abziehen lassen. & Von den’ Sonderabdrucken aus den Abbandlungen er- hält ein Verfasser, ‘welcher Mitglied der Akalemie ist, zu unentgeltlicher Verteilung ohne. weiteres 30 Frei- | exemplare; .er ist indes berechtigt, zu gleichem Zwecke auf Kosten der Akademie weitere Exemplare bis zur Zahl von noch 100 und auf seine Kosten noch weitere bis zur. Zahl von 100.(im ganzen also 230) abziehen zu lasseny } sofern „er dies rechtzeitig dem redigierenden Sekretar an-ı gezeigt bat; wünscht er auf seine Kosten noch mehr Abdrucke zur Verteilung zu erhalten, so bedarf es dazu der Genehmigung der Gesamtakademie oder der betreffen- den Klasse, — Nichtmitglieder erhalten 30 Freiexemplare und «dürlen nach rechtzeitiger Anzeige. bei dem redi- gierenden Sekretar weitere 100 Exemplare auf Ihre Kosten. abziehen. lassen, P 517 \ Eine für die akademischen Schriften‘ be- stimmte wissenschaftliche Mitteilung’ darf in keinem, Falie vor. ihrer. Ausgabe an jener Stelle anderweitig,,sei es auch nur auszugs- IR AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. 1921 IV. Gesamtsitzung. 20. Januar. Vorsitzender Sekretar: Hr. Rugxer. 1. Hr. Sruner berichtete über die hinterlassene Abhandlung des Hrn. Erpmasn (7): »Die philosophischen Grundlagen von Helmholtz’ Wahrnehmungstheorie, kritisch erläutert.« (Abh.) Die Abhandlung unterscheidet drei Reihen philosophischer Grundgedanken bei ' Hermmorrz: erkenntnistheoretische, psychologische und logische. Die erste Gruppe enthält seine Lehre Berge Sinnesempfindungen als Zeichen äußerer, in sich selbst unbekannter Objekte und’ vom Kausalgesetz als einem regulativen. durch den Erfolg immer mehr erhärteten Prinzip des Denkens (dessen Apriorität H. festhält, aber in seinem Sinne umdeutet), ferner seine dem Empirismus angenäherte Deutung der arith- metischen und geometrischen Axiome. Die psy Hoioeisäke Gruppe umfaßt Hernuor.nz’ Scheidung eines passiven und eines aktiven Wehr nebiohrgstie eur und seine empi- vristische Raumtheorie. Die dritte Gruppe seine Deutung der Assoziationsvorgänge als unbewußter Schlüsse. Kritische Erläuterungen werden im Verlauf der Darstellung und am Schluß eingefügt. Die Grundgedanken aber. sind nach des Verfassers Ansicht auch gegenwärtig noch festzuhalten. Vorgelegt wurden » Wilhelm von Humboldts Gesammelte Schrif- ten« 13. Bd. (Berlin 1920.) Die Akademie hat das ordentliche Mitglied der philosophisch-histo- rischen Klasse Hrn. Benno Ernmann am 7. Januar'ı921 durch den Tod verloren. Sitzungsberichte 1921. S 82 Gesamtsitzung vom 20. ‚Januar 1921. — Mitteilung vom 15. ‚Juli 1920 Versuch eines natürlichen Systems der Oktokorallen. | Von W. KÜKENTHAL. (Vorgetragen am 15. Juli 1920 [s. Jahrg. 1920 S. 716).) Seit dem Siege des Entwicklungsgedankens ist es das Bestreben der -zoologischen Systematik die bisherigen künstlichen Systeme durch eine Klassifikation zu ersetzen, welche auf verwandtschaftlichen Zusammen- - hängen beruht. Überblieken wir aber die bisher erreichten Resultate, so müssen wir eingestehen, daß wir von dem erstrebten Ziele noch weit entfernt sind. Gibt es doch noch heut kaum eine Tiergruppe, die in ein einwandfreies natürliches System gegliedert worden ist. Der Grund dieses mangelhaften Erfolges liegt nicht nur in der Schwierig- keit der Erforschung der Stammesgeschichte, die sich als viel größer herausgestellt hat, als man anfänglich glaubte. sondern auch in der Unmöglichkeit Stammesgeschichte und Klassifikation, die schließlich doch verschiedene Ziele verfolgen, restlos zur Deckung zu bringen. Wir werden uns daher damit begnügen müssen, die verwandtschaft- lichen Beziehungen soweit als möglich der Klassifikation zugrunde zu legen, im übrigen aber den praktischen Zweck der Systematik, eine möglichst scharfe Trennung der einzelnen Arten und Artengruppen herbeizuführen, nicht außer Augen lassen dürfen. So erhalten wir ein praktisch verwendbares System, das gegenüber den bisherigen künstlichen immerhin die Berechtigung hat, sich ein natürliches zu nennen, da die Merkmale, auf Grund derer es sich aufbaut. wenig- stens vorwiegend auf innerer Verwandtschaft beruhen. Der Versuch, eine Tiergruppe in ein natürliches System zu glie- dern, setzt die kritische Untersuchung der zur Verwendung kommen den Merkmale voraus. Die morphologischen Merkmale einer Tierform haben für unsern klassifikatorischen Zweck eine sehr verschiedenartige Wertigkeit. Nicht verwendbar sind alle jene Merkmale, welehe nicht bei allen Individuen einer Art vorkommen, sondern nur bei einem Teile. Von ihnen können wir meist feststellen, daß sie bei jenen In- . “ « Ir» ‚ . an ® * n ı D Kürenwnar: Versuch eines natürlichen Systems der Oktokorallen 83 dividuen einer Art auftreten, welche in irgendeiner Hinsicht etwas anderen Lebensbedingungen unterworfen sind als die übrigen, und wir bezeichnen‘ sie als regulatorische Anpassungen. Da sie nicht vererblich sind, haben sie für die Feststellung von Verwandtschafts- beziehungen keinen Wert und sind daher für ein natürliches System bedeutungslos. Ihnen gegenüber stehen alle jene Merkmale, welche konstant und vererblich sind. Deren Wertigkeit für das natürliche System ist indessen sehr verschieden und bedarf genauer Unter- suchung. Zwei Gruppen lassen sich unterscheiden. Die eine umfaßt. alle Merkmale, welche ähnlich wie die regulatorischen Anpassungen in Beziehungen zu den Lebensbedingungen gebracht werden können, aber bei allen Individuen einer Art vorkommen, also konstant und’ vererblich sind. Die andere Gruppe läßt keine nachweisbaren Bezie- hungen zu den äußeren Lebensbedingungen erkennen, sondern wur- zelt im Wesen des Organismus und stellt organisatorische, Eigen- schaften dar, die auf innerer Verwandtschaft beruhen. Diese organi- satorischen Merkmale bilden für Aufstellung eines natürlichen Systems die gegebene Grundlage. Es ist aber nicht zu verkennen, daß sich zwischen den verschiedenen Kategorien dieser Merkmale Übergänge finden. Von den vererblichen und konstanten Anpassungsmerkmalen wird von nicht wenigen Forschern angenommen, daß sie aus nicht vererblichen, regulatorischen Anpassungen hervorgegangen sind. In- dessen haben wir zu dieser Frage hier nicht Stellung zu nehmen und wollen nunmehr an die Frage herangehen, an einem Beispiel die Me- thiode zu zeigen, welche zur Aufstellung eines natürlichen Systems an- zuwenden ist. Als solches Beispiel wähle ich die Unterklasse der Oktokorallen, welche zusammen mit den Hexakorallen die Klasse der Korallentiere bilden und sich durch den achtstrahligen Bau ihrer Polypen aus- zeichnen. Von alters her werden unter den achtstrahligen Korallen drei Ordnungen unterschieden: die Lederkorallen oder Aleyonarien, die Hornkorallen oder Gorgonarien und die Seefedern oder Pen- natularien, die durch tiefgreifende Unterschiede voneinander ge- trennt sind, vor allem im Bau ihres Skelettes. Allen drei Ordnungen gemeinsam ist das Vorkommen kleiner, miteinander meist nicht ver- bundener Kalkkörperchen. der Skleriten, die in der mittleren Kör- perschicht (Mesogloea) liegen. Bei den meisten Hornkorallen und Seefedern tritt aber außerdem eine innere, hornige, in verschiedenem Maße mit Kalk imprägnierte Achse auf, die den Lederkorallen stets fehlt. Weitere Unterschiede -ergibt der Aufbau ihres Körpers. Die Öktokorallen sind niemals Einzeltiere, sondern stets Kolonien, die sich dadurch bilden, daß aus dem befruchteten Ei eine freischwimmende 8% v 54 Gesamtsitzung vom 20. Januar 1921. — Mitteilung vom 15. Juli 1920 Larve (Planula) entsteht; diese setzt sich nach einiger Zeit am Boden fest und läßt aus ihrem Körper seitliche Kanäle (Solenia) aussprossen. Erst aus diesen entstehen die neuen Polypen, die also mit den älteren stets in Zusammenhang durch die Solenia bleiben. Die Kolonien der Aleyonarien sind entweder lose Aggregate oder durch eine gemeinsame Körpermasse (Cönenchym) verbundene Stöcke, in deren Innerem die je nach der Zeit ihrer Entstehung verschieden hohen Polypenröhren verlaufen. Bei den Gorgonarien sind alle Polypen gleieh- mäßig niedrig und bilden zusammen mit der sie verbindenden Leibes- masse einen flachen Überzug über die innere, meist verzweigte Achse, und bei den Pennatularien, deren Achse stets unverzweigt ist, besteht der Körper der Kolonie aus einem einzigen großen, stark umgebildeten Hauptpolypen, in dessen Wandung ein Röhrennetz von Solenia ver- läuft; aus diesem sprossen die kleineren, sekundären Polypen heraus. Diese Merkmale sind so tiefgreifende, daß sie zur Begründung der drei Ordnungen vollkommen ausreichen. Es erhebt sich nun die Frage nach den verwandtschaftlichen Be- ziehungen der drei Ordnungen wie der Unterklasse der Oktokorallen überhaupt. Von der Paläontologie dürfen wir für unsere Gruppe nicht viel erwarten. Da ein zusammenhängendes Skelett, wie es z. B. unter den Hexakorallen die Steinkorallen besitzen, fast allen Gruppen fehlt, mit Ausnahme der Orgelkoralle (Tubipora) und einer Heliopora genannten Form, sind fossile Funde relativ spärlich, und fast nur von solchen Formen, welche, wie die beiden eben genannten, ein scheinbar äußeres, zusammenhängendes Kalkskelett besitzen, liegt ein etwas reicheres fossiles Material vor. Orgelkoralle und Heliopora sind aber, nach ihrem Kanalsystem zu urteilen, keineswegs altertümliche Formen, und so vermögen auch die paläontologischen Urkunden uns nichts Wesent- liches über die Verwandtschaftsbeziehungen der Oktokorallen zu an- deren Gruppen auszusagen. Aber auch die Entwicklungsgeschichte, der wir in anderen Tier- gruppen so wichtige stammesgeschichtliche Aufschlüsse verdanken, kommt für unsere Unterklasse kaum in Betracht, da der Bau und die Entwicklung der einzelnen Polypen bei den verschiedenen Oktoko- rallen im großen und ganzen der gleiche ist und die Art-, Gattungs- und Familienuntersehiede mehr auf der verschiedenen Art und Weise der Verbindung der Polypen zu Kolonien sowie deren Skelettbildun- gen usw. beruhen. Nur vereinzelt treten im Bau der Polypen Ab- weichungen auf, so z.B. finden sich bei allen Oktokorallen Mesen- terialfilamente auf allen acht Mesenterien, und nur die Xeniiden zeigen ein abweichendes Verhalten, indem bei ihnen nur die beiden dorsalen En RR NP, Kürenruar: Versuch eines natürlichen Systems der Oktokorallen 85 Mesenterien Filamente tragen, die den lateralen und ventralen fehlen. Hier haben wir also ein organisatorisches Merkmal vor ‚ae, das für Klassifikationszwecke zu benutzen ist. Das sind aber seltene Ausnahmen; im allgemeinen sind wir ge- nötigt, das natürliche System auf Grund der vergleichenden Morpho- logie der Kolonien und nicht der einzelnen Polypen aufzubauen. Der Ursprung der Oktokorallen ist vorläufig noch in Dunkel ge- hüllt. Von den drei Ordnungen ist die am wenigsten differenzierte die der Aleyonarien; gegenüber den beiden anderen Ordnungen zeigen sie so viele primitive Züge, daß wir sie, in Übereinstimmung mit wohl allen anderen Bearbeitern der Gruppe, an die Wurzel der Unterklasse stellen können. Allerdings hat man, von der an sich ganz richtigen Überlegung ausgehend, daß die koloniebildenden Formen von Einzel- individuen abstammen müssen, bei den Aleyonarien gelegentliche Funde kleiner isolierter Einzelpolypen als selbständige Formen zu deuten ver- sucht und für sie eine Familie Faimeidae und später sogar eine Unter- ordnung Protoaleyonaria gegründet. Indessen ist es kaum zweifelhaft, daß diese angeblichen Einzelpolypen nur Jugendzustände sich ent- wickelnder Aleyonarienkolonien darstellen. Wir können daher ruhig von diesen Protoaleyonarien absehen und doch an der Stellung der Aleyonarien als primitivster Oktokorallenordnung festhalten. Wenn wir auch über ihren Ursprung nichts wissen, so können wir doch ver- suchen, die verwandtschaftlichen Zusammenhänge innerhalb der Unter- klasse wie der drei Ordnungen zu eniarbleierm, um die Grundlage für ein natürliches System zu erhalten. Es hat nun die eingangs geforderte Erkennen der verschie- denen Wertigkeit der zur Verwendung kommenden Merkmale einzu- setzen. Wichtig sind für uns jene organisatorischen Merkmale, welche keine erkennbaren Anpassungserscheinungen gegenüber der Umwelt darstellen, und um sie aus der Fülle der verschiedenartigen Merkmale herauszufinden, sind zunächst jene festzustellen, die zweifellos als An- passungen an bestimmte Faktoren des Lebensraumes gelten müssen. Diese Anpassungsmerkmale haben für die stammesgeschichtliche Unter- suchung und für die Aufstellung des natürlichen Systems auszuscheiden. Die unbelebten Faktoren des Lebensraumes sollen als leichter fest- stellbar den Vortritt vor den belebten haben. Die physikalischen und chemischen Lebensbedingungen der Oktokorallen sind an das Medium oder an das Substrat geknüpft. Als Medium hat ausschließlich das Meerwasser zu gelten. In Süßwasser und auch in Brackwasser fehlen Oktokorallen völlig und auch im Meere gedeihen sie nur bei einer bestimmten Höhe des Salz- gehalts. Meeren mit geringerem Salzgehalt. wie z. B. der Ostsee und 56 Gesamtsitzung vom 20. Jauuar 1921. — Mitteilung vom 15. Juli 1920 dem Schwarzen Meere, fehlen sie durchaus. Ein Einfluß auf die Form- gestaltung durch verschiedenen Salzgehalt ist daher nicht nach- zuweisen, ebensowenig wie etwa die verschiedene Durchsichtigkeit des WMeerwassers eine erkennbare Wirkung ausübt. Eine Einwirkung verschiedener Liehtintensität ist nur insofern feststellbar, als die in der Dunkelheit größerer Meerestiefen lebenden Formen im allge- meinen eine einförmigere, vorwiegend violette oder rotbraune Färbung zeigen als die bunter gefärbten Arten des von Tageslicht erreichten Litorales. Als Sonderanpassung, die mit dem Einfluß des Lichtes zu- sammenhängt, mag Erwähnung finden, daß viele litorale Arten in ihrem Innern einzellige Algen beherbergen, die nur bei Belichtung assimi- lieren können und daher Tiefseearten fehlen. Das Auftreten der Algen vermag .die Färbung der Kolonien zu beeinflussen. Bei zwei Gorgo- narienarten (Kunicella verrucosa und Puragorgia arborea) tritt das sehr auffällig in Erscheinung, indem bei ihnen eine rote und eine weiße Farbenvarietät vorhanden ist. Bei der roten Varietät, welche keine Algen enthält, besorgt nach Sruper der Farbstoff die Abscheidung von Sauerstoff, wenn aber im Innern der Kolonie einzellige Algen auf- treten, wird die Sauerstoffproduktion von diesen übernommen, und der auch sonst sehr häufig vorkommende rote Farbstoff schwindet. Die weiße Varietät ist also aus der primitiveren roten entstanden. Von andern physikalischen Faktoren des Mediums sind der mit der Tiefe zunehmende Wasserdruck und die Temperaturunterschiede zu berücksichtigen. Ob der Wasserdruck irgendeine Wirkung in bezug auf Formänderung ausübt, hat sieh nicht feststellen lassen, und ebenso kann man von der verschiedenen Wasserwärme nur aussagen, daß sie zweifellos die horizontale und vertikale Verbreitung der Arten in ganz erheblichem Maße beeinflußt, ohne daß man aber imstande wäre, irgendwelche Merkmale darauf zurückzuführen. Dagegen ist die Zufuhr von Nahrung und von Saure für die Formgestaltung von großer, nachweisbarer Bedeutung. Diese Zufuhr wird im Litoral vorwiegend durch seitliche Wasserbewegungen bewirkt, während im Abyssal die Nahrung als feiner Regen abgestor- bener, planktonischer Mikroorganismen von oben herabsinkt. ein Unter: schied, der sich im Aufbau der Kolonien deutlich ausprägt. Wir haben davon auszugehen, daß allen Kolonien der Oktoko- 'allen das Bestreben nach Oberflächenvergrößerung gemeinsam ist, um einer möglichst großen Zahl von Polypen Platz zu schaffen, da diese allein imstande sind, Nahrung aufzunehmen. Nur die pri- mitivsten Oktokorallen stellen einfache ketten- oder netzförmige Ag- gregate einzelner Polypen dar, wie z. B. die Cornulariiden. Indem sich die gemeinsame Leibesmasse konzentriert, gewinnt die Kolonie ia Ar x Kürentuar: Versuch eines natürlichen Systems der Oktokorallen 87 eine einheitlichere Gestalt und damit erhöhte Individualität. Immer schärfer sondert sich ein an den Untergrund angehefteter, steriler Teil, der Stiel von einem oberen, polypentragenden ab, der seine Oberfläche auf mannigfache Weise vergrößert. So finden wir den polypentra- genden Teil bald als kegelförmige Erhebung oder walzenförmige An- schwellung, als lange unverästelte Rute, als hutpilzartige Verbreite- rung, flach, gewölbt oder mit Lappen- oder Faltenbildung, als flache, krustenartige Ausbreitung oder schließlich in verschiedener Weise ver- ‚ästelt. Bei den durch eine innere Achse gestützten Kolonien der Gor- gonarien führt die Verästelung zu baumartiger Ausbildung. Das Merkmal des äußeren Aufbaues’ der Alcyonarienkolonie ist aber keinesfalls von der Wichtigkeit für das System, welche man ihm bisher zugemessen hat, denn es hat sich gezeigt, daß bei ganz verschiedenen Gruppen unabhängig voneinander gleiche oder doch ähnliche Gestaltungen auftreten können. So finden wir walzenförmige Kolonien bei der Aleyonariengattung Nidalia, aber auch bei Seefedern, so den Cavernularidae und in etwas schlankerer Form bei Gorgo- narien der Familie Driareidae. Scheibenform, die sich mehr oder we- -niger wölben kann, zeigen Sarcophıyton, Anthomastus und Metaleyonium unter den Aleyonarien, in ganz flacher Ausbildung aber auch Kenilla unter den Pennatularien. Lange, unverästelte Ruten kommen inner- halb verschiedener Familien der Gorgonarien vor, wie z.B. bei den Plexauridae, den Gorgonüdae, Gorgonellidae, Chrysogorgüdae und Isididae, ‚aber auch bei Seefedern, wofür die Vörgularüdae das beste Beispiel sind. Flache, krustenartige Ausbreitungen sind bei verschiedenen Al- eyonarien und Gorgonarien bekannt, und auch die baumförmige Ver- ästelung tritt unabhängig voneinander mehrfach auf, so bei Cespitu- /aria in der Familie Xenüdae, bei Aleyonium palmatum, bei den Neph- thyidae, den Telestidae, den Faseicularüdae und besonders ausgeprägt bei den Siphonogorgüdae, die den verästelteten Gorgonarien in ihrem äußeren Habitus auffällig ähneln. Dieses Auftreten ähnlicher Gestal- tungen bei ganz verschiedenen Gruppen zeigt deutlich, daß wir es mit Konvergenzerscheinungen zu tun haben, die zur genetischen Verknüpfung nicht verwendet werden dürfen. Daß hier Anpassungserscheinungen vorliegen, geht aus einem Ver- gleich litoraler und abyssaler Gorgonarien hervor. Die litoralen Gor- gonarien sind vorwiegend in einer Ebene verzweigt, die abyssalen da- gegen allseitig mit regelmäßig angeordneten Ästen. In engstem Zu- sammenhang damit steht die Anordnung der Polypen, die bei den in einer Ebene verzweigten Formen meist in zwei seitlichen Längs- streifen stehen. Da diese Litoralformen dem Untergrund derart ange- wachsen sind. daß ihre Verzweigungsebene im allgemeinen senkrecht Ss Gesamtsitzung vom 20. Januar 1921. — Mitteilung vom 15. Juli 1920 zur vorherrschenden Stromrichtung steht, bildet sich ein Gegensatz ‚der beiden Flächen aus, indem die eine, als Vorderfläche zu bezeich- nende, der Stromrichtung zugekehrt, die Hinterfläche von ihr abge- wendet ist. Auch auf der Vorderfläche können Polypen auftreten, die Hinterfläche dagegen ist- meist völlig nackt. Solehe Formen finden wir besonders am Boden schmaler Meeresstraßen, die von starken, konstanten und aus einer Richtung kommenden Strömungen durch- braust werden. Nun sind aber die Wasserbewegungen im Litoral außer- ordentlich verschiedenartig und dementsprechend ist auch die Gestal- tung der-Kolonien keine einheitliche. Da, wo im Litoral wechselnde Gezeitenströmungen die Herrschaft haben, verwischt sich der Unter- schied von Vorder- und Hinterseite, und die Polypen stehen an der in einer Ebene verzweigten Kolonie allseitig. Unter den Alcyonarien sind es die beiden zur gleichen Familie gehörigen Gattungen Sarcophyton und Anthomastus, welche den Unter- schied von litoraler und abyssaler Formgestaltung besonders deutlich zeigen. Beiden ist eine hutpilzförmige Gestalt zu eigen; hei dem li- toralen. meist dem Flachwasser angehörigen Sarcophyton finden sich aber auf der Pilzscheibe hohe Falten und lappenäbnliche Bildungen, die besonders an den Seiten stark mit kleinen Polypen besetzt sind, so daß die seitlich herangeführte Nahrung gut aufgenommen werden kann. Anthomastus ist dagegen eine Gattung der Tiefsee und die Ober- fläche ihres Polypars ist eine flache oder gewölbte, glatte Scheibe, auf der die sehr großen Polypen zerstreut sitzen. : Ganz besondere Anpassungserscheinungen weisen die in der Bran- dungszone lebenden Kolonien auf. Diese verschiedenen Familien angehörigen Formen haben größtenteils die Eigenschaft gesteigerter Schmiegsamkeit, die ihnen gestattet, jeder Wasserbewegung nachzu- geben. Bei den achsenlosen Formen dieser Zone, wie Anthelia, Xenia, Lithophyton, Renilla u. a., ist der Körper weich und nachgiebig, bei den mit innerer Achse versehenen ist diese meist gänzlich unverkalkt, und die Kolonie elastisch. Doch gibt es auch ein anderes Mittel, um sich vor der Wirkung der Brandung zu schützen, nämlich eine plumpe, massige Ausbildung der Kolonie, wie wir sie z. B. bei Sarcophyton, a und Cavernularia sehen, auch kann sich zum Schutze der Polypen eine feste Kalkhülle ausbilden. wie bei der Orgelkoralle (Tu- bipora) oder in anderer Form bei /leliopora, deren Kalkskelett ähnlich wie bei Steinkorallen eine kompakte Masse bildet, nur mit dem Unter- schied, daß es bei letzteren eine Ausscheidung des Ektoderms nach außen ist, während bei Tubipora wie bei Heliopora die Hartsubstanz von der Mesoglöa ausgeschieden wird. Als eine Wirkung seitlichen Wasser- anpralles. der in wechselnder Stärke wiederkehrt, ist «lie Verschmel- un Ze Kükenwuar: Versuch eines natürlichen Systems der Oktokorallen sy zung benachbarter Stämme, Äste und Zweige einer Kolonie anzusehen, die besonders bei Gorgonarien auftritt und zur Bildung netzförmiger Kolonien führen kann. Diese Maschenbildung bewirkt eine erhebliche Festigung der Kolonie, die dadurch befähigt ist. auch den heftigsten Wogenprall auszuhalten, ohne zu zerreißen. Gleichzeitig wird auch mehr Platz für neue Polypen geschaffen, die vorzugsweise innen im Rahmen der Netzmaschen stehen, wie z. B. beim Venusfächer. Ana- stomosenbildung kehrt bei litoralen Vertretern mehrerer Gruppen unabhängig voneinander wieder, ist also eine Konvergenzerscheinung. Eine weitere eigenartige Anpassung an die Brandungszone ist die schon erwähnte Ausbildung mancher Kolonien zu flachen, krusten- artigen Ausbreitungen, die besonders Steine oder tote Riffkorallen überziehen. Durch die Schaffung einer überaus breiten Ansatzfläche und das Fehlen jeder Erhebung wird auch der stärksten Wasserbewe- - gung Trotz geboten. Es hat sich nun gezeigt, daß in manchen Fällen nur regulatorische Anpassungen einzelner Individuen einer Art vor- liegen, deren Wachstum sonst in die Höhe geht, bei andern dagegen sind es konstante, vererbliche Merkmale. die entweder nur bei ein- zelnen Arten oder bei allen Arten einer Gattung auftreten. Wir haben hier also ein Merkmal vor uns, das bald als individuelle, regulato- rische Anpassung, bald als konstante, vererbliche Eigenschaft auftritt, und zwar nicht nur bei verschiedenen Aleyonarien, sondern auch bei primitiven Gorgonarien, und dem daher in den einzelnen Gruppen eine verschiedene Wertigkeit für das natürliche System zugesprochen wer- den muß. Im allgemeinen herrscht im Litoral seitliche Wasserbewegung vor, doch gibt es auch litorale Bezirke stillen Wassers und wir sehen alsdann die «ort vorkommenden Formen in anderer Gestaltung. So findet sich in dem stillen Wasser der Lagunen von ostasiatischen Ko- rallenriffen eine Gorgonarie, Melitodes variabilis, welehe nicht in einer Ebene verzweigt ist, wie fast alle anderen Arten dieser litoralen Gat- tung, sondern deren Äste nach allen Richtungen durcheinander ge- wirrt sind. Da in solchem stillen Wasser die Gefahr des Zerbrochen- werdens durch Wellenschlag nicht vorhanden ist, sind die Äste sehr zart; starr und zerbrechlich. Ähnliches läßt sich auch bei einigen an- dern Oktokorallen des litoralen Stillwassergebiets feststellen. Vergleichen wir mit diesen physikalischen Faktoren des Mediums im Litoralbezirk diejenigen, welche das Abyssal beherrschen, so müssen wir von Licht, Temperatur und Wasserdruck absehen, da wir nicht wissen, ob und welchen Anteil diese Faktoren an der Formbildung gehabt haben. Dagegen ist von größter Bedeutung das fast gänzliche Aufhören seitlicher Wasserbewegungen in größeren Meerestiefen. Die Yu Gesamtsitzung vom 20. Jauuar 1921. — Mitteilung vom 15. ‚Juli 1920 n Tiefsee ist ein einheitliches, riesiges Stillwassergebiet, und die auf seitliche Wasserbewegungen zurückzuführenden Merkmale fallen bei den Tiefseeformen fort. Dafür treten aber andere auf. Während‘ im Litoral Nahrung und Sauerstoff vorwiegend durch seitliche Strömungen den Kolonien zugetragen werden, erfolgt im Abyssal die Nahrungs- zufuhr von oben her als feiner Regen abgestorbener, kleiner und kleinster Planktonorganismen, die in die Tiefe hinabsinken. Es fehlt der Anlaß zur Aushildung der Kolonie in einer Ebene, die unzweck- mäßig sein würde. Die Verzweigung ist daher eine allseitige, und da keine Richtung vor der anderen bevorzugt zu werden braucht. eine regelmäßige. Hand in Hand damit geht eine regelmäßige Verteilung der Polypen, die vielfach zu einer wirtelförmigen Anordnung wird. Besonders ausgeprägt zeigt sich das bei jenen Formen der Tiefe, welche eine Abnahme der Verzweigung bis zur völligen Un- verzweigtheit zeigen. Diese Erscheinung tritt unabhängig voneinander innerhalb verschiedener Familien auf, ist also eine Konvergenzerscheinung und hängt jedenfalls zum Teil mit einer Größenzunahme der einzelnen Polypen zusammen. Solche große Polypen finden wir bei den Aleyo- narien in den größere Tiefen bewohnenden Gattungen (Clavularia, Telesto und Anthomastus, bei den Gorgonarien sind es die abyssalen Primnoidar, ferner die Gattungen Ceratoisis und Radieipes und von See- federn die Gattungen Anthoptilum, Chunella und Umbellula, alles Tief- seeformen. Vielleicht beruht diese Größenzunahme der Polypen auf dem größeren Volumen der herabsinkenden Nahrungsballen. Jeden- falls ersehen wir daraus, daß auch bei den Tiefseeoktokorallen im Auf’bau der Kolonie einige Merkmale wiederkehren, die auf Anpassungen zurückzuführen sind, und die nicht zu phylogenetischen Verknüpfungen und also auch nicht für das natürliche System verwandt werden können. Im Zusammenhang mit der Größenzunahme der Polypen steht der Schwund ihres Retraktilitätsvermögens wenigstens bei der Ordnung der Gorgonarien, deren die Achse umkleidende Leibesmasse bei den meisten Tiefseeformen einen äußerst dünnen Überzug bildet, so daß schon aus diesem Grunde ein Zurückziehen der Polypen ins Innere ausgeschlossen ist. Der damit verbundenen Gefahr des Gefressen- werdens durch Feinde suchen die Polypen der abyssalen Formen durclı Ausbildung eines starken, schützenden Polypenskelettes zu begegnen, das entweder eine diehte Panzerung mit oft stachelbewehrten Schuppen oder Platten darstellt, oder aus langen, vorragenden Kalknadeln be- steht. Wirksamer scheint allerdings die Fähigkeit des Zurückziehens der Polypen zu sein, denn bei fast allen jenen abyssalen Formen, welche ein reichliches, diekes Cönenehym haben, das die Polypen aufzunehmen vermag. ist diese Retraktilität vorhanden, wofür Antho- a ET a Kürsyınar: Versuch eines natürlichen Systems der Oktokorallen 91 mastus und Umbelhula als Beispiele gelten können. Zwischen der Fähig- keit, die Polypen zurückzuziehen, und ihrer Bewehrung finden. sich übrigens interessante Korrelationen. Es gibt Litoralformen, so die zahlreichen Arten der Gattung Dendronephthya, welche ihre freien Po- lypen nicht zurückziehen können, da deren Köpfchen im Winkel zu dem schmaleren Polypenstiele geneigt sind. Bei diesen ist aber ein Schutz durch ein Bündel stacheliger Skleriten vorhanden, die bei den in größerer Tiefe lebenden Formen weit vorragen können, während sie bei den noch im Bereich des Wellenschlages vorkommenden viel kürzer sind. Diese feinen, dünnen Nadeln wären der Gefahr des Zerbrochen- werdens ausgesetzt. wenn sie bei den Dendronephthyen des oberen Litorales weit vorragen würden. Bei den Formen des Litorales, besonders den in der Brandungs- zone lebenden ward einer großen Schmiegsamkeit und Elastizität Er- wähnung getan, die eine Anpassungserscheinung an die starke Wasser- bewegung darstellt. Im stillen Wasser dagegen tritt ein Starrerwerden ein, wie wir schon im Lagunenwasser von Korallenriffen gesehen haben. Die gleiche Erscheinung findet sich in größeren Tiefen. Hier tritt sie schon bei Bewohnern des tieferen Litorales auf, wie z. B. bei Siphonogorgia und Nephthuyigorgia. Besonders ausgeprägt zeigt sie sich bei den mit Achsen versehenen Formen. Indem sich der Kalkgehalt der Achse vermehrt. wird die Kolonie befähigt, sich in dem unbewegten Tiefen- wasser hoch über den Boden zu erheben und bei eroßer Schlankheit eine beträchtliche Höhe (bei Umbelhula weit über 2 m) zu erreichen. Auch bei jenen Hornkorallen, welche eine gegliederte Achse besitzen, sind die abyssalen Formen starrer als die litoralen, indem bei ihnen die Kalkglieder sehr lang werden, während umgekehrt bei den litoralen Formen die Kalkglieder kurz. die Hornglieder länger sind, wie z.B. bei Mopsea. Die bis jetzt geschilderten physikalischen Lebensbedingungen sind an das Medium gebunden. und es sind nun noch jene zu untersuchen, welehe an das Substrat geknüpft sind. Das Substrat ist fast aus- nahmslos der Meeresboden: nur ‚einige wenige Formen, so 'Telesto- arten, gibt es, welche sich an hölzernen Bollwerken ansiedeln können. Von einer Anheftung von Oktokorallen an fahrende Schiffe ist dagegen bis jetzt nichts bekannt geworden. Von den Eigenschaften des Meeres- bodens, welche für die Oktokorallen von Bedeutung sind, kommt in erster Linie der Konsistenzgrad in Betracht. Entweder ist der Boden hart, aus Steinen oder Fels bestehend, oder er ist weich und dann sandig oder schlammig. Dementsprechend ist die Befestigung der Oktokorallen an ihrem Untergrund verschieden. Auf hartem Grunde sind die Kolonien festgewachsen, indem sie meist eine verschieden 92 Gesamtsitzung vom 20. Januar 1921. — Mitteilung vom 15. Juli 1920 breite Fußscheibe ausbilden, die mit dem Untergrunde innig verbunden ist. ‚In der Brandungszone wird für besonders starke Befestigung da- durch gesorgt, daß von der Fußscheibe der Kolonie noch lamellen- artige Fortsätze ausgehen können. welche die Kolonie fest verankern. Anders verhalten sich die Formen des weichen Untergrundes. Alcyo- narien und Gorgonarien bilden hier lange und dünne wurzelartige Aus- läufer ihrer Basis. die oft sehr stark verzweigt sind, während die Pennatularien mit ihrem Stiele stets lose in dem weichen Untergrunde stecken, auf dem sie ausschließlich vorkommen; sie können, um sich zu befestigen, am Stielende eine blasige Auftreibung bilden. zu der sich, da wo der Stiel aus dem Untergrunde heraustritt, eine spindel- förmige gesellen kann. Für die Pennatularien kann man als durech- greifendes Merkmal sehr wohl angeben, daß sie niemals festgewachsen sind, für Aleyonarien und Gorgonarien läßt sich aber nur sagen, «aß sie im allgemeinen festgewachsen sind, daß aber Ausnahmen vor- kommen. So gibt es eine japanische Nidalia, die ähnlich wie die See- federn, mit ihrem zugespitzten Stielende lose im weichen Untergrunde eingesunken ist, und unter den Gorgonarien ist eine südchinesische Art Solenocaulon simplex durch ein spatelartig verbreitertes Stielende ausge- zeichnet, welches lose im Schlamm steckt. Außerdem kennen wir zahl- reiche auf Sand und Schlamm angesiedelte Gorgonarien mit wurzelartigen Ausläufern des Stielendes, gelegentlich auch mit sackartigen Bildungen. Wir haben bis jetzt nur die Wirkungen der unbelebten Faktoren des Lebensraumes kennengelernt, es haben aber auch belebte Fak- toren auf die Organisation der von uns in den Mittelpunkt unserer . Erörterung gestellten Tiergruppe eingewirkt. Allerdings wissen wir von solehen Einwirkungen bis jetzt nur recht wenig. Als Beispiel können wir die eigenartige Umbildung anführen, welche durch den dauernden Aufenthalt von gewissen Anneliden (meist Polynoiden) an , den Stämmen und Ästen von Gorgonarien hervorgerufen wird. Es wird dadurch das Wachstum der Zweige in der nächsten Umgebung des Anneliden insofern beeinflußt, als diese sich laubenartig über ihn zusammenschlagen und sogenannte Wurmgänge bilden können. Diese Wurmgänge finden sich sowohl bei gewissen Primnoiden der Gattung Thouarella wie auch bei einem Vertreter der Acanthogorgiiden (Acantho- gorgia inerustata). sind also unabhängig voneinander. entstandene regu- latorische Anpassungen. Bei ein paar Arten der Gattung Stenella bilden‘ anstatt der Zweige riesig vergrößerte, gewölbte, schuppenartige Rinden- und Polypenskleriten eine schützende Decke über den Anne- liden. Auch die hohlrinnenartige Finbiegung mancher Gorgonarien- stämme, die bei ganz verschiedenen Arten auftritt, wird auf die Ein- wirkung epizoisch lebender Tiere zurückgeführt. Fr Er 3 WE Da a u Kürenseuan: Versuch eines natürlichen Systems der Oktokorallen 93 Gallenbildungen, die durch die Ansiedelung von (irripedien auf Gorgonarienstöcken hervorgerufen werden, kommen ebenfalls bei verschiedenen Gattungen und Familien angehörenden Formen vor, und schließlich kann durch die Anwesenheit im Inneren von Polypeu lebender. kleiner parasitischer Krebstiere eine erhebliche Vergrößerung der davon befallenen Polypen hervorgerufen werden. Hierher gehören auch die Änderungen, welche dureh Feinde der Oktokorallen hervorgerufen werden, und welche sich in Schutzvor- richtungen, wie Retraktilität der Polypen und starke Bewehrung, äußern: doch ist uns darüber noch zu wenig bekannt. Jedenfalls aber können wir feststellen, daß wie bei anderen .Tier- gruppen so auch bei den Oktokorallen eine große Anzahl belebter , und unbelebter Faktoren ihres Lebensraumes auf ihre Organisation eingewirkt haben, und es ist eine Aufgabe für sich, auf experimentellem Wege die dadurch entstandenen Anpassungen daraufhin zu unter- suchen, ob sie nur regulatorische individueller Art oder vererbliche sind. Beide Gruppen von Anpassungen gehen zweifellos vielfach in- einander über. Auf die als Anpassungen erkannten Merkmale kann sich ein natürliches System nicht aufbauen. Sie lassen sich meist schon daran erkennen. daß sie unabhängig voneinander in gleicher Weise bei ver- schiedenen Gruppen auftreten, also Konvergenzerscheinungen dar- stellen. Für phylogenetische Verknüpfungen sind sie bedeutungslos und scheiden daher für diesen Zweck aus. Es bleiben also nur die organisatorischen Merkmale übrig. bei denen ein Einfluß der äußeren Faktoren des Lebensraumes nicht nachweisbar ist, und deren gleich- artiges Auftreten bei verschiedenen Formen ein Zeichen innerer Ver- wandtschaft ist. Auch diese Merkmale sind von verschiedener Wertig- keit für das natürliche System und sind entweder nur als Art- merkmale oder als solehe von Gattungen oder höheren Kategorien einzuschätzen. Auf diese Merkmale allein kann sich das natürliche System gründen. In den Vordergrund stellen wir das Merkmal des inneren Auf- baues der Kolonie. Allen Oktokorallen gemeinsam ist die Bildung von Tierstöcken durch Knospung. die niemals direkt aus dem Körper des Mutterpolypen, sondern stets indirekt durch Aussendung von Kanälen erfolgt, aus denen die neuen Polypen wachsen. Das geschieht auf verschiedene Weise, wie wir an der ausgebildeten Kolonie durch die ein Kanalsystem darstellenden Verbindungen der Polypen feststellen können. Besonders bei den Aleyonarien ist eine stufenweise Aus- bildung des Kanalsystems vorhanden, die ein sehr wichtiges, für die Abgrenzung der Familien in Betracht kommendes Merkmal bildet. 94 (Gesamtsitzung vom 20, ‚Januar 1921. — Mitteilung vom 15. Juli 1920. Während bei den ursprünglichen Aleyonarien die Einzelpolypen einer Kolonie noch eine weitgehende Selbständigkeit haben, wird dureh die Schritt für Schritt erfolgende Ausbildung einer gemeinsamen Leibes- masse, welche Polypen und Solenia bis auf‘ die freien Polypenenden einhüllt, eine Vereinheitlichung der Kolonie herbeigeführt. die immer mehr zu einem Individuum höherer Ordnung wird. während ihre Einzelpolypen auf die Stufe von Organen herabsinken, was durch ein- tretende Arbeitsteilung noch gefördert wird. Die verschiedenen Stadien dieses Vorganges lassen sich bei den einzelnen Familien der Aleyonarien sehr schön feststellen. Die einfachste Stufe stellen die ketten- oder rasenförmig ausgebreiteten Kolonien der Cornularüdae dar, deren mehr ‚oder weniger weit voneinander entfernte Einzelpolypen durch basale Ausläufer zusammenhängen. In diesen Ausläufern (Stolonen) verläuft entweder nur je ein Verbindungskanal, oder es tritt ein Netzwerk von Kanälen auf. Die Ausläufer können zu Platten verschmelzen, aus denen sich die Einzelpolypen erheben. es kann aber auch. zur Aussendung neuer seitlicher Ausläufer kommen, die in verschiedenen Höhen über den basalen liegen und ihrerseits auch wieder neue Po- lypen hervorknospen lassen. Diesen Zustand repräsentiert Olavularia viridis. Auch diese höher gelegenen Ausläufer können zu Platten verschmelzen wie bei Tubipora, bei der als besonderes Merkmal noch eine Verschmelzung der Skleriten hinzutritt. Ein ähnliches Kanal- system haben auch die fossilen Gattungen Syringopora. Syringolithes und Favosites besessen. Eine gemeinsame Leibesmasse, welche Polypen und Solenia einhüllt, tritt zunächst bei den Arenüdae auf, deren Skleriten- form es wahrscheinlich macht, daß sie aus der Gattung Anthelia der Cornulariiden entstanden sind. An die Xenöidae schließen sich die Aleyonüdae an, aus denen die Nephthyidae hervorgegangen sind mit den Abzweigungen der Siphonogorgüdae und Fascicularüidae. Als unter- scheidendes Merkmal kommt die verschiedenartige Verteilung der Polypen in der Kolonie, ferner die verschiedene Grundform der Skleriten und als Besonderheit der Fascieulariiden die Fähigkeit des Zurück- ziehens des polypentragenden, oberen Teiles «der Kolonie in den sterilen, unteren in Betracht. Scheinbar ganz anders ist die Familie der Telestidae aufgebaut, deren Kolonien aus einzelnen langen Polypen bestehen, von denen die jüngeren aus der Wand der älteren hervorsprossen, entweder aus einem großen Axialpolypen wie bei Telesto, oder sympodial wie bei Pseudo- chladoconus. Aber auch bei dieser Familie ist die Knospung neuer Polypen eine indirekte wie bei den anderen Oktokorallen, nur mit dem Unterschiede, daß das Netz von Solenia. welches den neuen Polypen den Ursprung gibt, in der Wandung des Mutterpolypen entlang zieht. Röresrnarn: Versuch eines natürlichen Systems der Oktokorallen 5 Außerdem kommen aber auelı noch basale Stolonen vor, in ganz der gleichen Weise wie bei den Gornulariiden, die als Vorfahren der Telestiden anzusprechen sind. bagegen ist die Familie der Helioporidae ganz isoliert, die schon durch den Besitz eines massiven, aus Lamellen krystallinischen Kalkes bestehenden Skelettes von allen anderen Aleyonarien unterschieden sind. Indessen ist dieses Skelett nicht ein Exoskelett wie das der Steinkorallen, sondern, wie schon erwähnt, «eine mesogloeale Bildung, hat also gleiche Entstehung wie die den Helioporiden fehlenden, allen anderen Alcyonarien aber zukommenden Skleriten. In ihrem Kanal- system zeigt Heliopora schwache. Anklänge an die Xeniiden, indem bei beiden ein äußeres, die Polypen verbindendes Kanalnetz und ein inneres Kanalsystem vorhanden ist, das sich bei beiden in Form vertikaler Röhren zwischen den Polypenröhren hinzieht. Bei Heliopora sind diese Röhren nur kurz und endigen blind, bei «len Xeniiden sind sie lang. gehen bis zur Basis und verbinden sieh hier mit den basalen Solenia. Inwieweit diese Ähnlichkeiten im: Bau des Kanalsystemes auf Ver- wandtschaft beruhen, steht dahin. Gewisse fossile Formen scheinen den Helioporiden nahezustehen. Für die Aufstellung eines natür- lichen Systemes der Aleyonarien ist also das Kanalsystem ein in erster Linie zu berücksichtigendes Merkmal, dessen verschiedenartiger Aufbau die verschiedenen Stufen der Koloniebildung erkennen läßt. Kaum weniger wichtig ist aber die verschiedene Ausbildung des Skelettes. Die tiefe Kluft zwischen den mit massivem Kalkskelett versehenen Helioporiden und allen anderen Aleyonarien, die ein mesogloeales Stückelskelett besitzen, muß zu allererst im System zum Ausdruck ge- bracht werden, dann sind aber auch die Grundformen der Skleriten für die einzelnen Familien kennzeichnend und auch die Art ihrer Ver- teilung im Inneren der Kolonie ist heranzuziehen. Diese für die Aufstellung eines natürlichen Systemes der Aleyo- narien maßgebenden Gesichtspunkte können bei der Ordnung der Gorgo- narien nicht ohne weiteres Verwendung finden. Vor allem ist das Kanalsystem bei den Gorgonarien zur Unterscheidung größerer Gruppen nicht verwendbar, da dieses bei ihnen viel einheitlicher gestaltet ist. Das Kanalsystem haben die Gorgonarien von ihren Vorfahren über- nommen, die in der Aleyonarienfamilie der Aleyoniiden zu suchen sind. Hier sind es gewisse Arten mit membranös ausgebreiteter, inkrustieren- der Wuchsform, welche Gorgonarien und Aleyonarien miteinander ver- binden. Die Entwickelung hat man sich so vorzustellen, daß vom Rande der flach ausgebreiteten Kolonie freie Ausläufer ausgingen, die sich rinnenartig einbogen, um sich dann zu Röhren und schließlich zu soliden Stämmen zu schließen. Für jedes (dieser Stadien liegen Beweisstücke y { \ 6 Gesamtsitzung vom 20. Januar 1921. — Mitteilung vom 15. Juli 1920 in Gorgonarienarten vor, die aufeiner dieser verschiedenen Entwickelungs- stufen stehengeblieben sind. Aus dieser Entstehung erklärt es sich, daß alle Gorgonarien ausnahmslos nur kurze Polypen aufweisen, es wird aber ferner auch verständlich, daß ihr Kanalsystem auf das membranös ausgebildeter Aleyoniiden zurückzuführen ist. Eine Weiter- entwickelung erfolgt nur insoweit, als sich ein tiefer gelegenes System größerer Längskanäle von einem oberflächlichen Netzwerk feinerer Kanäle sondert. Die in den einzelnen Familien zu beobachtenden Unterschiede des Kanalsystemes sind aber zu geringfügig, als daß sie für eine klassifikatorische Trennung in Betracht kommen könnten. Dafür tritt als wichtigstes unterscheidendes Merkmal die Ausbildung des Skelettes in den Vordergrund. Auch in bezug auf das Skelett ist der Zusammenhang der Gorgo- narien und Aleyonarien ein sehr enger. Ist es doch kaum möglich, eine scharfe-Grenze zwischen beiden Ordnungen zu ziehen. Die Aus- bildung einer inneren Achse erfolgt erst innerhalb der Ordnung, da die primitivsten, flach ausgebreiteten Gorgonarien wie Erythropodium nur eine obere und eine untere Öönenchymschicht aufzuweisen haben, von denen die letztere von einem Netzwerk horniger Fasern durch- zogen ist. Diese Markschicht ko.nmt bei der Einrollung der freien Ausläufer nach innen zu liegen und in ihr bildet sich erst allmählich die Achse auf verschiedene Weise aus. Ursprünglich wurden die Skleriten der Markschicht mit in das Horngeflecht einbezogen und blieben entweder voneinander isoliert, oder wurden durch einen Kitt von Kalksubstanz entweder nur teilweise oder völlig miteinander ver- bunden. Diese Formen faßt man in der Unterordnung der Skleraxonier zusammen. Aus diesen erfolgte eine Weiterentwickelung der Achse in der Weise, daß die Skleriten bis zum völligen Schwunde zurück- treten und die Achse nur noch von Hornsubstanz mit eingelagertem amorphen oder kristallinischen Kalk gebildet wurde. Das ist die Unter- ordnung der Holaxonier. In beiden Fällen ist aber die Achse ein Produkt der Mesogloea. Die Holaxonierachse hat sich also aus der der Skleraxonier entwickelt und nach verschiedenen Richtungen hin weiter differenziert. In dieser bei den einzelnen Gruppen sehr verschiedenen Achsen- struktur haben wir ein wichtiges Einteilungsmerkmal, welches bei der Abgrenzung der Familien in erster Linie zugrunde zu legen ist. Von besonderem Interesse ist es, daß sich in beiden Unterord- nungen unabhängig voneinander eine Achsendifferenzierung in derWeise vollzogen hat, daß die Kalkeinlagerungen in die hornige Achsensubstanz nicht gleichmäßig erfolgen, sondern daß rein hornige Achsenabschnitte mit stark verkalkten Gliedern abwechseln. Bei den Skleraxoniern ist Ku EN IR 1 Bu Küxentuar: Versuch eines natürlichen Systems der Oktokorallen 97 es die Familie der Melitodidae, bei den Holaxoniern die. der Isididae, welche sich durch dieses Merkmal auszeichnen. Die dadurch erzeugte Ähnlichkeit ist so groß, daß Verwechselungen in der Zugehörigkeit von einzelnen Arten zu einer der beiden Familien recht häufig waren. Erst genauere Untersuchung läßt den tiefgreifenden Unterschied er- kennen, daß die Kalkglieder der Melitodidenachse aus verkitteten Skleriten bestehen, während bei den Isididen der Kalk in amorpher oder kristal- linischer Form eingelagert ist. Daß hier eine Konvergenzerscheinung vorliegt, ist um so sicherer, als auch gewichtige Gründe dafür sprechen, daß innerhalb der Familie der Isididen die vier darin unterschiedenen Unterfamilien die Achsengliederung unabhängig voneinander erworben haben, also nicht näher miteinander verwandt sind. Ist dem so, dann ist die Familie der Isididen keine natürliche, sondern eine künstliche und müßte eigentlich aus einem natürlichen System verschwinden. Wenn wir sie trotzdem beibehalten, so geschieht das nur aus praktischen Gründen. Wir haben also hier einen Fall vor uns, wo das Prinzip des natürlichen Systems, sich auf Verwandtschaftsbeziehungen zu grün- den, nicht voll aufrechterhalten werden kann, da sonst die Brauch- barkeit des Systems leiden würde. Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal liefert uns die verschiedene Form der Skleriten, welche sich in der Rindenschicht finden, und auch die Anordnung der obersten Polypenskleriten zu einem deckelartigen Gebilde, welches über der Mundscheibe eingeschlagen werden kann, ist für die Familie der Muriceidae und in etwas anderer Form für die Primnoidae. charakteristisch. Wir können uns die Verwandtschaftsbeziehungen der einzelnen Familien folgendermaßen vorstellen. An die Wurzel stellen wir die Skleraxonierfamilie der Briareidae, die sich aus flachen, inkrustierenden Aleyonüdae entwickelt haben, der Hauptmasse nach aus erythropodium- ähnlichen Vorfahren, in den zwei Gattungen Anthothela und Paragorgia allem Anschein nach aus den Aleyoniidengattungen Gersemia und Antho- mastus, die ebenfalls Neigung zu krustenartiger Verbreiterung ihrer Kolonien haben. Innerhalb der Familie Briareidae kam es zu der schon geschilderten Aussendung von Ausläufern, die sich rinnenartig ein- bogen, dann zu Röhren wurden (Solenopodium) und schließlich zu soliden Stämmen verschmolzen. Indem die Skleriten der Markschicht durch teilweise oder völlige Verkittung mit Kalksubstanz eine Achse aus- bildeten, entstanden die Familien der Suberogorgüdae und Corallüdae, während die Melitodidae eine Gliederung ihrer Achse erwarben. Von den Hölaxoniern hat sich die Familie der Gorgonüdae direkt aus den Suberogorgüdae entwickelt, die anderen Familien sind aber aus Briareiden entstanden, zunächst die Plexauridae, aus denen die Mwuriceidae mit Sitzungsberichte 1921. 9 8 Gesamtsitzung vom 20. Januar: 1921. — Mitteilung vom 15. Juli 1920 den Acanthogorgüidae sowie den Gorgonellidae sich abzweigten. Letztere gaben wohl den Chrysogorgüdae den Ursprung, während die Muriceidae wahrscheinlich die Primnoidae entstehen ließen. Die mit Achsengliederung versehenen Isididae setzen sich aus Formen zusammen, die teils den, Plexauriden, teils den Primnoiden und teils den Gorgonelliden ent- stammen. Auf diese Verwandtschaftsbeziehungen hat ein natürliches System der Ordnung in erster Linie Bedacht zu nehmen. - Über den Ursprung der dritten Ordnung, der Pennatularien oder Seefedern, ist bis jetzt nichts Sicheres bekannt, nur muß man an- nehmen, daß sie sich nicht aus Gorgonarien, sondern aus Aleyonarien entwickelt haben. Dafür spricht schon der grundverschiedene Aufbau der Seefederkolonie, die stets aus einem großen Primärpolypen besteht, aus dessen Wand durch Vermittelung von Solenia kleinere sekundäre Polypen heraussprossen. Sie ähneln darin manchen Aleyonarien, so den Telestiden, indessen sind zwischen Telestiden und Seefedern so tiefgreifende Unterschiede vorhanden, daß man die Ähnlichkeit in der Koloniebildung nur als Konvergenzerscheinung auffassen kann. Dafür sprieht auch, daß noch bei einer dritten Gruppe, den Fascieulariiden, die den Nephthyiden nahestehen, die gleiche Koloniebildung dureh seitliche Aussprossungaus derWand des Primärpolypen unabhängig entstanden ist. Der Besitz einer inneren Achse, die fast allen Seefedern zukommt, darf nieht dazu verleiten, sie mit den ebenfalls achsentragenden Gorgo- narien in näheren Zusammenhang zu bringen, denn die primitivsten Seefedern sind achsenlos, und erst mit der Umbildung zu längeren, schlankeren Gestalten tritt eine Achse als eine stets unverzweigte Stütze auf, so daß also die Achsenbildung bei Gorgonarien und bei Pennatularien eine Konvergenzerscheinung darstellt. Vielleicht trifft Hıcxsoxw das Richtige, der sich kürzlich dahin " äußerte, daß der Vorfahr der Seefedern eine Aleyonarienform gewesen sei, die ihr pelagisches Larvenleben verlängerte, bis seitliche Aus- sprossungen sekundärer Polypen erfolgten. Die radiale Symmetrie der primitiven Seefedern ließe sich dadurch am ungezwungensten erklären. Doch ist das nur eine Vermutung, für welche Beweise nicht vorliegen, und wir können nur sagen, daß bis heute der Ursprung der See- federn im Gegensatz zu dem der Gorgonarien noch im Dunkeln liegt. Innerhalb der Ordnung ist dagegen eine Aufhellung der Verwandt- schaftsbeziehungen der einzelnen Gruppen möglich gewesen. Als Haupt- merkmal hatten wir bei den Aleyonarien die Koloniebildung und das auf dieser basierende Kanalsystem, bei den Gorgonarien das Skelett, insbesondere den Bau der Achse in den Vordergrund gestellt, bei den Pennatularien aber versagen beide. Kürentenar: Versuch eines uatürlichen Systems der Oktokorallen 90 Das Kanalsystem ist bei allen Seefedern im großen und ganzen das gleiche und besteht aus vier inneren Hauptkanälen, von denen zumindest die beiden medianen aus dem Gastralraum des Primärpolypen entstanden sind, sowie aus einem damit in Verbindung stehenden peri- pheren Kanalnetz. Die Abweichungen in Bau und Anordnung dieses Kanalsystemes sind bei den einzelnen Gruppen zu unbedeutend, als daß sie zur Klassifikation verwandt werden 'könnten. Auch das Skelett kann nicht als Einteilungsmerkmal für größere Gruppen gelten, denn die Skleriten haben eine zu gleichartige Form, und die hornige, stets unverzweigte Achse ist ebenfalls zu wenig diffe- renziert. Es bleibt daher nur ein Merkmal übrig, das bei den beiden anderen Ordnungen zur Aufstellung eines natürlichen Systemes sich als un- geeignet erwiesen hat, das ist der äußere Aufbau der Kolonie. Die Seefedern haben vor Aleyonarien und Gorgonarien eine weitgehende Vereinheitlichung ihrer Kolonie voraus. Ihr Körper besteht der Haupt- sache nach aus einem großen, umgewandelten Primärpolypen, der seitliche Sekundärpolypen heraussprossen läßt, die aber nur noch geringen In- dividualitätsgrad zeigen und mehr als Organe zu werten sind. Das Merkmal des äußeren Aufbaues ist daher bei den Seefedern vorwiegend ein organisatorisches. Zwei Unterordnungen lassen sich unterscheiden, je nachdem die sekundären Polypen einzeln und direkt vom Körper des Primärpolypen entspringen (Sessiliflorae) oder an der Basis ver- einigt sind und auf Polypenträgern stehen (Subselliflorae). An die Wurzel der Ordnung sind die radialsymmetrisch gebauten Formen. zu stellen, wie sie uns in- der Familie der Veretilidae gegen- übertreten. In der Gestalt ihrer gürtelstabähnlichen Skleriten schließen sich die einfacheren Formen wie Lituaria den Aleyonarien und zwar den Aleyoniiden an. Erst innerhalb der Familie tritt Achsenbildung auf, die den ebenfalls primitiven Echinoptilidae und Renillidae gänzlich fehlt. Bei den Echinoptiliden erscheint in der walzenförmigen Kolonie ein polypenfreies ventrales Feld, und bei den Renilliden bildet der polypentragende Teil der Kolonie ein dünnes Blatt, das nur auf seiner Oberseite Polypen trägt, während die nackte Unterseite dem polypen- freien, ventralen Felde der Echinoptiliden entspricht. Während diese beiden Familien mehr Seitenzweige darstellen, hat sich aus den Vere- tilliden die große Gruppe der bilateral gebauten, schlankere Formen aufweisenden Seefedern entwickelt; zunächst die Kophobelemnidae, an die sich die Familien der Protoptilidae und Anthoptilidae anschließen. Aus ersteren mögen die Funiculinidae und die Stachyptilidae entstanden sein; die Pavonarünae und Virgularüinae sind aus Stachyptilidae entsprossen, aus denen auch die Prnnatulidae entstanden sind, während die Pfe- 10V. Gesamtsitzung vom 20. Januar 1921. — Mitteilung vom 15. Juli 1920 roeididae aus der zu den Virgulariinen gehörigen Gattung Stylatula ent- standen sind. “ a: $ Ein besonderer Zweig sind die Seefedern mit wirtelförmig angeord- neten Polypen. Als Ausgangspunkt sind bilaterale Formen, die den Pro- toptilidae nahestanden, anzusehen. In aufsteigender Folge entwickelten sich daraus die Familien der Scleroptilidae, Chunellidae und Umbelhulidae. Eine eingehendere Begründung der hier nur skizzenhaft vorge- führten stammesgeschichtlichen Entwickelung der drei Ordnungen der Oktokorallen ist in früheren Arbeiten, insbesondere den monographischen Charakter tragenden Bearbeitungen der Alcyonarien (1906), Pennatularien (1911) und Gorgonarien (1919) der deutschen Tiefseeexpedition ent- halten. Auf dieser Grundlage läßt sich ein natürliches System auf- bauen, wie ich es in folgendem vorführen will. ‘ System der Oktocorallia. Erste Ordnung: Alcyonaria, Lederkorallen. Ohne inneres Achsenskelett, mit verschieden langen Polypen. Il. Das Skelett besteht nur aus Skleriten. A. Die Kolonien sind durch Stolonen verknüptie Polypenaggregate. tr. Die Solenia liegen außerhalb des Polypenkörpers. > a. Die Skleriten sind isoliert. 1. Familie: Cornulariidae. b. Die Skleriten sind zu Röhren und Platten verschmolzen. 2. Familie: Tubiporidae. 2. Die Solenia liegen in dem Mauerblatte der Polypen. 3. Familie: Telestidae. B. Die Polypen sind durch eine gemeinsame Cönenchyinmasse verbunden. ı. Mesenterialfilamente’ kommen nur auf den beiden dorsalen Mesenterien vor. Die Skleriten sind biskuit- oder scheibenförmig. 4. Familie: Xenirdae. 2. Sämtliche Mesenterien tragen Filamente. a. Die Polypen sind annähernd gleichmäßig auf der Obertläche der Kolonie verteilt. Die Grundform der Skleriten ist der Gürtelstab und die Gürtelspindel. 5. Familie: Aleyonitidae. b. Die Polypen sind in Bündel zusammengefaßt. Die Grundtorm der Skleriten ist die bedornte Spindel. aa. Der polypentragende Teil der Kolonie ist nicht in den sterilen zurückziehbar. aaa. Die Skleriten sind annähernd gleichmäßig verteilt. 6. Familie: Nephthyidae. bbb. Die Skleriten sind im Innern der Stämme und der Achse dicht angehäuft. 7. Familie: Siphonogorgridar. bb. Der polypentragende Teil der Kolonie ist teilweise oder gänz- lich in den sterilen zurückziehbar. 8. Familie: Fasciculariidae. Il. Das Skelett besteht aus Lamellen kristallinischen Kalkes. Skleriten fehlen. 9. Familie: Hebioporidae KürenrmaL: Versuch eines natürlichen Systems der Oktokorallen ‚101 Zweite Ordnung: @orgonaria. Hornkorallen. Mit innerem Achsenskelett von horniger und kalkiger Substanz, mit gleich- mäßig kurzen Polypenröhren. II. Das Achsenskelett besteht aus Skleriten, die durch Horn- oder Kalksubstanz verkittet sind: Erste Unterordnung: Seleraxonia. A. Die Suse = inneren Schicht sind nur von Hornsubstanz umscheidet. . Familie: Briareidae. an De Skleriten er inneren Schicht sind durch Kalksubstanz verkittet. . Die Achse ist nicht gegliedert. a. Die Skleriten der Achse. sind nur mit ihren seitlichen Fortsätzen ver- kittet. 2. Familie: Suberogorgüidae. ‘b. Die Skleriten der Achse sind völlig zu einer festen Kalkmasse verkittet. 3. Familie: Corallüdae. :2.. Die Achse ist in abwechselnde hornige und kalkige Abschnitte gegliedert. 4. Familie: Melitodidae. ‘II. Die Achse besteht aus horniger Substanz, in welche Kalk in verschiedenem Maße und verschiedener Verteilung eingelagert sein kann. Skleriten fehlen der Achse oder kommen nur gelegentlich vor. Zweite Unterordnung Holazonia. A. Die Achse ist ungegliedert. AA. Der Zentralstrang ist,weich und gekammert. r. Die Achsenrinde enthält Zwischenräume im Querschnitt von Fächerform. a. Die Polypen haben keinen Deckel. aa. Die Polypen sind in Kelche zurückziehbar. 5. Familie: Plexauridae. b. Polypenkelche fehlen; die, Pulypen sind et zurückziehbar. 6. Familie: Acanthogorgüidae. b. Die Polypen sind mit einem Deckel versehen. 7. Familie: Muriceidae. 2. Die Achsenrinde ist nicht ‚gefächert. 8. Familie: Gorgonitidae. BB. Der Zentralstrang ist verkalkt und nicht gekammert. ı. Die Achsenrinde besteht aus Lamellen, die in gewellten Kreislinien verlaufen; die Skleriten haben Schuppenform. 9. Familie: Primnoidae. 2. Die Lamellen der Achsenrinde sind in glatten, konzentrischen Kreisen angeordnet. a. Die Skleriten sind Doppelkugeln und Doppelspindeln. 10. Familie: Gorgonellidae. b. Die Skleriten sind abgeflachte Stäbe und Platten. tr. Familie: Ohrysogorgirdae. ıB. Die Achse ist in abwechselnde hornige und kalkige Abschnitte _gegliedert. 12. Familie: /sichdae. Dritte Ordnung: Pennatularia, Seefedern. Meist mit innerem, stets unverästeltem Achsenskelett. Die Kolonie besteht aus einem großen, umgewandelten Hauptpolypen und seitlich aus dessen Wand entsprossenen, kleineren, sekundären Polypen. ‘I. Die Polypen entspringen einzeln und direkt vom .Kiele: Erste 'Unterord- nung Sessiliflorae. A. Sektion: Pennatulina radiata. Polypen radiär von allen Seiten des dicken, :walzen- oder »keulenförmigen Kieles entspringend. Sitzungsberichte 1921. 10 . EN, 7 ©. Sektion: Pennatulina biserialia. 102 Gesactsihhk vom 20. ee: 1921. = Mieitung vom . Ohne äußere Bilateralität; Polypen ohne Kelche; ‚Skleriten. stab- N, i Folk B Pe, ? 1. Familie: Veretillidäe. BR i 2. Mit Spuren äußerer Bilateralität; Eolpeu mit Kelchen; Skleriten drei- flügelige Nadeln. 2 2. Familie: Echinoptilide. MENT 9 Fe B. Sektion: Pennatulina foliata. WE Der polypentragende Teil ist dorsoventral abgeplattet und blattförmig' ver-. T » breitert; die Polypen stehen nur auf der dorsalen Fläche. h ERS . 3. Familie: Kenillidae. “ Die Polypen stehen seitlich am langgestreekten Kiele. 1. Polypen ohne Kelche. a. Polypen mit Skleriten. 4. Familie: Kophobelemnidae. b. Polypen ohne Skleriten. br 5. Familie: Anthoptilidae. Be. 2. Polypen mit Kelchen. y a Re a. Kelche gleiehmäßig gebaut. 6. Familie: Funiculinidae. b. Kelche schief gebaut. aa. Die Polypen stehen in seitlichen Längsreihen. SR 7. Familie: Protoptilidae. ‚ MN, bb. Die Polyp'n stehen in aufeinanderfolgenden schrägen Reihen u u beiden Seiten des Kieles. re 8. Familie: Stachyptlidae. Be D. Sektion: Pennatulina vertieillata. ee Die Polypen stehen am schlanken Kiel in Wirteln. ; a ni ı. Die Po!ypenwirtel sind über die ganze Länge des Kieles verteilt. 3. a. Die Polypenwirtel stehen eng und sind undeutlich ausgeprägt. En 9. Familie: Seleroptilidar. By - u b. Die Polypenwirtel stehen sehr weit und sind deutlich ausgeprägt. Ä ıo. Familie: Ohunellidae. Bee 2. Die Polypenwirtel sin am freien Ende aa Kieles zu einem SChOpiE ZU sammengedrängt. ı1. Familie: Umbellulidae. II. Die Polypen sind an der Basis vereinigt und stehen in Reihen auf lateralen wulst- oder blattförmigen Polypenträgern. Zweite Unterordnung Subselli- florae. E. Sektion: Pennatulina junciformia. Die Polypen stehen am schlanken, rutenförmigen Kiel auf lateralen Wülsten oder ganz kurzen Blättern. 12. Familie: Virgulariidae. « F. Sektion: Pennatulina penniformia. Die Polypen stehen auf großen, blattförmigen Polen Die Kolonie hat Federform mit dicken Kiel. ı. Die Skleriten sind dreiflügelig; die Polypenträger sind ohne "Siphone- zooide. - 13. Familie: Pennatulidae. 2. Die Skleriten sind 'nadelförmig, nicht dreiflügelig. Die Polypenträger haben Siphonozooide. 14. Familie: Pferoeididae. Ausgegeben am 27. Januar. Berlin, gedruekt in der Reiehsdruckeren DER PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN entliche Sitzung am 27, Januar. (S. 103) ' Löpens: Ansprache. (S. 103) -- Personalveränderungen. (S. 113) © Dien.s+ Bericht des Hmm. Erpuass über die Kayı- und die Leissız-Ausgabe. (S. 114) Eissreis: Geometrie und Erfahrung. (S. 123) whekr Jahresberichte über die akadomischen Unternehmungen und Jahresberichte der Stiftungen. ($. 131) BERLIN 1921 or 1 VERLAG DER AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN i L f} a 2 { FH - a; IN KOMMISSION BEI DER {m VEREINIGUNG. WISSENSCHAFTLICHER VERLEGER WALTER DE GRUYTER U. CO. t 2 Br VORMALS G. J. GÖSCHEN'SCHE VERLAGSHANDLUNG. J.GUTTENTAG, VERLAGSBUCHHANDLUNG. h GEORG REINER. KARL J. TRÜBNER, VEIT U. COMP. us Wissenschn > Abhandlungen bestimtute Mitteilung muß: in einer aka- das druckfertige Manuskriptzugleieh einzuliefern ist. Nieht- " mitglieer haben hierzu die Vermittelung eines ihrem 3 te BrtehNlichen Mitgliedes zu benutzen. N les in den lee 12 Bee ungen“ nicht übersteigen. Yberschreitung dieser Grenzen ist num mit Zustiunnung er (sesamtakadlemie oler der hemeiienden Klasse statt- Be ‚und ist bei Vorlage der Mittdilung ausdrücklich zu beantagen, Läßt der. Unifang eines Manuskripts ver- nuten, daß diese Zustimmung erforılerlich sein werde, so. hat das vorlegende Mitglied ‘es vor dem Einreiehen - von sachkündiger Seite auf seinen mutmaßlichen Umfang im. RK abschätzen zu lassen. - ‘4, ; Sollen einer. Mitteilung Ahdgfaangen im Text oder . auf ‚besonderen Tale beigegeben. werden, so sinil die - Vorlagen dafür (Zeiehnungen, pbotographische Origiual- aufnahmen usw.) gleichzeitig mit dem Manuskript, jedoch auf getrennten Blättern, einzureichen. 2 Die, Kosten ‘der Herstellung ‘der ‚Vorlagen haben in "der Regel die Verfasser zu tragen. Sind diese Kosten aber auf einen erheblichen Betrag zu veransehlagen, so kann die Akademie dazu eine Bewilligung beschließen. Ein ‘darauf geriehteter Antrag ist vor der Herstellung der be- ireffenden Vorlagen mit dem schriftlichen Kostenanschlage eines Sachverstindigen an den vorsitzenden. Sekretar zu riehten, dann zunächst im Sekretariat vorzuberaten und weiter in der, Gesamtakademie zu verhandeln. Die Kosten der Vervielfältigung übernimmt die Alta- demie, Über die voraussichtliche Höhe dieser Kosten ist. — wenn es sich nieht um wenige einfache Textfiguren is handelt —— der Kostenanschlag. eines Sachverständigen h beizufügen, Überschreitet dieser Anschlag tür die er- torderliche Auflage bei den Sitzungsberichten 150 Mark, bei den Abhandlungen. 300 Mark, so ist Vorberatung dureh das Sekretariat geboten. Eee Aus 5 Nach der Vorlegung und Einreichung des vollständigen druckfertigen Manuskripts an den zustähdigen Sekretär oder an den Archivar wird über Aufnahine der Mitteilung in die akademischen Schriften, und zwär,. wenn eines der anwesenden Mit- glieder es verlangt, verdeekt abgestimmt. Mitteilungen von Verfassern, welche nieht Mitglieder der ‘Akademie sind, sollen der. Regel, nach nur in die Sitzungsberichte aufgenommen werden. Beschließt eine Klasse die Aufnahme der Mitteilung eines Nichtmitgliedes in die Abhandlungen, so bedarf‘ dieser Beschluß der Bestätigung durch die Gesamtakademie. (Fortserzung auf S. 3. des. Umschlags.) ER PR il in. die Slerufgabenieine oder. die ‚deniischen Sitzung vorgelegt werden, wobei in der Regel 8 Seiten in der gewöhnlichen Schrift a Abhand- "und leichten Schreibversehen "hinausgeher ‚für den Buchhandel Natgesiehe ya nur er Die erste, Korrektur ihrer a ‚Verfasser. vorlegende Mitglieil Bi ‚Die Korrektor oll ‚Möglichkeit nicht über die’ ‚Berichtigung von Dr Korrekturen Fremder bedürfen der Genehmigun giereuden Sekretars, vor ler und die Vörtasser sind zur Tagung Der entste kosten verpflichtet. ER L Von allen in«lie Sitzungsberichte oder aufgenommenen wissensehaftlichen Mitteil Ailressen oder Berielten werden für die V/ wissenschaftlichen Mitteilungen, wenn deren U Druck 4 Seiten übersteigt, aueh fin den Burhha abdrucke hergestellt, ‚die alsbald Sach BRBER an grgchen werden): f Verfasser sich ausdrücklich damit einverstand SEHR a ! Von den Sonderabdrueken aus den Sirzung erhält ein Verfasser, weleher Mitglied der A zu unentgeltlicher Verteilung. ‚ohne weiteres exemplare; er ist indes berechtigt, zu gleichem. auf Kosten der Akademie weitere Exemplare bis von. noch 100. und auf seine Kosten noch w zur Zahl von 200 (im ganzen also.350) Abzieh safern er dies rechtzeitig dem redigierenden. sel gezeigt hat; wünseht er auf seine Kosten Abdrucke zur Verteilung. zu erhalten, so bedarkis der Genehmigung der Gesamtakademie oder der ben den Klasse, — Nichtmitglieder erhälten 50 Freie und dürfen nach rechtzeitiger Anzeige ‘bei dem gierenden Sekretar weitere 200 Exemplare auf ih abziehen lassen. ’ 1% Von den Sonderäbdrucken aus den Abhändlungen hält ein Verfasser, welcher Mitglied der Akademie zu unentgeltlicher Verteilung) ohne weiteres 30. i- exemplare; er ist indes berechtigt, zu. gleichem Zw { auf Kosten der Akademie weitere /Exeinplare bis zur. von noch. 100. und auf seine Kosten noch weitere der ehrallakgng u Seiekedeinie oder der betrei r den Klasse. — Niehtmitelieder erhalten 30 Freiexernplare i un dürlen Tan, NR EaNER ‚bei Ay: STEH abziehen ken: 17 Eine für die akaden:: stimmte wissenschafttiche keinem Falle ihrer Stelle anderweitig, sei es schen Schriften he= Mitteilung darf iu vor N SITZ UNGSBERIC N u \ DER PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. er 1921 v Öffentliche Sitzung 27. Januar. zur Feier des Jahrestages König Frıeprıcas 1. Vorsitzender Sekretar: Hr. Lüners. Der Vorsitzende eröffnete die Sitzung’ mit folgender Ansprache: Hochansehnliche Versammlung! Im Jahre 1772 beging die Preußische Akademie der Wissenschaften die Feier des Geburtstages ihres Begründers wie heute am 27. Januar. Friedrich hatte sein sechzigstes Lebensjahr vollendet, und er selbst ergriff bei dieser Gelegenheit das Wort. Er ließ durch Thiebault die denkwürdige Rede vom Nutzen der Wissenschaften und Künste im Staate vortragen, von der Voltaire urteilte, daß kein Akademiker sie geschrieben haben könnte, daß sie den Geist eines Trajan verrate. Die Rede war bestimmt. die Angriffe abzuwehren. die der Bürger von, Genf gegen Kunst und Wissenschaft gerichtet hatte. Rousseau hatte die Aufgabe, die die Akademie von Dijon gestellt hatte, von vorn- herein etwas verändert. Die Akademie hatte gefragt, ob die Wissen- schaften und die Künste dazu beigetragen hätten, die Sitten zu läutern. Rousseau wiederholt diese Frage im ersten Satze seiner Schrift, fügt aber sofort die Worte hinzu: »oder sie zu verderben«, und dies zu beweisen. ist das Ziel seiner Abhandlung. Man wird nicht behaupten können, daß er es erreicht habe. Was er aus der Geschichte zu seinen Gunsten anführt, ist vielfach nicht beweisend, da es ihm und seiner Zeit an den nötigen historischen Kenntnissen fehlte. Wir glauben auch dem von Montaigne entdeckten Kanadier nicht mehr, der sich hier schüchtern als Zeuge einer glücklicheren bildungslosen Zeit hervorwagt; wir wissen. daß das Unschuldsparadies der Primitiven ein Traum ist wie der von dem goldenen Weltalter, den die Menschheit allerorten geträumt hat. Weit .bedenklicher aber ist es, daß die Keulenschläge, die Rousseau austeilt, im Grunde gar nicht Kunst und Wissenschaft treffen, sondern Sitzungsberichte 1921 11 104 Öffentliche Sitzung vom 27. Januar 1921 den Luxus und ‘die Auswüchse einer überfeinerten Kultur, die die männlichen Tugenden ersticken. Daß Genußsucht und Verweichlichung eine Folge der Pflege der Wissenschaften sei. wagt aber Rousseau selbst nicht zu behaupten: wohl aber gilt es ihm als ausgemacht, daß Kunst und Wissenschaft stets Hand in Hand mit dem Luxus gehen, und so sind auch sie mitschuldig an der Verderbnis der Sitten. Daß Rousseaus Voraussetzung falsch ist, daß auch auf kargem Boden die Wissenschaft gedeihen und hundertfältige Frucht tragen kann, das hat die deutsche Wissenschaft um .die Wende und in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts bewiesen. Die Schwächen der Beweisführung, die teil- weise so offen zutage liegen. konnten auch von den Zeitgenossen nicht verkannt werden, und (dreimal hat Rousseau selbst zur Feder gegriffen, um seine Sätze zu verteidigen. Wie tief und nachhaltig trotzdem die Wirkung der kleinen Schrift gewesen war, das zeigt am besten gerade die Tatsache, daß noch zweiundzwanzig Jahre nach ihrem Erscheinen ein Friedrich sich die Mühe nahm, sie zu widerlegen. Freilich war der König selbst gelegentlich Stimmungen unterworfen gewesen, die ihn dazu führten, in den Geleisen Rousseauscher Ideen zu wandeln. So hatte er am 7. Januar 1768 d’Alembert in einem Briefe sein Herz ausgeschüttet: »Hat nicht die Elektrizität mit all dem Wunderbaren, was sie entdeckt, bis jetzt nur dazu gedient, unsere Neugierde zu reizen? Hat nicht die Anziehungskraft und die Schwerkraft nur unsere Einbildungskraft in Erstaunen gesetzt? Ist nicht bei allen chemischen Operationen dasselbe der Fall? Wird aber darum wohl weniger Straßen- raub begangen? Sind Ihre Steuerpächter darum minder gierig? Werden anvertraute Güter mit mehr Gewissenhaftigkeit zurückgegeben? Ver- leumdet man weniger? Ist der Neid erstickt? Ist die Hartherzigkeit dadurch erweicht? Was liegt also der menschlichen Gesellschaft an diesen Entdeckungen der Neueren, wenn die Philosophie das Kapitel der Moral und der Sittlichkeit vernachlässigt, auf das die Alten ihre ganze Kraft verwandt haben? Schon seit langem habe ich diese Betrachtungen auf dem Herzen, und ich wußte sie an niemand schicklicher zu richten als an einen Mann, der jetzt der Atlas der neueren Philosophie ist, der durch sein Beispiel und seine Schriften die Lehre der Griechen und Römer in ihrer Kraft wiederherstellen und der Weltweisheit ihren ehemaligen Glanz wiedersehenken könnte. « Diese Zweifel sind später überwunden. In jener Festrede ist von einer Skepsis gegen die theoretischen Wissenschaften nichts zu spüren. Mit Bewunderung ‚wird der Entdeckungen eines Newton, eines Torricelli und anderer gedacht; weit ausführlicher allerdings wird der Nutzen auseinandergesetzt, den Acker- und Bergbau, Handel und Schiffahrt, der Arzt wie. der Architekt, der Staatsmann ‚wie der Lüpers: Ansprache _ 105 Feldherr aus der Wissenschaft ziehen. Wer heute vom Nutzen der Wissenschaft zu sprechen hätte, der würde wohl manches noch hin- zuzufügen wissen, manche Linie auch wohl anders ziehen, denn jede Zeit sieht dieselbe Sache in anderm Lichte. Aber noch heute ‚empfinden wir eine dankbare Befriedigung, daß ein Mann wie Friedrich an der Schwelle des Alters, ausgestattet mit der weltumspannenden Erfahrung seines Lebens, mit soleher Wärme für die Wissenschaft ein- getreten ist, die er bedroht glaubte. Allerdings hat er die Wucht der Rousseauschen Angriffe über- schätzt. Sie sind ohne nachhaltige Wirkung geblieben. Schon am Ende des 15. Jahrhunderts begann auf allen Gebieten der Siegeszug der Wissenschaft, der bis auf die Gegenwart nicht wieder ins Stocken geraten sollte. Das Studium der literarischen Denkmäler aller Völker des Erdkreises und die mehr und mehr systematisch betriebene Durch- forschung des Bodens nach den Zeugen untergegangener Kulturen hat unsere Kenntnis von dem Verlaufe der Entwicklung der Menschheit in ungeahnter Weise erweitert. Vor allem aber sind im Bereiche der organischen und anorganischen Natur Entdeekungen von solcher Bedeutung gemacht worden, daß man voll Stolz dem 19. Jahrhundert den Namen des Jahrhunderts der Naturwissenschaft hat geben wollen. Die blendenden Erfolge haben zu Versuchen geführt, auf der Basis naturwissenschaftlicher Erkenntnis allein eine Weltanschauung aufzu- bauen; sie haben ihren schärfsten Ausdruck in der monistisehen Philo- sophie gefunden. Allein mag einer dem Monismus auch noch so wohlwollend gegenüberstehen. er wird zugeben müssen. daß er die letzten Fragen nicht löst und nicht lösen kann. Noch tut sich so tief wie immer die Kluft zwischen dem Ich und der Außenwelt auf, und es geht nicht an, das Ding an sich, wie Harcker es tut, mit hochmütiger Gebärde in das Gebiet unfruchtbarer. Grübelei zu ver- weisen. Aber auch der Agnostizismus, zu dem sich insbesondere englische Forscher wie Huxrrv und Tynparı bekennen, oder die Anschauungen eines Barrour, die auf eine Versöhnung von Glauben und Natur- erkenntnis zielen, werden, so nahe ihnen, bewußt oder unbewußt, auch weite Kreise augenblicklich stehen, auf die Dauer doch nicht befriedigen können. So droht das Pendel in naher Zukunft nach der andern Seite hin auszuschlagen. An die Stelle des Verstandes soll das Schauen treten; mit dem Ich, das sich andere Bewußtseinslagen schafft, glaubt man eintauchen zu können in Welten, zu denen der Zugang bisher verwehrt war. Aus indischen, oft allerdings arg miß- verstandenen Ideen heraus sind die neuen Lehren geboren; schon haben sie in Amerika festen Fuß gefaßt, und unaufhaltsam dringen r 11* 106 Öffentliche Sitzung vom 27. Januar 1921 sie jetzt in Europa ein. Sie haben sich auf ihrer Wanderung bereits vielfach gewandelt und werden sich noch weiter wandeln. Kindischer Flitter wird abgestreift werden, und die besten Vertreter theosophischer Weltanschauung suchen den Anschluß an die Wissenschaft und werden vielleicht ihn finden. Indessen liegt die Befürchtung nahe, daß in den breiten Massen eine Neigung zu mystischer Schwärmerei ent- stehen wird, die, so befriedigend sie für das subjektive Empfinden des einzelnen sein mag, dem rationalen Charakter wissenschaftlicher Erkenntnis direkt zuwiderläuft und daher auch der Betätigung wissen- schaftlicher Forschung hemmend im Wege stehen wird. Noch freilich ist diese Geistesströmung nicht stark genug, um eine wirkliche Gefahr zu bedeuten. Noch herrseht mächtig ein Drang nach wissenschaftlicher Bildung, vielleicht stärker als je zuvor. Wir können uns nur freuen, wenn der Wissenschaft solche Teilnahme in ‘den weitesten Volkskreisen entgegengebracht wird. Die Vertreter der Wissenschaft haben kein Arcanum vor den Augen‘ Uneingeweihter zu hüten. Wissenschaft und Leben dürfen sich nicht einander ent- fremden; je inniger sie sich durchdringen, um so höher wird die Kultur der Nation steigen. Die Aufgabe der Akademie ist die Förderung der reinen Wissenschaft; mit ihrer Verbreitung und Nutzbarmachung hat sie ihrem Wesen nach nichts zu tun. Gleichwohl haben wir ver- sucht, auch dieser Aufgabe nach unsern Kräften zu dienen. Wir haben durch Veranstaltung von Vorträgen im Winter gewissermaßen die "Zahl unserer öffentlichen Sitzungen vermehrt, und der rege Besuch, den die Vortragsabende andauernd finden, beweist, daß unsere Bestrebungen einem Bedürfnis entgegenkommen. Allerdings ist es eine falsche Vor- stellung, als ob die Wissenschaft jemals das Gemeingut eines Volkes werden könnte, an dem alle gleichen Anteil haben... Dieser Anschauung liegt ein Irrtum zugrunde, die Verwechslung von Wissen und Wissen- schaft. Wissen und Wissenschaft sind nicht identisch. Wenn einer auch das Wissen der ganzen Welt hätte, so könnte er darum doch der unwissenschaftlichste Mensch der Welt sein. Die Wissenschaft beruht auf dem Wissen, aber sie bleibt bei dem Stoffe: nicht stehen; sie hat es mit den Problemen zu tun, die sich aus dem Stoffe er- geben, mit den Prinzipien, nach denen die Einzelerscheinungen be- urteilt werden müssen; sie entwickelt Methoden, nach denen sie den Stoff untersucht. Wissen ist tot, Wissenschaft ein ewig sprudelnder lebendiger Quell. In den Geist der Wissenschaft einzudringen, erfordert aber die volle Hingabe des Menschen. Die Wissenschaft ist eine spröde Göttin, und sie entschleiert sich nur dem, der. mit heißem Kopf und heißem Herzen und mit ganzer Seele um sie ringt. Das werden stets nur einzelne erfüllen können. Es gibt heute Leute, die zu glauben scheinen, Lüpers: Ansprache 107 man müsse die gesamte Bildung des Volkes heben um den Preis, daß alles, was über das Gleichmaß hinausragt, abgetragen und niederge- rissen werde. Die geistige Hochebene, von der sie träumen, wird nie- mals Wirklichkeit werden. Die Zeit, die Mühe, die Mittel, die dafür eingesetzt würden, würden: vergeudet sein; denn nieht nur das Können, auch das Wollen des einzelnen würde dem entgegenstehen; das Er- gebnis würde nur sein, daß nach fruchtlosen Mühen das Niveau, an- statt sich zu heben, tiefer und tiefer sinken würde. Das rechte Bild für die Gesamtbildung kann nicht die Ebene, sondern nur die Pyra- - mide sein. Je breiter die Basis ist, um so höher wird man sie auf- führen können, und jeder mag die Stufe erklimmen, zu der ihn seine Kräfte befähigen. Der Zutritt zu den Stätten, wo die Wissenschaft ‚gelehrt wird, soll keinem verwehrt sein, der den Nachweis führt, daß er befähigt ist, die Lehren in sich aufzunehmen. Eine schwere Gefahr für die Wissen- schaft liegt aber in den Bestrebungen, die Anforderungen, die für die Aufnahme des Hochschulstudiums gestellt werden müssen, immer weiter herunterzuschrauben, wieder in dem Glauben, daß es mehr auf eine Verbreiterung als auf eine Vertiefung wissenschaftlicher Bildung ankomme. Wenn der Boden nicht vorbereitet ist, kann die Saat nicht keimen und Frucht tragen, sondern muß verkümmern oder verwildern. Das Maß von Kenntnissen und geistiger Schulung, das der Hochschul- unterricht voraussetzt, muß aber um so größer sein, als seine Auf- gabe nicht nur die Übermittlung des Wissens, sondern auch die Aus- bildung in wissenschaftlicher Forschung ist. In der unauflöslichen Vereinigung von Lehre und Forschung liegt die Eigenart der deut- schen Universitäten, wie sie sich im Laufe des letzten Jahrhunderts herausgebildet hat; darin liegt auch die Bedeutung, die sie für die Kultur unseres Volkes und über seine Grenzen hinaus gewonnen haben. Überlaut erschallt jetzt der Ruf nach Reformen, vor allem auch auf dem Gebiete des Hochschulwesens. Über den Wert dieser Reformen wird nieht immer einerlei Meinung herrschen, und die Gefahr liegt nahe, daß bei ihrer Durchführung nicht nur dürres Holz, sondern auch manch lebensfrisches Reis zu Boden sinke. Niemals aber, das hoffen wir, wird man versuchen, den Grundceharakter, den wissen- schaftlichen Charakter, der deutschen Universität durch Einfügung we- sensfremder Elemente, sei es sachlicher, sei es persönlicher Natur, oder sonstwie zu verändern; man würde damit die Wurzeln der deutschen Wissenschaft untergraben. Die deutschen Universitäten müssen Stätten der Forschung bleiben, und zwar der reinen Forschung, die nicht nach dem unmittelbaren praktischen Nutzen fragt. Das wird kaum bestritten werden, soweit 108 Öffentliche Sitzung vom 27. Januar 1921 es sich um die naturwissenschaftlichen Fächer handelt, denn allzu bekannt ist es, wie gerade die rein wissenschaftliche Forschung zu Ergebnissen geführt hat, die später auch von ungeheurer praktischer Bedeutung geworden sind. Wohl aber droht in einer Zeit, die ver- gessen zu haben scheint, daß der Mensch nicht vom Brot allein lebt, den historisch-philologischen Disziplinen die Gefahr, vernachlässigt und beiseite geschoben zu werden, weil ihre Wirkungen weniger sinn- fällig sind. Und doch würde es völlig falsch sein, sie deswegen zu leugnen. Es würde gänzlich verfehlt sein, wollten wir es aufgeben, die Kenntnis fremder Kulturen im weitesten Umfange und auf breitester Grundlage zu pflegen. Gerade die Ereignisse der letzten Jahre haben gezeigt, wie wenig wir noch die Denkweise fremder Völker begriffen haben; daß auch von ihnen viele deutschem Wesen verständnislos gegenüberstehen, kann keine Entschuldigung sein. Vor allem aber gilt es, unser eigenes Volk aus dem schrankenlosen Realismus, dem es verfallen ist, heraus zu einem Idealismus zu führen. ohne den eine höhere Kultur überhaupt nicht bestehen kann. An diesem Werke mit- zuarbeiten sind aber die Geisteswissenschaften in erster Linie berufen. Für die Akademien ist es eine Lebensfrage. daß die Universitäten auf ihrer alten Höhe gehalten werden, nieht nur wegen der Gemein- samkeit wissenschaftlicher Interessen im allgemeinen, sondern vor allem auch deshalb. weil bei der Beschränktheit der Mittel für persönliche Ausgaben die Akademien für die Auswahl ihrer Mitglieder stets in erster Linie auf die Dozenten an den Universitäten, die sich an den Sitzen der Akademien befinden, angewiesen sein werden. Geht der Lehrstuhl für ein Fach an der Universität verloren, so kann das auch einen schweren Verlust für die Akademie bedeuten. Gelingt es nicht. die besten Männer für die Universität zu gewinnen, so muß auch die Bedeutung der Akademie sinken, und wir verhehlen nicht, daß wir mit einiger Besorgnis, die nicht frei von selbstischem Interesse ist. der Entwicklung unserer Friedrich-Wilhelms-Universität entgegensehen, die durch die ungünstigen Lebensbedingungen Berlins viel von ihrer einstigen Anziehungskraft verloren hat. Wir sind uns allerdings keinen Augenblick im Zweifel darüber, daß es einer ungeheuren Anstrengung bedürfen wird, der deutschen Wissenschaft die Stellung zu wahren, die sie bisher eingenommen hat. Die Not der Zeit lastet schwer auf ihr und droht sie zu Boden zu drücken. Mehr als in anderen Ländern hat in Deutschland die materielle Sorge für die Wissenschaft dem Staate obgelegen. Das Preußen Friedrichs des Großen hat sich dieser Aufgabe, auch als es aus den Wunden des Krieges blutend darniederlag, nicht entzogen: das durch den Tilsiter Frieden zerschlagene Preußen hat gerade durch ' vw Löpers?’ Ansprache ° 109 die Sammlung und Mehrung seiner geistigen Kräfte seine Wiedergeburt eingeleitet. Stetig sind dann mit den wachsenden Mitteln auch die Aufwendungen für wissenschaftliche Zwecke gewachsen, und dankbar ‘gedenken wir gerade an dem heutigen Tage der unermüdlichen und reichen Förderung. die der Wissenschaft unter der Regierung Wil- helms II. und insbesondere unserer Akademie auch durch die persön- liche Anteilnahme ihres Protektors zuteil geworden ist. Wir haben das Vertrauen, daß der Staat auch unter den neuen Verhältnissen der Wissenschaft seine Unterstützung bis zur Grenze des Möglichen ge- währen wird. In der letzten öffentlichen. Sitzung des vergangenen Jahres mußte mein Vorgänger berichten, daß die Akademie ihre Ver- öffentlichungen habe einstellen müssen; ich bin in der glücklichen Lage, heute mitteilen zu können, daß der Druck der Sitzungsberichte und Abhandlungen, wenn auch in beschränktem Umfange, wenigstens für die nächsten Monate wieder gesichert ist. Die Gefahr, die der deutschen Wissenschaft droht, hat neuartige Maßregeln der Abwehr hervorgerufen. Die Akademien, die Universi- täten, die technischen Hochschulen und eine Anzahl von wissenschaft- liehen Verbänden und Gesellschaften haben unter der Leitung unseres Ehrenmitgliedes, des inaktiven preußischen Staatsministers Dr. Scuuipr- Orr, sich zu einer Vereinigung zusammengeschlossen, die sich die Aufgabe gestellt hat, Mittel für wissenschaftliche Zwecke zu sammeln und sie zur Förderung der Gesamtinteressen deutscher Forschung zu verwenden. Es ist die umfassendste wissenschaftlich-wirtschaftliche Organisation, die Deutschland bisher gesehen hat. Aus der Not ist sie geboren, und den Namen der Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft hat sie daher empfangen. In der Erkenntnis, daß es gilt, jetzt wenigstens die Grundlagen unserer geistigen Machtstellung zu sichern, haben die Reichsbehörden beträchtliche Summen Her Notge- meinschaft in Aussicht gestellt; aber wenn der Strom zunächst auch groß erscheint, er soll auch ein weites Gebiet bewässern, und die Äderchen, in die er auslaufen wird, werden kaum genügen, den dürstenden Boden zu tränken. In weit höherem Maße als früher wird angesichts der trostlosen Finanzlage des Staates die Wissenschaft auf Hilfe von privater Seite angewiesen sein. Die Akademie hat die Freude gehabt, in dem verflossenen Jahre eine Reihe von Schenkungen entgegennehmen zu können. Aus der Hinterlassenschaft des verstorbenen einstigen Herausgebers des Jahrbuchs für die Fortschritte der Mathematik, Dr. Max Hexoca, ist seinem mündlich geäußerten Wunsche entsprechend eine größere Summe zur Fortführung des Jahrbuchs überwiesen worden. Der Akademie ist jetzt weiter das bedeutende Kapital zugefallen, das ihr der 1903 verstorbene Amtsgerichtsrat Paur Rızss zur Verwendung 110 : Öffentliche Sitzung 'vom 27. Januar 1921 im Interesse der Chemie, Physik und Astronomie vermacht hat, und unser Mitglied Emm Fischer hat auch über den Tod hinaus für die Wissenschaft, der er sein Leben gewidmet hatte, sorgen wollen, indem er eine große Stiftung. errichtete, deren Erträgnisse der Arbeit junger - deutscher Chemiker zugute kommen soll. Erhebliche Mittel sind ferner der philosophisch-historischen Klasse zur Verfügung gestellt, um die Herstellung der im Rahmen des Corpus Medicorum Graecorum in Aussicht genommenen Ausgabe der Werke des Hippokrates zu er- möglichen. Der Geber will nicht, daß sein Name genannt werde: ich glaube mich aber keiner Indiskretion schuldig zu machen, wenn ich bemerke, daß er den Berliner Kaufmannskreisen angehört, und man wird es mir als Philologen nicht verübeln, wenn ich meiner besonders lebhaften Freude Ausdruck gebe, daß gerade aus diesen Kreisen der schwer um ihr Bestehen ringenden Altertumswissenschaft ein Helfer entstanden ist. In stärkerem Maße als bisher hat aber die Wissenschaft jetzt auch die Pflieht zu strafferer Organisation. um Kräfte und Mittel vor Zer- splitterung und Verschwendung zu bewahren. Unter diesem Gesichts- punkt sind die Bestrebungen zu beurteilen, die den Zusammenschluß der gesamten Örientalistik in der altehrwürdigen Deutschen Morgen- ländischen Gesellschaft herbeizuführen suchen. Demselben Zwecke dient auf naturwissenschaftlichem Gebiete die Bildung der Reichszentrale für naturwissenschaftliche Berichterstattung; ihr Ziel ist es. die Arbeiten der großen referierenden Zeitschriften aus den einzelnen Gebieten der Naturwissenschaft in organischen Zusammenhang zu bringen, ihre Auf- gaben gegeneinander abzugrenzen, die Beschaffung der auswärtigen Literatur zu erleichtern und so in jeder Hinsicht Ersparnisse zu erzielen. Die Wissenschaft kennt nieht die Grenzen der Nationalität. Der große Verband aber, zu dem sich die Akademien Europas und Amerikas zu gemeinsamer Arbeit zusammengeschlossen hatten, ist durch den Krieg gesprengt und die abgerissenen Fäden sind bisher nicht wieder geknüpft worden. Wohl haben sich in den Ländern, mit denen wir im Kriege gestanden, Männer gefunden, die sich für die Wiederaufnahme freund- licher Beziehungen ausgesprochen haben. Wir weisen die ausgestreckte Hand wahrlich nicht zurück, aber wir können nicht verkennen. daß alle Versuche einer Wiederannäherung bisher nur von einzelnen aus- gegangen sind und daher auch nur von einzelnen erwidert werden können, daß aber die wissensehaftlichen Organisationen des ehemals feindlichen Auslands sich auch weiterhin ablehnend verhalten oder gar offen zu dem Grundsatz der Ächtung und des Ausschlusses der deut- schen Wissenschaft und der deutschen Gelehrtenwelt bekennen. So- lange das geschieht, kann von einer nennenswerten Förderung gemein- Lüpers: Ansprache 111 samer wissenschaftlicher Interessen nicht die Rede sein, zum schweren Schaden für die Sache. So müssen sich die deutschen Akademien darauf beschränken, die Beziehungen zu den Gesellschaften des während des Krieges neu- tralen Auslandes zu pflegen und das Band, das sie untereinander ver- bindet, womöglich noch fester zu knüpfen. Im April wird in Wien der Kartellverband der deutschen Akademien tagen, um über die Frage der internationalen Beziehungen, der Einrichtung des deutschen Referier- wesens, der Erleichterung des literarischen Verkehrs zwischen Deutsch- land und Österreich und über die Fortführung einzelner wissenschaft- licher Unternehmungen zu beraten. Neu hinzutreten wird zu diesen Unternehmungen, auf Anregung der Bayerischen Akademie, das Deutsche Biographische Jahrbuch. das im Anschluß an Anton BETTELHEINS von 1896 bis 1913 unter dem "Titel » Biographisches Jahrbuch und Deutscher Nekrolog« durchgeführtes Werk erscheinen soll und als eine regel- mäßige jährliche Weiterführung: der Allgemeinen Deutschen Biographie gedacht ist. Das Kuratorium der Wentzel-Heckmann-Stiftung hat sich entschlossen, das Jahrbuch auf eine Reihe von Jahren zu unterstützen. Wir freuen uns ganz besonders. daß gerade ein solches Werk, das für das ganze deutsche Volk bestimmt ist und ihm in den Biographien seiner hervorragenden Männer die Geschichte seiner Kultur vor Augen stellt, unter der Ägide der vereinigten Akademien deutscher Zunge erscheinen wird. Daß im übrigen 'wie alle wissenschaftliche Arbeit, so auch die Arbeit unser Akademie im vergangenen Jahre schwer durch die wirt- schaftliche Not gehemmt worden ist, braucht kaum gesägt zu werden. Wer die Berichte der einzelnen Kommissionen durchliest, der stößt immer wieder auf Klagen über die unerschwinglichen Druckkosten, die zur Einstellung der Veröffentlichungen zwingen, über die Ver- mehrung der Reisekosten. die Zusammenkünfte der Kommissionsmit- glieder zur Beratung ihrer Angelegenheiten hindern, über die durch die verteuerte Lebensführung durchaus berechtigten erhöhten Lohn- ansprüche, die notwendigerweise einen Verzicht auf Assistenten und Schreibhilfen bedingen. Auch schwere persönliche Verluste haben die Akademie in dem vergangenen Jahre getroffen, die teilweise empfindliche Folgen für die Arbeiten der Akademie haben. Am ı2. August verstarb Herrmann STRUVE, der Vorsitzende der Kommission für die Geschichte des Fixstern- himmels, am 7. Januar ward uns BEnno Erpmann entrissen. In beiden Fällen war das Ende völlig unerwartet. Erpmann gedachte in der heutigen Sitzung über den Stand der Kant- und der Leibniz-Ausgabe zu berichten. deren Fürsorge in erster Linie seinen Händen anvertraut 112 Öffentliche Sitzung vom 27. Jänuar 1921 war. Mit der Pflichttreue, die ihn auszeichnete, hatte er alles aufs sorgfältigste vorbereitet, und so wird noch einmal, zum letztenmal, sein Wort aus dem Munde des Hrn. Diers unter uns erklingen. Wir beklagen weiter den Verlust Heısrıca Dressers. der durch Krankheit allerdings schon geraume Zeit gehindert wurde, an den Arbeiten der Akademie teilzunehmen, unseres auswärtigen Mitgliedes Frırprıca Innoor- Bruners in Winterthur und von nicht weniger als sechs unserer Korre- spondenten. . Unmittelbar vor dem Abschluß dieses Berichtes ist noch die Trauerkunde eingetroffen, daß auch unser Mitglied Heırıch MorF von seinem schweren Leiden erlöst ward, und heute hat man. WırHELm von WALDEYER-HaRTz, unsern langjährigen Sekretar, in die Gruft ge- senkt. Bald nach seinem Eintritt ist ferner Hr. CArATHEoODorRY wieder aus unserm engeren Kreise geschieden, da er seinen Wohnsitz nach Athen verlegt hat. Den Verlusten steht ein Gewinn von drei neuen Mitgliedern, der HH. Pomeeexs, von Lau und Wiırcken, gegenüber. Die physikalisch-mathematische Klasse hat außerdem Hrn. RöntsEn zu ihrem auswärtigen Mitgliede und zehn Gelehrte zu korrespondierenden Mitgliedern ernannt, während sich die philosophisch-historische Klasse vier neue Korrespondenten angliederte. Ich kann diese Mitteilungen über Veränderungen im Personen- stande der Akademie nicht schließen, ohne noch einer Veränderung zu gedenken, die für das Leben der Akademie von einschneidender Bedeutung gewesen ist. Zu Beginn des Winterhalbjahres hat Hr. Diers. der beständige Sekretar der philosophisch-historischen Klasse, das Amt niedergelegt, das er 25 Jahre hindurch verwaltet hat. Was er als Forscher, was er insbesondere als Organisator, in den Spuren seines Vorgängers Momusen wandelnd, geleistet hat, das steht in unvergäng- liehen Lettern in der Geschichte unserer Akademie verzeichnet. Wir bedauern es schmerzlich, seine hohe Gestalt heute nieht mehr auf seinem alten Platze zu sehen: versöhnlich ist nur. der Gedanke, daß er auclı fernerhin bereit ist, seine ungebrochene Arbeitskraft in den Dienst der Akademie zu stellen, und wir wünschen uns selbst von Herzen, daß wir uns noch viele Jahre seines Rates und seiner tätigen Mithilfe er- freuen mögen. Hochansehnliche Versammlung! Wer ein Bild von der augenblick- liehen Lage der Wissenschaft geben will, der kann nicht helle Farben mischen. Kein Einsichtiger wird sich auch der Täuschung hingeben, als ob der Umschwung von heut auf morgen erfolgen könnte. Wir sind uns vollkommen klar darüber, daß manche der großen Werke, die wir unternommen, langsamer voranschreiten werden als bisher, daß wir vielfach uns beschränken und unsere Ziele näher werden stecken ‚müssen. Wir dürfen auch nicht vergessen, daß mit der Notwendig- Personalveränderungen 113 keit auch die Pflicht erwächst. einen Teil der Mittel, die bis jetzt für den Großbetrieb der Wissenschaft zu Gebote standen, für die -Unter- stützung der Einzelarbeit zu verwenden. Aber wir sind trotz aller Schwierigkeiten nieht gewillt zu verzagen und untätig die Hände in den Schoß zu legen. Dieselben Berichte. die von Hemmungen und Störungen aller Art zu melden wissen, zeigen doch auch, daß mit den vorhandenen Kräften und Mitteln rastlos weitergearbeitet wird, wenn auch die Ergebnisse vielfach nicht der Öffentlichkeit zugänglich ge- macht werden können. Wir wollen schaffen, mag es auch dunkel um uns sein und der Tag verziehen, und tröstend leuchte uns die Er- innerung an den Heldenkönig, der in unablässiger Pflichterfüllung sein Preußen auch durch trübe Tage hindurchgeführt hat. zum Siege! Seit dem Friedrichstage 1920 (22. Januar) bis heute sind in der Akademie folgende Veränderungen des Mitgliederbestandes eingetreten: Die Akademie verlor durch den Tod die ordentlichen Mitglieder der physikalisch-mathematischen Klasse Hermann StruvE und WirLneLm von WALDEYER-Hartz; die ordentlichen Mitglieder der philosophisch- historischen Klasse Heısrıcn Dresser, BEnno Erpmann und Heısrıch Morr: das auswärtige Mitglied der philosophisch-historischen Klasse Frieprıch Imnoor-Brumer in Winterthur; die korrespondierenden Mit- glieder der physikalisch-mathematischen Klasse Orro Bürsennı in Heidelberg, Max Fürgrınger in Heidelberg, Wirnern Prerrer in Leipzig und Öarı Torpr in Wien; die korrespondierenden Mitglieder der philo- sophisch-historischen Klasse Lupvıe W ımmer in Kopenhagen und WILHErn Wuxpr in Leipzig. Das ordentliche Mitglied der physikalisch-mathematischen Klasse KonsrAanTın ÜARATHEODORY verlegte seinen Wohnsitz nach Athen und trat damit in die Zahl der Ehrenmitglieder über. Der beständige Sekretar der philosophisch -historischen Klasse Hermann Diers legte sein Amt nieder. An seiner Stelle wurde Hrısrıch Lüpers zum beständigen Sekretar gewählt und von der Regierung bestätigt. | Neu gewählt wurden zu ordentlichen Mitgliedern der physikalisch- mathematischen Klasse Joser Ponpeers und Max von LAaur; zum ordent- liehen Mitglied der philosophisch-historischen Klasse Urrıcn WiLcken: zum auswärtigen Mitglied der physikalisch -mathematischen Klasse Wirnerm Gonkan Rönteen (bisher korrespondierendes Mitglied derselben Klasse); zu korrespondierenden Mitgliedern der physikalisch-mathema- tischen Klasse Frrevrıcn Beckr in Wien, Aurrep BerezAr in Königsberg, 114 Öffentliche Sitzung vom 27. Januar 1921 Huco Bückıns in Heidelberg, Peter DesvE in Zürich, Vıcror EBNER Rırter von RoFrEnSTEIN in Wien, ALEXANDER GoETTE in Heidelberg, Eusen KorschHerr in Marburg, Hass Horst Meyer in Wien, ArnoLn SOmMERFELD in München und Carr Torpr in Wien; zu korrespondie- renden Mitgliedern der philosophisch-historischen Klasse Franz BoAs in New York, Geors Denıo in Tübingen, GerARDUS Heymans in Gro- ningen und Kurr SETHE in Göttingen. Alsdann verlas Hr. Dies den Bericht des Hrn. Erpmann über die Kant- und die Leırnız- Ausgabe. Die Werke der Großen unter den neueren Philosophen sind durch- gängig bereits zu Gesamtausgaben vereinigt, einige von ihnen neuer- dings auch zu solchen, die strengeren Ansprüchen an die Textgestaltung genügen, so die letzten umfangreichen Ausgaben der Schriften und Briefe von DESCARTES, SpinozA, HERBART und SCHOPENHAUER. Innerhalb des Rahmens der originalen Schriften und Briefe konnte dem Anspruch an Vollständigkeit des Neudrucks im allgemeinen durch die Arbeit eines einzelnen Herausgebers genügt werden. Wird die Auf- gabe einer solchen Ausgabe jedoch so weit gefaßt, daß auch ein um- fangreicher literarischer Nachlaß mit aufgenommen werden soll, der durchgreifender Sichtung und Ordnung bedarf, so kann sie nur durch organisierte, gemeinsame Arbeit gelöst werden. Der großzügige Entwurf des Plans einer Gesamtausgabe von » Kants gesaminelten Schriften«, den Dirruey 1393 unserer Akademie und dem Ministerium vorgelegt hat, war der Zustimmung unserer Gemeinschaft und der Übernahme der Aufgabe durch uns von vornherein sicher. Denn die seit den fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts durch HELMHOLTZ, SCHOPENHAUER, ZELLER, LANGE und andere ausgelösten Ver- suche einer erkenntnistheoretischen Erneuerung der Philosophie, deren Vertreter sich damals auf das Altenteil ihrer Geschichte zurückgezogen hatten, hatte das vorher fast erloschene Interesse an Kavıs Kritizismus zu heller Flamme entfacht, nicht zum wenigsten auch gegenüber den divergierenden Richtungen des Neukantianismus das Interesse an dem tatsächlichen Bestande und der historischen Stellung von Kants Lehr- meinungen. So schien es geboten, nicht nur die von Kanr selbst und die in seinem Auftrage veröffentlichten Schriften, sowie den durch Ruvorr Rrıckes sorgsamen Sammelileiß reich ergänzten Briefwechsel, sondern auch in zwei weiteren Abteilungen die weit verstreute » gesamte Dıers: Bericht des Hrn. Ervmann über die Kawr- und die Lerswız-Ausgabe 115 literarische Hinterlassenschaft« und »das Wissenswürdige« aus den zahl- reichen erhaltenen Vorlesungsnachschriften zu einer Gesamtausgabe zu vereinigen. Wenige Jahre schienen anfänglich ausreichend, um das Unter- nehmen zum Abschluß zu bringen. Aber die inneren und äußeren Schwie- rigkeiten der Arbeit waren, wie es zu gehen pflegt, weit unterschätzt worden. Erst im Laufe dieses Jahres werden die beiden ersten Ab- teilungen vollständig veröffentlicht vorliegen. Für den neunten, letzten Band der Werke, der die in Kants Auftrag noch zu seinen Lebzeiten 1800— 1803 von JÄscHE und Rınk veröffentlichten Schriften, die Logik, die Physische Geographie und die Pädagogik umfaßt, bot die Physische Geographie einen Stein des Anstoßes.. Der Text dieser insgesamt un- kritischen Ausgaben liegt seit 1903 gedruckt beim Verleger. Aber sorg- same Untersuchungen, insbesondere von Hrn. Apıckes, zeigten so grobe Unzulänglichkeiten der Arbeiten Rısks an der Physischen Geographie. daß es zeitweilig zweifelhaft wurde, ob es richtig sei, sie in ihrer ursprünglichen Gestalt den Werken einzuordnen. Erst nach wieder- holten Verhandlungen unserer Kant-Kommission ergab sich schließlich Einstimmigkeit darüber, daß auch für diese Schrift die ursprüngliche Redaktion maßgebend bleiben müsse. Die damals vorliegenden aus- führlichen, sorgsamen Erläuterungen und kritischen Anmerkungen von Hrn. GErLAnn sprengten den Umfang des sonst für solche Beigaben gebotenen Rahmens, und als die Vorbereitungen für ihre Verkürzung “ von uns eingeleitet werden sollten, hemmte der Ausbruch des Krieges die Arbeit. Jetzt muß ihr Umfang auf das Unerläßlichste eingeschränkt werden. Aber hoffentlich stellt sich dem endlichen Abschluß des Ban- des in diesem Jahre nichts mehr in den Weg. Inzwischen sind die Bände ı—8 der Werke hereits in 2. Auflage erschienen. Auch der Briefwechsel Kants, dessen drei erste Bände schon 1900— 1902 veröffentlicht werden konnten, liegt jetzt in 2. Auflage nahezu fertig gedruckt vor. Auch der endlich vollendete 4. Band, der die schon von Rrıcke angelegten historischen Nachweise bringen soll. bedarf nur noch des Abschlusses des Registers. Weniger aussichtsvoll steht es um die 3. Abteilung der Ausgabe, den literarischen Nachlaß. Ihm war ursprünglich nur die Schranke gezogen, die sich aus der Zufälligkeit des erhaltenen, weit zerstreuten und sehr ungleichartigen Bestandes ergäbe. Hier schien Vollständigkeit des Abdrucks geboten, denn jede Auswahl leidet unter der historischen und systematischen Einstellung des Herausgebers, insbesondere dann, wenn, wie in diesem Falle, die Deutung des systematischen Bestan- des der Lehre, ihrer Entwicklungsbedingungen und demnach auch ihrer historischen Stellung weitauseinander führende Streitfragen bietet. Außer- RE 1, 2, Pe ie 116 Öffentliche Sitzung vom 27. Januar 1921 dem handelte es sich, wie schon anderweitig veröffentlichte Nachlaß- proben ergaben, zum größten Teil um kurze, undatierte Aufzeichnungen, deren Sinn nur gesichert werden kann, wenn es möglich wird, die Zeit ihrer Niederschrift und damit den Gedankenzusammenhang zu wissen, aus dem sie hervorgegangen sind. Und alle solehe Bestimmungen, auch dureh äußere Kriterien der Handschrift, sind unsicher. So war es eine mühselige, viel zeitraubende Kleinarbeit erfordernde Aufgabe, vor die der Leiter der Abteilung, Hr. Anıckes, von vornherein gestellt war. Sie mußte im wesentlichen vollendet sein, ehe an eine feste Ordnung ge- dacht werden konnte. Immerhin sind 3 Bände mit zum Teil sehr aus- führlichen Anmerkungen als Band 14—16'unserer Ausgabe erschienen, während Band 17 seit 1915 nach Druck der ersten ı2 Bogen ruht. Aber Hr. Apıckes, inzwischen durch eine umfassende Ausgabe des Opus postumum von Kasr in Anspruch genommen, das wir in die akademische Ausgabe nicht aufnehmen konnten, hat zugesagt, noch im Laufe dieses Jahres seine Nachlaßarbeit wieder aufzunehmen. Hoffentlich kann sie dann ohne Unterbrechung zu Ende geführt werden. Die ursprünglich geplante 4. Abteilung von Vorlesungen Kanıs auf Grund der zahlreichen vorhandenen Nachschriften, deren Redaktion Hr. Mexzer übernommen hatte, ist nach dem vorliegenden, unzuläng- lichen und spröden Material nieht zur Ausführung gekommen. Wir haben sie schließlich von der Gesamtausgabe ausscheiden müssen, da eine kritisch gesicherte Redaktion dieser Hefte aussichtslos erschien. ‘Es ist ein nieht eben erfreuliches Bild, das ich zu entwerfen hatte. Immerhin ist die vor allem wesentliche Aufgabe, die Veröffentlichung der Schriften Kants selbst und seines Briefwechsels endlich vor nahem Abschluß. Eine sehr viel umfassendere Aufgabe ist einer wissenschaftlich — selbstverständlich nieht absolut — vollständigen Leızsız-Ausgabe gestellt. Die Jdee einer solchen ist in der ersten Generalversammlung der Internationalen Vereinigung der Akademien in Paris 1901 von der Aca- demie des seienees und der Academie des seiences morales et politiques aus der Stimmung heraus angeregt worden, die zu dieser internatio- nalen wissenschaftlichen Vereinigung geführt hatte. Im Jahre 1907 wurde daraufhin von ihr unserer Akademie sowie den beiden eben genannten französischen die Ausführung dieser Idee in einer als inter- national geplanten Ausgabe übertragen. Vorweg verweise ich auf die Berichte über diese Ausgabe, die Hr. Wırpever am 27. Juni 1907 und Hr. Lenz am 23. Januar 1908 in öffentliehen Sitzungen vorgelegt haben, und erwähne schon hier, daß Diers: Bericht des Hrn. Ernmann über die Kawr- und die Lrisnız-Ausgabe 117 ı912 die Inhaber der Verlagsfirmen Georg Reimer und Weidmann. Hr. Dr. de Gruyter und Hr. Vollert. sich in ‚voller Würdigung der Aufgabe bereit gefunden haben, den Verlag des deutschen Anteils unter den damals in Betracht kommenden Bedingungen zu übernehmen. Daß der Plan eines solchen Unternehmens ein dringendes Be- dürfnis der Wissenschaft bildet. unterliegt keinem Zweifel. Leıssız gehört zu den nicht vielen Geistern ersten Ranges, von denen die Ge- schiehte der geistigen Entwicklung unseres Geschlechts zu berichten weiß. An Vielseitigkeit der Interessen wird er, wie hier keiner Aus- führung bedarf, von keinem übertroffen, ebensowenig an originaler Energie einer, insbesondere auf mathematischem, physikalischem und philosophischem Gebiet aufs höchste fruchtreichen Synthese. An Versuchen einer (Gesamtausgabe von Leısnız’ zahlreichen Werken ‚und Denkschriften sowie seines beispiellos umfangreichen und viel- seitigen Briefwechsels hat es nicht gefehlt. Schon 1768 hat Louvıs Durtens eine solche Ausgabe auf Grund des damals gedruckt vor- liegenden, ‚freilich nur unvollständig benutzten und benutzbaren Mate- rials unternommen. Aber erst nachdem GuHrRAUER in den 30er und 4oer Jahren des vorigen Jahrhunderts auf den überreichen, in Hannover aufbewahrten literarischen Nachlaß von Leissız nachdrücklich hin- gewiesen hatte, konnten Versuche zu umfassenderen Ausgaben ge- macht werden. So von Geor6e Heınrkıcn Perrz (1843f.), dem Grafen FoucHeEr DE CaArzın (1859) und Onso Krorr (1864f.), aber keine dieser Ausgaben ist zum Abschluß gekommen. Die beiden letztgenannten insbesondere genügen den kritischen Ansprüchen in keiner Weise, ebensowenig die Ausgabe der philosophischen Schriften und Briefe von meinem Namensvetter JoHann Epvarn ErDMANN und von GERHARDT SO- wie die mathematischen Schriften und Briefe von GErHArRDT in der Perrzschen Ausgabe. Vor welche Aufgabe eine Gesamtausgabe gestellt ist, die auch nur das wissenschaftlieh wertvolle Material des Nachlasses auf- nimmt, ist daraus zu ermessen. daß in dem ı. Plan der Internationalen Vereinigung der Wissenschaften nicht weniger als 60 umfangreiche Quartbände vorgesehen waren. Nicht vorherzusehen war die Fülle und Mühsal der Vorarbeiten. welche die Bearbeitung des Nachlasses forderte. Allein in Hannover liegen zwei Leisxız-Abteilungen des Nachlasses: »Lersnız-Handschriften« und »Leisstz-Briefwechsel«, die zusammen etwa 2000 Mappen füllen, die erste nach Wissenschaften und Gegenständen in 41 Gruppen, die Briefe alphabetisch nach rund 1050 Korrespondenten geordnet, beide Abteilungen freilich nur obenhin geordnet. Von vornherein war die Ordnung eine mangelhafte, mehr- fach geradezu Unordnung gewesen, so daß Leisnız selbst sich ein- 118 | Öffentliche Sitzung vom 27. Jannar 1921. gestandenermaßen nicht mehr zurecht gefunden hatte. Inzwischen hat eine ganze Reihe von hannoverschen Bibliothekaren sich der so dankens- werten wie mühseligen Arbeit einer Neuordnung unterzogen, ohne jedoch des weitschichtigen ‘Stoffes Herr werden zu können, so daß die moderne Bibliotheksverwaltung Hannovers sich einsichtig ent- schlossen hat, diese Versuche aufzugeben. Besonders schlimm ist, daß Leienız in den letzten 25 Jahren seines Lebens anscheinend jedes Blatt, auch solche gleichgültigsten Inhalts, aufbewahrt hat, darunter eine unübersehbare Masse von Bogen und Blättern, denen Überschrift, Datum und gegebenenfalls Adresse fehlt. Die verdienstvollen Schriften Ev. Bopemanns über beide Abteilungen geben mit ihren summarischen Verzeichnissen dem Kundigen ein ungefähres Bild dieser Sachlage. Aber der literarische Nachlaß des Philosophen ist mit diesen beiden Abteilungen nicht erschöpft. Andere Teile, wesentlich mehr, als Bopemans verzeichnet hat, finden sich seit alters unter den all- gemeinen Handschriften der hannoverschen Bibliothek, wieder andere im dortigen Staatsarchiv sowie in Göttingen, Gotha und Berlin. Noch andere Stücke, für die Hinweise vorlagen oder fehlten, im ganzen ein gutes Tausend, darunter bisher Leissız nicht zugewiesene Flug- schriften und wertvolles Material zu der Monadologie. konnten von uns durch Untersuchungen an Ort und Stelle in verschiedenen Städten Deutschlands sowie in Österreich, Dänemark und Schweden, den Ländern, deren Durchforschung wir übernommen hatten, festgestellt werden. Andere Länder, insbesondere Italien, bedürfen noch ähnlicher Durchforschung: ihrer Bibliotheken an Ort und Stelle. Das negative Resultat, das hier eine französische Umfrage ergeben hatte, ist sicher- lich kein definitives. Welch’ sorgsame Minierarbeit dabei erforderlich war, zeigt der Umstand, daß die von uns vorgenommene Ermittelung der Papier- sorten, die Leissız benutzt hat. sowie die seiner von uns festgestellten zahlreichen Schreib- und Hilfskräfte zu wertvollen Ergebnissen ge- führt hat. Noch andere Hindernisse als diese Überfülle, Zerstreuung, mangel- hafte Ordnung und fehlende Datierung des zu sichtenden Nachlaß- ‘materials stellten sich der systematischen Durchforschung entgegen. Wieviel die vorhandene Leissız-Biographie, auch die immerhin ver- dienstvolle Arbeit Gunravers zu wünschen übrig lassen, hekunden die feinsinnigen Skizzen. die Hr. Rırrer, von dessen Verdiensten um die Ausgabe noch zu sprechen ist, leider an versteckten Stellen, über »Leisenız und die deutsche Kultur« (1916) (in der Zeitschrift des histo- rischen Vereins für Niedersachsen Bd. $ı) und über »Lrissız als Politiker« (1920) (Deutsche Monatshefte für christliche Politik und Diers: Bericht des Hrn. Erbes über die Kanm-ind die Leiswız-Ausgabe 11%) Kultur Bd. ı) veröffentlicht hat. Und doch müssen auch die Daten für den Aufbau einer Lrissız-Biographie kritisch festgestellt werden, um der Ordnung des Briefwechsels, der Flug- und Denkschriften von Leigsız sowie der nach seinem "Tode veröffentlichten Schriftwerke von ihm ein festes Gerüst zu geben. Noch mangelhafter sind trotz aller vorhandenen Arbeiten die Versuche, die innere Entwicklung von Leigsız’ Gedanken, nicht zum wenigsten seiner philosophischen, zu rekonstruieren. Für anderes, die Geschichte des Kurfürstentums Han- nover und seine Politik sowie die irenischen Religionsverhandlungen jener Zeit, fehlen archivalisch fundierte Darstellungen. Sehr dankens- werte Hilfe von anderer Seite hat uns lediglich Hrn. v. Harnacks Geschichte unserer Akademie geboten. g Unter diesen Umständen war es ein nicht hoch genug zu schätzen- ‚les Verdienst der ersten Vorsitzenden unserer Lrissız-Kommission, der HH. Dirrs und Lenz. sowie der regen Anteilnahme Dirrneys, daß von unserer Seite von vornherein anerkannt wurde, die innere Lei- tung des uns zugefallenen Teiles der Ausgabe müsse dauernd und ausschließlich einer Persönlichkeit übertragen werden, die im Verein mit wenigen Mitarbeitern die Verantwortung für die historische und die ebensowenig einfache philologische Fundierung der Ausgabe zu übernehmen imstande sei. Und es war ein glücklicher Umstand, daß wir in Hın. Rırter eine allen diesen Ansprüchen im vollsten Maße gewachsene jüngere Kraft fanden und seit 1910 dauernd als wissen- schaftlichen Beamten für diesen Zweck anstellen konnten. Ihm hat von Anfang an Hr. Kasırz zur Seite gestanden, und nachdem dieser zur akademischen Lehrtätigkeit übergegangen war, hat seit 1914 Hr. Hocusterrer, jetzt als wissenschaftlicher Hilfsarbeiter, sich ebenfalls mit bestem Erfolge in diese Mitarbeit hineingefunden. So war auf unserer Seite seit 1901 schon in dem ersten vor- bereitenden Stadium die notwendige Einheitlichkeit der Vorarbeit gesichert. Ihr entsprechend konnten wir, nachdem in der ersten Konferenz mit den französischen Akademien im Dezember 1902 unsere Vorschläge nur mit wesentlichen Einschränkungen angenommen waren, und daraufhin bis 1904 viel Unzulängliches und Unzweckmäßiges versucht war, durch die Dinge selber in die rechte Bahn gezwungen, ein sicheres Fundament schaffen. Die Bausteine dieses Fundaments bilden lange Reihen von Kästen und Kapseln unserer Arbeitszimmer, sowie Sammlungen von Photo- graphien, Abschriften, Auszügen, Wasserzeichen, Siegeln usw., die Ergebnisse der bisher vollendeten kritischen Durcharbeitung des ge- samten Materials. Zu ihrer Ergänzung dient eine allmählich höclıst wertvoll gewordene Leısnız-Bibliothek. In unserer Materialsammlung Sitzungsberichte 1921 12 120 Öffentliche Sitzung vom 27. Januar 1921 ist jedes Blatt und jeder Zettel des Nachlasses auf Datum, Adresse, Zweck, Beziehung zu anderen Stücken ‚sowie Stellung und Bedeutung im Zusammenhang des Ganzen, soweit möglich, kritisch bestimmt. Es hatte sich überdies bald als notwendig erwiesen, einen großen Teil des Nachlasses sogleich abzuschreiben und dabei von vornherein einen kritischen Katalog der Leisnız-Handschriften mit Hilfsregistern anzu- legen. Einen ı.Band dieses Kataloges haben wir auf französischen Wunsch bereits 1908 in 100 Exemplaren vervielfältigt und diesen den wichtigsten Bibliotheken des In- und Auslandes überwiesen. Aber der 2. Band, den die französischen Akademien herausbringen sollten, und der anscheinend nahezu vollständig vorliegt, ist nicht erschienen. So haben auch wir die zeitraubende, kostspielige und schwerlich not- wendige Veröffentlichung des Katalogs eingestellt. Der ursprüngliche, von den beteiligten Akademien vereinbarte und von der Internationalen Assoziation genehmigte Verteilungsplan hatte nach den Beschlüssen der Kölner Konferenz vom Jahre 1907 zwei Abteilungen von je rund 30 Bänden vorgesehen. I. Briefe und Denkschriften. II. Werke in 7 Gruppen: ı. mathematische, 2. erkenntnistheoretische und logische, . naturwissenschaftliehe, mit Einschluß der medizinischen, . Juristische, . politische und Denkschriften ‘über Sozietäten und andere Anstalten, 6. historische und sprachwissenschaftliche, 7. theologische und metaphysische. an 2 Die I. Abteilung, die Briefe und Denkschriften, waren uns zu- gewiesen worden, ebenso die von dieser Abteilung nicht wohl trenn- bare Gruppe der politischen und historisch-sprach wissenschaftlichen Schriften. Den beiden französischen Akademien dagegen waren die wichtigsten Gruppen der Schriften, die mathematischen, die er- kenntnistheoretischen und logischen, die naturwissenschaftlichen und die juristischen Schriften, zugefallen. Über die von den philosophi- schen Schriften abgetrennte Gruppe der theologischen und metaphysi- schen — eine Trennung, die von vornherein schweren Bedenken unterlag — sollte eine Entscheidung erst später getroffen werden. Diese Entscheidung hat der Ausbruch des Europäischen Krieges vereitelt. Viel mehr noch ist durch ihn auch für die Leisnız-Ausgabe verlorengegangen. Die Fäden, die in der Internationalen Vereinigung der Akademien auf den verschiedensten Gebieten unerläßlichen Zu- Diers: Bericht des Hrn. Ernmann über die Kawr- und die Leisnız-Ausgabe 121 sammenarbeitens über die ganze wissenschaftliche Welt gesponnen waren, sind auch für dieses Unternehmen zerrissen, und es besteht keine Aussicht, daß sie in irgend absehbarer Zeit speziell für das Leisnız-Unternehmen neu angeknüpft werden könnten. Unsere Arbeit an der Ausgabe ist nur ı!/, Jahre durch die Ein- berufung von Hrn. Rırrer zum Heeresdienst unterbrochen worden. Auch der Druck des ersten Briefwechselbandes, dessen Text bereits gesetzt war, mußte stillgelegt werden. Aber nach der Rückkehr Hrn. Rırrers und insbesondere seit dem uns aufgezwungenen Friedensschluß ist die Arbeit an der Ausgabe mit allen erreichbaren Kräften unter Assistenz des Hın. Hocnsterter weiter gefördert worden. Damit war eine Entscheidung in die Wege geleitet, welche die Not der Zeit uns aufnötigte, sollte nicht die ganze 2ojährige Arbeit um niehts geschehen sein, die Ausgabe nicht aufs neue auf unabseh- bare Zeit vertagt und dann noch einmal von vorn begonnen werden müssen. Nach wiederholten Besprechungen des Vorsitzenden der Kommission mit Hrn. Rırrer und daraufhin einstimmig gefaßtem Kommissionsbeschluß soll die gesamte Leıssız-Ausgabe nunmehr ausschließlich von unserer Akademie durchgeführt werden. Innere Gründe bereiten diesem Unternehmen keine Hindernisse. Die bisher von den französischen Akademien geleistete Arbeit besteht der Hauptsache nach in der für den Zettelkatalog der Leissız-Handschriften aufgenommenen Beschreibung der juristischen, logischen, mathemati- schen, naturwissenschaftlichen und technischen Bestandstücke des Leiesız-Nachlasses, die zu einem erheblichen Teil im Laufe der letzter Jahre auch von uns aufgenommen werden mußten. Der immerhin beträchtliche Rest kann ebenfalls von uns aufgenommen werden, so- bald es wiederum angeht, daß wir längere Zeit in Hannover arbeiten können. Und er muß von uns zu Kontrollzwecken in jedem Fall aufgenommen werden. An unveröffentlichten und bisher. weil in Hannover nicht vertreten, unbekannten Lemwiz-Briefen sind nur ein Dutzend in Frankreich und 19 in England zu suchen. Ihr Fehlen würde jedoch, falls es keine Mittel geben sollte. Abschriften von ihnen zu erlangen, aller Voraussicht nach die sachliche Vollständigkeit der Ausgabe nicht berühren. Nur in Italien erwarten wir trotz des negativen Ergebnisses der französischen Umfrage noch manches zu finden, und wir hoffen, daß hier die Sperre für Untersuchungen an Ort und Stelle in absehbarer Zeit aufgehoben werden wird. Für die Konzentration des Unternehmens an uıserer Akademie spricht außerdem, abgesehen von manchen Erfahrungen, die wir im Laufe der Jahre bei der ur- sprünglich geplanten Teilung der Arbeit machen mußten, die nur auf diese Weise sicher verbürgte Einheitlichkeit der Redaktion, der Aus- 12* 122 Öffentliche Sitzung vom 27. Januar 1921 wahl, der Textbehandlung und des kritischen Apparats. Allerdings ist das Unternehmen so weitschichtig und bleibt, auch wenn normale Verhältnisse des Drucks und Verlags eingetreten sein werden, so kostspielig, daß wir prüfen mußten, wie sich der Umfang der Aus- gabe ohne Preisgabe des Inhalts verringern und wirtschaftlich vorteil- hafter gestalten lasse. Zu dem Zweck haben wir fürs erste auf Grund unserer Sammlungen eine sorgsame Abschätzung des Umfangs der Aus- gabe bei Änderung des Formats, Verkleinerung der Typen, sparsamerer Redaktion der ungleichwertigen Nachlaßstücke des Briefwechsels und der erforderlichen Erläuterungen vorgenommen. Sie hat ergeben, daß der Umfang sich von 60 Quart- auf 39 Oktavbände, also auf rund ?/; des ursprünglich vorgesehenen, reduzieren lasse. Vor allem gelang es nach wiederholten Beratungen, dem Plan der Ausgabe eine ein- heitlichere und auch buchhändlerisch vorteilhaftere Form zu geben. Wir einigten uns schließlich in der Kommission unter Festhalten von 2 Abteilungen darauf, die Schriften auf. 4 Reihen: philosophische, mathematische, naturwissenschaftliche und politisch-historische: den Briefwechsel auf 3 Reihen: eine philosophische, mathematisch-natur- wissenschaftliche und endlich eine politisch-historische und allgemeine zu verteilen. Den wesentlichsten inneren und äußeren Gewinn haben dabei die philosophischen Schriften und Briefe davongetragen, die ohne Zweifel, wie von Anfang an anerkannt wurde, den bedeutsamsten, aktuellsten und für den Verkauf vorteilhaftesten Bestand der Ausgabe ausmachen. Zuerst sollen die‘ philosophischen Schriften und Briefe in je 6, die allgemeinen, politisch-historischen Briefe in ı0 Bänden fertiggestellt werden. Druckfertig ist zur Stunde der ı. Band der letztgenannten Reihe, der jetzt die Zeit bis 1676 umfaßt. Die ersten Bände der philosophischen Schriften und Briefe, für die wir in den HH. Kasırz und Hocnsterrer erprobte Mitarbeiter haben, sind gleich- falls in Angriff genommen. Für den Fortgang der Arbeit bürgt die hingebende, den ganzen Stoff beherrschende, trefflichst bewährte Tätig- keit von Hrn. Rırter. | Auch wenn wir davon absehen, daß der Beginn des Drucks zur Zeit und wohl noch auf Jahre hinaus unmöglich geworden ist, bleiben wirtschaftliche Schwierigkeiten ernster Art zu überwinden, wenn die Arbeit weiter gleichmäßig gefördert werden soll. Es fehlt uns an allen Eeken und Enden an ausreichenden Geldmitteln für ihren Fortgang, den auch nur zeitweilig auf ein Minimum zu reduzieren den Anfang eines beschämenden Endes einer langjährigen fruchtreichen Tätigkeit bedeuten würde. Auch die Arbeit des Abschreibens, für die wir zur Zeit nur recht kärgliche Mittel zur Verfügung haben, darf nicht unterbrochen werden. Wir sind auch genötigt, wieder an Einstein: Geometrie und Erfahrung x 123 Reisen nach Hannover zu’ denken. Wohl wird die Verwaltung der dortigen Bibliothek nicht müde, uns die Handschriften hierherzu- ‘senden, und dafür wie für das Verständnis, mit dem sie unser Unter- nehmen von Anfang an gefördert hat, sei ihr auch an dieser Stelle warmer Dank ausgesprochen. Aber es muß wieder möglich werden, daß insbesondere Hr. Rırrer von Zeit zu Zeit nachı Hannover reist, _ um Arbeiten, die nur an Ort und Stelle erledigt werden können, zum Abschluß zu bringen und weitere Forschungen vorzubereiten. _ Die Arbeit nicht in dieser Weise fortführen, hieße an uns selbst verzweifeln. Dazu aber hat in diesen schwersten Zeiten unseres Volkes die Wissenschaft am wenigsten ein Recht. Selbst wenn das Unzu- längliche Ereignis werden sollte, daß keine Wege gangbar gemacht werden könnten, auch in diesem Punkte der Wissenschaft zu dem Recht zu verhelfen, das sie zur Ehre unseres Volkes für sich in An- spruch zu nehmen hat, so dürften wir an dieser akademischen Auf- gabe, einer Ehrenschuld -nicht nur an dem Gründer unserer Akademie, sondern an dem geistigen Leben unseres Volkes überhaupt, nicht irre werden. Und wir werden nicht irre werden, es komme, was da wolle. Nunmehr hielt Hr. Eınsteıy den wissenschaftlichen Festvortrag: Geometrie und Erfahrung. Die Mathematik genießt vor allen anderen Wissenschaften aus einem Grunde ein besonderes Ansehen; ihre Sätze sind absolut sicher und unbestreitbar. während die aller andern Wissenschaften bis zu einem gewissen Grad umstritten und stets in Gefahr sind, dureh neu ent- decekte- Tatsachen umgestoßen zu werden. Trotzdem brauchte der auf einem anderen Gebiete Forsehende den Mathematiker noch nieht zu beneiden, wenn sich seine Sätze nicht auf Gegenstände der Wirklich- keit, sondern nur auf solche unserer bloßen Einbildung bezögen. Denn es kann nicht wundernehmen, daß man zu übereinstimmenden lo- gischen Folgerungen kommt, wenn man sich über die fundamentalen Sätze (Axiome) sowie über die Methoden .geeinigt hat, vermittels welcher aus diesen fundamentalen Sätzen andere Sätze abgeleitet wer- den sollen. Aber jenes große Ansehen der Mathematik. ruht anderer- seits darauf, daß die Mathematik es auch ist, die den exakten Natur- wissenschaften ein gewisses Maß von Sicherheit gibt, das sie ohne Mathematik nicht erreichen könnten. 124 Öffentliche Sitzung vom 27. Januar 1921 An dieser Stelle nun taucht ein Rätsel auf, das Forscher aller Zeiten so viel beunruhigt hat. Wie ist es möglich, daß die Mathe- matik, die doch ein von aller Erfahrung unabhängiges Produkt des menschlichen Denkens ist, auf die Gegenstände der Wirklichkeit so vortrefflich paßt? Kann denn die menschliche Vernunft ohne Er- fahrung durch bloßes Denken Eigenschaften der wirklichen Dinge er- gründen ? Hierauf ist nach meiner Ansicht kurz zu antworten: Insofern sich die Sätze der Mathematik auf die Wirklichkeit beziehen, sind, sie nicht sicher, und insofern sie sicher sind, beziehen sie sich nieht auf die Wirklichkeit. Die volle Klarheit über diese Sachlage scheint mir erst dureh diejenige Richtung in der Mathematik Besitz der Allgemeinheit geworden zu sein, welche unter dem Namen » Axiomatik« bekannt ist. Der von der Axiomatik erzielte Fortschritt besteht nämlich darin, daß dureh ‚sie das Logisch-Formale vom sachlichen bzw. anschaulichen -Gehalt sauber getrennt wurde; nur das Logisch-Formale bildet ge- mäß der Axiomatik den Gegenstand der Mathematik, nicht aber der mit dem Logisch-Formalen verknüpfte anschauliche oder sonstige Inhalt. Betrachten wir einmal von diesem Gesichtspunkte aus irgend- ein Axiom der Geometrie, etwa das folgende: Durch zwei Punkte des Raumes geht stets eine und nur eine Gerade. Wie ist dies Axiom im älteren und im neueren Sinne zu interpretieren? Ältere Interpretation. Jeder weiß, was eine Gerade ist und was ein Punkt ist. Ob dies Wissen aus einem Vermögen des mensch- lichen Geistes oder aus der Erfahrung, aus einem Zusammenwirken beider oder sonstwoher stammt, braucht der Mathematiker nicht zu entscheiden, sondern überläßt diese Entscheidung dem Philosophen. Gestützt auf diese vor aller Mathematik gegebene Kenntnis ist das genannte Axiom (sowie alle anderen Axiome) evident. d. h. es ist der Ausdruck für einen Teil dieser Kenntnis a priori. Neuere Interpretation. Die Geometrie handelt von Gegenständen, die mit den Worten Gerade, Punkt usw. bezeichnet werden. Irgend- eine Kenntnis oder Anschauung wird von diesen Gegenständen nicht vorausgesetzt, sondern nur die Gültigkeit jener ebenfalls rein formal, d. h. losgelöst von jedem Anschauungs- und Erlebnisinhalte, aufzu- fassenden Axiome, von denen das genannte ein Beispiel ist. Diese Axiome sind freie Schöpfungen des menschlichen Geistes. Alle an- deren geometrischen Sätze sind logische Folgerungen aus den (nur nominalistisch aufzufassenden) Axiomen. Die Axiome definieren erst die Gegenstände, von denen die Geometrie handelt. Scuuick hat die Axiome deshalb in seinem Buche über Erkenntnistheorie sehr treffend als »implizite Definitionen« bezeichnet. Einstein: Geometrie und Erfahrung 125 Diese von der modernen Axiomatik vertretene Auffassung der Axiome säubert die Mathematik von allen nicht zu ihr gehörigen Ele- “menten und beseitigt so das mystische Dunkel, welches der Grund- lage der Mathematik vorber anhaftete. Eine solche gereinigte Dar- stellung macht es aber auch evident, daß .die Matlıematik als solehe weder über Gegenstände der anschaulichen Vorstellung noch über Gegenstände der Wirklichkeit etwas auszusagen vermag. Unter »Punkt«, »Gerade« usw. sind in der axiomatischen Geometrie nur inhaltsleere Begriffsschemata zu verstehen. Was ihnen Inhalt gibt, gehört nicht zur Mathematik. Andererseits ist es aber doch sicher, daß die Mathematik über- haupt und im speziellen auch die Geometrie ihre Entstehung dem Be- dürfnis verdankt, etwas zu erfahren über das Verhalten wirklicher Dinge. Das Wort Geometrie, welches ja »Erdmessung« bedeutet, be- weist dies schon. Denn die Erdmessung handelt von den Möglich- keiten der relativen Lagerung gewisser Naturkörper zueinander, näm- lieh von Teilen des Erdkörpers, Meßschnüren, Meßlatten usw. Es ist klar, daß das Begriffssystem der axiomatischen Geometrie allein über das Verhalten derartiger Gegenstände der Wirklichkeit, die wir als praktiseh starre Körper bezeichnen wollen, keine Aussagen liefern kann. Um derartige Aussagen liefern zu können, muß die Geometrie dadurch ihres nur logisch-formalen Charakters entkleidet werden, daß den leeren Begriffsschemen der axiomatischen Geometrie erlebbare Gegenstände der Wirklichkeit zugeordnet werden. Um dies zu bewerkstelligen, braucht man nur den Satz zuzufügen: Feste Körper verhalten sich bezüglich ihrer Lagerungsmöglich- keiten wie Körper der euklidischen Geometrie von drei Dimensionen; ann enthalten die Sätze der euklidischen Geometrie Aussagen über das Verhalten praktisch starrer Körper. Die so ergänzte Geometrie ist offenbar eine Naturwissenschaft;: wir können sie geradezu als den ältesten Zweig der Physik betrachten. Ihre Aussagen beruhen im wesentlichen auf Induktion aus der Er- fahrung, nicht aber nur auf logischen Schlüssen. Wir wollen die so ergänzte Geometrie »praktische Geometrie« nennen und sie im folgen- den von der »rein axiomatischen Geometrie« unterscheiden. Die Frage, ob die praktische Geometrie der Welt eine euklidische sei oder nicht, hat einen deutlichen Sinn, und ihre Beantwortung kann nur durch die Erfahrung geliefert werden. Alle Längenmessung in der Physik ist praktische Geometrie in diesem Sinne, die geodätische und astro- nomische Längenmessung ebenfalls, wenn man den Erfahrungssatz zu Hilfe nimmt, daß sich das Licht in gerader Linie fortpflanzt, und zwar in gerader Linie im Sinne der praktischen Geometrie. 126 Öffentliche Sitzung vom 27. Januar 1921 29 Dieser geschilderten Auffassung der Geometrie lege ich deshalb besondere Bedeutung bei, weil es mir ohne sie unmöglich gewesen wäre, die Relativitätstheorie aufzustellen. Ohne sie wäre nämlich folgende Erwägung unmöglich gewesen: In einem relativ zu einem Inertialsystem rotierenden Bezugssystem entsprechen die Lagerungs- gesetze starrer Körper wegen der Lorestz-Kontraktion nicht den Regeln der eüklidischen Geometrie; also muß bei der Zulassung von Nicht- Inertialsystemen als gleichberechtigten Systemen die euklidische Geo- metrie verlassen werden. Der entscheidende Schritt des Überganges - zu allgemein kovarianten Gleichungen wäre gewiß unterblieben, wenn die obige Interpretation nicht zugrunde gelegen hätte. Lehnt man die Beziehung zwischen dem Körper der axiomatischen euklidischen Geo- metrie und dem praktisch-starren Körper der Wirklichkeit ab. so ge- langt man leicht zu der folgenden Auffassung, welcher insbesondere der scharfsinnige und tiefe H. PorıscAr& gehuldigt hat: Von allen anderen denkbaren axiomatischen Geometrien ist die euklidische Geometrie durch Einfachheit ausgezeichnet. Da nun die axiomatische Geometrie allein keine Aussagen über die erlebbare Wirklichkeit enthält, sondern nur die axiomatische Geometrie in Verbindung mit physikalischen Sätzen, so dürfte es wie auch die Wirklichkeit beschaffen sein mag möglich und vernünftig sein, an der euklidischen Geometrie festzu- halten. Denn man wird sich lieber zu einer Änderung der physi- kalischen Gesetze als zu einer Änderung der axiomatischen euklidi- schen Geometrie entschließen, falls sich Widersprüche zwischen Theorie und Erfahrung zeigen. Lehnt man die Beziehung zwischen dem prak- tisch-starren Körper und der Geometrie ab, so wird man sich in der Tat nicht leicht von der Konvention freimachen, daß an der eukli- dischen Geometrie ‘als der einfachsten festzuhalten sei. Warum wird von PoıncArE und anderen Forschern die naheliegende Äquivalenz des praktisch starren Körpers der Erfahrung und des Körpers der Geometrie abgelehnt? Einfach deshalb. weil die wirklichen festen Körper der Natur bei genauerer Betrachtung nicht starr sind, weil ihr geometrisches Verhalten, d.h. ihre relativen Lagerungsmöglichkeiten von Temperatur, äußeren Kräften usw. abhängen. Damit scheint die ur- sprüngliche, unmittelbare Beziehung zwischen Geometrie und physika- lischer Wirklichkeit zerstört, und man fühlt sich zu folgender allge- meinerer Auffassung hingedrängt, welche Porscargs Standpunkt charak- terisiert. Die Geometrie (G) sagt nichts über das Verhalten der wirklichen Dinge aus, sondern nur die Geometrie zusammen mit dem Inbegriff (P) der physikalischen Gesetze. Symbolisch können wir sagen, daß nur die Summe (@) + (P) der Kontrolle der Erfahrung unterliegt. Es kann also (@) willkürlich gewählt werden, ebenso Teile von (P); all diese Gesetze Einstein: Geometrie und Erfahrung 127 sind Konventionen. Es ist zur Vermeidung von Widersprüchen nur nötig, den Rest von (P) so zu wählen, daß (G@) und das totale (P) zusammen den Erfahrungen gerecht wird. Bei dieser Auffassung erscheinen die axiomatische Geometrie und der zu Konventionen erhobene Teil der Naturgesetze als erkenntnistheoretisch gleichwertig. Sub specie aeterni hat PoıncArE mit dieser Auffassung nach meiner Meinung Recht. Der Begriff des Meßkörpers sowie auch der ihm in der Relativitätstheorie koordinierte Begriff der Meßuhr findet in der wirk- lichen Welt kein ihm exakt entsprechendes Objekt. Auch ist klar, daß der feste Körper und die Uhr nicht die Rolle von irreduzibeln Elementen im Begriffsgebäude der Physik spielen, sondern die Rolle von zusammen- gesetzten Gebilden, die im Aufbau der theoretischen Physik keine selb- ständige Rolle spielen dürfen. Aber es ist meine Überzeugung, daß diese Begriffe beim heutigen Entwieklungsstadium der theoretischen Physik noch als selbständige Begriffe herangezogen werden müssen; denn wir sind noch weit von einer so gesicherten Kenntnis der theoretischen Grundlagen der Atomistik entfernt, daß wir exakte theoretische Kon- struktionen jener Gebilde geben könnten. Was ferner den Einwand angeht. daß es wirklich starre Körper in der Natur nicht gibt, und daß also die von solehen behaupteten Eigen- schaften gar nicht die physische Wirklichkeit betreffen, so ist er keines- wegs so tiefgehend, wie man bei flüchtiger Betrachtung meinen möchte. Denn es fällt nieht schwer, den physikalischen Zustand eines Meßkörpers so genau festzulegen, daß sein Verhalten bezüglich der relativen Lagerung zu anderen Meßkörpern hinreichend eindeutig wird, so daß man ihn für den »starren« Körper substituieren därf. Auf solche Meßkörper sollen die Aussagen über starre Körper bezogen werden. Alle praktische Geometrie ruht auf einem der Erfahrung zugäng- lichen Grundsatze, den wir uns nun vergegenwärtigen wollen. Wir wollen den Inbegrifi' zweier auf einem praktisch starren Körper angebrachten Marken eine Strecke nennen. Wir denken uns zwei praktisch starre Körper und auf jedem eine Strecke markiert. Diese beiden Strecken sollen »einander gleich« heißen, wenn die Marken der einen dauernd mit den Marken der anderen zur Koinzidenz gebracht werden können. Es wird nun vorausgesetzt: Wenn zwei Strecken einmal und irgendwo als gleich befunden sind, so sind sie stets und überall gleich. Nicht nur die praktische euklidische Geometrie, sondern auch ihre nächste V erallgemeinerung, die praktische Rırmannsche Geometrie und da- mit die allgemeine Relativitätstheorie, beruhen auf diesen Voraussetzun- gen. Von den Erfahrungsgründen, welche für das Zutreffen dieser Vor- aussetzung sprechen, will ich nur einen anführen. Das Phänomen der 128 Öffentliche Sitzung vom 27. Januar 1921 Lichtausbreitung im leeren Raum ordnet jedem Lokal-Zeit-Intervall eine Strecke, nämlich den zugehörigen Lichtweg zu und umgekehrt. Damit hängt es zusammen, daß die oben für Strecken angegebene Voraus- setzung in der Relativitätstheorie auch für Uhr-Zeit-Intervalle gelten muß. Sie kann dann so formuliert werden: Gehen zwei ideale Uhren irgend- wann und irgendwo gleich rasch (wobei sie unmittelbar benachbart sind), so gehen sie stets gleich rasch, unabhängig davon, wo und wann sie am gleichen Orte miteinander verglichen werden. Wäre dieser Satz für die natürlichen Uhren nicht gültig, so würden die Eigenfrequenzen der einzelnen Atome desselben chemischen Elementes nicht so genau miteinander übereinstimmen, wie es die Erfahrung zeigt. Die Existenz _ scharfer Spektrallinien bildet einen überzeugenden Erfahrungsbeweis für den genannten Grundsatz der praktischen Geometrie. Hierauf beruht es in letzter Linie, daß wir in sinnvoller Weise von einer Metrik im Sinne Rırwanss des vierdimensionalen Raum-Zeit-Kontinuums sprechen können. Si Die Frage, ob dieses Kontinuum euklidisch oder gemäß dem al- gemeinen Rırmassschen Schema oder noch anders strukturiert sei, ist nach der hier vertretenen Auffassung eine eigentlich physikalische Frage, die durch die Erfahrung beantwortet werden muß, keine Frage bloßer nach Zweckmäßigkeitsgründen zu wählender Könvention. Die Rırmanssche Geometrie wird dann gelten, wenn die Lagerungsgesetze praktisch starrer Körper desto genauer in diejenigen der Körper der euklidischen Geometrie übergehen, je kleiner die Abmessungen des ins Auge gefaßten raum-zeitlichen Gebietes sind. Die hier vertretene physikalische Interpretation der Geometrie ver- sagt zwar bei ihrer unmittelbaren Anwendung auf Räume von sub- molekularer Größenordnung. Einen Teil ihrer Bedeutung behält sie in- dessen auch noch den Fragen der Konstitution der Elementarteilchen gegenüber. Denn man kann versuchen, denjenigen Feldbegriffen, welche man zur Beschreibung des geometrischen Verhaltens von gegen das Molekül großen Körpern physikalisch definiert hat, auch dann physi- kalische Bedeutung zuzuschreiben, wenn es sich um die Beschreibung der elektrischen Elementarteilchen handelt, die die Materie konsti- tuieren. Nur der Erfolg kann über die Berechtigung eines solehen Ver- suches entscheiden, der den Grundbegriffen der Rıemansschen Geome- trie über ihren physikalischen Definitionsbereich hinaus physikalische Realität zusprieht. Möglicherweise könnte es sich zeigen, daß diese Extrapolation ebensowenig angezeigt ist: wie diejenige des Temperatur- begriffes auf Teile eines Körpers von molekularer Größenordnung. Weniger problematisch erscheint die Ausdehnung der Begriffe der praktischen Geometrie auf Räume von kosmischer Größenordnung. Man Einstein: Geometrie und Erfahrung 129 könnte zwar einwenden, daß eine aus festen Stäben gebildete Kon- struktion sich von dem Starrheitsideal desto mehr entfernt, je größer ihre räumliche Erstreckung ist. Aber man wird diesem Einwand wohl schwerlich prinzipielle Bedeutung zuschreiben dürfen. Deshalb erscheint mir auch die Frage, ob die Welt räumlich endlich sei oder nicht, eine im Sinne der praktischen Geometrie durchaus sinnvolle Frage zu sein. Ich halte es nicht einmal für ausgeschlossen, daß diese Frage in ab- sehbarer Zeit von der Astronomie beantwortet werden wird. Vergegen- wärtigen wir uns, was die allgemeine Relativitätstheorie in dieser Be- ziehung lehrt. Nach dieser gibt es zwei Möglichkeiten. ı. Die Welt ist räumlich unendlich. Dies ist nur möglich, wenn die durchsehnittliche räumliche Dichte der in Sternen konzentrierten Materie im Weltraume verschwindet, d. h. wenn das Verhältnis der Gesamtmasse der Sterne zur Größe des Raumes, über welchen sie ver- streut sind, sich unbegrenzt dem Werte Null nähert, wenn man die in Betracht gezogenen Räume immer größer werden läßt. 2. Die Welt ist räumlich endlich. Dies muß der Fall sein, wenn es eine von Null verschiedene mittlere Dichte der ponderabeln Materie im Weltraume gibt. Das Volumen des Weltraumes ist desto größer, je kleiner jene mittlere Dichte ist. Ich will nieht unerwähnt lassen, daß ein theoretischer Grund für die Hypothese von der Endlichkeit der Welt geltend gemacht werden kann. Die allgemeine Relativitätstheorie lehrt, daß die Trägheit eines bestimmten Körpers desto größer ist, je mehr ponderable Massen sich in seiner Nähe befinden; es erscheint demnach überhaupt nahe- liegend, die gesamte Trägheitswirkung eines Körpers auf Wechsel- wirkung zwischen ihm und den übrigen Körpern der Welt zurück- zuführen, wie ja auch die Schwere seit Newton vollständig auf Wechsel- wirkung zwischen den Körpern zurückgeführt ist. Es läßt sigh aus den Gleichungen der allgemeinen Relativitätstheorie ableiten, daß diese restlose Zurückführung der Trägheit auf Wechselwirkung zwischen den Massen — wie sie z. B. E: Macr gefordert hat — nur dann möglich ist, wenn die Welt räumlich endlich ist. Auf viele Physiker und Astronomen macht dieses Argument keinen Eindruck. Letzten Endes kann in der Tat nur die Erfahrung darüber entscheiden, welche der beiden Möglichkeiten in der Natur realisiert ist; wie kann die Erfahrung eine Antwort liefern? Zunächst könnte man meinen, daß sich die mittlere Diehte der Materie. durch Beob- achtung des unserer Wahrnehmung zugänglichen Teils des Weltalls bestimmen lasse. Diese Hoffnung ist trügerisch. Die Verteilung der sichtbaren Sterne ist eine ungeheuer unregelmäßige, so daß wir,keines- wegs wagen dürfen, die mittlere Diehte der Sternmaterie in der Welt , 130 Öffentliche Sitzung vom 27. Januar 1921 etwa der mittleren Dichte in der Milchstraße gleichzusetzen. Über- haupt könnte man — wie groß auch der durchforschte Raum sein mag —— immer argwöhnen, daß außerhalb dieses Raumes keine Sterne mehr seien. Eine Abschätzung der mittleren Diehte erscheint also ausgeschlossen. Es gibt aber noch einen zweiten Weg, der mir eher gangbar scheint, wenngleich auch dieser große Schwierigkeiten bietet. Fragen wir nämlich nach den Abweichungen, welche die der astronomischen Erfahrung zugänglichen Konsequenzen der allgemeinen Relativitäts- theorie gegenüber denen der Newtonschen Theorie bieten, so ergibt sich zunächst eine in großer Nähe der gravitierenden Masse sich geltend machende Abweichung, welehe sich am Merkur hat bestätigen lassen. Für den Fall, daß die Welt räumlich endlich ist, gibt es aber noch eine zweite Abweichung von der Newtonschen "Theorie, die sich in der Sprache «der Newtonschen Theorie so ausdrücken läßt: Das Gravi- tationsfeld ist so beschaffen, wie wenn es außer von den ponderabeln Massen noch von einer Massendichte negativen Vorzeichens hervor- gerufen wäre, die gleichmäßig über den Raum verteilt ist. Da diese fingierte Massendichte ungeheuer klein sein müßte, so könnte sie sich nur in gravitierenden Systemen von sehr großer Ausdehnung bemerkbar machen. e ‚Angenommen, wir kennen etwa die statistische Verteilung der Sterne in der Milchstraße sowie deren Massen. Dann können wir das Gravitationsfeld nach Newtons Gesetz berechnen sowie die mittleren Geschwindigkeiten, welehe die Sterne haben müssen, damit die Milch- straße durch die gegenseitigen Wirkungen ihrer Sterne nicht in sich zusammenstürze, sondern ihre Ausdehnung aufrechterhalte. Wenn nun die wirklichen mittleren Geschwindigkeiten der Sterne, welche sich Ja messen lassen, kleiner wären als die berechneten. so wäre der Nach- weis geführt. daß die wirklichen Anziehungen auf große Entfernungen kleiner seien als nach Newtons Gesetz. Aus einer solehen Abweichung könnte man die Endlichkeit der Welt indirekt beweisen und sogar ihre räumliche Größe abschätzen. . D An den vorstehenden Bericht über die Feier des Friedrichstages schließen sich die vorgeschriebenen Berichte über die Tätigkeit der Akademie und der bei ihr bestehenden Stiftungen. Berichte über die wissenschaftlichen Unternehmungen der Akademie 131 Sammlung der griechischen Inschriften. Bericht des Hrn. von WıLamowıTz- MOELLENDORFF, Hr. Prof. Freiherr HıLner von GAERTRINgEN hat sich im Oktober 1920 nach Athen begeben und, unterstützt von der gewohnten freundlichen Hilfe aller beteiligten griechischen Behörden und Gelehrten, die Arbeiten für die Erneuerung von JG I aufgenommen. Sammlung der lateinischen Inschriften. Bericht des Hrn. Hırscureın. Hr. Lonnarzscn hat die Indizes seiner vor zwei Jahren erschienenen Neubearbeitung des I. Bandes so weit vollendet, daß von seiner Seite dem Beginn des Druckes nichts mehr im Wege steht. Weiter gedruckt worden ist an den Indizes zu Bd. VI und an den Nachträgen zu Bd.Xf; hier fehlen nur noch die nicht umfangreichen, aber schwierigen Nachträge zu der letzten Abteilung, dem Instrumentum domestieum Etruriens und Umbriens, deren Abschluß indes in den näch- sten Monaten zu erwarten ist. Wieder in Angriff genommen ist die Arbeit an Bd. XV (Instru- ınentum domestieum urbis Romae), für dessen noch fehlende Schluß- abteilungen unser uns am 17. Juli 1920 entrissener Mitarbeiter Hrıx- RICH DRESSEr. ein mit der ihm eigenen Sachkenntnis und Genauigkeit ausgearbeitetes, aber der Ergänzung bedürftiges Manuskript hinterlassen hat. Es handelt sich zunächst um die Inschriften der Gemmen und Ringe, für welche die Hilfe eines bewährten Archäologen uns in Aus- sicht gestellt ist. Auch das Manuskript zu den Abteilungen der Tesserae und der Tabulae lusoriae ist in guter Ordnung. Dagegen sind für die im Lauf der Jahre notwendig gewordenen Nachträge zu den von Dresseu selbst herausgegebenen Abteilungen ı und 2 des XV. Bandes nur un- zureichende, für die in eigenartiger Form geplanten Indizes, deren wichtigster der topographische werden sollte, fast gar keine Vor- arbeiten vorhanden. Aufrichtig beklagen wir das Hinscheiden dieses Mannes, der eineriegroßen Teil seines arbeitsreichen Lebens dem Corpus inseriptionum Latinarum, und zwar vornehmlich seinen schwierigsten. am meisten Entsagung erfordernden Teilen gewidmet hat. Prosopographie der römischen Kaiserzeit. Bericht des Hrn. Hırsc#rern. Auch in diesem Jahre ist von einem Abschluß der Nachträge und der Beamtenlisten und vom Beginn ihres Druckes noch Abstand ge- nommen worden. ‚ 132 Öffentliche Sitzung vom 27. Januar 1921 Politische Korrespondenz FRrıEDrICHSs DES GROSZEN. Bericht der HH. Hınrze, MeEınecke und Kenr. Der Tod des rührigen Verlegers Reimar Hobbing und die Ver- änderungen, die infolgedessen in den Dispositionen des Verlags ein- getreten sind, haben das Erscheinen des 38. Bandes der »Politischen Korrespondenz« und der’als Ergänzungsband zu dieser Publikation von Prof. Dr. Vorz bearbeiteten »Politischen Testamente« bis zum Ende des Jahres verzögert. Inzwischen ist die Arbeit für den 39. Band fort- gesetzt worden. Acta Borussica. Bericht der HH. Hınrtze, MEınecke und Kenr. Der XI. Band der Abteilung »Behördenorganisation und allgemeine Verwaltung«, umfassend den Zeitraum des Siebenjährigen Krieges, be- arbeitet von Dr. Hass (7) und Dr. Prrers, ist im Manuskript vollendet, kann aber wegen der finanziellen Schwierigkeiten zur Zeit nicht ge- druckt werden. Vorarbeiten für die Fortsetzung sind von Dr. Prrers in Angriff genommen worden. Auch der Druck von Band II und III der Abteilung » Aceise- und Handelspolitik«, umfassend: die Zeit Friedrich Wilhelms I., konnte im abgelaufenen Jahre nicht wiederaufgenommen werden. Dr. Rachkr, der vom Januar 1920 an wieder an der Fortsetzung des Werkes ge- arbeitet hatte, schied mit dem ı. Juni aus dem bisherigen Verhältnis aus, um sich zunächst anderen wissenschaftlichen Arbeiten zuzuwenden: doch ist die Fortfübrung des Werkes durch ihn in einem freieren Ver- hältnis in Aussicht genommen. Dr. Warrtner, der den allgemeinen Staatshaushalt zu bearbeiten übernommen hatte und vor dem Kriege über Vorarbeiten und gering- fügige Materialsammlungen nicht hinausgekommen, während des Krieges aber durch seine Verwendung im Heeresdienst der Aufgabe entzogen worden war, hat nach seiner Rückkehr aus der Türkei die Arbeit daran nicht wiederaufgenommen und sie jetzt, nach seiner Berufung in eine Göttinger Professur, endgültig niedergelegt. Die Fortführung ist zur Zeit aus Mangel an Mitteln unmöglich. kant- Ausgabe. Bericht des Hrn. Erpuann. Die Daten über den gegenwärtigen Stand des Unternehmens sind in dem ausführlichen Bericht S. ıı4f. enthalten. Berichte über die wissenschaftlichen Unternehmungen der Akademie 133 Ibn-Saad- Ausgabe. Bericht des Hrn. Sacuav. Näch Vollendung der Textausgabe ist ein Index der Namen aller derjenigen Personen, denen Ibn Saad besondere, größere oder kleinere Artikel gewidmet hat, hergestellt. Der Druck desselben in der Reichs- druckerei ist durch die hochherzige Schenkung eines Freundes, der nieht genannt sein will, und durch die Unterstützung der Verlagsfirma ermöglicht worden. Die Arbeit ist so weit gefördert, daß die Ausgabe zu Anfang Januar 1921 erfolgen kann. Wörterbuch der ägyptischen Sprache. Bericht des Hrn. Ernan. Wir haben in diesem Jahre dankbar verschiedener Zuwendungen zu gedenken, die uns die schwere Zeit zu überstehen helfen. Die Samsonstiftung der Münchener Akademie gewährte uns eine Beihilfe von 1000 Mark, und die Göttinger Gesellschaft der Wissenschaften unterstützte uns weiter im Rahmen ihrer vorjährigen Bewilligung. Von drei Freunden unseres Werkes aber, in Deutschland und Amerika (sie wollen nicht genannt sein), erfuhren wir andere höchst willkommene Hilfe. Ihnen verdanken wir es, daß unser Vorrat an Zettelkasten wieder aufgefüllt wurde, als uns seine Erschöpfung am weiterarbeiten zu hindern drohte, und sie haben es unsern Mitarbeitern ermöglicht. in aller Not der Zeit unserm Unternehmen treu zu bleiben. Die Ausarbeitung des Manuskriptes wurde von den HH. Eruan und Grarow weitergeführt; der Buchstabe s wurde im wesentlichen fertiggestellt und der Buchstabe $ bis zu $n’ erledigt. Wir sind damit in einen Teil des Wortschatzes gekommen, der besondere Eigen- tümlichkeiten bietet; die große Anzahl der Kausativbildungen mit $ ergänzt das für die einfachen Verba Ermittelte, bei allen Worten aber, die nicht aus dem alten Reiche überliefert sind, erhebt sich die Frage, ob sie zum s oder zum £ zu stellen sind. Es ist erfreulich, daß dieser Zweifel sich zumeist leichter lösen läßt, als man befürchten konnte Im ganzen sind jetzt etwa 730 Kasten mit rund 750000 Zetteln für die Ausarbeitung erledigt; außerdem wurden in diesem Jahre zwei besonders umfangreiche Worte nsw »der König« und t? »das Land« von Frl. Brun« im groben geordnet. Eingeschrieben wurde das Manu- skript bis zum Ende des 4; auch das Sachwörterbuch wurde von Hrn. Grarow ebenso weit geführt. Da der Preis für den Druck der autographierten Stellen auf das Zehnfache des früheren stieg, konnten wir die Verzettelung nur noch x 134 Öffentliche Sitzung vom 27. Januar 1921 in beschränktem Maße (214 Stellen) fortführen; sie lag in den Händen von Frau v. Harze und der HH. Erman und Tiırı und brachte uns neben Inschriften aus Philae wichtige Texte des alten Reiches, die Hr. Serar uns mitteilte, die Hyksosgeschichte des Carnarvon tablet, (die Rechnungen von der Rückseite der Petersburger Papyrus u. a. m. Auch in Zukunft werden wir, solange wenigstens die jetzigen Ver- hältnisse andauern, das vollständige Verzetteln nur noch für einzelne wichtige Texte und Textteile beibehalten; die andern werden wir dureh Exzerpieren erledigen, wie dies in diesem Jahre bereits von Hrn. Erman in größerem Umfange geschehen ist. Ebenfalls hand- schriftlich wurden dem Wörterbuch Bemerkungen und Vermutungen aus der neueren ägyptologischen Literatur zugeführt, darunter auch die von Hrn. Enger gesammelten Vergleichungen ägyptischer und semiti- scher Worte. Wertvolle Notizen aus seinen Sammlungen steuerte auch Hr. SErHe bei. Das Ausschreiben und das Alphabetisieren der Zettel konnte nach Lage der Dinge nur wenig vorrücken, dagegen kam das Einlegen der Zettel endlich wieder in Gang; es wurde von Hrn. Antaes besorgt, der die Rückstände aus den Kriegsjahren zum guten Teil erledigte. Das Bedürfnis nach einer zuverlässigen Sammlung der gewöhn- lichen ägyptischen Worte, das in allen am alten Ägypten interessierten Kreisen besteht, hat uns schließlich veranlaßt, das vor 16 Jahren er- schienene » Ägyptische Glossar« zu einem dem jetzigen Stande unserer Kenntnisse entsprechenden Handwörterbuche zu erweitern. Dieses Kind unseres großen Werkes, dessen sich außer den HH. Erman und (rAarow auch Hr. SETHE angenommen hat, wird erscheinen, sobald die für den Druck erforderliehen Mittel beschafft sein werden. Das Tierreich. Bericht des Hrn. KükeEntHatı. Leider konnte auch in diesem Jahre der Druck der Tierreich- lieferungen noch nicht aufgenommen werden, trotzdem’ 7. Manuskripte zum Teil seit 1915 vorliegen, der Revision unterworfen sind und des Druckes harren, während 2 weitere Manuskripte von den Autoren abgeschlossen sind. Ein weiteres Hinausschieben der Drucklegung wäre im Interesse des Unternehmens höchst bedenklich, hoffentlich lassen sich die Mittel finden, das für die zoologische Wissenschaft hochbedeutsame Werk bald fortzuführen. Die schon im vorigen Bericht genannten Arbeiten an den Literatur- kürzungen und am Autorenkatalog wurden von den angestellten Damen weitergeführt. Berichte über die wissenschaftlichen Unternehmungen der Akademie 135 Nomenclator animalium generum et subgenerum. S Bericht des Hrn. Kükentnaar. Auch in diesem Jahre konnte nichts herausgegeben werden, da es nicht möglich war, die für den Druck verlangten außerordentlich hohen Zuschüsse aufzubringen. Manuskripte sind eingegangen: die Sporozoa von Hrn. A. PrArtse, Breslau, die Oribatidae recentes von Hrn. M. Serrnick, Lötzen (Ostpr.), die Sphingidae recentes von Hrn. G. A. Cross, Berlin, die Dytiscidae, Hygrobüdae, Haliplidae, Heteroceridae, Dryopidae, Gyrinidae, Cyathoceridae und Georyssidae vecentes von Hrn. A. Zımmermann, München, die Ne- matodes und Nematomorpha recentia et fossilia von Hrn. A. Coruın, Berlin, die Orthoptera recentia von Hrn. H. A. Krauss, Tübingen. Im Bureau waren als Mitarbeiter angestellt außer Frau M. StEnpeLı Hr. cand. zool. A. REmane seit Juni und Frl. H. GrAEBER seit No- vember d. J. — Hr. Sıs Tuor, Drammen (Norwegen), Spezialist für die Gruppe der Acarina, hat dem Unternehmen gelegentlich eines Aufent- halts in Berlin im Juli durch tägliche mehrstündige unentgeltliche Arbeit im Bureau wertvolle Dienste bei der Durchsicht der Acarina- Manuskripte geleistet. | Die Akademie bewilligte dem Unternehmen auch in diesem Jahre wieder 3000 Mark und außerdem 3400 Mark, um den im Bureau kontraktlich gegen Remuneration beschäftigten Hilfskräften eine be- scheidene Teuerungszulage gewähren zu können. Das Pflanzenreich. Bericht des Hrn. EneLer. Im Jahre 1920 sind folgende Hefte erschienen: Heft 71. A. Enger, Additamentum ad Araceas-Philodendroideas, A. EneLer und K. Krause, Araceae-Colocasioideae; 9 Bogen. 72. A. Linerrsnem, ÖOleaceae-Oleoideae-Fraxineae und Oleaceae- Oleoideae-Syringeae, 3 Bogen. 73. A. Eneter, Araceae-Aroideae und Pistioideae, ı8 Bogen. 74. A. Eneter, Araceae, Pars generalis et Index familiae generalis; 5 Bogen. Damit ist die Bearbeitung der vom Herausgeber schon vor 40 Jahren einmal monographisch behandelten mor- phologisch höchst interessanten großen Familie der Araceae zum Abschluß gelangt. Im Drucke befindet sich die sehr umfangreiche, für die Ent- stehung der Arten und für die Floristik Europas besonders bedeutungs- volle Monographie von K. H. Zany über die ungewöhnlich formen- reiche Gattung Hieracium, wovon zur Zeit 30 Bogen gesetzt sind. Es Sitzungsberichte 1921. 