RE 4 = AM: 5 IN. Eine” 73 — > A 2b N En, Gi; Ze / EN HU ; Se x in N = ey FNNS GG m Pi 3 4 r7 rn 1 - P ee 7 e — HM... (GEN AS: (399 j) ER: 17 ibson- Up Se — mn A 7 e > au 5 ee ich © ‘ r “ en BE = - e SER re WEIRESESE ‚ wur ” a Lily und Karl Rechinger: Streifzüge in Deutsch-Neu-Guinea und auf den Salomons-Inseln. ns able d hn * “ 3 \ \ . ) \ r N A vr R = AR N 2 / ”* ir { 472} (5 , har; Er " 4 \ TE. | Tafel l. Rechinger, Streifzüge in Deutsch-Neu-Guinea. .. ='5 / ws % ’ BL Muell. im’Urwalde des Baininggebirges. yptus NaudinianaF. v. un) Bucal (Am Fuss des Baumes ein Mann um die Grössenverhältnisse zu zeigen.) Streifzüge in Deutsch-Neu-Guinea und auf den Salomons-Inseln. Eine botanische Forschungsreise von Lily Rechinger und Dr. Karl Rechinger K.u.K. Assistent am naturhistorischen Hofmuseum in Wien. Mit 45 Lichtdrucken auf 27 Tafeln und 3 Abbildungen im Text. LIBRANX NEW VOR% BOTANICAL GARDEN. fl ? N Bi ze su 204 SM) N Ay "} VR| rUsh u = „ Berlin 1908. Dietrich Reimer (Ernst Vohsen). Alle Rechte, auch die Reproduktion der Bilder vorbehalten. Druck von J. J. Augustin in Glückstadt. LIBRARY NEW YORK BOTANICAL GARDEN. Vorwort. Die vorliegenden Zeilen sollen keine Reisebeschreibung in der Art der Berichte von zahllosen Globetrottern sein, welche mit zunehmender Erleichterung der Reisegelegenheiten immer häufiger werden und nachträglich ihre Reiseabenteuer schildern, dabei aber oft der Phantasie zu weiten Spielraum lassen. Auch sollen sie keine Abhandlung in streng wissen- schaftlichem Sinne darstellen, sondern den Tagebuchaufzeich- nungen während der Reise folgend, die Eindrücke, die wir von der großartigen Natur empfingen sowie die naturwissenschaft- lichen Beobachtungen, die sich uns unmittelbar an Ort und Stelle boten, möglichst unausgeschmückt wiedergeben. So mannigfach die Erfahrungen auf den langen Seefahrten, in Nord- Amerika, auf den hawaiischen Inseln, während des langen Aufenthaltes auf Samoa sowie auf der Rückfahrt in Süd- China und auf Ceylon auch waren, so wollen wir die bereits in genügender Menge vorhandene Reiseliteratur über diese Gebiete nicht noch vermehren, sondern uns begnügen, die Eindrücke der vier inhalts- und ereignisreichsten Wochen unserer Reise im deutschen Schutzgebiet von Neu-Guinea zu veröffentlichen, in der Annahme, daß vielleicht mancher Leser dieser Zeilen sich ein annäherndes Bild der Pracht und Schön- heit der Inselwelt dieser noch so wenig bekannten Gebiete machen wird. Da wir die Reise zu naturwissenschaftlichen, vorwiegend botanischen und zoologischen Sammel- und Forschungszwecken unternahmen, so war unser Augenmerk mehr auf die Pflanzen- und Tierwelt als auf das Studium der Eingeborenen, ihrer VI Vorwort. Geräte, Sitten und Sprache gerichtet, doch bot sich auch in dieser Hinsicht manches Bemerkenswerte, das in unsere Tage- buchskizzen Aufnahme fand. Selbstverständlich kann diese Schilderung in keiner Be- ziehung auf Vollständigkeit Anspruch erheben, denn wir be- schränkten uns nur auf Selbstgesehenes. Dem Zusammentreffen glücklicher Umstände und der großen Liebenswürdigkeit der Herren kaiserlicher Gouverneur Dr. Hahl und kaiserlicher Ober-Richter Dr. Kraus, verdanken wir es, daß es uns vergönnt war, unserer Forschungstätigkeit, die wir ursprünglich mit der Abreise von Samoa für beendet hielten, noch schöne Ergebnisse anschließen zu können; denn trotz der verhältnismäßigen Kürze unseres Aufenthaltes in Deutsch-Neu-Guinea war es zufolge der noch mangelhaften Erforschung, besonders der Salomons- Inseln, möglich, viel interessantes Material zu sammeln. Vielleicht bietet die Schilderung dieser Tage, die für uns zeitlebens unvergeßlich bleiben werden, allen, die für das an Naturschönheiten so überaus reiche deutsche Schutzgebiet von Neu-Guinea Interesse haben, einige Anregung. Wien, im Herbst 1908. Die Verfasser. Inhalts-Verzeichnis. Morwolt . 2% NE RE ET a el EN SEE Verzeichnis der Tafeln Bu "Textbilder WI N se "a a RER I. Kapitel: Von Sydney nach Herbertshöhe. . -. . 2 2 2 2... 1 II. e In Herbertshöhe . .. a ea II. ® Ausflug in das Begehtre ne llaitie 27 IV. E Besteigung des Vulkans Kaia und zurtich ale Herherte, DaBer nr LEE ER ET I A ET ARE ae A Na V. = Auf den Salon. ch iR Re 42 VI. = Ausflug auf den Berg Vunakokor (Varzin) a Ahaaby von Herbertshöhe . . . EEE NEE aa vn. 4 In Friedrich Wilhelmshafen. ER NER ET A (1 7 Tafel 1. 2/3. 4/5. 6/7. 8/9. 10/11. 12/13. 14/15. 16/17. 18/19. Verzeichnis der Tafeln. Eucalyptus Naudiniana F. v. Muell. im Urwald des Baininszebirses „2... ..200% ei ata e ERRER Papuakinder in Matupi. — Vulkan NE von Matupi aus. — Wagen der Europäer in der Südsee. — Bestand von Riesen- Gräsern (Pennisetum) bei Herbertshöhe .. 2 Rotang-Dickicht (Calamus), Insel Bougainville.. — Vai gende Mucuna mit Blüten und Früchten und Raphidophora. — Casuarinen am Strande bei Herbertshöhe. — Landschaft am Flusse Karo im Baininggebirge (Gazellehalbinsel) Ptychosperma im Baininggebirge. — Plumeria acuminata Ait. bei Herbertshöhe i Plumeria acuminata Ait. — Große Tone mit nn der Insel Buka. — Kleine Boote mit Eingeborenen der Insel Buka auf hoher See . Br Dorf Popoko, Insel Bougainville. — Flußlandschaft. iundein, wärts von Kieta. Insel Bougainville - Ausblick vom Kammgebiet über Kieta. Insel Hoagaiiiile —_ Nipa-Palmen an einer Flußmündung bei Buin, Insel Bou- gainville. — Eingeborene aus dem Innern der Insel ae ville. Gebiet von Kieta . 5 5 Strand der Insel Bougainville bei Bay mit es B on und Casuarinen. — Unsere Träger auf der Insel Poperang, Shortlands-Insel-Gruppe; im Hintergrund Alpinien.— Bestand von Alpinia bei Kieta, im Vordergrund Polizeisoldaten. — Eingeborenendorf Numa-Numa auf der Insel Bougainville. Links Cordia subcordata . Kammwald der Insel Poperang (Shortlands- ER N — Ticusle im Inneren der Insel Bougainville. — Wurzelpelz von Gram- matophyllum, epiphytische Orchidee. — Ficus-Stämme auf der Insel Poperang, links oben Grammatophyllum . Polypodium quercifolium auf einem wagerechten Ast in PR Bucht von Kieta (Insel Bougainville). — Calophyllum Ino- phyllum L. am Strande der Insel Bougainville. — Einge- borenendorf Numa-Numa, Insel Bougainville . Seite 8 16 32 12 XI Tafel 20/21. „ 22/23. „ 2425. 26/27. Verzeichnis der Tafeln und Textbilder. Seite Avicennia mit senkrecht aus dem Boden wachsenden Atem- wurzeln. Strand bei Jeta, Insel Buka. — Dorf Jeta, Insel Buka. — Alang-Alangformation auf der Insel Buka. — Taro- feld der Eingeborenen auf der Insel Buka. . . . 80 Pandanus-Dickicht am Strande der Insel Buka. — "Piper subpeltatum W. nächst dem Dorfe Jeta, Insel Buka. Im Vordergrund ein Eingeborener mit Armschutz aus Lianen . 88 Dorf Ragetta bei Friedrich Wilhelms-Hafen . . . » . . % Sveri, ein Bukajunge aus dem Dorfe Jeta. — Ficus chryso- laena Schum. auf der Insel Ragetta bei Friedrich Wilhelms- Hafen. — Calophyllum Inophyllum mit liegendem Stamm auf der Insel Siar bei Friedrich Wilhelms-Hafen . . . . 104 Verzeichnis der Textbilder. Querschnitt durch das schüsselfömige Blatt von Be, BApUAa NUM (schematisiert) . . - N INNEN Urnenblatt von Dischidia Rafflesiana echennliserg? EITSIETEEN, N 161 Abel A A UAERRE Schematischer Durchschnitt durch den jüngsten (sekundären) Krater des Walkans Kaia, v.. ta EN RT DUBATLIT ES ERET E OL OLE I. Kapitel. Von Sydney nach Herbertshöhe. Es war am 2. September 1905, als wir nach zweistündigem Aufenthalt Sydney verließen, sehr glücklich, den Dampfer des Norddeutschen Lloyd „Prinz Waldemar“ noch erreicht zu haben, der uns über Neu-Guinea nach Hongkong bringen sollte. Die für unsere Reise bemessene Zeit war schon weit vor- geschritten, und da die Dampfer dieser Linie nur alle vier Wochen verkehren, hätten wir den nächsten unmöglich mehr abwarten können. Unsere Heimreise hätte dann über Melbourne, Frimantle und Colombo erfolgen müssen und wir hätten sie bestenfalls in einer dieser Städte unterbrechen können, was für uns vom naturwissenschaftlichen Standpunkte aus wenig Reiz hatte. Ein viermonatlicher Aufenthalt auf den Samoa-Inseln lag hinter uns, voll angestrengter und ergebnisreicher Tätigkeit im Beobachten und Sammeln in der so überaus mannigfaltigen Tropen-Vegetation, voll tiefer Eindrücke, die das Leben in innigstem Kontakt mit der Natur hervorruft, noch erhöht durch den täglichen Verkehr mit einem in ursprünglichen Lebens- formen sich bewegenden und dabei so gastfreundlichen Volke, wie die Samoaner es sind. Der Abschied von den schönen Inseln und von der uns in hohem Grade befriedigenden Tätigkeit auf denselben war uns sehr schwer gefallen, aber wollten wir nicht den kürzeren Weg über die hawaiischen Inseln und Nord-Amerika, den wir gekommen, wieder zurücklegen, so mußten wir uns Ende August Rechinger, Streifzüge in Deutsch-Neu-Guinea. 1 D Reiseplan. zur Abreise entschließen, um anfangs Dezember, dem letzten Termin für die Rückkehr, in Wien einzutreffen. Wir wählten die Route über Auckland (Neu-Seeland), Sydney, Neu-Guinea, Hongkong, dort wollten wir ein Schiff des österreichischen Lloyd erreichen, nach dessen Fahrplan wir uns in Singapore, Calcutta und Colombo je vier bis zehn Tage hätten aufhalten können. Auch zur Besichtigung Hongkongs und Cantons wären einige Tage geblieben. Im Vergleiche zu den langen Seefahrten waren die Land- aufenthalte nur kurz, aber immerhin lang genug, um die be- treffenden Städte kennen zu lernen und auch einige Ausflüge in ihre Umgebung zu unternehmen. So hofften wir, daß es uns vergönnt sein werde, von Calcutta aus eine Exkursion nach Darjeeling auszuführen und den Gaurisankar, den höchsten Berg der Erde zu erblicken und von Colombo aus das Innere von Ceylon zu besuchen. Vor allem aber bestimmte uns zur Wahl dieser Route der Umstand, daß sie über die Inseln des Sunda-Archipels führte, die uns durch ihre äquatoriale Lage und ihren von der Kultur noch unberührten Zustand besonders anzogen. Nach dem Fahrplan liefen die Dampfer des nord- deutschen Lloyd vier bis fünf Punkte im Bismarck-Archipel und in Neu-Guinea an mit einem Aufenhalt von je ein bis zwei Tagen. Die Tropenwelt enthält, wie die Entwickelungsgeschichte der Erde zeigt, die ursprünglicheren Tier- und Pflanzenformen, die in den gemäßigten Zonen nur noch als Abdrücke im Ge- stein oder als Kohlenreste vorhanden sind, während die lebende Pflanzen- und Tierwelt sich dem herrschenden kälteren und trockeneren Klima in gänzlich veränderten Formen angepaßt hat. Mannigfaltiger in Form und Größe wachsen in den Tropen, durch die Feuchtigkeit und Wärme begünstigt, auf demselben Flächenraume, der bei uns in Europa im üppigsten Wald drei, höchstens vier Vegetationsschichten übereinander trägt (Ober- holz, Unterholz, krautige Gewächse, erdbewohnende Moose etc.), dort wohl doppelt so viele. Die höchsten Urwaldriesen über- wölben ein Unterholz, dessen Stämme unsere höchsten Bäume weit überragen, unter diesen gedeihen mannigfaltige Sträucher und Bäume und der krautige Unterwuchs unter den letzteren erreicht oft noch weit über Manneshöhe. Jede dieser Schichten Tropenvegetation. w beherbergt eine Welt für sich an Überpflanzen (Epiphyten), die nicht nur wie bei uns aus kleinen Laub- und Leber- moosen oder Flechten besteht, sondern Vertreter fast aller Pflanzenfamilien enthält von den höchst entwickelten Angio- spermen bis zu den niedersten Algen, unglaublich verschieden in Gestalt und Größe, von den riesigsten Farnen mit 10 m langen Wedeln bis zu den winzigsten Orchideen, deren Blüten auf kaum sichtbarem Stamme entspringen (Taeniophylium und andere). Alle diese Pflanzenpracht ist noch umschlungen und durchzogen von der Unzahl der Lianen, bald von schenkeldicken Tauen, bald von dünnen, zähen drahtartigen Stengeln, bald von undurchdringlichen Wänden aus dem dichtesten Blattwerk ge- woben, bald starrend von Dornen und Widerhaken. Diese Pflanzenwelt ist belebt durch die denkbar reichste Tierwelt, schillernde Eidechsen, Leguane, bunte Vögel wie Papageien, Kakadus, Honigsauger, farbenprächtige Schmetterlinge in einer Unzahl von Arten und Individuen, sowie alle übrigen Insekten in den mannigfaltigsten Formen. Unaufzählbar und unbeschreiblich sind die Wunder der Tropenwelt und die ungezügelte Lebens- und Bildungskraft der Natur versetzt uns hier noch heute in frühere Perioden unseres Erdkörpers zurück als noch größere Feuchtigkeit und Wärme den ganzen Erdball umgaben. Wenn uns auch die Fahrt durch die Sunda-Inseln nur ein kurzes nach Tagen und Stunden zählendes Verweilen auf dem Festlande verhieß, so hofften wir doch diese Zeit in wahr- haft unberührter Natur voll ausnützen zu können, was wir einem längeren Aufenthalte in einer der Städte Ost-Indiens vor- zogen, denn wir sehnten uns danach außer der Vegetation von Samoa, die uns so vertraut geworden war, noch die einer anderen dem Äquator näherliegenden Gegend wenigstens flüchtig kennen zu lernen. Wie gerne hätten wir auch Java und den schönsten und lehrreichsten botanischen Garten der Tropen in Buitenzorge besucht, aber dies ließ sich mit der zu Gebote stehenden Zeit unmöglich vereinen, wie denn je größer und ausgedehnter eine Reise ist, man auf desto mehr ver- zichten lernen muß. Ein übersprungener Schiffsanschluß be- dingt oft eine Verzögerung der Weiterreise um mehrere Wochen. Der einzige Ersatz für vieles unerreichbar Gewordene ist und 1* 4 In Sydney. bleibt das, was sich mit dem Reiseplan vereinigen läßt, mit voller Kraft zu genießen und auszunützen. All’ dies erwägend und besprechend saßen wir auf Deck des hübschen kleinen Dampfers „Prinz Waldemar“ und blickten hinüber zu der riesigen „Sonoma“ der „American and Australian Line“, die an der gegenüberliegenden Kaimauer des prächtigen Hafens von Sydney lag. Mit der „Sonoma“ hatten wir am 23. August Samoa verlassen und waren, nachdem wir Auck- land nur kurz berührt hatten, am Morgen des 2. September in Sydney angekommen, demselben Tag, der zur Abfahrt des „Prinzen Waldemar“ bestimmt war. Uns fiel ein Stein vom Herzen, als die „Sonoma“ so früh morgens Sydney erreichte, da anzunehmen war, daß die Ab- fahrt des Dampfers „Prinz Waldemar“ um die Mittagszeit er- folgen werde. So rasch es die üblichen Formalitäten und der chaosartige Wirrwar, der stets bei Ankunft eines großen Dampfers an der Landungsstelle entsteht, erlaubten, suchten wir unser Gepäck zu erlangen und auf den gegenüberliegenden „Prinz Waldemar“ fördern zu lassen, wo unsere Vermutung, die Ab- fahrtsstunde sei 12 Uhr mittag, bestätigt wurde. Es blieb also noch Zeit, um rasch in die Stadt zu fahren und dort einige in Samoa zu Grunde gegangene und dort nicht erhältliche Kleidungs- stücke zu besorgen, vor allem aber unsere photographische Kamera wieder instand setzen zu lassen, deren Visirscheibe sowie Stativ in den letzten Tagen in Samoa zerbrochen waren. Zu unserer Freude wurde trotz der kurzen Zeit ein Stativ adaptiert und eine neue Mattscheibe eingesetzt. Beim Bureau des norddeutschen Lloyd wurden Fahrkahrten bis Hong- kong gekauft, auch fanden wir alles Gewünschte in den hübschen reichhaltigen Kaufläden der sauberen Stadt, die mit ihren ge- schäftig eilenden Menschen, den mehrstöckigen Häusern, den elektrischen Straßenbahnen auf uns jetzt aller Kultur Entwöhnte einen ungemein großstädtischen Eindruck machte. Die Stadt lag im verklärenden Zauber eines sonnigen Frühlingstages an einen schönen Apriltag in Wien erinnernd und ist uns dadurch und vielleicht auch zum Dank dafür, daß es uns in so knapper Zeit möglich war, alle unsere Besor- gungen zu erledigen in sehr angenehmer Erinnerung geblieben und wir bedauern nur, daß es uns nicht möglich war, Rund- „Prinz Waldemar“. 5 fahrten im Golf von Sydney und Ausflüge in die „Blue Mountains“ zu unternehmen, nicht einmal den botanischen Garten, dessen hohe Bäume über die Mauer grüßten, konnten wir besuchen. Vor dem Postgebäude auf einem großen zentral gelegenen Platz boten Männer und Frauen in großen flachen Körben Blumen zum Verkauf an: gelbe Narzissen, weiße Lev- kojen, Veilchen, aber vorwiegend Pflanzen von dem xerophilen Typus der australischen Sträucher und Halbsträucher die im Habitus unseren Ericaceen ähnlich aber zumeist Thymeleaceen und Rutaceen sind, mit kleinen, harten, starren oft nur schuppenförmigen Blättern und schönen meist lebhaft rosen- roten aromatisch duftenden Blüten. Wir kauften einige Sträuße davon und stellten sie dann in unserer Kabine in Wasser; sie erfreuten uns trotz der täglich zunehmenden Hitze auf der Fahrt bis gegen den Äquator, also zehn Tage lang durch Duft “und Schönheit, ohne zu welken, gewiß ein Beweis ihrer großen Widerstandsfähigkeit. Der Dampfer „Prinz Waldemar“ gehört mit seinem Schwesterschiff „Prinz Sigismund“ zu den jüngsten Schiffen des Norddeutschen Lloyd; sie wurden beide für die Linie Sydney — Neu-Guinea — Hongkong — Kobe gebaut und sind in ihrer ganzen Anlage für Tropenfahrten eingerichtet. Trotz ihrer Kleinheit (3300—3500 Tonnen) sind sie ungemein stabil, halten auch einem gehörigen Sturm, wie wir selbst später vor Hongkong erfuhren, tüchtig Stand und lassen den Passagier die Bewegung weniger fühlen als mancher große Dampfer von 15000 Tonnen und mehr. Alles an Bord ist in größter Ordnung und von musterhafter Reinlichkeit, die subalterne Schiffsmann- schaft besteht aus Malayen, die Bedienung bei Tisch und in den Kajüten aus Chinesen. Im neuesten Stil und sehr geschmackvoll eingerichtet sind Speisezimmer, Damensalon und Rauchzimmer. Mit be- sonderer Freude begrüßten wir Züge anheimelnder Gemütlich- keit, so die beiden Bänkchen am äußersten Ende des Hinter- decks, sicher auf keinem amerikanischen Dampfer zu finden. Die Mittagsstunde war schon vorüber, als der Dampfer Anker lichtete, und wir genossen in leuchtendem Sonnenschein die wundervolle Fahrt durch den reichgegliederten Hafen mit unzähligen Buchten, Halbinseln und Inseln, die uns bei der 6 Längs der Küste von Australien. Einfahrt Morgennebel verhüllt hatten. An den Ufern stehen Häusergruppen, ganze Vorstädte und kleine Badeorte, zu Sydney gehörig; unzählige kleine Dampfer vermitteln den Verkehr, riesige Dampfer aller Nationen liegen in den verschiedenen Teilen des Hafens. Weiter draußen zwei englische Kriegs- schiffe, ganz grau gestrichen vom Rauchfang bis zum Kiel, eisengepanzerten Rittern vergleichbar. Fast das Schönste des Ganzen sind die steil abfallenden Felsbänke (Heads) der engen Hafeneinfahrt; deutlich läßt sich erkennen, wie das Meer all- mählich aus dem regelmäßig horizontal geschichteten Tafelland sich Durchbrüche genagt hat. Die Brandung des offenen Meeres schäumt nun an den Felswänden rechts und links empor, die gleich hoch aus den Wogen ragend einander wie Riesen-Sphinxe gegenüberliegen, die enge Einfahrt bewachend. Die Anzahl der Passagiere auf unserem Dampfer war gering. Außer uns waren nur zwei Engländer, eine Engländerin, die sich auf der Fahrt nach Singapore befanden, ein Missionär, der nach seiner Station in Deutsch-Neu-Guinea zurückkehrte, und ein Angestellter des Norddeutschen Lloyd vom Pier von Simpsonhafen an Bord und noch zwei Passagiere, die nur die kurze Fahrt bis Brisbane mitmachten. Außer der im Leib des Schiffes verborgenen Ladung, die hauptsächlich aus Blei bestand, waren auf Deck mehrere kräftige Ruderboote für Neu-Guinea kunstvoll verstaut, sowie riesige, fast die ganze Länge des Dampfers einnehmende Balken aus hartem rotbraunen Holz aus Australien, für Kobe bestimmt. Das Meer war glatt und grau, die milde Luft schwach bewegt. Im Westen hob sich in einfachen klaren Linien das australische Tafelland vom Horizont ab, das sich, je weiter der Tag fortschreitet, immer blauer färbt und schließlich wie ein indigoblauer Streif zwischen dem grauen Meer und dem schon abendlich rot gefärbten Himmel liegt, obwohl die Sonne noch hoch steht. Wir genießen mit besonderer Andacht die langsam in- einander übergehenden Phasen des Sonnenunterganges, dem ersten bei klarem Himmel, seit wir wieder in gemäßigten Zonen sind, während in den Tropen die Dunkelheit so rasch eintritt, daß dort nur für ein sehr kurzes und oft zu grelles Farben- spiel Zeit bleibt. Es entzückt uns daher besonders, daß noch, Der Hafen von Pinkenba. zZ nachdem der feurige Sonnenball gesunken, ein wunderbarer Nachklang auf dem grauen Gewölk erscheint, dessen souffiten- artige Gehänge sich leuchtend karminrot färben. Nach einem weiteren Tag ruhiger Fahrt durch das blaue, von Delphinen belebte Meer, den wieder ein herrlicher Sonnenuntergang hinter dem stets sichtbaren australischen Festland krönt, gelangen wir am 4. September in die Bucht von Brisbane (Queensland). Es ist wieder ein herrlicher Morgen, wir sind dem Festland sehr nahe gekommen, glauben von der Ferne auf dem grau-gelblichen Tafelland einen alten sich gegen das Meer hin erstreckenden Lavastrom erkennen zu können. Um 9 Uhr früh kommt ein Lotse an Bord, der unser Schiff am Rande des Riffes langsam hingeleitet, das im Verlaufe seiner mannigfachen Ausbuchtungen durch Bojen gekennzeichnet ist. Wir sind dem Ufer noch näher gekommen, es sieht jetzt aus, als ob es aus sanft an- steigenden bewachsenen Sanddünen bestünde, mit buschartigem Pflanzenwuchs bedeckt, graugrün und trübselig ohne frische Farben. Einige hohe Eucalyptus - Bestände (Fieberbaum) sind deutlich zu erkennen. Wir sind in eine weite, sich langhin erstreckende Bucht eingebogen und die Fahrt wird immer mehr und mehr ver- langsamt. Die Farbe des Meeres wird graugrün, wir durch- queren ganze Schwärme von durchsichtigen himmelblauen Quallen, welche in verschiedener Größe einzeln oder in Gruppen an uns vorbeiziehen, ein entzückender Anblick, würdig auf einer Kopenhagnervase festgehalten zu werden. Unter den ätherischen bläulichen Gebilden sind auch einzelne bedeutend größere bis zu 3/4 Meter im Durchmesser, ganz von Gestalt eines Riesenpilzes, oben rotbraun, unten weißlich. Der Hafen ist einsam und verlassen. Am Ufer dichtes, zum Teile im Wasser stehendes Buschwerk mit lederigen Blättern; einige elende Hütten und hie und da eine Sägemühle sind zu sehen. Im Hafen liegen keine andere Fahrzeuge als einige größere Baggerschiffe, ferner ein großes englisches Schiff „Islandia“, das mit Pferden beladen abfahrtbereit am „wharf“ liegt. Eben als unser Schiff anlegte, läutete die Mittagsglocke; in einigen Minuten sollte ein Zug der Eisenbahn vom Hafen, der Pinkenba heißt, nach Brisbane abgehen. Wir verschlangen 8 Bahnfahrt nach Brisbane. noch hastig zwei Gänge der Mahlzeit und eilten zur „station“, einer winzigen Wellblechhütte. Bald kam der Zug, bestehend aus lauter Lastwagen und nur einem Wagen für Personen. Wir fuhren durch eine öde, unter dem Einflusse großer Trocken- heit stehende Gegend; längs der eingleisigen Bahn läuft eine Landstraße zwischen dürren Weideplätzen dahin, auf denen einzelne hier verwilderte Opuntien (Feigencactus) stehen. Einige Reste von Eucalyptus-Beständen und verschiedenes Buschwerk der ursprünglichen Vegetation sind noch erhalten. Je länger die Fahrt dauert, desto häufiger und wohnlicher werden die Häuser, die sich endlich zu Straßen aneinander reihen. Nach einstündiger Fahrt stiegen wir in der mäßig großen Halle des Zentralbahnhofes von Brisbane aus. Eine breite, von niederigen Häusern gebildete Straße führt vom Bahnhof geradeaus in belebtere Teile. Alle Straßen sind geradlinig, in rechtem Winkel sich kreuzend, wie in Nord- Amerika, nur mit dem Unterschiede, daß sie nicht von „Wolken- kratzern“, sondern von ein- bis zweistöckigen Häusern ge- bildet sind. Rasch fahrende elektrische Straßenbahnen verkehren reich- lich, die Kaufläden machen einen kleinstädtischen, aber sauberen Eindruck. Die Menschen in den Straßen haben englischen Habitus und sind zumeist ziemlich einfach gekleidet. An den teils winterlichen, teils sommerlich leichten Kleidern der Damen erkennt man, daß hier eben der Übergang vom Winter zum Sommer vor sich geht. Wir nehmen einen landesüblichen Wagen („cab“), der hier wie in Sydney zweiräderig und ein- spännig ist, der Kutscher sitzt rückwärts auf dem Wagen hinter und über dem Fahrgast, die Zügel laufen über das Dach, das mit einer weißen oder rosenroten Decke belegt ist. Die Fahrt geht lange durch immer einsamer werdende Straßen zum „Queensland - Museum“, einem großen, fast kirchenähnlichem Rohziegelbau, der von Gartenanlagen umgeben ist. Das Museum besteht nur aus einer Halle, von einer Galerie umgeben. Es enthält Sammlungen ethnographischer Gegenstände der Ein- geborenen und wirklich viel mineralogisches und zoologisches Material. Auch von Säugetieren, Fischen und Reptilien waren interessante Exemplare zu sehen. Einige Häuflein von zer- fallenen Gliedmaßen in Glasschälchen stellten die traurigen Rechinger, Streifzüge in Deutsch-Neu-Guinea. Tafel 2. Vulkan Kaia von Matupi aus. Tafel 3. Rechinger, Streifzüge in Deutsch-Neu-Guinea. ZA: 4 2 N Id -(r1 1 Rıese stand von Be Museum und botanischer Garten zu Brisbane. 9 Überreste von Krabben und Seesternen dar, und nicht viel besser sah es bei den Insekten aus, unter denen sich zwar manch schöne Art befand, aber in trostlosem Zustande; wir erkannten unter ihnen etliche gute Bekannte von Samoa wieder. Das ganze Museum spiegelt das Wesen des australischen Kolonisten wieder, der für die Erze und Gesteine seines Landes, so weit er aus ihnen Nutzen ziehen kann, Interesse hat, dem aber das rein Wissenschaftliche noch ziemlich fern liegt. An das Museum angebaut finden wir eine Art von Gewächs- haus, aber ohne Glas, nur aus Holzpfosten bestehend, mit darüber genagelten dünnen Latten, durch die Sonne und Regen ungehindert Zutritt haben; wird der Regen zu stark, so halten bereitliegende Matten ihn ab. An den Pfosten werden in kleinen Holzkörbchen zahlreiche Epiphyten gezogen, Dendrobien, Bromeliaceen und vor allem in riesigen prächtigen Exem- plaren Platycerien, baumbewohnende Farne mit Blättern von zweierlei Gestalt. Die einen, scheiben- oder muldenförmig, dienen dazu Regen und Humus aufzufangen und zu speichern, die anderen, in der Form den Geweihen von Hirschen oder Elentieren ähnlich, besorgen die Assimilation sowie Fortpflan- zung durch Sporen. Es waren hier Exemplare von im Wedel- länge und mehr darunter. In Kübeln auf dem Erdboden werden noch verschiedene, nicht in Queensland heimische Gewächse gezogen. Wir fahren nun zum botanischen Garten, der am entgegen- gesetzten Ende der Stadt am Brisbane-River liegt; dieser dient als Hafen für Kriegsschiffe. Zu unserer großen Freude sehen wir von einem der Schiffe die Flagge der österreichischen Kriegsmarine wehen — es war das kleine Kriegsschiff „Panther“. Zwischen den Luftwurzeln eines großen Ficus waren im Garten Tischchen aufgestellt, an denen wir eine „Jause“einnahmen. Der Garten ist sehr schön auf etwas ansteigendem Boden an- gelegt und gewährt hübsche Ausblicke. Viele seltene Bäume und Sträucher werden gezogen, auch viele Bambusarten, aber alles scheint unter der hier herrschenden Trockenheit zu leiden und im Wachstum zurückgehalten zu werden. Die stroh- trockenen, fast nur aus Cynodon dactylon (eine aus Europa eingeführte Grasart) bestehenden Rasen werden allgemein und zwanglos als Promenade benützt, hauptsächlich von zärt- 10 i Fahrt nach Herbertshöhe. lichen Pärchen, die unbekümmert um die Umgebung im Grase lagern. In einer Ecke des Gartens werden auch einige austra- lische Tiere lebend gehalten: Kängeruhs, Beuteltiere, Tauben, Hühner und Casuare. Mit der Aussicht in den Garten liegen mehrere große geschmackvolle Wohnhäuser und ebensolche in einer Straße weiter aufwärts — freilich dazwischen wieder ganz elende Hütten. Nach Durchschreitung einiger Straßen gelangen wir zu einer großen Eisenbrücke, die den breiten Brisbane River überspannt, und zu einigen hübschen öffentlichen Bauten, darunter auch ein geologisches Institut, dessen Museum leider schon geschlossen ist. In einer Restauration antwortete man uns auf die Frage, ob Bier zu haben sei: „Yes, sir — English beer“, und brachte eine Flasche, auf der aber zu unserem Er- staunen „Brauerei in Elberfeld“ zu lesen stand. Wir fuhren mit der Bahn zum Pinkenba-Hafen zurück und waren um 9 Uhr abends wieder an Bord; um 12 Uhr nachts dampfte der „Prinz Waldemar“ weiter. Die nächsten Tage waren so recht das Ideal einer Reise auf hoher See und liefen in beständigem Aufenthalt auf Deck rasch dahin, ausgefüllt mit der Ausführung unserer Tagebuch- notizen von Samoa, Lesen von Reisebeschreibungen der noch zu besuchenden Gegenden, mit Geplauder mit dem liebens- würdigen Kapitän und den Schiffsoffizieren und mit langen Deckpromenaden. Das Meer war stets ruhig, der Himmel meist leicht bewölkt, was man bei längeren Seefahrten sehr schätzen lernt, da bei ganz klarem Himmel das von den Wogen reflektierte Sonnenlicht den Aufenthalt auf der Sonnenseite unmöglich macht, wenn nicht ein Sonnensegel aufgespannt wird, das wieder den Ausblick auf das freie Meer verhindert. Von Tag zu Tag wurde es wärmer, und wir gingen in unserer der gemäßigten Zone angepaßten Kleidung nach und nach zum tropischen Weiß über. Auch die Offiziere vertauschten eines Tages das ernste Dunkelblau ihrer Tuchuniform mit schneeigem Weiß, was dem ganzen Schiff etwas Freudiges verlieh. Zudem flatterten an diesem Tage sämtliche blaue Gewänder, nachdem sie gründlich geklopft waren, in den höchsten Regionen des Deckes in der Luft gleichsam als Sinnbild einer überwundenen Sache. II. Kapitel. In Herbertshöhe. Am Sonntag den 10. September erreichten wir um 3 Uhr morgens die Reede vor Herbertshöhe auf der Insel Neu- Pommern (ca. 152° östl. L. und 4° nördl. Br.). Herbertshöhe ist gegenwärtig der Sitz des Gouvernements für ganz Deutsch- Neu-Guinea. Schon vor Sonnenaufgang waren wir auf Deck gekommen, voll Spannung das ersehnte Neu-Guinea zu sehen und wo- möglich gleich an Land zu gehen, um die kurze Zeit unseres Aufenthaltes voll auszunützen. Zu unserer Betrübnis erfuhren wir, daß gar kein Boot vom Schiff an Land ginge — wir lagen etwa eine Seemeile vom Strand entfernt — sondern daß nur ein Boot vom Ufer käme, um die für Herbertshöhe bestimmten Postsäcke abzuholen und der „Prinz Waldemar“ sogleich seine Fahrt nach Simpsonhafen fortsetzen werde. Als es Tag wurde, sahen wir am Strand der sanft ausgerundeten Bucht vereinzelte Häuser von dem uns von Samoa her bekannten Typus der Tropenbauten, aus einem höchstens zwei Stockwerken bestehend, ganz aus Holz, weiß oder hellgrau gestrichen und von breiten Veranden umgeben. Einzelne dieser hier größer als in Apia aussehenden Gebäude lagen nahe dem Strande, andere auf der Höhe eines ziemlich steil ansteigenden aber niedrigen Land- rückens. Alles Land war, soweit der Blick reichte, von dem matten Grün der Kokospflanzungen bedeckt. Am Aufgang neben der Landungsbrücke standen einige hohe Eriodendron (Kapok- bäume), die, jetzt ihres Blattschmuckes beraubt, mit regelmäßig 12 Ankunft in Simpsonhafen. quirlig angeordneten, horizontal ausgestreckten Ästen wie Skelette oder Gespenster dastanden. Schon um 7 Uhr früh ging die Fahrt nach dem ebenfalls in der Blanchebucht liegenden Besiedelungsort Simpsonhafen an der ziemlich gleichförmig gestalteten Küste entlang etwa eine Stunde weiter. Im Hafen angelangt, passieren wir ganz nahe zwei aus dem Meere emporragende schroffe Felsen, die trotz ihrer Steilheit dicht bewachsen sind. Angeblich sollen sie vor vierzehn Jahren nach heftigem Erdbeben aus dem Meere aufge- taucht sein. Sie werden nach ihrer Gestalt „die Bienenkörbe“ genannt. Die von drei Seiten durch ziemlich steile Höhenzüge umschlossene, für einen Hafen sehr geeignete Bucht wird im Osten von mehreren spitzen Bergkegeln überragt, die schon von weitem den vulkanischen Charakter der Gegend verraten. Der „Prinz Waldemar“ legt als erstes Schiff an dem noch nicht ganz vollendeten Pier des Norddeutschen Lloyd an, durch dessen Bau von nun an der Hauptschiffsverkehr von Herbertshöhe nach Simpsonhafen verlegt werden soll und späterhin auch das Gouvernement. Vorderhand sind in Simpson- hafen selbst kaum mehr als zwei europäische Gebäude zu sehen; eine größere europäische Niederlassung der Firma Hernsheim gehörig befindet sich auf dem nahen Inselchen Matupi. Auf dem noch nicht vollendeten Pier harrten einige europäische Angestellte der Firma und eine Schaar „schwarzer Jungen“ der Ankunft des Schiffes. Die „schwarzen Jungen“ sind als Arbeiter angeworbene Eingeborene der Umgegend oder von den übrigen benachbarten Inselgruppen, also Papuas, meist kräftige, ebenmäßige Gestalten von Mittelgröße mit dichtem schwarzen Kraushaar von kaffeebrauner bis tief- schwarzer Hautfarbe, alle nur mit einem roten Lendentuch bekleidet. Sie fingen unter wildem Geschrei sich gegenseitig überbietend und aus dem Weg stoßend die Halttaue des Schiffes auf, befestigten sie an dem Pier und stürzten sich, so- bald die Brücke zum Laderaum des Schiffes gelegt war, mit wüstem Geheul in denselben, jeder bestrebt einen möglichst großen Ballen herauszuschleppen. Der Gepäckmeister und seine Mannschaft hatten Mühe, den wilden Übereifer der schwarzen Kerle, die in dem Ganzen einen willkommenen Spaß zu sehen schienen, in die richtigen Bahnen zu lenken. Umgebung von Simpsonhafen. 