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TEXTE Dil) I'NTERSIXMGEN

ZUR GESCHICHTE DEK

ALTCHRISTLICHEN LITERATUR

HERAUSGEGEBEN

VON

OSCAR von aEBHARDT und ADOLF HAMACK

ZWÖLFTER BAND

LEIPZIG J. C. HINRICHS'SCHE BUCHHANDLUNG

1895

INHALT DES ZWÖLFTEN BANDES.

Schlatter, Adolf, Der Chronograph aus dem zehnten Jahre Antonius. 94 S. 1894.

Harnack. Adolf, Zur Überlieferungsgeschichte der altchristlichen Litteratur. 32 S. 1894.

Noeldechen, E., Tertullian's Gegen die Juden auf Einheit, Echtheit, Entstehung geprüft. IV, 92 S. 1894.

Pape, Paul, Die Predigt und das Brieffragment des Aristides auf ihre Echtheit untersucht. 34 S. 1894.

Goltz, Eduard Freiherr von der, Ignatius von Antiochien als Christ und Theologe. Eine dogmengeschichtliche Unter= suchung. X, 206 S. 1894.

Klostermann, Erich, Griechische Excerpte aus Homilien des

Origenes. 12 8. 1894. Rolffs, Ernst, Urkunden aus dem antimontanistischen Kampfe des

Abendlandes. Eine Quellenkritische Untersuchung. VII,

167 S. 1895. Harnack, Adolf, Zur Abercius-Inschrift. 28 S. 1895.

Heft 1.

Heft 2.

Heft 3.

Heft 4.

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in 2011 with funding from

University of Toronto

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DER

CHRONOGRAPH

AUS DEM

ZEHNTEN JAHRE ANTONIUS

VON

ADOLF SCHLATTER

ZUR ÜBERLIEFERUNGSGESCHICHTE

DER

ALTCHRISTLICHEN LITTERATUR

VON ADOLF HARNACK

LEIPZIG

J. C. HINRICHS'SCHE BUCHHANDLUNG

1894

Verlag der J. C. HINIMCIIS'-flici) Buchhandlung in Leipzig.

Texte und Untersuchungen zur Geschichte der

Altchristlichen Literatur

herausgegeben von Oscar von Gebhardt und Adolf Harnack.

I-III. IV 1/3. V-IX. X 1. XI XII 1. M. 247 -

I, 1/2. Die Überlieferung der griechischen Apologeten des zweiten Jahrhunderts in der alten Kirche und im Mittelalter, von Adolf Harnack. VIII, 300 S. 1882.

M. 9

I, 3. Die Altercatio Simonis Iudaei et Theophili Christiani nebst Untersuchungen

über die antijüdische Polemik in der alten Kirche, von Adolf Harnack.

Die Acta Archelai und das Diatessaron Tatians, von Adolf Harnack.

Zur handschriftlichen Überlieferung der griechischen Apologeten. I. Der

Arethascodex, Paris. Gr. 451, von Oscar v. Gebhardt. III, 196 S. 1883. M. 6

I, 4. Die Evangelien des Matthäus und des Marcus aus dem Codex purpureus

Rossanensis, herausgegeben von Oscar v. Gebhardt. Der angebliche Evangeliencommentar des Theophilus von Antiochien, von Adolf Harnack. LIV, 176 S. 1883. M. 7.50

II, 1/2. Lehre der zwölf Apostel, nebst Untersuchungen zur ältesten Geschichte

der Kirchenverfassung und des Kirchenrechts von Adolf Harnack. Nebst

einem Anhang: Ein übersehenes Fragment der Jiffa%rj in alter lateinischer

Übersetzung. Mitgetheilt von Oscar v. Gebhardt. 70 u. 294 S. 1884. M. 10

(II, 1/2. einzeln nur in anastatischem Druck (1893) käuflich.)

II, 3. Die Offenbarung Johannis, eine jüdische Apokalypse in christlicher Be-

arbeitung, von Eberh. Vischer. Mit Nachwort von Adolf Harnack. 137 S. 1886.

M. 5 II, 4. Des heil. Eustathius, Erzbischofs von Antiochien, Beurth eilung des Origenes betr. die Auffassung der Wahrsagerin l. Könige [Sam] 28 und die dies- bezügliche Homilie des Origenes, aus der Münchener Hds. 331 ergänzt und verbessert, mit kritischen und exegetischen Anmerkungen von Alb. Jahn. XXVII, 75 S. 1886. (Einzelpreis M. 4.50); M. 3.50

II, 5. Die Quellen der sogenannten apostolischen Kirchenordnung, nebst einer

Untersuchung über den Ursprung des Lectorats und der anderen niederen Weihen, von Adolf Harnack. 106 S. 1886. M. 4

III, 1/2. Leontius v. Byzanz und die gleichnamigen Schriftsteller der griechischen

Kirche von Friedr. Loofs. 1. Buch: Das Leben und die polem. Werke des Leontius v. Byzanz. VIII, 317 S. 1387. M. 10

III, 3/4. Aphrahat's des persischen Weisen Homilien, aus dem Syrischen übersetzt

und erläutert von Georg Bert. Die Akten des Karpus, des Papylus und der Agathonike. Eine Urkunde aus der Zeit Marc Aureis, von Adolf Harnack. LH, 466 S. 1888. M. 16

IV. Die griechischen Apologeten.

1. Tatiani oratio ad Graecos. Recens. Ed. Schwartz. X, 105 S. 1888. M. 2.40

2. Athenagorae libellus pro Christianis. Oratio de resurrectione cadaverum.

Recens. Ed. Schwartz. XXX, 143 S. 1891. M. 3.60

3. Die Apologie des Aristides. Recension und Reconstruction des Textes von

Lic. Edgar Hennecke. XX, 64 S. 1893. M. 3

Partiepreis M. 2

4. Theophili libri tres ad Autolycum. Recens. Ed. Schwartz. 1 jn yorDe_

5. Iustini martyris apologia et dialogus cum Tryphone Iudaeo. } rpitnnfr

Recens. 0. de Gebhardt et A. Harnack. ) 1BiLune-

Diese Ausgaben der Griechischen Apologeten sind nur mit kurzem sprachlichen Commentar und Registern versehen und sollen zum Gebrauch bei Vorlesungen oder in Seminaren dienen , weshalb auch deren Preise möglichst niedrig gestellt wurden.

Fortsetzung auf Seite III des Umschlags.

DER

CHRONOGRAPH

AUS DKM

ZEHNTEN JAHRE ANTONINS

VON ADOLF SCHLATTER

ZUE ÜBEBLIEFERUNGSGESCHICHTE

DER

ALTCHRISTLICHEN LITTERATÜR

VON ADOLF HARNACK.

LEIPZIG

J. C. HINRICHS'SCHE BUCHHANDLUNG

1894

SEP 1937

DER

CHRONOGRAPH

AUS DEM

ZEHNTEN JAHEE ANTONINS

VON

D. A. SCHLATTER

PROF. IN BERLIN

INHALT.

Seite

1. Die Auslegung Daniels Strom. 1, 21 2

2. Die Liste der Kaiser, Ptolemäer und Perser bei Klemens .... 13

3. Tertullians Berechnung der Jahrwochen 15

4. Hippolyt und Julius ... 20

5. Eusebs Juda 25

6. Der Bischof Juda 28

7. Die Beziehungen des Verwandten Jesu zu Justus von Tiberias . . 37

8. Die biblische Chronologie des „Jemand" Strom. 1, 21 47

9. Theophilus von Antiochien 56

10. Das singulare 2148 58

11. Der „gefälschte" Josephus des Origenes 66

12. Der Bericht des Epiphanius über den Tod des Jakobus .... 75

13. Problematisches 83

a. Die Spalte im Felsen von Golgotha 83

b. Die Bauten Hadrians in Aelia 86

c. Akiba bei Epiphanius 87

d. Kokaba 89

14. Schluss 92

ßQ

TB

Der Chronograph aus dem zehnten Jahre Antonius.

Die kurzen Bemerkungen über dieses Thema „zur Topo- graphie und Geschichte Palästinas" S. 142. 403 haben auf Schürer den Eindruck gemacht: ich spiele mit leeren Vermuthungen, Theol. L.-Z. 1893, 13. Nach meiner Meinung sind meine Schlüsse ernsthaft dem Grundsatz unterthan, dass unser historisches Wis- sen genau an derselben Stelle zu Ende ist, wo die Zeugen enden. Was ich anstrebe, ist nur die sorgfältig kritische Aus- nützung derselben. Ich verstehe darunter nicht eine Zvveifelei, der schliesslich auch das echteste unecht scheint, sondern das Bestreben und Vermögen, durch das junge hindurch das alte zu fassen und auch mittelst der sekundären und überarbeiteten Gestaltungen soweit möglich das ursprüngliche zu sehn. Diese kritischen Operationen gleichen allerdings, wie Schürer richtig sagt, oft einem „Kartenhaus", weil für die jüdische Geschichte die Zeugnisse bekanntlich äusserst spärlich sind und sich nicht jede Beobachtung durch eine reiche Induktion sichern lässt. Gerade dess wegen veröffentliche ich sie. Beobachtungen lassen sich nicht erzwingen, sondern sind ein Geschenk des Zufalls. Nur dadurch, dass wir sie zusammenfügen, werden unsre historischen Urtheile fest. Auch die kurzen Sätze über den Chronographen rechneten auf die Kooperation derjenigen Kollegen, die im patristischen Gebiet sachkundiger sind, als ich. Da aber Schürer lediglich protestirt hat und Harnacks Geschichte der altchristlichen Litte- ratur S. 755 die zu Grunde liegende Beobachtung zwar notirt, aber nicht ausbaut und weiterführt, nehme ich in der Sache noch einmal das Wort. Dass auch in dieser Gestalt meine Sätze nur ein Anfang sind, liegt auf der Hand.

Texte u. Untersuchungen XII, 1. 1

■) Schlatter. Chronograph.

1.

Die Auslegung Daniels Strom. 1, 21,

Im Anschluss an Tatian and Kassians Exegetika bew< Klemens, dass die griechische Religion und Philosophie neben Ismeis Propheten jung sei, und giebi zu diesem Zweck eine vollständige Chronologie d(>v jüdischen und griechischen Ge- schichte von Mose bis zum Exil, welche auf der Gleichzeitigkeit des Mose, Inachus und Amosis beruht. Da aber auch die Zahlen Daniels für die christliche Chronologie von Wichtigkeit gewesen sind, fügt er eine Erklärung derselben bei. Diese Stücke heben sich durch Sprache, Zusammenhangslosigkeit, besondre Chrono- logie und eigen thümliche Eschatologie scharf von der übrigen Ausführung ab.

a.

P. 393: ji8jrZ?e]QC0T(XL roivvv tx r?jg ar/fiaZcoocag rf,Q tjzl 'hgefiiov rov jiootpSjTov dg Baßvlwva yevof/tvrjg vjio Aa- vujl rov ütQoeprjTOV elQTj^tva ovrmg tyovra' Citirt wird Dan. 9, 24 27 nach Theodotion, an dessen Worte sich auch die er- klärenden Sätze halten. Da wir über die Zeit Theodotions nichts wissen, ergiebt sich hieraus kein kritischer Schluss. Falls meine Schlussreihe das richtige trifft, stellt sie fest, dass schon in der palästinensischen Christenheit zur Zeit Antonins Daniel nach Theodotion gelesen worden ist. Der Schluss des Citats hat einige kritische Wichtigkeit, xal övvapimöst öia-d-rjxrjv jio)Jj]v (Theod. jiollolq) eßdoficcg fila xal (Theod. xal ev reo) 7/fxloei x?jg eßöofiaöog aoftr/Oeral fiov {rvoia xal öjtovörj xal sjtl to isqov ßöiZvyfia to *) [Theod. r<5r] eQT]tuoj6£a>v xal tcoq (Theod. fc'cöc TTjg) öWTslelag xaigov owreZeia öodrjösxat ejtl t?jv £Q?'j- ItmOiv. xal Tjniöv zrjq tßöoftaöog xaxauiavou {rvfiiafia {rvolag xal jiTSQV/lov dtpaviOfiov ta>g ovvreZdag xal Ojtovöijg ra^iv a(pavLö(iov. 27 b ist hier doppelt übersetzt. Während im Vul- gärtext Theodotions der zweite Satz: xal rffiiov . . . acpaviOfiov fehlt, giebt auch der Cod. Alex, die Doppelübersetzung, aber mit umgekehrter Folge der Sätze, und genau in derselben Ge-

1) ro kann aus xdiv oder tu verdorben sein: ßöe/.vyfiara. Vgl. ö^sipw.

1. Die Auslegung Daniels Strom. 1, 21. ;»,

stalt hat sie der Vat. am Rand. Auf ev xm ?}[Üö£l rr/g tßöo- (iäöoq folgt hier: xarajiavöei ftvöiaortjCHOV (Vat. frvoiaör/jQia) xal S-volav (Vat. ftvoiag) xal tcoq jirsQvylov dm) ä<pavLötuoc xal tog owreZelag xal ojrovdyg rd^et im dtpaviöfiov , worauf die Worte xal övvaftcooti öia&rjxijv Jiolloig tßöofidg [iia xal h> reo fjßiöet r//j eßdofldöoq zum /weitenmal folgen mit aQxh)- osTat . . . £qtj(1(oCiv.

Die Doublette xal övvaficoöei etc. macht deutlich, dass im Alex, eine gemischte Recension erhalten ist, welche Handschriften voraussetzt, von denen die eine nur den einen, die andre nur den andern Abschluss der WeissaL!;unL>; enthielt.

Der im Vulgärtext Theodotions allein erhaltene, bei Kle- mens an erster Stelle stehende Satz xal ev reo tjfilöet, . . . ert^fico- Öiv ist im wesentlichen der Text der Septuaginta. Der zweite wird der echte Theodotion sein. Denn für rrns TOam ~nx JFlStt) D^S*lb hat Theodotion gesagt: xal öwaftwöei öiaOr/x^v jtoXlolg tßöo^dg y.ia\ hiezu ist für yntt?n ^SHI nicht xal ev T(Z i/ulou rr/g tßöofidöog. sondern das nur noch bei Klemens erhaltene xal r^iLOv rtjg tßöofidöog mit seinem aktiven Verbum xarajtavosc die Fortsetzung. Die Woche thuts bei Theodotion; sie macht den Bund stark und beseitigt das Opfer. Im folgen- den Gliede anerkennt dieser Uebersetzer D^SIpÜ nicht; er las: z^'cc r:r tFi: xal twg jtTSQvylov djto dcpaviöfiov. Aber auch V. 26 gab Theodotion für fiTattttJ: dpaviöfiolg, und endlich haben die mir nicht verständlichen Schlussworte: rdt-ei km a(pavLöfXov (Klem. xd^iv dcpavionov) deutlich Beziehung zu V. 26 övvTETurjfitvov rat- ec dcpaviGfiolc (Klem. 6vvrsT{urjkuavot dcpavio- HOlg).

Das Motiv der Glossirung ist leicht zu erkennen. ßöt-Zvyfta bQrjumoecog ist der durch Jesu Weissagung für die Kirche un- entbehrlich gewordne Ausdruck. Darum wurde der letzte Satz Theodotions zunächst aus der Septuaginta glossirt; hernach stiess in dem schon von Hippolyt vertretenen Vulgärtext die Glosse den Schlusssatz ab oder verwies ihn an den Rand. Wir lesen bei Klemens eine bereits christliche, aber dem Vulgärtext und auch der durch den Vorgänger des Vat. und den AI. dargebotenen Itccension vorangehende Textgestalt.

Nun folgt die Auslegung: ort f/ev ovv ev tjtrd tßdo/idotv cijxoöouijihi o vaog, rovro cpaveoov loxt' xal ydr> Iv reo 'Egöqu

1*

4 Schlatter, Chronograph.

ytjQajTrai, xal ovrcog lyivcXO y^taroq ßaoiZevq Iovöcdan y/yovfitvog, jthjQov/isvajp tojv \jitu kßöofldöcov kv 'leQOVi h'm. Das eingeklammerte ßaöiJLevg *) ist unerträglich, und bri

die ganze Auslegung um ihren Sinn. Sic bezieht das Ende der 7 Wochen richtig auf den Tempelbau und die Erfüllung

derselben könne man bei Esra lesen. Bei Esra liest man aber nichts von einem „gesalbten König der Juden". Der AusL hat tooq xqi6tov nyoviiivov korrekt vom neuen Hohepriester- thum verstanden2). Die messianische Fassung des Worts ist Glosse, sei es schon des Klemens, oder wahrscheinlicher der spätem Textüberlieferung.

Nachdem die 7 Wochen erklärt sind, werden die 62 Wochen erläutert: xal sv ralq t^rjxovxaövo tßöofidöcv rjovyaosv djtaoa 7] ^Iovöaia xal sytvsxo avev jtoZs\uojv' xal o xvgioq ?][i&v XQiördg dyioq xoov aylcov tZ&eov xal Jilr/QOJüaq xr/v ogaotv xal xov jtQO<pfjTT]v sxQtod-T] xrjv ödgxa Top xov jtaxQoq avxor jivsvfiaxi sv xavxaiq ralq tt-rjxovraövo sßöofiäoiv, xa&coc sljtev o jtQO(prjX7)q. Ein weiteres Hauptstück in Daniels Weissagung ist durch Jesu Erscheinung erfüllt. Mit yjQloai ayiov aylcov hat er den Allerheiligsten und durch den Geist Gesalbten ge- weissagt, und „die Besieglung des Gesichts und des Propheten" ist durch Jesus geschehn. Aber sein Kommen bildet nicht den Endpunkt der Danielschen Rechnung; denn „in diesen 62 Wochen'- kam der Herr. Die christologische Formel, die er braucht, giebt das einfachste Element der apostolischen Predigt: er ist der am Fleisch mit dem Geist seines Vaters gesalbte.

Es bleibt noch die Erklärung der einen Woche übrig: xal sv zf] fiia tßöofiaöi xrjq [Dind. rjq] tßdofidöoq xo ?]fiiov xaxtöyt Nsqoov ßaöilevoov xal hv xrj ayia Jiblsi 'lsoov6aX?)[i soxrjöt xo ßdtZvyfia xal sv top rjftiost x?jq tßöo{uddoq dvijoeft?] xal avxöq xal "Oftoov xal rdlßaq xal Ovixsllioq, OvsöJtaoiavoq ds sxgdxrjös xal xa&sils xrjv 'isoovöaZr/fi, xal ro ayiov rjQTjfiooös. xal wq ravO-' ovxooq syst, T0P & P 7e] övvisvai övvaf/svqo

1) Damit ist auch 'iovöalwv zweifelhaft. Fraidl, die Exegese der 70 Wochen Daniels in der alten und mittlem Zeit, Graz 1883, erklärt „die einheimischen Fürsten"; aber der gesalbte König passt weder auf Josua noch auf Serubabel.

2) Ebenso Hippolyt und Julius.

1. Die Auslegung Daniels Strom. 1, 21. 5

örjlov, xa&a xal 6 jiQO(p?jxtjq siqtjxev. Das folgende ist damit ohne jeden Zusammenhang.

Daniel hat auch die Zerstörung des Tempels geweissagt; auf diese geht die eine besonders ausgezeichnete Woche. Wie aber Dindorf den Text giebt, entsteht kein Satz. Er zieht die voran- gehende Zeitbestimmung herüber: hv xavxaiq xalq h&jxovxaövo tßöofiaöiv xaftcQQ sljtev 6 jtQo^f/XTjq, xal hv x7\ fiia tßöofiaöt. Mir scheint das wenig überlegt; denn die 62 und die eine Woche können nicht im selben Athemzug erklärt werden, da sie auf verschiedne Ereignisse gehn. hv xavxaiq . . . bis jtQO<p?]xrjq geben den glatten und durchsichtigen Schluss zum vorangehenden Satz. Zudem bekommen wir für diese Zeitbestimmung nicht einmal eine Aussage. Klemens hat geschrieben: „und in der einen Woche die Hälfte der Woche hatte Nero als Kaiser inne". Das von Potter gegebne 6 xvQioq: xal hv xy f/ia Ißöofiaöt 6 xvgioq sßdo/iaöoq xo ijfiiöv ist vollends verwerfliche Glosse; es zersprengt nicht nur den Satz, sondern auch den Gedanken. Die eine Woche endet mit dem Tempelbrand, wo der Herr nicht kam.

Die Wende in der einen Woche tritt mit Neros Ermordung ein. Die drei kurzen Regierungen sammt den beiden ersten Jahren Vespasians, welche durch den jüdischen Krieg ausgefüllt sind, bilden die zweite Hälfte der Woche.

Voran geht die Aufstellung des ßöhZvyfia durch Nero. Bei Josephus hat der Chronograph nichts gefunden, was diesem Satz zur Basis dienen könnte. Allerdings beginnt dort der jüdische Krieg mit einem Attentat des Florus auf den Tempel; allein dasselbe betrifft nur den Tempelschatz. Der Greuel, den Nero aufstellt, beruht auf dem Wort Jesu, Matth. 24. Da nach Jesu Weissagung mit dem ßöhXvyna die Noth über Judäa kommt, hat es folgerichtig Nero aufgestellt. Sprachlich sind die Sätze durch das einförmige „und" gekennzeichnet: „und so gab es einen ge- salbten Führer in Jerusalem und es war ganz Judäa ruhig und es war ohne Kriege. Und unser Herr wurde gesalbt ... in den 62 Wochen. Und in der einen Woche besass Nero ihre Hälfte und in der heiligen Stadt Jerusalem stellte er den Greuel auf und in der Hälfte der Woche wurde er getötet ... Und dass sich das so verhält, ist offenbar. Jüdischen Charakter haben auch die Citationsformeln : jc&jiZ7jqcqtcci xa vjio Aavirjl xov JtQorprjxov eigrititva ovrcoq r/ovxa, womit Matthäus zu ver-

i; Schlatter, < Ihronograph.

gleichen Lsi and «las stabile ittttfö rrc D^pb der Rabbinen; xcu ydo ev tu) 'EoÖQa ytyoajiTai. ohne Cital als selbständig« womit frg. c zu vergleichen ist: xal tovto ytyoajiTat ovi auch dieses ovTcag bei ytyfjajtrcj is! jüdisch stabil: z^rr "izir. und in der negativen Wendung: tfbtf p z^rz "pX; xa&mq ütiiv 6 jz()0(pijT?]g, xadd xdi o JiQO<pqTT]g UQrpcev, wie es auch ähnlich in frg. d steht: xa&mg elQipce Javir/X o JtQog>/}TT]Q' elorpce ö% und frg. c: tovto xal o Jinocp/'/Ti/g eiJtsv xal tu ', rayyü.tov. Bei den Rabbinen ist das Passiv häufiger: ^EtfZL": oti uo/jTai. allein aktive Formeln fehlen auch nicht: &On:n T£fcc 'pb z. B. shem. r. 76 b und "PH 113 Ä 1. c. 76 a. frg. d giebt dafür das be- kannte Präsens: xal Ötd tovto Xiyu AavLrjl, das auch rabbi- nisch ganz gewöhnlich ist: TOIX tfin pl, auch mit dem Namen des Propheten: 1E1X btfpTfi"1 pl, 1E1» Tm plö, TttlK lrTW* 70" etc. vgl. beispielsweise shem. r. 50 a. 80b. etc.

Diese Auslegung Daniels hat sich in den der Synagoge ge- wohnten Formen bewegt.

Wenig Wechsel und Gelenkigkeit in der griechischen Rede zeigen die vorangestellten Subjektssätze: 6% t fthv ovv sv sjctcc. ißöofcdöcv qixodofirjfr?] o vaog, tovto (paveoov Iotiv: xal oic Tav&' ovToig \%u, tw 6h övvievai dvvctfiEvm dijXov, und ebenso frg. c: otl öh tovt äZrj&eg Iotiv, iv tcq tvayyeXico . . . yt- yoajiTai ovToyq und xal oti hviavTov tuovov löst avTOV x?]Qv$ai, xal tovto yaygajiTai ovTcog.

Die Formel ?/ovyaosv ajtaoa r\ Iovöala ist ein biblischer Ausdruck: "p«n ftupw.

b.

P. 404: jialtv ts av äjiö Ttjg ißdof/r/xovTasTOvg alyjiakoj- öiag xal t//c tov laov üg jcaTQomv yr\v ajcoxaTaöTaoeojg eig t?)v alynalcoötav tt\v tJil Ovsöjcaötavov ett] övvaysTai TSTQaxoöia dexa' TelevTala ös äjid Ovsöjiaöiavov: hier setzt Klemens seinen eigenen Endpunkt ein, den Tod des Kommodus, und rechnet 121 J. 6 M. 24 T.

Hieronymus zu Daniel 9 hat versichert, dass Klemens die Zerstörung Jerusalems 490 Jahre nach dem Exil ansetze. Aber wie soll, wenn Hieronymus Recht hätte, das dexa des Textes ent- standen sein? Dagegen ist die These des Hieronymus durchaus begreiflich aus der kräftigen Verwunderung, die der überlieferten

1. Die Auslegung Daniels Strom. 1, 21. 7

Suin nie keinen Sinn abzugewinnen weiss. Die 70 Wochen sind sämmtlich besprochen; es scheint, wir dürfen sie nur addiren: 70—1)4 v. Chr., die eine Woche? 371 a. Chr. 63 p. Chr. die 62 Wochen; 420—372 die 7 Wochen. Da aber für den Tenipel- brand die Summe 410 überliefert ist, so ist diese Rechnung für die Quelle des Klemens , falsch.

Klemens hat nicht überliefert, wo die 490 Jahre enden. Bei der Besprechung der einen Woche fehlt die Angabe: und so wurden die 490 Jahre voll, und das neue Fragment zeigt, dass die Ziffer Daniels sich über den Tempelbrand hinaus erstreckt. Nachher bleibt aber für dieselbe nur noch ein einziger Schluss- punkt übrig: die Parusie. Daniel hat den Anbruch des Himmel- reichs, das Kommen des Menschensohnes in den Wolken des Himmels und die Auferstehung geweissagt. Das Fragment ist.

^ein überlieferter Bestand als fehlerhaft erwiesen wird, das Zeugniss dafür, dass unser Ausleger mit der Ziffer Daniels noch den Anbruch des Himmelreichs berechnet hat, womit auch erklärt ist, wesshalb Klemens das Ende der Rechnung nicht giebt. Sie war, als Klemens schrieb, längst antiquirt.

In welches Jahr er die Parusie gesetzt hat, hängt davon ab, ob er die 49 Jahre mit den 70 Exilsjahren oder mit den 490 Jahren Daniels verband. Schlug er sie zu den 70 und nicht zu den 490 Jahren, so reichen diese mit 80 Jahren über den Tempelbrand hinaus. Zählte er die 49 Jahre bereits zu den 490 Jahren, so reichen dieselben bis zum Jahre 101. Der Chrono- graph schrieb entweder am Ende des 1. Jahrhunderts oder vor 150.

Für den Ansatz am Ende des ersten Jahrhunderts wTürde sprechen, dass der biblische Text offenbar die Addition der 49 Wochen zu den 62 und zu der einen Woche verlangt. Allein unser Exeget ist nicht bloss durch den Text Daniels bestimmt, sondern zugleich durch den wirklichen Verlauf der Dinge. Er legt das, was bei Daniel zusammensteht, auseinander, wie es die Erfüllung zu fordern schien. Die eine Woche ist nach dem Text unzweifelhaft die letzte; sie ist es aber nach unserm Ausleger nicht. Die Salbung des Allerheiligsten und die Beseitigung des Opfers gehören bei Daniel zusammen und an's Ende des ganzen Geschichtslaufs, während sich jenes für unsern Exegeten auf Jesus, dieses auf Vespasian bezieht und beides noch nicht das Ende bringt.

g 8chlatter, Chronograph,

Aehnlich kann er den Anfang der 190 Jahre and die

7 Wochen nicht als identisch behandeil baben, so dass beides gleichzeitig Geltung hat, dass die Weissagung Daniels sich von der babylonischen Gefangenschaft an erfallt, frg; a, aber die

490 'Jahre von der Rückkehr in die Beimath an laufen. Daniel hat zuerst die Heimkehr und den Neubau Jerusalems geweise was nach 49 Jahren geschah und bei Esra geschriebeu ist. Er wird die Frist zwischen dem ersten Jahr des Cyrns und dem zweiten des Darius als 49 Jahre gesetzt haben, wie ihn auch Fraidl versteht. Damit wurden die 70 Jahre voll und nun be- ginnen die zum Ende zielenden 490 Jahre.

Dass diess die Rechnung des Auslegers war, dafür spricht schon in dem, was wir bisher gelesen haben, das dunkle ßödZvyfia, das Nero aufstellt. Im ersten Jahrhundert konnte man die Vor- gänge, die den Ausbruch des Kriegs veranlassten, noch kennen 1). Auch frg. c, die Berechnung des Jahres Jesu nach Lukas, ist diesem frühen Ansatz der Fragmente nicht günstig, und frg. e giebt das Datum: 10. Jahr Antonins, das mit unsrer Stelle aufs beste harmonirt.

Es bedarf nach meiner Meinung keines weitern Beweises, dass Klemens diese Dinge kopirt. Gleich nach 150 wird der Satz: Zerstörung Jerusalems = 410. Jahr nach dem Ende des Exils absurd. Er hat nirgends Halt als nur in Daniel und nicht über das Jahr 150 hinaus, Zudem hat Klemens aus der- jenigen Quelle, welche die griechische und jüdische Geschichte miteinander verglich, einen sorgfältigen Synchronismus für die erste Wegführung unter Jojachin gegeben, P 394: sie fällt in Nebukadnezars 7. Jahr, Uaphres 2. Jahr, in das Archontat des Philippus (Phänippus bei Euseb), Olymp. 48, 1, also 587 a. Chr. Diese Rechnung ignorirt Daniels Ziffer vollständig; sie kam mit 490 Jahren nicht einmal zu Jesu Geburt, noch weniger verknüpft sie dieselbe mit der Parusie. Aus der sich total auf- hebenden Differenz der beiden Rechnungen folgt lediglich, dass Klemens nicht selber rechnet, sondern die Daten seiner Vor- gänger zusammenstellt.

1) Es werden sich später noch mehrere Instanzen finden, die unsern Ausleger nach Palästina stellen. Schriebe er vor 100, so hätte er die eine Woche noch selbst durchlebt.

1. Die Auslegung Daniels Strom. 1, 21. g

Auch an der annähernd richtigen Zitier: -lojachin exilirt 587 a. Chr., ist eine kräftige Tendenz betheiligt, welche die ganze chronologische Untersuchimg durchdringt, diejenige nämlich, welche die Bibel auch zeitlich den Griechen voranstellt und die- selben als jung und abhängig erweist. Dieser Tendenz steht der Ansatz: Jerusalems Zerstörung 410 seit dem Exil direkt im Wege. Er macht die biblische Geschichte viel zu jung, kümmert sich also nicht um die Prioritätsfrage und hat mit dem ganzen apo- logetischen Nachweis für das Alterthum der Bibel nichts zu thun. In der Vergleichung der biblischen Zahlen mit den grie- chischen und egyptischen wachsen jene; unter dem Regiment der eschatologischen Erwartung verkürzen sie sich. Dem das Welt- ende in nächster Nähe schauenden Blick ist auch die Kürze der abgelaufnen Weltzeit nicht befremdlich. Beide einander entgegenwirkenden Gesichtspunkte finden sich bei Klemens bei- sammen, weil ihm die ältere Litteratur der Kirche noch beide zuleitet.

c.

P. 406: tyerrrjf)?j de o xvoioq rjficov tw oyöoe? xal elxoöToi Itu, ote jzqojtov exekevöav äjzoyoa<paq yeveo&at ejtl Avyovörov. Der Plural exeXevoav wird als Verderbniss aus exeXevöev zu beurtheilen sein. Die ungeschickte nachträgliche Erwähnung des Aucmstus deutet darauf, dass derselbe in der Quelle schon ge- nannt war, womit auch das Subjekt von exeXevöev gegeben war. Da Klemens nur diesen Satz heraushebt, muss er den Namen des Kaisers erst nachträglich anbringen, ort de tovt aXrj&eq löx iv, er t(~) evayyeXlq) reo xazd Aovxäv yeyoajtTai ovTooq' stel öh izevTexaiöexaTc» ejtl TtßeQiov Kaloaooq lytvexo grjf/a xvqiov ejtl ^IcoavvrjV xov Zayaolov vlov xal jtafov iv reo avroj' ?)v de 'itjöovq eQ%6{jevoq ejil ro ßäjiTiöfta coq ercov X' xal ort eviavTov fiovov eöei avTOv xrjQvgat, xal tovto yeygajtrai ovrcoq' evcavTOv öexTOv xvqiov xrjQvt-at ajieoxeilev fze. tovto xal 6 rroocfi/Trjq eine xal to evayyeliov. jievrexaidexaTcp ovv eTei Tißeoiov xal jtevTexaiöexaTro AvyovOTov ovtoo jiXrjQOvvTai tu. TQtaxovTa eTTj, emq ov ena&ev. ag>' ov de ejia&ev eooq Ti\q xaTaGTQ0(p7^ 'feQovöaX?}^ ylvovTai Ittj [iß' [itjveq y. xal ajio tijq xaTaGTQO<p?jq '/eooroaXi/fi ecoq: Klemeus rechnet bis zum Tod des Kommodus 128 J. 10 M. 3 Tage. ylvovTat ovv a<p

}o Schlauer, Chronograph.

ov o xvqioq hyswifi"r\\ bis zum r I ^ < > < i des Kommodua 194 Jahre

1 M. L3 T.

Die Stelle zeig! sich als Excerpi dadurch, dass sie die Elegie- rungsdauer des Augustus nicht giebt, und doch wird erst durch diese verständlich, wesshalb gesagi werden kann: „im \h. Jalir des Tiberius und im 15. des Augustus, so werden voll die 30 Jahre, bis er litt"; im 15. des Augustus, nämlich von seinem Tode an gezählt. Der Exeget giebt Augustus 43 Jahre, rechnet 28 bis zur Geburt Jesu, 15 des Augustus fallen in seine Lebens- zeit, und das 15. des Tiberius ist das Jahr der Wirksamkeit Jesu und seines Tods. Vom Regierungsantritt des Augustus bis zur Zerstörung Jerusalems hat er richtig 100 Jahre; er rechnet Augustus vom Jahre 30 a. Chr. an. Somit bleiben ihm vom Ende des Exils bis zum Regierungsantritt des Augustus noch 310 Jahre.

In den Summen, die bis zum Tod des Kommodus berechnet sind, wird der schlechte Zustand der Textüberlieferung sichtbar: denn die Zahlen stimmen unter einander nicht. Qxd ist gegen gxrf zu halten. Die Kaiserliste, die Klemens giebt, ist aber in ihren Ziffern viel zu verdorben, als dass sich noch erledigen Hesse, was für die Monate und Tage ursprünglicher Text ge- wesen ist.

Auch in den neutestamentlichen Citaten tritt der alterthüm- liche Charakter des Texts hervor, xo svayyüuov erscheint als Name für die Gresammtheit der das Evangelium darbietenden Schriften, daneben im selben umfassenden Sinn o jtQOtyfjxrjq, das den religiösen Werth des alttestamentlichen Kanons zum Aus- druck bringt. Das Citat aus Lukas 3, 23 zeigt nicht den über- lieferten Text. Dieser giebt: xal avxoq ?]v 'Irjöovq aQ%6[i£Vog coösl exeov X '. Unser Exeget citirt: i]v 6s 'Irjöovq iQxofisvoq im xo ßajiTLö(ia a>g exeov X ' . Dass eQXOfievoq Beziehungen zu dem dunkeln äoxofievog des Lukas bat, ist kaum abzulehnen, da es an derselben Stelle steht. Die andere Variante: eyevexo Qr][ia xvqiov ejtl 'icoavvr/v statt deov Luk. 3, 2 schliesst den Satz noch enger an die alttestamentliche Form an: b$ Mi tn rPPJ.

Jesu Lebenslauf wird ausschliesslich nach Lukas berechnet, ohne dass sichtbar wird, wie unser Exeget die Erzählung des Johannes behandelt hat.

1. Die Auslegung Daniel- Strom. 1. 21. 11

d.

P. 408. (tri 6h xäxelva tf) yoovoyoatpia jiQogajio6(>Ti<>)\ _• Xtyo. aq alvizzszai Aavu'jX.) Das ist das Proömium des lvlfineus. axo zrjg tgt/ftojoscjg 'legovoccfo}^ zd Ovtojza- Oiavov i't/j C . fiijifeg C tcc ydg ovo etfj jtgo^Xafjßdvszai rote "Od-oji'o- y.c.l rr.Xßa xai OvizeXXlov fit/öl i£, ftfAtgaLg rf . xai nvzco yiverai iz>t tgla xai fiijvsg ;', o iozi zo ijftiov zrjg tß6o- ttädog, xalhog elgrpcs Aaru)X o JtQOtytfrrjg. eigrpce 6h ßz' tj^itgag yeviö&cu, aq> ov toz/j zo ßötAvytiu vjio Atgcovog sig xrjv TtoXtv t/])' aylav [ir/gi tT^ xaxaöZQOtyrjq avzijg. ovzco ydg zo gr/zöv tu vrroziTuyttirov öeixvvöiv' (es folgt Daniel 8, 13. 14 nach Theodotion) \'cog jcoze )) ogaoig ozSjoezai ?] ftvoia dgßeloa [Theod. xtä /) dfiagzia t()}/tucü{h'/0£zai [Theod. tor/ficooecog] r\ dod-üoa xai )) dvrauig xai zo dytov [Theod. xai zo dy. xai /; 6vvaiuq\ 0V{Hzaz7f(h]G£zai xai djrev avzoY tag töjregag xai Jigan tj{utgai ßz l) xai dofrijützai zo dytov [Theod. xad agiofttfoezai , p!2ü]. r.oih'joezaL ist deutlich eine christliche Glosse und steht mit der Doppelübersetzung von Dan. 9, 27 parallel, avzai ovv al ßz ?]kutgai ylvovzai Izrj q fiijvsg 6> , a)v zo ?]fiiov xaztG%£ Nsgcov ßaoiXsvwv xai sysvszo /jfaov Ißöofidöog, zo 6h //fuöv OvsöJia- ötavög Gvi' Od-mvt xai FdXßa xai OvizsXXlcp' xai öid zovzo Xsysi AavujX (12. 12)' {laxdoiog o (p&döag sig Tjfitgag azXs . i/t'Z'ji yccQ zovzcov zojv ?/{zsgcöv o jtoXefiog r)v, ftszd 6h zavza i<:roazo. ösixvvzai 6h xai ovzog o agifrfiog ix zov vno- zszaytusvov xstpaXaiov syovzog a)6s (12, 11)' xai djto xaigov nagaXXd^sojg zov sv6sXsyiö.uov xai 6o&rjvai [Theod. 6o& ' oszat zo] ßötXvyfia tg?]{ivjöswg rjfisgag yiX'iovg 6iaxooiovg svvsv?'j- xovza' [Theod. t/tutgat ylXiai etc.] [laxdgiog o vjto/isvwv xai (p&doag dg ijfitgag azXs .

Der Eingang hat ein Fragment aus der Kaiserreihe erhalten, durch welche die Zerstörung Jerusalems mit der Gegenwart des Schreibers chronologisch verbunden war. Es folgte somit die Liste von Vespasian bis Hadrian und zwar nicht in abgerundeten Jahren, sondern mit den Monaten. Ueber die Zeit der kurz regierenden Kaiser ist er unterrichtet. Die Lesung fi?jvsg

1) Die Ueberlieferung bei Theodotion schreibt: 2400 und 2300. Unser Exeget las letzteres.

12 Schlatter, Chronograph.

darf wnlil in tfj gebesseri werden, da er mit 2 Jahren Vespa- sians 3 Jahre und 6 Monate summirt. 18 Monate aenni richtig die Distanz /wischen Neros Ermordung 9. Juni 68 and derjenigen des Vitellius 20. Dez. 69. Dennoch ist die Rechnung kindlich. Denn nachdem er für die kurzen Kaiser die Monate gezähll hat, durfte er das 2. Jahr Vespasians, das Jahr des Tempelbrands, nicht gleich 2 Jahren setzen, da zwischen der Ermordung des Vitellius und der Eroberung Jerusalems nur 9 Monate liegen. Auch die zweimal auftretende Ordnung: Otho, Galba, Vitellius ist auffällig. Weniger gewaltsam ist die Gleichstellung der 1335 Tage mit der Dauer des Kriegs, den er auf B1^ Jahre schätzt.

e.

P. 408: Am Schluss des chronologischen Abschnitts giebt Klemens Bericht über die Rechnung des Josephus. Das ist schon desswegen eine Entlehnung, weil Klemens nur hier Jose- phus citirt; sodann hat er hier nicht sein eigenes Epochenjahr eingesetzt, sondern das der Quelle unverändert gelassen: das 10. Jahr Antonins.

<Plavlog de Icoor/Jtog o lovöaiog o rag lovöalxaq ovvrctt-aq löTOQtag xarayaycov rovq XQOVovg g)tjölv äjzo Mcovotcoc eojg Jaßlö Irr] ylyveö&ai cpjte' ajtb de Aaßld to?g Oveojcaoiavov öevregov erovg agod' ' , elza ajto rovrov yteyjQi \4vtcovivov 6e- xarov erovg errj , cog elvat djto Mwvöemg IjtI rb dexarov erog Avrcovtvov icavra errj acoly .

Die Summe zwischen David und Vespasian stammt aus b. j. 6, 10. Die Distanz zwischen Mose und David konnte er dort nicht finden, dazu musste er die Antiquitäten zu Rathe ziehn, wo aber die Zahlen wechseln. Wahrscheinlich hat er A. 8. 3, 1. 61 benützt. Allerdings ist die Gesammtsumme acoly verdorben. Wer die Ziffern rational machen will, kann lesen: von Mose bis David (pjcrj statt cpjte und in der Gesammtsumme aco^d' statt aooly '. Die beiden andern Summanden 1179 und 77 stehen fest.

Mit den andern Fragmenten verknüpft diese Stelle zunächst der Ansatz der Epoche im 2. Jahre Vespasians, welcher auch bei der Berechnung der einen Woche Daniels eine wichtige Funktion zufiel. Sodann erklärt das hier gegebene Datum den zunächst unverständlichen Ansatz: Ende des Tempels 410 nach dem Ende des Exils vollständig. >Der Verfasser muss die Daniel-

•_?. Die Liste der Kaiser, Ptolemäer und Perser bei Kiemen-. 13

zitier herunterrücken, weil ihn selbst schon eine beträchtliche Distanz von der Zerstörung Jerusalems trennt. Er schreibt im 487. Jahre Daniels. Er hat also die Parusie in der nächsten Nähe vor sich und die Frist noch auf 3 Jahre bestimmt.

Zugleich belegt die Stelle, dass unser Rechner sich nicht ausschliesslich auf die Zeit zwischen dem Exil und der Parusie beschränkt hat, sondern auch die ältere Chronologie der Bibel überblickt, und auch diess ist nicht ohne Interesse, dass er wenig- stens aus Josephus unterrichtet ist, wie weit die Berechnung der Perserzeit bei andern Chronographen seinen eignen Ansatz überragt

Die Liste der Kaiser, Ptolemäer uiid Perser bei Klemens.

Er giebt zwei Listen der Kaiser, die eine mit abgerundeten Jahren, die andre mit Monaten und Tagen. Da unser Chrono- graph bei den kurz regierenden Kaisern und bei Vespasian mit Monaten und Tagen operirt, käme für ihn zunächst letztere in Betracht. Allein ihre unzuverlässig überlieferten Ziffern tragen keinen Schluss. Gleich der Anfang: Caesar 3 J. 4 M. 5 T., Augustus 46 J. 4 M. 1 T. ist offenbar verdorben. Statt 46 muss Augustus 56 haben. Der kritische Werth der beiden Listen besteht nur darin, dass sie die Abhängigkeit des Klemens von mehreren Vorgängern darthun. Sogar für die Kaiserzeit stellt er uns 2 Möglichkeiten zur Wahl: so oder auch so.

Die Liste der Perser sieht wunderlich aus, und legt den Gedanken nahe, dass nicht bloss die Textüberlieferung sie übel misshandelt hat, sondern dass schon Klemens hier ausgleichende Künste versucht hat.

Cyrus 30

Cambyses 19

Darius 46

Xerxes 26

Artaxerxes 41

Darius 8

Artaxerxes 42

Nun folgt ilyoc, // AQörjq 7'. Darin steckt eine Verderb niss : ob gemeint ist Ochus 8 Arses 3, ist fraglich. Da die Summe 2'.>~>

I | Schlatter, Chronograph.

sein soll, würden wir sie inii «Irr Lesung Ll/<>- X ÄQOTjq '/ er- reichen, und dir EmendatioD wäre nicht besonders kühn, denn v' kann zunächst in xal missdeutet und bernach in // korrigirl worden sein» Allein Kambyses 19 ist ebenfalls ein fragwürdiger Posten.

Dass wir für Cyrus und Kambyses zusammen 49 Jahre er- halten, hat schon Fraidl an die 7 Wochen erinnert, die mit dem Tempelbau abgelaufen sind. Noch merkwürdiger ist aber, dass der letzte Darius vollständig fehlt, xafreZc/jv dl xov JclqbIov tovtov, fährt Klemens fort, und doch hat er ihn noch gar nicht genannt! 'Altt-avögog o Maxeöaw fierä xa Jigoxtifttva trr/ ßaöiZeveiv ccoyetaf ofioimg ovv xal rcov Mazedovcov ßaoilbojv oi xqovoi ovtco xazdyovraf

Alexander 18(!)

Ptol. Lagi 40

Philadelphus 27

Euergetes

25

Philopator

17

Epiphanes

24

Philoruetor

35

Physkon

29

Lathuros

36

Dionysos

29

Kleopatra

22

Kappadoker

18 Tage

302

Die Summe soll sein 312. Wir hätten sie leicht, wenn Phila- delphus 37 erhält. Allein die 18 Jahre des Alexander sehen wie ein verderbtes 8 aus. Mit dem Text des Klemens lässt sich hier nicht weiterkommen. Dass der letzte Darius bei Kle- mens ohne Ziffer ist, hat ein Mysterium in sich; weiter ist es Thatsache, dass für den Ansatz: 410. Jahr seit dem Ende des Exils = 70 p. Chr., der Anfang der Rechnung genau 18 Jahre vor den Tod Alexanders fällt. Da unser Chronograph bei den Kaisern sorgfältig gerechnet hat, wird er auch den Ausgangs- punkt der Rechnung genau bestimmt haben. Derselbe war aber für Klemens ebensowenig annehmbar als ihr Schluss.

3. Tertullians Berechnung der Jahrwochen. 15

3.

Tertullians Berechnung- der Jahrwochen.

So kräftig sich Tertullian nach derParusie sehnt, dennoch ist seine Auffassung der Zahl Daniels eine gänzlich veränderte. Sie reicht nicht mehr in die Zukunft, weissagt nicht das Jahr der Parusie und dient nicht mehr dem „bald" der Hoffnung zum kräftigen Erreger, sondern sie ist mit der Zerstörung Jerusalems zu ihrem Schluss gelangt. Dies ist um so bedeutsamer, weil Tertullian denselben Rechner benützt, den Klemens citirt. Die Rechnung steht adv. jud. 8.

Darius H>

Artaxerxes 41(40)

Ochus qui et Cyrus 24

A.rgus 1

alius Darius qui et Melas nominatus est 21 (22)

106

Alexander (nach Hieron.) 11(10, 12)

Soter 35

Philadelphus 38

Euergetes 25

Philopator 17

Epiphanes 23 *

Euergetes 29

Soter 38

Ptolemäus 37 (38)

Kleopatra 22(20) 6 M. (5 M.) *)

Die Schwankung in den Einzelposten können wir bei Seite lassen. Die Summe ist durch das Schema der Rechnung ge- sichert: 277 J. 6 M.

Perser und Griechen zusammen

Kleopatra und Augustus

Augustus bis zur Geburt Christi2)

d. h. 62 und % Woche, nach Daniel.

1) Menses V ist sicher falsch. Tertullian hat die in 2 Hälften zerlegte Woche auf die beiden Perioden vertheilt, und nur desshalb bekommt Kleopatra Monate; er hat ihr die genaue Ziffer gegeben.

2) Was Oehler druckt, hat weder spraclich noch sachlich Sinn: videamus autem, quoniam quadragesimo et primo anno imperii Augnsti.

383 J.

6

M.

13 J.

41 J.

437 J.

6

M.

](; latter, Chronograph.

Augustus seil Christi Geburt Tiberius, in dessen 15. Jahre der

Herr litt, 30 Jahre alt Caligula Nero Galba Otho Vitellius

20

7

26

3

8

13

11

9

13

7

6 3

8

27

52 6

d. h. 7 Wochen und l/2 Woche. Mit Vespasian, der Jerusalem zerstört, schliesst die Rechnung.

Sie ist kein Meisterstück. Die Streichung des Klaudius ist eine starke Leistung, die Konfusion bei Augustus unschön, nicht weniger auch die 6 Monate, die Kleopatra der halben Woche wegen erhält. Allein im kritischen Verhör sind unkluge Zeugen oft von besondrer Wichtigkeit. Folgendes kommt in Betracht:

1) Tertullian sucht einen Darius, mit dem er den Darius Daniels gleichsetzen kann. Da die Rechnung mit Vespasian schliesst, kann er weder den ersten noch den dritten Darius brauchen; er nimmt somit den mittlem. Dennoch hören wir: Ocnus, qui et Cyrus; Darius qui et Melas nominatus est. Darius Melas! Einerlei ob vermittelt, oder direkt: Tertullian hat einen Griechen vor sich. Melas ist verlesenes MHJ02. In der Quelle ist der letzte Darius der Meder genannt gewesen, also der Darius Daniels. Folglich haben die Jahrwochen der Quelle nicht bei der Zerstörung Jerusalems aufgehört, waren also auf die Parusie bezogen und haben dieselbe also circa 150 p. Chr. angesetzt. Wir kommen hier nochmals zum selben Schluss, wie ihn die Fragmente des Klemens verlangen, und

quo post mortem Cleopatrae XX et VIII annos hnperavit, nascitur Christus. Et supervixit idem Augustus ex quo nascitur Christus annis XV et erunt reliqua tempora annorum in diem nativitatis Christi in annum XL primum, qui post mortem Cleopatrae. Der älteste Textzeuge ist Hieronymus, der die XX et VIII Jahre nicht gelesen hat, sondern giebt: qui post mortem Cleo- patrae imperavit. Hier wird nur statt qui quo als die bessere Lesung ein- zusetzen sein. Auch mit videamus ist die schlechtere Variante in den Text gesetzt statt videmus.

3. Tertullians Berechnung der .hihrwochen. 17

Tertullian bestätigt, dass das 10. Jahr Antonius zur Auslegung Daniels gehört

2) Der Chronograph hat bis 70 p. Chr. 410 Jahre gerechnet, bis zum Antritt des Augustus 310. Die Weissagung geschieht im ersten Jahre des Meders Darius. Bei Tertullian erhalten wir:

Darius Melas 21 (22)

bis zum Jahre 30 290

311. (312)

Hiernach sind es bis zum Jahr 70 genau 410 Jahre seit dem ersten des Darius Medus, event. dieses nicht eingezählt.

Xunmehr wissen wir, warum bei Klemens der letzte Darius in der Perserliste fehlt. Sein Gewährsmann gab ihn als den Kopf der Ptolemäerliste, und hat ihn mit 21 Jahren derselben vorgesetzt. Klemens hat dieser Summe nicht getraut. Ob er selber mit 18 Jahren Alexanders die Summe bis auf Alexan- ders Anfang auf 312 gebracht und damit der Rechnung des Chronographen gleichgemacht hat, können wir füglich offen lassen.

3) Die Angaben der Quelle über Augustus haben Tertullian völlig verwirrt. Augustus soll nur 56 Jahre haben und dennoch stellt er 13 + 41 + 15 = 69 Jahre ein. Die Berechnung der Quelle für die Geburt Christi ist aber offenkundig mit derjenigen des Klemens identisch. Die 30 Jahre Christi werden zu je 15 auf Augustus und Tiberius vertheilt, und das 15. Jahr des Tiberius als das Todesjahr Jesu gefasst *). So bestätigt Tertullian, dass die Berechnung des Jahres Christi zur Jahrwochenrechnung ge- hört, zumal da c. Marc. 1, 15 steht: dominus anno XII Tiberii Caesaris revelatus est. Tertullian hat die Voraussetzung der ganzen Rechnung, das einjährige Lehramt Jesu, nicht mehr ge- theilt, und hat dennoch das Datum: 15. Jahr = Todesjahr festgehalten und die 3 Jahre vor dasselbe gestellt. Dass dies neben den Sätzen des Chronographen eine sekundäre und ge- mischte Vorstellung ist, heisse ich selbstverständlich.

4) Wie Tertullian Dan. 9, 24 citirt, lässt er nur den Vulgär-

1) Ganz abrupt erscheint am Schluss das Konsulardatum für das Todesjahr Jesu: die beiden Gemini. Das ist dieselbe Rechnung wie die <!»'- Chronographen. Woher Tertullian diesen Satz bezogen hat, weiss ich nicht, falls er wirklich Tertullian angehört.

Texte u. Untersuchungen XII, l. 2

Ig Bchlatter, Chronograph.

text erkennen, ohne dass <li<' Doppeltibersetzung bei ihm sichtbar wird. Für tjcl to Isqov ßöiXvy^ia xwv ^Qij/iciöscov sagt er: in sancto execratio vastationis. Als er aber die Stelle erklärend

nochmals wiederholt, sagt er: dicit enim sie, et civitatem ei sanetum exterminari cum duce venturo et coneidentur sicut in cataelysmo et destruet pinnaculum usque ad interitum. Hier erscheint plötzlich das pinnaculnm = üiXBQVfVOV. Da Tertnl- lian kein Bewusstsein darum hat, wie sich Isqov und jtrtovyiov durch 5pD einigen, zeigt die Stelle, dass er eine Vorlage hat, von welcher Dan. 9, 27 b auch nach Theodotion gelesen wurde, trotz- dem er selbst dessen Satz nicht in sein Citat aufgenommen hat. Auch hier wird, was Tertullian giebt, durch Klemens durch- sichtig, da dieser „auf das Heiligthum der Greuel" und „Flügel der Verwüstung" neben einander giebt.

Tertullian hat uns nicht nur die Methode, sondern auch das Motiv der Rechnung näher gebracht. Wenn ein kirchlicher Mann verkündigt: in 3 Jahren kommt der Herr, so setzt diess eine eigenthümlich geartete Zuversicht voraus, die durch die „Zeichen der Zeit" nicht vollständig begreiflich wird, so wenig dieselben bedeutungslos sind. Wir müssen allerdings im Auge behalten, dass die fürchterlichen Dinge in Palästina noch in nächster Nähe stehn, da die Judenverfolgung sich in die ersten Jahre Antonins fortgesetzt hat, und dass Jerusalems Verwandlung in eine griechische Stadt noch ein junges Ereigniss war und der Zeustempel auf dem Tempelberg noch stand. Diese Dinge haben die eschatologische Hoffnung in Palästina sicher stark erregt, und haben bewirkt, dass man in der jüdischen Christenheit mit besondrer Sehnsucht nach der Offenbarung Jesu sah. Aber damit wird die Rechnung noch nicht erklärt, die gerade noch 3 Jahre bis zur Parusie behielt.

Dieselbe beruht darauf, dass ihr Ausgangspunkt nothwendig in der Perserzeit liegen musste. Man konnte sich dieselbe nach Daniel kurz denken, undzurNoth mit 2 Perserkönigen ausreichen, aber einen Cyrus und Darius musste man haben und konnte mit den Jahrwochen nicht unter Alexander hinuntergehn. Im 10. Jahr Antonins war man aber bereits bis zum letzten Ende der Perserzeit herabgedrängt, und erhielt die 490 Jahre nur noch, wenn der letzte Darius der Meder war. So gewiss die Prophetie nicht hinfallen konnte, die ja eben jetzt eine wunderbare ße-

3. Tertullians Berechnung der Jahrwochen. 19

stätigung erhalten hatte dadurch, dass der Gesalbte kam und das Opfer aufhörte und die Verwüstung über den Tempel ge- bracht wurde, so gewiss stand die Parusie unmittelbar bevor, weil ja die 490 Jahre endgültig abliefen. Der Gedanke, dass die Kirche die Rechnung Daniels auf etwas andres beziehen könnte, als auf die Aufrichtung des Himmelreichs, war unserm Rechner noch fremd, und darum hatte er die Zuversicht, derselben nachzu- weisen, dass jetzt das Ende nahe sei.

In der Methode der Rechnung hat er jüdische Vorgänger; denn Cyrus ist schon früher in der Reihe der Perserkönige vor- wärts geschoben worden. A. 11, 6, 1. 184: rekevT?jöm^rog 6h &£q§ov t))v ßccötteiav dg xov vior /{vgov, ov ^Agra^eQ^v 'EZXrj-

xaZovöiv, Ovpißtj {israßrjvcu. Somit heissen den Sohn des \ fixes nur die Griechen Artaxerxes, die Juden d. h. die Bibel Inisst ihn Cyrus. Gutschmids Konjektur 'Aövtjqov trägt zu viel Gelehrsamkeit in Jos. hinein. Die erläuternde Parallele steht bei Tertullian, der sagt: Ochus qui et Cyrus, worauf Darius Medus folgt, selbst aber seine Rechnung bei Darius IL beginnt. Wir haben hier einen Rest der Jahrwochenrechnung des ersten Jahr- hunderts, der Zeit vor dem Tempelbrand, als „die Weisen" das Himmelreich als nah bevorstehend berechneten und sich täuschten, b. j. 6, 5, 3. Auf diesen Cyrus folgte Darius IL und ich kann es nicht für Zufall halten, dass wir vom Beginn seiner Regie- rung 423 mit den 490 Jahren ins Jahr 67 kommen, in die Zeit der hochgespannten messianischen Aufregung.1)

Diese Rechnung war widerlegt worden. Darius IL war nicht ihr richtiger Anfang gewesen. Aber es blieb noch ein letzter Darius übrig. Mit ihm konnte man noch rechnen unter Haclrian und in den ersten Jahren Antonins.

1) Die herkömmliche Wiederholung des Jos. verhindert immer wieder, dass der religiöse Charakter des jüdischen Kriegs anerkannt würde. Auch Schürer hat in seiner Antwort nochmals die Behauptung erneuert: a. ii. iJT hätten Heiden vereinigt mit den Juden gegen die Römer gekämpft. Die scheinbare Nöthigung zu dieser baroken Annahme, die in der Ver- wechslung des peräischen Gadara mit dem Gadara der Dekapolis lag. glaube ich entfernt zu haben. Von Heiden im aufständischen Gadara Bagt Jos. kein Wort.

2*

2t) Schlatter, Chronograph.

Hippolyt und .Julius.

Der Chronograph hat xov öqpQaylöai oqcxöiv xal XQO€pTjtrjV erläutert durch: jilrjoojöag x?)v OQaöcv xal xov nQO^rjrrjv^ und Tertullian hat denselben Gedanken, da er ihm apologetisch gegen

die Juden dient, mit einiger Ausführlichkeit. Hippolyt im Kom- mentar zur Stelle nimmt dagegen 6<pgayiGai als Gegensatz zu kvöat. Das eigentliche Geschäft Jesu ist das Lösen und Offnen, wie er durch mehrere Schriftstellen beweist. Das Versiegeln = Verschliessen zielt auf den Unglauben der Juden schaft: eöec yaQ xa uialat öict üzoo<pr}xojv Xzlalruiiva xolg fisv ajiloxoig <Payi- Oaloig, ot eöoxovv xa xov vo\iov yivcoöxuv, hötyQaylöüaL, xolg öh jiiöxevovötv navxa ?]vecpx&cu, Bratke S. 27. Das Siegel ist hier nicht als Mittel der Bestätigung, sondern des Verschlusses gedacht. Trotzdem giebt Hippolyt auch Sätze, die mit Tertullian sich wörtlich berühren.

Hippolyt : Tertullian :

sjisiör) yao jifo]QOJ[ia vofiov xal signata est visio et prophetia.

üiQCHprjTwv avxog üiaoi)v , 6 id est statuta. Et merito evan-

vofiog yao xal ol jüQOtyf/xat gelista: lex et prophetae usque

tojg Icoävvov, söst xa vjt exsc- ad Joannem baptizatorem. Bap-

vcov ZaZrjdsvxa ö(pQayl^£ö^at tizato enim Christo, id est sancti-

xal jz!r}oov6&ai. ficante aquas in suo baptis-

Daraufwird mit jähem Ueber- mate omnis plenitudo spiritua-

gang zum heterogenen Gedan- lium retro charismatum in

ken gesagt: allcog öh Iva hv Christo cesserunt, signante vi-

xfj xov xvqlov jiaoovöia jiavxa sionem et prophetas omnes

Zv&svxa (poixLGftfi xal xa söcpga- quas adventu suo adimplevit. yiOfieva yvw6$r\vai fir} övva- fisva evxoZcog ejiiyvmöfrrj, Bratke 26.

Identisch ist die Erläuterung des ö(pQayiöat durch Luk. 16, 16; aber auch das hier und dort zur Beschreibung Christi dienende jtZrjQODfia: jih]QQD[ia vofiov xal jioo(prjxwv avxog üiagijv = omnis plenitudo spiritualium retro charismatum in Christo cesse- runt ist schwerlich Zufall.

4. Hippolyt und Julius. 21

Hippolyt: Tertullian:

avTOq yag ?]v rj rekelet G<poaylg quoniam ipse est signaculum xal ?) xXelg -fj ex Javtö , 6 omnium prophetarura adimplens avoiymv xal ouöelg xXeiei xal omnia, qnae retro etc. xXeicov xal ovöeig avoiyei ').

Identisch ist der Satz avrog yag ?jv (eonv) tj öcpoaylg (navxcov xeov jiqo<pt]tcov). Hippolyts „Schlüssel" fällt sofort wieder in den ihm selbst näher liegenden Gedanken, dass Christus versiegeltes öffne.

Da wir wissen, woher Tertullian seine Erklärung der Jahr- wochen hat, werden hier drei kleine Fragmente des Chronographen sichtbar. Er hat Jesus „das Siegel der Propheten" genannt, und für die Erfüllung der Weissagung das Wort aus Lukas citirt und wahrscheinlich auch Jesus selbst als jiX?']Qco[ia vofiov xal jiQO(p?]Tcov bezeichnet, worin natürlich Mth. 5, 17 verwendet ist.

Nunmehr tritt auch exQiO&r) rrjv oäoxa reo rov jtarQÖg avrov jivevfiari im Satz des Klemens mit Hippolyts: ayiog 6h ayiwv ... Sc; jzaoo)v xal ejtiöeixvvg tavrov elvat rov xexQtö- fievov vjio rov jtvevjiaxog xal elg rov xoöfiov djteözaXfievov, 26, 16 in Parallele, wie auch bei Tertullian das entsprechende Glied nicht fehlt, da die plenitudo spiritualium bei der Taufe Christi in ihn tritt, als er das Wasser „heiligte" (ayiog aylcov).

Auch die Kongruenz in der Erörterung über das ajzalelipai aöixiag

Hippolyt : Tertullian :

xlveg de eloiv ol rag aöixiag dimissa sunt peccata quae per avrrov et-iXaöxofievoi ei firj ol fidem nominis Christi omnibus eiqxo bvo[ia avrov Jitörevorreg; in eum credentibus remittantur wird nicht bloss auf Zufall beruhn, so wenig sie für sich allein etwas beweisen würde.

Bei der Berechnung der Jahrwochen kommt in Betracht:

1) Hippolyt macht mit den 49 Jahren bis zum Tempelbau, dem 1. Jahr des Darius und 20 Jahren der Babylonier die 70 Jahre des Exils voll: tcoq xqlötov ?]yoi\utvov eßöofiaöeg tjrra, a löTiv errj TeoöeoäxovTa evvea' elxoorrZ yaQ xal jiqojtco exet &ea>Qü ravra ev BaßvXSvi davujX. rd>v ovv TeOöegaxovra

1) Beachte die unmittelbare Verbindung dessen, was dem Chrono- graphen gehört, mit dem Bibel wort.

22 Schlatter, Chronograph.

Ivvta txajv Ji(>og xm elxoÖTCO 'int ip/j<f iZouiror JtXrjQOVVtai ißöofirjxovxa Ixii, ajtt.(t elQTpcev o (/axdyiog '/;(>; uic. 25, ~>.

Wenn der Chronograph vom ersten Jahr des Letzten Darius aus rechnet, so hat er die 49 Jahre bis zum Tcmpdbau zu den 70 geschlagen und ebenfalls gerechnet:

Babylonier 20

Perser bis zum Tempelbau 50.

Hiezu ist die Rechnung Hippolyts zum mindesten eine Analogie. Aber der Chronograph muss die 49 Jahre vor den Meder gestellt haben, und dieser Schluss ist durch Tertullian bestätigt worden; denn Ochus qui et Cyrus geht dem Darius Medus voran. Das ergab eine Schwierigkeit. Der Text verlangte, dass 7 + 62 + 1 addirt werden, und im ersten Jahr des Meders, wo der Engel mit Daniel redet, war hienach der Tempel bereits gebaut. Hippolyt ist desswegen vom Ansatz des Chronographen abgewichen und lässt die 49 Jahre auf das 1. Jahr des Meders folgen, verzichtet nun aber auch auf eine ins einzelne gehende Ausrechnung.

2) Für Hippolyt giebt es bloss 4 Perserkönige: Tlxi tqüc, (p7]6i (Dan. 11, 2), ßaotlüg dvaöxr/öovxac hv xjj üagoldi xal 6 xixagxog jtXovxtjösl jzXovxov fiiyavu xal yeyevrjxai' ftexd ydg Kvqov äveöTt] JaQBlog, tJieixa 'A^xat-SQ^jg. xgelg ovxoi ysye- vrjvxai ßaötXelg' JiSJiÄrjQcoxai 7] yQa(pr). „xal o xtxaqxog jiXov- X7]08t Jilovxoi^ ueyav" xlg ovxog aXX* r] AaQelog og ßaöiXsvöag xal evöo^og yevrj&elg ejiXovxrjöe xal tnaviöxrj jtdoaig ßaoiXtlaig cEXX?]vwv; xovxco dvtoxrj^AXi^avÖQog o Maxsöwv, vlog <PiXljijzov yeyovcog, xal xadelXe xo xovxov ßaolXscov, 32, 11.

Damit kommt Hippolyt mit sich selbst in Widerspruch; denn wenn das 1. Jahr des Meders das 21. seit dem Tempelbrand ist, so hat Cyrus nicht vor, sondern erst nach dem Meder Platz. Auch müssen wir die pg. 4 (Bratke) genannten Ziffern: 230 Jahre für die Perser, nach einem „jemand" sogar 245 Jahre, völlig ver- gessen. Es lässt sich aber nicht mehr rekonstruiren, wie die Liste beim Chronographen stand, falls er überhaupt hier ins Detail gieng. Bei Tertullian sind nur 3 Perserkönige erkennbar: Cyrus-Ochus, Arses, Darius, und die Ziffern fügen sich nicht in das Schema der 49 Jahre. Dagegen steht Hippolyts letzter Darius, der den Gipfel der persischen Macht bezeichnet: ejtavtoxrj jrdoaig

4. Hippolyt und Julius. 23

ßaoiXsiaiQ 'EXlrjv&v, dem Meder jedenfalls näher als dem ko- domannus.

3) Trotz der langen Ziffern: Perser 230, Griechen bis zu in Anfang des Augustus 300. sagt Hippolyt: die 62 Wochen enden mit der Gegenwart Jesu. Er fasst diese aber im Unterschied vom Chronographen als deren Ende. Die Rechnung hat für ihn keine eschatologische Bedeutung mehr. Die Nähe der Parusie giebt er mit Bewusstsein auf. Er weist warnend auf die schwär- merischen Erg 3e der Erwartung hin und stellt nach der 6000jährigen Weltwoche fest, dass zwischen Christi Geburt und der Parusie 500 Jahre liegen. Dennoch

4) weissagt die letzte Woche das Ende. Sie beginnt mit «K-r Erscheinung Elias und Henochs und hat in ihrer Mitte die Herrschaft des Greuels der Verwüstung, d. h. des Antichrists. Auch das ist eine gemischte Vorstellung. Die eschatologische Deutung des Ganzen wirkt, auch nachdem die Ziffer nicht mehr eschatologisch verstanden ist, noch nach, und reisst die letzte Woche vom übrigen ab und stellt sie in die Zukunft hinaus.

Fraidl pg. 74 hat darauf aufmerksam gemacht, dass der Be- ginn der letzten Woche mit Elias Wiederkunft, was auch Apolli- naris giebt, an das övvccfiocxjei 6ia\)7jx?jv jwÄZolq tßöofiac, [iia denken wird. Allein schon bei Hippolyt steht der Satz ohne seine exegetische Basis als fertiges Dogma. Bei Klemens hören wir gar nicht, wie die „Stärkung des Bundes" sich vollzieht. Welcher Exeget hat zuerst das dvvaficoöai diafrr]?c?]v als Elias erk beschrieben? Es setzt sich hier ein jüdisches Element mit auffallender Kraft im Zukunftsbild der Väter fort. Doch ist der Ansatz: zu Anfang der Woche Elia, in der Mitte der Antichrist, am Ende der Christus, bei unserm Chronographen nicht denkbar, da er schon mitten in der letzten Woche steht. Julius ist mit Hippolyt im wesentlichen eins:

1) Luk. 16, 16 dient auch ihm zur Erläuterung des 0(pQaylöai ogaoiv. ogaotig re xal jiQO(p?jT8lcu f(ty()ic Icoävvov, yQisrat öl ayioq ayicov. Eus. dem. 8, 2.

2) Die 490 Jahre laufen nicht vom Beginn des Exils, son- dern von der Vollendung der Stadt an. Da aber Julius eine vollständige Perserliste hat und eine genaue Rechnung erstrebt, zieht er das 20. Jahr des Artaxerxes aus Nehemia heran.

3) Die 400 Jahre enden im 15. Jahr des Tiberius. Julius

24 Schlatter, Chronograph.

hat mit der Jahrwochenrechnung auch den Ansatz des Ohrono- graphen für die Wirksamkeit Jesu aufgenommen. Bei Hierony- mus zu Daniel 9 steht direkt: usque ad annum quintum deeimum

Tiberii Caesaris quando passus est Christus. Bei Euseb stehl das 16. Jahr des Tiberius, was auf der Erwägung beruht, dass der Tod Jesu über sein Lehrjahr hin ausreiche. Wir brauchen uns hier nicht mit den spitzigen Schwierigkeiten abzumühen, welche die Wiederherstellung der Einzelheiten der Rechnung des Julius drücken1); für uns genügt die Thatsache, dass das 1T>. Mi. Jahr des Tiberius als Todesjahr Christi nicht nur durch Ter- tullian, sondern auch durch Julius als Bestandtheil der Jahr- wochenrechnung überliefert ist.

4) Dennoch hat Julius die letzte Woche eschatologisch ge- deutet. Denn Hieronymus hat aus Apollinaris erhalten, dass er seine Beziehung der Jahrwochen auf die Zeit zwischen Christi Geburt und derParusie desswegen aufgestellt habe, quia Africanus ultimam hebdomadem in fine mundi esse testetur, nee posse fieri, ut junetae dividantur aetates. Es ist nicht richtig, wenn Fraidl diess als eine andere Berechnung der Jahrwochen neben die frühere stellt. Die Sache wird sich genau so wie bei Hippolyt verhalten. Die Rechnung geht nur auf Christi Tod; aber das Ende der Weissagung wird von der Rechnung vollständig ab- gelöst in die Zukunft hinausgestellt.

Dass Julius aus Hippolyt, Hippolyt aus Julius schöpfe, scheint mir ausgeschlossen. Wir bedürfen einen altern Exegeten, der ihre Uebereinstimmung erklärt und zugleich auch Tertullian mit umfasst. Ich glaube dieses Problem als gelöst bezeichnen zu dürfen. Julius und Hippolyt haben sich gleichmässig durch den Chronographen sagen lassen, dass Daniel mit dem gesalbten Allerh eiligsten Jesus weissage. Damit war beiden das Mittel gegeben, durch welches die unhaltbar gewordne Rechnung sich umbilden Hess: die Ziffer weissagte nicht Jesu zweite, sondern die erste Ankunft. Hippolyt bleibt darin näher beim Chrono-

1) Es handelt sich bekanntlich immer um eine Differenz von 2 Jahren in den Berichten. Geizers Lösungsversuch: egyptische Jahre und julia- nische Jahre, lässt mir viele Zweifel. Hängt die Konfusion etwa an den 2 Jahren Sems? Geizer hat sie mit dem Syncell gestrichen; vielleicht hat sie Julius gehabt. Ihr Wegfall müsste Korrekturen durch das ganze System hindurch zur Folge gehabt haben.

5. Eusebs Juda. 25

graphen, dass ihm die Erscheinung Jesu als das für die 62 Wochen bedeutsame gilt, während Julius die ganze Summe für sie braucht. Dieser bleibt andrerseits darin beim Chronographen, dass er den Bau der Stadt und des Tempels vor die Summe setzt, während Hippolyt sie in dieselbe eingerechnet hat.

5. Eusebs Juda,

Trotz alledem soll die Beziehung der Jahrwochen auf die Parusie nach der traditionellen Meinung noch bis ins dritte Jahr- hundert fortgesetzt worden sein. Denn Euseb sagt h. e. 6, 7: ev Tovrcp xal 'lovöag övyygacpimv tTegog elg Tag jtaga reo JavirjX eßöofiijxovTa tßöofiäöag tyygacpmg öiaZex&Hg tjtl ro öixaxov r?jg Seßr'tQov ßaöiZelag löttjöc t?]v ygovoygayiav , og xal rrjv frgvAovfiwrjv xov ävriXQiOTOv jiagovölav rfir\ tote jtZrjöcccL.siv coero' ovtüj öcpoögwg r tov tote xa& micov öicoyfiov xivrjOig rag twv nollmv ävctTSTCcgccxei ötavolag.

Zu einem verständlichen Text eine Konjektur zu machen, wäre ein thörichtes Geschäft. Was aber hier berichtet ist, ist nicht verständlich. Schürer hat meine lebhafte Phantasie ge- rühmt; aber trotz aller Lebhaftigkeit derselben vermag ich mir nicht vorzustellen, wie Juda a. 202 mit der Zahl 490 die Nähe der Parusie bewies. Wie weit man im 10. Jahr des Severus vom Anfang des Augustus entfernt war, wusste man in der Kirche. Es blieben dem Rechner noch circa 250 Jahre; d. h. er kam mit den Jahrwochen nicht mehr zum grossen Alexander hinauf. Da aber kein Erklärer Daniels die Perser streichen konnte, müsste er die Griechen unsinnig verkürzt haben. Und doch war es für einen Chronographen keine entlegne Wissen- schaft, dass zwischen Alexander und Augustus 300 Jahre stehu. Zumal wenn er auf seinen Satz eine so gewichtige These baut, wie den Mahnruf an die Kirche: der Herr ist nah!

Es ist viel thörichtes über die Jahrwochen in der alten Zeit gesagt worden; und doch macht schon das bisherige deutlich, dass diejenigen, welche wirklich rechneten, ernsthaft gerechnet haben und die gegebnen Zahlen benutztem Der Chronograph bringt seinen Alexander annähernd richtig auf 320 und Julius hat sich mit seinen ..Mondjahren" redlich mit ernsthaften Zahlen

26 Sehlatter, Chronograph.

abgemülit. Wo unbesonnen« jagt wird, wird auch nicht

selbständig gerechnet. Tertullian hat bloss an der ihm vor- liegenden Rechnung gewaltsam herumkorrigirt, und Hippolyi

hat, auf seinen Vorgänger gestützt und ohne selbst zu rechnen. leichthin gesagt: 434 Jahre sind es, bis Christus kam. Hier soll aber einer den Text Daniels auslegen und durch eine Rechnung den Beweis für seine These geben, und dennoch ins dritte Jahr- hundert hinunter gelangen.

Auch Euseb hat sich über die ihm vorliegende Notiz ver- wundert und die Sache durch die Verfolgung unter Severus entschuldigt. Dieser Grund erklärt nichts und beweist nur, dass Euseb das Buch nicht kennt. Keiner von den andern, die mit Juda die Noth unter Septimius mit erlebt haben, hat desswegen die Jahrwochenrechnung erneuert, nicht einmal Tertullian, noch weniger Klemens oder Origenes oder Hippolyt oder Julius. Wie man nach Hadrian in der Synagoge die Jahrwochen verstand, zeigt die Tosefta: 420 Jahre stand der nachexilische Tempel, natürlich mit 70 die Ziffer Daniels, Zuckerm. pg. 499, 2 l). Und doch war wahrhaftig für die Rabbinen der Tempelbrand nicht das Ziel der Weissagung.

Wer erwiedert: Euseb sage nicht, Juda habe aus den 490 Jahren die Nähe des Antichrists erwiesen, sondern setze lediglich die beiden Thatsachen neben einander: Juda habe von den 490 Jahren gehandelt und den Antichrist in seine Zeit versetzt, schafft wieder eine Unverständlichkeit. Hat Juda auf die eschatologische Fassung der Jahrwochen verzichtet und nachgewiesen, dass sie schon längst zu Ende sind, so stellen sich die beiden Zwecke seines Buchs quer gegen einander und heben sich gegenseitig auf. Mit der Beziehung der Jahrwochen auf Jesu Leben machen sich Julius und Hippolyt Raum zu dem Satz, dass die Welt noch einige Jahrhunderte stehe. Auch wenn man die eschatologische Fassung der letzten Woche beibehielt, so liess sie sich doch nicht mehr zu einer Weissagung über die Nähe der Parusie verwenden. Denn nachdem die letzte Woche von den übrigen getrennt war, konnte man über das Mass dieser Distanz aus

1) Ebenso der Seder Olani. Vgl. auch den Rabbinen des Hierony- nms zu Daniel 9 : 62 Jahrwochen bis zum jüdischen Krieg, 49 bis Hadrian, und zweimal 372 Jahre für die beiden Kriege. Die 3V2 Jahre stehn auch im Talmud für den Krieg Hadrians = l/2 Woche Daniels.

5. Eusebs Juda. 27

490 nichts mehr ableiten. Soll »Inda zuerst bewiesen haben, dass die Jahrwochen nichts über das Weltende offenbaren, und hernach es dennoch geweissagt haben? Wer es weissagt, der hat nur einen Zweck, den, seine Weissagung glaubhaft zu machen und mit dem Zeugniss der Schrift zu bewähren, und da Juda dieselbe mit der Erörterung der Zahl 490 verband, so hat er seinen Satz nicht trotz derselben, sondern wegen der- selben aufgestellt.

Wollen wir ..Zeichen der Zeit" suchen, die seinen Gedanken er- läutern, so böte der Judenkrieg in Palästina unter Severus vielleicht eine kräftigere Erklärung für seine Weissagung als die Christen- proc auf welche sich Euseb beruft. Das von Euseb ge-

nannte Datum fällt nahe zusammen mit der Gründung von Dios- polis, Eleutheropolis und Nikopolis, und wenn die Juden zu den Waffen griffen und die blutigen Scenen in Palästina sich erneuerten, gähren regelmässig auch die messianischen Erwar- tungen. Allein mit alledem gewännen wir noch keinen Einblick in das mysteriöse 490, wie es bei Juda stand.

Ist es denn wirklich eine „unmögliche" Konjektur, die uns hier hilft? Euseb las bei Julius: jivrcovivov und deutete das auf Severus; alles andere bleibt sammt dem zehnten Jahr.

..Warum sollte nicht ein Chronist", hat Harnack, Geschichte der altchristlichen Litteratur 756, erwiedert, „im 10. Jahr des

minus und ein andrer im 10. Jahr des Septimius die Jahr- wochen Daniels ausgelegt haben? natürlich beide in der Ueber- zeuo'uno\ dass man bereits am Ende der Zeit stehe." Allein da- mit scheint mir die Besonderheit des Problems etwas verwischt. Kommentare zu Daniel, wie sie in der Kirche seit Hippolyt ge- schrieben worden sind, mögen in jedem Jahr in ungezählter Menge denkbar sein; aber die beiden Rechner des 10. Jahrs haben beide geweissagt, und diess sehr präcis. Kam es in der alten Kirche so häufig vor, dass man die Parusie des Herrn chronologisch fixirte? Ich weiss keinen dritten Fall; denn Montan gehört nicht hierher, da er nicht mehr in der Kirche steht und sich nicht auf Exegese, sondern auf Inspiration und eignes Prophetenthum berief. Unsre beiden Rechner sind in kirchlichem Ansehen geblieben, und nun ist es doch eine seltsame Sache, dass das Schlussjahr beider nicht in der Jahrzahl, sondern nur im Kaisernamen differirt, und dass mit dem einen Kaisernamen die

28 Schlatter, Chronograph.

Rechnung vollständig durchsichtig, mil dem andern zum absoluten Geheimniss wird.

Die Korrektur von 2JeßrjQov ist um so mehr erlaubt, weil der Schlusssatz Eusebs zeigt, dass er sich über die Sache seine

Konjekturen macht. Ihm war es glaublicher, dass jemand in einer schweren Kampfeszeit etwas so thörichtes behauptet habe, als in einer stillen Periode wie diejenige Antonin s. Er übt an Juda Kritik; meine Antikritik gegen dieselbe steht auf dem Faktum, dass einer in der Friedenszeit des Pius genau das that, was Euseb durch die Nothzeit unter Severus erklären zu müssen glaubt.

Euseb redet vom Antichrist, während die Sätze des Klemens nichts über denselben geben. Aber kein Erklärer Daniels, dem dessen Zahl noch in die Zukunft zielte, kam um das „kleine Hörn" herum. Da die Parusie für ihn noch 3 Jahre ausstand, muss es für ihn buchstäblich wahr gewesen sein: zrjv roc dv- xiXQi6xov jtaQovötav ?}öfj tote jtkr/oiä&iv (Jjsto. Es sieht auf den ersten Blick auffallend aus, dass gerade die Weissagung des Antichrists als für das Buch charakteristisch hervorgehoben wird. Warum wird nicht vielmehr von ihm berichtet, dass er den Christus weissagte? Die Rechnung des Chronographen macht diess deutlich. Er stand vor der letzten halben Woche; so muss in der That der Zweck seines Buchs gewesen sein, der Kirche zu sagen, dass jetzt unmittelbar der Antichrist erscheine und die grosse Versuchung komme.

Auch der jüdische Name fällt ins Gewicht. Denn die 50 Jahre zwischen Antoninus und Severus haben für die Betheiligung der jüdischen Leute an der Kirche und ihrer Litteratur viel be- deutet. Wo treten um 200 noch Juden als Schriftsteller in der Kirche auf? Während jüdische Männer im 10. Jahre Antonins noch angeselme Glieder der Kirche waren. Der Ausleger Daniels aus Antonins 10. Jahr theilt sein Judenchristenthum mit Hege- sipp, vermuthlich auch mit Papias; mit wem theilt es derjenige im 10. Jahre Severs?

6. Der Bischof Juda.

Epiphanius haer. 2, 66, 20 giebt die Bischofsliste Jerusalems in folgender Gestalt:

6. Der Bischof Juda.

29

Euseb h. e. 4, 5. 3. 12, 1. 'Iaxcoßoq 6 §vXq> JtXrjyelg ev 'laxmßog 6 rov xvqiov Xeyo-

%QOOoXvfioiq tfiaQTVQTjös fievoq aösXpog.

itr/oi XtQcovoc. Svfiswv tm TQaiavov torav- Svfiewv.

QC0&7].

\lovöag. 'iovGTOq.

Zayaqiag. Zaxyaloq.

Twßlag. Tojßiaq.

Herta [UV. Bsv Lactiv.

'[cqccvvijq ecog öexaervea tTovq Icoavvrjq.

TQaiavov.

MatMaq. MaxMaq.

<I>iXi7iJtoq. <PlXuiJioq.

Ssvexäg. Sevexag.

'lovOTOq ecog 34.6ql<xvov. Iovötoq.

AsvIj. Aevlq.

Ovayoiq. 'EyQJfi.

7cooL. *Ico6r/<p.

'iovöaq ftr/QLq evöexaTovÄvToo- 'iovöaq fieyQi TVS xaxa 'Aögia-

v'ivov ovtoi de ajib jzeoiTO- vbv 'iovöaioov jtoXcooxlaq.

ur\q ejreoxojtevöav rfjg 'leoov-

oalrjfi, e$ e&voov de ovtoi.

Maoxoq. Maoxog.

Kaööiavog. Kaööiavbg.

UovjtZioq. HovjiXiog.

Magiftoq. Md^i{uog.

louXiavbg, ovtoi JtavTeg {ISXQI lovXiavbg.

dexctTov eTOvg 'ävTcovivov

ecoeßovg 1).

Die Liste ist mit derjenigen Eusebs identisch, ist aber von Epipbanius nicht Euseb entnommen, weder der Kirchen- geschichte, noch dem Chronikon, und ist bei Epiphanius auf Antonius 10. Jahr datirt, und diess in ihren beiden Reihen, der judenchristlichen und der heidenchristlichen. Alle Klagen über

1) Von nun an folgt je beim dritten Namen ein Datum: 8. des Verus, 20. des Verus, Commodus; von nun an treten die Kaisernamen regel- mässig an.

30 Schlatter, Chronograph.

die Konfusion bei Epiphanius, der schon Judas bis zum 11. Jahr Antonins reichen lasse und dann nochmals beim 5. heidenchrist- lichen Bischof beim 10. Jahr Antonins anlange, sind Lediglich Missverständniss. Es gab nach unsrer Liste in Jerusalem zuersl

nur beschnittene Bischöfe, dann neben den Bischöfen der Be- schnittenen auch Bischöfe der griechischen Christen. Warum beide Reihen bis zum 10. Jahre Antonins herabgeführt sind, wird durch das bei Klemens erhaltene Fragment vollständig erläutert: hier schloss der Chronograph.

Aber auch der Inhalt der Liste sichert ihr ein hohes Alter, da, wie schon Gutschmid richtig hervorhob, der Chronograph seine Episkopen nicht in eine fortlaufende Reihe stellt, sondern mehrere gleichzeitige Episkopen aufführt. Nachdem wir schon mit Symeon zu Trajan hinabgelangt sind, stehen wir mit dem fünften folgenden Namen wieder bei Trajans 19. Jahr, und er- halten von Hadrian, wo doch wohl an die Katastrophe Jerusa- lems gedacht ist, bis zum 10. Jahr Antonins weitere 4 Namen. Dass vollends die heidenchristlichen und die judenchristlichen Episkopen neben einander gesetzt sind, sagt die Liste selbst. Seit aber der monarchische Episkopat kraft göttlichen Rechts als wesentlicher Bestandtheil der kirchlichen Verfassung galt, war es unvermeidlich, dass die Bischofslisten von den Aposteln her nach monarchischer Succession redigirt worden sind. Euseb kann sich nicht einmal mehr judenchristliche und heidenchrist- liche Episkopen gleichzeitig denken, und lässt darum Juda nur bis zur Gründung von Aelia reichen und macht Markus zu dessen Nachfolger. Das steht auf derselben Stufe wie sein naives xo- fiLÖrj ßQaxvßioi, 4, 5, 1. Wer irgendwie zusammen fungirende Episkopen nennt, reicht in die erste Hälfte des zweiten Jahr- hunderts zurück 1).

Diese Liste ist judenchristlich, nicht nur dess wegen, weil sie über Jerusalem sachkundig berichtet, sondern noch mehr

1) Wie sich diese Kooperation vollzogen hat, steht dahin. Nicht einmal für die Frage, ob die nach Hadrian stehenden judenchristlichen Bischöfe noch in Aelia selbst zu denken sind, liegt mir eine Instanz vor, die ein Urtheil ermöglichte. Es hängt von der Frage ab, wie Hadrian und seine Beamten den Unterschied zwischen den Juden und Judenchristen beurtheilten. Nur das darf als gewiss bezeichnet werden, dass die Juden- christen sich nicht am Krieg betheiligt hatten.

6. Der Bischof Juda. 31

desswegen, weil ihr die heidenchristlichen Bischöfe von Jerusalem keineswegs ohne weiteres die Erben und Nachfolger der juden- christlichen Reihe sind. Diese Setzt sich vielmehr neben jenen fort.

Auch die beiden andern Daten verdienen Beachtung: Jo- hannes bis zum 19. Jahr Trajans, Justus bis Hadrian. Das 19. Jahr Trajans führt uns zum Ende seiner Regierung, d. h. zum grossen Judenkrieg. Durch Sota 9, 14 ist der „Krieg des Quietus" historisch völlig gesichert, und zwar für Palästina '). Wer in der Succession: Vespasian, Quietus, Hadrian, das mitt- lere Glied auf das Unglück der babylonischen Diaspora bezieht, erklärt nicht vom Standpunkt der Rabbinen aus. Die Mischna hat das, was jüdische Gemeinden draussen betrifft, mag das Unglück auch schrecklich sein, nicht mit dem koordinirt, was dem Tempel und der heiligen Stadt angethan wird. An die Vernichtung der Alexandrinischen Judenschaft, die ein furchtbares Ereigniss war. haben sich in den Talmuden bestimmte Erinnerungen er- halten, aber das ergiebt nicht einen Krieg, der mit den Tempel- Störungen des Titus und Hadrian verglichen würde. Haben aber unter Trajan kriegerische Wirren in Palästina stattgefunden, von denen Jerusalem nothwendig mitbetroffen wurde, so hat die Erwähnung des 19. Jahrs Trajans denselben sachkundigen Sinn wie diejenige Hadrians. Die Kriege unterbrachen regelmässig den Bestand der Gemeinde Jerusalems und nöthigten die Christen- heit und ihre Episkopen zur Flucht.

Auch zur Bischofsliste giebt Klemens eine Parallele, leider nur mit dem durch Euseb erhaltnen Fragment aus den Hypo- typosen h. e. 2, 1, 3: Kfo'/fir/g 6h h> txrco tcov ^YjtorvjtCDOecov ygaqxjw oode JtaQLOTtjOC IltrQOv ydg (prjöi xaVlaxcoßov xal 'Iwav- vrjv fiera ttjv avaX?jipiv xov öwrrJQog, wöäv xal vjto rov

XVQIOV JtQOTSTlf/7j(4tVOVC, //// tJlldlxätsOfrcci Öo^jQ, <xl)? 'iäxwßoV

rbv dixaiov huzloxonov 'JeQOGoZvfiwv ilto&ai. Wer sagt das?

1) Schürer hat gegen die Benutzung der rabbinischen Aussagen für die Geschichte des zweiten Jahrhunderts bündig erwiedert: „spät rabbi- ne Legenden". Der kritische Standpunkt, den er einnimmt, ist nicht haltbar. Er zieht sich auf die Mischna zurück, und wirft alles übrige weg. Aber in den Kommentaren zur Mischna und auch in den exegetischen Sammlungen steht mancher Satz, der älter als die Redaktion der Mischna

Die Unterscheidung zwischen Legende und Geschichte dürfte auch auf diesem Gebiete keineswegs unmöglich sein.

32 Schlatter, Chronograph.

Wäre der Satz des Klemens in die indirekte Rede umgesetzt, würde diess anzeigen, dass Eusrb das Citat nicht selbst ans den Hypotyj)osen nimmt. Citirt er Klemens direkt, dann hat sich Klemens auf einen altern berufen, der die Wahl des Jakobus durch die drei Hauptapostel berichtet hat. Da Klemens unsern Chronographen gelesen hat und da derselbe den Episkopat des Jakobus giebt, fände sich zu diesem <p?]6i ohne Zwang ein Subjekt.

Da die Liste Epiphanius und Euseb mit ihrer Fortsetzung vorlag, giengsie durch einen spätem Chronographen durch. Euseb hebt es als etwas besonderes heraus, dass er für dieselben keine Zahlen finde. Andre Bischofslisten waren ihm mit Zahlen über- liefert, diese nicht. Der ältere Chronograph, auf dem Euseb in allen diesen Dingen steht, ist Julius, und da sich ohnehin schon ergeben hat, dass Julius seinerseits auf unserm Chronographen steht, so ergiebt sich auch nach dieser Seite keine Schwierigkeit.

Während die Liste der heidenchristlichen Bischöfe beim 10. Jahre Antonins endet, wie die Chronographie, reicht der Bischof Juda bis zum 11. Jahr. Warum? Ich erkläre diess so: der Erklärer Daniels aus Antonins 1 0. Jahr ist Juda, und Julius hat sich mit verständiger Ueberlegung gesagt: ein Mann, der das 10. Jahr noch in seine Chronologie einbefasst, hat nothwendig das elfte noch erlebt, während er für den heiden christlichen Bischof keine Angabe hatte, die über das 10. Jahr hinausführte. Er war bei Juda noch genannt, aber sein Bericht schloss mit dem 10. Jahr. Das ist die nüchterne, ehrliche Weise des Julius, der nicht mehr sagt, als er weiss.

Drei Dinge sind uns überliefert:

1) Dass eine weissagende Erklärung Daniels ihr Schlussjahr im 10. Antonins besass.

2) Dass ein Juda eine weissagende Erklärung Daniels schrieb mit dem Schlusspunkt: 10. Jahr (Severs?).

3) Dass das 11. Jahr Antonins das letzte für den Bischof Juda überlieferte war.

Ich sagte in der Topographie: „vielleicht ein Zufall"; Har- nack antwortete: „sehr wahrscheinlich ein Zufall"; ich glaube nicht, dass die Sache damit erledigt ist.

Wir stehn erst in der Mitte des Jahrhunderts, wo der An- theil der Laien an der Litter atur der Kirche noch ein geringer ist. Die apologetische Litteratur war ihnen allerdings offen.

6. Der Bischof Juda. ;j;;

weil dieselbe litterarisches und philosophisches Wissen erforderte. Wer das besass, mochte dieser missionirenden Aufgabe sich wid- men. Unser Buch gehört aber nicht zur apologetischen oder gelehrten Gattung, sondern zur Verwaltung des „Worts" im inten- sivsten Sinne. Dazu bedurfte es in der alten Kirche einer Voll- macht, und nicht bloss litterarischer Betriebsamkeit. Wer hat sich für berufen erachtet, der Kirche das Geheininiss Daniels auszulegen, und sie daran zu erinnern, dass die von ihm gesetzte Frist nun unzweifelhaft abgelaufen sei? Ein Laie? Nach aller Analogie lässt sich nur sagen: ein Bischof. Das gälte selbst noch für das 10. Jahr Severs. Bis auf bestimmtes Gegenzeugniss rnuss der weissagende und auslegende Juda unter dem Klerus gesucht werden. Durch Kleraeus wird er aber in dasselbe Jahr gestellt, wo in der That der Bischof Juda steht. Dieser Schluss hat noch mehr Gewicht, weil das Buch aus der jüdischen Christen- heit hervorgegangen ist, wo das Autoritätsbewusstsein vollends entwickelt war und die „Alten" allein das Wort führten.

Das Buch besass in seinem Inhalt ein schwerwiegendes Gegenzeugniss gegen seinen Werth. Seine Weissagung wurde sofort durch den Gang der Dinge widerlegt und seine Aus- legung Daniels unbrauchbar. Dennoch hat sich das Buch ein Jahrhundert lang erhalten und zählt unter seinen Lesern: Kle- mens, Tertullian, Hippolyt, Julius, ich füge noch bei: Theo- philus von Antiochien und Origenes. Das ist ein ansehnlicher Leserkreis! Dass es namenlos gewesen sei, ist mir nicht glaub- lich. Dass ihm der Anstoss an seinem Inhalt dennoch die Autorität nicht raubte, deutet darauf, dass es durch einen an- gesehnen Namen gehalten war. Stammt es von Juda, der noch zur Urgemeinde gehört hatte, so ist es nicht unbegreiflich, dass es noch ein Jahrhundert lang mit Ehrfurcht behandelt worden ist.

Endlich dürfen wir auch nicht vergessen, dass Julius das Buch „eines Verwandten Jesu" gelesen hat, Brief an Aristides Eus. 1, 7, 11. Weder Spitta, noch Geizer Jul. Afr. 1, 259 haben dieser Nachricht ihr Recht gewährt: rov yäo öojrrJQog ol xard öuQTca övyytvtlc. elx ovv (pavT/r icövx &g eid-' djrlcog exöcödoxor- rsg, jtdvrcog öh dhjOtvovrsg, jiaotöoöav ravra, cog °Idov(iaioi Z?]oral etc.; es folgt die Erzähluug von der Herkunft Antipaters aus Askalon. Trotz des generischen Plurals ol ovyytvelg ist hier von einem Buch die Rede, das natürlich nur einen Verfasser haben

Texte u. Untersuchungen XII, l. 3

;;,j Schlatter, ( hronograph,

kann, der aber für Julius als Vertreter and Erbe der in Jesu eigner Familie vorhandnen Traditionen gilt. Das nagidocav Lsi

nicht Präsens, sondern etwas fertiges, also schriftlich vollzogenes, wie wir denn von „Verwandten Jesu" im dritten Jahrhundert nichts mehr hören. Was Geizer sngte: „im günstigsten Fall könnte die Tradition in letzter Linie auf die Juden christlichen Bischöfe von Jerusalem zurückgehen, welche bis zur Gründung von Aelia Kapitolina den dortigen Stuhl inne hatten," bedarf einer kleinen Vereinfachung: das Buch, welches Julius citirt, ist von einem der letzten Juden christlichen Bischöfe geschrieben.

Man sollte denken, nachdem dasselbe bis ins dritte Jahr- hundert fortbestand, hätte es sich bleibend forterhalten, und ringsum grosse Ehrfurcht erweckt. Scheinbar ist Julius der einzige, der diesen Verwandten Jesu befragen kann, und nach- her verstummt die Erinnerung an ihn total. Euseb hat nichts von ihm gewusst. Ich denke, dieses Räthsel ist gelöst. Nicht dass Judas Weissagung verschwand, sondern dass sie sich noch bis ins dritte Jahrhundert erhielt, bedarf der Erklärung, und rov öcorrjQog ol xara oäoxa OvyyevsTg spricht aus, warum er sich bis ins dritte Jahrhundert zu erhalten vermochte: er galt als ein Zeuge der ältesten christlichen Tradition.

Da wir von diesem Verwandten Jesu nur ein historisches Bruchstück haben, sieht es aus, als hätte er sich der Geschichts- forschung gewidmet, und doch wird man von einem „Verwandten Jesu" zunächst, ein lehrhaftes oder mahnendes Wort an die Kirche erwarten. Wir haben aber auch vom Chronographen bereits historische Mittheilungen erhalten, und wissen, welchem parä- netischen Zweck sie dienten und warum er für denselben histo- rische Beweisführungen verwendete.

Der Chronograph sprach von der Regierungsdauer der Ptole- rnäer und Cäsaren, vom Jahr der Geburt Jesu, vom Census: kann Herodes dabei gefehlt haben? Der Verwandte Jesu hob seine heidnische Herkunft hervor. Wenn Julius diess nachher in Beziehung zu den Geschlechtsregistern bringt, welche die Ö£- öJtoövvot verfasst haben, trotzdem Herodes dieselben vernichtet hatte, so ist die Erzählung über Antipater für diesen Zweck etwas ausführlich. Nachher waren auch noch die Tetrarchen erwähnt, so dass der Verwandte Jesu eine Uebersicht gegeben zu haben scheint über die regierenden Herodier. Der Gedanke,

6. Der Bischof Juda. 35

dass Herodes „den Herrscherstab von Juda weggenommen" und heidnisches Regiment in Jerusalem aufgerichtet habe, bildet wegen Gen. 49, 10 ein ständiges Glied im Weissagungsbeweis (Justin, Origenes, Euseb etc.). Der Nachweis, dass die Macht und der Glanz des Herodes keine Erhöhung Israels, vielmehr dessen Unterdrückung durch einen fremden Tyrannen bedeutet habe, konnte darthun, wie in der That Jesu Kommen nach Daniels Weissagung „das Gesicht und den Propheten besiegelt" und den Anfang des Gerichts über Juda gebracht habe.

Nun beruft sich schon Justin gegen Tryphon, 52, bei der Be- sprechung von Gen. 49, 10 auf ein jüdisches, d. h. doch wohl judenchristliches Buch, nach welchem der Herodes der Leidens- geschichte ein Askalonite und Hohepriester gewesen sei.

Der Satz Justins ist sehr unbesonnen und gerade desswegen von kritischer Wichtigkeit: xal yaQ ^Hqcqötjv a<p ov ejtad-sv AoxaXcovlrrjv ysyovtvat Xtyovrsg, ofimg sv reo ytvu v/licqv ovtcc Xeysrs a.Q%i£Qta. Möglich, dass sich Justin seine historischen Vorstellungen durch den falschen Petrus hat verderben lassen; doch genügt derselbe zur Erklärung dieses Satzes nicht. Denn dass Herodes Hohepriester gewesen sei, hat der falsche Petrus schwerlich gesagt. Der Verwandte Jesu klart alles auf; denn der- selbe hat in der That von einem Herodes, der Askalonit und Priester war, gesprochen. Justin vermengt ihn in konfuser Er- innerung mit dem Herodes der Leidensgeschichte. Indem aus Herodes der „König" wurde, wurde er gleichzeitig statt Priester in Askalon Hohepriester in Jerusalem.

Jedenfalls stellt Justin fest, dass die Erzählung des Ver- wandten Jesu nicht jünger als der Chronograph sein kann.

Endlich was heisst bei Julius; eir ovv (pavrjTLmvrSQ, zlt)' ajtZcog txöiödöxovzec, jzavTCQg 6h cu/j&svovTeg? Julius will nicht versichern, dass sein Gewährsmann „bloss lehrt", wenn er von Antipater erzählt. Die Mittheilungen dieses Mannes können auch etwas anderes und grösseres sein; d. h. der Mann gilt ihm als Prophet. Desshalb besinnt er sich, ob seinem Zeugniss die ge- bührende Ehre gegeben sei, wenn es als ein ajtXmc exöidaöxsip aufgefasst wird. Der Inhalt desselben spricht allerdings dafür, dass er hier nicht aus besondrer Erleuchtung rede; da er aber sonst solcher theilhaft ist und sich die Grenzen derselben nicht ausmessen lassen, kommt auch einer solchen Aussage etwas von

3*

36 Schlatter, Chronograph.

der prophetischen Autorität ihres Urhebers zu, and es mit darum in verstärktem Sinn: jiavxcoq dt äZijdsvovteg,

Diess muss das singulare (fap//TioZvrsq ausdrücken. !)•• tadelnde Begriff der Eitelkeit und des sich selbst Hervordrängens ist hier durch jiavxcoq ö\ uhjtHvovxeq und durch den Gegensatz sixe (pavrjucövTüc, sU)y ajtXcoq bxdtdaöxovxtq ausgeschlossen. Auch wenn er ajiXcoq exötöaöxei, aXfjd-evei, noch viel mehr, wenn er (pavrjTia; das Wort muss heissen: eine Offenbarung aussprechen.

Summiren wir: das Buch ist dasjenige eines Propheten, der zugleich ausführliches über die jüdische Geschichte des ersten Jahrhunderts gab, eines Historikers, der zugleich (pavrjxia. Sind denn solche Bücher in der kirchlichen Litteratur so häufig, Bücher, die beides sind: historisch und prophetisch zugleich? Ferner stammt es von einem Verwandten Jesu, war folglich unmöglich anonym, war Julius noch bekannt, später aber ganz verschollen ist diess der Chronograph? Wenn er's ist, dann ist die Gleichsetzung des Chronographen mit dem Bischof Juda angezeigt, und der Bischof Juda endet im 11. Jahre Antonins, weil sein Buch im 10. geendet hat.

Irgend etwas wird der Verwandte Jesu auch über das Ge- schlechtsregister Jesu gesagt haben, obgleich das, was er sagte, bei Julius nicht recht deutlich wird. Trotz der Massregeln des Herodes haben die jtQosiQt/fitvot ösöjtoövvot xaXovfievoc dennoch xr\v JtQ07cet^iv7]v yspsaloytav, d. h. doch wohl Jesu Geschlechts- register, wie uns Julius sagt, besessen, weil sie es, so gut sie konnten, aus dem Gedächtniss und der Chronik *) wiederher- stellten. Allein hiezu bemerkt er: eir ovv ovxcoq slx aZZwg t%oi, während er von den ovyyeveTq sagt: ütavxcoq dtyfrevovrec. Er hat diesen Satz als blosse Vermuthung, wir werden sagen dürfen als seine eigene Vermuthung, kenntlich gemacht. Während er aber über die Weise, wie das Geschlechtsregister hergestellt wurde, nichts behaupten will, bezeichnet er dieses als die beste überhaupt erreichbare Auskunft, bei der er selbst und jeder ver- ständige sich beruhigen wird.2)

1) ßlßloq z(öv iitKQÜv bezeichnet sicher nicht die Aufzeichnung der Verwandten Jesu, da sie ja aus denselben das Geschlechtsregister schöpfen. Ich sehe mit Spitta hier einfach die biblische Chronik.

2) occ(pEOT£Qav i^yTjatv ovx av syoi tiq akkog i^svQeiv. i^r/yrjaigsteht in unmittelbarer Beziehung zum vorangehenden: xr\v yevEccXoylc.v iq7]yt]Ga/uevoi.

7. Die Beziehungen des Verwandten Jesu zu Justus von Tiberias. 37

Am Schluss der Erklärung Daniels steht auch bei Klemens ein Fragment über Jesu Geschlechtsregister Strom. 1, 21, Schluss: Iv de xm xarcc Max^alov tvayyeliq) >/ djio 'Aßgadfi yEvealoyia tnyoi MaQtaq r//> (iTjTQoq ror tcvqLov jrEQaiovraL. yivovrat yay (f )jGir ajto 'Aßgaäfi tcog ilaßlö yiveat 16' xal djro Aaßlö twg rrjg f/sroixsolag Baßvlcovog yeveai i<¥ xal ajtb rrjg f/erotxsalag Baßvlcovoq tcog vor XqiOtov ofioicog aXXai ysvsai , zgla ötaOT?]{aaTa ftvorixa. tßöofidöiv TsXeiovfieva. Nicht nur die Stellung, sondern auch die Betonung des nach der 7 ablaufenden Symbolismus der Reihe erinnert an den Ausleger Daniels. Jeden- falls entsteht hier keine Schwierigkeit, welche die Beziehung des Verwandten Jesu bei Julius auf den Ausleger Daniels bei Kle- mens verhinderte.

7.

Die Beziehungen des Verwandten Jesu zu Justus von

Tiberias.

Eingehender als die Frage, wie es sich mit dem Buch des Ver- wandten Jesu verhalte, ist die andre Frage erörtert worden, aus welchem Vordermann er seine Nachricht habe. Geizer hat diesen in Justus von Tiberias gesucht, nachdem zuerst Gutschmid mit seinem hellen kritischen Blick ausgesprochen hat, dass die Aus- ^;uj;en des Justus schwerlich spurlos vergangen sein könnten. Es war natürlich, dass man in der Ausbildung dieses Gedankens sich zunächst nach denjenigen Stoffen umsah, die neben Jos. über die jüdische Geschichte erhalten sind. Diese Reste sind äusserst spärlich; das bedeutendste ist die Erzählung des Verwandten Jesu über den Zusammenhang der Herodier mit Askalon. Allein allen andern Vermuthungen voran muss zuvörderst die Frage geklärt werden, wie sich Josephus zu Justus verhält. Nun hat mir Schürer allerdings erklärt, das sei keine Frage mehr, da wir ja wüssten, dass Justus erst nach der Archäologie mit seiner Arbeit hervorgetreten sei. Ich lege im folgenden dar, wesshalb mir hier eine Frage bleibt, und wesshalb ich vorerst Justus nicht unter die Quellen des Chronographen einreihe.

Bekanntlich giebt uns Jos. vom Makkabäer Simon bis zum Ausbruch des grossen Kriegs zweimal dieselbe Erzählung. Satz um Satz läuft durch lange Stücke die zweite Darstellung der ersten parallel. Dass Jos. beidemal dieselben Quellen paraphrasirt

38 Schlatter, Chronograph.

hat, ist längst erkannt. Wäre mm die zweite Erzählung neben den wörtüchen Uebereinstimmungen nur reicher als die erste, so läge die kritische Frage einfach; wir hätten es Lediglich das zweitemal mit einer reichern Ausnützung desselben Vorgängers

zu thun. Es finden sich aber auch bestimmte und in die Sub- stanz der Erzählung einschneidende Abweichungen des zweiten Texts vom ersten und diese bedürfen der Erklärung.

Es genügt nicht, lediglich die Thatsache zu konstatiren, dass Jos. mehrfach mit sich selbst in Widerspruch steht, und nun ziemlich willkürlich bald die ältere, bald die jüngere Aussage zu bevorzugen. Es ist nicht eine unwichtige Vorbedingung zum historischen Urtheil, dass wir begreifen, wer und was Josephus mit sich selbst in Zwiespalt bringt.

Da hier nicht der Ort ist, tiefer in die Analyse des Jos. einzutreten, bediene ich mich der Beispiele, die in anderm Zu- sammenhang in der Topographie bereits erörtert sind. In b. j. sind die entschlossenen Unternehmungen, durch welche Antipater bei Cäsars Sieg den bisherigen Stand der Dinge in Jerusalem fbrterhielt und sich selbst sammt Hyrkan die Macht sicherte, ausschliesslich die That Antipaters. Er marschirt im richtigen Moment, als sein Eingreifen für Cäsar noch eine werthvolle Hilfe war, nach Egypten und bewirkt mit grosser Tapferkeit die Ver- einigung seiner Truppen mit Cäsar. In A. wird diese Darstellung nicht widerrufen; doch giebt Jos. einem „Jemand" (riveg) das Wort, welcher den Hohepriester Hyrkan nach Egypten marschiren lässt und diese Angabe dadurch gegen Zweifel schützen will, dass er das Zeugniss des Hypsikrates und Asinius bei Strabo anruft, A. 14, 8, 3. 138. Dieser „Jemand" hat nicht zugegeben dass Hyrkan sein Hohepriesterthum Antipater verdankt habe, während b. j. 1, 9, 5 diess mit dürren Worten sagt.

Als Herodes vor dem Synedrion als Angeklagter stand, wird er in b. j. durch Hyrkan freigesprochen, dessen Verhältniss zu ihm fast zärtlich beschrieben wird: er liebte ihn wie einen Sohn. In A. ist diese Freisprechung verschwunden; Herodes flieht aus der Stadt, ehe das Urtheil gefällt war, und der Rabbine Schemaja, nach 15, 1, 1. 4 vielmehr Euthalion, tritt auf und schilt das Synedrion, welches nur aus Furcht vor der bewaffneten Begleitung des Herodes ihn nicht zu verurtheilen wagt; b. j. 1, 10, 7 = A. 14, 9, 4. 53. Das ist ein deutlicher Gegensatz. Ob Herodes

7. Die Beziehungen des Verwandten Jesu zu Justus von Tiberias. 39

freigesprochen und von jeder Schuld ledig erklärt aus dem Kon- flikt hervorgeht, oder ob er seine Verurtheilung nur durch seine Bewaffneten verhindert, ergiebt eine verschiedne Beurtheilung des Königs.

Augenscheinlich stehn beide Abweichungen miteinander im Zusammenhang. Die Sätze: die Erhaltung des Hohepriesterthums für Hyrkan war Antipaters Verdienst, und: Hyrkan hielt Herodes wie sein Kind und sprach ihn frei, gehören derselben Betrach- tung der Dinge an: ebenso auch die andern Sätze: Hyrkan hat selbst das nöthige gethan, um sich Cäsars Gunst zu erwerben, und: Herodes ist bloss desswegen nicht hingerichtet worden, weil er den Rath einschüchterte. Jene Betrachtung der Dinge gehört Nikolaus von Damask; wem nun diese?

Da der Augenschein lehrt, dass in diesen und den zahlreichen analogen Fallen es gehören beträchtliche Stücke aus der zweiten Redaktion der Geschichte des Herodes hieher eine Nebenquelle die Darstellung färbt, stehn wir vor der Frage: welcher Art sie war, was ihr angehört hat, ob sie jüdisch war oder griechisch, ob sie ein Buch war, oder etwa nach Nieses Auffassung „Tempellegenden", ob sie eine Einheit ist oder aus gesammelten Notizen besteht etc. Dass Jos. hier neben seiner Hauptquelle noch ein zweites Buch benützt, scheint mir erwiesen. Tempellegenden brachten ihm keine Angaben aus Strabo zu, und auch der verkehrte Name TIoXlicov beweist viel. Dass die „Sprüche der Väter" diesem gefeierten Rabbinen seinen richtigen Namen Euthalion geben, steht jenseits der Kontroverse.1) Wenn nun bei Jos. aus EY: II, aus & : 0, aus A : A geworden ist, so sind das Buchvarianten. Dergleichen macht zugleich zweifellos, dass Jos. über die Zeit des Herodes nur das weiss, was er in seinen Büchern fand. Jeder gesunde sachkundige Satz, den uns Jos. über Herodes giebt, ist kopirt.

Diese Einlagen machen uns einen interessanten Mann kennt- lich, einen Juden, der ein griechisches Geschichtsbuch schrieb, bitter gegen Herodes und die Herodier, und doch nur ein Ge- schichtsschreiber der Dynastie, da die ausschliesslich auf das Ge-

1) Schürer hielt fröttOM für den hebräischen Namen des Mannes; aber ■pVtffl» ist nicht hebräisch, sowenig als DWHaM = Eudemos oder tan»» = Euthynos.

In Sclil.il irr. ( bronograph.

schick des Fürstenhauses blickende Erzählung des Nikolaus durch diese Einlagen nicht merklich verändert wird; was er giebt, lind Fürstenanekdoten. Er verfügt dabei über griechische Gelehr- samkeit, die derjenigen des Jos. jedenfalls gewachsen war (Strab Er hat auch den jüdischen Krieg erzählt, da Jos. aus ihm das Versprechen kopirt, bis über das Jahr 70 hinaus zu erzählen, A. 20, 17, 2. 141, und da die grosse Einlage über die Kolonie am Trachon bis über das Regierungsende des Jüngern Agrippa hinaussieht und deutliche Beziehungen zum jüdischen Krieg hat. Denn die Hauptperson in diesem Abschnitt ist derjenige Phi- lippus, welchem im Jahre 66 in Jerusalem eine wichtige Rolle zugefallen ist, A. 17, 2, 1 3.

Die letztere Stelle ist besonders wichtig, weil sie ein ge- naues Datum enthält. Es werden die Regenten des Hauran auf- gezählt: Herodes, dessen Sohn Philippus, der grosse Agrippa, sein ihm gleichnamiger Sohn, o jialg ccvtov xcu ofiojpvfioc, also Agrippa II, jiüq' cov 'Pcofialoc desäfisvoi r?)v aQyj)v . . . iuii- ßoXalq rcov (poQcov sie, rb JtdfiJtav emeoav ccvzovq. Darauf folgt das unerfüllte, und bei den Grenzen, die Jos. den A. gab, von vorn herein unerfüllbare Versprechen: xal rccös fzsv rj xaigbg dxQißwoofiai jtQOLovroq xov Xbyov. Dergleichen beweist, dass Jos. bis aufs Wort kopirt, A. 17, 2, 2. 28. Die Quelle, und natürlich Jos. erst recht, schreibt nach dem Regierungsende Agrip- pas, denn sie erzählte, wie die Verhältnisse im Königreich Agrip- pas nach demselben neu geordnet worden sind.

Das alles passt vortrefflich zu Justus. Er wartete mit der Veröffentlichung seines Buchs, bis Agrippa tot war. Er schrieb über die jüdischen Könige, und besonders eingehend über Agrippa II; natürlich fehlte hier auch der alte Herodes nicht. Er hat griechische Gelehrsamkeit entfaltet, und ist als vornehm- ster Mann in Tiberias, als Führer des dortigen Aufstands und als zeitweiliger Beamter Agrippas mit der nöthigen Sachkunde versehn, welche diese Einlagen sichtbar machen, ebenso aber auch mit der antiherodeischen Tendenz. Schon diese Kongruenzen sind nicht ohne Gewicht. Schürer weiss so gut wie ich, wie wenig jüdische Historiker zwischen Alexander und Hadrian auf- zuzeigen sind. Es hat seine Bedenken, sie unter Domitian plötz- lich zu häufen.

Was uns aber vollends verpflichtet, bei der Auslegung der

7. Die Beziehungen des Verwandten Jesu zu Justus von Tiberias. 41

A. und der Beurtheilung ihrer Abweichungen und Widersprüche mit b. j. Justus nicht zu vergessen, ist das letzte Stück der A., die sog. Vita, die mit einer lebhaften Ansprache des Jos. .an Justus schliesst. Die Beiziehung des Justus zur Erklärung der A. ist keine blosse Konjektur: er steht an ihrem Schluss vollkommen greifbar da, und Jos. nimmt ein lebhaftes Interesse an demselben natürlich! die beiden Männer waren einander wohl bekannt, und schon im jüdischen Krieg Rivalen und spricht unver- hohlen aus, dass es eine seiner Absichten sei, Justus zu über- winden. Das hat er nicht schon im Verlauf der A., sondern erst am Schluss durch direkte Polemik gethan, hat aber sicher dafür gesorgt, dass seine Darstellung nicht armer, als die des Justus war, und manchen Stoff desselben seiner eignen Darstellung einverleibt. Dazu gehört auch, dass er die herodeische Farbe, die b. j. von Nikolaus her an sich hat, beträchtlich minderte. Nicht ich bin unvorsichtig, wenn ich schon in der Geschichte des Herodes an Justus denke, sondern der ist unvorsichtig, der die A. bis Buch 20 ahnungslos liest, und dann im Schlusswort sich plötzlich davon überraschen lässt, dass Jos. einen Dialog mit Justus hält, und das vor Augen hat, was Justus über diese Dinge behauptet hat.

So ist's, wenn die Vita zu den A. gehört. Schürer hält sich für genöthigt, beide zu trennen. Er lehrt: a. 93 oder 94 hat Jos. die A. geschlossen, und frühestens 101 noch einen Anhang zu derselben, die Vita, publicirt. Diese beginnt stuol de yevoc löxiv ovx aotifxov, und endet mit der Erklärung, dass nun „dem besten Epaphroditus" die Archäologie vollständig übergeben sei. Nach Schürer hatte er sie schon zum mindesten 8 Jahre. Das ist ein unnatürlicher Ansatz. Wenn einer nach mehrjährigem Schweigen wieder das Wort nimmt, so fängt er nicht an: sfiol 6s etc. Die Vita hat nie ohne die A., und die A. nicht ohne ihren biogra- phischen Abschluss existirt.

Schürer trennt, weil in der Vita Justus vorgeworfen wird: er habe seine Arbeit schon vor 20 Jahren geschrieben, sie aber »ist nach Agrippas Tod öffentlich gemacht, V. 69. 359. Aber steht es denn in A. anders? Die Vita sagt: Agrippa ist tot; A. sagt: Agrippa regiert nicht mehr. Das stimmt und ergiebt lediglich, dass das Datum der A. das Todesjahr Agrippas bestimmt. A. ist 93 oder 94 geschrieben, also Agrippa circa 90 gestorben. Die

\2 S< hlatter, < Ihronograph.

*2o .laiin:, während deren Justus sein Geschichtsbuch zurückge- halten hat, machen keine Schwierigkeit Justus wird haben: er habe seinen Bericht gleich nach dem Krieg geschrieben.

70 ! 20 = 90.

Diesen Ansatz drückt freilich die Schwierigkeit, dass Photius gegen Jos. steht, welcher sagt, Justus habe das 3. Jahr Trajans, 100, als das Todesjahr Agrippas und das Schlussjahr seiner Chronik gesetzt. Ich kann diesen Widerspruch nicht lösen, und stelle mich bis auf weiteres zu Jos. gegen Photius.

Denn was Photius eigentlich gelesen hat, bleibt eine zweifel- hafte Sache. Es war 'Iovötov TißeyucoQ Xqovitcov, ov tj hjii- ygayr 'iovörov TißeQiecog ^ovöalcov ßaotliow rcov Iv rote öTtfifiaöi. Der dunkle Titel giebt wenig Sicherheit, dass es der unverkürzte Justus war: „Geschichte der in den Stammtafeln verzeichneten Könige": was sind das für Stammbäume? Wir haben daneben ein Citat des Diogenes: „Justus im Stammbaum". Da ist „Stammbäume" der Name des Buchs, nicht das Prädikat der Könige. Die spätgriechische Zeit hat manche alte Historiker in kurze Auszüge gebracht. Vielleicht las Photius eine Chronik der jüdischen Könige, „die in den Stammbäumen, nämlich denjenigen des Justus" stehn. Gesetzt, das wäre die Mei- nung der seltsamen Ueberschrift, so würde sie uns mittheilen, dass Photius ein Excerpt aus Justus besass, und damit ist eine Alteration der Zahl wenigstens etwas begreiflicher.

Was Photius über den Inhalt des Buches sagt, passt gut zu dem, was wir sonst von Justus wissen. Er begann bei Mose und behandelte die Könige bis zum Tode des Agrippa IL Aber auffallend ist, dass Photius nur an ein einziges ßtßllov denken lässt. In der Vita sieht es aus, als ob Justus sich ausführlich über den Antheil von Tiberias am Aufstand und über seine eignen Thaten und auch diejenigen des Jos. ausgesprochen hat. Das ist in einem Monobiblion von Mose bis Agrippas Tod nicht recht vorstellbar.

Desswegen lässt Schürer Justus zwei Geschichtswerke ver- öffentlichen, beide nach Agrippas Tod, beide wenigstens in der Darstellung des jüdischen Kriegs einander parallel. „Wir wissen" das aber nicht; denn es ist nirgends bezeugt, sondern das ist Konjektur. Wenn ich ein Excerpt aus dem alten Justus in die

.. Die Beziehungen des Verwandten Jesu zu Justua von Tiberias. 43

Hand des Photius lege, so steht nicht ein fester Bau neben einem „Kartenhaus", sondern Konjektur neben Konjektur.

Wenn die Erzähler einander verneinen, so fallt das schlich- tende Wort sonst den Münzen zu. Hier stiften dieselben nur neue Konfusion. Schürer hat die Ansätze Monimsens aufge- nommen: 1, 500. Wenn ich dieselben unglaublich finde, so habe ich Marquardt auf meiner Seite. Schürer sagt:

Agrippa ist im Libanon König geworden a. 50

im Hauran a. 53

Agrippas erste Aera hat begonnen a. 56

zweite a. 61.