13 136 Öffentliche Sitzung vom 27. Januar 1921 ist beabsichtigt, die Arbeit in Abteilungen herauszugeben; das erste Heft von ı8 Bogen soll Anfang 1921 erscheinen. — Ferner wurde der Druck der Arbeiten von Fr. Kränzum, Orchidaceae-Oncidünae- Odontoglosseae Pars II und von A. Branp, Borraginaceae-Cynoglosseae be- gonnen, so daß beide Hefte 1921 erscheinen können. Wie schon im vorjährigen Bericht gesagt wurde, liegen zahlreiche, zum Teil sehr umfangreiche Arbeiten druckfertig vor, so daß auf Jahre hinaus reich- lich Stoff zum Drucken da ist. Sehr wünschenswert wäre es, wenn die große Monographie der Gramineae-Paniceae von ©. Mrz, für die bereits eine erhebliche Anzahl von Figuren gezeichnet ist, baldigst in Satz gegeben werden könnte, da es sich um eine pflanzengeographisch besonders wichtige, in fast allen Erdteilen reichlich vertretene, über- aus formenreiche Abteilung der Gräser handelt; ebenso dringlich ist die Fortsetzung des Druckes der von F. Pax bereits in mehreren Heften veröffentlichten Zuphorbiaceae, von denen er seit zwei Jahren eine weitere Abteilung druckfertig liegen hat. In beiden Gruppen geht den größeren Herbarien ständig neues Material zu, für dessen Bearbeitung Übersichten allerseits verlangt werden; den Verfassern drohen die Früchte jahrelanger angestrengtester Arbeit zu entgehen, falls inzwischen von anderer Seite dieselben Gruppen oder Teile davon in Angriff genommen werden. Ähnliches gilt natürlich auch für die anderen druckreifen oder dem Abschlusse nahen Arbeiten: ©. Mez, Bromeliaceae, R. Ksurn, Dioscoreaceae und Oxalidaceae, ©. E. Scaurz, mehrere Gruppen der Cruciferae, J. ScHuSTEr, Cycadaceae; A. CoGNIAUX- Harns, Oueurbitaceae Il (die erste Fortsetzung wird im Laufe des Jahres 1921 druckfertig); Dr. Fr. GRAF von ScHwerin, Staphyleaceae; A. K. SCHINDLER, Leguminosae-Desmodünae; F. Frppe, Papaveraceae- Fumarioideae;, &. SCHEL- LENBERG, Öonnaraceae. Nur wenn größere Mittel für den baldigen Druck dieser teilweise sehr umfangreichen, für die Kenntnis der innerhalb größerer Verwandtschaftskreise möglichen Formenentwieklungen und phylogenetischen Beziehungen recht wichtigen Arbeiten bereitgestellt werden, wird es dem Verleger möglich sein, trotz der großen, immer noch steigenden Unkosten für Papier und Druck eine größere Zahl von Heften gleichzeitig in Angriff zu nehmen, damit das reiche vor- liegende Material nicht veraltet. — Für die weitere Fortsetzung des Unternehmens ist dadurch Sorge getragen, daß mehrere Forscher schon seit längerer Zeit die Bearbeitung gewisser Familien oder Gattungen übernommen und teilweise schon erheblich ‚gefördert haben; so z.B. Fr. Nırpenzu die Malpighiaceae; EB. IrmscHer die Begoniaceae; &. BiTTER die ungemein artenreiche und systematisch früher recht unvollkommen be- handelte Gattung Solanum; W. Wanserın die Plumbaginaceae; E. ULsrıcHh die Ranunculaceae: von BREHMER die Melianthaceae. Berichte über die wissenschaftlichen Unternehmungen der Akademie 137 Geschichte des Fixsternhimmels. Bericht des Hrn. G. MÜLLER. Das Unternehmen erlitt im verflossenen Jahre einen schweren Verlust durch den am 12. August erfolgten Tod des Vorsitzenden der Kommission, Hrn. Struve. Ferner wurden die Arbeiten dadurch wesentlich beeinträchtigt, daß aus Mangel an Geldmitteln der einzige noch im Bureau beschäftigte Hilfsarbeiter am 30. Juni entlassen werden mußte, so daß von da an die ganze Arbeit dem wissenschaftlichen Beamten Prof. Pıerrscn allein überlassen blieb. Soweit es möglich war, wurden von diesem die Arbeiten an dem Cambridger Katalog, die Reduktion der Polsterne und die Revision der Zettel fortgesetzt. Außerdem wurde seine freie Zeit wiederholt durch, Arbeiten für befreundete Astronomen und Sternwarten in An- spruch genommen, welche sich mit Gesuchen um Überlassung von Sternörtern an die Kommission gewandt hatten. Der Druck des ersten Bandes der Geschichte des Fixsternhimmels ist jetzt beendet bis auf das Vorwort und die Einleitung, mit deren Abfassung der wissenschaftliche Beamte beauftragt wurde. Der Band wird voraussichtlich in den nächsten Monaten im Buchhandel erscheinen. Dringend erforderlich ist eine beträchtliche Erhöhung der jetzigen Dotation, um einen wissenschaftlichen Hilfsarbeiter mit abgeschlossener Hoehschulbildung einstellen und die Fortführung des Druckes beschleu- nigen zu können. Kommission für die Herausgabe der „Gesammelten Schriften Wilhelm von Humboldis“. Bericht des Hrn. Burpvacn. Die dauernde und immer noch steigende Teuerung im Buchgewerbe macht eine Fortführung des Druckes der Ausgabe für die nächsten Jahre unmöglich. Es war daher geboten, von dem dreizehnten Band die seit 1913 gedruckten zwanzig Bogen für sich allein der Öffent- lichkeit zu übergeben. Die längst viel begehrte Abhandlung »Die Vasken oder Bemerkungen auf einer Reise durch Biscaya und das französische Basquenland im Frühling des Jahres 1801«, deren ver- loren geglaubte Handschrift durch des Herausgebers Professor Lerrz- MANN Aufmerksamkeit buchartig gebunden unter gedruckten Büchern in der Humboldtschen Bibliothek, auf Schloß Günthersdorf in Schlesien wiederaufgefunden war, tritt hier endlich zum erstenmal ans Licht. . Ihr folgen zwei amtliche Berichte aus Humboldts römischer Zeit (be- arbeitet von SıEsrrıep KÄrLer) und einige wichtige amtliche Arbeiten 138 Öffentliche Sitzung vom 27. Januar 1921 aus Humboldts Tätigkeit an der Spitze der Ministerial-Sektion für den Kultus und Unterricht während der Jahre 1809 und 1810 (bearbeitet von EpvArn SprAanger). Die noch fehlenden Nachträge zu denPolitischen Denkschriften müssen einem Ergänzungsbande vorbehalten bleiben, der erst unter günstigeren Verhältnissen wird erscheinen können. Vollends die vorbereitete vierte Abteilung (Briefe), die schon im vorigen Berichtsjahr vertagt wurde (s. Sitzungsberichte 1920, S. 120, wo es in der vorletzten Zeile Briefe statt Tagebücher heißen soll), muß für absehbare Zeit aufgegeben werden. So sehr man diesen Verzicht beklagen mag, ihn erleichtert einigermaßen der Umstand, daß der größere und bedeutsamere Teil der Briefe Wilhelm von Humboldts längst in Einzelausgaben zugänglich ist, vereinigt überdies meistens mit den von unserer Edition ausgeschlossenen Zuschriften der Briefpartner. Durch die Veröffentlichung des dreizehnten Bandes ist Jetzt ein Abschluß für die Gesamtheit. der "eigentlichen Schriften Wilhelm von Humboldts erreicht. Es liegen. nun außer diesem Nachtragsband voll- endet vor: die erste Abteilung (Werke), die in sieben Bänden (neun Teilen) seine Werke im engeren Sinne, in je einem Bande seine Über- 'setzungen und ‚seine Gedichte enthält, ferner die zweite Abteilung (Politische Deikschriften) in drei Bänden (vier Teilen), der noch ein Rest Nachträge als Ergänzungsband, sobald die Verhältnisse es erlauben: werden, folgen soll, und endlich die vollständige dritte Ab- teilung (Tag gebüfh er) in zwei starken Bänden. So hat denn immer- hin unsere Edition ihre Aufgabe im wesentlichen bereits erfüllt. Ver- dankt wird dies Ergebnis dem glücklichen Zusammenwirken der Familie Humboldt und des unermüdlichen pflichttreuen Herausgebers, Professors ALBERT Lerrzmann (Jena), die im Verein das ganze Unternehmen zu- erst angeregt haben, mit dem uns zu früh entrückten Begründer und, Leiter der akademischen Humboldtausgabe, Erıcn Scanipr. Y In schwerer nationaler Not war einst Wilhelm von Humboldt der große Wiederhersteller der geistigen Arbeit Preußens. Heute in der Zeit tiefster Zerrüttung des deutschen Wesens ist sein Werk und seine Persönlichkeit zum erstenmal als Ganzes zusammengefaßt, das seine lebendige Kraft gesteigert ausstrahlen möge in die deutsche Nation und in die ganze Kulturwelt. ‘ Interakademische LEıznız- Ausgabe. Bericht des Hrn. Eromann. Nach dem oben’S. 116 mitgeteilten neuen Plane für das Unter- nehmen ist zunächst der erste Band des allgemeinen, politischen und historischen Briefwechsels fertiggestellt worden. Während der alte, D ı Berichte über die wissenschaftlichen Unternehmungen der Akademie 139 in den Jahren 1913— 1914 gesetzte erste Band der Briefe und Denk- schriften nur bis zum Jahre 1670 reichte, umfaßt jetzt der neue Band die ganze Zeit von Mainz und Paris (1668— 1676). Der erste Band des philosophischen Briefwechsels ist in Angriff genommen worden. Im übrigen haben wir im verflossenen Jahr die Bestandaufnahme _ der- Jenigen Teile des Lrissız-Nachlasses, die seinerzeit den französischen Akademien überlassen waren, fortgesetzt, um auch für diese Teile von den uns Jetzt nicht zugänglichen französischen Vorarbeiten unabhängig zu werden. Vor allem aber haben wir zahlreiche Handschriften nach den Grundsätzen unserer Ausgabe ein für allemal abgeschrieben und verglichen. " Corpus Medicorum Graecorum. Bericht des Hrn. Dies. Die im letzten Berichte angekündigte Drucklegung von Galenos Bd.V 4,2 hat begonnen. Bisher liegen 10 Bogen des Textes und die Praefatio in Korrektur vor. Der Band soll enthalten: ı. "YrıeinA ed. Konr. Kocan (Eisenach), 2. TTeri TON En TAIC TPOsAlIC AYNAME@N ed. G. Hernreich (Ansbach), 3. TTepi evxymiac Kal Kakoxymlac von dem- selben, 4. TTepi nermtynovcHc alaitHnc ed. K. Kargrreeiscn (Gießen), 5. TTeri mticännc ed. O. Hartuica (Meißen), 6. TTepi TAc &z Envmnion AIArNWCEWC von demselben. Hr. Studienrat Dr. E. WenkesachH (Charlottenburg) hat wegen der Einschränkung der akademischen Druckarbeiten die Verarbeitung der arabischen, in deutscher Übersetzung von Hrn. Studienassessor Dr. F. Prarr in Berlin bereitgestellten, Lesarten in die byzantinische Überlieferung der Galenschen Kommentare zum ı. und 3. Buche der Epidemien des Hippokrates nicht weiter gefördert. Auch ist es für die Fortsetzung seiner Studien noch nicht entschieden, ob Galens Kommentare zum, 2. Epidemienbuche aus einem lateinischen Vaticanus in der Übersetzung des Calvus, worauf allerdings nur geringe Hoffnung besteht, oder aus einem arabischen Escorialensis in der Übersetzung Hunains zu ver- öffentlichen sind. Als neue Probe für den textkritischen Wert dieser arabischen Übersetzung der Epidemienkommentare hat er ein bisher nur aus der lateinischen Übersetzung Gadaldinis in der Juntina von 1541 bekanntes, im Urtext aber unveröffentlichtes Kapitel des 2. Kommentars zum 3. Epidemienbuche dank dem einzigen griechischen Zeugen der Sonderüberlieferung der Kommentare zum 3. Buche, dem Laur. 74, 25, unter dem Titel »Eine alexandrinische Buchfehde um einen Buchstaben in ' den hippokratischen Krankengeschichten« in den Sitzungsber. d. Preuß. Akad. d. Wiss., phil.-hist. Kl. 1920 VIIS. 24 1ff. erscheinen lassen können. 140 Öffentliche Sitzung vom 27. Januar 1921 Hr. Oberstudienrat Dr. Hrınreıcn (Ansbach) hat den Text zu den zwei nur fragmentarisch auf uns gekommenen Abhandlungen Galens TTrpöoc Aykon (XVIIIA ı96K.) und TTröc "lovnıanöon (XVIITA 246 K.) fest- gestellt. Hr. Dr. ALsert Rırzenreiv (z. Z. Positano, Prov. Salerno, Italien) berichtet: Es ist mir bis jetzt nicht möglich gewesen, die Kollation der Pariser Handschriften von Galens kleiner 'Therapeutik zu Ende zu führen. Soviel läßt sich jedoch schon jetzt mit einiger Bestimmt- heit sagen, daß das mir vorliegende Handschriftenmaterial (die italieni- schen Handschriften habe ich bereits vor dem Kriege kollationiert, die Pariser liegen mir zum großen Teile in Photographien vor) zur Her- stellung eines guten Textes ausreichen dürfte, falls die übrigen wegen . der Ungunst der Zeiten unzugänglich bleiben sollten. Ich hoffe, die Arbeit mehr fördern zu können, wenn ich mein in Italien zurück- gebliebenes Eigentum nach Deutschland übergeführt habe, was mir spätestens in diesem Frühjahr gelingen dürfte. Hr. Prof. M. Werımann (Potsdam) hat als Vorläufer und Probe seiner umfassenden Untersuchungen über die Quellen der späteren naturwissen- schaftlichen Literatur die Bearbeitung von Bolos-Demokritos Georgika im Manuskript vollendet. Es wäre zu wünschen, daß sich dafür bald eine Druckmöglichkeit fände. Über die Arbeiten im Auftrage der Kgl. Dänischen Gesellschaft der Wissenschaften berichtet Hr. Hriger« (Kopenhagen) folgendes: Vom ı. Band der Ausgabe des Paulos Aiginetes durch Prof. Dr. J. L. Heıgere sind 20 Bogen gedruckt; es fehlen nur noch ein paar Bogen. Das Manuskript zum 2. Band ist druckfertig. Rektor Dr. K. Hupe hat das Manuskript für die Ausgabe des Aretaios druckfertig eingeliefert. Dr. H. Raeper hat wegen andauernder Krankheit die Arbeit an Oribasios nicht weiter fördern können. Die Rask-Oersted-Stiftung des dänischen Staates hat für die von dänischen Gelehrten zu besorgenden Bände des Corpus medicorum graec. 9000 Kronen bewilligt. Zum Schlusse ist zu berichten, daß nunmehr auch die Heraus- gabe des Hippokrates näher ins Auge gefaßt werden konnte, da der Kommission von einem hochherzigen Gönner in Berlin 150000 Mark zur Drucklegung überwiesen worden sind, die von der Akademie als »Hippokrates-Stiftung« verwaltet werden. Teile des hippokratischen Corpus sind bisher übernommen von den HH. Hrısere und Diers so- wie von den Prof. Dr. Schöne (Münster i. W.), Nacumanson (Göteborg) und Mewaıpr (Greifswald). a Berichte über die wissenschaftlichen Unternehmungen der Akademie 141 Hr. Prof. Dr. Ersst Nachumanson (Göteborg) hat die hippokratischen Schriften TTrornwetikön, Kwakal mPornweeic, TTpoppHTtiKön A’, TTerpi KPıciun, TTepi xyvm@n übernommen. Er hat seine Arbeit mit TTpoprHTıkön aA und Kwakai mpornwceic angefangen und ist jetzt damit beschäftigt, die vati- kanischen und die Pariser Handschriften nach den Photographien der Berliner Akademie zu vergleichen. Hr. Prof. Dr. Jon. MewarLpr (Greifswald), der die Schriften TTeri @Ycıoc AnepwroY, Tlepi Alaitnc und Tleri araitnc Ozewn bearbeitet, hat Parisin. gr. 2253, Mare. gr. 269 und Vatie. gr. 276 nach den Photo- graphien vollständig verglichen. Deutsche Commission. Bericht der HH. Burvack und RoETEHeE. Wir haben anscheinend immer noch nicht den Tiefstand unserer Arbeiten erreicht. An den freiwilligen Helfern, die unentgeltlich oder gegen ganz bescheidenen Lohn sich an unsere Unternehmungen be- teiligten, sind wir immer ärmer geworden: die äußere Not, der politische Druck, unter denen die gelehrte Arbeit leidet, treffen mit einer innern Abwendung von der reinen geschichtlichen Erkenntnis zusammen. Diese ist zu beklagen, nicht nur für unsere Forschungen und Sammlungen, sondern für die Gesundheit unsers Volkes überhaupt. Uns sollen diese Schwierigkeiten aber nicht beirren. Und ein volles Stocken konnte bei manchem Verzicht doch auch diesmal vermieden werden. Es liegt in der Natur der Sache, daß die Inventarisation der deutschen Handschriften des Mittelalters trotz aller Aufbesse- rungen (der Honorierung und trotz entschlossener Einschränkung des Arbeitsgebiets auch diesmal am dürftigsten fortgesehritten ist. Nur teilweise glückte es, die früheren Mitarbeiter zu der Handsechriften- arbeit zurückzuerwerben; noch weniger gelang es, die breiten Lücken, die der Krieg gerissen hat, durch neugewonnene Kräfte zu füllen. Nach beiden Richtungen erstrecken sich jetzt‘ ganz besonders unsere Bemühungen. Aus Steiermark sandte Dr. BıerontLawek die Beschreibung der Handschrift Graz Ub.I ı312 ein. Der Hauptinhalt (Wiener Weichbild- recht, Wiener Stadtrecht und Handveste Herzog Albrechts II. von 1340, ein Klosterneuburger Wasserrecht) weist darauf hin, daß die Hs. in Wien, zum Teil in Klosterneuburg, geschrieben sein wird. Außer diesen schon von WATTEnBACH und Franz Stark gewürdigten Stücken 142 Öffentliche Sitzung vom 27. Januar 1921 / und einigen lateinischen Pestrecepten bietet der Codex Bruchstücke eines mittellateinischen grammatischen Lehrgedichts. Durch eine letzte Sendung ist die Aufnahme der Württembergischen Landesbibliothek in Stuttgart bis auf gelegentliche Funde zum Ab- schluß gelangt. Die Hauptarbeit leisteten die Beamten der Bibliothek Prof. Dr. Lörruer und Bibliothekar Dr. Leuze, von denen der erstere allein über 200 Beschreibungen lieferte. Die Deutsche Commission, die keine äußeren Ehren zu vergeben hat, erkennt diese Leistung mit besonderem Dank an. Aus der Reihe der zuletzt gesandten Beschrei- bungen verdient Erwähnung der aus Kloster Weingarten stammende eod. HB. XI ı2 wegen des deutschen Prosatractats “von der heymlich- ' keit und blumen aller Ertzeinen’. Sein sowie des folgenden Tractats “Von den menschlichen Speisen’ Explieit benennt “Vallentinus swende von Werde by Rine’ (als Verfasser oder nur als Schreiber?). Ein Sammel- codex des 15./16. Jahrhunderts (HB. XI 16), ebenfalls aus Weingarten, vereinigt mit medieinischen (u. a. gereimten Pestregeln), naturwissen- schaftlichen, ökonomischen Aufzeichnungen auch arithmetische Stücke. Für die Herstellung eines kritischen Textes der weitverbreiteten Kalender- verse bietet HB. XI 43 (15. Jahrhundert) einen erwünschten Beitrag. 'Lehr-, Roman- und Geschichtsprosa des späten 15. Jahrhunderts, meist schon beachtet, ist mehrfach vertreten. Einigen handschriftlichen Eintragungen in Incunabeln ist Dr. Leuze nachgegangen ; so gewinnen wir aus HB. Ine. 12581 Kenntnis von ethisch- religiösen Lebensregeln, die sich der. Deutschordensbruder Wolfgang Lang wahrscheinlich nach älteren Vorlagen aufzeichnete. | Eine Reihe von Handschriften der Palatina in Heidelberg unter: suchte der in der mittelalterlichen deutschen Novellenliteratur kundige Dr. Nırwörner in Gotha aufs neue. Fr macht wahrscheinlich, daß epg 314 nicht in Diebold Laubers Schreibschule zu Hagenau, sondern zwischen 1443 und 1447 zu Augsburg geschrieben worden ist. Nmewönners Sachkenntnis kam auch .einigen Handschriften der Münchner Staatsbibliothek zugute; es war von unserem früheren Beschreiber Dr. Mornnorsr übersehen worden, daß in egm 714 der Novellenstoff vom Schüler zu Paris unmittelbar, äußerlich durch nichts hervorgehoben, in den “von der Minnen Kraft” übergeht. Zu Do- ceniana 053 bemerkt Nıewönner, daß Docens Niederschrift nicht, wie man gemeint hat, den Versuch einer Textherstellung, sondern die leider sehr unvollständige Abschrift einer neuen Handschrift mit der Novelle ‘des Pfaffen in der Reuse’ (v. 1-62) darbiete. Für cgm 273 macht NıEwöÖnnEr wahrscheinlich, daß der Teil Bl. 136—1ı58 einst als selb- ständige Handschrift bestand, die von allen Strickerhandschriften cpg 341 am nächsten steht. Er mag auf eine jener kleinen Samm- Berichte über die wissenschaftlichen Unternehmungen der Akademie 143 lungen zurückgehen, aus denen epg 341 (herausgegeben in den Deut- schen Texten XVII) schöpfte. Auch eine Nürnberger Handschrift (Germanisches Museum 5339a), wahrscheinlich in Passau entstanden, Gedichte Rosenplüts enthaltend, untersuchte Dr. Nırwönner eingehend. -Er legte ferner die Beschreibung einer durch Johannes Karcher von Hagenau 1479 geschriebenen Papierhandschrift der Lycealbiblio- thek zu Dillingen vor; sie bietet außer einer Prosaauflösung von St. Wilhelms Leben und einer visio Tundali die Novelle ‘Der Junker und der treue Heinrich’. a Prof. Dr. G. Bınz, der die Handschriften der ihm unterstellten Mainzer Stadtbibliothek, soweit sie für unsere Inventarisierung in Betracht kommen, zu beschreiben übernommen hatte, ist am ı. April 1920 als Vicedireetor der Schweizerischen Landesbibliothek nach Bern berufen. Er wird also seine Mitarbeit den Unternehmen der Akademie nicht mehr in der beabsichtigten Weise widmen können. Immerhin hat er die Erledigung der Mainzer Handschriften trefflich vorbereitet. Die planmäßige Durchsicht derselben ergab ihm viele Ergänzungen, Verbesserungen, Verfasserfeststellungen gegenüber dem vorhandenen äußerst dürftigen Inventar. Nachdem er alle Handschriften geordnet und einen alphabetischen Index der Verfasser, Schreiber, Besitzer an- gelegt hatte, eine Arbeit, die durch die Störungen des Krieges sich sehr verzögerte, begann er im März 1918 sämtliche Handschriften nach der Instruction unseres Handschriftenarchivs zu beschreiben. Diese Beschreibung ist jetzt bis zur Handschrift 50 gelangt. Von diesen ersten 50 Nummern hat er uns 10, die Stücke für das Archiv der deutschen Handschriften enthalten, übersandt. Am meisten In- teresse bieten die von einer Papierhandschrift abgelösten Pergament- falze, welche Schnitzelchen einer lateinisch-deutschen Handschrift des großen religiösen Leichs Reinmars non Zweter enthalten. Bınz möchte darin eine Spur von des Dichters Aufenthalt am kurfürstlich erzbischöflichen Hof in Mainz erblicken. Im übrigen handelt es sich um einige deutsche Mystikerbruchstücke, um lateinische Versionen. der filia Sion, eine prosaische Auslegung des Hohen Liedes, endlich um mehrere Handschriften, die überhaupt nur wegen einiger Rand- oder anderer Glossen und Federproben aufgenommen sind. Doch ver- dienen wegen allgemein kultur- und religionsgeschichtlicher Beziehungen genannt zu werden einige bisher nicht beachtete Handschriften von Schriften des Vorreformators Matthaeus von Krakau und des fruchtbaren Prager und Heidelberger Theologieprofessors Nicolaus Magni de Jawor (Jauer). Die erste Durchsicht des übrigen Mainzer Bestandes hat gezeigt, daß die Ausbeute der deutschen Handschriften hinter den Erwartungen . 144 Öffentliche Sitzung vom 27. Januar 1921 zurückbleiben wird, wenn auch ein oder der andere theologische deutsche Text bei näherer Untersuchung sich als wertvoll erweisen mag. An volkskundlich interessanten deutschen Stücken bemerkt Bınz einen mittel- hochdeutschen gereimten Segen gegen den ritten und eine bisher wohl unbekannte niederdeutsche Version des Drei-gute-Brüder-Segens, deren Behandlung in einer Zeitschrift er plant. Durch seine dankenswerten Bemühungen hat Hr. Prof. Bısz die Grundlage geschaffen und ein vorbildliches Beispiel gegeben für die Fortführuug der Arbeit an den Mainzer Handschriften. Ein Convolut mit Handschriften des Coburger Staatsarchivs wurde durch Vermittlung des Seminardireetors Dr. Hörer in Eisenach unserem Archivar zur Beschreibung übersandt. Die Mehrzahl der zum Teil unbekannten, dem 16. bis frühen ı8. Jahrhundert zugehörigen Versdichtungen ist politischen Inhalts: “Elster Tanz’ 1566, ein “Neues Lied’ gegen Frankreich (wahrscheinlich anläßlich der Bartholomäus- nacht gedichtet), Gedicht auf 1704, ein Teil aus einer größeren Dich- tung auf Prinz Eugen u. a. Daneben ein Stück aus der Oper “An- tiochus und Stratonice’ 1708, ein Liebeslied und ein gereimter Liebes- brief des 17. Jahrhunderts. In Gotha setzte Dr. Nırwönner seine ergänzende Durchsicht fort. Unter den md. Gebeten in B88S um 1400 fanden sich einige sehr ver- derbte Reimpaargedichte. Einige Exempel ergab B 895 (um 1400) neben dem md. Traetat “vom seligen Sterben’. Für die Trachtengeschichte enthält das Stammbuch des Nürnbergers Balthasar Derrer (Eintragungen ° aus Italien 1584) Wertvolles [B 1010]. Geistliche Lieder von Caspar von Minckwitz bietet der um 1600 geschriebene “Trostspiegel’. Bei einem gelegentlichen Aufenthalt in Arnsberg (Westfalen) verzeichnete Prof. Brurenn ein handschriftlich erhaltenes, in Arnsberg 1771 gespieltes Schuldrama ‘Leben des Heiligen Gotfried’ (im Besitz des Prof. Fraux ve Lacroıx) und ein umfassenderes handschriftliches westfälisches Zwischenspiel zum Drama ‘Eulogius’, aufgeführt im Gymnasium 1764 (im Besitz des Gymnasiums). Das Stadt- und Pfarr- archiv zu Brakel sah Dr. Nırwönner ohne Ergebnis durch. In der Amploniana zu Erfurt setzte Dr. Nırwönner ebenfalls seine Nachprüfungen fort. In F 362 ist ein die Teilnahme der Thüringer an der Soester Fehde behandelndes Lied von 1447 eingesprengt. Im Innendeckel von F 337a findet sich ein deutsches Liebeslied (1. Viertel des ı5. Jahrhunderts) verzeichnet. Die in Q 28a einer ars dietandi beigegebenen lateinischen und deutschen Briefmuster, in denen Carl IV. und König Wenzel genannt werden, erheischen nähere Untersuchung. Aus dem Quedlinburger Ratsarchiv beschrieb Dr. SPARMBERG eine niederdeutsche Rechtshandschrift des 14. Jahrhunderts; reicher Berichte über die wissenschaftlichen Unternehmungen der Akademie 145 wären die diesjährigen Erträge der Gymnasial- und Stifts- bibliothek, aus der mehrere niederdeutsche und lat.-nd. Sammelhss. (z. B. ein gereimtes lat.-nd. Gesundheitsbüchlein) analysiert wurden; auch eines Fragments einer unbekannten nd. Verserzählung sei gedacht, die in die Sphäre des "Königs im Bade’ zu gehören scheint. Eine von Kerrer in den Fastnachtspielen nicht ausreichend gewürdigte Handschrift zu Wolfenbüttel, Landesbibl. 29. 6. Aug. beschrieb Dr. NıEwÖHneEr aufs neue. Einige Handschriften der Staatsbibliothek in Berlin untersuchte Dr. Nıewönner. Bei cod. germ. 2° 923 Nr. 3 (Pergamentdoppelbl., frühes 14. Jahrhundert) vermutet er, daß Reste der gleichen Hand- schriften in cod. germ. 4° 663 der Berliner Staatsbibliothek, vielleicht auch Königsberger Universitätsbibliothek 907 b vorliegen. Cod. theol. lat. 4° 164 wird dem Peter-und-Paul-Kloster zu Erfurt entstammen; unter den verschiedenartigen, willkürlich zusammengebundenen Hand- schriften finden sich auch deutsche Reimgedichte, ‚deren eines um 1381 verfaßt ist. Auf eine in Ostpreußen aufbewahrte Papierhs. um 1500 mit der “Wundarznei’ des Heinrich von Pfalzpeunt [1460] wies Privat- dozent Dr. Hüsorter Prof. Beurenp hin, der sie beschrieb. Zu den 6 bisher bekannten Handschriften dieses in der medieinischen Lite- ratur schon mehrfach behandelten Mannes, dessen Namen verschieden angegeben wird: Pfalzpeunt, Pfolsprundt, Phlesisrünt, Spospunt, kommt nunmehr eine 7. mit gekürziers, aber für die kritische Ausgabe nicht wertlosem Text. Der Katalog der in Zeitschriften gedruckten Texte wurde durch unsern Archivar rüstig gefördert. Die Zahl der gesamten Beschrei- bungen beträgt 11064. An den Verzettlungsarbeiten beteiligten sich stud. Brauns, eand. Kırnast, cand. NıEHorr, cand. Prexıo, Dr. Rossr, stud: SpreErE, Frl. Dr. Wanach, cand. Wursten. Die Ordnungsarbeiten lagen in der Hand der Bibliothekssekretärin Frl. VoLkmann. Von den Deutschen Texten des Mittelalters wurde im ver- tlossenen Berichtsjahr endlich Bd. XXVU ‘Das Marienleben des Schweizers Wernher, aus der Heidelberger Handschrift heraus- gegeben von Max PAErKE’ durch Prof. Hüsxer, der für den verstor- benen Verfasser eintrat, zum Abschluß geführt. Ihm und cand. phil. Urrıcn PRETZEL, der sich um das Register verdient gemacht hat, ge- bührt unser voller Dank. Der sehr interessante, aber stark verderbte Göttweiher Trojaner- krieg, den Prof. Korrırz in Wien im XXVII. Bande der "Deutschen 146 Öffentliche Sitzung vom 27. Januar 1921 Texte‘ herausgibt, schreitet im Druck langsam.fort: wie bisher hat sich Hr. vos Kraus in München um die Berichtigung der arg zu- gerichteten Dichtung erfolgreich mitbemüht. Prof. Anrıan, jetzt in Straßburg, hofft Bd. XXVI ‘Das alemannische Gedicht von Johannes dem Täufer und Maria Magdalena, aus der Wiener und Karlsruher Handschrift" nunmehr wieder kräftiger fördern zu können, eine Aussicht, die um so erfreulicher ist, als gerade dieser eigentümliche und schwierige Text dem Herausgeber besondere Auf- gaben stellt. So steht auch diese Reihe nicht still, so schwere Hindernisse ihr aus den abenteuerlichen Druckkosten erwachsen. Es sei besonders . anerkannt, wie opferwillig die Weidmannsche Buchhandlung trotz der Ungunst der Zeiten die Fortführung zu ermöglichen sucht. Eine starke Einschränkung bleibt freilich unvermeidlich. Wir verzichten daher darauf, die weiter vorbereiteten Bände der Sammlung aufzuzählen, wie wir das früher taten: sie sollen alle folgen, aber das Tempo des ‘ Erscheinens muß verlangsamt werden. Über die Wieland-Ausgabe berichtet Hr. Srurrerr: “An ver- schiedenen Bänden wurde die Arbeit fortgesetzt; Abschluß wurde infolge der Not der Zeit nirgends erreicht. Das VII. Heft der Pro- legomena mit Ergänzungen, Berichtigungen, Vorarbeiten für einzelne Bände liegt fertig da und harrt auf den Wiederbeginn des Druckes der Abhandlungen der Akademie.’ Über die Fortschritte des Rheinischen Wörterbuchs schreibt Hr. Prof. Dr. Joser Mürter in Bonn: “Trotz der Beschränkung, die wir uns bei der Anfertigung neuer Fragebogen auferlegen mußten, kann das Ergebnis der Neuaufnahme mundartlichen Stoffes als befriedigend bezeichnet werden. 125 selb- ständig gesammelte Beiträge liefen ein, worunter wir 65 als größere bezeichnen können; besonders die Mundarten von Heinsberg-Lümbach (Prof. Frorax), Dinslaken (Mittelschullehrer KugAc#), Bergheim-Hüchel- hoven (Öberstleutnanta. D. Mrrrer), Mettmann-Vohwinkel (Lehrer ScHAAr), Schleiden-Hellenthal (F. BoLLenrArn), Essen (Prof. Inne), Kleve (Prof. InGEengLeEr), Merzig-Saarhölzbach (Studienassessor Dr. Tmıes), können umfangreiche, z. T. erschöpfende Aufnahmen ihres Wortbestandes auf- weisen. Leider sind uns zwei der besten Mitarbeiter durch den Tod entrissen worden:, Hr. Maler Haas in Kleve und Hr. Pfarrer Kınzure aus Geichlingen. Berichte iiber die wissenschaftlichen Unternehmungen der Akademie 147 Es wurden von den Mitarbeitern und den Seminaren 1218 Frage- bogen beantwortet; neu ausgegeben wurden Fragebogen 40 und 38. Die Bearbeitung, die 1919 bis baf- fortgeschritten war, hat nun die Gruppe best- erreicht. Etwa 1500 Seiten Manuscript treten neu hinzu. Der Assistent am Wörterbuch, Hr. Dr. Marrın, war beschäftigt mit der Entwerfung der Wortkarten (s. den vorigen Bericht). Dank der Unterstützung durch die Herren Kreisschulräte sind nun aus 2200 Schul- orten der Rheinprovinz für 72 Wortbegriffe die mundartlichen Ent- sprechungen durch die Herren Lehrer in die Fragebogen eingetragen worden, wofür allen Beteiligten Dank geschuldet wird. Hr. Dr. Marrıx hat sich eifrig bemüht, da, wo durch unvermeidliche Störung in der Sammlung Lücken hervortraten, diese durch besondere Nachfragen auszufüllen. So konnten bis jetzt folgende 16 Karten fertiggestellt werden: Grille, Mutterschwein, Zimmerfliege, Ameise, Star, Fledermaus, Huhn, Pflugwendestelle des Ackers. Speicher, arbeiten, Eisbahn schlagen, leer, Hagebutte, Sense hämimern, Schrank, empfindliche Stelle am Ellbogen. In Bearbeitung sind: Maikäfer, Schmetterling, Maulwurf. Wir rechnen damit, daß noch ein Jahr mit der Bearbeitung der übrigen Wortkarten vergehen wird. Eine genaue, durch Karten unterstützte Veröffentlichung über das wichtige Ergebnis und die Pro- bleme rheinischer Wortgeographie wird dann unmittelbar folgen. Im October siedelte das Wörterbuch in das von'der Universität freundlichst überlassene neue Heim in dem Institut für geschichtliche Landeskunde, Poppelsdorfer Allee 25, über, wo es nun hoffentlich seinen dauernden Sitz haben wird. Am 19. October 1920 fand eine Sitzung des Gesamtausschusses des Wörterbuches statt. Es wurde unter Zustimmung der Preußischen Akademie beschlossen, daß dem zu gründenden Universitätsinstitut für rheinische Mundart und Volkskunde das Material des Wörterbuches zur Benutzung für Übungen und wissenschaftliche Arbeiten überlassen wird, solange die Leiter dieses Instituts zugleich Leiter und Redactoren des Rheinischen Wörterbuches sind. Nach Vollendung und Druck- legung des Wörterbuches soll das gesamte Material der Universität Bonn als Eigentum überlassen werden. Der Gesamtausschuß erklärte sich damit einversanden, daß das Institut für rheinische Mundart und Volkskunde dem Institut für geschichtliche Landeskunde der Rhein- provinz als besondere Abteilung angegliedert werde. Hinsichtlich der Bearbeitung des Wörterbuches wurde folgender Beschluß gefaßt: “1. Das Wörterbuch wird nach dem ursprünglichen Plane in alpha- betischer Folge unter Ausschöpfung aller Belege in dem bisherigen Maße ohne alle Einschränkung weiter ausgearbeitet. Diese Bearbeitung 148 Öffentliche Sitzung vom 27. Januar 1921 bleibt im Archiv des Wörterbuches, bis die Drucklegung möglich ge- worden ist. Hi 2. Gedruckt wird zunächst ein Auszug des Wörterbuches, der enthalten soll sämtliche Stichwörter, die charakteristischen mundart- liehen Formen, sämtliche Bedeutungen mit möglichster Einschränkung des Belegmaterials, Redensarten, Sprüchwörter. Die Nominaleomposita sollen an alphabetischer Stelle, die Verbaleomposita unter den Grund- wörtern behandelt werden. 3. Sobald eine Probe dieses Auszuges (b bis bi) dem Gesamtaus- schusse vorgelegen und seine Billigung. gefunden hat, soll mit der Drucklegung begonnen werden. So können wir hoffen, daß das Rheinische Wörterbuch, wenn auch zunächst nur im Auszug, im Laufe des nächsten Jahres zu er- scheinen_beginnen wird.’ Über das Hessen-Nassauische Wörterbuch schreibt Prof. Wrepe in Marburg: ‘Die im vorjährigen Bericht ausgesprochene Sorge, ob es bei der zunehmenden T euerung gelingen werde, die Wörterbucharbeit auch in diesem Jahre auf der Höhe zu halten, ist durch den Ausschuß des Hessen-Nassauischen Wörterbuchs einigermaßen gebannt worden, der am 9. October hier in Marburg zusammentrat. Zu dieser Sitzung waren erschienen die HH. Diers und W. ScauLze als Vertreter der Akademie, Hr. Landesrat Dr. Scnerımann als Vertreter des Hrn. Landes- hauptmanns in Hessen und Hr. Geheimer Rat Professor Dr. BEHAGHEL aus Gießen. Die Herren nahmen von mir einen Bericht über Stand und finanzielle Lage des Wörterbuchunternehmens entgegen. Die sich anschließende Beratung hatte das Ergebnis, daß seitens der Akademie und des Bezirksverbandes Cassel eine Erhöhung der vertragsmäßigen Zuschüsse zunächst für das laufende Jahr in Aussicht gestellt werden konnte: sie ist inzwischen zur erfreulichen Tatsache geworden. Ferner machte Hr. Brnasner uns Hoffnung auf Gießener Zuwendungen, und heute darf mit besonderem Danke über eine erhebliche Summe quittiert werden, die die Gießener Hochschulgesellschaft dureh die Liberalität eines ihrer Mitglieder, des Großindustriellen Hrn. Hınpegraxn, unserm Wörterbuch zur Verfügung gestellt hat. Dazu ist weiter eine hoch- herzige Zuwendung des Hrn. Prof. Dr. Bacnmans in Zürich, Chefredaetors des Schweizerdeutschen Idiotikons, gekommen, für die ihm auch hier wärmster Dank ausgesprochen sei: wenn die wissenschaftliche Soli- darität im deutschen Sprach- und Geistesgebiet sich selbst in. solcher materieller Hilfsbereitschaft bewährt, dann darf unsere Wissenschaft RER: De Berichte über die wissenschaftlichen Unternehmungen der Akademie 149: trotz aller Nöte der Gegenwart ‘ihrer Zukunft weiter vertrauen. Es bleibt zu hoffen, daß auch für die kommenden Jahre sich Mittel und Wege finden werden, um die Arbeit am Wörterbuch gleichmäßig durch- zuhalten. In dieser Erwartung wurde von der genannten Conferenz beschlossen, den Druck eines knappen für weite ‘Kreise bestimmten Hessen-Nassauischen Idiotikons in die Wege zu leiten, neben welchem ‘ der Marburger Zettelapparat als stets benutzbares Wörterarchiv (zur Zeit 160000 revidierte Zettel) ständig auszubauen ist und der wichtige wortgeographische Kartenschatz, der im Berichtsjahr kaum hat ver- mehrt werden können, weiter gefördert werden soll. Unserer Arbeit wird ferner zustatten kommen, daß das dialektologische Institut, das sich durch die glückliche Vereinigung des Hessen-Nassauischen Wörter- buchs mit dem Sprachatlas des Deutschen Reichs hier in Marburg herausgebildet hat, vom Hrn. Minister zur Centralstelle für deutsche Mundartenforschung erhoben worden ist. Die Eingänge für das Wörterbuch sind im letzten Jahre zwar nicht so zahlreich gewesen wie im Vorjahre, haben aber dafür an innerem Gehalte gewonnen. Allen den eifrigen Sammlern, die sich jetzt in schöner Gleichmäßigkeit über das ganze Wörterbuchgebiet verteilen, sei aufs neue herzlich gedankt. Unter ihnen lieferten besonders reich- haltige Beisteuern die HH. stud. phil. FAser aus Krofdorf, Cantor Haner in Obermelsungen, Lehrer Hassergac# in Wolfenhausen, Lehrer HERDER in Langenseifen, Öantor Horrsteın in Dudenrode, Mittelschullehrer Karpus in Wiesbaden, Lehrer Kraus in Biebrich, Lehrer Lextz in Darm- stadt, Lehrer Maury in Dilschhausen, Lehrer Moxıck in Darmstadt, Lehrer Prarsent in Frankfurt, Lehrer ScHÄrer in Frankfurt, Lehrer SCHAEFER in Zimmersrode, Kreisschulrat Scnwarn in Obergrenzebach, Lehrer Srunpr in Burkhardsfelden. Die Hessische Vereinigung für Volks- kunde in Gießen sandte durch die rührige Vermittlung des Hrn. Pfarrer SchuLtE wiederum kostbares Zettelmaterial. ‘Unter den Lehrersemi- naren stand das in Schlüchtern dank dem Interesse des Hrn. Directors Dr. Lecuner und des Seminarlehrers SchxEiper mit gut ausgefüllten Fragebogen, mundartlichen Aufsätzen und mehrfachen Zettelsendungen seiner Schüler weit obenan, unter den Schulen nach wie vor das Ly- ceum in Hersfeld durch die sachkundige Unterweisung seines Directors Dr. Scuoor. Auch der Provinzpresse ist wieder für mannigfache Hilfe (Aufnahme der Berichte und Wörterbuchecken) zu danken. Die unmittelbaren Mitarbeiter hier am Orte sind die alten ge- blieben: die HH. Studienassessoren Dr. Kron und Dr. Wirzeı, (jetzt in Frankfurt), Frl. Dr. Berrnoun, Hr. Oberlehrer Gaxsteix, die Seeretärin Frl. Kraumer. Wissenschaftlicher und heimatsfreudiger Idealismus ließen ihren Eifer für das Wörterbuch nicht erlahmen, auch als ihren Lei- . 150 Öffentliche Sitzung vom 27. Januar 1921 stungen während des Jahres der äußere Lohn nicht immer entsprechen konnte. Ihrem Interesse wird es nicht am. wenigsten zu danken sein, wenn das Wörterbuch trotz der Schwere der Zeiten mit unverminderter Hoffnungsfestigkeit in das neue Arbeitsjahr hineingeht.’ Endlich erstattete Hr. Prof. Dr. Ziesemer in Königsberg über das . Preußische Wörterbuch folgenden Bericht: “Unsere Arbeit hat durch den Verlust Westpreußens einen geradezu unersetzlichen Schaden erlitten. Sehr große Gebiete dieser jetzt den Polen verfallenen preußischen Provinz sind rein oder weit überwiegend deutsch und bilden zum Teil in sich geschlossene Dialektgruppen. Die dialekt- wissenschaftliche Erforschung Westpreußens ist, weil es die Brücke bildet zwischen Ostpreußen und Pommern-Brandenburg, für das Ver- ständnis vieler Erscheinungen der ostpreußischen Mundarten und be- sonders für unser Wörterbuch von höchster Bedeutung. Wenn wir auch nach Möglichkeit unser Interesse auf‘ die Aufnahme ‘der deutschen Dialekte Westpreußens gelenkt und viele Tausende von Zetteln gesammelt haben, so wissen wir selbst am besten, wieviel da noch zu tun ist. Unsere Hoffnung, daß trotz der Besetzung durch die Polen eine weitere wissenschaftliche Aufnahme und Feststellung der deutschen Mundarten möglich sein werde, ist infolge der Unterdrückung alles deutschen Wesens in Westpreußen gründlich zunichte geworden. Die meisten unserer westpreußischen Mitarbeiter haben unter den traurigsten Um- ständen ihre Heimat verlassen müssen, und nur ganz wenige sind in der Lage gewesen, uns nach wie vor Beiträge zu senden. Diesen wenigen sei für ihre treue Hilfe besonders herzlich gedankt. Wie schwer es den Deutschen im polnisch gewordenen Westpreußen gemacht wird, mit ihren deutschen Stammesgenossen in Verbindung zu bleiben, mag daraus hervorgehen, daß ein einfacher Brief aus Polen ıo Mark, eine Postkarte 4 Mark kostet. So fällt das Schwergewicht unsrer Arbeit Ostpreußen zu. In den Abstimmungsgebieten Ost- und Westpreußens hat sich der Heimat- sinn der Bewohner herrlich bewährt, ein ehrenvolles Zeugnis für deutsche Cultur und Sprache. Da ist die Hoffnung berechtigt, daß die Ostpreußen aus Liebe zur Heimat weiter helfen werden bei der Aufnahme und Erforschung ihrer Muttersprache, um ein Heimatwerk zustande zu bringen, «das der heimischen Cultur und Volkskunde dienen soll. Wir sind daher mit verschiedenen Organisationen in Verbindung getreten, um weiteres Interesse für das Wörterbuch zu wecken, Berichte über die wissenschaftlichen Unternehmungen der Akademie 151 Eine im Juli unternommene Reise nach Bonn und Marburg brachte neben der notwendigen persönlichen Fühlungnahme mit den an den dortigen Provincialwörterbüchern tätigen Herren manche wertvollen An- regungen, aber auch in verstärktem Maße (die Erkenntnis, unter welchen schwierigen äußeren Verhältnissen wir hier im Osten unsere Arbeit leisten müssen. Wir danken allen, die unser Wörterbuch gefördert. haben. Die Zahl der Zettel vermehrte sich im Berichtsjahre um 15000, so daß wir jetzt 267000 alphabetisch geordnete Zettel beisammen haben. Durch größere oder kleinere Zettelsendungen unterstützten uns: Frl. BALzEr- Stallupönen, Domherr Dr. Beugenor-Pelplin, Frl. Lehrerin F ısurH-Berlin, Studienassessor Dr. Franz-Königsberg, Studienrat Dr. GrüBnEr-Rasten- burg, Frau Gutsbesitzer Grunoe-Beisleiden, Lehrer Hırzısrarn -Eydt- kuhnen, Lehrer Kauımskı-Karschau, Lehrer Kırruitz-Topprienen, Lehrer Kraskı-Langfuhr, Studienrat Laupıen-Düsseldorf, Frau Landrat Macnus- Königsberg, Lehrer Mürter-Vorwerk, Studienrat Dr. Mırzka-Königsberg, Rector Prruss-Lessen (jetztSwinemünde), Frl. Oberlehrerin PrzyBorowskı- Königsberg, Frl. Dr. Quassowskr-Königsberg, Lehrer Reıcn-Eszerningken, Bibliothekar Dr. Ronpe-Berlin, Studienrat Schmavrke-Tilsit, Lehrer Scnurz-Rosenberg, Lehrer Scuwarzırn-Kerkutwethen, Mittelschullehrer Dr. Sreın-Königsberg, Rechnüngsrat Togarr-Königsberg, Frl. Urrr-Kö- nigsberg, Frau Wüst-Danzig. Ferner lieferte uns Lehrer Arenpr-Pillau eine sehr dankenswerte ausführliche Zusammenstellung des Wortschatzes aus dem Pillauer Fischer- und Seemannsleben. Bei unsern geringen Mitteln konnten wir nur einen neuen, den 9. Fragebogen herstellen und außer den bisherigen versenden. Wir erhielten insgesamt in diesem Jahre 403 Fragebogen beantwortet zurück und sind mit der Verzettelung derselben beschäftigt (Dr. Mırzra). Es ist bei der Raumnot nicht möglich, hier alle Namen derer zu nennen, die Fragebogen beantwortet haben. Wir danken ihnen für ihre Mitarbeit und bitten um weitere tätige Hilfe. Unser Wunsch ist, rascher vorwärtszugehen, sowohl in der Auf- nahme der lebenden Mundarten wie in der Verarbeitung der gedruckten Literatur. Dazu aber gehören mehr äußere Mittel, als sie uns zu Ge- bote standen. Mögen sich auch in dieser Riehtung Förderer der ost- preußischen Dialektforschung und besonders unsers Wörterbuchs finden.” Über die Centralsammelstelle des Deutschen Wörterbuchs berichtet Prof. Schköner auf Grund der Aufzeichnungen des Hrn. ALFRED VOßEL: Sitzuugsberichte 1921. 14 152 5 Öffentliche Sitzung vom 27. Januar 1921 “Erschienen sind seit dem letzten Bericht die Lieferungen: Bd. VI, Abteilung III, 7 (Unglaube — wunlasterhaft) von Prof. Evuuine. Bd. XII, 17 (wechseln — Weg) von Prof. yon Bauprr. Im: Druck befinden sich zur Zeit: Bd. IV, Abteilung I, Teil 6, Lieferung 3 (Prof. Hüsner). Bd. XII, Abteilung II, Lieferung 3 (Prof. Meıssser). Bd. XII, Lieferung ı8 (Prof. von BAuper). : Soeben beginnt der Satz von Bd. XI, Abteilung U, Lieferung 3 (Dorımayr); Manuscript liegt vor von Dr. von Krauık und Prof. Nonr. Unter dem Zuwachs unseres Zettelmaterials ist vor allem der gesamte Wörterbuch-Nachlaß des verstorbenen Prof. WunperLien zu nennen, für dessen Überweisung der Witwe auch hier unser Dank ausgesprochen sei. Aus dem Nachlasse Aus. Lüsgrns gingen uns einige Gonvolute noch ungezählter Zettel zu. Gelegenheitsexcerpte überwiesen uns die HH. Geheimrat Abt Prof. D. Knoxz (inzwischen verstorben), Prof. W. SchaLzer (Con- eordia U. S. A.), Bibliotheksseeretär Bruno SchwmarHaus (Göttingen), Dr. Rızsz (Oschersleben). Anderes ergab die Arbeit von A. Vocer.. Geliefert wurden von uns an Prof. von BAnper .... 14500 Belegzettel » », VJDOBEMAYR N... 5400 » » 2 EITUTNGTERER ER Eee 18700 » » TU EINDHL INES 7200 » zusammen 45700 Belegzettel. Eine größere Anzahl ungenügender Belege wurden wie gewöhn- lich berichtigt oder ergänzt.’ Forschungen zur neuhochdeutschen Sprach- und Bildungsgeschichte. Bericht des Hrn. Burvacn. Auf den Abschluß und die Drucklegung des Bandes Ein schlesisch- böhmisches Formelbuch aus der Wende des 14. Jahrhunderts (Vom Mittel- alter zur Reformation \, ı) hat des Assistenten Dr. Begerurver Über- siedlung zunächst nach Holzminden, dann nach "Tübingen, die aus Gesundheitsrücksichten und infolge der schwierigen Lebensführung in Berlin erfolgen mußte, störend und hemmend gewirkt. Doch steht die Veröffentlichung dieses Bandes, dessen Text ganz, dessen Einleitung bis auf das letzte Kapitel gesetzt ist, zum Frühjahr bevor. Gleich- zeitig soll auch der allein vom Berichterstatter verfaßte Band Der 1 gas Fe ö u“ Berichte über die wissenschaftlichen Unternehmungen der Akademie 153 Dichter des Ackermann aus Böhmen (Vom Mittelalter zur Reformation Il, 2), der bis auf einen kleinen Rest und das Generalregister gedruckt oder im Satz ist, ausgegeben werden. Der abschließenden Redaktion des Druckmanuskripts von Band IV (Aus Petrarcas ältestem deutschen Schüler- kreise) konnte Dr. Voısr, von seinen Schulpflichten in Anspruch ge- nommen, sich nur wenig widmen. Er hat aber neben Dr. Pıur den Berichterstatter bei der Drucklegung von V,ı durch Mitprüfung der schwierigen Textgestaltung, Nachkollationieren der Handschriften und Mitlesen der Korrektur unterstützt. Orientalsche Kommission. Bericht des Hrn. EpuArp Meyer. Auf dem ägyptologischen Gebiete konnte die Arbeit an den Kahunpapyrus, die durch den Krieg unterbrochen wurde, endlich wiederaufgenommen werden. * An Stelle Kosran Horrmanns, der 1914 gefallen ist, ist Hr. ALEXANDER ScHARFF getreten, der bei dieser Arbeit von dem Konservator der Papyrussammlung Hrn. Huso Ischer unter- stützt wird. Die Herren sind zunächst an die große Masse der Frag- mente amtlicher Schreiben gegangen, einen Teil des Fundes, der nicht der interessanteste ist, der aber erst erledigt sein muß, ehe die Ar- beit an den anderen Urkunden beginnen kann. Hr. Güntuer Rorper hat das Schlußheft und die Register zu den ägyptischen Inschriften des Berliner Museums nahezu fertiggestellt, doeh konnten sie im Berichtsjahre noch nicht veröffentlicht werden. Auf dem assyriologischen Gebiet sind im Berichtsjahre Heft 5 und 6 der von Hın. Dr. Eserine veröffentlichten religiösen Texte aus Assur und das von Hrn. Dr. ©. Scurorver bearbeitete Heft »Keil- schrifttexte aus Assur verschiedenen Inhalts« erschienen. Außerdem hat der letztere die sämtlichen historischen Inschriften aus Assur durch- gearbeitet und zur Veröffentlichung vorbereitet. An den Texten aus Boghazköi haben Hr. Dr. Fıeusza und Hr. Dr. Warruer gearbeitet; ersterer hat die Kopien der mehrsprachigen und fremdsprachigen Texte nahezu fertiggestellt und die der dreikolumnigen Opferlisten in An- griff genommen, während Dr. WALTHErR etwa 1500 Texte katalogisiert und ein Heft, das vor allem Omentexte enthält, zur Veröffentlichung vorbereitet hat. Auf dem Gebiet der zentralasiatischen Funde setzten die HH. Prof. Sieg und Dr. Sırsuine ihre Arbeiten an den Handschriften in tocharischer Sprache fort. Der erste Band der Veröffentlichung »To- charische Sprachreste« wurde im Verlaufe des Jahres zum Abschluß gebracht und ist jetzt erschienen. Er enthält in einer Textabteilung 14* 154 Öftentliche Sitzung vom 27. Januar 1921 sämtliche Reste der Sprache in Umschrift mit durchgeführter Wort- trennung, mit Einleitungen zu den einzelnen Handschriftenblättern und zusammengehörigen Gruppen sowie eine allgemeine Einleitung; in einer zweiten Abteilung auf 64 Tafeln die Reproduktionen eines möglichst großen Teiles der Originalhandsehriften. Wie Prof. Sırs, führte auch Dr. Sıesume die lexikalische Verzette- lung des tocharischen Wortschatzes zu Ende, auf Grund deren die Unter- suchungen über die Wortbedeutungen und die Grammatik des Toch- arischen methodisch fortgesetzt werden konnten. Begonnen wurde mit _ der Arbeit einer grammatischen Darstellung der Sprache, zunächst insbesondere des Verbalsystems, an welcher Hr. W. Scnurze sich fördernd beteiligte. Durch Auffinden einiger weiterer Parallelstellen in der verwandten buddhistischen Literatur, vornehmlich des Sanskrit und des Pali, konnten auch im sachlichen Verständnis der Texte Fortschritte gemacht werden. Die im vorigen Jahre von Hrn. Dr. H. Zimmer begonnene Bearbeitung von Bruchstücken eines größeren Sanskritwerkes konnte noch nicht zum Abschluß gebracht werden, da eine Durchsieht der im Museum für Völkerkunde befindlichen Fragmente von Papierhandschriften in Brähmischrift umfangreiches weiteres Material ergab, das als Stücke anderer Handschriften desselben buddhistischen Sammeltextes erkannt wurde. Von drei verschiedenen Handschriften liegen teils größere teils geringere Reste vor, von elf weiteren je ein Stück. Nach dem augenblicklichen Stande der Arbeiten ergibt sich das aus ihnen er- schließbare Werk als ein Sammeltext von 'Sütras, die sämtlich auch im Palikanon erhalten sind, im Dighanikäya und im Mahävagga. Inter- essant ist der Titel des Mahävaggapendants: catusparisatsütra. — Wegen der inhaltlichen Zugehörigkeit zum Dighanikäyakreis wurde noch ein Fragment einer weiteren Handschrift in die Bearbeitung einbezogen, das wahrscheinlich einem anderen Sanskrittext angehört; es enthält ein Stück einer Sanskritversion des Ambatthasutta (Dighanikäya IN). Für die iranistischen Turfanfunde ist es zwar noch nicht mög- lich gewesen, einen ständigen Ersatz für den verstorbenen Prof. H. Jansen zu finden; doch hat Hr. Prof. Dr. Junger, Hamburg, mit Vorarbeiten an denselben begonnen. Hr. Kımm Cnune Se hat zur weiteren Vervollständigung des von ihm angelegten Index der sinico-buddhistischen Termini, über dessen Ziel im Jahre 1919 berichtet worden ist, den noch nicht gebuchten Teil von Eırers Handbook of Chinese Buddhism auf 2500 Zettel ge- bracht und eingereiht. Ferner wurden von Hrn. Kınm 16 große buddhistische chinesische Handschriften in Rollenform und ıı kleine Bruchstücke (zwischen Glas- Jahresberichte der Stiftungen 155 platten) dem Inhalt nach bestimmt, im gedruckten Tripitaka-Kanon auf- gesucht und verglichen. Jene Handschriften erwiesen sich sowohl dem Zeitalter. als auch der Schriftart nach als grundverschieden, obgleich mehrere Handschriften dieselben Texte enthalten. Erwähnenswert sind besonders: ı Ekottarägama-sütra, 2 Dirghagama-sutra, 2 Mahaparinir- vana-sutra, ı Mahävaipulyamahäsannipata-sutra und 2 Mahaprajnapara- mita-Sastra. . Anett Endlich wurde noch ein Verzeichnis der bisher bestimmten Frag- mente angelegt. Dirturr-Kommission. Bericht des Hrn. Eromann. Nach Mitteilung der Herausgeber ist der 1914 veröffentlichte zweite Band der Gesammelten Schriften von Wirnerm Divruey (Weltanschauung und Analyse des Menschen seit Renaissance und Reformation) soeben in zweiter, unveränderter Auflage erschienen, und ein neuer Band, der die Jugendgeschichte Hrezrs und andere Arbeiten über Hrerr und seine Zeit aus dem Nachlaß Diwrurys enthält, im Satz nahezu vollendet. Hvmsoot- Stiftung. Bericht des Hrn. Rusner. Aus den verfügbaren Mitteln der Humboldt-Stiftung für Natur- forschung, und Reisen im Jahre 1920 sind gewährt worden 5000 Mark dem Herzog Anorr Frieprich zu Mecklenburg für die Drucklegung der zoologischen Ergebnisse seiner Afrika-Expedition und 22000 Mark Hrn. Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. G. Herrmann. als Beihilfe zur technischen Herstellung eines Klimaatlas von Deutschland. Sırıenr-Süflung. Bericht des Hrn. SeEckeı. Mit der Neubearbeitung von Honeyers Werk: »Die deutschen Reehtsbücher des Mittelalters und ihre Handschriften« konnte der Bearbeiter, Hr. Prof. Dr. JuLıus vox GIERKE, wegen der Schwierigkeiten, die der Einsichtnahme der noch ausstehenden Handschriften entgegen- stehen, im Berichtsjahr noch nicht zu Ende kommen. Die Arbeiten am Vocabularium iurisprudentiae Romanae sind auch im Jahre 1920 infolge der Ungunst der Zeiten nur langsam und nur in geringem Maße gefördert worden. Den Druck fertigen Manuskripts hat der Verleger wegen Papiermangels noch nicht wieder- aufgenommen. Am Manuskript haben einzelne Mitarbeiter rüstig weiter- 156 Öffentliche Sitzung vom 27. Januar 1921 gearbeitet. Hr. Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. Grupr, jetzt ordentlicher Honorar- professor in Heidelberg, hat die Arbeit am zweiten Bande eifrig fort- gesetzt. Zum vierten Bande hat Hr. Dr. Bock, Bibliothekar in München, den Buchstaben O bis officium erledigt. Zum fünften Bande liegt der Buchstabe S mit Ausnahme des Artikels sum und der Anfang vom Buchstaben T im Manuskript vor; am Artikel sum arbeitet Hr. Assessor Dr. iur. EnGELHArDr in Berlin; die Buchstaben T und U zu übernehmen, ist der Leiter des Vocabulariums, Hr. Prof. Dr. Küster in Erlangen, bereit. Borp- Stiftung. Bericht der vorberatenden Kommission. Die Akademie hat am 16. Mai 1920 den Jahresertrag der Stiftung in Höhe von 1350 Mark Hrn. Prof. Dr. Tueonor ZacHArıae in Hallea.S. zum Druck einer Auswahl seiner kleineren Schriften zuerkannt. HERMmAaNN-und-Erise-geb.-HEckMANN- WENTZEL- Süftung. Bericht des Curatoriums. Aus den verfügbaren Mitteln wurden bewilligt: 15000 Mark zur Fortsetzung der Ausgabe der griechischen Kirchen- väter; 15000 Mark zur Fortsetzung der Bearbeitung einer römischen Proso- pographie des 4. bis 6. Jahrhunderts; 15000 Mark für das Deutsche Rechtswörterbuch; 6000 Mark zur geschichtlichen Erforschung der germanischen Na- tionalitätsgrenze im Osten; 5000 Mark zur Fortführung der Flora Papuasiens und Mikronesiens; 10000 Mark zu weiteren Arbeiten auf dem Gebiet der slavisch- germanischen Bodenforschung; 3000 Mark zur Ausgrabung von Pfahlbausiedlungen in Schussenried (Württemberg); 8000 Mark für das Deutsche Biographische Jahrbuch; 6000 Mark für den Druck einer Schrift des im Weltkriege ver- storbenen Weltpriesters Hanke: “Die Bemühungen des Preußischen Generalfeldmarschalls Grafen von Schmettau bei der Königlich Preußi- schen Akademie der Wissenschaften in Berlin um die Kartographie’; 4000 Mark für den Druck einer Ausgabe der polnischen “Heiligen- kreuzer Predigten‘, die Hr. Prof. Paur Diers in Breslau vollendet hat. Die drei letzten Bewilligungen, erwachsen aus der Drucknot der Zeit, beziehen sich auf neue, bisher noch nicht unterstützte Werke; die übrigen ermöglichen den Fortgang von Arbeiten, die schon länger Jahresberichte der Stiftungen #157. im Gange sind. Von besonderer Bedeutung ist wohl, daß die Stif- tung sich entschlossen hat, auf eine Reihe von Jahren das “Deutsche Biographische Jahrbuch’ zu unterstützen, das im Anschluß an Anton BETTELHEINs von 1896 — 1913 durehgeführtes "Biographisches Jahrbuch und Deutschen Nekrolog’ unter der Leitung der kartellierten deutschen Akademien erscheinen soll: gewissermaßen eine regelmäßige jährliche Weiterführung der "Allgemeinen Deutschen Biographie’, nur von vorn- herein so gedacht, daß auch Männer des praktischen Lebens erheblich stärker berücksichtigt werden sollen, alg das in der Allgemeinen Deut- schen Biographie meist der Fall gewesen ist. Die Vorbereitungen sind noch im Gange; erst der nächste Jahresbericht wird über dies Unter- nehmen bestimmter sprechen können. Über das Deutsche Rechtswörterbuch berichtet Anlage I, über die Arbeit an der Kirchenväter-Ausgabe und der Prosopographie Anlage II, über die Bearbeitung der Flora von Papuasien und Mikronesien An- lage III, über das Decretum Bonizonis und des Corpus glossarum ante- aceursianarum Anlage IV, über die slavisch-germanische Bodenforschung und die Ausgrabungen in Schussenried Anlage V; über die geschicht- liche Erforschung unserer Nationalitätsgrenze im Osten berichtet Hr. Archivrat Dr. Wırrz in Neustrelitz, der in Verbindung mit Hrn. ScHÄreEr das Unternehmen leitet, in Anlage VI. Prof. Vörrzkows "Reise in Ostafrika in den Jahren 1903 bis 1905° konnte der ungeheuer gesteigerten Druckkosten wegen auch im vergangenen Jahre nicht weitergedruckt werden, obgleich inzwischen wieder eine größere Anzahl der noch ausstehenden Beiträge druckfertig eingeliefert ist. Die Fortführung wird wesentlich davon abhängen, ob es gelingt, die zur Verfügung stehenden Mittel aus anderen Quellen zu verstärken. Es wäre natürlich sehr bedauerlich, wenn das Denkmal deutscher wissenschaftlicher Arbeit für Ostafrika ein Torso bleiben müßte. Die Mittel, die durch den Fortfall des Koptischen Wörterbuchs freigeworden sind, werden auf Anregung des Hrn. Ertaw benutzt, um eine oft empfundene Lücke der Ägyptologie auszufüllen, den Mangel einer ägyptischen SchriftgeSchiehte. Denn abgesehen von dem, was GRrIFFITH seiner Zeit für das alte Reich festgestellt hat, liegen nur einzelne gelegentliche Bemerkungen zur Paläographie der Hieroglyphen vor, und wir sind in der Regel nicht imstande, die so sehr verschiedenen Zeichenformen bestimmten Epochen zuzuweisen oder ihre ursprüngliche Gestalt und Bedeutung festzustellen. Hr. Prof. Grorse Mörrer hat es nunmehr übernommen, seine Sammlungen zur Schriftgeschichte syste- matisch auszubauen an der Hand der Sammlung von Abklatschen, die die Akademie besitzt, und mit Hilfe der Photographiensammlung unserer 158 Öffentliche Sitzung vom 27. Januar 1921 Museen sowie guter neuerer Veröffentlichungen. Die Arbeit hat im Frühjahr begonnen, und einzelne Textgruppen (Dyn. 3—4; Dyn. 5; Dyn. 12; Tell Amarna u.a.)sind bereits als Grundlage verzettelt worden. Die Messungen über Meereswellen, die die HH. Prsck und Laas vorbereitet hatten, konnten auch 1920 nicht vorgenommen werden. Die instrumentelle Ausrüstung wurde dem Institut für Meereskunde zur Aufbewahrung übergeben und aus den früher bewilligten, noch nicht verbrauchten Mitteln ein Beitrag zur Drucklegung eines Berichtes über die einzuschlagenden Methoden gewährt. Da keine Aussicht auf Ausführung des Unternehmens in den nächsten Jahren besteht, wird es aufgegeben. Berichte über die sprachlichen Aufnahmen in @efangenenlagern sind noch nicht im Druck erschienen. Außer der schon im vorigen Bericht erwähnten Arbeit von Prof. Fries soll eine Studie von Dr. MırzAa in Königsberg über die Sprachen der deutschen Bauernkolonie Hirschenhof (Livland) möglichst bald gedruckt werden. Anl. I. Bericht der akademischen Commission für das Wörterbuch der deutschen Rechtssprache. Von Hrn. Rortne. Eine Öommissionssitzung, die allmählich dringend nötig wird, konnte der hohen Reisekosten wegen auch im vergangenen Jahr nicht abgehalten werden. Die Arbeiten am Rechtswörterbuch selbst sind regelmäßig fortgelaufen, wie der nachfolgende Bericht des Leiters Prof. Dr. Freiherrn Eserwarp von Künssgere in Heidelberg ergibt. Ob es möglich sein wird, bald wieder in den Druck einzutreten, darüber schweben noch die Verhandlungen, die jetzt schon kaum einen Zweifel lassen, daß sich die ursprüngliche Anlage des Werkes in dem sach- gemäß geplanten Umfang nicht wird durchführen lassen. Aber Ein- schränkung ist jetzt ja das Loos aller wissenschaftlichen Arbeiten. Bericht des Hrn. EseeruArp Freiherrn v. KünssgBeEre. Im abgelaufenen Jahre wurde vor allem die Ausarbeitung des Manuskripts gefördert; außerhalb Heidelbergs wurde kein Wortartikel verfaßt. Ein Weiterdrucken des Werkes war leider noch immer nicht möglich; es müssen dafür erst unter Berücksichtigung der veränderten Zeitumstände neue Grundlagen geschaffen werden. Das Sammeln und archivmäßige Aufarbeiten der Zettel wurde eifrig fortgesetzt; ergibt ja beinahe jede, auch die unscheinbarste Quelle, irgendein neues Rechtswort, das der bisherigen Lexikographie ent- Jahresberichte der Stiftungen 159 gangen ist. Die Auswahl der ausgehobenen Wörter muß sich immer strenger auf das Wichtigste beschränken, daher findet die Verzettelung fast nur noch im Archiv des Rechtswörterbuches selbst statt. Seit Mitte September entbehren wir unsrer bewährten Schreibhilfe. Wissenschaftliche Auskunft aus unsern Zettelschätzen haben wir oft und gerne erteilt. Dankbar verzeichnen wir die Unterstützung durch gelegentliche Bei- . träge, die uns heuer zukamen von Prof. Dr. K. v. Amıra, München; Dr. Fervınann Bıreer, Vorstand des Landeszeughauses, Graz; Prof. Dr. C. Borcuuins, Hamburg; Advocaat Dr. J. van Kuss, ’s Gravenhage; Prof. Dr. Messıse, Kiel; Prof. Dr. LeoroLp Perers, Heidelberg; Frl. Cn. von Rumonr, Konventualin des adeligen Klosters Itzehoe; Prof. H.Schrkıs- MÜLLER, Kaiserslautern; Prof. Dr. EnwAarp SchröDder, Göttingen; Prof. Dr. Tuonmen, Basel; Dr. WauracnH, Bonn; Hauptlehrer Zısx, Kaiserslautern. Verzeichnis der im Jahre 1920 durchgesehenen Quellen: Archiv für Geschichte des Hochstifts Augsburg 4: v. Künssgere. Archiv für katholisches Kirchenreclit .98 (1918): v. KünssBEre. “ Archiv für Kriminalanthropologie 22—27. 61: v. Künssrer. Archiv für österreichische Geschichte 96: v. KünssgBEre. H. Bächtold, Flurnamen von Stein a. Rh., 1916: v. Künssgere. Badisches Landrecht 1588: stud. jur. Orro Kaurmann, Heidelberg. Baltische Studien 29. 30: v. Künssgere. J. Barckefeldt, Duderstadt 1683, hrsg. J. Jäger 1920: v. Künssgere. H. Bauer, Recht der ersten Bitte, 1919 (Stutz, Abh. 94): v. KünssBEre. Bayrische Hefte für Volkskunde ı—4: v. Künssgere. O. Becker, Frauenrechtliches in Brauch und Sitte, 1914: v. Künssgere. Beiträge zur Geschichte der Stadt Rostock 3: v. Künsszere. Blätter aus der Markgrafschaft, 1915—ı918: v. KünssgeEre. Bode, Die Kindestötung und ihre Bestrafung im Nürnberg des Mittelalters, 1915: v. KünssgEre. Borchling, Wörterverzeichnis zum hamburgischen Stadtrecht 1497: v. Künssgere. Aufsätze zur Sprach- und Literaturgeschichte, W. Braune dargebracht, 1920: Dr. EscHEnHAGen. Crome, Grundzüge des ıömischen Privatrechtes, 1920: Dr. EscHENHAGEN. Deutsche Juristenzeitung, 1917: Dr. EscuenHAGen. Doepler, Theatrum Poenarum, 1693—97: v. KünssgEre. Eberlin von Günzburg, Sämtliche Schriften, hrsg. Enders, 3. Bd.: v. Künsssere. Erläuterungen zum geschichtlichen Atlas der Rheinprovinz 6: v. Künssgere. Familiengeschichtliche Blätter 2. 3 (1907—09): Dr. Escuen#Acen. Floer, Stift Borghorst und die Ostendorfer Mark, 1916: v. Künssserc. “Geithainer Stadtbuch (r381—ı1481), Neues Archiv für sächsische Geschichte 20 Dr. EschenHaGen. Gengler, Stadtrechtsaltertümer, 1882: v. Künssgerg. Gombert, Bemerkungen zum Deutschen Wörterbuch, Progr. Breslau 1899: Lesororo Perers, Heidelberg. Götze, Familiennamen im badischen Oberland, ı918: v.-Künsspere. Grohne, Hausnamen und Hauszeichen, 1912: v. KünssBErc. H. Güntert, Kalypso, 1919: v. Künsssere. Hannoversche Geschichtsblätter ı5 (1912): v. Künsssere. Heintze, Die deutschen Familiennamen, 3. Aufl., 1908: v. Künsssere. Hellfeld, Repertorium reale praeticum II. III. IV: Dr. EschrnnAgen. Hessische Blätter für Volkskunde 2. 3. 4. 10. 13: v. Künssgene. 160 a a Te Le In Öffentliche Sitzung vom 27. Januar 1921 Hessische Chronik 2. 3: v. Künssgere. Heusler, Schweizerische Verfassungsgeschichte, 1920: v. Künsszere. Hintner, Stubaier Ortsnamen, 1892: v. Künsseere. Hirsch, Handels- und Gewerbegeschichte Danzigs (erledigt): Dr. EscnenhAGen. His, Strafrecht des deutschen Mittelalters I (1920): v. Künssgere. Historische Bibliothek, Bd. 2 (Briefe Pufendorfs), 1897: Dr. EscuennAGen. Systematisches Inhaltsverzeichnis zu den Jahrgängen 1819-1910 des Vaterlän- dischen Archivs, des Archivs und der Zeitschrift des historischen Vereins für Nieder- sachsen, 1911: v. KünssBErg. F Sa buch des Vereins für mecklenburgische Geschichte 66 (1go1): v Künssgere. Jahrbuch für Schweizer Geschichte 45 (1920): v. Künssgerc. Jellinghaus, Die westfälischen Ortsnamen, 1896: v. KünssBEre. Der Richferlich Klagspiegel,hrsg.S.Brant, Straßburg, 1516 (begonnen): v. Künssgere. Th. Knapp, Neue Beiträge zur Rechts- und Wirtschaft “geschichte, 1919: v. KünssBErG J. Köhler, Struktur der SAikumarschen Geschlechter, Diss., Kiel 1915: v. Künssgere. O. Könnecke, Rechtsgeschichte des Gesindes, 1912: v. KÜnssgBEre. P. Kretsehmer, Wortgeographie der hochdeutschen Umgangssprache, 1918: v. KünssgBErG. J. Leithäuser, Bergische Ortsnamen. Elberfeld 1901: v. Künssgere. Max Mayer, Das ‚Fiviprozedrech der Reichsstadt Schwäbisch Wörih im 16. Jahr- hundert, 1914: v. Künssgrre. Th. Mayer, a Maximilians I. (Dopsch, Forschungen 14); 1920: v. KünssBeEre. Mitteilungen aus dem Stadtarchiv zu Breslau ı. 2: v. Künsspere. Mitteilungen des Vereins für Geschiehte zu Homburg v. d.H. ı5: v. Künsssere. Mitteilungen der Schlesischen Gesellschaft für Volkskunde 15.16. 19: v. Künsspere. Mitteilungen des Coppernikus-Vereins zu Thorn 26 (1918): v. Künsspere. Monatsblatt des Altertumsvereins zu Wien ıı (1914—16): v. KünssBEre. J. Nagler, Die Strafe I, 1918: v. Künssgere. Nassauische Annalen 43. 44: v. Künssgere. Nassauische Heimatblätter 20. 21: v. Künssgere. Neues’ Lausitzer Magazin 95 (1919): Dr. EsenznnaGen. Niederdeutsches Jahrbuch ı5. 16. 17. 30. 31: v. KünssgeEre. Niederlausitzer Mitteilungen 14: Dr. Escnennagen. I. Peters, Des Engels und Jesu Unterweisungen, 1914— 17: v. Künssperc. Quellen und Forschungen zur braunschweigischen Geschiehte 1. 2: v. Künssser@. P. Rehme. Geschichte des Handelsrechts, 1913: v. Künssgere. OÖ. Riedner, Geistliche Gerichtshöfe zu Speyer im Mittelalter, 1915: Dr. Escuennagen. F. Rieger, Altarsetzung der deutschen Könige, 1885: Dr. EscuennAGen. ©. F.Schamberg, Disputatio de jure digitorum, 1715: v. Künsspere. H. Scheid, Amtsbezeichnungen der städtischen Beamten im mittelalterlichen Süd- deutschland, - 1917: v. KünssBEr. H. Scheidemantel, Repertorium des Staats- und Lehnreehts ı: Dr. EscnuenuAGen. Ch. Sehmidt, Straßburger Gassen- und Häusernamen im Mittelalter, 2. Aufl., 1888: v. KünssBEre. G. Sehoenaich, Freikränzleinschießen der schlesischen Städte, Progr. Jauer 1898: v. KünssBEre. G. Schreiber, Kurie und Kloster im 12. Jahrhundert, ıgıo (Stutz, Abh. 65—68): v. KünssgeEre. G. Schreiber, Untersuchungen zum Sprachgebrauch des mittelalterliehen Oblationen- wesens, 1913: v. KÜNnssBert. H. Schreibmüller, Die Landvogtei im Speiergau, 1905: v. Künsssere. Schriften des Vereins für Geschichte des Bodensees 44. 45: Dr. EscnennaGen. Schwäbisches Wörterbuch (fortlaufend): v.. Künsszerc. R.Schwarz, Augustin Hirschvogel, 1915: v. Künssgere. Schweizer Archiv für Volkskunde 18—21: v. KünssgBEre. Schweizerisches Idiotikon nn v. Künssgere. D. v. Stade, Erläuterung... der deutschen Wörter Luthers, 1724: Dr EsScHENHAGEN. A. Stölzel, Ein Karolinger Königshof in tausendjähriger Wandlung, 1919: v. Künsstere. Jahresberichte der Stiftungen 161 \ Tijdschrift voor Rechtsgeschiedenis 2 (1919/20): v. Künssgers. Usatiei von Barcelona: Lrororn Prrers, Heidelberg. E. Volekmann, Rechtsaltertümer in Straßennamen, 1920: v. Künssnere. Volkskundliche Bibliographie für 1917, hrsg. von E. Hoffmann-Krayer, 1919 — für 1918 von demselben, 1920: v. KünsspEerg. Volkskundliche Untersuchungen, E. Hofimann-Krayer dargebracht, 1946: v. Künssgere. Weinheimer Geschichtsblätter 2. 3. 4: v. Künssherg. A. Wittrup, Rechts- und Verfassungsgeschichte der kurkölnischen Stadt Rheinberg. 1914: Dr. EscnenmaGen. Württembergische Landtagsakten, ı. Reihe, Bd. ı, 1913: Dr. Escnennagen. Zeitschrift für deutsches Altertum, 1920: v. Künsstene. Zeitschrift der‘ Gesellschaft für Beförderung der Geschichts- usw. Kunde von Freiburg, 1920: v. Künssgere. Zeitschrift für österreichische Volkskunde ı2. 18—22: v. Künssbere. Zeitschrift der Savignystiftung für Rechtsgeschichte, german. und kanonistische Abt.. 1919: v. KünssgEre. Zeitschrift für schweizerisches Recht 56. 57: v. Künssgere. Zeitschrift für vergleichende Reehtswissenschaft 32: v. Künssgere. Zeitschrift des Vereins für Volkskunde 6. ı3. 26. 27: v. Künsseere. Th. Zink, Kaiserslautern in Vergangenheit und Gegenwart, 1914: v. Künssgert. Anl. Il. Bericht der Kirchenväter-Kommission. Von Hrn. von Harnack. 1. Ausgabe der griechischen Kirchenväter. Erschienen ist Bd. VI der Werke des Origenes: Homilien zum Hexateuch, 1. Teil.: Die Homilien zu Genesis, Exodus und Leviticus, von W. A. Baernrens. Im Druck befindet sich der 2. Teil, die Homilien zu Numeri usw. In den » Texten und Untersuchungen« sind erschienen: Carr Scunmipt, Der Benanbrief, eine moderne Leben-Jesu-Fälschung (Bd. 44, ı), und von Harnack, Marcion, das Evangelium vom fremden Gott (Bd. 45). 2. Bericht über die Prosopographie. Hr. JüLıcner berichtet: Die spätesten npöcwra, besonders im Süd- osten, Palästina, Syrien und Ägypten, sind so bearbeitet worden, daß die zahlreichen ehronologischen Probleme jener Grenzzeit zwischen Alter- tum und Mittelalter herangezogen wurden und sich wenigstens stellen- weise festerer Grund für die weitere Forschung gewinnen ließ. Hr. Seeck berichtet: Nach- dem Erscheinen der »Regesten« ist eine umfassende und abgeschlossene Untersuchung nicht zu verzeichnen. Doch habe ich eine längere Reihe von Einzelartikeln auch in diesem Jahre fertiggestellt, die einstweilen in der Enzyklopädie von Paurv- Wiıssowa abgedruckt sind. 162 Öffentliche Sitzung vom 27. Januar 1921 Anl. II. Bericht über die Bearbeitung der Flora von Papuasien und Mikronesien. Von Hrn. EnGter. Die Bearbeitung des überaus reichen im Botanischen Museum in Berlin-Dahlem angesammelten Materials schreitet jetzt in zufrieden- stellender Weise fort; dagegen ließ sich eine den vorliegenden Manu- skripten entsprechende Drucklegung noch nicht ermöglichen. Es konnte eine zweite Serie Beiträge zur Flora von Mikronesien und Polynesien mit folgenden 24 Abhandlungen auf 148 Seiten des 56. Bandes von Enewers Botanischen Jahrbüchern mit 6 Abbildungen veröffentlicht werden: . H. und P. Sypow, Die Pilze Mikronesiens aus der Sammlung Ledermann. A. Enster und K. Krause, Eine Aracee von Mikronesien. R. SchLecnter, Die Orchidaceen von Mikronesien. Mit 3 Figuren im Text. C. pe Canpore, Piperaceae novae e Micronesia et Polynesia allatae. L. Dıers, Eine neue Menispermacee der Palau-Inseln. OÖ. E. Scuurz, Eine Crucifere der Karolinen. C. Laurersach, Die Rutaceen Mikronesiens. C. Laurersach, Die Simarubaceen Mikronesiens. C. LaurErgacH, Die Burseraceen Mikronesiens. . LAurERBACH, Die Anacardiaceen Mikronesiens. - L. Dıers, Eine Aquifoliacee Mikronesiens. : . ©. Laurergach, Die Rhamnaceen Mikronesiens. . L. Dıers, Die Theaceen Mikronesiens. . C. Laurrerpach, Die Leeythidaceen Mikronesiens. . E. Dıers, Die Myrtaceen Mikvonesiens. - . C. Mez, Die Myrsinaceen Mikronesiens. . E. Gire und Cm. Beneoicr, Die bis jetzt aus Mikronesien bekannt ge- wordenen Loganiaceen. Mit 3 Figuren im- Text. . A. Brann, Eine neue Symplocacee von den Palau-Inseln. . G. Brrver, Eine neue Solanum-Art von den Marianen. . L. Dıers, Eine Scaevola von Mikronesien. : . SCHLECHTER, Die Elaeocarpaceen von Mikronesien. (BE Bee „Be Be u u ns SAnFONT OP. ou nurun. Q BD, .- O0 © v ee} 22. R. Scatecarer, Die Asclepiadaceen von Mikronesien. 23. R. Scnurecnter, Die Scrophulariaceen von Mikronesien. 24. R. SchLec#ter, Die Gesneraceen von Mikronesien. So bald als möglich sollen die achte und neunte Serie der Beiträge zur Flora von Papuasien zum Druck kommen, für welche die nach- folgend verzeichneten Manuskripte mit zahlreichen Abbildungen druck- fertig vorliegen: 68. P. Sypow, Ascomycetes novo-guineenses. 69. C. Laurergach, Die Rhamnaceen Papuasiens. 70. C. Laurersace, Die Leeythidaceen Papuasiens. 71. ©. DE Öanvorze, Zwei neue Piper von Neu-Mecklenburg. 72. L. Dıers, Die Myrtaceen von Papuasien. 73. L. Dırrs, Beiträge zur Kenntnis der Combretaceen von Papuasien. 74. L. Dırrs, Die von Papuasien bekannten Theaceen. Jahresberichte der Stiftungen _ 163 75. L. Diers, Die Dilleniaceen von Papuasien. 76. L. Dırrs, Die Dipteroearpaceen von Papuasien. 77. L. Dıers, Die Bignoniaceen von Papuasien. 78. O. E. Scnurz, Beiträge zur Kenntnis der Erythroxylaceen von Papuasien. -79. E. Gırs und R. Scutec# rer, Die Monimiaceen-Gattung Idenburgia. 80. R. Schreemrer, Neue Orchidaceen Papuasiens. 81. R. SchtecHhter, Gesneriaceen Papuasiens. R . SCHLECHTER, Die Serophulariaceen Papuasiens. 83. H. J. Lass, Verbenaceen der Flora von Papuasien. 84. R. Pırcer, Convolvulaceen Papuasiens. 85. ©. Mez, Myrsinaceen Papuasiens. 86. ©. Mez, Zwei neue Gramineen aus Papuasien. 87. G. SchELLENBERG, Die bis jetzt aus Neu-Guinea bekannt gewordenen Opiliaceen, Olacaceen und lcaeinaceen. Außer diesen fertiggestellten Beiträgen sind noch einige andere zu erwarten. Immerhin bleibt noch viel zu erledigen. Anl. IV. Bericht über die Arbeiten für das Decretum Bonizonis und für das Corpus glossarum anteaceursianarum. Von Hrn. Seckeı.. Der Druck von Bonizos Decretum konnte im Jahre 1920 wegen persönlicher und sachlicher Hinderungsgründe noch nicht wiederauf- genommen werden. Zum ÖCorpus glossarum anteaccursianarum hat der Mitar- beiter Hr. Regierungsreferendar GEnzuer, die Abschrift von Azos Apparat des Digestentitels De regulis iuris aus der Brüsseler Handschrift 13 1— 134 vollendet. : Anl. V. Bericht über germanisch-slawische Altertumsforschung und über Ausgrabungen in Schussenried. Von Hrn. SchucHHARrDT. Das Jahr 1920 war der Untersuchung altgermanischer Burgen und Siedlungen gewidmet. Je 14 Tage wurde auf dem Schloßberge bei Witzen (Kr. Sorau) und auf dem Palzhebbel bei Starzeddel (Kr. Guben) gegraben, daneben mehrere Tage bei Vettersfelde an der Stelle des skythischen Goldfundes von 1882, wo das vermutete Haus sich in der Tat fand. Fast fünf Wochen haben die HH. ScnuchnAarpr und KoLpEewry in dem Kastell Hohbuoki Karls d. Gr. (Höhbeck bei Gartow a. d. Elbe) ge- graben, das Kastell selbst aufgeklärt und gleich daneben das alt- sächsische Dorf mit einer kleinen Burg aufgefunden, das schon vor Karl dem Großen an dieser Stelle vorhanden war. 164 Öffentliche Sitzung vom 27. Januar 1920 Schussenried in Oberschwaben ist seit den 1860er Jahren als die wichtigste Pfahlbaustation in Deutschland bekannt. Die dort wieder aufgenommenen Ausgrabungen hat die W.-H.-Stiftung unterstützt. Hr. Prof. R. R. Scuuipr (Tübingen) hat die Untersuchungen vom Juni bis Oktober 1920 ausgeführt und als Hauptergebnis zwei Bauperioden festgestellt. Zuerst haben am seichten Seeufer (des Federsees) auf eingerammten Pfählen große rechteckige Häuser gestanden, in Vorhalle und Wohnraum oder Wirtschafts- und Schlafraum geteilt. Zu dem Dörfchen führte vom Ufer eine Pfahlbrücke, gegen den See hin war es durch eine Pfahlstellung geschützt. Diese Pfahlbauten enthielten thüringische Schnurkeramik. Eine zweite Bauperiode hat sich über dem verfallenen Dörfchen entwickelt, als das Moor begonnen hatte sich zu bilden. Die neuen Häuser wurden nicht mehr auf Pfählen, sondern flach auf‘ das Moor gesetzt und waren kleiner als die Pfahl- häuser. Sie bilden ein Reihendorf mit mehreren parallelen Gassen und Plätzen. In ihnen findet sich »Schussenrieder Keramik«, die von Rössen bei Merseburg beeinflußt ist. Anl. V]. Bericht über die Erforschung der Geschichte unserer Nationalitätsgrenze (@ermanisation des Ostens). Von Hrn. Archivrat Dr. H. Wırre. Die in ihrem ersten Anfangsstadium durch den Krieg lahmgelegte Forschung mußte nach Beendigung des Krieges und Beruhigung der ersten Revolutionsstürme auf völlig veränderter Grundlage aufgebaut werden. Als Grundlage und Ausgangspunkt war von vornherein eine Samm- lung und kritische Durcharbeitung der vorhandenen Literatur in Aus- sieht genommen. Ein speziell hierfür geworbener jüngerer Hilfs- arbeiter sollte diesen Teil der Aufgabe übernehmen. Sie hat sich jedoch in dieser Weise nieht durchführen lassen. Es blieb nur der Weg der Arbeitsteilung in der Art, daß für jedes in Betracht kommende Gebiet ein besonderer Bearbeiter gewonnen werden mußte. Grundsatz war dabei, nur solehe Mitarbeiter anzunehmen, die über die Germanisations- fragen orientiert, in ihrem speziellen Landschaftsgebiet schon eingear- beitet waren und dies durch eigene wissenschaftliche Veröftentlichungen dargetan hatten. Der Sache wird entschieden damit gedient sein, wenn in allen Landschaften die am besten eingearbeiteten Spezialforscher herange- zogen werden können. Auch liegt darin, daß durchweg nur gereiftere RR. Jahresberichte der Stiftungen 165 D Männer in Amt und Würden zur Mitarbeit kommen, die zunächst für ihre Arbeit keine Entschädigung beanspruchen, der weitere Vorteil, daß fürs erste keine nennenswerten Kosten entstehen, die von der Wentzel- Heckmann-Stiftung bewilligten Unterstützungen also einstweilen ange- sammelt werden können, um später die Drucklegung der fertiggestellten Arbeiten und eine Honorierung der Mitarbeiter zu ermöglichen. Um den finanziellen Rückhalt zu verstärken, habe ich mit dem- »Gesamtverein der deutschen Geschichts- und Altertumsvereine« und mit einigen landschaftlichen Geschichtsvereinen angeknüpft. Bereit- willigkeit, unsere Sache ideell zu fördern, ist mir überall entgegen- gebracht worden. Zu materieller Förderung durch Kostenbeteiligung an den die eigene Landschaft betreffenden Veröffentlichungen hat sich bisher aber nur ein einziger Verein, der mecklenburgische, bereit erklärt. Durch den Gesamtverein wurde mir Gelegenheit geboten, einen über unser Unternehmen allgemein unterrichtenden und zur Mitarbeit ermunternden kurzen Aufsatz »Erforschung der Germanisation unseres Östens« im Korrespondenzblatt des Gesamtvereins, Heft 3 [4 1920, zu veröffentlichen. Außerdem durfte ich Ende September auf der Haupt- versammlung des Gesamtvereins zu Weimar vor einer aus allen Teilen Deutschlands zusammengekommenen Hörerschaft über die »Organisation« dieser Forschung sprechen. An Mitarbeitern sind bisher gewonnen: für das Gesamtgebiet und Sachsen Prof. Dr. R. Körzscnke in Leipzig, für Mecklenburg vielleicht mit Einschluß von Ostholstein, Lauenburg und dem Lübecker Gebiet Prof. Dr. Ausust Ruprorr in Schwerin, für Pommern Gymnasialdirektor Prof. Dr. Marrın WEHrMmann in Greifenberg, für die Mark Brandenburg mit Einschluß der Altmark, jedoch unter Ausschluß der Neumark. Bibliothekar Dr. Wıruı Horre in Berlin-Friedenau, für Schlesien Ober- lehrer Dr. Vıcror SEıper in Breslau, für Posen Geh. Archivrat Prof. Dr. AnoLr WarscHAuER in Berlin. Die Arbeit hat also in verschiedenen wichtigen Teilgebieten be- gonnen. Sie nach einheitlichen Gesichtspunkten und vor allem in ein- heitlichem Geiste zu leiten, wird zunächst neben dem weiteren Aus- bau der Organisation meine Hauptaufgabe sein. Mein Vortrag in Weimar bedeutet den ersten Schritt in dieser Richtung. Er hat schon in Weimar zu Erörterungen geführt, die weiteren gedeihlichen Fortgang erhoffen lassen. Jedenfalls sind die ersten Grundlagen geschaffen. Den weiteren Ausbau betreibe ich nachdrücklich, doch ohne Hast, weil mir daran liegt, überall unter den in Betracht kommenden Helfern die besten zu gewinnen. 166 Öffentliche Sitzung vom 27. Januar 1921 Akademische Jubiläumsstiftung der Stadt Berlin. Bericht des Hrn. PLAnck. Aus den in der letzten vierjährigen Periode angesammelten Er- trägnissen der Stiftung hat das Kuratorium dem Professor der Geologie und Paläontologie an der Universität Berlin Hrn. Dr. Pomreexs den Betrag von 18000 Mark bewilligt zu einer Untersuchung der durch die Tendaguru-Expedition des Berliner Geologisch-Paläontologischen e Instituts und Museums Bm ornithopoden Dinosaurier aus dem Jura Deutsch-Ostafrikas. v AÄLBERT-Samson-Stiftung. Bericht des Hrn. ÜoRrRENSs. Die Entwertung unserer Valuta zwang das Kuratorium der Stif- tung, die Anthropoidenstation auf Teneriffa aufzuheben, nachdem ver- schiedene Bemühungen, sie zu erhalten, gescheitert waren. Hr. Dr. { W. Könter, der Leiter der Station, mußte aus Gesundheitsgründen ; die Insel schon im Mai verlassen. Die Affen blieben zunächst noch unter der Obhut des sehr zuverlässigen Wärters Trenkel zurück, der im Herbst 1920 den Transport der noch vorhandenen Tiere (4 weih- liche und ı männlicher Sehimpanse) nach Berlin leitete, wo sie wohl- behalten ankamen und im Zoologischen Garten laut Vertrag mit dessen Direktion Aufnahme fanden. Sie können dort für weitere psycho- logische und andere Untersuchungen benutzt werden. Die beiden im letzten Bericht erwähnten Orangs waren schon vor dem Transport eingegangen. Ein Werk Dr. Könters, »Physikalische Gestalten«, ist mit Unterstützung der Stiftung erschienen. In der nächsten Zeit kann das Kuratorium mit Rücksicht auf die Finanzlage neuen Aufgaben nicht nähertreten. Hr. vos Warpever-Hartz mußte im Herbst leider aus Gesund- heitsrücksichten den Vorsitz des Kuratoriums niederlegen; an seiner Stelle wurde für den Rest der Amtsperiode der Berichterstatter zum Vorsitzenden gewählt. Ausgegeben am 3. Februar. Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei. SITZUNGSBERICHTE DER PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse am 3. Februar, (S. 167) Sitzung der philosophisch-historischen Klasse am 3. Februar. (S. 167) h G. Mörrzer: Die Zeichen für »Westen« und »Osten« in der ägyptischen Hieroglyphensehrift, (Mitteilung aus, der Sitzung der phil.-hist. Klasse vom 13. Januar.) .(S. 168) Sıurz: Das Bonner evangelische Universitätspredigeramt in seinem Verhältnis zu Staat, Kirche und Gemeinde. ‚(Mitteilung aus der Sitzung.der phil.-hist. Klasse vom 18. November 1920.) (Ss.ı71) Senucnarpr: Exkurs zu Sprachurspruug III. (Mitteilung aus der Sitzung der phil.-hist. Klasse vom 22. Juli 1920). (S. 194) Gesamtsitzung am 10. Februar. (S. 208) Liweiscn und Rugens: Über die optischen Eigenschaften einiger Kristalle im langwelligen ultra- roten Spektrum. (Dritte Mitteilung.) (Mitteilung vom 6. Januar.). ($. 211) Hasertanpr: Zur Physiologie der Zellteilung. (Sechste Mitteilung.) (Mitteilung vom 6, Januar.) 8.21) a BE BEn Re ww u \ 4 5; # BERLIN 1921 VERLAG DER AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN IN KOMMISSION BEI DER VEREINIGUNG WISSENSCHAFTLICHER VERLEGER WALTER DE GRUYTER U. CO. VORMALS G, J. GÖSCHEN’SCHE VERLAGSHANDLUNG. J. GUTTENTAG, VERLAGSBUCHHANDLUNG, GEORG REIMER. KARL J. TRÜBNER, VEIT U, COMP. mitglieder haben hierzu die Vermittelung ein! c Fache ‚angehörenden ordentlichen Mitgliedes zu benutzen. ; 58. “0. Der Umfang einzr aufzunehmenden Mitteilung "soll ‘in der Regel in den Sitzungsberichten bei Mitgliedern 32, bei ichtmitgliedern 16 Seiten in der gewöhnlichen Schrift Sitzungsberiehte, in den Abhandlungen 12 Druckbogen yon je 8 Seiten in der gewöhnlichen Schrift der Abhand- N Jungen nicht "übersteigen. MEN AR j Überschreitung, dieser Grenzen ist nur mit Zustimmung "der Gesamtakademie oder der betreffenden Klasse statt- "haft "und ist bei Vorlage der Mitteilung ausdrücklich zu beantragen. ER: muten,. daß diese Zustimmung erforderlich sein werde, ‘so hat das vorlegende Mitglied es vor dem Einreichen sachkundiger Seite auf seinen mutmaßlichen Umfang hir: VOR - im Druck abschätzen zu lassen. ANRUCRE: SA, ' „Sollen einer Mitteilung Abbildungen im Text oder ‚auf besonderen Tafeln beigegeben werden, so sind die Vorlagen dafür (Zeiehnungen, photographische Original- aufnahmen usw.) gleichzeitig mit dem Manuskript, jedoch auf getrennten Blättern, einzureichen, n Die Kosten der Herstellung der Vorlagen haben in e "der Regel die Verfasser zu tragen. Sind diese Kosten aber auf einen erheblichen Betrag zu veranschlagen, so kann die Akademie dazu eine Bewilligung beschließen. Ein darauf gerichteter Antrag ist vor der Herstellung der be- treffenden Vorlagen mit dem schriftlichen Kostenanschlage eines Sachverständigen an den vorsitzenden Sekretar zu riehten, dann zunächst im Sckretariat vorzuberaten und "weiter in der Gesamtakademie zu verhandeln. Die Kosten der Vervielfältigung übernimmt. die Aka- demie. "Über die voraussichtliche Höhe dieser Kosten "ist — wenn es sich nieht um wenige einfache Textfiguren handelt — der Kostenanschlag eines Sachverständigen beizufügen. Überschreitet «dieser Anschlag für die er- “forderliche Auflage bei den Sitzungsberichten 150 Mark, bei den Abhandlungen 300 Mark, so ist Vorberatung durch das Sekretariat geboten. Aus 85, Nach der Vorlegung und Einreichung des vollständigen druckfertigen Manuskripts an den zuständigen Sekretar oder an den Archivar wird über Aufnahme der Mitteilung in. die akademischen Schriften, und zwar, wenn eines der anwesenden Mit- glieder es verlangt, verdeckt abgestimmt. Mitteilungen von Verfassern, welche nicht Mitglieder der Akademie sind, sollen der Regel nach nur in die Sitzungsberichte aufgenommen, werden. Beschließt eine Klasse die Aufnahme der Mitteilung eines Nichtmitgliedes in die Abhandinngen, so bedarf dieser Beschluß der Bestätigung durch die Gesamtakademie. (Fortsetzung auf S. 3 des Umschlags.) Läßt ‚der Umfang eines. Manuskripts ver- ” neun K es senden. Die Korrektur so kosten verpflichtet. AB, N Von allen in die Sitzungsberichte oder Abhandl aufgenommenen wissenschaftlichen ‚Mitteilungen, Adressen oder Berichten werden für die Verfass wissensehaftlichen Mitteilungen, wenn deren Um! Druck ASeiten übersteigt, auch für den Buchhandel Son abdrucke hergestellt, die alsbald nach Erscheinen gegeben werden. ; \ i 4 Von Gedächtnisreden werden ebenfalls Sonderabdruck: für den Buchhandel hergestellt, indes nur dann, wenn ( [ Verfasser sich ausdrücklich damit einverstanden erkl Nr 89. RN, Von den Sonderabdrucken aus den Sitzungsbericht erhält ein Verfasser, welcher Mitglied der Akademii zu unentgeltlicher Verteilung ohne weiteres 50 exemplare; er ist indes berechtigt, zu gleichem Zwec i auf Kosten der Akademie weitere Exemplare bis zur Za x von noch 100 und auf seine Kosten noch weitere bis) zur Zahl von 200 (im ganzen also 350) abziehen zu lassen, sofern er dies rechtzeitig dem redigierenden Sekretar an- Krı gezeigt hat; wünscht er auf seine Kosten noch mehr 2 Abdrucke zur Verteilung zu erhalten, so bedarf es dazw der Genehmigung der Gesamtakademie oder der betreflen- den Klasse. — Nichtnfitglieder erhalten 50 Freiexemplare' und dürfen nach rechtzeitiger Anzeige bei dem redi- gierenden Sekretar weitere 200 Exemplare auf ihre Kosten abziehen lassen. R MIN WR. Von den Sonderabdrueken aus den Abhandlungen er- We; hält ein Verfasser, welcher Mitglied der Akademie ist, zu unentgeltlicher Verteilung ohne weiteres 30 Frei- exemplare; er ist indes berechtigt, zu gleichem Zwecke auf Kosten der Akademie weitere Exemplare bis zur Zahl von noch 100 und auf seine Kosten noch weitere bis zur Zahl von 100 (im ganzen also 230) abziehen zu lassen, sofern er dies rechtzeitig dem redigierenden Sekretar an- gezeigt hat; wünscht er auf seine Kosten noch mehr Abdrucke zur Verteilung zu erhalten, so bedarf es ‚dazu der Genehmigung der Gesamtakademie oder der betreffen- den Klasse. — Nichtmitglieder erhalten 30 Freiexemplare und dürfen nach ‘rechtzeitiger Anzeige bei dem redi- gierenden Sekretar weitere 100 Exemplare auf Ihre Kosten abziehen lassen. ' = ur 817, k Eine für die akademischen Schriften be- stimmte wissensehaftliehe Mitteilung darf in keinem Falle vor ihrer, Ausgabe’an jener Stelle anderweitig, sei es auch nur auszugs- > u R \ 167 SITZUNGSBERICHTE DER PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. BE Pr 1921 A 01 Lono ri v1 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse. 3 Februar. JONIAN per Vorsitzender Sekretar: Hr. Rugner. _n “Hr. Pranck sprach über die Entropie fester Körper bei tiefen Temperaturen. Eine auf Grund der @Quantentheorie entwickelte Ableitung des Ausdrucks für die Entropie eines festen Körpers führt zu dem Schluß, daß für die Temperatur jedes Körpers eine direkt angebbare Größenordnung existiert, auf welche sie nicht herabsinken darf, ohne daß die Gesetze der allgemeinen Thermodynamik ihre Gültigkeit verlieren. Durch diesen Satz wird allen thermodynamischen Betrachtungen, welche eine unbegrenzte Abkühlung eines Körpers zur Voraussetzung haben, prinzipiell die Beweiskraft entzogen. vl. Sitzung der philosophisch-historischen Klasse. 3. Februar. Vorsitzender Sekretar: Hr. Roerne. “1. Hr. Wırcxen berichtete über seine Ausgabe der »Urkunden der Ptolemäerzeit«. Nach einem Rückblick auf die bisherigen Schicksale dieser Publikation, die die älteren Funde ptolemäischer Papyri (in der Hauptsache bis 1890) in zwei Bänden, einem memphitischen und einem thebanischen, zusammenfassen soll, werden einige Proben aus dem Inhalt des im wesentlichen abgeschlossenen I. Bandes vorgelegt. Es kamen zur Sprache r. religionsgeschichtliche Fragen (neue Argumente für die Herkunft des Sarapis aus dem Serapeum von Memphis sowie für den religiösen Charakter der Katoche), 2. kulturgeschichtliche Fragen (Mischung der ägyptischen und griechischen Kultur), 3. diplomatische Fragen (Ausbildung der Epistolographen, Entstehung der Eingaben und der amtlichen Briefe). 2. Vorgelegt wurde die Abhandlung des korrespondierenden Mit- gliedes Hrn. SEurFFerT in Graz Prolegomena zu einer Wieland- Ausgabe VII. (Abh.) Umfängliche Nachweise vervollständigen aus Handschriften, älteren Drucken und neuer Literatur die Vorarbeit zur Wieland-Ausgabe der Akademie. Die Veröffentlichung von Entwürfen zu den “Abderiten’ wird als Fälschung aufgedeckt. Das bewußte Ein- greifen der Druckereien in echte Texte, ihr Schwanken zwischen Sprachneuerung und Schulregelhaftigkeit wird an der verschiedenartigen Überlieferung des ‘Sokrates und der "Göttergespräche’ dargelegt. Wieland unterwirft sich vielfach wie Goethe und andere Schriftsteller der Fortbildung der Setzerschriftsprache. Sitzungsberichte 1921. 15 168 Sitzung der phil.-hist. Klasse v. 3. Februar 1921. — Mitt. v. 13. Januar Die Zeichen für »Westen« und »Osten« in der ägyptischen Hieroglyphenschrift. Von Prof. Dr. GEorRG MÖLLER in Berlin. (Vorgelegt von Hrn. Erman am 13. Januar 1921 [s. oben S. 30].) Wehrend die Entzifferung der ägyptischen Hieroglyphenschrift, d. b. die Feststellung des Lautwerts oder der Bedeutung im Wortgefüge für die einzelnen Zeichen so gut wie restlos gelungen ist, weist die gegen- ständliche Deutung der Bilder, aus denen diese Schrift besteht, noch empfindliche Lücken auf. Zu den Zeichen, deren dingliche Vorbilder bisher noch nicht mit Sicherheit ermittelt sind, gehört eines der allerhäufigsten, das a t. In der Liste unsrer hieroglyphischen Drucktypen, deren Ordnung auf Lupwiıe Stern! zurückgeht, steht das o unter der Rubrik »Striche und Zweifel- haftes«; die verbreitetste Deutung des Zeichens will in ihm ein Brot sehen’, während Rorper° es für einen Mauerabschluß, Grırrıta* für die »Nuß« eines Drillbohrers (»drill cap«) erklärte. In buntfarbig ausgemalten Inschriften ist das Zeichen schwarz’ oder blau°, ebenso wie —-, das sicher die Erde darstellt‘. Wie die Ägypter dazu gekommen sind, die Humuserde außer schwarz auch blau zu malen, entzieht sich meiner Kenntnis. ! Liste der hieroglyphischen Typen aus der Schriftgießerei des Hrn. F. Thein- hardt in Berlin. Berlin 1875. 2 So z.B. Srrur, ÄZ. Bd.45 (1908), S. 37. Ägyptisch (Clavis linguarum Semiticarum VI). München 1913, $ 12. Hieroglyphs, a contribution to the history of egyptian writing (Archzxol. Survey of Egypt, London 1898), S. 49; bei Davırs, The Mastabas of Ptahhetep and Akhethetep, London 1900, S. 30. 5 Z.B. Prrrıer, Medum Taf. 11—14. 17, 18, 23, 24; Murray, Saggara Mastabas (Egyptian Research Account, London 1905), Taf. 45, sämtlich AR. 6 Z.B. Davies, Ptahhetep and Akhethetep Nr. 284; Murray a.a.0. (AR.); Grirrrta, Hieroglyphs Nr. 96; Beni Hasan III, Nr. 89 (12. Dyn.); Grirrrru, Hieroglyphs Nr. 20 (18. Dyn.). ° — schwarz: LD.II, 20; blau: Davies, Ptahhetep and Akhethetep, S.26, Nr. 204 (5. Dyn.); Grirrırz, Hieroglyphs S. 32; Beni Hasan III, Nr. 95 (12. Dyn.). a: ee A ae a G. Mörrzer: Zeichen für » Westen « u. »Östen« in der ägypt. Hieroglyphenschrift. 169 Als Bestandteil eines komplizierteren Schriftzeichens begegnet uns oa noch bei &®s , der ältesten Form von LJ, vgl. PrrrıE, Medum Taf. ı ı (Anfang der 4. Dynastie). Die Hieroglyphe stellt einen Erdhügel dar, auf dem grünes Kraut sproßt. Eine Pflanze, die in einem gleichgestalteten, halbkugeligen Erdhaufen wurzelt, ist auch 15 und vor allem - Bei diesem Zeichen hat das Erdreich nicht selten auch die Form —°. Die Hieroglyphe a stellt also nichts weiter als einen Erdhaufen dar; wie —- wird sie ursprünglich den Lautwert t} gehabt haben. Wir haben also denselben Vorgang wie bei 4 %, ursprünglich k% Höhe, vgl. SErnr, AZ. Bd.45 S. 37. > ist weiterhin ein Bestandteil des Zeichens für Westen 8 , später N: wofür in Meir (II, ı2,1) auch die Form d) vorkommt. Gehen wir von der einfacheren, seit dem Mittleren Reich nachweisbaren Gestalt der Hieroglyphe aus, so besteht diese aus a (bei dem Beispiel bei Grirrıtn, Beni Hasan II, Nr. 25 aus der ı2. Dynastie blau gemalt) + ; die Zeichen- kombination ist, wie das bei Gaunamen und geographischen Bezeich- nungen üblich ist, auf einen Standartenschaft mit Behang gesetzt, vgl. Davızs, Ptahhetep und Akhethetep Taf.7, Nr.90 und 94. Aus dieser Er- kenntnis ergibt sich für die Hieroglyphe für » Westen « die ursprüngliche Bedeutung »Land der Feder« oder vielmehr »der Federträger«, worunter die Libyer zu verstehen sind, vgl. z. B. NEwzErrY, Beni Hasan I, Taf. 45; Bıssine-Bruckwass, Ägypt. Skulptur 33 A,b; LD. III, 136 und En. Mrvers Feststellung Geschichte d. Altert. I, 2°, $ 167. Die Erklärung der älteren Form der Zeichen: TI (1. bis 4. Dynastie, 2. B. Prrrıe, Royal Tombs I, 23, 38; PerrıE, Me- dumı3,Metengrab E ı2)und » (5. und 6. Dynastie) bietet einige Schwierigkeiten. Der Falke bezeichnet den Gott Horus, dann den König als Verkörperung dieses Gottes. Die Analogie von IN »Horus der über Seth von Ombos triumphiert« würde auf die Deutung: »Horus (oder der König) der die Federträger (oder das Land der Federträger) unterworfen hat« führen. Freilich wüßte ich auch nicht, wie der frühzeitliche ägyptische Hierogrammat »das dem Horus unterworfene Land der Federträger«, was hier allein passen würde, in seiner Schrift anders hätte darstellen können. Dann würde das Zeichen & ursprünglich die Mareotis und die Marmarica bezeichnet haben. ! Vgl. z. B. Murray, Saqgara Mastabas Taf. 2 Mitte (3. Dyn.); Borenarpr, Sahure II, Blatt 17 links (5. Dyn.). ® Z. B. Perrıe, Royal Tombs I, 23, 37 und 38 (1.:Dyn.); Murray, Saqgara Mastabas Taf. 42. ° Gerirrıra, Beni Hasan III, Nr.16(12.Dyn.); Neweerry, Rekhmara 15,2 (18. Dyn.). > 15* ee. o x / rm 170 Sitzung der phil.-hist. Klasse v. 3. Februar 1921. — Mitt. v. 13. Januar Die Deutung des Zeichens n darf jedenfalls als gesichert gelten. Sie bietet nun wohl auch eine Handhabe zur Erklärung der Hieroglyphe für »Osten«. Die ältesten, mir erreichbaren Formen sind Inschriften der ı. Dynastie entnommen; ich stelle dazu a Fir Jüngere, die jedoch sämtlich noch dem alten Reich nn Das Zeichen löst sich in seiner ältesten Form (a i; Y IN innen auf, wozu noch, wie bei der Hieroglyphe | Westen, die Tragstange mit (doppeltem) het | a ° / kommt. Das tropfenähnliche Zeichen ist eine alte a für »Metall«, »Kupfer«, vgl. Perrıe, Medum Taf. 13 links, Pyr.M 714,851; 4 bedeutet also »Kupferberg«, eine Bezeichnung, die zweifellos für die östlich von Ägypten gelegene Sinaihalbinsel mit ihren Kupferminen sehr passend ist. Bei den gleichfalls der ı. Dynastie angehörigen, unter b wiederge- gebenen Formen ist noch das Determinativ für »Mineral«, O eingeschaltet, bei d (4. Dynastie) das I »Berg« durch — »Land«, bei e (4. Dynastie) durch &% » Ausland« ersetzt, f (6. Dynastie) ist aus der Form e durch “falsche Trennung der Bestandteile & und ( entstanden. Gegen Ende der 5. Dynastie hat man das Zeichen schon nicht mehr verstanden, das beweisen Formen wie n (Wnis 38 3). Ist diese Deutung von n und ir richtig, so ergibt sich daraus eine weitere Folgerung. Es ist klar, daß die Leute, für die das Libyerland den Westen, die Sinaihalbinsel den Osten schlechthin bezeichnete, nicht in Oberägypten, beispielsweise in der Gegend von Abydos, This oder Negade gesessen haben können. Diese Schriftzeichen müssen in Unter- ägypten entstanden sein; dazu paßt bestens, daß, wie En. Meyer wahr- scheinlich gemacht hat, der ägyptische Kalender im Jahre 4240 v. Chr. in Heliopolis eingeführt ist. Das Delta ist in dieser Zeit das Land der höheren Kultur gewesen. ! a’Prirıe, Royal Tombs ], 23, 37 (t. Dyn.). d ib. 22, 36 (1. Dyn.). c Elfenbein- täfelchen des »Den«, Sammlg. Mac GrEGoR, veröffentlicht durch SPIEGELBERG, ÄZ. Bd. 35, S. 7ff. Die dort auf S.9 gegebene Zeichnung der Hieroglyphe ist inkorrekt. (r. Dyn.) d Grabstein der Nefret-iabtet, London, veröffentlicht bei SchÄrer, Von ägypt. Kunst Taf. 22 oben (Anfang der 4. Dyn.).. e LD.II, 15 nach Abdruck 38 (Ende der 4. Dyn.). f Merenre 455 (6. Dyn.). Sıurz: Das Bonner evangelische Universitätspredigeramt 171 Das Bonner evangelische Universitätspredigeramt in seinem Verhältnis zu Staat, Kirche und Gemeinde. Von ULricH StuTz. (Gelesen am 18. November 1920 [s. Jahrg. 1920 S. 754].) Kr das letzte Jahrzehnt hat es weiteren Kreisen eigentlich so recht zum Bewußtsein gebracht, was für eine glückliche Hand die Preußische Staatsregierung hatte, als sie in den neuerworbenen westlichen Pro- vinzen im Jahre 1818 die Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität ins Leben rief. Zwar fehlte es schon früher nicht an bemerkenswerten Zeugnissen dafür, welch bedeutsame Rolle Bonn und seine Hochschule in der Geschichte der deutschen Wissenschaft und darüber hinaus im Geistesleben nicht bloß der Rheinlande, nein Preußens und Deutsch- lands überhaupt gleich von Anfang an und in fortwährend steigen- dem Maße gespielt haben. Jedoch im letzten Dezennium mehrten sich die Stimmen aus den verschiedensten Zeiten und Lagern sehr. Aus dem Munde ehemaliger Hörer und Lehrer sowie anderer einstiger Bonner lernte man immer‘’und immer wieder den Reiz und die nach- haltige Wirkung kennen, die das an Eindrücken und Anregungen jeder Art so reiche rheinische Dasein ausübt, aber auch den Zauber von Naturschönheit, historischer Romantik und anziehendem Volks- tum, dem selbst der ernste Gelehrte sich nicht verschließen kann, wenn er ob den Büchern nicht den Sinn für das Leben eingebüßt hat. Ich erinnere bloß an Heınrıca v. Treıtschkes Briefe, an die Auf- zeichnungen von RocaHus v. LiLiEncron und von Ernst v. Dryander, an die Lebenserinnerungen Hermann Hürrers und GEoRGS v. HERTLING so- wie Jon. FRIEDRICHS v. SCHULTE, an- die Lebensbeschreibungen von Max v. GAGERN, JuLius FickEr und, um zwei hervorragende Ausländer noch mit zu berücksichtigen, an die kürzlich veröffentlichten Biographien des Basler Kunsthistorikers Jaco BurcxnArpr und des Zürcher Staats- manns ALrrep Escner. Noch besser lernt Bonns Bedeutung schätzen, wer die Entwicklung der einzelnen Wissenschaften in den letzten hundert Jahren verfolgt, um bei den Geisteswissenschaften zu bleiben, na- 172 Sitzung der phil.-hist. Klasse vom 3. Febr. 1921. — Mitt. vom 18. Nov. 1920 . mentlich die der klassischen Philologie, aber auch die der Romanistik und im letzten Viertel der Germanistik, weiter der Indologie, der Hi- storie, der alten, mittleren und neuen, nicht minder endlich gewisser Teile der Jurisprudenz und der Theologie. Die 1919 begangene Jahrhundertfeier würde eine ganze Flut von Erinnerungen und Bei- trägen gezeitigt und Preußen und Deutschland wirkungsvoll daran er- innert haben, was sie an dieser rheinischen Universität, der größten und blühendsten nächst den drei alten Großstadtuniversitäten, die heute mehr denn je für »unsern Staat als »positiv wirkende geistige Festung« erscheint, besitzt, wäre sie nicht durch den Zusammenbruch und den Umsturz, dureh die Besetzung und die wirtschaftliche Not so gestört worden. Doch wird uns wohl schon zu Weihnachten die Gesamtgeschichte der Bonner Universität aus der Feder unseres Mit- gliedes Frırnricn v. BrzoLnp die Gründung und vor allem die ersten zehn Lustren der rheinischen Alma mater vor Augen führen'!. Frei- lich, der geplante zweite Band mit der Geschichte der einzelnen Fa- kultäten, Fächer, Institute und Ämter, der für Bonn besonders lehrreich zu werden versprach, wird nicht nachfolgen. Soweit die Manuskripte dafür bereits abgeschlossen waren, sind die Beiträge anderwärts in Zeitschriften oder für sich erschienen’. So auch die Geschichte der beiden theologischen Fakultäten, die verdienstliche, mit anerkennens- wertem Streben nach Objektivität verfaßte, nach Möglichkeit über die Gegensätze sich erhebende der Evangelisch-theologischen Fakultät von Orro Rırsent, so die von ihrem gegebenen Standpunkt aus sehr ge- wandt abgefaßte und trotz ihres raschen Zustandekommens ziemlich vollständige und zuverlässige der Katholisch-theologischen von ALBERT Lauscner. Letztere behandelt in einem eigenen Abschnitt auch den katholischen akademischen Gottesdienst, der zur Zeit neben dem Pro- fessor und jetzigen Zweijahrsrektor Tırınans eben LauscHeEr als dem Vertreter der Pastoraltheologie übertragen ist. Die Geschichte der Evangelisch-theologischen Fakultät berücksichtigt dagegen den evan- gelischen Universitätsgottesdienst nicht. Dies darum, weil ihr Ver- fasser wußte, daß ich mit einer aktenmäßigen Darstellung wenigstens der Geschichte des evangelischen Universitätspredigeramtes beschäftigt hatte ich doch unmittelbar vor Kriegsausbruch im Auftrage der U Sie ist, wie ich beim Drucke dieses Vortrags nachtrage, inzwischen erschienen. Auf sie und die im Folgenden erwähnten beiden Fakultätsgeschichten sei für die im Nachstehenden genannten Persönlichkeiten ein für allemal verwiesen. ® Vgl. die Hinweise darauf, die Hr. v.BezowLo in den Anmerkungen seines Werkes gibt und bezüglich des Kirchenrechts meinen Bericht »Das kirchenrechtliche Seminar an der Rheinischen Friedrieh-Wilhelms-Universität zu Bonn«. 1904— 1917, Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte XLI Kan. Abt. X 1920 S. 269 ff. Srurz: Das Bonner evangelische Universitätspredigeramt 173 Evangelisch-theologischen Fakultät ein Rechtsgutachten' darüber aus- gearbeitet und angekündigt, daß ich meine Forschungen fortsetzen und zu einem eigenen Beitrag zur Bonner Universitätsgeschichte aus- gestalten wolle ® Jedoch nicht bloß zu dieser, sondern außerdem zur Geschichte des Verhältnisses von Staat und evangelischer Kirche in Preußen, auf dessen Grenze das unscheinbare und doch in mehr als einer Hinsicht wichtige und interessante Amt nun schon ein Jahr- hundert lang gestanden hat. Nach dieser Richtung hin möchte ich auch heute über das Ergebnis meiner Forschung kurz berichten: Das Bonner evangelische Universitätspredigeramt in seinem Verhältnis zu Staat, Kirche und Gemeinde soll das Thema sein. 1. Akademische Gottesdienste werden an den meisten reichsdeutschen Universitäten abgehalten, an preußischen und außerpreußischen, evan- gelische und katholische. Allein fast überall haben sie etwas Zu- fälliges, an sich, verdanken sie ihre Abhaltung der Initiative eines ein- zelnen Theologieprofessors oder einer Mehrzahl von solchen, bleiben sie darum eine Weile im Gang, um dann wieder einzuschlafen, bis sie später von neuem ins Leben gerufen werden. Anders in Preußen zunächst in Breslau, wo der Vereinigungsplan von ı8ı1 in $8 be-- stimmte: »Der katholische Universitäts-Gottesdienst bleibt unverändert wie bisher in der Universitätskirche. Über die Errichtung eines pro- testantischen Universitäts-Gottesdienstes soll das Nähere angeordnet werden.« Doch brachten es Schwierigkeiten und Hemmnisse verschie- denster Art mit sich, daß hier der evangelische akademische Gottes- dienst, der übrigens nachher von 1870 bis 18351 wegen Mangels an Teilnahme wieder sistiert werden mußte, erst 1853, der katholische gar erst ıg.ı1ı, also beim Eintritt in das zweite Jahrhundert der ver- einigten Universitäten äwfgenommen wurde, und zwar auf ganz an- derer Grundlage. Nicht so in Bonn. Es ist bekannt, daß bei der Errichtung der Universität, die König Friedrich Wilhelm III. den Rheinlanden gleich nach der Besitzergrei- fung am 5. April 1815 verheißen hatte, auch kirchenpolitische Ge- sichtspunkte mitwirkten. Waren der ÖOberpräsidialrat WERNER von HaxrtuAausen und Andere dafür eingetreten, die neue Hochschule als katholische ins Leben zu rufen, so gewann doch bald die Meinung ! Vom 26. Mai 1914 und im Juli 1914 als Privatdruck (Bonn, Carl Georgis Uni- versitätsbuchdruckerei) vervielfältigt und versandt. ® Siehe jetzt diese aktenmäßige Darstellung in der Zeitschrift der Savigny-Stiftung XLI Kan, Abt,X 1920 S. ff. ‘ 174 Sitzung der phil.-hist. Klasse vom 3. Febr. 1921. — Mitt. vom 18. Nov. 1920 derer die Oberhand, die sie paritätisch angelegt und mit zwei tleo- logischen Fakultäten versehen wissen wollten. So war man kurz zuvor bei der. Gründung der Breslauer Universität verfahren. So wollte es die preußische Staatsräson. Wie hätte man auf die Gelegenheit ver- zicehten können, das evangelische Element am Rhein zu stärken, von dem man doch in erster Linie erwarten durfte, daß es im Sinne einer Wiederbelebung deutscher Denkungsart und einer dauernden Zuge- hörigkeit zu Preußen wirksam sein werde! Die persönliche Anteil- nahme des Herrschers wie an allem, was sein Bekenntnis und seine Kirche betraf, so auch an der Errichtung einer evangelisch-theolo- gischen Fakultät kam hinzu. Kurz, die neue Universitätsgründung erfolgte im Zeiehen der Gleichberechtigung der beiden Konfessionen, aber freilich so, daß diese in der ganz katholischen Umgebung vorerst wesentlich den Evangelischen zugute kam. Das bewahrheitet sich vor allem an dem Amte des Bonner evangelischen Universitätspredigers, dessen Ursprung aufs engste mit der Gründung der Universität und mit den Bestrebungen verflochten erscheint, die dabei die maßgeben- den Kreise erfüllten. Am 18. Oktober 1818, dem Jahrestag der Leipziger Völkerschlacht, vollzog Friedrich Wilhelm III. zu Aachen die Stiftungsurkunde der Bonner Universität. Ihr $ 6 lautet: »Es soll ein akademischer Gottes- dienst für jede der beiden Confessionen Statt finden und für die evan- gelische dazu die Kapelle des Schlosses in Bonn eingerichtet werden. für die katholische Confession aber dem akademischen Gottesdienst der Mitgebrauch einer der dortigen katholischen Kirchen ausgewirkt werden.« Gleich hier sei angemerkt, daß der katholische Universitätsgottes- dienst jahrzehntelang nicht zur Einrichtung gelangte. Man hatte ihn in formeller Parität mit angeordnet, hielt aber, da das katholische Kirchentum in Bonn und dessen Umgebung alteingesessen und somit den katholischen Studierenden hinreichend Gelegenheit zur Befriedigung ihrer kirchlichen Bedürfnisse gegeben war, die Ausführung nicht für eilig, schützte vielmehr Mangel an Mitteln vor und gab sich auch keine sonderliche Mühe, gewisse Hindernisse zu beseitigen, die sich von kirchlicher Seite entgegenstellten. Erst 1845 wurde nach Ver- handlungen mit dem Erzbischof Johannes von Geissel auch dieser (Gottesdienst eingerichtet: er fand zunächst in der Münster- (Martins-) Kirche statt, wurde dann aber 1877 in die Remigiuskirche verlegt, wo ihn zeitweise der Inspektor oder ein Repetent des erzbischöf- liehen Konvikts hielten, in der Regel aber Professoren der katholisch- theologischen Fakultät, neuerdings deren zwei, wofür eine Remunera- tion von 500 Talern, heute 1500 Mark ausgesetzt ist. Srurz: Das Bonner evangelische Universitätspredigeramt 175 Wohl aber schritt man im Hinblick auf das dringende Bedürfnis der evangelischen Studierenden und Lehrer der Universität, aber auch wegen der beengten Lage der evangelischen Gemeinde, auf die ich noch zurückkommen werde, schon bald zur Einrichtung des evange- lischen Universitätsgottesdienstes. Bereits am 31. Juli 1821 wurde bei dem ehemaligen Professor am Predigerseminar in. Wittenberg und damaligen Probst und Superintendenten in Kemberg Kart Immanven Nırzsch von ALTENSTEIN angefragt, ob er bereit sei, eine ordentliche Professur an der Bonner Fakultät anzunehmen, »an welche Stelle das Ministerium beabsichtigt, entweder das für die Universität Bonn sehr wichtige Amt eines Universitäts-Predigers zu knüpfen, oder es will bei der dortigen evangelischen Gemeinde dahin wirken, daß sie den zu berufenden ordentlichen Professor der Theologie zu ihrem Pfarrer erwählt«. In der Tat erklärte sich Nırzsch unterm 26. August be- reit, Professur und Universitätspredigeramt anzunehmen, jedoch nur unter der Bedingung, daß er von »allen pastoralibus und diaconalibus« dispensiert werde, ein Vorbehalt, zu dem der Minister bemerkte, es liege nicht in seiner Absicht, mit der Universitätspredigerstelle die ganze geistliche Besorgung der evangelischen Gemeinde in Bonn und die Pfarrgeschäfte zu verbinden. Nur alle 14 Tage sei des Sonntags die Predigt und außerdem seien zufällige geistliche Reden an das Universitätspersonal zu halten. In der Bestallung Nrrzschs vom 3. April wird besonderes Gewicht darauf gelegt, daß er »als Universitäts- Prediger durch die von ihm in der vereinten evangelischen Univer- sitäts- und Pfarrkirche zu haltenden Predigten und übrigen geistlichen Amtsverrichtungen die studierende evangelische Jugend zu einem from- men Leben anhalte«. So trat denn NırzscHh im Juni 1822 die mit, 1000 Talern dotierte ordentliche Professur der systematischen und praktischen Theologie an und zugleich das Amt eines Universitätspredigers, dieses mit einem Ge- halte von 500 Talern. Außerdem wurde bald auch das seither mit der ge- nannten Professur und dem Universitätspredigeramt verbundene homi- letisch-katechetische Seminar gegründet, dessen homiletische Übungen in Gestalt von Übungspredigten während der Woche abgehalten wurden. Letzteres allein mit seinen noch heute stattfindenden Übungs- predigten und seinen liturgischen Übungen diente und dient Unter- richtszwecken. Das evangelische Universitätspredigeramt dagegen sollte nach der Absicht des ja ausgesprochen evangelisch gesinnten könig- lichen Stifters und seiner Regierung an der in einer überwiegend katholischen Provinz und mitten im katholischen Lande gegründeten paritätischen Universität das evangelisch-kirchliche Bewußtsein unter Lehrenden und Lernenden wachhalten und kräftigen, auch nebenher 176 Sitzung der phil.-hist. Klasse vom 3. Febr. 1921. —- Mitt. vom 18. Nov. 1920 die in Bonn entstandene kleine evangelische Diasporagemeinde fördern. Man wird urteilen dürfen, daß es in späteren Jahrzehnten, wo die mehr theoretische Parität der Gründungszeit einer streng durchgeführten praktischen Platz machte und längst auch ein katholischer Universi- tätsgottesdienst dem evangelischen zur Seite getreten war, fast noch mehr als früher. Sinn und Zweck hatte, wenn der konfessionell, um nicht zu sagen religiös neutral gewordene Staat im Rahmen der gleich- falls konfessionell, ja sogar religiös neutral gewordenen Universität nicht allein die religiöse Gleichgültigkeit gewähren ließ, sondern im Interesse einer wahrhaft allseitigen Förderung des Geisteslebens auch die Pflege des religiös-kirchliehen Sinnes, des evangelischen nicht minder als des katholischen, durch besondere kirchliche Einrichtungen förderte. Doch wie dem auch sei, Tatsache ist, daß das Amt und der von seinem Inhaber besorgte Gottesdienst von 1822 an bis auf den heutigen Tag ununterbrochen fortbestanden haben, und zwar auf der Rechtsgrundlage der Universitätsverfassung. In die Universitäts- statuten vom 1. September 1827, die noch heute in Geltung sind, ging nämlich die schon erwähnte Anordnung der Stiftungsurkunde als $ 7 in folgender, durch die inzwischen bewerkstelligte teilweise Ausführung bedingten Fassung über: »Für jede der beiden Üon- fessionen ist ein akademischer Gottesdienst bestimmt. Für die evan- gelische ist die ehemalige Schloßkapelle zu Bonn zugleich für den Gottesdienst der evangelischen Gemeine eingerichtet, und, neben dem Pfarrer derselben, zugleich ein besonderer Universitäts-Prediger an- gestellt worden. Für die katholische Confession aber soll, zum Behufe des akademischen Gottesdienstes der Mitgebrauch einer der städtischen katholischen Kirchen ausgewirkt werden. « So war zunächst Nırzsch volle 25 Jahre in Bonn als Vertreter der praktischen Theologie und Universitätsprediger tätig. Gerade letztere Tätigkeit verhalf ihm vornehmlich zu dem großen Erfolge, den er am Rheine hatte, und der ihm den Namen eines rheinischen Kirchenvaters eintrug. Wir werden sehen, wie er wenigstens indirekt dadurch in die Kreissynode Mülheim und in die rheinische Provinzialsynode ge- langte und schließlich in die Generalsynode von 1846. Auf letzterer regte er einen Beschluß an, wonach an allen Universitäten des Staates Universitätsprediger mit der Seelsorge und der Sakramentsverwaltung für die Studierenden betraut werden sollten. Seine Beteiligung an dieser Synode gab auch den Anstoß zu seiner Berufung an unsere Berliner Universität als Nachfolger von MArHEINERE und später, 1852, in den Evangelischen Ober-Kirchenrat, in dem er dann das Referat über die Universitätsgöttesdienste und Universitätsprediger übernahm. Neben- bei sei bemerkt, daß er auch in Berlin, wo SchLEIERMACHER, einst Univer- u r Sıwrz: Das Bonner evangelische Universitätspredigeramt IHR sitätsprediger in Halle, und, durch ihn angeregt, Wırnenn von HumsoLpr bei der Gründung der Universität gleichfalls die Einrichtung eines regelmäßigen Universitätsgottesdienstes geplant hatten, doch ohne daß es dazu kam, alsbald durch den Minister Eıcnnorn zum Universitäts- prediger sich bestellen ließ: als solcher hat er in der Dorotheen- städtischen Kirche bis zum Antritt der Probstei zu St. Nikolai (Juni 1355) wiederum mit großem Erfolge einer auserlesenen Hörerschaft das Wort Gottes verkündigt. Sein Nachfolger in Bonn in der Professur für praktische Theologie und im Universitätspredigeramt war Rıcnarp Rorne, in seiner Art nicht weniger verdient und nachmals als Verfasser einer Ethik und Mitbegründer des Protestantenvereins gleichfalls weithin bekannt. Freilich wirkte er zwischen seinen beiden Heidelberger Pro- fessuren nur 5 Jahre, 1849— 1854, in Bonn, hat aber gerade als Uni- - versitätsprediger, wiewohl er sich durch diese Tätigkeit allzusehr belastet fühlte, auf der Kanzel und, allerdings ohne sonderliche Be- geisterung, in den Synoden eine sehr ersprießliche Tätigkeit entfaltet. Des dritten Inhabers der Stelle, Franz STEINMEYERS, soll auch noch mit einem Worte gedacht werden, weil auch er nach viereinhalb- Jährigem Wirken in Bonn im Herbst 1858 als Ordinarius an unsere hiesige Universität zurückkehrte, von der er ausgegangen war. Mit ihm begannen die Berliner Universitätsgottesdienste wieder, die nach der Berufung Lrnunernts, des Nachfolgers von Nrızsca, als General- superintendent nach Magdeburg eingestellt worden waren. Erst mit dem Abgang STEINMEYERS im Sommersemester 1870 hörten sie von neuem auf, um zu ruhen, bis sie in unseren Tagen nach Kriegs- ausbruch auf ganz anderer Grundlage wieder aufgenommen wurden. In Bonn dagegen wurde weiter vom Vertreter der praktischen Theologie im Amtsauftrage der akademische Gottesdienst in der her- gebrachten Form abgehalten, zunächst von '[neovor Pritt (Ostern 1860 bis Sommer 1866), dann, nachdem Her» 1866 ernannt worden war, aber wegen Krankheit sein Amt nicht hatte antreten können, durch TneEoDor ÖHristuieg (Michaelis 1868 bisSommer 1889) und von Ostern 1890 bis Ostern 1913, also 23 Jahre hindurch, wiederum mit besonderem Erfolge von Eusen Sacasse. Kurz vor Jahrhundertschluß, im Früh- Jahr 1914, hat schließlich der jetzige Inhaber Enır Presnıssporr das Amt übernommen, freilich, wie wir sehen werden. unter erheblich veränderten Verhältnissen. Alle diese Bonner Universitätsprediger — und damit trete ich in die hier allein interessierende grundsätzliche Betrachtung ein — sind inihr Amt feierlich eingeführt worden. Und zwar Nrrzsc# durch den Präses 178 Sitzung der phil.-hist. Klasse vom 3. Febr. 1921. — Mitt. vom 18. Nov. 1920 desdamaligen Kölner Konsistoriums, KonsistorialratBruc# (16. Juni 1822), alle Späteren durch den Generalsuperintendenten oder einen mit seiner Vertretung betrauten Geistlichen‘. Doch nicht so sehr darauf kommt es in diesem Zusammenhange an, als vielmehr auf die Tatsache, daß der Auftrag zu dieser Einführung an den Generalsuperintendenten oder vielmehr an das Konsistorium von dem Minister de? geistlichen und Unterrichts-Angelegenheiten ausging. Zwar bis zur Mitte des vorigen Jahrhunderts konnte das nicht auffallen. Bis dahin war die genannte Amtsstelle Staats- und Kirchenbehörde zugleich. In dieser doppelten Eigenschaft hatte sie die Universitätsprofessur und deren Annex, das Universitätspredigeramt, ins Leben gerufen oder vielmehr durch den Landesherrn ins Leben rufen lassen. In dieser doppelten Eigenschaft besetzte sie auch Professur und Predigtamt oder vielmehr schlug sie zur Allerhöchsten Ernennung vor und erteilte sie dem Konsistorium den Einführungsauftrag. Seit der Einrichtung des Evangelischen Ober- Kirchenrates im Jahre 1850 freilich war es keineswegs selbstver- ständlich, daß es dabei sein Bewenden hatte. Man scheint sich zwar weder in Bonn noch in Berlin darob viel Kopfzerbrechens gemacht, sondern einfach mehr oder weniger gedankenlos nach der Ernennung STEINMEYERS im Jahre 1854 die hergebrachte Praxis beibehalten zu haben, wie das auch bezüglich anderer Universitäten geschah. Erst ı866 rührte der damalige Dekan der Bonner Fakultät, Jonann Peter Lange, als der ministerielle Einführungsauftrag für Hero zunächst aus- blieb, die Frage an, indem er in einem Schreiben vom 15. Oktober an den Kurator BzseELeEr. es als zweifelhaft hinstellte, ob der General- superintendent die Introduktion als Vertreter der Provinzialkirche voll- ziehe oder als -Vertreter des Ministeriums; er entschied sich für das Letztere als ganz passend, da der Antritt eines geistlichen Amtes wohl eine Art von Introduktion verlange. Dabei hatte er freilich die Frage nicht zu Ende gedacht. Denn gerade wenn die Beziehung auf die Provinzialkirche ausschied, aber das Amt immerhin als ein geistliches betrachtet wurde, mußte an sich die Zuständigkeit des Evangelischen Ober-Kirchenrats fast eher für gegeben erachtet werden. Theoretisch ließ und läßt sich die weitere Erteilung des Einführungsauftrags durch den Kultusminister nur unter folgenden zwei Gesichtspunkten recht- fertigen: Einmal dadurch, daß das Universitätspredigeramt zwar ein geistliches, wie sich alsbald zeigen wird, sogar ein kirchliches Amt ist, aber nur ein Nebenamt, und zwar Nebenamt eines nichtkirchlichen Hauptamtes, nämlich des akademischen Lehramtes für praktische Theo- ! EusEn Sıcasse, wie in Ergänzung des a.a. 0. XLI(X) S.48 Gesagten bemerkt sein mag, gemäß Ministerialverfügung vom 3. Mai 1890. Srurz: Das Bonner evangelische Universitätspredigeramt 179 logie. Der Professor der praktischen Theologie besteigt nicht als solcher die Kanzel und erfüllt mit der Predigttätigkeit, zu der ja auch noch die Spendung des Abendmahls kommt, nicht einen Teil seiner Lehrpflicht, wie er sich dabei ja auch nicht bloß an evangelische Theologiestudie- rende wendet. Was er an den Professoren, Beamten und Studierenden der Universität, ja vermöge der Öffentlichkeit des Gottesdienstes an weiteren Kreisen verrichtet, ist evangelisch-kirchliche Arbeit. Deshalb bestand auch eine dienstliche Unterordnung unter die Fakultät nie. Zwar gehörte und gehört der Universitätsprediger ihr als Ordinarius der praktischen Theologie an, und war sie zweifellos von Anfang an an seinem kirchlichen Nebenamte mit interessiert. Sie ist deshalb auch, wenn es darauf ankam, als in erster Linie sachverständig gut- achtlich gehört worden. Sie hat ferner, z. B. bei Erledigung des Amtes oder im Falle der Erkrankung des Universitätspredigers, vor- behaltlich der Genehmigung durch die zuständige Ministerialinstanz Vorsorgemaßregeln getroffen. Im übrigen stand, da das Universitäts- predigeramt nicht sowohl für die Theologische Fakultät als für die ganze Universität bestimmt ist, der Universitätsprediger damit der Theologischen Fakultät noch weit unabhängiger gegenüber als etwa der Vorsteher eines naturwissenschaftlichen Instituts gegenüber der Philosophischen oder der Direktor einer Klinik gegenüber der Medi- zinischen Fakultät. Weder als Aufsichtsbehörde noch sonst als Vor- gesetzte kam und kommt sie für ihn in Betracht. Im geistlichen, im kirchlichen Nebenamt amtet der Universitätsprediger, doch so, daß das Hauptamt, nämlich die staatliche Universitätsprofessur, wie s. Z. bei der Begründung, so jeweilen bei der Besetzung, das Nebenamt nach sich zog; man kann das zivilistisch so ausdrücken, das Zubehör folge der Hauptsache, kanonistisch: filia sequitur matrem. Und der andere Gesichtspunkt ist der: Das preußische Kultusministerium hat eben auch nach der Errichtung des Ober-Kirchenrats, sei es kraft aus- drücklicher gesetzlicher Bestimmung, sei es in solch versteckten Fällen kraft Gewohnheitsrechts gewisse Reste von kirchenregimentlichen Be- fugnissen zurückbehalten. Machen wir uns doch den Gang der Dinge klar! Das Bonner Universitätspredigeramt stellt sich dar als eine Schöpfung des preußischen Unionkirchentums, das eben erst aus einem bloßen Ressort der staatlichen Verwaltung zu einer Staatskirche erwachsen war. Ein Jahr vor seiner Errichtung durch die Stiftungsurkunde der Bonner Universität war die Union ins Leben getreten; ein Jahr ‚zuvor war aber auch, nachdem 1816 mit den rheinischen Konsistorien, ins- besondere mit dem Kölner, die Konsistorialverfassung im Rheinlande festen Fuß gefaßt hatte, in Berlin das Ministerium der geistlichen, 150 Sitzung der phil.-hist. Klasse vom 3. Febr. 1921. — Mitt. vom 18. Nov. 1920 Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten entstanden. Von ihm res- sortierte das ganze Jahrhundert hindurch der Universitätsprediger und sein Amt. Dem entsprach das. Übrige. Der Kultusminister bestimmte, während die Universität die Kosten des Gottesdienstes bestritt, das Gehalt des Universitätspredigers und gewährte es aus dem Etat seines Ministeriums. Vom Kultusminister wurde jeweilen der Universitäts- prediger ernannt, von ihm und nur von ihm wäre er gegebenenfalls auch zu disziplinieren gewesen. Bei Erledigung des Universitäts- predigeramtes war es regelmäßig das Kultusministerium, das für ‘die Vertretung sorgte. Durch das Kultusministerium wurden auch für den Universitätsprediger seinen Dienst betreffende Anordnungen getroffen oder genehmigt, so z. B. 1852 der Wegfall besonderer Universitäts- gottesdienste am Anfang und Schluß des Semesters in Abänderung einer Ministerialverfügung vom 9. September 1832 und in Überein- stimmung mit einer von RoruE eingeführten Praxis. Vom Kultus- minister als seiner vorgeordneten Behörde erhielt der Universitäts- prediger gelegentlich auch seinen Gottesdienst mitbetreffende ober- kirchenrätliche Erlasse mitgeteilt. All dies wegen seiner Hauptstellung als staatlicher Beamter, als Universitätsprofessor, und dank dem Um- stande, daß der Minister nicht nur Ühef der Unterrichtsverwältung war, sondern zunächst auch noch Organ des landesherrlichen Kirchen- regiments, an dessen Ausübung er in besonderen Fällen wie in dem unseres geistlichen Nebenamtes einer staatlichen Professur sogar noch nach Einsetzung des Evangelischen Ober-Kirchenrates beteiligt blieb. Allerdings erschien dieser Zustand je länger desto mehr als eine Anomalie und waren, und zwar nicht bloß beim Ober-Kirchenrat, Ein- tlüsse am Werk, wenigstens hinsichtlich der Erteilung des Einführungs- auftrags, endlich die Konsequenz aus der grundsätzlichen Ablösung der Kirche vom Staate zu ziehen, d. h. die oberste Kirchenbehörde zuständig zu machen. Schon früher, 1871, 1894, 1907 war für Königsberg und für Breslau gelegentlich der Einführungsauftrag vom Evangelischen Ober-Kirchenrat erteilt worden, wenn auch in der Mehr- zahl der Fälle ohne Erfolg, weil es überhaupt nicht zur Einführung kam. Im Öber-Kirchenrat machte man seit der Mitte ‚der neunziger Jahre, offenbar unter dem Antrieb gewisser Beschlüsse der außerordent- lichen Generalsynode vom ı2. November 1894, immer bestimmter geltend, der Universitätsgottesdienst werde allenthalben als öffentlicher Gottesdienst abgehalten und sei vielfach mit der Austeilung des Abend- mahles verbunden. Wo er einem Universitätsprofessor als Universitäts- prediger zu regelmäßiger Abhaltung übertragen sei, könne er weder einem Anstaltsgottesdienst für eine Hausgemeinde noch einem Seminar- gottesdienst einer Theologenfakultät zu unterrichtlichen Zwecken gleich- Sturz: Das Bonner evangelische Universitätspredigeramt 181 geachtet werden. “ Soleh amtlich veranstalteter öffentlicher Gottesdienst aber bedürfe der kirehlichen Autorisation. Denn der Universitäts- prediger müsse sich, obwohl ihm der Auftrag zu seiner Tätigkeit vom vorgesetzten Minister erteilt werde, bei Abhaltung des öffentlichen Gottesdienstes an die liturgischen und sonstigen Ordnungen der Landes- kirche gebunden wissen. Sonst bestehe für ihn die Gefahr, daß er die dem Universitätsprofessor für seinen wissenschaftlichen Unterricht unentbehrliche freiere Bewegung auch auf die Ausübung geistlicher Funktion im öffentlichen Gottesdienst übertrage. Dem beuge die ‚kirchliche Einführung in die Gemeinde vor, die diese Gebundenheit des Universitätspredigers an die Ordnungen der Kirche zu bestimmtem Ausdruck bringe. Der damalige Kultusminister Bossze verschloß sich dem Gewicht dieser Ausführungen keineswegs. Aber er erachtete es nicht für angezeigt, in die ruhige Entwickelung der Universitätsgottes- dienste einzugreifen. Bei dem nahen Zusammenhange der Universitäten würde das Bekanntwerden der Breslauer Vorgänge voraussichtlich einer der kirchlichen Einführung widerstrebenden Agitation in Uni- versitätskreisen Vorschub leisten und in Erweckung offenen Gegen- satzes zu den kirchlichen Behörden die vielfach als segensreich be- währte Institution des Universitätsgottesdienstes in ihrer Wirksamkeit gefährden. Infolge dieses Bescheids ruhte die Angelegenheit eine Weile. Jedoch im Laufe des Jahres 1913 kam man auf die Sache zurück, und zwar sowohl von seiten der obersten Kirchenbehörde, in der nunmehr Gustav KAwerau die Universitätsgottesdienste als Referent bearbeitete — der einst selbst in Breslau Universitätsprediger gewesen war und gleich STEINMEYER (1853) sowie allen seinen dortigen Vorgän- gern und Nachfolgern mit einziger Ausnahme von Muss (1854) infolge des Widerstandes der Fakultät als solcher nicht hatte eingeführt werden können — als auch von seiten des Ministeriums und weiter nicht bloß in dem Sinne, daß die Einführung in Zukunft überall stattfinden sollte, auch da, wo sie bisher nicht oder nur ausnahmsweise stattgefunden hatte, sondern auch in der Absicht, die Einführung, selbst wo sie hergebracht war, wenigstens in der Weise umzugestalten, daß sie nunmehr in die Zuständigkeit der obersten Kirchenbehörde fiel. Am 28. November des genannten Jahres fand eine Konferenz von Ab- geordneten des Ober-Kirchenrats mit einem Vertreter des Kultus- ministeriums statt, die den gewünschten Erfolg hatte; Geh. Rat Eıster, der Vertreter des Ministers, stellte eine Verfügung des Letzteren nach Maßgabe des Resultats der Besprechung in Aussicht. Und alsbald wurde vereinbarungsgemäß verfahren. Weihnachten ı913 teilte der Minister der Kirchenbehörde die Bestellung des Professors PrExnıGSDoRF in Bonn zum Universitätsprediger, gleichzeitig oder bald nachher aber 182 Sitzung der phil.-hist. Klasse vom 3. Febr. 1921. — Mitt. vom 18. Nov. 1920 auch die Anderer für Greifswald und Königsberg, für Halle und andere Hochschulen mit. Und der Evangelische Ober-Kirchenrat er- teilte «darauf dem rheinischen Konsistorium und den entsprechenden übrigen von sich aus den Auftrag zur Einführung durch den General- superintendenten. Die Überweisung der Universitätspredigerämter unter die kirchliche Oberbehörde war damit in die Wege geleitet. In Bonn übersah nicht nur die Fakultät, sondern auch ich bei der unmittelbar nachher erfolgten Abfassung meines Gutachtens zunächst, daß der Einführungsauftrag statt wie bisher von dem Minister, jetzt von der obersten kirchlichen Verwaltungsinstanz ausgegangen war: es war Ja diese Verschiebung vorerst ein Internum des Dienstes der staatlichen Behörde und der kirchlichen, das nur nebenbei und versteckt in der Zuschrift an den Universitätsprediger zum Ausdruck kam. Die Bonner Fakultät aber hatte ganz andere Sorgen. Weil. wie gleich auszuführen sein wird, damals der Bonner Universitäts- . gottesdienst vom Gemeindegottesdienst gelöst wurde, glaubte sie, der Universitätsprediger bedürfe fortan der Einführung durch ein kirchliches Organ überhaupt nicht mehr, eine Ansicht, die sich allerdings naclı dem Gesagten und alsbald noch zu Sagenden als unhaltbar erweist, weshalb auch die Fakultät den Widerstand aufgab. Nicht so andere Fakultäten und Universitätssenate, wie der Greifswalder. die Hallesche, die Breslauer, bei denen keine feste Einführungspraxis bestand. Sie setzten sich mit den übrigen in Verbindung und gingen zu der von Minister Bosse vorausgesehenen »Agitation« über. Infolgedessen und wohl auch mit Rücksicht auf mein inzwischen ihm zugegangenes Gutachten, das die Einführung im kultusministeriellen Auftrag für Bonn als feste, hundertjährige Praxis und deren Zusammenhang mit den Grundlagen der ganzen Einrichtung nachwies, besann sich der damalige Minister v. Trorr zu Sorz eines andern. Die in Aussicht gestellte Verfügung erging nicht. Vielmehr erklärte der Minister, er wünsche, solange der Krieg dauere, im Interesse der Einigkeit und Freudigkeit Aller die Fakultäten nicht beunruhigt, die Angelegenheit nieht weiter angerührt zu sehen. Der Ober-Kirchenrat sah sich ge- nötigt, darauf einzugehen und, ohne seine grundsätzliche Stellungnahme preiszugeben, vorläufig auf die Neuordnung zu verziehten. Auch in Bonn, wo der Generalsuperintendent Kıısernann die Einführung Prennies- DORFS übrigens mehr als Begrüßung denn als Bevollmächtigung ge- staltete, wie das bald darauf auch in Königsberg geschah, war noch nicht eigentlich ein Präzedenzfall geschaffen, hatte sich doch mit dem Einführungsauftrag des Ober-Kirchenrats eine Anfrage PFENNIGSDORFS betreffend Einführung an den Minister gekreuzt und eine Verständigung desselben mit dem Generalsuperintendenten. Srurz: Das Bonner evangelische Universitätspredigeramt 183 Ill. Wie steht es nun aber nach alledem überhaupt mit den Be- ziehungen des Bonner Universitätspredigeramtes zur Kirche, zunächst zur Landes-, dann aber auch zur Provinzialkirche? Ich wiederhole, das Amt ist ein geistliches, ja ein Kirchenamt mit dem Auftrage zu Predigtgottesdienst und zur Verwaltung des Abendmahlssakramentes. Soweit diese Funktionen in Betracht kommen, stand und steht es darum unter der provinzial- und landeskirchlichen Rechtsordnung. Beide sind zwar erheblich jünger als unser Amt. Die presbyterial- synodale Organisation der rheinisch-westfälischen Kirche datiert ja erst von 1835 und die Verselbständigung sowie die synodale Organisation der altpreußischen Landeskirche ‘durch Errichtung des Evangelischen Öber-Kirchenrates und durch den Erlaß der Generalsynodalordnung gar erst von 1850 und 1876. Dies zeitliche Verhältnis läßt unser Amt inmitten der heutigen provinzial- und landeskirchlichen Organisation als etwas ganz Vereinzeltes und Eigenartiges erscheinen. Es hat aber. doch nicht verhindert, daß im Laufe der Entwickelung das Bonner Universitätspredigeramt wie zu der Provinzial- so zu der Landeskirche in Beziehungen getreten ist und sich ihnen eingefügt hat, wenn auch über die Art dieser Beziehungen eben wegen des höheren Alters und der Eigenart des Amtes zeitweise Unklarheit bestanden hat und zum Teil bis auf den heutigen Tag besteht. Es ist richtig und trifft auch für Bonn zu, wenn eine ministe- rielle Denkschrift von 1895 für Breslau ausführt, der dortige evan- gelische Universitätsgottesdienst gehöre der evangelischen Landeskirche der alten Provinzen in so fern an, als das Bekenntnis in Betracht komme, das in ihm verkündet werde. Aber es trifft nicht zu, daß er ihr nur in so fern angehört. Der Ober-Kirchenrat hatte ganz recht, wenn er darauf ‘entgegnete, es sei der Prediger bei Abhaltung seines öffent- lichen Gottesdienstes auch an die liturgischen und sonstigen Ord- nungen der Landeskirche gebunden. Wenn z. B. $ 8ı der rheinisch- westfälischen K.-O. bestimmt: »Der öffentliche Gottesdienst und alle anderen gottesdienstlichen Handlungen finden nach den geltenden landeskirchlichen und provinziellen Vorschriften der Agende statt«, so gilt dies auch für den Bonner Universitätsgottesdienst, für den seinerzeit Nırzsch die alte Agende (von 1829) 1834, SachssE 1895 die neue von 1894 in Gebrauch genommen hat, so daß davon nur innerhalb des Spielraums, der auch für den Gemeindegottesdienst ge- geben ist, und nach Maßgabe der Eigenart, die der Universitäts- gottesdienst als solcher erfordert (Fürbitte für die Universität), abge- wichen werden darf. Da ferner $ 87 der K.-O. sagt: »Die Verwal- Sitzungsberichte 1921. 16 PET. er; ; iR 184 Sitzung der phil.-hist. Klasse vom 3. Febr. 1921. — Mitt. vom 18. Nov. 1920 tung der beiden Sakramente darf nur von einem kirehenordnungsmäßig berufenen und ordinierten Geistlichen der evangelischen Kirche ge- schehen«, kann zum Universitätsprediger nur ein solcher Bonner Uni- versitätstheologe bestellt werden, der die theologischen Prüfungen in kirchlieh vorgeschriebener Weise abgelegt hat und ordiniert ist. Da- gegen findet Satz 2 des angeführten $ 87: »er darf sie auch nur in der ihm zugewiesenen Gemeinde und außerhalb dieser nicht anders als mit Genehmigung des zuständigen Pfarrers verrichten« keine An- wendung, weil für die Predigttätigkeit und Abendmahlsverwaltungs- befugnis des Bonner Universitätspredigers ein besonderer Amtsauftrag besteht. Nur für die Fähigkeit, nicht für das Recht der Predigt- und Abendmahlsverwaltung des Universitätspredigers kann die rheinisch- westfälische Kirchenordnung als maßgebend erachtet werden. Auf der anderen Seite ist der Universitätsprediger zwar ein evan- gelischer Geistlicher in der Rheinprovinz, aber kein Glied der evan- gelischen Provinzialgeistlichkeit. \ Für Breslau führte die ministerielle Denkschrift von 1895 durch- aus zutreffend aus, der dortige Universitätsprediger sei dem Organis- mus der schlesischen Provinzialkirche nicht eingegliedert. Für. das Rheinland kommt dies auch darin zum Ausdruck, daß der Bonner. Universitätsprediger als solcher Sitz und Stimme, d.h. entscheidende Stimme, weder im Presbyterium noch in der Kreissynode hat und haben kann. Zwar hörten wir von Nırzscn und von Rornr, daß das bei ihnen anders war, ja daß sie über die Kreissynode sogar in die Provinzialsynode gelangt sind. Jedoch das hing daran, daß Nırzsch trotz seiner ursprünglichen Abneigung gegen Pastoralia und Diaconalia sich hatte bereit finden lassen, neben dem Bonner Gemeindepfarrer als Gemeindevikar tätig zu werden, und daß Rorur nach ihm in das gleiche Vertragsverhältnis eintrat; ferner daran, daß nach der älte- sten Fassung der rheinisch-westfälischen Kirchenordnung eine solche Mitgliedschaft des Gemeindevikars in Presbyterium und Synode mög- lich war. Darin schufen nun aber die 1853 genehmigten Zusätze zu den $$ 6 und 35 der K.-O. Wandel; darnach konnte der Universitäts- prediger, selbst wenn zugleich Gemeindevikar, in Presbyterium und Kreis- synode nur noch beratende Stimme beanspruchen und war er zur Pro- vinzialsynode erst recht nicht wählbar. Infolgedessen hat denn auch Pıırr das Gemeindevikariat nicht mehr übernommen und sich mit dem Gedanken einer Loslösung des Universitätsgottesdienstes von dem der Gemeinde getragen. Dem Presbyterium, das sich dabei nicht beruhigen und ihn doch in seine Mitte aufnehmen und mit beschließender Stimme auf die Kreissynode entsenden wollte, setzte er in der Hauptsache zu- treffend auseinander: »DieKirchenordnung kennteinmal den Universitäts- \ , . er 2 ae dr s )x Sırwrz: Das Bonner evangelische Universitätspredigeramt 185 prediger lediglich nicht. Daher gehört derselbe auch rechtlich gar nicht zur Provinzialgeistlichkeit, wie denn derselbe auch faktisch in durch- aus keinem amtlichen Verhältnis zu den kirchlichen Behörden der Pro- vinz steht.« Nur beratende Stimme könnte dem Universitätsprediger in Presbyterium und Kreissynode gewährt werden »wie den ordinier- ten Hilfsgeistlichen für das Presbyterium, den Anstalts- und Militär- predigern, den ordinierten Hilfsgeistlichen, Adjunkten und Vikaren für die Kreissynode.« Und auch das nur, wenn man ihn zum Vikar der Gemeindepfarrer beriefe. Das-scheine aber »erkünstelt.« »Die Kirchen- ordnung hat einmal den Universitätsprediger nicht in den Organismus der Provinzialkirche eingegliedert.« »Also lasse man ihn außerhalb dieses Organismus stehen, bis etwa einmal eine Änderung in der Ge- setzgebung beliebt wird.« Nachdem die Angelegenheit dennoch auf der rheinischen Provinzialsynode in Gestalt eines Zusatzantrages zu den genannten Bestimmungen zur Sprache gebracht und zum Teil angenom- men, zum Teil mit der Begründung abgelehnt worden war, der Univer- sitätsprediger halte auf Befehl des Ministers Gottesdienst, nicht im Auf- trage der Gemeinde, wurde sie schließlich durch Generalbescheid des Evangelischen Ober-Kirchenrats auf die Beschlüsse der Provinzialsynode vom 13. Dezember 1864 ad $ 7ı dahin geordnet, »ı. daß der Universi- tätsprediger zu den Verhandlungen der Kreissynode als Anstalts-Pre- diger — und also nur mit konsultativer Stimme — zuzulassen, dagegen 2. die Frage: ob er als solcher auch den Sitzungen des Presbyteriums (als ordinierter Hülfsgeistlicher nach $ 6 Zus. 3) mit konsultativer Stimme beiwohnen dürfe, zuerst von der Kreissynode zu behandeln sei.« Noch einmal wurde übrigens der Versuch gemacht, dem Bonner Universitäts- prediger, und zwar als solehem, Sitz und Stimme auf der Kreissynode zu verschaffen. Der Sieg der kritischen, liberalen Richtung in der Ge- meinde und in den Gemeindekörperschaften Bonns hatte das Ausscheiden des damaligen Universitätspredigers Sacnsse aus dem Presbyterium zur Folge gehabt und damit auch den Verlust des Sitzes auf der Kreis- synode. Deren Vorstand stellte nun aber am 6. Juni 1905 auf der elften Tagung der Synode zu $ 35 der revidierten K.-O. den Antrag: »Der Universitätsprediger in Bonn ist vollberechtigtes Mitglied der Kreissynode Bonn, solange die evangelisch-theologische Fakultät zu Bonn das Recht hat, sowohl zur rheinischen wie zur westfälischen Pro- vinzialsynode eines ihrer Mitglieder mit vollem Stimmrecht zu ent- senden.« Wiewohl dagegen geltend gemacht wurde, die übrigen Syno- dalen mit einziger Ausnahme des nur um des Zusammenhangs mit der Provinzialgemeinde willen stimmberechtigten Präses der Provinzialsy- node verträten Gemeinden, der Universitätsprediger habe aber keine solche, auch könne die Teilnahme desselben an den theologischen Kon- 16* oh I ne 186 Sitzung der phil.-hist. Klasse vom 3. Febr. 1921. — Mitt. vom 18. Nov. 1920 ferenzen der Synode, die eine freie Veranstaltung seien, unmöglich für die an der gesetzlich geregelten Synode ins Feld geführt werden, wurde der Antrag doch angenommen. Unterm 24. Juli 1905 wandte sich je- doch die Gemeinde an die rheinische Provinzialsynode und bat, den von der Kreissynode Bonn zu $ 35 der K.-O. gestellten Antrag abzu- lehnen. Sie wiederholte in der Begründung dieser Eingabe zunächst, was schon auf der Kreissynode eingewendet worden war, und führte weiter aus, daß auch aus der Vertretung der Theologischen Fakultät auf der Provinzialsynode eine Berechtigung für die beabsichtigte Än- derung der K.-O. nicht hergeleitet werden könne. »Denn in der Pro- vinzialsynode vereinigt sich die ganze Körperschaft, welche in der Rheinprovinz die wissenschaftliche Theologie vertritt, durch Entsendung eines ihrer Mitglieder mit den Vertretern der im Kirchendienst stehen- den Theologen und den Laienpresbytern zur Beratung der provinzial- kirchlichen Angelegenheiten. In dem Antrag der Kreissynode Bonn handelt es sich nicht um eine Vertretung der wissenschaftlichen Theo- logie bei den Verhandlungen der Kreissynode, sondern um den Uni- versitätsprediger in seiner Eigenschaft als Prediger.« Der Vertreter des Präses der Provinzialsynode D. Hackengere schloß sich dem an. Die Synode selbst nahm einen vermittelnden Standpunkt ein. Sie beschloß im Herbst 1905 zu Neuwied, dem Gutachten ihrer Kommission gemäß, es werde zwar dem Antrage der Kreissynode nicht stattgegeben, aber dringend empfohlen, den Bonner Universitätsprediger zu den Sitzungen der Kreissynode einzuladen, was denn auch seither geschieht. So kam man, ohne sich desselben zu erinnern, ungefähr wieder auf den ober- kirchenrätlichen Generalbescheid von 1864 hinaus. Man wird es aber nur als folgerichtig anerkennen können, daß es abweichend von diesem bei der bloßen Einladung zu den Presbyteriums- und Synodalsitzungen sein Bewenden hatte und nicht auch die Zulassung zum Presbyterium mit beratender Stimme beschlossen wurde, wenigstens solange die K.-O. blieb, wie sie war, was sich allerdings mit der Neufassung von 1908 änderte, die m. E. der Vollmitgliedschaft des Universitätspredigers auf der Kreissynode nicht mehr entgegensteht. Eine andere Entscheidung würde die Behandlung des Universi- tätspredigers als Hilfsgeistlichen bedeutet haben. Hilfsgeistlicher aber ist der Universitätsprediger seit der Aufgabe des Gemeindevikariats nicht mehr. Auch die jetzt weggefallene Einreihung seines Gottes- dienstes unter die Gemeindegottesdienste vermochte ihn nicht dazu zu machen. Er steht deshalb auch nicht unter dem Konsistorium und ist dessen Disziplin nicht unterworfen. Ebensowenig der des Evangelischen Ober-Kirchenrats. Zwar hat dieser, wie wir sehen werden, schon bald nach seiner Erriehtung durch den Kultusminister anläßlich einer an diesen Srurz: Das Bonner evangelische Universitätspredigeramt 187 gerichteten Besehwerde Gelegenheit bekommen, sich mit dem Bonner Universitätsgottesdienst zu befassen, wie ja auch die Generalsynoden, z. B. die erste von 1846 oder etwa die außerordentliche von 1894, hin- sichtlich der Universitätsgottesdienste überhaupt, also auch des Bonners, Beschlüsse faßten und Anregungen gaben. Auch gibt es oberkirchen- rätliche Entscheidungen und Verfügungen betreffend die Universitäts- prediger von 1861 und später. Jedoch im Jahre 1852 verfügte der - Kultusminister lediglich »im Einverständnisse mit dem Evangelischen Ober-Kirchenrate«, und es sind, soweit ersichtlich, überhaupt alle Er- lasse der kirchenregimentlichen Behörden, die den Universitätsprediger als Inhaber eines geistlichen Amtes mit Wort- und Sakramentsverwal- tung betrafen, für diesen dienstlich nur wirksam geworden, wenn sie ihm durch den Minister der geistlichen und Unterrichts-Angelegenheiten zugestellt wurden oder eine Zustellung auf anderem Wege mit dessen Ermächtigung erfolgte. Die oberste Kirchenbehörde hat selbst in dem Generalbescheid auf die Beschlüsse der rheinischen Provinzialsynode von 1864 auf die Analogie mit den Anstaltspredigern abgestellt. So- weit sie zutrifft, hat sich gemäß dem Gesetz vom 3. Juni 1876 be- treffend die evangelische Kirchenverfassung in den acht älteren Pro- vinzen der preußischen Monarchie Art. 22 auch nach diesem Jahre an der Zuständigkeit nichts geändert. Vielmehr verblieb der Bonner Uni- versitätsprediger vermöge der Verbindung seines kirchlichen Neben- amtes mit dem staatlichen Unterrichtshauptamte unmittelbar unter dem Minister, der nach wie vor auch in kirchlicher Hinsicht sein einziger dienstlicher Vorgesetzer war. | IV. Und nun noch das Verhältnis zur Bonner Gemeinde, soweit es nicht bereits im Bisherigen zur Sprache gebracht und geklärt worden ist. Nachdem im 16. Jahrhundert in Bonn zweimal vergeblich der Versuch gemacht worden war, die Reformation einzuführen, gab es daselbst Evangelische erst wieder seit dem Jahre 1802. Es waren bald bei 10000—11000 Einwohnern etwa 600, die sich aber nachher in- folge Rückgangs der Industrie, wegen der Einführung der allgemeinen Wehrpflicht und nicht zuletzt, weil es an einer kirchlichen Versor- gung fehlte, im Laufe eines Jahrzehnts wieder auf die Hälfte ver- minderten. Die preußische Herrschaft, der mit ihr gegebene Zuzug von Zivil- und Militärbeamten und namentlich die sich vorbereitende Grün- dung der Universität besserten einigermaßen die Lage. Unter der Protektion des Oberpräsidenten Grafen zu Sorns-LauBach sowie dank dem tatkräftigen Vorgehen des Kölner Pfarrers und Konsistorialrats ER! RR Ten. MONROE 2 Day PEN PERS 1 N h h dr‘ 188 Sitzung der phil.-hist. Klasse vom 3. Febr. 1921. — Mitt. vom 18. Nov. 1920 Brucn bildete sich im Sommer ı816 eine evangelische Gemeinde, Lutherische und Reformierte umfassend und deshalb wie demnächst die neugegründete Theologenfakultät gewissermaßen zum voraus für die Union bestimmt. Unter freundlicher Befürwortung durch den Regimentskommandeur v. BErER und nicht minder durch GNxEIsENAU als damaligen kommandierenden General erreichte man es, daß dieser Gemeinde die Bonner Schloßkirche erst zum Gebrauch und dann im Sommer 1817 unter Vorbehalt des Staats- und späteren Universitäts- eigentums zu ständiger Benutzung überlassen wurde, unter gleich- zeitiger Gewährung von jährlich 1000 Franken zum Predigergehalt. Nun trat Ernst Morırz Arnpr in den Kirchenvorstand ein und ent- faltete zusammen mit dessen damaligem Vorsitzenden, dem Kreis- direktor und späteren Universitätskurator REHruzs, zugunsten der jungen Gemeinde eine lebhafte Tätigkeit. Nun erbat man sich auch den früheren Feldprediger und bisherigen Privatdozenten in Berlin Karı, Hemricn Sack aus der bekannten Theologenfamilie dieses Namens, der zunächst außerordentlicher und seit 1323 auch ordentlicher Professor in der Theologischen Fakultät war, als Gemeindepfarrer. Er übernahm das Amt im Februar 1819. Aber bald reichte er nicht mehr aus. Mit Rücksicht darauf wurde eben zwei Jahre darnach Nırzsch Micht nur auf eine Professur, sondern zugleich auch als Universitätsprediger berufen. Die Regierung Friedrich Wilhelms II. dachte damit ganz im Sinne dieses Herrschers mittelbar die evangelische Sache und die evangelische Gemeinde in Bonn zu fördern. Wie Sack und Nirzsch zusammen arbeiteten, jener als Gemeindepfarrer und Professor, dieser als Professor, Universitätsprediger im Nebenamt und Gemeindevikar kraft ministeriell und kirchenobrigkeitlich genehmigten Privatvertrages, sahen wir schon. Der Hervorhebung bedarf aber noch, daß von vornherein von der Gründung einer besonderen Universitätsgemeinde abgesehen wurde; es bildete sich keine Personalpfarrei der evangelischen Universitäts- angehörigen. Diese hielten sich vielmehr zur Ortsgemeinde, und der Universitätsprediger predigte jeden zweiten Sonntag im Hauptgottes- dienst. Doch wurde dadurch das Universitätspredigeramt keineswegs zum Gemeindeamt; die Verbindung der beiden Tätigkeiten stellte eine bloße Personalunion dar und behielt dauernd den Charakter des Zu- fälligen; die Rechtsnatur des kirchlichen Universitätsnebenamtes wurde dadurch nicht berührt. Allerdings suchte während der Demagogen- verfolgung das Ministerium die evangelischen 'Theologiestudierenden durch die Vorschrift eines Kirchenzeugnisses und durch Einführung eines Beichtzwanges in eine engere seelsorgerische Beziehung zum Universitätsprediger zu bringen. Allein die Fakultät verhielt sich mit Srurz: Das Bonner evangelische Universitätspredigeramt 189 Recht ablehnend. NrrzscH verstand sich nur dazu, für alle Studierenden evangelischen Bekenntnisses die Beichtvorbereitung, Krankenbesuch und Krankenkommunion und die Beerdigungen, also eine speziellere Seelsorge als bisher zu übernehmen, doch so, daß ihm der Gemeinde- pfarrer seinerseits als Vikar darin beistehen sollte. Wegen der Zunahme der Roheit und Unsittlichkeit, insbesondere auf geschlechtlichem Gebiet, gab 1832 auch der Senat auf Antrag des Mediziners Nasse eine ähnliche Anregung und verlangte ausdrück- lich für beide Bekenntnisse die Abhaltung eines besonderen, nur für Universitätsangehörige bestimmten Anfangs- und Schlußgottesdienstes in jedem Semester. Aber die letztere Einrichtung vermochte sich nicht einzubürgern, da schon damals die Studierenden erst geraume Zeit nach dem offiziellen Semesterbeginn die Universität bezogen und vor dem offiziellen Schluß sie verließen. Es fruchtete nichts, daß wiederum ein.Mediziner, Bıscnorr, 1852 die Wiederaufnahme verlangte. Dagegen wandte sich Rorne. Er erklärte, er sei nicht dazu angetan, Professoren als solchen zu predigen. Auch sei neben einem gemischten akademischen und Gemeindegottesdienst ein besonderer, potenzierter akademischer sinnlos. Weiter führte Rorns, unter starker Betonung des Gemeindeprinzips, im einzelnen noch folgendes aus: Die Einrich- tung eines besonderen Universitätsgottesdienstes würde für die evan- gelischen Universitätslehrer einen Zwang bedeuten, der in Bonn, wie- wohl »bei der dermaligen Lage der Dinge in der Kirche manch einer “aus den ehrenwertesten Gründen fernbleibt, so wenig nötig ist als bei irgendeiner anderen Universität.« Ein eigentlicher Universitäts- gottesdienst könnte, wenn auch ohne Ausschließlichkeit gehalten, leicht weniger gut gedeihen als der bisherige uneigentliche. Die Studenten könnten sich am Ende daran genügen lassen und bloß die vier be- sonderen Universitätsgottesdienste besuchen, während sie doch zu regel- mäßigem Besuch, und zwar eines auf gemeinsame Anbetung gerichteten Gemeindegottesdienstes, erzogen werden sollten. Aber auch für die Professoren bestehe kein Bedürfnis nach einer solchen Veranstaltung. »Man geht doch nicht als Professor zur Kirche, sondern als Christ, und man will nicht so sehr eine Predigt hören als mit der ganzen Gemeinde vereint Gott verchren.« Dem trat denn auch die überwiegende Mehrheit des Senates wie das Kuratorium bei. Ebenso auf Nrrzscns Votum hin der Ober-Kirchenrat und, dessen Bericht folgend, der Minister. So blieb es jahrzehntelang bei dem unter Rornr fixierten Stande, nur daß der Universitätsprediger nach dem Hinzukommen eines zweiten Gemeindepfarrers gemäß einem mit STEINMEYER im Jahre 1855 ge- troffenen Abkommen außer am Anfang und am Schluß des Semesters nur noch jeden dritten Sonntag, später mit Ausschluß der großen Ferien, 190 Sitzung der phil.-hist. Klasse vom 3. Febr. 1921. — Mitt. vom 18. Nov. 1920 den Hauptgottesdienst hielt, aber seit November 1871 nicht mehr in der Schloßkapelle, sondern in der neuen evangelischen Hauptkirch« am Kaiserplatz. Ende der neunziger Jahre versuchten allerdings einige Universitäts- lehrer und in selbständigem Vorgehen der damalige Privatdozent der praktischen Theologie Professor EpuArn Sımoxs, neben dem amtlichen Hauptgottesdienst des Universitätspredigers für die übrigen Sonntage Nehengottesdienste zu veranstalten; Simons und die Anderen wünschten auch andere als bloß vertretungsweise Predigtgelegenheit zu erhalten, Letztere wohl außerdem ihrer kritischen Richtung den Zugang zur Kanzel zu verschaffen, aber auch die Verlesung des Apostolikums für ihr Publikum vermieden zu sehen. Doch das damals noch altgläubige Presbyterium verhielt sich ablehnend, und nachdem in der Gemeinde und in ihm die liberale Richtung zur Mehrheit gelangt war und das Presbyterium im Sinne der Antragsteller beschlossen hatte, versagten 1903 Konsisto- rium und Ober-Kirchenrat die Genehmigung. Es bestehe in Bonn, wo nunmehr vier Gemeindepfarrer wirkten, kein Bedürfnis nach regel- mäßigen Nebengottesdiensten zur Stunde des Hauptgottesdienstes, und die nebenamtliche Übertragung solcher Gottesdienste an Personen, welche, wenn sie auch die Fähigkeit für das geistliche Amt in der Landeskirche erworben hätten, doch weder sonst im geistlichen Amte in der Landeskirche, noch unter der Disziplin der kirchlichen Behörden ständen, erscheine unzulässig. Auch würde die Mitwirkung des Kultus- ministers erforderlich sein. sowohl mit Rücksicht auf die amtliche Stellung der Dozenten, als auch sofern es sich um eine Erweiterung des Universitätsgottesdienstes handelte. Es half nichts, daß die Gegen- seite geltend machte, es gehe doch nicht an, daß bei vier — kurz nachher waren es fünf. — Gemeindepfarrern der Universitätsprediger in der Hauptkirche etwa doppelt so oft wie jene zum Predigen komme, sowie daß er und nicht ein Gemeindepfarrer nicht selten am Neujahrs- tage oder am Pfingstsonntag zur Gemeinde spreche. Erst als 1912 Sachsse seinen Rücktritt erklärte, bot sich dem Presbyterium die Gelegen- heit, diesen geschickt in den Vordergrund geschobenen Gesichtspunkt geltend zu machen. Auf Antrag eines im Presbyterium sitzenden theo- logischen Ordinarius, kündigte nunmehr am 9. Dezember das Presbyte- rium dem Universitätsprediger und der Fakultät das mehr als neunzig Jahre alte Vertragsverhältnis und regte, ohne die von Rorur seinerzeit. dagegen angeführten Gründe, die fortbestanden, zu beachten, die Ein- richtung eines besonderen, allerdings auch anderen Kreisen zugäng- lichen Universitätsgottesdienstes als Nebengottesdienst an. Der Fakultät blieb nichts anderes übrig, als am 3. Februar 1913 von dieser Kündi- gung Kenntnis zu nehmen, sich das Vorrecht auf die Benutzung der Swurz: Das Bonner evangelische Universitätspredigeraunt 191 im Eigentum der Universität stehenden und statutenmäßig in erster Linie für deren gottesdienstliche Bedürfnisse bestimmten Schloßkirche zu wahren, sowohl für den Universitätsgottesdienst selber als auch für die Übungspredigten des homiletischen Seminars, und neben dem Dank für die in Aussicht gestellte Förderung des Universitätsgottes- dienstes die Bitte auszusprechen, das Presbyterium möge sich, falls je der Wunsch ausgesprochen werden sollte, daß der Universitätsgottes- dienst in der Kirche am Kaiserplatz ohne Einreihung in die Gemeinde- gottesdienste gehalten werde, dazu freundlich stellen. So endete für Bonn die Einreihung des Universitätsgottesdienstes in den der Gemeinde und seine Abhaltung als Hauptgottesdienst, nach- dem sie nahezu ein Jahrhundert lang bestanden hatte, allerdings, wie zugegeben werden muß, nur in folgerichtigem Weiterschreiten auf dem Wege, der schon 1855 bei Beschränkung des Universitätspredigers auf jeden dritten Sonntag eingeschlagen worden war. Als besonderen Universitätsgottesdienst, getrennt von dem der Gemeinde und in der Schloßkirche, nahm ihn nach mehrmonatiger Unterbrechung der neu- ernannte Universitätsprediger Professor Prensiesporr im Februar 1914 wieder auf unter starkem Zulauf der Gemeindeglieder, welche die alte Bonner Überlieferung auch auf die neue Ordnung übertrugen. Von der Mitwirkung anderer Dozenten war nicht mehr die Rede; der Bonner Universitätsgottesdienst blieb nach wie vor Sache des einen dafür bestellten und durch sein Fach der praktischen Theologie be- sonders berufenen Fakultätsordinarius. “Da brach der Krieg aus. Auf der einen Seite beeinträchtigte der Rückgang der Studierenden den besonderen Universitätsgottesdienst. Auf der anderen wurden die Gemeindepfarrer durch den Lazarettdienst so sehr in Anspruch genommen, daß sie dringend Predigthilfe brauchten. Da außerdem der Gegensatz der Richtungen zurücktrat und die eine oder andere Persönlichkeit, die bei der Trennung besonders tätig ge- wesen war, verstarb, kehrte man auf dem Wege freier Verständigung mehr oder weniger wieder zu dem alten Zustande zurück. Wenigstens zu Anfang und Schluß des Semesters hielt der Universitätsprediger wieder die Predigt im Hauptgottesdienst der evangelischen Haupt- kirche, außerdem unregelmäßig in den Nebengottesdiensten, freilich nicht in der Schloßkirche, die von der englischen Besatzung für deren Armeegottesdienst beschlagnahmt war. Die Zukunft muß lehren, wie sich diese Dinge auf die Dauer gestalten werden. Die Zukunft wird auch lehren, wie der Umsturz auf die ganze Einrichtung wirken wird. Die Reichsverfassung vom 11. August 1919 gewährleistet durch Art. 149 Abs. 3 die Erhaltung der. theologischen 192 Sitzung der phil.-bist. Klasse vom 3. Febr. 1921. — Mitt. vom 18. Nov. 1920 Fakultäten an den Hochschulen. Art. 141 mit der Bestimmung: »Soweit das Bedürfnis nach Gottesdienst und Seelsorge im Heer, in Kranken- häusern, Strafanstalten oder sonstigen öffentlichen Anstalten besteht, sind die Religionsgesellschaften zur Vornahme religiöser Handlungen zuzulassen, wobei jeder Zwang fernzuhalten ist«, dürfte bei vorhan- denem Bedürfnis auch die Beibehaltung des Universitätsgottesdienstes als amtlicher Veranstaltung, Art. 138 mit 173 vielleicht ihn und das. dafür eingerichtete Predigtamt, wenn nicht dauernd, so doch fürs erste finanziell sichern, aber nunmehr ganz zweifellos und klar als kirchen- amtliche Veranstaltung. Die letzten Reste des ehemaligen landesherr- lichen Kirchenregimentes werden nächstes Jahr mit dem Zusammen- tritt der Verfassunggebenden Kirchenversammlung den staatlichen Be- hörden verlorengehen, da von da an gemäß $ ı des Kirchengesetzes vom 19. Juni und Art. ı des Staatsgesetzes vom 8. Juli 1920 ein Evan- gelischer Landeskirchenausschuß das Kirchenregiment übernehmen und bis zur Schaffung eines neuen, rein kirchlichen Trägers beibehalten wird. Der Minister für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung wird also nieht mehr in der Lage sein, irgendwelche kirchenregimentliche Befugnisse über das kirchliche Nebenamt des Universitätspredigers auszuüben, vor allem nicht, die Konsistorien und Generalsuperinten- denten mit der Einführung zu beauftragen. Dafür wird nun doch eine rein kirchliche Instanz zuständig werden müssen, und sie wird es auch ohne jede Gefahr für die Sache und die Fakultäten können, die ja überhaupt in der einen oder anderen Weise zu der Kirche in fest geregelte Beziehungen zu bringen sein werden, wenn anders sie die Ausbildungsanstalten für die Kirchendiener bleiben sollen, trotzdem sie, nunmehr Veranstaltungen eines aller kirchlichen Beeinflussung ent- zogenen und aller kirchlichen Rücksichten sich entschlagenden kon- fessionslosen Gemeinwesens sind. Hier kam es nur darauf an, für Bonn die bisherige hundert- jährige Entwicklung nach der historischen und juristischen Seite hin klarzustellen. So geringfügig der Gegenstand. an und für sich. ist so wirft er doch ein helles Licht auf das Wesen der preußischen Monarchie und auf ihr Verhältnis zur Kirche, ja überhaupt zu den geistigen Interessen. Dank seiner strengen Sachlichkeit und seiner verständnisvollen Fürsorge auch für andere als materielle oder mili- tärische Dinge hat es das alte Preußen fertiggebracht, mit beschei- denen Mitteln und unter verständiger Schonung der Steuerkraft seiner Untertanen bis ins einzelne und kleinste hinein alles weise zu pflegen, was zur intellektuellen, moralischen und religiösen Hebung seiner Bürger beitrug, was dem Aufbau diente. Gerade solche Züge, wie der behandelte, zeigen beredt, daß das Preußen der Hohenzollern nicht Srwrz: Das Bonner evangelische Universitätspredigeramt 193 nur der erste Militär- und Rechts-, sondern auch ein Kulturstaat war, der seinesgleichen kaum hatte. Es möge dem Schweizer, der in ganz anderen Verhältnissen aufgewachsen ist und deshalb besonders offene Augen für diese Dinge mitgebracht hat, gestattet sein, zu bekennen, daß es seine größte Freude war und immerdar sein Stolz sein wird, diesen Staat miterlebt und in ihm und an ihm in Amt und Beruf an seinem Teil mitgearbeitet zu haben. Suum ceuique, Ehre.auch, wem Ehre gebühret! 194 Sitzung der phil.-hist. Klasse vom 3. Febr. 1921. — Mitt. vom 22. Juli 1920 Exkurs zu Sprachursprung II. Von Huco ScHUCHARDT in Graz. (Vorgelegt am 22. Juli 1920 [s. Jahrg. 