13 Wir brannten vor Ungeduld an Land zu kommen. Der „Prinz Waldemar“ sollte bis 3 Uhr im Hafen bleiben, es lagen also einige kostbare Stunden vor uns. Einer der angestellten Herren war so freundlich, uns einen der „schwarzen Jungen“ als Träger des photographischen Apparates und als Führer anzuweisen. Der Papua machte sich, sichtlich verdrossen von dem lustigen Treiben scheiden zu müssen, mit uns auf den Weg in der Richtung gegen Matupi. Es war einstweilen 9 Uhr ge- worden, die senkrechten Strahlen der Tropensonne brannten glühendheiß vom wolkenlosen Himmel, dennoch wandelten wir auf dem fast schattenlosen Wege voll Freude dahin, doppelt froh der Schiffsgefangenschaft, wenn sie auch noch so an- genehm war, entronnen zu sein und die Eindrücke einer ganz neuen Landschaft zu empfangen. Ein leiser Grusel, der uns anfangs beschleichen wollte, als wir uns so plötzlich vom sicheren Hort des Schiffes in Begleitung eines wilden schwarzen Menschenfressers in ein ganz fremdes Land versetzt sahen, schwand bald unter den vielen neuen Eindrücken. Auch zeigte es sich, daß unser Führer das Pidgin English, das wir mit unseren samoanischen Dienern gesprochen hatten, verstand und ganz gehorsam unsere Befehle ausführte..e Der Boden, auf dem wir gingen, bestand aus schwarzer, staubartiger, vul- kanischer Asche und war größtenteils mit einer Grasvegetation, die allgemein „Alang-Alang“ genannt wird, bewachsen. Die Hauptbestandteile dieser Vegetation sind durchwegs harte, oft schneidende Gräser, streckenweise über mannshoch, zumeist Imperata arundinacea Cyr. An feuchteren Stellen erscheinen einige tropische Binsenarten. Wir fanden mehrere gute Be- kannte aus Samoa darunter, aber noch viel mehr dort nicht vor- kommende Arten. Die Imperata bildet große Bestände und bedeckt oft fast ausschließlich weite Strecken, mit Vorliebe trockenen Boden, der aus vulkanischer Asche besteht. Geht man auf einem Fußpfad durch diese Bestände hin, so erinnert das Bild einigermaßen an einen Weg durch noch grüne Felder in unserer Heimat, etwa an Getreide, aber von ungleich größerer Höhe und Blattdimension. Zwischen den Imperatapflanzen finden höchstens einige Compositen Raum (Arten von Vernonia oder einige unscheinbare Schmetterlingsblütler mit violetten oder rosenfarben Blüten [Desmodium]). 14 Alang-Alang und Myrmecodia. In unserer Heimat ist ein hohes, wogendes Getreidefeld so recht das Sinnbild des Gedeihens und der Fruchtbarkeit; so sehr sich ein Alang-Alangfeld im Gesamtbild einem solchen nähert, so bedeutet es doch für den Pflanzer in diesen Ge- genden gerade das Gegenteil. Es ist der Ausdruck der Un- fruchtbarkeit des Bodens und sein gefährlichster Feind, denn der Boden von dem das Alang-Alang einmal Besitz ergriffen hat, ist ihm nur mit Mühe abzuringen, da es sich durch unter- irdische Ausläufer rasch wieder verbreitet, selbst wo es abge- brannt worden ist. Auch überwuchert es die jungen Kokos- pflanzen, ehe sie noch kräftig genug sind. Im Weitergehen sahen wir zwar 5—6jährige Kokospflanzen, die schon das Gras überragten, doch hatten beim Abbrennen desselben auch die Kokospflanzen Schaden erlitten. Gleich bei den ersten Schritten hatten wir begonnen, von allen Pflanzen Proben mitzu- nehmen, um sie in Herbarform in die Heimat zu bringen; unser Bündel wuchs schon zu einem bedeutenden Umfang an, als wir nach einiger Zeit auch Gruppen von Sträuchern und Bäumen erreichten, die sich aber nicht zu einem dichteren Gehölze schlossen. Manche Stämme besonders in der Nähe von Wasserläufen waren dicht von großen zerschlitzt-blätterigen Aroideen (Raphidophora) umschlungen und einige große Caryota-Palmen überragten mit ihren riesigen Blattkronen aus zahlreichen fischschwanzähnlichen Teilblättern zusammengesetzt das Buschwerk. Auf den fast horizontal ausgestreckten Ästen eines Baumes fanden wir zu unserer großen Überraschung und Freude eine Anzahl von Myrmecodia-Pflanzen, die ersten, die wir in wildem Zustand gesehen. Wir waren um so mehr erstaunt, sie in einem so dürftigen und trockenen Gehölz zu finden, als sie nach den Schilderungen meist als Bewohner des feuchten Ur- waldes bezeichnet werden. Diese Art speziell kommt, wie wir später auf dem Vulkan Kaia und anderwäts beobachten konnten, nur in trockenen Gebieten vor. Die Gattungen Myrmecodia und Hydnophytum gehören in biologischer Beziehung zu den merkwürdigsten Gewächsen. Sie keimen auf Ästen von Sträuchern und Bäumen, an denen sie sich mit einigen Wurzeln festhalten, und bilden an der Basis ihres kurzen Stammes einen Knollen, der bei manchen Arten bis zu 1 m Durchmesser er- Strandvegetation. 15 reicht und von zahlreichen labyrinthartigen Gängen durchzogen ist, die von bestimmten Ameisenarten bewohnt werden; die Gänge sind nicht etwa von den Ameisen ausgehöhlt worden, sondern sind schon in der Pflanze vorgebildet, und die in un- geheurer Zahl jeden dieser Knollen bewohnenden Ameisen verteidigen ihren Wohnort auf das heftigste, wie wir uns beim Sammeln dieser Pflanzen immer wieder selbst überzeugten. Die Frage, ob die Knollen der Pflanze eigens zum Zwecke der Ameisenbeherbergung mit Gängen versehen sind und die Myrmecodien durch die Verteidigung von Seite der Ameisen einen Schutz genießen, oder ob die Gänge in den Knollen anderen Zwecken, z. B. der Durchlüftung der Pflanze dienen und die Ameisen nur zufällige Bewohner der Hohlräume sind, ist noch nicht endgiltig entschieden. Nach etwa 1!/2stündiger, durch Pflanzensammeln und Photographieren unterbrochener Wanderung erreichten wir wieder den Strand, der hier von einer Winde Ipomaea pes caprae mit ihren großen rundlichen saftig grünen Blättern und rosa-violetten Blüten bedeckt war. Es ist eine an den flachen Sandküsten der Tropen überall verbreitete Strandpflanze, die durch ihre frischen Farben und ihren üppigen Wuchs immer wieder das Auge erfreut. In ihrer Gesellschaft fanden wir hier wie in Samoa einige ebenfalls freudiggrüne Leguminosen (Dolichos und Vigna) mit rosa-violetten und gelben Blüten, unseren Fisolen nicht unähnlich. Vom Strand führte ein langer Holzsteg über das seichte Wasser zu der kleinen Insel Matupi. Auf dem Stege trafen wir einen kleinen Trupp eingeborener Kinder, die uns neugierig anstarrten und uns große Trauben schwärzlicher eiförmiger Früchte anboten, die sie Kalab oder Galab nannten. Sie trugen kleine Gegenstände, wie Fische, Tabakspfeifen, Muscheln in Körbchen, die aus einem Stück Cocosblatt geflochten waren, durch die zum Tragen der Hinter- kopf oder eine Schulter gesteckt wurden. Auch wir betrachteten die kleinen Sprößlinge von Menschenfressern mit nicht weniger Neugierde, wie sie uns, und waren erfreut, daß sie sich ohne Scheu photographieren ließen (Taf. 2 oben). Jenseits der Brücke stießen wir auf ein Gebäude, das sich dann als eine Art Gasthaus herausstellte, das von einem dicken Chinesen bewirtschaftet wurde. In einem anstoßenden 16 Matupi. Gebäude, ebenfalls aus Holz erbaut, befand sich sein Kaufladen. Wir erfrischten uns auf der breiten Terrasse mit Sodawasser und genossen den entzückenden Anblick des Hafens von Matupi, der von den drei Kratern, Mutter, Tochter und Kaia, über- ragt wird (Taf. 2 unten). Nach kurzer Rast machten wir uns daran, die Insel zu umgehen und kamen nach wenigen Schritten zu den ersten Wohnstätten von Eingeborenen, niederen Hütten mit Grasdächern und geflochtenen Matten anstelle von Wänden. Das Dach ist mit einem First versehen, dessen beide Enden von spitzen türmchenartigen Kegeln gekrönt sind. Wie in Samoa überragen auch hier überall die Niederlassungen der Eingeborenen hohe Kokospalmen, und zwischen den Hütten stehen da und dort einige Stämmchen der auch in Samoa bei keiner Ansiedlung fehlenden Dracaena (Cordyline) terminalis, sowie Crotonbäumchen, deren schöne, glatte, blutrot oder rot und grün gestreifte Blätter bei allen Naturvölkern der Südsee als Tanzschmuck sehr geschätzt sind. Was wir aber in Samoa nie gesehen, sind wohlgefügte Zäune aus gespaltenen Bambusschäften oder lebende Zäune aus den dünnen aufrechten Stämmchen einer Araliaceae (Nothopanax), mit spärlichem Laub bekleidet, die hier jede Hütte der Eingeborenen umgeben. Kleine schwarze Schweine tummeln sich um die Hütten. Das Schwein würde erst durch die Europäer auf den Südsee-Inseln eingeführt und bildet außer kleinen Säugetieren, Vögeln und Fischen die einzige Fleischnahrung ihrer Bewohner, abgesehen von Menschenfleisch bei den kanibalischen Stämmen des Neu- Guinea-Archipels. Bald erreichten wir eine Gruppe hübscher europäischer Wohn- und Lagerhäuser, die Niederlassung der Firma Herns- heim & Comp. Wir durchquerten die sorgfältig gehaltenen kleinen Gartenanlagen zwischen den einzelnen Gebäuden und gelangten auf die Westseite der Insel. Diese war mit dich- terem Buschwerk bewachsen, auffallend war ein riesig hoher Pandanus (Schraubenpalme) mit breiten blaubereiften Blättern und kugeligen Früchten. Die Stämme und Äste einiger hoher Bäume waren wie mit Fransen von den herabhängenden Wedeln eines kleinen Farnes (Drymoglossum) bedeckt. Auf dem Stamme eines Brotfruchtbaumes (Artocarpus incisa) be- merkten wir zwei für uns neue Epiphyten, beide von sehr Tafel 4, Rechinger, Streifzüge in Deutsch-Neu-Guinea. "usyJyonıqy pun uoynIg Yıur 91038.ı19 »ıoydopıydex un eunon epua I Iıyaeıy p p aurgog ‘oJI AUTBSNO gq [Psu]j ‘(suween) +ydry9ıq-Zue 04 Rechinger, Streifzüge in Deutsch-Neu-Guinea Tafel 5. Landschaft am Flusse Karo im Baininggebirge (Gazellehalbinsel), Humusspeichernde Blätter. 17 auffallender Wuchsform, da sie sich mit ihren Blättern platt an die Rinde des Stammes andrücken, wie wir später noch oft sehen konnten, mit Vorliebe an die glatten Stämme der Brot- fruchtbäume und Kokospalmen. Die Blätter der kleineren der beiden waren von der Größe und Gestalt großer Linsen, etwas dicker als diese, halb undurchsichtig und bleichgrün. Ihr dickes Zellgewebe dient der Pflanze als Wasserspeicher Stamm derPflanze ------R Blatt - Querschnitt Verzweigte Wurzel ---{£::3 Mit Humus er- || füllter Hohlraum ni W „ v) () ® ’ % Rinde des Stütz- baumes Querschnitt durch das schüssel- Urnenblatt von Dischidia Rafflesi- förmige Blatt von Conchophyllum ana, die vordere Wand ist weg- papuanum (schematisiert). geschnitten (schematisiert). in regenarmen Zeiten. Die Blätter der zweiten Art sind be- deutend größer, talergroß und darüber, von lederiger Beschaffen- heit, oberseits mattgrün, unterseits purpurviolett, flachschüssel- förmig, mit der ausgehöhlten Seite gegen den Stamm des Baumes gekehrt, so daß nur der Rand der Blätter der Rinde angedrückt ist. In dem dadurch gebildeten Hohlraum sammelt sich Humus an, welcher die Feuchtigkeit festhält. In diesen humuserfüllten Raum unter jedem Blatt treibt der dünne fäd- Rechinger, Streifzüge in Deutsch-Neu-Guinea. 2 18 Dischidia, Conchophyllum, Casuarina. liche Stamm dieses sonderbaren Gewächses je eine Wurzel, die sich dort verzweigt und dadurch ein Stütz- und Haltgerüste für weitere Humusansammlungen abgibt, zugleich die Pflanze an der Rinde des Stammes festhält und ihr vor allem Feuchtig- keit und Nahrung aus dem unter ihren eigenen Blättern an- gesammelten Humus zuführt; überdies bewohnt eine Schar von bissigen roten Ameisen, wie von einem Zelt geschützt, diese „Humusschalen“, und ein eigentümlicher harzartiger Geruch dieser Pflanze hält ungeladene Gäste aus der Tierwelt fern. Bald entdeckten wir an beiden Arten die kleinen un- scheinbaren Blüten und auch einzelne längliche Samenkapseln, an denen wir die Zugehörigkeit der beiden Pflanzenarten zu der großen Familie der Asclepiadaceen sofort erkannten. Es sind Dischidia Schumanniana und Conchophyllum papuanum. Eine weitere fortschreitende Ausgestaltung von zu Humus- und Wasserbehältern umgestalteten Laubblättern bildet die be- kannte Dischidia Rafflesiana von den Sunda-Inseln, deren Blätter zu ganzen Urnen oder Beuteln umgewandelt sind, in die die Wurzeln hineinwachsen. (Vergl.d. Abbildungen auf S. 17.) Am sandigen Strande der Westseite der Insel stießen wir auf die ersten Casuarinen (Casuarina equisetifolia), hohe Bäume mit ständig im Luftzuge wehenden Zweigen von schachtel- halmartigem Aussehen, mit kleinen zäpfchenartigen Früchten, eine bezeichnende Strandpflanze des australischen und pazifischen Florengebietes. Nach Umgehung der Insel kehrten wir noch einmal bei dem dicken Chinesen ein. Auf der Terrasse saßen zwei euro- päische Einwohner von Matupi, die uns als Passagiere des heute in Simpsonhafen eingelaufenen Dampfers erkannten und fragten, wann der Dampfer im Hafen von Matupi eintreffen werde. Unsere Mitteilung, daß dies unterbleibe und der Dampfer noch heute nachmittag nach Herbertshöhe zurückkehre, von wo aus er morgen abend seine Fahrt fortsetzen werde, ohne Matupi zu berühren, wollten sie anfangs nicht glauben. Dann machten sie ihrer Entrüstung unverhohlen Luft, daß infolge Erbauung des neuen Piers in Simpsonhafen von nun an der Hafen von Matupi im vollsten Sinne des Wortes links liegen gelassen wird. Für uns war es nun Zeit, zum Dampfer zurückzukehren, wollten wir seine Abfahrt nicht versäumen. Rasch gingen wir Flußufer, Präparieren der Pflanzen, in Simpsonhafen. 19 bei womöglich noch größerer Hitze den Weg zurück und er- reichten um !/23 Uhr den Dampfer, wo das lustige Treiben der „schwarzen Jungen“ beim Ladunglöschen fortdauerte. Die Ab- fahrtzeit war von 3 auf 5 Uhr nachmittags verschoben worden. Wir gingen daher nochmals an Land, diesmal den Strand entlang bis zur Mündung eines ziemlich breiten Flusses, welcher warmes schwefelhaltiges Wasser führt. Die Ufer des breiten, langsam dahinströmenden Gewässers umsäumt eine ungemein üppige, kaum zu durchdringende Vegetation. Hohe Bäume neigen sich weit über das Wasser, mit dichtem Lianengeschlinge über und über behängt. Besonders schön heben sich die jetzt hochrot verfärbten Blätter der schirmförmigen Baumkronen von Termi- nalia Catappa von dem tiefen Grün der Umgebung ab. Schwer rissen wir uns von dem prachtvollen Anblick los, um zum Dampfer zurückzueilen, den wir knapp vor der Abfahrt erreichten. Ein erfrischendes Seewasserbad, direkt vom Meer in die Wannen gepumpt, von 24° R. erquickte uns nach dem in tropischer Sonnenglut verbrachten Tage und befreite uns von dem feinen schwarzgrauen vulkanischen Staub, der durch unsere Kleider gedrungen war und unsere Haut vom Kopf bis zu den Füßen bedeckte. Nach dem Abendmahl saßen wir ein Weilchen mit dem liebenswürdigen Kapitän Woltemar und dem jungen Schiffsarzt gemütlich plaudernd im Rauchzimmer; wir waren einstweilen wieder an der Reede vor Herbertshöhe an- gelangt und hatten Anker geworfen — tiefe Dunkelheit war bereits herabgesunken, vom Strande her blinkten einzelne Lichter. So schön es gewesen wäre, nach der ungewohnten Bewegung bei der Hitze des Tages behaglich in einem be- quemen Stuhl ausgestreckt weiter zu plaudern und in die stille Tropennacht hinaus zu schauen, mußten wir uns doch bald an die Arbeit machen, die gesammelten Pflanzenschätze zu bergen. Zu einem förmlichen Berg angewachsen lag unsere Tagesausbeute auf einem der Tische auf Deck; wir holten einige Stöße unseres Vorrates an Löschpapier und begannen die einzelnen Pflanzen in die Bogen einzulegen, diese zu Bündeln aufeinander zu schichten, die zwischen Holzgittern mit Gurten möglichst fest geschnürt wurden. Während dieser Beschäftigung machten wir Pläne für den kommenden Tag, an dem wir Dr. K., den von 2x —— 20 Eine verlockende Aussicht. Samoa nach Herbertshöhe versetzten Oberrichter, zu sehen hofften. Plötzlich tönte das Plätschern von Ruderschlägen und Stimmengewirre vom Meer her, und in dem Lichtkreis unseres Schiffes erschienen sechs bis acht europäische Ruderboote, jedes mit einem Europäer in weißem Tropenanzug und Helm am Steuer, gerudert von mehreren schwarzen Jungen, die in dem weißen Matrosenanzug der „private boys“ steckten. Die Boote legten an unseren Fallreeps an, und voll Freude begrüßten wir den ebengenannten Oberrichter Dr. K., der uns mit den anderen Herren, Professor P., Direktor der Neu-Guinea- Compagnie, Regierungsarzt Dr. S., dem Richter Dr. C. und noch mehreren Regierungsbeamten bekannt machte. Die Herren waren ge- kommen, um sich den in Herbertshöhe nicht möglichen Genuß eisgekühlten Bieres zu verschaffen und von den Schiffsoffizieren wieder Neues aus der übrigen Welt und der Heimat zu hören. Nach den ersten Begrüßungsworten teilte uns Dr. K. mit, daß der Kaiserliche Gouverneur von Deutsch - Neu - Guinea, Dr. Hahl, die Absicht habe, mit dem Regierungsdampfer „See- stern“ eine Fahrt nach den Salomons-Inseln zu unternehmen, von der er in vier Wochen wieder zurück sein wollte, jedenfalls vor Abgang des nächsten Dampfers nach Hongkong, wegen der Post für Europa. „Ich glaube sicher, daß er Sie in Anbetracht des wissenschaftlichen Zweckes Ihrer Reise sehr gerne die Fahrt mitmachen ließe, wobei Sie unter seinem persönlichen und unter dem Schutz seiner Mannschaft stehend, viele sonst kaum zugängliche Gebiete besuchen könnten.“ Diese plötzlich sich bietende Aussicht, in der so interessanten Inselwelt noch länger verweilen und in ihre entlegensten Gegenden vordringen zu können, wirkte wie ein zündender Funke auf uns und erregte unsere Phantasie und Tatenlust aufs höchste. Halb im Scherz, wie um ein verlockendes Traumbild auszumalen, erwogen wir zuerst die Möglichkeit unseres Bleibens, lebhaft unterstützt von den Herren vom Land, die ihr Neu-Guinea in den schönsten Farben schilderten, und unter scherzendem Protest der Schiffs- offiziere. „Wir können doch nicht zugeben, daß zwei unserer Passagiere den schönen Dampfer „Prinz Waldemar“ verlassen, um in diesem öden unkultivierten Fiebernest zu bleiben; fahren Sie doch mit uns lieber bis Japan, wo es mehr Schönes zu sehen gibt.“ Auf unsere Frage, ob wir überhaupt das Recht Ein rascher Entschluß. 21 hätten, die Fahrt zu unterbrechen, sagte der Kapitän, daß da- gegen nichts einzuwenden sei, und bald befanden wir uns im sorgfältigen Studium der Fahrpläne der verschiedenen Dampfer- linien, und es ergab sich, daß wir bei Benützung des nord- deutschen statt des österreichischen Lloyd von Hongkong aus am 6. Dezember in Genua statt in Triest eintreffen könnten, also am selben Tage! Dadurch trat das verlockende Traumbild in den Kreis der Möglichkeit, und unsere Erwägungen wurden immer ernster. Unsere zweite Sorge, ob wir genug Sammelgeräte bei uns hätten, um auch die sich bietenden Naturschätze zu kon- servieren, war bald zerstreut. Denn bei unserer Abreise von Samoa hatten wir Spiritusgläschen, Fangnetze etc. und vor allem das Lebenselement des sammelnden Botanikers, Löschpapier, in ausreichender Menge mitgenommen. Damals mehr, weil wir uns von den uns liebgewordenen und durch monatelangen Gebrauch gewohnten Geräten nicht trennen wollten, obwohl die Aussicht nicht groß war, dieselben noch in so ausgiebiger Menge zu benötigen; der übrige Teil der Sammelausrüstung war mit der Ausbeute von Samoa direkt nach Europa gesendet worden. Nachdem die Herren etwa eine Stunde an Bord gewesen waren, verließen sie uns mit fröhlichem „Auf Wiedersehen!“. Mit Dr. K. hatten wir verabredet, ihn um 9 Uhr früh des nächsten Tages im Amtsgebäude des Gouvernements zu treffen, um dem Gouverneur vorgestellt zu werden und seine Bewilligung zur Mitfahrt auf dem „Seestern“ einzuholen. Die weißen Boote verschwanden wieder aus dem Lichtkreis des „Prinz Waldemar“, und wir setzten unsere friedliche Tätigkeit des „Pflanzen- einlegens“ fort, aber mit welch anderen Gefühlen! Bis spät in die Nacht saßen wir bei unseren Pflanzen, den neuen Plan erwägend, und immer mehr und mehr gewann die ungetrübte Freude und Tatenlust an dem vielverheißenden Unter- nehmen über alle Bedenken die Oberhand. Nach einer fast schlaf- losen Nacht wurden wir am nächsten Morgen (11. September) von Dr.K. in seinem Boot abgeholt und von ihm zu dem nahe der Landungsbrücke liegenden Gebäude geführt, in dem sich die Sitzungs- und Amtslokale des Gouvernements und das Gericht befinden. Im Pidgin-Englisch der Eingeborenen wird es „house paper“ genannt, da darin das Papier in Form von . Akten, Drucksachen etc. in ihren Augen die größte Rolle spielt. 22 Der „Seestern“. Den Verkehr zwischen den einzelnen Amtslokalen und den übrigen öffentlichen Gebäuden vermitteln junge 10—14 jährige, für schwere Dienste nicht geeignete Bukajungen, indem sie mit wichtiger Miene Briefe, Nachrichten, Aktenstücke in ihren schwarzen Händen haltend, gravitätisch an den Ort ihrer Be- stimmung schreiten. Dr. K. stellte uns dem Kaiserlichen Gou- verneur Dr. Hahl vor, einem Manne anfangs der vierziger Jahre von ausgeprägt süddeutschem Typus, von gedrungener kräftiger Gestalt, mit ungemein intelligentem und energischem Ausdruck der braunen lebhaften Augen. Mit kurzen Worten teilte uns der Gouverneur an der Hand einer Wandkarte des Archipels Plan und Dauer der Reise mit und versprach uns die größte Unterstützung unserer Bestrebungen, so weit es sich mit dem Zwecke der Reise vereinigen ließ; die Fahrt wurde unternommen einerseits, um auf der Insel Bougainville die erste Polizeistation zu gründen, ferner die Ermordung eines englischen Traders durch Eingeborene zu bestrafen, neue Soldaten und Pflanzungs- arbeiter anzuwerben und die ausgedienten an ihren Heimats- orten abzusetzen. Da der „Seestern“ Eigentum des nord- deutschen Lloyds ist und von demselben bemannt und bewirt- schaftet wird, aber dem Kaiserlichen Gouverneur für seine dienstlichen Fahrten zur Verfügung steht, kann er auf be- sonderen Wunsch des Gouverneurs gegen die beim nord- deutschen Lloyd für Fahrt und Verpflegung allgemein übliche Summe einzelne Passagiere für die Dauer dieser Fahrt an Bord nehmen, natürlich nach Maßgabe des sehr beschränkten Raumes. Der Gouverneur fuhr sogleich mit uns in seinem Boot, das zum Zeichen seiner Anwesenheit die deutsche Flagge gehißt hatte, zum „Seestern“, einem schmucken, ganz weiß gestrichenen Dampfer, der unweit des „Prinz Waldemar“ vor Anker lag, und stellte uns dem Kommandanten desselben, Kapitän M., vor. Auf dem Oberdeck des Schiffes lagen, die ganze Breite des- selben einnehmend, nach vorne der Speisesaal und daran erenzend die geräumige Kajüte des Gouverneurs, nach rück- wärts drei sehr kleine Kabinen und ein Badezimmer. Zwei der kleinen Kabinen wurden von Offizieren bewohnt, die dritte wurde uns als Heim für die kommenden Wochen vorgestellt. Die Schiffsmannschaft bestand meist aus Eingeborenen der Insel Neu-Pommern, die vom Kapitän außerordentlich gut geschult Erster Abend an Bord des „Seestern“. 23 waren. ‘Zur Bedienung bei Tisch, in den Kabinen und als Köche waren Chinesen angestellt, die leider nicht die sonst bei ihrem Volke hervorragende Eignung als Diener zeigten, und wir waren in Zukunft noch öfter Zeugen, wie sie durch ihre mangelhafte Auffassungsgabe die Verzweiflung des Kapitäns erregten. Nach kurzem Aufenthalt auf dem „Seestern“ kehrten wir wieder auf den „Prinz Waldemar“ zurück, um unser ge- samtes Gepäck zur Überführung bereit zu machen und Briefe für die Heimat zu schreiben, welche statt uns die Fahrt fort- setzten. Auf dem sonst so ruhigen Dampfer herrschte den ganzen Nachmittag das regste Treiben. Unter dem Geschrei der Eingeborenen wurde noch fortwährend Ladung gelöscht und eingenommen, und im Rauchzimmer wimmelte es von lachenden, rauchenden und biertrinkenden Gestalten. Wir waren froh, als wir endlich unsere verschiedenen Gepäckstücke aus den Tiefen des Schiffes in ein Boot gefördert sahen und schließ- lich selbst, als die Dunkelheit schon herniedersank, dem „See- stern“ zugerudert wurden. Dort herrschte im Gegensatz zu drüben die tiefste Stille. Der Kapitän ließ mit dankenswerter Liebens- würdigkeit unser umfangreiches Gepäck zum Teil im Unterdeck, zum Teil auf dem freien Oberdeck unter dem Schutz von Segeltuch verstauen, und da er selbst für diesen Abend eingeladen war, wurde uns beiden allein in dem kleinen gemütlichen Speiseraum ein Abendbrot serviert. Wir fühlten uns in dieser Stunde wie die glücklichen Besitzer einer Privatjacht! Nach dem Essen sahen wir vom Hinterdeck aus in die stille Tropennacht hinaus. Vom Lichtgefunkel des „Prinz Waldemar“ her ertönte das drei- malige Pfeifensignal zur Abfahrt, in weitem Bogen bewegte sich die Lichterreihe, einer glühenden Raupe gleich, durch die Dunkelheit dahin, und bald verschwand in der Ferne auch das letzte Signallicht des Schiffes, das, anstatt uns der Heimat und unseren Lieben zuzuführen, nur die Nachricht von unserem Abstecher in das Bereich der Menschenfresser überbringen sollte. Da näherten sich Ruderschläge und einige weiße Gestalten klommen über das Fallreep, es waren die Doktoren S., K. und C., und im fröhlichen Geplauder über Herbertshöhe, die Ver- hältnisse in Deutsch- Neu- Guinea im allgemeinen und über unsere bevorstehende Reise verflogen einige Stunden in an- 24 In Herbertshöhe. regendem und heiteren Gespräch. Der Schlaf auf den schmalen Lagern unserer engen Kabine war erquickend, denn der glück- liche Umstand, daß ein Kabinenfenster an der Breitseite und eines an einem Quergang lag, ermöglichte die Herstellung eines fortwährenden kühlenden Luftzuges. Am Morgen des 12. September holten wir um !/29 Uhr früh Dr. K. im „house paper“ ab — der Gouverneur wie die meisten Beamten sind schon vor 7 Uhr früh in Tätigkeit — und Dr. K. führte uns hinauf zu seinem Wohnhaus, das wie fast alle Wohnungen der Europäer auf der Anhöhe lag, da man die Erfahrung gemacht hatte daß die Anopheles-Mücken, deren Stich die Malaria überträgt, in den höheren Lagen in bedeutend geringerer Zahl auftreten und tatsächlich Malaria- Erkrankungen in tiefer liegenden windgeschützten und daher feuchten Gebieten am häufigsten vorkommen. Von der breiten Terrasse des von Dr. K. und Dr. C. gemeinsam bewohnten Hauses bot sich eine entzückende Aussicht: zu Füßen das mit Kokospalmen bepflanzte Land, draußen das schimmernde Meer mit dem Hafen von Matupi und seiner Kratergruppe und weit drüben die hohen Gebirge von Neu-Mecklenburg, zum Teil von schön geballten Wolken verhüllt. Dr.K. stellte uns für den Vormittag seinen Wagen zur Verfügung. So wie in Samoa besitzt auch hier fast jeder Europäer einen leichten zweiräderigen Wagen, der von einem Pferd ge- zogen wird und außer für den Lenker meist nur für eine Person Platz hat (Taf. 3 oben). Als wegeskundigen Wagenlenker gab uns Dr. K. seinen samoanischen Diener Folla mit, den er von Apia mitgenommen hatte. Er war das seltene Beispiel eines Samoaners, der sich zum Diener eignete, da diesem liebenswürdigen und lebenslustigen Volke im allgemeinen jedes Gefühl von pünkt- licher Pflichterfüllung und Konsequenz abgeht. Geschickt leitete Folla das Wägelchen die steile Straße hinunter zum Strand, wo wir nach rechts abbogen, zuerst vor- bei an den ausgedehnten Gebäuden der Neu-Guinea Kompagnie, dann an denen der Firma Moutton. Die gut angelegte Straße führt zwischen Kokospflanzungen dahin, den Boden zwischen den hohen Palmen bedecken verschiedene Gräser mit gleich- mäßigem Grün, dazwischen niedere Farne (Nephrodium) und unscheinbar gelbblühende Malvaceen, kleine Papilionaceen mit "uouerT pun ujozanAa37u’T { N 9 393 ) > > s W nasıyaejlos Jım Bdııgessurureg We pfIgpIeatn oduıgodduueg wı (oujeg) euntodsoyoäjg «d o = e' ie) \ = o 2 3 R-) o n > e © a = © & 1 N um o = Be} an 5 © &0 = n o u [7 Tafel 7. Rechinger, Streifzüge in Deutsch-Neu-Guinea. 3yoys41oqaop Tag 'Iy eyeuıumnde vBrIown]g Copra, Rotang. 