Zwei Acren hat Agrippa nicht nur nach den Münzen und Inschriften, sondern auch nach den Historikern, da er zweimal König geworden ist, im Libanon und im Hauran. Aber Schürers Aera beginnt ja mitten in seiner Regierungszeit, und diess wieder- holt sieh noch einmal. Dass Agrippa sein 7., resp. 4. Jahr zum ersten erklärt habe, und hernach noch ein späteres Jahr wieder als erstes bezeichnet habe, das kann sich auch die lebendigste Phantasie nicht vorstellen.

Den Inschriften und Münzen ist zu entnehmen, dass die beiden Anfänge Agrippas 5 Jahre auseinander lagen. Die höchste .Jaliressumme, welche die Münzen Agrippa geben, ist 35. Fügen wir sie zu seinen Anfängen, wie sie durch die zeitgenössischen Erzähler datirt sind, so erreichen wir circa 90. Das stimmt mit A.1i Weiter wTeiss ich nichts. Die Aera von 61 wird uns durch die Münzen mit der lateinischen Legende: Agrippa 25 (resp. 26) = Domitian. cos. XII (86) aufgezwungen. Auch die Münzen, die von Agrippas 24. Jahr an für Domitian Germanicus haben, bestätigen sie. Entweder ist das nicht Agrippas Aera, oder es neckt uns hier ein Fälscher. Lösen kann die Frage nur ein Techniker.

Ich habe mir die Möglichkeit nie verborgen, dass sich die Münzfrage gegen meine These klären kann, so dass Schürer resp. Photius Recht behalten würde. Aber auch dann hat mein Satz den Vorwurf nicht verdient, dass er gesicherte Ergebnisse der bisherigen historischen Arbeit leichtsinnig überspringe. So

1) Nach Schürer regierte Agrippa 50 resp. 47 Jahre. Münzen aus den vierziger Jahren Agrippas giebt es meines Wissens nicht.

II Schlatter, Chronograph.

lange die Münzen und die Historiker bloss durch so unnatür- liche Kompromisse zusammengebracht werden and A. 17, 2, 2. 28 nicht beachtet wird, liegen noch keine Ergebnisse vor. Hat Photius Recht, so fällt der Name Justus ftir die Nebenquelle des Jos. weg, und wir kennen dann rieben Jos. und neben Justus noch einen dritten zeitgenössischen jüdischen Historiker. Vorerst halte ich es für geboten, beim Datum der A. als dem festen Punkt zu stehen, womit Agrippas Tod auf circa 90 gesetzt ist, und dadurch sind wir angewiesen, nicht zu vergessen, dass zwischen b. j. und A. Justus steht. Desshalb muss auch für die Frage, was Justus über die Herkunft des Antipater erzählt habe, zuerst das Verhältniss des zweiten Texts zum ersten bei Jos. erwogen sein.

Dem Geschlecht nach, sagt b. j. 1, 6, 2, war Antipater ein Idumäer, und um der Vorfahren und des Reichthums und der sonstigen Macht willen einer der ersten im Volk, jzgcortvoiv rov sfrvovq. Da die Idumäer sowohl religiös als politisch der jüdischen Gemeinde vollständig eingegliedert waren, kanu zb Id-voq nur nach seinem bekannten, festgeprägten Sinn gedeutet werden. Durch 'löovftaioq wird gesagt, dass die Familie im südlichen Judäa sesshaft war, und durch Abstammung, Reich- thum und sonstige Macht stand sie in der Judenschaft obenan.

Die Parallele A. 14, 1, 3. 8 10 ist in ihrer Färbung wesent- lich geändert. Herodes wird als Usurpator bezeichnet; rvy?j riq hat ihn zum König gemacht. Antipater war von Anfang an OraOiaöTrjg. Die Zurückleitung des Geschlechts auf die Exu- lanten Serubabels wird als eine Erfindung des Nikolaos bezeich- net. Die einflussreichen Beziehungen Antipaters ^u Petra, Gaza, und Askalon werden durch ein ktyovöiv abgeschwächt. Trotz- dem bleiben die Angaben sachlich mit b. j. parallel. Die neue Angabe, dass schon der ältere Antipas als OxQarrjyoq das süd- liche Judäa regiert habe, erläutert das jtowrsvEiv rov s&vovq und erfordert keine andre Quelle als Nikolaos.

Lehrreich ist weiter die Parallele zwischen b. j. 1, 15, 5 und A. 14, 15, 2 402. Die ältere Stelle hat eine stark herodeische Farbe. Herodes erscheint im Moment, wo er Jerusalem angreift, in der schönsten Friedensliebe; nur wegen der Hartnäckigkeit des Antigonos hat er schliesslich „den seinigen erlaubt, sich zu vertheidigen", eine Phrase, die Nikolaos alle Ehre macht. In der

.. Die Beziehungen des Verwandten Jesu zu Justos von Tiberias. 45

Jüngern Stelle kopirt Jos. dieselben Sätze Wort für Wort, korri- girt sie aber dadurch, dass er Antigonos eine Rede an die Römer halten Lasst, die sein gutes Recht und das Unrecht des Herodes deutlich macht. Sie ist offenbar das eigne Gebilde des Jos.; hier sagt er ungehindert durch Nikolaos, was er über Herodes zu klagen hat. Auch den [dumäer rückt er ihm auf, doch nicht so, dass er ihn desswegen als einen „Fremden" behandelte; er geht nicht über den ?jfiuovöalog hinaus, und weit kräftiger tritt der Vorwurf hervor, dass er keinen legitimen Anspruch an die Herrschaft habe. Nach dieser längern Einlage macht sich Jos. wieder ans Kopiren; allein nun war es ihm entfallen, wer in der Vorlage „den seinigen erlaubte, sich zu vertheidigen". Er setzt den ihm am Herzen liegenden Antigonos ein, und macht den dadurch sinnlos. Aber gerade das sinnlose Antigonos illustrirt sein Verfahren hübsch.

Diese Rede gegen Herodes ist aber nach dem oben begrün- deten Ansatz jünger als Justus und mit der Kenntniss dessen geschrieben, was Justus gegen Herodes vorgebracht hat. Dennoch enthält sie keine Anspielung auf Askalon und Antipaters ursprüng- liches Heidenthum. Auch in der Schlussbetrachtung wird nur der Mangel an Legitimität gegen Herodes geltend gemacht. Er wird ins Unrecht gesetzt, als olxiag ovxa örjf/orixfjg, xal ytvovg iÖKDTixov xal vjtaxovovroq rolc ßaöilevötv, 14, 16. 4. 491.

Die Richtung, in der der Angriff auf Herodes bei Jos. geführt wird, ist von der Erzählung des Verwandten Jesu wesentlich ver- schieden. Jos. drückt die Stellung des Antipater herunter, so dass das Königthum des Herodes als eine kecke Anmassung erscheint. Beim Verwandten Jesu wird bei aller Kürze dennoch sachkundig hervorgehoben, wie Antipater zum legitimen Herrn Judaas wird, so dass Herodes lediglich der Erbe seines Vaters, freilich eines solchen Vaters, ist.

Würde Askalon irgendwie im Jüngern Text des Jos. sichtbar, dann läge ein positives Anzeichen vor, dass diese Geschichte Justus angehörte; dagegen ist ihr gänzliches Fehlen in A. dieser Ableitung nicht günstig. Der Schluss: wovon Jos. nichts weiss, das hat Justus gesagt, macht einen „Sprung".

Die Geschichte vom Hierodulen des Apollo, dessen Sohn die idumäischen Banditen wegschleppen, und dessen Enkel zum König der Juden wird, scheint mir eher heidnisch als

46 Schlatter, Chronograph.

jüdisch.1) Wenn Spott und Hass ihre Wurzel isl, so richtet sich derselbe ebenso sehr gegen die Judenschafl alfl gegen Herodes; sie

mag leicht ursprünglich den Apollo von Askalon ;ils den mäch- tigen Gott behandelt haben, der den Juden die Beraubung seines Tempels bitter vergalt. Darauf deutet die schärfere Recension der Geschichte, die Epiphanius giebt haer. 20, 1, und die nicht nur aus dem Briefe des Julius stammt. Dort wird Herodes in der Zeit geboren, als Antipater Sklave bei den Idumäern war, und dieser bleibt nicht bei den Idumäern, sondern wird durch eine Kollekte der Askaloniten losgekauft. Noch als Heide von As- kalon her befreundet er sich mit Hyrkan, und erst als er durch Cäsar zum Verwalter des Lands ernannt worden war, beschneidet er sich selbst und Herodes.2) Ob diese Verschärfungen der Erzählung christlich sind, scheint mir fraglich. Sie hat vermuthlich ihre Heimath in den Seestädten, z. B. in Askalon, wohin auch die konkrete topographische Angabe führt, dass der Tempel Apolls an den Mauern vor denselben lag, worin weiter das richtige Wissen liegt, dass Askalon selbst nie in den Händen der Juden war. Der erste Verbreiter dieser Geschichte kann desshalb ebenso leicht der Askalonite Ptolemäus, der über Herodes schrieb, ge- wesen sein als Justus von Tiberias. Mit der christlichen Em- pfindung hatte diese Erzählung desshalb Berührungen, weil sie Herodes eine heidnische Herkunft gab. Mit dem Streit der jüdischen Historiker über die Legitimität des Herodes gegenüber der alten Regentenfamilie war der christliche Gedanke nicht ver- flochten. Aber dem König Israels von oben, Jesus, setzte er Herodes gegenüber, als einen fremden Herrscher und als ein Werkzeug des göttlichen Gerichts an Israel. Den Spätem ge- nügte es für diesen Gedanken völlig, dass Herodes ein Idumäer war. Aber der Verwandte Jesu, für den die Zugehörigkeit der

1) Vgl. den Priester des Apollo, Zabicl, in Dor (quendam eorurn, qui in civitate Dorii Apollinem colebat), welcher den Eselskopf aus dem Tempel Jerusalems raubt, bei Mnaseas, c. Ap. 2, 9. 112.

2) Epiphanius hat einige Konfusionen. Er heisst Hyrkan seltsamer Weise Demetrius, und schreibt statt Kalaagt: Avyovaza). Im übrigen giebt die Erzählung, so kurz sie ist, ein recht gutes Bild über die Weise, wie Herodes zum Thron gelangt ist, und hat noch ein neues Glied in der Ge- schlechtstafel des Herodes. Sie lautet nun: Antipas, Herodes, Antipater. Herodes der König. Jos. heisst den Grossvater des Herodes Antipas.

8. Die biblische Chronologie des „Jemand", Strom. 1. 21. 47

[dumäer zur jüdischen Gemeinde noch eine bekannte und ver- standne Thatsache war. hol) denjenigen Bericht hervor, der ihm Askalon zur Heimath gab, die nie jüdisch gewordne und stets Israel feindliche Heidenstadt.

8. Die biblische Chronologie des „Jemand", Strom. I, 21.

Auch für die biblische Zeit giebt Klemens zwei Rechnungen, neben der als axQtßtöxsQov bevorzugten, welche die Synchronis- men zwischen den Griechen und der Bibel liefert, noch die Zahlen eines rivsc.

P. 391 Von Mose Geburt zum Exil 972

Von David 452. 6 M.

Die beiden dicht nebeneinander stehenden Zahlen gehören sicher demselben System. Die Parallele giebt die Tosefta 1. c.

Klemens: Tosefta:

vom Auszug zum Exil 892. Vom Auszug zum Tempel- von David zum Exil 452. bau 1. Kön. 6, 1. 480

Tempeldauer 410

~890. Die Zahlen des Klemens geben vom Auszug bis zum Tempel- bau 892 452 + 44 = 484, und für den Bestand des Tempels 408. Trotz der überschiessenden 2, von der noch zu reden ist, scheint mir der Typus der Rechnungen unzweifelhaft identisch. Hierbei ist zu beachten: 1) Diese Rechnung beruht auf sym- bolischer Rundung der Zahlen. Zu 890 kommen noch die 70 Exilsjahre, und wir erhalten:

Vom Auszug zum Tempelbau 480, bis zum zweiten Tempelbau 480. Die beiden Perioden sind einander genau gleichgesetzt. 2) Der Rechner steht auf dem hebräischen Text 1. Kön. 6, 1. Derselbe tritt in der alten Chronographie sehr selten hervor. Die Paraphrase der Stelle durch den Chronisten 2. Chr. 3, 1 zeigt die Ziffer nicht, ebensowenig die andre Paraphrase Jos. A. 8, 3, 1. 61. Act. 13, 20 ignorirt sie, ebenso die alten griechischen Chrono- graphen. Jos. giebt für die Frist zwischen dem Auszug und Tempelbau

|s Schlatter, I bronograph.

A. 8, 3, 1. 61 592

A. 20, 10 612

A. 9, 14, 1. 280 J) 631. Eupolemus hat yermuthlicb 653 gegeben, der cexQtßdöreQOc des Klemens 567, Julius 741. Falls Origenes zu Joh. 2, 23 die Angabe 1. Kön. 6, 1 herangezogen hat, hat er, obwohl bei ihm die hebräische Zahl nicht weiter auffallend wäre, die Zahl der Sept. 440 benützt.2) Neben unserm Chronographen und Theophilus kennt noch Euseb die hebräische Ziffer und versucht vergebens, ihr Beachtung zu verschaffen.

3) Die Königsziffer, die von Rehabeam bis zum Exil 372 giebt, (Tos. 374), bleibt um 22 Jahre hinter den biblischen Zahlen zurück, die in den beiden hebräischen und beiden griechischen Texten (Kön. u. Chron.) und ebenso bei Jos. mit auffallender Stabilität überliefert sind. Wo sie in der griechischen Chrono- graphie Parallelen hätte, wüsste ich nicht, da diese die biblische Königsziffer regelmässig um einige Jahre zu erhöhen pflegt. Im gegenwärtigen Bibeltext hat sie nur in der Königsliste Samariens Grund: 36 für Salomo seit dem Tempelbau, 241 J. 8 Mon. bis zur Zerstörung Samariens und 132 J. 6 M. seit dem siebenten Jahr Hiskijas bis zum Tempelbrand. Allerdings war die Königsliste nicht immer 'so frei von Varianten. Die Synchronismen bei Amazia und Jotham weisen auf kürzere Ziffern (19 neben 29, 6 neben 16). Vorerst ist es Thatsache, dass der Satz unsers Chronographen nur bei den Rabbinen seine Parallele hat.

4) Von der Tendenz, das Alter der jüdischen Geschichte nachzuweisen, sind diese Zahlen frei. Der dxQißeözsQog weist vom Auszug bis zum Tempelbrand 1016 Jahre ohne jede will- kürliche Dehnung der Fristen nach. So wie man nach der

1) Jos. giebt: vom Auszug zur Zerstörung Samariens 947, von Jero- beam bis zur Zerstörung 240, somit vom Auszug zum Tode Salomos 707. »Salomo rechnet Jos. aber mit 80 Jahren; somit Tempelbau 631. Dieser Schluss wird dadurch gesichert, weil dieselbe Ziffer in der Passachronik wiederkehrt. Die Zahlen, der jüdisch-griechischen Chronographen reichen auch sonst bis zu den Byzantinern hinab.

2) Der Text giebt: vom Auszug zum Tempelbau 430, von Abraham zum Tempelbau 770. Für die Patriarchen ist das kanonische 430 nicht entbehrlich; somit ist xQiaxovxa in der ersten Summe verdorben aus TBOoeQaxovxa = 1. Kön. 6, 1 Sept. Die Summe 770 entsteht aber so nur durch einen Additionsfehler. Soll sie gelten, so muss statt 430: 340 gelesen werden.

S. Die biblische Chronologie des „Jemand", Strom. 1, 21. 49

allgemeinen Tradition die Posten des Richterbuchs addirte, erhielt man leicht ein Jahrtausend vom Auszug bis zum Exil.

Ich deuke, die Klammer, die den „Jemand" mit dem Aus- leger Daniels identisch macht, ist bereits fest. P. 380 wird für rcvsg gegeben:

von Moses Geburt bis zur Zeit Salomos 595

tTZQoi 576,

also seit dem Auszug bis Salomo 515, oder nach andern 496.

Diese Angabe beweist, dass Klemens diese Zahlen nicht ganz

intakt erhalten hat. Der Tempelbau kommt hienach auf 479

(oben 484), und die Summe der beiden Zahlen giebt

vom Auszug bis Salomo 515

Königsziffer seit Rehabeam 372

887, wahrend Klemens selbst 892 giebt. Es ist also irgendwo in der Reproduktion der Zahlen eine kleine Konfusion begegnet.

Ueber die Jahre zwischen Adam und dem Auszug erhalten wir erst nachträglich und an einer einzigen Stelle Bericht, weil der Beweis für das Alter der Bibel nicht über Mose und Inachus hinaufgeführt wird. Nur nebenbei hören wir:

P. 403: Von Adam bis zur Fluth 2148. 4 Tage

von Sem bis Abraham 1250

von Isaak bis zur Austheilung des Landes 616.

P. 406 steht ausserdem die Gresarnmtsumme von Adam bis

zum Tod des Kommodus: 5784 Jahre 2 M. 12 T.

Schon die „4 Tage" bei der Fluth zeigen, dass die erste Ziffer dem jüdischen Rechner angehört. Denn Tage bei der Fluthziffer lassen sich nur dadurch gewinnen, dass die Rechnung mit dem Monatstag der Weltschöpfung als einer bekannten Grösse operirt. Die Fluth tritt nach Gen. 7, 11 hebr. Text am 17. des zweiten Monats ein. Der Rechner hat aber gewiss nicht die Welt- schöpfung auf den 13. Ijjar verlegt, eher die Austreibung Adams aus dem Paradies.1) Dagegen stellt sich die Summe 5784 zur

1 Weltschöpfung 1. Nisan; bis zum Fall: Nisan 29 Tage und 13 Tage vom Ijjar = 42 Tage; es bleiben 4 Tage bis zum 17., an welchem die Fluth eintritt. Die 42 Paradiesestage wären das Gegenbild zu den 4200 Jahren des Weltbestands, von denen noch zu reden sein wird. Eine rabbi- nische Parallele ist mir nicht zur Hand.

Texte u. Untersuchungen XII, 1. 4

50 Schlatter, Chronograph.

griechischen Rechnung, welcher das Exil auf Ol. 48, 1 = 5S7 ßült Denn von 587 bis zum Tod des Kommodus 192 erhalten wir 779 J.; vom Auszug bis zum Beginn des Exils unter Jojachiii rechnete der Grieche 1005.1) Somit erhalten wir 5784 17M = 4000.

Dieser Rechner hat, falls nicht ein Zufall waltet und Klein richtig referirt, den Auszug 4000 Jahre nach der Schöpfung gehabt. Für die Urväterreihe Gen. 5 ist 2148 Jahre eine ganz singu- lare Zahl. Sie hat aber eine auffallende Relation zu 892 für den Auszug bis zum Exil. Setzen wir die traditionellen Ziffern zwischen diese beiden Summen ein, so entsteht:

bis zur Fluth 2148

bis zur Geburt Abrahams (mit dem 2. Kainan) Gen. 11 1070 Patriarchen 290

Aufenthalt in Egypten 430

Vom Auszug bis zum Exil 892

Exil 7d

4900. Die bei Klemens genannten Zahlen 1250 und 616 sind auf- fallend. Jedenfalls bekommen wir diese hohen Summen nur dadurch, dass die griechische Glosse hv yr\ Xavaav Exod. 12, 40 für den Rechner nicht existirt. Er hat in die 430 Jahre die Patriarchen zeit nicht einbefasst, sondern sie nur für Egypten ver- wendet. Er ist auch hier durch den hebräischen Text regiert; auch diess verbindet diese Zahlen mit der Benützung der hebrä- ischen Ziffer 1. Kön. 6, 1 und der rabbinischen Königszahl.

Sollen es von der Fluth bis Abraham 1250 Jahre sein, so müssen wir den Schlusspunkt bei seinem Tode suchen. Von der Fluth bis zur Geburt Abrahams 1070 Abraham 175

1245.

Es bleibt uns ein auffallendes plus von 5 Jahren; vielleicht hat dasselbe zu dem minus von 5 Jahren, welches die Summe 887 neben 892 aufwies, Beziehungen.

1) Mose 40, Richterzeit bis Samuel 463, Saul, David, Salomo 100, Kö- nigsliste bis Zedekias Ende 413, somit bis Joj achin 402. Hiebei ist freilich auffallend, dass er zwischen Ahas und Hiskia Hosea mit 8 Jahren unter die Könige Judas stellt.

8. Die biblische Chronologie des „Jemand", Strom. 1, 21. 51

Ist die erste Summe durch den Tod Abrahams begrenzt, so bleiben uns für die zweite Zahl 616:

Vom Tode Abrahams bis zur Einwanderung Jakobs

in Egypten 115

in Egypten 430

in der Wüste 40

585. Für die „Vertheilung des Landes" d. h. für Josua bleiben somit 31. Ueber Josua steht gegenwärtig bei Klemens ein wunderlicher Satz: fisza r/}r Mcovotcoi rov ßlov ts2.£vt?]v öiaöiyBxat t?v rjye- fwviav rov Xaov '///oovg jtoZetJcov fiev Irtj ge, sv de rij y?j xr\ aya&it alXa jztvrs xal dxoot avajtavöäfisvoc. wq öh rc ßißXiov rov 'LjOov jteQityti, öieöt^azo xiv Mcovota o jigosigt/f/svog avijQ trt] x£. Wenn wirklich Klemens beide Satze schrieb, so hat er bei zwei Vorgängern einen Ansatz für Josua gefunden. In dem ersten ist aber er?/ §s unerträglich; er?] tg ist eine naheliegende Besserung und giebt mit den 25 Ruhejahren den oben uns übrig gebliebenen Rest von 31 Jahren.1)

Hienach stellt sich die Rechnung so:

Bis zur Fluth 2148

bis zu Abrahams Tod 1250 bis zum Auszug 545

bis zu David 435

bis zum Exil 452

Exil 70

4900.

Da wir die 7 grossen Wochen nicht bloss mit den vulgären, sondern auch mit den von Klemens überlieferten Ziffern erhalten, scheint mir diese Symbolik beabsichtigt zu sein. Alle diese Zahlen sind bei Klemens überliefert; mir gehört einzig die Konjektur: jioZsftojv Ixt) £'g statt tzr/ ge bei Josua. Ich glaube nicht, dass dieselbe Vorwitz ist.

Um so sichrer gehören diese Ziffern zur Erklärung Daniels; denn sie setzen die eschatologische Fassung der Jahrwochen

1) Es läge auch nahe in der Summe GIG dexaeg aus xui g zu erklären, wodurch wir 660 erhalten: Isaak 60, Jakob 130, Egypten 430, Wüste 40 = 660. , Allein dann wird die vorangehende Ziffer 1250 ganz irrational und die Weise des Klemens empfiehlt, die xXrjQööooia nicht aus-, Bondern in die Summe einzuschliesstn.

4*

52 Schlatter, Chronograph.

voraus. Di»' grosse Weltwoche endel mit der Gründung des neuen Israel; Gott hat aber nach der Daniel gegebnen Offenbarung die

Wartezeit nochmals gedehnt und zu den 70 Exils jähren die 70 .Jahrwochen gefügt. Der Ablauf derselben bring! das letzte Ende. Dass die 490 Jahre Daniels vom Ende des Exils an ge- rechnet waren, wird nochmals dadurch bestätigt, dass die 4900 Jahre ebenfalls erst mit dem Ende des Exils voll werden.

Die überschüssigen 5 Jahre in der Summe 1250 von der Fluth bis Abraham erinnern an die oft hervortretende Schwierig- keit, die für die Berechnung der alten Chronographen aus den beiden Jahren Sems nach der Fluth Gen. 11, 10 entsteht. Die beiden Jahre hatten eine Schwebestellung zwischen beiden Listen Gen. 5 und 11, wurden bald zur ersten, bald zur zweiten Liste geschlagen und im Bericht Dritter leicht übersehn.

Da die erste Ziffer die Tage gezählt hat, die noch über das ganze Jahr bei der Fluth hinausliegen, waren die beiden Jahre Sems schwerlich übersehn, und der Hiatus in den Zahlen des Klemens kann dadurch erklärt werden, dass er dieselben nicht beachtet und hernach die Einer so zurecht gemächt hat, dass die gewollte Summe wieder entstand. Als ursprünglichen Bestand der Rechnung erhalten wir nach dieser Annahme:

Klemens:

bis zur Fluth

2148, 4

Tage

2148, 4 Tage

Sem

2

bis Abrahams Tod

1245

1250

bis zum Auszug

545

545

bis zu David

436

435

bis zum Exil

454

452

Exil

70

70

4900 4900.

Die symbolische Chronologie war eine nothwendige Folge aus Daniels Weissagung. Da sich die letzte Periode des Welt- laufs nach einer symbolischen Zahl vollzog, so lag der Schluss nahe, dass sich Gottes Regierung überall in der Herrschaft runder Zahlen bezeuge und nach grossen, der 7 unterworfnen Wochen ablaufe. Die Symbolik wurde in zwei Formen ausgebildet, von denen die eine Gottes Woche mit Jahrtausenden, die andre mit 700 Jahren bildete. Die letztere ist jüdischer und enger an Daniel angeschlossen. Die 6000jährige Arbeitswoche der Welt,

8. Die biblische Chronologie des „Jemand", Strom. 1, 21. 53

zu welcher die Parusie den Sabbath bringt, war am Ende des zweiten Jahrhunderts in der Kirche verbreitet, vgl. Julius und Hippolyt. Wenn der „genauere" Gewährsmann des Klemens den Auszug auf 4000 setzte, wird schon er die 6000jährige Woche gehabt haben. Der Ansatz des Exils auf 5005 stimmt nicht ganz, bleibt aber immerhin dieser Symbolik nah.1) Diese Jahr- woche bedeutete aber den Verzicht auf die sofortige Nähe der Parusie.2) Es entspricht sich, dass unserm Chronographen die Parusie noch nahe ist und dass er nicht die 1000jährige Sym- bolik aufweist, sondern die beiden Weltwochen mit 700 und 70 Jahren giebt.

Es ist nicht Zufall, dass dieselben Elemente, welche diese Rech- nung benützt, auch bei den Kabbinen in ein symbolisches Ganzes eingefügt sind. Denn mit der Rechnung der Tosefta erhalten wir: Patriarchen 290

Egypten 430

bis zum Tempelbai i 4S0

Tempeldauer 410

bis zum letzten Tempelbrand 490

2100. An der Ergänzung der Ziffer zur Weltwoche waren die Kabbinen durch die Zahlen des masorethischen Texts gehindert, der von Adam bis zur Geburt Abrahams nicht 2100, sondern mit Sems zwei Jahren 194S Jahre giebt. Diese Symbolik ist älter als der Tempelbrand: denn nicht seinetwegen ist die Ge- schichte Israels in die grossen runden Jahre Gottes gefasst worden. Das ursprüngliche Ende der Rechnung war der Christus und das Himmelreich.

Auch Henoch hat verwandtes. Er giebt c. 93 10 Wochen, von denen 3 ausschliesslich eschatologisch sind. Es bleiben 7 Wochen = 4900 Jahre bis zur Offenbarung der Geheimnisse des Himmels an die Gerechten. Die Wochen werden nicht mit Zahlen, sondern durch die heiligen Männer bezeichnet.

1) Zumal da die Königsliste des Klemens mit dem König Hosea in Jerusalem nicht unbedingtes Vertrauen verdient.

2) Auf jüdischem Boden konnte man da, wo die Tage des Mee und die ewige Vollendung unterschieden wurden, auch mit den 6x1000 Jahren eine auf die nächste Zukunft zielende Erwartung verbinden, denn die Tage des Christus füllten leicht mit einigen hundert Jahren das 0. Jahr- tausend aus.

54 Schlatter, ( 'bronograph.

Masorethische Ziffer

1. Woche: Henoch geb. 622

2. Woche: Noah geb. L056

3. Woche: Abraham geb. 1948

4. Woche: Gesetzgebung 2608

5. Woche: Tempelbau 3148 (1. Kön. 6, 1)

6. Woche: Tempelbrand 3578

7. Woche: ungefähre Gegenwart.

Bis Mose beruht die Rechnung deutlich auf den hebräischen Zittern; dagegen verlässt sie mit dem Satz, dass der Tempelbrand auf das Ende der 6. Woche falle, den Bibeltext ganz. Da bei einem Juden der Widerspruch gegen das Schriftwort stets der Erklärung bedarf, wird anzunehmen sein, dass Henoch eine Tra- dition vor sich hat, welche den Tempelbrand auf 4200 setzt. Da er dieselbe mit den hebräischen Zahlen für die Urväter kom- binirt, verliert er nothwendig die Uebereinstimmung mit beiden Formen des Bibeltexts. Der sekundäre Charakter der Rechnung zeigt sich auch darin, dass sie die 7 X 700 und die 7 X 1000- jährige Woche kombinirt, wodurch er ohne sachlichen Grund eine Dreitheilung der Eschatologie erhält.

Weiter ist zu beachten, dass die verschiedenen Ziffern für das Exil

vom Auszug bis Ende des Exils nach der Tosefta 960 bis zum Exil nach Eupolemus 1090 l)

bis zum Tempelbau nach A. 20, 10 612

zu den Schwankungen der Ueberlieferung in Gen. 11 auffallende Beziehungen haben. Die eine Schwankung entsteht durch den zweiten Kainan; so stehen 1072 neben 942 Jahren. Aber auch durch Nahor wird die Summe wechselnd gemacht. Für den- selben giebt

Cod. Vat. Sin. etc. 179 Jos. A. 1, 6, 5 129

1) Nach Kleinens hat Eupolemus gerechnet vom Auszug bis zum 5. J. des Demetrius 1580

Jos. rechnet A. 20, 10 vom Auszug bis zum 1. Jahr Simons 1580.

Mein Schluss steht darauf, dass diess identisch ist. Weiter: vom Ende des Exils bis zur Entweihung des Tempels durch Epiphanes 408 und zur Hin- richtung des Menelaos 414; das bringt 490 genau auf das Epochenjahr des Eupolemus. Also hat er gerechnet: 1580 490 = 1090.

8. Die biblische Chronologie des „Jemand", Strom. 1. 21. 55

Nim

Demetrius, Euseb, Cod.

AI. Samar. 79

hebr. Text Jos. erhält dadurch für die 2. Liste die

29

Summe

992. 1)

erhalten wir:

Erste Liste

2148

2148

2148

/weite Liste

1072

990

942

Patriarchen

21M)

290

290

Egypten

Tempelbau

Tempelbrand

Exil

430

890

70

430 612 430

430 1090

4900 4900 4900. Damit scheint mir ein doppeltes wahrscheinlich gemacht: 1 dass die singulare Lesung 2148 früher einige Verbreitung be- sass. und 2) dass die Weltwoche zu 4900 Jahren öfter gebildet worden ist. Auch die 1000 jährige Woche war leicht nach diesem Schema zu gewinnen. Denn die Summe 2148 rechnet für Henoch nur 65 Jahre; wurde er mit Demetrius, Euseb etc. zu 165 ge- setzt, so stand die Rechnung beim Exil auf 5000.

Aber auch die Schwankungen der ersten Liste Gen. 5 haben zu der Weltwoche Beziehungen.

Für Demetrius ist überliefert von Adam bis zum Auszug: 2264 + 1070 + 505 = 3839, für Eupolemus

(2122 + 942 + 505) = 3569. Fahren wir mit der durch Jos. A 9, 14, 1. 280 wahrscheinlich gemachten Ziffer für den Tempelbau2) fort, so ergiebt sich: bis zum Auszug 3839 3569

bis zum Tempelbau 631 631

Tempelbestand 430

4900 4200

1) Die Summe steht A. 1, 6, 5. In den Einzelposten ist das fehler- hafte 12 für Sem und 120 für Nahor, wodurch die Summe verloren geht, leicht zu bessern in Sem 2, Nahor 129.

2) Die verwendeten Ziffern für die Richterzeit lassen sich leicht durch die überlieferten Zahlen verstehn. Saul ist nach 1. Sam. 13, 1 hebr. Text berechnet; nämlich Samuel 12, Saul 40 oder 20, was gleichwertig ist mit: Samuel 50 oder 30, Saul 2, ein Ansatz, der bekanntlich schon bei Jos. steht, und sicher nicht von ihm erfunden ist.

56 Schlatter, Chronograph.

Bei den bedeutsamen Einschnitten der jüdischen Geschichte entstehn die runden Summen schwerlich durch Zufall Ich sehe in denselben das Merkzeichen, dass unser Chronograph eine Tra- dition befolgt, die weit über ihn zurückreicht. Auch diese Parallelen geben ihm seinen Platz in der jüdischen Christenheit Die Griechen haben beim Exil oder Tempelbau keinen Symbolismus mehr gesucht.

9. Theophilus von Antiochien.

Die singulare Ziffer für die Fluth erscheint bei ihm nicht; denn er hat das den Vulgärtext der Sept. bildende 2242. Seit der Fluth stellt sich aber ein eigenartiges Verhältniss zwischen ihm und dem Chronographen heraus.

Bis zur Geburt Isaaks Theoph.: 1036; Chronogr.: 1170.

Theophilus hat den zweiten Kainan nicht, verkürzt aber auch Nahor um 4 Jahre, da er ihm statt 79: 75 giebt.

Bis zur Vertheilung des Lands Theoph.: 660; Chronogr.: 660.

Nicht nur die verwandte Eintheilung der Ziffern, sondern auch die Abhängigkeit vom hebräischen Text Exod. 12, 40 ver- bindet hier Theophilus mit dem Chronographen. Von Josua bis Davids Tod ist die Ueberlieferung bei Theophilus gespalten. Die Handschrift giebt III cap. 25:

Theoph.: 436; Chronogr.: 436, also wieder die hebräische Ziffer 1. Kön. 6, 1; in der abschliessen- den Rekapitulation c. 28 steht dagegen 498. Die überlieferten Einzelposten geben 497.

Otto hat 498 für echt gehalten; ob er aber die Beziehung von 436 zu 1. Kön. 6, 1 gesehen hat, ist nicht zu erkennen. Die Einzelposten scheinen mir an einer Stelle deutlich interpolirt. Auffallend ist einerseits: Ehud 8 statt 80 Jahre, und andrerseits: Philister 40, Simson 20, Friede 40, Samera 1, Eli 20. Samera ist Samgar, dessen eines Jahr auch bei Julius vorliegt und in der alten Chronologie eine Geschichte hat. *) Aber wie kommt

1) Ueber Samgars einziges Jahr vgl. Stud. u. Krit. 1891, 681. Nach dem Gesagten zu niodinciren ist der Satz: „Die Ziffer kehrt von An- fang an bei den Griechen wieder von Theophilus an." Das ist nur für den überlieferten Text desselben richtig. Der dxQißbOTSQoq des Rie- mens bekommt in der Richterzeit in der Summe Monate: 463 J. 7 M.

9. Theophilus von Antiocliien. 57

er neben Eli? Dass er am falschen Ort steht, kennzeichnet ihn als nachträgliche Einlage, womit aber auch die 40 Friedensjahre vom Verdacht getroffen werden, aus Julius zu stammen. Damit uliert die aus den Einzelposten addirte Summe ihren Halt. Mit. Philister 2o, Simson 20 haben wir 436, wie es die andre Lesung giebt.

Wäre Theophilus aus 1 Kön. 6, 1 interpolirt worden, so wäre schwerlich die hebräische Ziffer benutzt worden. Ich halte es für wahrscheinlicher, dass der falsch gestellte Samgar, als dass die hebräische Zahl erst nachträglich eingedrungen ist.

Geizer, Julius Afr. 1, 23, hat Ehuds 8 statt 80 als alten Schreibfehler angesehen und vorgeschlagen, die 72 Jahre desselben dadurch einzubringen, dass die Periodisirung bei Eli gemacht werde, wodurch Samuel, Saul und David mit 72 Jahren zur fol- genden Summe kommen. Allein dann müssen wir, wenn die überlieferten Summen gelten sollen, die Königsliste um ebenso- viel verkürzen, was ohne willkürliche Schnitte nicht möglich ist; auch sagt der Text ausdrücklich, dass die gegebene Summe sich auf David erstreckt. Und den Samgar behalten wir damit an seinem falschen Ort.

Ehuds 8 Jahre statt 80 hängen vielmehr mit der geringen Summe 1. Kön. 6, 1 zusammen, in die sich nach der her- kömmlichen Weise die Einzelzahlen nicht eingliedern Hessen, ohne dass irgendwo ein kräftiger Abstrich an der Richterzeit vorgenommen wurde. Es scheint mir desshalb auch die Ver- kürzung Ehuds zu bestätigen, dass die Liste in ihrem Schluss nicht unversehrt ist. Es hat wenig Sinn, für Simsons Periode 120 Jahre anzusetzen und gleichzeitig diejenige Ziffer für Ehud zu verwenden, die zu 480 passt.

Die eschatologische Haltung des Chronographen macht es wenig wahrscheinlich, dass er für die Perioden der jüdischen Ge- schichte die einzelnen Posten gab. Steht Theophilus auf dem Chronographen, so wird er nur das allgemeine Schema bei ihm gefunden haben, das er nun selbst mit den Einzelziffern füllt.

Für die Königszeit seit Davids Ende giebt

Klemens macht dieselben nicht verständlich. Ich wüsste nicht, woher die Monate stammen könnten, wenn sie nicht der Vorläufer zu »Samgars einem Jahr sind.

58 Schlatter, Chronograph.

Theophilus 1 18 Chronogr. 414

Exil 70 70

Gesammtsumme seit der Fluth 2650 27.">0.

Vom zweiten Kainan und der singulären Ziffer von Nahor her ist der Chronograph Theophilus um 134 voran; dieser holt aber die 34 wieder bei der Königsliste ein, obwohl er sie ziemlich gewaltthätig dehnen muss. Mit dieser Summe verbindet rieh wenigstens im jetzigen Text die Vulgärziffer für die Fluth 2242, wodurch die Gesammtsumme 4892 wird und um 8 Jahre hinter der runden Weltwoche zurückbleibt.

Vom Exil an verändert sich die Rechnung total. Theophilus muss einen neuen Führer suchen und findet ihn im Nomenklatur des Chryseros, des Freigelassenen des Verus. Mit diesem macht er nun sehr konfus den Uebergang von Cyrus zu Tarquinius Superbus und rechnet der römischen Reihe nach bis auf die Gegenwart.

Weil 1) Elemente des hebräischen Texts bei Theophilus auf- treten (jedenfalls Exod. 12, 40, wahrscheinlich auch 1. Kön. 6, 1) und weil

2) Theophilus durch seine Quelle beim Exil völlig im Stich gelassen wird und sich selber mit dem Chryseros, so gut es geht, forthelfen muss, darum halte ich es für wahrscheinlich, dass Theophilus auf dem Chronographen steht, so dass auch er dessen fortdauerndes Ansehn, jedoch ebensosehr den völligen Verzicht auf seine eschatologische Rechnung am Ende des Jahrhunderts belegt.

10. Das singulare 2148.

An das Räthsel der Textgeschichte von Gen. 5 und 11 sind wir wieder gewaltsam erinnert. Alle andern Faktoren, mit denen unser Chronograph rechnet: 430 in Egypten, 480 Tempelbau, 410 Tempeldauer, 7 X 700 Jahre bis zum Neubau des Tempels, Ochus qui et Cyrus, 490 bis zum Himmelreich, sind jüdisch. Akiba hätte genau ebenso rechnen können, als er ein Jahrzehnt früher Bar Kochba zum gesalbten König ausrufen liess. Nur bei Gen. 5 und 11 verschwindet plötzlich der hebräische Text. Mit der Verweisung auf die Autorität der Sept. auch in den Kirchen Palästinas kommen wir nicht durch. Denn für Ex. 12, 40

10. Das singulare 2148. 59

und 1. Kön. 6, 1 hat er dieselbe nicht anerkannt. Und wie soll man es sich vorstellen, dass die hebräische und griechische Bibel an einer Stelle, wo sie so hart aufeinander stiessen, unausge- glichen neben einander als Autorität existirt haben? Kommen wir um den Schluss herum, dass die Zahlen, die unser Chronograph giebt, auch in seiner hebräischen Bibel standen? *) Wir haben es ja mit einer Bibel zu thun, die leicht älter als Hadrian ge- wesen sein kann.

Das Fehlen der Hunderter in den hebräischen Listen Gen. 5 und 1 1 ist schon oft für sekundär erklärt worden. Wer diess thun will, rnuss für diesen starken Eingriff in den Text auch ein starkes Motiv aufzeigen, und darf sich nicht damit begnügen, von Fälschung der Rabbinen zu reden. Es gilt, den Gedanken zu finden, welchen die Entfernung der Hunderter zum Ausdruck bringt. Die Hoffnung Daniels leistet diess. Sie hat diejenige symbolische Rechnung erzeugt, die nicht mit langen Fristen operirte, sondern die abgelaufne Weltzeit in ein kurzes Mass fasste. Dieselbe würde zugleich erklären, warum die "Geschichte des griechischen und des hebräischen Texts sich hier trennt und die Verkürzung der Ziffern nur auf palästinensischem Boden (Ma- st »ra. Samarit,, Henoch, JubiL, Josephus) sich beobachten lässt.

Nun giebt der masorethische Text unzweifelhaft

vom Auszug bis zum Tempelbau 1. K. 6, 1 480 bis zum Exil 430

bis zum Himmelreich nach Daniel 490

1400. Auch das legt nahe, dass die Redaktion der Ziffern im hebräischen Text auf der Ziffer Daniels beruht. Die Bejahung dieser Frage schlösse in sich, dass von Adam bis zum Auszug 2800 Jahre gerechnet wurden. Dadurch entständen die 6 „grossen Jahre" zu 700 Jahren, auf welche der Sabbath des Himmelreichs kommt. Die Summe des gegenwärtigen Texts giebt aber 2668, also 132 Jahre weniger. Allein mit dieser Summe giebt das von Jos. überlieferte 612 bis zum Tempelbau dasselbe Resultat:

1) Dasselbe Problem stellt auch das Geschlechtsregister Jesu bei Lukas mit dem 2. Kainan, dessen Herkunft aus der palästinensischen Ge- meinde sich nicht bezweifeln lässt, und das dennoch auf einer Bibel mit den grossen Zahlen beruht.

00 Schlatter, Chronograph.

Erste Vaterliste

1656

/weite

■i\)l

Patriarchen

290

Egypten

430

Tempelbau

612

Tempelbestand

430

bis zum Himmelreich

490

4200. Giebt der masorethische Text gemischte Lesungen aus den beiden Systemen, nach denen die 6 mal 700 Jahre gebildet sind? Die Väterlisten wären der Kopf zur Summation der Richter- und Königszahlen, und 1. Kön. 6, 1 der Schluss zu einer auf 2800 gestellten Rechnung bis zum Exodus.

Auch der Samaritaner lässt sich leicht aus demselben Ge- sichtspunkt verstehn. Nur ist dort der Endpunkt der 2800 Jahre nicht der Auszug, sondern die Eroberung und Vertheilung des Lands. Als Josua die Stiftshütte nach Sichern brachte und das Volk im Lande angesessen war, haben die 2800 Jahre ihre Er- füllung gefunden. Der Samaritaner giebt:

Bis zur Fluth 1307

Väter nach der Fluth 942

Patriarchen und Egypten 505

2754 In der Wüste 40

Eroberung des Landes durch Josua 6

2800. Die Rabbinen zählen allerdings nicht 6, sondern 7 Kriegs- jahre für Josua: z. B. j. sheb. 6, 36b. tfbtf Wnna tfb DDW,ntf IpbriTÖ Jtttn 'lM^DTÖ ynrc JH3E mW ^ma nnab. Dieselbe Zählung erscheint in dem auf dem griechischen Gebiet sehr verbreiteten An- satz von 27 Jahren für Josua, von dem der bei Klemens stehende Satz behauptet, er stehe im Buch Josuas. Aber daneben lesen wir ucoXsficov £TTj eg, und bei Josephus: srog ds uiiy.ur.Tov ?]6t] uzaoeXrjXv- &et, A. 5, 1, 19. 68, und der beste Textzeuge, der Lateiner, giebt Josua 26 Jahre, d. h. 6 Kriegs- und 20 Ruhejahre, A.5, 1, 29. 117, und noch in der Passachronik steht: kgr^JimCaq ßaöiZeiac xd' hv ereoiv, pg. 144 ed. Bonn. Uebrigens würde sich auch die Ziffer 7 zum samaritanischen Schema fügen, da es sich mit Gen. 11, 10 auch vereinigen Hesse, wenn dort nur ein Jahr eingelegt wird. Hat

10. D;^ Bingul&re 2148. 61

uian aber auch in Sichern mit der symbolischen Ziffer gerechnet, so that man diess in Jerusalem erst recht. Es hat einige Wahr- scheinlichkeit, dass derselbe Schlüssel, der die Besonderheiten des Codex von Sichern deutet, auch die Lesung des masorethischen Texts aufschliessen wird.

Die übrigen im Alterthum auftretenden Summen bis zur Fluth lassen sich sämmtlich leicht aus den erhaltenen Varianten erklären. Die Schwankungen beziehen sich bloss auf den zweiten Theil der Liste, wahrend die 5 ersten Ziffern in den Zehnern und Einern stabil bleiben. Wir erhalten: Die 5 stabilen Posten 960 960 Jared 162 162

Henoch 165 165

Methusalah 187 167

Lamech 188 188

Noah 600 600

2262 *) 2242 2) 2122 3) 1662 4) 1656 5) 1307«). Nur unser 2148 fügt sich in das Ueberlieferte nicht.

Jared scheint stabil, ist es aber dess wegen nicht, weil statt des runden 800 für seine Lebenszeit beim Samaritaner 785 steht. Sollte unser Chronograph für Jared 188 gelesen haben:

960

460

460

460

162

162

162

62

65

65

65

65

167

187

187

67

168

188

182

53

600

600

600

600

die fünf stabilen Ziffern:

960

Jared statt 162

188

Henoch \

Methusalah [ wie bei Eupol.

65

167

Lamech

168

Noah

600

2148,

dann erhalten wir auch die 4 X 700 Jahre bis

zum Auszug ohne

jede weitere Konjektur:

die fünf stabilen Ziffern:

460

Jared

188

Henoch

165

Methusalah

187

Lamech

188

Noah

600

1788

1) Demetrius Julius. 2) Euseb, Vulgärziffer. 3) Eupolemus.

4) Jos. A. 8, 3, 1. 61. 5) Hebr. Text. 6) Samarit.

02 SchUtter, Chronograph.

1788

Sem 2_

1790 Liste Gen. 11 290

Patriarchen 290

Egypten 430

2800 vom Auszug zum Tempelbau 480 Tempeldauer 430

bis zum Himmelreich 490

4200. Fügen wir die mit Jareds 188 gebildete Summe zu 992, der von Jos. für Gen. 11 überlieferten Zahl, die Nahors 129 in sich schliesst, so ergiebt sich:

Erste Liste der Väter 2290

zweite 990

Erzväter 290

Egypten 430

4000. 4000 stand vermuthlich für den Auszug beim axQißtorsQOQ des Klemens.

Es spricht manches dafür, dass die Konjektur 188 für Jared zusammen mit Nahors 129, wie sie Jos. giebt, den alten echten Text herstellt. Denn wie die Variationen in diesen Ziffern nicht als Zufall zu verstehen sind, so ist schon ihre erste Genesis kaum denkbar als ein blosser Willkürakt des Gesetzgebers. Mir scheint der Wunsch begründet, ein Princip wahrzunehmen, aus dem die Bildung der Reihe begreiflich wird. Die auf 4000 endende Reihe lässt sich genetisch verstehn. Denn die Summen 2290, 990, 290 haben eine einfache Proportionalität. Das Schema ist: 290 + 2 x 700 + 600 = 2290 290 + 700 = 990

290 = 290.

Der Rest, der das 4. Jahrtausend voll macht, 430, fällt der Zeit in Egypten zu. Der gegebne Ausgangspunkt der Reihe sind die Patriarchenzahlen. Dass Abraham hundertjährig den Sohn erhielt, und Jakob 130jährig nach Egypten wanderte, wird man längst erzählt haben. Das gab für die Patriarchenzeit den An- satz 100 + 60 + 130 = 290, der sich auch als die Zahl des

10. Das singulare 2148. 63

Mondlaufs leicht einprägt. Sodann ragt Noahs 600 eigenartig aus diesen Zahlen hervor. Auch der Ansatz der Fluth in Noahs 600. Jahr wird ein alter Ansatz sein. Nun wird die übrige Reihe dadurch gebildet, dass das gegebne 290 für alle 3 Perioden als Grundziffer verwendet und für die Väter bis Noah um 2 X 700, für die Väter vor Abraham um 700 Jahre vermehrt wird, wäh- rend der Auszug das begonnene Jahrtausend schliesst. Warum wird nicht einfach gesagt, dass Israel 400 Jahre in Egypten wohnte? warum müssen es genau 430 sein, wenn der Erzähler nicht eine runde Summe erstrebt?

Sodann erhalten wir von 4000 aus einen verständlichen Stamm- baum der Varianten. Zum Rhythmus der Weltwoche von 6 x 700 Jahren gelangte man von 4000 aus leicht. Der Rechner auf Grund von Daniel nahm der ersten Väterliste 500, der zweiten 700 Jahre, wodurch er mit dem Auszug bei 2800 stand. Allein das setzte die Zahl 480 für den Tempelbau voraus, die sich mit den Posten des Richterbuches stiess. Wurden diese summirt und der Tempelbau auf 612 gesetzt, so niusste die runde Zahl für den Auszug aufgegeben und die erste Väterliste nochmals verkürzt werden.

Wer die hebräischen Ziffern für älter hält, kann sich die Bewegung der Zahlen umgekehrt denken. Dann treten die Va- rianten dess wegen auf, w^eil die Rundung zu 2800 oder zu 4000 beim Auszug angestrebt wird.

Dass sich die 6 x 700 Jahre nirgends unversehrt überliefert finden, ist durch die einschneidende Wandlung erklärbar, welche die Auslegung Daniels seit Hadrian erfahren hat. Seit Daniels Zahl den Tempelbrand weissagte, war es mit der Berechnung des gesammten Weltlaufs nach derselben vorbei Darum finden sich im masorethischen Text Lesungen neben einander, die ver- schiedneu Systemen angehören; das Interesse an ihrer Ausgleichuug war tot. Deute ich die masorethischen Ziffern richtig, so illu- striren sie nicht nur das Steigen, sondern auch das Sinken der messianischen Hoffnung von Daniel bis Hadrian.

Das ist derjenige Zweig der Rechnung, der 490 mit um- schliesst und beim Himmelreich endet. Die andre Stelle, von welcher Variationen schon vor Daniel ausgingen, ist Exod. 12, 40. Die Glosse xal iv yjj Xavaav trat ein, welche durch Moses Genealogie empfohlen schien. Dadurch wurde die Summe

(34 Schlatter, Chronograph.

um 215 gekürzt, und die Symmetrie zerstört. Auch die Vater- listen kommen nun ins Schwanken, weil beim Ende des Tempels oder des Exils die verlorne Symmetrie, sei es mit 5000, sei es mit 4900, wieder gewonnen wird. J)

Das ist ein „Kartenhaus", so lange wir Jareds 1 SS Jahre bloss aus der Summe 2148 herausschälen müssen. Vielleicht besitzen aber andre mehr Material in dieser Sache als ich, und wenn sich für Jared 188 irgendwo überliefert fände, dann wäre allerdings nicht nur bewiesen, wie unser singuläres 2148 zu deuten ist, sondern weiter, dass es vor Hadrian hebräische Bibeln gab mit den 6 x 700 Jahren bis zum Himmelreich, und auch diess wäre wahrscheinlich gemacht, dass 2800 aus 4000 stammt.

Vorerst notiren wir als Ertrag für unsre Untersuchung, dass der Schluss aus der Verschiebung des Cyrus bei Jos.: Artaxerxes = Cyrus, auf Berechnungen des Himmelreichs in Jerusalem sich bestätigt hat. Denn dass die masorethischen Zahlen mit dem überlieferten 612 und 430 auf 4200 stehn, das ist nicht Konjek- tur, sondern Thatsache. Dadurch wird aufs neae die Zugehörig- keit des Chronographen zur jüdischen Christenheit fest. Jeden- falls lässt sich seine auffallende Fluthziffer nicht als Zeichen seines griechischen Standorts verwenden. Denn sie mag leicht eine alte Lesung erhalten haben, welche den Chronographen mit den Rechnungen Jerusalems zusammenbringt, und damit in bester Ueberein Stimmung stehn, dass er auch in der Deutung der Zahl Daniels noch den alten Gedanken vertritt.

Zugaben.

1) Auch Jos. 8, 3, 1. 61 greift hier ein. Der Chronograph, aus dem Jos. hier schöpft, ist nicht unbedeutend, da er ihm die tyrischen Synchronismen geliefert hat. Dort wird der Auszug

1) Werden Jareds 188 zu den grossen Ziffern gefügt, so erhalten wir 2290 bis zur Fluth, 1145 mit dem 2. Kainan bis zur Berufung Abrahams. Die 2. Periode wird genau die Hälfte der ersten; die Fortsetzung mag ge- wesen sein: 430, 631, 434, 70 = 5000. Auch der Typus des Samaritaners ist zu beachten. Er brachte mit Jared 188 und dem zweiten Kainan die Fluth genau in die Mitte: bis zur Fluth 1790, bis zum Auszug (ohne die Glosse FiXod. 12, 40) 1790. Mit der von Jos. gegebenen Ziffer 1662 bis zur Fluth stand sie in der Mitte zwischen Auszug und Schöpfung bei Jareds 162 und 942 für die 2. Liste. So erhalten wir beidemal 1662.

10. Das singulare 2148. 55

auf 2510 gesetzt, ein Ansatz, der an denjenigen im Buch der Jubiläen: 2410 erinnert.

Die Summen sind bis zum Tempelbau:

seit dem Auszug 592

seit der Berufung Abrahams 1020

seit der Fluth 1440

seit Adam 3102.

Für die Berufung Abrahams ist zunächst nach f/sra %l1i<x xal dxoöi noch xal ovo beizufügen, wodurch wir für die Patri- archenzeit statt der irrationalen 428 die kanonischen 430 Jahre erhalten. Die Frist von 1662 Jahren zwischen Adam und der Fluth ist verständlich, aber die 418 J. von der Fluth bis zur Berufung Abrahams verschliessen sich dem Verständniss. Allein L662 + 418 ergiebt 2080, d. h. diejenige Summe, welche der niaso- rethischen Rechnung den Symbolismus giebt: 2080 -\- 290 -f- 430 = 2800. Es scheint hier der Anfang der Weltwochenrechnung erhalten zu sein; aber Jos. hat die Summe verkehrt getheilt in 1662 und 418, statt in 1788 und 292 und übersehen, dass er mit dieser Summe noch nicht bei der Berufung, sondern erst bei der Geburt Abrahams stand, so dass er das irrationale 418 schuf, und da er weiter für 430 nicht die hebräische, sondern die griechische Rechnung verwendet, verkürzt sich ihm die Summe noch einmal um 215 Jahre, so dass aus 2800 nun 2510 geworden ist. Wenigstens ist diess ein Erklärungsversuch dieser Zahlen, für die es sonst noch keine Erklärung giebt. Aber auch hier sind die Zahlen so überarbeitet und zerbrochen, dass sich auch an dieser Stelle keine zwingende Beobachtung ge- winnen lässt.

2) Die Ziffer 612 für den Tempelbau erfordert noch einige Ueberlegung, weil sie dadurch einige Wichtigkeit erhalten hat, dass sie mit den masorethischen Listen im System der 6 x 700 Jahre zusammen gehört. Sie steht A. 20, 10 als Summand in 1580, der Summe des Eupolemus. Jos. setzt sie aber mit einer irrationalen Tempelziffer fort: 466, die er nur durch Salomos 80 Jahre einigermassen rationalisirt. Ich schloss darum in der Abhandlung von 1891, dass Jos. die Zahl des Eupolemus ver- schoben habe vom Anfang Davids auf den Tempelbau. Ich sah aber damals den Symbolismus in den synagogalen Rechnungen

Texte u. Untersuchungen XII, 1. 5

ßß Schlatter, Chronograph.

noch nicht. Derselbe spricht in der That dafür, dass 012. wie Jos. es fasst, für den Tempelbau verbreitet war. 'j

Andrerseits erhalten die Gründe, die dafür sprechen, dass die Königsziffer des Jos. ihm und nicht Eupol. angehört, dadurch eine Verstärkung, dass Eup. Salomo gegen den Schrifttext im ersten Jahr den Tempel bauen lässt. Ich nahm diess 1S91 als eine Laune des Eup. hin, die sich nur durch die Erwägung erläu- tern lasse, dass Salomo ohne Zögern an sein grösstes Werk gehen müsse. Aber die Zahlen des Eupolemus stehn seit der Fluth so:

Liste Gen. 11 942

Patriarchen und Egypten 505

bis zu David 612

David 40

bis zum Tempelbau 1

"21ÖÖ" Der direkte Widerspruch mit dem Schriftwort und die runde Ziffer werden auch hier mit einander in Zusammenhang stehn. Da nun Eupolemus nach seiner ganzen Art schwerlich als ein selbständiger Rechner gelten darf und seine Zahlen 2122 und 1090 auch in andere Kombinationen sich fügen, vgl. S. 55, so wird an- zunehmen sein, dass die Summe 612 ihm bereits überliefert war und von ihm nur in besondrer Weise verwendet wird. Um so glatter erklärt sich die irrationale Tempelziffer des Jos. 612 lag ihm doppelt vor: als Summand von 1580 und als Summe für den Tempelbau. Da er die Zahl in der letztern Weise deutete, und doch 1580 nicht verlieren wollte, kam er nothwendig auf seine willkürliche Zahl für den Tempelbestand. Die wichtigste Seite dieser Frage ist das chronologische Moment. Eup. ist durch den Polyhistor excerpirt worden. Da er bereits 612 verwendet, ist die mit den masorethischen Zahlen zusammengehörende Tempel- ziffer für die Zeit Hyrkans I oder Jannais belegt.

11.

Der „gefälschte" Josephus des Origenes.

Nach der traditionell gewordnen Meinung las Origenes einen christlich interpolirten Josephus; nach meiner Meinung las er Citate aus Josephus, die christlich interpretirt gewesen sind.

1) Es erklärt sich ohne jede Schwierigkeit: Wüste 40, Josua 26, Richter (die Posten des Buchs addirt) 410, Eli 40, Samuel 50, Saul 2, David 40, Salomo bis zum Tempelbau 4.

11. Der „gefälschte" Josephus des Origenes. (37

evgokuev, sagt Origenes zu Mth. 21, 25, ex xojv xaxd xov ygo- vov Tißegiov Kaioagog löxogiojv ygapdg, cog dga hei JJovxiov IJiXdxov exivövvevoev 6 Zaog, xov fiev Ihldxov ßiaCof/evov dv- ÖQiavxa KaiöaQog dvafrelvai ev xcp vam, xojv öh xal jtagd övva- {uiv xmXvovxajv. xo öe ofioiov dvayeygajtxai yeyovevai xal xaxd xovg ygovovg raiov Kaioagog. Besonders merkwürdig sei, dass ccvTog jtQcoxog kxoXprfiB iiidvai xov vaov xov &eov üiXäxoq, cp jiageöorxav xov 'h/oovv. Hier liegt deutlich der Bericht des Jos. zu Grund über den Streit um die Kaiserbilder unter Pilatus und unter Caligula. Allein Origenes stellt sich vor, Pilatus habe den Tempel durch ein Kaiserbild entweihen wollen. Stand das in seinem Jos. und war dieser gefälscht, so dass er das [iiavai xov vaov für Pilatus bot? Und hat Origenes Geschichten des Jos. yga<pai genannt? Die Stelle verlangt nichts anderes, als dass Origenes eine kurze Erwähnung der Dinge unter Pilatus und Caligula vor sich hatte, die beides als gleichartig zusammenstellte, so dass er die Differenz zwischen den Ereignissen unter Pilatus und unter Caligula nicht wahrzunehmen vermochte, sondern auf Pilatus übertrug, was bloss von Caligula richtig ist.

Die Herodianer erklärt Origenes zu Mth. 21, 25 als diejenige Parthei, welche dem Kaiser die Steuern geben wollten, im Gegen- satz zu den Pharisäern, welche sie verweigerten. iöxog?]xai öh oxi yfovöag fiev 6 raXiXaiog, ov fisfivqxcu xal Aovxäg ev xalg xoiv ajiooxöXwv jiga^zöiv, djtoöxrjöag JtoXv jtXrjd-og 'Iovöaiwv eöiöaoxe firj ÖBlv öiöovai Kalöagi <pogov firjöh xvgiov dvayogeveiv xov Kaloaga. o öh xaxd xov xaigov avxov xexgdgyrjg jiel&eiv eßovXexo xov Xabv elxeiv xT\ Jtagovo?] xaxaoxdöet xal [irj avfrai- gexov aigeiö&ai Jtgog löyvgoxegovg jioXekuov, öiöovai öh xovg (pogovg. Hier bestehn deutliche Beziehungen zu A. 18, 1, 1; aber der Tetrarch, gegen den sich die Bewegung richtet und der das Volk zu beschwichtigen sucht, ist für den Text und Sinn des Jos. ein fremdes Element. Wie soll Origenes selbst die Stelle aus Jos. schöpfen, ohne auf die Absetzung des Archelaus und die Einrichtung der römischen Prokuratur zu stossen, während er sich seinen Herodes als Landesherrn von ganz Judäa denkt? Dagegen hat Origenes gehört, dass Juda sich als Christus gab, c. Cels. 1, 57 u. zu Joh. 1, 21. 6, 6, was nicht aus Jos. stammt, und die Abwesenheit desselben bestätigt sich dadurch, dass Origenes konstant Theudas vor die Geburt Jesu stellt und kein

(>§ Schlatter, ChronograplL

Bewusstsein zeigt, dass hier eine chronologische Schwierigkeit besteht.

Zu Matthäus 14, 2 erwägt Origenes, worin die Sünde des Herodes bestanden habe. „Jemand meint," xivlg (liv ovv o'Lovxai, die Ehe sei desshalb illegal gewesen, weil Philippus nicht kinder- los gestorben sei. Dieser „Jemand" kennt die Erzählung des Jos. nicht. Origenes fügt bei: fj/ielg de fir/öafir/ öacpcog tvoloxovxtg xsfrvqxJvcu xov <Pifojzjiov (lü^ov exi xo ziaoavö[irma xco HqwÖ% ZoyiCofJs&a ysyovtvat, oxi xal ^covxog ajttoxrjöe xov aöeXipov xr]v yvvalxa. Origenes hat somit nachgesucht, ob Philippus vor „Herodes" gestorben sei, hat diess aber nirgends unzweideutig gefunden. Er hat aber auch das Gegentheil nicht gefunden, dass der Mann der Herodias, als sie ihn verliess, noch am Leben war. D. h. Origenes hat nicht bei Jos. gesucht.

Den Spruch: das Gesetz und die Propheten bis Johannes, belegt Origenes damit, dass der Täufer noch von Herodes, Jesus nicht mehr von Herodes, sondern von Pilatus getötet worden sei. Denn r) xcov ßaöiXevodvxcov ev xco Xaco e^ovoia fityyt xov avaiQSlv xovg vofu^oftsvovg dt-iovg &avdxov avxolg vjiccQzovxaq tcog 'Ioxxvvov r)v xal dvaioedtvxog xov xelevxaiov xcov jic>og)?/- xcov jiaocivoficoQ vjto xov Hgcodov, avyigt&r) o 'Iovöalcov ßaoiXsvg xrjg xov dvaiQelv sgovöiac. el ydg fir) acprjorjxo avxfjv 6 Hqoj- örjg, ovx av aöixaösv o Uilaxog xov 'irjöovv xr)v ejti d-avdxcp, dl)! ijQxrjOev av Hoc6dr]g fisxd xrjg xcov ctoxisgecov xal jtgeo- ßvxzgcov xov Xaov elg xovxo ßovZrjg. Dadurch war Gen. 49, 10 erfüllt.

Somit hat Origenes von der Einrichtung der Provinz Judäa keine Vorstellung und weiss vom Regiment der Prokuratoren anstatt der Herodier in Jerusalem nichts. Sein Herodes ist König von Jerusalem, nur dass ihm nach der Hinrichtung des Täufers das Blutgericht genommen war. Das beweist eher, dass Origenes den falschen Petrus, als dass er Jos. kennt.

Was die Juden Joh. 2, 20 über den Bau des Tempels sagen, bringt Origenes in Verlegenheit. Gegen Herakleons Ausdeutung der Stelle liegt es ihm daran, ihre historische Wahrheit darzu- thun. Zu Salomos und Serubabels Tempelbau passt sie aber nicht; er tröstet sich nun damit, dass der Tempel in der Makkabäer- zeit leicht einmal zerstört und wieder neugebaut sein könne. D. h. Origenes hat vom herodeischen Tempelbau nichts gehört.

11. Der „gefälschte" Josephus des Origenes. 59

Durften diese Instanzen wirklich bloss als negative Argu- mente beurtheilt werden? Ich schliesse nicht: Origenes redet nirgends vom Tempelbau des Herodes, also hat er Jos. nicht gekannt, was selbstverständlich thöricht wäre. Der Schluss steht im Gegentheil auf bestimmten positiven Aussagen des Origenes. Er hat Herodes für den König Jerusalems erklärt, hat es als problematisch behandelt, ob er einen Ehebruch begangen habe, und hat die makkabäische Periode als diejenige bezeichnet, in der ein Neubau des Tempels am leichtesten unterzubringen sei. Diese Vorstellungen schliessen Jos. positiv aus. Die Fragen, die sich Ori- genes stellte, hätten bei Jos. ihre Erledigung gefunden, finden aber eine solche bei Origenes nicht; also hat er sie nicht bei Jos. gesucht.

Über die Königin von Saba hören wir, Hohes L. 1, 5: inve- nimus autem hujus ipsius reginae etiam Josephum in historia sua facere mentionem addentem etiam, hoc quod posteaquam re- gressa est, inquit, a Salomone, Cambyses rex miratus ejus sa- pientiam, quam sine dubio ex Salomonis sapientia susceperat, cog- nominavit, inquit, nomen ejus Meroen. refert autem, quod non solum Aethiopiae, sed et Aegypti regnum tenuerit. Letzteres ist korrekt cf. A. 8, 6, 5. 6. 165. 167. Kambyses und Meroe stam- men dagegen aus dem von Jos. über Mose gegebnen Midrasch: övveXafrtVTec elg 2aßav Tioliv ßaöiluov ovöav xi\g Al&iojtiag. ?jv vortQov Kccfißvörjq Msgorpf ejtwvofiaosv aöelptig lölag rovzo xaZovfiivTjg, tJtofaoQzovvTO, A. 2, 10, 2. 249.

Wenn bei Origenes Meroe aus dem Namen von Saba zu demjenigen der Königin von Saba geworden ist, so ist das keine „Fälschung" des Jos., sondern einfach eine mit Missverständnissen belastete Wiederholung eines älteren Citats.1) Die Gleichzeitig- keit zwischen Kambyses und Salomo giebt nicht gerade grosse Zuversicht, dass Origenes die ersten Bücher der A. gelesen hat.

Aehnlich wird es sich mit Threni 4, 19 verhalten: xovyoi lyivovxo ol öuoxovrsg r^iag vjiIq derovg. lörooel yäo ^Iwörjjtog. cog ovdh oq>/ rovg (psvyovrag öitocooev Von den „Bergen" i^r bei Jos. nichts sonderliches zu lesen; wohl aber stehn die

1) In der Paraphrase der biblischen Erzählung giebt Jos. der Königin

keinen Namen; dagegen steht S, 6, 2. 159 ein seltsames Fragment, über

•n Herkunft ich nichts zu sagen wage; in jüdischen Büchern habe Jos.

gefunden, dass der Pharao Salomoa der letzte dieses Namens gewesen sei,

und dass die Königin von Saba die von Herodes genannte Nikaule sei.

70 Schlatter, Chronograph.

Berge Mth. 24, 16: xoxt 61 tv rtj 'iovöala (pevytrwoav elg xa OQTj. Damit wird beim Vordermann des Origenes Threni 4, 19 kombinirt gewesen sein und dafür, dass sie auch die Berge nicht retteten, sondern die Drohung Jesu und der Propheten sich an ihnen erfüllt hat, war Jos. als Zeuge citirt.

Da Origenes die Geschichten über Antipas nicht gekannt hat, hat er nicht selbst die Stelle über den Täufer mit dem genauen Fundort: 18. Buch der Arch. aus derselben herausgehoben, und dieser Schluss wird dadurch bestätigt, dass auch hier Origenes Dinge über Jos. sagt, die unrichtig sind, c. Cels. 1, 47: o d'avrog xairoiys djiiörcov reo Itjöov wg Xqlötco ^tjtojv rrjv alriav t?/q tcov leQoöoXvficov jiTcoöewq xal xr\g rov vaov xafrcuQeGeojg . . ov [laxoav ttjq aZrj&elag ysvofisvog cpr/öi ravza ovußsßqxevai rolg Tovöaloig xar ixölxrjOiv Iaxojßov rov öixalov, oq r/v aötlyoq 'Ir/Oov rov Isyofisvov Xqlötov , ejiecdrjJcsQ dixaiozarov avxov ovza äjt£XT£ivav. rov de 'laxcoßov tovtov 6 'Itjöov yvrjotog {la&ijzrjg TJavlog (p?i6tv twoaxivai mg äöslcpdv xvqiov, und nun erst kommt noch einmal Jos., der doch nicht die ganze Wahr- heit gesagt habe, weil er nicht von Jesu Tod, sondern bloss von Jakobus spricht.

Die Stelle lässt sich ohne Schwierigkeit aus einem älteren Citat begreifen. Der Vordermann hat gesagt: Jos. selbst spricht die Ursache aus, welche den Untergang Jerusalems verschuldet hat, da er ja die Hinrichtung des Jakobus erzählt, ebenso wie er diejenige des Täufers berichtet und den Juden als Schuld an- gerechnet hat. Diess that er, obwohl er von Jesus nicht ge- sprochen und nicht an ihn geglaubt hat. Was für den Vorder- mann im Bericht des Jos. faktisch enthalten war, betrachtet Origenes als dessen eigene Aussage; dergleichen Weiterbildungen der Citate haben viele Analogien, und eben hier liefert Euseb eine solche, da er den Bericht des Origenes in die eigenen Worte des Jos. umsetzt, h. e. 2, 23, 20. So wenig Euseb dess- wegen einen gefälschten Text des Origenes las, so wenig las Origenes einen gefälschten Jos.

Gegen die Fälschungshypothese spricht, dass die Ueberliefe- rung des Textes keine Spur dieser angeblichen Interpolation aufweist. Dass Euseb die Worte aus Origenes bezieht, beweist, dass auch sein Text sie nicht enthielt. Sodann sind die Parallelen zu dieser Stelle, c. Cels. 2, 13 und zu Matth. 13, 55 weit über das

11. Der „gefälschte" Josephus des Origenes. 71

hinaus, was als Interpolation in den Text des Jos. denkbar wäre, stereotyp. Alle drei wiederholen die echten Worte des Jos.: "Jdxcoßov top döeX<pov 7?]öov rov Xeyof/tvov Xqlötov = rov äöelqpöv 'fyöov rov Xsyoftsvov Xqlötov 'Idxcoßog ovofia avzo) A. 20, 9, 1. 200. Der Anschluss an diese Stelle ist augenschein- lich. Alle drei charakterisiren weiter Jakobus als den Gerechten. Die beiden ausführlicheren Parallelen c. Cels. 1, 47 und zu Matth. 13, 55 geben ausserdem gleichmässig das Citat von Gal., 1, 19, was sich keineswegs von selbst versteht, da die Stelle in c. Cels. 1, 47 eine offenbare Abschweifung ist, und weiter die Angabe, dass Jos. Jesus nicht als Christus angenommen habe. Neben xcdroiys ccxiGTcov rcp yJr]öov coq Xqlötcj steht rov 'irjöovv /){Lc5v ov xaraös^df/evog elvai Xqlötov, und auch die kurz gehaltne Bemer- kung 2, 13 ist mit 1, 47 darin kongruent, dass auch sie heraus- hebt, Jos. habe nicht die ganze Wahrheit gesagt. Gleichartig sind endlich alle drei Stellen darin, dass sie über dieses Zeugniss des Jos. bloss referiren. Las Origenes eine christliche Inter- polation, so war ihr Wortlaut für seinen Zweck sehr beweiskräftig, wie denn Euseb statt eines Referats mit Grund ein Citat verlangt. Aber Origenes weiss von demselben nur aus dritter Hand.

Anderes ist weniger beweiskräftig. Zu Gen. 49, 10 beruft er sich darauf, dass Herodes secundum historiae fidem, quam Josephus scribit, alienigenam fuisse et per ambitionem in regnum Judaeorum dicitur irrepsisse. Nachdem Origenes dieselbe Stelle auch dadurch erläutert hat, dass Herodes nach der Ermordung des Täufers das jus gladii entzogen worden sei, giebt dieser Satz nicht die Sicherheit, dass er wirklich wusste, was Jos. über die Herkunft des Herodes gesagt hat. Auch dicitur ist zu beachten. Origenes berichtet hier nicht, was Jos. sagt, sondern was mit Berufung auf Jos. gesagt wird. Auch darauf, dass die Alexander- legende sich c. Cels. 5, 50 findet, lässt sich kein Schluss bauen. Sie wird nicht als Zeugniss des Jos. bezeichnet: <paöL Er kann auch den Chronographen mit <paöi citirt haben, der recht gut im Kontrast zum jetzigen Elend Israels daran erinnert haben kann, wie Gott ihm einst das Herz des Welteroberers geneigt machte. Andrerseits ist nicht zu übersehn, dass auch die Quelle des Jos., der Polyhistor, noch in die -Origenes benachbarte Litte- ratur hinein wirkt.1)

1) Ueber meine Zusammenfassung der Alexanderlegende mit den

72 Schlatter, Chronograph,

Wenn Origenes zu Ps. 73, 5 sagl : ravra jtdvxa jitJifa)- Qojrai tv rfj rwv 'leQoöoZvfiow aÄ&öei, coöjibq Icoor/jtog IötoqsI xa&tva öiTjyovfievog rcov jtejtQcty (nvmv , so hält sich der Satz sehr im Allgemeinen. Dagegen wird b. j. 6, 5, 3: die Priester hörten im Tempel den Ruf: fisraßaivcofisv tvTtvfrev mit dem Fundort ^coörjjioq ev rolq jzsql akcoöemg loroQtl zu Threni 4, 14 citirt. Aber auch diese Stelle ist mit einem Theologu- menon gemischt, das Jos. nicht angehört. Denn das Citat ist mit Gal. 3, 19 kombinirt und beweist die eyQrjyoQOt, welche das Gesetz gegeben haben und im Tempel gegenwärtig sind. Dazu findet sich hom. 13 zu Jerem. 15, 5 eine Parallelstelle, die bloss das Citat aus Jos. nicht enthält. Hat wirklich Origenes sich selber kopirt?

Es ist möglich, dass noch einige weitere Stoffe aus Jos. bei Origenes beizubringen sind. Vorerst bleibt mir nur ein einziges richtiges Citat: zu Jeremia 22, 24 beruft sich Origenes dafür, dass Jojakim von Nebukadnezar getötet und unbestattet vor das Thor geworfen worden sei, auf Jos. im 10. Buch der Archäo- logie. Die Sache ist richtig: A. 10, 6, 3. 97.

Es Hesse sich leicht denken, dass nicht alle Citate des Ori- genes von derselben Art wären, und vermittelte Citate neben direkten sich fänden. Allein dass in der Schriftstellerei des Ori- genes sich eine oder zwei zutreffende Berufungen auf Jos. finden, scheint mir nicht geeignet, den durch die entstellten Angaben geforderten Schluss zu entkräften oder auch nur zu begrenzen. *) Die Beziehungen auf Jos. bei Origenes weisen auf seine mannig-

falschen Briefen bei Jos. hat Schürer gescherzt. Allein die falschen Briefe (cf. denjenigen an Philometor) sind von der Enpolemus gehörenden Chrono- logie (414 seit dem Exil!) nicht trennbar, zudem da Eupolemus notorisch der Verfasser falscher Briefe war (Briefe Salomos). Im falschen Brief der Samariter an Epiphanes wird aber in unlöslichem Widerspruch mit den eignen Aussagen des Jos. über die „Kuthäer" gesagt: dieselben seien Sido- nier. Und diese selbe Theorie über die Samariter steht in der Alexander- legende. Auch hier steht mein Schluss auf einer unzweifelhaften Thatsache. 1) Die Apologie gegen Apion hat eine besondre Stellung; auch ist die Quellenfrage für sie eigenartig. Origenes hat kein direktes Citat aus ihr; genannt wird sie c. Cels. 1, 16. 4, 11. Was Origenes über Hermippus und Hekatäus sagt, hat zu derselben Beziehungen, ist aber nicht bloss aus ihr verständlich; denn Hermippus wird mit einem andern Titel citirt und über Hekatäus giebt er das Urtheil Philos.

11. Der „gefälschte" Josephus des Origenes. 73

fache Lektüre im Bereich der altkirchlichen Litteratur zurück. Wer vor ihm üher die Königin von Saba geredet hat, und über das in der Schrift dunkel gelassne Ende Jojakims, und wer die Alexanderlegende zuerst benützt hat, als Beweis für Gottes Güte gegen Israel, und wer die Heiligkeit des Tempels auf die Egre- goren zurückführte, und diese durch Gal. 3, 19 und b. j. 6, 5, 3 bewiesen hat, steht dahin. In unsre Untersuchung greifen die- jenigen Citate ein, die sich mit der Schuld und Bestrafung Israels beschäftigen. Der .,Greuel der Verwüstung*' fieng gleich unter Pilatus an. Dass Ps. 73, 5 und Threni 4, 19 und Mth. 24, IG an der Juderischaft sich erfüllt haben, dafür war Jos. als Zeuge citirt. Er hat selbst die Schuld des Volkes sichtbar gemacht, weil er zwar nicht von Jesu Tod, dagegen von der Hinrichtung des Täufers und des Jakobus sprach. Dieser hatte seinen Bei- namen: der Gerechte, und das Zengniss des Paulus für denselben. Gal. 1, 19 war beigebracht.

Jos. ist erst allmählich in der Kirche berühmt geworden. Klemens, der noch keine selbständige Berufung auf ihn hat, und Minucius, der nach seinem echten Text seine Leser für den Fall Jerusalems nicht auf Jos., sondern auf Antonius Julianus verwiesen hat, belegen diess. Der Aelteste, von dem wir wissen, dass er in b. j. und A. zu Hause war, ist unser Chronograph, der über Jakobus als den ersten Bischof Jerusalems berichtet und den Untergang Jerusalems als Gottes Gericht über das Volk beschrieben hat, so dass unser Citat bei ihm aufs beste Raum hat. Dass ihn aber Origenes gelesen hat, zeigt sich daran, dass sein Ansatz: 15. Jahr des Tiberius = Lehr- und Todesjahr Jesu bei Origenes wieder erscheint: c. Cels. 4, 22: rsöösQaxovra yao exrj xal ovo olfiai, acp ov eöravQcoöav xbv 'l?]6ovv, ysyovevac txl rt)v /sQoooXvficov xa&aiQSGiv, womit der andre Satz nah verwandt ist: tviavrov yao Jtov zal firjvag oliyovg eöiöa^ev, de princ. 4, 5, trotzdem Origenes in seiner Konstruktion der Jahr wochen zu Mth. 24, 15 das dreijährige Lehramt Jesu nach Johannes lehrt, und sich dadurch selber widerspricht. Um so sichrer sind ihm die 42 Jahre litterarisch vermittelt.

Aufs schönste greift hier das Citat homil. 32 in Lucam ein: praedicare annum domini acceptum. juxta simplicem intelligen- tiam aiunt, uno anno salvatorem in Judaea evangelium praedi- casse et hoc esse quod dicitur: praedicare annum domini acceptum

74 Schlatter, Chronograph.

et diem retributionis, nisi forte . . . und nun folgt die Allegorie, aiunt, in der That. Wir lasen bereits bei Klemens: xal ort ivtavxov fiovov lözi avxov xr/QVi-ai, xal tovto ytygajtrat ovrcog' Ivtavxov dexrov xvqlov xr/Qv$ai aütbOxuliv {it.

Auch die Jahrwochen des Origenes sind eine -Umbildung des Chronographen.

Er verzichtet auf die 490 Jahre, und erklärt die 70 Wochen ajs 70 X 70 Jahre, wodurch er einen Symbolismus von 4900 Jahren erhält von Adam usque ad septuaginta annos, qui fuerunt post . . . Habe ich den „Jemand" bei Klemens richtig gedeutet, so hat derselbe gesagt: nach der Zerstörung Jerusalems durch Nebu- kadnezar, und nun erst Daniels Weissagung beginnen lassen. Origenes dagegen sagt: qui fuerunt post dispensationem Christi und endet die 4900 Jahre beim Tempelbrand, Die letzte eine Woche sind die 70 Jahre von Christi Geburt bis zum Tempel- brand, die durch die Himmelfahrt ungefähr in 2 Hälften getheilt werden. Die 7 und 62 Wochen = 490 + 4340 = 4830 Jahre enden bei Christi Geburt. Natürlich fehlt Origenes jeder Grund, wesshalb 490 Jahre nach Adam ein Einschnitt gemacht werden soll. Wie Origenes dazu kommt, eine Weltwoche von 4900 Jahren zu konstruiren, scheint mir durch den Chronographen erklärt, und nicht minder ist es durchsichtig, warum er seine Deutung Daniels vollständig aufgegeben hat und aus der ganzen Rechnung nur das eine Glied: vom Tode Christi zur Zerstörung Jerusalems 42 Jahre, einmal wiederholt.

Auch bei Origenes erscheint der „Flüger' und die Doppel- übersetzung von Daniel 9, 27. Was er über den Text der Stelle sagt, ist nicht völlig deutlich : et conformabit testamentum multis septimana una et in dimidio septimanae tolletur sacrificium et libatio et pinnae usque ad consummationem festinationis. Hier ist Sept. und Theodotion bunt gemischt; das mittlere Glied ge- hört jener, das erste und dritte diesem. Da aber Origenes in der Auslegung sagt: Christus cessare fecit incensum et sacrificia et templum, quod arbitror a pinna nominavit, so macht er deutlich, dass er auch das mittlere Glied in einer sehr ähnlichen Form gelesen hat, wie die, welche der Text des Klemens giebt: xaxa- jzavöei &vftia{ta (nicht d^vöiaöTrjQLov wie im Alex.) [xal] ftvoiaq. Auch das folgende Glied: xal jiregvyiov twq owreXelag OJtovörjg ist mit dem Text des Klemens xal jtreQvylov apaviöfiov tcog

12. Der Bericht des Epiphanius über den Tod des Jakobus. 75

öwxeZeiaq xcu öxovörjg im Fehlen des tcog vor jtxegvyLOV ver- wandt. Darauf fährt Origenes fort: post haec sequitur sernio quem exposuimus (das ßötXvyfta) ita habens: et confirmabit testi- monium multis septimana una. Er hat also bereits das övva- tuc6ü£c öiafrt/xtjp doppelt x wie der Alex., und zwar macht das ßöeXvy^a den Schluss. Der Text des Origenes ist somit mehr entstellt als der des Klemens. Auch lässt der Satz: templum quod a pinna uominavit, nicht mehr wahrnehmen, dass Origenes eine deutliche Vorstellung von der Lokalität des Flügels hat.

12. Der Bericht des Epiphanius über den Tod des Jakobus.

Schürer nimmt an, derselbe stamme aus Hegesipp. Nun sagt Epiphanius über den Tod des Jakobus: ovxco yag lOxoQrjoav

JtoXXöl JIQO f](ld)V JtSQL CIVTOV EvOeßtOQ T8 XCU Kh][iijq xal

ccXXoi. Hier nöthigt noch nichts, an etwas andres als an Eusebs Kirchengeschichte zu denken, wo Klemens und Hegesipp als die Zeugen für den Tod des Jakobus zusammenstehn. Aber Epi- phanius sagt weiter: aXXd xal to jztraXov sjtl xrjq xeyaXrjg e^rjv avzcfi cpegeiv, xa&cbg ol jrQOSigrj^tvoi a^tontöxot dvÖQeg hv rolg vjt ccircov vjtoiiV7][iaTLö[iolq) ifictQTVQTiöav, c. haer. 1, 2, 29. Bei Euseb steht das nicht; es bleibt also von den Genannten nur Klemens als Gewährsmann übrig. Somit liegt hier eine irgendwie vermittelte Benützung des Klemens vor, die nicht auf Euseb be- schränkt ist, und eine Angabe des Klemens, die nicht aus Hege- sipp genommen war. Ueberhaupt ist die Abhängigkeit des Klemens von Hegesipp keineswegs vor jeder Untersuchung ge- wiss. Die Texte müssen verglichen sein.

Hegesipp sagt eine Reihe von Thorheiten, die nicht bei Epiphanius wiederkehren. Dass der Bericht gesäubert worden sei, ist eine schwierige Vorstellung. Die sachliche Kritik trägt hier auch einen litterarischen Schluss: das sachlich richtigere ist das ältere.

1) Die topographische Angabe ist wie überall von entschei- dender Bedeutung. Jakobus ist dadurch getötet worden, dass er über den „Flügel" des Tempels heruntergeworfen worden ist. Zuerst heisst es auch bei Hegesipp, Eus. 2, 23, 12: Orrj fr 1 ovv txi to jtxEQvyiov rov Isqov. Das wird aber hernach ersetzt

76 Schlatter, Chronograph.

durch eöTTjöav xov 'laxcnßov tjcl xo jzxsovycov xov vctov, und

Hegesipp nimmt das ernsthaft: die Schriftgelehrten und Pharisäer denkt er sich nicht droben; Jakobus allein steht auf der heiligen Höhe, und die Schriftgelehrten und Pharisäer sagen: dvaßdvxLc xaxaßdZwfiev avxbv. Demgemäss wird Jakobus an der Stelle begraben, wo er umkam: üiaga xco vacp und txt avxov rj oxr/lr/ fisvsi jictQcc reo vam. D. h. Hegesipp hat vom Tempelplatz keine Vorstellung. Nicht nur das topographische Bild fehlt ihm, das ohne weiteres jedem fehlte, der den Platz nicht gesehen hat, sondern auch die rituelle Behandlung der Räume ist ihm gänz- lich fremd. Wir wissen nicht, wo er lebte; er mag ebenso leicht nach Aleppo gehören als nach Palästina; da lag ihm der Tempel in der zweiten Hälfte des zweiten Jahrhunderts, trotzdem er ein jüdischer Christ gewesen ist, ebenso fern, wiePapias oder Klemens. Die Angaben, die den Namen „Flügel" als Ortsbezeichnung brauchen, treffen darin zusammen, dass der „Flügel" am Eand des Tempelbezirkes lag. Er war jcxsqvjiov xov legov und nicht xov vaov. Der hebräische Schreiber jenes Kodex des Daniel, den Theodotion übersetzt hat, welcher gab: DÜlTÖtt 5pD 1$\ hat sich den „Flügel" als den Grenzpunkt gedacht, bis zu welchem die Ver- heerung dringt. Noch im vierten Jahrhundert ist in Jerusalem eine feste Tradition über den „Flügel" erkennbar. Er ist sowohl dem Pilger aus Bordeaux als der Silvia gezeigt worden. Jener sah den angulus turris excelsissimae, wo Christus versucht wurde, und sub caput anguli et sub pinna turris ipsius die cubicula plurima, an der Stelle, wo Salomos Palast gestanden ist. Die Silvia, deren Be- richt wir nur im Auszug des Petrus diaconus haben, sah duae pinnae als einzigen Ueberrest des Tempels, quarum una, quae altior valde est, ipsa est, in qua dominus temptatus est; reliqua autem destructa sunt. Das steht noch in Beziehung zu Daniels „Flügel", bis zu welchem die Verwüstung kommt, obwohl die Worte im Vulgärtext Daniels verschwunden sind. *) Hier ist deutlich von den südlichen Ecken des äussern Tempels die Rede. Denn der Bordeauxpilger kommt nachher zu den grossen Cisternen und erst dann zum Tempel und der Sachra, und die duae pinnae

1) Es stimmt hübsch zusammen, dass der Palästinenser den „Flügel" in der Auslegung neben dem ßdtkvyfxa festhielt und dass sich in Jerusalem die Erinnerung a,n denselben erhalten hat.

12. Der Bericht des Epiphanias über den Tod des Jakobus. 77

der Silvia, von denen die eine die höhere ist, entsprechen den bedeutenden Resten der herodeischen Mauer an den Südecken, von denen die an der Südwestecke gegen die Stadt zu stehenden, die sog. Klagemauer, valde altior sind. Doch soll diese Bemer- kung nur den Satz der Silvia erläutern; ob die Südostecke gegen das Kidronthal, oder die Südwestecke gegen die Stadt hin, so lange der Tempel noch stand, mit besonderm Nachdruck to jzteqvjlov hiess, kann füglich im Zweifel bleiben.1) Hier und dort war es eine scharf vorspringende Ecke mit gewaltigen Mauern. Auch die Geschichte des Jakobus besitzt ursprünglich noch dieselbe klare Vorstellung von der Oertlichkeit. Jakobus ist über den Flügel herunter zum Tempel hinaus geworfen worden; das bestätigt der Walker mit seinem Stecken, der doch wahrhaftig nicht neben dem vaog sein Geschäft betreibt. Das jtTSQiyiov muss eine Stelle bezeichnen, wo ein solcher Sturz schauerlich und sicher todbriugend war; das trifft für die beiden Südecken des Tempelhofes zu.

Da auch bei Hegesipp die richtige Angabe: jiTsovyiov rov hgov an einer Stelle erscheint, so ist zu schliessen, dass er einen altern Text bearbeitet. Weder bei Klemens, noch bei Epiphanius findet sich aber der für alle spätem verführerische vaog. Klemens sagt einfach: to jtTEQvycov, und Epiphanius korrekt: xb jztsqv- yiov rov lsqov. Schwerlich hat sie ein Zufall behütet, das Ver- sehen des Hegesipp nachzuschreiben; ihrem kritischen Scharfblick verdanken sie diess jedenfalls nicht. Vielmehr ist zu schliessen: der Bericht, den Klemens hat und der durch ihn hindurch bei Epiphanius wiederkehrt, weiss vom vaog noch nichts.

2 1 Wesentliche Glieder der Erzählung Hegesipps hängen an seiner Vorstellung von der Lokalität. Er motivirt, wie Jakobus auf das Tempelhaus hinaufkommt; die Pharisäer hiessen ihn hinaufsteigen, damit er droben als auf einer Art Kanzel das Volk vor Jesus warne. Dass diese Erzählung Jerusalem nicht mehr kennt, bedarf nicht immer wieder des Beweises. Wenn sie nicht ausschliesslich Hegesipps Eigenthum ist, so hatte er die Angabe vor sich, dass die Juden auf dem nxeovyiov die Verleugnung Jesu von Jakobus verlangten. Zu einem solchen Begehren war

1) Die Grabsäule an der Stelle, wo Jakobus starb, spricht dafür, dass Jakobus ins Kidronthal hinabgeworfen wurde. In der Stadt wurde nicht begraben.

78 Schlatter, Chrono#ni]>h.

es allerdings ein schauerlich passender Ort. Aber auch die Steini- gung wird nur durch die Einfügung des vaog möglich. Wurde Jakobus über die Tempelmauer heruntergeworfen, so lag er nach seinem Sturz nicht mehr mitten unter den Juden. Sie standen droben, und er lag zerschmettert unten. Aber weil bei Hegesipp das üixzQvyiov als Kanzel dient, ist es noch nicht die Tötung des Jakobus, dass er heruntergestürzt wird, sondern das dient nur dazu, ihn in die Gewalt der Juden zu bringen, und nun nachdem er auf dem Boden liegt, steinigen sie ihn. So häuft er die Todesursachen widerspruchsvoll, da er dennoch den Walker nicht aufgiebt. Im ursprünglichen Bericht ist sein Eingreifen wohl motivirt. Jakobus war nach dem Sturz noch nicht sofort tot; darum machte der Walker mit seinem Stocke seinem Leben ein Ende. Aber gerade der Walker beweist, dass der ursprüng- liche Bericht von der Steinigung nichts wusste. Wohl aber giebt sie Jos., und der Bericht Hegesipps ist ein schlechter Kompromiss.

Ist es nun Zufall, dass nicht nur der vaog, sondern auch, alles was an ihm hängt, die Predigt des Jakobus, mit der er die Juden überrascht, und die Steinigung, bei Epiphanius fehlen? Er hat nur den Sturz und den Schlag mit dem Stock des Walkers. Und doch hätte er für die Steinigung recht wohl Raum, denn er sagt: Qupelq ajto rov Jirsgvyiov rov hgov xal xaTsX&cov xai firjösv aÖLxrjdEig. Dennoch stirbt Jakobus bei ihm bloss vjto rov yvapewg reo §vZq) jiTCCLöfrelq rrjv xetyccfo'jv, wie es auch in der Bischofsliste steht. So hat es aber auch schon Klemens er- zählt: o Tcaxa. rov Jtrsgvylov ßXrjfrelg xal vjto yvacpemg £vZco jiZqyelg dg ftävarov, Eus. 2, 1, 5.

3) rovxcp (lovcp 6§rjv elg rec aytet eloisvcu, sagt Hegesipp, ovös yäo 6QSOVV e<p6oeL, aXXa oivöovag. xal fiovog eIötjqxbto dg rov vaov. Der erste Satz hat nur in seinem [tovog eine Schwierigkeit, dg xa ayia elöitvai kann, von einem sachkun- digen Mann gesagt, nur bezeichnen, dass Jakobus in den heiligen Bezirk, also in den innern Tempelhof, eingelassen wurde, trotzdem er als Führer der Christenheit längst bekannt war. Dennoch hatte seine offenkundige Frömmigkeit die Wirkung, dass ihm der heilige Raum nicht gesperrt worden ist. Hegesipp hat aber nicht mehr verstanden, warum es eine besondre Sache war, dass Jakobus in den Tempel gehen durfte, und macht aus dem Heilig- thum das Tempelhaus.

12 Der Bericht des Epiphanius über den Tod des Jakobus. 79

Ueber das fiovog lässt sich wenig sagen, weil uns über die Beziehungen der Judenschaft zur christlichen Gemeinde in den sechziger Jahren nichts überliefert ist. Es ist nicht undenkbar, dass ein Beschluss durchgesetzt wurde, welcher der Christenheit das ayiov sperrte. Dass sich das fiovog, wenn es je einen ver- sündigen Sinn hatte, nicht auf die Juden, sondern nur auf die Christen beziehen kann, liegt auf der Hand. Das letzte, was wir vom Antheil der Gemeinde am Tempelkult wissen, ist, dass Paulus der christlichen Nasiräer wegen in das ayiov gieng und eben- falls herausgeworfen wurde. Was später geschah, wissen wir nicht, nur das, dass der Fanatismus in den sechziger Jahren inmitjr heisser und gewaltthätiger geworden ist. Wie es sich mit dem f/ovog verhalte, ein sachkundiger Kern darf auch in diesem Satz anerkannt werden: Jakobus hat bis zu seinem Tode den Tempel besucht, und die Weise seines Todes war gerade dadurch bedingt, dass er schliesslich noch allein that, was sonst kein Christ mehr wagen durfte.

Bei Epiphanius steht: [tovov rovro? reo 'laxcoßco e^ijv ana^ uodvai rov erovg elg ayia rcov aylcov dia ro Na^cooaiov avrov eivcu xal nen'iy&ai rfj hocoGvvr}. Das steht in bester Uebereinstimmung mit der Angabe, dass Euseb und Klemens über Jakobus berichtet hätten. Denn das ist ein gemischter Text. Die Thorheit Hegesipps kehrt gesteigert wieder: ana^ rov erovg und ayta rcov aylcov; allein daneben steht ein ver- ständiger Satz: 61a ro Na^cogalov avrov sivai. Was Na^m- oalog in der Quelle bedeutet hat, ist zweifelhaft. Zunächst weist die Form nicht" auf den Nasir, sondern auf den Nazarener, und wenn die Quelle es desswegen als etwas grosses und besonderes bezeichnet hat, dass Jakobus noch den heiligen Raum betreten durfte, weil er ein Christ war, dann hat sie den ganzen Unsinn über den Eintritt des Jakobus ins Allerh eiligste nicht gehabt. Epiphanius scheint aber Na^moalog als Nasir zu verstehn, und auch das überragt Hegesipps linnenen Rock, der den Eintritt ins Heiligthum begründen soll, um ein beträchtliches. Das Na- siräat erläutert in der That das uöiivai eig ra ayia. Auch so würde sich hier ein jüdisches Element zeigen, das nach dem Jahre 70 und vollends für Griechen völlig erloschen war. Was wussten die spätem noch von der Hochschätzung des Nasiräats in der Gemeinde des stehenden Tempels, die uns durch reich-

§0 Schlatter, Chronograph.

liches rabbinisches Zeugniss beglaubigt ist? Auch in derjenigen Relation, in welcher stand: weil er ein Nasir war, durfte er ins Heiligthum hineintreten, stand vom Allerheiligsten noch nichts. Und Hegesipps linnener Rock darf vielleicht als Anzeichen ver- standen werden, dass der von ihm reproducirte Bericht die Zu- lassung des Jakobus in den Tempel in der That so begründet hat. Der linnene Rock mag ein Rest aus der Schilderung seines Nasiräerlebens sein; nur dass Hegesipp einen Punkt nennt, der für das Nasiräat nicht entscheidend war.

4) rovrov ovv dvofiazi ovxtxi txalovv, sagt Epiphanius, all' 6 dixatog i]v avxco ovofia. Dass Ephiphanius diesen ver- ständlichen und einfachen Satz aus dem verworrenen Bericht Hegesipps herausgelesen habe, hat geringe Wahrscheinlichkeit. Bei Hegesipp steht: öta. ys xoi ttjv vjteoßolrjv rrjg öcxaioovvrjg avrov ixalslro dixatog xal coßliag o hört tllrjviörl Jisoioyj/ tov laov xal öixacoövvri, mg ol nootyrixat öqlovoi jteol avrov. Hegesipps Ixalslro dixatog meint, was Epiphanius sagt, drückt es aber nicht mit sonderlicher Klarheit aus. In ojßltag mit seiner wunderlichen Uebersetzung: JieQtoyr} tov laov xal ötxatoövvrj liegt jedenfalls kein Beweis für die Ursprünglichkeit dieser Re- lation. Dass wßliag etwas anderes sei als D23 2K, hat geringe Wahrscheinlichkeit. Dann stand aber in der Vorlage Hegesipps auch ojßliaft und der falsche Nominativ coßliag stammt erst von ihm, und zur „Uebersetzung" hat er den erläuternden Satz der Quelle gemacht, dass Jakobus die oiBQtoyi] tov laov ge- wesen sei.

5) Als Jakobus betete, mahnt bei Hegesipp ein Priester, ihn nicht zu töten: sig tcqp isoewv rwv vimv Pifyaß vlov cPayaßsl[i rwv fiaoTVQOVftevaip vjtö 'hosfiiov tov jtQocpfjzov. Die Tautologie: xmv vlmv Pt]yaß vlov *Payaßu{i verräth wieder die bearbeitende Hand. Die erste Formel stammt von einem Manne, der des hebräischen Textes kundig war, die zweite aus dem olxog cPayaßslv (die Texte geben verschrieben ^Agyaßstv) Jer. 42, 2 Sept. Eine analoge Mischung von sachkundigen und sekun- dären Elementen tritt darin hervor, dass der Mann einerseits Rechabit, andererseits Priester heisst. Sachkundig ist, dass die Rechabiten im ersten Jahrhundert noch existirten und eine ge- wisse Bedeutung in Jerusalem hatten, vgl. mishna taan. 4, 5. Aber das Haus Jonadabs war kein Priestergeschlecht. Soll nun

12. Der Bericht des Epiphanius über den Tod des Jakobus. §j

der Mann, der vom vaog keine Vorstellung hat, noch in eigner Kunde wissen, dass es damals noch Rechabiten gab, und zugleich nicht wissen, dass sie nicht Priester gewesen sind? Auch hier bearbeitet er eine Quelle. In der Vorlage des Epiphanius standen dieselben Sätze, aber statt des Rechabiten nennt er den Simeon, den Sohn des Klopas; er hat an den „Priester" der Christenheit gedacht.

6. Die Zugaben des Epiphanius sind nicht alle eine Steigerung der Legende: og yixcora ötvxeQOv ovx hvBÖvCaro, og xQißcovlco txtyofjTo XiVfß fiovcotarq)' ovxog oavöaliov ovy vjttd?/Gaxo. Das wendet Mths. 10 auf Jakobus an und beschreibt ihn als der Regel Jesu völlig gehorsam. Darum wird, nachdem Mrk. 14, 51 (der mit der Leinwand bekleidete Jüngling) citirt ist, gesagt, dass auch die beiden Zebedaiden, Johannes und Jakobus, diese Lebens- weise gehabt hätten.

Jakobus bat um Regen in der Zeit der Dürre und er ward ihm gewährt. Auch diess ist ein spezifisch jüdischer Zug. Das erfolgreiche Gebet um Regen erscheint in den Talmuden oft als hervorstechendes Merkmal besonderer Frömmigkeit.

jtaQd-ivog <hv hat dagegen in 1. Kor. 9, 5 ein Gegenzeugniss, und wird sammt dem hohen Alter des Jakobus spätere Zu- gabe sein.

Es bleibt noch das speziell auf die Alten zurückgeführte: jrtxaXov Im x7kg xscpaXijg t(poQ8ö£. Trotzdem sich nicht sagen Lasst, was das heissen soll, ob das Haar des Nasir, oder wTas sonst gemeint ist, so führt dennoch gerade dieser Ausdruck ins zweite Jahrhundert zurück, da Polykrates von Ephesus über Johannes sagt: og iyevr^rj leosvg xc Tiixalov jie<poQ7]xc6g, Eus. h. e. 5, 24, 1.

Wir stehen vor der Prioritätsfrage. Nun fasst die Vorlage des Epiphanius ausdrücklich die beiden Zebedaiden, Jakobus und Johannes, mit Jakobus zusammen als derselben jzoXixsia theilhaft. Polykrates konnte sein legendenhaftes jzixaXov für Johannes unserm Text entnehmen; dagegen war bei Polykrates nicht zu sehn, dass es Jakobus trug. 1)

1) In der Schilderung des Jakobus sind Sätze über die Verwandt- schaft der Maria und Elisabeth eingelegt, die in ihrer Substanz Julius ge- hören sollen, cf. Spitta Brief des Julius an Aristides 46 ff. Wenn der Texte u Untersuchungen XII, l. 6

§2 Schlatter, Chronograph.

Mein Schluss verläuft so: Hegesipps Erzählung ist sekundär und nicht bloss aus der Tradition erklärbar. Verfarbi sich die mündliche Tradition, so stösst sie die ihr widerstrebenden Ele- mente aus, erb iili sie aber nicht noch daneben in gemischten Kompromissen. Sie erzählt nicht beides, dass Jakobus von der Mauer des Hofs und dass er vom Tempelhaus herabgeworfen worden sei, dass er gesteinigt und dass er mit einem Stock tot- geschlagen worden sei, dass er ins Heiligthum hineingehn und dass er das Allerheiligste betreten durfte. Solche Kompromisse entstehn bei der Bearbeitung schriftlicher Dokumente. Die durch ihre Wertlosigkeit als jung gekennzeichneten Elemente des Texts fehlen aber nicht nur im Fragment des Klemens, sondern auch noch in der Erzählung des Epiphanius.

Wir brauchen somit als erste Quelle einen Erzähler, der einerseits Hegesipp, andrerseits Klemens und vermuthlich auch Polykrates in Ephesus umfasst. Nicht nur als Judenchrist, son- dern als Palästinenser muss er betrachtet werden, weil er das Grab des Jakobus noch kennt, vgl. auch coßZlag und den Recha- biten. Vom Chronographen hat sich bisher ergeben, dass er vom Episkopat des Jakobus und von seiner Ermordung durch die Juden sprach und dafür Josephus als Zeugen anrief. Darum scheint es mir nicht ein Spiel mit leeren Möglichkeiten, wenn wir den Kern der Erzählung ihm zuweisen.

Die Steinigung des Jakobus bei Hegesipp geschieht schwer- lich ohne Kenntniss des Jos.; das erklärt sich auf Grund unsrer Annahme hübsch. Nach Origenes stand das Citat aus demselben beim Chronographen; was bei ihm nebeneinander stand, ver- arbeitet Hegesipp in ein einziges Gemälde. Der Schlusssatz lautet: xal ev&vq OvsöJiaöcavog jioXloqx£Z avrovg. Dieser Ge- danke ist uns schon bekannt.1)

Vordermann des Epiphanius von Euseb unabhängig noch Julius benützt hat, ist die Beziehung zu Klemens um so weniger auffallend.

1) Vielleicht erscheint es manchem als Schwierigkeit, dass der Chrono- graph Jos. angerufen und doch den Tod des Jakobus von ihm wesentlich verschieden erzählt haben soll. Aber das Citat, soweit es bei Origenes erkennbar ist, beruft sich auf ihn desswegen, weil auch er die Schuld Israels und die Grösse des gerechten Jakobus bezeugt. Gerade die Weise, wie Jakobus umgekommen ist, bleibt bei Origenes unbestimmt. Die Juden „töteten" ihn, nicht sie steinigten ihn. Der Erzähler behielt sich seine eigne bessere Kenntniss über den Verlauf der Dinge vor.

13. Problematisches. 83

13. Problematisches.

a. Die Spalte im Felsen von Golgotha.

Julius hat erzählt, dass Adam auf Golgotha begraben worden sei. Routh hat diess als eine Verleumdung des Julius verworfen, Geizer es mit überlegnem Lächeln notirt. Es dünkt mich, die Sache muss zunächst verstanden sein. Wir haben einen Schluss vor uns aus Mth. 27, 51. 52: „Die Felsen zerrissen und die Gräber wurden eröffnet und viele Leiber der entschlafnen Heiligen richteten sich auf." Diess wird in doppelter Richtung näher bestimmt: wenn die Felsen sich spalteten, so war es vor allem derjenige, auf welchem das Kreuz stand, zu dem Zweck, damit das in demselben befindliche Grab geöffnet werde. Als erster, welcher der Auferstehung Christi theilhaft wird, kommt aber Adam in Betracht, da seine Erweckung die erlösende Macht des Todes Christi am vollkommensten offenbart. Also lag er im Felsen von Golgotha.

Bei den Rabbinen finden sich solche Schlüsse zu Hunderten. Diese Exegese hat vollständig den Charakter des palästinensischen Midrasch in seinem bestimmten Unterschied von der Allegorie. Der Realismus des Verses wird nicht aufgelöst, aber mit keckem Schluss seine scheinbare Unbestimmtheit und Lückenhaftigkeit ergänzt. Dieser Ausleger weiss, welcher Fels zerrissen sein muss und welcher Tote auferstanden sein muss, verliert sich aber dabei nicht in rohe Phantastereien. Nicht ohne Grund hat der Ge- danke, dass das Kreuz auf dem Grabe Adams stand, die ganze Kirche ergriffen und auch auf unsre Gräber das Kreuz gesetzt. Es lag in dieser Exegese, so ungebunden die Phantasie waltet, ein schöner Blick in Jesu Werk.

Diese Auslegung stammt nicht von Julius; denn Origenes zu Mth. 27, 32 sagt: venit ad me traditio quaedam talis, quod corpus Adae primi hominis ibi sepultum est, ubi crucifixus est Christus, ut sicut in Adam omnes moriuntur, sie in Christo omnes vivificentur, ut in loco illo, qui dicitur Calvariae locus, id est locus capitis, caput humani generis resurrectionem inveniat cum populo universo per resurrectionem Domini salvatoris, qui ibi passus est et resurrexit. inconveniens enim erat, ut cum multi

6*

g4 Schlatter, Chronograph.

ex eo n:iti remissionem acciperent peccatorum et beneficium resur- rectionis consequerentur, non magia ipse pater omnium hominum hujusmodi gratiam consequeretur. Origenes drückt die Gedanken- reihe, die den Satz über Adams Grab erzeugt hat, im wesent- lichen richtig aus; nur verallgemeinert er sie, während sich die präcise Ortsbestimmung nicht aus dem Vorblick auf die künftige Auferstehung, sondern nur aus den Ereignissen bei Jesu Tod erklärt. Die multi ex eo nati, welche die Wohlthat der Auf- erstehung erlangten, und denen Adam billig vorangieng, waren ursprünglich die erwachenden Heiligen bei Matthaeus.

Für die Herkunft des Satzes ist die bei Migne zu Origenes 1. c. veröffentlichte Stelle aus einer Catene von Interesse. Sie giebt statt: venit ad me traditio quaedam talis quod: jisql tov xgaviov tojiov ijXfrev eig rjfiäg, ort 'Eßoalot jtaoadiöovöcv, ort ro 6a>[ia rov Aöafi exet Tt&ajirai, tva huiu sv reo 'Aöap jcavzeg äjto- ftrtJGxovöi, üialiv ev reo Xqiotw jcavrsg ^coojiomj&cdOi.

Dass dieser Midrasch jüdisch ist, ist einleuchtend, nicht nur wegen der exegetischen Methode, die hier zur Verwendung kommt, sondern auch wegen der Lokalisirung der Urgeschichte in Jeru- salem. Zuerst hat der Jude gesagt: Adam ist auf dem Tempel- berg geschaffen worden, targ. Ps. Jon. Gen. 2, 7. 15; hernach fuhr der jüdische Christ fort: und auf Golgotha ist er begraben und erweckt worden. Wir bedürfen somit ein judenchristliches Buch, das sowohl Julius als Origenes mit einer gewissen Ehrfurcht behandelt haben. Unser Chronograph bietet sich hier an. Die Auf- erstehung lag unmittelbar im Bereich seines Grundgedankens; so mag er als Bürgschaft für dieselbe angeführt haben, dass Adam bereits auf Golgotha auferstanden sei.

In der zweiten Hälfte des Jahrhunderts war es eine be- rühmte Streitfrage, ob Adam selig werde oder nicht. Der Streit zwischen Tatian, welcher den, in welchem wir alle sterben, von der Erlösung ausschloss, und der Kirche, die ihm diess als un- erträgliche Häresie anrechnete, gewinnt an Verständlichkeit, wenn Adam schon vor Tatian durch eine Autorität als der erste Em- pfänger der Wohlthat Christi auf Golgotha beschrieben war. Epiphanius haer. 26, 5 hält Tatian vor: er habe doch gewusst, dass Adam auf Golgotha begraben sei, cog xal Iv ßlßXoig evqtj- xafitv. Auch hier schimmert noch durch, dass der Satz über

13. Problematisches. 85

Adams Grab durch ein Buch, das eine gewisse Autorität besass und alter als Tatian gewesen ist, verbreitet worden war.

Der Fels von Golgotha, der heute noch gespalten ist, war es schon zur Zeit Cyrills: 6 roXyoda ovroq o ayioq o vjteQccveöxojq xal iitXQ1 Ot'jfiSQov (paivofievoq xal öuxvvmv ^X(u vvv, ojicoq öia Xqlotov al jztTQaL tote e^gayrjoav; er wird als ein Zeuge Christi aufgeführt, Catech. 13, 39.

Die Sätze des Julius und des Origenes machen wahrscheinlich, dass man sich den Fels schon in Antonins Zeit gespalten ge- dacht hat; ob man ihn auch mit einer Spalte gezeigt hat, wissen wir nicht. Zunächst steht die Sache so : bei den bekannten Grabungen an der Stelle der Grabeskirche unter Konstantin hat man den Felsen entweder gespalten gefunden, oder man hat ihn hernach gespalten gemacht. Wem das letztere das glaubhaftere Glied dieser Alternative ist, der wird immerhin annehmen dürfen, dass die beteiligten Bischöfe unter dem Druck einer starken Tradition gehandelt haben. Man hat die Spalte als noth wendiges Merkmal der Echtheit verlangt, und nachdem man sich durch die bekannten Zeichen von der Echtheit des Grabes überzeugt hatte, so musste folgerichtig auch der Fels gespalten sein. Es kommt einiges Licht in die Sache, wenn schon Juda, der letzte Bischof der Beschnittenen, der Zeuge für Adams Grab und damit auch für die Spalte im Felsen von Golgotha gewesen ist.

Mit dieser Schlussreihe fügt sich die Thatsache leicht zu- sammen, dass bei den Verhandlungen über den Ort des Grabes Christi während der Anwesenheit der Helene in Jerusalem ein altes judenchristliches Buch die Entscheidung gab. Der Aphro- ditetempel wurde als die Stelle des heiligen Grabes erkannt, wq fliv rivec Zeyovötv, dvögoq 'Eßgalov zcov ava X7]v ea> olxovv- rcov Ix jiargojaq yQ<x(p?]q xaTafitjvvoavzoq , Soz. 2, 1. Dass Sozomenus diesen Bericht verwirft, weil Gott nicht menschliche Anzeige brauche, sondern den Ort selbst durch Träume und Wunder offenbart habe, entwerthet denselben keineswegs. Hat der Chronograph im vierten Jahrhundert überhaupt noch existirt, so müssen wir ihn zuerst bei den jüdischen Gemeinden im Ost- jordanland suchen, zumal falls er wirklich mit dem Verwandten Jesu identisch ist. WTeun man bedenkt, mit welcher Ehrfurcht noch Julius von diesem redet, ist es zum mindesten nicht im-

&() Schlatter, Chronograph.

möglich, dass er zur Zeit Konstantins bei den jüdischen Christen

als eine jtatQo'ja jQu<fi) noch erhalten war.

b. Die Bauten Hadrians in Aelia.

Ueber die schrecklichen Dinge in Jerusalem unter Hadrian ist die Ueberlieferung bei den Vätern auffallend dürftig. Neben dieser Lücke heben sich zwei Fragmente durch ihre genauen Angaben seltsam ab. Das eine bezieht sich auf den Sklavenmarkt in Mamre und den Untergang der jüdischen Sklaventransporte während der Fahrt nach Egypten, Chr. pasch. 1, 474 = Hieron. zuSacharja 11, 15, das andre auf die Bauten Hadrians im heidnisch gewordenen Jerusalem, Chr. pasch. 1, 474. Ich habe in der „Topographie" zunächst an Julius erinnert, aus dem manche der- artige Notizen bis in die späten Chroniken hinabgelangt sind. Allein es scheint mir fraglich, ob wir uns dabei beruhigen dürfen.

Das Urtheil über die letztere Stelle hängt von der Deutung der Worte: xb dcoösxäjrvXov zo jzqlv ovofia^ofisvov ävaßa&ftoi ab. Meine Deutung derselben auf den Zeustempel Hadrians auf dem Tempelberg stützt sich darauf, dass dieser Bau als Wieder- herstellung eines alten Baus bezeichnet ist, da er schon früher einen Namen besass. Wiederhergestellt hat Hadrian den Tempel als Zeustempel. Sodann ist nibtf /Q = avaßad-fiol als Name für den Komplex der heiligen Bauten im Unterschied vom äussern Tempel- viereck bei den Rabbinen nachweisbar.1)

Tragen diese Argumente den darauf gestellten Schluss, so behandelt diese Stelle den Zeustempel noch als stehend. Wo erscheint er aber sonst noch? Mir scheint das totale Fehlen jeder Erwähnung desselben von Tertullian und Origenes an höchst auffallend, zumal da die Gremara zu taan. 4, 7 ihn eben- falls nicht kennt. Darum glaube ich vorerst nicht, dass der Zeustempel auf dem Tempelplatz bis ins dritte Jahrhundert hinein bestand, und suche darum für diese Erwähnung desselben einen Mann, der ihn unzweifelhaft gesehen hat, und das ist unser Chronograph.

Die aufgezählten Bauten: 2 öffentliche Bäder, das Theater,

1) Wiefern die Zahl der Thore den Schluss unterstützt, siehe To- pogr. : 152 ft".

13. Problematisches. §7

das Tetrauymphon, worunter leicht der Tempel der Aphrodite ver- borgen sein kann, der Zeustempel, und die Quadra, die Umfassungs- mauer des grossen Tempelvierecks, stellen alle die heidnische Art des neuen Jerusalems dar. Auch das rgtxd^aQov würde keine Ausnahme machen, falls ich es richtig auf den sog. Robinson- boffen 1 »czosen habe, und würde ebenso sehr mit der Tendenz

OD»

der Stelle zusammenstimmen, wenn es einen Triumphbogen etwa zur Verherrlichung des kaiserlichen Siegs bedeutete. Zur Nennung der Bäder ist zu vergleichen, dass an Jakobus gepriesen wird, er habe nie ein öffentliches Bad besucht. Auch die Angabe, dass die Namen der Quartiere der Stadt noch jetzt diejenigen der Beamten aus der Zeit Hadrians seien, hebt hervor, wie gänzlich neu und heidnisch nun die Stadt geworden sei. Wenn ein jüdischer Christ im 10. Jahre Antonins das Schicksal Jerusalems unter Vespasian eingehend besprochen hat und von dort zum Ende vorwärts blickt, ist es schwer vorstellbar, dass die totale Umwandlung der heiligen Stadt durch Hadrian mit keinem Wort berührt sein soll.1)

c. Akiba bei Epiphanius.

Unser Chronograph war der Zeitgenosse Akibas, der aufs tiefste in die Geschichte der Judenschaft und Jerusalems ein- gegriffen hat. Es lasst sich erwarten, dass er ihn genannt habe als den, der für den letzten Sturz Jerusalems in besondrer Weise verantwortlich sei, und dass demgemass trotz der totalen Lücke in der Ueberlieferung über diese Zeit eine Erinnerung an Akiba sich auch in der Kirche erhalten habe. Diese Erwartung wird nicht getäuscht; Epiphanius spricht von ihm. Dass er es mit grosser Thorheit thut, beweist nur, dass die soliden Erinnerungen, die in seiner Stelle liegen, nicht Eigenthum des 4. Jahrhunderts gewesen sind. Epiphanius sagt haer. 42: devzaocQöeiq öh jkxq* avrolg reooageg ijoav' (iia fiev elq 6vo[ia Mcovöicoq xov jzqo- ffijxov, öevxtoa öh dq xov ötödoxaZov avxcov 'AxLßav ovxco

1) Das Urtheil über die einleitenden Worte: Hadrian xa9e?.a>v xov vaov xdiv 'lovöcriwv xov iv ^IeQoaoXvfxoiq hängt von der Vorstellung ab, die man sich über den Tempelplatz unter Barkochbas Regiment bildet. Da nach meiner Meinung die alten, soliden Erinnerungen in den Talmuden diese Angabe als vollständig korrekt erweisen, nöthigen mich auch diese Worte, die Stelle als sehr alt zu betrachten.

£g Schlatter, Chronogr;i|>)j.

xaXovfievov /) Baoax'ißap (in der Parallele haer. 33, 9: ?/ tov xaXovf/tvov 'Paßßl Axißa), aXXr/ de dg top "Avöav rj vAvvav top xal 'lovöap (in der Parallel«' ".iööa rjxoL 'lovöa), IrtQa dt Big xovq vlovg siöa/scovalov. Eine dritte Stelle ist kritisch desshalb wichtig, weil sie auch in der komischen Entstellung bei Epi- phanius eine korrekte Zeitangabe enthält: (rj jiaoaöooig töjp jtQEößvTtQcov) tov Aaßlö //er« T7]v Ix BaßvX.cöpog tJiävodov, TOV öh Axißa xal jtqo tcov Baßvlcovixoiv ar/ftaZwöHup yr/tpr/Tai, tcov öh vIojp 'Aööaywpatov sp XQovoig AXet-äpöoov xal AvTibyov, haer. 42, 332. Die Angabe, dass Akibas Lehrthätigkeit vor die alinaXmoiai falle, ist sachkundig; natürlich handelt es sich nicht um die babylonischen, sondern um diejenigen Hadrians.

Leider ist der mittlere Name entstellt, wodurch auch die Deutung der „Rückkehr aus Babylon" unsicher wird. Ware sie das Gegenstück zur „babylonischen Gefangenschaft", die auf Akiba folgt, so wäre an das Ende der Verfolgungszeit und das Toleranzedikt Antonins gedacht. Oder der betreffende Rabbine war schon in der Quelle als aus Babylon heimgekehrt beschrieben. Unter den 4 Namensformen, die Epiphanius giebt:

ANNAN

ANA AN

AAAA

JABIJ ist nur Annan ein jüdischer Name; das wäre fSH. Das AA, NN, NA könnte aber auch AA repräsentiren, und daran lässt auch die Rückkehr aus Babylon denken. War AAAIA (EAAIA) der ursprüngliche Text? top xal %vöav enthält ebenfalls eine Verderbniss. Ob der Name des Vaters beigefügt oder ein Paar von Rabbinen genannt war oder eine konfuse Erinnerung an den heiligen Juda eingemischt ist, lässt sich bei der starken Verderb- niss des Satzes nicht mehr klarstellen.

Die dritte Stelle giebt der Aufzählung ein durchsichtiges Princip. Es soll das jugendliche Alter dieser ösvTSQcoöeig und jtaoaöoöetg tgjp jioeoßvTeoojp nachgewiesen werden. Wer sind die Urheber derselben? Nach dem Krieg Chanan, und Akiba, der unmittelbar vor demselben steht, und weiter zurück: die Has- monäer zur Zeit Alexanders, natürlich Jannais *), und des Antio-

1) Die Betrachtung der Stelle ist rückblickend, so dass Alexander, der vor Antiochus steht, ihm auch zeitlich vorgesetzt ist. Dass die Qi >lle

13. Problematisches. 89

chus! Oder: Von wem stammen die öswegcoösig? von Hillel, der aus Babylon kam, und von Akiba, der dicht vor dem Kriege steht, und weiter zurück von den Männern der hasmonäischen Zeit seit Antiochus.1)

Lassen wir den unleserlichen Namen ganz aus dem Spiel: auch so enthalt die Stelle ein für die Väter unerhörtes Mass von Sachkunde. Nicht bloss für Epiphanius, der bei einer alxnalwöia bloss an die babylonische zu denken weiss, sondern auch für einen Origenes war ein solcher Satz eine vollständige Unmög- lichkeit. Es ist ganz korrekt, dass das, was die Juden im zweiten Jahrhundert als jtayaöoöiq rcov jtQSößvrsQwv verehrten, in der Zeit des Antiochus begonnen hat, unter den spätem Hasmonäern (Alexander) energisch ausgebildet worden ist und durch Akiba vor der Hadrianschen Katastrophe eine wesentliche Vermehrung und Fixirung erhalten hat. Die Mischna weiss es nicht anders. Ihre ältesten Namen gehn in die makkabäische Zeit zurück; Jannais Periode ist durch Simon b. Shetach besonders hervor- gehoben, und Akiba hat als Verfasser einer „grossen Mischna" die ganze folgende juristische Litteratur beherrscht.