1920 S. 727].) Sn ist Allgemeinstes und Persönlichstes, und dies erklärt, daß keiner es sich verwehren läßt, in der Frage nach ihrem Ursprung mit- zureden, und auch keinem alle Fähigkeit abgeht, Ersprießliches beizu- tragen. Wenn nun die einst überbeliebte, dann überverpönte Frage noch heutzutage, wo wir zu richtigerer Würdigung gelangt. sind, in den Augen mancher einem Rätsel gleicht, das einer glücklichen Lösung harrt, so muß von neuem betont werden, daß der Weg zur Wahrheit im Zickzack verläuft, und daß der Widerstreit der Meinungen nicht nur natürlich, sondern geradezu unentbehrlich ist. In der Eris, d. h. der friedlichen, haben wir die Schutzgöttin des wissenschaftlichen Fort- schrittes zu sehen. Daß wir alle in das gleiche Horn stoßen, ist ebenso unerwünscht wie unmöglich; jeder spiele auf seinem Instrument und wirke nach bester Kraft im Orchester mit, und eine solche Orchester- musik wird sich durch Anpassungen und Ausgleiche beständig vervoll- kommnen. Zu dieser Betrachtung hat mich das Bewußtsein des entschie- denen Gegensatzes geführt, in welchem ich gerade bezüglich der wich- tigsten Punkte zu Wunpr stehe. Auch ich erkenne ja in Wuxprs Werk über die Sprache eine staunenswerte Leistung, die kein Sprachforscher umgehen kann; sie erweckt in mir das Bild einer Riesenwalze, die im gleichen Schrittmaß alles niederdrückt, Hartes wie Weiches, um feste und glatte Straßen zu bahnen. ! Osrwaros Einteilung der Forscher in Klassiker und Romantiker ist nicht die einzige denkbare. So ließen sich denen, die auf das Ganze gehen, die gegenüberstellen, die sich nur mit dem einzelnen zu tun machen; das unübertreffliche Muster jener würde Wunpr sein. Bedeutende Gedankenarbeit ist dort immer notwendig, hier nicht, sofern hauptsächlich Stoff dargeboten wird und für ihn feste Formen bereitstehen. Die sehr verbreitete Überschätzung des Stofflichen führt leicht zur Ungerechtigkeit. Das gilt z. B. mit Bezug auf RaouL DE LA GrRASSERIE, den man gern mit geringschätziger Miene als Polyhistor, als Vielschreiber bezeichnet. Aber er hat seine Eigenart, mag sie uns zusagen oder nicht; in dem Übermaß von Klassifikationen und Definitionen, in dem sanzen summarischen Verfahren scheint sich übrigens seine Angehörigkeit zum Richter- Schuc#arpr: Exkurs zu Sprachursprung III 195 Als Grundmethode der Forschung wird man wohl allerseits die des Ausgehens vom Gegenwärtigen, vom Hier und Jetzt gelten lassen. Soweit es sich um den Sprachursprung handelt, ist, wie früher gesagt, eine gewisse Vorsicht und Beschränkung bei den Schlüssen aus dem unmittelbar Beobachteten geboten; nun da ich mich anschicke, ein paar flüchtige Schritte in geschichtliche Zeiten zu tun, möchte ich zu allgemeinstem Zwecke empfehlen, die Beobachtung selbst auszudehnen und zu vertiefen. Zunächst was das Jetzt betrifft. Wir leben ja nicht mehr in der Zeit, da der Schulunterricht aus höheren Gründen vor der neuesten Geschichte, ja noch weit früher haltmachte, aber unter den Männern der Wissenschaft selbst herrscht die Neigung, sich in die Stille der Studierstube zurückzuziehen und dabei gewisse Dinge draußen zu lassen, die allzu »aktuell« zu sein scheinen und doch der wissenschaftlichen Betrachtung nicht nur zugänglich sind, sondern sie geradezu heischen, bevor sie sich noch mit Edelrost bedeckt haben. Ich denke hier nicht an die Soldatenspräche, l’argot des poilus und ähnliches, dem man lebhaftes Interesse zugewandt hat, sondern an die tieferen oder oberflächlicheren Kräfte, die bei der wichtigsten Er- scheinung der äußern und zum Teil auch der innern Sprachgeschichte tätig sind, bei der Entvolklichung. Dabei kommt das Mannigfachste zur Erwägung: der Wert der natürlichen Grenzen', die Angriffs- und die Widerstandsstärke, die den Sprachen selbst innewohnt, die gesetz- lichen Einschränkungen der freien Sprachwahl, die feinen Mittel der »friedlichen Durcehdringung«, die Wirkungen volklich gemischter Ehen usw., auf was alles man Voraussagung — nach Ostwarp das eigent- liche Kennzeichen der Wissenschaft — gründen kann, aber keine ethische Forderung zu gründen braucht. Auch außerhalb der Gebiete mit starken Gegensätzen ist die jetzt so eifrig betriebene geographische Sprachaufnahme noch sehr der Vervollständigung fähig: nach dem stand zu bekunden. Man vergleiche einmal seine Psychologie du langage (1889) mit J. van Ginnekens Prineipes de linguistique psychologique (1907; holl. 1904— 1906), A. SecuenAaves Psychologie du langage (1908), O. Drrrrıcns Problemen der Sprach- psychologie (1913) und andern mehr oder weniger dasselbe Gebietbehandelnden Schriften, man wird, ganz abgesehen vom innern Werte, eine auffällige Verschiedenheit der Auffassung, Anordnung, Darstellung zwischen ihnen finden. Ein streng auf das »Po- sitive« gerichteter Geist würde hier von einer großen Kraftvergeudung reden: wie einfach wäre es doch gewesen, allen den gleichen Fragebogen zur Beantwortung in die Hand zu geben! Aber wer hätte den Fragebogen abfassen sollen? Wir beschauen ein Standbild, ein Gemälde, eine Landschaft jeder von seinem Standpunkt aus; muß nicht die Sprache, deren Entwicklung auf endlosen individuellen Ansätzen beruht, mehr als irgend etwas individuelle Betrachtungsweisen auslösen ? ! Nicht Fluß, nicht Gebirge sind natürliche Grenzen; auch H. Barzusse hat, in einem Interview mit dem Norweger Anker Kırkzsy gesagt: »vi anerkender kun [nur!] de Grnser, som et Folks Sprog, Kunst og nationale Sedvaner afstikker«., 196 Sitzung der phil.-hist. Klasse vom 3. Febr. 1921. — Mitt. vom 22. Juli 1920 B \ Laute kommt das Wort, diesem gesellt sich die Sache in Abbildung zu, schließlich zeichnet man die eigentümlichen Alltagswendungen- auf und sucht sich über den herrschenden Gesprächsstoff zu unterrichten". Unter dem Hier ist die Muttersprache zu verstehen’. Je tiefer der Sprachforscher in ihr wurzelt, um so tiefer wird er in das wissen- schaftliche Verständnis fremder Sprachen eindringen können. Ich .denke dabei nicht an das, was man gewöhnlich Sprachgeschichte nennt, aber auch nicht an einen festen Ruhestand, sondern an das Geschehen, das wir erleben, somit beobachten und beurteilen, sei es im Verkehr mit andern, sei es im eigenen Innenleben’. Vergleichende Sprachforschung ist Messen, und wie der Zirkel bei allem Spreizen und Drehen den einen Schenkel auf einem festen Punkte ruhen läßt, so ist ein solcher auch in dem andern Falle vonnöten. Allein es steht uns keine Sprache zur Verfügung, an der wir die andern messen könnten, weder eine gegebene noch eine ideale; diesem Mangel soll eben durch die Aus- bildung der genetischen Methode, die mich beschäftigt, einigermaßen abgeholfen werden. So muß denn jeder von der Höhe der eigenen Sprache aus die ganze Sprachenwelt beschauen: es ist die relativ größte ı Vgl. Anthropos 7 (1912) 834 Anm. 2. t 2 Ich begegne mir mit J.van Ginneken, der dem »integrale taalvak« in Forschung und Unterricht die Arme so weit wie möglich öflnet; ich verweise auf seine Schrift von 1917: »Als ons moedertaalonderwijs nog ooit gezond wil worden« und auf einen kurzen Bericht über einen Vortrag, den er in der Amsterdamer Akad. d. Wiss. ge- halten hat (Versl. en Meded. Letterk. 5de reeks, 3de deel, 1918, 89ff.). Daraus hebe ich die Bemerkung hervor, daß der Sprachforscher, der zugleich Sprachkünstler ist, in: seiner Introspektion ein zehnmal reicheres Material habe als sein mehr prosaischer Fachgenosse; »neen«, ruft v. G. aus, »voor een beoefenaar der taalwetenschap in den integralen zin des woords, is taalkunst een allesbehalve overbodige bagage«. Sofort wird uns, als glänzender Vertreter tätiger wie aufnehmender Sprachherrschaft, K. Vosster gegenwärtig. Er selbst berührt diese Sache im Eingang zu seiner Abhandlung »Der Einzelne und die Sprache« (Logos’8 [1919], 266); aber hier steht seine Auffassung einigermaßen im Widerspruch zu derjenigen, die ich seit Jahrzehnten hege und ver- trete. Er sagt, wer eine Sprache nicht auch ausübe, der könne sie nicht; nun, dann können die meisten von uns kein Latein. Doch die Bezeichnung ist ja gleichgültig; ‚auf die Sache kommt es an, und da besteht zwischen den beiden Arten des Könnens in mehrfacher Hinsicht eine starke Verschiedenheit. Auch bei der Muttersprache ist sie vorhanden; immerhin lasse ich hier den hübschen Vergleich gelten mit den beiden beim Gehen wechselnden Beinen. Sobald aber fremde Sprachen‘ ins Spiel kommen, ist der eine Fuß jedenfalls ein Stelzfuß. Besondere Umstände erzeugen Ausnahmen, und zu diesen rechne ich Vosster, der sich darum so wunderbar in fremde Dichter- sprache einzuführen weiß. Unser innigstes Gefühlsleben vermag sich nur in unserer Muttersprache zu offenbaren, und nur sie werden wir mit schöpferischer Freiheit be- herrschen. Was der Däne Frassran in seiner Psychologie der Sprachpädagogik (1913). 272#f. über das »in der fremden Sprache denken lernen« sagt, dem stimme ich durch- aus bei. > Darauf habe ich mich hier 1919, 867 mit dem Ausdruck Autontogenese (ver- druckt Antontogenese) bezogen, der dem Drrrrıcnschen Phylontogenese keinesfalls im Wese steht. i Sonvenaror: Exkurs zu Sprachursprung III OR Höhe, weil es immer die Sprache ist! und das Sprachgefühl in der bestimmtesten Form auftritt. Das Sprachgefühl ist wertvoller als das Bewußtsein von den grammatischen Kategorien; jenes ist in der ersten. Kindheit erworben, fast angeboren, dieses aber erst viel später an- gelernt, vielfach unsicher, manchmal irrig, wenn ‘es überhaupt vor- handen ist. Vor einem halben Jahrhundert sagte P. Favre in seiner malaiischen Grammatik: »Beaucoup d’etrangers, apres avoir appris le malais »par l’usage, parlent au passif, sans s’en apercevoir.« Diese ernst gemeinten Worte verdienen ebensoviel Heiterkeit wie die. welche MorizrE seinem Monsieur Jourdain in den Mund gelegt hat: »il ya plus de quarante ans que je dis de la prose sans que j’en susse rien.« Wie es mit dem malaiischen Passiv steht, soll man später erfahren; ‚jedenfalls weiß der Malaie von seinem Passiv so wenig wie der un- ‘gebildete Deutsche von dem seinigen. Und das rührt daher, weil dem Passiv und andern grammatischen Kategorien in der Wirklichkeit nichts entspricht. Wir sind damit an eine Stelle gekommen, wo der Zusammenhang unserer Untersuchung uns zu verweilen gebietet. Wenn hinter dem Worte die Sache, hinter dem Satze die Tatsache liegt, so darf man fragen: liegt nicht hinter der Sprache die Wirklichkeit? Wir werden das bejahen, aber hinzusetzen: wie zwischen der Sache und dem Worte die Vorstellung und zwischen der Tatsache und dem Satze der Gedanke liegt, so zwischen der Wirklichkeit und der Sprache die Weltanschauung. Kurz, es trennt uns von der Wirklichkeit ein von Ort zu Ort, von Zeit zu Zeit die Farbe wechselnder Schleier, der alle Verschiedenheit zwischen den Sprachen und innerhalb ihrer verursacht. Auch er entstammt schließlich der Wirklichkeit, aber trotz Byrne und und andern ist das Geheimnis seines farbigen Gewebes nicht enthüllt. Von einer unmittelbaren und getreuen Widerspiegelung der wirklichen Dinge und Vorgänge in der Sprache kann keine Rede sein’. Trotz- ! Ich muß in einer Anmerkung einen Punkt von erster Wichtigkeit erledigen. Man darf, was ja durch den herkömmlichen Sprachunterricht nahegelegt wird, aus der Vorzugsstellung der Muttersprache keine zu weitgehenden Folgerungen ziehen. Das ergibt sich schon deutlich aus dem Wechsel der Muttersprache; ein Araber, ein Chinese wird mit dem ihm vertrauten Stoff zu ganz anderer Auffassung allgemeiner Fragen gelangen als ein Deutscher. So möge auch die stofflichen Grundlagen klar bezeichnen, wer »Zur Grundlegung der Sprachwissenschaft« schreibt wie E. Orro 1919. In dieser Schrift, deren Wert ich keineswegs verkenne, befremdet mich, zu lesen, daß dem Verfasser Norezns Värt Spräk »leider verschlossen geblieben ist«, da er des Schwe- dischen nicht mächtig sei. Auch bei untergeordneten Dingen macht sich eine solche Unterlassungssünde bemerkbar. So ist mir längst aufgefallen, daß bei feinst abge- stufter Wiedergabe eines mundartlichen Lautsystems über das des Aufzeichners, von dem doch jene abhängig ist, keine hinlängliche Klarheit verbreitet zu sein pflegt. 2 L. Wyrrer hat 1914 ein Buch herausgegeben: »Wirklichkeit und Sprache; eine neue Art der Sprachbetrachtung«, wovon er die Grundgedanken schon 1908 in seinem Vortrag: Neue Wege des Sprachunterrichts, dargelegt hatte. Sie sind gesund 198 Sitzung der phil.-hist. Klasse vom 3. Febr. 1921. — Mitt. vom 22. ‚Juli 1920 dem wird es recht nützlich sein, wenn wir beides nebeneinander halten. und ich nehme zunächst die Erörterungen, mit denen ich Sprach- ursprung III geschlossen habe, wieder auf. In der Wirklichkeit ist das Wesen der Vorgänge immer dasselbe: jeder läßt sich in einer Linie darstellen mit dem Anfangspunkt A und dem Endpunkt B; er schließt Ursache und Wirkung ein. wie jedes Wirkliche eben in dem Wirkenden besteht. Die Vorgänge sind nicht bald transitiv, bald in- transitiv oder bald aktiv, bald passiv; wir könnten sie als transitiv bezeichnen.‘ wenn der Mangel eines Gegenteils es erlaubte. Ein Satz mit einem intransitiven Verb ist: der Apfel fällt herab; er bedeutet, daß die Schwerkraft den Apfel nach abwärts zieht. Das kann wie- derum geschehen, indem durch Vorgänge, die mit dem Wachstum der Frucht zusammenhängen, natürliche Hemmungen überwunden werden. Ist der Apfel hier das reale Objekt, so wird, wenn ich sage: der Apfel fällt auf den Boden ein weiteres Objekt angedeutet (— der Apfel er- reicht den Boden), sowie, wenn das Fallen des Apfels durch eine mensch- liche Bemühung erzielt wird, ein weiteres Subjekt (= der Knabe schüttelt den Apfel herab). Und wenn schon ein intransitiver Satz sich auf mehr- fache » Transitionen« bezieht, so ist das bei einem transitiven, wie: der Jäger schießt den Vogel in noch höherem Maße der Fall, und ich brauche das nicht auszuführen'!. Ebensowenig, daß für die Bezeich-. nung physiologischer Vorgänge wie er atmet, dasselbe gilt. Schließlich auch für die Impersonalien, denen ja in der Wirklichkeit ein mindestens zweigliedriger Tatbestand entspricht, wenn er auch in der Wahrneh- mung als einfacher erscheint (vgl. hier 1920, 457 Anm.). Ernstere Bedenken könnten uns die Intransitive erregen, die einen Zustand ausdrücken, wie sitzen, liegen, doch haben wir dabei den Vorgang zu beachten, den der Zustand abschließt. Wie ich sage: der Vogel setzt sich (auf den) Zweig, so sage ich auch: der Vogel sitzt (auf dem) Zweig, und in der Tat belastet ja der Vogel den Zweig; auch darf ich dazu, obwohl gehen sich auf eine fortdauernde "Tätigkeit bezieht, die Sätze: ich gehe (diesen) Weg und ich gehe (nach) Haus vergleichen. Findet sieh nun in der Wirklichkeit etwas, worauf das Passiv zurückzuführen wäre? und anregend; er wandelt in gleichen Bahnen wie der von ihm ausdrücklich er- wähnte Barry, dessen »Traite« 1909 erschien (sein »Preeis« allerdings schon 1905). Vielleicht, daß der Unterricht durch Wvrrers Methode gefördert wird, aber eine Er- neuerung der wissenschaftlichen Forschung bezweifle ich. Er behauptet, daß »alle Sprachen dieselbe Wirklichkeit im großen und ganzen nach denselben Gesetzen er- schließen «. ı R. DE La ÖrassErIE, Psych. du 1. 54, sagt: »Lorsque je dis: j’aö noirei cr papier en eerivant, ce n’est pas moi @videmment qui ai noirei le papier direetement, c'est l’enere.« Aber warum hat er entsprechende Bemerkungen nieht zu solchen Sätzen. wie: il a tue Paul, il a fait tuer Paul usw. gemacht? Senvenarpr: Exkurs zu Sprachursprung III 199 Es wird überall, wo man eine Erklärung erwartet, als etwas Selbst- verständliches hingenommen: man begnügt sich damit, es unter die Genera einzureihen und es als Umkehrung des Aktivs, als Rollen- vertauschung zwischen Subjekt und Objekt zu beschreiben. Ich denke, es gibt nur eine einzige Erklärung dafür, die aus dem Anö «oınoY, das seinerseits aus dem Gespräch zu erklären ist. Ein dreigliedriger Satz, wie ich ihn hier 1920, 461 angeführt habe, würde sich in heutiger Darstellung so ausnehmen: Peter schlägt ... wer wird geschlagen? . . . ge- schlagen wird Paul. In dem ersten der beiden zweigliedrigen Sätze, die hier verknüpft sind, ist schlägt (= schlag-) ein aktives Prädikat, im zweiten ein passives Subjekt. Aber es kann auch heißen: Paul wird geschlagen ... wer schlägt? ... es schlägt Peter. Das heißt, Um- kehrung ist zwar statisch vorhanden, aber nicht genetisch, beides ist gleich ursprünglich. Da es nun vom Standpunkt der Wirklichkeit keine Intransitive gibt, sondern nur Transitive (die Reflexive inbegriffen), so dürfen wir von allen Passive bilden: im gültigen Deutsch allerdings zum Teil nur in der Gestalt von Impersonalien, z. B. jetzt wird ge- schlafen — jetzt schlaft! oder es wird lustig gelebt = wir leben lustig. Aber die Kühnheit unserer Wirklichkeitssucher schreckt auch nicht vor persönlichen Passiven wie: ich werde gelebt‘, zurück. Der Gebrauelı des Passivs empfängt vielerlei Anregung von außen her; er ist be- sonders im amtlichen’ und im religiösen Stil” beliebt. Man behauptet, jeder Vorgang der Wirklichkeit biete der Erschließung zwei Seiten: die tätige, die leidende‘. Aber damit meint man eben zwei Seiten der Wahrnehmung; die Wirklichkeit verhält sich dagegen ebenso gleich- ı Vgl. Euphorion 22, 651. 2 Über das Passiv der deutschen Büros hat man sich oft genug lustig gemacht; auch entsinne ich mich, daß in gleicher Hinsicht der ung. Ministerpräsident BAnrry dem Spott der madjarischen Witzblätter, wie des Borsszem-Jankö, ausgesetzt war. 3 Untengeck bemerkt im Eingang seiner für die hier behandelten Fragen über- haupt wichtigen Abhandlung: Het passieve karakter van het verbum.transitivum of van het verbum actionis in talen van Noord-Amerika (Amsterdamer Akademie — Versl. en Meded. Letterk. 5de reeks, 2de deel, 1916): »Ik zeg met opzet “door mijn be- middeling’ en niet “door mij', want voor de primitieve mentaliteit is niet hij de ultima causa, die de daad feitelijk verricht en dien men gemakshalve den dader noemt, maar werken in dien dader geheime machten, waarvan hij slechts het gehoorzam en lijdelijk werktuig is.« Und am Schluß verweist er: wiederum auf die »primitieve ınentaliteit« und »magisch-denkende vorouders«. ‘ So Wyerer 170. Er fährt fort: »Ist es da nicht interessant zu beobachten, daß der Franzose, der Romane überhaupt, sich besonders für den tätigen Teil interessiert, der Germane, der Engländer hingegen gern seine Teilnahme dem Leidenden zuwendet. Welch tiefer Einblick in die Psyche dieser Völker!« Hier scheint die Übersetzung aus dem Grammatikerlatein einige Verwirrung angerichtet zu haben, oder ist ein ge- feierter Dichter ein »Leidender«? Wenn die Franzosen ihre Passivformen seltener anwenden, so um so häufiger die passivische Wendung mit on (s. L. Spitzer, Aufs. z. vom. S. u. S. 147 fl.). Sitzungsberichte 1921 17 ’ 200 Sitzung der phil.-hist. Klasse vom 3. Febr. 1921. — Mitt. vom 22. Juli 1920 gültig wie der Weg A-B gegen den Gang des Menschen von A nach B oder von B nach A. Wäre dem Menschen vor allem um eine getreue Wiedergabe der Wirklichkeit zu tun gewesen, so würde er das Agens', soweit es erkennbar war, immer als Subjekt dargestellt, er würde dem - Passiv keinen Zutritt gestattet haben; aber das persönliche Interesse war sein Hauptleiter bei der Bildung der Sprache. Indessen wird eine stärkere Vertiefung in die Wirklichkeit nicht selten das Verständnis sprachlicher Erscheinungen fördern. So setzt sich ein Vorgang selbst aus zwei Vorgängen zusammen, aus Aktion und Reaktion, von denen die eine allerdings unbemerkbar klein bleiben mag. Sind beide gleich stark, so kann die Bezeichnung der einen auch für die andere mit- gelten oder beide vertauscht werden. Dazu gehören besonders die Emp- findungsverben, wie sehen = schauen + sichtbar werden. Weniger be- achtet wird, daß »Lernen« und »Lehren« sich gegenseitig ergänzen und durchkreuzen; daher der bekannte Gebrauch von lernen, lehren, schwed. lära, engl. learn, teach, franz. apprendre, brit. dysgu, deski (von lat. discere). Passivismus und Aktivismus sind beide gleich ursprünglich und, wenn ich mich weiter nur des ersteren Ausdrucks bediene, so liegt darin nur ein Zugeständnis an unsere Gewohnheiten; die Beleuchtung der einen Seite erübrigt ja die der andern. Die beiden Verfahren liefen im Anfang durcheinander; dann, jedenfalls bei der Entstehung des dreigliedrigen Satzes, drängte das Bedürfnis des Verständnisses zur Entscheidung zwischen ihnen. Sie erscheint jedoch in den über- lieferten Sprachen fast nirgendwo reinlich vollzogen (ich erinnere z.B. an unsern Infinitiv) oder es ist vielleicht richtiger zu sagen: es haben sich immer von neuem Verschränkungen und Mischungen gebildet, und wir haben keinen Grund anzunehmen, daß man öfter vom Passi- vismus aus als zu ihm vorgeschritten ist. Für die Genealogie bieten sich hier, wie überhaupt bei der innern Sprachform, keine sicheren Beweise dar; das läßt sich besonders deutlich aus der zerstreuten Verbreitung entnehmen, die für elementare Verwandtschaft im weiten Umfange spricht”. Es handelt sich um den Kern aller Sprachent- wicklung; die einzelnen Tatsachen sind aber schwer zu erfassen. Suchen wir aus dem Weiteren ins Engere vorzudringen. Ein Vorgangswort ! Ich habe gelegentlich von realem Subjekt (und Objekt) gesprochen, ziehe es aber doch vor, mich des Wortes Agens zu bedienen, um den verschiedenen Subjekten, dem grammatischen, logischen, psychologischen, ideellen aus dem Weg zu gehen. ? Ich äußerte einst (1888), daß der Passivismus des Baskischen nicht dazu ge- nüge, die Verwandtschaft dieser Sprache mit gewissen andern zu begründen, daß aber auch eine solche ohne jene Grundeigentümlichkeit nicht annehmbar sei, und einige Jahre später gründete ich darauf ein Bedenken gegen den von Cr. Gracomıno aufge- stellten engeren Zusammenhang zwischen Baskisch und Ägyptisch, da ich vor dem letzteren den kaukasischen Sprachen den Vorzug zuerkannte. Ganz abgesehen von ScrucHArpTt: Exkurs zu Sprachursprung III 201 wie schlag- teilt die Eigenschaft, zwei Bedeutungen zu haben (»schlagen « und »geschlagen werden«), mit vielen andern, im Grunde genommen mit allen Wörtern; denn jedes Wort hat mehrfache Bedeutung und die jeweilig gültige wird nicht immer durch den sprachlichen Zusammen- hang, sondern. oft nur durch die. äußern Umstände, das Wo? und Wann? bestimmt, so daß das einmal gesprochene Wort in der Tat ein ÄmAz nerömenon ist. Viele Wörter haben Eigenbedeutung und sie läßt sich, wenn auch nicht in vollkommener Weise, ohne Beziehung auf andere zugleich auftretende Wörter angeben. Das geht in unserem Falle nicht an; ich möchte ihn durch einen grobsinnlichen Vergleich deutlich machen. Ich habe einen Stab cd, mit dem ich eine Lücke AB ausfüllen soll; ich kann ihn auf zweierlei Weise, entweder so legen, daß e und A. d und B, oder so, daß ce und B, dund A zusammen- fallen; kurz, ed und AB selbst bleiben unverändert, nur ihre Beziehung zueinander wechselt. Zunächst sichert die Wortstellung die Eindeutig- keit: ich kann »A schlägt B« wiedergeben durch: A schlag- B. Sodann. wenn die Wortstellung freigegeben ist, genügt die Befestigung an einem Punkte: A schlag- auf B, oder: von A schlag- B. Endlich sagt man mit verdeutlichendem Überfluß: von A schlag- auf B (so z.B. Petrus pulsat Paulum nach Untengecks und meiner Auffassung). Ein verstärkender Wortüberfluß an einer und derselben Stelle (gleichsam ein Keil neben einem größeren) ist nicht minder häufig: (ich gehe) ins Innere des Hauses statt ins Haus = Inneres Haus. Zur Veranschau- lichung meiner Theorie bediene ich mich im folgenden des Kymrischen und des Malaiischen. Die ursprüngliche Indifferenz des Vorgangswortes, anders gesagt. die Zwiespältigkeit seiner Beziehung ist mehr oder weniger dem In- finitiv verblieben, und zwar im Zusammenhang mit dessen Zwiespältig- keit als Wortart. Die beiden Sätze: er lobt mich und ich lobe ihn lassen sich bei Substantivierung des Verbs so darstellen: mein Lob von ihm (aus seinem Munde) und mein Lob über ihn; kurz, an und für sich genommen bleibt mein Lob zweideutig; "ob es passivisch oder aktivisch zu verstehen ist, ergibt sich erst aus dem weiteren Zu- grundsätzlichen Sinnesänderungen, erkannte ich später nicht nur im Ägyptischen An- sätze zum Passivismus, sondern noch stärkere und ausgebreitetere im Berberischen; solehe Doppelbedeutungen, wie zbra er hat losgelassen — er ist l. worden, ifer er hat verborgen — er ist v. worden, öygen er hat angebunden — er ist a. worden, sind ganz regelmäßig (vgl. auch ikesen im Markusevangelium, ganz wie unser »sie weideten«, von den Schweinen wie von den Hirten). 17% 202 Sitzung der phil.-hist. Klasse vom 3. Febr. 1921. — Mitt. vom 22. Juli 1920 sammenhang. Die Unsicherheit tritt noch stärker heryor bei dem zwischen Verb und Verbalsubstantiv stehenden Infinitiv. Im einzelnen zeigen hier die Sprachen eine große Mannigfaltigkeit; ich erinnere z.B. an die im Romanischen gegebene Möglichkeit dem mit dem Artikel versehenen Infinitiv die verbale Konstruktion zu belassen: venir io, il vedermi, laver voi presa moglie. Besonders lehrreich, aber in anderer Richtung ist für uns das Kymrische, wo der Infinitiv einen sehr weiten Gebrauch hat, vor allem, indem mit ihm die umschreibende Konjugation gebildet wird. So sagt man z. B. wyf yn gweled Arthur (eig. ich bin im Sehen Arthurs) = mi a welaf A. ich sehe Arthur; wyf wedi gweled A. (eig. ich bin nach dem Sehen Arthurs) ich habe Arthur gesehen, neben mi a welais A. ich sah Arthur. Die beiden ersten Sätze entsprechen den englischen ] am seeing A. und I see A.; aber die Übereinstimmung ist keine vollkommene, da Arthur im Kymrischen nur das zweite Mal als Akkusativ, das andere Mal als Genitiv erscheint. Letzteres erhellt allerdings erst aus der Analogie; z. B. lautet »ich sehe einen Mann«: mi a welaf ddyn oder wr, und wyf yn gweled dım oder gwr, das heißt, die Lenierung trifft den anlautenden Konsonanten nur in der Akkusativ-, nicht in der Genitivverbindung. Der Unter- schied äußert sich anders, wenn ich das Substantiv durch das Pronomen ersetze: »ich sehe ihn« mi a’ gwelaf und wyf yn ei weled (vgl. ei dad sein Vater usw.). Zu einer richtigen Auffassung dieser Verbindungen werden wir ohne Hilfe des Anö koıno? nicht gelangen; wir müssen den einen Infinitiv (gweled) sowohl als aktivischen wie als passivischen erkennen: wyf yn gweled ich bin im Sehen, gweled Arthur das Gesehen- werden Arthurs. Sagt man wyf yn ei weled, so ist der zweite Teil des Satzes in den ersten einverleibt worden. Die Verbindung des Infinitivs mit einem Verbum finitum ist natürlich niclit auf die »um- schreibende Konjugation« beschränkt; sie zeigt sich in mannigfacher Gestalt, teils mit, teils ohne Präposition. Für unsern Zweck ist eine Sceheidelinie durch die Gesamtheit zu ziehen, das heißt, es ist fest- zustellen, ob der vom Infinitiv abhängige Genitiv (oder das Possessiv) sich mit dem Subjekt des Hauptverbs deckt oder nicht. Im ersteren Fall ist der passivische Charakter des Infinitivs augenfällig', z. B. haeddodd ei gospi er verdiente bestraft zu werden, nid ydwyf deilwng i'm galw yn fab i ti ich bin nicht würdig dein Sohn genannt zu ! Dem kymr. wyf yn gwled Artlur entspricht das bask. ikusten dut Arthur in der Bedeutung, aber nicht in der innern Form, da das Hauptverb nicht intransitiv, sondern passivisch ist: im Gesehen-werden er gehabt wird von mir Arthur. Das bask. «Austen naiz würde sich dem Wortlaut nach mit der kymr. Verbindung decken, weicht aber nun wieder in der Bedeutung ab; diese ist eigentlich die passive, aber hat sich zur reflexiven umgestaltet: »ich sehe mich«. Im Kymrischen ist gerade das Umgekehrte geschehen: wyf yn fy ngweled (gewöhnlich yn cael fy nywelcd), »ich werde gesehen«. ScaucHarpr: Exkurs zu Sprachursprung II 203 werden (Luk. 15,19. 21; an der zweiten Stelle bietet das N. T. von 1567 die Passivform val i'm galw er,. wie auch ebenda Cor. 1,15, 9 val im galwer steht, gegenüber dem späteren: [nid w yf addas] i'm galw [yn apostol] ich bin nicht würdig Apostel genannt zu werden). Zawer sy wedi eu galw viele sind berufen worden (Matth. 20,16). Über solche Fälle herrschen keine verschiedenen Ansichten, wohl aber über die- jenigen, in -denen der Genitiv beim Infinitiv nicht übereinstimmt mit dem Subjekt des Hauptverbs. Dann pflegt man den Infinitiv als ak- tivisch zu bezeichnen, und das ist ja anders auch nicht möglich, so lange man sich des Amö «oıno? nicht bewußt ist. Danach würde gospi in einem Satze wie daethym i gospi Arthur (oder i’w gospi; i "w ist — i ei) ich kam um ihn zu strafen, gerade die entgegengesetzte Be- deutung haben, wie in dem obigen haeddodd ei gospi, während es sich doch beide Male um Arthurs (oder seine) Bestrafung handelt. Und beth sydd yn Uuddias fy medyddio? Apost. 8,36 bedeutet nicht: was hindert mein Taufen, d. h. daß ich taufe?, sondern was hindert meine Taufung, d. h. daß ich getauft werde?, ebenso efe a orchymynodd eu bedyddio Apost. 10,48 er befahl sie zu taufen, d. h. daß sie getauft würden. Am klarsten stellt sich die Passivität des Infinitivs dar, wenn daneben das Agens genannt und als solches gekennzeichnet ist. Das geschieht durch Präpositionen, die eigentlich die Herkunft, die Vermittlung oder das Ziel ausdrücken: o (mit Personalpronomen 0 hon-) von ... aus, gan mit, ö zu, die in andern Sprachen Entsprechungen haben (so die beiden ersten in den germanischen und romanischen Sprachen: von — durch, de — per). Die gewöhnliche Passivpräposition ist gan, z. B. (Jesus kam zu Johannes) i w fedyddio ganddo Matth. 3,13 um von ihm getauft zu werden. O0 wird auch neben dem intransi- tiven Infinitiv gebraucht, gleichwertig mit dem Genitiv: wedi dyfod o hono — wedi ei ddyfod nachdem er gekommen ist, z. B. nid ydıwyf fi deilwng i ddyfod o honot Matth. 8,5, Luk. 7,6 ich bin nicht würdig für dein Kommen (in mein Haus); es pflegt dem objektiven Genitiv vorauszugehen: efe a ddywed ddarllen o hono y Ülyfr er sagt Gelesen- sein von ihm des Buches, aethym ymaith wedi gweled o honof Arthur ich ging hinweg nach dem Gesehen-werden von mir Arthurs, 0 herwydd gwneuthur o honot y peth hyn wegen des Getan-werdens von dir dieser Sache. Der Gebrauch von ? zeigt manches Eigentümliche; in gewissen Fällen kann es seine Stellung vor Nomen und Infinitiv wechseln, z. B. dysgodd fi i ddarlien er lehrte mich zu lesen — dysgodd i mi ddarllen er lehrte mir (das) Lesen; und es selbst wechselt mit o, z. B. o herwydd i Arthur garu y rhian = 0 herwydd caru o Arthur y rhian weil Arthur die Dame liebte (eig. von A. die Dame geliebt wurde), 204 Sitzung der phil.-hist. Klasse vom 3. Febr. 1921. — Mitt. vom 22. Juli 1920 Der kymrische Gebrauch erinnert an malaiischen. Aber der Passivis- mus dieser Sprache ist eine sehr umstrittene Sache, und eine geschicht- liche und zugleich kritische Darstellung dieses Streites wäre ‚besonders in methodologischer Hinsicht sehr wertvoll. Zwar hatte TexveLoo' etwas Derartiges unternommen, aber seither sind 20 Jahre verflossen, und andere haben wiederum andere Auffassungen vorgebracht, so vor allem van Opnunssen”. ‘H. Kern hat mir 1910 mit liebenswürdiger Bereit- willigkeit eingehende Auskunft in diesen Fragen gegeben; doch hatten und haben sie wohl noch keinen endgültigen Abschluß gefunden. Der Grund liegt keineswegs in unzureichender Vertrautheit mit dem Malai- ischen und den ihm nahe verwandten Sprachen, die bei so vielen trefflichen Gelehrten anzunehmen wäre; er liegt tiefer, nämlich in der herrschenden Unklarheit der grammatischen Auffassungen im all- gemeinen. Der Wortfügungen, die für ‘uns in Betracht kommen, sind, soviel ich sehe, drei; das mit Zer- präfigierte Vorgangswort erregt nämlich bezüglich seines passivischen Charakters (Zerlihat gesehen) kein Bedenken. Ich nehme zuerst den einfachsten Fall vor, den des transiti- ven Imperativs: Zihat oleh-mu sieh du! eig. seh- durch dich‘. TrxpeLoo‘ betrachtet diese Ausdrucksweise als fremdartig, gekünstelt, unmalaiisch, ohne daß er ihre Quelle nachzuweisen vermag; daß sie der Umgangs- sprache abgeht, lehren auch die zahlreichen Handbücher. Die Bezeich- nung des selbstverständlichen Agens, d. h. der 2. P., ist wohl unter dem Bedürfnis eines starken Nachdrucks herbeigeführt worden (deshalb auch meistens Zihat-lah sieh doch!). Daher stammt auch die Meinung ! H.J.E. Tenpetoo, Maleische Verba en nomina verbalia 1895; Feiten en cijters uit de Sadjarah Melaiju in verband met enkele betwiste hoofdpunten der’ Maleische grammatica, in Ts. Ind. t.-l.-vk. 40 (1898), 6rff.; Maleische grammatica I. II, ı9or (bes. II, 168 ff.). o ® Cn. A. van Orpnunsen, Maleische taalstudi@n I. Verbaalstammen en hunne deri- vaten, in Ts. Ind. t.-1.-vk.46 (1903), 145 ff. (dazu: A. F. von Dewarr: Eenige opmerkingen op de Maleische taalstudiön van den heer Ch. A. van Ornunsen ebenda 48 [1906], 57 ff.): Maleische spraakkunst gro. 3? Miısterı Char. 233 übersetzt: sehen durch dich!; »denn nur infinitivische Auf- fassung macht dies oleh-mu begreiflich«. Es sollte heißen: »nur passivische....«, da ja ebensogut an Partizip wie an Infinitiv gedacht werden kann (vgl. unser aufpassen ! und aufgepapt!). ' 1.409 f., II, 312 f. An letzterer Stelle sagt er, er wünsche solche Konstruktionen deshalb nieht ausführlich zu besprechen, weil sie seiner Überzeugung nach nur das Ergebnis von Unwissenheit und Abgeschmacktheit seien. Nun steht der älteste mm bekannte Beleg bei Wernpry (Mal. Spraakk. 1736), 146: pergi angkau, ‚bawah olehmu. geh du, bringe du (den Gesandten in die Stadt), und er stammt aus der Geschichte Alexanders (»dit boek is in zeer goed Maleisch geschreven« usw.). Man beachte, daß hier das Intransitiv mit dem Vollpronomen versehen ist, das Transitiv mit der Prä- position und dem Possessiv; man.erwartete perg? bawah, die so eng verbunden sind (zeh, bringe — hole). 1 Sid Scaucaarpr: Exkurs zu Sprachursprung III 205 van Ornunsens', daß oleh-mu in der Verbindung mit dem Imperativ soviel sei wie »was dich betrifft«, »quant a toi«. Doch wie dem auch sei, ein Einwand gegen die passivische Natur des Imperativs wird dadureh nicht gewonnen, die allerdings auch nicht als ursprünglich angenommen zu werden braucht. — Am deutlichsten tritt der Passivis- mus hervor in aku di-lihat-nja, ich werde von ihm gesehen, aku di- lihat(-nja) radja ich werde von (ihm), dem König gesehen, eig. ich (bin) im Sehen von ihm, von dem König. Di ist Präposition, lihat das nackte Stammwort, wie ein Substantiv behandelt; di-Khat radja entspricht genau einem di rumah radja im Hause des Königs. Der Genitiv ist der subjektive, der objektive liegt vor in dem gleich aussehenden kymrischen Sätzchen: wyf yn gweled y brenin, ich bin im Sehen —Gesehen- werden des Königs d.i. ich sehe den König. Der subjektive Genetiv kann immer eindeutig durch eine den Ursprung anzeigende Präposition vertreten werden: das Lob seitens des Königs (aber »das Lob des Königs« ist zweideutig).. So ist auch im Malaiischen aku di-lihat(-nja) oleh radja völlig den obigen Verbindungen gleichbedeutend; über das oleh ist eben schon das Nötige gesagt worden. Und auch hierin zeigt das Kymrische einen Parallelismus: wedi ei weled o’r brenin, nachdem er vom König gesehen worden war, eig. nach seinem Sehen (= Gesehen-werden) sei- tens des Königs. Van Orsusssen möchte in dem di- eine Verkürzung von dija »er«, »sie« sehen, wofür sich einiges vorbringen läßt, noch mehr aber dagegen. — Der schwierigste Fall ist der dritte: Au-lhat ich sehe, Aau-lihat du siehst. Diese Verbindungen scheiden sich durch- aus nicht sicher als passivische (von mir, dir wird gesehen) von den aktivischen: aku melihat ich sehe, engkau melihat du siehst. Ein sicheres Kennzeichen des Passivismus tritt uns nicht entgegen; dem lihal passi- vische Bedeutung zuzuweisen, die erst durch me’- in aktivische um- gewandelt worden wäre, erscheint mir ziemlich willkürlich und Au-lihat steht zu aku lihat kaum in einem ferneren Verhältnis als franz. je vois zu ital. io vedo.-Man hat daher, glaub’ ich, wohl daran getan, den Bedeutungsunterschied zwischen den beiderlei Formen anderswo zu suchen; so indem man Au-lihat als Aorist, aku melihat als Durativ an- spricht. Ob freilich damit das Richtige getroffen worden ist, entzieht ı M.s.$217. Diesen Gebrauch von olek nimmt van O. ebenda $ zıo auch in andern Verbindungen an, z.B. o/ch Allah diampuni-nja dosa-mu quantä Dieu, il pardonne vos peches; oleh tuwan besar baharu datang der Herr Resident ist eben angekommen. Im ersten Satz ist oleh als Bezeichnung des Agens ganz deutlich, und im zweiten auch neben dem Intransitiv erklärlich; man vergleiche Wendungen in unserer Sprache, wie »von mir aus kannst du gehen« — »von mir aus wirst du nicht gehindert zu gehen«. Im Bimaschen, das zum Malaiopolynesischen gehört, hat 5a ebenfalls solehe doppelte Bedeutung, z. B. -»du sollst durch mich sterben« und » was mich betrifft, ich durfte nicht helfen« (G. C. G. Jonzer, Bimaneesche spraakkunst, $ 272). EEE I ER IRRE > 730 A 206 Sitzung der phil.-hist. Klasse vom 3. Febr. 1921. — Mitt. vom 22. Juli 190 a sich meinem Urteil. Daß den Passivisten in diesem letzten Falle doch wohl das Gewissen geschlagen hat, zeigt sich darin, daß sie für dieses Passiv einen eigenen Namen aufgebracht haben: das subjektive Passiv!. k Indem sie es aber von dem »reinen« Passiv ‚scheiden, entlehnen sie dieses als Ergänzungsform für die 3. P.: ku-lihat, kau-lihat, di-lihat-nja, ich sehe, du siehst, er sieht. Untengeck” hat vor einigen Jahren erklärt, er bräche gern für »die alte passivische Auffassung« dieser Formen eine Lanze, wobei er sich besonders, was die dritte anlangt, auf das batakische di- stützen würde; aber er überlasse das lieber den Spezialisten auf indonesischem Gebiete. Wieviel weniger kann auch ich nur daran denken, mich hier einzumischen. Ich möchte zum Schluß aus der ganzen Literatur über diese wich- tigsten Fragen der malaiischen Grammatik eine wenn auch negative Lehre ziehen, oder vielmehr die Bestätigung einer schon oben aus- gesprochenen allgemeinen Ansicht. Der Äußerung, daß der Malaie, Javaner usw. gewisse Gebilde als Passive fühle, begegnet man auf Schritt und Tritt; hier bleibt der Unterschied zwischen dem natürlichen Sprach- gefühl und der wissenschaftlichen Spracherkenntnis unbeachtet”. Auch in dem Kopfe des niedern Mannes gibt es Kategorien und Paradigmen, aber es sind andere als in dem Kopfe des Gebildeten oder Gelehrten, und sie leben und wirken unbewußt in ihm; wenn er die Überlieferung verläßt, so doch nicht den sichern Anschluß an sie. Ich vergegen- wärtige mir das gern am Baskischen. Über dessen Passivismus sind wir Männer der Wissenschaft. mit Ausnahme von Vınson, nieht mehr ' Der Urheber dieses Ausdrucks ist T. Roorvpa; er hat ihn erläutert in seinem Buche: Over de deelen der rede en de rede-ontleding, of logische analyse der taal ("1852, ?1855;- hier 29ff. gr ff.); ob etwa unter dem Einfluß des in der Vorrede er- wähnten "Organism’ Beexers, habe ich zu untersuchen für überflüssig gehalten. Dann erscheint das subjectiel' passief in seiner Javaansche Grammatica (11855, 21874, 31882) und daraus hat es .. J. pe Horzanver in seiner vielfach aufgelegten Handleiding (ich habe die 5. von 1832) entnommen. Hierdurch ist die Verbreitung des Wortes sehr gefördert worden; doch hatte sie schon abgeflaut, als TenpeLoo seine wuchtigen Keulenschläge gegen "dat fameuse subjeetief-passief’ führte; in der sehr ausführlichen Spraakleer der mal. taal von D. Grren van Wı& (1890) begegne ich ihr nicht mehr. ® Am Schluß der oben S. 199 Anm. 3 angeführten Abhandlung. ® Als Musterstück von Unklarheit in dieser Hinsicht empfehle ich den Aufsatz: ‚Uber Activum und Passivum im Niassischen«, vom Missionär H. Suxpersann (Ts. Ind. t.-.-vk. 51 [1909]. 357 f.). Z. B. »Noch neulich sagte ein Kollege.....: “Es ist gar nicht der Mühe wert. daß man so viele. Worte darum mache. da es einfach selbst- verständlich ist, daß diese Formen aktiv sind’.« — »Ich wage also noch heute, wie im Jahre 1876, zu behaupten, daß ochalo nasor nicht passiv sein kann. Wer in aller Welt sagt uns denn, daß ein Verbalstamm — hier hald —— passiv sein kann? Haben wir dafür in irgendeiner Sprachenfamilie der Welt noch ein Analogon?’« — »Nün wird man doch niemandem zumuten, zu glauben. daß der Niasser, wenn er zu mir sagt: Halo nasoe, dabei den Gedanken habe: “Der Hund werde durelı dieh geholt‘, « Ausgegeben am 17. Februar. 208 ae SITZUNGSBERICHTE DER PREUSSISCHEN yR AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. 1920 VM. | Gesamtsitzung. 10. Februar. Vorsitzender Sekretar: Hr. Rugner. l. Hr. Herrmann sprach über die Schneeverhältnisse von Deutschland (Neue Untersuchungen über die Regenverhält- nisse von Deutschland. Zweite Mitteilung.) (Ersch. später.) Auf Grund der 35Jjährigen Beobachtungen von 1881 bis 1915 wird der Versuch gemacht, die Verbreitung der Schneefälle in Deutschland durch Linien gleicher Zahl der Schneetage (Isochionen) darzustellen. Diese zeigen in ihrem Verlauf große Ähnlich- keit mit den Januarisothermen. Die Zahl der Schneetage schwankt im Tiefland zwischen ı9 (Oberrheintal) und 70 (Masuren) und erreicht auf dem Gipfel der Zugspitze die Zahl 191. Es bestehen gesetzmäßige Beziehungen zwischen der Anzahl der Tage mit Schneefall und mit Schneedecke, die auf die Bildung ewigen Schnees und früherer Eiszeiten einen Schluß zulassen. 2. Hr. Herımann trug sodann vor über »Die Meteorologie in den deutschen Flugschriften und Flugblättern des 16. Jahr- hunderts.« (Abh.) Ungewöhnliche meteorologische Erscheinungen, die in den Uranfängen der Kultur auf den Menschen allein Eindruck gemacht haben, während die gewöhnliche tägliche Witterung jahrtausendelang unbeachtet blieb, haben auch noch im späten Mittelalter und in der Renaissancezeit, als man bereits angefangen hatte, tägliche Witterungs- beobachtungen zu machen, die Aufmerksamkeit weiter Kreise erregt. Im 15. und 16. Jahrhundert bilden sie den Inhalt von Flugschriften und Flugblättern (Einblatt- ' drucken mit Abbildungen), von denen für Deutschland reichlich 500 nachgewiesen werden können. In der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts gehen sie meist von Süd- deutschland aus, ‚während in der zweiten Hälfte, unter dem Einfluß der Wittenberger Universität, Norddeutschland das Übergewicht erlangt. Trotz ihres meist populären Charakters zeigt sich ein deutlicher Fortschritt in der richtigeren Auffassung der be- schriebenen Erscheinungen, die in der Mehrzahl der optischen Meteorologie angehören. “3. Hr. Kenr machte Mitteilung von der demnächst erscheinenden Veröffentlichung mehrerer Aktenstücke zur preußischen und deutschen Geschichte aus den Jahren 1863 und 1870 in der Festschrift der Kaiser-Wilhelm-Institute. Die Briefe Wilhelms I. aus dem Jahre 1863 beziehen sich auf den Frankfurter Fürstentag und sind an den Großherzog Karl Alexander von Weimar gerichtet; sie Gesamtsitzung vom 10. Februar 1921 209 werden erläutert von Pavr Baırrev. Die Aktenstücke aus dem Jahre 1870 sind eigen- händige Niederschriften Wilhelms I. über die Vorgänge in Ems im Ju!i 1870 und über . seine Entrevue mit Napoleon III. im Schlößchen Bellevue bei Sedan am 2. September 1370. Sie ruhen im Hausarchiv und werden zum erstenmal von Herman GRANIER heraus- . gegeben. ! 4. Hr. G. Mürrer überreichte das von ihm gemeinsam mit Hrn. E. Harrwıs herausgegebene Werk: »Geschichte und Literatur des Lichtwechsels der bis Ende 1915 als sicher veränderlich anerkannten Sterne, nebst einem Katalog der Elemente ihres Lichtwechsels« (Leipzig 1920). 5. Hr. Enster überreichte das 75. Heft des von ihm heraus- gegebenen Werkes: »Das Pflanzenreich«: K. H. Zans, Compositae- Hieracium. Seect. I" Glauca — Seet. VII. Vulgata (Anfang). (Leipzig L9272)7, ' 6. Vorgelegt wurde das mit Unterstützung der Akademie ge- druckte Buch: Hermann Schneider, Uhlands Gedichte und das deutsche Mittelalter (Palaestra 134, Berlin 1920). 7. Vorgelegt wurde das von der Eduard-Gerhard-Stiftung unter- stützte Werk: Frıtz Weser, Etruskische Malerei (Halle a. S. 1921). 8. Die philosophisch-historische Klasse hat dem ordentlichen Mit- gliede der Akademie, Hrn. Dr Groot, 15000 Mark bewilligt für die Drucklegung seines Werkes »Die Hunnen der vorchristlichen Zeit«. 9. Ein Berliner Kaufmann, der ungenannt bleiben will, hat der Preußischen Akademie der Wissenschaften ein Kapital von 150000 Mark mit. der Bestimmung überwiesen, das Kapital und seine etwa auf- laufenden Zinsen zur Herstellung der im Rahmen des Corpus Medi- corum in Aussicht genommenen Ausgabe der Werke des Hippokrates zu verwenden. 10. Der physikalisch-mathematischen Klasse der Akademie stand zum 26. Januar d. J. aus der Dr.-Karl-Güttler-Stiftung ein Betrag von 3650 Mark zur Verfügung. Sie hat beschlossen, daraus dem Direktor des Astronomischen Recheninstituts, Prof. Dr. Frırz Conn in Berlin- Dahlem als Zuschuß zu den Kosten der Drucklegung des » Astronomi- schen Jahresberichts« 3600 Mark zu bewilligen. Zum 26. Jafıuar 1922 werden voraussichtlich 1900 Mark verfüg- bar sein, die von der philosophisch-historischen Klasse in einer oder mehreren Raten vergeben werden können. Die Zuerteilungen erfolgen nach $ 2 des Statuts der Stiftung zur Förderung wissenschaftlicher Zwecke, und zwar insbesondere als Gewährung von Beiträgen zu wissenschaftlichen Reisen, zu Natur- und Kunststudien, zu Archiv- x Liesisca und Rusens: Über die optischen Eigenschaften einiger Kristalle. III 211 Über die optischen Eigenschaften einiger Kristalle im langwelligen ultraroten Spektrum. Von Ta. Liesısch und H. Rugens. Dritte Mitteilung. (Vorgelegt am 6. Januar 192] [s. oben S. 1].) r Ergänzung unserer beiden ersten Mitteilungen! geben wir hier noch einige Messungsreihen wieder, welche sich“auf Wurtzit, Zirkon, Rutil, Strontianit und Kryolith beziehen. Die beobachteten Reflexionsver- mögen sind in der folgenden Tabelle zusammengestellt. Sie entspricht bezüglich ihrer Anordnung der Tabelle III unserer ersten und den Tabellen I, II und III unserer zweiten Mitteilung. Zu dem Inhalt der Tabelle ist im einzelnen folgendes zu be- merken: I. Wurtzit (Zn, Fe, Cd) S. Eine 4.5 x 4.8 cm große Platte wurde aus hexagonaler Strahlen- blende (schwarzbraun, von Pribram in Böhmen) geschnitten, einem strahlig faserigen Aggregat, in welchem die basische Spaltbarkeit par- allel der Faserrichtung liegt. In der Oberfläche der Platte zeigte sich die faserige Struktur durch feine Poren, welche die Politurfähig- keit des Materials etwas beeinträchtigten. Die Faserrichtung verlief in der Platte ziemlich unregelmäßig, so daß hier von der Untersuchung mit polarisierter Strahlung Abstand genommen wurde und die Messung des Reflexionsvermögens auf natürliche Strahlung beschränkt blieb. Zum Vergleich sind in der vorstehenden Tabelle auch die früher an regulärer Zinkblende beobachteten Reflexionsvermögen’ angegeben. Man sieht, daß von 27 u ab das Reflexionsvermögen des Wurtzit hinter demjenigen der regulären Zinkblende zurückbleibt. Daß diese Differenz auf die mangelhafte Politur der Wurtzitplatte zurückzuführen ! Ta. Liesıscn und H. Rusens, diese Berichte 1919, S. 198 und S. 876, im fol- genden stets mit I und II bezeichnet. ® II S.879,. Tab. I und S. 882. Fig. 1. 212 Gesamtsitzung vom 10. Februar 1921. — Mitteilung vom 6. Januar Tabelle 1. Reflexionsvermögen R für Reststrahlen.. R Quarxzlinsen- Bat 5 methode D,o| Do RS = en von und Ei h 5 ee bez beob- be- ES JaF »a- 5“ a ‚ampe |rech Rundort = = [CaF, ,, 0, CaE, EN NaCl KÜ|KBr| KJ E 5 ji achtet | rechnet n <=) Ss e 22u|27u|33u|39u|52n|63u|83u|94 u Tine eingt Wurtzit | (Pribram) n!l 7.5.| 33-4 | 64.8 | 46.2 |.28.3 | 26.5 | 24.0 |23.8| 23.3 | 23.4 | 23.4| 82] — — Zinkblende n |°7.2| 35-4 | 73.7 | 51.9 | 30.3 | 27.7 | 25.5 |25.0| 24.4 | 23.8| 23.5] 8.3 MEOE RER (Diez, Nassau) r = _ a m Zirkon I Il 39.6 | 52.5 143.7 | 32.5 | 25.5 | 24.3 | 23.5 | 24.0] 24.3 | 24.4 | 24.4| 8.7| 12.6 31.4 (Frederiksvärn) | ı 25.2 | 37-4 | 51.5 | 42.1 | 26.0 | 23.1 | 21.9 | 27.8 | 24.5 | 23.9| 23.6] 8.4| 11.8 31.8 Zivkon U Il 37.7 | 62.1 |42.8| 35.3 | 27.8 | 26.7 | 25.0 | 26.9 | 27.3 | 27.6 | 27.8] 10.4 | 12.6 31.4 (Frederiksvärn) | ı 23.7 |43-6 | 56.5 | 44-3 | 28.4 | 26.1 | 24.8 | 28.7 | 28.4 | 28.3 | 28.2| 10.7| 12.8 31.8 Rutil Ian II | 92.6 | 94-7 | 95:3 | 93-9 | 90-3. 85.4 | 78-3 | 76.7 | 75-5 | 74.0| 733] 167| 173 | 73.6 Mountain) 41.2 | 77-4 | 92.4 195.2 88.1 | 79.9 | 68.1 | 66.4 | 65.7 | 64.8 | 64.4 83 89 65.1 Strontianit Il E 1.5 | 1.4 | 18.9 | 48.0 | 62.0 | 42.5 | 25.5 | 22.1 | 20.3 | 19.5 | 1911| 65| — _ (Drensteinfurt) | ı =| 2-4 | 2.8 | 24.9 | 50.5 | 39.0.| 28.2 | 23.5 | 22.1] 20.5 | 19.7 | 19.3| 6.6 — — Kıyolith Il & 4.6\ 4.6| 8.5 |21.8| 26.9 |41.1|18.4 | 18.2| 25.6| 24.4 | 23.8| 8.5 — — (Ivigtut)- Ak € 4.4| 4.8| 10.0 | 18.2 | 31.2 | 30.3 19:0 | 17.71 19.8 | 17.8| 16.8| 5.7 —_— — Rx | | sei, ist wegen der Kleinheit der Poren im Verhältnis zur Wellenlänge der verwendeten Strahlenarten nicht anzunehmen. Der Verlauf der Reflexionskurve von regulärer Zinkblende und Wurtzit ist ein sehr ähnlicher. Beide Kurven zeigen in der Nähe von 32 « ein hohes Maximum und nähern sich dann mit wachsender Wellenlänge asym- ptotisch fast dem gleichen Grenzwert. Die hieraus berechnete Dielek- trizitätskonstante ist 8.3 für die reguläre Zinkblende, 8.2 für den Wurtzit, was mit dem für Herrzsche Wellen gemessenen Wert 7.85 hinreichend übereinstimmt, wenn man noch jenseits A = 0.3 mm schwache normale Dispersion annimmt. 2. Zirkon,'22.0:=SıV.. Die früher für Zirkon erhaltenen Resultate erschienen uns nicht einwandfrei, weil die untersuchte, parallel zur optischen Achse ge- schnittene Platte viele eingesprengte Stückchen fremden Materials ent- hielt’. Wir hielten es für möglich, daß aus diesem Grunde das Re- : Das Zeichen 2 bedeutet natürliche Strahlung. II S. 880, Tab. II, S. 836 und 887, Fie. 5. Liesison und Rusens: Über die optischen Eigenschaften einiger Kristalle. III 213 flexionsvermögen in manchen Spektralgebieten zu niedrig ausgefallen sein könne und vermuteten, daß die mangelhafte Übereinstimmung der von W.-Scumiprt gemessenen Dielektrizitätskonstanten (Dx) mit den von uns bestimmten Werten von D,., zum Teil wenigstens hierauf zurückzuführen sei. Wir stellten in Aussicht, die Messungen am Zirkon nochmals aufzunehmen, sobald uns besseres Material zur Verfügung stände. Wir haben jetzt unsere Messungen an einem von Einschlüssen freien Kristall wiederholt. Leider war der neue Kristall erheblich kleiner als der früher verwendete, so daß die zur Reflexionsmessung dienende, parallel zur Achse geschnittene Platte aus 10 Stücken mosaik- artig zusammengesetzt werden mußte. Die hierbei unvermeidlichen Fugen sowie eine größere Zahl von gröberen und feineren unregel- mäßig verlaufenden Sprüngen machten die Einführung einer unge- wöhnlich hohen Korrektion von 7 Prozent des Reflexionsvermögens erforderlich. Da bei der Schätzung dieser Korrektion leicht Fehler von einem Fünftel ihres Betrages vorkommen könuen, so sind auch die an der neuen Platte gemessenen Reflexionsvermögen auf ı bis 2 Prozent unsicher; doch beeinflußt dieser Fehler nicht den Gang des Reflexionsvermögens mit der Wellenlänge. Ein Vergleich der neuen Reflexionsvermögen mit den früher erhaltenen, welche in der vor- stehenden Tabelle mit aufgeführt sind, lehrt, daß die ersteren von 39 # ab erheblich höher sind als die letzteren. Der Verlauf ist für beide Zahlenreihen allerdings nur wenig verschieden. so daß die graphische Darstellung der :neu gemessenen Reflexionsvermögen ent- behrlich ist und auf die frühere Figur 5, II S. 887 verwiesen werden kann. Aus den Reflexionsvermögen für die langwellige Quecksilber- dampfstrahlung berechnen sich jetzt die Werte der optisch gemessenen Dielektrizitätskonstanten zu 10.7 für den ordentlichen und zu 10.4 für den außerordentlichen Strahl gegenüber den früher erhaltenen Werten 8.4 bzw. 8.7. Die Übereinstimmung mit den elektrisch ge- messenen Dielektrizitätskonstanten von W. Scumr (12.8 senkrecht und 12.6 parallel zur optischen Achse) ist mithin für unsere neuen Werte erheblich besser, und zwar in zweifacher Hinsicht. Erstens ist der Sinn der Doppelbrechung nunmehr in beiden Fällen der gleiche, während unsere Messungen an dem früher untersuchten Kristall für die langwellige Quecksilberdampfstrahlung eine schwache Doppel- brechung im entgegengesetzten Sinne ergeben hatten. Zweitens liegen die neu erhaltenen Zahlenwerte den Scamipzschen näher als die alten, wenn sie auch noch wesentlich hinter den Dielektrizitätskonstanten für Herrzsche Wellen zurückbleiben. Ob diese Differenzen auf Fehler der Messung, auf Verschiedenheiten des Materials oder auf anomale Dispersion jenseits 300 u zurückzuführen sind, läßt sich zunächst 2314 (Gesamtsitzung vom 10. Februar 1921. — Mitteilung vom 6. Januar nicht feststellen. Zur Klärung der Frage soll die Dielektrizitätskon- stante des Zirkons an einer Probe des hier untersuchten Kristalls nach der von W. Scnmopr benutzten Methode gemessen werden. 3.Rutik, WO, Die Untersuchung des Reflexionsvermögens von Rutil im lang- welligen ultraroten Spektrum beansprucht besonders großes Interesse, weil dieser Kristall von allen bisher untersuchten festen Körpern nach W. Scumiprs Messungen die größten Werte der Dielektrizitätskonstanten besitzt. Zu unseren Versuchen stand uns ein ungewöhnlich großer und schöner Kristall von Graves Mountain in Lincoln Co., Georgia, U.S.A. zur Verfügung. Daraus wurde eine aus zwei Stücken zusammengesetzte, parallel zur optischen Achse geschnittene Platte von etwa 5x6 em Ober- tläche hergestellt. Die Platte zeigte einige sehr feine Sprünge parallel der optischen Achse; außerdem waren zwei gröbere, dureh Bruchstellen hervorgerufene, unregelmäßig verlaufende Sprünge vorhanden, welche allein etwa 2.5 Prozent der Plattenobertläche einnalimen, während die Fuge zwischen den beiden Kristallstücken eine Verminderung des Re- flexionsvermögens um ı bis 2 Promille hervorbrachte. Es wurde des- halb das direkt beobachtete Reflexionsvermögen um 3 Prozent erhöht. Es darf angenommen werden, daß der Fehler, welcher durch unriehtige Schätzung dieser Korrektion verursacht wird, 2], Prozent der mitge- teilten Reflexionswerte nicht übersteigt. Es erschien uns von Interesse, das Reflexionsvermögen für den ordentlichen und außerordentlichen Strahl des von uns untersuchten Kristalls auch in den kurzwelligen Spektralgebieten zu ermitteln, in welchen die spektrometrische Methode leicht anwendbar ist. In dem Wellenlängenbereich zwischen ıu und 8a. wurde ein Spiegelspektrometer mit Flußspatprisma, zwischen 84 und 2ıu ein solches mit Sylvinprisma benutzt. Dabei gelangten zwei Sylvinprismen zur Anwendung, “eines von 43° 41’ brechendem Winkel im kurzwelligeren Teil (Su bis 18%) und ein zweites von 19° 46" im langwelligeren Teil (154 bis 21%). Zwischen 20% und 27x endlich ‚wurden nach der früher angegebenen Methode Messungen im Gitterspektrum ausgeführt‘. Im ganzen wurden über 100Reflexionsvermögen gemessen. Die Polarisation der verwendeten Strahlung (Nernstlampe, Auerbrenner) wurde, wie üblich, durch Reflexion an einem Selenspiegel unter dem Polarisationswinkel bewirkt. Jenseits 274 war die Energie der polarisierten Strahlung im Gitterspektrum für Messung des Reflexionsvermögens zu gering. Im Bereich der größeren Wellenlängen waren wir daher auf die Untersuchung mit 118. 2O3 LU. Lresison und Ruzens:. Über die optischen Eigenschaften einiger Kristalle. II 215 Reststrahlen angewiesen. Diese Reflexionsvermögen sind in der vor- stehenden Tabelle I wiedergegeben. Das Ergebnis der Messungen am Rutil ist in den Kurven der Fig. ı und 2 graphisch dargestellt. Fig. ı zeigt den Verlauf des Re- Fig. 1. In An E77 277 n Su, [72 Zur gu Iy flexionsvermögens in dem Spektralgebiet von A= 0.5» bis A = gu. Die ersten drei Punkte der beiden Kurven für den ordentlichen und außerordentlichen Strahl sind aus den C. Bärwarnschen Messungen! des Brechungsexponenten im sichtbaren Spektrum berechnet, die übrigen von uns beobachtet. Fig. II enthält die Reflexionsmessungen im lang- welligen Spektrum (6# bis 300%). Hier sind im Gegensatz zu Fig. ı und in Übereinstimmung mit unseren früheren Diagrammen die Wellen- längen in logarithmischer Teilung aufgetragen. Diese Darstellungsweise ermöglicht es, einen sehr großen Teil des Spektrums gleichzeitig zu überblicken. Man sieht, daß in dem ausgedehnten Spektralgebiet von 0.54% bis ıız keine erkennbaren Streifen metallischer Reflexion vor- kommen. Beide Reflexionskurven verlaufen hier nahezu parallel und und nähern sich erst langsam, dann in beschleunigtem Maße der Ab- szissenachse. Bei 11.1« erreicht die Kurve für den ordentlichen, bei 11.7% diejenige für den außerordentlichen Strahl ein tiefes Minimum von 0.6 bzw. 1.2 Prozent. Dann erfolgt ein steiler Anstieg und es beginnen für beide Strahlen ausgedehnte Gebiete starker metallischer Reflexion, in denen Reflexionsvermögen von über 95 Prozent vorkommen, wie sie bisher nur bei Metallen beobachtet worden sind. Die Reflexions- kurve des ordentlichen Strahles zeigt eine starke Erhebung von 134 bis ı9u mit Teilmaximis bei 14.5%, 16u und 18.54.* Dann folgt ein tiefes Minimum bei 224 und eine zweite noch stärkere Erhebung mit einem Maximum bei 39w, dahinter ein allmähliches Absinken der Kurve mit asymptotischer Annäherung an einen Grenzwert, welcher bei 3104 mit 64.4 Prozent. nahezu erreicht zu sein scheint. Das Reflexionsver- mögen des außerordentlichen Strahles weist, wie es scheint. nur ein U C. Birwaro, Zeitschr. f. Krist. 7. 168, 1853. Sitzungsberichte 1921. 15 I N u ya a a. ES 216 Gesamtsitzung vom 10. Februar 1921. — Mitteilung ı 20% 80 70 30 40 617} 20 50 30 ro bu Tu Bu Iu Wu au WerT, 301 40 30u 60n 8014 1001 R0Gje 300 e einziges, aber sehr ausgedehntes Gebiet metallischer Reflexion auf, in welchem Teilmaxima bei ı6u, 19.34, 22.24 und 304 vorkommen, während bei 174, 20u und 24.54 Minima bemerkbar’ sind, von denen das langwelligste am deutlichsten ausgeprägt ist. Jenseits 304 sinkt auch hier die Kurve langsam und asymptotisch auf den am äußersten Ende des Spektrums beobachteten ungemein hohen Wert des Reflexions- wa TIP. NT ee De Liesiscn und Runens. Über die optischen Eigenschaften einiger Kristalle. IL 217 vermögens von 73.3 Prozent herab. Ob freilich der glatte Verlaut der Kurven in dem jenseits 274 gelegenen Spektralgebiet der Wirk- lichkeit entspricht oder nur durch die geringe Zahl der beobachteten Punkte bzw. durch die Inhomogenität der Reststrahlen vorgetäuscht wird, kann hier nicht entschieden werden. Um die ungewöhnliche Stärke und spektrale Breite der Gebiete metallischer Reflexion des Rutil (TiO,) möglichst deutlich hervortreten zu lassen, sei hier in Fig. 3 eine analoge Darstellung des Reflexions- spektrums von Quarz (SiO,) wiedergegeben. Die Kurven sind bis 154 nach Messungen von Hrn. REınköger', von 154 ab nach unseren früheren Beobachtungen gezeichnet”. Den hohen Endwerten des Reflexionsvermögens von Rutil für den ordentlichen und außerordentlichen Strahl (64.4 bzw. 73.3 Prozent) entsprechen die ungewöhnlich großen Dielektrizitätskonstanten 83 bzw. 167, welche nur wenig hinter den von Schmipt mittels Herrzscher Wellen gemessenen Werten 89 bzw. 173 zurückbleiben. Eine bessere Übereinstimmung war schon aus dem Grunde nicht zu erwarten, weil im Bereiche der hohen Breehungsexponenten eine geringe Änderung des Reflexionsvermögens eine sehr große Änderung des hieraus berech- neten Wertes der Dielektrizitätskonstanten zur Folge hat. Dement-' sprechend ergeben sich aus den Scnnmiptschen Dielektrizitätskonstanten ' Werte für R,, welche mit den von uns gemessenen Reflexionsvermögen für die langwellige Quecksilberdampfstrahlung innerhalb der Grenzen der Beobachtungsfehler übereinstimmen. 4. Strontianit SrCO,. Die untersuchte Platte aus strahlig faserigem Aggregat von Drenstein- furt in Westfalen war 6x 6 cm groß, gut ebengeschliffen und poliert, zeigte aber einige Sprünge und Löcher, welche die Einführung einer Korrektion von 5 Prozent notwendig machten. Die Faserrichtung, d. i. die Richtung der Vertikalachse der Elementarkristalle, verlief in einem etwa 4x4 cm großen Teil der Oberfläche einigermaßen parallel, so daß eine Untersuchung des Materials mit polarisierter Strahlung lohnend erschien. Immerhin kamen auch in dem untersuchten Flächen- stück an einigen Stellen Abweichungen der Faserrichtung bis zu 30° vor, so daß die Verschiedenheit des Reflexionsvermögens für parallel und senkrecht zur Faserrichtung polarisierte Strahlung in Wirklichkeit etwas größer ist, als es aus unseren in der Tabelle aufgeführten Beob- achtungen hervorgeht. Eine graphische Darstellung dieser Versuchs- ergebnisse findet sich in Fig. 2. Die beiden Reflexionskurven für den ! O. Reinkoger, Dissertation. Berlin ıgro. zuIoSeRon,: 218 Gesamtsitzung vom 10. Februar 1921. — Mitteilung vom 6. Januar parallel und senkrecht zur Vertikalachse schwingenden Strahl zeigen je ein stark ausgeprägtes Maximum, und zwar bei 47 bzw. 424. Die Kurven erinnern in ihrem einfachen Verlauf sehr an diejenigen von Witherit' (BaCO,, mit Strontianit isomorph), bei dem jedoch die Maxima erheblich höher sind und bei etwas größeren Wellenlängen liegen (56 bzw. 46'/2u). Bei beiden Kristallen ist die Doppelbrechung im Gebiet der langen Wellen sehr gering. Für Strontianit berechnet sich die Di- elektrizitätskonstante aus dem Reflexionsvermögen für die langwellige Quecksilberdampfstrahlung zu 6.6 bzw. 6.5, während die entsprechenden Werte sich bei .dem Witherit zu 7.3 bzw. 7.5 in befriedigender Über- einstimmung mit den Scnmiptschen Messungen ergeben hatten. Messun- gen der Dielektrizitätskönstanten mittels Herrzscher Wellen liegen für Strontianit noch nicht vor, doch soll diese Lücke bald ausgefüllt werden. Die HH. E. F. Nıcnors und W.S. Day” erhielten nach mehrfacher Reflexion der Strahlung einer Nernstlampe an Strontianitflächen schwache. - Reststrahlen von der mittleren Wellenlänge 43.24. Diese Wellenlänge liegt, wie man sieht, zwischen den beiden Maximis für den parallel bzw. senkrecht zur Vertikalachse schwingenden Strahl und befindet sich, wie vorauszusehen war, auf der kurzwelligen Seite des gesamten Gebietes metallischer Reflexion. N 5. Kryolith 3NaF+AlF.. Unsere Messungen wurden an einer 5.8x 6.5 cın großen Platte ausgeführt, welche nach einer durch Zwillingsbildung hervorgerufenen Absonderung aus einem Stück von Jvigtut in Grönland hergestellt war. Die Platte war von zwei Scharen von feinen, zuweilen in bunten Farben schillernden Zwillingslamellen fund $ durchsetzt. Die in der Tabelle angegebenen Reflexionsvermögen beziehen sich auf die parallel und senkrecht zu f schwingende Strahlung. Da der Kryolith dem mono- klinen System angehört, so entsprieht die Richtung f nicht einer op- tischen Vorzugsrichtung im Kristall. Das Reflexionsvermögen erreicht an keiner Stelle des Spektrums sehr hohe Werte. Zu einer genauen Zeichnung der Reflexionskurven ist die Zahl der beobachteten Punkte zwar nicht ausreichend, doch kann man mit einiger Sicherheit” er- kennen (Fig. 4), daß der parallel / schwingende Strahl in dem Spektral- gebiet zwischen 20 und 1 Iou mindestens zwei, der senkrecht / schwin- gende mindestens ein Reflexionsmaximum aufweist, deren Wellenlängen bei etwa 452 und 66u bzw. bei 57 u liegen. Außerdem ist für beide Schwingungsrichtungen noch ein weiteres Retlexionsmaximum in dem ı 11 S.881, Tab. III und S. 891 und 892, Fig. ı0. ® E. F, Nicwors und W. S. Day, Physical Review XXVII, S. 225, 1908. Lresisca und Rugens: Über die gptischen Eigenschaften einiger Kristalle. III 219 Fig. 4. Aou 30u 7042 50u 6Ou 80; 10Ou R00u 3004 jenseits IIou ge-. legenen Spektralge- biet vorhanden. Im ganzen sind die in Fig. 4 gezeichneten Retlexionskurven denen des Natrium- trikaliumsulfats' sehr ähnlich, doch mag dies nur auf einem Zufall be- ruhen. Aus den Re- flexionsvermögen 23.8 bzw. 16.8 für die langwellige Quecksilber- dampfstrahlung berechnen sich die Dielektrizitätskonstanten 8.5 bzw. 5.7, doch werden sich für Herrzsche Wellen vermutlich etwas kleinere Werte ergeben, da nach dem Verlauf der Reflexionskurven jenseits 300 4 noch merkliche normale Dispersion zu erwarten ist. Durchlässigkeit. Es seien endlich noch einige Durchlässigkeitsmessungen an dünnen Platten aus Wurtzit, Zinkblende, Rutil, Strontianit und Kryolith im Gebiet der langen Wellen mitgeteilt. Tabelle 1. Durchlässigkeit © Kristall Schicht- und dieke Auer- Hg-Lampe Fundort rd era Ser "mm 110 u reinigt jreinigt 1 Wurtzit L | j 0.50 n 23.0 | 39:5 | 47-7 e (Pribram) | Zinkblende z Zinl lende 51 = 238 | 42.6 | 52.0 (Diez, Nassau) vuti | ! | 3 tutil j 0.42 o.ı2 | 9:33 | 351 (GravesMountain) Ir 0.45 | Strontianit (Drenstein- 0.54 7 8.8 | 21.6 | 28.0 furt i. W.) | 1} u R [N Bm, | | Kıyolith 14.8 |' 19.3 (Ivigtut, Grönl.) 0.53 23.0 | 29,5 ı II S. 391, Fig. 9. 220 Gesamtsitzung vom 10. Februar 1921..— Mitteilung vom 6. Januar Die untersuchten Zinkblende-' und Wurtzitplatten zeigten sehr hohe, mit wachsender Wellenlänge zunehmende Durchlässigkeit. Die parallel der Achse geschnittene, 0 42 mm dicke Rutilplatte war dunkelbraunrot durchsichtig. Sie zeigte für die langwellige Strah- lung des Auerbrenners so geringe Durchlässigkeit (kaum mehr als o.ı Prozent), daß die Messung nur mit unpolarisierter Strahlung aus- geführt werden konnte”. Für die ungereinigte Strahlung der Queck- silberlampe war die Durchlässigkeit größer, betrug aber auch nur 0.33 Prozent für den’ außerordentlichen und 0.45 Prozent für den ordentlichen Strahl. Die Kleinheit dieser Durchlässigkeitswerte ist je- doch zum großen Teil durch das hohe Reflexionsvermögen des Rutil veranlaßt. Die Berechnung der Extinktionskoeffizienten zeigt, daß diese Konstante das beobachtete Reflexionsvermögen des Rutils für die langwellige Strahlung des Auerbrenners und der Quecksilberlampe nicht innerhalb der Grenzen der Beobachtungsfehler beeinflußt. In der 0.54 mm dicken Strontianitplatte ließ sich keine ausge- sprochene Vorzugsrichtung der parallel zur Vertikalachse verlaufenden Fasern erkennen. Die Untersuchung wurde deshalb nur für natür- liche Strahlung durchgeführt. Indessen wäre nach dem Ergebnis der Reflexionsmessungen bei diesem Material auch kein erheblicher Poly- chroismus in dem betrachteten Spektralbericht zu erwarten. Die zur Messung der Durchlässigkeit verwendete 0.53 mm dicke Kryolithplatte wurde für parallel und senkrecht fschwingende Strahlen untersucht. Ebenso wie bei der Reflexion zeigte sich auch bei der Durchlässigkeit erheblicher Polychroismus. Ferner wurden einige Versuche mit einer 0.52 mm dicken Platte aus Uranpecherz angestellt. Die Platte zeigte jedoch weder für die lang- wellige Strahlung des Auerbrenners noch. der Quecksilberlampe merk- liche Durchlässigkeit. Zum Schluß möchten wir der Preußischen Akademie der Wissen- schaften für die uns gewährte Unterstützung nochmals unseren Dank aussprechen. ! Die Platte war aus dem früher untersuchten Stück des kristallinischen Aggre- gats eisenhaltiger regulärer Zinkblende geschnitten (II S. 881). ®2 Die beobachteten Durchlässigkeiten sind: bei dem Rutil entsprechend ihrer Kleinheit sehr ungenau; doch haben wir uns davon überzeugt, daß dieselben reell sind und nicht durch kurzwellige Verunreinigung vorgetäuscht werden. Hasertanpr: Zur Physiologie der Zellteilung 221 Zur Physiologie der Zellteilung. Von G. HABERLANDT. Sechste Mitteilung. (Vorgelegt am 6. Januar 1921 [s. oben S. 1].) Über Auslösung von Zellteilungen durch Wundhormone. I. Meine Untersuchungen über Zellteilungen in kleinen Gewebeplättchen der Kartoffelknolle', woran sich Versuche mit Stengelstückchen verschie- dener anderer Pflanzen” und später die Kultur- und Transplantations- versuche Lanrrecnts’ mit Gewebelamellen der Laubblätter verschiedener Crassulaceen und Peperomia-Arten schlossen, ergaben das Resultat, daß die zur Wundkorkbildung führenden Zellteilungen meist nur dann ein- treten, wenn sich der Wundreiz mit der Einwirkung eines aus dem Leptom der Gefäßbündel stammenden Reizstoffes, eines Zellteilungshormons, kom- biniert. Über das Wesen des Wundreizes habe ich aber bisher nichts Näheres aussagen können. Diese Lücke auszufüllen ist Aufgabe der vor- liegenden Mitteilung. Eine genauere Analyse des durch mechanische oder sonstige Ver- letzungen bewirkten » Wundreizes« ist meines Wissens bisher nicht vor- genommen worden. In Frasks und Soraurrs bekannten Werken über Pflanzenkrankheiten wird darüber nichts mitgeteilt. Auch Prerrer spricht sich in seiner » Pflanzenphysiologie« nur in allgemeinen Wendungen dar- über aus. Ich selbst habe bereits 1902 in meiner Abhandlung über »Kulturversuche mit isolierten Pflanzenzellen« darauf hingewiesen, daß unter den verschiedenen Einzelfaktoren, die zusammen den » Wundreiz« bilden, auch »die Aufnahme von Zersetzungsprodukten der bei der Ver- letzung zerstörten Zellkörper seitens der an dieWundflächen angrenzenden, unverletzt gebliebenen Zellen« eine bedeutsame Rolle spielen könnte. ! G. Hasertanpr, Zur Physiologie der Zellteilung, Sitzungsberichte der Preuß. Akad. d. Wissenschaften 1913. XVI. ® G. Hasertanon, Zur Physiologie der, Zellteilung, zweite Mitteilung. ebenda 1914, XLVI. > W. Lauprecas, Über die Kultur und Transplantation kleiner Blattstückchen, Beiträge zur Allgemeinen Botanik, herausgeg. v. G. HAserranpr, 1. Bd., 1918. 222 Gesamtsitzung vom 10. Februar 1921. — Mitteilung vom 6. Januar Seither haben noch verschiedene andere Forscher diesen Gedanken ge- äußert. _ Namentlich Küster ist in seiner‘ »Pathologischen Pflanzen- anatomie« für diese Annahme eingetreten. Ein experimenteller Beweis für ihre Richtigkeit ist aber bisher nicht- versucht worden. Unter »Hormonen« versteht man gegenwärtig nicht nur Reizstoffe, die in bestimmten Organen für besondere physiologische Aufgaben ge- gebildet werden, sondern auch End- und Nebenprodukte des Stoffwechsels, wenn sie als Reizstoffe gewisse physiologische Vorgänge auslösen. GLey bezeichnet die letzteren zum Unterschiede von den echten Hormonen als »Parhormone«, doch hat Bırpr in seinem bekannten Werke über » Innere Sekretion« mit Recht betont, daß eine solche Abgrenzung derzeit kaum durchführbar ist. Man wird unbedenklich einen Schritt weitergehen und auch Zersetzungs- und Abbauprodukte, die in absterbenden und abge- storbenen sowie in irgendwie geschädigten Zellen entstehen, als Hormone bezeichnen dürfen, wenn sie nach ihrem Übertritt in andere Zellen und Gewebe oder auch dort, wo sie gebildet werden, bestimmte physiologische Vorgänge anregen. In diesem Sinne soll in dieser Mitteilung von »Wund- hormonen« gesprochen werden. Wer gegen diesen Ausdruck Bedenken hegt, wird von »Wundreizstoffen« sprechen, eine Bezeichnung, die ich gleichfalls hin und wieder gebrauchen werde. Der Wundbegriff wird dabei im weitesten Sinne verstanden. Die Folgen einer Verwundung äußern sich in den an die Wund- flächen angrenzenden unbeschädigten Zellen und Zellgruppen bekanntlich in sehr verschiedener Weise. Hier sollen bloß jene Reizerfolge berück- sichtigt werden, die durch das Auftreten von Zellteilungen charak- terisiert sind, die also zur Bildung der verschiedenen Wundgewebe, des Wundkorkes, der Kalluswucherungen führen; nicht selten sind sie aber auch ökologisch bedeutungslos. Nur für diese Zellteilungen wird der Nach- weis ihrer Abhängigkeit von Wundhormonen erbracht werden. Die letz- teren interessieren uns hier nur insofern, als sie Teilungshormone sind. I. Zunächst sollen die Zellteilungen in mechanisch verletzten Knollen besprochen werden. Die Versuche wurden in der Weise durchgeführt, daß aus den Versuchsobjekten — Kohlrabi- und Kartoffelknollen — mit einer scharfen dünnen Messerklinge 1—2 em hohe Querscheiben herausgeschnitten wurden. An einer Scheibe wurde die obere Wundfläche unter der Wasserleitung 10— 20 Minuten mittels eines kräftigen Strahles abgespült, um aus den angeschnittenen Zellen die Plasmareste möglichst zu entfernen und die Bildung von Abbauprodukten wenn möglich zu ver- hindern oder wenigstens einzuschränken. Eine zweite Scheibe wurde er Sn AT Sax Haserranpr: Zur Physiologie der Zellteilung 223 gleichfalls abgespült, aber nachher mit einer dünnen Schicht eines Ge- . webebreis bedeckt, der aus dem gleichen Objekt durch Abschaben oder Zerreiben gewonnen wurde. Eine dritte Scheibe blieb unabgespült und diente als Kontrollobjekt. Oft unterwarf man auch drei gleich große Sektoren einer einzigen Querscheibe der gleichen Behandlung. Die zu- sammengehörigen Scheiben bzw. Sektoren wurden in einer (lasschale, die mit einem Deckel versehen war, gewöhnlich auffeuchtem Filtrierpapier kultiviert und nach 8— 10 Tagen mikroskopisch untersucht. Die Schalen befanden sich auf einem Laboratoriumstisch oder im Dunkelschrank. Die Temperatur betrug, der Jahreszeit entsprechend (September, Oktober, November 1920), 16-——-18°C. Dank den üblichen Vorsichtsmaßregeln trat nur selten eine störende Infektion der Kulturen mit Pilzen oder Bak- terien ein. Die mit der Kohlrabiknolle (Brassica oleracea gongylodes) ange- stellten zahlreichen Versuche ergaben klare Resultate. Unter den abgespülten Wundflächen traten die Zellteilungen bedeutend spärlicher oder wenigstens in einer geringeren Anzahl von Zellschichten auf als unter den nicht abgespülten. So waren z. B. in einem Versuche unter der nicht abgespülten Wundfläche alle ‚Zellen bis in die 5. Zellage hinab je einmal, in der ı. Lage oft zwei- mal geteilt, während unter der abgespülten Fläche die Teilungen nur in der ı. und 2. Zellage häufig, in der 3. nur noch vereinzelt auftraten. Bei einem anderen Versuche mit einer noch jungen Knolle war unter der nicht abgespülten Fläche jede Zelle der ı. Lage 3—4mal geteilt, unter der abgespülten Fläche dagegen nur 1—2mal. — Wurden aber die abgespülten Wundflächen mit einer dünnen Schicht von Gewebebrei überzogen, so traten darunter meist ebenso zahl- reiche, zuweilen sogar noch reichlichere Zellteilungen auf als unter den nicht abgespülten Flächen. Damit ist die Wirk- samkeit von Zersetzungsprodukten der getöteten Zellen als Wund- hormone, und zwar als traumatische Teilungshormone erwiesen. Wenn es nicht gelungen ist, die Zellteilungen durch das Abspülen der Wund- flächen ganz zu verhindern, so beruht dies zweifellos darauf, daß eine restlose Entfernung der abgestorbenen Plasmateile durch das Abspülen nicht zu erreichen ist. Dieser Umstand war auch Ursache, daß die Versuche mit ver- schiedenen Sorten der Kartoffel meistein negatives Ergebnis lieferten. Es gelingt bei der Kartoffelknolle noch weniger als bei der Kohlrabi- knolle, selbst durch länger andauerndes Abspülen die Plasmareste aus den angeschnittenen Zellen der Wundflächen zu entfernen, da die Plasmaschläuche den Wänden besonders fest anhaften und die Stärke- körner das Herausspülen der Plasmareste behindern. Besonders kommt 224 Gesamtsitzung vom 10. Februar 192]. — Mitteilung vom 6. Januar aber in Betracht, daß. beim Anschneiden sich die Interzellularen durch kapillare Saugung streckenweise mit Zellsaft und Plasmateilen füllen. Aus all diesen Gründen kommt es meist auch auf abgespülten Wund- flächen zur Bildung einer genügenden Menge von Wundhormonen. Nur bei wenigen Sorten treten unter den abgespülten Flächen weniger Zell- teilungen auf als unter den nicht abgespülten. Gewöhnlich war aber in dieser Hinsicht kein Unterschied bemerkbar. Dafür stellte sich häufig ein anderer auffallender Unterschied ein. Während unter der nicht abgespülten Wundfläche die Zellteilungen häufig nicht in der obersten, sondern erst in der 2.—4. Zellage sich einstellen, treten nach dem Abspülen die Teilungen in einer der Wundfläche näheren, meist schon in der obersten Zellage auf. Die Erscheinung des »Über- schlagens« einzelner Zellagen bei der Wundkorkbildung der Kartoffel ist zwar schon oft beobachtet, aber bisher nicht befriedigend erklärt worden. Ich möchte nun annehmen, daß die Empfindlichkeit der Protoplasten für die Wundhormone bei der Kartoffel gewöhnlich sehr groß ist, so daß unter der nicht abgespülten Wundfläche die reich- lich gebildeten Wundhormone «ine Überreizung und Lähmung der oberflächlichen Zellschichten bewirken, infolgedessen die Teilungen aus- bleiben. Auf den abgespülten Flächen werden weniger Hormone ge- bildet, und nun können sich die Zellen der oberflächlichen Lagen reichlich teilen. Ich gehe nunmehr zu den mit den Laubblättern verschiedener Crassulaceen angestellten Versuchen über, die dazu wegen der Leich- tigkeit, mit der sie Wundkork bilden, besonders geeignet sind. Wenn man ein ausgewachsenes, aber noch jüngeres Blatt von Sempervivum montanum der Länge oder der Quere nach durchschneidet, die Wund- fläche der einen Blatthälfte unter der Wasserleitung 5—1o Minuten lang abspült und dann beide Hälften in einer Glasschale auf feuchtem Sand oder Filtrierpapier kultiviert, so treten sowohl unter der nicht ab- gespülten wie unter der abgespülten Wundfläche schon nach wenigen Tagen reichliche Zellteilungen auf. Dieses Ergebnis kann’ nicht über- raschen, da das Mesophyll sehr locker gebaut ist und beim Durch- schneiden der Zellsaft und Plasmateile der angeschnittenen Zellen rasch kapillar in die Interzellularen eindringen. Sie können dann durch das Abspülen nicht mehr entfernt werden. Ich habe daher zur Herstellung der Wundflächen ein anderes Ver- fahren eingeschlagen, das sich bei allen Crassulaceenblättern ausge- zeichnet bewährt hat. Die Blätter werden nicht entzweigeschnitten, sondern entzweigerissen. Man verfährt dabei am besten folgender- maßen: Nachdem man neben der Blattspitze mit dem Rasiermesser einen kleinen, etwa 1'/, mm langen Längsschnitt angebracht hat, faßt Havertanpr: Zur Physiologie der Zellteilüng 225 man rechts und links davon beide Blatthälften mit Daumen und Zeige- finger beider Hände und reißt sie nun vorsichtig und langsam der Länge nach auseinander. So erhält man bei dem lockeren Bau des Mesophylis relativ ebene, trockene Rißflächen; die Trennung geht ganz glatt längs der Interzellularspalten und in den Mittellamellen vor sich, die Zellen werden dabei nicht verletzt. Nur die Epidermiszellen werden beiderseits natürlich zerrissen. Die eine Blatthälfte dient ohne weiteres als Versuchsobjekt, an der anderen Hälfte wird parallel zur Rißfläche mit dem Rasiermesser oder einem scharfen Platinblech eine Schnitt- fläche hergestellt. Beide Hälften werden nebeneinander in der Glas- schale auf feuchtem Sand oder Filtrierpapier kultiviert. Nach dieser Methode habe ich mit den Blättern von Sempervivum montanum L., Sedum spectabile Boreau, Echeveria secunda Baker, Cras- sula lactea Ait. und Bryophyllum erenatum Baxer zahlreiche Versuche an- gestellt und stets dasselbe Resultat erzielt: Während unter den sich bräunenden Schnittflächen sich jede Zelle der obersten Lage teilte und typische Wundkorkbildung eintrat, blieben die Teilungen unter den grün bleibenden Rißflächen fast vollständig aus; nur die unmittelbar an die zerrissene Epi- dermis.grenzenden Mesophyllzellen teilten sich manchmal. Die unter den Rißflächen befindlichen Zellen wuchsen häufig zu un- regelmäßig gestalteten Kallusblasen aus, die meist ungeteilt blieben. Nur hier und da trat eine Querwand auf. Wurde die Rißfläche mit Gewebesaft aus einem Blatte derselben Pflanze benetzt, so stellten sich wieder reichlich Teilungen ein. Benetzung mit Wasser blieb wirkungslos. Diese oft wiederholten Versuche beweisen schlagend, daß in Crassulaceenblättern zur Auslösung der Zellteilungen unter Wundflächen Abbauprodukte der getöteten Protoplasten als Wundhormone völlig unentbehrlich sind. Sie lehren ferner, daß für die Auslösung des Wachstums der an die Rißflächen gren- zenden Zellen, zur Bildung von Kallusblasen, solche Wundhormone nicht in Betracht kommen. Möglicherweise wirkt die etwas gesteigerte Transpiration wachstumsauslösend. Auf abgespülten Wundflächen der Kohlrabiknolle treten, wie nachträglich bemerkt werden mag, weniger und kleinere Kallusblasen auf als auf nicht abgespülten, woraus zu folgern ist, daß hier Wundhormone immerhin eine Rolle spielen. Jeden- falls sind aber für die Bildung von Kallusblasen andere Bedingungen maßgebend als für die Zellteilungen. Wenn in den Kallusblasen nachträglich vereinzelte Teilungen auftreten, so ist nicht anzunehmen, daß sie durch ein Wundhormon ausgelöst werden, da ja die nicht zu Blasen auswachsenden Mesophylilzellen sich niemals teilen. 226. _ Gesamtsitzung vom 10. Februar 1921. — Mitteilung vom 6. Januar Mit Crassulaceenblättern habe ich auch Versuche angestellt; um die Frage zu beantworten, ob die teilungsauslösenden Wund- hormone art-, gattungs- oder familieneigene Stoffe sind. An dieser Stelle soll nur kurz erwähnt werden, daß Gewebesäfte inner- - halb der Familie oft Teilungen auslösen, während Säfte aus anderen Familien meist gar nicht wirksam oder schädlich sind. Jedenfalls herrscht kein Parallelismus zwischen Wirksamkeit der Gewebesäfte und systematischer Verwandtschaft. II. Um den Einfluß der Wundhormone auf die Zellteilungen nach mechanischen Verletzungen eingehender studieren zu können, mußte es erwünscht sein, einzelne Zellen und Zellgruppen in ihrem Verhalten nach mechanischen Eingriffen genauer beobachten zu können. Zu solchen Untersuchungen erweisen sich ein- und mehrzellige Haare sowie Epidermiszellen, bei Pelargonium zonale auch die Schließzellen der Spaltöffnungen als vorzügliche Versuchsobjekte. Frei- lich sind geeignete Versuchspflanzen ziemlich selten. Die mechanischen Eingriffe bestanden im Entzweischneiden der Haare mit einer Schere, im Quetschen ihrer oberen Enden mit einer Pinzette, im Abreiben der Blattstiele und Infloreszenzachsen, mit den Fingern und schließlich im Abbürsten der Blattspreiten mit einer mäßig steifen Roßhaarbürste. Durch die letzteren Manipu- lationen, die sich in verschiedener Weise abstufen ließen, wurden die Haar- und Epidermiszellen häufig nur geschädigt, nicht aber getötet. . Die Operationen wurden stets an Topfpflanzen vorgenommen, die im Gewächshaus oder hinter einem Laboratoriumfenster standen. Versuche über das Verhalten von Haaren nach Verletzungen sind meines Wissens bisher nur von BurkHuArvr' angestellt worden. Er schnitt die Haare verschiedener Pflanzen mit der Schere oder dem Rasiermesser entzwei und beobachtete zwar Kutinisierung der oberen Querwände der Fußzellen, niemals aber Zellteilungen in den Haar- stümpfen. Zwischen den Insertionen der dekussiert stehenden Laubblätter von Coleus Rehneltianus BErser und (. hybridus treten an den Zweigen in unregelmäßigen Querreihen mehrzellige, dünnwandige, spitz zu- laufende Haare auf. Amputiert man das obere Drittel eines Haares, so geht in der Regel nicht nur die angeschnittene, sondern auch die ! W. Burkuarpr, Die Lebensdauer der Pflanzenhaare, Leipziger Dissertation, Borna-Leipzig 1912. ac 7 A a 4 u A ei) , x Haserranor: Zur Physiologie der Zellteilung 227 ihr angrenzende unverletzt gebliebene Zelle zugrunde. Nur im letzteren Falle teilt sich die nächste lebende Zelle, ohne vorher Längen- oder | Dickenwachstum zu zeigen, in ihrem apikalen Ende durch ı—4 zarte Querwände, die häufig etwas schräg gestellt sind (Fig. ı). Jede Tochter- ; zelle weist einen kräftigen Plasmakörper mit großem Zellkern auf, von dem aus meist Plasmastränge gegen die Wände zu strahlen. Daß die Teilungen im apikalen Teile der Haarzelle vor sich gehen, kann der Ausdruck ihrer Polarität sein; es kann dies aber auch darauf be- ruhen, daß der ursprünglich in der Mitte oder im basalen Teil der Zelle gelegene Kern vor der Teilung traumatrop gegen die Wunde zu wan- dert. Wahrscheinlich wirken beide Ursachen gleichsinnig. Daß der Wundreiz in einer Beeinflussung der sich teilenden Zelle seitens der Abbauprodukte der darüber befindlichen toten Zelle be- steht, geht mit großer Wahr- scheinlichkeit aus der bereits erwähnten Tatsache hervor, A entzweigeschnittenes Haar von Coleus Rehneltianus; daß zur Auslösung der Zell- “ B und C desgleichen von Coleus hybridus. Die unter teiluneen das Absterben der den abgestorbenen Zellen liegenden Zellen a—b jedes ö j ® Haares haben sich 1—4 mal geteilt. an die entzweigeschnittene Fig. 1. Zelle grenzenden intakten Zelle erforderlich ist. Nur diese trocknet so langsam aus, daß (ver- ‚mutlich durch Autolyse) Wundhormone gebildet werden. Auf den Blattstielen der Gesneracee Saintpaulia ionantha WExnı., die in unseren Warmhäusern häufig kultiviert wird, treten reichlich 0.3—0.9 mm lange, 3—6zellige Haare auf, die meist spitz zulaufen und nur selten mit einem kleinen Drüsenköpfehen enden. Die einzelnen Haarzellen sind an ihren beiderseitigen Enden etwas erweitert und ziemlich diekwandig. Der Kern des kräftigen Protoplasten liegt an- nähernd in der Zellmitte der Wand an. I 228 Durch Abreiben geschä- digte Blattstielhaare von Saintpauliaionantha. A die drei oberen Zellen abgestorben, die zwei un- teren haben sich mehrmals geteilt. B nur die dritte Zelle von oben ist abge- storben, die unten an sie angrenzende hat sich ein- mal geteilt. sind Gesamtsitzung vom 10. Februar 1921. — Mitteilung vom 6. Januar Das Versuchsverfahren bestand hauptsächlich im Abreiben der Blattstiele mit den Fingern. Die mechanische Schädigung machte sich meist durch eine Querfältelung der Membran am oberen oder häufiger am unteren Zellende bemerklich, die So kam es also an diesen Stellen zu einer streng lokalen Verletzung ‘des plas- matischen Wandbelags. Oft starben die betreffen- den Zellen ab; dann teilten sieh die darunter- liegenden intakten Zellen häufig durch 1—5 zarte Querwände (Fig. 2). Trat nur eine Wand auf, so befand sie sich wieder im apikalen Zellende. Zuweilen wurden auch schräggestellte Längswände gebildet. Stets handelt es sich, wie bei Coleus, um typische Zell- und Kernteilungen ohne voraus- gegangenes Wachstum der betreffenden Zellen. Wenn beim Abreiben nur ein leichter Druck ausgeübt wird, dann kommt es häufig vor, - daß nur die unterste Zelle des Haarkörpers an ihrer Basis beschädigt wird, ohne danach abzusterben. Die verletzte Zelle teilt sich, und zwar tritt die Querwand jetztim unteren Teil der Zelle auf, also der geschädigten Stelle genähert. Der Zellkern war vor der Teilung in die ver- letzte Basalpartie gewandert. Es liegt hier dem- nach zum erstenmal der Fall vor, daß eine aus- gewachsene vegetative Pflanzenzelle, die nur von intakten Zellen umgeben ist, dureh eine streng lokale mechanische Verletzung experimentell zur Teilung angeregt wird. Zahlreiche Versuche habe ich mit Pelargonium zonale ausgeführt, wobei eine Sorte mit scharlach- roten Blüten und kräftigen, dunkelgrünen Laub- blättern benutzt wurde. An den Stengeln, Blütenstandsachsen, Blatt- . stielen und Blattspreiten kommen zahlreiche ı bis nicht zurückging. - 6zellige, 0..15— 1.2 mm lange Haare vor, die ziem- lich dieke Außen- und Querwände besitzen. Die unterste Querwand tritt meist in einiger Entfernung vom Fußstück des Haares auf. Der ziemlich große, spindelförmige Zellkern liegt meist in der Zellmitte der Wand an. Um die Veränderungen, die sich Hasertanor: Zur Physiologie der Zellteilung 229 in den Haarzellen nach der Operation vollziehen, gut studieren zu können, ist Fixierung und Färbung der Schnitte erforderlich. Gute Resultate gab Färbung mit Parakarmin. Wenn man eine ausgewachsene Infloreszenzachse mit noch nicht geöffneten Blüten einigemale mit den Fingern, ohne stark zu drücken, abreibt und dann die Pflanze in relativ trockener Luft kultiviert, so bleiben die Basalzellen der Haare, die fast allein, und zwar an ihrer Basis, verbogen werden, am Leben. Sie teilen Sich dann häufig durch eine senkrechte oder schräge, bisweilen S-förmige sehr zarte Querwand, die meist in der unteren Zellpartie auf- tritt. Nicht selten kommt es nur zur Kernteilung, die Querwand bleibt ‚aus. Auch unvollständige, ring- förmige Querwände werden bis- weilen gebildet. Die Kernteilungen erfolgen mitotisch, die Wandbildung . erfolgt mittels eines Phragmoplasten (Fig. 3). Wenn nach etwas stärke- rem Druck der Finger eine oder mehrere Zellen über der Basalzelle absterben, dann teilt sich diese oft durch mehrere Wände. Häufig kommt noch eine zweite Art von Teilungen vor, die lebhaft an jene eigentümlichen, modifizier- Teilungen zweier durch Abreiben beschädigter ven Zellteilungen erinnert, die ich einzelliger Haare einer Infloreszenzachse von An Haarzellen von Coleus Rehneltia- Pelargonium. zonale. A Kernspindel mit Kern- nus nach Plasmolyse in 1Oprozen- platte. B Phragmoplast mit Zellplatte. Fär- bung‘ mit Parakarmin. tiger Traubenzuckerlösung beob- achtet habe!. Der Kern teilt sich, oder er bleibt ungeteilt. Im basalen Teil der Zelle tritt eine quer- gestellte Plasmaplatte auf, in der sich wandständig häufig der runde Kern befindet. Häufig kommt es in ihr zur Bildung einer äußerst zarten, unvollständigen Zellulosewand. Bei Pelargonium ist das kleinere »Fach« basal, bei Coleus apikal gelagert. In beiden Fällen spricht sich die Polarität der Haarzellen aus. Fig. 3. Werden jüngere, noch unausgewachsene Infloreszenzachsen mit den Fingern gerieben, so sterben die Haare häufiger ab. Um ihr rasches Austrocknen zu verhüten, wurden die Versuchspflanzen ' G. Hasertanor, Zur Physiologie der Zellteilung, dritte Mitteilung, Über Zell- teilungen nach Plasmolyse, Sitzungsberichte der Pı euß. Akad. d. Wissensch. 1919, S. 329. .S% RE 230 Gesamtsitzung vom 10. Februar 1921. — Mitteilung vom 6. Januar einige Tage lang mit einer Glasglocke bedeckt. In den abster- benden Haaren traten nunmehr häufig sehr auffallende Durch- wachsungen auf (Fig. 4). Eine oder mehrere epidermale Nebenzellen des Haares wuchsen in das Lumen des Haares hinein und bildeten kurze oder auch längere, mehrzellige Schläuche, »sekundäre Haare«, deren Endzellen häufig mehrkernig waren. Diese Durchwachsungen finden ihr Analogon in den von Ksvy' und Küster beschriebenen »Ersatzhaaren« in abgestorlfenen oder zurückgeschnittenen Rhizoiden von Marchantia und Iamularia, die allerdings einzellig bleiben. An ausgewachsenen wie unausge- wachsenen abgeriebenen Infloreszenzachsen . läßt sich nicht selten beobachten, daß in den Basalzellen der Haare ein Teil des Pro- toplasmas mit dem Kerne am Leben bleibt und sich abkapselt. Das wäre nun weiter nichts Besonderes; neu ist aber, daß diese ’ abgekapselten, basal gelegenen Plasma- portionen durch typische Kern- und Zell- teilung mehrzellig werden können. Auf die verschiedenen Teilungsvor- gänge, die sich an den Epidermiszellen f der abgeriebenen Infloreszenzachsen beob- ee N I achten lassen, will ich hier nicht näher gonium zonale. eingehen. Es soll nun darauf hingewiesen werden, daß sich solehe Teilungen auch in vereinzelten Epidermiszellen zeigen, die ringsum von intakten Zellen umgeben sind. Auch die Schließzellen der Spaltöffnungen können sich zuweilen teilen. Häufiger aber sterben sie ab oder bleiben ungeteilt. In den benachbarten Epidermiszellen kommt es auch im letzteren Falle zu Teeilungen, wobei die Zellwände meist parallel zum Umriß des Spaltöffnungsapparates verlaufen. Sehr merkwürdige Erscheinungen lassen sich beobachten, wenn die Spreiten junger Blätter auf ihrer Oberseite mit mäßigem Druck ge- bürstet werden. In den basalen Teilen der jüngeren, meist einzelligen Haare kommt es oft zu Einkapselungen des Protoplasmas mit oder ohne Zellteilungen. Die an diese Haare angrenzenden Epidermiszellen wachsen fast immer zu kurzen, unregelmäßig gestalteten Keu- lenhaaren aus, die ein- oder mehrzellig sein können (Fig. 5). Auch an anderen Stellen der Blattoberfläche werden einzelne Epidermiszellen oder ' L.Knv, Über eigentümliche Durehwachsungen an den Wurzelhaaren zweier Marchantiaceen, Sitzungsberichte d. Bot. Vereins der Provinz Brandenburg, 1880. Hasernanpr: Zur Physiologie der Zellteilung 231 ganze Gruppen solcher zu derlei Haaren umgebildet, die lebhaft an Kallus- oder auch an Erineumhaare erinnern. So kommt es stellenweise zu diehten Ra- sen. die aus 20—40 Haaren bestehen können. ; Alle diese mannigfachen Waclıs- tums- und Zellteilungsvorgänge, die sich an den Haaren und Epidermis- zellen von. Pelargonium zonale nach mechanischer Beschädigung beobach- ten lassen. werden nur verständlich. wenn man annimmt. daß in den. ab- sterbenden. aber auch in den zwar verletzten. doch am Leben bleibenden Haarförmige Sprossungen au der Basis Zellen Wundreizstoffe entstehen, die eines Haares auf der gebürsteten Blatt- BIN, ». oberseite von Pelargonium zonale. (die Teilungen auslösen. IV. Die wichtigsten Ergebnisse der vorliegenden Arbeit lassen sich in zwei Punkte zusammenfassen: ı. Es ist der experimentelle Nachweis erbracht worden, daß die teilungsauslösende Wirkung des Wundreizes auf Abbauprodukte der mechanisch verletzten oder getöteten Zellen zurückzuführen ist, die als Wundhormone fungieren. . 2. Zellteilungen treten nieht nur dann ein, wenn Wundhormone aus verletzten oder getöteten Zellen in benachbarte unverletzte über- treten, sondern häufig auch in den verletzten Zellen selbst, wenn diese am Leben bleibend ringsum an intakte Zellen grenzen. Über die ehemisehe Natur der Wundhormone vermag ich ebenso- wenig auszusagen wie über die Natur der vom Leptom gebildeten Zell- teilungshormone. Vielleicht handelt es sich in beiden Fällen um » biogene Amines. Daß sie in den getöteten oder verletzten Zellen durch auto- Ivtische Prozesse entstehen. ist sehr wahrscheinlich. Auch über die Art des Zusammenwirkens der Wundhormone mit den aus dem Leptom stammenden Teilungshormonen könnten gegenwärtig nur Vermutungen oeäußert werden. Der Nachweis von Wundhormonen ist geeignet. auch auf die Teilungen alternder Pflanzenzellen (so beispielsweise die nach- trägliche Fächerung von Bast- und Libriformfasern), auf die Gallen- bildung und auf die Entstehung der Thyllen einiges Lieht zu werfen. Sitzungsheriehte 1921. 19 232 Gesamtsitzung vom 10. Februar 1921. — Mitteilung vom 6. Januar Doch soll darauf an anderer Stelle näher eingegangen werden. Hier möchte ich zum Schlusse nur noch kurz die Beziehungen der Wundhormone zur künstlichen und natürlichen Partheno- genesis und zur Befruchtung besprechen. Ausführlicher soll dieser Gegenstand auch erst bei späterer (relegenheit erörtert werden. Von den beiden Teilprozessen, die das Wesen der Befruchtung ausmachen, der Entwieklungserregung und der Übertragung der erblichen Eigenschaften durch Amphimixis kommt für uns nur die erstere in Betracht. Ich gehe bei meinen Erwägungen von der in dieser Mitteilung festgestellten Tatsache aus, daß eine somatische Dauergewebszelle, die ihre spontane Teilungsfähigkeit eingebüßt hat, durch eine mechanische Schädigung, die die Bildung von Wundhormonen nach sich zieht, zur Teilung angeregt werden kann. Ich nehme ferner an, daß traumatische Teilungshormone auch im Tierreich eine Rolle spielen. Wenn nun eine normale, befruchtungsbedürftige Eizelle, die gleich der somatischen Dauergewebszelle die Fähigkeit eingebüßt hat, sich spontan zu teilen, durch eine mechanische Beschädigung (Anstechen, Bürsten, Schütteln) zur Teilung veranlaßt wird. so erscheint die Schlußfolgerung berechtigt, daß diese künstliche Parthenogenesis gleichfalls auf Bildung und Wirkung von teilungsauslösenden Wundhormonen be- ruht. Ob auch hypertonische Lösungen, Gifte und andere chemische Reize sowie Temperaturerhöhung durch Vermittlung soleher Hormone die parthenogenetische Entwicklung auslösen, kann hier nicht erwogen werden. Es fragt sich nun, wie die Entwicklungserregung bei der natür- lichen, habituellen und fakultativen Parthenogenesis er- folgt? Diese Frage ist, wie H. Wınkter' überzeugend dargelegt hat, in gleicher Weise für die haploid- wie für die diploidehromosomigen Eizellen aufzuwerfen. Wenn auch bei der natürlichen Parthenogenesis, wie ich annehmen muß, Wundhormone eine Rolle spielen, so können dieselben nicht wie bei der künstlichen Parthenogenesis in der Ei- zelle selbst gebildet, sondern müssen ihr aus ihrer Umgebung zu- geführt werden. Bei den Angiospermen könnten diese Stoffe aus den absterbenden Synergiden, vielleicht auch aus dem Zytoplasma des Enı- bryosacks oder den Antipoden stammen. Der Unterschied zwischen den natürlich parthenogenetischen und den gewöhnlichen befruchtungs- bedürftigen Eizellen würde dann (abgesehen vom Chromosomensatz) (larin bestehen, daß die ersteren für die ihnen zugeführten Wund- ' Hans Wınkter, Parthenogenesis und Apogamie im Pflanzenreich, Progressus rei botanicae, II. Bd. 3. Heft, 1908. Haserranor: Zur Physiologie der Zellteilung 288 hormone' empfindlich sind, die letzteren aber nicht oder meist in zu geringem Maße. Auch für die Entstehung der Nuzellar- oder Adventivembry- onen ließen sich schon auf Grund des Studiums der einschlägigen Literatur verschiedene Tatsachen namhaft machen, die darauf hinweisen, daß Wundhormone dabei eine wesentliche Rolle spielen. Warum aber die durch sie ausgelösten Nuzellarwucherungen gerade zu Embryonen werden, bedarf noch einer besonderen Erklärung. Es handelt sich dabei wohl um eine besondere stoffliche Beeinflussung, die nur im Embryosack realisiert ist. Was nun schließlich den normalen Bere betrifft, so liegt es nach all dem vorher Ausgeführten nahe, auch hier die Wirkung von Wundhormonen anzunehmen: die befruchtete Ei- zelle teilt sieh deshalb, weil sie beim Eindringen des Sper- matozoons bzw. desSpermakerns mechanisch verletzt worden ist und teilungsauslösende Wundhormone gebildet hat’. Ge- wiß wird die Menge der erzeugten Hormone entspr echend der gering- fügigen Verletzung eine sehr kleine sein, allein, es ist ja bekannt, daß manche Hormone selıon in minimalster Menge wirksam sind. Vielleicht handelt es sich auch um spezifische Reizstoffe, die nur bei Verletzung der Eizelle (ev. auch aus Plasmateilen des Spermatozoons) nicht aber beim Absterben anderer Zellen. z. B. der Synergiden, entstehen. Eine Konsequenz dieser Auffassung ist die Annahme, daß die Ei- zelle auch dann zur Teilung angeregt werden muß, wenn ein art- fremdes Spermatozoon in sie eingedrungen ist. Damit ist aber noch nicht gesagt, daß diese ersten Teilungen zur Entwicklung eines lebens- fähigen Embryos führen müssen. Auch ist es möglich, daß die Abbau- produkte von artfremden Plasmateilen, die mit dem Spermakern in die Eizelle eingedrungen sind, als Hemmungsstoffe fungieren, die die Teilungen verhindern. Die Tatsache, daß von der Befruchtung bis zur Teilung der Eizelle nicht selten ein längerer Zeitraum verstreicht, kann nicht als Argument gegen die teilungsauslösende Wirkung von Wundhormonen geltend ge- macht werden, und zwar schon deshalb nicht, weil ja die Präsentations- zeit des elemischen Reizes sehr verschieden lang sein kann. ' Diese im weitesten bzw. übertragenen Sinne verstanden. 2 Schon Baraızros, der die Anstichmethode erfunden, hat die durch die Nadel oder durch das Eindringen eines fremden Spermatozoons bewirkte Parthenogenesis ınit der wahren Befruchtung (»fecondation vraie«) auf gleiche Stufe gestell. Wie das Anstechen, sei es durch die Nadel, sei es durch das Spermatozoon, wirkt, konnte er allerdings noch nicht befriedigend erklären, (Le probleme de la feeondation etc. : Arch. de zo0l. exper. Scr. V, T. 6. ro1o.) a RR N 234 Gesamtsitzung vom 10. Februar 1921. — Mitteilung vom 6. Januar. das bei der Befruchtung entsteliende Wundhormon nur er erste Teilung der Eizelle auslöst oder auch noch die nächsten Teilungen, bleibt natürlich dahingestellt. Doch würde es genügen, wenn nur die erste Teilung vom Wundlormon abhinge. Ist diese erfolgt, dann ist die weitere Entwicklung wahrscheinlich in Gang gesetzt; die sich weiter teilenden embryonalen Zellen sind nun selbst imstande, ein Teilungshormon zu bilden. Daß (ie Entwicklungserregung der Eizelle durch eine chemische Substanz bewirkt wird, die bei der Befruchtung durch das Sperma- tozoon, das sie enthält, in die Eizelle gelangt, ist bekanntlich sehon von Bovert, Zıuster. LoEs u. a. vermutet worden. H. Wıxkter hat diese An- nahme experimentell zu bestätigen versucht. indem er Arbacia- und Sphaerechinus-Eier in Spermatozoenextrakt brachte und dann ziemlich . häufig Teilungserscheinungen an ihnen beobachtete. Ich deute dieses Ergebnis, vorausgesetzt. «daß es richtig ist, natürlich so, daß nicht ein sehon. in den unversehrten Spermatozoen enthaltenes Teilungshormon wirksam wurde, sondern daß die Abbauprodukte der getöteten Sper- matozoen als teilnngsauslösende Wundhormone wirkten. Hätte Wınkter Eiextrakt verwendet, so hätte er w ahrseheinlich dasselbe positive Re- “ sultat erzielt. Auf die von Loss, DerageE, Liruıe, Baramıox u. a. auf Grund zahlreicher Versuche veröffentlichten Erörterungen dieses Problems habe ich hier nicht einzugehen. Sie sind durchaus hypothetischer Natur und widersprechen einander in vielen Punkten. Die vorstehenden, zunächst gleichfalls rein hypothetischen Aus- führungen über die Ursachen der Entwieklungserregung der Eizellen dureh (lie Befruchtung sowie der künstlichen und natürlichen Partheno- genesis setzen, wie schon bemerkt, voraus, daß auch im Tierreiche Wundhormone als Erreger von Zellteilungen eine wichtige Rolle spielen. Auch verschiedene Erfahrungen der chirurgischen Praxis dürften unter dieser Aunahme ihre theoretische Erklärung finden. Ausführlicher, als dies in der vorliegenden Mitteilung möglich war. werde ich über meine Untersuchungen und die daraus sich ergebenden Folgerungen demnächst im ersten Hefte des Il. Bandes der von mir herausgegebenen »Beiträge zur Allgemeinen Botanik « berichten. Ausgegeben am 17. Februar. Berlin. werlwuekt in der Reiechsedruekerer. h SITZUNGSBERICHTE 1 DER PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN i Sitzung der philosophiseh-historischen Klasse am 17. Februar. (S. 235) Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse am 17. Februar. (S. 236) Dirws: Lukrezstudien. IV. (S. 237) ar 7 Ce P3 | \ UCT>9] I & ANıNETSe N BERLIN 1921 VERLAG DER AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN IN. KOMMISSION BEI DER VEREINIGUNG WISSENSCHAFTLICHER VERLEGER WALTER DE GRUYTER U. CO. VORMALS G. J. GÖSCHEN’SCHE VERLAGSHANDLUNG.. J. GUTTENTAG, VERLAGSBUCHHANDLUNG. GEORG REIMER. KARL J. TRÜBNER. VEIT U. COMP. "JR „gibt gemäß SAL, 1 der Statuten. iehungen heraus: »Sitzungsberfehte ‚der en € der RNBIERBER Akademieder BER Aus 8.2. ÄE Ba zur Aufnahme in die Si unehernahte ‘oder die "kbbandlungen bestimmte Mitteilung muß in einer aka- demischen Sitzung. vorgelegt werden, wobei in der Regel ‚druckfertige Manuskript zugleich einzuliefern ist. „Nicht- e aa ordentlichen. Mitgliedes, zu benützen. 8:3. Dir Umfang - einer dufzunehmenden Mitteilung soll der Regel in den Sitzungsberichten bei Mitgliederh 32, "bei Nichtmitgliedern 16 Seiten in der gewöhnlichen Schrift der Sitzungsberichte, in den Abhandlungen 12 Druekbogen „von je 8 Seiten in der gewöhnlichen Schrift der Abhand- ‚lungen "nicht, übersteigen: Überschreitung dieser Grenzen ist nur mit Zustimmung der Gesamtakademie oder der betreffenden Klasse statt- haft und ist bei Vorlage (der Mitteilung. ausdrücklich zu ‚beantragen. Läßt der Umfang eines Manuskripts ver- „muten, daß diese Zustimmung erforderlich sein werde, "&o hat das vorlegende Mitglied es vor dem Einreiehen - Yon sachkundiger Seite auf seinen mutmaßlichen Umfang On Druck-abschätzen zu lassen. Sollen einer Mitteilung Abbildungen im Text oder auf besonderen Tafeln beigegeben werden, so sind die Vorlagen. dafür (Zeichnungen, photographische Original- “aufnahmen usw.) gleichzeitig mit dem’ Manuskript, jedoch "auf-getrennten Blättern, einzureichen. 0 2300 Die’ Kosten der Herstellung‘ der ‘Vorlagen haben in : "der: Regel die Verfasser zu tragen. 'Sind diese Kosten ‚aber. auf ‚einen. erheblichen Betrag zu veranschlagen, so kann die Akademie dazu eine Bewilligung beschließen. Ein mitglieder haben hierzu’ die Vermittelung eines ihrem’ jischen Akademie der Wissensehaften« und »Abland- SR ‚darauf gerichteter Antrag ist,vor der Herstellung der be- gi weftenden ‘Vorlagen mit dem'schriftlichen Köstenanschlage ; ‚Cines Sachverständigen an den vorsitzenden Sekretar zu riehten, ‚dann zunächst im Sekretariat vorzuberaten und weiter in «der Gesamtakademie zu verhandeln. Die Kosten der Vervielfältigung übernimmt die Aka- demie.. Über. die voraussichtliehe Höhe dieser Kosten ist — wenn es sich nicht um wenige einfache Textfiguren ' „handelt — ‚der Kostenanschlag. eines Sachverständigen beizufügen, Übersehreitet dieser ‘Anschlag für die er- torderliche Auflage bei den Sitzungsberichten 150 Mark, bei den ‚Abhandlungen 300 Mark, so ist Vorberatung durch. das Sekretariat geboten. Aus-$ 5. Nach der:Vorlegung und Einreiehung des vollständigen druckfertigen Manuskripts an den zuständigen Sekretar oder an den "Archivar wird über Aufnahme der Mitteilung. in die akademischen Sehriften, und zwar, wenn eines der anwesenden Mit- glieder es verlangt, verdeckt abgestimmt. Mitteilungen von Verfassern, welche nicht Mitglieder der Akademie sind, sollen der Regel nach ‚nur in die Sitzungsberichte aufgenommen werden. Beschließt eine Klasse die Aufnahme der Mitteilung eines Nichtmitgliedes in die Abhandlungen, so bedarf dieser‘ Beschluß der ‚Bestätigung durch die Gesamtakademie. (Fortsetzung, auf 'S- 3 des Umschlags.) SIENER Fremder. x Ale Anweisungen‘ von. em 'y Mitgliede vor Einreichung Dasselbe hat. sich zu verg, Die erste Korrektur ihrer Atitelängen Be Verfasser. Premde haben diese erste Korrektur an vorlegende Mitglied einzusenden, Die Korrektur soll Möglichkeit nicht über die Berichtigung von Dru und leiehten Schreibversehen hinausgehen. Um Korrekturen Fremder bedürfen der Genehmigung gierenden Sekretärs vor der Einsendung an.die und die Verfasser sind zur Tragung der Euschendepe kosten verpflichtet. ‚ Aus 88. aufgenommenen wissenschaftlichen Mitteilungen Adressen oder Berichten ‘werden für die Verfasser, ' wissenschaftlichen Mitteilingen, wenn deren are erhält ein Verfasser, welcher Mitglied der Akaden zu "unentgeltlicher Verteilung ‚ohne. weiteres, 50, exemplare; -en ist. indes berechtigt, zu gleichem Zwecke auf Kosten der Akademie weitere Exemplare bis zur, von noch 100 und auf seine Kosten noch. weit sofern er dies rechtzeitig dem redigierenden Seren e gezeigt hat; wünscht 'er. auf seine Kosten noch mehr Abdrucke zur Verteilung zu erhalten, so bedarf es daz der Genehmigung der Gesamtakademie oder der betreflen den Klasse, — Nichtmitglieder erhalten. 50 Freiexemplare und‘ dürfen nach ‘rechtzeitiger Anzeige bei dem“ redi gierenden Sekretar weitere 200 Exemplare anf ihre Kös abziehen lassen. Von den Sonderabdrucken aus den Kuhkddrüapen 2 hält einVerfasser, welcher ‘Mitglied ‘der Akademie ist, . zu unentgeltlicher Verteilung ohne weiteres 30 Frei- exemplare; cr. ist indes. ‚berechtigt, zu gleichem Zwecke auf Kosten der Akademie weitere Exemplare bis zur Zahl von noch 100 und auf seine ‚Kosten ‘noch weitere bis zur Zahl von 100 (im ganzen also 230) abziehen zu lassen, sofern. er dies rechtzeitig dem. redigierenden Sekretar an- gezeigt hat; wiinscht er auf seine Kosten noch mehr Abdrucke“zur Verteilung zu erhalten, s6 bedarf es dazu der Genehmigung der Gesamtakademie oder der betreffen- den Klasse. — Nichtmitglieder erhalten 30 Freiexemplare und dürfen naeh rechtzeitiger Anzeige bei dem redi- gierenden Sekretar weitere 100 EEBBIRRTE auf ihre Kosten abziehen lassen. Ss 17 DV Eine für die akademisehen Schriften ve: sStiminte wissenschaftliche Mitteilung darf in keinem . Falle. vor ihrer Ausgabe an jener Stelle anderweitig,.sei es auch nur auszugs-.- SITZUNGSBERICHTE DER PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. 1921 IX. Sitzung der philosophisch-historischen Klasse. 17. Eebruar. : | ÜJb 1 Vorsitzender Sekretar:. Hr. Rorrne. ° \ 0, 7 Ya vo l. Hr. Dies trug Lukrezstudien IV vor. SIIONIAN BEI Die Episode über die Entwicklung der Kriegstechnik V 1297— 1349 verdankt Lukrez der Lektüre von Poseidonios’ Taktik. Einige Fehler der Überlieferung werden verbessert.’ 2. Hr. Dırrs legte eine Mitteilung des Hrn. Prof. Dr. Bruno Mrıssser in Breslau vor: Ein neubabylonisches Zuekungsbuch. (Ersch. später.) In deh Abhandl. d. Akad. 1908 (Berlin 1909), S. 118 hatte Diers die Vermutung ausgesprochen, daß „bei den Vertretern der uralten Kulturen Babyloniens und Ägyptens Spuren des Zuckungszaubers sich finden« könnten. Diese Vermitung ist, soweit sie Balylonien angeht, aufs glänzendste bestätigt worden. Zuerst wies Boıssıer, Revue ‘ d’Assyriologie VIII, 35 auf eine von Lrxormanwr, Choix de textes (Nr. 92), S. 238 publizierte, leider nur fragmentarisch erhaltene Inschrift hin, in der von konvulsivischen Zuckungen des Körpers die Rede ist. Sodann hat Lurz, American journal of Semitie languages XXXV, S. 145 ff. einen ziemlich gut erhaltenen, 86 Zeilen langen Text aus neubabylonischer Zeit veröffentlicht, den er als »referring to the action of a dreamer« ansah. Diese Bestimmung ist aber falsch, vielmehr repräsentiert er ein richtiges Zuekungsbuch, in dem aus den unwillkürlichen Bewegungen von Körperteilen die ° Zukunft zu erschließen versucht wird. 3. Hr. Eruman legte einen Aufsatz des Hrn. Prof. Dr. Groxe MÖLLER in Berlin »über einen ägyptischen Schuldschein« vor. (Ersch. später.) Auf der Rückseite eines Papyrus des Berliner Museums, der Hymnen an Götter enthält, findet sich das Konzept zu einem Schuldschein, das etwa 850 v. Chr. ge- schrieben ist, weit früher als alle bisher bekannten ähnlichen Urkunden Ägyptens. Ein Priester des Amon, der auch einem Schatzhaus des Königs vorsteht, verleiht 5 Deben (= 455 g) Silber auf ein Jahr zu nicht weniger als 100 Prozent. Das Silber wird als solehes vom Schatzhaus des Gottes Harsaphes bezeichnet, was, ebenso wie ähnliche jüngere Angaben, einen bestimmten Feingehalt desselben bezeichnen dürfte. 4. Hr. Lüners übergab "Tocharische Sprachreste’, ırsg. von E. Sıes und W. Sıesuise, Bd. I Die Texte, A. Transceription und B. Tafeln. (Königlich Preußische Turfanexpedition.) (Berlin und Leipzig 1921.) Sitzungsberichte 1921. 20 möglich war. In manchen Fällen Kae Ste hg einzige Handhabe. Die Abhandlung erscheint später. Diers: Lukrezstudien. IV 23T Lukrezstudien. IV. Von H. Diss. In die nach Demokrits Schema entworfene Kulturgeschichte der Mensch- heit, die Lukrez Epikur entnommen und an das Ende seiner Kosmo- logie (Buch V) gesetzt hat, fügt er eine Episode ein, welche die Ent- wiekelung der Kriegstechnik ausführlich darlegt“. Der Krieger war zuerst zu Pferde, ehe Doppelgespanne, dann Viergespanne als Streit- wagen benutzt wurden. Später verfiel man auf die Erfindung des Sichelwagens. Endlich kam in hellenistischer Zeit ein neues Kampf- mittel auf, die Kriegselephanten. In ähnlicher Weise wurden auch Stiere, Eber und Löwen in den Kampf geschickt. Aber alle diese Neuerungen haben sich nicht bewährt. In der Hitze des Gefechtes wenden sich die wilden Bestien oft gegen die eigenen Leute und richten dort großes Unheil an. 1339 ut nunc saepe boues lucae ferro male mactae diffugiunt, fera fata suis cum multa dedere. Die übliche Erklärung dieser Verse gibt am besten Max SeypEus Übersetzung wieder: Wie denn noch jetzt vom Hiebe des Schwerts unglücklich getroffen, Kriegselephanten entfliehn, nicht ohne zuvor bei den Ihren Mächtigen Schaden zu stiften. 1), Siehe Lukrezstudien I (Sitz.-Ber. 1918, 912 ff.), II. III (ebenda 1920, 2ff.). Die erste Abhandlung über das Proömium des ersten Buches hat ein lebhaftes Echo er- weckt: Reırzensrein, Nachr. d. Gött. Ges. d. W. 1920, 83ff.; Bırr, Berl. philol. Woch. 1919, 716fl.; Jacosy, Herm. 56, ıfl. Der außerordentliche Scharfsinn, der in diesen Beiträgen hervortritt, steht nieht in dem Verhältnis zu dem positiven Ertrag. Nament- lich die Behandlung des berühmten V. 49 ist überall verfehlt. Ich muß betonen, daß vacuas zu auris und semotum a curis im prädicativen Verhältnis steht, wodurch das von Varten schon anderweitig als unpassend erwiesene sagacem der modernen Kritik auch als Störung der Construction erwiesen wird. sensus und animus sind die Grund- lagen der epikureischen Psychologie. Griechisch wird das ganz klar: nPöcexe T& ÄnHeEI AÖTW@ TÄC MEN ÄKOÄC CXOAAlAC, TÖN AE NOYN ÄMEPIMNoON. Den Gegensatz gibt Liv. 45, 19, 19 occupatas iam aures sollicitatumine iam animum. 2) Gıussanı hat in seiner Ausgabe hier bei 1297 zuerst einen neuen Absatz ein geführt. Sitzungsberichte 1921 au 238 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse vom 17. Februar 1921 Allein male mactae kann nicht in diesem Sinne verstanden werden. Nach der Darlegung, die R. Wüssen im Rhein. Mus. 69 (1913) 127 la, dem Worte macte gewidmet hat, besteht die Erklärung des Festus rt mactus: magis auctus etymologisch (zu magis, magnus) und sachlich zu AB Recht, und Arnobius paraphrasiert das Catonische Gebet mactus hoc uino inferio esto entsprechend: fantum esto mactus quantum uolo, lantum ımplificatus quantum iubeo ete. »Du sollst durch diesen Wein gestärkt werden« ist ein uralter Ausdruck der Opfersprache, der gewöhnlich dureh Attraktion an den dabei stehenden Vokativ des angerufenen Gottes in der Form macie erscheint, die dann als sacrale Formel erstarrte'. Von mactus wird mactare weitergebildet in dem Sinne mactum reddo. So sagt Ennius in den Annalen: oe Liuius inde redit magno mactatus triumpho. Mit bittrem Sarkasmus wendet sich dann aber auch die Bedeutung des Wortes in das Unheil. Derselbe sagt im Telephus: 33 qui illum di deaeque magno mactassint malo, was dann bei späteren Tragikern und Komikern Anklang findet. Wenn man nun aber gemeint hat durch eine solche Analogie das Lukrezische male mactae erklären zu können, so irrt man. Denn male mactae kann nie soviel wie malo mactatae in jenem spöttischen Sinne sein, und wenn auch male so verstanden werden könnte, so hat doch mactuws niemals den Sinn von mactatus. Auch der später übliche erweiterte Sinn von mactare (schlachten) kann nicht in male mactae liegen. Elephanten, die in übler Weise geschlachtet sind, können nicht in alle Winde davon laufen (diffugiunt). Endlich die Herleitung des mactus von einem Simplex macere (sie!), das man früher Conjeeturen von ÖTrkıep MÜüLrer in den Fragmenten des Livius Andronieus (22,1 Bähr.) und des Ennius (Ann. 534) entnahm, hat sich als falsch erwiesen. Das Verbum müßte, wenn es wirklich existierte, magere heißen, Aber die neueren Texte haben die Nichtigkeit jener Conjecturen erwiesen’. Es bleibt also dabei, daß die Übertragung des sacralen Ausdruckes mactus auf die Elephanten sinnlos ist. Für die Verbesserung des verderbten Wortes mactae ist zu be- n achten, daß im Vorhergehenden davon die Rede ist, was mit der Tendenz dieser Episode im Zusammenhange steht, die Zähmung aller jener wilden Tiere sei nie eine vollkommene. In der Hitze des Kampfes werde alle angelernte Dressur vergessen: ‚23: si quos ante domi domitos satis esse putabant, efferuescere cernebant in rebus agundis. 2 ' Bedenken dagegen erhebt freilich WackernaGeı, Vorl. über Syntax I, 309. ® Vgl. auch Leo, Saturnische Vers (Gött. Abh. ph. h. Kl. N. F. VIII 5) S. ar. Beh u ba Kur tv a Tut ae Seh 7 al Ba Due 1 nF ie “ u fi Drers: Lukrezsiudien. IV 239 Dasselbe erzählt Livius von den Elephanten Hannibals im J. 209. Sie wandten sich gegen die Ihrigen, weil der Schrecken sie mehr regierte “als das Kommando des aufsitzenden Lenkers. BockznüLLer hat daher eine Ahnung des richtigen gehabt, wenn er schrieb ferro male tactae, ‚worauf auch G. Ausert (Philol. 56, 252) verfallen ist. Ob sie frei- lich ferro, wie es nötig ist, auf den Treibstachel des Lenkers oder, wie die Vulgaterklärung will, auf das Schwert der Feinde beziehen, deuten sie nicht an. Daß letzeres auch sachlich Bedenken erregt, er- gibt sich aus der Schilderung des Bellum Afriecanum' von der Flucht der Elephanten des Seipio in der Schlacht bei Thapsus (6. Febr. 469 n. Chr.), die stridore fundarum, lapidum plumbique iacltatu perterritae sich zur Flueht wenden und die eigenen Mannschaften, die hinter ihnen stan- den, niedertrampelten. Also kann /erro wohl nur auf den Treibstachel des Lenkers gehen und der Zusammenhang ergibt die einfache Ver- besserung des Textes: x 1239 ut nunc saepe boues lucae ferro male inactae diffugiunt. Die Treiber hatten die Tiere ungeschickt in den feindlichen Haufen hineingetrieben. inagere ist bei Varro der. rust. das technische Wort für das Hineintreiben des Viehs an einen bestimmten Ort. So I2,20 von den Ziegen: hoc nomine etiam Athenis in arcem non inigi und öfter. Was nun folgt bei Lukrez, ist noch schwerer entstellt: 20 si fuit, ul facerent, sed wis adducor, ut ante 102 non quierint animo praesentire alque widere ı233 guam commune malum fieret foedumque futurum, et magis id possis faclum conlendere in omni, 3; in uarüs mundis waria ratione creatis quam certo atque uno terrarum quolibet orbi. sed facere id non tam wincendi spe uoluerunt quam dare quod gemerent hostes, ipsique perire qui numero diffidebant armisque uacabant. Die Gewaltsamkeit, mit der Lacnmass versucht hatte durelı Umstellung von 1343 und 1342, durch Tilgung von 1344 —1346 sowie durch Veränderung von sö 1341 in sic einen leidlichen Sinn in die Über- lieferung zu bringen, wurde von Muxro noch übertroffen, der auch die Verse 1341—1343 in dieselbe Verdammnis warf, die Lacnmann nur für die drei Verse 1344—1346 ausgesprochen hatte. Sie waren überzeugt, daß ein böswilliger Interpolator allerlei Einwendungen oder Zusätze in den echten Text eingeschmuggelt habe. Gegen die Walın- 10.83. 21* 240 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse vom 17. Februar 1921 vorstellung eines solchen Interpolators hat Vauten vor 40 Jahren in seinen Vindiciae Lueretianae‘ berechtigten Einspruch erhoben. Aber sein Conservativismus ist ebenso kühn wie der Radikalismus seiner Vorgänger. Er gibt 1341 — 1346 einem fingierten Gegner, der dann vom Dichter 1347—1349 widerlegt würde. Aber diese Rettung hat nirgends Beifall gefunden. Denn der Zusammenhang bleibt sinnlos. Was’ soll das heißen 1344 —1346: »dies (nämlich die Verwendung der Kriegselephanten) kann man sich leichter als möglich vorstellen im ganzen Weltraum, in den verschiedenen auf verschiedene Weise geschaffenen Einzelwelten, als auf irgend einem bestimmten Erdkreis«? Vanten hat sich gehütet, diese Schwierigkeit zu lösen. Er verweist nur mit Lacumann auf V. 526ff. desselben Buches. Und hier haben (diese ähnlichen Verse allerdings einen trefflichen Sinn. Er spricht hier von der Ursache der Gestirnbewegung, ob sie etwa, wie die Stoiker meinen, wegen der Nahrung sich in andere Gefilde des Himmels begeben. Sie nähren sich ja von den aufsteigenden Dünsten des Meeres, und es ließe sich denken, daß sie wie die Schafe, wenn eine Weide abgegrast ist, zu einer andern hinüberwandern. Aber eine bestimmte Ansicht gibt der Dichter und vor ihm Epikur nicht ab: Vs: nam quid in hoc mundo sit, eorum ponere cerlum difjiele est; sed quid possit fiatque per omne in uarüs mundis waria ratione creatis id doceo, plurisque sequor disponere causas. > Man sieht nun klärlich, daß auch die späteren Parallelverse 1 344— 1346 eine physikalische Erscheinung erörtern, die zwar auf unserm Erd- kreis oder auf irgend einem ähnlich bestimmten und bekannten Ge- stirn nicht nachweisbar ist, aber bei der ungeheuren Mannigfaltigkeit der Weltbildungen irgendwo in der Unendlichkeit der köcmoı vorkommen kann, da sie den allgemeinen Naturgesetzen nicht widerspricht. Worauf sich diese Paraphrase des Epikureischen enaexera bezieht, ist nicht mehr kenntlich. Aber die Verse tragen, wie Gıussası mit Recht hervor- hebt, durchaus den Stempel des Lukrezischen Stils. Es ist ein ab- gerissener Zettel, der für eine nicht mehr erhaltene weitere Ausführung zurecht gelegt war, aber bei der Ordnung des Nachlasses durch Zufall in diese ganz heterogene Versreihe hineingeraten ist. BrıEsER hat daher wohlgetan, diese Verse durch || || von den übrigen abzusondern, die freilich ebenfalls die Zeichen der nicht zu Ende geführten Re- daktion an sich tragen. Es bleiben nun also folgende Verse übrig: ' Wiederabgedruckt in den Opuscula acad. 1171. Diers: Lukrezstudien,. IV 241 11 5i fuit, ut facerent, sed wix adducor, ut ante non quierint animo praesentire atque uidere 123 uam commume maluım fieret foedumque futurum ; 1a sed facere id non lam uincendi spe uoluerunt quam dare quod gemerent hostes, ipsique perire qui numero diffidebant armisque wacabunt. Die von Lacnmann aufgenommene Correetur des Verses 1341 sic fit ut jacerent, die von Marullus stammt, ist unverständlich trotz der Paraphrase: sic illi utpote imperiti ingenü bestiarum temptarunt etiam lauros ete. Denn das Subjeet könnten naclı dem Vorhergehenden nur die lElephanten sein. Noch weniger ist VanzexsVerteidigung derÜberlieferung zu billigen, wenn er hier die kritische Bemerkung eines fingierten Gegners zu erblicken glaubt. Vielmehr bleibt nichts anderes übrig als eine Lücke anzunehmen, in der das Subject, das den folgenden Vers und ‚alles Weitere beherrscht, bezeichnet war. Wenn man das für den Zu- sammenhang Nötige in einen Vers zusammenzufassen versucht, könnte er etwa lauten: '3102 Sic miseri sero cognorunt damna ferarum, wobei der Anfang auch erklären würde, wie der Schreiber des Arche- typus von sic auf sö 1341 abirren konnte. (So erkannten die armen zu spät den Schaden des Tierkampfs,) Wenn sie ihn wirklich erkannten. Doch glaub’ ich, man konnt’ es schon vorher Sich wol denken im Geiste und wol als möglich voraussehn, Wie hieraus erwüchse gemeinsames, schreckliches Unheil. Hieran knüpft sich leicht der Schlußgedanke an, der für die törichte Ab- richtung der Kampftiere die ungünstige Lage der betreffenden Kriegs- partei als Entschuldigung einführte. Sie fühlte ihre Schwäche an Zahl und an Waffen, und so suchten sie diesem Mangel durch Einführung der wilden Bestien abzuhelfen. Aber dieser Gedanke ist in unseren Texten in einer unglaublichen Weise ungeschiekt gewendet. So, wie man 1349 ‚liest, soll der Dichter gesagt haben: diese Partei hätte zwar von vorn- herein gesehen, daß sie dem Untergang geweiht seien, aber sie hätte durch den Angriff mit den Bestien dem Feinde wenigstens noch möglichst viel Schaden zufügen wollen. Aber an welche Verzweiflungskämpfe solcher Art hätte der Diehter denken können? Die Situation, die Livius im Samniterkriege schildert, 9, 14, 15 perdere prius quam perire optantes (dies führt Munro an), ist vollständig verschieden. Und nun sollen diese verzweifelten Kämpfer auch noch der Waffen entbehrt haben. Denn das heißt doch armisque wacabant. Auch hier ist BockEmüLLer wieder der 242 _ Sitzung der philosophisch-historischen Klasse vom 17. Februar 1921 ni: einzige, der den Mut hat, der Überlieferung zu widersprechen, indem er erinnert, daß nach 1311 selbst die Bändiger der Tiere, nicht bloß die sonstigen Soldaten, Waffen trugen. Es handelt sich ja nieht um die Urzeit, wo man mit Steinen und Keulen stritt, sondern um die Tier- kämpfe der hellenistischen Epoche, wo doch selbst das schwächste Heer mit Waffen aller Art ausgerüstet sein mußte. Wenn er besonders die Punier mit den Kriegselephanten in Verbindung bringt (1303), so denkt er an den zweiten Punischen Krieg, wo das armis uacabant ebenso un- möglich erscheint wie das perire woluerunt, wenn es von dem karthagischen Heere ausgesagt wird. Aber BockEnürLLers Conjeetur armisque lababant ist ein kümmerlicher Notbehelf, da er die Ungereimtheit nicht beseitigt, die in ipsi perire liegt. Vielmehr wird zu schreiben sein: ipsique perire, qui numero diffidebant armisque, negabant. Sie wollten zwar nicht den Sieg erringen mit ihren Bestien, sondern nur den Feinden Schaden zufügen, und weigerten sich darum (que). weil sie auf ihre Zahl und Waffenausrüstung sich nicht verlassen konnten, selbst (kampflos) unterzugehen. So kommt erst der Gegensatz von ipsi zu numero armisque und von woluerunt zu negabant heraus. Zur Con- struetion perire negabant vgl. Ovid. Met. XIV 250 ire negabamus und Drarser Hist. Synt. 11336. Endlich ist der Wechsel des Tempus (wo- luerunt-negabant) ebenso aufzufassen wie in diesem ganzen Abschnitte. Die einzelnen Fortschritte wie das Resultat der Culturentwickelung werden sinngemäß im Perfectum gegeben, z. B. 1308 Zemptarunt etiam tauros usw., dagegen die Schilderung im Einzelnen wählt das Im- perfeet turbabant 1314 poterant 1316 usw. Dann gibt er 1347 ihren Entschluß wieder mit dem Perfeet 1317 sed facere id non tam uincendi spe nolwerunt, während die eigentliche Ursache ihres Handelns als etwas schon vor und nach dem Entschlusse fortilauerndes (perire ipsi‘ negabant) in dem erklärenden Imperfeetum angefügt wird. Der Exkurs über die Entwiekelung der Waffentechnik umfaßt mehr als 50 Verse und verletzt durch diese Ausführlichkeit die Symmetrie (ler Composition, was freilich bei dem Dichter keine Seltenheit ist. Aber man fragt sich doch, ob dieses offenbar später eingearbeitete Stück nieht einer Lesefrucht verdankt wird; die der Dichter nach Vollendung seiner aus Demokrit-Epikur geschöpften Kulturgeschichte anderswo gepflückt und hier, so gut es ging, eingefügt hat. Die boues lucae wie der Epitheton taetrae (1302) führt man mit Recht auf hr u Le 1 1 9 Arab Fir KR Be 2 a rt, Diers: Lukrezstudien. IV 243 Exsıvs Schilderungen des hannibalischen Krieges zurück. Aber dieser so oft vorbildlich gewesene Dichter kann hier nicht als Quelle der ganzen Episode in Anspruch genommen werden. Denn Lukrez folgt ja einer ganz bestimmten logischen Reihenfolge der Kriegswaffen, und er läßt den Elephanten Stiere, Eber und Löwen folgen, die bei Exsius gewiß nicht vorkamen. Auch liegt bei der mit der ganzen Schilderung verbundenen negativen Kritik dieser bestialischen Kriegführung eine ethische Tendenz zu Grunde, die dem Annalenwerk des Exsıus vollkommen fern liegt. Woher hat also der friedfertige Dichter seine militärische Kenntnis und Tendenz? Der Mıikpöc aıäkocmoc des Demokritos, der nach K. Reıx- HARDTS überzeugender Darlegung', zunächst Epikur und damit Lukrez den Grundtext zu seinem 5. Buche geliefert hat, kann bei diesem Ex- eurse über die Diadochentaktik nicht in Betracht kommen. Aber wie der belesene Dichter neben seiner Epikurischen Hauptquelle in dem vorletzten und letzten Buche auch die modernen Schriften des gelehrten Poseidonios nicht verschmäht hat’, so läßt sich hier gerade der Einfluß des Stoikers noch sicherer als sonst nachweisen. Der alles umfassende Universalgelehrte hat sich auch um die militärische Wissenschaft gekümmert. Freilich, sein Werk TTepi TaKTıKAc ist uns verloren. Aber Asklepiodotos hat uns in seiner Taktik einen leider spindeldürren Auszug erhalten. Wenn nun Lukrez folgende Stadien der Kriegführung unterscheidet ı) Reiterkampf, 2) Wagenkampf, a) mit Zweigespannen, b) mit Viergespannen, ce) mit Sichelwagen, 3) Elephanten, so entspricht diese rationelle, aber wenigstens was das erste Stadium® betrifft, unhistorische Ordnung genau dem Schema des Poseidonios- Asklepiodotos. Es heißt hier I 3 TÄc öxhmaTıkÄc AYNAmewc TPEIC EICI Ala- @OPAI" H MEN TÄP EcTin ITITTIKA, H A& Al’ ÄPMÄTWN ETTITEAEITAI, H TPITH A& Al’ Ene- »AnTwn. Die Viergespanne sind in dem Kompendium als veralteter Luxus weggeblieben. Wohl aber werden die Sichelwagen ce. 8 (II ı, 164 Köcnry) kurz erwähnt. Wichtiger ist, daß die polemische Tendenz des Lukrez, der die Verwendung der Tiere zum Kriege als schädlich dar- stellte, in dem Auszuge des Asklepiodot wenigstens noch in einem Satze nachklingt. Er fügt den oben ausgehobenen Worten hinzu: Ann’ ÄPMÄTWN TE TIEPI KAl ENEGÄNTUN WC OYK EYoY@N EIC MAXHN Ö AörOC Eic YCTEPON ÄnABEBAHceW. Die sehr kurze Erledigung dieser Kampfarten erfolgt ! Hermes 47. ® Für B. VI vgl. Rusch, de Posidonio Luer. auctore in c. VI., Greifsw. 1882, Rupserg, Forsch. z. Poseidonios, Upsala 1918, S.8ou. Siehe auch meine ZLukrezstudien II (B. Sitz. 1920, S. 9). ® Warum der Reiter an den Anfang gestellt ist, zeigt der aus der peripate- tischen EYrAmAartA-Literatur geflossene Bericht des Plinius N. H. VII 202 pugnare ex equo Thessalos qui Centauri appellati sunt, habitantes secundum P.lium mortem ; bigas prima iunwit. Phrygum natio, quadrigas Ericthonius. 244 wissen, die a sehr ausführlich hend. An in di «dort gegebenen Linien fügt sich diese Episode nicht bequem ein”. Ich nehme daher an, daß Lukrez wirklich die Taktik des Stoikers in die Hand bekommen, und gelockt von der Gelegenheit, sein Talent der 'Tierschilderung, von der er so oft wunderbare Proben gegeben, auch hier entfaltet hat. Die bei Poseidonios entwickelte moralische Tendenz, die aber bei ihm gewiß auch praktische Bedeutung haben sollte, fand R bei dem friedliebenden Epikureer eine sympathische Aufnahme. In der Humanisierung des Krieges stimmten beide, der Stoiker und dr Epikureer, zusammen. ! Rupsgere hat a.0. c.II das sicher Ermittelte zusammengestellt. Vgl. dazu JÄGER, Nemesios 122 ff. h ? Siehe Rupgere a. 0. S. 64. Ausgegeben am 24. Februar. Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei. ai ce Gesamtsitzung am 24. Februar. (S. 215) . Heremans: Neue Untersuehungen über die Regenverhältnisse von Deutschland: teilwig: Die Schneeverhältnisse. (Mitteilung vom 10. Pebmar.) (S. 246) MIT TAFEL I BERLIN 1921 N VERLAG DER AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN NN, | at}: HF at a - 1 IN KOMMISSION BEI DER . VEREINIGUNG WISSENSCHAFTLICHER VERLEGER WALTER DE GRUYTER U. CO, VORMALS 6. J. GÖSCHEN’SCHE’ VERLAGSHANDLUNG. J. GUTTENTAG, VERLAGSBUCHHANDLUNG. | Br # GEORG REINER. KARLJ. TRÜBNER. VEITU. COMP. in N \ k; - | i be bes ALT Ser Baniuret ‚laufende Veröffentlichungen heraus: »Sitzungsberic ıWischen Akademie der Wissenschaften« und »Abhand- ag Preußisehen Akademie der WindeneraREn wer na ieh werden, wobei in der Bert: ; as druckfertige Manuskript zugleich einzulietern ist. ‚Nicht- der haben hierzu die Vermittelung eines ihrem he Augehörenifen ordentlichen, ) Mitgliedes zu benutzen, ; 83. Der Umfang. einer. aufzunehmenden Mitteilung soll ‘in der Regel in den Sitzungsberichten bei Mitgliedern 32, bei Nichtmitgliedern 16 Seiten in der gewöhnlichen Sehrift der Sitzungsberichte, in den Abhandlungen 12 Druckbogen ‚von je,8 Seiten in.der gewöhnlichen Schrift der Abhand- lungen. nicht ‘übersteigen. Überschreitung dieser Grenzen ist nur mit Zustimmung der (iesamtakademie- oder der betreftenden Klasse statt- haft’ und ist bei Vorlage der Mitteilung ansdrücklich zu ‚beantragen, Läßt der Umfang eines Manuskripts ver- muten, daß diese Zustimmung erforderlich sein werde, + 'so hat das vorlegende Mitglied es vor dem Einreichen von sachkundiger Seite auf seinen mutmaßlichen Umfang im. ‚Druck abschätzen zu lassen. ; SA, Sollen einer Mitteilung Abbillungen im Text oder | an besonderen Tafeln beigegehben werden,. so ‚sind: die | je Vorlagen dafür. (Zeichnungen, photographische Original- aufnahmen usw.) gleichzeitig mit dem Manuskript, jedoeh | ‚auf getrennten Blättern, einzureichen. "Die Kosten ‚der. Herstellung der Vorlagen haben in “der Regel die‘ \ronfasser zu tragen. Sind diese Kosten "aber auf einen Jerkeblichen Betrag zu veranschlasen, so "kann die Akademie dazu eine Bewilligung besehließen. Ein darauf gemelrerer Antrag ist vor der Herstellung der be- "treffenden Vorlagen mit «ern :schriftlichen Kostenanschlage.. | ‚eines Sachverständigen an den vorsitzenden Sekretar zu richten, dann zunächst im Sekretariat vorzuberaten ‚und Ayeiter in der Gesamtakademie zu verhandeln. | Die Kosten der Veryielfültigung überhimmt die Aka- | demie. Über. die voraussichtliche Höhe dieser Kosten ist > wenn es steh nieht um wenige einfache Textfiguren | handeln — der ‚Kostenanschlag eines Sachverständigen heizufügen. Übersehreitet dieser Anschlag für die’ er- torderliche Auflage. bei den Sitzungsberiehten 150 Mark, ! | bei, den „Abhandlungen: 300 Mark, -so ist Vorbkratung | durch das Sekretariat. geboten, | Aus 85, | Naeh ‚der Vorlegnng und Einreiehung des.) vollständigen druekferligen Manuskripts an den zuständigen Sekretar oder an Archivar wird über Aufnaline der Mitteilung in die akademischen Sehriften, und zwar, „wenn anwesenden Mir- - ] glieder es verlangt, verdeekt abgestimmt. Mitteilungen von Verfassern, welehe nieht Mitzlieder. ©} der Akademie sind, sollen der Regel 'nach h Sirzungsberichte aufgenommen werden, Klasse die Aufsahme der Mitteilung eines Niebtmitgliedes in die Abhandlungen, so bedarf Beschluß der | Bestätigung dureh die ! den eines der nur in die Besehließt eine dieser (tesamtakademie. (Fortsetzung | seine Mitteilung als auf S.3. des Uhnschlags.) Dei hat sich zu vergessen, daß ‚ Die, erste ee ihrer on Möglichkeit nicht über die 1 Bertshiofnng vonD und leichten Schreibverschen Niinausgehen. Korrektüren Fremder ‚bedinfen der G kosten. verpflichtet. Aus $ Sg ‚Von‘allen in die eh chte oder Abt wissenschaftlichen Mitteilungen, wenn Hlsen Bi Druck 4Seiten en auch für den Buchhandel; graben Werden. Von Geächtnisteden werden ebenfalls Sonder ' exeinplareı; er ist indes Neue zu ana: zZ auf Kosten der Akätlemie weitere Exemplare bis zur‘ von noch: 100 und auf seine Kosten, noch‘ weitere zur Zahl von 200 (im ganzen also 350) abzichen 2 gezeigt hat; , wiinscht er auf seine. Kosten noc, Abdrucke zur Verteiling zu erhalten, so beilarf es dazu der Genehmigung der Gesamtakademie oder der berrellen- EN den Klasse. — Nichtmitglieder erhalten 50 Freiexempl St und dürfen nach rechtzeitiger Anzeige bei dem redi- gierenden Sekretar weitere 200 Exemplare auf ihre Konen- abziehen lassen. ) Von (len Sonderabiruckin aus den Aal r hält ein Verfasser, welcher ‘Mitglied der. Akademie ist, zu ünentgeltlicher Verteilung ohne weiteres 30 Nrei- exemplare;‘ er ist indes berechtigt, zu gleichem Zwecke auf Kosten der Akademie weitere Exemplare bis zur Zahl von. noch 100 und auf seine Kosten noch weitere bis zur Zahl'von 100 (im ganzen also 230) abziehen zu lassen, sofern er dies rechtzeitig dem reiligierenden Sekretar. an gezeigt -hatz wünscht er. anf seine Kosten noch mehr: Abdrucke zur Verteilung zu ‚erhalten, so bedarl' es dazu der Genehmigung der Gesamtakademie oder der betreffen- den Klasse. — Nichtmitglieder erhalten 30 Freiexemplare, und dürfen nach rechtzeitiger Anzeige bei dem redi- gierenden Sekretar weitere 100 Exemplare auf ihre DONE abziehen. lassen, A £.17, 2 Eine für din akademischen Sehrifren bs stimmte wissenschaftliche Mitteilung darf in keinem. Falie vor ihrer Ausgabe an jener Stelle’anderweitig, sei es, auch nur auszugs- » ee De A ü 245 SITZUNGSBERICHTE DER PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. Gongr; Ki (Gesamtsitzung. 24. Februar. Vorsitzender Sekretar: Hr. Rusner. *1. Hr. von Harnack las eine Abhandlung über »die apokalyp- tischen Reiter« (Apoe. Joh. 6). | Die Vision gehört zu einer zu supponierenden jüdischen Apokalypse, die höchst- wahrscheinlich die Vorlage der christlichen bildet; sie ist nicht zeitgeschichtlich zu erklären. sondern endgeschichtlich; die vier Reiter bringen jedoch noch nicht das Gericht, sondern führen ein Schicksal über Gute und Böse herauf, mit welchem „das Ende« beginnt. Quelle der Vision ist die Wagen-Vision des Sacharja. Darüber hinaus läßt sich nur feststellen, daß zur Charakteristik des »Hungers« ein Kalender- spruch benutzt ist; aber die vier Reiter haben sonst mit der Tierkreis-Spekulation nichts zu tun. { 2. Hr. von Harnack überreichte eine Abhandlung: »Neue Frag- mente des Werkes des Porphyrius gegen die Christen: Die « Pseudo-Polycarpiana und die Schrift des Rhetor Pacatus gegen Porphyrius.« (Ersch. später.) Es wird erwiesen, daß die Pseudo-Polycarpiana des Feuardentius fünf bisher unbekannte Fragmente aus der Schrift des Porphyrius gegen die Christen enthalten, und daß sie einem bisher übersehenen, fast vollständig untergegangenen Werk eines Pacatus gegen Porphyrius angehören, aus dem sich noch einige weitere Fragmente des Porphyrius ermitteln lassen. Pacatus aber ist höchstwahrscheinlich mit jenem Pacatus identisch, der die berühmte Lobrede auf Theodosius den Großen gehalten hat. sowie mit dem anderen, der ein Leben Paulins von Nola zu schreiben beabsichtigte. 3. Vorgelegt wurden die von der Akademie unterstützten Werke: Bibliotheca. Zoologica Il, bearbeitet von Dr. O. TAscHEnBErRe, 21. bis 23. Lieferung (Leipzig 1921), und Thesaurus Linguae Latinae, vol. 6 fasc. 4 (Leipzig 1920). Sitzungsberichte 1921 22 Neue Untersuchungen über die Regenverhältnisse von Deutschland. Zweite Mitteilung: Die Schneeverhältnisse. Von @. HELLuMANnN. Hierzu Taf. t (Vorgetragen am 10. Februar 1921 s. oben S. 208).) Im Jahre 1906 habe ich eine Kartenskizze über die Verteilung der Tage mit Schneefall im Einzugsgebiet der norddeutschen Ströme ver- öffentlicht'. Es war meines Wissens der erste Versuch, Linien gleicher Zahl der Schneetage oder Isochionen zu zeiehnen, während die Aus- dehnung und die Dauer der Schneedecke, namentlich in den nordischen Ländern, wiederholt Gegenstand kartographischer Darstellung gewesen ist”. Mein Kärtchen konnte nur das Tiefland berücksichtigen. weil die Beobachtungen aus den höheren Ortslagen nieht zahlreich genug waren, um die Zeichnung der Linien auch auf diese auszudehnen. Da aber seitdem weitere und gute Beobachtungen aus diesen Gebieten hinzugekommen sind, erscheint es gerechtfertigt, Jahresisochionen von ganz Deutschland zu entwerfen. Bei dieser Arbeit hat mich Hr. Ob- servator “Prof. Dr. Henze unterstützt, der insbesondere die Sichtung und Aufarbeitung des Beobaehtungsmaterials überwachte und zum Teil selbst ausführte. Zugrunde liegen gleichzeitige 35 jährige Aufzeichnungen aus den Jahren 1881 bis 1915, also neueres Material, das schon von den meteorologischen Zentralanstalten besser kontrolliert war als das ältere aus der Zeit von 1850 bis 1880. Einige kürzere Reihen, die wegen der besonderen Lage der entsprechenden Stationen mitgenommen wurden, ! G. Herrmann, Die Niederschläge in den norddeutschen Stromgebieten Bd. I, S. 206. licht worden (Nedböriagttagelser i Norge. Tillegshefte til aargang XVII, 1912. Kristiania 1914. Fol.); sie zeigt sehr schön’ die langsame Zunahme der Anzahl der Schneetage längs de Küste von Süden nach Norden (von 25 bis ı25) und die rasche von der Küste nach dem Innern des Lande.. ® Seitdem ist für Norwegen eine Karte der Verteilung der Schneetage veröffent- Herıstann: Neue Untersuchungen iiber d. Regenverhältnisse von Deutschland 247 konnten durch Vergleich mit Nachbarstationen auf dieselbe 35jährige Periode reduziert werden. Als Schneetag gilt jeder Tag, an dem Schnee oder Schnee gemischt mit Regen mit mindestens o.ı mm Schmelzwasser gefallen ist. Bei »trockenem« Schnee bedeutet dieser Grenzwert eine Schneedeeke von durchschnittlich ı mm Höhe, die vom Beobachter, wenigstens bei Tage, nicht leicht unbemerkt bleiben kann. . Die mittlere Zahl der Schneetage im Jahre schwankt in Deutsch- land zwischen 19 (Oberrheintal) und 191 (Gipfel der Zugspitze). Es konnten ‘aber auf der beigegebenen Karte die Isochionen im Abstand von 10 zu 10 Tagen nur bis zur Anzahl von 60 Tagen gezeichnet werden, weil, abgesehen von Ostpreußen, größere Werte nur in den höheren Regionen der deutschen Gebirge vorkommen, in denen das Zeichnen weiterer Isochionen sowohl wegen Mangels an genügend zahlreichen Stationen als auch wegen der Kleinheit des Kartenmaß- stabes unmöglich ist. Der in die beigegebene Karte eingezeichnete Verlauf der Linien gleicher "Zahl der Schneetage ist naturgemäß nur ein ungefährer und vielfach unsicher, namentlich in den Berglandschaften; man muß aber einmal einen solchen Versuch wagen, um ein Bild von der allgemeinen Verteilung zu erhalten'. Was bei der Verteilung der Schneetage zunächst in die Augen fällt. ist die große Ähnlichkeit im Verlauf der Isochionen und der Isothermen des Januar im ebenen Norddeutschland, wo die Reduktion der Tempera- turen auf den Meeresspiegel nicht viel ausmacht. Die Isochionen von 60 und 50 Tagen in Ostpreußen fallen beinahe zusammen mit den Januar- -isothermen von — 4° und — 3°, und die Isochione von 30 Tagen in Schleswig-Holstein und Hannover zeigt dieselbe charakteristische Aus- buchtung nach Osten wie die Januar-Nullgradisotherme, worüber ich in diesen Sitzungsberichten 1920, S. 369ff. (Isothermen von Deutsehland) nähere Mitteilung gemacht habe. Darin kommt also die große Ab- hängigkeit der Zahl der Schneetage von der Lufttemperatur deutlich zum Ausdruck”. { Im norddeutschen Tiefland nimmt somit die Zahl der Schneetage von Westen nach Osten zu, von etwa 20— 24 Tagen an der holländischen ! Die zugrunde liegende Netzkarte enthält wegen (er Schwierigkeit der Re- produktion keine Darstellung des Terrains, die zum besseren Verständnis erwünscht gewesen wart. ? Eigentlich müßte man die lsochionen mit den Isochimenen in Parallele stellen. Da diese aber nicht mehr gezeichnet werden, sind zweekmäßig die Januarisothermen herangezogen worden, welche die Temperaturverteilung in der Mitte des Winters zur Darstellung bringen. 22 248 Gesamtsitzung vom 24. Februar 1921. — Mitteilung vom 10. Februar Grenze bis nahezu 70 in Masuren (Marggrabowa 69). Der Einfluß der geographischen Breite zeigt sich insofern, daß Orte gleicher Meereshöhe in Mitteldeutschland mehr Schneetage haben als solehe in Süddeutschland und daß die schneefallärmsten Gebiete in Süddeutschland liegen. Es sind dies das Oberrheintal zwischen Straßburg und Mülhausen und an der Neckarmündung bei Mannheim, wo die Zahl der Schneetage bis auf 19 herabgeht. Die ebenen Teile Mitteldeutschlands haben meist 30—40 Schnee- tage, die nordwestdeutsche Tieflandsbucht, das Rheintal und das links- rheinische Gebiet weniger als 30. dagegen Mittelschlesien und das süd- liche Posen 40—50’Tage. In Süddeutschland zeichnen sich durch geringe Anzahl von Schneetagen, außer dem bereits genannten Oberrheintal, aus: das Nordufer des Bodensees, an dem die Zahl unter 30 bleibt, und die breiten Niederungen zu beiden Seiten der Donau von Sigmaringen bis nahe zur Landesgrenze bei Passau, wo die Anzahl zwischen 30 und 40 schwankt. Die große Abhängigkeit der Schneehäufigkeit von der Temperatur zeigt sich auch in vertikaler Beziehung: überall nimmt die Zahl der Schneetage mit wachsender Seehöhe zu. Zunächst bemerkt man, daß Orte, die am Rande eines Gebirges liegen, mehr Schneetage aufweisen als solche in gleicher Seehöhe, aber etwas größerer Entfernung vom Ge- birge. Der Grund dafür liegt darin, daß der Schneefall über einem Gebirge oft über dessen Rand hinausreicht. So haben z. B. Ilsenburg. Wernigerode, Nordhausen am Rande des Harzes $S— 10 Schneetage mehr als entferntere Orte in der benachbarten Ebene. Baden-Baden und Frei- burg i. Br. zeigen denselben Einfluß. Das den Allgäuer Alpen nahe- gelegene Lindau zählt 7 Schneetage mehr als Friedrichshafen und Meers- burg; Metten an der Donau wird vom Bayerischen Wald beeinflußt, usw. In den Gebirgen erfolgt die Zunahme der Schneetage mit der Höhe eben- so in einem linearen Verhältnis wie die Abnahme der Temperatur mit der Höhe. Der numerische Wert der Zunahme scheint aber, soweit es die für große Höhen immer noch spärlichen Beobachtungen zu beurteilen gestatten, von einem Mittelgebirge zum andern etwas verschieden zu sein, er schwankt zwischen 5.0 und 6.5 Tagen für 100 m, Erhebung. Einer durchschnittlichen Temperaturabnahme von 0.4° entspricht also dieses namhafte Anwachsen in der Zahl der Tage mit Schneefall. Die größten Werte erreicht sie auf den Hoch- und Gipfelstationen : Zugspitze (2964 m) 191 Tage. Schneekoppe (1602 m) 129 Tage, Brocken (1142 m) 99 Tage, Oberwiesenthal im Erzgebirge (920 m) 90 Tage, Schmücke im ThüringerWald (907 m) 88 Tage, Altastenberg (750m) 7 2 Tage, Schneifel- forsthaus (657 m) 62 Tage. Es ergibt sich auch, daß dieselbe Anzahl von Schneetagen in Süddeutschland in größerer Höhe über dem Meere angetroffen wird Herınans: Neue Untersuchungen über d. Regenverhältnisse von Deutschland 249 als in Nord- und Mitteldeutschland. Daraus folgt. daß die Isochionen- flächen von Norden naclı Süden ansteigen, was die Jahresisothermen gleichfalls tun. Beweise dafür liefern folgende Stationsgruppen: » BrockengimeHarz (1142 m)le 7,0 99 Tage Wendelstein in den Bayer. Alpen (1727 m)... 99 » Scehmücke im Thüringer Wald (907 m)...... 883 Kniebis im Schwarzwald (901 m) .......... 74 Kirche Wang im Riesengebirge (872 m)..... 82 Gr. Belehen in den Vogesen (1394 m) ..... EI ; Lahnhof im Rothaargebirge (610 m)........ 62 Mittenwald in den Bayer. Alpen (gıg m).... 62 » Klausthal auf dem Oberharz (572 m)....... Or Großbreitenbach im Thüringer Wald (630 m).. 71 » Hohenpeißenberg in den Voralpen (994 m)... 70 » Die jährliche Periode der Sehneefälle kommt wegen der ungleichen Länge der Monate in den Monatsmitteln nicht rein zum Ausdruck. weshalb die Schneewahrscheinlichkeit, ausgedrückt in Prozenten, be- reehnet wurde, durch die namentlich der Februar zu seinem Recht kommt. Die am Schluß dieser Mitteilung folgende Tabelle enthält für eine Auswahl von Stationen, die im allgemeinen von Norden nach Süden angeordnet sind. diese Wahrscheinlichkeitswerte sowie die mitt- lere Zahl der Schneetage im Jahre, und zwar diese sowohl in absoluten Werten als auch ausgedrückt in Prozenten aller Niederschlagstage mit der unteren Grenze o0.ı mm. Von letzteren Angaben sei hier nur be- merkt, daß in Masuren 37 Prozent aller Niederschlagstage, in Straß- burg i. E. und auf Borkum aber nur ı2 Prozent Schneetage sind; auf der Schneekoppe machen dagegen die Schneetage die Hälfte der Nieder- schlagstage aus. Die Verteilung der Schneetage auf die einzelnen Monate entspricht nicht ganz der Annahme, die man geneigt ist, a priori zu machen, daß sie nämlich entsprechend den mittleren Monatstemperaturen er- folgt, daß also der Januar der schneereichste Monat wäre. Das trifft nur für einzelne kleine Gebiete des ebenen Binnenlandes, namentlich in Ostdeutschland, zu. An vielen Orten ist die Schneewahrscheinlieh- keit im Februar ebenso groß wie im Januar oder übertrifft sie sogar. Das gilt insbesondere für Westdeutschland, wo auch die Märzwerte überall stark hervortreten und fast immer größer sind als die des Dezember. Auf den März entfällt sogar das Maximum in zwei von- einander getrennten Gebieten, nämlich im nordwestdeutschen Küsten- 250 Gesamtsitzung vom 24. Februar 1921. — Mitteilung vom 10. Februar land und in den höchsten Regionen der Gebirge'. Ersteres erstreckt sich weiter nordwärts über Jütland ——: wie die dänischen Stationen zeigen, von denen einige für dieselbe Periode 1881 — 1915 berechnet wurden — nach Südschweden und der Westküste von Norwegen, ja vielleicht bis nach Schottland’. Zieht man eine Linie von der Lübecker Bucht nach der Moselmündung, so grenzt diese nach Westen ein Gebiet ab, in dem die Summe der Schneetage vom März bis zum Mai größer ist als die der Schneetage vom Oktober bis zum Dezember einschließ- lich. Im Innern Ostdeutschlands verhält es sich umgekehrt. Die zahl- reichen Schneefälle Nordwestdeutschlands im Spätwinter und Frühling sind eine Begleiterscheinung der atmosphärischen Wirbel, die auf der Zugstraße III (nach der vaw Besgerschen Bezeiehnungsweise) in. der Richtung von den Shetlandinseln nach Dänemark und der Ostsee gerade in dieser Jahreszeit besonders häufig entlang ziehen’. Auf ihrer Rückseite, wenn der Wind von SW durch W nach NW dreht, bringen sie unruhiges, böiges Wetter mit häufigen Schneeschauern, die mit Graupeln, Eiskörnern und Regen abwechseln oder untermischt auf- treten. Es sind also keine »trockenen« Schneefälle, wie gewöhnlich in der Mitte. des Winters: wenn man nur diese zum Vergleich heran- zöge, würde der Unterschied in der Zalıl der Selhıneetage in Nordwest- und in Ostdeutschland noch erheblich größer sein. Daß in den höheren Gebirgslandschaften der März der schneereichste Monat ist, trifft nicht bloß bei den deutschen Gebirgen zu, sondern auch bei den österreichischen und schweizerischen Alpen‘, ist also eine all- gemeinere Erscheinung, die sich dadurch erklärt, daß die Niederschlags- wahrscheinlichkeit in diesen Gebieten vom Februar zum März stark zunimmt und bei der alsdann in den Höhen noclı niedrigen Temperatur zahlreiche Schneefälle auslöst. Dieser Neuschnee trägt zur Erhaltung der Schneedecke im Gebirge noch wesentlich bei, während die eben er- ! Daß hier nicht bloß eine Eigentümlichkeit der Periode 1881—ı91ı5 vorliegt, geht daraus hervor, daß ich auf sie schon in meinem »Regenwerk« (I, 217) aufmerksam machen konnte; damals wurden (allerdings nicht gleichzeitige) Beobachtungen aus dem Zeitraum 1848 — 1910 benutzt. 3 ® Wegen Norwegen vgl. die auf S. 246 Anm. 2 genannte Quelle. — Das schwe- dische Material findet sich in der Abhand:ung von H. E. Hıuserg, Nederbörden i Sverige 1860—ıgro. Uppsala ıgrr. 4°. Tab. XI, S. 44. — In Edinburgh hat nach 5ojährigen Beobachtungen, die Mosssran bearbeitet hat, der März die zrößte Schnee- wahrscheinlichkeit (Meteorol. Zeitschr. 1908. S. 346). Über die Frequenz der Zugstraßen vgl. van Besser. Handbuch d. ausübenden Witterungskunde. Stuttgart 1886. 8°. II, 283. ' Vgl. H. v. Fıcxer, Klimatographie von Tirol und Vorarlberg. Wien 1909. 8°. S. 27. Auf dem Sonnblick (3106 m) tritt das Maximum erst im Mai cin. desgleichen auf der Zugspitze. — Tu. Scnwarz, Klimatographie von Oberösterreich. Wien 1919. 8°, S. 61. — Maurer, Birrwirzer und Hess. Das Klima der Schweiz. Frauenfeld 1909. 4°. Bd. I, 175. Der Säntis (2504 ın) hat die meisten Schneetage im März und. April. Herrmann: Neue Untersuchungen über d. Regenverhältnisse von Deutschland 251 wähnten späten Schneefälle in Nordwestdeutschland nur höchst selten einen derartigen Einfluß haben. Im ebenen Teil Deutschlands, mit Ausnahme von Ostpreußen, sind eigentlich nur die Monate Juli und August schneefrei: denn ausnahms- weise können überall im Juni und September Schneefälle vorkommen. In Ortslagen oberhalb etwa 1000 m Seehöhe darf man auch in Mittel- und Süddeutschland keinen Monat als ganz schneefrei ansehen. Die Schwankungen von Jahr zu Jahr in der Zahl der Schneetage bewegen sich in den einzelnen Klimaprovinzen innerhalb sehr ver- schiedener Grenzen. In besonders schneereichen Gegenden, d. h. vor - allem im Hochgebirge, ist der Schwankungsquotient (Maximum : Mini- mum) knapp 2, im ebenen Teil von Ostdeutschland steigt er auf 3 bis 3.5, und je mehr man sich dem schneearmen Südwesten und Nordwesten Deutschlands nähert, um so weiter gehen die Grenzwerte der jährlichen Anzahl der Schneetage auseinander. Es liegt dies hauptsächlich daran, daß die Minima ungewöhnlich niedrig werden können: es gibt hier Winter, in denen nur 6.4 oder nöch weniger Schneetage vorkommen; ja. in Trier hat der Winter 1881/82 sogar nur 2 Schneetage gehabt'. Dagegen sinkt östlich von der Oder die Summe kaum unter 20 herab. Als Höchstwerte der Zahl der Schneetage im Jahre können etwa gelten: in Masuren 100. im ebenen Mitteldeutschland 75 — 80. im Südwesten und Nordwesten 38—-45, auf der Schneekoppe 150 und auf der Zugspitze 225. Naturgemäß noch größer sind die Schwankungen in den einzelnen Monaten. Während östlich von der Weichsel und im Gebirge die eigent- lichen Wintermonate Dezember, Januar, Februar niemals schneefrei ge- blieben sind, können im schneeärmeren Mitteldeutschland alle Monate ohne Schneefall vergehen. Andererseits steigt der Höchstwert der monat- lichen Schneefälle im Westen bis zu 22, im Osten und im Hochgebirge ' Die sich hier unwillkürlich aufdrängende Frage: hat es in Deutschland Winter ohne jeden Schneefall gegeben?, läßt sich nicht sicher beantworten. Die regelmäßigen meteorologischen Beobachtungen, die in Berlin am weitesten zurückreichen, nämlich bis zum Anfang des XVII. Jahrhunderts, verneinen die Frage für diesen Ort, aber es könnten in den schneearmen Gegenden Westdeutschlands solche Winter doch vor- gekommen sein. Möglicherweise war dies der Fall in den beiden Wintern 1185/86 und 1289/90, die nach den übereinstimmenden Angaben der Chroniken die allermildesten in Mitteleuropa gewesen zu sein scheinen. Vielleicht sind aber auch andere milde Winter schneelos geblieben; denn der Winter 1881/82, der in Trier nur 2 Schnee- tage hatte, gehörte durchaus nicht zu den mildesten. Freilich, die Temperatur allein entscheidet die Frage nicht, da es, wie weiter unten gezeigt wird, auch bei ziemlich hohen Temperaturen (in der Nähe des. Bodens gemessen) schneien kann. Gerade in milden Wintern, in denen gewöhnlich zahlreiche Luftwirbel in west-östlicher Richtung Nord- und Mitteleuropa durchziehen, kann auf ihrer Rückseite ein leichter Schneefall eintreten. Eben jetzt, wo ich dies niederschreibe, hatten wir in Berlin einen solchen Schneefall am 24. und 25. Januar ıgzr. Dagegen wird man mit ziemlicher Sicherheit an- nehmen können, daß es in Deutschland Winter ohne Tage mit Schneedecke gegeben hat 252 Gesauntsitzung vom 24. Februar 1921. — Mitteilung vom 10. Februar bis zu 30 an. Hier kann es also Monate geben, an denen es an jedeni Tage schneit. i Ich will nun noch die interessante Frage erörtern, wie verhält sich die Zahl der Schneetage zu derjenigen der Tage mit Schneedecke? Sie ist meines Wissens noch nieht Gegenstand der Untersuchung gewesen. Ein strenger Vergleich beider Arten von Tagen läßt sich deshalb nicht durchführen, weil als Schneetag jeder Tag gerechnet wird, an dem Schnee oder Schnee gemischt mit Regen (> o.ı mm) gefallen ist, während die Tage mit Schneedecke nur nach den Beobachtungen am Morgen- termin (7 Uhr) festgestellt werden. Ist am Morgen eine meßbare Schnee- deeke vorhanden, so zählt der Tag als solcher mit Schneedecke; bildet sich aber eine Schneedecke im Laufe des Tages nach dem Morgentermin, so wird der Tag nicht zu denen mit Schneedecke gerechnet, und wenn der Schnee bis zum nächsten Morgen geschmolzen ist, geht er für die Zählung der Tage mit Schneedecke verloren. Die ersten leichten Schnee- fälle im Vorwinter und die letzten am Ende des Winters und im zeitigen Frübjahr haben im deutschen Tiefland gewöhnlich diesen Charakter. Zwischen dem ersten bzw. letzten Schneefall und dem ersten bzw. letzten Tage mit Schneedecke liegen oft viele Wochen. Umgekehrt kann ein einziger kräftiger Schneefall, der bei niedriger Lufttemperatur stattfindet und auf sehon gefrorenem Boden längere Zeit liegenbleibt, ohne daß er durch neuen Schneefall vermehrt zu werden braucht, die Zahl der Tage mit Schneedecke stark erhöhen. Es wird daher ein Aus- gleich zwischen der einen und der anderen Art von Schneefällen das Ver- hältnis zwischen der Zahl der Tage mit Schneefall und mit Schneedecke bestimmen. Bei welchen Lufttemperaturen (am Boden) die Schneefälle statt- finden, ist für Berlin und Umgegend von C. Kassner ‚und für Finn- land von W. W.Kornuonxen so untersucht worden, daß die erhaltenen Ergebnisse untereinander vergleichbar sind’. Unterscheidet man nur ganz allgemein positive und negative Temperaturen, so ergibt sich folgende prozentische Verteilung der Schneefälle: Berlin Blankenburg Helsineförs Kajana im mitt- (innere Stadt) bei Berlin esınglolS jepen Finnland (._ 09 a s o 62 6 8 Lufitemperatur I I 4 7 > (Sors 38 24 15 Abgesehen von den lokalen Beeinflussungen der Großstadt, ver- raten diese Zahlen eine deutliche Abhängigkeit von den Temperatur- ı C. Kassser, Die Lufttemperatur bei Schnee- und Hagelfall in und um Berlin (Meteorol. Zeitschr. 1908). — W. W. Kornonen, Bei welcher Temperatur fallen in innland die Niederschläge? (Annales Acad. Scient. Fennicae, Ser. 4, l'om. XV, Nr. 4. 1920). % Heumann: Neue Untersuchungen über d. Regenverhältnisse von Deutschland 253 verhältnissen der Orte. Demgemäß zeigt auch die räumliche Ver- teilung der Tage mit Schneedecke denselben Zusammenhang mit der Lufttemperatur wie die der Tage mit Schneefall, wenn jene auch durch die von der Ortslage bedingten lokalen Faktoren etwas beeinflußt wird. Deshalb weist der Verlauf der Isochionen und der Linien gleicher Zahl von Tagen mit Schneedecke, die für das ebene Norddeutsch- land von Lacnmann-SchwAuge skizziert worden sind (Meteorol. Zeitschr. 1916), große Ähnlichkeiten untereinander auf; ihr Vergleich läßt auch das numerische Verhältnis beider Arten von Tagen wenigstens im norddeutschen Tiefland annäherungsweise bestimmen. In Ostpreußen, durch das die Isochione von 60 Tagen läuft, ent- _ fallen auf einen Schneetag 1.6 Tage mit Schneedecke. Weiter west- lich, längs der Isochione 50, kommen auf einen Schneetag 1.4 Tage mit Schneedecke, an der unteren Oder ı.2, und die Isochione von 30 Tagen fällt fast genau mit der Linie von 30 Tagen mit Schnee- decke zusammen. Hier, längs des Verlaufes der Januar-Nullgrad- isotherme in Nordwestdeutschland, ist also die Zahl der Tage mit Schneedecke ebenso groß wie die der Tage mit Schneefall. Westlich davon, im Gebiet mittlerer positiver Januartemperaturen, gibt es schon weniger Tage mit Schneedecke als mit Schneefall. In höheren Ortslagen des Binnenlandes wächst die ‘Verhältnis- zahl naturgemäß an und erreicht in den höchsten Erhebungen des Harzes, Thüringer Waldes und Riesengebirges Werte, die zwischen 1.4 und 1.6 schwanken, und auf dem Gipfel der Zugspitze den Wert 1.7. Noch deutlicher tritt das Anwachsen der Verhältniszahl hervor, wenn man im Tiefland von Süden nach Norden fortschreitet, was die von W. W. Kornoxen jüngst veröffentlichten eingehenden Unter- suchungen über die Schneedecke in Finnland klar erkennen lassen Aus seinen Tabellen stelle ich folgende Übersicht zusammen: Prozentischer Anteil der Baia lnee u Verhaltnis Schneetage an den Schneefall Schneedecke beider Niederschlagstagen Helsmefors'... "2.4: 82.5 130.3 1.6 43 NoBIoR ..077..0 3 82.0 176.4 2.1 48 Haparanda-Torneä .. 82.9 180.0 2.2 54 Karesuando. «... : ... 89.2 212.7 2.4 60 Während die Zahl der Schneetage von der Südküste Finnlands bis zum äußersten Norden — Karesuando (323 m) liegt an der Grenze von Finnisch- und Schwediseh-Lappland — nur wenig zunimmt, wächst die Zahl der Tage mit Schneedecke erheblich (63 Prozent) an. Das geschieht offenbar hauptsächlich unter dem die Schneedecke erhaltenden Einfluß der mit zunehmender Breite niedriger werdenden Temperatur. Sitzungsberichte 1921. 23 Mittlere Wahrscheinlichkeit (in Prozenten) der ae in den lack Honalan 2 Zahl der Schneetage im Jahr und ausgedrückt in Prozenten der a >, Marggrabowa (165 m) ........... Klaussen b. Lyck! (135 m)......... Tusterbungs (382m) zur een Plate trm)e ee Memel4(8im)r.. un... 20 22 re ele Altstadt b. Gilgenburg (190 m) .... Helass-m). es ee Neufahrwasser (3 m) ......... Ara Lauenburg i. Ponm.? (19 m) ...... Roslın (Arim)arsteser ser Koutz>(170m) ehren Re Brombere (46.m)n... 0.2... aa. Besen. (78:m).., 0. Samen. er Pammin b. Arnswalde (60 m)...... Landsberg a. Warthe 68 m) ...... Grünberg i. Schl. (149 m) ......... Eraustadt (97m) «.aun ae ne ea Breslau ins m)... see Beuthen i. Oberschl.® (284 m) ..... Ratıbora(18g, m) ea RR an srdeekrar Reinerz W556 N). en eek Kirche Wang2 (872m)... 0... Schneekoppe? (1602 m)........... Korlitzu(2 1m) Dahme (35m): „Ar... EEE Frankfurt a. O. (48 m)....... Pr Berlin 4 (gsi) nee er ee Neustrelitz (71. m)... ren er Stettin 4 (20m) sup eek Putbus (5o m)..... RostackAlasım) a Schwerin 1.M.10 (57 m) .......... 9.7 Lübeek(usan) ler ren 1.0| 8.0 Inmeburmi(acım) Messen ee 1.0) 8.3 Magdeburg (54 m).......2......» 1.9 | 10.3 Klausthal Ierzim) en, 7-4 | 24.3 Brocken 2’In#2m) .....0....os. 17.7 | 36.8 ERS 2.9 | 12.7 Nordhausen (247 m) ... In den 35 Jahren 1881 —ıg15 gab es: 3 Ein Schneetag im August und drei im September. 5 Drei Schneetage im September. 5 Je vier Schneetage im Juni und Juli, zwanzig im ı° Ein Juli 0.0, Schneetag im Juli. im September. ? Vier Schneetage im September. September. Schneetag im Juni. August 0.3, September 4.0. 