25 violettroten Blüten und einige Compositen (Vernonia und ähnliche). Da und dort saß ein Häuflein einheimischer Weiber mit dem Ausschneiden der Copra beschäftigt. Zuerst wird die reife Kokosnuß auf einen spitzen Pfahl, der in der Erde befestigt ist, aufgestoßen und so die zäh- faserige braune Außenhülle entfernt, dann mit einem geschickten Schlag die steinharte Nußschale in zwei Teile zerlegt und mit einem Messer das mandelartige Endosperm ausgeschnitten. Der Samoaner Folla wurde nicht müde, uns bei Anblick der im Grase hockenden Papuas zu versichern, wie sehr er sich als Samoaner über diese „Wilden“ erhaben fühle. Schon das erste Stück „Busch“, das wir nach einer halb- stündigen Fahrt durch die Kokospflanzungen erreichten, bot so viel des Neuen, daß wir ausstiegen. Die hohen Bäume be- deckten dichte, undurchdringliche Wände von Rotang (Ca- lamus), einer Kletterpalme, deren dünne, viele Meter lange Stämmchen „spanisches Rohr“ liefern. Die Palme wird hier, obwohl sie in Unmasse vorkommt nicht verwertet, das in Europa in den Handel kommende „spanische Rohr“ stammt meist von den Sunda-Inseln und Hinter-Indien. Die Mittelrippen der Fiederblätter enden in eine oft mehrere Meter lange Geißel mit spitzen nach rück- wärts gerichteten Dornen, vermittelst welcher sie sich in dem Gezweige der Bäume festhaken und das Weiterklettern der Pflanze ermöglichen. Die durch sie gebildeten riesigen Wände sind durch die spitzen Dornen für Mensch und Tier undurchdringlich. Meist sind Blattstiele und Blattscheiden auch mit spitzen, scharfen Dornen besetzt, bei manchen Arten sogar die Blattoberfläche. (Taf. 4 unten.) Längs der Straße stehen als dichter Unterwuchs unter den hohen Bäume Alpinien und andere Zingiberaceen, bis 10 Meter hohe Monocotylen mit saftigen, grünen, riesigen cannaartigen Blättern, und weißen, roten oder gelblichen Blüten- büscheln am Ende ihrer Triebe. Strauch- und baumförmige Euphorbien mit schildförmigen Blättern (Macaranga) bilden ein dichtes Unterholz. Lichtere Stellen im Gehölz nimmt eine riesige Grasart aus der Gattung Penisetum ein. (Taf. 3 unten.) Zum erstenmal seit unserer Anwesenheit im Archipel sehen wir Schmetterlinge, besonders viele Arten Danais, träg 26 Strandbäume. dahinflattern, verschiedene rasch und hoch dahinsegelnde Pa- pilioniden, viele kleinere Tagfalter, darunter manche unseren Zitronen- und Posthornfaltern ähnliche und flinke kleine Ly- caeniden (Bläulinge) oft von azurblauer Farbe, die blitzend zwischen Kräutern und Sträuchern hin und her fliegen. Nach Herbertshöhe zurückgekehrt, gehen wir noch ein Stück den Strand entlang, wo zwischen Meer und Pflanzungen ein schmaler Streif ursprünglicher Vegetation geblieben ist. Wir finden hier die bezeichnende Strandvegetation dieser Inseln, hohe Casuarinen (Taf. 5 oben), ernste Calophyllumbäume mit dichtem, glänzendem, schwarzgrünem Laub, Barringtonia mit großen vierkantigen Früchten, deren giftiger Same von den Ein- geborenen zum Betäuben der Fische benutzt wird, Terminalia (Schattenbaum) mit horizontal ausgestreckten Ästen, Hernandia mit blasenartigen Früchten, Cerbera mit weißen oleanderartigen Blüten und dunkelgrün glänzenden Blättern. Alle diese Bäume haben an ihren Samen respektive Früchten Schwimmvorrich- tungen, welche sie befähigen, riesige Strecken mit der Meeres- trift unbeschadet ihrer Keimfähigkeit zurückzulegen, wodurch sich ihre weite Verbreitung erklärt. Das Gezweige der Bäume war von philodendronartigen Aroideen (Rhaphidophora) und den dichten Ranken der Mucuna durchwebt, einer Schling- pflanze mit langherabhängenden Trauben lebhaft grüner Schmet- terlingsblüten und kräftigen Schoten mit seidenglänzenden, heimtückischen Brennhaaren bedeckt von ähnlicher Wirkung wie die unserer Brennesseln (Taf. 4 oben). Den Unterwuchs bildeten die dickblätterigen Stauden von Scaevola. III. Kapitel. Ausflug in das Baining-Gebirge. Zur Mittagszeit (12. September) waren wir wieder auf den „Seestern“ zurückgekehrt, mit dem wir um 1 Uhr unsere erste Fahrt im Archipel antraten, an der außer uns der Gouverneur mit seiner Frau, Frl. M., Regierungsrat Dr. S. und Dr. K. teil- nahmen. Da die Frau Gouverneur ihr kleines 1!/2 jähriges Kindchen nicht bei der ausschließlich aus Eingeborenen be- stehenden Dienerschaft zurücklassen wollte, wurde die Kleine auf der kurzen Fahrt mitgenommen und hüpfte vergnügt auf den schwarzen Armen ihrer Kinderfrau. Die Fahrt geht um die Krater bei Matupi, die fast aus- schließlich von Alang-Alanggras bedeckt sind, später an der dicht mit Urwald bestandenen Küste entlang. Um 25 Uhr nachmittags ist das Ziel der Fahrt, die im Westen der Gazelle- halbinsel liegende ganz einsame Massawa - Bucht erreicht, in der einige Inseln verstreut liegen. Diese waren noch vor einigen Jahren, wie uns mitgeteilt wurde, von einem besonders wilden Stamm der Papuas bewohnt, einem wahren Seeräuber- volk, das sich jährlich aus dem Inneren des Landes, dem gegenüberliegenden Baining-Gebirge, Sklaven holte, um sie gelegentlich aufzufressen. Um diesem Treiben ein Ende zu machen, waren von Seite der Regierung 1897 und 1898 unter Leitung des Dr. Hahl einige kleine Feldzüge unternommen worden, die mit voll- ständiger Vernichtung der Niederlassungen, Befreiung vieler Sklaven und endgiltiger Aufhebung des Sklavenhandels längs dieser Küste endigten. a Äh —— 28 Urwald, Eucalyptus. Wir gingen alle an Land, zuerst auf ebenem Wege den weit sich öffnenden Talboden hinein; links dehnte sich eine gut gedeihende Pflanzung von Kakao aus, rechts stand hoher Urwald wie eine undurchdringliche Mauer, an der entlang- schreitend wir die denkbar schönste botanische Ausbeute fanden: im tiefen Schatten der Bäume an sumpfigeren Stellen Aroideen mit pfeilformigen weißgefleckten Blättern, niedere Acantaceen mit weißen oder blauvioletten Blüten, dann Commelinaceen, auf dem Boden hinkriechend oder rasenbildend (Verwandte der bei uns so häufig kultivierten Tradescantia), dazwischen einzelne erdbewohnende Farne, doch viel weniger an Zahl als in Samoa an solchen Stellen. Darüber neigten sich die dichten hohen Triebe der Alpinien, diese wurden von einem unge- mein vielartigen Unterholz überragt, von dem es uns zumeist gelang, Blüten oder Früchte zu erreichen, um sie später mit Sicherheit bestimmen zu können. Unter diesen Gewächsen befanden sich auch einige Palmenarten, und hoch darüber wölbten sich die Kronen riesiger Laubbäume, von denen oft nur mit größter Mühe oder überhaupt nicht Zweige zu erlangen waren. Mehr Freude als das Tragen der botanischen Beute machte den uns begleitenden Boys entschieden das Einfangen von Heuschrecken und Käfern, besonders der flüchtigen Sand- läufer, die diesen Abend in großer Menge die Spiritusgläser füllten. Der Weg bog dann in den hochstämmigen Wald ein, dessen Unterholz lichter war und hauptsächlich aus unverzweigt geradeaufstrebenden Bäumen und Bäumchen bestand, deren Stämme von zahlreichen Epiphyten, auch Moosen, besetzt waren. Nahe dem Ufer des jetzt fast ausgetrockneten Karoflusses stießen wir auf den ersten Eucalyptus -Stamm von unge- heurer Höhe. Er mochte 80 m erreichen, doch war seine Laubkrone kaum durch das Blattgewirre der umgebenden Bäume zu erblicken, da sie dieselben weit überragte. Die Mehrzahl der Eucalyptus- Arten (Fieberbäume) kommen auf dem australischen Festlande vor, nur E. Naudinianus hat seine Heimat im Neu - Guinea - Archipel; der Stamm dieses Pracht- baumes wächst kerzengrade und unverzweigt vom Boden aus in die Höhe und erreicht an seiner Basis einen Durchmesser von 8m. Die Borke löst sich in langen dünnen Streifen ab, die eingerollt den Boden ringsumher bedecken. Der glatte In der Massawa-Bucht. 29 Stamm sieht aus wie poliertes Metall in schimmernder ineinander fließender Zeichnung mit besonderem Vorwiegen des Kupferrot und Grün. Während die Stämme aller anderen Bäume mehr oder minder dicht mit Epiphyten und Schlingpflanzen bedeckt sind, kann an der glatten, sich stets erneuernden Oberfläche des Eucalyptus-Stammes auch nicht das kleinste Pflänzchen haften; größer und mächtiger als alle anderen und ausgezeichnet durch den eigentümlichen Schimmer seiner glatten Rinde, bildet er eine der schönsten und auffallendsten Erscheinungen in der Pracht dieses Urwaldes. (Taf. 1, Titelbild.) Schwer trennten wir uns von diesem Anblick, doch mußte die Rückkehr zum Dampfer beschleunigt werden, da mit Ein- bruch der Dunkelheit die fieberübertragenden Mücken (Ano- pheles) in Schwärmen aus ihren feuchten Verstecken hervor- brechen, während uns die Seebrise auf dem weitab vom Land liegenden Schiff vor ihren Angriffen schützte, da sie mit ihren zarten Flügeln gegen die Luftströmung nicht aufkommen können. Nach eingenommenem Abendmahl wurde uns der lange Speisetisch in liebenswürdiger Weise zur Verfügung gestellt, und unter den heimatlichen Klängen eines Grammophons legten wir unsere umfangreiche Tagesausbeute ein, wobei der Regie- rungsarzt Dr. S. manche botanische Kenntnisse an den Tag legte und viele witzige Bemerkungen in unsere Beschäftigung einflocht. Zum Schlusse erschienen auf unser Ansuchen die beiden „China-boys“ und trugen kopfschüttelnd über unser ihnen unverständliches Beginnen die Pflanzenbündel in den trockenen Maschinenraum. Am Mittwoch, den 13. September war um Sonnenaufgang allgemeiner Aufbruch. Doch teilte sich bald die Gesellschaft in zwei Teile. Der Regierungsarzt Dr. S., den die beiden Damen begleiteten, hatte dienstlich auf der Station St. Paul der Brüder vom heil. Herzen Jesu zu tun, wo ein Jahr zuvor bei einem heimtückischen Überfall der Baining-Leute drei Patres, zwei Brüder und fünf Schwestern ermordet wurden. Wir schlossen uns dem Gouverneur und dem Oberrichter Dr. K. an, um das Gebiet der Baining-Berge zu besuchen, wo eine Kolonie von deutschen Bauern, von denen einige schon in Australien als Kolonisten gelebt hatten, gegründet werden sollte. Vorläufig waren nur zwei Familien angesiedelt, und der Gouverneur ließ 30 Insektenleben. unter der Leitung des Landmessers Schmidt eine Straße dorthin anlegen, die schon ihrer Vollendung nahe war. Bald blieben wir sammelnd hinter den beiden rasch aus- schreitenden Herren zurück, in Begleitung eines schwarzen Küstenbewohners und der beiden Boys, die uns Dr. S. über- lassen, wohlabgerichtete und verwendbare Leute, die er wegen ihres zuckerhutförmig nach oben gekämmten Wollhaares Spitz- ‚köpfe nannte. Das Gehen auf der neu hergestellten Straße in mäßiger Steigung bot wenig Schwierigkeit, und wir Konnten uns, ohne wie sonst bei Urwaldmärschen durch zahllose Hindernisse aufgehalten zu sein, dem vollen Genusse der prachtvollen Umgebung und einer ergiebigen Sammeltätigkeit widmen. In der Morgensonne gaukelten heute noch mehr Schmetter- linge als gestern. Einzelne Priamus, Papilioniden in der Größe von Vögeln in den prächtigsten Farben flogen etwa 8-10 m vom Erdboden entfernt in der Luft, andere wieder im dichtesten Gestrüpp sich bergend, von bescheidener Größe und einfacher Zeichnung, sogar im tiefsten Schatten der Urwaldriesen tummelte sich ein kleiner intensiv schwarzblau gefärbter Tagfalter. Die große Menge der reizenden, in Farbe, Form und Flug- weise so verschiedenen Gebilde hatte etwas bezauberndes und das Auge wurde nicht satt, den bald gaukelnden, bald rasch dahinsegelnden, bald ruhig ausgespannten Flügeln zu folgen. So oft aber einer der schönen Flieger in unserem Netz gefangen war, leuchteten die Augen unserer schwarzen Begleiter im Jagd- eifer; ohne geübte Schmetterlingssammler zu sein, war es uns möglich, an einem Vormittag neben dem Sammeln von Pflanzen und anderen Insekten 95 Schmetterlinge, zumeist verschiedener Art, zu erhaschen. Metallglänzende Buschkäfer (Cerambycidae) flogen uns oft auf den Rücken und ließen sich leicht einfangen, auf dem Boden eilten Sandläufer dahin und auf Sträuchern machten ansehnliche stahlblaue Carabiden Jagd auf Insekten. Metallisch glänzende Blattwanzen, oft mit abenteuerlich aus- gestatteten Hinterbeinen, zogen mit schnurrendem Flug von Strauch zu Strauch. Vielstimmiges rhytmisches Cycadenge- kreische erfüllte die Luft, besonders auffällig war das Geschrei einer Art, welches klang, als ob sie erst mit einem Schlüssel aufgezogen würden, dann plötzlich losschnarrten und in kurzer Zeit wieder verstummten, ähnlich dem Ablaufen einer Wecker- Am Flusse Karo. 31 uhr. — Der Weg führte am Karoflusse stromaufwärts, aber nur selten gewährte die Dichte des Waldes einen Ausblick auf das jetzt wasserarme Flußbett, an dessen Ufer sich die Bäume mit ihrer Lianen- und Epiphytenlast in malerischer Gestaltung weit überbogen, hier besonders reich durchwoben von den Stengeln einer schlingenden grasartigen Liane, Flagellaria. (Taf. 7 unten.) Der geschlossene Urwald bietet dem Wanderer infolge seines dichten Pflanzengewirres nie einen Überblick, da man, sofern überhaupt ein Weg vorhanden ist, zwischen zusammen- hängenden Pflanzenmauern dahinwandert, die dem Blick nicht wie unsere europäischen Laubwälder gestatten, in die Waldes- dämmerung einzudringen. Jeder photographischen Aufnahme ging eine längere Holzhauerarbeit voraus, um nur halbwegs einen Einblick zu erhalten. Eröffnet sich aber durch einen die Dichte des Waldes durchquerenden Flußlauf ein Ausblick, so gestaltet sich das sinnverwirrende Über-, Auf- und Durchein- anderwachsen zu einem Ganzen von so vollendeter Schönheit und Majestät, daß wir bei jedem solchen Anblick aufs Neue überwältigt stehen blieben und stumm die Größe der Natur auf uns wirken ließen. Besonders oft konnten wir auf unserem Wege an den Bäumen des Urwaldes die auffallende, in den Tropen häufige Erscheinung beobachten, daß Blüten und Früchte einzeln oder büschelweise aus dem Stamme der Bäume hervordringen, und zwar bei Vertretern der verschiedensten Pflanzenfamilien. Ein Baum war besonders merkwürdig dadurch, daß die etwa I m über dem Erdboden entspringenden Fruchtbüschel von Ameisen in eine Art Erdbau verwandelt worden waren. Die Tiere hatten die lehmige Erde krümchenweise hinauf geschleppt und dort verkittet. Solche Ameisenbauten waren an einem bestimmten Baum, welcher viel Milchsaft enthielt, stets zu beobachten. Oft kehrte ein Baum wieder von schlankem hohen Wuchs mit blendend weißer glatter Rinde, die nur wenigen Epiphyten Anhaltspunkte bot (Taf.6), noch häufiger waren kleine Palmen mit Fiederblättern, dem in Samoa heimischen Drymophloeus Reineckei sehr ähnlich, aber hier in mehreren Arten. Dagegen fehlten hier größere Farne, die in Samoa so abwechslungsreich und häufig sind, fast vollständig. Zum Schluß stieg der Pfad in regelrechten Serpentinen 32 Eine Bauern-Kolonie. I bergan und wir traten aus dem Wald heraus auf eine künst- liche Klärung, die zum Teil mit Bananen zum Teil mit Hirse bepflanzt war, letztere allerdings in kümmerlichem Zustand. Auf der Kuppe des Hügels, den diese Pflanzungen ein- nahmen, lag die neue Ansiedlung, die schon seit einigen Mo- naten von zwei deutschen Bauernfamilien bezogen war, weitere _ Kolonisten sollten in einigen Wochen ankommen. Den Mittel- punkt der künstlichen Lichtung nahmen einige Zelte des Land- messers Sch. ein, der hier oben schon seit Monaten hauste mit etwa einem Dutzend einheimischer „Polizeijungen“, welche ihm als Schutzmannschaft und zum Wegbau beigegeben waren. Hier trafen wir auch die beiden vorausgeeilten Herrn an, die den Weg, zu dem wir unter eifrigem Sammeln und Photo- graphieren 4 Stunden gebraucht, in 1!/2 Stunden zurückgelegt hatten. Herr Sch., der eben an einem leichten Malaria- anfall litt, bereitete uns in gastfreundlicher Weise eine höchst willkommene Stärkung aus Konserven; Quellwasser mit Zi- tronensaft bildete ein köstlich erfrischendes Getränk. Nach dem Mittagessen mußten die schwarzen Soldaten antreten. Sie standen stramm in Hab-acht-Stellung in ihrer zweckmäßigen Ausrüstung, die nur aus einem roten Lenden- tuch (Lavalap) bestand, das von einem Ledergürtel gehalten wurde, der die Patronentasche trug, einer flachen tellerförmigen Kakimütze mit Augenschirm und einem Gewehr, nebst Seiten- gewehr. Der Gouverneur erteilte ihnen einen scharfen Verweis, weil sie, wie er erfahren, mit der geladenen Flinte in der Hand, den eingeborenen Bainingleuten Schweine „abgekauft“ hatten, und er gab, um seinen Worten mehr Nachdruck zu verleihen, dem papuanischen Zugsführer eine schallende Ohr- feige, worauf dieser sich schluchzend zu rechtfertigen suchte. In einer großen Schleife führte ein anderer Weg wieder an den Karofluß und wir blieben auch bald sammelnd hinter den beiden Herren in Begleitung der beiden „Spitzköpfe* zurück. ‘Am Wege bot sich im Waldesdunkel ein wunder- barer Anblick: ein Waldbach nahm seinen Lauf über das steile Gehänge und sonderte von Stufe zu Stufe herabplätschernd reichlich Sinter ab, stets Becken bildend, ein Yellowstone- Park im kleinen. Darüber spielten die gaukelnden Sonnen- Rechinger, Streifzüge in Deutsch-Neu-Guinea Tafel 8. . — .-— | [> En 8 = = =] (6) 8 ® g= = =>, [ef \, * [2 ” 2 s & ’ % u u * 1 a" uhr j Br Ad - „ww E + . F . . ’ eb .. - Rechinger, Streifzüge in Deutsch-Neu-Guinea. Tafel 9. Grosse Boote mit Eingeborenen der Insel Buka. Kleine Boote mit Eingeborenen der Insel Buka auf hoher See. —,—,— m Rückfahrt nach Herbertshöhe. 33 ee a RE strahlen, hie und da durch das dichte Laubdach sich einen Weg bahnend und im Wasser aufblitzend im märchenhaften Kontrast zum Dunkel rings umher. — Noch manches Neue bot der Heimweg. Besonders schöne Bilder für die Kamera, die früher in der grellen Mittagsbeleuchtung nicht gut aufzunehmen waren. Um vier Uhr waren wir wieder am Strand der stillen Bucht von Massava, in der sich der weiße „Seestern“ schaukelte. Auf unser Winken holte uns bald ein Boot ab und brachte uns an Bord, wo sich der übrige Teil der Gesellschaft schon eingefunden hatte und Dr. S. eben beschäftigt war, zwei Kinder aus der Bauernkolonie im Baininggebirge zu impfen. Bald darauf lichtete der „Seestern“ die Anker und noch am selben Abend lagen wir wieder vor Herbertshöhe, der Gouverneur ging mit seiner Familie an Land, die beiden anderen Herren blieben den Abend an Bord und leisteten uns wieder Gesell- schaft bei der Präparation der Pflanzen und Tiere, die bis spät in die Nacht hinein währte. m Rechinger, Streifzüge in Deutsch-Neu-Guinea, 3 IV. Kapitel. Besteigung des Vulkans Kaia und zurück nach Herbertshöhe. Der folgende Tag (14. September) wurde ausschließlich der Präparation des angesammelten Materiales gewidmet, denn es bedarf in den Tropen der größten Sorgfalt, um den saft- reichen Pflanzen möglichst rasch den Saft zu entziehen und sie vor Termiten und Ameisen, besonders aber vor Ver- schimmeln und Fäulnis zu bewahren. Auch galt es Notizen und Tagebuchaufzeichnungen nachzuholen. Freitag den 15. September war der „Seestern“ schon zeitlich früh nach Matupi gefahren. Seit langer Zeit zum erstenmal war der Himmel von einer gleichmäßig dichten Wolkenschicht verhüll. Von der kleinsten und wahrschein- lick jüngsten Erhebung der Kratergruppe, dem Vulkan Kaia drang lebhafter Geruch nach Schwefelwasserstoffgas bis her- über zu unserem Schiff und lenkte unsere Aufmerksamkeit auf sich. Wir beschlossen den Vormittag, den der „Seestern“ brauchte, um Kohle im Hafen einzunehmen, zu einer kleinen Kraterexpedition zu benützen. Der Kapitän war so liebens- würdig uns einen seiner tüchtigsten Jungen, der seinen Namen „Topiam“ auf der Brust tätowiert trug, als Führer und Träger mitzugeben. Er war ein verhältnismäßig hellbrauner Papua von der Insel Neu-Pommern, der Sohn eines Häupt- lings, ein eitler Bursche, der gerne durch sorgfältig zugestutztes Haar und unnötig geschäftige Bewegungen die Aufmerksamkeit auf sich zog. Von mehreren der braunen Matrosen wurden Vegetation des Kraterkegels. 35 wir an das gegenüberliegende Ufer an den Fuß des Kraters gerudert. Dort schlossen sich zwei junge Strandbewohner so- fort an uns an und waren, als sie uns Pflanzen und Tiere sammeln sahen, auf das Eifrigste bemüht mitzutun und fort- während durch das Überbringen von nach ihrer Meinung be- sonders schönen Stücken unseren Beifall zu erwecken. Sie begriffen aber bald, daß es uns darum zu tun war, ver- schiedenes zu erhalten, und machten sich gegenseitig aufmerk- sam, wenn einer von ihnen schon Vorhandenes noch einmal bringen wollte. Die ganze äußere Böschung des Vulkanes, er mochte gegen 200 Meter Höhe haben, bestand aus feiner schwarz- grauer vulkanischer Asche und war durchwegs mit 1—2 Meter hohen Alang-Alang Gras bedeckt. Heftige Regengüsse hatten in die bildsame Asche tiefe Runsen gegraben, und diese sind die einzigen Stellen des Berges, welche sich von dem ein- förmigen Lichtgrün des Alang-Alang schon von Ferne unter- scheiden, da sie eine gänzlich abweichende Vegetation beher- bergen. Hier treffen wir fast nur Sträucher mit dichtbehaarten oder weißfilzigen Blättern neben hartbelaubten Urticaceen- Stauden und auf dem Boden verschiedene Farne mit glän- zenddunkelgrünen Wedeln aus der formenreichen Gattung Nephrodium; nur das zarte hellgrüne Schlingfarn Lygodium klettert anmutig an dürren Zweigen abgestorbener Sträucher empor, diese mit freudigem Maiengrüne verkleidend.. An wagerechten Ästen niederer verkrüppelter Bäume haften häufig Myrmecodiaknollen von nicht bedeutender Größe plump und wunderlich dicht mit Stacheln bewehrt, zwischen denen sich winzige weiße Blüten und reife saftreiche rote Beeren von etwas mehr als Hirsekorngröße verbergen. Die Hauptmasse der Vegetation in den „Rinnen“ geben mancherlei Ficus-Arten, eine durch prächtige weiße Blatt- adern ausgezeichnet, sowie Rubiaceen und Urticaceen - Ge- sträuche ab; alles von einem stumpfen matten Graugrün, das durch die dichte Behaarung der Blätter hervorgerufen wird, nur die Hochblätter eines Rubiaceen-Strauches (Mussaenda) leuchten wie weiße Fähnchen daraus hervor; sie sind ein schönes Beispiel einer Erscheinung, die als „extrafloraler Schauapparat“ bezeichnet wird und darin besteht, daß die zur 3* 36 Das Innere des Kraters. Befruchtung der unscheinbaren Blüten notwendigen Insekten durch unmittelbar unter den Blüten stehende, in diesem Falle schneeweißgefärbte, große Laubblätter angelockt werden. Die kleinen dotter- bis orangegelben Blüten würden unter dem grünen Blattdickicht ganz verschwinden, so aber sind sie für die honigsuchenden Insekten auf große Entfernung hin gekenn- zeichnet. Andere Arten der Gattung Mussaenda sahen wir auf Samoa und später auf Ceylon, wo sie besonders von dunklen Tagfaltern (Danais) häufig besucht wurden. u nnanunnn Äußerste Grenze der Vegetation ....n G T TC — = \ Il L kennen sekundärer Krater W2 | W7 zZ MN m I nunennenden primärer Krater ZUM DU MM NVYS NDS 7, N AN Zum ud Schematischer Durchschnitt durch den jüngsten (sekundären) Krater des Vulkans Kaia. Z 7 Nach kurzer Zeit war der Rand des jüngsten Kraters er- reicht, der sich exzentrisch in einem älteren gebildet hatte und eine regelmäßige, kreisrunde Form zeigte, von seinem Fuß aus betrachtet ein exakter Kegelstutz. Wir blickten vom Rand aus in einen regelmäßigen Trichter, dessen ebener Boden nur in der Mitte eine flache, kreisrunde Vertiefung enthielt. Da und dort waren Risse in der inneren Wand, Schwefel- dämpfe stiegen daraus auf und hatten sich an manchen Stellen in winzigen Schwefelkristallen sublimiert. Aus den Tiefen des Erdinneren hörte man von Zeit zu Zeit dumpfe polternde Einsturzgeräusche, der Boden war heiß und nur wenige Pflanzen Abstieg. 37 hatten sich noch eine Strecke weit in das Kraterinnere vor- gewagt. So der Farn Blechnum brasiliense, freilich in einer kleinen kümmerlichen Wuchsform und zwei Grasarten. Wir umgingen den ganzen Krater auf seinem schmalen Rand und genossen bei dieser Rundwanderung einen herrlichen Über- blick, dem die Stille und Dürre ringsumher und der bleigraue Himmel eine schwermütige Stimmung verliehen. Einerseits blickten wir in den schwefeligen Kessel, aus dem erstickende Dämpfe aufstiegen, andererseits über die ganze reich gegliederte Halbinsel und das weite Meer, das sich nach drei Seiten hin ausdehnte und unter dem bewölkten Himmel in den zartesten Farbentönen schimmerte, da und dort von einer Boe ge- kräuselt. Aus der grauen Asche zu unseren Füßen flog plötz- lich eine ebenso gefärbte Taube auf, ein grünliches Ei zurück- lassend. Nach vollständiger Umwanderung des Kraters stiegen wir wieder die steile Böschung gegen den Strand hinunter, in dem trockenen glatten Alang-Gras auf allen Vieren kriechend und rutschend. Auch hier fanden wir wieder ein Vogelnest, zierlich aus Gras geflochten und an einigen hohen schwankenden Halmen befestigt; fünf kleine Eier lagen darin. Am Fuß des Kegels, hart am Meeresufer, stießen wir auf eine heiße Quelle, die stark schwefel- und eisenhaltig war und schöne limonitartige Ablagerungen bildete; sie soll von heil- kräftiger Wirkung sein. Das pünktlich eingetroffene Boot brachte uns wieder an Bord des „Seestern“, der nachmittags nach Herbertshöhe zurückkehrte. Der Wolkenschleier hatte sich zu einem heftigen Regen verdichtet, und wir blieben den Rest des Tages an Bord, mit unseren Sammlungen und Notizen beschäftigt. Den Morgen des nächsten Tages (16. September) benützten wir, um im Store der Neu-Guinea- Compagnie und in der Apotheke unsere Ausrüstung für die Fahrt nach den Salomons- Inseln zu vervollständigen. Dr. K. hatte uns liebenswürdiger- weise wieder seinen Wagen für den Vormittag zur Verfügung gestellt, Dr. S., den wir unterwegs trafen, schloß sich uns an, und wir machten gemeinsam die Fahrt zu der Station Gunanur der Neu-Guinea- Compagnie, die von dem jungen Verwalter Herrn G. geleitet wurde. Die Fahrt ging durch Kokospflan- 38 Fahrt nach Gunanur. zungen etwa 1 Stunde lang auf gut angelegter, zeitweise an- steigender Straße dahin, manchmal kleine Wasserläufe, die sich tief in den weichen Boden gegraben hatten, auf Holzbrücken passierend. Die steilen Hänge längs der Wasserläufe waren von einer sehr dichten Vegetation bekleidet; majestätisch hoben Caryota-Palmen ihre riesigen Blattwedel und ihre Blüten und Fruchtstände, die langen Fransenbüscheln glichen, über das dichte Buschwerk. Außer diesen schmalen Streifen ursprüng- licher Vegetation bot die Fahrt durch die Kokospflanzungen nicht viel Abwechslung — aber trotzdem wird das Auge nicht müde, hinauf in die üppigen Palmenkronen zu blicken, wo die großen, bald grünen bald braungelben Nüsse dichtgedrängt stehen, so recht ein Sinnbild der Fruchtbarkeit, überschattet . von den mächtigen, leise im Lufthauch zitternden Wedeln; auf der grünen Rasendecke des Bodens malt der Schatten das Widerspiel der Fiederblätter in mannigfacher Verzeichnung, von kreisrunden Sonnenbildchen unterbrochen. Von den grauen glatten Stämmen grüßten uns da und dort die reichlich wuchernden Blattgebilde der merkwürdigen Dischidien bereits wie gute Bekannte. Herr G. empfing uns auf das freundlichste und geleitete uns, obwohl er eben an seinem ersten Malaria-Anfall (er war erst wenige Wochen in Neu-Guinea) litt, hinaus in die Pflanzung, wo neue Versuche mit der Kultur von Vanille und schwarzem Pfeffer unternommen wurden. Am Rand des stehengebliebenen Busches bot sich manch hübscher botanischer Fund, zahlreiche Falter gaukelten in der Sonne, die die „schwarzen Jungen“ so geschickt mit den Händen erhaschten, daß sie unverletzt blieben. Nach rascher Rückfahrt kehrten wir zu Mittag im Gasthof „Deutscher Hof“ in Herbertshöhe ein, das der „Neu-Guinea- Compagnie“ gehört. Das Gebäude, das die Schlafzimmer ent- hält, ist ein einstöckiger Holzbau mit breiten Terrassen und reich mit Schnitzerei verziert, mit der Front dem Meere zu- gewendet. Von den Eingeborenen „House seleep“ (Schlafhaus) genannt. Die Eingeborenen können zwei Konsonanten nach- einander nicht aussprechen, sondern trennen sie durch einge- schobeneVokale. Ein ebenerdiger Bau daneben enthält eine „bar“, einen kleinen geschlossenen Raum und einen großen nach der Meeresseite hin offenen Speisesaal, in den die Seebrise un- Der „Deutsche Hof“, Plumiera acuminata. 39 gehindert eindringen kann. In der Mitte steht eine lange Tafel für die gemeinsamen Mahlzeiten der Gäste, sonst besteht die Einrichtung nur aus einem Anrichtetisch, auf den die ser- vierenden Jungen (Eingeborene) ihre Schüsseln abstellen, und aus mehreren bequemen Liegestühlen (long-chairs). Bezeich- nenderweise wird das Speisehaus von den Eingeborenen nicht etwa „House kai-kai“, das ist „Speisehaus“, sondern „House derrink“ („Trinkhaus“) genannt. Der Gasthof war gegenwärtig von einem deutschen Ehe- paar gepachtet, das sich früher in Australien aufgehalten hatte und dessen dort geborenes Söhnchen „Sydney“ genannt wurde. Speise und Trank waren zufriedenstellend; etwa zehn Herren, zumeist Beamte der Regierung und tägliche Stammgäste, nahmen an dem gemeinsamen Mahle teil. Vor dem Hause breitete sich ein Rasenplatz mit Gebüscheinfassung und Spuren von Teppichgärtnereien aus, Croton, Coleus, Gomphrena globosa und Plumbago in kleinen Beeten. Am Rande des steil gegen das Meer abfallenden Rasenplatzes hoben sich scharf von der Bläue des Himmels die flachen Kronen einiger besonders schönen Plumieren ab (Taf. 7 und 8). Seit wir in Honolulu zum erstenmal die tropische Zone betraten, begleitete uns dieser überall beliebte Zierbaum, sei es in Gartenanlagen, Friedhöfen, als Straßeneinsäumung bis auf die einsamen Südsee-Inseln nach Samoa, wo auch die entlegensten Hütten, jedes Grab der Eingeborenen dieses Schmuckes nicht entbehren, südwärts bis Brisbane in Queens- land, wo allerdings das Klima diese Tropenpflanze nur mehr kümmerlich fortkommen läßt. Plumiera acuminata ist dem Oleander (Nerium Oleander) nahe verwandt, hat mit diesem den giftigen Milchsaft und die Gestalt der Blätter und Blüten gemeinsam. Aber die ganze Erscheinung der Plumiera geht ins Riesige und Kraftstrotzende der tropischen Flora. Die hell- grauen Zweige sind unförmlich verdickt und tragen an ihren Enden dichte Büschel großer dunkelgrüner Blätter und ganze Sträuße rahmweißer gelblich getonter wohlriechender Blüten. Auf den hawaiischen Inseln werden die Blüten mit den röhrigen Teilen ineinander gesteckt und als Halsketten getragen, hier stecken die Eingeborenen sich gerne einzelne Blüten in ihr wolliges Haupthaar. Zahllose stahlblaue Bienen surrten in der 40 Besuch im Hause des Gouverneurs, Fahrt nach Raluana. Glut der Mittagssonne zwischen den Blüten und Sträuchern und bildeten eine willkommene Beute für das allzeit bereite Sammelglas. Auf ziemlich steil aufsteigender Straße gingen wir dann zu der frei und luftig gelegenen Wohnung des Gou- verneurs, um unseren Besuch abzustatten, und wurden unge- mein liebenswürdig empfangen. Der Gouverneur lud uns ein, den Tee mit ihm und seiner Gemahlin zu nehmen, und auf der schönen breiten Veranda verflogen einige Stunden in an- regendster Unterhaltung. Wie heimatlich mutete es an, nach dem monatelangen Reisen wieder einmal an einem Familientische zu sitzen, umgeben von dem unbestimmbaren Etwas, das die Anwesenheit einer Hausfrau hervorruft. Dann und wann erhob sich die hohe schlanke Gestalt der Hausfrau, um nach dem lebhaften kleinen Blondköpfchen zu sehen, das in einer Ecke der Terrasse mit seiner schwarzen Kinderfrau spielte. Wie allabendlich, kamen auch heute nach Einbruch der Dunkelheit die drei Herren Dr. S., K. und C. an Bord des „Seestern“, zum letztenmal vor der Fahrt nach den Salomons- Inseln. Die Unterhaltung war lebhafter denn je, erfüllt von all den Eindrücken, die uns bevorstanden. Da die Abfahrt erst für 1 Uhr mittag des kommenden Tages, einen Sonntag, festgesetzt war, verabredeten die Herren eine gemeinsame Wagenfahrt für den nächsten Morgen mit uns. Zur festgesetzten Stunde trafen wir vor dem „House paper“ zusammen und fuhren vorbei an dem Denkmal, das zur Erinnerung an Mencke, einen jungen Reisenden, der im Jahre 1901 auf den St. Mathias-Inseln von den Eingeborenen ermordet wurde, hier errichtet worden ist, vorbei an den Forsaythschen Wohn- und Lagerhäusern auf der Straße gegen Raluana, die meist unweit vom «Strand dahinführend, in gelblichen, an Löß erinnernden Erdhängen gebaut ist. In Wirklichkeit ist es aber ziemlich fest gebundene vulkanische Asche, da- und dort von reihenweise eingelagerten Bimsstein- stückchen durchsetzt. Oft führt die Straße im kühnen Bogen an steilen Abhängen dahin, schöne Ausblicke über das Meer hin zur Kratergruppe von Matupi gewährend. Zumeist geht es durch Kokospflanzungen, stellenweise nahe am Strand längs stehengebliebenen Streifen ursprünglicher Vegetation vorbei. Zuletzt überwölbten hohe Brotfrucht-, Mangobäume und riesige Rechinger, Streifzüge in Deutsch-Neu=Guinea., Tafel 10. un! Mm ar Dorf Popoko, Insel Bougainville. Rechinger, Streifzüge in Deutsch-Neu-Guinea. Tafel 11. Flusslandschaft landeinwärts von Kieta, Insel Bougainville, Reisevorbereitungen des „Seestern“. 