Jedenfalls liegt ein deutliches Wissen um Akibas Zeit und Bedeutung in der Stelle, und das macht rathsam, dass sie nicht von Antonius Zeit weggerückt wird.

d. Kokaba.

Im Brief des Julius an Aristides, der zum „Verwandten Jesu" Beziehungen hat, steht: ol jcyoeiQtjfitvoi öeöüioövvol xaZovfievot ajto re Na^agcov xal Kw%aßa xco^wv ^Iovöcuxmv r?j Xoitci] yf[ ijcifpotrrjOavTsg, Eus. h. e. 1, 7, 14. Hienach hat Julius gehört, dass Jesu Geschlecht zu irgend einer Zeit in Kokaba ansässig war, in ähnlicher Weise, wie in Nazareth. Denn er stellt Naza-

nicht gesagt hat, die Hasmonäer reichten bis auf Alexander den Grossen, darf man ihr zutrauen. Sie hat Antiochus nicht umsonst genannt.

1) Die Beiziehung der „4 grossen Mischnen", die für die Kritik der Talmude allerdings wichtig sind, scheint mir hier nicht angebracht. Die Stelle spricht von den Urhebern der davzbQajöLq und ihrer Zeit, und giebt nicht eine literarhistorische Notiz. Mose fehlt in der dritten Parallele aus guten Gründen. Die Quelle heisst die dsvztQwoic jung, und hat sie nicht auf Mose zurtickgeleitet. Erst ein späterer hat bei der Frage, woher die Juden ihre Gesetze hätten, Mose nicht vergessen wollen.

90 chlatter, Chronograph.

reth und Kokaba neben einander, als wären sie in derselben

Weise die Heimatli <\uv Familien, die mit Jesus verwandt ge- wesen sind. Wann war es so?

Die Antwort giebt Epiphanius, haer. 29: Nazarener befinden sich in Beroia in Cölesyrien, und in der Dekapolis in der Gegend von Pella, xal Iv rfj Baöavlzcöt rr/ Zeyofiev?] Kcozäßy, Xco%ctß)j de tßQaiöTL Zeyokuevi]. exel '&• ev yäg rj aQyrrj yeyove [lexa n)v

CCJTO TCOV Cl£Q0Ö02.V[l0W flSTCCÖTaötV JtaPTCOV T(7)V {LOL&7[Z(7)V,

Epiphanius fügt bei xmv ev Ilelh] oixtjzotojv. Dadurch wird der Satz eine Mischung sich aufhebender Vorstellungen. Zuerst war gesagt: von Kokaba sei die aQyyi geschehn nach dem Weg- zug aller Jünger von Jerusalem; wenn sie aber in Pella wohnten, so geschah der Anfang eben nicht von Kokaba, sondern von Pella aus. Der Zusatz giebt die Vorstellung, die Euseb verbreitet hat, 3, 5, 3, und die dadurch vollständig durchsichtig ist, dass wir wissen, dass Ariston aus Pella über diese Dinge geredet hat, 4, 6, 3. Dagegen stimmen der Satz des Julius: „von Kokaba aus giengen die Verwandten Jesu ins übrige Land", und der- jenige des Epiphanius: „von Kokaba aus geschah der Anfang nach dem Wegzug der Jünger aus Jerusalem" vortrefflich zusammen, und die Zeitangabe des Epiphanius erläutert, wann die öeojioövvoc in Kokaba wohnten: während der sechziger Jahre.

Die auf Pella weisende und die nach Kokaba zeigende Nach- richt heben einander nicht auf. Auch ohne die letztere dürften wir uns nicht vorstellen, dass die gesämmte Christenheit Palä- stinas sich in den Mauern von Pella zusammengedrängt habe. Die Nachricht (Aristons?), dass Pella durch Einwanderung in den sechziger Jahren eine starke Christengemeinde erhielt, ist glaub- würdig; dasselbe gilt aber auch von derjenigen des Julius, der den Bericht des Verwandten Jesu kennt.

Ueber Kokaba bleibt sich Epiphanius nicht gleich. Julius heisst es eine xw[ir} wie Nazareth. In der citirten Stelle redet dagegen Epiphanius, als hätte Kokaba den alten Landesnamen Basan ersetzt oder als wäre es wenigstens eine Landschaft in Basan. haer. 30 pg. 126 nennt es dagegen auch Epiphanius eine xcofiT): Ebion aQyexai fiev ttjv xazoixrjöiv eyeiv ev Kwxaßyi zcvl X(6[i% em [iiQrj zrjg KaQvcufi 'Agveft x) xal 'Aözagcoft ev zi]

1) Aqve[a neben KaQvaiß wird Double

13. Problematisches. 91

BaoaviTiöi yjooa. ciq >) iX&ovöa slg t'jfiäg yvmoiq jteQibzei. tvdev (tn/ erat rfjg xaxijg avrov 6i6aöxaXlag, 6&sv 6?]&sv xal ol Na^a- Qtjvoi ol avoptoi JtnoöedrjkcövTcu. Hienach ist auch haer. 30 pg. 142 zu verstehn: ajio Kcoxäßatv rrjg Iv rij Baoaviriöi ytj ejitxeiva \i6oaojr. Die Angabe des Julius wird dahin ent- scheiden, dass der Narne nicht der Gegend, sondern einer Ort- schaft angehört.1)

Es liegt hier eine Spur vor, welche die Ueberlieferung über die alten, besonders die jüdischen Häresien mit dem Chronographen verknüpft. In der That enthält der Bericht des Epiphanius über die 4 samaritanischen und 7 jüdischen Sekten, so konfus er ist, doch einige Angaben, die noch das alte Jerusalem im Auge haben. Dass Epiphanius, trotzdem er nicht aus Hegesipps 7 Sekten zu

eilen ist, doch enge Berührungen mit ihm hat, fügt sich leicht mit den bereits gewonnenen Schlüssen zusammen . Allein wir stehn hier an der Thüre eines Labyrinths.

Die Häresien gehörten mit zu den Zeichen des nahenden Endes. Die Pseudochristen und Pseudopropheten waren von Jesus geweissagt, und der Chronograph wird darauf hingewiesen haben, dass eben jetzt in der jüngsten Zeit solche reichlich hervortraten. Bei Klemens lesen wir, ström. 7, 17: die Sekten sind jünger als die Kirche; r\ fihv yag rov xvqiov xara xijv jzaoovöiav 6i6a- öxalia äjzb Avyovörov xal TißtQiov Kaiöagog aQ^afisvr] [isöovv- tov roJv Avyovörov ygovcov rsXeiovrar t\ 6h rcov ajtoöroXmv avrov [ityQL ys rrjq JJavXov XsirovQylag ejd Ntgcovog rsXei- ovrai. xarco 6h jtsol rovg 'A6qkxvov rov ßaöiXemg XQovovg ol rag aiQeöeig tJtivorjöavreg yeyovaoi xal (ISXQ1 T^S Avro- vivov rov jtQsößvrtQOV öureivav rjXixiag. Darauf werden Basi- lides und Valentin und ihre fälschlich angerufnen Autoritäten im apostolischen Schülerkreis und schliesslich Marcion genannt. {ueöovvrcav rcov Avyovörov ynovcov für das Ende der Lehr- thätigkeit Jesu ist jedenfalls unbedacht und erklärt sich nur aus der Rechnung des Chronographen. „15 Jahre des Augustus und 15 Jahre des Tiberius, so wurden voll die 30 Jahre." Eine Mitte, die zu Augustus Beziehungen hat, liegt hier allerdings vor, aber es ist sein Tod, der mit der Mitte im Leben Jesu zusammen-

1) Es trifft seltsam zusammen, dass die christlichen Davididen von Kokaba ausgehn, und von Kokaba aus der Ebionitismus sich verbreitet haben soll, und dass der König der Hadrianschen Zeit Barkokaba heisst.

92 Schlauer. Chronograph.

trifft. Kleraens hat sich die Rechnung, auf die er sich bezieht, hier nicht deutlich gemacht. Da wir für die Zeitangabe den Kommentar zu Klemeris aus dem Chronographen holen müssen, ist's nicht unmöglich, dass er auch Hadrians und Autonins Zeit als die Periode der Häresien aus ihm hat. Nur am Stand- punkt unserer Quellen kann es liegen, dass die Zeit Domitians und Trajans als von Häresien unberührt erscheint.^

14. Schluss.

Nach allen diesen kritischen Mühseligkeiten dürfen wir uns noch einen Moment gesammelter Vertiefung in den Verlauf der Ereignisse gönnen.

Die herkömmliche Meinung stellt sich Jerusalem seit dem Jahre 70 für die Kirche als tot vor. Aus dem Gesagten ergiebt sich eine andre Vorstellung. Noch in der Mitte des zweiten Jahrhunderts ist aus der judenchristlichen Gemeinde Jerusalems ein Schriftstück hervorgegangen, das von der gesammten Kirche mit grosser Ehrfurcht aufgenommen worden ist. Erst Hadrians fürchterliche Edikte gegen die Juden haben auch die jüdisch- christliche Gemeinde für die Kirche bedeutungslos gemacht, weil sie zur Folge hatten, dass die Kirche Jerusalems mit derjenigen von Alexandrien oder Antiochien völlig gleichartig geworden ist.

Es ist bedeutsam, wie das, was den Sturz der Judenschaft herbeigeführt hat und andrerseits wieder ihre Erhaltung bewirkte, auch an unserm Chronographen zu Tage tritt. Bei dem namen- losen Elend, das er mit durchlebt hat, bleibt ihm die Schrift und die Hoffnung unerschüttert. Seine Auslegung Daniels hand- habt das ytyQajiTac mit einem absoluten Glaubensakt, der ihm das Himmelreich dicht vor ihm zeigt. Er ist dabei überwiegend von Daniel geleitet, der die jüdische Geschichte von Epiphanes bis Hadrian mit doppelseitiger Wirkung beherrscht. Er hat der Hoffnung den höchsten Ausdruck gegeben, so dass Jesu Ver- heissung sich unmittelbar an sie anschliessen konnte, aber auch die Gewaltsamkeit der jüdischen Erwartung und ihr selbstischer

1) Ob der Chronograph Basilides etc. genannt hat, steht dahin. Dass auch Hegesipp mit Klemens in der Fabel von der reinen Kirche bis auf Trajan sich berührt, ist beachtenswerth.

14. Schluss. 93

Trotz hat sich an ihm fixirt und ruinirt. Der Chronograph hat dieses jüdische Element nicht ganz überwunden; er wusste, wann der Herr kommen musste, wie man es in Jerusalem a. 66 und 131 gewusst hat. Nicht als Prophet weissagt er aus der lebendigen Gegenwart des Geistes, sondern als gelehrter Exeget, der mit Kaiser- und Ptolemäerlisten operirt, mit Josephus und mit fremden Berichten über die Herodier. Auch darin steht er der Synagoge nah; auch dort sprachen sie als die gelehrten Exegeten kraft ihrer Wissenschaft Gottes Willen aus und setzten das jus divinum fest.

Dieses jüdische Element hat sein Wort für die Kirche nutz- Los gemacht. Sie wurde sofort über die Schwelle hinübergeführt, an der es sich erwies, dass die Zahl Daniels nicht das Mass des Weltlaufs sei. Die beträchtliche Schwächung der Hoffnung, die nun in der Kirche hervortrat, hat der Chronograph nicht über- wunden, wie er's doch gewünscht hatte. Denn er gab die Hoff- nung in einer Form, wie man sie in der Kirche nicht pflegen durfte und konnte. Ueberblickt man die Deutungen Daniels bei den Vätern, so sieht es zunächst aus, als ob hier kein Zusammen- hang walte, sondern jeder, Klemens, Tertullian, Origenes, Julius, Hippoly't, wieder frisch auf eigne Entdeckungen ausgehe. Das ist nur Schein; es vollzieht sich auch hier ein fester historischer Konnex. Die Zersplitterung der Auslegung rührt daher, dass ihnen durch den Chronographen das in Daniel liegende Problem in einer Schärfe vorgehalten war, die sie nöthigte, irgendwie einen Ausweg zu suchen. Sie finden ihn darin, dass sie Daniel nach dem Evangelium deuten. Weil diess aber nur mechanisch geschieht, nur dadurch, dass Daniels Zahl vom Himmelreich ins erste Jahrhundert zurückgeschoben wird, ohne dass es zu einer innerlichen Erneuerung des prophetischen Gedankens kommt, liegt im Satz der Väter neben demjenigen des Chronographen nicht bloss ein Gewinn, sondern auch ein Verlust.

Während seine Deutung Daniels sofort der Kritik des Ge- schichtslaufs unterlag, gegen die es keine Einrede gab, fand sich für das jüdische Element in seinen rückblickenden Betrachtungen keine ähnliche Kontrolle, und hier hat er, falls die im Satz über Adams Grab liegende Spur nicht täuscht, eine starke und blei- bende Wirkung geübt. Derselbe ist meines Wissens das älteste Wort, das dem Platz, wo Jesus starb und auferstand, religiöse

<j I Schlatter, Chronograph.

Wichtigkeit beimisst. Ich sage natürlich nicht, dass der Kultus des heiligen Grabes Lediglich die jüdische V.erehrung der Gräber der Propheten fortsetze; gleichwohl ist der historische Konnex auch hier sehr eng.

Wenn ich hier auch für meine Konjekturen gesprochen habe, so liegt es mir ebenso sehr daran, dass, was Beobachtung ist, und was Konjektur ist, unterschieden bleibe. Schieben wir alles auf die Seite, was Konjektur ist: Eusebs Juda habe a. 202 durch irgend einen Unsinn herausgerechnet, dass die 490 Jahre noch nicht abgelaufen seien, und der Verwandte Jesu bei Julius sei ein anonymer Historiker gewesen, zu dem sich nur die Gelehrsamkeit des Julius den Zugang verschafft habe: wir verlieren damit für den Chronographen den Namen und die konkreten Angaben, die es uns ermöglichen würden, uns vollständiger in ihn hineinzudenken; er tritt in den Nebel der Anonymität; aber er bleibt. Die Stücke bei Klemens sammt ihrer Erläuterung durch Tertullian und Theophilus, die Reste bei Epiphanius und was bei Origenes von ihm zum Vorschein kommt, geben ihm, wie mir scheint, auch dann noch eine greifbare Existenz.

ZUR ÜBERLIEFERUNGSGESCHICHTE

DER

ALT CHRISTLICHEN LITTBRATUR

VON

ADOLF HARNACK.

Texte u. Untersuchungen XII, 1.

Auf den folgenden Blättern habe ich einige Nachträge zu dem ersten Bande meiner Geschichte der altchristlichen Littera- tur bis Eusebius (1893) zusammengestellt. Der grössere Theil stammt aus den Arbeiten der Fachgenossen, die im letztver- flossenen halben Jahre oder etwas früher erschienen sind; ein klei- nerer Theil besteht in eigenen Zusätzen. Auch habe ich die Ge- legenheit ergriffen, einige Berichtigungen zu geben. Alle Nach- träge habe ich nach der Seitenzahl des Bandes (GL) verzeichnet, so dass sie bequem eingetragen werden können. Für zweckmässig hielt ich es, sofort auch die Register zu vervollständigen. 1s Acht nur alle neuen Zusätze sind hier eingeordnet worden, sondern auch die slavisch und koptisch erhaltene Litteratur, die bisher noch nicht registrirt war, ferner die GL S. 1021 verzeichneten Nachträge. Dies diem docet.

S. XXXII sq. Über die Urliste, die dem Kanon der 60 Bücher, Xicephor., Athanas. Synops. und dem Verzeichniss des Mkhithar zu Grunde liegt, sowie über letzteres Verzeichniss s. Zahn, For- schungen V S. 109ff., 131 ff.

S. XL nr. 10. Im Cod. Paris, des Joh.-Commentars des Ori- genes findet sich oft am Rande: ßZaOtpr/fisi, ßZaö<pr]fielg, oval öoi, ävafrEfza ooi aiQsrixd.

S. LV oben. Orosius, Lib. apolog. 1: ,.Patres enim et qui iam quierevunt martyres et confessores Cyprianus, Hilarius et Ambrosius, et quibus etiam nunc permanere adhuc in carne necessarium est, qui sunt columnae et firmamenta ecclesiae ca- tholicae, Aurelius Augustinus et Hieronymus."

S. 3 Z. 15. Wahrscheinlich stammt aus diesem Brief das Stück II. Cor. 6, 14 17, 1: Mi] yiveo&t ireQoC.vyovvreg g>6ßa> &eov.

S. 5 Z. 1 v. u. Schlatter folgert in der vorstehenden Ab- handlung aus Euseb., h. e. I, 7, 11 wohl mit Recht, dass Julius Africanus ein Buch eines Verwandten Jesu gelesen hat.

4 Harnack, Zur ÜberlieferungsgeHchichte der altchristl. Litteratur.

S. 10 Z. 26. Das Stück lautet nach Academy 21. Octob. 1893: „And he confirmed the writing of Matthew which was [dahvathj amorig the Hebrews, declaring that the Christ was born of David and Abraham according to the plighted promise [depositedj with theni." Dies stammt wohl aus Ephraem. Zum Hebräerev. s. auch Zahn, Forsch. V S. 136. 141.

S. 12. Zum Petrusev. vergleicht Bernard (Academy 30. Sept. 1893) eine Stelle des Dionysius Alex. (Migne X p. 1599, s. GL

5. 421), Usener (bei Dieterich, Nexvia S. 231) meint eine Be- zeugung im Cod. Vindob. bist. gr. 3 saec. XL fol. 268 zu sehen: \4va2.oyrjödf/evog 6h o IHtqoc, ütBJiolrjxev rfjv lazoglav djcaoav rrjq tvav&Qmjcqöscoq r. x. ?jfiSv 7. Xq. xad-cog ttjp exxXrjölav öiexoöfirjGsv dji aQx^jg, ors 6 ayysXoq ro XalQS xixQayev rrj jvccQfrevcp fts%Qig orov xal ävslrj<p&rj 6 xvqioq. Zu vgl. ist, was GrL S. 122 Z. llff. abgedruckt ist, sowie Acta Pionii 13: „Dicunt dominum J. Christum cum cruce ad superos facta umbrarum excitatione remeasse." Z. Gesch. v d. Ehebrecherin s. die Note im Cod. A (N. T.).

S. 15. Zum Thomasev. s. GL S. XXXIII.

S. 19. Zum Buch des Jakobus s. GL S. XXXIII u. 0. Schade, Liber de infantia Mariae et Christi salvatoris. Halle 1869.

S. 22. Ein altes bisher nicht geprüftes Ms. des Ev. Nicodemi Lat. ist Brit. Mus. Lat. 5 E XIII saec. VIII.

S. 28 oben. Vielleicht ist „Le Predicateur des Orthodoxes" im Verzeichniss des Mkhithar (GL S. XXXIII) = K?]Qvyfia JJe- tqov. Zu diesem vgl. Hilgenfeld, Ztschr. f. wiss. Theol. 1893 H. 4.

S. 33. Zur Petrusapok. s. GL S. XXXIII und die von Zahn, Forsch. V S. 112 vorgetragene Hypothese einer Erwähnung der Apok. bei Origenes, ferner die Nachahmungen der Apok. in der Passio Felicis, Fortunati et Achillaei § 3 (Bolland. 23. April: „Vidi locum siderei splendoris coruscatione micantem, ineffabilium florum diversitate vernantem, fragrantibus quoque aromatibus redolentem"), Passio Dorotheae et Theophili § 10. 12. 13 (Bolland.

6. Febr.), sowie in der jungen Apokalypse Mariae Virg. (James, Texts and Studies II, 3 p. 112) und im Testam. Abrahae (James, 1. c II, 2). Vgl. Clemens, Quis dives 33 und Hippolyt, Philosoph, extr.

S. 37 oben. Arabische Version im Cod. Par. Arab. 80 (Bratke ZwTh. 1894 S. 137 f.).

Harnack, Zur Überliefenmgsgeschichte der altchristl. Litteratur. 5

S. 38. S. auch GL S. XXXIII f.

S. 39 ff. Zum I. Clemensbrief s. GL S. XXXIII und Zahn, Forsch. V S. 1*23 ff. Junius schreibt in der Editio princ. (1633) p^3 der jzQOGrjfieiwöig (pag. M 5), Hieronymus habe den Brief übersetzt, quam (welche Übersetzung) in bibliothecis alicubi latere spem nobis facit catalogus fratrum Lobiensium, quem domi ha- bemus, scriptum ante CCCC annos, ad calcem operum Fulgentii, atque utinam id aliquando eveniat et spes nostrae non inanes de- prehendantur." Was hier Junius von Hieronymus sagt, ist ein Irr- thum. Er meint eine Stelle, die von Rufin herrührt und sich auf dieRecognitionen bezieht (s. Orig. Opp. ed. Lommatzsch VII p. 460). Das Richtige steht GL S. 223, wornach S. 40 Z. 16 ff. v. u. zu er- gänzen resp. zu berichtigen ist. Eine lateinische Übersetzung des 1. Clemensbriefs ist jetzt nachgewiesen, aber noch nicht edirt, s. Re- vue Benedictine 1893 Nr. 9 p.403; hier theilt G.Morin mit: „Ceux qui s'interessent aux antiquites ecclesiastiques apprendront avec plaisir qu'on vient de retrouver dans un ms. provenant de l'abbaye benedictine de Florennes, dans la province Namur, une traduc- tion latine de la premiere lettre de St. Clement aux Corinthiens. Le codex semble avoir ete ecrit dans la premiere moitie du XL siecle, et peut ainsi remonter aux origenes memes de l'abbaye. Quant ä la version qu'il contient eile parait de beaucoup ante- rieure ä cette epoque, et se rapproch e sensiblement, par les parti- cularites du style, des anciennes traductions latines du texte bi- blique anterieures a la Vulgate. Elle semble devoir etre d'un grand secours pour preciser le sens qu'on a attache ä l'origine a certaines expressions dont la portee doctrinale a donne lieu re- cement encore ä des discussions interessantes. Ce precieux docu- ment dans un etat parfait d'integrite, et demeure, on ne sait comment, si longtemps dans l'oubli, sera prochainement l'objet d'une publication soignee, et formera le I. fasc. du tome IL des „Anecdota Maredsolana"."

S. 41 Z. 12 v. u. Irenaus zeigt sich auch sonst vom Briefe abhängig, s. V, 1, 1 vgl. mit I. Clem. 49,6.

S. 47 Z. 24. Judas = Thomas, s. Zahn, Forsch. V S. 122f.

S. 52 Z. 6. Iren. I, 15, 6 mit Herrn. Mand. I (jtdvra ycoQOVvra jtaxiQa, dxcoQijTöv de vjzaQyovra).

S. 52 Z. 30. In einer theodotianischen Schrift (Epiph. h. 55, 8) war vielleicht Sim. V benutzt.

(> Harnack, Zur überlieferungsgeschichte der altchristl. Littemtur.

S. 55 Z. 13. Auf ein anderes Zeugniss bei Origenes, das aber nicht sicher ist, hat Zahn, Forsch. V S. 112 hingewiesen.

S. 60 Z. 7 v. u. Stillschweigend ist von Origenes (Selecta in Ps. 118 Lommatzsch XTII p. 102) Barn. 15, 8. 9 benutzt: Söxsq rj oydorj avfißoXov toxi rov ftiXXovroc, aläjvog, övva(uiv dvaöxa- otcoq jteQttxovöa , ovrco xal rj tßöofirj GvfißoZov Ion rov xoo-

(WV TOVTOV.

S. 62 Z. 11. S. GL S. XXXIII und Zahn, Forsch. V S. 130, auch S. 112.

S. 62 Z. 22. De pascha comput, 10. 18. 20. 21. Die Zu- sammenstellung Tertull. (Novat.), de cibis Jud., Barnab. ep., Ja- cobi ep. im Ms. Lat. Barn, ist schwerlich zufällig. Vielleicht waren die kleinen Tractate Novatian's von dem Barnabasbrief abhängig.

S. 63 Z. 7. Die Erwähnung des Matth.-Ev. ist hier zu streichen.

S. 64 Z. 2. Lies tojv tov tcvqiov Xoyoov öirjyrJGEis und in Z. 4 vor Zeyovöiv die Worte: ol zov xvqlov fiadr/tai Conybeare (Aristion, the author of the last 12 verses of Mark, „Expositor" 1893 Octob. p. 241 ff.) hat entdeckt, dass in einem Cod. evv. membr. Armen, anni 986 zu Etschmiadzin der längere, unechte Marcus- schluss die Überschrift trägt „Von dem Presbyter Ariston." Der- selbe bemerkt (p. 246), dass in einem Cod. Bodl. hist. eccl. Rufini saec. Xll zu Euseb. h. e. 111, 39 bei Justus Barsabbas am Rande „Aristion" steht; s. Theol. Lit.-Ztg. 1893 Nr. 23. Dass die 12 Verse (Incip.: 'Avaorag ös jcqgu) ursprünglich nichts mit dem Marcusev. zu thun haben, sondern Theile eines anderen histo- rischen Aufsatzes (eines Kerygmas bez. einer öir/yrjöig mit apolo- getischer Tendenz gegenüber dem Vorwurf, die Auferstehung sei von den Jüngern erfunden) sind, dafür spricht Vieles. Bemerke auch, dass Hieronymus (c. Pelag. IT, 15) in einigen Codd. zwischen v. 14 und 15 noch Folgendes gelesen hat, was jetzt kein einziger Cod. mehr bietet: „Et illi satisfaciebant dicentes: Saeculum istud iniquitatis et incredulitatis sub satana (die meisten Codd. irrtliüm- lich: substantia), qui (Codd. quae) non sinit per immundos spiritus veram dei apprehendi virtutem. idcirco iam nunc revela iustitiam tuam." (Aus inneren Gründen lässt sich sehr wahrscheinlich machen, dass der Vers ursprünglich wirklich dem Stück angehört). Hieron. hat das also eingeleitet: „In quibusdam exemplaribus et maxime in Graecis Codd. iuxta Marcum in tine eius evangelii scribitur."

S. 67 Z. 26. S. auch Hieron., Proleg. in quattuor evv: „Mar-

Harnock, Zur Oberlieferangsgeachichte der altchristl. Litteratur. 7

cus interpres apostoli Petri, qui dominum quidem salvatorem ipse non vidit, sed ea quae magistrum audierat praedicantem iuxta fidem magis gestoruin narravit, quam ordinem" (das ist ausPapias geflossen).

S. 75 Z. 24. Der Brief ist vielleicht auch in der Rede des Apollonius vor dem Senat benutzt (s. Sitzungsber. d. K. Preuss. Akad. d. Wissensch. 27. Juli 1893).

S. 79 Z. 2. Katalog von Iwiron (Athos) nr. 1280 (Meyer, Ztschr. f. KGesch. XI S. 155£): zov ay. 'iyvaziov IjiigtoUu.

S. 81 Z. 11 v. u. lies Jia.

S. 82 Z. 3. Socrates h. e. VI, 8 sagt, dass Ignatius die antipho- nischen Hymnen in die Kirche von Antiochien eingeführt habe.

S. 91. Nach James, Texte and Studies II, 2 besteht zwischen Testam. Isaaci und Didache eine Beziehung. Ein Zeugniss des Origenes über die Didache, aber ein unsicheres, s. bei Zahn, Forsch. V S. 112.

S. 99. Grosse Ausgabe der Apologie des Aristides von See- berg in Zahns Forsch. V S. 159 ff., kleinere Ausgabe auch der unechten Stücke von demselben (Erlangen 1894). Seeberg hält letztere für echt, ebenso Zahn (Forsch. V S. 415 ff.), aber für interpolirt.

S. 105. Katalog von Iwiron (Athos) nr. 1280 (Meyer, a.a.O.): 'Iovözivov <piL xal [iciqt. ß'tßXoq vjieq Xgiöziav&v zi] övyxXvrco jsic] öofrelöa. Izega 'Avzwvivoq [sie] xal zrjq avzov öiaÖoyoiq [sie] zgizr} , ev rj jteQi zrjq cpvyrjq zmv 'lovöakov fioviov öia- Xeyezcu. zexägtr], ?)v IjiiyQaxpsv sZeyxoi', xal tzega.

S. 109 Z. 9. Lies „Laod." für „Hierap."

S. 124. Die Thomas- und Andreas- Acten sollen in den Act. Xanthipp. et Polyxenae benutzt sein, s. James, Texts and Stu- dies II, 3 p. 47 sq.

S. 125 Z. 11. Griechisch ist der Hymnus erhalten und beginnt: zfc'g« ooi, JtazsQ.

S. 126 nr. 10. Kater gian, Dormitio Johannis 1877 (nach dem Armenischen;, cf. Apokryphen (Fseudepigraphen) bei den Arme- niern, hrsg. v. Kalemkiar, 2. Stück.

S. 129. Zu den Paulusacten vgl. die Act. Xanthipp. et Pulyx. (erhalten im Cod. Paris. 1458 saec. XL; älteste Anspielung auf sie in dem Menolog. Basil. saec. X.); sie sollen nach James, a. a. O. p. 43 sq. z. Th. aus jenen geflossen sein. James (p. 54 sq.)

§ Harnack, Zur Überlieferungsgeschichtc1, der altohristl. Literatur.

will auch Commodian, Carm. Apol. 618 624 aus den Paulusacten ableiten, ebenso (p. 55) ein Stück aus den Acta Titi. Ferner macht er auf das noch nicht untersuchte arabische (und äthiopische) Leben des Paulus aufmerksam und verweist (p. 56) noch auf anderes Material, namentlich auch auf den Policraticus des Jo- hannes Sarisb.

S. 133. Nach Zahn, Forsch. V S. 60 sind die alten Petrus- acten in der Vita Abercii benutzt, nach James, a. a. 0. p. 47 sq. 54 sq. auch in den Act. Xanthipp. und bei Commodian, Carm. Apol. 618ff.

S. 134. Lambros, Uegl rcov JtaX^mp^Ozcov xojölxcov rcov ayioQSirixcov ßißXio^rjxcov. Athen 1S8S theilt S. 11 f. mit, class im Cod. 91 (Palimpsest) der Bibliothek des Klosters des Diony- sius (Athos) die alte Schrift u. A. (sie enthält auch die slvaxerpak. des Epiphanias) enthält l£qoöoZv(/itov ix rcov jisqloöow tojv ayicov äjzoöroÄcov, d. h. Sophronius v. Jerus., de laborv certam. et peregr. apostolorum. Die alte Schrift ist aber selbst nicht älter als saec. X. und nur Weniges ist zu lesen.

S. 137. Die Theklaacten sind nach James, a. a. 0. p. 47 sq. auch in den Act. Xanthipp. et Polyx. benutzt. Rey, Etüde sur les Acta Pauli et Theclae. Paris 1890. Ramsay, The church in the Roman empire. 1893.

S. 138. Zu den Philippusacten s. James, Suppl. to the Acts of Philip., a. a. 0. II, 3 p. 158ff.: „Translatio Philippi.« Syrisch finden sich die Acten, die nach James, a.a.O. p. 47sq. in den Act. Xanthipp. benutzt sind, im Cod. Berol. Syr. 9 (Sachau) v. J. 1695.

S. 153 Z. 16 v.u. Tilge die Worte: „Hier zuerst die Helena" und füge „Helena" der vorhergehenden Zeile nach Apol. I, 26 ein.

S. 163 Z. 12 v. u. (auch zu S. 169 oben). Zu Zoroaster s. Kuhn, Eine zoroastrische Prophezeiung in christlichem Gewände (Schriften zum Jubil. von Roth S. 2 17 ff.); er zeigt, dass Zoroaster = Seth (S. 219). Er führt auch eine Stelle aus der „Biene" des Salomon von Basra an, die von Wichtigkeit ist.

S. 171 Z. 7. Über Borboriten s. den wichtigen Brief des Bischofs Atticus von Konstantinopel an den armenischen Patri- archen Sahak (Moses Choren. III, 57), vgl. Karapet, Paulikianer (Leipzig 1893) S. 39 ff.

S. 172 unten. Vgl. Ryle and James, ipaZtuoL UoXoficovTog. Cambridge 1891 p. XXIII sq. 155 sq.

Harnack, Zur Überlieferungsgeschichte der altchiistl. Lifcteratur. 9

S. 174. Vielleicht ist der GL S. 377. 511 genannte Bassus unter den Schülern Valentin's aufzuführen. Nach Rede penn in g, Origenes 11 S. 57 soll er auch bei Philaster vorkommen. Ich habe ihn dort nicht gefunden.

S. 184 Z. 15 v. u. Die Worte lauten: BaQXaö(*vr/S ovo^a, avijQ ro ytvoo, XafijrQOTaroq, TOP jtlovrov öicupoQOJTaTOg.

S. 191. Einen Schüler „Sokrates" (Isokrates) Marcion's, ferner dessen Schüler Theopompus und eine Fraction „Sokratiten" unter den Marcioniten nimmt Dräseke (Ges. patrist. Abhandl. 1889 S. 162 ff.) wohl irrthümlich an; s. unten zu S. 430.

S. 192 Z. 23. Lucanus hat wohl gegen die Auferstehung des Fleisches geschrieben.

S. 193. In dem Ms. Syr. Mus. Brit. Add. 17215 (Academy 21. Oct. 1893) werden Marcion, Mani, Bardesanes genannt. Von Marcion heisst es: „Marcion . . . said that our Lord was not born of woman, but stole the place of the creator and came down and appeared first between Jerusalem and Jericho, like a son of man in form and in image and in likeness, yet without our body."

S. 194. 199. Über Marcioniten bei den Armeniern s. die lehr- reichen Mittheilungen von Karapet, die Paulikianer S. 97. 104 ff. 148. S. 97: Paulus von Taron (Ende des 11. Jahrh.) schreibt: „Ein gewisser Apelles, ein verworfener Mensch, dem Leibe nach ein Greis, verbittert durch das (lange) Leben und stolz auf den Beistand der bösen Geister, sagte von den Propheten, dass ihre Prophezeiungen aus dem Widerspruch des h. Geistes zu Stande kämen, und stellte Folgendes fest: die Messe sei von keinem Nutzen, die man für die Todten darbringt. Gott verdamme ihn" (s. Euseb., h. e. V, 13). Dann heisst es weiter: „Der greuliche Kalestinos(?), der die Geburt und das Leiden (Christi) nicht Gott zuschreibt, sondern dem einfachen Menschen. Die Marcioniten, welche auch die Auferstehung der Verstorbenen nicht annehmen und das h. Messopfer für nichts erklären, sowie sie das h. Kreuz, welches den Gott getragen hat, für ein einfaches Holz halten; denn sie sind verblendet, so dass sie dessen verborgene Kraft nicht sehen, gleichwie die Thondrakier. Proteron(?) hat das h. Kreuz Christi geschmäht und gelästert und von sich selbst, ge- sagt, dass er die Kirche sei das Kreuz und die Kirche aber nannte er der Gottheit fremd, wie die Thondrakier, und liess nicht Messopfer für die Verstorbenen in Christus darbringen; bei der

]() Harnack, Zur UtarUeferungegfetfChichte der altchristl. Litteratur.

Taufe, sagte er, giebt es keinen h. Geist; er selbst aber ergab sich der Fleischeslust und trieb Grässliches."

S. 200 Z 20. Die Schrift des Hermogenes folgt aus Terbul. adv. Hermog. 1. 2.

S. 202. Apotaktiker auch bei Julian, Orat. VII p. 224 BC.

8. 214. Ein sonst unbekanntes, zu der pseudoclementinischeu Litteratur gehöriges, lateinisches Stück bringt Grabe (Spicil. 1 p. 299); es findet sich ad calcem lib. X. annex. im Cod. BodL 105 super I) 1. Art.Inc.:„Quibus cognitis Petrus", expl.: „sanitati restituit."

S. 219. Die hier abgedruckte Stelle ist nicht einem Citat des Origenes entnommen, s. Robinson, Philocal. p. L. Der Text ist nach 1. c. p. 210 sq. zu verbessern. Einleitung: THxqov xov ajto-

ÖZoZoV .... XCOV JISQL XOVXOV ZoyOJV (p7]ö\. S. 219 Z. 1. 9 CO ZU

tilgen, Z. 3 kue statt [iol, Z. 15 Igel 601, Z. 20 övvmv, Z. 22 r}, Z. 23 dovpöerog, S. 220 Z. 14 koxiv, Z. 19 jtQOOtptQofisv , Z. 34 6xi rjöe .... rote, xb (ivOxtiqlov, Z. 36 aus Rufin ist zu ergänzen nach ZoycOfiov: evloxe övy/ojQrjOavxeg xf] sjvt&vfiia rjxxrjfiefra, Z. 38 aoxQoloyoi, Z. 41 xZifriaxxrjQaq, Z. 45 xcu o jzaxrjQ, Z. 47 eijteq.

S. 238. Zu § 9 vgl. Zahn, Forsch. V S. 3 ff. Auf montani- stische Schriften ist auch aus Fragm. Murat. extr. und Tertull., de ieiun. 11 init. 12. 13 zu schliessen.

S. 240 Z. 20 setze ein Fragezeichen zu „Bischof". Z. 24. In diesem Stück wird ein Presbyter Zoticus aus Otrus erwähnt, s. Zahn V S. 64. Z. 7 v. u. Genannt werden (h. e. V, 16, 17) Zoticus von Kumane (s. Zahn V S. 94) und Julian von Apamea, ferner die Prophetin Ammia (h. e. V, 17, 2.3). Z. 5 v. u. Der Anonymus war entweder Bischof oder Presbyter.

S. 241 Z. 22. Zoticus von Kumane h. e. V, 18, 13.

S. 243. Schalte als § 15b ein: Voten thracischer Bi- schöfe im montanistischen Streit. Sie sind in dem Schrei- ben des Apollinaris von Hierapolis enthalten gewesen; aus diesem entnahm sie Serapion (Euseb., h. e. V, 19), aus diesem Eusebius (1. c), s. Zahn, Forsch. V S. 4 ff.: *Ev xavxr} 61 x\i xov Saga- jtiojvog ejiiöxoZy xal vjcoöt]fi£io)06ig cpioovxai öiacpoQOJV ijzi- öxojtcov, cov o fitv xig coöe jrcog vjioöeoqfAzicyxcu' AvQrjZtoc KvQrjvwg fiaQtvq tQQfoö&cci Vfiäg Ev^ofiat. O 6i xtg xovxov xov xgonov AiZiog IlovjtZwg 'iovZiog djto AeßeZxov (s. Zahn S. 6) xoZowtiag xyg 0Qaxfjg ejrlöxojiog' Cr/ 6 x)zog o lv xolg ovga- votg, oxi JSwxag 6 f/axagtog 6 ev 'AyxiaZm /jVtZrjOe xov öaiflova

Harntick, Zur IJberlieferungsgeschichte der altchristl. Litterntur. ] \

tov IloiGxiXXrjg ixßaXelv, xal ol vjtoxoiTal ovx ayf/xav. Kai r.XXrov de jtXewvoov top aQid-fiov ijrtöxojtatv ov[iif>7J<poH> TOVTOig iv xolq ö)jXa>{reiüi yoaf/ftaöiv avToygacpoi (ptgovrai GypeicoGeiQ.

S. 243. Zu § 17 (Name „Apollinaris") s. Zahn, Forsch. V S. 99 ff. Z. 14 v. u. lies „den Brief1 statt „die Schriften''. Z. 13 v. u. Die Stelle lautet: Qjtatg öe xal rovzo eldr/ze, ort rr/g tpevöovq ravrf]g ra^ecog Ttjg ijciXtyofjivrjg viag jcQocpr/rdag ißöiXvxtai >/ ivioyua jiaoä jtäot] rf/ iv xodficp aöeXcpoTrjTi [das konnte man also aus dem Schreiben des Apollinaris ersehen, mithin berichtete es über eine grössere Synode, s. die Unterschriften,, jitjioiiqa vfitv xal KXavdlov 'AjioXXivaoiov tov fiaxaniov yevo- fievov iv JepajzoXer, Tfjg Aoiag ijziöxojcov yQäfif/aza.

S. 244 Z. 5. S. Zahn V S.4. Z. 8 lies „Schreiben4' statt Werk.

S. 258. Den Athenagoras hat man mit Athenogenes, den Märtyrer und Dichter eines Hymnus nur Basilius nennt ihn; s. über ihn unten z. S. 795 identificiren wollen (s. Baronius im Martyrol. z. 16. Juli und Tillemont, Mem. II p. 673).

S. 258 f. Zu Abercius = Avircius s. Zahn V S. 94; die bischöfliche Würde des Abercius ist fraglich. Über die Über- lieferung der Vita Abercii des Metaphrasten s. Zahn S. 58 f. Unter den Addenda der 2. Aufl. (18S9) seiner Ausgabe des Ignatius und Polykarp (II p. 726) soll Lightfoot bemerken: „I have heard recently from Prof. R. Harris, that a Ms. of an earlier form of the Acts of Abercius, before it was manipulated by the Meta- phrast, has been discovered in the East and that it will shortly be published in Greece." Aber nach Zahn V S. 57 ist das bis- her nicht geschehen. Die Christlichkeit der Abercius -Inschrift wird Ficker demnächst zu widerlegen versuchen.

S. 259 Z. 4 lies „gesetzt hat". Der Erzähler hat es selbst gesehen (c. 41): tcc fiev Örj tov ijtiyQafc^aTog coöe jtwg ejtl Xe$ewg dxw, otl fir/ 6 XQ^V0(i v<ptlXe xaT oXlyov T?jg dxQt- ßriag xal 7j ftaQTrifiev wg exeiv ttjv yoacprjv jcaoeGxevaGev. Z. 15 Alexander, Sohn des Antonius. Z. 17 füge hinzu nach Juli: p. 518. Z. 18 Bull, critique 1882. Z. 21 am Schluss 18S7 p. 468 f. Z. 5 v. u. lies „on" statt „of". Vgl. zu dem ganzen Abschnitt: Ramsay im Expositor 1888. 1889, De Rossi, . Inscr. Christ. urbis Rom. II, 1 (1888) p. Xllsq., Zahn, Forsck V S. 57 ff.

S. 262. Ein besonderes Schreiben der Gemeinde an Eleu- therus macht Zahn V S. 7 wahrscheinlich, s. Euseb., h. e. V, 3, 1 sq.

12 Hurnack, Zur Überlieferungsgenchichte der altchristl. Litteratur.

S. 263. Die lat. Übersetzung hat einen Prolog von Florus diaconus Lugd. (bei Harvey, Iren. Opp. I p. CLXXVII). Inc.: „Hyrenaeus episcopus civitatis Lugdunensis, instructus." Über das Verhältniss der lat. Übersetzung zum Original s. Sitzungsber. der K. Preuss. Akad. d. Wissensch. 9. Nov. 1S93.

S. 279. In jüngeren gallischen Märtyreracten kommt Irenäus öfters als gallischer Oberbischof vor, s. z. B. die Acten des Felix, Fortunatus usw. (Bolland. 23. April p. 99). Langen (Rom. Kirche I S. 173) meint, Hugo Eterianus (um 1170) habe in der Schrift de haer. Graec. III, 16 das berühmte Zeugniss des Irenäus über die römische Kirche benutzt. Nach Malalas (p. 296) soll Irenäus (Fabelhaftes) über das Ende des Ap. Johannes berichtet haben.

S, 288. Cramer (Cat. in Matth. et Marc. p. 499) theilt mit, dass im Cod. Harlei. 5647 saec. X (vier Ew., Schoben z. Matth. u. Marc.) zu Marc. 16, 19 steht: ElQrjvaZog 6 rmv ajioöxolcov jzXyjöiov, ev tw jrgog rag aiQedeig y Xoycp rovro ävfjveyxev ro qtjtov cog Magxco eigr/fievov (Iren. III, 10, 6).

S. 291. Das Capitel „Christlich-ägyptische Litteratur" könnte man mit der Notiz bei Justin, Apol. I, 29, beginnen: BißZidiov, o avedmxev ng ^(.lexegcov ev ^AXe^avögeia ^rjXixi rjyef/ovavovzt a§io)V Ejcirgeipcu iargco rovg fhövfiovg avrov ä<peZeiv . . . xal (irjöoAcog ßovfojdevTog <Pr/hxog vjioyQarpai . . .

S. 297. Der S. XXXIV genannte Clemens ist vielleicht der Alexandriner (Zahn, Forsch. V S. 154, der ausserdem erinnert, dass Anastasius Sin. bei Pitra, Anal. II, 208, sagt, Clemens habe Bibelhandschr. angefertigt und interpungirt

S. 299 Z. 14. Die Hdschr. ist nicht verschollen, sondern = Monac. Gr. 479 (cf. Ottob. 94 und Neapol. II A 14).

S. 303. In der Bibliothek des Klosters S. Salvatore zu Messina befanden sich nach einem Katalog v. J. 1563 (s. Batiffol, Rossano p. 141) „Clementis Alexandrini onomata".

S. 327. Zu dem Chronographen Judas s. die vorstehende Abhandlung von Schlatter.

S. 328 Z. 25. S. auch die griechische Uebersetzung, von der Photius abhängig ist.

S. 329 unten. Auch Origenes' Werk über die Psalmen war dem Ambrosius gewidmet, den Origenes als einen der eQyoöiwxrat rov freov bezeichnet hat (in Joh. V p. 94 de la Rue).

Harnack, Zur Oberlieferungsgeschichte der altchristl. Litteratur. 13

S. 331. Ein Brief an Demetrius bei Euseb , h. e. VI, 19, 15: Kaxa xovxov öh xov %qovov kx 'AXegavöoeLag avxqy (seil. Ori- genes) rag öiaxgißäg jtoiovfisvqj hjtiöxäg xig xojv öxgaxicoxixwv aveölöov ygdfifiaxa, A/j^xglm xe xm xrjg jtagoixiag Iüilöxotko xal xüj xoxe xrjg Alyvjtxov tjtdgxco jiagd xov xrjg 'Agaßiag fjyov/iBPOV, cog dv fiexä öjiovörjg anaörjg xov ÜQiyivtjv Jttfi- xpoiev xotvcovrjoovxa Xoycov avxcp. Auf einen Brief des Deme- trius, der in Cäsarea eintraf, als Origenes schon dort war, spielt 0. in Joh. VI, 1 (p. 101 De la Rue) an: inuxa xov Lx&gov jzixgoxaxa rjficov xaxaöxgaxsvoafiavov öid xmv xaivwv avxov yoafifiaxcov, xmv äZr)&o5g sx&gcov xeo svayyeXicp, xae navxag xovg hv Alyvjixro dvdfiovg xrjg jtovqgiag xa&y rjfio3v eysigavxog. Wahrscheinlich meldete der Brief den Beschluss der 2. alexan- drinischen Synode.

S. 333. In seiner Jugend hat Origenes viele heidnische Schriften abgeschrieben und dann verkauft, s. Euseb., h. e. VI, 18.

S. 337 Z. 23. öiog&woa.

S. 340. Zum N.T. hat Origenes keine Recension geliefert (s. darüber Redepenning, Orig. II S. 182 f.); er sagt in Matth. tom. XV, 14: vwl öh örjXovoxi JtoXXr) yeyovsv r] xeov dvxr/gd- <pcov öiatpogd, eixe djtö gafrvftlag xivcov ygcupecov, dxe emo xotyijg xivcov fiox&r/Qag xrjg öiogdojoscog xojv ygaq)0[itvcov, slxe xal ajto xciov xd tavxolg öoxovvxa ev xy ötog&cQOei jtgoüxt- divxcov rj dcpacgovvxojv. Nach der lateinischen Übersetzung heisst es (nachdem Origenes angekündigt, er wolle den Text des A.T. recensiren): „in exemplaribus autem N.T. hoc ipsum posse facere sine periculo non putavi." Im Griechischen fehlen diese Worte. S. auch, was zu S. 439. 544 über Codd. Origenis be- merkt ist. Redepenning, a. a. 0. II S. 183 f. nach Griesbach, Dissert. de codd. IV evv. Origenianis. Opusc. I p. 235 sq.

S. 358 Z. 34 lies statt „Proverbia" vielmehr „Prophetas11.

S. 366 Z. 27. S. Zahn, Forsch. II S. 275 ff. (Orig. u. Hieron. zu Matth.).

S. 377 unten. S. Redepenning, a. a. 0. II S. 57.

S. 385 Z. 22. S. Redepenning, a. a. 0. I S. 458 ff.

S. 389. Zahn, Forsch. V S. 112 theilt mit: Barhebräus citirt in seinem Nomokanon (Assemani bei Mai, Script, vet. nova coli. X, 2 p. 54) in den Anmerkungen zum 81. (85.) apostolischen Kanon über die h. Schriften unter anderen Autoritäten (Dionys.

14 Harnaek, Zur Übefflieferangegeschichte der altchristl. Litteratur.

Alex., Athanasius) auch den Origenes. Nachdem er dessen An- sicht über den Hebräerbrief, wahrscheinlich nach Euseb. h. e. VI, 25, referirt, fährt er fort oder lässt scheinbar den Origenes fortfahren: „Recipiuntur autem in ecclesia et Revelatio Pauli cum revelationibus aliis et Doctrina apostolorum et Epistolae [sie] Barnabae et Thobia et Pastor et Bar Asira (= Jesus Sirach). Sed librum Pastoris ac Revelationem Johannis multi non reci- piunt." Wenn das von Origenes stammt, so muss, wie Zahn mit Recht bemerkt, „Revelatio Petri" gelesen werden, und zwar sowohl für „Pauli" wie für „Johannis". S. 389 Z. 17 v. u. S. auch den Abdruck bei Redepenning, a. a. 0. II S. 465 ff.

S. 393 Z. 19. Darnach W et stein. Cod. Venet. 45 hat einen vollständigeren und besseren Text als die bisher verglichenen [Dr. Koetschau, briefliche Mittheilung].

S. 394 Z. 18. Hdschr. der Philocalia bei Robinson (The Philocalia of Origen. 1893): Venet. 47. 48. Vatic. 389. Berol.- Phillipps. 19 (1423). Patm. 270. Paris. SuppL 615. Basil. A. III. 9. Paris. 945. Monac. 523. Constantinop. 453. Ottob. 410. 67. Bodl. Roe 8. Cantabrig. Trin. Coli. 0. 1. 10. Venet. 122. Monac. 52. Taurin. B. I. 6. Vatic. 385. 388. 429. 1454. 1565. Athen. 191. Paris. 456. 457. 458. 459. 940. 941. 942. 943. Mediol. A. 165. H. 101. Oxon. New College 147. Leidens. 61. 67. Florent. Laur. KK. I. 39. Florent. Riccard. K. I. 13. Vatic. Regin. 3. Taurin. B. VI. 25. Vindob. Gr. 53. Barberin. III. 84. Bodl. Savü. 11. Mosq. 12 (und drei andere).

8. 396 Z. 18. S. Ziwsa, Optati Opp. p. XIV sq.

S. 405. In der Bibliothek des Klosters S. Salvat. zu Messina befand sich nach einem Katalog v. J. 1563 (s. Batiffol, Rossano p. 141): „Origenis commentaria philosophos gentiles [sie] aliaque Philonis Judaei opp."

S. 409 oben. Gregor Nyss., Vita Gregor. Thaum. (Bd. 46 p. 905 Migne) erzählt, dass Gregor mit Firmilian (<PiQ[iiliavog tcop svjtazQiödjv Kajzjiaöoxag, xoOfiog rrjg IxxXrjöiag rcov Kai- oayeojv ysvofievog) befreundet gewesen ist.

S. 409 Z. 22 v u. Lies Jwvvocog.

S. 425 Z. 8. Turrianus schöpfte aus dem Vatic. 1431-

S. 429 Z. 6 v. u. Dräseke hat a. a. O. eine Ausgabe geliefert.

S. 430 ad 6). In dieser Schrift kommt ein Isokrates vor, den Dräseke (Ges. patrist. Abh. 1889 S. 162ff.) = Sokrates fasst

Uarnack, Zur überlieferuiigsgeschichte der altchriatl. Litterafcar. \ ;>

und ihn mit den 2a>xQaxiccvoi im Dial. de recta in de um fiele l sombinirt. Diese hält er für Anhänger eines damaligen Schülers des Marcion, Sokrates. Das ist sehr fragwürdig; es ist hier wohl ler alte Sokrates gemeint, ebenso wie bei Epiphan. Pariar. I t II Einl. cap. 6: 2mxQaxtxai.

S. 431 ad 9). Nach Dräseke (a. a. 0. S. 87 ff.) stammt das Stück von Vitalius von Antiochien.

S. 431 ad 11). Inc.: „Ich wundre mich sehr."

S. 431 Z. 2 v. u. Über das Stück in Brit. Syr. Add. 14577 s. Lagarde, 1. c. und Ryssel, a. a. 0. S. 53f.

S. 432. Fabricius, Bibl. Gr. VII p. 258 bemerkt: „In Cod. Media XXVI plut. 9 in expositione divinorum ^raeceptorum e multis scriptoribus collectorum, tum in cod. VIII. nr. 20 plut. 86 inter excerpta de spiritu s. theologica, Gregorii Thaum. Ix xyc, ajtoxaXvxpbcoq. ex xfjc xaxa fitgog Jtiorecog et Ix vov Xoyov, ov ?l o.Qxq' 'Eyßioxoi xal aXXbxQioi. Precatio et exorcismus ad vexatos ab immundis spiritibus aut malis daemonibus (TlQOöevyr}

Elg evoyXovfzevovc vjio jcvevfzdxcov axafraQxcov, nr. 71 aut vjto öai{u6vooi> jzovtiqwv, in alio eiusdem exorcismo, er. 73) in cod. regio Matrit. CV. (in quo plurium scriptorum eccles. exor- cismi sunt collecti), fol. 73. v. Iriarte cat. codd. Gr. etc. p. 422 sq.

Montfaucon in Bibl. mss. II p. 1398 D memorat Cod. Gr. bibl. reg. Taurin. Gregorii Thaum. opusc. De angelis, cuius nullam notitiam aut mentionem deprehendi in catal. Codd. Gr. illius biblio- thecae. In Cod. Gr. VIII nr. 22 Uffenbachiano inerat Gregorii Thaum. Narratio de CCXII patribus Beryti congregatis. Inc.: rQTf/oQioq ev xvqio? ya'iQow xal ygaxpaq Tjfilv xolq öiaxooloiq Öccöexa ayicoxäxoiq ejtioxojtocq. v. Jo. H. Maii Biblioth. Uffen- hach. ms. col. 432. In catal. Codd. Angliae et Hiberniae in cod. VIII. Barocc. citatur Liturgia Gregorii Dialogi: ojioxav 6 leQevq, et in indice tribuitur Gregorio Thaum"(!).

S. 432 ad e) Inc.: „Wahnwitzig und ohne Verstand." S. 432 ad c) Inc.: „Ego in omnibus tria." S. 436 Z. 16. Lies 1880.

S. 439 Z. 16 v. u. „Exemplaria Adamantii" auch bei Hieron. im Comm. zu Gal. 3, 1.

S. 443 Z. 20. Über die NTliche Recension des Hesychius s. jetzt Bousset i. d. Texten u. Unters. XI, 4 S. 75 ff.

K) Harnack, Zur QberlieferuagsgeBchichte der altchrutL Litteratur.

S. 459. Ira Cod. Vindob. bist. Gr. 7 fol. 12 steht zwischen einem Abschnitt = Const. App. V11I, 42 40 und vor einem Ab- schnitt = Const. App. VIII, 32 ein Stück, welches = Aegypt. KO c. 47 und Hippol. Can. arab. 32. Überschrift: lIe(A PijOTEMOV. Inc.: XrjQat xal jcayd-tvoi, expl. uzavTcaq ytvexat (s. Funk, Tüb. Quar- talschr. 1893 S. 665).

S. 470 Z. 20. Lies Cod. 1280.

S. 471. Überschrift: Methodius.

S. 478 Z. 13. Zur Rede „in Hypapanten" s. Batiffol, Ros- sano p. 145.

S. 480 Schluss: Nr. 38 In den Canones von Nicäa 2. 5. 6. 9. 10. 13. 15. 16. 18. (19.) wird auf ältere Canones (wohl hauptsäch- lich alexandrinische) verwiesen; vgl. ausserdem agxala l&rj (ovv//- &£ia) c. 6. 7. 18 (jtaQCcöoöig aQxala) und öoyfiaxa x. xa&oZix?JQ x. djtoöz. IxxXrjöiac, c. 8.

S. 483. Über die alte jerusalemische Bischofsliste, nament- lich über das Zeugniss bei Epiph. h. 66, 20, s. die vorstehende Abhandlung von Seh latter.

S. 485. Vgl. zu Hegesipp das GL S. 926 Bemerkte sowie den Katalog von Iwiron (Athos) nr. 1280 saec. XVII (Meyer, Ztschr. f. KGesch. XI S. 155f.): 'ilyrjöljznov xov im xolg ygovotq xeov cuzoöxoXgjv axfiaoavxog vüzo^ivijiiaxcov e. Zahn i. Theol. Lit. Blatt 1893 Nr. 43, der auch auf die konstantinop. Kataloge saec. XVI, die Förster herausgegeben hat (Rostock), verweist.

S. 494. Resch (Texte u. Unters. X; 2 S. 56) macht aufmerk- sam, dass Hall im Journ. of Bibl. Litt. 1891 X p. 153 155 zwei Citate aus dem Diatessaron bei Barhebräus und durch Vermittelung Ebed Jesu's bei Jesudad nachgewiesen hat. Sie bezeugen beide, dass Tatian Mtth. 3, 4 gelesen hat: ?} ös XQog)// avxov ijv yaXa xal [i£li ajQtov. In den Ew. Cureton's heisst das Matth.-Ev. in der Überschrift: „Getrenntes Evangelium des Matthäus."

S. 496 Z. 12. Lies Abdullah.

S. 496. Hill, The earliest life of Christ ... Diatessaron of Tatian. Edinburgh 1894.

S. 504 Z. 22. Zahn hat mit Recht diese Voten dem Brief des Apollinaris zugewiesen (Forsch. V S. 4 ff.).

S. 507 Z. 6 f. S. die Untersuchung dieses Stückes und ähn- licher Angaben bei v. Dobschütz, K?]Qvy{ta IHxqov 1893.

Harnack, Zur Überlieferungsgeschichte der altchristl. Litteratur. 17

S.507 Z.21. Basilius citirt: tvxq3 e rijg xwv xQovmv ejiLxo^ijg.

S. 524 Z. 20 v. u. Dazu eine syrische Übersetzung und eine Notiz im Liber Chalifarum (Land, Anecd. Sjr. I p. 19 des syr. Texts, p. 118 der lat. Übersetzung).

S. 527. Martyr. Hieron.: „VII Id. Januar.: in Nicomedia Lu- ciani presbyteri, qui in quattuor partes divisus est." Hieron. Chron. z. ann. 330: „Drepanum Bithyniae civitatem in honorem mart. Luciani ibi conditi Constantinus instaurans etc."

S. 529 Z. 20. Tilleinont und Batiffol haben sie beanstandet.

S. 543. Zu Pamphilus s. Bousset, Texte u. Unters. XI, 4 S. 45 ff.: „Der Codex Pamphili."

S. 543 Z. 3 v. u. Lies xoiavxrj.

ß. 544 Z. 1 xo tevxoq, Z. 2 [irj ßaov, Z. 3 svoeiv {avxijQa- (pov) ov oadiov, öiecpcovrj de xo avxo ütaXaicoxaxov ßtßZtov jiqoq, xoöe xo xevyoo, etq xa (xiva) xvoia ovofiaxa, Z. 6 ytyyafifievov avxov , Z. 8 (ejiLöxokwv), Z. 9 statt xai lies rov. S. Zacagni. Collect, monum. vet. Rom. 1698 p. 513. Z. 15 lies Patm. 270, cf. Robinson, Philocalia p. XVII. Z. 17 f. lies dioQ&coöavxo. Der Cod. Bibl. Neapol. II Aa 7 (XII. saec. ?) enthält Acta bis Apocal. Gregory (p. 627 minusc. 83) schreibt: „Textum olim cum codice Pamphili Caesareae conlatum esse profitetur. Evagrius scripsit."

S. 545 oben. Hieron., Praef. in Paralip.: „Mediae inter has provinciae Palaestinos Codices legunt, quos ab Origene elaboratos Eusebius et Pamphilus vulgaverunt."

S. 545 Z. 20. Dass die Bibliothek noch im 6. Jahrhundert be- standen hat, ist wahrscheinlich; damals ist der Cod. H geschrieben.

S. 565 Z. 24. Die Schrift ist einem Bischof Theodotus gewidmet.

S. 570 f. Die Stücke S IV, 6 u. V, 38 auch im Cod. Vindob. theol. Gr. (Lambec. 42, Nessel 71).

S. 573 Z. 21. Syrisch giebt den Brief Gwilliam (Stud. Bibl. Oxf. II p. 254ff.) nach Tetraev. Florent. I u. II Plut. I nr. 56. 58. Mus. Brit. Add. 17213. 17224. Par. Syr. 33 (auch im jüngeren Cod. Ridl. Oxf. New College; einst hat er wohl auch im Syr. Vatic. v. J. 548 gestanden). Lateinisch in Vulg.-Codd., s. auch Hieron. ep. ad Damas.

S. 576 oben. Im Cod. A sind dem Psalter vorangestellt Eu- sebii in psalmos hypotheses.

S. 584. Katalog von Iwiron (Athos) nr. 12S0 (Meyer, Ztschr.

f. KGesch. XI S. 155 f.): Evöeßiov zrjq y.iöaQuaq ßißXoc JttQi xjjq Texte u. DntersuchuDgen XII, 1. 9

lg llamack, Zur OberlieferungH^csclucJite der altchriltL Litteratur.

T(ßv tvuyyiXiov diacpcc . . (?) dg rov jiQO(p?'/Tr/v rjoalav Xöyoi r. xovrd. Jco(t(pv()iov Xoyoi X' . tojilxov Xoyog a. ajioXoyla vxiq coQiyivovg. X£(>1 fiiov jiaiiqAXov rov {taprvQog Xoyoi y . jeeoi (laQTVQiov (?). dg rovg qv tyaXfiovc vjiofivr/fiaza.

S. 585 Z. 22 v. u. Cf. Batiffol, Rossano p. 137. 144.

S. 590. Zu Apollonius' neuentdeckter Rede, die vielleicht schon Tertullian und das Mart. Ignat. Vatic. benutzt haben, s. Sitzungsber. der K. Preuss. Akad. d. Wissensch. 27. Juli 1893 und Seeberg i. d. Neuen kirchl. Ztschr. 1893 H. 10 S. 836ff.

S. 591 Z. 7 v. u. Auch die lugdunensische Gemeinde hat sich nach Zahn, Forsch. V, S. 7, an Eleutherus brieflich gewendet. Z. 5 v. u. Nach Zahn V S. 56 soll Victor der Verfasser sein.

S. 592 Z. 1 7. Epiph. h. 55, 8 findet sich eine wichtige theodo- tianische Satzgruppe wörtlich, s. besonders den Abschnitt: Kai Xqiotoq [itv tgsXtyr] rijg evXoyiag.

S. 592 Z. 11 v. u. Zu Theodotus bemerke: Iv naiöeia ^EXXrj- vtxjj axQog, jioXvfiafrrjg rov Xoyov.

S. 598 Z. 3. Ein Chirographen des Praxeas wird von Ter- tullian adv. Prax. 1 erwähnt.

S. 605. Zu Kaliist: Im Lib. Pontif. (Duchesne I p. 141) wird dem Kallist ein Fastenedict beigelegt: „Hie constituit ieiunium die sabbati ter in anno fieri, frumenti, vini et olei, seeundum prophetiam." Zu Kallist s. auch Theodoret, h. f. III, 3.

S. 605 Z. 20 v. u. Schiebe nach 39 ein: 39b) Aoyog eig rovg ovo Xrjöxdg

S. 626 zu 21). Wohl schon benutzt in Pseudocypriaii's Schrift de pascha computus.

S. 629. Katalog von Iwiron (Athos) nr. 1280 (Meyer, Ztschr. f. KGesch. XI S. 155 f.): rov ay. 'IjijzoXvtov Xoyoi diäyoQoi xal LütiGToXal dg zf/v ddav yQa<pr\v.

S. 639 zu 36). Ein neues Stück des Danielcommentars hat Achelis in Paris gefunden.

S. 640. Zahn, Forsch. V S. 120 hält den „kleinen Daniel", den Hippolyt nach Ebed Jesu commentirt haben soll, für ein altes Apocr. Danielis. Lightfoot (Clement II p. 350 f. 390) weist auf eine syrische Hdschr. bei Wright, Cat. of syr. mss. I, 19, cod. miscell. saec. XII., die hinter den deuterokanonischen Zuthaten zu Daniel ein Fragment enthält „aus dem kleinen Daniel über unsern Herrn und das Ende (der Welt)."

Harnaok, Zur tberlieierungsgeschichte der altchristl. Litteratur. ]Q

S. 642 Z. 8 v. u. S. Zahn, Kanonsgesch. I S. 320 n. 2.

S. 640 Z. 12 v. u. Lies 1893 II, 2.

S. 653 Z. 14. 15. Erwähnt in der Schrift de cibis Jud. 1.

S. 653 Z. 29. De trinitate ist wohl noch vor dem Schisma geschrieben, de cibis Jud. von einem secessus aus an die römische novatianische Gemeinde, ebenso wie de sabbato und de circumcis.

S. 053 Z. 15 v. u. Tilge den ersten Satz. Die Schrift existirt noch im Cod. Petropol. Q. v. I. 39 (unmittelbar vor der lat. Über- setzung der ep. Barnabae). Diese Zusammenstellung giebt um- somehr zu denken (s. auch Zahn, Kanonsgesch. I S. 324 n. 1), als die Titel der kleinen Schriften Novatian's z. Th. auf die Leetüre des Bamabasbriefs hinweisen. Über den Codex s. 13 eis heim, Ep. Jacobi 1883 und Wordsworth, Stud. Bibl. Oxf. 1885 I p. 113f. Unter dem Attalus („de Attalo") ist wohl der bekannte lugdunen- sische Märtyrer zu verstehen, der gegen die enkratitische Lebens- weise eine Offenbarung empfangen hat.

S. 656 zu § 33. Die römische novatianische Partei hat auch an ihr Haupt, Novatian, geschrieben, während er sich in secessu befand (s. Novat, de cibis Jud. 1 init., welcher Tractat die Ant- wort ist). Novatian spricht 1. c. von „litterae et scripta", resp. von mehreren Briefen („frequentiores litterae").

S. 669 Z. 1 v. u. Hier c. 1 ein Zeugniss für die ältere apolo- getische Litteratur der Kirche.

S. 671 Z. 10. Möglich ist, dass eine „psychische" Schrift zu Grunde liegt, die Tert. widerlegt; ich zweifle aber, dass sie be- stimmt werden kann. Mit den letzten montanistischen Schriften Tert. 's ist Epiphan. h. 48, 2 13 zu vergleichen.

S. 672 Z. 12 v. u. Setze nach „repertus" hinzu: „Si a vobis propter celebritatem urbis fuerit inventus, quaeso ne meam stillam illius flumini coinparetis; non enim magnorum virorum ingeniis, sed meis sum viribus aestimandus."

S. 674 Z. 10. Oehler, Tertull. Opp. 1 praef. p. XXI schreibt: y, Graecum Tertulliani exemplar ex bibliotheca regis Hispaniae exspeetasse Pamelium diseimus ex huius dedicatione ad Philip- pum IL Hispaniae regem." Oehler selbst spricht 11 p. 748 von einer „fama mendax". Bei Graux habe ich nichts gefunden.

S. 679 Z. 15 v. u. Auch in einem Leidener Cod. sind Ter- tulliani declamationes" enthalten; sie sind, wie in derMnemos. 1891 gezeigt worden ist, ein quintilianisches Werk (Pseudo-Quintilian).

9*

20 Harnack, Zur Oberlieferungsgeschichte der altchristl. Litteratur.

S. G80 Z. 3. Novatian zeigt sich in dein Werk de Trinit. abhängig von Tertull. Apol., adv. Marc, de carne und adv. Prax.

S. 681 Z. 16 v. u. Hieron. spricht von einem „index Septimii Tertulliani" ep. 65, 23 ad Fabiolam, hatte also wohl einen voll- ständigen Katalog der Werke Tertullian's, aber diese selbst nicht vollständig.

S. 683. Über das Verhältnis des Prudentius zu Tertullian s. Brockhaus, Prudentius S. 203 217, der es sehr eng fasst; da- gegen Rösler, Prudentius (1886) S. 243ff.

S. 685. Stillschweigend hat Leo I. in seinem Lehrbrief an Flavian den Tertullian ausgeschrieben, nämlich adv. Prax.

S. 703. Über das Verhältniss v. Prudentius und Cyprian s. Rösler, Prudentius passim.

S. 716. Basilius ep. 188 ad Amphilochium erwähnt, dass Fir- milian und Cyprian im Ketzertaufstreit übereingestimmt hätten.

S. 724. Erwähnt seien die zahlreichen von den Confessoren ausgestellten libelli, die die Worte enthielten: „communicet ille cum suis," s. Cypr. ep. 15, 4; 18, 1; 19, 2; 20, 2; 22, 2; 33, 2.

S. 726 zu nr. 30. Auch die Gemeinden selbst haben geschrieben.

S. 729 zu nr. 39. Die Überlieferung ist merkwürdig; nicht nur giebt es eine griechische und syrische Übersetzung (s. S. 716), sondern einige lat. Handschriften bemerken auch zu einigen Bischöfen „Märtyrer" „Confessor" oder Ähnliches, haben also locale Nachrichten aufgenommen.

S. 743 Z. 6. Contra Ruf. II, 8. 10.

S. 745. S. jetzt auch die Ausgabe von Ziwsa, Optati Opp. Appendix (1893) nach neuer Vergleichung des Parisinus 1711.

S. 755 zu § 2. S. die vorstehende Abhandlung Schlatter's.

S. 761 Z. 9. Siehe die Glossen z. d. St. im Cod. Mazarin. und Venet. 338. Vielleicht sind manche KV VCitate auf die Dialoge (nicht auf die Homilien) zu beziehen; s. Bigg, Stud. bibl. Oxf. II p. 157 ff.

S. 768. Vielleicht sind unter „Les Paroles de Juste" bei Mkhithar (s. GL S. XXXIII) die Sixtussprüche zu verstehen.

S. 775. Man könnte hier das Gedicht des Antonius adv. gentes einschieben (nur überliefert im Ambros. Cod. der Ge- dichte des Paulin v. Nola, Edit. princeps v. Muratori, Anecdot. 1697, Gallandi III p. 653 sq., Oehler in seiner Ausgabe des Minucius, etc.), weil noch Manche an einen Dichter Antonius um 280 glauben (s. Wetzer u. Weite 2. Aufl. sub „Antonius"

Harnack, Zur Überlieferungsgeschichte der altchristl. Litteratur. 21

u. A.); allein das Gedicht gehört höchst wahrscheinlich dem Paulus v. Nola (s. Bursian, Sitzungsber. d. Münchener Akad. 1880 I, 1, Ebert, Christl.-Lat, LittGesch. I2 S. 307, Teuffei5 S. 1123). Inc. „Discussi fateor sectas", expl. „aeterna manebit".

S. 779 zu § 31. S. James, Texts and Studies II, 3 p. 151 f.

S. 7S1 Z. 10 lies 513 statt 533.

S. 781 zu § 40. Eine koptische Erzählung „Assumptio Vir- ginis" ist dem Euodius beigelegt, s. James, Texts and Studies II, 2 p. 58, Revillout, Apocr. copt. de N.T. p. 75—112.

S. 787 zu § 61. Ein verlorener Brief des Paulus von Athen an Silas und Timotheus wäre anzunehmen, wenn Act. 17, 15 mit einigen Codd. zu lesen wäre: xal Zaßovzeg eniözoZrjv an avzov noog zov SiXav xal zov Tituo&eov.

S. 788 zu § 63. Eine lat. Übersetzung nach Cod. Paris. Nat. 1631 (Nov. acq.) saec. VIII. bei James, Texts and Studies II, 3, s. auch seine Untersuchung II, 2 p. 20 sq.

S. 790. Vom römischen Bischof Telesphorus schreibt das Papstbuch (Duchesne I p. 129 sq.): „Telesphorus constituit, ut ante sacrificium hymnus diceretur angelicus, h. e. Gloria in ex- celsis."

S. 795. Als poetische Stücke sind weiter noch zu betrachten 1 Tim. 3, 16 (og e<paveoco&r] ev öaoxi); II Tim. 2, 11 13 (ei ydg ovvane&dvofiev); Ignat. ad Ephes. 4, 7, ferner ein Theil der GL S. 251 aufgeführten melitonischen Stücke; Hippol. c. Noet. 18, namentlich aber Diognet 9 (ovx efiiörjOev rjfiäq ftvrjzwv), Diogn. 7 (dg ßaOiXevg nefinwv vnoozrjöezai), Diogn. 71 (og vno Xaov äzLfiao&elg X&Qiq axigra); Theoph. ad Autol. III, 15 (eyxgareia doxeltai ßaotZevei); Const. App. VIII, 12 (ro ovofid öov naxgog avrov und xal öeöwxag avzcp enrjyyeiZoj)\ Novat., de trinit. 29 („Hie est qui inexplebilis evangelia custo- dit" und „Hie in apostolis sanetitate custodit"). Zu Clem. Alex, füge hinzu: Paedag. II, 4 (Gesänge bei Tisch), Strom. I, 1. VI, 2 u. 11 und das ihm beigelegte Lied auf den Pädagogen. Zu Tertull. füge de orat. 28. Zu Orig. füge Orig. in Judic. hom. 6 c. 3 u. Selecta in Ps. 118 (Lomm. XIII p. 106): coöneQ xdJv ev&vftovvTaiv eorl ro ipaZleii> evß-v/iel ydo zig, <pr]6iv, ev vfilv, tyaXXezw ovzco zb vfivelv zcov &ewoovvza)v zovg Xo- yovg zwv dixaiwiidzaiv lozlv. aXXc zo (iev tydlleiv av&gmnoig aoku6Cei, zo öe v\ivelv dyyeXoig ?) zolg dyyelixov e%ovGi ßiov.

22 Harnack, Zur Oberliefeningsgeschichte der altchristl. Litteratur.

öio xal ol ayoavXovvxig xoifiivsc ovx qxovöav dyyiXoov tpaX- Xovxwv, äXX3 avv/ivovvTCOv xal Xsyovtwv' öo§a iv viploxoig &ecp xal xa e§fjg. loxi xolvvv ev&vula äjtäfrtia ywyr/c, ano xwv tvxoXo~)V xov &eov xal xojv aXrfiivvjv öoy/jaxajv jiqoo- jLVO[i£vr}, vfii'og 6i toxi öo^oXoyia. Wichtig ist auch für die altchristlichen Gesänge der Cod. A, in dem u. A. der Hymnus (Abendlied) <Po5g IXaoov ayiag steht (s. Routh, Reliq.2 III p. 515 sq. u. Usser, Diatr. de symbol., der noch zwei Psalteria mss. benutzt hat, eines Colleg. S. Benedicti Cantabrig. und ein Bodlej.). Diesen Hymnus hat auch Basilius de spiritu s. 29 erwähnt und sein hohes Alter hervorgehoben. Basilius erwähnt auch 1. c. einen Märtyrer Athenogenes, der auf dem Wege zum Feuertod einen Hymnus gesungen habe, den er seinen Gefährten hinterliess. Auf den Hymnus, der uns nicht erhalten ist (auch von Athenogenes wissen wir sonst nichts; doch s. Vita Euthymii VII, 21 ed. de Boor), berief sich Basilius (wie auf den hymnus vespertinus) für die Lehre vom h. Geist: sl dt xtg xal xov vpvov 'A&rjvoyivovg tyvw, ov coöjisq xl aXe^rjxrjQiov (?) xolg Gvvovöiv avxcß xaxaXtXoLJtev, OQfimv ?/Öt] jtQog xrjv öta Jivoog xtXucoöiv, oiöe xal xrjv xcov {/aoxvocov yva>[i?]v ojiwg etyov jisqI xov jcvevf/axog.

S. 807. Zu den Märtyreracten vgl. die Arbeiten von Le Blant und Egli, Altchristliche Studien. Martyrien und Martyrologien ältester Zeit 1887. Ders., Zu den altchristlichen Martyrien i. d. Ztschr. f. wiss. Theol. 1888 S. 385 ff.

S. 808. Über Verfolgungen der Christen durch die Juden s. N.T., Martyr. Polyc. und Pionii, Justin, Apol. I, 31. 36. Dial. 16. 95. 110. 131—134. Diogn. 5 etc.

S. 809 Z. 33. Martyrium des Aurelius Quirinus bei Euseb., h. e. V, 19.

S. 812 f. Verleugnung des älteren Theodotus Epiphan. h. 54, 1. Nicht bekannt ist das Zeitalter des Märtyrers Athenogenes (s. o.). Das Martyrium des Telesphorus ist wohl Tertull. adv. Valent. 4 gemeint. Das Martyrium des Praxeas bei Tertull. adv. Prax. 1. Wichtig ist Scorp. 15: „Et si fidem commentarii (d.h. der Process- acten) voluerit haereticus, instrumenta imperii loquentur, ut lapides Hierusalem. Vitas Caesarum (was für Biographieen sind das?) legimus: orientem fidem Romae primus Nero cruentavit etc.", s, auch ad Scapul. 5 (Arrius Antoninus), 4 (Protocoll über einen an- geklagten Christen, das dann der Richter Pudens zerriss). Acta

Harnack, Zur Überlieferungsgeschichte der altchristl. Litteratur. 23

Perpet, praef.: „Si vetera fidei exeinpla et dei gratiam testificantia et aedih'eationeni hominis operantia propterea in litteris sunt digesta, ut lectione eorum quasi repensitatione rerum et deus bonoretur et homo confortetur, cur non et nova documenta aeque utrique causae convenientia et digerantur? etc.". Pontius, Vita Cypr. 1: „Durum erat, ut cum maiores nostri plebeiis et catecu- minis martyrium consecutis tantum honoris pro martyrii ipsius veneratione tribuerint, ut de passionibus eorum multa aut ut prope dixerim paene cuncta conscripserint, utique ut ad nostram quo- que notitiam, qui nondum nati fuimus, pervenirent, Cypriani tanti sacerdotis et tanti martyris passio praeteriretur." Dass Cyprian der erste Bischof unter den Märtyrern von Karthago gewesen sei. sagt Pontius c. 19. Cypr. ep. 21, 4 Statius, Severianus, Numeria, Candida (s. auch ep. 22, 2). ep. 22, 2: Bassus. Fortunata (darnach ist Fortunatus S. 813 Z. 22 zu corrigiren). Zu Aurelius S. 813 Z. 27 füge ep. 38 hinzu. De lapsis 13: Castus u. Aemilius.

S 8 16 f. Die 2. (römische) Form der Acta Ignat. beginnt: 3Ev stet bvvaxcp rrjq ßaöiZeiag TQaiavov. Die 1. (antioch.) zu- erst edirt von Ruinart. Erste Form lat. zuerst von Usser, zweite lat. unvollst, von demselben (Cotton. Ms. Otho D VIII), dann v. d. Bollandisten. Koptisch im Vatic. copt. 66 u. Turin. Papyr. 1.

S. 819 (A.chatius) 820 (Cyprian), 821 (Claudius, Asterius). Zu diesen Martyrien hat Aube, L'eglise et l'etat T. III (1885) den Cod. Paris. Lat. nouv. acq. 2179 (saec. IX. vol X.) eingesehen, zu Cyprian auch den cod. 5299.

S. 820. Zu der Passio Jacobi, Mariani etc. s. Aube a. a. 0. p. 400 f. u. die wichtige, dort angeführte Inschrift p. 406 f.

S. 824 oben. Füge Passio S. Sabini ein, B a 1 u z e , Miscell II p.47.

S. 826 Z. 30. Verworfen im Decret. Gelas. und von Nice- phorus v. Konstantinop., s. Fabricius, Cod. apocr. N.T. I. II p. 951, Zahn, Forsch. V S. 111.

S. 827 Z. 2. S. auch Aube, L'eglise et l'etat T. III (1885) p. 507 f., der eine Pariser Hdschr. eingesehen hat.

S. 827 Z. 14. Lies Parthenius und Aube, 1. c. T. 111, der die Codd. Paris. Lat. 12 611 und 14 651 benutzt hat,

S. 828 Z. 11. S. die Acta S. Stephani papae et mart. ex Arm. Lat. edita a Paulino Martino. Anal. Bolland. I p. 470 ff.

S. 828 Z. 25. Lies Marius, s. Cod. Paris. Lat. 5299.

24 Harnack, Zur Überliefern n^sjreRchichte der altchristl. Litter atur.

S. 830 Z. 12. Verworfen im Decret. Gelas und von Nicephorus v. Konstantinop., s. Fabricius, Cod. apocr. N.T. I. II p. 951, Zahn, Forsch. V S. 111.

S. 830 Z. 16 v. n. Lies Theodotus . . . Alexandra; füge hinzu Phaine, Claudia, Euphrasia, Matrona, Julitta, Victor, Sosander.

S. 833. Der Märtyrer Varus unter Maximin, Bolland. 19. Octob. p. 428.

S. 836 Z. 5 v. u. Nicht nach einem alten Uncialcodex (aus ihm, nämlich dem Alexandr., ist nur der Text genommen), son- dern aus zwei Codd. Bodlej.

S. 841 Z. 2 ist Cod. Gr. Vatic. 792 hinzuzufügen.

S. 851 zu 46). Eine apokr. junge Apoc.Daniel's bei Tisch en- dorf, Apocal. apocr. p. XXX. Über Zahn's Annahme eines alten Apokryphon Daniel's s. o. z. S. 640.

S. 851 zu 51). S.dasVerzeichnissdesMkhithar,GL S. XXXIII.

S. 851 zu 52). S. Berger, Notice sur quelques textes latins inedits de l'Ancien Testament. Paris 1893. Etwas für den grie- chischen Urtext soll man nach James, Texts and Studies II, 3 p. 127 f. aus der jungen Apoc. Sedrach gewinnen können, s. auch 1. c. II, 2 p. 31 ff. 66.

S. 852 za 55). S. Charles, The book of Enoch 1893 und die armenischen Verzeichnisse GL S. XXXIII. XXXIV. Die Exi- stenz eines lateinischen Henochs ist durch Zahn (s. auch Forsch. V S. 158) und James, a.a.O. p. 146 ff. (Cod. Mus. Brit. Lat. 5 E XIII saec. VIII.) erwiesen, s. auch Charles a. a. 0. p. 372 ff.

S. 852 zu 56). S. GL S. XXXIII. James (a. a. 0. p. 164 ff ) berichtet über ein Stück aus dem lat. Cod. Cheltenham. 391 saec. XI. „Oratio Mosis" und leitet es aus der Assumptio ab.

S. 852 zu 57). S. R. Harris, The rest of words of Baruch, a Christian apocalypse of the year 136 (1889). Es soll benutzt sein in der äthiopischen Apokalypse des Zosimus (James, a. a. 0. p. 90).

S. 852 zu 58). S. GL. S. XXXHI f.

S. 853 za 60). Euseb., Praepar. VI, 64, ine: aviyvcDV yag hv raiq, vgl. auch GL S. XXXIII f. Oppenheim, Fabula Josephi et Asenethae apoerypha. Berlin 1886.

S. 853 zu 61). S. das zu S. 857 über die Apocr. Zosimi Be- merkte. James (a. a. 0. p. 174 ff.) ist geneigt, das aus dem Cod. Cheltenham. 391 entnommene Stück „Vision des Kenaz" hierher

Harnack, Zur Überlieferung3geschichte der altchristl. Litfceratur. 25

zu ziehen. Aber er verwirft dann diese Hypothese und sieht in diesem Stück und in den zwei folgenden des Cod. Cheltenhatn. (Klage der Tochter Jephtha's und Citharismus David's vor Saul) hagiographische Zusätze zürn A.T.

S. 853 zu 62). S. GL S. XXXIII.

S. 856 zu 65). Beschreibung des Antichrists in einem alten lateinischen apokr. Fragment, Cod. Trevir. 36 (datirt ann. 719) fol. 113, s.James, a.a.O. p. 151 f. Inc.: „Haec sunt signa anti- christi. caput". Verwandtschaft mit der Schilderung im Cod. Sangerm. Syr. 36 (Lagarde, Reliq. Gr. p. 80), auch mit dem Antichrist in der Apoc. des Sophonias.

S. 856 zu 66). S. GL S. XXXIII. James, a. a. 0. p. 138 ff. (s. Texts and Stud. II, 2 p. 127) nach dem Cod. Paris. Gr. 2419 saec. XVI. Hort „Adambücher" im Dict. of Christ. Biogr.

S. 857 Z. 24. Vgl. dazu Iren. IV, 17, 3 u. Clem., Paedag. III, 12, Strom. II, 18, s. James, II, 3 p. 145.

S. 857. Füge hinzu: James, Texts and Stud. II, 3 p. 86 ff. : Apokalypse des Zosimus nach Cod. Par. Gr. 1217 saec. XII. und Bodl. Canonic. Gr. 19 saec. XV. vel XVI. (es giebt auch noch einen Cod. Mosq. Synod. 290). Das Buch existirt auch slavisch, syrisch, äthiopisch und arabisch. Benutzt soll ein ähnlicher Stoff sein in dem äthiopischen Conflict ofMatth. (Malan, Conflicts of the Holy Apost. p. 44) und bei Commodian, Instruct. II, 1 und Carm. apoiog. 941 ff. Also liegt eine ältere (verlorene) jüdische Apokalypse zu Grunde, vielleicht die Eldad's und Modad's, wie James p. 93 vermuthet. Vgl. über die Zosimus- Apoc. auch die Liste des Nicephorus v. Konstantinop. (Fabricius, Cod. apocr. N.T. I. II p. 951 f.): rrjv ajzoxälwpiv "Eödga xal Zcooifiä. Also war sie im 9. Jahrh. bekannt.

S. 858 zu 69). Füge Hiob hinzu (Mai, Script. Vet. nova coli. VII p. 180 sq.).

S. 858 zu 74) u. S. 861 zu 80) S. GL S. XXXIV u. XXXIII.

S. 863 zu 81). Justin, Apol. I, 44, Agathias VI, 24.

S. 865. Positiv unrichtig sagt Julian (adv. Christ, p. 206 B.): „Wenn man mir einen einzigen namhaften (Schriftsteller) jener Zeit aufweist, der diese Leute (die Christen) erwähnt hat so haltet mich in allen Stücken für einen Lügner."

S. S65 Z. 6 v. u. Nerva's Edict gegen die Delatoren Dio Cassius 68, 1.

20 Harnack, Zur Oberlieferungsgeechichte der altchristL Lifetorator.

S. 866. Hier ist auch des T. Flavius Clemens und der Üomitilla (Dio Cassius 67, 14; Saeton, Domit. 15) zu gedenken sowie des Schriftstellers Bruttius (Christ?), s. Euseb., Chron. ad ann. 2110; h. e. III, 18; Malalas p. 34. 193. 262. Chron. pasch. I p. 467 sq.

S. 868 oben. Euseb., Praepar. IX, 10, 3: (iexa de ra o rr/q aixftccXcvölaq errj KvQoq IIsqOcov eßaöiXevoev, cp exet 'OX.vfijiiäq r)X&ri ve ' > °^ &x r<^v ßißAiofrrpceov Aloöo')Qov xal xoZv OaXXov xal KaoroQoq Iöxoqhdv, ext de üoXvßiov xäl <t>Xeyovxoq eoxcv evQeiv, aXXd xal exeqaiv, olq efieX?]öev 'OXvfijttdöcov.

S. 868 Z. 17. Inc., seil, bei Eusebius.

S. 871 Z. 25. S. zu Septimius Severus und Caracalla auch Tertull. ad Scapul. 4 (Proculus) und Spartian, Carac. 1.

S. 872. Zur Verfolgung des Decius s. den Papyrus Berol. 7297, einen libellus des libellaticus Aurelius Diogenes, Sohn des Satabus (Sitzungsber. d. K. Preuss. Akad. d. Wissensch. 30. Nov. 1893); ine: Tolq sju xwv ftvöicov. Eine Gerichtsformel Cypr. ep. 66, 4. Eine Äusserung des Decius liegt wohl der Mittheilung Cypr. ep. 55, 9 zu Grunde. Das Edict des Decius, welches im 5. Edict der letzten grossen Verfolgung copirt erscheint, kann jetzt mindestens theilweise wieder hergestellt werden, s. Theol. Lit.-Ztg. 1894 Nr. 2. Zur Verfolgung s. Gregor Nyss., Vita Gregorii Thaum. bei Migne T. 46 p. 944.

S. 874 Z. 11 v. u. Füge das (5.) Edict Maximin's ein, Euseb., de mart. Palaest. 9, 2 und dazu Mason, Persec. of Dioclet. p. 285.

S. 875 Z. 9 v. u. Mason, a. a. 0. p. 217 f.

S. 878 Z. 6 v. u. Dieser Vorwurf ist bis in's 5. Jahrh. erhoben worden (Christus habe aus Plato geschöpft). Gegen ihn hat Ambrosius (nach Augustin ep. 31, 8) eine verlorene Schrift verfasst.

S. 873 Z. 27 u. 28 lies 1876 statt 1879.

S. 879 Z. 17. Monotheismus.

S. 883 Z. 13. Das Fragezeichen ist zu tilgen.

S. 917 Z. 10. Sibyllen.

S. 917 Schluss. Füge hinzu: Apokalypse des Zosimus (s. Kozak i. d. Jahrbb. f. protest. Theol. XVII S. 158 f., James, Texts and Stud. II, 3 p. 87).

S. 925 Z. 15 v. u. Lies Z. 19 v. u.

Harnack, Zur Lberlieferungsgeachichte der altchristl. Litterafcur. 27

Register.

S. 937. Abgar 909. 919 Ad omnes philosophos des Ari- stides 99 Adambücher 913 Advers. gentes des Antonius 775.

S. 938. Aelius Publius Julius, Bischof v. Debeltus 243 Africanus 893 Alexander, Sohn des Antonius 259 Ammia 240 Aminonius Sakkas 406 Arnos, angebl. Auslegung des Clemens Alex. 303 Ampullianus 928 Ananias Mart. 907 Andreasacten 905. 920.

S. 939. Antonius, Carmen adv. gentes 775.

S. 940. Aristides 892 Arrius Antoninus 812 Aseneth 915 Askewianus Cod. 918 Assumptio virginis des Euodius 781 Athenagoras lies 256 Athenogenes 258. 795. 812 Aurelius Diogenes 872 Aurelius Quirinius Martyr 243.

S. 941. Barnabasacten 905 Barnabasbrief 891 Bartholo- mäus-Apok. 919, -Fragen 912, -Acten 920 Baruchapokal. 916 Bileam-Prophetie914 Brucianus Papyrus 918 Bruttius 866 Caracalla 871.

S. 942. Christi Streit mit dem Teufel 910.

S. 943. Daniel 916 David-Apokryphen 914.

S. 945. Declamationes Tertull. 679.

S. 947. Dionysius Alex. 897 Domitilla 866.

S. 948. Elg ivoyZovfievovg xrX. des Gregor Thaum. 432 Elias-Apok. 918 Esra jüngere Apok. 917.

S. 949. Euodius fuge hinzu: „Assumptio virginis."

S. 950. Fabius, Adressat der Schrift de fuga Tertull.'s 670 Felix, Statthalter von Alex. 291 Florilegien 842.

S. 951. Zu Gregor Thaum. füge hinzu: ix xr/g äjzoxaZvipeoyg, ein Xoyog, jtQoöevyj], exorcismus, jteQt ayytXwv, narratio de CCXII patribus Beryti congreg., Liturgia 432 Helena Simon's 153 Henoch-Apok. 913 f. Herraas 891.

S. 952. Hiobbuch, apokr. 915 Hippolyt, Xoyoi öidcpo- qol Tcal ejtioroZal elg xip &dav ygcupf/v 629; 893 ff. Hypomne- mata des Ambrosius 757 Jacobsleiter 915.

S. 953. Jacobus, Herrabruder, Mart. u. Acten 905. 921. 922 Jacobusev. 909 Jeremias, Apokr. 916 Jesajas Ascensio 916 Jesus, Apokr. Koptisches 923 Ignatius 891. 919, Martyrium 919 Johannesacten und Dormitio 903. 922. XXXIII Johannes

28 Harnack, Zur Überlieferungsgeschichte der altchristl. Litteratur.

der Theol., Fragen 911 f., Auf den Hingang der Gottesmutter 912 Joseph, Tod des 924 Joseph v. Arimathia, Narratio 910 Josephus, Geschichtsschreiber 917.

S. 954. Isokrates 430 Judas -Thaddäus, Acten 921 Julianus v. Apamea 240 Justin 892.

S. 955. Lamechbuch 914 Laodicenerbrief 4. 33. 907. 924.

S. 956. Aoyoq xe<paL jisqI yvx?js des Gregor Thaum. 431 Lot, Buch 914 Macedonier, angebl. Brief des Paulus an sie 787 f. Makkabäerbuch 917 Marcus, Mari 906.

S. 957. Maria, Transitus 912. 923 Matthäus, Acten 905. 906. 920 Matthias, Acten 922 Melchisedek- Schrift 914 Metastasis Johannis 126. 903. 922 Methodius 898.

S. 958. Moses, Assumptio 915 Narratio de CCXII patribus Beryti congreg. des Gregor Thaum. 432 Nathanael 906 Nerva 127 Nikodemus, Ev. 907. 922 Noahbücher 914 Novatianer] füge hinzu: Briefe an Novatian

S. 959. Origenes 897 Pamphilus 901.

S. 960. Papias, Presbyter v. Achaja 892 Parallela Sacra 842 Paulus, angebl. Laodicenerbrief 907 Paulusacten 903.920.

921 Paulus Apok. 910 Paulus- und Thekla, Acten 904 liegt äyysXcov des Gregorius Thaum. 432.

' S. 962. Petrus- Acten und Mart. 903. 905. 921.

S. 963. Petrusev., ein anderes 921 Petrus v. Alex. 898 Philippusacten 906. 921 Philocalia 394 Philumene 197 f. Phlegon] lies 867 f. Pionius, Mart. 901.

S. 964. Polykarp, Mart. 74. 892. 919. Praxeas, Chiro- graphen 598 Proculus alter 871 Uqoq pvZaxzrjQiov ipvx?j$ x. owftarog des Gregorius Thaum. 431 IjQOösvxrj des Gregorius Thaum. 432 Proteron 199.

S. 965. nQOTQEJirixdg Jigoq 2eßt}Q£lvav Hippolyt 607 Quadratus, Apologie 901.

S. 966. Salomo, Testament 914 Saul, Buch 914 Sebaste, XL martt. 901 Sententiae episcoporum LXXXVII 716 Seve- rina, Adressatin Hipp.'s 621 Sibyllen 917 Simonacten 921.

922 Smyrna, Gemeinde, Brief 817. 892. 919 Socrates, Mar- cionit, und Socratiten (??) 191. 430 Sophonias, Apok. 918 Sotas v. Anchialus 243 Stephanusacten 920.

S. 967. Tertullian, Declamationes Testamente der 12 Pa- triarchen 915.

Harnack, Zur Überlieferungsgeschichte der altchristl. Litteratur. 29

S. 968. Theodotus, Adressat des Eusebius 565 Theodotus, Bischof v. Pergamuin] lies 791 Thomasacten 902 Thomas- ev. 910.

S. 969. Zosimusapok. 857. 917 Zoticus, Bischof v. Kumane 241 Zoticus, Presbyter von Otrus 240 Zum Ruf des Räubers, Predigt des Aristides 99 Zwölf-Apostel-Evangelium 205 ff.

Zum Märtyrerverzeichniss: Aemilius 813 Alexander] tilge den Stern bei 830 und füge ein Alexandra 830 Atheno- genes 795 Aurelius Quirinius 809 Bassus alius 813 Castus 813 Claudia 830 Zu Cyricus 901 Euphrasia 830

Fortunata alia 813 Tilge bei Fortunatus 813 Zu Julitta 901 Julitta alia 830 Tilge bei Maria 813 Marius 828

Lies Parthenius Phaine 830 Sabinus 824 Zu Seve- rianus 813 Sosander 830 Statius 813 Theodotus alius 830 Tilge Theotocus 830 Varus 833 Victor] zu 830 setze einen Stern.

Bibelhandschriften: S. 973 Cod. A (Alex.) S. 39. 45. 48 Cod. A S. 12. Cod. Syr. Curet. S. 12. 494 Neapel II. Aa. 7 S. 544. Harlei. 5647 S.288 Tetraev.Florent.il! Plut. Inr. 56.58, Mus. Brit. Add. 17213 u. 17224, Paris. Syr. 33, Cod. Syr. Vat. (nr.?) v. J. 548, Cod. Ridlei. Oxf. New Coli. S. 573.

Griechische Handschriften: Athen 191 S. 394 Athos, Dionysii 91 S. 134. 149 Tilge Iwiron 1182 S. 470 Iwiron 1280 S. 81. 105. 265. 470. 485. 584. 629 Zu Basel A. III. 9 füge S. 394 Berlin Phillipps 1423 S. 394 Zu Berlin Phil- lipps 1450 füge S. 229. 415 Berlin Phillipps 1491 S. 387 Berlin K. Museum, Papyrus 7297 S. 872 Cambridge, Trinit. Coli. O. 1. 10 S. 394 Constantinopel 523 S. 394 Florenz V. 3 S. 181. 299 Florenz Laurent. KK. I. 39 S. 394 Florenz LXXXVI füge S. 432 hinzu Florenz, Medic. XXVI plut. 9 S. 432 Florenz Riccard. K. I. 13 S. 394 Jerusalem 15 S. 415 Lauban S. 257 Leiden 61. 67. S. 394 London Harl. 5647 S. 288 Madrid 105 S. 432 Mailand Ambros. A. 165 S. 394 Mailand H. 101 S. 394 Moskau Bibl. Synod. 12 S. 394 Moskau 149 S. 45. 49 Moskau 290 S. 857 München 52 S. 394 München 68 S. 332 München 523 S. 394 Oxford Barocc. 8 füge S. 432 zu Oxford Barocc. 26 füge S. 416 zu Oxford Barocc. 142 lies 258 statt 257 Oxford Bodl. Canonic. 19 S. 857 Oxford Bodl. Savil. 11 S.

30 Haniack, Zur Uberlieferungsgeechichte der ultchristl. I- tteratur.

394 - Oxford Hol- H 8. 394 Oxford New Coli 147 8. 394 - Paris 456. 457. 458. 459. 940. 941. 942. 943 S. 394 - Paris 945 füge S. 394 zu Paria 1038 (?) S. 4 IG Paris 1217 8. S57 Paris 1458 S. 129 Paris 2419 8. 856 Paris Suppl. Grec. 615 S. 394 Paris Suppl. Grec? S. 827 Patmos 263 füge S. 114 hinzu Patmos 270 S. 394. 544 - Rheims 78 füge 8. 386 hinzu Rheims (?) S. 367 Rom Barber. III. 84 8. 394 Rom Vatic. 385. 388. 429. 1454. 1565 S. 394 Rom Vatic. 389 füge S. 394 zu Rom Vatic. 1431 füge S. 425 zu Rom Vatic. 1553 füge S. 45 zu Rom Ottob. 67. 410 S. 394 Rom Palat. 203 tilge S. 385 Rom Palat. 205 S. 385 Rom Reg. Sueciae 3 füge S. 394 zu Rom Reg. Sueciae 18 lies S. 331 Turin B. I. 6 und B. VI. 25 S. 394 Turin? S. 541 Turin? S. 432 Venedig 45 füge S. 393 zu Venedig 47. 4%. 122 S. 394 Venedig 338 S. 221. 761 Venedig Mitarelli 168 S. 929 Wien 302 füge S. 385 zu Wien bist. Gr. 3 füge S. 12 zu Wien hist. Gr. 7 füge 459 zu Wien theol. Gr. 53 S. 394 Wien theol. Gr. Lambec. 42, Nessel 71 S. 570.

Lateinische Handschriften. Statt Augsburg ? lies Augs- burg 65 Cheltenham 391 S. 852. 853 Florennes S. 40 Leiden? 679 London 5 E. XIII S. 22. 852 London Otho D VIII S. 817 Oxford Bodl.? S. 64 Oxford Bodl. 105 super D. 1. Art. S. 214 Paris 1711 füge S. vor 745ff. ein Paris 5299 S. 820. 82S Paris 12611 füge S. 827 zu Paris 14651 S. 827 Paris Nouv. acq. 1631 S. 788 Paris Nouv. acq. 2179 füge S. 819. 820. 821 zu Petersburg Q. v. I. 39 füge S. 653. 675 zu Rom Regin. 118 füge S. 93 zu Trier 36 S. 856 Wien 133 S. 405.

Arabische Handschriften. Paris 80 S. 37.

Äthiopische Handschriften. Brit. Mus. Orient. 501. 503 S. 855.

Armenische Handschriften. Etschmiadzin S. 64 Zu Paris 85 füge S. 387.

Koptische Handschriften. Vatic. 66 S. 816f. Turin Papyr. 1 S. 816 f.

Syrische Handschriften. Berlin Sachau 9 füge S. 138 zu Streiche London Brit. Mus. Orient. 501 S. 855, 503 S. 855 Brit. Mus. Syr. Add. 17215 füge S. 193 hinzu Rom Vatic. 180 S. 788. Auf S. 985 Z. 2 statt 576 lies 572.

Harnack, Zur Überlieferungsgeschichte der altchristl. Litteratur. 31

Verschollene griechische Handschriften. Messina. S. 303. 405 Uffenbach. VIII nr. 22 S. 432.

Initien:

a txwQrjoajjev, eyQaxpafiev 132. AiXioq üovjtXiog 'lovZiog 243. avaßaivovzog HavXov elg 136. avaözag de jcqqA (34. aveyvwv yaQ ev zalg 853. avojdsv fieXXoj ozavQOj{)?jvac

128. djtexaXvipi fioi o xvQiog 14. ItyjyoQioq tv xvqIcd xaiQG>v 432. diath'jxT] zojv aylcov zov Xqc-

gzov 834. öia zag altpviöiovq 39 (tilge öia

zovg alcpviöiovg 39). eäv ft?) Jioirjurjze 13. tyxQazsia döxelzai 795. iL yag üvvajiE&avofsev 795. tXaßsv Jtaga zov xvqlov 49. ifie 6 tflzatv 15. evezei Evvazcp zrjg ßaöiXeiagSlQ. tozco zoivvv Jtiözog 42. EvxaQiozovfiev 001 jiccteq 91. exfriözoi xal aXXozQioi 432. Cij 6 freog 6 ev zolg ovgavolg 243. ■ÜSQeia lözl zolg 49. xal ötöojxaq avzcp 795. xal 6 xvgiog XeyEi zov ofioXo-

yqoavza 49.

xal Xqlözoq fitv egeZeyr} 592. xav zi jilavrjd-äjöi 517. kaßeze xal zag 'EXti/vwv 129. Mtliz log xal *Aezioq 834. //// yiveode tzeQo^vyovvzeg 3. 0 xaxmv tavTov zi]V 517. oXog 6h o xodfiog 129. ojtozav 6 hgevg 432. og ecpaveQQjfrr] ev öagxi 795. ozav exeIvoi Evwxcovzai 517. ov yctQ vjtoozaoeig 275. ovx ifiiOTjösv yftctg 795. ovx et-co&tv eöziv 438. jtäv yaQ zo yEvofiEvov 109. jtavza za EJiEQXOfiEvcc 001 91. jtolog de xQv°og rj 247. noXXol eg ai;ro5^ loovzai 33. jioXXmv zoivvv ävscpyjisvwv 41. t/ /«(> £ör^^ X(uoros 128. r/g /«(> JtaQSJccÖrjfttjoag 42. rofs £jrl tö5j> dvöimv 872. to ovo[ia öov 795- <Pg5<; iXaQov aylag 795. yJlQai xal jzaQfrtvot 459. <'>xfc'a^og ajiiQavzog 42. ft)<; ßaöcXevg Jtt^ijiwv 795. wöjtEQ zolg fir]dijta> 438.

communicet ille cum suis 724.

discussi fateor sectas 775.

ego in omnibus tria 432.

et factum est anno XXVI. in 855.

et illi satisfaciebant 64.

filios voci Micheae 855.

haec sunt signa antichristi 856.

hie est qui inexplicabiles 795. hie est verbum 128. hie in apostolis 795. hyrenaeus episc. civitatis Lugd.

instruetus 262. ich, o Fürst, bin 97. ich wundre mich sehr 431.

32 Harnack, Zur Überlieferungsgeschichte der altchristl. Litteratur.

nuntiandum vobis (nicht nobis) quia est arbor quaedam 54.

690. quibus cognitis Petrus 214.

oceanus intransmeabilis est 42. si enim deus nos genuit 306.

post finem 446. si qui seminat 491.

praecepit non (nicht nos) amicos wahnwitzig und ohne Verstand

73. 432.

profetas dei et cum 855.

Druck von August Pries in Leipzig.

Verlag der J. C. HINRICHS'schen Buchhandlung in Leipzig.

Band I— IV auf Seite II des Umschlags.

V, 1. Der pseudoeyprianische Tractat de aleatoribus, die älteste lateinische christ- liche Schrift, ein Werk des römischen Bischofs Victor I. (saec. II.), von Adolf Harnack. V, 135 S. 1888. M. 4.50

V, 2. Die Abfassungszeit der Schriften Tertullians von Ernst Noeldechen.

Neue Fragmente des Papias, Hegesippus u. Pierius in bisher unbekannten Excerpten aus der Kirchengeschichte des Philippus Sidetes von C. de Boor. 184 S. 1888. M. 6

V, 3. Das Hebräerevangelium, ein Beitrag zur Geschichte und Kritik des hebräischen

Matthäus von Rud. Handmann. III. 142 S. 1888. M. 4.50

V, 4. Agrapha. Aussercanonische Evangelienfragmente, gesammelt u. untersucht

von Alfred Resch. Anhang: Das Evangelienfragment von Fajjum von

Adolf Harnack. XII, 520 S. 1889. M. 17

VI, l. Die Textüberlieferung der Bücher des Origenes gegen Celsus in den Hand- schriften dieses Werkes und der Philokalia. Prolegomena zu einer kritischen Ausgabe von Paul Kötschau. VII, 157 S. u. 1 Tafel. 1889. M. 5.50

VI, 2. Der Paulinismus des Irenaeus. Eine kirchen- und dogmengeschichtliche Unter- suchung über das Verhältnis des Irenaeus zu der Paulinischen Briefsammlung und Theologie von Johs. Werner. V, 218 S. 1889. M. 7

VI, 3. Die gnostischen Quellen Hippolyts in seiner Hauptschrift gegen die Häretiker von Hans Staehelin. Sieben neue Bruchstücke der Syllogismen des Apelles. Die Gwynn'schen Ca.jus- und Hippolytus-Fragmente. Zwei Abhandlungen von Adolf Harnack.

III, 133 S. 1890. M. 4.50

VI, 4. Die ältesten Quellen des orientalischen Kirchenrechts. 1. Buch:

Die Canones Hippolyti von Hans Achelis. VIII, 295 S. 1891. M. 9.50

VH, l. Die Johannes-Apokalypse. Textkritische Untersuchungen u. Textherstellung von Bernh. Weiss. VI, 225 S. 1891. M. 7

VII, 2. U eber das gnostische Buch Pistis-Sophia. Brodu. Wasser: die eucharistischen Elemente bei Justin. 2üntersuchgn von Adolf Harnack. IV, 144 S. 1890. M. 4.50

VII, 3/4. Apollinarios von Laodicea. Sein Leben u. seine Schriften. Nebst e. An- hang: Apollinarii Laodiceni quae supersunt dogmatica. Von Johs. Dräseke. XIV, 494 S. 1892. M. 16

VIII, 1/2. Gnostische Schriften in koptischer Sprache aus dem Codex Brucianus heraus- gegeben, übersetzt u. bearbeitet von Carl Schmidt. XII, 692 S. 1893. M. 22

VIII, 3. Die katholischen Briefe. Textkritische Untersuchungen und Textherstellung von Bernh. Weiss. VI, 230 S. 1892. M. 7.50

VIII, 4. Die griechische Übersetzung des Apologeticus Tertullians. Medicinisches aus der ältesten Kirchengeschichte. Zwei Abhandlungen von Adolf Harnack. III, 152 S. 1892. M. 5

IX, l. Untersuchungen über die Edessenische Chronik. Mit dem syrischen Text

und einer Übersetzung herausgegeben von Ludwig Hallier. VI, 170 S. Die Apologie des Aristides. Aus dem Syrischen übersetzt und mit Beiträgen zur Textvergleichung und Anmerkungen herausgegeben von Richard Raabs.

IV, 97 S. 1892. M. 8.50

IX, 2. Bruchstücke des Evangeliums und der Apokalypse des Petrus von Adolf Harnack. Zweite verbesserte u. erweiterte Aufl. VIII u. 98 S. 1893. M. 2

IX, 3/4. Die Apostelgeschichte. Textkritische Untersuchungen und Textherstellung von Bernh. Weiss. 313 S. 1893. M. 10

X. Aussercanonische Paralleltexte zu den Evangelien gesammelt u. untersucht

von Alfred Resch.

1. Textkritische u. quellenkritische Grundlegungen. VII, 160 S. 1893. M.5

2. Paralleltexte zu Matthäus und Marcus. Beündet sich im Druck.

XI, l. Das Kerygma Petri. Kritisch untersucht von Ernst von Dobschütz. VII, 162 S. 1893. M. 5

XI, 2. Acta SS. Nerei et Achillei. Text u. Untersuchung von Hans Achelis. IV, 70 S.

1893. M. 3

XI, 3. Das Indulgenz-Edict des römischen Bischofs Kailist kritisch untersucht und

reconstruiert von Ernst RolfFs. VIII, 139 S 1893. M. 4.50

XI, 4. Textkritische Studien zum Neuen Testament von Wilhelm Bousset. VIII,

144 S. 1894. M. 4.50

XII, l. Der Chronograph aus dem zehnten Jahre Antonins. Von Adolf Schlatter.

IV, 94 S. Zur Überlieferungsgeschichte der altchristlichen Litteratur. Von Adolf Harnack. 32 S. 1894. M. 4

TEXTE UND UNTERSUCHUNGEN

ZUR GESCHICHTE DER

ALTCHRISTLICHEN LITERATUR

HERAUSGEGEBEN VON

OSCAR von &EBHARDT und ADOLF HAMACK

XII. BAND HEFT 1 DER

CHRONOGRAPH

AUS DEM ZEHNTEN JAHRE ANTONIOS

VON

ADOLF SCHLATTER

ZUR ÜBERLIEFERÜMSGESCHICHTE DER

ALTCHRISTLICHEN LITTERATUR

VON

ADOLF HARNACK

LEIPZIG

J. C. HINRICHS'SCHE BUCHHANDLUNG

1894

TERTULLIAN'8

GEGEN DIE JUDEN

All-

EINHEIT, ECHTHEIT. ENTSTEHUNG

ÖEPRÜFt

VON

E. NOELDECHEN.

DIE

PREDIGT UND DAS BBIBFFRAGMBNT

DES

ARISTIDES

AUF IHRE ECHTHEIT UNTERSUCHT

VON

PAUL PAPE.

LEIPZIG

J. C. HINRICHS'SCHE BUCHHANDLUNG

1894.

Verlag der .7. C. HINRICHS'schen Buchhandlung in Leipzig.

Texte und Untersuchungen zur Geschichte der

Altchristlichen Literatur

herausgegeben von Oscar von Gebhardt und Adolf Harnack.

I— III. IV 1/3. V— IX. X 1/2. XI XII 1/2. M. 265.50

I, 1/2. Die Überlieferung der griechischen Apologeten des zweiten Jahrhunderts in der alten Kirche und im Mittelalter, von Adolf Harnack. VIII, 300 S. 1882.

M. 9

I, 3. Die Altercatio Simonis Iudaei et Theophili Christiani nebst Untersuchungen über die antijüdische Polemik in der alten Kirche, von Adolf Harnack.

Die Acta Archelai und das Diatessaron Tatians, von Adolf Harnack.

Zur handschriftlichen Überlieferung der griechischen Apologeten. I. Der Arethascodex, Paris. Gr. 451, von Oscar v. Gebhardt. III, 196 S. 1883. M. 6

I, 4. Die Evangelien des Matthäus und des Marcus aus dem Codex purpureus

Rossanensis, herausgegeben von Oscar v. Gebhardt. Der angebliche Evangeliencommentar des Theophilus von Antiochien, von Adolf Harnack. LIV, 176 S. 1883. M. 7.50

II, 1/2. Lehre der zwölf Apostel, nebst Untersuchungen zur ältesten Geschichte

der Kirchenverfassung und des Kirchenrechts von Adolf Harnack. Nebst einem Anhang: Ein übersehenes Fragment der Jid'axn in alter lateinischer Übersetzung. Mitgetheilt von Oscar v. Gebhardt. 70 u. 294 S. 1884. M. 10

(II, 1/2. einzeln nur in anastatischem Druck (1893) käuflich.)

II, 3. Die Offenbarung Johannis, eine jüdische Apokalypse in christlicher Be-

arbeitung, von Eberh. Vischer. Mit Nachwort von Adolf Harnack. 137 S. 1886.

[Nicht mehr einzeln] M. 5 II, 4. Des heil. Eustathius, Erzbischofs von Antiochien, Beurtheilung des Origenes betr. die Auffassung der Wahrsagerin l. Könige [Sam.] 28 und die dies- bezügliche Homilie des Origenes, aus der Münchener Hds. 331 ergänzt und verbessert, mit kritischen und exegetischen Anmerkungen von Alb. Jahn. XXVII, 75 S. 1886. (Einzelpreis M. 4.50); M. 3.50

11,5. Die Quellen der sogenannten apostolischen Kirchenordnung, nebst einer Untersuchung über den Ursprung des Lectorats und der anderen niederen Weihen, von Adolf Harnack. 106 S. 1886. [Nicht mehr einzeln.] M. 4

III, 1/2. Leontius v. Byzanz und die gleichnamigen Schriftsteller der griechischen

Kirche von Friedr. Loofs. 1. Buch: Das Leben und die polem. Werke des Leontius v. Byzanz. VIII, 317 S. 1887. M. 10

III, 3/4. Aphrahat's des persischen Weisen Homilien, aus dem Syrischen übersetzt

und erläutert von Georg Bert. Die Akten des Karpus, des Papylus und der Agathonike. Eine Urkunde aus der Zeit Marc Aureis, von Adolf Harnack. LH, 466 S. 1888. M. 16

IV. Die griechischen Apologeten.

1. Tatiani oratio ad Graecos. Recens. Ed. Schwartz. X, 105 S. 1888. M. 2.40

2. Athenagorae libellus pro Christianis. Oratio de resurrectione cadaverum.

Recens. Ed. Schwartz. XXX, 143 S. 1891. M. 3.60

3. Die Apologie des Aristides. Recension und Reconstruction des Textes von

Lic. Edgar Hennecke. XX, 64 S. 1893. M. 3

Partiepreis M. 2

4. Theophili libri tres ad Autolycum. Recens. Ed. Schwartz. \ InVorbe-

5. Iustini martyris apologia et dialogus cum Tryphone Iudaeo. ( rpi+nn„

Recens. 0. de Gebhardt et A. Harnack. ) ieituu&-

Diese Ausgaben der Griechischen Apologeten sind nur mit kurzem sprachlichen Commentar und Registern versehen und sollen zum Gebrauch bei Vorlesungen oder in Seminaren dienen, weshalb auch deren Preise möglichst niedrig gestellt wurden.

Fortsetzung auf Seite III des Umschlags.

TEKTULLIAFS

GEGEN DIE JUDEN

AUF

EINHEIT, ECHTHEIT, ENTSTEHUNG

GEPRÜFT

VON

E. NOELDECHEN.

LEIPZIG J. C. HINRICHS'SCHE BUCHHANDLUNG

1S94

Tertullian wird stets citiert in der grösseren Ausgabe Oebler's, Justin's Dialog in der Ausgabe von Otto.

Druck von August Pries in Leipzig.

Inhaltsübersicht.

Seite Minleitung.

1. Altert' Polemik gegen das Judentum. Bekanntschaft Tert.'a mit derselben. Ariston von Pella. Testam. XII patriarch. Barnabasbrief 1—3

2. Justin's Dialog in Afrika ' 3—14

Justin und Tertullian S. 3 6. Bekanntschaft Tert.'s mit Justin's Dialog im allgemeinen S. 6 9. Spuren des Dialogs in Adv. Jnd. a. im „echten" Hauptteil S. 9 10. b. in den dem Antimarcion und den „Juden" gemein- samen Abschnitten S. 10—13. c. in den angeblich un- echten Stücken S. 13 14.

Abhandlung.

1. Die Geschichte des Streites über Adv. Jud 14 24

Semler S. 14 15. Neander S. 15. Laufköther, Böhringer, lfauck, Krüger S. 15 16. Kaye S. 16 17. Grotemeyer S. 17—18. Corssen S. 18—24. (Verwickelung des Pro- blems S. 19. Scripturae divinae, creator S. 20 21. Der faselnde Ausschreiber S. 21. Original und Copie S. 22 24.)

_!. Die Bekanntschaft Tert.'s mit dem Judentum im allge- meinen 24 27

3. Die Einheit von Adv. Jud 27—46

a. Klammern 27 42

Der scheinbare Blödsinn des Compilators S. 27 29. Lö- sung%des Problems : der zweite Teil ein Entwurf S. 29 30. Der Judengenosse und die Corona S. 30 35. populus gens S. 35 40. Christus qui venit S. 40 42. Der Kurs durch die Weltgeschichte S. 42.

b. Bänder 42—46

Christen keine Götzendiener S. 42 43. Tempus medium S. 43. Danielische Jahrwochen S. 44. Die Wieder- holungen S. 45—46.

IV

[nhalteübersicht.

4. Das Verhältnis zum Antiinarcion

Tert.'s Programm: er will entleihen

a. Sachliche Änderungen S. 48 67. nationes nos, nos nati in saeculi desertis; gentes nos, genus humanum 8. 48 51 Die Qualifizierung des „Venit" S. 51 52. Getilgter Ru tionalismus. Erstes diftero S. 53 55. Ein zweites differo S. 55 57. Der Ketzer kennt das Kreuz S. 57 58. und die Demutsgestalt Iesu. Credantur, maneant (magi) S. 58 59. Antimarcionitischer Einschlag: homo, vivere S. 59—61. Die Butterbrotknaben 8. 62—63. Monta- nistischer Einschlag: der „Prophet". S. 63 64. ne cursum demorer (ipse) S. 64 65. Judaea, gens Judaeorum S. 65—66. Veränderte Zeitlage S. 66—67. Bethesda, Haeresis S. 66—67. Anm.

b. Stilistische Änderungen. S. 67 74. Citate verbessert S. 67—68. Promittat, praemittat S. 68 69. Verkürzungen S. 69 70. Steigerung der poetischen Prosa S. 70 72. Wirkung von Philosophemen S. 72 73. Signum dignum. Subnervare, rideo. S. 73—74.

5. Die Zeit

Methodisches S. 74—75. Verhältnis zur „Keuschheit" S. 75. zu dem „Fasten" S. 76. zu de res. carnis S. 76 77. zu adv. Marc. V. S. 77. zu den Einreden S. 77—80. zur Schutzschrift S 80 83. zu ad nationes S. 83. zu de ido- lolatria S. 83 85. zu de spectaculis S. 85. zu de baptismo S. 85 87. zu einer Nachricht Spartians: Caracalla der Judenfreund S. 87 89. Schluss. Einheit und Echtheit. Rhetorische Anlage der Schrift gegen die Juden S. 89 91. Wichtigkeit des Ergebnisses S. 91—92.

Seite

46—74 -16- is 48—67

67-74

74-89

)-92

Einleitung.

1. Altere Polemik gegen das Judentum.

Als am Ende des zweiten Jahrhunderts Tertullian als Schrift- steller auftrat, war das jüdische Wesen teils schon von Heiden studiert, teils zum Gegenstand der Polemik seitens der Christen gemacht worden. Es war ein syrischer Grieche, aus Apamea ge- bürtig, seines Xamens Numenios *) , der nach Mitte des zweiten Jahrhunderts so ziemlich der erste der Heiden war, der, mit Kabbinen verkehrend, das Judentum fleissig erforschte: ein Gegen- bild jenes Celsus, der nur um weniges später die christliche Literatur mit so grossem Eifer verfolgte. Allerdings, mit Celsus verglichen, mit umgekehrtem Erfolge, denn Plato war ihm, phi- lonisch, ein attisierender Moses. Auch Celsus selber, wiewohl das jüdische Wesen ihm Nebensache, wusste genugsam Bescheid in den alten heiligen Büchern, um der alten Sagen geschienten in seiner Art spotten zu können. Auch ist er selber schon Zeuge des Kampfes der Juden und Christen und wundert sich bekannt- lich nicht wenig, wie auf gut abderitisch die beiden um des Esels Schatten sich zanken, d. i. die Frage erörtern, ob oder ob nicht der Messias bereits erschienen sei. Schon um die Zeit Hadrian's war ein Werkchen ans Licht getreten, das in dialogischer Form den grossen Gegensatz durchsprach, sein Verfasser Ariston von Pella.2) Die Colloquenten sind Jason, ein Christ gewordener Jude, und Papiscus, der Jude geblieben ist, ein Alexandriner der letztere. Die Waffen waren Texte der Bibel, der Sieg verblieb bei dem Christen, denn Papiscus lässt schliesslich sich taufen.