8.7 ı 44-5 35-5 40.0 33.2 27.1 34-5 26.1 29.4 36.8 21.3 32.6 29.7 27-7 27-1] 24.8. 26.8 31.0 300 30.0 29.0 35-8 42.3 44-5 57.1 23.4 21.0 21.3 21.9 25.5 23.2 23.9 21.0 24.2 20.0 17-7 22.9 39.0 47-7 24.8 49.4 40.0 42.9 | 40. 37-4 32.9 39.7 30.0 33.2 40.3 26.8 38.7 37-4 30.6 32.6 31.9 30.6 33-9 37.4 36.8 368 41.6 44.8 43.9 55.2 35.2 25-5 25.2 26.1 23.1 28.1 28.7 24.5 27.4 23-5 23.5 26.5 40.0 49.4 31.0 12 Mittelwerte für Juni 1.7, 30.0 27-7 | 31.0 26.5 283.9 31.9 21.6 32.9 27-7 24.2 23.2 23.2 25-5 26.1 27-4 23.4 27-1 33-5 38.7 44.8 62.9 23.7 20.0 20.0 21.0 24.2 18.7 26.5 19:4 26.1 22.3 22.3 22.3 41.6 53-9 | 26.1 68.8 64.0 57.8 51.3 44-9 54-3 41.4 45.9 59°53 36.8 54.8 46.7 40.3 40.4 39.9 42.8 45-5 48.4 50.0 47-9 57-3 68.3 81.7 129.3 48.3 33.9 33-9 35.2 39:4 35.6 39 8 32.1 '38.2 323 31.3 37-4 70.1 99.2 42.7 Je ein Schneetag im Juli und August. 21.6 23-3 18.3 20.4 17% 17-5 21.2 34-5 42.6 24.0 > Ein * Ein Schneetag % Zwei Schneetage im September. ® Mittelwerte für Juni 10.3, Juli 1.0, August 4.8, September 15.3. !! Drei Schneetage im Juni. Herınann: Neue Untersuchungen über d. Regenverhältnisse von Deutschland 255 = « B-) e | 2 ! Le 8 5 = a ern 2 Nieler- |ä|# BR ae Halle (100 m). BE 20.6 | 23.5 |25.8|ı7.1 | 6.0| 0.6 || 31.3 || 19.5. Leipzig ÜDIOD ER eng 4 1.3 | 9.7 |20.0|24.2|2651|19.0| 6.3| 0.6 || 32.8 ||, 20.0 Drasdenn@unsine 23.2 .-wen td, 1.0 | 9.0 | 20.0 | 23.5 | 27.3 | 20.0| 4.5 | 0.6 || 32.r.|| 18.9 Freiberg, SE ee 2.9. | 16.3 | 30.0 | 32.9 | 38.9 | 32:9 | 14.7 | 1.9 | 51.5 || 28.5 CHersitzr3 10 M)are.a. en ci 3.5 | 16.7 | 31.9 | 35.2 | 37.2] 294 | 13.0| 1.9 | 51.0 || 27.3 ! Annaberg i.S.! (590 m).....:....| 6.1 24.3 | 39.4 | 43.2 | 44.6 | 40.0 | 23.0 | 5.8 .||:68.5 || 36.2 Rehefeld? (684 m) ............ ».. 110.3 | 29.7 46.1 | 46.8 | 50.3 | 45.8 | 29.3 | 10.0 || 81.3 || 40.4 Oberwiesenthal? (920 mı).......... 14.2 | 33-7 | 47-7 | 48.1.) 52.4 | 50:6 | 34.3 | 11.9 || 90.1 || ‘46.7 IPIRFERRLSDONM ER ve nee 4.2 | 18.7 | 29.4 | 31.3 | 32.6 | 29.4 | 14-7 | 3-5 || 49.5 | 26,8 HoBalara m) Sense 4.8 | 21.0 | 34.5 | 35.8 | 35.0 | 32.6 | 15.0| 2.9 || 55.1 || 29.6 MAnar LS STHM)E ren > sten A ern ner 1.6 | 11.3 | 21.9.1 25.3 | 29.0 22.3 | 9.0 | 1.0.|| 36.6. || 20.2 BRITEN ZU) een er 2.3 | 10.7 | 21.6 | 28.1 | 30.1 | 24.5 | 9.7 | 1.6 | 38.7 | 21.4 Größbreitenbach® (630 m)......... 7.7 25.3 | 39:0 | 41.6|42.8|42.6 25.3 | 8.4 || 70.6 || 36.0 Meiningen (309 m)s 4.2... .:...,,: 2.6 | 15.0 | 26.1 130.6 | 29.6 | 25.8 | 11.7 | 1.9.|| 43.4 || 24.4 Kuldar (2707mjmer mar Burn san 2.6 | 10.0 | 21.0| 23.9 | 25.8 |21.3| 7.0| 1.6 || 34.2 || 22.5 Marburg 4.12 (230m)... ......7... 2.9 | 10.3 | 26.5 |267| 26.9 |22.6| 7:7 | 1.3 || 36.0 || 20.5 Gasse (198 m)... np ae ander 1.6.| 11.0 | 21.0 | 27.1 | 27.3 | 22.3 | 10.0 | 1. || 36.7 || 21.0 Göttingen (T49 m). nenne 1.9| 9.7|20.0| 24.8 | 28.9 |21.9| 8.3 | 1.3 || 35.1 || 20.3 IIARHOKERÄSSHN)E u Sehen aan 1.0| 7.0|15.5 19.7 | 19.8 18.4 | 6.1 | 0,6 || 26.7. || 15.5 Harabunes(2umjheRee asrzr are 2.3| 9.3 120.6 | 26.5 |27.3|24.8| 9.7 | 0.6 || 36.5 || 18.6 Segebergi(40 Mm). .= 1... 0... 0.9| 9.0 | 21.0 | 24.5 | 26.5 | 24.8 | 7-7, 1:0 || 34:9 || 18.2 NER ER) Be ET 1.0 | 7.0|21.0|23.5 |26.2|23.9| 5.7| 0.3 || 32.7 || 16.3 Schleswigl (29: m)... = ...3--4 2.04>» 0.6| 7.7 | 20.3 | 26.1 | 27.3 24.5 | 9.0) 1:6 | 35.4 || 19.6 Blensbure (Sm) een onen ne cene 1.0| 7.0| 17.7 |19.7| 21.9 |21.3| 5.7| 0.6 | 28.7 | 16.5 IN penralel(S m) ee 1.0| 6.3.1 17.7 | 20.3 | 23.0 | 20.6, 6.7 | 0.6 || 29.2 || 16.0 Westerlaud auf Sylt (5 m)........ 0.3! 4.3| ı1.3 |16.8| 18.1 16.5 | 5.0| 1.0 | 22.2.|| 12.8 Hasumalzum)e.a zehn lead 0.6| 6.3 | 17.4 | 21.0 | 21.6 | 20.3 | 5.3 | 0.6 || 28.3 || 15.7 Melderk (3m). wesseca ehe r0| 5-7 | 17.7 \22.6 22.3|21.0| 6.3|.0.3 | 29.2 || 15.2 Helgoland (39 m) ................ 0.3} 3.7 | 13.2 | 17.7 | 20.9 |20.6|. 5.3 | 0.3 || 24.8 || 13.3 Borkum (gm) a ne er 0.3) 4.3 10.0 | 15.5 | 16.3 | 15.2 | 3.0| 0.00 19.5 | 11.8 MEmdenn(3/m)%... ..+.e een 0.6| 5.0 | 13.9 ,19.0| 20.2 | 17.4 4-3) 0.01 24.3 | 12.8 Wldenbürke(anm)k es ae 1.0) 5.3 | 15.8 | 19.4 | 20.5 | 19.4 6.0,| 0.6 | 26.7 || 15-5 DYemenlgan) rer 1.3) 60| 16.1 | 22.6| 22.3 |20.6.| 5.7 | 0.6 || 29.0 || 15.7 Münster im. (683 m) een: 10 | 7.0 | 14.8 | 21.0 | 22.3 | 20.3 | 6.0 0.6 || 28.1 | 14-3 Arnsberg. i, W. (207 m)... ..... 2.6 | 11.3 |21.3 | 28.1 | 29.8 | 26.1 10.3, 1.6 || 39.8 || 19.6 Altastenberg® (780 m)............ 10.0 | 25.3 | 36.1 | 39.4 | 44.4 | 46.1 | 30.6 | 71.6 | 71.6 | 36.0 Glevela my tar ae et 1.o | 5.0 | 12.9 | 17-7 18.4 | 16.5 | sa 1.0 || 23.3 || 13.2 Kölne (sam) es. .zienn: ren 0:6 | 5.7 | 13.2 | 18.7 | 20.2 | 17.4 | 4.3 | 0.6 | 24.3 || 13-7 Aachen (202m) ı..- un. car ; 1.6, 7.7 | 13.9 |21.0|23.7| 18.4 | 6.7 0.6 | 28.1 | 14.5 Sıhneifelforsthaus® (657 m) ....... 6.8 | 20.7 | 29.7 | 37-4 | 43:2 | 40.0 26.0| 6.5 | 62.3 | 31.0 EIER (TACME Een 0.6! 6.01|12.9 | 19.7 | 18.1116,3| 3-.5| 0.3 || 23.4 || 13-4 Von-der-Heydı-Grube (279 m) .... | .6| 7:7 | 77 2 2723, | 23 | 7-7 0 | 33-1 || 16.3 Wiesbaden (IIo m).............. 1.0| 5.7116.1 | 21.3 | 21.6 16.5 | 4.7, 0.3 || 26.2 | 16.0 Frankfurt a. M. (100m) .......... 1.01 7.0|ı15.8| 21.3! 20.2) 14.8| 3.5 | 1.0 | 25.5 || 15.9 ! Im Septemher zwei Schneetage. 2 Im Juni drei, im September fünf Schneetage. ° Mittelwerte für Juni 0.7, September 2.7. ‘ Im September ein Schneetag. 5 Im Juni ein, im September drei Schneetage, 6 Ein Schneetag im Mai. ° Im Juni und September Di) je ein Schneetag. s Mittelwerte für Juni 0.3, Juli 0.03, September 0.3. Je ein Schneetag | 3 3 3 P : 8 im Juli und September. - Bayreuth (363 m) ...... EN DT Bamberg (288 m)....... BER ERTE Nürnberg! (310 m)........ en en Amılere (310mm) cr ne ee 3 Cham) (865 WI) ee ee Regensburga(350. m). m. a2... Jr u: Mettent(820'm)r u Sa Ser ee Paskauul(309 WEI. ee Eggenfelden (417 m) „2... ...2.,. Landshut a. Isar (398 m).......... ‚1.6! 11.3 | 23.9 | 29.0 | 30.4 | 20.3) 8.3| 0.6) 37.8 || 19.6 München! (525 m)............... 5.8 | 17.0 | 32.6 | 35.5 | 36.1 | 31.3 116.0 | 3.51 53.9 || 26.6 Traunstein 24(597 m) mr. 6.8 | 19.0 | 29.0 | 34.2 | 33.6 | 31.0 |18.0| 4.8] 53.7 | 28.1 Hohenpeißenberg® (994 m) ......... 12.6 | 23.3 | 36.1 [38.1 | 41.1 | 38.1 | 29.0 | 11.3 || 70.3 || 36.4 Augsburg (500"m) u. ze 4.2| 15.7 24:8 | 31.9 | 31.5 | 26.8 13.3 | 2.3 45.6 | 25.9 Ingolstadt (368 m) ....: ......».. 2.6 | 12.7 | 22.9 |28.7 |28.3 | 21.9| 8.3| 1.3] 383 || 21.0 Ausbachia(@ 77 mm) Ban a er 2.9 | 13.7 | 24.2 | 26.8 | 28.3 | 22.9 | 1o.3] 1.6|| 39.5 21.6 NNLZDUTEN (TH OND)E areen 1.3| 80|17.1|21.9|24.1|15:3| 6.0| o0.3|| 28.7 | 16.5 Kissingen (209 m) .........- 2] 2.6) 17.7 | 21.6 26.11 27.6 20.0) 6.7 | 0.6|| 34.9 || 19:4 ° _ Darmstadt (142 m).....2.2022...0.. 1.6| 7.7.|16.8|22.3|21.9|16.3| 4.7| 1.0|| 280|| 15.8 Mannheim (96 m).........22..... 0:6| 6.0) 11.9] 15.5 |15.2j11.3| 3.0| 0.3] 19.3 | 12.6 - Heidelberer(unsan) an. ren 0.6| 7.7 | 13.2 | 18.4 18.4 .14.2| 4.3| 0.3|| 23.3 | 13.2 Buchen (Sure ee 2.9 | 11.0 | 20.0 | 24.8 | 26.9 | 22.3) 9.3| 1.3 35.9 || 21.2 Hohenheim b. Stuttgart (402 m) ... | 1.6| 9.0 | 16.1 | 19.0 23.0| 15.5) 5.3| 0.6|| 27.1 | 17.0 Schopfloch* (764 m) ............. 6.8 | 16.3 | 27-4 | 31.3 | 34.3 | 29-4 |15.0| 3.9) 29.9 || 28.5 Ulm (a79 m). ee ee 2.6 ı1.7 | 20.6 |26.8| 26.5 |19.4 | 5.7| 1.0] 34.6 || 19.7 Biberach "(537 mM) nenne... Be 12.0 | 19.7 | 25.8 | 28.7 | 22.3 | ı1.0| 2.3] 37.8 | 22.2 Isny (720) .| 6.1 15.3 | 26.8 | 31.9 | 33.6 | 29.7 | 15.0| 5.2) 49.7 | 27.2 Tandau 22 (4000) 92 2 er REG 1.9 | 10.0 | 18.4 | 23.5 |25.2|21.9| 9.3| 1.6 33.7 | 18.4 Friedrichshafen! (410 m).......... 1.6| 7.7.| 13.9 | 21.3 | 20.9 | 16.8) 5.7| 1.0] 26.9 || 17.0 Donaueschingen! (693 m) .........| 4.5 | 16.0 | 24.8 \ 28.1 30.8 | 28.1 | 15.0 | 3-5 | 45.5 || 28.4 Villingen ® (708 m)... 6.8 | 20.3 | 30.3 | 32.6 | 37.5 | 32.6 | 19.0. 5.5 55.8 | 31-5 Hechingen? (532110) E Sl, a ER 3-9 | 13.0.| 20.0 | 27.7 | 30.1 | 26.8 | 14.3 | 2.9|42.0 | 25.0 Freudenstadt! (718 m)...:........ 5.5 | 17.3 | 28.4 | 32.9 | 35.0 | 32.6 | 17.3 35 52.3 1727.5 Karlsruhe (117 m) ......... ....| 10) 6.3 |13.9 | 18.1) 19.1 |14.5| 4.0| 0.3|23.4 | 13.7 Budenr(21A m) u... on. | Mo| 8:3] 14.5 118.7 23.4 | 18.4 | 6.3| 0.3) 27-4 | 16,1 Freiburg i. Br. (288 m) ........... 1,0 170 12.6| 17.1 20.5 | 16.5 | 5.2! 0.6|| 24.1 | 13.5 Schweigmatt5 (733 m)..... ....| 4:2 | 15.0 | 24.2 | 27.4 | 32-2 28.7|15.0 | 3.9 145.5 | 26.5 Höchenschwand® (1004 m)......... 11.0 | 24.3 | 35.2 | 35.2 | 30.8 | 38.9 | 26.0 | 10.0 | 67.5 || 37.9 Großer Belchen (Vogesen)® (1394 m) | 15.2 | 33-3 | 41-9 | 40.6 | 43.2 | 44.8 | 38.0 | 18.1 || 82.6 | 44.4 "Mülhausen i. E. (242 m) .......... 0.6 5.0 | 10.3 | 18.7 | 13.7: 10.6| 3.7 | 20) 19.3 | 13.0 Straßburg i. E. (146 m)........... 0.6, 50| 97 | 16.5 | 15.2 | 10.3 3:3, 0.6 18.5 | 11.6 Lützelburg (211 m) ......- I ro| 7.3 | 21.9 | 21.9 | 21.2 | 18.1 | 5.7 | 1.6] 26.8; :17.3 ! Im September ein Schneetag. ®2 Im Juni ein, im September zwei Schneetage. Mittelwerte für Juni 1.0, Juli 0.03. August o.3, Septenber 2.0. * Im September vier Schneetage. 5 Im September «wei Schneetage. © Im Juni und September je ein Schneetag. ° Im Juni ein Schneetag. s Mittelwerte für Juni 0.6. September 1.0. ® Mittelwerte für Juni- 3.7, Juli 0.6, August 0.3, September 5.0. “ HELLMANN: Neue Untersuchungen über d. Regenverhältnisse von Deutschland 257 Weiter polwärts rd bei noch tieferer Lufttemperatur (namentlich auch im Sommer) die Verhältniszahl zwischen der Zahl der Tage mit Schnee- decke un mit Schneefall noch größer werden, vielleicht 3 und dar- über, so daß im Gebiet des ewigen Schnees zur Erhaltung der Schnee- decke von 365 Tagen Dauer ı22 Schneetage genügen würden. In Wirklichkeit werden bei entsprechend niedriger Temperatur noch we- niger Tage mit Schneefall ausreichen. Das bestätigen die auf Spitz- bergen gemachten mehrjährigen Beobachtungen, die für den Eisfjord (Green Harbour) und Storfjord rund 100 Schneetage und knapp 300 mm Niederschlagsmenge ergeben. Das gibt uns einen Fingerzeig dafür, . daß man, wie bisweilen geschieht, zur Erklärung früherer Eiszeiten nieht sowohl eine große Zahl von Tagen mit starkem Schneefall an- zunehmen hat, als vielmehr bei feuchter Luft genügend tiefe Tem- peraturen, auch im Sommer, die es ermöglichen, daß die gefallenen mäßigen Schneemengen fast ganz erhalten bleiben und in Firn und Schnee umgewandelt werden. Die häufigen Rauhreif- oder Nebelreif- bildungen tragen zur Erhaltung des Schnees auch etwas bei. Ausgegeben am 3. März. Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei Sitzungsberichte 1921 24 Sitzungsber. d. Berl. Akad. d. Wiss. Heıımann: Linien gleicher Zahl der Schneetage (Isochionen) im Jahre. j=7=1-jeleralTeier XII. XIII. XIV SITZUNGSBERICHTE DER PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse am 3. März. (S. 259) Eissiein; Über eine naheliegende Ergänzung des Fundamentes der allgememen‘ Relativitäts- theorie. (S. 261) Sitzung der philosophisch-historischen Klasse am 3. März. (S..259) Gesamtsitzung am 10. März. (S. 265) von Harsack: Neue Fragmente des Werks des Porphyrius gegen die Ghwisten. ı Die -Pseudo- Polycarpiana und die Schrift "des Rhetors Pacatus, gegen Porphyrius. (Mitteilung. vom 24. Februar.) : (S.:266) ; Tıoxz Bemerkungen über Naturgesetz. Regel. Ursachenbesrill. (Mitteilung vom 15. Juli 1920.) (S. 285) BERLIN 1921 VERLAG DER AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN IN KOMMISSION BEI DER VEREINIGUNG WISSENSCHAFTLICHER VERLEGER WALTER DE GRUYTER U. CO. VORMALS G.\J. GÖSCHEN’SCHE VERLAGSHANDLUNG, J. GUTTENTAG, VERLAGSBUCHRANDILUNG, GEORG REIMER. KARL J. TRÜBNER. VEIT U. COMP. mie gibt gemäß $ 41,1 er Sta Keenftenitieumngen heraus: »Sitz Akademie der Wissenschaften« ' 5 reußischen Akademie der Bu Aus S 2 BT “haben ’ hierzu‘ die Vernüttelung €@ines ihrem \ gebraten ordentlichen Mitgliedes zu benutzen. $3. Der Vinfang einer aufzunehmenden Mittsilung soll er = in A a bei ee 32, been nicht ‚übersteigen. Überschreitung: dieser Grenzen ist nur mit DE bei Worläge der Ankäriicklich zu . Lißt der ERNADB eines Mannstripts ver- a. "hat. las Yorlegende Mitglied es vor ‚dem Tihtelälen k kundiger Seite anf seinen mutmaßlichen Umfang Druck abschätzen zu lassen. “ Ex li ; 84, j len einer Mitteilung Abbildungen" im Text odır sonderen Tafelı beigegeben werden, so sind die agen datt (Zeichnungen, photographische Original- ‚aufnahmen usw.) glöichzeitig mit dem Manuskript, jedoch iM getrennten Blättern, einzureichen, } Die Kosten der Herstellmg der Vorlagen hahen in der Regel die Verfasser zu tragen. Sind diese Kosten “aber auf einen erheblichen Betrag zu veranschlagen, so Kann ‚die Akademie dazu eine Bewilligung beschließen, Ein larant gerichteter Antrag. ist vor der Herstellung der ‘be- Areftenden Vorlagen mit dem sehriftlichen Kostenanschlage ines Sachverständigen an den vorsitzenden Sekretar zu vichten, daun zunächst im Sekretariat vorzuberaten und yeiter in der Gesamtakademie zu verhandeln, " Die Kosten der Vervielfältigung übernimmt die Aka- 22% N: Über die voraussichtliche Höhe dieser, Kosten Ast —— wenn es’ sich nicht um wenige einfache Texifiguren handelt — der Kostenanschlag eines Sachverstinligen beizufügen, "Überschreitet dieser Anschlag für die er- forderliche Auflage bei ‚den Sitzungsberichten 150 Mark, bei len. Abhandlungen 300 Mark, so ist Vorberatung durch das Sekretariat geboten. Aus 85. 3 Nach der Vorlegung uni. Einreichung des vollständigen druckfertigen Manuskripts an den zuständigen Sekretar oder an den Archivar wird über Aufnahine der Mitteilung in die’akademischen Schriften, ımd zwar; wenn eines der anwesenden, Mit- glieder-es: verlangt, ‚verdeckt abgestiinmt. 2 Mitteilungen von Verfassern, welehe nicht Mitglieder der Akademie sind, sollen »der Regel nach nur in rlie Sitzungsberichte aufgenommen werden. Beschließt eine Klasse die Aufrahme der Mitteilung eines -Nichrmitgliedes in die Abhandlungen, so bedarf dieser Beschluß der Bestätigung dureh lie Gesamtaltademie. (Iortsetzung auf 1 gen bestimmte aa De in einer. A EE en schen Sitzung . ‚vorgelegt werden, wobei in der Regel ’ S; 3 des Umschlags.) > “ Druck 4-Seiten übersteigt, auch für den Buchlandel Die erste Korrektur ihrer Mitteilung ) Verfasser. Fremde haben diese erste. Korre vorlegende Mitglied einzusenden. Die Korrektur s Ba nicht über die Berichtigung von D een Scheer vor der Ede a ! und die Verfasser sind zur Dragung der Ein kosten EN "Aus $ 8, Von allen in die Sitzungsberiehte. oder Ab aulsenommenen wissenschaftlichen: Mitteilu Adressen. oder Berichten werden für die \ wissonschaftlichen Mitteilungen, wenn ledren abirucke ‚hergestellt, die. alsbald nach Erscheine gegeben werden, s jr = Von Getlächtnisreden w erilen bentalls Sonde für den Buchhandel hergestellt, indes nur dann, Verfasser-sieh ausdrücklich damit einverstanden‘ Rs Von den Sonderabdrucken.aus den Sitzu erhält ein Verfasser, welcher Mitglied der Aka zu unentgeltlicher Verteilung ohne weiteres exemplare; er ist indes berechtigt, zu gleichem auf Kosten der Akademie weitere Exemplare bis‘ von noeh 100. und auf seine Kosten noch zur Zahl von 300.(im ganzen also 350) abziehen sofern er dies rechtzeitig dem redigierenden St gezeigt hat; wünscht er. Auf seine Kosten. Abdrucke zur Verteilung zu erhalten, so bedarf der Genehmigung der. Gesamtakademie oder der. b den Klasse. — Nichtmitglieder erhalten 50 Freiex und dürfen nach rechtzeitiger Anzeige. bei dent giorenden Sckyetar weitere 200. Exemplare auf ihr abziehen lassen. ?E Von «den Sonderabdrucken aus den Abbandltn hält ein Verfasser, „weleher Mitglied der Akadem zu „unentgeltlicher Verteilung ‘ohne weiteres 30" exemplare; er ist indes berechtigt, zu gleichem’ Z auf Kosten der Akademie weitere Exemplare bis zur von noch 100 und.auf seine Kosten noeh weite zur Zahl von 100 (im ganzen also 230) abziehen zu sofern. er dies rechtzeitig dem redigierenden Sckretar an- Er gezeigt hat;, wünscht er auf seine Kosten noch: m& Abdrucke zur Verteilung zu erhalten, so bedarf e der Genehmigung der Gusamtakademie oder der bet den Klasse. — Nichtmitglieder erhalten 30. Preisen la und dürfen nach‘ rechtzeitiger Anzeige bei. dem red gierenden Sekretär weitere 100 Exemplare auf ihre Koste) abziehen lassen. 877 Eine für die akademischen Seliriften abe stimmte wissenschaftliche Mitteilung darfi keinem EN vor ihrer Ausgabe an. Je © SITZUNGSBERICHTE . DER PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. 1921 X. Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse. 3. März. Vorsitzender Sekretar: Hr. Rusner. Hr. Eıssteın las über eine naheliegende Ergänzung des Fundamentes der allgemeinen Relativitätstheorie. Es wird gezeigt, daß man entsprechend dem Weyrschen Grundgedanken aul die objektive Existenz der Lichtkegel (Invarianz der Gleichung ds? = 0) allein eine Invariantentheorie gründen kann, die jedoch im Gegensatz zu Wevrs Theorie keine Hypothese über Streckenübertragung enthält. und in welcher die Potentiale «p, nicht explizite in die Gleichungen eingehen. Ob die Theorie auf physikalische Bedeutung Anspruch erleben kann, müssen spätere Untersuchungen ergeben. X. Sitzung der philosophisch-historischen Klasse. 3. März. Vorsitzender Sekretar: Hr. Roerne. l. Hr. Erman las »überden Harem derägyptischen Könige«. (Erseh. später.) Ausgehend von der Inschrift eines Haremsbeamten erörterte er die verschiedenen Bezeichnungen des Harems und seiner Bewohnerinnen, die ihr Leben häufig als Gattinnen vornehmer Privatleute beschließen. Die Frauen sind im Harem eingeschlossen, docli sind die Beamten, die sie bewachen, keine Eunuchen, die iiberhaupt in Ägypten nicht nachweisbar sind. Nach dem Muster des königlichen Harems hat man dann auch die Priesterinnen der Götter als einen solchen organisiert und dabei sogar schließlich die Göttinnen mit einem Harem bedacht. 2. Hr. W. Scnurze legte eine Mitteilung vor über Tocharisch tseke peke. (Ersch. später.) Die tocharische Wortgruppe wird durch lateinische Parallelen erläutert. 3. Hr. Rorrne legte die im Auftrage der Deutschen Commission und mit Unterstützung der Hermann-und-Elise-geb.-Heckmann-W entzel- Stiftung verfaßten “Studien zum baltischen Deutsch’ von Studien- rat Dr. WALTHErR Mırzka in Königsberg i. Pr. vor. (Abh.) Das Baltendeutsch, d. h. die baltische Umgangssprache der Gegenwart. ist in Formenlehre und Syntax wenig charakteristisch, wohl aber in der Lautlehre: diese Sitzungsberichte 1921 25 naeh RE 7 a3 de‘, Wa u che. u Va Si Einstein: Ergänzung des Fundamentes der allgemeinen Relativitätstheorie 261 Über eine naheliegende Ergänzung des Fundamentes der allgemeinen Relativitätstheorie. Von A. Emsrtein. H. Weyı hat bekanntlich die allgemeine Relativiätstheorie durch Hin- zufügung einer weiteren Invarianzbedingung zu ergänzen versucht und ist dabei zu einer Theorie gelangt, die schon ihres folgerichtigen und kühnen mathematischen Aufbaues wegen ein hohes Interesse verdient. Diese Theorie ruht im wesentlichen auf zwei Gedanken: a) In der allgemeinen Relativitätstheorie kommt dem Verhältnis der Gravitations-Potentialkomponenten g,, eine erheblich ursprüng- lichere physikalische Bedeutung zu als den Komponenten g,, selbst. Denn der Inbegriff der von einem Weltpunkte ausgehenden Welt- richtungen, in denen Lichtsignale von ihm ausgehen können, der Licht- kegel, scheint mit dem Raum-Zeit-Kontinuum unmittelbar gegeben zu sein: dieser Lichtkegel ist aber durch die Gleichung dA — 9,00, d2r=9 bestimmt, in welche nur die Verhältnisse der g,, eingehen. Überhaupt gehen in die elektromagnetischen Gleichungen des Vakuums nur die Verhältnisse der g,, ein. Dagegen drückt die durch die g,, selbst erst bestimmte Größe ds keine bloße Eigenschaft des raum-zeitlichen Kon- tinaums aus; denn es bedarf zur Messung dieser Größen eines mate- riellen Gebildes (Uhr). Deshalb liegt die Frage nahe: Läßt sich die Relativitätstheorie nicht abändern auf Grund der Annahme, daß nicht der Größe ds an sich, sondern nur der Gleichung ds’=o eine in- variante Bedeutung zukomme? b) Der zweite Gedanke Wevrs bezieht sich auf eine Methode der Verallgemeinerung der Rıemansschen Metrik sowie auf die physika- lische Deutung der in ihr neu auftretenden Größen $,. Der Gedanke läßt sich etwa so skizzieren: Metrik setzt Übertragung von Strecken (Maßstäben) voraus. Die Rırmannsche Geometrie setzt ferner voraus. daß das Verhalten (Länge) eines Maßstabes an einem Orte unabhängig davon sei, auf welchem Wege er an diesen Ort gelangt sei; sie ent- hält also die beiden Voraussetzungen 25* 262 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse vom 3. März 1921 I. Existenz übertragbarer Maßstäbe, E II. Unabhängigkeit von deren Länge vom tipertregunze Weryıs Verallgemeinerung der Rırmansschen Metrik behält I bei, läßt hingegen II fallen. Er läßt die Meßlänge eines Maßstabes von einem über den Übertragungsweg erstreckten und von diesem im allgemeinen abhängigen Integral ; | % " d X”, abhängen, wobei die o, Raumfunktionen sind, welche demgemäß die Metrik mitbestimmen. Bei der physikalischen Deutung der Theorie werden dann die ®, mit den elektromagnetischen Potentialen iden- tifiziert. Bei aller Bewunderung der Einheitlichkeit und Schönheit des Weyrschen Gedankengebäudes scheint mir dasselbe der physikalischen Wirklichkeit gegenüber nicht standzuhalten. Wir kennen keine zum Messen benutzbaren Naturdinge, deren relative Ausdehnung von der Vorgeschichte abhinge. Auch scheint der von Wryı eingeführten ge- radesten Linie sowie den in dieser und den übrigen Gleichungen der Wevıschen Theorie explizite auftretenden elektrischen Potentialen keine unmittelbare physikalische Bedeutung zuzukommen. Andererseits aber scheint mir der unter a dargelegte Weyısche Gedanke ein glücklicher und natürlicher zu sein, wenn man auch nicht a priori wissen kann, ob er zu einer brauchbaren physikalischen Theorie zu führen vermag. Bei dieser Sachlage kann man sich fragen, ob man nicht zu einer klaren Theorie gelangt, indem man nieht nur mit Weytr auf die Voraussetzung II, sondern auch auf die Voraus- setzung I von der Existenz übertragbarer Maßstäbe (bzw. Uhren) von vornherein verzichtet. Im folgenden soll nun gezeigt werden, daß man zwanglos zu einer Theorie gelangt, indem man lediglich.von der invarianten Bedeutung der Gleichung 42 — 0, 08.00, = O ausgeht, ohne von dem Begriff des Abstandes ds oder — physikalisch ausgedrückt — von den Begriffen Maßstab und Meßuhr Gebrauch zu machen. Bei der Bemühung, eine solche Theorie aufzustellen, wurde ich von Kollegen Wirriseer in Wien wirksam unterstützt. Ich fragte ihn, ob es eine Verallgemeinerung der Gleichung der geodätischen Linie gebe, in weleher nur die Verhältnisse der g,, eine Rolle spielen. Er antwortete mir im folgenden Sinne. , Wir verstehen unter » Rıemann-Tensor« bzw. »Rıemann-Invariante « einen Tensor bzw. eine Invariante bezüglich beliebiger Punkttrans- Eissrein: Ergänzung des Fundamentes der allgemeinen Relativitätstheorie 263 formationen, deren Invarianzcharakter unter der Voraussetzung der Invarianz von ds’ = g,,dx, dx, gilt. Wir verstehen ferner unter » Weyr- Tensor« bzw. » Wevr-Invariante« vom Gewicht » einen Rırmaxs-Tensor bzw. eine Rırmass-Invariante mit folgender zusätzlicher Eigenschaft: der Wert der Tensorkomponente bzw. Invariante multipliziert sich mit ?“, wenn man die g,, durch Ag,, ersetzt, wobei A eine beliebige Funktion der Koordinaten ist. Diese Bedingung läßt sich symbolisch dureh die Gleichung Tag) = x T(y) ausdrücken. Ist nun J eine nur von den g,, und ihren Ableitungen abhängige Weyr-Invariante vom Gewichte — ı, so ist do’ = Jg, ‚da, d«, (1) eine Invariante vom Gewichte 0, d.h. eine Invariante, die nur vom - Verhältnis der g,, abhängt. Die gesuchte Verallgemeinerung der geo- dätischen Linie ist dann gegeben durch die Gleichung lfasl=o. (2) Diese Lösung setzt natürlich die Existenz einer Weyr-Invariante von der genannten Art voraus. Weyıs Untersuchungen weisen den Weg zu einer solchen. Er hat nämlich gezeigt, daß der Tensor I : H;xım = Rn — Br (Gr lem + Sem Ra— 9m Ra— 9ıR;.) (3) I = (d—1)(d—2) (919m — Iim Iri) R ein Weyr-Tensor vom Gewicht ı ist. Dabei ist A, der RıEmann- sche Krümmungstensor #,„= g" R;m der durch einmalige Verjüngung aus demselben hervorgehende Tensor zweiten Ranges, R der durch nochmalige Verjüngung entstehende Skalar, d die Dimensionszahl. Hieraus geht sogleich hervor, daß H—ı Her (4) ein Weyıscher Skalar vom Gewichte —2 ist. Es ist also J=WVB (5) eine Weyrsche Invariante vom Gewichte —ı. Dies Ergebnis in Ver- bindung mit (1) und (2) liefert eine Verallgemeinerung der geodäti- schen Linie nach der von WirTısser angegebenen Methode. Natür- lich ist für die Beurteilung der Bedeutung dieses Resultates und der folgenden die Frage von großer Wichtigkeit, ob J die einzige Weyr- Invariante vom Gewichte — ı ist, in welcher keine höheren als die zweiten Ableitungen der g,, vorkommen. 264 Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse vom 3. März 1921 Auf Grund des bisher Entwickelten ist es nun ein leichtes, jedem Rırmann-Tensor einen Weyr-Tensor zuzuordnen und damit auch Natur- gesetze in Form von Differentialgleichungen aufzustellen, die nur mehr von den Verhältnissen der g,, abhängen. Setzen wir E I, = II: so ist & do’ = g,,dx,da, eine Invariante, die nur mehr von den Verhältnissen der g,, abhängt. Alle Rıemann-Tensoren, die aus dc als Fundamentalinvariante in üblicher Weise gebildet werden, sind — als Funktionen der g,, und Ableitun- gen aufgefaßt — Wevr-Tensoren vom Gewichte 0. Symbolisch können wir dies so ausdrücken. Ist 7(g) ein Rıemann-Tensor, der außer von den g,, und deren Ableitungen auch von anderen Größen, etwa den Komponenten &,, des elektromagnetischen Feldes abhängen kann, so ist T(g)), als Funktion der g,, und ihrer Ableitungen betrachtet, ein Weyr-Tensor vom Gewicht ©. Es entspricht also jedem Naturgesetz T(g) = 0 der allgemeinen Relativitätstheorie ein Gesetz T(g’) = 0, in welches nur die Verhältnisse der g,, eingehen. Noch deutlicher wird dies Ergebnis durch folgende Überlegung. Da in den g,, ein Faktor willkürlich bleibt, wird es möglich sein, diesen so zu wählen, daß überall J=J, (6) wird, wobei ./, eine Konstante bedeutet. Dann ist g,, bis auf einen konstanten Faktor gleich g,,, und die Naturgesetze nehmen in der neuen Theorie wieder die Form lee) an. Die ganze Neuerung gegenüber der ursprünglichen Form der all- gemeinen Relativitätstheorie besteht dann in dem Hinzutreten der Dif- ferenzialgleichung (6), welcher die g,, genügen müssen. Es sollte hier nur eine logische Möglichkeit dargelegt werden, die der Veröffentlichung wert ist, mag sie für die Physik brauchbar sein oder nicht. Ob das eine oder das andere der Fall ist, müssen weitere Untersuchungen lehren, ebenso, ob außer der Wervr-Invariante J=VK noch andere in Betracht kommen. Ausgegeben am 17. März. 5 265 SITZUNGSBERICHTE DER PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. 1921 XIV. Gesamtsitzung. 10. März. Vorsitzender Sekretar: ı. V. Hr. PLaxck. 1. Hr. Ponreers sprach über »Die Beziehungen zwischen Klima und Meeressedimenten.« (Ersch. später.) Die Forschungen über klimatische Verhältnisse früherer geologischer Epochen knüpfen ganz vorwiegend an terrestre Gesteine an; marine Sedimente werden nur in wenigen Ausnahmefällen in Betracht gezogen. Die Untersuchung der Gesteinsfolgen aus Flachseegebieten ergibt in dem Wechsel tonreicher und kalkreicher Sedimente sichere Anzeichen für den Wechsel niederschlagsreicherer und niederschlagsärmerer Zeiten. Die hieraus abzuleitenden lang- und kurzperiodischen Schwankungen der Niederschlagsmengen lassen sich sehr gut mit den aus der Untersuchung terrestrer Gesteinsfolgen geschlossenen periodischen Klimaänderungen in der geologischen Ver- gangenheit parallelisieren. Aus der Abhängigkeit der Meeressedimente von klima- tischen Faktoren ergibt sich für eine Reihe von Krustenbewegungen der Erde eine größere Stetigkeit, als sie bisher allgemein angenommen wurde. 2. Das korrespondierende Mitglied der philosophisch-historischen Klasse Hr. Baus in Berlin überreichte eine Arbeit: Vom Köktürki- schen zum Osmanischen. Vorarbeiten zu einer vergleichenden Gram- matik des Türkischen. 4. Mitteilung. (Abh.) Gewisse Kategorien von Wörtern werden in allen türkischen Mundarten fast ausschließlich mit dem Possessivsuffix gebraucht. Es wird der Nachweis erbracht, daß sich ‚dieses Possessivsuffix in einer größeren Anzahl von Wörtern endgültig fest- gesetzt hat. Sodann wird der Wortauslaut besprochen und es wahrscheinlich gemacht, daß das Possessivsuffix auch in solchen Wörtern steckt, deren auslautende Vokale sich heute mit dem Vokalismus des Possessivs nicht mehr decken. 3. Vorgelegt wurden: Ihn Saad, Bd. IX, Indices, Teil ı, heraus- gegeben von Epvarn Sacnau (Leiden 1921); Oscar Herrwiıe, Die Ele- mente der Entwicklungslehre des Menschen und der Wirbeltiere, 6. Aufl. (Jena 1920); Oscar Herrwıc und GÜNTHER HeErTwis, Allgemeine Biologie, 5. Aufl. (Jena 1920) und Abhandlungen aus dem Kaiser-Wilhelm-Institut für Chemie in Berlin-Dahlem, IV. Bd. (Berlin-Dahlem 1920). , u R IE En Art nn I 266 Gesamtsitzung vom 10. März 1921. — Mitteilung vom 24. Februar Neue Fragmente des Werks des Porphyrius gegen die Christen. Die Pseudo-Polycarpiana und die Schrift des Rhetors Pooakus gegen Porphyrius. Von ADoLF von HARNACK (Vorgelegt am 24. Februar 1921 [s. oben S. 245).) Zweimal ist es mir gelungen, die älteste christliche Literaturgeschichte von schlimmen Eindringlingen zu befreien. Im Jahre 1883 habe ich gezeigt, daß der angebliche Evangelienkommentar des Theophilus von: Antiochien (saec. II) eine lateinischeKompilation frühestens aus der 2. Hälfte des 5. Jahrhunderts ist (» Texte und Unters.« Bd. I), und im Jahre 1900 konnte ich nachweisen, daß die sogenannten Prarrschen Irenäusfragmente freche Fälschungen des berühmten Tübinger Kanzlers Prarr sind (a.a.O. Bd. XX). In beiden Fällen sind die Nachweisungen von der Kritik an- erkannt worden‘. In der folgenden Untersuchung handelt es sich wiederum um ein Stück, das aus der ältesten ehristliehen Literatur zu verschwinden hat und dessen Zusammensetzung und wirklicher Ur- sprung sicher ermittelt werden können. 1. Die Pseudo-Polycarpiana enthalten fünf Fragmente des Porphyrius aus einer bisher unbekannten lateinischen Streitschrift gegen ihn. Zu den bisher noch unaufgeklärten Stücken der altchristlichen Literatur gehören die Fragmente einer angeblichen Schrift des Bischofs Polykarp von Smyrna, welche der Minorit Feuardentius, der eifrige Agitator der »Liga«, im Jahre 1595/96 in seiner Ausgabe des Irenäus (zu III, 3) aus einer Katene (Verdun) zu den 4 Evv. veröffentlicht hat”. ' Vgl. auch den Nachweis, daß der Brief des Bischofs Theonas an den Ober- kammerherrn Lucian, angeblich aus der Zeit Dioeletians, eine Fälschung eines fran- zösischen Humanisten am Hofe Ludwigs XIV. ist (a. a. ©. Bd. XXIV); hier aber war Barırrot mir schon vorangegangen. Vor und nach Feuardentius hat niemand die Katene gesehen. Er selbst hat den Fund für so wichtig gehalten, daß er ihn schon auf dem Titelblatt seiner Ausgabe des Irenäus ausposaunt hat. Wenn er sagt, die Katene sei »vetustissimis charaeteribus« geschrieben, so ist daraus zu schließen, daß sie damals nicht jünger als etwa 2 bis 3 Jahrhunderte war; um wieviel älter, das läßt sich nicht sagen. I er) =] von Harnack: Porphyrius gegen die Christen Zwar ist die Unechtheit in der Neuzeit fast allgemein anerkannt’ — allein Hr. Zaun hält meines Wissens die Echtheit für möglich’ —. aber über dieses Urteil ist die Forschung bisher nicht hinausgekommen: selbst Versuche, die Herkunft der Fragmente zu bestimmen, fehlen, obgleich sie seit Usner fort und fort zusammen mit dem echten Brief Polykarps abgedruckt werden. Auf die richtige Spur wäre man wahr- scheinlich bald gekommen, wenn man die Überlieferung der Fragmente richtig wiedergegeben und wenn man sie, was noch niemand getan hat, richtig als »Einwürfe« und »Antworten« abgedruckt hätte. Die Überlieferung anlangend, so hat schon Feuardentius selbst im Nachwort den Tatbestand verfälscht, und die Späteren haben die Verfälschung fortgesetzt; erst Hr. Zanus hat sie berichtigt. Die allein maß- gebenden Worte des Feuardentius in seiner Einleitung zum Ab- druck der Fragmente lauten (p. 240): »Harum (epistularum; Irenäus spricht l. c. von mehreren Briefen Polykarps) porro quingue non aspernanda fragmenta a me superioris Quadragesimae tempore Virduni in quadam vetustissimis characteribus manu descripta super IV evangelistas Gatena inventa, ut a Vietore episcopo Capuano ante MÜ annos ibidem laudantur, hoc loco inserere operae pretium visum fuit. haee itaque ibidem leguntur: "Vietor epis- copus Öapuae ex responsione capitulorum Sancti Polycarpi, Smyrnensis episcopi, diseipuli Joannis evangelistae'.« 3 Nach dem Abdruck fährt Feuardentius fort (p. 24 1£.): »Haee Vietor Capuanus vir Graece et Latine doctus eirca a. d. CÖDLXXX ex Graeco ‘Responsionum capitulorum beati Polycarpi’, quem nactus erat codice a se Latine facta recensuit et in supra nominata Catena manuscripta, quam penes me habeo et, quum per typographos licebit (das ist nicht geschehen), studiosis communicabo, eitantur.« Daß Viktor die Polycarpiana übersetzt hat, ist einfach eingetragen: aber auch das durfte Feuardentius nicht sagen, daß sich der Titel » Responsiones capitulorum « oderähnlich auf ein Buch Polykarps bezieht. er kann ebensogut — es ist das sogar das Näherliegende — ein Werk Viktors mit diesem Titel bezeichnen, in welchem sich das Lemma be- fand: »S. Polycarpi« etc.” Diese Möglichkeit aber wird zur Gewißheit, ' Siehe meine Altchrisı. Lit. Gesch. Il, 2 S. 197: Lisrrroor in seiner Ausgabe der Briefe des Ignatius und Polykarp II, 1885, p. 1001{l.; BARDENHEwER, Gesch. der alt- kirchlichen Lit. I, 1913, S. ı68f.; Bonwersch in Haucks REncykl., Bd. ı5 S. 537- In seiner Ausgabe der Epp. Ignat. et Polye., 1876, p. XLVIIf., ı7rf., hatte Zaun die Fragmente noch als »admodum incerta« bezeichnet: aber später urteilte er bedeutend günstiger über sie (was schwer verständlich ist), s. Gesch. des N’Tlichen Kanons I S. 782f.; vorsichtiger Forsch. VI S. 103. ’ Man hat in diesem Fall in der Mitteilung des Feuardentius vor »Polyearpi« stark zu interpungieren. 268 Gesamtsitzung vom 10. März 1921. — Mitteilung vom 24. Februar weil uns zum Glück an einer Stelle von einem Werk Viktors mit diesem Titel berichtet wird. In der von einem Johannes Diakonus zusammen- gestellten Catena Paris. nr. 838 (Sangerm. 60) in Heptateuchum saee. X, über die unten Näheres dargelegt werden wird, findet sich fol. 13 b folgendes’: t »‘Formavit igitur dominus deus hominem de limo terrae’ (Ge- nes. 2, 7): Victor, episcopus Capuae, in libro suo 'Responsorum Capitula’ vigesimo primo’: Secundum Hebraeam translationem refert seriptura divina, quod humanum corpus« ete.. Hiernach kann kein Zweifel bestehen, daß Viktor eine weitschich- tige Kompilation verfaßt hat‘ (21. Buch!) unter dem Titel »Respon- sorum Capitula«° (oder ähnlich), in welchem er Fragmente »Polykarps« zitiert hat, ohne den Fundort, d. h. das Werk »Polykarps«, anzugeben, dem er sie entnommen hat“. Wir sind also lediglich auf den nackten Namen »Polykarp« angewiesen, denn es ist nicht sicher, daß das ur- sprüngliche Lemma so ausführlich gelautet hat: »S. Polycarpi, Smyr- nensis episcopi, diseipuli Joannis evangelistae«'. Die Fragmente, wie sie uns Feuardentius mitgeteilt hat, lauten also (die Sperrungen der Einwürfe bez. Fragen sind von mir veranlaßt): ı S. Pırra, Spieil. Solesm. I (1852) p. 266. Prrra führt l. c. noch ein zweites Fragment an (fol. 15a; so ist nach p.’280 zu lesen, nicht ı8b), aber teilt keine Über- schrift bzw. kein Lemina mit. 2 Über die Mißhandlungen dieser Aufschrift durch Pırra (er streicht u. a. einfach »suo«) und seine Phantasien gehe ich hinweg. > Das Folgende ist für unsere Zwecke ganz irrelevant; es ist wahrscheinlich auch eine »Antwort«; aber welche »Frage« ihr vorangegangen, läßt sich nicht ersehen. * Daß er der Verfasser der Katene selbst ist, ist ein unbegreiflicher Irrtum, der zuerst bei Usmer auftritt und zäh festgehalten worden ist. ° Auch ein Werk Viktors mit dem Titel: »Capitula de resurrectione domini« ist nachweisbar; s.Pırra, l.c. Ip. LI. ° Daß sich jedes dieser Fragmente, wie sich sofort er- geben wird, in eine Frage und Antwort zerlegen läßt wie das Werk Viktors selbst, ist also ein zufälliges Zusammentreffen; doch läßt sich annehmen, daß Viktor in dem umfangreichen Werk auch sonst ältere Fragen und Antworten aufgenommen hat; dazu auch Fragen, auf die er selbst Antwort gegeben hat. ° Feuardentius selbst kann das Lemma erweitert haben. In der obengenannten Pariser Katene nr. 338 finden sich 37 Scholien Viktors, die Exzerpte aus älteren Schriften enthalten (s. Pırra, l. ce. I’p. 265ff.); sie lauten (stets mit der vorangestellten Angabe: » Victor, episcopus Capuae«): »Ex epistola Origenis ad Gobarum de undeeima« (dreimal), »Ex libro III Origenis TIEPI @Ycewn«, »Ex ÖOrigenis libro I de pascha, hoc sensu ex Graeco trans- latum« [sie]; »Ex epistola Origenis ad Firmilianum de his qui fugiant quaestiones«; Ex sermone S. Basilii: »Ignem veni mittere in terram«; »Ex sermone S. Basilii de dogmatibus«; »Ex scholia [sie] Diodori Tarsensis episcopi in Exodo« (22mal; doch wird »Tarsensis episcopi« nur noch einmal wiederholt); »Hune locum Diodorus sie exponit dicens«; »Ex scholia [sie] sermonum Severiani episcopi Gabalon« (fünfmal); »Ex libro Paradisi seu PAmATA repönTwn«. Nach diesen Parallelen ist das Lemma in bezug auf Polykarp teils übervollständig, teils unvollständig; jenes durch den Satz: ‚discipuli Joannis evangelistae«; dieses, weil der Titel des Buchs fehlt, aus welchem das Scholion gesehöpft ist. Viktor hat ihn sonst nirgendwo weggelassen. von Harnack: Porphyrius gegen die Christen 269 ik Matthaeus dominum' dixisse testatur”, quod Moyses seribit” Adam locutum fuisse hoc modo: »Hoc nunc os ex ossibus meis et caro ex carne mea; propter hoc relinquet homo patrem et matrem« etc. 2 Sed eoncordant' domini verba cum Moysi sermonibus: quia’ Adam praebens offieium“ inspiratione divina prophetavit, ipse a Moyse hoe dixisse refertur; deus vero, qui per inspirationem divinam in corde Adam ista verba formavit, ipse’ a domino recte locutus fuisse refertur; nam et Adam hane prophetiam protulit, et pater, qui eam inspiravit, recte dieitur protulisse. ll. |Der Apostel Johannes ist gestorben, obgleich Jesus ihm wie seinem Bruder den Märtyrertod angekündigt hat: also hat sich Jesus bei seiner Prophezeiung geirrt.] Per huiusmodi potum* significat passionem, et Jacobum quidem novimus” martyrio consummandum'", fratrem vero eius Joannem transi- turum absque martyrio. quamvis et afflietiones plurimas et exilia'' tolerarit. sed praeparatam martyrio mentem Christus martyrem iudicavit; ”, dum impossibile sit quotidie mori hominem ea morte, qua semel vita haec finitur; sed quoniam pro evangelio ad mortem iugiter erat praeparatus, se mori quotidie sub ea significatione testatus est. legitur et in dolio ferventis olei pro nomine Christi beatus Joannes fuisse demersus'”. nam apostolus Paulus »quotidie«, inquit, » morior« 1 4 deum! ® Matth. 19, 5. 3 Genes.: 2, 23. Zaun und Licwrroor irrtümlich »non coneordant« ohne Bemerkung. > »qui« Cod. ® S. »offieium « Fragm. III; »off. praebere« ungewöhnlich. ° »ipse pater« Cod., was zur Not zu halten, aber wahrscheinlich aus dem Folgenden eingedrungen ist. ® Maith. 20, 23; voran hat Feuardentius die Überschrift gestellt: »Idem ad haec verba Christi: “Calicem meum bibetis’« ete. ” »novimus« ZAHN, »novissimus« (od. 10 Für Futur. Pass., wie so oft damals, s. Roenscn, Itala u. Vulg. S. 433f.; vgl. Hieron., Vita Hilarion.: »Jam se ad dominum migraturum et de corporis vinculis liberandum«. '! Der Plural fällt auf. SER orE LS ZT. 3 Dieser letzte Satz verträgt sich schlecht mit den Worten »afflietiones plurimas« ete., weshalb ihn Zaun als späteren Zusatz ausgeschieden hat; aber er verträgt sich doch, wenn man »legitur« stark betont: der Verf. bringt diese Überlieferung nach, der er aber selbst nieht sicheren Glauben schenkt. Sie ist nicht aus Tert., de praescer. 36 geflossen: »Joannes ..... . in oleum igneum demersus nihil passus est«; denn hier fehlt der Ausdruck »dolium ferventis olei« (das übereinstimmende »demersus« muß auf Zufall beruhen), sondern aus der abendländischen Legende in einer später bezeugten Fassung; s. Hieron., Comm. in Matth. 1. IIT (T. VII 655) unter Berufung auf die »Eeclesiasticae historiae«: »Missus in ferventis olei dolium«, und adv. Jovin. 26 (T. II 278): »Refert Tertullianus (das stimmt nur z. T.). quod a Nerone missus in ferventis olei dolium« ete.: Augustin. zu 270 Gesamtsitzung vom 10. März 192]. — Mitteilung vom 24. Februar s Il. _ [DieEvangelisten haben ihrenBüchern ganz verschiedene Anfänge gegeben und widersprechen sich daher.] ‚Rationabiliter'* evangelistae »principiis diversis utuntur«, quamvis una eademque evangelizandi eorum probatur intentio: Matthaeus ut Hebraeis seribens genealogiae Christi ordinem texuit, ut ostenderet ab ea Christum descendiese progenie, de qua eum nasciturum universi prophetae ceeinerant; Joannes autem ad Ephesum constitutus, qui” legem tamquam ex gentibus ignorabant, a causa nostrae redemptionis evangelii sumpsit exordium, quae causa ex eo apparet, quod filium suum deus pro nostra salute voluit incarnari; Lucas vero a Zachariae sacerdotio incipit, ut eius filii miraculo nativitatis et tanti praedicatoris offieio divinitatem Christi gentibus deelararet; unde et Marcus antiqua'" prophetici mysterii, competentia adventui Christi, declarat, ut non nova sed antiquitus prolata eius praedicatio probaretur et'” per hoc. evangelistis curae fuit eo uti prooemio, quod unusquisque iudicabat auditoribus expedire'”; nihil ergo: »contrarium« reperitur, ubi lieet »diversis sceriptis«e ad eandem tamen patriam pervenitur. IV. Praecepit'' non amicos, sed infirmos quosque vocandos ad prandium: quodsi elaudussaut quilibet eorum sit amicus, sine dubio talis pro amieitia minime est rogandus, unde ipsa” videntur se impugnare mandata; nam si non amici, sed elaudi et caeci sunt invitandi ipsosque quoque amicos esse contingat. nequaquam rogare debemus. Sed amicos, arbitror, intelligi hoc loco debemus illos, quos mundi huius terrena eonsideratione diligimus, non pro divinae eontemplationis Joh. 21.22 (auch unter Berufung auf’ die Eeelesiastica historia): »ferventis olei dolium«. Die späteren gleichlautenden Zeugnisse können beiseitebleiben. Auf das alte griechische Original, welches hier vorauszusetzen ist, kann das Zitat nieht direkt zurückgeführt werden, da die Konstanz des lateinischen Ausdrucks unerklärt bliebe. N Über- schrift von Feuardentius: »Idem de initio evangelii seecundum Mareum«. 15,5 Elact, aber nieht zu korrigieren; auch die Annahme einer Übersetzung aus dem Griechischen (eic rorc Kat” ”Ewecon) empfiehlt sich nicht; Irenäus schreibt III, 3,4 von, Johannes: eic THN "ACIAN KATACTABEIC. 's "Wie bei Plautus und Terenz; vgl. dazu Roensen, l. e. S. 1ooff. (Substantivierte Adjektiva). 1 „et« ZAHN, »aut« Üod. !5 „expe- dire« Zaun, »expetere« (od. Diesem Fragment hat Feuardentius die Überschrift gegeben: »Idem in illud: “Noli vocare amicos tuos, sed pauperes et debiles’« ete. (Luk. 14, 12{.). ° »ipsa quasic Ood.; aber »quasic kann nur von einem ängstlichen Schreiber vorgreifend hinzngesetzt sein. ID . . + )7 von Harnack: Porphyrius gegen die Christen ' ‘] intuitu. hi sunt igitur amiei relinquendi. denique ideo debilium exempla proposuit, quos pro nullius possumus appetere necessitate negotii nisi tantum pro fructu retributionis aeternae. Quomodo” opus salutis humanae adimplesse comme- morat,. cum needum erueis vexillum” conscenderat? Sed definitione voluntatis, de qua euneta venerandae passionis insignia adire decreverat, iure se opus perfeeisse significat”, ‘ete.”' Beim II. und Ill. Fragment ist nur die Responsio von Viktor mitgeteilt. aber die Thesis ergibt sich ohne weiteres aus ihr; bei den drei anderen Stücken ist die Abgrenzung klar, und was hier als »Einwurf«' bzw. Thesis mitgeteilt ist, kann natürlich nicht von dem- selben Autor, angeblich Polykarp, herrühren, von dem die Respon- siones stammen; denn diese Thesen sind nicht deliberative, sondern so formuliert, daß sie nur von einem Gegner der biblischen Beriehte herrühren können. Positiv heißt es in Fragment I, daß Matthäus und die Genesis sich widersprechen, und ebenso positiv wird Jesus in Fragment IV mit seiner Anweisung, keine Freunde einzuladen, ad absurdum geführt. Aber auch in Fragment V wird ihm ein flagranter Widerspruch aufgebürdet. In Fragment II ist eine Prophezeiung Jesu als Irrtum das Problem, welches der Responsor zu lösen versucht, und dem Fragment Ill liegt die Behauptung zugrunde, die Evangelisten berichteten ganz Verschiedenes und widersprächen sich daher. Sobald das klar erkannt ist, ist auch die Quelle klar: sie kann nur das Werk des Porphyrius gegen die Christen sein. Als Vermutung bietet sich diese Annahme sofort dar; sie wird aber durch die Untersuchung bestätigt, am schlagendsten für das I. und IV. Stück. (Ad I) Wenn der Gegner hier (mit Recht) bemerkt, zwischen Matth. 19,5 und Genes. 2,23 bestehe ein Widerspruch, da nach jener Stelle Gott, nach dieser Adam die betreffenden Worte gesprochen habe, so bietet Porphyrius däzu (Nr. 9 und 10 meiner Sammlung) die treffendsten Parallelen; denn er macht hier auf den Irrtum des Markus aufmerksam, der (1,2) den Jesajas sagen läßt, was doch Maleachi ge- sagt hat, und auf den Irrtum des Matthäus (ce. ı3, 35), der ebenfalls von Jesajas gesagt sein läßt, was Asaph gesprochen hat. :! Feuardentius gibt die Überschrift: »Idem in illud: “Opus consummavi, quod dedisti mihi, ut faciam’« (Joh. 17, 4). ”° Porphyr., Gegen die Christen nr. 84: CTAYPOY CXHMA. °”®* Diese Erwiderung zeigt, daß der Verfasser rhetorische Schu- lung besaß. ®?: So Feuardentius. 272 Gesamtsitzung vom 10. März 1921. — Mitteilung vom 24. Februar (Ad IV) Der Gegner führt hier aus, das Wort Jesu Luk. 14,12 2 £. enthalte einen Widerspruch; denn da er in einem Atem befehle, man solle nicht seine Freunde, sondern Krüppel und Lahme einladen, so dürfe man also solche Krüppel nicht einladen, mit denen man zu- fällig befreundet sei! Wiederum bietet Porphyrius (nr. 58) hier eine schlagende Parallele, wenn er breit ausführt, daß sich Jesus mit der- Behauptung, daß ein Reicher nicht in das Himmelreich komme, in einen Widerspruch verwickle; denn was könnten dann einem Reichen Gerechtigkeit und Tugend nützen? Auch die Form der Ausführung ist dort und hier eine ganz ähnliche. (Ad II) Wie die.Responsio zeigt, muß der Gegner hier ausgeführt haben, Jesu Wort über Johannes (Trinken des Kelchs, Matth. 20, 23) sei Lügen gestraft worden; denn Johannes sei nicht Märtyrer geworden, sondern eines natürlichen Todes gestorben. Das fügt sich aufs treff- lichste zu Porphyrius nr. 26, wo umgekehrt ausgeführt wird, Petrus habe einen schimpflichen Tod erlitten, obgleich ihm Jesus zugesagt habe, daß ihn die Pforten des Hades nicht überwältigen werden. d.h. daß er nicht sterben werde. Es fügt sich auch zu nr. 36, wo auf den Widerspruch hingewiesen wird, daß Paulus in Rom geköpft worden sei, obgleich ihm vom Herrn in einem Nachtgesicht (Acta ı8, of.) zugesichert worden sei, daß ihn niemand schädigen werde. (Ad II) Der Gegner weist auf die Widersprüche in den Evan- gelien und vor allem auf die Widersprüche in ihren Anfängen hin; solche Nachweise haben aber eine Hauptaufgabe des Porphyrius in’ seinem Werk gegen die Christen gebildet, wofür Zeugnisse unnötig sind. (Ad V) Der hier aufgedeckte Widerspruch. Johannes lasse Jesum schon beim Abendmahl sagen, er habe sein Werk bereits vollendet (Joh. 17, 4), bevor er noch das Kreuz bestiegen habe, ist ganz im Sinne und in der Art des übelwollend kleinlichen und gegen Johannes besonders gehässigen Porphyrius, der mit Vorliebe solche Widersprüche geltend gemacht hat. Schwerlich kann mithin ein Zweifel bestehen, daß sieh Viktor von Capua in seinem weitschichtigen Werk: »Responsorum capitula« u.a. auch mit Porphyrius’ Werk gegen die Christen befaßt hat — nicht aber direkt, vielmehr, wie das Lemma »Polykarp« beweist (s. 0.), dureh Vermittlung eines älteren Bestreiters des Por- phyrius, den er exzerpiert hat. Dieser Bestreiter' muß aber ein Lateiner und nicht ein Grieche gewesen sein’; denn ı. kennt er die lateinische Fassung ' An der Einheitlichkeit der durch den Autornamen zusammengehaltenen fünf Fragmente zu zweifeln, liegt schlechterdings kein Grund vor, vielmehr wird sie durch den Stil und die Sprache bestätigt. Ob er z. T. auf griechische Vorlagen zurückgeht, kann dahingestellt bleiben. von Harnack: Porphyrius gegen die Christen 273 der Johanneslegende, s. Fragm. Il; 2. zählt er die Evangelien in der _ Reihenfolge Math., Joh., Luk., Mark. auf, s. Fragm. III. Diese Reihen- folge ist bei den Griechen ganz selten; dagegen findet sie sich bei Am- brosius und in den vorhieronymianischen Codd. D, a, b, f,e, ff’,n, 0,9; man darf sie daher einfach als die altlateinische (italienische, viel- leicht auch gallische) Reihenfolge der Evv. bezeichnen, s. Zann, Kanons- gesch. II S. 370f.'" Dieser Lateiner hat aber erst nach dem Eindringen der griechischen Kontemplation ins Abendland geschrieben (s. Fragm.IV), also nicht vor dem 4. Jahrhundert, was auch durch die Sprache, so- weit man zu urteilen vermag, bewiesen wird. Die »Widerlegungen« halten sich auf der bekannten kirchlichen Linie. Die erste lautet so, wie sie heute noch von zahlreichen Exegeten geboten wird; die zweite ist sophistisch; aber es ist ein Sophismus, wie ihn sich die kirchlichen Apologeten zu allen Zeiten erlaubt haben; die dritte arbeitet mit bekanntem Material (vgl. schon Irenäus); die vierte ist durch ihre metäsacıc eic Anno renoc ein schlimmer Sophismus — die Widerlegung wäre auch ohne ihn nicht schwer gewesen, da der Einwurf selbst kümmerlich und sophistisch ist —: die fünfte ist korrekt und beifallswert”. Fünf neue Porphyrius-Fragmente sind gewonnen; aber das Rätsel der Pseudo-Polycarpiana ist doch nur zur Hälfte gelöst. Wer war der lateinische Bestreiter des Porphyrius, dessen Werk Viktor benutzt hat, und wie ist das Quid pro quo entstanden, daß sein Name durch den Polykarps ersetzt worden ist? Die gelehrte Überlieferung kennt bis- her kein lateinisches Werk gegen Porphyrius (denn Hieronymus hat sein Vorhaben nicht ausgeführt). Daß Viktor selbst schon diesen Be- streiter als »Polykarp« eingeführt hat, muß ich für ganz ausgeschlossen halten. Viktor, ein für sein Zeitalter höchst respektabler Gelehrter, Ja wahrscheinlich der beste lateinische Gelehrte in der ersten Hälfte des 6. Jahrhunderts, kannte eine große Menge lateinischer und griechischer Schriften, und wo wir seine Zitate vergleichen können, sind sie richtig; wo wir es nicht vermögen (er zitiert auch aus verlorenen Schriften), ' Für lateinischen Ursprung spricht auch, wenn kein Zufall anzunehmen ist, der Reim am Schluß des III. Fragments (»reperitur — pervenitur«). Auch der Schluls des IV. Fragments ist mehr abendländisch als morgenländisch; vgl. ferner »offieium « im I. und III. Fragment. * Der Gewinn aus den fünf neuen Fragmenten der Schrift des Porphyrius gegen die Christen liegt nicht nur in der Bereicherung, die sie in bezug auf die Charak- teristik des Werks gewähren, sondern auch darin, daß nach dem zweiten Fragment Porphyrius den natürlichen Tod des Apostels Johannes bezeugt. Diese Tradition war zu ihm gekommen und keine andere; überraschend ist das freilich nicht. BEER DE EN E CUEREE 274 Gesamtsitzung vom 10, März 1921. — Mitteilung vom 24. Februar ‚erhebt sich niemals ein Bedenken. Der Fehler muß also später ent- standen sein — in der Zeit zwischen ihm und dem Kompilator der Katene oder erst in deren Abschrift. Wer war der lateinische Bestreiter des Porphyrius, der hier ge- fordert ist? Der Beantwortung dieser Frage ist das folgende Kapitel gewidmet. . 2. Die Pseudo-Polycarpiana stammen aus einer Streitschrift eines Pacatus gegen Porphyrius (saee. V. init), aus der auch noch andere Fragmente erhalten sind'. Die obengenannte Katene des Johannes Diakonus (Romanus) in Heptateuchum (Paris. Ms. 838, saec. X) gehört zu den besten latei- nischen Katenen, die wir besitzen, und PırrA, der auf sie aufmerk- sam gemacht hat‘, hat ihr mit Recht im Spieil. Solesmense eine so große Aufmerksamkeit geschenkt (l p. 265 —301; L-LXIV). Sie um- faßt eine Fülle wertvoller, z. T. einzigartiger Scholien griechischer (in Übersetzung) und lateinischer Väter”, unter ihnen (zum Levit.) das einzige Zitat aus einer lateinischen Übersetzung des I. Clemensbriefes, das wir vor Auffindung der vollständigen Übersetzung besaßen (»In epistola S. ÖÜlementis ad Corinthios«). Die Katene gehört noch in die Frühzeit der Katenenliteratur; Viktor von Capua (7 554) ist reichlich zitiert‘, aber Gregor der Große fehlt. Daher ist es selır wohl möglich, ! Hrn. SCHALKHAUSSER, der sich durch eine ausgezeichnete‘ Arbeit über Ma- karius Magnes (Texte und Unters. Bd. XXX. 4. 1907) bekannt gemacht hat, verdanke ich (Bıief vom 2. Febr. 1919) den Hinweis auf die von mir übersehenen Pacatus- Porphyrius-Fragmente in der von Prrra untersuchten Katene des Johannes Diakonus (Spie. Solesm. I). Sonst sind mir von meinen Kritikern übersehene Porphyrius-Frag- mente nicht nachgewiesen worden. Jene Fragmente aus dem Werk eines Pacatus gegen Porphyrius sind auch in den Literaturgeschichten von Tevurrer (Krorr und SkurscH) und Scuanz (KRÜGER 1920) nicht erwähnt. ” Nach ihm ist sie m. W. nicht wieder untersucht worden, vor ihm von den Maurinern. Mehr als eine Frage habe ich an sie‘zu richten; aber zur Zeit ist es einem Deutschen leider noch nicht möglich, sie zu studieren. Daß die Katene, welche Feuardentius eingesehen, mit dieser Pariser Katene identisch ist. wie PREUSCHEN (Haucks REnzyklop. Bd. 20 S. 608) u. a. für wahrscheinlich halten, ist zwar nicht deshalb schon unmöglich, weil jene in Verdun von F. eingesehen worden ist, wohl aber deshalb, weil die Pariser Katene den Heptateuch kommentiert, die andere die vier Evangelien. Aber blutsverwandt werden sie sein, weil beide Porphyrius-Frag- mente aus derselben Gegenschrift, wie sich zeigen wird, enthalten. ® Griechische Väter: Origenes, Petrus Alex., Diodor, Didymus. Basilius, Gregor Naz., Chrysostomus, Severian von Gabala, Cyrillus Alex. ' Nach Augustin und Hieronymus (Tertullian fehlt ganz: er galt als Schisma- tiker) ist Viktor am stärksten benutzt; auch kennt Johannes mehrere Bücher Viktors und zitiert sie mit ihren Titeln (Prora, 1. ce. p. Lfl.). Oben ist bereits mitgeteilt worden, aus welchen älteren Werken ‚Johannes durch Vermittelung Viktors ‚ Exzerpte dargeboten hat. vox Harsacr: Porphyrius gegen die Christen 275 daß der spätere Papst Johannes III. (560-573) der Kompilator ist, aber eine Gewähr hat man für diese These nicht, wenn die Katene auch schwerlich später als um 600 entstanden ist, vermutlich früher. In dieser Katene nun finden sich folgende zwei Zitate (fol. ı5a und 48b; Pırra p. 281f.): Zu Genes. 2, 21 (»Et formavit dominus deus costam, quam ac- ceperat ab Adam, in mulierem«): Pacatus, Contra Purporium (lies Porphyrium), liber primus: Ecce max quoque [sie] formata est, mulier appellatur. Zu Genes. 24, 16 (»Virgo fuit, masculus autem non cognoverat eam«): Pagatus (lies Pacatus), Contra Porphyrium, liberI: Abun- dabat dixisse: »Virgo 4utem fuit«; sed quia frequentius etiam virgines dietae sunt mulieres,adieeit: »Masculus autem non noverat illam«. Et post aliqua: In Numeris' »Ömnem mu- lierem quae non novit concubitum masculi«c. Eece Romana eloquentia haee nomina praeposteravit’, ut apud Virgilium de Pasiphae’: »Virgo infelix, quae te dementia cepit?«. Et post aliqua: Et Ulpianus Libro ad Edietum sexto: »Qui pro aliis ne postulente«, titulo sexto sie refert': »Invenimus apud veteres mulieres (lies mulieris) appellatione etiam virginis (lies virgines) eontineri’«. Zu diesen beiden Zitaten treten noch andere, die von Pırra aus einer anderen alten Katene (Anenirpäso, 1. ec. p. LIT u. LVIIIf.), die er aber seiner Gewohnheit gemäß mehr verhüllt als bezeichnet hat (Sangerm.?), mitgeteilt worden sind. Die Katene stammt, wie die Ex- zerpte beweisen, ebenfalls von Johannes Diakonus. Hier heißt es: ».Josias genuit Jechoniam et fratres eius«, et reliqua usque »Salathiel« (Matth. ı, 11): (Vietor, episcopus Capuae:)' ! Num. 31, 18. ® „Praeposterare ordinem« Quintil., Cassiodor. Das Wort gehört selbst der »Romana eloquentia« an. > Virgil, Eelog. VI 46, cf. 52. ‘ Daß sich in einer Schrift: gegen Porphyrius ein Fragment des großen Werks Ulpians (Ad edietum libri LXXXII) findet und mit Titelbezeichnung, ist paradox. ° Krüser (Ulpiani liber singularis, ete., 1878, p. 160) ist die Stelle aus Pacatus nicht entgangen; aber er hat es zu bemerken unterlassen, daß sie aus einem Werk gegen Porphyrius stammt. ° P. LVII: »Fragmentum quod sequitur, Änerirpason in codice. Joanni Diacono ascribam libenter, quum auctores exhibeat eosdem, eodem modo memoratos. inter quos vursus rarissimum Pacatum, a nemine veterum ullibi quod noverim memoratum, ip- sumque Vietorem, euius vestigia haud immerita religione doctissimus Diaconus con- stanter relegit.« ” Das Lemma ist aus dem Folgenden sicher zu ergänzen. Sitzungsberichte 1921. 26 276 Gesamtsitzung vom 10. März 1921. — Mitteilung vom 24. Februar Pagatus (lies Pacatus) auetor dixit: Sancetus Matthaeus patrem huius Joachim Jeehoniam ap- pellavit, propterea quasi [sic] Jechoniam (lies Jechoniae) regno ipse successit et loco et semini. legis fuit, ut etiam eius no- mine censeretur, per quem restitutum et resuscitatum de- funeti noseitur semen, sieut Sed (lies Seth), Adae filius, pro Abel. i Et post aliquanta: Jechoniam patruum et Jechoniam fratris filium nominavit: Victor, episcopus Capuae: Quum evangelista XÄLII asserat esse generationes, inve- niuntur a numero, annumerato ipso D.N. Jesu Christo, XLI. absit autem ut evangelistam putemus errasse, sed arbitror Jechoniam, filium Josiae, intransmigratione Babylonis fuisse nominatum, et post transmigrationem Babylonis alterum Jechoniam nominatum, qui fuit filius Joachim sive Jechoniae filium, Josiae patris sui nomen habens. quam genealogiam ex Peccato (lies Pacato) mutuantesita designavimus, probatam ab ipso ex Regum et Paralipomenon libro. Es folgt nun eine in der Handschrift sehr entstellte Tabelle, die Pırra (p. LX) wieder- herzustellen versucht hat. Ein weiteres Scholion, überschrieben » Vietor, episcopus Gapuae « (p- LXU), bringt, eine gelehrte chronologische Auseinandersetzung zu Joh. 2, 20 über die 46 Jahre des Tempelbaus'. Endlich druckt Pırra (p. LXIV) noch ein gelehrtes Scholion mit dem Lemma » Victor, episcopus Capuae« zu Mark. 15,25 (»Es war aber die dritte Stunde«) ab, das den vorhergehenden blutsverwandt ist”. ' »Haee opinio Judaeorum non a prima templi aedificatione sus- cepta est, in qua VIII annis templum a Salomone perfeetum est, sed pro secunda aedifieatione, qua templum a Zorobabel legitur vestauratum: ‚Judaei eum [sie] XLVI annis asserunt aedifieatum. Cyrus enim suseipiens prineipatum (qui regnavit annis XXX), audiens quod Esaias de eius nomine praediearet (lies praedicarat), sieut in aliquibus exemplaribus legitur: »Haee dieit dominus Cyro«, Hebraeorum captivitatem de Babylonia relaxare praecepit ac templum construi iussit, sed solo altare constructo, yuum a vi- einis gentibus fabricatus impediretur, secundo Darii anno per Jesum filium Josedech et Zorobabel restauratio templi perfeeta esı. regnavit autem Cyrus annis XXX, post quem Cambyses annis VIII; eui successerunt Magi fratres infra anni spatium imperantes. quibus succedit Darius, euius anno secundo iterum aeldificare praeceptum est, teste Zacharia propheta, quo in Judaeorum reditu peracto quattuor annis fabrieatum est; expleta fiunt simul anni XLV. quadragesimo autem sexto anno, completo aedifieio templi, coepit redire solemnitas. hae igitur opinione Judaeos arbitror obieeisse domino nostro aedificati templi annum XLVI.« ® „Quomodo hora tertia asserit crucifixum, dum Joannes. (19, 14) sexta testetur?« »Quod Eusebius Caesariensis volens absolvere dieit (folgt die Er- klärung durch Verschreibung von Gamma als Stigma; s. Euseb. ad Marin.); aber diese Erklärung wird abgelehnt. weil die Häretiker, die gewisse Bibelstellen ablehnen, Auf- vos Harnacr: Porphyrius gegen die Christen 277 Johannes Diakonus hat somit ein sonst ganz unbekanntes Werk eines Pacatus gegen Porphyrius von mindestens zwei Büchern! be- nutzt: es muß aber eben dieses Werk auch schon von Viktor von Capua "benutzt worden sein: denn, daß das von ihm nicht näher bezeichnete Werk eines Pacatus gegen Porphyrius gerichtet war, ergibt sich daraus, daß Hieronymus uns berichtet, dieser habe auf Grund von Matth. 1, ı of. den Evangelisten der »falsitas« beschuldigt”; aber auch das bezeugt Hieronymns, daß Porphyrius den Finger auf den Widerspruch zwischen Markus und Johannes in bezug auf die Stunde der Kreuzigung Jesu gelegt hat‘. Fraglich kann nur sein, ob sowohl Viktor als auch sein jüngerer Zeitgenosse Johannes Diakonus das Werk des Pacatus ein- gesehen haben. Eine ganz sichere Entscheidung, auf die übrigens auch nicht viel ankommt, läßt sich nicht geben. Da Johannes den Pacatus auch ohne Berufung auf Viktor einführt, so scheint er ihn selbst ein- gesehen zu haben: da aber anderseits Pacatus sonst von niemand zitiert wird und Johannes so vieles und auch Pacatus-Zitate von Viktor übernommen hat, so liegt die Annahme sehr nahe, daß er ihm sämtliche Pacatus-Zitate verdankt. Nun wird man aber ferner nicht zweifeln können, daß auch die 5 antiporphyrianischen Fragmente, die Viktor nach der Katene von Verdun als polykarpisch bezeichnet haben soll (s.o.), dem Werk des Pacatus gegen Porphyrius entstammen; denn wer wollte glauben, daß hier eine zweite unbekannte lateinische Gegenschrift gegen Porphyrius das Mittel- wasser bekommen, wenn man einen Irrtum in der h. Schrift einräumt. Es wird nun- mehr eine harmonistische Erklärung gegeben: die 6. Stunde-bei Johannes soll von dem Zeitpunkt in der Nacht gerechnet sein, da Jesus in das Haus des Hannas ge- führt wurde. Dann heißt es: »Quaerenda est igitur expositio et aliorum locorum Si- milium, quorum Eusebius ad hoe probandum adhibuisse videtur exempla tamquam non veraciter posita et ideo arbitrans a librariis esse falsata, verbi gratia, ut in p rineipio evangelii S.Marei legitur ab Esaia dietum, quoda Malachia cognoseitur prophetatum (vgl. meine Fragmentensammlung des Porphyrius nr. 9). sed, ut dixi. non error aceipiendus, sed eonveniens intelleetus est requirendus. « ! Die wiederholten Worte »liber primus« hat man mit hoher Wahrscheinlich- keit nicht auf das Werk des Porphyrius zu beziehen, sondern auf das des Pacatus. ? Siehe meine Sammlung der Porphyrius-Fragmente nr.ır (Hieron., Comm. in Daniel ı,1): »Et ob hane causam in evang. sec. Matth. una videtur esse generatio (Matth. 1,11), quia seeunda Teccaraaekac in Joacim desinit filio Josiae, et tertia ineipit a Joaein filio Joacim. quod ignorans Porphyrius columniam struit ecelesiae, suam ostendens imperitiam, dum evangelistae Matthaei arguere nititur falsitatem.« . Ich habe in meiner Sammlung (nr. 10) leider das Zitat aus Hieronymus nicht bis zum Ende abgedruckt, weil ich nicht erkannt hatte, daß hier ein zweiter Einwurf des Porphyrius abgewiesen wird. Nachdem Hieronymus den ersten Einwurf (zu Matth. 13,35; s. oben) durch die dreiste Behauptung widerlegt hatte, der echte Text bei Matth. laute »Asaph«, fährt er fort: »Ergo simplieiter dieamus: quomodo illud in evangelio sceriptum est, sie et seriptum est in Matthaeo et Joanne, quod dominus noster hora sexta erueifixus est.« Porphyrius hatte also auch dies beanstandet 26° 278 Gesamtsitzung vom 10. März 1921. — Mitteilung vom 24. Februar glied gebildet hat und daß beide in die Hände Viktors von I: gen kommen sind'? Der Pariser Katene verdanken wir also drei sehr wichtige Auf- klärungen: (ı) daß sich neben Hieronymus (s. meine Sammlung, Testi-" monia nr. XVII S. 35f.) noch ein zweiter Lateiner eingehend mit Por- phyrius beschäftigt und nur er im Abendland eine förmliche Gegen- schrift gegen ihn verfaßt hat, von der wir durch Viktor, bzw. durch ihn und Johannes Diakonus, wissen — Pacatus; (2) daß die 5 pseudopoly- karpischen, antiporphyrianischen Fragmente, welche Viktor von Capua überliefert hat und die in der Katene von Verdun stehen, ebenfalls von Pacatus sind; (3) daß Porphyrius sich in seinem großen Werk auch zu Jesaj. 7, 14, zu Joh. 2, 20 und zu Mark.15,25 (imVergleich mit Joh.19,14) geäußert hat”. Von diesen Nachrichten ist die weitaus wichtigste die sonst nirgends aufbewahrte Kunde, daß auch ein Abendländer, namens Pacatus, eine förmliche Gegenschrift gegen Porphyrius (in mindestens zwei Büchern) verfaßt hat. Daß dies Werk nicht auf uns gekommen ist, ist nicht ver- wunderlich, sind doch auch die großen morgenländischen Werke gegen Porphyrius von Methodius, Eusebius und Apolinarius bald verschwunden bzw. unterdrückt worden. " Stiluaerschiede können m. E. hier nicht in Betracht kommen, da die Fragmente zu spärlich und zu kurz sind. Man kann nur urteilen, daß Pacarus Seal und mit verschiedenen Mi'teln auf die Einwürfe des Porphyrius eingegangen ist. ® Ich zähle die Fragmente nach den oben aufgeführten fünf in Ei Katene von Verdun (das Fiagment zu Matth. 1, rı zähle ich nieht: weil es zu nr. ır meiner Samm- lung gehöit, aus dem schon bekannt war, daß er die Genealogie Jesu bei Matth. als fehlerhaft angegriffen hat). VI: Porphyrius hat sich über Ss Begriffe »Weib« und » Jungfrau« geäußert, sicherlich um die Jungfrauschaft der Maria (Jes. 7, 14) zu be- streiten (genauer lassen sich seine Ausführungen nicht angeben). Daß er sich auch sonst polemisch über die raArsenia der hl. Jungfran geäußert hat, darüber s. meine Sammlung der Fragmente nr. 33. 77.92 (die nur abgerissen überlieferten Gegen- bemerkungen des Pacatıs stellen fest, daß in Genes. 24, 16 der Verf. den Begriff »Jung- frau« nicht für hinreichend eindeutig gehalten und ihn dalıer unzweideutig durch »maseulus non cognoverat eam« präzisiert hat, ferner daß in Num 3r, ı8 von »Frauen« gesprochen wird, die noch keinen Mann erkannt haben, weiter daß auch bei Virgil eine Frau mit »virgo« angeredet sei, und daß endlich auch Ulpian konstatiert, daß die Bezeichnung »Frau« auch die Jungfrauen einschließen könne [oder konstatiert Ulpian das Umgekehrie? Es käme ziemlich auf dasselbe heraus]). VII: Porphyrius hat zu Joh. 2, 20 die 46 Jahre des Tempelbaus beanstandet. Was er, der bekannt- lich ein treffliche: Chronologe war, hier beanstandet hat, ist nicht ganz klar. Er hat wahrscheinlich die Bauzeit des Salomonischen Tempels im Auge gehabt; Pacatus will demgegenüber die 46 Jahre vom Bau des Serubabelschen Tempels verstehen, was auch unrichtig ist. VIII: Er hat auf den Widerspruch in bezug auf die Stunde der Kreuzi- sung bei Markus und ‚Johannes aufmerksam gemacht (Pacatus sucht demgegenüber zu zeigen, daß auch Johannes die 3. Stunde [9 Uhr früh] meint, während Hieronymus umgekehrt den Markus nach Johannes harmonisiert). Das III. pseudopolykarpische und das VII. Fragment sowie die Ausführung zu Matth. 1, ıı zeigen das gleiche bi- blische Wissen. N von Harnack: Porphyrius gegen die Christen 279 Was läßt sich über dieses Werk und seinen Verfasser sagen? ‚Zunächst läßt sich die Zeit ziemlich genau bestimmen. Hieronymus hat das Werk niemals erwähnt, also auch nieht gekannt; denn bis ins hohe Alter verfolgte er die christlich-polemische Literatur in Ost und West; man darf also mit Wahrscheinlielhkeit sagen, daß es nielıt vor dem Jahre e. 410 geschrieben sein kann. Aber anderseits ist es auch schwerlich viel später verfaßt; denn erstlich trat seitdem das Interesse an den heidnischen Gegenschriften bei den Christen ganz zurück, man wollte auch in polemischer Form nichts mehr von ihnen hören, ja es "war geradezu gefährlich, ihre Einwürfe frommen Ohren vorzutragen; zweitens muß ein christlicher Schriftsteller, der neben Genesisstellen unbefangen Virgil und Ulpian für seine polemischen Beweise heranzieht, wie es Pacatus tut, der Zeit des Ausonius und Hieronymus noch nahe- stehen, nicht aber der nachaugustinischen Epoche angehören. So schmal daher die Sätze sind, in denen sich Pacatus selbst in seinem Werke charakterisiert hat (zu ihnen gehört auch der Ausdruck: »amicos mundi huius terrena eonsideratione diligere, non pro divinae eontemplationis intuitu«, s. 0.), so sicher läßt sich doch behaupten, daß für das Werk des Pacatus gegen Porphyrius nur sehr wenige Jahrzehnte nach dem Jahre e. 410 offenstehen. 3. Pacatus, der Verfasser einer Streitschrift gegen Porphyrius, zu der die Pseudo-Polycarpiara gehören, ist höchst wahrscheinlich mit dem Rhetor Drepanius Pacatus sowie mit jenem Pacatus identisch, der eine Biographie Paulin’s von Nola zu schreiben beabsichtigte. Wer ist Pacatus? Wir kennen nunmehr drei Männer dieses Namens, die Zeitgenossen waren'. Sind sie nicht identisch? (1) Pacatus (um 420), der Gegner des Porphyrius, bewandert in der Bibel, Virgil und Ulpian und auf die »Romana eloquentia« ver- weisend. (2) Ein Pacatus, der nach dem Tode Paulin’s von Nola (} 431) dessen Leben in Versen schildern wollte’, wie wir aus einem Brief des Schülers Paulin’s, Uranius, ad Pacatum de obitu Paulini (e. ı), hören (s.. diesen Brief bei Mıexr Bd. LIII p. 859ff.)?. ! Drei andere » Pacati« — christliche Bischöfe — hat mir Hr. Jürıcher freundlichst nachgewiesen, von denen der eine zur Synode von Sardika, die beiden anderen zum Religionsgespräch von Karthago (ann. 484) gehören. Es ist nicht möglich, sie hier heranzuziehen. — Der Name »Pacatus« wird von der Prosopogr. Imp. Rom. (vor Konstantin) nur 6- (7-) mal nachgewiesen, u. a. bei einem Konsul und einem Sklaven. ® Daß das Vorhaben ausgeführt worden ist, ist nicht bekannt. 3 Dieser Pacatus war eine sehr vornehme, verehrungswürdige ältere Persönlichkeit (wenn ihn Uranius c. 5 »filius carissimus« anredet, so erklärt sich das daraus, daß Uranius Priester ist, Pacatus aber Laie); s. c. 1:-»Domino illustri et in Christo merito 2 # 280 "Gesamtsitzung vom 10. März 192}.. — Mitteilung vom 24, Februar (3) Latinus (Latinius) Drepanius Pacatus; er war ein aquitani- scher Rhetor, hielt im J. 389 (390) im Namen seiner Mitbürger im Senat _ vor Theodosius nach der Besiegung des Maximus einen Panegyrikus, der uns erhalten ist’, wurde im J. 390 Prokonsul von Afrika und-im J: 393 comes rerum privatarum des Kaisers. Er war ein Schüler (»filius«) und Freund des Ausonius, der ihm mehrere seiner Werke um 390 gewidmet und ihm die nächste Stelle nach Virgil unter den Zeitgenossen angeschmeichelt hat (»Hoc nullus mihi carior meorum, quem pluris faeiunt novem sorores quam cunctos alios Marone dempto«); er war auch unter den Korrespondenten -des Symmachus, der mehrere Briefe an ihn gerichtet hat, und wird auch sonst noch einmal in der Literatur jener Zeit genannt; nach dem J. 393 hören wir nichts mehr von ihm. ! Daß der dritte und zweite Pacatus identisch sind, ist schon öfters vermutet worden”, aber sicher beweisen ließ es sich bisher nicht. Da- gegen unterliegt die Identität des ersten und zweiten Pacatus keinem Bedenken; denn zwei Personen, die um dieselbe Zeit lebten, denselben seltenen Namen führten, beide Christen, beide Schriftsteller waren, und von denen der eine in einer theologischen Streitschrift Virgil zitiert, der andere eine poetische Lebensbeschreibung abfassen will, der eine dem mönchischen Lebensideal in seinem Christentum nahe- gestanden haben muß (s. 0.), der andere den mönchisehen Paulin von Nola verehrt — dürfen mit Sicherheit als identisch angesehen werden. üs fragt sich also, ob der erste und dritte Pacatus identisch sind. Die Bejahung dieser Frage aber legt sich dadurch schon nahe, daß der erste Pacatus mit dem zweiten identisch ist, dieser, wie wir eben gesehen haben, in den Kreis des Paulin von Nola gehört, aber auch Latinius Drepanius Pacatus mit hoher Wahrschein- lichkeit diesem Kreise zuzuordnen ist. Das Mittelglied ist Ausonius. Wir sahen, daß Drepanius Pae. in diesem Kreise stand, aber auch Paulinus gehörte bekanntlich zu ihm. Von Ausonius ist er ausgegangen, und. wenn er auch als reifer Mann venerabili Pacato Uranius presbyter. Litteris nobilitatis tuae iterata vice sollieitor, ut tibi obitum S. Paulini fideliter referam..... quia iubere dignaris, fideliter et sine men- dacio faciam .... venerationem tuam plurimum quaeso, ut imperitiae meae veniam dare digneris .... tibi qui vitam Paulini versibus illustrare disponis, dieendi materiam- (subministrabo)«. (€. ır: »Veneratio tua«. Ü. 12: »Quaeso nobilitatem tuam,- ut sieut promittere dignatus est, praeclari operis munus accelerare digneris consecuturus praemia laudis et gloriae, si vitam sancti viri posteris profuturam versibus illustraveris. « ! S. Miswe, Patrol. Lat. Bd. XIII Col. 477ft.; BAeurens, Panegyriker (1874) p: 2718. ® S. BARDENHEWER, 'Altkirchl. Lit. III S. 571; ‘Schanz, Röm. Lit. IV? S. 261; Teurrer, Röm. Lit. III6 S. 355; nur der letztere‘ scheint die Gleichung für ganz sicher zu ‚halten. Die Vornehmheit beider Personen kommt besonders in Betracht. von Harnack: Porphyrius gegen die Christen : - 281 zum Schmerz seines Lehrers andere Wege eingeschlagen hat als dieser, hat er doch seine Herkunft von ihm nie verleugnet, ja er wollte auch als Christusjünger Ausoniusschüler bleiben'!. Das führt uns auf die religiöse Stellung der drei Männer Ausonius, Paulinus und Drepanius Pacatus. Ausonius, der fast das ganze 4. Jahr- hundert durchlebt hat, war zwar Christ’, aber etwa so Christ, wie andere Sonnen- oder sublimierte Jupiteranbeter waren, d. h. ohne spezi- fische christliche Frömmigkeit, ja mit einer ganz deutlichen Abneigung gegen sie, zumal in der mönchischen Form. So stand er dem »Heiden« Symmachus innerlich doch nicht allzu fern, der. umgekehrt seinerseits ehristliche Bischöfe gegebenenfalls zu empfehlen vermochte. Paulinus, der sehr viel jüngere Schüler des Ausonius, lebte zunächst ganz in dem Geiste der schönen Literatur. und ließ sich erst um 390 als ge- reifter Mann taufen, wurde aber dann ein Christ im Geiste der Märtyrer und Mönche, ohne seine literarische Bildung zu verleugnen und ohne die Beziehungen zu seiner Vergangenheit ganz abzubrechen. Die reli- giöse Stellung des Drepanius Pacatus, wie er sie im Jahre 389 ein- nahm, ergibt sich aus seinem Panegyrikus, vgl. die ec. 3—6; 19. 21. 30. 39.47. Sie ist noch um einen Grad farbloser als die seines Lehrers und Freundes Ausonius; Pacatus scheut sich nicht, die griechische Mythologie, wie wenn sie Wahrheit wäre, heranzuziehen und den Kaiser »Gott« zu nennen; er schweigt'in bezug auf alles Christliche, er er- wähnt die Rechtgläubigkeit und die Heidenverfolgungen Gratians und Theodosius’ niemals”. Dennoch ist mir nach e. 3 und sonst nieht zweifel- Li ' S. das große Gedicht Paulin’s an Ausonius, als er schon überzeugter mönchischer Christ geworden war (Carm. X v. 147ff.): »Quare gratandum magis est tibi quam queritandum, Quod tuus ille, tuis studiis et moribus ortus, Paulinus, eui te non infi- tiare parentem, Nec modo, eum credis perversum, sie mea verti Consilia, ut, sim promeritus Christi fore, dum sum Ausonii; feret ille tuae sua praemia laudi. Deque tua primum tibi deferet arbore fructum.« Vgl. auch die Worte: »Tibi diseiplinas, dignitatem, litteras, linguae, togae, famae deeus, provectus, altus, institutus debeo. patrone, praeceptor, pater. « ® Er konnte bei Gelegenheit reden und dichten wie ein frommer Christ, so dem Kaiser Gratian gegenüber, seinem Schüler Paulin gegenüber oder an christ- lichen Festtagen. ® Religiöse Stichworte eines farblosen Monotheismus und der Kaiserverehrung aus der Rede: c. 4 (von Gott) »supremus rerum fabrieator«; c.4 der Kaiser ist »deus, quem videmus«; c,5 (vom Vater des Theodosius) »dixisse suffieiat unum illum divinum exstitisse, in quo virtutes semel omnes vigerent«; c.6 »sive divinus ille animus venturus in corpus dignum prius metatur hospitium, sive cum venerit, fingit habitaculum pro habitu suo, ...parcam arcanum coeleste rimari« (von Theodosius gesagt); ce. 19 »conscius coelestis arcani« (Theod.); ec. 21 »Numen summum« neben »numen imperatoris«. c. 30 nach der Schilderung der Tyrannis des Maximus: »tandem in nos oculos deus reiulit ...an ego sine divino numine faetum putem?« c. 39 »nisi forte maiorem divini favoris operam ves Romana poscebat ...ego vero, si coeleste 282 Gesamtsitzung. vom 10. März 1921. — Mitteilung vom 24. Februar haft, daß er Christ war', und sein Absehen von allem Christlichen in der Rede erklärt sich leicht, wenn man annimmt, daß er damals ein Christ war wie Ausonius, und wenn man erwägt, daß er im Senat gesprochen hat, der so viele Nichtchristen zählte und den damals auch noch Christen taktvoll als religiös-neutralen Boden respektierten. Gehörten aber sowohl Paulinus als auch Drepanius Pacatus zum Ausoniuskreise — in ihm bildeten die schöne Literatur, die Rhetorik und die Kultur ein gemeinsames Medium zwischen den Bekennern ver- schiedener, ja entgegengesetzter religiöser Richtungen, wie später am Hofe Ludwigs des XIV. und Friedrichs des Großen —, so müssen auch Paulinus und Pacatus, beide Aquitanier, Beziehungen untereinander gehabt haben, wenn wir auch nichts von ihnen wissen oder vielmehr: wir wissen doch etwas von ihnen; denn wir hörten ja, daß ein Pacatus die Lebensbeschreibung Paulins in Versen schreiben wollte. Also dürfen wir nicht länger mit der Identifizierung zögern: die drei Pacati, der Redner Drepanius Pacatus, der Bestreiter des Porphyrius Pacatus und der Pacatus, der Paulins Leben schildern wollte, sind ein und dieselbe Person. Sie sind das um so gewisser, als die so spär- lichen Fragmente des Werks des Pacatus gegen Porphyrius die »elo- quentia Romana« (Virgil und Ulpian) zitieren, als ihren Verfasser also als einen literarisch gebildeten Rhetor (wie Drepanius Pac.) nahelegen. Die »römische Beredsamkeit« heranzuziehen, ist doch sonst in ehrist- lichen Streitschriften nieht üblich! Ex ungue leonem! Die Chronologie bietet kein ernstes Hindernis; denn der Pacatus, der im Jahre 390 den Pantgyrikus im Senat gehalten hat, braucht damals nicht älter als 25 — 30 Jahre gewesen zu sein (Paulin war schon mit 25 Jahren Statthalter von Kampanien); er kann also sehr wohl, gegen 70 Jahre alt, im Jahre 431 den Entschluß gefaßt haben (den er nicht ausgeführt hat), das Leben seines entschlafenen Freundes Paulinus zu beschreiben. Der Bestreiter des Porphyrius ist also höchst wahrscheinlich iden- tisch mit dem Rhetor Pacatus — dann muß er eine ähnliehe innere Entwicklung durchgemacht haben wie der Rhetor Marius Viktorinus in Rom und wie Paulinus. Der erstere bietet hier, die schlagendste Parallele; denn er wurde nicht nur Christ im allgemeinen Sinn des Worts, sondern ernster Christ und zugleich Exeget des Paulus, christ- studium pro dignitate causarum aestimandum sit«: c. 47 »tu (Theod.) erebro eivilique progressu non publica tantum (Romae) opera lustraveris, sed privatas quoque aedes divinis vestigiis consecraris«. e "6.3: »Divinis rebus operantes in eam coeli plagam ora convertimus, a qua lueis exordium est.« Das kam auch bei Heiden vor, ist aber — schon zu Tertullians Zeit — nach dem Urteil .des heidnischen Publikums nur für die Christen charakte- ristisch; s. Apolog. 16: »Alii plane humanius et verisimilius solem eredunt deum nostrum ..: inde suspieio, quod innotuerit, nos ad orientis regionem precari«, - “vox Harnacx: Porphyrius gegen die Christen _ 283 licher Hymnendichter und literarischer Gegner des Arianismus. So hat auch Pacatus später die christliche Literatur ernstlich studiert und vielleieht in den Jahren, da Augustin sein Werk »De eivitate dei« ausarbeitete, seine Bücher gegen Porphyrius als literarischer Gegner (des Hellenismus geschrieben — vermutlich in Aquitanien‘. Warum er keinen Erfolg gehabt hat und Viktor von Capua der erste und letzte Zeuge für sein Werk ist (wenn nieht auch noch Johannes Diakonus). ist schon angedeutet worden: das Interesse für solehe Werke war ver- schwunden, ja es war sogar nieht ungefährlich, sie zu verbreiten. Ob noch andere Gründe hier obgewaltet haben, entzieht sich unserer Kennt- nis. Daß das Werk auf der älteren griechischen Polemik gegen Por- ‚phyrius fußte, ist an sich wahrscheinlich, erscheint aber außerdem noch durch den Inhalt der Fragmente gesichert, da sie Abhängigkeit von Eusebius zeigen. Ein neuer »Kirchenvater« ist entdeckt, den bisher weder die Pa- tristiken noch die römischen Literaturgeschichten kennen. Hoffentlich geht es ihm besser als seinem Zeitgenossen Aponius. dem es noch immer nicht gelingt, Aufnahme in die christlichen Literaturgeschichten zu finden! Es bleibt noch die Frage, wie es in der Katene von Verdun, die Feuardentius eingesehen hat, zu dem Lemma »Polycarpus« statt »Pacatus« gekommen ist. Hat sich Feuardentius verlesen und dann von sich aus die Titulatur Polykarps hinzugefügt? Eine Fälschung dürfen wir ihm nur im höchsten Notfall aufbürden — obschon da- als Fälschungen, die alte christliche Literatur betreffend, nicht fehlten — wenn keine andere Erklärung sich findet. Bot die Katene wirklich »Polycarpus«, so muß sich der Fehler nach Viktor in die Abschrift eingeschlichen haben in der dunklen Zeit der kirchlichen Wissenschaft; Polykarps Name war ja den Lateinern, namentlich dureh sein Martyrium, nicht unbekannt. Da die Buchstaben in den beiden Worten »Poly- earpus« und »Pacatus« z. T. identisch sind, so scheint die Annahme die nächstliegende, daß es sich um eine Verlesung eines halbver- löschten Lemmas seitens eines ungebildeten Schreibers handelt, der ' Wer die Religionsgeschichte für die Jahre 3830—430, d.h. die Epoche, in welcher der Hellenismus und Romanismus endgültig vor der Kirche kapituliert haben, be- schreiben will, muß neben der elementaren Umwälzung, die sich einfach aus der Macht der Kirche ergab, die Männer studieren, die nach Martin von Tours inner- lich vom Geist der Kirche überwunden worden sind. Unter ihnen steht Paulinus von Nola im Vordergrund; aber auch der ihm befreundete Rhetor verdient hier alle Beachtung, der mit einer Lobrede auf Theodosius im Senat begonnen hat — einer Rede, die von SCALIGER hochgepriesen worden ist — und der später ein eifriger Christ und der literarische Gegner des Porphyrius im Abendland geworden ist. ohne die »eloquentia Romana « preiszugeben. 284 . Gesamtsitzung vom 10. März 1921. — Mitteilung vom 24. Februar sich durch P..ea..us auf Polycarpus gewiesen sah. Doch bleibt böse Absicht nicht ausgeschlossen. Sie ist um so weniger ausge- schlossen, als die Verlesung fünfmal erfolgt sein müßte; denn die fünf Fragmente, folgten ja in der Katene nicht nacheinander, sondern waren in ihr verstreut; Feuardentius hat freilich nur einmal das Lemma urkundlich. angegeben und sich leider in den vier anderen Fällen mit einem kurzen »Idem« und der Angabe, bei welchem Bibel- verse das Bruchstück gestanden hat, begnügt. An allen Stellen muß jedenfalls derselbe Name gestanden haben; dann ist aber die Hypothese der Verlesung schon in alter Zeit sehr erschwert. Das Eindringen des Namens »Polykarp« in die Überlieferung bleibt also bis auf weiteres ein ungelöstes Rätsel'; aber das kann an dem Ergebnis der Untersuchung nichts ändern, daß Pacatus, der Bestreiter des Porphyrius, sicher der Verfasser der pseudopolykarpischen Fragmente ist, und daß er höchst- wahrscheinlich mit dem Rhetor Drepanius Pacatus sowie mit dem Pacatus identisch istn der eine Biographie Paulins von Nola in Versen schreiben wollte. ! Daher ist der Verdacht doch nicht zu unterdrücken, daß Fewardentius’ den ihm unbekannten Namen »Pacatus« durch »Polycarpus« ersetzt hat. Auf diesen wurde er geführt, weil drei von den fünf Fragmenten es mit Johannes (bzw. dem Evangelium Joh.) zu tun haben und er seiner Entdeckung von neuen altehristlichen Fragmenten, die er schon auf dem Titelblatt seiner Irenäus-Ausgabe so aufdringlich ausposaunt hat, ein besonderes Gewicht geben wollte. N. Fick: Bemerkungen über Naturgesetz, Regel, Ursachenbegriff 285 Bemerkungen über Naturgesetz, Regel, Ursachenbegriff. Von R. Fick. (Vorgetragen am 15. Juli 1920 [s. Jahrg. 1920 S. 716].) W. Roux hat am 6. Mai 1920 der Preußischen Akademie eine Mitteilung vorgelegt über: »Prinzipielle Sonderung von Naturgesetz und Regel, von Wirken und Vorkommen«. Roux gibt in seinem Auf- satz auch einen geschichtlichen Überblick über die einschlägigen Be- griffsaufstellungen und streift den Streit um »Ursache« und »Bedingung« sowie auch den um »Beschreibung« und »Erklärung«. Es scheint mir wiehtig, bei neuerlicher Aufrollung dieser Fragen zunächst auf die Ab- handlung des früheren korrespondierenden Mitgliedes A. Fıck über »Ursache und Wirkung« (Kassel, Wigand 1867, 2. Auflage 1882, ab- gedruckt in seinen Gesammelten Schriften I. Bd., Würzburg, Stahel 1903). hinzuweisen. In Ablehnung des Standpunktes von Kırcanorr, der es als Aufgabe der Mechanik hinstellt, nicht die Ursachen der Erschei- nungen zu ermitteln, sondern nur die Bewegungen auf die einfachste Weise zu »beschreiben«, sagt A. Fick: »Nie und nimmermehr wird ımnan es aber eine Beschreibung der Bewegung des Punktes nennen. wenn die Aussage den Anspruch. macht, eine unverbrüchliche Regel zu sein. Sagen: ‚Wenn der Punkt zu einer gewissen Zeit mit einer gewissen Geschwindigkeit hier ist, so muß er zu einer gewissen folgenden Zeit dort sein‘, heißt nicht, die Bewegung beschreiben, sondern heißt, dieselbe kausal erklären; denn das ist doch wohl eben der Begriff der Kausalität, daß ein Ereignis aus dem andern nach einer unverbrüchlichen Regel mit Notwendigkeit folgt. Soviel ich sehe, hat man in der Naturwissenschaft unter kausaler Er- -klärung nie etwas anderes verstanden als die Auffindung jener un- verbrüchlichen Regeln oder Naturgesetze, nach denen die Er- scheinungen mit Notwendigkeit ablaufen. Die Beschreibung als solche hat mit der Notwendigkeit gar nichts zu tun. Kırcunorrs Darstellung der Mechanik, welche wie alle früheren die Gesetze der Bewegung darstellt, muß also wie jene entschieden eine erklärende und nicht eine beschreibende genannt werden. Unter den Be- 286 Gesamtsitzung vom 10. März 1921. — Mitteilung vom 15. Juli 1920 dingungen, von welchen der Verlauf der Bewegung eines materiellen Punktes nach unverbrüchlichen Regeln abhängt, spielen nun bei Kıren- HOFF, wie bei jedem andern Autor, die Beziehungen zu anderen ma- teriellen Punkten eine wesentliche Rolle. Dies heißt mit andern Worten: Kırcnnorr erklärt den besonderen Ablauf der Bewegung eines materiellen Punktes aus seiner Wechselwirkung mit den andern, ganz wie es die früheren Autoren getan haben. Der Unterschied ist nur eben der, daß er die in der Tat obskure Vorstellung von Zug oder Druck, d.h. von der Bewegungstendenz, verbannt wissen will. Genau dasselbe war es aber, was ich durch meinen Versuch erstrebte.« Die » Naturgesetze« sind also nach A. Fıck »unverbrüchliche Regeln des Geschehens«. Aus dieser Ausdrucksweise, die von niemand miß- verstanden werden kann, und auch den von Rovx selbst angeführten Sätzen verschiedener Philosophen, die keinen oder einen andern Unter- schied zwischen »Regel« und »Gesetz« machen wie W. Roux, scheint mir hervorzugehen, daß es doch wohl nicht zweckmäßig wäre, wenn man mit W.Roux festsetzen wollte: » Naturgesetz ist ein ursächlicher, ‚Regel‘ ist ein rein beschreibender Begriff«. j Der Unterschied zwischen _beiden Begriffen im Sinne W. Roux’ läßt sich, wie ich glaube, sehr klar, ganz ohne philosophische Aus- einandersetzungen an einem Beispiel gerade aus Roux’ Arbeitsgebiet erkennen. Die zuerst von Ep. WEBER nachgewiesene Tatsache, daß die Fleischfaserlänge beim Menschen im gedehnten Zustand doppelt so lang ist als im verkürzten, würde im Sinne von W. Roux offenbar nur als eine »Regel« zu bezeichnen sein, die von A. Fıck, W. Rovx und H. Strasser aufgefundene Tatsache hingegen, daß die Fleischfasern durch Anpassung an die Tätigkeit (»funktionelle Anpassung« Roux') so lange wachsen oder so lange kürzer werden, bis ihre Länge im ge- dehnten Zustand doppelt so lang als im vollständig erregten ist, wäre nach W. Roux offenbar als »Gesetz« zu bezeichnen. Denn im ersten Fall ist nur ein wirkliches Vorkommen beschrieben, im letzten aber wurde die Beständigkeit des Wirkens bestimmter Vorbedingungen nachgewiesen. Ich glaube _ nun, daß diese Art der Unterscheidung nicht allge- meine Zustimmung finden können wird, denn der allgemeine Sprach- gebrauch bezeichnet mit »Regel« entschieden durchaus nicht nur wirk- liches Vorkommen (»korrekt ermitteltes« [|Roux]) und ist durchaus nicht »ein rein beschreibender Begriff«. Im Gegenteil weist schon die ur- sprüngliche Bedeutung des Wortes regula = Richtscheit, Meßlatte usw.., nach der man etwas anderes messen oder einrichten will oder soll, auf etwas Gewolltes, Beabsichtigtes (»Subjektives«) hin, wie auch z.B. aus den Ausdrücken »Ordensregel«.. »Lebensregel« u. ä. hervorgeht. Fick: Bemerkungen über Naturgesetz, Regel, Ursachenbegrift 287 »Regel« ist im Sprachgebrauch überhaupt eigentlich ganz das- selbe wie »Gesetz«, nur daß man bei ihr mehr auch an » Ausnahmen von der Regel« denkt. Die »Regel« wird daher im Sprachgebrauch vielfach gewissermaßen im Sinne von »abgeschwächtes Gesetz« ge- braucht, wie das z. B. auch von Drıesen und P. Vorkmann (s. W. Roux S. 542) und mir selbst (Ztschr. f. orthopädische Chirurgie 33. Bd. 1919) geschehen ist, und ich glaube daher nicht, daß es sich empfiehlt, in der Wissenschaft im allgemeinen oder in der Entwieklungsmechanik im besonderen einen vom Sprachgebrauch abweichenden Begriff mit dem Wort zu verbinden. Im obigen*Fall würde ich z. B. auch die erste, schon von En. Weser festgestellte Beziehung zwischen Faserlänge und Verkürzungsgröße der Muskeln als ein »Gesetz« bezeichnen, falls sie streng gilt, wie das übrigens früher auch W. Roux selbst getan hat, obwohl En. WEBER selbst diese Beziehung nur rein anatomisch beschreibend, nicht aber als ein Wirken bestimmter Kräfte oder Vorbedingungen darge- stellt hat. Trotzdem ist entschieden auch im Sinne A. Fıcxs (s. oben) durch- aus nichts dagegen einzuwenden, daß man sagt, En. Weser hat fest- gestellt, daß gesetzmäßige Beziehungen zwischen der Fleischfaserlänge und ihrer Verkürzung bestehen, oder » Weser hat ein ‚Gesetz‘ ge- funden, wonach wir aus der Zusammenziehungsgröße durch die Multi- plikation mit der Zahl 2 die Faserlänge im gedehnten Zustand be- rechnen können« oder ähnlich. Ich meine, wir dürfen von »Gesetzen«, d.h. Naturgesetzen immer dann sprechen, wenn es sich um den Nachweis bestimmter, unter Umständen zahlenmäßig feststellbarer Beziehungen oder Abhängigkeiten zwischen 2 Größen handelt. Auch den Ausdruck »gesetzmäßig« wird ınan (wie ich es oben getan) zweckmäßigerweise dann anwenden können, wenn bei dem betr. Vorkommen oder der betr. Erscheinung sich bestimmte zahlenmäßige oder räumliche Regelmäßigkeiten nach- weisen lassen. In diesem Sinn spricht man mit Recht von einer ge- setzmäßigen Zahnformel oder »gesetzmäßigem Verlauf« der Haarrich- tung oder der Spaltriehtung der Haut usw., ohne daß wir dabei an das Wirken bestimmter Kräfte oder an die Vorbedingungen, die die Erscheinung verursachen, denken müssen, geschweige denn sie zu kennen brauchen. Bei dieser Vertauschbarkeit der beiden Wörter »Regel« und »Ge- setz« wird sich Roux’ Unterscheidung zwischen ihnen daher wohl auch im wissenschaftlichen Sprachgebrauch schwerlich einbürgern können. Auch mit der von W.Rovx in seiner Mitteilung neuerdings wieder- holten Festlegung des Ursachenbegriffs, mit der sich soeben auch . 288 Gesamtsitzung vom 10. März 1921. — Mitteilung vom 15. Juli 1920 BArFURTR' in einem die ganzen Fragen übersichtlich behandelnden Auf- satz beschäftigt, kann ich mich nicht einverstanden erklären. Ich möchte vielmehr einem Umstande die größte Bedeutung beilegen, den auch schon LugArscn (Deutsche med. Wochenschrift 1919, S. 17) und mittelbar auch Wıstersteis (Kausalität und Vitalismus vom Standpunkt der Denkökonomie, Anat. Hefte 57. Bd., 1919) sowie auch B. FıscHEr (Grundprobleme der Geschwulstlehre, Frankf. Zeitschr. f. Path. 12, 1919, S.378 und Der Begriff der Krankheitsursache, Münch. med.Wochenschr. ı919) erwähnt haben. Unleugbar wechselt nämlich der Ursachen- begriff, je nach dem verschiedenen Gesichtspunkt, von dem man ausgeht. je nach der Fragestellung und natürlich je nach der Tiefe der Kenntnis, die wir vom ursächlichen Zusammenhang eines Geschehens haben. Meiner Meinung nach kann man z. B. ganz mit dem gleichen Recht bei der Erklärung eines Sturzes sagen: die Ursache dafür ist »die Glätte des Bodens« oder aber »das Ausgleiten des Betreffenden«, je nachdem man die lebendige oder leblose Natur, je nachdem man die Person oder die örtlichen Umstände in der Frage nach der Ur- sache berücksichtigt. Ähnlich können wir dafür, daß wir einen heißen Gegenstand als »heiß« empfinden, »die Wärmeschwingungen des Ge- genstandes oder die Erwärmung der betr. Nervenenden« als Ursache “ bezeichnen oder aber mit ganz dem ‘gleichen Recht die Eigenschaft der entsprechenden Hirnzellen, bei Erwärmung der betr. Nerven- enden die Empfindung der Wärme im Bewußtsein auszulösen. Es besteht kein Grund, weshalb wir in diesem oder in ähnlichen Fällen, etwa nur den Zustand der leblosen Natur, vielleicht als »Vorbe- dingung«, die davon abhängigen Vorgänge beim Menschen aber als Ursache eines aus ihnen folgenden Ereignisses ansehen müßten. Wir können vielmehr offenbar ebensogut sagen: die Vorbedingung für das Fallen war die Ungeschicklichkeit, das Ausgleiten des Betreffenden (denn ein anderer Mensch wäre unter denselben Verhältnissen nicht ausgeglitten), die veranlassende »Ursache« war die Glätte des Bodens. Und ähnlich können wir sagen: die Eigenschaft bestimmter Hirn- zellen, die Empfindung »heiß« auszulösen, ist die Vorbedingung für das Hitzegefühl, und dürfen sagen, diese Empfindung werde durch die Wärmeschwingungen des Gegenstandes oder der,Nervenenden »ver- ursacht«. Aus der Tatsache, daß der Ursachenbegriff je nach dem Gesichtspunkt wechselt, folgt auch, daß er je nach dem Bildungs- grad des Fragestellers wechseln wird. Das trifft in der Tat zu: der Laie sagt: die Ursache für das Steigen des 'Thermometers ist »die Wärme«; der Gebildete hingegen sagt: die Ursache für das ! Barrurtu, Entwicklungsmechanik und Kausalitätsbegriff, Zeitschr. f. angew. Anat. u. Konstitutionslehre, Berlin 1920, Bd. VI. Fıecx: Bemerkungen über Naturgesetz, Regel, Ursachenbegriff 289 Thermometersteigen ist die Ausdehnung des Quecksilbers durch die Wärme. Der Laie sagt: die Ursache der Schmerzen in den Füßen ist »das lange Stehen«; der Arzt sagt: die Ursache der Schmerzen in den Füßen ist der Fettpolsterschwund an der Ferse oder die über- große Reizbarkeit der Nerven usw. Die Schwere, die man bei anderer Fragestellung, z. B. bei Aufzählung der verschiedenartigen Wirkungen der Schwere, auch als »Ursache von Fußschmerzen« nennen könnte, wird im obigen Zusammenhang gewiß niemand als Ursache, sondern nur als »Vorbedingung« bezeichnen. Also läßt dieses Beispiel den wechselnden Gebrauch des Wortes Ursache und Vorbedingung erkennen. Etwas schärfer ist die Abgrenzung der Begriffe » Ursache« und » Ver- anlassung«. Denn hier werden die meisten darüber einig sein, daß die bleibenden, im Wiederholungsfall immer die gleiche Wirkung zeigen- den, wesentlichen Vorbedingungen als Ursache zu bezeichnen sind, hin- gegen das eine Veränderung, Bewegung oder Empfindung auslösende Ereignis » Veranlassung« zu nennen ist. ‘Wenn ein Kind fällt und zu weinen anfängt, wird man als Ursache des Weinens den Schmerz oder Schreck bezeichnen, den Fall aber als Veranlassung. Wenn ein Wasser- tropfen verdampft, wird man die Ausdehnungskraft der Gase als Ursache bezeichnen können, die Entstehung des Druckunterschiedes zwischen _ dem "Tropfen und der Umgebung als Veranlassung zur Verdampfung. Wenn ein losgelassener Stein herabfällt, wird jeder unbefangene Ge- bildete sagen: die Ursache für das Fallen ist die Schwerkraft, die V’eran- lassung zum Fallen ist der Fortfall der Unterstützung oder der Fest- haltung des Steines. Wenn Pulver oder Dynamit zerspringt, wird sich wohl jeder damit einverstanden erklären können, daß man sagt: die Vorbedingung für die Sprengwirkung ist die Gasentwicklung, die Ursache derSprengwirkung ist aber das Ausdehnungsbestreben des ent- wickelten Gases, die Veranlassung für die entstandene Sprengwirkung ist der Schlag oder Stoß auf das Sprengpulver oder der Zündfunke. Fr. Marrıus (Das Kausalproblem in der Medizin, Beihefte z. Mediz. Klinik 1914, S.ı08) nennt freilich nicht die Gasentwicklung oder das Ausdehnungsbestreben des Gases die Ursache, sondern verlegt diese, dem heutigen Stand unserer naturwissenschaftlichen Kenntnis entsprechend, noch tiefer. Er bezeichnet nämlich als die Ursache des Zerspringens, sich vom Laienstandpunkt damit noch weiter entfernend, die der Gas- entwicklung des Sprengpulvers; wie wir jetzt wissen, zugrundeliegende chemische Spannkraft oder wie er sagt: »latente chemische Energie«. (Von solchen Beispielen ausgehend entwickelten Hürre, Marrıus und TesoeLoo den besonderen Begriff des »energetischen Kausalismus« und geben an, daß »der energetische Wert von Ursache und Wirkung« gleich sein müsse. Die Übertragung solcher einfacher chemisch-physikalischer 290 Gesamtsitzung vom 10. März 1921. — Mitteilung vom 15. Juli 1920 & Spannkraftgleichungen auf die Erscheinungen bei tierischen Krankheiten, 5 z.B. bei der Lungenschwindsucht, ist übrigens bereits von WINTERSTEIN mit Recht zurückgewiesen worden.) i Br Auch bei der Erklärung der Krankheitsentstehung, die den Streit um «den Ursachenbegriff bei den Ärzten so heftig entfacht hat, hielte ich es für richtig, die gegebenen oder bleibenden Umstände de Ursache zu nennen, die hinzukommenden die Veranlassung. Bei der Schwindsucht werden wir nach den neuen Anschauungen mit Recht die eigentliche »Ursache« in der schwindsüchtigen Veranlagung sehen, denn sie ist eine mehr oder weniger bleibende wesentliche Vor- bedingung für die Erkrankung, da wir wissen, daß ein nicht für die Schwindsucht veranlagter Mensch auch bei massenhafter Einführung von Schwindsuchtsspaltpilzen ihrer Herr wird und nicht von der Schwind- sucht ergriffen wird. Die hinzukommenden Schwindsuchtspilze aber werden wir hier die » Veranlassung« nennen, da dureh sie bei den entsprechend Veranlagten die Schwindsucht hervorgebracht, veranlaßt wird. Daß aber auch bei »Ursache« und »Veranlassung«, die in vielen Fällen mit »mittelbarer« und »unmittelbarer Ursache« W. Roux’ zu- sammenfallen werden, die Begriffe nicht vollkommen scharf geschieden sind, sehen wir am besten daraus, daß auch beide Worte vereint - angewendet werden, indem man zuweilen von »ursächlicher Veran- lassung« oder »veranlassender Ursache« eines Geschehnisses sprechen hört (s. Sturzbeispiel S. 2883). . Die angezogenen Beispiele geben ein Bild von der Unschärfe der Ausdrücke Gesetz und Regel, Ursache, Vorbedingung und Veranlassung. Und ich glaube, daß es eine Unmöglichkeit bleiben wird, dem wissen- schaftlichen Gebrauch dieser Wörter bestimmte Fesseln anzulegen und Jedem von ihnen eine scharf bestimmte Bedeutung für den wissenschaft- lichen Gebrauch aufzuzwingen. Das ist leicht möglich für ein in die Wissenschaft neueingeführtes Wort wie für den Namen einer bestimmten 2 Krankheit oder eine bestimmte Gruppe von Krankheitszeichen, es ist aber eben unmöglich bei Wörtern, die im Sprachgebrauch.der weitesten Allgemeinheit stehen. Solche Wörter des allgemeinen Sprachschatzes lassen sich nicht mit künstlichen Stachelzäunen umgeben. Trotzdem scheint mir die genaue, seit Jahrzehnten fortgesetzte klärende Erörterung der besprochenen Begriffe, an der sich W.Rovx mehrfach hervorragend beteiligt hat, keineswegs müßig und unfruchtbar, auch wenn sich schließ- lich herausgestellt hat. daß es durch die Natur der Sache”einfach un- zulässig und unmöglish bleiben wird, für die wissenschaftliche An- wendung dieser Ausdrücke starre Regeln durchzusetzen. Ausgegeben am 17. März. Berlin, gedruckt in der Reiehsdruckerei eilsug der. physikalisch-mathematischen Klasse am 17. März. ©. 29) WW. Scnurze: Tocharisch tseke peke. (Mitteilung vom 3. März.) (S. 293) G. Mörter: Ein ägyptischer Sehuldschein der zweinndzwanziesten Dynastie, (Mitteilung vom ur; Bepruan); (S. 298) Een au BERLIN 1921 VERLAG DER AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN IN ROMMISSION BEI DER 5 ee] VEREINIGUNG WISSENSCHAFTLICHER VERLEGER "WALTER DE GRUYTER U. CO. I VORMALS G. J: GÖSCHEN’SCHE VERBAGSHANDLUNG, 'J. GUTTENTAG, VERLAGSBUCHNANDLUNG. : | GEORG REIMER. KARL J. TRÜBNER. VEIT U. CONP. laufende Veröffentlichungen heraus: »Sitzungsberichte Er Preußischen Akademie der Wissensehaften«; Aus 8-2. Jede zur Aufnahme in die Sikzungsbengeite oder die Abhandlungen bestimmte. Mitteilung muß in einer ‚aka- demischen Sitzung vorgelegt werden, wobei in der Regel ‚das druckferlige Manuskript zugleich einzuliefernist, Nicht- mitglieder haben hierzu die Vermittelung: eines ‚ihrem Fache angehörenden ordentlichen. Mitgliedes zu benutzen. 83. Der Umfang einer aufzunehmenden Mitteilung soll in.der Regel in den Sitzungsberiehten bei Mitgliedern 32, bei Nichtmitgliederh 16 Seiten in. der gewöhnlichen Schrift . ‚der Sitzungsberichte, in den Abhandlungen 12 Druckbogen von je 8 Seiten in der gewöhnlichen Schrift der Abhand- “lungen ‚nieht ‚übersteigen. i Überschreitung, dieser Grenzen ist nur mit Zehn - der Gesamtakademie oder der betreiienden Klasse statt- > haft, und ist bei'Vorlage ‘der Mitteilung ausdrücklich, zu "beantragen. Läßt ‚der Umfang eines Manuskripts ver- . muten;, daß’ diese Zustimmung. erforderlich sein werde, 50. hat das vorlegende Mitglied es vor dem Einreichen 5. von sachkundiger Seite auf seinen mutmaßlichen Umfang ARE ni DRaE shachätzen zu ‚lassen. SA. \ "Sollen einer Mitteilung Abbildungen im Text 3 - auf. besonderen Tafeln beigegeben ‘werden, so sind die Vorlagen dafür (Zeiehnungen, ‚photographische Original- aufnahmen usw.) gleichzeitig mit dem Manuskript, -jedoch auf getrennten Blättern, einzureichen, Die Kosten der Herstellung der Vorlagen haben in “der ‚Regel die Verfasser zu tragen. Sind diese Kosten aber. auf einen erheblichen Betrag zu veranschlagen, so kann die Akademie dazu eine Bewilligung beschließen, Ein ‚darauf gerichteter Antrag ist vor der Herstellung der be- “treffenden Vorlagen mit dem schriftlichen Kostenanschlage seines Sachverständigen an den- vorsitzenden’ Sekretar zu ‚ riehten,, dann zunächst, im Sekretariat vorzuberaten und ayeiter an der- Gesamtakademie zu verhandeln. Die Kosten der Vervielfältigung übernimmt die Aka- demie, handelt — der Kostenanschlag "eines- Sachverständigen heizufügen. _Überschreitet «lieser Anschlag. für die. er- forderliche Anflage, bei den Sitzungsberiehten 150 Mark, bei ‘den Abhandlungen 300 Mark, ' so. ist. Vorberätung durch ‚das Sekretariat geboten. Aus 85. Nach der Vorlegung nnd Einreiehung des vollständigen druckfertigen Manuskripts an den zuständigen Sekretar oder an den Archivar wird über Aufnahme der Mitteilung in. die akademischen Schriften, und ‘zwar, wenn. eines. der anwesenden Mit- glieder es verlangt, verdeckt abgestimmt. Mitteilungen von Verfassern, welche nieht Mitglieder der Akademie sind, "sollen der-Regel nach nur in die Sitzungsberichte. aufgenommen werden. Beschließt eine Klasse die Aufnahme der Mitteilung eines Nichtmitgliedes in die Abhandlungen, so "bedarf. “dieser. Beschluß der Bestätigung durch die Gesamtakademie. (Fortsetzung auf 8,3 des, Umschlags,) „> Die Akademie gibt gemäß $41, RER a ‚Preußischen Akademie der Wissenschaften« und. »Abhand- ; Über ‚die voraussichtliche Höhe dieser Kosten. ist — wenn es sieh nicht um wenige einfache Textfiguren - ET REES ET NETTE N | seine a 0 vollkommen ruckreiß und leichten Schreibversehen a . Die erste Korrektur ihrer Mitteilungen bes Verfasser. Freinde haben diese erste Korrel vorlegende Mitglied einzusenden,, Die Korrektur Möglichkeit nicht über die Berichtigung von D) und die Verfasser and zur a der entstehen kosten verpflichtet, | ER © Aus $ 8. De Von allen’ in die Sitzungsberiehte oder Abhan aufgenommenen. wissenschaftlichen Mitteilungen, Adressen oder Berichten werden für. die. Verfasser, wissenschaftlichen Mitteilungen, wenn -deren VRDaER Druck 4 Seiten übersteigt, auch für den Buchhande| äbdrucke hergestellt, die alsbald nach. Erscheinen gegeben, werden. - "Von Gedäeltnisreden werden ebenfalls "Sonder. er für den Buchhandel hergestellt, indes nur dann, w Verfasser sich ausdrücklich damit. Einyerstande 89. - Von den Sonderabdrhcken a aus,den RER, erhält ein Verfasser, weleher Mitglied: der Akad zu unentgeltlicher. Verteilung ohne weiteres di exempläre; ‚er ist. indes berechtigt, zu gleichem Zwi auf Kosten der Akademie weitere Exemplare bis zur zur Zahl von 200 (im ganzen also 350) abziehen zu 1 sofern er dies rechtzeitig dem redigierenden Sekre gezeigt hat; wünscht "er auf ‚seine Kosten no Abdrucke.zur Verteilung zu erhalten, so‘ bedarf.es der Genehmigung der Gesamtakademie oder der "betreffen 2er den. Klasse. — Nichtmitglieder erhalten 50 Freiexemiplare Hr und dürfen nach, rechtzeitiger Anzeige bei dem.r gierenden Sekretar weitere 200 Bee auf ihre Ko ‘ abziehen lassen. Von den Sonderabdrucken. aus den Abhandlungen ern hält..ein Verfasser, welcher Mitglied der. Akademie zu unentgeltlicher Verteilung olıne‘ weiteres‘ 30” Frei- exemplare; er ist indes ‚berechtigt, "zu. gleichem Zwecke auf Kosten der Akademie weitere Exemplare bis zur’Zahl von nöch .100. und auf seine Kosten noch weitere bis zur Zahl von 100 (im ganzen also 230) abziehen Zu lassen, sofern er dies rechtzeitig dem redigierenden Sekretar an- gezeigt hat; wünscht er auf seine Kosten noch mehr" Abdrueke zur Verteilung zu erhalten,“so hedarf es dazu der Genehmigung der Gesamtakademie oder der betreffen- den Klasse, — Nichtmitglieder erhalten 30 Freiexemplare‘ und dürfen. nach rechtzeitiger "Anzeige bei dem red; gierenden Sekretar weitere 100 Exemplare aufihre Kosten abziehen lassen. Nas $ 17. Eine für: die Akademischen Schriften bei stimmte »wissenschaftliche, Mitteilung darf‘ in 5 keinem Falle"vor. ihrer Ausgabe an. jener Stellö anderweitig,.sei es auch nur auszugs- SITZUNGSBERICHTE DER PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFT 1921 XV. Sitzung der philosophisch-historischen Klasse. 17. März. Vorsitzender Sekretar: Hr. RorrHe. Hr. von Wıramowıtz-MOELLENDORFF sprach über Sphakteria. (Ersch. später.) Die Forschungen von Burrows haben gezeigt, daß Thukydides über die Topo- graphie von Sphakteria falsche Angaben macht. Er folgt also nur Berichten von athenischen Tei'nehmern an der Besetzung von Pylos. Anderes stammt von Demo- sthenes. Thukydides hat also seine Erzählung nicht berichtigt, obwohl er später im Peloponnes gelebt hat und schon Ereignisse des nächsten Jahres nach Angaben aus dem feindlichen Lager erzählt. Wir besitzen demnach Stücke, die er vor 421 niedergeschrieben hat; sie tragen auch den Stempel der ältesten attischen Prosa. XVI. Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse. 17. März. Vorsitzender Sekretar: Hr. Rugnxer. 1. Hr. Correns berichtete über die zweite Fortsetzung der we suche zur experimentellen Was des Geschlechts- verhältnisses. (Ersch. später.) Durch frühere Versuche war festgestellt worden, daß bei dem setrenntgeschlechtigen Melandrium die weibehenbestimmenden Pollenkörner durch größere Schnelligkeit im Wachstum der Schläuche und auch an Zahl im Vorteil sind, und so ‚ein Über- wiegen der Weibehen in der Nachkommenschaft zustande kommt. Durch Abschluß und Wiederholung der früheren Versuche wurde das bestätigt und außerdem auf zwei neuen Wegen: r) durch Abschneiden der Griffel so bald nach der Bestäubung, daß nur die ersten Pollenschläuche, die im Fruchtknoten ankommen, befruchten können, und 2) durch Vergleich der Nachkommenschaften nach Bestäubung von Spitze und Basis der Griffel. ‘Es wurden aber auch Männchen gefunden, bei deren Pollenkörnern kein Unterschied in der Schnelligkeit des Schlauchwachstums nachweisbar war, und solche, bei denen ebensoviel (oder gar mehr) Männchenbestimmer als Weibehenbestimmer vorhanden waren. Hr. Orrn legte eine Mitteilung der HH. Prof. Dr. A. Bıcker und Dr. C. van Eweyk aus der experimentell-biologischen Abteilung des Pa- Sitzungsberichte 1921, 27 Een date ae ne we ee wird. Drei Versuchsprotokolle zeige der ‚Binwieknug von USE Se A a Gr B Fr er W. Serurze: Tocharisch tseke peke 293 RUN. - Tocharisch /seke peke. Von WıiLHELM SCHULZE. (Vorgelegt am 3. März 1921 [s. oben S..259].) Die Ähnlichkeit mancher Wörter aus dem Litauischen und dem La- . teinischen konnte Theologen, die beider Sprachen mächtig waren, natür- lich niemals entgehen. Veranschaulicht wurde sie schon früh durch ein nicht ungeschickt gewähltes Beispiel, das Sprichwort Diwas däwe dantıs, döwas düs ir dünos'. Die lateinische Übersetzung Deus dedit dentes, deus dabit et panem muß für die Wiedergabe der drei ersten Worte einfach die etymologischen Äquivalente wählen: deus = döwas, dare — diti, dens — dantıs”. Ein anderer aus Mt xvı 16 entnommener Satz von fünf Wörtern gestattet in ganz ähnlicher Weise die unmittelbare Übertragung in die entsprechenden Sanskritformen: Tu esı sunus döwo g9Y/w0jo (BRETKEN, Postilla vom Jahre 1591, ıı 449) = tvam asi sunur devasya jivasya (oder genauer wo yalı). Vielleicht noch drastischer wirkt eine dritte Stelle, die mir in einem alten Kirchenliede (aus der Kniga,Nobaznistes vom Jahre 1653°) begegnet ist: Pasigaytek’ to Diewe, o warda szwenta Tewe toy gedoy nepaliki, awiu witkams neduoki, pats Piemenim buki. Hier folgen un- mittelbar aufeinander nicht weniger als sieben Wörter, die sämtlich ihr etymologisches Gegenbild im Griechischen finden: palıkti neimein, ! Novum Testamentum Lithuanicum (Königsberx 1701), Vorrede $ x unter Ver- weis auf Jonannes Beunıvs, Praefat. in Lithuanicum Davidis Psalterium (1625). Die Quelle (BEzzEnBERGER, Beitr. z. Gesch. d. lit. Spr., Vorr. 25) ist mir zur Zeit nicht zu- gänglich. ® Das Spriebwo:t stammt wohl aus dem Polnischen: Kto dat zeby, tın da i chleb oder zum Reimpaar erweitert Kto dat zeby, da v chleb lo geby. Man sieht, wieweit schon das Slavische vom Lateinischen abführt: es muß «was und dantis durch bog» und Na | ältere ınorthographische Schreibung ist N R (Pap. Turin 19.9 ed. Prev're-Rosst — N <> Hinweis des Hrn. Erman), ähnlich wie unter der 19. Dyn. schreibt man zur Perserzeit N Br \ei (m dr), vgl. Grirrrr#, Rylands Papyri S. 359. ==> ° Der Titel ist im Original gestrichen. MM £ N - ist die einzig mögliche Lesung, trotz Burcnarpr, Fremdworte $ 67. Statt - zu lesen ist ausgeschlossen, vgl. Z. 4. N g gl. 2.4 m je 2} Sitzungsberichte 1921, 300 Sitzung der phil.-hist. Klas 1 17. März 1921. — Mitt. v om 17. Febru ' onabırAoV mel =% L-: ran vIzup£:r en zer NEIL ee Beer Bi Dnalmı kA N | NET Brands -s= Rn AuleHalzj ' FEN x ÜBTE, 'G. Mörxer: Ein ägyptischer Schuldschein der zweiundzwanzigsten Dynastie 301 Hieroglyphische Umschrift.» (SOM= No} FEIERT GE SCUNDE ISEREFZEIIBER AN STERN ; Aeewne FED Colin BR 77 a Be EL 1 re ae IE MICHAEL KILRSFETIHI I AETEFIR LENZ TEL EI UHEZREZSERITESHRORENEITTNT > | IE FAN IINIDT MEAN MATTE FESEIKITZ Mn 302 Sitzung der phil.-hist. Klasse vom 17. März 1921. — Mitt. vom 17. Februar Petechons verpflichtet sich also, dem Anchefenchons ein Darlehn von 5 Deben binnen Jahresfrist verdoppelt zurückzuzahlen. Der Geld- geber ist Priester und höherer Schatzbeamter; ob er das Geschäft für eigene Rechnung oder für seine Verwaltung abgeschlossen hat, läßt sich natürlich nieht sagen. Jedenfalls ‘bürgt sein Stand und noch mehr der Uınstand, daß die Urkunde notariell und von sechs Zeugen, sämtlich Priestern, unterzeichnet ist, dafür, daß sie in keiner Weise gegen die gute Sitte verstoßen hat; Wucherer werden. damals ihr Geld zu erheblich höherem Zinssatz als 100 Prozent ausgeglichen haben. Eine Verzinsung zu 100 Prozent ist übrigens in der allgemeinen Wirtschaftsgeschiehte nicht unerhört: wie Mich die IIH. En. Mrver und SEcker freundlichst belehren, ist sie für manche Perioden geradezu die Norm gewesen, für das Mittelalter ist sogar eine 1 30prozentige Verzinsung nachweisbar. | Immerhin pflegen derartig hohe Zinssätze nur in Zeiten allgemeiner Unsicherheit und großer Geldknappheit gezahlt zu werden. Daß die Zeit von der Mitte der 22. Dynastie bis zum Beginn der 26. politisch unruhig war, ist bekannt, daß der Wert des Geldes damals besonders hoch war, wird aus einigen Beispielen ersichtlich. Unter «ler 22. Dynastie zahlte man für ein Haus! 2 Deben” Silber, etwa zur selben Zeit waren 32 Sklaven, Männer und Weiber. zusammen für ı5 Deben !/, Kite feil". Die »Frauengabe«, die zweifellos noch die Aufgabe hatte, die Frau im Falle der Scheidung oder des Todes des Ehegatten vor Not zu schützen, pflegte damals 2 Deben zu betragen‘. In späterer Zeit begegnen wir niedrigeren Zinssätzen. Der nächst- älteste Schuldschein aus dem zwanzigsten Jahre König Apries’ (568/67 v. Chr.)’ sieht Zinsfreiheit für sechs Monate vor, danach sollen auf ı Deben !/; Kite Verzugszinsen für den Monat (?) zahlbar sein, «das wären 4 Kite — ?/, Deben für das Jahr, was einer Verzinsung zu 40 Pro- zent entsprechen würde. In ptolemäischer und römischer Zeit hat der Zinfuß in Ägypten zwischen 6 und 50 Prozent betragen". Wie auf unserm Schuldschein, so ist auch in dem gleichaltrigen unveröffentlichten Vertrag über einen Hausverkauf (P. 3048, Rückseite, Urkunde Ö) und in allen Urkunden der Äthiopenzeit' so wie einigen ! Nach Urkunde C Zeile 3. ® ı dbn (90,1 g) = 10 Kite. Seit der Perserzeit ist ein Deben als Münzeinheit - 5 Stateren (Tetradrachmen). = AZ. Bd. 35 S. 24. * Vgl. meine »Eheverträge« S. 26. ° N. Reıon, Jurist. Pap. S. 5 u. Taf. r. ° Ich entnehme diese Angabe Mrrreıs’ Grundzügen der Papyruskunde (Leipzig 1912) S. 118. ‘ Pap. Louvre 3168A und 32284 ed. Boupikr, \ G. Mörrer: Ein ägyptischer Schuldschein der zweiundzwanzigsten Dynastie 303 der Regierungszeit Psammetichs des Ersten das Geld bezeichnet als »Silber vom Schatzhause des Gottes Harsaphes«', während sonst unter der 26. Dynastie zumeist von »Silber vom Schatzhause von Theben «°, in persischer Zeit von »Silber vom Schatzhause des Ptah« die Rede ist®, und zwar in Handschriften thebanischer Herkunft. Weiter wird das Silber in diesem Zusammenhang einmal (Urkunde (, Zeile 5) be- zeichnet als k 14 "d.h. \J D »geläutert«, seit dem Ende der Re- gierungszeit des Amasis* steht statt dessen wdh » gegossen «, was GRIFFITH, Rylandspapyri S. 80 Anm. 8 gleichfalls im Sinne von »refined« auf- fassen möchte. Es ist klar, daß diese Herkunftsangaben aus den genannten Schatz- häusern — mit oder ohne den Zusatz $b oder wdh — den Feingehalt des Silbers verbürgen sollten. Aber diese Herkunft mußte dem Silber doch irgendwie anzusehen sein, was wohl nur durch Stempelung oder Gravierung bewerkstelligt werden konnte’. Bekanntlich hat das als Zahlungsmittel benutzte Metall im älteren Ägypten die Gestalt von Ringen gehabt“. Diese Form ist jedoch für die Anbringung deutlich erkennbarer Herkunftsmarken wenig geeignet, die Geldringe "müßten denn in der uns beschäftigenden Zeit etwa die Gestalt von Siegel- ringen gehabt haben. Wahrscheinlicher ist wohl, daß das von den Schatzhäusern ausgegebene und mit ihrer Herkunftsmarke versehene Edelmetall die Form von Platten, Fladen oder Barren gehabt hat’. ! Turin P. 246 und 247 ed. Boupıer, vgl. Grirrrin, Rylands Papyri S. 76. 2 Turin P. 247. C. H. nach Grırrıtn, a. a. O. 76. Reıca, a. a. O. Taf. ı. Revır.ovr, Corpus 15. IL. 8 GrirFrIH, a.a. 0. S. 76. 4 GrirrıcH, a. a. O. S. 8o Anm. 8. 5 Ein Silberfladen von der Gestalt, die sich durch das Erstarren des Metalls in einem weiten, flachen Schmelztiegel von selbst ergibt, mit eingravierter aramäischer Beschriftung, aus der Zeit um 700 v. Chr., ist in Sendjirli gefunden worden, vgl. Resrıng; Art. »Geld« bei Pauzy-WiıssowA, Realenzyklopädie Bd. XIII, ı Sp. 978. 6 Scuärer, ÄZ. Bd.43 S. 70. ' Bei dem ENT Ausweis des Berliner Wörterbuchs nur unter der 18. Dynastie nachweisbaren Wort ESS O stellt das Determinativ nach Ser En Urkunden IV, 637, keinen Ring, sondern eine runde Scheibe dar. Fladenförmige, aber unsignierte, als Zahlungsmittel benutzte Silberstücke aus Ägypten, aus dem 5. Jahrh. v. Chr., hat mir K. Resrıng im Berliner Münzkabinett gezeigt. — Im Jahre ıgrı bot mir ein notorischer Fälscher, Jusur Ismain aus Qurna, einen gegossenen Kupferbarren von etwa 6X 3x3 em Größe an, der in erhabener Schrift die Zeichen ann »vortrefflich« trug. Ich lehnte den Ankauf hauptsächlich wegen der Person des Händlers ab. Etwa eine Woche später brachte er einen plumpen gegossenen Hammer mit derselben Inschrift. In die Enge getrieben, gab er zu, daß beide Stücke gefälscht seien. Nun gestaltet der ägyptische Fälscher wohl um, aber er erfindet nicht frei. Es ist daher mit größter Wahrscheinlichkeit anzunehmen, daß dem Jusur für den Barren ein echtes Vorbild vorgelegen hat. Sitzungsberichte 1921. 29 ae NER TE 1 Be m. ne ) 304 Sitzung der phil.-hist. Klasse vom 17. März 1921. — Mitt. vom 17. Februar - Natürlich konnte das Herkunftszeichen unter solchen Umständen nur. den Feingehalt. nicht auch das Vollgewicht des Zahlungsmittels ge- währleisten. Dies war auch weniger nötig, da eine Nachprüfung mit . der Wage leicht vorgenommen werden konnte. Von einer Schatzhausverwaltung ausgegebenes, mit einem Garantie- zeichen versehenes Metall begegnet uns als Zahlungsmittel zuerst unter der 22. Dynastie; es handelt sich um »Silber vom Schatzhaus des Harsaphes«. Das wird kein Zufall sein. Dieser ziemlich obskure Gott war in Herakleopolis Magna heimisch, wo die Vorfahren j Jenes Herrscher- hauses durch Generationen ansässig gewesen waren. Vermutlich hat Scheschonk der Erste, der Begründer der 22. Dynastie, dem das Land auch sonst bedeutsame Neuerungen zu verdanken gehabt hat'!, das behördliche Garantiezeichen für Zahlungsmittel aus Edelmetall ein- geführt. Er wird die Schatzverwaltung seiner engeren Heimat mit dem Emissionsrecht betraut haben, das sie dann durch fast drei Jahr- hunderte bewahrt haben würde, Daß dieses Recht keiner königlichen, sondern einer priesterlichen. Behörde eingeräumt wurde, ist auf alle Fälle ein Zeichen der Zeit. x .Die Namen der Kontrahenten und der Zeugen sin sind die unter der 22. Dynastie in Theben üblichen; neu ist nur u R- SONDER ’ der zweimal, Zeile 7 und 9, vorkommt. Namen dieser Bildung sind: theophor, Ntwdn (Nsutn) muß also ein Gottesname sein. Natürlich hat kein ägyptischer Gott so geheißen, und da die Urkunde der 22. Dynastie angehört, so liegt es nahe, den Namen für libysch zu halten. Zum Vergleich darf wohl auf freilich weit jüngere libysche, auf in, dn endende Namen hingewiesen werden, wie beispielsweise Altifatan (Corippus, Jo- hannis VII, 419) Imastan (ib. VII, 480; moderner Berbername Amestan, vgl. HanotrAu, Grammaire kabyle” S. 379), Autiliten (Corippus II, 58. IV, 643. VII, 255), Bitipten (ib. IV, 546), Bruten (IV,651 u. o.), Ifnaten (VII, 394), Iten (IV, 991), Lamaldan (VI. 426), Tumudan (VII, 607), Amadan (moderner Tuärekname, vgl. HanotEAu, Grammaire tamachek’ S. 272), Autufyden (Corippus VI, 420), Meniden (ib. IV, 990), Taden (IV, 928). Daß die so fremdartig klingenden Namen der Könige der 22. Dynastie, Scheschonk, Takeloth und Osorkon, libysch sind, bedarf keines Be- weises mehr; von Interesse und meines Wissens noch nicht beachtet ist aber, daß der letztere in der Form Urskn, punisch j2°N, anscheinend noch auf der numidisch-punischen Bilinguis von Thugga vorkommt’. ! Vgl. Ev. Meyer, ÄZ. Bd. 51 S. 136f. 2 Vgl. z. B. Harkvy, Etudes berberes (Journal Asiatique VII® serie Bd. 3) S. 89, Ausgegeben am 31. März. Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei SITZUNGSBRRICHTE > DIR PREUSSISCHEN Gesamtsitzung « am 31. März. (S. 305) 2 von Wiramowırz-MOorLLENDoRFF: Sphakteria. (Mitteilung aus der Sitzung der phil.-hist. Klasse vom 17. März.) (S. 306) "B. Meıssser: Ein neubabylonisches Zuekungsbuch. (Mitteilung aus der Sitzung der phil.-hist. Saas 53 Klasse vom 17. Februar.) (S. 319) Per &: Ir SER - A. Bıcxzr und C. van Eweyk: Über Hitzesekretine. Aukeilung aus der Sitzung der phys.-math. BA Klasse vom 17. März.) (S. 325) - ; SANT. == f Ey En BERLIN 1921 VERLAG DER AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN 2 / IN KOMMISSION BEI DER VEREINIGUNG. WISSENSCHAFTLICHER VERLEGER WALTER DE GRUYTER U. CO. VORMALS G. J. GÖSCHEN’SCHE VERLAGSHANDLUNG, J. GUTTENTAG, VERLAGSBUCHHANDLUNG. « GEORG REINER. KARL J. TRÜBNER. VEIT U. COMP. a Ta baiie ntlichungen heraus: »Sitzungsberieh ‚der ‚Preußischen Akademie der Wissenschaften, Aus 82, dlungen bestimmte Mitteilung muß in. einer aka- mitglieder haben hierzu die Vermittelung eines ihrem u ananpöteden ordentlichen. Mitgliedes zu benutzen. Der Umfang einer anföunehrdendeh Mitteilung soll der Regel in den Sitzungsberichten bei Mitgliedern 32, Niehtmitgliedert 16 Seiten in der gewöhnlichen Schrift jer Sitzungsberichte, in den Abhandlungen 12 Druckbogen von je 8 Seiten in der gewöhnlichen Schrift der Abhand- lungen nicht, übersteigen. 3 ? Überschreitung dieser Grenzen ist nur mit Zustimmung der Gesamtakademie oder der betreffenden Klasse statt-, haft und ist bei Vorlage der Mitteilung ausdrücklich zu ; beantragen. Läßt der Umfang ®ines Manuskripts- ver- muten,. daß diese Zustimmung erforderlich sein ‘werde, so hat das vorlegende Mitglied es vor dem Einreichen ‚von sachkundiger Seite auf seinen mutmaßlichen Umfang im Druck abschätzen zu lassen. HER, SA. Sollen einer Mitteilung Abbildungen im Text oder - auf besonderen Tafeln beigegeben werden, so’ sind die 0 Vorlagen dafür (Zeichnungen, photographische Original-- aufnahmen usw.) gleichzeitig mit dem Manuskript, jedoch 02 auf getrennten Blättern, einzureichen, : Pers Die Kosten der Herstellung der Vorlagen haben in 00.der Regel die Verfasser zu tragen, Sind diese Kosten aber auf einen erheblichen Betrag zu veranschlagen, so kann die Akademie dazu eine Bewilligung beschließen. Ein darauf gerichteter Antrag ist vor der Herstellung der be- trefienden Vorlagen mit dem schriftliehen Kostenansehlage eines Säehverständigen an den vorsitzenden Sekretar zu riehten, dann zunächst im Sekretariat vorzuberaten und weiter in der Gesamtakademie zu verhandeln. Die Kosten der Vervielfältigung übernimmt die Aka- demie. Über die voraussichtliche Höhe dieser Kosten ist — wenn es sich nicht um wenige einfache Textfiguren handelt — der Kostenanschlag eines Sachverständigen heizufügen. Überschreitet dieser Anschlag für die er- forderliche Auflage bei den Sitzungsberichten 150 Mark, bei den Abhandlungen 300 Mark, so ist Vorberatung durch das Sekretariat geboten. Aus 85. Nach der Vorlegung und Einreichung DR vollständigen druckfertigen Manuskripts an den zuständigen Sekretar oder an den Archivar wird über Aufnahme der Mitteilung in die akademischen Schriften, und zwar, ‘wenn -eines der anwesenden Mit- glieder es verlangt, verdeckt abgestimmt. Mitteilungen von Verfassern, welche nicht Mitglieder der Akademie sind, sollen der Regel nach nur in die Sitzungsberichte aufgenommen werden. Beschließt eine Klasse die Aufnahme der Mitteilung eines Nichtmitgliedes in die Abhandlungen, so bedarf dieser Beschluß der Bestätigung durch die Gesamtakademie, (Fortsetzung auf S ‚demischen Sitzung vorgelegt werden, wobei in- der Regel. das druckfertige Manuskript zugleich einzuliefern'ist. Nieht- chen Akademie der Wissenschaften« und »Abhand Baal, ur Aufnahme in die Sitzungsberichte le die . 1 einzu ie: Bear ol nac a nicht über die Berichtigung von. und leichten Schreibverschen hin: Korrekturen Fremder bedürfen der Gen gierenden Sekretars vor. der Einsendung an die Drue) und die Verfasser sind zur Tragung der ae kosten verpflichtet. N ee: Von allen in die Sitzungsberichte oder Au ‚aufgenommenen. wissenschafilicben Mitteilungen, Adressen oder RN. werden für: die Verfas Druck 4 Seiten übersteigt, auch für.den Buchhandel abdrucke hergestellt, ‘die alsbald nach Trsche en gegeben. werden. Von Gedäehtnisreden werden ebenfalls Son für den Buchhandel hergestellt, indes nur dann, Verfasser sich ausdrücklich damit ‚einverstanden 39, a Von. den Sonderabdrucken aus den Sitzungs erhält ein Verfasser, weleher Mitglied der Akademie. zu wnentgeltlicher Verteilung ohne weiteres 50° exemplare; er ist indes berechtigt, zu gleichem auf Kosten der Akademie weitere Exemplare bis’ zur‘ Z von noch. 100 "und auf seine Kosten "noch weitere } zur Zahl von 200 tim ganzen also 350) abziehen zu ] sofern er dies rechtzeitig’dem redigierenden Sekretar gezeigt hät; wünscht er auf seine. Kosten noch‘ m Abdrucke zur Verteilung zu erhalten, so bedarf es di der Genehmigung der Gesamtakademie oder der betreflen- den Klasse. — Niehtmitglieder erhalten 50 Erika und dürfen. nach reehtzeitiger Anzeige bei dem ı gierenden Sekretar weitere 200 Be auf ihre Een abziehen lassen. ı zu BR Verteilung BbRk wveilöres 30 Fret exemplare; er istindes berechtigt, zu gleichem Zwecke , auf Kosten der Akademie weitere Exemplare bis zur Zahl von noch. 100 und auf seine Kosten nach weitere bis zur Zahl von 100 (im ganzen also 230) abziehen zu lassen sofern er dies reehtzeitig dem redigierenden Sekretär an- gezeigt hat; wünscht er auf seine Kosten noch mehr Abdrucke zur Verteilung zu erhalten, so bedarf’ es ‚dazu der Genehmigung der Gesamtakademie oder der betrefien- den. Klasse. — Nichtmitglieder erhalten 30 Freiexemplare und dürfen nach reehtzeitiger Anzeige bei dem redi- gierenden Sekretar weitere 100 Exemplare auf Ihre Kosten abziehen lassen. 8.17 5 Eine für die akademischen Schriften be-- stimmte wissenschaftiiche Mitteilung‘ darf in keinem Falle vor “ihrer Ausgabe an jener Stelle anderweitig, sei es auch nur IE: 5: 3 des Umschlags.) ° 305 SITZUNGSBERICHTE. DER PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. 1921 | (® ay 07 D;- XV. Gesamtsitzung. 31 ae a UL, Dass Vorsitzender Sekretar: ı. V. Hr. Dieıs. 1. Hr. Burvaca sprach über: Platonische und freireligiöse Züge im "Ackermann aus Böhmen’. (Ersch. später.) Das Schlußgebet des Witwers für das Seelenheil seiner Frau will Gottes Wesen lobpreisend ergründen. Obgleich in der Form der Allerheiligenlitanei, nennt es (gegen kirchlichen Brauch) weder Heilige noch Maria noch ‘Fegefeuer und Sündenschuld, bekennt mit Platon (unkirchlich) die Präexistenz der Seelen, wie vorher der Acker- mann (ebenso unkirchlich) Platons Lehre der ewigen Wiedergeburt alles Irdischen, und gipfelt in einem auf Platons “‚Jon’ (Kap. 5—7) zurückgehenden Bilde, das Gott als notwendiges, magnetisches Band aller guten Dinge hinstellt, die sich um und an ihn drängen wie der (als Traube hängende) Bienenschwarm um seine Königin. 2. Hr. Enerer legte vor: Beiträge zur Flora von Papuasien VII von LAUTERBACH, Serie 7 (Leipzig 1921) und Beiträge zur Flora von Mikronesien II von L. Dirrs, Serie 2 (Leipzig 1921). 3. Das korrespondierende Mitglied Hr. Grirrırn sendet Oxford excavations in Nubia (Sonderabdruck). 4. Das korrespondierende Mitglied Hr. Hrymans sendet seine Schriften: Einführung in die Metaphysik, 3. Aufl. (Leipzig 1921) und Über die Anwendbarkeit des Energiebegriffes in der Psychologie (Leipzig 1921). Sitzungsberichte 1921. 30 1% £ vB, N 306 Gesamtsitzung v. 31. März 1921. — Mitt. der phil.-hist. Klasse v. 17. März Sphakteria. Von ULrıcHh von WILAMOWITZ-MOELLENDORFF. (Vorgetragen am 17. März 1921 [s. oben S. 291].) De: erste Teil seines vierten Buches ist ein Glanzstück in dem Werke des Thukydides, weil er eine besonders anziehende Begebenheit ohne ‚viele Störungen im Zusammenhange bis zu Ende erzählt. Sie fiel eben in einen Sommer, so daß das unglückliehe ehronologische Prinzip der Stoffverteilung nicht schaden konnte, das z. B. die Belagerungen von Plataiai und Mytilene nicht zu voller Wirkung kommen läßt. Es sollte nieht verkannt werden, daß Ephoros die Unzuträglichkeit dieser Gruppierung erkannt hat; allerdings hat er sie auf Kosten der chro- nologischen Genauigkeit vermieden. Wenn Thukydides nach Halb- jahren erzählt, ist sein Prinzip doch wohl annalistisch zu nennen und setzt dann die Existenz von Annalen voraus. Die Erzählung gestattet wichtige Rückschlüsse auf die Quellen, aus denen Thukydides sie geschöpft, und die Art, wie er gearbeitet hat. Dazu verhilft vor allem ihre Prüfung durch die Vergleichung des Geländes. Diese ist in ausgezeichneter Weise von R. Burrows' vorgenommen. Ich hatte längst vor, diese vorzügliche Leistung ins Lieht zu setzen, weil sie zu wenig beachtet war; das ist nun durehı E. Scuwartz (Gesch. des Thuk. 290) mit kurzen und klaren Worten geschehen, so daß die Folgerungen ohne weiteres gezogen werden können. So abenteuerlich es klingt, es stehen wirklich bei Pylos noch Reste der Mauern, die Demosthenes errichtet hat, die Stelle, wo Brasidas zu landen versuchte, ist nachweisbar, und was zu jener Zeit schon ein tanAION &pyma war, steht noch heute auf Sphakteria. Daß wir alles wiederfinden, danken wir der Anschaulichkeit, mit der Thukydides erzählt. Um so mehr befremdet, daß er’ topographische Angaben macht, die mit der tatsächlichen Natur schlechthin unver- einbar sind. Die Größe der Insel Sphakteria und die Breite der beiden Einfahrten in den Hafen von Navarin kann keine Kunst zur Über- ' ‚Journal of Hell. Stud. XVII. Die schönen Photographien Taf. VI—X. Von der Arbeit von Grunpy, J. H. St. XVL, ist nur die Karte noch verwendbar, diese aber sanz unentbehrlich. R x Er von Wıramowrrz-MoELLENDORFF: Sphakteria 307 einstimmung mit Thukydides zwingen; natürlich hat man den Text ändern wollen oder auch die Natur des Ortes. Es gilt nun die Fol- gerungen aus dem Widerspruch zu ziehen. Thukydides ist niemals in Pylos gewesen und hat Angaben von Leuten übernommen, die zwar. vortrefflich über ihre Erlebnisse berichteten, aber für die Topo- graphie, selbst wenn sie eine (regend überschauten, kein Augenmaß hatten. Athener waren es, die auf dem Burgberge von Pylos gestanden hatten, auch die erste Schlacht mitgemacht, aber nicht die letzte auf ' Sphakteria. Denn die irrigen Angaben sind verbunden mit der an- geblichen Absicht der Spartaner, die beiden Zufahrten in den Golf von Navarin zu sperren (8, 6). Nachher tun die Spartaner nichts davon, wie es ja auch unmöglich war: offenbar hatten sich die Athener auf Pylos davor gefürchtet, und von ihnen hat Thukydides seinen Bericht. Diese Leute übersahen nicht einmal die Insel, deren höchste Kuppe ihnen gegenüber lag, und unterschätzten die Breite des tren- nenden Meeresarmes und die Stärke der Strömung. Sie waren viel- fach genötigt, sich mit brackigem Wasser zu behelfen (26, 2) und dachten sich, es stünde auf der Insel ebenso. In Wahrheit sprudelte ‘ dort eine Quelle. wie sie es heute tut, und Thukydides erwähnt sie später selbst (31, 2); er hat also widersprechende Angaben nicht aus- geglichen. Nach einer andern Seite läßt er seine Leser ganz im un- klaren. Nirgend auch nur eine Hindeutung darauf, wo die Pelopon- nesier, Heer und Flotte, an der Küste des inneren Hafens sich be- fanden; selbst etwas so Oharakteristisches wie die große Lagune im Norden bleibt unerwähnt. Hinzukommt, daß alle näheren Angaben über die Gegner fehlen'; nicht einmal der Führer wird genannt. Also hat Thukydides überhaupt keine Mitteilungen von Spartanern benutzt. Dazu war er vom Sommer 421 an in der Lage, denn er lebte nun jahre- lang im Peloponnes, teilt auch das spätere Schicksal. der Gefangenen von Sphakteria mit. Das ergibt den sicheren Schluß, daß er die Darstellung der Kämpfe von Pylos vor 421, so wie wir sie lesen, abgeschlossen hat. In dieser Erzählung berulit der Bericht über die Volksversamm- lung, in welcher Kleon gedrängt wird, den Oberbefehl zu übernehmen, ' Nur bei dem Landungsversuche (11) wird der Führer und die Zahl der an- greifenden Schiffe genannt; da ist auch das persönliche Schicksal des Brasidas be- kannt; vermutlich waren Gefangene gemacht. Den Führer nennt der Thukydidestext OPpAcYMmHnNlaHc, Diodor BPacymHaHc. Dazwischen können wir nicht entscheiden, aber OPAcYMHAIAHc ist grammatisch falsch. Mit Unrecht wird beanstandet, daß der Angrifl’ nur mit 43 Schiffen gemacht ward. Die Zahl genügte ja, da immer nur ein Teil die Landung versuchen konnte, auch mußten andere Schiffe die südliche Einfahrt decken, da ein Eingreifen der athenischen Flotte zu befürchten war. Dagegen ist 13, 2 die Zahl 40 in der Tat unmöglich, wohl (EnTÄA Kal) TeccAPAKoNTA mit Sreup die wahr- scheinlichste Verbesserung. 30* 308 Gesamtsitzung v. 31. März 1921, — Mitt. der phil.-hist. Klasse v. 17. März auf der eigenen Beobachtung des Thukydides. Wir erhalten den Ein- druck, daß Kleons Anerbieten, nach Pylos zu gehen, eine Improvisation war; wider seinen Wunsch ward er beim Worte genommen. Anderer- seits wird über die Pläne des Demosthenes so berichtet, daß sie ganz unabhängig von Kleon gefaßt sind. So hat es der Schriftsteller be- absichtigt, wie Schwartz S. 296 mit vollem Recht hervorhebt. Aber die Kritik unserer Historiker hat mit demselben Recht eben aus der Erzählung des Thukydides geschlossen, daß Kleon um die Absicht des Demosthenes wußte. Nur so erklärt sich, daß er keinen einzigen Hopliten, sondern nur leichte Infanterie forderte und sich den Demo- sthenes sozusagen zum Generalstabschef wählte. Es ist für die Wahr- heitsliebe des Historikers ein schöner Beleg, daß er uns ermöglicht, aus den Tatsachen, die er angibt, einen andern Schluß zu ziehen, als er selbst gezogen hatte. Kleon hat gewußt, daß Demosthenes raschen Erfolg versprach, wenn ihm die nötige Verstärkung gesandt ward. Darum verhinderte er die Verschleppung'; daß er Stratege ward, er- gab sich durch den Gang der Debatte, sehr wider seinen Wunsch. Nikias hat in seiner Unfähigkeit so dem Kleon einen Erfolg in die Hand gespielt, der ihm für die Kriegspolitik Oberwasser gab und schließlich zu seinem thrakischen Kommando und der Katastrophe von Amphipolis führte. Der dramatische Verlauf der Volksversammlung hatte, dem Thukydides so starken Eindruck gemacht, daß er seine Darstellung be- stimmte. Andererseits teilt er. uns die Erwägungen des Demosthenes ausführlich mit; und der Erfolg bestätigt, wie richtig er nur von Schützen und Schleuderern Gebrauch gemacht hat. Schon hieraus folgt, was ja auch mehrfach vermutet ist, daß Demosthenes selbst dem Thukydides über seine Taten berichtet hat. Er hatte keine Veranlassung, dem Kleon etwas von seinem Ruhme abzugeben. Mündliche Auskunft scheint mir wenigstens wahrscheinlicher als die Benutzung eines Berichtes an Rat und Volk”. Nicht minder deutlich tritt Demosthenes als Gewährsmann in der Erzählung von dem ersten Gefechte hervor, wenn auch Thukydides die Stimmungen und Erwartungen (des Heeres, mit denen die falschen Ortsangaben verbunden sind, von andern Teilnehmern erfragt haben wird, bevor ihm Gelegenheit ward, mit Demosthenes zu reden. In Kap.9 und ıo trägt er die taktischen Erwägungen des Demosthenes vor, die zum Siege geführt haben, und zwar so, daß er teils über sie ' Einer der Kommissare, die man nach Pylos schicken wollte, heißt Theogenes. Da sollten die Erklärer nicht übergehen, daß dieser ein bekannter Politiker aus Acharnai war. Kirchner, Prosop. 6703. ? Den Sieg hatte Kleon schriftlich gemeldet und die Anrede des Privatbriefes wider das Herkommen gewählt, was Anstoß erregte; Eupolis bei Moeris xAlPein. von Wıramowrrz-MoELLENDoRFF: Sphakteria 309 berichtet, teils sie dem Feldherrn selbst in den Mund legt. Kap. 16 klingen durch seine Rede die Formeln des Vertrages deutlich hindurch, welcher den Athenern die peloponnesische Flotte in die Hände spielte. Er hat. also die Urkunde gekannt, und sie mußte zu Hause bekannt werden, als über den Frieden verhandelt ward. Diese Verhandlungen kennt der Historiker soweit, als sie in der Öffentlichkeit stattfanden; er ist auch in der Versammlung gewesen, von der er in Kap. 17—20 erzählt. Natürlich hat er die Rede der Spartaner völlig frei stilisiert, und zwar so, daß sein eigenes Urteil über die Chancen einer Verständi- gung klar genug ans Licht tritt. Wenn in Kap. 17,18 dargelegt wird, daß der Erfolg von Pylos durch den Fortgang des Krieges auf den Wert eines glücklichen Zufalls herabsinken könnte, so haben die Spar- taner, die um Frieden baten, sicherlich nicht so geredet; das ist viel- mehr’ die Ansicht des Historikers, der schon nach der Schlacht bei Delion so urteilen durfte. Ebensowenig passen die feinen psychologi- schen Gedanken aus Kap. ı9 in den spartanischen Mund und vor den attischen Demos. Praktisch bieten jene für die Räumung: von Pylos nur im allgemeinen Frieden und Bündnis. Das konnte nicht befriedi- gen, weil die Bedingungen des Friedens nicht angegeben wurden. Nur das letzte Wort ist vielsagend »wenn wir zusammenstehen, Tö re Anno "ERAHNIKÖN YTIOAEECTEPON ÖN TÄ MErICTA TimAcei«. Das ist euphemistisch. Vor der Übermacht müssen sich die andern beugen; Sparta will sich über den Kopf seiner Bündner mit Athen verständigen, war es doch von Korinthern und Böotern allein in den Krieg gezogen. Aber un- möglich durften sie offene Zugeständnisse machen. Daher war ihr Verlangen nach einer Kommissionsberatung (22, 2) ganz berechtigt, und Kleon zeigt sich hier wirklich als bornierter Demokrat, wenn er alles vor das Plenum der Volksversammlung zerren will. Daran mußte, wie Thukydides begriff.und bedauerte, die Versöhnung scheitern. In der Tat war die Gelegenheit günstig, in die Bahnen einzulenken, die einst Archi- damos und eine Weile auch Perikles der hellenischen Politik gewiesen hatten. Einige Monate des Jahres 421 hat dann-Nikias diese Politik durchzuführen versucht; aber weder er noch die spartanische Partei, die ebenso dachte, waren den Gegnern des friedlichen Dualismus gewachsen. In den Kapiteln 3—5 erzählt der Historiker, daß die Strategen, auf deren Schiffen Demosthenes mitfuhr, nur durch das Wetter ge- zwungen wurden, Pylos anzulaufen, und den Vorschlag, den Ort zu befestigen, schroff abwiesen'. Als dann die Soldaten freiwillig doch I 3,3 oYk Emeisen (Demosthenes) oYTe TOYC CTPATHFOYC OYTE TOYC CTPATIWTAC, YCTEPON Kal TOIC TAZIAPXOIC Koin@cac. Demosthenes wendet sich zuerst an die leitende Stelle, dann an die Soldaten, dies auf dem durch die Disziplin gewiesenen Wege über die Führer der 'einzelnen Truppenteile. Das hätte nieht verkamnt werden sollen. 310 Gesamtsitzung v. 31. März 1921. — Mitt. der phil.-hist. Klasse v. 17. März Mauern anlegten, ließen sie sie gewähren und gaben dem Demosthenes. fünf Schiffe, sie selbst ron Ec Kepkypan tIno®n Hrreiron. Mit dieser Eile ‘ist es nicht weit her, denn sie sind nach nicht so gar wenig Tagen erst in Zakynthos. Diese Darstellung kann kein Mensch glauben. Demosthenes will nach Pylos; die Strategen widersprechen, fahren aber hin. Sie wollen von der Befestigung nichts wissen, lassen sie aber geschehen, fahren erst. ab, als sie leidlich fertig ist, und ihre Eile führt sie nicht weiter als zu dem allernächsten Hafen. Ist es nicht klar, daß Thukydides einen Bericht vor Augen hat, den die Feldherren nach Hause schiekten, als sie von Pylos abfuhren, um sich für alle Fälle zu decken. Ihre Instruktion war, rasch nach Korkyra und weiter zu fahren; damit vertrug sich schlecht, daß. Demosthenes, der zur Zeit ohne Amt war, aber für das nächste Jahr zum Feldherrn gewählt (was Thukydides nicht sagt) und schon jetzt berechtigt war, sich der Flotte irgendwo am Peloponnes zu bedienen; er hatte die Besetzung von Pylos offenbar vor. Die Feldherren wollten gedeckt sein, auch wenn ihre Hilfe zu spät nach Korkyra kam!, oder wenn Demosthenes auf Pylos kein Glück hatte. So angesehen, ist der Bericht begreiflich; den gibt Thukydides wieder: Demosthenes. hatte keine Veranlassung zu widersprechen, da so das Verdienst um den schönsten Erfolg ihm allein zufiel. Wieder muß der Leser bei dem Historiker eine Darstellung anerkennen, die zwar subjektiv von vollster Wahr- haftigkeit ist, aber den nachdenkenden Leser zu einem ganz anderen historischen Urteil führt. Das eilt in noch höherem Grade von dem entscheidenden Schlußgefecht auf Sphakteria.. Wir hören von einer schweren Niederlage der Spartaner, durch die das Prestige ihres Heeres und Staates eine Einbuße erleidet, die kaum durch den Sieg bei Mantineia nach Jahren ausgeglichen wird. So hat es auch Thukydides angesehen, ganz mit den Augen der Athener, die ihm von ihrem Siege erzählten. Und doch führt uns eben diese Erzählung zu einer ganz anderen Würdigung. Denn was ist geschehen? Ein Häuflein schwer gerüsteter unterernährter Männer wird von einer vielfachen Überzahl umringt wie ein Eber von einer Meute. Anzupacken wagen die vielen nieht, sie stieben auseinander, wo immer die geschlossene Schar gegen sie losgeht. Aber gegen die Fernwaffen sind die Hopliten wehrlos, wie eine Schar Ritter gegen Musketiere. Am Ende erlahmen sie, ziehen sich aber doch geschlossen in ihre Festung zurück, ohne daß ihnen der Weg gesperrt wird, und halten stundenlang im Sonnen- brand ohne Trinkwasser aus. Mit Sturm ist ihre Festung nieht zu ! In Zakynthos durften sie bleiben, sobald sie erfuhren, dal die peloponnesische l"lotte umgekehrt war, also eine unmittelbare Gefahr für’ Korkyra nicht mehr bestand. (€ En re von Wıramowrrz-MoELLENDORFF: Sphakteria 311 nehmen. Erst als die Messenier' auf einer Höhe über ihnen erscheinen, von wo sie sie gemächlich niederschießen können, kapitulieren die Spartaner. Ist es nicht so recht ein Kampf von Soldaten höchsten "Ranges mit einem Haufen Miliz? Für spartanische Manneszucht und Mannestugend ist Sphakteria kein geringeres Zeugnis als Thermopylae. Dennoch war der Zauber spartanischer Unüberwindlichkeit gebrochen, weil sich der letzte Rest ergab. Ihre Landsleute hatten gewünscht, alle Hellenen hatten erwartet, daß sie den Tod vorziehen würden. Wer ihre Erschöpfung in Rechnung stellt, wird entschuldigen, daß sie diesen Entschluß nieht mehr aus sich fassen konnten. Der Feld- herr, der vom Lande untätig zusehen mußte, hätte ihnen den Befehl geben müssen; darum hatten sie gebeten, aber er, brachte es nicht über das Herz, eine Entscheidung zu geben, wie es doch seine Pflicht war. Ihn allein hätten die Ephoren zur Rechenschaft ziehen sollen. Wir haben demnach in diesem Teile des vierten Buches eine Partie, in welcher kenntlich ist, wo Thukydides seine Nachrichten her hat und wie er sie benutzt. Geschrieben ist alles vor dem Ni- kiasfrieden und ist auch so geblieben. Im Jahre 424 ward er zum Strategen gewählt und ging nach Thrakien, um nicht wieder zurück- zukehren; bis zum Frühsommer 421 hatte er auf seinem thrakischen Besitze Muße genug, an seinem Werke weiterzuschreiben, das mit dem Frieden abgeschlossen werden sollte, der vor der Tür stand. Freilich waren ihm nun die athenischen Berichte unzugänglich, und das machte sich auch sehr fühlbar. Mandgreiflich merkt man es an den sizilischen Dingen. Über das, was in den ersten Monaten 425 dort geschieht, kann er mancherlei erzählen (IV 24. 25) und schließt ol en Cırenlaı "Ennnnec ÄneY TÜN AoHNAloN ECTPÄTEYON ET AnnHnoYc. (xe- naueres weiß er nicht und fährt 48 fort, wo die athenische Verstär- kung endlich von Korkyra an ihrem Bestimmungsorte eintrifft, aber von ihren Taten sagt er nur MmeTA TON Ekei CYMmmAxwn Erionemoyvn. Einen Bericht der Feldherrn, wie er ihn vorher wiedergab, hat er nicht mehr zu Gesicht bekommen. Im nächsten Jahre folgt der allgemeine Friede zwischen den Sikelioten und die Heimfahrt der athenischen Feldherrn samt ihrer Bestrafung. Tatsächliches hören wir nicht, aber zum Ersatz die große Rede des Hermokrates, von der niemand be- zweifelt, daß sie erst geschrieben ist, als dieser Mann Syrakus vor dem Fall bewahrt hat, und ihn als den Retter der sizilischen Frei- ! Den Namen ihres Führers, Kömwn, nennt Pausanias IV 27; er soll ein Jahr vor der Schlacht bei Leuktra in Euesperis einen Traum gehabt haben, der sich bald in der Befreiung der Messenier erfüllte. Wir werden diese einzige Ergänzung zu der Erzählung des Thukydides nicht ohne Vorbehalt annehmen, denn wer 425 eine leitende Stellung hatte, wird. 372 schwerlich gelebt haben. 312 Gesamtsitzung v. 31. März 1921. — Mitt. der phil.-hist. Klasse v. 17. März heit einführen will. Das ist also eine Einlage, verfaßt mit den Bü- chern 6 und 7. Die athenischen Unternehmungen aus der zweiten Hälfte des Jahres 425 gegen Korinth und Kythera sind natürlich noch ebenso nach athenischen Quellen erzählt wie Sphakteria, allein schon in den Kämpfen um Megara spürt man, daß dem Historiker Informa- tionen zu Gebote stehen, die mindestens in die Nähe des Brasidas reichen, und dann beruhen die Berichte über dessen makedonische und thrakische Unternehmungen überwiegend auf Mitteilungen aus dem spartanischen Lager; aber diesen Kriegsschauplatz übersah er selbst aus der Nähe bis zum Nikiasfrieden. Bis dahin reicht noch die anschauliche Erzählung. Dann weiß er nur noch nackte Tatsachen zu registrieren, woran wir seine Übersiedlung in «den Peloponnes er- kennen. Die Schlacht von Delion ist namentlich nach böotischen Berichten erzählt. Über das, was in Athen geschah, fehlt ihm jede Kunde; wir können das auch nur höchst unvollkommen ergänzen. Wenn er Kap. 41 angibt, daß Sparta wiederholt Friedensverhandlungen angeknüpft hat, so wäre es für die Beurteilung der athenischen Partei- verhältnisse sehr wichtig, Näheres zu hören; aber das ist uns ver- schlossen. Zufällig ist aus Philochoros erhalten, daß Athen im Jahre 424/23 eine Expedition nach Euboia unternommen hat, über die Thu- kydides freiwillig nicht geschwiegen haben kann!. Bei den Verhand- lungen über den Waffenstillstand lesen wir jetzt ein Aktenstück, das weder unmittelbar verständlich, noch in seine "Umgebung eingear- beitet ist”. Vermutlich hat eı" es schon 421 in Sparta mit den andern Urkunden kennengelernt und: wie diese für die endgültige Redaktion zurückgelegt. Denn. es ist vollkommen einleuchtend, daß er die Ab- sicht hatte, sein Buch über den zehnjährigen Krieg gleich nach dem. Friedensschluß herauszugeben und daher eifrig an der Darstellung der letzten Ereignisse arbeitete. Aber die neuen Verwicklungen des Som- mers 421 drängten ihm die Überzeugung auf, daß der Krieg nicht zu Ende wäre, so daß er seinen Plan aufgab und für die Fortsetzung Material sammelte. Ohne Zweifel liegen in den Büchern II und III noch manche Par- tien in dem Zustande vor, wie sie vor 421 niedergeschrieben waren. Das erste Buch, unfertig wie es ist, gehört fast ganz späterer oder gar der allerletzten Zeit an; über seiner Redaktion ist der Verfasser ! Schol. Aristoph. Wesp. 718. ® Sitzungsber. 1915, 616 habe ich angenommen, daß Thukydides das Akten- stück erst nach 404 in Athen kennengelernt habe. Das ist möglich; aber nicht un- möglich, daß die Spartaner das Protokoll der Sitzung heimgebracht hatten, in der sie anwesend gewesen waren. Auf meine Aufsätze in diesen Berichten 1916 und 1919 verweise ich nicht im einzelnen. Über die Entwicklung des Thukydides Platon II? 13. U er a Fe a, BR Er von Wıramowrrz-Morrtenvorrr: Sphakteria 313 gestorben. Doch beruht, was über Korkyra und Poteidaia erzählt wird, zum mindesten auf der alten Darstellung. Im zweiten Buche ist der Epitaphios und der Ausgang des Perikles nach 404 geschrieben; so weit reicht mindestens die Überarbeitung, aber sie dürfte sich in engen Grenzen gehalten haben'!. Das Folgende bedarf sorgfältiger Prüfung, namentlich die Redepare über Plataiai und Mytilene. Offenbar alt und unversehrt ist die Erzählung, deren Prachtstück die Siege des Phormion sind, einschließlich der kurzen Reden II 80. 94. In dem folgenden Be- richte über Sitalkes steht ein Nachtrag später Zeit, 100, 2; aber die breite Ausführung über Geographie und Ethnographie der nördlichen Balkanhalbinsel, zu der auch die Schilderung des Acheloos und der Echinaden gehört, 102, wird alt sein. Thukydides durfte in den ersten Kriegsjahren erwarten, daß der nördliche Kriegsschauplatz wichtig wer- den würde, und seine hier besonders reiche Kenntnis erlaubte ihm ein Land zu beschreiben, das von Herodotos, V 3-8, ungenügend behan- delt war. Gerade hieran spürt man die Rücksicht auf den Vorgänger und schließt, daß dessen Werk schon in den ersten zwanziger Jahren dem Thukydides zugänglich war, doch wohl in einer Abschrift, nicht nur durch Vorträge. Schon deshalb schließe ich nach wie vor, daß Herodot von Thurioi nach Athen zurückgekehrt und dort kurz vor der Vollendung gestorben ist, wo ein so umfangreiches Werk buchhänd- lerisch allein vertrieben werden konnte. Es scheint auch undenkbar, daß er die Hinweise auf Ereignisse der Jahre 431. 430 in Thurioi eingelegt haben könnte. Solch ein Stück attischer Prosa aus dem archidamischen Kriege ist stilistisch merkwürdig genug. Es redet ein jüngerer Mann neben Antiphon und dem Verfasser der TTonıreis Ashnaion, der als ein alter Mann geschrieben hat. Eine Prosa, die als Muster anerkannt wäre, gab es noch nicht, während die Ausbildung mündlicher Rede in der Demokratie schon weit vorgeschritten sein mußte; es werden ja auch viele Reden, wie die Leichenrede des Perikles, in mehr oder minder zu- verlässigen Aufzeichnungen umgelaufen sein. Alles aber war eigent- lich für das Lesen nicht bestimmt: Lesebücher gab es nur in ionischer Sprache, daneben die überwältigende Masse von Dichtungen, vor allem Tragödien, die sich immer mehr der heimischen Sprache bedienten. Aber Thukydides hielt sich von der Poesie ganz fern, von dem Ionischen auch; wo sich Berührungen finden, werden wir anzunehmen haben, daß die Wörter und Wendungen für Thukydides vielleicht vornehmes, ! Einen Zusatz in der Erzählung von dem Überfall von Plataiai (IL 6) habe ich aufgezeigt, Herm. 35, 553. aber im übrigen dargetan, daß die ganze Erzählung des ersten Kriegsjahres der ersten Fassung des Werkes angehört, und auch jene Einlage braucht nieht erst für die Schlußredaktion zugefügt zu sein. a a) A ss 314 Gesamtsitzung v. 31. März 1921. — Mitt. der phil.-hist. Klasse v. 17. März jedenfalls lebendiges Attisch waren, und es ist unerlaubt, auch Befrem- dendes der Art zu vertreiben. Die abgeschliffene attische Sprache der guten städtischen Gesellschaft hat sich erst in den drei letzten Jahr- zehnten des 5. Jahrhunderts gebildet. Aristophanes mit dem zu ver- gleichen, was die Grammatiker aus Kratinos erhalten haben, ist dafür lehrreich. Ich greife aus den Kapiteln über Pylos einiges heraus. 40, 2 fragt ein Bündner Athens die lakonischen Gefangenen A1-AxeHAöna, ein seltenes Synonymon zu aYrı, wie Platon Ges. 734a deutlich be- weist. Wenn Thukydides 2, 37 die spartanischen Verordnungen über Barttracht u. dgl. aymHpAc TAı öyeı AxeHaönac nennt, so unterscheidet er mit der Schärfe, die er bei Prodikos gelernt hat, das Axeoc, das in dem einen Worte steckt, das Lästige von dem Peinlichen. Der Bündner Athens trägt es schwer, graviter fert, daß die Spartaner sich ergeben haben: er sieht die Hoffnung grscheitert, daß sie ihr Versprechen, die Befreiung seiner Stadt von Athen, wahr machen würden'. S,7 wollen die Spartaner die Einfahrten in den Hafen von Pylos syzun schließen. Da steht ein Wort, das ich gar nicht verstehe. Nach- ahmungen bei Leuten wie Appian, Arrian u. dgl. lehren hier wie über- haupt gar nichts, denn die Grammatiker, denen sie folgen, hören wir selbst (Schol., Hesych, Schol. Dionys. Thrax. 276), Aeröwc rıyknüc ist ge- raten. Mit einem anderen Beleg haben es die Hippokrateslexika zu tun, Erotian und Galen, wozu wohl auch Hesych z. T. gehört (erann#nwc maHPpßc), aber wenn sie auch Aspöwc erklären, kommen wir nicht weiter. Die Stellen sind m. eYcıoc maıa'oy vır 492 L. TO Alma 0% TAPÄCCETAI BYZHN Amön, wo die Erklärung Pyann auch in den Text gedrungen ist: da- neben wird wieder Aspöwc erklärt. bYann möchte man lieber verstehen, aber wie paßt das bei Thukydides? Die andere Stelle ist Tynaik. 1,5, vın 28 L., ebenfalls von den katamanıa [rroanA Glossen zum folgenden) AnEA KATENOÖNTA KAl XWPEYNTA BYZHN ETTEYPYNEI TO CTÖMA TÜN MHTPEWN sincAmena. Da genügt Aeröwc kaum, bei Thukydides ebensowenig. Und wenn man bei diesem nyknöc annimmt, weil »dieht verschließen« gut paßt, bei Hippokrates Ertanahawc, wie reimt sich das zusammen, und wo kommt das Wort her? Man soll auch nicht eine starre Gleichförmigkeit erzwingen, 27, 3 ezarrennein vertreiben, weil Thukydides sonst ecarrennein hat: jenes ist doch dureh Herodot und Platon hinlänglich gesichert. Unvermeidlieh war in einer Zeit tastender Versuche, daß idio- matische Wendungen unterliefen, die daher später nicht wiederkehren. So II 8,4 H eynoıa TIAPA TIOnY ETIOlEI TÖN ÄNBPOTTWN MAANON EC AAKEAAIMONIOYC, ' Philostratos Apollon. ıv 31 hat die Stelle nachgeahmt. Die Spartaner erweisen dem Propheten hohe Ehren, eromenoy ae Kopineioy TINÖC KAT AX@HAONA, EI KAl BEObANIA AYTÖI Azoycin. Er hat es richtig verstanden. von Wır.amowrrz-MOELLENDORFF: Sphakteria 315 verständlich, wenn man das intransitive moıein »wirksam sein« aner- kennt, das später, aber wohl nur zufällig später, für die Heilkraft von Kräutern u. dgl. geläufig ist. Das kehrt wieder IV 12, 3 em monY rÄP Eroleı TÄC AÖEHC EN TÖI TÖTE TOIC Men Hmeip@Taıc Einaı usw. Darin ist der Infinitiv Subjekt »daß die Spartaner eine Landmacht waren, wirkte weithin über ihren Ruf«. Dasselbe Kapitel 8 des zweiten Buches bringt wenige Zeilen später eine andere Wendung, die im vierten Buche auf der nächsten Seite wiederkehrt. en ToYToıc Kekwafceai Eaökei EKÄCTWI TA TIPATMATA ®I MÄTıc AaYTöc rrap&craı. Jeder glaubte, die ganze Sache würde an dem Punkte festgefahren sein, wo er nicht selbst teilnähme. Wir dürfen uns nieht daran stoßen, daß wir den Begriff der Zukunft an einem anderen Gliede anbringen, denn jeder sagte en ©ı mA TTAPECOMAI, Kekwaytaı TA TrPArMATA; das könnten wir auch genau nachbilden. Die Parallelstelle IV ı4, 2 ist verdorben. kai en ToYTwı KekwnTceAl EAökeı EKACTOC DI mA TINI Kal AYTÖC Eprwı TTAPAn. So denken sie bei einer Sache, die wirklich schief geht; daher ist der Unterschied von marecraı und mapän sehr wesentlich. Es sind aber nicht die rrArmata, die auf ein entscheidendes Hemmnis stoßen, sondern jeder einzelne denkt, »ich bin behindert. komme nicht zu meinem Ziele, wo ich nicht tätig, eprwi, eingreife«. So muß £rroı gefaßt werden, kann also nicht zu öı rını gehören, und das kann auch nicht durch m# getrennt werden. »Wenn ich nur an dem Schiff vorne mittun könnte, würden die Feinde meins nicht kriegen.« Damit stürzt er an die am meisten gefährdete Stelle nach vorn. Die Verbesserung wird durch’ mA rı leicht erzielt. Ganz ungehörig ist es, eine drastische Wendung zu vertreiben, die der Berichterstatter beibehält, wie er sie gehört hat, 3, 3 AATIANAN Tan mörnın »den Staat verausgaben«, d. h. durch sinnlose Ausgaben ruinieren. Das soll Eurymedon nicht gesagt haben, wo sich doch De- mosthenes AÄmrrenovprofci TInec TAN TIönın verstattet hat (Aischin. 3, 166). Die richtige Erklärung steht bei Suidas Aaranän, würde bei Photius nieht fehlen, wenn der Buchstabe erhalten wäre, und es dünkt mich klar, daß sie von Phrynichos stammt, der sich mit Recht die Perle ausgehoben hat. Härten fehlen nicht, aber gerade in ihnen begrüße ich die noch nicht durch die logisch grammatische Schulung der Rhetorik gebundene Rede. 9, 3 folgt auf Erwägungen des Demosthenes oYTe rAPp aYToi EATIizon- TEC TIOTE NAYCI KPATHCECBAI OYK ICXYPON ETEIXIZON, EKEINOIC TE BIAZOMENOIC THN ÄTTÖBACIN ÄAWCIMON TO XwWPion rirneceai. Darin ist schon sehr kühn, daß Te, welches die beiden Satzglieder zusammenhält, mit der Negation ver- bunden ist, die nur für das erste gilt, noch viel kühner, daß das zweite Glied grammatisch kein Hauptverbum hat, weswegen SCHWARTZ emeane zufügen will, auch dem Sinne nach nicht richtig, denn dadurch 316 Gesamtsitzung v. 31. März 1921. — Mitt. der phil.-hist. Klasse v. 17. März wird als Tatsache ausgesprochen, was nur in der Berechnung des De- mosthenes seinen Platz hat. Eben weil Thukydides über dessen Er- wägungen referiert, ist es ihm begegnet, die veränderte Form des ersten Gliedes unberücksichtigt zu lassen. Stünde in diesem auch in- direkte Rede, oYre rAp aYToYc ...Teıxicaı, würde sich niemand wundern. Sobald man das aber so umsetzt, muß man bemerken, daß unter die ayroi Demosthenes selbst gehört, also die Rede unwillkürlich auf den Nominativ geführt ist. In der Demosthenesrede 10, 3 ist freilich ganz unerträglich, wenn man es im Zusammenhange grammatisch konstruiert, was sehr schön wird, wenn man das lebendige Wort richtig betont. ToY xwPloY TÖ AYCBATON HMETEPON NOMIzw, (Ö Dionys. om. codd.) menönTtwNn MEN HMON EYMMAXON FITNETAI, YITOXWPHCACI A&E — KAIMEP XANETION ÖN EYTIOPON ECTAl MHAENÖC KwAYonToc. «uod locus invius est, nostrum duco. qui, modo maneamus, amicus fit, recedentibus autem —- quantumvis arduus facilis erit nemine defendente.