41 Bambusgruppen die Straße, da und dort blickte ein Eingebore- nenhaus durch ein Dickicht angepflanzter Bananen, später auch einige Hütten von der uns wohlvertrauten schildkrötenähnlichen Gestalt der Samoa-Häuser. Es sind die Wohnorte einiger samoanischer Häuptlinge, die wegen politischer Vergehen aus ihrer Heimat hierher verbannt wurden. Bei unserer Rückkehr an Bord des „Seestern“ fanden wir schon das regste Treiben vor. Das Einnehmen von Trink- wasser, die Hauptsorge des Kapitäns während der letzten Tage, war in vollem Gang: auf einem großen Leichter-Boot befanden sich mehrere Zisternen aus Blech mit Trinkwasser gefüllt und daraus wurde vermittelst Schläuchen das Wasser in die Reser- voirs des „Seestern“ gepumpt. Auf anderen Leichtern kamen Balken und Bretter und andere Baumaterialien für die neu zu gründende Polizeistation auf den Salomons-Inseln, sowie Pro- viant und Munition für mehrere Monate. Dann in Säcken kleine Schweine und einige Hunde sowie Hühner als besonders wertvolle Tausch- und Anwerbe- Artikel und in reichlicher Menge die hier üblichen Auslohnungs- und Anwerbe - Gegen- stände: Stücke roten Kattuns, kleine und große Messer, Beile, weiße Armringe aus Porzellan, Tonpfeifchen und Tabak in Stangen (letzterer aus Amerika), polierte Kisten, wie sie jeder „Ausgediente* erhält, angefüllt mit einer Auswahl der eben- genannten Schätze, deren Wert noch dadurch erhöht wird, daß die Kisten beim Öffnen des Schlosses ein Glöckchen erklingen lassen. Alles dieses wurde in Booten und Leichtern gebracht und füllte, im „Seestern“ verstaut, einen großen Teil seines Rumpfes. Natürlich waren die Manipulationen des Ausladens, Hinaufziehens und Unterbringens von dem lebhaften Geschrei der Eingeborenen begleitet, der Eifer bei dieser Tätigkeit und die allgemeine Aufregung versetzte etliche der „schwarzen Jungen“ in eine Art von Fanatismus, so daß sie selbst die kleinen Pausen, die sich zwischen dem Heben und Stemmen der schweren Lasten boten, mit wilden Gebärden und Geschrei ausfüllten. Unter zielbewußter Leitung ging dabei alles staunens- wert rasch vor sich. Zum Schlusse erschienen in großen Leichtern, die von mehreren „davorgespannten* Ruderbooten gezogen wurden, die Polizeijungen, zum Teil die Besatzung für die neue 42 Unsere Mitreisenden. Station (30 Mann), zum Teil als Bedeckungsmannschaft bei Expeditionen an Land, zum Teil solche, die ihre Zeit ab- gedient hatten und in ihre Heimat befördert wurden. Manche der Soldaten hatten ihre Weiber mit. Das Leichterboot war übervoll, selbst auf dem Rande saßen die Soldaten dichtge- drängt und baumelten mit ihren nackten Beinen; zwischen den vielen flachen Kakikappen auf all den wolligen Köpfen starrten drohend die Gewehrläufe hervor. Mit den Soldaten betraten zwei Europäer den „Seestern“, ein Arzneigehülfe und ein des Baufaches Kundiger, die die Aufgabe hatten, den Bau der neuen Polizeistation zu leiten. Außer dem Kaiserlichen Gouverneur, dem Oberrichter Dr. K. und uns nahm noch Herr W. an der Fahrt teil, um für seine neue im Norden der Gazellehalbinsel ganz einsam liegende Pflanzung Arbeiter an- zuwerben. Die Frau Gouverneur fuhr mit ihrem kleinen Töchterchen bis Matupi mit, wo sie die Zeit der Abwesenheit ihres Gemahls bei einer befreundeten Familie verbrachte. Nachmittags genossen wir vom „Seestern“ aus zum erstenmal den Anblick der nach allen Seiten hin offenen See. V. Kapitel. Auf den Salomons Inseln. Als wir am nächsten Morgen den 18. September zeitig unsere Kabine verließen, lag schon die Küste von Buka der nördlichsten der Salomons-Inseln vor uns. Wir ankerten an der Westküste der Insel in dem weiten Carola-Hafen mit flachem von Mangrove dicht bestandenen Ufer, dem ein sehr breites Korallenriff vorgelagert ist. Die Küste ist vielfach ge- gliedert und von labyrinthartigen Meeresarmen durchzogen. Bald tauchten da und dort schmale Kanus der Eingeborenen auf und es währte nicht lange, da war der „Seestern“ von den von allen Seiten rasch heranschießenden Booten dicht umringt. Die kleinen Kanus waren zumeist aus einem Stamm ausgehöhlt, mit Spitzen an beiden Enden; die größeren waren kunstvoll aus bretterartigen Latten zusammengefügt, mit Pflanzenbast genäht und hatten flache Boden mit hochaufragenden spitzen Schnäbeln an beiden Enden, die oft durch lange Fransen aus schwarz und rotbraun gefärbten Bastfasern verziert waren. Die meisten Boote hatten Ausleger aus leichtem Holz; die Vorwärts- bewegung geschah durch rasche Ruderschläge, indem jeder Mann nur ein Ruder handhabte. Die Größe der Kanus war ungemein verschieden, einzelne boten nur für ein bis zwei Personen Raum und waren so schmal, daß die Insassen ohne Ruderbank auf den Kanurändern sitzend, die Beine nicht nebeneinander, sondern voreinander im Boot halten mußten. Die größten faßten wohl dreißig Mann und darüber, die auf schmalen Brettern zu zwei bis drei nebeneinander saßen. Zum erstenmal sahen wir 44 Die ersten Salomons-Insulaner. Eingeborene dieser Inseln in ihrem ursprünglichen Zustand und im Vergleich mit ihnen machten die Polizei- und Schiffsjungen, sowie Pflanzungsarbeiter, die aus diesen Gegenden stammten, einen geradezu kultivierten Eindruck. Sie waren fast durch- wegs gänzlich nackt, nur einige hatten ein schmales Lenden- tuch zwischen den Beinen durchgezogen und um die Hüften be- festigt. Andere trugen einen schmutzigen Lappen, dessen ur- sprüngliche Farbe und Bestimmung als „Lavalap* kaum mehr zu erkennen war, um den Arm oder Kopf gewickelt. Das dichte schwarze Wollhaar stand in einer kompakten turban- ähnlichen Masse um den Kopf, einzelne Greise waren kahl- köpfig, nur mit Resten von Haarwuchs über den Ohren. Die von Natur aus tiefschwarze Haut sah durch Krusten von Schmutz und Hautkrankheiten, hauptsächlich „Ringwurm“, stellenweise grau-braun aus und die großen Mäuler trieften von durch Betelkauen rotgefärbtem Speichel. Vom Deck herab blickte man auf das dichte Gewirre von schwarzen nackten Körpern, alle lebhaft gestikulierend, mit den Köpfen gegen uns gerichtet, viele mit wildem Aus- druck ihrer unheimlichen Gesichter, so daß uns im ersten Augenblick dieser fremde Anblick anmutete wie jene phan- tastischen und figurenreichen Darstellungen Tintorettos vom Fegefeuer. Die meisten trugen Bogen und Pfeil mit sich, einzelne lange Speere und fast alle kauten Betel oder rauchten aus kurzen Tonpfeifchen Tabak. Bald entspann sich ein leb- hafter Tauschhandel: wir zeigten auf den gewünschten Gegen- stand und hielten ihnen unser Angebot entgegen. Fand es ihren Anwert, so reichten sie den Gegenstand herauf, wenn nicht, taten sie nichts weiter dergleichen. Es war nicht mög- lich, uns direkt mit ihnen zu verständigen, da die meisten nicht ein Wort Pidgin-Englisch verstanden. Einige Polizei- jungen aus dieser Gegend dienten gerne als Dolmetscher und zeigten sichtliche Freude an der großen Überlegenheit ihren Stammesgenossen gegenüber. Der Gouverneur machte uns aufmerksam, die Eingeborenen nicht durch zu hohe Gegen- gaben zu verwöhnen und dadurch den Wert der Tausch- artikel herabzudrücken. Es wurde beispielsweise gegeben: Für ein Bündel von meist zehn Stück einfachen Pfeilen aus dünnem Rohr, an einem Ende eingekerbt und umwunden, am Tauschhandel, Nordspitze der Insel Buka. 45 anderen Ende mit einer aufgesetzten, aus hartem Palmenholz geschnitzten Spitze versehen, zwei bis drei Stangen Tabak (der Preis schwankt natürlich je nach Verzierung und Ausstattung der Pfeile, so daß für schön bemalte, umflochtene und mit Wider- haken aus Fischgräten versehene oft für ein Stück derselbe Preis gefordert und gegeben wurde, wie für ein Bündel ein- facher); für einen Bogen von über Manneshöhe, mit einer Art Darmsaite bespannt, aus hartem, aber ungemein elastischen Palmenholz, ein kleines oder mittleres Messer; für einen Speer von 3—5 m Länge, mit gelbem und rotem Bast schön umflochten, manche auch mit Widerhaken ausgestattet, ein Beil oder ein ganz großes Messer; für ein bemaltes Ruder von lanzett- licher Gestalt aus hartem Holz geschnitzt, mit schwach er- habenen fratzenartigen Gestalten, auf weißem Grund schwarz und rot bemalt, ein bis zwei Porzellan-Ringe. Sehr selten und kunstvoll waren reichlich geschnitzte und verzierte Ruder mit schwarzer Zeichnung auf weißem Grunde. Außer den Rudern, die sie in Gebrauch hatten, welche bald bemalt, bald unbemalt waren, hatten sie auch Vorräte von ganz ungebrauchten, sorg- fältig in getrocknete Palmenblätter gewickelt, zum Tausch mit- gebracht (Taf. 9). Nachdem einige Soldaten aus dieser Gegend, jeder mit seiner polierten Kiste, die die Auslohnung enthielt, in die Kanus gestiegen war, dampfte der „Seestern“ weiter, stoppte aber nach einer halben Stunde wieder, um einen einzigen ausgedienten Soldaten an Land zu setzen. Um keinen Preis wäre dieser an einer anderen Stelle früher an Land gegangen, die vielleicht kaum zwei Kilometer von hier entfernt war. Diese war von einer anderen Sippe bewohnt und er wäre dort rettungslos beraubt, erschlagen und aufgefressen worden. Nachmittags umschifften wir das Nordkap der Insel Buka. Die steil abfallenden Ufer waren von dichtem Dunkelgrün des üppigsten Pflanzenwuchses bedeckt und auf dem Kamme hoben sich die Silhouetten einzelner meist schirmförmiger Baumkronen, die das dichte Grün überragten, vom Himmel ab — ganze Kas- kaden von Schlinggewächsen hingen über die steilen Fels- wände. In diese waren tiefe Höhlen eingegraben, die von oben her halb verdeckt waren durch langherabhängende stalak- titenartige Bildungen. Es ist möglich, daß wir es hier wirklich 46 „Kamis“ und „Moriz“. mit Tropfsteinbildungen zu tun haben. Es ist aber auch nicht ausgeschlossen, daß dieser ganze Höhenzug ein allmählich ge- hobenes ehemals unter dem Meeresspiegel entstandenes Korallenriff darstellt. Genauere Untersuchungen waren nicht möglich, da wir an dieser Stelle nicht an Land gingen und von Schiff aus zu weit entfernt waren, um diese Höhlen deut- licher zu sehen. Auf der Fahrt längs der Ostküste der Insel Buka stoppte der „Seestern“ noch wiederholtemale und setzte in der Land- schaft Hanahan, wie die Gegend hier heißt, noch mehrere ausgediente Soldaten an Land. Der sehr verdiente Unter- offizier Kamis, einer der wenigen Eingebornen, der schon lange Zeit in Dienst stand und auf der Insel Neu-Pommern ein Weib genommen hatte, das mit einem kleinen Kind auch an Bord war, hatte die Erlaubnis bekommen, mit den Seinen acht Tage in der Heimat zu verweilen, bis er vom „Seestern“ wieder abgeholt werden würde. Er zeigte zuerst große Freude über diesen Urlaub, als er aber zu seinen Stammesgenossen in das Boot steigen sollte, bat er im letzten Augenblick den Gouverneur, doch lieber an Bord des „Seestern“ bleiben zu dürfen; offenbar schloß er aus dem Verhalten und den Mienen der Leute seiner Sippe, daß er ihnen durch zu langes Fern- sein entfremdet war und nicht viel Gutes von ihnen erwarten konnte. Ein bildhübscher kleiner Junge, „Moriz“ genannt, von etwa 10—12 Jahren, der bei Dr. K. leichte Hausarbeiten verrichtete und durch den Verkehr mit den Weißen schon gelernt hatte die Auf- merksamkeit auf sein kleines nettes Persönchen zu lenken — er hatte sogar schon an Bord des „Prinz Sigismund“ die Fahrt nach und von Sidney zurück mitgemacht und war der allgemeine Liebling an Bord gewesen — erhielt auch von seinem Herrn eine Woche Urlaub und natürlich Geschenke für die Seinen. Er war noch nicht lange, etwa ein Jahr, von seinen Landsleuten entfernt und wurde sehr herzlich von ihnen begrüßt. Als er zu ihnen ins Boot sprang, nahm er sich mit seiner reingehaltenen glatten schwarzen Haut und dem pfiffigen Gesichtchen aus wie ein Urlauber, der in seiner schmucken Uniform während seiner militärischen Dienstzeit ein paar Ferientage in seinem welt- vergessenen Bauerndorf zubringt. In der Bukastraße, Mangrove. 47 Gegen Abend ankerten wir in der Bukastraße, 228 See- meilen von Herbertshöhe entfernt, zwischen den Inseln Bou- gainville und Buka. Die Meeresstraße mit zahllosen Riffen, Inseln und Inselchen bot einen märchenhaft schönen Anblick. Die spiegelglatte See erglänzte im Abendlicht und die vielen kleinen Inseln lagen wie träumend in dem milden Glanz von Himmel und Wasser. Alle diese Inseln waren Korallenbildungen, aus dem Meer emporgehobene Teile von Riffen; einzelne waren durch die nagende stete Kraft der Meereswogen unter- waschen, so daß sie wie auf Stielen, Pilzen oder Blumenkörben ähnlich, sich über den Wasserspiegel erhoben. Keine entbehrte des Pflanzenschmuckes, selbst die kleinsten unter ihnen waren mit üppigster überquellender Vegetation bedeckt. Die exotisch zauberhafte Schönheit dieses Bildes war noch verklärt durch den wunderbaren goldigen Schimmer der sinkenden Sonne; wie gerne hätten wir vom stillen Hinterdeck des „Seestern“ aus die Farbenabstufungen von Himmel und Wasser länger verfolgt, die allmählich von tiefblauen in grüne und goldgelbe Töne übergingen, aber die Pflicht riß uns aus dem träumerischen Betrachten. In dankenswerter Zuvorkommenheit hatte der Kapitän für uns ein Boot klar machen lassen, das uns noch rasch vor Einbruch der Dunkelheit zur nächsten grünen Insel brachte. Nicht lange konnten wir im Boote das Meer durch- queren, bald verhinderte das Riff die Weiterfahrt, und die Ruderer trugen uns, mit ihren nackten Beinen das seichte Wasser durchwatend, ans Ufer. Nun standen wir mitten im dichtesten Mangrove-Gebüsch auf der Insel Soban, zum ersten- mal an Land auf den Salomons-Inseln und zum erstenmale unter dem Schutz der Gewehrläufe der schwarzen Polizei botani- sierend. Wir drangen rasch ein kurzes Stück vor, so rasch es eben der nasse schlammige Boden erlaubte und die zahl- los auftretenden Knie- und Atemwurzeln, die die Mangrove charakterisieren. Mangrove ist eine allgemeine Bezeichnung für eine bestimmte sehr ausgeprägte Vegetationsform des flachen, bei Flut unter Wasser stehenden Strandes in den Tropen, be- sonders an Flußmündungen; alle Pflanzen der Mangrove zeigen die weitgehendsten Anpassungen an die Lebensbedingungen ihres Standortes. Es sind sowohl Bäume wie auch Sträucher aus verschiedenen Familien des Pflanzenreiches; alle haben 48 Zusammensetzung der Mongrove, Insel Sohan. Wurzeln, welche, selbst bei Flut nur teilweise vom Wasser bedeckt, Vorrichtungen zum Atmen tragen; bald ragen die Wurzelspitzen mit den Atmungsöffnungen senkrecht aus dem Boden wie Spargelsprosse auf (Avicennia) (Taf. 20), bald bilden sie hohe bogenförmige Stelzen, öfter verzweigt, die den ganzen Baum über Wasser halten (Rhizophora), oder die Wurzeln verlaufen ziemlich wagrecht im Boden und bilden zahlreiche nach oben gerichtete knieförmige Biegungen, welche stets den Wasserspiegel überragen (Bruguiera). Höchst eigentümlich sind die Früchte dieser Strandbewohner; sie keimen schon an der Mutterpflanze hängend aus, bilden nach abwärts eine Pfahl- wurzel, dabei ist das Gleichgewicht so verteilt, daß der ganze Keimling, welcher über spannlang ist, mit der Wurzelspitze nach abwärts in den weichen Uferschlamm fällt, sich einbohrt und weiterwächst, stets den jungen Laubsproß über Wasser haltend. Die Blätter aller Mangrove-Gewächse sind dicht und lederig, wodurch sie vor zu großer Verdunstung bei den heftigen Seebrisen geschützt sind. Die Zusammensetzung der Mangrove ist in den verschiedenen tropischen Gegenden, so ähnlich sie auch auf den ersten Blick aussieht, durchaus nicht überall gleich. Nicht nur die Hauptkomponenten treten in verschiedenen Arten und Varietäten auf, auch kleinere für das Gesamtbild wenig bedeutende Pflanzen wechseln je nach dem Gebiet, so fanden wir hier zum ersten Male eine kleinstrauchige Acanthus- Art mit dicken glänzenden Blättern, wachsartigen Blüten und verdickten Stamm- und Wurzelteilen. Im Innern der Insel war dichter Urwald, in dem besonders riesige breitblättrige Pan- danusbäume (Schraubenpalmen), die da und dort versprengt waren, und epiphytische Orchideen an den Stämmen unsere Aufmerksamkeit erregten. So weit es möglich war, nahmen wir von allen Gewächsen geeignete Proben mit, aber die rasch herabsinkende Dunkelheit machte leider unserer Tätigkeit bald ein Ende, und wir eilten zurück zum Boot, um den nachts massenhaft ausschwärmenden Mücken zu entgehen. An Bord des „Seestern“ entfaltete sich nun allabendlich nach der Rückkehr von den Exkursionen an Land ein un- gemein gemütliches und anregendes Leben. Nach dem rasch eingenommenen Abendmahle, wobei auch der in der Hitze des Tages angesammelte Durst gelöscht wurde, räumten die Chinesen Rechinger, Streifzüge in Deutsch-Neu-Guinea. Tatel 12. Ausblick vom Kammgebiet ober Kieta, Insel Bougainville. Nipa-Palmen an einer Flussmündung bei Buin, Insel Bougainville. Rechinger, Streifzüge in Deutsch-Neu-Guinea. Tafel 13. von Kieta. Gebiet Fin; Abendliche Tätigkeit. Tanzmasken. 49 die Tafel ab und sie wurde nun von uns in einen Präpariertisch für die im Laufe des Tages gefundenen Pflanzen- und Tier- schätze verwandelt. Meist war unsere Tätigkeit begleitet von den überaus interessanten und lebensvollen Erzählungen des Kaiserlichen Gouverneurs Dr. Hahl aus der Zeit seines zehn- jährigen erfahrungsreichen Wirkens in Neu-Guinea, oder von seinen klaren, weitblickenden Auseinandersetzungen politischer Natur, in die manch kräftiges Wort geflochten war. Alle lauschten mit Interesse den Worten des Gouverneurs und fanden es jedesmal zu früh, wenn er sich meist als erster zur Ruhe begab, um früh morgens wieder als erster auf zu sein. Am längsten blieben gewöhnlich wir wach, da unsere Prä- pariertätigkeit jeden Abend mehrere Stunden erforderte und sich nicht aufschieben ließ, ohne daß das Gesammelte durch die große Feuchtigkeit und Wärme erheblichen Schaden erlitten hätte; sehr ermüdet begaben wir uns oft spät nachts zur Ruhe, und es fiel uns dann am nächsten Morgen schwer, zu neuen Ausflügen zeitig bereit zu sein, denn nirgends empfindet man eine Verkürzung der Nachtruhe schwerer als in den Tropen, deren Klima ungemein erschlaffend wirkt. Als wir am nächsten Morgen, den 19. September, um 7 Uhr das Deck betraten, war der „Seestern“ schon in voller Fahrt längs der Westküste von Bougainville. Noch in der Bukastraße hatte der Gouverneur eine Reihe sehr merkwürdiger Tanzmasken erworben, von der er uns auch eine überließ. Diese Masken bestanden im wesentlichen aus einem leichten Gerüst elastischer dünner Holz- oder Rohrstäbchen, die mit Bastfasern verbunden und mit grobem Pflanzenbast überkleidet waren. Das Ganze war mit einer dicken weißen Kalkschicht überstrichen, auf die mit schwarzer und roter Farbe Augen, Mund und Nase und sonderbare Zieraten gemalt waren. Einige hatten aus Holz geschnitzte Ohren, andere spitze Zähne im offenen Mund, die meisten zierte am Scheitel ein Büschel aus Federn oder Pflanzen. In mancher Beziehung erinnerte die Art der Herstellung dieser Masken an scherzhafte Darstellungen unserer Künstler- oder Faschingfeste, deren humoristische Wirkung oft auf ihrer Herstellung aus einfachen Mitteln beruht. Es ist ein regnerischer Tag. Früh am Nachmittag nähern wir uns der Küste so weit, daß die Vegetation der steilen Rechinger, Streifzüge in Deutsch-Neu-Guinea. 4 50 Cycadeen. Landung bei Kieta. felsigen Ufer genau zu erkennen ist. Alles überragen hohe Calophyllum- und Barringtoniabäume, an felsigen, dem Licht mehr ausgesetzten Stellen stehen schöne Cycadeen mit Stämmen bis zu 4m Höhe. Die Cycadeen sind bei uns wegen der Ver- wendung ihrer Wedel zu Grabkränzen allgemein bekannt, in Herbertshöhe zieren ganze Stöcke dieser Pflanzen den Friedhof der Europäer. Die Cycadeen werden wegen der ungefähren Ähnlichkeit ihrer Wedel mit Palmenblättern (z. B. Phönix) von den Gärtnern in Europa oft als „Palmen“ bezeichnet, sie sind aber die spärlichen Vertreter einer in früheren Erdperioden weit verbreiteten und reich gegliederten Pflanzenfamilie, die mit den Palmen gar nicht verwandt ist. Nahe Verwandte haben die Cycadeen, die gleichsam die letzten Sprosse einer uralten Adelsfamilie des Pflanzenreiches darstellen, gegenwärtig nicht mehr. Um 3 Uhr nachmittag fuhren wir in den Hafen von Kieta ein, der eigentlich nur eine weite und seichte Bucht darstellt, der die Insel Popoko derart vorgelagert ist, daß nur zwei schmale Zufahrten offen bleiben und die Bucht ein fast geschlossenes Becken bildet. Am Ufer der Insel Bougainville lagen etwa in der Mitte der großen Bucht mehrere kleine Holzgebäude einer Maristenstation, Niederlassung einer katho- lischen Mission, welche 1899 als Zweigstation von Samoa aus gegründet wurde. Sie wurde öfters von den Eingeborenen zerstört, besteht aber seit 1902 wieder unbehelligt weiter und gegenwärtig weilen zwei Patres und zwei Schwestern in dieser Ansiedlung. Wir fuhren mit Herrn W. und einem der beiden Ange- stellten der Regierung, unter deren Leitung die neue Polizei- station in der Kieta-Bucht eben jetzt gegründet werden sollte, in einem Boot zur Insel Popoko, wo wir bei einem hart am Strand gelegenen Dorf landeten. Da aus dieser Gegend schon manche Einwohner bei Europäern gedient hatten und sie auch durch die Nähe der Missionsstation an den Umgang mit Weißen gewöhnt waren, konnten wir uns ohne Gefahr unter ihnen bewegen. Es war das erste Eingeborenendorf der Salomons- Inseln, das wir betraten. Der ganze Ort atmete idyllische Ruhe, auf dem reingehaltenen Boden lagen die Hütten zerstreut, überragt von hohen schlanken Kokos- und Sagopalmen (Coelo- Dorf Popoko. Si coccus) (Taf. 10 oben). Zutraulich scharten sich Männer und Kinder um uns, die Weiber verkrochen sich in die Hütten, aus deren sicherem Schutz sie neugierig zu uns herüber lugten, be- sonders das Erscheinen einer weißen Frau machte ihnen Eindruck; sie winkten sie zu sich heran und deuteten abwechselnd auf ihren eigenen nackten Oberkörper und auf den bekleideten der euro- päischen Besucherin. Die ein Stockwerk hohen Häuser der Ein- geborenen sind im wesentlichen unseren „Almhütten“ nicht un- ähnlich, freilich auf mannshohen Pfählen stehend. Sie haben regelrechte Firstdächer, von den Blattfiedern der Sagopalmen be- deckt, der untere Raum der Hütte dient nur der Durchlüftung, der Wohnraum oben ist durch Latten und grobe Matten von Palmen- blättern nach außen hin abgeschlossen und nur über eine Leiter zugänglich. Mitten im Dorf liegt das Grab eines Häuptlings, von einem kleinen Gestell aus geraden Ästen überragt, auf dem einige Gefäße standen; an den Seiten des Grabes einige kurze Balken, von ein paar Reihen großer Kokosnüsse umgeben (Taf. 10 unten). In manchen Orten werden, wie wir später sahen, die Gräber unter den Hütten angebracht, oder doch wenigstens in ihrer unmittelbaren Nähe, letzteres ist auch in Samoa der Fall. Langgeschnäbelte Kanus lagen zwischen die Hütten hineinge- schoben; im Schatten der Palmen finden sich am Strand zer- streut zahllose Muscheln und Schneckengehäuse, vorwiegend Perspectivschnecken und mittelgroße Schalen der Tridacna gigas, deren lebender Inhalt den Wilden zur Nahrung gedient hatte. Durch die schlanken Palmenschäfte schweift der Blick auf das Meer hinaus und trifft in bläulicher Ferne auf das massige Waldesdickicht der Insel Bougainville. Hinter dem Dorf lagen die Eingeborenen - Pflanzungen, bestehend aus Bananen, Brotfruchtbäumen und Taro (Colocasia antiquorum), dann erhob sich der steil ansteigende Rücken der kleinen Insel, von allerhand Sträuchern und Bäumen bedeckt, und nachdem wir im Dorfe einige Aufnahmen gemacht hatten, strebten wir dem Bergrücken zu, nach botanischen Schätzen verlangend. Unser Sammeln machte den Dorfbewohnern, die sich uns angeschlossen, großen Spaß. Kein Baum war ihnen zu hoch, um hinauf zu klettern und uns Blüten und Früchte herunter zu holen, und die Pflanzen-Pakete, die die beiden Schiffsjungen nachtrugen, nahmen ungeheure Dimensionen an. 4* 52 Grammophon. Ein Regentag. Das Schönste an der Vegetation von Popoko war ein alles mit zartem Geranke umspinnender Kletterfarn mit handförmig ge- teilten Wedeln (Lygodium). Abends kamen eine Anzahl der umwohnenden Einge- borenen in ihren Kanus zu dem hell erleuchteten „Seestern“ heran, und der Gouverneur forderte sie auf, in das Speise- zimmer zu kommen, wo für sie das Grammophon erklang. Sie saßen im Bogen vor dem Speisetisch auf der Erde, und jeder zeigte beim Anhören der Musik einen anderen Gesichtsausdruck. Der eine lauschte voll sichtlichem Vergnügen, der andere blickte neugierig auf den Schalltrichter, als ob er erwartete, daß jetzt und jetzt etwas darin sichtbar würde, das die Musik hervor- bringe. Einigen schien die Sache unheimlich und sie blickten voll Schrecken auf das Musikinstrument. Ein anderer machte eine so überlegene Miene, als wollte er sagen: „Wie könnt Ihr euch mit einer solchen Dummheit abgeben!“ Auch unser eifriges Bemühen, die Pflanzen in Löschpapier einzulegen, schien sie sehr zu verwundern; bei den braunen Schiffsjungen herrschte die Ansicht, daß wir daraus ein be- sonders gutes „Kai-kai“ (Essen) bereiteten. Unsere Pflanzen hießen bei ihnen allgemein „salad belong Missis“ (Salat der weißen Frau). Der „Seestern“ blieb zwei Tage in der Bucht von Kieta liegen. Den ersten Tag regnete es ununterbrochen in Strömen. Der Gouverneur war schon früh morgens ausgezogen, um einen entsprechenden Platz für die neue Polizeistation zu wählen. Dr. K., der auch mitgewesen war, brachte uns mehrere Lycopodien (Bärlappgewächs) mit und ein prächtiges Dendro- bium in voller Blüte, eine auf Bäumen wachsende Orchidee mit langen Rispen großer weiß und violett getonter Blüten. Diese Proben einer prachtvollen Flora erhöhten unsere Sehnsucht, an Land zu gehen, aber das Einsammeln von Pflanzen war bei dem anhaltenden Gußregen kaum möglich, da alles verdorben wäre, und so der Tag nützlicher verwendet wurde, indem wir die bereits getrocknete Pflanzenausbeute mit Notizen versahen. Um 10 Uhr vormittag kam der Gouverneur zurück und holte die dreißig „schwarzen Jungen“ ab, um mit ihnen die ersten Vorbereitungen zum Bau des neuen Stationshauses zu Gründung einer neuen „Polizeistation“. 53 treffen. Vollkommen vom Regen durchnäßt, war der Gouver- neur den ganzen Tag selbst mit tätig und feuerte die Schwarzen immer wieder zur Arbeit an, denn nichts ist den Kanackern verhaßter, als den Regen auf ihrer nackten schwarzen Haut klatschen zu fühlen. Bald waren vom Riff am Strande des ausgewählten Platzes die vorragendsten Blöcke so weit ab- gebrochen, daß das Landen der Boote mit weniger Gefahr vor sich gehen konnte. Der Wald wurde in einem Streifen, der von der Küste bis zur etwa 50 m über dem Meere liegenden Anhöhe ausgeschlagen, wo aus mitgebrachten Pfählen und Well- blech die ersten notwendigen Baracken errichtet wurden. Darin wurden sogleich Kisten mit Munition, Lebensmittel usw. unter- gebracht und zugleich konnten sie als Schlafstätten dienen. Als es dunkelte, war so viel geschehen, als sich der Gouverneur für den ersten Tag vorgenommen hatte; nur wenige dürften diesem energischen Manne an Ausdauer und eiserner Tatkraft gleichkommen, die zu bewahren in dem erschlaffenden Klima der Tropen doppelt schwer ist. Am nächsten Tag, den 21. September, ging die Sonne wieder am wolkenlosen Himmel auf. Wir waren alle bei Tages- grauen um 6 Uhr an Land gegangen, wo uns eine Schar gänz- lich nackter Eingeborener aus dem Inneren der Insel erwartete, die der Gouverneur bestellt hatte, damit sie den Weg in ihre Dörfer zeigten, wo Anwerbeversuche unternommen werden sollten. Im Gänsemarsch ging es auf schmalem Pfad einen steilen dicht bewaldeten Bergriegel hinan, immer kerzengerade bergauf, denn der Kanacker kennt keine Serpentinenwege zur Erleichterung des Aufstieges. Auf der anderen Seite des Berg- kammes ging es ebenso steil wieder hinab in ein weites, mit dichtem Urwald erfülltes Tal, durch das ein breiter Bach dahinfloß (Taf. 11). Es gab so unendlich viel zu sehen und zu sammeln, daß wir uns bald von den Übrigen trennten und in Begleitung von vier bewaffneten Jungen und zwei Eingeborenen dieser Gegend in der wunderbaren Urwaldeinsamkeit zurückblieben. Die noch schrägen Sonnenstrahlen drangen durch das dichte Laubdach und glänzten auf dem langsam dahinfließenden Wasser. Eine schmetterlingblütige Liane (Mucuna) war hoch in eine Baumkrone geklettert und gleich einem dicken Tau hing ihr Stamm in weiten Schlingen von Ast zu Ast, die gelben Blüten 54 Landeinwärts von Kieta. Palmen. Farne. entsprangen in Büscheln gleich aus dem gewundenen Stamm und leuchteten aus dem dunklen Grün hervor. Wilde Bananen (Musa) gaben in dem Gewirre der dichten Laubmassen dem Auge Anhaltspunkte durch die breiten Flächen ihrer smaragd- grünen Blätter; zarte Bambusengebüsche standen durch ihre graugrüne Farbe in schönem Gegensatz dazu. Im Ufergerölle wuchsen an sonnigen Stellen reichverzweigte Ficusbäume mit kleinen Blättern und roten beerenartigen Früchten, dieselbe Art hatten wir auch im Gerölle des Caroflusses im Baining- gebirge gefunden. Im tiefsten Schatten wucherte in Polster- form eine freudiggrüne Commelinacee und viele Urticaceen (Nesselarten), die meisten ohne Brennhaare, viele vom Typus der in Samoa so häufigen und formenreichen Gattung Elato- stema.. Große grünlich schillernde Eidechsen huschten über die Geäste der Bäume, andere saßen unbeweglich, als fühlten sie sich durch ihre laubgrüne Farbe vollkommen ge- schützt. Die Rufe zahlreicher Vögel, besonders von Tauben und Papageien, erfüllten die feuchte Luft. Wir verfolgten langsam den schmalen Eingeborenenpfad landeinwärts. Stellenweise sind verschiedene Palmenarten sehr häufig. Besonders eine bis in die höchsten Gipfel der Bäume kletternde Rotangpalme (Ca- lamus) mit Fiederblättern von mehreren Metern Länge, die in eine 2—3 m lange, mit scharfen Widerhaken besetzte Geisel auslaufen, zierliche Fächerpalmen von 6—10 m Höhe (Licuala), (Taf.16oben), riesige Caryota, Palmen mit mächtigen, oft geteilten Blättern, deren keilförmig-dreieckige Abschnitte in ihrer Form den Teilblättchen eines Farnes (Adiantum) ähnlich sind, eine in früheren geologischen Erdperioden häufige Blattform, und noch andere Palmenarten von geringerer Größe mit aufrechtem Stamm und Fiederblättern. An den Stämmen und Ästen der Bäume sind hier viele Epiphyten, besonders Farne in allen Gestalten und Größen; von dem riesigen nest- oder trichterförmigen As- plenium Nidus avis mit ungeteilten Wedeln, an Bananen- blätter erinnernd, bis zu den kleinsten feingefiederten Formen. An schief ansteigenden Stämmen wächst ein Kletterfarn (Poly- podium), dessen Wedel im unteren Verlauf des kriechenden Rhizomes muschel- oder nischenförmig gebildet sind und dazu dienen, Humus aufzuspeichern. Weiter oben gehen diese Wedel in zahlreichen Abstufungen in mehrlappige über. Vielgestaltig- en ————————————— Aroideen. Clematis. Rubus. 