1) Nicolai Griech. Literaturgesch. l S. 501. Euseb. Praepar. evang. ed. Dindorf IT, 38 sq. 372 sq. 47. 41. Mein Tertullian S. 2' 3.

2) Renan Origines VI, S. 267. Harnack Texte u. Untersuch. I, 3 S. 115—129.

Texte u. Untersuchungen XII, 2. \

2 Noelclechen, Tertullinn die Juden.

Ob das kleine literarische Machwerk eine geschichtliche Grund- lage hatte, d. i. ob eine ähnliche Verhandlung je mündlich in jenen Tagen gepflogen war, muss freilich um so dunkeler bleiben, als jener erbauliche Schlussakt die didaktische Absicht kundgibt. Die Schrift erntete Beifall, freilich keineswegs einhelligen. Von Celsus könnte man absehn. Er hat die Streitschrift vielmehr seines Hasses und Mitleids, als seines Gelächters für wert ge- halten.1) Aber auch Origenes später, der einigen Beifall nicht vorenthält, muss doch schliesslich gestehn, dass die Schrift nicht von grossem Belang ist. Asien wird bald auch die Heimat eines anderen polemischen Schriftchens, das etwa zur selbigen Zeit in Judaea verfasst ward, und das sich mit dem seltsamen Titel von Testamenten ankündigt, die die zwölf Patriarchen 2) verfasst hätten. Judenfeindlich aufs äusserste und von ganzem Herzen paulinisch, hatte der Verfasser den Wolf, der zum Arbeiter des Herrn ward, um den Frommen Speise zu reichen, in dem Heidenapostel er- kannt, der als ein Geliebter des Höchsten, als alle Völker er- leuchtend mit neuer Erkenntnis, gepriesen wird. Auch das war der Schrift eigentümlich, dass das Henochbuch oftmals gerühmt ward, ein vorchristliches Werk, das ein jüdisches Weltreich er- warten lehrt, welches letztere, aufs höchste verklärt, ein wirklich himmlisches Reich wird.3) Nicht zurück steht an bitterer Feind- schaft der sogenannte Barnabasbrief, auch er aus den Hadria- nischen Tagen. Der Abstand der alten Typen von der neuerdings erschlossenen Idee, der grossen Idee des Christentums, wird ziemlich hämisch vergrössert. Die Gottesherrschaft in Israel ist Missverstand des göttlichen Willens. Gehässig wird hier ein Brauch des Versöhnungsfestes entstellt, und besonders die Ge- schichte vom Sündenbock dahin verzerrt und verdorben, als ver- langte die jüdische Thorah, ihn zu treten und zu bespeien 4), wo- durch dann der Verfasser ein Vorbild des leidenden Lammes herausbringt.

1) Origenes Contra Celsum IV, 52. Gieseler K. Gesch. 4A. I, 1, 209. Keim Celsus' Wahres Wort S. 55.

2) Testamente der zwölf Patriarchen s. Grabe Spicil. Patrum Saec. I Tom. I. (Oxoniae 1714) S. 251. Renan Origines VI, S. 269. Baur K. G. der 3 ersten J. S. 174. Anm. 1.

3) Dillmann Das Buch Henoch S. XXI. Henoch im Testam. XII Patr. s. Grabe S. 155.

4) Vgl. Hausrath Kleine Schriften S. 15.

Einleitung. 3

Die genannten drei älteren Schriften sind in Afrika keine Fremdlinge. Tertullian hat sie sicher gekannt, wenn auch die Spuren von zweien erst irn ganzen spät bei ihm auftauchen. Nicht früher als in „Scorpiace" und danach im Antimarcion kommt er auf die Genesisstelle l), die die „Zwölf Patriarchen" erörterten und zwar in einer Weise, die deutlich auf jenes judae- ische Buch weist; ist doch sein Liebling „Henoch* ebenfalls ein Liebling des letzteren. Auch laut ihm hat die Genesisstelle den ..Benjaminiten- vorausgeschaut. Auch „Papiscus und Jason" kennt er. Wenn im späten Buch „Gegen Praxeas" 2) die Meinung etlicher auftritt, dass das alte Genesisbuch mit der Schöpfung des Sohnes begonnen habe, so ist das nach Lage der Dinge ein unverwerflicher Hinweis auf den alten „Papiscus und Jason", in welchem nach verlässlicher Nachricht die gleiche Ansicht er- örtert ward. Nun gar mit dem Barnabasbriefe ist er sicher schon zeitig vertraut gewesen. Eine Quelle Tertullians, abseits von dem Barnabasbriefe :5J , erörtert ja auch jenen Sündenbock, und man konnte mutmassen wollen, dass er auch dies Stück dort her- nehme; aber genauer besehen, fehlen doch etliche Züge, die dem „Barnabas" zugehören, und die der Karthager sich zueignet.

Alles das sind Einzelbezüge. Wesentlich anders steht es mit dem Dialoge Justins, der ebenso früh wie nachhaltig auf diesen Schriftsteller einwirkt.

2. Justins Dialog in Afrika.

a. Im allgemeinen.

Tertullian hat Justinus citiert als den „Philosophen und Mär- tyrer"4), und, prägnant wie er zu schreiben pflegt, und deutlich wie er Stellung genommen hat zu „Philosophie" und „Marty- rium", ist die Doppelbezeichnung vielsagend. Die Philosophie galt ihm wenig, für das Martyrium schwärmt er. Wie der Zwil-

1) Scorpiace 13 (I, 530, 0.). Adv. Marcionem V, 1 (II, 275, m.).

2) Adv. Prax. 5 Anfang (II, 658). Vgl. Hieronymus Quaest. in Genes. (Pariser Ausgabe von 1578 Tom. III fol. 317); Keim Celsus S. 55. Anm. 2. Corssen, Die Altercatio Simonis Judaei etc. S. 31.

3) Nämlich Justins Dialogus c. 40 (132). Vgl. Epist. Barnab. cap. 7. Adversus Judaeos 14 (II, 74o, u.).

4) advers. Valentin. 5 Anfang (II, 3S7, u.).

1*

4 Noeldechen, Tertullian'i Gegen die Juden.

lingsname verheisst, so finden sich auch im einzelnen neben sehr erheblicher Schätzung doch Spuren einer Kritik, wie mittelbar sie auch sein mag. Uie Naivität jenes Alteren, mit der er die Kaiser bekehren will, ist so wenig tertullianisch , dass vielmehr der letztere weiss, nie könne ein Kaiser ein Christ sein. So kann er auch die Kaiser nicht schulmeistern, wie es Justinus gethan hatte. Als Philosoph, welchem Sokrates und Musonius Christen sind, ist Justin sein Geschmack nicht. Auch als ein dichtender Schöngeist, denn Justin hat davon einen Anflug, als ein halb romantischer Autor, der behaglich Dialoge zusammenschreibt mit etwas platonischem Aufputz, kann er nicht füglich sein Mann sein: denn gegen Fiktion aller Art hat er zu deutlich sich aus- gesprochen.1) Aber als derber Polemiker, denn das ist Justinus trotz alledem, als kundiger Fechter mit Schriftworten und, vor allem andern, als Blutzeuge hat er seinen innigen Beifall.

Ein novellistisches Kleid trug namentlich der Dialog des Justinus. Ein Hebraeer aus der Beschneidung, aus dem heiligen Lande flüchtig seit dem hadrianischen Kriege, meist in Korinth sich aufhaltend, begegnet dem Manne von Sichern und bemerkt ihm, er sei zu Argos von einem „Korinthos" belehrt worden, man müsse an Palliumträgern nie gleichgiltig vorbeigehn. tig de öv hööc, (ptQLGxe ßgozwv', ist die Gegenrede. Der Hebraeer, Try- phon geheissen, beliebt darauf, sich bekannt zu geben.2) Der romanhafte Rock sitzt freilich nun auffallend lose; für die Frist des sehr langen Gesprächs entschwindet er dem Auge des Lesers; erst als das Gespräch sich zum Ende neigt, wird ein Zipfel der poetischen Hülle schliesslich wieder ergriffen. Die beiden ver- abschieden sich, indem der Jude erklärt, die Begegnung sei er- freulich gewesen, ja, indem er den Wunsch ausdrückt, eine solche möge bald sich erneuern; da Justin aber einmal zur See gehe, so möge er ihn nicht vergessen. Justin will nun für ihn beten, dass er Jesus Christus erkennen möge.3) Man sieht, eine

1) Vgl. die Äusserungen über die Acta Pauli et Theclae, de baptismo c. 17 (I, 636, u.). Vgl. auch seine Schätzung der „Poeten" im allgemeinen, sowie auch die besonderen Äusserungen in De praescr. 39 (II, 37), nament- lich aber auch einen Satz aus Adversus Valentin, (c. 5. Schluss, II, 388, o.): Nemo tarn otiosus fertur stilo ut materias habens n'ngat.

2) Dial. cum. Tryph. cap« 1.

3) Dial. c. Tr. cap. 142 (462).

Einleitung. 5

harmlose Anmut, die dem weitherzigen Autor nicht so übel zu stehn scheint, ist über diese Kundgebung ausgegossen. Nur für Tertullian war das nichts. Korinth und Argos freilich konnten ihn allenfalls anheimeln, da er diese Orte früh aufsuchte.1) Auf den „Juden aus der Beschneidung" dürfte er sein Augenmerk richten, und namentlich seinen „Judengenossen", seinen „Prose- lyten" dagegen halten, mit welchem er selbst colloquiert hat. Doch sofern er die novellistische Tünche hier wirklich als solche durchschaut hat, war sie seiner Art nicht gemäss, die gemessener, strenger und allenfalls prosaischer heissen kann.

Der Dialog bietet auch sonst viel, was dem Tertullian völlig fremd bleibt. Wird er Entleiher zu nennen sein, so treibt er doch freieste Auswahl. Von der Höhle, wo Christus geboren sei2), von dem Heiland als schlichtestem Handwerker, von der häufigen Bezichtigung Israels, es beschneide und verändere das Schriftwort, von Klagen über „Mikrologie", von Verhöhnung der jüdischen Ohnmacht, die verfolgte, wenn sie nur könnte, vom Verbot zu colloquieren mit Christen, welches die Oberen ausgegeben, von Vielweiberei bei den Juden findet sich bei ihm keine Silbe. Auch der unpolemische Einzelzug, dass der colloquierende Jude die Lehre Jesu studiert hätte, findet keine Entsprechung beim Späteren. Wenn schliesslich Justin dem Tryphon die Absicht vermeldet, ein Buch zu schreiben, in dem die gepflogenen De- batten getreulich sollten berichtet werden, so ähnelt das äusser- lich freilich dem Eingang der karthagischen Streitschrift, nur dass doch der Unterschied grösser ist als der flüchtige Anklang. Ein wirkliches mündliches Zwiegespräch, trotz des scheinbar ge- schichtlichen Rahmens, konnte kaum in den gröbsten Zügen dem justinischen Buche entsprochen haben. Bei Tertullian fehlt der Rahmen oder mindestens die Hälfte desselben, aber das Gemälde ist glaubhafter. Nach dem einfach erzählenden Eingang folgen blosse Debatten, und diese von massigem Umfang; da ist keinerlei

1) Vgl. meinen Aufsatz: Tertullian in Griechenland in der Zeitschr. für wiss. Theol. XXX, 4, 385 ff; auch meinen „Tertullian" S. 70.

2) Die Stellen im „Dialog" sind folgende: Höhle cap. 78 (204); Hand- werker cap. 88 (306); Schriftverstümmelung cap. 71 (240) cap. 73 (246); Mi- krologie cap. 115 (384); Ohnmacht cap. IG (58); Verbot zu colloquieren cap. 38 (124, o.); Vielweiberei cap. 134 (442). cap. 141 (160); Jude des Ev. kundig cap. 10 (38, O.), cap. 18 Anfang (02); Buch in Aussicht cap. 80 (274).

(; Noeklechen, Tertallian'e Gegen die .luden.

behaglicher Abschied, freilich auch keine Bekehrung, wie weiland in „Papiscus und Jason". Aber die geschichtliche Unterlage ist unvergleichlich solider. Die Gesprächsgrundlage der Schrift lässt sich gar nicht vernünftig bezweifeln, ja selbst die geographischen Data sind echter, wahrer, verlässlicher. „Korinth und Argos" Justins schweben fast in der Luft, während in den „Juden" die „Gaetuler" Y) den Horizont des Verfassers verbürgen.

Bekannt mit Justin's Dialog zeigt Tertullian sich schon früh- zeitig. Die Ähnlichkeit seiner Ausführungen mit denen des justi- nischen Buches ist teils eine allgemeine, wo, die Fälle vereinzelt genommen, Zweifel allerdings übrig bleiben, teils eine so be- sondre, dass die Entlehnung gewiss ist. Schon der Verfasser der Schutzschrift hat den „Doppeladvent" 2) wie Justinus, und, ist der Gedanke zweifellos ein Gemeingut der Christen, die bestimmte Formulierung desselben wird auf den Alteren hinweisen. Auch das Bild des wüsten Judaea: die Juden verbannt von Jerusalem, die ganze Gegend entvölkert, die Wohnstätten verbrannt, wie es Justin gezeichnet hatte, malt die Schutzschrift ihm nach3): das zerstreute, wandernde Volk, ohne irdischen und himmlischen König, darf die Scholle des Vaterlands selbst nicht als Pilgrim betreten. Die „Pflanzschule unserer Verlasterung", jener empha- tische Ausdruck, mit welchem die Schrift „An die Völker" die Verunglimpfungen der Christen auf die Juden zurückführt, hat offenbar seinen Hintergrund an mehreren justinischen Stellen, laut denen die jüdischen Priester Verleumder der Christengemeinde in alle Winde hinaussandten.4) Auch jenes seminare mendacia in dem Buch „An die Völker"5) wird, auf die Juden gemünzt, auf den alten Justin mit zurückweisen.

Um so mehr wird man dies so beurteilen, als auch im ein- zelnen Ausdruck der Sichemite oft durchscheint. So in einer

1) Advers. Jud. 7 (714, u.).

2) apolog. 21 (I, 200) dial. 121 (404) und öfters.

3) apolog. 21 (I, 196) dial. 16 (56). Vgl. Jesaias I, 7.

4) ad natt. I, 14 (I, 335, m.) dial. 17 (60, o.) 108 (363, o.) 117 (388, u.). Vergleiche beiläufig auch Scorpiace 10 (I, 523, m.): synagogae Judaeorum fontes persecutionum mit dial. 133 (410, u.) rjfxäg . . (povtvsze, ooüxiq av Xdßrjze e^ovalav.

5) ad. natt. I, 6 (1, 315, u.). Dass der Ausdruck auf die Juden ge- münzt ist, zeigt die Vergleichung dieser Stelle (seminare mendacia aemu- lationis ingenio) mit apol. 7 (I, 137, m.) ex aemulatione Judaei.

Einleitung. 7

Stelle der Schutzschrift. Der ruassvolle Tryphon Justin's will die Schandgerüchte nicht glauben, wie zumal das Verzehren von Menschenfleisch: ov jciorsvöai a^iov, jz6(>()oj yaQ 7C£%mQ?]xs r^g avdQconivr^ (/ roccoc. Auffallend ähnlich der Spätere: Qui ista credis de nomine, potes et facere. Homo es et ipse, quod et Chri- stianus. Qui non potes facere, non debes credere. Homo est enim et Christianus, quod et tu. J) Bei den „Karern und Phry- gern"' Justins wird etwas Ahnliches vorliegen: „wir sind kein barbarisches Volk, wir sind keine Karer und Phryger". Tertul- lian: ..wir sind keine Brahmanen, keine indischen Gymnosophisten. keine Schattenfüssler und Hundsköpfe".2) Das ist nicht Über- setzung, das Verglichene ist ja verschieden. Augenfällig jedoch ist die formelle Verwandtschaft und die wesentliche Gleichheit des Grundgedankens. Erwägt man inzwischen Geschehenes, die geschichtliche Rolle der „Phryger" innerhalb der letzten Jahr- zehnte, andrerseits die literarische von „Brahmanen und Gymno- sophisten" bei zeitgenössischen Schriftstellern3), so wird man sich darauf geführt sehen, eine Modernisierung des Alteren bei dem Späteren anzunehmen.

Die Früchte früher Lektüre und auch wohl erneuertes Studium Justins begleiten ihn weiterhin. Dies zeigt sich im Antimarcion. Das Verstummen des Herrn vor Pilatus wird durchaus justinisch verknüpft mit einer Jesaiasstelle; nur freilich noch treuer den Siebzig hören wir den Späteren reden.4) Wenn ferner Justin den Pilatus bei der Sendung Jesu zum Antipas den Propheten Hosea erfüllen lässt, so erborgt sich sein Jünger auch dieses.5) Im fünften Buch häufen sich Lehnsätze. Justinus hatte bestritten, dass Psalm 110, 1 auf den König Hiskia zu deuten sei, eine Meinung, die Tryphon verfochten. Auch Tertullian bestreitet es, und, obwohl es den Anschein gewinnen könnte, als ob erst seine

1) apolog. 8 (I, 141, u.) dial. 10 (53, o.).

2) Karer etc. dial. 119 (394, u.); Brahmanen etc. apolog. 42 (I, 273); Hundsköpfe etc. apolog. 8 (I, 141, m)

3) Vgl. z. B. die Gymnosophisten in Apulejus1 Florida, ed. Elnien- horst S. 343, Zeile 17 ff, die Brahmanen ebendaselbst S. 351 Zeile 32. Vgl. auch zu den Brahmanen : Friedländer, Sittengesch.5 1,458. Graul Die christl. K. an der Schwelle des Iren. Zeitalt.'s S. 15.

4) adv. Marc. IV, 42 (II, 270, m.), dial. 102 (342, u.).

5) adv. Marc. IV, 42 (II, 270), dial. 103 (346. 348).

g Noeldechen, Tertullian'B Qegen die Jaden«

jüdischen Zeitgenossen diese Stelle „entwendeten", bleibt ent- schieden die Entlehnung hier sicher. Nicht nur das jüdische „Wagnis" ist beiden Autoren gemeinsam, sondern auch die Motivierung der Juden, die sie für jene Deutung des Psalms bringen: Hiskia hat, wenn nicht zu Gottes, doch zur Rechten des Tempels gesessen. Dass die Gleichung tadellos werde, ist auch der Gegengrund gleich, mit welchem die jüdische Ansicht über den Haufen geworfen wird: Hiskia war eben kein Priester, wie ihn doch die Psalmstelle fordert. 1) Wörtlich stimmt ferner die Stelle, an der vom Abschluss des Sehertums durch den Heiland geredet wird. 2) Zu einer Stelle Justins bringt freilich der spätere Schriftsteller eine „evangelische" Zuthat, d. i. bei dem psalmi- stischen „Morgenstern". Justin behauptete lediglich, dass der Sohn von jenem Sterne erschaffen sei. Dem Späteren bedeutet das Psalmwort, dass Jesus zur Nachtzeit geboren ward. 3) Aber die Anregung gibt auch hier der Sichemite Justinus. Dem Karthager ist ja nichts mehr eigen als die Neigung ältere Texte in seiner Weise herauszuputzen, sie in seinem Sinn zu verschönern. 4) Justinisch wie tertullianisch ist die Parallele „Eva,. Maria". Wie die „Jungfrau Eva", so sagen sie, dem Bösen Einlass ge- stattet hat, so die Jungfrau Maria dem Lebenswort; auch Gabriel und die Schlange, bei beiden gleichmässig auftretend, verbürgen hier den Zusammenhang. 5) Auch die Parallelisierung von jüdi- schen mit gewissen christlichen Sekten scheint Tertullian von Justin zu haben, mag auch das jüdische Sektentum dem Späteren minder bekannt sein und die Gleichung infolge dessen unter seinen Händen verkrüppeln. 6) Selbst in den spätesten Schriften

1) dial. 83 Anfang (282, m. 284, o.), adv. Marc. V, 9 (II, 300, u.). Vgl. auch dial. 33 Anfang (106).

2) adv. Marc. V, 8 (II, 297, o.), dial. 87 (300, o.).

3) dial. 83 Ende (284), adv. Marc. V, 9 (II, 300, u.).

4) Vgl. meinen Aufsatz im Philologus Suppl.-Bd. VI, zweite Hälfte S. 762, u. 75S, auch ebendas. Anm. 168. 82. 192.

5) de carne Christi 17 (II, 454), dial. 100 (336. 338).

6) dial. 80 (274. 276): Sadducaeer, Genisten, Meristen, Galilaeer, Helle- nianer, Pharisaeer, Baptisten werden mit christlichen Sektierern (diesen in Bausch und Bogen) verglichen. Bei Tertullian (de res. carnis 36 Ende; vgl. de carne Christi cap. 1 Anfang) finden wir nur „Sadducaei Christi an orum". Die ihm sachlich nicht geläufigen andern will er wohl nicht unverstanden herübernehmen.

Einleitung. 9

wird der alte Jnstinus noch mitsprechen, so namentlich im Anti- praxeas. Von den drei Engeln bei Abraham ist beiden der eine der Herrgott '), wie auch manches Trinitarische sonst von dem Sichernden geholt ist.2) Die Entlehnung recht stark zu be- kräftigen , sehen wir Tertullian auch entschiedene Fehler mit- machen 3), während er gelegentlich freilich auch Irrungen still- schweigend bessert. 4) Bewusste Kritik wird nicht fehlen, wenn der eine die Hexe von Endor als Bürgin der Unsterblichkeit anruft, während sein Schüler in Afrika bei dieser Hexe nur Lüge sieht. 5)

b. In Adversus Judaeos.

Nachdem wir im vorigen dargelegt, wie klar, wie früh und wie nachhaltig der Einfluss des Dialogs auf Tertullian im ganzen war, erörtern wir hier speziell, wie gross die justinische Ein- wirkung auf die angefochtene Schrift ist, auf die es uns letzt- lich hier ankommt. Bei dem heutigen Stand der Kritik sind zunächst drei Teile zu sondern, ein meist als echt anerkannter, ein angeblich von einem Fälscher aus „Marcion III." ausgeklaubter und ein angeblich von diesem Fälscher aus seinem Eigenen be- strittener. 6) Versparen wir nun auch die Erörterung der Ein-

1) adv. Prax. 16 (II, 664) : Ipse enim ad humana colloquia semper de- scendit etc.; cf. dial. 56 (180, u.).

2) dial. 129 Ende: xo yevvcu/uEvov zov yevvwvzoq dpid-fito bXSQOv iori. Cf. adv. Prax. 13 (II, 669, m.): Christus . . . qui nurnerum retro fecerat, factus secundus a patre. Vgl. adv. Marc. I, 5: post unum enim numerus, exhort. cap. 7 Anfang: quod non unum est, numerus est. Denique post unum incipit numerus; apolog. 21: ita et de spiritu spiritus et de deo deus modulo alternum nurnerum fecit.

3) S. Justin, dial. ed. Otto S. 108 Anm. 7.

4) Ebendas. S. 135 Anm. 1.

5) Ebendas. S. 353; cf. Tert. de anima 57 (II, 647).

6) Unbestritten im ganzen ist cap. 1 8; das übrige constituiert das y.otvov. gehört nämlich auch „Marcion" III zu; ausgenommen sind Abschnitte Ton cap. 9 (II, 725: sicuti et praecursorem Christi bis passu- rum nuntiabat; II, 726, u. : Virtutes autem a patre bis sabbatis faciebat); yoii cap. 10 (II, 727: dicit enim in Deuteronomio bis de ore prophetarum, II. 730: nam quod in passione ejus bis Schluss), von cap. 11 alles ausser dem Schluss: sufficit hucusque etc., von cap. 13 alles ausser dem Schluss : Igitur quoniam adhuc II, 737. Über eine weitere Complicierung der Sach- lage durch Geschmacksurteile von Corssen s. hier S. 19 unten.

IQ Noeldechen, Tertullian's Gegen die Juden.

heit und Echtheit für später, so werden wir doch hier kaum umhin können, zunächst ein massiges Vorurteil für die Einheit der Schrift zu erwecken, indem wir in sämtlichen Abschnitten die justinischen Spuren hervorheben. Zuerst die „Homologumena".

Beschneidung, Sabbate, Feste mögen freilich für Themata gelten, die mehr oder minder notwendig beim Kampfe mit den Juden zur Sprache kamen. Aber schon, wenn Adam und Abel. Henoch, Lot und Noah, dazu Melchisedek als Zeugen in diesen Fragen citiert werden, wenn genau dieselben Gewährsmänner bei beiden Polemikern aufstehen, so ist die geschlossene Phalanx ein sicherer Beweis der Entlehnung. *) Wenn dann weiter recht bitter und bissig bei dem sonst so milden Justin die Beschnei- dung als Zeichen erscheint, an welchem man Israel kennen sollte, jenes schwer bedrängte Geschlecht, das sich nicht mehr am Kidron darf sehn lassen, wenn dann dieser schreckliche Steckbrief beim Späteren ebenso aussieht, so wird man den ge- lehrigen Schüler des Alteren schwerlich verkennen, zumal da ganz homolog dasselbe Bibelcitat folgt. 2) Beide betonen auch gleichmässig das Aufhören der Weissagung mit den Tagen des Täufers. 3) Redet allerdings nebenbei hier auch tertullianischer Sondergeist, demzufolge durch die Taufe des Herrn eine „Weihe der Wasser" vollzogen wird, so ist doch im ganzen die Ähn- lichkeit dermassen stark und erheblich, dass bewusste Beziehung gewiss wird.

Dass sich diese Ähnlichkeit fortsetzt bei dem angeblich Ge- raubten, in den Partien des „Freibeuters", ist freilich nicht zu verwundern, da die Stücke ja dem Presbyter zugehören zum mindesten in jener Gestalt, die der Antimarcion aufweist. Dass zunächst die Jungfraugeburt uns früher wie später begegnet, bei Justin wie bei seinem Jünger, mag als christliches Erbgut zu gelten haben und an sich gar nichts beweisen. Wenn die- selbe prophetische Stelle für diesen Lehrstoff verwandt wird4), so wäre auch das wohl begreiflich ohne wissentliche Fühlung des Späteren mit seinem älteren Vorbild. Ja wenn tertullianische Eigenart hier in breitem Mass sich entwickelt, seine Witze von

1) dial. 19 Anfang (64. 66), adv. Jud. 2 Ende (II, 704. 705).

2) dial. 16 Anfang (56, o.), adv. Jud. 3 Anfang (II, 705, u. 706).

3) dial. 51 Ende (166, o.), adv. Jud. 8 (II, 718, u.).

4) nämlich Jesaias 7, 10 ff; s. dial. 66 (222), adv. Jud. 9 Anfang (720).

Einleitung. \ \

„Butterbroden" l) ihm allein auf Rechnung zu stellen sind, so ist man versucht, das Verwandte auf blossen Zufall zurückzu- führen. Die Besprechung der vsävig indessen2), jener neuen Übertragung des Aquila, wird, den beiden Autoren gemein, auch hier den Zusammenhang feststellen. Dieses letztere um so ge- wisser, als dem obigen gleich auf der Ferse ein besonders starker Beweis folgt, dass der Spätere den Früheren ausschreibt. Wissen sie doch einhellig beide, dass sowohl die „Kraft von Damaskus" als auch die „Beute Samariens" dem Heiland dadurch zuteil wird, dass die morgenländischen Weisen dem Kinde Geschenke entgegenbringen. 3) Ja die kühne Deutung zu stützen nehmen beide ein anderes Bibelwort und zwar völlig dasselbe in gleich- sam stilistische Dienste: wenn die Schrift einen amoritischen Vater und eine hethitische Mutter als Israels Eltern bezeichne, sei auch dieses doch bildlich zu nehmen wie jene „Beute Saina- riens".4) Ja schliesslich wimmelt es hier von mikroskopischen Einzelzügen, denn selbst die geographische Anmerkung über Damaskus ist gleichlautend. 5)

In den Grundlinien gleichlautend ist auch die Besprechung des Jesusnamens. Wer hat, fragte Justin, in das Land der Ver- heissung geführt? Doch Auses, dann Jesus geheissen. Genau so Tertullian.0) Auch wenn Josua- Jesus das Volk mit steinernen Messern beschneidet und Justin unter dem Stein" den Felsen Jesus sich denken will, so hat sich dies Tertullian in verkürzter Gestalt zugeeignet.7) Die Zusatzbemerkung Justins s), dass an Jesu Worte zu denken sei, die von der Vorhaut des Irrtums die Menschen gnädig befreien, hat ja Tertullian übergangen, hin- gegen die Notiz seines Lehrmeisters, dass der Herr bei Propheten gar oftmals bildlich als Felsen bezeichnet werde9), mit sicht-

1 adv. Jud. 9 (721, m.).

2) dial. 07 Anfang (222), adv. Jud. 9 (721, u.).

3) dial. 77 (263 o.), adv. Jud. 9 (II, 722, o.).

4) dial. 77 Ende, adv. Jud. 9 (723, o.).

5) dial. 78 (268, o.), adv. Jud. 9 (II, 722, u.). Man sieht, wir haben hier ein zusammenhängendes, Verwandtes keineswegs ungeschickt concen- trierendes und zusammendrängendes Excerpt aus Justin.

6 adv. Jud. 9 (II, 724, m.), dial. 75 (254, m.).

7) adv. Jud. 9 (II, 724, u.), dial. 113 (376, u.).

8) dial. 113 (378, o.).

9) petra enim Christus multis modis et tiguris praedicatus est II, 724 u.

\2 Noeldechen, Tertullian's Gegen die Juden.

barem Anteil aufgenommen. Weitere Spielereien Justin's, die den Ausdruck eben zu Tode hetzen und die Concinnitiit der An- schauung allzu entschieden gefährden man werde durch diese Beschneidung mit besagten steinernen Messern den steinernen Götzen entzogen 1) hat sein Nachfolger abgelehnt.

Auch was als besondere Feinheit Tertullian's erscheinen könnte, die Bezeichnung des Golgathatodes als eines beinahe unglaublichen, schlechthin „mysteriösen" findet sich embryo- nisch — schon bei dem Philosophen von Sichern. Tertullian ist ausführlicher, deutlicher; da der Tod, deutlich geweissagt, wirklich unglaublich gewesen wäre, mussten die prophetischen Männer den Golgathavorgang „beschatten", damit schwer, wie er zu verstehn war, die erleuchtende Gnade gesucht werde. Bei Justin keimt der Gedanke, erst der Nachfolger hat ihn entwickelt, doch verbürgen die gleichen Citate die bündige Beziehung zum Vorgänger. 2) Es gehört noch in diesen Zusammenhang, wenn auch beide einstimmig betonen, dass keiner der Könige Israels, auf welche doch die Juden so gern messianische Stellen beziehen möchten, jemals irgend ein Kreuz trug.3)

Geschmückt wie das Wort des Jesaias mit Butterbrödchen der Kinder wird, so ist auch der Segen des Joseph vom Kar- thager mit WTitz wort verbrämt worden: das „Einhorn" in jenem Segen, sagt der Römer der Kaiserzeit, dem die Arena so viele Tiere der Fremde gezeigt hatte, werde kein Rhinoceros sein sollen; auch ist es in seiner Manier, dass sogar Vergil ihm mit herhält. Justin ist .an alledem unschuldig. Dennoch ist wieder Justin der eigentliche erste Erreger, insofern er im „Einhorn" bereits das Zeichen des Kreuzes gewittert hat. 4)

Das multi ist freilich eigentlich tertullianischer Zusatz. Justin nur: iv naQaßoXaXq cap. 113 Ende (378, o.).

1) ed. Otto 376, u.

2) dial. 97 (328, u.): David spreche von ndQ-oq und azavQoq iv TiccQaßoXy ßvozriQiwÖEi; vgl. damit den Schluss von cap. 97: Xqigtoq, öid xovrov zov fivarrjQLOv cazo&avajv, tovtsgti tov azavQcod-rjvai. Tertullian destilliert sozusagen daraus eine Doctrin adv. Jud. 10 (II, 227, u.). Die Citate sind Psalm 22, 17—19 (adv. Jud. 10, II, 727, dial. 97, 328, u.) und Jesaias 53, 9 (adv. Jud. 10, II, 730, m., dial. 97, 328, u.).

3) adv. Jud. 10 (II, 730, o.), dial. 97 Ende.

4) „Einhorn" bei Justin: dial. 91 Anfang; bei Tert. adv. Jud. 10 (II, 728, o.); über das Citat aus Vergil s. Oehler's Note ibid. (Aen. III, 549). Dazu vgl. hier S. 32 Anm. 4.

Einleitung. 13

Auch der Kampf wider Anialek fesselt wiederum Meister wie Jünger. Josua kämpft, Moses betet, und beides wird von beiden gedeutet, und die Deutung ist völlig die gleiche. Die betenden Hände besagen beiden die heilige Kreuzform; auch der Josua- Jesus-Name wird von beiden aufs neue verwertet. ') Auch die Unsitte, zu wiederholen, ist auf beider Kerbholz zu schreiben; wir werden sie für später uns merken müssen.

Ein ganz besondres Genüge aber thun sich Lehrer und Schüler in dem berühmten mystischen Satze: Gott herrschte vom Holz her. Eine frühzeitige Einschwärzung in den Text eines Psalmes ergab die erhabene Vorstellung, dass der grosse Kö- nig Jesus, schmachvoll zum Galgen erniedrigt, doch glorreich vom Schandholze her sein ewiges Königtum ausübe. Dem Zauber dieser gläubigen Anschauung, die ja der Sache nach wahr ist, hatte die Folgezeit nachgegeben, nicht ohne dass freilich die Einrede gegen die „Lesart" lebendig blieb. Beides erhellt auch bei beiden. Justin klagt, seltsam genug, über die unredlichen Juden, die jenes „vom Holz her" gestrichen hätten, und sein afrikanischer Jünger interpelliert seinen Colloquenten bedeutsam, ob er nicht jene Stelle gelesen habe.2) Das folgende Scherzwort von „Holzkönig" gehört ja dem späteren Witzbold, der hier wieder ganz er selber ist. Aber Jeremias 11 ist beiden wieder völlig gemeinsam, nicht nur überhaupt als Citat, auch mit der messianischen Deutung. Das erstere lautet wie folgt: „Werfen wir Holz in sein Brod, und tilgen wir ihn aus den Lebenden.* Die Deutung Tertullian's ist ja kühner als die des Gewährs- manns: er denkt hier des heiligen Mahls, indem er ein Quid- proquo von „Leib" und „Brod" sich zu gut hält. So kommt denn das Wunder heraus: „sie warfen Holz in sein Brod" heisst: sie trieben hölzerne Pflöcke in seinen heiligen Leichnam.3) Auch hier wieder der Trieb, oder sage man selber die Unart, seine Vorlage zu steigern, zu verschönern, auszubessern.

Schliesslich die Antilegomena im Buch gegen die Juden. Auch in diesen wenigen Abschnitten gibt der Sichemite sich

1) dial. 90 (310, m), adv. Jud. 10 (728, u. 729, o.).

2) dial. 73 Anfang (240), adv. Jud. 10 (II, 729, m.): Age nunc, si legisti penes prouhetain in psalmis: Deus regnavit a ligno.

3) dial. 72 (211, m.), adv. Jud. 10 (II, 729, u ). Die Stelle ist Jeremias 11, 19: LXX ed van Ess S. 820

14 Noeldechen, Tertullian'a Gegen die Juden.

kund mit der gleichen vollkommenen Deutlichkeit wie in den übrigen Stücken. Auch ist es noch einmal das „Holz", das er von Justinus erborgt hat. Christus, so schrieb Justin, ist der Anfang eines neuen Geschlechtes, das durch „Wasser und Glauben und Holz" von dem Heiland wiedergeboren wird. Auch mit dieser justinischen Trinitas stimmt der Karthager auf's völligste. Die Christen, sagt er, trinken im Glauben das Taufwasser des Leidensholzes. Mag das selber auch noch geschraubter sein als der planere Ausdruck des Vorläufers, die Gleichung ist äusserst frappant und würde für sich fast verbürgen, dass der Mann bei Justinus zu Gast ging. *) Dazu kommt die Elisageschichte, in welcher noch einmal das Holz eine messianische Rolle zu spielen hat. 2)

Das Vorurteil wird somit da sein, dass Abschnitte, die so entschieden, so gleichmässig beflissen sind, aus dem Dialog des Justin die Schriftbeweise zu holen, wirklich aus einem Guss, und aus einer Feder geflossen sind. Sollte, wie man ja vermutet, ein späterer Anonymus mitspielen, Eigenes mit Tertullianischem dumm oder schlau zusammenschweissend, er hätte den Kunst- griff verstanden, auch seine eigene Zuthat aus einem Magazin zu bereichern, aus dem vor ihm Tertullian so starke Bezüge ge- macht hatte. Doch es gilt nun weiter zurückgreifen und die neuere Geschichte des Streites über die „Juden" sich ansehn.

Abhandlung.

1. Die Geschichte des Streites über Adversus Judaeos.

Das Buch gegen die Juden hat krause Geschicke erfahren. Die neueren beginnen mit Semler, der dem Buche sehr wenig hold ist und die mittelmässige Art des kleinen Machwerks bespöttelt. 3) Diese Überkritik eines Semler hatte freilich

1) dial. 138 Anfang (452), adv. Jud. 13 (II, 735, u.).

2) dial. 86 (296, m.), adv. Jud. 13 (II, 736, u.).

o) Dissertatio de varia et incerta indole librorum Q. Sept. Flor. Ter- tulliani, abgedruckt in Oehler III, 620ff. Der Abschnitt über die „Juden", der auch die synoptische Zusammenstellung mit den betreffenden Ab- schnitten von adv. Marc. III enthält, ebendas. S. 639—657.

1. Die Geschichte des Streites über Adversus Judaeos. |5

Methode. Sein unbarmherziger Kehrbesen ist für halbe Arbeit zu schade. Dieser Kritiker fegte die Juden samt Antimarcion aus, zerrieb eine andre Schrift an Irenaeus' Ketzerbestreitung, eine dritte immer Tertullian's an einem Buch des Hippolytus, überall SchwindkT ertappend, welche Schriften des christlichen Altertums mit geschäftiger Hand vervielfältigten. Nur den „Ketzern" ist er allenfalls holder, die bei Semler die Ehre ge- messen, mit gebildeten Geistern von heute auf gleichen Boden zu treten. „Was in aller Welt konnte Marcion, was können gebildete Geister aus solchem Gesudel nur lernen!"

Der grosse Grundfehler ist ein gleichsam klassisches Unver- mögen, den Massstab heutiger Bildung eine Weile beiseite zu legen und zunächst sich mit innerer Teilnahme in die ältere Welt zu versetzen. Semler's Verfahren ist ehrlich: er weigert die Sympathie für jenes alte Geschreibsel: die allzu pietätvolle Vor- sicht von Früheren sei hier verschwendet: die Einfalt und Klein- meisterei dieser Schriften verdient keine Schonung. Bei allem Radicalismus ist die Schrift Gegen die Juden allerdings doch Semler verbunden für die fleissige und scharfe Synopse, die, das Buch am Antimarcion messend, Späteren sehr zu statten kam.

Wie völlig verschieden Neander1). Jene radikale Kritik, die das Kind mit dem Bade ausschüttet, liegt ihm in äusserster Ferne. Die Bücher gegen den Pontiker haben sein vollstes In- teresse, das in einem besonderen Buche sich ein schönes Denk- mal gesetzt hat. Dagegen der Schwesterschrift, dem Zwilling gleichsam des „Pontus", brachte er grössere Nöte als selbst sein schneidiger Vorgänger. Die an sich sehr richtige Einsicht, dass die zweite Hälfte der „Juden" von der ersten merklich ver- schieden ist, verführte ihn zu der Annahme, die letzte Hälfte des Buches sei die Compilation eines Stümpers, der, das unvoll- endete Werk mit dem dritten Buch gegen Marcion in seiner Weise zusammenhaltend, die Beweisführung in diesem letzteren zur Ergänzung des Brachstücks benutzt habe.

Der grosse Kirchenhistoriker hatte zahlreiche Nachfolger. Selbst die katholische Kirche stellte ihm einen Gefolgsmann.

1) Antignosticus, Geist des Tertullianus 1825, 2. Ausgabe 1849 S. 458 u. 403 ff. (bezw. 1. Excurs S. 511 ff. .

16 Noeklechen, TertuUian's (jegen die Juden.

Laufköther J), Böhringer2), Hauck3), Corssen4) und endlich auch Krüger 5) wandeln mit völliger Zuversicht in den Spuren Nean- ders, vielleicht um so mehr unbeirrt und um so weniger ange- zweifelt, als keinerlei Scheu vor dem „Kanon" hier die kritischen Schritte zu hemmen braucht, ja als es allem Anschein nach um eine res vilis sich handelt. Auch Corssen als neuester Kritiker bekräftigt das Urteil Neander's, und Krüger, der sich freilich kaum tiefer mit diesen Sachen befasst hat, findet die Ansicht absurd, dass die zweite der Hälften echt sei.

Trotzdem, so ganz ohne Fürsprache ist der zweite Teil nicht geblieben. Schon Kaye G) hat solche geleistet. Er bemerkt, dass die Schwierigkeiten, die sich bei der Vergleichung der „Juden" mit Antimarcion darbieten, keineswegs grösser werden, wenn man Tertullian als den Urheber beider Werke betrachte auch des ganzen Buchs an die Juden als wenn man die letztere Schrift von einem Falsarius ableite. Er hält es für unverständig, einem Schriftsteller zu untersagen, seine Gedanken mit gleichen Worten zum zweiten Male zu geben, wo es um dasselbe sich handle:

1) Im Artikel Tertullian s. Freiburger Kirchen - Lexicon. Er berück- sichtigt nur die ersten 8 Kapitel der Sehr. adv. Jud., ohne Kap. 9—14 auch nur mit einem Wort zu erwähnen, als ob die Unechtheit desselben durch Neander ein für allemal entschieden sei.

2) Die Kirchengesch. der ersten Jahrhh. in Biographien 2. Hälfte 2. Ausg. Zürich 1864. Er spricht sehr wegwerfend von dem ganzen Buche.

3) TertuUian's Leben und Schriften. Erlangen 1877. S. 88. Er findet es unwiderleglich (cap. 8), dass der Verf. zur Zeit noch in keiner Weise montanisierte. Über alle Zweifel an der Echtheit scheint er selbst in Be- zug auf den ersten Teil nicht hinauszukommen.

4) Die Altercatio Simonis Judaei et Theophili Christiani auf ihre Quellen geprüft. Berlin, Weidmann 1890.

5) S. seine Anzeige der Corssen'schen Schrift im Centralblatt 1890 No. 45. Wenn Krüger die der seinigen entgegengesetzte Ansicht absurd nennt und zugleich behauptet, dass Corssen diese Ansicht habe „ausführ- licher widerlegen müssen'1 , so widerspricht er sich selber. Absurde Be- hauptungen sind nicht ausführlicher Widerlegung bedürftig; sie fallen durch ihre Ohnmacht.

6) De Tertulliano et ejus scriptis. So lautet die Überschrift eines Abschnittes in der Historia Ecclesiastica saeculor. II et III ex Tertulliani scriptis illustrata ed. III Lond. 1845. Dieser Abschnitt ist abgedruckt bei Oehl. III, 697 729. Die uns hier angehenden nicht eben zahlreichen Sätze s. ebendas. S. 727. 728.

1. Die Geschichte des Streites über Adversus Judaeos. 17

und dieser Fall sei hier vorliegend. Marcion und die Juden, von verschiedenen Gründen geleitet, stellten ja beide in Abrede, dass Jesus als der Messias im alten Bunde verkündet sei. Hätte Tertullian sich um neue Worte bemühen wollen, blos um das früher Erledigte in neuem Aufputz zu zeigen, so hätte er seine Müsse in vorzüglicher Weise verschwendet; um so mehr als es hier sich vor allem um kanonische Schrift stellen handelte. Nichtsdestoweniger ändert er, was die völlig veränderte Front zu verändern irgend empfehlen konnte.

Auch deutsche Verteidiger gibt es. In einem Programm von Kempen hat Grotemeyer *) sich ausgesprochen, mit unver- werflichen Gründen die Grundlosigkeit der Verwerfung des zweiten Teiles erhärtend. Er erörtert die historischen Zeugnisse, bezeichnet den Stil des Ganzen mit Recht als tertullianisch, will Nachlässigkeiten gern einräumen, betont aber mit Nachdruck, dass es ein und derselbe Wurf ist, der diese Arbeit gestaltet hat. Einzelne wichtige Bänder, die die beiden Teile verknüpfen und trotz kritischer Keile zusammenhalten, hat er richtig gesehen. Nicht ohne Geschick legt er dar, wie der zweite Teil disponiert ist: die Gedankenordnung desselben erhelle schon im sechsten Kapitel: Jesus, der geweissagte Christus, sei eben das Thema des folgenden. Die Einzelgesichtspunkte sieht man im achten Kapitel hervortreten, also noch in einem Abschnitt, gegen dessen Echtheit nichts vorliegt. Untersucht sollen werden die Zeiten erstens der Geburt Jesu Christi, zweitens des Leidens desselben, drittens der Zerstörung Jerusalems. Diese Dreiteilung werde so durchgeführt, dass, nachdem im achten Kapitel als grundlegende Weissagung eine Danielstelle besprochen ist, welche die ge- nannten Gesichtspunkte zusammenfassend behandelt, in den weiter folgenden Abschnitten (9 13) die Gesichtspunkte einzeln zu Worte kommen. Das neunte Capitel erörtert zunächst die nati- vitas Christi, das zehnte sein Leiden und Sterben. Am Ende des zehnten Capitels erfolge dann endlich der Übergang zu dem letzten Punkte der Arbeit: Jerusalems endlicher Untergang und

1) Jahresbericht des Gymnasium Thomaeum zu Kempen. 1865. Der ..Excurs über die Echtheit der Sehr. adv. Jud. und die Zeit ihrer Ab- fassung'4 S. 16 26. Die Erörterungen dieses katholischen Gelehrten sind durchaus leidenschaftslos und sachlich, selbst dem „protestantischen Bibelkritiker Semler" gegenüber.

Texte u. Untersuchungen XII, 8. 2

lg Noeldechen, Tertullian'e Gegen die Joden.

die Zerstreuung des Judenvolks. Den Schluss bildet „zum Über- fluss" eine Geisselung des jüdischen Grundfehlers, dass Israel, den Doppeladvent, von Propheten geweissagt, verkennend, den ersten Advent in der Niedrigkeit irriger Weise beanstande. Trotz mancher Digressionen sei im ganzen hier Klarheit vor- handen, und schliesslich die Einheit des Ganzen bündiger selbst erweisbar, als bei mancher Schrift des Karthagers, deren Einheit niemand bemängelt. Auch das leistet der Kritiker, dass er sämt- liche Neandersche Gründe, die nur irgendwie ins Gewicht fallen, in der Hauptsache gut widerlegt hat.

Dies etwa der Stand der Debatte. Es erübrigt nur noch hinzuzufügen, dass ich selber vor einigen Jahren mich zu dieser Frage geäussert habe. *) Die Einheits- und Echtheitsfragen sind freilich fast nur gestreift worden. Auch sind manche wichtige Punkte mir erst später zur Klarheit gediehen. Dass zu thun bleibt, ist sicher. Kaye sah vieles richtig, aber er übersah doch zu sehr, dass die zweite Hälfte der „Juden" von der ersten wirk- lich verschieden ist: den Wahrheitskern bei Neander. Zudem balancierte bei Kaye, formell, das Für und das Wider. Dass die Schale der Einheitsgründe wirklich zum Sinken gebracht werde, wäre wohl schliesslich zu fordern, soll die Sache nicht in der Schwebe, ein Non liquet das Resultat bleiben. Aller Einzeler- weis zudem mangelt. Grotemeyer's Verdienst hatte doch auch seine Schranken. Die Einheit meist trefflich vertretend, verwirrt er die Zeitfrage völlig, so dass sein Gesamtbild der Dinge doch zuletzt als unglaublich sich darstellt. Die „Juden" sollen vom Autor aus Marcion excerpiert sein. Sie sollen in die „phrygische" Zeit des karthagischen Schriftstellers fallen, während montani- stische Spuren mit keiner Silbe erwähnt werden. Auch das teilweise riecht bei Neander ist ihm, wie Kaye, entgangen.

Mit Corssen kann man in Kürze sich füglich nicht abfinden wollen. Sein Verfahren zeugt von Scharfsinn, seine Darstellung wirkt fast bestechend. Auch ist er der neueste Kämpe, mit dem man sich gründlich wird schlagen müssen. Da wir aber auf Corssen'sche Gründe vielfach zurückkommen müssen, so be- schränken wir uns hier auf das Nötigste. Zunächst mangelt die

1) Im 2. Heft des 5. Bandes der Texte u. Untersuchungen zur Gesch. der altchristl. Lit von 0. von Gebhardt u. A. Harnack.

1. Die Geschichte des Streites über Ad versus Judaeos. 19

Gründlichkeit, ein Mangel, der damit zusammenhängt, dass ihm die Behandlung der Frage doch nur die Wege bereiten soll, eine andere Frage zu lösen. Um die Sache aber beiläufig abzuthun, ist sie, jetzt zumal, viel zu verwickelt. *) Mit Behandlung ein- zelner Stellen wird man überhaupt nicht mehr auskommen. Auch die letztere ist mehrfältig unbillig.2) Gelegentlich stösst man auf Unkunde des tertullianischen Ausdrucks. 3) Das Gesamtbild, das Corssen gewinnt, leidet entschieden an Künstlichkeit. „Ge- danken- und Geistlosigkeit bezeichnen die Spuren des Frei- beuters." Ist dies Portrait von ihm fertig, so sollte man wenig- stens meinen, überall, wo, er nicht plündert und mit den erborgten Federn eigene Blossen verdeckt, demselben geistlosen Antlitz dauernd ins Auge zu schauen. Aber diese Erwartung ist trüge- risch. Auch da, wo der Antimarcion ihm seine Scheuern nicht öffnet, finden nach Corssen sich Abschnitte, die für dem Coni- pilator zu gut sind: sie werden, meint Corssen, dem Presbyter und nicht seinem Plünderer, zugehören.4) Gleicht schon nach Xeander'scher Ansicht das Ganze einer Harlekinsjacke: acht Kapitel untadelig, sechs teils echt, weil aus „Marcion", teils un- echt, weil Zuthat des Freibeuters, so beschert uns Corssen ein Viertes, nicht zum grossen Continuum der Anfangskapitel gehörig, nicht aus Antimarcion ausgeklaubt, auch nicht freie Zuthat des Plünderers, sondern echter Schriftsatz des Presbyters. Zu solchem Ergebnis zu kommen werden einzelne Abschnitte ausgekerbt,

1) Er behandelt die Echtheitsfrage auf S. 2 10 der angeführten Schrift, und bei der schönen Knappheit des Ausdrucks, über die er zu ver- fügen weiss, kommen recht zahlreiche Gesichtspuncte zur Sprache. Trotz- dem liess sich die Sache so einfach gar nicht erledigen.

2) S. z. B. S. 4 Anm. 1. „Was hat es den Juden gegenüber für einen Sinn" etc. Wir werden sehen (s. hier S. 23. S. 29 Anm. 3) dass es sich von cap. 9 an um einen „Entwurf* aus der Hand Tert.'s handelt. Diese Art von loserem Ausdruck ist in einem Entwürfe verzeihlich. Eine „Über- M-hriftenmanier" macht sich eben mehrfach bemerklich.

3) S. Corssen S. 8 Mitte über ducatus. Der Ausdruck ist eminent tertullianisch. Deutsch: „den Kernpunkt eures Irrtums". Nach 17 s poeti- sierendem Stil eigentlich: euren prinzlichen Irrtum. Vgl. de pud. 5 (I, 799) : Est et mali dignitas .... Pompam quandam aspicio moechiae, hinc du-

im etc. Dies erläutert sachlich und sprachlich. Zum Wort ducatus s. auch Oehl. I, 3G0, u.

4) S. namentlich S. 9 oben.

20 Noeldechen, Tertullian's Gegen die Juden.

ein echter Zusammenhang hergestellt nach dem Geschinacke des Kritikers, statt des schlechten, der vorliegt. ]) Nun weiss man. dass nicht nur bei Anfangern, nein selbst zuweilen bei Meistern, durch Tilgung gewisser Passagen das Ganze an Klarheit ge- winnen kann. Das Störende hurtig zu streichen und dasselbe als unecht zu brandmarken ist aber oft gar nicht der Weg, den authentischen Text zu ermitteln, die geschichtliche Wahrheit klar zu legen. Kann ein Autor denn selber nicht fehlen? Steht dieser über jedem Verdacht, je der vollen Praecision zu er- mangeln? Will man so ohne Ende zerschneiden, den einen Fetzen aichend als echt, den andern als unecht stempelnd, wo bleibt die verlässliche Schranke gegen kritische Willkür und reine Geschmacksurteile mit ihrer biegsamen Unart? Trotz allem ver- wendeten Scharfsinn hat Corssen auch sonst Erstaunliches. Wenn die „Juden" scripturae divinae statt des „creator" einsetzen, den der Antimarcion vorzog, so soll dieser Ausdruck „farblos"2) sein. Hat der strenge Censor vergessen, dass grade die „heiligen Schriften" in den „Juden" der Kampf boden sind, auf dem beide Streitenden fussen können, und dass dies ebenso sicher im Anti- marcion anders steht? Dass also beide Termini ganz vortrefflich gewählt sind? Andererseits soll ein „creator" aus Versehen stehen geblieben sein. 3) „Siehe, wie sämtliche Völker aus dem Strudel menschlichen Irrtums zu dem Herrn und Schöpf er gott auf- tauchen!" Die unglücklichen „Juden"! Sie können es Corssen nie recht machen. Und doch wird er schliesslich hier nach- geben. Er versuche hier „scripturae divinae" und lasse die Volker der Erde zu den „heiligen Schriften" emportauchen. Corssen schreibt viel zu gut, als dass er solche Albernheit gut hiesse. Er bedrängt den vortrefflichen Text mit der Scylla und mit der Charybdis und kann ihn doch nicht zerscheitern. Wie un- billig ist auch das andre, den „Juden" zu mehreren Malen die schlechteste aller Lesarten ohne Erbarmen aufzudrängen und an viel besser bezeugten und verständigen stille vorbeizu-

1) So vor allem S. 4 Anm. 1.

2) S. 4 oben.

3) S. 8 Mitte. Auch sieht dies gerade so aus, als ob der Ausdruck creator schlechterdings nur im Antimarcion stehen dürfte. Man vgl. aber z. B. adv. Hermog. 10 (II, 348, o.). Eine rhetorische Erweiterung s. hier S. 31 Anm. 2.

1. Die Geschichte des Streites über Adversus Judaeos. 21

gehn '); wie inconsequent auch das dritte, dass die Juden" wieder neben dem Zwilling den besseren Text überliefern sollen. 2)

Allerdings das vertauschte „Creator" bahnt Corssen haupt- sächlich den Weg zu einem noch schlimmeren Vorwurf gegen den faselnden Ausschreiber. Vergessend dass er „heilige Schriften" statt des „Schöpfers" gesetzt hat, lasse er appellat und vocat, den Praedikatssingular folgen.'') Ein starkes Stück, wie es scheint. Aber, wie gewöhnlich ist's hier ein Tertullian wie er sein sollte, nicht ein Tertullian, wTie er war, den sich Corssen vors Auge gestellt hat. Der letztere wenigstens macht solche schnöden „Fehler" nicht selten. So hat er das subjektlose „inquit". Er schreibt ja auch inquit dominus, er schreibt auch inquit apo- stolus, aber, man zähle nach, er hat inquit allein gar nicht seltener, wo gar kein bestimmtes Subjekt in näherer Nach- barschaft vorliegt.4) Ist das nun gar Cicero eigen, und heisst speziell bei den Vätern dies inquit häufig: Gott sagt, so kann man allerdings einwenden: inquit ist nicht appellat. Doch zu- nächst steht auch ait ganz ähnlich 5) und zudem sogar jubet 6), praecepit.7) Dass Gott oder dass der Apostel in jubet, prae-

1) S. Corssen S. 4 o. : „beiläufig gesagt, ist aus dem nominum hominurD geworden!" Aber s. Oehl. II, 723 Anm. 43. Der Fuldensis las ja nomi- num; Rigault und Oehl er drucken getrost nominum. Warum hier den Un- sinn beibehalten, der nicht einmal gut bezeugt ist? Ähnlich steht es mit dem Citate bei Corssen S. 7 o.: et hoc enim infantiae est. Vgl. damit den Oehler'schen Text S. 722 o. Hier fehlt durchaus und mit Grund jenes „sinnlose et" (Corssen S. 8 Mitte). Auch bei Oehler II, 734 Anm. 6 gibt der Fuldensis nunc statt des Corssen S. 9 oben so anstössigen tunc. In der That heisst dies nichts andres, als sich die Windmühlen aufrichten^ gegen welche man kämpfen kann. Über ein andres et s. Corssen 25 u. und Oehl. II, 727.

2) S. Corssen S. 8 Anm. 2. S. 6 Anm. 1.

3) S. Corssen S. 4.

4) de spect. 28 (I, GO, o.) saeculum, inquit, gaudebit, vos tristes eritis; de idolol. 12 (I, 86, o.) sed Nolite, inquit, cogitare de victu.

5) de idolol. 20 (I, 102, u.) Sed ait: Nomen aliorum deorum ne com- memoremini.

6) de idolol. 14 (I, 91, o.) Si hominibus, inquit, vellem placere, servus Christi non essem. Sed idem alibi jubet, Omnibus placere curemus. Dass der Apostel redet (Gal. I, 10), muss der Leser hier raten.

7) de idolol. 20 (I, 103, o.) Hoc praecepit, ne deos vocemus illos. Dass Gott der praecipiens, muss der Leser hineindeuten! Ein inter-

22 Noeldechen, Tertullian'g Gegen die Juden.

cepit Subjekt sind, dies zu ahnen bleibt Sache des Lesers. Ich meine, wenn jubet, praecepit so völlig subjektlos zu stehen kommen, so mögen appellat und vocat das gleiche Schicksal wohl leiden dürfen, selbst wenn scripturae divinae, um so mehr wenn scripturae divinae ganz dicht vorhergehen sollte. Da ähn- liche Beispiele zahlreich ausserdem zu erbringen sind, so muss der verblüffende Glanz dieses starken Beweisgrundes stumpf werden. Das Verhältnis der Texte anlangend der „Juden" und Antimarcion's hat Corssen ein Schema verwendet, das „Ori- ginal und Copie" heisst. l) Ist „Marcion" Original, dann sind die „Juden" Copie, und umgekehrt stände es umgekehrt. Aber es fragt sich doch sehr, ob dieser Gegensatz zutrifft oder ob diese Formel hier ausreicht. Zunächst ist es sicher ein Bild, das auf diese Weise verwandt wird. Ganz eigentlich nimmt man den Ausdruck bei den Künsten des Meisseis und Pinsels. Bei Copien der Maler und Bildhauer ist der Nachahmer aber beflissen, mit möglichst täuschender Ähnlichkeit seinem Original sich zu nähern. Nur weil das „Räuspern" ja leichter als der „feine Blick" zu copieren ist, und bei Wiedergabe des letzteren ein Un- vermögen sich geltend macht , pflegt der Copist allerdings das Original nicht zu erreichen. Wiche er bewusst davon ab, so würde das Caricatur geben. Von all dem ist hier nicht zu reden. Der „Copist" verändert mit Absicht; dies wird auch Corssen nicht leugnen; dass er absichtlich Zerrbilder gebe, hat Corssen nirgend behauptet. Auch anderwärts hinkt ja dies Gleichnis. Ist das Original des Porträts, der Büste der Copie überlegen und natürlich zeitlich das Frühere, so hat mancher Anwalt der „Juden", der die Echtheit und Priorität der letzteren gleich- massig aussagt, keinesweges behauptet, dass die „Juden" das voll- kommenere Werk seien. Es steht bei den Werken der Feder eben anders als bei Werken des Zeichners. Sollte zumal der- selbe, der früher eine Arbeit nur hinwarf, sie durch irgend eine Ursach bewogen zum zweiten Mal in die Hand nehmen, so wird zehn gegen eins wohl zu wetten sein, dass, es sei denn, er wäre altersschwach, das Neue das Ältere aussticht. Wenn hier von

essantes Beispiel s. de praescr. 16 (II, 17 ganz oben) wo der Anschein ent- steht, als führe Tert. ein Herrnwort auf den Apostel zurück. „Interdixit" vscil. dominus.

1) Corssen S. 7 oben.

1. Die Geschichte des Streites über Adversus Judaeos. 23

den ..Juden" ein Teil in den späteren Antimarcion einfliesst ein tributärer Nebenfluss gleichsam so bleibt der Antimarcion Hauptstrom; man wird ihn als reicher vermuten und vielleicht von geklärteren Wassern; besteht man auf dem Corssen'schen Schema, so wäre in der That die „Copie" hier die wirklich voll- kommenere Leistung. "Will man andere Schemata durchproben, so bieten sich ..verschiedene Auflagen", oder „Concept und Rein- schrift", oder „Entwurf und Ausführung" oder „Vorlesung, Ab- handlung". Von verschiedenen Auflagen weiss man beim Anti- marcion selber; auch meldet der Schriftsteller Gründe, die zur zweiten und dritten geführt haben.1) Hier besteht ja der Unterschied, dass wir Tertullian nicht selber als Zeugen des Vor- gangs verhören können. Auch kann von verbesserter Auflage in der That hier kaum irgend die Rede sein, weil der vielfach ähnliche Stoff eine veränderte Wendung erhält und ganz ver- schiedenen Dienst thut. Mit Concept und Reinschrift steht's ähnlich, nur dass das Concept überhaupt nur privaten Brauches zu sein pflegt, und die Schrift gegen die Juden im Unter- schied von einer Auflage der Schrift wider den Pontiker schliesslich doch wohl als Ganzes, mit des Autors Gutheissung ausgeht. Das Schema „Entwurf und Ausführung" dürfte ein hier brauchbares heissen, doch weniger im Verhältnis der „Juden" zum dritten Buch wider Marcion, als vielmehr des ersten zum zweiten Teil. Denn das wird der Wahrheitsbestandteil der Ne- ander'schen Hypothese sein, dass die zweite Hälfte der „Juden" allerdings nur Entwurf geblieben ist, eine rasche Fixierung des Inhalts der eben gepflogenen Debatten, während nur die frühere Hälfte eine straffere Form erhalten hat. Im zweiten Teil reflek- tiert sich und das macht ihn grade so lehrreich, das Hin und Her der Debatte, die „judengenössische" Gegenrede, das Dreinsprechen der Zuhörer.

Auf das objektive „Judaei", das im Ton an den ersten Teil anklingt und doch noch besonders zu werten ist, müssen wir später noch eingehn. 2) Der vierte Gegensatz endlich wird gleicherweise ergiebig sein, nämlich „Vorlesungen und Abhand- lung". Dass Corssen die „lectiones" durch „Abhandlung" wieder-

1) adv. Marc. I, 1.

2) S. hier S. 32 unten.

24 Noeklechen, Tertullian1 die Juden.

gegeben hat, wird sicher ein sprachlicher Fehler sein. *) Die Buchform im strengeren Sinn liegt im Antimarcion vor und zwar lediglich hier. Auch heute pflegt man wohl Vorlesun- gen zu „literarischen" Arbeiten umzugiessen, wie dies ohne Zweifel im Altertum gar nicht selten geschehen ist. Nur ist doch unser Fall ein besondrer. Der Umguss erfolgt nämlich hier unter neuem literarischen Leitmotiv und erstreckt sich keines- wegs blos auf leise formelle Veränderungen. Jenes Leitmotiv ist die Einsicht, dass die „Juden" neu zu verwerten waren als Vorratshaus oder Scheuer, aus der für das grössere Werk die Kosten zum Teil zu bestreiten waren. Auch wirkt hier eine Art von Caprice. „Antimarcion" ist nämlich beflissen, eine denk- bar grosseste Nähe zu dem Buchstaben der „Juden" fast um jeden Preis zu behaupten, offenbar um dem Pontiker darzu- thun, in welchem Grade sein Denken dem verachteten jüdi- schen nahe kommt. Dass hier blos Bequemlichkeit obwalte oder Denkfaulheit an den Tag komme, ist in jeder Beziehung unzutreffend. In den kleinen Abänderungen liegt zweifelsohne System, und sie sind zum guten Teil geistreich. In diesem be- sonderen Sinne hätten wir selbst hier ja drei Auflagen: Entwurf, Lektionen und Abhandlung, nur dass es sich meist so gefügt hat, dass nur der Stoff des Entwurfes in die literarische Abhandlung einströmt, während die „Lektionen" nur selten in das eigent- liche „Buch" sich ergossen haben. Den Erweis dieser Anschau- ung freilich muss erst das folgende führen.

2. Die Bekanntschaft Tertullian's mit dem Judentum

im allgemeinen.

Die blosse Lektüre Justins, wie reichlich sie der Schrift- steller ausnutzt, hätte schwerlich genügt, einen einigermassen tauglichen Bekämpfer der Juden zu stellen. Die antijüdische

1) Corssen S. 4 oben. Ich habe in Forcellini und sonst mich nach „lectio" umgethan, aber Corssen's Bedeutung „Abhandlung" nirgendwo ent- decken können. Vgl. dagegen meinen Aufsatz im Philologus Supplement- band VI, 2. Hälfte: Die Quellen TertuÜVs etc. S. 736 Anm. 44. Der Aus- druck lectiones steht varronisch für recitationes. Über den Einüuss Varro's auf Tertullian habe ich am angef. Ort S. 734 737 gehandelt. Ich kann hier noch Oehl. I, 189 (origines) u. Oehl. II, 604 hinzufügen. Vgl. hier S. 81 Anm. 1.

2. Die Bekanntschaft Tertullian's mit dem Judentum im allgemeinen. 25

Kundgebung, so, wie dieselbe uns vorliegt, zeigt deutlich auch etliche Kenntnisse, die aus jener einzigen Quelle eben gar nicht zu schöpfen waren. Es ist darum hier von Wichtigkeit, die Kunde von dem jüdischen Wesen, die die „echten" Schriften des Autors im übrigen uns zu sehn geben, gleich hier kurz zu be- sprechen.

Tertullian zeigt gute Bekanntschaft mit seinen jüdischen Mitbürgern, mit ihren Lebensgewohnheiten, mit der Schriftaus- lecruns derselben, mit den zahlreichen Licht- und Schattenseiten des merkwürdigen Volkes. Von seiner geschichtlichen Würde ur- teilt er im allgemeinen so hoch, wie man es von einem Christen, auch jener Tage, erwartet. Den Gewalthabern Roms gegenüber macht er daraus kein Hehl, wenig hold wie der Römer dem un- verstandenen Volk ist. Er nennt sie die Hausfreunde Gottes wegen jener besonderen Huld, die der Herr ihren Vorfahren zu- wandte. ]) Allerdings mit der letztlichen Absicht, die christliche Sekte zu schildern, belehrt er die römischen Herren über alte Bibelgeschichten, auch über den ptolemaeischen König, unter dem die hebräischen Schriften übersetzt und nutzbar gemacht wurden.2) Er kennt die römische Duldsamkeit gegen das Volk in der Fremde, weiss, Ylass sie ihre heiligen Schriften an Sabbaten öffentlich vor- lesen, er erwähnt die übliche Kopfsteuer, schmachvoll wie immer die letztere dem gebildeten Römer erscheinen mag, er wagt, grosse Dinge zu hoffen für Heiden, die an Sabbaten zuhören: wer den Lesungen beiwohnt, wird Gott finden, wer verstehn will, der wird auch glauben. 3) Er kennt mehrere Sekten, welche im allgemeinen bei Gott sind, und die Juden sind ihnen beigezählt. Gegenüber den Marcioniten, und dies letztere ist freilich nicht gleichgültig, nimmt er selbst keinen Anstand zu sagen: der jüdische Gott ist der Christengott.4) Andrerseits freilich betont er, und dies wieder vor den römischen Staats- männern, den Unterschied zwischen Juden und Christen. Die letzteren nämlich verschmähen, obwohl Verwandte des Juden-

1) domesticam dei gentem ex patrum gratia apolog. 18 (I, 18G).

2) apolog. 18 (I, 185).

3) apolog. 18 Schluss. S. hier S. 32 Anm. 2.

4) deo Israelis et nostro de anima 23 (II, 591, u.). Im Znsammenhang ist von Apelles die Rede.

26 Noeldechen, Tertullian' die Ju'

glaubens *), im Schatten der berühmten Gemeinschaft2) ein ver- stohlenes Dasein zu fristen; sie haben den Mut ihrer Meinung und verkriechen sich nicht hinter Juden. Hier gelangt er zum scheinbaren Gegenteil jener eben erwähnten Aussage: man diene einer anderen Gottheit3), wie dies schon daraus erhelle, dass der Christenglaube noch jung ist, dass Speisesatzungen und Fest- tage die Juden von den Christen abtrennen, und zudem „das Zeichen am Körper" nicht bei den Christen zu finden sei. Wie tief die einst reich Bevorzugten von ihrer Höhe gefallen sind, bekundet ihr jetziger Zustand. 4) Nicht ohne sichtbare Teilnahme erwähnt oder schildert er mehrmals den grossen Trauertag Israels, wie das Volk am Strande entlang zieht, bis zum Aufgang des Abendsterns fastend und in der Symbolik der Trübsal eine Art von Grösse entfaltend. 5) Die täglichen Waschungen Israels statt der einen heilsamen Taufe die allezeit koschere Mahl- zeit, die Feier des heiligen Ruhetags, die Formel des täglichen Grusses, der Schleier der Frauen und Jungfrauen letzterer mit deutlichstem Beifall alles das kommt zur Sprache. Er kennt die jüdischen Grundsätze über Mannbarkeit der jüdischen Bräute6) und ist im allgemeinen gewohnt, überall die Sitten von Israel teils beifällig, teils ablehnend in seine Erörterung einzuflechten. Er kennt den jüdischen „Schrank" mit seinen heiligen Schriften und tadelt es, dass man den „Henoch" aus diesem Schranke ver- bannt hat. Er kennt auch das Judaisieren von zeitgenössischen Römern, zumal ihre Feier der Sabbate, auch Israels Strauss mit Marcion über den „Diebstahl" der Vorfahren. Und er kennt nicht zum letzten den Hass Israels gegen die Christen und notiert, dass die Schauergerüchte jüdischen Quellen entstammen. Er hat einen Fall mit erlebt, wo ein einzelner jüdischer Lotterbube, ein heruntergekommener Bursche, bis zum Tierkämpfer herabge-

1) nos quoque ut Iudaicae religionis propinquos apolog. 16 (I, 176 .

2) sub umbraculo insignissiniae religionis apolog. 21 (1, 195).

3) Er leugnet das eidem deo mancipari der Christen. A. a. 0.

4) Dispersi, palabandi etc. I, 196.

5) de jejun. 16 (I, 877); ad natt. I, 13 (I, 334) orationes littorales.

6) Waschungen de orat. 14 (I, 566) de bapt, 15 (I, 634); sabbata et coena pura ad natt. I, 13 (I, 334); Gruss adv. Marc. Y, 5 (II, 287, o.); Schleier de orat. 22 (I, 576, o.) de cor. 4 (I, 424); Mannbarkeit de virg. vel. 11 (I, 899).

3. Die Einheit von Ad versus Judaeos. 27

sunken, die Person des Mannes von Golgatha mit dummem Spott- bild verhöhnt hat. Bei solchen Lebenserfahrungen nimmt es später beinahe Wunder, wenn endlich der gealterte Mann jene cli ristlich tr mitarische Lehre, wie dieselbe ihm selber sich aus- bautet, als den einzigen Unterschied hinstellt, der ihn von Israel abtrenne. *)

Mit solchem Vorrat von Kenntnissen, offenbar auch aus Um- gang geschöpften und teilweise frühe erworbenen, zudem mit biblischem Wissen, um das er sich zeitig bemüht hat, mit schlag- fertiger Rede, wie wir sie dem rhetorisch Geschulten, dem Advo- katen gern zutrauen, musste wohl der Autor der Mann sein, der, wenn die Gewohnheit der Zeit zu Streitunterredungen führte, für solche Debatten mehr wie mancher andre geschaffen schien.

An diese Gedanken anzuknüpfen wird sich später der Ort finden. Da wir nach Lage der Sache auf den Nachweis ver- zichten dürfen, dass der erste Teil unserer „Juden" aus Tertul- lian's Feder ist, und die Glaubwürdigkeit seiner Angabe, dass ein Streitgespräch die Grundlage bildete, ohnehin sich erhärten wird, so wenden wir uns nunmehr sofort zur Frage nach der Einheit des Schriftchens und erörtern unter diesem Gesichtspunkt gewisse Klammern und Bänder, welche, den Keilen zum Trotz, die die neuere Kritik hier eingetrieben, die beiden Teile der Schrift unzertrennlich zusammenhalten. Wir verstehn hier unter den „Klammern" eine Reihe allgemeinerer Gründe, welche jene Einheit verbürgen, unter „Bändern" besondere und einzelne, welche die Wirkung der ersteren zu verstärken geeignet sind.

3. Die Einheit von Adversus Judaeos.

a. Klammern.

Wohl mit Bedacht stellt Corssen in den Vordergrund einen Umstand, der, auf den ersten Blick, allerdings aufs höchste be- fremdlich ist. Der Ausschreiber des „Marcion" soll so hoch- gradig fahrlässig sein, auch selbst die äussere Form des zusam-

1) Schrank de eult. fem. I, 3 (I, 705); judaisierende Römer apolog. 16 (1, 180); „Diebstahl" der Juden in Aegypten adv. Marc. II, 20 (II, 109); Christenhass adv. Marc. III, 23 (II, 154) : ab illis enim coepit infamia, cf. apo- log. 7 (I, 137): hostes et aemulatione Judaei; Spottbild ad natt. I, 14 (I, 335), apol. 16 (I, 181); trinitar. Lehre trennend adv. Prax. 31 (II, 697): Quid enim erit inter nos et illos nisi differentia ista?

28 Noeklechen, Tertullian's Gegen die Juden.

mengeraublen Textes in so schnöder Art zu verhunzen, dass, während er Anfangs doch dem Abhandlungstone sich anschliesst, welchen sein Vorgänger angeschlagen, er sich rasch wieder ver- gisst, die Form der Abhandlung aufgibt und „Marcion" wörtlich abschreibend, ein spectes, quaere, negabis gedankenlos mit her- übernimmt. ]) Der Karthager hat mit dem Pontiker „Brust an Brust gerungen und liebte es seinen Gegner in direkter Rede herauszufordern." Die „Juden", die doch objektiv und abhandelnd begonnen haben, sollen ihren Standpunkt vergessend in die andere Weise zurückgleiten. In der That eine seltsame Faselei! Aber prüfen wir etwas genauer. Dass lectio schwerlich je „Ab- handlung" in der römischen Sprache bedeutet, bleibe hier ganz beiseite. Nicht aber, dass das Ganze des Thatbestands so wenig gründlich gegeben wird. Der Sündenbock von Plagiator thut nämlich wirklich noch mehr, er leistet eine Summe von Unver- stand, die an das Unglaubliche grenzen wird, indem aus der Ein- zahl der Anrede auch wieder im Umsehn die Mehrzahl, aus spectes, negabis und quaere ein legitis, ambigitis2) wird, eine Mehrzahl, die er zum wenigsten aus „Marcion" sicher nicht aus- schreibt. Ja, auch das nicht genug. Wir lesen des weiteren einmal: ne cursum demorer ipse3), „dass ich selber die Sache nicht aufhalte", als sähe der Mann Gespenster, denn jenes ipse verlangt doch, dass man ein Nicht ich daneben denkt. Ein- mal redet er befremdlich historisch: At nos e contrario admo- nendos eos existimavimus 4), als tauche als ein anderer Popanz ihm eine Vergangenheit auf, die doch scheinbar den Leser nichts angeht. Das will an den Ton mit erinnern, den der „Echte" im Eingange angeschlagen, wenn er habuit praerogativam 5) , ge-

1) Corssen S. 4. oben.

2) vgl. et ipsi legitis II, 725, m. ambigitis 727, o. quod essetis dicturi 729, u. duritia cordis vestri 730. facturos vos prophetavit 731, o. cladem vestram 731, m. quem respuitis 731, u. discite nunc 739, o. nee poteritis 740, m. (Vgl. hier S. 33 Anm. 2.)

3) 728, o. Diesen sehr bemerkenswerten Punkt habe ich bereits in „Texte u. Untersuchungen" a. a. 0. hervorgehoben.

4) 720, u. Adv. Marcionem III, 12, die parallele Stelle hat dies existimavimus sehr wohl vermieden. Vgl. die Semler 'sehe Synopse Oehler III, 643, in. Der Antimarcion hat eine analoge Vergangenheit, dem Collo- quium mit dem Juden entsprechend, nicht hinter sich.

5) Vgl. überhaupt die Praeterita des Eingangs (II, 701): proxime acci- dit, traxerunt, placuit, habuit.

3. Die Einheit von Adversus Judaeos. 29

scliichtlicli berichtend, niederschrieb. So mag es uns wirklich bedünken, dass alle jene Schineichel- und Koseworte, welche den Freibeuter zieren mussten: „borniert, ungeschickt, geistlos, plump, gedankenlos" 1) matt sind, und wir eigentlich „blödsinnig" sagen müssten. Ein so unerhörtes Verfahren lässt sich kaum glimpflicher kennzeichnen.

Grade hier aber mag man wohl stutzig werden. Freilich, wer will die Möglichkeit ausmessen, bis zu welchem Grade von Unsinn, von Verhöhnung vernünftiger Schreibweise irgend ein beliebiger Buchräuber im Altertum sich versteigen konnte! Nur das wird man billig verlangen, dass die Wahrscheinlichkeit eines solchen auch psychologisch erwogen werde, dass man das Rätsel als solches möglichst genau überdenke und geeignete Wege ver- suche, dies Stilproblem wirklich zu lösen. Neander „nahm" den Freibeuter „an".2) Wenn ein solcher Freibeuter nun zu den schwer begreiflichen Dingen zählt, sollte es dann nicht geraten sein, nach einer besseren Deutung der Textthatsachen sich um- zuthun ?

Wir sagen ungefähr mit Neander, dass Tertullian, der ge- willt war, den Rohstoff seiner Notizen über das gepflogene Zwie- gespräch in die Form von Lektionen zu giessen, durch irgend welche Gründe veranlasst, diese Absicht nur teilweise ausführte. Die zweite Hälfte trägt wirklich und damit biegen wir frei- lich schon ab von den Bahnen Neander's, die Spuren eines Ent- wurfs3), der aus unmittelbarer Erinnerung an das Zwiegespräch niedergeschrieben wurde, während nur die ersten acht Haupt- stücke in einer Überarbeitung vorliegen, die direkt zur Vorlesung taugte. Der Entwurf charakterisiert sich als Mittelglied zwischen Debatte und jener Vorlesungsform, in die nur die erste Hälfte wirklich hinübergeführt ward. Er spiegelt dann auch getreuer,

1) So bei Corssen passim. Auch ein „anders interessierter Kopf" heisst der Plagiator gelegentlich S. 19 oben. Dass er dies entschieden nicht ist, sondern vielmehr auffallend gleichmässig interessiert, sollen die ..Klam- mern u. Bänder" hier darthun.

2) Corssen S. 4. Anm. 1.

3) Es war ein Mangel meiner früheren Auffassung dieser Verhältnisse, dass auch ich, wie Kaye u. Grotemeyer, den Wahrheitskern bei Neander nicht hinlänglich beachtend, die „Juden" zu sehr als gleichartiges Ganze nahm. S. meinen „Tertullian" S. 72 unten: „die gesamte (?) Arbeit eine rohe Stoffsammlung". Dies gilt nur von cap. 9 14.

30 Noeldechen, Tertullian'e Gegen die Juden.

als die erste gefeiltere Hälfte den Redeprocess uns wieder, mit seinem Hin und Her, mit seinem Für und Wider, zum Teil auch mit seinem Wirrsal. Und diese Gesamtauffassung wird durch wichtige Gründe zu stützen sein.

Wenn eine Schrift dem Verständnis entgegenkommt, indem sie ihren Anlass uns meldet, wenn sie als Gelegenheitsschrift sich ausdrücklich uns ankündigt, so ist es billig und recht, dass wir sie scharf darauf ansehn, in wiefern grade dieser Charakter sich in derselben verwirklicht. Hier ist es ein „Judengenosse", der sich als Hauptcolloquent in einem Gespräche gestellt hat, und als dessen hauptsächlichen Widerpart wir Tertullian zu denken haben. l) Gesagt wird dies letztere nicht mit ausdrück- lichen Worten, doch versteht es sich so sehr von selbst, dass Zweifel daran nicht erbracht sind. 2) Der Verfasser der Schrift bemerkt, er habe zum Zweck von Vorlesungen den Inhalt der Debatten fixiert, zumal bei sich dehnender Zwiesprache auch aus der Corona heraus manche laute Stimme mit dreintönte und die Kernpunkte verdunkelte.3) Dabei macht er Eingangs bemerk- lich, dass bei dem gepflogenen Streitgespräch ihn grade der Um- stand gefesselt habe, dass nicht ein jüdisches Vollblut, sondern eben ein Judengenosse mit ihm in den Kampf sich eingelassen. Kein Gedanke liegt demgemäss näher als in der überlieferten Schrift einer gewissen Eigenheit nachzuspüren, die dasjenige wiederspiegelt, was dem Verfasser des Buchs den Fall sozusagen zum „feinen" oder „interessanten" gemacht hat. Was konnte denn nun wohl die Würze dieses besonderen Falls sein? Er scheint zunächst sagen zu wollen, der Proselyt als solcher be- weist — schon durch sein blosses Vorhandensein dass wirk- lich auch „Nationen" zum „Gesetze" des Höchsten sich wenden, und dies genüge vorläufig, um Israels HofTahrt zu beugen, welches nicht müde werde, den „Tropfen am Eimer" zu schmähen.

1) So, vollkommen zutreffend, Grotemeycr a. a. 0. S. 14 Mitte. Ich muss gestehn, dass ich diese nach der Einleitung unserer Schrift und der gesamten Sachlage ziemlich selbstverständliche Thatsache früher nicht richtig gewürdigt habe. S. meinen „Tertullian" S. 72: Streitgespräch, „bei dem Tert. zunächst als Zuhörer beteiligt war".

2) Doch s. die vorige Anmerkung. Andre haben sich, so viel ich weiss, zu dieser Frage nicht ausdrücklich geäussert.

3) nubilo quodam veritas obumbrabatur. adv. Jud. 1.

3. Die Einheit von Adversus Judaeos. 31

Auch mag dem Justinusleser, als welchen wir den Autor ja kennen, der Vollblutjude Justins als willkommener Gegensatz vorschweben: er hat nun etwas Neues zu bieten gegenüber dem älteren Vorbild: wobei man denn freilich sich fragen wird, wie der flotte Entleiher von Älterem die zahlreich erborgten Gedanken seinem neuen Fall adaptieren wird. Verrät nun die „Anbeque- mung" vielleicht hier wirklich den Anfänger, so faselig zeigt er sich nicht, dass von ihm der Gesichtspunkt des Eingangs spater völlig vergessen würde.

Zunächst kehrt der Ausdruck wieder1), und dies ist sicher nicht zufällig. Er macht dem „Proselyten" bemerklich, dass auch nach christlicher Anschauung, die ja eben vom Redner vertreten wird, der Schöpfergott2) allen Völkern seine grosse Gottesstadt aufthue. Sogar die einfache Thatsache, dass solche Judenge- nossen bei den Juden Unterschlupf finden, kann schon an sich dafür bürgen, dass das Gesetz, durch Moses gegeben, von haus- aus weitherzig war, und dass es von hau saus mit nichten für ein einzelnes Volk bestimmt war. Jener Proselyt kann hier lernen, dass der Anschluss an dies einzelne Volk nach Gottes Plane nicht not ist. Es ist, als ob er ihm zuriefe: du drängst dich zum fleischlichen Israel, während Israels Heiland zu dir kommt. Die rechten Proselyten, bemerkt er, sind die, die zu- gleich zu Gott und seinem Christ Jesus hinzutreten, der nicht für ein einzelnes Volk, der für alle Völker gekommen ist.

Auch sonst fehlt es schwerlich an Spuren, dass die Aus- führungen des Schriftchens und die des Gesprächs, das vor- ausging — auf den Proselyten berechnet sind. „Augustus, Tibe- rius Caesar, Caligula, Nero und Otho", die Consuln Rubellius, Fufius3) sind eher für gebildete Römer als für jüdisches Voll- blut berechnet, zumal Leute vom Schlag des Josephus, welche in Palästen der Römer römischen Schliff sich erworben und in Bibliotheken der Römer römische Bildung gesucht haben, natur- gemäss Ausnahmen bleiben mussten. Auch das passt zum Pro- selyten, dass der Colloquent hier gelegentlich über „Hebräisches"

1) cap. 2 Anfang (II, 703, o.), cap. 4 (II, 708, m.) im Citat aus Jesaias.

2) Hier wird der Begriff des Schöpfers (vgl. hier S. 20. Anm. 3) rhe- torisch umschrieben: deus, universitatis conditor, mundi totius gubernator, hominis plasmator, universarum gentium sator II, 703, o.

3) II, 717. 719.

32 Noeldechen, Tertullian'fl Gegen die Juden.

katechisiert wird. Mag sein, die Juden von damals, die Juden- Schaft von Karthago soll gut Hebräisch verstanden haben. Ein „Rabbi Jizchak" J) soll wissen, was z. B. „Immanuel" sagen will, obschon wohl die Septuaginta auch für Vollblutjuden meist Quelle waren, an welcher d<jren Schriftdurst gestillt wurde: Tertullian setzt ja selber voraus, dass auch römische Ohren verstehn können, was in den Synagogen am Sabbat „öffentlich" vorgelesen wird. 2) Dass nun aber gar Punier, Griechen oder, was der Judengenosse doch wahrscheinlich wirklich gewesen ist, nämlich ein römischer Mann, Hebräisch sollte verstanden haben, so dass es ihn hätte befremden müssen, wenn ein taktloser Nazarener ihm Hebräisches in Römisches umsetzte, möchte schwer glaublich zu machen sein. Auch gewisse einzelne Daten der Synonymik der römischen Sprache 3), welche in dem Schriftchen zur Sprache kommen, werden wie den römischen Redner, so den römischen Collo- quenten verraten. Selbst „virgilische" Anspielungen4) werden das Gleiche vermuten lassen.

Dieser „Proselyt" erklärt auch, warum „objektiv" von den Juden, auch im „Entwürfe", geredet wird. Die „Gläubigen aus dem Judentum" sind Neander und Corssen ein Anstoss. Gewiss, gesetzt den Fall, dass ein einzelner Nationaljude oder auch meh- rere solche die Hauptcolloquenten gewesen wären, könnte man es auffällig finden, dass statt „Leute von eurem Blut" vielmehr „jüdische Leute" gesagt wird. Jene gegenständliche Weise, die den ersten acht Hauptstücken eignet, die zu „Lektionen" geformt sind, würde hier anstössig wirken, wo nach Art eines blossen Entwurfs, einer Skizze der Streitunterredung das Du und das Ihr dazwischenklingt. Da ein Proselyt colloquiert und Geburts- juden nur mitreden, verschwindet auch der leiseste Anstoss, und alles ist wie es sein soll.5) Die „jesusgläubigen Juden" sind um

1) Nach dein Talmud ein karthagischer Rabbi. S. Munter Pri- mordia Eccles. Afric. S. 165. Ob er gleichzeitig ist, steht dahin. Über den Juden Poinpejus Restitutus u. dessen Tochter Pompeja s. ebendas.

2) S. hier S. 25 Anm. 3.

3) S. hier S. 35 oben über populus, gens.

4) Vgl. hier S. 12 Anm. 4.

5) An dieser u. ähnlichen Erwägungen geht Corssen zum Schaden der Sache S. 6 oben vorbei, wie es schon Neander gethan hatte. Der „Proselyt'', wie das „Streitgespräch", welches der Schrift an die Juden (Corssen a. a. 0.) voraufging, werden überhaupt zur Lösung des Problems nicht herangezogen.

3. Die Einheit von Adversus Judaeos. 33

so mehr hier dritte Personen, als es eben schlechterdings scheinen will, als sei die Gemeinde Karthago's fast lediglich heidnischer Abstammung l), und als müsse man jüdische Christen in nam- hafter Ferne sich aufsuchen. So ist der Ausdruck denn ange- messen: die jüdischen Christen sind Gegensatz eben jenes römi- schen Mannes, der, zum Judentume sich hinwendend, zugleich von Jesus sich abwendet, von seinem natürlichen Schutzherrn, während sie, die Juden dem Blute nach, diesem Jesus sich zu- wandten. Und von hier aus fällt deutliches Licht auf jene De- batte „Immanuel", die wir oben in Kürze gestreift haben. Man soll, sagt Tertullian mit Fug zu dem Judengenossen, bei dem Wort nicht bloss auf den Klang hören, wie die buchstcäbelnden Juden2) (objektiv wieder richtig „Judaei"), die die Namen Jesus, Immanuel allerdings different finden müssen. Haben sie darin recht, dass sein Name Jesus genannt ward, bei der Beschneidung des Kindes, und keinesweges Immanuel, so gilt es doch bei der Weissagung vor allem den Gedanken berücksichtigen. Und so ist ohne weiteres klar, dass der Sinn des Wortes Immanuel in Jesus wirksam geworden ist.3) Die Vollblutjuden der Kirche

1) Die Weise, wie das signaculum corporis (die Beschneidung) apolog. 21 (I, 195) besprochen wird, scheint fast darauf zu deuten, noch mehr das nos gentes, nationes, s. hier S. 49 Anm. 1.

2) adv. Jud. 9 (II, 720. 721). Dies objektive Judaei zähle ich im 2. Teil 11 mal: dicunt Judaei 720, m.; admonendos eos existimavimus, inducuntur Judaei 721, 0.; inquiunt (Judaei) 721, u.; convincentur Judaei 723, m.; in- quiunt 724, m. ; filii Israel 734, 0.; secundum Judaeos 734, u.; coeperunt habere (Jud.) 736, m ; Judaei non agnoverunt 737, m.; videant Judaei 737, u.; cum pati praedicarentur Judaei 73S, u. Man vgl. das neunmalige le- gitis, ambigitis etc. hier S. 28 Anm. 2. Um das Problem voll zu über- sehen, stelle man daneben den 9 mal auftretenden Singular: non negabis 721, 0.; inspicias 721, m. ; disce 724, m.; inquis 724, m.; legisti 729, m.; .quaeres 730, 0.; aspice 733, m.; poteris 733, u.; nega 741, u. Da das objek- tive Judaei offenbar mit in die Wagschale der Abfertigungen des Prose- lyten fällt, so würde sich hier, auch rein numerisch, der vorzügliche Anteil des Hauptcolloquenten (des Judengenossen) spiegeln. Der Streit wäre frei- lich müssig, ob sämtliche Besonderheiten des Entwurfs in dieser Beziehung, der singular. u. plural. Anrede wie des objektiven Hinweises (Judaei), das thatsächliche Gespräch mit „photograph. Treue" wiederspiegeln oder nicht.

3) Zu dem Ausdruck agitetur in Christo II, 721 ganz oben vgl. de res. carn. 24 (II, 499, 0.), wo das iviQyüoüai 2 Thessal. 2, 7 durch agitari wiedergegeben wird.

Texte u. Untersuchungen XII, 2. 3

34 Noeldechen, Tertullian' i die Juden.

d. i. die hebraeischen Christen, wenn sie ihn Immanuel nennen, sagen: mit uns ist Gott, und verherrlichen mit diesem Namen Jesus, den gekommenen Heiland, mochte auch sein Rufname Jesus und durchaus nicht Immanuel lauten. Jene gegenständ- liche Weise: die Juden, kehrt übrigens auch später noch wieder, wo dies Schriftchen parenthetisch sie anruft: die Christen ent- sagten den Götzen (die Juden mögen es sehen, mögen davon Zeugnis ablegen).

Der „Judengenosse" erläutert also hier wirklich ein gut Teil. Er erläutert, ganz ohne die Annahme, dass der Verfasser seltsam gedankenlos in die sachliche Rede zurückglitte, das objektive „Judaei" des zweiten Teiles vollkommen; denn, wie gegenüber dem Schriftsteller, dem einen Haüptcolloquenten, sind auch für den Judengenossen Geburisjuden dritte Personen. Andrerseits hat die pluralische Anrede, da, wie der Eingang bezeugt, auch die Corona mit dreinspricht, nicht das geringste Befremdliche. Das et ipse stimmt nun vorzüglich, fast nach tachygraphischer Art eine Wendung des Redenden abspiegelnd, das existimavimus ebenso, insofern der Concipient, den Autorplural verwendend, auf die Debatten zurückschaut, deren Verlauf er fixieren will. Was als unentwirrbares Knäuel von Unsinn und Nachlässigkeiten beim „Freibeuter" erscheinen musste, das wüste Du, Ihr, Sie des Textes, verliert alles Befremdliche. Der Proselyt, der ja sicher den Fall dem Autor pikant machte, der dreinredende „Kranz", von dem er im Eingang gesprochen hatte, sie werden psycho- logisch — zu Klammern, die die beiden Teile zusammenhalten. Wir sagen, den Speer umkehrend, schon hier mit vollem Be- dacht: kein andrer als Tertullian war in gleich günstiger Lage, den zweiten Teil so, wie er ist, mit Gebrechen und Vorzügen, abzufassen. Ihm allein sind die Einzelbedingungen, unter denen dies Schriftstück entstanden ist, wie er sie im Eingang der Arbeit selber zur Darstellung brachte, naturgemäss dauernd geläufig und instinktiv gegenwärtig. Ein Falsarius hätte in Wahrheit, jenen Einzelbedingungen Rechnung tragend, den Proselyten wie die Corona mit in sein Machwerk verflechtend *), eine Art von Kunst- stück geleistet, wie es namentlich die leichte Manier, wie sie wirklich hier herrscht, nicht vermuten lässt.

1) und dies alles sozusagen „sub rosa".

3. Die Einheit von Adversus Judaeos. 35

Von mindestens gleicher Bedeutimg ist die zweite der Klam- mern, ich meine die eigentümliche Weise, in welcher nicht nur

gut rhetorisch der Schluss zum Anfang zurückbiegt, son- dern auch Anfang und Schluss durch das ganze Schriftchen hindurchklingen.

Für den Eingang ist charakteristisch, dass in einer Stelle der Genesis, gemäss jenem Pressen und Drücken, das der Einzel- ausdruck oft leidet, der Parallelismus membrorum mit logischen Gewichten behängt und. die Worte populus, gens, statt als gleich- bedeutend zu gelten1), in verschiedenem Sinne genommen wer- den.2) Es handelt sich um Jakob und Esau: beide sollen Nach- kommen haben laut dem prophetischen Wort, und die Scharen ihrer Nachkommen sollen, zunächst ohne Vorrecht des Namens, populus so wie gens völlig promiscue, heissen. Diese Betonung der Gleichheit beruht offenbar auf der Annahme, dass einer von diesen Ausdrücken, wir vermuten von vorn herein populus, den vornehmeren Klang 3) hat.

Bei der Wichtigkeit, die dieser Unterschied für die Auf- fassung dieser Schrift hat, wird der tertullianische Sprachgebrauch in diesem Betracht zu ermitteln sein. Die Wortstatistik des Autors ergibt aber wesentlich folgendes. Populus bedeutet ihm vorwiegend das israelitische Volk4), wobei vielleicht doch ein Schimmer des hebraeischen Sprachgebrauchs mitwirkt. Zuweilen,

1) Zwischen populus gens besteht ja s. das folgende ein gewich- tiger synonymischer Unterschied; auch im Sinne des Tertull. ist dieser ent- schiedenvorhanden. Was wir meinen, ist, dass im Grundtext, den Tert. ja nicht kannte, und auch in der LXX keinerlei Nötigung lag, den Aus- druck begrifflich zu pressen. Das Hebr. (Genes. 25, 23) hat ö*»*a und b^ttsV, die LXX ed-vrj u. z.aol, das für Israel bezeichnende üv kommt also hier gar nicht vor. Hätte Tert. einen Schimmer von diesem hebr. Sprachgebrauch

worüber nichts Gewisses sich sagen lässt so hätte er diese Kunde in die Genesisstelle hineingeschwärzt, Vgl. hier S. 3S Anm. 2.

2) adv. Jud. 1 (II, 702).

3) Es ist charakteristisch, dass er zunächst offenbar Gleichheit der beiden Gemeinden aussagt der jüdischen und der christlichen. Man könnte darin „Irenik'' finden, wenn nicht einerseits Israels Hoffart höhere Ansprüche machte und nicht andererseits ein superare majorem filium von dem filius minor (den Christen) gleich darauf behauptet würde.

4) de idolol. 3 Schluss; adv. Marc. II. 15 Ende; adv. Marc. IV, 22 (II, 215, u.); ebendas. 24 (II, 224,0.); de res. 20 (II, 492, m.); ebendas. 27 (II, 502, m., Citat); ebendas. 31 Anfang.

3*

36 Noeldechen, Tertullian'e (legen die Juden.

in Prophetencitaten, geht das Wort auf das künftige Gottesvolk, also im Sinn des Citierenden auf die grosse Christengemeinschaft. 1) Populus Romanus wird nirgends bei dem Verfasser zu lesen sein. Allerdings findet der Ausdruck doch auch weitere Verwendung. Er bezeichnet das Volk von Karthago2), auch populus Aethio- pum liest man. Auch findet das Wort seinen Gegensatz wenig- stens einmal an miles und bedeutet ihm also „Civil", einmal auch in den episcopi, so dass es die Laienschaft ausdrückt. Die Worte ethnicus populus bezeichnen die karthagische Heiden- schaft, wie sie im Schauhause versammelt ist, und endlich steht populus scherzhaft, wo er von Fünflingen redet. Für uns von besonderer Wichtigkeit sind die Stellen, wo gentes und populi, geflissentlich an einander gerückt, an den Anfang der „Juden" erinnern. In solchem Falle verhört er zuweilen nur ein einzelnes Schriftwort, dessen Parallelismus er presst, gerade so wie in den „Juden", zuweilen aber finden wir beides auch ausserhalb blosser Citate.3) Geschraubt und lehrreich zugleich sind zwei verwandte Behandlungen einer Stelle des zweiten Psalms, wo die nationes Pilatus und seine Römer bedeuten, während die populi (Plural) die tribus von Israel ausdrücken.4)

Nationes sind beim Verfasser zumeist die Mengen der Hei- denvölker, so dass bald Juden5), bald Christen6) den ausdrück- lichen Gegensatz bilden; auch ohne besonderen Contrast sind es „polytheistische Völker".7) Da freilich die Nationen zu Christus

1) adv. Marc. IV, 39 (II, 263, o.).

2) apolog. 9 (I, 146, m.); de res. cam. 42 (II, 531, o.); populus Aethio- pum adv. Marc. IV, 13 (II, 188, o.); Civil de fuga 14 Anfang; Laien de jejun. 16 (I, 876, u.); karthag. Heidenschaffc de spect. 3 (I, 22, u.); Fünflinge de anima 6 Ende.

3) apolog. 21 (I, 196, u.): ex omni jam gente et populo et loco cul- tores sibi adlegeret deus. Vgl. adv. Marc. V, 17 (II, 325, u.); Judaicum populum et gentilem, auch de jejun. 5 (I, 858, o.): primus populus (Israel).

4) adv. Marc. IV, 41 (II, 270, m.); de res. carn. 20 (II, 492, m.).

5) de praescr. 8 (II, 10, u.); adv. Marc. IV, 1 (II, 161, o.); ebendas. 2 Ende; ebendas. 25 (II, 227, o.); ebendas. 26 (II, 231, o.); adv. Marc. V, 9 (II, 301, m.); adv. Prax. 18 (II, 677, u.).

6) de idolol. 2 Ende; ebendas. 13 (I, 88, o.); de res. carn. 39 (II, 516, u.).

7) de idol. 10 Anfang dei nationum; ebendas. 14 Ende; ebendas. 21 Anfang dei nationum; ebenso 22 Anfang; de spect. 30 Anfang; ad ux. I, 7 Ende; de pud. 17 (I, 830, o.); adv. Hermog. 7 (II, 346, o.).

3. Die Einheit von Ad versus Judaeos. 37

teils kommen teils künftighin kommen werden, so bedeutet das Wort auch nicht selten „die Beute des Herrn aus den Heiden", die „heidenchristliche Menschheit".1) Die Kühnheit von nos nationes im Sinn von „wir Heidenchristen" findet sich freilich nur einmal und zwar in Adversus Judaeos (II, 724). „Omnes nationes" wird einmal vom Verfasser selber erläutert, wo es, bei- läufig, heissen soll: omnia hominum genera (II, 226, u.).

Gentes und nationes sind ihm meist vertauschbare Ausdrücke. Es heisst somit ebenfalls Heiden". Recht deutlich wird diese Vertauschbarkeit, wenn beide Worte zusammenstehn 2) ; zuweilen tritt der Zusatz extraneae zu noch grösserer Klarheit daneben3); die gentilis idololatria ist der heidnische Götzendienst.4) Ein Unter- schied von nationes macht sich allenfalls dadurch bemerkbar, dass gentes weit häufiger einfach blos „die Völker" bezeichnet, abseits von aller Färbung des Glaubens.5) Quidam gentiles Scy- tharum sind einzelne scythische „Volksstämme"6), gentiles pro- prietates bedeutet „Volkseigentümlichkeiten".7) Die gentes der Schutzschrift sind „Völker" ohne Rücksicht auf Glaubensschat- tierung.8) Gens humana, gens hominum heisst ihm das Menschen- geschlecht9); auch eine gensdaemonum10) kennt er. Dass übrigens auch die gentes Candidaten des Christentums werden, überrascht

1) de pud. 12 (I, 815, u.); ebendas. 14 Ende; ebendas. 21 (I, 843, u.); de praescr. 9 Anfang; adv. Marc. IV, 11 Anfang; adv. Marc. V, 17 (II, 323, u.); de anima 50 (II, 636, o.).

2) adv. Marc. IV, 29 (II, 237, u.); ebendas. 39 (II, 264, u.). Zu gentes Heiden s. de cult. fem. II, 11, Anfang; de pud. 14 (I, 822, ni.); adv. Marc. I, 7 (II, 54, u.) idola gentium; adv. Marc. IV, 6 (II, 167, u.); ebendas. 31 Ende; adv. Marc. V, 9 (II, 302, o.); de res. cam. 31 (II, 507, o.); ebendas. 44 (II, 523, u.); de anima 24 Ende.

3) adv. Marc. IV, 31 (II, 243, u.).

4) adv. Marc. TI, 14 Ende.

5) apolog. 25 (I, 224, m.) Romanorum tot de gentibus triumphi; eben- das. 37 (I, 250, u.); ebendas. 19 (I, 191, o.) antiquissimae gentes; adv. Marc. IV, 11, Ende; de anima 25 (II, 597, o.) barbarae Romanaeque gentes.

6) apolog. 9 (I, 147, u.).

7) de anima 20 (II, 588, m.).

8) apolog. 19 (1, 189, u.).

9) gens hominum apolog. 26 Anfang; humana gens ebendas. 40 (I, 269, m.).

10) apolog. 22 (I, 207, o.).

;jg Noeldechen, Tertullian'a Gegen die Juden.

nach dem obigen nicht; nur gentes nos hat er nur einmal und zwar wieder in Adversus Judaeus (II, 7)>7, u.j.

Unsere Übersicht hat wohl ergeben, dass populus bei diesem Autor, wie eben auch sonst im Lateinischen, den ,, vornehmeren" Klang hat. Laut heutiger Synonymik 1) ist populus das einen Staat bildende, ein politisches Ganze ausmachende, gleichsam majestätische Volk, das gemeinschaftliche Regierung hat, durch gleiche Gesetze verbunden ist. Gens fasst man als Völkercomplex und natio als einzelnen Volksstamm. Da unser Schriftsteller populus vorwiegend vom jüdischen Volk braucht, so ist man ver- sucht, ihm ein Wissen vom hebräischen Sprachgebrauch beizu- legen, wonach D2 das Vorrecht geniesst, das Gottes volk zu be- zeichnen.2) Indessen die Sprachgelehrsamkeit des Autors ist wesentlich römisch, und so wird das Gerathenste sein, um so mehr als auch sein Colloquent als Geburtsrömer zu denken ist, behufs der Erklärung der Stelle beim lateinischen Stil zu verharren. Die Muttersprache wird beiden als nächstes Medium gelten.

Wie steht es nun in den „Juden", wenn wir, ihren Eingang verlassend, unsern Weg durch das Schriftchen fortsetzen? Wird jener Gedanke des Eingangs in irgend einem Grade und Masse eine Führerrolle behaupten? Eine Ausserlichkeit ist schon be- zeichnend. Es gibt sehr wenige Seiten in sämtlichen Teilen des Schriftchens, auf denen nicht die beiden Worte populus, gens

1) Vgl. Menge Lat. Synonym.2 S. 93, No. 126. Schultz Lat. Synon.? S. 200, No. 276.

2) S. hier S. 35 Anna. 1. Die LXX übersetzen allerdings öS gewöhn- lieh durch Xaoq (Exod. 15, 13; Deuteron. 4, 20; 7, 6; 32, 36) und laoi steht ja auch Genes. 25, 23, aber freilich gerade an zweiter, nicht wie populus bei Tert. an erster Stelle. So ist auch nicht einmal wahrscheinlich, dass ihm von der durchschnittlichen Fühlung der LXX mit dem Urtext etwas bewusst ist. Nur im allgem. weiss er, dass Israel das alte ,.Gottesvolk" ist. Daher das ihm solenne populus Israel. Den Ausdruck für jene Idee (Gottesvolk) gibt ihm sein ererbtes Latein her. Die ihm versunkene ma- jestas populi Romani erlebt eine Art Auferstehung in den umgeformten Be- griffen: populus Israel and populus nominis Christi. Seine lateinische Syn- onymik anlangend steht er vielleicht unter dem Einfluss des Afrikaners FLorus (s. Teuffel-Schwabe Gesch. der röm. Literat.4 S. 793. 816, § 341, 7 und 348, 4). Wie sonst, z. B. im Gebrauch des „post", so ist im Gebrauch von populus und gens eine bemerkenswerte Verwandtschaft vorhanden. Victor gentium populus (rom.) ist eine der solennen Wendungen des Florus.

3. Die Einheit von Ad versus Judaeos. 39

wiederkehrten. Dass die Universalität der Erlösung in dem Buche zur Sprache kommt, ist nicht wohl zu bezweifeln. Trotzdem lesen wir niemals den Ausdruck genus humanuni der dem Anti- marcion zugehört1), nie andrerseits gens hominum, was doch sonst, dem poetischen Stile des Autors gemäss, ihm in Brauch ist2); auch niemals omnes homines, während alle diese Ausdrücke taugen würden, die Allgemeinheit des Heilswerks zu zeichnen. Auch die Worte gentiles :v) und ethnici, die der Verfasser doch sonst zu verwenden pflegt, wo er einzelne Heiden bezeichnen will, bleiben vom Judenbuch ausgeschlossen, was sich freilich schon daraus begreift, dass die Schrift den Heiden als solchen einfach den Kücken zuwendet, die Nationen nur als Christentums-An- wärter oder -Zöglinge ansieht, wie andrerseits freilich auch daraus, dass alles persönliche Glaubensleben in diesem Buche zurücktritt. Das Christentum eine Volkerfrasje , so könnte man nicht ohne Grund den Grundton des Schriftchens kennzeichnen. Insofern das „populus noster" oder „populus nominis Christi" gegenüber hebraeischem Hochmut zunächst eine Gleichheit der Würde, die Majestät des Volksbegriffs ausspricht, des Volks mit einer Re-

1) adv, Marc. III, 23 cf. Oehler III, 656, unten.

2) S. hier S. 37. Anm. 9.

3) gentiles u. gentilis bezeichnet in ad ux. und de cultu fem. den ter- tullianischen Damenstil. S. Oehl. I, 677, u.; 678, o.; 684, u ; 685; 686, m.; 6S7, o.; 688; 689; 690; 692; 693; 694; 695; I, 715; 719; 729; 730, 0.; 731. Nie schreibt er hier ethnici, weil dies für Frauen zu gelehrt ist. Sonst ist ethnici überaus häufig. Es bezeichnet die Heiden als einzelne. Singular: I, 832, m.; I, 811, o.; I, 812, m.; I, 104, u.; ethnice I, 810, m. Gegensatz häufig: haeretici II, 452, o.; II, 471, u. ; II, 472; II, 473, o.; ethnici u. pu- blicani II, 180, u.; ethnici u. psychici II, 787, o. Den privaten Char. des Ausdrucks markieren die Stellen I, 755; I, 780, o.; I, 781, o. ; I, 803, u.; I, 812, m. ; 813, u.; 816, o.; 817, m.; 820, o. (in de monog., exhort. cast. und pud.). So auch in de virg. vel. : I, 900; I, 902; I, 906, m. Hier steht nie nationes. Vgl. auch opiniones ethnicorum I, 17 (Ansichten einzelner Heiden), ethnicorum detractatus I, 21, ethnicorum coetus I, 59. Die ethnici (nicht nationes) schmücken die Thüren bei den Kaiserfesten Kar- thago's I, 92. Vgl. auch I, 51, II, 117, I, 906, u., I, 909, o. (feminae ethnicae). Christen werden an Merkzeichen von einzelnen Heiden erkannt

I, 107. Paulus, der allen alles ward, konnte doch idololatres, ethnicus, saecularis nie werden I, 91. Allgemein, ähnlich wie gentes, steht es freilich ja auch: I, 90, o.; I, 91, u. ; I, 22; I, 52; I, 60; II, 24; II, 39; II, 55;

II, 032; II, 637. Vgl. endlich ethnicales literae I, 25, ethnica superstitio.

40 Noeldechen, Tertullian'fl Gegen die Juden.

gierung, des Volks mit einer Gesetzgebung, so wird es nicht zufällig heissen dürfen, dass die nova lex evangelii und dass auch der rex Christus mit besonderer Emphase hier auftreten. Dass aber dieser Grundton des Ganzen, durch „gens" und „populus" angedeutet im Eingang des ersten Kapitels, durchaus bis zum Ende hin fortklingt, zeigen die „nationes" und „populi" in den Schlusssätzen der Arbeit.1) Die Kunstform des Khetors wird klar, die zum Eingange zurückbiegt. Der Falsarius also würde hier ein drittes Kunststück geleistet haben. Er accommodiert sich dem „Echten", indem er bei Justinus auf Borg geht, er be- quemt sich dem Presbyter an, indem er die Winke der Einlei- tung über Du, Ihr, Sie sich zu Nutze macht, und weiss mit „populus, gens" (rex Christus, lex evangelii) die authentische Tonart des wirklichen karthagischen Meisters zu treffen, ja auch in dem Schlusssatz des Ganzen auf den echten Eingang zurückzukommen. Eine weitere Klammer erkennen wir in dem „Christus qui venit". Corssen2) sieht vollkommen richtig, dass der Ausdruck Christus qui venit hier für die gesamte Debatte von entschei- dender Wichtigkeit heissen muss. Der Gedanke, wie der Aus- druck beherrscht in der That sämtliche Abschnitte. Im ersten Teile bereits, den man gern als den echten bezeichnet, und der, vorwiegend nicht christologisch, die Beschneidung und den Sabbat abhandelt, macht dennoch dies beherrschende Thema nebenher sich bemerklich. Dasselbe Thema behandelt, vollkommen treu seinem „Vorgänger", auch der ihm folgende „Freibeuter". Den Schluss macht vollständig sachgemäss der doppelte adventus des Herrn. Nämlich auch mit einem „venturus" haben die Juden nicht unrecht, nur dass sie das unrichtig auslegen und seine An-

1) adv. Jud. 14 (II, 741). Gemeint ist der vorletzte Satz des Ganzen. Über den letzten Satz s. hier S. 90. Den populus noster s. II, 709, den populus nominis Christi II, 714, die nova lex u. a. II, 706; 707, o.; 711, u.; 712, o.; 724, o. Zum rex Christus vgl. 714 regnare (zweimal) und- regnum; 715, o.: Christus omnibus rex; procede et regna (Citat) II, 723, u.; deus regnavit a ligno (Citat) II, 728, m.; David intra unicam Iudaeam regnavit II, 733, u.; cornu, de quo reges ungebantur II, 734, u.; et data est ei potestas regia (Citat) II, 739, m.; David qui regnavit, Salomo, qui regnavit II, 741, u. Ich zweifle nicht, dass dies alles (populus, lex, rex) zu den leitenden Ideen (cf. certae lineae cap. 2, Anfang) des ganzen Buches gehört. Vgl. auch Christus judex, Christus dux II, 715, o.

2) S. 5 Mitte.

3. Die Einheit von Adversus Judaeos. 41

kunft in Niedrigkeit nicht als Advent wollen gelten lassen. Man kann ja in gewissem Grade eine Art von Nötigung zugeben, in jeder Debatte mit Juden diesen Punkt zu erörtern. XS'n d. i. 6 tQyoutvoq ist ja ein Praedikat des „Gesalbten", auch darf man vielleicht den Celsus hier als Erreger mit ansehn. *) Trotzdem liegt die Thatsache vor, dass hier mit unvergleichlichem Nach- druck und gleichsam besonderer Schneidigkeit dieser eine grosse Gesichtspunkt immerfort in den Vordergrund rückt und eben der Ausdruck als solcher die Führerrolle behauptet.2) Man vergleiche zumal auch Justin, der doch sonst als Muster hier vorschwebt, und man wird den Unterschied gross finden. Nun dreht freilich grade hier die Kritik dem „Plünderer" Stricke, weil er einmal den Christus qui venit dem Judenmund vindiciert hat. s) Aber dieser Strick ist doch brüchig. Zunächst reden die Juden ja auch teilweise genauer, und die eigentliche Meinung derselben kann keines weges verdunkelt heissen. Stellt man sich selbst auf den Standpunkt, dass wirklich der Referent des Ge- spräches die bündige Verpflichtung gehabt habe, mit photo- graphischer Treue oder tachygraphischer Sicherheit den Wort- laut wiederzugeben, kennt man dann die colloquierenden Juden Karthago's so bis in die Nieren, um sie aller Ironie so bar zu denken, dass ihnen Christus qui venit so unglaublich im Munde steht? Umgekehrt, sind sie so ernsthaft, dass ihnen jede Hohn- rede fern liegt, muss der Referent des Gespräches so kleinlich peinlich bemüht sein, die „ipsissima verba" aufzuzeichnen, wo ein Missverstand gar nicht möglich ist und zudem die Kürze des Ausdrucks diese Wendung empfehlen konnte? Somit bleibt denn die „Klammer" in Kraft, und das stetige Christus qui venit, durch alle Teile hindurchklingend, -gehört zu den sicheren Bürg- schaften, dass ein Verfasser des Ganzen bis zum Ende hier redet. Dass der angebliche Freibeuter ein viertes Kunststück hier

1) Vgl. hier S. 1.

2) 712, m. qui venturus annuntiabatur; 713 qui jam venit; 714, o. qui jam venit. Dies im „Echten". Dasselbe Thema behandelt aber auch der „Freibeuter": 720, m.: iste qui venit; 720, m. Christi qui jam venit; 724, m. Christi qui venturus creditur; 726, o. an venerit; 726, o. qui venit; 733 nisi ille venisset; 734 qui jam venit; 734, m. adhuc non venit; 740 passibilis venit; 741 negant venisse Christum; 741, o. in sublimitate venerit.

3) Corssen S. 5.

42 Noeldechen, Tertullian'a Gegen die Juden.

leisten würde, indem er einem wichtigen Leitgedanken des echten Verfassers sich anschlösse, mag hier in Kürze erwähnt sein.

Noch eine letzte Klammer scheint der Beachtung nicht un- wert. Gleich nachdem der Verfasser im Eingang die Popnlus- Frage erledigt, spricht er den Vorsatz aus, die gesamte Juden- debatte mit „festen Linien" einzuschränken. Wir gewahren dann, dass er ab ovo, mit Adam nnd Eva beginnt, das Paradiesesver- bot in seiner Weise erörtert, zu Noah, Abraham, Moses in be- stimmter Zeitfolge absteigt, dann zu Propheten sich wendet, die ihn zur nativitas Christi und zur passio hinführen, dass er sein „Mittelalter" bis zu Vespasianus datiert hat, worauf mit Jeru- salem^ Untergang ihm seine Neuzeit heraufzieht. J) Dass in seinem eiligen Kurs durch die Weltgeschichte nichts mangele, kommt endlich der zweite Advent, das letzte Gericht mit zur Sprache. In alledem ist wieder System und bezeugt sich ein einiger Schriftsteller. Soll der Freibeuter auch hier seinem Muster den Kurs abgelauscht, dem Steuerruder des „Echten" willige Folge geleistet haben?

b. Bänder.

Klammern etwa von Eisen sind stärker als Bänder von Seide. Bei der Kräftigkeit der kritischen Keile aber, mit denen wir hier es zu thun haben, werden wir dennoch die Hülfe auch von Bändern zu schätzen wissen, die, wenn zahlreich ge- nug, die Wirkung erheblich verstärken. Wir können ziemlich zahlreiche aufweisen.

Es ist ein Gedanke des Eingangs, dass jener populus minor,

1) Auch für Tertullian zerfällt die Geschichte der Welt in Altertum, Mittelalter, Neuzeit, die freilich sehr eigentümlich begrenzt sind. Für sein Altertum hat er den Ausdruck primi dies gebildet adv. Marc. III, 21 Ende (II, 152, o.). Er sagt da, die Proselyten seien a primis diebus zugelassen worden zum Heil. Das wäre also wohl: seit den ältesten Zeiten Israels. (Der religiöse Gesichtspunkt natürlich beherrscht seine Einteilung der Ge- schichte.) Das Mittelalter beginnt ihm mit dem Kaiser Tiberius und reicht bis Vespasian: Adv. Jud. 13 (II, 738, m.) und Adv. Marc. III, 23 (II, 154, u.). Offenbar ist es die Zeit der göttlichen Geduld mit Israel. Die novissimi dies beim Verf. ausnehmend häufig reichen von Vespasian bis zur Gegenwart (noviss. dies z. B. II, 151, m.; II, 706, u. etc.). Sie dehnen sich ihm bis zum Weltgericht, bezw. bis zu dem von ihm be- kannten millennium.

3. Die Einheit von Aclversus Judaeos. 43

der jüngere Bruder, die Christenheit, sich unter Verwerfung der Götzen zum wahren Gotte bekehrt habe.1) Der Proselyt und die Juden sollen sich die Thatsache merken: auch die Christen sind sicher nicht Götzendiener. Wie wichtig ihm diese Be- merkung, zeigt uns ebenderselbe Verfasser es ist noch der /weifellos echte indem er später noch einmal denselben Gegen- stand anregt Aber freilich auch der Falsarius, als hätte er die trefflichste Fühlung, nicht nur mit Antimarcion, den er ja ge- flissentlich plündern soll, sondern zugleich mit dem „Echten" in der Schrift an die Juden, betont dieselbige Thatsache ganz am Ende des Schriftchens und zwar mit besonderem Appell an die Mitwissenschaft auch der Juden. Der Falsarius, wie man anch immer die literarische Täuschung entschuldige, bleibt wohl im allgemeinen ein mendax, und das schwierige memorem esse hatte dieser mendax geleistet.

Auch jenes „teinpus medium", das Mittelalter des Schrift- stellers, dessen schon oben erwähnt ward (und welches im Anti- marcion wie in den „Juden" zu lesen ist), erweist sich als Band oder Kitt, der Echtes und Unechtes bindet. Im achten Kapitel war ausgeführt also in einem authentischen dass im 15. Jahr des Tiberius das Leiden des Christ sich zugetragen, dass dann Caligula, Nero, Galba, Otho gefolgt seien und die Vespasianische Herrschaft die Juden niedergeworfen habe. Dieser Abschnitt der römischen Kaiserzeit wird im Anschluss an die Danielwochen förmlich und ausdrücklich ausgekerbt, ohne dass hier schon dem- selben ein technischer Ausdruck geliehen würde. Doch ist er des Schriftstellers Mittelalter, ein Ausdruck, der im „unechten" Teil folgt. Der sogenannte Falsarius, und der Antimarcion ebenmässig, werden hier erst verständlich, wenn die „echten" „Juden" sie auslegen. Die Anbequemung des Fälschers wäre hier um so kunstreicher, als kein schon geprägter Ausdruck ihm den An- schluss erleichterte, er also dem Geist des Echten sich wunder- voll gut adaptiert hätte. 2)

1) noster populus minor, relictis idolis ad eundem deum conversus est etc. cap. 1 Ende (II, 702, u.); vgl. cap. 3 (II, 707, m.): nos qui re- lictis idolis ad deum conversi suraus; cap. 13. (II, 737, u.) gentes nos projecimus idola (videant Judaei).

2) s. II, 719. 738.

44 Noeldechen, Tertullian'a Gegen die Juden.

Doch fehlt auch nicht wörtlicher Hinweis auf das Echte im Unechten. Die danielischen Jahrwochen, im achten Kapitel er- örtert, kehren mit ausdrücklichem Rückblick auf den früheren Abschnitt wieder J) , wie auch sonst die Danielweissagung noch weiter im Unechten auftritt.2) Auch ist dieses letzte nicht Un- ordnung, da das Danielwort in dem Unechten einen neuen Ge- danken erhärten soll. Bedenkt man die Kürze des Ganzen, so kann man wirklich erstaunen über die stattliche Zahl dieser Bänder. Da schaut das Späte zurück auf die frühere „Propheten- Versiegelung" 3), da auf den „Tod aller Salbung''4), da sind die „divinae scripturae" ein unverwerflicher Leitfaden5), der uns durch Dick und Dünn, durch Echtes und Unechtes führen kann, da wird selbst „eremus" ein Leim6), dessen Bindekraft kaum zu verkennen ist. Selbst Corssen7) liefert ein Beispiel, wo ein supra memoravimus deutlich auf das Echte im Unechten rück- wärts weist. Der Falsarius bewährt seine Meisterschaft, in- dem er Justin, Antimarcion und namentlich auch das Echte der „Juden" untrüglich im Sinn zu behalten weiss.