* Die Aposiopese ist viel wirksaıner, als es der Zusatz YmoxwrHcacı ac TIOonEMIoN, Kalter AP werden könnte. 18, 4 CWOPÖNWN A&C ÄNAPÖN OITINEC TATABA EC AMSIBONON ACbANÜWC ERENTO’ KAl TAIC EYM®OPAIC Oi AYTO|.EYEYNETWTEPON AN TIPOCWEPOINTO" TON TE TIÖNEMON noMicai, (nomicwcı verb. Schwartz) mA Kae’ Ocon Än TIC AYTOY MEPOC BOYAHTAI METAXEIPIZEIN, TOYTWI EYNEINAI, AAN WC AN Al TYXAI AYTON HTÄCWNTAI" KAl EAÄXICT” AN oi ToIoYToI TITAlontec usw. Das muß man auch richtig lesen. Das zweite Glied, Kal TAlc zymeoralc — mPOoc#EPOINTo gehört strenggenommen nieht her. wenn es auch eine bedeutsame Mahnung in sich schließt; das muß man demgemäß durch andere Stimmlage unterscheiden. Es hat aber bewirkt, daß nun zu cwerönwn Änaron (Ecrı) nicht ein Satz (oöitınec) tritt, sondern der Infinitiv nomicaı, wie z. B. bei Ghairemon 3 COÖN rAP ANAPON TÄC Ämaptiac Kanüc, Keinen. Das hat Schwartz sehr treffend bemerkt, der auch &c Ameisonon Acoanüc richtig verbunden hat, wie ich denn gar nicht begriffen hatte, weshalb man anstieß; nur Zusätze, die Scnuwartz noch weiter macht, halte ich für unerwünscht. Auch von nomicaı hängen zwei Glieder ab, aber da ist das erste, ne- gativ gefaßt, wesentlich um des symmetrischen Aufbaus willen ge- setzt, das zweite dagegen führt direkt auf den Antrag der Spartaner. Die Gedanken so zu zerlegen und zu verteilen, würde Isokrates gelobt haben, aber sehr fühlbar wird, daß ihr Gleichgewicht allzuwenig er- reicht ist; da wäre die Parisose am Platze gewesen. Daß kleine Textfehler ziemlich zahlreich sind, hat der Papyrus Oxyr. 16. 696 gelehrt, der doch auch keineswegs fehlerlos ist. Ich komme auf einige Stellen zurück, die ich gleich nach seiner Entdeckung besprochen hatte. 32, I ToYc TIPW@TOYC #YnAKAc Alaweelpovcın En [Te] TAic EYNAIC. ÄNAAAMBÄNONTAC ETI TÄ ÖTIAA KAl AABÖNTEC THN ArtöBacın. So allein ist es richtig; €rı hat der Papyrus an dieser Stelle, die Codd. hinter von Wıramowrrz-MoELLENDoRFr: Sphakteria 317 evnalc. Das bezeichnet den Lagerplatz, nicht daß sie noch schliefen. te ergibt den Unsinn, daß sie auf ihrer Schlafstelle die Waffen an- legten, gleich als ob sie es anderswo tun könnten. Der Akkusativ THN ATIÖBACIN neben AAaeöntec scheint mir durch VII 17 AABönTec TÖ mAEIcTON To? T1A0o? geschützt; es ist doch nur das gewöhnliche Arosai- nontec nominal gemacht, um die Häufung der Partieipia zu vermeiden. Streichen möchte ich noch das kai vor areöntec, aber vielleicht muß man die Härte hinnehmen. 32,4 KATA nwToy Te alei @mennon AYTolc Hı XWPHÄCEIAN, Oi TIOAEMIOI Ececeal [noi], Kal oi, Artop®Tarol. Hier will.ich nicht mehr fordern, daß der Artikel vor monemıoı gestrichen werde, ob- gleich ich ihn fortwünsche, aber das Glossem scheint mir evident. Ganz unmöglich ist es, #ı xwrAceıan auf andere als die Spartaner zu beziehen, die allein bald hier, bald dahin vorstoßen. 38, 3 ToY ae MET AYTONn Immarpetoy [Eonıpnmenov| En TOIc nekpoic ETı ZUNTOC KEIMENoY Üc teeneöroc. Hier will ich die letzten zwei Worte jetzt ertragen, ob- wohl sie überflüssig sind, und die Form, da teentköroc kurz vorher- geht, befremdet. Aber &oHıpumenoy ist nicht nur überflüssig, da Arxontoc aus dem Vorhergehenden sich von selbst ergänzt, sondern steht falsch: dazu steht &eHırnmenoc wieder in der nächsten Zeile. Unbegreiflich, daß jemand inmarperoy als Amtsbezeichnung fassen kann, als ob der Chef der spartanischen Polizeitruppe hier sein und gar das Ober- kommando erhalten könnte, und als ob nicht Thukydides die lokalen Amtsbezeichnungen überhaupt miede. Außerdem muß auch von diesem Offizier wie von den anderen der Name genannt sein. Öffenkundige Verderbnisse sind noch da, 27,1 und 30, 4 in zwei Sätzen, die beide mit Ama anfangen; andere Schäden werden wir über- sehen. Nur noch die wenigen Stellen, wo ich vermeine eine neue sichere Heilung zu bringen. 29, 3 Solange die Insel bewaldet war, hatte ein Angriff keine Chance (kai) rIonn®I rAP ÄN CTPATOTIEAWI ATIOBAÄNTI EE ÄGANOYC xXwWPioY TIPOCBANNONTAC AYTOYc BnAnTteın. Dünkt mich eben so einfach wie schlagend. 31,2 En TAYTHı Men TÄI @YnAKhl WC TPIAKONTA Hcan örmitaı, Mecoı (mecon codd.) ae TO (Kal codd.) dMAAWTATON TE Kal mepi TO Yawp oi rmeictoi.... eixon. Nicht so einfach, aber das Über- lieferte ist schlechthin unerträglich. 33,2 Anepwroı KoYewc Te Eckevac- MEnoı [Kal| TIPOAAMBANoNTEeC PAlalwc TÄC SYrÄc XWPIWN TE XAAEMÖTHTI .... EN OIC OT AAKEAAIMÖNIOI OYK EAYNANTO AIWKEIN OTIAA Exontec. »Leute, die auf der Flucht leicht einen Vorsprung gewannen, erstens weil sie leicht gerüstet waren, zweitens infolge des unwegsamen Geländes, in welchem ihnen die -Hopliten nicht folgen konnten. « Notwendig ist für die gesamte Kritik, daß die Beurteilung der Handschriften sich von Vorurteilen befreit; Steup hat bei Hude nicht gelernt, C zu werten, Hude hat den Glauben an die »beste Über- Be A er Bi 2 a8 318 Gesamtsitzung v. 31. März 1921. — Mitt. der phil.-hist. Klasse v. 17. März lieferung« noch nicht überwunden. Allgemein wird verkannt, daß E die Marcellinrezension ungleich besser vertritt als AB, und wenn GE stimmen, hat das besonders schweres Gewicht. E, der selbst in der Örthographie solche Seltenheit wie ®aeıAcıoı erhalten hat, verdient den Vorwurf der Interpolation ebensowenig wie Ü, wenn auch beide be- sondere alte Fehler wie besondere Vorzüge weitergeführt haben. Endlich darf nieht mehr geleugnet werden, daß M sogar allein unter zahllosen Fehlern Echtes erhalten hat, häufiger mit FG zusammen. Hier, wo wir eine reiche Überlieferung haben und ihre Schwankungen bis ins Altertum verfolgen können, ist die Textkritik schwer, aber sie kann auch etwas erreichen. Eklektisch muß sie sein; die richtige Metliode ist, sich von dem freizumachen, was einst als Methode galt und Autoritätsglaube war. Nur muß Sprachkenntnis und Stilgefühl hin- reichend vorhanden sein, daß das Richtige gewählt wird. Gewalt- samkeiten erzielen hier sowenig Sicherheit wie überall. B. Meissner: Ein neubabylonisches Zuckungsbuch 319 Ein neubabylonisches Zuekungsbuch. Von Prof. Dr. Bruno MEIıSSNER in Breslau. (Vorgelegt von Hrn. Dıers am 17. Februar 1921 [s. oben S. 235].) hr seinen »Beiträgen zur Zuekungsliteratur« (AKPAW. 1909, 118) sprach Dirrs die divinatorische Vermutung aus, daß sich Spuren des Zuckungszaubers auch bei den Babyloniern und Ägyptern finden könnten. Boısser hat dann RA.VII, 35 auf ein schlecht erhaltenes und mäßig ediertes Fragment (Lexormant, Choix de textes cuneif. Nr. 92) hin- gewiesen, das augenscheinlich dieser Literaturgattung angehört. Es behandelt Omina, die von dem Zittern der beiden Hände, des rechten ‚und linken Fußes und ‚beider Füße abgeleitet werden. Im übrigen ist aber dem Fragment wegen seines schlechten Erhaltungszustandes nicht viel zu entnehmen, zumal es auch nicht einwandfrei ediert ist!. In letzter Zeit hat nun Lurz im AJSL. XXXV, 145 ff. einen um- fangreichen Omentext publiziert, den er fälschlieh als referring to the action of a dreamer ansieht. Er ist aber nichts anderes als ein Zuckungsbuch, das auf S6 Zeilen alle möglichen (unwillkürlichen) Be- wegungen ‚des menschlichen Körpers aufzählt und daraus Schlüsse auf die Zukunft zieht. Der Text ist neubabylonisch geschrieben, stammt also frühestens etwa aus Nebukadnezars Zeit, könnte aber auch wesentlich jünger sein. Leider ist er nicht ganz tadellos erhalten, mehrfach entgeht uns auch noch die spezielle Bedeutung verschiedener termini technici, so- daß die Übersetzung notwendigerweise nicht selten noch unsicher bleiben muß. Übersetzung. I. Wenn er, wälhrend er] redet.... 2. [Wenn er, wälhrend er redet, den Kopf.... 3. Wenn er seinen |Au]genwinkel (?)* tanz[en läßt]’, Erreichen des Wunsches. ! Vielleicht handelt auch. wie EreLına meint, K. ı4r + 6682 (Boıssırr, DA. 256. = Babyloniaca 1, 23 ff.) wenigstens teilweise von Gliederzuckungen. ® [na]-kab-ta-su gewiß hier und Z.4 mit Lurz zu ergänzen; zum Worte vgl. Horma. Körpert. 17. ’ u-sa-|-ar] zu ergänzen nach Z. ı2f. Es ist gewiß eine unkontrahierte II, r-Form des Verbums: säru; vgl. MVAG. VII, 8, III, 9; tz. 320 Gesamtsitzung v. 31. März 1921. — Mitt. der phil.-hist. Klasse v. 17. Februar 4. Wenn er seinen |Au]genwinkel (?) ) rollen (?)" läßt,. 5. Wenn er sein Antlitz tanz[en läßt], wird sich [Krankheit] sehen lassen. 6. Wenn er sein Antlitz zeigt, wird sich [Krankheit] sehen lassen. 7. Wenn sein Antlitz gefesselt ist (so daß es sich also nicht bewegen kann), wird sich sein |Herz] wohl befinden. 8. Wenn er seine weiße Augenhaut! zusammenzieht, wird er Schaden haben. 9. Wenn er [seine weiße Augenhaut] ' feststellt’, [Eintreten (?)] von bösen Dingen (?). ı0. |Wenn er] sein [Auge (f)] sich öffnen läßt, wird sich sein Herz wohl befinden. - ı1. [Wenn er] sein |Auge (?)] verdreht‘, ı2. [Wenn] er sein rechtes [Auge] tanzen läßt, ditto?. ı3. [Wenn] er sein [link]es [Auge] tanzen läßt, Erreichen des Wunsches. 14. |Wenn] er seinen rechten [Fuß (?)]" Tretbewegungen machen läßt. . Nichterreichen des Wunsches. ı5. [Wenn] er seinen linken [Fuß (?)] Tretbewegungen machen läßt, Erreichen des Wunsches. 16. [Wenn] er seine [Augen] tanzen läßt, Hinwerfen des Stabes (?)’. 17. [Wenn] er seine [Augen] bedeckt‘, wird er Falsches schwören. 18. [Wenn] .er seine [Augen] blinzeln. läßt (?)’, wird sich sein Herz wohl befinden. 19. |Wenn] er seine Augen (starr) feststellt, wird eine Hand ihn erreichen" 20. [Wenn] seine Augen hin und her jagen, wird er Schaden haben. 21. Wenn er(unwillkürlich) den Himmel anschaut, sein Fertigmachen (?)'' 22. Wenn er (unwillkürlich) die Erde anschaut, wird er begnadigt werden. 23. Wenn er, während er spricht, (unwillkürlich) den Boden anschaut. wird er Feindseliges'” schwören. ! Nach Z. 47f.: ü-ga-[ay| zu ergänzen. Das wird Il, ır einer Wurzel: gägu (3) sein, von der ein Substantiv: gägu wohl in der Bedeutung »Halskette« vorliegt: vgl. Zınmern, Akkad. Fremdwörter 38. 2 aruk ni; vgl. Horma, a. a. O. 16. 3 us-te-mid. ' u-lap-pat bedeutet hier und an andern Stellen unseres Textes »das Oberste nach unten kehren«. ° Das: »ditto« bezieht sich auf den Nachsatz der vorigen Zeile. Da dieser weggebrochen ist, können wir ihn auch hier nicht er- gänzen. % Ob hier und in der folgenden Zeile die Ergänzung »Fuß« mitten unter von Augen hergeleiteten Omina richtig ist, muß unsicher bleiben. Oder: der Regierung (?). Ideographisch: PA. Unsicher. 5 ist auch die Lesung: «-ka-par, das »abwischen« bedeuten könnte. Bedeutung unsicher. Vielleicht ist es eine Weiterbildung des Stammes: paläsu. Ver- u-ka-tam. Möglich ° u-pal-pa-as. mutung EBELINGS. 1% d. h. die Hand eines Feindes; vgl. Z. 28. 11 Su-uk-Iu-la-su. Inf. III, ı von >>>, was vielleicht bedeuten soll, daß der Betreffende das vollenden wird, was er sich vorgenommen hat. 12 si-lip-ta, was wohl identisch sein wird mit salptu (Derivzsch, HW. 256). Unsere Stelle scheint eine Wurzel s>x, B. Meıssser: Ein neubabylonisches Zuekungsbuch 321 24. Wenn er (unwillkürlich) immerfort Himmel und Erde ansieht, Erreichen des Wunsches. 25. Wenn er (unwillkürlich) den Scheitel des Menschen anschaut, Er- reichen des Wunsches. 26. Wenn er (unwillkürlich) das Antlitz des Menschen anschaut, ist Ungünstiges ihm bestimmt. 27. Wenn er immerfort zu seiner! Rechten hinsieht, wird sein Gegner im Rechtsstreit sterben. \ 28. Wenn er zu seiner! Linken ditto (d. h. immerfort hinsieht), wird sein Gegner im Rechtsstreit ihn fassen. 29. Wenn er hinter sich' ditto (d. h. immerfort hinsieht), Nichterrei- chen des Wunsches. 30. Wenn ihn Verkürzung (?)” erfaßt, wird ein Gerede(?) aufihn fallen®. 31. Wenn er wegläuft, Nichterreichen des Wunsches. 32. Wenn er sich selbst immerfort schlägt, ist seine Vollkommenheit (?)* bestimmt. 33. Wenn er seine Nase verdreht, wird sich Krankheit sehen lassen. 4. Wenn er seine Nase drückt, wird er Schaden haben. 35. Wenn er seine Nase schnaufen läßt (?)°, wird er Schaden haben (?)*. 36. Wenn er seine Nase (wie) eine Warze (?)’ machen läßt, ist seine Vollkommenheit (?)* bestimmt. 37. Wenn er seine Zähne verdreht, wird sich sein Herz wohl befinden. | 38. Wenn er seine Zähne ausschlägt (?)°, wird er Schaden haben. "39. Wenn er seine Wangen verdreht, Nichtwohlbefinden des Herzens. 40. [Wenn] er seine [Walngen drückt, wird sich Krankheit sehen lassen. 3 41. [Wenn] er seine [Wa]ngen (unwillkürlich) reibt (?)’, Erreichen des Wunsches. nicht »>7 zu verlangen. Daneben gibt es in mathematischen Texten ein Wort: zi-W-ip- tu in der Bedeutung »Diagonale«; vgl. OLZ. 1916, 258. ! d.h. doch wohl zu seiner eigenen Rechten usw. s ® ku-ru; vgl. 2.65: ku-rat. Vielleicht bedeutet das, daß der Mann zusammen- knickt. Jedenfalls scheint das in den Nachsätzen von Omina häufige: kuru ishatsu (z. B. Boıssıer, DA. 22, 22; 254, 21f. u. ö.) davon zu trennen zu sein. ® pü i-ma-kut-as-Sum; vgl. Z. 49. ı ku-la-lu-su; vgl. Z. 21; 36. Ich kann das Wort sonst nicht nachweisen. ° Au-un-nu-un. Vgl. dazu Harrer, Lettr. Nr. 285, 9: hu-un-nu-na-a und die Eigennamen: Humnu (Unenan, Akkad. Spr. 55; Altbab. Briefe aus Philadelphia 120) und: Hunnunu (Horma, Personenn. 58). Vielleicht ist arab. E52 — näseln zu vergleichen. ° it-ta-na-an-zi-ik-tu, was doch wohl irgendwie aus gewöhnlichem inanzik verschrieben ist. " u-ha-na-as. Für: Aınsu — Warze vgl. Horma, Körpert. 19. ° u-na-pal. Gewöhnlich wird: nuppulu vom Vernichten der Augen gebraucht (Derırzsch, HW. 444). ° u-mar-rat; ebenso Z. 46, 54f. Vgl. zum Stamme Kücurer, Medizin 98; GGA. 1904, 746; Zınmern, BBR. Nr.4r, Il, 15 und hebr. or. Sitzungsberichte 1921. i 3l 322 Gesamtsitzung v. 31. März 1921. — Mitt. der phil.-hist. Klasse v. 17. Februar 42. [Wenn] seine rechte [Wange (?)] sich entfernt (?)!, wird er Schaden haben. 43. [Wenn] seine linke [Wange (?)] sich entfernt (?), wird sich sein Herz wohl befinden. 44. [Wenn] seine [beiden Wangen (?)] sich entfernen (?), wird er Schaden haben. 45. [Wenn] er seine [Augen (?)] verdreht, wird sich Krankheit sehen lassen. 46. [Wenn] er seine [Augen (?)] reibt (?), wird sich Krankheit sehen lassen. 47. [Wenn] er sein rechtes [Auge] rollen (?)* läßt, wird sich Krankheit sehen lassen. | 48. [Wenn] er sein linkes [Auge] rollen (?) läßt, befindet sich sein Herz wohl. E 49. [Wenn] er seine Augen ditto (d.h. rollen (?) läßt), wird ein Haus (?)* [auf ihn] fallen. 50. Wenn er seine rechte Zunge beißt, wird das Herz (?) um seinet- willen sich wohl befinden. 51. Wenn er seine linke Zunge beißt, wird sich sein Herz wohl befinden. 52. Wenn er seine Oberlippe beißt, ist Nichtwohlbefinden seines Herzens ihm bestimmt (?)....*. 53. Wenn er seine Unterlippe beißt, wird er begnadigt werden. 54. Wenn er seine rechte Lippe reibt (?), wird er Schaden haben. 55. Wenn er seine linke Lippe reibt (?), wird sein Herz sich wohl befinden. 56. Wenn er seine (ganze) Lippe ditto (d. h. reibt (?) ), "wird sein Herz sich wohl befinden. 57. Wenn er seinen Mund immerfort öffnet, wird er Schaden haken. 58. Wenn er seinen Mund (unbeweglich) feststellt, ist Ungnädiges ihm bestimmt; -Feindliches (?)°. 59. Wenn er seine Zunge abbeißt, wird sich Krankheit sehen lassen. 60. Wenn er seine rechte Zunge beißt, wird man ihn als (?) Feind“ befehden. . ! is-si. Ergänzung des Subjekts und Übersetzung des Verbs ganz unsicher. Das Verbum kann vom Stamme: nisü — sich entfernen oder von: $asöü — rufen her- kommen. Beides befriedigt nicht. 2 Siehe S. 319 Anm. 2. ° Die phonetische Schreibung: bi-i2 ist auffällig. ! la libbu-su tab Sakin-Su ba-bil(?). Anstatt dessen erwartet man etwa: la tib hbbisu Sakinsu; vgl. Z.66. Das letzte: ba-bil(?) bleibt allerdings unklar, wenn dafür nicht N Sr zu lesen sein sollte; vgl. Z. 58, 60. 5 lä magäru Sakin-Su mu-si-el. Dieses: musel muß mit: mussalu, saltu zusammenhängen, das hier mehrfach (vgl. Z. 52 (?), 60, 69) ideographisch Nas geschrieben wird. ® a-na (am.) mussali. Auf- fällig ist die Präposition: ana. ne I B. Meissner: Ein neubabylonisches Zuckungsbuch 323 61. Wenn er seine linke Zunge beißt, wird das Herz sich freuen. 62. Wenn er seine (ganze) Zunge beißt, wird er den Sieg nehmen. 63. Wenn er seine Zunge immerfort heraussteckt, wird er begnadigt werden. 64. Wenn die Zunge seinen Mund anfüllt, wird ein Mörder ihn tot- schlagen. 65. Wenn seine Zunge zu kurz ist, ist Abnahme (?)' ihm bestimmt. 66. Wenn seine Zunge zusammengezogen ist, ist Nichtwohlbefinden seines Herzens ihm bestimmt. 67. Wenn er seine Zunge fallen läßt°, ditto (d. h. ist Nichtwohlbe- finden seines Herzens ihm bestimmt). 68. Wenn seine Zunge anschwillt (?), ist Nichtgnädiges ihm be- stimmt. —_ 69. Wenn er seine Zungenspitze® beißt, Aufstehen des Feindes. 70. Wenn sein Kiefer durchbohrt ist, wird seine Hand etwas anderes (als er wollte) erreichen. 71. Wenn seine Kinnbacke (?)° springt (P)“, wird er Schaden haben. 72. [Wenn] seine Kinnbacke (?) sich vermischt (?)’, Nichterreichen des Wunsches. 73. [Wenn] seine Kinnbacke (?) ihn....", wird sein Herz sich wohl befinden. 74: [Wenn] seine Kinnbacke (?) ihn....", wird er.... bewahren. 75. [Wenn] seine Kinnbacke (?) in seinem Munde ihn... .", ist Nicht- gnädiges ihm bestimmt. 76. [|Wenn....] ihn [....], ist Abnahme ihm bestimmt. 77: [Wenn....] ihn [....] in seinem Munde zerreißt, wird er hin- fallen (?) '”. 78. Wenn der Mund [zu ihm (?)] nahe herankommt (?)'”, wird sein Herz sich wohl befinden. ' im-du-u, wofür Z. 76, 82: zm-tu-u steht. Daher ist: zmtü zu lesen. Das Wort kommt öfter in Omentexten vor; vgl. Babyloniaca I,93 Anm. Davon zu trennen ist wohl: imtü — Ritzmesser. ? u-ma-ga-at; vgl. OLZ. 1910, 8,9. ® pi lisäni-Su. ' lä Su-a-tum; vgl. Hunger, Tierom. 33 Anm.; Bezorp, ZA. XXVJ, ı17. ° as, das einen im Munde gelegenen Körperteil (Z. 75) bezeichnet. Da wir ein Ideogramm: AS, das einen Körperteil bedeutet, nicht kennen, möchte ich das Wort mit: su, :ssu — Kinnbucke(?) (Horma, Körpert. 33; Frank, Stud. 1, 154; Zınnern, ZA.XXXII, zı) zusammenstellen. © 18-hi-it. Was soll das bedeuten? Etwa: anschwillt? ıh-lu-ut; vgl. arab. Liz Unsicher. 5 iS-nu-uh-su. Zum Verbum vgl. CT. XIX, 4, 36a. Die Formen: usannah (Harrer, Lettr. Nr. 1089, 16; K. 7897, ır [BA.V, 557]; Babyl. I, 2r, 39) sind als Praes. Ill, ı von: andhu aufzufassen. 10 i-na-sar &-l-la-an-ni. 11 7p-ta-na-su. Wurzel und " -ih-lu-ka- Sur. Bedeutung ganz unsicher. 12 i-nam-Ssi-ik. 13 uh-ku-nat-[su). oO 8 d 3l* eh he ebt 2) Br v er a a seine ee )E ne SA Wenaase Te ni FE en ”. a : Ne 852 Wenn ‚erzruhre 385.2. rl ie Wie ..°.86. Wenn er sich fürchtet,.... Eh ERS a Zusammen 86 [Zeilen]: ER TR 1 ik-ru-ba-su. Des Basen von: kerebu lautet neben: ri, auch: 77 Astrol. 67, 11; 232, 2b u. ö.) und: ikrab (RA. VI, 18, II, 8). Was. soll es ab Der Mund en nahe an ihn heran? " ultal-laas. ° So k vielleicht nach Deurrzscn, HW. 302 übersetzen, wenn der Text richtig ist, * Der dastehende Text gibt keinen Sinn. ; ww ID ST A. Bicker und (. van Eweyk: Über Hitzesekretine Über Hitzesekretine. Von Prof. Dr. A. BiekeL und Dr. C. van Ewevk. (Vorgelegt von Hrn. Orrn am 17. März 1921 [s. oben S. 291].) (Aus der experimentell-biologischen Abteilung des Pathologischen Instituts der Universität Berlin. Abteilungsvorsteher Prof. Dr. A. Bıerer..) I Jahre 1917 hatte der eine! von uns (Bıcker) mitgeteilt, daß es ihm gelungen sei, aus Eiweißkörpern, die weder als solche, noch als in der üblichen Weise zubereitetes salzsaures Hydrolysat im Tierversuch . Sekretincharakter erkennen lassen, durch Weiterbehandlung nach einer besonderen Methode sekretinhaltige Lösungen zu gewinnen. Diese Methode besteht darin, wie wir heute mitteilen wollen, daß das salz- saure Eiweißhydrolysat der Einwirkung von Temperaturen über 130°C unterworfen wird, wobei wir Temperaturen zwischen 130 und 180°6 angewandt haben. Aus diesem Grunde bezeichnen wir die dabei auf- tretenden Sekretine als »Hitzesekretine«. Ob es sich dabei um einen einheitlichen Stoff handelt oder ob mehrere Substanzen Träger der physiologischen Wirkung sind, muß vorläufig dahingestellt bleiben. Die” Prüfung der hier in Frage kommenden Lösungen geschah im Sekretions- versuch am Hunde mit Pawrowschem Magenblindsack. Das nüchterne Tier, dessen kleiner Magen keine oder ganz geringe Sekretion von kon- stanter Intensität erkennen ließ, zeigte nach der subkutanen Zufuhr der zu untersuchenden Lösungen im Verlauf der folgenden ı—2 Stunden eine deutliche, mehr oder weniger lebhafte Sekretion; ein Beweis, daß die injizierte Flüssigkeit Sekretin enthielt. Wir konnten feststellen, daß Eiweißhydrolysate, die sich bezüg- lich der Sekretinwirkung als unwirksam erwiesen hatten, durch 3- bis 4stündiges Erhitzen auf 130—ı80°Ü derart verändert wurden, daß sie nunmehr nach der subkutanen Zufuhr einer dem gleichen Quantum Aus- gangsmaterial entsprechenden Menge Sekretincharakter aufwiesen. Es genügte auch mitunter, das Eiweiß vor der Hydrolyse mit den hohen Temperaturen zu erhitzen und dann bei 100° 6 zu hydro- lysieren, um Hitzesekretin zu erhalten. ! A. Bıcker, Über Sekretine und Vitamine. Berl. Klin. Wochenschrift, 1917, Nr. 23. 326 Gesamtsitzung v. 31. März 1921. — Mitt. der phys.-math. Klasse v. 17. März Weiteren Untersuchungen soll es vorbehalten bleiben, diese Hitze- sekretine näher zu erforschen. Es handelt sich dabei zunächst um die Frage, ob bei Temperaturen über 180° © noch Sekretine erzeugt Wer- den, ob alle Eiweißkörper zur Bildung von Hitzesekretinen veranlaßt werden können; ferner gilt es festzustellen, welche von den im Eiweiß- molekül vorhandenen Komplexen die Muttersubstanzen der Hitzesekretine darstellen, und schließlich wird nach der Lösung dieser Probleme die Reindarstellung und die Aufklärung der chemischen Konstitution des oder der Hitzesekretine das Ziel bilden. Es ist hier der Ort, zu erläutern, wie die Hitzesekretine in die ganze Klasse der Sekretine einzureihen sind. Die erste Gruppe der Sekretine umfaßt solche, die der Körper selbst für den eigenen Gebrauch produziert. (Magensekretin der Pylorus- schleimhaut von Epkıns, Pankreassekretin der Duodenalschleimhaut von Bayrıss und STARLING.) Die zweite Gruppe zählt diejenigen Sekretinstoffe auf, die dem Körper mit der Nahrung zugeführt werden. Diese Gruppe zerfällt in zwei Untergruppen. Die erste von diesen enthält die in der Nahrung präformierten Sekretine (Molkensekretin, Spinatsekretin), die zweite die- jenigen, die durch die Art und Weise der Zubereitung der Nahrung erst in derselben gebildet werden. . Einige Versuche mögen die Wirkungsweise der hier beschriebenen Hitzesekretine veranschaulichen. Erster Versuch. Kasein wird mit der fünffachen Menge 25prozentiger Salzsäure auf dem Wasserbad am Rücktlußkühler bis zum Verschwinden der Biuret- reaktion hydrolysiert, die Salzsäure im Vakuum entfernt und der Rück- stand neutralisiert. Die subkutane Zufuhr dieses Hydrolysats war wiederholt ohne Se- kretinwirkung, desgleichen, nachdem es auf 120°0 erhitzt worden war. Die Lösung wurde nunmehr zur Trockenen eingedampft und im Paraffinbad auf 155 — 165° 6 erhitzt. Nach der Aufnahme in Wasser und Filtration wurde die resultierende Lösung einem Pawlowschen Hund subkutan injiziert. Ihre Menge entsprach 1.5 g Kasein. Vor dem Versuch keine Sekretion. Absonderung in der ı. halben Stunde nach der Injektion: 3.5 cem. » Bar, Dune R » am » 4.5 » » » 2.3: » » » » » 5:02 Die übrigen Versuche wurden mit Eigelbextrakten angestellt; die aus dieser Substanz bei Temperaturen von 100° und darunter herge- stellten Extrakte waren ohne Sekretinwirkung. So DD SI A. Bıeker, und Ü. van Ewerk: Über Hitzesekretine 0 Zweiter Versuch. Getrocknetes Eigelb, das 3 Stunden auf 130° © erhitzt war, wird auf dem Wasserbad bei 100° 0 mit Salzsäure hydrolysiert, in der üb- lichen Weise aufgearbeitet und dann im Autoklaven noch einmal 3 Stunden auf 130° C erhitzt. ıo ccm der Flüssigkeit entsprechen 5 g trockenem Eigelb. Nüchterner Pawlow-Hund: 10°— 10” h. 0.0 cem Magensaft. O7 11709, 0.08% » 11° » Injektion von IO ccm des Extraktes. , 11°— 11° » 3.6 ccm Magensaft. 2 5) Nor © » ee » [2° 1%» 3.1,» » “© — 1° »00 » » DEP O.N W » Dritter Versuch. Trockenes Eigelb (Handelsware) wird bei 100° C mit Salzsäure in der üblichen Weise hydrolysiert und aufgearbeitet. ıo cem des Hydrolysats entsprechen 5 g trockenem Eigelb. Nüchterner Pawlow-Hund: 9 9° h. 0.2 ccm Magensaft. 02° 2105 37.0:20%% » 10° » Injektion von 10 ccm des Hydrolysats. 10°— 10° » o.ı cem Magensaft. Io — 112.9, 0:5,» » N OA » oo 11° » Injektion von 10 cem eines in der gleichen Weise aus Eigelb hergestellten Hydrolysats, dessen Aus- gangsmaterial aber vor der Hydrolyse trocken auf 1400.03 Stunden lang erhitzt worden war. 11°— 12° » 0.6 cem Magensaft. | » - a TRIER, » a » ° Tee Zen | Teanen » 2 DE oz » Ausgegeben am 7. April. Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei. XVII. XIX. XX. XXL. XXI SITZUNGSBERICHTE- DER PREUSSISCHEN - AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse am 7. April. (S. 329) Sitzung der philosophisch-historischen ‚Klasse am 7. April. (S. 329) Cornens: Zweite Fortseizung der Versuche zur experimentellen Verschiebun®, des Geschlechts- verhältnisses. ‘(Mitteilung vom-17. März.) (S. 330) Krur: ‚Zur Geschichte. Wiherts von Ravenna (Clemens IL). I. (8. 355) Gesamtsitzung am 14. April. (S. 369) : Sitzung der philosophisch-historischen Klasse am 21. April. (S. 370) . Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse am 21. April (S. 370) » /r BUT Y. ASONTÄN 3, - BERLIN 1921 VERLAG DER AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN “ : IN KOMMISSION BEI DER VEREINIGUNG WISSENSCHAFTLICHER VERLEGER WALTER DE GRUYTER U, CO. VORMALS.G, J. GÖSCHRN’SCHE VERLAGSHANDLUNG. I. GUTTENTAG, VERLAGSBUCHHANDLUNG GEORG RIÜIMER. "KARL J. TRÜBNER., VEIT U. COMP. jest Test [tSt=ler=leT=lSralereioreler=let=lerejereiotelerelerelerzlerelete[r EER ee Akademie der Wissenschaftege‘ und ne Jungen der Preußischen Akademie der Wissenschaften«. Aus $ 2. Jede zur Aufnahme in die Sitzungsberichta oder die . Abhandlungen bestimmte Mitteilung muß in einer aka- demisehen Sitzung. vorgelegt werden, wobei in der Regel das druckfertige Manuskript zugleich einzuliefern ist.. Nicht- mitglieder haben hierzu die Vermittelung eines ihrem * Fache angehörenden ordentlichen. pEDENES zu Benutzen: Ih B 83. : Be Der. Umfang einer aufzunehmenden. Mitteilung soll in der Regel in den Sitzungsberichten bei-Mitgliedern 32, * bei Niehtmitgliederh 16 Seiten in der gewöhnlichen Schrift | der Sitzungsberichte, in den Abhandlungen 12 Druckbogen von je 8 Seiten in der gewöhnlichen Schrift der Abhand- | lungen nicht übersteigen. $ Überschreitung dieser Grenzen ist nur mit Zustimmung ‚der Gesamtakademie oder ‚der betreffenden Klasse statt- haft und ist bei Vorlage der Mitteilung ausdrücklich zu Läßt der Umfang eines Manuskripts ver- muten, daß ‚diese Zustimmung erforderlich sein werde, - beantragen. so hat das vorlegende Mitglied es vor dem Einreichen von sachkundiger Seite auf seinen mutmaßlichen- iR x im Druck abschätzen zu Jassen. SA: Sollen eiber Mitteilung Abbildungen im ‚Text oder. auf besonderen Tafeln. beigegeben werden, ‚so sind die Vorlagen dafür (Zeichnungen, photographische Original-, aufnahmen usw.) gleichzeitig mit dem ee jedoeh auf ‚getrennten, Blättern, einzureiehen. Die Kosten. .der Herstellung: der Vorlagen haben in der Regel die Verfässer zu tragen, darauf gerichteter Antrag ist vor der Herstellung der 'be- trefienden Vorlagen mit dem schriftlichen Kostenanschlage eines Sachverständigen an den vorsitzenden Sekretar zu richten, ‚dann zunächst im Sekretariat vorzuberaten und $ weiter in der Gesamtakademie zu verhandeln, Die Kosten der Vervielfältigung übernimmt die‘ Aka- demie. Über ‚die voraussichtliche Höhe dieser Kosten ist — yvenn es sich nicht um wenige einfache Textfiguren handelt — der Kostenanschlag eines Sachverständigen beizufügen. Überschreitet diechr Anschlag für die er-_ forderliehe Auflage bei den Sitzungsberichten 150 Mark, bei ‚den Abhandlungen 300 Mark, -so ist Vorberatung durch das Sekretariat geboten. Aus 85, Nach der Vorlegung und Einreichung des vollständigen druckfertigen Manuskripts an den zuständigen Sekretar oder an den Archivar wird über Aufnahme der Mitteilung in die akademischen Schriften, und zwar, wenn eines der anwesenden Mit- glieder es verlangt, verdeckt abgestimmt. Mitteilungen von Verfassern, welche nicht Mitglieder ‚ der Akademie sind, sollen. der Regel nach nur in die Sitzungsberiehte aufgenommen werden. Beschließt eine Klasse die Aufnahme der Mitteilung eines Nichtmitgliedes in die Abhandlungen, ’so bedarf‘ dieser Beschluß der Bestätigung durch die Gesamtakademie. (Fortsetzung auf S. 3 des BE, Sind diese Kosten aber auf einen erheblichen Betrag zu. veranschlagen, we ' kann die Akademie dazu eine Bewilligung beschließen. Ein \ = der'Genehmigung der Gesamtakademie ‚öder dei 5 zu unentgeltlicher Verteilung 6 und die Verfasser sind ur Tagung ven steh 1 cher „verpflichtet; ; en allen in: di - aufgenominenen wissenschaftlichen Mitteil ‚Adressen oder Berichten werden’ für die Ver ' wissenschaftlichen Mitteilungen, wenn . deren Druck 4Seiten. übersteigt, auch, für den Buch! ‚abdrucke hergestellt, die alsbald ‚nach: „gegeben werden: 5 Von Gedächtnisreden aa ebenfalls Son für den Buchhandel hergestellt, indes ‚nur dar Verfasser sich ausdrücklich damit einvers Von den Sonderabdrucken aus-d erhält ein-Verfasser, welcher Mitglie zu unentgeltlicher Verteilung ohne ea er Sr indes a Se zur Kuenhern eahstiin, so be ‚den Klasse. — - Nichtmitglieder erhalten 50 Frei nd ‚dürfen nach rechtzeitiger Anzeige bei .d | gierenden Sekretar Ayalkere 290, a auf abziehen lassen. { Ar Von den Sonderahärueken: au > Ab ‚lungen "hält ein Verfasser, welcher Mitglied ‚der nr E Eee er ist indes ee gezeigt hat; "wünscht er auf ‚seine-, Abudracke zur Verteilung zu erhalt r der Genehmigung der Gesamtakademie. oder ‚de x be ö den Klasse. — Nichtmitglieder. erhalten "eicx a und dürfen nach: SERKUURZ RR ‚bei. dem ee ZN 329 SITZUNGSBERICHTE DER PREUSSISCHEN Fr AKADEMIE DER WISSENSCHAF EN. er 1921 %, XVIM. Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse. 7. April. Vorsitzender Sekretar: 1. V. Hr. Schwarz. Hr. Heiper sprach über die Beziehungen der Körperachsen zur Kiachse bei den CGhordaten. (Ersch. später.) Er behandelte die von Dersman und SpEmann gewonnenen neueren Ergebnisse und vertrat die von Korsch begründete Orientierung des Chordatenkeimes, wonach die Eiachse die Körperlängsachse unter einem spitzen Winkel schneidet, derart, daß der auimale Pol vorne ventralwärts, der vegetative hinten dorsalwärts gelegen ist. XIX. Sitzung der philosophisch-historischen Klasse. 7. April. Vorsitzender Sekretar: Hr. Rorrne. . Hr. Keur sprach über Wibert von Ravenna, den Gegen- papst Clemens Ill, und seine Obödienz. Auf Grund neu aufgefundener Briefe und Urkunden wurde gezeigt, daß Clemens in den Jahren 1086—88 in England, 1092—95 in Ungarn und 1089 in Serbien als veehtmäßiger Papst anerkannt worden ist. Sitzungsberichte 1921. 32 330 Sitzung der phys.-math. Klasse vom 7. April 1921. — Mitt. vom 17. März Zweite Fortsetzung der Versuche zur experimen- tellen Verschiebung des Geschlechtsverhältnisses. Von (. ÜoRRENS. (Vorgetragen am 17. März 1921 [s. oben S. 291].) In einem Abstand von zwei Jahren folgt hier zu zwei Abhandlungen, die in diesen Berichten 1917 und 1918 erschienen sind, die Fortsetzung. Sie bringt teils den Abschluß schon früher besprochener Versuche, teils neue, alle mit Melandrium angestellt!. I. Abschluß der Versuche über das Geschlecehtsverhältnis nach Bestäubung mit mäßig viel Pollen. Es war (1918, S.ı183) der Inhalt einer Anthere, also etwa 2500 Körner, auf die Narben gebracht worden. Im Jahre 19:18 hatten 1096 Pflanzen, von 4 Weibchen stammend, geblüht, 635 Weibchen und 441, egleich 40.24 Prozent, Männchen. Die Tabelle ı bringt nun den Rest, die 1919 ‚blühende Nachkommenschaft, und das Endergebnis. Um Platz zu sparen, werden die einzelnen Versuche nicht mehr, wie früher, getrennt aufgeführt, sondern es sind immer die mit demselben Weib- chen angestellten zusammengefaßt. Der Umfang der Versuche ist um 901 Pflanzen, fast auf das Dop- pelte, gestiegen. Die Prozentzahl der Männchen sank dabei etwas, von 40.24 auf 39.36, also um 0.88. Dies beruht natürlich darauf, daß im zweiten Jahr relativ mehr Weibehen zum erstenmal blühten, eine Tatsache, die aus früheren Versuchen bekannt ist (1918, S. 1180) und uns auch wieder begegnen wird, aber durchaus nicht allgemein gilt. Die Stellung der Prozentzahl an Männchen nach Bestäubung mit mäßig viel Pollen zwischen der für sehr viel Pollen (31.65) und wenig Pollen (44.59) wird dadurch nur sehr wenig verschoben. Das Opti- mum, die geringste Pollenmenge, die zur Erzielung von möglichst viel Weibchen ausreicht, liegt etwas niedriger, als seinerzeit berechnet ! Einige Ergebnisse sind bereits in einem Aufsatz in Natur und Technik (1920) verwendet worden, mehr in einem Vortrag, der im Dezember 1920 in Lund gehalten. wurde und in der Hereditas erschienen ist (1921): Correxs: Experimentelle Verschiebung des Geschlechtsverhältnisses 331 Dabeller. Zusammen Versuchs- ee 1 TEE ENT pflanze und | Ge- Pro- Ger Pro- -Nummer | samt- zent samt-|ı 9 d | zent zahl |, zahl ? d A ıs5d 4 83—88 40.31 39.34 | 1128 678 | 450 | 39.89 Bzıall x 89—94 | 39.71 45.00| 404 | 233 | 171 | 42.33 C 22b II | | . 95— 104 83 44.58 28.47| 227 | 149 | 78 | 34-36 D25bI "el 105 —IIo 169 | 104 | 65 | 38.46| 69 |: 49 20 | 29.00| 238 153 85° | 35.71 Zusammen... | 1096 | 655 | 441 | 40.24| gor | 558 | 343 | 38.07] 1997 | ı213 | 784 | 39.36 m=# 1.48 m—= + 1.62 m= + 1.20 wurde, bei dem Inhalt von 2'/, Antheren, oder bei etwa 6250 statt 7350 Pollenkörnern. 5 Da von drei Versuchspflanzen noch Samen vorhanden waren, wur- den im Juni 1918 neue Aussaaten gemacht. Die Sämlinge blühten mit wenigen Ausnahmen erst 1919, dann aber fast alle. Die Ergeb- nisse sind in Tabelle 2 zusammengestellt. "Tabelle 2. d' 22bM. Ver- Zahl Pro- such der O d zent Nt. Samen 109 I1l2 | & 293 126 132 | 5I En 306 72 36 33 2 294 190 101 | 35 | ker 307 96 63 40 & | 295 175 | 155.| 47 | & | 308 104 |" .35.|,. 25 296 335 178 ııı | 38 309 258 110 34 23 l Zus. | 2076 | 1744 | 1024 720 | 41.28 310 256 Oral A2 32 m=+1B8 | Zus. | 1890 | 985 | 677 | 308 | 30.25 297 | 241 87 59 28| 32 —e- 298 | z4ı | ı98 | 116 82 | 4ı || alle Ver- 299 237 96 43 \ suche zu- | | “ || sammen.| 5601 | 3573 | zıgı | 1382 | 38.68 m—= + 0.81 © 2ıalll (un Sn I oc \ [o] [$} [2% „ Ne} oa un > un > I 32* 332 Sitzung der phys.-math. Klasse vom 7. April 1921. — Mitt. vom 17. März Die Zahlen der zweiten Aussaat sind viel größer als die der ersten, und zwar deshalb, weil bei ihr, infolge richtigerer Behandlung der Aussaaten, die Keimung viel allgemeiner war, als bei der ersten. Ich erhielt diesmal von 5601 Samen 3573 blühende Pflanzen, also 64 Pro- zent, während früher 6293 Samen nur 1997 blühende Pflanzen, also 32 Prozent, gegeben hatten!. In Tabelle 3 sind die Ergebnisse der beiden Versuchsreihen ver- gleichend zusammengestellt. Tabelle 3. I. Aussaat II. Aussaat Ver- x Prozent- 1 suchs- | differenz Pro- | Sa- | Pflan-, Pro- oO er zent pflanze zent men | zen zent - I—U 15d 1024| 720 |41.3 — 1.4 2zralll 490| 354 | 41.9 + 0.4 25bI 14 | 1890| 985| 52 | 677| 308 | 30.3 |1.46| — 53-4 Zus. . | 6293 1997139 95/1213) 784 3936| 1.10] 5601 3573 63.79l2191 1382\38.68|0.81 | + 0.68 m=+ 1.36 Die Abweichungen liegen stets noch innert der Fehlergrenzen. Sie sind auch nicht gleichsinnig ausgefallen — einmal gab die zweite Aussaat etwas mehr, zweimal weniger Männchen als die erste — und wöhl rein zufälliger Natur. Auffallend ist nur das Verhalten (les Weibcehens 25b I, das beide Male besonders wenig Männchen gab. (Dabei wurde, wie schon betont [1918, S. 699], stets das gleiche Männchen, 22b Ill, zum Bestäuben benutzt.) Für uns ist noch besonders wichtig, daß es offenbar keinen oder einen sehr geringen Einfluß auf das Sexualverhältnis hat (oder doch zu haben braucht), ob die Keimungsbedingungen besser oder schlechter sind. Weibehensamen und Männchensamen verhielten sich gleich. ! Früher waren die Samen auf sterilisierte Erle gebracht und ziemlich stark überstreut worden. Gegossen wurde mit Leitungswasser. Jetzt erfolgte die Aussaat ebenfalls in Töpfe, die mit der Erde sterilisiert worden waren. Über die Erde kam aber eine dünne Schicht Torfmull, der keine keimfähigen Samen enthielt, und darauf wurde erst ausgesät. Die Töpfe wurden, da das Licht die Keimung fördert, mit Glas- scheiben gedeckt, hell gehalten, mit frischem Leitungswasser gegossen und erst mit steriler Erde überstreut, als die Keimung allgemein war. — Ohne die Torfmullschicht dringen die Keimlinge oft schlecht in die Erde ein, auf Torfmull allein hungern sie bald. Auch so war die Keimung in manehen Versuchsreihen noch unbefriedigend, während sie in andern bis zu go Prozent und mehr betrug. Die Behandlung mit Druckluft (nach pe \rırs) und die Injektion mit Wasser unter der L'ftpumpe blieb ohne Einfluß oder schadeten eher. Correxs: Experimentelle Verschiebung des Geschlechtsverhältnisses 358 1. Neue Versuche mit sehr viel und ‚sehr wenig Pollen. Bei den früher beschriebenen Versuchen (1918, S. 1178) hatte die Bestäubung mit sehr wenig Pollen nur 43.78 Prozent Männchen gegeben, statt der 50 Prozent, die nach Ausschluß jeglichen Wett- bewerbes' der Pollenschläuche zu erwarten gewesen wären, und die dem »mechanischen« Verhältnis ı : ı der weibehenbestimmenden und der männchenbestimmenden Keimzell-n entsprochen hätten. Die Weibchen- bestimmer — oder die weiblichen Keime — mußten bei diesen Versuchen also noch einen weiteren Vorteil besitzen neben der größeren Schnellig- keit auf dem Wege zıı den Eizellen, und zwar einen Vorteil, der durch die völlige Aufhebung des Wettbewerbes nicht getroffen werden konnte. Denn daß Weibchenbestimmer und Männchenbestimmer in gleichen Zahlen, durch die Reduktionsteilung, angelegt werden, läßt sich nicht ernstlich in Frage ziehen. Von zwei weiteren Versuchsreihen mit schr viel und sehr wenig Pollen (Versuch 226— 262) konnten seinerzeit (1918, S. 1182, Tabelle 8) nur vorläufige Ergebnisse mitgeteilt werden. Diesmal hatte ich fast nur Spuren von Pollen verwendet, und es war der Inhalt von 30 Kapseln ausgesät worden, die 52 bis 101 Samen enthielten, also etwa ls bis ı/, der möglichen Zahl. Bei fast gleicher Differenz zwischen den Er- gebnissen mit sehr viel und sehr wenig Pollen (1 1.64 statt 12.13 Prozent) wiesen die beiden neuen Reihen damals wesentlich mehr Männchen auf, als die ersten Versuche (35.25 statt 31.65 Prozent bei schr viel und 46.89 statt 43.78) bei schr wenig Pollen). Ich bringe nun zunächst in zwei Tabellen die definitiven Er- gebnisse. Zu den ersten 30 Kapseln, mit sehr wenig Pollen erzeugt (Versuche 233 — 262), kommen hier noch 14 weitere (Versuche 335 — 348), deren Inhalt, 44 bis rır Samen, später aus gesät worden war, und von denen 1918 noch nichts geblüht hatte. ! Heriperr-Nıesson (1920, S. 49) schlägt für das Wort »Konkurrenz«, das auch ich bei ungleicher Schnelligkeit der beiderlei Pollensorten des Me/an'rium-Männchens gebraucht habe, den Terminus Zertation vor, da »eine Konkurrenz mehrfacher Art bei der Gameten- und Zygotenbildung und auch während des Befruchtungsverlaufes denkbar sei«, und nennt dementsprechend eine Rückkreuzung, bei der zwei Arten konkurrrienden Pöllens beteiligt siad, Zertationskreuzung. Diese letztere Be- zeichnung empfiehlt sich durchaus: im ersten Fall genügt, wo kein Mißverständnis aufkommen kann, wohl Wettstreit oder Wettbewerb der Pollenschläuche, 334 Sitzung der phys.-math. Klasse vom 7. April 1921. — Mitt. vom 17. März Tabelle 4. 2 37bx< 37, sehr viel Pollen. = Ver- Zahl | Zahl der suchs- der Pflan- - nummer | Samen zen ı Darunter ı Zwitter Tabielles. Ver- suchs- u 2576 | 2355 | 1512 91.4 Prozent 237bxdg37, sehr wenig Pollen. 132 100 144 842 35-75 m= =# 0.99 Mer: Zahl der suchs- ) Pflan- nummer > zen Pro- d zent | d | Zus 457 194 207 | 51.6 237 57 47 23| 24 51 238 61 5o a2 a rsul en 239 62.1 Ass 2001 aoalkagn 240 64 54 30| 24| 44 241 65 51 30 22 U AN 242 68 62 37 25 | 40 243 69 60 34 26 243 244 69 61 26 35 58 | 245 69 55 33 22| 40 246 69 59 28 30 ne 58; 247 70 62 30 | 32 | 52 723 616 332 284 | 46.1 Zus. ohne Vers. 337 u.233 ... | 3081 | 2640 | 1298 | 1342 | 50.83 | 85.7 | Pro- m= = 0.97 | nummer Ver- suchs- Zahl der Samen ‚Zus...| 831 | 703 334 369 | 52.5 257 82 74 4ı 33245 345 83 69 34 35.10 51 258 89 76 37 Sn 23: 259 96 79 38 41 | 52 260 96 85 44 | 417| 48 261 98 86 48 | 38 Were 346 100 71 32 392258 262 101 84 37 47 56 347 106 97 39 58 | 60 348 108 98 35 63 | 64 343 III 101 53 48 48 1070 920 438 482 | 52.5 Zus. mit | Vers. 337 u. 233... | 3180 | 3065 | 1531 | 1534 | 50.05 | + 291 +x CorrEns: Experimentelle Verschiebung des GeSchlechtsverhältnisses 335 Bei den Versuchen mit sehr viel Pollen hat sich das Ergebnis gegenüber dem ersten Jahr nicht merklich geändert; statt 35.25 Prozent Männchen wurden insgesamt 35.75 #0.99 gefunden. Um so auffälliger ist der Unterschied bei den Versuchen mit sehr wenig Pollen. Die defi- nitive Zahl ist 50.05 oder besser 50.83 Prozent Männchen (m = # 0.97), während im Aussaatsjahr 1918 nur 46.89 Prozent (m == 1.61) er- halten worden waren. Entgegen dem gewöhnlichen Verhalten hatten hier also im zweiten Jahr mehr Männchen — nicht mehr Weibehen — zum erstenmal geblüht. Die Versuche mit sehr wenig Pollen sind nach der Zahl der aus- gesäten Samen geordnet. Ein Aneinanderreihen nach der Zahl der blühenden Pflanzen hätte eine nur wenig verschiedene Anordnung ge- geben. Es sind immer Gruppen von. ıı Versuchen zusammengefaßt. Bei dreien von diesen vier Portionen stimmen die Resultate unter sich gut überein (51.6—52.5—52.05 Prozent Männchen); nur eine weicht auffällig ab (46.1 Prozent). Es ist die zweite, liegt also zwischen den andern und außerdem innert der Fehlergrenzen. Mit der ansteigenden (aber noch engbegrenzten) Samenzahl ändert sich demnach die Pro- zentzahl Männchen nicht merklich. Sobald eben einmal der Wett- bewerb überhaupt aufgehoben ist, ist es gleich, wieviel Samenanlagen noch befruchtet werden. Zwei Versuche, 233 und 337, fallen aus den anderen heraus, dadurch, daß die Zahl der Pilanzen viel größer ist als die Zahl der als »gut« gezählten Samen. Es waren hier auch die Samen ausgesät worden, die als fraglich bezeichnet worden waren — im einen Fall 291, im anderen eine nicht mehr feststellbare Zahl —, gerade weil es so sehr viele waren; und sie hatten offenbar zum größten Teil gekeimt. Diese zwei Versuche gehörten wohl eigentlich zu den mit mäßig viel Pollen und scheiden hier besser aus. Die neuen Versuche lehren zunächst, daß die Differenz zwischen den Prozenten an Männchen nach Bestäubung mit sehr viel und sehr wenig Pollen bis zu 14.30% 1.38 betragen kann, während die ersten Versuche nur 12.13#1.41 ergeben hatten. Das zeigt wohl, daß die mittlere Geschwindigkeitsdifferenz zwischen Weibchen- und Männchen- bestimmern bei verschiedenen Männchen ungleich sein kann; es ist gut möglich, daß ein noch größerer Unterschied in der Zuwachsge- schwindigkeit der Pollenschläuche gefunden wird. Dann aber, und das ist wohl wichtiger, zeigen die neuen Ver- suche, daß das Geschlechtsverhältnis nach vollständiger Aufhebung des Wettbewerbes der beiderlei Pollenkörner tatsächlich ı:ı sein kann. Dies ideale Ziel ist aber nur mit dem Pollen gewisser Männchen zu erreichen, bei denen offenbar irgendwelche Nachteile der Männchen- 336 Sitzung der phys.-math. Klasse vom 7. April 1921. — Mitt. vom 17. März bestimmer (oder der männlichen Keime) wegfallen, die sonst gewöln- lich bei meinem Material vorhanden sind. 1918 wurden noch eine Anzahl weiterer Bestäubungen mit schr wenig Pollen ausgeführt, an fünf versehiedenen Weibehen und mit zwei Männchen, alle Geschwister. Wieder waren meist etwa 50 bis ı00 Samen in den Kapseln vorhanden gewesen. Die Ergebnisse sind in Tabelle 6 zusammengestellt. Dabei sind immer zwei bis drei Einzelversuche zusammengefaßt, und diese Einzel- versuche bestanden meist selbst schon aus dem Inhalt mehrerer Kapseln, 2 bis 17, wie aus der Tabelle hervorgeht. Bei Versuch 764 bis 77 1 ist (in Klammern) auch die Zahl der Samen angegeben, deren Taug- lichkeit fraglich war, und die mit ausgesät wurden. Tabelle 6. Bestäubung mit schr wenig Pollen. Pollen von 499 H. Pollen von 499 M. 9 der ‘| Versuch Pllan- zen 287 J136 ı51 RT = | a 3 II o\ a a} = 41 5771 386!{164]221) 57 || © | Or —— ———r—l| Jr - \ Zusammen] 13 | 1649| 987 +59 526 53.29 | 519 49.53 m= = 1.59 | m== 1.54 II 2 | 764-1766 | 9 de 208| 96 112 5a |. f[984-986| ı7 | 733| 580*|303|273| 47 > ol | Is J|987-989| 10 | Sı2| 61611324 291| 47 « — 6 6 2 \ | Ei 767— 769 (87) 296 |144 152, 51 *| er er lee 3 | | Pen ne EEE a $ 770-711| 6 Me 349 |173 176 50 | Zusammen| 29 [1758| 1333 Irs 623|46.74 A — m= = 1.37 Zusammen] 2ı [1381 | 853 413/440151.58 || i (341) | 818—8ıg| ı2 | 383 | 305 |1441161| 53 m—=&+1 73 < 820— 821 7 | 420| 303 |153)150| 50 ı Einschließlie e IN Einschließlich ı ©. | & 8a2 8253| 5 | au, Ausiraauna ar 2 Einschließlich 4 9- eur Zusammen] 24 | 1257| 924 [#6 463|50.11 m —=—1.05 Die Prozentzahlen der Männchen liegen auch hier um 50 herum. Einige sind niedriger (am niedrigsten beim Weibehen 499’T mit einer negativen Abweichung von 3.26 Prozent, deren mittlerer Fehler # 1.37 beträgt), einige höher (am höchsten beim Weibchen 499D mit einer positiven Abweichung von 3.29 Prozent, wobei der mittlere Fehler gleich # 1.59 ist). Sichergestellt ist keine einzige Differenz; es ist en u Correns: Experimentelle Verschiebung des Geschlechtsverhältnisses art { pP Ss aber ganz gut möglich, daß nicht alle rein zufälliger Natur sind. Die beiden Männchen sind zwar Brüder; die beiden mit 499H erhaltenen Werte (53.29 und 51.58) liegen aber höher als die drei mit 499M erhaltenen (49.53; 46.74 und 50.11). Vermutlich sind die beiden Männchen unter sich etwas verschieden im Verhalten ihrer beiden Keimzellsorten. Daneben mögen auch andere, noch nicht erkannte Ursachen eine Rolle spielen. Il. Die Abhängigkeit des Geschlechtes des Samenkorns von der Stellung der Samenanlage in dem Fruchtknoten. 1. Abschluß der ersten Versuchsreihe. Bei diesen Versuchen (1918, S. 1185) waren «ie Samen aus den oberen und unteren Abschnitten der Kapseln getrennt geerntet und ausgesät worden. Das Resultat (1915, S. 1194, Tab. 13) war, daß aus den oberen 34.23 Prozent Männchen, aus den unteren 46.07 Prozent Männchen hervorgingen, aus den oberen also 11.34& 1.21 Prozent ‚Weibehen mehr. Im Jahre 1918 kamen noch weitere 622 Pflanzen zum Blühen. In Tabelle 7 sind nur die Endergebnisse zusammengestellt. Dabei sind alle Versuche mit demselben Weibchen zusammengezogen worden. Wen es interessiert, kann das Resultat «des zweiten Jahres durch Ab- ziehen der Zahlen der früher gegebenen Tabelle fürs erste Jahr (1918, S.1194) von denen der Tabelle 7 erhalten. Tabelle 7. Dilfe- I. Oberer Abschnitt (ie- Versuchs- samlı- renz pflanzen EM Prozent | | Pro- | Prozent | Pro at A -, Z an | I} > n und ‚der | Pflan- 2 der | Pflan- x 3 - der Gesamt- G q zent |Gesamt- F F zent ı Pro- N » - | ° in Pı Summern Samen zahlder) ZEN A zahlder | ZEN a zent Ic D . I >) ) 2 Samen = Samen = : 4ıb I11--125 137154 67a 155— 170 ZNSees 3 1008 | 494 | 32.89 | 2030 lırıo| 920 1502 n==z111|m== 1.64 Bei den oberen und den unteren Abschnitten hat die Zahl der Männchen gegenüber 1918 etwas abgenommen (32.89 Prozent statt 34:23 oben und 45.33 statt 46.07 unten). Es blühten also auch hier, Es 338 Sitzung der phys.-math. Klasse vom 7. April 1921. — Mitt. vom 17. März wie gewöhnlich, im zweiten Jahre verhältnismäßig mehr Weibehen zum erstenmal als im Jahre der Aussaat. Die Differenz zwischen den beiden Abschnitten ist noch etwas größer als früher, sie beträgt nun 12.44 Prozent statt 11.84. Daß sie nicht noch größer ist, hängt von verschiedenen Umständen ab. Zunächst ist ja die Geschwindigkeit, mit der die weibchenbe- stimmenden Spermakerne zu den Eizellen gelangen, nur im Durch- schnitt größer als die der männchenbestimmenden. Man muß sich vorstellen, daß sie bei jeder Pollensorte in weiten Grenzen schwankt, und die Mittelwerte relativ nahe beieinanderliegen. Ein schnellerer Männchenbestimmer wird vor einem langsameren Weibehenbestimmer ankommen. | Dann wäre der Unterschied zwischen den oberen und unteren Abschnitten der Kapseln gewiß noch sehärfer hervorgetreten, hätte ich zur Bestäubung nicht den Inhalt einer ganzen Anthere, sondern nur soviel Pollen verwendet, als eben zur Befruchtung der meisten Samenanlagen ausreicht. Mit steigendem Wettstreit müssen auch die schneller ankommenden Schläuche immer mehr Samenanlagen im tieferen Teil des Fruchtknotens befruchten. Endlich .erfolgt die Befruchtung der Samenanlagen offenbar nicht so streng in der Reihenfolge von oben nach unten an der Plazenta, wie man annehmen möchte; es werden vielfach Samenanlagen über- sprungen. Wie schon früher angegeben (1918, S. 1195 und Fig. 3), sieht man das direkt, wenn man Kapseln untersucht, zu deren Er- zeugung nur Spuren von Pollen verwendet worden waren. Die wenigen Samen stehen dann zwar am oberen Teil der Plazenta; es sind aber nicht alle obersten Samenanlagen befruchtet worden. Experimentell kann man es auch in folgender Weise zeigen: Man wählt als Weibchen eine rein weiß blühende Pflanze und bestäubt sie zunächst mit ganz wenig Pollen des rotblühenden, reinen (homozy- gotischen!) Melandrium rubrum. Dann, nach etwa 24 Stunden, wird sehr reichlich Pollen eines rein weiß blühenden Männchens auf die Narben gebracht. Später erntet man den obersten Teil der Kapseln getrennt von dem Rest und sät auch getrennt aus. Die Samen, die durch Befruchtung mit rubrum-Pollen entstanden sind, müssen lauter rotblühende Pflanzen geben, die übrigen Samen weißblühende. Die Ergebnisse zweier solcher Versuchsreihen sind in Tabelle 8 A und B zusammengestellt. Die Trennung des oberen und unteren Ab- schnittes war so erfolgt (Tabelle B, Spalte 4), daß der untere noch 63 bis 79 Prozent der gesamten Samenzahl, im Durchschnitt 73.2 Pro- zent behielt, der obere also etwa ein Viertel, der untere drei Viertel der Samen umschloß. Die ‚Samen der mittleren und unteren Viertel Correns: Experimentelle Verschiebnng des Geschlechtsverhältnisses 339 haben aber weniger blühende Pflanzen geliefert, nur 68.7 Prozent (statt 73.2). | Tabelle SA. Fanennpha- | er Versuchs- | ver. Prozent | Prozent r rot in.ler flanze „| Zahl rot in | Gesur pllanz suchs- Pilan- 1 1 Gesamt- und num- der £ Pilan- der Ge- | zahl des 2 saml- Kapsel mer Samen let oberen as 2201 TOR | Driktels 43 DO NO 49 62 | 43 53| 28 | 25 | 47 EOS 39 27 | iz | 3I 96 56 ı3| 9 4 a 831 | 86 53 Wear 26-|, 49 (239. wer 46| 27| 19 | 4ı a RAT 22| ı3 | g| ar 79 2 | 43 | 25 | 18 SSTUı 2958, 56 8 4| 4) 50 48 | 33 | Bey 100 14 329 | 92 | 58 II 6 | Sera 47 26 21 45 100 19 331 86 86| 9) 2| 78 | mr| 321 43 | se | 56 10 Bu ae Meere ee 8 | 32 95 | 46 Zusammen.... 1224 867 | 358 | 179 | 179 \50.00 509 | 288 | 221 143-42 70:2 | 41.3 52 371 ne re mer nn — un, x e- YSs vn 9N DR m— + 2.64 m= = 2.20 B Tabelle SB. ° 9 Mittleres und unteres Drittel Versuchs-| v.,. | Prozent | KPeszent rot weiß pflanze | suchs- | Zabl | der | pin. | , der ws | 22 1 \ der 'Gesamt- | Gesamt-| Pflan- | EI= Dr 20 une num- | | Pllau o 4 1% Pilan En Pr = Kapsel 5% | #amen | a a zen | On) zen zen 16) = Sapst mer) | Samen Pflanzen | A‘ 1 J © I 312 | 299 71 150 67 20 ORT 55 no ran S2ulete B | 314 | 282 oo | 1361, 71 a a E 134 | 82 | 52 | 39 2 2 2 214| 115 | 99 46 316 211 63 | 216| 7I 318 283 72 eeussı| 262 320 285 73 | 17 SEIT 322 | 297 Ta 2 68 324 | 321 | 77 | 179) 69 326 | 269 |. 73 | 153) 67 328nlae318 177 || (or 677 190 090 mon E53 are.) 9765 60 | 44 31.| 13 | 18 | 58 | 147| 94 | 53 | 36 28 | 13 | 25 | 54 | Jar 75 | 66 |,%47 SSH ARE LI TR 164| 59 | 105 | 64 27 rau eles2al 26 59, ara less 191 | 120, MI | 37 37f -— D0-—— -——- WS Wem We! | x | 330 | 350 | 79 173 De es ae N a A 91 | 51 2 3 | 4 | 57 SEN MB 3B 03 Ze BR 334 214 | 75 ı1o| 71 I er e 109 | 65 | 44 | 40 Zusammen.... | 3343 | 73-2 1901| 68.7 | 152 | 66 | 86 156.58 1749 | 978 | 771 | 43-93 m = 5 4.02 m= 1.19 Zunächst interessiert es uns, wo in den Kapseln die rotblühenden Pilanzen entstanden sind. Insgesamt sind es (358-+152 =) 510. Davon stammen 358 = 70.2 Prozent (Tabelle 8A) aus dem obersten Viertel FE ET IRRE MR 340 Sitzung der phys.-math. Klasse vom 7. April 1921. — Mitt. vom 17. März und 152 oder 29.3 Prozent aus den übrigen drei Vierteln der Kapseln. ös sind also auffallend viel rubrum-Pollenschläuche über die Grenze des obersten Viertels vorgedrungen. Die Zahlen für das oberste Viertel. schwanken bei den einzelnen Kapseln zwischen 39 und 100 Prozent. Außer den 358 rotblühenden Bastarden gaben die obersten Viertel noch 509 weißblühende Pflanzen. Es waren dort also nur 41.3 Pro- zent Bastarde entstanden, je nach der verwendeten Menge rubrum- Pollen mehr oder weniger, zwischen 5 und 72 Prozent. Die 152 Pollen- schläuche des M. rubrum, die in den mittleren und unteren Vierteln der Fruchtknoten befruchteten, hätten demnach in den obersten Vier- teln noch genug freie Samenanlagen finden können. Die Befruchtung ging eben nicht so einfach der Reihenfolge der Samenanlagen nach von oben nach unten vor sieh, un«d es ist schon deshalb nieht zu er- warten, daß die oberen Abschnitte der Kapseln ausschließlich Weib- chen geben!. Die Bestäubung mit den Pollenspuren von M. rubrum mußte wegen des Ausschlusses jeglichen Wettstreites unter den Weibehen- und Männchenbestimmern die größtmögliche Zahl Männchen geben. In der Tat waren, wie man aus Tabelle SA und B leicht zusammenstellen kann, von den 510 rotblühenden Pflanzen 265, gleich 51.96 Prozent, also etwas mehr als die Hälfte, männlich und nur 245, gleich 48.04 Prozent, weiblich. Die obersten Viertel enthielten etwas weniger Männ- chen — ‚unter 358 Pilanzen 179, gleich 50.0 Prozent — als die mitt- leren und unteren Viertel, wo von 152 Individuen 86, gleich 56,58 Prozent, männlich waren. Die Differenz von 6.558 Prozent ist aber recht gering, niedriger, als sie nach den früheren Versuchen zu er- warten gewesen war. Daran mag zum Teil die geringe Zahl schuld sein. 3ei den weißblühenden Pflanzen ist der Unterschied im Geschlechts- verhältnis noch viel geringer. Das oberste Viertel gab unter 509 In- dividuen 221 oder 43.42 & 2.20 Prozent Männchen, die mittleren und unteren Viertel unter 1749 Individuen 771 oder 43.93 & 1.19 Prozent Männchen. Der Unterschied macht nur 0.51 Prozent, sein mittlerer Fehler 2.497 aus. Tatsächlich ist also gar keiner nachzuweisen. Daß (die Pollenschläuche des album-Männchens im oberen Abschnitt des Frucht- knotens schon einen Teil der Samenanlagen befruchtet antrafen, kann nicht die Ursache sein. Es ist bei dem Pollen des bestimmten album- Männchens kein wesentlicher Unterschied in der Schnelligkeit der Weib- ! Vielleicht spielte bei dem Versuch auch das eine Rolle, daß die Spuren von rubrum-V”ollen (wahrscheinlich) nur auf einem der fünf Narbenstreifen angebracht worden waren und dadurch ein darunterstehender Sektor der Plazenta bevorzugt war. Bei reichlicher Bestäubung gibt aber die Belegung eines einzigen Narbenstreifens einen so guten Samenansatz wie die von'allen fünften. Correns: Experimentelle Verschiebung des Geschlechtsverhältnisses 341 chen- und Männchenbestimmer vorhanden gewesen. Es fand kein Wett- bewerb statt, deshalb gab das oberste Viertel nicht weniger Männchen als die mittleren und unteren. Wohl war aber irgendein anderer Vorteil der Weibehenbestimmer vorhanden, der trotzdem die Zahl der Männchen auf etwa 43.5 Prozent herabdrückte. Bei dem rubrum-Männchen war umgekehrt in dieser Hinsicht kein Unterschied zwischen den heiderlei Pollensorten vorhanden, oder der Vorteil lag auf seiten der Männchenbestimmer, denn bei Ausschluß des Wettbewerbes entstanden etwa 52 Prozent Männchen. Dafür bestand ein, wenn auch nicht großer Unterschied in der mittleren Geschwindig- keit, der in den obersten Vierteln mehr Weibehen entstehen ließ als in den mittleren und den- unteren (etwa um 6.6 Prozent melır). Dieses ganz verschiedenartige Verhalten der verschiedenen Melan- drium-Männchen geht auch aus weiteren Versuchsreihen hervor, die zu anderen Zwecken angestellt worden waren, bei denen aber ebenfalls die Kapseln in einen oberen und unteren Abschnitt geteilt, und (liese Teile gesondert geerntet und ausgesät worden waren. Fs wird sich später Gelegenheit geben, darauf zurückzukommen. IV. Unterbrechung der Leitungsbahnen für die Pollenschläuche. Wenn die weibehenbestimmenden Pollenkörner ihre Spermakerne wirklich rascher zu den Eizellen befördern als die männchenbestimmen- den, muß sich eine Zunahme der Weibehen in der Nachkommenschaft auch dadurch erreichen lassen, daß man eine gewisse Zeit nach der Bestäubung die Verbindung zwischen Fruchtknoten und Griffeln unter- bricht, und damit den Pollemschläuchen die Möglichkeit nimmt, zu den Samenanlagen zu gelangen. (Zur Orientierung diene Fig. ı und die zu- gehörige Erklärung.) Wird der Zeitpunkt für das Abschneiden der Griffel richtig gewählt, so werden sich nur jene Samenanlagen weiter entwik- keln, die von den erstankommenden Pollenschläuchen befruchtet worden waren. Es bleibt sich dabei gleich, ob die Eizellen in dem Augen- blick der Unterbrechung schon befruchtet sein müssen, oder ob auch noch längere oder kürzere abgeschnittene Enden der Pollenschläuche die Befruchtung ausführen können. Die Frage ließe sich durch eine mikroskopische Untersuchung entscheiden, ist für uns hier aber ganz belanglos. _ Der Zeitpunkt für das Durchschneiden der Griffel, bei dessen Inne- haltung, trotz reichlicher Bestäubung, nur wenige Samenanlagen be- fruclıtet werden, läßt sieh durch Probieren leicht annähernd ermitteln. Er hängt natürlich von der Länge der Griffel und der Stelle auf den 342 Sitzung der phys.-math. Klasse vom 7. April 1921. — Mitt. vom 17. März Narben ab, die den Pollen empfängt, denn sie beide be- dingen die Länge des Weges, den die Schläuche zurück- zulegen haben, außerdem von der Temperatur‘. Nimmt diese zu, so muß der Zeitpunkt des Abschneidens näher an den Zeitpunkt der Bestäubung herangerückt werden. Die Länge der Griffel kann von Individuum zu Indivi- duum stark verschieden sein — ich maß zwischen 13.5 und 23.3 mm —, sie nimmt, wie die des Fruchtknotens, mit dem Alter der Blüte zu, steigt z.B. von 16.5 auf 18.1 mm, beim Fruchtknoten von 5.5 auf 7 mm. Ich habe solche Unterbrechungsver- suche 1918 und 1919 angestellt. Das Ergebnis entsprach nur zum Teil der Er- wartung. SS u" ug, N ») pi BD Versuche von 1918. Von den verschiedenen Versuchs- reihen konnten nur 4 ganz durchgeführt Fig. 1. Melandrium. A. Stempel aus Werden. Jeder Griffel trägt einen Narben- der Blüte eines Weibchens, schwach streifen, der, an der Basis ganz schmal vergrößert. B. Fruchtknoten, dessen 5 T 2 ‚Wand zur Hälfte weggeschnitten wurde, beginnend und auf die Innenseite be- a oben a und schließlich die Griffelspitze umfaßt mit dem Dache des Fruchtknotens und (vgl. nebenstehende Figur ı). Es wurden gem !GrIEteIn Vorbindst,. imastsrEsr N re wohnlich bdıc Spizeu der fünf Griffel vergrößert. mit dem Inhalt einer Anthere auf eine Strecke von 2 bis höchstens 3 mm belegt; seltener wurde der Pollen am Grunde der Griffel angebracht, nachdem der Kelch längs aufge- schlitzt oder in richtiger Höhe rundum abgeschnitten worden war. Nach 12'/, bis ı5 Stunden im ersten und 2'!/, bis 3'/, Stunden im zweiten Fall wurden die Griffel mit dem Rasiermesser knapp über dem Fruchtknoten abgeschnitten; um ihn selbst nicht zu verletzen, blieben ganz kurze Stummel, etwa 0.5 mm lang, stehen. Auch ganz gleich behandelte Blüten verhielten sich ungleich; ein Teil fiel ab, ein anderer setzte an. In manchen Fällen war der Ansatz sogar ziemlich gut. Ausgesät wurden nur Kapseln, die wenig Samen enthielten, bis zu etwa einem Drittel der normalen Zahl als höchstem. Wie nach der Bestäubung mit Pollenspuren (1918, S. 1195) saßen die ! Auf den Einfluß der Temperatur auf die Zuwachsgeschwindigkeit der Pollen- schläuche hat auch Herıgerr-Nırsson (1920, S.43) nachdrücklich hingewiesen. Correns: Experimentelle Verschiebung des Geschlechtsverhältnisses 343 wenigen Samen fast nur am oberen Abschnitt der Plazenta. dafür waren sie ungewöhnlich gut entwickelt, vor allem sehr schwer, und keimten auch gut. Es schien mir am besten, für die Aussaat die Kapseln nicht nach dem Intervall zwischen Bestäubung und Durchschneidung der Griffel zu ordnen, sondern sie nach ihrem Inhalt in Gruppen zu I—5, 5— 10, 11—15 usw. Samen zusammenzufassen; diese Gruppen sind in den Tabellen zum Teil nochmals zusammengezogen, um Platz zu sparen. Zur Kontrolle wurden stets eine Anzahl Blüten genau gleich, also ebenfalls mit dem Inhalt einer ganzen Anthere, bestäubt. Erst zu spät fiel mir ein, daß die Kontrollblüten nicht mit der gleichen Menge Blütenstaub, sondern nur mit sehr wenig hätten bestäubt werden sollen, um das Zahlenverhältnis der Weibehen- und Männchenbestimmer bei Ausschluß jeglichen Wettstreites vergleichen zu können. Das Ergebnis — Tabelle9g—ı2 — wäre dann Jedenfalls noch viel auffälliger geworden. Kapellesorr O2 T. I | | Samen | Zahl Zahl in der | , der ‚der ne Be [e) d N i Kapsel Kapseln Samen | 5 ; ° Griffelspitzen 698 . ı | 4669 36 | 26 | 17 9. 35.0 699 6— 10 3 22 16 9 6 3 33-0 700 rs 6 88 80 | 59 45 14 '|.24.0 701 16—20 I\ 20 230 WE 73 10 31 21.28:0 702—703 | 21—30 8 +-| 193 169 | 121 89 32 91020.5 704 ae | 9 64 26 29.0 705—706 | 41—50 ar 22 187. 7 2890512, ,68 21 23.6 goynı2 | sı 60 | 7 | 394.1..330 | 149 98 5ı | 34.2 713—715 | 61—70 Ay a5 200 | ı20 | 8o ol 33:3 716—718 | 71—80 au 226 201 | 177.2 08007 69 39.0 Zusammen.... | 1667 | 1400 8531 584 7268 | 31.42 | 83.98 Prozent m= + 1.59 Kontrolle 682— 689 223 4> 7,107 1892 741 | 3521 | 210 141 40.06 690—697 | 1301 1096 | 514 | 311 203 | 39.49 Zusammen.... | 8 2293 1837 8661| 521 344 39.72 I Differenz 8.30 + 2.30 Prozent. RU ERES 1 Darunter ı Zwitter. Nach der Bestäubung des Griffelgrundes hatte das Abschneiden der Griffel gegenüber den Kontrollversuchen gar keine Verschiebung des Geschlechtsverhältnisses bewirkt, oder, vielleicht nur in Einzelfällen, 344 Sitzung der phys.-math. Klasse vom 7. April 1921. — Mitt. vom 17. März Tabelle 10. 9 4oB Vers. Samen in | Zahl der | Zahl der | Keim- | Y Prozent E > i : Pflanzen | - 9 d der Kapsel| Kapseln | Samen linge d Griffelspitzen SIE 1-5 | 5 | 14 12 8 | 6 2 25 522 5—10 Car 70 63 54 44 10 19 523 1115 5 65 57 48 31 17 35 “524 16—20 6 109 95 82 52 30 37 525—529 21—30 | 13 | 323 305 236 174 62 26.3 530-534 31—40 RR NELEIEM 168 135 90 45 33-3 535—537 | 41-50 En 127 110 83 27 245 538, 540 51—60 2 104 87 65 40 BIS 38.5 541— 543. ROLE OTTT 70 SUR NE San 232 ı7ıl 105 65 38.0 544546 Zusammen .... So 21358 1065! 717 347 32.58 m— +1.44 . Griffelgrund 547 15 Se 15 14 9 2 22 548 6-10 3 22 21 22 15 7 32 549 DI USE 2 27 25 13 oe 46 I 47 Zusammen .... | Lo | 107 34 OR "40.5 Kontrolle 501-520 | 265.1 10 2651 1 2o de ro 1081 | 664 |. 38.03 n = 1.16 Differenz 5.83 & 1.88 Prozent. j ! Darunter ı Zwitter. z.B. bei Versuch 547, Tabelle 10, melır Weibehen gegeben — wenn bloß die allerersten Pollenschläuche zu den Samenanlagen gelangten —, sonst eher mehr Männchen. Bei 40oB waren es 39.53 statt 37.05 Prozent, bei 66 A 43.35 statt 43.60 und bei 72 39.53 statt 37.05. Nach der Bestäubung der Griffelspitzen verursachte dagegen die Unterbrechung der Leitungsbahnen für die Pollenschläuche eine sehr deutliche Zunahme der Weibchen, also eine Abnahme der Männchen, die bei drei Versuchsreihen jenseits der Fehlergrenze liegt, bei einer (66 A) ist die Differenz sogar 1omal so groß wie ihr mittlerer Fehler. Nur bei einer (40B) ist sie ein wenig- kleiner als der dreifache mitt- lere Fehler. Tabelle ı3, S. 346, zeigt Jas alles. Die Verschiebung zugunsten der Weibchen (die sich in der Ta- belle durch die Abnahme der Männchen zeigt) würde sicher noch stär- ker hervortreten, wenn wir die Verhältniszahlen nach der Bestäubung mit sehr wenig Pollen vergleichen könnten, statt der nach Bestäubung mit dem Inhalt einer ganzen Anthere. Bei so viel Pollen wirkt ja, wie wir sahen, der Wettstreit der beiden Pollensorten schon sehr deut- ÜORRENS: Experimentelle Verschiebung des Geschlechtsverhältnisses Tabelle ıı. 266A Keim- | Pflan- | Prozent linge zen | | di Samen |' Zahl Zahl “ “ in der der der Kapsel [Kapseln Samen Griffelspitzen 591 6— 10 | I 8. 7 5 4 I 20 Ss 592 IT| 20-1228 ZN E22 | 18 6 25 593 16—20 | 5 92 89 69 | 5o 19 28 594 21—30 | Ziel AB 45 37 27 10 27 595 31—40 3 O5 102 |, 174 | 58 16 22 596 Ar so la — — 36H | 2765.100556 20 26 597-599 | 51-60 | 600—602 61—70 | 3 171 161 142 107 35 24.6 3 197 192 | 168 | 122 46 37-4 603—604 Zusammen.... 909 863 114 | 535 179 25-07 Griffelgrund 605 SDHP RN u 39 SEI er 17 59 606 46 | Ir 00 45 | 36 22, | 14 39 Zusammen.... 374 | 360 | 302 172° |vıar | 43.38 Kontrolle 551-560 | 336.6 5 "1683 1417 | 1329 | 1752 | 577 43.42 11161) 626 439 43-83 1658 Zusammen.... 2341 1422 2839 24451| 1378 1066 | 43.60 m = + 1.00 Differenz. 17,75 & 1.71 Prozent. 1 Darunter ı Zwitter. lich. Wir werden zu den beobachteten Differenzen noch etwa 4'/» bis 5 Prozent hinzurechnen müssen, um den wahren Einfluß der Unter- brechung zu erfahren; sie schwanken dann zwischen ı ı und 22 Prozent. Auch darin, daß nach Bestäubung des Griffelgrundes das Geschlechts- verhältnis nicht wesentlich anders ausfiel als bei den Kontrollversuchen, verrät sich bei näherer Überlegung, daß selbst hier das Versuchsziel wenigstens zum Teil erreicht wurde. Wären nämlich ‚die Weibchen- bestimmer nicht im Vorteil, so müßte die Unterbrechung so wirken wie eine Bestäubung mit einer sehr geringen Pollenmenge, es müßten also wesentlich weniger Weibchen entstehen als nach den zur Kon- trolle ausgeführten Bestäubungen mit dem Pollen einer ganzen Anthere. Sitzungsberichte 1921. _ } : 2 > ws 346 Sitzung der phys.-math. Klasse vom 7. April 1921. — Mitt. vom 17. März Tabelle ı2. 9 72. Unter- brechung nach Stunden Vers. Nı. Zahl der Kaps. Zahl Keim- der linge Samen | Pflanzen 409 41] \408 407 412 410 406 414 413 415 Griffelspitze 15 14 al 31 57 54 71 70 77 74 89 77 s6 | 66 Zusammen... 606 557 449 329 120 26.73 m= + 2.09 Griffelgrund 2 416 I Te 11 To! 4 5 50 f 417 ji 30 2 25 19 6 24 \ 418 I 90 61 51 28 23 45 Zusammen... . 130 99 86 51 34 39.53 Kontrolle 349—368 1424 918 772 486 286 37-05 n—= 1.74 ! Darunter ı Zwitter. Tabellext3. II. Unterbrechungs- 1 Kontrolle Differenz II—I Versuchs- versuch Tabelle pflanze m der Diff. | Gesanit- | Prozent | Gesanıt-| Prozent | Mir Im=-+ 3m der Dill. zahl), Dar zahl er 9 8.30 2.30 6.90 10 545) 1.85 | 5.55 ı1 17.75 71 5.18 12 10:32. 2.72 8.16 dureh Diese Wirkung der Unterbrechung kann nur eine gewisse Be- vorzugung der Weibchenbestimmer so weit verhindert worden sein, daß annähernd dasselbe Resultat wie bei Bestäubung mit mäßig viel Pollen herauskam. (Der in der Fehlergrenze liegende geringe Männ- chenüberschuß bei 40oB und bei 72 nach der Unterbrechung ist wohl RE LOL 3 TeR ar 5 a a MIR en, \'\, WR x Correns: Experimentelle Verschiebung des Geschlechtsverhältnisses 347 nieht zufällig und erklärt sich dadurelı, daß die Herabsetzung der Zahl der befruchtenden Pollenkörner durch die selektive Wirkung der Unterbrechung nicht vollständig ausgeglichen wurde. Daß bei der Bestäubung der Griffelspitzen der Erfolg der Unter- brechung (bei gleicher Zahl der Samen) aber viel deutlicher ist als nach Bestäubung der Basen, läßt sich leicht verstehen. Je weiter der Weg ist, den die Pollenschläuche zurückzulegen haben, desto mehr kommen die Weibehenbestimmer in den Vorteil. Es vergrößert sieh zunächst einmal der Abstand zwischen den einzelnen Pollenschlauch- ‘spitzen, den rascher und den langsamer wachsenden. Vor'allem aber lassen sich die Pollenkörner ja nicht alle in gleicher Entfernung vom Fruchtknoten anbringen. Im Gegenteil, sie werden über eine relativ lange, aber schmale Zone verteilt. Ein langsameres Korn kann so einen großen Vorsprung erhalten, den ein schnelleres bei kurzer Bahn- strecke (also bei Bestäubung des Griffelgrundes) nicht mehr einholen kann, wohl ‚aber bei langer Strecke (also' bei Bestäubung der Griffel- spitze), um so besser, je länger der Weg ist. Wir kommen damit zu der Frage, die im folgenden Abschnitt V behandelt wird. Es ist zu erwarten, daß die Prozentzahl Weibehen um so größer ist, je früher die Unterbrechung erfolgte, je weniger Samen also die Kapseln enthielten. Die Zahlen der Versuchspflanze 66 A (Tab. ı 1) ver- raten davon nichts, auch wenn man die Prozentzahl Männchen für die Versuche mit ı bis 40 Samen in der Kapsel (24.38) denen mit 41 bis 8o Samen gegenüberstellt (25.15). Bei Pflanze 72 (Tab. ı2) ist die Abnahme der Weibchen mit der Zunalıme der Samen aber schon zu erkennen und bei 37F und 4oB (Tab. 9 und ı0) ganz deutlich; von 50 Samen in der Kapsel an steigt die Prozentzahl Männchen. Bei den ganz wenigsamigen Kapseln sind die Zahlen sehr ungleich, vor allem bei 37F. Vielleicht ist das rein zufälliger Natur, vielleicht spielt auch eine bald zu erwähnende Fehlerquelle mit. Faßt man die Kap- seln mit ı bis 40 und die mit 41 bis 8o Samen zusammen, so erhält man bei Pflanze 37F 27.36 und 33.83 Prozent Männchen und bei Pflanze 40oB 29.48 und 36.56 Prozent. A Man wırd sich fragen, warum der Erfolg nicht noch größer aus- gefallen ist. Da ist zunächst wieder daran zu erinnern, daß es sich nach allem ja nur um einen mittleren Unterschied in der Schnelligkeit der Weibehen- und Männchenbestimmer handelt, und daß die un- vermeidlichen Vorgaben, wie sie nun einmal durch die Platzverhältnisse auf den schmalen Narbenstreifen gegeben sind, eine Rolle spielen müssen. Außerdem kommt noch in Betracht, daß der Blütenstaub bei Melandrium ziemlich lockerpulverig ist, und bei der Bestäubung sehr gut kleine Mengen an den Narbenstreifen herabfallen können. 33* 348 Sitzung der phys.-math. Klasse vom 7. April 1921. — Mitt. vom 17. März Es erhält dann eine geringe Zahl von Pollenkörnern, die der Zufall. aussucht, eine Vorgabe, die vielleicht oft sehr groß und nicht mehr einzuholen ist. Dann werden Weibchenbestimmer und Männchen- bestimmer, was gerade herabgefallen ist, die Befruchtung ausführen können, ehe die ersten Schläuche aus der eigentlichen‘ Pollenmasse an der Griffelspitze im Fruchtknoten ankommen, und die Griffel ab- geschnitten werden. Vielleicht ist das, neben dem Zufall, die Ursache, weshalb bei Kapseln mit ganz wenig Samen die Wirkung der Unter- brechung weniger deutlich ist als bei Kapseln mit mehr (aber nicht zuviel) Samen. Um diese Fehlerquelle zu vermeiden, habe ich die Bestäubungen an der Griffelbasis ausgeführt, die aber, wie wir sahen, aus anderen Ursachen keinen auffälligen Ausschlag gaben. | Versuche 1919. Um den. Fehler auszuschalten, der im Vorjahre bei den Kontroll- versuchen durch Verwendung von zuviel Pollen gemacht worden war, benutzte ich 1919 für die Unterbrechungsversuche zwar wieder je eine ganze Anthere zur Bestäubüng, zum Vergleich wurde aber mit sehr wenig Pollen bestäubt, stets die Spitzen der Griffel. Von den verschiedenen Versuchsreihen konnte nur eine einzige ausgesät werden. und diese gab, wie Tabelle 14 zeigt. ein ganz anderes Resultat als Tabelle 14. 2499 ACx J' 499M. | FE T | | [D Samen Zahl | Zahl Keim- | Pflan- A | + | Prozent in -der der der g o Kapsel ‚Kapseln Samen | linge zen ı Anthere, Griffelspitze 841 ß 1—5 8 | 23.(3)\ 24 19 | 9 10 .\.52.6 842 6—10 9 | 74 (0)) 64 51 | vr 30 | 58.8 843 — 844 LI—15 17 222(1) 206 | 174! 88 34 | 48.3 845 16—20 NER DE} 146 | 80 66 | 45.2 846—847 | 21—25 II 258(0) 236 172 93 79 45:9 848—849 | 26-30 | 8 | 227(0)) 203 154 8ı 73 147-4 5; 850—851 | 31—35 8 254(1)| 228 | 225 I11 II4 | 50.7 852—853 | 36—40 9 344(1)) 310 | 210 97 113 | 53-8 854 41—45 5 213(0)| 193 | 146 80 661 46.2 855—856 | 46—50 7 330(0)| 295 | 244 136 108 | 44:3 Zusammen... 93 |2128(7)! 1932 | 1541 | 782 | 757 | 49.12 kontrolle (sehr wenig Pollen) 818—823 45.8 24 1098 | 1009 | 924 461 463 50.11 | (244) | Differenz 0.99 = 2.08 ‚Prozent. ! Darunter ı Zwitter. Correns: Experimentelle Verschiebung des Geschlechtsverhältnisses 349 die Versuche des Vorjahres. (Bei der Zahl der guten Samen steht in Klammern die der fraglichen.) Die Kontrolle gab gleichviel Mäunchen und Weibehen, der Unter- breehungsversuch‘ ebenfalls. ganz unabhängig davon wieviel Samen in den 93 Kapseln gewesen waren. „Abweichungen nach der einen Seite (bis 44.3 Prozent Männchen) stehen ebenso große nach «ler anderen Seite (bis 58.8 Prozent) gegenüber. Die Differenz (0.99) ist kaum halb so groß wie ihr einfacher mittlerer Fehler (# 2.08). Das negative Ergebnis ist also rechnerisch ebenso sicher wie das positive des Vorjahres. Es bleibt nur die Annahme übrig, daß es verschiedenartige Männchen gibt, im Extrem solche, bei denen Weibehen- und Männchenbestimmer in der mittleren Schnelligkeit des Keimens und «des Wachstums der Pollenschläuche sehr verschieden sind, und solche, wo dieser physiologische Unter- "schied zwischen den beiden Sorten Pollenkörnern ganz fehlt. Zu genau demselben Schluß sind wir durch den Versuch mit getrennter Aus- saat der Samen des oberen und des unteren Kapselabschnittes naclı einer Doppelbestäubung (S. 341) schon gekommen. (Dafür ist, wie wir noch sehen werden, gerade auch bei dem Männchen 499 M ein sehr deutlicher Unterschied im Verhalten beim Altern zwischen den beiderlei Pollenkörnern vorhanden.) V. Bestäubung von Spitze und Basis der Griffel. Die Versuche sollten zeigen, ob und wie weit die Länge des Weges, den die Pollenschläuche zurückzulegen haben, eine Wirkung auf das Geschlechtsverhältnis hat. Ist der Wettbewerb ausgeschlossen, so ist von vornherein kein Einfluß zu erwarten, vorausgesetzt, daß Männchen- und Weibchenbe- stimmer, wenigstens im Durchschnitt, gleich lange Schläuche _bilden können. Bei meinen Versuchen war durch Bestäubung mit dem Pollen einer ganzen Anthere für einen mäßigen Wettstreit gesorgt, ein starker war durch die übrigen Versuchsbedingungen unmöglich gemacht. Ist erstens die Schnelligkeit im Wachstum für jeden Schlauch konstant, oder ändert sie sich bei allen Schläuchen gleichsinnig und gleich stark, und ließen sich zweitens alle Pollenkörner in der gleichen Entfernung vom Fruchtknoten nebeneinander auf den Narben anbringen, so dürfte sich auch bei vollem Wettstreit der beiden Pollensorten kein Einfluß zeigen. Mit der Länge des Weges würden wohl die Abstände zwischen den verschieden schmell wachsenden Schlauchspitzen immer größer, die Unterschiede also immer deutlicher; ist jedoch genügend viel Zeit gegeben, so kommen schließlich die gleichen Schläuche in der gleichen Folge zur Befruchtung, ob der Weg nun lang oder kurz war.. Ki He En ae, - Fe ch, N u De an 1 0 i te Se» a ER N i. 350 Sitzung der phys.-math. Klasse vom 7. April 1921. — Mitt. vom 17. März Gegen die Gültigkeit der ersten Bedingung spricht zunächst nichts: die zweite läßt sich dagegen auch nicht annähernd erfüllen, weil die Narben ja die Form sehr langer und sehr schmaler Streifen haben. Bei auch nur annähernd gleicher Entfernung aller Pollenkörner vom Ziel, dem Fruchtknoten, könnten so wenige angebracht werden, daß kein Wettstreit stattfände. Soll er wirksam sein, so braucht es dazu so viel Pollen, daß ein breiter Querstreifen auf der Narbenfläche be- deekt werden muß. Damit erhalten aber, wie schon an anderer Stelle betont wurde (S. 347), die einen Pollenkörner eine »Vorgabe«, einen größeren oder kleineren Vorsprung, vor den andern, die nur vom Zu- fall abhängt und ebensowohl den langsameren Männchenbestimmern als den schnelleren Weibchenbestimmern zugute kommt. Je weiter der Weg ist, der zurückgelegt werden muß, um so vollständiger werden diese Zufallsvorgaben ausgeglichen werden, indem die schnelleren Schläuche die langsameren einholen und überholen können. Es muß sich also demnach ein Unterschied herausstellen, je nach- dem der Weg zu den Samenanlagen durch Bestäubung der Griffelspitze möglichst lang oder durch Bestäubung "des Griffelgrundes möglichst kurz gemacht wird (immer vorausgesetzt, daß die Schnelligkeit der Pollenschläuche sich nicht oder doch gleichsinnig und gleich stark än- dert). ‘Solche Versuche wurden dreimal angestellt. Tabelle ı5 bringt die Ergebnisse der ersten Versuche aus dem Jahre 1917. Es wurde der Pollen einer ganzen Anthere entweder an den Spitzen der 5 Griffel auf eine etwa 3 bis 4 mm breite Zone gebracht, oder an die Basis der Griffel, nach Aufschlitzen des Kelches, etwa ebensoweit hinauf. Die Bedingungen sind dann insofern nicht gleich, als der Narben- streifen an der Basis sehr schmal, gegen die Spitze zu am breitesten ist. Daran läßt sich nichts ändern. Es bedingt aber, daß die Zahl der Pollenkörner, die zum Keimen kommen kann, an der Spitze wesent- lich größer ist als an der Basis des Griffels, bei gleicher Länge der bestäubten Zone, und damit wird der Wettstreit an der Spitze größer und die Chancen der Weibehenbestimmer werden dort besser. Die erste Versuchspflanze 360 zeigte so gut wie keinen Unter- schied (Spitze 36.05, Grund 36.66 Prozent); die drei andern gaben dagegen deutlich mehr Weibchen bei Bestäubung der Griffelspitzen, wie es erwartet worden war. Freilich beträgt die Differenz nur 3.54 Prozent und ihr mittlerer Fehler # 1.38, sie ist also nicht ganz drei- mal so groß. Dafür, daß sie nicht zufällig ist, spricht aber, daß alle drei Versuchspflanzen sich gleich verhielten (Differenzen: 2.35, 9.29 und 2.48 Prozent mehr Weibchen bei Bestäubung der Griffelspitzen). Correxs: Experimentelle Verschiebung des Geschlechtsverhältnisses 351 Tabelle ı5. Griffelbasis, Griffelspitze Ver- | : an | STPREm EZ nn AV Der Ver- > >: Ver- | Henke | | Pro- Re an- r an-| - E) uchs Pflan x Fe a Pflan- | SUCHS= T suchs- Samen | Q 6 2.6 such Samen 2.17 & zent pllanze] Nr. As Nr. | |. zen, | 4 276 | 414 282 174 | 108 | .38 277. 0.2233 169 | 100 | 69 | 41 35 | 205 Keareil sau, sog | Ess Lil 7o 1 Berl va3, UL. 70. /aRR | se] | | 2701 305 | ı6 100 65 | 39 \ 1201 809 | 503 306 ESEL For RS ea]: Anka. ( 282 282 | 254 118 | 136 | 54 III | 280 312 238 136 | 102 43 283 |, 286 | SS RIRRS | 122 | 52 37 | 280. 299403258 139 | 19 | 46 | 568 | 491 | 233 | 258 | 52:55 968 | 793 | 450 | 343 | 43.26 | 284 | 393 | 353 "197 | 156.) 44 | 287 | #27 | 397 | 219 | 178 | as Iv | 285 368 334 190 144 43 288 375 1. 345 | 205 140 | 4tı B 286 __286 | 374 | 324 | 202 | ı22 | 38 38 289 | 326 | 292 | 163 129 44 SERIENEIESENZ 1135 | 1011 589 422 | 41.74 290 | 267 237 122 i15 | 49 1395 | 1271 709 | 562 |4 ‚22 4 II—-IV| 3153 | 2536 | ı5ır | 102r | 40.26 |II-IV 3164 | 2578 | 1445 | 1726 | 43.80 m= = 0.97 m = + 0.98 a ? Differenz = 3.54 & 1.3 [1 IV | 4299 | 3174 | 1919 | 1251 |.39.41 | I—IV | 4676 | 3428 | 1993 | 1435 | 41.86 m = = 0.87 m = + 0.84 1918 wurde der Versuch in gleicher Weise wiederholt, nur wurde damit ein zweiter über den Einfluß des Alters der Eizellen verbunden, indem teils ganz junge, teils ganz alte Blüten bestäubt wurden. Außer- dem wurde der obere und untere Teil der Kapseln getrennt geerntet. Tabelle 16 gibt die Resultate, soweit sie hier für uns von Wichtig- keit sind. Die Differenz aller Versuche ist sehr klein, 1.77 Prozent, aber so, daß die Bestäubung der Griffelspitzen etwas mehr Weibchen gab, aus- gefallen; ihr mittlerer Fehler, & 1.33, ist nur wenig kleiner. Auch wenn man die Versuche mit jungen und alten Blüten getrennt be- trachtet, sind nach Bestäubung der Griffelspitzen stets mehr Weibchen N Te nk ee. 5 Mr; n Br % YA 352 Sitzung der phys.-math. Klasse vom 7. April 1921. — Mitt. vom 17. März Tabelle 16. 266, bestäubt mit Kr 5 Griffelspitze Griffelbasis 2 7 Y | 5 2 {= Er & SE Vers. | Sa- |Pflan Sr Proz. | Vers Sa Pflan- | o 2 Proz. Nr. men | zen | d' Nr. men | zen | d | jg. Blüten | 551-560 | 1783 | 1329| 752 | 577 43-42 | 571-580 | 1658 | 11161 | 626| 489 | 43.82 618 43.10 | 581—590 1757| 13061 | 696 | 609 | 46.63 alte | 561-570 | 1821 | 1434 | 816 Blüten | [719-722 | 791 | 382 55 175 | 45.81 | Er | Zusamm. | 3415 | 2422? | 1322 | 1098 | 45.33 mM Z==ET08 Zusammen... .|4395 | 3145 | 1775 | 1370| 43.56 m = = 0.88 Differenz = 1.77 # 1.33. ı Einschließlich ı Zwitter. ? Einschließlich 2 Zwitter. vorhanden. Das Ergebnis: bleibt aber unsicher, wenn auch vielleicht ein gewisser Erfolg vorlag. Ein ganz entschieden negatives Resultat hatte ein Versuch, der ı919 mit dem Weibehen 499D und seinem Bruder, dem Männchen 499H, ausgeführt wurde. Tabelle 17. 2? 499D, bestäubt mit 0’ 499H. Griffelspitze Griffelbasis : » ] } I DR Versuch Pflan- « , Pro- | Versuch Pflan- | | ' Pro- Nr. Samen zen ? © zent j‘ Nr. Saunen zen | Fan we \zent f 53-70 | | 51.27 m = +1.38 m = =z1.87 Differenz = 2.43 & 2.32 1 Darunter 2 Zwitter (0.15 Prozent). Die Differenz von 2.43 Prozent, mit einem mittleren Fehler von + 2.32, ist hier sogar zugunsten der Griffelbasis ausgefallen; ihre Be- stäubung gab mehr Weibchen als die der Griffelspitze, gewiß nur zu- fällig. Das Männchen 499H ist ein Bruder des Männchens 499M, das keine größere Schnelligkeit der Weibehenbestimmer zeigte, wie oben dureh den Unterbrechungsversuch bewiesen wurde. 499H wird sich wie sein Bruder verhalten; die Wegelänge kann dann, wenn die ver- schiedene Zuwachsgeschwindigkeit fehlt, gar keinen Einfluß auf das Geschlechtsverhältnis haben. Vielleicht verhält sich das Männchen 370, das für die Versuche der Tabelle 16 diente, ebenso oder zeigte N SO AS 11 2730 He Lade 232 FRE EB: -Correns: Experimentelle Verschiebung des Geschlechtsverhältnisses 353 nur einen geringen Unterschied in der mittleren Schnelligkeit der beiderlei Pollenkörner. Fr Ob die Bestäubung mit gleichen Pollenmengen an der Griffelspitze oder dem Griffelgrund auf gleich-breiter Zone erfolgt, hat also auf das Geschlechtsverhältnis unter den Nachkommen einen merklichen Einfluß, aber nur bei Verwendung des Pollens gewisser Männchen, offenbar solcher, deren beiderlei Pollensorten sieh in der mittleren Zuwachs- ‘geschwindigkeit ihrer Schläuche unterscheiden. Es bleibt aber fraglich, wieviel davon auf Rechnung der geringeren Möglichkeiten zur Keimung beim Griffelgrund und die dadurch herabgesetzte Konkurrenz zu setzen ist und wieviel auf Rechnung des weit kürzeren Weges von dort bis zu den Samenanlagen. Beide Umstände wirken gleichsinnig auf eine Zunahme der Männchen nach Bestäubung des Griffelgrundes. Der längere Weg von der Griffelspitze aus bedingt einen Vorteil der Weib- chenbestimmer dadurch, daß die Zufalls-» Vorgabe« der männchen- bestimmenden Pollenkörner auf der bestäubten Querzone von den Schläuchen der weibehenbestimmenden Pollenkörner leichter eingeholt werden kann. Sie beträgt etwa 3—4 mm bei einer Länge der ganzen Bahn von durchschnittlich etwa 20 mm. Zusammenfassung der Hauptergebnisse. Frühere Versuche hatten gelehrt, daß bei Melandrium zwischen den männchenbestimmenden und den weibehenbestimmenden Pollen- körnern mindestens zwei physiologische Unterschiede bestehen. Ein- mal befördern die Weibehenbestimmer die Spermakerne im Durch- schnitt-schneller zu den Eizellen, und dann sind sie außerdem, durch eine. nachträgliche Änderung des ursprünglichen Verhältnisses ı:ı, an Zahl etwas im Vorteil. Bewiesen wurde das durch Versuche, bei denen der Wettstreit der beiden Pollensorten durch sehr reichliche Bestäubung möglichst gesteigert und durch sehr spärliche völlig ausgeschlossen war, ferner durch Versuche, bei denen der obere Teil der Kapseln getrennt von dem unteren geerntet und ausgesät worden war. Was jetzt hier über den Abschluß früherer Versuche und neue, in gleicher Weise ausgeführte, mitgeteilt werden konnte, hat das zu- meist bestätigt. Außerdem wurde auf -zwei neuen experimentellen Wegen das gleiche Ergebnis erreicht. Einmal durch das Abschneiden der Griffel so bald nach der Bestäubung, daß nur die schnellsten, zu- erst im Fruchtknoten ankommenden Pollenschläuche die Befruchtung ausführen konnten. Dabei entstanden viel mehr Weibchen als bei den Kontrollversuchen. Dann durch den Vergleich der Bestäubung von Griffelspitzen und Griffelgrund. Im ersteren Fall entstehen etwas mehr Weibchen, weil bei dem weiteren Weg von der Griffelspitze bis in 354 Sitzung der phiys.-math. Klasse vom 7. April 1921. — Mitt. vom 17. März den Fruchtknoten der Vorteil besser ausgeglichen werden kann, den der Zufall den Pollenkörnern. ohne Rücksicht ob Männchenbestimmern oder Weibchenbestimmern, auf dem bestäubten, 2 bis 3 mm breiten Narbenstreifen gibt, oder weil die größere Breite des Narbenstreifens an der Griffelspitze, bei gleicher Länge (der bestäubten Zone, mit der Keimungsmöglichkeit die Chancen der Weibchenbestimmer heraufsetzt. Das gilt aber nicht für jedes Männchen. Es gibt, wie die neuen Ver- suche zeigen, auch einerseits solche Männchen, bei denen kein wesent- licher Unterschied in der durchschnittlichen Schnelligkeit besteht, mit der die männchenbestimmenden und die weibehenbestimmenden Pollen- körner ihre Spermakerne zu den Eizellen befördern. Anderseits kann auch der weitere Vorteil, der ein zahlenmäßiges Überwiegen der Weib- chenbestimmer bei Ausschluß jeden Wettbewerbes bedingt, wegfallen, und es können ebensoviel (vielleicht sogar mehr) Männchenbestimmer als Weibchenbestimmer unter den auskeimenden Pollenkörnern vor- handen sein. j Das beweist zum Beispiel ein Versuch, bei dem die Blüten eines weißblütigen Weibehens zunächst mit sehr wenig rubrum-Pollen un genügend lange danach mit viel album-Pollen bestäubt worden war, um zu zeigen, daß die Samenanlagen im Fruchtknoten nicht streng nach der Reihenfolge von oben nach unten befruchtet werden. (Die Nachkommen der ersten und der zweiten Bestäubung sind an der Blüten- farbe zu unterscheiden.) Beim rubrum-Männchen waren die Weibchen- bestimmer schneller, an Zahl aber nicht stärker als die Männchenbe- stimmer, beim album-Männchen ließ sich umgekehrt kein Unterschied in der Schnelligkeit nachweisen, dafür waren die Weibchenbestimmer an Zahl im Vorteil. In einer folgenden Abhandlung wird unter anderem gezeigt werden, daß sich auch durch Alternlassen des Pollens das Geschlechtsverhältnis weitgehend verschieben läßt. Literaturverzeichnis. Ü. CorRENS, 1917. Ein Fall experimenteller Verschiebung des Geschlechtsverhält- nisses. Diese Berichte, Gesamtsitzung vom 13. Dezember, S. 685 u. f. —., 1918. Fortsetzung der Versuche zur experimentellen Verschiebung des (ie- schlechtsverhältnisses. Diese Berichte, Sitzung vom 5. Dezember, S. 1175 u. f. —, 1920. Eine geglückte Verschiebung des Geschlechtsverhältnisses. Natur und Technik. Jahrg. II, Heft 3, S. 65. —; 71021. Versuche, bei Pflanzen’ das Geschlechtsverhältnis zu verschieben. Hereditas. Bd. II, Heft ı. N. Heriwerr-Nirsson, 1920. Zuwachsgeschwindigkeit der Pollenschläuche und gestörte Mendelzahlen bei Oenothera Lamarckiana. Hereditas, Bd.1. S. 4r. Kenur: Zur Geschichte Wiberts von Ravenna (Clemens ILL). I 355 . Zur Geschichte Wiberts von Ravenna (Clemens III.). ir Von P. Keur. 12 sind nun etwa 25 Jahre, daß ich mit der Sammlung der älteren Papsturkunden begann. Eine lange Zeit. Aber ich habe diesem Unter- nehmen doch nur einen bescheidenen Teil meiner Arbeitszeit widmen können, und während der letzten sechs Jahre ist es infolge des Krieges ganz oder fast ganz zum Stillstand gekommen. So ist es geschehen, daß ich zu der Zeit, da ich und meine Mitarbeiter die materielle Ar- beit des Sammelns beendet zu haben hofften, erst etwa die Hälfte der Aufgabe habe bewältigen können. Das italienische Material ist ganz, das deutsche zum größten Teil, das französische zu einem erheblichen Bruchteil zusammengebracht; aber es stehen noch aus ein Teil von Frankreich, Spanien und Portugal, England, Belgien und Holland. Wer aber wollte, bei der jetzigen Lage, voraussagen, ob und wann eine ebenso gründliche archivalische Durcehforschung dieser Länder wie der andern möglich sein wird? Von den dazu erforderlichen Mitteln ganz zu schweigen. Ich habe schwerlich Aussicht die Vollendung dieser meiner vornehmsten Lebensaufgabe selbst noch zu erleben. . Die eigentliche Ernte, der Lohn für diese langjährigen Mühen, aber ist doch erst zu erwarten, wenn das ganze urkundliche Ma- terial vollständig gesammelt und kritisch gesichtet vorliegt. Ich darf also nicht darüber klagen, daß die Verwertung nicht Schritt gehalten hat mit dem Gewinn an neuem Material. Gewiß haben einige unter den neuen Urkunden, da sie von besonderer Bedeutung‘ waren, die ihnen zukommende Beachtung gefunden, aber ein Versuch, den Gewinn in größerem Umfange und für umfassendere Themata zu verwerten, ist meines Wissens bisher nicht gemacht worden, obwohl nicht nur für die Biographien einzelner Päpste, sondern auch für eine genauere Erforschung gewisser kirchlicher Institutionen bereits Stoff genug vor- liegt. So will ich nun einmal selbst den Versuch machen, für einen kleinen Ausschnitt das neugewonnene Material zurechtzulegen und in unser älteres Wissen einzureihen. 7 k b, « R et li tea 396 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse vom 7. April 1921 Ich wähle dazu Wibert von Ravenna, den kaiserlichen Papst Clemens Ill., den Gegenpapst Gregors VU., Vietors III, Urbans II. und Paschals II. Ihm hat einst ein junger Gelehrter, der später uns nahe- gestanden hat, Orro Könscke, eine vortreffliche, von seinem Lehrer H. Breßlau angeregte Monographie (Leipzig 1388) gewidmet. Diese Arbeit zeichnet sich aus durch gründliche Heranziehung des urkund- lichen Materials. durch besonnene Kritik und als ein Versuch, die Obödienz dieses Gegenpäpstes so genau wie möglich festzustellen. Wenn wir nun alle von Köhncke benutzten und in der zweiten Auflage der Jaffe-Löwenfeldschen Regesten verzeichneten Urkunden und Briefe Clemens’ III. zusammenzählen — wobei aber die von ihm als Erzbischof von Ravenna ausgestellten Dokumente nicht einbegriffen sind —, so ergeben sich 15 echte und vollständige Urkunden und Briefe und 5 Notizen über Deperdita. Dazu kommen nun jetzt 8 neue Dokamente, also ein Drittel mehr. Und das ist etwa das Ver- hältnis, das zwischen dem Bestande der Jaffe-Löwenfeldschen Regesten und unserm bisherigen Arbeitsgewinn auch sonst besteht. Indessen die Zahl, mag sie auch noch so beträchtlich sein, tut’s allein nicht. Die Hauptsache bleibt der geschichtliche Wert der Dokumente. An der Geschichte Wiberts von Ravenna will ich zu zeigen versuchen, ob unsere Arbeit sich gelohnt hat. Aber ich will hier nieht die ganze Geschichte Wiberts revidieren; ich möchte mich jetzt nur auf ein einziges Kapitel daraus beschränken, auf seine Obödienz. Von seiner Stellung in Rom selbst will ich ein andermal handeln. Wiberts Obödienz erstreckte sich zunächst so weit, als seines Gönners, des Kaisers Heinrichs IV. Macht reichte, also auf jene Ge- biete Deutschlands und Italiens, die diesem gehorchten. Hat Wibert nun darüber hinaus seine päpstliche Autorität zur Geltung zu bringen vermocht? Hat er auch außerhalb des Reiches Heinrichs IV. Anerkennung gefunden? Könscke verneint diese Frage. »Um es gleich vorweg zu sagen,« so erklärt er S. 119, »zu keinem andern Lande Europas hat Wibert irgend nennenswerte Beziehungen unterhalten'.« Die neuen Funde, über die ich nun berichte, stoßen diese Behauptung um. Ich beginne mit England. Auf Grund der chronikalischen Notizen aus England und eines nachher noch ausführlicher zu besprechenden Briefes des großen Erz- ! Ähnlich auch Meyer von Knonauv. Jahrbücher Heinrichs IV. und Heinrichs V. Bd. V S.109. Keur: Zur Geschichte Wiberts von Ravenna (Clemens Ill.). I Er bischofs Lanfrank von Canterbury an den Wibertiner Hugo hat man auf eine gewisse Neutralität Englands im Schisma geschlossen'. Nun aber können wir die Linien der englischen Politik im Verhältnis zu Rom in den letzten Jahren des Eroberers und in .den ersten Jahren seines Nachfolgers Wilhelms II. genauer ziehen. Es sind drei Briefe Wiberts an den Erzbischof Lanfrank, die uns das ermöglichen. Ferıx Liegermann hat sie in einer Handschrift in Cambridge entdeckt und in der English Historical Review vom April 1901 veröffentlicht”. Er hat bereits darauf hingewiesen, wie Lanfrank, der einst zu Gregor VI. in den besten Beziehungen gestanden hatte, allmählich in ein immer kühleres Verhältnis zu Rom gekommen ist. Seine Korrespondenz mit Rom wird seltener und Gregors VII. Ton immer gereizter. Im Früh- Jahr 1079 ersuchte der Papst den englischen Primas dringend, end- lich die längst schuldige Romreise ad limina apostolorum auszufüh- ren; Gregor VII. spricht bereits von neglegentiae eius excessus und sogar von einem novus arrogantiae. tumor; aber sein Drängen bleibt ohne allen Erfolg”. Drei Jahre später — unterdessen ist das Wiber- tinische Schisma zum Ausbruch gekommen — erneuerte Gregor VII. seine Aufforderung, dieses Mal, wie man begreift, in einem äußerst gereizten und drohenden Tone, binnen vier Monaten in Rom zu erscheinen, unter Androhung der Suspension‘. Aber Lanfrank er- schien nicht, und Gregor VII. hat wohl oder übel den Ungehorsam, den er mit dem scelus idolatriae gleichsetzt, hinnehmen müssen; die Korrespondenz blieb abgebrochen’. Aus dieser Spannung heraus er- folgte von englischer Seite eine Art von Neutralitätserklärung, der Lanfrank in dem bereits erwähnten Brief an einen gewissen Hugo, wahrscheinlich den Wibertinischen Kardinal gleichen Namens, Aus- druck gab‘. Dieser Hugo hatte sich, offenbar gleich nach Wiberts Inthronisation, also 1084, an Lanfrank gewandt und ihm unter den üblichen Invektiven gegen Gregor VII. vorgestellt, daß Wibert, wie der Erfolg lehre, der rechtmäßige Papst sei, und ihm angekündigt, daß er nach England kommen wolle, um des Gegenpapstes Sache dort zu vertreten. Die Antwort Lanfranks ist überaus charakteristisch für die ! GiESEBREcHT III 222 ff.; Könncke S. ı2ı; H. Bönsmer, Kirche und Staat in England und in der Normandie im XI. und XII. Jahrhundert (Leipzig 1899) S. 140 fl. u. 150ff. °F. Lıeserwans, Lanfrane and the antipope. Notes and documents. Reg. VI ep. 30 JL. 5121. Zu Lanfranks Antwort (Opp. p. 304) vgl. H. Lances, (iesch. der röm. Kirche IV S. 93. * Reg. VIII ep. 43 (resp. IX ep. 20) JL. 5228. ° Der letzte Brief nach England ist vom 6. Januar 1083, JL. 5256, wo Gregor VII. einer Intervention des Königs Wilhelm und des Erzbischofs Lanfrank zedenkt. ° Lanfranei Epp. 59. 358 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse vom 7. April 1921 damalige Lage. »Ich billige nicht«, schreibt der Erzbischof von Canter- bury, »daß Du den Papst Gregor tadelst, daß Du ihn Hildebrand nennst, daß Du seine Legaten als spitzfindig bezeichnest, daß Du Cle- mens mit solehen Lobsprüchen erhebst. Denn es steht geschrieben, der Mensch sei während seines Lebens nicht zu loben und seinen Nächsten dürfe man nicht verleumden. Der Menschheit ist noch un- bekannt, wie man jetzt ist und wie man sein wird vor den Augen Gottes. Ich glaube jedoch, daß der Kaiser (nämlich Heinrich IV.) nicht ohne gewichtigen Grund eine so bedeutende Sache gewagt hat, und nieht ohne bedeutende Hilfe Gottes einen solchen Sieg zustande bringen konnte. Ich lobe es nicht, daß Du nach England kommst, bevor Du vom Könige von, England die-Erlaubnis dazu erhalten hast. Denn unsere Insel hat Gregor noch nicht verworfen und hat noch nicht entschieden, ob Clemens zu gehorchen sei. Erst wenn man die Gründe von beiden Seiten gehört hat, wird man klarer entscheiden können, was zu geschehen hat. « Das war alles, was wir bisher wußten. Jetzt geben uns die drei neuen Briefe Wiberts an Lanfrank eine erwünschte Ergänzung. Wie . ist doch der darin angeschlagene Ton von dem in den Briefen Gre- gors VII. verschieden! Lanfrank sei, so schreibt Clemens in dem ersten Briefe, proximus Deo moribus et seientia. Er versichert ihn seiner größten Bewunderung. Er fordert nicht, wie Gregor, Lanfranks Kom- men; er bittet darum, inständigst und voll schmeichlerischer Verehrung. »Komm und hilf Deiner Mutter, der Kirche. Sieh nieht unsere Sünden an, wir verdienen ja viel mehr den Untergang als den Apostelsitz.« In diesem Tone geht es weiter. Auf irgendeinen bestimmten Vorgang nimmt der Brief nicht Bezug, und man darf daraus wohl schließen, daß er die erste Begrüßung des neuen Papstes darstellt, also wohl bald nach Wiberts Inthronisation geschrieben ist, etwa 1084 oder 1085. Der zweite Brief, in dem Wibert seine dringende Einladung nach Rom zu kommen, wiederholt, klingt noch intimer und vertraulicher; er schreibt nicht als Papst an den Erzbischof, sondern als Confrater und natürlich wieder in den schmeichelhaftesten Ausdrücken; er hofft auf Lanfrank als auf ein fundamentum spei ad utilitatem fidei christianae und sieht in ihm einen /apidem tam vivum ac tot modis expolitum; er preist ihn als den maximus futurus cooperator ad honorem ecclesiae s. Petri. Zu der wiederholten Einladung ad limina apostolorum tritt hier noch ein zweites Gesuch; Wibert ermahnt Lanfrank, daß er mit König Wilhelm de honore s. Petri et debita reverentia ac de pecunia regni sui verhandeln möge, d.h. er dringt bereits auf seine offizielle Anerkennung als recht- mäßiger Papst und auf Zahlung des Peterspfennigs. Weder das eine noch das andere wäre möglich ohne ein gewisses Eingehen Lanfranks ar irn a 220 207 - RT ee Kenur: Zur Geschichte Wiberts von ae (Clemens III.). I 359 auf Wiberts Annäherungsversuche. Wir kennen allerdings nichtLanfranks Antworten. Aber wenn Wiberts Brief nicht als ein bloßes ostensibles diplomatisches Manöver angesehen werden soll, so kann er kaum anders verstanden werden, als daß wenigstens inoffizielle Beziehungen, die aber von offizieller Anerkennung nicht allzu weit mehr entfernt waren, zwischen der englischen Kirche und dem Gegenpapst bestanden haben. Dieser Brief wird einige Zeit nach dem ersten geschrieben sein, also etwa 1085 oder 1086; eine bestimmtere Einreihung ist leider unmöglich. Der dritte Brief‘ ist noch vertraulicher, dringender und schmeich- lerischer. Auch die Titel und Anreden steigern sich. Der erste Brief ist adressiert Lanfranco Cantuariensi archiepiscopo. Der zweite Lanfranco Cantuariensi archiepiscopo sicut karissimo confratri. Der dritte Lanfraneo Cantuariensi archiepiscopo, confratri in Christo karissimo, viro in ommi doetrina eruditissimo. Clemens feiert den Primas von England hier als den großen Gelehrten, den Erneuerer des Triviums und Quadriviums, als den illuminator Latinorum, als den magister et doctor sollertissimus Novi ac Veteris Testamenti und steigert schließlich seine Huldigung bis zur Bezeichnung Lanfranks als stella splendidissima KEuropae und als die festeste Säule der Kirche. Aber nun möge er auch endlich kommen. Ad quid enim columna, nisi ut omus sufferat? (Quomodo stabit domus, si columnae subterfugerint? Also komme doch, Bruder, komm und hilf Deiner Deine kindliche Hilfe erbittenden Mutter! Dann folgt auch hier eine Einzelheit, die beweist, daß die Beziehungen zwischen Glemens und England über die frühere strikte Neutralität hinausgegangen sind. Wibert ersucht nämlich den Erzbischof, bei König Wilhelm II. vorstellig zu werden, daß dem Marienkloster in Wilton ein Land, das es zur Zeit König Wilhelms I. des Eroberers verloren, zurückgegeben werde. Er erinnert ihn endlich an die von Lanfranks Vorgängern geleistete Oblatio und spricht seine Verwunderung darüber aus, daß sie bisher noch nicht gesandt sei. Gerade aus diesen letzten Sätzen ergeben sich Folgerungen, die über die zuletzt festgestellte Linie hinausführen. Wenn Wibert sich des Klosters von Wilton annimmt, so kann das nur geschehen sein auf Grund eines Berichtes oder einer Supplik aus England. Daß ein ein- zelnes englisches Kloster sich direkt an den Gegenpapst oder an den nicht anerkannten Papst gewandt habe, sozusagen außerhalb des amt- lichen Verkehrs, ist nieht wahrscheinlich, weil zwecklos; denn wie hätte ein englisches Kloster auf den Erfolg einer Fürbitte Wiberts beim eng- lischen Hofe rechnen können, wenn er nicht als der legitime Papst am Hofe und bei der Hierarchie von England gegolten hätte? Ihn anzu- gehen hatte doch nur dann Sinn, wenn diese Voraussetzung zutraf. Es folgt eben hieraus, wenn nicht mit Notwendigkeit, so doch mit höchster 360 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse vom 7. April 1921 Wahrscheinlichkeit, daß Wibert, als er diesen dritten Brief absandte, von der englischen Regierung, wenn nicht formell, so doch tatsächlich als der echte Papst anerkannt worden ist. Mag es sich immerhin bloß um eine Episode gehandelt haben. Auch daß Wibert auf die Oblation von Canterbury Anspruch erhebt, beweist, daß er Anlaß hatte, auf Erfüllung seines Gesuches rechnen zu dürfen; auch dies war doch nur möglich, wenn die Beziehungen zwischen dem kaiserlichen Papst und der englischen Kirche sich so gestaltet hatten, daß dazu Aussicht war. Wenn das richtig ist, so können wir wohl zu versuchen wagen, den -Zeitpunkt zu ermitteln, wann diese Voraussetzungen zutrafen. Wibert ist 1084 inthronisiert worden. 1085 starb Gregor VII., vor dessen Tode eine entschiedene Abwendung der englischen Kirche von Rom nicht wahrscheinlich ist. Eben damals hatte Clemens III. am meisten Aus- sicht auf allgemeine Anerkennung. Denn erst 1086 kam die Wahl des Abtes Desiderius von Monte Cassino als Vietor III. zustande, und erst 1087 erlangte dieser in Rom die Tiara. In demselben Jahre starb auch der Eroberer. Eben in diese Zeit, denke ich, fallen jene Verhandlungen Clemens’ III. mit Lanfrank. Denn mit der Erhebung Urbans U. im Früh- jahr 1088 änderte sich doch bald die Lage trotz Wiberts lokalem Er- folge in Rom. Bis dahin ist keinerlei Verbindung Englands mit der gregorianischen Partei nachweisbar. Wohl aber empfing Lanfrank jetzt einen vom 10. April 1088 aus Terracina datierten Brief Urbans II. (JL. 5351), in dem ihm der neue Papst seine Erhebung anzeigt, um seine Unterstützung bittet und die Sendung eines Legaten nach England an- kündigt!. Daß Urban I. schon damals Lanfranks und der englischen Kirche Anerkennung erlangt habe, ist damit freilich noch nicht gesagt, und Lanfrank starb schon im Mai 1089. Und so kommen wir mit Notwendigkeit auf die Jahre 1086 bis 1088, in denen Wibert wahr- scheinlich in England als der rechtmäßige Papst angesehen worden ist. Die Obödienz Englands war freilich nur eine bedingte und ist gewiß auch nur eine ganz vorübergehende gewesen. Ganz ähnlich ist es mit Ungarn gewesen. Auch Ungarns Stellung im großen Schisma des XI. Jahrhunderts ist erst jüngst durch einen wichtigen Fund klarer geworden. Es handelt sich um einen Brief des Königs Ladislaus I. von Ungarn an den Abt Oderisius von Monte Cassino, den Nachfolger des Abtes Desiderius (Vietor II.), welehen Lucas JeuıC jüngst im Archiv von Monte Cassino aufgefunden hat. Er ist in erster Linie von größter Bedeutung für die Anfänge der Soojährigen staatsrechtlichen Verbindung von Ungarn und Kroatien und deshalb von den kroatischen und ungarischen For- \ ! Vol. Meyer von Knonauv. Jahrb. Heinrichs IV. und V. Bd. IV S. 197. 361 e u acer Aufmerksamkeit. behandelt worden (hauptsäch- lieh von Krarc im Vjesnik III (1901) und von W. Fräxxoı in einer ı901 erschienenen Schrift, ferner von F. v. SıSsıc in seinem Enchiri- dion fontium historiae Croatiae S. 293ff. und in der Geschichte der Kroaten I S. 336ff.'. Der Brief gehört in die Zeit, da Ladislaus kraft seines Erbrechtes nach dem Erlöschen der alten kroatischen Dynastie das Königreich in Besitz zu nehmen versuchte und auch den südlich der Drau sich erstreckenden Teil, das spätere Slavonien, sich unterwarf, wie Sısıc annimmt, um die Mitte des Jahres 1091. Er rief damals die Vermittlung des Abtes Oderisius, der auch Kardinaldiakon der römischen Kirche war, bei Urban II. an, welcher’ kraft der 1076 von König Demetrius Zwonimir von Kroatien und Dalmatien dem hl. Petrus und Papst Gregor VII. geleisteten Huldigung der Lehnsherr des Königreichs war, an den er auch eine feierliche Gesandtschaft sandte mit der Bitte, der Papst möge ihm einen eigenen Legaten abordnen — wie SıSıö meint, zur Krönung und Belehnung mit dem kroatischen Königreich. Wir kennen nieht die Antwort und wissen auch nichts Bestimmtes über die Haltung der römischen Kurie”, aber die Vermutung erscheint nicht unbegründet, daß Urban Il., durch seine große Politik behindert, dem Ungarnkönig die erbetene Zustimmung und Anerkennung versagt und ihn dadurch ins Lager des Gegenpapstes getrieben habe. Daß Ladislaus bald darauf als Parteigänger Heinrichs IV. und damit auch Wiberts nachweisbar ist, bestärkt diese Hypothese. Denn wir wissen aus Bernold, daß Heinrich IV. und Ladislaus auf Weihnachten 1092 eine Zusammenkunft verabredet hatten, die der ältere Welf frei- lich zu verhindern wußte”. Überdies ist aus einem späteren.Briefe, den. Heinrich IV. an den Herzog Almus, den Neffen des verstorbenen Königs Ladislaus, im Jahre 1096 gerichtet hat, bekannt, daß Heinrich IV. ein Bündnis mit Ladislaus eingegangen war’. Aus alledem kann mit Sicher- heit angenommen werden, daß Ungarn von 1092 bis 1095, dem Todes- jahre Ladislaus’ I., zur Obödienz Wiberts gehört habe. Das bezeugt auch Urban II. selbst, der den Nachfolger des Ladislaus, König Ko- loman I., der dann der erste ungarische König von Kroatien und Dal- matien geworden ist, in einem vom 27. Juli 1096 datierten Briefe ! In der deutschen Wissenschaft ist meines Wissens dieser wichtige Brief nicht beachtet worden. ? 2 Im Herbst 1091 treffen wir in Ungarn den Kardinallegaten Teuzo (Sısıc I 341 Anm. 2), aber der ist wohl nicht der von Ladislaus erbetene Legat. ’ Vgl. Meyer vos Knonau, Jahrbücher des Deutschen Reiches unter Heinrich IV. und Heinrich V. Bd. IV S. 380. ' Udalriei Babenbergen. cod. epist.-ep. 88 (Jafte Bibl. V 173): ei fedus, quod cum patruo tuo inivimus, ab hac die inantea volumaks tibi illibatum servare omni tempore vitae nostrae. Vgl. Meyer von Knonauv, a.a.0.1V S.475ft. Sitzungsberichte 1921. 34 En ER RER 362 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse vom 7. April 1921 mit den dringendsten Bitten und Vorstellungen auf seine Seite zu ziehen sich bemüht, nicht ohne bewegliche Klage über den Abfall der frommen Ungarn unter der vorigen Regierung, und die Sendung eines päpstlichen Legaten, des Abtes Odilo von Saint-Gilles ankündigt!. Ist das richtig, dann ist auch Sısıcs Vermutung wohlbegründet, daß die Errichtung des Bistums Agram (Zagreb) durch König Ladislaus 1.. die wahrscheinlich ins Jahr 1094 gehört, von Wibert bestätigt worden ist”. Der Übergang Ungarns aus der Obödienz Urbans II. in die Wi- berts hängt vielleicht auch mit der Haltung zusammen, die die an- stoßenden Königreiche Kroatien und Serbien in dem großen Schisma einnahmen. Darüber war freilich bisher überhaupt niehts bekannt. Da habe ich nun bei meinen Forschungen im Vatikanischen Archiv unter den Papieren des aus den Tridentiner Konzilsverhandlungen be- kannten Aneero Massarerıı, desselben, der zusammen mit ÖNoFRIO Pınvınıo jene großen Sammlungen zur älteren Papst- und Kardinals- geschichte angelegt hat, die teils in der Bibliothek von San Severino in den Marken, teils im Vatikanischen Archiv verwahrt werden und neben Auszügen und Notizen von überall her auch vollständige Ab- schriften enthalten’, die Kopie eines Privilegs des Gegenpapstes Wi- bert für den Erzbischof Petrus von Dioclea vom 8. Januar 1089 ge- funden‘, das mit einem Male die Stellung Jugoslawiens in dem großen Konflikt zwischen Kaisertum und Papsttum, zwischen Gregor VI. und Urban II. auf der einen, Wibert auf der anderen Seite, aufhellt und uns in jenes alte Kampfgebiet führt, in dem bis tief ins Mittelalter hinein die verschiedensten Völkerschaften miteinander um die Vor- herrschaft gestritten haben, die Lateiner, die seit der Römerzeit sich in den dalmatinischen Küstenstädten erhielten, die Oströmer, die über diese Seestädte noch lange eine, wenn auch oft nur nominelle Ober- hoheit in Anspruch nahmen und die im Süden, in Epirus und in dem späteren Albanien sich behaupteten, endlich die Slawen, von denen der eine große Stamm, die Kroaten, in der alten Pannonia ! JL. 5662. Vgl. Meyer von Knonau, a.a. O. IV 476ff. Die Hauptstelle lautet: Jam diu enim Ungarorum populi errorum devia secuti et derelictis salutis suae pastoribus, alienorum gregum vestigiis adhaeserunt .... inter has diabolicae persecutionis procellas iam ‚diu vegnum tuum ab apostolicae sedis oboedientia descivit ‘et erroris huius principibus ad- ministratis deditum per latioris vitae devia secutum est. 2 SıSıc, Geschichte der Kroaten, Bd. I S. 345 ff. Vgl. Nachrichten der K. Gesellschaft der Wissenschaft zu Göttingen. Phil.- hist. Klasse 18938 S. 505f. und 1901 8. ıf. i * Herausgegeben ebenda 1900 S. 148 n.7. Von dieser Urkunde haben sowohl JıirEcEr, Geschichte der Serben I (1911) S. 217 wie SıSıc, Geschichte der Kroaten 1 (1917) S. 327 Gebrauch gemacht. Über die speziellen Untersuchungen von Markovic, Surrsey, Morız Faser über Antivari gelle ich hier noch nicht ein; ich behalte mir das für die diplomatische Kritik der Papsturkunden von Ragusa und Antivari vor. ; Keur: Zur Geschichte Wiberts von Ravenna (Clemens IIL.). I 363 Savia und in Dalmatien ein eigenes Reich errichteten, während der andere große Stamm, die Serben, bis in das südliche Dalmatien (Dal- matia superior) und die Praevalis — das spätere Montenegro und das nördliche Albanien — vordrangen und dort ein Reich gründeten; von Ungarn, Normannen und Venetianern ganz abgesehen. x Um die Mitte des ıı. Jahrhunderts herrschte in Kroatien König Petrus Kresimir (1058—74), unter dem die Beziehungen zur römi- schen Kurie sehr lebhafte waren; Nuntien kamen und gingen, und das lateinische Kirchenwesen setzte sich überall durch. Aber nach seinem Tode brachen Wirren aus; der Gegensatz der Kroaten zu den Lateinern und zum lateinischen Kirchenwesen führte zu einer Reak- tion; schließlich aber kam noch einmal ein Angehöriger der alten Dy- nastie Tripimirs zur Regierung, Demetrius Zwonimir, der sich noch mehr als seine Vorgänger an die Lateiner und an Rom anschloß. Gregor VII. hat damals einen seiner größten Triumphe erlebt, indem er es erreichte, daß Zwonimir sich ihm ganz in die Hände gab, sich in Gegenwart der römischen Legaten, des Abtes Gebizo von SS. Boni- fazio ed Alessio auf dem Aventin und des Bischofs Foleuin von Fossom- brone, zum König wählen und krönen ließ und sich dann als Mann Gregors VII. und des hl. Petrus bekannte. Die merkwürdige Urkunde vom Oktober 1076, in der Demetrius qui el Suinimir Dei gratia Chro- atiae Dalmatiaeque dux, nachdem er mit Fahne, Schwert, Zepter und Krone als-König investiert war, dem Papste den Lehnseid leistete und einen Jahreszins von 200 Byzantiern zu entrichten gelobte, steht bei Deusdedit, Albinus und Ceneius (ed. FABRE-DucHzsne, Le Liber eensuum de l'eglise Romaine I 356 n. LXXII) und ist eines der wichtigsten Dokumente aus der Zeit Gregors VII. und für seine bekannten Macht- bestrebungen vielleicht das vollkommenste Beispiel: was soll man also dazu sagen, daß die deutschen Geschichtschreiber der Päpste und die Biographen Gregors VII. diese Urkunde übersehen und infolge davon sie zu würdigen unterlassen haben'? Der kroatische König Demetrius von des Papstes Gnaden blieb, im engsten Einvernehmen mit dem Metropoliten seines Reiches, dem Erzbischof Laurentius von- Salona-Spalato, seinem römischen Lehns- herrn bis zum Tode (1089) getreu. Aber nach seinem gewaltsamen Ende ! Langen, Geschichte der römischen Kirche IV 95 spricht auch von Dalmatien, aber jene berühmte Urkunde kennt er nicht. Marress, Gregor VII. Bd. II S. 67 ff. be- handelt systematisch Gregors VII. Verhältnis zu den einzelnen Ländern; S. 98 erwähnt er Dalmatien, ohne die leiseste Kenntnis der Urkunde des Königs Demetrius. Hauck, Kirchengeschiehte Deutschlands III 767 geht alle Länder, auf die Gregor VII. An- spruch machte, durch, Süditalien, Sachsen, Spanien, Ungarn, Rußland, Dänemark; sonderbarerweise hat auch Hauck nicht gewußt, daß Gregor VII. gerade in Kroatien und Dalmatien diese Ansprüche auf das vollständigste duıchgesetzt hat. 34* und Petrus or aa zu Rom standent darü vi len uns ae Nachrichten. Sie bedeuteten auch nicht viel. Schon bereitet sich der Übergang der Herrschaft an die ungarischen Könige vor; bereits im Jahre 1091 versuchte Ladislaus I. von Ungarn, wie wir sahen, sich des Königreiches zu bemächtigen. Das damals der Anarchie preisge- gebene Land konnte für das legitime Papsttum eine Stütze nicht sein. Die vorwaltende Macht ging in jenen Jahrzehnten, bis die ungarische „Herrschaft in Kroatien unter König Koloman sich konsolidierte, an . das benachbarte serbische Reich über, das sich um die Mitte des ıı. Jahrhunderts aus kleinen Teilfürstentümern unter dem König Stefan Voijslav bildete, der in glücklichen Kämpfen mit den Oströmern sich behauptete und seine Macht auszudehnen wußte. Unter seinem Sohne, König Michael (1050 — 1082), umfaßte dieses regnum Serbliae oder reynum ‚Sclavorum den südwestlichen Teil des späteren eigentlichen Serbiens, das Land Rasa (um Novibazar), ferner jene Teilfürstentümer, in den Urkunden auch regna genannt, nämlich Zachulmie oder Chulm, die spätere Herzegowina, die Landschaft 'Tribunia (Trebinje), die einiger- maßen dem späteren Montenegro entspricht, und das Reich von Dio- clea oder Zeta mit der Stadt Skutari (Skadar) und den Küstenstädten Cattaro (Kotor) und Antivari (Bar). Dieses Michael Sohn war Kon- stantin Bodin, ein Fürst von einer wahrhaft abenteuerlichen Laufbahn, 1073 von den aufständischen Bulgaren zum Kaiser gewählt; aber von den Oströmern geschlagen und gefangen, zuerst in Konstantinopel, dann in Antiochien interniert, von wo er glücklich in die Heimat entkam. Von seinem Vater zum Mitregenten angenommen — Anna Komnena nennt beide nebeneinander »Exarchen der Dalmater« —, folgte er ihm im Jahre 1082 als König der Serben. Unter diesem kräftigen Herrscher nahm das junge Königreich einen großen Aufschwung und begann sich als Staat zu konsolidieren'. Die Herrlichkeit dauerte frei- lich nicht lange; noch zu des Bodinus Zeiten, der in neuen Kämpfen mit den Oströmern ein zweites Mal in Gefangenschaft geriet, und vollends unter seinen Nachfolgern verfiel das Reich, ein Opfer der er- bitterten Familienfehden, und. der politische Schwerpunkt verschob sich von diesen Küstengebieten in das innere Altserbien, wo unter der Herrschaft der Großzupane, den Vorläufern des berühmten Stephan Nemanja, der gegen den Ausgang (des ı2. Jahrhunderts auch die ser- ! Über Konstantin Bodin haben .mehrere russische Autoren gehandelt (Arkxeı Prrrov, V. G. VasıLyevseıs, ©. Gror), ferner der kroatische Historiker F. Rackı in Rad (Bd. 24—31). Kenr: Zur Geschichte Wiberts von Ravenna (Clemens II.). IT 365 bischen Küstengebiete sich unterwarf — sein Bruder Miroslaw spielte als Fürst von Zachulmie in der Geschichte eine Rolle —, ein neues und größeres Staatsgebilde entstand. i Für diese ebenso schnell sich bildenden wie zerfallenden Staaten war es von größter Bedeutung, daß sie durch eine entsprechende kirch- liche Organisation einen festeren Halt erhielten; diese Klammer war stärker als die vorübergehende Macht eines kriegerischen Fürsten. Das kroatisch-dalmatinische Königreich besaß in der erzbischöflichen Kirche von Spalato, an der die Titel und Privilegien des alten Sa- lona, der Metropole von Dalmatien, hafteten, ein solches Zentrum, wäh- rend das junge Serbien eine Metropole völlig entbehrte. Die bischöf- lichen Kirchen des Landes, ursprünglich unter Salona, dann unter Justiniana prima, schließlich unter die Autorität des griechischen Me- tropoliten von Dyrrachium gestellt, bildeten keine Einheit, ohne die ein Staat damals nicht bestehen konnte. Man kann vielleicht sogar .sagen, daß die wesentlichste Voraussetzung für die staatliche Souve- ränität die Herstellung einer kirchlichen Einheit unter einem eigenen Metropoliten war, der nicht von einer anderen Macht abhängig war, also hier weder von dem kroatisch-dalmatinischen Metropoliten in Spa- lato noch von dem griechischen Metropoliten in Durazzo. Später haben sich zwei Metropolen um den Vorrang in diesem serbischen Küstenreich gestritten, Ragusa als die Nachfolgerin des alten Epidaurus und Antivart als die Nachfolgerin des alten Dioclea. Aber ich denke, im ı 1. Jahrhundert konnte nur Antivari-Dioclea als Metropole in Betracht kommen. Denn Ragusas Zugehörigheit zu dem Reich der Serben war dort immer problematisch. Die Herrscher aus der Dynastie des Stephan Voijslav residierten, soviel wir wissen, in Skutari oder in Antivari oder bei Oattaro, und dort waren auch ihre Grabstätten!. Dies Reich, auch regnum Dioclese genannt, hatte seinen natürlichen Mittelpunkt in Antivari-Dioelea. Ich lasse, da die Glaubwürdigkeit der ältesten Papsturkunde für Antivari, Alexanders II. Privileg vom ı8. März 1067 JL. 4628 nicht gesichert ist — ich behalte mir eine Untersuchung aller dieser Ur- kunden noch vor —, es dahingestellt, ob König Michael bereits von Alexander II. das Metropolitanrecht für Antivari erlangt hat’. Gewiß ! Vgl. JırEecer, Geschichte der Serben I 212. * Die bekannte Erzählung des Archidiakons Thomas von Spalato über den Schift- bruch der nach Spalato zur Synode fahrenden Bischöfe und über die infolge davon erbetene und bewilligte Erhebung Antivaris zum Erzbistum hätte E. Caspar in Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken VI (1904) S. 247 nicht als glaubwürdig bezeichnen und verwerten sollen. 366 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse vom 7. April 1921 — ‘aber ist, daß er dies von Alexanders Nachfolger Gregor VII. zu er- reichen versucht hat. Wir besitzen einen Brief Gregors VII. vom 9. Januar 1078 JL. 5061 (Reg. V ep. ı2) an Michael Sclavorum rex, den er einen karissimum-b. Petri filiam nennt, worin er zunächst die Streitig- keiten zwischen dem Erzbischof Laurentius von Spalato mit dem Bischof von Ragusa erwähnt, offenbar über dessen Anspruch auf Unabhängig- keit von Spalato, und worin er weiterhin ihm die Erfüllung seiner Wünsche in Aussicht stellt, einmal die Gewährung des vexilhım für den König selbst und des Palliums für den zukünftigen Metropoliten seines Reiches. Ich meine, daß über den Sinn dieses Briefes doch ernstlich kein Zweifel bestehen kann'!. Der König hatte das vexillum, d.h. die Fahne S. Peters erbeten; was kann das anders bedeuten, als daß er nach dem Beispiel des Kroatenkönigs Demetrius dem Papste die Oberlehnsherrlichkeit über sein Reich anbietet, wofür er freilich gleichzeitig die Errichtung einer eigenen Kirchenprovinz in seinem Reiche, d.h. eine dem Umfange seines regnum entsprechende hierar- chische Organisation fordert. Über den Ausgang dieser Verhandlungen erfahren wir aus Gregors VU. Briefbuch, das auch hier unsere einzige Quelle. ist, nichts. Aber wir dürfen mit großer Sicherheit annehmen, daß nichts daraus geworden ist. Gründe der hohen Politik mußten Gregor VII. abhalten, dem Verlangen des Königs Michael zu willfahren. Was er diesem gewährte, nahm er seinem andern Lehnsmann, dem kroatischen-dalmatinischen König; erhob er den Bischof Petrus von Antivari-Dioclea zum Metropoliten, so verletzte er auf das empfind- lichste die Rechte des Erzbischofs Laurentius von Spalato-Salona, eines Kirchenfürsten von großer Autorität. Rücksichten auf Ostrom, viel- leicht auch auf die Normannen, mögen hinzugekommen sein. Was lag da näher als daß der Nachfolger Michaels, König Kon- stantin Bodin, seine Absichten bei Gregors VII. und seiner Nachfolger Widerpart, Clemens III., zu erreichen suchte? Hier fand er das ge- wünschte Entgegenkommen. Beweis dafür ist jene von mir aufgefundene Urkunde Wiberts für den Erzbischof Petrus von Dioclea vom 8. Januar ! Es wird gewöhnlich angenommen, daß der in diesem Briefe genannte Bischof Petrus von Antivari identisch sei mit dem Bischof von Ragusa, also daß damals Antivari und Ragusa in einer Hand gewesen seien (Gregor VI. schreibt: quapropter Petrum Antibarensem episcopum atjue Ragusanum. sive alios idoneos nuntios ad nos mittere oportet, per quos de lite, quae est inter Spaletanum archiepiscopum ac Ragusensem, iustitia possüt inguiri ac canonice diffiniri tuique regni honor a nobis cogmosci). P. Farre im Liber censuum I 142 Anm. redet hier ganz bestimmt von einer Union von Ragusa und Antivari, und E. Casrar in Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken VI (1904) S. 247 gibt ihm Recht. Ich stimme dagegen SıSıc, Geschichte der Kroaten I S. 297 unbedingt zu. Krar: Zur Geschichte Wiberts von Ravenna (Clemens II.). I 367 1089. Dioclea, das ist Antivari, auf das die angeblichen alten Titel von Dioclea übergegangen waren, wie die von Salona auf Spalato und die von Epidaurus auf Ragusa. In diesem Privileg bestätigt Wibert auf Fürbitte des Bodinus rex Sclavorum gloriosissimus dem Erzbischof seinen Rang als Metropolit, das Pallium und das Konsekrationsrecht seiner Suffragane, unterwirft ihm als solche die Bistümer von Dioclea, Antivari, Cattaro, Duleigno, Sfacia, Skutari, Drivast, Pulati, die von Serbien, Bosnien und Trebinje, und verleiht ihm als besondere Aus- zeichnung das Metropolitankreuz per omne regnum Diocleae. An der Echt- heit ist nicht zu zweifeln; Massarelli nahm seine Abschrift aus dem Original, welches er so beschreibt, daß wir uns dafür verbürgen können. Die Urkunde ist ausgestellt in der Peterskirche zu Rom durch den Subdiakon Servusdei, in Gegenwart des Archidiakons vom Lateran, des Kardinalbischofs von S. Rufina und der Kardinäle Anastasius und Warinus, die wir auch sonst als eifrige Anhänger des Gegenpapstes kennen. Hier aber müßte nun die umständliche Untersuchung des Diplo- matikers einsetzen, dessen Aufgabe ich jetzt nur skizzieren kann, deren Lösung ich mir für später vorbehalte. Wir stoßen hier auf ein bis- her kaum ernstlich berührtes, jedenfalls noch nicht gelöstes Problem schwierigster Urkundenkritik. Denn, wie ich schon andeutete, hier konkurrierten die Ansprüche dreier Metropoliten miteinander, die jahr- hundertelang um ihre angeblichen und wirklichen Rechte gestritten haben, nämlich des Erzbischofs von Spalato-Salona, des von Ragusa- Epidaurus und des von Antivari-Dioclea. Alle drei besaßen päpstliche Privilegien, in denen ihre Rechte verhrieft werden, aber sie wider- sprechen alle einander. Unzweifelhaft sind einige darunter Fälschungen. Aber ohne eine Prüfung der Urkunden selbst, die in den Archiven von Agram, Zara, Spalato und Ragusa beruhen, ist ein sicheres Urteil jetzt nicht möglich'. Allein wie immer das Ergebnis dieser diplomatischen Untersuchung, welche ich bald selbst vorzunehmen hoffe, sein wird, die Feststellung, daß in dem großen Schisma des ıı. Jahrhunderts das serbische Reich auf Seiten Wiberts gegen Urban II. gestanden ist, ist sicher und verbürgt. Und daraus ergibt sich doch ein wesentlich neues Moment für die Beurteilung der Stellung Wiberts in der kirchlichen und politischen Geschichte des ausgehenden ı1. Jahrhunderts. Er ist ' Auch das merkwürdige Verhältnis von Cattaro zu dem apulischen Bari, das in,den Urkunden als Metropole dieser dalmatinischen Hafenstadt Eecatera genannt wird, wird noch einmal erörtert werden müssen, da mir die Abhandlung von E. Caspar in den Quellen und Forschungen aus ital. Archiven und Bibliotheken VI (1904) S. 242 fl. in diesem Punkt durchaus verfehlt erscheint. NE Mg : ‚Soer Jahre des ı F 2 Jah Be am 28, rs 369 SITZUNGSBERICHTE DER PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. 1921 XX. Gesamtsitzung. 14. April. Vorsitzender Sekretar: Hr. Rugner. Hr. EruAro Scamivr las über den Beweis des Jorpvanschen Satzes, (Ersch. später.) Es wurde ein einfacher, anschaulicher Beweis des Jorpanschen Satzes in der Ebene unter den allgemeinsten Voraussetzungen auf Grund systematischer Heranziehung des Charakteristikenbegriffs auseinandergesetzt. Ausgegeben am 28. April. Sitzungsberichte 1921. 35 370 RS SITZUNGSBERICHTE DER PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. 1921 XXI. Sitzung der philosophisch-historischen Klasse. 21. April. Vorsitzender Sekretar: Hr. RoETHE. 1. Hr. Scuärer sprach über: “Honor, eis, eitra im mittel- alterlichen Latein’. '(Ersch. später.) Das Wort honor bedeutet im mittelalterlichen Latein oft “Recht, Besitz, Lehen’;.. die Präpositionen eitra und cis werden dort auch für “jenseits’ gebraucht. ‘Der klassische Sinn honor = Ehre und eis, eitra — diesseits begegnet natürlich auch im Mittelalter; durch Nichtbeachtung der Tatsache, daß diese. Worte auch andere Bedeutung haben können, sind nicht wenige wichtige Hergänge in ein schiefes Licht geraten. 2. Hr. Scuuchnarpr legte Fliegeraufnahmen aus der Do- brudscha von IgIß vor. Hr. Geheimrat Wıesann hat Fliegerphotographien aus der Dobrudscha von 1918 mit vielen anderen Aufnahmen aus der antiken Welt gesammelt. Sie stellen die so- genannten Trajanswälle in ihrer ganzen Ausdehnung von Constanza bis Cernavoda dar und ergänzen Scnucksarpıs Aufnahmen von 1917 (Abh. 1918 Nr. ı2) in einem Punkte, indem sie am Großen Erdwall zwischen den großen Kastellen 10 und ır noch ein kleines bisher unbeobachtetes (A!) nahe an 16 herangerückt erkennen lassen. XXI Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse. 21. April. Vorsitzender Sekretar: Hr. RugBner. “Hr. G. Mürrer las unter Vorführung von Liehtbildern über Turm- teleskope. Es wurden zunächst die amerikanischen Turmteleskope und im Anschluß daran die in Potsdam aus den Mitteln der Einstein-Spende im Bau befindliche Anlage 'be- sprochen. Die Pläne zu dieser Anlage wurden näher erläutert und eine Übersicht über die beabsichtigten Arbeiten gegeben. Zum Schluß wurden einige Mitteilungen über die Organisation und die Verwaltung der Einstein-Spende gemacht. Ausgegeben am 28: April. Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei. SITZUNGSBERICHTE DER PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN Gesamitsitzung am 28. April. (S. 37]) Scnärer: Honor, eitra, eis im mittelalterlichen Latein. (Mitteilung aus,der Sitzung der phil.- hist. Klasse vom 21. April.) (8:.372) BERLIN 1921 VERLAG DER AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN IN KOMMISSION BEI DER VEREINIGUNG WISSENSCHAFTLICHER VERLEGER WALTER DE GRUYTER U. CO. VORMALS G. J. GÖSCHEN’SCHE VERLAGSHANDLUNG, J. GUTTENTAG, VERLAGSBUCHHANDLUNG. GEORG REIMER. KARL J. TRÜBNER. VEIT U. COMP. TJ=Tal=TSlTelSTelSTleTeleTleTel STETS STSSTSl er 1TalereleTeleTS1eTelST2lSTel Tel ST STS STETS STSL STETS TTS ler eTeleT Die Akademie ‚gibt gemäß 841,1: Ver aiglen? zwei ‚fort Aus $.2. "Jede zur Aufnahme in..die Sitzungsberichte oder die "Abhandlungen bestimmte Mitteilung muß in einer aka- - demischen Sitzung. vorgelegt werden, ‚wobei in der Regel ‚das druckfertige Manuskript zugleich einzuliefern ist. Nicht- ‚mitglieder haben hierzu die Vermittelung eines ihrem Erache angehörenden ordentlichen. Mitgliedes zu benutzen, a $ 3. se Der Umfang einer aufzunehmenden Mitteilung soll in.der Regel in den Sitzungsberichten bei Mitgliedern 32, bei Niehtmitgliederh 16 Seiten in der gewöhnlichen Schrift ‘ der Sitzungsberichte, in den Abhandlungen 12 Druckbogen von je 8 Seiten in der gewöhnlichen Schrift der Abhand- lungen nicht übersteigen, r . Überschreitung dieser Grenzen ist nur mit Zustimmung ‘der Gesamtakademie. oder ‚der betrefienden Klasse statt- haft und ist bei Vorlage der Mitteilung ausdrücklich. zu ‘beantragen, - Läßt der Umfang eines Manuskripts KEr- muten, daß diese Zustimmung erforderlich ‘sein werde, ‚so hat‘ das vorlegende Mitglied es vor dem Einreichen von sachkundiger Seite auf'seinen mutmaßlichen Umfang - im Druck abschätzen zu lassen. SA. Sollen einer Mitteilung “Abbildungen im Text oder auf besonderen Tafeln beigegeben werden, ‚so sind die Vorlagen dafür (Zeiehnungen, photographische Original- aufnahmen usw.) gleichzeitig mit dem Manuskript, jedoch auf getrennten Blättern, einzureichen. “ Die Kosten der’ Herstellung der Vorlagen haben in der Regel die Verfasser zu tragen. Sind diese Kosten aber auf einen erheblichen Betrag zu veranschlagen, so kann die Akademie dazu eine Bewilligung beschließen. Ein darauf geriehteter Antrag. ist vor der Herstellung der be- treffenden Vorlagen mit dem schriftlichen/Kostenanschlage eines Sachverständigen an den vorsitzenden Sekretar zu riehten, dann zunächst im Sekretariat‘ vorzuberaten und weiter in der Gesamtakademie zu verhandeln. Die Kosten der Vervielfältigung übernimmt die Aka- demie. Über die voraussichtliche Höhe dieser Kosten ist — wenn es sieh nieht um wenige einfache Textfiguren handelt — der Kostenanschlag eines Sachverständigen beizufügen. Überschreitet dieser Anschlag für die er- forderliche Auflage bei den Sitzungsberichten 150 Mark, bei den Abhandlungen, 300 Mark, so ist Vorberatung durch das Sekretariat geboten. Aus $ 5. Nach der Vorlegung und Einreichung des vollständigen druckfertigen Manuskripts an den zuständigen Sekretar oder an den Archivar wird über Aufnahme der Mitteilung in die akademischen Schriften, und zwar, wenn. eines der anwesenden Mit- glieder es verlangt, verdeckt abgestimmt. Mitteilungen von Verfassern, welehe nicht Mitglieder der Akademie sind, sollen der Regel nach nur in die Sitzungsberichte aufgenommen werden. Beschließt eine Klasse die Aufnahme der Mitteilung eines Nichtmitgliedes in. die Abhandlungen, so bedarf dieser Beschluß der Bestätigung durch die Gesamtakademie. © Veröffentlichungen heraus: »Sitzungsberichte ie x ‚Fremder sind diese | seine Mitteilung‘ als ‚vollkommen druckreif ansieht Mitglieile vor Einrei des Manuskripts vorzune Dasselbe hat sieh "zu vergewissern, daß der V Die erste Korrektur ihrer Mitteilungen besorgen ( die Verfasser. . Fremde haben diese ‚erste ee vorlegende Mitglied einzusenden. Die Korrektur's( Mögliehkeit nicht über die Berichtigung von I Di und leichten Schreibversehen hinausgehen. Uıinf‘ Korrekturen Fremder bedürfen der Genehmigung. es 1 gierenden Sekretars vor der Eiusendung än die Druc) und die Verfasser sind zur. Tragung der entstehende kosten verpflichtet. Aus. $ 8. Von allen in die Sitzungsberichte Sal Akuan aufgenommenen wissensehäftlichen Mitteilungen, Adressen‘ oder Berichten ‘werden für die Verfasse wissenschaftlichen Mitteilungen, ‚wenn deren Umfan| j Druck 4 Seiten übersteigt, auch für den Buchhandel a abdrucke hergestellt, die alsbald ‚nach Erscheinen“ gegeben werden. - Von Gedächtnisreden werden ebenfalls Sonderab für den Buchhandel hergestellt, indes nur dann, wenn Verfasser sich ausdrücklich damit SR anne 89. Von den Sonderabdrneken aus den Sitzingsberichten erhält cin Verfasser, welcher Mitglied der Akademie zu unentgeltlicher Verteilung ‘öhne weiteres 50 exemplare; er ist indes berechtigt, zu gleichem Zweck auf Kosten der Akademie weitere Exemplare bis zur. von noch 100 und auf seine Kosten noch weitere b zur Zahl 'von 200 (im ganzen also 350) abziehen zu lassen, : sofern er.dies rechtzeitig dem redigierenden Sekretar an- gezeigt hat; wünscht er auf seine Kosten noch mehr Abdrucke zur Verteilung zu erhalten, so bedarf es dazn der Genehmigung der Gesamtakademie oder der betreffen. den Klasse. — Nichtmitglieder erhalten 50 Freiexemplare und dürfen naeh rechtzeitiger Anzeige bei dem redi gierenden Sckretar weitere 200 Exemplare auf ihre Kosten abziehen lassen. Von den Sonderabdrucken aus den Abhandlungen hält ‚ein Verfasser, welcher Mitglied der Akademie’ ist, zu unentgeltlicher Verteilung‘ ohne weiteres 30 Frei- exemplare; er ist indes berechtigt, .zu gleichem Zwecke auf Kosten der Akademie weitere Exemplare bis zur Zahl von noch 100 und auf seine Kosten ‚noch weitere bi zur Zahl von 100 (im ganzen also 230) abziehen zu lassen, sofern er dies rechtzeitig dem redigierenden Sekretar an- gezeigt hat; wünscht er auf seine Kosten noch mehr Abdrucke zur Verteilung zu erhalten, so bedarf es dazu der Genehmigung der Gesamtakademie oder der betrefien- den Klasse. — Nichtmitglieder erhalten 30 Freiexemplare und dürfen nach rechtzeitiger Anzeige bei dem redi- gierenden Sekretar weitere 100 Exemplare auf ihre Eon, abziehen. lassen. > 8.17, Eine für die akademischen Schriften be- stimmte wissenschaftliche Mitteilung darf in keinem Falle vor‘ ihrer Ausgabe an jener Stelle anderweitig, sei es auch nur auszußs- (Fortsetzung auf S.'3 des Umschlags.) 371 -SITZUNGSBERICHTE DER PREUSSISCHEN En zn, AKADEMIE DER WISSENSCHARFEN. 1921 N Gesamtsitzung. 28. Apri Vorsitzender Sekretar: Hr. Rugner. “1. Hr. Epvarp Meyer sprach über die Einwirkung der zoroa- strischen Religion auf die Entwicklung des pharisäischen Judentums und des Öhristentums und die diese beherr- scehende dualistische Weltanschauung. Im Buch Daniel ist nicht nur die Schilderung des Weltgerichts, sondern ebenso die vier Weltreiche aus dem Parsismus übernommen. Ebendaher stammt der Dua- lismus, der Gegensatz der göttlichen und der teuflischen Mächte, welcher das spätere Judentum und das Christentum beherrscht, und im Anschluß daran die Auferstehungs- lehre und der Ausgleich von Verdienst und Schicksal in einem zukünftigen Leben. Dadurch wird zugleich die ganze Eschatologie und das Bild vom Messias von Grund aus umgestaltet. 2. Vorgelegt wurde das Werk des korrespondierenden Mitgliedes der Akademie Frıeprıch von Bezord »Geschichte der Rheinischen Friedrich-Wilhelms- Universität von der Gründung bis zum Jahre 1870« (Bonn 1920); ferner die mit Unterstützung der Hermann-und-Elise- geb.-Heckmann-Wentzel-Stiftung erschienene Arbeit von Paur Dirrs »Die altpolnischen Predigten aus Heiligenkreuz« (Berlin 1921); endlich die Schrift von Dr. H. Scaxee, Inhaber der goldenen Leibnizmedaille, »Braucht Deutschland Kolonien?« (Leipzig 1921). 3. Die philosophisch-historische Klasse hat folgende Beträge be- willigt: ı. der Kommission für die Geschichtsquellen des 19. Jahr- hunderts 1700 Mark; 2. der Kommission für den Thesaurus linguae Latinae über den etatmäßigen Beitrag von 5000 Mark hinaus noch 1000 Mark; 3. dem Geheimen Hofrat Prof. Dr. Aususr FiscuHer in Leipzig zur Bearbeitung seines arabischen Wörterbuchs als dritte und letzte Rate Soo Mark. Sitzungsberichte 1921. 36 a K 372 Gesamtsitzung v. 28. April 1921. — Mitt. der phil.-hist. Klasse v. 21. April "Honor, eitra, eis im mittelalterlichen Latein. Von Dietrich ScHÄFER. (Vorgetragen am 21. April 1921 [s. oben S. 370).) ‘ Honor = Recht, Besitz, Lehen. Im Neuen Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde Bd. ı8,209ff. hat Heser 1893 über »Lateinische Wörter und deutsche Begriffe« gehandelt. - Er bespricht dort die im früheren Mittelalter für Stadt und Burg, Kaufmann und Richter in verschiedener Anwendung und Bedeutung vorkommenden Ausdrücke. Hier soll ein Beitrag zum richtigen Verständnis des Wortes honor geliefert werden. Daß dieses Wort auch im mittelalterlichen Latein oft, ja über- wiegend in klassischem Sinne gebraucht wird, versteht sich von selbst. Dierengacn im Glossarium Latino-Germanicum mediae et infimae aetatis kennt keine andere hoch- oder niederdeutsche Übersetzung als ere. Anderseits ist aber schon aus Ducange allgemein bekannt, daß honor nicht nur kirchliche und weltliche Würden, sondern auch Recht und Besitz und insbesondere das Lehen bezeichnen kann. Einige nähere Ausführungen über die richtige Deutung dieses Begriffs und seine Über- tragung auf staatliche Verhältnisse erscheinen doch in mehrfacher Hin- sicht förderlich. Im Papstwahldekret von 1059 wird die Neuordnung festgelegt salvo debito honore et reverentia dilecti filii nostri Henriei, qui in- praesentarum rex habetur et futurus imperator Deo concedente speratur, sieut Jam sibi concessimus, et successorum illius, qui ab haec apostolica sede personaliter hoc jus impetraverint (Mon. Öonst. I, 540 $6). Meyer v. Knosau (Jahrbücher d. dtsch. Reiches unter Heinrich IV. und Hein- rich V. I, 136) übersetzt debitus honor ac reverentia mit »schuldige Ehre und Achtung«, hoc jus aber mit »dieses Recht«. Das ist un- zulässig, denn hoc jus ist eben der debitus honor, der zugestandene Einfluß des deutschen Königs auf die Papstwahl, wie SCHEFFER-BOICHORST (Neuordnung der Papstwahl durch Nikolaus II. S. 91 ff.), GrAverr (Hist. Jahrb. XII, 187) und Havcx (Kirchengesch. Deutschlands II’, 684) es richtig auffassen. Wenn die Übersetzung »Ehre und Achtung« sich Schärer: Honor, eitra, eis im mittelalterlichen Latein 37a darauf stützen möchte (I, 679ff.), daß Martens (Die Besetzung des päpst- liehen Stuhls unter Heinrich III. und Heinrich IV., S.106) hoe jus auf die kaiserliche Würde beziehen will, so ist dem entgegenzuhalten, daß Martens selbst (S.98) den debitus honor als Recht bezeichnet. Hauck gerät mit sich selbst in Widerspruch, wenn er (Kirchengesch. Deutsch- lands IIE”, 686) von »schuldiger Ehre« spricht; der Wortlaut des Dekrets fordert Recht, man müßte denn den Gebrauch des Wortes Recht zu den gewollten Zweideutigkeiten dieser Stelle rechnen. Auf dem bedeutsamen Reichstag, den Friedrich Barbarossa im November 1157 in Besancon hielt, kam das Bild zur Sprache, das Innozenz II. nach der Kaiserkrönung Lothars (1133) im Lateran hatte anbringen lassen mit der Inschrift: Rex venit ante fores, jurans prius urbis honores, Post homo fit papae, sumit quo dante coronam. GHIESEBRECHT (Geschichte d. dtsch. Kaiserzeit IV, 84) übersetzt: » Vor der Pforte beschwört Roms Rechte und Ehren der König.« Er hätte besser mit Berw#aroı, Lothar von Supplinburg S. 483 übersetzt: »Beschwört der König die Rechte der Römer.« Es handelt sich allein um Rechte der Stadt, nicht um irgendwelche Ehren. j Erzbischof Albero von Trier hat sich ı13ı von Innozenz 1I. die Weihe erteilen lassen, ehe er noch von Lothar die Investitur empfangen hatte. In Aachen leistete er im April des nächsten Jahres den Schwur, daß er das nicht ad diminutionem regii honoris getan habe (Gesta Alberonis e. 13 MS. VII, 250°). Der Sinn ist natürlich: »Nicht um des Königs Recht zu kränken«. Wenn Havox (Kirchengeschichte 4, 144) übersetzt, daß Albero versicherte, er. »habe die königliche Ehre nicht verringern wollen«, so gibt er den Inhalt der Nachricht nicht wieder. So auch nicht Berx#arpı, der (Lothar von Supplinburg 426) sagt, daß der Inhalt des Eides gewesen sei, »die Ehre des Königs nicht zu schädigen«. Zum Vergleich sei die Stelle des Ekkehard (MS. VI, 260°) herangezogen, in der es von Heinrich V. heißt: Aecelesiasticas in- vestituras caeteraque spiritalia negocia, quae tanto tempore reges Teu- toniei administraverant, Qquaeque ipse, ne regni diminueretur honor, nunquam vita comite dimissurum proposuerat, und 260°: ob honorem regni conservandum, sowie 260°”: quae tam ad regni quam ad sacerdotii congruebant honorem. Hier ist allemal Recht, nicht, wie in den Geschichtschreibern der deutschen Vorzeit (Lieferung 56, Die Chronik des Ekkehard von Aura S. ı 50) mit PrLüser Ehre zu übersetzen. Und ebenso ist es in der Würzburger Erklärung der deutschen Fürsten vom September-Oktober ı121, die über den Streit ‘betr. die Investitur besagt, utin hoeregnum honorem suum retineat (MConst. I, 158°). Das ist nieht mit Ehcak III, 920, Meyer von Knonau, Hein- 36* 374 Gesamtsitzung v. 28. April 1921. — Mitt. der phil.-hist. Klasse v. 21. April rich IV. und Heinrich V. 7, 172, GiEsEBRECHT IIl?, 932 wiederzugeben, daß das Reich seine Ehre, sondern daß es sein Recht bewahre. Die Fürsten treten für das Recht des Reiches auf die Investitur ein. So schreibt auch Heinrich IV. in seiner Ladung der Bischöfe zur Ver- sammlung in Worms auf den 15. Mai 1076 (MConst. I, 113°): Ut ita de alio in alium caritate tenderetur, dum nee sacerdotii regnum nee sacer- dotium regni honore privaretur, daß weder das Reich seines kirch- lichen, noch die Kirche ihres Reichsrechts beraubt werde, und Gregor VII. in seinem Rechtfertigungsschreiben an die deutschen Fürsten aus Ca- nossa von Ende Januar 1077 (Registrum Gregorii VII. ed. Casrar IV, 12 p. 314‘): Nisi quod puro sermone — sieut mihi mos est — in his eum de nobis sperare dixerimus, in quibus eum ad salutem et honorem suum, aut cum justitia aut cum misericordia, sine nostrae et illius animae periculo adiuvare possimus. Mit offenen Worten, wie er gewohnt ist, hat Gregor dem Könige gesagt, er dürfe auf ihn hoffen in demjenigen, in dem er ihn zur Förderung seines Heils und seines Rechts, sei es durch gerichtliches Verfahren, sei es durch Vergleich, ohne Gefährdung des eigenen oder des königlichen Seelenheils unter- stützen könne. Schon die Wendung cum iustitia aut cum miseri- cordia erweist, daß es sich um Recht handelt; vgl. meine Abhandlung: Consilio vel judiecio = mit minne oder mit rechte, Sitzungsber. 1913 S. 7ıgff. Vgl. auch Annales Patherbrunnenses ed. ScHEFFER-BOICHORST p- 116 (Chronica regia Coloniensis ed. Waıtz p.-46) zu 1107: Legati regis... omnem obedientiam salvo regni honore ex parte regis ex- hibentes. Papa regi remandat, nil ab eo se nisi que ad honorem aec- elesiae pertinent exigere. Auch hier handelt es sich um das Recht des Reiches und der Kirche, nieht um deren Ehre, wie GiEsEBREcHT Ill’, 780, Meyer von Kxonau 6, 46 und PrArser in den Geschichtschreibern d. dtsch. Vorzeit ı3. Jahrh. Bd. III, 8 die Stelle wiedergeben. Hauck bespricht IV, 210 die Gefangennahme des Erzbischofs Eskil von Lund in Burgund 1156, an der mitbeteiligt zu sein Fried- rich Barbarossa von Hadrian IV. beschuldigt wurde. Er meint, daß angesichts der bei Friedrich üblichen Betonung des honor imperii eine solche Beteiligung sehr wenig wahrscheinlich sei. Gewiß ist sie das. Aber Friedrichs Gebrauch von honor imperii kann man hier nicht heranziehen; darunter versteht der Kaiser zunächst das Recht, nicht die Ehre des Reiches, an die Hauck offenbar denkt. In dem Schreiben, das Friedrich II. am 13. Juli 1220 von Nürn- berg aus an Honorius III. schiekte, die Königswahl seines Sohnes zu erklären, heißt es, daß die Fürsten ihn gebeten hätten, die beabsich- tigte Romfahrt aufzuschieben, bis die neu aufgetauchte Streitfrage über Reichsrechte in Lothringen mit dem Rat der Fürsten entschieden sei, BR" a bi: 4 f . ’ er , . Ar 2 . Scnärer: Honor, eitra; cis im mittelalterliehen Latein 375 donee super hot sanum et utile consilium pro conservando honore imperii haberemus, und weiter: Vestrum erit, pater et domine, in absentia nostra de imperio euram et sollieitudinem obtinere, ut filius vester in honore sen dignitate sua nullum pati debeat detrimen- tum (Winoxernann, Acta imperii inedita I, 158°”). Daß in beiden Fällen Recht, nicht Ehre gemeint ist, ist klar; seu ist hier natürlich mit et zu übersetzen, wie sonst in zahllosen Fällen, vgl. z. B. MS. VI, 409° in Sigeberti continuatio Aquieinetina: Rex Francorum a cömite Saneti Egidii seu eivibus cum magno gaudio susceptus est. Die Bestimmung für die Einsetzung des römischen Patrizius in den Leges Langobardorum ML IV, 662°: Hunc honorem concedimus, ut ecelesiis Dei et pauperibus legem facias, spricht von Verleihung eines Rechts oder auch einer Stellung, Würde, nicht einer Ehre. — Heinrich V. fordert ı107 Bischof Otto von Bamberg zur expedieio gegen Robert von Flandern auf, sieut honor est regni atque tuus. Das ist des Reiches Recht und deines, nämlich deine Ministerialen aufzubieten, Jarrt, Bibliotheca rer. Germanicarum V, Mon. Bamber- gensia p. 258 nr. 140. — Bischof Azo von Aqui schreibt im März ııı2 an Heinrich V., daß in Mailand ein Erzbischof gewählt und von einigen Parrochianen geweiht worden sei contra imperii vestri honorem, und daß er einen Gegenkandidaten aufgestellt habe, eujus partem propter honorem vestrum in tantum auxi, quod medietas populi contra medietatem populi eontendit, Jarr«, Bibliotheca rer. Ker- manicarum V, Mon. Bambergensia p. 285. Es handelt sich um des Reiches und des Königs (Kaisers) Recht. Zu 1126 erzählen die Annales Patherbrunnenses ed. Scheffer- Boichorst p. 148 vom böhmischen Herzog Otto, dessen König Lothar sich annahm: Qui iniuste honoris praedietae provinciaeprivatum se querebatur. Man kann nur übersetzen, daß er seines Rechtes auf Böhmen, seines Besitzrechtes am Lande beraubt war. — Im Konstanzer Vertrag 1153 verspricht Friedrich Barbarossa: Honorem papatus et regalia beati Petri sieut devotus et specialis advocatus sanctae Ro- manae ecelesiae contra homines pro posse suo eidem conservabit et defendet. Man kann nur übersetzen: Er wird den Besitz des Papst- tums (die Patrimonien) und die Regalien (Regierungsrechte) als Vogt der Kirche bewahren und verteidigen, und ebenso, wenn der Papst verspricht: Ad manutenendum atque augendum ac dilatandum hono- rem regni pro debito officii sui iuvabit: Er wird den Besitz des Reiches nach den Pflichten seiner Stellung erhalten, vermehren und erweitern, MConst. I, 201°. GiESEBREcHT versteht die Stelle richtig, wenn er (Kaiserzeit IIF, 24/25) honor mit Macht wiedergibt, SınossrErp, der Jahrbücher Friedrichs I. I, 160/161 von Ehre spricht, nicht. 376 Gesamtsitzung v. 28. April 1921. — Mitt. der phil.-hist. Klasse v. 21. April Auf dem Reichstag von Roncaglia 1158 klagen die italienischen Fürsten, daß ihre Aftervasallen empfangene Lehen verpfänden und ver- kaufen, ihnen damit schuldige Dienste entziehen und des Reiches Recht und die Beihilfe zur Kriegführung mindern: Unde debita servitia amitte- bant et honorem imperii nostraeque felieis expeditionis complemen- tum minuebant, Rahewini gesta Frideriei ed. Smson IV, ro p. 248”. Auch in anderen Stellen Rahewins (III, ı2 p. 178”; IV, 4 p. 236°; ; IV, 5 p. 239'; IV, 9 p. 240°) ist honor Recht, Besitz, nicht Ehre. ı166 übergibt Friedrich Barbarossa im Tausch an Erzbischof Wichmann von Magdeburg die Burg Freckleben, castrum Vrekeleve cum omnibus, que ad castrum pertinent, ... eo hönore et in ea iustieia et utilitate, sieut ad nos devenerat et nos illud possedimus, also mit dem Besitz und den Gerechtsamen und Nutzungen, wie er sie selbst innegehabt hat, Heıemann, Codex diplomaticus Anhaltinus I, nr. 497 p- 360. — Ebenso überläßt Erzbischof Wichmann den Bürgern von Burg 1179 20 Budenplätze auf der Messe zu Magdeburg pro multo affectu, quem habemus eirca honorem et utilitatem civitatis nostre Burch, in Betätigung der Fürsorge, die er für Recht und Nutzen der Stadt Burg hegt (Herrer, Urkdb. d. St. Magdeburg Nr. 49 S. 24). — In der Constitutio de expedieione Romana heißt es $ 2: Quando pro corona nostra vel pro aliqua regni utilitate ant honore Romana expedicio a nobis vel a successoribus nostris preparetur, MConst. I, 662'°; es handelt sich um Vorteil oder Recht, Besitz des Reiches. — 1216 ordnet Friedrich II. an, daß die römischen Könige omnes prineipatus in suo iure et honore debere conservare, in ihrem Recht.und Besitz, Württembg. Urkdb. II, Nr. 589 S. 44; vgl. Bönner-Ficker, Regesta imperii V, ı, ı nr. 863. — Im Wiener Stadtrecht von 1221 heißt es in $ 28: Denique statuimus, ut XXIV eivium, qui prudentiores in eivitate inveniri poterunt, juramento confirment, quod disponant de mercatu et de universis que ad honorem et utilitatem civitatis pertinent, sieut melius seiverint; daß es sich um Besitz, Rechte und Nutzungen der Stadt handelt, ist klar. Im Schwur Ottos I. von 962 heißt es: Et nunquam vitam aut membra neque ipsum honorem, quem nunc habes et per me habiturus eris, mea voluntate aut meo consensu aut meo consilio aut exortatione perdes, MConst. I, 21°°: vgl. Jaffe, Bibliotheca rer. Ger- manicarum II, 588 ff. Man kann hier nur übersetzen: Durch meine Mitschuld wirst Du (Papst Johann XI.) an Leib, Leben und Besitz nicht geschädigt werden. »Ehre«, wie Dünmter, Otto der Große S. 328 übersetzt, besagt hier nichts; Dümmter spricht auch in unmittelbarem Anschluß an diese Übersetzung vom »Besitz der römischen Kirche, den Johann sicher zu stellen suchte«. RE Scraärer: Honor, eitra, eis im mittelalterlichen Latein Sur ‚Ebenso ist in den Zusagen, die Otto von Braunschweig 1204, Friedrich II. 1213 Innozenz III. gegeben haben, honor mit Recht oder Besitz wiederzugeben: Omnes possessiones, honores et jura Romane ecelesie pro posse meo protegam et servabo (MConst. II, 27°, 62° und: Eas [terras] habeat Romana ecclecia in perpetuum cum omni iuris- dietione, distrietu et honore suo, ebenda 59°. Es handelt sich um Besitz. Daß honor gebraucht wird für Würden und Stellungen, für die damit verbundenen Bezüge und äußeren Abzeichen, ist schon durch Ducange genügend belegt; die Stellen ließen sich ins Endlose ver- mehren. Ducange bringt auch zahlreiche Belege für die Bezeiclinung des Lehens als honor. Rors, Geschichte des Benefizialwesens S. 432 sagt, daß honor gleichbedeutend gebraucht wird mit benefieium, und Dünnter, Ostfränkisches Reich III, 631 ff. bringt im Anschluß an diese Bemerkung Belege dafür aus dem westfränkischen Reiche. Auch die bei Ducange gesammelten Stellen gehören sämtlich den westeuropä- ischen Ländern an, wie denn das in diesem Glossarium verwendete Material ganz überwiegend dem romanischen Sprachgebiet entstammt. Schon Körke, Widukind von Corvey S.95 ff. hat darauf hingewiesen, daß auch dieser Geschichtschreiber der Sachsen honor im Sinne von Lehen verwendet. Es läßt sich dieser Gebrauch aber auch sonst in deutsehen Quellen häufig nachweisen. Daß Giselbert von Mons (MS. XXI, 588‘) von honor Musan, honor de Musan, Lehen Mouzon, spricht, kann man französischem Einfluß zuschreiben. Aber in den Annales Fuldenses ist dieser Gebrauch des Wortes ganz gewöhnlich, zu 859 von Ludwig dem Deutschen: Eis, qui superiore anno a Karlo defieientes sui effecti sunt, honores, quos prius habuerant, impetrare non potuit, zu 884 von zwei bairischen Grenzgrafen, deren Söhnen die väterlichen Lehen nicht übertragen wurden, weil sie dem Markgrafen Arbo überwiesen waren: Non vero esset honor illorum filiis redditus, die sie dann aber wieder erlangten: Arbonem a rege com- mendatorum exortem fieri honorum impetraverunt, zu 895: Engildio marchensis Baioariorum honoribus privatus est, zu 897 von Va- sallen Zwentibolds: Qui priori anno ab eo honoribus privati sunt, ed. Kunze p. 53, 110, ı11, 125, 130. — In den Annales Mettenses heißt es zu S30 von Ludwig dem Frommen: Quosdam ... in exilium misit atque eorum honores abstulit, ed. Sınson p. 97". In dem Schwur, den deutsche Fürsten am 9. Februar ıııı in Sutri für Heinrich V. leisten, heißt es: Si rex iuramentum hoc et ea quae in carta conventionis sceripta sunt non observaverit, ego cum honore meo ad dominum papam et ad Romanam ecclesiam me tenebo (MConst. I, 140“). Unter honor ist hier offenbar Lehen zu verstehen. — 1235 schenkt Friedrich II. der Isabella von England als Morgen- 378 Gesamtsitzung v. 28. April 1921. — Mitt. der phil.-hist. Klasse v. 21. April gabe u. a. honorem Montis sancti Angeli, das Lehen Monte Gar- gano, MConst. II, 230°. — Im Vertrage, den Gregor: VII. 1073 mit Landulf von Benevent schließt, wird bestimmt, daß dieser im Fall der Untreue sein Lehen verlieren soll, a presenti amittat suum ho- norem, Registrum Gregorii ed. Caspar I, 13a p. 31°. — Auch die. Üon- tinuatio canonieorum s. Rudberti Salisburgensis (MS. IX, 820) berichtet zu 1310: Leupoldum ducem Austriae ..... quidam dietus de Turri — dolens de sui honoris privatione .... voluit ipsum interficere. eitra, eis — jenseits. Wipo (Gesta Chuonradi ce. II, ed. BressLAu p. 14°) sagt in der Schilderung der Wahlversammlung des Jahres 1024 von den sich ver- sammelnden Stämmen eis et eitra Rhenum castra locabant. Da er in unmittelbarem Anschluß fortfährt: Qui dum Galliam a Germania dirimat, ex parte Germaniae Saxones cum sibi adiacentibus Sclavis, Franei orientales, Noriei, Alamanni convenere, de Gallia vero Franei qui supra Rhenum habitant, Ribuarii, Liutharingi coadunati sunt, so kann von einem Versehen nicht die Rede sein. Wenn Wipo von den linksrheinischen Franken (es sind die Bewohner des Speier-, Worms- und Nahegaus gemeint) spricht: Franei qui supra Rhenum habitant, so gebraucht er allerdings ein richtiges Wort für jenseits, sofern man nicht annehmen will, daß supra für an gebraucht wird, wie etwa bei Lugdunum supra Rhodanum, Cabillonum supra Ararim. Der falsche Gebrauch von citra steht aber nicht vereinzelt da. Es gibt dafür Beispiele aus verschiedenen Zeiten und Gegenden. In einer Urkunde von 947 über die Zollfreiheit der Leute der Trierer Kirche heißt es: Theloneum dimittimus juxta Renum et Mo- sellam fluvios tam eis quam citra, also Zollfreiheit an Rhein und Mosel sowohl diesseits wie jenseits (MDipl. Ottonis nr. 86, I, 169"). — - Die vita Bonifaeii auct. Otloho berichtet: Considentibus autem utrius- que populi exereitibus eis citraque ripam fluminis Wisaraha; Franken und Sachsen standen sich diesseits und jenseits der Weser gegenüber (ed. Levisox p. 155”). — Bei Ekkehard ist zu 1106 (MS. VI, 235°) die Rede von Köln, Jülich, Bonn eaeteraque eisac eitra Rhenum oppida, zu 1124 (ebd. 263’) von Lambert von Ostia als eis eitraque noti- fieatus, was hier heißen soll: Diesseits und jenseits der Alpen. Daß Köln, Jülich, Bonn sämtlich jenseits des Rheins liegen, ändert nichts; Ekkehard hat das nicht beachtet oder nicht gewußt. — In den Pe- gauer ‚Annalen (MS. XVI, 244°) wird erzählt, daß der Platz für die Begründung des Hausklosters derer von Groitzsch, ‚Pegau, ausgesucht worden sei, quia ille tunc eis eitra plateam satis amoenus et amplus 'ScHÄrer: Honor, eitra, ‚eis im mittelalterlichen Latein 379 locus vacabat, ein anmutiger und geräumiger Platz diesseits und jen- seits der Straße gelegen war. Er lag cis Elestram, diesseits der Elster, vom Kloster (Pegau) her gesehen. Auch für sich allein wird eitra für jenseits Geha So berichtet Thietmar V, 9, ed. Kunze S.ıı2: Bolizlavus (Herzog von Polen) omnem Geronis marcham comitis ecitraAlbim iacentem dein- deque premissis obsidibus Budusin eivitatem cum omnibus appertinenciis comprehendens statim Strielam urbem invasit. Boleslaus ergreift Besitz von dem jenseits der Elbe gelegenen Teil der Markgrafschaft Meißen und. greift dann Strehla an, das links an der Elbe liegt. Die Übersetzung LAURENT-STREBITZKIS (Geschichtschreiber d. dtsch. Vorzeit, ı1. Jahrh. Bd.ı, 149) »diesseits der Elbe« ist falsch. — Ebenso braucht Berthold zum Jahre 1077 (MS. V, 297°”) eitra im Sinne von jenseits: His post- paschalibus diebus apostolicae auetoritatis litterae omnibus citra Rhenum per Alsatiam et Lotharingiam et Theutonicam Fran- ciam commanentibus.... directae sunt; die Übersetzung von G. Granpaur, Geschichtschreiber d. dtsch. Vorzeit, Lief. 84 S. 88 hat fälschlich diesseits. — Auch die Stelle des Cosmas II, 53 (MS. IX, 126°): Praesul antem Maguntinus et comes Wiepertus citra fluvium Mlidava stabant gravi cum multitudine armata ist nicht anders zu ver- stehen, als daß gemeint ist jenseits der Mulde. Die Sachsen unter Lothars Führung schieben sich dann zwischen sie und den böhmisch- mährischen Zuzug, der übers Erzgebirge kommt (1123). GRANDAUR, Geschichtschreiber d. dtsch. Vorzeit, Lief. 74 S. 218 übersetzt ver- ständig: »Auf der anderen Seite des Flusses Mlidava«. —- In der Chro- nica S. Petri Erfordensis moderna heißt es zum Jahre 1238: Citra silvam Loibin in villa Sule, wozu der Herausgeber HoLper-EsgEr (S. 234” u. Anm. 5) richtig bemerkt: Cum eitra apud scriptores medii aevi plerumque vim vocis ultra habeat, also zu übersetzen: Suhl jenseits des Thüringer Waldes. Wie eitra, so wird auch eis für jenseits gebraucht. In der Chro- nica ducum de Brunswick (Deutsche Chroniken II, 584") wird von Her- zog Otto von Lüneburg berichtet: Pro sua liberacione castra Hidsackere et Louenborch et Theram eis Albiam dereliquit. Wenn in der Anm. hinzugefügt wird, daß es nicht gelungen sei herauszubringen, welcher Ort mit Theram gemeint sei, so beruht das auf Mangel an Verständ- nis. Es hätte gedruckt werden sollen theram = terram. Der in der Schlacht bei. Bornhöved gefangene Otto von Lüneburg mußte für seine Lösung Hitzacker, Lauenburg und das Land jenseits der Elbe (Amt Neuhaus) abtreten, das erst nach dem Aussterben der Herzöge von Sachsen-Lauenburg 1689 an Lüneburg (Hannover) zurückgekommen ist und. 1814 nicht für Ostfriesland mit abgetreten wurde. Um einen Ort Sitzungsberichte 1921. 37 1 380 Gesamtsitzung v. 28. April 1921. — Mitt. der phil.