55 — keit der Wedel ist bei epiphytischen Farnen überhaupt eine häufige Erscheinung — nicht nur die sterilen und sporen- tragenden Wedel sind oft von verschiedener Form, sondern es finden sich noch Blätter, welche für Humus- und Wasserver- sorgung auf das Zweckmäfßigste eingerichtet sind. Glattere Baumstämme tragen auf ihrer Rinde immer senk- recht verlaufend, zarte klimmende Gewächse von regelmäßiger Blattstruktur und Stellung, die dem Stamme so flach angedrückt sind, daß man sie beinahe für eine Zickzackzeichnung der Rinde halten könnte (Pothosarten.. Andere Aroideen um- schlingen als mächtige Lianen hohe Bäume und zwischen den großen unregelmäßig durchlöcherten, saftigdunkelgrünen Blättern findet sich da und dort der stark duftende, kolbenartige Büten- stand, der oft nur mit Mühe durch die geschickt kletternden Eingeborenen zu erlangen war. Je länger der Pfad aufwärts führt, desto durchsichtiger wird der Wald. Die Stelle der mächtigen Aroideen nehmen verschiedene wilde Pfefferarten ein und zu unserer Über- raschung finden wir einen klimmenden Busch, der unserer Waldrebe (Clematis Vitalba) täuschend ähnlich ist. Dieselben weißen Blüten, dieselben wirr durcheinander gedrehten, schopfartigen Früchte, dieselben Blätter. Wie seltsam mutet diese bekannte Pflanzenform der Heimat, inmitten der tro- pischen Umgebung an. Bald gelangen wir auf einen schmalen ansteigenden Gebirgskamm, der unverkennbare Spuren früher hier vorhandener Eingeborenen - Pflanzungen zeigt: einzelne Kokospalmen, Brotfruchtbäume und verschiedene nur in Pflanzungen vorkommende Unkräuter. Im Gegensatz zum Walde, tiefer unten, herrscht hier große Trockenheit infolge der lebhaften Luftströmungen und des Mangelsan geschlossenem Baumwuchs. Diesen Verhältnissen hat sich auch die Pflanzen- welt angepaßt: hohe starre Gräser überwiegen, dazwischen niederiges Strauchwerk (dem Hibiscus tiliaceus ähnlich), und vor allem ein dichtes, dorniges Gestrüpp, oft mit hoch im Bogen wachsenden bis 10 m langen Ranken einer tropischen Brombeer-Art (aus der Gruppe des Rubus moluccanus). Schon die zweite heimatliche Pflanze an diesem Tage! Die weißen Blüten und roten Früchte erinnerten sehr an unsere Himbeeren, leider aber nicht ihr Geschmack, denn sie waren 56 Auf der Kammbhöhe. fade und wässerig; wie erfrischend wären bei dieser Hitze nach dem anstrengenden Steigen unsere heimatlichen Him- beeren gewesen. Wir setzten uns in den Schatten eines der spärlichen Brotfruchtbäume und genossen den unvergleichlichen Ausblick, die grüne, mehrfach ausgebuchtete Halbinsel zu Füßen und weit draußen im blauen schimmernden Meer die kleinen kreisrunden Inseln, eingefaßt von weißschäumender Brandung (Taf. 12 oben). Wir streckten die müden Glieder aus und gaben uns der Ruhe und dem Genuß der herrlichen Landschaft hin, als unsere Augen in dem Gezweige des Brotfruchtbaumes gleich zwei botanische Merkwürdigkeiten entdeckten, die sofort den kaum zur Seite gedrängten Sammeleifer wieder weckten. Sowohl von Dischidia wie von Myrmecodia je eine von uns noch nicht gefundene Art. Von der Höhe des Kammes, aber in ziemlicher Ent- fernung hoben sich die Umrisse einiger Eingeborenenhütten und Kokospalmen ab. Die Kokospalmen in unserer Nähe trugen leider keine Früchte, wir empfanden dies sehr schmerzlich, weil heftiger Durst uns plagte. Um bis zum Dorf zu gelangen, war es bereits zu spät und wir ergaben uns darein durstig wieder zurück zu gehen. Pflanzensammelnd hatten wir uns ein Stück von unserer Bedeckungsmannschaft entfernt, als plötzlich auf dem schmalen Pfad eine kleine Schar gänzlich nackter Eingeborener mit Pfeil und Bogen bewaffnet vor uns stand; einer von ihnen trug zwei junge Kokosnüsse, deren Anblick die heftigste Sehnsucht nach ihrem durststillenden Inhalt erweckte. Die vier schwarzen Soldaten hatten uns muster- haft bewacht, bei jedem Geräusch waren sie schußbereit ans Gewehr gefahren und stets verteilten sie sich so, daß wir beide nach allen Seiten hin gedeckt waren, was viele Aufmerk- samkeit erforderte, da wir uns oft im Sammeleifer ziemlich weit voneinander entfernten. In dem Augenblick, als wir den Eingeborenen gegenüberstanden, die mißtrauisch aussahen und unsere Zeichen wegen Erlangen ihrer Kokosnüsse nicht ver- standen, sprang einer unserer Wächter herbei und machte ihnen unseren Wunsch begreiflich. Zögernd kamen sie ihm nach und mit geschicktem Schlag entfernte einer der Soldaten am Scheitel der Nüsse die noch grüne Außenschale, durch- bohrte eines der drei Keimlöcher, aus dem wir das kühlende Rechinger, Streifzüge in Deutsch-Neu-Guinea. Tafel 14. Strand der Insel Bougainville bei Buin mit Ipomaea pes caprae und Casuarinen. Unsere Träger auf der Insel Poperang, Shortlands-Inselgruppe, im Hintergrund Alpinien. Rechinger, Streifzüge in Deutsch-Neu-Guinea. Tarel-1y Eingeborenen-Dorf Numa-Numa auf der Insel Bougainville, der Baum links ist Cordia subcordata. Rückkehr zum „Seestern“. 57 Naß schlürften. Eine Stange Tabak als Gegengabe beglückte die erst mißtrauischen Wilden so sehr, daß sie sich sogar photographieren ließen, freilich mußte sich zum Zeichen, daß ihnen aus dem auf sie gerichteten Apparat keine Gefahr drohe, einer der Polizeisoldaten unter sie stellen (Taf. 13). Rasch fingen wir noch eine Anzahl Schmetterlinge, die sich auf den luftigen Bergeshöhen ungleich häufiger einfanden, als unten im dichten Wald. Doch auch dort hatten wir an diesem Tage eine besonders schöne Ausbeute an Insekten gehabt, vor allem farbenprächtige Baumwanzen, bunte, kleine Cicaden mit zarten Flügeln, kleinen Schmetterlingen ähnlich, abenteuerlich geformte Spinnen, mit einem harten Chitinpanzer von ziegelroter, schwefel- und himmelblauer Farbe, wie Email aussehend, der an manchen Stellen dornartige Auswüchse trug, die den Tieren ein phantastisches, drohendes Aussehen gaben. Sammelnd und photographierend gingen wir denselben Weg zurück und die alte Erfahrung, daß ein und derselbe Weg in verschiedener Richtung zurückgelegt, nicht nur neuen malerischen Reiz hat, sondern auch dem Sammler mancherlei Neues bietet, das das Auge in der früheren Beleuchtung über- sehen hat, bewahrheitete sich auch hier. Plötzlich standen wieder einige der früher angetroffenen Eingeborenen vor uns, diesmal beladen mit einer Menge frischer Kokosnüsse, die sie uns anboten, in der Erwartung, für die- selben wieder Tabak einzutauschen. Gerne taten wir dies und erfrischten uns und unsere Begleiter an dem höchst will- kommenen Labetrunk. Wieder gelangten wir an die schöne Stelle am Waldbach, wo wir uns morgens von den übrigen Mitgliedern der Expe- dition getrennt hatten, wieder ging es den anstrengenden Weg über den Bergkamm hinauf und drüben geradeaus hinunter und knapp vor Anbruch der Dunkelheit standen wir am Ufer der Kietabucht, in der der weiße „Seestern“ vor Anker lag, von dem bald ein Boot abstieß, um uns zu holen. Die übrigen Herren waren schon um 3 Uhr nachmittags zurückgekommen, nachdem sie einen anstrengenden Marsch zu mehreren auf dem Gebirgskamm liegenden Dörfern gemacht hatten, leider ohne Erfolg ihrer Anwerbeversuche. Bald war das Nachtmahl verzehrt und abermals erscholl 58 Formalin. der Phonograph zur Verwunderung der versammelten Häupt- linge. Trotz großer Müdigkeit hatten wir uns an die mühe- volle Arbeit gemacht, die Unmasse der Tagesausbeute zu bewältigen, als plötzlich die elektrische Beleuchtung ver- sagte. Wir gingen auf Deck spazieren, um ein wenig Luft zu schöpfen und abzuwarten, bis die Beleuchtung wieder instand gesetzt war. Doch es blieb dunkel und wir kehrten in den Speiseraum zurück, in dem eine einsame Kerze ihr unsicheres Licht verbreitete. Noch trauriger als dieses einsame Licht, war das, was es beleuchtete — — unsere sorgsam gehüteten Pflanzen lagen in einem wüsten Knäuel auf dem Boden und einige der kostbarsten Stücke, die wir zu besonders sorgfältiger Präparation beiseite gelegt hatten, fehlten überhaupt: einer der chinesischen Boys hatte den unbewachten Moment benutzt, um entweder seinem Ordnungssinn Genüge zu tun, oder sich an den Pflanzen zu rächen, die offenbar seinen Unmut hervor- gerufen. Traurig retteten wir, was zu retten war, besonders schmerzlich war uns der Verlust der neuen Myrmecodia-Art vom Kamm der Halbinsel. Den nächsten Vormittag benutzten wir, um zu einem bis- her noch unzugänglichen Teil unserer Sammelgeräte zu ge- langen, die in zwei Kisten verpackt, im Zwischendeck, dem bis- herigen Aufenthaltsort der dreißig Polizeisoldaten für die neue Station, unterdem Wuste ihrer Geräte und Lebensmittel vergraben waren. Mit Freude begrüßten wir manchen schwer vermißten Gegenstand und richteten zwei mit Blech ausgefütterte Kisten zur Aufbewahrung saftiger Pflanzenteile und Früchte in For- malin ein. Der stechende Geruch dieser Flüssigkeit war den Eingeborenen äußerst unheimlich und sicherlich diente es nicht dazu ihnen eine günstige Meinung von der Kochkunst der „weißen Frau“ zu bilden, daß sie den „salad“ mit einer so gräulich riechenden Flüssigkeit zubereitete.. Hingegen ver- ursachten die leeren, in das Meer geworfenen Formalinflaschen einigen Küstenbewohnern, die das Schiff in ihren Kanus um- kreisten, große Freude und um jede leere Flasche entspann sich ein kleiner Kampf. Einer der beiden Missionare von Kieta, Pater R., kam an Bord, um die Fahrt bis Poperang, auf den gegenwärtig in englischem Besitz befindlichen Shortlandsinseln mit zu machen und die dortige Missionsstation zu besuchen. Dorf Toberoi. Coeloccocus. 59 Nachmittags verließen wir den Hafen durch den schmalen Eingang und warfen nach etwa einstündiger Fahrt, in der nächsten Bucht vor dem Dorfe Toberoi Anker. Alle fuhren an Land. Am Strande erwarteten uns eine Anzahl Einwohner, die durch die naheliegende Missionsstation an den Verkehr mit Weißen gewöhnt waren. An ihrer Spitze stand ein sehr würdig aussehender, groß und schön gebauter Häuptling, der in der Taufe den Namen Moses erhalten hatte. Die ursprüngliche Absicht des Gouverneurs Dr. Hahl war gewesen, die neue Polizeistation in Toberoi zu errichten und er hatte bei seiner letzten Anwesenheit von den Dorf- bewohnern verlangt, daß sie gegen entsprechende Tausch- gegenstände innerhalb einer bestimmten Frist ein Unterkunfts- haus für den zukünftigen Polizeimeister in der Nähe des Strandes errichten sollten. Das Haus war auch richtig voll- endet, sehr groß und gut gebaut aus Holzstämmen mit Dach und Wänden aus den riesigen Fiederblättern und Blattstielen der Sagopalme (Coelococcus Salomonensis). Die Sagopalme liefert den Eingeborenen nicht nur Ma- terial zum Hausbau in ihren riesenhaften bis 8 m langen Fiederblättern, sondern hauptsächlich im Mark ihrer Stämme ein wichtiges und ausgezeichnetes Nahrungsmittel, den Sago. Sagopalmen beobachteten wir öfter auf den Salomons-Inseln, hatten aber leider nie Gelegenheit, die Gewinnung des Sago durch Eingeborene zu sehen. Die Früchte von Coelococcus Salomonensis sind von der Größe kleinerer Äpfel, außen von zierlichen hellbraunen dreieckigen Schuppen bedeckt und stehen in großer Anzahl an einem kandelaberartigen reich- verzweigten Fruchtstand im Mittelpunkt der Blattkrone. Nach einmaligem Blühen ünd Entwickelung der Früchte stirbt die ganze Palme ab. Die Früchte liefern einen ergiebigen Ausfuhrartikel für die europäischen Händler, die sie von den Eingeborenen durch Tausch erlangen und sie in Schiffsladungen nach Australien oder Europa verkaufen. Unter dem Namen Elfenbeinnuß kommen diese sowie die Früchte einer amerikanischen Palmen- art (Phytelephas) auf den Markt und liefern in ihrem weißen beinharten Endosperm (Sameneiweiß) das Material für Knöpfe. Während der Gouverneur über die Belohnung für den 60 f Tarokultur. Tridacna gigas. Hausbau mit den Häuptlingen verhandelte, besahen wir uns das Dorf. Es war von geringer Ausdehnung, die Häuser zu- meist nur aus Palmenblättern auf wenigen Holzstützen. In der Mitte des Dorfes bezeichnete eine Einfassung aus Brettern, die beetartig von einigen bunten Blattpflanzen (Dracaena) umgeben waren, ein frisches Grab und einige in der Nähe stehende Weiber mit weißen unregelmäßigen Flecken und Strichen auf ihrem schwarzen Körper waren die trauernden Hinterbliebenen. Wir ließen uns von einem der Dorfbewohner unter Begleitung der bewaffneten Soldaten einen Pfad landeinwärts zeigen. Es war ein schlüpfriger morastiger Fußpfad zwischen Taro- pflanzen (Colocasia), deren stärkereiche Knollen in diesen Ge- bieten, wie in den meisten Tropengegenden, ein wichtiges Nahrungsmittel bilden und etwa unsere Kartoffeln vertreten. Sie ist eine ausgesprochene Sumpfpflanze und verträgt daher zeitweise ganz überschwemmten Boden. Die Kultur dieser Knollenpflanzen wird von den Eingeborenen unabhängig von den Weißen mit staunenswertem Fleiße betrieben und die be- bauten Flächen fast ganz frei von jedem Unkraut erhalten. Da es in diesen ausgedehnten Tarofeldern für uns nicht viel zu botanisieren gab, gaben wir ein weiteres Vordringen in dem schwarzen Morast als nutzlos auf. Unsere beste Ausbeute bildeten hier zollange, zinnoberrote Schnecken, mit rudimen- tären, dünnen Gehäusen, die sich in ziemlicher Menge an den großen pfeilförmigen Blättern des Taro gütlich taten. Ans Meer zurückgekehrt, drangen wir am Ufer ein Stück vor und fanden mehrere uns neue Strandpflanzen, in besonderer Menge ein Gras, das mit langen Ausläufern im Sand dahin- kroch, aus dem Schatten des Uferwaldes dem Meere zustrebend. Der weiße Sand war mit prächtigen Muscheln bedeckt. Kleinere und größere Exemplare der an den Korallenriffen so häufigen Tridacna gigas (Riesenmuschel) lagen umher, welche hier selten mehr als !/2 Meter im Durchmesser erreichen. Sie zieren häufig die Gärten und Häuser der Europäer in der Südsee. Von besonderer Wichtigkeit sind sie in manchen Gebieten Neu-Guineas für die Eingeborenen, die sich daraus mit vieler Mühe Werkzeuge, Armringe als Schmuck und Muschelgeld ver- fertigen. Ihre volle Größe erreicht diese umfangreichste aller Muscheln an den Korallenriffen der Hermit- (Einsiedler-) Inseln, Perspektivschnecken. Einsiedlerkrebse. 61 wo Exemplare von 1!/2 m im Durchmesser und mehreren Zentnern Gewicht nicht selten sind. Zahllos liegen die Gehäuse von Perspectivschnecken, innen schön perlmutterglänzend, außen mit rötlicher Zeichnung, im Sand umher, deren Tiere von den Eingeborenen gerne verzehrt werden. Die leeren Gehäuse finden sich auf den Mistablagerungsplätzen, welche fast jedes Eingeborenendorf mehr oder minder ausgesprochen hat, oft in Menge vor. Die Perspectivschnecke sowie eine andere viel größere und derbere Riffbewohnerin werden durch europäische Händler von den Eingeborenen eingetauscht und zur Perl- muttergewinnung nach Europa gesandt. Außer diesen größeren Muscheln und Schnecken bedecken noch kleine und zartere in unerschöpflichem Farben- und Formenreichtum den Sand; die meisten sind, nachdem ihre ursprünglichen Inwohner zu- grunde gegangen waren, von kleinen Einsiedlerkrebsen bezogen worden. Diese häufig am Meeresstrand vorkommenden Krebs- arten suchen die Gehäuse abgestorbener Meeresschnecken auf, kriechen hinein und benützen sie als Schutz für ihren weichen Leib. Sie laufen damit behende umher und ziehen sich bei jeder Gefahr darin zurück, dem Angreifer die eine große Scheere, die den ganzen Eingang der Wohnung verdeckt, ent- gegenstreckend. Die andere Scheere ist winzig klein. Flinke Krabben eilen seitwärts laufend dahin und verschwinden plötzlich in den von ihnen selbst gegrabenen Löchern, manche sind der Farbe des Sandes vollkommen angepaßt. Im feinen Sande sieht man zahlreiche Spuren, oft als sternförmige regel- mäßige Zeichnungen, wahrscheinlich auch von Krabben her- rührend; quer darüber laufen die Fuß- und Schwanzspuren flinker Eidechsen. Viel gäbe es an dem so anregenden Strand noch zu sehen und zu beobachten, allein die Dämmerung sinkt hernieder und nötigt zur Rückkehr auf das Schiff. Nachdem der „Seestern“ wie gewöhnlich an einem mög- lichst guten Ankerplatz die Nacht über gelegen hatte, da die Fahrt in den nur unvollständig vermessenen klippenreichen Gewässern im Finstern sehr gefährlich ist, fuhren wir am kommenden Morgen und Vormittag um die Südspitze der Insel Bougainville herum und ankerten nachmittags vor dem Ein- geborenendorf Siuai (Daruai). Bald waren zwei Boote klar gemacht, alle europäischen Teilnehmer der Fahrt nahmen darin 62 Dorf Siuai (Daruai). Gefährliche Landung. Platz und die starken Arme der schwarzen Jungen ruderten mit aller Macht gegen die hochgehenden Wogen. Es gab bei heftiger Brandung ein gefährliches Landen. Die Küste war zwar sandig, aber im steilen Winkel ansteigend, dazu peitschte der Sturm die Wellen heftig gegen das Ufer; die Gefahr be- stand darin, daß die mit dem Kiel auf das Land gesetzten Boote von der Seite durch die Wellen fast zum Kentern gebracht wurden. Überdies hatte der Gouverneur vorsichts- halber angeordnet, daß die beiden Boote mit dem Steuer voraus gegen das Ufer gerudert wurden, damit wir im Notfalle mög- lichst rasch wieder vom Lande abkommen könnten, denn die Haltung der Eingeborenen, welche mit wüstem Geschrei in großer Menge am Strande hin und her liefen, war nicht gerade vertrauenerweckend. Dem Ufer nahe gekommen, springt die Bemannung in die schäumenden Wogen und schiebt, eine starke Welle abwartend, das Boot möglichst weit ans Land, wo sie es mit allen Kräften festhält, da jede folgende Woge es umzu- kippen droht. So rasch als möglich springen wir alle in das Uferwasser und gewinnen den trockenen Sand. Die nackten, mit Speeren, Pfeil und Bogen bewaffneten Eingeborenen nähern sich unter lautem Geschrei und lebhaften Gebärden, ob es Freuden-, Kriegs- oder Schreckensgeheul ist, ist schwer zu entscheiden! Die bewaffnete Mannschaft nimmt uns sofort in die Mitte, uns nach allen Seiten hin deckend. Einige Bewaffnete bleiben in den Booten, die Schiffsjungen halten die letzteren, bis zur Brust im Wasser stehend, fest. Bald gelang es Dr. Hahl mit Hilfe eines Schiffsjungen aus dieser Gegend, der als Dolmetsch diente, mit einem der Ältesten der Dorfbewohner ein Gespräch anzuknüpfen. Die Aufregung der übrigen legte sich und sie umstanden uns in zuwartender Haltung. Ihr ganzes Benehmen war nicht neugierig, nicht offenkundig feind- selig, doch schien es, daß sie jeden Augenblick bereit gewesen wären, auf uns loszugehen, wenn nicht die Furcht vor den Gewehrläufen sie im Zaum gehalten hätte. Dr. Hahl, dem es daran lag, mit den Leuten in freund- schaftliche Beziehung zu treten, forderte den Ältesten auf, uns das Dorf zu zeigen, von dem wie gewöhnlich vom Meer aus nichts zu sehen war. Wer die Eigentümlichkeiten dieser Insel- bewohner nicht genauer kennt, würde hinter dem undurch- Geheime Verständigung der Eingeborenen. 63 dringlichen Baum- und Buschwerk keine menschliche Ansied- lung vermuten. Nur der Kundige sieht sie schon von der Seej aus, sei es durch einzelne Kokospalmen weiter landein- wärts, deren Kronen sich zwischen den übrigen Bäumen gut er- kennen lassen, sei es durch höher aufragende, an ihrem Gipfel auffallend etagenartig ausgeschnittene Bäume (Taf.15 unten rechts), jedenfalls ein Erkennungs- oder Merkzeichen, das sich die Ein- geborenen untereinander geben, sei es durch schüchtern auf- steigenden Rauch, der wie ein bläulicher Dunst durch die Baum- kronen dringt. Überhauptleisten die Papuas an Schlauheit, Kriegs- list und Erfindung Außerordentliches, besonders viel Sinn haben sie für raschen und zuverlässigen Nachrichtendienst, der bei Nacht vermittelst Feuer, bei Tag vermittelst glänzender Gegen- stände, z. B. Teilen einer alten Blechbüchse, die blank gerieben worden sind, und ähnlichen primitiven Behelfen, auf weite Strecken weitergegeben wird. So konnte man aus mancherlei Anzeichen sicher annehmen, daß die Ankunft des „Seestern“ stets schon im Voraus berichtet worden war. Nach wenigen Schritten am sandigen Strand entlang zeigte sich ein sehr schmaler Fußpfad durch das Dickicht, der wie alle Kanakerpfade so eng war, daß nur eine Person hinter der anderen gehen konnte. Teils um sie nicht im Rücken zu haben, teils um die im Dorf Zurückgebliebenen auf unsere Ankunft vorzubereiten, ließ der Gouverneur die Eingeborenen vorausgehen, dann folgten wir und hinter uns die Bedeckungs- mannschaft. In kurzer Zeit stießen wir auf den breiten Arm eines stehenden Gewässers, über den ein einziger runder Kokos- stamm als Brücke gelegt war. Die Eingeborenen gingen sämtlich ohne Stütze frei hinüber, wir Europäer stützten uns auf einen Bambusschaft, der lang genug war, um den Grund des schlam- migen Gewässers zu erreichen. Wir benützten rasch die Ge- legenheit, um einen der wenigen im Wasser vorkommenden Farne (Ceratopteris thalictroides), dessen Wedel der Petersilie nicht unähnlich sind, und die auf dem Wasserspiegel schwim- menden zierlichen Blattsterne der bläulich-grünen Pistia stratiotes heraus zu fangen. Bald war das Dorf erreicht, das aus lauter hübschen ganz neuen Hütten bestand, da es erst kürzlich ab- gebrannt war. Riesige Coelococcus- und Kokospalmen erhoben sich zwischen den einzelnen Hütten, deren jede von vielen 64 Dorf Siuai (Daruai). Betelkauen. Personen bewohnt war. Besonders wimmelte es von Weibern und Kindern, die sich bald scheu in das dunkle Innere ihrer Behausung verkrochen, bald neugierig ihre Köpfe zu der ein- zigen Öffnung herausstreckten. Eine weiße Frau dürfte wohl noch keine von den Bewohnern von Siuai gesehen haben, und beim Dahinschreiten durch das Dorf konnte man öfter wahr- nehmen, wie den Papua-Frauen unter Staunen die Tatsache klar wurde, daß sich eine Frau unter den Weißen befinde, was für sie, da ihnen jede Kleidung fremd ist, nicht gar so leicht zu erkennen war. Das Dorf bildet ein Rechteck und besteht etwa aus zwanzig Hütten. In der Mitte auf einem freien Platz befindet sich ein kleiner Holzbau, unseren Vogelfütterstellen im Winter in den Öffentlichen Gärten ungemein ähnlich, bestehend aus einem Brett auf einem Holzpfahl von 1 m Höhe, mit einem Schutzdach überdeckt; darunter liegt ein langsam glimmendes Holzstück, welches zur Erhaltung des Feuers dient. Da alle Papuaner sehr viel auf das Rauchen halten, nehmen sie sogar bei kürzeren oder längeren Bootfahrten stets ein solches glimmendes Holzstück mit in ihre Kanus. Nach und nach gewann die ganze Bevölkerung mehr Zutrauen und begleitete uns auf der Wanderung durch das Dorf. Die meisten trugen einen Behälter für Kalk als Beigabe zum Betelkauen mit sich, entweder eine ausgehöhlte Kürbisschale oder aus starkem Bambusrohr gefertigt, außen durch eingebrannte Ornamente verziert, durch einen Stöpsel aus fest zusammengedrehten Blättern verschlossen, der mit buntem Bast kunstvoll um- flochten ist. In den Stöpsel ist ein bis auf den Grund der Büchse reichender Spieß befestigt, aus einem dünnen spitzen Knochen oder einer langen, geraden Fischgräte verfertigt. Die Büchse ist zum Teil mit gepulvertem gelöschten Kalk, der aus Korallen oder Muscheln durch Brennen gewonnen wurde, gefüllt, an den Spieß wird die Frucht von Piper Betle (Betel- pfeffer) gesteckt, in das Kalkpulver eingetaucht zum Mund geführt und meist dazu ein Stück des Samens der Betelpalme (Areca Catechu) gekaut, wodurch die Zähne schwarz und der Speichel rot gefärbt werden. Das dichte Buschwerk am Rande des Dorfes bot manchen merkwürdigen botanischen Fund, so eine seltene Art von Barring- Rechinger, Streifzüge in Deutsch-Neu-Guinea, Tafel 16. lle. ınvı icuala im Innern der Insel Bouga (Shortlands-Inseln). x ang ımmwald der Insel Poper < K Rechinger, Streifzüge in Deutsch-Neu-Guinea. Tafel 17. Fieus-Stämme auf der Insel Poperang, links oben epiphytische Wurzelpelz von Grammatophyllum, Grammatophyllum (epiphytische Orchidee), (srösse, nat, der 4 1 J Orchidee, Zierpflanzen der Eingeborenen. 08 tonia, eine üppige Cissus- oder Vitisart (Weinrebe) mit blau- schwarzen reifen Früchten, deren Saft von der Farbe unserer blauen Trauben und von nicht unangenehmem Geschmack war. Besonders beachtenswert waren hier die Zierpflanzen der Ein- geborenen, sie zeugten von einer großen Vorliebe für fein zerschlitzte oder abweichend und auffallend gefärbte Blätter, also Spielarten der Gärten in unseren Gebieten. Um nur einige anzuführen: Codiaeum, Celosia, Hibiscus rosa sinensis und nahe verwandte Arten, Cordyline terminalis, einige Araliaceen. Denselben Weg, den wir gekommen, gingen wir zum Strand zurück, wieder auf dem Kokosstamm über den Wasser- arm balanzierend. Es bot sich uns der in den Tropen so seltene Anblick eines großartigen, ungemein farbenprächtigen Sonnenunterganges, der den westlichen Himmel und das Meer in leider nur zu rasch vergängliche Goldglut tauchte. Am Morgen, den 24. September, war der „Seestern“ schon vor Sonnenaufgang ein Stück an der Küste zurückgefahren, da es galt die Eingeborenen zu überrumpeln, was bei ihrer großen Wachsamkeit sehr schwierig ist, und durch eine Landung der Boote bei Dunkelheit erreicht werden sollte. Da diese Strafexpedition in Eilmärschen ausgeführt werden mußte, um das Entkommen der Schuldigen zu verhindern, war für unsere Sammelzwecke dabei keine Zeit, und wir blieben, wenn auch schweren Herzens, an Bord, denn es war dringend nötig, die Präparation der Pflanzen und Insekten, sowie die Ausführung der Tagebuchnotizen wieder einmal gründlich zu fördern. Der Kaiserliche Gouverneur Dr. Hahl, Dr. K., Kapitän M. und Herr W., sowie sämtliche verfügbare Polizeisoldaten nahmen an dem kleinen Kriegszug teil, mit Ausnahme einer geringen Besatzung, die an Bord blieb. Alle waren ausgiebig bewaffnet. Es galt die Ermordung eines englischen Händlers, die vor einigen Monaten in dieser Gegend durch einen Eingeborenen eines etwa 21/2 Stunden landeinwärts gelegenen Dorfes erfolgt war, zu rächen, und der Zweck der Expedition war, des all- gemein als Mörder bezeichneten Häuptlings tot oder lebendig habhaft zu werden. Es ist unbedingt nötig, keinen an Weißen von den Eingeborenen verübten Mord ungestraft vorübergehen zu lassen, da sonst die Autorität und Sicherheit der dort an- gesiedelten Europäer einen schweren Stoß erleiden würde. Rechinger, Streifzüge in Deutsch-Neu-Guinea. 5 & Strafexpedition. Kriegsbeute. Um zwei Uhr nachmittags kam die Strafexpedition wieder an Bord; leider ohne den gewünschten Erfolg. Obwohl das Dorf weit landeinwärts lag und es unmöglich war, von dort aus den „Seestern“ zu erblicken, waren die Bewohner gewarnt worden und in aller Hast entflohen. Ein einziger, besonders mutiger Krieger war im Dorf geblieben, und führte bei Her- annahen der Expedition einen Kriegstanz auf. Nach einigen Fehlschüssen der Polizeijungen, die in ihrer Kriegslust nicht zu halten waren, verschwand er, und seine Verfolgung war vergeblich. Obwohl alle Anzeichen dafür sprachen, daß die hastige Flucht der Kanaker erst vor ganz kurzer Zeit erfolgt war, blieb bei der Dichte des Urwaldes jede Verfolgung nutz- los und der Gouverneur begnügte sich, das Dorf zur Strafe anzünden zu lassen. Vorher wurden noch rasch einige inter- essante, ethnologische Objekte aus den Hütten geholt: ge- flochtene große Körbe, mit einer teer- oder rußartigen Masse dick überzogen, dann Schaber zum Aushöhlen der Kokosnüsse geschnitzt aus geschwärztem Holz mit einem aufgebogenen Ende, an welchem eine scharfkantige Muschel (Cardium) an- gekittet war. Dann große flache, aus einem Stück geschnitzte Schüsseln, aus dem Stamme einer Leguminose, wahrscheinlich einer Afzelia; hübsche kleine Büchsen aus dem Internodium dicker Bambusschäfte, an denen die Böden aus den natürlichen Scheidewänden gebildet waren, außen mit charakteristischen, eingeritzten Verzierungen mit öfter wiederkehrenden Augenor- namenten. Die Büchsen bargen zumeist große, dünne Fisch- gräten, die an einem Ende künstlich zugespitzt waren, am anderen in eine natürliche, rundliche Verdickung ausgehend, vielleicht als Zahnstocher dienend.. Auch Knochenteile be- fanden sich darin, die ihrer Form nach vielleicht als Löffel Verwendung fanden. Sehr merkwürdig waren Gefäße aus einer Kokosnuß gebildet, mit ziemlich kleiner Öffnung und einem dichten Überzug aus schwarzbraunem Ton, der an der Öffnung des Gefäßes wie eine Art Vorbau über die Nuß- schale ragte. Die Verzierung bestand aus Glasperlen europäi- scher Herkunft, die in den noch weichen Ton reihenweise ein- gedrückt worden waren. In den Winkeln der Hütten lagen verschiedene Knochen, darunter manche als Menschenknochen zu erkennen. In einer der Hütten, vermutlich der des Häupt- Dorf Buin. Holzschwämme. Nipa-Palmen. 67 lings, fand sich eine große Menge von Tambu (Muschelgeld), dessen Vernichtung für den Besitzer einen schweren Verlust bedeutete. Nach kurzer Fahrt ankerten wir nachmittags vor dem Dorfe Buin, wo der Gouverneur eine Missionsstation besuchte, während wir in Begleitung einiger Soldaten einen Sammel- ausflug unternahmen. Zuerst ging es durch ein Stück jungen Waldes, der offenbar an Stelle früherer Eingeborenenpflanzungen entstanden war. Die Einwohner pflegen, nachdem der Boden eine Reihe von Jahren als Pflanzung ausgenützt worden ist, den- selben wieder sich selbst zu überlassen und die Besiedelung mit Kräutern, Sträuchern und Bäumen geht dann in sehr kurzer Zeit vor sich. Es fanden sich hier nicht viel merk- würdige Pflanzen, nur an morschen Baumstämmen wuchsen Holzschwämme in sehr reicher Entwickelung. Besonders der zinnoberrote Polyporus cinnabarinus, der fast über die ganze Erde verbreitet ist und seine Lebensbedingungen in feuchten, kühlen Gebirgswäldern unserer Alpen ebenso gut wie hier nahezu unter dem Äquator findet. Überdies gab es noch zahlreiche andere Holzschwämme, manche auf ihrer Unterseite mit kleinen sechseckigen Bienenzellen bedeckt (Favolus), andere mit kupferfarbigen Streifen und seidiger Behaarung. Nach kurzer Wanderung kamen wir an einen breiten, sehr langsam dahinströmenden Fluß mit zauberhaft schönen Ufern. Hart am Wasser, oder zumeist darin standen die langen Wedeln der Nipapalme. Diese stammlose Palmenart schmückt die Flußmündungen der tropischen Regionen in Polynesien und Hinterindien mit ihren riesigen bis 15 Meter langen gefiederten Wedeln, die den Kokosblättern sehr ähn- lich sind. Die kugeligen, weit über kopfgroßen Fruchtstände ragen wenig über den schlammigen Boden oder das Wasser empor und ihre Samen werden durch die Meeresströmungen verbreitet (Taf. 12 unten). Der Fluß erweitert sich hier vor seiner Mündung in zahl- reiche Buchten mit vorspringenden Halbinseln, die die Land- schaft beckenartig abschließen, so daß sich uns beim Weiter- gehen stets neue Bilder boten und wir den Eindruck hatten, in einem wunderbar angelegten, riesigen Tropengarten zu wandeln. Die Äste hingen weit über den teichähnlichen Wasserspiegel 5% 68 Strandvegetation. Zweite Strafexpedition. und gewährten kulissenartige Durchblicke auf einzelne Baum- gruppen, unter denen Schraubenpalmen (Pandanus) durch ihren exotischen Wuchs einen eigenen Reiz bildeten, besonders im Gegensatz zu den hohen, fast feierlich aussehenden Wedeln der Nipapalme. Im Ufersand wandern zahlreiche spindel- förmige, große Schneckengehäuse umher, schwarz wie Eben- holz, jedes von einem Einsiedlerkrebs bewohnt. Wir wendeten uns dem Meeresstrande zu, dessen sandiger Boden fast ausschließlich von drei Pflanzenarten besiedelt war: Hohe Casnarinen, Bäume mit schachtelhalmähnlichem hängenden Gezweige, das im leisesten Lufthauch schwankt, auf dem Boden mit vielen, meterlangen Trieben dem Meer zustrebend und dicht mit frischgrünen Blättern und violetten Windlingblüten besetzt, die Ipomaea pes Caprae, dazwischen den Sand netz- artig überstrickend das blattlose Gewirre einer Cassytha in Wuchs und Erscheinung unserer Flachsseide täuschend ähn- lich, aber wegen des Baues ihrer Blüten und Früchte zu den Lorbeergewächsen gehörig (Taf. 14 oben). Im Morgengrauen des nächsten Tages unternahm der Gouverneur wieder eine kriegerische Expedition nach einem zehn Minuten vom Strand entfernten Dorfe, um einen Mord unter den Eingeborenen zu bestrafen, von dem man durch die Missionäre Kenntnis erlangt hatte. Ein Papua hatte einen anderen wegen Entführung seines Weibes erschlagen. Nach sehr kurzer Zeit kehrte die bewaffnete Schar zurück, wieder ohne einen der Einwohner des Dorfes erblickt zu haben. Man mußte sich begnügen, das Haus des Täters strafweise nieder- zubrennen. Nun nahm der „Seestern“ seinen Kurs nach den Short- landsinseln, kleinen Eilanden südlich von Bougainville, seit 1899 an England abgetreten. Auf spiegelglatter See sehen wir in einiger Entfernung eine Gruppe schwarzer Körper unbeweglich an der Oberfläche schwimmen. Beim Näherkommen erweisen sie sich als die teilweise über Wasser gehaltenen Köpfe einer Schar von sogenannten Schweinefischen, einer kleinen Art von Walen, dem Pottwal äußerlich ähnlich, nur viel kleiner, etwa 4—6 Meter lang. Obwohl wir schon ganz nahe an sie heran- gekommen waren, blieben sie vollkommen ruhig, die ab- Auf den Shortlands-Inseln. 