1) Vgl. II, 715 mit II, 733, o. Itaque ostendentes et numerum anno- runi et tempus LX1I et dimidiae hebdomadarum adhnpletarum proba- vimus tunc venisse Christum. Dieses Perfektum, das den Rückweis auf II, 715 enthält, hat völlig verschiedene Bedeutung von jenem existima- vimus cap. 9 (II, 720, u.), das nur auf Debatten, nicht auf irgend etwas in dem früheren Texte zurückweisen kann.

2) II, 715, o. (cap. 8, Anfang) : Dicit enim Daniel (9, 26) et civitatem sanctam et sanctum exterminari cum duce venture Cf. cap. 12 (II, 734): Si autem jam nee unetio est illic, ut Daniel (9, 26) prophetavit (dicit enim Exterminabitur unetio) etc.

3) cap. 8 (II, 715, u.) ut signetur visio et prophetes; II, 718: signata est visio et prophetes . . . signari visionem et prophetiam . . . signata est visio et prophetia . . . signante visionem et prophetias omnes . . signare visus et prophetiam. cap. 11 (II, 732, u.) signari visionem et prophetiam.

4) cap. 8 (II, 719, m.) unetio illic exterminata est post passionem Christi; cap. 12 (II, 734, u.) exterminabitur unetio.

5) divinae scripturae 702, m. 722. 723, o. 733, o.

6) eremus II, 707, u.; 725; 727, m.; 735, u. In gewissem Masse ist der viermal wiederkehrende Ausdruck für adv. Jud. charakteristisch. Der Verf. setzt sonst solitudo (II, 211, u.), desertum (I, 858), vasta loca (I, 175, u. in einer Art von Citat aus Tacitus, der in den Historien denselben Aus- druck bietet); doch s. eremus auch I, 8, m.; I, 73, o. ; II, 280.

7) Corssen S. 25.

3. Die Einheit von Adversus Judaeos. 45

Wohl könnte, was wir jetzt hier erörtern, an das schlimme „zweischneidige Schwert" mahnen. Die Formel: „Wir sagten das früher schon" scheint hochgesteigerten Ansprüchen des guten Stiles kaum angemessen, und Gedankenlosigkeit, Unordnung er- scheint der Kritik ja als Makel des zweiten Teiles der „Juden". I m eben genannten Falle wird nun freilich solch Einwurf kaum ernstlich erhoben werden. Auch die besten Autoren, bedrängt von mancher Verpflichtung verschiedene Gesichtspunkte durch- zuführen auch bei gleichen Objekten, zahlen ja diesen Tribut der Rückverweisung nicht selten. Doch gibt es, das ist voll- kommen wahr, in diesem „Entwürfe" auch Störendes. Es kommen Wiederholungen vor auch ohne ausdrücklichen Rückweis, auch da, wo kaum zu ergründen ist, ob das Alte unter neuem Ge- sichtspunkt und in neuer Beleuchtung erscheinen soll. l) Der- gleichen gar noch zu preisen wäre natürlich ein Widersinn, und solche Wiederholungen mögen als Zerrbild der „Bänder" be- zeichnet werden. Aber einmal ist nicht zu vergessen, dass jene Wiederholungen meist sich auf Schriftcitate erstrecken, und die Wiederholung von Eigenem auf zwei Falle beschränkt ist.2) Dies sind Kruditäten des Stils, die auch in dem blossen Entwürfe noch Missfallen erregen werden. Nur freilich wie fehlerhaft ist es, hier in diesem Falle zu thun, als ob der karthagische Pres- byter im übrigen die leibhaftige Klarheit eines durchsichtigsten Stils wäre. Man erwäge nur Wiederholungen, wie im zweiten Buche vom Frauenputz, man denke nur an das Verhältnis der „Nationen" zur Schutzschrift. Und der zweite Teil unserer Juden kann nur als Entwurf in Betracht kommen. Überhaupt aber gilt es beherzigen: abstrakte Massstäbe sind falsche. Tertullian macht eben Fehler. So würde ich auch nicht dafür einstehn, dass im echten zweiten Kapitel nicht der Stammbaum Lot's grob

1) Leichter Art ist das zweimalige Emmanuel Nobiscum deus cap. 9 (IT. 720, u.). Etwas störender das zweimalige Citat von Ps. 22, 17 exter- minaverunt manus meas et pedes cap. 10 (II, 727, m.); cap. 13 (II, 735, m.); ebenso von Jes. 1, 7 derelinquetur filia Sion, sicut casa in vinea et sicut custodiarium in cucumerario cap. 3 (II, 70G, 0.); cap. 14 (II, 738, m.), wo- bei in der letzteren Stelle der Ausdruck ein wenig verändert wird; ebenso von Psalm 45, 3 cap. 9 (II, 723, u.); cap. 14 (II, 739, u.).

2) Vgl. II, 718 und 733, 0.: post enim adventum Christi etc.; 733. 711. 0.: sufficit hucusque etc.

46 Noeldechen, Tertullian'« Gegen die Juden.

verkehrt ist1), wie Josephs Geschichte bekanntlich ein Nest von Irrtümern bietet und die Namen „Aristodemus, Hermateles" seine Genauigkeit lebhaft verdächtigen. Wir nehmen den Marin, wie er ist, mit sehr erheblichen Vorzügen und mit sehr erheb- lichen Schwächen. Oder wäre Justin's Dialog etwa darum für unecht zu achten, weil er hässliche Wiederholungen aufweist?2; Wir schliessen hier mit der Bemerkung, dass die „Hülf- losigkeit" des Falsarius, wie sie von Corssen behauptet wird, wohl hinreichend beleuchtet ist. 3)

4. Das Verhältnis zum Antimarcion.

Ist die Einheit der „Juden" gewährleistet, so kann kein Zweifel bestehen, dass der Ändernde Tertullian ist und dass der Antimarcion wirklich nach dem Muster der „Juden" geschrieben ward. „Muster" mag freilich wie Scherz klingen, denn gewiss ist es ein unvollkommenes. „Vorratshaus", „Speicher" u. ä. würde fast mehr zutreffen, Speicher, aus dessen Rohstoff ein Teil der Bewirtung bestritten wird, welche die grössere Arbeit den Jüngern des Pontikers auftischt.

Ehe wir den Motiven nachspüren, welche die ändernde Feder Tertullian's hier geleitet, muss ein Bekenntnis des Autors hier gleich Eingangs besprochen werden, der mit hochgradiger Deut- lichkeit sein förmliches Programm dahin kund gibt, dass er im Antimarcion aus den „Juden" entleihen werde. Man höre, was Tertullian sagt im dritten Buch wider Marcion. 4) Es werde,

1) cap. 2 (II, 705, o.) probat et Loth, frater Abrahae. Über Joseph, Aristodemus, Hermateles s. meinen Aufsatz Die Quellen Tert.'s in seinem Buch von den Schausp. im Philologus Suppl. Bd. VI, 2. Hälfte S. 731. 744 f.

2) S. Justin's Dialogus ed. Otto S. 91 Anm. 17; S. 134 Anm. 5.

3) Kleinere stilistische Bänder, von grammatisch-lexikalischen hier ganz zu geschweigen, gibt es noch sonst eine Anzahl. Ich begnüge mich hier mit dem Hinweis auf die im „Echten" wie im „Unechten" vorkommende Wendung: Unde firmissime dicit II, 718, u.; II, 733, o. Da beide Male fast identisch fortgefahren wird (adventum ejus signare visus et prophetiam), so kann man die Stelle allerdings zu den störenden Wiederholungen stellen. Dass diese Wiederholungen aber die Authentie des „Entwurfes"' auch nur im geringsten verdächtigen, ist etwas, das ich bestreite. Vgl. hier S. 34 unten.

4) adv. Marc. III, 7, Anfang.

4. Das Verhältnis zum Antimarcion. 47

sagt er, erlaubt sein, dass Marcion mit dem Juden zusammen, mit dem er, blind mit dem Blinden zusammen, in die Grube ge- fallen sei, seines Irrtums überführt werde. Er bedingt so die Erlaubnis sich aus, oder glaubt, dass sie niemand verweigert, den Pontiker mit dem Juden, samt dem Juden zu züchtigen. Der Gedanke bleibt ihm völlig präsent auch in den folgenden Abschnitten; in veränderter Form kehrt er wieder. Im Rüge- oder Schmäheton heisst es gleich in dem folgenden Haupt- stück, als ob ihm das „Blinder mit Blindem" noch nicht kräftig genug sei, Marcion borge vom Juden, gleich wie die Natter von Vipern.1) Dann wieder im sechszehnten: Lerne auch hier mit den Teilhabern deines Irrtums, den Juden. Man darf darauf völlig verzichten, in dem Singular jener Anrede eine besondre, bewusste Beziehung auf den Proselyten von ehedem, wie in dem Plural solche auf den „Kranz" von einstmals zu wittern. Zur Zeit der Schrift an die Juden waren diese Dinge ganz frisch, hernach sind sie alt und vergangen. Wohl aber kommt in Be- tracht, dass die Formel: mit jemand lernen oder: mit jemand gebläut werden dem Tertullian ganz solenn ist. So schreibt er: disce cum Galatis, cum Thessalonicensibus disce, er schreibt: cum Galatis percuti.2) Man sieht: dies Lernen ist hier offenbar ein Lernen aus Büchern, aus geschriebenem Wort, und man mag der Versicherung glauben, dass dies bei ihm immer so steht, dass Ausnahmen nicht vorkommen. Als Einwand wäre ja denk- bar, dass es stets die Heilige Schrift sei, und daraus noch nichts sich ergebe für den Rückweis auf sein eigenes Schrifttum. Auch dieser Einwand ist nichtig. Auf seinen Antimarcion weist er mit der nämlichen Formel : Cum Marcione plenius disces. 3) Sollte

1) Ebendas. cap. 8 Anfang; vgl. cap. 16 (II, 143, m.).

2) Habes apostolum, disce cum Galatis de monog. 6 (I, 769, m.). Sic et cum Galatis nos quoque percuti aiunt, observatores dierum etc. de jej. 2 (I, 854, u.) quae haec tempora cum Thessalonicensibus disce. de res. carn. cap. 24, Anfang (I, 497, u.).

3) de res. carn. 14 (II, 484, in.). Dass man an diesen Erwägungen bisher so völlig vorbeiging, ist mir beinahe rätselhaft. Ich glaube, dass die Doppelnatur jenes licet adv. Marc. III, 7, Anfang (Verburn und Par- tikel) daran gleichsam mitschuldig ist. Über die grammatische Fassung („es wird freistehn") darf aber kein Zweifel sein. Stellen habe ich in Menge; sie erscheinen mir aber hier unnötig.

48 Noeldeehen, Tertullian't Gegen die Juden.

das alles Zufall sein? Sollte er hier durchaus von beliebigen Juden geredet haben, von blossen idealen Gestalten seiner eigenen Einbildungskraft, allenfalls auch von wirklichen Juden, mit denen er aber etwa nur mündlich, oder ganz privatim verhandelt hätte? Das würde doch auf Willkür hinauslaufen. Es hiesse den Ver- fasser beliebig von seinem eigenen Stil trennen, ihn sich selber aufsässig machen, ihn sich selber untreu erscheinen lassen, und zwar alles dies grundlos. Und so wird denn freilich der Sache nach jener Judengenosse von früher und die lärmende Corona von früher und vor allem das Buch an die Juden, das dem ein- stigen Streitgespräch folgte, dem Verfasser hier vorschweben, um so mehr als sich selber ausschreiben ihm durchaus nicht ungewohnt ist, als er nicht nur Justin, Irenaeus, sondern auch seine eigenen Schriftsätze zuweilen zu zehnten für gut findet. l) Nur freilich der mythische Freibeuter, jene kräftige Sagen- gestalt, der Neander zum Leben verholfen, verlangt nun eben ihr Recht: hier grade soll er, sonst einfältig, doch pfiffig genug ge- merkt haben, dass für ihn ein Vorratshaus offen sei, und dass er sich nur zu bedienen brauche. Auf solcher blossen Möglich- keit fussend2) die durch zahlreiche triftige Gründe doch wieder unmöglich gemacht wird, Hessen sich zahllose Buchräuber ohne jede Schwierigkeit herstellen. Allerdings jene Unmöglich- keit soll an seinem Teile noch weiter das hier folgende darthun.

a. Sachliche Änderungen.

Den Reigen der Einzelveränderungen, welche wir im folgen- den durchgehn, eröffne „nationes" und „nati", „gentes" und „genus hominum". 3)

Wie auch immer der pontische Ketzer sich dem jüdischen Irrtume angeschlossen, es gab doch einzelne Punkte, wo der

1) Vgl. auch, abseits von dem so augenfälligen Verhältnis des apo- loget. zu ad natt. und de cultu fem. II zu I die ähnlich programmmässig lautende Stelle in adv. Marc. V, 10 Anfang: revertamur ad resurrectionem, cui et alias quidem proprio volumine satisfecimus (s. namentlich Oehl. II, 530, u.) omnibus haereticis resistentes: sed nechic desumus, propter eos qui illud opusculum ignorant.

2) Vgl. Corssen 3. „Bei dieser Sachlage konnte es indessen einer geschickten Hand nicht schwer fallen."

3) S. Semler 's Synopse bei Oehl er III, 648. 656.

4. Das Verhältnis zum Antirnarcion. 49

spätere Antiinareion das Erbe des Textes der ., Juden" nicht ein- fach antreten konnte. Und hier sind es keineswegs blos gewisse gröbere Wandlungen, die allenfalls ein Falsarius, der Umgekehrte des Corssenschen, aus seinem Eigenen leisten konnte, sondern feinere Nuancen des Stils, die nur Eingeweihte besorgen konnten. *) Der Pontiker war ein Heidenchrist in des Wortes verwegen- stem Sinn, nicht nur ein Ultrapauliner, sondern auch heidnischer Herkunft, ein Mann des „barbarischen'1 Ostens. Der Verfasser des Antirnarcion konnte, einst selber ein Heide, unter diesem Gesichtspunkt gewiss sich selber mit ihm zusammenschliessen, ihm als Bruderparole „nos gentes" seiner Judenschrift zubilligen. Dennoch ist er hier vorsichtig, sich selber nicht aus-, sondern umschreibend. Aus dem älteren „wir Heiden" (wir Heiden- christen) wird nun vielmehr ein pathetisches: „unsereins, Leute wie wir, geboren in den Wüsten des Weltlebens." Dass man sieht, dass System in der Sache sei, giesst er ebenmässig ander- wärts um. Nicht mehr: wir Heiden (wir Heidenchristen) haben uns der Götzen begeben, sondern: das Menschengeschlecht hat seither die Götzen verworfen. Ein Zusammenschluss mit dem Pontiker als heidenchristlichem Bruder wobei nolens volens denn doch die religiöse Nuance mit durchleuchten und die blosse Geburtsthatsache einen weiteren Beigeschmack haben würde wäre ja durchaus der Tendenz des Bestreiters des „Pontus" zu- wider, sie wäre das vollendete Gegenteil der im „Marcion" wal- tenden Strebungen. Des Pontikers AntiJudentum soll ja bis aufs Messer bekämpft werden. Um so weniger kann der Verfasser sein kühnes nos gentes hier aufwärmen, das er überhaupt sich nur einmal Zeit seines Lebens verstattet hat, als inzwischen sein eigner Sprachgebrauch sich bestimmter fixiert hatte. Er hatte

1) Da der Text der Synopse von Semler vielfach recht antiquiert ist, setze ich hierher die Stellen aus Oehler. Adv. Jud. 0 (II, 724, u.): Nam quia Jesus Christus secundum populuin, quod sumus nos nationes in saeculo desertae commorantes antea, introducturus esset in terram repro- missionis. Adv. Marc. III, 16 (II, 143, m.): Nam quia Jesus Christus se- cundum populum, quod sumus nos nati in saeculi desertis, introducturus erat in terram promissionis. Ferner Adv. Jud. 13 (II, 737, u.) ex quo (seit) gentes nos dilucidato pectore per Christi veritatem projecimus idola. Adv. Marc III, 23 (II, 154, 0.) ex quo genus hominum dilucidata per Christum veritate idola projecit.

Texte u. Untersuchungen XII, 2. 4

5(j Noeldechen, Tertullian's Gegen die Juden.

sein Buch An die Heiden (Ad nationes) geschrieben. Nun ist ja freilich gewiss, seit Aristoteles' Tagen, dass die Sprachen nicht reich genug sind, um jede Schattierung der Vorstellung in be- sonderem Wort zu verkörpern, und dass das einzelne Wort, so- zusagen ein geduldiges Lasttier, verschiedene Bedeutungen tragen muss. Auch bei Tertullian wird dies klar genug. Die „majores'* der früheren Schriften bedeuten auf gut apulejisch ihm die heid- nischen Altvordern *), die majores (nostri!) von später sind schliess- lich die christlichen Vorfahren; mit dem Alters Wachstum des Glaubens muss dieser Begriff sich bald aufdrängen. Aber wie viel leichter begreift sich diese Nuance des Wortgebrauchs. Nationes nos würde jetzt hart klingen, nachdem Ad nationes erschienen war; konnte es doch selbst früher gewagt klingen. Hier lag eine sprachliche Aufgabe, die offenbar nicht ohne Dornen, nicht ohne manches Bedenken war. Tertullian hat Hebraei Christiani einmal im Antimarcion2); Romani Christian i niemals, Graeci Christiani niemals, Christiani gentiles niemals, Christiani ethnici niemals; sein Sprach- wie sein Glaubensgefühl würde dagegen sich aufbäumen. Auch was man im Antimarcion liest: nationes, quod sumus nos3), kann nur die Ansicht bestärken, dass es hier um delicatere Dinge des christlichen Ausdrucks sich handelt. Der gemodelte Stil des Späteren will wirklich also etwas besagen. Auch ein letzter hier denkbarer Einwurf wird schwerlich wirklich verfangen: warum so mit Worten spielen, warum nicht gründlicher umgiessen? Als Synonymiker wenig- stens lernten wir den Autor schon kennen, selbst auf unserem kurzen Spaziergang nur durch das Buch an die Juden. Seine sonstige philologische Ader, spezieller auch etymologische, kann man unschwer erhärten, wie's dem Schüler Varro's beliebt, Vo- cabeln dann und wann zu besprechen4), grammatisch-stilistische Kampfgänge dann und wann auf sich zu nehmen. So darf man

1) im Apologeticum (I, 133. 134. 136).

2) S. die Parallelstellen bei Corssen S. 6, oben.

3) So schreibt er adv. Marc. III, 21 (II, 151). Der Unterschied zwi- schen nos nationes (hier S. 49 Anm. 1) und nationes quod sumus nos ist in der That nicht unerheblich. Der erstere Ausdruck ist kühn (wir Heiden = wir Heidenchristen), der letztere behutsam erläuternd: die Völker, damit meine ich uns.

4) Man vgl. seine Erörterungen über den Gebrauch von yvvr\, über ipv/i] und xpv/oc, über &eög und d-teiv, „cadaver a cadendo" etc.

4. Das Verhältnis zum Antiniarcion. 5[

ihm offenbar zutrauen, dass seine etymologische Kunde ihm die Sippe von gens und genus, von natio, natus bekannt gibt. Ja, hier wirkt nun weiter auch dasjenige, was schon früher betont ward, die stilistische Laune noch mit: jenem furchtbaren Feinde der Juden seine Nähe mit dem fleischlichen Israel selbst dadurch recht fühlbar zu machen, dass er neben der Viper die Natter mit fast identischer Kost speist. Und so wird man, seinen Stand- punkt verstehend, selbst ein kleines stilistisches Prachtstück der bessernden Feder hier anerkennen.

Wie umgekehrt aus den nati ein nationes entstehen konnte, aus genus hominum gentes, mögen die Gegner der Echtheit aus ihrem Eigenen zeigen. Ich selber kann eine vernünftige Deutung solchen Vorgangs nicht auffinden.

Zu den Änderungen, welche den Geist und weniger den Buchstaben angehn, ja welche sich als feine Schattierungen der alteren Vorlage darstellen, zählt auch die Behandlung des „Ve- nit" {) in dem Buch gegen Marcion. Der Pontiker und die Juden vermeinen, dass der jüdische Christus noch aussteht.2) Auch dem ersteren entgegnet sein Gegner, das vielmehr der Messias ge- kommen sei, den der Schöpfer geweissagt.3) Aber für die Juden und Marcion lag doch die Sache verschieden. Der Judenmessias, geweissagt von zweifelhaften Propheten, von denen der Pontiker kaum weiss, ob sie mehr thöricht, mehr schlimm waren, war dem Marcion vorwiegend gleichgiltig: der Satz, dass er noch zu er- warten sei, war ihm vor allem ein Hülfssatz, dienstbar seiner eigenen Anschauung, auf welchen besonderen Wert zu legen ihm aber die Veranlassung abging. Ihm kommt es an auf den Sanft- mütigen, den Herrn alles Erbarmens, der nach Kapernaum nieder- steigt, den Heiland, der den Schöpfer besiegt und den rauhen Gesetzgeber aussticht. Dem entspricht nun vollkommen der That- bestand in dem dritten Buche gegen Marcion. Das Gekommen- sein oder Erstkommensollen spielt nicht entfernt jene Rolle, die es in den „Juden" gespielt hatte. Zum öfteren unterdrückt er das „Venit", das den „Juden"4) doch hoch obenan steht, dieses

1) Vgl. hier S. 41 Anm. 2.

2) Adv. Marc. III, 23 Anfang.

3) S. Semler's Synopse. Oehl. III, 665, o.

4) S. Oehl. III, 643, o.; III, 656, o.; vgl. auch hier S. 58 Anm. 3. - Anm. 2.

4*

52 Noeldechen, Tertullian'e Gegen die Juden.

Buch mit seinem Schalle erfüllend. Nur fehlt allerdings wieder viel, dass das Venit später ganz ausfiele. Offenbar auch das Beiwerk des Pontikers kann dem Polemiker Stoff bieten. Dem- gemäss gebraucht er es auch, um ihn ad absurdum zu führen. Ja er bringt hier gelegentlich Neues oder nuanciert doch das Ältere. *) Wenn der Christ des creator noch aussteht, jener vor- mals prophetisch verkündete, so müssen, so insinuiert er, auch die alten prophetischen Drohworte noch in Zukunft an Israel wahr werden. Wie können sie aber wahr werden! Das noch zu verlassende Sion liegt ja heute in Trümmern; die noch zu verbrennenden Städte sind ja heute schon lange begraben, das noch zu zerstreuende Volk, es irrt ja längst in der Fremde. So bringt er auch den Doppel ad vent, der die „Juden" so zweck- mässig abschliesst, ja als folgte er einem Wink, den er früher halb sich selber erteilt hatte 2), er bringt ihn hier gleich im Be- ginn seines grossen Borgs aus den „Juden". Trotz alledem bleibt ersichtlich, wie die Frage ihre Spitze verloren hat. Der Hülfs- satz vom Judenmessias wird wesentlich beiläufig abgethan. Denken wir hier an den Plünderer, der den Antimarcion ausraubt: thö- richt, wie man ihn schildert, muss er feinfühlig genug sein, den von ihm gezehnteten „Marcion" in der Frage des Venit zu steigern. Und, wenn das Magazin ihm denn offen ist, warum langt er nicht gründlicher zu, um den Juden auch den Hohn zu bieten, dass ihre Strafen noch ausstehen? Es Hesse sich ja allenfalls sagen: die Consequenz, dass der Kelch des jüdischen Leidens schon ausgezecht, bis auf die Hefen geleert sei und nun ferneres Leid nicht in Sicht sei, wäre am Ende doch Balsam für das ge- marterte Volk, den der Gegner desselben nicht bieten könne. Aber konnte der Hohn denn nicht schliessen: jene Drohworte heischen Erfüllung? Und so hätte denn doch der Entleiher sich seinen Vorteil entgehn lassen. Soll das auch aus „Plumpheit" geschehn sein? In Wahrheit erscheint Antimarcion auch hier als Nüancierung der „Juden". Man vergleiche die betreffenden Stellen. Dort: ein Retter aus Bethlehem? Ja, in Bethlehem wohnt jetzt kein Jude mehr. Hier: Israel ferner noch strafen? Ja Avas bleibt zu strafen noch übrig?3)

1) Oehl. II, 155, m.

2) Indem er nämlich, obgleich er den Doppeladvent ganz zuletzt stellt, sagt, hier liege der Kernpunkt. (,,Last not least").

3) Die Stellen sind: Oehl. II, 155, m. und II, 734.

4. Das Verhältnis zum Antiuiarcion. 53

An einer Stelle der „Juden" soll Rationalismus sich breit machen, der, wie man durchblicken lässt, Tertullian s selber nicht würdig sei. *) Die Stelle soll dem Freibeuter angehören, der, wo er von dem Eigenen zuthut, auf Plattheiten verfallt und deut- liche Blossen zu sehn gibt. Denn sicher aus Antimarcion hat er diese Habe nicht hergeholt. Und doch wird hier teils das Verhältnis zum Antimarcion klar sein, teils die Authentie der „Juden" von allem Verdachte befreit sein. Zunächst gilt es be- denken, dass selbst, wenn Tertullian, nach Verlauf längerer Zeit zu einer Anfängerarbeit zurückbiegend, die gelungeneren Stücke sich ausschnitte, die matteren aber verworfen und still beiseite gelassen hätte, auch dies so ziemlich begreiflich wäre. Gelegent- lich mag dies gar zutreffen. Nur muss man freilich immer be- achten, dass, wenn Stücke zur Wiederholung nicht taugten in einem Werk gegen Marcion, es darum in den „Juden" nicht matt, nicht untauglich zu sein brauchte. So bezeichnet denn Corssen mit Unrecht als „flach" vernünftelnd den Abschnitt, welcher den Fluch des Kreuzes in den „Juden" interpretieren soll. Der Ge- danke, dass Jesus unschuldig an jenem furchtbaren Holz hängt, weshalb wäre der flach? Vielleicht mag er uns trivial dünken, weil wir an Jesus nicht mäkeln. Den Juden gegenüber war's anders. Oder hat Paulus von ungefähr vom Skandal des Kreuzes geschrieben? Doch es sei, die Färbung der „Juden" sei wirklich rationalistisch. Hat denn Tertullian so durchaus keinen rationalisti- schen Anflug? Sein Euhemerismus, was ist er, wenn nicht barer Rationalismus? Jene spöttisch verliehenen Götterthrone (ad natt. II, 14), was wären sie sonst, wenn nicht rationalistische Spässe und zwar von der wildesten Art, wenn auch immer gegen Heiden geschleudert? Wie viel zahmer und vor allem vernünftiger dieser „Rationalismus" der „Juden"! Er bespricht mit den Israeliten jenes schreckliche Wort: Verflucht ist, wer immer am Holz hängt. Man bedrängt ihn damit, dass dies Wort über Jesus sichtlich den Stab breche oder mindestens, dass es nicht glaub- lich, dass Gott seinen Sohn so behandle. Tertullian pariert diesen Angriff, zerstreut, wie er kann, die Bedenken, indem er geduldig zurückweist auf das im Texte Vorhergehende: es sei überhaupt da die Rede von todeswerten Verbrechen: wer als solcher Ver-

1) S. Corssen S. 25. Die Stelle in adv. Jud. Oehl. II, 727.

54 Noeldechen, Tertullian'a Gegen die Juden.

brecher am Holz hängt, der und eben nur der werde von dem Fluche betroffen. Dass das Leiden des Christ hier verflucht werde, daran sei nicht von ferne zu denken: des Christ, der alle Gerechtigkeit und alle Demut geübt habe. Vielmehr sei derselbe gestorben, dass die Weissagungen erfüllt werden. Gehe doch auf ihn auch das Psalm wort: sie vergalten mir Böses für Gutes. Von allen diesen planen Erwägungen steht freilich keine Silbe im „Marcion". Aber schwerlich, nein sicher nicht darum, weil dessen Verfasser gemeint hätte, jene Ausführungen der „Juden" seien flach rationalistisch. Sondern durchaus vielmehr darum, weil der „himmelstürmende Riese" hier in gleicher Weise der Nachhülfe Tertullian's nicht bedurfte. Jener Führer der övfifiioovusvoi, der Herold der owraXacjcmgoi, was er von Do- kese auch lehren mochte, dachte nicht im geringsten daran, an der Demuts- und Leidensgestalt seines Herrn irgend Anstoss zu nehmen; er betont sie ja eben aufs stärkste. Dass sein Gegner also hier sich nicht ausschreibt, gehört zu dem völlig Begreif- lichen, ja das Gegenteil würde absurd sein. Und indem er diese Stelle hier auskerbt, um sie gänzlich beiseite zu lassen, beweist er uns hier noch aufs neue, dass er auch hier ganz er selber ist. Gemäss seiner alten Manier, dem Buchstaben möglichst treu zu bleiben, auch da, wo er geistiger Weise die Front gründ- lich verändert, vertauscht er ein „rerum ratio", was er in den „Juden" gesetzt hatte mit einer „rerum probatio".1) Den inneren Grund jenes Fluches, dem Jesus scheinbar verfallen ist, will er an dieser Stelle seines Antimarcion schuldig bleiben, er will zu-

1) adv. Jud. 10, Anfang (II, 727, o.) Maledictus omnis qui pependerit in ligno. Sed hujus maledictionis sensum antecedit rerum ratio. Dicit enim in Deuteronomio. etc. adv. Marc. III, 18 (II, 146, o.) Maledictus, inquit, omnis qui pependerit in ligno. Sed hujus maledictionis sensum differo, dignae sola praedicatione crucis, quia et alias antecedit rerum probatio rationem. Was die vom Verfasser zweifelsohne beab- sichtigte, meinetwegen „gesuchte" Nähe der Texte betrifft, deren Wort-, selbst Silbenbestand nahezu übereinkommt, während der Sinn ganz ver- schieden, selbst entgegengesetzt sich gestaltet: so hat auch Corssen ge- legentlich diesen Umstand gesehen und angemerkt. Aber ihm ist das Plumpheit des Freibeuters! Nichts kann irriger sein als dies letztere. Eher könnte man noch eine Zärtlichkeit für den einmal gewählten Ausdruck bei dem Verf. behaupten wolleu. Doch s. hier S. 51 oben („stilistisches Pracht- stück") S. 24, Mitte („Caprice"). Vgl. übrigens auch hier S. 79 Anm. 3.

1. Das Verhältnis zum Antimarcion. 55

nächst liier die Thatsachen, die „Figuren'' des alten Bundes, die den Herrn praef brillieren , behandeln; das andere wolle er auf- schieben: ein sehr bezeichnendes differo, dem wir auch noch weiter begegnen werden. Er weiss ja. dass der „Apostolos" im fünften Buch gegen Marcion auch seine Rechte verlaugt, dass speziell der Galaterbrief ihm dazu noch Anlass genug bietet, die reruin ratio nachzuliefern, so wie sie für den Pontiker taugen wird. Auch vergisst er sein dilfero nicht; er hat sein Versprechen eingelost.1) Hier ist alles ganz wie es sein soll, die „Juden", wie Antimarcion. Dass Marcion V, 3 von dem Buchräuber sei's gar nicht aufgesucht, sei's, wenn er gesucht, nicht gefunden, sei's, wenn er fand, nicht verstanden sei, halte ich bei allem Respekt für Corssen's Scharfsinn für Wind. Im Gegenteil, hätten die „Juden" hier den Antimarcion ausgenutzt, jener Proselyt und der „Kranz", sie wären viel schlechter bedient gewesen. Das Suum cuique ist hier höchst angemessen geübt worden.

Analog ist eine andere Abweichung, insofern auch sie mit bedingt ist durch den viel umfassenden Aufriss des grösseren Werks gegen Marcion gegenüber dem viel engeren Rahmen der kleinen Schrift gegen die Juden; wrobei wir noch einmal den Vorteil haben, wie oben bei dem disce cum Galatis, disce cum Marcione, „cum ipso licebit Judaeo" den Verfasser über die Gründe seines Verfahrens selbst abzuhören. Es handelt sich zunächst in den „Juden"2) um ein doppeltes Werk des Erlösers, das Pre- digen und das Wnnderthun. Dieser Lehrstoff wird fast nur ge- streift, und das ist in den „Juden" wohl weise. Eine irgendwie

1) S. die Synopse von Corssen, S. 25, oben.

2) adv. Jud. 9 (II, 726, m.) duplici eniru, nisi fallor, operatione distinctuni eum legimus, praedicationis et virtutis. Sed de utroque titulo sit disposituru. (Oehler's Text ist hier gut; man vgl. den kritischen Apparat) Itaque specialiter dispungamus ordinem coeptum, docentes prae-

dicatorem adnuntiatum Christum Virtutes autem facturum a patre etc.

adv. Marc. III, 17 (II, 145, m.) Oportet actum ejus (Christi) ad scriptu- rarum regulam recognosci, duplici, ni fallor, operatione distinctum, prae- dicationis et virtutis. Sed de utroque titulo sie disponam, ut, quo- niam ipsum quoque Marcionis evangelium discuti placuit, de speciebus doctrinarum et signorum illuc differamus, quasi in rem prae- sentem. Hie autem gener aliter expungamus ordinem coeptum etc. Folgt neben dem praedicator der medicator Christus (der bessere Gegensatz) und zwei ganz kurze Jesaiasstellen.

56 Noeldechen, Tortullian's Gegen die Juden.

breitere Ausführung der evangelischen Wunder und der evan gelischen Lehrreden hätte sein Auditorium wohl in „böhmische Dörfer" geführt und ihres Eindrucks verfehlen müssen. Jene „vorgezeichneten Linien", die sich der Verfasser gezogen, haben dies zweckmässig ausgeschlossen. Allgemein bekannt wie sie sind, dies scheint er in den „Juden" zu sagen, mögen jene beiden Gesichtspunkte zunächst als festgestellt gelten. Doch belegt er sie hier im Vorbeigehn „speziell" mit Jesaiasstellen, die erstere die Predigt des Christ, die letztere dessen Wunder behandelnd. Hier trägt sich noch das Besondre zu, dass die Wunder des Christ bei Jesaias !) gleichsam so disponiert sich ergeben, dass ein Ausblick auf das Detail des Evangeliums nahe liegt, ein Aus- blick, den freilich die „Juden" programmmässig nicht aus- beuten. Ganz anders nun Antimarcion, aber gar nicht minder verständlich. Er hat, so sagt er, beschlossen der Verfasser des Antimarcion das Botschaftsbuch Marcion's abzuhandeln; so vertage er „Lehre und Wunder" des Herrn eben bis dahin; wenigstens das „Speziellere". Auch hier setzt er sein: differo. Jetzt will er nur „generell" mit allerkürzestem Schriftwort so- wohl den „medicator Christus" als den praedicator erledigen: er kann sich ja im folgenden auslegen und die „Uberschriften- manier" der kleineren Schrift an die Juden, namentlich in Sachen der Botschaft, gegen reichere Behandlung vertauschen. So weit dürfte alles sehr klar sein. Minder könnte es einleuchten, warum, wenn zunächst doch auch hier wieder zweimal Jesaias reden soll, die Auswahl der Stellen geändert ist. Aber einmal sind die ge- wählten doch kürzer, und zweitens wird zumal bei der einen der Beweggrund des Tausches ganz deutlich sein. Er hat sich die „Blinden und Tauben, die Stummen und Lahmen" des Seherworts, jene, wie wir oben andeuteten, so völlig „evangelisch" geordneten Wunderzeichen des Herrn für sein folgendes viertes Buch auf- gespart, in dem er sie getreulich auch nachliefert (II, 225, o.). Auch dies wäre demgemäss durchsichtig. Nur ein Formpunkt will noch Erledigung. Formell hat der Antimarcion die „Juden" teils auf den Kopf gestellt, teils doch wieder in bekannter Ma- nier die denkbar grosseste Nähe zu deren Buchstaben eingehalten.

1) nämlich 35, 4, der adv. Jud. 9 (II, 726, u.) citierten Stelle, die der Antimarcion hier (III, 17) nicht bringt.

4. Das Verhältnis zum Antimarcion. 57

Dort „Juden" ein sit clispositum: diese Sache sei abgemacht. Im andern Fall: sie disponam: ich werde die Anordnung so treffen. Dort ,, Juden" ein specialiter: ich will diese allgemeinen Gesichtspunkte hier gleich spezieller belegen. Hier umgekehrt: generaliter: ich werde, mir einzelnes vorbehaltend die Blinden, die Lahmen, die Tauben für das Evangelium aufsparend hier vorläufig nur allgemein die Sache mit Schriftwort belegen. Die Ähnlichkeit jenes differo in dem einen und dem anderen* Falle, wo er abbiegt vom Texte der „Juden", die Ähnlichkeit jener Vertröstungen auf das vierte wie fünfte Buch braucht man nur einfach hervorzuheben, um klarzustellen, dass hier, wie sonst, allerdings „System in der Sache ist'1.

An dem Führer der oviuiui6oviuevoi orientieren sich übrigens sonst auch noch manche Einzelveränderungen. Die ,,Juden" bieten ausführlich einen grösseren Abschnitt Ezechiels '), ausführlich in der Weise Justins, nur dass diesem dieses Citat fehlt. (Es scheint der Autor versagt sich, den Justin da völliger auszuschreiben, wo Justin in grösserer Breite eine alte Weissagung wiedergibt, aber thut sich im Citieren Genüge, wo er dieses selbständig thun kann.) Er bringt das hebräische „Thammuz", und er bringt das hebräische Elam, so, dass man kaum weiss, wie viel Klarheit er über diese Worte besessen hat. Der Kern des langen Citats ist in dem Sinne des Autors, dass das heilige ,,Zeichen des Tau" auf den Stirnen von Männern Jerusalems sie vor einem Strafgericht schützen soll, das über ihre Landsleute kommen wird, ziemlich ähnlieh jenen blutigen Thürpfosten in der alten aegyptischen Heimsuchung. Da die Septuaginta hier lediglich das Wort örj- uelov gesetzt haben, damit das *n des Hebräischen zweifellos richtig wiedergebend, so möchte es schwer sein zu sagen, wie Tertullian zu der Kunde kommt, dass HT\ wie GrjfteTov so Tau heisst (des Alphabetes ultima littera) wie er also zum „Signum Tau" in seinem Texte gekommen ist; erst ein Späterer2) ist sich hier klarer und weiss, dass das ältere n die Form eines Kreuzes gehabt hat. Ob nun dürftige Kunde von letzterem Tertullian

1) aclv. Jud. 11. Ezech. S, 12—18; 9, 1—6.

2) Hieronym. Comin. in Ezech. III, cap. IX, 4. sq. antiquis Hebrae- oruin literis, quibus usque hodie utuntur Saniaritani, extrema Thau litera crucis habet similitudinem, quae in Christianorum frontibus pingitur et fre- quenti manus inscriptione Signatur.

58 Noeldecli^n, Tcrtuli tagen die Jaden.

hier mit vorgeschwebt, geschöpft etwa aus dem Verkehr mit einzelnen Judengelehricn oder wie es sonst sich verhalten mag: er sagt, dass das „mystische Zeichen" in mancherlei Art früh g< - predigt sei, in welchem alles höhere Leben der Menschheit seit Anfang beschlossen war, ein Zeichen, dem freilich die Juden den Glauben beharrlich verweigern sollten: worauf eine Penta- teuchstelle zu weiterer Bekräftigung nachfolgt. Dies alles wird kürzer behandelt in dem Werke gegen den Pontiker, den er mit Thammuz und Elam naturgemäss nicht bewirtet; auch so scheint es wie ein salto mortale, wenn, vielleicht dem Griechen zuliebe, hier direkt ein „griechisches Tau" steht, gleich als ob zu dem Verbürgten zu zählen wäre, dass Ezechiel griechisch geschrieben habe: dass das griechische Tau ein Kreuz sei, war ja dann gar nicht mehr zweifelhaft. Die Hauptsache aber wird die sein, dass den „ungläubigen" Juden, von denen soeben geredet ward, die „gläubigen" Marcioniten in dem neuen Werk gegenüber treten. Hier ergreift er beinahe mit Pathos Marcion's christliche Bru- derhand, eine Hand, die kein Jude ihm bieten konnte. Die Ketzer kennen das Zeichen, so mögen sie nun weiter erkennen, dass der Schöpfer seinen Christus geweissagt, welcher am Kreuze gestorben ist.1)

Dem obigen durchaus parallel ist auch das Verhältnis der Texte, wo die Demut Christi in Frage kommt. 2) Die ..Juden" sagen hier einfach: wenn der, welcher alle Demut, Geduld und Stille bewähren wird, von den Propheten gezeichnet ist, und ein solcher Mensch nun gekommen ist, wird dieser nicht Gottes Christ sein? Der Pontiker war anders zu nehmen. Man darf ihm durchaus zugestehen, dass die Demut, Geduld und Stille des Herrn bei ihm völlig gewürdigt wird, und darum darf man ihm zumuten, dass er schliesslich in Jesaias' Worten seinen

1) Vgl. die Stellen in meiner „Abfassungszeit" etc. S. 87 Anni. 4. 5. 6 (adv. Jud. 11 (II, 732, u.), adv. Marc. III, 22 (II, 153, in.)

2) Vgl. Semler 's Synopse bei Oehler III, 649, u.; adv. Marc. III, 17 (II, 145, o.). Expostulo autem de proposito, si das ei omnis hurnili- tatis et patientiae et tranquillitatis intentionem, et ex his Esaiae erit Christus? adv. Jud. 9 (II, 726, o.). Expostulo etiam, ut qui a pro- phetis praedicabatur ex Jesse genere venturus et omnem humilitatem et patientiam et tranquillitatem esset exhibiturus, an vener it? Zu be- achten ist hier auch das im Antimarcion als unwesentlich unterdrückte venturus und venerit. Vgl. hier S. 51 Anm. 4.

4. Das Verhältnis zum Antimarcion. 59

eigenen Christus noch finden werde. Der Unterschied liegt auf der Hand. Die ältere Schrift an die Juden ist naturgemäss hier auch die kältere: hier handelt man sachlich und nüchtern von Weissagung und Erfüllung und fragt, wie beides sich reime, wahrend Marcion s Ketzer- Weltkirche, das „Ungeziefer des Hauses1', aber dorn des Hauses des Herrn, sympathisch und warm wie sie immerhin den stillen Jesus ans Herz drückt, eine wärmere Be- gegnnng erfahren muss. Mit der kleinen Correctur von cre- dantur in maneant steht es ähnlich. Sie hat nämlich sicher zu thun mit dem hurtigen „Schwämme" des Marcion, welcher die Kindheitsgeschichten so unnachsichtig hinweswischt. Die Juden

O O CT

als ganze Extraneer werden von dem Schriftsteller aufgefordert. an die Magi der Botschaft zu glauben, während er den Mar- cion aufruft, die Magi stehen zu lassen.1) Hat auch nur Matthaeus die Magi und fehlen dieselben ja auch im unver- stünmielten Lucas, so schwebt doch dem Verfasser des „Marcion" die solidarische Art vor, in welcher alle Kindheitsgeschichten miteinander verknüpft sind. Jener seltsame Marcion- Heiland, der nach Kapernaum niedersteigt, jenes kräftigste Wunder der Wunder, war eben den Anfangskapiteln der beiden Evangelien feindlich. Auch hier trägt der Weg von den „Juden" zum ..Marcion" den Stempel der Wahrheit. Die umgekehrte Richtung des Weges können wir nicht immer verfolgen, wenigstens nicht mit ausdrücklichen Worten. Wir bezweifeln, dass sie ähnlich wahrscheinlich ist.

Eine härtere Nuss sind die Änderungen derjenigen Stelle der „Juden", die jenen Magi voraufgeht. Es handelt sich um die „Kraft von Damaskus" und um die „Beute Samariens", die laut prophetischem Wort dem Messias zum Raub werden sollen. 2)

1) S. Seniler bei Oehler III, G45. Zu dem „maneant" im Antimar- cion kann man u. a. vergleichen Cicero de off. 3, 12: maneat ergo, quod turpe sit, id nunquam esse utile. Forcellini: maneat = inconcussum sit et irrefutabile.

2) Semler bei Oehler 111. 644. adv. Jud. 9 (II, 721); adv. Marc. III, 13 (II. 138, o.). Die Sätze, die hier vor allem in Betracht kommen, lauten: „Juden": Ante est enim inspicias aetatis clemonstrationem, an virum jam exhibere ista aetas possit, nedum imperatorem. Antimarcion: Ante est enim inspicias aetatis clemonstrationem, an hominem jam Christum ex- hibere possit (fehlt: ista aetas!) nedum imperatorem. Weiterhin: „Juden": Knimvero si nusquam hoc natura concedit, ante militare quam vivere, ante

()0 Noeldechen, Tertullian's Gegen die Juden.

Dem Verfasser erfüllt sich dies Wort in eben jenen Magi des Orients, die Gold, Weihrauch und Myrrhen dem Kinde J< entgegentragen. Indem die „Juden" voraussetzen, dass eben diese Deutung gesichert und unanfechtbar dastehe, erörtern sie die Unmöglichkeit, in sichtlich satirischer Tonart, dass ein Kind schon den Feldherrn spiele, wie dies doch die wörtlichen Aus- leger des Propheten zu wollen scheinen: die figürliche Deutung sei notwendig. Nimmermehr kann das Kind schon den Mann machen (virum facere), geschweige denn gar den Feldherrn, der die „Kraft von Damaskus" erobert und „Samariens Beute" im Sturm nimmt. Die Natur verstattet es niemals, das Kriegshand- werk zu betreiben, ehe man die Kinderschuhe auszog. Hier corrigiert Antimarcion zunächst das „virum" in „hominem", und setzt dann statt „virum facere" ein sehr viel dunkleres ,,vivere". Man scheint übersetzen zu müssen: Wer kann kämpfen, ehe er Mensch ist, wer führt Krieg, bevor er das Leben hat? Aller- dings kann ja homo auch „Mann" heissen, in engerer Begrenzung selbst „Fusssoldat", dann wäre von den Varianten die erstere zweifelsohne belanglos und die Änderung lediglich Laune. Doch die zweite Wandlung des Textes, das „vivere" macht wieder stutzig, da es eben „System" zu verraten scheint. Und so sieht man sich doch wohl zurückgedrängt zu jener obigen Fassung und vor die Frage gestellt, was der Änderer eigentlich sagen wollte, denn vivere im Sinne von „Mann sein" wird schwerlich zu erhärten sein. Ich meine, dieses vivere zwingt, an jenen Do- ketismus zu denken, der ja zu den markantesten Zügen der poli- tischen Lehre gehört hat. Marcion leugnet Geburt, auch Kind- heit und Kindheitsgeschichten. So scheint denn dem Lehrer des Scheinleibs der Verfasser auch an unserer Stelle sein Christus- Phantasma vorzurücken, welches, Mensch wie Mann doch nur scheinbar, nach Kapernaum absteigt. Der, allerdings versteckte, Gedanke würde dann etwa der sein: bei dem, der überhaupt mit der Menschheit des Heilandes gar keinen Ernst macht, ist auch die Überlegung absurd, ob er etwa als Kriegsheld er- scheinen werde. Wer die Kindheitsgeschichten leugnet, wem

virtutem Damasci sumere quam patrem nosse) sequitur ut figurate pronun- tiatum videatur. Antim.: Enimvero si nusquam hoc natura concedit, ante militare quam vivere, ante virtutem Damasci sumere quam patris et matris vocabulum nosse, sequitur ut figurata pronuntiatio videatur.

4. Das Verhältnis zum Antiniarcion. ßl

Christus de coelo expositus, semel grandis, „nur Gott" ist1), der verlegt sich die Schlüssel zur Weissagung, die eben auf die Magier hinzielt und zur Krippenwiege geleitet. Allerdings gibt es noch ein Ihm lenken. Die Stelle, die wir eben heranzogen, kann insofern untauglich scheinen, ja als alles obige umstürzend, als grade der Ausdruck homo dort im nächsten Zusammenhang ..Mann" heisst. 2) Nur müsste, wer darauf Wert legt, auch das gleich darauf folgende nachlesen, wo die Bedeutung aufs deut- lichste umschlägt und drei Mal homo „der Mensch" ist.3) Und so bleibe ich doch dabei stehen: Tertullian weicht hier der Ver- suchung, das „Dens tantuni" des Marcion hier in rascher Weise mit einzumischen, wodurch freilich wirkliche Schiefheit in die folgenden Witzworte kommen muss. Denn die Spässe über ßutterbrodk nahen, die etwa im Pontus zu Felde ziehn, passen ja freilich nur dann, wenn homo gleich vir genommen wird, und wenn vivere hiesse ein Mann sein. Der Text der „Juden" allein ist den Butterbrodknaben ganz angemessen, der Anti- niarcion nimmermehr. Als Ergebnis betrachte ich folgendes: Spezifisch Antipontisches ist hier in den Text der „Juden" hinein- gewebt, ohne dass eine völlig concinne Behandlung der Sache herauskäme. Und dies ist freilich kein Wunder. Hiess es uns bereits früher ein Kunststück, den Sichemiten so auszubeuten, dass doch jener „feine Fall" des Judengenossen zum Recht kam, so war es erst recht ein Kunststück, hier im heissen Kampf mit dem Pontiker bei Benutzung einer eigenen Arbeit die Frontver- änderung durchzuführen. Dass hier Risse und Lücken sich zeigen würden, war von hausaus wahrscheinlich. Für uns das Wich- tigste ist. dass der Text der „Juden", der „Urtext", sich hier als der concinnere ausweist.

1) adv. Marc. IV, 21 (II, 214, o.).

2) (Jesus nicht) diu infans, vix puer, tarde homo, sed de caelo expo- situs, semel grandis, semel totus, statim Christus, spiritus et virtus et deus tantum.

3) Christus heisst da: vermis et non homo . . Et merito (Christus) se pro suo homine deposuit, pro imagine et similitudine sua . . . ut, quo- niam homo non erubuerat lapidem et lignum adorans etc. Wenigstens die beiden letzten Male kann man nicht füglich: „Mann" übersetzen. Die ganze Stelle zeigt die bekannte Incommensurabilität zweier verschiedener Sprachen.

02 Noeldechen. Tertnllian'a Gegen die .luden.

Nach Neander und Corssen (S. 6) freilich sollen grade die ..Hutterbrodknaben" nur im Antimarcion tauglich sein. Sie sollen Ergänzung des Bildes sein, welches Tertullian im Eingang des ersten Buchs gegen Marcion von der Heimat des Pontikers zeichnete. Man erinnert an einzelne Züge jenes lichtlosen Schauer- gemäldes, an jene „Kannibalen" des Pontus, an die Mädchen, die lieber zum Kampf als in die Brautkammer ziehn wollen, an die ewigen pontischen Nebel, die kein Strahl der Sonne durch- dringe. Dazu soll denn das Spottbild gut passen, das Tertullia- nischer Witz in den „Juden" sowohl wie im „Marcion" findet sich diese Ergötzlichkeit hier zu bieten für gut findet, „Eine andere Sache ist es, wenn die Kinder bei euch in den Kampf stürzen, von der Sonne gebräunt, statt des Salböls, sodann mit Windeln umpanzert und mit ButterbrÖdchen besoldet, so dass sie eher zu kämpfen als die Brust der Mutter zu zerren wissen." Nun fährt aber Corssen in Wahrheit mit seinem Rückweis doch übel. Er betont die verschleierte Sonne in dem Schreckensbilde des Pontus, jene ewig von Nebeln verhüllte, und an dieser ver- dunkelten Sonne sollten pontische Kinder gebräunt werden? Tertullian, statt sich jenes Gemälde im dritten Buche zurückzu- rufen, hat hier mindestens einen der Einzelzüge jenes Gemäldes vergessen. Und, scheinen die „Amazonen" des Eingangs zu den „Butterbrodkriegern" zu passen, sich zu ihnen wenigstens besser zu reimen als jene ewigen Nebel, so bleibt doch durch- aus zu beachten, dass jenes geographische Zerrbild, im Eingang vom Pontus entworfen, im Sinne des Pontusbekämpfers in bit- terem Ernste zu nehmen ist, während hier diese Säuglings- soldaten auch im Sinne des Schriftstellers Spässe sind. Von ganz spezifischem „Salz", das in dieser Scherzrede liegen soll, grade mit Bezug auf den Pontus, wird somit nimmer zu reden sein. Die Juden werden reichlich so gut diese Posse beherbergen können, wie die spätere grössere Arbeit. Ist es doch ein jüdi- scher Seher, der die Butterbrodfrage heraufbeschwört1), ein heiliges

1) Jesaias 7, 15 ßovzvQOV xal fiiki cpayszai xzX. Dies wird citiert adv. Jud. 9 (II, 720, o.), wie überhaupt mehrere Sätze aus Jes. 7, 13 ff., wozu 8, 4 hinzutritt. Dieses butyrum et mel manducabit ist der einzige wirkliche Ausgangspunkt für das Witzwort von den „Butterbrodjungen'1 (butyro stipendiati II, 721, na.). Im Antimarcion (II, 138, m.) finden sich die „Butterbrodjungen" nun auch, aber Jesaias 7, 15 wird mit keinem

4. Das Verhältnis zum Antimarcion. (33

Buch Israels, an das diese Witze sich anlehnen. Und nun muss man freilich bedenken, welche Züge die Judengeschichte des letzten Jahrhunderts geboteu hatte. Verzweiflungskämpfe in Cjpern, Cyrenaica und anderer Orten, Verzweiflungskämpfe dar- auf nicht minder im Heiligen Lande. Dass diese geschicht- lichen Züge dem Autor völlig geläufig sind, zeigt z. T. Adversus Judaeos, zeigt auch der Antimarcion, zeigt das Apologeticum. Denn freilich den Juden der Gegenwart, ohne Rückblick auf ihre Geschichte, solche „Butterbrodkrieger" zu bieten, wäre mehr als kindisch und possenhaft, wäre herzlos grausam gewesen. Aber Israel hatte den Kriegspfad, binnen Menschengedenken, betreten, es hatte wirklich den Kriegsmann, und zwar einen wilden, abgegeben. l) Liegen jene amazonischen Kämpfe dem Verfasser in räumlicher Ferne, so diese der Juden in zeitlicher: die phan-

sch-ironische Ader hat in beiden Fällen hier Spielraum. Denn freilich an „sich prügelnde Kinder'' mit Grotemeyer zu denken, hiesse, das gebe ich zu, den Sinn dieser Stelle verkennen und ohne Ursach dem Autor ein Unmass von Albernheit auf- bürden.

Von sonstigen kleineren Umprägungen will ich noch vier hier erwähnen. Die erste derselben zeigt den Montanismus ge- schäftig, welchem der Bekämpfer des Marcion seinerseits schon verfallen ist. Zum montanistischen Einschlag gehört zumal der

Worte herangezogen. Jesaias 7, 14; 4, 8 stehn dort freilich zu lesen (II, : doch die Butter und der Honig des Prophetenworts fehlen. Erst nachträglich treten sie auf (II, 139, in.). Dies dürfte genügen, um die Verlässlichkeit von Neander's u. Corssen's Bern, in dieser Beziehung zu würdigen. Auch hier zeigt sich vielmehr der Text des Buchs an die Juden als der innerlich und wesentlich concinnere. Der Borg des Antimarcion springt durchaus in die Augen.

1) Moniinsen Rom. Gesch. V, S. 542. Nicht volle 50 Jahre nach der Zerstörung Jerusalems, im J. 11Ö erhob sich die Judenschaft am östl. Mittelmeer. Hauptsitze der Empörung Kyrene, Kypros, Ägypten. Ziel: Ausrottung der Römer wie Hellenen. In Kyrene sollen 220,000, auf Kypros gar 240,< I ' I Menschen von den Juden umgebracht worden sein. Später folgten bekanntlich die furchtbaren Hadrianischen Kriegszeiten. Dass Tert. diese kannte, wird nicht erst zu beweisen sein. Auf Tert.'s gescbichtl. Bildung im allgem. , und namentlich auch die Kaiserzeit anlangend , bin ich etwas näher eingegangen in „Tertullian und die Kaiser". (Mauren - brecher's Histor. Taschenbuch 1888 S. 159 193) und „Tertullian's Ge- burtsjahr- ;in Hilgenfeld's Z. 8. für w. Th. XXIX, 2 S. 207—223).

04 Noeldechen, Tertullian'e Gegen die Ju

„Prophet", den er aus Jesaias vorlangt, da, wo er doch in de] „Juden", dieselbe Stelle citierend, solchen Bezug nicht gemacht hatte. Der Herr, so heisst's in den „Juden"1;, hat Jerusalem und den Juden „unter anderem" auch entzogen den findigen Archi- tekten, welcher die Gemeinde , den Tempel Gottes erbaut, die heilige Stadt mitsamt der Behausung des Höchsten. „Unter anderem", schreibt er geflissentlich, denn der griechische Text bot viel mehr, etwa noch „den Starken und Riesen, den Krieger, den Richter, Propheten." Der Antimarcion folgt dem, wieder- holt auch das „unter anderem", erstreckt aber die Auswahl be- zeichnend genug etwas weiter, nämlich eben auf den „Pro- pheten", der ihm neuerdings so sehr am Herzen liegt. Wir werden demnächst ja beobachten, dass der Autor des grösseren Werks es seine Sorge hat sein lassen, überhaupt den genaueren Anschluss an die Septuaginta durchzusetzen, während er vorher in den „Juden", wohl mehr aus dem Gedächtnisse schöpfend, sich darin minder exakt zeigt. Um so merkwürdiger ist, wie ich meine, hier diese parteiische Auswahl.

Wie hier der Montanist sich bemerklich macht in dem Zu- satz eines einzelnen Wortes, so in Tilgung eines einzelnen Worts der Verfasser eines grösseren Buchs im Unterschied vom Con- cipienten des Entwurfs eines Gespräches. Ein einfacher Tilgungs-

1) S. Seniler bei Oehler III, 656, u. : adv. Jud. 13 (II, 737, u.). Ab- stulit enim dominus sabaoth in Judaeis et ab Hierusalem inter cetera et sapientem architecturn , qui aedificat ecclesiam dei templurn et civitatem sanctam et dornuni do-mini. adv. Marc. III, 23 (II, 154, o.): Abstulit enim dominus sabaoth a Judaea et ab Hierusalem inter cetera et pro- phetam (vorangestellt!) et sapientem arcliitectum, spiritum scilicet sanctum, qui aedificat ecclesiam, templurn scilicet et domum, et civitatem dei. Jesaias 3, 1 ff. (van Ess 768): Idov 6 öeoTtözrjq xvQioq oaßaa)& d(pe?.el drto ^IsQOvoaXijß xal and zi\q 'Iovöalaq tayvovza xal loyvovoav, loyvv uqzov xal loyvv vöazoq, ylyavza xal loyvovza, xal av&Qwnov TCOÄ£fxiozrjv, xal öixaozrjv, xal UQ0^7izr\v xal ozoyaozijV, xal TtQSoßvztQOV xal tzsvztjxovz- aQyov, xal 9av(xaozbv ovßßovXov xal oocpbv aQytzäxzova xal ovvezov dxQoazi)v. Dass er hier auswählt, ist begreiflich. Ursprünglich hatte ihn das Bild vom Tempel (Gemeinde-Tempel) angezogen: die jüdische Ge- meinde hat keinen Bauherrn mehr. Neuerdings steht der ., Prophet" auf der Tagesordnung: in Israel ist die Prophetie tot. Die Christen haben ihren Montanus, ihre Priscilla etc. (Man vgl. den Eingang von de praescr. haer, : conditio praesentium temporum etc.; auch apolog. 39 (I, 256): praesentium temporum qualitas etc.)

4. Das Verhältnis zum Antimarcion (35

strich vertreibt jenes ipse der Juden, dem wir schon im vorigen Abschnitte besondre Beachtung zu widmen hatten. Wir lesen in den „Juden" die Worte ne cursurn demorer ipse, während im Antiniarcion dieses ipse verschwunden ist. Der ganze Finalsatz ist merkwürdig. Als advokatisch Geschulter, als geübter Debat- tierer und Redner von hausaus geeignet für Streitreden, und als solcher auch in den Kampf mit dem Judengenossen hinabge- stiegen, sind ihm Wendungen wie diese: „ich will gar nicht reden" oreläuficr, umi analog ist wohl diese: ich will die Debatte nicht aufhalten. In dem Buch gegen den Pontiker wiederholt er diese Worte zum Teil; ne cursuni demorer, schreibt er, denn dies Hess sieh allenfalls selbst in dem späteren Buche noch hören. Aber das ipse freilich war in dem Buche nicht leidlich. *) Der Pontiker selber ist tot, und wie phantasievoll lebendig er ihn auch als Gegner sich hinstellt: da er nie mit ihm „colloquiert" hat, wäre das ipse jetzt sinnlos.

Wenn er weiter ein „Judaeam" der „Juden" in die „gens Judaeorum" geändert hat2), so erscheint der Unterschied schmal, und doch ist es schwerlich ganz zufällig. „David", so schrieb er zunächst, „hat allein in Judaea geherrscht", nur innerhalb des Landes Judaea. „David herrschte allein", so hat er später ge- schrieben, „innerhalb des Volkes der Juden". Verbürgt ist zu- nächst nun die Thatsache, dass seit den Hadrianischen Tagen das Land einen neuen Namen führte. 3) Syria Palestina war die offizielle Bezeichnung, während der Name Judaea ausser Gebrauch kommen sollte: letzteres ein Bruchstück der Strafen, die über die Rebellen ergangen waren. Die Historia Augusta ihrerseits kennt denn auch überhaupt kein „Judaea": wo irgend vom Lande geredet wird, heisst das Land Palestina. Auch ist der nun- mehrige Sprachgebrauch Tertullian gar nicht unbekannt. Redet er zu Heiden im „Pallium", so spricht er von Palestina4); auch

1) vgl. in. „Abfassungszeit" etc. S. 86. 87 oben. Zur rhetorischen Phrase vgl. u. a. selbst Tert.'s halben Namensvetter: Acta Apostol. 24, 4: %va /bttj inl Tilelöv ae iyxonzü). So Tertullus vor Felix.

2 Oehl. III, (35:,.

3) Freilich doch wieder auch einen sehr alten: den alten herodo- tischen Namen, das Syrien der Philister oder Syria Palestina. Mommsen Roem. Gesch. V, 54(3.

4) Aspice ad Palestinam de pallio 2 (I, 922, o.). Syria Palestina apolog. 5 (I, 130).

Texte u. Untersuchungen XII, 2. 5

(36 Noeldechen, Tertullian's Gegen die Juden.

„Syria Palestina" ist anzutreffen. Allerdings ist er nicht conse- quent und hatte wohl kaum dazu Ursach, denn amtliche Namen der Art haben selten wohl reissenden Kurs und finden an der Macht der Gewohnheit und der Trägheit des Herkommens Gegner. Bringt die Schutzschrift einmal „Judaea", so freilich dort in einem Nexus, wo „Palestina" kaum tauglich war x) und „Judaea" die jüdische Herrschaft, das jüdische Reich bezeichnete: aber ein andres Mal steht es doch anders, und, wenn er „Galilaea" als Landschaft den römischen Grossen erläutert , so traut er ihnen offenbar zu, dass sie gleich sein „Judaea" verstehn werden.2) In den mehr esoterischen Schriften braucht er um so mehr den veralteten, eigentlich verpönten Ausdruck3), und es hiesse wohl willkürlich klügeln, wollte man darauf Gewicht legen, dass dies teils in Citaten geschehe, teils da, wo von Zeiten die Rede ist, die hinter Hadrianus zurückliegen. Wird doch David's Judaea ganz zweifellos ausnehmend weithin zurück liegen. Undenk- bar wäre ja nicht, dass ihm doch grade hier die Erinnerung an den gültigen Ausdruck die Feder führe. Nur wahrscheinlicher ist etwas andres: dass correctere geschichtliche Kunde ihm später die ältere Wendung als unhistorisch erscheinen Hess. Denn David hat bekanntlich sein Reich weit über Judaea hinaus bis zu Euphratwassern erweitert. „Innerhalb des jüdischen Volkes" war mit grösserer Richtigkeit auszusagen.

In Kürze ein viertes und letztes Stück. Wenn Justin's König von Assur beim Autor der „Juden" den Teufel meint, „der die Heiligen vom Glauben hinwegscheucht", der Antimarcion aber zum „Hero- des" Justins zurückbiegt4), so ist das vermutlich begründet in

1) apolog. 26 (I, 225, u.) postremo si Romanae religiones regna prae- stant, nunquam retro Judaea regnasset despectrix coinmunium istarum divi- nitatum.

2) apolog. 21 (I, 203, u.) cum discipulis autem quibusdain apud Ga- lilaeam, Judaeae regionem, ad quadraginta dies egit docens eos quae do- cerent (in de anima Oehl. II, 582 hält er „Galilaea" nicht für erläuterungs- bedürftig).

3) apud Bersabe Judaeae de jej. 9 (I, 863, u.); cf. de monog. 16 (I, 786, u.); adv. Marc. IV, 8 (II, 172, o.); ebenclas. 19 (II, 206, u.) sed et census constat actos sub Augusto nunc in Judaea per Sentiuin Saturninuin; adv. Marc. III, 23 (cf. Oehl. III, 656, u.), wo der LXX gefolgt wird.

4) Vgl. m. „Abfassungszeit" etc. S. 84 Anm. 7. Über den Teich Bethesda wird ebendaselbst S. 85 geredet, worauf hier zu verweisen ge-

4. Das Verhältnis zum Antimarcion. (57

inzwischen veränderter Zeitlage. Denn sind die „Juden" auch schwerlich während scharfer Verfolgung geschrieben, so fällt der Antimarcion sicher in Zeiten besonderer Stille. Da die Christen jetzt gar nicht „gescheucht werden", schien die älteste Wendung entsprechender.

b. Stilistische Änderungen.

Den Stil betreffen die Wandlungen, denen die Citate an- heimfallen, alt- wie neutestamentliche. Mit einer einzigen Aus- nahme1), wo die grössere Eleganz des Ausdrucks wohl solche Abweichung anriet, wird hier folgerichtig verfahren, so dass der Antimarcion stets die Septuaginta genau oder wenigstens genauer zu bringen pflegt. Wir schliessen daraus mit Recht, dass der jüngere Verfasser gewöhnt war, zumal in jenem „Entwurf", mehr aus dem Gedächtnis zu schreiben, und dass er sich später auf- legte, für die eigentlich literarische Leistung eine Nachprüfung zu veranstalten. Auch mag etwa später ein Fonds von ge- steigerter Sicherheit mitwirken, so dass ihn nach öfterem Lesen die Memorie besser bediente. So verfährt der Verfasser bei Psalmstellen 2), so wird einmal eine Jesaiasstelle in bezeichnender

nügen muss. Dagegen sei noch mit einem Worte erwähnt die Differenz von secta („Juden'") und haeresis (Antimarcion). S. Sem ler bei (Dehler III, 651, u. Das dort beigebrachte Septuaginta- Citat lautet (Genesis 49, 5): 2v(j.£(i)v xal Aeii äöskipol ovvexbXtaav döixlav EqcuQeGEcog avxwv. Die „Juden" sagen für das letzte: ex sua secta, Antimarcion ex sua haeresi. In diesem scheinbar wörtlicheren Anschluss an die LXX wird wohl ein Seitenhieb auf den Haeretiker nicht zu verkennen sein. Die Juden haben „Secten" (vgl. die „Pharisaeer, von denen im Zusammenhange der „Juden" s. Oehl. III, 651 ausdrücklich die Rede ist), aber sie haben keine „Haeretiker". Auch hier ist schliesslich der Weg vom Antimarcion zu den „Juden" so unwahrscheinlich wie möglich. Bei Revision seiner Citate (s. das gleich folgende) hat der Verf. den Seitenhieb ausgeteilt.

1) s. Oehler III, 640. adv. Jud. 14 (II, 739, u.) omnes nationes terrae secundum genus et omnis gloria servient illi; adv. Marc. III, 7 (II, 130, u.) omnes nationes terrae secundum genera et omnis gloria famulabunda; Daniel 7, 14 avxcö öov'/.evoovolv.

2) s. m. Abfassungszeit 84 Anm. 5. In Psalm 45, 5 bringt er sogar zwei Correcturen an. S. Oehl. III, 647. m. „Juden": et deducet, inquit, te magnitudo dexterae tuae; Antimarc: et deducet te, inquit, mirifice dextera tua. LXX: böjiyrjoec ob &av{xaoz(öq rj öe£id aov.

5*

(58 Noeldechen, Tertuüian'a Gegen die Juden.

Weise vervollständigt.1) Auch in einem Abschnitt der „Könige"

steigert er die Genauigkeit deutlich.2] Auch zwei Evangeiien- worte werden später dem Grundtext genähert, ja eins dieser beiden sogar mit Preisgebung früheren Wortspiels. Eine Ver- besserung nicht des Citats, wohl aber der Art seiner Einführung findet sich ganz entschieden, wo er in den „Juden" vergessen hatte, dass aus zwei Kapiteln geschöpft war. In Jesaias 7, 4 könnte man auf Sachliches fahnden, vielleicht Dogmatisches witternd, wo das patrem nosse der „Juden" in dem anderen Werke verändert und patris et matris vocabulum nosse gesetzt wird. Indessen Formelles genügt hier: der Text der Septuaginta kommt später genauer zum Ausdruck. Wie wir consequente Verbesse- rung, so müssten die Gegner der Echtheit consequente Verlotte- rung annehmen, deren ihr literarischer Dieb sich hier schuldig gemacht hätte. Eine solche Consequenz der Verschlechterung will an sich nicht besonders einleuchten. Die Nachlässigkeit als solche pflegt inconsequent zu verfahren. Vor Augen liegende Texte wie ein solcher, der Antimarcion, doch hier offenbar zu denken wäre pflegt sie nicht mit solcherlei Gleichmass, wie es hier vorläge, zu schädigen, das Bessere und Correctere gleichsam grundsätzlich verwüstend. Ein absichtliches Schlechter- machen hat auch die Kritik nicht behaupten wollen.

Kleinere Nuancen des Stils sind etwa praemittat, promittat. 3j In den „Juden" verweist er den Gegner in den nächsten Bibel-

1) Oehl. III, 645, o.: malitiae non assentaturi. Dies soll (Corssen 8) der Freibeuter nicht verstanden haben (?). Auch Jes. 42, 6 (elq öiad-ijxrjv yevovg) wird in adv. Marc, wörtlicher (in dispositioneni generis) wieder- gegeben, während die „Juden" schreiben generis mei (cf. Oehl. II, 722, o.;

II, 139, o.).

2) s. Oehl. III, 655, u. (adv. Marc. 20. adv. Jud. 14 in fine). LXX 1 Kön. 7, 12. 13. kzoi/udoco zrjv ßaoiXEiccv avzov. avzög olxoöo/utjoel (xoi olxov zcö ovd[/.azl fiov, xal dvoQ&toow zov &q6vov avzov elq zbv aiwva. Jud.: thronus in aevum; A n t i m. throuiis in aevum et regnum in aevuin. Selbst dominus statt deus (III, 652, u.) bedeutet engeren Anschluss an die LXX. Zur „Preisgebung des Wortspiels" im Interesse der Genauigkeit des Textes s. Abfassungsz. 83. Anm. 2. Daneben vgl. Oehl. III, 647: missurus in terram (Schwert senden, nicht Frieden). Die „Juden" haben (s. fr. „venit"): quando venturus in terras. ,,Zwei Kapitel" s. Oehl.

III, 643. Zu Jes. 7, 4. s. Oehl. III, 644. (van Ess S. 772).

3) Oehl. III, 643, u. (adv. Jud. 9., adv. Marc. III, 13).

4. Das Verhältnis zum Antimarcion. 69

Zusammenhang, der Antimarcion lässt den Nexus der Stelle bei- seite und spricht generell von Verheissung, die vom Pontiker nicht verstunden werde. Auch das kennen wir schon: die Er- örterung des nächsten Zusammenhangs in dem Buch an die Juden, den grösseren und weiteren Ausblick in dem Werk gegen Marcion. Nocli mehr reine Formsache ist, es, wenn bei Schilderung ältester Kriegführung ein Zusatz ..de curru" l) hinzutritt, der den Wagen- kampf mit hineinzieht, wodurch das geschichtliche Bild, das er vorführen wollte, an Leben, und zugleich die Diktion jener Stelle entschieden an Rundung gewonnen hat. Auch hier fragt man sich billig, ob, den Vorgang umgekehrt vorgestellt, eine so syste- matische Schädigung eines besseren Textes erhört wäre, zumal an absichtlichen Unfug von der Kritik nicht gedacht wird. Oder soll der Verderber auch hier seinen Text „nicht verstanden" haben ?

Die Nachhülfen des Stils sind ziemlich häufig Verkürzungen. Der breitere und geringere Ausdruck gehört dem Buch an die Juden, der knappere dem späteren Meister einer gedrängteren Rede. Es stehe hier ein Satz aus den „Juden"2): petra enim Christus multis modis et figuris praedicatus est. Da nun aber weder die Urschrift (die „Juden") noch die gefeiltere und ge- modelte Reinschrift diese multi modi erörtern will, die letztere nur die figurae, und auch diese in verändertem Sinne, da zudem überhaupt jene „modi" dem Sichemiten verdankt wurden, auf dessen nackte Versicherung die Juden" die Behauptung herüber- nahmen, war Verkürzung ein ersichtlicher Fortschritt: es ist, als ob prunkender Ballast, ein ziemlich gehaltloser Hinweis auf breiteren biblischen Hintergrund, kurzer Hand über Bord flöge. Prägnanter und kürzer sind auch die Hebraei Christiani im „Mar- cion" — auf die Kühnheit des Ausdrucks ward hingewiesen gegenüber einem Urnschweif der „Juden." 3) Dass planmässig gekürzt wird, beweist auch noch manches andere. So das non expectabile nomen in dem Buch wider Marcion. 4) „Wie geschieht

1) Oehl. III, 644, o.

2) cap. 9 (II, 724, u.). Dagegen adv. Marc. III, 16 (II, 143, u.) ganz kurz: petra enim Christus.

3) „Juden": Nam qui ex Judaismo credunt Christo. Vgl. Corssen 6, oben. (Die Stellen: adv. Marc. II I, 12. adv. Jud. 9 (II, 721, o.).

4) adv. Marc. III, lfj, Anfang.

70 Noeldechen, Tertullian'a Gegen die Juden.

es", so redete Israel einsl in Ad versus Judaeos, „dass doch der erwartete Christ bei Propheten nie Jesus genannt wird und der angeblich gekommene den Namen Jesus geführt hat?" l) Also wiederum bündige Knappheit neben früherer breiter Aus- führlichkeit. Anscheinend leichtere Kürzung, doch nicht ganz ohne sachlichen Hintergrund ist das spätere „Hieremias" für „Deus per Hieremiam." 2) In den „Juden" bewegt sich die Dar- legung auf der gemeinsamen Grundlage, die ihm in den „Juden" verstattet ist: dass Gott durch Propheten geredet hat in seinen „Heiligen Schriften." Beim Pontiker hat Hieremias mit Jesus gar nichts zu schaffen, er gehört ja nur der „gerechten", nicht der „gütigen" Gottheit. Die gemeinsame Basis fehlt hier und kann nicht im Umsehen geschaffen werden. Das „Gott durch Hiere- mias" kann er dem „Pontus" nicht aufdrängen. Endlich hat eine nutzlose Gründlichkeit, sozusagen eine verletzende Deutlichkeit im Antimarcion fallen müssen. Wenn Ezechiel Israel anredet: dein Vater ist Amoriter und deine Mutter Hethiterin, so war ja der Zusatz entbehrlich, dass dies nicht wörtlich zu nehmen sei. Derselbe ist später gestrichen worden. 3). Der umgekehrte Weg zu den „Juden" vom Antimarcion her setzte teils consequente Verwässerung einer mehr gesammelten Redeweise, teils auch „non expectabile nomen" ein gewisses Verständnis voraus, wie der „einfältige" Freibeuter ein solches doch gar nicht be- sitzen soll.

Naturgemäss, zumal wenn bedacht wird, dass vielleicht ein volles Jahrzehnt zwischen beiden Schriften gelagert war, haben auch noch andre Gesichtspunkte, diese, wie viele der früheren, instinktiv und rasch sich hervordrängend, gewiss im einzelnen mitgewirkt, um dem späteren Buch auch stilistisch einen Sonder- charakter zu leihen. An poetischer Färbung des Stils gebrach es gelegentlich nicht bereits dem älteren Schriftwerk. Wenn die Heiden „aus dem Strudel des Irrtums4) zu dem Herrn und

1) adv. Jud. 9 (II, 724, m.).

2) Oehl. III, 653.

3) S. Oehl. II, 723, o., Oehl. III, 656.

4) Strudel des Irrtums adv. Jud. 12, Anfang; Kriegswut cap. 3 (II, 707, m.); aufleuchten ebendas. ; Christus erglänzend cap. 9 (II, 721, o.); erblühender Purpur de idol. 18 (I, 100, oben.); Lichter apol. 11 (I, 158, o.); Nacken de pall. 3 (I, 926, o.); flos virginum de virg. vel. 7 (I, 893, m.);

4. Das Verhältnis zum Antimarcion. 71

Schöpfergott auftauchen'', wenn „das Neue Gesetz die Kriegswut in die Lust am Ackerbau unischafft", wenn „das Halten des Neuen Gesetzes zum Gehorsam des Friedens aufleuchtet", wenn Christus der Welt „erglänzt", so sind das ziemliche Proben jener poetisie- renden Prosa, die überhaupt dem Verfasser so eigen ist. Nach den vorliegenden Spuren hat sich später diese Neigung gesteigert. Unter anderem „erblüht" ihm der Purpur, und es „erblühen" die Lichter, es „erblühen" die Nacken von Edelstein, und es gibt ihm eine „Blüte" der Jungfrauen. Es „blitzt und donnert hinein in die Welt die selige Botschaft", „aus dem Mutterschosse der Blindheit treten die Völker hervor und erbeben vor dem Lichte der Wahrheit." Die „Gerechtigkeit", einst in Kinderschuhen, „er- glüht durch die Botschaft zur Jugendkraft", und, wie „Thränen- regen" und „Mondestrost" ihm überkühn nicht erscheinen wollen, so „fliegt" ein karthagisches Weib hinein in den Brand ihrer Vaterstadt. Wenn diese entwickelte Neigung auch die Um- arbeitung der „Juden" zu ihrer Zeit mit beeinflusst, so darf das füglich nicht Wunder nehmen. In der That ist der „Tau der Gnadengaben" eins der neuen stilistischen Lichter, welche der Redaktor jetzt aufsetzt. Ganz gemäss der ihm eigenen Manier, an dem Buchstaben der Urschrift möglichst enge zu kleben, wird aus prioribus roribus, aus den „früheren1) Gaben der Gotteshuld" ein „Tau der göttlichen Gnaden." Hier ist man zudem noch imstande, die wahrscheinliche Genesis dieses Quid- proquo zu verfolgen. Bereits im Kapitel, das nachfolgt, tritt derselbe „himmlische Tau" in dem Segen Isaaks auf und zudem in einem Zusammenhang, der so ausdrücklich wie möglich wieder auf die „Juden" zurückweist. 2) Man könnte vielleicht es gewagt finden, den voraufgehenden Abschnitt aus dem, der folgt, zu er- läutern. Doch bedenken wir, dass Antimarcion uns in dritter Auflage vorliegt, dass der Verfasser aus dem Vollen arbeitet und sein Plan durchaus überdacht ist, so wird wohl glaubhaft

blitzen (evangelio coruscante) de anima 49, Ende; donnern (intonuit evan- gelium) de pud. 12, Anfang; Mutterschoss apol. 39 (I, 261 f.); Gerechtig- keit erglühend de virg. vel. 1 (I, 884, u.); Thränenregen de res. carn. 58, Anfang; solatiurn lunae adv. Hermog. 29, Anfang; in incendium patriae devolavit ad mart. 4 (I, 12, m.).

1) vgl. Abfassungsz. 83. Anm. 1.

2) adv. Marc. III, 24 (II, 157, m.). Die Zurückweisung auf die „Juden" liegt in dem posterior et praelatior populus etc. Vgl. adv. Jud. cap. 1.

72 Noeldechen, Tertullian'g Gegen die Juden.

erseheinen, dass ihm hier die „kommende" Stelle schon in dem Vorigen vorschwebt. Wie der Freibeuter aus roribus sein prio- ribus machen sollte, erscheint mir weit weniger durchsichtig. Er müsste bewussten Anstoss an der Kühnheit des Ausdrucks nommen haben, und, die planere Wendung zu formen, ein ge- wisses Sprachgeschick aufbieten, also grade diejenige Eigenschaft, die man am meisten ihm aberkennt.

Ist der Stil hier blühender, kräftiger als in den älteren „Juden", so könnte eine andere Änderung auf den ersten Blick nüchterner scheinen. Eine Allheit der Geistesbezeugungen vindiciert er in den „Juden" dem Heiland, er begnügt sich mit einer Verschiedenheit in dem Buch wider Marcion.1) Eine Steigerung kann das nicht heissen. Andrerseits wird ein Rück- gang der Schätzung der Gaben des Herrn nicht zu denken sein. Auch hier ist indessen kein Grund, nach Art Corssen's so eilig etwa dem Texte der „Juden" einen Ausnahme-Vorrang zu leihen, indem man die Fetzen der Texte in abstrakter Vereinzelung auf- fasst. Viel besser geht man den Merkzeichen von des Autors Entwickelung nach, wie oben den poetischen Stil, so hier den philosophischen anlangend. Denn auf philosophische Fäden, die er seinem Ideengang einverleibt, werden wir hier uns gewiesen sehn. Zunächst will ja nicht viel besagen, wenn der Ausdruck universitas (Allheit) ihm in späteren Schriften vorwiegend das ganze „Weltall" bedeutet 2), wobei denn ein „Weltall von Gaben" ihm überschwenglich erscheinen könnte. Denn universitas „Welt- all" gehört bereits auch den „Juden" (cap. 2 Anfang). Wichtiger ist, dass eine Lehre, aus der griechischen Weisheit entnommen, ihm grade im Kampf gegen Marcion besonders hülfreich geworden war: die Lehre von diversitates (contrarietates) im Weltall. 3)

1) Oehl. III, 649, m. (adv. Jud. 9., adv. Marc. III, 17). „Juden": uni- versitas spiritalium documentorum ; Antim. : diversitas spiritalium docu- rnentorum.

2) apolog. 21 (I, 198, o.); adv. Marc. II, 2. Anfang; adv. Hermog. 32 (II, 367, u.), de res. carn. 13, Anfang.

3) adv. Marc. IV, 1 (II, 161, u.) : nee mundum saltem recogitare potuisti, nisi fallor, etiam apud Ponticos ex diversitatibus struetum aemularum invicem substantiarum. Vgl. die contrarietates elementorurn adv. Marc. 11,29, Ende; contrarietates nati et innati, visualitatis et caecitatis, juventae et seneetae, sapientiae et insipientiae de anima 29, (II, 603, u.). Zu urri- versus, diversus, contrarius vgl. auch de anima 8, Anfang (II, 566 f.).

4. Das Verhältnis zum Antiniarcion. 73

Speziell gegen Marcion kämpft er für den Deus bonus et justus, damit diversitates in Gott, sozusagen polarische Gegensätze inner- halb der Gottheit verfechtend. Und hier springt wohl schon in die Augen, wie die „Diversität der Charismen" in Jesu Person zu verstehn ist. Auch er ist ihm bonus et justus, wie er andrer- seits tapfer und demütig, ernst und milde zugleich ist. An diesen Gedankenprocess des Verfassers selber gemessen kann denn schliesslich der Ausdruck diversitas, dem Vorwurf der Mattheit entrückt, in der That als die bessere Wendung, weil als die praegnantere, dastehn.

Doch wir eilen zum Ende. Selbst jenes signum und dignum, wie es Antimarcion bietet, lässt sich trotz Corssen j) verteidigen. Wo immer die überlieferte Lesart einfachen Widersinn bietet, wird man, die Ehre des Autors gegen Abschreiberunglimpf ver- fechtend, zur Conjectur sich bequemen; wo hingegen dies minder der Fall ist, wird man wohl wiederholt überlegen, ehe der be- quemere Weg der raschen Vermutung beschritten wird; dieser letz- tere ist um so verlockender, als er auch geistreicher scheinen will. In diesem Fall fehlt doch viel, dass die Lesart Widersinn böte. Der „Zeichen" von Gott giebt es mancherlei: „monstruose" und nicht monstruose. Das „monstruose", so heisst's hier, sei von Gottes Seite her „würdiger". Ja, müsste hier, was ich nicht leugne, der Text der „Juden" in Wahrheit als der innerlich con- cinnere gelten, so würde mir daraus noch nicht folgen, dass Tertullian jenes dignum nicht dennoch selber geschrieben hat. Man vergleiche die Lesart vivere, welche wir früher erörtert, und was von Incongruenzen bemerkt ward, welche da, wo ein jüngerer Text einen älteren aufnimmt, sich einstellen. An Versuchungen zu jenem dignum fehlte es dem Verfasser mit nichten: das Deo dignum war längst ihm zum Lieblingsthema geworden.2) Es wäre zudem nicht undenkbar, dass die massvolle Schätzung der „Zeichen", wie der Mann sie gelegentlich ausspricht, an dieser

1) S. Corssen S. 7. Anm. Vgl. adv. Jud. 9 (II, 721, u.): Signum autem a deo, nisi novitas aliqua monstruosa fuisset, signum non videretur. adv. Marc. III, 13 (II. 139, 0.): Signum autem a deo, nisi novitas aliqua mon- struosa, tarn dignum non fuisset.

2) Vgl. u. a. das dreifache digne Scorpiace 3, Anfang; das deo in- digna adv. Prax. 16 (II, 675, m.). Das sind nur geringe Proben, wie sie mir augenblicklich zur Hand sind.

74 Noeldechen, Tertullian'i m die Juden.

Stelle mit anklingt ]) und die paronomastische Neigung dazu das übrige thäte. Nicht bedeutend ist die Veränderung, wenn statt „subnervare" der „Juden" ein „nervös succidere" eintritt.2) Das erstere ist afrikanischer, speziell apulejischer Ausdruck. So mag der noch jüngere Autor hier apulejisch geredet haben. Nur dasfl doch der Madaurenser mit dem Wort ein „entkräften" bezeichnet und von „Sehnen durchschneiden" nichts sagen will: also doch wieder wirkliche Besserung. Nebenbei sei noch erwähnt, dass ein „valde absurdum" der „Juden" durch des Autors solenneres „rideo" in dem späteren Werke ersetzt ist.3).

5. Die Zeit.

Aus dem vorigen konnte erhellen, dass die Schrift Ad versus Judaeos vor 209 4) geschrieben ist. Gegen Grotemeyer'sche Selt- samkeit: die „Juden" gehören dem Phryger, wird auf den „Pro- pheten" zu weisen sein, den erst Antimarcion einschmuggelt. Auch habe ich früher die Zeitfrage bereits ausdrücklich erörtert und die Schrift den frühesten beigesellt. Ich habe hier nichts zurück- zuziehn, was irgendwie von Belang wäre. Trotzdem giebt es freilich Gesichtspunkte, die teils mir früher entgangen sind, teils auch an der früheren Stelle nicht hinreichenden Raum fanden. Bei der Schwierigkeit dieser Zeitfragen, bei ihrer Verknüpftheit zugleich mit den Fragen der Einheit und Echtheit, bei dem Um- stand, dass der einzige Kritiker, der die Einheit bündig vertei- digte, in der Zeitfrage geirrt hat, will ich hier weiter ausholen und zunächst bei der ferneren Darlegung die Schrift als flot- tierendes Gut, der Verankerung harrend, betrachten. Der Rest unserer Untersuchung stehe auf eigenen Füssen und verschmähe zunächst selbst die Hülfen, die die früheren Abschnitte leisten könnten. Nur wenn eine Menge von Linien, von den Schriften des Autors ausgehend, nach einem Punkte zusammenlaufen, wird

1) S. meinen „Tertullian" S. 281 f. Adv. Marc. III, 3, Anfang. Da diese Erörterung grade im 3. Buch wider Marcion voraufgegangen war, so er- scheint es mir sehr wohl denkbar, dass die Erinnerung nachwirkt. Die Bedeutung der virtutes und signa (s. II, 124, ganz o.) hatte er Marcion gegenüber im Interesse der Betonung der Weissagungen herabgesetzt.

2) Oehl. III, 651. LXX: evevQoxonrjoav.

3) Oehl. III, 646.

4) D. i. vor adv. Marc. III.

5. Die Zeit. 75

ein möglichst begründetes Facit in Betracht der Zeit gewonnen sein. Um selbst die mindest wahrscheinlichen Zeiträume mit zu durchforschen, beginnen wir mit den spätesten Schriften, um Schritt für Schritt von da aus zu den frühern uns rückwärts zu wenden.

Weit von den „Juden" getrennt erscheint da die Schrift von der Keuschheit. Und doch enthält sie Gedanken, die wohl zur Vergleichung herausfordern. Jene nämlichen Sohne Rebekka's, die die Schrift an die Juden erörtert, sie geben in massiger Um- formung auch dem Späten noch Leitgedanken, mit denen der römische Gegner, bekanntlich Kallist, bekämpft wird. Es han- delt direkt sich hier freilich um das Gleichnis vom Verlorenen Sohn, das aber, wie die Stelle erhärtet, in sehr erkenntlicher Weise an die Söhne Rebekka's heranrückt. *) Aber wie spröde verhält sich die späte Schrift zu den „Juden". Schon das be- deutet doch fast Verleugnung eigener Vergangenheit, wenn for- mell die frühere Ansicht als eine fremde behandelt wird.2) Da ihm jetzt durchaus daran liegt, den verlorenen Sohn als den Heiden, der zu Christus sich wendet, zu deuten, aber um keinen Preis als den Christen „der zweiten Busse" 3), so muss ihm die ältere Form jetzt unter den Händen zerbrechen. Der verlorene Sohn ist ihm freilich das christlich gewordene Heidentum, wie der jüngere Sohn in den „Juden" ihm ja dasselbe bedeutet hatte. Aber da eben der Christ doch nie in die Fremde hinauswandert, um dann am heimischen Herde noch schliesslich den Vater zu finden, so wird hier ein Vorbehalt not, dieser Sohn muss hier qualifiziert werden. In dieser Qualifizierung liegt denn auch in der That eine Welt von inzwischen bestandenen Kämpfen, von innerkirchlichem Streit. Die einfältige "Weise, laut welcher der jüngere Sohn alle Heidenchristen bedeutete, das „nos nationes" der „Juden" liegt hier in weitester Ferne.

1) Dies zeigt sich (de pud. 8. II, 807) schon in der äusseren Form: „Duos enim populos in duobus filiis collocant, Judaicum majorem. Chri- stianum minorem". Vgl. adv. Jud. cap. 1 (II, 702): major populus, i. e. Judai'cus .... minor populus, id est Christianus. Selbst darin, dass die in die Augen fallende Analogie mit den Ausführungen der „Juden" ihm hier nicht in den Sinn kommt (ganz anders adv. Marc. III, 24. II, 157), scheint sich die grosse Zeitferne anzukündigen.

2) „collocant" s. die vorige Anmerkung.

3) vgl. auch meinen „Tertullian" S. 468.

7(J Noeldechen, Tertullian' Gegen die .Juden.

Ahnlich verhält sich die Fastenschrift. Die „Juden" erör- terten einst einen Fall der Geschichte Zippora's. Dass diese, von dem Engel genötigt, ihren Sohn auf der Reise beschnitten hat, konnte, so hiess es dort, ein Gesetz nicht für Israel gründen.1) In den „Fasten" erlebt man den Umschlag dieser ihm nun ver- alteten Ansicht: insofern ein Einzelgelübde sogar ein blosses Gelübde „durch die Autorität des Genehmigers" allerdings später Gesetz wird. 2) Ist dies das vollendete Gegenteil seines dereinstigen Grundsatzes, so ist späte Consequenz einer Eigenart, die schon in den „Juden" hervortritt, nämlich seiner spielenden Deutung des grossen Liebesgebotes 3) , dass sich dem alternden Manne der Wortsinn desselben verflüchtigt. Die Etappen dieser Verflüchtigung bis zu der Fastenschrift hin lassen sich genügend verfolgen. Hatte er in den „Juden" die Nächstenliebe einfach auf Selbstliebe ausgedeutet, allerdings auf rechte und heilige, so ist es Nüancierung der Anschauung, wenn der Seele des Men- schen sein Körper als wertester Nächster gezeigt wird4), oder, kühner, der Herrgott selber als „nächster Verwandter" betrachtet wird. 5) All dies weist zurück auf die Grundstelle, wo einst die Paradiesesgeschichte zu der Frage gedrängt hatte, wie bei der Einsamkeit Adams das Liebesgebot wohl in Kraft trete, bezw. wie Moses zu Adam, Sinai zu Eden sich stelle.

Als weitere spätere Ausdeutung eines Urtextes der „Juden"

1) adv. Jud. 3. Consideremus itaque quod non potuerit unius in- fantis coacta circumcisio omni populo praescribere et quasi legem hujus praecepti condere.

2) de jej. 11 (I, 868, o.) tarnen et votuin, cum a deo acceptatum est, legem in posterum facit per auctoritatem acceptatoris.

3) adv. Jud. 2 (II, 703, m.): si proximum diligerent, id est semet ipsos.

4) de res. carn. 63 (II, 550, m.) quid, anima, invides carni? Nemo tarn proximus tibi, quem post dominum diligas; vgl ebendas. 9 (II, 479, u.) diliget carnem tot modis sibi proximam.

5) Scorp. 3 (I, 504, o.) itaque tria milia hominum a parentibus pro- ximis caesa, quia tarn proximum parentem deum offenderant. In de jej. 3, Schluss scheint sich ein schli essliches Facit dieser spielenden Be- handlung anzukündigen. Seimus . . . quam facile dicatur, Opus est . . . diligam deum et proximum tanquam me. Darin, dass Phrasen leicht sind, hat er ja zweifellos recht. Aber es ist doch bezeichnend, dass man dem strengen Faster, der mit dem Wortlaut des Liebesgebotes doch auch ein leichtes Spiel getrieben hatte, dies Liebesgebot „unter die Nase reibt."

5. Die Zeit. 77

erscheint in resurrectio carnis die Fassung des Heiligen Landes im Sinne von: Leib des Erlösers. Hier hatten die „Juden" ja schon neben „Rationalismus" auch Mystik. Sie gingen aus von dem Psalmwort: die Erde gab ihre Segnungen, um mit echt tertullianischer Eile zur Genesis hinüberzubiegen: gemeint sei in jenem Psalmwort die terra virgo der Thorah, die noch nicht von Regen befeuchtet, von Wolkenbrüchen befruchtet, den Rohstoff zu Adam geliefert, grade wie nachher der Messias von einer anderen Virgo geboren ward. j) Sehr ähnlich resurrectio carnis. Die Juden, sagt diese Schrift, hoffen nur auf irdische Dinge und verstehn unter heiliger Erde die Scholle des jüdischen Bodens, während diese heilige Erde vielmehr das Fleisch unseres Herrn ist. Diese kühne verblüffende Mystik fliesst aus der früheren Quelle; überraschend im nächsten Zusammenhange, geformt und fertig hervortretend wie Minerva aus Jupiters Haupte, ist sie nur recht zu verstehen mit den „Juden" als Auslegern. Die Nüan- cierung ist klar: an die Stelle der terra virgo tritt das Land von Dan bis gen Berseba, und beide sind schliesslich Symbole des heiligen Leibes des Meisters.

Sehr belehrend ist „Marcion" V. 2) Der Gedanke der „Juden" wird aufgenommen, dass mit der Erscheinung des Herrn die Zeit der „Gaben" zu Ende geht. Aber wie neu ist der Zusatz, jener vorsichtige Vorbehalt, dass eben dieses Ende der Gaben doch nur für Israel gelte. Wie bestimmt wird die Ansicht hier ab- gewiesen, dass auch in der christlichen Kirche die Zeit der Gaben vorbei sei. Nach jedem ähnlichen Vorbehalt sucht man in den „Juden" vergeblich, so vergeblich wie nach dem „Propheten", den erst Antimarcion nachliefert. Und dennoch sollen die „Juden" ein montanistisches Buch sein!

Dass auch der „praelatior populus" im dritten Buch gegen Marcion auf die „Juden" zurückweist, als Reminiscenz an die- selben und zugleich als praeguanteste Kürzung, wird zum Ge- wissen zu zählen sein. 3)

Wichtiger sind freilich für uns die früheren Schriften des Autors. Zunächst und vor allem die „Einreden" mit ihrer Notiz

1) adv. Jud. 12 (II, 735, m.) vgl. de res. carn. 26 (IL 501, m.).

2) adv. Marc. V, 8 (II, 297), vgl. adv. Jud. 8. 13. (II, 718, 738). Zu- satz: „quantum ad Judaeos".

3) Vgl. Oehl. II, 157 mit Oehl. II, 702.

78 Noeldechen, Tertullian'8 Gegen die Juden.

über Streitgespräche1), die zu ihren Zeiten im Schwang sind. Eine Streitrede ging ja voran auch dem Buche Adversus Judaeos. Freilich die Colloquenten sind andere: dort der Judengenosse samt Anhang, und hier gnostische Ketzer. Aber schon das ist bemerkenswert, dass in irgend einer Weise auch hier eine Schrift, das Buch von den Einreden nämlich, als Gesprächsniederschlag dasteht. Erwägt man auch die Streitunterredungen im zeitlich benachbarten „Götzendienst"2), so scheint sich bezeichnend ein Zeitraum von Disputationen zu bieten, dem bei Lebzeiten des Autors kein ähnlicher mehr zur Seite steht. Das Wichtigste aber wird sein, dass der Schriftsteller jetzt eine Abneigung gegen solche Gewohnheit gefasst hat, und dass das Gespräch mit dem Juden eine ähnliche Verstimmung zurückliess. Die Zwiesprachen mit den Ketzern bereiteten ihm lediglich „Kopfschmerzen"; bei der Streitunterredung mit Israel erfasst ihn ein ähnliches Miss- behagen, wenn bei dem Lärm der Debatten „die Wahrheit durch Nebel verdunkelt wird". 3) Dass dabei die Methode der Streit- reden, die ihm so wenig behagt haben, durchaus eine ähnliche war, ergiebt sich mit völligster Deutlichkeit: in einem wie dem anderen Falle ward mit Schriftgründen gestritten. Am bittersten redet er doch nun in Bezug auf die Debatten mit Ketzern. Eine Reihe von Einzelerfahrungen bildet, wie es scheint, eine Leiter, auf deren äusserste Sprosse er tritt zur Zeit jener „Einreden": fort mit sämtlichen Schriftdebatten gegenüber der Gnosis! Und dass er an literarische nicht denkt, scheint4) der Antimarcion darzuthun, auch resurrectio carnis, auch de carne Christi u. a. Die Verstimmung, die ihn beherrscht, scheint wirklich wesent- lich eingeschränkt auf disputatorische Kampfgänge: diese Streit-

1) cap, 15 hunc igitur potissimum gradum obstruimus non adinit- tendi eos ad ullam de scripturis disputationem. Ja er sagt (cap. 16) der Apostel sowohl wie der Herr verbieten indirekt jede Disputation mit Haeretikern. Auch komme nichts dabei heraus, als stomachi eversio aut cerebri. Dass von mündlichen Verhandlungen und zwar zunächst ausschliesslich von solchen die Rede ist, zeigt II, 16 ganz unten: novis vocibus aures accommodare.

2) de idolol. 17 (I, 97, m.) hinc proxime disputatio oborta est, an ser- vus dei alicujus dignitatis aut potestatis administrationem capiat.

3) aclv. Jucl. 1.

4) doch s. die obige Anm. 1.

5. Die Zeit. 79

form scheint ihm verleidet. So will es kaum glaublich dünken, dass gleichviel, ob Jude ob Gnostiker zu disputieren gesonnen sind, er nach den Einreden noch in fernere Wortkämpfe willigt, mit anderem Wort, dass die „Juden" nach den Einreden fallen. Hat er wirklich seinen Vorsatz befolgt, mit den Gnostikern min- destens mündlich nicht in fernere Debatten sich einzulassen und nichts zeigt, dass er ihm untreu ward so wird er die Juden kaum glimpflicher in dieser Beziehung behandelt haben, denen er ja niemals, wie Marcion, die christliche „Bruderhand" bieten kann.

Noch ein anderer Grund wird befürworten, die „Juden" vor den Einreden anzusetzen. Es mag ja wenig bedeuten, dass das Wort vom Tropfen am Eimer in so stark contrastierender Weise in beiden Schriften verwandt wird: in den „Juden" das stolze Judentum, sich hinter dem Propheten verschanzend, seinen Hoch- mut an Jesaias nährend, hier die Heiden, nach des Schrift- stellers Ansicht, nichts vor dem Herrn als solch Tropfen.1) Wichtiger ist, dass die Einreden eine Art hermeneutischen Fort- schritts gegenüber den „Juden" bekunden , nämlich in Formu- lierung des Grundsatzes: kein einziges einzelnes Gotteswort sei so diffusen Characters, dass man, dessen Wortlaut betonend, den Sinn der Worte vergessen dürfe. 2) Dies ruft uns die „Juden" zurück , da , wo sie so „rationalistisch" das „Holz des Fluchs" 3) aus dem Nexus der einzelnen Stelle erläuterten, wie das des Man- nes Gewohnheit in dem Judenbuche gewesen ist. Wäre jetzt der allgemeinere Grundsatz der Einreden ihm schon geläufig, ich meine, hier war es am Platz diesen Grundsatz bestimmt zu ver- werten, ja ich meine, er wäre verwertet worden: auch jenes Wort von dem Fluch ist nicht so diffusen Charakters, dass man, den Wortlaut betonend, den Sinn darüber vergessen darf. Gewandter, principieller verfährt er geraume Zeit nach den Einreden im Antimarcion wirklich, indem er die mystische Einzigkeit des Kreuzesfluches hervorhebt 4), und so dem exegetischen Grundsatz

1) vgl. de praescr. 8 (II, 10, u.) mit adv. Jud. 1.

2) de praescr. 9, Anfang: nulla vox divina ita dissoluta est et dif- fusa, ut verba tantum defendantur, et ratio verborum non constituatur.

3) vgl. hier S. 54 Anm. 1.

4) sed hujus maledictionis sensum dirt'ero, dignae sola praedica- tione crucis adv. Marc. III, 18 (II, 146, o.). Das ist eben das entschie-

&0 Noeldechen, Tertullian'fl Gegen die Juden.

der Einreden grössere Ehre macht. Die geringere Gewandtheit der „Juden" weist diesen einen früheren Platz an.

Auch die Sohutzschrif't deutet nach rückwärts. Will man allgemeinere Gründe geschichtlicher Art hier zulassen, so ergib! sich im ganzen als wahrscheinlich, dass die Judenfrage erörtert, das Gespräch mit dem Juden gehalten wurde, ehe die heidnische Feindschaft ihr Haupt mächtig erhoben hatte. Ohne Not enga- giert man sich nicht in Kämpfe mit anderen Gegnern, während grade ein gewaltiger Mann uns den starken Fuss auf den Kopf setzt. Was die „Juden" von heidnischer Feindschaft wirklich durchblicken lassen *), reicht auch nicht entfernt an das Bild, das die Schutzschrift so machtvoll entrollt hat. Auch von den frischen Erfahrungen, welche die Schutzschrift vermeldet, von jenem jü- dischen Buben, welcher den Erlöser verhöhnt hat, sieht im Ge- spräch mit dem Juden nicht die mindeste Spur durch. Anderer- seits zeigt schon die Schutzschrift ihn zweifellos im Besitz einer so umfassenden Kunde von jüdischer Art und Besonderheit, dass es leicht fällt, den Anwalt der Christen gegenüber den heidnischen Machthabern auch als früheren Christentums- Anwalt gegenüber den Juden zu denken. Fastenpraxis, Beschneidung, Sabbate werden gestreift, also grade auch solche Materien, welche die „Juden" behandeln. Dazu kommt noch, dass ähnliche Vor- lesungen, wie die in den „Juden" erwähnten, zu deren Behuf die Debatten ja nachträglich fixiert wurden, auch in der Schutz- schrift erwähnt werden. 2) Allerdings, wie die Streitgespräche, von denen die Einreden bandeln, mit Gnostikern, nicht mit Israel in Karthago geführt werden, so haben die „Lektionen" der Schutzschrift nicht mit der Judenbekämpfung, sondern sicher mit der Befehdung der Christen durch Heiden zu thun gehabt. Es ist hier die Rede von Vorlesungen, welche „auf dämonische Eingebung" in Karthago gehalten werden, welche „Gottes Wege verhöhnen*4 und deren „Gelärme vom Übel ist." Die Lesenden

denste Gegenteil einer dissoluten und diffusen Fassung des Wortes. Man vergleiche hier Corssen S. 25.

1) Die einzige Stelle steht cap. 9 (II, 723, m.) diabolum qui ad hoc se regnare putat, si sanctos a religione dei deturbat.

2) (daemones) dispositiones etiam dei et tunc prophetis contionantibus cxcerpunt (oder exceperunt?) et nunc lectionibus resonantibus carpunt. apol. 22 (I, 209, o.).

5. Die Zeit. 81

sind zweifellos Heiden, und der Vorgang erinnert durchaus an das geistige Leben der Hauptstadt, an jene Vorleserwut, die am Tiberstrande zuhause war, an die Menge von Recitatoren, die von Thorheit und Eitelkeit strotzten. l) Waren jene Lektionen Karthago's, von welchen die Schutzschrift geredet hat, wie ge- sagt, zweifellos heidnische, auf das Unheil der Christen gemünzte, so hatte die Macht der Zeitsitte doch auch christliche Kreise er- griffen, und Tertullian hat selber der Vorlesersippe mit angehört. Die „Juden" vermelden die Absicht, das Ergebnis der Juden- debatten für „Vorlesungen" zu nutzen. Ja viele seiner früheren Schriften, nämlich auch abseits von den „Juden", sind als Vor- lesungen gedacht und zunächst für solche benutzt worden.*2) Erst später weicht diese Gewohnheit der direkt literarischen Ar- beit, wo dann das „lectcr* der Anrede 3) die neue Thatsache klar- stellt. Die Schutzschrift dürfte als Zeitgrenze in diesem Punkt zu betrachten sein. „Spectacula", „Cultus" sind Vorträge, die Einreden sind es schon nicht mehr.4) Damit scheint denn die kritische Stimmung, die aus der Schutzschrift herausredet über heidnisches Vorleser- Unwesen, sich vortrefflich zusammen zu reimen. Diese Form der geistigen Mitteilung, gemissbraucht wie er sie sieht durch jene „dämonischen" Vorleser, wird von Stund an ihm minder sympathisch. Das Missbehagen am Vorlesen zieht jetzt weitere Kreise; er betritt in der Schutzschrift selber den „Weg schweigender Kundgebung."5) Auch daraus möchte ich schliessen, dass jene „Lektionen" der „Juden", zu denen er sein Zwiegespräch umschuf, der Schutzschrift selber voraufgingen: ein Ergebnis, parallel jenem anderen, dass das Disputieren ihm leid wird.

1) Vgl. hier S. 24 Anm. 1, auch Martin Hertz Renaissance und Rococo in der röm. Lit. Berlin 1865. S. 29. Allerdings auch glänzende Vorträge wussten solche Virtuosen zu halten. Näheres s. auch bei Fried - länder Sittengesch. Roms III, 372 fg.

2) S. meinen Aufs. Kultus-Stätten und -Reden der Tertullianischen Tage in Luthardt's Z. S. für k. W. u. k. L. 1885. S. 207.

3) auch wohl inspector (II, 335, u.).

4) haec in fide veritatis cum otio perlegentibus pax et gratia dei nostri Jesu Christi in aeternum. Schluss von de praescr.

5) liceat veritati vel oeculta via tacitarum literarum ad aures vestras }>ervenire apolog. 1 (I, 133, o.). Der Gegensatz von Vorlesungen schwebt hier allerdings nicht direkt vor.

Texte n. Untersuchungen XII, 2. 6

§2 Noeklechen, Terfcnlliaa'c Gegen die Ju.

Unterstützt wird die obige Ansicht durch zahlreich«- andere Daten, die zunächst spezieller beweisen, dase Gedankenkreise der

„Juden" durchaus schon der Schutzschrift mit zugehören. x) So weist die „vermehrtere Zucht44 auf die Streitschrift in Gedanken wie Ausdruck2), die „gehörnten Götter* der Schutzschrift er- innern an die hier nur noch kühnere Streitschrift, die selbst den „gehörnten Christus'' niederzuschreiben gewagt hat. s) Wenn die Schutzschrift die Verehrung von „Holz" auf das Conto der Hei- den gesetzt hat, so scheint ihm der „Holzkönig" vorzuschweben, den er als dumme Entstellung des „Königs am Holze" ins Auge fasste. 4) Hilft ihm „Vergil" in den „Juden", so ist das begreif- lich bei dem, der jedenfalls auch in der Schutzschrift den Man- tuaner citiert hat. 5) Ist der Doppeladvent des Christ ihm der wichtigste Streitpunkt der „Juden", so liegt ihm auch in der Schutzschrift der Kernpunkt des Kampfes schon hier.'') Wen die Rechnung der Danieljahrwochen im Buch an die Juden stutzig macht, der vergleiche auch hier, wie die Schutzschrift das Zeitalter Mosis herausrechnet, Berechnungen, langweilig, weitläufig, nach Ansicht des Autors, nicht schwierig. 7) Selbst ein synonymischer Unterschied, so besonders bezeichnend und wichtig für die Gesamtauffassung der Streitschrift. wir meinen : populus, gens findet sich auch in der Schutzschrift.8) Kommt

1) Schon das sine nomine, sine deo rege apol. 21 (I, 196) klingt in merkwürdiger Weise an einen Grundgedanken der „Juden" an. S. hier S. 40. Anm. 1.

2) adv. Jud. 2 (II, 704, o.) quid enim mir am, si is äuget disci- plinam qui instituit? vgl. apolog. 21 (I, 197, o.) ob disciplinae au- ctioris capacitatem.

3) apolog. 21 (I, 197) deum patrem passus est squamatum aut cor- nutum aut plumatum; vgl. ad natt. I, 14 (I, 335, u.) de bove et de ariete et hirco cornuti dei; vgl. auch (inhaltlich) de spect. 23 (I, 55, o.): Sa- turno et Isidi et Libero (sämtlich gehörnte Götter). Die Stelle in adv. Jud. 10(11, 728, m.): (Christus) hoc more cornutus; vgl. ebendas. cap. 13 (II, 737, o.) cornua crucis.

4) apolog. 16 (I, 177): cum lignum aliquod propitiatur etc.; adv. Jud. 10 (II, 729): ne forte lignarium aliquem regem significari putetis.

5) adv. Jud. 10 (II, 728, m.) mit Oehler's Note; vgl. überhaupt den früher citierten Aufsatz im Philologus S. 739 741.

6) Vgl. I, 200 und II, 739.

7) Vgl. I, 188. 190. 191. mit II, 717 ff.

8) populus, gens s. I, 196, II, 702 (allerdings auch II, 19S, II, 492).

5. Die Zeit. 83

dazu noch, dass auch die Schutzschrift mit Justins Dialog sich bekannt zeigt, also mit der wichtigsten Fundgrube, aus der die Streitschrift geschöpft hatte *), so wird die Ideengeineinschaft als eine erhebliche gelten müssen. Erwägt man endlich gebührlich die völlig verschiedene Front, (dort Heiden, hier Juden die Gegner), so wird wahrscheinlich gemacht sein, dass die zeitliche Nähe der Schriften eine entsprechend erhebliche ist, oder dass, das vorige mitgerechnet, die Streitschrift ein wenig früher als die Schutzschrift verfasst ist.

Die Nationen ;', der Schutzschrift benachbart, darf man in Kürze behandeln. Die „Pflanzschule unserer Verlästerung", wie dort die Judenwelt heisst, erinnert in Gedanken und Ausdruck an unsere Judenbekämpfung 2) und zeigt wie die „Juden" zugleich den alten justinischen Hintergrund. Die „Assyrer, die Meder und Perser, die Aegypter und endlich die Römer" in ihrem stattlichen Aufmarsch können kaum die Verwandtschaft verleugnen, welche sie mit einem Abschnitt der Danielrechnung verbindet. 3) Und, was die Hauptsache sein wird, schon der Titel von Ad nationes bezeichnet jenen wichtigen Markstein in dem Wortgebrauche des Schriftstellers, welcher fast gebieterisch hindert, die „Juden" gegenüber den „Völkern" als die spätere Kundgebung anzusetzen.

De idololatria ist wichtig, insofern hier Gedanken des Autors über den Kriegsdienst als Knechts dien st nach Art der „Juden" zur Sprache kommen, umsomehr noch, als dies im Unterschied von späteren Schriften geschehen ist. gind abstraktere Frei- heitsgedanken dem jüngeren Schriftsteller eigen 4), so nun ganz besonders dem „Götzendienst". So betont dieses Buch ja den Unterschied zwischen Joseph und Daniel einer- und „Christi Ge- freiten" andererseits •-») und bespricht die Frage vom Kriegsdienst

1) Vgl. I. 198 {köyov TCQoßdXteiv) mit Dialogus ed. Otto S. 203.

2) ad natt. I, 14 (I, 335) quod enim aliud genus seminari est in- famiae nostrae? adv. Jud. 13 (II, 73S, o.) ab illis enim incepit infamia.

3) ad natt. II, Schluss; vgl. adv. Jud. 8 (II, 717).

4) apolog. 34 (I, 240) Ceterum liber sum illi (imperatori) ; vgl. die Er- örterungen in de fuga 12 (I, 487, m.) a tributariis scilicet, non a liberis debitus. Man vergleiche auch den Standpunkt Sperat's in den Scillitaner- acten: er kennt nur den „König Jesus".

5) jam nunc qui de Joseph et Daniel argumentaris, scito, non semper comparanda esse vetera et nova, rudia et polita, coepta et explicita, ser- vilia et liberalia. Nam illi etiam condicione servi erant; tu vero nullius servus, in quantum solius Christi de idolol. 18 (I, 99).

6*

s ] idechen, Tertullian die Jud

im Sinn einer [mmunitäi der Christen vom „kriecht Ischen" Söldner- iuiii. Es findet einen mächtigen Unterschied zwischen Je Nave vor Alters und den Dienern des anderen Jesus, der Petro das Schwert aus der Hand nahm.1) Mit dem Hinweis auf jü- dischen Kriegsdienst den Kriegsdienst der Christen besehöni heisst ihm einfach auf Spässe sich legen. Dies ist völlig der Standpunkt der „Juden". Nachdem er den ewigen Sabbat, wie einst Justinus, erörtert, bemerkt er, von „knechtischem" Werk müsse man allezeit feiern.2) "Was ihm „knechtisch" bedeutet, wird ausgeführt: solch knechtisches Werk sei der Kriegsdienst '■'). ein Werk, das nach Gottes Gebot in alten Tagen erlaubt, aber neuerdings nun verboten sei. Diese völlige Gleichheit der An- schauung wird nun gerade dadurch so wichtig, dass der spätere Schriftsteller zweifellos seinen Standpunkt etwas verschoben hat. Er retraktiert ihn nun dahin, nämlich in der Schrift von dem Kranze, dass Kriegsniann werden verpönt, aber Kriegsmann bleiben erlaubt sei.4) Hat auch das Buch wider Marcion, die „Juden" bezeichnend verändernd5), jener Kranzschrift Rechnung getragen, so stehen die „Juden" selber durchaus bei der Schrift von dem Götzendienst auf jenem früheren Standort, der den Kriegs- dienst völlig in Bann thut. Selbst jenes Paradiesesverbot, in den „Juden", (wie wir sahen), erörtert, findet in der Schrift von dem Götzendienst eine bündige Stil-Parallele, so dass der benachbarte Ursprung auch dadurch wahrscheinlich gemacht wird. Wie den „Juden" die Gebote vom Sinai in dem Eden-Verbote beschlossen

1) Moses, Aaron, Johannes mögen an den Kriegsmann erinnern, agmen agit et Jesus Nave (dieser mehrfach in den ,, Juden"'), bellavit et po- pulus, si placet ludere, de idolol. 19 (I, 101, u.).

2) adv. Jud. 4 (II, 708, o.) unde nos intelligimus magis sabbatizare nos ab omni opere servili semper debere.

3) II, 709: nee dubium est opus servile eos (populum Israel) operatos, cum praedas belli agerent ex dei praeeepto.

4) de cor. 11 (I, 444) plane si quos militia~ praeventos fides posterior invenit, alia condicio est.

5) Lehrreich ist die Vergleichung von adv. Marc. II, 21, Schluss (II, 110) mit den obigen Stellen der „Juden". Statt des opus servile der Juden tritt hier ein humanum ein. Noch wichtiger ist adv. Marc. IV. 12 (II, 185): statt des opus servile steht ein opus humanum oder ein opus tuum, quod quisque ex artificio vel negotio suo exequitur. Auf eine ge- nauere Analyse können wir uns hier nicht einlassen.

5. Die Zeit. 85

sind, so begreift hier der Cultus der Götzen eine Musterkarte von Sünden: Mord, Ehebruch, Trug, Ungerechtigkeit, Trunkenheit1): also ganz die gleiche Manier, das Eine in eine Vielheit zu spalten und, mehr oder minder mystisch, geheimen Zusammenhang auf- zuspüren.

Mit den „Schauspielen" naht nun die Zeit, in welcher wir nach dem bisherigen die Schrift an die Juden vermuten mussten. Auch hier klingen die „Juden" an. „Aegypten", sagen die „Juden'', „heisst bei Jesaias öfter der gesamte bewohnte Erdkreis mit Hin- weis auf einen Fluch und einen herrschenden Aberglauben". 2) Sehr ähnlich das Buch von den Schauspielen: „Aegypten und Aethiopien wird die Drohung Gottes zu teil, während alle Fündigen Völker „a specie ad genus" verstanden werden". Die nahe Verwandtschaft des Ausdrucks wie des Gedankens ist einleuchtend: nur dass doch der biblische Hintergrund im Schau- spielbuche erweitert3) und, was nicht ganz ohne Wichtigkeit, das logische Schema gegeben wird. Die „Juden" scheinen ver- vollständigt, Gedanke und Ausdruck gefördert, und somit die Ansicht bestärkt zu sein, dass wir nicht nur in namhafte Zeitnähe der Schrift an die Juden gelangt sind, sondern auch dass die „Juden" doch früher als die Schrift von den Schauspielen ausgehe.

Auch die Schrift von der Taufe liegt nahe, wie mannig- fach zu erweisen steht. Aber während soeben die „Schauspiele" uns Symptome gezeigt haben, die zu den „Juden" zurückweisen, deutet hier alles darauf, dass die „Juden" der Taufschrift ge- folgt sind. Dies beweist schon die Weise, wie die „Juden" die „Taufe" aufnehmen. Der Christus sanctificans aquas ist eine prägnante Verkürzung eines Lieblingsgedankens der Taufe. Auch die piscina Bethsaida, in den „Juden" flüchtig vorbeiziehend als ein Beispiel entzogener Gnaden, nimmt die breitere Erörterung auf, die in der Taufe voranging. Das Gleiche findet auch statt in Bezug auf das Leidensholz bezw. den Christ als das „Holz".

1) de idolol. 1.

2) adv. Jud. 9 (II, 723. o.) sie et Aegyptus nonnunquain totus orbis intelligitur apud illuin , superstitionis et maledictionis elogio. Vgl. de speetac. 3 (I, 23, u.) cum Aegypto et Aethiopiae exitium comminatur, utique in ornnem gentem peccatricem praejudicat, si omnis gens peccatiix est Aegyptus et Aethiopia. a specie ad genus etc.

3) Aethiopien anlangend mag Ezech. 30, 5 vorschweben.

86 Noeldechen, Tertallian'c Gegen die Juden.

welches bitteres Wasser zu süssem macht; bei der petra Christus steht's ebenso. [) Ähnlich ist ferner die Weise, wie die Taufe des Herrn besprochen wird, wie auch sonst noch an Ecken und Enden die Verwandtschaft der Bücher hervorbricht. Zwei Stücke des „Kleides des Glaubens", so lautet der in der „Taufe" formierte etwas seltsame Ausdruck2), soll heissen des Glaubens Be- ziehung auf Geburt und Leiden des Herrn kehren nicht nur im „Judenbuch" wieder, sondern sie treten hier auf mit disposi- tioneller Bedeutung und mit begrifflichem Nachdruck. 3j Wenn auch das chrisma des Königs und Priesters4) ähnlich erörtert und der Wortvorrat beider Schriften als ein verwandter befunden wird, so wird wie die Priorität so die Nähe der Taufschrift ver- bürgt sein.

Um so mehr, als auch noch ein Einzelzug von echtester Beweiskraft hinzukommt. Von des Herrn Advent in der Niedrig- keit am Schlüsse der „Juden" handelnd, hebt der Verfasser her- vor, dass der Teufel den Judas berückte, und bemerkt, dass der erstere diesen „selbst nach der Taufe versucht hatte." 5) Ich meine, diese letzte Bemerkung ist zunächst der Erklärung bedürftig, und sie wird im Bannkreis der „Juden" ihre volle Erklärung nicht finden können. Dem Juden gegenüber erscheint die Be-

1) Hier habe ich einige Sätze fast unverändert aus „Abfassungszeit" S. 47 herübergenommen.

2) de bapt. 13, Anfang. Abraham's Glaube war eine fides nuda ante domini passionem et resurrectionem. At ubi fides aucta est credendi in nativitatem, passionem resurrectionemque ejus, addita est ampliatio sacramento . . . vestimentum quodammodo fidei.

3) adv. Jud. 8, Anfang: itaque requirenda tempora praedictae et fu- turae nativitatis Christi et passionis ejus et exterminii civitatis Hieru- salem; cap. 9, Anfang: incipiamus igitur probare nativitatem Christi etc.; cap. 10. Anfang: de exitu plane passionis ejus ambigitis. Dass der Verf. auf die Auferstehungsgeschichten in den „Juden'' nirgends ausführlich ein- geht, ist wohl ebenso ein Beweis seiner Weisheit, wie dass er das Detail der Heilungswunder beiseite liess. Dagegen ist das exterminium Hierusalem etwas Greifbares. Man vgl. übrigens auch de virg. vel. 1, wo das vesti- mentum fidei charakteristisch erweitert ist.

4) II, 734, u. I, 626.

5) adv. Jud. 14 (II, 740, o.) diabolus . . auctor scilicet Judae traditoris, qui eum etiam post baptismum temptaverat; adv. Marc. III, 7 (H, 131, m.) diabolus auctor scilicet Judae traditoris, ne dicam etiam post baptisma temptator.