-hist. Klasse v. 21. April handelt es sich nicht. — In den Annales Matseenses (MS. IX, 828’) heißt es zum Jahre 1322, daß Friedrich der Schöne mit salzburgischer und passauischer Hilfe und mit einer Menge heidnischer Ungarn den Inn überschreitet und alles verwüstet: Cis Enum fluvium procedens,. bis er bei Mühldorf geschlagen und gefangen wird. Zu einem größeren Mißverständnis hat der Gebrauch des Wortes eis in diesem Sinne im Schreiben Paschalis II. an Erzbischof Ruthard von Mainz vom 31. März 1106 (Jarrr, Bibliotheca rer. Germanicarum V, nr. 130 S.247) Anlaß gegeben. Der Erzbischof wird aufgefordert, zu- sammen mit allen seinen Suffraganen die angeseheneren Äbte der Di- özesen und die Geistlichen, für die eine Synode notwendig sei, auf den ı5. Oktober zu einem Konzil zu berufen, das sie mit ihm, dem Papst (nobiscum), abhalten sollen und zwar eitra Alpes. Obgleich. eingangs gesagt wird, ut in proximis octobribus idibus synodalem vobiseum debeamus celebrare conventum, es sich also um eine Provinzialsynode handelt, und obgleich in dieser Form sonst nicht zu allgemeinen Konzilien geladen wird, hat Meyer von Knonau (Heinrich IV. und Heinrich V. 6,22) doch geglaubt, die Ladung als nach Italien ge- meint auffassen zu sollen. Er gerät damit in Widerspruch mit einem im Chronicon monasterii Casinensis IV, e. 36 (MS. VII, 779) überlieferten Schreiben, das sagt, daß der Papst bereit sei non solum in partes illas venire, sed extremis quoque periculis personam suam exponere, und sieht sich veranlaßt, dies Schreiben in den Anfang des Jahres 1105 zu verlegen, obgleich Jarr£, Regesta pontificum nr. 6070 und Giese- BRECHT, Kaiserzeit III, 1190 es richtig zu Anfang 1106 ansetzen. Alles, was wir sonst von Paschalis’ Beziehungen zur deutschen Kirche in diesem Jahre wissen, widerspricht der Annahme, daß er ihre Ange- hörigen, und zumal allein die der Mainzer Provinz, zu einer Versamm- lung auf italienischem Boden geladen habe, und daß er seinen Ent- schluß, nach Deutschland zu kommen, schon vor dem im Oktober in Guastalla abgehaltenen Konzil geändert habe. Der verkehrte Gebrauch von eis in bezug auf Italien läßt sich mehrfach belegen. Der Monachus Sangallensis bezeichnet die Italiener als Cisalpini (e. 33 MS.II, 746). In den Annales Hildesheimenses wird zum Jahre 1036 der neue Erzbischof von Köln, Hermann, genannt: Ejus- dem aecelesiae archidiaconus, sed regius capellanus et Cisalpinus cancellarius, und zu 1037 heißt es: Imperator post natalem Domini in Salerno opido generalem eonventum de re puplica eum Cisalpinis nostrisque primoribus habuit, zu 1040 dann von Heinrich III.: Novus rex noster..... purificationem s. Marie Auguste degens plaeitum habuit eum Cisalpinis primoribus de rei publice stabilitate. Daß das angegebene Datum nicht richtig ist (vgl. Sreinvorr, Heinrich Ill. ScHÄrer: Honor, eitra, eis im mittelalterlichen Latein 381 1, 70),‚ändert nichts für die hier zu beantwortende Frage. In den Annales Augustani heißt es zum Jahre 1057: Papa Cisalpinis partibus re- versus Nortmannos ceterosque rebelles pacificat. Victor II. kehrte im Februar oder März des Jahres aus Deutschland nach Italien zurück. In einem kurialen Schreiben, das am 2. Juli 1370 von Montefia- 'scone her an die Äbtissin von Essen gerichtet wurde, heißt es von der Äbtissin: Cum teneatur de biennio in biennium curia Romana eitra montes existente sedem apostolicam visitare, d.h.: Zur Zeit, als die Kurie in Avignon ihren Sitz hatte, war die Äbtissin verpflichtet, alle zwei Jahre dorthin zu kommen (SavErLAno, Urkunden und Regesten zur Geschichte der Rheinlande aus dem Vatikanischen Archiv V,n.678). Citra wird aber nicht bloß in zeitlichem Sinne für ultra gebraucht. In den Annales Moguntini heißt es zum Jahre 1284: Petrus rex Arra- gonum cepit prineipem filium Karoli cum plus quam duobus milibus, de quibus decollavit ecitra mille de Gallieis apud Neapolim supra mare, und zum Jahre 1301: Rex Franciae magnum exercitum misit contra Flemingos, qui se et patriam defendentes Domino annuente triumphaverunt et de regis exereitu eitra 17 milia occiderunt, MS. XVI, 3°”. So auch in den Annales Lubicenses zur Schlacht bei Mühldorf 1322: Lodowieus praefatum Fredericum et Hinricum fra- trem ejus ducem Austriae ... cum nobilibus et equitibus captivavit, eitra 1400 in numero, MS. XVI, 428”. Dann in den Annales ca- noniei Sambiensis zu 1323: Rutheni de Pleskow Litwinos in auxilium evocantes terram regis Dacie intraverunt et citra quinque milia hominum trucidaverunt 3. nonas Februarii, und zu 1320: In die dominica post festum beati Jacobi oceisi fuerant a Litwanis marsaleus cum 22 fratribus et citra 200 viros et plures fuerunt vulnerati (MS. XIX, 704”, 706°). Die Beispiele ließen sich leicht vermehren. Für den richtigen Gebrauch von eis eitra bedarf es keiner Be- lege. Man vergleiche beispielsweise Fredegar, Scriptores rer. Merovin- gicarum II, 147": citra Legere oder Annales Bertiniani ed. Waıtz, S 8°: eitra Carbonariam und ebd. 29 Z.ı v.u.: ultra Rhenum omnia, eitra Rhenum vero Nemetum, Vangium et Mogontiam eivitates und 30°: comitatus qui Mosae eitra contigui, oder auch für den doppelten Gebrauch Gesta epp. Cameracensium III, 37 (MS. VII, 480°): cum tam citra quam ultra Alpinis episcopis. Ausgegeben am 12. Mai. Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei. ame I .SITZUNGSBERICHTE Ei DER PREUSSISCHEN | AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse am 12. Mai. (S. 383) . Sitzung der philosophisch-historischen Klasse am 12, Mai. (S. 383) FR Heiner: Über die Beziehungen der Körperachsen zur Biachse bei den Chordaten. ' (Mitteilung h vom 7. April.) ($. 385) N \ ASN \? BT r f Ne Ent [ EB.kOS 192 N N, ” nl SSL AN BERLIN 1921 VERLAG DER AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN IN KOMMISSION BEI DER VEREINIGUNG: WISSENSCHAFTLICHER VERLEGER WALTER DE GRUYTER U. CO. VORMALS G. J. GÖSCHEN’SCHE VERLAGSHANDLUNG, J. GUTTENTAG, VERLAGSBUCHHANDLUNG. GEORG REIMER. KARL J. TRÜBNER. VEIT U. COMP. u) Aus Sa: "laufende Veröffentlichungen heraus: »Sitzungsberichte der Preußischen Akademie der Wissenschaften« und »Abhand- | lungen der Preußischen Akademie der Wissenschaften«. Aus. $ 2. ode zur Aufnahme in die Sitzungsberichte oder die ‘Abhandlungen bestimmte Mitteilung muß in einer aka- demischen Sitzung vorgelegt werden, ‘wobei in der Regel das drückfertige Manuskript zugleich einzuliefern ist. Nicht- ‘mitglieder haben hierzu die Vermittelung eines ihrem Fache angehöreuden ordentliehen.Mitgliedes zu benutzen. S3.. Der Umfang einer aufzunehmenden Mitteilung soll in der Regel in den ‚Sitzungsberichten bei Mitgliedern 32, bei Niehtmitgliedern 16 Seiten in der gewöhnlichen Schritt der Sitzungsberichte, in den Abhandlungen 12 Druckbogen von je 8 Seiten in der'gewöhnlichen Schrift der Abhand- lungen nieht übersteigen, Überschreitung dieser Grenzen ist nur mit Zustimmung der Gesamtakademie oder der betreffenden Klasse. statt- “ haft und ist bei Vorlage der Mitteilung ausdrücklich‘ zu beantragen, Läßt der Umfang «eines Manuskripts ver- muten, ' daß. diese Zustimmung erforderlich‘ sein werde, so hat das vorlegende, Mitglied es vor dem Einreichen von sachkundiger Seite auf seinen mutmaßlichen Umfang im Druck abschätzen zu’ lassen. RL VEe Sollen einer Mitteilung. Abbildungen im Text oder auf besonderen Tafeln beigegeben werden, so sind die. Vorlagen dafür (Zeichnungen, photographisehe Original- ‚ aufnahmen usw.)'gleichzeitig.mit dem Manuskript, jedoch auf getrennten Blättern, einzureichen. Die Kosten der Herstellung ‘der Vorlagen haben in der Regel die Verfasser zu tragen. Sind diese Kosten aber auf einen erheblichen Betrag zu veranschlagen, so kann die Akademie dazu eine Bewilligung beschließen. Ein ‚darauf gerichteter Antrag ist vor der Herstellung der be- treflenden Vorlagen mit.dem schriftlichen Kostenanschlage eines Sachverständigen an den vorsitzenden Sekretar zu richten, dann zunächst im Sckretariat vorzuberaten: und weiter in der Gesamtakademie zu verhandeln. Die Kosten der Vervielfältigung übernimmt die Aka- demie. Über die voraussiehtliche Höhe dieser Kosten ist — wenn es sich nicht um wenige einfache Textfiguren handelt — der Kostenanschlag eines Sachverständigen beizufügen. Überschreitet dieser Anschlag für die er- forderliche Auflage bei den Sitzungsberichten 150 Mark, bei den ‘Abhandlungen 300 Mark, so ist Vorberatüng durch das Sckretariat geboten. Aus.$5. Nach der Vorlegung und Einreichung des vollständigen druckfertigen Manuskripts an den zuständigen Sekretar oder an den Archivar wird über Aufnahme der Mitteilung in die akademischen Schriften, und zwar, wenn eines‘ der anwesenden Mit- glieder .es verlangt, verdeckt abgestimmt, Mitteilungen von Verfassern, welche nicht Mitglieder der Akademie sind, sollen der Regel nach nur. in .die Sitzungsberichte aufgenommen werden. Beschließt eine Klasse die Aufnahine der Mitteilung eines Nichtmitgliedes in die Abhandlungen, so bedarf dieser Beschluß Bestätigung durch die Gesamtakademie. der r EC gibt gemäß $41,1 der Statuten area i | - abziehen lassen. und die Wahl der 8 Fremder sind diese. ‚seine Mini ‚als vollkommen druckreif ge Die erste Korrektur ihrer Mitteilungen. besorgen di Verfasser. ı Fremde häben diese ‚erste Korrektur an vorlegende Mitglied einzusenden. Die Korrektur soll Möglichkeit. nicht über die Berichtigung von Druck! und leichten Schreibversehen hinausgehen. Um Korrekturen Fremder bedürfen der Genehmigung des re gierenden Sckretars vor der Einsendung an die D und die Verfasser sind zur Tragung der Pe kosten verpflichtet. z Aus 88. 3 Von allen in die Sitzungsberichte oder Ab aufgenommenen wissenschaftlichen Mitteilungen, 7 Adressen ‚oder Berichten werden für die Verfasser. wissenschaftlichen Mitteilungen, wenn deren Umfang. Druck 4-Seiten übersteigt, auch für den Buchhandel So: abdrucke hergestellt, die alsbald nach Erscheinen gegeben ‘werden. Von Gedächtnisreden werden ebenfalls Bon für den Buchhandel hergestellt, indes nur dann, wenn | die ee, sich ausdrücklich. damit einverstanden erklären." $9. 54 N ein Verfasser, weleher Mitglied der Akademie zu unentgeltlicher Verteilung ohne weiteres 50 Frei- exemplare; er ist indes berechtigt, zu: gleichem Zwee auf Kosten der Akademie weitere Exemplare bis zur von noch 100 und aufseine Kosten noch weitere bis zur Zahl von 200 (im ganzen also 350) abziehen zu lassen, sofern er dies reehtzeitig dem redigierenden Sekretar an- gezeigt hat; wünscht er auf 'seine Kosten noch Abdrucke zur Verteilung zu erhalten, so. bedarf es ‚dazu der Genehmigung der Gesamtakademie oder der betreflen- den Klasse. — Nichtmitglieder erhalten 50 Hreiexemmplare und. dürfen nach rechtzeitiger Anzeige bei dem redi- gierenden Sekretar weitere 200 Exemplare auf ihre TEHRUER Von den Sonderabdrucken aus den Abhandlungen « hält ein Verfasser, welcher Mitglied der Akademie ist, zu 'unentgeltlicher Verteilung ohne weiteres 30 FPrei- exemplare; er ist indes berechtigt, zu gleichem Zwecke auf Kosten der Akademie weitere Exemplare bis zur Zahl von noch 100 ‚und auf seine Kosten "noch weitere bis zur Zahl von 100 (im ganzen also 230) abziehen zu lassen, sofern er dies rechtzeitig dem redigierenden Sekretar an- gezeigt hat; wünscht er auf. seine’ Kosten noch mehr Abdrucke zur Verteilung zu erhalten, so bedarf es dazu der Genehmigung der Gesamtakademie oder der betreffen- den Klasse, — Nichtmitglieder erhalten 30 Freiexemplare und dürfen nach rechtzeitiger Anzeige bei dem redi- giercnden Sekretar weitere 100 Exemplare auf ihre Be: abziehen lassen, FAT. Eine für. die akademischen Schriften be- stimmte wissensehäftliche Mitteilung darf in keinem Falle vor ihrer Ausgabe an jener Stelle anderweitig, sei es’ auch nur auszugs- (Fortsetzung auf‘S.3 des Umschlags.) KEN 383 SITZUNGSBERICHTE DER PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. 1921 XXIV. Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse. 12. Mai. Vorsitzender Sekretar: Hr. Praxck. Hr. Fick berichtete über Gewichts- und Querschnittsbestim- mungen, die er im Anschluß an seine Versuche über die Gelenk- formentwicklung an den Muskeln zweier Hunde ausgeführt hat. (Ersch. später.) Es ergaben sich kennzeichnende Unterschiede zwischen Vierfüßer und Mensch sowie Beispiele für die Tätigkeitsanpassung der Muskeln. XXV. Sitzung der philosophisch-historischen Klasse. 12. Mai. Vorsitzender Sekretar: Hr. Lüpers. 1. Hr.W. Scnuzze sprach über das Tocharische. Die Herausgeber der »Tocharischen Sprachreste«, Sırs und SıreLıng, haben das sachliche und grammatische Verständnis der von ihnen veröffentlichten Texte in solchem Umfang und so überzeugend erschlossen, daß die Ergebnisse ihrer Arbeit von dem eigentümlichen Formenaufbau dieser neuen Indogermanensprache ein fast vollständiges Bild gewähren. Die sprachgeschichtliche Einordnung ihrer Erkenntnisse wird man freilich mit rechtem Erfolge erst dann versuchen können, wenn auch die Denkmäler der Mundart B in gleich zuverlässiger und vollständiger Bearbeitung zugänglich sein werden. 2. Hr. Secxer sprach über »Die karthagische Inschrift CIL 25045 — ein kirchenrechtliches Denkmal des Montanismus?« (Ersch. später.) Es wird gezeigt, daß das neuerdings gefundene Inschriftenfragment, das zu er- gänzen und zu deuten bisher nicht gelungen ist, ein Synodaldekret der montanistischen Kirche Afrikas enthält. Weiter wird versucht, die Inschrift, von der nur ein Drittel der Zeilen erhalten ist, dem Sinne nach zu rekonstruieren. 3. Hr. Dıers legte eine Abhandlung von Prof. Dr. M. Werımann, Die Georgika des Demokritos, vor. (Abh.) Dieser merkwürdige Neupythagoreer, der in hellenistischer Zeit (um 200 v. Chr.) eine ganz neue, romantisch gefärbte Richtung der Naturforschung inauguriert hat, die fortan das Altertum bis ins Mittelalter hinein beherrscht und in mancher deutschen Sage Sitzungsberichte 1921. 38 RE Muny n 2 Rt, f - R / HEiDer: Die Beziehungen der Körperachsen zur Eiachse bei den Chordaten 385 Über die Beziehungen der Körperachsen zur Eiachse bei den Chordaten. Von Karı Heıper. (Vorgetragen am 7. April 1921 [s. oben S. 329].) Die Frage nach der Lage und Abgrenzung der organbildenden Keim- bezirke im befruchteten Ei steht in engem Zusammenhange mit der Frage, wie die Achsen und Richtungen des entwickelten »reellen« Embryos' auf die Achsen der Eizelle zurückzubeziehen sind. Ich habe bei der Bearbeitung des Kapitels »Keimblätterbildung« in dem »Lehr- buche der vergleichenden Entwicklungsgeschichte usw.« für die Chor- daten im allgemeinen die nach den Untersuchungen von ÜERFONTAINE” für den Embryo von Branchiostoma (Amphiowus) anzunehmende Orien- tierung zugrunde gelegt” und auch den Amphibienembryo diesem Schema angeschlossen, indem ich unter Berufung auf die Ergebnisse von Korscn‘ der primären Eiachse (oder Furchungsachse) der späteren Körperlängsachse gegenüber eine Schräglage zuschrieb, derart, daß der vegetative Pol einem dorsal nach hinten gerückten Punkte entspricht, während der animale Pol ventralwärts vorn liegt (Fig. 3 und Fig. 5). Wenn — wie dies für die normale Entwicklung im allgemeinen zu- trifft — die erste auftretende Furche die spätere Medianebene kenn- ! Über die Scheidung der Begriffe des »reellen« und »virtuellen« Embryos und ihrer Beziehungen zueinander vgl. W. Roux, Beitr. zur Entwicklungsmechanik des Embryo, Nr.IV. Die Bestimmung der Medianebene des Froschembryo usw. Arch. f. mikr. Anatomie, Bd. 29, 1887, S. 158. Ges. Abhandl. II, S. 349. Man könnte in etwas erweiterter Anwendung des Begriffes als »virtuellen« Embryo bezeichnen: die Summe der organbildenden Keimbezirke im Ei. 2 P. Cerroxvaıne, Recherches sur le developpement de l’Amphioxus. Arch. Biol. T. 22, 1906. > E. Korscherr und K.Heıper, Lehrbuch der vergleichenden Entwicklungs- geschichte der wirbellosen Tiere. Allgem. Teil. 4. Lief. 1. Hälfte. Jena ı91o., VIII. Ka- pitel: Keimblätterbildung S. 251, 416 ff., g21fl., 444 fl. 4 Fr. Korscn, Über das Verhältnis der embryonalen Achsen zu den drei ersten Furchungsebenen beim Frosch. Intern. Monatsschr. f. Anat. u. Phys. 1900, Bd. XVII. 38* 386 Sitzung der phys.-math. Klasse vom 12. Mai 1921. — Mitt. vom 7. April zeichnet, so würde die zweite Furche einer Ebene entsprechen, welche eine schräg von hinten dorsal nach vorn ventralwärts abfallende Lage re einnimmt. Von den vier Blastomeren des vierzelligen Stadiums würden - zwei eine anterodorsale und die zwei übrigen eine posteroventrale Lage einnehmen. Ich glaubte annehmen zu dürfen, daß beim Übergang vom »virtuellen« in den »reellen« Embryo, bei den durch die Ga- strulation gesetzten Materialverschiebungen Hand in Hand mit dem einsetzenden Längenwachstum des Embryos der Winkel, welchen die primäre Eiachse mit der späteren Körperlängsachse bildet, sich all- mählich verkleinern müsse, so daß schließlich praktisch von den beiden anterodorsalen Blastomeren das Material der dorsalen Körperhälfte, und von den posteroventralen das Material der ventralen Körperhälfte ge- liefert werde (vgl. Fig. 5B). Neuere Versuchsergebnisse von DELsman' und Spemann” haben mir die Frage nahegelegt, ob nicht die Nötigung vorliegt, die diesbezüglichen Anschauungen einer Revision zu unter- ziehen. 3 Bei dem Versuche, die Geographie der Eioberfläche festzustellen und die einzelnen Bezirke des »virtuellen« Embryos gegeneinander abzugrenzen, bedienen wir uns gewisser natürlicher oder künstlich ge- setzter Marken, welche, in frühen Stadien erkennbar, so lange erhalten bleiben, bis wir erkennen, welche Bildungen (Organe) des »reellen« Embryos aus der durch die betreffende Marke gekennzeichneten Ma- terialpartie des Keimes hervorgehen. Voraussetzung für die Verwen- dung solcher Marken ist natürlich, daß die Marke in der Zeit der Beobachtung ihre Lage zu dem Substrat, das sie zu kennzeichnen be- rufen ist, nicht verändert. Als erste auftretende natürliche Marke werden vielfach die Richtungskörperchen verwendet, welche, am ani- malen Pole der Eizelle gelegen, die Richtung der Eiachse und ihre Beziehungen‘ zu der Körperlängsachse der ausgebildeten Form zu er- kennen gestatten, bis später andere inzwischen an ihre Stelle getretene Bildungen als Marken zur Verwendung genommen werden können. So zeigt uns beispielsweise eine Betrachtung der Balanoglossus-Ent- ı H.C. Dersman, On the relation of the first three Cleavage-planes to the Prin- cipal Axes in the Embryo of Rana fusca Rösel. Proc. Koninkl. Akad. van Wetenschappen te Amsterdam Vol. XIX Nr. 3. 1916. —, The Gastrulation of Rana esculenta and of Rana fusca. ibid. Nr. 7. 1916. ®2 H. Spemann, Entwicklungsphysiologische Studien am Tritonei. II. Arch. f. Entwickl. Mech. d. Org. XV.Bd. 1902. S. 448 ff. —, Über die Determination der ersten Organanlagen des Amphibienembryo I— VI. Arch. f. Entw. Mech. d. Organ. XLIM. Bd. 4. Heft. 1918. —, Experimentelle Forschungen zum Determinations- und Individualitätsproblem. In: Die Naturwissensch. 1919. Heft 32. Te hal rl Heiner: Die Beziehungen der Körperachsen zur Eiachse bei den Chordaten 387 wicklung"! durch sämtliche als Blastula, Gastrula, Tornaria bezeichnete Stadien bis zur Erreichung des jungen, in Eichel-, Kragen- und Rumpfregion gegliederten Wurmstadiums, daß die primäre Ei- achse bei dieser Form stets die Hauptachse des Tieres bleibt. Am animalen Pole (Fig. ıAr) entwickelt sich die durch einen Wimperschopf gekennzeichnete Scheitelplatte, ein apikales Sinnesorgan, welches an der Spitze der Eichel- region des eben metamorphosierten Wurmes iR noch eine Zeitlang erkennbar bleibt (Fig. ı B sp). & Im Gastrulastadium wird von dem gegenüber- liegenden Pole der Hauptachse die Urdarm- einstülpung gebildet (Fig. 1A) und der Urmund ! mt ae! zone, Zn wL. N gr (Blastoporus), welcher sich ‚durch ringförmige S 5 ss ’ B Zusammenziehung schließt, kennzeichnet uns die es s : R Stelle, an welcher sich im jungen Würmchen a die Afteröffnung (Fig. ıBa) findet. Die primäre x Eiachse erhält sich bei dieser merkwürdigen m \ Form als Körperlängsachse des Tieres. Solche : E #m Wesen hat Harscner? als Protaxonia bezeichnet. Hierher gehören die Zölenteraten, während alle anderen Stämme der Metazoen (mit einziger Aus- nahme von Balanoglossus) als Heteraxonia unter wesentlichen Organ- und Materialverlagerungen eine Körperlängsachse als Neubildung zur Ent- wicklung bringen, welche sich nicht direkt auf Re Re die primäre Eiachse zurückbeziehen läßt. ig. 1. zastrulastadium ö von Balanoglossus (nach Wenn wir uns der Betrachtung der Ver- Heier), » Richtungskörper- hältnisse, wie sie uns bei den Chordaten ent- chen. B Umwandlung der y ABER ' Tornaria in den jungen Ba. gegentreten, zuwenden, so finden wir in der lanoglossus (nach Morsas). Gruppe der Tunikaten Formen, welche uns be- e Eichelregion, &k Kragen- _.. ehr der Orentierunpd Kei 2 region, r Rumpfregion, Züglich der Orientierung des Keimes zu einem »n Mund, a After, sp Scheite- ganz bestimmten Urteile berechtigen. Bei den atte, {rs "k, .2: h) . platte, km Kragenmark, Aszidien, deren Entwicklung von E. G. Coxkrin® dn dorsaler Längsnerv, wWimperschnur der Tornaria. einer bewundernswerten Analyse unterzogen ! K. Heıper, Zur Entwicklung von Balanoglossus clavigerus delle Chiaje. Zool. Anz. Bd. XXXIV. Nr. 22/23. 1909. S. 695. Derselbe, Spekulatives zur Balanoglossus- Entwicklung. Biol. Centralbl. Bd. XXX. Nr. 3. 1910. 2 B. Harscner, Lehrbuch der Zoologie. ‚Jena 1888 —ı8g1. S.4o und 69. 3 E. G. Coxkrın, Organization and Cell-Lineage of the Aseidian Egg. Journ. Acad. Nat. Sci. Philad. XIII. 1905. Derselbe, Organ-forming substances in the Eggs of Aseidians. Biol, Bull, Vol. VII, Nr.4. 1905. Derselbe, The Organization of the REN WETTEN WE CM . 388 Sitzung der phys.-math. Klasse vom 12. Mai 1921. — Mitt. vom 7. April worden ist, stehen uns bei der Verfolgung der wei- teren Schicksale und Um- bildungen bestimmter Be- zirke der Eizelle außer den Riehtungskörperchen noch weitere natürliche Marken zu Gebote. Wenigstens konnte CoxkLın an einem besonders günstigen Ob- jekte, an dem Ei von Cyn- thia (Styela) parlita be- stimmte Keimesbezirke er- kennen, welche sieh durch ihr optisches Verhalten (hervorgerufen durch Ein- lagerung von Dottersub- stanzen oder Pigmenten) von einander unterscheiden lassen und als Anlage der später auftretenden Primär- organe (Neuralplatte, Chor- da, Mesenchym, Myoblasten usw.) zu betrachten sind. Bei Cynthia liegt uns die ganze Geographie der Ei- zelle, von der ich oben Fig. 2. A Beginnende Gastrulation bei Cynthia parlita; gesprochen habe, klar vor Stadium von ıı2 Zellen, im Medianschnitt. B späteres Gastrulastadium im Medianschnitt (beide Fignren nach Augen. „Aber auch die Eier Conkuin). an animaler Pol, veg vegetativer Pol, » vorn, von Ülona intestinalis, Mol- h hinten, ch (gestrichelt) Chordaanlage. n (fein punktiert) ‘ gula manhattensis. und von Neuralplatte, m (grob punktiert) Mesodermanlage. Phallusia mammillata folgen in ihrem Baue dem gleichen Typus, obschon die sichtbare Sonderung der Keimesbezirke hier nicht so sinnenfällig ist wie in dem erst- genannten Falle. Die Furehung ist streng bilateral-symmetrisch. Die erste auf- tretende Furche entspricht der Medianebene; sie scheidet das Material für die rechte und linke Körperhälfte und trennt den typischen gelben Halbmond, welcher das Material für die Mesodermanlage enthält, in Egg and the Development of single Blastomeres of Phallusia mammillata. Journ. Exp. Zool. Vol. 10. ıgır. Derselbe, Organ-forming Germ-Regions in the Eggs of Aseidians and Snails. Am. Naturalist. Vol. XXXVIII. 1904. S. 501. Heiner: Die Beziehungen der Körperachsen zur Eiachse bei den Chordaten 389 seiner Mitte durch. Die zweite, ebenfalls meridional verlaufende Furche scheidet das Material für die vordere Körperhälfte von dem für die hintere Hälfte. Die primäre Eiachse oder die Furchungsachse (Fig. 2 A an—veg), d.i. die Linie, in welcher die Blastomeren des Stadiums 4 in der Mitte zusammentreffen, steht ursprünglich auf der definitiven Körperlängsachse (o—) senkrecht. Erst in den späteren Stadien (Fig. 2B) werden die Richtungskörperchen mehr nach vorn verlagert und in fortgeschrittenen Gastrulastadien, in denen mit der Verenge- rung des Urmundes und dem Längenwachstum des ganzen Keimes wesentliche Zellverschiebungen verbunden sind, findet man die Rich- tungskörperchen gegen das vordere Ende des Keimes verschoben. Der - Blastoporus, welcher anfangs vollkommen auf der Dorsalseite gelegen war, verkleinert sich und rückt allmählich nach hinten. In diesen späteren Stadien nimmt dann die Eiachse im Verhältnis zur Körper- längsachse eine Schrägstellung ein. Sie zieht von hinten dorsal nach vorn ventral (vgl. Fig. 2 B). . Hier schließen sich die Verhältnisse an, wie sie der bekannte Lanzettfisch oder Amphioxus erkennen läßt, eine Form, welche wir jetzt, Costa und Parras folgend, als Branchiostoma lanceolatum zu be- zeichnen pflegen. Die Verhältnisse sind hier nicht so klar zu durch- schauen wie bei der determinativen Entwicklung von Cynthia (Styela) partita.“ Wir vermissen im Ei von Branchiostoma die optische Kenn- zeichnung bestimmter Keimesbezirke, wenngleich auch hier in der Ver- teilung der Dottersubstanzen der bilaterale Eibau frühzeitig kenntlich ‘ wird. Kowarevskr', dem wir die erste Untersuchung der Amphioxus- entwicklung verdanken, nahm an, daß die vom animalen zum vege- tativen Pol gehende Eiachse der späteren Längsachse entspräche, also ungefähr so, wie wir dies für Dalanoglossus angegeben haben. Dann würde der Blastoporus ursprünglich an der hinteren Seite des Embryos gelegen sein mit einer dorsalen und ventralen Urmundlippe. Erst später, wenn mit der Streckung des Embryos eine Verengerung des Ur- mundes eintritt, sollte dieser etwas nach der Dorsalseite verschoben wer- den. In ähnlichem Sinne hat sich später auch Mac Bripe” ausgesprochen. Diese Vorstellungen müssen aber einer anderen Anschauungsweise weichen, welche von HaTscHek® entworfen und von ÜERFONTAINE* durch ! A. Kowarevsky, Zur Entwicklungsgeschichte des Amphioxus lanceolatus. Mem. de l’Acad. Imp. des Sc. de St-Petersbourg. 1867. ®” E. W. Mac Brıpe, The Formation of the Layers in Amphioxus ete. Quart. Journ. Mier. Se. Vol. 54. 1909. B. Harsc#ex, Studien über die Entwicklung des Amphioxus in: Arb.d. Zool. Inst. zu Wien Tom. IV. Heft ı. 1881. S. 31. ! P. Cerrontaıne, Recherches sur le developpement de l’Amphioxus, Arch, Biol. Tom. 22. 1906, 390 Sitzung der phys.-math. Klasse vom 12. Mai 1921. — Mitt. vom 7. April UNTIL -- N NURRFINGEHNNGS Fig. 3. Zwei Gastrulastadien von Branchiostoma (nach CrrrontaAine), A jüngeres, B älteres Stadium mit verengtem Blastoporus und beginnendem Längenwachstum. Fig. 4. Ei von Branchiostoma im schematischen Medianschnitt (nach Cerrontame). Man erkennt im Innern die beiden Kopulationskerne in einer plasmatischen Substanz, die sich in mächtiger Ans- dehnung gegen A erstreckt. A vorn, P hinten, D doısal, V ventral, an animaler Pol, veg vege- tativer Pol der Eiachse, sp ein Rest des Sper- matozoons. eingehende Untersuchung in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise begründet worden ist. Danach kreuzt die vom animalen zum vegetativen Pol gezogene Eiachse die spätere Körperlängs- achse unter einem spitzen Winkel (vgl. Fig. 3 A und B). Als na- türliche Marke konnte ÜERFONTAINE bei diesen Feststellungen die Lage deszweiten Richtungskörperchens verwenden. Während der erste Richtungskörper, welcher außer- halb der Eihüllen gelegen ist, frühzeitig verloren geht, behält der zweite Richtungskörper seineLage an der Oberfläche des Keimes un- verändert bei und ist vielfach noch in späteren Stadien der Gastru- lation zu erkennen (Fig. 3). ÜERFONTAINE konnte an dem Ei von Dranchiostoma schon vor der Befruchtung einen bilateralen symmetrischen Eibau nachweisen. Die Eintrittsstelle des Sperma- tozoons (Fig. 4 sp) entspricht (wie auch bei den Aseidien und Am- phibien) der hinteren Körperre- gion. Die erste Furche kenn- zeichnet uns die Medianebene; sie trennt die rechte von der linken Körperhälfte. Das Ei ist so zu. orientieren, daß das zweite Rich- tungskörperchen vorn ventral, der vegetative Pol dagegen hinten dorsal gelegen ist. ÜERFONTAINE konnte schon am Medianschnitt des ungefurchten Eies erkennen, daß die anterodorsale Eihälfte (Fig. 4 bei A) reicher an Proto- plasma und ärmer an Deutoplasma ist als die posteroventrale Hälfte. Heıper: Die Beziehungen der Körperachsen zur Eiachse bei den Chordaten 391 Man kann das Verhältnis vielleicht in der Weise ausdrücken, daß der Mittelpunkt der Nahrungsdotteransammlung im Ei von Branchiostoma wie in jedem teloleeithalen Ei in der Richtung gegen den vegetativen Eipol verschoben ist, daß er aber auch gleichzeitig eine Verschiebung gegen die posteroventrale Seite des Keimes erfahren hat. Damit hängt es zusammen, daß die Entwicklungsvorgänge im Bereiche der plasma- reicheren (anterodorsalen) Seite des Eies früher einsetzen und in der gegenüberliegenden (posteroventralen) Seite verspätet erscheinen, was sich nicht nur bei der Furchung, sondern auch bei den Vorgängen der Gastrulation erkennen läßt. Die erwähnte Verschiebung der Nahrungs- dotteransammlung in der Richtung nach der Ventralseite bedingt nicht nur die Bilateralität des Keimes, sondern auch die in den folgenden Stadien der Entwicklung erkennbare Bevorzugung der anterodorsalen Urmundlippe. Die gleichen Betrachtungen lassen sich auch auf das Amphibienei anwenden. Die Verengerung des Urmundes erfolgt bei Branchiostoma anschei- nend (bei Betrachtung, von Medianschnitten) durch ein Vorrücken der anterodorsalen Urmundlippe nach hinten. Die posteroventrale Lippe scheint mehr stationär und nimmt an der Verengerung des Urmundes anscheinend wenig teil. Nur in späteren Stadien (Fig. 3 B), wenn der verengte Urmund schon völlig nach hinten verlagert ist, wächst sie etwas nach der dorsalen Riehtung vor. Die Verhältnisse an dem vieluntersuchten Amphibienei sind be- kannt. Man hat hier hauptsächlich künstlich erzeugte Marken ver- wendet, um die Beziehungen der Eiachse zu den Richtungen des ent- wiekelten Embryos festzustellen. Die Vorstellungen, zu denen die verschiedenen Forscher geführt wurden, waren allerdings lange Zeit nicht übereinstimmend. Bei den Amphibien steht die Verengerung des Urmundes, welche sich unter dem scheinbaren Bilde eines stän- digen Vorrückens der dorsalen Urmundlippe vollzieht, in inniger Be- ziehung zur Hervorbildung wichtiger Organanlagen, unter denen be- sonders die Chorda dorsalis und die an der äußeren Oberfläche des Keimes sichtbar werdende Medullarplatte auffallen. Prrüser! glaubte sich überzeugt zu haben, daß die dorsale Urmundlippe bei der Her- vorbildung der genannten Anlagen über einen großen Teil der weißen Hemisphäre wandere, und Roux’, welcher die gleiche Anschauung teilte, nahm an, daß das Material für die Bildung der Medullarplatte ı E. Prrüger, Über den Einfluß der Schwerkraft auf die Teilung der Zellen und auf die Entwicklung des Embryo. Arch. f. d. ges. Phys. B. 32. 1883. 2 W. Rovux, Über die Lagerung des Materiales des Medullarrohres im gefurchten Froschei. Ber. d. anat. Ges. Vers. zu Würzburg 1888. Anat. Anzeig. Bd. 3. 1888. Ges. Abh. II: Nr. 23. S. 523. 392 Sitzung der phys.-math. Klasse vom 12. Mai 1921. — Mitt. vom 7. April durch bilaterale Epibolie vom Äquatorrand auf die. Unterseite des Eies verschoben werde, wo es sich in cephalocaudaler Richtung ver- einige. Die Anschauung, daß die Medullarplatte, wie auch die Chor- da, durch Konkreszenz zweier ursprünglich getrennter symmetri- scher Anlagen gebildet werde, schien dureh die von O. Hrrrwıc! ge- nauer untersuchten Mißbildungen, welche Roux als Asyntaxia medul- laris, Herrwıe als Spina bifida bezeichnete, gestützt zu werden. Man war bezüglich der Richtungsverhältnisse für die Amphibienkeime zu einer Auffassung geführt worden, welche der in den Anfangsstadien für die Aseidien (Fig. 2 A).geltenden ziemlich ähnlich ist. Die pri- märe Eiachse sollte auf der späteren Körperlängsachse senkrecht stehen. Auch Morsan” hat sich dieser Auffassung angeschlossen. Man suchte den animalen Pol in der Mitte der späteren Ventralseite und den vege- tativen Pol in der Mitte der Dorsalseite. ‚Wenn dann — wie dies bei normaler Entwicklung zutrifft — die erste auftretende Furche der Medianebene des Embryos entspricht, so müßte die zweite Furche in einer transversalen oder queren Richtung gelegen sein. Sie würde das Material für die vordere Körperhälfte von dem für die hintere trennen. Von den vier ersten Blastomeren hätten wir zwei vordere und zwei hintere zu unterscheiden. & Indes haben spätere Untersuchungen zu einer anderen Auffassung geführt. Es war das Ergebnis einer ganzen Reihe von Untersuchungen, welche zum Teil durch Setzung künstlicher Marken mittels der An- stichmethode (prieking experiments) durchgeführt, einen Wandel in un- seren Anschauungen begründet haben. Hier sind vor allem die Namen von Assneron®, Evcresuvuer‘, H. v. Wırson® und Herren Dean Kınc“ zu nennen. Mittels genauer photographischer Registrierungen erhielt Korscn’ Ergebnisse, die er zur Aufstellung der beifolgenden schema- ı ©. Herrwiıse, Urmund und Spina bifida. Arch. f.mier. Anat. Bd. 39. S. 353 ff. 1892. 2 T, H. Morcan, The development of the Frog’s Egg. New York 1897. Deutsche Übersetzung von B. Sorger. Leipzig 1904. 3 R. Assnwron, On the Growth in Length of the Frog Embryo. Quart. Journ. Micr. Se. (2) Vol. 37. 1894. * A. ©. Evcoresnuyner, The Early Development of Amblystoma with Observations on Some Other Vertebrates. Journ. Morph. Vol. X. 1895. —, The Location of the Basis of the Amphibian Embryo. Journ. of Morph. Vol. 14. 1898. 5 H. V. Wırson, Formation of the Blastopore in the Frog Egg. Anat. Anz. Bd. X VIII. 1900. / —, Closure of Blastopore in theNormally Placed Frog Egg. Anat. Anz. Bd.XX. 1901. 6 Heren Draw Kıng, Experimental Studies on the formation of the Embryo ot Bufo lentiginosus. Arch. Entw. Mech. XIII. Bd. 1902. S. 545ff. _ ? Fr. Korscn, Über das Verhältnis der Embryonalen Axen zu den drei ersten Furchungsebenen beim Frosch. Intern. Monatsschr. f. Anat. u. Physiol. 1900, Bd. XVII. RG, ein DR Bi ee ? Heiner: Die Beziehungen der Körperachsen zur Eiachse bei den Chordaten 393 tischen Bilder (Fig. 5) verwendete. Man erkannte nämlich, daß man die Größe des Weges, den die dorsale Urmundlippe über die weiße Hemisphäre zurücklegt, bedeutend überschätzt hatte. Derselbe beträgt im allgemeinen nicht mehr als 75°. Ziemlich sichergestellt scheint ferner die Tatsache, daß der Blas- toporus vom Moment des Auftre- tens der ventralen Urmundlippe, also von der Zeit an, wo’ er ring- förmig geschlossen ist, sich von allen Seiten gleichmäßig zusammen- zieht. Die ventrale Urmundlippe ist nicht etwa, wie man wohl ge- meint hatte, ein stationäres Gebilde. Sie wächst der dorsalen entgegen, und sie vereinigen sich ungefähr in der Gegend des vegetativen Poles.. Wir müssen, Korsch fol- gend, annehmen, daß die Eiachse zur späteren Körperlängsachse eine schräge Lage einnimmt (Fig. 5). Der animale Pol liegt vorn ventral, ‘der vegetative hinten dorsal. Wie bei Branchiostoma (Fig. 3 A), so hat auch hier der Blastoporus eine dor- sale Lage, schräg nach hinten ab- Fig. 5. Schematische Medianschnitte. A durch eine junge Frosch-Gastrula. mit beginnender Bildung der dorsalen Urmundlippe b; die puuk- tierte Linie bezeichnet die Grenze des hellen Feldes. B späteres Stadium mit sehr verengtem Blastoporus und beginnender Bildung der Medul- larplatte, 4 querer Hirnwulst. an animaler, veg vegetativer Pol der Eiachse (nach Korscn). fallend. Wir müssen eine antero- dorsale und eine posteroventrale Urmundlippe unterscheiden. Da der Winkel, den die Fiachse mit der Körperlängsachse bildet, sich im Laufe der Entwicklung und bei fortschreitender Streckung des Embryos immer mehr verkleinert, so möchte es scheinen, als wenn die Divergenz der beiden Achsen wohl vernachlässigt werden könnte. In der Tat liegen einige neuere Angaben vor, die dahin zu deuten scheinen, daß die Eiachse mit der Körperlängsachse zusammen- falle. So hat H. C. Dersman', von gewissen spekulativen Überlegungen ausgehend, mittels der Anstichmethode (prieking experiments) wahr- ı! H.C.Dersman, On the relation of the first three eleavage planes to the Prin- ceipal Axes in the Embryo of Rana fusca Rösel. Proc. Koninkl. Akad. van Weten- schappen te Amsterdam Vol. XIX. Nr. 3. 1916. —, The Gastrulat'on of Rana escubata and of Rana fusca, ibid. Nr. 7. 1916. 7 . 394 Sitzung der phys.-math. Klasse vom 12. Mai 1921. — Mitt. vom 7. April scheinlich zu machen gesucht, daß das Vorderende der Medullarplatte bis dicht an den animalen Pol heranreiche. Drrsman markierte (Fig. 6 A) durch Anstechen bei dem achtzelligen Stadium von Rana fusca und R. esculenta den animalen Eipol (a) und dann im Umkreise der hori- zontalen Furche die beiden Schnittpunkte mit der Medianebene (b an der Dorsalseite und c an der Ventralseite, ferner die beiden lateral gelegenen Schnittpunkte d). Diese Marken blieben in einzelnen Fällen bis zum Auftreten der Medullarplatte erhalten. Deısman fand, daß die Marke am animalen Pole (Fig. 6 B,a) dicht vor der Gehirnanlage be- obachtet werden konnte. Die drei übrigen Marken (Fig. 6 B, b, c und d) hatten ihre relative Lage zum Eiganzen nur wenig geändert. Daß das a Fig.6. A Seitenansicht des achtzelligen Furchungsstadiums von Rana fusca (nach Drısman). a, b, c, d Stellen, an denen durch Anstich Marken erzeugt wurden, r Grenzzone zwischen dem hellen und dunklen Felde. B zeigt die Lage der Marken a, b, c, d zur Zeit der Entwicklung der Medullarplatte, s Rand der sog. Sinnesplatte, % Kiemenanlage. ı, 2, 3, 4 Lage der dorsalen Blastoporuslippe in aufeinanderfolgenden Stadien des Urmundschlusses. Vorderende der Medullarplatte bei ihrem ersten Auftreten bis dicht an den animalen Pol heranreicht, ist einigermaßen auffällig und stimmt nicht zu den Angaben anderer Experimentatoren, die sich der gleichen Methode bedienten. Allerdings hatte Eyenesuvner Ähnliches gesehen. Aber im allgemeinen geht doch die Ansicht der meisten Beobachter dahin, daß der quere Hirnwulst, welcher uns das Vorderende der Neuralplatte kennzeichnet, in einigem Abstande vom animalen Pole an- gelegt wird. Herren Dean Kıne fand die durch Anstich in der Mitte der schwarzen Hemisphäre ‚gesetzte Marke in ı8 Fällen etwas vor dem queren Hirnwulst, bei weiteren 7 Fällen war der Abstand noch größer. Es fanden sich 3 Fälle, bei denen die Marke die Gegend der Saugnäpfe einnahm. Sie schließt: » The results of this experiment 3 BETEN RE N TRRO a een Die Beziehungen der Körperachsen zur Eiachse bei den Chordaten 395 show that the anterior end of the embryo in the Bufo egg does not extend up to the centre of the black hemisphere but lies somewhere below it.« Im einem weiteren Versuche wurden 26 Eier ungefähr in der Mitte zwischen dem Pole der schwarzen Hemisphäre und der dorsalen Blastoporuslippe angestochen. Die Marke fand sich später bei ı9 Eiern im queren Hirnwulst. »The conclusion from this ex- periment is, obviously, that the anterior end of the embryo in the egg of Bufo is formed from the region about half way between the centre of the black hemisphere and the place below the equator of the egg where the dorsal lip of the blastopore first appears.« Zu ganz ähnlichen Ergebnissen sah sich auch Ixena' bei seinen Anstich- versuchen an dem japanischen Frosche #thacophorus geführt. Ebenso zeigt ein von Spemann” nach H. V. Wırsox für Chorophilus entworfe- nes Schema das Vorderende der Medullarplatte in ziemlichem Abstande vom animalen Pole. Sonach möchten vielleicht die entgegenstehenden Angaben von Dersman durch eine sekundäre Streckung der Medullar- platte zu erklären sein. Überhaupt sind die Anstichversuche mancherlei kritischen Bedenken unterworfen, die auch schon von verschiedensten Seiten geäußert wurden. H. Spemann® verwendet die Methode der Transplantation kleiner rund- licher Gewebsstückchen, um die Ausdehnung bestimmter Keimesbezirke festzustellen. Diese Marken, welche fast reaktionslos einheilen und an dem späteren Entwicklungsgeschehen teilnehmen, fallen noch lange durch ihre besondere Pigmentierung auf. Wurde eine solche Marke in mäßiger Entfernung über dem Urmunde angebracht, so fand sie sich später in der Medullarplatte; wurde sie beträchtlich weiter vorn eingesetzt, so lag sie später ventral ziemlich weit vor der Medullarplatte. Es ist in dieser bewundernswerten Methode die Möglichkeit gegeben, die Aus- breitung der Medullarplattenanlage im virtuellen Embryo abtastend zu bestimmen. Nach den vorliegenden Mitteilungen will es mir scheinen, daß die Medullarplatte bei ihrem ersten Auftreten nicht bis an den animalen Pol heranreicht. Später ‘gewinnt sie durch Längenwachstum eine größere Ausdehnung und Spemann konnte mittels der gleichen Methode sehr schön nachweisen, daß an diesem Längenwachstum vor ı S. Ixepa, Contrib. to the Embryology of Amphibia:—The Mode of Blastopore Closure and the Position of the Embryonie Body. Journ. Coll. of Seience Tokyo Vol. XVH. Part II. 1902. ® H. Spemann, Entwicklungsphysiologische Studien am Tritonei. Arch. Entw. Mech. XV. Bd. 3. Heft. 1902. S. 482. Fig. 28. j ° H.Sremans, Über die Determination der ersten Organanlagen des Amphibien- embryo I—VI. Arch. Entw. Mech. XLIIU. Bd. 1918. 4. Heft. Über die Methode s. S. 450 ff. 396 Sitzung der phys.-math. Klasse vom 12. Mai 1921. — Mitt. vom 7. April allem die hinteren dicht an der dorsalen Blastoporuslippe gelegenen Abschnitte beteiligt sind. Für unsere Frage sind aber auch die Einschnürungsversuche von SpEMAnNn' zu beachten. Man kann annehmen, daß bei den Amphibien bei normaler Entwicklung im allgemeinen die erste Furche der späteren Medianebene entspricht. SpEmann orientiert das Ei so, daß die Eiachse mit der späteren Körperlängsachse zusammenfällt. In diesem Falle muß dann die zweite auftretende Furche eine frontale Lage einnehmen. Sie wird zwei dorsale Blastomeren von zwei ventralen trennen. Bei Tritoneiern — dem von Sprmann verwendeten Material — kommt es nun infolge des bei Amphibien verbreiteten sogenannten » Anachro- nismus« der Furchung nicht selten vor, daß die erste auftretende "Furche eine frontale Lage einnimmt. Von den zwei vorhandenen Bla- stomeren ist dann die eine als dorsal, die andere als ventral im Sinne Spemanns anzusprechen. Schnürt man den Keim in diesem Stadium in der Riehtung der Furche etwas ein, so besteht er dann aus zwei kugelförmigen Teilen, einem dorsalen und einem ventralen, welche entsprechend der Einschnürung durch einen Isthmus zusammenhängen (Fig. 7). Bei beginnender Gastrulation entsteht die dorsale Urmund- lippe (Fig. 7 A bl) in der oberen Kugel, während in der unteren Hälfte frühzeitig eine ziemlich weite Ringfurche (r) einsetzt, welche wie eine Vorahnung einer ven- tralen Urmundlippe aussieht, ihr aber wohl nicht direkt ent- spricht. Es liegt mir ferne, auf die bedeu- tungsvollen, von SPpE- mann beobachteten Ma- terialverlagerungen kenntnis für unsere Vorstellungen vom Mechanismus der Gas- trulation von Wichtig- Fig. 7. 'Vritonei, welches im Zweizellenstadium in der Richtung keit ist. Hier genügt der Furche mittelstark geschnürt ue: Es BOSDPEB SER Gastru- Ben erwähnen, daß lation. Ansicht vom vegetativen Pole. Bei bl erster Beginn der Urmundbildung, bei r eine Furche, welche ungefähr der Rand- der kreisförmig ge- zone des vegetativen Feldes entspricht, { B sche matische Dar schlossene und schon stellung eines späteren Stadiums mit kreisförmig geschlossenem : Blastoporus bl (nach SrrmAnn). verkleinerte Urmund ! H. Spemann, Entwicklungsphysiologische Studien am Tritonei. Arch. Entw. Mech. XV. Bd. 3. Heft. 1902. S. 448 ft. einzugehen, deren Er- a TER \ ’ N Heiver: Die Beziehungen der Körperachsen zur Eiachse bei den Chordaten ati mit dem Dotterpfropf (Fig.7 Bbl) schließlich stets im Bereiche der Ein- schnürung unter der Ligatur vorgefunden wird. Diese Beobachtungen sehen in der Tat so aus, wie wenn bei den Vertebraten die spätere Körperlängsachse mit der Eiachse zu- sammenfiele. Dann würde die Chorda dorsalis im Froschembryo un- gefähr die Richtung vom animalen zum vegetativen Pole kennzeichnen, und der Blastoporus, sobald er kreisförmig geschlossen ist, würde in einer queren Ebene liegen. Mit einem Worte: die Vertebraten wären als Protaxonia im Sinne Harscnexs zu betrachten. Mich leiten vor- nehmlich vergleichende Momente, wenn ich gegen diese Auffassung Stellung nehme. Die Embryonalentwieklung der Amphibien ist offen- bar der Entwieklung von Branchiostoma ungemein ähnlich, und für diese letztere Form scheint es einwandfrei festzustehen, daß die Körper- längsachse, welche durch die Lage der Chorda gekennzeichnet ist, sich mit der primären Eiachse unter einem spitzen Winkel kreuzt. So werden wir zur Korscenschen Orientierung des Amphibienkeimes zurückgeführt. Spemanns Ergebnisse scheinen mir mit dieser en Auffassung durchaus vereinbar. Beim Tritonei ist es schwer, über die genaue Lage der gesetzten Marken ein bestimmtes Urteil abzugeben. Wenn ich aber die Lage der dunklen Marke in Spemanns Fig. 2 auf Taf. XVII" betrachte, so will es mir scheinen, wie wenn sie ungefähr dem ani- malen Pole entspräche. Wenn sie dann in späteren Stadien (Fig. 4, Taf. XVIII) vorn ventralwärts erscheint, so möchte dieser Versuch darauf hindeuten, daß die Eiachse zur Körperlängsachse schräggestellt. ist. Die Durchschnürungsversuche stehen zu dieser Auffassung in keinem Widerspruche. Man kann sich hiervon leicht überzeugen. Wenn man den Keim der Fig. 5A in der Richtung an—veg durch- geschnürt denkt, so würde man zu denselben Ergebnissen gelangen, wie sie SpEmann erzielt hat. Ich sehe mich in meiner ‘Auffassung bestärkt durch die Ergebnisse von Bracner”, welcher in seiner Fig. 14 einen durch Zerstörung der posteroventralen Blastomere erhaltenen Hemiembryo anterior abbildet, dem etwa das hintere Fünftel des Neu- ralrohres fehlt. Das von Bracuer in Fig. 4 gegebene Schema der Achsenverhältnisse stimmt gut mit dem von Korsca (Fig. 5B) ent- worfenen überein. Eine genauere Feststellung der Achsenverhältnisse im CHrordaten- keime ist nicht ganz belanglos. Je kleiner der Winkel wird, den ! H. Sremans, Über die Determination der ersten Organanlagen des Amphibien- embryos I—VI. Arch. Entw. Mech. 43. Bd. 1918. ®2 A. Bracaer, Recherches experimentales sur l’euf de Rana fusca. Arch. de Biol. Tom. XXI. 1904. S. 103. Taf. IV. ‘ 398 Sitzung der phys.-math. Klasse vom 12. Mai 1921. — Mitt. vom 7. April die Eiachse mit der Körperlängsachse bildet, um so mehr wird sich die Ebene des Blastoporus aufrichten und sich einer queren oder trans- versalen Lage nähern. Man darf annehmen, daß in einem solchen Falle der Anteil, welehen Konkreszenz an der Entwicklung der Achsen- organe nimmt, ein immer geringerer wird. Daß Konkreszenz bei der Bildung der Chorda und der Neuralplatte eine Rolle spielt, ersieht man am’ besten aus der Entwicklung der Aszidien, bei denen die An- lage dieser Gebilde den vorderen Rand des Blastoporus halbmondförmig umfaßt. Coskuın' konnte aber auch den Nachweis erbringen, daß ein vorderer Abschnitt der Neuralplatte nicht durch Konkreszenz der beiden Halbmondhälften, sondern in situ gebildet wird. Im Stadium 64 sind es sechs Zellen, welche am vorderen Rande der animalen Zellplatte gelegen, mit a’, a”, a’”, a’®, a’’® und a” bezeichnet werden. Ihnen schließt sich der Halbkreis jener Zellen an, welche den Blasto- porusrand umsäumen. Man wird diese Ergebnisse verallgemeinern dürfen und in der Entwicklung der Medullarplatte der Chordaten einen vorderen in situ entstandenen von einem hinteren durch Konkreszenz gebildeten Anteil zu scheiden haben, worauf unter anderm auch die Versuchsergebnisse von Spemanx hindeuten. Man möchte in dem Deıs- manschen Schema Fig. 6B die Grenze zwischen beiden Abschnitten in der Gegend der Ziffer ı vermuten. ı E.G. Conkuın, Organization and Cell-Lineage of the Ascidian Egg. Journ. Acad. Nat. Sei. Philad. XII, 1905, vgl. auch E. Korscuerr und K. Hrıper, Lehrb. d. vergl. Entw. Gesch. Wirbellos. Tiere. Allgem. Teil. 4. Lief. ı. Hälfte. Jena ıgıo. S. 448. Fig. 309B. S.452. Fig. 310 A u. B und die darauffolgenden Abbildungen. Ausgegeben am 26. Mai. Berlin, gedruckt in der Reiehsdruckerei j SITZUNGSBERICHTE DER PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN "Gesamtsitzung am 26. Mai, (S. 399) Kenr: Bericht über die Herausgabe der Monumenta Germaniae historica 1920. (S..401) BERLIN 1921 VERLAG DER AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN IN KOMMISSION BEI DER VEREINIGUNG WISSENSCHAFTLICHER VERLEGER WALTER DE GRUYTERU., CO, VORMALS G. J. GÖSCHEN’SCHE VERLAGSHANDLUNG: J. GUTTENTAG, VERLAGSBUCHHANDLUNG: GEORG REINER, KARL J. TRÜBNER. VEIT U. COMP. gibt gemäß Sal, 1 TER, zwi r Si Preußischen danke der Wissenschäften«, Aus $ 2. N handlungen bestimmte Mitteilung muß in einer. aka- ischen Sitzung vorgelegt werden, wobei in.der Regel “ Faehe angehörenden ordentlichen Mitgliedes zu benutzen, : 83. [ Br Umfang einer aufzunchnienden Mittzilung sol m der Regel in den Sitzungsberichten bei Mitgliedern 32, "bei Nichtmitgliedern 16 Seiten in der. gewöhnlichen Schrift “ “der Sitzungsberichte, in den Abhandlungen 12 Druckbögen „yon je 8 Seiten in der gewöhnlichen BERLEe der BR ‘Tangen ‚nicht ‚übersteigen. ; % ‚der Gesamtakademie oder der betrefienden Klasse: statt- "haft und ist bei Vorlage der Mitteilung ausdrücklich zu . beantragen. Läßt der Umfang eines "Manuskripte ver- muten, daß diese Zustimmung erforderlich sein werde, ‘so hat das vorlegende Mitglied es vor dem Einreichen . von sachlundigerScite auf seinen mutmaßlichen Umfang im Druck abschätzen zu lassen. Er N 4, TER = Sollen einer Mitteilung Abbildungen im Text oder “auf besonderen Tafeln beigegeben ‘werden, so, sind die Vorlagen dafür (Zeichnungen, photograplische. Original- © aufnahmen usw.) gleichzeitig mit dem Manuskript, jedoch “Auf getrennten Blättern, einzureichen. Die Kosten der Herstellung der Vorlagen haben in ‚der Regel die Verfasser zu tragen. Sind diese Kosten ‚aber auf einen erheblichen Betrag zu veranschlagen, so kann die Akademie dazu eine Bewilligung beschließen, Ein Aarauf gerichteter Antrag ist vor der Herstellung der be- "treffenden Vorlagen mit dem sehriftliehen Kostenanschlage ‚eines Sachverstindigen an den’ vorsitzenden Sekretar zu richten, dann zunächst im. Sekretariat vorzuberaten und 2 Ateiter in der Gesamtakadeniie zu verhandeln. Die Kosten der. Vervielfältigung. übernimmt die Aka- demie, Über die voraussichtliche Höhe dieser Kosten ist: — wenn cs sieh nicht um wenige cinfäche Textfizuren handelt — ddr. Kostenanschlag eines Sachverständigen ‚heizufügen. Überschreitet (dieser Anschlag für die er- -forderliche Auflage bei den Sitzungsberichten 150 Mark, bei den Abhandlungen 300 Mark, so ist. Vorberatung dureh das Sckretariat geboten. Aus $5. Nach «der Vorlegung und Eiureichung des voliständigen druckfertigen Manuskripts an den zuständigen Sekretar oder an den Archivar wird über Aufnahme der Mitteilung in die akademischen Sehriften, und zwar, wenn eines der anwesenden. Mit- glieder es verlangt, verdeckt abgestimmt, Mitteilungen von Verfassern, welche nicht Mitglieder der Akademie sind, ‘sollen. der Regel nach nur in die - Sitzungsberichte aufgenommen werden. Beschließt eine Klasse die Aufnahme der Mitteilung eines Nichtmitgliedes in die Abhandlungen, so bedarf dieser Beschluß der - Bestätigung durch die Gesamtakademie. = 7 fort > Verötentlichungen heraus: »Sitzungsberiehte der - Jode zur Aufnahme in die Sitzungsberiehte oder die Überschreitung dieser’ Grenzen ist mar mit Fehmie - 5 \s.drucktertige Manuskriptzugleieh einzuliefevn ist. Nicht- .) "mitglieder haben hierzu die Vermittelung eines ihrem | (Fortsetzung auf 8.3 des Umschlags.) - Korrektnren Fremder bedürfen der. Gen ‚ aufgenommenen wissönschäftlichen re -gierenden-Sekretar weitere 160 Exemplare auf ihre An Dasselbe hat Sich ‘zu y orn, > seine Mitteilung als vollkommen Aruckreif ansich Die ‚erste Korrektur ihrer Mitteilungen beso Verfasser. Fremde haben diese ‚erste ‚Korrektur: gierenden Sekretars vor der Einsendung an die, D und die Verfasser sind zur Tragung der Be kosten verpflichtet. i Aus $.8. Von ee in die Sitzuugsberichte oder Abi KrskenachaErRen Mitteilungen, wenn deren U Druck 4Seiten übersteigt, auch für den Buchhande gegeben. w er Von Gedächtnisreden werden ebentalls Sonde) für den Buchhandel hergestellt, indes nur dann, w Verfasser sich ausdrücklich damit einverstanden. r SI, "Von. den Sonderabdrucken aus den Sitzu er em welcher Mitglied der A ER, hat; wünscht er suß seine Kor noch. Abdrucke zur Verteilung zu erhalten, so bedarf es der Genehmigung der Gesamtalademie oder der bet den Klasse; — Nichtmitglieder erhalten 50 Freiex: und «lürfen nach. rechtzeitiger Anzeige bei den gierenden Sckretar weitere 200 Exemplare auf ihr abziehen lassen; Von den Sonderabdrucken aus den Abende hält ein Verfasser, welcher Mitglied der Akademie zu unentgeltlicher. Verteilung ‚olıne weiteres 30 exemplare; .er ist indes berechtigt, zu gleichem” Zwe Auf Kosten der Akademie weitere Exemplare bis zur Zahl von noch. 100 und auf scine Kosten "noch weitere 5 zur Zahl von 100 (im ganzen also 230) abzichen zu he sofern er-dies rechtzeitig. dem .religierenden Scekretar gezeigt hat; wünscht er auf seine Kosien ‚noch ni Abdrueke- zar Verteilung "Zu erhalten, so bedarf es der Genehmigung der Gesamtakademie oder der betre den Klasse, — Nichtmitglieder erhalten ‚30: Freiexemplare wid dürfen nach rechtzeitiger Anzeige. bei dem. reiz abziehen lassen, 8:17. Eine für die akademischen, Schriften stimmte wissenschaftliche Mitteilung dar keinem Falle vor ihrer Ausgabe an. je Stelle anderweitig, sei es. BUN nur Ba vH m a N de ir ade in ae 5 7 Fe N x A 5 N N A, . u \ . 399 SITZUNGSBERICHTE DER PREUSSISCHEN | h AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. 1921 AXVl. Gesamtsitzung. 26. Mai. Vorsitzender Sekretar: Hr. PLAnck. a l. Hr. Kürentuar sprach über die Brustflosse des Buckel- wales und ihre Entwicklung. (Ersch. später.) Es wird gezeigt, daß bei sehr kleinen Embryonen die Karpalverhältnisse durch- aus verschieden sind von denen des erwachsenen Tieres, so daß die bisherigen Deu- tungen der einzelnen Elemente nicht zutreffen. Auch die Frage nach der Ursache der Hyperphalangie und des Schwundes eines Fingers wird erörtert. 2. Das Ehrenmitglied der Akademie Hr. Hruster in Basel über- sandte eine Arbeit über: Die deutsche Quelle der Ballade von Kremolds Rache. (Ersch. später.) Das erste Epos von der Nibelungenot ist in Norwegen im 13. Jahrhundert zu einer Ballade umgedichtet worden, die uns in Texten aus Dänemark und den Färöer vorliegt. Die Ballade hilft uns, das Bild der verlorenen österreichischen Dichtung, der Hauptquelle des Nibelungenlieds. nachzuzeichnen. 3. Das auswärtige Mitglied der Akademie Hr. ScaucuAarpr in Graz übersandte eine Arbeit: Zur Kenntnis des Baskischen von Sara (Labourd). (Abh.) Den Kern dieser Abhandlung bilden zwei längere Gespräche, die, in dortiger vulgärer Sprechweise, von einem Manne aus dem Volk (einem Schuhmacher) auf meine Anregung (während eines längeren Aufenthaltes im Baskenland 1887) abgetfaßt worden sind. Voran geht eine längere Einleitung, die sich besonders mit den Problemen der Betonung und der mundartlichen Differenzierung beschäftigt. Die den Schluß machenden Anmerkungen sind hauptsächlich etymologischen und syntaktischen Problemen ge- widmet. 4. Hr. Kear legte vor den Bericht über die Herausgabe der Monumenta Germaniae historica 1920. 5. Hr. Hagertanpr überreichte Heft ı und 2 des zweiten Bandes der von ihm herausgegebenen Beiträge zur allgemeinen Botanik (Ber- lin 1921). 6. Vorgelegt wurden das von der Zentraldirektion der Monumenta (rermaniae historica überreichte Werk des korrespondierenden Mit- Sitzungsberichte 1921. 39 400 Gesamtsitzung vom 26. Mai 1921 gliedes der Akademie Harry BressLau »Geschichte der Monumenta Germaniae historiea« (Hannover 1921); ferner die von der Akademie in der Leibniz-Sitzung des Jahres 1919 gekrönte Preisschrift von Eısr Wenrtscnher »Geschichte des Kausalproblems in der neueren Philo- sophie« (Leipzig 1921); ferner das mit Unterstützung der Akademie (Stutz-Stiftung) herausgegebene Werk von Hans Erıca Feine »Die Be- setzung der Reichsbistümer vom Westfälischen Frieden bis zur Säku- larisation 1648 —1803« (Kirchenrechtliche Abhandlungen hrsg. von Urrıca Sturz,- Heft 97 und 98, Stuttgart 1921); ferner die mit Unter- stützung der Hermann-und-Elise-geb.-Heckmann-W entzel-Stiftung her- ausgegebene Arbeit von WaAurer Laas »Die photographische Messung der Meereswellen« (Veröffentlichungen des Instituts für Meereskunde an der Universität Berlin, hrsg. von ArLereenr Prsck, Neue Folge, A. Geo- graphisch-naturwissenschaftliche Reihe, Heft 7, Berlin 1921): endlich die mit Unterstützung der Akademie herausgegebene Arbeit von BasseEL »Die Wasserleitung von Pompeji« (Die Denkmalpflege, Jahrg. 23 Nr. 5, Berlin 1921). 7. Für wissenschaftliche Zwecke hat die physikalisch-mathema- tische Klasse bewilligt für die Herausgabe der Werke LEONHARD EULERS als weitere Rate 6000 Mark; ferner Hrn. Cuno HorrmEIisTER in Sonne- 'berg zur Unterhaltung seiner Privatsternwarte in Sonneberg 2000 Mark. 8. Die Akademie hat auf den Vorschlag der vorberatenden Kom- mission der Bopp-Stiftung aus den Erträgnissen der Stiftung Hrn. Dr. Ernst Lewy in Wechterswinkel zur Förderung seiner ostfinnischen Forschungen 1350 Mark zuerkannt. Keur: Bericht über die Herausgabe der Monumenta Germaniae historica 1920 401 Bericht über die Herausgabe der Monumenta Grermaniae historica 1920. Von P. Keur. Die 46. Plenarversammlung der Zentraldirektion der Monumenta Ger- maniae historica fand am 14. und 15. April unter dem Vorsitze des Berichterstatters statt, unter der Teilnahme der HH. Bresstau und HanmpE aus Heidelberg, Heymann und Hıntze aus Berlin, von GRAUERT aus München, Krvscn aus Hannover, von ÖTTENTHAL aus Wien, ScHÄFER und Secker aus Berlin, vov STEINMEYER aus Erlangen, STRECKER und Tasse aus Berlin. Das Protokoll führte Hr. Seerer. Die Beschwer- lichkeiten der Reise hielten die HH. Luscnın von EBENGREUTH aus Graz und Revricn aus Wien von der Teilnahme an der Plenarversammlung fern. Der Versammlung ging am ı3. April eine durch Hrn. Heymann verstärkte Sitzung der Abteilungsleiter, der HH. BressLau, Krusch, VON ÜTTENTHAL, SECKEL, STRECKER und Taxe, unter dem Vorsitze des Vorsitzenden der Zentraldirektion voraus, welche, einem Auftrag des verstärkten Lokalausschusses vom 24. April 1920 gemäß, zunächst die Frage der Lex Bajuvariorum erörterte und weiterhin die Beratungen über den Haushalt für das Rechnungsjahr 1921 vorbereitete. Aus dem Kreise unserer Mitarbeiter schied am ı. Oktober 1920 der bisherige etatmäßige Mitarbeiter Hr. Regierungsrat Prof. Caspar aus, der zwölf Jahre unser Mitarbeiter gewesen ist und sich vornehm- lich durch seine Ausgabe des Registers Johanns VII. und des Registers Gregors VII. verdient gemacht hat. Er folgte einem ehrenvollen Rufe als ordentlicher Professor der Geschichte an die Universität Königsberg. Auch der bisherige ständige Mitarbeiter Hr. Prof. Scameipter in Leipzig gab seine Stelle als Mitarbeiter der Abteilung Seriptores am 1. Juli 1920 auf, um sich ganz der Tätigkeit als Leiter der Volkshochschulkurse in Leipzig zu widmen. Doch wird er die von ihm übernommenen Aus- gaben und Arbeiten noch zu Ende führen. An seine Stelle trat am 1. Juli 1920 der Privatdozent an der Universität Heidelberg Hr. Dr. FrıEpRICH BAETBEEN. 39* 402: Gesamtsitzung vom 26. Mai 1921 Erschienen sind in dem Beriehtsjahre: Scriptores rerum Merovingicarum tom. VII pars I edd. Br. Kruscn et W. Levıson, in der Oktavserie der Scriptores rerum Germanicarum : Arbeonis episcopi Frisingensis Vitae sanctorum Haimhrammi et Corbiniani rec. Br.Kruscn, und Vita Meinwerci episcopi Patherbrunnensis rec. F. TENncKHorF, in der Oktavserie der Epistolae selectae tom. II pars I: Gregorü VII registrum lib. I—IV ed. E. Caspar, in der Abteilung Antiquitates: Necrologia Germaniae tom. IV: .Dioe- cesis Pataviensis pars I edd. M. FAsTLineer et Jos. STURM, vom Neuen Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde Band 42, enthaltend die von Hrn. BressLau verfaßte Geschichte der Monumenta Germaniae historica, mit deren Vollendung unser hochver- ehrter Senior ein neues großes Verdienst um unser Unternehmen. sich erworben hat, und Band 43 Heft ı. Im Druck befinden sich 3 Quartbände und 3 Oktavbände, außer- dem Heft 2 und 3 des 43. Bandes des Neuen Archivs. Mit der Vollendung des 7. Bandes der Scriptores rerum Mero- vingicarum ist die Serie der Merowingischen Geschichtschreiber zum Abschlusse gelangt. Mit Genugtuung können die unermüdlichen Her- ausgeber, vornehmlich der Leiter der Abteilung, Hr. Krusc#, und mit Stolz kann die Zentraldirektion auf die Vollendung dieses großen und mühevollen Werkes blicken. Nachdem Hr. Kruscn auch die kleine Ausgabe seines Arbeo vollendet hat, würde er sich der neuen Aus- gabe des Gregor von Tours, die er für die Scriptores rerum Germani- carum übernommen hatte, haben widmen können, wenn er sich nicht einer neuen Aufgabe hätte unterziehen müssen, der Prüfung nämlich der handschriftlichen Grundlage der Lex Bajuvariorum, die er in gründ- lichster Weise auf Grund einer Vergleichung von ı2 Hss. vorgenom- men hat und die ihn zu einem von der zur Zeit herrschenden Auf- fassung vollkommen abweichenden Ergebnis geführt hat. Daneben be- schäftigte er sich mit den Vorarbeiten für seine Ausgabe der Lex Salica und mit der Widerlegung des letzten Werkes des verstorbenen belgi- schen Historikers Goperrov Kurru, Etudes Franques (1919). Ihn unter- stützten bei seinen Arbeiten der Bollandist P. Dereuave S. J. in Brüssel, die Direktion der Universitätsbibliothek in Leiden, welche ihm ihre kostbaren Hss. der Lex Salica und der Lex Bajuvariorum und die uns noch immer unzugänglichen französischen Zeitschriften zuzusenden die Güte hatte, die Bibliothek des Stiftes St. Paul im Lavanttal, die ihre alte schöne Legeshs. nach Hannover sandte, und die Universitäts- und . Staatsbibliotheken in- München, die Bibliotheken in Bamberg, Kear: Bericht über die Herausgabe der Monumenta Germaniae historica 1920 403 Würzburg und ‚Wolfenbüttel nl durch mehrfache Handschriften- sendungen. - In der von Hrm. SEE geleiteten Abteilung der Ser dito sind, hauptsächlich von Hrn. Dr. Baeıneen, die Arbeiten an dem noch fehlenden Halbband der großen Folioserie (tom. XXX pars II) fortge- setzt worden. Für dessen ersten Teil, der die deutschen Quellen ent- halten soll, hat Dr. Barrueen die noch übriggebliebenen Reste in der Hauptsache aufgearbeitet, darunter die neu entdeckte ältere Version der sog. Translatio s. Liborü auctore Idone (836) und eine größere An- zahl von Fundations- und Weihenotizen; anderes wurde ausgeschieden ; für den zweiten Teil, der für die Aufnahme italienischer Quellen be- stimmt ist, hat Dr. BaArtueen mit der Bearbeitung der Vita s. Johannis Grualberti, des Stifters des Vallombrosanerordens, begonnen, welche ur- sprünglich Hr. Prof. Davınsonv in Florenz übernommen hatte: indem. nun die von diesem noch vermißte einzige Hs. an den Tag gekommen ist und sich daraus für die Gestaltung des Textes ganz neue Gesichts- punkte ergeben haben, ist eine Nenbearbeitung nötig geworden. Es bleiben außerdem noch einige kleinere Stücke zu erledigen, von denen die von Frl. Dr. Agzr6s begonnene Chronica s. Michaelis Chusini (Chiusa) und die von Horper-Esser bearbeiteten, aber auf erweiterter hand- schriftlicher Grundlage neu zu rezensierenden Miracula s. Columbani (Bobbio) Hr. BressLau selbst 'fertigzustellen gedenkt, während er die übrigen, die Vitae Arialdi, des Mailänder Patarenerführers, und die Vita s. Bernardi Parmensis episcopi, Papst Paschals II. Vikars in der Lom- bardei, nebst zwei kurzen Translationsgeschichten, Hrn. Dr. Barrusenx übertragen hat. Über einem anderen wichtigen Stück, das ursprüng- lich für diesen Folioband bestimmt war, dann aber in die Oktavserie der Scriptores rerum: Germanicarum aufgenommen werden sollte, der Aus- gabe der altfranzösischen Chronik des Amatus von Monte Cassino, schwebt ein Unstern. Denn der Bearbeiter, Hr. Geh. Hofrat Prof. Barsr in Frei- burg, ist leider darüber gestorben und hat uns ein Manuskript hinter- lassen, dessen Text zwar abgeschlossen ist, dessen Apparat aber noch sehr der Ergänzung bedarf und zu dem überdies Einleitung und Über- sicht über die handschriftliche Grundlage ganz fehlen: so bleibt nichts anderes übrig, als die unfertige Ausgabe zurückzustellen und die Aus- führung des früheren Beschlusses, sie sogleich in der Oktavausgabe der Scriptores herauszugeben, zunächst zu vertagen. Für den 33. Band der Quartserie der Seriptores hat Hr, BressLau in Aussicht genommen die Aufnahme der nöch ausstehenden italieni- schen Quellen der Stauferzeit, nämlich des von.dem inzwischen ver- storbenen Ersesto Monacı in Rom entdeekten und herausgegebenen Carmen de Friderico I, des Ligurinus, der Obsidio Tortonae, die A. Hor- 404 Gesamtsitzung vom 26. Mai 1921 MEISTER neuerdings im N. Archiv, Bd. 43, allerdings infolge der Kriegs- - verhältnisse ohne neue, jetzt nachzuholende Vergleichung der Hs., wozu sich Hr. Prof. Fern. Gürergock in Berlin erboten hat, wieder heraus- gegeben hat, der Relationen über den Frieden von Venedig, der Schriften über den Kreuzzug Friedrichs I., des Petrus de Ebulo u. a.; für einige dieser Autoren sind auch bereits die Bearbeiter gefunden. Das Carmen hat Hr. Prof. R. Horrzmann in Breslau übernommen und die Bearbei- tung des Textes nahezu abgeschlossen, die Kreuzzugsschriften Hr. Prof. “A. Önroust in Würzburg. ö In bezüg auf die Seriptores rerum Germanicarum in Oktav, die bis- her in usum scholarum herausgegeben wurden, obwohl sie längst eine selbständige Serie und ein organischer Bestandteil der Monumenta-Aus- gabe geworden waren, hat die diesmalige Plenarversammlung, um den Zweck und die Aufgabe dieser Serie ein für allemal richtigzustellen, einen grundsätzlichen Beschluß gefaßt, indem sie die alte Scriptores- serie in usum scholarum nunmehr als abgeschlossen erklärt und eine neue Reihe eröffnen will, welche die Geschichtschreiber der deutschen Vergangenheit nicht mehr in usum scholarum ex Monumentis Germaniae historieis separatim editi bietet, sondern als Scriptorum rerum Germani- carum Series altera, in der alle Neubearbeitungen ihre Stelle finden sollen. Zu den beiden älteren Serien der Seriptores in Folio und in Quart tritt fortan als dritte zur Originalausgabe selbst gehörende Reihe diese neue Abteilung der Seriptores in Oktav. und die Abonnenten der Monumenta seien ausdrücklich darauf hingewiesen, daß nach dem nun nicht mehr fernen Abschluß der beiden alten Seriptoresserien in Folio und Quart die neuen Ausgaben der Scriptores sämtlich in dieser Oktavserie herausgegeben werden sollen, welche außer dem handlicheren Format den Vorteil bieten. daß sie, nieht wie die alten Serien chrono- logisch gebunden, in freier Folge erscheinen werden. Es ist zugleich beschlossen worden, diese Ausgabe durch Gewährung von Druckzu- schüssen an den neuen Verlag, die Weidmannsche Buchhandlung in Berlin, so billig zu halten, daß sie auch der einzelne Gelehrte erwerben kann. Die beiden noch im Berichtsjahre erschienenen Bände, die von dem Freisinger Bischof Arbeo verfaßten und von Hrn. Krusca heraus- gegebenen Lebensbeschreibungen des hl. Haimhramm und des hl. Cor- binian und das von Hrn. Prof. Tenckuorr bearbeitete Leben des Bi- schofs Meinwerk von Paderborn sind freilich noch in der alten Serie der Seriptores in usum scholarum erschienen; im Druck befinden sich die von Hrn. Prof. Brernörz in Brünn bearbeitete Böhmenchronik- des Cosmas von Prag und.die von Hrn. Bressrau selbst besorgte Chronik des Henricus Surdus de Selbach; alle folgenden, die Historia Francorum des Gregor von Tours, die Hr. Kruscn vorbereitet, die Annalen des RN 4 wa Dana Keur: Bericht über die Herausgabe der Monumenta Germaniae historiea 1920 405 Tolomeo de Lucca, die Hr. Prof. SchmeipLer in Leipzig im Manuskript nahezu fertiggestellt hat, endlich die neue Ausgabe des Widukind von Korvei, mit der Hr. Dr. Paur Hırsca in Mannheim beschäftigt ist, sollen "in dieser neuen Serie der Scriptores einzeln erscheinen. In dieser Serie werden auch die Geschichtschreiber des 14. Jahr- hunderts, nach denen die Forschung dringend verlangt, ihren Platz finden. Das Manuskript der Chronik des Johann von Winterthur, die Hr. Dr. Brux in Zürich übernommen. hatte, ist von ihm bereits ab- geliefert; nur eine Ergänzung hauptsächlich in bezug auf den Nach- weis seiner Quellen, vorzüglich der Vulgata, ist noch erforderlich und wird von Hrn. Dr. Barragen besorgt. Die Ausgabe des Matthias von Neuenburg, die Hr. Prof. Hormeister seit 1912 vorbereitet, geht eben- falls ihrem Abschluß entgegen. Die Bearbeitung des Textes der Chronik in seinen verschiedenen Fassungen, ferner die Gesta Bertholdi und der Anhänge (libellulus de facetüs Rudolfi regis und Notae historicae Argen- tinenses) ist fertig; auch der Sachkommentar ist abgeschlossen. Der Druck kann jetzt beginnen. Auch die von Hrn. BressLau besorgte Ausgabe des Nicolaus von Butrinto ist im Text und Sachkommentar druckfertig. ; Fertig zum Druck ist auch die von Hrn. Prof. Naumann in Jena für Band IV Teil II der Deutschen Chroniken übernommene Ausgabe des Gedichtes über die Kreuzfahrt des Landgrafen Ludwig von Thüringen. An der Ausgabe der Gesta pontificum Romanorum arbeitet Hr. Prof. Leviısox in Bonn; eine ihm noch fehlende genaue Kollation der Hs. von Tortosa hoffen wir von Hrn. Prof. Nevss in Bonn zu erhalten, der gerade Jetzt eine wissenschaftliche Forschungsreise nach Spanien angetreten und sich freundlichst bereit erklärt hat, auch einige dringende Desi- derata der Monumenta dabei zu besorgen. In der Abteilung Leges, Sectio I (Leges nationum Germanicarum) hat Hr. Kruscn sich neben den Vorarbeiten für die ihm selbständig übertragene Ausgabe der Lex Salica, wie bereits berichtet, namentlich mit der Lex Bajuwvariorum beschäftigt. Denn die von Hrn. Prof. Freiherrn vos Scauwinp in Wien besorgte Ausgabe, von der bereits ein guter Teil ausgedruckt ist, geht — davon hat sich auf Grund der Referate der HH. Hrymann und Krusch die Plenarversammlung über- zeugt — in bezug auf ihre handschriftlichen Grundlagen von irrigen Voraussetzungen aus. Um das Hauptergebnis der Kruscnschen These vor- wegzunehmen, die er in einer größeren Abhandlung im Neuen Archiv ausführlich darlegen wird: an Stelle der von Hrn. Prof. vox Scuwinn bevorzugten Emendata muß in Übereinstimmung mit Merkzı, der darin gegen BRUNNER, ZEUMER und von Schwinn recht behält, der Antiqua der erste Platz zugewiesen werden. Danach muß die Ausgabe um- 406 Gesamtsitzung vom 26. Mai 1921 gestaltet oder ergänzt werden. Die Zentraldirektion hofft, daß sich ein befriedigender Ausweg aus dieser schwierigen Lage werde finden lassen. In der Sectio 11 (Capitularia) setzte der Abteilungsleiter Hr. Srorer die Arbeiten an der Textgestaltung des Benedietus levita fort. Der kri- tische Apparat auch des noch ausstehenden ersten Buches wurde, soweit Kollationen und Photographien vorlagen, bis auf wenige Kapitel. be- ‘endet, wobei ihm Hr. vos GEBHARDT zur Hand ging. Auf Grund des bisher vorliegenden kritischen Materials ergibt sich für fast alle Hss. eine zweifelsfreie Klassifikation bis auf den cod. Bareinonensis, von dem wir Photographien oder eine Kollation durch Vermittelung des Hrn. Prof. Neuss zu erhalten hoffen. In der Sectio III (Coneilia II Supplementum) hat die Ausgabe der Libri Carolini von Hrn. Dr. Bastern keine Fortschritte gemacht, da, Hr. Prof. Saromox in Hamburg, der die quellenkritische Durchsicht der im Satz stehenden Bogen übernommen hatte, infolge von Überbürdung mit anderen Arbeiten, sich ihr nicht hat widmen können. Der Druck ‘ist unterdessen wiederaufgenommen worden. Ein wichtiger Nachtrag zu der. Ausgabe der Konzilien wird dem Hrn. Abteilungsleiter selbst verdankt; er entdeckte in einer Kanonessammlung (Laon-St. Peters- burg) die bisher unbekannte Synode von Aachen von 818/819 (vgl. Gone. Il 467), die die Vorlage des berühmten Capitulare ecelesiastieum Ludwigs des Frommen von 819 (Capit. I 275) ist; von den Kanones dieser Synode sind in der erwähnten Sammlung acht erhalten. Er untersuchte ferner die Wormser Synode von 868. Die Ergebnisse, die Hr. Secker demnächst in ausführlicher Begründung vorlegen wird, sind von erheblicher Bedeutung für die Ausgabe der Konzilien: das Wesent- liche darf deshalb schon hier mitgeteilt werden. Von der Wormser Sy- node liegen drei echte Aktenstücke vor, deren gegenseitiges Verhältnis (I und I: Beschlüsse erster Lesung; II: endgültige Fassung) sich mit Hilfe der Quellenkritik bestimmen läßt. Die Quellen lassen sich bis auf einen ganz kleinen Rest ermitteln (I: eine chronologisch geordnete Mainzer Briefsammlung; II: gallisch-westgotische Kanones der Colleetio Hispana Galliea). Jene Mainzer Papstbriefsammlung enthielt drei Schreiben Papst Nicolaus’ I., die bisher für unecht galten; ihre Echtheit läßt sich aus Gründen der Text-, Quellen-, Überlieferungs- und Sachkritik erweisen. In der Sectio IV (Constitutiones) ruhten die Arbeiten während des. Berichtsjahres. Sie‘sollen jetzt aber energisch in Angriff genommen werden, nachdem zwei neue Hilfsarbeiter angenommen worden sind, von denen der eine, Hr. Wınrer, die Vorarbeiten für tom. VI pars II und für tom. VII (Ludwig der Bayer), der andere, Hr. LAnGEHEINECKE, die für tom. IX ff. (Karl IV.) übernehmen wird. Die Arbeiten an den Indices für tom. VIII sind noch im Gange. u en Pa Kenr: Bericht über die Herausgabe der Monumenta Germaniae historicaıgzo 407 Für die Gruppe der Traetatus imperü endlich ist der etatmäßige Mitarbeiter Hr. Regierungsrat Dr. Kramner tätig gewesen. Er hat zunächst ein Repertorium der Staatsschriften des späteren Mittelalters a" aufgestellt, die für den Plan der Monumenta in Betracht kämen, und mit den Vorarbeiten für eine Ausgabe der Schriften des Jordanus von Osnabrück und des Alexander von Roes begonnen. Die Zentraldirektion verkennt weder die Wichtigkeit dieser Staatsschriften noch das drin- gende Bedürfnis nach kritischen und bequem zugänglichen Editionen, indessen der Ausführung stehen, solange uns die Handschriften- sammlungen des feindlichen Auslandes verschlossen sind, so große Schwierigkeiten äußerer und innerer Natur entgegen, daß sie sich eine Entscheidung über die zukünftige Gestaltung dieser Serie noch vor- behalten muß. In der Diplomata- Abteilung I (Diplomata Carolinorum), welche Hr. Taser leitet, dessen im letzten Bericht angekündigte Abhandlung über die Salzburger Urkundenfälschungen des ı0. Jahrhunderts dem- nächst in den Schriften der Berliner. Akademie der Wissenschaften erscheinen wird, hat der Bearbeiter der Urkunden Ludwigs des Frommen, Hr. Staatsarchivar Dr. E. Mürzer, die Schlußredaktion fortgesetzt. Um die Vollendung der Ausgabe zu beschleunigen, hat die Zentraldirektion beschlossen, Hrn. Dr. Mürzer die selbständige Bearbeitung dieses Bandes zu übertragen, bei dessen Fertigstellung ihm der Volontär am Ge- heimen Staatsarchiv, Hr. Dr. Jon. Eusen Meyer, behilflich sein wird. In der zweiten Abteilung (Diplomata saec. XI) hat der Abtei- lungsleiter, Hr. BressLau, in Gemeinschaft mit seinem ständigen Mit- arbeiter, Hrn. Prof. Wieser, die Arbeiten an den Urkunden Heinrichs Il. so weit gefördert, daß die Vorbereitungen für den Druck im kommen- den Jahre abgeschlossen sein werden. In der dritten Abteilung (Diplomata saec. XII) hat der Abtei- lungsteiter, Hr. v. OTTENTHAL, unterstützt von den HH. Prof. Hans Hırsch in Prag und Dr. v. ReısöutL in Wien, die Arbeiten an den Diplomen Lothars von Supplinburg fortgeführt. In der von Hrn. Taner geleiteten Abteilung der Epistolae ist das von Hrn. Prof. Caspar bearbeitete Registrum Gregorü VII, dessen erster Teil, der Buch I—IV enthält, unterdessen erschienen ist, bis auf die Register fertig gedruckt worden, so daß der zweite Teil dem- nächst wird ausgegeben werden können. Der ständige Mitarbeiter Hr. Prof. Prrers hat für die Ausgabe der Briefe Hadrians II. im VI. Bande der Quartausgabe die Texte der beiden sachlichen und Überlieferungshauptgruppen — nämlich der fränkischen und der orienta- lischen — endgültig fertiggestellt. Es stehen nur noch aus einige wenige Einzelstücke und die sachlichen Anmerkungen. Die Kollationen zur Sitzungsberichte 1921. : 40 408 (Gresamtsitzung vom 26. Mai 1921 Ausgabe der Briefe und Vorreden des Anastasius Bibliothecarius wurden ergänzt. Eine wichtige Ergänzung, nämlich eine bisher unbekannte Denkschrift in Sachen Rothads von Soissons. die in einer Brüsseler Hs. erhalten ist, wird Hr. Prof. Prrers mit der notwendigen Erläuterung im 44. Baride des Neuen Archivs herausgeben und als ihren Ver- fasser Hinkmar von Reims erweisen. Der von Hrn. Prof. Caspar be- gonnenen Repertorisierung der Briefe des 10. und des beginnenden .ı1. Jahrhunderts hat Hr. Taneı selbst sich gewidmet. Die einzige einigermaßen geschlossene deutsche Sammlung dieser Periode eine Neuausgabe der Briefe Gerberts von Aurillae (Silvester I) ist nieht be- absichtigt — ist die Fromunds von Tegernsee, deren Bearbeitung Hr. STRECKER zu übernehmen sich bereit erklärt hat. Er hat auch bereits sich mit deren Hss. zu beschäftigen begonnen. Für die Herausgabe des Briefbuches Zberhards I. von Salzburg und überhaupt der Salz- burger Briefe des ı2. Jahrhunderts hat Hr. Archivar Dr. Marrın in Salzburg im Sommer 1920 eine Reise nach München und Admont unternommen. Die Acta paeis ad s. Germanum factae endlich, deren Bearbeitung und Herausgabe Hr. Hamepr übernommen hat, sind zur größeren Hälfte fertig, bedürfen aber noch Ergänzungen aus dem Re- gistrum Perusinum und aus den Vatikanischen Registern Gregors IX. In der Abteilung Antiguitates, der Hr. STRECKER vorsteht, sind, nachdem der 4. Band der Necrologia erschienen ist, neue Verhand- lungen über die Fortführung dieser Serie eingeleitet worden; die Magdeburger Nekrologien hat Hr. Staatsarchivar Dr. MöLLENBERG in Magdeburg übernommen, die Mainzer Hr. Dr. F. Tımanx; Köln bleibt noch zu vergeben. Den Schlußband der Auctores antiquissimi hat Hr. Prof. Vorıner in München wesentlich gefördert; das Material ist in der Hauptsache gesammelt. Der von Hrn. STRECKER selbst bearbeitete Schlußfaszikel des 4. Bandes der Poetae latini ist druckfertig; das Manuskript geht jetzt in Druck. Der Direktion der Karlsruher Landes- bibliothek, die ihm den cod. Augiensis CXCV zur Benutzung zusandte, ist Hr. Strecker zu besonderm Danke verpflichtet. ° Die großen Schwierigkeiten, denen unser Unternehmen sich gegen- übersah und noch gegenübersieht — darüber ist im Vorbericht bereits das Nötige gesagt worden —, sind, soweit sie finanzieller Natur waren, durch das verständnisvolle Entgegenkommen des Reichsministeriums des Innern und dank der einsichtigen Munifizenz des Reichsrates und des Reichstages, die in voller Würdigung der nationalen Bedeutung der Monumenta Germaniae trotz der furchtbaren finanziellen Nöte des Reiches einen erheblich verstärkten Beitrag für die Fortführung unseres Unternehmens bewilligt haben, zum Teil überwunden. Denn wir Keur: Bericht über die Herausgabe der Monumenta Germaniae historica 1920 409 können nun unsere Arbeiten, allerdings mit gewissen Einschränkungen, fortführen und die etwa abgebrochenen wiederaufnehmen. Aber noch leiden wir auf das fühlbarste unter den Folgen des Krieges, sowohl unter der Valuta, welche uns Arbeiten außerhalb des Reiches fast unmöglich macht, und mehr noch unter der geistigen Blockade, welche unsere Feinde über uns zu verhängen für gut befunden haben, unter dem Mangel der unentbehrlichen Verbindungen mit der ausländischen Wissenschaft und unter der Schwierigkeit oder -gar der Unmöglich- keit, die Archive und Bibliotheken des Auslandes, auf die wir nun einmal angewiesen sind, in der früheren Weise zu benutzen: selbst (lie ausländische Literatur ist uns zum großen Teil noch unzugänglich. Wir haben uns bisher beholfen, so gut es eben ging, und wir sind insbesondere einzelnen Gelehrten und Bibliotheken der neutralen Länder zum größten Danke verpflichtet, daß sie uns wenigstens das Aller- notwendigste. vermittelt haben. Glücklicherweise hat das Land, mit dem uns Jahrhunderte hindurch eine gemeinsame Geschichte und eine gemeinsame Kultur verbindet, Italien, uns wieder seine Schätze geöffnet, und wir sind vor allem der Leitung der Vatikanischen Bibliothek und ihrem Präfekten, Monsignor Giovansı Mercarı, dann auch dem ll. Sekretär des Historischen Instituts in Rom, Hrn. Prof. Scherınass, der die italienische Literatur der letzten Jahre systematisch für unsere Zwecke durchgesehen und vielfache Anfragen unserer Mitarbeiter be- antwortet hat, zu besonderem Danke verpflichtet. Ausgegeben am 9. Juni. Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei L) "DER PREUSSISCHEN 000 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse am 2. Juni. (S. 411) Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse am 2. Juni. (S. 411) Gesamtsitzung am 9. Juni. (S. 413) N ' Sıurz: Reims und Mainz in der Königswahl des zehnten und zu Beginn. des ‚elften Jahr-. hunderts. (S. 414) \ -tzlerzierzlerslermler2ler: et nn nn er eo BERLIN 1921 | VERLAG DER AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN f IN KOMMISSION BEI. DER f a VEREINIGUNG WISSENSCHAFTLICHER VERLEGER WALTER DE GRUYTER, U. CO. nn .. VORMALSG, 4. GÖSCHEN’SCHE VERLAGSHANDLUNG. J. GUTTENTAG, VERLAGSBUCHHANDLUNG. i Ai A| f GEORG REIMER. KARL J. TRÜBNER. VEIT U. COMP. . h mn rn. == - - Age en 3 1 der Siannn zweier e ngen heraus: »Sij di ‚Akademie der Wissenschaften« und »Abhand Preußischen Akademie der Wissenschaften«.. Aus $ 2. dlungen bestimmte Mitteilung muß in einer, aka- ‚demischen Sitzung vorgelegt werden, wobei in der Regel ‚das druckfertige Manuskript zugleich einzuliefern ist. ‚Nicht- mitglieder haben hierzu die Vermittelung eines \ihrem Fache angehörenden ordentlichen. Mitgliedes zu ‚benutzen, ne ; $3. Di ‚Umfang einer aufzunehmenden Mitteilung. soll in. der Regel in den Sitzungsberiehten bei Mitgliedern 32, "bei Nichtmitgliedern 16 Seiten in der gewöhnlichen Schrift der Sitzungsberichte, in den AbhandInngen 12 Druckbogen von je 8 Seiten in der gewöhnlichen Schrift der Abhand- "lungen. nicht übersteigen. 0% Überschreitung dieser Grenzen ist nur mit Zustimmung ‘der. Gesamtakademie oder: det betreffenden Klasse 'statt- ' haft und ist bei Vorlage der Mitteilung ausdrücklich zu beantragen. Läßt. der ‚Umfang eines Manuskripts ver- inuten, daß diese Zustimmung erforderlich seim werde, .so.hat das vorlegende Mitglied es vor dem Einreichen " von sachkundiger Seite auf seinen mutmaßlichen Umfang "im Druck abschätzen zu lassen. SAH, “0,2 Sollen einer Mitteilung Abbildungen im Text oder 0 aufbesonderen Tafeln beigegeben werden, so sind die Vorlagen dafür (Zeichnungen, photographische Original- aufnahmen usw.) gleichzeitig mit'dem Manuskript, jedoch "auf getrennten Blättern, einzureichen. . ©, Die Kosten der "Herstellung der ‚Vorlagen haben in ‘der Regel die Verfasser zu tragen. Sind diese Kosten aber auf einen erheblichen Betrag zu veranschlagen, so "kann die Akademie dazu eine Bewilligung beschließen. Ein - darauf gerichteter Antrag ist vor der Herstellung der be- treflenden Vorlagen mit dem schriftlichen Kostenanschlage "eines Sachverständigen an den vorsitzenden Sekretar zu richten, dann zunächst im Sekretariat vormiberaten und weiter in der Gesamtakademie zu verhandeln. Die Kosten der Vervielfältigung übernimmt die Aka- demie. Über die voraussichtliche Höhe dieser Kosten ist — wenn es sich nicht um wenige einfache Textfiguren handelt — der‘ Kostenanschlag "eines Sachverständigen heizufügen. - Überschreitet dieser Anschlag für die er- forderliche Auflage bei den Sitzungsberichten 150 Mark, bei) den Abhandlungen 300 Mark, so ist ‘Vorberatung dureh das Sekretariat geboten. Aus 85. Nach der Vorlegung und Einreichung des vollständigen druckfertigen Manuskripts an den zuständigen Sekretar oder an den Archivar wird über Aufnahme der Mitteilung in die akademischen Schriften, und zwar, wenn eines der, anwesenden Mit- glieder es verlangt, verdeckt abgestimmt. Mitteilungen von Verfassern,- welche nicht Mitglieder der Akademie sind, sollen ‘der Regel nach nur in die Sitzungsberiehte aufgenommen werden. Beschließt eine Klasse die Aufnahme der Mitteilung eines Nichtmitgliedes in die Abhandlungen, so bedarf dieser Beschluß der Bestätigung durch die Gesamtakademie. (Fortsetzung auf 8. 3- des Umschlags.) Ace. zur Aufnahme: in die Sitzungsberichte oder ie. Fremder ind eh Mitgliede vor Einreichung « Dasselbe. hat sich zu fi seine Mitteilung als vollkomm: n |. Die erste Korrektur ibrer Mitteil "Verfasser. Tiremde haben diese \ Kom 1 vorlegende Mitglied einzusenden. ‚Die Korrektur . Möglichkeit nieht über die'Beri ; von Dri und leichten Schreibyersehen ‘hinausgehen. U Korrekturen Fremder bedürfen ‚der Genehm gierenden 'Sekretars vor der Einsendung an „nnd die Verfasser sind zur Tragung: der entst onden ) ' kosten - verpflichtet, - Aus 88. x Von allen in die AR ee oder Abb { | | aufgenommenen wissenschaftlichen Mitteilungen, Adressen ‚oder Beriehiten werden für ‘die Verfas © wissensehaftliehen Mitteilungen, wenn. deren Umfang im. | Druck 4Seiten übersteigt, auch für den Buchhandel 2 \ abdrucke. hergestellt, die alsbald nach Ersche Dr gegeben werden. BR Von Gedächtnisreden werden br MelR Sonder L 2 % N ‚Von den Sonderabdrucken aus den Sitzungs erhält ein. Verfasser, welcher Mitglied. der Akadem) | mu unentgeltlicher Verteilung ohne weiteres‘ 50 exemplare;. er ist. indes berechtigt, zu gleichem Zw ; |. auf Kosten der Akademie weitere Exemplare bis zur aa ' von noch 100 "und:auf seine Kosten ‚noch weitt b zur Zahl von 200 (im ganzen also 350) abziehen zu lass ! sofern er dies rechtzeitig dem vedigierenden Selrı gezeigt hat; "wünscht er ‚auf‘ ‘seine Kosten. no, Abdrucke Zur Verteilung zu. erhalten,. so bedar der Genehmigung der Gesamtakademie oder ‚der betreffen. den Klasse. — Nichtmitglieder erhalten 50 Freiexempl: | und‘ dürfen nach, rechtzeitiger Anzeige ' bei em; EN " „gierenden Sekretar weitere 200 Exemplare auf ihre osten abziehen lassen. Von den Sonderabdrucken aus’ den Abhandlungen: er hält ein Verfasser, welcher. Mitglied der Akademie ä zu unentgeltlicher Verteilung ohne w eiteres 30 Frein exemplare; er ist indes berechtigt, ‘zu gleichem" Zwecke, auf Kosten: der Akademie weitere Exemplare bis zur Zahl von noch. 100 und auf seine Kosten noch weitere 'bis zur Zahl von 100: (im ganzen also 230) abziehen zu lassen, , sofern. er dies rechtzeitig. dem redigierenden Sekretar an \ gezeigt hat; wünscht er auf seine Kosten noch mehr Abdrucke zur Verteilung zu erhalten, so bedarf es, dazu der Genehmigung’ der Gesamtakademie oder der betreflen- den’Rlasse. — Nichtmitglieder erhalten 80 Freiexemplare” | und dürten nach rechtzeitiger Anzeige bei, dem vediy gierenden Sekretar weitere 100 Exemplare auf ihre Kosten abziehen lassen. 8.17. { Eine für’ die akademischen Schrifsen 'be- stimmte wissenschaftliche Mitteilung darf in | keinem Falle vor ihrer ‚Ausgabe‘ an jene» \ Stelle anderweitig, sei es auch nur‘ RaeEIERe 411 SITZUNGSBERICHTE DER PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. 1921 AXVI. Sitzung der philosophisch-historischen Klasse. 2. Juni. Vorsitzender Sekretar: Hr. LüDpenrs. “Hr. Branpt sprach über Shakespeares »Julius Cäsar«. Es wird behandelt die Nachwirkung von Marlowes Tamerlan auf sein Titanen- tum, das Verhältnis zu Bacons Cäsaressay und die Abkehr des Dichters von seiner eigenen höchst bewundernden Jugendansicht über den Eroberer Roms. Sobald der reifere Dramatiker die Biographien Plutarchs las, der in der Trajanzeit bereits mit neuem Republikanersinn auf die letzten Verteidiger der Freiheit zurückblickte und in Brutus die prächtigere Persönlichkeit zeichnete, wählte er diesen zum tragischen Helden. Wie dieser als makellos ausgemalte Idealist zum Austilger seines Wohltäters und Freundes Cäsar, der römischen Selbstregierung und des eigenen Lebens wurde, steht für Shakespeare im Mittelpunkt des poetischen Interesses; aber daneben hat doch auch ein echt englischer Sinn für parlamentarische Selbstverwaltung ihn für deren letzten römischen Verteidiger eingenommen; -das ergibt sich namentlich aus dem nachträglichen warmen Lob, das Brutus vom ehrlichen Sextus Pompejus in der Antoniustragödie ohne dramatische Nötigung bekommt. Das römische Volk, bei Plu- tarch von Anfang bis Ende vernünftig, ist bei Shakespeare nach dem Humanistentyp des »imperitum vulgus« umgeformt, Cicero jedoch unter Plutarchs Einfluß und durch den Gegensatz zum Aktivisten Casca zu einem etwas karikierten Theoretiker gemacht. Im ganzen Drama durchdringen sich ästhetische und politische Elemente in einer aus den Gepflogenheiten und Verhältnissen der Elisabethzeit erklärlichen Weise. XXVIH. Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse. 2.Juni. Vorsitzender Sekretar: Hr. PLAnck. l. Hr. Pompecrs sprach über das Gebiß des Ornithopoden »Dysalotosaurus aus den Tend&guru-Schichten Deutsch-Ost- afrikas. (Ersch. später.) Aus dem Bau, der Stellung und der Abnutzungsart der thekodonten einwurzeligen Zähne im Maxillare und Dentale, deren blattförmige Kronen nur auf einer Seite Schmelz tragen, ist zu folgern, daß das anisognathe Gebiß lediglich zum Zerschneiden harter pflanzlicher Nahrung benutzt wurde. Die Bewegung der Kiefer muß eine nahezu ausschließlich orthale gewesen sein; laterale Exkursionen des Unterkiefers Sitzungsberichte 1921. t 41 412. Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse vom 2. Juni 1921 können nur in ganz geringfügigem Maße vorgenommen worden sein. Der unbe- schränkte Ersatz der Zähne erfolgte von der lingualen Seite her in alternierenden Reihen, welche die Alveolarränder der Kiefer schiefwinklig kreuzen. 2. Hr. Corress überreichte eine Abhandlung von Frl. Dr. Acnes Brunn: Ein Fall experimenteller Verschiebung des Ge- sehlechtsverhältnisses bei Säugetieren. (Ersch. später.) Es gelang durch Alkoholisierung der Männchen (durch Injektion) bei der weißen Maus das Geschlechtsverhältnis, das normal etwa 45 Prozent Männchen und 55 Pro- zent Weibchen beträgt (nach den Untersuchungen der Verfasserin), zu verschieben, daß etwa 55 Prozent Männehen und 45 Prozent Weibchen geboren wurden. Nach Entwöhnung der Männchen wird das Geschlechtsverhältnis wieder das normale. Die Ursache liegt in der größeren Hemmung der weibchenbestimmenden Spermatozoiden durch den Alkohol gegenüber den männchenbestimmenden. 3. Hr. Eru. Scumivr überreichte eine Arbeit von Dr. ALEXANDER Ösrrowskı in Hamburg über eine Eigenschaft gewisser Potenz- reihen mit unendlich vielen ln Koeffizienten. (Ersch. später.) Kommen in einer Potenzreihe mit endlichem von o verschiedenem Konvergenz- radius unendlich viele Lücken vor, derart, daß jedesmal das Verhältnis des letzten Exponenten der Lücke zum ersten größer als ein festes 1 + (S > o)ist, und bricht man die Potenzreihe jedesmal vor einer solchen Lücke ab, so konvergiert die Folge der entstehenden Abschnitte über jeden regulären Punkt des K Onvergenzkreises hinaus: Ein analoger Satz gilt für Dirrcntersche Reihen. Ä | | 413 SITZUNGSBERICHTE DER PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. 19231 AXIX. Gesamtsitzung. 9. Juni. Vorsitzender Sekretar: Hr. Pranck. l. Hr. Sturz las über Reims und Mainz in der Königswahl des zehnten und zu Beginn des elften Jahrhunderts. Durch Gegenüberstellung der Berichte Widukinds von Corvey über die Wahl Ottos I. (936) und Wipos über die Konrads II. (1024) wird gezeigt, daß in der Zwischen- zeit der Eintritt der Geistlichkeit in die bis dahin rein: weltliche rechtsförmliche Wahl und die Begründung des Mainzer Erststimmrechtes erfolgt sein muß. Und zwar — -da die Designationswahlen Ottos II. (961) und Ottos III. (983) dafür nicht in Betracht kommen — anläßlich der Wahl Heinrichs II. (r002). Bei ihr hat Erzbischof Willigis von Mainz das Vorbild des Erzbischofs Adelbero von Reims befolgt, der bei der wesent- lich dureh ihn ermöglichten Erhebung Hugo Capets (987) zum Krönungsrecht das Erststimmrecht an der Spitze des westfränkischen Episkopats errungen hatte. 2. Hr. Stuner legte eine- Abhandlung des früheren Leiters der Anthropoidenstation auf Teneriffa, Hrn. Dr. Worreang KÖHtEr, vor: »Zur Psychologie des Schimpansen«. Darin werden Beobachtungen ‚über das Vorstellungsleben des Schimpansen mit- geteilt, welches eng begrenzt zu sein scheint. — Eingehende Beschreibung der sozialen Beziehungen innerhalb der Schimpansengruppe zeigt ein merkwürdiges Nebeneinander von tierischen und recht menschlich anmutenden Zügen. — Die Spiele der Anthro- poiden haben große Ähnlichkeit mit denen von Kindern; ihre höchste Entwicklung erreichen sie in einfachsten Formen von Tanz und Reigen. — Die Schimpansen lieben es, Spiegelbilder zu beobachten, erkennen aber auch weniger ähnliche Abbildungen, z. B. Photographien, sogar von sehr kleinem Maßstab. 3. Hr. EneLer überreichte das 76. Heft (IV. 250) des von ihm herausgegebenen Werkes »Das Pflanzenreich«: K.H. Zann, Compositae- Hieracium. Sect. VII. Vulgata (Fortsetzung und Schluß) bis Seet. X. Pannosa (Anfang). (Leipzig 1921.) 4. Vorgelegt wurde die »Festgabe von Fachgenossen und Freun- den A. von Harnack zum siebzigsten Geburtstag dargebracht«. (Tü- bingen 1921.) 41* 414 Gesamtsitzung vom 9. Juni 1921 Reims und Mainz in der Könieswahl des zehnten und zu Beginn des elften Jahrhunderts. Von ULrich STUTZz. MWecinen wie im Jahre 1002 Heinrich II. auf den deutschen Thron kam, berichten uns die Chronisten im Grunde genommen nur wenig. Thietmar von Merseburg, auf den wir in erster Linie angewiesen sind, ergibt etwa Folgendes’: Bereits in Polling, wo er, wohl im März, zu dem Zuge stieß, der die Leiche Ottos III. zur Beisetzung in Aachen über die Alpen brachte, und wo er sich die Reichsinsignien aushändigen ließ”, stellte der Bayernherzog seine Kandidatur auf. Als Mitbewerber trat in Sachsen Markgraf Ekkehard von Meißen hervor, von dem aber Heinrich durch den Tag zu Werl und bald darauf endgültig dadurch befreit wurde, daß jener den Tod dureh Mörderhand fand. In Oberdeutschland kandi- dierte Herzog Herimann von Schwaben. Ende Mai oder Anfangs Juni erschien Herzog Heinrich am Rhein; gegenüber Worms verständigte er sich mit Erzbischof Willigis von Mainz, dem Führer des deutschen Episkopats, und mit dem geistig nicht minder bedeutenden Bischof Burchard von Worms, wurde jedoch am Übergang über den Strom durch die Streitkräfte des Schwabenherzogs gehindert. Er täuschte einen Rückzug nach Bayern vor, bog aber beim Kloster Lorsch rasch ab und wandte sich gegen Mainz, wo er unbehelligt über den Rhein kam. In Mainz wurde er zum König gewählt und, wahrscheinlich am ersten Sonntag nach Trinitatis, den 7. Juni, von Willigis, dessen ! Chron. 1. IV e. 50—52, 54 1. V c. 2—6, ıı—ı7, 19—20 (ed. Kurze, 1889 P- 92S-, 94, I[08—110, I1I3— 117, 1188.) und dazu statt Anderer nur Hırsca#, Jahrbücher des Deutschen Reichs unter Heinrich II., I 1862 S. ı93ff. mit dem Exkurs von UsınGgEr S. 429fl. 438ff. sowie Waırz-SEELIGER, Verfassungsgeschichte VI?, 1896 S. ı82ff. und etwa noch Linpner, Die deutschen Königswahlen, 1893 S. 26 ff. ® Auch die hl. Lanze, die Erzbischof Heribert von Köln heimlich vorausgesandt hatte, aber, von Heinrich in Haft genommen und nur gegen Zurücklassung seines Bruders, des Bischofs Heinrich von Würzburg, freigegeben, zurückschicken mußte. Horneister, Die hl. Lanze als Abzeichen des alten Reichs, Gıerkes Untersuchungen H. 96, 1908 S. 28f. . Srurz: Reims und Mainz in der Königswahl des ro. und ır. Jahrhunderts 415 Suffragane dabei assistierten, gesalbt und gekrönt': communi devotione in regem electus a Willigiso eiusdem sedis archiepiscopo suffragane- orumque suimet auxilio accepta regali unceione cunctis presentibus Deum ceollaudantibus eoronatur. Daß die Franken und die Mosellaner, d. h. die Oberlothringer mit dabei waren, wird besonders hervorge- hoben. Seinem Gegner, dem Schwabenherzog, verleidete Heinrich nach und nach den aussichtslosen Widerstand. Die Thüringer und nament- lich die Sachsen gewann er durch geschicktes Entgegenkommen. Dann wandte er sich nach dem Niederrhein. Unterwegs ließ er in Pader- born am Feste des hl. Laurentius, den 10. August, durch Erzbischof Willigis seine Gemahlin Kunigunde krönen. Zum Schlusse nahm er, auch jetzt noch von diesen beiden begleitet, an Mariä Geburt, den $. September, zu Aachen von den Niederlothringern und deren Fürsten die Akklamation entgegen und wurde nach altem Brauch auf den Thron, den Hochsitz Karls des Großen, erhoben. So in aller Kürze der Bericht Thietmars. Wesentlich mehr er- geben auch die anderen nicht. i“ Und doch war die Wahl Heinrichs II. eine der wichtigsten, die die Geschichte des alten Reiches aufweist, in der Entwickelung ‘des deutsehen Königswahlrechtes recht eigentlich ein Wendepunkt und jedenfalls weit bedeutsamer als andere, in Folge besserer Überlieferung berühmtere. Um dies darzutun und zu einer richtigen Einschätzung der damaligen Vorgänge zu gelangen, braucht man nur diese Wahl von 1002 zwei anderen Wahlen gegenüberzustellen, zwischen denen sie liegt, nämlich der Ottos des Großen von 936 und der Konrads II. von 1024. Die Wahl Ottos IU. von 983, die unmittelbar, und die Öttos II. von 961, die mittelbar voranging, die einzigen zwischen der Heinrichs II. und derjenigen Ottos I., lasse ich in der Hauptsache außer Betracht. Dies nicht nur deshalb, weil eingehende Berichte über sie nicht auf uns gekommen sind”. Vielmehr namentlich darum, weil sie bloße Designationswahlen waren und wir nicht den geringsten ! Scarone, Mainz in seinen Beziehungen zu den deutschen Königen und den Erzbischöfen der Stadt bis zum Untergang der Stadtfreiheit (1462), 1915 (= Beiträge zur Geschichte der Stadt Mainz 4) S. rof. 2 Man vergleiche für diese und die übrigen Wahlen und Krönungen jetzt den Abdruck oder doch die Zusammenstellungen bei Kraumer, Quellen zur Geschichte der deutschen Königswahl und des Kurfürstenkollegs, 2 Hefte rgır/ı2; dazu etwa Becker, Das Königtum der Thronfolger im Deutschen Reich des Mittelalters in Zrumers Quellen und Studien V, 3, 1913 S. 3—14. Die Quellen und die Literatur über diese und die im Folgenden zur Sprache kommenden 'Thronerhebungen s. auch bei Srurz, Der Erz- bischof von Mainz und die deutsche Königswahl, rgro (Register!). 416 Gesamtsitzung vom 9. Juni 1921 Anhalt dafür besitzen, daß bei ihnen in der Form oder in der Sache irgendein Fortschritt erzielt wurde'. Ausgehen kann man deshalb nur von der Aachener universalis electio Ottos I. Nach dem bekannten Berichte Widukinds von Corvey” vollzog sich die Erhebung dieses Königs am achten Sonntag nach Trinitatis, am 7. August des Jahres 936 in zwei unmittelbar aufeinanderfolgenden Akten®. Der erste war die Wahl.“ Den zweiten kann man kurz als den der Salbung und Krönung bezeichnen. Dieser interessiert hier an sich nicht. Darum sei von ihm nur gesagt, daß er sich bei genauerer Betrachtung in eine Reihe von Zeremonien auflöst: Voran geht die Vorstellung des Gewählten vor dem Volk im Rundbau der Marienkirche mit der Anfrage, ob es die "Wahl gutheiße, und als Antwort darauf die Akklamation, beides zu- sammen das, was ich’ die rituelle Feststellungswahl genannt habe, die dem Konsekrator die Gewißheit geben soll, daß er den Richtigen weiht und krönt. Es folgen Schwertreichung, Anlegung von Spangen und Mantel, Übergabe von Zepter und Stab, weiter die Salbung mit dem heiligen Öl, der entscheidende Weiheakt, dann die Krönung im eigent- lichen Sinne des Wortes und schließlich die Thronsetzung auf dem Stuhl des großen Karl im “Obergeschoß des Oktogons zwischen den Marmorsäulen, da, wo er heute noch steht”. All das kommt in diesem “Zusammenhang wesentlich nur in so fern in Betracht, als es sich in der Kirche abspielte. Dieser ganze zweite Akt, die Krönung im weitesten Sinne, war kirchlich. Deshalb geht er auch von der geistlichen Autorität und nur von ihr aus, des nähern von Erzbischof Hildibert von Mainz, vor dessen überragendem persönlichem Ansehen die beiden anderen rheinischen Erzbischöfe, namentlich der Ortsmetropolit, der Kölner, aber auch der Trierer schließlich zurücktraten, um sich mit der bloßen Assistenz bei der Weihe zu begnügen. Daß der Mainzer und der Kölner" dem König die Krone aufsetzten, daß die Bischöfe ihn die ! ScHREURR, Die rechtlichen Grundgedanken. der französischen Königskrönung, ı9ıı S. 133 Anm. 2 nimmt für die Feier von 961 geradezu Übereinstimmung mit der von 936 an. ? Dessen Genauigkeit und Zuverlässigkeit, von historischer Seite bis in die neueste Zeit immer wieder angezweifelt, durch die Königswahlforschung der letzten Zeit in ein helles Licht gestellt worden ist. ’ Rerum gestarum Saxonicarum 1. II ce. ı (ed. Krur, 1904 p. 54 5s.). In meinem Erzbischof von Mainz S. 6off. und in der Studie: Die rheinischen Erzbischöfe und die deutsche Königswahl, Brunner-Festschrift 1910 S. 59 ff.; vgl. dazu Zeitschrift der Savigny-Stiftung, ‚German. Abt. XXXI 1910 S..448f. ° SCHREVER, Rechtliche Grundgedanken S. 9. " Wohl wie später zusammen mit dem Trierer; siche meinen Erzbischof von Mainz S. 46 (47) Anın. 2, auch Savigny-Zeitschrift a. a. O. 5. 446 Anm. ı und danachı SCHRÖDER, Lehrbuch der deutschen Rechtgeschichte ©, 1919 S. 520. 4 - Srurz: Reims und Mainz in dei’ Königswahl des ıo. und ır. Jahrhunderts 417 Wendeltreppe hinauf zum Hochsitze Karls führten, hebt Widukind am Schlusse ausdrücklich hervor. Noch wichtiger ist uns die Wendung, mit der er den Bericht über die Krönung einleitet: » Während solches —- gemeint ist die alsbald zu behandelnde Wahl — von den Fürsten und der. übrigen Obrigkeit vorgenommen wurde, wartete der Oberst- bischof — das ist eben der von Widukind als Primas hingestellte Mainzer — mit der gesamten Geistlichkeit und allem Volk unten in der Kirche den Eintritt des neuen Königs ab«: dum ea geruntur a dueibus ac caetero magistratu, pontifex maximus cum universo sacerdo- tali ordine et omni plebe infra in basilica -prestolabatur processionem novi regis. Als dieser eintrat, ging der Erzbischof ihm entgegen, er- griff mit der linken Hand dessen Rechte und führte ihn, in seiner Rechten den Hirtenstab haltend, in vollem Ornat prozessionsweise zu der erwähnten Vorstellung in die Mitte des Heiligtums. Mit einer Deutlichkeit, die nichts zu wünschen übrigläßt, wird hier zum Ausdruck gebracht, daß der erste Akt, der dem Krönungs- akt voranging, kein kirchlicher war. Er fand nicht in der Kirche statt, sondern an erhöhtem Ort vor ihr, im Xystus, in der Vorhalle. Dort . setzten die Herzöge und die Ersten der Grafen mit der übrigen Schar der Heerführer den neuen Herrn auf einen zu diesem Zwecke errichteten Thron, indem sie ihm Handreichung taten und Treue gelobten, auch ihre Hilfe gegen alle Feinde zusagten, und machten ihn so nach ihrem Brauche zum König: duces ac prefeetorum principes cum caetera prin- cipum militum manu congregati in sixto basilicae Magni Karoli cohaerenti ceollocarunt novum ducem in solio ibidem eonstructo, manus ei dantes ac fidem pollicentes operamque suam contra omnes inimicos spondentes, more suo fecerunt eum regem. Und deutlicher, als es durch Widukind geschieht, könnte gar nicht gesagt werden, daß Hildibert. daß die . anderen Erzbischöfe und überhaupt die Geistlichkeit bei diesem ersten Akt, bei der Wahl, nicht zugegen waren. Gewiß werden sie über den Ausgang keinen Augenblick im Zweifel gewesen, von ihm nicht über- rascht worden sein. Dies schon darum, weil der verstorbene König seinen Sohn Otto designiert und weil eine Vorwahl durch die Franken und Sachsen stattgefunden hatte, deren Ergebnis durch die Gesamt- wahl in Aachen lediglich auf eine breitere Grundlage gestellt werden sollte. Auch in früheren Fällen, wo der Episkopat erst recht nicht dabei gewesen sein wird, etwa bei der Erhebung Ludwigs des Kindes oder Konrads I., werden die Bischöfe, wird namentlich der gewaltige Hatto von Mainz außerhalb der förmlichen Wahl ein bedeutsames, viel- leicht das entscheidende Wort gesprochen haben. Doch wie dem auch sei, das ist nach Widukinds Bericht ganz klar, daß noch bei Otto I die Wahl eine rein weltliche Angelegenheit, ein Geschäft nur der welt- 418 = Gesamtsitzung vom 9. Juni 1921 ! lichen Großen war. Ich möchte heute entschiedener, als ich es wohl früher! getan habe, Hauck beipflichten, wenn er” zu Widukinds Worten bemerkt: »Die Bischöfe nahmen an der Wahl keinen Anteil, sie wurden ' nieht zu den Fürsten gerechnet. « Ganz anders bei der Erhebung Konrads II. nach dem nicht minder bekannten Berichte des Hofkaplans Wipo’. Auch seine, freilich weit- schweifige, mit rhetorischen und anderen Zutaten durchsetzte Erzählung hält Wahl und Krönung auseinander. Das machte sich in diesem Falle um so leichter, als sie nicht an demselben Orte stattfanden. . Die Königsweihe, die uns wieder nur nebenbei interessiert, ging zu Mainz am Feste Mariä Geburt, also am 8. September, 1024 vor sich. Der Mainzer Erzbischof Aribo, ein Bayer, nahm die Salbung und Krönung in hergebrachter Weise‘ vor, wahrscheinlich unter dem Beistand seiner Suffragane, da wir wenigstens von dem Kölner Erz- bischof Piligrim erfahren, daß er aus Gründen, die wir alsbald wer- den kennen lernen, bei dieser feierlichen Handlung nicht mehr zu- gegen war. Darin hatte sich jedenfalls trotz der Verschiedenheit von Ort und Zeit hinsichtlich der Salbung und Krönung gegenüber der Aachener Feier von 936 nichts geändert, daß sie ein kirchlicher Akt war und geleitet und vollzogen wurde von dem Erzbischof von Mainz, dessen primatiale Stellung sich inzwischen eher noch verstärkt hatte. Ein wesentlich anderes Bild als im Jahre 936 bot dagegen 1024 die Wahlversammlung dar. Sie war nieht nur weit größer, weshalb sie auch nicht in der Stadt stattfand, sondern draußen auf dem Wahl- feld bei Kamba, das man wohl nach wie vor auf der rechten Rhein- seite Oppenheim gegenüber, nicht, wie neuerdings angeregt wurde, auf dem linken Ufer suchen muß’, und allwo die Vertreter der deutschen Stämme hüben wie drüben ihre Zelte aufschlugen. Vor allem war sie anders zusammengesetzt. Sie bestand nicht mehr bloß aus Weltlichen. Sie war gemischt. Zu ihr gehörten auch Geistliche, der hohe Klerus, voran die Erzbischöfe und Bischöfe, desgleichen wohl Äbte. Und sie ! Erzbischof von Mainz S. 65 Anm. 3. ® Kirchengeschichte Deutschlands III 3“ + 1906 S. 27. Ähnlich übrigens auch schon Körke-Dümnrer, 'Kaiser Otto der Große, 1876 S. 34-trotz S. 33 Anm. 2 be- treffend Thietmari chron. 1. II c. ı (l. c. p. 18), einer Stelle, die keineswegs beweist, daß‘ die Bischöfe damals schon Wahlfürsten waren. Gesta Chuonradi ce. 2 de electione regis, c.3 de consecratione regis (ed. BressrAu, 1915, p. 13 sS.). * ScHREUER, Wahl und Krönung Konrads II., Histor. Vierteljahrschr. XIV ıgrı S.329#f. erblickt in der nach. Wipo von Erzbischof Aribo während der Krönungs- messe gehaltenen Ansprache eine Umschreibung der in einigen Punkten umgestalteten deutschen Krönungsformel; dagegen Hr. Bressrau in seiner Ausgabe S. 21 Anm. 1. ° Die Literatur darüber in meinem Erzbischof von Mainz S. 78 Anm. 4 und dazu neuestens Hr. BressLau in seiner Ausgabe S. 14 Anm. 1. ' Srurz: Reims und Mainz in der Königswahl des ro. und ır. Jahrhunderts 419 gehörten zu ihr von Rechts wegen. Nur so ist es verständlich, daß Erzbischof Piligrim von Köln, als er sieht, wie sein Kandidat, der jüngere Konrad, den kürzeren zieht, und vor allem wie sein Mainzer Vetter und Rivale in Wahl und Krönung, wie Aribo zum Königs- macher zu werden sich anschickt, mit Herzog Friedrich von Ober- lothringen und anderen Unzufriedenen vorzeitig das Wahlfeld verläßt. Nur darum kann weiter Wipo von dem Erzbischof von Mainz als von dem sprechen, dessen Stimme vor den anderen entgegenzunehmen war: cuius sententia ante alios aceipienda fuit, kann er berichten, wie das Volk ihn zur. Stimmabgabe aufforderte, wie er den Kürruf tat und den älteren Konrad von Franken zu seinem Herrn und König, zum Herrscher und Schützer des Vaterlandes erkor: suum in dominum et regem atque rectorem et defensorem patriae. Nur unter dieser Voraussetzung kann unser Berichterstatter, ehe er von dem überein- stimmenden Kürruf des jüngeren Konrad, von der Folge der übrigen weltlichen Fürsten und von dem Gesamtkürrufe, dem Vollwort, der Menge erzählt, die Angabe vorausschieken: »Dieser Kur — nämlich der Erststimme des Mainzers — schlossen sich die übrigen Erzbischöfe und anderen geistlichen Würdenträger ohne Zögern an«: hane sen- tentiam caeteri archiepiscopi et reliqui sacrorum ordinum viri indubi- tanter sequebantur. Man mag gegenüber diesem Kapitel von Wipos Lebensbeschreibung seines königlichen Gönners als einer bloßen Ge- schiehts-, nicht Rechtsquelle noch so große Zurückhaltung bewahren, darum kommt man nicht herum, daß für die Wahl Konrads II. das Gegenteil von dem festzustellen ist, was wir Hauck für die Wahl Ottos I. konstatieren sahen: »Die Bischöfe nahmen an der Wahl An- teil, sie wurden zu den Fürsten gerechnet«, sie erscheinen als Wahl- fürsten, und zwar entsprechend der mittelalterlichen Anschauung ver- möge ihres geistlichen Standes im Vorrang vor den weltlichen. Doch eben nicht zum ersten Male. Wiederum deutet nichts, aber auch gar nichts bei Wipo darauf hin, daß es sich bei dieser Beteiligung des geistlichen Elementes um eine Neuerung handelte. Das Wahlrecht der Erzbischöfe und anderen Prälaten wird als etwas ganz Selbstver- ständliches miterwähnt. Oder vielmehr es besteht schon: »Der Erz- bischof von Mainz, dessen Stimme — man kann äuch übersetzen: Wahl- urteil, Kürruf — zuerst entgegenzunehmen war«. Und mit dem Mainzer Erststimmrecht als dessen untrennbare Begleiterscheinung die Beteiligung auch der übrigen Erzbischöfe und Bischöfe an der Wahl. Natürlich gründete sich beides nicht etwa auf Verleihung oder gar auf Gesetz; darüber ist nicht nur niehts bekannt, sondern es muß als durch Zeit und Umstände geradezu ausgeschlossen gelten. Nur auf Herkommen konnte so etwas sich stützen. Mit diesem Herkommen aber nahm 420 Gesamtsitzung vom 9. Juni 1921 man es im Mittelalter nicht allzu streng. Ein Vorgang mußte aller- dings vorhanden sein, ein einziger genügte aber auch. Als Karl IV. am 25. November 1346, freilich unter ganz veränderten Verhältnissen, das Recht auf die erste Stimme bei der Königswahl seinem Großoheim Balduin von Trier für dessen Erzstuhl verlieh und diese Verleihung am 8. Januar 1354, am 5. Januar 1356 und fünf Tage später in der Goldenen Bulle' unter Berufung auf das Herkommen bestätigte’, da lag ein einziger Präzedenzfall vor, nämlich die eigene Wahl Karls vom ı1. Juli 1346, bei der der ehrgeizige, die Anderen an Macht und Ansehen überragende Trierer zuerst seine Stimme abgegeben hatte. Auf mehr als einen Vorgang konnte man sich sicher auch im Jahre 1024 nicht berufen, da nach dem Gesagten die Wahlen Ottos II. und Ottos II. nicht allein laut der Überlieferung, sondern namentlich als bloße Form- sache keinen Anlaß zur Erweiterung des Wählerkreises und des Wahl- rechts gaben. Der eine durch die Wahl Konrads I. gebieterisch ge- forderte Vorgang ist aber vorhanden. Und zwar eben in der Wahl Heinrichs U. Man streitet sich noch heute fast wie damals darüber, ob die Abkunft Heinrichs von seinem Urgroßvater König Heinrich I, die, wenn auch nicht mehr sehr nahe Zugehörigkeit zum sächsischen Königs- hause, also, kurz gesagt, das Erbrecht oder, vielleicht besser, das Ge- blütsrecht® ihm zur Krone verhalf, oder,ob die Wall nebst Salbung und Krönung" ausschlaggebend war. Sicher ist, daß die Erledigung des Reiches über vier Monate dauerte, also ungewöhnlich lang, und daß die Wiederbesetzung des Thrones Schwierigkeiten machte wie kaum je zuvor. Die Voraussetzungen für einen Wahlrechtsvorstoß waren demnach zum ersten Male seit 936 gegeben, und zwar in ganz besonderem Maße’. Zumal für einen Vorstoß von geistlicher Seite. Der Ausschluß des Episkopats und der übrigen hohen Geistlichkeit, vor allem des konsekrierenden Erzbischofs und seiner erzbischöflichen oder bischöflichen Assistenten, war auf die Dauer unhaltbar. Meine An- gaben über die Erhebung Ottos des Großen werden das schon nahe- gelegt haben: Man konnte die Klerisei, die tatsächlich doch ein ge- De hRuT: 2 Zeuner, Die Goldene Bulle Kaiser Karls IV., in seinen Quellen und Studien II 2, 1908 II S. 18 Anm. ı, Srurz, Erzbischof von Mainz S. goff. 3 So, wenn auch mit Vorbehalt. Warrz-SertıiGer Vl>, S. 181 mit 163 Anm. 1, be- stimmter Scnröper 6 S. 513, Linpxer S. 30ff., Krücer, Grundsätze und Anschauungen bei den Erhebungen der deutschen Könige in der Zeit von grı— 1056, in GIERKES Untersuchungen H. r1o. ıgıı S. 68ff. mit dem’ Anhang von GieErkE S. 143f. ' Usınger a. a. 0., Schrever, Rechtliche Grundgedanken S. 105. 5» Von mir bereits angedeutet Erzbischof von Mainz S. 65 Anm. 4, Savieny- Zeitschrilt a. a. O. S. 449. Srvrz: Reims und Mainz in der Königswahl des 10. und ır. Jahrhunderts 421 wichtiges Wort mitsprach, man konnte namentlich diejenigen, welche die Weihe vorzunehmen hatten, nicht immer wieder außerhalb der Wahlversammlung warten lassen, man konnte ihnen, teilzunehmen und sich aktiv zu betätigen, nicht versagen. Die Wiederholung der Wahl im Weiheritus zum Zweck der Beschaffung einer formellen Grundlage für das Krönungsverfahren war nur eine Verlegenheitsauskunft, ein Notbehelf. Die rituelle Feststellungswahl mußte über kurz oder lang die Brücke werden, über die der Consecrans und seine Assistenten in die eigentliche, in die effektive Wahl Einzug hielten!. Bei der Wahl Heinrichs II. war aber die Gelegenheit dazu auch deshalb besonders günstig, weil die Zahl der weltlichen Wähler offenbar gering war. Heinrich brachte nur einige bayerische und ostfränkische Große mit. Am Rhein wird vor und in Mainz noch der eine oder andere aus der Umgegend dazugestoßen sein. Wir wollen auch, was nach 'Thietmars Wortfassung nicht so ohne weiteres sicher ist, annehmen, die Franken und die Oberlothringer seien schon bei+ler Wahl mit dabei gewesen und nicht etwa erst nachher zur Huldigung gekommen. Trotz alle- dem waren der weltlichen Fürsten und Großen nur wenige. Hätten nieht nachher bei der Umfahrt durch das Reich, wie bereits bemerkt, auch die anderen Stämme in ihren Häuptern sich angeschlossen und huldigend die Wahl zu der ihrigen gemacht. so wäre schon Heinrich I. als rex clericorum, als Pfaffenkönig, erschienen. Denn die Bischöfe und Äbte waren in großer Zahl in Mainz anwesend’. Und sie werden sehon darum mitgewählt haben, damit überhaupt eine wahlfähige Ver- sammlung zustande kam. Auch paßt der Aufstieg der Geistlichen zum Wahlfürstentum ausgezeichnet gerade in diese Zeit. Seit den Tagen der sächsischen Herrscher, namentlich Ottos des Großen, setzte be- kanntermaßen der Ausbau der geistlichen Fürstenmacht ein, die Über- tragung staatlicher Hoheitsrechte und (Gefälle auf die Reichskirchen, die, weil über kurz oder lang immer wieder vom König neu besetzt, für lie Krone ein willkommenes Gegengewicht gegen das erbliche Stammes- herzogtum bildeten. ul. Doch der Historiker, insonderheit der Rechtshistoriker, kann die Dinge nicht konkret genug anpacken.. Das eben Dargelegte gewinnt noch ein ganz anderes Gesicht, die hohe Wahrscheinliehkeit dürfte ' Vgl. meinen Erzbischof von Mainz S. 64f.. meinen Beitrag zur Brunner-Fest- schrift S. 61. und danach Schröper $ S. 514. ® Hırsch S. 214f., Schrone S. 10. Über die Ansicht Krücers S. 76, es habe üiberbaupt keine Wahl stattgefunden, ist nicht nur angesichts der deutlichen Sprache der Chronisten, insbesondere Thietmars, sondern auch aus sonst auf der Hand liegenden (rründen- kein.Wort zu verlieren. 422 Gesamtsitzung vom 9. Juni 1921 zur Gewißheit werden durch die Aufdeckung eines Zusammenhangs, der auch von mir bisher übersehen wurde, aber die Vorgänge von 1002 in ein völlig neues Licht zu rücken geeignet ist. Das Streben von Willigis, der, neueren Forschungen zufolge, nicht eigentlich von niedriger Herkunft, etwa, wie die spätere Mainzer 'Tra- «dition, offenbar nur wegen des Rades in seinem Wappen, will, eines Wagners Sohn war, sondern einem edelfreien Geschlechte entstammte', bloß einem kleineren, in bescheidenen Verhältnissen befindlichen, ging schon in den Anfängen seines Erzbischoftums darauf, bei der Er- hebung des Königs eine entscheidende Rolle zu spielen. Doch zu- nächst durchaus nur wie bisher bei der Salbung und Krönung. Des- halb ließ er sich wenige Wochen, nachdem er den erzbischöflichen Stuhl bestiegen hatte, bereits im März 975, von Benedikt VII. an- läßlich der Verleihung des Palliums mit dem Primat in Germanien und (im deutschen) Gallien, d.h. in den linksrheinischen Gebieten des ostfränkischen Reiches’, vor allem das Recht, den König zu weihen, erstmals in aller Form zuerkennen und verbriefen®. Daß er auf diesen Gedanken kam, wird darin seinen Grund gehabt haben, daß 961 bei der Salbung und Krönung Ottos II. der Mainzer Erzbischof Wilhelm, sein dritter Amtsvorgänger, obwohl ein freilich unehelicher Sohn Ottos des Großen, allem Anschein nach vor dessen großgewaltigem Bruder, dem Kölner Erzbischof Bruno, hatte zurücktreten müssen‘. Willigis wollte, von seiner Kanzlerschaft her mit diesen Dingen und mit der Macht höfischer Einflüsse wohlvertraut, zweifelsohne den un- angenehmen Präzedenzfall möglichst unschädlich machen und einer Wiederholung tunlichst vorbeugen. Daß er damit durchdrang, lag an dem überragenden Einfluß, den ihm ‘sein Hof und die Stellung an ! Sımon, Stand und Herkunft der Bischöfe der Mainzer Kirchenprovinz im Mittelalter, 1908 S. 9, Scaurre, Der Adel und die deutsche Kirche im Mittelalter, in meinen Kirchenrechtlichen Abhandlungen H. 63 u. 64, 19ıo S. 62. Dazu die auch in diesem Falle meisterhafte Charakteristik seiner Persönlichkeit durch Hauck I1Il3W + S. 4ıaft. ® UsınGEr a.a.0.S. 436 Anm. 4, Körke-Dünnter a.a.0. S. 562ff., Warrz-ZEUMER, Verfassungsgeschichte V?, 1893 S. 170 mit Anm. 2, Warrz-SeeLiger VI? S. 219 Anm. 3 und von Neueren ViGEner, Bezeichnungen für Volk und Land der Deutschen vom 10.13. Jahrhundert, 1901 S. 9 Anm. 3, ı42ff., Rosensrock, Königshaus und Stämme in Deutschland zwischen gıır und 1250, 1914 S. 230ff., zuletzt Hr. Keur, Das Erzbis- tum Magdeburg und die erste Organisation der christlichen Kirche in Polen, in den Abhandlungen unserer Akademie, philos.-histor. Klasse 1920, S. 18 ff. STUTZ, Behr von Mainz S. 21 ff. ' Ebenda S. 18; ähnlich Wenex, Die Stellung des Erzstiftes Mainz im Gange der deutschen Geschichte (auch in der Zeitschrift des Vereins für hessische Geschichte XLII), 1909 S. 289 Anm. 2, wo aber npch das Evzkanzleramt mitherangezogen wird, was Wener seither (Theol. Literaturzeitung NXXVI ıoıı Sp. 588) angesichts meiner Ausführung über den Primat als Rechtsgrundlage als unzutreffend aufgegeben hat. Srurz: Reims und Mainz in der Königswahl des 10. und rı. Jahrhunderts 423 ihm auch in Rom sicherte'. Ich will hier nicht nochmals vorbringen, was ich bei anderer Gelegenheit”? über die Bedenklichkeit dieses Schrittes und die Gefahr ausgeführt habe, die in der Verbriefung durch den Papst für das Mainzer Krönungsrecht lag. Auch darauf sei nur gerade eben hingewiesen, daß von Willigis drittem Nachfolger Bardo, genauer vom Jahre 1032 an dem Mainzer das Palliumsprivileg nur mehr ohne das Krönungsrecht erneuert wurde. Es hängt dies mit “ dem Übergang des Erstkrönungsrechtes von Mainz auf Köln zusammen, der sich unter der Regierung des zweiten und des dritten Heinrich vollzog‘. Was wir uns hier zu fragen haben, das ist: Wie kam Willigis vom Krönungsrecht zur Wahl, was vermochte ihn, bei dieser die erste Stimme zu beanspruchen und damit zugleich für sich und seine geistlichen Amtsbrüder den Eintritt in den Kreis der Wahl- berechtigten durchzusetzen? Die Antwort kann, wenn nicht alles täuscht, allein ein Ereignis geben, das sich während der Amtsführung von Willigis in der Provinz des einzigen, wenn auch westfränkischen Metropoliten vollzog, zwischen dessen und des Mainzers Stellung überhaupt ein Vergleich möglich war, aber auch nahelag, nämlich des Reimsers: ich meine die Er- hebung Hugo Capets im Jahre 987‘. Er war nicht der Erste seines Geschlechtes, der den Thron bestieg: Am 29. Februar 888 war in Compiegne Graf Odo von Paris’, am 29.(30.) Juni 922 zu Reims sein Bruder, Herzog Robert von Franzien, im Westreich König geworden‘. Beide hatte der Erzbischof von Sens, der Metropolit der Isle de France und damit von Paris, also des Herrschaftssitzes des neu aufstrebenden robertinischen Geschlechtes, geweiht und gekrönt‘. Sens verfolgte dabei Ziele, wie wir sie soeben in ! Benedikt VII. dürfte seine Erhebung wesentlich dem kaiserlichen Hofe zu ver- danken gehabt haben. ®2 Erzbischof von Mainz S. 23 ff. ® Ebenda S. 28, 26f. * Grundlegend Lucaaike, Histoire des institutions monarchiques de la France sous les premiers Capetiens®, 1891, p. 60ss und sein Manuel des institutions frangaises, periode des Capetiens directs, 1892 p.457ss. Vgl. auch Prısrer bei Lavısse, Histoire de France II r, 1903 p. 399. 403, 408s., 411, 412, Lucuaıre ebenda II 2, rgor p. 1465., vor allem aber die vollständigste und gründlichste zusammenfassende Darstellung von Horrzuann, Französische Verfassungsgeschichte in v. Berows und Meıneeres Handbuch Abt. III, 1g1o S. 104ff. ° Dümmter, Geschichte des ostfränkischen Reiches III?, 1888 S. 316, FAvrE, Eudes, Bibl. de l’Ecole des Hautes Etudes, fasc. 99, 1893 p. 88ss., Ecxer, Charles le Simple, ebenda fasc. 124, 1899 p. 8. ° Ecker ]l.e. p. rg mit n. 3, 4, 120, Lauer, Robert I®, Bibl. c., fasc. 188, 1910 p:9 und unten S. 426 Anm. 5. ” Vgl. auch das bekannte Gutachten Ivos von Chartres von 1108 im Recueil des historiens des Gaules et de la France XV, 1878 p. 144ss. (= Iv. epist. 189, bei . v 424 Gesamtsitzung vom 9. Juni 1921 späterer Zeit Mainz für das deutsche Gebiet vorschweben sahen, und wie sie allen voran im Westen selbst Reims sich eröffnet hatten. Und zwar seit dem Jahre 869, in dem der machtvollste unter den Reimser Kirchenfürsten jener Zeit, Hinkmar, zu Metz, während der Trierer Erzstuhl gerade erledigt war, Karl dem Kahlen die Krone Lothringens mit einem eigens dafür aufgestellten Krönungszeremoniell aufs Haupt setzte, «las für die späteren Krönungsordnungen im Westen wie im Osten weithin grundlegend wurde!. Bekannt ist die Geschichte von der weißen Taube, die in einer Ampel dem hl. Remigius das heilige Öl zur Taufe und Salbung Chlodovechs vom Himmel gebracht habe. Sie wurde damals von Hinkmar zum besten gegeben, um auf diese Weise den Reimser, also zunächst sich selbst, gewissermaßen als den mit dem Salbungsmonopol ausgestatteten Metropoliten hinzustellen”. Das hinderte aber weder, daß Karl der Kahle den Erzbischof Ansegis von Sens am 2. Januar 876 durch Papst Johann VII. zum Aposto- lischen Vikar von Gallien und Germanien ernennen, also in Primatial- stellung rücken ließ’, noch daß der Senser Metropolit wiederholt, nicht bloß in den beiden eben hervorgehobenen Fällen, krönte‘. Ent- scheidend wurde, daß der von Sens zu früh sein Geschick mit dem der Robertiner verkettet hatte. Die Karolinger, für die der legitimistisch gesinnte Reimser eintrat, kamen wieder oben auf und behaupteten sich noch geraume Zeit. Noch zu Pfingsten, am S. Juni, 979, krönte der Reimser Erzbischof Adalbero in Compiegne Ludwig V., den die weltlichen Großen — Richer von Saint-Remi’ spricht vom Herzog von Franzien und den übrigen Fürsten — auf Veranlassung seines Vaters mit noch nicht dreizehn Jahren erkoren hatten: dux hane ordinationem mox liberali animo se administraturum respondit et legatis direetis regnorum prineipes Compendii collegit ibique a duce religuisque prineipibus Ludovicus rex adelamatus per metropolitanum Mıcne, Patrol. lat. CLXIL, 1854 col. 193ss.) mit Sugeri gesta Ludovici regis cognomento Grossi c. XIII (ed. Morınıer, 1887 p. 395.) und dazu Srurz, Erzbischof von Mainz S. 29 Anm. I. ! MG. Cap. Il, 1897 p. 3375ss. nı. 276 und dazu Fuswer DE CouLAngGes, Histoire des institutions politiques de l’ancienne France. Les transformations de la royaute, 1892 p- 226ss. sowie namentlich SchrEver, Rechtliche Grundgedanken S. 4, II, 37, 49, 56, 69, 77, 81, 82, 89. s ® Brunner, Deutsche Rechtsgeschichte II, 1892 S. 20, FusreL DE ÜOULANGES p- 228 n. 1. ® Vıiorrer, Histoire des institutions politiques et administratives de la France I, 1890 p. 3445., Horrzumann a.a. 0. S. 118. * Hor'ızmann, a.a. 0. S. 118, Lauer, Robert I” p. 9,12. Walther von Sens allein hat drei Krönungen- vollzogen. 5 Historiarum 1. III ce. 91 (ed. Warrz, 1877, p. 1198.). Vgl. dazu Lor, Les der- niers Carolingiens, Bibl. de l’Ecole des Hautes Etudes, fasc. 87, 1891 p. TO9. re TE Be Srurz: Reims und Mainz in der Königswahl des 10. und rr. Jahrhunderts 425 episcopum Remorum dignae videlicet memoriae Adalberonem sancta die pentecostes in regnum Francorum promotus est. Jedoch mit eben- diesem Ludwig, der ihm wegen Hochverrats und Einverständnisses mit den Deutschen den Prozeß machen wollte', verfeindete sich Adalbero. Als der König am 2ı. oder 22. Mai 987 starb, ging jener um so lieber zu Herzog Hugo über, als der einzige damals noch vorhandene Karo- linger, Karl von Niederlothringen, anders als er, der Erzbischof, und dann mit ihm auch Hugo Capet, damals gerade mit den Deutschen verfeindet war, und als der Herzog ihm mit seiner Autorität die bereits erhobene Anklage geschickt vom Halse 'schaffte”. Daß mit dieser Erhebung der Sieg der capetingischen Dynastie endgültig entschieden und auf acht Jahrhunderte hinaus eine neue Ära in Gang gebracht sei, das konnte damals niemand ahnen. Aber dessen war man sich bei der Reimser Kurie bewußt, daß ihr Erz- bischof bei dieser Gelegenheit einigermaßen die Rolle zu spielen be- rufen sei, die einst im Jahre 751 bei der Erhebung Pippins dem Papste zugefallen war”. Dem Reimser Metropoliten sollte Hugo die Krone verdanken’. Adalbero, ein Kirchenfürst, wie ihn Reims seit Hinkmar nicht mehr gehabt hatte, und überhaupt eine der hervorragendsten, aber auch herrschsüchtigsten und ehrgeizigsten Persönlichkeiten seiner Zeit’, verstand es, dies auch äußerlich zur Geltung zu bringen, dafür die entsprechende Rechtsform zu finden. Gewiß hatten schon seine Vorgänger, hatte Fulko 893 bei der Erhebung Karls des Einfältigen, Artold 936 bei derjenigen Ludwigs des Überseeischen‘ und 954 bei ! ]bidem 1. IV e. 2ss. (l. c. p. 128s.) mit Serer, Gerbert et le changement de dynastie, Revue des questions historiques VII 1869 p. 440ss., besonders 491 SS., 591 ss. und Lor, Derniers Carolingiens p. T908S., 1948., wo p. 155 ss. ausgeführt ist, wie schon Ludwigs Vater gegen den Erzbischof vorzugehen sich angeschickt hatte. ® Richeri hist. 1. IV e.6 (l.c.p. et SeEPEN, San l. ec. VO 1870 p. 122ss., 127ss., Lor, Derniers Carolingiens p. 201. ° Vgl. die an das: ut Reue esset illum regem vocari qui potestatem haberet quam Ham qui sine regali potestate manebat to gends Äußerung, die Gerbert, der Vertraute Adalberos, allerdings noch unter Lothar in einem geHeimen; nach Lothringen gerichteten Schriftstück, ep. 48 (bei Have, Lettres de Gerbert, 1839 p. 46) tat: Lotharius rex Franciae praelatus est solo nomine, Hugo vero non nomine, sed actu et opere und dazu Prıster bei Lavisse II ı p- 411 sowie Lor, Etudes sur le regne de Hugues Capet, Bibl. de l’Ecole des Hautes Etudes, fasc. 147, 1903 p. I, aber Be DE COULANGES |. e. p. 701. * Lucaaıse, Instit. monarch. Ip. 31s.undbei Lavıss£ 112 p.147,Haverl.c.p. XVIN. ° Lor, Derniers Carolingiens p. 237 ss. ‘ % Richeri hist. 1.Ie.ız (l. c. p. 10), Ecker]. c. p.ı2 mit n. 5. Die Annales Vedastini (ed. v. Sınson, 1909 p. 73) berichten einfach von den Franei, qui in Francia remanserant, daß sie einen Tag in Reims verabredet hätten et Karolum regis Hludowiei filium, adhuc puerulum, ad dietum placitum venire fecerunt et die supr adicto Remis adunati eum in paterno solio benedictum in regem collocant. ° Richeri hist. 1. II c.4 (l.e.p. 42): omnibus faventibus per domnum metropolitanum Artoldum cum episcopis XX rex creatus est. Dazu Flodoardi annales zu 936 (unten 426 Gesamtsitzung vom 9. Juni'1921 der seines Sohnes Lothar! mitgewirkt. Aber offiziell und von Rechts wegen wohl nur bei der Krönung als Konsekratoren® und vorher bloß etwa bei den formlosen, wenn auch sachlich entscheidenden Vorverhandlungen, wie in Deutschland vor 1002 der Mainzer und der übrige Episkopat, und wie noch 979 Adalbero selbst bei Ludwig V.”, also nicht als Wähler bei der rechtsförmlichen, damals noch rein welt- lichen Wahl. Gegenüber den sehr knappen und offenbar ungenauen Nachrichten, die die Chronisten‘, auch Flodoard’ und ihm folgend S. 426 Anm. 5) und Lauer, Le regne de Louis IV d’Outre-mer, Bibl. de l’Ecole des Hautes Etudes, fasc. 127, 1900 p. 135. ! Ibidem 1.1IIe. 1,2 (l.c.p.87): Nachdem die Königinwitwe Gerberga ihre Brüder, König Otto J. und Erzbischof Bruno von Köln, sowie Herzog Hugo von Franzien zu- gunsten ihres Sohnes angerufen hat, kommen in Reims die Großen und episcopi € diversis regionum urbibus zusammen. Omnium fit consensus. Omnibus animo inest, Lotharium patri defuncto succedere. Universorum itaque consensu (Wahl) a domno Artoldo Remorum metropolitano, favente Brunone eius avunculo prineipibusque diver- sarum gentium laudantibus, Lotharius duodennis rex cereatur in basilica saneti Remigii. Dazu Flodoardi annales zu 954 (unten Anm. 5) und etwa Lor, Derniers Carolingiens p. 9ss. ® Vgl.dazu aus dem r2. Jahrhundert Recueil IX2, 1874 p. 72 (888): Fuleo Remorum archiepiscopus, euius erat ius reges inungere Francorum, memor obtestationis Stephani papae, seiliceet ut nunguam de alia stirpe quam Pippini et filiorum eius regem sibi assume- rent, Eudoni manus consecrationis imponere noluit (Andreas von Marchiennes, De gestis et successione Franc. reg. 1. II c.19, ed. Brauchanps, 1663 p. 747) mit oben S.423 Anm.7. Oben S. 424. ' Siehe die Zusammenstellung bei Liwpxer, Der Eleetor und die Laudatio bei den Königswahlen in Frankreich, Mitteil. d. Instituts f. österreichische Geschichtsforschung XIX 1898 S.goırff. und bei Scurever, Rechtliche Grundgedanken S. 20ff. sowie etwa oben S. 425 Anm. 6. ° Annales zu 922 (ed. Lauer, 1905, p. 10): Franci Rotbertum seniorem eligunt ipsique sese committunt. Rotbertus itaque rex Remis, apud Sanctum Remigium, ab episcopis et primatibus regni constituitur. Heriveus Remorum archiepiscopus obiit tertia die post consecrationem regis Roberti, wo aber der erste Satz ganz wohl auf die eigentliche Wahl und das Franei auf die primates, die weltlichen Großen, gehen kann, während der zweite die Beteiligung beider Gruppen, und da natürlich in erster Linie der Bischöfe, bei der Krönung hervorhebt; siehe dazu Richeri 1.1Ie. ar (l. ce. p- 26s.). Ibidem zu 936 (l. c. p. 63), betreffend Ludwig den Überseeischen: cui Hugo et ceteri Francorum proceres obviam profecti... sese committunt, ut erat utrinque depactum. Indeque ab ipsis Laudunum deduetus ac regali benedictione ditatus ungitur atque coronatur a domno Artoldo archiepiscopo, praesentibus regni prineipibus cum episcopis XX et amplius (vgl. dazu Richer, oben S. 425 Anm. 7), eine Stelle, die gleich- falls der Annahme einer rein weltlichen Wahl eher günstig ist. .Ibidem zu 954 (l. ec. p. 138s. mit den oben Anm. ı aus Richer mitgeteilten Worten): Gerberga regina mittit ad Hugonem eius consilium et auxilium petens. @Quam ille... de proveetione fili eius in regnum pollicetur. .... Lotharius puer, filius Ludowiei, apud Sanctum Remigium rex consecratur ab Artoldo archiepiscopo favente Hugone prineipe ac Brunone archiepiscopo ceterisque praesulibus ac proceribus Franciae, Burgundiae atque Aquitaniae. Sieht man genauer zu, so gilt die Erwähnung der Bischöfe, sofern nicht bloße Vor- verhandlungen in Rede stehen, fast durchweg der Krönung. Findet sie noch am Tage der rechtsförmlichen Wahl statt, so fließt freilich den Chronisten begreiflicher- weise nur allzuleicht beides zusammen. Außerdem ist bei diesen natürlich auch mit geradezu unrichtigen Angaben zu rechnen. Srırrz: Reims und Mainz in der Königswahl des ro. und ı1. Jahrhunderts 42% Richer über die Thronerhebungen bringen, die vor des Letzteren Zeit liegen', entscheidet die Tatsache, daß bis 987 ganz deutlich ein welt- licher Großer, eben der Herzog von Franzien, offiziell als der Königs- macher und als der Erste der Wähler erscheint”. Dadurch, daß dieser 987 selbst Kandidat war, schied er formell aus. Nunmehr trat der Erzbischof Adalbero von Reims in aller Form an seine Stelle und an die Spitze der mindestens von nun an nicht mehr auf die weltlichen Großen beschränkten Wählerschaft, wie er denn auch in der Wahl- versammlung im Einverständnis mit dem Herzog, annuente' duce, zu dessen Gunsten das Wort ergriff und zu seiner Wahl aufforderte. Und diese Wahl fand nieht etwa unmittelbar vor der Krönung und am gleichen Orte wie diese statt, so wie ehedem 936 zu Aachen, sondern geraume Zeit zuvor’, noch im Juni, zu Senlis, während die Krönung, am zweiten Sonntag nach Trinitatis, am 3. Juli zu Noyon vor sich gegangen sein dürfte‘. Durch diese zeitliche und örtliche Trennung gelangt «das zweimalige Auftreten des Reimsers, im ersten Akt, der Wahl, als Wähler, und im zweiten, der Salbung und Krönung, als Konsekrator und Koronator, so sinnenfällig als möglich zum Aus- druck. Bezeiehnend ist aber auch der Satz, mit dem Richer seinen Bericht über die Wahlverhandlung schließt, und mit dem er zu dem über die Weihe überleitet. »Nachdem diese Stimme — man kann wieder auch: Wahlurteil oder Kürruf übersetzen — abgegeben und von Allen gutgeheißen worden war, wurde der Herzog mit Zustimmung Aller zum Königtum erhoben«: hac sententia promulgata et ab omnibus laudata dux omnium consensu in regnum promovetur‘. Auch das kann ! Bzw. vor der Erzbischofs Adalbero, ‘seit welcher Richer überhaupt sieh als besser unterrichtet erweist. ® Vgl. die oben S. 424, S. 426, Anm. ı und 5 mitgeteilten Stellen und etwa noch Richeri ]. Ile. 1. 2 (l. ec. p. 39 betreffend die Rolle Hugos bei der Erhebung Ludwigs des Überseeischen), 1. Ile. gr (l.e. p- 119) den einleitenden Satz: Etenim cum rex (Lothar) filium suum Ludovieum in regno sibi suceedere vellet, ipsum quoque a duce ordinandum quaereret sowie 1. 1Ve. ı (l.e. p. 128): Sepulto Lothario Ludovieus filius a duce aliisque prineipibus in regnum subrogatur. Dä die Krönung hier nicht mehr in Frage steht, kommen nur die weltlichen Großen, an ihrer Spitze der Herzog von Franzien in Betracht. Richtig Schrever, Rechtliche Grundgedanken S. ı4r, vgl. aber ebenda S. 129 Anm. 9 und 152 sowie außerdem 22, 24 Anm. 4, 25, 34 Anm. 4, 50, 91. ıi Oder in Reims? Nach Richer und Haver in der Revue hist. XLV 1891 p- 290ss. (auch (Euvres II, 1896 p. 68ss.) erfolgte die Krönung bereits Mittwoch, den t. Juni, die Wahl entsprechend früher, im Mai, am 3. Juli möglicherweise nur eine zweiteKrönung; ähnlich Viorrer Il, 1898 p. 22. Die zeitliche und örtliche Verschiedenheit von Wahl und Krönung wäre aber auch danach gegeben. Wie unser Text Monon bei Lor, Derniers Carolingiens p. 4105, während Lor, Hugues Capet p. 3 ohne genügenden Grund annimmt, daß Wahl und Krönung, beide am 3. Juli zu Noyon stattfanden.. 5 Richeri hist. 1. IV e. ı2. Bei den darauffolgenden Worten: et per me- tropolitanum aliosque episeopos Noviomi eoronatus, Gallis, Brittannis, Dah[n]is, Aquitanis, Sitzungsberichte 1921. 42 428 Gesamtsitzung vom 9. Juni 1921 zur Bestätigung dienen, was Richer zum selben Jahre 987 über die Wahl und Krönung von Hugos Sohn Robert berichtet!. Nach einer Vorbesprechung mit den weltlichen Großen wandte sich der König in dieser Angelegenheit vor allem an Erzbischof Adalbero von Reims, zunächst durch Abgesandte, dann in Person.‘ Adalbero verhielt sich anfänglich ablehnend mit dem Bemerken, es gehe doch nicht an, in einem Jahre zwei Könige zu machen’, ließ sich dann aber von der Zweckmäßigkeit der Maßnahme überzeugen und ermöglichte. damit deren Ausführung®. ‚Auch hier sehen wir ihn also an der Stelle, die ehe- dem dem Herzog zugekommen war, nämlich als tonangebenden Erst- wähler, auf den alles ankam. Wir besitzen eine Aufzeichnung aus dem Jahre 1059 über die Rolle, die Erzbischof Gervasius damals bei der Wahl und Krönung Philipps I. spielte; sie sollte die Rechte des Reimsers für die Nachwelt festhalten‘. Der eine oder andere Zug an Gothis, Hispanis, Wasconibus rex Kal. Jun. [Jul.?] prerogatur ist zu beachten, daß die Orts- und die möglicherweise unrichtige Zeitangabe ganz deutlich nur auf die Krönung sich beziehen, während das Vorangegangene (Abgabe ler Erststimme, Folge und Gesamtkur) sich zu der Zeit und an dem Orte abspielte, wohin in c. ır die Rede des Reimser Metropoliten verlegt ist, also einige Tage zuvor in Senlis. Für die Annahme einer vorgängigen Thronerhebung oder gar einer rituellen Feststellungswahl bzw. Akklamation bietet der Wortlaut Richers keinerlei Anhaltspunkte. Daß andere Nach- richten eine Thronerhebung, aber wohl unter Mitwirkung des Reimsers und nach der Salbung und Krönung, wahrscheinlich machen, bestreite ich nicht. Siehe die Stellen bei ScHREUER, Rechtliche Grundgedanken S. 129 Anm. 9. ı 1.1V e.ı2,13 (l. c. p. 1338.). Dazu Prisrer, Etudes sur le regne de Robert le Pieux, Bibl. de l’Ecole des Hautes Etudes, fasc. 64, 1885 p. 40 und Fracn, Les origines de l’ancienne France III, 1904 p. 392. ? Utque post sui discessum a vita heredem certum in regno relinqueret, sese consultum cum prineipibus contulit. Et collato cum eis consilio Remorum metropoli- tanum Aurelianis de promotione filii sui Rotberti in regnum prius per legatos, post per sese convenit. (ui cum metropolitanus non recte posse ereari duos reges in eodem anno responderet, ille mox epistolam a duce eiterioris Hispaniae Borrello missam protulit, quae ducem petentem suffragia contra barbaros indicabat ..... ® Petebat itaque alterum regem creari, ut, si bellico tumultu duorum alter de- cideret, de principe non ‚diffideret exereitus. Fieri quoque asserebat posse, rege inter- empto et patria desolata, primatum discordiam, pravorum contra bonos tirannidem et inde totius gentis captivitatem. Metropolitanus sie posse fieri intelligens dietis regiis cessit. Et quia tune in nativitate Domini regnorum prineipes convenerant ad celebran- dum regiae coronationis honorem (Festkrönung), in basilica sanctae Urueis eius filium Rotbertum Franeis laudantibus accepta purpura sollempniter coronavit et a Mosa flu- vio usque oceanum occeidentalibus regem prefeeit et ordinavit. Serer, Gerbert, 1. c. VIII 1870, p. 1338. ! Recueil des historiens des Gaules et de la France XP, 1876 p. 32 .... Phi- lippus rex hoc ordine in maiore ecelesia ante altare s. Mariae a Gervasio archiepi- scopo consecratus est. Inchoata missa vor der Verlesung der Epistel setzt ihm der örzbischof den katholischen Glauben auseinander, nimmt ihm die professio fidei in Gegenwart der zahlreich versammelten Bischöfe und Äbte (sie sind mit Namen auf- geführt) sowie der außerordentlicherweise anwesenden päpstlichen Legaten ab. Ac- eipiens baculum s. Remigii disseruit quiete et pacifice, quomodo ad eum pertineat Ar Se, a ale BERN RER „ Srwrz: Reims und Mainz in der Königswahl des ro. und rı. Jahrhunderts 429 dem Bilde mag jüngeren Datums, also erst in den siebzig Jahren hinzugekommen sein, welche die Erhebung Philipps I. von der Hugo Capets trennen‘. Aber darin wird es schon für 987 zutreffen, daß der Erzbischof von Reims nicht bloß die Salbung und Krönung vor- nahm, sondern auch als Erster von den geistlichen und damit unter allen Wählern den Kürruf tat, auf den die übrigen, erst die Bischöfe und die Äbte, dann die Herzöge, Markgrafen, Grafen und anderen weltlichen Großen ihre Vorstimmen folgen ließen’, bis die Kur in maxime electio regis ct consecralio regis; ex quo s. Remigius Hludovieum regem ba- ptisavit et consecravit. Disseruit etiam, quomodo per illum baculum hane consecrandi potestatem et totius Galliae primatum Hormisda papa sancto dederit Remigio, et quo- modo papa Victor sibi et ecelesiae suae. Tune annuente patre eius Heinrico elegit eum in regem. Post eum legati Romanae sedis, cum id sine papae nutu fieri lieitum esse disertum ibi sit. honoris tamen et amoris gratia tum eius ibi affuerunt legati. Post hos archiepiscopi et episcopi. abbates et celeriei (die vorher mit Namen aufgeführten). Post Widdo dux Aquitaniae. Post Hugo filius et legatus dueis Burgundiae. Post le- gati Balduini marchionis et legati Gaufridi Andecavensis comitis. Deinde comites, Rodulfus seilicet Vadensis, Herbertus Vermandensis, Widdo Ponticensis, Willelmus Suessionieus, Rainaldus, Rogerus, Manasses, Hilduinus, Willelmus Avvernensis, Helde- bertus de illa marchia, Folco Ecolesmensis, vicecomes Lemovicenus. Post milites et populi tam maiores quam minores uno ore consentientes laudaverunt ter proclamantes: Laudamus, volumus, fiat. Es folgt die Ausstellung eines Präzepts zugunsten der Reimser Kirche durch den Gewählten (vgl. dazu Prov, Recueil des actes de Philippe I“, in Chartes et diplömes relatifs a l’histoire de France, 1908, p. XXIII s., ıss.). Gervasius wird zum summus cancellarius bestellt. Et ita consecravit eum in regem, worauf der Erzbischof noch das ihm vom Papst Viktor verliehene Privileg verliest. Über Echtheit (?) und Charakter dieser Aufzeichnung vgl. Scurever, Rechtliche Grund- gedanken S. 6 mit Anm. ı2, S. 26 mit Anm. 2, 3, 27, 34. 36, 56, 38, 92. ! Ich rechne dahin, abgesehen von dem Beiwerk, das nur diesem Falle eigen ist wie die Anwesenheit und Teilnahme der päpstlichen Legaten, und von dem, was in ihm aus naheliegenden Gründen -zum ersten Male vorkam wie die Berufung auf das Privileg Viktors II. und dessen Verlesung, namentlich die Hereinziehung der aller- dings nur mehr eine Form darstellenden effektiven Wahl in den kirchlichen Akt der Krönung im weiteren Sinne, aber auch die Zulassung einer Vertretung in der Abgabe der Vorstimme. Zieht man das ab, so bleibt, was die Wahl anlangt, etwa der Stand, wie er auch aus Wipos Bericht über die Wahl Konrads II., also über ein ein Vierteljahr- hundert weiter zurückliegendes Ereignis sich ergibt. Dieser aber nebst dem: annuente patre, das seit der zweiten Wahl des Jahres 987 an die Stelle des annuente duce ge- treten sein wird, geht in Deutschland eben ins Jahr 1002, in Frankreich bis 987 zurück. ® Nicht bloß der Reimser elegit, sondern auch jeder weitere von den mit Namen genannten geistlichen und weltlichen Großen, genau wie nach Wipo bei der Wahl Konrads II. So mit Recht schon SerLiGer, Neue Forschungen über die Entstehung des Kurkollegs, Mitteil. d. Instituts f. österreichische Geschichtsforschung XVI 1895 S. 44 ff., besonders S. 59 und Königswahl und Huldigung, Historische Vierteljahrschrift, NF. I 1898 S. 5ıı fl., besonders 514 ff. Alle Interpunktionskünste Linvxers in seiner Schrift: Der Hergang bei den deutschen Königswahlen, 1899 S. 63 ff. vermögen dagegen nichts. Wohl aber scheitert schon daran Lınoxers Electortheorie, eine ganz unzulässige Vor- “ datierung oder vielmehr Rückverlegung des übrigens nicht einmal durchweg richtig verstandenen Rechtes der seit dem Interregnum bis Karl IV. praktizierten, von den kirchlichen Wahlen her bezogenen eleetio per unum (communis) in das Hochmittel- alter. Vgl. Sturz, Erzbischof von Mainz S. 64 Anm. ı, 78 Anm. 2 und, wenn auch nicht ınit voller Schärfe, Fracn III p. 395: 42% 430 Gesamtsitzung vom 9. Juni 1921 ‘ Pi den esamtzuruf des Volkes ausmündete. Diese Erststimme muß die Rechtsform gewesen sein, in die der von Richer berichtete Tatbestand sich kleidete: nur 987 kann der Reimser sie erworben haben, damals ist er entweder an der Spitze der hohen Geistlichkeit überhaupt erst in die Wahl eingezogen oder doch Erstwähler geworden. Nicht nur die Reimser und die Mainzer Kirche, sondern auch die beiden Reiche standen sich aber, zu jener Zeit noch weit näher als wohl in späteren Jahrhunderten’. Besonders Erzbischof Adalbero, der ja als Lothringer von Geburt ein Deutscher war", und sein Vertrauensmann der gelehrte Gerbert von Aurillac, damals Domscholastikus zu Reims und Abt von Bobbio, später selbst Erzbischof von Reims und dann von Ravenna, schließlich aber als Silvester II. Papst, unterhielten. wie übrigens zeitweise auch Hugo C'apet selbst, sehr lebhafte Beziehungen zu dem Hofe der Ottonen‘. Schon von daher wird Willigis genaue Kenntnis von den Vorgängen gehabt haben, die zur Erhebung Hugo Capets führten, und von der überragenden Stellung, die dabei der Reimser Metropolit auch hinsichtlich der Wahl sich zu erobern verstanden hatte. Daß er aber überdies in direkter Verbindung mit Reims stand, ist ohne weiteres anzunehmen und zum Überfluß durch zwei in der Briefsammlung (erberts erhaltene Schreiben bewiesen, die dieser im Auftrage Adalberos wenige Jahre vor dem Ereignis, das uns hier beschäftigt, an Willigis richtete’. = ! Von den Wahlen und Krönungen der Zwischenzeit, der oben S. 428 erwähnten Roberts von Weihnachten 937, der seines ältesten Sohnes Hugo von Pfingsten (9. Juni) 1017 (Rod. Glabri hist. I. IIle. 9 |32] ed. Prov, 1886 p. Sr: regio in Compendio adseitis regni primoribus coronam ... ex more a pontifieibus puero feeit inponi, nämlich sein Vater Robert) sowie der seines zweiten Sohnes Heinrich von Pfingsten (14. Mai) 1027 (ibidem 1. IIle. 9 [34] 1. e. e. 84: Coadunatis denigue rex metropoli Remis regni primatibus stabilivit regni corone Heinrieum quem delegerat)- läßt sich mit, wenn überhaupt möglich. noch größerer Bestimmtheit als von denen Ottos Il. und Ottos III. in Deutschland sagen, daß sie sicherlich zur Weiterbildung des Wahl- vechts nichts beitrugen, vielmehr das Wahlrecht der Geistlichen und das Erststimm- ‚recht des Reimsers schon vorgefunden haben. Vgl. zu diesen Thronerhebungen etwa Prısrer, Robert le Pieux p. 718.. 768., 143 5., Fracn I. c. III p. 393 S. ® Hourzuann a.a. O. SAfıo/ Lor, Derniers Carolingiens p. 63, 2385. Vgl. damit Fracu, Les origines de l’ancienne France IV, 1917 p. 292, der, übrigens in Übereinstimmung mit Lor, zu- treffend hervorhebt, daß Adalbero — und erst recht der Aquitanier Gerbert — vor allem kaiserlich, durch den Gedanken des Kaisertums bestimmt war. * Haver in der Einleitung zu seiner Ausgabe der Briefe Gerberts p. XIII ss., XVLs., XVITs, ° ep. 27. 34 vom Sommer 984 bei Haver p. 21S., 335. und p. XIV. Der zweite dieser Briefe führte bei Willigis den Abt Ayrard von Saint-Thierry ein wit dem Be-' ınerken: Multa cartis non eredimus. quae legatis committimus und dem Auftrag, mit dem Mainzer Erzbischof zu verhandeln de statu et pace regnorum. Es wird weder das einzige noch das letzte Mal gewesen sein. daß die beiden Kirchenfürsten sich wegen des Ganges der öffentlichen Angelegenheiten in Verbindung setzten, auf dem Sıwrz: Reims und Mainz in der Königswahl des 10. und ır. Jahrhunderts 431 Und Willigis wird sich diese Dinge gemerkt haben. Er hatte dazü um so mehr Anlaß, als es mit seinem Krönungsrecht trotz des päpst- lichen Privilegs nicht allzu glänzend stand. Zwar wenn wirklich schon für die Krönung Ottos II. und nicht etwa erst für diejenige Heinrichs Il. die sogenannte deutsche Krönungsformel verfaßt worden ist', so wird er wohl schon damals dabei die Hand im Spiele gehabt haben. Im übrigen aber mußte er es sich wegen der damaligen engen Verbindung der deutschen und der italienischen Staatsleitung gefallen lassen, daß ihm in Aachen bei der Salbung und Krönung des kaiserlichen Knaben der Erzbischof von Ravenna an die Seite gesetzt, wenn nicht gar vor- gezogen wurde”. - Grund genug für ihn. dem, was vier Jahre später in Reims vorging, die, größte Aufmerksamkeit zu schenken und es sich für die Zukunft zur Richtschnur zu nehmen. Fünfzehn Jahre dauerte es, bis die nächste 'Thronerledigung eintrat. Jetzt aber, 1002, war die Gelegenheit da, die Mainzer Rechte nicht bloß zu behaupten. sondern zu erweitern. Die Lage war in ge- wissem Sinne derjenigen nicht unähnlich, die 987 in Westfranzien be- standen hatte. Daß Erzbischof Heribert von Köln durch seinen Konflikt mit dem Bayernherzog wegen der heiligen Lanze und dadurch, daß er dessen Thronerhebung entgegenarbeitete, sich selbst ausschaltete, machte die Sache noch aussichtsvoller”. In der Lebensbeschreibung Bischof Burchards von Worms wird berichtet, Herzog Heinrich habe bei seiner Zusammenkunft mit Erzbischof Willigis und Bischof Burchard kurz vor der Wahl die größten Anstrengungen gemacht, um die Beiden für sich zu gewinnen und habe ihnen für den Fall ihrer Zusage alles versprochen, was sie nur wollten‘. Doch allein, was Burchard erwirkte, Laufenden zu halten und zu verständigen suchten. Vgl. auch H. Bönwer, Willigis von Mainz, in Leipziger Studien I, 3, 1895 S. 31, 32f., 35f., 4rf. Daß später die Beziehungen zu dem capetingischen Königtum und zu Reims erkalteten, kommt in diesem Zusammenhang nicht in Betracht. ! Warrz, Die Formeln der Deutschen Königs- und der Römischen Kaiser-Krönung vom zehnten bis zum zwölften Jahrhundert. aus dem achtzehnten Bande der Abhandl. der Kgl. Gesellschaft der Wissenschaften zu Mötti, ın. 1872 S. 29 ff., 33 ff.: dazu Wuartz-SEELIGER, Verfassungsgeschichte VI? S. zı5 ft. und Schrever, Rechtliche Grund- gedanken S. 5. 14, 16, 70f.. 86, 105, 129 sowie meinen Erzbischof von Mainz S. 29 (30) Anm. Tr. ® Srurz. Erzbischof von Mainz S. 19. Siehe oben $. 414 Anm. 2 sowie T'hietmari ehron.l. V. e. 20 (l. e. p- 1185.): (Juem (sc. archiepiscopum Coloniensem) cum altius, (uam quisquam erederet. custodia. qua paululum .. detinebatur (über diese Haft ibidem 1. IV e. 5o I. c. p- 92), in mentis seereto morderet (dazu ibidem 1. IV e. 54 |. c. p- 94): simulabat se ob hoc tam sero ad vegis gratiam (nach Duisburg) accessisse. quod in aceipienda benedietione Masontinum sibi rex voluisset preponere mit Hirsch S. 227,228 Anm. ı. ' @.9. MG. SS. IV, 1844 p.836: Interea Heinrieus Bavarorum dux undique eolleetis viribus Wormaeiam venit et, ut sceptra regni aequirerct, non modieum laboravit. Ibique ’ / 432 Gesamtsitzung vom 9. Juni 1921 wird ausdrücklich gesagt, nämlich den Ankauf und die Übereignung des zur Räuberhöhle gewordenen festen Hauses Herzog Ottos von ‚Kärnten in Burchards verwahrloster Bischofsstadt durch den künftigen König an das Bistum. Hinsichtlich der Zugeständnisse an Willigis sind wir auf Vermutungen angewiesen. Daß dazu die Wahl und Krönung in Mainz unter entscheidender Mitwirkung des Mainzer Metropoliten und seiner Suffragane gehört hat, die dadurch in eine ähnliche Stellung wie die von Reims gelangten, dies anzunehmen, liegt außerordentlich nahe. So konnte alsbald beides ganz ähnlich wie anderthalb Jahr- zehnte vorher im westfränkischen Reiche auch im deutschen vor sich gehen: Annuente duce, unter der Führung des Primas und auf dessen Erststimme hin mit anschließender Folge der geistlichen und welt-- lichen Fürsten, wird 1002 in Mainz gewählt worden sein. Im deutschen Reiche war man zuerst, gıı, von dem Geschlechte der Karolinger abgegangen, jedoch ohne daß damit das Recht der Wahl eine wesentliche Erweiterung erfuhr'. Wohl aber führte der Staatsstreich, den dreiviertel Jahrhunderte später im Westen Hugo Capet im Verein nit Erzbischof Adalbero von Reims wenigstens in so fern vornahm, als er sich über das Erbrecht des letzten Karolingers hinweg- setzte, zu einer Umwälzung in der Wahlberechtigung und, wenn nicht überhaupt erst zum Eintritt der von dem krönungsberechtigten Metro- politen geführten hohen Geistlichkeit in die Wahl’, so doch jedenfalls zum Erwerb der Erststimme dureh den Reimser. Nur war dort diese Errungenschaft nieht von Dauer. Dadurch, daß es nie mehr zu einer freien Wahl kam, vielmehr der Vater immer wieder bei seinen Leb- zeiten den Sohn wählen und krönen ließ”, daß also nach und nach ein neues, capetingisches Erbrecht entstand, das die Wahl verdrängte, schrumpfte in verhältnismäßig kurzer Zeit das Reimser Vorrecht wieder zusammen, um für die ganze Folgezeit auf das Krönungsrecht beschränkt zu bleiben'. Anders im deutschen Reiche. Das dort gleich bei der cum episcopo Moguntinensi necnon et Wormaciensi de his rebus eonsilium init. Igitur causam adventus sui illis exponit. Deinde omnia quae voluissent, si voluntati con- sentirent, se faeturum promisit .... " Vielleicht hat aber Konrad I. als Erster in der Reihe der deutschen Könige die Salbung empfangen; Srwrz, Erzbischof von Mainz S. ıı mit 5 Anm. 3. ? Dagegen sprechen nicht MG. Cap. Il p. 37558. nr. 284 (379) und 376ss. nr. 289 (390) betreffend Boso und Ludwig III. von Niederburgund, die-in einen andern Zu- sammenhang gehören. ; Ludwig VI. wurde bei Lebzeiten seines Vaters (zwischen 1098 und L100) nur gewählt, geweiht dagegen erst nach dessen Tod (1108); vgl. Horrzmann S. 112, 117 und oben S. 423 Anm. 7. * Die Wahl Philipp Augusts im Frühjahr 1179 war die letzte. Dieser selbst hielt es nieht mehr für nötig, das Reich bei seinen Lebzeiten zu bestellen. Frankreielı Srurz: Reims und Mainz in der Königswahl des ro. und ır. Jahrhunderts 433 nächsten Wahl! nach französischem Muster durchgesetzte Wahlrecht der Geistlichen behauptete sich”, wie die Wahl überhaupt, später aller- dings beschränkt auf die drei geistlichen Kurfürsten. Vor allem aber blieb dem Mainzer, indes ihm das Erstkrönungsrecht bereits vom zweit- folgenden Falle an für Jahrhunderte” verloren ging, das Erststimm- recht bis in die Zeiten des Interregnums. Dann ruhte es freilich wäh- rend des Zwischenspiels der eleetio per unum, also bis zu der Wahl. Karls IV. im Jahre 1346. In der Goldenen Bulle von 1356 aber, die an Stelle der Zurufswahl mit dem Grundsatz der Einhelligkeit die Mehr- heitswahl setzte, ‚lebte es, da nunmehr die Letztstimme die wichtigste, unter Umständen ausschlaggebende wurde, als Letztstimmrecht wieder auf‘, führte jedoch.bald vermöge der zugunsten des Hauses Habsburg und Habsburg-Lothringen tatsächlich anerkannten Erblichkeit nur noch ein Scheindasein, bis es schließlich mit dem Heiligen Römischen Reiche Deutscher Nation sein Ende fand. war von da an wieder unbestritten Erbreich. Nur an der Krönung hielt man noch fest, jedoch ohne ihr rechtsbegründende Wirkung beizumessen. Horrzmann S. ıı2f., 180f.. zııfl., Esueın, Cours &lementaire d’histoire du droit francais, X® edition (die 13.. 1920, war mir nicht zugänglich), 1910 p. 31655.. SchrEvEr, Rechtliche Grundge- danken S. 25, 28f., 34f., 39ff., 64, 96. ' Also zu einer Zeit, wo sich auch sonst im Thronerhebungsverfahren eine gewisse Rlerikalisierung bemerkbar macht. Vgl. Sourever, Rechtliche Grundgedanken S. 13. öft., 19, 62ff., 70f., Sıff., ıroff., 11öf., 134, TAzf., 1451. ® Dadurch wurde die ritueHe Feststellungswahl gegenstandslos und verküm- merte zu einer bloßen Akklamation, die sich bis 1792 erhielt. So in Deutsch- land. Ähnlich in Frankreich, aber aus dem gerade entgegengesetzten Grunde, näm- lich weil dort mit dem Siege des Erblichkeitsprinzips die effektive Wahl wegfiel und nunmehr die rituelle mehr oder weniger in der Luft schwebte, also gleichfalls nur noch als Zustimmung zur Weihe und Anerkennungsausdruck einen gewissen Sinn hatte. Vgl. Srwrz, Erzbischof von Mainz S. 62ff., Savigny-Zeitschrift a. a. O. S. 449 Anm. 4, SCHREUER, Rechtliche Grundgedanken S. 32ff. und dazu aus der Übergangs- zeit oben S. 428 Anm. 4 und S. 429 Anm. 1. ® Nämlich bis 1562 oder vielmehr bis 1657; Swurz, Erzbischof von Mainz S. 43fl., soft. j ' Vgl. meinen Erzbischof von Mainz S. rooff., rı2ff. Ausgegeben am 23. Juni. Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei. DER PREUSSISCHEN . D Le KR BR r hr y ») Pa > A S EMIE DER WISS Tel=relerelor Sitzung der ER Klasse am 16. Juni. (S. 435) Sitzung der philosophisch-historischen Klasse am 16. Juni. .(S. 435) © Hinker von Gaensamgen: Attische Inschriften. (S. es Gesamtsitzung am 23. Juni. (S..444) ; ER i ee Die deutsche‘ Quelle. der Ballade von Kreilde Rache. (Mitteilung vom 26. Mai.) .(S. 445) : | nen St nl FEB1O 192 * F BERLIN 1921 VERLAG DER AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN IN KOMMISSION. BEI DER VEREINIGUNG -WISSENSCHAFTLICHER VERLEGER WALTER DE GRUYTER U. CO, VORNALS @..]. GÖSCHEN'SUHE VERLAGSHANDLUNG, .: GÜTTENTAG, VERLAGSBUCHHANDLUNG GEORG REINER, "KARL J: TRÜBNER: VEIT U. COMP. ıBischen ‚Akademie der. in 0 Aus $2, bestonmte Mitteilung, hen Sitzung vorgelegt werden, wohei in der ‚Rege us ickfertige Manuskript zugleich einzuliefern ist. Nicht“ gi Ne Face en ordentlichen iglLEDEE au Renee SER h ‚der Sitzungsberichte, i in den Abhandfüngen 12 Druckbogen "von je 8 Seiten in der gewöhnlichen Schrift der Abhand- ngen nicht übersteigen. Überschreitung ‚lieser Grenzen ist nur mit Zustimmung “der Gesamtakademie oder der betreftenden Klasse statt- haft und ist bei Vorlage ‚der Mitteilung ausdrücklich zu beäntragen: Läßt der Umfang, eines Manuskripts ver H “muten, ‚daß diese Zustimmung. erforderlich"sein ‘werde, u so hat das vorlegende Mitglied es vor, dem; Einreichen von sachkundiger Seite auf seinen mutmaßlichen Umfang in Druck abschätzen zu lassen, h se. "auf besonderen Tafeln beigegehen werden, ‚so sind. die Vorlagen dafür (Zeichnungen, photographische Original- - aufnaltinen usw.) gleichzeitig mit dem Manuskript, jedoch ‘auf getrennten Blättern, einzureichen. \ Die Kosten ‚der Herstellung der Vorlagen haben in "der Regel ‚die Verfasser. zu tragen. Sind ‚diese "Kosten aber auf einen erheblichen Betrag zu veransehlagen, 56 kann die Akademie dazu eine Bewilligung beschließen. Ein darauf gerichteter Antrag ist vor, der Herstellung der be- "treffenden Vorlagen mit dem schriftlichen Kostenanschlage eines. Sachverständigen an -den vorsitzenden Sckretar za h "richten, dann’ zunächst im .