69 gestumpften Köpfe über Wasser haltend und scheinbar schlafend. Auf einen abgefeuerten Gewehrschuß hin verschwanden sie alle spurlos. Einige Zeit später kam ein Schuner mit vollen Segeln in Sicht. Der „Seestern“ stoppte und es wurde ein kurzes Gespräch mit dem Besitzer des Fahrzeuges, dem englischen Trader Tindal, unterhalten. Die Bemannung des Schuners bestand zumeist aus Papuas. Um 10 Uhr vormittag ankerten wir inmitten von zahllosen kleinen Inseln, die wie über das Meer hingestreut dalagen, alle von prächtiger Vegetation bedeckt und von Korallenriffen umgeben. Wir werden an das Ufer der Insel Poperang ge- rudert, deren steil ansteigender Strand an dieser Stelle aus alten, durch vulkanische Vorgänge hochgehobenen mächtigen Korallenriffen besteht. In den Schichten dieser Uferbildung finden sich etwa 30 m über der Meeresfläche fossile Muscheln und Muschelreste, verkittet durch eine ehemals sandige oder schlammartige Masse, als steile Felsen aufragend. Aus einer dieser Klippen rieselt ein köstlicher Quell mit erfrischendem Trinkwasser, in einer Holzrinne aufgefangen, ein seltener An- blick in diesen Gebieten. Die Höhe dieser Inseln bildet ein ziemlich ebenes Plateau, das auf dieser Seite Kokospflanzungen bedecken, die trotz des trockenen Bodens gut gedeihen. Auf. der Höhe steht ein ziemlich geräumiges Missionshaus, die erste Ansiedlung der katholischen Maristen-Mission in diesem Inselgebiet, welche 1899 von Samoa aus begründet wurde. Die Missionäre boten uns einen kleinen Imbiß und waren so liebens- würdig, uns einige ihrer einheimischen Diener als Führer und Begleiter zu einer Sammelexkursion auf der Insel mitzugeben. Zuerst ging es durch Kokospflanzungen, an Hecken aus Zitro- nensträuchern vorüber, wie sie ähnlich auch in Samoa zu finden sind und offenbar von den Missionären her verpflanzt wurden. Die Früchte sind klein und auch im reifen Zustande grün, kugelig, sehr aromatisch, aber scharf sauer, zur Bereitung er- frischender Limonaden sehr geeignet. Besonders schön und abwechslungsreich gestaltete sich die Ausbeute an Insekten und Spinnen, deren Fang gleich hier an den Zitronenhecken begann und von unseren Begleitern mit großer Freude und Geschick- lichkeit betrieben wurde. Es gab wunderbare Spinnen, rot, 70 Tierleben auf der Insel Poperang. schwarz und stahlgrün gefärbt, mit von hartem Chitinpanzer geschütztem Leib, der vorne, rechts und links in zwei drohende aber harmlose Spitzen endete. Eine zweite große Spinnenart mit ganz gefährlich aussehenden Beißwerkzeugen schaukelte sich in ihren riesigen sehr zähen Netzen, die in den Augen der europäischen Spinnen unzerreißbar erscheinen mögen, da es eines ganz bedeutenden Zuges der Hand bedurfte, um sie zu zerstören. Zahlreiche Heuschrecken tummelten sich zwischen den halbtrockenen Gräsern, Cicaden schwirrten und schnarrten aus Leibeskräften, auch an Käfern aller Arten und Größen war kein Mangel, und bei dem Jagdeifer unserer Begleiter waren bald alle Spiritusgläser gefüllt, während wir uns dem Schmetter- lingsfang mit gutem Erfolge hingaben. Dunkelfarbige Danais bewegten sich in langsamem Fluge zwischen dem Gesträuche, mitunter begleitet von vereinzelten trägen, unserem Bären- spinner ähnlichen Schmetterlingen, die nur so weit flogen, als es gerade nötig war, um dem sie verfolgenden Netze zu ent- gehen, und sich sofort wieder an der Rückseite der Baumblätter niederließen. Zahlreiche unseren gewöhnlichen Tagschmetter- lingen (Satyrus) gleichende braune Falter flattern umher und dazwischen schießen oder segeln stolz vereinzelte große Papi- lioniden durch die Luft, sich nur auf kurze Zeit und selten an feuchten Stellen niederlassend. Es gab heute aber auch „höhere Jagd“: Ein vorwitziger Leguan flüchtete, aus seiner phlegmatischen Ruhe aufgestört, auf eine hohe Kokospalme und wurde von den Jungen durch geschickte Steinwürfe her- untergeholt, aber jetzt wagte es keiner, das tote Tier anzurühren, das ihnen eine unerklärliche Scheu einflößte, und erst nach- dem wir es selbst berührt und sorgfältig in Blätter gehüllt hatten, nahmen sie es, wenn auch mit Zeichen des Abscheues und Grauens, vorsichtig in die Hand. Die zweite Jagdbeute bildete eine Art Haselmaus, die die Papuas in ihrem Nest im hohen Gras aufgestöbert und getötet hatten. Dieser Fang er- regte ein wahres Freudengeheul bei den Eingeborenen, und auch wir freuten uns der Beute für unsere Sammlung; als wir aber später beim Einbooten der Tagesbeute alles überblickten, fehlte die Haselmaus und keiner der Träger wollte etwas von ihrem Verbleib wissen. Jedenfalls war sie schon von ihnen verzehrt worden. Insel Poperang. 71 BERERLEEN. LA APR ERUN EEE Bet Bei EEE EEE Wir schreiten auf der Höhe der Insel dahin. Ringsum dehnt sich das Meer in azurblauer Weite mit dem sonnigen Firmament in eins verschwimmend, von zahllosen kleinen Inseln unterbrochen, deren tiefes Grün von dem weißen Schaum der Brandung eingerahmt, im schönen Gegensatz zu der allgemeinen Bläue steht. Bald waren die Pflanzungen durchschritten und lichter Tropenwald umgab uns; auch hier wieder die herrlichen smaragdgrünen Blätter der Alpinien und ihre carminroten, rosen- farbigen oder weißen Blütentrauben (Taf. 14 unten), riesige Ampelideen (Leea), eine Pflanzenfamilie, von der unsere Wein- rebe der einzige europäische Vertreter ist, schlingen sich in die Baumkronen hinauf, Blüten- und Fruchttrauben in üppigster Fülle entwickelnd. An den starken Stämmen von Ficusarten sitzen sonderbare dichte Bündel von Luftwurzeln einer Orchidee (Grammatophylium) (Taf.17 unten), welche ihre Unterlage, einen Baumast, in Gestalt eines Muffes umgeben und als Behälter für Feuchtigkeit und Humus dienen; daraus entspringen die länglichen saftreichen Scheinknollen dieser Pflanze (Taf. 17 oben). Ein schmaler Pfad ist von den Missionären auf der Höhe der Insel quer durch den Wald ausgehauen und allerhand niedere Farne und Sellaginellen bedecken ihn mit ihrem zier- lichen Blattgewirre. Darüber neigen sich die Kronen der hohen Bäume zusammen, und von der Höhe des Kammes blicken wir durch den Walddurchschlag hinunter auf die andere Seite der Insel, das blaue Meer und in schimmernder Ferne auf ein zweites dichtbewaldetes Eiland (Taf. 16 unten). Es ist ein wahrhaft paradiesisches Dahinwandeln, nur getrübt durch den Gedanken, daß die Zeit unseres Verweilens so kurz bemessen ist, denn wir hatten versprechen müssen, um 3 Uhr nachmittag wieder an Bord zu sein, da der „Seestern“ um diese Zeit abfahren sollte. Wir trafen den Dampfer von Eingeborenen- Kanus umringt an, die hier alle dreieckige weiße Segel hatten, mit denen die Eingeborenen sehr geschickt umgingen. Die Segel waren aus Leinwand und die Kunst des Segelns ist vielleicht erst von den Europäern übernommen worden; weder bei der Insel Buka noch Bougainville sahen wir je ein: Eingeborenen-Kanu mit Segeln. Auch die Ruder zeigten hier 72 Segelschiffe der Eingeborenen. Die „Tauben-Insel“. eine ganz abweichende Form, sie waren nicht lanzettlich geformt und bemalt wie auf den Salomons-Inseln, sondern hatten ein fast kreisrundes Ruderblatt und ein kurzes Querholz, alles aus einem Stück geschnitzt, einem großen aber ganz flachen Koch- löffel nicht unähnlich. Es war ein reizender Anblick, die schmalen behenden Kanus wie auf weißen Flügeln über die klaren blauen Wogen dahingleiten zu sehen. Bald nach unserer Ankunft setzte sich der „Seestern“ in Bewegung und die schöne Insel Poperang, auf der wir so genußreiche Stunden verlebt, lag bald weit hinter uns und die Segelboote der Shortlandsinsulaner schim- merten nur noch wie weiße Punkte im hellen Sonnenglanz. Jetzt trat wieder die Präparationstätigkeit in ihre Rechte, fesselte uns an das Speisezimmer und ließ uns nur Zeit, dann und wann einen Blick durch das Fenster auf das immer noch inselreiche Meer zu werfen. Gegen Abend warfen wir Anker -in der Nähe einer der allerkleinsten Inseln, welche einst von einem Kapitän nach besonders guter Jagdbeute Tauben - Insel genannt wurde. Die ganze Insel hatte ungefähr eine halbe Stunde im Umkreis, war dicht bewaldet und gänzlich unbewohnt; nur eine aus Zweigen von Laubbäumen und Coelococcos-Stämmen gefügte Hütte deutete auf den zeitweisen Besuch von mensch- lichen Wesen, Eingeborenen der Nachbarinseln, die sich hier offenbar bei Jagdausflügen vorübergehend aufhielten. Dr. K. und Kapitän M. bewaffneten sich mit Flinten und zogen voll Eifer auf Taubenjagd aus, wir schlossen uns ihnen an, ebenso lüstern nach botanischer Ausbeute. Nach kurzer Bootfahrt liefen wir die Insel an, auf dem sandigen Strand bot sich gute Gelegenheit zum Landen, und sofort stürzte jeder in einer anderen Richtung zur Erreichung seines Zieles, denn die Zeit drängte, dem wolkenlosen Tag war ein trüber Abend gefolgt und der Himmel umzog sich mit immer dichteren Wolken, die jeden Augenblick als schwerer Tropenregen niederzugehen drohten. Bald waren die Jäger im Dickicht verschwunden und wir, von der prachtvollen Strandvegetation gefesselt, arbeiteten uns, über riesige Baumstämme kletternd, mühsam am Ufer weiter. Prachtvolle Baumriesen, Calophyllum und Barring- tonia, die häufigsten Strandbewohner in diesen Gegenden, neigen sich weit über das Meer hinaus; ihre Stämme liegen Rechinger, Streiizüge in Deutsch-Neu-Guinea Tafel 18. Poiypodium quercifolium L auf einem wagerechten Ast in der Bucht von Kieta (Insel Bougainville). Calophyllum Inophyllum L am Strande der Insel Bougainville, u Rechinger, Streifzüge in Deutsch-Neu-Guinea. Tafel 19. ingeborenen-Dorf Numa-Numa, Insel Bougainville. F u Zurück nach Kieta. Die neue „Polizeistation“. 73 oft viele Meter auf dem Boden auf, wie die Leiber gigantischer Drachen, die Krone mit den wagrecht abstehenden Ästen er- hebt sich über den Boden (Taf. 27 oben), und unter dem Schutze des dichten Laubes gedeihen zahllose Epiphyten; dazwischen schlingen sich Lianen, Während Calophyllum und Barringtonia den Strand fast ausschließlich beherrschen, stellt sich wenige Schritte landeinwärts der für die Tropen bezeichnende Arten- reichtum an Bäumen und Sträuchern ein; besonders auffallend war hier ein Baum, dem Chinarindenbaum nahe verwandt, mit köstlich duftenden rahmweißen Blüten bedeckt, und über das dichte Gewirre erheben sich die kolossalen Fiederblätter der Sagopalme (Coelococcos). Die rasch eintretende Däm- merung fand uns alle wieder beim Boote vereinigt; die Aus- beute der Jäger war nicht so reich wie die botanische aus- gefallen, denn eine einzige Taube war das Opfer der Nimrode. Am 26. September wurde die Fahrt ohne Aufenthalt bis zur Kietabucht fortgesetzt, wo wir während des Mittagessens Anker warfen. Gleich nach Tisch begab sich Dr. Hahl an Land, um das Fortschreiten des Baues der neulich von ihm gegründeten Polizeistation zu inspizieren, und auch wir schlossen uns an. Ein Platz auf einer Anhöhe ca. 50 Meter über der Meeres- fläche war ausgehauen worden und ein breiter Weg vom Ufer aus hinauf angelegt. Eben waren die Soldaten, sowie eine Anzahl von Einwohnern der naheliegenden Dörfer beschäftigt, für das Haus des zukünftigen Leiters der Station einen Platz zu ebnen; ein Teil der Anhöhe wurde abgegraben und das gewonnene Erdreich zur Aufschüttung des Abhanges benützt. Daneben standen provisorische Bauten, flüchtig errichtete Zelte oder Hütten, die nur aus einigen in die Erde gerammten Stämmen bestanden, mit einem Dach aus Wellblech, der Bedachung der künftigen Häuser, darauf gelegt, um die häufigen Regengüsse abzuhalten. Große Vorräte waren darunter gelagert an Bau- holz, Lebensmitteln und Munition. Eine der Hütten diente dem Bauleiter und dem Heilgehilfen als vorläufige Wohnung, eine den Soldaten, eine kleine Hütte war von den wenigen verheirateten, eingeborenen Soldaten bewohnt, denen es er- laubt worden war, ihre Weiber mitzunehmen, eine andere Hütte diente als Krankenhaus und war schon von zwei 74 Urwald- und Strandvegetation. Papua-Patienten bewohnt. Überall wird eifrig gegraben, gesägt, gehämmert und gezimmert, für Tischlerarbeiten waren ein paar Chinesen mitgenommen worden, es herrschte fröhliches Treiben und emsige Tätigkeit wie in einem Ameisenhaufen. Von der Anhöhe führte ein neu angelegter Pfad zu einer etwa 1/4 Stunde entfernten Trinkwasserquelle, einem kleinen Wasser- faden in einem Tal unweit der Küste, der in eine mit Ziegeln aus- gemauerte Grube geleitet worden war. Der frisch ausgehauene Pfad zu dieser Quelle bot uns reichlich Gelegenheit, in die Zusammensetzung des dichten Waldes einen guten Einblick zu bekommen. Die hohen Kronen verschiedener Laubbäume überwölbten hier ein wahres Palmendickicht, vor allen einer Fächerpalme (Licuala) mit geraden, dünnen Stämmen, aus festem dunklen Holz, die unser Begleiter Sveri, der Diener des Gouverneurs, besonders zärtlich betrachtete: „good for sipeeri“ (Gut für Speere) sagte er. Häufig waren auch hier zweierlei Palmen mit Fiederblättern, die eine der Cyphokentia Samoen- sis ähnlich, die andere mit sehr dicht gedrungenem Fruchtstand (Areca macrostachya). An feuchten Stellen, besonders in der Nähe der Quelle, standen hohe Bambusstauden und vereinzelte Farnbäume trugen ihre duftigen Wedelkronen auf schlanken Schäften. Von der Quelle schlugen wir uns einen Weg durch den dichten Wald bis zum Strand, wo sich eine ähnliche Vege- tation bot, wie gestern auf der Taubeninsel, nur noch groß- artiger und üppiger. Auch hier wieder die riesigen, weit über den Strand hin, dem Meer zugeneigten Stämme von Calophyllum und Barringtonia, dazwischen die weniger mächtigen Hernan- dia- und Cerbera-Bäume, letztere mit weißen, röhrenartigen Blüten, unserem Oleander ähnlich. Alles wird umstrickt von ganzen Mauern von Schlingpflanzen der verschiedensten Art, vor allem die häufige Mucuna und Uncaria, letztere eine Com- bretaceae mit kugeligen, feuerig gelbroten Blütenballen, mit krallenartigen Kletterorganen, ein besonderer Schmuck dieses Küstenstriches. Auch eine prächtige Dracaena (Cordyline) fand sich hier im Schatten als hoch aufschießender Unter- wuchs vielfach verzweigt und mit gelben Blütenrispen. Noch nie sahen wir eine tropische Strandvegetation in solcher Viel- gestaltigkeit und Üppigkeit, wie hier und geradezu märchen- haft wirkte die großartige Entwicklung der Epiphytenflora. Zahlreiche Epiphyten. 75 Ein einziger der uralten Calophylium-Riesen trägt aufseinem Geäste mindestens ebensoviele Pflanzenarten als der Erdboden in einem ziemlichen Umkreis. Aus allen möglichen Pflanzen- familien haben sich einzelne Vertreter an die Lebensweise auf der Baumrinde angepaßt, die meisten hängen als Fransen oder Guirlanden von den Ästen herab: Bärlappgewächse verschiedener Art, vielerlei Farne, besonders schön eines, dessen Wedel an ungefähr 3 m langen, ebenholzschwarzen Spindeln smaragd- grüne Fiederblätter (Asplenium) tragen, ein anderes mit band- artigen, ungegliederten Blättern, die meterlang herabhängen und im Winde fluten (Ophioglossum pendulum); verschiedene Orchideen teils mit zartem, im Winde schaukelndem Gehänge, teils derber mit dicken, fleischigen, riemenartigen Blättern (Vandopsis). Einige sitzen in Astgabelungen zu dichten Büscheln vereint mit kleinen, unscheinbaren Blüten, andere bilden filz- artige Geflechte von Luftwurzeln (Grammatophylium) und lange Ähren großer, gelber Blüten. Am sonderbarsten nimmt sich Polypodium quercifolium aus, dessen Nischenblätter sich eng an die Zweige anschmiegen, ganze Äste wie mit Schuppen be- deckend und Humus und Wasser speichernd, während sich einzelne mehrgeteilte Wedel auf langen Stengeln in die Luft erheben (Taf. 18 oben). Auch Laub- und Lebermoose, sowie Flechten sind in mannigfachster Gestaltung auf der Rinde der Bäume zu finden. Selten haben wir so vielerlei Pflanzen in herrlichster Entfaltung auf einen so kleinen Fleck Erde vereint gesehen. Auch vom rein ästhetischen Standpunkt aus betrachtet, war es unvergleichlich schön hier im magisch-grünen Dämmer- licht unter den domartig gewölbten Baumkronen, die von riesigen, vielfach schlangenartig gekrümmten Stämmen getragen wurden, darunter der feine weiße Sand, den allmählich heran- schleichende Flutwellen bedeckten. Leider war es fast nicht möglich, dieses unvergleichliche Bild photographisch festzu- halten, denn ein heftiger von der See her wehender Wind erhielt alle Blätter und besonders die von den Bäumen hän- genden Pflanzen in steter Bewegung und für Momentaufnahmen war es in dem grünen Dämmerschein viel zu dunkel, nur eine Aufnahme des starren Polypodium quercifolium gelang. Im seichten Wasser auf dem Korallenriffe watend, machten wir uns auf den Rückweg, das Meerwasser war noch wärmer 76 Riffwanderung. Dorf Numa-Numa. als die Luft (ca. 24—25° R). Nicht das Wasser macht das Gehen auf dem Riff so unangenehm, sondern die scharfen Spitzen und Kanten, die plötzlichen Unebenheiten und Ver- tiefungen, so wie das salzig-klebrige Gefühl, das der Salz- gehalt des Meerwassers auf der Haut verursacht. Ehe wir in die Bucht von Kieta gelangen, geht es noch an einer Steil- küste entlang, deren Felsen von einem ganzen Dickicht von Cycadeen-Bäumen mit starren, dunkelgrünen Wedelkronen be- deckt sind und in schönem Gegensatz zu diesen stehen, zarte Sträucher mit feinem biegsamen Gezweige mit kleinen Blättern und über und über mit weißgrünen Blütchen besät. In der Bucht von Kieta erwartete uns ein Boot am Rande des Riffes dem „Seestern“ gegenüber, zu dem wir bis über die Knie im Wasser watend gelangten. Bis 1 Uhr nachts mit dem Einlegen der Pflanzen beschäftigt, beschlossen wir diesen Tag, dessen Eindrücke zu den allerschönsten unserer Reise zählen. Am 27. September setzte der „Seestern“ früh morgens seine Fahrt längs der Küste in nördlicher Richtung fort und ankerte kurze Zeit in einer ziemlich weiten Bucht, die von hohen, grün bewachsenen Bergen umschlossen war, welche zum Teil in dichten Wolken steckten. Schon um 9 Uhr früh wird die Fahrt fortgesetzt, wir sehen zum größten Teil in dichte Wolken gehüllt die hohen Berge der Insel, deren höchste Erhebung, ein noch tätiger Vulkan, mit dem Namen „Balbi“ bezeichnet wird und 3000 Meter absoluter Höhe erreichen soll. Gegen 2 Uhr nachmittag wird nahe der Küste vor dem Dorfe Numa-Numa Anker geworfen, wo der Gouverneur Leute an- werben will. Da die Bewohner dieser Gegend als besonders scheu und wild bekannt sind, gehen diesesmal vorerst keine Boote an Land, sondern der alte Kamis, ein langbewährter Eingeborener-Unter- offizier der Schutztruppe, steht am Bug des Schiffes und winkt verheißend mit roten Lavalavas (Hüftentücher aus Kattun als Tauschgegenstand). Doch am Strand vor dem nahe gelegenen Dorf bleibt alles still und nur in einiger Entfernung sieht man schwarze Gestalten aufgeregt hin- und herlaufen, offenbar un- entschlossen, ob sie fliehen oder den einladenden Winken folgen sollen. Endlich werden zwei Kanus über den weißen Sand ins Meer geschoben. Zögernd nähern sie sich dem „Seestern“; Ablehnende Haltung der Eingeborenen. #1 sie bringen nur einige ganz alte Dorfbewohner, die an Bord sehr freundlich aufgenommen werden. Das ganze Schiff wird ihnen gezeigt, auch allerhand für sie begehrenswerte Geräte sowie die angeworbenen Papuas bei ihrer üblichen Beschäfti- gung an Bord, um zu zeigen, wie wohl sich diese hier fühlen. Dabei wurde ihnen nahegelegt, auch junge Leute ihres Dorfes anwerben zu lassen. Sie ließen alles ruhig, aber mit kaum verhohlenem Mißtrauen über sich ergehen und erklärten end- lich, sie könnten keine jungen Leute hergeben, denn alle habe der große Geist verzehrt; er habe böse Dünste geschickt und daran sei die ganze Jugend des Dorfes gestorben. Sie spielten hiermit auf den Vulkan Balbi an. Die wahre Ursache ihrer Zurückhaltung dürfte aber die sein, daß in dieser Gegend in größerem Maßstabe von anderer Seite angeworben wird und von dieser ihnen der Dienst in Herbertshöhe als unangenehm oder gar gefährlich geschildert wird, um sie von dort abzuhalten. Darauf zogen die Dorfältesten und Häuptlinge ab und der „Seestern“ fuhr wieder ein Stück weiter. Beim nächsten Dorf, Numa-Numa, das ebenso ganz verlassen vor uns lag, landeten wir in Booten. Ein einziger uralter Mann mit gräßlichen Fuß- wunden war im Dorfe zurückgeblieben und saß ängstlich um- herblickend vor seiner Hütte. Der Gouverneur teilte die Schutzmannschaft in zwei Teile, umging mit dem einen Teil das Dorf auf der Suche nach Eingeborenen, während wir unter Bedeckung des anderen Teiles der Polizeitruppen im Dorfe zurückblieben (Taf. 15 unten und Taf. 19). Es gab hier am Strand viel Schönes zu sammeln: Eine von der gewöhnlichen Form abweichende Hernandia-Art mit auffallend großen blasig aufgetriebenen Schwimmfrüchten, eine baumförmige Boraginee Tournefortia argentea, unserem Helio- tropium verwandt, und in wunderschönen Exemplaren die Cordia subcordata, ein Baum mit orangegelben Blüten, der fast bei jedem Dorf von Buka und Bougainville zu finden ist und dessen wertvolles und schönes Holz mitunter zu Einlege- arbeiten nach Europa gebracht wurde (Taf. 15 unten links). Von den Ästen der Bäume hängen auch hier vielerlei epiphytische Farne und Orchideen. Nach einiger Zeit erschien Dr. Hahl wieder in Begleitung einiger Eingeborener, deren Zutrauen bereits gewonnen war, 78 Dorf Numa-Numa. Tarokultur der Eingeborenen. und wir gingen gemeinsam zu dem nächsten eine Viertelstunde inlands liegenden bedeutend größeren Dorfe, das dicht be- völkert ist, besonders viel Weiber und Kinder beherbergt und gegenwärtig wohl auch die Bewohner des ersten Dorfes aufgenommen hatte. Einige der Dorfbewohner begleiteten uns zu ihren land- einwärts gelegenen Pflanzungen. Der schmale Pfad, auf dem man wie gewöhnlich im Gänsemarsch dahinziehen mußte, führte zuerst durch dichte Bestände von 3—5 m hohen fast stamm- losen Riesenfarnen (Pteris) mit glänzend schwarzbraunen Wedelstielen, steif aufrecht und dicht aneinander gedrängt, so daß es unmöglich war, vom schmalen Pfade abzuweichen. Endlich sind die Pflanzungen, die nur aus Taro (Colocasia) und wenigen Bananen bestehen, erreicht. Die Felder sind un- gemein rein von Unkraut und gut gehalten, die Pflanzen gleich groß, regelmäßig und in gleichen Abständen voneinander ge- setzt. Die Wege sind zu beiden Seiten von auf dem Boden liegenden dünnen Baumstämmen eingefaßt und die ganze Pflanzung nach außen hin sorgsam eingezäunt, offenbar zum Schutz gegen die dort gezogenen und meist frei umherlaufenden Schweine (Taf. 21 unten). An manchen Stellen sind Überstiege über den Zaun angebracht, ganz ähnlich denen in unseren Alpen- ländern, bestehend aus in den Boden gerammten Pfosten mit einem daraufgelegten Querholz. Ein Teil der Felder liegt brach, d. h. auf dem sich selbst überlassenen Boden wächst rasch ein sekundärer Buschwald, untermischt mit Bäumen von ziemlicher Höhe auf, welcher nach einer Reihe von Jahren, nachdem der Boden geruht hat, wieder geschlagen oder ab- gebrannt und aufs neue bepflanzt wird. Mitunter ziehen die Eingeborenen aber auch ganz fort von ihrer ersten Ansiedlung und legen neue Felder an. Der sekundäre Busch an dieser Stelle bestand hauptsäch- lich aus Ulmaceen (Trema), Hibiscus (Eibischbaum) und anderen Malvaceen, Urticaceen, Croton (Euphorbiaceae), Araliaceen, vielfach von Schlingpflanzen durchwoben, unter denen besonders ein Schmetterlingsblütler auffällig war, dessen große grüne Deckblätter die kleinen Schoten fast ganz ver- hüllten (Phylacium bracteosum). Auch hier bildeten den Unterwuchs, wie überall in diesen Gebieten, schöne riesige TI ——— ——_———— Im Herzog Ernst Günter-Hafen. 79 Alpinien (Zingiberaceen) (Taf. 15 oben) und außer den häufigsten tropischen Unkräutern, Sida, Triumfetta, Commelinaceen, Agera- tum entsprossen dem Boden zwei Arten von Erdorchideen, die wir auch auf Samoa in ähnlichen jungen Buschwäldern fanden. Die eine dieser beiden Orchideen ist ein Humusbewohner ohne Blattgrün, mit winzigen bleichen Blüten auf dem schuppen- besetzten Schaft, die andere fanden wir sowohl hier wie auf Samoa stets ohne Blüte, nur mit einem einzigen herzförmigen Blatte (Pogonia). In weitem Bogen wanderten wir abwechselnd durch Pflanzungen und Buschland dahin, die Luft war ungemein dumpf und warm und so von Feuchtigkeit erfüllt, daß diese als schwacher Regen niedersank, kein Lüftchen regte sich. Zum Schlusse verweilten wir noch einige Zeit in dem großen Dorf, aber trotz der nunmehr freundlichen Haltung der Ein- wohner gelang es auch hier nicht, Leute anzuwerben. Mit Einbruch der Dunkelheit kehrten wir wieder an Bord des „Seestern“ zurück. Wie allabendlich beschloß den Tag emsige Präparationstätigkeit, begleitet von den anregendsten und interessantesten Erzählungen Dr. Hahls, durch welche es uns bei unserem kurzen Aufenthalt in Deutsch-Neu-Guinea mög- lich war, einen bedeutend tieferen Einblick in das Leben der Eingeborenen und Europäer zu gewinnen, als wir nur durch eigene Anschauung erhalten hätten. Um 10 Uhr vormittag des nächsten Tages lief der „See- stern“ in den Herzog Ernst Günter-Hafen ein, eine weite Bucht, der unzählige flache Korallen - Inseln vorgelagert sind, alle von dichtem Busch bewachsen. Am Strand wimmelt es von Eingeborenen, der Gouverneur fährt im Boot hinüber, um sich mit ihnen zu verständigen, und da er nicht die Absicht hat, das Boot zu verlassen, bleiben wir an Bord. Plötzlich erscheint das Boot wieder, Dr. Hahl war doch an Land ge- gangen und ließ uns abholen, da eine besonders schöne Vege- tation den Strand bedeckte. Wir fanden den Gouverneur, um- ringt von Eingeborenen, im Schatten der wagrecht gegen das Meer gestreckten Äste eines riesigen Calophyllum -Baumes (Taf. 18 unten), und gleich unser erster Blick in dessen Gezweige ließ uns erkennen, wie dankbar wir für das Abholen sein mußten, denn unter den zahlreichen Epiphyten entdeckten wir die Myrme- 80 Myrmecodia. Insel Djup. codia-Art aus dem Baining-Gebirge, die wir bisher nur dieses eine Mal gefunden und so rasch durch die unzeitgemäße Ord- nungsliebe des bedienenden Chinesen wieder verloren. Bald zeigte es sich, daß vier gänzlich verschiedene Arten dieser merk- würdigen Ameisenpflanzen auf zwei nebeneinander stehenden Bäumen wuchsen, vom Boden aus gerade noch mit der Hand zu erreichen. Alle wimmelten von Ameisen, die wütend her- vorstürzten, sobald man den Stamm - Knollen berührte; die eine beherbergte nur rote, die andere nur schwarze Ameisen. Die Knollen hingen meist an wagrechten Ästen, nach unten mit ihren Zweigen gerichtet, manche nur an einer Wurzel baumelnd und dennoch von beträchtlicher Größe. Die Eingänge in ihr Inneres für die Ameisen lagen alle an der nach unten ge- richteten Seite, vor dem Regen trefflich geschützt. Während aus den Knollen der einen Art große längliche Blätter ent- sprangen (Myrmecodia), wuchsen aus denen der drei anderen Arten 2—3 m lange Äste, mit rundlichen dicklichen Blättern besetzt, alle hatten kleine unscheinbare weißliche Blüten. Die- selben Bäume zierten die schönen Ranken einer Hoya (Wachs- blume) mit herrlichen großen Blütendolden, die sich unsere Polizeijungen sofort in ihr dichtes schwarzes Wollhaar steckten. Die Eingeborenen waren hier sehr zutraulich und es kamen ihrer immer noch mehr einzeln aus dem Busch hervor. Unter ihnen sahen wir das erste wirklich schöne Mädchen in Neu- Guinea. Es war etwa vierzehn Jahre alt, zart und ungemein eben- mäßig gebaut, ganz nackt und schmiegte sich ängstlich an seinen männlichen Begleiter. Gestalt und Haltung sowie die dunkle Hautfarbe erweckten den Eindruck einer lebendig ge- wordenen Bronzestatue, etwa eine Psyche darstellend. Nach kurzem Verweilen an diesem herrlichen Strand unter den riesigen Bäumen bestiegen wir wieder die Boote, um zur gegenüberliegenden kleinen Insel Djup zu fahren, die mit der Küste von Bougainville durch ein Riff verbunden war. Vom Ufer nur durch einen schmalen Streifen Buschwerk getrennt lag dort ein großes schönes Dorf, von Eingeborenen männlichen und weiblichen Geschlechtes in allen Altersstufen reich belebt, wie wir sie in solcher Menge versammelt nicht früher noch später jemals gesehen. Fast alle waren ganz nackt, nur manche Weiber trugen einen fächerförmigen Schurz, aus Palmenblättern Rechinger, Streifzüge in Deutsch-Neu-Guinea. Tafel 20. Avicennia mit senkrecht aus dem Boden wachsenden Atemwurzeln, Strand bei Jeta, Insel Buka. Dorf Jeta, Insel Buka. Tafel 21. Rechinger, Streifzüge in Deutsch-Neu-Guinea. Alang-Alang-formation auf der Insel Buka. Tarofeld der Eingeborenen auf der Insel Buka. Dorf Djup. Ängstliche Papuas. 