5. Die Zeit. 87

merknng ausnehmend überflüssig; der Teufel als furchtbarer An- stifter und Judas als schrecklich Verführter hätten, so will uns bedünken, dem Juden gegenüber genügt. Das Bedürfnis des jüdischen Widerparts konnte jenen Zusatz kaum eingeben. Spricht doch selber die Botschaft nie von der Taufe des Judas und bleibt es doch Theologumenon, dass der Verräter getauft war. Anders steht's, wenn wir fragen, ob nicht in der Seele des Schriftstellers, im Zusammenhang seiner Beschäftigungen, in Verbindung mit gewissen Problemen, welche ihn kürzlich beschäftigten, der sonst befremdliche Zusatz seine volle Erklärung wird finden können. Und hier bietet die Taufschrift ihre ausgezeichnete Hülfe. Diese Taufschrift war es gewesen, welche die Frage erörtert hatte, ob die Apostel getauft waren. 1) Randvoll von diesen Erwägungen, wie immer, auch hier ganz er selber, sein volles Herz wie sein Him auch in jenen jüdischen Kreis tragend, redet er mehr von der Taufe, als an sich hier wohl zu erwarten stünde, colportiert er auch den Lieblingsgedanken von dem getauften Verräter. Aus den „Juden" ist dann dieser Liebling auch in Antimarcion eingewandert, mit nur geringer Nuance, einer Nuance, die selber Nuancen der Schrift von der Taufe zurückruft.

Andere Einzelgründe für diese Datierung der „Juden", vor der Schrift von den Schauspielen und nach der Schrift von der Taufe, mit anderen Worten die Ansetzung 195 196 habe ich früher dargelegt.2) Adversus Judaeos wird einerseits vor den Partherkrieg fallen, andrerseits nach der Gründung der römischen Provinz Numidien (194) und sicher nach Teilung der Syriae, welche der Kaiser Sever 194 verfügt hatte. Indem ich hier auf Wieder- holung der Einzelheiten verzichte, erörtere ich noch einen Punkt, der, bisher nirgends gewürdigt, als geeigneter Schlussstein sich anbietet.

Man weiss nämlich aus Spartianus 3) , dass Caracalla als

1) de bapt. 12 (I, 630 632). Zu einer sicheren Entscheidung kommt er nicht. „Nunc sive tincti quoquo modo fuerunt sive illoti perseverave- runt.*' Trug er diese „esoterische" Frage überhaupt in das Religions- gespräch mit dem Judengenossen hinein, so war es allerdings die massivere indicativische Fassung ftemptaverat), welche sich am meisten empfahl; adv. Marc. III, 7 werden dann die subtileren Zweifel von de bapt. 12 mit an- klingen.

2) S. Abfassungszeit S. 48. 49. 155.

3) Antoninus Caracallus cap. 1.

gg Noeldechen, Tertullian'a Gegen die Juden.

Knabe, jener nach Tertullian christiano lacte Genährte, als sieben- jähriger Knabe mit dem jüdischen Wesen verwickelt ward. Sein Spielgenoss, lautet die Nachricht, ein Knabe vielleicht etwas älter als sieben Jahr wurde wegen Judaisierens, auf Anlass des Kaisers Sever und zugleich seines eigenen Vaters, in heftiger Weise gezüchtigt. Der feinfühlige Prinz, auf den man gr< Hoffnungen setzte, dessen freundliches Wesen ihn einst bei Volk und Senat beliebt machten, habe lange dem Kaiser und dem Vater des Knaben gegrollt: so tief sei die Kränkung des Spiel- gefährten von dem jungen Prinzen empfunden worden. So weit die freilich dürftige Nachricht. Da Antonin Caracalla 1SS ge- boren war und zwar am vierten April1), so liegt jener fragliche Vorfall zwischen Frühjahr 195 und Frühjahr 196. Dass der letztere zeitig bekannt ward, wird man für wahrscheinlich halten. Prinzenlaunen sind anziehend und machen leicht von sich reden: auch liegt im Bericht Spartian's wohl, dass der judaisierende Knabe notabler Familie zugehörte, ein Umstand, dann gleichfalls geeignet, die Anekdote in Kurs zu bringen. Jede massig lebendige Anschauung vom Verkehr zwischen Rom und Karthago wird auch dies als probabel erscheinen lassen, dass auch in der Haupt- stadt von Afrika, wo zahlreiche Juden zuhause waren, das Tages- gespräch sich den Fall in ergiebiger Weise zu Nutze machte. Handelte es sich in Italien um Judai'sieren des Römerknaben, so weiss Tertullian ja sein Teil von juda'isierenden Römern, zu- nächst wohl der eigenen Heimat. Einen solchen, der den heid- nischen Vorfahren ausdrücklich den Rücken zukehrend, zum Mono- theismus bekehrt war, führt uns seine kleine Schrift vor. Die Combination liegt sehr nahe, dass jenes Gespräch in Karthago gar in ursächlichem Nexus mit dem römischen Vorfall gestanden hat. Nicht grade, dass der Judengenosse erst frisch auf den Eindruck der Nachricht von dem „Judenfreund" Caracalla zum Judentum convertiert war, wohl aber, dass er sich vorwagte, während jenes Gerede noch frisch war. Die Zeit stimmt auf das genaueste: 195 196 sind jene Schläge gefallen, die des Prinzen Gemüt so verletzt haben: 196 ist das Jahr, das als das weitaus wahrscheinlichste sich für jene Debatte ergab, deren Niederschlag unsere Schrift ist. Eine Analogie der Berühmtheit der beiden Fälle ist einleuchtend, des italischen und afrikanischen;

1) Tillemont Histoire des Einpereurs ITT S. 24.

Schluss. 89

von ersterem ist hier vorlier geredet, von letzterem reden die „Juden'*, die eine praerogativa. einen ganz eigentümlichen Vor- zug des Gesprächs in dem Umstand erblicken, dass hier ein Judengenosse, nicht ein Geburtsjude auftrat. Will man andrer- seits freilich Beweise aus dem vorliegenden Schriftstück, dass der überseeische Vorfall, dass jener reizbare Prinz und die Prügel seines Jugendgefährten in solchem Zusammenhang standen mit jenem Gespräch in Karthago, so hiesse dies doch wohl zu viel fordern. Wir haben die Vorgeschichte des Buches gegen die Juden; wir wissen, dass es sich anlehnte an das fragliche Streit- gespräch: eine Vorgeschichte der Vorgeschichte wird allerdings nicht geliefert. Was man sicher wird ablehnen dürfen, ist der überkritische Zweifel, ob Spartian nicht vielleicht doch am Ende die Christen mit den Juden verwechselt, ob jenes gezüchtigte Kind zum Christentume geneigt habe. Dazu zeigt er sich sonst doch zu sicher in der Unterscheidung von Christen- und Judentum. (S. Spartiani Severus cap. 17.) .

Schluss.

Der Leser, der diesen Darlegungen bis hierher sein Auge geliehen hat, weiss, dass die Echtheit der „Juden" als Ganzes nicht mit erörtert ward. J) Die Echtheit des ersten Teiles wird eben so vorwiegend eingeräumt, dass wir nicht Wasser ins Meer oder ..Zucker nach Magdeburg" tragen wollten. Mit dem Erweise

1) Dieser Erweis lässt sich auch grammatisch -lexikalisch -stilis- tisch — zu vollster Genüge führen. Hier nur ganz weniges. Wo immer der Text der ,, Juden" vom Antimarcion abweicht, d. i. im allgemeinen stets da, wo letzterer der Kürzung beflissen ist, ist auch der Ausdruck der „Juden" durchaus tertullianisch. Vgl. porrigere 111,651 (11,728, 11,146). Dazu 1, 69. 199, o. 275, u. SOS. 720. 831. II, 15S m. 269, m. 317, u. 354, o. 538. 562, u. 626, m. 670, u.; gestire III, 644, u. (II, 721, II, 139). Dazu 1, 113. 115. 121. 227. 649, u. 676, o. 812. 843. II, 120. 162. 173, o. 210. 349, o. 556, u. 721; regno mit dem Dativ (Antimarc. impero) III, 656, m. (II, 741, u. II. 150, u.). Dazu I. 392, o.; provoco cum accus. (Antim. pro- voco ad) III, 643 (II, 720. II, 137 = Adv. Marc. III, 12 Anfang). Dazu Adv. Marc. IV, Anfang. (Das häufigere prov. ad s. II, 158. 320, o. 356, o.); ambigere III, 650 (II, 727. II, 145) ist selten bei Tert. (öfters ambiguitas II, 383, o. 550. 551), findet sich aber auch II, 682, m.; peccantia delictorum adv. Jud. 9. 10 ist nur dort zu lesen, aber vgl. audientia, volentia, significantia; diftidentia, sufterentia, congruentia, convenientia, ignoscentia, sufficientia, multinubentia, multivorantia, apparentia, delinquentia, accidentia und das häufige concupiscentia.

9() Noelclechen, Tertullian's Gegen die Juden.

der Einheit der beiden Teile des Buches konnte die Echtheits- frage als gleichzeitig erledigt gelten. Dass die Aufzeigung der Motive, welche so zahlreiche Änderungen im Antimarcion ein- gaben, bei der Echtheitsfrage sehr mitspricht, wird man wohl allseitig zugestehn. Auch die Besprechung der Zeitfrage konnte gar nicht umhin, stillschweigend gleichfalls die Echtheit des Ganzen mit zu erhärten. Indessen ein allgemeiner Gesichtspunkt, für dessen genaue Besprechung sich bisher keine Stelle geboten hat, mag hier noch am Schlüsse zur Sprache kommen, um so mehr als derselbe direkt mit der Einheit und Echtheit zu schaffen hat und so die vielleicht noch vorhandene Lücke zu füllen geeignet ist. Als durchaus tertullianisch erweist sich nämlich dies Schriftchen, insofern sein formeller Aufbau schlechthin dem Karthager gemäss ist. Es gilt das ganz insbesondere von seinem Eingang und Ende. Genau so wie in de Corona und sehr ähnlich wie in de fuga wird ein äusserer Anlass zum Ausgangspunkt; selbst die Worte sind beinahe gleichlautend. 1) Und genau so wie in de Corona beliebt es dem Verfasser auch hier nicht, nach sonstigen stilisti- schen Mustern am Schlüsse zum Anfang zurückzubiegen 2) und auf jenen äusseren Anlass die Blicke des Lesers zurückzulenken. Vom endlichen Geschicke des Tapfern, der in de Corona gefeiert ward, erfahren wir nicht eine Silbe, schon darum nicht, weil sein Process offenbar nicht zu Ende gediehen war. Von irgend welchem äusseren Erfolge des Gesprächs mit dem Judengenossen wird ebenmässig geschwiegen; mochte doch auch hier nichts zu melden sein, was dem Autor der Rede wert schien. Allfällig be- herrscht den Verfasser in beiden Fällen die Sache, und der persönliche Anteil geht wesentlich im sachlichen unter. Insofern, könnte man sagen, verläuft sich der geschichtliche Anlass in beiden Büchern im Sande; wer auf Thatsachen erpicht ist, wird sich hier spärlich bedient sehn. Trifft nun aber in dieser Be- ziehung das solenne Gleichnis der Schlange, welche sich selbst in den Schwanz beisst, trifft jener Kreislauf des Stiles, ein Symbol seiner Vollkommenheit, in beiden Büchern nicht zu, so fehlt es

1) „Juden" : proxime accidit, disputatio habita est etc. ; de cor. : pro- xime factum est, liberal itas praestantissimorurn iruperatorum expungebatur in castris.

2) vgl. hier S. 40. Anm. 1. Wir unterschieden schon dort zwischen vorletztem und letztem Satz.

Schluss. 91

doch liier wie dort nicht au deutlichem rhetorischen Abschluss. Hier ist ja die Analogie tertullianischer Schriften sehr mächtig. In den „Juden" wie in de Corona, in fast sämtlichen Büchern des Schriftstellers läutet es gleichsam zum Schluss: Parallelen uud Antithesen, wohlgezimmerte Alternativen oder blendendes, bissiges Witzwort *) verkünden, dass der Ausgang zur Hand ist. Irgend ein rhetorischer Donnerkeil, zum mindesten eine ge- schmücktere Wendung entlässt den Leser am Schlüsse. So ist's, wie gesagt, denn auch hier. So entwurfsmässig, so locker, so sehr nach rückwärts gewendet zu dem Hin und Her des Gespräches der zweite Teil sich auch geben mag, diesen Stempel der rheto- rischen Kunstform, als stehe er selbst beim Entwurf in ihrem stilistischen Banne, beliebt der Verfasser ihm aufzudrücken. Er wählt hier die Alternative in jener erweiterten Form, die nicht zwei- sondern dreierlei wahlfrei lässt, wie genau dergleichen noch einmal in dem Buch von der Einehe wiederkehrt. So kommt denn ein Schluss hier heraus, der, wenn wir früher Er- örtertes hier ins Gedächtnis zurückrufen, sich in doppelter Hin- sicht kunstreich zeigt. Jenes populi nationes des Eingangs klingt wieder im vorletzten Schlusssatze, und das dreimal er- tönende aut, als dringende Instanz des letzten, vollendet schliess- lich das Ganze. Diese so formulierte Instanz ist dem Autor auch vollkommen gegenwärtig zur Zeit, wo er den Pontiker angreift: sie gehört in die Reihe der Anlehen, welche zu machen er gut fand. Aber gleich als könne er sich später eine gewisse Ver- schwendung gestatten, streut er jene Alternative in die Mitte eines Kapitels.2) Eine neue Antithese beschliesst dann, nicht eben fern von dem obigen, das dritte Buch gegen Marcion.

Fragen wir nach dem Ertrag der bisherigen Untersuchung, so könnte uns die Meinung begegnen, er müsse schon darum ge- ring heissen, weil denn doch die Schrift an die Juden, sie sei nun

1) Parallele de fuga (I, 492) de pat. (I, 615) de poenit. (I, 665) de ex- hort. east. (1, 757). Antithese adv. Marc. IV (II, 273) adv. Marc. V (II, 335) adv. Valent. (II, 422) de anima (II, 650) ad mart. (1, 14) ad natt. I (I, 348) ad natt. II (I, 398) de test. animae (I, 412) de cor. (I, 457) ad ux. 1 (I, 682); Alternative de inonog. (I, 787); Witz de pud. (I, 847) de jej. (I, 879) adv. Herrn. (II. 378).

2) allerdings nicht mathematisch zu nehmen. S. adv. Marc. III, 22. Es ist der drittletzte Satz. Immerhin ist das nicht nur nicht Buchende, sondern auch nicht einmal Kapitelschluss.

».12 Noeldechen, Tertullian V Gegen die Juden.

echt oder unecht, teilweise echt, teilweise unecht, hie und da kunstreich im einzelnen oder echterer Kunstform ganz bar, zu den erheblichen Leistungen Tertullian's nicht gehöre. Es lässt sich darauf erwidern, dass für die geschichtliche Forschung das schlecht- hin Kleine nicht da ist. Nicht, was die Schrift an sich wert ist, ist zudem hier die Hauptfrage: vielmehr wie sie entstanden, wann und von wem sie geschrieben ist. Ist sie minderwertig zu nennen, so wird dieser Minderwert selber das Gesamtbild des Autors be- einflussen, und ein Stückchen von seiner Glorie könnte Tertulliau immer missen. Die Kritik war wirklich beflissen, Tertullian gleichsam zu entlasten, ihn vom Verdacht zu befreien, dass er Schriften wie diese verbrochen habe, aber diese Bemühung war überflüssig. Ahnlich war man früher bereits mit den „Valenti- nianern" verfahren, nur dass diese heute erfolgreich ihr altes Odium abschütteln.1) Geschmacksurteile der Art werden auch weiterhin weichen müssen. Sollen hier Vergleiche erlaubt sein, so kann man aus dem Altertum selber das „Deo dignuni" heranziehn; auch dieser Massstab war angethan, subjektivem Belieben anheim- zufallen. Oderman magdesNoetos berühmte Frage vergleichen: Was thue ich eigentlich Schlimmes, wenn ich Christus verherrliche? Wissenschaftlich ebenso wertlos sind Verherrlichungen von Schrift- stellern auf Kosten der geschichtlichen Wirklichkeit. Zudem wird sich schliesslich herausstellen, dass das Streitobjekt gar nicht so klein war, um das es hierorts sich handelte. Die Frage nach Echt- heit und Einheit, wie nach der Entstehung der „Juden" erscheint von entschiedener Wichtigkeit für das Gesamtverständnis des Schriftstellers. Als echt und einheitlich dargethan und richtig in den Process der Entwickelung seines Urhebers eingefügt, ist das Buch „gegen die Juden" als Erkenntnissmittel unschätzbar, zeigt, wie der Mann gearbeitet, und gestattet wie kaum etwas andres einen Einblick in seine WTerkstatt. Losgelöst von diesem Schrift- steller gliche das Werk allerdings wohl einer fast wertlosen Planke, die im wüsten Strome der Zeit schwimmt. Genommen als das, was sie ist, wird die Arbeit ein wertvoller Baustein, der sich als vollkommen passlich in das grössere Gefüge mit einrückt.

1) Namentlich war Munter (Primordia Eccles. African.) geneigt, die „Valentiniani" Tertullian abzusprechen. Später finden wir Harnack und Lipsius, die sonst die ,,Val." anlangend in Einzelfragen von einander abweichen, in der Anerkennung der Echtheit ganz einig.

DIE

PREDIGT UND DAS BRIEFFRAGMENT

DES

ARISTIDES

AUF IHRE ECHTHEIT UNTERSUCHT VON

PAUL PAPE.

Texte u. Untersuchungen XII, 2. 7

Was man von dem Apologeten Aristides vor Auffindung seiner Apologie wusste, war sehr gering und ging lediglich zu- rück auf die kurze Mitteilung des Eusebius in seiner Kirchen- geschichte IV. 33. Die Mitteilungen des Hieronymus in De viris ill. 20 und Ep. 70, 4 sind offenbar nur eine willkürliche Ausschmückung dessen, was er aus Eusebius überkommen hat; denn gelesen hat er jedenfalls, das geht aus der ganzen Art und Weise des Berichtes hervor, die Apologie nicht.

Erst im Jahre 1878 gaben die Mechitaristen zu S. Lazzaro ein in einer armenischen Handschrift des 10. Jhs. gefundenes Fragment der Apologie heraus, zugleich aber eine in einer an- deren Handschrift des 12. oder 13. Jhs. (Vetter, theol. Quartal- schrift 82) gefundene Homilie „Ad latronis clamorem et crucifixi responsionem." Der Irrtum der Herausgeber, welche Aristeay in der Überschrift derselben lasen, ist durch die genaue Unter- suchung von Vetter richtig gestellt, welcher nach eigener Ein- sicht in den Codex Aristite gelesen hat. Dies wird auch bestätigt durch den Codex von Etschmiadzin, welcher den Namen des Philosophen richtig bringt. Diese Handschrift enthält genau das- selbe Bruchstück der Apologie, wie die zuerst erwähnte Hand- schrift. Martin in Pitra, Analecta sacra IV, gab aus einem armenischen Codex zu Paris ausserdem noch ein nur wenige Zeilen umfassendes Fragment aus einem auch den Namen Aristi- des tragenden „Sendschreiben an alle Philosophen".

Während nun die Echtheit der Apologie durch Auffindung eines vollständigen syrischen Textes , sowie eines grosse Teile umfassenden griechischen in der Erzählung „Barlaam und Josa- phat"' ausser Zweifel gestellt ist, ist die Homilie von vornherein auf starken Widerspruch gestossen (bes. Harnack, Texte und Untersuchungen I. i und RE.), ja selbst katholische Gelehrte, wie Himpel (theol. Quartalschr. 80) wagten nicht, für die Echtheit

4 Pape, Die Predigt und das Brieffragment des Aii-tides.

derselben einzutreten. Allerdings fehlte es bis vor kurzem an einer eingehenden Untersuchung dieses im Falle der Echtheit hochwichtigen Literaturdenkmals, bis endlich Prof. Zahn in Er- langen in seinen „Forschungen z. Gesch. d. neutest. Kanons" V. S. 415 37 die Homilie und das Brieffragment zum Gegenstande einer Untersuchung machte , in welcher er die Echtheit beider Schriftstücke auf das entschiedenste behauptete. Mit derselben Frage beschäftigte sich sodann der Erlanger College Zahns, Prof. Seeberg, in seiner kleinen Schrift „Der Apologet Aristides" 1894, nahm in allen wesentlichen Punkten dessen Aufstellungen auf und suchte sie nur ausführlicher zu begründen.

Trotz der Sicherheit nun, mit welcher beide Gelehrte ihre Behauptungen aufgestellt und ihre Schlüsse gezogen haben, scheint es geboten, diese Festsetzungen nochmals einer genauen Untersuchung zu unterziehen, da es den Anschein hat, als sei eine grosse Anzahl bedeutender Schwierigkeiten, welche sich der Anerkennung der Echtheit in den Weg stellen , gar nicht oder nicht genug gewürdigt worden, ebenso, dass die Tragweite und der Umfang der Schlussfolgerungen zu den für sie vorgebrachten Argumenten in keinem Verhältnis stehen.

Schon was die Anordnung des Stoffes betrifft, Hesse sich ein Einwand erheben. Beide Forscher stellen die Untersuchung über das kleine Brieffragment voraus. Nun lässt sich darüber allein nicht viel sagen, da die drei Zeilen zu wenig Anhaltspunkte bieten. Wenn man sich über die in dem kleinen Stücke ent- haltenen dogmenhistorischen Schwierigkeiten hinwegsetzt oder sie nicht anerkennt, ist es ein leichtes, die Existenz der ganzen Schrift und ihre Echtheit zu behaupten, und man hat dadurch den Vorteil, für die Untersuchung der Homilie bereits mit zwei als echt erwiesenen Aristidesschriften operieren zu können. (See- berg S. 11. Die Tradition der Armenier wird als unverdächtig bezeichnet, nachdem sie sich bereits an der Apologie und an dem Sendschreiben als richtig erwiesen habe). Dagegen lässt sich aber einwenden, dass es richtiger ist, die Homilie, welche der Unter- suchung weit mehr Anhaltspunkte bietet, zuerst zu behandeln, da von ihrer Echtheit oder Unechtheit ein weit besserer Schluss auf die Glaubwürdigkeit des Brieffragments gezogen werden kann, als umgekehrt. Denn wenn sich die Homilie als unecht erweist, dann wird die Tradition betreffs des Briefes von vorn-

L'ape, Die Predigt und das Brieffraginent des Aristides. 5

herein als höchst verdächtig erscheinen, während es für die Homilie nur von untergeordneter Bedeutung ist, ob das Frag- ment anzuerkennen sei oder nicht, da jene die Grundlagen für ihre Beurteilung lediglich in sich selbst trägt. Es wird dem- nach in erster Linie die Homilie einer eingehenden Untersuchung zu unterziehen sein, und da müssen wir vor allem die Haupt- stütze der Aufstellungen Zahns und Seebergs, die Traditionsfrage, in Erwägung ziehen.

Beide Gelehrte bezeichnen die Tradition als unverdächtig. Der Apologet Aristides sei keine Berühmtheit gewesen, dass man ihm hätte derartige Schriftstücke zuschreiben können; auch lege die gelehrte Überlieferung dem Aristides keine Homilie bei; das Schweigen des Eusebius habe keine Bedeutung, da er ja auch über die Apologie nicht aus eigener Anschauung berichte. Gegen diese Ausführungen kann folgendes eingewendet werden: Mögen nun die beiden in Frage stehenden Schriften echt sein oder nicht schon die Thatsache, dass von allen Kirchen des Altertums die armenische allein uns 3 Schriftstücke unter dem Namen des Aristides aufbewahrt hat, verbürgt uns, dass der Name Aristides bei den Armeniern einen guten Klang hatte. Welche Umstände diese besondere Wertschätzung veranlasst haben, wissen wir allerdings nicht, doch dies fällt auch hier keineswegs ins Gewicht, da wir ja über das Leben und die Geschicke der armenischen Kirche der ältesten Zeit überhaupt nur sehr spärlich unterrichtet sind. Jedenfalls aber war es einer der ältesten Namen der christ- lichen Litteratur, und es konnten ihm daher sehr wohl in dog- matisch-polemischem Interesse Schriftstücke untergeschoben wer- den. So haben z. B. die Apollinaristen bei ihren Fälschungen am Ende des 4. Jhs. nicht nur berühmten Schriftstellern, wie Justin und Athanasius, ihre eigenen Schriften untergeschoben, sondern auch dem als Schriftsteller gar nicht berühmten Felix, Bischof von Rom [Harnack, Gesch. d. altchristl. Litteratur S. 659 f.]. Allein nicht sowohl darauf wird man sich zu berufen haben, als auf die Beobachtung, dass ein christlicher „philo- sophus Atheniensis aus der 1. Hälfte des 2. Jhs." als welchen man den Aristides kannte kein homo ignobilis war, sondern für theologische Fragen aller Art ein homo nobilissimus. Reichte er auch nicht ganz an den Dionysius Areopagita, assecla Pauli apostoli, heran, so kam er ihm doch nahe.

6 Pape, Die Predigt und das Brieffragment des Aristides.

Allerdings schreibt die gelehrte Tradition dem Aristides keine Homilie zu; aber dass dies zu Gunsten der Echtheit spreche, ist nicht ersichtlich. Denn wenn nach Zahn die armenische Tradition auf eine griechische des 5. Jhs. zurückgeht, und die Homilie, sowie die Epistel um jene Zeit in „Kappadocien und Konstanti- nopel" unter dem Namen des Aristides vorhanden war, so er- scheint es doch merkwürdig, dass sich von dieser Tradition keine Spur in der griechischen Kirchenlitteratur erhalten haben sollte. Denn wenn diese Tradition auf Richtigkeit beruht, dann kann sie nicht erst im 5. Jh. entstanden sein, dann muss auch in früherer Zeit bereits neben der Aristidesapologie von einer Aristideshomilie und einem Aristidessendschreiben an alle Philo- sophen gesprochen worden sein, und dann ist es wunderbar, dass dem Eusebius, der die Tradition betreffs der Apologie kannte, diejenige betreffs der anderen Schriften unbekannt geblieben sein soll. Wenn ferner Seeberg anlässlich der vielfachen Berührungen der Homilie mit der 13. Katechese des Cyrill von Jerusalem es für durchaus nicht verwunderlich erklärt, dass Cyrill (350 86) die Homilie des Aristides gekannt haben könne, so erheben sich gerade daraus wieder neue Schwierigkeiten gegen die Tradition. Wenn nämlich die Homilie im 4. Jh. in Jerusalem bekannt war, ist es wiederum unerklärlich, dass ein Forscher wie Eusebius, ein palästinensischer Bischof, davon nichts gewusst hat. Noch merkwürdiger aber wäre es, dass Hieronymus, der ja alle Littera- turnachrichten, deren er habhaft werden konnte, emsig sammelte, von dem Vorhandensein einer solchen Homilie nichts gehört haben sollte, obwohl er sich seit 384 in Palästina und vielfach in Jerusalem aufgehalten hatte und mit einem Nachfolger Cyrills, dem Bischof Johannes, eine Zeitlang in engstem Verkehre stand.

Es muss demnach gegenüber jenen Behauptungen gesagt werden, dass es erstens durchaus nicht befremden kann, wenn dem Aristides in der armenischen Kirche Schriften untergeschoben worden sind zumal, wenn sich zeigen sollte, dass sie sich gegen die theologische Richtung wandten, welche die Armenier am stärksten bekämpften, die Nestorianer , und dass zweitens das Schweigen der gesamten griechischen Litteratur nicht so bedeutungslos ist, als es von Zahn und Seeberg dargestellt wird. l).

1) Nur nebenbei sei auf die Schwierigkeit aufmerksam gemacht, die sich ergiebt, wenn man sich die Art der ältesten Überlieferung der so

Pape, Die Predigt und das Brieffraginent des Aristides. 7

Das Ergebnis in betreff der Traditionsfrage könnte also etwa so gefasst werden : für die Annahme der Echtheit ergiebt sich ans ihr, wenn genügende innere Gründe vorhanden sind, gerade kein Hindernis; andrerseits aber kann aus der Tradition kein irgendwie erhebliches Argument für die Echtheit gezogen werden, wenn derartige Gründe fehlen oder gar gegenteilige gefunden werden sollten.

Demnach wird der Schwerpunkt der ganzen Frage auf der Untersuchung der inneren Merkmale ruhen müssen. Der erste Anhaltspunkt, der sich uns darbietet, die Homilie auf ihre Zu- gehörigkeit zu Aristides zu prüfen, ist ein Vergleich mit der Apologie desselben Schriftstellers. Es werden demnach diese beiden Schriften daraufhin zu betrachten sein, ob beide von einem und demselben Verfasser herrühren können.

In diesem Punkte ist das von Zahn und Seeberg gebotene Material sehr gering. Zahn begnügt sich, abgesehen von zwei Punkten (Annagelung und Schrifterwähnung), auf welche später zurückzukommen sein wird, mit der Bemerkung in Punkt 5 des Schlussresultates: „Es fehlt nicht an bemerkenswerten Berüh- rungen in Gedanken und Ausdruck zwischen der Predigt und der Apologie; jedenfalls besteht keine nachweisbare Ver- schiedenheit in Bezug auf die Denkweise und den Bil- dungsgrad zwischen dem Verfasser der einen und der anderen Schrift." Für die letztere Behauptung ist Zahn aller- dings den Beweis schuldig geblieben, leider, denn es wird sich zeigen, dass sich gerade von diesem Punkte aus gewichtige Be- denken gegen die Identität der Verfasser ergeben.

Die von Seeberg angeführten Berührungspunkte werden nicht so schwer ins Gewicht fallen, um die gegenteiligen Be- denken aufheben zu können. Denn teils giebt er selbst zu, dass manches auf Zufall beruhen mag (S. 11. 2), zumal wir nicht wissen können, wie weit derartige Ähnlichkeiten im Aus- drucke auf den armenischen Übersetzer, beziehungsweise Be- arbeiter oder Verfasser, zurückzuführen sind, teils sind die vor- kommenden Berührungen mancher Gedanken (z. B. die Bezeichnung

kurzen Homilie vorstellen soll. War sie stets mit der Apologie verbunden dann müsste die Kunde von ihr auch zu Eusebius gekommen sein , oder hat sie für sich circuliert dann ist ihre Erhaltung schwer begreif- lich — , oder war sie mit Werken anderer Schriftsteller verbunden?

8 Pape, Die Predigt und das Brieffragment des Aristid.

der Juden als Mörder des Herrn) ziemlich natürlich, und BpecieL1 dieser Gedanke ist ein so selhstverständ] icher und geläufiger, dasfl diese AhrUchkeit kaum auffallen kann.

Manche der Berührungspunkte endlich, die Seeberg anführt, sind in der That sehr wohl anfechtbar. Wenn in beiden Schriften die Kraft des göttlichen Wortes betont wird, ist dies erstens durchaus kein merkwürdiger Gedanke, zweitens aber ergiebt sich bei genauerer Betrachtung der betreffenden Stellen ein wesent- licher Unterschied. Wenn der Apologet von der Kraft spricht, die über dem Evangelium ist, IL 7, die aus den Schriften der Christen auf den Leser ihre Wirkung ausübt, XVI. 5. XVII. 1, so ist das doch etwas wesentlich anderes, als wenn der Prediger 1. 2 von der geheimnisvollen Kraft der Rede, nämlich der Worte des Schachers und der Antwort des Gekreuzigten, oder VI. 2 von dem lebenschaffenden Worte Christi spricht, denn an keiner dieser beiden Stellen ist, wie dort, von der Kraft des Schriftwortes die Rede.

Während Ap. I. 6 die Unmöglichkeit ausgesprochen wird, dass Gott einen Gegner habe, weil keiner stärker sei als er, ist in der Predigt bloss der Gedanke als unsinnig hingestellt, dass Gott und Christus gegenseitig Widersacher sein könnten; also auch hier eine wesentliche Differenz.

Ebensowenig stimmt die Berührung von Hom. IV. 2 „ver- gänglich und verdorben", wo von der menschlichen Natur die Rede ist, mit Ap. III. 3 „vergänglich, und auflösbar", wo von der Natur der Elemente, aus welchen die Götterbilder verfertigt werden, gesprochen wird.

Demnach wird man behaupten müssen, dass von Berührungen und Ähnlichkeiten, abgesehen von verschwindenden Ausserlich- keiten, nicht die Rede sein kann. In der That braucht man nur die beiden Schriftstücke auf ihren Inhalt, auf den Standpunkt ihrer religiösen und theologischen Auffassung zu betrachten: trüge die Predigt nicht gerade den Namen des Aristides in der Überschrift, so wäre wohl niemals jemand auf den Gedanken gekommen, sie dem Verfasser der Apologie zuzuschreiben. Wir brauchen nur zu sehen, was für Persönlichkeiten uns aus jeder der beiden Schriften entgegentreten, um die tiefgehenden grund- sätzlichen Verschiedenheiten zwischen beiden zu erkennen.

Pape, Die Predigt und das Brieffragment des Aristides. 9

Vor allem : was für ein Christentum stellt uns der Apologet dar?

Er geht in seiner Apologie von seinem philosophischen Gottesbegriff aus, den er Kap. 1 ohne specifisch christliche Mo- mente darstellt, und leitet dann über zu einer Betrachtung der verschiedenen Menschengeschlechter: Heiden (Barbaren, Griechen und Ägypter), Juden und Christen, um sie daraufhin zu prüfen, welche von ihnen dem eingangs aufgestellten reinen Gottes- begriffe am nächsten kommen. Was er bei dieser Aufzählung von den Christen zu sagen weiss, sind nur einzelne, einer Glaubens- formel entnommene Punkte, die er jedoch in charakteristisch referierender Weise vorbringt („es heisst, dass er herabgekommen ist im heiligen Geist vom Himmer', „und sie sagen, dass er nach drei Tagen auferstanden und emporgefahren ist", etc.).

Nun legt er der Reihe nach die Religionen der verschiedenen Völker dar, und zwar sind von den 17 Kapiteln der Apologie 11 (3 13) der Bekämpfung der heidnischen Mythen und Religionen gewidmet; dann folgt ein die Juden behandelndes Kapitel, in dem der Apologet eine nur sehr mangelhafte und" oberflächliche Kenntnis des Judentums verrät. Die drei letzten Kapitel bringen endlich eine Darlegung des Christentums, welche nicht nur räumlich, sondern besonders auch inhaltlich überaus dürftig ist. Sie besteht aus einer Reihe ziemlich zusammenhangslos anein- ander gereihter sittlicher Vorschriften, Betonung des sittlichen Wandels der Christen, und dass sie es seien, die die Wahrheit gefunden hätten und um derentwillen überhaupt noch die Welt bestünde, Zurückweisung der gegen die Christen ausgestreuten Verleumdungen; er schliesst mit einer Aufforderung zur Be- kehrung im Hinblick auf das kommende Gericht.

Die Düiitigkeit dieser Darlegung fällt in die Augen. Der Apologet ist, wie er selbst verrät, in erster Linie durch seinen philosophischen Gottesbegriff vom Heidentum abgekommen und für das Christentum gewannen worden, da er eingesehen hat, „dass diese allein der Erkenntnis der Wahrheit nahe sind", XV. i. XVI. i. Ein zweites Moment neben dem philosophischen ist das ethische. Er fühlt sich von den streng sittlichen Grund- sätzen der Christen angezogen, weil sie seiner ethischen Grund- anschauung entsprechen, während die im Heidentum herrschende Unmoral ihn abstösst. Dass das Christentum auch noch andere Momente enthält, ja dass der Kern desselben überhaupt nicht in

10 Pape, Die Predigt und das Brieffragment des Aristid*-.

seiner philosophischen und ethischen Seite ruht, ist ihm nicht bewusst. Die wenigen Berührungen einer positiven Seite des Christentums beschränken sich auf einzelne Punkte seines Glau- bensbekenntnisses und eine Andeutung in XVII. 1: „hinsichtlich des Restes finden sich in ihren andern Schriften Worte, die zu schwer sind zu sagen, auch dass sie ein Mensch wiederhole, welche nicht nur gesagt, sondern auch geschehen sind."

Vor allem aber, und darauf kommt es hier besonders an, fehlt die Erwähnung der hohen Bedeutung des Glaubens. Die Christen glauben an Gott, den Schöpfer aller Dinge, .... von welchem sie empfangen haben die Gebote , welche sie be- obachten wegen der Hoffnung und Erwartung der zukünftigen Welt, XV. 2, sie beobachten die Gebote ihres Messias mit grossem Eifer, sie leben gerecht und ehrbar, XV. 9, sie bemühen sich, dass sie gerecht werden, als solche, die erwarten, dass sie ihren Messias sehen und von ihm empfangen werden die Verheissun- gen XVI. 2.

Erkenntnis, Gerechtigkeit und Vergeltung; andere Merkmale des Christentums kennt er nicht. Dem gegenüber muss die Be- trachtung der Homilie geradezu überraschen. Dort der ausge- prägteste monotheistische Moralismus in edler Gestalt, wie bei den Apologeten überhaupt , hier eine rein dogmatische Glaubenspredigt ohne den für das 2. Jahrhundert charakteristi- schen Moralismus: das ist ein tiefgehender Zwiespalt, dem gegen- über alle eventuellen äusserlichen und sprachlichen Berührungen in den Hintergrund treten. Noch mehr Gewicht erhält dies Argument gegen die Identität der Verfasser, wenn man betrachtet, was für ein Glaube es ist, von dem der Prediger so ausschliess- lich handelt; es ist nämlich keineswegs etwa ein paulinischer Glaubensbegriff (wo das dogmatische hauptsächlich im „Beweise" steckt), von dem der Verfasser hier ausgeht, sondern der Glaube, von dem er spricht, ist der an bestimmte dogmatische For- meln; und dadurch weist die Predigt nicht nur von Aristides, sondern überhaupt von seiner Zeit weg; denn ein so ausschliess- lich betonter dogmatischer Glaube deutet auf einen bereits weit fortgeschrittenen Stand der dogmengeschichtlichen Entwicklung auf welchen, wird in einem späteren Abschnitte zu unter- suchen sein.

Dadurch wird aber auch der Einwand hinfällig, dass sich

Pape, Die Predigt und das Brieffragment des Aristides. \\

diese Differenzen durch den verschiedenen Zweck der beiden Schriftstücke -erklären lassen. Denn der Zweck einer Predigt bietet keinerlei Anhaltspunkt für die Annahme, dass er den Prediger veranlasst haben könnte, so weit über den Horizont seiner Zeit hinauszuschreiten, was dem Apologeten auch kaum zu- zutrauen wäre. Auch der gewählte Text hätte einen Mann von den Anschauungen des Apologeten nicht zwingen können, sich auf einen ihm so fremden Boden zu stellen. Es lässt sich keinerlei Erklärung für die wunderliche Thatsache finden, dass an keinem Punkte der Predigt die theologische Grundrichtung des Redners zum Vorschein kommt, wozu doch auch dieser Text Gelegenheit genug bietet (z. B. bietet die Predigt nirgends eine hier doch naheliegende Reflexion darüber, dass der zum Heil Gelangte gerade ein Räuber war, dass also seine bisherige Lebensführung sich in direktem Gegensatze zu den sittlichen Forderungen des Christen- tums, die bei Aristides doch obenan stehen, bewegt hat, und noch vieles Andere könnte man nennen, was ein Prediger des 2. Jahrh. sich schwerlich hätte entgehen lassen).

Noch ein Zweites kommt hier in Betracht, was eine umfang- reichere Vergleichung ermöglicht es ist der Schrift gebrauch. Eine Thatsache fällt sofort in der an interessanten Eigen- tümlichkeiten überhaupt so reichen Apologie auf. Der Apo- loget bringt kein einziges Citat, trotz seiner vielen Hinweisungen auf die Schriften der Christen, IL 7, XV. 1, XVI. 3, 5, XVII. 1. Was er von diesen Schriften kennt, ist nur aus einzelnen Anklängen und Berührungen zu entnehmen, an welchen die Ausbeute aber auch herzlich gering ist. Er hat nach eigener Aussage die „Schriften der Christen" gelesen. Aber sehr eindringlich mag die Beschäftigung mit ihnen nicht gewesen sein, sonst hätte sich ihm an der einen oder der anderen Stelle ein Citat aufdringen müssen. Betrachtet man zunächst die alttestamentlichen Anklänge, so ergiebt sich das überraschende Resultat, dass solche fast gar nicht vorhanden sind. Der Anklang an 1. Petr. 3. 10 in XVII. 6 hat nur eine äusserst entfernte Ähnlichkeit mit Ps. 34. u, und so erübrigt nur noch eine Stelle, die allerdings an Jerem. 31. 33 er- innert (das „In die Sinne schreiben"). Jedoch selbst da ist es zweifelhaft, ob es nicht auf Hebr. 8. 10 zurückzuführen sei, wo die betreffende Stelle aus Jer. citiert ist. Damit sind aber auch die alttestamentlichen Berührungspunkte bereits erschöpft, und

12 Pape, Die Predigt und dae Brieffragment des Aristidee.

diese geringe Bekanntschaft mit dem Alten Testament stimmt vollkommen überein mit seiner geringen Kenntnis vom Juden- tum, XIV. Berührungen mit griechisch geschriebenen Apokry- phen, IL Makk. und Ep. Jerem. schliessen den ganzen alttesta- mentlichen Gedankenkreis ab.

Auch von des Aristides Bekanntschaft mit dem Neuen Testa- ment lässt sich nicht viel sagen, wenn auch etwas mehr. Die deutlichsten Anklänge gehören der epistolischen Litteratur an, und zwar in erster Linie der paulimschen. So ganz deutliche Be- rührungen mit dem Römerbrief: III. 2 Rom. 1. 25 (largavatv r(] xrioai naoa top xrlöavra), IV. 1 Rom. 1. 23 (av o{/oiojtuaTi

alxOVOQ, (p&(XQTOV CCV&QCOJIOV), XV. 2 Rom. 11. 36 (tg ctvrov

xal öV avrov xal aig avrov navra), sowie wahrscheinlich auch zum Colosserbrief: XV. 22 Col. 3. 12 (ranaivo^Qoovv?/, jzQavT7]q), XIV. 4 Col. 2. 16 (av fiaoai aoQtfjg rj vovfir/viag rj öaßßcczcov). Weitere Beziehungen wären noch XIII. 3 I. Thim. 6. 16, XVII. 4 I. Thim. 1. 13 (ro nooragov ovra ßAäöcpr/fiov etc. aXXa aZarjfrrjv, ort dyvocov anolrjöa av dnioria), XV. 9 Tit. 2. 12. Nur sehr schwach klingen 311 XVII. 2 I. Petr. 2. 20. XVI. 6 I. Petr. 3. 10. Von Interesse ist ferner die Thatsache, dass die Berührungen mit unseren Evangelien lediglich dem matthäischen Redestoffe angehören: XV. 5 Matth. 7. 12, 5. 4J; XVI. 2 Mt. 6.2 in Verbindung mit 13. di. Damit sind auch die Beziehungen zum Neuen Testamente erschöpft. Besonders bemerkenswert hiebei ist jedoch das gänzliche Fehlen johanneischer Gedanken, die voll- kommene Unbekanntschaft mit irgendwelcher Logoslehre. Denn die von Seeberg behauptete Verwandtschaft in IL 6 mit Joh. 3. 13. 6. 38. 42. xaraßccg an ovoavov beruht auf einem Ausdruck, der im Zusammenhange steht mit einer Reihe von Aussagen über Christus, welche ganz den Eindruck machen, ?ls gehörten sie einer Bekenntnisformel an, die der Apologet anführt (Sohn Gottes, herabgekommen im heiligen Geist vom Himmel, zog Fleisch an von einer hebräischen Jungfrau, und es wohnte in eines Men- schen Tochter der Sol 1 Gottes; [12 Jünger], von Juden durch- bohrt, starb, wurde begraben^ nach 3 Tagen auferstanden, empor- gefahren, Jünger gehen in die Welt und lehren von seiner Majestät). Wäre nun das xaraßccg an ovgavov an dieser Stelle nicht Bestandteil der Formel, sondern Eigentum des Verfassers aus seiner Bekanntschaft mit Johannes, so würde gerade hier das

Pape, Die Predigt und das Brieffraginent des Aristides. 13

Fehlen der Logosidee kaum erklärlich sein. Und wenn man auch nicht behaupten kann, dass das Auftreten des Logosgedankens überall die Kenntnis des Johannesevangeliums verbürge, so be- steht die Behauptung um so mehr zu Recht, dass die Nichtkenntnis der Logoslehre eine Bekanntschaft mit dem 4. Evangelium direkt ausschliesst. Wir werden sofort sehen, von welcher Wichtigkeit gerade diese Thatsache, dass der Apologet kaum unsere Evan- gelien überhaupt, geschweige denn irgend etwas Johann eisches gekannt habe, für die Beurteilung des Verhältnisses der Predigt zur Apologie ist.

Wie aber steht es in der Predigt mit dem Schriftgebrauch ?

Dieser ist nämlich ein Hauptpunkt der Zahn-Seebergschen Beweisführung für die Echtheit der Predigt. Zahn findet in der Anführung von Sachen und Worten eine „Natürlichkeit und Naivetat", „nachlässige Freiheit, Frische und Naivetät", welche nur auf das 2. Jahrh. passe. Auch Seeberg erwähnt die Freiheit, mit welcher der Prediger citiert; ferner das Bestreben, alle Züge der neutestamentlichen Geschichte im Alten Testament geweissagt zu finden.

Was gleich den letzten Punkt be trifft, so ist das Bestreben allerdings sehr alt, aber es ist auch für spätere Zeiten etwas ganz Gewöhnliches. Ausserdem steht es hier anders. Denn der Prediger macht keinerlei Versuch, die Einzelheiten, die er von den Propheten geweissagt sein lassen will, irgendwie auf be- stimmte prophetische Aussprüche zurückzuführen, und selbst See- berg erklärt es für zweifelhaft, an welche prophetischen Aus- sprüche man hinsichtlich mancher der erwähnten Thatsachen denken solle; die ganze Stelle macht den Eindruck, als ob der Redner in der That nur in oratorischem Schwünge für alle diese Begebenheiten auf die alten Propheten zurückgewiesen habe, wie es in der alten Kirche jederzeit üblich war, ohne sich selbst über die einzelnen Beziehungen wirklich klar zu sein. Bei einer Pre- digt aus der 1. Hälfte des 2. Jahrhunderts, wo das Schwergewicht noch auf dem Alten Testamente lag, müsste man ein genaueres und formelleres Eingehen auf die alttestamentlichen Beziehungen erwarten; diese Predigt jedoch steht ganz auf neutestarn entlicher Grundlage. Der Rückblick auf die Propheten erscheint beinahe nur als rhetorisches Beiwerk.

Was die „Natürlichkeit, Frische und Naivetät" der Schriftbe-

I 1 Pape, Die Predigt und das Brieffragmenl de« Aristides.

handlung anlangt, so lässt sich darüber wenig sagen, denn der- artige Urteile sind in der Regel Geschmackssache und entbehren der positiven Grundlagen, die zu einer Diskussion darüber not- wendig sind.

Ein Punkt jedoch, welcher im Vergleiche mit der Apologie besonders auffallend ist, muss beim Lesen der Homilie sofort zu genauerer Betrachtung und Untersuchung anregen. Um so mehr wird man sich überrascht finden, dass sowohl bei Zahn, wie bei Seeberg eine Erörterung darüber vergeblich gesucht wird. Da das, um was es sich hier handelt, für die Untersuchung der Predigt neben ihren dogmengeschichtlichen Verhältnissen die erste Stelle einnimmt und mehrmals mit grösster Auffälligkeit hervortritt, scheint ein Übersehen ausgeschlossen zu sein. Man muss daher annehmen, dass die Beobachtung für die beiden Kri- tiker nicht ins Gewicht fällt. Ich meine nämlich die im Ver- hältnis zur angeblichen Abfassungszeit frappante Erscheinung der fast ausschliesslichen Benutzung johanneischer Sprüche und Ge- schichten. Es würde schwer fallen, irgend eine stichhaltige Er- klärung für die Erscheinung zu finden, dass der Apologet, für den, wie oben gezeigt wurde, eine Kenntnis johanneischer Ge- danken, geschweige denn des Erzählungsstoffes, nicht nachweisbar ist, eine solche Predigt gehalten habe.

Und wiederum weist diese Erscheinung nicht nur von der Person , sondern auch von der Zeit des Aristides hinweg; nicht etwa, als ob hier über die Frage gesprochen werden sollte, ob jemand um 140 eine solche Bekanntschaft mit dem Johannes- evangelium gehabt haben könne aus einer so strittigen Frage Hesse sich niemals ein beweiskräftiges Argument ziehen , aber die Art, wie hier Johannes verwendet wird, spricht entschieden gegen die Annahme eines so frühen Ursprungs. Es werden hier nicht etwa blos johanneische Herrenworte angeführt, sondern Geschichten, und zwar, dies ist die Hauptsache, als streng dog- matische Beweisstücke. Es handelt sich dem Prediger darum, für sein Dogma, das er hier behandelt, den Wahrheitsbeweis zu erbringen, und er erbringt ihn nicht, was man bei einer Schrift vor 150 erwarten dürfte, aus dem Alten Testament und den Herrenworten, sondern seine Beweisstücke sind neutestament- licher, ja speciell johanneischer Erzählungsstoff. Und wenn oben- drein später noch gezeigt werden wird, um welches Dogma es

l'ape, Die Predigt und das Brieffragment des Aristides. 15

sich hier handelt, so kann nur das eine Urteil gefällt werden, dass diese Erscheinungen für die angegebene Zeit schlechthin nnbelegbar und in sich ganz unwahrscheinlich sind. Dies wird durch eine weitere Thatsache gestützt. Nachdem der Prediger sein Dogma durch neutestamentliche Stellen bekräftigt hat, sagt er VII. 3: „Denn jener beiden Gebahren und Thaten stehen vor dir, da sie immerfort in den priesterlichen Büchern vorge- tragen und gelesen werden." 4: „Diese gewähren durch so wohl- geordnete, mustergiltige Beweise, wie deren vorgelegt wurden, dir die Überzeugung etc.u

Der Ausdruck „priesterliche Bücher'', libri sacerdotales, in der eventuellen griechischen Urschrift yQa^fiara oder ßißXla tsgarixa, wird nun von beiden Verteidigern der Echtheit als gewichtiges Argument für eine möglichst frühe Abfassungszeit hervorgehoben. Beide versetzen den Ausdruck in eine Zeit, wo der Name für die Evangelien und die heiligen Schriften (Zahn), die Bezeichnungen für das Neue Testament (Seeberg) noch nicht fest geprägt waren. Beide setzen den Ausdruck in Beziehung zu der von Valentin gebrauchten Bezeichnung örjfioöia ßißXla für die profane Litte- ratur, ferner zu den bei Clemens Alexandrinus sich findenden Ausdrücken wie isgarixä xaAovfteva ßißkia für die hieratische Litteratur der Ägypter, und yayQafifieva ev rrj exxhjola etc. Zahn gelangt hierdurch zu der Schlussthese 3: „Die Benennung der neutestamentlichen Schriften oder der Evangelien als ßtßA'ia Isqcltvxo. ist zu keiner Zeit so begreiflich, als im Zeitalter Justins und Valentins."

Was zunächst den Ausdruck anlangt, so muss allerdings zugestanden werden, dass er an sich in welche Zeit man auch gehen mag auffallend ist. Aber bevor man den sprachlichen Ausdruck überhaupt in den Kreis seiner Argumente ziehen kann, müsste es doch erst einem Kenner der armenischen Sprache und Litteratur anheimgestellt werden, zu untersuchen, ob diese Be- zeichnung nicht etwa durch armenische Spracheigentümlichkeiten erklärt werden kann, und ob sie nicht überhaupt eine Geschichte in der armenisch -kirchlichen Litteratur hat. Und schliesslich kommt es doch weniger auf den Ausdruck an, als darauf, was er bezeichnen soll. Zu diesem Punkte machen sowohl Zahn, wie Seeberg wertvolle Zugeständnisse, indem ersterer es etwas vor- sichtig auffasst als eine Bezeichnung der Schriftgattung, zu welcher

] i; Pape, Die Predigl and das Brieffragment des Aristidi

die Evangelien gehören, letzterer es geradezu als Bezeichnung

für das Neue Testament erklärt.

In der That kann nicht gut etwas anderes gemeint sein, als eine Gesamtheit von Schriften, von denen die Evangelien einen integrierenden Bestandteil bilden, und die in dogmatischen Fragen die höchste Norm darstellen, mit anderen Worten: der neute- stamentliche Kanon, wie dies ja Seeberg und im wesentlichen auch Zahn zugiebt. Und wenn beide die Schrift auf Grund dieses Ausdruckes in eine Zeit setzen wollen, wo die Bezeich- nungen für das Neue Testament noch nicht fest geprägt waren, so muss es doch wenigstens eine Zeit gewesen sein, wo bereits ein Neues Testament existierte, was für die 1. Hälfte des 2. Jhs. bisher noch nicht nachgewiesen ist, wovon vielmehr so ziemlich das Gegenteil erwiesen ist. Aber selbst zugestanden, dass um 150 das Neue Testament fix und fertig existiert hatte die Be- hauptung, der Ausdruck „hieratische Schriften" für neutestament- liche Schriften sei zu keiner Zeit so begreiflich, als im Zeitalter Justin's und Valentin's, ist so fragwürdig, um nicht mehr zu sagen, dass ich sie bei allem Respekt vor der Gelehrsamkeit Zahn's ihrem Schicksal überlassen zu dürfen glaube. Dies Beweisstück für die Echtheit der Predigt zerfliesst nicht nur, vielmehr bleibt es, was es immer gewesen ein starkes Argument gegen die Echtheit.

Gewiss, es erübrigt noch manche Schwierigkeit in betreff des Schriftgebrauches. Vor allem die veränderte Form der Citate: „Alles ist jetzt vollendet", Joh. 19. 30 nach 19. 28. „Du ein ge- wöhnlicher Mensch", Joh. 10. 33. „Glaube an die Herrlichkeit Gottes", Joh. 11. 40, sowie endlich das Textwort: „Gedenke meiner. Herr, in deinem Reiche", Luk. 23. 42. Als auffallend kann auch bezeichnet werden, wie der Prediger die Kreuzigungserzäh- lungen von Lukas und Johannes verbindet, in einer Weise. als ob diese beide zum Predigttexte gehörten, wobei er den Ruf des Schachers aber hinter das „Es ist vollbracht" setzt. Ja, es macht stellenweise beinahe den Eindruck, als schöpfe er hier gar nicht aus verschiedenen Quellen, namentlich bei Kap. I, wo er schreibt: „Der Verkündiger des Evangeliums sagt", und nun folgt eine Reihe von Einzelheiten der Kreuzigungsge- schichte, die aus den verschiedenen Evangelien zusammengetragen sind: Annagelung (Joh. 20. 25), Menge der Juden (Lc. 23. 25), Kriegs-

Pape, Die Predigt und das Brieffragnient des Aristides. 17

mann mit der Lanze am Kreuze Wache haltend (Matth. 27. 36? Joh. 19. 34?), Galle (Matth. 27. 34. Mc. 15. 23), Natur der Elemente verwandelt (?), Finsternis, Zerreissen des Vorhangs (synopt.), Tei- lung der Kleider (allg.), Looswerfen (Joh. 19. 24), Scharen der Himmlischen erschreckt, Erheben der natürlichen Wesenheit der Lber- und Unterirdischen (Matth. 27. 52. 53?).

Der Prediger stellt also durch einen Ausdruck wie nuntius evangelii oder praedicatio evangelica seinen aus allen 4 Evan- gelien zusammengestellten, mit daselbst nicht auffindbaren eigen- tümlichen Bestandteilen und Wendungen vermischten Bericht als einen einheitlich evangelischen dar. Aber die aus solchen Erscheinungen sich ergebenden Schwierigkeiten würden auch durch die Annahme der Echtheit der Predigt nicht beseitigt sein, und andererseits kann in betreff der ungenauen Citate darauf hin- gewiesen werden, dass es ja bei einer Predigt nicht sehr auffallen kann, wenn nach dem Gedächtnis citiert wird; bei den anderen oben erwähnten Erscheinungen könnte man ausserdem fragen, ob sie sich nicht etwa als Reminiscenzen an eine Evangelien- harmonie erklären Hessen, wie solche im Privatgebrauch gewiss vielfach in Verwendung standen.

Mögen jedoch diese Auffälligkeiten welche Erklärung auch immer finden, auf keinen Fall vermögen sie, und darauf kommt es hier in erster Linie an, die Argumente irgendwie zu erschüttern, welche zeigen, dass bei den unausgleich baren Differenzen in reli- giöser Anschauung, Schriftkenntnis und Schriftgebrauch zwischen Apologie und Homilie von einer Identität des Verfassers wie der Abfassungszeit nicht gesprochen werden kann.

Es bleibt nun die weitere Aufgabe, zu untersuchen, ob sich in der Predigt Angaben und Anhaltspunkte finden lassen, wel- cher Zeit sie etwa zuzuweisen sei. Zwei Punkte werden hiebei zu besprechen sein: auf welche äusseren Zeitverhältnisse sie deutet, und in welchen Zeitpunkt der dogmengeschichtlichen Entwick- lung sie sich einfügt.

Ein Teil der von Zahn und Seeberg als positive Anzeichen hohen Alters der Predigt angeführten Erscheinungen hat sich bereits in dem Vorhergehenden erledigt (Schriftgebrauch, ßißXla iSQarixa etc.). Nunmehr wäre noch ein Punkt, der von beiden, besonders energisch von Zahn, als Beweis vorkonstantinischer Abfassung hervorgehoben wTird. Nämlich die Art und Weise,

Texte u. Untersuchungen XII, 2. 8

lg Pape, Die Predigt und das Brieffragmenl dei Aristid«

wie das Annageln bei der Kreuzigung Christi vom Prediger betont wird, im Gegensatze zu der Art des Vorganges bei anderen Sterb- lichen, I. b. Daraus wird geschlossen, dass der Prediger noch eine eigene Anschauung von dem gewöhnlichen Vorgange der Kreu- zigung gehabt habe, denn in späterer Zeit habe die Kreuzigung Christi einfach als Typus für diese Todesart überhaupt gegolten, man sei sich nicht mehr bewusst gewesen, dass zwischen der Annagelung Christi und der gewöhnlichen Exekution eine Diffe- renz bestanden habe. Folglich müsse der Prediger noch vor der Abschaffung der Kreuzigung durch Konstantin gelebt haben. Da- gegen lasst sich einwenden: Das Motiv, warum der Prediger die Annagelung so sehr als etwas Einzigartiges darstellt, ist die Überzeugung, dass gerade dies Moment in besonderer Weise ge- weissagt ist, wie es auch das einzige ist, welches er aus der Reihe anderer I. 4 speciell hervorhebt. Dabei mag auch das Be- streben mitgewirkt haben, welches sich später aus seinem dog- matischen Standpunkt erklären wird, die Lage Christi in diesem Momente als ganz ungewöhnlich und ausserordentlich peinlich und beschränkt, als den Gipfelpunkt menschlichen Leidens hin- zustellen. Ausserdem ist nicht ersichtlich, warum jemand nur aus eigener Anschauung eine solche Auffassung gehabt haben könne. Denn die Annagelung war durchaus nicht so eigenartig, wie der Prediger es vorführt. Da das Wie der Exekution in der Regel ganz der Willkür der damit beauftragten Soldaten über- lassen war, bestimmte Regeln über die einzelnen Momente der Ausführung gerade bei dieser Todesart überhaupt nicht existierten, so lasst sich mit Bestimmtheit annehmen, dass das Annageln an Stelle des Anbindens oder beides zugleich gewiss auch ander- weitig als bei Christus vorgekommen ist. Und gerade der Um- stand, dass der Prediger auf Grund der alttestamentlichen Weis- sagung diesen Vorgang bei Christus als ein Unikum hinstellt, Hesse sich eher als Argument dagegen anführen, dass der Pre- diger eine eigene Anschauung von der Sache gehabt habe, als dafür. Und wenn dafür ins Feld geführt wird, dass diese Predigt der einzige Ort sei, wo auf den gewöhnlichen Vorgang des An- bindens hingewiesen wird, so lasst sich dagegen schliesslich immer noch fragen: warum soll z. B. ein Syrer oder Armenier keine Kenntnis von dem Vorgange der Kreuzigung gehabt haben, auch nach Konstantin, da in dem benachbarten Persien diese Todes-

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strafe noch lange Zeit gebräuchlich war? Ein wirkliches Argu- ment für eine vorkonstantinische Abfassung kann dieser ganz untergeordnete Punkt demnach auf keinen Fall bilden.

Wohl aber ergiebt sich aus der Predigt selbst ein Anhalts- punkt, welcher sie jedenfalls zeitlich weit vorrückt. Wenn wir mit unserer Predigt die einzige Homilie vergleichen, welche aus dem Zeitalter stammt, in das jene verlegt wird, so ergiebt sich, auch abgesehen von dem dogmatischen Standpunkt, von der ganzen religiösen Auffassung, eine gewichtige Differenz. Eine Reihe von Stellen des sogenannten 11. Clemensbriefes zeigt, dass die Christen, an welche jene Predigt gerichtet war, noch in leben- digster Berührung mit dem Heidentum, sowie in lebhaften Aus- einandersetzungen mit ihm standen, ja man kann annehmen, dass der Prediger selbst früher Heide gewesen ist; namentlich I. 6 8, 111. i, X. 5, XIII. i—4, XVII. i, XVIII. 2, wie auch andere auf die heidnische Zeit bezügliche Momente (Verfolgungen V. i 4 [gegen Seeberg S. 24], Wettkämpfe und Spiele VII. i 4), was ja für eine Predigt des 2. Jhs. selbstverständlich ist; in unserer Homilie aber würden wir vergebens nach derartigen Anzeichen suchen.

Aristides selbst war nach der Apologie XVI. 5 ursprüng- lich Heide, und bei einer in der 1. Hälfte des 2. Jhs. gehal- tenen Predigt ist anzunehmen, dass dies auch bei der überwie- genden Mehrheit der Zuhörer der Fall war. Dann aber wäre es eine der wunderlichsten, unerklärlichsten Erscheinungen, dass das Heidentum und das Verhältnis, in dem Redner und Hörer zu ihm stehen, mit keiner Silbe berührt wird. Ja, die Pre- digt lässt darauf schliessen, dass der Redner es zu seiner Zeit überhaupt nicht mehr mit Heiden zu thun hat. Denn die Predigt war im altkatholischen Zeitalter der Hauptbestandteil des exo- terischen Gottesdienstes, es musste ihr daher bei der Gegenwart von Xichtchristen in der Regel ein apologetischer und missio- nierender Charakter anhaften. Unsere Predigt nun hat sich die Aufgabe gesetzt, die Gottheit des Gekreuzigten gegen ihre Leugner zu verteidigen; dabei ist bloss von „Bekennern des Menschen", flehen, „die mit jüdischem, geblendetem Auge die Menschwer- dung ansehen", die Rede, also nur gegen Häretiker wird pole- misiert, während man doch gerade bei diesem Punkte auch eine ^ erteidigung gegen diejenigen erwarten muss, denen es mit der uTösste Anstoss war, einen gekreuzigten Menschen als Gott an-

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2() Pape, Die Predigt und das Brieffragmeni dei Ari-tides.

zubeten, das Heidentum; und wenn die Predig! VII. s vom Lasier des Unglaubens spricht, so meint sie keineswegs Nichtchristen, sondern solche, die dem Räuber zur Linken folgen, welcher in charakteristischer Weise nicht als ein Nichtbekehrter, sondern als ein Abtrünniger hingestellt wird, VII. 2: „Denn er hat sich getrennt und von der Stimme des Gekreuzigten abgewandt", „er hat sich auf die linke Seite geschlagen". Entgegen der Zahnschen Schlussfolgerung, die er aus der Betonung der An- nagelung zieht, dass die Predigt vorkonstantinisch sein müsse. glaube ich aus dem Vorhergehenden den entgegengesetzten Schluss ziehen zu dürfen, dass sie nur nachkonstantinisch sein kann.

Was die Behauptung Seebergs betrifft, S. 13, die Schilderung, die Justin von der ältesten christlichen Gemeindepredigt entwirft, als vovfrsola xal jiQoxlrjöic, rrjq rcov xalcov xovxow jUifirjOecog, lese sich wie auf Grund dieser Predigt verfasst, so muss dem doch entgegnet werden, dass diese Predigt mit ihrer strengen Durchführung des zu Grunde gelegten Textwortes und ihrer dog- matisch-polemischen Tendenz weit über den Rahmen der von Justin vorgestellten, an die Schriftvorlesung ziemlich lose ange- knüpften praktischen Ermahnung hinausgeht. Ich verstehe, wie ich in aller Bescheidenheit sage, die Behauptung Seebergs eben- sowenig, wie die obige Zahns, „hieratische Schriften" sei ein in der Mitte des 2. Jahrh. besonders passender Ausdruck für das Neue Testament.

Alle vorhergegangenen Betrachtungen, welche die Predigt weitab versetzen von der Person und der Zeit des Aristides, er- halten vollauf ihre Bestätigung durch die dogmengeschichtliche Untersuchung der Predigt. Dass die bereits vor 16 Jahren auf- gefundene Predigt erst jetzt durch Zahn und Seeberg eine ein- gehende Behandlung erfahren hat, findet seine Ursache darin, dass sie beim ersten Anblick den Eindruck eines in antinestoria- nischem Interesse abgefassten Machwerkes hervorrief. Dass dieser Eindruck ein sehr mächtiger gewesen sein muss, dafür bürgt die Thatsache, dass man sich so allgemein bei einer im Falle ihrer Echtheit so überaus wichtigen Schrift mit jener durch den ersten Eindruck bewirkten Überzeugung begnügte und es so lange Zeit brauchte, bis die Predigt überhaupt einer näheren Unter- suchung gewürdigt wurde.

Die beiden Forscher, welche für die Echtheit der Schrift

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eintraten, vermögen diesen Eindruck auch nur dadurch abzu- schwächen, dass sie, namentlich Seeberg, einige der verdächtigen Formeln, wie „Gott von Gott", „wahrer Gott", „Bekenner des Menschen", „wahre Menschwerdung des Immanuel" auf die Rech- nung des armenischen Übersetzers schieben. Dabei muss aber gefragt werden: sind wir überhaupt berechtigt, solche Streichungen vorzunehmen? Doch nur dann, wenn derartige Ausdrücke zu dem übrigen Inhalte in direktem Widerspruche stehen, wie das freoTOXog der Apologie. Die dogmengeschichtliche Untersuchung erst wird ergeben, ob die betreffenden Ausdrücke als mit ihrer Umgebung unverträglich entfernt werden müssen.

Die Entkräftung der Behauptung, dass die Homilie antinesto- rianisch sei, wird von beiden Gelehrten in ähnlicher Weise ver- sucht. Zahn erklärt es für eine lächerliche Beschreibung der Xestorianer, ihnen den Selbstwiderspruch vorzuhalten, dass ein von Natur sterblicher, geteilter, vergänglicher Mensch solche Wirkungen erzeuge; von zwei Naturen sei nicht die Rede, das Wort divisus sei nicht in nestorianischem Sinne gebraucht. Der Pre- diger stelle das Bekenntnis auf, dass der dem Leibe nach Ge- kreuzigte nicht ein blosser Mensch, sondern Gott und Gottes Sohn, Gott von Gott und Logos sei, nur dieser könne das ver- schlossene Paradies wieder öffnen; die Lehre, dass Christus bloss ein hervorragender Mensch sei, erkläre er für einen Beweis jüdi- scher Blindheit. Gleichstarke Bekenntnisse der Gottheit Christi seien vielfach in der nachapostolischen Litteratur vorhanden, jene bekämpfte Lehre habe es im 2. Jh. gegeben (Cerinth), der Ausdruck &ebg ix &sov (den Seeberg streichen will) sei der Sache, „ungefähr" auch dem Wortlaute nach im 2. Jh. heimisch gewesen (Theoph. ad Autol. IL 22).

Genauer setzt sich Seeberg mit der dogmatischen Frage auseinander. Er gesteht zu, dass der erste Eindruck sehr wohl die Predigt als antinestorianisch erscheinen lassen konnte; er er- kennt im Gegensatz zu Zahn, dem eine solche Polemik gegen Nestorianer lächerlich erscheint, an, dass derartige Gedanken in der Polemik gegen diese sehr beliebt waren. Er erklärt es ferner für gewiss, dass der Übersetzer die Predigt in diesem Sinne auf- gefasst habe, wendet sich aber doch gegen die Behauptung des antinestorianischen Ursprungs der Predigt. Dem Prediger handle es sich nur darum, dass Christus, der Gekreuzigte, Gott war.

22 Pape, Die Predigt und das Brief&agmenl det Aribtid.

Das Verhältnis der beiden Naturen sei ausser Acht gelassen. Kurz, es finden sich keine wirklichen Spuren einer antinestoria- nischen Polemik. Ebenso führt es Seeberg als unwahrscheinlich durch, dass die Predigt sich gegen Monarchianer richte. Ei lassen sich endlich in der Zeit des Aristides Anschauungen finden, auf welche diese Polemik passe: der heidnische Widerspruch (warum fehlt dann jeder Hinweis auf das Heidentum?), die jüdische Anschauung, und dann die auch bei Christen sich findende Auf- fassung, dass Christus bloss ein Mensch gewesen sei (Cerinth, Gnostiker). Die Gedanken der Predigt passen also ganz auf jene Zeit.

Tritt man nun zu selbstständiger Untersuchung an die Predigt heran, so rnuss man sich von vorn herein klar machen, dass man unter der Form einer Predigt nicht eine systematische Darlegung der gegnerischen Lehre und eine ebensolche Bekämpfung derselben Punkt für Punkt erwarten darf, dass ferner eine derartige Polemik immer mehr populär gehalten ist, und es sich also für uns nicht darum handeln kann, ob die erhobenen Vorwürfe die Nestorianer wirklich treffen, sondern ob es in jener Zeit landläufige Vorwürfe gegen sie waren. Das giebt Seeberg selbst zu, und wir wissen, dass gerade die armenische Kirche am schärfsten gegen jene Richtung aufgetreten ist. Der Ausdruck .,Bekenner des Menschen" war daselbst terminus technicus für Nestorianer. auf der Synode zu Valarsapat um 490 wurde beschlossen, mit ihnen zu verfahren wie mit Juden (Ter Mikelian, d. armen. Kirche in ihren Bezie- hungen z. b}^zant., Leipzig 1892, S. 47, ferner zu vergl. Cyrill, Adv. Nest. V. i. Migne 76. Col. 212). Dass ihnen hauptsächlich die Erniedrigung Christi zu einem blossen Menschen vorgeworfen wurde (Cyrill, Anath. V. VII.), beweisen die ihnen gegenüber ge- bräuchlichen Anschuldigungen der samosatenischen, wie der photi- nianischen Ketzerei (Serm. Nest. b. Marius Mercator, Migne 4S. Sermo IV. S. 785, Sermo XII. S. 848 ff., Epist. Mar. Merc. S. 775, Dissert. Mar. Merc. de blasphem. Nest. S. 924), und diese Kampfes- weise ist nicht, wie Zahn annimmt, lächerlich, sondern vielmehr perfid, doch war das in der Zeit der christologischen Streitig- keiten eine alltägliche Erscheinung. (Über die ungerechten Vor- würfe vgl. die Reden des Nestorius adv. Proclum 1. c. S. 782 801 V. 7. VII. i. 23). Die in Kap. IV. V. bekämpften Leute können also sehr wohl Nestorianer sein.

Pape, Die Predigt und das Brieffragment des Aristides. 23

In erster Linie handelt es sich aber darum, zu sehen, ob die den betreffenden Gegnern entgegengestellte positive Lehre auf Antinestorianer passt. Wenn nun Seeberg, wie oben gezeigt wurde, es so darstellt, ..es handle sich gar nicht darum, dass der

Gekreuzigte, als solcher, Gott war , sondern lediglich darum,

dass er überhaupt Gott ist, und nicht ein Mensch, wie alle andern auch"; so gerät er doch in einen leisen Widerspruch mit sich selbst, wenn er gleich auf der folgenden Seite es betont, „wie der Prediger mit so viel Eifer sich gerade dagegen wendet, dass „der Gekreuzigte" ein blosser Mensch gewesen sein soll." Dies letztere ist auch in der That die richtige Einsicht. Der Prediger spricht nicht von Christus überhaupt, sondern von „dem Ge- kreuzigten." Es ist interessant, wie er sich besonders bemüht, diesen Punkt immer wieder hervorzuheben. Dreizehn mal, wo er von der Person Christi spricht, nennt er ihn meist schlechthin, einige- male als Apposition, den „Gekreuzigten", und nur vier mal gebraucht er einen anderen Ausdruck ohne die specielle Er- wähnung des Kreuzes III. 2, V. 2, VI. 3, 4. Er will den Gekreuzigten erweisen als Gott VII. 4, das heisst, er will zeigen, dass Christus auch im Augenblick seiner tiefsten Erniedrigung, da die mensch- liche Seite seiner Natur am prägnantesten hervortritt, doch stets wahrer Gott gewesen ist, und er beweist dies durch den in diesem Zustande vollbrachten Akt der Öffnung des Paradieses, welcher ein deutlicher Beweis göttlichen Wesens sei, IV. 3— V. 2. Beweis dessen, dass es ihm gerade hierauf ankommt, ist die Be- tonung, in welch peinlichem Zustande sich der Gekreuzigte durch die Annagelung befunden habe I. 3, ferner, dass Christus „noch am Kreuze hangend" nicht nur selbst ins Paradies geführt wird, sondern auch die Kraft erweist, den Schacher mit sich zu nehmen II. 1. Also Jesus, der Gekreuzigte, der Offner des Paradieses, V. 1, ist Gott, denn wer unter den Menschen vermöchte es zu öffnen, nachdem Gott es verschlossen IV. s. Bei den Gegnern ist jedoch Christus, der blosse Mensch, der Gekreuzigte, Offner des Paradieses und höher stehend als Gott, dessen Verschliesser V. 8. Der Prediger und seine Partei aber bekennen gegenüber dieser verspottens- und beklagenswerten Lehre „den wahren Gott als gekreuzigt im Fleische" und ebendenselben beten sie an als Öffner und Herrn des Paradieses V. 4. *0{uoloyov[iav fteov aXr/- ftivov GTavQco&bvra iv OaQxl: auf diesen Satz, der als formelles

24 Pape, Die Predigt und das Brieffragtiient dei Arutidet.

Bekenntnis in pathetischer Weise der gegnerischen Lehre gegenübergestellt wird, muss doch entschieden ein grosses Ge- wicht gelegt werden. Hier ist nicht zufällig, wie auch schon früher (Seeberg S. 65, Anm., Mansi IV. 1183—95, Hefele, Con- ciliengesch. IL 186 87), die Formel vom „gekreuzigten Gott" gebraucht, sondern, wie die ganze Stellung und der Zusammen- hang ergeben, sie ist mit schärfster polemischer Spitze im vollen Bewusstsein ihrer Tragweite ausgesprochen. Als solche ist sie aber ein Hauptstreitpunkt des nestorianischen Kampfes (Cyrill. Anath. 12 und Nest. Anath. 4 u. 12). Namentlich wurde sie in dieser schroffen Weise in der armenischen Kirche gebraucht, in der ja auch daraus die theopaschitische Formel des Trishagions sich entwickelt hat. Die oben erwähnte Schrift von Ter Mikelian führt jene Formel zurück auf eine Schrift Davids des Philosophen „Lob des Kreuzes", geschrieben auf Befehl des Katholikos Gut (459 69), wo jener sie in verschiedentlicher Form wiederholt zur Anwendung bringt, S. 46. Schliesslich beweist auch noch die Schlussformel VII. iy dass diese Darlegung der Tendenz des Predigers die richtige ist: er spricht von der aus den priester- lichen Büchern sich ergebenden Überzeugung, „dass der Ge- kreuzigte Gott sei und der Sohn Gottes. Ihm sei Ehre'/' (Wenn Zahn diese kurze Doxologie als Merkmal hohen Alters angibt, so sind hiezu zu vgl.: Sermones Nestorii 1. c, bei denen die Doxologie entweder ganz fehlt oder ebenso kurz ist, ebenso die Predigt des Proclus lat. Mar. Merc. S. 777, griech. Mansi IV. 577. Auch ein grosser Teil der Predigten des Cyrill zeichnet sich durch kurzgefasste Doxologieen aus). Der Gottheit des Ge- kreuzigten gelten seine Ausführungen. Wenn er aber seinen Gegnern vorwirft, dass sie Christum überhaupt für einen blossen Menschen halten, so weiss er, dass er diesen Vorwurf nur auf- recht erhalten kann, indem er einen Punkt, wie die Kreuzigung, hervorhebt, bei welchem jenen Leuten die Bezeichnung Christi als Gott ein besonderer Greuel war (Nest. Anath. 12, Sermo VII. 1. c. S. 789). Wenn wir nun die beiden Parteien vor uns sehen. auf der einen Seite die, welche dem Gekreuzigten die Gottheit absprechen, auf der anderen die, welche sie in schroffster Weise behaupten, so weist diese Situation unzweifelhaft auf die Zeit des nestorianischen Kampfes, und zwar scheint der Standpunkt des Verfassers in der antinestorianischen Opposition bereits ziem-

Pape, Die Predigt und das Brief fragment des Aristides. 25

lieh weit nach der Seite des entgegengesetzten Extrems vorge- schritten zu sein. Die Merkmale dieser Polemik sind nun aber bei genauerer Betrachtung auch an anderen Stellen sehr deutlich wahrzunehmen. Wie Christus in dem Momente, da die mensch- liche Seite an ihm am schärfsten hervortrat, doch stets Gott geblieben ist, so lässt sich auch überhaupt in der Zeit seiner Erniedrigung seine Gottheit nachweisen durch andere Wunder- wirkungen seines immer lebenschaffenden Wortes, die derselbe Gekreuzigte erwies, ehe er noch am Kreuze erhöht wurde, VI. 3. Dieser letztere Satz betont in überreichlicher Weise, dass diese Beweise göttlicher Macht noch zur Zeit des Erdenlebens Christi, ev oaQxi geschehen seien. Aus dem Satze etwa, wie Zahn es durchblicken lässt, eine geringere Vertrautheit der Zuhörer mit den vorgebrachten Erzählungen zu folgern, dagegen spricht die Art, wie die Auferweckung des Lazarus nicht erzählt, sondern bloss angedeutet wird. (Über diesen Abschnitt Kap. VI. mit seiner Hervorhebung der von Christus noch sv oagxl vollbrachten Wun- derwirkungen göttlicher Art ist zu vergleichen Cyrill, adv. An- thropomorphytas Cap. 22. Migne 76. S. 1118). Seeberg weist in Bezug auf diesen Abschnitt hin auf den Unterschied, wie ein- fach hier das Wunder der Blindenheilung dargestellt wird, und welche Betrachtungen Cyrill daran knüpft. Cyrill bemerkt näm- lich (de incarnatione Mgn. 75. S. 1236), dass Christus, obwohl die göttliche Natur unsichtbar sei, dem Blinden körperlich Gottes Sohn zeigt, also hier selbst keine Unterscheidung und Trennung der Naturen vornimmt. Aber Cyrill gebraucht an seiner Stelle diesen Fall zur Darlegung des Verhältnisses beider Naturen zu einander; dem Prediger ist es hier darum zu thun, zu zeigen, dass der Gekreuzigte, ehe er am Kreuz erhöht wurde, den Be- weis seiner Gottheit geliefert hat. indem er sich dem Blindge- borenen selbst als den Gottessohn zeigte. Auf das Verhältnis der beiden Naturen zu einander geht er von seinem mindestens bis Cyrill, in dem Acumen des Interesses eher noch über ihn hinausgeschobenen Standpunkt hier nicht ein. Es ist ihm eine feststehende Thatsache, dass, wer Christus sieht, eben keinen anderen sieht als den Urheber des Lichts, den Gott von Gott, den Logos. Die Häufung so kräftiger, speciell das rein Göttliche hervorhebender Bezeichnungen gerade an dieser Stelle lässt doch merken, dass der Verfasser sich hier eines grossen Gegensatzes

2G Pape, Die Predigt and das Brieffragmeni des Aristide*.

gegen seine Widersacher bewusst war. Übrigens Hesse sich allenfalls darin eine leise Berührung des Verhältnisses beider Naturen vermuten, dass dem natürlichen Lichte, also dem sinn- lich Wahrnehmbaren der Urheber des Lichtes, Gott, gegenüber- gestellt wird, und von dem Blinden gesagt wird, er habe beides gesehen, also die Vereinigung des sinnlich Wahrnehmbaren mit dem Göttlichen, das ist Christus.

Ferner ist noch ein Punkt hervorzuheben, der zu dieser Auffassung des dogmatischen Standpunktes der Homilie stimmt und sie bestätigt. Zahn nnd Seeberg behaupten, dass der Prediger über das Verhältnis zweier Naturen kein Wort sage; und doch scheint in IV. 2 diese Frage ganz deutlich berührt zu sein. Wenn Seeberg meint, der hier gebrauchte Ausdruck „Natur- sei nicht dogmatischer terminus, sondern lediglich Bezeichnung des menschlichen Wesens, das Jesus mit uns teilt, so ist dem gegen- über von vornherein auffällig, dass der Ausdruck „Natur" an der kurzen Stelle dicht hintereinander fünfmal gebraucht ist. Ein blosser Mensch, wird ausgeführt, dessen Natur sterblich ist, kann nicht einem andern, ebenfalls von Natur sterblichen Menschen die Unsterblichkeit schenken, und dies wird näher er- läutert: „Wenn einer nach seiner Natur aus einer vergänglichen Natur geboren und geworden ist, ist es da glaublich und wahr- scheinlich, dass ein solcher einem ihm in allen Stücken gleichen, dessen Natur ebenso vergänglich und verdorben ist, Unvergäng- lichkeit schenke?"

Nestorius hatte gelehrt, dass Christus nur seiner mensch- lichen Natur nach aus Maria geboren sei, denn aus einem Menschen könne nur ein gleichartiger Mensch geboren werden (Sermo I. 7 1. c. S. 761 „quod de carne natum est, caro est. . . . Non peperit creatura eum, qui est increabilis". In d. Supplic. Monach. Mansi

IV. 1104 OV7C 8TS7C6, (p7}6i, MaOlCZ t.l fiJ] (XV&QOJjIOV OllOOVOlOV

tavx?jc). Daraus formulierten seine Gegner die Anklage, dass er Christum zu einem blossen Menschen mache (Sermo V. 7 S. 787 „. . . noli tu cum nudum ac simplicem hominem Christum facias, mihi hoc probrum impingere"). Wenn nun die Predigt es absurd findet, dass ein blosser Mensch, „seiner Natur nach" aus einer vergänglichen Natur geboren und geworden, Unsterblichkeit schenken könne, so scheint dieser Satz gegen jene Lehre des Nestorius, natürlich in entstellter Weise, gerichtet zu sein und

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ist derselbe Gedanke von antinestorianischer Seite sehr beliebt gewesen (so wiederholt in der Predigt des Proclus von Cyzikus über die MaQia Qsoroxog, Mansi IV. 578 88. i. Av&Qmnm tyiXco xo Ocooai ovx ijV. s. Ö dyoodöag r^iag ov ipiXog avdoco- jcog, co %vöale u. a. m.; ferner Cyrill, Adv. Nest. V. 12. Mgn. S. 245. KahoL Jtcog ovx djroßXrjroQ dt} av 6 (ityQ1 ^t) f^ovcov TCOV T?jg dvO-QCOJtOTijTOg OQCOV t/)v rov fivGT?]Qiov öwafiiv xaxaxXuuv ejtiytiQcov; Quod Maria s. deipara 22. S. 282; Expli- catio XII cap. S. 312: Apol. pro XII cap. S. 323; Apol. contra Tkeodoretum S. 452: Aq ovv dg ftdvaxov dvfrgcojzov xoivov ßeßajzTLöfia&a; xal eig avrov jüiorevorreg öixaiovfisO-a; u. a. m.). Also nicht bloss ein gewöhnlicher Mensch, sondern Jesus Christus, der wahre Gott, ist aus Maria geboren. Es ist be- merkenswert, dass neben dem „geboren" IV. 2 noch ausdrücklich ,,und geworden" steht. Sollte das nicht Bezug haben auf den von den Nestorianern erhobenen Vorwurf, als würde mit dem (Jtoroxog gelehrt, dass Christus, der Logos, erst mit der Geburt aus Maria seinen Anfang genommen habe? (Epist. Nest, ad Coe- lest. b. Mar. Merc. S. 176. Mansi IV. 1021: „ut et quidam apud nos sunt clerici .... tamquam haeretici aegrotent et aperte blasphement Deum Verbum patri 6tuoovoiov tamquam originis initium de Xqlototoxco virgine sumpsisset". S. 1023: „nemo enim antiquiorem se parit; ebs. Cyr. Ep. IV. Mgn. 77. S. 45 ovy cog xr\g &elag avrov cpvöemg doyt)v rov elvac Zaßovörjg). Wir können demnach behaupten, dass hier die Spuren des Kampfes um das Georoxog wohl erkennbar sind. Auf einen weiteren Punkt kann endlich noch hingewiesen werden. Der bereits er- wähnte Schlusssatz von Kap. V. lautet: „Aber wir bekennen den wahren Gott als gekreuzigt im Fleisch und ebendenselben beten wir an als Offner und Herrn des Paradieses". Nach der Lehre des Nestorius betraf die Kreuzigung, wie das ganze Leiden lediglich die menschliche Natur Christi (Nest. Anath. 12). Der Gedanke des obigen Satzes ist also: der Mensch (nach Nestorius) und der Herr des Paradieses, das ist Gott, IV. 3, ist als ein und derselbe zu verehren; vergleicht man damit das VIII. Anath. des Cyrill (El zig roXfiqcei Xiyeiv rov dvaXr^divxa dvdoojjzov 6v[ijzooGxvv£iG&aL öelv reo &eco Xoycp xal owdot-dCeofrai xal ovyynt/uaziCeiv &ebv cog txboov er tztgco' to yd() 2vv, du JinoOTLfrt\u£vov rovzo voüv dvayxdCec xal oiyl dt] iw.Xlov [itä

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jioooxvvr/oti rifia top EftfiavovrjX xai idav avtm r/jv öo&oXo- yiav ävcMitf/jiti xa&o yiyove Guys <> Xöyoq' äväütfia %otca . so sieht man, dass ein und derselbe Gedanke in beiden enthalten ist, der sich gegen die im entsprechenden Gegenanathemati.-tua des Nestorius, wie in dessen Sermo VII. adv. Proclum 1. c. § 24 37 ausgesprochene Lehrauffassung wendet. Auch hier also spiegeln sich deutlich Gegensätze jenes grossen Kampfes wieder. Und von diesem Standpunkt aus besteht keinerlei Nötigung, jene von Seeberg beanstandeten Ausdrücke zu entfernen. Zwischen diesen Gedanken haben das armenisch-antinestorianische „Be- kenner des Menschen", das aus dem Nicänum entnommene d-toq ex &eov, das Cyrill wiederholt im Kampfe gegen Nestorius ver- wertet (Exp. XII cap. Mgn. 76 S. 296, Apol. pro XII cap. S. 329, Ep. 55), das &ebg ccÄrj&tvoc, sowie das cyrillische ..wahre Mensch- werdung des Immanuel" (Seeb. S. 18. 20 Anm), ihren unanfecht- baren Platz. Sie können den antinestorianischen Charakter der Homilie nicht noch klarer machen, als er es schon ohne sie geworden ist, stimmen aber als jeden Zweifel ausschliessende helle Punkte vollkommen zu dem entworfenen Bilde.

Es hat sich demnach das auf den ersten Eindruck hin ge- fällte Urteil, trotzdem Zahn es als „gerade nicht das Gegenteil von Gedankenlosigkeit" bezeichnet, vollauf bestätigt. Bestimmtere Behauptungen über Zeit und Ort der Entstehung würden vor- läufig wohl nur den Wert von Hypothesen haben. Wir wissen, dass die christologischen Kämpfe eine fieberhafte litterarische Thätigkeit hervorgerufen haben, welche sich teils im Aufsuchen älterer Zeugnisse, beziehungsweise Übersetzen ins Syrische und Armenische, teils in selbständigen Arbeiten äusserte. Wir wissen aber auch, dass bei dem „Sammeln patristischer Quellen" das dogmatische Interesse das bei weitem überwiegende war gegen- über etwa dem rein litterarhistorischen. Es galt den betreffen- den Forschern, ihren dogmatischen Anschauungen die Autorität der Tradition zu verleihen, indem sie sie bei altangesehenen Kirchenvätern nachzuweisen suchten. Dass bei der bekannten Skrupellosigkeit in Bezug auf die Wahl der Mittel, mit denen der Streit geführt wurde, so manches eigene Produkt irgend eines Parteifanatikers unter hochberühmtem Namen in die Welt hinausgegangen ist, ist ersichtlich, und es existieren verschiedent- liche Beweise hiefür: um nur ein Beispiel anzuführen, sei hin-

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gewiesen auf die aus dem Armenischen überlieferten Predigten des Gregorius Thaumaturgus bei Pitra, Analecta ss. IV. S. 356 ff. In nativitatein Christi, de incarnatione domini, in annunciationem Deiparae, Laus sanctae Deiparae, Panegyricus in sanctam Dei Genetriceni etc., die fast durchweg antinestorianisch-monophysi- tische Fälschungen sind. Man wird daher nicht fehlgehen, wenn man auch diese Predigt der erwähnten Kategorie von Fälschungen zuweist; sie wird dann in die Zeit zu versetzen sein, in welcher die christologischen Streitigkeiten den höchsten Grad der Leiden- schaft erreichten. Das ist die Zeit nach dem Chalcedonensischen Concil, also die 2. Hälfte des 5. Jhs, Was den Entstehungsort anbelangt, so wird man auch die Kirchen ins Auge zu fassen haben, in welchen die Gegner am schärfsten auf einander prallten, und die Monophysiten am energischsten ihren Standpunkt be- haupteten. Das würde also auf Armenien, Syrien oder Ägypten hinweisen. Die Entscheidung, welchem unter diesen Gebieten die grösste Wahrscheinlichkeit zukommt, wird der Philologe zu treffen haben, auf Grund des Nachweises, ob ein armenisches, oder syrisches oder griechisches Original anzunehmen ist. So viel jedoch kann behauptet werden, dass wenn nicht gewichtige sprachliche Gründe ein Veto dagegen einlegen, eine armenische Originalschrift in der Predigt zu sehen in dem Inhalte nichts gefunden werden kann, was gegen ein armenisches Original spricht. Wie man darauf verfallen ist, diese Homilie gerade dem Aristides zuzuschreiben, wird heute wohl kaum mehr enträtselt werden können. Aber man kann annehmen, dass bei einem der- artigen Vorgehen mancher Griff aufs Geratewohl ohne viel Über- legung gethan wurde.

Weit weniger Schwierigkeiten macht die Behandlung des kleinen Brieffragments. Nachdem durch die Predigt erwiesen ist, dass der Name des Aristides in polemischem Interesse zur Zeit der nestorianisch-monophysitischen Streitigkeiten gebraucht, beziehungsweise missbraucht worden ist, ist diese kleine Sentenz mit dem merkwürdigen Titel von vornherein verdächtig. Wenn Zahn und Seeberg in Bezug auf den Titel erinnern an Tatians Oratio und Theophilus Ad Autolycum, so ist bei letzterer Über- schrift durchaus nichts Auffallendes, und auch der Aoyoc XQcg

;;!( Fajx', Die Predigt und das Brieffragmenl des Aristides.

"EMLf/vag des Tatian keineswegs so singulär, wie der Titel: „Der Philosoph Aristides an alle Philosophen." Wenn der Inhalt der Schrift dieser Aufschrift nur halbwegs entsprochen hat, ist es sehr auffallend, dass sich keine Erinnerung an einen solchen „offnen Brief" erhalten hat, während uns doch gerade in Bezni^ auf Apologieen eine so reiche Anzahl von Titeln, von denen wir sonst auch nicht viel Näheres wissen, erhalten ist. ') Der Verdacht gegen dies kleine Fragment wird in hohem Masse noch verstärkt, wenn man sieht, woher es kommt. Martin hat es in Pitra, Analecta ss. IV. aus einem armenischen Codex der Pariser Bibliothek Nr. 85 herausgegeben. Dieser Codex enthält eine Anzahl von kurzen Sentenzen unter dem Namen verschiedener Kirchenschriftsteller (Melito, Irenäus, Hippolyt, Cyprian, Origenes, Dionysius und Petrus von Alexandrien, Methodius) und ist offen- bar ein Bestandteil des armenischen „Buchs der Zeugnisse", dessen grösster Teil noch ungedruckt ist, und das sich vollständig in der Bibliothek zu Etschmiadzin Nr. 1945 befindet (Ter Mikelian 1. c. S. 47). Dieses „Buch der Zeugnisse" ist in der Zeit der christologischen Kämpfe geschrieben und enthält „kurze Citate aus allen alten Kirchenvätern zur Bestätigung des armenischen Glaubens" (das ist der antinestorianischen, wesentlich monophysi- tischen Lehre). Die bei einem derartigen in reinem Parteiin- teresse geschriebenen Buche von vornherein aufsteigende Ver- mutung, dass dabei wohl manches eigene Fabrikat unter irgend einem alten Namen mit untergelaufen ist, wird in höchstem Masse bestätigt, wenn man die bei Pitra 1. c. aus dem Cod. Arm. Paris. Nr. 85 gebrachten Citate ansieht, von denen die grösste Zahl von vornherein als gefälscht angesehen werden muss. Hippolyt S. 336 : „qui de duabus loquuntur naturis, quattuor dominos distin- guere . . . debent et loqui de quaternitate ; hominem absque Deo verbo confiteri daemones audebant; alia enim die natum, alia die baptizatum dixerunt Ariani(!) „ut duas naturas duosque filios con- titerentur"; etc. Irenäus S. 304: „ipse venit Dei et hominis naturam in unum conducens; a deo separati sunt, qui non fatentur Dei

1) Die Hypothese, der Brief an den Diognet sei von Aristides, wird schwerlich Jemand zur Verteidigung eines Manifests des Aristides an alle Philosophen herbeiziehen ; denn man kann nicht eine Unsicherheit durch eine andere stützen.

Pape, Die Predigt und das Brieffragment des Aristides. 31

verbum imigenitum sein per humanitati fuisse conjimctum et coad- unatum; loquens de miione verbi cum creatura sua; qui unicum dividendo frangunfr. Origenes S. 345: „isti indivisibiliter unum in duos dividunt" etc. Dionysius von Alex. S. 420. IL und Anm. 3: „sanctae cruci affixerunt eum, qui e nihilo omnia constituit; dum haeretici 'filium Dei dividere in duos indivisibilem et inscru- tabilem Christum discindere tentant''. S. 422: „uon homo tantum crucifixus est, sed sanctum imigenitum Verbum ; vides, quomodo verbum cruci affixum dixerit, et non purum hominem" etc. Petrus von Alex. S. 430: ..quoniam corpore Dominum nostrum Jesum Christum Maria geiiait, eundem Verbum et non alium; quoniam Maria genuit Verbum Dei carnem factum, unum eundemque et non alium atque alium; qui dicere corpore corruptam fuisse unionem, vel dividere Deum a corpore audent; Deus et corpus una sunt natura unaque persona; ipse est Deus indivisibilis in indivisibili unitate sua; qui post indivisam unionem loquuntur de duabus naturis, duabus filiis etc. inducunt quaternitatem" etc. Da wir nun unser ..Citat" in solcher Umgebung finden, ist ein gewisses Misstrauen von vornherein berechtigt. Als eo ipso nicht auf die Zeit des Aristides passend kann man gleich mit Seeberg das „de sancta Maria" und „et Spiritus sancti" entfernen. (Wenn Zahn in Bezug auf den heiligen Geist auf Apol. IL 6 hinweist, dass auch hier von einer Mitwirkung des heiligen Geistes die Rede ist, so ist es doch etwas anderes, wenn gesagt wird hv jtvevfidTi aylco (nebenbei im Syr. nicht) xaraßdg djt ovqccvov, als wenn von einer direkten Mitbeteiligung des Spiritus sanctus bei der göttlichen ßovZrj oder evöoxla gesprochen wird, infolge welcher Christus Fleisch annimmt).

Es fragt sich nun, ob das Übrigbleibende nichts enthalte, was das Fragment in eine andere Zeit verweise. Der erste Satz „Omnes dolores vere passus est in corpore suo" könnte ja an und für sich als antidoketisch ins 2. Jh. passen. Bei genauerer Be- trachtung ergiebt sich aber doch ein Unterschied. Vor allem muss beachtet werden, was hier Subjekt ist. Wie aus dem fol- genden ersichtlich, nur der, welcher aus der hebräischen Jung- frau seinen Körper annahm, das ist also nicht Christus schlecht- hin, sondern der Gott von Gott, der Logos. Halten wir dies fest, so haben wir einerseits eine merkwürdige Übereinstimmung mit der Formel fteoc OravQtüß-elq der Predigt, andrerseits mit

32 Pape, Die riedigt und das Brieffragment des Aristides.

dem Anfang des 12. Anath. Cyrills: Et xtc ov% OfloZoyst xbv xov Qbov Aoyov Jiaüovxa oaQxl, deren gegenteilige Ansicht Cyrill in seinem Apol. pro XII cap. als Orientalium oppoeitio Mgn. 76. S. 377 angibt: }AX)? ovx enadsv 6 &boq xfi oaoxl övvrjfiiitvoq und ^AXXa yciQ ovx tf Otoxr/g xr\ Oaoxl Ovvrj(j(itvrj enad-ev. Und wie wir den ganzen Standpunkt der Predigt als einen extremen kennen gelernt haben, so scheint dieser Satz durch das hinzugefügte „vere" auch über Cyrill hinauszugehen, wenn dieser doch gewisse Kautelen gebrauchen will. (Apol. pro XII cap. S. 380 xavxr] rot xal fidka 6q065c xax' oIxblcoolv oixovoiiixi]v avxov XtyBö&aL <patuev zfjq öagxbg jiadr/, xexr/- QTjxoTBq navxayov xr\ avxov cpvöBi xo ajia&iq. S. 381: tJisiÖ?) yag böxiv o avxbg &eog xb ofiov xal avfrocojzoc, axa&rjc, iilv xoys tjxov bIc, xr\v xrjq &BOX?]xoq <pvöiv, jiadijxbg dh xaxä xo av&Qcojiivov). Wenn demnach der hier ausgesprochene Gedanke nur der ist, dass nicht allein die 6ccq£-, sondern derjenige, der dieselbe angenommen hat, h> öagxl aXrftivwo, gelitten habe, so hat das mit einer Bekämpfung des Doketismus nichts zu thun, der Christus überhaupt die Realität des Leidens abgesprochen hat, sondern es ist auch hier einer der Hauptgegensätze des christologischen Kampfes erkennbar.

Dies wird bestätigt durch den Schlusssatz: „quod .... sibi ineffabili et indivisibili unione conjunxerat". Wer die oben an- geführten Sentenzen aus demselben Codex vergleicht, wird sehen, dass dieser Gedanke einer der am häufigsten wiederkehrenden ist. Die Armenier müssen daher ein besonderes Interesse dafür gehabt haben, und wenn Zahn sagt, sie können diesen Ausdruck nicht geschaffen haben, denn er drückt ihr Bekenntnis nicht scharf aus, so ist dazu zu bemerken, dass von jedem einzelnen dieser kurzen Aussprüche auch nicht ein scharfer Ausdruck ihres Bekenntnisses zu erwarten ist. Jedes einzelne „Citat" dient eben dazu, einen, ihnen besonders wichtigen Gedanken zu belegen. Dass, wie Zahn und Seeberg durch Beispiele erläutern, der Aus- druck unio, evcoötg, in ähnlichem Sinne auch früher gebraucht wurde, ist zweifellos, ebenso, dass auch dem ineffabilis und indi- visibilis ähnliche Ausdrücke hin und her vorkamen. Das aber ist nicht nachweisbar, dass diese Ausdrücke zusammen als dogma- tische Formel in solchem Zusammenhange, mit solchem Nach- drucke vor Cyrill gebraucht worden sind. Bei diesem dagegen

Pape, Die Predigt und das Brieffragment des Aristides. 33

war die Y-rojöig ein Lieblingsausdruck, den er Anath. 3 zur offi- ziellen Geltung brachte. Die Verwahrungen gegen das ötaioeiv, öcogiCeöd-at, öiaxtureiv, öiaöJtäv, xmQl^sG&ai, (legl&iv, öiioxa- vcu, ava fitQog xiOtrai u. a. m. sind überaus zahlreich, und ebenso wird der Gedanke oftmals angetroffen, dass die tvcootg ein ((vözr/Qioi', dass sie äjino{>?]xog, aQQtjTOQ, acpQaövog, axsQi- voryvoq u. s. w. sei. Einzelne Stellen anzuführen, würde zwecklos sein, da sich diese Gedanken in allen gegen Nestorius und seine Lehre gerichteten Schriften alle Augenblicke wiederholen. Nur einiger Zeugnisse sei gedacht, in denen sich eben diese Gedanken und Ausdrücke in ähnlicher Weise in Verbindung mit einander vorfinden: Ep. 40 Mgn. 77. S. 192: riyovs yag öccqZ, o Aoyog, xara xag roatpag xal öv^ßaoiv oixovofiixrjv xal amo (){>/] top, alificog jt£Ji(jcr/dai (pa^iev avofiolcop jiQay[iaxcov dg tvcooiv aötaöjraöTov. ibid. S. 193: ovo xa alXrjlocg ajtOQQfjxcog xe xal aocyyvxmg owif/niva xa& tvcoötv. Ep. 50. S. 257: xad? tvcoöiv ajteoiv6?jxov xal aovyyvxov xal a(poaöxov jtavxslwg. Hom. VIII. 5: Ogag ovv ojrcog aöiaöxaxco xs xal aöioglöxco Jtsniocply^ag lrox//xi t//c ccjtoqq/jxov ovvodov xbv Aoyov. (Wenn Seeberg in unserm Citat neben dieser Formel den terminus technicus cpvoig vermisst, so ist darauf hinzuweisen, dass derselbe sich bei den angeführten Citaten Cyrills ebensowenig in unmittel- barer Verbindung damit vorfindet). Dass namentlich in der mono- physitischen Kirche Armeniens diese und ähnliche Formeln sich grosser Beliebtheit erfreuten, beweist der Umstand, dass, wie be- reits erwähnt, dieser Gedanke sich in den meisten der von Martin 1. c. veröffentlichten „Citate" findet. Dieselben drei Begriffe nebeneinander finden sich endlich auch, und das beweist ihre Wichtigkeit besonders, in einem armenischen Kirchenliede von Moses von Chorene (es muss dies ein Lied von besonderer Be- deutung gewesen sein, denn Ter Mikelian, dem diese Notiz ent- nommen ist, spricht von dem Kirchenliede des Moses v. Ch.): Du bist geboren unaussprechbare Einheit, du bist immer unteilbar gewesen, und du bist untrennbar vom väterlichen Schosse.

Was schliesslich die übrigens höchst fragwürdigen Berüh- rungen resp. die Berührung mit der Apologie betrifft, so ist das Streben wohl verständlich, in derartige Machwerke äusserliche Berührungen mit denjenigen hineinzutragen, denen die betreffen- den Sätze zugeschrieben werden.

Texte u. Untersuchungen XII, 2. 9

;; 1 Pape, Di<; Predigt und dae Brieffragment des Aristidet.

I);i sich auch hier die Gegensätze und Streitpunkt« des christologischen Kampfes wiederfinden und, wie wir sahen, von vornherein das Citat sehr verdächtig war, so stellt man es mit Recht mit den oben angeführten „Zeugnissen" auf eine Stufe und muss es für eine der vielen Fälschungen erklären, die das „Buch der Zeugnisse" enthalten zu haben scheint. Von die* Standpunkt ans kann auch die merkwürdige Überschrift einiger- in assen eine Erklärung finden. Denn die Verfasser dieser Citate mussten, um ihre Falsifikate der Kontrolle zu entziehen, sie offen- bar aus Werken entstammen lassen, von denen die übrige Kirche nichts wusste, die also häufig erfunden waren.

Zum Schlüsse dieser Untersuchung möchte ich mir noch eine kurze Entgegnung auf eine Bemerkung Zahns erlauben. Wenn dieser Gelehrte nämlich die heutzutage herrschende „Mode" tadelt, alles Befremdliche an Stücken mit antiken Titeln als Zeichen der Unechtheit aufzufassen, so muss demgegenüber daran festgehalten werden, dass diese „Mode" wohlberechtigt ist, sobald für solche befremdlichen Erscheinungen eine wirklich befriedigende Erklärung in einem späteren Zeitalter gefunden werden kann.

Druck von August Pries in Leipzig.

Verlag der J. C. HINRICHS'schen Buchhandlung in Leipzig.

Band I— IV auf Seite II des Umschlags.

V, l. Der pseudocyprianische Tractat de aleatoribus, die älteste lateinische christ- liche Schrift, ein Werk des römischen Bischofs Victor I. (saec. II.), von Adolf Harnack. V, 135 S. 1888. M. 4.50

V, 2. Die Abfassungszeit der Schriften Tertullians von Ernst Noeldeohen.

Neue Fragmente des Papias, Hegesippus u. Pierius in bisher unbekannten Excerpten aus der Kirchengeschichte des Philippus Sidetes von C. de Boor. 184 S. 1888. M. 6

V, 8. Das Hebräerevangelium, ein Beitrag zur Geschichte und Kritik des hebräischen Matthäus von Rud. Handmann. III, 142 S. 1888. M. 4.50

V, 4. Agrapha. Aussercanonische Evangelienfragmente, gesammelt u. untersucht von Alfred Resch. Anhang: Das Evangelienfragment von Fajjum von Adolf Harnack. XII, 520 S. 1889. M. 17

VI, l. Die Textüberlieferung der Bücher des Origenes gegen Celsus in den Hand- schriften dieses Werkes und der Philokalia. Prolegomena zu einer kritischen Ausgabe von Paul Kötschau. VII, 157 S. u. 1 Tafel. 1889. M. 5.50 VI, 2. Der Paulinismus des Irenaeus. Eine kirchen- und dogmengeschichtliche Unter- suchung über das Verhältnis des Irenaeus zu der Paulinischen Briefsammlung und Theologie von Johs. Werner. V, 218 S. 1889. M. 7

VI, 3. Die gnostischen Quellen Hippolyts in seiner Hauptschrift gegen die Häretiker von Hans Staehelin. Sieben neue Bruchstücke der Syllogismen des Apelles. Die Gwynn'schen Cajus- und Hippolytus-Fragmente. Zwei Abhandlungen von Adolf Harnack.

III, 133 S. 1890. M. 4.50 Die ältesten Quellen des orientalischen Kirchenrechts. 1. Buch:

Die Canones Hippolyti von Hans Achelis. VIII, 295 S. 1891. M. 9.50

Die Johannes-Apokalypse. Textkritische Untersuchungen u. Textherstellung von Bernh. Weiss. VI, 225 S. 1891. M. 7

Ueberdasgnostische Buch Pistis-Sophia. Brodu. Wasser: die eucharistischen Elemente bei Justin. 2Untersuchgn von Adolf Harnack. IV, 144 S. 1890. M. 4.50 . Apollinarios von Laodicea. Sein Leben u. seine Schriften. Nebst e. An- hang: Apollinarii Laodiceni quae supersunt dogmatica. Von Johs. Dräseke. XIV, 494 S. 1892. M. 16

Gnostische Schriften in koptischer Sprache aus dem Codex Brucianus heraus- gegeben, übersetzt u. bearbeitet von Carl Schmidt. XII, 692 S. 1893. M. 22

Die katholischen Briefe. Textkritische Untersuchungen und Textherstellung

von Bernh. Weiss. VI, 230 S. 1892. M. 7.50

VIII, 4. Die griechische Übersetzung des Apologeticus Tertullians. Medicinisches

aus der ältesten Kirchengeschichte. Zwei Abhandlungen von Adolf

Harnack. III, 152 S. 1892. M. 5

IX, l. Untersuchungen über die Edessenische Chronik. Mit dem syrischen Text

und einer Übersetzung herausgegeben von Ludwig Hallier. VI, 170 S. Die Apologie des Aristides. Aus dem Syrischen übersetzt und mit Beiträgen zur Textvergleichung und Anmerkungen herausgegeben von Richard Raabe.

IV, 97 S. 1892. M. 8.50 IX, 2. Bruchstücke des Evangeliums und der Apokalypse des Petrus von Adolf

Harnack. Zweite verbesserte u. erweiterte Aufl. VIII u. 98 S. 1893. M. 2

IX, 3/4. Die Apostelgeschichte. Textkritische Untersuchungen und Textherstellung

von Bernh. Weiss. 313 S. 1893. M. 10

X, Aussercanonische Paralleltexte zu den Evangelien gesammelt u. untersucht

von Alfred Resch.

1. Textkritische u. quellenkritische Grundlegungen. VII, 160 S. 1893. M.5

2. Paralleltexte zu Matthäus und Marcus. VIII, 456 S. 1894. M. 14.50

XI, 1. DasKerygma Petri. Kritisch untersucht von Ernst von DobschUtz. VII, 162 S.

1893. M. 5

XI, 2. Acta SS. Nerei et Achillei. Text u. Untersuchung von Hans Achelis. IV, 70 S.

1893. M. 3

XI, 3. Das Indulgenz-Edict des römischen Bischofs Kailist kritisch untersucht und

reconstruiert von Ernst Rolffs. VIII, 139 S. 1893. M. 4.50

XI, 4. Textkritische Studien zum Neuen Testament von Wilhelm Bousset. VIII,

144 S. 1894. M. 4.50

XII, 1. Der Chronograph aus dem zehnten Jahre Antonins. Von Adolf Schlatter.

IV, 94 S. Zur Überlieferungsgeschichte der altchristlichen Litteratur. Von Adolf

Harnack. 32 S. 1894. M. 4

XII, 2. Tertullian's Gegen die Juden auf Einheit, Echtheit, Entstehung geprüft von

E. Noeldechen. IV, 92 S. Die Predigt und »las Brieffragment des Aristides auf ihre Echtheit unter- sucht von Paul Pape. 36 S. 1894. M. 4

vi,

4.

VH,

1.

VII,

2.

VII,

8/4.

VIII,

1/2.

VIII,

3.

TEXTE UND I NTERSi CHI \(;e\

ZUR G-ESpHKJHTB DER

ALTCHRISTLICHEN LITERATUR

HERAUSGEGEBEN VON

OSCAR von &EBHARDT und ADOLF HAMACK XII. BAND HEFT 1

TEKTÜLLIAFS GEGEN DIE JUDEN

AUF EINHEIT, ECHTHEIT, ENTSTEHUNG GEPRÜFT VON

E. NOELDECHEN.

DIE PREDIGT UND DAS BRIEFFRAGMENT

DES

ARISTIDES

AUF IHRE ECHTHEIT UNTERSUCHT

VON

PAUL PAPE.

LEIPZIG

J. C. HINRICHS'SCHE BUCHHANDLUNG

1894

IGNATIUS VON ANTIOCHIEN

ALS

CHRIST UND THEOLOGE

EINE DOGMENGESCHICHTLICHE UNTERSUCHUNG

VON

EDUARD FREIHERRN VON DER GOLTZ

LIC. et CAND. THEOL.

GRIECHISCHE EXCERPTE

AUS

HOMILIEN DES OMGENES

VON

ERICH KLOSTERMANN

LEIPZIG

J. C. HINRICHS'SCHE BUCHHANDLUNG

1894

IGNATIUS VON ANTIOCHIEN

ALS

CHRIST UND THEOLOGE

EINE DOGMENGESCHICHTLICHE UNTERSUCHUNG

VON

EDUARD FREIHERRN VON DER GOLTZ

LIC. et CAND. THEOL.

Texte u. Untersuchungen. XII, 3. Leipzig 1894.

MEINEM VATER

IN DANKBARER LIEßE.

DER VERFASSER,

Vorwort.

Vorliegende Arbeit hat im vorigen Winter der boehwürdigen Berliner theologischen Fakultät als Probeschrift zur Erwerbung des Licentiatengrades vorgelegen. Wenn ich sie jetzt, ermutigt durch die Anerkennung meiner Lehrer, mit einigen Ergänzungen und Verbesserungen der Öffentlichkeit übergebe, so möchte ich das nicht thun, ohne auch an dieser Stelle meinen hochverehrten Lehrern in Halle, Berlin und Bonn meinen tiefempfundenen Dank auszusprechen für alle von ihnen erfahrene Anregung und För- derung während meiner Studienzeit. Ganz insbesondere gilt dieser Dank meinem hochverehrten Lehrer Herrn Professor Ad. Harnaek. in dessen Seminar ich die erste Anregung zur Beschäftigung mit den apostolischen Vätern erhalten habe, und welcher in allen Stadien dieser Arbeit mir seinen Rat und seine Anleitung hat zu Teil werden lassen. Wenn ich diese Arbeit meinem Vater widme, so möchte ich damit nicht nur eine Pflicht kindlicher Dankbarkeit erfüllen, sondern auch ein öffentliches Zeugnis des Dankes geben, den ich ihm als meinem theologischen Leiter und Lehrer schulde.

Im August 1894.

r>

Der Verfasser.

%

Inhaltsübersicht

Seite Einleitung. Vorarbeiten S. ltfc Aufgabe S. 6. Historische

Voraussetzungen S. 7tt'. 1 10

Erster Teil: Darstellung der christlichen Anschauung und der

theologischen Gedanken des Ignatius 11 88

Einleitung: Der allgemeine Grundcharakter der ignatia-

nischen Anschauung 11 12

I. Glaube an Gott und Christus 13 28

1. Der Ewigkeitecharakter der Offenbarung Gottes in

Christo 14—17

2. Die scheinlose Geschichtlichkeit der Erscheinung Gottes

im Menschen 17 19

3. Das Bild von der geschichtlichen Person Jesu . . . 19 20

4. Die Bedeutung der Gottheit Christi 21 2<S

II. Die einzelnen Heilsthatsachen und ihre Heilsbe-

deutung 28 37

1. Geburt und Gesamt-Erscheinung 2$ 20

2. Tod und Auferstehung 29 37

III. Eschatologische Gedanken und die Auffassung des

christlichen Heilsgutes im Verhältnisse zu ihnen 37 41

1. Eschatologische Gedanken 37 39

2. Das Heilsgut als Gegenwärtiges und Zukünftiges 39 41

IV. Das christliche lieben in Glaube und Liebe . . 41—59

1. Glaube und Liebe als Grundprinzipien des Leben« 41 47

2. Die Motive des christlichen Handelns 47 59

a. Die innerliche Gebundenheit au Gott. S. 48.

b. Die innerliche Gebundenheit an Christus. S. 49.

c. Das Vorbild Christi. 8. 49. d. Dankbarkeit gegen Christus. S. 50. e Ehre Gottes und des christlichen Namens. S. 51. f. Gebote Christi und der Apostel. S. 52. g. Asketische Motive. S. 53. h. Die Hoff- nung auf Vergeltung. S. 57. i. Die Furcht vor Strafe. S. 58.

V. Christus und die Gemeinde 59 86

Vorbemerkungen S. 59. 60.

VIII Inhaltsübersicht.

1. Die geschichtliche Veranlassung der kirchlichen Kr- Seite

mahnungen GO 62

2. Die allgemeine Kirche und die Einzelgeuieinde in

ihrem Verhältnis zu einander und zu Christus . 02 66

3. Das Gcsamtleben und die genieinsamen (Jüter der

Gemeinde 67 09

4. Die gottesdienstliehe Einheit (Taufe und Herrenmahl) GO 74

5. Beurteilung der Anschauung des Ignatius von der Kirche 74 7.S G. Die Autoritäten der Gesaintkirche 78 80

a. Apostel. S. 78. b. Evangelium. S. 78-80. c. Altes Testament. S. 80—86. Rückblick. S. 86—87.

Anhang zum ersten Teil: Die sprachliche Eigentüm- lichkeit der ignatianischen Briefe 88 08

a. Wortschatz. 8. 88-90. b. Stil. S. 00-03. c. Formelhaftes und Liturgisches. S. 03—98.

Zweiter Teil: Ote christlichen Anschauungen des Ignatius nach

ihrer geschichtlichen Entstehung und Bedeutung 99—177

1. Paulus und Ignatiue 100—118

Vorbemerkung. 8. 100.

1. Die älteren Paulusbriefe 100—103

2. Epheser» und Kolosserbrief 103-107

a. Epheserbrief. 8. 103-105. b. Kolosserbrief. . 100—107

3. Die Pastoralbriefe 107— HS

a. Die Polemik gegen die Irrlehrer. 8, 107 110.

b. Die christliche Lehranschauung. S. 110 115.

c. Kirche und kirchliches Amt. S. 115— 118.

IT. Ignatius und Johannes HS 114

Vorbemerkung 8. 118—119.

A. Die geistigo Verwandtschaft 119—131

1. Die johanneischen Grundgedanken bei ignatius . . 110—127 a. Der Glaube an Jesus Christus. 8. 119—121. b. Die Heilsthatsachen und die Heilsgüter. S. 121 122.

c. Das neue Leben in Glauben und Liebe. 8. 122 124.

d. Stellung zum Alten Testament und zum Judentum. S. 124—127.

2. Die Verwandtschaft mit der johanneischen Apokalypse 127—129

3. Der Antheil des Ignatius an einer in Kleinasien ver-

breiteten „johanneischen" Anschauungsweise . . 129—131

B. Prüfung der litterarischen Verwandtschaft . 131 144

1. Einzelne Stellen 131—130

2. Benutzung der synoptischen statt der johanneischen

Erzählung 137—138

3. Die Selbständigkeit der Form bei Ignatius . . .• . 139—140

Inhaltsübersicht.

IX

4. Das literarische Verhältnis Justins und der aposto- Seite lischen Väter zu Johannes im Vergleiche mit dem

des Ignatius 140 144

III. Die geschichtliche Bedeutung der igrtatianischen Auffassung des Christentums in seiner Zeit und

ihr Verhältnis zur späteren Entwicklung . . . 144—177

A. Ignatius und seine Zeitgenossen. (Apostolische

Väter und Apologeten) . 144 151

B. Ignatius und die spätere Entwicklung . . . 151—169

1. Die Ansätze zur nächsten geschichtlichen Weiterbildung 151 160 a. <iuostische Elemente. 8. 152—154. b. Marcion.

S. 154—156. c. Irenäus. 8. 156—160.

2. Anticipationen der spätem Entwicklung 160—165

a. Christologie und HeilsaufTassung (Melito, Noet, Me- thodius). S. 160 161. b. Begriff der Kirche (Cyprian

und Pseudodionysius). S. 162 165.

C. Ignatius und die kleinasiatische Tradition . . 165 177 Anhang zum zweiten Teil: Tabellen I— III . . . . 178—206

Tabelle I Ignatius und Paulus (ältere Briefe) .... 178—184

Tabelle II Deuteropaulinische Litteratur 186—196

Tabelle III Ignatius und Johanneische Schriften . . . 197—206

Abkürzungen.

Ign.

=

Ignatius.

Pls.

=

Paulus.

Joh.

=

Johannes.

Past.-Br.

=

Pastoralbriefe.

P. Eph.

.-=

Paulinischer Epheserbrief.

P. Rom.

=

Römerbrief.

Eph.

Brief des Ignatius an die Epheser.

M.

=

Magnesier.

Ti-

=

Iraner.

ll.

=:

Römer.

Phld.

=

Philadelphia-

Sin.

=

., ., Sniyrnäer.

Pol.

=

., Polykarp.

Eph. iscr.

lnscriptio des Briefs an die Epheser.

Druckfelllerberichtigung.

s. s. s. s.

s.

s.

9 Zeile 9 von oben streiche das Komma hinter Tradition 51 Zeile 1 lies Andern statt anderen 56 Zeile 1 lies uyvtlti statt <yvtlu 68 Zeile 14 lies Phld 7, i statt Ph. VII, i

117 Ze 13! Ze

le 15 von unten lies 9t-ov statt &eot le 4 von oben lies /<»} statt fiv

8. 150 Zeile 5 von unten lies testen statt besten

Einleitung.

Die sieben uns in der kürzeren griechischen Recension er- haltenen Briefe des Bischofs Ignatius von Antiochien nehmen unter den Schriften der apostolischen Väter in mehrfacher Hin- sicht eine hervorragende und eigenartige Stellung ein. Trotz ihres geringen Umfanges bieten sie so viele Probleme, so viele wert- volle christliche Gedanken in einem sehr originellen knappen Stile und verraten uns für die Zeit, aus der sie sein wollen, so eigentümlich entwickelte kirchliche Verhältnisse, dass es nicht zu verwundern ist, wenn ihre Echtheit so lange bestritten und ihr Inhalt in den Dienst der verschiedensten Theorien über die ersten Entwicklungsstufen des Christentums gestellt worden ist. Am meisten für den Beweis der Unechtheit verwertet und am gründ- lichsten untersucht ist ihr Episkopalismus. Auch die Frage, welche Häresien der Verfasser bekämpft, ist nach allen Seiten erwogen und sehr verschieden beantwortet worden. Am wenigsten hat dagegen ihr dogmengeschichtlicher Gehalt Berücksichtigung gefunden. Derselbe konnte zur Entscheidung der Echtheits- und Zeitfrage auch nur mit grosser Beschränkung verwendet werden, und unter der früher sehr verbreiteten Voraussetzung der Un- echtheit sind die Gedanken, Aussagen und Formen des unselb- ständigen Machwerks von ziemlich untergeordnetem Interesse. Die neueren umfangreichen Untersuchungen von Zahn *), Lightfoot2) und dem katholischen Theologen Funk3) haben aber gründlich nachgewiesen, dass die sieben Briefe, welche Eusebius nennt, in

1) Th. Zahn, Ignatius v. Antiochien. Gotha 1873 u. Patruin apostol. opp. fasc. II. Lipsiae 1870.

2) J. B. Lightfoot, The apostolic fathers, Part. II. Ignatius a. Poly- carp, Vol. I— III. London 1889.