‚Sckretariat vorzuberaten und 14.9 weiter .in der/ Gesamtakademie zu verhandeln, " Die Kosten der‘Vervielfältigung übernimmt die Aka- demie,.. Über die voraussichtliche Höhe dieser Kosten ist — wenn.es sich nicht um wenige einfache Textfiguren handelt —- der Kostenansehlag. eines Sachverständigen beizufügen. Überschreitet dieser ‚Anschlag für die ‚er- forderliche Auflage bei den Sitzungsberichten 500 Mark, bei den, Abhandlungen 1000 Mark, so ist Vorberatung dureh ‘das Sekretariat geboten. Aus'$ 5. Nach. der Vorlegung und Einreichung. des vollständigen druckfertigen Mannskripts an den zuständigen. Sekretar an. den Archivar wird über Aufnahme der-Mitteilung. in die akademischen Schriften, und zwar, wenn eines der mwesenden Mit- glieder es verlangt, verdeckt abgestimmt, Mitteilungen von Verfassern, welche nieht Mitglieder der Akademie ‚sind, sollen Regel nach nur in die Sitzungsberichte aufgenommen werden, „Beschließt eine Klasse die Aufnahme der Mitteilung eines Nichtmitgliedes in die Abhandlungen, so bedarf dieser "Beschluß: der Bestätigung durch die Gesamtakademie. oder der Aitakline in Ate Samen oder as | uß im einer. - "haben ‚hierzu die Vermittlung. eines ihrem‘ Der aafane einer aufzunehnenden' Miteilung soll "in der Regel in den Sitzungsberiehten bei Mitgliedern 32,7. bei Niehtmitglieilern 16 Seiten in der gewöhnlichen Schrift Mu "Sollen einer Mitteilung. Abbildungen ih Text oder ER | ! (Portserzung ‚auf S..3 des Umschlags.) ' ae ish ern PR, und die Verfasser sind zur Pragung der FR, kosten verpllichtet. AR B und leichten Schreibverschen hinausgehen. den Sckretars vor der Einsendung an dit "Aus SB, MaBER a Re Vonallen in die Sitzungsberichte oder bh aufgenommenen Avissenschattlichen Mitteilungen, 'R Adressen oder Beriebten werden für die Verfasser, wissenschaftlichen "Mitteilungen, wenn deren U Druck 4 Seiten MpeRStelte auch für den en Von Geulädheniereden werden ebenfalls Sanileräb für den Buchhandel hergestellt, indes nur dann, W BI ei Von den Söuderabiiräckkn aus den Stauebe erhält ein Verfasser, welcher Mitglied‘ der- zu Tender SERIE ohne weitenes 50 zur Zahl von 200 im ganzen also 350) abziehen z sofern er dies rechtzeitig em redigierenden Sckretar gezeigt hat; wünscht. er auf seine Kosten‘ noch Abdrucke zur Werteiling zu erhalten, so bedarf'es ı der-Genehmigung (ler Gesanitakademie oder der bet den. Klasse. — Niehtwitglieder erhalten 50 Freiexen } und dürfen. nach. rechtzeitiger Anzeige bei dem zierenden Sekretar weitere 200 Exemplare anf ihr abziehen lassen. Von den Sonderabdrucken aus den Abhandlung hält ‘ein Verfasser, welcher Mitglied der Akademie, zu wunentgeltlicher Verteilung ohne weiteres 30. exemplare; er ist indes‘ berechtigt, zu: gleichem Zwei auf Kosten der Akademie weitere Exemplare bis zur von noch 100 und auf seine Kosten 'noch weitere” zur Zahl von 100 (im'ganzen also 230) abziehen zu lass sofern er dies rechtzeitig dem redigierenden Sckretar gezeigt hatz wünscht er auf ‚seine Kösten noch mehr + Abdrucke zur Verteilung zu erhalten, so bedarf es dan der Genehmigung der. Gesamtäkademie oder der betreffen- den Klasse, — Nichtmitglieder erhalten’30 Freiexemplare und dürfen: nach rechtzeitiger Anzeige bei dem. gierenden Sekretär weitere 100 Exemplare auf ihre Kosten. abziehen lassen. ET, Eine Tür’ die’akademischen- Schriften der stimmte. wissenschaftliche Mitteilung darf in keinem Falle vor ihrer 'Ansgabe an jener Stelle ’anderweitig, sei «s’aäuch nur auszugs-, 435 SITZUNGSBERICHTE- DER PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. 1921 XXX. Sitzung der physikalisch-mathematischen Klasse. 16. Juni. Vorsitzender Sekretar: Hr. PLaxck. *Hr. v. Laue sprach über einige Fragen aus der allgemeinen Relativitätstheorie. Es wird untersucht, wie Dimensionsbetrachtungen in ihr anzustellen sind, wie die Maxwerrschen Gleichungen für den dreidimensionalen Raum zu formulieren sind, und ob rotierende Koordinatensysteme in ihrer ganzen Ausdehnung zuzulassen sind. "XXXI Sitzung der philosophisch-historischen Klasse. 16. Juni. Vorsitzender Sekretar: Hr. Lüpers. l. Hr. pe Groor las über Frauenregierungen in China, die sich hauptsächlich im 2. Jahrhundert vor, im 7. Jahrhundert nach Chr. und neulich wieder von 1860 an ereignet haben. (Ersch. später.) Es wird nachgewiesen, daß ihre Daseinsmöglichkeit aus dem alten, vom Welt- all geschaffenen heiligen Gesetz hervorgeht, daß Witwen berechtigt sind, mit un- beschränkter Gewalt über das Eigentum ihrer Söhne zu verfügen, und somit auch Jede verwitwete Mutter eines Kaisers die Oberverwaltung des Reichs, welches des Kaisers persönliches Eigentum ist, führen darf, insonderheit, wenn der Kaiser ein Kind oder nicht regierungsfähig ist. 2. Hr. von Wıramowırz-MoELLEnDoRFF legte vor: Frhr. Hırer vox GAERTRINGEn, Attische Inschriften. Es werden auf Grund unbekannter oder wie es scheint noch nicht richtig ver- standener Inschriften behandelt I. das Bündnis von Oiniadai mit Athen im Jahre 424. II. Grabos der Ältere von Illyrien, III. die Demen der Akamantis, IV. die Phratrie Thymaaitis. ; Sitzungsberichte 1921. 43 u Zu u a AR 436 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse vom 16. Juni 1921. ‚Attische Inschriften. Von F. Frhr. HıLuer von GAERTRINGEN. (Vorgelegt von Hrn. von Wıramowırz-MOELLENDORFF.) I. Oiniadai. IG Is. p. 24, 116e. Rest eines Ehrendekrets, von Kırcnnuorr im Anschlusse an Foucarr hergestellt. Prächtige Schrift. 7. 6ff.: DRAN croıxHadn 33B [ion Kanecaı A& AYTOC Kal em xc]enıa ec TO [TTPYTanelon EC AYPION. -- ----- |lac EITE' T- [A men Anna Kaeärıep TEI Boneı' Tjenemäxoı A- [& Kal - 9% Kal ae ]moı Toic Oi 10 |----- BOPNAI ---- nenn |kociac Ara- IxMAc TOC hennenoTamiac Kal TOCc TIAPhe&Ar- loc - - Die Gabe geht, wie schon die Vorgänger sahen, an drei Personen; es wird doch wohl gesagt worden sein, wieviel jeder einzelne von ihnen bekam, und das waren vermutlich 500 Drachmen als runde Zahl: Das ergibt Z. 10: [-°=7- = aönaı (h)ekActoı MENTA]KOCIAC APA- FoveArt hatte in 9/10 roic Oi)[-- den Namen des Vaters gesucht. Aber es sind Fremde, wie die Einladung zu den xcjenıa beweist; also war noch wichtiger das Ethnikon. Als solches kämen einmal die Oitaier in Betracht, deren Feindseligkeiten gegen die dorische Metro- polis im Jahre 426 zur Gründung von Herakleia Trachinia führten. Thuk. III 92, vgl. Kır, Thessal. Studien 1910, 17. Athen und die Oitaier waren so durch gemeinsame Feindschaft verbunden, zumal die Neu- gründung eine Bedrohung der Seeherrschaft Athens im Euböischen Sunde wurde (Thuk. 93, 1). Also: Oi- [Taloıc Aönaı heKAcToI TIENTA|KOCIAC APA- Aber eine andere Möglichkeit liegt vielleicht noch näher: Oi- [nıAAAIC AÖNAI EKÄCTOI TIENTA|KOCIAC APA- Hırzer vov Gaerrringen: Attische Inschriften 437 Am Besitze von Oiniadai war den Athenern seit lange viel ge- legen; etwa 455 v. Chr. versuchte Perikles mit den Achäern im Bunde die feste Stadt unweit der Acheloosmündung zu nehmen, erreichte aber nichts (Erronıöpkoyn, oY mentoı einön re Thuk.Iıır). Im Winter 429/8 erwägt Phormion, daß man Oiniadai während der Überschwemmungs- zeit nicht angreifen könnte, da es doch so verlockend war, weil die Stadt allein von allen Akarnanen den Athenern feindlich gesinnt war, Thuk. I ı02. Im folgenden Sommer zieht Asopios, der Sohn des Phormion, als Stratege mit ı2 Schiffen und dem Volksaufgebot der Akarnanen gegen die Stadt, erreicht aber mit Verwüstung des Landes nicht, daß sie sich ihm anschließt (Thuk. II 7). Der Ausdruck üc A’ 0Y TIpocexwpoyn kann schon auf die noch erfolglose Wirkung einer athenischen Partei schließen lassen. Endlich gelang es im Jahre 424 dem Demosthenes, die von allen Akarnanen bedrängten Oiniaden zum Anschlusse an das Athenische Bündnis zu bewegen. Thuk. IV 77,2: OinıAaac Ag, Yö TE AKAPNÄNWN TIANTWN KATHNATKACMENOYC KATANABÜN EC THN Aeunalon zymmaxian. Ein wichtiger Erfolg. Wenn ihn dabei die drei Bürger der Stadt unterstützten, so hatte Athen allen Anlaß, sie für ihre guten Dienste mit Ehren und Geld zu belohnen. Die Freude wurde freilich sehr bald durch den Zug des Brasidas getrübt. HU. Grabos. IG Is. p. 194, 116z. In dermehrfach behandelten Proxenie-Inschrift für E-- und seine Söhne — vgl. Wırnern, Jahresh. I 1598, Beibl. 45 und Hermes XXIV 1839, 116' und Mr£ranges NıcoLe 600; Dirrmar, De coronis 94, Bannıer, Berl. ph. W. 1917, 1220 — hat Kırcanorr für den einen Sohn die Ergänzung AjpAsoı vel etiam KalrAsoı vorgeschlagen. Der erste Name ist mythisch, der zweite, einen Käfer oder eine Krabbe bezeichnend, kommt als Spitzname in Athen vor (Belege bei Parr-Brx- SELER) und wird auch von BEcHTEL, Spitznamen 23° bevorzugt. Aber ein Name liegt noch näher. Im Jahre 356/53 schlossen die Athener mit dem Thraker Ketriporis und seinen Brüdern, dem Paionen Lyppeios und Grabos dem Illyrier ein Bündnis ab. Somit setze ich in der obigen attischen Inschrift T]pAsoı ein und erkläre Vater und Söhne für Illyrer. Für den besonderen Anlaß dieser Beziehungen zu Athen ist freilich aus Thukydides nichts Sicheres zu ermitteln; man könnte an die Wirren von Epidamnos, die zum Peloponnesischen Kriege führten, oder an die Kämpfe des Brasidas und Perdikkas im Herbst 423 denken, die gegen Arrabaios den Lynkesten auszogen, wobei illyrische Truppen von Per- dikkas zu Arrabaios, also damit auf die Seite Athens, übergingen (IV 25,1). Jedenfalls scheint nichts gegen eine Ansetzung der Inschrift 43* D ” a Ja PIERRE 2 438 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse vom 16. Juni 1921 in die Zeit des Archidamischen Krieges zu sprechen. Der Grabos von 356 mag dann ein Nachkomme gewesen sein, der die Athenerfreund- lichkeit von seinem Ahnherrn überkommen hat. IH. Die Demen der Akamantis. Wir wußten von Psellos, wissen aus seiner Quelle, dem Staat der Athener des Aristoteles, daß Kleisthenes in seinem Drange, den attischen Geschlechterstaat zu demokratisieren, das ganze Land in 30 Teile zerlegte, zehn um und in die Stadt, zehn an die Küste, zehn im Binnenlande; diese Teile, Trittyen genannt, ließ er durch das Los an die zehn neugeschaffenen Phylen verteilen, so. daß jede Phyle an allen Orten Anteil bekam, d. h. je eine städtische, Küsten- und Binnen- trittys erhielt. Auf Grund dieser klaren Angaben hat MıLcHHorrER in den Untersuchungen über die Demenordnung des Kleisthenes (Abhand- lungen der Akademie 1892) einen Versuch gemacht, uns das Werk des Kleisthenes darzulegen, verdienstlich nicht zum wenigsten durch seine Karte, die darin weit praktischer als die schönen Karten: von Currivs und KAvupeErT, alte und moderne Ortsnamen auf einem Blatte v vereinigt, wie das schon der alte LEakE in seinem 1829 erschienenen Demenbuche, deutsch von WESTERMANN 1840, auf Grund eigener Er- kundungen getan hatte. Im selben Jahre wie Mırcnnorrer gab LoEper seine umfangreiche Studie über die Trittyen und Demen Attikas in den Athenischen Mitteilungen XVI, .319ff. heraus mit einer Karte, die den Vorzug der Geländezeichnung hat, jedoch leider der modernen Dorfnamen entbehrt, deren Aufnahme freilich einen größeren Maß- stab bedingt hätte, und, unabhängig von Lorrer, U. v. Wıramowırz in der VI. Untersuchung des I. Bandes von Aristoteles und Athen, Trittyen und Demen, eine knappe und eindringliche Betrachtung, die S. 158 das Problem der Akamantis als das schwerste hinstellte. Miıtca- HOEFER hat dann noch mehrfach, in den Athenischen Mitteilungen XVII und bei PauLy-WıssowA, zu LOEpErR Stellung genommen. Daneben geht die Einzelforschung her, wie BruEckners schöne Untersuchung über das Reich des Pallas, die ihren Wert behält, obwohl wir an einigen Ergebnissen nicht festhalten können ; lehrt sie uns doch die Forschungs- objekte selbst klarer erkennen (Athenische Mitteilungen XV], 1891, 200ff., mit Kartenskizze S. 210). Es ist klar, daß die Einteilung in die 30 Trittyen von den be- stehenden Besitzgrenzen der meist schon vorhandenen Gemeinden aus- gehen mußte, und daß diese einigermaßen mit der natürlichen Be- schaffenheit und Gliederung des Bodens in Einklang gestanden haben wird. Das macht die genaue Erforschung des Geländes wertvoll, wie va Fe HıLLer von GAERTRINGEN: Attische Inschriften 439 wir sie MıtcnnoErer und Lorrer danken. Ebenso klar aber ist oder hätte sein sollen, daß jede Trittys in sich ein zusammenhängendes Ganze sein mußte. Kleisthenes und seine beratenden Geometer oder Geonomen (so hießen die Beamten der attischen Kolonien oder Kle- ruchien) hatten nicht das geringste Interesse, die Lose zu zerreißen und Enklaven zu schaffen. Es ist Lorrers Verdienst, diesen Gesichts- punkt mehrfach gegen Mircnnorrer geltend gemacht zu haben. Für die Akamantis hat MiLcnnorrer folgenden Verteilungsplan entworfen : I. Stadttrittys: Kerameikos. II. Küstentrittys: Thorikos. Kephale. Prospalta. Hagnus. Sphettos. III. Binnentrittys: Hermos. Cholargos. Eiresidai. Kyrtiadai. Porioi. Iphistiadai. Wiramowiırz teilt Hermos und Kerameikos der Stadt, Eiresidai und Iphistiadai dem Binnenlande zu, weiß aber nicht, ob man das zu- sammenhängende Stück Land Hagnus, Prospalta, Kephale, Sphettos mit Thorikos der Küstentrittys, oder so entlegene Stücke wie Hagnus der Binnentrittys zuweisen soll. Cholargos läßt er im Text ganz un- bestimmt, in der Anm. 43 verzeichnet er MiLcunorrers Ansetzung (deren Folge freilich die Zuweisung dieses Ortes zur Binnentrittys und folglich deren Zerreißung wäre). Lorrer hat ähnliche Gedanken gehabt. Aber zur Verhütung der Zweiteilung gibt er eine andere Lösung: I. Stadttrittys: Kerameis. Iphistiadai. Eiresidai. Hermos. Cholar- gos. Eitea. Kikynneis. I. Küstentrittys: Thorikos. Kephale. Kyrteidai. II. Binnentrittys: Sphettos. Prospalta. Hagnus. Und Mirc#Horrer pflichtete ihm in wichtigen Punkten bei (Athenische Mitteilungen XVII, 299 und Realene. Cholargos) — zum Teil mit Unrecht! Ein Inschriftfund hatte die Aporie gelöst. Schon lange wußten wir den Namen der städtischen Trittys Kerameis (IG I 500); sie hing am Kerameikos, dem Demos der Kerameis. Dazu kam eine jener Horosstelen, für Marinezwecke bestimmt, von Wırnerun Beiträge 31 (1909) erwähnt, aber noch der Veröffentlichung durch einen anderen vorbehalten, da diese ausblieb, 1920 von mir in der Sylloge® 917 nach Wirnerns freundlich überlassener Abschrift mitgeteilt, nachdem schon SunpwArr in den Nachträgen zur Prosopographia Attica (Helsing- fors 1910) das Fazit gezogen'. Wenn Cholargeis eine Trittys hieß, so gehörte sie zum Demos 1 Aefpe AlANTIC #Ya& TENEYTÄl, TETPATIONEON AC TPITTYC- AKAMANTIC A& ®YAE APXETAI, XoNAPTEON A& TPITTYC. 440 Sitzung der philosophisch-historischen Klasse vom 16. Juni 1921 Kerameis hieß, sondern in der binnenländischen, war deren Vorort und als solcher im Besitze des gemeinsamen Heiligtums des Herakleion der Mesogeier. Diese Schlüsse sind unvermeidlich. Aber wo lag Cholargos? Das hatte man längst ungefähr richtig bestinfmt, nörd- lich oder nordwestlich von Athen im Pedion. Da lagen die Felder des Perikles', des größten Demoten von Cholargos, dem Einfall der Spartaner im Jahre 431, der von Eleusis nach Acharnai ging, besonders ausgesetzt, weshalb sie noch nicht an die Straße selbst gestoßen zu haben brauchen. Thuk. I 13, ı. Plut. Per. 33. Grabinschriften von Cholargern sind am Ölwalde und bei Chaidari, d.h. östlich vom Passe von Daphni und nordöstlich der heiligen Straße gefunden. Athenische Mitteilungen XII 346, 5S1f. Von den Beschlüssen der Mesogeier.(IG II’ 1244/8), von denen der letzte genaue Bestimmungen über die Auf- stellungen im Herakleion im Kyklos (was das auch bedeuten mag) (im Demos) der Cholarger enthält, beweisen die städtischen Fundorte nicht das geringste; aber einer ist zwischen Chassia (am Parnes) und Liossia, doch wohl Kato Liossia, hinter dem Dorfe Kamatero (darauf kommt es an!) gefunden, also wohl nahe der Stelle, wo die Eisen- bahn Athen-Eleusis von ihrer fast nördlichen Richtung scharf nach Westen umbiegt. Vgl. z.B. den Plan zu BArperezrs Griechenland (S. 97). Natürlich kann er auch dahin verschleppt sein. Wenn MiLcHHOEFER den Demos ans rechte Kephisosufer etwa in die Nähe von Sepolia oder Levi (Aes#) legt, so mag der Wunsch mitgesprochen haben, der Stadt nahe zu bleiben. Auf der anderen Seite müssen wir uns hüten, dem großen Demos Acharnai zu nahe zu kommen. Den Namen erklärt Wıramo- wırz als gallweiß oder gelblichweiß, wobei man an die Farbe des Ge- steins oder auch ‘der Äcker denken mag. Man vergleiche nur die rote Erde Westfalens oder den Ort Schwarzerde, Melangeia bei Mantinea. Wenn nun also die Binnentrittys um Cholargos im attischen Pedion lag, so bleibt für das, was man heutzutage Mesogeia nennt, nur die Küstentrittys der Akamantis übrig. Diese ist durch Thorikos, das seinen Namen nie gewechselt hat, an einem Ende festgelegt; auch ı Wenn Perikles seinen Sohn Paralos nannte, so wählte er dazu den Namen eines attischen Heroen (Literatur bei Höfer Myth. Lex. Paralos), der demnach bei Bechtel Hist. Pers. 576 nachgetragen werden könnte. Prologenes hat ihn in den Propyläen gemalt, ein kleines Kriegsschiff zur Seite (Plin. n. h. XXXV ror). Nicht die binnenländische Heimat Cholargos liegt hier zugrunde, auch nicht die milesische Heimat der Aspasia, sondern der Zug zur Sec, der den Perikles bis in den Pontos führte. Der Name ist sonst nicht verliehen. TTarAnioc AHmoaökoyY AnaryPAcıoc PA ıı6r1 steht für sich, darf uns aber nicht mehr verführen, den Sohn des. Perikles umzu- nennen, auch wenn wir den Handschriften insgesamt mißtrauen; denn der in wunder- schöner Schrift gehaltene Stein IGI s. p. 194, 116", den wir in diesen S. Ber. 1919, 664ff. behandelt haben, sagt doch wohl deutlich: [- - EmiTAxcAı (so eher als EmAINEcAI) A& kai TTeriknel Kal TTap]|Anoı Kal Xcaneirmol KAl ToIc YE[cIN AYTO -- - ne = HiLLER von GAERTRINGEN: Attische Inschriften A441 der kleine Demos Kyrteidai, von der Fischreuse benannt, hat nach Lorprr irgendwo am Meere, wohl nördlich von Thorikos, gelegen. Dann sind landeinwärts gesichert Kephale bei Keratea, Prospalta bei den Kalybia von Kubara, Hagnus bei Markopulo. Unklarheit herrscht noch über Sphettos. Ein nieht unbedeutender Ort, eine der zwölf alt- attischen Städte des Philochoros, der vierte der großen Demen, die in MiLcHHOEFERS Statistik auf die 15 größten folgen. Die nicht allzu gute Quelle der trozenischen Urgeschiehte des Pausanias macht Sphettos zum Bruder des Anaphlystos, dessen Sitz bei Anabyssos an der attischen Westküste gegeben ist. BruEekxers Karte und Interpretation der Pallas- sage verlegt den Sphettischen Weg vom Westabhang des Hymettos durch das bequeme Tor von Anagyrus-Vari und südlich um den Olympos herum, wo bei dem Gut Elympos noch ausgedehnte Reste und eine kleine Burg liegen. Mircunorrer dagegen führt den Weg mit Lo&rers Zu- stimmung (auch ich bin ihn im Januar 1921 mit J. und M. Honpıus ge- gangen) durch die Pirnarischlucht mitten über den Hymettos und setzt Sphettos westlich des großen Dorfes, das noch den von den thessa- lischen Magneten wohlbekannten Namen Korope führt. Dort hatte BruEcKNER die Burg des Pallas, Pallene, gesucht, die man aber nur ungern von dem nächsten Fahrwege von Marathon nach dem Isthmos trennt; denn der flüchtige Eurystheus hatte es doch gewiß eilig, da ihm der Verfolger Iolaos auf den Fersen saß, und wird sich nicht leicht zu Umwegen entschlossen haben. So geneigt man aber auch wäre, Sphettös möglichst nahe an Thorikos heranzurücken, so muß man doch zugestehen, daß Korope in der Richtung der anderen, ge- sicherten Demen der Akamantis liegt. Freilich bekommt diese Trittys so einen wunderbar langen Streifen zwischen den beiden Küsten. Aber die Wunderlichkeit schwindet, wenn man die Paralia als Ganzes be- trachtet. Jetzt streckt die Mesogeia auf der Lorrrrschen Karte einen schmalen Streifen nach Süden vor. Dieser wird nunmehr abgeschnitten; die Grenze läuft'südlich von Liopesi-Paiania, der zweitgrößten attischen Gemeinde nach Acharnai, umschließt also nur den nördlichsten Teil der heutigen Mesogeia, dann das athenische Pedion, soweit es nicht städtisch ist, und die Berge Brilessos, Parnes mit östlicher Fortsetzung außer dem schmalen Küstenstreifen, und den nördlichsten Korydallos. Man muß sich ja auch darein finden, daß das ganze gebirgige Hinter- land der Thriasischen Ebene zur Paralia gehört. Es war eben eine politische Einteilung, keine physikalische. IV. Die Phratrie Thymaitis. Des Kleisthenis radikale Neuerungssucht machte Halt vor der Re- ligion: TA A& rEnH Kal TÄC @PATPIAC Kal TÄC IEPWCYNAC EIACEN ExeiN EKÄCTOYC 442 Sitzung der philosophisch-historischen, Klasse vom 16. Juni 1921 KATA TA rrATpıa sagt Aristoteles im Anschlusse an den Bericht über die Demenreform, womit freilich im Widerspruch „zu stehen scheint, daß er in der Politik p. ı31ı9b,, die Phratrien neben den Phylen und den Privatkulten zu dem rechnet, was die Demokratie verändern muß, wo- für auf den Eingang von Saurprs commentatio de phratriis atticis, Göttingen 1886, verwiesen sei. Saurrz mußte sich noch mühen, durch Schlüsse das zu ermitteln, was in der Aeunaiwn ronıteia enthalten ge- wesen sein konnte; Wıramowiırz stand wenigstens für Kleisthenes der sichere Text zu Gebote (Aristoteles und Athen II 259ff.: die Phratrie der Demotioniden). Für die ältesten Verfassungen sind wir freilich auch jetzt noch auf die indirekte Überlieferung angewiesen, die sich jetzt in Krnvons Berliner Ausgabe S. 84 findet. Danach zerfiel die Bürgerschaft in 4 Phylen; jede Phyle hatte 3 Trittyen oder Phratrien, jede Trittys 30 Geschlechter, jedes Geschlecht (angeblich!) 30 Männer. Wie künstlich und schematisch das ist, leuchtet ein: »Die Phratrien sind mit den vier Phylen zugleich gemacht. Von jenen lehren es die blutlosen Eponyme, auf die wirklich vornehme Adelsgeschlechter sich zurückzuführen verschmähen. Auch die Eponyme der Phratrien sind blutlose Gestalten« (Wıramowırz S.277). Man mag — und auch ich neige von jeher dazu — den Phylen eine mehr organische Entstehung zuschreiben, wie es (U. Wırcken hat mich darauf hingewiesen) H. Borke- steın in der Klio XIII 1913, 424ff. getan hat, und wie man für die dorischen Phylen seit deren Auftauchen in den Gedichten des Tyrtaios noch mehr wie früher zu tun geneigt ist; auch wenn einmal in sehr alter Zeit eine große gesetzgeberische Persönlichkeit ordnend und schaffend eingegriffen haben wird, wie es Kleisthenes und auch Mu- hammed waren. Jedenfalls aber ist jedes neue Zeugnis über die atheni- schen Finteilungen, Geschlechter und Phratrien, von großer Bedeutung. Eines ist 1895 bei den deutschen Ausgrabungen am Westabhange der Akropolis, im späteren Mauerwerk der Lesche, gefunden, aber fehlt leider in den Berichten. A. Wırnerm hat im folgenden’Jahre Abschrift und Abklatsch an die Akademie gesandt; nun möge seine Mitteilung hier im 25. Jahre mit Dank verwertet werden, wobei das rein Epigra- phische dem Corpus überlassen bleibt. hierön| Ardc EZenilo Oymaıtilaoc ora|TPiac. Also die Phratrie Thymaitis besaß in der Stadt ein Heiligtum des Zeus Xenios. Wie es sich zur Lesche verhält, ist nicht auszumachen; vermutlich lag es wenigstens in der Nähe. Es ist nur die Frage, ob die Phratrie außerdem noch einen ländlichen Mittelpunkt hatte. Denn bei den Demotioniden gab es neben den oikoc d Aekeneıön noch einen Ort mov An Aekeneihc rIPocsoITÄcın En Acreı (DitTEne. Syll.’ 921°). Wenn man dies, mit Lysias XXXIH 3, dem xoyrelon TO TAPÄA TOYc “Ermäc gleichsetzen will, so wäre das freilich von einem Hieron des "Hırrer von Gaertringen: Attische Inschriften 443 Zeus sehr verschieden — mehr würde die Lesche zu einer solchen städtischen Filiale passen. Heute würde man ein kaseneion wählen, wenn man nicht die Mittel hätte, einen besonderen Klub zu gründen. Aber wenn wir bei einem wirklichen städtischen Heiligtum bleiben, so schlösse das doch einen größeren Landsitz nicht aus. Solche stellt Wiramowırz S. 278 zusammen; Myrrhinus der Dyaleer, Kephale oder . Prospalta der Achniaden (Syll.’ 923); der Stein der Oerriknelaaı ist in’ Athen gefunden (Syll.’ 924); von anderen mag man streiten, ob es Geschlechter oder Phratrien waren. Denn es gab einen Demos OymaıtAanı, zur Küstentrittys der Hippo- thontis gehörig, die auch Eleusis umfaßte, beim Peiraieus nahe der Küste gelegen. Er bildete nach Pollux IV 105 das » Vierdorf« mit Peiraieus, Phaleron und Xypetaiones; dort erbaute Theseus seine Schiffe, heimlich, abgelegen von der Heerstraße, der zenıkt da6c (Plut. Thes. 19). Dazu paßt die Angabe, daß Solon bei Nacht nach Salamis fuhr und dort KaTA xHaHn Tina TIPÖC TAN EYBOIAN Ärtosneriovcan vor Anker lag (Yoormicaceaı), wenn wir mit Wıramowitz bei TorPrFER, Quaest. Pisistrateae 13 EOyMAITIAA emendieren. Thymaites (oder Thymoites) der Eponymos dieses Demos — oder der Phratrie, die ja jedenfalls älter war als der Kleisthenische Demos — hat es bis zum athenischen König gebracht. Demon erzählt von ihm im IV. Buche seiner Atthis eine aitiologische Geschichte, die darum merkwürdig ist, weilsienach Westen, nach Eleusis reicht (bei Ath. IIT96de): AveiaanTa, eHci, BAcıneYoNTA ÄoHNÖN OYmoitHc (dies die schlechtere Schreibung) 5 newreroc Anensöc ndeoc WN ÄTIOKTEINAC AYTOC EBacinevcen. €® 0% Menaneoc Mecchnioc EKTiechn TÄC TIATPIAOC Enifpeto TAN T1veian Ömoy KaToıkHcei. H AC EoH, ENBA AN EENIOIC TIPÖTON TIMHEÄ TOYC TIOAAC AYTOF KAl THN KESANHN EM TO AEITINW TTAPABENTWN. Kal TOFT' Er&neto AYTD En "Enevcini‘ TON TereIÖn FÄP TÖTE TTÄTPIÖN TINA EOPTHN EITITEAOYCON KAl TIÄNTA TÄ KP&A KATANHAWKYION, TON AC TIOAQN Kal TAc Kesanfc Yrıoaoimmwn ÖNTWN, TAYTA TO MenAnow Arıecteinan. Hier denkt man bei den zenıa an den Zeus Xenios der Thymaitis. Aber es ist nur Schein; denn nicht Thymaites, sondern Melanthos erhält das Gastge- schenk. Ebenso kommt es bei dem Kampfe an der boiotischen Grenze nur darauf an, daß Melanthos an Stelle des unwürdigen Thymaites König wird. 'Thymaites ist nur der letzte Theseide, der beseitigt wird. Somit können wir für ihn, seinen Demos und seine Phratrie ganz von Eleusis absehen, was das Verständnis nur erleichtert. Die Phratrie ge- hört in das Tetrakomon, vielleicht ursprünglich in das ganze. Das würde freilich eine sehr alte Zeit voraussetzen, als der kleine Hafen von Thymaitadai noch sicherer schien als die große, den Seeräubern leicht zugängliche Bucht von Phaleron — daß der Peiraieus noch später in Gebrauch genommen wurde, ist ja bekannt. Ausgegeben am 30. Juni. 444 SITZUNGSBERICHTE DER PREUSSISCHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. 1921 XXXI. Gesamtsitzung. 23. Juni: Vorsitzender Sekretar: Hr. PLanck. l. Hr. Hagertanpr las: Zur Physiologie der Zellteilung. Siebente Mitteilung: Die Entwickelungserregung befruch- teter und parthenogenetischer Eizellen. (Ersch. später.) Im Anschluß an den früher geführten experimentellen Nachweis von Wundreiz- stoffen oder Wundhormonen wird zu zeigen versucht, daß die Entwickelungserregung befruchteter und natürlich-parthenogenetischer Eizellen durch Wund- und Nekrohormone bewirkt wird, die b:im Eindringen derSpermatozoen oder Spermakerne in die Eizellen ent- stehen, oder diesen im Falle der Parthenogenesis aus der Umgebung zugeführt werden. Von diesem Gesichtspunkte aus wird zunächst der Bau der tierischen Sperma- tozoen und Spermazellen besprochen, der häufig nicht auf ein möglichst leichtes Ein- dringen, sondern auf eine relativ stärkere Verletzung der Eizelle abzielt. Auch die Penetrationsbahn des Spermatozoons in der Eizelle, der Dimorphismus der Spermatozoen und die häufige »physiologische Polyspermie« werden von diesem Standpunkte aus be- trachtet. Daran schließt sich die Besprechung analoger Erscheinungen im Pflanzenreich. Hinsichtlich der natürlichen Parthenogenesis wird an einigen Beispielen gezeigt, daß Nekrohormone in der Umgebung der Eizellen reichlich gebildet werden. Bei Marsilia Drummondii sterben die Kanalzellen frühzeitig ab, und Nekrohormone können durch ein Loch in der verdiekten Wand, die die Eizelle von der Bauchkanalzelle trennt, in erstere übertreten. Bei Taraxacum und den parthenogenetischen IReracium- Arten dürften die frühzeitig absterbenden Tapete:zellen des Integumentes das Nekro- hormon liefern. Dagegen bleiben bei den untersuchten Cichorieen mit normaler Be- fruchtung die Tapetenzellen bis nach der Bildung des Eiapparates am Leben. 2. Hr. Nersst überreichte sein Werk »'T'heoretische Chemie vom Standpunkte der Avogadroschen Regel und der Thermodynamik«, S.— 10. Aufl. (Stuttgart 1921). 3. Vorgelegt wurde der 2. Band des mit Unterstützung der Samson-Stiftung herausgegebenen Werkes »Fritz Müller. Werke, Briefe und Leben«, gesammelt und herausgegeben von Dr. Aurrep MÖLLER (Jena 1921). Die Akademie hat in der Gesamtsitzung vom 9. Juni den Pro- fessor Dr. RunoLr WaAckernaseı in Basel zum korrespondierenden Mit- gliede ihrer philosophisch-historischen Klasse gewählt. Heuster: Die deutsche (Quelle der Ballade von Kremolds Rache 445 Die deutsche Quelle der Ballade von Kremolds Rache. Von Anpreas HEvUSLER. (Vorgelegt am 26. Mai 1921 [s. oben S. 399).) l: Unter dem halben Dutzend der nordischen Nibelungenballaden ist »Kremolds Rache«, Kremolds oder Grimilds hevn, künstlerisch wohl die mißschaffenste. Als Sagenzeugnis darf sie die erste Stelle ansprechen: sie ist die einzige der sechs Schwestern, die in ihrem ganzen Bestande auf verlorene Dichtung zurückgeht. Davon sucht wenigstens der vor- liegende Aufsatz zu überzeugen. Die neuere Forschung hat bestätigt, daß schriftlose Lieder nicht nur aus ihresgleichen entstanden: bei den Folkeviser im allgemeinen und bei den Nibelungenballaden im besondern haben buchliche Quellen eine große Rolle gespielt. Ein Epos oder eine Saga oder eine Lieder- sammlung konnte eine Ballade erzeugen. Also auf der gattungsmäßigen Stufenleiter ein Rückschritt oder eine Verjüngung: das schriftlose, ge- sungene, getanzte Werk ist das Kind eines geschriebenen, zum Vor- lesen bestimmten Textes. Svend Grundtvig und noch Axel Olrik — wie dem Verfasser aus persönlichem Austausch bekannt ist — hatten eine triebhafte Abneigung gegen diese gleichsam Rückbildung. Sie empfanden etwas Unorga- nisches darin. Männer, bei denen der kritische Verstand die künstle- rische Einlebekraft stark überwog, wie Sophus Bugge und Gustav Storm, wurden von diesen romantischen oder Hegelischen Hemmungen nicht belästigt: sie fielen immer gleich auf die Annahme, daß ein Buch da- hinter stehe. Wir sehen heute: oft haben sie recht gehabt, oft nicht. Es heißt auch bei den Balladenquellen, von Fall zu Fall abzuwägen und viele Möglichkeiten in Rechnung zu ziehen. Jene »Rückbildung« gilt ja übrigens nur fürs Stoffliche. Als Kunstform ist die Ballade nieht aus Buchwerken hervorgewachsen. Der Fall ist der, daß Erzähl- stoffe, die der Norden in verschiedenen Formen angesammelt hatte, an eine neue, nach südlichen Mustern gebildete Form übergingen. 446 Gesamtsitzung vom 23. Juni 1921. — Mitteilung vom 26. Mai Aus den Schriften, die in den letzten Jahren die Nibelungen- viser untersucht haben, ragt hervor der Aufsatz von Knut Liestöl in Maal og Minne 1917 S. Sıff. Liestöl beherrscht den ungedruckten Schatz der norwegischen Texte, und er verbindet, wie kaum ein andrer seit Moe und Olrik, Scharfblick mit Feingefühl. Auf den genannten Blättern hat er die Stellung der färöischen Balladen zu den festlän- dischen in klarerem Lichte gezeigt und damit dem Sommbaun der Gruppe einen kenntlicheren Umriß gegeben. Die Jung-Sigfrid-Ballade, der ursprünglich norwegische »Sigurd svein« (Sivard snarensvend), hatte nach Liestöl etwa dieses Schicksal. Ein Norweger dichtet auf Grund der eddischen Liedersammlung und mit Verwertung der Thidrekssaga seine Ballade. Die kommt nach den Färöer, und der Färing erweitert und bearbeitet sie nach der isländischen, schriftlichen Völsungasaga so gründlich, daß die Haupt- masse dieses »Schmied Regin« aus Völsungasaga besteht und das Lied erst bei schärferem Zusehen seine balladenhafte Wurzel aufdeckt. Die färöische Brinhildballade hatte vielleicht eine ähnliche Entstehung. Man sieht hier weniger klar, weil von der norwegischen Fassung Spärliches bewahrt ist. Die färöischen Texte bauen sich wiederum weit überwiegend aus Völsungasagastoff auf. Aber ihr Schluß biegt in das Sagenbild des deutschen Brünhildenlieds ein. Nun gab dieses Lied in Norwegen um 1250 die Grundlage her für die betreffende Strecke der Thidrekssaga. Sollte es ungefähr gleichzeitig — zusammen mit isländischem Stoff — zu einer norwegischen Ballade verwendet worden sein? Eine solche schimmert auch an anderen Stellen der färöischen Brinhild durch, wie Liestöl gezeigt hat. Die dritte der drei großen färöischen Balladen, der »Högni« — eine Darstellung der Nibelungenot mit dem Anhängsel der Hagen- sohnrache — geht uns hier näher an. Sie hat ohne Frage die Thidreks- saga benutzt. Aber dies scheint auch hier ein späterer Akt, eine ‘ Überarbeitung gewesen zu sein. Der Grundstock war aus einer nor- wegischen Folkevise übertragen. Dafür hat sich Neckel, ohne nähere Begründung, erklärt (Braunefestschrift 1920 S. 97ff.); auch Sydows Ansichten scheinen in dieser Richtung zu gehn (Arkiv 35, 109ff.). Eine andere Auffassung verfocht de Boor (Die färöischen Lieder des Nibelungenzyklus 1918 S. 183ff.): auch nach ihm gab es eine » west- nordische« — doch wohl norwegische — Urgestalt der Vise, aber die hatte ihre erste Grundlage in der Thidrekssaga. Die hier vermutete norwegische Ballade ist nicht unmittelbar er- halten. Wir haben, vom Högni abgesehen, nur zwei späte, mangel- hafte dänische Fassungen, dazu eine dritte, von Vedel frei bearbeitete, woran sich noch die Hvenische Chronik reiht. Diese dänischen Lieder Heuster: Die deutsche Quelle der Ballade von Kremolds Bache 447 sind »Kremolds Rache«. Nach ihrer mittelbaren Quelle, der deutschen Grundlage ihres Sagenstoffs, fragen wir hier. Ich gebrauche die Abkürzungen: ä.Not = ältere Nibelungenot (s. u.); Högni — die Ballade Högni in den Feröiske Kvzxder ı, 37ff.; Hven. — die Hvenische Chronik hg. von Jiriezek; KrH = Kremolds Hx»vn in Danmarks gamle Folkeviser Nr. 5; NL = Nibelungenlied, Strophenzahlen nach Bartsch; Ths — Thidrekssaga, zitiert nach Bertelsen (»Ths« kurzweg meint oft soviel wie »die Nibelungenot in der Thse«). I. Als feststehend betrachte ich, daß KrH engere Berührungen hat sowohl mit dem NL wie mit der Ths und daher aus keiner einzelnen dieser Quellen herzuleiten ist. Dieser schon von Wilhelm Grimm (Heldensage' S. 306) ange- deuteten, von Döring und Sophus Bugge vor beiläufig fünfzig Jahren begründeten Auffassung hat in neuerer Zeit. soviel ich weiß, nur Klockhoff widersprochen (Arkiv 23, 143ff.). Er folgt beim NL der Lachmann-Kettnerschen Einschiebsellehre und gelangt dazu, die An- klänge von KrH an das hochdeutsche Epos für zufällig zu halten. So glaubt er, die Ballade auf die Ths — in ihrer schwedischen Be- arbeitung — zurückführen zu können. Er erneuert also die Ansicht Gustav Storms, die sonst wohl seit Bugge als widerlegt gilt. Gibt man die Berührungen mit Ths und NL zu, dann hängt die weitere Entscheidung davon ab, wie man über die Quellen dieser beiden Werke denkt. Hier trennen sich die Wege. De Boors verdienstliches Buch hat sich leider auf den Zarncke- Döring-Paulschen Standpunkt gestellt, die Ths fließe einfach aus dem NL. Dies zwingt zu der Folgerung: was nur in Ths und KrH, nicht im NL, steht, das stammt aus der Ths: es ist Neuerung des Saga- schreibers. De Boor geht nun aber weiter. Unter den »deutschen Bestandteilen in KrH« versteht er nur das, was im NL wiederkehrt; d. h. die Möglichkeit, daß KrH neben der Ths eine Vorstufe des NL benutzt habe, erwägt er nicht. Denn er erkennt, daß hinter diesen »deutschen Bestandteilen« ein breites Epos stehen muß; als solches aber scheint ihm nur unser NL in Frage zu kommen; zu der Hypothese des ersten Burgundenepos, der ältern Nibelungenot, nimmt sein (vor dem Kriege abgeschlossenes) Buch nicht Stellung. Demgemäß stimmt de Boors Ergebnis zu Döring: KrH fließt »aus der Ths mit starkem sekundärem Einschlag aus dem deutschen NL« (S.195). Er gibt zu, daß nach dem färöischen Högni hinüber Schwierig- 448 Gesamtsitzung vom 23. Juni 1921. — Mitteilung vom 26. Mai keiten bleiben (S. 204). Aber das sind nicht die einzigen. Wir kommen darauf in Abschn. X. Ganz anders Boer, der diese Quellenfragen am einläßlichsten unter- sucht hat (Nibelungensage 2, 95ff. 192. 209ff., vgl. Beitr. 34, 195ff.). Sofern er KrH weder auf Ths noch NL zurückführt, sondern auf eine verlorene deutsche Dichtung —- so daß die Ballade sagenkritischen Wert hat, was nach de Boor nicht der Fall ist —, geh ich mit ihm einig. Das Bild von dieser verlorenen Dichtung aber bestimmen Boers Theorien über die Entstehung von Ths und NL, insbesondere jene - Zweiquellenlehre mit IQ und IIQ, das A und O in Boers Nibelungen- forschung. In all dem kann ich nicht mit, und der ganze Stamm- baum stellt sich mir ungleich einfaeher, die Menge der verlorenen Zwischenglieder geringer dar. Die Vorlage unsrer Ballade wäre nach Boer die von einem rheinischen Spielmann stammende »älteste Re- daktion des Nibelungenlieds« (der dann noch drei Redaktionen folgten), d. h. eine Diehtung, die gegenüber den Quellen der Ths eine jüngere Sagenstufe einnähme: wo KrH und Ths auseinandergehn, hat die Ths ohne weitres das ältere. An das Vorhandensein dieser Diehtung glaube ich nicht, und der zuletzt erwähnte Leitsatz scheint mir ein Irrtum. So ist für mich gleich die Fragestellung eine andre als bei diesen Forschern. Sie lautet kurz gesagt so: kann KrH aus der ältern Nibe- lungenot stammen? Kommen wir mit dieser Quelle aus? Dieses oberdeutsche, donauländische Epos, die Hauptquelle der Burgundensage in der Ths und die unmittelbare Vorstufe von NL Teil II, scheint mir eine leidlich erkennbare Größe zu sein (einiges zu ihrer Feststellung hab ich vorgebracht in den Sitzungsberichten 1914 8. ııı4ff:. und in Nibelungensage und Nibelungenlied 1921). Wir stehn nicht ganz in der Luft, wenn wir fragen, ob ein Zug aus KrH der ä.Not zuzutrauen, d. h. mit ihrem Sagenbild und Stil zu vereinen sei. Im übrigen wollen wir das Hypothetische der folgenden Schlüsse ein für allemal zugeben. II. Es handelt sich vor allem darum, ob die engeren Berührungen der Ballade mit dem NL, also die der Ths fehlenden oder von ihr weiter abliegenden Züge, in der ä.Not gestanden haben können oder als Neuerungen des NL und folglich als Anleihen aus dem NL gelten müssen. Obwohl die meisten dieser Stellen bei den genannten Forschern, und zum Teil viel eingehender, besprochen sind, müssen wir sie auf unsre bestimmte Frage hin durchmustern. sr ng Heuster: Die deutsche Quelle der Ballade von Kremolds Rache 449 Wir trennen die beiden Balladentexte A und B, nehmen aber die paar ihnen gemeinsamen Anklänge unter A mit. Die Eigennamen, die näher zum NL als zur Ths stimmen: Gynter, Hellett) Hagen, Kremold, können ebensogut aus der ä.Not wie aus dem NL bezogen sein. ı. Falquor, d. i. Volker, führt in A und B den Beinamen »Spiel- mann«, und auf seine Fiedel wird mehrmals angespielt. Daß dieser der Ths fehlende Zug schon der ä.Not eignete, hat man mit Grund angenommen (s. SB. 1914 8. 1126). 2. Ag. Die Worte der Meerminne an Hagen: »kommst du in das heidnische Land, verscherzt ist dein junges Leben« (B8 »...., so wird dir der Tod geraten«; Högni33 »reitest du ins Hunenland....«), dies hält sich näher zum NL: und kumestu zen Hiunen.... 1539,4, swelhe dar geritent, die habent den töt an der hant 1540,4 als zu Ths 286, 10: »ihr könnt alle heil über diesen Fluß gelangen, aber nie zurück, und dazu wirst du vorher noch in größte Mühsal geraten«. 3. Aıı. Hagens Erwiderung: ».... ich reite mir so wohlbe- halten und hinein nach dem heidnischen Land« (Högni 42 »ich werde reiten ins Hunenland«) kann man vergleichen mit NL 1537,1: Si sprach: ir muget wol riten in Etzelen lant. Die Ths hat keinen ähn- lichen Wortlaut. Für die ä.Not, wo die Nixe vermutlich nur einmal prophezeite (wie in Ths, KrH und Högni), kann man nach Nr. 2 und 3 dieses Zeilenpaar entwerfen: Ir muget gesunde riten in Etzelen lant; und komet ir zen Hiunen, ir habet den töt an der hant. Die Fassung von Frage und Antwort in der Ths klingt zwar markig und altertümlich; aber es ist, wenn ich recht empfinde, mehr der Realismus des Sagastils; auch entspricht es kaum der Lage, daß das Hinüberkommen über den Fluß so betont wird. 4. A ı3. Hagens Wort: »Wach auf, guter Fährmann, führ mich über den Sund: ich gebe dir meinen Goldring, er wiegt wohl fünf- zehn Pfund« steht viel näher beim NL: nu hol mich hie, verge, . sö gib ich dir ze miete von golde ein boue vil röt 1550 als bei. Ths‘ 286, 17. 287,3. 5. A ı4f. Der Ferge erwidert: behalte nur deinen Goldring, er brächte mich nur in Not! — Der Wortlaut hat nichts mit dem NL gemein, aber eine abstrakte Ähnlichkeit liegt darin, daß auch Str. 1551 vom Fergen aussagt, der versprochene Ring habe keinen Eindruck auf ihn gemacht, was der Ths fehlt. 6. A15,3.4. Der Ferge sagt: ich hole dich nicht über, Frau Kremold hat es mir verboten. Dies berührt sich mit NL 1558: meine 13 - Zt x . R Be 9 hie “ 450 Gesamtsitzung vom 23. Juni 1921. — Mitteilung vom 26. Mai Herren haben Feinde, darum hol ich keine Fremden über. Ohne Gegen- stück in der Saga. Nr. 4—6 kann man für die ä.Not ansprechen; nur muß man, im Blick auf Ths und NL, die Reihenfolge ändern. Der Gedanken- gang, der den drei Texten zugrunde liegt, könnte dieser gewesen sein: a) Hol über, ich gebe dir einen Goldring! b) Behalt ihn, ich führe keine Fremden. c) Ich bin ein Mann deines Grafen. d) Was geht mich das an? e) Hagen zeigt den Ring: da sieh deinen Fährlohn! f) Dieser Lockung kann der Ferge nicht widerstehn, da er, neuvermählt, seinem Weibe das Gold verschaffen möchte. — Im NL ist der logische Gang gestört, weil die Begründung des Nein in b ersetzt ist durch den Reichtum des Fergen, und weil das Motiv unter f verdunkelt ist durch den Gemeinplatz »Geldgier führt zu bösem Ende«, wogegen der Verlust von d weiter nicht schadet.“ Die Saga hat a und b verloren, aber aus dem übrigen einen glatten Faden gewonnen, indem sie an d anfügte »ich will meinen Lohn« (was erst nach Entfernung von b möglich war). KrH endlich hat nur a und b bewahrt. 7. A ı6. ı7. Hagen köpft den Fergen gleich nach ihrem Gespräch, wie im NL 1562. In der Ths geschieht es erst auf der gemeinsamen Überfahrt, nach dem Ruderbrechen. Man muß annehmen, daß die Saga hierin die ä.Not wiedergibt. Beim Ruderbrechen ist es ja klar, daß das NL nach vorn geschoben hat, denn diesen Zug teilt auch das grönländische Atlilied der Überfahrt zu. Und der Zusammenhang der Köpfung mit dem Ruderbrechen, wie die Saga ihn in kräftigen Redeversen aufweist, sieht gewiß nach der Vorlage aus. Das NL wollte die Überfahrt frei halten für die Episode mit dem Kaplan; aus diesem und wohl noch andren Gründen schob es Köpfung und Ruder- brechen nach vorn. So scheint denn hier die Ballade eine Neuerung des NL übernommen zu haben. Aber zwingend ist der Schluß doch nicht. Die Vise kann von sich aus die Köpfung an diese Stelle ge- zogen haben. Sie bringt nämlich den vereinfachten Hergang, daß der am diesseitigen Ufer angetroffene Ferge die Fahrt verweigert; da war es gegeben, seine Tötung sogleich anzuschließen. Das Ruderbrechen hat der Dichter da gelassen, wo es die ä.Not hatte; das spricht gegen Hereinspielen des NL. Ich nehme also an, daß diese siebente Berührung mit dem NL, gegen die Saga, durch unabhängige Eingriffe in Ballade und Epos zuwege gekommen ist. Dagegen kann man unbedenklich aus der ä.Not herleiten die: S. Einzelheit, die der Vise mit dem NL gemein ist: in A ı7 wirft Hagen den Kopf des Fergen ins Wasser, und dabei gebrauchen Hevster: Die deutsche Quelle der Ballade von Kremolds Rache 451 beide Texte das Reimwort Grund (NL 1562); so auch der Högni 41. Die Saga erwähnt nur das Köpfen. 9. A ı9. Als die Ruder gebrochen sind, heißt es von Hagen, daß er mit seinem vergoldeten Schilde das Schiff ans Land steuert. ‘Dies hält sich zu dem Zuge der Saga, daß Hagen das ausgerenkte Steuer einrenkt (was im NL fehlt); aber der vergoldete Schild ist doch wohl ein wirrer Nachklang des Zuges, daß Hagen das Ruder mit einem sciltvezzel bindet, NL 1565, 1; und dies kann gut aus der ä.Not stammen. ; ı0. A 20. Bei der Landung betritt als nächster nach Hagen Falquor _ das Land. Auch das NL hebt an dieser Stelle, 1584, Volker hervor, nicht die Saga. Die ä.Not kann dahinter stehn. ı1. A25. Kremold heißt alle willkommen außer Hagen. Man vergleiche NL 1737— 1739. Die Saga hat: »sie küßt jeden der Reihe nach«, die Ausscheidung Hagens fehlt. Das NL verdeckt sie ein wenig durch die Zeile, die nur Giselher begrüßen läßt. Nehmen wir die drei Zeugen zusammen, so erhalten wir für die ä.Not die Grundform: Kriem- hild gönnt allen den Begrüßungskuß, nur nicht dem Hagen. ı2. A 27. Den Streit beginnt »König Kanselin« mit einer Anrede an seine Mannen: »Wir wollen heute ein Turnier (en rend) halten mit Held Hagen....« Dem entspricht die Rolle Blödelins, des Königs- bruders, im NL 1909f.: vgl. insbesondere: sö hebe ich einen schal; ez muoz erarnen Hagene.... Die Saga steht ferner. Der ä.Not darf man dies zuschreiben. Die Erwähnung Hagens durch Blödel be- fremdet (Droege, Zschr.f.d. Altertum 58, 15); denkbar, daß es Über- lebsel von der Liedstufe ist, wo, wie ich vermute, Blödel gegen Hagen anging und durch ihn fiel. Dieser Kanselin tritt noch einmal in A 36f. auf, zwei dunklen Strophen. Auch da, möcht ich glauben, steckt Blödelin hinter ihm, der seine von Gernot empfangene Todeswunde vor Kriemhild trägt (s. Abschn. XI). Das wäre dann ein Zug der ä.Not, den weder Ths noch NL bewahrt haben, und der darum nicht in unsre Liste gehört. Selbst wenn der Name Kanselin aus »künee Atzelin« entstellt wäre (s.u. VI), hat jedenfalls Kanselins Rolle an den beiden genannten Stellen nichts mit Etzel zu tun. Etzel tritt in KrH überhaupt nicht auf. 13. A 38f. Diese Anrede an Kremold bewahrt, wie ich glaube, Reste aus einer Rede Giselhers, die im NL teils in 2ıo1f., teils in 2011 vorliegt. Man halte nebeneinander: Eyvred, eyured, sester Kremol!.... vil sch@niu swester min.... du varst mig aldri god. Ich. was dir ie getriuwe.... daz du mir holt w:erest.... Sitzungsberichte 1921. 4 452 Gesamtsitzung vom 23. Juni 1921. — Mitteilung vom 26. Mai Vosen alle de stunder, üf solhen gedingen ich her ze hove de dage, der ieg hid red! reit (gleiches Reimwort) ieg hug saa dybe vunder, wir gehouwen noch die wunden, det var mig saa saare emod.. diu mir vil sanfte tuot. (Ist das sinnlose »eyvred« zu Anfang, wofür Kalkar, Ordbog 1, 448, nur diesen Beleg nennt, entstellt aus owe dirre nöt zıı12, ı?) Die Ths hat keine Gegenstücke (auch nicht an der von Boer, Nib. 2, 106, erwähnten Stelle). Die ä.Not kann diese Verhandlung vor der Brand- legung wohl besessen haben. Daß Giselher, und nicht etwa Hagen oder Volker, der rechtmäßige Sprecher dieser Worte ist, merkt man noch in dem verderbten dänischen Texte dem wehmütigen Tone an. 14. A 42f. Diese Strophen enthalten, wie schon W. Grimm ge- sehen hat'), Rüedegers Schwertschenkung (eigentlich Schildschenkung) an Hagen vor dem Kampfe und Hagens Dank mit dem Versprechen, den Schenker zu schonen. Also das aus NL 2ıg6ff. Bekannte. Die Ths hat nichts davon; sie läßt Rüedeger ohne alle Zwiesprache mit den Nibelungen in den Kampf stürmen. Daß die Saga in dieser ganzen Strecke viel verloren hat, dafür spricht verschiedenes. Von dem Mehr des NL kann mithin einiges auf die ä.Not zurückgehn, so auch die Schildschenkung an Hagen. Wir sind nicht genötigt, diesen Zug der Ballade aus dem NL zu leiten. 15. A42,5.6. In diese Rede Rüedegers ist, mit wunderlicher Verwirrung, eine Langzeile Hagens geraten aus seinem Gespräch mit dem Markhüter Eckewart (von Eckewarts Rede steckt ein Rest in den zwei vorangehenden Strophen): die Worte »mich dünkt, du bist ein schöner Held, woher du auch gekommen bist«, berühren sich näher mit NL 1634, 4 (du bist ein degen küene, swie eine du üf der marke . list) als mit Ths 289, 22. Dieser Eckewartauftritt ist im NL viel magerer als in der Saga, aber das schließt nicht aus, daß eine Einzel- heit aus der Quelle dort besser bewahrt ist. So kann dieses Wort Hagens der ä.Not angehört haben. Vgl. Abschn. V Nr. 13. In dem zweiten Balladentext, B, fehlen alle diese Stellen außer den beiden ersten. Dafür hat er sieben eigene Berührungen mit dem NL: 16. B 20. Die Worte der Königin: »Hier darf niemand Schwerter in das Schloß nun tragen« stimmen näher zum NL: man sol deheiniu wäfen tragen in den sal 1745, 2 als zu Ths 304, 24: »hier soll nun kein Mann mit Waffen gehn«. Die erste Fassung kann gut aus der ä.Not stammen. Man beachte aber, daß erst das NL dieses Waffen- 3 : ! Altdänische Heldenlieder (r81r) S. 426. Dorther wird die Stelle bei Beauvois 1867 stammen, die Grundtvig als frühesten Beleg nenut (DgF. 4, 597). a Hezvster: Die deutsche Quelle der Ballade von Kremolds Rache 453 verbot in den Kriemhildenempfang verpflanzt hat (Verf., Nibelungen- sage S. ı53f.): da nun auch die Balladenstelle gleich in der Be- grüßung steht, sieht dies nach Benützung des NL aus. Allein, in der Ballade sind die sämtlichen Auftritte zwischen dem Kriemhilden- empfang und den Kämpfen durch einen einzigen ersetzt: bei dieser starken Kürzung mußte das Waffenverbot, wenn es im Gedächtnis blieb, nach vorn geraten — auch ohne Einwirkung des NL. Aus demselben Grunde schließe ich von unsrer Liste aus den Punkt, daß Text B ı8 das Beschauen der Ankömmlinge gleich beim Einzug bringt, wie das NL und gewiß auch die ä.Not, während der Sagamann es später nachholt. Wenn diese Str. ı8 die Wendung bringt: »sie waren schmal um die Mitte und wohl nach Maßen lang«, liegt darin keine nähere Berührung mit NL 1734, 3 (diu bein im wären lane), im Gegensatz zur Ths 302, ı2 (»ein langes Gesicht hat er«), sondern das »lang« der deutschen Quelle hat eine balladenhafte Formel angezogen. Man vergleiche Boer, Nib. 2, 100, mit Klockhoff, Arkıy. 23,177. 17. B2ı. Hagens Wort: »Ich erschlug König Geffred mit meiner eignen Hand« wäre eine seltsam entstellende Entlehnung aus dem NL, wenn hinter diesem »Geffred« der bayrische Gelphrat stäke, wie Grundtvig, Bugge und de Boor angenommen haben; denn die Gelphrat- episode ist zweifellos Zutat des NL. Aber »Geffred« muß aus vielen Gründen verderbtes Seffred, Sifrid sein (so Boer, Nib. 2, 100; Klockhoff S. 151; Roethe, Nibelungias S. 683). Es ist klar, die Äußerung entspricht der im NL 1790: »ich pinz.... der Sifriden sluoe«. Diese Worte aber hatte schon das ältere Gedicht, und zwar im Kriemhildenempfang, wo der dänische Text sie bewahrt hat. Der Nibelungendichter hat sie hinübergetragen in sein neugeschaffenes Zwischenspiel: »Wie er nicht vor ihr aufstand«. In der Ths hat Hagen diese Äußerung verloren; die im Wortlaut entferntere vor dem letzten Zweikampf, 323, 10, ist sicher nicht das Gegenstück der Balladenstelle. Vgl. Abschn. V Nr. 13. 18. B24. Kremolds Worte: »Ist hier jemand drinnen, der meinen Bruder erschlagen will, dann können sie über sein Gold und Silber schalten, dazu (dertl) über seine Burg so rot (!)« haben ihr nächstes Gegenstück in NL 2025: der mir von Tronege Hagenen slüege .... lem fult ich rötes goldes den Etzelen rant, dar zuo gx#be ich im ze miete vil guote bürge unde lant. Diese Zeilen werden nicht nur dem Inhalt nach für die ä.Not beglaubigt (s. Ths 310,18. 317,14), sondern auch ihr mhd. Wortlaut spricht für ein Stück Vorlage: diese dreihebig-klingenden Abverse (Hägenen slüege) hat der letzte Epiker zwar nicht immer, aber oft vom Vorläufer übernommen. Der Anklang 44* 4 £ ae re or 2 « 4 € = .- 454 ea vom 23. Juni 1921. — Mitteilung vom 26. Mai ist einer der intimeren. B 24, 3.4 ist also beileibe nicht »zu streichen “, d.h. der älteren Liedfassung abzusprechen, wie Boer, Nih. 1,216, alle 19. B25. »Das hörte Spielmann Falcko. er schnell über den Tisch sprang«: NL 1966, ı Volker der vil snelle von dem tische sprane, mit gleichem Reimwort. Der Ths 309, 12 ff. fehlt der Zug, doch kann er leicht in der ä.Not gestanden haben. 20. B 28f. Kremold spricht zu Hagen: »Besser wärst du da- heim, als daß du’hergeritten wärest. Hier gibts wohl hundert Witwen, eh du diesen Streit läßt«. Dem entsprechen die Worte an Giselher NL 2093: Jä gonden wir dir wol, daz du nie komen wsrest von Wormez über Rin; daz lant habt ir verweiset, du unt ouch die brüeder din. (Hagens Antwort: »Das hast du selbst so eingerichtet (/lyed)« klingt entfernter an an 2091.) Die Saga hat nichts entsprechendes. Die Stelle braucht kein Zusatz des NL zu sein. Man kann fragen, ob in der ä.Not die Worte an Giselher oder an Hagen gingen. 21. B30— 32 (ein Rest im Högni 140, de Boor S. 167. 205): Hagen löst seinen Helm und trinkt vom Menschenblut. Mehrere Wort- anklänge an NL 2113 ff., darunter die Reimwörter win, bluot. In der Ths ist der Saalbrand verkümmert und damit das Bluttrinken ver- lorengegangen. Der Quelle dürfen wir es zuschreiben. Sieh auch unten Abschn. XI. 22. B 33. Hagen sagt, daß Spielmann Falekor tot liegt, »mein herzlieber Bruder«; im NL 2290 sagt er von Volker: min helfe lit erslagene....., der beste herg@selle, den ich ie gewan. Die Äuße- rung hatte in der ä.Not eine passende Stelle vor Hagens Zweikampf mit Dietrich. Die Ths 322ff. wird gekürzt haben. Vgl. Abschn. XI. Der dritte Text der Ballade, das von Vedel bearbeitete C, hat zwar neben A und B Zeugenwert, aber zu unsrer Reihe gibt er keinen Beitrag, d.h. er enthält keine näheren Berührungen mit dem NL über A und B hinaus. IV. Die Stellen haben selbstverständlich ungleiches Gewicht; manche wird man nur zusammen mit den anderen auf die Wagschale legen wollen. Ein paar Anklänge habe ich unterdrückt, obsehon sie mir persönlich über den Zufall hinauszugehen scheinen'. Bisweilen, so in Nr. 4. 8.13.14. 20, liegt die Verwandtschaft nicht nur in Gedanken und Wortwahl, sondern auch in Stimmungsfarbe und klanglichem Wurf. Man muß sich die Stelle laut sprechen, um das zu spüren. I A 26,4: NL 1789,4; Bı7,5: NL'2104, 3; B 20,4: NL 1789, 3. Auch Aıt. halte man trotz der Formelhaftigkeit gegen NL 1422, eine summarische Doppelgänger- strophe (neben 1423) mit mehreren Merkmalen der (uelle. Heusuer: Die deutsche Quelle der Ballade von Kremolds Rache 455 Unerlaubt scheint es mir, die Anklänge damit totzuschlagen, daß man eine geläufige Balladenformel feststellt. Denn davon ganz ab- gesehen, daß man selten weiß, ob denn die Formel zuerst in einer andern Vise gestanden hat —: wurde die deutsche Quelle in eine formelreiche Balladensprache umgegossen, dann konnte es nicht fehlen, daß man die und jene Wendung nachbildete durch Einsetzen der nächstverwandten Formel. Dies braucht den Wortanklang nicht zu verwischen, auch nicht zu entwerten; es kann mehr als Zufall sein, daß die fragliche Formel eben an diesem Punkte eintritt. Man nehme. beispielsweise unsre Nr. 8. Gesetzt, die Prägung: »er warf es in den Sund, ...., sie (Kopf und Rumpf) sollten sich treffen am Grund« lag schon zur Benützung vor, dann wurde eben diese Ausdrucksform angelockt durch die Quelle mit ihrem »... und warf ez. an den grunt«,. während der Bericht der Saga diese Wirkung wahrscheinlich nicht gehabt hätte.” Dazu halte man Klockhoff, Arkiv 23, 157ff. (er glaubt auch hier an Zufall), und auf der andern Seite die Betrach- tungen de Boors S. $ff., der den Formeln ein besondres Studium ge- widmet hat und dennoch ohne Zögern in unsrer Stelle deutsches Lehn- gut anerkennt (S. 204). Im übrigen war es ja nicht unser Ziel, den Zusammenhang zwischen KrH und NL neuerlich zu beweisen. Wir fragten, ob dieser Zusammen- hang mittelbar sein kann, ob die gemeinsamen Stellen aus der Vor- lage des NL stammen können. Diese Frage glaube ich bejahen zu dürfen. Die ä.Not kann diese Stellen hergegeben haben. Damit wäre ja zwischen den beiden Epen noch nicht entschieden; aber einige unsrer Nummern haben uns schon weiter geführt zu einer hinter dem NL stehenden Form, der des ältern Epos (sieh 3.6.7.9. 11.12.17). Die Entscheidung zugunsten dieser ältern Quelle suchen wir in Absehn. X zu stützen, Ar Unsre nächste Frage ist, ob sich die engeren Berührungen zwisehen Ballade und Thidrekssaga ebenfalls aus der ä.Not, der Quelle der Saga, erklären. Möglich wäre ja, daß ein auf das deutsche Epos be- gründetes Lied nachher aus der Ths entlehnt hätte. Das wäre genau der Fall des färöischen Högni, des großen Bruders von KrH. Diese nähern Anklänge an die 'Ths sind etwas weniger zahl- reich, aber großenteils gewichtiger. Sie betreffen seltener den Wort- laut als den Gedanken. ı. Hagen ist Kremolds Bruder (nach der Saga Halbbruder). 2. A4. »Vor trat da Buodel, Held Hagens Mutter«: Ths 283,15 »Da stand auf Königin Oda, die Mutter König Gunthers und Giselhers, 456 Gesamtsitzung vom 23. Juni 1921. — Mitteilung vom 26. Mai und tritt zum König ....«; NL 1509 nur: Dö sprach zuo zir kinden diu edele Uote. 3. A5. Die dem Traum folgende Deutung berührt sich zum Teil wörtlich mit Ths 253, 2off., im NL fehlt sie. a. A7,B6. Hagen stellt zuerst an das Meerweib die Zukunfts- frage: so in der Ths 286, 7, anders NL 1535. 5. A ıo,Bog. Hagen tötet das Meerweib: so Ths, nicht NL. 6. A ı8. Gynter (mit Gierlo) steuert das Boot, wie in der Ths 288, 17, nicht im NL. 7. A 19. Das Ruderbrechen geschieht auf der gemeinsamen Über- fahrt: so in der Saga, anders im NL. Vgl. Abschn. II Nr. 7. 8. A ıg. Hagen greift in die Steuerung des Schiffes ein: ähn- lich Ths- 288, 20ff., fehlt im NL. Vgl. III Nr. 9. 9. A 23. Zwei der Nibelunge (Hagen und Falguor) führen Sehild- zeichen, einen Habicht (in B ı6 einen Adler) und eine Fiedel: Ths 284, 21ff. beschreibt ihre Wappen, bei Gernot und Giselher den Habicht, bei Gunther und Hagen den Adler. Im NL nichts dergleichen. ı0. A 26, B 20. Kremold erwähnt beim Empfang Seifrids Tod: das Gegenstück ist Ths 299, 7ff., das NL bringt es in einem spätern Auftritt 1789. Diese Ähnlichkeit mit der Ths könnte an und für sich der Szenenschwund der Ballade verursacht haben; es gilt das Abschn. III Nr. 16 Gesagte; doch ist die Verschiebung im NL unbe- stritten. ı1. A 34. Hagen sagt: »Mir dünkt, mein weißer Hals brennt in meinen Brünnenringen« (B30 »Mich brennt es so bitter unter meiner harten Brünne«); sehr ähnlich die Ths an viel späterer Stelle, in Hagens letztem Zweikampf mit Dietrich, 325,5: »Nun brenne ich von meinen Brünnenringen«. Fehlt dem NL. ı2. A40. Die ursprünglich dem Eckewartzukommenden Worte: »Ich habe mich überwacht sieben Nächte und sieben Tage, ohne daß je Schlaf in meine Augen kam« stehn in der Ths 289, ı9 als: »Ich habe nun gewacht drei Tage und drei Nächte (und deswegen schlief ich ein)«. KrH hat hier sogar volleren Wortlaut, und er klingt ent- schieden nach der Quelle; das Eingeklammerte aus der Saga müßte erst noch folgen. Das NL ı633ff. hat nichts davon. 13. A 42,3. Der erste Vers dieser Rüedegerrede (s. III Nr. 14f.): »Ich will dir. mein Schwert geben« setzt wohl zugleich Hagens Wort an Eckewart fort: »ich will dir auch dein Schwert übergeben« Ths 290, 2. Das NL 1ı634,2 hat nur das berichtende: er gab im wider sin wäfen. Diese Vermengung des Eckewart- und des Rüedegermotivs hat ver- schuldet, daß aus der Schildschenkung in KrH eine Schwertschenkung wurde. e Heuseer: Die deutsche (Quelle der Ballade von Kremolds Rache 457 Text B nimmt an den Stellen 1.4. 5.9. ı0. ıı Teil und bringt folgende hinzu‘: 14. B ı8. Die Ankömmlinge werden beschaut von »Frauen und Jungfrauen«: Ths 300, 2. 302,9 »höfische Frauen«. NL 1732, 3 nennt nur manegen küenen man. 15. B 21,3. 4. Das verderbte Verspaar hat Boer richtig gedeutet (Nib. 2, 100f.); es meinte: »ich (Hagen) gab dich (Kremold) dem König Etzel (Ottelin), das war (ist) ein so tüchtiger Mann«, und dies stellt sich neben Ths 299, 12: »König Attila von Hunenland hab du nun so lieb wie einst Jung Sigurd, er ist noch einmal so mächtig«. Das NL 1725 hat die Worte nicht mehr als Anrede an Kriemhild. Doch fasse ich das »ich gab dich dem Etzel« nicht mit Boer als Kegenwert zu »hab ihn so lieb... .«, sondern als Ergänzung; in der Quelle wird beides gestanden haben. Die eindrucksvolle Hagenrede, die in der Ths 299, 11—ı6 zwei Motive verloren hat, und deren Stücke im NL ı725f. und 1790 stehn, können wir also mit Hilfe der Ballade (s. II Nr. 17) so herstellen (in gekürzter Fassung): »Sigfrids Wunden lassen wir ruhen (Ths, NL); ja, ich, Hagen, hab ilın erschlagen (NL, KrH); aber ich gab dich dem Etzel (KrH), den hab du nun lieb (Ths, NL), er ist viel mächtiger (Ths, KrH); Sigfrids Wunden heilt man nicht mehr; geschehen ist geschehen (Ths, NL)«. 16. B 22. Hagen spricht: »Da verlor ich meine Brünne gut in der selben Schlacht, ich verlor auch mein gutes Roß vor Troja (Tro; yen), wo wir lagen«. Der einzige Anklang an die Ths ist das »Troja«. Die Saga kennt an vier Stellen den »Hagen von Troja«, und aus dieser Formel muß wohl die uns dunkle Anspielung der Vise erwachsen sein. Nun hat Hagen in der ä.Not sicher nicht »von Troja« geheißen (s. Braunefestschrift 1920 S. 56). Hier hätten wir also, scheint es, einen Fall, wo KrHH von der Ths abhinge. Aber bedenken wir, daß die Stelle nur in B steht, und daß sie offenbar ein hereingeflogener Splitter ist, der mit dem Burgundenuntergang nichts zu tun hat. Die An- spielung muß aus irgendeiner Quelle geholt sein, und woher die das »Troyen« hatte, wissen wir nicht; eine Erfindung der Ths ist ja »Hagen von Troja« nicht! —- So sagen wir: dieser nicht aus der ä.Not stammende Name bedeutet keineswegs, daß die B-Stelle auf der Ths fußt, geschweige denn, daß die Urgestalt von KrH nach der Ths gedichtet oder bearbeitet wurde. VI. Dann bleibt noch ein Punkt, der Name Ottelin in Nr. 15. Wir beziehen ihn mit Boer auf Etzel. Geht er auf die Form Attila zurück, dann denkt man zuerst an die Ths (das »Artala« im Högni ist ein # PAD ART EEG N » .o ; M EA P2 f ; 458 Gesamtsitzung vom 23. Juni 1921. — Mitteilung vom 26. Mai Hauptzeuge für die Ths). Aber Ottelin, aus Attelin, könnte auch Kose- form zu niederdeutsch Atle sein. Auch dies würde nicht auf die hoch- deutsche ä.Not führen. Aber wissen wir denn, wie die sächsischen Nacherzähler des hd. Epos den Namen Etzel behandelten? Da sie die Gestalt auch aus sächsischer Überlieferung kannten, mögen sie ihr leicht den heimischen oder halbheimischen Namen gegeben haben, Atle oder Attelin. Freilich wollte Bugge in dem wunderlichen »König Kanselin « (0. HI Nr. ı2) die Namensform Atzelin finden. Auch wenn er Recht hat, beweist dies nicht, daß der Etzelname in den sächsisch-norwegi- schen Kreisen, an die wir zu denken haben, regelmäßig mit dem hoch- deutschen -iz- gesprochen wurde (von dem gelehrten » Attila« abgesehen). Wie es sich nun mit Ottelin verhalten mag, Beuuualig der Ths kann er nicht beweisen. Alles übrige an den 16 Nummern kann man ohne Bedenken aus der Quelle der Ths, aus der ä.Not, leiten. Nirgends hat man Grund, eine nur der Saga eigne Neuerung zu vermuten. Bei den allermeisten Stellen versteht sich dies einfach von selbst. Wenn de Boor S. ı 84 ff. zehn seiner Stellen mit dem Kreuz versieht des Sinnes »kann nur der Ths entstammen«, dann zieht er eben die für ihn notwendige Folge- rung, s. Abschn. I; für den, der die Ths nicht aus dem NL leitet, stellt sich die Frage ganz anders. Hervorheben will ich nur zwei unsrer Nummern. Nr. 9, die Wappen. Die österreichische ä.Not liegt freilich der heraldischen Mode voraus, aber was die sächsischen Vermittler um 1250 in Bergen vortrugen, war ja nicht die Urgestalt des hd. Werkes, sondern hatte viel spätere Zugaben aufgenommen, darunter leicht auch den heraldischen Einschlag. Die Vorliebe der Ths fürs Wappenwesen war von ihren deutschen Gewährsmännern genährt. Man vergleiche Heinrich Schäfer, Waffenstudien zur Ths (1912) S. 37 ff. Nr. ıı, das Brennen Hagens in seiner Brünne. In der Saga ent- steht es dadurch, daß aus Dietrichs Munde Feuer fliegt. Diesen gro- tesken Zug an Dietrich kennen noch Biterolf, Ecke, Laurin und Rosen- garten (vgl. Jiriezek, Deutsche Heldensagen 1, 266f.). Der Quelle der Saga brauchen wir ihn nicht abzusprechen; fragen kann man ja immer noch, ob das Feuerspeien — sowie der Ausruf »In nomine domini« A 32, B 32, auch im Rosengarten A 54 — schon der Urgestalt' der ä.Not gehörte oder erst durch die Sachsen hereinkam.. Der Högni ent- scheidet nichts, da er ja von der Ths selbst berührt ist (de Boor S. 176f.). Boers Vermutung, Hagens Brünne sei von dem brennenden Hause erhitzt gewesen (Nib. 2, 105), könnte auf eine Vorstufe unsrer Balladentexte zutreffen, aber dies schiene mir dann eine Neuerung gegenüber der Form der Ths. Schon der Dichter von KrH hat Dietrich + Hevster: Die deutsche Quelle der Ballade von Kremolds Rache 459 weggelassen; das beibehaltene Brennen in der Brünne verlor damit seine frühere Begründung: Eine Entlehnung aus der Saga müßte A ı5 sein, wenn diese Strophe den Zeilen Ths 287, 20—24 entspräche, wie Klockhoff will (a.a. OÖ. S. 160f. 186); denn hier schaltet die Saga einen der ä.Not fremden Zug ein. Aber die Strophe liegt sachlich wie sprachlich zu weit ab. Fügen wir noch hinzu, daß Text C keine Sonderanklänge an die Ths bietet, ausgenommen die Sache mit den Rindshäuten 35ff., die Boer mit Recht aus der Hven. herleitet (Beitr. 34, 205); vgl. Abschn. VII. VL. So können wir auch die Ths als Quelle der Ballade entbehren. An zwei Stellen, Nr. 12 und 15, glaubten wir auch einen Schritt über die Saga zurücktun zu können. Wir kommen mit der einen Quelle aus. Die ä.Not gibt nicht nur alles her, was NL und Ths vereinigt hergäben; sie hat uns noch ein paar Züge dazu geboten, worin KrH über die beiden Schwestern hin- aufweist. Denn als Schwestern, Töchter einer Mutter, stellen sich uns nun Ths, KrH und NL dar: £ ä.Not 'Ths KrH NLA Es sind sehr ungleiche Schwestern. Die Ths willNacherzählung sein und steht denn auch, trotz vielen Umdichtungen und Zugaben und Entstellungen, der Vorlage ohne Vergleich am nächsten. KrH und NL sind zwei bewußte Neugestaltungen in entgegengesetzter Richtung: Das NL verbleibt bei der Kunstform des Leseepos und weitet sie auf das zwei- bis dreifache Maß aus; sein Neugestalten ist großenteils Bereichern. KrH, auch wenn wir beide Texte addieren, erscheint als eine gewaltsame Zusammenziehung der Epenmasse zu einem kurzen sangbaren, wohl auch tanzbaren Liede. De Boor hat darüber Treffendes gesagt (S. 191 f.). Bei dieser Zusammenziehung hat sich die Menge der Eigennamen verflüchtigt; mehrere tauchen nur ein- oder zweimal unbestimmt auf. Ortsnamen sind gar keine geblieben; der Schauplatz ist echt balladen- haftes Irgendwo. Das Ergebnis war nicht etwa eine annähernde Zurückleitung zu dem sparsamen Gerüst der Ursage. Vielmehr sind 460 (esamtsitzung vom 23. ‚Juni 1921. — Mitteilung vom 26. Mai. mit Vorliebe Glieder stehengeblieben, die erst der schmückende Epenstil herzugebracht hatte, und die man in Ths oder NL tilgen könnte, ohne die Fabel zu zerbrechen. Die ersten zwei Fünftel von A bestehen aus lauter jungen Szenen: Traum der Mutter, Meerweib, Ferge. Dann kommt ein altes Stück, Flußfahrt mit Ruderbrechen. Dann wieder allerjüngstes, erst für die Ballade geformtes: die Rede der Wächter. Das Hauptstück, die Kämpfe Str. 27—-39, hat unter vorwiegend jungen und jüngsten Zügen ein paar alte Brocken. Die vier letzten Strophen mit den Eckewart- und Rüedegermotiven. sind wie eine Nachlese, zusammengekehrte Brosamen. Die Strophe vor- her, 39, stimmt ja auch ungefähr mit den schließenden Versen von B. Mit all dem ist die Fabel im Grunde unkenntlich geworden; worum es sich handelt, könnte man ohne die älteren Darstellungen schwer sagen. Wird doch an Sigfrids Tod nur einmal lose gerührt, vom Schatz ist gar nieht die Rede; die Kämpfe sind disjeeta membra ohne Gelenke, und ein deutlicher Schluß fehlt in A und B. Därüber gleich noch ein Wort. Zum großen Teil ist dies erst Folge der schlechten Überlieferung und würde für die Kremoldrache des ı3. Jahrhunderts nicht gelten. Schon der sehr ungleiche Inhalt der zwei Fassungen bezeugt, wie tief hier Zersingen "oder sonstige Unbill der Zeit gegriffen hat. Leider hilft uns der stattliche Högni kaum, eine Vor- oder Urstufe der Ballade zu erschließen, weil wir nicht wissen, wieviel er erst aus der Ths bekommen hat. Ein Ausnahmefall ist, daß eine Sonderlesart von Ö durch den Högni bestätigt wird: ı4f. entzwei ging das Eisen- ruder, Högni 57. Die Frage: wieviel kann der Högni aus der ä.Not und also aus Ur-KrH haben? ist in den bisherigen Schriften. die das Quellenverhältnis ganz anders fassen, nicht gestellt worden. VIN. Außer dem Högni gibt es aber noch eine Verwandte von KrHl, die Hvenische Chronik. Ich will dieses Denkmal hier nieht unter- suchen, nur ein paar Punkte berühren, die für unsere Frage von Belang sind. Hven. erzählt zusammenhängend die drei Stoffe: I. Sigfrids Tod, II. Nibelungenot, II. Hagensohnrache. Sie lagen vor in drei (dänischen) Liedern. | R Lied I ging zurück auf eine norwegische Ballade und weiter auf das deutsche Brünhildenlied des ı2. Jahrhunderts (Abschn. ]). Lied II war KrH. Der in Hven. benützte Text enthielt ein er- hebliches Mehr zu unsern Texten A und B: den Zug mit den glatten Hsvster: Die deutsche Quelle der Ballade von Kremolds Rache 461 Rindshäuten, den wir aus Ths und Högni kennen. Hven. steht hier dem Högni näher; beide haben den Zug nicht aus der Ths, sondern aus der Urgestalt von KrH. Das Rindshautmotiv ist somit der ä.Not zuzuweisen. Außerdem mag noch in Hven. 14, 2, verglichen mit Högni 146. 153. 170, ein Zug von KrH fortleben, den A und B ver- loren haben: als Chremild zum Kampfplatz zurückkehrt, sieht sie zu ihrem Zorne den Hagen noch kriegstüchtig. Der Nachklang im NL ist Str. 2126. — Einwirkung der Ths, wie auch des NL, ist in Hven. Teil I nicht zu erkennen. Lied III war eine nordische (norwegische?) Um- und Ausdichtung der Hagensohnrache, die uns die Ths bezeugt. Dies war eine nieder- deutsche Neugestaltung von Kriemhildens Bruderrache an dem Ver- räter Etzel. Die nordische Umdichtung bestand vor allem darin, daß nicht Etzel, sondern Kriemhild in den Berg gelockt wird. Dies be- deutete eine Anpassung an Lied II, KrH. Denn hier war ja nicht Etzel, sondern Kriemhild die Schuldige; Etzel tritt weder in den Liedtexten noch in Hven. auf. Um Kriemhild für die Rache des Hagensohns übrig zu behalten, ließ man sie im zweiten Liede, in KrH, am Leben; man tilgte ihre Tötung durch Dietrich. II hat sich also seinerseits an III angepaßt. Aber auch das vorletzte Glied der ä.Not, die Tötung Hagens durch Kriemhild, mußte verschwinden; denn Hagen hatte den Rächer‘ von III zu erzeugen. Wann geschah diese Anpassung? — Falls das Hagensohnlied. in Norwegen, mit oder vor KrH, entstand, kann KrH von Anfang an die Tötung Hagens und Kriemhildens, den Schluß der ä.Not, beseitigt haben. In unsern jungen dänischen Texten beruht jedenfalls das Fehlen dieses Schlusses nicht auf Mängeln der Überlieferung. Das Bindeglied zwischen II und III war die Erzeugung des Hagen- sohnes. Ob dies als Schluß von II oder als Anfang von III erzählt war? Ich glaube das zweite; darauf weist die Hven. Dann hatte KrH keinen deutlichen Schluß mehr, denn beide Gegenspieler blieben leben. Die letzte Strophe von KıH Text B, ein klangvoller Rückblick Hagens auf das große Morden, wird seit langer Zeit, wenn nicht von Anfang an, die Ballade beschlossen haben. Gesetzt, schon der norwegische Verfasser von KrH nahm diese Angleichung an die Hagensohnrache vor, dann läge darin nicht not- wendig Einfluß der Ths. Die Hagensolmrache kann auf den münd- lichen Berichten der Sachsen gebaut haben, sich also zur Ths genau so verhalten wie KrH. Das Kennzeichnende der Ths ist nur, daß sie die Hagensohnrache — in ihrer älteren Gestalt, Rache an Etzel — anhängt an die Nibelungenot mit dem edlen Etzel und mit Kriem- hildens Tötung: was den bekannten Widerspruch und noch weitere wu Te ur = > Bi ji R 462 Gesamtsitzung vom 23. Juni 1921. — Mitteilung vom 26. Mai Mängel nach sich zog. Wo diese »unorganische« Verbindung auftritt, wie im Högni, da muß die 'Ths dahinterstehn. Nun lebt aber auch das Hagensohnlied mit der Rache an Kriem- hild im Högni nach: diese Quellenmischung ergab die Sagenform, daß Etzel und Kriemhild (Gudrun) im Berge verhungern. Nach de Boor (S. ı81f. 2ı2f.), der in der Ths die Grundlage des Högni sieht, muß die Rache an Gudrun später eingedrungen sein. Er beruft sich darauf, daß nur einige Fassungen diesen Zug kennen. "Allein, -daß Gudrun den Nibelungenmord überlebt und dann den Hagensohn um- zubringen trachtet (Motiv vom »Sohnestausch «), diese beiden der Ths fehlenden Züge eignen allen (oder.den meisten?) Högnitexten, und sie fordern ja unbedingt die Bestrafung der Gudrun! So möchte ich glauben, daß die Sache umzudrehen ist: zuerst gab das (norwegische) Hagensohnlied dem Högni die Bestrafung der Gudrun, und dann kam die Bearbeitung nach der Ths: die brachte die Rache an Etzel, also den vorerwähnten »unorganischen« Zug, und hat damit zwar die Bestrafung der Gudrun zur Seite gedrückt, aber den Unterbau davon — das Weiterleben der Königin nach dem Brudermord und ihre Ränke gegen den Hagensohn — nicht zu erschüttern vermocht. Aus dem Högni und der Hven. würde ich nicht folgern, daß KrH und Hagensohnrache schon in Norwegen — und später in ihrem dänischen Balladendasein — eine dichterische Einheit bildeten. Für eine festländische Folkevise war Kremolds Rache wahrlich schon Stoff genug: die färöischen Balladen fordern bekanntlich andere Maßstäbe. Der Vedelsche Text C, der in vier Schlußstrophen noch schnell die Hven. exzerpiert, beweist nichts für die echten Viser von Kremolds Rache. IX. Für ein niederdeutsches Lied als Vorlage von KrH, woran man so lange geglaubt hat, haben wir keinen Platz. Eine solche Zwischenstufe zwischen dem oberdeutschen Notepos und der norwe- gischen Ballade wäre zum mindesten überflüssig. (Die Möglichkeit, daß man in Deutschland Heldenepen zu Heldenliedern umdichtete, kann man einräumen.) Das im Jahr 1131 vorgetragene »speciosissimum carmen« mit dem allbekannten Verrat der Grimilda war nicht der Vorfahr von KrH, nur ein weitläufiger Vetter: der Stoff unsres dänischen Liedes ist durch die Stufe des österreichischen Epos hindurchgegangen. Wenn sich manche nordische Forscher die deutsche Quelle von KrH ohne viel Umstände als »plattdeutsch« dachten, so lag der Unter- schied von Epos und Lied noch nicht in der Sehfläche; auch wirkte e Heuster: Die deutsche Quelle der Ballade von Kremolds Rache 463 wohl die vaterländisch gefärbte Anschauung Svend Grundtvigs nach: »Die Sagen und Lieder von den Nibelungen haben auch in Deutschland, wie es scheint, nur so weit im Volke gewurzelt, als der niederdeutsche, den Skandinaviern nächstverwandte Stamm reichte« (DgF ı, 33). Den lebhaften Ausführungen de Boors zu dieser Frage (S. 187 ff.) wird man gern beistimmen. Soweit die Deutschheiten in der Sprache von KrH auf die Gedichtquelle zurückgehn, genügt das hochdeutsche Epos. Man braucht noch nicht einmal zu fragen, in welchem Grade es wohl die Hanseaten ins Niederdeutsche oder Messingsche umgesetzt hatten. Denn die niederdeutsche Vermittlung der ä.Not an die Norweger wollen wir keineswegs ausschalten, und wir rechnen auch mit Zutaten und Änderungen durch die »Männer aus Soest, Münster und Bremen « (s. o. Abschn. VD). » Der Zusammenhang zwischen KrH und dem färöischen Högni: der von de Boor festgestellte westnordische Formelschatz in KrH (8. 195 ff.); die Analogie zur Ballade Sigurd svein; die Tatsache, daß Kenntnis der ä.Not für Norwegen — und kein andres nordisches Land — verbürgt ist: diese Umstände berechtigen uns, den Ursprung der Vise in Norwegen zu suchen. Um 1250 wurde die ä.Not durch den norwegischen Sagensammler in ausführlicher Prosa nachgeschrieben und der großen Dietrichssaga einverleibt. Die einfachste Annahme ist, daß in demselben Kreise, auf Grund der gleichen Vorträge ein norwegischer Dichter die Folke- vise von der Nibelungenot, Kremolds Rache, verfaßte. Frageweise haben wir entsprechendes zu der Brünhildballade ge- äußert, 0. Abschn. I. Möge Knut Liestöl oder ein andrer Kenner prüfen, ob dieser Vermutung zeitliche oder sonstige Bedenken entgegenstehn! “Folgender Stammbaum deutet unsre Ergebnisse an: ä.Not Ths- KrHnorw. NL Tell Högni KrHdän. Hven. Teil Il X. Die Ableitung von KrH aus der &inen Quelle ist nicht nur ein- facher als die Anschirrung von Ths plus NL; dies wäre noch kein gewichtiger Vorzug. Aber das Verhältnis zum Högni hat für uns 464 Gesamtsitzung vom 23. Juni 1921. — Mitteilung vom 26. Mai keinerlei Schwierigkeiten mehr; und solche bestanden für de Boor. Wenn ich ihn nieht mißdeute, denkt er sich die Zusammenhänge etwa so.(vgl:'S.2031..213}: NL % Ths i deutsche KrHnorw. Sage N ; | = dän. > Högni- Hven. KrH wäre »nachträglich auf dänischem Boden mit deutscher Sage aus dem NL bereichert worden« — aber von dieser Bereicherung kehrt einiges wieder auf den Färöer. Ebenso ist das »neue deutsche Sagen- gut«, das in der Hagensohnrache der Hven. stecken soll, nach den Färöer gedrungen. In beiden Fällen spricht de Boor von unergründ- lichen Wellen bzw. unerforschbaren Wegen. Auch Boer und de Vries (Studiön over ferösche Balladen 1ı05f.) beugen sich der mißlichen Annahme, die engeren Berührungen des Högni mit KrH und mit Hven. beruhten auf späterm Entlehnen (wobei Hven. der nehmende Teil war). Nach unserm Stammbaum haben all diese — wirklich oder vermeintlich deutschen — Züge in der norwegischen Urballade gestanden. Aber noch mehr Gewicht lege ich auf die literargeschichtlichen Ürwägungen. Wenn wir für KrH den Einfluß des NL. ausschalten, haben wir die Analogie der stoffverwandten nordischen Werke für uns; wir bleiben im Bereich dieser ganzen Gruppe. Im 13. Jahrhundert haben in Norwegen und Island viele Diehter und Prosaisten den Nibe- lungenkreis behandelt oder berührt, der Stoff stand in Ansehen — und nirgends spielt das österreichische Epos herein, das seit dem Jahre 1205 fertig vorlag. Die früheste und meines Wissens einzige Spur des NL im isländischen Schrifttum ist die Nornengastnovelle mit ihrem umgedichteten Sachsen-Dänen-Krieg. Die große, vielseitige Samm- lung deutscher Heldengeschichten, die unter dem norwegischen König Hakon IV. zustande kam, die Thidrekssaga, blieb unberührt von dem Denkmal, das den Gipfel deutscher Heldenpoesie darstellte. Die Gründe sind bekannt; sie liegen nicht im Landschaftlichen, denn auch die ä.Not war donauländisch, und auch das NL wurde vor 1300 schon ins Niederländische übertragen. Sie liegen im Gesell- schaftlichen: das NL war ein Unterhaltungsstoff der weltlichen und geistlichen llöfe: die sächsischen Kaufmannskreise, die dem Norden ER RR Fi ‘ Hevster: Die deutsche Quelle der Ballade von Kremolds Rache 465 » die deutschen Heldenmären vermittelten, hielten sich an die kür- zeren, unhöfischeren und billigeren Darstellungen, und dies waren in unserm Falle die Vorstufen des NL, das Brünhildenlied und die ä.Not. So kommt es, daß die Folkeviser, die Ths, zum Teil auch die Völ- sungasaga (Traumlied) auf diese Vorstufen zurückweisen, nicht auf das NL selbst. Es ist nieht ratsam, für die eine Ballade eine ‘Aus- nahme zu machen und KrH aus diesem kulturgeschichtlichen Zusammen- hang zu reißen. B » Ferner ist zu sagen, daß der »starke Einschlag aus dem deut- schen NL« eine schwierige Sache wird, wenn man sich ihn greifbar vorzustellen versucht. Schlagen wir die Liste in Abschn. III auf; bei einer Minderzahl von Stellen (etwa Nr. ı. 10. 14. 19. 21. 22) könnte man sich denken, daß in ein fertiges Lied eine sachliche Bereicherung hineingetragen wurde; bei den meisten liefe es darauf hinaus, daß sehon vorhandene Glieder einen winzigen Zusatz oder eine sprachliche Umprägung nach der zweiten Quelle erfahren hätten. Das ist innerlich unglaubhaft. Das färöische Bearbeiten nach Ths und Völsungasaga hatte eine andere Vernunft und ein andres Ergebnis. Von dem seltsamen Zufall zu schweigen, daß in den 22 Stellen keine der vielen Neudichtungen des NL eindeutig zum Vorschein kommt! Unsre Einquellenhypothese erspart uns eine Menge künstlicher Er- klärungen. x | Kremolds Rache ist also ein Zeuge für ein deutsches Sagendenk- mal, das als Vorstufe von NL Teil II hohe Bedeutung hat. Neben den so viel ausgiebigeren Zeugen, der Ths und dem NL selbst, kann uns die kurze, arg mitgenommene Folkevise freilich nicht allzuviel ver- raten. Weisen wir hier noch auf das hin, was wir über das Aus- sehen der ä.Not erfahren! Bestätigt KrH die Vermutung, daß die ä.Not in der Kürnberg- Nibelungenweise ging? Das Maß unsrer Vise ist die eine der beiden Hauptformen der nordisch-englischen Balladendichtung, das Langzeilenpaar (Braunefest- schrift 1920 S. 68). Diese Form unterscheidet sich von der Nibelungen- strophe in vier Dingen: ı. sie hat den halben Umfang, 2. sie kennt keinen vollen Viertakter als Strophenschluß, 3. sie verwendet als Ab- vers häufig den klingenden Viertakter: koning Segfred händ bleff slagen; oe strömme rinder strid&: forinden min bryniering@;-spär nu icke den gamle; 4. fremd sind ihr die eigentümlichen dreihebig-klingenden Abverse, die sieh vom Kürnberger über die ä.Not ins NL ziehen, und die später nur noch selten in diesem Langzeilenmaß auftauchen (@. Pohl, 466 Gesamtsitzung vom 23. Juni 1921. — Mitteilung vom 26. Mai Der Strophenbau im deutschen Volkslied, 1920, S. 2ıf.): vor dinem bette; mit den mieren; Hägenen slüege; der küene Hägene. (Der Um- stand, daß die Anverse im NL viel öfter klingend als voll sind, in den Balladen öfter voll, s. Ernst von der Recke, Nogle Folkeviseredak- tioner S. 175, zieht keine scharfe Grenze.) In einem oder mehreren dieser Punkte müßte es sich äußern, falls die Nibelungenstrophe in den dänischen Balladentexten nachwirkte. Wieweit äußert es sich? ! Punkt ı: Text A und B sind tatsächlich in Gruppen von über- wiegend vier Langzeilen geschrieben. Das ist auffällig, es ist auch mehr als eine bloße Äußerlichkeit, denn diese größeren Gruppen hält meistens auch der Inhalt enger zusammen (in B mit einer einzigen Aus- nahme, nach Strophe 14). Ein Übergreifen des Satzes aus der zweiten Langzeile in die dritte, wie im NL häufig (auch schon in der ä.Not?), kommt allerdings nicht vor: der übliche Zeilenstil ist gewahrt, so daß man ohne Schaden in Strophen von zwei Langzeilen drucken konnte, Punkt 2: volle Kadenz im Strophenschluß bieten unsre Viser ein- mal, A 2,4 (also an zu erwartender Stelle, nach der vierten Lang- zeile): der skülde fordöie sit unge hff. Viersilbiger Auftakt, der darüber weghülfe, ist diesen Texten fremd. Bei drei weiteren Strophenschlüssen, in A 17. 19. 35, wird man sich doch eher für die gewöhnliche, stumpfe bzw. klingende Messung ent- scheiden. Ein einziger Fall aber ist zu wenig, um für die alte Quelle klares Zeugnis abzulegen! (Er wäre übrigens nach B 2 leicht zu heilen.) Punkt 3: im Gebrauch der vierhebig-klingenden Abverse steht KrH auf dem Boden der anderen Viser. Punkt 4: ein dreihebig-klingender Abvers erscheint einmal, A 27,4 met helle Hägen (im Gegensatz z. B. zu 25,4 forüden helle Hagen, vierhebig). Da verstümmelte Verse auch sonst in A vorkommen, würde man auf den einen Fall nichts geben, nur stimmt dieser Fall so sonder- bar zu den bekannten Abversen wie: der küene Hägene, die im NL, und gewiß schon in der ä.Not, die Hauptvertreter der Gattung sind. Dazu kommt, daß dieses Hagen einen höchst fragwürdigen Reim bildet mit mend: man denkt unwillkürlich an den Lieblingsreim Hägene: degen® und glaubt eine Vorlage zu ahnen wie: .. ze sinen degenen : . wider Hagenen. Erwähnt sei gleich noch, daß A 4 mit seinem ge- störten Reim, verglichen mit der entsprechenden Stelle NL 1509, an eine Vorlage denken läßt wie: .. diu edele Vote : .. der helede müoter (anders DgF. 4, 600a). Von den vier Punkten hat nur der erste einiges Gewicht. Die Hypothese, das NL habe seine Strophenform schon in der Hauptquelle Häuster: Die deutsche Qnelle der Ballade von Kremolds Rache 467 vorgefunden, wird ihre Stützen lieber außerhalb von KrH suchen. Die Meinung Steenstrups, diese Ballade zeige kurzweg die Nibelungenstrophe (Vore Folkeviser S. 100. 117ff.), ruht auf einer Reihe metrischer Irr- tümer und ist durch das Gesagte schon widerlegt. Auch die Bemer- kungen Boers, Nib. 2, 1 10f., werden der Sachlage nicht gerecht. Die einsilbigen Innentakte, die man in diesem Zusammen- hang angerufen hat, haben mit einer bestimmten Strophenform nichts zu schaffen. Sie sind eine Altertümlichkeit des innern Versbaues, die den färöischen und den isländischen Visetexten geläufig, in den festländischen eine Seltenheit ist. Man könnte zunächst glauben, die deutsche Quelle des 12./13. Jahrhunderts wirke in ihnen nach. Allein, das Dutzend Fälle in Text A — Text B hat keine sichern Belege — besteht zum Teil aus offenkundig verderbten Versen, zum Teil genügt die nächstliegende Säuberung, um «den einsilbigen Innentakt zu ent-, fernen. So gleich in der Anfangszeile: Det var früu Kr@möld, hun Jader det möd blende. Man lese (mit Vergleichung von Bı): Det var fie Kremöld, hun läder (oder hun lod) möden blende. Für das deutsche Gedicht lernen wir von dieser Seite nichts. Was den Inhalt, die Sagenform, betrifft, so sagt unser Lied über die ä.Not zunächst in zwei Richtungen aus: Es weist ihr die in Abselın. III aufgezählten Nibelungenstellen zu, obwohl sie der Ths fehlen. Und es weist ihr die in Abschn. V genannten Sagastellen zu, obwohl sie dem NL fehlen. Es warnt vor Überschätzung der Ths. Diese ist nun einmal keine bare Wiederholung der Quelle; besonders die Epidermis hat bei der Umsetzung in die nüchterne Prosa stark gelitten: dafür ist die Liste in Abschn. III lehrreich. Greifen wir Nr. 14 heraus; die Stelle zeigt, daß die Vorlage «es NL den Rüedeger- kampf. keineswegs so seelenlos abtat wie der kürzende Sagaschreiber. In der Ballade haben sich auch einzelne Ausdrücke des deutschen Ge- diehts dureh die zeitlichen und sprachlichen Zwischenwände gut durch- geschlagen. Hervorzuheben sind hierfür die Fälle III Nr. 8. 13. 15. 16. 18. 19. 21 (man beachte in ı5 und 18 die übereinstimmende Partikel!). Drittens kämen dazu die neutralen Stellen, die KrH gleichmäßig mit beiden Denkmälern gemein hat; also z. B. der Vogeltraum der Mutter A 4, die Anfeuerung zum Kampfe A 35. Es sind nur wenige, weil meistens irgendeine Wendung näher zum NL oder zur Saga stimmt. Hier hat die Vise 'nur bestätigenden Wert. Vermag sie in unser Bild von der ä.Not auch neue Züge einzutragen? Ich erinnere an die Stellen, wo wir auf Grund von KrH die Linie über Ths und NL hinauf zu ziehen versuchten. In Absehn. II: Die Wahrsagung der Nixe Nr. 3; Hagens Gespräch mit dem Fergen Sitzungsberichte 1921. 45 468 Gesamtsitzung vom 23. Juni 1921. — Mitteilung vom 26. Mai Nr. 6; Kriemhildens Begrüßungskuß Nr. 11; Jlagens Trutzwort im Kriemhildenempfang Nr. 17; Blödels Tod Nr. 12. Zu. diesem letzten Falle ein Wort! »Das war König Kanselin, erkam da.. (in den Saal?); sein Blut strömt (?), so hatten sie ihn .. (zugerichtet?): Steh auf, Frau Kremold, beschaue die Wunden an mir (?)...« Leider erhalten diese in tiefer Verderbnis noch wirkungsvollen Verse keine Stütze durch die Saga, die aktenmäßig trocken von Blödels Köpfung berichtet, und vollends das NL hat Blödels Fall in einen ganz neuen Zusammenhang geschoben. Es ist dem Etzelbruder im unsrer Überlieferung schlecht gegangen: seine Großtat, die Bezwingung Gunthers, hat er im NL an Dietrich abgeben müssen, die Quelle des Sagaschreibers hat dafür den niederdeutschen Osid eingesetzt; sein Untergang durch Gernot trägt allerdings in der Saga noch einen kräftigen Ton, aber einseitig vom Sieger aus angestimmt. Dürfen wir uns hier dem dänischen Spätling anvertrauen und aus ihm lesen, daß in der ä.Not Blödel sterbend noch den Anteil der Königin erbat und mit seinem Schicksal den Hörer erschütterte? — Verloren ist dies auch im NL wohl nicht, nur übertragen auf Iring. Ich denke an die schönen Zeilen 2066f. Dö kom diu küneginne über in gegän.... Lät die klage beliben, vil h£rlichez wip ... In der Saga nämlich stirbt Iring auf der Wahlstatt, fern von Kriemhild.. Da mag der letzte Epiker geändert haben: die gefühlvollen Verse von Blödelins Tod, die an ihrer bisherigen Stelle entwurzelt waren, reuten ihn, und er machte sie nutzbar für Irings Ende. Aus Abschn. V erwähnen wir Nr. 15, jene mächtige Rede Hagens, die aus KrH einen weitern Pinselstrich erhält; endlich Nr. ı2, das schöne Langzeilenpaar Eckewarts: leg haffuer mig foruoget siu natter oc siu dage, aldri der nu soffn i min oyen kom. Daran schließt gleich noch eine weitere Zeile aus Eckewarts Rede: mit gode suerd er borte, saa kiert som mit eget liff. Dies fehlt beiden Schwesterquellen, aber der isländische Text der Ths hat doch noch: »Ich verlor mein Sehwert«, und auch nach NL 1632 er gewan dar umbe vil trürigen muot ... erwartet man, daß die noch nicht so eingeschrumpfte Vorlage diese Trauer in direkte Rede faßte — wie es eben die Ballade tut. Schließlich stellen wir der Erwägung heim, ob folgende drei Züge, die weder Ths noch NL beglaubigt, Eigentum der ä.Not waren. A ıı, B ı0o. Nachdem Hagen das Meerweib getötet hat, tut er eine Trutzrede des Inhalts: Da lieg nun! ich reite wohlbehalten ins Hunenland. Das NL hatte dafür keinen Raum mehr; die Saga kann hier, wie an andern Stellen der Donauepisode, beschnitten haben. Heuster: Die deutsche Quelle der Ballade von Kremolds Rache 469 B 3off. Hagen selbst ist es, der den brennenden Durst äußert und vom Mannesblut trinkt. Im NL sind Klage und Trinken auf Ungenannte übertragen, und Hagen gibt nur den Rat. Das begreift man leicht als Neuerung des letzten Epikers: Hagen steht vornehmer da, wenn er selber über diese Notdurft erhaben ist und nur um seine Mannen sorgt. B 33. Die schon in Ill Nr. 22 aufgeführte Klage Hagens spannt weiter als das Gegenstück im NL 2290: hier gilt sie nur dem treuen Heergesellen Volker. Im Liede lautet sie so: Nu ligger alle fru Kremolds kiemper slagen ded til iord, oc dertil Falekor spillemandt, min hierte kiere broder. Ussen maa ieg sige, dett ieg heden foer! Diese voll und feierlich klingenden Worte, die wir uns als alten Schluß der Vise denken (Abschn. VII), konnten in der ä.Not da stehn, wo Volker dem Schwerte Dietrichs erlegen ist und nun Hagen seinem letzten Waffengang entgegengeht; der herrlichen Fürbitte für Giselher, Ths 323, 8, konnten sie vorangehn oder folgen. Der Nibe- lungendichter mußte das, was er davon beibehielt, nach dem frühern Auftritt rücken, an die Stelle, wo Volker von Hildebrand den Todes- streich bekommen hat. Doch gäbe es für die erste dänische Lang- zeile noch eine andre Möglichkeit. Sie hat, daß ich so sage, Klang- verwandschaft mit dem Hagenwort in der letzten Horterfragung: Nu ist von Burgonden der edel künee töt. Dann stäke hier ein Stückehen aus dem vorletzten Auftritt der ä.Not, den die Ballade aus Rücksicht auf die Hagensohnrache verworfen hat (Abschn. VII). Der Ausdruck »Frau Kremolds Kämpen« in der Hagen- rede wird unter allen Umständen Neuerung der Vise sein. Doch mit dieser letzten Vermutung haben wir uns schon zu weit über das Begründbare hinaus gewagt! Soviel wird der Aufsatz ge- zeigt haben, daß wir für die Vorgeschichte des Nibelungenepos und für die Beurteilung der Thidrekssaga aus »Kremolds Rache« lernen können. J I Ausgegeben am 3, Juni. Berlin, gedruckt in der Reielisdruckerei AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN SITZUNGSBERICHTE DER PREUSSISCHEN ee, -Öffentliehe Sitzung am 30. Juni. (S. 471) Al Russer: Ansprache. (S. 471) ‚vox LAve: WiLckzx: DrAGEnDorFF: Gedächtnisrede,auf‘ Hın. Dresser.. (S. 487) G. Mürner: Gedächtnisrede auf Hrn. Sravye. .(S. 491) IN 3 Gedächtnisrede auf Hrn. Erpmann. (S. 497) H| FER N a) ' Fier: Gedächtnisrede auf Hrn. v. WArpever-Harrz. (S. 508) \ >B IR \ Gedächtnisrede auf Hrn. Morr. ($. 521) N ‘ Preisaufgahe aus dem Cornexiusschen Legat. (S. 529) STIER Ber Srumer: Roerne: Äntrittsrede. (S..479) — Präxer: Erwiderung. (S. 481) Antrittsrede. (S. 482) — Lüpens: Erwiderung.. (S. 485) CHArtorıen-Stittung für Philologie. (S. 530) SITE Stipendium der. EvvAann-Gernarp-Stiftang. (S. 531) Preis der Graf-Lovsar-Stiltung. (S. 532) rl 14 Stiftung zur Förderung.der kirehen- und religiönsgeschichtlichen Studien im Rahmen der römischen Raiserzeit (saee. I-VI). (8.532) ‚ Parr-Rıess-Stiftung. (S. 532) Esır-Fiscner-Stiftung. (S.532) Russer: Schlußwort.. .(S..533) Verzeichnis der Schriften von W.v, Warorver-Hartz. (S. 534) BERLIN 1921 VERLAG DER AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN IN KOMMISSION BEI DER VEREINIGUNG WISSENSCHAFTLICHER VERLEGER WALTER DE GRUYTER U, CO, FORMATS 6.3. GÖSCHEN'SCHE VERLAGSHANDLUNG. J. GUTTENTAG, VERLAGSBUCHHANDLI'NG. GEORG REINER. KARL J; TRÜBNER. VEIT U. COMP. »Sitzungsber \ Ahademic de a ? Mitgliede vor Be bestimmte ah muß in. Kag ab ‚demischen N iz vorgelegt werden, ‚wobei in der Regel las druckfertige Manuskript zugleich einzuliefern ist. ‘Nicht- nitglieder haben hierzu die Vermittelung' eines ihrem | che et ge ordentlichen Mitgliedes zu benutzen. 2 : Ne er N Der Unfne einer. aufzunehmenden Mitteilung sol x in der Regel in den Sitzungsberichten bei Mitgliedem 32, bei Nichtmitgliedern 16 Seiten in derigewöhnlichen Schrift ‚der Sitzungsberichte, i in deu Abbandlungen 12 Druckbogen on je 8 Seiten in der gewöhnlichen Schrift der Abhaud- . lungen nielit übersteigen. . nr 2° Übersehreitung dieser Grenzen ist mır anit Zustimmung ‚der Gesamntakademie oder der betreffenden Klasse statt- baft unul ist bei Vorlage der Mitteilung ausdrücklich zu s beantragen. Täßt ‚der Umfang, eines Manuskripts "ver- muten, daß diese Zustimmung erforderlich sein werde, "so Nat das vorlegende Mitglied 'es-vor dem Einreichen „von sachkundiger Seite auf seinen mutmaßlichen Umfang Rear im Druck abschätzen zu lassen. 02% Sollen einer Mitteilung Abbildungen im Text oder. »auf besonderen Tafeln beigegeben werden, so sind die > Vorlagen dafür (Zeiehnungen, photographische Original- " aufnahnien. usw.) gleichzeitig mit dem Manuskript, jedach auf getrennten ‚Blättern, ‚einzureichen. - Die ‚Kosten der Herstellung der, Vorlagen haben in "der. Regel die Verfasser zu tragen. Sind diese Kostn aber auf einen erhebliehen Betrag ‚zu: veranschlagen, so > kann die Akadıemie dazu eine Bewilligung.beschließen, Ein larauf gerichteter Antrag ist vor ‚der Herstellung der be- "treffenden Vorlagen mit dem schriftlichen Kostenanschlage "eines Sachverständigen an. den vorsitzenden Sekretar zu -riehten, «dann. zunächst im Sekretariat vorzuberaten und .' weiter in der Gesamtakademie zu: verhandeln. S Die Kosten der Vervielfältigung übernimmt lie Aka- demie. Über die voraussiehtliehe Höhe‘ dieser Kosten - ist — wenn es sieh.nicht um wenige-einfache Dextfiguren 2 seing. -Mitteilung voll “ Die erste: ‚Korre ur ihrer M Verfasser, Fremde haben. « „ige kosten: et x { ; Ba Se allen in die Mioropel 1 aufgenommenen, wissensehaftlichen, Mitte Adressen -oıler Berichten werden für “die wissensehattlichen Mitteilwigen, wenn d Druck 4 Seiten.übersteigt, auch für den Bu ıhar abdrucke hergestellt, “die alsbald nach. lim: gegeben wenden. i Von Gedächtnisreden eh ehenfall Son le . für den Buchhandel hergestellt, indes nur dan, Verfasser sich ausdrücklich damit einverstantk Von den Sonderabdruekon a erhält. ein Verfasser, welcher Mi zu unentgeltlieher Ve teilung“ o exaihplare; ‚on. Ist indes bexe ehfigt, % von. noch 100 und RN seine Kosten m zur Zahl von 200 (im ganzen also 350, a sofern er dies rechtzeitig dem redig‘ nenden S gezeigt hat; "winischt er auf ‚seine Abdrueke zw* Verceilung, Zu "erhalten; S der G Auehinigune: der Gescintehadeiie, a St Helen nach SR, Bosrin gierönden-Sckretar weitere 200 ar abziehen ‚lassen. Von den Sonlersbritgeiick aus Inn ö "9. handelt — der Kostenansehlag -eines ‚Sachverständigen hab Spin Vorlansch Beh Mitglied Art : . beizufügen. Überschreitet dieser Anschlag für die er- BR unentgeltlicher Verte ung chup are 2, "forderliche Anklage bei den Sitzungsberichten 500 Mark, oxemplare;. or ist: indes, Wersehugkzumgloirhänt Zi "bei «len ‚Abhandlungen 1000 Mark, so ist Vorberatung auf Husten der AN lOINSSYERRTE Kxeröplaze 2 äurch das Sakretäniat gehoten. von noch 100 ‚und auf seine Kosten noch weitere 3 5 zur Zahl von 100 (im ganzen also 230) abziehen | j Aus.$ 9, sofern. er dies rechtzeitig dem redigierenden Sehretar Naeh der Vorlegung und Einreichung ‘des gezeigt hat; wünselt er uf seine Kosten: noeh’ mc vollständigen druckfertigen Manuskripts an den Abdrucke zur Verteilung zu ‚erhalten, so bedarf *s dazu) zuständigen Sekretar oder an den Arelivar der Genehmigung. der Gesamtakademie oder. der betr wird über Aufnahme der Mitteilung in die akatlemischen den Klasse. — Niehtmitglieder erhalten 30 Freiexemp Schriften, und zwar, wenn eines der anwesenden Mit- und dürfen. naeh rechtzeitiger Anzeige bei dem re e glieder es verlangt, verdeckt abgestimmt. gierenden Sekretar. weitere 100 Exemplare an Mitteilungen von Verfassern, welche nieht Mitglieder abziehen lassen. een der Akademie sind, sollen der Regel nach nur in die SAT: 5 Sitzungsberichte aufgenommen werden. Beschließt eine Eine für die Erden ahen Schrit Klasse die Aufnahme der Mitteilung eines Nichtmitgliedes stimmte w issenschaftliche. as a Ei "in die Abhandlungen, so bedarf dieser Beschluß der keinem ER vor Bestätigung ‚dureh die Gesamtakademie. 471 SITZUNGSBERICHTE DER PREUSSISCHEN | AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. 1921 AXXIH. Öffentliche Sitzung 30. Juni. zur Feier des Leissızischen Jahrestages. Vorsitzender Sekretar: Hr. RusnEr. Der Vorsitzende eröffnete die Sitzung mit folgender Ansprache: Die Pflicht dankbarer Erinnerung gebietet uns heute des geistigen Begründers der Preußischen Akademie der Wissenschaften zu gedenken. Von welcher Seite man auch die Leistungen von Lrıssız betrachten mag, sie sind die eines universellen, seine Zeitgenossen überragenden Geistes. Schon mit 17 Jahren verfaßte er seine erste bekannte Ab- handlung, mit 20 Jahren selımückte ihn der Doktorhut und kurz darauf finden wir ihn als juristischen Mitarbeiter am Hofe des Kurfürsten von Mainz. Trotz seiner Frühreife hielt sich seine geistige Schaffens- kraft bis ins hohe Alter, wenige Jahre vor seinem Tode schrieb er sein philosophisches System. Ein glücklicher Umstand hat ihn vor den Niederungen und materiellen Sorgen des Lebens bewahrt, darin ähnelt er Goethe. Seine diplomatische Tätigkeit führte ihn zu längeren Reisen ins Ausland, nach Frankreich, wo er eine Reihe von Jahren mit den hervorragendsten Persönlichkeiten und Gelehrten im Verkehr stand und nach England, wo er Huyghens und Boyle näher kennen lernte. Stark ausgeprägt war sein Interesse für chemische und physi- kalische Experimente, für technische Einrichtungen und Erfindungen, sowie für gesundheitliche und volkswirtschaftliche Fragen. Lzıexız sah von Jugend auf ringsum überall die Folgen des 30,jährigen Krieges, Deutschlands politisches und physisches Elend. In seinem Heimatlande Sachsen zählte man selbst noch im Jahre 1792 an 535 »wüste Marken« und im Süden, in Württemberg soll 1641 die Bevölkerung von 400000 Menschen auf 48000 zurückgegangen sein und anderwärts sah es kaum besser aus. Ein Chronist schreibt: »Man wandert bei zehn Meilen und sieht nicht einen Menschen, nicht ein Vieh«. Die Landwirtschaft war verwahrlost, der Acker trug :oft Sitzungsberichte 1921. 46 472 Öffentliche Sitzung vom 30. Juni 1921 mehr Unkraut als Korn. Was nicht durch Totschlag und Mord und im Kampfe gefallen war, rafften die Seuchen hinweg, die kaum in einem Jahrhundert so stark wie im 17. Jahrhundert Deutschland be- troffen hatten. Die Verwahrlosung in den Städten und die allgemeine Armut trat überall in die Erscheinung. Bei seiner national tiefempfindenden Persönlichkeit erstand in ihm der ernste Drang seinem Vaterlande zum Neuaufbau seiner Kräfte zu helfen. Zu dieser Gedankenrichtung gehört sein Bemühen, versöhnend zu wirken und die Gegensätze zwischen Katholizismus und Prote- stantismus zu überwinden, vielleicht auch die vermittelnde Stellung seines philosophischen Systems. Für die große Not, die Krankheiten und Seuchen über Deutschland brachten, hatte Leısnız volles Verständnis. Alle praktischen und wissen- schaftlichen Aufgaben der Medizin betrachtete er mit Interesse, stand in regem Verkehr mit damals hervorragenden Ärzten, kannte die Litera- tur, wie auch die anatomischen und physiologischen Entdeckungen seiner Zeit. Die Entwicklung der Medizin hoffte er auf rein natur- wissenschaftlichen Boden zu leiten, indem er dahin wirkte, die exakte Methode der Physik und chemischen Forschung in den Dienst der ärztlichen Forschung zu stellen. Er empfand auch die praktische Not- wendigkeit, das Studium der Seuchen und der Volksgesundheit auf eine feste Basis zu stellen, was damals der praktische Arzt Schröckt zu Augsburg in kleinem Umfang ausführte, die Herausgabe epidemio- logischer Berichte sollte nach Leıssız’ Ideen im großen Stile durch- geführt werden, indem alle praktischen Ärzte Preußens veranlaßt werden sollten, der Berliner Akademie über alle Zweige der Medizinalstatistik zu berichten, ein Plan, der allerdings erst nach seinem Tode durch das Edikt von 1750 in die Tat umgesetzt wurde. ‘ Über allem aber stand bei Leısxız der Gedanke, Deutschlands geistige Kraft zu organisieren und alles im Staat auf Grund wissen- sehaftlicher Erkenntnis und Überlegung zu ordnen. Das Ziel wollte er durch die Gründung gelehrter Zentren, der Sozietäten erreichen. Seine Motive hierzu schöpfte er nicht aus dem Bestehen solcher In- stitutionen in London und Paris, deren Mitglied er war, sondern aus den besonderen Verhältnissen Deutschlands selbst. Von Seiten «des Staates wurde in Deutschland der Gelehrte und Erfinder gering geachtet, aus eigener Kraft vermochte dieser sich nicht zur Geltung zu bringen, dem Staate sollte durch die Wissenschaft neue Kraft erwachsen. Was Leıssız damals an Argumenten vorgebracht, das kann noch heute gelten. Bittere Wahrheiten läßt er hören. »Es ist uns Teutschen garnicht rühmlich, daß, da wir in Erfindung mechanischer, natürlicher und anderer Künste und ‚Wissenschaften die Ersten gewesen, nun in deren Ver- ’ Russer: Ansprache 473 mehrung und Besserung die letzten seyn, gleich als wenn unser Alt- väter Ruhm gering wäre, den unsrigen zu behaupten«. Er ruft seinen Zeitgenossen die Buchdruckerkunst, die Erfindung des Schießpulvers, die Bergwerkskunde und Chemie, die Leistungen Augsburgs und Nürn- bergs, die Kupferstechkunst, einen Regiomontanus n. Copernikus und die Entwicklung der Medizin ins Gedächtnis. Die Aufrichtung und Verbesserung der Wissenschaften täten aber not. Es gehe mit der Manufaktur, dem Kommerz, der Miliz und der Zersetzung der Re- gierungsform bergab, daher auch verständlich der Niedergang von Künsten und Wissenschaft, weil »die besten Ingenia erst ruiniert werden und zu anderen Potentaten gelien, die wohl wissen, was an diesem Gewinnste gelegen, daß man von allen Orten die besten Subjekte an sich zieht, da eines mehr wert ist als 1000 Schwarze aus Angola«. »Deutschland habe ganz vortreffliche Mechanieis, Künstler und Labo- ranten, die aber, weil die Regierung sich ihrer nicht annimmt, ent- weder ihr Talent vergraben oder mit gemeinen Minutieis sich durch- schlagen müssen, um zu leben, oder wenn sie doch ihrem Genio folgen, verarmen, verachtet und verlassen werden. Welche gescheyd seien, gehen fort und lassen Teutschland mitsamt der Betteley im. Stich. Ein Schade, denn Ingenia sind mehr vor Wahren, vor Konterbande zu achten als Gold, Eisen, Waffen und anderem, was nicht ausgeführt werden darf. « Er klagt weiter auch darüber, daß die deutschen Erfindungen ins Ausland gehen und wenig modifiziert zurückkehren. »Wenn wir etwas gefunden, so haben andere Nationen es bald zu schmücken, zu applizieren, zu extendieren, zu perfektionieren gewußt und es dann wieder also aufgeputzt, daß wir es selbst nicht mehr als das Unsrige erkennen, zurückgeschickt«. Den Grund haben also wir gelegt, anderen aber die Ausführung überlassen. Zum Wohl des Volkes, zur Ehre und Stärke des Staates sollte die Zusammenfassung der Pflege der Wissenschaften durch die Akademie oder Sozietät dienen. Hier sollte einerseits die Vereinigung der Ge- lelırten gegeben sein, aber auch durch Berichte von außerhalb alles Neue und Wissenswerte mitgeteilt werden, selbst die diplomatischen Vertretungen im Auslande sollten über neue und wichtige Entdeckungen beriehten. Die Akademie bleibt aber nicht nur die Empfängerin, sondern auch die alles befruchtende Spenderin des Wissens im Staat. Schon in den Jahren 1669/70 tauchen die Vorschläge und Be- gründungen zur Errichtung der Sozietät auf, die erst im Jahre 1700 zu einem Erfolg führten. Es kann uns nicht befremden, daß Lrısnız in der wissenschaftlichen Forschung zugleich ein Mittel sieht, die Macht Gottes zu bewundern und zu erkennen, Gedankengänge ähnlicher Art 46* EN | , 474 Öffentliche Sitzung vom 30. Juni 1921 finden sich auch bei Boyle und Newton. Ausführlich legt Leissız den Wert der Pflege der Wissenschaften für den Staat dar in einer ideen- reichen Begründung. Leısnızens Programm gibt die Richtlinien für eine Reihe von Disziplinen, die sich erst zwei Jahrhunderte und später wirklich vollständig entwickelt haben. Durch die Pflege der Wissenschaft und besseren technischen Methoden wollte er auch neue Arbeitsmöglichkeiten schaffen und dadurch der Armut und Not steuern, ein Gedanke, der in demselben Zusammenhang ein Jahrhundert später bei Rumford wiederkehrt. Im Staat fehlte es also damals an Verständnis für die Bedeutung der Pflege der Wissenschaft, und gegen diese negierenden Kräfte hat Leissız seine ganze Persönlichkeit eingesetzt. Sein diplomatisches Ge- schick und seine angesehene Stellung erleichterten-ihm den Erfolg. Die Sozietät sollte dafür sorgen, daß nichts Wertvolles verloren- ginge. Alles Wissenswerte, auch Referate sollten in einem Journal veröffentlicht, aber auch sonst Modelle und Proben gesammelt werden. Das Druckwesen überhaupt war zu reformieren, es sollte nur Gutes und in der Heimat gedruckt werden. Bibliotheken seien zu katalo- gisieren, Kunst und Wissenschaft sollten vermehrt und die Ingenieure aufgemuntert werden, es allen voranzutun. Weitgehend sind seine Pläne in der Medizin, hier beschränken sich seine Vorschläge nicht nur auf die Erforschung der Krankheiten, sondern weitergehend sollten auch die Grade der Gesundheit und die Disposition zu den Krankheiten erforscht werden. Armen Leuten habe ‘man unentgeltlich mit Rat und Tat zu helfen. In der Manufaktur stellt er die Aufgabe für das Handwerk, die Instrumente zu verbessern, die Technik überhaupt zu heben, wie in der Müllerei, Drechslerei, bei Glasschleifereien und opti- schem Material, bei Maschinen, Uhren und Wasserkünsten, der Malerei, Weberei, Glasbläserei, Färberei usw. Fremde Pflanzen und Tiere sollten ins Land gebracht, die Bergwerke besser genützt werden. Was den Handel anlangt, so wäre die Nahrung im Lande zu beschaffen, tüchtige Leute ins Land zu ziehen und neue Manufakturen zu stiften, Rohstoffe bei uns zu verarbeiten, Müßiggänger und die Gefangenen müßten zur Arbeit angehalten werden. Magazine seien anzulegen, um Hungersnot und Teuerung zu verhüten, Werkhäuser zu errichten, wo jeder arme Mensch, Tagelöhner und Handwerksbursche arbeiten könne. Ratschläge über die Leistung der Ein- und Ausfuhr seien notwendig. An die Pflege der reinen Wissenschaften knüpfte er als Aufgabe der Akademie also ein Programm, das weit in die Technik und die Volkswirtschaftslehre wie auch in die Volksgesundheitspflege hin- übergriff. ee» Be N WEL EN a ige 4 f h Russer: Ansprache 475 Nie ist klarer und umfassender das unmittelbare Interesse des Staates an die Pilege der Wissenschaften geschildert worden. Dem Staate erstand dadurch eine neue Hilfe zum Aufbau und zum Fort- schritt, eine Kraft für den internationalen Wettbewerb. Nicht die Fläche und Größe eines Reiches ist entscheidend, sondern Landeskultur und Industrie. Wenn außer den Naturprodukten auch die Industrie vorhanden ist, so steigt die Kultur, Geld strömt ins Land, und das Volk vermehrt sich. Ohne die finanzielle Hilfe des Staates war an die Errichtung einer Sozietät nicht zu denken. Die persönlichen und sächlichen Ausgaben verschiedener Art mußten bestritten werden. Die Pläne, einen Fundus zu gewinnen, sind sehr verschiedene gewesen, das bekannte Kalender- privileg mag erwähnt sein. Manche dieser Einrichtungen haben sich bei ausländischen Akademien bis auf den heutigen Tag erhalten. Nach vieljähriger Mühe gelang Leisnız 1700 die Errichtung der Sozietät zu Berlin. Was sein Idealismus erhofft hatte, sollte leider nicht voll in die Erscheinung treten. Schon zu seinen Lebzeiten ver- mochte man nicht eine Vereinigung von Gelehrten zu finden, die auch nur in bescheidenem Ausmaße den Plänen Leissız’ gerecht wurden. Nach seinem Tode verfiel die Sozietät noch mehr. Im Staate war man dieser Gelehrtenschaft kaum gewogener als vor der Zeit der Gründung (ler Sozietät. Erst mit Friedrich d. Großen wurde 1740 dureh die Um- wandlung der Sozietät in die Akademie erreicht, was LEıByız vorge- schwebt hatte. Die Pilege der Wissenschaft durchzog allmählich alle Zweige der Verwaltung. Das Wissen war wirklich eine neue Kraft für den Staat geworden, und diese ihre Stellung hat sie auch in dem fol- genden Jahrhundert treu bewahrt. Und daran haben selbst die poli- tischen Umwälzungen des 18. Jahrhunderts wenig geändert. Nur in Frankreich war der Einfluß der Revolution vorübergehend ein vernich- tender. Die Angriffe auf die Wissenschaft kamen von verschiedenen Seiten, den ersten Ansturm eröffnete Marat, eine aufgeblasene Mittel- mäßigkeit mit glänzender volkstümlicher Beredsamkeit, in dem er sich wegen einer der Akademie eingereichten und zurückgewiesenen Arbeit an dieser und vor allem an Lavoısırr zu rächen versuchte. Die Aka- demie war anderseits durelı ihre Ehrenmitglieder, die zum Teil dem Adel angehörten, und dureh die Beziehungen zur besseren Gesellschaft und zum Hof in politischen Mißkredit geraten. Allmählich wagten sich die Mittelmäßigkeiten mehr in den Vordergrund. Im April 1792 be- gann die Gesinnungsschnüffelei und man suchte die »politischen« Mit- glieder zu entfernen. Ein Jahr darauf setzten die Publikationen aus, obschon die Akademie damals mit dem Kriegsminister noch nähere Verbindung unterhielt und ihm wissenschaftliche Gutachten lieferte. 1 AN BR ARE 476 Öffentliche Sitzung vom 30. Juni 1921 Der allgemeine Reichtum und der Teil der eleganten Welt, die sich für. die Wissenschaften interessierten, waren dahin, so versiegte auch die finanzielle Kraft der Akademie. Am 8. August 1793 wurde sie unterdrückt, es gelang nur noch die Kommissionen für Maß und Ge- wichte aus dem Zusammenbruch zu retten. An Stelle der Akademie trat dann das »Bureau des Consultations des Arts et des Metiers«, das zunächst ein ausführliches Gutachten über Schulreform bearbeitete. LA- voIsier, der lange Zeit eine der treibenden Kräfte in der Akademie gewesen war, wurde im Mai 1794 enthauptet und andere Opfer folgten. Die Stürme, die fast ein Jahrzehnt lang über die Akademie hinwegge- zogen waren, und den Verlust bedeutender unersetzlicher Kräfte zur Folge hatten, konnte die Institution als Ganzes aber nicht vernichten. Die Wissenschaft als Staatsnotwendigkeit wurde bald wieder so dringend empfunden, daß auch die Pariser Akademie ihre Stellung zurückerobern konnte. Einflußreicher als die Revolution waren die darauf folgenden Kriege Napoleons, durch die allgemeine finanzielle Erschöpfung der europäischen Staaten überhaupt und durch die Gedankenrichtung, welche. viele früher angebahnten humanitären Fortschritte für ein halbes Jahr- hundert aus dem Ideenkreis gebannt haben. Die weiteren Umwälzungen politischer Art des 19. Jahrhunderts haben die rasch ansteigende Entwicklung der Wissenschaft nicht mehr zu hemmen vermocht. In diesem sogenannten naturwissenschaftlichen Jahrhundert kam die Wissenschaft im Staate zu nie gealınter Blüte. Naturkräfte und Naturschätze wurden gewissermaßen durch die wissen- schaftliche Forscherarbeit gehoben. Die Praxis der Industrie und der Handel mit den theoretischen Wissenschaften eng verbunden. Neues Leben blühte überall. Mit der Hebung des Wohlstandes nahm die Be- völkerung zu. Jene innige Verbindung und geistige Befruchtung des ganzen Staatslebens, von denen uns. Leıgxız in seinen Motiven zur Gründung einer Sozietät ein so anschauliches Bild gegeben hatte, wurde zur Wirklichkeit, die Universitäten zu Forschungsstätten und die tech- nischen Hochschulen zum Bindeglied von Wissenschaft und Praxis im neuerstandenen Industriestaat. Im frohen Vertrauen auf die Zukunft traten wir in das 20. Jahr- hundert. Nur allzu rasch legte sich der erkältende Reif auf unsere Hoffnungen. Der große Weltkrieg an sich hat gewiß auch der Wissen- schaft schwere Wunden geschlagen, aber weit verhängnisvoller waren für viele Staaten die politischen Umwälzungen mit scharfem kultur- feindlichen Gepräge, am schwersten hat Rußland gelitten. Der Wahn- witz der neuen Staatsordnung hat in wenig Jahren das wissenschaft- liche Leben in Grund und Boden zerstört, der Haß gegen alle geistigen Werte ward zum Gesetz. Hunderttausende Intellektueller haben ihr EN?) Rusner: Ansprache . 477 Leben lassen müssen oder sie wurden wenigstens entrechtet, als un- nütze Glieder des arbeitenden Volkes erklärt, ilırer Mittel beraubt, der Gelehrte sank unter die Tagelöhner. Von ihren Büchern ließ man den Gelehrten nur eine bescheidene für alle gleich große Zahl, der Rest wurde konfisziert. Ungeheure literarische Schätze sind auf diese Weise plan- und sinnlos verlorengegangen. Wie dem Gesetze.der Trägheit folgend, rollte anfänglich diese Staatsmaschine noch kurze Zeit in den alten Bahnen, aber mit dem Untergang der Wissenschaft und der Geistesarbeit war das Urteil: des russischen Staates gesprochen. Heute ist es ein Bettelstaat, der seinen Bürgern nicht des Lebens Notdurft zu sichern in der Lage ist, der weder neue Werte zu schaffen, noch die Reste der technischen Hilfs- mittel zu gebrauchen versteht, auf humanitäre und sanitäre Einrich- tungen und den Wettbewerb mit anderen Nationen verzichten muß. Der Kampf gegen die Geistesarbeit hat mit dem Staatsverfall geendet. Und doch ist Rußland ein Agrar- und kein Industrieland. Deutschland war das gleiche Los zugedacht, der Versuch, es zu zertrümmern ist mißglückt. Aber wir sehen anderseits nicht die Kräfte, die uns für die Zukunft dauernde Sicherheit geben, trotzdem die Selbstbesinnung-unter der großen Masse des Volkes schon größere Kreise zieht. Tatenlos wandern die Jahre. Man glaubt an einen Rechts- anspruch an verkürzte Arbeitszeit, wo einzig eine Steigerung der Pro- duktion allein das Grundbedürfnis des Staates ist, der Verwaltungs- apparat in Staat und Gemeinde schwillt unter Verringerung der Leistung an, während die Verwaltungsreform dringend erfordert wird. Erwerben und Vergeuden heißt für viele die Parole, statt den Bürgern Freiheit zu lassen, zwängte man sie in die Zwangsjacke unzähliger Gesetze und Verordnungen, und das Sinken der Autorität ist wie im Staate, so auch anderwärts zur chronischen Krankheit der Staatsumwälzung geworden. In der berechtigten Sorge um unsere Zukunft richtet sich der Blick auf die geistigen Kräfte der Nation, man glaubt in der Pflege der Wissenschaft den einzigen Aktivposten zum Wiederaufbau zu sehen. Ein stolzes Wort, vielleicht nieht mehr als ein solches, denn wie sieht die Pilege dieser Wissenschaft aus? In der ersten Zeit der Staats- umwälzung hat jener Gifthauch aus dem Osten, der dort den Unter- gang der Intellektuellen verbrach, sich auch bei uns mehr oder minder kräftig fühlbar gemacht, die eigentlichen Geistesarbeiter haben es empfinden müssen, daß man sie unter den Handarbeiter stellen wollte. Die Macht der Tatsachen hat wenigstens (die ‚Intellektuellen im Handel und Industrie einigermaßen ihre Stellung wieder erobern lassen, weil im Industriestaat der Handarbeiter mit der Ausschließung der Er et v u. ’ >4 ru, 478 _ Öffentliche Sitzung vom 30. Juni 1921 Kopfarbeiter seine Brotquelle verliert. Für die außerhalb dieser Kreise stehenden Geistesarbeiter und Gelehrten hat sich eine solche günstige Lösung nicht gefunden, wir wissen sehr wohl, daß besonnene Kräfte im: Staate dafür vergeblich gekämpft haben. Der freie oder beamtete Geistesarbeiter sieht seine Lebenshaltung fortwährend in raschem Sinken. Vielfach ist nicht einmal die Sorge ums tägliche Brot ferngehalten. . Die Möglichkeit, eine Privatbibliothek als wertvolles Arbeitsgut zu er- halten und zu ergänzen, hat aufgehört. Vergleicht man die Lage der deutschen Gelehrten mit jenen der übrigen Kulturnationen, so kommt uns erst das ganze Trostlose der Gegenwart zur Empfindung. Und noch größer ist das Mißverhältnis der staatlichen Versorgung im Verhältnis zu der Lebensstellung der Persönlichkeiten von gleicher wissenschaftlicher Bedeutung im freien Berufe, in Handel und Industrie. Schon vor dem Kriege war zweifel- los die Verschiebung hervorragender Kräfte aus den gelehrten Berufen in die industrielle Laufbahn entschieden merkbar geworden, sie wird in Zukunft noch bedeutender werden, und vielleicht sehen wir eine Zeit kommen, in der fast nur noch vermögliche Mediokritäten auf wissenschaftlichem Gebiet hochkommen. Auch die einstmals erwartete Erleichterung des Aufstiegs der Tüchtigen steht ganz dahin. Weit stärker wie früher ‘werden die finanziell Kräftigen im . sogenannten Fortkommen begünstigt sein. Die Unterschätzung der geistigen Arbeit tritt uns in allen mög- lichen Formen entgegen, vor allem auch darin, daß die wissenschaft- lichen Publikationen auf dem Arbeitsmarkt ganz außer Kurs stehen. An den enormen Bücherpreisen finden alle, die kaufmännisch und technisch beteiligt sind, ihr Auskommen, nur nicht derjenige, der den geistigen Inhalt eines Buches geschaffen hat. Jegliche experimentelle Forschung wird schon jetzt dadurch er- schwert, daß die staatlichen Fonds nur noch für die Betriebsauslagen auszureichen pilegen und allenfalls kümmerlich zur Erhaltung des Status quo der technischen Einrichtungen. In den nächsten Jahren erscheint es ausgeschlossen, an den Instituten mit den technischen Fortschritten Verbesserungen einzuführen. Die Situation der Wissenschaft, die man zu reger Arbeit aufge- rufen hat, ist also eine sehr betrübende. Wenn man auf der einen Seite erkennt, daß die Wissenschaft ein Aktivposten ist, muß auf der anderen Seite auch dafür gesorgt sein, daß der materielle Tief- stand des Gelehrtentums aus der Welt geschafft und ihre Existenz nicht immer durch neue Einschränkungen bedroht wird. Ohne technische Hilfsmittel und Literatur läßt sich gleichfalls ein Fortschritt nicht anbahnen. Man schlägt nicht siegreiche Schlachten Antrittsreden und Erwid®rungen 479 mit einer ausgehungerten und schlecht ausgerüsteten Armee. Wenn im Staate das Bewußtsein der Bedeutung der Pflege der Wissenschaft sich voll und ganz im Sinne der Ideen von Lrısnız geltend macht, dann muß die Volksvertretung auch den Staatsmännern die Mittel gewähren, für die erkannten Notwendigkeiten zu sorgen. Von seiten der Gelehrten selbst wird der Staat stets das erhalten, was er zu er- warten hat, eine tatkräftige Mitwirkung zum Heile der Nation. Es folgten die Antrittsreden der neu eingetretenen Mitglieder der Akademie nebst den Erwiderungen durch die Sekretare.. / Antrittsreden und Erwiderungen. Antrittsrede des Hrn. v. Lave. Meine wissenschaftliche Tätigkeit begann mit Arbeiten über Optik, namentlich über ihren Zusammenhang mit den Prinzipien der Statistik und Thermodynamik. Praxcks Begriffsbestimmung der »natürlichen Strahlung« verwandte ich, um zu untersuchen, wie sich solche in einem dispergierenden Körper fortpflanzt. Es folgten hier in Berlin, unter lebhafter Unterstützung durch Praxck, Arbeiten über die Thermo- dynamik der Interferenzerscheinungen. Es.handelte sich bei ihnen darum, ob man die Entropie in einem System mehrerer Lichtstrahlen ohne Rücksicht auf die Frage nach ihrer Kohärenz berechnen darf, wie man bis dahin wohl stets stillschweigend angenommen .hatte. Die Betrachtung der Interferenzerscheinungen zeigte aber, daß man bei diesem Verfahren mit dem zweiten Hauptsatz in Widerspruch gerät, und in der Tat fordert Borrzuanss Zurückführung der Entropie auf Wahrscheinlichkeit eine Sonderstellung kohärenter Strahlen. Als Ende 1905 Eınsteiv die Relativitätstheorie begründet hatte, zog mich dieser neue Gedankenkreis mächtig in seinen Bann. Die Frage, ob sich der Fızeausche Interferenzversuch am strömenden Wasser in ihn einfüge, war der Gegenstand meiner ersten kleinen Unter- suchung darüber. Es folgten weitere Einzelanwendungen des neuen Prinzips, mittels deren ich mich allmählich immer mehr in dies Ge- biet einlebte. Das hat einige Zeit beansprucht: denn die vielen Be- denken, welche jetzt fast täglich gegen die Relativitätstheorie vor- gebracht werden, habe ich wohl zum größten Teil damals selbst zeit- weise gehegt und nur Schritt für Schritt überwunden. Als das ge- schehen war, schrieb ich freilich mit größter Begeisterung und darum ziemlich rasch das Buch über das Relativitätsprinzip der Lorentztrans- 480 Öffentliche Sitzung vom 30. Juni 1921 formation; ihm wird sich in den nächsten Wochen ein zweiter Band anschließen, der die allgemeine Relativitätstheorie behandelt. Meine Übersiedlung nach München im Jahre 1909 brachte mich an eine Universität, an welcher durch RÖöNnTGEns und von GROTHS Wirken einerseits viel von den Röntgenstrahlen, andererseits von dem Raumgitterbau der Kristalle die Rede war. Bei den Röntgenstralilen schwebte damals noch die Frage, ob sie, wie Stokes und WIEcHERT, W. Wien und SommeErrELD wollten, elektromagnetische Wellen geringer Wellenlänge oder, wie Brass und andere meinten, eine Korpuskular- strahlung darstellten. Für beide Ansichten ließen sich Gründe angeben, und wir wollen betonen, daß infolge des Hineinspielens von Quanten- erscheinungen bis zum heutigen Tage nicht alle Beobachtungen an ihnen wellentheoretisch erklärt sind, wie das übrigens auch beim Licht der Fall ist. Dennoch ließ sich die Entscheidung zwischen beiden Ansichten überzeugend treffen, und zwar genau wie am Anfang des 19. Jahrhunderts beim Licht aus der Tatsache, daß sich bei ihnen Inter- ferenzerscheinungen herstellen ließen. Freilich gelingt dies infolge der so ganz anderen Wellenlängen nicht, wie beim Licht, durch Über- lagerung von zwei sich kreuzenden Strahlen. Aber die Raumgitter, welche die Natur fix und fertig in den Kristallen uns zur Verfügung stellt, ermöglichen es, die beim Licht wohlbekannten Gitterspektren auch bei den Röntgenstrahlen nachzuahmen. Damit ist außer der Wellentheorie der Röntgenstrahlen auch die Raumgittertheorie der Kristalle auf eine feste experimentelle Grundlage gestellt. Im Kriege war ich im Dienste der Heeresverwaltung mit an der Herstellung der Elektronenröhren tätig, welche jetzt in der Telephon- und Telegraphentechnik eine immer größere Rolle spielen. Dadurch empfing ich die Anregung zu einigen Arbeiten über die Thermodynamik der Elektronenwolken, die sich in der Umgebung glühender Elektri- zitätsleiter ausbilden. Vor 7 Jahren hat hier, bei der entsprechenden Gelegenheit, Eıs- steıs von den zwei Aufgaben der theoretischen Physik gesprochen; nämlich einmal aus Beobachtungen die dafür grundlegenden Gesetze herauszufülilen, und sodann, wo solche Gesetze hekannt sind und sich bewährt haben, aus ihnen Folgerungen zu ziehen, welche die Kenntnis des betreffenden Gebiets vervollständigen und möglichst zu neuen Ver- suchen oder Beobachtungen hinüberleiten. Es ist mir versagt geblieben, an der Lösung der ersten, höheren Aufgabe mitzuwirken. Gelang mir etwas, so lag es stets daran, daß ich mir getraute, aus vorhandenen Prinzipien selbst recht weitgehende Folgerungen zu ziehen und sie auf Dinge anzuwenden, für deren Deutung sie zunächst nicht aufgestellt waren. Den Mut dazu entnahm ich einmal aus dem tiefempfundenen Bedürfnis, ' Antrittsreden und Erwiderungen 481 das physikalische Weltbild im Sinne seiner Einheit auszubauen und zu vervollständigen, und aus der Freude, mit den Mitteln des Gedankens die Natur beherrschen zu können. Erwiderung des Sekretars Hrn. Pranck. Die Gedanken, denen Sie, Hr. v. Lauz, Ausdruck gegeben haben, indem Sie uns die Anregungen schilderten, welche für Ihr wissen- schaftliches Leben von entscheidender Bedeutung waren, lassen es mir verlockend erscheinen, den begonnenen Faden noch etwas weiter fort- zuspinnen und das von Ihnen gezeichnete Bild mit einigen Strichen zu ergänzen. Sie sprachen von den beiden Aufgaben, die dem theo- retischen Physiker gesetzt sind und von denen er je nach seiner Geistes- richtung der einen oder der anderen sich ausgiebiger widmet. Wenn nun die Kunst, aus gewissen mit den üblichen Anschauungen nicht in Einklang zu bringenden Erfahrungen die grundlegenden Gesetze her- auszufühlen, jenem göttlichen Seherblick entstammt, der das wesent- liche vom unwesentlichen, das notwendige vom zufälligen, das reale vom konventionellen reinlich zu scheiden versteht, gehört dann nicht gerade der erste größere wissenschaftliche Wurf, der Ihnen gelang: die Aufdeckung der Grenzen für die Gültigkeit des bis dahin immer unbedenklich angewandten Additionstheorems der Entropie, und die da- durelı bewirkte Vollendung der Verschmelzung der Begriffe der En- tropie und der Wahrscheinlichkeit, mit zu denjenigen Leistungen des theoretischen Physikers, die Sie wohl mit Recht die höheren nennen? Haben Sie doch damit den Grenzstein, der das Gebiet der klar er- kannten Zusammenhänge gegen das unermeßliche Reich der ungelösten Rätsel hin absichert, um eine merkliche Strecke nach vorwärts gerückt. Schon damals mußte es für jeden Kundigen offensichtlich sein, daß Sie die Anwartschaft zu einer führenden Rolle in Ihrer Wissenschaft besitzen. Aber zu einer solchen Rolle gehört doch noch etwas anderes als selbst die allerreichste durch vollendete Sachkenntnis geleitete und durch kritischen Scharfblick gezügelte Gestaltungskraft. Es gehört dazu ein- mal die Gewissenhaftigkeit, welche auch unscheinbaren Dingen, falls sie nur ein grundsätzliches Interesse beanspruchen, Beachtung schenkt und ihnen, wenn es sein muß, bis in kleine entlegene Winkel ge- duldig nachspürt; und es gehört endlich dazu der entschlossene Mut, welcher die einmal gewonnene Überzeugung sowohl gegenüber fremden als auch gegenüber eigenen früher gehegten abweichenden Anschau- ungen jederzeit zu vertreten bereit ist. Daß gerade diese Kennzeichen Ihrer Arbeitsrichtung eigen sind, haben Sie durelı alle Ihre verschieden- artigen Publikationen bewiesen, sei es daß Sie Sich dem Studium der 482 Öffentliche Sitzung vom 30. Juni 1921 Strahlungsstatistik oder dem der Elektronenwolken oder auch astro- plıysikalischen Problemen widmeten, oder daß Sie den Zauber der Re- lativitätstheorie Einsteins auf Sich wirken ließen, der außer Ihnen so manchen anderen, Berufenen und Unberufenen, zu einem Bekenntnis ihrer wissenschaftlichen Denkweise den Mund geöffnet hat. Und als Sie diejenige Reihe von Arbeiten begannen, die Ihren Weltruf begründen sollten, da war, wenn ich Sie recht beurteile, die eigentliche treibende Kraft für den von Ihnen unternommenen Vor- stoß nicht die Absicht, eine aufsehenerregende Entdeckung zu machen, auch nicht die Gewißheit des vorausgesehenen Erfolges, sondern es war die dringliche Forderung Ihres wissenschaftlichen Gewissens, nach einer Aufklärung des Widerstreites zusuchen, derdamals bestand zwischen der Vorstellung von der regelmäßigen atomistischen Struktur der Kristalle und der weitverbreiteten Annahme von dem Fehlen jeglicher Beugung und Interferenz bei den Röntgenstrahlen. Mit der Beseitigung der letzteren verschafften Sie Sich selber die verlangte Beruhigung und damit zu- gleich der messenden Physik ein neues Werkzeug zum Eindringen bis tief in das Innere der Atome, wo uns jetzt die kühnen Ideen von Nıers Bonr ungeahnte Schätze neuer Erkenntnis verheißen. So sind Sie zu unserer Freude in diesen Kreis eingetreten, als jüngster Sproß in der Familie der akademischen Physiker, welche ein regelmäßiger vertrauensvoller Gedankenaustausch. zu engem Bunde zu- sammenschließt. Freilich darf ich, um ganz offen zu sein, nicht ver- schweigen, daß es mir auch heute noch nicht gelingen will, mich ganz dem beruhigenden Gefühle des sicheren Besitzes hinzugeben, da doch die Befürchtung nicht ausgeschlossen scheint, es möchte Ihr be- weglicher Geist sich über kurz oder lang doch noch einmal von frem- den Klängen anziehen und fortlocken lassen. Aber ich will in dieser festlichen Stunde nicht irgendwie gearteten Zweifeln Raum geben ; lassen Sie mich vielmehr heute die zuversichtliche Hoffnung aussprechen, daß ein gütiges Geschick und die Fürsorge unserer Unterrichtsverwaltung uns vor einem solehen Verlust bewahren möge. Antrittsrede des Hrn. WILckeEn. Da der stolze Augenblick der Einführung in die Preußische Akademie das neue Mitglied nach alter Tradition zu einem Rückblick auf seine wissenschaftliche Entwicklung und einem Ausblick auf seine Ziele verpflichtet, darf auch ieh mich nicht darauf beschränken, dem mich beherrschenden Gefühl des Dankes für die Aufnahme in diese Körperschaft Ausdruck zu geben, sondern muß mich überwinden, in dieser Festversammlung von mir selbst zu sprechen. b Antrittsreden und Erwiderungen 483 Vom Stadtgymnasium meiner Vaterstadt Stettin, dessen Leiter Franz Kern in idealer Weise die Liebe zur Wissenschaft zu erwecken wußte, ging ich auf die Universität mit dem Entschluß, mich dem Studium des Altertums zu widmen. Es waren im besonderen die alt- orientalischen Sprachen, deren Erlernung mich anfangs in erster Reihe beschäftigte. Diesem Studium verdanke ich es, daß, als ich mich unter dem: Einfluß von Atrren von Gurscaum und vor allem von Tueonor Monnsen vom Linguisten zum Historiker entwickelte, ich die Altertumsgeschichte in der umfassenden universalhistorischen Auf- fassung zu betrachten vermochte, für die die gesamte Mittelmeerwelt einschließlich des alten Orients das einheitliche Objekt der Forschung ist. Durch Monuses, dessen Namen ich bei diesem Rückblick auf mein Leben nur mit wärmstem. Dankesgefühl nennen kann, wurde ich auf die damals noch so gut wie unberührte griechische Papyrussammlung des Berliner Museums hingewiesen, und damit sollte sich mir ein Arbeits- gebiet eröffnen, auf dem Orient und Okzident sich aufs engste berühren: liegen doch die Wurzeln des ägyptischen Hellenismus, den diese Papyri uns von seinen Anfängen unter Alexander dem Großen bis zu seinem Absterben unter den Kalifen vor Augen führen, nicht nur in der klassischen Zeit der Hellenen, sondern zum Teil auch in der pharaonischen Vorzeit. Der Akademie bin ich für gütige Förderung dieser Studien zu lebhaftestem Dank verpflichtet. Nicht nur, daß sie mich schon als Jungen Studenten durch Aufnahme meiner ersten Entzifferungsversuche in ihre Sitzungsberichte (1833) angespornt hat: sie hat es mir weiter- hin. auch ermöglicht, in den Sammlungen von Holland und England, Frankreich und Italien zu arbeiten. Seit jenen Jugendtagen hat sich die griechische Papyruskunde unter stets wachsendem Zufluß des Materials und im Wetteifer der Nationen immer mehr zu einer wichtigen Hilfsdisziplin der gesamten Altertumsforschung entwickelt, die nicht nur für die Geschichte .in allen ihren Verästelungen, namentlich für die Kultur-, Religions- und Wirtschaftsgeschichte, sondern auch für die Philologie und die Rechts- forschung von ständig wachsender Bedeutung geworden ist. Der drohenden Gefahr der Zersplitterung habe ich durch Schaffung eines zusammenfassenden Handbuches sowie eines Zentralorgans. des Archivs für Papyrusforschung, zu begegnen versucht. Auch habe ich das Glück gehabt, tüchtige Schüler ausbilden Zu können, von denen uns freilich der Weltkrieg mehrere entrissen hat. Die trostlose politische und wirtschaftliche Lage unseres Vater- landes macht es zwecklos, der Akademie heute Pläne für größere wissenschaftliche Unternehmungen auf diesem Gebiet zu unterbreiten. 481 Öffentliche Sitzung vom 30. Juni 1921 Freilich, an das Corpus papyrorum, von dem Moxusex vor bald 30 Jahren (1892) an dieser Stelle gesagt hat, daß seine, Zeit kommen werde, würde ich auch ohne diese Notlage heute nicht denken, und zwar aus dem erfreulichen Grunde, weil auch jetzt noch ebenso wie damals der Quell der Papyrusfunde ungeschwächt weitersprudelt. So mag denn eine spätere Zeit überlegen, ob und wie ein Corpus zu machen ist. Wir können heute nur, da uns Grabungen und Erwerbungen vor- läufig versagt sind, publizieren, was wir noch haben, im übrigen aber weiterarbeiten an der Verwertung dessen, was publiziert vorliegt. In letzter Hinsicht steht die Forschung zum Teil noch in ihren Anfängen. Am weitesten ist wolıl die Verarbeitung der Rechtsurkunden vorgeschritten, wenigstens für das römische Recht, dessen reiche Rechts- quellen eine sichere Grundlage, für die Interpretation boten, während für das griechische und auch das ägyptische Recht noch viel zu tun übrigbleibt. Dagegen für die sprachliche Verwertung der Urkunden ist bisher noch sehr wenig geschehen. Aber auch die historische Aus- nutzung hat noch große Aufgaben vor sich, die nur im Rahmen der allgemeinen Geschichte gelöst werden können. Für ein notwendiges Desiderat der Zukunft halte ieh die Schaffung einer antiken Ur- kundenlehre als einer historischen Hilfswissenschaft, die natürlich die Inschriften mit den handschriftlichen Urkunden zu verbinden und auch nieht nur die griechischen und lateinischen Urkunden — »Ur- kunden« im weitesten Sinne des Wortes — aufzuarbeiten; sondern auch die in Betraeht kommenden altorientalischen Urkunden heranzu- ziehen hat, da auch auf diesem Gebiet Zusammenhänge zwischen Orient und Okzident immer mehr hervortreten. Erst durch eine solche um- fassende antike Urkundenlehre, die auch die Schriftkunde, Chronologie und Siegelkunde einschließen müßte, würde die seit MasırLon auf- geblüte mittelalterliche Diplomatik ihre historische Basis bekommen, wie andrerseits aus dieser methodisch festgefügten Disziplin für den antiken Aufbau viel zu lernen wäre. — In demselben universalhistori- schen Sinne, unter Zusammenfassung aller erreichbaren Quellen, sind auch die reinhistorischen Probleme anzugreifen, wodurch sowohl für die politische Geschichte wie besonders auch für die Kultur- und Wirt- schaftsgeschichte eine reiche Ernte ermöglicht werden wird. Voraus- setzung aber und Grundlage aller Arbeiten muß, wie überhaupt für die alte Geschichte, so auch für dieses Sondergebiet die Philologie. sein, nach deren Methoden wir die Texte zu schaffen und zu inter- pretieren haben. Wenn ich aueh, je älter ich werde, desto mehr in der Verfol- gung allgemeiner historischer Fragen, im besonderen des Zentral- problems der alten Geschichte, der Entwicklung der griechischen Kultur FU, Antrittsreden und Erwiderungen 485 von ihren ersten Anfängen an, meine eigenste Befriedigung finde, so halte ich mich doch für verpflichtet, auch künftig den größten Teil meiner Arbeitskraft dem Ausbau der Papyruskunde im obigen Sinne za widmen, wie die Akademie dies wohl auch bei meiner Wahl von mir erwartet hat. Diese Pflicht werde ich um so weniger als drückend empfinden, als diese Zeugen hellenistischen Lebens in Ägypten uns in ständigem Konnex mit jenem Grundproblem erhalten. Nichts kann aber den Historiker, der seine Ziele weit steckt, mehr fördern, als die lebendige Berührung mit den führenden Vertretern der Nachbarwissenschaften, wie sie hier in der Akademie inmitten der isolierenden Weltstadt aufs schönste geboten wird. Um so tiefer ist mein Dank, daß ich in diesen Kreis eintreten durfte. Erwiderung des Sekretars Hrn. Lüpers. £ Mit herzlicher Freude begrüßen wir Sie, Hr. Wircken, in unserm Kreise, den Sie nicht als ein Fremder, sondern wie ein alter Bekannter betreten. Haben Sie doch bereits vor 38 Jahren die ersten Beziehungen zu unserer Akademie geknüpft, als Sie als erste Frucht der Studien, denen Ihres Lebens Liebe und Arbeit gelten sollte, die Abhandlung über die arsinoitischen Steuerprofessionen in unsern Sitzungsberichten ver- öffentlichten. Während Sie dann in raschem Fluge von Universität zu Universität eilten, von Berlin nach Breslau und weiter nach Würzburg, nach Halle, nach Leipzig, nach Bonn, nach München, gleich als ob Sie den Ehrgeiz hätten, das alte längst vergessene Recht eines Doktors, das ius "ubique docendi, wieder zu Ehren zu bringen, da wurde wohl in manchem von uns schon der stille Wunsch rege, es möchte Sie Ihr Weg einmal zu Ihrem Ausgangspunkt zurück und in unsere Mitte führen, denn für die Akademie, die seit länger als einem Jahrhundert die Pflege der Epigraphik als eine ihrer Hauptaufgaben betrachtet hat, war es ge- radezu ein Bedürfnis, die nahverwandte Papyrusforschung unter ihren Arbeitsgebieten vertreten zu sehen. Die Papyruskunde ist eine junge Wissenschaft, die sich aber gerade unter Ihrer Führung ‘zu einem der wichtigsten und fruchtbarsten Zweige der gesamten Altertumswissen- schaft entwickelt hat. Mit Recht betonen Sie, daß die Grundlage der Papyrusforschung «die Philologie bilden müsse, allein die Eigenart des Materiales bedingt, ähnlich wie bei der Epigraphik, doch auch vielfach eine besondere Arbeitsweise und verlangt ein ungewöhnliches Maß von Kenntnissen auch in den benachbarten Disziplinen. Wohl ist die Masse der Denkmäler in griechischer Sprache ab- gefaßt, aber es ist, von den literarischen Texten abgesehen, das noch 486 Öffentliche Sitzung vom 30. Juni 1921 wenig durchforschte Griechisch Ägyptens, und zu den griechischen Urkunden treten lateinische, demotische, aramäische, nubische, kop- tische, mittelpersische und arabische Dokumente, eine bunte Fülle, die an das erinnert, was uns die Grabungen in Boghazköi und Turkestan beschert haben. Allerdings fällt die Bearbeitung der Urkunden in orientalischen Sprachen den Fachgelehrten zu, allein unbeachtet lassen kann der Papyrolöoge sie nicht, sowenig wie er sich zeitlich auf das Jahrtausend beschränken kann, das durch die Eroberung Ägyptens durch Alexander und den Einfall der Heere Omars begrenzt ist. Er wird, um das volle Verständnis seiner Texte zu erschließen, oft auch über diese Grenzen hinausgreifen müssen, nach oben wie nach unten, in die Zeit der Pharaonen und der Achämeniden wie in die der Ka- lifen. Aber auch innerhalb jenes Jahrtausends zeigt sich ein reicher Wechsel; staatliches und kulturelles Leben ist ein anderes im Reiche der Ptolemäer als in der römischen Provinz oder in derZeit, da Ägypten einen Teil des byzantinischen Kaiserreichs bildet. Und wenn auch die Dokumente zunächst Zeugen der Geschichte und Kultur des Nillandes sind, so haben sie doch eine weit darüber hinausreichende allgemeine Bedeutung, und schier unerschöpflieh quellen aus dem Stoffe die Pro- bleme für die Geschichte des Rechtes und der Religion, der heidnischen wie der christlichen, der Staatsverfassung und der Staatsverwaltung, des Wirtschaftslebens und der Sitte, um von der Bereicherung unserer Kenntnis der griechischen Literatur durch die literarischen Texte ganz zu schweigen. Sie, Hr. Wırcken, haben in rastlöser Arbeit, in liebevoller Hin- gabe an den Gegenstand, die Ihrer innersten Veranlagung entspringt, sich das ganze weite Feld zu eigen gemacht, auf dem Sie heute als anerkannter Meister dastehen. Freilich, der Strom neuen Materiales, der sich sonst unablässig in unsere Museen ergoß, wird jetzt ebben, allein Sie brauchen deswegen nicht die Hände in den Schoß zu legen, denn unendlichen Ertrag versprielit noch die Durchforschung des schon Vorhandenen, und verheißungs vollzeichnen Sie selbst die Umrisse einer antiken Urkundenlehre. Sie heben selbst hervor, daß sie nur in engster Verbindung mit der Epigraphik geschaffen werden könne. Vielleicht wird nicht nur die Not der Zeit, sondern auch eine Veränderung der Bedürfnisse dazu führen, daß überhaupt die Arbeiten auf den ver- schiedenen Gebieten der Altertumswissenschaft, die die Akademie bis- her gesondert gefördert hat, künftig enger aneinander geschlossen und einheitlicherer Leitung unterstellt werden müssen, und. wir hoffen zu- versichtlich, daß Sie bereit sein werden, die Befähigung und Neigung zur Zusammenfassung und Organisation, die Sie vor allem durch Ihr 5% Gedächtnisreden 487 Handbuch und die Begründung des Archivs für Papyrusforschung be- kundet haben, auch bei der Lösung der neuen Aufgaben im Dienste der Akademie zu betätigen. Darauf wurden folgende Gedächtnisreden gehalten: von Hrn. DrAGEnDoRFF auf Heinrich Dressel, von Hrn. G. Mürzer auf Hermann Struve, von Hrn. Srumer auf Benno Erdmann, von Hrn. Fıck auf Wilhelm von Waldeyer-Hartz und von Hrn. Roetzz auf Heinrich Morf. Gedächtnisreden. Gedächtnisrede des Hrn. DRAGENDORFF auf HEınkıcH DrESSEL. »Es irrt der Mensch, so lang er strebt.« Diese Worte, die der Junge Heısrıcn Dressen als Motto für seine Lösung einer Preisaufgabe der Berliner Universität wählte, sind bezeichnend für die Skepsis des Mannes, der ungeblendet durch allen äußeren Schein mit scharfer, un- beirrbarer Kritik nicht nur die Leistungen anderer, sondern vor allem die eigene Leistung prüfte. Wenige haben den stillen, einsamen Mann gekannt. In unserem Kreise, in den er im Jahre 1902 berufen wurde, ist er fast fremd geblieben. Still und einsam ist er auch gestorben, einer von denen, deren Fehlen nur ganz wenige bemerken, und die doch in unserer Wissenschaft eine Lücke hinterlassen, die schwer sich schließt. Wie selten einer war Hrısrıcn DresseL für die Wissenschaft, der er sich widmete, vorausbestimmt. Nicht aus Büchern brauchte er sich den Weg zum Altertum zu suchen. In Rom war er als Sohn eines deutschen Philologen und einer Römerin geboren. Umgeben von den Zeugen des Altertums wuchs er heran. In Rom hat er einen großen Teil seines Lebens verbracht. Sein angeborener, vom Vater ererbter historischer Sinn empfing nicht nur von den Monumenten Anregung, die heute noch im Bilde. der ewigen Stadt auch auf den flüchtigen Be- sucher wirken, sondern auch von den kleinen und kleinsten Resten des Altertums, wie sie dem unerschöpflichen Boden Roms Tag für Tag entsteigen. So wuchs mit dem Knaben sein Sinn für das Altertum, mit dem Spiel der Sammeltrieb, aus spielender Beschäftigung reifte die feinste Kennerschaft, an der ihm kaum einer gleichkam. Anschauung der Altertümer führte ihn zur Altertumswissenschaft. In Deutschland, in Berlin holte sich Dresser seine wissenschaft- liche Ausbildung. Früh ist er zu unserer Akademie in Beziehung ge- Sitzungsberichte 1921. 47 488 Öffentliche Sitzung vom 30. Juni 1921 treten. Im Jahre 1873 errang er den Preis für eine von der Akademie gestellte Preisaufgabe über die Quellen der Origines des Isidor. Wich- tiger und entscheidender aber waren die Beziehungen, in die er schon während seiner Studienzeit zu Tımronor Monnsen trat. Der scharfe Blick des großen Organisators hatte mit Sicherheit die Begabung des jungen Gelehrten erkannt und ihn früh in den Kreis der Mitarbeiter des Corpus inseriptionum Latinarum gezogen. Mit diesem großen Akademieunter- nehmen wird Dressers Namen immer verbunden bleiben. Ihm hat er Jahre hindurch seine Arbeitskraft geliehen, ihm sind die reifsten und persönlichsten Leistungen DresseLs zugute gekommen. Mit ganz be- sonderer Wärme gedenkt Momnsex in der Einleitung zum IX. Bande des Corpus des jungen Mitarbeiters, der in seinem Auftrage die ent- legensten Landschaften des mittleren und südlichen Italien bereist hatte. Auf Schritt und Tritt begegnet auch im Instrumentum domesticum Unteritaliens Dressews Name. , Ohne seine Mithilfe wäre die Vollendung gerade dieses Teiles des Corpus kaum möglich gewesen. Hier zeigt er sich bereits als Meister auf dem Gebiet, auf dem er dann in der Folgezeit Bahnbrechendes geleistet hat. Im Jahre 1878 übernahm Dkesser die Bearbeitung des Instrumen- tum domesticum der Stadt Rom für das Corpus, 1891 erschien seine Bearbeitung der Ziegelstempel von Rom, 1399 die der Fabrikmarken der Amphoren, Lampen und anderer Tonwaren. Nur wer wie DresseL von Jugend auf sein Auge geschärft hatte für diese unscheinbaren Zeugen des Altertums, nur wer wie er mit unbeirrbarer Sicherheit Eehtes von Falschem zu scheiden wußte, nur wer wie er mit zähe- ster Energie sich zu peinlichster Sorgfalt im einzelnen bei der Be- wältigung der ungeheuren Massen zu zwingen wußte, konnte die Auf- gabe lösen. Aber auch nur, wer wie DresseL über der verwirrenden Fülle der Einzelheiten den Blick für die großen Ziele nicht verlor, wer die kleinen Einzelergebnisse unter großen Gesichtspunkten zu ver- einigen wußte. Bewußt ging Dressen dabei — das hat er in seiner akademischen Antrittsrede selbst ausgesprochen — über die Grenzen dessen hinaus, was das Corpus zu geben verpflichtet war, und er schreibt es selbst der Neigung zu, bei der Arbeit bis auf den Grund zu gehen, und auf das Bestreben, auch spröde Stoffe der Erforschung nahezubringen. Er hat sein Ziel erreicht. Hier bewies er, daß er nicht nur Kenner, sondern auch Könner war, daß er sich nicht in Akribie und Sammelfleiß erschöpfte, sondern den Stoff methodisch ‚zu durchdringen wußte. Er hat mit seiner Bearbeitung den Grund gelegt für die historische Verwertung dieser Denkmälerklassen. Er hat gezeigt, wie sie bearbeitet werden müssen. Auf seiner Arbeit fußend, streben wir heute weiter. Nur der Epigraphiker, der zugleich Gedächtnisreden 489 Archäologe war, der Archäologe, der zugleielı Historiker war, konnte diese Leistung vollbringen. Dressers Bearbeitung zeigt, daß anders als bei den Steininschriften, die Sammlung dieser Denkmälergruppen im Rahmen des Corpus nur dann wirklich fruchtbar gestaltet werden kann, wenn der Sammler des Materials mit dem Bearbeiter identisch ist. Der Augenschein der Originale gehört dazu. Wie Dresser. hier arbeiten, in jahrelanger unmittelbarer Berührung die an ihrem Fundort konzentrierten Massen sichten und studieren konnte, das war im Rahmen keines anderen Corpusbandes möglich. Das muß billigerweise anderen Bearbeitern des Instrumentum domestieum gegenüber ausge- sprochen werden. Daß aber Dresser die einzigartige Gelegenheit voll ausgenutzt hat und wie er es getan, bleibt deshalb sein ungeschmä- lertes Verdienst. Zahlreiche archäologische Arbeiten gingen in dieser römischen Zeit Dressers neben der Corpusarbeit her, teils mit ihr in enger Verbindung. Ich will nur an seine Untersuchungen über den Ursprung, die Ent- stehung der Monte testaceio erinnern, gleich wichtig für Handelsge- schichte, Paläographie, Entwicklung der lateinischen Cursive; an seine Bearbeitung der Ziegel, den Nachweis der allmählichen Ausdehnung des kaiserlichen Besitzes auf Kosten der Privatindustrie, die dann Unter- suchungen über die Ziegelbauten.selbst veranlaßten und für ihre richtige Datierung den Grund legten; an seine Bearbeitung der Funde aus der esquilinischen Nekropole; an die Entdeekung und Veröffentlichung der damals ältesten lateinischen Inschrift auf einer Vase, die Dresser selbst erworben hatte. Zum Archäologischen Institut, als dessen Stipendiat er im Jahre 1877 auch Griechenland bereist und kennengelernt hatte, stand DresseL während seiner römischen Jahre in engster Beziehung, und ein großer Teil seiner Arbeiten ziert unsere Institutsschriften. ı885 wurde Dresser ans Münzkabinett in Berlin berufen, wo er 1898 die Leitung der antiken Abteilung übernahm, und trat so in enge Beziehung zu der Anstalt, der er schon in früheren Jahren zu mehreren wertvollen Erwerbungen verholfen hatte. Jetzt trat auch in seiner produktiven Arbeit die Numismatik, die er von Jugend auf gepflegt hatte, in den Vordergrund, jetzt stellte er sein Sammlerge- schiek in den Dienst der Anstalt, der er angehörte, jetzt konnte er seine langjährigen Beziehungen und seine Orientiertheit im römischen Kunsthandel voll ausnutzen, und seine unerreichte Kennerschaft auf dem Gebiet der antiken, namentlich der römischen Kunst, sein nicht zu täuschendes Urteil, sein, man möchte sagen, instinktives Gefühl für Echtheit und Qualität kam nicht nur der von ihm geleiteten Abteilung zugute. Er hat den Museen zu Wertvollem verholfen, ‚aber er hat 47% 490 Öffentliche Sitzung vom 30. Juni 1921 auch Unheil verhütet. Als selbstloser Berater, stets hilfsbereit, stand er seinen Kollegen zur Seite. ? Unter Dressers Verwaltung ist die Sammlung des Münzkabinetts gewaltig gewachsen. Die Sammlungen Imnoor-BrLuner und LöBBEckE rückten das Berliner Kabinett für die griechischen Münzen an den ersten Platz. Erwerbungen, wie der Goldfund von Karnak und die herrlichen Goldmedaillons von Abukir, brachten ihr Stücke ersten Ranges. Freilich — sie brachten Dresser, auch schwere Kämpfe, Kämpfe vor allem mit sich selbst. Es ist für die Sinnesart des Mannes bezeichnend, wie.die Zweifel an der Echtheit dieser Stücke, die Jaut wurden und schließlich auch ihn selbst ergriffen, iln innerlich erschütterten, fast zur Ver- zweiflung trieben, bis er seine Sicherheit wiedergewonnen hatte. Dann aber trat er auch mit aller Energie dafür ein und verteidigte sie in seiner eindringenden Bearbeitung, die in.unseren Abhandlungen erschien, gegen alle Angriffe. 