81 säuberlich zusammengefügt, mitunter am Rande mit schwarzen und roten Baststreifen durchflochten, andere wieder an einer Art Gürtel um die Mitte ein Büschel Blätter oder Bastfasern ‘hängen. Noch nie war eine weiße Frau auf dieser Insel ge- wesen, und da einige der Eingeborenen meinten, sie sei viel- leicht gar nicht körperlich, sondern nur ein Gespenst oder unglückbringendes Trugbild der Weißen, forderte der Gou- verneur einige von ihnen auf, die weiße Frau zu berühren, was ein alter Mann unter Zittern mit angstvoll verzerrtem Gesicht auch tat, ein anderer mit erfreutem Grinsen. Großen Schrecken verursachte ein Hündchen, das Herr W. als Tausch- artikel mitgenommen. Als es zu bellen anfing, stoben die Um- stehenden in wilder Flucht auseinander und kletterten sofort auf die nächsten Kokospalmen und beruhigten sich erst, nach- dem es dem Besitzer gelungen war, das geängstigte, aufgeregt kläffende Tierchen einzufangen. Trotz des regen Lebens flogen mitten im Dorfe die schönsten Riesenfalter ab und zu und ruhten besonders gerne auf dem „Gemeindekehrichthaufen“, der hauptsächlich aus den prächtigen Gehäusen der Perspectiv- schnecke bestand, deren lebender Inhalt verzehrt worden war. In brennendem Glanze der Mittagsonne, den die stille See in tausend Lichtern zurückwarf, fuhren wir an Bord zurück, und der „Seestern“ blieb von Eingeborenenbooten umringt bis zur baldigen Abfahrt aus dem schönen reich belebten Hafen. Der Rest des Tages verging in regstem Leben und Treiben an Bord. Die Fahrt längs der Küste wurde sehr oft für kurze Zeit unterbrochen und die ersten erfolgreichen Anwerbungen fanden statt, ohne daß der Gouverneur den Fuß an Land zu setzen brauchte, da seine Persönlichkeit hier wohlbekannt war. Der „Seestern“ wurde stets von Scharen von Kanus umschwärmt, nicht bloß ihre waffenfähigen jungen Leute wurden herbeigebracht und angeboten, sondern auch alle Erzeugnisse der Eingeborenen, Speere, Bogen, Pfeile, Ruder, ferner Betel- und Kokosnüsse, in der Hoffnung Tabakstangen, porzellanene Armringe, Angel- haken, Messer verschiedener Größe, Beile, Lavalavas (aus rotem Kattun) und Tonpfeifen dafür einzuhandeln. Die Menge der angebotenen Speere und besonders Pfeile wurde so groß, daß der Gouverneur in komischer Verzweiflung ausrief: „to morrow me cook him coffee!“ (morgen koche ich Kaffee damit). Nur Rechinger, Streifzüge in Deutsch-Neu-Guinea. 6 82 Ein gekentertes Kanu. um die gute Stimmung der Bewohner dieser Gegend auch für eine nächste Anwerbung zu erhalten, wurde vieles eingetauscht, was schon in zahlreichen Stücken an Bord vorhanden war. Das lebhafte Anbieten und Feilschen, Hinunterwerfen und Winken, das Vergleichen der eingetauschten Schätze unterbrach immer wieder unsere Anstrengung, die Vormittagsausbeute zu bewältigen. Das Hündchen, das heute morgen den Schrecken der Einwohner von Djup gebildet hatte, erregte auch einmal unseren heftigsten Unwillen, da wir es überraschten, wie es in unseren sorgfältig aufgeschichteten Pflanzenpaketen herumwühlte und die weichen Papierzwischenlagen mit Wonne in Fetzen riß. Allmählich wurde die See immer bewegter und dadurch das Bild der vielen auf- und abschwankenden Kanus immer lebhafter. Pünktlich wurde Moriz, der kleine Diener des Ober- Richters Dr. K., von seinen Angehörigen, bei denen er eine Woche Urlaub verbracht hatte, wieder zurückgestellt. Dr. K. stand an der untersten Stufe des Fallreeps, um die Angehörigen Morizens mit einigen Geschenken zu entlohnen. Andere Kanus drängten sich hinzu, um auch das Fallreep zu erreichen, da hob eine kräftige Welle die zierlichen hochgeschnäbelten Kanus hoch empor und warf eines derselben mit solcher Gewalt gegen die eiserne Schiffsleiter, daß es mitten entzwei brach. Die eine Hälfte kippte sogleich um und sank unter, die andere hielt sich eine Weile über Wasser. Im ersten Augenblick er- schraken wir heftig und fürchteten für das Leben der Insassen, unter denen sich auch einige Kinder befanden. Aber bald verwandelte sich unser Schrecken in Heiterkeit, als wir be- merkten, daß keiner von ihnen an die Gefahr des Ertrinkens nur dachte; ruhig, als wäre nichts geschehen, hielten sie sich schwimmend und jeder war nur besorgt, die eben erworbenen Gegenstände über Wasser zu halten, sogar die glimmende Pfeife im Munde brannte weiter. Sofort wurde vom „Seestern“ ein Rettungsring ausgeworfen, doch trieb ihn die Strömung so rasch ab, daß ihn die Schwimmenden nicht mehr erreichten. Ein Rettungsboot vom „Seestern“ wurde klar gemacht, den Schiffbrüchigen nachgeschickt, und bald waren sie wieder in Sicherheit, nur ein von ihnen selbst verfertigter irdener Topf, für den ihnen kein angebotener Tauschgegenstand gut genug dünkte, war unter lautem Geschrei der Besitzer versunken. Landung auf der Insel Buka. 83 Am Abend dieses belebten und abwechslungsreichen Tages ankerten wir wieder in der wunderbaren Bukastraße zwischen den Inseln Buka und Bougainville, und durch die vielen Wasser- straßen, die zwischen den Inseln lagen, kamen von allen Seiten Kanus gezogen. Der „Seestern“ war auch hier bei den Ein- geborenen eine vertraute und beliebte Erscheinung. Am nächsten Morgen, den 29. September, betraten wir gleich nach Sonnenaufgang das Deck, auf dem bereits reges Leben herrschte. Eben wurde ein Boot klar gemacht, das zwei der Herren zu einer entfernten kleinen Insel bringen sollte, von der man sich gute Anwerbungsresultate versprach. Der Gouverneur selbst blieb an Bord, um unter den zahl- reichen sich anbietenden Papua-Jünglingen zu wählen. Auch uns beiden wurde ein Boot zur Verfügung gestellt, sowie Sveri, der schwarze Diener des Gouverneurs, nebst einem anderen An- gehörigen des Bukadorfes, welches wir besuchen wollten, als Führer. Zum ersten Male gingen wir ohne bewaffnete Schutzmannschaft an Land und waren einzig und allein dem Schutze und der Führung Sveris und seines Kameraden anvertraut, denn unser Ausflug führte in ihr Heimatsdorf Jeta auf der Insel Buka, und die Begleitung durch Bewaffnete hätte in diesem Falle nur Mißtrauen unter den friedlich gesinnten Bukaleuten hervorgerufen, während sie die von ihrem Stammes- genossen Geleiteten als Gastfreunde betrachteten. Mit den ein- ‚dringlichen kurzen Sätzen des Pidgin-Englisch schärfte Dr. Hahl bei der Abfahrt dem Buka seine Obliegenheiten und Pflichten ein, während Sveris gutmütiges schwarzes Gesicht vor Freude leuchtete, seinen Heimatsort wieder besuchen zu dürfen (Taf. 26 unten). Bald glitt unser Boot unter den starken Ruderschlägen der Schiffsjungen über den Wasserspiegel, und die herrlichen vielfarbigen Gebikde des Korallenriffes leuchteten zu uns herauf. In kurzer Zeit umschlossen dichte hohe Mangrovebestände unsere Wasserstraße enger und enger und ließen uns die große Mannigfaltigkeit der hier so artenreichen Pflanzenformation . deutlich erkennen, während unser Auge von Samoa her ge- wöhnt war, in der Mangrove nur zwei Baumarten zu unter- scheiden. Bei einer großen Avicennia-Gruppe, deren Wurzeln sich weit in horizontaler Richtung auf dem Riff ausbreiten und 6* 84 Die Insel Buka. Weg nach Jeta. Alang-Alang. Atemwurzeln senkrecht in die Luft bis zu !/2 m Höhe aus- senden, die spargelähnlich über den seichten Wasserspiegel ragen (Taf.20 oben), zogen die schwarzen Ruderer das Boot ans Ufer und wir trugen ihnen auf, uns um 2 Uhr nachmittags an dieser Stelle wieder abzuholen. Sie kehrten mit dem Boot zum „Seestern“ zurück, während wir uns landeinwärts wendeten. Zu- erst führte uns Sveri in sein unweit der Küste gelegenes Heimats- dorf Jeta (Taf. 20 unten), dessen langgestreckte Hütten ziemlich vereinsamt dalagen. Ein großer schön gebauter junger Buka und mehrere halbwüchsige Kinder schlossen sich uns an, während sie mit Sveri kurze Reden tauschten. Für uns und unsere Sammeltätigkeit bezeugten sie eine lebhafte Neugierde, die aber einer gewissen würdevollen Reserve nicht entbehrte. Sveri, der auf vielen unserer Exkursionen mitgewesen war, Kannte unser Bestreben, in möglichst unkultivierte Gegenden auf dem kürzesten Wege zu gelangen, und führte uns einen schmalen Eingeborenen-Pfad durch nicht hohes Buschwerk, das ohne Zweifel an Stelle ehemaliger Pflanzungen der Bukas entstanden war. Hier beobachteten wir ein in den Tropen seltenes Vor- herrschen blaublühender Pflanzen: Calystegia-Arten (Windlinge) und Commelinaceen. Zahlreiche Papilio- und Danais- Arten durchquerten die Luft, große bunte Spinnen saßen auf den Sträuchern und Bäumen. Endlich gelangen wir auf eine lange weit hingestreckte Alang- Alang-Steppe, die beinahe den Ein- druck einer Waldwiese erwecken könnte. Zwischen den hohen steifen Grasblättern der Imperata arundinacea, die die Haupt- masse bilden, sehen wir verstreut kleine unscheinbare, meist einjährige Gewächse (Vernonia, verschiedene andere Korb- blütler, Heliotropium, mehrere Cyperus- und Farnarten), in ihrer Wuchsform ganz an die Bewohner mitteleuropäischer Wiesen erinnernd (Taf. 21 oben). Nachdem die Alang-Alang-Steppe überschritten war, ge- langten wir wieder in einen Buschwald, der älter zu sein schien, als der frühere. Besonders reichliche Ausbeute lieferte er an verschiedenen Pfefferarten (Piper); am auffallendsten war ein 5—6 m hoher Piperstrauch mit schönem großen Blattwerk, der der bekannten Ava-Ava (Piper methysticum) sehr ähnlich sah und derselben nahe verwandt ist (Taf. 23 unten). Auf unser Befragen erklärten die Eingeborenen, daß diese Pflanze zu nichts Pfeffer-Arten. Colocasia-Pflanzung. 85 zu gebrauchen sei. Dagegen schienen in nächster Nähe an Baum- stämmen hinaufklimmende Pflanzen von Piper Betle nicht zu- fällig hier zu wachsen, sondern unter gewisser Pflege gezogen zu werden. Die halbreifen Fruchttrauben dieser Pflanze sowie auch mitunter ihre zusammengerollten grünen Blätter sahen wir stets auf den Salomons-Inseln mit gelöschtem Kalk und Stücken der Betelpalmensamen (Areca Catechu) bei den Ein- wohnern als Genußmittel zum Kauen in Verwendung, und zwar führten sie den Kalk, den ihnen wohl die Korallenriffe liefern, gebrannt in Büchsen aus Bambusrohr oder in ausgehöhlten Kürbisfrüchten mit sich und tauchten die abgebissenen Piper- Trauben sowie Betelnuß-Stückchen in den Kalk ein, bevor sie dieselben zum Munde führten, ähnlich wie wir Gartenerdbeeren in Zucker tauchen oder Rettige in Salz, bevor wir sie genießen. In diesem Buschwalde fanden sich auch mehrere andere Pfefferarten, eine besonders schön mit kurzen gelben Frucht- trauben und großen runden Blättern, eine andere mit länglichem Laube an dem fruchttragenden klimmenden Teil der Pflanze, während die jungen, auf dem Erdboden umherkriechenden Triebe derselben Pflanze stets runde Blätter trugen; wir freuten uns sehr, hiermit endlich den Schlüssel zur Erklärung der stets sterilen aber ungemein häufigen Form mit runden Blättern gefunden zu haben. Nach längerem Wandern gelangten wir an eine Taro- (Colo- casia) Pflanzung der Eingeborenen, die sehr sauber gehalten und von jedem Unkraut frei war, ungefähr von rechteckigem Umriß, mit regelmäßig sich kreuzenden Wegen und von Zäunen aus dünnen Baumstämmen umgeben. Die große Sauberkeit und der rationelle Betrieb dieser Pflanzung, die gewiß nicht unter europäischem Einfluß entstanden war, rückte uns vor Augen, wie doch in der Bearbeitung des Bodens zum Zwecke der Nahrungsgewinnung die wildesten und kultiviertesten Völker der Erde einander nahe stehen; es ist vielleicht derjenige Punkt, in welchem sich die relativ geringsten Unterschiede in der Arbeitsleistung beider zeigen (Taf. 21 unten). Nach längerem lehr- und genußreichen Wandern und Sammeln kehrten wir nachmittags in das Dorf Jeta zurück, das jetzt bedeutend belebter war als am Morgen, doch zeigten die meisten Eingeborenen eine gewisse Scheu vor uns und näherten 86 - Pandanus-Hain. Zurück zum „Seestern“. sich uns nicht zu sehr. Unserem Sveri hatte sich ein junges Bukamädchen angeschlossen und begleitete ihn bis zum Strande, wo uns noch eine botanische Überraschung erwartete. Wir waren an einer anderen Stelle zum Meere gelangt, als bei der Ankunft, und unweit vom Ufer stießen wir auf einen ganzen Hain eines Pandanus, der von ganz anderer Gestalt war, als alle, die wir bis jetzt gesehen. Als dichtes Gestrüpp von etwa 10 m Höhe standen sie dicht gedrängt, und zwischen den schmalen 1—2 Fuß langen Blättern, die an den dünnen, oft verzweigten Ästen als Büschel standen, lugten kleine orange- ‚gelbe Fruchtstände von Hühnereigröße hervor, während sonst die Pandanus-Arten dieser Gegend über kopfgroße Fruchstände haben. Der Habitus, das dünne Gezweige und die kleinen Fruchtstände gemahnen vielfach an die systematisch nahestehende Gattung Freycinetia. Wir waren mit diesem schönen und auf- fallenden Fund sehr zufrieden und froh über den Umstand, noch eine freie Platte im Apparat zu haben, um seine charak- teristische Wuchsform festhalten zu können (Taf. 22). Etwas verspätet gelangten wir zu der Stelle, wo uns bereits das vom „Seestern“ entsendete Boot erwartete. Wir waren mit dem Verladen unserer Ausbeute beschäftigt, als uns ein herz- zerreißendes Jammern und Schluchzen aufstörte: Das Baku- mädchen hing an Sveris Hals und nahm so rührenden und lautklagenden Abschied. Sveri verhielt sich ziemlich ruhig und antwortete auf Befragen: „me come back, mary belong me“ (Wenn ich zurückkomme, wird sie meine Frau). Mary ist im Pidgin-Englisch die Bezeichnung für Frau, von dem Eigen- namen Mary abgeleitet. Nur zu rasch ging die herrliche Bootfahrt zum „Seestern“ vorüber, in dessen Umgebung ein noch lauteres Leben als am Morgen herrschte. Wieder waren einige Kanus von den Wellen am Fallreep zertrümmert worden. An Bord wimmelte es von eben angeworbenen schwarzen Jünglingen, die sich mehr oder minder zutraulich ihre neue Umgebung besahen, manche waren noch von einer mattgrauen Schmutzschicht bedeckt und gänzlich nackt, andere schon gereinigt und unter dem wohltätigen Einfluß von Bürste und grüner Seife glänzend schwarz wie poliert, die Hüften mit dem hochroten Kattuntuch „Lavalap“ umschlungen. Einige alte Familienhäupter mit großer Glatze Anwerbungsszenen. 87 und zahnlosem Mund hielten durch Schreien und Fluchen ihre jüngeren Stammesgenossen, die gerne an Bord gesprungen wären, in den Kanus zurück, und der Gouverneur war stets sorgfältig bedacht, nur solche aufzunehmen, die widerstandslos hergegeben wurden, denn er wollte sich nicht durch Zwang die Einwohner dieser Gegend für eine spätere Anwerbungsfahrt verstimmen. Hierbei wurden in erster Linie die maßgebenden Familien- oberhäupter berücksichtigt, und zwar ist dieses immer der älteste männliche Verwandte mütterlicherseits. Die Väter haben keine Rechte über ihre Kinder. Das Jammern der Mütter wurde nicht berücksichtigt; sie saßen herzzerreißend weinend und schreiend in den Kanus, während die jungen Angeworbenen sich gar nicht um sie bekümmerten oder höchstens ruhig ohne mit der Wimper zu zucken zu der heulenden Mutter hinab- sahen. Sowohl das Klagen der Weiber, das bis zur sinkenden Nacht währte, wie die Ruhe der Jungen scheint bei den Bukas zum guten Ton zu gehören. Nach vereinzelten heftigen Regen- güssen blieb die Luft noch mehr von Wasserdämpfen erfüllt als gewöhnlich, und die Sonne versank in den goldglänzenden Fluten des Meeres, indem sie Inseln, Wolken und Wasser in flüssiges Gold aufzulösen schien. Samstag der 30. September war unser letzter Tag im Be- reiche der Salomons-Inseln. Es wurde noch mehrmals Anker geworfen und ein reger Verkehr mit den Eingeborenen ge- pflogen. Immer wieder lockte uns das bunte Gewirre aus dem Speiseraume auf Deck, obwohl wir alle Hände voll zu tun hatten, um die sich aufhäufenden Pflanzen für die Reise zu präparieren. Das Deck glich einem Feldlager und Jahrmarkt zugleich und war wohl kaum mehr als dasselbe zu erkennen, auf dem drei Wochen zuvor musterhafte Reinheit und Ordnung sowie ununterbrochene Ruhe herrschte. Zum Trocknen waren riesige Schoten von Entada, muffartige Wurzelgeflechte epiphyti- scher Orchideen (Grammatophyllum) aufgehängt (Taf. 17 oben), dazwischen baumelten groteske Tanzmasken der Buka Insulaner, auf dem Boden standen Kisten mit in Formalin präparierten Pflanzen, von den Schiffsjungen als „salad belong missis“ be- zeichnet, daneben unsere Reisekoffer, deren Vorrat an waschbaren Tropenkleidern schon bis zur äußersten Neige geleert war. Die eingetauschten Speere, Bogen, Pfeile, Ruder, Körbe und 88 Eintausch v. Waffen u. Geräten der Eingeborenen. Erdbeben in Matupi. mit Ruß bedeckten Holzschüsseln standen, lagen und hingen überall umher und überdies diente das offene Deck einem Teil der neuangeworbenen Mannschaft zur Schlafstätte, so daß abends jedes Plätzchen, daß die aufgehäuften Gegenstände frei ließen, von schwarzen, schlummernden Gestalten eingenommen wurde. Die letzte Möglichkeit von den Eingeborenen noch Waffen und Geräte einzutauschen, regte uns alle zu erhöhtem Eifer an und jeder zeigte voll Stolz seine neuesten Erwer- bungen. Schon lange hatten uns die Ohrgehänge einer Ein- geborenen, die als das Weib des langbewährten, schwarzen Unteroffiziers Rossian die Reise mitmachte, in die Augen gestochen, doch hatten wir nicht gedacht, daß sie sich von ihnen trennen würde. Dieser Ohrschmuck bestand aus kleinen, kreisrunden, abgeschliffenen Stückchen einer rötlichbraunen Muschel, die wie Perlen, an Schnüren zu kleinen Ketten gereiht und durch die durchstochenen Ohr- läppchen gezogen waren. Wider Erwarten zeigte sich das Weib sofort bereit, diesen Schmuck gegen ein Lavalap einzu- tauschen, und sie plauderte munter mit uns. Wir fragten sie im Scherz, ob sie mit uns weiterreisen wolle, und sie antwortete schlagfertig, in ihr Pidgin-Englisch ein jedenfalls oft gehörtes deutsches Wort einflechtend: „Suppose Rossian raus me, me like go ’long Missis‘ (Wenn mich Rossian hinauswirft, gehe ich zur weißen Frau). Nach durchfahrener Nacht langten wir am 1. Oktober um acht Uhr früh vor Herbertshöhe an, wo alle neu Angeworbenen an Land gesetzt wurden und Regierungs- arzt Dr. S. an Bord kam und über die Vorkommnisse während unserer Abwesenheit berichtete, die hauptsächlich in einigen heftigen Malariafällen bestanden. Nach kurzem Aufenthalt fuhr der „Seestern“ nach Matupi, wo die Frau des Gouver- neurs mit dem Kindchen bei einer befreundeten Familie ge- wohnt hatte und noch heftig erregt von den Aufregungen der letzten Nacht den „Seestern“ betrat — ein starkes Erdbeben und eine Flutwelle hatten Matupi heimgesucht, ohne glück- licherweise weiteren Schaden anzurichten, als einige Ein- geborenenhütten am Strande zu zerstören. Eine früher vorhan- dene Verbindung der Insel Matupi mit dem zunächstliegenden Strand, eine sandige Untiefe, die so seicht war, daß man sie Tafel 22. Rechinger, Streifzüge in Deutsch-Neu-Guinea. rg AN VER! i z « N \ . DIN \tH N \S . 7 a ). z - NR d 5 4 Bartz ° 5 # 7 y - ” NEL : D “ = / * 4 4 2 N 4 D - . (en \ w F d- r _ 7 \ x . a en 2 Er ER R Ev AS en augen u - > ’ _— h we — De em x E 1 vn r = — 07 &> ’ , E < Eee ie E f % — £ 5 y . . > N ». . # . N N Zu t e v a „n Ir a er 4 _ ad a - x ns > 74 Dt Ze P N N . + E _ - N ? N 4 n Z sr > Z ’ \ Y ri \ 7 \ ’ , £ ra = - \ Yo un h N ee 7 . PB EM SI vr er . > L Me - y - s u - ® Y d . / - un“ a . “. N we , P. DEP), a 7 Fer N Er en — 2 d » 1%. Fi gen = . N NER, ur, \ N > x £ WER ; . . Mi , 7 ” N Wr og Insel Buka. Strande deı 4m ht Pandanus-Dickic Rechinger, Streifzüge in Deutsch-Neu-Guinea. br 2 v7 Y fr SALZ Fa | Fe = E Tafel 2 2. J er D Pflanzungsarbeiter auf der Pflanzun als Jumba in Eingeborene Insel mit dem Dorfe Jeta. Kin; St näch: W, ubpeltatum Vordergrund ein Friedrich- Wilhelmshafen. rener )O Im Buka. Lianen. aus Armschutz Wieder in Herbertshöhe. 89 bequem zu Pferde überqueren konnte, war verschwunden. Gegen Abend langten wir wieder vor Herbertshöhe an, nachdem wir den ganzen Tag über mit Anspannung aller Kräfte beschäftigt waren, das gesammelte, naturhistorische und ethnographische Material transportfähig zu machen. Schweren Herzens schieden wir vom „Seestern“, auf dem wir so schöne und für uns ereignisreiche Zeiten verlebt, doch glauben wir annehmen zu können, daß dem Kapitän der Abschied von uns leichter fiel, denn durch unsere Sammeltätigkeit sollen Ameisen an Bord gebracht worden sein; zweifellos war sie die Ursache mancher Unordnung und Un- sauberkeit an Bord, die das an peinliche Ordnung gewöhnte Auge des Seemanns gewiß öfter beleidigten. Dem Kaiserlichen Gouverneur sowie dem Kapitän sprechen wir hier unseren besten Dank für das weitgehende Entgegenkommen und die voll- ständige Bewegungsfreiheit aus, die wir an Bord des „See- stern“ stets genossen und die zur Förderung des wissenschaft- lichen Zweckes unserer Reise so viel beitrugen. Erst nach Eintritt der Dunkelheit hatten wir unsere um- fangreiche Habe flott gemacht und die „schwarzen Jungen“, die uns so oft an den immer wieder ersehnten Strand der Salomons-Inseln gebracht hatten, ruderten uns zum letztenmal an Land. Wir bezogen ein luftiges, geräumiges Zimmer im „house seleep“, das mit dem „house derrink“ das Hotel „Deutscher Hof“, der Neu-Guinea Kompagnie gehörig, bildet. Bei dem gemeinsamen Abendmahl im Speisehaus trafen wir Dr. Poech, unseren Landsmann, der seit einiger Zeit zum Zwecke anthropologischer Studien in diesen Gegenden weilte. Nachher kamen auch die Herren vom „Top“, damit ist die Anhöhe gemeint, auf welcher wegen der luftigeren, gesünderen Lage die Wohnhäuser der Regierungsbeamten liegen, auf ein Glas Bier. VI. Kapitel. Ausflug auf den Berg Vunakokor (Varzin) und Abschied von Herbertshöhe. Der erste Tag, den wir wieder in Herbertshöhe ver- brachten, war mit allerhand notwendigen Besorgungen aus- gefüllt; vor allem galt es, unsere zum Teil noch nicht ge- trocknete, botanische Ausbeute zu versorgen und es gelang uns glücklicherweise die Erlaubnis zu bekommen, die Pflanzen- pakete in einer Kokosdarre der Neu-Guinea Kompagnie unter- zubringen. Diese Darren dienen zum Trocknen der Copra (das in Stücke geschnittene Endosperm der Kokosnuß), die auf Gittern ausgebreitet tagsüber der heißen Sonnenglut, über Nacht der Hitze einer Feuerung ausgesetzt wird. Die nächste Kokosdarre war in Timbur, etwa 10 Minuten von unserer Wohnung entfernt und täglich wanderten nun einige schwarze Jungen hin und her, um uns die Pflanzen zum Wechseln der Papiere zu bringen, denn was nicht täglich um- gelegt wurde, war unrettbar dem Schimmel und der Fäulnis verfallen. Unsere zweite Sorge war, blechgefütterte Kisten in genügender Anzahl und Größe zu erlangen, um unsere Aus- beute nach Europa schicken zu können; da es hier keine berufsmäßigen Handwerker gibt, ist die Beschaffung aller Hilfsmittel nicht so einfach wie zu Hause und wir verdanken es dem Entgegenkommen des Gouvernements, daß uns ge- brauchte Kisten gegen Zahlung abgegeben wurden. Die übrige Zeit des Tages verbrachten wir mit Besuchen. bei den Herren vom „Top“ in ihren schönen freundlichen Nächtlicher Reigen der Bukas. Das Ehepaar Parkinson. 91 Wohnhäusern mit der herrlichen Aussicht über die Blanche- Bucht zu den fernen Gebirgen von Neu-Mecklenburg. Bevor wir uns im „Deutschen Hof“ zur Ruhe begaben, lockten uns eigentümliche Töne noch einmal hinaus in die stille Vollmondnacht, und den Klängen folgend gelangten wir auf einen freien Platz unweit des Holzbaues, in dem die schwarzen Polizeijungen untergebracht sind. Merkwürdig wie die Töne war das Bild, das sich uns hier bot: Die schwarzen Gestalten der Bukas schritten reihenweise, sich gegenseitig mit den Armen umschlingend, dahin, in der Art, daß die einzelnen Reihen Radien eines Kreises bildeten; diejenigen, die dem Zentrum nahe waren, drehten sich bloß langsam um ihre Achse, während die äußersten ziemlich rasche und große Schritte machen mußten. Einzelne von ihnen bliesen auf Flöten aus Bambusrohr und zwar die tiefen Töne auf langen Flöten, die nur aus einem Stück bestanden, die höheren auf Panpfeifen, aus mehreren kleinen Rohren von verschiedener Länge zusammengesetzt. Mit einem wahren Fanatismus, der sich hauptsächlich in unermüdlicher Ausdauer offenbarte, gaben sie sich dem Tanze hin; lange sahen wir dem sich gleich- förmig in feierlicher Ruhe drehenden Menschenknäuel zu, und nachdem wir längst wieder in unser Zimmer zurückgekehrt waren, tönten noch die tiefen Flötentöne in unabgeänderter Gleichförmigkeit durch die stille Tropennacht. Am nächsten Morgen, den 3. Oktober, brachte uns der zweirädrige Wagen des Dr. K. auf der schönen nach Westen führenden Straße nach Maulapao, der großen Pflanzung des Ehepaares Parkinson, das bereits seit 25 Jahren bei Herberts- höhe lebt und mit Frau Kolbe, der Schwester der Frau Parkinson, zu den ersten Ansiedlern und besten Kennern des Archipels gehört. Herr Parkinson, ein Deutscher, hat eine prächtige Sammlung ethnographischer Gegenstände aus dem Archipel zusammengebracht und seine reichen Kenntnisse auf diesem Gebiet in verschiedenen Publikationen niedergelegt. Seine Frau ist halbsamoanischer Abstammung, und man sieht noch jetzt in ihrem freundlichen hellbraunen Gesicht die Spuren ehemaliger großer Schönheit. Sie erscheint wie ein Symbol sorgender und doch mit heiterer gleichmäßiger Ruhe waltender Mütterlichkeit; nicht nur, daß sie eine ansehnliche Zahl eigener 092 Zahmer Papagei. Aufbruch auf den Vunakokor. Kinder großgezogen — die ältesten sind schon verheiratet, das jüngste 1!/2 Jahre alt —, sondern auch allerhand verwaister schwarzer und vernachlässigter halbschwarzer Kinder nahm sie sich an und zog sie groß; nicht zu sprechen von all dem Getier, das den Hof belebt und unter ihrer Pflege gedeiht — vom großen Kasuar bis zu den bunten Papageien. Wir wurden in dem gastfreundlichen Hause auf das Liebenswürdigste empfangen und bewirtet. Paulchen, das zweitjüngste Kind, schenkte uns einen jungen grünen Papagei (Männchen einer Eclectus - Art), der so zahm war, daß man ihm den Finger in den Schnabel stecken konnte, ohne daß er biß, und der selbst im Freien keine Fluchtversuche machte. Obwohl wir nicht viel Lust hatten, uns auf der weiten Reise den mühevollen Transport eines lebenden Tieres aufzubürden, und auch unsere Hoffnung, es lebend heimzubringen, nicht groß war, wollten wir doch unsere freundlichen Gastwirte nicht kränken und nahmen das Tierchen mit. Gar bald aber hatte der junge, noch ein wenig hilflose Vogel, der nur fraß, was wir in seinen weitaufgerissenen gelben Schnabel steckten, sich so bei uns eingeschmeichelt, daß wir uns nicht mehr von ihm trennen wollten; durch seine Possier- lichkeit und Zahmheit bereitete er uns auf der Weiterreise noch viel Freude. Trotz der Winterkälte brachten wir ihn glücklich nach Wien heim, wo er leider nach einiger Zeit zu kränkeln begann und in den ersten Frühlingstagen starb. Der nächste Tag, der 4. Oktober, galt einem Besuche des ehemaligen Vulkanes Vunakokor (Varzin), der zirka 15 km landeinwärts von Herbertshöhe bis zu 605 m emporragt und die ganze Gegend beherrscht. Der Landstrich zu Füßen des Berges hat durch die abscheuliche Ermordung der Frau und des Kindes eines hier ansässigen deutschen Pflanzers durch Eingeborene eine traurige Berühmtheit erlangt, ist aber jetzt durch eine Polizeistation, bestehend aus zwei europäischen Kommandanten und einer starken Besatzung schwarzer Jungen zu einem Stützpunkt der fortschreitenden Pazifizierung der Halbinsel geworden. Wir wurden von Dr. S. mit zwei kleinen einspännigen Wagen um !/27 Uhr morgens abgeholt. Auf dem Wagen des Dr. S. saß rücklings sein schwarzer Diener, und so oft auf der Fahrt das Pferd einen Riß tat, fiel der brave Papua zu Boden, Fahrt bis Toma. Schöne Ausblicke in die weite Landschaft. 93 zur großen Freude unseres samoanischen Wagenlenkers Folla, der die Papuas tief verachtete. Wir fahren zuerst den uns schon wohlvertrauten Weg bis zu den Forsaythschen Lagerhäusern, dann geht es jählings in- land durch weite trockene Gebiete mit Kokos-, Mais- und Baumwollpflanzungen, hügelauf hügelab auf welligem Boden. Da und dort passieren wir sogenannte Eingeborenen-Reservate, Stücke Landes, wo die Eingeborenen sich ungehindert ansiedeln können und in den ursprünglichen Wald Hütten und kleine Eingeborenen - Pflanzungen eingestreut sind. Einmal durch- querten wir ein ganzes kleines Eingeborenen-Dorf mit dichten hohen Bambusgebüschen, auf dessen Schäften ein luftiges idyllisches Sitzplätzchen angebracht ist. Von besonderen Zwischenfällen auf der raschen fröhlichen Fahrt ist nur ein durchgegangener Pony-Hengst zu erwähnen, welcher eines unserer Pferde in große Unruhe versetzte, sich aber bald bemeistern ließ. Die Fahrt erinnert fast an einen Ausflug in unseren heimischen Gebieten im Herbst. Häufige Einschnitte der Straße lassen die Beschaffenheit des Bodens gut erkennen; wir fahren fortwährend auf gelblich-weißem bis lichtgrauen vulkanischen Aschenboden dahin, da und dort von einem Band kleiner Bimssteinstückchen durchzogen, in mancher Hinsicht an die Lößwandbildungen in Niederösterreich gemahnend. Prächtige Ausblicke auf das Baininggebirge und die bedeutend höheren Bergzüge der Insel Neu-Mecklenburg, die heute ein- mal klar, ohne Wolkenhaube vor uns liegen, bieten sich dar. Die Straße steigt nun gleichmäßig an und es beginnt der Wald und damit verschwindet die heimatliche Herbststimmung, die ein leichter blauer Dunst, der über der ganzen Landschaft mit ihren weiten Ausblicken liegt, hervorgezaubert hat. — Ein anderes Bild erscheint: Mächtige Urwaldbäume mit dichten Geschlingen von Lianen, riesige Bambusbestände in ungeheuren Büscheln und da und dort ein kleinerer Baum, eine Gardenie mit prächtigen weißen, herrlich duftenden Blüten, dann Bäume, deren Früchte Gallap oder Kallap genannt und gegessen werden, mit mandelartigem Geschmack ihrer Samen. Der Weg führt immer steiler in den Wald hinein, und wir steigen aus, um sammeln zu können, was sich hier verlohnt; es gibt neben vielen großen Gewächsen, besonders an den etwas feuchten 94 Toma. Vegetation auf alter vulkanischer Asche. Erdwänden, zahlreiche Moose, und in kurzer Zeit ist eine schöne und umfangreiche Ausbeute angehäuft, die in dem nachfahrenden Wagen verstaut wird. Bald nähern wir uns der Polizeistation Toma, welche auf zum Teil abgegrabenem, zum Teil aufgeschüttetem Boden wie eine Festung über uns auf- taucht. Zwei größere Gebäude beherbergen die beiden Polizei- meister und eine Anzahl kleinerer die schwarzen Soldaten; in dem freien Hof, den diese Gebäude umschließen, hält eben, als wir anlangen, der Kaiserliche Gouverneur persönlich eine kleine Truppenrevision, und musterhaft in Reih und Glied geordnet stehen die schwarzen Soldaten stramm. Rasch nehmen wir eine Erfrischung, bestehend aus Tee, Eiern und Brot; die Pflanzenausbeute von heute wird zusammen- gepackt und mit Rücklassung alles unnötigen beginnen wir den Aufstieg auf den Vunakokor (Varzin), der sich in nächster Nähe in Form eines Rechteckes vor uns erhebt. Zuerst führt der Weg fast eben an abgegrabenen Wänden vulkanischer Asche, die mit Schichten kleiner Bimsteine, wie wir früher gesehen hatten, abwechselten, dahin. Hier begegneten wir mancher prächtigen Erscheinung der papuanischen Pflanzen- welt, eine große Brombeerart in mächtigen, stacheligen Stauden, mit weißen großen Blüten, roten Früchten und hellgrüner den Rosenblättern ähnlicher Belaubung, durchaus in hellen, kräftigen Farben wie ein plein-air Bild. Dort wieder eine Cyrtandra mit tiefgrünen, sammtigen Blättern und goldgelber Behaarung darauf, dazwischen andere Brombeer-Arten, häufig eine strauchige Melastomacee, ferner holzige, nesselartige Gewächse aber ohne Brennhaare, mit spröden, behaarten Blättern, die sich schon im lebenden Zustande kieselig anfühlen und in getrocknetem Zustande leicht zerbröckeln. Im Schatten unter den Sträuchern wuchern kleine Sellaginellen und Moose. Inzwischen haben wir die Ausläufer der Waldformation verlassen und müssen nun wieder durch die wohlbekannten, aber bei niemandem beliebten Alang-Alangsteppen durch. Unter die einförmige Grasmasse mischt sich bald höher aufragend da und dort eine niederige Bambusgruppe; auch verschiedene Gesträuche unterbrechen die einförmige grüne Öde des Alang-Alang, während wir den Weg, der sich auf einem schmalen Grat steil aufwärts fort- setzt, eifrig verfolgen. Rechts und links schneiden gegen- Auf der Höhe des Vunakokor. 