3) F. X. Funk, Die Echtheit der ignatianischen Briefe. Tübingen 1883. Texte u. Untersuchungen XII, 3. 1

2 v. d. Goltz, Ignatius.

der kürzeren griechischen Recension echt sind. Bisher ist kein ausführlicher Versuch gemacht worden, Zahn und Lightfoot zu widerlegen. D. Völter ') hat durch seine Untersuchung der Frage nichts geändert; denn in Betreff der 6 kleinasiatischen Briefe verteidigt er selbst den unverfälschten ursprünglichen Cha- rakter, und seine Gründe für Abtrennung de3 Römerbriefs als eines unechten spätem Machwerks sind in keiner Weise über- zeugend. Nur durch starke Übertreibung und Aufbauschung der Eigentümlichkeiten desselben, durch viel zu ausgedehnte Ver- wendung des argumentum ex silentio und durch die Vorstellung von einem Fälscher, der unglaublich raffiniert und geschickt einer- seits und ebenso unvorsichtig, vergesslich und ungeschickt andrer- seits gewesen sein müsste ein Bild, das mir hier wie ander- wärts nie einleuchten will weiss V. seine Verwerfung des originellen Briefs, den Renan allein für echt halten wollte, zu begründen. Noch willkürlicher ist die Unterscheidung des Ver- fassers der echten Briefe, eines christlichen Märtyrers, von dem altern antiochenischen Bischof und seine Vermutung, Peregrinus Proteus sei jener Verfasser. Ich kann überhaupt keine über das Natürliche oder Zufällige hinausgehende Verwandtschaft mit den Schilderungen Lucians entdecken. Wie Harnack (Theol. L. Z. 1894Nr.3.S.73ff.), so scheint auch mir die Proteus-Hypothese kaum diskutierbar. Letzteres gilt allerdings in noch höherm Grade von dem Vorschlag D. Killen* s2), der dem Bischof Calixt die Ehre der Autorschaft zu verschaffen sucht.

Darf demnach, wie auch Harnack3) und Loofs4) annehmen undReville5) von neuem dargethan hat, die Echtheit der sieben Briefe als wissenschaftliches Ergebnis neuerer Forschung gelten, so gewinnt eine Untersuchung der Gesamtauffassung des Ignatius neues besonderes Interesse. Es fehlt nicht an Vorarbeiten in dieser Richtung. Zahn hat in seinem Werke über I. v. A. S. 433—490 ein Kapitel unter der Überschrift: Der Theologe.

1) D. Völter, Die ignatianschen Briefe auf ihren Ursprung unter- sucht. Tübingen 1892.

2) W. D. Killen, The Ignatian. epistles entirely spurious.

3) Harnack, Theol. L. Z. 1886 S. 318; 1891 S. 374.

4) Dogmengeschichte 1890 u. Stud. u. Krit. 1890 S. 658.

5) Jean Reville, Etudes sur Porigine de Vepiscopat in Revue de l'histoire des religions. Tora. XXII 1890 (Paris) S. 1-26,123-100, 267-288

Einleitung. 3

Hier stellt er zumal diejenigen theologischen Äusserungen des Ignatius zusammen, welche durch den Gegensatz gegen doketische und judaistische Häretiker bestimmt sind. Indem er sich hierbei im wesentlichen auf die direkten Aussagen des Bischofs be- schränkt, sind demgemäss nur die Polemik gegen jüdische Ge- setzlichkeit, die antidoketischen christologischen Formeln und ihre Bedeutung in Erwägung gezogen, und die ganze Abhandlung dient nur dem Erweise der Echtheit. Für diesen Zweck war es das Wertvollste zu zeigen, dass die lehrhaften Äusserungen des Ignatius mehr gelegentlich veranlasste als dogmatisch selbständige sind, dass sie miteinander in Einklang stehen und mehr aposto- lische Einfachheit als kirchliche Korrektheit besitzen. Solche Verteidigung war besonders herausgefordert durch die Baur' sehe1) und die Hilgenfeld'sche2) Kritik. Letzterer hatte den dogma- tischen Charakter durchaus anders zu bestimmen und damit Un- echtheit und spätes Datum zu erweisen versucht. Nachdem er die Gegner als gnostisch-doketische Irrlehrer vielleicht Valen- tinianer charakterisiert, unterscheidet er bei der Darstellung des dogmatischen Gedankenkreises der Briefe selbst: „Die pauli- nische Grundlage", „Das gnostische Element" und „Das katholische Prinzip", verbindet also mit der Darstellung der igna- tianischen Gedanken unmittelbar die dogmengeschichtliche Kritik und Analyse. „Die paulinische Grundlage" ist bei Hilgenfeld nichts mehr als die antijudaistische Polemik. Partiellen Gnosti- cismus weist er an einigen Vokabeln und an dem angeblichen Intellektualismus und Dualismus nach, und aus beiden zusammen soll sich das katholische Prinzip ergeben. Im wesentlichen be- schränkt auch er sich auf die Erörterung der direkten Lehraus- sagen des Verfassers, ihnen zugleich eine dogmengeschichtliche Stellung anweisend. Das Resultat, welches er dabei gewinnt, ist allerdings nicht mehr zu halten, nachdem inzwischen die Vor- stellung vom Paulinismus, vom Gnosticismus und von der Ent- wickelnng zur altkatholischen Kirche bedeutende Änderung und Klärung erfahren hat. Die beste Widerlegung giebt Light foot Vol. I, S. 373 ff. in einer Erörterung der theologischen Polemik

1) Die ignatianischen Briefe u. ihr neuester Kritiker. Streitschrift gegen Jos. Bunsen von F. Chr. Baur. Tüb. 1848.

2) A. Hilgenfeld, Die apostol. Väter. Halle 1853, S. 226— 251.

1*

4 v. d. Goltz, Ignatius.

zum Zwecke des Echtheitsbeweises und in dementsprechender Beschränkung auf die direkten polemischen und apologetischen Äusserungen. Dagegen setzt noch Pf leider er1) in dem den ignatianischen Briefen gewidmeten Abschnitte seines „Paulinis- mus" die Unechtheit einfach voraus und charakterisiert den Stand- punkt der Briefe als einen dogmatisch verschärften und kirchlich- hierarchisch ausgeprägten Paulinismus. Einzig unter dieser Be- leuchtung betrachtet er die Briefe. Festgehalten findet er den rechten Paulinismus nur in der antijudaistischen Polemik. Im übrigen sucht er seine Verflachung nachzuweisen und geht dabei nicht nur auf die Christologie und die kirchliche Verfassung, sondern auch auf die subjektive Seite, z. B. auf die Begriffe und das Verhältnis von jtlürig und ayanr) ein. Er berührt damit eine sonst gar nicht angefasste Aufgabe: die nicht direkt aus- gesprochenen aber doch überall erkennbaren Züge der subjektiven Seite der ignatianischen Anschauungen zu untersuchen. Aber er thut dies nur, um das Verhältnis zu Paulus zu prüfen, und auch dies nicht in erschöpfender Weise. Ebenso entschieden wie er dabei die Unechtheit voraussetzt, setzt Dorner2) in der Ge- schichte der Lehre von der Person Christi die Echtheit voraus. Er giebt eine wertvolle Charakteristik der Grundanschauung des Ignatius und seiner Christologie und weist auch auf paulinischen und johanneischen Einfluss hin, ohne dies indessen näher zu be- stimmen, und beschränkt sich im wesentlichen ebenfalls auf die direkten Lehraussagen der Briefe. An diese Ausführungen knüpft Jos. Bunsen3) an und führt in breiten, sehr viel abschweifenden Ausführungen die Trümmer vor, welche für ihn von der Dorner- schen Auffassung nach den drei Briefen syrischer Recension, die er allein für echt hält, übrig bleiben: Christus als Offenbarung des ewigen Gottes und neues Prinzip in der Menschheit, Kon- zentration des christlichen Lebens in Glaube und Liebe, An- sätze zu einer Trinitätslehre, die Auffassung des Abendmahls nach Joh. 6, und die weltumfassende Bedeutung des Christentums

1) 0. Pf leiderer, Paulinismus. 1873 S. 482 ff. 1890. S. 487 ff

2) J. A. Dorner, Entwickelungsgeschichte d. Lehre v. d. Person Christi. 2. Aufl. Stuttgart 1845. Erste Abteil. S. 145—167.

3) Chr. C. Jos. Bunsen, Tgnatius v. Antiochien u. se. Zeit. Sieben Sendschreiben an Dr. A. Neander in d. Schriften d. Akademie v< Hamm. II. Bd. 2. Abt. Hamburg 1847, vgl. 6tes Sendschreiben S. 145—178.

Einleitung. 5

im allgemeinen. Die Frage nach der litterarischen Abhängigkeit von Paulus und Johannes bejaht Bunsen. Seine Ausführungen leiden aber nicht nur an einer grossen Unbestimmtheit, sondern sind auch durch die unhaltbare Beschränkung auf die drei syr. Briefe sehr bedeutend beeinträchtigt.

Unter den älteren Arbeiten sind schliesslich auch die Er- örterungen von R. Rothe1) beachtenswert, der mit grosser Plero- phorie für die Echtheit eintritt und bei ihrer Verteidigung auch vielfach die Theologie des Bischofs berührt, ihren christozentri- schen, einfachen, eigentümlichen Charakter hervorhebt und zumal den Unterschied von der späteren orthodoxen Lehre durch einen Vergleich mit den interpolierten Briefen illustriert. Auch giebt er eine gute Darstellung von dem Kirchenbegriffe des Bischofs2). In allen wesentlichen Punkten von ihm abhängig, aber ohne wissenschaftlichen Wert ist eine kleine Arbeit von C. E. Franke3) über die Theologie des Ignatius, welche in naiver, unkritischer Weise die ganze lutherisch -konfessionelle Dogmatik den Haupt- zügen nach in den Briefen wiederfindet. Kritischer und ver- ständiger ist das, was F. Lübkert in einer kleinen systematischen Darstellung der „Theologie der apostolischen Väter"4) über Ign. zusammenstellt. Er giebt freilich nur eine ungesichtete Stoff- sammlung, die aber als solche, wenn auch durchaus unvoll- ständig, einen gewissen Wert hat, zumal auch die Berührungen mit dem N. T. behutsam und mit kritischer Vorsicht gesammelt sind. Die Episkopatsidee des Ignatius hat neuerdings auch Reville (vgl. S. 2 Anm. 5) auf Grund der Arbeiten von Zahn und Lightfoot ausführlich und treffend erörtert. Nur fehlt auch hier die Klarstellung des Zusammenhangs der Anschau- ungen vom Episkospat mit der sonstigen Gesamtauffassung des Christentums.

Den Versuch einer nach allen Seiten vollständigen systema- tischen Darstellung der Anschauungen des Ignatius hat bisher

1) R. Rothe, Anfänge d. christl. Kirche und ihrer Verfassung. Bd. I. Wittenberg 1837. Beilage S. 715—784.

2) Rothe, ebenda S. 145—178.

3) Zeitschrift für luth. Theol. u. Kirche 1842 S. 116—164.

4) F. Lübkert, Die Theologie der apostolischen Väter mit hiator. u. krit. Bemerkungen über ihre Schriften. Gotha 1854.

6 v. d. Goltz, Ignatius.

nur der katholische Prof. Nirschl1) gemacht. Von der Über- zeugung ausgehend, dass Ignatiiu nicht nur ein Bischof von Antiochien, sondern auch Schüler des Apostels Johannes, zweiter Nachfolger des Petrus, der angesehenste Bischof des ganzen Morgenlandes sei, findet er ohne jede Kritik, aber mit grosser Auslegungskunsfc in den Briefen d:^ ganze tridentinische Kirchen- lehre wieder: Trinität, Zwei-Naturen-Lehre, sichtbare katholisch- apostolische Kirche mit allen Prädikaten, göttlichen Episkopat und römischen Primat, Transsubstantiation und alle sieben Sakra- mente, und schliesslich sogar die ganze tridentinische Lehre von Busse und Rechtfertigung. Eine solche Arbeit braucht nicht im Einzelnen widerlegt zu werden, da sie von total falschen Voraus- setzungen ausgeht. Aber um so nötiger ist es, vom Standpunkte protestantischer Wissenschaft aus zu zeigen, welche Anschauungen die ignatianischen Briefe wirklich enthalten2). Unsere Übersicht über die protestantische Litteratur giebt den Nachweis, dass eine neue Untersuchung der christlichen Anschauungen und der theo- logischen Gedanken des Ignatius v. Antiochien von Wert sein dürfte, und sie giebt zu gleicher Zeit die Grundsätze für die Behandlung an die Hand.

Es ist von der hinlänglich gesicherten Voraussetzung der Echtheit aus eine Gesamtanschauung von der Auffassung des Ignatius vom Christentum zu gewinnen, so, dass sowohl die objektive als die subjektive Seite, die dog- matische sowohl wie die ethische, die individuelle nicht minder als die kirchliche zur Geltung kommen. Hierzu sind nicht nur die Lehraussagen der Briefe an sich, sondern auch deren Verhältnis zum Ganzen, sowie kleine Beobachtungen am Sprachgebrauche zu verwerten, wogegen die antihäretische Seite als mehr accidentelle etwas zurücktreten darf. Soweit sich

1) Dr. Jos. Nirschl, Die Theol. d. heil. Ignatius d. Apostelschülers u. Bisch, v. Antioch. aus seinen Briefen dargestellt. Mainz 1880 ; in gleicher Richtung vgl.: Dr. Dreher, De Christo deo doctrina Ign. Antiochensis Progr. d. Kön. Kath. Gymn. zu Siguiaringen 1876/77.

2) Dies ist um so wichtige? als die römische Polemik gern Citate aus Ign. benutzt, um den Protestanten das hohe Alter ihrer Anschauungen zu beweisen und sich nunmehr darauf berufen kann, dass auch die protestan- tische Wissenschaft die Echtheit und das hohe Alter der Briefe anerkannt habe, so z. B. Prof. Einig in Trier im Streit mit Beyschlag 1893/94. (Offene Antwort S. 20.)

Einleitung. 7

aus den kurzen Urkunden ein Ganzes gewinnen lässt, ist dieses dann auf die Art seiner Bestandteile zu unter- suchen. Diese Analyse wird mehr darauf ausgehen müssen, geistig-innere Verwandtschaftsverhältnisse aufzudecken, als litterar- kritische Einzelfragen zu lösen. Solche kommen nur insoweit in Untersuchung, als sie zugleich auf die theologische Charakteristik entscheidenden Einfluss haben. Dies ist nur beim Verhältnis zur johanneischen Litteratur der Fall. Ausser der Erörterung der Be- ziehung zu neutestamentlichen Schriften und Männern wird ein Vergleich mit den Zeitgenossen des nachapostolischen Zeitalters, eine Prüfung, wie weit die heidnische Abstammung des Verfassers auf seine Gedankenwelt einwirkt, und schliesslich eine Fixierung der Anknüpfungspunkte für die spätere kirchliche Entwickelung zur allseitigen Charakteristik beitragen. In dieser Richtung giebt schon Loofs eine Skizze in seiner Dogmengeschichte 15 cf. 17,i. 18,8,24. 21,i. 27,s a u. b), und reiche Ausbeute in zerstreuten Bemerkungen bietet Harnack's Dogmengesch. I (besonders die 3. Aufl. 1894) und Lightfoot's grosser Kommentar (Vol. II).

Was die historischen Voraussetzungen für unsere Unter- suchung anbetrifft, so ist darüber so Ausführliches bei Zahn und Lightfoot zu finden, dass es müssig sein würde, hier dasselbe zu wiederholen. Nur wenige Bemerkungen mögen unsere Stellung zu strittigen Fragen angeben. Zuerst: Wann hat Ignatius ge- schrieben?

Der augenblickliche Stand dieser Frage scheint mir folgender zu sein. Nachdem Zahn mit zu grossem Vertrauen sich auf die eusebianische Tradition stützend nach dieser das Martyrium, des Bischofs mit Sicherheit unter Trajan gesetzt hatte *), hat Harnack2) durch seine bekannte Untersuchung über die Zeit des Ignatius dieses Vertrauen erschüttert und den schematischen Charakter der eusebianischen Bischofsliste aufgedeckt, daraus aber auch sofort den Schluss gezogen, dass auf die Tradition vom Martyrium des Ignatius unter Trajan gar kein Wert mehr zu

1) Zahn, Ign. v. A. S. 56 ff.

2) Ad. Harnack, Die Zeit des Ignatius und die Chronologie der'an- tiochenischen Bischöfe bis Tyrannus nach Julius Africanus und den spätem Historikern. Leipzig 1878.

8 v. d. Goltz, Ignatius.

legen sei. Erbes und Lipsius haben ihm widersprochen1), ohne jedoch eine bessere Erklärung für den aufgedeckten Thatbestand zu geben. Beide nehmen die Verschiebung einer ursprünglichen Gleichsetzung der antiochenischen und der römischen Bischofs- liste an, und Lipsius geht wie Harnack auf Julius Africanus zurück, aber dann noch weiter auf eine noch vor diesem liegende alte Chronik, welche die antiochenische Bischofsliste bis auf die Apostel zurückgeführt habe. Wirklich gefördert ist die Sache erst durch die Beobachtung Horts, dass der Schematismus des Euseb kein in Olympiaden difiPerenzen berechneter sei, wie Harnack auf Grund der armenischen Lesart der römischen Liste annahm, sondern ein völlig synchronistischer, wie sich dies bei Zugrundelegung des Hieronymus-Textes (für die römische Liste) herausstelle. Das Recht, letzteren für einen dem ursprünglichen Text Eusebs näherstehenden halten zu dürfen, hat Light foot nachgewiesen2). Welcher Art der eusebianische Schematismus sei, ist aber letztlich indifferent. Jedenfalls steht fest, dass ein solcher vorhanden ist, und das nimmt der Datierung auf Trajans Zeit natürlich jede Sicherheit. Rührt nun, wie man mit Harnack gleichfalls als gewiss annehmen darf, dieser Schema- tismus von Julius Africanus her und zeigt sich doch gerade beim Amtsantritt des Hero, des Nachfolgers des Ignatius, eine Unregel- mässigkeit, so wird man die Möglichkeit einer richtigen histo- rischen Tradition über die Zeit des Ignatius zwar nicht aufs Jahr, aber doch nach der kaiserlichen Regierungsepoche für nicht so fernliegend erachten dürfen. Fehlt uns doch auch jedes dem Euseb widersprechende Zeugnis; die Angaben bei Origenes, der den Ign. als zweiten Bischof nach Petrus nennt, dürfen auch nicht ganz für nichts geachtet werden. Nur die Martyrien und den Joh. Malalas hätte Völter nicht wieder anführen sollen, um seine Idee von den zwei Martyrien, dem des römischen Ignatius, des Briefschreibers, und dem des antiochenischen Mär- tyrers, des alten Bischofs, durchführen zu können. Da wäre es

1) Erbes in d. Jahrb. f. prot. Theol. 1879 S. 464 ff Lipsius, Jahrb. f. prot. Theol. 1880 S. 236 ff ; dort oder in d. Resumäs der Verhandlungen bei Funk, Echth. d. ign. Brf. S. 124—133 oder Völter S. 68 ff ist das Nähere zu finden; vgl. auch Gutschmid in d. Theol. L. Z. 1880, 4.

2) Lightfoot, The Apost. Fathers. Part. I. Clement of Rome p. 224; vgl. Theol. L. Z. 1891 S. 426.

Einleitung. 9

doch besser, dem Zeugnis des Irenaeus und des Euseb in betreff der Authentie des Römerbriefs Glauben zu schenken, als so späten, unzuverlässigen Quellen wie dem Joh. Malalas. Ich glaube daher diesen Verhandlungen vorläufig als Resultat ent- nehmen zu dürfen, dass zwar die Datierung des Euseb nicht mehr als ein unbedingtes Veto gelten darf, wenn aus wichtigen inneren Gründen eine spätere Ansetzung unsrer Briefe für notwendig gehalten werden sollte, dass aber andrerseits die unwidersprochene Einheitlichkeit der Tradition, über das Martyrium unter Trajan, für welche indirekt auch Origenes zeugt, durch den Schematismus der einzelnen Zahlen in der Liste des Julius Afric. resp. des Euseb nicht so belanglos wird, dass sie nicht ein Gegengewicht gegen partielle innere Schwierigkeiten bieten dürfte. Wenn es nicht gelingt, auf dem Wege der innern Kritik eine Entscheidung herbeizuführen, wird man einstweilen auf eine solche verzichten müssen, weshalb sie denn auch unsrer Untersuchung nicht zu Grunde gelegt werden darf. Dieselbe muss selbst einen Beitrag zur Lösung der Zeitfrage liefern. Die erwiesene Echtheit der Briefe beschränkt den möglichen Zeitraum auf die erste Hälfte des zweiten Jahrhunderts. Was die Frage nach den Irrlehren, welche Ign. bekämpft, angeht, so scheint es mir notwendig, zu- nächst jeden Brief für sich zu betrachten. In Ephesus, Tralles und Smyrna ist die Einheit der Gemeinde jedenfalls durch doke- tische Bestrebungen gefährdet, welche bisher noch von aussen an die Gemeinde herantreten, deren Propaganda aber durch die Unregelmässigkeit der christlichen Gemeindefeiern und den Mangel an festem Zusammenhalt erleichtert wird. Letzteres ist ein Fehler, den Ign. in allen fünf Gemeinden rügt und durch eindringliche Mahnungen zur Einheit zu beseitigen sucht. Die Gefahr ist erst im Entstehen, und der feste Zusammenschluss der Gemeinden und aller ihrer Glieder unter ihren Leitern soll das Eindringen der fremden Lehren in die Gemeinde hindern und vor Zersplitterung und Streit behüten. In den Briefen nach Magnesia und Philadelphia wird vor Doketismus nicht ausdrück- lich gewarnt, obwohl diese Nachbarstädte doch gewiss ebenso wenig vor jener Propaganda geschützt waren. Hier bekämpft Ign. den Judaismus, der noch an der jüdischen Sabbathfeier festhielt, allen unnützen (iv&evftara Glauben schenkte und da- durch die Gnade Christi verleugnete (M. 8—11). In Philadelphia

10 v. d. Goltz, Ignatius.

waren diese Judaisten heidnischer Abstammung, hatten augen- scheinlich schon in der Gemeinde Boden gefunden, und mit lgn. bei dessen Durchreise disputiert; kurz nach des Bischofs Abreise war es zu einer wirklichen Spaltung gekommen. Es handelte sich dort, wie wohl auch in Magnesia u. a. um die Autorität des A. T., sei es um das jüdische Gesetz (Sabbath, Beschneidung, Priester), sei es auch um die Propheten, über die lgn. mehrfach sich ausspricht. Soviel kann mit Sicherheit behauptet werden. An geeigneter Stelle in unsrer Untersuchung soll der Versuch gemacht werden, diese Angaben zu kombinieren. Als sichere Voraussetzung für das Ganze darf aber eine solche Kombination nicht behandelt werden, zumal sie von mir in einer neuen Form vorgeschlagen wird. Deshalb vorläufig nur diese kurze Erinnerung an die sicheren Punkte.

Über die Persönlichkeit des Ignatius J) wissen wir wenig. Jedenfalls war er heidnischer Abstammung. Er scheint eine leicht erregbare Art gehabt zu haben und jedenfalls eine gewisse Überschwänglichkeit, die besonders im Römerbrief hervortritt. Auf ihre Rechnung ist auch das Mass der Ergebenheits- und Demutsausdrücke zu schreiben, die sich übrigens an paulinische zum Teil anlehnen.

1) Vgl. besonders die vorzügliche Charakteristik v. R. Rot he, Anf. d. ehr. K. S. 718 ff.

Erster Teil.

Darstellung der christlichen Anschauung und der theologischen Gedanken des Ignatius.

Einleitung.

Für unsere Aufgabe, ein Bild von dem Christentume des Bischofs zu gewinnen, gilt es zu beachten, dass wir nur Urkunden von geringem Umfang besitzen und aus ihnen wiederum nur er- sehn, welches seine christliche Anschauung zur Zeit seiner Reise war. Wir kennen nichts von Ignatius aus der Zeit, wo er ruhig in der Gemeinde seines Dienstes waltete. Wir kennen nur die Äusserungen des Mannes, der, schon zum Tode verurteilt und in Ketten gelegt, in der Hoffnung das höchste Ziel des Christen in wenig Wochen durch den Märtyrertod zu erreichen, an fremde Gemeinden seine Ermahnungen in ziemlicher Erregung nieder- schreibt. Zugleich stand er unter dem unmittelbaren Drucke der Sorge um das Umsichgreifen einer gefahrlichen Irrlehre und Spaltung. Beides muss seinen Gedanken eine ganz bestimmte individuelle Wendung gegeben haben und erschwert es uns, eine allseitige Charakteristik seines Christentums so zu geben, dass wir annehmen können, nicht nur ein Momentbild, sondern ein Porträt vor uns zu haben. Ein Zug aber geht unverkennbar durch alle sieben Briefe: Die zentrale Stellung, welche Jesus Christus im Denken und Empfinden des Bischofs einnimmt. x) In aller Erregung und Sehnsucht klingt ein Wunsch durch: IxbIvov d-iXco top vjtsQ tjficov ajio&apopTa , hxelvov tljTW TOP öl* q/täg äpctöTapTa (R 11), und in allem Eifer gegen die Irr- lehrer lautet seine Klage: Was nützen mir die, die mich loben, aber meinen Herrn schmähen; gegen alle Berufung auf die dgxsta

1) Dies iat der allererheblichste Unterschied d. ignatian. Briefe von der gesamten übrigen nachapostolischen Litteratur, welche die Person Christi sehr zurücktreten lässt.

|2 v. d. Goltz, Ignatiue.

des alten Bundes nur die eine Antwort: kfiol de aQxela 'irjOovQ Xqiöto$ e^c. Alle Wertschätzung der Propheten nur, weil sie Christum verkünden, alle Ehre den Bischöfen, weil sie iv yvcoftr] Xqiötov leben. Ein Bischof, Ein Lehrer: Jesus Christus. Er ist unser Leben. Wie können wir ohne ihn leben? (M 9, 2). Oft in sehr kühner Konstruktion fügt er als Schluss bei: 6 koxtv 'IrjöoZg XQidxoq, und zwar ist es der Herr, der vom Weibe ge- boren, getauft, für uns gestorben und auferstanden ist, und dessen Wiederkunft erwartet wird. Diese zentrale Bedeutung der ge- schichtlichen Person des Herrn und des Verhältnisses zu ihm teilen die ignatianischen Briefe mit den kanonischen, und das giebt ihnen ihren christlichen Wert, der über den theologischen hinausgeht. Von diesem Punkte aus sind alle Aussagen des Ignatius zu betrachten, denn auch ihm scheint sich von hier aus alle seine Erkenntnis erschlossen zu haben. Hier wurzelt auch sein heiliger Zorn gegen die Irrlehrer, hier seine fast krankhafte Sehnsucht nach dem Märtyrertode, hier gerade knüpfen die selb- ständigen theologischen Gedanken des Lehrers an. Halten wir dies als Mittelpunkt fest, was es bei Ignatius selbst war, nur dann ist es methodisch gestattet, aus den zerstreuten Gedanken und gelegentlichen Andeutungen in systematischer Weise ein Ganzes herzustellen.

Unsere Untersuchung wird daher nach einer kurzen Erörte- rung seiner Gottesvorstellung die Christologie voranzustellen haben, um dann die Auffassungsweise der Heilsbedeutung der Erscheinung Christi und seines Heilswerkes zu prüfen. Ist so ermittelt, welchen Seiten des Christus -Glaubens Ignatius am meisten abzugewinnen weiss, so schliesst sich daran von selbst sein Verständnis des christlichen Glaubens und Lebens beim Ein- zelnen sowohl wie in der Gemeinde. In der Betrachtung der Bedeutung und der Lebensbedingungen der letzteren fasst sich das Ganze noch einmal so zusammen, dass das Eigentümliche des ignatianischen Christentums scharf hervortritt. Diese Ein- teilung des Stoffes wird auch dem Umstände gerecht, dass in den direkten Lehräusserungen und Mahnungen des Bischofs das Christologische und das die Einheit der Gemeinde Betreffende beherrschend im Vordergrunde steht.

I. Glaube an Gott und Christus. 13

I. Glaube an ttott und Christus.

Handelt es sich um das Verständnis des Ignatius vom Christentum und ist das Christentum nichts anderes, als die durch Jesus Christus erschlossene rechte Gottesverehrung im Geist und in der Wahrheit, so fragen wir zuerst natürlicherweise nach der Vorstellung, die der Bischof von Gott hat, nach der Art, wie er von ihm redet. Wer das übliche Urteil über die Gering- wertigkeit der Gedanken des nachapostolischen Zeitalters teilt und wer es beim Studium von Clemens, Barnabas u. Hermas durch unmittelbaren Vergleich mit dem N. T. relativ bestätigt gefunden hat, der muss bei Ignatius eine unerwartete Ausnahme konsta- tieren. Während man bei jenen selten mehr als einen einfachen, edlen Monotheismus wahrnimmt und nur das Lob des Schöpfers und seiner Güte preisen, den Ernst seiner Vergeltung schildern hört, ohne dass die Liebe, die in Christo erschienen, genügend gewürdigt wird, steht bei Ignatius letzteres beherrschend im Vordergrunde 1). Irgendwelche Erörterung über Wesen, Eigen- schaften oder Werke Gottes findet sich in unseren Briefen nicht; ja nicht einmal Beiwörter, an denen Ignatius sonst reich ist, charakterisieren Gott als Schöpfer oder Weltlenker oder sonst in seiner kosmischen Bedeutung. Seine Namen jtarrjQ, kjtloxojtoq ütavxcov (M 3), Jioifii)v beziehen sich alle auf sein Verhältnis zu den Christen. Er ist der Vater überhaupt und der Vater Jesu Christi im Besonderen {&eoq jtat?jQ 10 mal; jrar^Q 8 mal; 6 JtartjQ 15 mal; TtarijQ 'Itjö. Xq. 5 mal; jtatfjQ vrpioroq lmal: R. iscr.). Der Monotheismus ist M. 8, 2 deutlich bezeugt, aber auch dort nicht um einer einheitlichen Weltanschauung willen, sondern um die unzerreissbare Einheit der christlichen Gemeinde zu betonen (ebenso M. 7, 2). Seine Unsichtbarkeit wird zusammen mit seiner allwissenden Allgegenwart hervorgehoben, um an die Verant- wortung gegenüber dem Unsichtbaren zu erinnern. Von andern

1) Man vergleiche nur:

Herrn. Mand. I ngdärov ndvxtov niaxsvaov oxi eig ioxiv b &soq

o xa ndvxa xxioag xal xaxagxlaag xal noirjoag ix xov firj

ovxog elg zo eivai xa ndvxa. u. Ign. M. 8, 2 slg xo 7iXrjgo(poQTj^vai xovg cc7tei9-ovvx(xg, oxi elg

&eog iaxtv 0 (parsQciaag tavxov öid 'fyoov Xgiaxov xov vlov

avxov. Vgl. ebenso 1 Clein. XIX ff. Herrn. Vis. I, 6 u. a.

14 v- d. Goltz, I^natiuH.

Eigenschaften kommen auch nur diejenigen vor, die sich in seinem Heilswerk bezeugen: seine Liebe (indirekt M. 5,2. Phld. 1, i. R. iscr.), seine Geduld (Eph. 11, i u. Pol. 6, 2), sein Mitleid (Tr. 12, 3. Phld. iscr. Sm. 12, 2), seine Gnade (M. 2. 8. Sm. 13 u. oft), seine durch die Christen zu bewahrende Ehre (dg rifirjv d-eov Eph. 21, 1 u. 2. M. 3, 2. Tr. 12, 2. Sm. 11, 2. Pol. 5, 2), sein Heils- wille (yvmur} od. üsXtjfia Eph. 3, 2 u. oft), seine kjzuLxeia (Phld. 1, 2) övpafiig (M. 3, 1. Sm. 1, 1) u. s. w. Die, welche diesen einen christlichen Gott nicht kennen, sind überhaupt a&EQi (Tr. 3, 2. Tr. 10, 1). Woher Ignatius diesen einfachen festen Glauben an einen persönlichen Gott und an dessen Liebe und Gnade hat, sagt er M. 8, 2: 6 (pavegmoag lavrbv diu xov vlov avrov. In ihm haben wir die Erkenntnis Gottes (Eph. 17, 2 kaßovteg &eoi yvwGiv 6 söriv Iijaovg Xq.). Dies ist bei unserm Bischof nicht nur eine gelegentliche Redewendung, sondern bezeichnet wirklich charakteristisch seine ganze Auffassungs weise. Sein Gottesglaube ist zugleich unmittelbar Christusglaube; daher muss seine Christo- logie besprochen werden, ehe das letzte Wort über seinen Gottes- begriff gesprochen werden kann. Durch Christus, seinen Sohn, hat sich der eine Gott offenbart. Wie dies näher zu verstehen ist, in welchem Verhältnis Gott und Christus zu einander gedacht sind und in welchem Sinne die göttlichen Namen auf Christus übertragen sind, ist also der nächste Gegenstand unsrer Unter- suchung.

I. Der Ewigkeitscharakter der Offenbarung Gottes in Christo.

Was in Jesu Christo erschienen ist, ist in der Ewigkeit bei Gott vorbereitet; es sind die fivorqQia XQavyijg1), die göttlichen Geheimnisse, welche nun eine laute Verkündigung geworden sind. In der Zeit der Ruhe Gottes sind sie bereitet und treten für die Welt und die Zeiten in Erscheinung, indem Jesus Christus er- schien, der helle Stern mit unaussprechlichem Lichte, der alle anderen Sterne überragt. Er ist der Hohepriester 2), dem die Ge- heimnisse Gottes anvertraut sind und der sie offenbart. Von dieser oixovoftia, die bei Gott ihren Anfang, ihre geschichtliche

1) Vgl. Eph. 19, 1-3.

2) Phld. IX, 1 xaXol xal ol IsQsIq, xQelaaov öe 0 dgxiSQSvg b nem~ ozevfihoq tu üyia t<5v ayiaiv, og /novog nenlaxBvtai xa xqvjixu xov 9sov.

I. Glaube an Gott und Christus. 15

Erscheinung aber und ihren letzten Zweck in dem xatvbq av- &Qcoxoq hat (Eph. 20, 1), verspricht der Bischof den Ephesern noch einmal genauer zu schreiben. Er ist aber wohl nicht mehr dazu gekommen. In unseren Briefen berührt er diese Vorberei- tung in der Ewigkeit nur ganz kurz und einfach im engsten Zusammenhange mit seinen christologischen Aussagen. Nähere Spekulationen finden sich nicht, aber in konkreter Realität wird der Ewigkeitscharakter der göttlichen Offenbarung zum Aus- drucke gebracht durch Hinaufdatierung in eine himmlische Ver- gangenheit. Aber diese antike Art, das Ewige zu denken, ist so unreflektiert und einfach wie bei Paulus und fern von den späteren mythologisierenden Formen.

Die Aufdeckung jenes göttlichen Geheimnisses bestand darin, dass Gott in menschlicher Lebensform offenbar wurde *). Damit nahm das bei Gott Vorbereitete seinen geschichtlichen Anfang (Eph. 20). Auch der Träger dieser Offenbarung ist aus der Ewigkeit. Er war jtqo alcovcov naoa. xaroi und erschien jetzt in der letzten Zeit (M. 6, i). In diesem Worte ist sowohl seine Verschiedenheit vom Vater als seine persönliche Präexistenz deutlich gegeben, also jeder ausgeprägte Modalismus ausge- schlossen. Ebenso sicher ist aber auch der geschichtliche Jesus als Ausgangspunkt kenntlich, wenn gerade dieser Satz gesagt ist von einem Jesus Christus, dessen öiaxovia den christlichen Dia- konen vertraut ist. Denn die öiaxovia 'lrjö. Xq. ist doch diejenige, die er selbst vorbildlich ausgeübt hat in seinem geschichtlichen Leben. Viel charakteristischer aber als diese immerhin viel- deutige Aussage ist eine andere M. 7,2: 'ityö. Xq. xov atp* evbg jtarQOQ JtQoeXd-ovxa xal elg eva ovxa xal xa)QV(iavTa' Hier ist Ausgang und Hingang mit dem beständigen Sein zusammen- gefasst, damit aber die zeitliche Betrachtungsweise überhaupt aufgehoben und das Sein beim Vater als eine ewige Grund- bestimmung gegeben, ohne dass die persönliche Vorstellungsweise dadurch beseitigt wäre. Dagegen fehlt jedes Wort von einer Beteiligung an der Schöpfung oder Weltregierung, wie wir sie bei Pls, Joh. und auch Herrn,2) finden. Die einzige Aussage

1) Ssov äv&QW7iivü)q <paveQOVft£vov elg xaivorrjta diöiov t,ct)r}g.

2) Sim. IX, 12,8 avfißovXov rcp nax^i (v. heil. Geist) cf. Barn. 18r l.Clem.16, 2.

15 v. d. Goltz, Ignatius.

über Christi Sein beim Vater steht Pol. 3, 2: rov vnio xaioov jiQOööoxa, rov clxqovov, rov äooarov, rov 61 rjfiäg ooarov rov axprjXcKpriTOv, rov äjia&Tj, rov 61 rjfiäg jta&tjrbv, rov xara jtavra robnov öi rj/iäg vjtofieivavra. Die letzten Worte zeigen zunächst deutlich, dass der Verfasser an die geschichtliche Person Jesu denkt, die ersten betonen die Überzeitlichkeit und Über- weltlichkeit. Der Zusammenhang lehrt, dass speziell an den künftig wiederkommenden Herrn gedacht ist. Also sind die Gegensätze keine zeitlichen, als ob betont werden solle, er sei erst äooarog gewesen und dann ooarog geworden, erst djta&?]g gewesen und dann xa&ijTog geworden j), sondern er war seinem Wesen nach überzeitlich, unsichtbar und cbta&TJg auch in Leben und Tod, aber er ist offenbar geworden, fassbar geworden gerade durch das, was er um unsertwillen litt. Deshalb kann Ign. Eph. 6 auch sagen : jtgcorov xad-r}rbg xcu rors äjia&rjg, was dem „ajta&fj, rov 61 rjfiäg xa&ijrov11 widersprechen würde, wenn man die Worte streng zeitlich deutete. Man hat kein Recht das jzqcötov

rors, da einmal die Präexistenz durch M. 6 gesichert ist, etwa wie bei Justin Dial. 34 Apol. I. 52, 3 auf zwei Parusien zu beziehen, was dem Zusammenhange ganz fremd ist. Es ist nur zu erklären als logischer Gegensatz, in welchem nach der antido- ketischen Tendenz von Eph. 6 der Ton auf der Wirklichkeit des Leidens liegt. Der Grundgedanke ist die Offenbarung Gottes in menschlicher Lebensform, die Erscheinung des Ewigen in der Zeit. Die ewige göttliche pneumatische Seite an der Person des Herrn ist das eigentlich Wertvolle aber eben in ihrer wirklich geschichtlich offenbaren Fassbarkeit und Einigung mit dem Fleische. Letzteres leugneten die doketischen Irrlehrer und damit

für Ignatius die Offenbarung, die Wirklichkeit des gött- lichen Wesens überhaupt. Es ist charakteristisch, dass gerade im Römerbrief, wo das antidoketische Interesse nicht vorliegt, die Äusserung sich findet: s v narol cov fiaXXov <paivsrcu (Rm. 3) d. h. erst in seiner Erhöhung und Unsichtbarkeit ist der Herr in seinem eigentlichen göttlichen Wesen ganz offenbar geworden.

1) Bei Justin bezieht sich das na&ijtog auf die erste Parusie, das dna- &Tjq auf die zweite, augenscheinlich eine Justin'sche Ausdeutung einer von der Gemeinde überlieferten und von Ign. noch anders verstandenen Formel ; cf. Justin. Apol. I, 52, 4. Dial. 34, 7. 39, 13. 41, 4. 49, 6. 52, 1. 68, 20 u. a. Auch das vnofieivavxa ist ein bei Justin häufiger Ausdruck.

I. Glaube an Gott und Christus. 17

Gilt dies auch nur, sofern vorher zunächst seine Göttlichkeit durch Offenbarung im Fleische offenbar wurde, so zeigen die Worte doch mit wünschenswerter Deutlichkeit, dass das Inter- esse des Ignatius an dem göttlichen Ewigen haftet, was über- zeitlich ist.

2. Die scheinlose Geschichtlichkeit der Erscheinung Gottes im Menschen.

Hie mach sind aber dann alle die antidoketischen Formeln zu beurteilen. An der ersten Stelle Eph. 7, 2 l) stehen die menschlichen Prädikate alle voran, aber c und d zeigen deutlich, dass die Betonung der menschlichen Seite Mittel zum Zwecke der Sicherung der ewigen Seite ist. Die göttlichen Prädikate werden durch die menschlichen offenbar und erkannt. Das „Fleisch geworden sein" ist aber doch ein wichtiges, die Wirk- lichkeit konstituierendes Moment bei Ign., im Unterschiede von seinen Zeitgenossen, welche hier recht unbedeutende Erklärungs- versuche geben2). Die Gegner glaubten nur ein metaphysisches Geisteswesen oder Ideal. Dem gegenüber stellt sich Ignatius auf den festen Boden der Geschichte, in dem Menschen Gott, in Jesus Christus den erkennend, der vor Zeiten beim Vater war. In der Polemik unserer Briefe werden zum Beweise der Wirk- lichkeit der Erscheinung Gottes im Menschen die wichtigsten Punkte des Lebens Jesu hervorgehoben, nämlich:

1. Die Abstammung aus dem Geschlechte Davids neben dem Ursprünge aus dem heiligen Geiste (Eph. 18, 2, Sm. 1, 1, Tr. 9, 1).

2. Die Geburt aus der Jungfrau, wobei aber nicht auf den übernatürlichen Wundercharakter, sondern auf die Mensch-

1) Eph. 7: elg laxgog iaxiv. a) aagxtxog xf xal nisvixaxixog.

b) ysvvtjxog xal dytWTjxog, vgl. dazu den Excurs b. Lightfoot II,

S. 90—94,

c) iv dv&QüJTio) (od. iv aagxl ysvöfxevog) &t6g, vgl. Lightfoot z. d.St.,

d) iv &avax<p £(otj d&Tj&ivq,

e) xal ix Maglag xal ix 9eov}

f) 7iqwxov Tta&rjxdg xal xöte dna9t}g, tyo. Xq. b xvgiog tj/uwv.

2) Barn. 5, 10: weil die Menschenaugen das ganz un verschleierte Licht der Gottheit nicht hätten ertragen können. 1. Clem. IG, 2: um der Weis- sagung gemäss ein Vorbild der Demut zu geben. Am ähnlichsten 2. Cl. 9, 5 <ov (ihv xo tiqwxov nveifia iytvexo aäg^ xal ovxcog rniäg ixdksoev.

Texte u. Untersuchungen XII, 3. 2

18 v. d. Goltz, Ignatius.

lichkeit, d. h. wirkliche scheinlose Geschichtlichkeit Gewicht gelegt wird, was durch die Stellung dieser Aussage zwischen der sarkischen David - Sohnschaft und der Taufe bewiesen ist (Sm. l,i. Eph. 18,2. 19, i. Tr. 9,i).

3. Die Taufe durch Johannes mit der Begründung, dass alle Gerechtigkeit erfüllt werde (Sm. 1, Eph. 18).

4. Seine rein menschliche Lebensweise, sofern' er ass und trank (Tr. 9, i).

5. Sein wirkliches Leiden und sein wahrer Tod unter Pontius Pilatus und Herodes dem Tetrarchen, d. h. unter ganz be- stimmten geschichtlichen Verhältnissen (Sm. 1, Tr. 9, M. 11, Eph. 19).

6. Die wahrhaftige Aufer weckung von den Toten, nach welcher er den Jüngern und Petrus erschien, sich betasten Hess und mit ihnen ass und trank (Sm. 2 u. 3, 1—3).

Um die „menschliche Natur" Christi im kirchlichen Sinne zu betonen, wären Jungfrauengeburt, Taufe und Auferweckung recht wunderbare Beweismomente. Der Hauptgesichtspunkt ist also sicherlich der der realen Wirklichkeit. Überdies sind die Formeln schwerlich ganz selbständig erdacht, sondern sie lehnen sich zum Teil an schon liturgisch Gewordenes an *). So ist z. B. vloq ftsov xarä &eZr](ia xal dvvctfiiv Sm. 1 und das jcvevfiaToq 6s ayiov Eph. IS für den polemischen Zweck der Stellen ganz überflüssig und fast störend. Das ist deshalb wichtig, weil diese Formeln in dem Ganzen der ignatianischen Anschauungsweise, soweit sie eine theologische ist, nicht gut unterzubringen sind, denn viel häufiger und beherrschender ist der Gedanke, dass Gott selbst in Christo erschienen ist, und wiederum ist Christus selbst mit -dem heiligen Geiste identifiziert (M. 15) 2). Wir dürfen keine systematische Klarheit verlangen. Ignatius hat sich hier die Formen des einfachen Gemeindeglaubens angeeignet, und so ge- wiss er Vater und Sohn immer auseinanderhält, war der Begriff der Gottessohnschaft für ihn verständlich, wenn auch das Spezi- fische seiner Anschauungsweise nicht darin zum Ausdrucke kommt. Wenn das „vloq &eov" Sm. 1 zwischen der Davidsohn-

1) Vgl. die späteren Ausführungen.

2) xexTTjfxivoi dötuxQiTOv nvtZfxa oq iotiv ^lr\a. Xy.

I. Glaube an Gott und Christus. 19

schalt und der Jungfraugeburt eingereiht ist, so ist damit von selbst gegeben, dass diese Sohnschaft sich für Ign. an die Geburt aus dem heiligen Geiste durch die Jungfrau knüpft, und dass er von einer ewigen Zeugung noch nichts weiss. Diese ist durch das dyevvr]TOQ direkt ausgeschlossen 1). Das xaxd d-iXtjfia xai övvafiip entspricht ganz dem xax olxovofiiav &eov Eph. IS und drückt nur aus, dass es Gottes Heilsplan und Kraft sind, welche eine Einigung Gottes mit dem Menschen sich vollziehen lassen. Insofern ist nach Eph. 20, 2 Christus vloq (xv&qgijiov und vioe &sov zugleich, und seine Geburt das göttliche Glaubensgeheimnis, dessen Bedeutung dem Satan verborgen ist. Gerade in dieser Verbindung von Göttlichem und Menschlichem, so dass ihm in letzterem die Wirklichkeit des ersteren verbürgt ist, liegt dem Bischöfe die Heilsbedeutung der Erscheinung Christi.

3. Das Bild von der geschichtlichen Person Jesu.

Dies wird noch deutlicher, wenn wir das Bild des geschicht- lichen Christus selbst betrachten, welches Ignatius vor Augen hat. Da seine Äusserungen hier alle nur zufällige, gelegentliche sind, und er keinen Anlass hatte, ausführlich von der Geschichte des Herrn zu sprechen, so ist es schon viel, dass wir so deutlich erkennen, dass Jesu Verhältnis zu seinem Vater ihm das Wich- tigste ist. Christi ganze Person ist &eov yvcofirj (Eph. 3 cf., R. 8, Sm. 6, Pol. 8) d. i. Gottes Willensäusserung. Er war xo dtpevösc orofia sv co o jtar?]Q eXaXrjöev, und, da er nach Eph. 15 über- haupt erkannt wird nicht nur durch das, was er sagte, sondern auch durch das, was er schwieg, so schliessen wir nicht zu viel, wenn wir glauben, dass Ign. auch den Vater in ihm wiederfand nicht nur nach seinen Worten, sondern auch nach seinem Schweigen und Handeln, d. i. nacn seiner ganzen Persönlichkeit. So ist aber auch die vielumstrittene Stelle M. 8, 2 zu verstehen , welche nach der von Zahn und Light foot unabhängig, aber gleichmässig verbesserten Lesart, über die kein Zweifel mehr bestehen kann 2), folgendermassen lautet: elq dsbc 6 gxxveQCDOaq tavxbv öid 'hföov Xqloxov xov vlov avxov, 6g loxiv avxov JLoyoq djto oiy?jQ jtQoeXümv, oq xaxd jidvxa evrjQtoxrjoe xgj Jtifitpavxi avxov. Der

1) Cf. Harnack, D. Gesch.* S. 164 Anm. 1. Zahn, Marcellus S. 221 ff.

2) Cf. Lightfoot II S. 120. 127.

2*

20 v. d. Goltz, Ignatius.

Schlusssatz zeigt unwiderruflich, dass vom geschichtlichen Christus die Rede ist. Das Wort Xoyoq ist genau so gebraucht wie im Johannesevangelium und bezeichnet nichts anderes als das „yvcopr/ #£Ot>", wenn auch mit Anlehnung an einen schon rezipierten Sprachgebrauch. Es ist das Wort, welches Gott nach langem Schweigen spricht, nach einem Schweigen, für welches Ign. Eph. 19 das Wort qov%ia hat. Der Ausdruck des Ign. erinnert auch an P. Rom. 16,26, und es liegt auch keine Spur vor, dass hier schon von den bekannten gnostischen Äonen die Rede ist. Sonst konnte Ign. schwerlich R. 2 sich selbst als Märtyrer einen Xoyoq &eov nennen, wie er denn auch sonst den Begriff Xoyoq in ganz gewöhnlicher Weise verwendet. Hinter diesem Worte eine ganze „Logoslehre" zu suchen, ist durchaus willkürlich und durch den Wechsel des Ausdrucks mit yvoSfirj und ötofta sogar unmöglich gemacht. Dagegen scheint die Stelle zu beweisen, dass der Name des „Sohnes Gottes" sich nicht nur auf die gött- liche Geburt bezieht, sondern ebenso auf das persönliche religiös- ethische Verhältnis zum Vater, der ihn gesandt hat, dessen Wort er ist, und dem er in allem wohlgefällt. Eben deshalb heisst er auch 6 rjyajcrjitevoq (Sm. inscr.) und fiovoq vlbq avrov (R. inscr.). Zur Verstärkung seiner Ermahnung zu Einigkeit und Gehorsam weist der Bischof näher darauf hin, wie Jesus weder selbst noch durch seine Jünger etwas that ohne des Vaters Willen (M. 7, i), ihm gehorsam war (M. 13, 2, Sm. 8, 1) und ihm nacheiferte (Ph. 7, 2). Wenn ei diesen Gehorsam in Analogie stellt mit dem der Christen gegen den Bischof, so ist bei dem hohen Begriffe, den er von letzterem hat, die Subordination des Sohnes Gottes hier mit grosser Schärfe ausgesprochen. Da jedoch die Absicht, das Vor- bild des Herrn wirksam zu gebrauchen, von starkem Einflüsse ist, so wird darauf nicht zu viel Gewicht gelegt werden dürfen. Worauf es dem Bischöfe auch bei seiner Christus -Auffassung schliesslich am meisten ankommt, das zeigt der Zusatz M. 13: 'Iva trcooiq ?] oaqxixr] xal xrevfiaTixi]. Solche tvcoüiq mit Gott verspricht Christus, er stellt sie aber auch selbst dar (Tr. 11). Obwohl Gccqxixoc, war er doch jcvevfiazixojq ?]voj{jevoq reo xaTQi (Sm. 3).

1. Glaube an Gott und Christus. 21

4. Die Bedeutung der Gottheit Christi.

Ist Christus so völlig mit dem Vater eins, dazu die einzige geschichtliche sarkische und darum wirkliche Offenbarung Gottes, und richtet sich, wie wir gesehen haben, das ganze Interesse des Ignatius auf das Ewige, das über alle Zeit Erhabene, Göttliche, so kann es nicht Wunder nehmen, wenn er trotz aller Trennung von Vater und Sohn, trotz aller Betonung des Menschlichen zum Beweise der Wirklichkeit doch alles, was ihm Christus ist, zusammenfasst in dem Prädikat &eoq. Bei dem ausgesprochenen Monotheismus des Ignatius ist es eine besonders wichtige Frage, wie dieses Prädikat bei ihm zu verstehen ist. Man könnte, um die Antwort zu finden, leicht auf das N. T. zurückgehen, zumal auf das Joh.- Evangelium. Aber man würde die Entscheidung dadurch nur erschweren. Das dogmatische Interesse gefährdet dort noch mehr wie hier die Objektivität der Untersuchung. Wir beschränken dieselbe daher lieber vorläufig auf unseren Schrift- steller, wenn wir uns gleich wohl bewusst sind, dass eine sichere Antwort von allgemeinem Wert nicht nur nicht ohne ein inner- liches Verständnis des christlichen Glaubens, sondern auch erst auf Grund einer umfassenden Untersuchung über den Sprach- gebrauch des Wortes &eog im ganzen ersten und zweiten Jahr- hundert gegeben werden kann. Hierzu soll wenigstens, was unsere Briefe betrifft, versucht werden das wichtigste Material aufzu- zeichnen und die beherrschenden Gesichtspunkte hervorzuheben.

Zunächst ist in Anknüpfung an das bisher Gesagte darauf aufmerksam zu machen, dass an den meisten Stellen, wo Christus in seiner massgebenden Bedeutung erwähnt wird, er zugleich mit dem Vater genannt wird. So z. B. in sämtlichen Gruss- überschriften ganz in paulinischer Weise; aber auch überall da, wo an die Stufenleiter Gott-Christus-Apostel oder Gott-Christus- Bischöfe resp. Gemeinde erinnert wird. Meist steht dann für Gott nazrjQ, für den Sohn „'/^tf. Xq." *), xiQiog fycov oder ocorrJQ (mit xal, kv od. öia), seltener für Christus 6 &eöq ^(iSp^ obwohl der Vater unmittelbar daneben genannt ist.2) Dadurch ist ge-

1) Eph. 5, l. 21. M. iscr. 1. 13, 2. 15. Tr. iscr. 1. 3, l. 12. R. iscr. 8, 9. Phld. iscr. 1. 3, 2. Phld. 7, 2. 9, l. Sm. iscr. 3. "6. Pol. iscr.

2) Eph. iscr. 18, 2. R. iscr. R. 3, 3.

22 v- d. Goltz, Ignatius.

sichert, dass Ignatius nicht nur den geschichtlichen, sondern auch den präexistenten und erhöhten Christus als Person vom Vater unterscheidet und demselben subordiniert. Jeder eigentliche Modalismus ist also ausgeschlossen.

Weiter führt uns eine Reihe von Stellen, wo Christus, ohne den Namen „&eogi(, doch göttliche Funktionen und göttliche Ehren zugeschrieben werden. Dies geschieht vor allem durch die Be- zeichnung xvQiog, o xvQiog, 6 xvgiog rjficöv. Dies Wort, welches im A. T. von Gott als dem Haupt seines Volkes, im N. T. sowohl von Gott wie von Christus als dem Haupt der Gemeinde ge- braucht wird, kommt bei Ign. nur oder fast nur als Bezeich- nung für Christus vor1). Dass auch Ign. gerade wie Paulus mit diesem Worte mehr sagen will als „Meister" oder „Lehrer", dass Christo göttliche Ehre dadurch zuerkannt sein soll, zeigen deutlich Stellen, wie Eph. 6, i cog avrov rov xvqiov, Eph. 7, 2, wo es in den Antithesen parallel mit &s6g, Ccoi] äZrj&ivrj, ix 9-eoVj äjta&tfg steht, Eph. 15, 3, wo ihm die Kenntnis des Ver- borgenen in unseren Herzen zugeschrieben wird, und Sm. 1, wo sich die Zuversicht des Glaubens auf ihn richtet. Auch sonst wird Christo die Vergeltung, die Macht Busse zu wirken, die Stärkung der Herzen mit dem heiligen Geist, das Auferwecken der Propheten, das fürsprechende oder verklagende Zeugnis beim Gericht und die liebevolle Fürsorge für seine Gemeinde ebenso wie Gott selbst zugeschrieben (vgl. Eph. 2, 2. Eph. 21. M. 8, 2. 9, 3. 10, 1. Phld. iscr. 5, 1. 8, 1. ?. 11. Sm. 4. 6,2. 10. Pol. 1,2). Da- gegen richten sich die Gebete der Christen nicht an Christus, sondern an Gott den Vater durch seinen Sohn Jesum Christum (vgl. Eph. 4, 2. Tr. 13, 3). Nirgends ist von einer Teilnahme Christi an der Weltregierung des Vaters die Rede, sondern überall nur von Heilswirkungen. Der Gemeinde gegenüber ist Christus o xvgioq, dem Vater gegenüber fiovog viog, der ohne ihn so wenig etwas that, als die Apostel ohne ihren Herrn (M. 7, 1. 8, 2). So- weit also an den genannten Stellen Christo als dem Herrn der Gemeinde göttliche Ehren zuerkannt sind, ist dadurch immer ein Verhältnis der Christen zu dem Vermittler ihres Heils ausgedrückt

1) Nur Eph. 17. 3. 21. 1. Phld. 8, 1 u. 11, 1. Sm. 10, 1 u. Pol. 4, 1 ist die Beziehung auf Gott den Vater nicht ausgeschlossen. An den übrigen 27 Stellen ist immer Christus gemeint.

I. Glaube an Gott und Christus. 23

nirgends etwas anderes. Dies wird auch bei der Deutung des Prädikats &eog zu berücksichtigen sein.

Ehe wir aber auf diese Bezeichnung für die Würde Christi eingehen, ist es von Wert auf den sonstigen Gebrauch des Wortes &eog hinzuweisen, der bei Ign. ein sehr reichlicher ist. Der Bischof selbst nennt sich ßeotpoQog und liebt dergleichen Zu- sammensetzungen mit dem Wort &eog augenscheinlich. So nennt er die Boten der Gemeinden freodoofiog (Pol. 7, 2), &eojtQ£ößevxijg (Sm. 11,2), ihren Vorsteher &eofiaxdot6xog (Pol. 7, 2), &sokuaxa- nixrjg (Sm. 1, 2) und braucht gern das Beiwort freojzQSJtrjg (M. 1, 2) und &eoi> agiog (Eph. 2, 1. 4, 1. 7. R. iscr.: ägio&eog). Diese rhetorische Verwendung des Wortes &eog zeigt nur, wie Ignatius alles, was er mit Gott und seinem Willen in Beziehung setzt, als etwas Göttliches ansieht. Die Christen heissen Tr. 8, 2 xo ev &£(~> JiZfj&og und alles, was sie thun, soll ev &ecß oder xaxa ftsov geschehen; ihre Gesinnung heisst eine xara &eov Evvoia (Tr. 1); sie werden ermahnt zur ofiovota d-eov, zur o^or^Eia &eov (M. 6. Pol. 1, 3). Dieser Genitiv &eov steht geradezu für &elog: Phld. 10, 1 &eov jiQeoßeia, Pol. 7 ev äfiEQtfivia &eov, Pol. 2 &eov dd-Zr/T/jg, Eph. 4, 2 XQ&t101 &zov Zaßovxsg, Pol. 7 cog &eov yvwfirjv xexTTjfievog. An allen diesen Stellen ist der göttliche Charakter einer Handlung, einer Person, einer menschlichen Gesinnung, durch das Wort &eog gekennzeichnet. Damit verwandt ist auch die häufige Bezeichnung des christlichen Heilsguts mit &eov sivai, fiertxeiv und vor allem M. 14, 1: d-eov yefieiv. Denn auch hier ist mit dem Genitiv &eov weniger die Person Gottes als vielmehr die Art; die Gattung des Heilsguts, bezeichnet, in dessen Besitz resp. Erwartung die Christen sich befinden. Dies ist noch be- merkbar an der wunderbaren Stelle Eph. 14, 1: Jtlöxig xal ayajir\ xd 6h ovo ev evoxrjxi yevofieva, freog eoxiv. Diese Stelle ist nur verständlich, wenn d-eog eine Gesamtbezeichnung für das religiöse Heilsgut ist, in dessen Besitz die Christen durch Glaube und Liebe sich erhalten. Dies Heilsgut ist aber, wie es Tr. 11, 2 als evcooiq d-eov bezeichnet ist, in Christus selbst repräsentiert. In ihm haben wir die yvcooig &eov, die evoxrjg &eov xal tjucöv. . Aus diesem Grunde kann er, wie er als Heilsmittler 6 xvgiog tfficov ist, auch 6 d-eog rjfimv genannt werden und es fragt sich nur, ob Ign. ausser diesem subjektiven, das Heilsgut prägnant bezeichnenden Gebrauch des Wortes &ebg für Christus noch einen anderen ob-

24 v. d. Goltz, Ignatius.

jektiven absoluten Begriff der „Gottheit Christi" kennt, wie ihn die spätere Kircheulehre ausgeprägt hat, und wie ihn sowohl katholische als protestantische Gelehrte in unseren Briefen finden wollen. *) Dies kann nur durch Prüfung der einzelnen Stellen ermittelt werden.

Am klarsten ist die rein religiös-subjektive Bedeutung von &eog Eph. 15, 3: jtavxa ovv jtoiojfiev mg avxov Iv r/filv xaxoi- xovvxog, Iva wfisv avrov vaol xal avxog ij Iv rjfilv &eog ?][/dov. Nach diesen Worten ist es nicht unabhängig von unserem Ver- halten, ob Christus „unser Gott" ist; denn sollte der Ton nur auf dem ev tfpiv liegen, so müsste es heissen xal avxog 6 &sog # iv rjfilv. Das folgende ojcsq xal toxi xal q>avr/OFxai drückt nur die Gewissheit und Hoffnung aus, dass Ign. das, was er seinen Lesern wünscht, als schon vorhandenen Besitz und der Vollendung sicher harrendes Gut voraussetzt. Christus ist unser Gott, weil dann, wenn sein Geist, sein Lebensprinzip uns beherrscht, Gott in uns wohnt. Wenn nun an letztgenannter Stelle, wie der Zu- sammenhang zeigt, &sog rjfimv zweifellos im prägnanten sub- jektiven Sinn zu verstehen ist, so darf man es auch an den sieben anderen Stellen, wo es gleichfalls mit dem Genitiv f^imv steht, nicht anders verstehen (Eph. iscr. 18,2. R. iscr. (2 mal). R. 3,3 u. 6, 3. Pol. 8, 3). Auffallender ist dagegen die Stelle Sm. 1: öo§a£ojv 'Itjö. XqlOtov rov d-sov xbv ovrmg f\nag öotpiöavra. Unmöglich ist aber unsere bisher gegebene Auslegung auch hier nicht; denn einmal fehlt auch hier in dem Appusitionssatz die subjektive Be- ziehung nicht, und dann trifft hier vor allem die Beobachtung R. Roth es zu, dass gerade bei besonderer Gefiihlssteigerung dem Bischof diese Bezeichnung Christi in die Feder kommt. An

1) So Nirschl, Dreher, a. a. 0., Franke und neuerdings auch Cremer, Zum Kampf um das Apostolikum. Berlin 1893, S. 24 Anm. u. S. 25 u.; nicht viel korrekter Th. Zahn, I. v. A. S. 489. der von einer „Be- hauptung sowohl der Einzigkeit Gottes als der anfangslosen ewigen Gott- heit des I<5hs, welches als Mensch gewordenes Gott seinen Vater nennt'4, spricht; dagegen richtig, wenn auch nicht erschöpfend, ist die Darstellung von H. Schultz, Lehre von der Gottheit Christi. Göttingen 1881, S. 32-36 und sehr treffend auch die Charakteristik von R. Rothe, Anfänge d. ehr. K. 747—756. Dorner, Gesch. d. Lehre von der Person Christi I, 1 Abth. S. 161 nimmt d. Prädikat &eoq als eine unbestimmtere Bezeichnung für den vlbq &eov, in dem Gott sich menschlich offenbart, bringt aber zu sehr seine eigene Idee von der „Gottmenschheit" in die Auslegung hinein.

I. Glaube an Gott und Christus. 25

drei weiteren Stellen ist das Wort &toc als späterer Zusatz zu streichen, nämlich:

1) Tr. 7, i [xovxo öe töxai vfitv fjrj (pvoiov[iivoig xal ovoiv aycoQiOroig &eov 'hjoov Xqioxov xal xov Imoxbnov xal xcäv diaxayftaxcov xoiv axoGxoZcov] fehlt „&eova in A1), ,'ltjoov Xqioxov" in g, weshalb Lightfoot ersteres wohl mit Recht zu streichen geneigt ist. Die Trennung in drei Genitive 1) &tov, 2) 'Jrjoov Xqioxov, 3) xai rov hmöxoxov ist ebenso hart wie das artikellose &eov vor 'iqo. Xq., und die Analogien in Tr. 12, 2. Phil. 9, 2 2) sind auch unsicher. Aber selbst wenn man dies nicht gelten lässt und im Vertrauen auf die Handschriften G L &sov beibehält, so liegt in dem äxa)Qioxoig eine direkte Inbeziehung- setzung zu dem religiösen Subjekte, der Gemeinde, für welche Jesus Christus die unzertrennliche Einheit mit Gott vermittelt und den Vater repräsentiert, so dass auch diese Stelle keinesfalls eine Ausnahme von dem konstatierten Sprachgebrauche bildet.

2) Sm. 6: hav firj moxevcooiv elg xo alfta Xqioxov xov &eov würde eine volle Parallele sein zu dem gleich zu besprechenden sv aXfiaxL &eov und es wäre an sich wohl denkbar, dass Ignatius so geschrieben hat, obwohl der Artikel, und auch die direkte Verbindung mit Xqioxov, durch welche die sonst vorliegende absichtliche Paradoxie geschwächt wird, etwas Bedenkliches haben. Da aber in unseren besten Handschriften G, L, A, C das „&eov" fehlt, liegt es viel näher, hier eine Glosse anzunehmen.

3) Dasselbe gilt von der dritten Stelle, Sm. 10, öiaxovovo, Xqioxov &eov nach GL (gegen A, die nur #eot hat). Nach dem Zusammenhange der Stelle hat eine Betonung der Gottheit Christi gar keinen Sinn. Sowohl öiaxovog Xqioxov als öiaxovog &80V allein kommen oft vor. Eins von beiden, also nach A wohl „XqcGxov", ist einfach zu streichen.

Demnach ist zu konstatieren, dass bei Ign. in allen bespro- chenen Stellen das Prädikat &eog für Christus nicht die absolute Bedeutung hat, wie da, wo es Bezeichnung für den ütaxrjQ wptoxog ist, sondern dass es nur ein prägnanter Ausdruck dafür

1) Die Abkürzungen für die Handschriften nach Lightfoot.

2) Tr. 12, 2 tlg Ttfzrjv naTQOQ, Jtjgov Xqioxov, xal x<äv anooxolwv

oder xal elg xifirjv *bio. Xq. Phild. 9, 2 XTjv TiaQOvoiav xov xvq'iov rifiwv *Fr]OOv Xpioxov, xb na&oq avxov xal xrjv drdoxaoiv.

26 v. cl. Goltz, Ignatius.

ist, class in Christo Gott als ewiges Heilsgut von den Christen erfasst und ergriffen wird. Dies Resultat, welches durchaus zu der übrigen Christologie des Ign. stimmt, wird nun durch drei bisher noch bei Seite gelassene Stellen bestätigt und recht cha- rakteristisch beleuchtet. Es gehört, wie anderwärts von uns aus- geführt wird, zu der sprachlichen Eigentümlichkeit unsrer Briefe, dass der Verfasser für Antithesen und kurze prägnante Zusammen- fassungen eine besondere Vorliebe zeigt. Eph. 6 ist eine ganze Gruppe christologischer Antithesen nebeneinander gestellt, dar- unter auch das e v av&QWJtcp &eog 1). In diesen Worten ist wieder die ganze Christologie des Bischofs zusammengefasst. Im Menschen Jesus ist Gott erschienen und dadurch der Unsichtbare sichtbar, der Ewige zeitlich, der Unfassbare fassbar geworden, und eben deshalb kann der Träger dieser Offenbarung Gottes auch selbst Gott heissen. Wie wir im nächsten Abschnitt sehen werden, ist ihm der Tod Christi sowohl ein Zeugnis für die ge- schichtliche Wirklichkeit der Erscheinung Gottes auf Erden, als auch, sofern er besiegt ist, ein Symbol für das neue Leben: Iv avd-QCüjicp &£og, ev &avarcr) C,mrj aX^ivri. Durch den Tod des Herrn wird wirklich Gott in Christo geoffenbart. Um diese Gedanken prägnant zum Ausdruck zu bringen, schreibt Ign. Eph. t ev aifian &eov, R. 6 rov xa&ovg xov &eov fiov. Weit entfernt, dass durch diese Stellen Ign. patripassianisch oder gut nicänisch erscheint, zeigt sich gerade in ihnen der subjektive „ökonomische" religiöse Sinn und der durch und durch gefühls- mässige, untheologische Charakter des gottheitlichen Prädikats für Christus. Die häufige rhetorische Verwendung des Wortes &eoq bei Ign. überhaupt macht das noch verständlicher. Die Prädikate xvgioq und &eog drücken eine persönliche göttliche Würde Christi nur insofern aus, als sie die Heilsbedeutung seiner Person für die Menschheit bezeichnen. Immerhin zeigen beide, dass Ign. den einen Gott und den Menschen, der sein loyoq, örofia, yvcofirj ist, unmittelbar so zusammenschaut, dass da, wo die Beziehung auf sein oder seiner Gemeinde religiöses Empfin- den im Vordergrund steht, scheinbar jede Unterscheidung verloren

1) Diese Lesart scheint mir schon der Analogie wegen besser zu passen als die übrigens inhaltlich gleichbedeutende iv okqxI ysvofzevoq $e6g, vgl. Lightfoot z. d. St.

I. Glaube an Gott und Christus. 27

geht. Dass dies aber nicht im orthodox -nicänischen Sinne zu nehmen ist, zeigt die Art und Weise, wie die Heilsbedeutung dieses Christus an die Schöpfung des teXeiog av&QWjioq ange- knüpft wird. Weil er der sich ihm anschliessenden Menschheit dieselbe evwciig &eov öccqxixtj xal jcvsvfiarix?} verspricht, die er in seiner Person schon darstellt, so ist das Ziel der ganzen olxovofiia Gottes die Schaffung einer neuen Menschheit (olxo- vofila elq xaivov avfrocojiov). Christus ist der reXeiog avß-QGOJtoq (Sm. 4, 2) und nach vollendetem Martyrium hofft Ignatius im Vollsinne ein Mensch zu werden (R. 6,2). Für dasselbe Ziel hat er meist den Ausdruck &eov ejurvyxäveiv. Da zeigt sich deut- lich, wie der Gedanke der neuen Menschheit und der vollen Gottesgemeinschaft ihm zusammenfallen l). Mag er die Idee des xcuvog av&QG>jzog aus dem paulinischen Epheserbriefe entlehnt haben oder nicht, jedenfalls versteht er es auch zunächst von Christus, in welchem das Gleiche dann für alle verbürgt ist. Genaueres lässt sich hierüber nicht ermitteln2). Sein Interesse haftet so sehr am Göttlichen, Ewigen, dass die menschliche Seite da ignoriert ist, wo das antihäretische Interesse nicht ihre Be- tonung verlangt. Beide Seiten aber sind gerade in ihrer Ver- knüpfung dem Ignatius wertvoll. Das Spezifische seiner Christo- logie liegt -gerade in seinem Suchen des Ewigen, Göttlichen in der Zeit; an und in der geschichtlichen Gestalt des Herrn ist ihm sein Verhältnis zum göttlichen Vater die Hauptsache als der völligen tvcooiq ß-eov an Leib und Seele (öagg und Jtvevfia). Alle übrigen christologischen Vorstellungen und Ausdrucksformen: persönliche Präexistenz, Gottessohnschaft, Geburt aus der Jung- frau, Davidsohnschaft u. a., soweit nicht auch sie apolegetisch gegen die Doketen verwendet werden, liegen nicht im Zentrum seiner

1) Sind „Gotteserlangung" u. „neues Menschtum" dasselbe, so be- steht das Heilsziel also nicht in einer Vereinigung der göttl. u. menschl. „Natur", sondern in der Erfassung des Göttlichen, welches sich durch seine Erscheinung als greifbar erwiesen hat

2) Dass die Idee der olxovofxla elq xaivov uv&qwtiov im Mittelpunkte der ignatianischen Anschauungen gestanden habe, wie Loofs (D. Gesch. § 15, 2) aus Eph. 20 schliesst, ist doch nicht ganz zutreffend, da gerade die Spekulation über Entstehung einer neuen Menschen gattung im Gegensatze zu einer alten sich nicht weiter ausgebildet findet. „Mensch" und „ado^ ist dem Ign. nur der Träger des Ewigen, Göttlichen, nicht aber der eine von zwei gleichberechtigten Faktoren eines Produktes.

28 v. d. Goltz, Ignatius

Anschauung und gehen als von der Gemeinde übernommene Einzelheiten nebenher. Dies kann erst voll und ganz erkannt werden, wenn klargestellt ist, was für Heilsthatsachen Ignatius im Einzelnen kennt, und welche Heilsbedeutung für den Christen er ihnen mit Verständnis abzugewinnen weiss.

II. Die einzelnen Heilsthatsachen und ihre Heils- bedeutung.

I. Geburt und Gesamt-Erscheinung.

Als (ivOTtJQia des Christentums bezeichnet Ignatius Eph. 19, 1: Jungfrauschaft und Gebären der Maria und den Tod des Herrn; Phild. 9, 2: Die jtagovola rov ocorrJQog, sein Leiden und seine Auferstehung. Die Heilsbedeutung seiner Geburt fällt also augenscheinlich mit der Heilsbedeutung seiner Gesamterscheinung überhaupt zusammen. Haben wir aber diese soeben dahin richtig bestimmt, dass Gott durch diese Erscheinung so habhaft und fassbar in einem Menschen geworden ist, dass hierdurch eine %va>6iQ &eov OaQxixrj xal Jtvsvfiatixr/ gegeben ist, so ist damit der grosse Wert der Erkenntnis Gottes in Christo herausgestellt, zugleich aber nahegelegt, dass es auf eine theoretische Gottes- erkenntnis nur insoweit ankommt, als durch sie die Wirklichkeit und Ergreifbarkeit Gottes gesichert ist. Diese ist aber dem Bischöfe durch jede doketische Lehre ernstlich gefährdet, und deshalb legt er dieser gegenüber Gewicht nicht nur auf ein Vorhandensein der yvcömq &sov in Christo überhaupt, sondern Eph. l,i auf eine ogd-rj ypw/ii] xal öixaia. Das Wort aXrj&eta steht an drei Stellen in direktem Gegensatze gegen die Irrlehre; einmal überhaupt in der Bedeutung „zuverlässige Treue" (Pol. 7, 3). Schon hierin kommt zum Ausdruck, wie wenig eigentlich das bloss Erkenntnismässige für sich dem Bischöfe von Wert ist. Aber er spricht es auch selbst aus durch Aneignung der pauli- nischen Wendung: Jtov öofpog; Jtov 6v£r)T7jq; jtov xavxyGtq rcov ZeyofitiHDv övvercop *); und hält „Liebe üben" für besser als

1) Cf. dagegen Barn. 6, 10 rlg vorjoei el iit\ aocpbg xal iniotrjfuov, u. die Betonung d. ötöaoxaXia iyialvovoa in d. Pastoralbr., d. yvwaiq in A16. 9, 10, 1. Clem. 36, 2, 2. Clem. 3, Barn. 2, 2. 8 u. selbst d. yiyvwoxeiv d. Joh.-Evang. An Stelle dieses griechischen Interesses der Erkenntnis tritt bei Ignatius das ebenfalls griechische der mystischen Erfassung.

IL Die einzelnen Heilsthatsachen und ihre Heilsbedeutung. 29

ovQtjtbIp. Sm. 5, i wirft er den Gegnern, welche glauben, An- wälte der iXrj&sia zu sein, vor, sie seien vielmehr Anwälte Ignatius sagt nicht: „falscher Lehre", sondern des Todes. Ihre Strafe ist der Tod, weil sie jzioriv 0-eov iv xaxoöiöaoxaXla zerstören. Also nicht die falsche Lehre an sich ist das Unselige, sondern, dass die Irrlehrer durch sie das Vertrauen auf Gott stören, indem sie seiner Offenbarung die Wirklichkeit nehmen. Für die Offenbarung Gottes überhaupt ist allerdings Christus die einzige Quelle und deshalb auch der einzige Lehrer (M. 9, 2, Eph. 15, 1), dem auch allein die Geheimnisse Gottes anvertraut sind (Phld. 9, 1). Aber er ist der rechte Lehrer, weil er selbst nach dem handelt, was er lehrt, und auch da, wo er schweigt, spricht. In dieser lebhaften Erfassung der ganzen Person unter- scheidet sich Ignatius sehr vorteilhaft von den anderen aposto- lischen Vätern, von denen zumal Herrn, und 2. Clem. die Person des Herrn nicht anders zu werten wissen, denn als Mitteiler sonst nicht bekannter göttlicher Dinge. Wie Phild. 9 zeigt, ist das dem Ignatius auch nicht fremd, aber es ist doch nur eine Einzelheit, die gegen das Übrige ganz zurücktritt. Sofern auch für Ignatius die Verschaffung der yvcoOig &eov von Wert ist, ist sie nicht gegeben durch Mitteilung einzelner beseligender Wahr- heiten, sondern in dem Charakter seiner Person, seinem Gott sichtbar machenden Wesen und, auf Einzelnes gesehen, in dem göttlichen Charakter seiner Geburt und der geschichtlichen Wirk- lichkeit von Tod und Auferstehung.

2. Tod und Auferstehung.

Was diese nun für Bedeutung haben, verdient eine besonders genaue Betrachtung; es tritt dabei ein neues Moment hinzu, aber auch die Mängel der Gesamtauffassung treten deutlich hervor. Die meisten Stellen, wo vom jta&oq äZrj&tvov, alfja oder oravgoi: Christi die Rede ist, dienen lediglich dem Beweise der Wirklich- keit des Menschenlebens des göttlichen Heilandes und kommen daher hier gar nicht mehr in Betracht.

Aber auch abgesehen von diesem accidentellen , antidoketi- schen Interesse müssen Tod und Auferstehung bei Ignatius im Mittelpunkte gestanden haben in ihrer Heilsbedeutung für uns icf. Phild. 8, 9 und die Zusammenstellung Phild. 9, 2. Eph. 20, 1. M. 1 1. Sm. 7, 1. 2. Phld. inscr., Tr. inscr.). Ausgesprochen ist diese Be-

30 v- <1. Goltz, Ignatius.

ziehung auf uns in einem vjceq ?}/ig>v resp. di ?]fiaq It. 6, 1. Sm. 2, i. Pol. 3, 2. Kurz zusammengefasst ist der Gedanke des Ign. hierbei Eph. 7, 2: tv ftavdrm Ccotj alrj&ivrj und Sm. ,">, 3 peravotlv dq xb jtdfroq avrov, 6 tözcr rjfiwv dvdöraöiq. Ähnlich M. 9, 1 ?/ C,co7] Tjficov dvtretXev de avrov xal xov fravarov avrov. Diesn Stellen zeigen deutlich, dass eigentlich der Tod Jesu dadurch seine Bedeutung hat, dass er die unerlässliche Voraussetzung f ü r die Auferstehung ist. Überall ist die Verbürgung ewigen, unvergänglichen Lebens das Heilsgut, welches an das Leiden Christi geknüpft gedacht ist, indem die Auferstehung bald ge- nannt ist, bald nicht. So ist Tr. 2, 1 *) der Glaube an den Tod Christi der Weg dem Sterben zu entgehen, Eph. 18 das oxavöa- Xov oravQOV wie bei Paulus öcorrjQta xal £ojrj alwvioq. Das Evangelium ist als Erscheinungs-, Todes- und Auferstehungs- Verkündigung ein äjtäoriöfia dtpfragöiaq, und auch die Salbung diente dazu, dass der Herr der Kirche aydaoöLa einhauchte (Eph. 17, 1). Gerade öiä rijq dvaördoemq ist das Leiden ein Panier für die Heiligen zur Sammlung von Griechen und Juden in der einen Kirche (Sm. 1,2). Diese enge Verbindung von Tod und Auferstehung anders aufzufassen als so, dass der Tod an sich keinen Heilswert hat, sondern nur als durch die Auferstehung überwundener und deshalb die Lebenshoffnung verschaffender, könnten wir nur genötigt werden, wenn deutliche Spuren anderer Verwertung vorlägen. Nicht im Widerspruche mit dieser Auf- fassung steht der bemerkenswerte Umstand, dass Ignatius den Tod Jesu als Verbürgung der unvergänglichen Liebe Gottes2) würdigt, wie dies R. 7, 3. trotz der Beziehung auf die Eucharistie aus der Wendung: rb alfia avrov 6 iöxiv dydjrt] ay&aoroq klar hervorgeht (vgl. auch Tr. 8,1); denn das aydaoroq bestätigt nur, dass Ign. auch hier die Gabe unvergänglichen Lebens als die eigentliche Frucht des Todesleidens denkt. Auch sein eigenes Leiden, welches er ein öv^indöytiv Xotörco nennt, steht ihm ganz unter dem Gesichtspunkte der nachfolgenden Auferstehung und Gemeinschaft mit Gott (vgl. den ganzen Römerbrief). Eine wirkliche Ausnahme scheinen nur die Worte trjv Evyaoiöriar

1) "vu niozevoavTEQ elg xov Savaxov avrov xb dno&avüv ixyvyrjxt-.

2) Cf. 1. Clem. 49, 6 diu xtjv dyunijv i}v eoyev noog rifiaq, xb aifxa. avxov böwxev vnh(> TjfX(vv 'Iqo. Xq. xal zqv oagxa vtieq xrjg oaQxbq ?j/jm> xal xr\v ipvytjv vnho xatv ipvxii/v q/ueöv.

II. Die einzelnen Heilsthatsachen und ihre Heilsbedeutung. 31

oaQxa eivai rov öcottjqoq 7]kud5v 'Iijö. Xq. xr\v vjcIq xmv a^aQ- ricöv T/f/cov Jia&ovoav (Sm. 7, 1) zu machen; denn hier ist das Abendmahl nicht nur in Beziehung gesetzt zu Fleisch und Blut Christi und zu seinem Leiden überhaupt, sondern zum Leiden um unserer Sünden willen. Dieser Zusatz verrät sich aber nicht nur durch seine völlige Vereinzelung als eine gerade hier sehr verständliche reine Reproduktion der christlichen Gemeindesprache, sondern der Verfasser fügt der überlieferten Formel offenbar ganz selbständig die Worte hinzu: r\v rr\ x(M<>t6t7]tl o JzarrjQ r/ysigsv, um keinen Zweifel mehr über das Mass seines Verständnisses zu lassen. Nicht eine die Sünden sühnende Bedeutung hat für ihn der Tod Jesu, sondern als Vorbedingung der Auferstehung eine Leben verbürgende, jeden Tod überhaupt überwindende Macht. Dies bestätigt sich auch durch einige andere Beobachtungen. Phild. 9, 1 wird zwar Christus ein Hohepriester genannt, aber nur als Vertrauter der Geheimnisse Gottes. Ein Opfer für Gott nennt lgn. wohl sich selbst, aber nirgends Christum (Rom. 4, 2). Von Sündenvergebung ist überhaupt nur einmal die Rede, nämlich Phild. S, 11), wo von der fieravoia, d. h. der Rückkehr der Ab- trünnigen zur Gemeinde gesprochen wird. Ign. gründet diese Hoffnung auf den Glauben und die Gnade des Herrn, 6g Xvöei arpy tj/iäiv jtavra öeOfiov. Hier ist weder von sühnender Gnade noch von Sündenvergebung, welche den Frieden des Herzens wiedergiebt, die Rede, sondern augenscheinlich von der Erlösung aus den Fesseln des Teufels. Überall, wo sonst von der bXjiiq (iEravoiaq die Rede ist, wird den Reuigen: Auferstehung, Gottes- gemeinschaft, Leben verheissen (Sm. 5, 1. Eph. 10, 1. Sm. 4, 1. Phild. 3, 2).

Trotz alledem müsste man annehmen, dass Ign. auch die auf die Sünde bezüglichen Gedanken des Paulus verstanden, wenn sich die paulinische Rechtfertigungslehre wiederfände. Aber nur zweimal findet sich das Wort ötxcuovo&cu. Er nennt es R. 5, 1 in einer ganz phraseologischen Reproduktion gerade der pauli- nischen Stelle % an der es im gewöhnlichen Sinne der iustificatio

1) fiexavooioiv d<fisi 6 xiQiog, iccv fxeravo7'jawaiv elg tvotTjva &eov y.ul avvtÖQiov zov tmaxonov, cf. Herrn. Vis. 2, 2. Clem. 9, Herrn. Mand. 4; et". Wrede, Untersuchungen zu 1. Clem. Br. S. 08 Anm. 2.

2) 1. Cor. 4, 9 or na?« xovxo öedixaiiofxat.

32 v- d. Goltz, Ignatius.

iusti steht, dann Phild. 8, 2 *), wo vorher der Streit mit den Doketen skizziert ist, gegen deren auf die Weissagung des A. T. gehende Angriffe er sich auf Jesus Christus und das l^aiQexov des Evan- geliums beruft. Dieser Zusammenhang nötigt trotz der Betonung von Tod, Auferstehung und Glauben, hier nur an ein Gerecht- fertigtwerden in Sachen des schwebenden Streites, also auch an ein iustificare iusti zu denken. Das „&4Za>u und „iv ry jtQOöevyri i)(id>v*' weist überdies deutlich auf seinen Märtyrertod. Durch diesen, dessen Vollzug die Leser erflehen sollen, hofft er zum Leben und damit zur Anerkennung seines Rechtes in jenem Streite zu kommen. So beweisen gerade diese Stellen, dass Ign. die paulinische Rechtfertigungslehre nicht wirklich aufgenommen hat. Das ist auch insofern bemerkenswert, als lgu. hier entschie- den hinter 1. Clem.2) u. Barn, zurücksteht, welche die paulinischen Gedanken doch teilweise reproduzieren, wenn auch nicht mit durchdringendem Verständnisse (vgl. II. Teil III A.). Eine ein- zige Stelle in unseren Briefen scheint allerdings indirekt mit der Sünde zu thun zu haben. Eph. 18, 2 nämlich ist die Taufe Christi mit dem Zusätze genannt: iva reo Jia&ei ro vöcoq xad-aQioy. Taufe und Tod Christi sind hier zusammengefasst. Die Heiligung, welche schon das Taufwasser bringt, wird erst völlig dadurch, dass Christus auch gelitten hat. Indirekt liegt hier augenscheinlich eine Beziehung zur christlichen Taufe überhaupt vor. Das Leiden Christi giebt dieser die reinigende Kraft. Die Reinigung kann sich aber nur auf die vor der Taufe begangenen Sünden beziehen. Diese gelten also kraft des Leidens Christi für getilgt. Wie aber die fierapoia nichts ist als die Umkehr vom verkehrten Wege, so bezieht sich auch diese Sündenvergebung bei der Aufnahme in die Gemeinde nur auf die vor ihr begangenen Sünden, und es verrät sich nirgends, inwiefern dies an das Leiden Christi geknüpft ist. Reinigung war ja auch in den heidnischen Mysterien etwas Gewöhnliches, aber doch sehr verschieden von der jüdisch-christlichen Auffassung einer inne- ren Herzensreinigung. Von letzterer ist jedenfalls bei Ign. direkt nichts zu finden. Das zeigt sich am deutlichsten an der Art des

1) iftol 6h aQXfi" iativ 'Itji. Xq. xa ü&ixxa äg^tla b axavgoq av- xov xal o &dvaxoq xal tj dvdaxaatq avxov xal rj nioxiq 61 avxov . iv olq &e).(ü iv x% 7iQ0O6vxy vf/iuv 6txcu(o9TJvat.

2) Cf. 1. Clem. 7, 4. 7. 10. 12, 7. 32, 8f; dazu Wrede, Untersuchungen z. 1. Cl. Br. Götting. 1S91. S. 08. 99.

II. Die einzelnen Heilsthatsachen und ihre Heilsbedeutung. 33

Ersatzes, den er hinsichtlich dieser auf die Vergangenheit zurück- blickenden Seite des christlichen Heiles bietet. Während von Rechtfertigung und Versöhnung und Sündenvergebung nichts bei ihm vorkommt, kennt er wohl den Begriff der Erlösung. An ihr scheiden sich zwei Welten, die des xoöfiog ovrog, des aqxcov rov al&voq tovtov, und die Gottes, zwei vofäoftara, welche das Bild des Weltfürsten oder das Gottes tragen (M. 5), die Welt des Unglaubens und die des Glaubens, die des Todes und die des Lebens. Die Menschen befinden sich in den Fesseln des clqxwv rov alwvoq tovtov (Eph. 17, 1. 19, 1. Tr. 4, 2. R. 5, 3. 7, 1. Phld. 6, 2). Er ist der Stifter der Uneinigkeit in den Gemeinden; nur zu diesem Zweck sendet er die Irrlehrer aus. Er will verderben und in Gefangenschaft führen weg von dem Leben in Christo (Eph. 17, 1); er will dem Bischof noch äussere und innere Schwierig- keiten in den Weg legen, um ihm die Märtyrerkrone zu ent- reissen, und ihn hindern, zu Gott zu gelangen. Aus den Banden dieses Weltfürsten hat Christus die Menschen erlöst. Nach Eph. 19 ist der Fürst dieses Aon betrogen und die ganze Welt ist er- löst, dadurch, dass die jtalcuä ßaoikela vernichtet, jede Fessel der Bosheit und der Unkenntnis zersprengt und die Macht des Todes gebrochen ist. Der Weltfürst sah nicht, dass unter der sarkischen Hülle des unter Schmerzen geborenen Kindes einer Jungfrau und des sterbenden Heilandes der ewige Gott sich menschlich offenbarte zur Stiftung ewigen neuen Lebens. Er ward betrogen, weil sein Blick nur das Sarkische, Vergängliche bemerkte, nicht aber das in demselben fassbare Unvergängliche. Dieses hat Christus aber in seiner Person dargestellt, durch seine Erscheinung ans Licht gebracht, durch seinen Tod ins Leben geführt. Die Christen aber sollen sich hüten, dass der Weltfürst sie nicht wieder fange und wegführe ex tov jcQOxeifiivov tfiv; sie sollen allein auf den Herrn hoffen, der jiavTa dtöfiov lösen wird. Ign. stellt sich diesen ganzen Erlösungsprozess wie ein Drama vor. Die Heilsvorgänge in der Menschheit l) haben ihren realen

1) Ganz klar ist es nicht, wie Ign. das Verhältnis dieser himmlischen Mächte zu den irdischen Heilsvorgängen sich vorgestellt hat. Jedenfalls sah er fiir alle religiösen Dinge gleichsam himmlische, ewige Parallelerschei- nungen, welche die eigentliche Grundlage waren für das, was sich sarkisch und sichtbar auf Erden abspielte; eine mystische Vorstellungsweise, wie sie später vom Areopagiten ausgeführt worden ist. Vgl. IL Tl. III. B. 2. Texte u. Untersuchungen XII, 3 'S

l\.\ v. d. Goltz, Ignatius.

überirdischen Hintergrund in dem noXefiog knovoavirnv xal Im- yeicov (Eph. 13, 2). Auch die himmlischen Mächte, die sichtbaren und die unsichtbaren, sind unterworfen der Heilsordnung Gottes. Damit ist die Universalität des Erlösungswerks Christi deutlich zum Ausdruck gebracht und der Ernst der Verantwortung vor dem Gericht geltend gemacht. So ist der christocentrische Cha- rakter hier durchaus festgehalten, und der in diesen mythologischen Vorstellungen liegende Ansatz zum Dualismus ist noch weit ent- fernt von den ausgeprägten dualistischen Vorstellungen der Gnostiker. Die Vorstellung der Erlösung als einer Befreiung aus satanischer Macht ist nicht unapostolisch und für jene Zeit durch- aus treffend. Aber, dass Ign. das Werk Jesu Christi nur als solche Befreiung, nicht aber als Erlösung von der Sünde *) zu würdigen versteht, bedeutet allerdings eine nicht unwesentliche Schranke seines Verständnisses.

Das positive Interesse, welches Ign. auch hier betont, ist wieder die Vernichtung des Todes und die Sicherung des Lebens. Hierauf führen uns also alle Angaben über den Heils- wert von Tod und Auferstehung des Herrn, und es bleibt nun nur zu ermitteln, mit welchen Gedanken er die Verbürgung des ewigen Lebens an die Auferstehung und Todesüberwindung des Herrn knüpft.

Tr. 9, 2 heisst es: oq xal alrftcög ?}yegd-i] cbib vexgwv, eyel- gavxog avxbv xov jtaxgbg avxov. ov xal xaxa xb o/joico/na t)(iag, xovg JtcOxevovxag avxcp, ovxmg eyegel 6 Jiaxr\g avxov ev XqlöxS 'fyöovi ov x^Q1^ T0 aXrjd-ivbv £tjv ovx e'xo/iev und Tr. 11,2: ovxoc (die Irrlehrer) yag ovx eloiv (pvxeia xaxgog. ei yag r/Oav htpaivovxo av xZaöot xov öxavgov xal r\v av 6 xagjtog av- xwv a(p&agxoq. 6c ov ev x<p Jiafrei avxov jtgoöxaXelxac vfiäg ovxag fielt] avxov. ov övvaxai ovv xe<paXrj xcoglg yevvrj&rjvai avev (teXwv, xov &eov evooöiv eJtayyeXlopievov, 6g eöxiv avxbg. In diesen beiden Sätzen sind die wesentlichen Hauptgedanken der ignatianischen Heilsanschauung ausgesprochen. Ist Christus das Haupt einer mystischen Einheit und selbst durch den Tod zum Leben durchgedrungen, so ist den mit ihm Vereinigten und an ihn Glaubenden dasselbe gesichert. Diese Hoffnung ist einmal

1) Zu dieser Auffassung der Erlösung vgl. Barn. 2, 10. 14, 5; Herrn. Vis. I, 1, 8. 2. Cl. 18, 2.

II. Die einzelnen Heilsthatsachen und ihre Heilsbedeutung. 35

begründet auf das Vertrauen zum himmlischen Vater, andrerseits aber auch auf die Natur der Sache selbst, sofern ein mystisches, gliedliches Verhältnis zu ihm (xXaöoi rov OxavQOV, fislrj) die Teilnahme an seiner tvmöig &eov gewährleistet. Ob das yervT}- O-Tjpai sich bezieht auf das Geborenwerden Christi zum xskeioq av&Qwxog, in dem jtvevfia und tfapg, Göttliches und Mensch- liches, zuerst vereinigt ist, oder ob es auf die Auferstehung, eine Geburt zum himmlischen Leben, zu beziehen ist, kann zweifelhaft bleiben. Jedenfalls stammt das Bild aus 1. Cor. 12. Nach der ganzen Art des Ign., zu denken, wird man diese Mystik etwas anders auffassen müssen als bei Paulus: hier naturhafter, dort ethischer. Auf solche naturhafte Veränderung des menschlichen Wesens überhaupt durch die Vereinigung von Gott und Mensch *), jtvetfia und öclq!-, in Christus deutet besonders die Bezeichnung des Abendmahlsbrotes als eines paQfiaxov äfravaöiag avxiöoxog rov firj ajtod-avelv, aXXä Crjv iv 'ltjö. Xq., und das Bild des Kreuzes als eines Baumes, a<p ' ot xcxqjiov rjftelg (Sm. 1). Auch Sm. 12 ist die ölxqxixtj xal jrvevfiaxixt) tvoxrjg &eov xal ifiatv unmittelbar an Leiden und Auferstehung geschlossen, was allerdings nur die Mahnung zur Einheit der Gemeinde und die Abmahnung vor Leugnimg jener Heilsthatsachen in antihäretischem Interesse mit einander verbindet. Die dynamisch-ethische Kraft des Todes Jesu ist auch nicht ganz vergessen. M. 5 heisst es im Anklang an Paulus2): öl' ov (sc. Xq.) iäv fi?) avO-aiQSxcog exwftev xo anod-avElv elg avrov Jta&og, xo ^v avxov ovx eaxiv kv rmlv. Hier ist von einem sittlich bedingten Absterben des alten Menschen die Rede und dem Christen der gleiche Weg durch Tod zum Leben gewiesen. Beherrschend ist dieser Gedanke im Römerbriefe, wo Ign. von seinem eigenen Wege durch Märtyrertod zum Leben spricht. Auch Tr. 8, 1 ist die Umschaffung des Men- schen als eine sittliche Aufgabe betrachtet, zu welcher der Glaube an die Erscheinung Gottes im Fleische und die Liebe, welche im blutigen Leiden des Herrn für uns zum Ausdrucke kommt, die Kraft geben. Wie dies Leben in Glauben und Liebe näher ge-

1) Es ist schon hier darauf aufmerksam zu machen, dass bei Ign. weder der Gedanke der adamitischen u. himmlischen Menschheit (Pls.), noch die Spekulation über die Vereinigung der Naturen vorliegt, wie bei Iren. u. der späteren griechischen Kirchenlehre.

2) Cf. Pls. R. 6, 5. 8, 17. 29. 2. Cor. 4, 10. Phil. 3, 10.

3*

36 v- Goltz, Ignatius.

dacht ist, werden wir später sehen. Desgleichen ist hier die Quelle für die vjiofiop/] und Todesverachtung der christlichen Märtyrer (M. 9, 2. Sm. 3).

Fassen wir nun alles zusammen, so ergiebt sich, dass Ign., wie in der Erscheinung Christi im Ganzen Offenbarung Gottes und Einigung mit ihm, so in Tod und Auferstehung ewiges, unvergängliches Leben, frei von aller dämonischen Macht, in der Gemeinschaft mit Gott und Christo verbürgt glaubt. Und wie ihm dort der feste Glaube an die öccQg Christi das Mittel ist zur Sicherung der Erfassung des ewigen Gottes, so ist ihm hier das Leiden Christi und sein Tod gerade das Symbol für den Auf- gang ewigen, unvergänglichen Lebens. Die Neugeburt des neuen Menschen, die in Christo, dem iaxQoq öagxixbg xal jivev(1(xtix6c> voraus dargestellte tvaxsiq d-eov und die Verbürgung ewigen Lebens sind schliesslich ein und dasselbe, und alles ist an Christi Person, sein Wesen, sein Sterben und Leben und sein über aller Zeit bestehendes Verhältnis zum Vater geknüpft. Deshalb heisst er &vqcc zov jiccrgog (Phild. 9, 1), deshalb zo aZrj&ivdv oder öca navxog Tjfiwv Zfiv (M. 1, 2. Eph. 3, 2. Sm. 4, 1). Sein Verhältnis zum Vater, wie auch sein sittliches Verhalten sind vorbildlich für den Christen; sein Leiden ist Abbild des Absterbens des alten Menschen und kräftigt dazu, wie es auch dem Märtyrer vjiofiovt) verleiht. Was jedoch sonst von Einzelthatsachen seines Lebens genannt wird, dient zur Bestätigung der wirklichen Menschlich- keit desselben. Die Taufe hat mit dem Tode zusammen heiligende, reinigende Bedeutung. Die Salbung des Hauptes ist ein Symbol für die Verleihung der Unverweslichkeit an die Kirche, den Leib. Die Himmelfahrt ist nicht erwähnt, man müsste sie denn in ywQriöapta (M. 7, 2) angedeutet finden. Aber die Thatsache des Lebens beim Vater ist ein wesentlicher Gegenstand des Glaubens. Das ewige, göttliche Wesen des Herrn ist seitdem erst recht offenbar (R. 3,3), wie auch der Märtyrer erst dort vollendet ist. Die Universalität der ganzen olxovofila ist so umfassend, dass bei ihrem in Erscheinung Treten das All bewegt wurde. Auch die Engel sind verloren, wenn sie nicht an das Blut Christi glauben (Sm. 6, 1)1), und auch die alttestanientlichen Frommen und Pro-

1) Cf. Herrn. Sim. IX, 12, 8: zovrwv <priol, ztSv äyyilwv rd5v höo^wv ovöslg elaelevaexai nQoq xbv &eov uxsq avrov; vgl. Pls. Col. 1, 29. Kph. 1, 10. 3, 10.

III. 1. Eschatologische Gedanken. 37

pheten, welche den Herrn treu erwarten, sind von ihm auferweckt (M. 9, s Jiaocvv rjyeioev ccvzovg ix vbxqwv). Ob nach dieser Auferweckung eine Verkündigung im Hades durch Christus selbst, also eine „Höllenfahrt" vorausgesetzt ist, ergiebt sich aus dem jzclqwv nicht mit Sicherheit1).

III. Eschatologiscile Gedanken nnd die Auffassung des christlichen Heilsgutes im Verhältnisse zu ihnen.

I. Eschatologische Gedanken.

Nur ein einziges Mal ist von der Wiederkunft des Herrn die Rede und hier bezeichnender Weise im Anschlüsse an das gegenwärtige Wohnen Christi als „unser Gott" in uns (Eph. 15). Auch R. 10 ist in dem Ausdrucke yvjtO(iovrj" 'lrjö. Xg. die Er- wartung der Wiederkunft gemeint. Dieselbe ist nicht mehr all- zufern, denn: löxaxot xaigol (Eph. 11), rsZoq jtgäyfiara lxu (M. 5, i). An letzterer Stelle heisst es weiter: ngoxeirat ovo ofiov o re d-ävarog xal r\ ^mrj xal l'xaörog eig xbv löiov tojiov fieZZei xcoQE^v:> a^er die Entscheidung hierüber denkt Ign. schon hier auf Erden vollzogen, wo sich die Welt des Glaubens und die des Unglaubens als ausgeprägte Charaktere gegenüberstehen. Wer sich von der Gemeinde trennt, der hat schon seinen Über- mut bewiesen „xal eavxov Suxgivev" (Eph. 5, s)2). Dagegen ist die ^en ungläubigen Engeln Sm. 6, i angedrohte xglöig eine zu- künftige, wie auch die /isZZovöa ogyrj Eph. 11. Von einem einzelnen Gerichtstage ist nirgends die Rede, a*ber vorausgesetzt ist eine ähnliche Vorstellung in der Warnung, sich die Langmut Gottes nicht zum xglfia (Eph. 11), die Mahnungen des Bischofs sich nicht zum fiagrvgiov gereichen zu lassen (Phild. 6, 3). Es fehlen hier vollständig die Farben der alttestamentlichen und jüdischen Eschatologie 3). Nur die Vorstellung des elg jtvg aoßtaxov ist Eph. 16, 2 herübergenommen; aber Sm. 2 tritt die spezifisch griechische Vorstellung hervor, dass die Leugner der öapg Christi döcofiaroi und öatfiovixoL werden sollen, was an

1) Ebenso zweifelhaft das (pavegto&elg aveßrj. Barn. 15, 9.

2) Cf. Herrn. Sim. IX, 21, 4 ijörj nagaösdo^ivoi slaiv.

3) Bei Barn, sind diese reichlich verwendet; cf. Joh. Weiss, Barn. Br. S. 80 ff.

38 v- d. Goltz, Ignatius.

das Wort in 2. Clem. 1,2 erinnert, dass die, welche gering von Christo denken, auch wenig zu hoffen haben '). Es ist aber nicht nur die Unbekanntschaft mit der speziell jüdischen Gedankenwelt2), auch nicht nur die johanneische Weise, welche die Gegensätze und das Gericht schon hier auf Erden sieht, sondern auch die eigene Situation, welche die Gedanken des Märtyrers über das Ende der Dinge ganz zurückdrängte hinter die Sehnsucht nach der eigenen in wenigen Wochen zu gewärtigenden Vollendung. Ign. hofft wie Paulus Phil. 1,23 gleich nach dem eigenen Tode auf Vereinigung mit dem Herrn, auf das kjtixvyydvetv &tov (R. 1, 2.5.6 etc.), auf die Auferstehung als kv avxco eXev&egog, als wirklicher av&gcojtog (R. 6, 2), als iXefyevog xig üvai. Dort hofft er zu leben und nicht zu sterben, dort xa&aQOV <pa>g Xaß6lv(R.6, 2), dort erst ein tia&ijxf/g dXrjd-?)g Xq. zu werden. Wie seine Todes- reise von Morgen gen Abend (von Syrien nach Rom) geht, so will er weg von der Welt in die Todesnacht untergehen, um wie ein neuer Morgen dann zu Gott hinaufzusteigen (R. 2, 2). Seine Hoffnung gipfelt in der Erwartung der Vereinigung mit dem Herrn, der für ihn gestorben und auferstanden ist (R. 6). Diese Erwartung drückt sich aus in den Worten des lebendigen Gottes- geistes in ihm „ösvqo Jtgog xov oiaxiQa", und die Vereinigung ist keine andere als die Vollendung derjenigen, die er schon im Abendmahle geniesst (R. 7, 3). Dies ist R. 7 gemeint, wenn auch Zahn mit Unrecht das „d höxiv dydjtTj a<pd-aQxogu, den Paral- lelismus störend, direkt darauf bezieht. Statt des Herrn selber nennt Ign. Fleisch und Blut Christi als die konstitutiven Merk- male seiner Person, welche die Wirklichkeit des Besitzes Gottes in ihm garantieren. Das Blut Christi" ist zugleich das Zeugnis der vom Tode zum Leben führenden göttlichen Liebe, und diese ganze mystische Gemeinschaft ist das unvergängliche himmlische Erhaltungsmittel seines Lebens. Wie dies schon in Brot und Wein des Abendmahles der Gemeinde gegeben ist, werden wir später sehen. Hier bestätigt sich nur unser bisheriges Resultat,

1) Vgl. auch d. Korrespondenz von Laster und Strafart in der Petrus- apokalypse.

2) Wenn Ign. to7to&eoiai u. avardaeig aQxovxixal der himmlischen Mächte erwähnt, so erinnert das an die Engelklassen der jüdischen Angelo- logie und darf wohl indirekt auch darauf zurückgeführt werden. Ign. be- kennt, selbst in diesen Dingen noch Anfänger und Schüler zu sein.

III. 2. Die Auffassung des christlichen Heilsguts. 39

dass Leben, Gotteserfassung, mystische Gottes- und Christus- einigung, und damit Vollendung des äp&Qcojioq und (ia^rjxr}q Xq. elvai, die wesentlichen Heilsgüter des ignatianischen Christen- tums sind. Von Herzensfrieden, Sündenvergebung, Bestehen im Gerichte, Erlösung vom Sündenleib und sündlicher Schwachheit ist auch hier nicht die Rede, dagegen wohl vom djt7]Qrc0fiivov elvcu (Phld. 5, i) und dem Erfundenwerden als aXrjd-rjq fiaB-TjTrjq, jtiöToq und wirklicher XgiöTiavoq (R. 3). Dass der Märtyrer in Bezug auf seine Person diese Heilsgüter mit Zurückstellung alles schon Vorhandenen wesentlich in ihrer zukünftigen Voll- endung betrachtet, versteht sich psychologisch sehr leicht. Um so wichtiger aber ist es, zu untersuchen, in welchem Verhält- nisse die eschatologische und die gegenwärtige Betrachtungsweise zu einander stehen, wenn er zu der Gemeinde von Gottesgemein- schaft und Leben spricht.

2. Das Heilsgut als Gegenwärtiges und Zukünftiges.

Zweimal redet Ign. von einem xXrjgopOfielv der ßaGiXela #£Ot> (Eph. 16,i. Phild. 3,3), aber in deutlichem Anklänge an 1. Cor. 6,9, so dass wir dies als fremdes Eigentum hier nicht verwerten dürfen. Ganz klar ist die eschatologische Fassung Pol. 2. Das &sov hmxvyzlv ist das Ziel, wohin das Schiff durch Sturm und Wellen geführt werden muss; im Wettkampfe des Lebens ist a<p&agola xal $007) alcjvioq der zu erringende Kampfpreis, dessen Verbürgung auch Polycarp fest glaubt. Ebenso weist auf das Ende das sehr häufige Prädikat Christi „^ xoipt) eXmq tfftcov" Eph. 2, i. 2. Tr. iscr. und 2, 2. Phild. 5, 2 und 11, 2, während das rb dXrjd-ivbv rm&v Cfiv (Sm. 4, 1. Eph. 3, 2) und zumal M. 1, 2 zo öiä Jtavxbq 7j(icop Qfjp ein gegenwärtiges Gut nennt, welches allerdings auch lediglich in der sicheren Hoffnung auf das in Christo verbürgte Leben bestehen kann. Unentschieden lässt die Frage auch Eph. 18, 1 1). Dagegen beweist das gegenwärtige Vorhandensein des Heilsgutes deutlich Eph. 17, 2: dyvoovvreq rb xagiöyia, o JtijtopKpev äXrjd-mq 6 xq.; auch Phld. 9, 2 ist dies vorausgesetzt, M. 9, 1 2) klar ausgesprochen. Ob es aber im schon angetretenen Besitze der Christen auf Erden ist, abgesehen vxm der Hoffnung,

1) axdvöakov axavgov tj/uiv owriQia xal ^a>^ ulwnoq.

2) % t,<ori tjfzdiv dvtzei/.e öi avxov.

40 v. d. Goltz, Ignatiuß.

bleibt auch nach diesen Stellen zweifelhaft. Tr. 9, 2 *) scheint das „exopsv" dies vorauszusetzen, aber hier ist gerade vorher von der künftigen Auferweckung die Rede. M. 5, 1 hat der Gegen- satz fravarog und £a>?/ deutlich eschatologische Bedeutung, aber am Schlüsse des Kapitels heisst es: oV ov kav firj av&aiQttcog excofiev xo ajto&avelv elg rb avrov jtä&og, rb Cfiv avrov ovx eoriv hv rjfilv. Hier hat das Cxjv augenscheinlich spezifisch ethischen Sinn und ist damit jetziges Eigentum und gegenwärtiges Gut. Das Gleiche gilt von der gawy , deren Anfang der Glaube, deren rtXog die Liebe ist (Eph. 14, 1). Im ganzen genommen ist also das Leben ein zukünftiges Gut, das aber jetzt schon fest verbürgt ist, und zumal ,£cor]" wird in diesem Sinne gebraucht. Aber die Gegenwärtigkeit dieser Verbürgung ist betont, und in ethischem Sinne ist schon jetzt ein neues Leben in uns, zu dem wir uns umschaifen sollen (Tr. 8, 1). Viel häufiger aber als mit dem Ausdrucke £rjv wird dieser ethisch bedingte Heilsbesitz wie bei Paulus ein slvai, ftivetv, evoe&rjvai iv XoiörqD genannt (Eph. 10, 3: fisvsre Iv Xq. caoxixmg xal jrvsvfiarixojg). Auf das ev Xq. 'Irjö. avQe&rjvai kommt es allein an, und dies setzt das Sein in Christo voraus, mag man nun aus Furcht vor dem Gerichte der Zukunft oder aus Liebe zu der gegenwärtigen Gnade darin bleiben. Das Gleiche wird als ein Wohnen Gottes in uns als in seinem Tempel bezeichnet (Eph. 15, 3), als ein &eov etvac (Eph. 8, 1. R. 7, 1. Phld. 3, 2), ein &eov jtaptore f/erexsiP (Eph. 4, 2), ein &bov yifiuv (M. 14, 1). Auch die tvwöig &eov, obwohl sie Tr. 11 als verheissen genannt wird, soll in der Gemeinde als oaQXixrj xal jtvevfianx^ bereits gegenwärtig sein (M. 1, 2. 13, 2. Eph. 5, 1 etc.), worauf wir später zurückkommen werden. Trotz alledem ist dem Ign. das d-sov kjtixvrfx^VBLV em zukünftiges Ziel, an dem noch vieles fehlt (Tr.5,2. Sm.9,2. Pol. 2, 2). Das Ergebnis dieser Prüfung ist mithin: Das individualistische Element ist in der Eschatologie des Bischofs das durchschlagende. Von der biblischen und jüdischen Vorstellung eines zukünftigen Gottesreichs und eines eschatologischen Dramas zeigen sich kaum Spuren. Zwar kennt auch Ign. einen Kampf der knovQavicov xal extystcov, einen Kampf Gottes mit dem aqxaw tov alcovog

1) ovxwq iyeQtt o natriQ avvov iv Xq. 'Itjo., ov xwolq xo ccXtj&ivov Xflv ovx e^OfjLSv.

IV. Das christliche Leben in Glauben und Liebe. 41

rovroVy aber dieser ist gleichsam ein ewiger Hintergrund, ein überirdisches und überzeitliches Urbild des sich gleichzeitig schon jetzt auf Erden vollziehenden Heilsprozesses. Der Sieg ist er- fochten und doch geht der Kampf noch weiter, und der Ausgang ist nicht unabhängig vom Verhalten der Menschen (Eph. 13, 2. Eph. 19, 8 vgl. Tr. 9, 1). Das Heilsgut als neues Leben ist wesent- lich eschatologisch: verbürgte Lebenshoffnung; dagegen die Gottes- gemeinschaft und Gotteseinigung ist schon hier im Vollzuge und wartet nur der Vollendung. Ideell sind beide voll und ganz in Christo bereits gegeben. Was aber die ethische Seite des Heils- gutes betrifft, so ist hier erst eine klare Anschauung zu gewinnen durch die nunmehr folgende Betrachtung der ignatianischen Auf- fassung vom christlichen Leben in Glaube und Liebe.

IT. Bas christliche Leben in Glauben und Liebe.

i. Glaube und Liebe als Grundprinzipien des Lebens.

Für unsere Betrachtung der ignatianischen Lebensauffassung giebt uns das Ergebnis der bisherigen Untersuchung in verschie- dener Beziehung die Richtung. Wir dürfen, wenn anders die Ge- samtauffassung des Ignatius eine einheitliche ist, weder ein be- sonderes Interesse an philosophischem Wahrheitsstreben erwarten, noch ein tieferes Verständnis des christlichen Lebens als eines Kampfes gegen die Sünde im eigenen Herzen in steter, frucht- bringender Busse. Die Erkenntnis ist nur religiös bestimmt und dient nur zur Sicherung und zum Schutze einer wahrhaften Erfassung Gottes in Christo. Der Kampf des Lebens ist nach aussen gerichtet gegen Irrlehrer, Verführer und Friedensstörer und vor allem die heidnische Welt, von denen man sich trennen und hüten soll als den Werkzeugen des Teufels. Besteht das Heilsgut in Gotteseinigung durch Christus in einem Leibe und in verbürgter Lebenshoffnung, deren Lebenskraft schon jetzt in uns wohnen muss, so ist der Glaube an die Wahrheit und geschicht- liche Wirklichkeit der Offenbarung und das Vertrauen auf die Treue des himmlischen Vaters und auf Christus ebenso die not- wendige subjektive Voraussetzung für die Erfassung des Heils- gutes, wie sein Besitz nur bestehen kann in der die Gläubigen

42 v- d. Goltz, Ignatius.

mit Gott, Christus und ihren Mitchristen zu einem Ganzen ver- bindenden Liebe. Dem wesentlich zukünftigen christlichen Gute ewigen Lebens steht aber der Weg des Unglaubens, der zum Tode führt, gegenüber. So ist denn als Motiv, ein christliches Leben zu führen, ebenso die Furcht vor diesem Wege zu Tod und Gericht, als die Liebe zu dem Leben in Gotteseinigung und Lebenshoffnung möglich. Dass in Glaube und Liebe sich that- sächlich dem Bischöfe alles zusammenfasst, zeigen die Worte: xb oXov toxi jclöxiq xal äyäjtrj mv ovöev jiqoxsxqixcci (Sni. 6) und: agx> ftev Jtiöxiq, xeXoq de dyajtrj , xa de ovo iv ivoxrjxi yevoftsva &soq hoxiv. xa de aXXa jtdvxa eiq xaXoxäyaMav äxo- Xov&ä loxiv (Eph. 14). Dass aber für diesen Weg durch Glau- ben und Liebe zu Gotteseinigung Ignatius zwei Motive kennt, die schliesslich gleichwertig sind, wenn sie nur das eine Ziel er- reichen, steht Eph. 11, i zu lesen: rj yäg xrjv piXXovoav 6oyy)v g)oßt]&dJfiev r] xr)v eveöxcoöav xolqiv äyarnjöcofiev, ev xc5v ovo' (aovov ev Xqiöxcq 'Itjöov tvoe&r/vcu eiq xb aXrj&ivbv Cfiv. Es kommt aber viel darauf an, zu prüfen, in welchem Verhältnisse Glaube und Liebe zu einander stehen, und welches von den Mo- tiven des christlichen Handelns das beherrschende ist, die Liebe zur Gnade oder die eudämonistischen Gedanken. Diese Unter- suchung, in die wir nun eintreten wollen, ist deshalb von doppel- tem Interesse, weil gerade an diesem Punkte die Schriften der anderen apostolischen Väter eine starke Abschwächung und Ver- flachung gegenüber dem N. T. zeigen.

Sehr wahrscheinlich ist zunächst, dass Ign. den Glauben als von Gottes Gnaden geschenkt denkt, so gut wie er glaubt, dass die Gnade die Herzen der Gemeinde zu einem guten Werke be- reit macht. Jesus Christus allein hat auch die Macht, die irre- geführten Gegner zur fiexdvoia zu bringen (Sm. 4, i), und deshalb vertraut Ign. in dieser Beziehung auf die Gnade des Herrn, der jede Fessel des Teufels lösen wird. Die fiexdvoia ist aber augen- scheinlich nichts anderes als die Rückkehr vom Irrtum zur Wahr- heit, vom Unglauben zum Glauben. So ist denn auch „der Glaube" zunächst das Überzeugtsein von der Wahrheit des Christen- tums, speziell der Wirklichkeit von Christi menschlicher Geburt, Tod und Auferstehung. Da aber, wie wir sehen, diese Thatsachen dem Ign. in seiner Polemik von Wert sind als Beweise der wirk- lichen Erscheinung Gottes im Menschen, des Ewigen in der

IV. Das christliche Leben in Glauben und Liebe. 43

Zeit, so ist hierdurch auch der Begriff des Glaubens näher be- stimmt als die Annahme und Ergreifung dieser Offenbarung Gottes in Christo. Am deutlichsten ist der Sinn „Fürwahrhalten" im Munde der Gegner Phld. 8, 2 *). In deutlicher Beziehung auf die die Offenbarung Gottes verbürgenden, von den Doketen geleug- neten Thatsachen steht es: Eph. 16, 2 (xLöxig, vjtlg rjg Xq. koxav- Qco&rj) M. 6, 1. Tr. 2, 1.2) Sm. 3, 2.3) 6, 1.4) Phld. 8, 2 (ry jtlöxig öV avxov).b) Da nun aber jene Glaubensthatsachen zugleich die Hofmung ewigen Lebens verbürgen, so schliesst der Glaube auch das Vertrauen auf den himmlischen Vater und Christi Treue (/) xeXela Jtloxtg 'Itjö. Xq. Sm. 10, 2) ein, der sich seiner Gläubigen nicht schämen, sondern die Verheissung an ihnen erfüllen wird. Dieser Glaube an Gott und Christus in spezieller Beziehung auf die Auferstehungshoffnung ist Tr. 2, 1. Eph. 3, 1. M. 9, 2 gemeint, und ähnlich ist auch der Glaube der treu auf den Herrn warten- den und dafür mit der Auferweckung belohnten alttestamentlichen Propheten zu verstehen, auch wohl Eph. 10, 2 eÖQalog xf] Jtlöxei und Sm. 1, 1 hf axivr\xca jtioxei. Soweit finden sich naturgemäss auch Analogien bei den anderen apostolischen Vätern.*) Ign. aber kennt Glauben nur in der engsten Verknüpfung mit einem christlichen Leben, mit einer Bewährung bis ans Ende. Es fehlt zwar jede Andeutung von einem Glauben an die sündenvergebende Gnade, aber die ethische Kraft des paulinischen Glaubensbegriffes ist ganz erhalten, wenn auch nicht so in das Wort hineingelegt, sondern nur unumgänglich damit verknüpft. Eph. 14, 2: ovöüg jtiotiv ijtayyeXXofievog anaqxavu ovöh ayäjttjv xsxxrjfiepog fli- est, (pavegöv xo öevöqov anb xov xagjtov avxov. ovxcog 61 ijtccyyeXXoftepoi Xqloxov üvai, 61 cov jiqccgoovoiv o<pür\oovxai. ov yaQ vvv ijiayyeXiaq xo BQyov, aXX* kv övvdfiu jtioxewg käv xig evQS&f] xal slg xeXog; eine sonst nur bei Johannes zu findende

1) iäv (AT) iv zolq agxtioiq evgio, 4v z<jt evayyekty ov mozevat.

2) elq zov &avazoV.

3) palhjzol r^avxo xal iniozevoav.

4) etq xb aifjta.

5) Hier ist d. Glaube auch direkt auf Christum gerichtet wie auch Eph. 14, 1.

6) Barn. 4, 8 iXnlq zfjq ntozta>q; cf. 12, 7, Herrn. Mand. 9, 6. 7. Zahn, niaziq b. Herrn. Jahrb. f. deutsche Th. 1870 p. 169 ff., dageg. Harnack, Patr. apost. opp. III ad Mand. 1.

44 v- d. Goltz, Ignatius.

Schärfe spricht sich hier aus in der prinzipiellen Trennung von Glaube und Sünde; ebenso wird Eph. 8 streng zwischen den öagxixol und jivevfiaTixoi unterschieden. Wie der Glaube nicht Werke des Unglaubens, so kann der Unglaube nicht Werke des Glaubens thun. Man braucht nur die noch am meisten ver- wandten Stellen der anderen Väter damit zu vergleichen, welche dazu mahnen, den Glauben zu bewähren durch Hinzufügung der Werke, um die viel originellere Kraft der ignatianischen Sätze zu empfinden *). Dieser Glaube ist Phld. 8 neben seinen Objekten, Christus, seinem Tode und seiner Auferstehung, als Grundlage der Rechtfertigung genannt, wenn auch diese, wie wir gesehen haben, nicht im paulinischen Sinne zu verstehen ist. Ist aber der Glaube des Bischofs kein paulinischer Rechtfertigungsglaube, so ist es doch eine innere Vertrauensstellung zu Christus als seinem Gotte und seiner Hoffnung, eine innerlich so starke Über- zeugung von der Wahrheit und Verlässlichkeit dieses Evangeliums und damit ein unmittelbares Ergreifen Gottes im Fleische, dass er gar nicht ohne Frucht denkbar ist. Deshalb ist eine wahre Lehre an sich auch gar nichts wert, wenn nicht der Lehrer selbst nach seinen Worten handelt, so wie Christus stets, selbst im Schweigen, eine völlige Übereinstimmung seiner Worte, seiner Gesinnung und seines Handelns bewies (Eph. 15). Auch die Gegner sollten lieber, statt durch ihr gottloses Disputieren sich den Tod zuzuziehen, Liebe üben, um auch auferstehen zu können. Man erkennt die Verderblichkeit ihrer Lehre, mit der sie den Glauben, das Vertrauen auf Gott zerstören (Eph. 16, 2), daran, dass ihnen die Liebe fehlt (Sm. 6, 2). Glaube und Liebe gehören also untrennbar zu einander und werden daher vom Verfasser

1) Herrn. Mand. 1 Tiioxevooy ovv avxd> xal <poßy{h]xi avxbv, <poßij&£lg 6h iyxgdxsvaai. Mand. 9, 6. Sim. VIII, 9, 1 änb 9eov ovx dneaxricsav äXX* ivtfietvav xy nlaxei (jltj i^ya^ofisvoL xd %gya xfjg nioxswq.