1902 wurde Dressern in die Akademie gewählt. Hier galt es, dem griechischen Münzwerke den fachmännischen Leiter zu geben. Es ist hier nicht der Ort, den Plan dieses Münzcorpus einer Kritik zu unterziehen, die Schwierigkeiten aller Art, die sich ihm entgegen- türmen, darzulegen, die letzten Grundes doch wohl darin liegen, daß sich das Corpusprinzip nicht ohne weiteres auf die Münzen übertragen läßt und daß die Forderung, daß auch hier der Sammler des Materials sein Bearbeiter sein muß, kaum zu erfüllen ist. Wir treten dem Andenken Drzssers nicht zu nahe, wenn wir offen bekennen, daß auch er dieser Schwierigkeiten nicht Herr geworden ist. Großzügige Or- ganisation war wohl überhaupt nicht Sache des Mannes, der zu lange für-sich gelebt und gearbeitet hatte, in dessen empfindsamer, zarter, ein- samer Natur es nicht lag, sich in eine größere Organisation einzu- gliedern; dem es nicht lag, seine Ansicht Widerständen gegenüber durchzukämpfen, sondern der sich, leicht verwundbar, zurückzog; dessen scharfe Kritik auch stets einen mehr negativen, nicht einen aufbauenden Charakter trug. Dessen hat selbst schwer unter dieser Erkenntnis gelitten. Mehr und mehr zog der Alternde sich zurück. Die Hoffnungen, die sich an Deessers Eintritt in die Akademie für das Münzwerk knüpften, haben sich nicht erfüllt. Hervorgehoben aber soll doch werden, daß von den 4 bisher erschienenen Heften des Münzwerkes 3 während der Zeit seiner Leitung erschienen sind. In dem engen Kreise ‘der wenigen, die ihm nahestanden, blieb Dresser als der nie versagende Berater, der kenntnisreiche Helfer tätig. Das ihm anvertraute Museum pflegte er mit der ihm eigenen Liebe zum einzelnen Objekte, mit dem Verständnis auch für das Unscheinbare weiter. Ihm galt auch seine letzte Fürsorge. Für sein Münzkabinett Gedächtnisreden 491 hat er gespart, wie der für sich so Bedürfnislose ihm auch schon zu Leb- zeiten in der Stille manches Opfer gebracht hat. Ihm hat er.die eigene Sammlung hinterlassen, und diese Sammlung, die, so hoffen wir, ge- schlossen ins Antiquarium übergehen wird, ist so bezeichnend für den Mann, der sie gebildet hat. Über Mittel zu Ankäufen großen Stils hat Dresser nie verfügt. Aber der feine Kenner wußte auch unter dem Kleinen Wertvolles, Interessantes zu finden. Es ist die Sammlung eines archäologischen Feinschmeckers, die er hinterließ. Dinge, an denen andere achtlos vorbeigingen, erkannte er in ihrem Wert. Auf Schritt und Tritt findet, wer die Sammlung beschaut, kleine Besonder- heiten und Feinheiten, und mit Genuß spürt man den Gedankengängen nach, die einen Kenner ersten Ranges zur Sammlung gerade dieser Stücke geführt hat. Auch äußerlich mit liebevoller, man möchte sagen, altmodischer Sorgfalt gepflegt, wird auch diese Sammlung das Bild des feinen, stillen, ganz.in der von ihm erwählten Wissenschaft auf- gehenden Mannes vor uns lebendig werden lassen, der in seiner eigen- artigen wissenschaftlichen Leistung sich selbst sein Denkmal gesetzt hat. Gedächtnisrede des Hrn. G. MÜLLEr auf Hermann Struvr, Ein vielbewegtes Leben voll Mühe und Arbeit, aber auch reich an Ehren und Erfolgen, hat mit dem Tode Heruans STrUvES seinen Abschluß gefunden, viel zu früh für seine Familie, für seine zahl- reichen Freunde, für unsere Akademie und für die deutsche Wissen- schaft. Schon zweimal ist der Name StruvE mit glänzenden Lettern in der Geschichte der Astronomie verzeichnet. Würdig des Großvaters und des Vaters hat der Vertreter der dritten Generation ein neues Ruhmesblatt hinzugefügt. Die Vorfahren der Familie Struve stammen aus dem llolstein- schen, wo sie als Landleute ansässig waren. Der Großvater WırneLm Struve trat nach langjährigem Aufenthalt in Dorpat bei seiner Über. siedlung nach Pulkowa mit seinen sämtlichen Kindern in den russi- schen Untertanenverband ein, aber er verleugnete niemals, ebensowenig wie seine Nachkommen, die deutsche Abstammung. Fast bei allen Familienmitgliedern treten die holsteinschen Charaktereigenschaften deut- lich hervor. Pulkowa, die stolze Schöpfung WiırneıLn Struves, bildete unter seiner Leitung und später unter seinem Sohn Orro einen An- ziehungspunkt für alle Astronomen, die von weither kamen, um die berühmte Sternwarte kennenzulernen. Orro Struvr schildert in einer für seine Geschwister geschriebenen Biographie des Vaters sehr fesselnd das vorbildliche patriarchalische Leben in der fast eine einzige große Familie bildenden Astronomenkolonie in Pulkowa, wo jeder Besucher 492 | Öffentliche Sitzung vom 30. Juni 1921 willkommen war und die herzlichste ungezwungenste Gastfreundschaft genoß. ’ An dieser idealen Pflegestätte der Wissenschaft wurde am 3. Ok- tober 1854 Hermann StruvEe geboren; dort verlebte er seine glück- lichen Kinderjahre. Nach Beendigung seiner Schullaufbahn bezog er mit 18 Jahren die Universität Dorpat, um sich dem Studium der Mathe- matik und Physik zu widmen. Diese Studien setzte er später bei einem mehrjährigen Aufenthalt im Ausland in Paris, Straßburg, Berlin und Graz fort. Wie er selbst in seiner Antrittsrede angibt, war es anfangs keineswegs seine Absicht gewesen, der Tradition der Familie zu folgen und Astronom zu werden. Ihn fesselten auf der Universität Probleme der mathematischen Physik und besonders Aufgaben der theoretischen Optik. Als Dissertation für das Magisterexamen in Dorpat erschien seine erste wissenschaftliche Arbeit über Fresners Interferenz- erscheinungen und ein Jahr später als Doktordissertation eine Abhandlung über den Einfluß der Diffraktion an Fernröhren auf Lichtscheiben. Diese Arbeiten, denen später noch zwei weitere Aufsätze auf demselben Gebiet folgten, zeigen die hervorragende Begabung des Verfassers für die Behandlung schwieriger mathematischer Aufgaben; sie zeichnen sich durch Gründlichkeit und durch Klarheit der Sprache aus. Bestimmend für den Entschluß Struves, den astronomischen Beruf zu ergreifen, sind wohl hauptsächlich zwei Ereignisse gewesen, die einen nachhaltigen Eindruck auf ihn ausübten, die Teilnahme an der Expedition zur Beobachtung des Venusdurchganges im Jahre 1874 und vor allem die Beschaffung des 30zölligen Refraktors für die Pulkowaer Sternwarte. Zu dem letzteren Zweck unternahm sein Vater in den Jahren 1879 und ı883 zwei Reisen nach Amerika, auf denen ihn der Sohn begleiten durfte. Er lernte bei dieser Gelegenheit die großartigen amerikanischen Einrichtungen kennen, und die verlockende Aussicht, in Pulkowa mit dem neuen Rieseninstrument arbeiten zu können, gab schließlich den Ausschlag. Im Jahre 1883 wurde er zum Adjunkt- astronom ernannt, und von da an beginnt seine eigentliche astronomische Laufbahn, in der sich deutlich vier Epochen unterscheiden lassen. Als Hauptziel schwebte ihm von Anfang an die Erforschung des Saturnsystems vor. An dieser Aufgabe hat.er sein ganzes Leben hin- durch festgehalten; ihr hat er seine reichen Kenntnisse und seine be- wundernswürdige Arbeitskraft gewidmet. Wenn wir heute zuverlässige Werte für die Bahnelemente der Saturntrabanten besitzen, so verdanken wir dies in erster Linie seiner Beobachtungskunst und seiner muster- gültigen Bearbeitung des gesammelten Stoffes. Eine wesentliche Steigerung der Genauigkeit der Ergebnisse er- zielte er dadurch, daß er nicht, wie es früher meistens geschehen * Gedächtnisreden 493 war, die Abstände der Trabanten von der Planetenscheibe, sondern die gegenseitigen Abstände der Trabanten voneinander maß, wodurch systematische Fehler vermieden wurden. Die fruchtbarste Tätigkeit auf diesem Gebiet entfaltete STRUVE in dem ersten Abschnitt seiner astronomischen Wirksamkeit, in der Pulkowaer Zeit, zuerst mit Benutzung des 15-Zöllers, von 18585 an mit dem 30-Zöller. In Pulkowa konnte er sich, frei, von störenden Amts- geschäften, ganz seiner Beobachtungstätigkeit widmen; dort sammelte er das große Material zu seinen beiden Hauptarbeiten über die Saturn- trabanten, welche ihm für alle Zeiten wissenschaftlichen Ruhm sichern: werden. Für diese Arbeiten wurde ihm von der Pariser Akademie . der Dauoıseau-Preis zuerkannt und von der Royal Astronomical Society die goldene Medaille verliehen. In der Rede, welche der Präsident ‚der Astronomical Society bei der Verleihung der Medaille hielt, wies er auf die bemerkenswerte Tatsache hin, daß der Name Srruve bereits zum dritten Male auf der Liste der Empfänger der Medaille erscheine, nachdem bereits 1826 WırHeLm StruvE und 1850 OrTro STRrUVE dieser hohen Auszeichnung für würdig befunden waren. Besser als in dieser Rede ist wohl kaum jemals die Bedeutung HEruans STRUVES als prak- tischer und theoretischer Astronom gewürdigt worden. Außer der Beobachtung der Saturntrabanten hat Srtruve in Pulkowa auch anderen Planetensatelliten, so dem Neptuntrabanten und den beiden Marsmonden seine Aufmerksamkeit zugewendet und nebenher hat er sich mit Doppelsternmessungen beschäftigt. Das Jahr 1394 bedeutet einen Wendepunkt in Srruves Leben. Er hatte wohl im stillen die Hoffnung gehegt, dereinst Nachfolger seines Vaters in Pulkowa zu werden, und diese Hoffnung schien auch durchaus berechtigt, weil der damalige russische Kaiser Alexander III. der Familie Srruve stets besonderes Wohlwollen gezeigt hatte und Wert darauf legte, daß Pulkowa der Familie auch in der dritten Generation erhalten bliebe. Leider wurde diese Hoffnung durch die damals in Rußland beginnende feindselige Bewegung gegen alle aus Deutschland und den baltischen Provinzen stammenden Beamten für absehbare Zeit zerstört, und so entschloß sich STRUVE, wenn auch nicht leichten Herzens, einem Ruf als Direktor der Sternwarte in Königsberg Folge zu leisten. Mit der Übersiedlung nach Königsberg beginnt der zweite Abschnitt in Struvgs astronomischer Laufbahn. Der Wechsel der Wirkungsstätte bedingte eine wesentliche Änderung des Arbeitsprogrammes. In Pulkowa hatte SrtruveE einer der größten Refraktoren der Welt zur Verfügung gestanden, in Königsberg fand er nur kleine veraltete Instrumente vor. Auch die sonstigen Hilfsmittel der Sternwarte waren im Vergleich zu Pulkowa äußerst bescheiden, und es fehlte an ausreichenden wissen- 494 Öffentliche Sitzung vom 30. Juni 1921 schaftlichen Hilfskräften. Einen anderen würde vielleicht ein solcher Wechsel entmutigt haben. Srruve war nicht der Mann, sich durch Schwierigkeiten abschrecken zu lassen. Seine Tatkraft und seine zähe Energie zeigten sich gerade hier in hellstem Licht. Er ruhte nicht, bis er es durchgesetzt hatte, daß ein neuer Refraktor von 32.5 cm Öffnung bei Repsold bestellt wurde; ferner sorgte er für die Vervoll- kommnung des Meridiankreises und für den Umbau des Meridiansaales sowie für die Beschaffung eines tragbaren Durchgangsinstrumentes. Die Beobachtungen der Saturnsatelliten konnte SrruvE mit den ihm in Königsberg zur Verfügung stehenden instrumentellen Hilfs- mitteln nicht in dem gleichen Umfange wie in Pulkowa fortsetzen; er mußte sich in der Hauptsache auf Messungen des Trabanten Titan beschränken. Den neuen Refraktor benutzte er außerdem zu Mikro- metermessungen des Planeten Eros, zu Beobachtungen von zirkum- polaren Doppelsternen, zu Bestimmungen von Fixsternparallaxen und vor allem zu Beobachtungen von Flecken auf Jupiter. Eine neue Wandlung in Srruves Leben vollzog sich im Jahre 1904 durch seine Berufung an die Berliner Universität. Obgleich ihm der Abschied von Königsberg, wo er sich zuletzt sehr wohl gefühlt hatte, nicht leicht wurde, nahm er den ehrenvollen Ruf mit Freuden an, da sich für seine Tatkraft ein weit größerer Wirkungskreis darbot. Die Berliner Zeit ist eigentlich nur als Übergangszeit zu dem letzten großen Lebenswerk Struves, der Gründung der Babelsberger Sternwarte, zu betrachten. Größere Beobachtungsreihen konnten in Berlin mit den vorhandenen Hilfsmitteln nicht unternommen werden, aber es gelang doch Srruves fortgesetzten Bemühungen insofern eine Verbesserung in der instrumentellen Ausrüstung zu erzielen, als für den neunzölligen Fraunuorerschen Refraktor eine neue Montierung und später noch ein neues Objektiv von 30 em Öffnung beschafft wurde. Damit wurden die Titanbeobachtungen und die Messungen von Flecken auf Jupiter fortgesetzt. Die Haupttätigkeit in der Berliner Zeit wurde durch die Vorar- beiten zu der Verlegung der Sternwarte in Anspruch genommen. Schon längst war wegen der ungünstigen Lage der alten Sternwarte eine Verlegung als unbedingt notwendig anerkannt worden, hatte aber stets aus finanziellen und anderen Gründen hinausgeschoben werden müssen. Für Srruves Unternehmungsgeist bot sich hier eine willkommene Auf- gabe, und mit jugendlicher Begeisterung überwand er alle Schwierig- keiten, die sich der Verwirklichung des Plans entgegenstellten. Da er Wert darauf legte, daß die Sternwarte in der Nähe von Berlin bliebe, damit der Zusammenhang mit der Universität nicht gelockert würde, wählte er einen Platz nahe dem Babelsberger Park, trotz des Sn Gedächtnisreden 495 von verschiedenen Seiten geäußerten Bedenkens, daß dieser Platz nur wenige Kilometer von dem Potsdamer Observatorium entfernt und die unmittelbare Nachbarschaft zweier der größten deutschen Sternwarten nicht ratsam wäre. Die finanziellen Schwierigkeiten wurden durch den Verkauf des Grundstücks der alten Sternwarte mit einem Schlage gehoben, so daß bei dem Bau und der Ausrüstung der neuen Anlage nicht ängstlich mit den Mitteln gespart zu werden brauchte. Mit rast- losem Eifer beteiligte sich Srruve an der Ausarbeitung der Pläne, und, um bei der Wahl der Instrumente von den Erfahrungen anderer großer Sternwarten Nutzen zu zielen, unternahm er zwei größere Ausland- reisen, die ihn nach England, Frankreich und Amerika führten. Das große Organisationstalent StruveEs zeigte sich bei dem Neubau in Ba- belsberg im glänzendsten Licht. Alle Einrichtungen waren bis ins kleinste durchdacht und ausgearbeitet, und so ist die Babelsberger Sternwarte eine Arbeitsstätte allerersten Ranges geworden. Als Anhänger der alten Besseuschen Richtung und als begeisterter Verehrer von Wınnecke und Auwers legte er den Hauptwert auf die rein astrometrischen Arbeiten. Der Meridiankreis sollte nach wie vor eins der wichtigsten Instrumente bleiben, und der große Refraktor wurde in erster Linie für die Mikrometermessungen der Planetensatel- liten und der Doppelsterne bestimmt. Aber auch die Bedeutung der neueren Richtung in der Astronomie wurde von STRUVE keineswegs verkannt. Er hat dies dadurch bewiesen, daß er die photoelektrischen Helligkeitsbestimmungen der Fixsterne mit in das Arbeitsprogramm der Sternwarte aufnahm und die Anschaffung eines großen Spiegel- teleskopes sowie eines Astrographen in die Wege leitete. Nur der Ausbruch des Weltkrieges hat die Durchführung des Programms ver- zögert. Mit der Fertigstellung des Babelsberger Instituts beginnt der letzte Abschnitt in Struves Leben. Trotz der bedeutenden Arbeitslast,, die der Bau der Sternwarte und die Verwaltungstätigkeit neben seinen Universitätsverpflichtungen mit sich brachten, fand er doch noch Zeit zu eignen Beobachtungen. Im Winter 1915/16 begann er eine neue umfassende Beobachtungsreihe des Saturnsystems. Er beabsichtigte diese Beobachtungen noch weiter fortzusetzen und später auch die Messungen der Uranustrabanten in Angriff zu nehmen. Leider hat er nicht mehr selbst das in Babelsberg gesammelte Material bearbeiten können; aber es steht zu hoffen, daß sein Sohn, der der Familien- tradition treu geblieben ist und seit 1919 als Observator an der Babels- berger Sternwarte tätig ist, das Werk des Vaters vollenden wird. Die letzten Lebensjahre Struves wurden durch schwere Schicksals- schläge getrübt. Am härtesten traf ihn der Tod seiner geliebten Gattin, 496 Öffentliche Sitzung vom 30. Juni 1921 die ihm in 34Jähriger glücklichster Ehe eine treue Gefährtin und ver- ständnisvolle Mitarbeiterin gewesen war. Auch der Krieg mit seinen Folgeerscheinungen drückte ihn tief danieder. Er litt nicht nur unter dem Zusammenbruch des Vaterlandes und der Stockung in den wissenschaftlichen Beziehungen der Völker zueinander, er mußte auch in banger Sorge sein um das Schicksal seiner zahlreichen Verwandten in Rußland, von denen er nur selten und auch dann nur schwer beunruhigende Nachrichten erhielt. Zu den seelischen Leiden kam noch 1920 ein Unfall, der ihm beim Über- schreiten der Straßenbahngeleise in Berlin zugestoßen war und einen Beinbruch zur Folge hatte. Nach mehrmonatigem Krankenlager_ er- holte er sich wieder so weit, daß er im Sommer eine Reise zum Kur- aufenthalt in Herrenal unternehmen konnte. Dort bereitete völlig unerwartet am 12. August ein Herzschlag seinem Leben ein Ende. Srruves Bedeutung als praktischer Astronom und Organisator kann nicht hoch genug geschätzt werden. Er war ein Astronom der alien Schule, der in der Tätigkeit am Fernrohr und in dem Sammeln eines großen Beobachtungsmaterials reine Freude empfand. In der Auswalıl der zweckmäßigsten Beobachtungsmethoden und in der kri- tischen Beurteilung der Messungen war er Meister. Bewundernswürdig ist seine rechnerische Fertigkeit und die Gründlichkeit bei der Be- wältigung großer Beobachtungsreihen. Selten findet man wohl eine solche Klarheit der Darstellung und eine so erschöpfende Behandlung des Stoffes. Auch seine theoretischen Leistungen bei der Untersuchung schwieriger Bahnprobleme verdienen die höchste Anerkennung. Über Srruves Charaktereigenschaften sind alle, die ihm näher- gestanden haben, in ihrem Urteil einig; sie verehren in ihm einen schlichten, charakterfesten Mann, der mit eiserner Konsequenz das, was er als richtig erkannt hatte, vertrat, der vor keinen Schwierig- keiten zurückschreckte und unter Umständen auch schroff sein konnte, dabei aber ein tiefes weiches Gemüt besaß und denen, die er in sein Herz geschlossen hatte, dauernde treue Freundschaft bewahrte. Manche Charakterzüge hatte er mit seinem Großvater gemeinsam, und auch in dem äußeren Lebensgange beider Männer ist eine gewisse Ähnlich- keit nicht zu verkennen. Beiden wurde ein Glück zuteil, das nur wenigen Astronomen beschieden ist; sie konnten mit reichen Mitteln ganz nach eigenen Wünschen großartige Pflegestätten der Wissen- schaft gründen und sich selbst dadurch für alle Zeiten unvergängliche Denkmäler erriehten, der Großvater in Pulkowa, der Enkel in Babelsberg. Gedächtnisreden j 497 Gedächtnisrede des Hrn. Sruurr auf Benno Ervmann. Gerade ein Jahrzehnt ist es her, daß Brnxo Ernnmann als ordent- liches Mitglied in unsere Akademie eintrat. Nach einer langen erfolg- reichen Lehrtätigkeit an vier preußischen Hochschulen (Kiel, Breslau, Halle, Bonn) war er an die Berliner Universität, von der er als Student und Privatdozent seinen Ausgang genommen, zurückgekehrt. Hier erreichte diese Tätigkeit ihren Höhepunkt. Wer es nicht längst wußte, konnte an dem Grabe des Entschlafenen innewerden, welche Fülle von Dankbarkeit und Verelirung Kollegen wie Schüler ihm entgegen- brachten. Für die Anregung zum eigenen Forschen, die von ihm ausging, liefern auch die 52 Hefte der » Untersuchungen zur Philo- sophie und ihrer Geschichte« seit der Hallenser Zeit ein fortlaufendes Zeugnis. Dem Berliner Philosophischen Seminar, dem er eine muster- gültige Organisation gab, galt seine besondere Sorge. Die intensive und extensive Natur seiner persönlichen Unterweisungen geht aus den vielen Bänden der von den Teilnehmern vorschriftsmäßig geführten Protokolle, einer Art philosophischer Literatur- und Problemgeschichte, und aus von ihm selbst aufgestellten gedruckten Thesen, über die zu sprechen war, auch für den Nichtteilnehmer anschaulich hervor. Als er eben das Dekanat der philosophischen Fakultät angetreten hatte — es war nach dem Zusammenbruch unseres Vaterlandes —, brachte die Revolution einen solchen Sturm aufregendster Verhand- lungen auch für die Leiter des Universitätswesens, daß selbst seine rüstige und arbeitsgewohnte Natur bei der unverrückbaren Festigkeit und Gewissenhaftigkeit seiner Amtsführung sich von den Anstren- gungen jener Zeit nicht wieder erholte. Seitdem kränkelte er und ist am 7. Januar dieses Jahres, wenige Monate vor seinem 70. Ge- burtstag, einem Herzschlage erlegen. Wie die Universität, so hat auch unsere Akademie an ihm eines ihrer tätigsten Mitglieder 'ver- loren, Nicht bloß schenkte er uns in dieser Zeit eine größere Zahl wertvoller Abhandlungen, er führte auch mit seiner ganzen Umsicht und organisatorischen Fähigkeit die Leitung der Kant- und der Leibniz- Ausgabe, deren erste sich ihrem Ende nähert, während die zweite in diesem Jahre hoffentlich ihren ersten Band ans Lieht bringen wird. So hat er weder den Schluß des einen, noch die Realisierung des anderen Unternehmens mehr erlebt. Wir aber empfinden seinen Ver- lust in dieser Beziehung besonders schmerzlich. Denn infolge seiner genauen Quellenkenntnis und lebenslänglichen eigenen Forschung war keiner mehr als er zum Leiter solcher Unternehmungen berufen. Erpnanns Forschertätigkeit zeigte schon in den ersten Anfängen das Doppelgesicht der historischen und der systematischen Arbeits- 498 h Öffentliche Sitzung vom 30. Juni 1921 richtung. Wenigen gelingt eine so gleichmäßige Betätigung in beiden Beziehungen, und vielleicht wird sie in Zukunft überhaupt nieht mehr möglich sein. Aber die Zeit, in die seine Universitätsstudien fielen, war dazu angetan, nach beiden Seiten hin junge Kräfte anzuspornen, und Erpmann wählte von vornherein seine Lehrer aus beiden Lagern. Ursprünglich Realschüler, hatte er im Gymnasium zum Grauen Kloster unter Boxıtz das Griechische nachgeholt, dann auf der Universität bei Bostrz auch philosophische Vorlesungen gehört. Nach dem Zeugnis der ihm gewidmeten Dissertation verdankte er ihm die ersten philo- sophischen Impulse und ist ihm auch persönlich nahegeblieben. Da Bonırz der Hergartschen Schule zugetan war, wurde Erpmann zunächst in deren Gedankenkreis eingeführt. In gleichem Sinne wirkte aber auch Steintnar, der zugleich die Vorliebe für sprachpsychologische Untersuchungen in Erpmann wachgerufen haben dürfte. Srrıwruaus »Einführung in die Psychologie und Sprachwissenschaft« nennt Ern- MANN 1879 die gehaltvollste Leistung auf rein psycholögischem Ge- biet im vergangenen Jahrzehnt. Er allein habe schulbildend gewirkt und durch seine Theorie der Apperzeption Hrrsarr so einschneidend fortgebildet, daß sie für die nächste Zeit ohne Zweifel die Basis aller hierher gehörigen Untersuchungen bilden werde. Hieraus geht wohl deutlich hervor, daß Erpwmanns eigene Apperzeptionstheorie, die bis zuletzt im Mittelpunkte seiner psychologischen Interessen stand, ihren Ausgang von der Steıntuarschen genommen hat. Auch für eine cha- rakteristische Eigentümlichkeit in der Darstellung dieser seiner Lehre, die Vorliebe für ausgeführte Systeme von Buchstabensymbolen, mit denen aber nicht wie bei Herzarr gerechnet wird, sondern nur die Ergebnisse der Überlegungen veranschaulicht werden, liegen bei STEINTHAL bereits die Anfänge vor. In die streng philologische Methode wurde Erpmann außer durch Boxırz auch durch TogLer und MürLex- norr auf ihren Gebieten eingeführt. Daneben betrieb er in Berlin und Heidelberg mathematische Studien bei Kummer, KönıGsBERGER und Kırcnnorr. So empfing im natur- wie geisteswissenschaftlichem Ge- biete die angeborene Neigung zum exakten Denken, die ihn zu diesen Lehrern trieb, durch sie auch wieder Nahrung und Pflege. In seiner zweiten Berliner Studienzeit, vom Herbst 1871 an, wurden auf naturwissenschaftlicher Seite HeıLnnorzz, auf philosophischer ZELLER maßgebend für seine weitere Entwicklung. Die Verehrung, die er HernHortz entgegenbrachte, kommt in seiner letzten, nach seinem Tode gedruckten akademischen Abhandlung » Über.die philosophischen Grund- lagen von Helmholtz’ Wahrnehmungstheorie« zum Ausdruck. »Der Versuch«, — sagt Erpmann im Vorwort — »in diese seine Lelren einzudringen und sie, wo ich nicht zuzustimmen vermochte, umzuar- Gedächtnisreden 499 beiten, hat auf mein jugendliches Denken vor allem richtunggebend gewirkt. Was später an meinen reproduktions-psychologischen Ar- beiten wertvoll sein mag, geht für mein Bewußtsein auf diese frühen Anregungen zurück.« Mit Zerrer, den er bereits in Heidelberg ge- hört hatte, stand er bis zu dessen Tode in naher persönlicher Fühlung. Diese beiden Forscher aber stimmten darin unter sich überein, daß sie der Erfahrung das entscheidende Wort auch in philosophischen Dingen einräumten. ZErLLer, ursprünglich Hegelianer, hatte sich in seiner Heidelberger Zeit, vielleicht selbst unter Heımnorrz’ Einfluß, zu der Überzeugung durchgearbeitet, daß auch die Metaphysik, und sie erst recht, nur als Erfahrungswissenschaft fruchtbar zu behandeln sei. Hermnorzz hat zwar mit Kant die Apriorität des Kausalgesetzes behauptet, diese Ausdrucksweise aber, wie Ernmann zeigt, in einem entschieden empiristischen Sinne umgedeutet, indem er das Gesetz als eine Voraussetzung betrachtete, die nur durch Ausprobieren ihre Rechtfertigung erhalte. Die beiden Koryphäen der damaligen Psycho- logie, Lotze und Fecuner, hatten sich weniger vollständig von der spekulativen Denkweise losgesagt; denn in gewissen Grundanschauungen knüpfte Fecnner an ScHELLise, LotzEe an Heser an. Aber die Schriften dieser beiden scheinen auf Ernmasss Entwicklung keinen maßgebenden Einfluß geübt zu haben. Die Lehre vom psychophysischen Parallelismus, die wir in seiner Reifezeit finden, ist zwar ganz im Einklang mit Fecusers Metaphysik, aber sie war in seiner Entwicklungszeit nicht bloß durch Fecuxer, sondern auch durch andere vielgelesene Schrift- steller, wie F. A. Lange, H. Spexcer und Wunprt, vertreten worden. Seine wissenschaftliche Laufbahn begann Erpmann 1873 mit der (nur teilweise veröffentlichten) Dissertation »Über die Stellung des Dinges an sich in Kanıs Ästhetik und Analytik«, also sogleich mit einem Zentralproblem der Kastschen Philosophie. 1876 liefert er aus Dorpater Manuskripten einen »Nachtrag zu Kants Werken« und in demselben Jahr eine größere Darstellung über »Martin Knutzen und seine Zeit«, worin er die Philosophie eines bedeutenden Wolffianers, den Kant als Student mit Vorliebe gehört hatte, als Erkenntnisquelle für Kants Entwicklungsgeschichte untersucht. So zeigte sich sogleich der Quellenfinder. Aber auch der Textkritiker aus der strengen Philo- logenschule tritt alsbald in die Erscheinung: er gibt 1878 auf Grund sorgfältiger Textstudien die Kritik der reinen Vernunft heraus. Von dieser Ausgabe ist vor einigen Jahren die 6. Auflage erschienen, ob- gleich an Ausgaben des berühmten Werkes, auch zu billigen Preisen, in den letzten Dezennien durchaus kein Mangel ist. In gleicher Weise hat Erpmans später die Kritik der Urteilskraft und die Prolegomena herausgegeben während zugleich Einzeluntersuchungen (über das Ver- 500 \ Öffentliche Sitzung vom 30. Juni 1921 hältnis der ersten und zweiten Auflage der Vernunftkritik, über Kants Verhältnis zu Hunz um 1762) die Einsicht in Kavrs Entwicklung förder- ten und Aufschließung neuer Quellen für die Kantforschung (» Reflexionen Kants zur kritischen Philosophie«, 1882— 1884, d.h. schriftliche Auf- zeichnungen Kants zur Anthropologie und zur Kritik der reinen Ver- nunft) die Kenntnis der Hinterlassenschaft des großen Denkers er- weiterte.. Eromann ist so der Hauptbegründer der vielberufenen »Kantphilo- logie« geworden, die lieber den Vorwurf der Kleinlichkeit als den der ° Ungenauigkeit auf sich nimmt, für die aber, wenn sie richtig betrieben wird, wie für jede echte Philologie, Textkritik nur dienendes Mittel zu den höheren Zwecken historischer Erkenntnis ist. Für den Ab- druck der Prölegomena in unserer akademischen Ausgabe hat er noch einmal 7 alte Druckexemplare aufs peinlichste verglichen. Er sagt darüber: »Es war die Pflicht des Herausgebers, ich gestehe es, eine unerfreuliche, diese geringste aller Kärrnerarbeiten auf sich zu nehmen und sie so auszuführen, daß sie nicht noch einmal aufgenommen werden muß.« Aber auch die Grenze, jenseits deren solehe Kärrnerarbeit sinn- los wird, war ihm gegenwärtig: »Nicht alles«, — sagt er ebenda — »worüber wir gegründete Vermutungen aufstellen können, ist wissens- wert.« Das äußerst schwierige Problem der Entwicklungsgeschichte Kants hat Erpmann besonders durch den Hinweis auf die Bedeutung der kosmologischen Antinomien, die Kanrs Nachdenken schon früh be- schäftigten, aufzuhellen gesucht. Und es ist wohl allgemein anerkannt, daß hierin ein wesentlicher Antrieb zu den Umbildungen gesucht werden muß, durch die Kanr in dem dunklen Jahrzehnt vor dem Erscheinen der Vernunftkritik aus dem Worrrschen Gedankenkreise heraus- und zum kritischen Standpunkt hingeführt wurde. Über die Entstehung der Prolegomena mit ihrer etwas undurchsichtigen Disposition hat ÖRDMANN die Hypothese einer doppelten Redaktion aufgestellt und sie gegenüber Angriffen später noch ausgiebiger gestützt. Er schied darin ursprüngliche Bestandteile, die einen erläuternden populären Auszug aus der Kritik der reinen Vernunft darstellen, und spätere, die gegen- über Mißdeutungen eines Rezensenten deren wahre Tendenz klarstellen sollten. Wieweit eine solche reinliche Scheidung der Bestandteile überzeugend gelingen kann, entzieht sich meinem Urteil. Aber die doppelte Abzweckung des Werkes an sich ist nicht’wohl zu leugnen. In letzter Instanz war es Ernmann bei der Kantforschung darum zu tun, die Grundidee der Kritik der reinen Vernunft möglichst scharf herauszuschälen. Nach einer ersten populären Darstellung (1831) hat er dieser Aufgabe 1917 eine seiner akademischen Abhandlungen ge- Gedächtnisreden 501 widmet. Er findet die Grundidee in dem Nachweise notwendiger und allgemeingültiger Grenzbestimmungen für unser Erkennen, und zwar aus der Natur des menschlichen Erkenntnisvermögens selbst. Die Vernunftkritik sollte aber nach Kants Intention nicht etwa die Meta- physik überhaupt verdrängen oder ersetzen, sondern nur an die Stelle der falschen die wahre Metaphysik setzen, oder vielmehr sie vorbe- reiten, eine Propädeutik zu ihr zu bilden. Bei alledem ist Ernmans selbst nichts weniger als Kantianer, vielmehr in entscheidenden Punkten ein Gegner der Kantschen Philosophie. Erkennt er auch die Fragestellungen Humes und Kants als epoche- machend an: in der Beantwortung tritt er beiden entgegen, Kanr fast noch mehr als Hune. Diese sachliche Gegnerschaft macht die gewal- tige Arbeit, die er der historischen Erforschung des Kritizismus ge- widmet hat, doppelt bewundernswert. Er konnte sich nicht wie die Neu-Kantianer zurufen: »Tua res agitur.« Nicht die Liebe zum System, sondern die historische Wahrheitsliebe allein konnte ihm die Arbeit versüßen. Einerlei, wie hoch man den sachlichen Ertrag seiner Kant- arbeit schätze: daß er gegenüber einer Richtung, die nicht bloß Kar im Sinne späterer Umbildungen deutete, sondern diesen umgedeuteten Kant auch wieder in Leısnız, DESCARTEsS und PrAarTon hineindeutete, von Anfang an und immer wieder auf eine wahrhaft geschichtliche Forschung gedrungen hat, bleibt sein unbestreitbares Verdienst. »Kanr zurückgeben, was ihm gehört« — so hat er noch in einer der aka- demischen Abhandlungen die Aufgabe bezeichnet. Erpmanns historische Forschungen beschränkten .sich aber nicht auf den Königsberger Weisen. Ist schon in den Kantarbeiten selbst, angefangen vom Marrıy Knutzen, der zeitgeschichtliche Rahmen weit gespannt, die Vor- und Nachgeschichte des Kritizismus mitumfassend, so tritt uns in-den äußerst zahlreichen Rezensionen der mittleren Zeit ein Quellenkenner ersten Ranges für die ganze neuere Philosophie- geschichte entgegen. Der Methodik der Spinoza- und Leibniz-Forschung gelten besondere Abhandlungen. Die Gedächtnisworte auf Leıssız in unserer Akademie 1916 zeichnen in knappen Strichen ein Bild des universalen Denkers. BERKELEY hat er eine seiner letzten Arbeiten in unseren Abhandlungen gewidmet, worin das von englischer Seite sehr unvollkommen herausgegebene Tagebuch BerkeLeys analysiert und die Bedeutsamkeit' dieser Quelle aufgezeigt wird. Daß der Kant-Forscher auch ein Hume-Forscher sein mußte, versteht sich von selbst; welches Gewicht er aber Hune für die Gesamtentwicklung der Philosophie beimißt, lehren besonders die historischen Exkurse der systematischen Schriften. Von Hunes Behandlung des Induktionsproblems datiert er allenthalben die entscheidende Wendung zur Philosophie der Gegenwart. 502 Öffentliche Sitzung vom 30. Juni 1921 Die systematischen Arbeiten Erpmanss begannen mit der Schrift über die geometrischen Axiome, für die seine mathematischen Uni- versitätsstudien den Ausgangspunkt und Rırmanss und Hermnortz’ geniale Untersuchungen die Grundlage bildeten. Er ist da bestrebt, Herunorrz’ Raumlehre sowohl in psychologischer wie erkenntnis- theoretischer Richtung den Philosophen näher zu bringen. Das sehr gewandt abgefaßte Buch, von Hermnorrz selbst als Grundlage der Habilitation empfohlen, 1877 gedruckt, fand aber im Herbst desselben Jahres an seinem Verfasser einen scharfen Kritiker. Er bemerkt (nach freundlicher Mitteilung seines Sohnes): »Die Arbeit wäre besser ge- worden, wenri sie nicht so gut hätte sein wollen. .... Das dritte Kapitel ist das schwächste. Es enthält zu wenig Sache und zu viel Polemik. Ersteres, weil ich ausführlich nur hätte ‚sein können, wenn meine psychologischen und erkenntnistheoretischen Studien bereits tiefer gewesen wären, als sie selbst jetzt noch sind, letzteres, weil die Sicherheit der Überzeugung die Jugend selbst dann ungerecht macht, wenn sie in abstracto weiß, daß dieselbe keinen Maßstab bietet für die Wahrheit. Ich werde versuchen, mir alle Polemik ab- zugewöhnen. Dieselbe kann sachlich nur in sehr seltenen Fällen nützen, nur dann, wenn man gegen denkende Gegner in ruhigster Weise schreibt. HrrmnoLrz kann auch hierin ein Muster sein.« So hat Erpmass in frühen Jahren sich selbst erzogen. Und an den hier aufgestellten Grundsätzen hat er tatsächlich zeitlebens festgehalten, auch wenn er leidenschaftliche Angriffe abzuwehren hatte. Auf den Gegenstand dieser Arbeit ist er aber später nicht wieder zurückge- kommen, da er die fachwissenschaftliche Produktion nieht mehr so, wie er es für nötig hielt, zu übersehen vermochte. :Doch behielt er die Fortschritte der Mathematik im Auge. Die von Cantor begründete Mengenlehre erregte sein besonderes Interesse, er erkannte ihre hohe philosophische Bedeutung und nahm oft darauf Bezug. Nach weiteren logischen und psychologischen Einzelarbeiten trat 1892 der erste Band der »Logik« ans Licht, von dem eine zweite, völlig umgearbeitete Auflage 1907 erschien, eine dritte von Erpmann noch vollständig vorbereitet ist, und zwar so, daß der erste Band zugleich als abgeschlossenes Werk gelten kann, da er einen zweiten nicht mehr zu veröffentlichen beabsichtigte. Mit diesem Werke tritt Erpmann als einer der wirksamsten Erneuerer der Denklehre in Deutschland SIGWART, BRENTANnO und Lorze zur Seite. Seine Auseinandersetzungen mit diesen wie auch mit J. Sr. Mırr und Jervons, deren Verdienste er hoch einschätzt, lassen überall den geschichtlich denkenden Forscher erkennen. Die rein formalistische Logik, wie sie Kanr wollte, findet aber Gedächtnisreden 503 ebensowenig wie die neuerdings empfohlene mathematisierende Logik seine Billigung. Er stellt vielmehr gerade Ausführungen über die Gegenstände des Denkens, zumal die sogenannten Inbegriffe, an die Spitze. In diesen Ausführungen liegt eine Eigentümlichkeit und nach meinem Dafürhalten ein großes Verdienst der Ernmannschen Logik. Sie treten für ihn an die Stelle der alten Begriffslehre. Den Mittel- punkt des Ganzen aber bildet die Urteilstheorie.. Das Urteil, nicht der Begriff, ist ihm die Zelle des Gedankenorganismus. Hierbei wird gegenüber einem falschen Purismus die Psychologie ausgiebig heran- gezogen, wenn auch die Kernfrage der Logik, die nach dem Kriterien der Gültigkeit, dieser selbst vorbehalten bleibt. Das Werk, reich an hier nicht zu berührenden Einzeluntersuchungen, gipfelt in der Theorie .des Syllogismus und der Induktion, des Schmerzenskindes der Logik seit Huse. Als ihre Voraussetzung gilt Erpmann wie J. St. Mırr das allgemeine Kausalgesetz, dem er auch eine besondere scharfsinnige Schrift gewidmet hat. Es ist ihm ein denknotwendiger Satz, da ein absolutes Chaos ihm denkunmöglich erscheint. Zwar daß in Zukunft gleiche Ursachen wie früher immer vorhanden sein werden, sei pro- blematisch, und insofern enthalte das induktive Verfahren eine Art Zirkel. Aber daß unter Voraussetzung gleicher Ursachen immer gleiche Wirkungen eintreten müssen, sei ein denknotwendiges Postulat. Hier trennen sich Ernpmansns Wege von denen eines extremen Empirismus. Seit der Mitte der neunziger Jahre entfalten sich in ErDMANNs Schaffen immer mehr die von Strintuan und Hrınnorrz gelegten Keime psychologischer Untersuchungen, deren Triebkraft schon in Apperzeptionsstudien 1886 und in der Logik bemerkbar war. Psycho- logie wird fortan geradezu sein Lieblingsgebiet. 1896—97 erschienen Abhandlungen über die Beziehungen zwischen Sprechen und Denken; 1898 die aus dem Zusanmamenarbeiten mit Raymonp DonsE hervor- gegangenen Experimentaluntersuchungen über die Psychologie des Lesens. Unsere Akademie hatte zur Anschaffung der nötigen Präzi- sionsapparate beigetragen, und der Erfolg rechtfertigte ihr Vertrauen. Daß die Augenbewegungen beim Lesen intermittierend erfolgen und daß wir niemals während der Bewegungen selbst, sondern immer nur in den kurzen Ruhepausen lesen, daß der Erwachsene bei einer Dar- bietungszeit, die die einzelnen Buchstaben nicht mehr deutlich erkennen läßt, gleichwohl noch die Worte erkennt, daß akustische Lauterinnerun- gen beim Aussprechen fehlen, und eine große Zahl anderer Tatsachen wurden teils neu gefunden, teils bestätigt oder quantitativ bestimmt. Es folgten »Umrisse zur Psychologie des Denkens« (2. Auflage 1908), Studien über die Psychologie des Kindes und der Schule, über die Sitzungsberichte 1921. 48 >04 Öffentliche Sitzung vom 30. Juni 1921 Grundbegriffe der Sprachphilosophie, mehrere akademische Abhand- lungen psychologischen Inhalts und 1920 die zusammenfassende »Repro- duktionspsychologie«. Hier zieht Ernmann die Summe seines psychologischen Forschens in überaus gedrängter Darstellung, Beispiele nur, wo es unbedingt nötig erscheint, einfügend. Nach der Vorrede ist das Buch in erster Linie für die Werdenden, nicht für die Fertigen bestimmt. Unter den Werdenden dürfen wir aber wohl, mit Kants Prolegomenen zu sprechen, »nicht Lehrlinge, sondern künftige Lehrer« verstehen. Und wer von uns Alten möchte sich nicht bis zum Ende auch noch unter diese Werdenden rechnen? — Reproduktionspsychologie ist nicht lediglich ein neuer Name für Assoziationspsychologie. Allerdings teilt Erpmann mit dieser aus England stammenden, ‚jetzt stark bestrittenen Lehre, die alles psychische Geschehen auf Assoziation und Reproduktion von Vorstellungen zurückführt, die Grundanschauung. Aber er gibt ihr in mehreren Punkten eine veränderte Wendung, durch die sie sich der Hersartschen Psychologie annähert, während zugleich diese selbst eine wesentliche Umbildung erfährt. Beobachtungen stehen an der Spitze, die ihm besonders durch seine Studien über das Lesen ge- währleistet schienen und um derenwillen er diese wohl überhaupt unternommen hat: daß nämlich bei sehr kurzer, nur etwa 1/10 Sekunde dauernder Darbietung schon ein Erkennen des Gesehenen stattfinde, bevor noch irgendwelche akustische, motorische oder sonstige Er- innerungsvorstellungen sich einstellen. Auch das gewöhnliche Leben aber biete fortwährend bei flüchtiger Wahrnehmung vertrauter Gegen- stände dieselbe Erscheinung. Sei es auch schwer, die völlige Ab- wesenheit aller, auch der schwächsten und undeutlichsten, Erinnerungs- vorstellungen zu konstatieren, so gewähre ihm doch eigene geschärfte und immer wiederholte Beobachtung dafür volle Sicherheit. Dieses wahrnehmende Erkennen nun- könne nur so verstanden werden, daß dureh den äußeren Reiz Residuen früherer Eindrücke ausgelöst würden. Was das Bewußtsein darbiete, sei daher ein Ganzes, worin die »Reiz- komponente« mit der »Residualkomponente« (früher von Ernmann als » Perzeptions-« und » Apperzeptionsmasse« bezeichnet) untrennbar ver- schmolzen seien. Durch die erweckten Residuen könnten nun auch andere mit ihnen zusammenhängende wachgerufen werden, und dies erst sei die gewöhnlich sogenannte (selbständige) Reproduktion. Asso- ziation und Reproduktion fänden daher nicht zwischen den Vorstellungen als solchen statt -— Erpmann erklärt dies für einen Ungedanken —, sondern zwischen den Residuen als den »unbewußten Bedingungen des Bewußtseins«. Auch will er diesen Prozeß nieht ausschließlich auf individuelle Gewöhnung zurückführen, sondern auch auf angeborene } " Gedächtnisreden 505 _ praeformierte Verknüpfungen zwischen den verschiedenen Sinneszentren. Die Residuen, die solchergestalt die Träger des ganzen psychischen Mechanismus sind, dürfen aber nach Erpmanv nicht als bloß physio- logische Prozesse der Hirnrinde definiert werden, da ein Übergang von Bewegungen in Vorstellungen ihm‘ nicht minder undenkbar ist wie eine Wechselwirkung von Vorstellungen untereinander. Es müssen vielmehr Prozesse sein, die eine physische und eine unbewußt-psychische Seite haben. Die physische kann mit fortschreitender Gehirnforschung näher aufgeklärt werden, die unbewußt-psychische aber bleibt uns ihrer Natur nach allezeit unbekannt. Es würde zu weit führen, die Anwendungen dieser Grundgedanken auf die Theorie der Abstraktion, des Urteils, des sprachlich formu- lierten und des sprachlosen, intuitiven Denkens, dessen weite Aus- dehnung Erpmann mit Recht betont, hier zu skizzieren. Seine Über- zeugung war es, daß alle diese vieldiskutierten Leistungen auf dem nämlichen Grundvorgange beruhen. In der akademischen Abhandlung »Erkennen und Verstehen« wird näher ausgeführt, wie auch das ein- fühlende Verstehen in den Geisteswissenschaften dem wahrnehmenden Erkennen der Naturbeobachtung durchaus analog verlaufe, wie auch da den Residuen und ihrer Verschmelzung mit der Reizkomponente die entscheidende Rolle zufalle. Es tritt nur an die Stelle der Sinneswahr- nehmung als letzte Grundlage die Selbstwahrnehmung, deren Eigenart Erpmann stets betont hat. Als ein unauflösliches Restproblem bleibt ihm zuletzt nur das der Aufmerksamkeit übrig, der »Seele des Seelischen«. Aber auch in ihr sieht er nicht eine Tätigkeit im Sinne der Funktionspsychologie, sondern nur die psychische Energie im allgemeinen, eine Energie freilich eigener Art und Herkunft, dunkel und undurchdringlich. So schließt seine Psychologie mit einem Fragezeichen, und man könnte vielleicht sagen, daß sie über sich selbst hinausweise. Aber dieses Fragezeichen ist zugleich wieder ein Zeichen der Selbstkritik, die eine gefährliche Stelle der Theorie offen zugesteht. Der Psychologie des Fühlens und Wollens hat Erpmann kein besonderes Kapitel gewidmet. Auch in Vorlesungen pflegte er wenig darauf einzugehen. Dies hing aber sicher nicht an einer Gering- sehätzung des Emotionellen, sondern teils an der Schwierigkeit ob- Jjektiver Feststellungen in diesem Gebiete, teils aber auch gerade an einer besonders lebhaften Empfindung für das Hohe und Unberührbare der Individualität, die in dieser Seite des Seelenlebens .ihre stärksten Wurzeln hat. Immerhin lassen seine Bemerkungen über die Gefühls- und Willensvorgänge erkennen, daß sie ihm nicht absolut verschieden von denen des Denkens erscheinen, ‚wie er überhaupt scharfe Grenzen 48% 306 Öffentliche Sitzung vom 30, Juni 1921, zwischen den gewöhnlich unterschiedenen Klassen psychischer Zustände nicht anerkennt. Das Wollen ist ihm eine besondere Verknüpfung von Gefühlen mit Vorstellungen, das Fühlen selbst aber ein Ent- wieklungsprodukt aus letzten Elementen, die allem Bewußtseins- inhalt zugrunde liegen. Seine Ideen hierüber bewegen sich im all- gemeinen in den Linien der He£rBErT Spencerschen Entwicklungs- psychologie. R »Wissenschaftliche Hypothesen über Leib und Seele« nannte ErpxAann ein aus Vorlesungen für weitere Kreise entstandenes Buch, dessen Titel schon bezeugt, daß er auch an dieses alte Problem nicht dogmatisch-apriori, sondern auf dem Wege induktiver Hypothesen- bildung herantritt. Die Annahme einer Wechselwirkung zwischen Leib und Seele erscheint ihm mit der "Erhaltung der Energie unver- träglich, der Übergang von Bewegungen in Bewußtsein durch die mechanische Naturanschauung ausgeschlossen, ja überhaupt undenkbar, und so bekennt er sich zuletzt zur Hypothese eines bloßen Parallelis- mus zwischen Gehirnvorgängen und psychischen Zuständen, obgleich er das Gewicht der Schwierigkeiten nicht verkannt hat, die später seinen Schüler BEcHEr veranlaßten, zur entgegengesetzten Anschauung‘ zu- rückzukehren. Das Psychische, das er hierbei den Gehirnvorgängen durchgängig parallel setzt, besteht aber keineswegs nur aus den Be- wußtseinszuständen, sondern umfaßt sehr wesentlich auch jene, un- bewußten Residuen (die eigentlich nur insofern psychisch heißen, als sie eben nicht physisch sind und als sie in Bewußtseinszustände über- gehen können). Und nicht nur in der Hirnrinde, sondern allenthalben in der Welt hat jeder Vorgang zugleich eine physische und eine psychi- sche Seite, beide gleich reale Erscheinungsweisen eines und desselben Transzendenten, Absoluten. Dieses selbst ist unserer Erkenntnis ver- schlossen. Daher gebraucht Ernpwany für seine Lehre die Bezeichnung »absoluter Phänomenalismus«, versteht aber den Ausdruck nicht etwa im Sinne Macns, da ihm wie H. Spexcer die Realität eines dem Phy- sischen und Psychischen zugrunde liegenden transzendenten Wirkenden außer Frage steht. Darum nennt er seinen absoluten Phänomenalismus zugleich »dynamischen Realismus«, auch »phänomenologischen Dua- lismus auf monistischer Grundlage«. Den unklaren und überspannten Prätentionen des HÄcxer-Ostwarpschen Monismus ist er in einer Uni- versitäts-Festrede entgegengetreten. Weder die Lösung der Welträtsel noch das Weltglück schienen ihm so erreichbar. Dem allgemeinen Ent- wieklungsgedanken läßt er aber sein Recht. ja gerade durch diesen erscheint es ihm möglich, die jetzt auseinanderklaftenden Erscheinungs- gruppen im psychischen Leben auf gemeinsame Grundelemente wenig- stens hypothetisch zurückzuführen, ebenso wie er die Kategorien der ’ Gedächtnisreden 507 Erkenntnistheorie, die subjektiven Bedingungen möglicher Erfahrung, im Verlauf ungezählter Generationen entstanden denkt. Dem Entwicklungsgedanken gibt Erpmann auch in einer ethischen Betrachtung Ausdruck, die den Gegenstand eines der öffentlichen Vor- träge während des Krieges bildete. Die starre Formel des katego- rischen Imperativs scheint ihm nicht mehr unserm Pflichtbegriffe ent- sprechend, unmöglich aber auch die oft beliebte Herleitung sozialer aus egoistischen Trieben. Nur aus einem Zusammenwirken beider in unsrer Natur ursprünglich angelegter Richtungen glaubt er die mora- lischen Impulse und die besonderen geschichtlichen Formen des ethischen Bewußtseins zu verstehen. In einem andern gehaltreichen Vortrag ist er den philosophischen Grundlagen der materialistischen Geschichts- auffassung und des Marxismus nachgegangen. So war seine historische - Denkweise auch nach der Seite der praktischen Philosophie nicht ganz ohne Frucht. Von dem sittlichen Fortschritt der Menschheit im Großen ist er trotz der furchtbaren Gegenwart stets überzeugt geblieben. Erpmann war der Sohn eines Predigers der von WisLicenus ge- gründeten freien christlichen Gemeinschaft, und die Freunde des Vaters hatten gehofft, daß er ihn einmal ersetzen würde. Er hat auch als Jüngling öfters in ihren Versammlungen gesprochen, darin aber nicht seinen wahren Beruf gefunden. Wohl war er eine innerliche Natur und von großer Willensstärke, nach eigenen biographischen Notizen in seiner Jugend für Schiller begeistert und in seiner Lehrerzeit an der Realschule zu Seesen bemüht — wenn auch gegenüber der da- maligen Strömung vergeblich —, den Idealismus der Schüler zu wecken. Im Alter konnte man es den ausdrucksvollen Zügen seines scharf- geschnittenen Kopfes wohl ansehen, daß tiefe Bewegungen nicht bloß des Denkens daran gearbeitet hatten. Aber es widerstrebte ihm, seinem Innenleben freien Lauf zu lassen, und noch mehr, es in Worten an den Tag zu bringen. »Über solche Dinge spricht man nicht«, äußerte er gelegentlich zu einem jungen Freunde. Und so erschien ihm vor allem der transzendente Grund alles Empirischen, der sich jeder Vor- stellung entzieht, eben darum auch jedem Streit entrückt und völliger Freiheit des individuellen Fühlens anheimgegeben. Soll ich zusammenfassen, was mir als gemeinsamer Grundzug seines wissenschaftlichen Arbeitens mach der historischen wie der syste- Mmatischen Seite erscheint, so ist es doch auch wieder eine emotionelle, Ja eine ethische Eigenschaft: die Treue zum Gegebenen. Darin wurzelt die tiefschürfende Gründlichkeit der Quellenforschung und die Sauber- keit der Editionen ebenso wie die unermüdliche Analyse des psycho- logischen und logischen Tatbestandes, darin endlich auch die Vor- sicht bei allen über das Gegebene hinausgehenden Schritten. Er war 508 j Öffentliche Sitzung vom 30. Juni 1921 positivistischer als viele Positivisten; aber auch ein echter Schüler Kants, wenn dieser nicht »die hohen Türme, um die gemeiniglich viel Wind ist«, sondern das Tiefland der Erfahrung als sein Feld be- zeichnet. Er unterschätzte nicht, sondern betonte die Rolle der Phan- tasie im wissenschaftlichen Denken und würde gerne zugegeben haben, daß die psychischen Residuen mit ihrem ganzen Mechanismus auch ein Erzeugnis dieser Phantasie seien. Aber er gestattete ihr keine allzu weiten Flüge. Andere verlangen von der Philosophie gerade die freiesten, kühnsten Gedankenspiele. Darüber soll hier nicht gestritten werden. Denn die bleibenden Früchte seines Lebens und Wirkens sind unab- hängig von solchen Standpunktsfragen. Daß er der Königin der Wissen- schaften in unablässiger Arbeit bis zur letzten Stunde gedient, daß er das Erbe unserer größten deutschen Philosophen treu behütet und besserem Verständnis erschlossen, daß er bei aller Einzelforschung die Einheit alles Wissens und seine letzten Ziele fest im Auge behalten hat, dafür weiß ihm unsere Akademie als Verwalterin dieser hohen Güter un- vergänglichen Dank. h Gedächtnisrede des Herrn Fıc«k auf WıLHeLm Von WALDEYER-HARTZ!. Wie oft hat von dieser Stelle aus unser verewigter Meister der Anatomie W. v. Warpever-Hartz in den Festsitzungen bedeutsame An- sprachen gehalten, als Vorsitzender, als Berichterstatter oder bei der Antwort auf eine Antrittsrede. Heute fehlt er in unserer Runde am Leibniztag, wohl zum ersten Male seit 36 Jahren! Aber er soll doch auch heute unter uns weilen, im Geiste, wir wollen von ihm reden, wir wollen heute dankbar seiner gedenken, wollen davon sprechen, was er uns, was er der deutschen anatomischen Wissenschaft und der deutschen Ärztewelt und dem deutschen Ansehen im Ausland gewesen ist. Untersetzt von Gestalt — war er, das können wir dreist sagen, es ist keine Übertreibung —, ein Riese an Leistungsfähigkeit. Diese erstaunliche, urgesunde Arbeitskraft verdankte er nach seiner eigenen Überzeugung seiner Abkunft aus altem westfälischen Bauerngeschlecht, auf die er stolz war und stolz zu sein alle Ursache hatte. Über seine Familie und seinen eigenen Lebensgang hat er uns höchst dankenswerterweise selbst unterrichtet in seinen »Lebenserinnerungen«, deren Abschluß und Herausgabe für ihn noch die Erfüllung eines seiner letzten Wünsche bedeutete. Nur aus WALvevers Jugendwerde- gang läßt sich seine Laufbahn und Stellung in der medizinischen Welt recht verstehen. Folgen wir daher seinen eigenen Angaben: Wir hören, daß er am 6. Oktober 1836 im Dorfe Hehlen a. d. Weser im Braun- ' Siehe auch das Verzeichnis der Schriften von W.v. WaLpzver-Harız auf S. 534. Gedächtnisreden 509 schweigischen, wo sein Vater damals Öberverwalter eines Schulen- burgischen Gutes war, geboren wurde, schon bald darauf aber mit seinen Eltern auf das Haxruausensche Gut Abbenburg in Westfalen gekommen sei. WALDEYER erzählt uns von seinen katholischen väter- lichen und seinen evangelischen mütterlichen Vorfahren, beides offenbar kerngesunde, langlebige Geschlechter. Mit besonderer Wärme und Dankbarkeit spricht er von seinem mütterlichen Großvater, dem aus- gezeichneten Lehrer und Kantor WıLHELM GABRIEL von Hartz, der 42 Jahre in der Gemeinde Hehlen wirkte. Er ist es offenbar, von dem WirLHEeLM WALDEYER seine hervorragende Lehrgabe geerbt hat. In dank- barer ehrender Erinnerung an ihn erbat sich WALDEYER, als ihm 1916, an seinem 80. Geburtstag, der erbliche Adel verliehen wurde, die Auf- nahme des Namens v. Harrz in seinen eigenen. Den ersten Unter- richt erhielt er von seinem Großvater v. Hartz in Hehlen, später ging er bei Abbenburg in die benachbarte Dorfschule. Die Veranlassung zu seinem Übergang auf das Gymnasium ist sehr bemerkenswert: Auf einem Erntefest sagt Jung-WALDEYER, er war ıı Jahre alt, im Beisein der Gutsherrschaft ein längeres Gedicht auf, das macht auf,den Ma- Joratsherrn, den vielgereisten, kenntnisreichen Freiherrn Ausust v. HaxT- HAUSEN einen derartigen Eindruck, daß er dem Vater WALDEYERS zu- redet, den Jungen studieren zu lassen. Seinem Gymnasium in Paderborn, auf’ dem er hauptsächlich von katholischen Geistliehen unterrichtet wurde, bewahrte er ganz besondere Anhänglichkeit und Dankbarkeit. Schon in Paderborn pilegte er neben den Gymnasialarbeiten auch die Musik, für die er offenbar auch große Begabung besaß, in einem kleinen selbstgegründeten Gesangs-Quartett-Verein. Bis ins Alter hinein hat ihm die Musik viel Freude gebracht. Mit 20 Jahren bezog er froh- gemut die seiner Heimat nächstgelegene Hochschule Göttingen, mit der Absicht, Mathematiker zu werden. Durch zufällige Bekanntschaft ' mit einem jungen Mediziner hörte er von den fesselnden Vorlesungen des Anatomen J. Hexte, besuchte sie einige Male und wurde dadurch in seinem Entschluß, Mathematiker zu werden, schwankend gemacht. Bei den strengen Anforderungen, die er an seine eigenen Leistungen schon damals stellte, tauchten ihm Zweifel auf, ob er es in der Mathe- matik zu selbständiger Forscherarbeit bringen werde, und nach Be- ratung mit seinem verehrten Lehrer Professor Srerx entschloß er sich, zur Medizin überzugehen. Es ist kennzeichnend für die Einsicht der Eltern Warpevers, daß sie nach Anhörung seiner Gründe die » Um- sattelung« guthießen. Zwei Halbjahre verbrachte er noch in Göttingen als begeisterter Schüler Hrstes. Schweren Herzens mußte er es ver- lassen, um als Preuße auf einer preußischen Hochschule die erste medi- zinische. Prüfung abzulegen. Er wählte Greifswald. Dort studierte al ai een TA RE NR TE £ A NN N. ai 510 Öffentliche Sitzung vom 30. Juni 1921 er 5 Halbjahre, vor allem beim Anatomen und Physiologen Buner, von dessen Prosektor Sommer er viel zu anatomischen Arbeiten heran- gezogen wurde. Das letzte Jahr seiner Greifswalder Zeit war er schon Hilfsassistent an der Anatomie, in der er eine Dienstwohnung hatte und sich auch viel mit pathologischer Anatomie, deren Anstalt in gleichem Hause untergebracht war, beschäftigte. Damals reifte schon sein Entschluß, sich ganz der normalen Anato- mie zuzuwenden. Dazu fehlte ihm aber noch die Vertrautheit mit der Entwicklungsgeschichte, die er in Greifswald nieht erwerben konnte. Er entschloß sich, zu dem Zweck zu Reıcnerr nach Berlin zu gehen und dort dann auch die Doktor- und Staatsprüfung abzulegen, obwohl ihm Bupee zuredete, in Greifswald zu bleiben und sich später dort die Lehrbefugnis zu erwerben. In Berlin hörte Warpevyer auch den Chirurgen JüneKEn und Frericus und legte am 6. Juli 1856 seine Doktor- prüfung ab. Durch R. Vırcnows Assistenten E. Kress empfohlen, wurde er dann 1862 beim Physiologen v. WırricH in Königsberg Assistent. Dort oblagen ihm namentlich auch die pathologischen Leichenöffnungen und Untersuchungen, deren Leitung, mangels einer besonderen patho- logischen Anstalt und Lehrkraft, v. Wırrıcn mit übertragen waren. In Königsberg hielt Warpever bereits anatomische Kurse. Er erzählt uns, daß sein erster Kurs »genau dem alten Satze: Tres faciunt collegium entsprach«. Wie änderten sich für ihn die Zeiten! Nur 2 Jahre währte Warpevers Aufenthalt in Königsberg, die er aber zu den angenehmsten seines Lebens zählte und die für seine Zukunft höchst bedeutungs- voll wurden, da er hier seine spätere Gattin fand. Der Grund seines Fortganges von dort lag darin, daß damals in Königsberg ein Katholik nicht als Hochschullehrer angestellt werden konnte. So nahm er Ostern 1864 eine Assistentenstelle beim Physiologen Heıpennaın in Breslau an und erlangte noch im gleichen Jahre die Lehrbefugnis für Physiologie und pathologische Anatomie. ı Jahr darauf wurde er zum außerordentlichen Professor und 1867 zum ordent- lichen Professor der pathologischen Anatomie ernannt. In seinen Arbeiten war aber WALDEYER trotz seiner Tätigkeit in seinem Haupt- amt doch der normalen Anatomie nicht untreu geworden. So kam es, daß er im Jahre 1872, als nach der glücklichen Wiedergewinnung unseres Elsaß die alte deutsche Hochschule Straßburg erneuert wurde, Waroever als Professor für normale Anatomie dorthin berufen wurde. Das Vertrauen, das die kaiserliche Regierung in ihn gesetzt hatte, rechtfertigte er glänzend und konnte sich an dem raschen, mächtigen Aufblühen der Universität, zu dem er selbst so viel beitrug, von Herzen freuen. Er nennt die Straßburger Jahre die schönste Zeit seines Lebens. Gedächtnisreden 511 »In dem erhebenden Gefühl, « sagt er in seinen Erinnerungen, »mit- gewirkt zu haben an der Neuaufrichtung des Deutschen Reiches, an der Wiedergewinnung des echten deutschen Landes Elsaß und der Wiedererrichtung einer berühmten. deutschen Universität liegt etwas so Hohes und Befriedigendes, wie es durch nichts anderes gegeben werden kann. Wir alle, die wir damals berufen wurden mitzuhelfen und es in noch frischem, jugendlichen Alter mit voller Kraft tun konnten, sind zu beneiden.« EIf Jahre später, nachdem er ehrenvolle Rufe nach Wien, Bonn und München früher abgelehnt hatte, entschloß er sich dem nunmehr an ihn ergangenen Rufe nach Berlin zu folgen und trat hier die Stelle seines früheren Lehrers Reıcnerr an. Er führte sie, wie wir alle wissen, in vorbildlicher Weise bis zum 31. März 1917, wo er in voller körperlicher und geistiger Frische sie mir übergab. Gerade jetzt vor einem Jahre fingen leider die körperlichen Kräfte WALDEYERsS an, nachzulassen, die Herzbesehwerden nahmen ernstere Formen an, und es stellten sich im Winter auch Lähmungen mit ihren Folgeerscheinungen ein, wenn auch der Geist noch bis kurz vor seinem Tod vollkommen ungetrübt blieb. Dank der sorgsamen, aufopfernden Pflege einer seiner Töchter und einer Enkelin, die seine letzte Lebens- zeit verklärte, hielt seine starke Natur doch noch bis zum Anbruch des neuen Jahres aus, erst am 23. Januar dieses Jahres stellte das Herz den Dienst endgültig ein, und er beschloß sanft und ruhig sein arbeitsreiches Leben. Womit soll ich die Schilderung seiner erstaunlichen Lebensarbeit, seiner zahllosen Verdienste beginnen? Es ist unmöglich zu sagen, was etwa seine Hauptleistung gewesen wäre, auf so viel Gebieten hat er sich ausgezeichnet. An dieser Stelle läge es wohl nahe, zuerst von seiner Wirksamkeit in unserer Akademie zu sprechen, aber seine Stellung, sein Einfluß hier war doch letzten Endes begründet durch seine Leistungen in seinem Hauptberuf, als Anatom, und es scheint mir daher richtig, zuerst von ihnen ein Bild zu geben. In seine Königsberger und Breslauer Zeit fallen die Arbeiten Warvevers aus der pathologischen Anato- mie, von denen die über die Entwicklung des Krebses und die über Muskelveränderungen beim Typhus die bedeutendsten sind. R. Vırcnow sagte seinerzeit in der Akademie von ihnen, daß sie allein genügt haben würden, WALpEvEr dauernd einen ehrenvollen Platz in der Geschichte der Wissenschaft zu sichern. Noch über 20 Jahre wirkte die hohe Bewertung der damaligen pathologisch-anatomischen Arbeiten nach. Sie war die Veranlassung, daß WALpEvEr in jener alle Vater- landsfreunde in ängstlicher Spannung haltenden Zeit des kronprinz- lichen Krankenlagers nach San Remo gerufen wurde. Er sollte die 512 Öffentliche Sitzung vom 30. ‚uni 1921 Art des Leidens des kaiserlichen Dulders, die durch englische Machen- schaften verdunkelt wurde, einwandfrei anatomisch feststellen. Leider konnte er nur die schon längst von GrruArpr und Beremann klinisch erkannte krebsige Natur des Leidens bestätigen. Trotz der großen Erfolge auf’ dem (Gebiet der pathologischen Anatomie gehörte WALDEYERS Herz aber doch, wie früher bereits bemerkt schon seit seiner Studentenzeit. der normalen Anatomie. Unter WArDEvErs »normalanatomischen« Arbeiten steht sachlich an erster Stelle eine im Jahre 1870 erschienene Einzeldarstellung unter der anspruchslosen Überschrift: Eierstock und Ei. Es ist unstreitig seine wissenschaftlich bedeutendste Leistung. Sie hat so recht eigentlich den Grund zu seinem Ansehen als Forscher in der normalen Anatomie und Entwicklungsgeschichte gelegt. Kein Wunder! Nannte sie doch HEstLE »eine an neuen, überraschenden Tatsachen reiche Arbeit, die auch ungeahntes Licht auf den pathologischen Hermaphroditismus werfe«. WALDEYER wies darin nämlich u. a. nach, daß die Ausfuhrwege der Geschlechtsdrüsen beim Mann und Weib ursprünglich doppelge- schlechtlich angelegt sind. Auch der Physiologe Meissner räumt der Arbeit, wie er sagt, »eine ganz besonders hervorragende Stellung in der entwicklungsgeschichtlichen Literatur ein, sowohl wegen der Menge neuer Tatsachen als auch wegen der Art und Weise ihrer Verwertung«. Sie ist noch heute eine der Grundlagen unserer Kenntnisse und Be- zeichnungen auf diesem Gebiet. So wird es begreiflich, daß der bis- herige »pathologische Anatom« WAaLpEYEr als Professor der normalen Anatomie nach Straßburg berufen wurde. Von größeren auf eigenen Untersuchungen fußenden Einzelwerken schuf WALDEYEr außerdem die Abschnitte über die Zähne, den Hör- nerv und die Schnecke in Strickers Handbuch der Gewebelehre so- wie den über die Hornhaut, Lederhaut und Lider in GrRÄrFE-SÄNISCHS Handbuch und in Lasports Ophthalmologie, endlich den über die Ge- schlechtszellen in Hrrrwıss Handbuch der vergleichenden und experi- mentellen Entwicklungsgeschichte. All diese Darstellungen lassen fast auf ‚jeder Seite als Grundlage eigene Beobachtungen und peinliche Be- rücksichtigung der Vorarbeiten anderer, deren Zahl namentlich beim Abschnitt über die Geschlechtszellen eine ganz ungeheuerlich große ist, erkennen. Das größte Einzelwerk WALDEYERS, an dem er jahrelang arbeitete, war die »topographische Anatomie des Beckens« als Fort- setzung des Lehrbuchs der topographisch-chirurgischen Anatomie von JösseEL, seinem Straßburger Prosektor. Bei diesem Werk hat WALDEYER offenbar das Handbuch seines großen Meisters Henze als Vorbild vor- geschwebt, und wir müssen sagen, er hat hier seinen Lehrer an ein- gehender Genauigkeit und Gründlichkeit und durch Berücksichtigung Gedächtnisreden 513 der praktischen Bedürfnisse entschieden übertroffen. Grundlegend für alle Zeiten bleibt auch sein »Atlas der menschlichen und tierischen : Haare sowie der ähnlichen Fasergebilde«, wie Pflanzenfasern, Seide usw., der freilich von ihm in erster Linie für die Gerichtsärzte und die Land- wirtschafts-Wissenschaft bestimmt war und offenbar deshalb in anato- mischen Kreisen eigentlich viel zu wenig bekannt und gewürdigt wurde. . Über die Fülle der Einzelarbeiten, die wir WALpEvErR verdanken, die sich auf weit auseinanderliegende Gebiete der Anatomie erstrecken, kann ich hier natürlich nicht im einzelnen berichten. Ich möchte aber doch wenigstens einen kurzen Überblick über seine verschiedenen Ar- beitsgebiete geben: Zeitlich voran steht seine lateinische Doktorarbeit »Über das Schlüsselbein und seine Gelenke«. Man kann sie als grund- legend bezeichnen, insofern WaLpryer darin zum erstenmal eine wirklich genaue Beschreibung der Kapsel des Brustschlüsselbeingelenkes gibt. In den Königsberger. und Breslauer Jahren sehen wir ihn hauptsäch- lich mit mikroskopischen Fragen beschäftigt, und zwar vor allem mit den Nervenenden der Bewegungs- und Gefühlsnerven und mit den Sinnesorganen. Er verschaffte uns neue wichtige Kenntnisse über die von ihm sogenannten »motorischen Endplatten« in den Muskelfasern, ferner über den Bau und die Entwicklung der Zähne, die er auch seiner Darstellung in Srrıckers Handbuch der Gewebelehre zugrunde legte. Er entdeckte damals viele Eigentümlichkeiten im Bau der Zähne und stellte z. B. den Anteil des Kieferepithels an der Schmelzbildung und des Bindegewebes an der Zahnbein- und Zemententstehung schon im wesentlichen so fest, wie sie noch heute gelehrt werden. In diesen Arbeiten prägte er auch schon die noch jetzt herrschenden Aus- drücke »Schmelzkeim«, »Schmelzleiste«, »Schmelzorgan«, »Schmelz- pulpa« usw. Wichtig waren auch seine Untersuchungen der Bindegewebs- zellen, die ihn zur Aufstellung des Begriffs der » Plasmazellen« führten. Auch seine zahlreichen entwicklungsgeschichtlichen Arbeiten liegen meist auf mikroskopischem Gebiet. Schon in HemenxuAmss An- stalt gab er eine belangreiche Schilderung einer ganz jungen mensch- lichen Frucht. Später arbeitete er über den Zentralkanal des Rücken- markes, die Zwerchfellbildung im Zusammenhang mit den Zwerch- fellbrüchen und über den Mutterkuchen bei Affen und beim Menschen. Auch die Verhältnisse bei der Bauchhöhlenschwangerschaft fanden von ihm eine Beschreibung: Auf dem Gebiet der gewöhnlichen beschreibenden Anatomie verdanken wir WALDEYER außer seiner Doktorarbeit über die Schlüssel- beingelenke eine Vertiefung unserer Kenntnisse über die Hodenanhänge, die Luftröhrenverzweigung, die Harnleiter, die Harnröhre und über die innere Magenoberfläche, wo er die nach ihm benannte »Magen- s 514 Öffentliche Sitzung vom 30. Juni 1921 straße« uns kennen lehrte, von der namentlich von den Praktikern heute viel gesprochen wird. Gern beschäftigte er sich auch mit den 6, Abarten an den Knochen. ee: Zahlreich sind Warpeyers Arbeiten über die Lageverhältnisse verschiedener Körperteile, vor allem der weiblichen Beckenorgane, auch im schwangeren Zustand, die er an Gefrierschnitten genauestens untersuchte. Auch über die Lagebeziehungen des Gehirns und der Wirbelarterie und des Grimmdarmes besitzen wir schätzenswerte Unter- suchungen von ihm. Reiche Ausbeute in anatomischer und anthropologischer Hin- sicht lieferte seine Untersuchung der Berliner Rassenschädel- und Rassen- gehirnsammlung sowie der Knochen, Eingeweide und des Nerven- systems der Menschenaffen. (orillarückenmark, Gibbonhirn. Magen der Manatusrobbe fanden eingehende vergleichend-anatomische Durcharbeitung. Diese vergleichenden Studien an Menschenrassen und Tieren brachte er namentlich auch den anthropologischen Kreisen nahe und schuf sich dadurch auch bei ihnen eine führende Stellung. | Dieser kurze Überblick zeigt, wie WaALpEvErs Arbeiten fast alle Teile der Anatomie befruchteten, wie er allen Teilen gleicherweise gerecht: wurde und auf allen Gebieten eigene Erfahrungen sammelte. Dadurch war er wie kein anderer imstande, die verschiedensten Ge- biete der Anatomie ganz zu übersehen und zu beherrschen. Er besaß nun aber auch die Gabe, anderen eine klare Übersicht über ein ganzes Fragengebiet zu übermitteln. Dieser hervorragenden Gabe verdanken wir seine berühmten zusammenfassenden Aufsätze, die zum Teil auch in fremde Sprachen übersetzt werden mußten. Scharfe Umrisse, vorurteilslose Beurteilung der Streitpunkte, streng logische Gliederung, einfache, klare Sprache in der Behandlung auch verwickelter Fragen machten diese Übersichten, die WALDEYER zum Teil in anatomischen, zum Teil aber auch in ärztlichen Zeitschriften erscheinen ließ, zu einem vorbildlichen Lehrmittel auch weiterer medizinischer Kreise. Sicher hat er sich durch sie ein besonders großes Verdienst um die Verbreitung der Ergebnisse anatomischer Forschung weit über den Kreis seiner eigentlichen Hörer hinaus erworben. Die Keimblattfragen, die Zellteilungs-, Befruchtungs- und Vererbungslehre, die neueren Nervenforschungen und andere wichtige Abschnitte wurden so dem allgemeinen medizinischen Verständnis nähergebracht. Der Verbreitung anatomischer Kenntnisse bereitete er auch in groß- zügiger Weise den Weg durch seine umsichtige und auch den jüngern Forschern möglichst entgegenkommende Herausgebertätigkeit bei meh- reren großen anatomischen Zeitschriften und anatomischen Jahresbe- richten. So erschienen unter seiner 45 Jahre währenden Leitung nicht En hi N a N Ir, a | I WERT 2ER ET a A Ni . u Gödächtnisreden 315 weniger wie 83 Bände des » Archiv für mikroskopische Anatomie«. Seit 1903 war er auch Herausgeber (ler Vırcnow-Hısschschen »Jahres- berichte über die‘Leistungen und Fortschritte in der gesamten Medizin « und von 1904 an Herausgeber der anatomischen Abteilung des alt- ehrwürdigen von Reır. und AUTHENRIET gegründeten, von Jon. MÜLLER und Hıs fortgeführten Archivs für Anatomie und Physiologie. O. Herrwıs _ hebt in seinem Nachruf, den er als Mitherausgeber dem jüngsten Band des Mikroskopischen Archivs vorausschickte, ausdrücklich die großen Ver- dienste WALnEYERS um die Gewinnung der Gelehrten für die Zeitschrift hervor. Meisterhaft verstand er es auch, als Herausgeber die Wünsche der Gelehrten bei ext und Tafelgestaltung mit den oft entgegen- stehenden Anschauungen und Forderungen der Verleger in Einklang zu bringen. WALDEyEr war auch Mitarbeiter im Ausschuß zur Vereinfachung der anatomischen Namengebung, der von der anatomischen Gesellschaft eingesetzt wurde, um dem Wirrwarr der Namen zu steuern. Hier war er der rechte Mann am rechten Platz, da er eine große Lehrerfahrung mit einem besonders feinen Gefühl für das Bedürfnis und die Zweck- mäßigkeit der einzelnen Bezeichnungen verband, zeigte WALprver doch auch in der Neuprägung treffender, zweckmäßiger Fachausdrücke ein merkwürdiges Geschick. Diese Warpeyerschen Bezeichnungen haben ‚sich zum Teil die Welt erobert: wie »Chromosomen« für die färbbaren Kernschleifen und »Neuron« für die ganze Nerveneinheit, d.h. die Nervenzelle und die von ihr ausgehende Faser mit ihren Verzweigungen und Enden. In der Lageanatomie führte er die Begriffe der Holotopie, Syntopie und Skeletopie ein. So große Freude er an der Prägung und dem Gebrauch griechischer Namen für neue anatomische Begriffe hatte, so wenig redete er aber etwa dem heutzutage so verbreiteten medizinischen Kauderwelsch das Wort. In seinen Lebenserinnerungen vermied er getlissentlich über- tlüssige Fremdwörter und hob mit besonderer Wärme die großen Ver- (dienste des Allgemeinen Deutschen Sprachvereins hervor, dessen Vor- stand er bis zu seinem "Tode angehörte. Höchst bedeutsam sind bei einem Manne von Warvevers Erfahrung natürlich auch seine Äußerungen über den anatomischen und den Universitätsunterricht im allgemeinen, die er an verschiedenen Stellen, so auch noch zuletzt in seinen Lebenserinnerungen veröflent- lichte. Mit großem Nachdruck tritt er für die Erhaltung der alten »Universitas litterarum« ein und spricht sich gegen die Aufnahme immer neuer medizinischer Senderfächer in die ärztliche Prüfung aus. Die Bedeutung unseres Meisters WArDEYER liegt aber durchaus nicht nur in dem großen Wert und der ungeheuren Fülle seiner Ver- E N £ Sr AA» reg Bl ET, . 29 Re a TEEN 3 E 516 Öffentliche Sitzung vom 30. Juni 1921 öffentlichungen, deren Zahl gegen 270 beträgt, sondern vielleicht mehr noch in seinem Wirken als Lehrer und Anstaltsleiter und nicht zuletzt, wie die Herren unseres Kreises am: besten wissen, in seinem Wirken als Akademiker in der Akademie selbst und nach außen hin. Wenn ich auch selbst nieht als Schüler zu seinen Füßen gesessen habe, so weiß ich es doch nicht nur aus den begeisterten Schilderungen seiner früheren Schüler und Assistenten, die bei Gelegenheit seiner fest- lichen Erinnerungstage und bei seinem Tode veröffentlicht wurden, sondern auch aus unmittelbaren Erzählungen schon seit langen Jahren, ein wie glänzender Lehrer er war. Allgemein wurde von seinen Hörern die gewissenhafte Vorbereitung, die gediegene Gründlichkeit und Klar- heit seiner Darstellung, die wir ja auch in seinen Schriften finden und - die Meisterschaft in der Ausführung der den Vortrag begleitenden Zeichnungen an der Tafel gerühmt. Seine Vorlesungen gehörten immer zu den am fleißigsten besuchten. Auch bei den praktischen Übungen wird die strenge Gewissenhaftigkeit seines Unterrichtes, auf die gerade bei der Einführung der jungen Mediziner entschieden sehr großes Ge- wicht zu legen ist, weil ihnen einst Gesundheit und Leben ihrer Mit- menschen anvertraut wird, von allen seinen Schülern gerühmt. Seine eigene Gewissenhaftigkeit und nimmermüder Fleiß war ihnen stets ein leuchtendes Vorbild. Geradezu glänzend war seine Gabe als Schöpfer neuer Ein- richtungen. Das bewies er schon in jungen Jahren, als er in Breslau . aus einer Mietswohnung unter abenteuerlichen Umständen, wie er uns \n seinen Erinnerungen erzählt, eine pathologisch-anatomische Anstalt zu schaffen verstand, und in seinem geliebten Straßburg, wo er mit seinem Freunde v. REckLinGHAUSEN eine für die damaligen örtlichen und persönlichen Verhältnisse ganz vortreffliche Zwillingsanstalt er- richtete. Und vollends hier in Berlin bemeisterte er im wahren Sinne des Wortes die schwierigsten Verhältnisse. Durch dreimalige bau- liche Eingriffe gelang es ihm, die hiesige anatomische Anstalt, die sich bei seiner Hierherberufung als vollkommen »verbaut« erwies, doch allmählich in vieler Hinsicht zu einer Musteranstalt umgeschaffen, wahrlich ein Meisterwerk unter den obwaltenden Schwierigkeiten. Ich erinnere mich noch lebhaft unseres allgemeinen Staunens, als wir auf der Anatomenversammlung nach dem Umbau die luft- und lichtdurch- fluteten Präpariersäle im Dachgeschoß der Anatomie betraten, während wir alle gewohnt waren, die Arbeiten an der Leiche in oft etwas dunkeln Erdgeschossen verrichten zu müssen. Und wie wurden mit Recht auch die neuen zweckmäßigen Räume für die Leichenzurichtung im Kellergeschoß bewundert! Wie wohldurehdacht und mit welcher Mühe dem vorhandenen Mißbau abgerungen oder neu zugefügt viele REN“ &, $ Gedächtnisreden 917 Anstaltseinrichtungen sind, und wie Warnevers Schaffungsgabe und Ordnungssinn als Vorstand alle Räume und Einrichtungen erfüllt, das wird der flüchtige Besucher aber natürlich gar nicht gewahr, das kann nur der voll würdigen, der schon in einer größeren Zahl anderer Ana- tomien länger gearbeitet hat und als Nachfolger täglich auf die Ein- richtungen angewiesen ist. Fast unbegreiflich scheint es, daß War- DEYER bei seiner unendlich vielseitigen Tätigkeit doch noch sogar die Zeit fand, mit eigener Hand, mit seiner schönen, klaren, leserlichen Handschrift, zur Freude aller Benutzer, die Verzeichnisse der Samm- lungs- und Einrichtungsgegenstände zu führen, eine Arbeit, die in fast allen anderen Anstalten den Prosektoren oder Assistenten überlassen wird. Eime äußerst zweckmäßige Einrichtung schuf WArpeyer auch ‚ beim Präparierunterricht durch die Einführung einer größeren Zahl von Prüfungen, der sogenannten »Abgaben« im Verlaufe der Her- stellung eines Präparates. Nur so ist es möglich, den »Massenbetrieb« in der Hand zu behalten. Selbstverständlich gliederte ich auch diese Einriehtung in meine, Betriebsart ein und baute auf ihr weiter. Die Kunst Warnevers, auch bei »Großbetrieb« doch den einzelnen zu seinem Reeht kommen zu lassen und persönliche Fühlung mit dem einzelnen zu gewinnen, bewährte sich auch auf unseren Anatomen- versammlungen glänzend. Für jede der vielen Vorweisungen, auch die der jüngsten Kollegen, zeigte er eingehendes Interesse, hatte er nicht bloß nichtssagende Höflichkeitsworte. Ein Lob aus seinem Munde hatte daher wirklichen Wert und wurde manchem jungen Anatomen zu einem ausschlaggebenden Ansporn und wichtiger Ermutigung. Un- übertrefflich war er als Versammlungsleiter. Mit bewundernswerter Gewandtheit wußte er auch schwierigere Aussprachen, die in ein hitziges Fahrwasser zu ‚geraten drohten, durch gerechte, vollkommen unparteiliche, milde, versöhnliche Lenkung zu ersprießlichem Ende zu bringen. Über 30 Jahre führte er als Vorstandsmitglied und seit ıgrı als »Ehrenvorsitzender« die Anatomische Gesellschaft, die er mit- gegründet hatte und ‘die das Vorbild der später entstandenen englischen und französischen war. Nur ein einziges Mal blieb er der Jahresver- sammlung fern. Er war aber nicht nur unser Ehrenvorsitzender, sondern seit Körrıkers Tod unstreitig immer der Mittelpunkt, das geistige und gesellige Haupt unserer Versammlungen. Durch die anato- ‚nische Gesellschaft, der auch sehr viele Ausländer als Mitglieder an- gehörten, von denen zwei, Hr. Kollege Nıcoras in Nanzig, später in Paris, und Ronmıtı in Pisa, sogar im Vorstand saßen, knüpfte Warpever viele.Beziehungen zu den Gelehrten des Auslandes an. Dadurch war er bei seiner hervorragenden Gabe, wissenschaftliche Sitzungen zu leiten, 518 Öffentliche Sitzung vom 30. Juni 1921 wie geschaffen zum Vertreter deutscher Wissenschaft auf wiche staatlichen Versammlungen. Wuarpever war eben auch keineswegs nur Fachgelehrter mit engem Gesichtskreis, sondern interessierte sich auch für wissenschaftliche _ Fragen, die der Anatomie fernliegen. Das kam u. a. zu beredtem Ausdruck in seiner Festrede am Friedrichstag vor 24 Jahren, wo er als neuerwählter Sekretar einen trefflichen Überblick gab über die wesentlichsten Errungenschaften der verschiedensten Zweige der Wissen- schaft in den letzten Jahrhunderten. Das Leben in der Akademie, der anregende Verkehr mit Kollegen der verschiedensten Fächer, die Verknüpfung der dort zusammenlaufenden Fäden der wissenschaft- lichen Gesellschaften der ganzen Welt, das Arbeiten in den Aus- schüssen der Akademie, das war so ganz das Wirkungsfeld für ihn, in das er paßte, wie wenige andere. Im Jahre 1884, schon ein halbes Jahr nach seiner Berufung hierher, wurde er in unsere Körperschaft gewählt und trat nach dem Tode Reıcnerrs gleich in die anatomische Fachstelle der Akademie ein. Im Frühjahre 1896, nach Ems pu REymonns Tode, traf ihn die Wahl zum ständigen Sekretar in der mathematisch- physikalischen Klasse und dieser Stellung blieb erbiszum September 1919, also 23 Jahre, fast bis zur Vollendung seines 83. Lebensjahres treu. Im ganzen erfreute sich die Akademie seiner außerordentlich regen wertvollen Mitarbeit 37 Jahre lang. Außer den regelmäßigen Vor- trägen überließ er ihr auch wichtige Arbeiten zur Veröffentlichung, darunter die Untersuchung über die Bindegewebezellen und über das Gorillarückenmark. Eine besonders ehrenvolle Aufgabe wurde WALDEYER zuteil durch die Wahl zu einem der beiden ständigen Abgeordneten | bei der zwischenstaatlichen Vereinigung der Akademien, an deren Gründung er wesentliche Verdienste hatte. k Auch zu den großen Welttagungen der Mediziner wurde WALDEYER als Vertreter der reichsdeutschen Mediziner u.a. nach Madrid, Paris, London, Petersburg, Rom und Moskau abgeordnet. Bei der 5ojährigen Stiftungsfeier der rumänischen Universität in Jassy und bei der 200-Jahr- Feier der Yale-Universität in Neuhafen (Newhaven, Amerika) hatte er die Glückwünsche der Berliner Universität zu überbringen, und bei der Weltausstellung in Saint Louis (1904) hatte er im Auftrage der Reichs- regierung die deutsche Unterrichtsabteilung der medizinischen Aus- stellung zu überwachen. Dort wurde ihm auch der Vorsitz im Aus- schuß für die Preisverteilung der ganzen Unterrichtsabteilung der Aus- stellung übertragen. All diese bedeutsamen und zum Teil recht heiklen Aufgaben löste er dank seiner großen Erfahrung und seiner eindrucks- vollen und dabei gewinnenden liebenswürdigen Persönlichkeit in vorbildlicher Weise und erwarb sich dadurch außerordentliche Ver- Gedächtnisreden 519 dienste um die Hebung des Ansehens der deutschen Wissenschaft im Ausland. z Welche Hochsehätzung er in aller Welt genoß, zeigten die zahl- reichen Ehrenmitgliedschaften, die ihm von wissenschaftlichen Gesell- schaften allerwärts zuerkannt wurden, so in Bologna, Brüssel, Christiania, Göttingen, Helsingfors, Kasan, London, München, Moskau, Ofenpest, Paris, Petersburg, Philadelphia, Tunis, Uppsala, Wien u.a. Daß ihm "auch staatliche Ehrungen in reicher Fülle zuteil wurden, ist selbstver- ständlich. Am höchsten schätzte er unter ihnen die Berufung ins preußi- sehe Herrenhaus. In der medizinischen Fakultät und Universität wurden ihm die höchsten Vertrauensstellen, das Dekanat und das Rektorat über- tragen, sein Rat war überall gesucht und hoch gewertet. . Das Gewinnende in Warpevers Persönlichkeit lag sicher zum großen Teil in seiner Kunst, sich in die zu ihm in Beziehung tretenden Menschen einfühlen, sie verstehen zu können und ihnen wirkliche An- teilnahme an ihren. eigenen Interessen zu zeigen. Diesem Interesse und Verständnis für die Persönlichkeiten seiner Umgebung verdanken wir offenbar auch die auffallend große Zahl von Nachrufen oder eingehenden persönlichen Würdigungen, die über 30 beträgt. — Die letzte Lebensschilderung, die wir aus seiner Feder be- sitzen, war die seines eigenen langen, an Erfolgen so reichen Lebens. In diesen seinen Lebenserinnerungen offenbart er uns unbeabsichtigt seine ganze Art, sein ganzesWesen mit einer solchen Naturwahrheit und Klar- heit, wie wir es selten in eigenen Lebensschilderungen finden. Jeder, auch einer, der WALDEYER persönlich nicht gekannt hat, muß sich nach dieser Selbstschilderung ein vollkommen zutreffendes Bild von seiner Eigenart machen können. Seine Schreibweise darin ist so natürlich und einfach, ohne jede Gespreiztheit und Ruhmredigkeit, wie er selbst im Leben war, - wie wir es an ihm, dem weltberühmten und doch so bescheidenen Mann, so hochgeschätzt haben. Ein glückliches Leben war ihm beschieden: Glückliche geistige und körperliche Eigenschaften waren in ihm vereinigt. Seine heitere milde schmiegsame Geimütsart vermied jeden schroffen Kampf und fand in mancher für andere Menschen aufregenden Lage einen ruhigen Ausweg. Schwierige persönliche Verhältnisse, die sich ihm in den Weg zu legen drohten, wie in Breslau, wo es galt, die klinischen Leichenöffnungen für seine Anstalt zu gewinnen, in Straßburg, wo Reibungen mit den städtischen Behörden unvermeidlich schienen, und hier in Berlin gegen- über Reıcnert und in manchen anderen Fällen wußte er durch seine kluge und liebenswürdige Art glänzend zu meistern. Seine innere Ruhe, die sich in seiner bis zuletzt so klaren, schönen Handschrift wider- spiegelte, ließ ihm Zeit, unzählige Angelegenheiten in Ruhe, eine nach der Sitzungsberichte 1921. 49 520 Öffentliche Sitzung vom 30. Juni 1921 anderen, zu erledigen. Seine Nerven ertrugen die größte Belastung, ohne überhaupt das Gefühl der Anspannung bei ihm auszulösen. Auch bei größter geistiger Beanspruchung konnte er sich den Freuden der Tafel und Geselligkeit bis tief in die Nacht hingeben, ohne dadurch am nächsten Tag im geringsten an Leistungsfähigkeit einzubüßen, eine beneidenswert starke Natur! Bis ins höchste Alter blieb ihm seine nie erlahmende Arbeitskraft erhalten. Noch als sein Ende herannahte und der Tod schon mit seinem starken Körper kämpfte, war 'er sich der eigenen Stärke bewußt und sah dem letzten Kampf, der sich wochenlang hinzog, mit abgeklärter Ruhe entgegen. Wie von einer höheren Warte aus traf er alle seine Anordnungen für den Eintritt seines Todes, ja selbst über seinen letzten Weg sprach er ohne Scheu vor den Grauen des Todes. Am 6. Dezember 1920 verfügte er noch- mals schriftlich über seinen Körper, nachdem er mir schon früher mündlich seine Wünsche geäußert. Seine Worte sind ein so hehres Zeichen dafür, wie ernst es ihm mit der anatomischen Forschung war und wie er ihr bis über den Tod hinaus die Treue bewahrte, daß ich nicht umhin kann, sie hier wiederzugeben: »Ich habe den Wunsch, daß nach meinem Tode mein Schädel und mein Gehirn an der Stätte meiner langjährigen Wirksamkeit aufbewahrt bleibt. Nicht etwa aus einem Gefühl persönlicher Eitelkeit, als ob etwas besonderes daran ge- legen sei, sondern um als Anatom, der so viele Gehirne und Schädel anderer Menschen untersucht hat, ein gutes Beispiel zu geben, denn es hat immerhin einen gewissen Wert, eine recht große Menge von Gehirnen gut bekannter Persönlichkeiten zu untersuchen, und das Beispiel von Gustav Rerzıs soll nachgeahmt werden. Auch wünschte ich, daß die Skelette meiner beiden Hände in der Anatomie aufbewahrt würden, wegen der Verschiedenheit zwischen meiner reehten und linken Hand, die ich auf die viele Schreibarbeit der rechten Hand zurückführe.... Es ist mein letzter Wunsch, daß dann von der Anatomie! aus in aller Stille, nur in Begleitung der Familienmitglieder, die Beisetzung meines: Leich- nams in Birkenwerder an der Seite meiner verstorbenen Gattin erfolge. « Nun ist der Meister geschieden und hat aus seinem geliebten Hörsaal heraus den letzten Weg beschritten. Sein Leben ist erloschen, aber seine Werke überdauern den Körper. Seine Leistungen als For- scher und Schriftsteller siehern ihm nieht nur in der Anatomie, sondern auch in der gesamten Heilkunde dauernd einen Ehrenplatz. Seine ganz einzigartige Persönlichkeit als Lehrer, als Versammlunsgsleiter, als Kollege und Gesellschafter wird von allen, die das Glückshatten, ihn persönlich zu kennen, in dankbarster und angenehmster Erinnerung fortleben. In un- ' in deren großem Hörsaal nach früherer Verabredung mit ihm eine einfache Totenfeier stattfinden sollte (R. Fıck). Gedächtnisreden 521 serer Akademie aber, der, wie der Universität, sowohl seine wissenschaft- lichen Leistungen als auch seine Wirksamkeit als Persönlichkeit zugute kam, nahm Warpever eine.so angesehene und maßgebende Vertrauens- stellung ein, wie sie gewiß nur wenigen Akademikern jemals beschieden war, und sein Verlust hat uns daher besonders schwer betroffen. Auch in ferner Zukunft, wenn wir alle, seine Zeitgenossen, längst nicht mehr sein werden, soll und wird WaLpevers besonders hervorragende Stellung und Wirksamkeit in der Akademie niemals vergessen werden können. Gedächtnisrede des Hrn: Rorrae:auf Heınrıca Morr. Das letzte unserer entschlafenen Mitglieder, dessen wir heute denken, Heıserca Morr, hat der Akademie noch kein Decennium an- . gehört. Vor ıo Jahren, am Leibniztage 1911, hielt er uns seine Antrittsrede, und schweres Leiden hat ihn schon seit geraumer Zeit unserer Arbeit und Gesellschaft entzogen. Aber nicht die Zahl der Jahre bestimmt, was uns Mensch und Forscher bedeutet. Hr. Dirıs begrüßte damals den Neueingetretenen als einen Bekenner der Vita activa, und die gesunde derbe ‘Lebenskraft, die dieser stämmige gedrungene Alemanne ausatmete, wird um so zwingender in unserm Gedächtnis dauern, als sie höchst reizvoll veredelt ward durch einen geist- reichen Hauch von fast französischer Anmut, den er der Bernischen Her- kunft wie der zweiten Heimat seiner Wissenschaft, der romanischen Geistesart, dankte. Er steht heute noch lebensfrisch vor unserm Auge, wie er uns eine berühmte Stelle Dantes mit zartem Verständnis deutete, wie er in sicherer Interpretation die Voraussetzungen der provenzalischen Schriftsprache von alten Mißverständnissen reinigte, wie er uns durch überraschende Etymologien erfreute, wie er, mit einem mittelalterlichen Geschichtehen beginnend und in ein altes Scherzwort ausmündend, vom modernen Sprachatlas zurück bis zu den uralten Grenzen keltischer Völkerschaften uns geleitete, mit leichter Händ den strengen Errist der Forschung in die fesselnde Form des Essais kleidend, die den Reiz des Bonmots, der Anekdote, der spannenden Steigerung nicht verschmähte. Heısrıch Morr, der Sohn eines geschätzten Schweizer Pädagogen und selbst kurze Zeit Oberlehrer, hat gerne auch als Universitäts- lehrer pädagogischen Gesichtspunkten ihr Recht gegeben, ohne je der Schulmeisterei zu verfallen. Schon sehr früh hat er die beiden Haupt- gebiete seiner wissenschaftlichen Arbeit herausgehoben, das Studium der modernen Mundart als beste Schule sprachlicher Erkenntnis, und die Pflege der neueren französischen Literatur als den besten Schlüssel zum Verständnis des geistig so reichen Nachbarvolkes: da sah er 49* Dt! 22 Öffentliche Sitzung vom 30, Juni 1921 die Aufgaben, die das Leben dem romanischen Philologen dringlich stelle. Er wollte eine ‘angewandte Philologie’ für nahe Lebensziele treiben, ohne doch den Wert der reinen Erkenntnis zu schmälern: er wußte, daß er auch ihr diene, wenn er dem fordernden Leben diente. Örtliche Bedürfnisse brachten es mit sich, daß in Bern, wo sein Lehr- amt einsetzte, die Sprache, in Zürich die Literatur für ihn in den Vordergrund trat. Daß der rechte Philologe zugleich Linguist und Literarhistoriker sein und daß ein einseitiger Betrieb nur der neueren Literatur zur ästhetischen Verflachung führen müsse, das hat er stets betont, obgleich diese Doppelseitigkeit an den Vertreter aller romanischen Sprachen und Literaturen ganz andere Anforderungen stellt als etwa an den deutschen Philologen. der wahrlich kein Recht hat, sich auf ein paar Jahrzehnte oder auch Jahrhunderte neuerer deutscher = Literatur bequem und eng zu beschränken. Der Schüler von GasTon - Pırıs war im Altfranzösischen vortrefflich zu Hause: das Rolandslied, die Trojadiehtung des Mittelalters, die Pilgerfahrt Karls des Großen, deren halb ernstes, halb heiteres Gesicht ihn besonders anzog, Aus- läufer der Tristansage haben ihn beschäftigt; er hat gern und mit Finder- glück in Bibliotheken die Handschriften durchstöbert und auf einer spanischen Studienreise die moderne Volksart sogar über den staubigen Bibliotheksschätzen vernachlässigt, aus denen er einen Text der Aljamia, maurische Strophen in arabischer Schrift, aber spanischer Sprache herausgab. Und doch: ein kritischer Philologe, wie es AnoLr TOBLER auf Lacnmanns und Haurrs Bahnen geworden war, ist Morr nie gewesen; er hat die Bedeutung und das Können der Textkritik unzweifelhaft unterschätzt; er mißtraute den Stammbäumen der Handschriften und allen sprachlichen, metrischen, sagengeschichtlichen Construetionen mehr als billig; er sah das Heil zu ausschließlich in der allverstehenden Inter- pretation. Und seinen umfassenden Drang nach weiter Umschau duldete es nicht bei jener zähen, unermüdlichen, entsagenden Versenkung in das Einzelwerk, wie die strenge kritische Textgestaltung sie verlangt; er legte auch tiefe Erkenntnis lieber im gestaltenden Aufsatz nieder, und seine entscheidenden Leistungen waren geschichtliche Darstellungen, die den Blick bei liebevoller, durchsichtiger, knapper Formung der Einzelgestalten (loch überall in die Weite der Weltliteratur schweifen ließen. Die großangelegte Literaturgeschichte der Romania, die Morr in der “Öultur der Gegenwart niederlegte, hat etwas Imponie- rendes. Er übersclhıaute wirklich das Ganze, er brachte wirklich Dantes Idee eines romanischen Gesamtgefühls zur vollen Geltung, und über den weltgeschichtlichen Grundzügen kommt doch das rhätische und rumänische Kleinleben nicht zu kurz. Mit bewundernswerter Klarheit erhebt sich über dem mittetalterlichen Frankreich das Italien Ba Gedächtnisreden 523 des neuen Lebens und der Wiedergeburt, über das dann in eigen- tümlicher Größe Spaniens kurze aber stolze Blüte hinauswächst, um wieder dem Frankreich des Classieismus und der Aufklärung in der geistigen Vorherrschaft Platz zu machen. Aus dem Mittelalter gibt Morr freilich nur Skizzen von fast epigrammatischer Kürze: das geistliche und das feudal-höfische Leben liegt seiner weltlich-bürger- liehen Art nur wenig. Wenn man neuerdings, weit übertreibend, Franz von Assisi und Savonarola zu geistigen Vätern und Führern der Renaissance hat stempeln wollen, so lehnt Morr das schweigend ab; Chrestien von Troyes bekommt nicht viel mehr Zeilen als Vietor Hugo Seiten: der neuprovenzalische Liebesdichter, Frederi Mistral, übrigens ein Liebling Morrs, nimmt bei ihm ungefähr ebenso viel Raum ein wie die ganze glänzende Lyrik der 'Troubadours; und das stolze Gebäude der Chansons de Geste betritt er nur zu hastigem Besuch, seit ihm Bevier die Grundlagen verdächtig gemacht hat, auf denen GAsTon Parıs und Pıo Ra,na einst bauten. Die großen Persönlichkeiten kommen freilich in aller Kürze zu ihrem Recht: in Ehrfurcht huldigt er Dante; er schätzt die ungeheure Schulwirkung Petrarcas; Ariost, der den deutschen Helden, die französische Epik, die italienische Kunst zu köstlicher Einheit verschmelzt, ist ihm besonders ans Herz gewachsen ; Cervantes’ sorgloser Genialität, die Erstarrtes überwindet und zugleich neu belebt, bringt auch er das romantische Verständnis entgegen, das gerade wir Deutschen für den armen stolzen llidalgo hegen — fast auffällig bei Morrs ganz unsentimentaler Art: in Lopg preist er die unerhörte Fruchtbarkeit einer begnadeten Natur, während ihm bei der bewußt kunstvollen Bigotterie Calderons nieht warm wird. Und je weiter er zeitlich fortschreitet, um so mehr wächst die Darstellung an Fülle und Breite, zumal seit 1850: wie geduldig verweilt er bei Renan, Taine, Brunetiere, und selbst für Emile Faguet findet er Platz in einer Literaturgeschichte, die z. B. Robert de Borron und Guiot von Provins nicht einmal nennt, Guiot, der nach der These eines Morrschen Schülers der Dichter des größten französischen Percevalepos gewesen wäre. Ich empfinde da doch ein Mißverhältnis. Aber hier bestimmte ihn wohl sein Grundsatz, daß der 'entwicklungsgeschicht- liche Wert‘, die Bedeutung für unsere (regenwart über das Stoffausmaß entscheiden müsse: so kommt neben dem Ewigen das Actuelle zu un- billigem Vorsprung. Man wird den Standpunkt ehren, auch wenn manihn nicht ganz teilt. Übrigens hat Morr selbst manche Lücke und manche absichtliche Überkürze in anderm Zusammenhange ergänzt. Entwirft er uns doch in seiner schwergelehrten Geschichte der französischen Renaissanceliteratur ein bis ins Einzelne der Personen und Werke liebe- und lebensvoll sich vertiefendes Bild, das die Paragraphen und Ä U, Pam 3 E.V ur) 4 a 524 Öffentliche Sitzung vom 30. Juni 1921 Literaturnotizen, diese unkünstlerischen Consequenzen der Grundriß- form, mit erstaunlicher Leichtigkeit zu überwinden weiß. Und wie vielen der glänzenden Autoren Frankreichs im 17. und 18. Jahrhundert hat er seine reizvollen kleinen Sonderessais gewidmet: Corneille und Moliere, Diderot und Rousseau, Bayle und d’Alembert, Frau von Sta@l und Bernardin de St. Pierre, Porträts in einer reichen Zeitumrahmung, die er mit prachtvoller geistiger Freiheit zu geben wußte: war er doch in diesem Paris der Vergangenheit vielleicht besser zu Hause als im neuen Berlin. In seiner Antrittsrede versicherte er, er habe, in jugendlicher Romantik für Spanien entbrannt, dann doch eine “Vernunftehe mit Frankreich’ geschlossen. Nun, diese Vernunftehe ist sehr glücklich ausgefallen, ja sie hat in seinem Herzen eine Zärtlichkeit erweckt, die sein helles Auge zuweilen ein wenig blendete. Freilich, nicht alles sagte ihm zu: die Rhetoren des Heroismus, Pierre Corneille wie noch Vietor Hugo, überhaupt die Helden des pathetischen Lateinertums lassen ihn kühl. Und mit Racine geht es ihm ähnlich, wie es Lessing gegangen zu sein scheint: großer Respect, aber er reizt ihn nicht zu näherer Beschäftigung. Dagegen der esprit gaulois nimmt ihm seit Rabelais das Herz gefangen, wo er ihn traf: im neuen Frankreich hat er ihn manchmal vermißt. Von französischer Grazie wußte er mit dankbarem Entzücken zu lernen. So steht er vor seinem geliebten Frankreich eifersüchtig auf der Wacht. Es klingt fast wie eine Spitze gegen die deutschen Landsleute, wenn er an den lieblichen Weisen und Rhythmen des französischen Volkslieds rühmt, daß es keine Kriegs- und Trink- lieder besitze; er glaubt da in freundlicher Selbsttäuschung den be- zaubernden, von kindlichen Stimmen gesungenen Chören eines Friedens- festes zu lauschen. Er mochte es gar nicht hören, daß die mittel- hochdeutschen Dichter ihre französischen Vorlagen hie und da über- troffen hätten; er hält es seinen lieben Franzosen lächelnd zugute, daß sie in den Deutschen die barbares du Nord sähen mit ungeschlachten Leibern und stumpfen Hirnen, und er bricht gar eine Lanze für den Jesuiten Bouhours, der einst die deutschen Schriftsteller des 18. Jahr- hunderts in so helle Entrüstung versetzt hatte, da er ihnen jeden esprit createur absprach. Und Lessings mit preußischer Verve gerittene Attaquen gegen Voltaire hat er nur widerstrebend gelten lassen. Ge- rade Voltaire hat es ihm angetan mit all seinen Schwächen und Sünden, und er kehrte immer wieder zu ihm zurück, eben weil die Deutschen sonst gegen den Weisen von Ferney so unbillig sind. Es ist aller- liebst, wie er Voltaires sonderbares Verhältnis zu Shakespeare nach- fühlend verteidigt, wie er den ‘genialen Dilettanten’ als Vorläufer der strengen historischen Kritik rühmt, wie er ein ander Mal mit Voltaire Gedächtnisreden U le Capucin uns bekannt macht und wie er seine Partei nimmt sogar gegen den Schweizer Jean Jacques Rousseau, dessen revolutionäre Sen- timentalität Morrs unsentimentaler und klarer Art viel antipathischer war als die geistreiche, aber etwas nüchterne und frivole Verstandes- helligkeit Voltaires. Auch das war vielleicht ein halbfranzösischer Zug Morrs, daß er der Empfindsamkeit jeder Art gar so abhold war oder doch zu sein glaubte. Morrs sprachgeschichtlicher Blick umspannte gleichfalls die gesamte Romania und griff darüber hinaus. Wie er sich für das Sar- dische, das Italienische, das Baskische linguistisch einsetzte, das haben wir in der Akademie erlebt. Aber auch hier stand Frankreich mit seinen Mundarten voran, und diesmal war's gewiß kein Vernunftgebot, das ihm den Weg wies. Die bodenständige Kraft in Morrs sprachlicher For- sehung beruhte darauf, daß er selbst und seine Schüler von Bern aus auf die nahen französischen Dörfer zogen und dort Lautart und Wort* schatz an der Quelle studierten. Er hat damit den Grund gelegt zu den kommenden großen romanischen Idiotiken der Schweiz. 1887 hat er den deutschen Philologen in Zürich von jenen Patoisarbeiten des Berner Seminars erzählt; 1907 durfte er, der geistige Vater, den deut- schen Philologen zu Basel mit Stolz von den stattlichen romanischen Patoiswörterbüchern berichten, die in der Schweiz heranreiften; in aber 20 Jahren, 1927, hoffte er auf eine rühmliche Reihe fertiger Lieferun- gen hinweisen zu können. Es ist anders gekommen. Von Mors Dialektstudien hat die Preußische Akademie unmittel- baren Gewinn gehabt durch seine Teilnahme an der Deutschen Com- mission, deren mundartlichen Wörterbüchern seine reife Erfahrung wert- voll zugute kam. Es war überaus fruchtbar, wie er dort die Vorzüge des großen französischen Sprachatlas mit seiner reichen Wortgeographie hervorhob gegen die Vorteile des deutschen Lautatlas, der für die centralen Fragen der Mundartengrenzen so sehr viel mehr hergab: auch Morr verschloß sich dieser Erkenntnis nicht. Freilich wurden jene Mängel des Girieronschen Werkes für Morr doppelter Anlaß, dem Problem der Dialektscheiden nun auch mit historischen, lexikalischen, onomastischen Hilfsmitteln ergänzend auf den Leib zu rücken. Mit er- folgreichstem Eifer verfocht er die entscheidende Bedeutung der alten Bistumsgrenzen Frankreichs, in denen weiter hinaus römische Verwal- tungs- und selbst keltische Volks- und Gaugrenzen fortleben sollten. Höchst frappant wußte er für Siedlungsfragen die wandelbareren und lebendigeren Flurnamen von den conservativeren Ortsnamen zu scheiden, denen er mißtraute, weil ihre Ergebnisse ihm zu prähistorisch waren. : Das Constructive und Speculative war ihm eben überall fatal; ein trefflicher Kenner des Vulgärlateins, mochte er doch von den zahllosen 526 Öffentliche Sitzung vom 30. Juni 1921 erschlossenen vulgärlateinischen Formen der romanischen Grammatik wenig wissen. Sein Interesse gehörte der Beobachtung und Erfahrung des Lebens. Es bot ihm einen strotzenden Reichtum dar, vor dem die dürre Mathematik der gepriesenen "Lautgesetze’ zu einem kümmer- lichen Behelf zusammenschrumpfte; er ließ sie höchstens als vorläufige und unverbindliche “Bauernregeln des Sprachwetters’ gelten. An der lebendigen Mundart studierte er die sprachbildende Kraft des Indi- viduums, die Bedeutung der Generationen und vor allem der Frauen für den Lautwandel, die umgestaltende Wirkung des Affeets und der sprachlichen Häufigkeit, die weiten Reiche des Sandhi und der Satz- doublette, d. h. der wechselnden Umgebung und Betonung der Worte im Satze. Und auch für die Syntax versprach er sich von den Mundarten mehr als von den literarischen Texten. Ja, das Problem der Schrift- sprache, das für uns andere so notwendig in literarischer Vergangen- heit liegt, verfolgte er mit Vorliebe in der Gegenwart, an den ge- künstelten Versuchen einer einheitlichen Kunstsprache, wie sie in Grau- bündten viel umstritten bestand; an dem Felibretum der geliebten son- nigen Provence, das in Mistral seinen Klassiker hat. Wer dürfte leugnen, daß solche Anschauung uns unendlich gut tut? Morr würde sich mit Wırneım Scherer in vielem vortrefflich verstanden haben. Aber auch hier, wo wirklich sein Herz schlug, bewahrte er eine unsentimentale, fatalistische Nüchternheit. Das Schöne muß einmal sterben. Er sah vorher, daß das Rhätische, wohl auch das Provenzalische, ja vielleicht gar das teure Schwyzerdütsch, das im engen Kreise so behaglich von seinen Lippen floß, das Schicksal der Minderheiten teilen, daß es über kurz oder lang vor den großen siegenden Weltsprachen verschwinden werde. Er wünschte den Prozeß nicht zu beschleunigen, beileibe nicht. Aber er trauerte nicht um das Unvermeidliche. Eine schwache, sentimentale Stelle aber hatte er doch, und wir lieben ihn darum. Morr hat zwei Jahrzehnte einer höchst wirksamen organisatorischen, forschenden und lehrenden Tätigkeit in Deutschland verlebt, in denen er selbst die Höhen seines Lebens sah. Dennoch war und blieb er ganz Schweizer, und zwar bekannte er sich mit nach- drücklicher Wärme gerade zu dem gemischten welschdeutschen Schweizer Vaterland. Ärgerlich, ja zornig wies er die ‘alldeutschen’ Angriffe ab, die es dem deutschen Schweizer verargten, daß ihm der romanische Landsmann von Genf und Lausanne näher stehe als der deutsche im Reich. Er verbat sich solehe Vorwürfe mit einiger Empfindlichkeit und konnte bei diesem Thema in leidliche Hitze geraten. Die ro- manisch-deutsche Vermittlungs- und Versöhnungsrolle der Schweiz lag ihm ehrlich am Herzen. So war es ihm kein Kummer, wenn sich dort die Sprachgrenze irgendwo zu Ungunsten der Deutschen verschob, Gedächtnisreden 27 wenn das einst so starke deutsche Gentrum Freiburg zu einem französi- schen Fribourg sich wandelte: ob östlich, ob westlich der Sprachgrenze, sie waren ja alle Schweizer; er gestand, nicht zu, daß der deutsche Schweizer, der zum französischen ward, damit seine Nation verleugne. Dann kam der Weltkrieg, und Morr mußte erleben, daß zwar die deutschen Schweizer sich meist als neutrale Schweizer, correct und kühl gegenüber unserer Todesnot bewährten, daß dagegen die französischen Schweizer sich Mann für Mann rückhaltlos und leiden- schaftlich als Vollfranzosen offenbarten, denen jede Spur von Neu- tralität weltenfern lag. Ward doch gerade Freiburg der Schauplatz empörender antideutscher Ausschreitungen. Es war Morr eine furcht- bare Enttäuschung. Eine Säule seines Lebens wankte: wir, die wir inzwischen alle am eigenen Volke trostlose Bitternisse der Enttäu- schung erlebt haben, fühlen ganz mit, was ihm jene Erfahrung be- deutete. Ihn machten diese schweren Erlebnisse mehr denn je zum Deutschen. Der tapfere, stolze Mann wußte, wo er zu stehen habe. Er hat unser Schicksal als Deutscher redlich mitgetragen, ebenso wie sein ausgezeichneter Landsmann ANDREAS HEusLEer, der auch getreu unter uns aushielt, bis das Ringen am dunkeln Ende war. Den alten festen Bund der Preußischen Akademie mit der Schweiz haben diese beiden in den schweren Tagen gemeinsamer Not von neuem gestärkt. Es ist mir unvergeßlich, wie Morr, der Schweizer Demokrat, der gegen die verschrienen Junker doch nicht ganz ohne ein aufmerkendes Miß- trauen war, mir im September 1914 einmal ein Blatt der Kreuzzei- tung darreichte, aus deren erschütternden Todesanzeigen es damals klang wie ein Heldenlied der Vorzeit, und wie er dann hinzufügte: ‘Den Adel lob ich mir, der es für sein bestes Privileg hält, voran für das Vaterland zu sterben.” Er hatte eben den unbestechlichen Sinn für das wahrhaft Echte und Tüchtige, das freilich nichts zu schaffen hat mit der Sorte von Tüchtigkeit, die heute so lärmend freie Bahn für sich beansprucht. Morr versagte seine Unterschrift auch jener viel -gescholtenen Erklärung der 93 nicht, obgleich er nicht jedes Wort billigte. Er fühlte, hier galt es nicht zu mäkeln, sondern Zeugnis abzulegen von der inneren Gewißheit, daß der Deutsche für sein Dasein, seine Frei- heit, sein Recht ins Feld ziehe. Unser Freund hat schlimmen Lohn geerntet. Untreue, Undank, niedrige Beschimpfung, sinnlose Verdächtigung, selbst von nahen ehe- maligen Freunden und Schülern haben ihn heimgesucht. Dies seelische Martyrium hat in Verbindung mit alten und neuen Körperleiden ihm die Lebenskraft, den schaffensfrohen Lebensmut gebrochen, der bis dahin immer noch der drohend anpochenden Krankheit Herr geworden 528 - Öffentliche Sitzung vom 30. Juni 1921 war. In der Schweizer Heimat ist er, liebevoll gehütet von der treuen verständnisvollen Gefährtin seiner Arbeit und Sorgen, entschlafen. Morr liebte Frankreich mit werbender Zärtlichkeit. Aber er glaubte an Deutschland, an seine tiefen unerschöpflichen Kräfte, glaubte an seine Zukunft. Vielleicht fühlte er mit Frankreich um so inniger, weil er von der stillen Überlegenheit des Germanentums überzeugt war, zu dessen Individualismus er sich herzhaft bekannte gegenüber der gesellschaftlichen Civilisation der Franzosen. Ihm machte es früher Freude, zu betonen, wie das geistige Frankreich wieder und wieder magnarum nationum domina wurde. Wie muß ihm zu Mut gewesen sein, als er erleben mußte, mit welchem blinden und giftigen Haß das heutige Frankreich Deutschlands domina zu spielen weiß. Morr hat nie versäumt zu betonen, daß die germanischen und die romanischen Perioden wechseln, und Frankreichs Führerrolle innerhalb der Romania schob er eben auf die weit stärkere Beimischung fränkisch-deutschen Wesens. Es muß ihm wie ein wahnwitziger Widersinn erschienen sein, daß Frank- reich sich mit allen Mitteln bemüht, abermals der Erb- und Erzfeind KAT €zoxhn für uns Deutsche zu werden. Und schmerzlich wird er im heutigen Frankreich den edeln Mut seines verehrten ‘Lehrers Gaston PArıs vermißt haben, der 1870 im belagerten Paris tapfer die völker- bindende Civitas Dei der Wissenschaft und Wahrheit pries, die auch durch patriotische Rücksichten nie gebeugt werden dürfe. Auch hier hat das neue Paris alle Hoffnungen getäuscht, die in Morr aus der ürinnerung an die bessere Zeit vor 50 Jahren etwa erwachsen mochten. Der Sohn des kleinen, in Kantone zerfallenden Landes hat wenig Sinn für politische Macht gehabt. Den Spaniern empfahl er früher einmal, da der Alp des Weltmachttraumes von ihnen gewichen sei, sich dafür den Werken des Friedens zuzuwenden. Auch heute würde er wohl den Frieden trotz allem predigen. Aber er besaß Mannes- würde, trotzige, auffahrende Manneswürde; wehrhafte Freiheit seines Volkes war auch dem Schweizer selbstverständliche Lebensluft: Voltaires königlicher Freund und Bismarck, die er beide verehrte, haben in den Tagen der großen Not auch zu ihm gesprochen. In der Sehnsucht nach dem echten würdigen Völkerfrieden, von dem wir heute weiter entfernt sind als in den erbittertsten Tagen des Weltkrieges, sind wir Glieder der Preußischen Akademie mit dem geschiedenen Freunde einig. Er lebt in unsern Herzen unauslöschlich fort: mit dem hellen heitern Forscherbliek, der sich freudig seine geistige Welt eroberte, aber auch mit dem schmerzlichen Zeichen des Leidens, das ihm aus der Treue zum großen deutschen Volk erwuchs. Er ruht in dem Frieden, der uns noch versagt ist. Preisverteilungen und Preisausschreibungen 529 Sodann erfolgten Mitteilungen über die Preisaufgabe aus dem Coraenivsschen Legat, über die Preisaufgabe der CHARLOTTEN-Stiftung, über das Stipendium der EnvArn-GERHARD-Stiftung, über den Preis der Graf-LougAr-Stiftung, über die Stiftung zur Förderung der kirchen- und religionsgeschichtlichen Studien im Rahmen der römischen Kaiserzeit _ (saee. I— VI), über die Paur-Rızss-Stiftung und über die Emm-Fischer- Stiftung, und hierauf folgte das Schlußwort des Vorsitzenden. Preisaufgabe aus dem Coruexıvsschen Legat. In der Lrisnız-Sitzung des Jahres 1917 hat die Akademie folgende Preisaufgabe für das Jahr 1921 unverändert zum vierten Male ausge- schrieben, nachdem auf die drei früheren Ausschreibungen Bewer- bungsschriften nicht eingegangen waren: »Der Entwickelungsgang einer oder einiger Ustilagineen soll möglichst lückenlos verfolgt und dargestellt werden, wo- bei besonders auf die Überwinterung der Sporen und Mycelien Rücksicht zu nehmen ist. Wenn irgend möglich, sind der Ab- handlung Präparate, welche die Frage entscheiden, beizulegen. « Diesmal’ hat sich nur ein Bewerber gemeldet. Die Preisschrift wird in einer Vorbemerkung als Teil einer größeren Arbeit über die Brandkrankheiten unserer Hauptgetreidearten bezeichnet und bezieht sich nur auf den Steinbrand des Weizens, Tilletia tritieie. Wenn auch der Verfasser in mancher Hinsicht mehr bietet, als verlangt wurde, indem er z.B. auch das physiologische Verhalten der vom Pilze. be- fallenen Wirtpflanze eingehend erörtert, so ist er doch andererseits die Antwort auf gewisse Einzelfragen schuldig geblieben, insbesondere in bezug auf die Überwinterung der Sporen und Mycelien, auf die in der Preisausschreibung ausdrücklich hingewiesen wurde. Die Akademie anerkennt gerne das wissenschaftliche Streben und den großen Fleiß des Verfassers, doch ist sie nicht in der Lage, ihm den ausgeschriebenen Preis zuzuerkennen, da seine Bewerbungsschrift zu wenig neue Tatsachen enthält und in methodischer Hinsicht ver- schiedene Mängel aufweist, die die aus den Untersuchungsergebnissen gezogenen Folgerungen zum Teil als fraglich oder auch unberechtigt erscheinen lassen. Die Akademie hat aber im Sinne des $ 7 des Reglements für die akademischen Preiserteilungen beschlossen, den Betrag von 2000 Mark dem Verfasser einer in das Gebiet der gestellten Aufgabe einschlagenden wertvollen Schrift als Ehrengabe zu überweisen. Als eine solche Schrift kann nach dem Urteile der Akademie die Arbeit » Untersuchungen über den Antherenbrand (Ustilago violacea Pers.)« von Prof. Hans Knıer in Würzburg betrachtet werden. Der Verfasser weist darin nach, daß N gt 530 Öffentliche Sitzung vom 30. Juni 1921 bei der Keimung der Brandsporen zwei äußerlich gleiche aber physio- logisch verschiedene Sorten von Sporidien entstehen, und daß es nur dann zur Kopulation kommt, wenn diese beiden Sorten von Sporidien. zusammentreffen. Der Nachweis einer solehen physiologischen Ge- schlechtsdifferenzierung ist nicht nur für die Beurteilung der Fort- pflanzungsverhältnisse der Ustilagineen, sondern für das Sexualitäts- problem überhaupt von nicht geringer Bedeutung. ÜHARLOTTEN-Stiflung für Philologie. Die Akademie hatte in der Leissiz-Sitzung des Jahres 1920 (Sitzungsber. S. 710) folgende Preisaufgabe der ÜCHARLOTTEN-Stiftung gestellt: »Die Untersuchung der Komposition des theophrastischen Buches de historia plantarum wird verlangt. Mit Rücksicht auf die Kürze der zur Bearbeitung verfügbaren Zeit genügt eine auf dieses Ziel ge- richtete in sich abgeschlossene Untersuchung. « üs sind rechtzeitig zwei Bearbeitungen eingegangen. Die erste umfänglichere trägt das Motto: sÄTTon mictevein ael Trırwi Axaninwı A rörwı AcYNTAKToI. Sie behandelt ausführlicher die beiden ersten Bücher der Historia plantarum, analysiert aber auch im Überblick die übrigen mit Ausnahme des letzten. Diese Arbeit zeichnet sich durch scharf- sinnige, Inhalt und Form gleichmäßig berücksichtigende Untersuchung der Disposition aus. Wenn auch bei der starken Zerrüttung unseres Textes nicht überall volle Sicherheit erzielt werden konnte, so ist doch über die nicht immer von Theophrast erreichten Ziele seiner Kom- position hinreichende Klarheit erzielt; auch sind im einzelnen zur Text- gestaltung und zur Feststellung der Abfassungszeit des Werkes wert- volle Beiträge zugegeben worden. Der Verfasser der zweiten Bearbeitung, der das Motto: erw A& KAN Mi MEnAW NIKÄN TYMNACAMENÖC TE TOYTON TON XPÖNON WeerHencoMAı hat das von dem ersten Bearbeiter beiseite gelassene neunte Buch der Pflanzen- geschichte untersucht. Sein Hauptaugenmerk. ist weniger auf die Komposition als auf den Nachweis der von Brrrzr in Abrede gestellten Echtheit gerichtet. Obgleich seine Ausführungen manches Brauchbare enthalten, ist doch diese Bearbeitung weder im Umfang noch in der Qualität der wissenschaftlichen Methode mit der des ersten Verfassers zu vergleichen. Daher hat die Akademie kein Bedenken getragen, der ausgezeich- neten Arbeit mit dem Motto: eATTon micrevein ael Kran. das Stipendium der CHARLOTTEN-Stiftung zuzuerkennen, das in dem Genusse der Jahres- zinsen des Stiftungskapitals von 30000 Mark auf die Dauer von acht Jahren bestelıt. » Preisverteilungen und Preisausschreibungen 531 Die Eröffnung des Umschlages mit dem Motto: OATTon rıcTeYew Act InTw Äxaninw A nöPw AcvnTAktw ergab als Verfasser: Studienrat Dr. phil. Orto Resengosen in Berlin. Stipendium der Envarv-Gernarv-Stiftung. Das Stipendium der EpvAarnv-GERHARD-Stiftung war in der Lrisnız- Sitzung des Jahres 1920 für das laufende Jahr mit dem Betrage von 5000 Mark ausgeschrieben. Die philosophisch-historische Klasse hat beschlossen, den gesamten Betrag Hrn. Dr. GorTrrIEn von Lücken für seine Arbeiten auf dem Gebiete der frührotfigurigen attischen Wand- malerei zu verleihen. Für das Jahr 1922 wird das Stipendium mit dem Betrage von 2500 Mark ausgeschrieben. Bewerbungen sind vor dem ı. Januar 1922 der Akademie einzureichen. Nach $ 4 des Statuts der Stiftung ist zur Bewerbung erforderlich: 1. Nachweis der Reichsangehörigkeit des Bewerbers; 2. Angabe eines von dem Petenten beabsichtigten, durch Reisen bedingten archäologischen Planes, wobei der Kreis der archäo- logischen Wissenschaft in demselben Sinne verstanden und an- zuwenden ist, wie. dies bei dem von dem Testator begründeten Archäologischen Institut geschieht. Die Angabe des Planes muß verbunden sein mit einem ungefähren, sowohl die Reisegelder wie die weiteren Ausführungsarbeiten einschließenden Kosten- anschlag. Falls der Petent für die Publikation der von ihm beabsiehtigten Arbeiten Zuschuß erforderlich erachtet, so hat er den voraussichtlichen Betrag in den Kostenanschlag aufzu- nehmen, eventuell nach ungefährem Überschlag dafür eine an- gemessene Summe in denselben einzustellen. Gesuche, die auf.die Modalitäten und die Kosten der Veröffentlichung der beabsichtigten Forschungen nicht eingehen, bleiben unberücksich- tigt. Ferner hat der Petent sich in seinem Gesuch zu verpflichten: i. vor dem 31. Dezember des auf das Jahr der Verleihung fol- genden Jahres über den Stand der betreffenden Arbeit, sowie nach Abschluß der Arbeit über deren Verlauf und Ergebnis an die Akademie zu berichten; N falls er während des Genusses des Stipendiums an einem der Palilientage (21. April) in Rom verweilen sollte, in der öffent- lichen Sitzung («les Deutschen Instituts, sofern dies gewünscht wird, einen auf sein Unternehmen bezüglichen Vortrag zu halten: Jede durch dieses Stipendium geförderte Publikation auf dem nn» : Titel zu bezeichnen als herausgegeben mit Beihilfe des EnuArv- 32 Öffentliche Sitzung vom 30: Juni 1921 GERHARD-Stipendiums der Preußischen Akademie der Wissen- schaften; 4. drei Exemplare jeder derartigen Pa aa der Akademie ein- ‚zureichen. Preis der Graf-Lovsar-Stiftung. Die Akademie hat auf Vorschlag ihrer Kommission für die Graf- LougaAr-Stiftung beschlossen, den für dieses Jahr ausgeschriebenen Preis derselben von 3000 Mark Hrn. Prof. Dr. A. Erkuor in Leiden für seine Werke »De Hervormde Kerk in Noord-Amerika (1624 —1664)«, 2 Bde. 'S-Gravenhage 1913 und »Bastiaen Jansz. Krol, Krankenbezoeker, Kom- mies en Kommandeur von Nieuw-Nederland (1595—1645)«, ’S-Graven- hage 1910, zuzuerkennen. Stiftung zur Förderung der kirchen- und religionsgeschichtlichen Studien im Rahmen der römischen Kaiserzeit (saec. I-VID). Bei der Stiftung zur Förderung der kirchen- und religionsgeschicht- lichen Studien im Rahmen der römischen Kaiserzeit (saec. I—VI) waren für das Jahr 1921 1932.50 Mark verfügbar. Das Kuratorium der Stiftung hat diesmal keinen Verwendungsvorschlag gemacht. Der Betrag wächst dem Kapital der Stiftung zu. | ‚Pıvr-Rızss-S üftung. In Ausführung der Bestimmungen des Statuts der Paur-Rırss- Stiftung hat die physikalisch-mathematische Klasse auf Vorschlag des Kuratoriums beschlossen, die diesjährigen Stiftungserträgnisse in Höhe von 8316 Mark an einen Chemiker zu vergeben, und zwar an Hrn. Prof. Dr. AnoLr SIEvErTs in Greifswald für seine Arbeiten über die Wechselwirkungen. zwischen Metallen und Gasen. ‚ Enır-Fiscuer-Stiftung. Nach dem Statut der Enır-FiscHer-Stiftung hat das Kuratorium der Stiftung mit Zustimmung der physikalisch-mathematischen Klasse den folgenden früheren Assistenten Emın Fıschers nachstehende Beträge zur Fortführung ihrer wissenschaftlichen Arbeiten bewilligt: 8000 Mark einmalig dem Hrn. Dr. Max BERGMANN, zur Zeit Assi- stent am Kaiser-Wilhelm-Institut für Faserstoffchemie, Sooo Mark einmalig Hrn. Dr. B. Herrerıch, zur Zeit Assistent am 1.Chemischen Institut der Universität Berlin, 4000 Mark einmalig Hrn. Dr. HernurH SCHEIBLER, zur Zeit Privat- dozent am organisch-chemischen Laboratorium der Techni- schen Hochschule. Russer: Schlußwort Ahr Auch .aus den reichlichen Ergebnissen dieses Jahres schöpft die Akademie die begründete Hoffnung, daß die in so anerkennenswerter Weise hervorgetretene vielseitige Betätigung an den wissenschaftlichen Problemen sich weiterhin unberührt von des Tages HER ug im Dienste der Wahrheit bewähren wird. Blindheit und Haß unserer Feinde haben die Feme über die deut- sche Wissenschaft auszusprechen sich bemüßigt gefühlt. Wir haben es aus Gleichmut ertragen und werden uns auch weiter damit abzufinden wissen. Diese Anfeindungen prallen machtlos an uns ab, denn es gibt keine geistigen Sanktionen. Das unendliche Gebiet der Forschung der Geistes- und Natur- wissenschaft liegt offen vor uns, frei und unbegrenzt für jeden, der die Kraft in sich fühlt, darin in das Neuland vorzudringen. An Strei- tern in diesem Wettkampf der Nationen wird es uns, so hoffen wir, nicht fehlen. Jedes Volk hat seinen Tag in der Geschichte. Der unsere ist noch nicht zu Ende. 534 | Öffentliche Sitzung vom 30. Juni 1921 Verzeichnis der Schriften von W., v. Waupever-Harnz. Bei der erstaunlich großen Zahl (270) der Schriften schien es mir wünschens- wert, sowohl für die Erleichterung der wissenschaftlichen Benutzung des Verzeichnisses, als die auch zur Übersicht über die Leistungen Warpervers auf den einzelnen Gebieten, Schriften nach den Hauptarbeitsgebieten zu ordnen. Innerhalb der einzelnen Ge- biete ordnete ich sie nach der Zeit ihres Erscheinens. Die bei jeder Schrift in Klammern beigesetzte Zahl ist die fortlaufende Nummer nach der Erscheinungszeit, so daß nach diesen Zahlen leicht auch ein fortlaufendes Verzeichnis nach der Zeit zu gewinnen ist. Bei der Abfassung des Verzeichnisses erfreute ich mich der sehr wesentlichen und äußerst gewissenhaften Mithilfe des Hrn. Kollegen Korsen, des langjährigen Mit- arbeiters des verewigten Meisters, was ich dankend hervorheben möchte. [6 I. Einzelwerke. (26.) ı870. Eierstock und Ei. Ein Beitrag zur Anatomie und Entwicklungsge- schichte der Sexualorgane. Leipzig. W. Engelmann 1870. VII und 174 S. VI Tafeln. (27.) 1871. Bau und Entwickelung der Zähne S. 333—355 in Striekers Handbuch d. Gewebelehre I. Bd. Leipzig. W. Engelmann 1871. (28.) 1871. Eierstock und Nebeneierstock S. 544—583. Ebenda. (33-) 1872. Hörnerv und Schnecke S. 915—964. Ebenda II. Band. » (52.) 1883. Cornee et sclerotique, anatomie in L. de Wecker et E. Landolt, Traite complet d’opthalmologie Tom. 2. Paris 1883. S. ı—96. 26 Figg. . (54.) 1884. WALDEYER und Grimm, Atlas der menschlichen und thierischen Haare, sowie der ähnlichen Fasergebilde. Lahr. M. Schauenburg. (1884) VI u. 195 S. 2 Taf nr aBd. ergab (155.) 1899. Das Becken, topographisch-anatomisch m. bes. Berücksichtig. d. Chirurgie u. Gynaekologie dargestellt (Fortsetzung von Joessel’s Lehrbuch der topographisch-chirurgischen Anatomie. Bd. 2. Abt. II). Bonn 1899. Friedrich Cohen. 8°. 6908. 152 Abb. . (178.) 1903. Die »Geschlechtszellen« im Handbuch der vergl. u. exper. Entwick- lungsgesch. d. Wirbeltiere von O. Hertwig. Bd.I. S.86—476 Fig. 5—135. 1906. Jena. G. Fischer. II. Zusammenfassende Übersichten. 1. — V. Entwicklungsgeschichte Nr. 14 (Archiblast u. Parablast). . 2. = V. Entwieklungsgeschichte Nr. 16 (Keimblattlehre). 3. (64.) 1886. Über Karyokinese (Vortrag gehalten im Verein für innere Medizin). Deutsche med. Wochenschrift 1886. Nr. 1, S. 1-3, Nr. 2, S. 22—26, Nr. 3, S. 39 bis 40, Nr. 4, S. 54—56. . (65.) 1887. Über die Karyokinese und ihre Bedeutung für die Vererbung. Vor- trag gehalten im Verein für innere Medizin in Berlin. Ebenda 1886. Nr. 43 u. f.2 aklo: . (66.) 1887. Über Karyokinese. Arch. Anat. u. Phys. 1887. Phys. Abt. S. 1—30. 12 Fisg. (Abdruck des in der deutsch. med. Wochenschrift 1886 enthaltenen Auf- satzes.) . (70.) 1888. Über Karyokinese und ihre Beziehungen zu den Befruchtungsvorgängen. Arch. mier. Anat. Bd. XXXII, 1888. S.ı— 22. 14 Figg. . (76.) 1889. Karyokinesis and its relation to the process of fertilization. Quart. Journ, mier. Science Vol. XXX. 1889. 8. 159—214 ı Taf. (Übersetzung S. 215 bis 281.) X 0 A ER AT Verzeichnis der Schriften von W. v. WarLpevrer-Harrz 535 8. (85.) 1891. Über einige neuere Forschungen im Gebiete der Anatomie des Central- nervensystems. Deutsche med. Wochenschr. Nr. 44—48 (S.A. 64 S.). Dasselbe. Berliner klinische Wochenschr. S. 6gr. 9. (96.) 1893. Bericht über die Fortschritte der Anatomie in Deutschland für das von Seiten des Kgl. Kultusministeriums aus Anlaß der Weltausstellung in Chicago herausgegebene Werk. 10. (101.) 1893. Über die neueren Anschauungen von der Zelle. Vortrag im Verein für innere Mediein in Berlin. Münchener medizin. Wochenschr. Jhrg. 40 S. 371 bis 372. 11. (102) 1893. Lehr- und Handbücher. Ergebnisse d. Anat. u. Entwicklungsgesch. Bd. 2. (1892) 1893. S. ı—22. 12. (106) 1893. Über den Stand der Vererbungsfrage. Eröffnungsrede. Verhandl. ‘ anat. Ges. ‘Göttingen 1893. S. 3—11. 13. (116.) 1895. Über den neuesten Stand der Forschungen im Gebiete des Nerven- systems. Ref. Arch. f. Anat. u. Physiol. Physiol. Abt. Jhrg. 1895. S. 208. 14. (123.) 1895. Die neueren Ansichten über den Bau und das Wesen der Zelle. Deutsche medizinische Wochenschrift 1895. Jhrg. 21. S. 703—705, 727—730, 764—765, 800—863. 2 Figg., 846—848. 2 Figg. 15. (131.) 1896. Hirnfurchen und Hirnwindungen. Ergebnisse d. Anat. u. Entwick- ‚lJungsgesch. V.Bd. 1895 (1896). S. 146— 193. 16. (133.) 1896. Die Caudalanhänge des Menschen. Sitzber. der Kgl. Preuß. Akad. d. Wiss. 1896. S. 775— 784. ı Fig. 17. (142.) 1896. Hirnwindungen. Nachtrag zu dem Referate über Hirnwindungen in Bd. V der »Ergebnisse«. 1896, (1897). Ergebnisse d. Anat. u. Entwieklungsgesch. Bd. VI S. 171— 183. 18. (151.) 1898. Befruchtung und Vererbung, Vortrag auf der Braunschweiger Natur- forscher-Versammlung. S. Verhandlungen der Naturforscher-Versammlung zu Braunschweig 1897, Bd. I, Leipzig 1898. S. 417— 103 mit 23 Abbildungen. 19. (161.) 1399. Hirnfurchen und Hirnwindungen. Hirnkommissuren, Hirngewicht. Ergebnisse d. Anat.u.Entwicklungsgesch. VII. Bd. 1898 (1899). S. 362—401. 8 Figg. 20. (168.) ıgor. Kittsubstanz und Grundsubstanz. Epithel und Endothel. Archiv f. mikr. Anat. Bd. 57. ıgor. S. 1—8. 21. (180.) 1903. Lehr- und Handbücher. Ergebnisse d. Anat. u. Entwicklungsgesch. XM. Bd. 1902 (1903). S. 652—742, 909-—912. 22. (190.) 1905. Anatomische Technik. Ebenda: Bd. XIV. 1904 (1905). S.1223— 1288, 23. (193.) 1905. Die menschliche Anatomie, ihre Entwicklung, ihr gegenwärtiger Stand mit ihren Beziehungsn zu anderen Wissenschaften und ihre Aufgaben für die Zukunft. Zeitschr. f. ärztl. Fortbildung. 1905. Jhrg. 2. S. 305—313. 24. (208.) 1908. Bedeutendste Errungenschaften auf dem Gebiete der Anatomie seit 1860. Verhandl. d. naturhistorisch-medizinischen Vereins zu Heidelberg. Neue Folge 8. Bd. 1908. -S. 472—474- 25. (211.) 1909. Darwins Lehre, ihr heutiger Stand und ihre wissenschaftliche und kulturelle Bedeutung. Vortrag, gehalten in Hamburg 13. Febr. 1909. Deutsche med. Wochenschrift. 1909. Nr. 8. 26. (221.) ı9ıo. Darwins Lehre, ihr heutiger Stand und ihre wissenschaftliche und kulturelle Bedeutung — Darwin als Mensch. Von Prof. Dr. P. G. Unna. Berlin und Leipzig. Deutscher Monistenbund 1909. 25 S. [Deutscher Monistenbund, Flugschr., Ortsgruppe Hamburg H.7/8; Flugschr. d. deutschen Monistenb. Nr. 19.] 27. (222.) ıgro. Leistungen im Gebiete der anatomischen Wissenschaften an der Universität Berlin während des ersten Jahrhunderts ihres Bestehens. Deutsche med. Wochenschr. Jhrg. 36. S. 1844. 28. (247.) 1914. Histologie und Biologie der Zellen und Gewebe. Einleitender Über- bliek in: Paul Ehrlich, Darstellung seines wissenschaft. Wirkens. Festschrift. Jena. S. 17—23. Sitzungsberichte 1921. 50 536 Öffentliche Sitzung vom 30. Juni 1921. III. Systematische makroskopische Anatomie. 1. (r.) 1862. De clavieulae artieulis et funetione. Berolini. Impr. G. Lange (1861) Berlin. Med. Diss. 2.°(49.) 1883. Über das Verhalten des menschlichen Bronchialbaumes bet zweilap- piger rechter Lunge. Göttinger Nachrichten 1833. . S. 193—194. 3. (62.) 1886. Beitr. z. normalen u. vergl. Anatomie des Pharynx mit nd. Be- ziehung auf den Schlingweg. Sitzber. d. Kgl. Preuß. Akad. d. Wiss. S. 233 bis 250. 4. (67.) 1887. Beiträge zur Anatomie der Schilddrüse. Berliner klin. Wochenschr. 1887.. S. 233. : 5. (92.) 13892. Über die sogenannte Ureterscheide... Verh. anat. Ges. b. Vers. Wien 1892. S. 259—260. 2 6. (117.) 1895. Vorrede zu Fritz Frohse, Die oberflächlichen Nerven des Kopfes. Berlin, Prag. 1895. : 7. (124.) 1895. Über das Os sacrum. Sitzungsberichte der Gesellschaft natur- forschender Freunde in Berlin. 1895. \ . (139.) 1897. Berichtigung (Über Anatomie und Entwicklungsgeschichte der Venen des Armes). (Berl. med. Ges.) Deutsch. med. Wochenschr. Jhrg. 23, 1897. Ver.- Beil. Sı 88—90. Vgl. 161 :des Jhrg. 22. Nr. 31. S. zı1. 9. (144.) 1898. Beiträge zur Anatomie der männlichen Harnröhre. Sitzber. d. Kgl. Preuß. Akad. d. Wiss. Berlin. S. 243. 5 10. (148.) 1898. Bemerkungen über den Bau der männlichen Harnröhre. Berichte der Naturforscher- und Ärzte-Versammlung in Düsseldorf. Leipzig 1898. 11. (156.) 1899. Über Neurone und Neuropil. Sitzber. d. Kgl. Preuß. Akad. d. Wiss. S. 177. (Kurzbericht.) 12. (157.) 1899. Beiträge zur Anatomie der männlichen Harnröhre. Sitzber. d. Kgl. Preuß. Akad. d. Wiss. Berlin 1899. S. 257—264, Taf. III. 13. (170.) ıgor. Schädelstativ. Verh. Berl. Ges. Anthrop. 33. Jhrg. 1901. S. 267. 14. (186.) 1904. Remaryues sur l’anatomie de l’ecaille de l’Oceipital. Compt. rend. de l’Association des Anatomistes, VI. Sess. Toulouse 1904. Bibliogr. anat. Supplem. S. 201. 1 15. (187.) 1904. Bemerkungen über Gruben, Kanäle und einige andere Besonder- heiten am Körper des Grundbeins (os basilare). Internat. Monatsschr. für Anatomie und Physiologie. Bd. XXI. 1905. S. 311—318. 16. (188.) 1904. Bemerkungen über das »Tibiale externum«. Sitzber. d. Kgl. Preuß. Akad. d. Wiss. 1904. S..1326—1332. Nachtrag S. 1417. 17. (201.) 1907. Über Gehirne menschlicher Zwillings- und Drillingsfrüchte verschie- denen Geschlechts. . Sitzber. d. Kgl. Preuß. Akad. d. Wiss. Berlin 1907. S. 114 bis 126. Zeitschr. f. Ethnologie. Bd. 40 S. 262— 272. 18. (203.) 1907. Die Mazerations-Einrichtung an der Anatom. Anstalt zu Berlin. Nach Angaben des Präparators Seifert mitgeteilt. Anat. Anz.. Bd. 31. 1907. S. 246 bis 251. 4 Figg 19. (206.) 1908. Die Magenstraße. Sitzber. d. Kgl. Preuß. Akad. d. Wiss. 1908 S.595 bis 606. ı Fig. 20. (210.) 1909. Der Processus retromastoideus usw. Abhandlungen d. Kgl. Preuß. Akad. d. Wiss. 1909. Mit 3 Taf. 21. (213.) 1909. Über Form, Zahl u. Stellungsvarietäten d. menschl. Zähne. Sitzber, d. Kgl. Preuß. Akad. d. Wiss. S. 1105. 22. (225.) ıgıo. Das Skelett einer Hundertjährigen. Ebenda. 1910. S. 971—979. Takte. War 23. (232.) 1910. Weite re Untersuchungen über den Processus Behr oma Zeitschr. Ethnologie. Jhrg. 42. S. 316—317. je») Verzeichnis der Schriften von W. v. Wardever-Hartz 537 24. (249,) 1914. Aussprache über E. Fischer: Zur Frage nach der biolog. Bedeutung der Pigmentverhältnisse des Menschen. Verh. anat. (res. 28. Vers. Innsbruck. = 8. 161— 169. 25. (255.) 1916. Interparietalnähte. Sitzber. d. Kgl. Preuß. Akad. d. Wiss. S. 539. . (Kurzbericht.) 26. (259.) 1917. Dasselbe. II. Mitteilung. Ebenda. S. 249 (Anzeige). 2 27. (260.) 1917. Torus temporalis und Zona faleiformis. Arch. Anat. u. Physiol. Anat. Abt. 1917. S.17—34. ı Fig. und Taf. r. IV. Mikroskopische Anatomie. 1. (4.) 1863. Über die Endigung der motorischen Nerven in den quergestreiften Muskeln. (Vorläufige Mitteilung). Centralblatt für die. medizin. Wissenschaften 1863 S. 369— 372. 2. (38.) 1875. Zusatz zur Arbeit von Longworth, L. R., Über die Endkolben der Conjunetiva. Arch. mikr. Anat. Bd. XI. S. 653—660. Tafel 44. 3. (41.) 1879. Beiträge zur Kenntnis der Lymphbahnen des Centralnervensystems. Ebenda Bd. 17. .S. 362— 366. Nach Untersuchungen von Dr. Fr, Fischer mit- ? geteilt. «4. (42.) 1879. Über die Endigungsweise der sensiblen Nerven. (Nach Untersuchungen von Dr. V. Izquierdo mitgeteilt.) Ebenda Bd. ı7. S. 367—382. 3. (48.) 1882. Untersuchungen über die Histogenese der Horngebilde, insbesondere der Haare und Federn. In Beiträge zur Anatomie und Embryologie als Festgabe Ei J. Henle dargebracht. Bonn. 1882. S. 141—163. Tafel IX B. 6. — I. (Einzelwerke) Nr. 5 (Auge). 7. — 1. (Einzelwerke) Nr. 6 (Haare). 8. (55.) 1884. Über die Riechschleimhaut des Menschen. Arch. f. Psychiatrie u.. Nerven- krankheiten. Bd. XV. S. 279, 280. 9. (68.) 1887. Über Bau und Entwicklung der Samenfäden. Referat I. Vers. anat. Ges., Leipzig. Anat. Anz. Bd. II. S. 345—368. 10. (77.) 1889. Aussprache über Rarr: Über die Prinzipien der Histologie. Verhandl. anat. Ges. Berlin 1889. 11. (115.) 1895. Über Bindegewebszellen, insbes. über Plasmazellen. Math. u. naturw. Mittlgn. d. Kgl. Preuß. Akad. d. Wiss. zu Berlin. Nr.7. S. 369—376. 12. (12r.). 1895. Über Bindegewebszellen, insbesondere iiber Plasmazellen. Sitzber. d. Kgl. Preuß. Akad. d. Wiss. 1895. S. 751—758. 13. (158.) 1899. Kittsubstanzen und Grundsubstanzen. Epithel und Endothel.. Cingant. Soc. biol. Paris. V. jubilaire. 1899. S. 531—543. 14. (169.) 1901. Bemerkungen z. Anatomie d. Spermien. Sitzber. d. Kgl. Preuß. Akad. S. 749 (Kurzbericht). 15. (173) 1902. Über den feineren Bau des menschlichen Eies. Ebenda S. irıı £ (Kurzbericht). 16. — I. Einzelwerke Nr. 8 (Geschlechtszellen). V. Entwicklungsgeschichte. 1. (5:) 1864. Untersuchungen über die Entwieklung der Zähne. (I. Abt.) "Danzig. 1864. C. Ziemßen. 66S., 4 Taf. 2. (6.) 1864. De dentium evolutione commentatio. Vratislaviae Typ. A. Neumanni. 1864. Breslau, 16 S. Med. Habilitationsschr. 3. (r0.) 1364. Anatomische Untersuchung eines menschl. Embryo von 28—30 Tagen. Studien d. physiol. Instit. z. Breslau. Heft III. 1864. S. 55—70. Taf. Il, Fig. I—IVb. 50* 538 . Öffentliche Sitzung vom’ 30. Juni 1921 33. ..(r1.) 1865. Untersuehungen über die Entwicklung der Zähne. 2..Abt. ‚Zeitschr. f. rat.. Medizin. . 3. R. : Bd. XXIV. S. 169— 213... Taf. VI. . (12.) 1865. Über den Ossificationsproceß. Vorläufige EERE Centralbl. f. d. med. Wiss. 1865. Nr. 8 S.113— 116. . (13.) 1865. Dasselbe. Arch. mikr. Anat. Bd. I. 1865. 8. 354—375. Tat. XXIL. . (20.) 1867. Sitzber. d. schles. Ges. f. vaterl. Cultur v. ır. Oktober. (Betr. Eier- stock, Pflügers Schläuche, »weiße Linie« an d. Oberfläche). . — XII. pathol. Anat. Nr. ı2 (Traubenmole). . —= I. Einzelwerke Nr. ı (Eierstock). . — I]. Einzelwerke Nr. 2 (Zähne). — I. Einzelwerke Nr. 3 (Eierstock und Nebeneierstock). . (39.) 1876. Über die Entwicklung des Centralkanals im Rückenmark. Arch. f. pathol. Anat. Bd. 68. S. 20—26. . (40.) 1877. Über die sogenannte ungestielte Hydatide des Hodens. Arch. mikr. Anat. Bd. XII. S. 278—28o. . (56.) 1883. Archiblast und Parablast. Archiv f. mikr. Anat. Bud. 22. 1883. S. 1—77. 1 Fig. — XII: Patholog. Anat. Nr. 2ı (Brüche u. Zwerchfell). . (57.) 1885. Die neueren Forschungen im Gebiet der Keimblattlehre. Berliner klin. Wochenschr. 1885. Nr. ı7. S. 257—263. Nr. 18. S. 280—288. . (64.) 1887. Über den Placentarkreislauf des Menschen. Sitzber. d. Kgl. Preuß. Akad. d. Wiss. Berlin. 1887. S. 83—93. — IV. Mikroskop. Anat. Nr. 9 (Samenfäden). B (78.) 1889. Menschen- und Affenplacenta. Correspondenzbl. d. deutsch. Ges. f. Anthrop., Ethnolog. u. Urgesch. Bericht über die Anthropologen-Vers. in Wien. S. 174— 175. . (79.) 1889. Die Placenta von Inuus nemestrinus. Sitzber. d. Kgl. Preuß. Akad. d. Wiss. Berlin. 1889. S. 697—710. . (80.) 1890. Bemerkungen über den Bau der Menschen- und Affenplacenta. Arch. mikr. Anat. Bd. 35. 1890. S. 1—51. Taf. I, II. . (82.) 1890. Die Rückbildung der Thymus. Sitzber. d. Kgl. Preuß. Akad. d. Wiss. Berlin. 1890. S. 433—446. . (107.) 1893. Über eine ektopische Schwangerschaft bei einem Mantelpavian. Verh. d. Berl. Ges. f. Geburtshilfe u. Gynäkolog. Zeitschr. f. Geburtshilfe u. Gynäkolog. Bd. 27. S. 177— 180, N . (113.) 1894. Weitere Mitteilungen über das Präparat von ektopischer Schwanger- schaft bei einem Pavian. Verh. d. Ges. f. Geburtshilfe u. Gynäkolog. zu Berlin. Zeitschr. f. Geburtshilfe u. Gynäkolog. Bd. 30. S. 282, 283. . — III. Syst. Anat. Nr. 8 (Armvenen). . (149.) 1898. Geschlechtsunterschiede der Furchen und Windungen beim mensch- lichen Foetus. Verh. Berlin. Ges. Anthropologie. 1898. S. 280, 281. . (152.) 1899. Normales Ovarium einer 45jährigen Frau mit 2 großen Corpora lutea. Verh. anat. Ges. 13 Vers. Tübingen. 1899. S. 41. . — IV. Mikrosk. Anat. Nr.9 (Samenfäden). — I. Einzelwerke Nr. 8 (Geschlechtszellen). . —= IX. Akadem. Reden Nr. ıı (Kaspar. Friedrich Wolf). . (216.) 1909. Über den Unterkiefer eines Erwachsenen mit 3. Molarzahn im rechten Ast. Verh. Ges. deutsch. Naturf. und Ärzte. SoVers. Köln: 1908. Teil'2.. Hälfte‘ 2 S. 514. . (233.) 1911. Önodi, A. Les cavites peri-nasales chez l’enfant. _Reproduetion photographique, grandeur natur. ‚de 102 preparations. Preface du W.Waldeyer. 102 Taf. Würzburg IX und 228S (261.) 1917. Über die Entwicklung des Hinterhauptbeines. .Sitzber. & Kol. Preuß. Akad. d. Wiss. S. 299. (Kurzbericht.) Verzeichnis der Sehriften von: W. v. Warpever-Hartrz 539 VI. Lageanatomie. 1. (1868.) — XII. Pathologie Nr. 3 (Hernia retroperitonealis). 2. (1874.) = XI. Pathologie Nr. 20 (Hernia retroperitonealis und Periiäneum). 3. (60.) 1886. Die Lage der inneren weiblichen Beckenorgane bei Nulliparen. Anat. Anz. Bd.1. S. a 4. (6r.) 1886. Medianschnitt einer Hochschwangeren bei Steißlage des Foetus nebst Bemerkungen über die Lage und Formv erbältnisse des Uter us gravidus. Bonn. Cohen u. Sohn. 1886. 5. (7r.) 1888. Über die Lage der inneren weiblichen Geschleehtsorgane. Sitzber.'d. Kgl. Preuß. Akad. d. Wiss. Berlin 1888. S. 1019 bis 1025. 6. (88.) 1892. Durchschnitte gefrorner Leichen. Zeitschr. f. Geburtshilfe und Gynäkol. Bd. 24. 1892. S. 147. 7. (89.) 1892. Drei Modelle zur Darstellung der Topographie des Gehirns nach Präparaten von D. J. Cunningham in Dublin von Casciani angefertigt. Verhandl. d. deutsch. Ges. f. Anthrop., Ethnolog. u. Urgesch. Jhrg. 24. 180. S. 202. » 8. (93.) 1892. Beiträge zur Kenntnis der Lage der weiblichen Beckenorgane nebst ne eines frontalen Gefrierschuities des Uterus gravidus in situ. Bonn. . Cohen. 1892. Fol. 29 SS. (5 Taf.) 9. a 1895. Bemerkungen zur Anatomie der Art. obturatoria. Verh. anat. Ges. 9. Vers. Basel. S. 100—104. 1 Taf. 10. (129.) 1896. Über die Fossa ovarii. Verh. anat. Ges. ro. Vers. Berlin. S. r5r. 11. (130.) 1896. Die Lage des Eierstockes. Zeitschr. f. Geburtsh. und Gyn. 35. Bd. S. 300/301. 12. (135.) 1897. Das Trigonum vesicae. Sitzber. d. Kgl. Preuß. Akad. d. Wiss. 1397. S.732— 749. Taf. IX. 13. (136.) 1897. Topographie des Uterus. Vortrag, gehalten im Medizinischen Verein in Greifswald. Deutsche med. Wochenschrift. 1898. Nr. 19. 14. (137.) 1897. Bemerkungen zur Anatomie des knöchernen Beckens. Verb. d. Ges. deutscher Naturforsch. u. Ärzte. 68. Vers. Frankfurt a. M. T. II. z. Hälfte. S. 490— 493. 15. (138). 1897. Ein neues Verfahren zur Konservierung REEL Präparate. Deutsche med. Wochenschr. 1896. Vereins-Beilage Nr. 30. S.207—208. 16. (143.) 1898. Topographical sketch of the lateral wall of ind pelvis eavity, whith special reference to the ovarian groove. Journ. Anat. and Physiol. Bd. 32. S. 1ı—ıo. ı Taf. 17. (140.) 1897. Bemerkungen über die Lage des Ureter. Verh. anat. Ges. ır, Vers. in Gent. 1897. S. 18—20. 18. — III. System. Anat. Nr. 9 (Harnröhre). 19. — Ill. System. Anat. Nr. 10 (Harnröhre). 20. (150). 1898. Bemerkungen zur Anatomie des knöchernen Beckens. . Naturforsch.- Vers. Diisseldorf. 21. — III. System. Anat. Nr. 12 (Harnröhre). 22. (164.) 1900. Die Kolon-Nischen, die Arteriae eolicae und die Arterienfelder der Bauchhöhle, nebst Bemerkungen zur Topographie des Duodenum und Panereas. Abhandl. d. Kgl. Preuß. Akad. d. Wiss. 1900, mit 4 Tafeln, 64 S. 23. (17r.) 1901. Topographie des Gehirns. Deutsche med. Wochensehrift. Jhrg. 27. 1901. Nr. 26— 29. 21 Figg. [auch C. R. du 13.Congr. internat. d. med. Paris 1900. Sect. d’anat. deser. et eomp.] S. 69—99. 24. (175.) 1902. Über das Verhalten des Pars prostatica urethrae bei. starker Füllung der Harnblase. ©. R. assoec. anat. Montpellier. S. 35—36. 25. (179.) 1903. Das Triggnum subelaviae. Bonn 1903. rıS. 2 Taf. Friedrich Cohen. 2°. 26. (200.) 1906. Sur la situation de l’artere vertebrale. Compt. r. de. association des Anatomistes. Bordeaux 1906. S. 83—84. se 540 Öffentliche Sitzung vom 30. Juni 1921 27. (215.) 1909. Über Lageanomalien der Arteria vertebralis. Verh. Ges. deutscher Naturf. u. Ärzte. 80. Vers. Cöln. 1908. Teil 2, Hälfte 2, S’513. 28. (217.) 1909. Über eine bereits von Curschmann u.a. beschriebene ale des Colon sigmoideum, ebenda. 29. (218.) 1909. Über eine ungewöhnliche Größe und Lage des, ('olon sigmoideum. Compt. rend. l’Assoc. Anat. rr. Reun. Nancy 1909. S. 180. 30. (220.) 1909. Weitere Bemerkungen über die Lage der Arteria vertebralis. . Compt. rend. Assoc. Anat. ıı. Reun. Naney 1909. S. 18T. 31. — XII. Pathol. Anat. Nr. 25 (Heterotopie d. Colon pelv.). 32. (245.) :1914. Scholia topographica. Zeitschrift für ee ni Auirönglogle, 1914. Bd. XVII. S. 1—14. Taf. 1. % VH. Vergleichende Anatomie. u . (2.) ı863.- Untersuchungen über den Ursprung und den Verlauf’des Axencylinders bei Wirbellosen und Wirbeltieren, sowie über dessen Endverhalten in der quer- gestreiften Muskelfaser. Zeitschr. f. rat. Medizin 3. R. Bd. XX. S. 193—256. Taf. VIIIL—X. 2. (7.) 1864. Anatomische und physiologische ae über die Lymphherzen der Frösche. Ebenda 3. Reihe. Bd. 21. 1864. S. 103. 3. (8.) 1864. Zur Anatomie und Physiologie der Lymphherzen bei Fröschen und Schildkröten.. Ebenda Bd. 23. S. 193. - (9.) 1864. Zur Anatomie und Physiologie der Lymphherzen von Rana und Emys europaea. Studien d. physiol. Instit. z. Breslau. 1864. Heft III. S. 71—96. Taf. II, Fig. V. Dell]. Systematische Anat. Nr. 3 (Pharynx u. Sohlingeeß). 6. (72.) 1888. Das Rückenmark des Gorilla verglichen mit Ha des Menschen. Correspondenzbl. d. deutsch. Ges. f. Anthrop., Ethnol. u. Urgesch. XIX. Jhrg. 1888.. Nr. ı0. S. 112/113. (74) 1889. DasGorilla-Rückenmark. Abhandl. d. Kgl. Preuß. Akad. d. Wiss. (1388). Berlin 1889. 147 S. ı2 Tafeln. 8. (75.) 1889. Das Rückenmark des Gorilla verglichen mit dem des Menschen. Neurolog. Centralblatt. Jhrg. VIII. 1889. S. 151. 9. — V. Entwicklungsgesch. Nr. 19 (Mensch- und Affenplazenta). 10. — V. Entwicklungsgesch. Nr. 20 (Inuusplazenta). ‘ 11. (81.) 1890. Über Anthropoiden-Gehirne. Correspondenzbl. d. deutsch. Ges. f. An- thropol., Ethnol. u. Urgesch. 1890. S. 163. 12. (84.) 1891. Das Gibbon-Hirn. Internat. Beiträge z. wiss. Medizin. Bd.I. Berlin 1891. SAT AOx Bann: 13. (86.) 1891. Über die »Insel« des Gehirns der Anthropoiden. Correspondenzbl. d. deutsch. Ges. f. Anthropol., Ethnolog. u. Urgesch. Jhrg. XXII. 1891. S. 1I0—112. 14. (87.) 1891. Sylvische Furche und Reilsche Insel des Genus Hylobates. Sitzber. d. Kgl. Preuß. Akad. d. Wiss. Berlin 1891. S. 265—277. Taf. II. 15. (94.) 1892. Über den feineren Bau des Magens und Darmkanales von Manatus americanus. Ebenda Berlin 1892. S. 79—85. 16. — V. Entwicklungsgesch. Nr. 23 (Pavianschwangerschaft). 17. (1ro.) 1894. Beiträge zur Osteologie und Neurologie der Anthropoiden. Atti dell’ XI. congr. medico internaz. Roma 1894. Vol. 2 Anat. S..30—31. 18. (111.) 1894. Presentation de la photographie d’une preparation de (. Benda de- montrant l’existenee de fibres spirales dans les spermatozoaires de Mus museulus. Arch. ital. de Biol. T. 21. Fasc. 3.. p. XVII. 19. (160.) 1899. Vorrede in E. Flatau und L. Jacobsohn, Handbuch der Anatomie und vergl. Anatomie d. Centralnervensystems der.Säugetiere. ‚Berlin 1899. > 1 1: 2. 23. 24. ‘ Verzeichnis der Schriften von W. v: WALpevEr-Harrz H4l VII. Anthropologie. (43-.) 1879. Die Schädel der Straßburger Nekropole; Torus oceipitalis, Trochanter tertius. - Correspondenzbl. d. deutsch. anthr. Ges. S. 151. (44) 1880. Bemerkungen über die Squama ossis oceipitis mit besonderer Berück- sichtigung des »Torus oceipitalis«. Arch. f. Anthropologie. Bd.r2. 1880. S. SE 0 Taf. IX. Fig. I..2 . (45.) 1880. Der Trochanter ter tius des Menschen’ nebst Bear zur ans des Os femoris. Ebenda: Bd. ı2. 1880. S. 463—467. Taf. IX. Fig. 3. . (46.) 1881. Skelettbefund in der Abhandlung von €. Meurıs, Der “Grabfund aus der Steinzeit von Kirchheim a.d. Eck. XL. Jahresber. d. Pollichia.- Dürkheim u. Kaiserslautern 1881. . (51.) 1883. . Über anthropologische Untersuchung der Haare. Correspondenzbl. d: deutsch. anthrop. Ges. Nr. 10. . (57b.) 1885. Haarcommission. Correspondenzbl. d. deutsch. Ges. f. Anthrop., Ethnol. u. Urgesch. XV]. Jhrg. Nr. 10. S. 129. . (58.) 1885. Die Hottentottenschürze. Verhandl. d. Berl. Ges. f. Anthrop., Ethnol. u. Urgesch. 17. Jhrg. 1885. S. 568—3573 und 18. Jhrg. 1886. S. 70. . (69.) 1887. Über anthropologische Untersuchung des Gehirns und über Gehirn- sammlungen. Correspondenzbl. d..deutsch. anthrop. Ges. Jhrg. XVIII. S. 159. SWL. Vergl. Anat. Nr. ı1r (Anthropoidengehirne). . — VII. Vergl. Anat. Nr. 13 (Insel). . (9r.) 1892. Über den harten Gaumen. Correspondenzbl. d. deutsch. Ges. f. Anthrop.. Ethnol. u. Urgesch. Jhrg. 23. 1892. S. 118—ı19. 4 Figg. . (95.) 1892. . Anomalien des harten Gaumens. Verh. d. Berliner Ges. f. Anthropol., Ethnolog. u. Urgesch. ‘Jhrg. 24. 1892. S. 427. . (98.) 1893. Über den Bau des harten Gaumens und einige leistenartige Vorsprünge am Schädel. ‚Bericht über die Anthropologen- Se in Hannover 1893. . (100.) 1893. Über Form- und Rassenverschiedenheiten der Flügelfortsätze des Keil- beins. Sitzber. d. Kgl. Preuß. Akad. d. Wiss. 1893. S. 999— 1002. Taf. VI. . (104.) 1893. Farbige Gehirnphotographien. Verh. d. Berliner Ges. f, Anthropol., Ethnolog. u. Urgesch. Jhrg. 25. 1893. S. 136. . (105.) 1893. Skelett eines etwa sojährigen Zwerges. Zeitschr. f. Ethnologie. Jhrg. 25. 1893. S. 210— 211. . (108.) 1894. Über einige anthropologisch bemerkenswerte Befunde an Neger- hirnen. Sitzungsber. d. Kgl. Preuß. Akad. d. Wiss. 1894. S.1213—ı221. 3 Figg. . (109.) 1894. Vollslandız Shalkener Dayak-Schädel. Verh. d. Berliner Ges. f. Anthropol. Zeitschr. f. Bandionie Jhrg. 26. 1894. S. 383— 385. . (112.) 1894. Über einige Gehirne von Öst-Afrikanern. Mitteil. d. Anthrop. Ges. in Wien. Bd. 24. Neue Folge. Bd. 14. S. 141— 144. 2 Figg. . (114.) 1894. Über einige Gehirne von Ost-Afrikanern. II. Gemeinsame Vers. d. deutsch. u. Wiener anthrop. Ges. in Innsbruck. Correspondenzbl. deutsch. anthrop. Ges. 1894. S. 151— 154. 2 Figg. . (118.) 1895. Über die somatischen Unterschiede der beiden Geschlechter. Ebenda. Jhrg. 26. 1895. S. 73—82. . (119.) 1895. Die anthropologische Stellung der Geschlechter zueinander, mit be- sonderer Berücksichtigung der Frauenfrage. 26. Kongreß der Deutsch. anthropol. Ges. in Kassel. Naturwiss. W.B. 10. Nr. 36. S. 429—433. (120.) 1895. Über die menschenähnlichen Affen. Correspondenzbl. d. deutsch. anthropol. Ges. :Jhrg. 26. S. 101— 108. (125.) 1895. Welche Art der Anthropoiden steht in ihrem Baue dem Menschen am nächsten? Verhandl. der XXVI. Versammlung der Deutschen Anthropologischen Gesellschaft. Kassel 1895. IWF F 542 Öffentliche Sitzung vom 30. Juni 1921 25. (141.) 1897. Anthropologische Mitteilungen. Correspondenzbl, deutsch. Anthropol. . Ges. München 1897. S. ıı2. Köer — V. Entwieklungsgeschichte Nr. 26 (Geschlechtsuntersch. am Hirn). 7. (153.) 1899. Eröffnungsrede der gemeinsamen Versammlung der deutschen und“ Wiener anthropologischen Gesellschaft zu Lindau. Anthropologischer Univer- sitätsunterricht. Corresp.-Blatt d. deutschen Ges. Anthropolog. XXX. Jhrg. 1899. S. 70. 28. (154.) 1899. Ein Koreaner Schädel. Verhandl. Berl. Ges. Ethnol. 31. Jhrg. 1899. S. 848. 29. (172.) ıg0o1. Das Gehirn des Mörders Bobbe. Korrespondenzblatt Deutsch. Ges. für Anthropologie und Ethnologie Jhrg. 33. 1901. S. 140— 141. 30. (176.) 1903. Eröffnungsrede der XXXIV. allgem. Vers. d. deutsch. Ges. f. Anthro- pologie. Ebenda. Jhrg. XXXIV. S. 67. 31. (177) 1903. Über Schädelvariationen. Ebenda. Bd. XXXIV S. 192. 32. (191.) 1905. Aufenthalt in St. Louis und die anthropologische Abteilung der Welt- ausstellung. daselbst. Zeitschr. Ethnol. Jhrg. 37 S. 213—216. 33. (192.) 1905. Kraarsch (Waldeyer) ae über den bisherigen, Verlauf und die Errungenschaften seiner (Klaatsch’s) Reise in Australien bis Ende September 1904. Ebenda. Jhrg. 37. 8. 211—213. 34. (194.) 1905. Mumie aus‘ Australien und Fortsetzung des Reiseberichtes des Hrn. Klaatsch. Ebenda. 37. Jhrg. 1905. 8. 772—781. Taf. IX. 35. (195.) 1906. Bemalte Ostereier aus Krakau. Ebenda. Jhrg. 38. 1906.. S. 750, 751. 36. (196.) 1906. Gehirne sidwestafrikanischer Völker. Sitzber. d. Kgl. Preuß. Akad. d. Wiss. 1906. 8. 3—8. t 37. (199.) 1906. Reisebericht des Hr n. Prof. Klaatsch aus Soerabaya vom ı. Mai 1906. Vorgelegt von Warpever. Zeitschr. Ethnologie. Jhrg. 38. S. 764—800. 38. (240.) ıgı2. Gehirn und Rasse. Vortrag in der re in Wien 23. März 1912. Neue freie Presse 24. März ıgr2 ausführlicher Bericht. 39. (241.) 1912. Der Schädel Schillers. Bericht über die Mitteilung A. v. Frorieps auf der Anatomen-Vers. in München 22. April ı9r2. Deutsche mediz. Wochen- schrift: Jhrg. 38. 1912. Nr.25. S. 1199—1200. 40. (248.) 1914. August von Froriep, Der Schädel Friedrich von Schillers usw. Anat. Anz. 46. Bd. 1914. S. 211— 224. IX. Akademische Bedien‘ . (83.) 1891. Bemerkungen zu Curtins: Das menschliche Auge in der griechischen Plastik. Sitzber. d. Kgl. Preuß. Akad. S. 694—695. 2. (90.) 1892. Über die Plastik des menschlichen Auges am Lebenden und an den Bildwerken der Kunst. Ebenda. Berlin 1892. S. 45—46. (132.) 1896. Festrede zur Feier des Leibnizischen Jahrestages. Ebenda. 1896. S. 731736. (Umbauforderung.) 4. (134:) 1897. Festrede zur Feier des Geburtsfestes Sr. Majestät des Kaisers und Königs und des Jahrestages König Friedrichs. IL. Ebenda .1897. S. 23—29. (Fortschritte der Wissenschaft in en letzten 300. Jahren.) . (145.) 1898. Über Aufgaben und Stellung unserer Universitäten seit der Neu- gründung des deutschen Reiches. Rede zum Antritt des len der Univ. Berlin. A. Hirschwald. ' Berlin 1898. 6. = XI. Unterricht Nr. 6. : (Geschichte d. Anatomie in Berlin.) 7. (163.) 1900. Die Bildnisse Friedrichs des Großen und seine äußere Erscheinung. Rede gehalten in der Festsitzung der Kgl. Preuß. Akad. d. Wiss. Berlin am 25. Ja- nuar 1900. A. Hirschwald. 24 S. 'ı Tafel. 8. (167.) 1901. Festrede: (Friedrichssitzg.). Sitzber. Kgl. Preuß.. Akad..d. Wiss. Berlin 1901, S. 55—66. . (Die preußischen Könige u. die Akademie.) P- ” Sl 9. 10. 11. 12. 13. 14. 19. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. je oJn..n BE er Be u m fe o 2 [7 — 13. 14. Verzeichnis der Schriften von W. v. WALDEYER-HarTz 543 (174:) 1902. Leibniz-Festrede. Sitzber. Kgl. Preuß. Akad. 1902. S. 735—788. (Vereinigung der Akademien.) (182.) 1903. Festrede zur Feier des Leibnizischen Jahrestages vom 2. Juli. Ebenda. Berlin 1903. S. 705—708. (Abschied vom alten Akademiegebäude.) (184.) 1904. Festrede (Friedrichssitzg.). Ebenda. S. 209— 226. (Entwicklungsge- schichte u. Kaspar FRIEDRICH WOoLFF.) (189.) 1905. Festrede (Friedrichssitzg.). Ebenda. S. 105—121. (Friedrich der Große u. Amerika, Deutschland u. Amerika.) (204) 1907. Leibniz-Festrede. Ebenda S.617—623. (Vereinigung der Akademien.) (207:) 1908. Report on the present Status of the Academic Institutes for Brain Study etc. Anat. Record Vol.2. S. 428—431. (209.) 1909. Festrede (Friedrichssitzg.). Sitzber. Kgl. Preuß. Akad. S. 105—107. (226.) 1910. Leibniz-Festrede. Ebenda. S. 663—666. (Leibnizerinnerungen, Aka- demieeinrichtungen.) (235.) ıgıı. Die sojährige Jubelfeier der Universität Jassy. Berliner klinische Wochenschr. ıgı1. Nr. 45. (237.) 1912. Festrede (Friedrichs-Sitzung). Sitzber. d. Kgl. Preuß. Akad. d. Wiss. S. 36—38. (Ansprache an S. Majestät Kaiser Wilhelm II.) (250.) 1914. Frieden im Kriege. In: Nord und Süd, eine deutsche Monatsschrift. (246.) 1914. Festrede (Friedrichs-Sitzung). Sitzber. d. Kgl. Preuß. Akad. d. Wiss. (Die Akademiker, Akademiestiftungen). S. 77- (254) 1916. Leibniz-Festrede. Ebenda. S.739—742. (Leibniz und der Krieg.) (257.) 1917. Die Sorge für die Verwundeten und Kranken im Felde einst und jetzt. Rede zur Feier. des Geburtstags Sr. Majestät des Kaisers. Berlin 1917. 32 S. (263.) 1918. Festrede (Friedrichs-Sitzung). Sitzber. d. Kgl. Preuß. Akad. d. Wiss. S. 7—ı1. (Einspruch gegen den Lügenfeldzug der Feinde.) X. Nachrufe und Ansprachen an neue Mitglieder der Akademie. . (47-.) 1882. Franeis Maitland Balfour. Ein Nachruf. Arch. mikr. Anat. Bd. 21. S. 828835. . (59.) 1886. J. Henle. Nachruf. Ebenda. Bd. 26. 1885. S.I-XXXI. . (97-:) 1893. Nachruf auf Joessel. Anat. Anz. Bd. 8. 1893. S. 92—94. . (103.) 1893. Nachruf auf Robert Hartmann. Ebenda. VII. Jhrg. 1893. S. 543,544. . (126.) 1896. Nachruf auf Adolf von Bardeleben. Ebenda. ır. Bd. 1896. S.303—305. . (127.) 1896. Albert von Brunn. Nachruf. Ebenda. Bd. ıı. 1896. S. 481—485. . (146.) 1898. Nachruf auf Rüdolf Heidenhain. Anat. Anz. 14. Bd. 1898. S. 182—184. . (147.) 1898. Antwort an Herrn Engelmann. Sitzber. d. Kol. Preuß. Akad. d. Wiss. S.435—437- . (162.) 1899. Nachruf auf Vietor von Mihalkovies-Mihalkovies Geza. Anat. Anz. 16. Bd. 1899. S. 349—352. . (165.) 1900. Johannes Müller zum Gedächtnis. Arch. mikr. Anat. 55 Bd. 1900. S: I—X. r Tafel. . (166.) 1900. Antwort an Herrn Branco (Branca). Sitzber. d. Kgl. Preuß. Akad. d. Wiss. S. 198. . (181.) 1903. Gedächtnisrede auf Rudolf Virchow. Abh. Kgl. Preuß. Akad. d. Wiss. Berlin. 1903. 52 S. (183.) 1903. Leonard Landois zum Gedächtnis, Als Manuskript gedruckt von Fischer und Wittig in Leipzig. 1903. 28 Seiten. (185.) 1904. Wilhelm His +. Sein Leben und Wirken. Deutsche med. Wochenschr. Jhrg. 30. S. 1438— 1441, 1469— 1471, 1509—ı511. ı Portrait. E Sitzungsberichte 1921. 51 EEEN EIERN SER EN ARTE RAT N un RE En A 544 Öffentliche Sitzung vom 30. Juni 1921 15. (198.) 1906. Albert von Koelliker zum Gedächtnis. Anat. Anz. Bd. 28. S. 539 . bis 552. ı Taf. 16. (202.) 1907. Zum roojährigen Geburtstage Theodor Schwanns. Vortrag gehalten in der Sitzung der Berliner medizinischen Ges. am 6. März 1907 in Berliner klinische Wochenschr. 1907. Nr. ır. 17. (205.) 1907. Antwort auf die Antrittsrede d. HH. Orth u. Rubner. Sitzber. d. Kgl. Preuß. Akad. S. 631—634. | 18. (212.) 1909. Herıwıc, O. und Warvever, W., Theodor Schtrann zum Gedächtnis. ı Bildnis. Arch. mikr. Anat. Bd.74. S. 469473. 19. (214.) 1909. Nachruf auf David John Cunningham. Anat. Anz. 35. Bd. 1910. S. T09—111. 20. (223.) 1910. Anton Dohrn zum Gedächtnis. Ebenda. Bd. 35. 1910. S. 596—603. 21. (224.) ı9ro. Nachruf‘ auf F. von Recklinghausen. Ebenda. 37. Bd. ı910. S. 509— 511. } 22. (227.) 1910. Die Enthüllung des Virchow-Denkmals. Berliner klinische Wochen- schrift. 1910. Nr. 27. EN 23. (234.) ıgıı. WALDEYER, W. und Barrers, P., Wilhelm Krauses Schriften. Anat. Anz. Bd. 39. S. 266-—272. 24. (238.) ı9ı2. Antwort auf die Antrittsrede des Hın. Haberlandt. Sitzber. d. Kgl. Preuß. Akad. S. 588—589. 25. (239.) 1912. Nachruf auf Josef Disse. Anat. Anz. 42. Bd. ıgı2. S. 26—28. 26. (251.) 1914. Gustav Schwalbe zu seinem 70. Geburtstage. Deutsche med. Wochen- schrift. 1914. Nr. 31. ı Fig. 27. (252.) 1915. Antwort auf die Antrittsrede des Hrn. Brauer und Correns. Sitzber. d. Kgl. Preuß. Akad. S. 501—502. 28. (253.) ıgı5. Georg Hermann von Meyer, Deutsche med. Wochenschrift. 1915. Bd.41. Nr. 34. ı Fig. S. 1014—ıo1r5. 29. (256.) 1916/17. Nachruf auf Friedrich Frohse. Anat. Anz. 49. Bd. 1916/17. S. 31. 30. (262.) 1917/18. Nachruf auf Ferdinand Hein. Ebenda. 50.Bd. 1917/18. S.557,558. 31. (264.) 1918. Gedächtnisrede auf August Brauer. Abhandl. d. Kgl. Preuß. Akad. : d. Wiss. Berlin. Jhrg. 1918. 32. (265.) 1918. Antwort auf die Antrittsrede des Hrn. R. Fick. Sitzber. d. Kgl. Preuß. Akad. d. Wiss. 1918. S. 554. 33. (267.) 1918/19. Nachruf auf Karl von Bardeleben. Anat. Anz. 51.Bd. 1918/19. ur 50% S. VII—XI. Mit ı Taf. \ . 34. (268.) 1919. Nachruf auf Gustaf Retzius. Ebenda. Bd. 52. 1919. S. 261—268. Mit ı Fig. 35. (269.) 1920. Lebenserinnerungen von W.v. Warvever-Harrz. Bonn 1920. XI. und 419 S. Mit Bildnis. XI. Unterricht. . (53.) 1884. Wie soll man Anatomie lehren und lernen. Rede, geh. zur Feier d. Stiftungstages der militärärztlichen Bildungsanstalten am 2. Aug. 1884. Berlin. A. Hirschwald. 1884. 41 S. Deutsche med. Wochenschrift 1884. Nr. 37. - (73.) 1888. Das Studium der Medizin und die Frauen. Verhdlge. d. Vers. d. Naturf. u. Ärzte in Köln 1888. S. 31—44. 3. (99.) 1893. »Anatomie«, Sonderabdruck aus Wırnerm Lexis: Die deutschen Universi- täten, für die Universitätsausstellung in Chicago. Asher & Co. Berlin. Bd. I. S. 187— 233. 4. — IX. Akadem. Reden Nr. 5 (Universitäten). 5. — VIII. Anthropologie Nr. 26 (Anthropol. Unterricht a. d. Universität). 6. (159.) 1899. Zur Geschichte des anatomischen Unterrichts in Berlin. Rede zur Gedächtnisfeier des Stifters der Berliner Universität. König Friedrich Wilhelm II. Berlin 1899. Hirschwald. 50 S. —_ IV ET ae ed a TR fı 4 x 2 1,77 A 79.0 Di FERNE au 4 BP ° Verzeichnis der Schriften von W. v. WaLperver-Harrz 545 ‚7. (228.) ı9ro. Der Unterricht in den anatomischen Wissenschaften an der Universität Berlin im ersten Jahrhundert ihres Bestehens. 5 Figg. Berliner klinische Woehen- schrift. ‚Ihrg. 47. ıgıo0. S. 1863— 1866. 8. (231.) 1910. Das anatomische Institut. Geschichte der Universität Berlin von Max Lenz. . III. Bd. S, 129— 141. ? 9. (258.) 1917. Die Ele Eng des anatomischen Unterrichts seit 1798. In Nr. r, 1917, der »Allgemeinen Zeitung«. XI. Pathologische Anatomie. 1. (3:) 1863. Über Psorospermieneysten n den Muskeln des Schweines. Centr alblatt f. d. mediein. Wissenschaften. 1863. S. 849—851. 2. (14.) 1865. Die Veränderungen der ER Muskelfasern beim Abdominal- typhus. Vorläufige Mitteilung. Centralbl. f. d. med. Wiss. 1865. S. 97—100. 3. (15.) 1865. Über die Veränderungen der quergestreiften Muskeln bei der Entzündung und dem Typhusprozeß, sowie über die Regeneration derselben nach Substanz- defekten. :Arch. pathol. Anat. Bd. 34. S.473—514. Taf. X. 4. (16.) 1865.) Großes Lipo-Myxom des Mesenteriums mit secundär ensarcomatösen Heerden in der Leber und Lunge. Arch. pathol. Anat. 32.Bd. 1865. S.543—544- 5. (17.) 1866. Zur pathologisch-anatomischen Casuistik. I. Lienale Leukaemie mit ausgebreiteten Neubildungen in Leber und Nieren. Ebenda. 35. Bd. 1866. S. 214— 218. Ta“.VII. Tuberkulose des Myokardiums und des Gehirns. Ebenda. S. 218—220. : 6. (18.) 1867. Zur pathologischen Anatomie der Wundkrankheiten. Ebenda. 40. Bd. 1867. S. 379—426. Taf. Vll. Fig. ı. . (19.) 1867. Die Entwicklung der Carcinome. Arch. patholog. Anat. 41. Bd. 1867. S. 470—523. Taf. XI, XI. "8. (zr.) 1868. Hernia NT nebst Bemer kungen zur Anatomie des Perito- neums. Breslau 1868. 4°. S =! 9. (22.) 1363. Bacteriencolonien mit Pseudomelanose in der Leber. JArch. patholog. Anat...43.Bd. 1868. S. 533—540. ‚Taf. XVI, Fig. 4. 10. (23.) 1868. Zusammen mit OÖ. SPIEGELBERG, Untersuchungen über das Verhalten “ abgeschnürter Gewebspartien in der Bauchhöhle, sowie der in dieser zurückge- lassenen Ligaturen und Brandschorfe. Ein Beitrag zur Ovariotomie. Ebenda. 44. Bd. 1868. S. 69—82. Taf. V. 11. (24.) 1868. Myxoma intravasculare arborescens funieuli spermatici, zugleich ein Beitrag zur Kenntnis des Cylindroms. Ebenda. 44. Bd. 1868. S. 83—88. 12. (25.) 1868. Zusammen mit Jarorzey, Traubenmole in Verbindung mit dem Uter us; intraparietale und intravasculäre \W eiterentwickelung der Chorionzotten. Ebenda. 44. Bd. 1868. S. 88—94. 13. (29.) 1871. Diffuse Hyperplasie des ns ir rkes; Leukaemie. Ebenda. 52. Bd 1871. S. 305—317. Taf. V, Fig. 1, 14. (30.) 1871. Xanthelasma en Ebenda. 52. Bd. ı871. S. 318—323. Taf. V, Fig. 3—;5. 15. (31.) 1871. Mycosis intestinalis. Ebenda. 32. Bd. 1871. S. 5341—550. 16. (32:) 1872. Die Entwickelung der Careinome. (Zweiter Artikel.) Ebenda. 55. Bd. 1872. S. 67—159. Taf. V—IX. 17. (34.) 1872. Zusammen mit H. Körner, Beiträge zur Kenntnis der hereditären Knochensyphilis. Ebenda. 35. Bd. 1872. S. 367—379. 18. (36.) 1874. Cornea, Sklera und Lider in: Graefe u. Sämisch, Handbuch der Ophthalmologie I. S. 169— 264. 19. (37:) 1874. Hernia retroperitonealis, nebst Bemerkungen zur Anatomie des Peri- toneums. Virchows Archiv. 1374. Bd. 6o. S. 66-92. (Datiert: Breslau 1871.) Diese Arbeit wurde 1868 als Habilitationsschrift ‘veröffentlicht, ist aber’ nicht, in den Buchhandel gekommen. 546 Öffentliche Sitzung vom 30. Juni 1921 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 29. . (266.) 1918. Über Mikrocephalengehirne. 2. Mitteilung. Ebenda. S. ıgr. (56.) 1884. Über die Beziehungen der Hernia diaphragmatica congenita zur Ent- Bi » wicklungsweise des Zwerchfells. Deutsche medie. Wochenschrift. 1884. Nr. 14. i S. 21I— 212. (128.) 1896. Die Caudalanhänge des. Menschen. Math. naturw. Mittlgn..aus den Sitzber. d. Kgl. Preuß. Akad. d. Wiss. zu Berlin. 'S. 349—358. (197.) 1906. Einiges über Hernien. Gedenkschr. f. Rudolph v. Leuthold. Berlin 1906. (219.) 1909. Eine seltene abnorme Zähnstellung. Verhandl. anat. Ges. 23. Vers. Gießen 1909. S. 180. (229.) 19x0. Abnorme Lagerung eines dritten unteren Molaren im Processus coronoideus mandibulae nebst Bemerkungen zur Anatomie des Unterkiefers. Archiv f. Anat. u. Physiol. Anat. Abt. 1910. S. 241—248. Taf. XI, XI. (230.) 1910. Heterotopie des Colon pelvinum. Ebenda. ıg1o. S. 237—240. En (236.) ıgıı. Gehirn u.Skelett einer ı6jährigen Mikrocephalen. Sitzber. Kgl. Preuß. Akad. d. Wiss. S. 493. (Kurzbericht.) (242.) 1913. Über Microcephalie. Verh. Ges. deutsch. Naturforsch. 84. na Münster ıgı2. Teil 2. Hälfte 1. S. 273— 274. S. auch Sitzber. Kgl. Preuß. Akad. d. Wiss. 1913. S. 305. : (243-.) 1913. Über Mißbildung d. Rhinencephalon. Sitzber. Kgl. Preuß. Akad. d. Wiss. S. 947. (Kurzbericht.) (244.) 1913. Das Skelet eines Scheinzwitters. Ebenda. Berlin 1913. S. 368—380. Von Schriften über W. v. WALDEYER-HArrz waren mir zugänglich: 1911. J. Sororra: W. Waldeyer z. s. 5ojähr. Doktorjubiläum am 23. Juli ıgır. Münch. Med. Wochenschrift Nr. 29. Sonderabdruck S. 1—7. : Derselbe: Ebenso. Berliner klinische Wochenschr. Nr. 30. Sonderabdr. S. 15. 1916. Derselbe: W. Waldeyer z. s. 80. Geburtstage. Deutsche mediz. Wochenschr. Nr. 40. K. v. Barperegen: Ebenso. Berliner Tageblatt. Sonntag, ı. Okt. r916. » ©. L. Scazeich: Ebenso. Vossische Ztg. 5. Oktober 1916. 1921. Sororra: W.v.Waldeyer-Hartz-f. Münch. Med.W ochenschr. Nr.14.8.432-433- » H. Lensuorr: Ebenso. Berliner Ärzte-Correspondenz. 5. Febr. 1921. H. Vırcnow, Rede am Sarge von W. v. Waldeyer-Hartz. Berl. klin. Wo- chenschr. Nr. 6. \ F. Wassermann: W. Waldeyer. Münch. Neueste Nachr. 26. r. 1921. Sororra: W. v. Waldeyer-Hartz. Berl. klinische Wochenschr. Mai 1921. » Karrıus: Nachruf auf W. v. Waldeyer-Hartz. Verh. d. anat. Gesellsch. Marburg 1921. Ausgegeben am 12. Juli. Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei. ithemati: 2 Bash he Bene: N ee NE SEEN ERS Seue. enie ee en Saturnstrabanten äsıe, 5 RR: Rn : € r Anthropoidenstation ‚auf Teneriffa. IV. Nachweis einücher Stuten A beim Schimpansen und beim Haushuhn (1918, 2). wor BR he : ausale Studie zum ontogenetischen und phy Jopanstinähen: Geschehen ani Kieter «9ıs, 3) » EEE NG ‚GiSzet: träge, zur ‚Kenntnis Er historischen > Kae Aa und zur Frage ihrer. er ; di rkeit (1918,4) x TE NETTE TRIERER 2 Ged: ichtnisrede ‚auf Sinion heilen ası9) . $ i E indwagsgeschichte, ‚meteotologischer Instrumente (1920, Bi: Phälosophisch- historische Klasse ie sogenannten Trajanswälle-in der Dobrudscha (1918,12) . : : . . . 'S. Smeer: Arabia. e und europäische Poesie im Mittelalter. (1918; 13)... 02.0.0, 20 CHR. JENSEN: ‚Neoptolemos und Horaz (1918,14) ; ... FE DA "= Essan: Reden, Rufe und, 'Lieder auf Gräberbildern. des alten Reiches U98 19... SE u Be und E. Scuxas: Philons Belopoiika (Viertes Buch der Mechanik) (1918, 19:0 . ; Ausann: Der Idioslo; ve ee zur RP nanzyerenltang Agrpieus in hellenistischer und ‚ Pmischer 2 » i ee at 5 Erpsann: Berkeleys Philosophie im Lichte seines ftlichen Tagebuchs YB), Meyun: Die Senbinde en Bundes im: EB Dennsks, Eine ülische ' Seleukidenzeit. (1919, 9), REISE ENDE ackAv: Vom Klosterbuch des Sahuztt ir 1919, 10). >g px Groor: Der Thüpa, das heiligste Heiligtum des Buddhisinus in China. ‚Ein. Beitrag zxu ‚der esoterischen Lehre des Mahäyäna (1919,11) . . ‚Dirus und E. Scuraus: Exzerpte aus hilons Mechanik. B. vo und Yu (vulgo” Fünftes fi ‚(1919, 12) N Kor: a Erzbistum Magdeburg und die erste Organisation der etitlichen Kirche in. N N a ER IR Ex 3 N der Akademie = “ Preisdes Jahrgangs . 20. =. .00. Dan NE RE Sonderabdrucke. a 1920 R ER Die Schweiz in der Deutschen Rechtsgeschichte . . EN ' Oeru: Trauma und Erkrankungen der Knochen und Gelenke. Kasuistische Niteilungen aus ai i ne re in Unfallsachen. L AZ. -H. .. ....: RESET " vos Harsack: Studien zur Vulgata des Hebräerbriefs . . . che RE " QarAru£ovory: Über eine Verallgemeinerung der Pıearpschen Sätze. . "Corerns: Vererbungsversuche mit buntblätfrigen Sippen.. IM. Veronica ae A IV. Die albomarınorata und albopulverea-Sippen, V. Mereurialis annua versicolor und x RE. Wenkesacn: Eine‘ alexandrinische Buchfehde' um einen Buchstaben in ae ie, a: Der Longinug‘S Ein unveröftentlichtes Galenkapitel . . . . ! s,.Buspaca: Der BE ee in eschatologischem Lichte... .... 2... A 2 © = HaABerLAnpr: Z hysiolögie;der‘ Zellteilung. Vs. a ee ee Rusner: Der Nahnminatuish des Menschen . . ABIT REN N Herıvann: Isothermen von Deutschland (hierzu Taf. I und TUN. a EN ee Einsteis: Schallausbreitung in teilweise dissoziierten Gasen E. M. von Horseoster und M. Werruemer: Über die Wahrnehmung der So Flschang: H. Freuxpuich und P, Rosa: Über die Beziehungen zwischen‘ dem, elektrokinetischen bon sprung und.der elektrischen Phasengrenzkraft . . x M. Jakon: Bestimmung der Wärmeleitfähigkeit des Wassers im "Bereich yon o bis 80°. ER F. Levy: Die Kernyerhältnisse. bei N Fröschen. Ein DEIGIE zur Physiologie der Zelle ,. Liesisch und £, Vortison: Kiraleenvar änge in törnäreni Systeinen "Aug Ohloriden von 25 wertigen und zweiwerti a Metallen; IT... BE aha Beckmann und P.-Krıreme:. Gerät zur Übermittlu von geheimen Liöhtsignalen S h Scuvcuarpr: Sprachursprung. IH. (Prädikat, Subjekt, Open) Heier:, Über die Stellung der Gordüden.. Scnärsr: Mittelalterlicher Brauch bei der Überf ührung von Leiehen Scuvenuaror; Die Anfänge der Leichenverbrennung . A Rovx: Prihzipielle Sonderung von Natürgesetz und Regel, von Wirken nıld Vorkommen. } CarArabonorv: Über die Foukıerschen' Koeffizienten. monotoner Funktionen . RE ET FESTER “ 0. H. EnpmannsDörrren:. Über metamorphe Gesteine in Mazedonien E. Sruaner: Studien über die sizilischen Register Friedrichs 1. x... KAEREEN. E. Regexer: Über die. Ursache, welehe bei den Versuchen von Hrn: Y Fiaenit AET die Iisistenn ER eines Subelektrons vortäuscht. ET IR DR RIESE Rorrne: Die Entstehung des "Urfaust. re Ä P. Günsuer: Über die innere Reibung des Wasserstoflß bei iefen Tiennich aturen.. F. Bersstein: Die Integralgleichung der elliptischen “T'hetanullfunktion‘, 5 Sonderabdrucke. 1. Halbjahr 1921 Rusens: Gittermessungen im langwelligen Spektrum‘. wi ea " Mi Ya