05 wärtig wasserlose Gerinne von Giesbächen ein, die nur bei Regen Wasser führen, und weiter unten in 'tiefe Täler über- gehen, dort in dichte undurchdringliche Pflanzenmassen wie vergraben. Alles spricht für einen zu Zeiten großen Wasser- reichtum, was auch der Eingeborenen-Name des Berges „Vuna- kokor“ d. h. Vater der Gewässer andeutet. Prächtig ist die Aussicht rings umher, die sich anfangs mit jedem Schritt auf- wärts erweitert, doch bald verdecken einzelne Baumgruppen den Ausblick und vor allem hohe Bambusstauden, von welch letzteren man sagt, daß sie sichere Anzeichen eines feuchten Untergrundes seien, da ihre in den Boden dringenden Wurzeln auch tiefliegende Wasseradern zu treffen wissen. Obwohl das Wasser nirgends zu Tage tritt, läßt der immer üppiger werdende Pflanzenwuchs: auf verborgene Bodenfeuchtigkeit schließen. Mühsam dringen wir unter den scharfkantigen Gräsern, die keinen Halt bieten, vorwärts, im glühenden Sonnenbrand, während die scharf rauschenden Blätter der Gräser über unseren Köpfen zusammenschlagen, oft mehr als doppelte Manneshöhe er- reichend. Doch nur mutig vorwärts, wir müssen den Gipfel erreichen, trotz schneidender Gräser, Durst und Sonnenhitze. Neue Schwierigkeiten tauchen auf: der Pfad ist streckenweise mit dürren Grasblättern dicht bestreut, so daß der Fuß keinen Halt finden kann, unter stetem Ausgleiten geht es langsam vorwärts und dabei gibt es noch mancherlei zu sammeln. Nach 1!/2 stündiger Anstrengung sind wir dem Gipfel nahe und treten endlich unter das dichte, schattenspendende Laub- dach hoher bestandbildender Urwaldbäume Hier gönnen wir uns eine kurze Rast und versuchen unseren Durst mit dem Wasser zu löschen, das sich in den bis 2 Meter langen, noch grünen Internodien des Bambus vorfindet, aber leider nur in sehr geringer Menge und von fadem Geschmack und überdies noch warm. Der Boden ist hier in der Nähe des Gipfels nicht mehr von sandig-aschenartiger Beschaffenheit, sondern besteht aus schwerem roten Lehm. Gar bald haben wir keine Ruhe zu längerer Rast und es drängt uns den Wald weiter zu durchforschen, während aus den Gewehren des Doktors und Follas eine regelrechte Kanonade erschallt, die gegen die Papageien und Tauben im Geäste der Bäume gerichtet ist und der auch glücklich ein Papagei (Eclectus) zum Opfer fällt. & Gipfelvegetation. Während weiter unten an den vereinzelten Bäumen noch Epithyten mit xerophilem Charakter zu sehen waren, herrscht hier im tiefen Dunkel wieder hydrophile Vegetation, aus- gezeichnet durch das Vorwiegen von kletternden und schlingenden Gewächsen und seidig schimmerndes Blattwerk von dunkel- oliv- bis blaugrüner Farbe. An den Urwaldstämmen schmiegen sich in regelmäßigen Guirlanden mit fest angedrückten Laub- blättern zierliche Photosarten, daneben in zarten, seidenglän- zenden Scheibchen das sonderbare Farn Trichomanes mem- branaceum, überragt von zarten Hymenophylien, einem Spitzen- schleier vergleichbar. Kräftige Konturen ziehen herzblätterige Piper (Pfeffer) und schlingende Aroideen, die sich hoch in das undurchdringliche Laubdach erheben. Sogar die winzigen erdbewohnenden Sellaginellen am Fuß dieser Bäume sowie niederige Acantaceen haben im tiefen Schatten rötlich-blaue Farben angenommen. Urwüchsigkeit und Kraft ist in den Urwaldbäumen, Zart- heit und Vielfältigkeit der Formen und Farben im Unterwuchs und den Überpflanzen ausgeprägt, wahrlich eine prächtige Kontrastwirkung! Knapp unter dem Gipfel hört der Urwald auf, da er vor einigen Jahren dort ausgerodet wurde und an seiner Stelle hat eine dichte buschige, überaus stachelige Brom- beerenart (Rubus) und ein ebenso stacheliger grau-weißer Nachtschatten (Solanum) den Raum besetzt. Leider haben die wenigen Jahre, die seit der Abholzung des Gipfelwaldes ver- flossen sind, genügt, um die Rundsicht von diesem Punkt aus zum größten Teil wieder unmöglich zu machen, immerhin bietet sich zwischen den aufwachsenden Bäumen noch manch schöner Ausblick über das wellige weit hingestreckte Land von Papa- ratava und die dahinter aufsteigenden Bainingberge, in der entgegengesetzten Richtung auf die steilen Vulkankegel bei Matupi, die Wahrzeichen der Blanchebucht. Rasch wurde in sengender Sonnenglut der Rückweg angetreten, nur hier und da aufgehalten durch den Fang besonders verlockender Schmetterlinge. Auf der Polizei-Station erwartete uns eine Stärkung und es wetteiferten die heimischen Preiselbeeren in Konserven-. form mit frischer Kokosmilch unseren Durst zu löschen. Die ausgeruhten Rosse führten uns zurück durch das weite, Rechinger, Streifzüge in Deutsch-Neu-Guinea. Tafel 24. Dorf Ragetta bei Friedrich-Wilhelmshafen. j PR U = u Fe E 7 £ % 1; 3 u x. „EB ns E 2 Er Pa TEE £ ih: . DrE Re } F 2 > . Ti E; 3 r ‚ se y A N H hr ’ “ Tafel 25. Rechinger, Streifzüge in Deutsch-Neu-Guinea, uopwgsmpogpia-gorıperig toq eygodeyg J10q 5 a er RE 38 2 N ie Wr. DIA a8 = BR j Do e, HM; t FI > > Aa >= a i „“ 2“ h j £ \ ah + re Br ! k . e ’ en Sing-sing in Raluana, 97 wellige Land, in dem uns wieder wie morgens europäische Herbststimmung umfing. Um 5 Uhr nachmittags, eine Stunde vor Sonnenuntergang, erreichten wir den „Deutschen Hof“, wo die Versorgung der reichen Ausbeute uns bis in die späte Nacht zu tun gab. Am Nachmittag des 5. Oktober holte uns Dr. C. mit seinem Wagen ab und brachte uns nach der Missionsstation Raluana der australisch-wessleyanischen Mission, wo ein großes Sing-sing (Tanzfest der Eingeborenen) veranstaltet wurde. Auf einem freien Platz, der zwischen dem Missionshaus und dem Meere lag, herrschte ein buntes Treiben. Alle in und um Herbertshöhe wohnenden Europäer samt ihren Familien waren versammelt, die Herren im weißen Leinenanzug und Tropenhelm, die Damen in festlicher Kleidung. Ein großes Zelt war aufgeschlagen, schön geschmückt mit den gefiederten Blättern der Kokospalme, darin standen auf langen weiß- gedeckten Tafeln die mannigfachsten Gerichte, Erfrischungen und Bäckereien, alle von den fleißigen Händen der Frau des Missionares Fellmann bereitet. Die Anziehungskraft dieser im Archipel so seltenen Produkte höherer europäischer Kochkunst auf die Europäer war fast größer, als die des „Sing-sing“, das unter dem Jubel der Eingeborenen nahe am Strande auf- geführt wurde. Die Tänzer (Weiber beteiligten sich nicht daran) standen in zwei langen Reihen und führten unter der einförmigen Begleitung von kleinen Trommeln und Gesang rhythmische Bewegungen aus, die hauptsächlich in langsamen Umdrehungen, Niederkauern, Aufstehen und Hin- und Her- wiegen des Körpers bestanden. Später folgte ein Solotanz von zwei Männern, die reich mit buntem Laub und Federn ge- schmückt waren, mit Masken vor den Gesichtern und hohem Kopfputz. Die Tänze erinnerten entfernt an den „Siwa“* der Samoaner, doch waren sie viel roher in den Bewegungen, entsprechend der niederen Entwickelungsstufe der Papuas. Auch von den geradezu ästhetischen Tänzen der Samoaner bekamen wir an diesem Tage noch eine Probe zu sehen, da sich unter der Schar der schwarzen Zuseher auch ein Häuf- lein hellbrauner Samoaner befand, hohe Häuptlinge mit ihren Familien, die wegen politischer Vergehen hierher verbannt worden waren. Diese Landesverwiesenen bilden hier in der Reehinger, Streifzüge in Deutsch-Neu-Guinea. 7 98 Beschleunigte Abfahrt. Nähe von Raluana eine kleine Kolonie; außerdem findet man nicht selten Samoaner als Missionare unter den Papuas tätig. Sehr bewegt verlief die Rückfahrt, denn das Pferd ging bei jeder Senkung der Straße durch und es gelang erst wieder bei der nächsten Steigung seiner Herr zu werden. Den 6. und 7. Oktober verbrachten wir mit einigen Be- suchen, mit Präparation und Vorbereitungen zur baldigen Ab- reise, denn der Dampfer wurde für den 9. oder 10. Oktober erwartet. Wir besuchten auch die katholische Mission, die nahe von Herbertshöhe in Vunapope ihren Hauptsitz hat und auf einem Hügel nahe dem Strand mit all ihren Gebäuden und der Kirche eine Art kleiner Stadt bildet. Einen sehr schönen Abend verbrachten wir noch in dem Hause des kaiserlichen Gouverneurs Dr. Hahl, wo der schwarze Diener Sveri echt süddeutsche Gerichte servierte, die ein chinesischer Koch be- reitet hatte. Sonntag der 8. Oktober brachte uns bei Sonnenaufgang eine böse Überraschung. Wir waren eben aufgestanden, mit dem Vorsatz den Tag zur endgiltigen Verpackung unserer zahlreichen Habseligkeit zu verwenden, da der Dampfer für den nächsten oder nächstnächsten Tag erwartet wurde, als plötzlich unsere Augen zu unserem namenlosen Schrecken den Dampfer in der Bucht auftauchen und nach etwa halb- stündigem Aufenthalt wieder verschwinden sahen. Ein eben vorübergehender Beamter der Neu-Guinea-Kompagnie teilte uns mit, daß der Dampfer „Prinz Sigismund“ nicht wieder nach Herbertshöhe zurückkehren werde, sondern der kleine Dampfer „Langeoog“ den Auftrag habe, Post und Passagiere nach Simpsonhafen zu bringen, er solle schon in einer Stunde dahin abdampfen. Unsere Bestürzung Kannte keine Grenzen: vor uns die. halbgepackten Koffer und Kisten, die Bleckdeckel der Präparatenkisten noch unverlötet, ein Teil der Pflanzen noch ungetrocknet in der Kokosdarre, die Wäsche bei irgend einem chinesischen Wäscher, mancher- lei Rechnungen noch zu begleichen und nur mehr eine Stunde Zeit vor uns! Nicht zu sprechen von allen den lieben Gast- freunden, die uns während unserer Anwesenheit so viel Ge- fälligkeiten erwiesen und die wir nun ohne Abschied verlassen sollten. In Blitzesschnelle trommelten wir alle erreichbaren Eiliges Einpacken. 99 „schwarzen Jungen“ zusammen und mit Pidgin-Englisch, unter- stützt von lebhafter Gebärdensprache, feuerten wir sie zur Eile an. „You fetch him Chinaman belong wash“ („Du holst den chinesischen Wäscher“). „You go ’long Timbur bring papers“ („Du gehst nach Timbur und bringst die Pflanzenpakete“). Der dritte wurde in die Polizeistation um einen des Lötens kundigen Jungen geschickt, eines von uns machte sich daran, alles Hals über Kopf in die Kisten und Koffer zu stecken, der andere rannte zur Post, um zu erfahren, ob die „Langeoog“ wirklich in einer Stunde abgehe. Ein Junge brachte die Pflanzen aus Timbur, ein anderer die Wäsche vom Chinesen, wenn auch im tropfnassen Zustande, ein Polizeijunge erschien und ver- lötete die Blechkisten mit großem Geschick. Die „Langeoog“ dampfte zwar einstweilen wirklich von dannen, aber wir hatten auf dem Postamt die Versicherung erhalten, daß sie gegen fünf Uhr nachmittags wiederkehren werde, um die Post ab- zuholen, der „Prinz Sigismund“ werde erst abends Simpson- hafen verlassen. Auf dem Postamte gab es infolge des ver- frühten Erscheinens des Dampfers mindestens ebensogroßes Hasten und Durcheinander wie bei uns. Doch unser Ver- trauen auf Angaben über Dampferabfahrten war erschüttert und wir beeilten uns so rasch wie möglich unser gesamtes Gepäck reisefertig zu machen, was uns um 10 Uhr vormittags auch gelang. Wir ließen es sofort von den Polizeijungen auf einem großen Leichterboot verstauen und atmeten auf, als nichts mehr einer plötzlichen Abfahrt im Wege stand. Als die letzte Kiste von den starken Armen der Papuas hinweggetragen wurde, sahen wir uns förmlich erstaunt an, es war seit unserer Ankunft in Herbertshöhe zum erstenmal, daß wir nichts zu tun hatten, in diesem Augenblick fühlten wir aber auch die Ermüdung von der Mühe und Aufregung der letzten Stunden und sanken erschöpft in die geflochtenen Lehn- sessel auf der Veranda, die uns bisher immer vergeblich ge- lockt hatten. Bald erschienen unsere lieben Freunde und Be- Kannten, einer nach dem anderen, um Abschied zu nehmen, und die Herren Dr. K. und Dr. C., die gemeinschaftlich ein schönes geräumiges Haus auf dem „Top“ bewohnten, luden uns freundlich ein, unser letztes Mittagmahl in Herbertshöhe bei ihnen einzunehmen. Mit Freuden folgten wir dieser Ein- 7* 100 | An Bord der „Langeoog“. ladung und begaben uns auf die schöne, aussichtsreiche Anhöhe. Die Wohnräume waren bereits mit der ethnogra- phischen Ausbeute von den Salomons-Inseln geschmückt und die bunten Ruder, Bogen, Speere und Pfeile hoben sich in malerischer Anordnung wunderhübsch von den weißgetünchten Wänden ab. In Abschiedsstimmung verbrachten wir einige Stunden bei unseren Gastfreunden und ergingen uns immer wieder in gemeinsamen Erinnerungen an die schönen und so eindrucksreichen Wochen auf den Salomons-Inseln oder unsere Gedanken schweiften zurück nach Samoa, wo wir die Be- kanntschaft des Dr. K. gemacht hatten, da er vor seiner Ver- setzung nach Herbertshöhe mehrere Jahre dort als Richter ge- wirkt hatte. Nach Tisch begaben wir uns wieder an den Strand, jeden Augenblick das Erscheinen der „Langeoog“ erwartend. Eine Schar von 30 schwarzen Soldaten war beim Landungsplatz versammelt, ebenfalls wartend, da sie nach Friedrich-Wilhelms- hafen in Deutsch Neu-Guinea gebracht werden sollten. Eine Stunde nach der anderen verrann, schließlich sank die Dunkel- heit herab, doch die „Langeoog“ kam nicht. Schon beschlich uns bange Sorge, ob der „Prinz Sigismund“ nicht doch ohne uns Simpsonhafen verlassen werde, dann wieder vermuteten wir, seine Abfahrt sei auf den nächsten Morgen verschoben worden und beschlossen für die kommende Nacht wieder das gastliche Dach des „Deutschen Hauses“ aufzusuchen. Da plötzlich erscheint weit draußen im tiefen Dunkel, das Himmel und Wasser verhüllt, ein Licht, das sich rasch nähert und bald erkennen wir die Signale des ersehnten kleinen Dampfers. Dr. K. bringt uns mit seinem Boot an Bord und nach herz- lichem Abschied betreten wir den Dampfer. Auf dem engen Deck umgab uns ein Gewühl von Schiffs- mannschaft, Chinesen, schwarzen Polizeisoldaten, Gepäck- stücken aller Art, Schiffstauen, Postsäcken. Alles nur spärlich beleuchtet und nicht von bestem Geruch. Gar gerne folgten wir der Aufforderung des freundlichen Kapitäns, der uns in reinstem Plattdeutsch zurief „Kommen Sie in mine Kabine“. Von der hohen Kommandobrücke erwarten wir voll Spannung den Leichter mit unserem Gepäck, der endlich knapp vor der Abfahrt erscheint. Eine Stunde später sind wir in Simpsonshafen Abfahrt von Simpsonhafen. 101 und da die beiden Seiten der Piers von Schiffen eingenommen sind, legen wir an der Seite des kleineren, des dort vertauten Dampfer „Sumatra“ an, den wir vermittelst hinübergelegter schmaler Bretter besteigen. Von da geht esnun Trepp’ auf Trepp’ über die „Sumatra“ auf den Pier und dann endlich an Bord des „Prinz Sigismund“. Unser Gepäck, Koffer und Kisten von ungewöhnlichen Dimensionen macht denselben komplizierten Weg auf dem Rücken schwarzer Jungen, die es wie immer unter Freudengeschrei befördern. Es scheint, daß ihnen die Betätigung ihrer Körperkräfte soviel Spaß bereitet. Wir fanden in dem „Prinzen Sigismund“ den Zwillingsbruder des Dampfers “Prinz Waldemar“, der uns bereits lieb und vertraut geworden war, von der Fahrt von Sydney nach Herbertshöhe und be- kamen sogar (der Lage nach) dieselbe luftige und geräumige Kabine Nr. 3. An Bord wimmelte es von Europäern, den Bewohnern von Simpsonhafen, die alle in gehobener Stimmung sich dem so seltenen Genusse eisgekühlter Getränke bis un- mittelbar vor Abgang des Dampfers hingaben. Um 11 Uhr nachts lichteten wir Anker und die Herren am Pier sandten Hochrufe zum „Prinzen Sigismund“ herüber, die der Schiffs- arzt mit drüben freudig aufgefangenen Bierflaschen erwiderte. Gar bald verschwand das muntere Bild und die Stille des weiten, ruhigen Meeres umfing uns, nur die schöne Vulkan- gruppe „Mutter“ und „Tochter“ grüßte noch im fahlen Mond- schein zu uns herüber. VI. Kapitel. In Friedrich -Wilhelmshafen. Den Tag der Überfahrt nach Friedrich-Wilhelmshafen benützten wir, um uns auf dem Dampfer, der uns nun durch vierzehn Tage beherbergen sollte, häuslich einzurichten, was auf diesem Schiffe wirklich ein Vergnügen war, denn man stellte uns zwei Kabinen 'zur Verfügung und auch der Gepäcksraum befand sich auf demselben Gange wie diese, es war also nicht wie auf den meisten anderen Fahrzeugen eine kleine aber um- ständliche Reise nötig, um zu seinen größeren Gepäckstücken zu gelangen. Papi, unser grüner Liebling, erhielt durch die Freundlichkeit des Schiffsingenieurs einen richtigen Käfig, in dem er sich gut bewegen konnte, bisher hatte er sich mit einem Korb begnügen müssen. Die Kiste mit lebenden Orchideen wurde auf einem luftigen vor den salzigen Meeres- wellen sicheren Platz auf Deck verstaut, was von der Herbar- ausbeute noch nicht getrocknet war, wanderte in die Trocken- kammer und bald war alles soweit geordnet, daß wir uns der Hauptbeschäftigung bei der Seefahrt, dem Schreiben des Tage- buches über die Erlebnisse an Land, wo gewöhnlich keine Zeit zu ausführlichen Notizen blieb, widmen Konnten. Außer uns gab es nur zwei Passagiere 1. Klasse, einen Deutschen, Hauptmann von G., der eine Vergnügungsreise um die Erde machte und den wir schon einmal vor einigen Monaten im Hause des Kaiserlichen Gouverneurs Dr. Solf in Samoa an- getroffen hatten, und einen freundlichen, älteren Schottländer Herrn W. Punkt 12 Uhr mittag des folgenden Tages den 10. Oktober langten wir in Friedrich-Wilhelmshafen an, der in der Astro- labe-Bay an der Ostküste von Neu-Guinea bei 50 30° südl. Br. Fahrt auf dem Flusse Jumba. 103 und ungefähr auf dem 146° westl. Länge liegt. Er gilt als der beste Hafen von Kaiser-Wilhelmsland wegen seiner geschützten Lage und bedeutenden Tiefe. Am Strand, der Seebrise ausgesetzt, liegen die Häuser der Europäer, deren es hier bedeutend weniger gibt, als in Herbertshöhe, doch an den ausgedehnten Lager- häusern ist zu erkennen, daß hier eine der Hauptstationen der Neu-Guinea-Kompagnie ist, auch befindet sich hier der Sitz des Bezirksamtmannes für Kaiser Wilhelmsland (Deutsch Neu-Guinea). Ein Kranz von kleinen dicht bewaldeten Inseln umgibt den Hafen und verleiht ihm einen besonderen land- schaftlichen Reiz, der durch einen ziemlich steil aufsteigenden Bergrücken im Nordwesten noch erhöht wird. Die Neu-Guinea-Kompagnie war so gefällig, den Passa- gieren des Dampfers zwei bemannte Ruderboote zu einer Fahrt auf dem Flusse Jumba zur Verfügung zu stellen. Um 3 Uhr nachmittags verließen wir den Dampfer und die in weiße Matrosenanzüge sauber gekleideten „schwarzen Jungen“ ruderten uns zuerst durch dichte Mangrovebestände, die den westlichen Teil von Friedrich-Wilhelmshafen umsäumen. Dann bogen wir in den Fluß Jumba ein. Hohe Mangrovebäume, wie wir sie in dieser Größe noch nie gesehen, neigen ihre Äste bis dicht zum Wasserspiegel herab, auf ihnen sehen wir häufig die Stammknollen von Myrmecodia und in ihren höchsten Wipfeln leuchten in Büscheln die karminroten Blüten einer Schling- pflanze Tecoma dendrophila Bl. Je weiter wir stromaufwärts vordringen, desto häufiger erscheint die herrliche Nipapalme am Ufer, schließlich verdrängt sie die Mangrove ganz und bildet in reinem Bestande Streifen zu beiden Seiten des Flusses. Im schlammigen Ufer wurzelnd erhebt die Nipapalme ohne einen Stamm zu bilden, ihre prächtigen Wedel bis zu einer Höhe von 15—20 m über das Wasser, bald fast senkrecht auf- steigend, bald in schönem Bogen überhängend. Lautlos glitt unser Boot über den Wasserspiegel und wir genossen voll Entzücken die Fahrt in der herrlichen Landschaft, die öfter von einer Gruppe Eingeborener belebt wurde. Besonders schön hoben sich ihre nackten hohen Gestalten vom tiefen Grün der Uferlandschaft ab. Nach fast einstündiger Fahrt war am linken Ufer die ur- sprüngliche Vegetation nur mehr als schmaler Streif zu sehen 104 Eine „Ochsenbahn“, üppige Pflanzungen. und Pflanzungen bedeckten den Boden landeinwärts in un- absehbaren Strecken. Bald legten wir nun an einem Landungs- stege an und widmeten uns, den Fluß entlang wandelnd, ganz und gar dem Pflanzensammeln und Photographieren (Taf. 23 oben). Dann wandten wir uns dem Verwalterhause der hier bestehenden großen Pflanzung „Jumba“ der deutschen Neu- Guinea-Kompagnie zu. Der Verwalter, ein Dalmatiner, der eine winzig kleine gelbe Anamitin zur Frau hatte, begrüßte uns sehr freundlich, bewirtete uns mit weißem Ungarwein und erzählte uns von seinen Lebensschicksalen, die ihn so ziemlich in alle Erdteile geführt hatten. Als die Dämmerung herein- brach, bestiegen wir einen kleinen viersitzigen Bahnwagen, der auf Eisenschienen eine Verbindung zwischen Jumba und dem Hafen herstellt. Die motorische Kraft lieferten zwei Buckel- ochsen, als Zugführer fungierte ein malayischer Pflanzungs- arbeiter, dem zwei Schwarze als „Assistenten“ beigestellt waren. Sobald der Boden sich senkte, wurden die Ochsen ausgespannt und der Wagen rollte von selbst, vom Malayen etwas gehemmt, über die Schienen bergab, die Ochsen liefen mit ihren beiden Lenkern hinterdrein und wurden beim nächsten wieder berg- anführenden Wegstück neu angespannt. So ging es in schöner Abwechslung durch die ausgedehnten Pflanzungen dahin, bald durch die uns wohlbekannten Cocospflanzungen, bald durch Kautschukpflanzungen, entweder von Castilloa elastica, gerade aufstrebende Bäume von mäßiger Größe mit regelmäßigen, fast wagrecht abstehenden Seitenästen und kleinem Laub oder von Ficus elastica, dem Gummi- oder Kautschukbaum, der bei uns in Wohnzimmern häufig gezogen wird, wegen seiner großen glänzenden dunkelgrünen Blätter. Die Pflanzungen waren un- gemein rein gehalten und gut gepflegt, und alle Pflanzen strotzten vor Gesundheit. Quirlästige Eriodendren (Kapok oder Wollbäume) säumten die Straße ein und an ihren ge- spenstisch ausgestreckten, gegenwärtig laublosen Zweigen hingen die eiförmigen Fruchtkapseln, in ihrem Inneren die Samen und eine Menge seidiger Haare bergend. Zum Dampfer zurückgekehrt, fanden wir den Direktor der Neu-Guinea-Kompagnie Dr. P., den zu treffen wir schon in Herbertshöhe das Vergnügen hatten, und in seiner an- regenden Gesellschaft verging der Rest des Abends. Rechinger, Streifzüge in Deutsch-Neu-Guinea. _ ren Dan u u - r Tunes ls I; = rd P ne Tafel 26. oO Insel Ragetta auf der bei Friedrich- Wilhelmshafen, J Fieus chrysolaena Schum. Dorfe Jeta. Sveri, ein Bukajunge aus dem Rechinger, Streifzüge in Deutsch-Neu-Guinea. Tafel. 27, Calophyllum Inophyllum mit liegendem Stamm aul der Insel Siar Ucber das Meer hängende Baumäste mit Epiphyten bedeckt. Insel Siar bei Friedrich-Wilhelmshafen. Anopheles, Insel Ragetta. 105 Schon vor Ankunft des Dampfers in Friedrich Wilhelms- hafen waren sämtliche Schiffsluken mit engen Drahtgittern verschlossen worden, um das Eindringen der Malaria über- tragenden Mücken (Anopheles) zu verhindern. Da die Schiffe in diesem Hafen unmittelbar am Pier anlegen, könnten die Mücken leicht ihren Weg vom Land in die Schiffsräume finden, während erfahrungsgemäß eine ziemlich geringe Entfernung vom Lande genügt, um ihr Eindringen zu verhindern, da ihre Flügel zu zart sind, um einen weiten Flug, vornehmlich in be- wegter Luft, zu unternehmen. Mit dem 11. Oktober brach der letzte Morgen, den wir im Neu-Guinea-Archipel verbrachten, an und wehmütig rüsteten wir uns schon vor Sonnenaufgang zu einem letzten Sammel- ausflug. Dr. P. hatte uns wieder in zuvorkommender Weise ein bemanntes Ruderboot zur Verfügung gestellt, daß uns zu einigen der kleinen dem Hafen vorgelagerten Inseln bringen sollte. Es war ein etwas trüber Morgen und der grau bedeckte Himmel, den die aufschäumenden Wogen wiederspiegelten, paßte zu unserer Abschiedsstimmung. Zuerst landeten wir auf der Insel Ragetta, unweit eines Europäer-Hauses, überquerten ein Stück Land, das erst kürzlich durch Ausroden des Pflanzen- wuchses urbar gemacht worden und von einer niederen Stein- mauer umschlossen war. Gleich jenseits der Mauer begannen, zerstreut im Walde liegend, die Ansiedlungen der Einge- borenen und schon fesselte eine Reihe von Pflanzen, die wir bisher nicht gefunden, unsere Aufmerksamkeit. Ein Trupp Weiber und Kinder begegnet uns und läßt sich willig photographieren (Taf. 24). Die Eingeborenen sind von denen Neu-Pommerns und der Salomons-Inseln sehr ver- schieden, sowohl im Gesichtsschnitt, wie in der bedeutend helleren Farbe ihrer Haut. Auch tragen sie viel umfangreichere Kleidungsstücke, breite, dichte Schürzen aus Kokosfasern, und sind auffallend reich mit Schmuck behängt, der aus halbmond- förmigen Stücken, Reifen oder Ringen, aus der Schale der Riesenmuschel (Tridacna gigas) geschnitten, besteht. Nach wenigen Schritten sind wir in einem zweiten Dorf, das uns einen entzückenden Anblick bietet. Vom Strand nur durch wenige hohe Bäume getrennt, stehen die hohen luftigen Häuser nur auf Pfählen mit spitzgewölbtem Dach und einem 106 Schmuck der Eingeborenen, Insel Siar, Calophyllum. balkonartigen Vorsprung. Auf dem freien Platz in der Mitte sitzen die Papuas, hauptsächlich Männer und Kinder bei ihrer Morgenbeschäftigung, dem Enthülsen von Samenkörnern zur Bereitung der Speisen (Taf. 25). Alle sind vielfach geschmückt und trotz der überreichen Anwendung wirkt ihr Zierat nicht störend, sondern hebt ihre Erscheinung; selbst das durch die Nasenscheidewand gesteckte, aus einer weißen Muschelschale geschnittene Stäbchen wirkt nicht unnatürlich. Auf einem schmalen Eingeborenenpfad setzen wir unseren Weg fort, von einer ganzen Schar junger Burschen begleitet, die nun mit Eifer sammeln helfen; hauptsächlich strauch- und baumartige Myrtaceen, Urticaceen und Euphorbiaceen bilden die Ausbeute. Ein riesiger Ficus, der seine Krone über einem mächtigen Gestell von Luft- und Stützwurzeln erhebt, verlockt uns zur Verwendung einer unserer letzten photographischen Platten (Taf. 26 oben). Von seinen Zweigen hingen die schönen carmin- roten Blütenbüschel der schlingenden Tecoma dendrophila, die uns schon gestern an den Ufern des Flusses Jumba entzückt hatten. Doch wir sollten noch mehrere Inseln besuchen, mußten uns also rasch von Ragetta losreißen. Nach eiligem Rückweg bestiegen wir wieder unser Boot und fuhren durch die bewegte See an mehreren sehr kleinen Koralleninseln vorbei. Einige von ihnen trugen riesige Pandanusbäume mit breiten blau- bereiften Blättern und sehr großen Fruchtständen, wie wir schon ein solches Exemplar auf der Insel Matupi gesehen hatten. Eines der winzigen Inselchen war in seiner Mitte aus- geholzt und mit Kokos und Bananen bepflanzt. Schließlich lan- deten wir auf der größeren Insel Siar und genossen hier zum letzten Mal den Anblick des herrlichen tropischen Strandwaldes mit seinen gigantischen Calophyllum- und Barringtonia-Bäumen. Oft liegen die mächtigen Stämme des Calophyllum Ino- phylium, Drachenleibern gleichend, am Strande und erheben ihre dichten Laubkronen über das Meer, eine ganze Welt von Überpflanzen auf sich bergend (Taf. 27 oben). In einer ge- schützten Bucht lagerte auf dem weißen Sand eine ganze Flotte von Eingeborenen-Kanus und weiter inlands breitete sich ein großes Dorf aus. Wir drangen bis zur entgegengesetzten Seite der Insel vor, wo das Ufer schroff abfällt und die Wogen sich in Fast versäumte Abfahrt. 107 schäumender Brandung brechen. Mit Staunen sehen wir die weit über das Meer hängenden Zweige der Bäume wie mit einem dichten Pelz von einem epiphytischen Farn, ähnlich dem Polypodium quercifolium, bedeckt und wundern uns, daß trotz der heftigen Seebrise und dem zerstäubten Meerwasser auf den weit überhängenden dünnen Zweigen noch ein Epiphyt von solcher Größe seine Lebensbedingungen finden kann (Taf. 27 unten). Aus unserer Versunkenheit in die Wunder der Pflanzenwelt weckte uns plötzlich der ferne Ruf der Dampfpfeife des „Prinzen Sigismund“, dessen Abfahrt für 10 Uhr vormittag festgesetzt war. Drei auf die Reise mitgenommene Taschenuhren hatten infolge der Tropenfeuchtigkeit längst ihre Tätigkeit eingestellt und wir hatten daher keine Ahnung, wie es mit der Zeit stand. Es blieb uns nichts übrig als zu hoffen, daß es das erste Ab- fahrtssignal sei und wir vor dem dritten den Dampfer erreichen würden. Mit den letzten Platten des von uns mitgenommenen Vorrates machten wir noch in fliegender Eile zwei Aufnahmen, bestiegen das Boot, die Eingeborenen zu möglichst raschem Rudern antreibend. Blitzschnell flog unser Boot durch die bewegte See und da kein zweites Signal zu hören gewesen, ließen wir uns noch zu dem Hospital rudern, wo der big fellow Master (der höchste Herr) Dr. P. seine Wohnung aufgeschlagen hatte. Wir wollten ihm gerne für die genuß- reichen Stunden in Friedrich Wilhelms-Hafen danken, die er uns durch Überlassung des Bootes verschafft hatte, erfuhren aber, daß er sich an Bord des „Prinzen Sigismund“ begeben habe. Da tönt wieder die mahnende Dampfpfeife an unser Ohr und der Gedanke durchzuckt uns, wenn es das letzte Abfahrts- zeichen ist, so müssen wir hier einen vollen Monat auf den nächsten Dampfer warten. Wieder fliegt unser Boot durch die Fluten und schon liegt der weiße Rumpf des Dampfers vor uns, zu unserem Glück noch an die Pfähle des Pier gefesselt. An Bord angelangt erfahren wir, daß 10 Uhr, die bestimmte Zeit der Abfahrt, längst überschritten sei, man hatte sie, als man bemerkte, daß wir noch nicht an Bord waren, auf 11 Uhr verlegt. Wir eilten den freundlichen Kapitän aufzusuchen, um ihm für sein großes Entgegenkommen zu danken, und fanden ihn im Rauchzimmer, wo wir von den versammelten euro- 108 Abfahrt von Friedrich Wilhelmshafen. Heimkehr. päischen Bewohnern der Umgebung mit großem Jubel empfangen wurden und alle dankten uns, daß durch unsere Verspätung der Frühschoppen an Bord um eine Stunde verlängert worden sei. Punkt 11 Uhr vormittags wurden die Anker gelichtet, am Pier bildeten die Gruppen der Weißen und die in Reih und Glied aufgestellten schwarzen Soldaten ein malerisches Bild. Vom Deck aus sahen wir die letzten „schwarzen Jungen“, die wir während unseres Aufenthaltes im deutschen Schutzgebiet schätzen gelernt hatten, immer kleiner und kleiner werden, bis die ganze Gruppe am Ufer nur mehr ein buntes Pünktchen bildete. Die Sonne war einstweilen durchgedrungen und hatte alle Wolken verscheucht. Hinter uns liegt nun der Hafen im lachenden Sonnenschein und herrlicher Bläue, rings umher die grünen Inseln, eine frische Brise bewegt die See und dem Riff ent- lang läuft eine weiße Linie hoch aufschäumender Brandung. Sinnend standen wir noch lange auf Deck und sahen das Land verschwinden, das uns eine solche Überfülle der herrlichsten und unvergeßlichsten Eindrücke gebracht. Der folgende Tag brachte uns über den Äquator auf die nördliche Halbkugel der Erde, die wir vor mehr als einem halben Jahr verlassen hatten und nach kürzerem Verweilen in China, Ost-Indien und Ceylon kehrten wir über das rote und mittelländische Meer in die Heimat zurück. lm 00044 6656