Cf. Sim. 7, 9. 4. Sim. IX, 13, 2. 19, 2.

Barn. 4, 9 ovösv yag (utpeX^aei vfiag o nag %(>6vog xtjq niaxewq, iccv pr] vvv iv x<3 dv6fji(p xaiQ& . . . . wg nghcsi vloig &sovy dvxiaxäififv, °iva yiry o%y nageiaSvaiv b fieXag.

J16. 16, 2 ov yag (dipeXqosi 6 näg XQ°V0$ r*i$ nl<J*t<*><Z v/itüv, iciv firj iv X(p ioxaxü) xatQ<f> X€Xei<o9fjx€.

2. Clem. 4, 3 iv xolg 'sgyoig avxbv bfioXoyw^iev. 1. Clem. 35, 5 rj öid- voia rifiüiv diu. niaxewg-, cf. 35, 1. 60, 1.

IV. Das christliche Leben in Glauben und Liebe. 45

sehr häufig zusammengestellt (Eph. 1, 1. 9, i. 14, i. 20, i. M. 5, 2. 13, 1. Tr. 8, 1. Phld. 9, 2. 11, 2. Sm. iscr. 1, 1. 6, 1. 13, 2). Das Fehlen dieser Wortverbindung im Rom.- u. Pol.-Brief ist auf- fallend und wohl nur so zu erklären, dass die Wendung in den anderen Briefen Bezug hat auf die niöxig an das wahre Leiden und auf die ayäjrq, welche jede Spaltung unmöglich machen soll, während diese polemisch-paränetische Tendenz im Pol.-Briefe und zumal im Röm.-Briefe ganz zurücktritt. Diese spezielle Anwen- dung ändert aber nichts an der grundlegenden Bedeutung dieses Doppelklanges, zu deren näherem Verständnisse zumal Eph. 14 und Eph. 9 beitragen, Erstere Stelle nennt den Glauben den Anfang (<XQXf'l), die Liebe das Ende des Lebens (xeXog). Zur Erreichung des Lebens ist also der Gott in Christo, das Leben im Tode ergreifende Glaube der Anfang, aber das Ganze wird erst vollständig, wenn die Liebe hinzukommt und die övvapLig Jtlozewg elg xeXog bewährt. Beides zusammen in Einheit stellt den Besitz Gottes dar (xa öe ovo kv hvoxtjxi yevöfieva &eog köxiv), und alles übrige, was zu einem edlen und guten, vollkommenen Leben nötig ist, folgt von selbst nach als von Natur in Glaube und Liebe mit einbegriffen (xd öe aXXa jidvxa elg xaXoxdyad-iav dxoXovfrd köxiv). Derselbe Gedanke ist auch in dem Bilde von Eph. 9 ausgedrückt, wenn der Glaube der dvaycoyevg elg &eov, die Liebe die oöbg ävcupegovoa genannt wird. Sehr prägnant werden daher die, welche den Charakter Gottes tragen, M. 5, 2 (Phld. 9) Jtiöxol kv äydjty genannt1). Die Wahl dieses Lebens in Glauben und Liebe schliesst aber ein Absterben des alten Menschen in sich (M. 5, 2) und deshalb für die Leser auch ein Ablegen des jüdischen Sauerteiges, ein Sichverwandeln in den neuen Sauerteig M. 10,2, der in Jesus Christus sich darstellt. Dieser ist ja nach Eph. 20 der neue Mensch, auf den die ganze olxo- vofila &eov abzielt kv xy avxov jtloxei xal kv xjj avxov äydjty,

1) Vgl. dagegen die Art, wie die Liebe, anderen Tugenden koordiniert, ziemlich äusserlich dem Glauben angereiht wird: 2. Petri 1, 5— 8. Barn. 1,6 iknlq, öixaioovvTj, ayant] (als tQywv Sixccioovvtjq (xaQtvQia). Past. Herrn Vis. 111,8,3.4. niaxiq u. ihre &vyarcQsg: iyxQCCTSia, anX6xrtq, imoxijftrj, uxaxla, ae/uvoxrjQ, dydnrj. Sim. IX, 15, 2 tj/uZv TtQwxt} tiioxiq, rj öe öevxtQa sy- xQaxeia, övvafxiq, (jloxqo9-v(xI(h, anloxijq, dxaxia, dyvela, IXccQOXTjq, d?.T]9sia, ovveoiq, bfxovoia, ttyanri; cf. Mand. 8, 9. 6, 1. 12, 3. Näher stehen dem Ver- ständnisse des Ign. : Pol. ad. Phil. 3 u. 1. Clem. 49.

46 v. d. Goltz, Ignatius.

kv jcad-u avrov xal avaöxadu. Wie nun durch das Eintreten Christi in die Menschheit deren Umwandlung zu einer neuen nicht nur ethisch, sondern, wie wir sahen, auch irgendwie natur- haft gedacht ist1), und die a<pfraQöla durch die mystische Ge- meinschaft wie durch ein gtccQfiaxov ad-avaöiaq mitgeteilt wird, so wird auch das christliche Leben als eine Pflanzung durch den Vater aufgefasst, so dass die Christen tpvreta JtaxQoq (Tr. 11, 1. Phld. 3, i) sind. Dann haben sie eine tadellose und einfältige (äötaxQiToq) Gesinnung, nicht nur in einzelnen Fällen (xara XQfjow), sondern als die Grundrichtung und das Wesen ihrer Persönlichkeit {xara <pvöiv). Das ist sicher der Sinn von Tr. 1, und deshalb wahrscheinlich auch der von <pvöiq Eph. 1: „T(> jtoXvayäjtrjTov öov ovopa o xsxttjg&s ipvöet [sv yva>^ oq&i} xal] öixaia. xara jtlönv xal äyajn?v kv Xqlötcö yIrfiov reo öa>rrJQc rjficov." Das „<pvöei öixaia" der griechischen Handschriften Gg und der besten lateinischen L ist zu pleonastisch , und deshalb wird Lightfoot mit seiner Konjektur nach der syrischen Über- setzung2) (Cod. Cureton. 2) Recht haben, nach welcher er die eingeklammerten Worte stehen lässt. Dann haben wir in dieser Stelle einen ganz ignatianischen Ausdruck für die zur zweiten Natur gewordene christliche Lebensgesinnung, sich zusammen- fassend in Glauben und Liebe, in Geist und Kraft Jesu Christi mit Hervorhebung der gerade bei den Lesern zu hütenden Grund- lage einer die Offenbarung in ihrer Wahrheit sichernden Lehre. Dazu passt auch, wenn der Bischof sie zur Vollendung des övy- ysvixbv sQyov, d. h. des ihrer christlichen Natur entsprechenden Werkes auffordert. Mag diese naturhafte Auffassung des christ- lichen Lebensprinzips, wie Lightfoot will, gnostisch gefärbt ge- nannt werden dürfen oder nicht, jedenfalls ist ihr christlicher Charakter durchaus gewahrt, und sowohl durch den Zusammen- hang als durch das Perfektum xtxr^od-e die Beziehung auf die Neuentstehung dieser Natur erst durch Christum beschränkt. Vor allem aber wird hier ganz klar, dass mit Glauben und Liebe dem

1) Barn. 6, 11. uvaxaivioai tj/uüq iv ty ä<peoet r<5v ufiagticüv ^noirjaev rjftäg aXXov xxrnov wg natöitov e%eiv xr\v ipvxrjv, (bg icv ötj avanXaaaov- zog avzov rjfiag; cf. 6, 14. Herrn. Sim. IX, 14, 3 xazey&ccQfitvwv tj/lkov xal prj i%6vT<DV £?>7ilda zov tftv clvevtioae zr\v ZcatjV r/fzäiv. Vis. 111. 8, 9 (vgl. Harn. z. d. St.).

2) natura (in) voluntate recte et iuste.

IV. Das christliche Leben in Glauben und Liebe. 47

Ign. alles gegeben ist, so dass das ganze christliche Leben im Einzelnen ein Auswirken und Ausleben des Glaubens auf dem Wege der Liebe ist, mit dem Ziele: elg &eov. Was für Einzel- aufgaben solches Leben in Glauben und Liebe einschliesst, verrät sich in unseren Briefen verhältnismässig wenig. Die meisten Ermahnungen sind auf Gehorsam gegen den Bischof, Frieden und Einigkeit gerichtet, oder betreffen sonst das Gemeindeleben. Als Pflichten des Einzelnen nennt er zumal die Vergeltung des Bösen mit Gutem (Eph. 10), das miteinander Wachen, Streiten und Kämpfen in gegenseitiger Fürbitte (Pol. 6, i), in welche auch die Irrenden und Ungläubigen eingeschlossen sind (Eph. 5, 2. 10, 1. M. 14, 1. Tr. 12, 2 u. 3. 13, 3. R. 8, 3. Phld. 5, 1. 8, 2. 10, 1. Sm. 4, 1. 11. Pol. 7, 1). Im täglichen Verkehre gilt es, Geduld zu haben (Pol. 6, 2), nichts gegen den Nächsten zu haben (Pol. 8, 2), lauter und einfältig zu sein (M. 15. Tr. 1, 1. R. inscr.) und nicht hoch- oder übermütig (M. 12. Tr. 4, 1. 7, 1. 6,2). Als zu Werken der Liebe mahnt er zur Gastfreundlichkeit (R. 9, 1. Sm. 10, 2) und zur Fürsorge für Witwen, Waisen, Betrübte^ Gebundene und Befreite, Hungernde und Dürstende (Sm. 6, 2). Das sind gelegentliche Bei- spiele der ndvxa aXXa, welche nach Eph. 14 von selbst im Ge- folge von Glauben und Liebe sich einstellen.

2. Die Motive des christlichen Handelns.

Diesem Wege des Lebens und des Glaubens steht aber scharf der andere des Todes und des Unglaubens gegenüber, eine Gegen- überstellung, wie sie uns ja in dem Buche von den beiden Wegen J16. 1 6. Barn. 17 20 vorliegt. Eigentümlich ist dem Ign. die an Johannes erinnernde prinzipielle Schärfe der Tren- nung beider „Charaktere". Es steht bei dem freien Entschlüsse (av&aigercog) des Menschen, ob er auf Christi Leiden hin dem Alten absterben will, sodass dann Christi Leben in ihm ist (M. 5, 2). Für die Wahl des Lebensweges sind aber zwei Motive denkbar: die Furcht vor dem Gerichtszorne und die Liebe zur gegenwär- tigen Gnade. Beide lässt Ign. gelten, wenn nur das Ziel ev *Irj6. Xq. svged-TJvai elg xo alrftivov C,?jv erreicht wird (Eph. 11). Zur gerechten Beurteilung der Zulassung auch des unterwertigen Furchtmotivs kann uns aber nur eine Untersuchung darüber führen, welche Motive für das christliche Handeln der Bischof selbst bei seinen Ermahnungen geltend macht. Auch unter den

48 Goltz, Ignatius.

Beweggründen, welche als Liebe zur kvsörcoöa XGQCS bezeichnet werden, sind solche möglich, welche vor allem den zukünftigen Lohn des Lebens und der Gottesgemeinschaft im Auge haben und als eudämonistische mehr oder weniger mit den Furchtmo- tiven verwandt sind, und solche, welche aus der inneren Gebun- denheit an Gott und Christus ihren Ursprung haben, sich aber einem äusseren Gesetztum nähern können. Mit der Betrachtung der letzteren wollen wir beginnen.

a) Die innerliche Gebundenheit an Gott.

Die Gebundenheit des christlichen Handelns an Gott kommt zunächst darin zum Ausdrucke, dass vor Gottes Auge nichts ver- borgen ist, also alles in dem Bewusstsein seiner heiligen Allge- genwart geschehen soll (M. 5, 2). Wichtiger noch ist, dass wir vollkommen sein sollen, wie unser Vater im Himmel vollkommen ist. Dieser Gedanke der Bergpredigt findet sich der Sache nach bei Ign. mehrfach wieder, so in der Mahnung, alles xarä freov zu thun (Eph. 2, 1. 8, 1. M. 3, 2. Phld. 4) und (iiftrjTal &eov zu sein (Eph. 1. Tr. 1), am deutlichsten aber in der Wendung xaza 6fio- i'j&stav &sov (Pol. 1, 3) oder ofiorj&eiav &eov Xaßovrsg (M. 6,2)*). Ist das rj&og Gottes selbst unser Massstab, so ist dies auch ein starkes Motiv, 0X01 opzsg d-eov (Eph. 8, 1) im ganzen Handeln zu bleiben. Diese Motive sind ja nichts anderes als die Anknüpfung an die Grundthatsachen, dass alle Gläubigen Gott haben, in ihm sind, ihn allein lieben (Eph. 9, 2) und alles thun, um ihm zu ge- fallen (R. 2, 1), und Bausteine seines Tempels, in dem er wohnen will, zu bleiben (Eph. 9, 1). In dem schönen Worte: XQtoxiavbq eavrov kgovöiav ovx lxel <*XXä &e<fi öxoka&t (Pol. 7, 3) fasst sich diese volle Zugehörigkeit zu Gott zusammen. So ist auch ein christliches Werk ebenso gut als eine That Gottes, wie als eine That der Christen, aufzufassen (Pol. 7, 3). An diesem Worte wird deutlich, wie die ignatianische Art, das Göttliche und Ewige im Menschen wiederzufinden, ohne eine Beeinträchtigung der Trans- scendenz und Lebendigkeit Gottes, auch hier im christlichen Leben und Handeln sich geltend macht. Das wechselseitige „Gott in uns" (Eph. 15, 3. M. 14, 1) und „wir in Ihm" ist das Grundmotiv,

1) Vgl. auch: imslxsta 9eov Z,wvioq (Phld. 1).

IV. Das christliche Leben in Glauben und Liebe. 49

b) Die innerliche Gebundenheit an Christus.

Da nun aber Gott nur in Christo ist, Glaube und Liebe zu Gott immer zugleich auf Christum gerichtet sind, so drückt sich dieselbe Thatsache auch aus in einer Gebundenheit an Christus in der Liebe zu ihm. Das xaxa &$bv Cfiv ist ein xaxa 'Irjoovv Xqiöxov £ijp (Tr. 2, 1); Gott wohnt in uns, sofern Christus in uns wohnt (Eph> 15, s) und die Liebe Jesu Christi ist die Grundlage jeder öiaxovia (Phld. 1, 1) und aller Dinge, die nach Gottes Willen in der Gemeinde geschehen (R. iscr.). So ist Jesus Christus noch jetzt das lebendige Prinzip christlichen Handelns, welcher in dem Gläubigen als eine lebendige Kraft wirkt (Sm. 4) und deshalb auch mit dem heiligen Geiste identifiziert werden kann (M. 15) *)•

o) Das Vorbild Christi.

Da nun aber, wie wir oben feststellten, Jesus Christus dem Ign. zunächst immer der geschichtliche Jesus ist, so wird auch eine Beziehung des christlichen Lebens auf sein Vorbild zu er- warten sein. Im Verhältnisse zu dem kleinen Umfange der Briefe und ihrer mehr gegen Irrlehre und Unfrieden gerichteten als all- gemein-ethisch- paränetischen Tendenz, bestätigt sich diese Er- wartung in überraschend reichem Masse. Der Bischof ermahnt seine Leser, fiifirjral 'Itjoov Xqiotgv zu werden, so wie er es zum Vater war. Gerade dies Verhältnis Jesu zu seinem Vater ist ihm ein Gleichnis für die kindlich-gehorsame Stellung die er sei- nen Gemeinden zu ihrem Bischöfe wünscht (Eph. 3,2. M. 7, 1. 13,2. Sm. 8, 1). Aber auch der Bischof selbst soll mit seiner Gemeinde Geduld haben, wie der Herr mit ihm Geduld hat (Pol. 1,2). Auch Ign. freut sich in dem Gedanken, ein Nachfolger des Leidens „seines Gottes" zu werden (R. 6, 3). Am lebensvollsten sind aber die Beispiele Eph. 10 und 15. An erster Stelle ermahnt er seine Christen zur Sanftmut gegen Zornige, zur Demut gegen Gross- sprecherei, zum Gebet als Erwiderung auf Lästerung, zur Glau- bensfestigkeit gegen Verführung, zur Stille und Ruhe (fifispop) gegenüber dem Toben der Feinde und warnt davor, sich ihnen gleichzumachen durch ähnliche Erwiderungen ihrer Bosheiten, vor allem aber sollten sie suchen, ftifirjzal xvqlov zu werden. Wem

1) xexTTjfisvoi ddtdxgizov nvsvfia, 0$ iaztv 'It^o. Xq. Texte n. Untersuchungen XII, 3. 4

50 *• d. Goltz, Ignatius.

sei mehr Unrecht geschehen, wer mehr beraubt und in seinem guten Rechte völlig beeinträchtigt worden?1) Den Schluss aus der selbstverständlichen Antwort überlässt er wirkungsvoll den Lesern, nachdem er ihnen eine ganze Reihe von Bildern, zumal aus der Leidensgeschichte, mit drei Worten ins Gedächtnis ge- rufen. — Eph. 15 hält er den Lehrern das Beispiel des einen grossen Lehrers vor, dessen Worten auch sofort die That folgte, um daran zu erinnern, dass das Lehren nur helfe, wenn der Leh- rer selbst nach seiner Lehre handle. Selbst das, was Jesus schwei- gend that, war würdig seines Vaters. Wer sein Wort in Wahr- heit zum eigenen Besitze gemacht habe, der könne auch aus der rjövxla des Herrn heraus sein Wort verstehen und dann gleich- wie der Herr selbst riXsiog sein, indem er wie jener handle, durch das, was er rede, und doch auch in dem, wo er schweige, als christlicher Charakter erkannt werden. Diese Stellen verraten uns ein so innerliches tiefes Verständnis und Interesse für die Per- sönlichkeit des Herrn, wie wir sie nur in den Evangelien, zumal bei Johannes, finden, während uns selbst Paulus hier wenig merken lässt. Zumal die anderen apostolischen Väter bleiben, was selb- ständige Würdigung der Person Jesu anbetrifft, bei der Schätzung des grossen Lehrers stehen, der, vom Himmel gekommen, bisher unbekannte göttliche Geheimnisse mitzuteilen hat Auch auf diesen weist Ign. hin mit der Ermahnung, auf niemanden sonst zu hören (Eph. 6, 2. M. 9, 2). Aber als Vorbild und Anregung für das christ- liche Leben stellt er des Herrn ganze Person hin und die Mah- nung, xaxa xQiöTOftad-iav zu handeln (Phld 8, 2), hat bei ihm einen reichen Inhalt. Ist es doch auch ein Zug der himmlischen Vollendung, welche der Märtyrer erwartet, ein rechter [ia{h]T'i]q 'lrjö. Xq. zu werden (Eph. 1, 2. M. 9, 2. R. 4, 2. 5, 3. Pol. 3, 2), ein Ideal, welches hier anfangen soll sich zu verwirklichen (M. 10, 1. Tr. 2, s. Eph. 3, 1).

d) Dankbarkeit gegen Christus.

Damit sind aber die Motive für christliches Leben, die sich an die Beziehung zu Jesus Christus knüpfen, noch nicht erschöpft. Auch die Dankbarkeit gegen Christus treibt an, gegen seine Freundlichkeit nicht unempfindlich zu sein, sondern seine Schüler

1) xig n?Jov dötxTj&tlg, zig dnooTiiQTjfalg, xig d9EZ7]&eig.

IV. Das christliche Leben in Glauben und Liebe. 51

zu werden (M. 10, 1). Zumal die Wechsel wendung: „Seit zu anderen oder zu ihm, wie der Herr zu euch", schliesst diesen echt christ- lichen Gedanken ein, so Eph. 2, 2: xara navra xqojiov öogä- £eiv 'ItjOovv Xqiötov xov öo^aoavra vpäg cf. Sm. 1, 1 und Eph. 15, 3.

e) Ehre Gottes and des christlichen Namens.

Viel häufiger aber ist die Rücksicht auf die Ehre und den Ruhm Gottes und Christi (Eph. 21, 1. M. 3, 2. 15. Tr. 12, 2. R. 10,2. Sm. 11, 2. Phld. 10, 2. PoL 4, 3. 5, 2. 7, 2), und einen besonders wichtigen Inhalt bekommt diese Rücksicht durch die Beziehung auf die Ehre des göttlichen Namens vor der Aussenwelt, die Verantwortung hierfür und die Pflicht, durch einen christlichen Lebenswandel nicht nur kein Ärgernis zu geben (Tr. 2, 3. 3, 2. 8, 2), sondern die Predigt des Evangeliums zu unterstützen (Eph. 10, 1). Wie das Leben der Gemeinde in Friede und Eintracht ein har- monisches Lied sein soll, welches Jesus Christus darstellt (Eph. 4), so hofft der Märtyrer, der seine Fesseln um Christi willen trägt (Tr. 12, 2), ein Wort Gottes zu werden (R. 2, 1), welches der Welt besser als alle vergeblichen Überredungsversuche die eigentliche Grösse des Christentums offenbart1).

Alle diese Motive für christliches Handeln sind durchaus innerliche Gebundenheit, welche aus der Natur von Glauben und Liebe in ihrer persönlichen Beziehung zu Gott und Christus von selbst folgen. Es ist eine Durchdringung des menschlichen Lebens durch Gott, welche Pneumatisches und Sarkisches in sich begreift, eine Heiligung xaxa jtdvra (Eph. 2, 2), ein eÖQaö&ai Jtlorei xcu äyany caQxtxf] re xal jtvevftaTixfj (Sm. 13, 2). Der Zusammen- hang mit der Wurzel, der Person Christi selbst, ist durchaus festgehalten, und das ganze Leben nur die Anwendung des hier ruhenden Prinzips. Da alles dies aber bei Ign. mehr Leben als Theorie ist, und dieser Zusammenhang von uns beobachtet wird, ohne dass vielleicht dem Bischöfe selbst dies als Vorzug bewusst war, so bleibt die Möglichkeit offen, dass an diesem oder jenem Punkte das sonst herrschende Prinzip durchbrochen ist.

1) R. 3, 3: ov nstafAOvfjg xo egyov äXXä fisyt&ovq iarlv 6 Xqioti- aviGßos, otav fxiai'xat vnb xoafxov.

4*

52 v- d. Goltz, Ignatius.

f ) Gebote Christi und der Apostel.

Hierfür bietet in erster Linie die Würdigung Christi als des einzigen Lehrers Gelegenheit, sobald nämlich seine Lehre und seine Gebote als Gesetz, das in sich selbst seinen Wert hat, von aussen fordernd sich geltend machen. Diese „Legalisierung" macht sich bei Hermas und 2. Clem. schon recht bemerklich l) und hat dann in der katholischen Kirche bestandig an Geltung zugenommen. Basselbe ist nun auch dem Ignatius vorgeworfen worden2). Es ist ja nun zweifellos, dass Ign. Gebote und An- ordnungen Christi und der Apostel kennt und diese hoch respek- tiert Damit sind sie aber noch kein äusserliches Gesetz, sondern, wie es bei Barn. 2, 6 heisst, ein xcuvog vofioq avsv £vyov avayxriq. Um der ganzen übrigen innerlichen Auffassung des Bischofs zum Trotze ihm eine christliche Gesetzlichkeit, eine „realistische Modi- fizierung des paulinischen Idealismus" (Pfleiderer) zuzumuten, müssten sehr deutliche Beweise vorhanden sein. M. 13, i sagt mit aller wünschenswerten Klarheit, dass es sich um ein ßeßacco- &7Jvai iv rotg'Soy/iajSi xov xvqIov xal xwv dstootoXcov handelt, und zwar nur zu dem einen Zwecke, dass alles in Glaube und Liebe, ausserlich und innerlich in Ordnung geschehe in Sohn, Vater und Geist, am Anfange und am Ende. Gerade diese Stelle ist wertvoll, weil sie uns zeigt, wie der Gehorsam gegen öoyfiaxa Christi und der Apostel den christlichen Grundprinzipien unter- geordnet ist. Tr. 7, i lehrt uns genau dasselbe, dadurch, dass die Untrennbarkeit von Gott oder Christus dem Gehorsam gegen Bischof und Apostel vorangestellt ist Was es mit letzterem für eine Bewandtnis hat, wird uns das nächste Kapitel lehren. Das Bild Phld. 7 CvvevQV&ftiöxai (sc. d. Bischof) xaTg kvxoXalg dg XOQÖaTg xifraga deutet doch wahrlich gerade auf eine innere Harmonie, nicht auf einen gesetzlichen Gehorsam. Den Worten: xaxä navxa x&coofirjfiivoi kv rätg hvxoXalg 'iqoov XqiOxov (Eph. 9) gehen unmittelbar gerade die das innere Ineinander charakterisierenden Beiworte: &eoq>6QOi xal vao<poQoi, xqigxo- yoQoi, ayioqtOQOi voraus, während das xa&y oXov ßlov ovöiv

1) Cf. Herrn. Schluss aller Mand. u.Sim. I, 5. II, 5. V. VI, 1, l. VIII, 3, 2 2.C1.8,4.

2) Bei Hilgenfeld, Apost. Vät S. 250 u. 251. Pfleiderer, Pauli- nism. S. 487.

IV. Das christliche Leben in Glauben und Liebe. 53

dyajtäxe el fit/ uovov xop freov nachfolgt Durch diesen Zusam- menhang ist der so wie so harmlose Ausdruck vor jeder Verdächti- gung auf kirchliche Gesetzlichkeit geschützt Ausdrücke wie xqloxo- vofioq (Rom. iscr.), vofioq Xq. 'Itjoov (M. 2) beweisen für letztere so wenig, wie pofioq xioxtcoq PI. Rom. 2, 27, poßoq xov xveufiazog PI. Rom. 8, 2, vopoq xov Xqioxov GaL6, 2, Ippopoq Xqioxov 1. Cor. 9, 21, sind vielmehr wahrscheinlich aus letztgenannter Stelle entlehnt Das vjtoxaooeo&cu xclqixi wäre so gut paulinisch wie die vjtoxayTJ xr\q ofioloylaq vfioZp 2. Cor. 9, 13. Vollends spricht der Singular „tf'kv- xolfj" ohne nähere Bezeichnung (Tr. 13. Sm. 8) !) nicht für eine kirchliche Gesetzlichkeit, sondern für ein inneres Grundgesetz. Dass die einmalige Erwähnung des Gesetzes Mosis nichts bedeutet, er- giebt der Sinn und Zusammenhang von Sm. 5, 1. Darüber, wie über die positive Bedeutung der Autorität von Bischöfen und Aposteln im nächsten Kapitel. Hier ist nur schon zu konstatieren, dass der Gehorsam gegen sie der Gesamtbeziehung zu Christus untergeordnet ist, und von einer äusseren kirchlichen Gesetzlich- keit nicht die Rede sein kann. Zuzugeben ist nur, dass gemäss der reiferen Entwicklung* des Christentums überhaupt und in- folge des zeitlichen Abstandes von Christo selbst, die doy/iaxa xvqIov xcu xo5p ajtooxbXmp in konkreter Vereinzelung sich mehr als früher geltend machten. Um so wertvoller ist es festzustellen, dass Ignatius der hierin liegenden Gefahr nicht unterlegen ist, was nur aus der Kraft mit der er alles auf Jesum Christum bezog, erklärt werden kann.

g) Aaketisohe Motive.

Viel näher liegt dem Bischöfe eine andere Gefahr. Haben wir durchweg beobachten können, dass sein eigentliches Interesse am Göttlichen, Ewigen, Pneumatischen haftet, während das Sarkische nur Träger, paoq, und geschichtlich-irdische Daseins- und Ausse- rungsform des Himmlischen ist, so lag es dem exzentrischen, der jtQaoxTjg ermangelnden Charakter des sehnsuchtsvoll auf den Ein- gang in das Himmlische gespannten Märtyrers nahe, in der Unter- schätzung der ooq§ da, wo er sie aus apologetischen Gründen zu betonen nicht gezwungen war, so weit zu gehen, dass er in ihr

1) Dies ist allerdings eine spätere, nachapostolische Wendung. Cf. Joh. hrcoXii xaivrj, Past-Br. u. 2. Petr.

54 v. d. Goltz, Ignatiue.

selbst etwas Entheiligendes, zu Verabscheuendes sah. Das lag ihm um so näher, als er kein inneres psychologisches Verständnis für die Sünde hatte und daher geneigt war, die erlösungsbedürf- tige Un Vollkommenheit des Menschen allein in der Vergänglich- keit und Materialität der Oüq§ zu finden; denn dann musste der Gedanke der völligen Einigung mit ihrem Gegenteile, dem Un- vergänglichen, Überzeitlichen, Ewigen naturgemäss zu einer Trennung und Ausscheidung von der oclq§ führen. In der Christologie hat ihn die Überlieferung und das antidoketische Interesse zum Gegenteil geführt und dies mit Recht, insofern als er die paulinische Unterscheidung von Cafza und öapg nicht kennt und ihm öapg mit der somatischen Erscheinungsform des Ewigen identisch ist. Aber der Satz ovölv <patv6{tevoi> dya&ov gilt doch selbst für Christus, denn das Wesen Christi wurde erst recht offenbar, seitdem er nicht mehr für die Welt sichtbar war. Also war die nicht mehr sichtbare öaQg eine höhere als seine sichtbare. In der christlichen Lebensauffassung hat jener Satz etwas viel Gefährlicheres, indem er die Askese und die Enthal- tung von dem Sarkischen an sich zum' Selbstzweck machen kann. Dies würde thatsächlich die Einfuhrung eines ausserchristlichen Motivs und eine äusserliche Nebeneinanderstellung von Göttlichem und Menschlichem bedeuten im Gegensatze zu der gleichmässigen Durchdringung des Lebens in allen Teilen durch die Beziehung auf Gott und Christus, die wir sonst bei ihm gefunden haben. Am stärksten spricht sich die Verachtung der Welt und der vXtj im Römerbriefe aus, wo der Blick des Märtyrers ganz auf das Jenseits gerichtet ist und das irdische Leben abgeschlossen hinter ihm liegt. Er hofft, dass die Tiere sein Ccofia ganz verzehren, so dass davon nichts mehr sichtbar bleibt. Nichts mehr von den rsQjtvä ton xoöftov und den rjöoval xov ßlov tovrov (R. 5. 6). Seine Weltliebe ist gekreuzigt, und es brennt kein sivq q*iXovXov mehr in ihm, sondern nur die lebendige Geistesstimme ruft: ösvgo xqÖq xbv stariQa. Wenn die Römer ihn auf diesem Wege auf- halten durch schützendes Eintreten für sein Leben, so ist das ein Widerspruch gegen ihr Bekenntnis zu Christo und bedeutet ein xoOfiov kmfrvuelv. Diese Äusserungen sind zwar etwas exzen- trisch, aber begreifen sich in jener Situation sehr wohl, ohne dass man eine mönchische, weltfeindliche Lebensauffassung dahinter vermuten müsste. Ganz anders spricht der Bischof da, wo er

IV. Das christliche Leben in Glauben und Liebe. 55

an den noch im Leben stehenden Polycarp seine Mahnungen richtet: <pgovtpog ytvov olg oqpig kv djtaöiv xal dxegaiog elg del dg r\ negiöxegd (vgl. Mt. 10, iö). öid xovxo öagxixog el xal jrvevfiaxtxdc, Iva xa (paivb{Levd öov elg jzgoocojiov xoXaxevyg' xa de dogaxa aixei, ha öoi giavegco&jj, oxcog (irjöevog Xeljrfl xal navxbg xaglofiaxog jtegiooevyg (Pol. 2, 2). Er soll also das Irdische und Sarkische nach Kräften benutzen, das Himmlische sich aber von oben erbitten, um so recht vielseitige ^ap/tf/zat a zu beweisen und in sich die Einheit von Sarkischem und Pneumatischem darzu- stellen. Dass hier der ignatianische Grundgedanke der Erfassung des Göttlichen und Pneumatischen gerade im Sarkischen in seiner Anwendung auf die Ethik hervortritt, wird ganz deutlich Eph. 8 in dem Satze: a 6h xal xaxa ödgxa jtgdööexe, xavxa jcvevfiaxixd höx iv. kv yl7jöov ydg Xgioxm jtdvxa jtgdooexe.

Dieser echt evangelische Grundsatz ist bei Ign. durchaus aufrecht erhalten. Nur was seine Stellung zur Ehe betrifft, kann man zunächst zweifelhaft sein. Bei der ganzen Haltung der späteren griechischen Frömmigkeit, deren Grundanschauung doch bei Ign. schon hervortritt, ist es naheliegend, auch bei ihm eine Bevorzugung der Virginität und Herabsetzung der Ehe zu ver- muten. Und in der That ist das 5. Kapitel des Briefes an Polycarp vielfach so verstanden worden. Es heisst dort: xalg döeX<palg fiov xgoöXaXei ayanäv xov xvgiov xal xolg övfißloig dgxelo&ai oagxl xal jtvev/xaxi. oftoimg xal xolg döeX<polg pov jtagdyyeXe kv ovofiaxi 'Itjöov Xgiaxov dyanav xovg ovfißlovg wg 6 xvgiog xrjv LxxXrjolav. El xig övvaxai kv dyvela fxeveiv elg xtfirjv xrjg oagxbg xov xvgiov kv dxavxrjola fievexco. käv xavx^orjxai djem- Xexo' xal kdv yvcoc&g jiXiov xov kütioxbnov, lq>&agxai. jcgenei de xolg yafiovd xal xalg yafiovfievaig fiexä yvmfirjg xov kjuöxo- jcov xrjv %vcoöiv Jtoielod-ai, Iva 6 ydfiog i] xaxd xvgiov xal fir) xax* km&vfiiav Jidvxa elg xifir)v &eov yiveö&a). Zuerst also ermahnt der Bischof die Eheleute, sich innerlich und äusserlich treu zu bleiben, an einander genug zu haben und sich zu lieben wie der Herr die Kirche liebt. Damit ist der Ehestand als christ- lich anerkannt, durch christliche Ermahnung geschützt und durch den Vergleich mit der Liebe des Herrn zur Kirche geehrt und geweiht. Doch spricht so auch noch heute die katholische Kirche und hält trotzdem den Cölibat für etwas Gottseligeres. Sieht man nun die folgenden Worte an, so liegt es zuerst nahe, in dem

56 v- d. Goltz, Ignatius.

Ausdruck Jkv *yvuq pivuv elg rifirjv xrjg GaQxog xov xvqIov" eine Empfehlung der Virginität zu finden. Der Bisehof wünscht jedenfalls, dass diejenigen, welche ehelos bleiben, dies zur Ehre des Fleisches des Herrn thun. Da nun Ign. das Ziel des Christen als eine tvcooig oaQxtxrj xal jtvev/iaxix?), als ein xQaO-ijvai xjj öagxl xal xm Jtvevfiaxc auffasst, so lag es für ihn nahe, das Reinbleiben von ehelicher Gemeinschaft für ein zur Ehre des Fleisches des Herrn geschehendes zu betrachten, und von dieser mystischen Seite aus werden doch die Worte verstanden werden müssen. Damit ist aber noch nicht gesagt, dass Ign. die Virgi- nität absolut für den höheren Stand hält. Im Zusammenhang des ganzen Kapitels sind beide Stände gleich berechtigt neben- einander gestellt und unterstehen miteinander ohne Unterschied dem abschliessenden Grundsatz jtavxa elg zip?)v &eov yiviöfrco. In dem Satz ei xig övvaxai . . . hf dxavfflöLa fievttco liegt der Ton auf dem li> äxavxrjoia. Dies setzt voraus, dass in der Gemeinde die Gefahr vorlag1), dass die ehelos Bleibenden sich als besonders heilig betrachteten. Dem tritt aber Ign. scharf mit dem iv axavxrjöla entgegen. Er hält also jedes Hervor- heben und Rühmen der Ehelosigkeit, jeden Anspruch auf höhere Autorität oder Heiligkeit, der daran geknüpft werden konnte, für Sünde und in sich nichtige Überhebung. Es ist also nicht richtig, dass er, wie Zahn (Ign. v. A. S. 337) behauptet, die katholische Auffassung teile. Er bleibt dem Grundsatz Eph. S auch hier durchaus treu. Nur soviel wird doch wohl von der anderen Auslegung festzuhalten sein, dass in der Motivierung für die Zulassung der ayvda als einer zur Ehre des Fleisches des Herrn dienenden Tugend eine mystisch-naturhafte Anschau- ung verborgen liegt, welche, sobald das jtavxa elg xifirjv &60V yivio&a)' vergessen ist, unmittelbar in die der griechi- schen Kirche übergeht. Der freie Geist der evangelischen Auf- fassung ist bei Ign. noch massgebend, die Form bereitet aber die Verweltlichung und die Erstarrung zur Regel, zum Ge- setz, zum ethischen Dualismus schon vor. Eine wirkliche Aus- nahme aber davon, dass die ganze christliche Lebensauffassung des Bischofs eine innerlich an Gott und Christus allein gebundene

1) Vgl. Harnack, D. Gesch. S. 200 Anm. 3. S. 226 Anm. 2.

IV. Das christliche Leben in Glauben und Liebe. 57

ist, aus welcher in Glaube und Liebe alle Pflichten des Lebens sich frei ableiten, haben wir auch hier nicht, mithin nirgends gefunden ').

h) Die Hoffnung auf Vergeltung.

Neben der Auffassung des christlichen Lebens als Bethätigung der geschlossenen Lebensgemeinschaft mit Christo und Folge der Gebundenheit an sie, kennt aber Ign. auch die andere Betrach- tungsweise, welche nach vorwärts blickt auf das zukünftige Heils- gut, den Siegerpreis eines bis zum Ende bewährten Kampfes (PoL 2 und 3). Bereits die Untersuchung des vorigen Kapitels ergab uns, dass das Heilsgut als ewiges Leben sogar vorwiegend als zukünftiges betrachtet wird. Der Mittelpunkt der Betrachtung ist auch hier Jesus Christus als r\ xoivrj hXriiq q/idiv (Eph. 1, 2, 21, 2, M. 11, 2, Tr. iscr. 2, 2, Phld. 5, 2, 11, 2) und die christliche Tugend, die dem entspricht, ist die vjtofiovrj (Eph. 3, 1, Tr. 1, 1, Sm. 12, 2, R. 10, 3, PoL 3, 1, 6, 2). Es kommt nun hierbei darauf an, ob die Beziehung auf die künftige Gottesgemeinschaft das allein herrschende Motiv ist, und ob diese als natürliche Frucht des Lebens in Glauben und Liebe erscheint, oder ob etwa in rein eudämonistischer Weise das ewige Leben als Lohn und Motiv für gute Werke behandelt wird. Wirklich katholisch wäre dies nur dann, wenn von einem menschlichen Verdienen des Himmels die Rede wäre. Pol. 6, 2 kommt hier vor allem in Frage. Hier ist das christliche Leben in dem auch paulinischen Bilde eines Feld- zuges aufgefasst, und Ign. 'ermahnt, dem zu gefallen, der den Sold austeilen werde. Taufe, Glaube, Liebe und Geduld sind die Schutz- waffen des Christen. Die guten Werke aber werden als das Lohn- guthaben bei Gott angeschrieben, wie von Geldgeschenken an die Soldaten die Hälfte von der Kohorte verwaltet und am Schlüsse des Feldzuges erst ausbezahlt wurde. Diese Auszahlung war dann die der Tapferkeit des Soldaten angemessene Belohnung, während bis dahin der Soldat durch sein eigenes Interesse mehr an die

1) Vgl. dagegen die mannigfachen Ansätze zu einer, von ihrem Zwecke losgelösten , in sich selbst den Wert suchenden, Askese bei Past. Herrn. : d. iyxQazeia u. Sim. V, 7, 1. Mand. IV, 4, 2: ovx ä/nagzdvei yijoiv (seil 0 yafiaiv) iav & i<p* tavzov fulvy u<; (d. h. ehelos) negiaoorigav kavz<ä xifirjv xal f/eydXijv öot-av tisqitioiutcu npog xov xvgiov. Cf. Vis. III, 8, 8. 4. Mand. VI, 1. 2. Clem. 5,5. 8, 4. 9, 8 auch 1. Cl. 35, 1: tyxQrhtta h ayiaofiüi und 38, 9.

58 ▼• d. Goltz, Ignatius.

Fahne gefesselt war. Dass diese Stelle auf eine katholische Ver- geltungstheorie ausgedeutet werden kann, ist nicht zu leugnen; ebensogut ist sie aber auch bei einer evangelischen Auffassung des Lohnverhältnisses zu erklären, zumal hier nicht von einzelnen guten Werken, sondern von ihrer Gesamtheit die Rede ist. Von einem Schatz im Himmel (Mt. 19, 21) wird auch von Jesus ge- sprochen, und der Gedanke, dass Gott denen, die Gutes thun wollen, bereit ist, es zu vergelten (Sm. 11), ist an sich durchaus unbe- denklich, zumal der Bischof Sm. 12 die Gnade als die Vergelterin nennt. Wenn Eph. 4, 2 sie den Herrn bitten sollen, sich ihrer anzu- nehmen, 61 a>v ei) jtQaooerSy so setzt das schon keinen Rechtsan- spruch voraus, und der Zusatz „piXt} ovxaq rov vlov avrov" knüpft alles wieder an die Hauptsache, die wesentliche Gemeinschaft mit Christo, an. Lediglich durch Erinnerung an das Ziel der Gottes- gemeinschaft wollen M. 1, 3. 3, 2. 9, 2 wirken. Nur R. 2, 1 klingt etwas katholisierend: eäv ökoji^ctjts^ xqüttovi %Qy(p exere ijti- YQaprjvai, aber auch kaum mehr als manche synoptische Sprüche. Am reinsten und edelsten aber, und von jeder Verdächtigung frei sind die Worte, in denen Ign. der Gemeinde wünscht, dass Gott ihnen das vergelten möge, was sie an ihm gethan. (Sm. 9, 2. 11, s. 12, 1, Ph. 11, 1), und ebenso unbedenklich ist die Mahnung: vjco- fiiveiv Jj(iäq öel, Iva xal avroq r^iäq vnofietvy Pol. 3, 1; ähnlich R. 8, 1. Hier schliesst die Beziehung auf Christus jedes selbst- süchtige Motiv aus.

i) Die Furcht vor Strafe.

Etwas geringer an Wert ist die Warnung, sich das Heils- gut nicht entgehen zu lassen und nicht zu spät zu kommen, wenn dieselbe auch durchaus christlich zulässig und praktisch ist. Sie hat natürlich zumal bei der Abmahnung vor den Irrlehrern ihren Platz (Eph. 5,2. 17, 1. M. 5,«. Tr. 2, 1. Phld. 3, s). Noch viel menschlicher ist das Drohen mit dem Gerichte und der Strafe, so wenig es auch bei der Erziehung zum Christentume entbehr- lich ist, wie es denn ja auch der Herr zuweilen benutzt. Geist- liche Tiefe und Einfachheit wird aber möglichst wenig damit operieren. Ign. warnt Eph. 16, 2 vor dem unauslöschlichen Feuer und droht Sm. 2 den Doketen mit einem leiblosen dämonischen Dasein. Dazu erinnert er Sm. 6, 1 und Phild. 6, 3 an den Ernst des Gerichtes. Das sind aber die einzigen Stellen. Bei der Fülle

V. Christus und die Gemeinde. 59

der anderen Motive ist das trotz der Kürze unserer Briefe ein auffallender Umstand, und wir sehen, daß der Bischof selbst auf dem Wege des Lebens bleibt aus Liebe zur ipsorcöocc #«(>*§, nicht aber aus Furcht vor der OQyi) fiiXXovöa (Eph. 1 1), wenn er auch in seiner von jeder Schablone entfernten Freiheit diesen Weg anerkennt, es sei denn, dass er nur zu dem Iv Y^o. Xq. evQe&rj- vai fuhrt. Wer die christliche Innerlichkeit der ignatianischen Anschauung, die ja allerdings uns nirgends als theologische Theorie, aber doch als einheitliche und bestimmte Lebensauffassung gegen- übertritt, recht empfinden will, vergleiche auch hier die anderen apostolischen Väter, die nicht nur die Aussicht auf den zukünf- tigen Lohn und die Furcht ziemlich einseitig hervortreten lassen *), sondern zum Teil schon sogar überverdienstliche Werke kennen2). Nur das eine Moment haben wir bisher übersehen: die meisten Mahnungen des Ignatius sind an Gemeinden, nicht an Einzelne gerichtet, und auch sein Ideal eines Lebens in Glauben und Liebe und einer evcooig &eov occqxixtj xal jtvevfiaTix?] gilt zuerst der ganzen Gemeinde. Gerade von hier aus können auch noch Ein- flüsse kommen, welche die innerliche Einheit seiner Lebensauf- fassung in ihrer alleinigen Beziehung auf Gott in Christo und die Gemeinschaft mit ihm stören. Ob und inwieweit dies der Fall ist, soll der nun folgende Abschnitt zeigen.

T. Christas und die Gemeinde.

Was den ignatianischen Briefen ihr eigentümliches Gepräge giebt, ist ausser ihrem christocentrischen Charakter ihre Anschau- ung von der einen christlichen Kirche. Dieselbe ist im Zusam- menhange mit der Echtheitsfrage seit langem vielseitig besprochen worden, und man darf es wohl als jetzt ziemlich allgemein an- erkanntes Resultat bezeichnen, dass die Hervorhebung und Hoch- schätzung des Bischofamtes nicht eigentlicher Selbstzweck der

1) Lohn: Pol. Phil. 5, 10. Barn. 19, 10. 20, 2. 21. 8. 2. Clem. 11, 6 16, 4. 17, 4—6. 18. Herrn. Sim. II, 5. Furcht: 2. Clem. 18. Barn. 2, 2. 1. Clem. 2, 8: 21,8: nmq 0 <poßoq avrov xaXoq xal ftiyaq xal awt.cav navxaq xovq iv avtät oaitoq dvaorpsipo/ulvovq iv xa&agä öiavola ; cf. 18, 1. Herrn. Mand. VI, 1, 1. XII, 3, 1.

2) Herrn. Mand. IV, 4. 2. Vis. V, 5, 8.

60 v- d. Goltz, Ignatius.

Briefe ist, sondern nur das für die kleinasiatischen Verhältnisse geschichtlich vorbereitete und sichere Mittel, die Einheit der Ge- meinden zu schützen und ihre Auflösung in Konventikel, Sekten und häretische Sonderbildungen zu verhüten, ein Bestreben, dessen Anfänge wir für dieselben Gegenden im kanonischen Epheser- briefe, in den Johannesbriefen, den Sendschreiben der Apokalypse und den Pastoralbriefen beobachten können. Hier von neuem den Beweis anzutreten, dass der Episkopalismus des Ignatius diesem Gedanken der Einheit der Gemeinde untergeordnet ist und mit hierarchischen Tendenzen der Absicht nach nichts zu thun hat, würde Zeitverschwendung sein, und wir verweisen einfach auf die Ausführungen von Rothe1), Dorner2), Zahn3), Light- foot4), und besonders Reville5). Auch müssen wir, um nicht in weitläufige, von unserm Thema abführende Auseinandersetzungen zu geraten, die ganze historisch-archäologische Seite der Sache von unserer Untersuchung ausschliessen. Jedoch ist auch die dogmengeschichtliche Bedeutung der ignatianischen Gedanken über die Kirche nicht völlig zu verstehen ohne eine kurze Vergegen- wärtigung der historischen Situation und Veranlassung.

I. Die geschichtliche Veranlassung der kirchlichen Ermahnungen.

Die monarchische Organisation der Gemeindeverwaltung ist als eine bereits thatsächlich vorhandene vorausgesetzt. Keine Stelle der Briefe empfiehlt dieselbe als etwas Neues: nur die Macht, Autorität und Bedeutung des einen Bischofs wird durch die Ermahnungen des Ign. gehoben und gestärkt, aber auch dies nicht um des Amtes selbst willen oder zu Gunsten seiner Träger, sondern lediglich, um die Einheit und den Frieden in der Ge- meinde zu erhalten. Dieser war in nicht geringem Masse gefährdet; denn nicht nur von aussen traten Heidentum, Judaismus und Häresie der Gemeinde gefahrbringend entgegen, sondern bei dem

1) Rothe, Anf. d. ehr. K. S. 445—482, 725-739.

2) Dorner, Gesch. d. Person Chr. S. 147— 167,-bes. Anm. 1&

3) Zahn, Ign. v. A. S. 424—453.

4) Lightfoot I. S. 389-402.

5) J. Reville, Revue sur l'histoire des r&ig. 1890. S. 267—288. Hier ist der eigentümliche, noch ganz urkatholische Charakter des ignatianischen Episkopalismus treffend geschildert. Es fehlt nur die wichtige religiös-dog- matische Seite der Sache.

V. Christus und die Gemeinde. 61

in Kleinasien stark entwickelten Interesse für die Lehre war wohl auch innerhalb der Gemeinde starke Neigung zur Separa- tion. Eine solche aber war wiederum das Allergefahrlichste für die Kirche in ihrem geistigen und äusseren Kampf mit der heid- nischen Welt Verlor die Gemeinde ihr christliches Gemeinschafts- bewusstsein, ihre sichtbare Einheit im Glauben und in der Liebe, so verlor sie ihr wichtigstes Unterscheidungsmerkmal von allen anderen Religionsvereinen und damit ihren Anspruch, etwas Be- sonderes, ganz Neues und Universelles zu sein. Andererseits steigerte die Intensität des christlichen Interesses, mit welchem das Verständnis nicht gleichen Schritt hielt, die Gefahr, in Secten und Schulen zu zerfallen. Hier verlor das ältere demokratische Gemeindeverwaltungssystem bald seine Macht und hatte sich vor Ign. bereits zu einem monarchischen gestaltet. Nun hatte Ign. sich auf seiner Reise selbst davon überzeugen können, dass die Bischöfe der Gemeinden tüchtige, gläubige Männer waren, deren Charakter ein Unbeschädigtbleiben der Gemeinden garantierte, wenn diese nur sich ihrem Leiter anschlössen. Das war aber nicht gesichert, zumal einige derselben jung (M. 3) und im Reden nicht gewandt (Eph. 6) waren. Ign. spricht deshalb auch mehr- fach seine persönliche Hochschätzung der Männer aus, um die an sich nicht ohne weiteres verbürgte Autorität der Bischöfe zu stärken. Die Fülle, der Beredsamkeit, die er dazu aufwendet, zeigt, dass der Gemeinde die Autorität des Bischofs nichts so Selbst- verständliches war; es ist wohl möglich, dass Ign. in Antiochien bereits mehr an sie gewöhnt gewesen. Jedenfalls war er in seiner Stellung als Märtyrer und als über den Parteiungen der Gemeinde stehend besonders geeignet dazu, solche Mahnungen an dieselben zu richten. Der Brief an Polycarp zeigt überdies, dass er dem Bischof nicht geringere Pflichten der Gemeinde gegenüber auf- erlegte, als dieser gegenüber jenem. Dies Alles ist oft schon ge- sagt worden, zeigt aber nur, dass Ign. keine hierarchische Tendenz hatte, sondern nur aus edlen Motiven der Liebe und Fürsorge aller Uneinigkeit vorbeugend handelte, wenn er zum Gehorsam gegen den einen Bischof ermahnte. Die Feststellung dieser That- sache l) genügt, um die Einwände derer, welche die Briefe ihrer hierarchischen Tendenz wegen für unecht halten, zu beseitigen,

1) Vgl. den Beweis in den genannten Schriften.

62 v. d. Goltz, Ignatius.

genügt aber nicht, um die Anschauungen des Ign. zu verstehen und richtig zu beurteilen. Ign. selbst giebt für seine Mahnung nicht nur die Motive der Liebe zu Frieden und Einheit im All- gemeinen an, sondern er thut dies in einer Weise, die mit seiner ganzen religiös-mystischen Anschauung vom Christentum in engem Zusammenhang steht. Dieser Zusammenhang ist bisher nicht ge- nügend beachtet worden. Uns ist es nach allem Bisherigen nicht allzuschwer, denselben nachzuweisen.

2. Die allgemeine Kirche und die Einzelgemeinde in ihrem Verhältnis zu einander und zu Christue.

Beruht die Heilsbedeutung der Person Christi darin, dass er die %v(öGiq &tov öaQxtxrj xal jtvevfiaTtxrj selbst darstellt und Allen, die in ihm leben, vermittelt, so hat das ebenso, wie auf den Einzelnen, auch auf die Gemeinde seine Anwendung.

Die Einigung von Göttlichem und Menschlichem, durch welche sich das Ewige in der Zeit, der Geist im Fleische, Gott im Men- schen darstellt, hat sich zuerst in der Person Christi vollzogen, kommt dann in allen Christen und ihrem ganzen Leben in Glauben und Liebe zur Darstellung und findet ihre Vollendung in der Einheit der Gesamtgemeinde. Diese völlige Einheit von Christus und der ganzen Kirche ist von Ign. mystisch gefasst und findet ihren Ausdruck in dem paulinischen Bilde von Haupt und Glie- dern an einem Leibe (Tr. 1 1), am deutlichsten aber in den Worten Eph. 5: tovq avaxexQapivovg avrm (dem Bischöfe) coq fj sxxXTjcia *Irj6ov XqiOtco, xal dg 'IrjOovg Xqlgtos T(P navyl, wa navra hv \voxr\xi ovfigxjova #. Wie real und wirklich diese mystische Einheit des Ganzen zu nehmen ist, zeigt die Verwendung der Salbungsgeschichte Eph. 17. Indem Christus sich das Haupt salben liess, vermittelte er der ganzen Kirche die Unverweslich- keit. Dieser Leib Christi ist rj xa&oJLtxTJ kxxXrjOla ein Aus- druck, der hier (Sm. 8, 2) zum ersten Male vorkommt , und diese Kirche ist überall, ojtov av ij 'Irjöovq Xgcörog. Er oder Gott ist ihr Bischof (R. 9. Pol. inscr. 8), und zu ihr gehören alle Gläubigen aus Heiden und Juden (Sm. 1. M. 10). Ein principieller Unterschied ist nirgends unter den Christen gemacht. Aber wichtig sind die Analogien und Vergleiche der Gemeindeämter mit den himmlischen Rangstufen. Dieselben beruhen auf dem Grundgedanken, dass jede Einzelgemeinde das sichtbare irdische

V. Christus und die Gemeinde. 63

Abbild der xafroXtxr} IxxXrjOia ist. Die ganze himmlische Kirche verhält sich zu Christus, wie dieser zu seinem himmlischen Vater (Eph. 5). So hat auch die Einzelgemeinde im Bischof den Re- präsentanten Gottes, des Bischofs der ganzen Kirche, im Presby- terium eine Repräsentation der Apostel und in den Diakonen die, welchen der Dienst Jesu Christi anvertraut ist (M. 6, 7. Tr. 3). M. 13 ist die Gemeinde durch äXXtjXoiq mit in den Vergleich eingeschlossen. Sm. 8 ist nur der Vergleich gezogen zwischen dem Gehorsam aller gegen den Bischof und gegen das Presby- terium und dem Gehorsam Christi gegen seinen Vater und der Apostel gegen Christus. Die Diakonen sind als &eov lvxoXr\ extra gestellt. Immer ist also der Bischof ein rvjtoq Gottes, das Presbyterium ein rvjtoq des Presbyteriums der Gesamtkirche, jenes Gzttpavoc jiVEVfianxoq, den die Apostel bilden (vgl. auch Phld. 5). Was im Bischöfe respektiert und geehrt wird, ist nicht er selbst, sondern Gott, der Vater Jesu Christi, der Bischof Aller. Wer den sichtbaren Bischof beleidigt, beleidigt den unsichtbaren: ov jtQoq öagxa 6 Xoyoq, aXXa jiqoq &eov (M. 3, 2); gerade wie lgn. in der Gewissheit, nach Gottes Willen zu handeln, erklärt: Thut Ihr meinen Willen, so thut Ihr Gottes Willen fiäXXov ipov yiveo&e rovreortv rov &eov (R. 7, 1)1). Selbstverständliche Voraussetzung ist dem lgn. dabei, dass alle Bischöfe, wie Jesus Christus des Vaters yvcofit] ist, ihrerseits sich iv yvcofif} 'Itjö. Xq. befinden. Auf dieser Voraussetzung allein beruht dem lgn. der Anspruch der Bischöfe, für die Gemeinde rvjtoq und yvcofit] &eov zu sein (Eph. 3, 2 4, 1). Er ist also nicht Gottes Stellvertreter, weil er rechtmässig gewählt oder von den Aposteln eingesetzt oder geweiht ist, auch nicht deshalb, weil sonst reine Lehre und Einheit gefährdet ist, sondern deshalb, weil er oberstes Glied der sarkischen Einzeldarstellung der Kirche ist, in welcher der Geist Gottes wohnt. Wenn lgn. nun die Apostel ein jiQeößvTioiov rijq exxXrjölaq nennt, so überträgt er ja eigentlich eine Institution der geschichtlichen Einzelgemeinde auf die himmlische Gesamt- gemeinde. Ihm ist aber umgekehrt jener Oxi(pavoq Jtvsvfiatixoq xcd ovpöeöfiog rmv ajioöxoXcov das Erste, das einzelne Presby- terium das Zweite, das Abbild. Wenn M. 13, 2 das Presbyterium

1) Vgl. did. IV, 7: Tixvov /xov, xov XaXovvzog 001 rov Xoyov xov &eov /ivr)o9-qoy vvxtog xal rjfiiQag' tifx^aeiq Ö€ avrov wg xvgiov.

64 d. Goltz, Ignatius.

nicht erwähnt wird, sondern direkt der Gehorsam der Christen untereinander in der ganzen Gemeinde mit dem Gehorsam der Apostel verglichen wird, so merkt man hier, dass auch das Pres- byterium der Einzelgemeinde ihm vorwiegend ein Mittel und Symbol der Einheit Aller, eine Repräsentation der ganzen Ge- meinde ist. Immerhin ist es als ein besonderes Glied hervor- gehoben, welches einer überirdischen Realität in der himmlischen Gesamtkirche entspricht. Dagegen ist bei den Diakonen der Ge- danke der symbolisierenden Repräsentation himmlischer Personen nicht durchgeführt. Es zeigen sich hier in den Formeln des Ign. besondere Unregelmässigkeiten. Eph. 1, 2. Eph.4, 1. M.6,2. M.J7,i. Tr. 13, a. Phld. 8, 1 wird die Gemeinde nur zum Gehorsam und zur Anhänglichkeit an Bischof und Presbyterium ermahnt, ohne dass die Diakonen erwähnt werden. Sie sind an diesen Stellen augenscheinlich in die Gemeinde mit eingeschlossen gedacht (gerade wie Tr. 12, 2 auch die Presbyter). M. 2, 1 wird ein Diakon gelobt, weil er dem Bischof und dem Presbyterium so treu ge- horsam war, wie dies Ign. von allen •Gemeindemitgliedern fordert. Tr. 2, 3 wird zuerst die Gemeinde zum Gehorsam gegen Bischof und Presbyterium ermahnt, dann die Diakonen zu vorwurfsfreiem Wandel und Dienst der Kirche, dann von Neuem die ganze Ge- meinde zur Achtung (hvTQtjieöd-cu) vor den Diakonen, wie vor Christo, gerade wie auch vor dem Bischof, dem Typos Gottes, und vor den Presbytern als dem ovviÖQtov &eov. Der Umstand, dass die Diakonen, obwohl die niedrigsten, hier vorangestellt sind, erklärt sich daraus, dass Tr. 3, 1 sie die Hauptsache sind, während die Achtung vor Bischof und Presbyterium nur nachträglich noch einmal hervorgehoben wird. Jedenfalls zeigt die Stelle, dass die Diakonen einerseits der Gemeinde (dem jtlrj&og) so nahe stehen, dass sie gegenüber Bischof und Presbyterium mit dieser zu- sammengefasst werden können, andrerseits als ötaxovoi 'Irjö. Xq. der Gemeinde gegenüber noch ihre besondere Stellung haben, welche sich unmittelbar an die des Bischofs anschliesst. Auch Sm. 8, 2 sind die Diakonen als d-eov kvroXrj neben Bischof und Presbyterium für sich gestellt. Nach alledem wird man sagen müssen, dass trotz der Stellen, wo Bischof, Presbyterium und Diakonen in der späteren Reihenfolge und Dreigliederung auf- gezählt werden (M. 6, 1. M. 13, 1. Tr. 7, 2. Phld. iscr. 4. 7, 1. Sm. 12, 2. Pol. 6), der eigentliche Dreiklang des Ign. nicht wie später

V. Christus und die Gemeinde. 55

Bischof Presb. Diak. lautet, sondern 1) Bischof 2) Presb.

3) JtXij&oq, analog der Reihe: 1) Gott-Christus 2) Apostel 3) // xa&oXix?} kxxX. Dies sind die 3 Stufen der Gemeinde, wie sie die Stufen der himmlischen Kirche abbilden (vgl. Eph. 4 x &äoa

x°Q^ X°Q°& Zu letzterer gehören allerdings auch die Diakonen (Tr. 3), jedoch gleichsam als ein Teil, ein Anhang des Bischofs, des Vertreters Gottes und Christi, dessen Dienst sie versehen, oder auch als ein Teil des jtXrj&og, dem sie als einem Teil der kxxXrjola dienen. Dieser Dienst ist ein Gottesdienst und ist deshalb unmittelbar zu dem des Bischofs gehörig, während das Presbyterium eine Grösse für sich bildet. *) In dieser Weise ist die Einzelgemeinde mit dem Bischöfe an der Spitze die sar- kische Darstellung der pneumatischen Christusgemeinde. 2) Hierin hat Sohm3) Recht. Jedoch kann Sm. 8 mit der xad 0X1x1) exxXrjöla sicher nicht die Einzelgemeinde gemeint sein, sondern diese ist eine sarkische Erscheinungsform der xad-oXixrj exxXrjöla, Keineswegs wird dieser Begriff mit der „rechtlichen" Bischofs-

1) Diese Ausführungen zeigen, dass bei Ign, die Funktionen des Bi- schofs und der Diakonen als von Gott und Christus ausgehende betrachtet werden, während das Presbyterium ein Abbild des ovviögiov &€0v, des ovvdzofibq änoaxokwv ist. Darin spiegelt sich vielleicht. wieHarnack in den Analecten zu Hatch S. 242 ff. ausführt, der geschichtliche Unterschied zwischen der episkopalen und der presbyterialen Organisation wieder. Nur ist die Autorität der Apostel und Presbyter für Ign. eine ebenso himmlische und religiöse Sache, wie die des Bischofs und der Diakonen, nicht eine äus8erlich empirisch bedingte, wie Harnack meint. Ja sofern die Einzelge- meinde ein Abbild der himmlischen Kirche ist, steht für Ign. grade Bischof und Presbyterium als Repräsentation der analogen himmli- schen Realitäten im Vordergrund, während bei den Diakonen nur ihr Dienst als Dienst im Namen Gottes für die ixxkrjoia in Betracht kommt. Der Gegensatz göttlich äusserlich, Abbild vom Himmlischen und empi- risch bedingt liegt dem Ign. hier fern. Aber der Dienst der Diakonen ist allerdings mit dem des Bischofs dadurch verbunden, dass er ein Dienst Gottes und Christi unmittelbar ist, während das Presbyterium nur das ovveÖQiov &sov repräsentirt.

2) Ähnlich sind die Vorstellungen 2. Clem. 14. Dort ist die präexi- stente ixxXrjoia 7cvevfiauxq mehr das himml. Vorbild ohne diese enge Verknüpfung mit dem irdischen. Sie stellt sich zuerst symbolisch dar iv xy guqxI Xgiaxov [rj yaQ aäg^ avxrj avxlxvnoq toxi xov Tcver^xaxoq). Ign. unterscheidet sich von 2. Clem. nur durch die mystische Auffassung dieses Verhältnisses.

3) R. Sohm, Kirchenrecht I. Leipzigl892. S.197Anm.21u.S.200Anm.24. Texte u. Untersuchungen XI7, 3. 5

(>(J v. d. Goltz, Ignatiiw.

gemeinde ganz identifiziert, sondern unter dem thatsächlichen Vorhandensein der monarchischen Organisation ergiebt sich der Anschluss an den Bischof von selbst als die notwendige Form, die Einheit der Gemeinde zu retten und dadurch die mystische Einheit der pneumatischen göttlichen Gesamtkirche als unver- letzte Glaubenswahrheit innerhalb jeder einzelnen Gemeinde auf- recht zu erhalten. Auf diese Grundwahrheit aber kommt es dem Bischöfe allein an. Wie er daher die o<xq§ Christi nur betont, um gegen die Doketen die Wirklichkeit und Ergreifbarkeit des ewigen Gottes in ihm zu schützen, wie er den Tod Jesu nur rühmt, um in ihm das ewige Leben zu haben, so schützt er die Autorität des kntGxoxoq xaxa öagxa nur, weil die Einheit mit ihm in der Gemeinde die einzige sarkische und äusserlich greif- bare Verkörperung der Herrschaft Jesu Christi und seiner Ein- heit mit den Gliedern seines Leibes ist. Hier wie dort besteht derselbe Schein, als ob Ign. besonderen Wert auf das Mensch- liche an Christus und seinem Leiden, oder auf eine menschliche Bischofsautorität an sich lege, was die Kritiker lange getäuscht hat, und überall ist es gerade das Ewige, Göttliche, Gott, die mystische Einigung mit ihm, die Einheit der pneumatischen Kirche, welche, obwohl unsichtbar und transcendent, doch dem Sarkischen immanent verbunden, das alleinige Interesse des Ign. haben. Wie wenig es ihm darum zu thun ist, eine formale göttliche Au- torität des bischöflichen Amtes zu konstituieren, wie innerlich und geistig er noch den Begriff der Kirche fasst, ist weiter gut zu erkennen an der Art, wie er das Gesamtleben und die ge- meinsamen Güter der Gemeinde kennzeichnet. Er macht hier nichts anderes geltend als die Grundsätze christlicher Liebe und die Forderungen eines geordneten christlichen Gemeinschaftslebens überhaupt, so, wie sich ihre Anwendung auf die Bedürfnisse seiner Leser ihm von selbst ergab. Alles, was er in dieser Beziehung sagt, gilt der Einzelgemeinde, sofern dieselbe das sichtbare Einzel- abbild der xad-oZtXT] hxxXr^ola sein soll. Was von letzterer gilt, wird von ersterer ausgesagt resp. verlangt. Jegliche Störung im Leben der Einzelgemeinde und in ihrem Gemeinschaftsleben durch Verletzung des Glaubens oder der Liebe ist eine empfindliche Verletzung des Glaubens an die erstere, und wer sie verursacht, hat sich selbst ausgeschlossen. Sehen wir uns die einzelnen Aussagen des Ign. hierüber an.

V. Christus und die Gemeinde. 67

3. Das Gesamtleben und die gemeinsamen Güter der Gemeinde.

Zuerst kommen hier Eph. 4 und 9, zwei Bilder für das Ge- samtleben der Gemeinde, in Betracht. Eph. 4: Presbyterium und Bischof sollen harmonisch auf einander gestimmt sein, wie Harfe und Saiten; die Gemeinde ist der Chor, und ihr Leben in Ein- tracht und Liebe ist ein Lied, welches Jesus Christus selbst dar- stellt, ein Loblied zur Ehre Gottes des Vaters durch Christus, nach Gottestonart in einheitlichem Chor (<pcopy pia). In diesem Bilde kommt deutlich genug zum Ausdrucke, dass Eintracht und Liebe, die Ehre Gottes und die Darstellung Jesu Christi die Hauptsachen sind, Bischof, Presbyter und Gemeinde aber in Einheit zusammengehören, um das Lied „Jesus Christus" zu singen. Eph. 9 ist überhaupt nur von der Gemeinschaft die Rede, die sich aufbauen soll zu einem Tempel Gottes. Jesu Christi Kreuz ist die Mechanik, welche die Bausteine an ihren Platz bringt, das Seil ist der heilige Geist, der Glaube der Hinaufleiter und die Liebe der Weg. Dann wechselt das Bild. Alle sollen, wie bei einer Prozession die Heiden ihre Götter tragen, auch ihrerseits mit einander zu Gott ziehen, Gott, Christus, den Tempel, das Heilige in sich tragend und geschmückt statt mit Blumen und Kränzen mit Wandel in Gehorsam gegen die Gebote Jesu Christi. Auch dies Bild hat, so geistig und innerlich es gemeint ist, wahrlich keinen hierarchisch-katholischen Charakter. Da müsste doch ein Bischof als Bauherr und Führer der Prozession fungieren. Bemerkenswert ist auch, dass der heilige Geist hier ganz als Kraft verstanden ist, nicht aber als Person. Bei Christus vermeidet Ign. die Beziehung des Werkzeuges auf ihn selbst, beim heiligen Geiste ist das Bild unpersönlicher als beim Glauben.

Hier, wo wir von dem Gesamtleben der Gemeinde reden, ist überhaupt der einzige Ort, auch das Nötige vom heiligen Geiste zu sagen, der bei Ign. sehr wenig vorkommt. M, 15 erklärt uns diesen Umstand, indem dort der Geist und Christus ganz identi- fiziert sind *), was nur erklärlich ist, wenn der Geist nichts an- deres ist als die Kraft Wirkung Gottes im Menschen, welche aber zugleich eine Wirksamkeit Christi ist. Deshalb kann Ign. Phld.

1) Cf. 2. Clem. 14, 4 ov fiEra?.rj^ezai xov nvevftatoq, o iattv o Xqi- oxoq. Anders und im Zusammenhange mit „udoptianischer Christologie'* bei Herrn.

(J8 v. d. Goltz, Ignatiua.

inscr. auch schreiben, Jesus Christus stärke und befestige die Vorsteher nach seinem Willen mit seinem heiligen Geiste, während er wiederum Sm. 4 sagt, Christus sei in ihm mächtig 1). Was dagegen die traditionelle christologische Formel „ix xvevpazoq aylov" (Eph. 18) mehr bedeuten soll als das damit wechselnde bc &aov, bleibt dunkel. Ohne das Prädikat „heilig*4 spricht Ign. von r6 jzpsv/ia im Gegensatze zu menschlichem Meinen, Phld. 7,2: ort ajto GctQxog avd-Qcomvrjq ovx eyvcov. rb 6h jcvevfia ixrjQvooev Xtjov rdös. Er kann hier, wie auch R. 7, 2 in dem „vöcdq $cqv xal ZaXovv iv ifiol, eom&ep fioi Xeyov ösvqo JiQog rbv ttariQcP nur den in ihm wohnenden und redenden heiligen Geist meinen, aus welchem heraus zu reden er so gewiss war, wie irgend ein Apostel. PoL 1 wird der Bischof sogar ermahnt, ein Jtvev(ia axoifirjrov zu haben, während Ph. VII, 1 das ajto &eov oV mit grosser Plerophorie geltend gemacht wird. Auch die Propheten waren schon Jünger Christi in diesem Geiste (jia&rjTal ovreg rm jivevpaTi) M. 9. Ign. hat hier also die ein- fache Vorstellung des neuen Testamentes, ohne sich irgendwelche theologische Gedanken gemacht zu haben. ML 15 beweist nur, dass diesen Geist alle Christen haben, und dass seine Wirksam- keit die Christi ist. Eine völlige Identifikation von Christas und Geist ist aber doch durch Eph, 18, 2. M. 9, 8. Ph. 7, 2 ausgeschlossen. Die trinitarische Formel findet sich nur einmal (M. 13) in der sehr undogmatischen Reihenfolge von 2. Cor. 13, is: Iv vlm xa) Ttargl xal jr.vsvtuari in der Mitte zwischen Möret xal ayajty und bf agxv xal riZst2). In den Grussüberschriften sind immer nur Vater und Sohn genannt. Ein Anklang liegt ja auch M. 15 und Eph. 9 vor. Ign. kennt also jedenfalls nur die „ökonomische'4 Trinität, gerade wie das N. T., und gewinnt ihr nur den Gedanken der Wirkung Gottes in der Gemeinde durch Christus oder den Geist ab. Nicht einmal als Einheitsband der Gemeinde wird der heilige Geist genannt, was doch sehr nahe gelegen hätte. Als solches gilt natürlich besonders die Einheit des Bistums und Presbyteriums, sofern sie den Frieden und die Einheit der ganzen

1) Sm. inscr. cf. PI. Phil. 4, 18.

2) iva navxa oaa no leite xavEvoöa>&rjzE aagxl xal Jtvevpecti, nt~ azEi xal äydny, iv vl<3 xal nazpl xal iv Tivsvfiari, iv dQyy xal iv ziXet etc.

V. Christus und die Gemeinde. 69

Gemeinde garantiert; dann der gemeinschaftliche Christenname l) und der eine alle Zungen einende Glaube (M. 10, 3). Die Gruss- überschriften nennen ausser Glaube, Liebe und Einigkeit und ihren objektiven Voraussetzungen (Offenbarung, Tod und Auf- erstehung) und ausser den speziellen Vorzügen des Gehorsams und der Reinheit von Irrlehre, nur die gemeinsam erfahrene Gnade nud Barmherzigkeit Gottes 2). Ganz dem Ignatius eigentümlich ist die Betonung der Erwählung und Heilsprädestination der Einzel- gemeinde 3) (bes. Eph. inscr. xjj jigoogiofidp^j jiqo ai&vmv elvat, öia navxog elg öoSjpv xandfiopov). M. 3 hat er den Ausdruck ß-eov xov d-eXrjOavrog tifiag vgL R. inscr. u. 8, 1.

4. Die gotte8dien8tuohe Einheit

Auch die Christenfreude ist ein Gut der Gemeinde (M. 7, 1. Phld. inscr.) Am vollständigsten aber kommt das Gemeinsame zum Ausdrucke M. 7, 1. 2 im Anschlüsse an die Warnung, nirgends separatistischen Gottesdienst zu üben und ohne Bischof und Presbyter in der Gemeinde nichts zu unternehmen, denn fila jiooöevxrj, itia dtyoig, elg vovg, (da hXxiq hv ayanq, iv xq %aQa xcp ä/Moficp, 6 lexiv yfTjoovg XQiöxog, ov cifistvov ovdiv eoxiv. ndvxeg tag elg %va vaov ovvxQixexe &tov, mg im h> frvotaöxi]- qlov hxl eva 'Itjöovv Xqiöxov xov dg)' evög xaxQoq JtooeX&ovxa xal sig %va ovxa xal yworjöavxa. Dazu kommt noch Phld. 4 fiia evxaoiöxia und elg kjtioxojtog. Nach diesen Stellen ist Jesus Christus als der eine Sohn des einen Vaters der Mittelpunkt; der Gedanke der einen Kirche, des einen Heiligtums schliesst sich unmittelbar an die religiöse Grundwahrheit von dem Einen Gott und dem einen Sohn an, und in ihm sind wiederum alle Güter des christlichen Gemeinschaftslebens, die ethischen sowohl wie die gottesdienstlichen, beschlossen.

Die Aufhebung der Einheit der gottesdienstlichen Feier ist dem Bischöfe die Zerstörung der Einheit überhaupt. Die Ge- meinde aber ist da, wo der Bischof ist, und jeder Versuch, ohne

1) Eph. 1, 2: V7ihp xov xotvov ovofiaxoq xal iXntöos, vgl. M. 1, 2. Eph. 3, 1. 7, 1.

2) Auch in der Grussüberschrift des Römerbriefs sagt Ign. nur das oben Angegebene in besonders überschwänglicher Wortfiille.

3) Dies ist charakteristisch und bestätigt wieder die Beobachtung, dass die Einzelgenieinde nichts als eine lokale Erscheinungsform der gött- lichen allgemeinen Christuskirche ist.

70 v. d. Goltz, Ignatiua.

sein Wissen oder Beisein sich gottesdienstlich zu versammeln, bringt Spaltung in die Gemeinde. Jede Spaltung aber ist der An- fang alles Übels (Sm. 7). Noch mehr, jede Spaltung bringt einen Riss in die Kirche, welche eins sein soll, wie Jesus mit dem Vater war. Und da diese tvcooiq oaQxixrj xal xvsvnarixi) in der Einzelgemeinde nur die Erscheinungsform der %vcooiq der ganzen Kirche mit Christus und durch ihn mit Gott ist, so verletzt jede Störung dieser Einheit unmittelbar ein tiefes religiöses Interesse. Die Doketen bringen durch Leugnung des Todes Jesu die Hoff- nung und Verbürgung ewigen Lebens ins Schwanken, die separa- tistischen Gottesdienst« verletzen die mystische Gotteseinigung, in welcher der einzelne Christ sich nur befindet als Glied der grossen Kirche, der Gesamtheit der Gläubigen. So versteht sich gerade von dem eigentümlichen, religiösen Grundgedanken des Bischofs aus seine harte, scheinbar hierarchische Art, solchen die Teilnahme am Heile, an Gottesgemeinschaft und ewigem Leben abzusprechen, die sich dem Ganzen nicht fügen wollen, sondern eigenen Gottesdienst halten. Gerade in den Stellen, welche be- sagen, dass deshalb dem Bischöfe zu gehorchen sei, weil sonst die Gemeinschaft mit ihm und das ewige Leben in Frage gestellt werde, sind die, welche ihn vor Verdächtigung hierarchischer Be- strebungen schützen und seinen Episkopalismus seinem lautern und innerlichen religiösen Interesse unterordnen *). So ist jede Institution, jede Äusserung, jede Handlung der Einzelgemeinden ein Sichtbarwerden der himmlischen Gesamtkirche, aber auch jede Störung und Verletzung der geistigen Güter der Lokalgemeinde und infolgedessen auch der sie Benutzenden und verbürgenden Autoritäten und Ordnungen eine Verletzung eines wichtigen Glaubensinteresses. Dieser Grundgedanke des Ign. findet natürlich insbesondere seine Anwendung auf die beiden wichtigsten gottes- dienstlichen Handlungen der Gemeinde, die Taufe und die Eucha- ristie, Beide sind Akte der himmlischen Gesamtkirche (vgl. Sm« 8 firjdelg x^Q^S r°v huoxoxov xi jigaOöfaco rcov avqxovTWv üq ttivm lxxXi]6lap\ welche in den Diakonen ihre Diener hat, während der Bischof den göttlichen Gesamtbischof vertritt Auch das

1) Cf. Eph. 3. 5. Tr. .7. Ph. 3. M. 3. Sm, 1 u. oft Von einem Dazwi- schentreten des Bischofs zwischen Gott und den einzelnen Christen kann keine Rede sein. Überall hat es der Christ direkt mit Gott zu thun, und allein Christus ist &vqcl xov natQoq. Das steht auf jeder Seite zu lesen.

V. Christus und die Gemeinde. 71

Presbyterium wird erwähnt, ohne dass aber irgend eine spezielle Beziehung zu diesen Handlungen erhellt. Um der Ordnung und Sicherheit willen verlangt Sm. 8, dass der Bischof jede solche Handlung gebilligt hat Seine persönliche Teilnahme scheint nicht unerlässliche Bedingung zu sein. Werden nur die geistigen Güter der Einheit und des Friedens gewahrt was allerdings gegen des Bischofs Wissen und Willen nimmermehr geschehen kann , so ist die Handlung der lokalen Gemeinschaft auch ein Handeln der kxxXrioia. So ist der Segen dieser kirchlichen Akte abhängig von der rechten Beschaffenheit der Gemeinde nach ihrer Einheit m't Gottes Stellvertretern. Hierdurch tritt die eigentümliche Heilsauffassung des Ign. ebenso in Verbindung mit seiner An- schauung von der Kirche wie seine Christologie, und je enger diese Verbindung ist, desto empfindlicher musste der Bischof sein gegen eine Gefahrdung dieser Güter, sei es durch Leugnung der Grundwahrheiten, sei es durch Störung der Einheit der Kirche mit ihrem Haupte und der Glieder untereinander.

Was die Sakramente im einzelnen betrifft, so erwähnt er die Taufe nur Sm. 8 mit dem Verbote, sie ohne den Bischof zu üben, und Pol. 6 dieselbe als eine Waffe im Kampfe des Lebens. Wie das zu denken ist, bleibt dunkel, aber es ist immer wertvoll, dass Ign. überhaupt eine Beziehung der Taufe zum Kampfe des Christen- lebens kennt Es kann sich dies allerdings auch nur auf die in der Taufe erworbene Reinigung beziehen. Eine Andeutung auf eine solche ist die Ausdrucks weise Eph. 18: Iva tcp xa&ei xo vö&Q xad-agloy, wo zunächst nur von Christi Taufe die Rede ist

Häufiger spricht Ign. vom Abendmahle, und zwar ausser R. 7, wo er nur darauf anspielt, immer im Zusammenhange mit der Mahnung, es einheitlich zu feiern. Er nennt es evxaQtCrla Eph. 13. Phld. 4. Sm. 6, 8 oder dyäxrjv xoielv Sm. 8 *). Jedenfalls ist es also ein Dankesopfer, was Gott dargebracht wird, sowohl durch das damit verbundene Gebet (jcQoöivx^ Sm. 6) (doga Eph. 13 cf. Aiö. 9) als durch die Liebesgaben, welche die Armen dabei erhielten. Aber es ist auch eine öwQea rov &sov damit verbunden, welcher die Gegner widersprechen (Sm. 7). Zur Strafe

1) Nur diese Stelle beweist durch den Zusammenhang mit der Taufe diese Bedeutung sicher. Sm. 7 greift wahrscheinlicher auf Sm. 6, 2 zurück, wo nur von Liebesübung die Rede ist. R. 7 ist von der durch den Tod Jesu bezeugten ewigen Liebe Christi die Rede.

72 v. d. Goltz, Ignatius.

dafür sterben sie. Also ist die Gabe Gottes selbst das ewige Leben. So heisst das Abendmahlsbrot ein (päo[iaxov ä&avaöiag avrlöoxoq tov /ir) äjzofravelv aXXa £rjv kv 'irjoov Xoiöxoy öiä jravrog (Eph. 20, 2). Das ist nichts anderes als das eine grosse Heilsgut, welches Ign. überhaupt im Glauben an Jes. Chr. findet. Die Erwerbung desselben, welche, wie wir sahen, sonst mit dem christlichen Leben in Glauben und Liebe überhaupt gegeben ist, wird hier besonders angeeignet wie eine Arznei. Die ähnliche Auffassung eines unvergänglichen Nahrungsmittels finden wir in der freien, mehr bildlichen Verwendung des Abendmahles R. 7: ov% tjSofiat TQO<pyi <p&ooag ovÖh tjöovalq tov ßlov tovtov. clqxov &eov d-eZco, 6 iozi öagf- Xqiötov, tov Ix OJtiQftccTog Aaßlö, xäi jtofia d-sZco to alfta avTOV, 6 Iotiv äyajti] ag>&aoTog. Dem ganzen Zusammenhange gemäss ist hier das Abendmahl der Aus- druck für die volle Lebensgemeinschaft mit Christus, nach welcher der Märtyrer sich sehnt. Auch Phld. 4 heisst es: fila öäo£ tov xvqiov ftfiiov yJrjo. Xq. xcu tv xottjqiop Big Svcoöiv tov al'fiaTog, wo ausser der Gemeinschaft mit Christus auch die Gemeinsamkeit des Besitzes in der Gemeinde betont ist. Es sind also die beiden grossen Heilsgüter: ewiges Leben und mystische Gotteseinigung, welche im Abendmahle von Gott geschenkt werden. *) Diese sind aber, wie wir im ersten Abschnitte sahen, darin verbürgt, dass Gott im Fleische erschienen und Christus durch den Tod zum Leben durchgedrungen ist. Hier wie dort aber nennt Ign. nicht das Göttliche, Ewige, sondern gerade seinen sarkischen Träger, weil dieser von den Gegnern geleugnet, und damit das Göttliche, Pneumatische, auf welches es ankommt, illusorisch wird. Da nun das Heilsgut der svxagiOTla kein anderes ist als das des Christentums überhaupt, so hat sicherlich auch das Fleisch Christi keine andere Bedeutung als die Vergewisserung des Be- sitzes Gottes, und das Blut Jesu stellt die im Tode Jesu sich offenbarende Liebe dar, welche für uns zum Leben hindurchdringt. Sehen wir aber auf die subjektive Seite des Ganzen, so ist es der Glaube, welcher Gott im Menschen, den Geist im Fleische erfasst, und die unvergängliche Liebe, welche sowohl uns mit

1) diS. IX sind es l,wij und yv&oig. welche Jesus kundgethan hat An Stelle der Erkenntnis Gottes tritt bei Ign. die Ergreifung Gottes in Christo und die Einigung mit ihm; Jesus thut sie nicht nur kund, sondern ist selbst i\ xoivrj iXnlq und stellt selbst die versprochene k'vtoaiq dar.

V. Christus und die Gemeinde. 73

dem Herrn zum ewigen Leben in ihm, als die Gemeinde unter einander eint. So im Zusammenhange des Ganzen ist Tr. 8 ganz leicht verständlich, wenn auch mit der herben Prägung des Ign. ausgedrückt: avaxxloaod-e iavxovq kv Jtlöxei, 6 höxt oägg xov xvglov xal hv äyajifl, o löxcv alfia 'Irjoov Xgidxov. Das Blut Jesu Chr. heisst deshalb auch Phld. 1 xaQ^ olmvioq xal jtagd- fiovog. *) Wie aber die Einigung der grossen pneumatischen Kirche mit Gott und Christus, obwohl an sich selbst schon eine oaQxtx?) xal jtvevfiaxixrj, ihren sarkischen Ausdruck in der Einzel- gemeinde findet, so stellt sich die Idee der Einigung mit Christus zum ewigen Leben, die in Fleisch und Blut ihre sarkische Ver- bürgung hat, selbst wieder sarkisch dar im Genüsse von Brot und Wein der Eucharistie. Und wie überall das pneumatische Gut bei Ign. so eng mit seiner sarkischen Darstellung real ver- knüpft ist, dass die Leugnung der Wirklichkeit der letzteren die Realität des Pneumatischen selbst illusorisch macht, so ist es ganz konsequent, wenn Ign. Sm. 7 schreibt, dass die, welche leugnen: evxagioxlav odgxa elvac rov öwxrjgog tjficov 'irjG. Xg. xr\v vjteg xmv dfiagxicöv ypicov jiafrovöav 2), i)v xy xgyG*6ri?Ti 6 jiarTjg jjyeigev, damit der öoogea rov d-eov überhaupt wider- sprechen und dem Tode verfallen. Hier die katholische Identifi- kation von Brot und Fleisch, Blut und Wein finden zu wollen, ist genau dasselbe Missverständnis, welches dem Ign. eine die menschliche Natur urgierende Christologie , eine den Tod Jesu an sich betonende Heilslehre, einen katholischen Episkopalismus zuschob. So eng hier überall das Göttliche, Pneumatische mit dem Sarkischen verbunden ist, so weit steht doch beides von einander ab. Dass die Mitteilung der Gotteseinigung nicht nur etwas Mystisches, sondern auch etwas Naturhaftes an sich hat, ist freilich nicht zu leugnen {xgoq>r\} <pagy.axov\ und es ist leicht zu begreifen, dass auf diesem Boden Vorstellungen erwuchsen, die alles Pneumatische selbst nur materiell und substantiell dachten, oder solche, die in die materiellen Elemente als solche göttliche magische Kräfte hineinlegten. Von beiden ist bei Ign. noch keine Rede. Tr. 8 zeigt deutlich, dass ohne Glauben und

1) Die Auffassung von Steitz, der Glaube sei das aw/xa, in dem die Liebe als Blut kreise, ist doch unbelegbar und zu gesucht.

2) über die Bedeutungslosigkeit des traditionellen vnhp r. afiagx. fj/*. cf. Seite 31.

74 v. d. Goltz, Tgnatius.

Liebe dem Ign. auch im Abendmahle keine Gemeinschaft mit Christo denkbar ist, und der Name svxaQioxla zeigt, dass der Gott geopferte Dank für das in Brot und Wein sarkisch repräsen- tierte Heilsgut allein den spezifischen Unterschied der Aneignung desselben im Abendmahle von der im Christenleben überhaupt angiebt. Nicht nur R. 7, sondern auch Eph. 5 ist oqxoq rov &eov auch ohne direkte Beziehung auf das Abendmahl Sinnbild des Heilsgutes. Gerade diese freie Verwertung auch ausserhalb des Zusammenhanges mit der eucharistischen Feier, welche Joh. 6 ihre klassische Stelle hat, zeigt die pneumatische, innerliche, durchaus noch nicht katholische Auffassung des Herrenmahles !). Dass, wie Steitz meint, die Handlung des Genusses von Fleisch und Blut eine Verkündigung des Todes Jesu sei, ein verbum visibile, ist nicht richtig; denn von einer Gedächtnisfeier ist gar nicht die Rede. Natürlich ist auch an den Tod Jesu gedacht, aber überhaupt an seine 6oq§ und zumal an seine Auferstehung und an die durch Gottesoffenbarung und Todesüberwindung ver- mittelten Heilsgüter. Dass die Liebe, welche in der svxaQtöxia mit Christus verbindet, zugleich auch in der Gemeinde sich er- weist, versteht sich von selbst, ergiebt sich überdies aus dem Zusammenhange von Sm. 6. Die ganze Feier ist ja nur eine Vereinigung des xvqioq mit seiner hxxXrfiia, ein Opfer der letz- tern, ein Geben ewigen Lebens von seiten Gottes, eine reale Mitteilung der Gotteseinigung in den realen sarkischen Repräsen- tationsmitteln 2).

5. Beurteilung der Anschauung des Ignatius von der Kirche.

Die Gegner des Ign. verletzten diese Glaubenswahrheiten ein- mal durch die Leugnung der Realität der Erscheinung Gottes im Fleisch und zweitens durch die Störung des Friedens der Kirche, deren Einheit ein unverletzlicher Glaubenssatz ist Für Ign. ist beides, die trxooiq d-eov GaQxixrj xal xvevfia- rixtf, welche Christus in seiner Person darstellt, um sie auch

1) Diese Ansicht ist mit unwesentlichen Abweichungen schon darge- legt bei Steitz, Abendmahlsl. d. gr. K. in d. Jahrb. f. deutsche Theol. IX, 1864 S. 417—429; Dorner, Gesch. d. Pers. Chr. I. S. 159; Höfling, Die Lehre der ältesten Kirche v. Opfer. Erlangen 1851 S. 30—40.

2) ov yccQ ßQü)fidt(ov xal Ttoxdtv rfoi ötdxovoi, dX?' ixxXtjoiaq 9eov vnr\Q£xai.

Y. Christus und die Gemeinde. 75

seinen Gliedern zu übermitteln, und die tvcoöiq ö. xäl xv., welche die Kirche in allen einzelnen Teilen bewahren soll, miteinander verknüpft. So eng schliesst seine Anschauung von der Kirche und ihren Amtern sich an seine Gesamtauffassung vom Christentum an, oder besser gesagt: seine Mahnungen zum Gehorsam gegen den Bischof um der Einheit willen sind nichts als eine Anwen- dung seiner christlichen Grundanschauungen auf die kirchlichen Verhältnisse in einer bestimmten geschichtlichen Situation. In unsern Briefen zwar erscheinen die zu Grunde liegenden prinzi- piellen Anschauungen nur in der Form gelegentlicher Äusserung und als unterstützende Begründung von Forderungen, welche durch eine akute Gefahr veranlasst waren. In Wirklichkeit sind sie die eigentlich treibenden Grundmotive, deren Explikation und Einzelanwendung durch den Streit des Tages veranlasst sind. Hiervon hat eine gerechte Beurteilung der ignatianischen Briefe auszugehen. Diejenigen, welche in ihnen eine hierarchisch-katho- lische Tendenz erkennen wollen, verkennen das ganz; andere be- rücksichtigen zu sehr nur die geschichtliche Situation und ver- mögen aus ihr die Sprache des Ign. doch nicht völlig zu erklären. Vergleichen wir die Stellung des Ign. mit der des Paulus, so sehen wir die geschichtlichen Verhältnisse in vielem geändert, die religiöse Auffassung von den kirchlichen Amtern dagegen sehr viel weniger. An Stelle einer vorwiegend freien und charis- matischen Organisation ist eine bestimmt geordnete Organisation getreten. Das ist an und für sich nichts, was dem Wesen der Kirche und des Christentums widerspricht, wie neuerdings Kahl gegen Sohm treffend ausgeführt hat1). Es ist lediglich eine naturgemässe Fortentwickelting der Ordnungen des immer wach- senden Gemeinschaftslebens in der Christenheit, welche auch in der apostolischen Zeit neben der charismatischen Freiheit schon ihre Anfänge hat. Wenn Ign. diese fortgeschrittene Ordnung, welche schon vor ihm zu einer monarchischen geworden war, als von Gott gewollte und geschützte voraussetzt, so hat er dazu ein gutes christliches Recht; denn dass er sie, so wie sie war, für die absolut einzig mögliche und ewig für alle Verhältnisse

1) W. Kahl, Lehrsystem des Kirchenrechts u. d. Kirchenpolitik. 1. Hälfte Kap. 5 S. 73 ff. (Freiburg u. Leipzig 1894) U.A. Harnack, Dog- mengesch. I, 3. Aufl. 1S94 S. 304 u. 305 Anm. 1.

76 v- d. Goltz, Ignatiua.

unabänderliche gehalten hätte, davon steht nichts zu lesen; ver- mutlich hat er darüber gar nicht reflektiert. Dass er mit grosser religiöser Energie in Gottes Namen für dieselbe spricht und überall seine Mahnungen zu Einheit und Gehorsam durch eine Erinnerung an Gott und Christus verstärkt, kann ihm an sich nur zur Ehre angerechnet werden, zumal er, wie wir sahen, seine Motive vielmehr aus der innerlichen Gebundenheit an Gott und Christus als aus eudämonistischen Reflexionen herleitet. Noch mehr sein innerlicher Idealismus, in welchem er in allen Dingen der Zeit die Ewigkeit, in allen Handlungen der Gemeinde Äusse- rungen der unsichtbaren Kirche sieht, und die Energie, mit welcher er die ethischen und kirchlichen Gedanken von Liebe und Ein- heit an die persönliche Einheit mit Gott durch Christus, das Verhältnis Christi zu seinem Vater und die Liebe Gottes an- schliesst, alles das sind wertvolle Erbstücke aus der Zeit der Apostel, über deren kräftige Erhaltung bei ihm man sich nur freuen kann. Diese Überzeugung, dass in der christlichen Kirche unmittelbar in Gottes Namen gehandelt und befohlen wird, dass Christus selbst als Geist-Princip in ihr regiert und dass alles, was in ihr geschieht, im Grunde nicht zeitlichen, sondern ewigen überweltlichen Wert hat, hat immer gerade so viel Recht, als wirklich Gottes Wille und Christi Geist in der Kirche herrschend ist, und das ist nicht unabhängig von den Menschen. Letzteres hat zur Folge, dass stets viel Menschliches, Fehlerhaftes und Ver- gängliches sich der Entwicklung beimischt. Ausser Christus giebt es keine Person, die Gottes Willen und Geist rein darstellte, und daher auch keine Institution oder Ordnung oder Lehrformel, welche auf rein göttlichen Charakter Anspruch machen dürfte. Im apostolischen Zeitalter haben eigentlich beide Überzeugungen, die von der Realität des Ideals in der Kirche und die von ihren Fehlern, unvermittelt miteinander bestanden, ohne sich auseinan- derzusetzen. Paulus hat beiden stets Rechnung getragen, und so lange es innerhalb der Gemeinde nicht zu erheblichen Konflikten kam, konnte jener Idealismus ungestört und ohne zu schädigen fortbestehen, weil die idealistischen Prädikate wirklich auf die- jenigen Personen und Dinge beschränkt wurden, welche vermöge des in ihnen wohnenden Geistes Christi einen relativen Anspruch darauf erheben konnten. Dies übertrug sich auch ohne weiteres auf diejenigen, welche den ersten Geisteszeugen mit gleichen

V. Christus und die Gemeinde. 77

Eigenschaften nachfolgten, und solche wirklich christliche Persön- lichkeiten setzt auch Ign. als Inhaber des Bischofsamts voraus. Eine rein formale Autorität verleiht er dem Bischofsamt nicht, geschweige denn, dass er demselben als einer göttlichen Insti- tution in der Heilsordnung einen Platz gäbe. Das Vorhandensein des Glaubens und der Liebe, des göttlichen Geistes setzt er als selbstverständlich voraus, und darauf ruht seine Wertschätzung des Einzelepiskopats als einer Vertretung des göttlichen Gesamtepisko- pats. Liegt nun in dieser Annahme bei Ign. auch keine Einführung eines Rechts oder Instituts oder Dogmas, das dem Wesen der Kirche widerspräche, weil es auf einer innerlichen Voraussetzung beruht, so ist ein leiser Ansatz zu der katholischen Identifikation von Rechts- ordnung und Heilsordnung, göttlichem Willen und menschlicher Einrichtung doch schon vorhanden, nur nicht in der Form der Über- tragung einer formalen Rechtsstellung, sondern in einer zu engen Verknüpfung von Ideal und Symbol. Indem Ign. die Einzelgemein- den mit ihren Beamten und ihren Thätigkeiten als reales Abbild der himmlischen Kirche fasst, vergisst er die menschliche Schwachheit und ihre Unfähigkeit, Träger des Göttlichen zu sein. Identifiziert er auch beides keineswegs, so knüpft er die Realität der überirdischen Kirche doch zu sehr an die sarkische Darstellung durch ganz be- stimmte Personen und Institutionen. Das konnte für den Augen- blick ja berechtigt sein. Aber für Ign. ist dieser Gedanke als religiöser nichts Zeitweiliges, sondern etwas ganz allgemein Wichtiges, auch dann, wenn die Institutionen äusserlich etwas anders wären. Er zieht das Sarkische und Menschliche so stark in die religiöse Reflexion über das Göttliche, die himmlische Kirche hinein, dass der Unterschied in dem Moment sich ver- wischen musste, wo die Voraussetzung des christlichen Charakters der Träger nicht mehr zutraf, ohne dass jene Reflexion damit aufgegeben wurde. Hier liegt ein wirklicher Fehler in der igna- tianischen Anschauung, den wir in seiner Auffassung vom Abend- mahl ebenfalls konstatierten. Die religiöse Energie des Bischofs und die Uberschwänglichkeit seiner Ausdrucksweise lässt diesen Irrtum noch stärker erscheinen, als er wohl war; denn die Gefahr, welche seine Briefe beschwören wollten, war gross und nur ein energisches Eintreten konnte hier helfen; dann mussten aber auch die religiösen Gedanken über Bischof und Kirche in einseitiger Schärfe hervortreten. Seine religiöse Energie und die enge Ver-

78 ▼• d. Goltz, Ignatiua.

knüpfung mit dem Gedanken über Christus und das Heil sind zugleich sein Vorzug und die Ursache, dass sein Fehler stärker und gefährlicher hervortritt. Wer aber sowohl die geschichtliche Veranlassung der Briefe berücksichtigt, als auch den Zusammen- hang seiner Anschauung von der Kirche mit seiner religiösen Gesamtanschauung richtig -verstanden hat, kann den Briefen des Ign. einen hierarchisch-katholischen Charakter nicht zuschreiben.

6. Die Autoritäten der Gesamtkirche. a) Die Apostel. Was endlich die Autoritäten der Gesamtkirche betrifft, so sind ausser Gott und Christus die Apostel, das Evangelium und das Alte Testament zu nennen. Auffällig ist es, dass die Apostel für ihn nicht dieser oder jener Einzelgemeinde angehören, sondern der xa&oZtxrj ixxZqGia, deren Presbyterium sie bilden. Sie sind ihm als solches durchaus eine Einheit, jedoch ein axiqxzvoq xvav- {latixoq, also nicht etwa ein historisches Kollegium, welches ein Kirchenregiment ausgeübt hätte. Soweit er an ein lokales Zu- sammensein der Apostel denkt, ist nur von den Lebzeiten des Herrn die Rede (M. 7. Sm. 13). Er nennt sie wahrscheinlich mit den Worten seiner Quelle ol xsqI IHxqov (Sm. 3). Den be- sondern Vorzug der Apostel sieht er naturgemäss in ihrer direkten persönlichen Gemeinschaft mit Christus (M. 13), und in diesem Sinne beruft er sich auch allein auf sie als Augenzeugen seiner Leiblichkeit als XQa&ivxeg xfj caqxi avxov xal reo xpevftaxi. Wie hoch musste dieser Vorzug grade dem Ign. die Apostel stellen! Mit Namen nennt er nur Paulus und Petrus (R. 4. Sm. 3. Eph. 12), während sowohl Eph. 11 als M. 3 (aywi JtQBößvxsQOi) Johannes mit eingeschlossen gedacht werden kann. Ein besonderes Wohlgefallen hat Ign. an dem Gedanken, auf seiner Märtyrerreise vjto xa fyvri üavXov evge&TJvcu', und gerade paulinische Briefe, die er auch erwähnt (Eph. 12), benutzt er häufig, doch ohne sie

zu citieren.

b) Das Evangelium.

Auch öiaxayfiaxa äjtoöxoZcop kennt Ign. neben denen des Herrn. Dass dies bei ihm keine kirchliche Gesetzlichkeit ist, haben wir schon gesehen. Aber es zeigt sich auch nirgends eine Spur, dass er ihren Briefen und Anordnungen einen besonderen göttlichen Charakter beilegt. Vielmehr schreibt er auch seiner

V. Christus und die Gemeinde. 79

Anordnung den heiligen Geist zu (Pbld. 7, 2), und wer ihm folgt, folgt Gott (R. 7, 1 fiaXXov ifiov yivso&e rovrioxiv xov &eov). Das Wichtigste aber ist, dass er die Briefe, die er benutzt, nie zur Unterstützung seiner Polemik verwendet. Er kennt nur einen Lehrer. Das ist Christus selbst (Eph. 15, 1. M. 9, 2). Aber wie alles Pneumatische, so muss auch Christus als Gegenstand der Verkündigung eine sarkische Darstellung haben, so gut wie die Kirche in den Aposteln. Das ist nach Phild. 5, 1 „das Evan- gelium", dessen Inhalt Sm. 7, 2 formuliert wird mit den Worten: kv co rb xa&oq rjfilv öeör/Xcorac xäi tj äväöraoiq rsteXslcozai, und welches in dem von uns gekennzeichneten Sinne daher auch ein djuxQTiöfia a<pd-aQölaq heissen kann (Phld. 9, 2). Der letzt- genannte Ausdruck kann sich nur auf den Inhalt der Heilsbot- schaft selbst beziehen und denkt nicht an eine schriftliche Fixie- rung derselben. Dagegen glaubt Zahn1), letztere zwar nicht hier, aber doch Phld. 5, 1 aus dem Ausdrucke reo evayyeZim ojg öüqxI 'iqöov beweisen zu können. Das ist nun insofern schon recht unwahrscheinlich, als in demselben Kapitel noch zweimal Evayyihop vorkommt: als Gegenstand der Weissagung der Pro- pheten und als Heilsbürgschaft, deren Hoffnung auch den alt- testamentlichen Frommen gelte. Aber auch das öccqxI zwingt durchaus nicht zur Vorstellung von einem schriftlichen Evan- gelium, sondern nur von einer äusseren Darstellung des Heils überhaupt, die jede Predigt giebt. Die Parallele mit den Pro- pheten, deren Bücher doch auch nur indirekt vorausgesetzt sind, ist erst von Zahn eingetragen, und „zu den Aposteln seine Zu- flucht nehmen", heisst doch nur: an das, was sie verkündet, sich halten. Nicht einmal an apostolische Briefe kann gedacht sein, geschweige denn an „massgebende schriftliche Denkmäler44. Es wäre eine wundersame Art der Polemik, den Gegnern vorzuhalten: „Ich flüchte mich zur Autorität der apostolischen Schriften" und dann keine einzige Stelle derselben zum Beweise zu benutzen. Sm. 5 und Phld. 9 giebt auch Zahn zu, dass nur das täglich in verschiedener Weise, z. B. auch durch Martyrien, verkündete Evangelium gemeint sei, obgleich auch dort die Propheten daneben genannt sind. Nur nach Sm. 7, 2 *) und Phild. 8, 2 will er ein

1) I. v. A. S. 431.

2) TcgociyEtv 6h xotg ngo^xaig, igaiQtzwg 6h xw evctyyeXito , iv o> xb naQ-oq hviv 6edtj?.(oxai xal tj dvaaxaaiq rexeXtlmxcu.

gO v. d. Goltz, Ignatius.

schriftliches Evangelium finden; die Zusammenstellung mit den Propheten hält er zwar Sm 7 nicht für zwingend, aber das Per- fektum soll die Abgeschlossenheit in schriftlicher Fixierung be- weisen, als ob sachlich das Evangelium nicht ohne schriftliche Fixierung auch abgeschlossen sei. Das Perf. xexeXeimxai kann sich doch überhaupt nur auf den Inhalt beziehen, da es bedeutet: „Die Auferstehung überhaupt ist principiell für immer gegeben." Vollends unmöglich ist aber die Konstruktion, durch welche Zahn Phld. 8 seine „objektive, der Gemeinde als Autorität gegen- überstehende neutestamentliche Offenbarung, welche schriftlich geworden ist, wie die alttestamentliche" zu retten sucht1). Der Text lautet, wie Lightfoot (S. 270 ff.) und Zahn gemeinschaft- lich feststellen: jüaoaxaXd) de vfiaq fiqöev xaxi koid-eiav jzodöGeze aXXd xaxä XQtoxofiaMav exti r/xovöd xlvwv Xeyovxmv oxi „lav fit} ev xotq aQXEioiq evQa>> kv xm evayyeXlco ov jtioxevo", xal Xdyovxog fiov avxolq ort, „riyQanxai" djtexQt&TjGav uoi oxi^Dqo- xuxat" kfiol de dgxela Igxlv 'IrjO. Xq., a&ixxa aQxela 6 öxavgog avxov xal 6 d-dvaxoq xal r\ dvdoxaoiq avxov xal r\ mOxiq rj öV avxov* ev olq &eXa> ev xfj jtQOOevxfl vfiSv dixaiat- &ijvai. ctQxeta mit e statt mit a passt allein zu Jesus Christus in dem Sinne: „zuverlässige Dokumente", „urkundliche Sicher- heiten". So übersetzt auch Zahn, nimmt aber dann iv x<p evayy. als nachhinkende Apposition zu hv x. aQX- un(i W*U so die Existenz evangelischer Urkunden beweisen, über deren Auslegung Ign. mit seinen Gegnern fruchtlos streitet und sie mit einem „yeyQanxai" citiert. Lightfoot sagt mit Recht, solche Konstruktion sei stil- istisch unmöglich und durch den Parallelismus ausgeschlossen. Ign. hätte sogar Zeit gespart, wenn er einfach ev xolq aQxdoiq xov evayy. geschrieben hätte. Ausserdem verlöre der Schlusssatz ifiol de aQxila 'fyö. Xq. ganz Sinn und Kraft, wenn er nur im Ge- gensatze zu falsch ausgelegten neutestamentlichen Schriften stände.

c) Altes Testament.

Die Urkunden sind also sicherlich das A. T., und die Gegner sagen: „Was aus dem alten Testamente nicht belegt werden kann, ist nicht Gottes Wort und ich glaube es nicht, wenn das Evan- gelium es verkündet." Ign. hat, als er in Philadelphia war, ihnen

1) I. v. A. S. 373 ff. 433t: Ihm folgt Luthardt, Der Johann. Ur- sprung d. 4. Ev. Leipz. 1874.

V. Christus und die Gemeinde. 81

Stellen genannt, sie haben aber mit einem „jzQoxeircu" „das ist eben die Frage, ob es da steht" die Gültigkeit dieses Schriftbeweises in Frage gestellt. Es kann sich aber nur um Tod und Auferstehung des Messias gehandelt haben, da auf die Frei- heit vom alttestamentlichen Gesetze Ign. sich doch nicht mit einem „yiyQanxai" berufen konnte.1) Die Gegner hatten also

1) Hier ist der Punkt, wo, wie mir scheint, die Kombination der An- gaben über die bekämpften Irrlehren einsetzen muss (vgl. Einl. S. 9 u. 10). Ign. konnte sich Judaisten gegenüber höchstens insofern für die Freiheit vom jüdischen Ceremonialgesetz mit einem „yeyp antat" auf das A. T. berufen, wenn er jene bekannten Prophetenstellen von der Nichtigkeit der Opfer Am. 5, 86 f. u. dgl. im Sinne hatte, und so liessen sich auch die Worte M. 8 (ol yaQ teiotatoi n^o<prjtat xatä 'Irjo. Xq. h^rjoav) auslegen. Aber nicht nur hätte Ign. dann sehr dunkel geredet, sondern seine Berufung auf Tod und Auferstehung als a&ixxa aQ%üa im Gegensatz dazu verlöre jeden Sinn. M. 8, a. 9, 3 hätte diese Freiheit der Propheten dann hervor- gehoben werden müssen, während nur ihre Verkündigung des Einen Gottes und ihre Erwartung des Heilands anerkennend genannt werden. Die mehrfache Versicherung des Ign., dass er die Propheten liebe, wäre auch nicht recht verständlich. Das Alles erklärt sich besser bei der oben gegebenen Auslegung, nach welcher es sich in dem Streit um das ytygantai um Weissagungen für die von den Doketen bestrittenen Thatsachen des Leidens und der Auferstehung handelt. War das die Veranlassung, so konnte sich Ign. leicht mit einem yeygantat auf das A. T. berufen, konnte betonen, dass er die Propheten liebe (vgl. bes. Phld. 5, 2), weil sie Christum geweissagt hatten, und trotzdem ein igaigetov des Evangeliums kennen, weil dieses erst die Erfüllung (änapttafia ä<p9aQoia<;) bringe. Die Gegner erkannten ebenfalls das A. T. an, beriefen sich auf dasselbe bei ihren ju- daistischen Forderungen, antworteten aber mit einem ^goxeitai', wenn ihnen Weissagungen für Tod und Auferstehung entgegengehalten wurden. So bekommt die Berufung des Ign. auf Jesus Christus, seinen Tod und seine Auferstehung erst den rechten Sinn und Ton: er zieht sich auf die persönliche Glaubensgewissheit und die Sicherheit der geschichtlichen That- sachen zurück, darauf verzichtend; über das Recht des ysygantat an die- sem Punkte weiter zu streiten. Da nach Phld. 6 die Gegner heidnischer Abstammung waren, so ist diese Kombination judaistischer Forderungen und eines spiritualisirenden Doketismus besonders leicht denkbar, wie wir denn eine Spur dieser Verbindung auch in der Polemik der Past. Briefe, vielleicht des Eph. Briefs und des Joh. Ev.'s finden. Das A. T. war zur buch- stäblichen Autorität geworden in der Sabbathfrage und einigen dem griech. Geist naheliegenden asketischen Vorschriften. Wenn man nun aus andern Gründen besonders zum Doketismus neigte, so musste man die Weissagung leiblichen Todes und leiblichen Auferstehens ebenfalls leugnen, was ja nicht allzuschwer war. Danach hätten wir also in Philadelphia jeden- Texte u. Untersuchungen XII, 3. 6

g2 v. d. Goltz, Jgnatius.

wahrscheinlich ihre doketischen Theorien damit geschützt, dass sie mit Recht und in der Übereinstimmung mit der jüdischen Tradition von einem Leiden und Auferstehen des Messias im Alten Testamente nichts finden wollten, lgn. selbst ist ebenfalls seiner Sache hier nicht so sicher, dass er auf diesem Boden weiterkämpft Er zieht sich einfach auf die Gewissheit seines persönlichen Glau- bens an Jesus Christus, seinen Tod und seine Auferstehung zurück, der ihm sicherer ist als alle Dokumente und den er nicht aus diesen, sondern aus persönlichem Erleben hat. Auf diese Ge- wissheit hin geht er in den Märtyrertod, und wenn er auf das Gebet der Philadelphier hin diesen siegreich überwunden hat, so wird das die beste Rechtfertigung seines Glaubens sein. Diese Auslegung stimmt mit dem erwiesenen christozentrischen Cha- rakter ignatianischen Christentums, stimmt dazu, dass er sich nur auf die Geschichte Jesu, nie auf das A. T. beruft und stimmt

falls eine Kombination beider Irrlehren bei denselben Gegnern, obgleich an und für sich Beides aus verschiedener Quelle stammte. Auch in Magn. sahen Viele den Nächsten noch xaxh aagxa an d. h. ob er Jude sei und nicht iv Xq. (M. G, a), forderten den Sabbath und folgten jüdischen Mythen, und eben dieselben müssen M. 11 an die Thatsachen erinnert werden, welche die Wirklichkeife der Offenbarung Gottes im Fleisch beweisen. Auch Sm. 7, 2 stimmt zu unsrer Auslegung von Phld. 8. Es gilt sich an die Propheten zu halten, die Tod und Auferstehung schon geweissagt, vor Allem aber an das Evangelium, denn in ihm ist das Leiden offenbar geworden, was bei jenen doch nur dunkel angedeutet war und daher bestritten werden konnte, und die Auferstehung ist zur vollendeten Thatsache geworden. Immerhin mag in Smyrna ein Streit um das yeyQttntai noch nicht entbrannt ge- wesen sein und nur dem lgn. dies auch hier zu berühren nahe gelegen haben. In Philadelphia und Magnesia waren jedenfalls Judaismus und Üoketismus bei denselben Leuten miteinander verbunden; vielleicht so, dass eine bereits bestehende judaistische Partei jene Apostel des Doketis- mus willig aufnahm (vgl. dfiyotegoi Phld. 6), weil sie sowie so schon zu der übrigen Gemeinde missgünstig stand, und wie wir aus den Pastoralbr. sehen, zu fremden Spekulationen geneigt war. In den andern Gemeinden bekämpft lgn. ja überhaupt nur eine Gefahr, und wenn dort judaistische Kreise nicht existierten, so brauchte lgn. dort vor diesen nicht zu warnen, konnte aber immerhin mahnen, sich an die Propheten und das Evangelium fest zu halten und sich von den Irrlehren nicht bethören zu lassen. Ich glaube, dass diese Kombination sowohl den von Lightfoot und Zahn bemerkten Erscheinungen der Verbindung beider Irrlehren in Phld. und Magn. als auch der völligen Ignorierung des Judaismus von Eph., Tr. und Sm. gerecht wird, und bitte Kundigere meinen Vorschlag zu prüfen.

V. Christus und die Gemeinde. 83

doch auch zu den Stellen, wo er selbst seine Anerkennung von Gesetz und Propheten betont. Sm. 7 sowohl wie Phld. 9 hebt er das tgalQsrov des Evangeliums hervor, die Erscheinung, den Tod und die Auferstehung des Herrn, die, ob geweissagt oder nicht er glaubt ersteres jedenfalls jetzt erst Thatsachen sind, so dass das Evangelium das cbtagriOfia cupfraQolaq ist. Dieser Wechsel, zumal in Phld., zwischen relativer Anerkennung der Propheten und Hervorhebung des Evangeliums zeigt, dass Ign. selbst wohl nicht zu viel Wert auf den Weissagungsbeweis aus dem A. T. gelegt hat, wenn er auch las nicht gerade der Gemeinde schreibt. Sm. 5 sind Gesetz und Propheten als die früheren, Evangelium und Martyrium als die jetzigen Zeugnisse der Wahrheit ange- fahrt. Die Betonung der Anerkennung der Propheten hat viel- leicht direkt die Ursache, dass ihm Missachtung des Gesetzes und des A. T. vorgeworfen wurde, sei es von denen, die ihre juda- istischen Forderungen auf dasselbe stützten, sei es von denen, welche im Streit mit den Doketen für das yifQajixai hitziger eiferten, als er. Das Sabbatgesetz behandelt er als selbst von Judenchristen preisgegebene Sache, aber spricht auch hier sofort seine Hochachtung vor den Propheten aus. Der Grund, warum er sie liebt, ist allein der, dass auch sie, wenn auch nur im Geiste, Jünger seines Herrn Jesu waren und ihn getreu erwarteten, wofür er sie dann auferweckt hat (M. 9). Einen anderen Weg für sie giebt es auch nicht: Abraham, Isaak, Jakob und die Propheten und alle die liebenswerten und bewundernswerten Heiligen müssen wie Apostel und Gemeinde durch diese Thüre zum Vater (Phld. 9). Sie haben ihn verkündet und haben hoffend an ihn geglaubt. Er selbst hat sie anerkannt und mitgezählt in dem Evangelium der gemeinsamen Hoffnung (Phld. 5). Nur um Christi willen erkennt er sie an. Nicht um der Weissagungen willen glaubt er an Christus, sondern um Christi willen an jene. Ein Streiten über das „fiyQaxxai" ist auf die Dauer ein xar* 6Qi&elav jtQaOOeiv statt „xaxä XQiöTOna&iav". Das Evangelium ist die Haupt- sache, aber um seinetwillen ist auch das A. T. anzuerkennen. nävxa ravra elg kvorrjTa &eov otavza oftov xaXa köriv, lav hv ayajty Jtiörevrjre. Nur eine Grenze hat diese christliche Frei- heit, die auch das Alte noch neben dem Neuen bestehen lässt. Der 'lovöatOfiog muss fort. Den alten schlechten jüdischen Sauer- teig gilt es auszufegen und in den neuen „Jes. Chr." hineinzu-

G*

84 v. d. Goltz, Ignathiß.

wachsen. „Axonov eort Xqiotov *Irß. XaXelv xccl lovöalC,uv. 6 yaQ xqiotuxviohoq ovx elg lovöaiöfibv hJtlorevaev, aXX* lovöai- Ofioq eie XQt0TiaVL<:ifl^vJ £k °v ^«ö« yXwOöa jciorevoaoa elg d-sov övvrjxd'1]" Uas Judentum ist eine überwundene Stufe der Entwicklung, nachdem alle Völker, die Glauben haben, im Christentum sich sammeln. Deshalb soll man sich nicht mehr bethören lassen durch veraltete /ivd-evfiara, die nichts mehr nützen, nicht mehr jüdischen Sabbat feiern, sondern den christlichen Sonntag, den Tag der Auferstehung. Besser ist's immer noch von einem beschnittenen Judenchristen wirkliches Christentum zu hören, als wenn ein Unbeschnittener fürs Judentum eintritt (M. 8. 9. Phld. 6). Die Propheten haben nicht xaxa vopov, sondern xaxa Xqiötov 'Ijjöovv gelebt, von seiner Gnade begeistert, und gerade deshalb sind sie verfolgt worden. Ganz klar ist diese Anschauung nicht, da Sm. 5 auch vom Gesetze Mosis gesagt wird, es hätte von der Wahrheit überzeugen können. Das aber ist klar, dass bei Ign. alles an Chr. gemessen wird, und wer andere Be- dingungen macht als die Einheit mit ihm, der bekennt x^Qtv W elXrjipsvcu (M. 8). Demnach verkündet Ign. selbst auch nur Jesum Christum. Citate aus dem A.T. finden sich nur zwei: charakteristi- scher Weise aus den Sprüchen. Eph. 5, 3 Prov. 3, 34 und M. 12 = Prov. 18, 17, beides kurze mit »yeyQajtTCu" eingeführte allge- meine Sentenzen. Ausserdem finden sich Anspielungen auf Ps. 32, 9 (Eph. 15). Jes. 29, u (Eph. 18). Ps. 1, 3 (M. 13). Jes. 58, e (Phld. 8) und Jes. 49, 22 (Sm. 1): alle ohne wesentliche Bedeutung. Diese ausserordentlich freie und doch nicht ungerechte Stel- lung dem A. T. gegenüber findet sich so klar nirgends in der ältesten christlichen Litteratur (abgesehen von der testamen- tarischen). Die Erkenntnis, dass das Christentum etwas Neues sei und etwas Universelles für die Gläubigen aller Zungen, und dass ein Festhalten an jüdischen Satzungen eine Verleugnung der Gnade sei, ist mit ungeschwächter paulinischer Kraft betont. Ja, klarer und unbefangener noch ist die Person Jesu Christi allein zum Massstabe der Beurteilung gemacht, und auf alttestamentliche Typen und Weissagungen ist wenig Wert gelegt, ohne dass die Wertschätzung der Propheten als der hoffenden Gläubigen dar- unter leidet. Nur von der Geschichte des A. T. und dem Gesetz scheint Ign. ein sehr unklares Bild zu haben, und seine erziehe- rische Bedeutung hat er nicht wie Paulus gewürdigt. Er steht

V. Christus und die Gemeinde. 85

überhaupt, wie es scheint, dem A. T. ferne und ist ohne dasselbe zum Glauben an Christus gekommen. Er deutet es nicht um, wie Barnabas, braucht es nicht zur Illustration der Paränese, wie Clemens Romanus, aber er spricht auch nicht so verächtlich davon, wie der Brief an Diognet (vgl. bes. C. IV, 1), mit dem er sonst die Freiheit teilt. In den Propheten sieht er zwar solche, die xaxa 'irjo. Xq. lebten, aber er macht doch einen Unterschied zwischen diesem hoffenden Glauben und dem festen Glauben an das erst jetzt offenbar gewordene Evangelium. Jene haben schon den einen Gott verkündet, aber offenbart hat sich dieser erst durch seinen Sohn.

Wie erklärt sich diese merkwürdige, einzig dastehende Klarheit und Freiheit? Einiges lässt sich aus dem Umfange und dem zufälligen Zwecke der Briefe erklären. So darf die geringe Zahl der Citate nicht zu sehr betont werden. Auch hat Ign., so wenig Wert und sicheres Gewicht er darauf legt, sicherlich Weissagungen im A. T. auf Christum anerkannt, auch gerade solche, die sich auf Tod und Auferstehung bezogen. Gegenüber den Doketen war es aber auf die Dauer sicherer, sich auf Thatsachen der Ge- schichte Jesu zu berufen, als auf alttestamentliche Stellen, welche mit gutem Rechte anders ausgelegt wurden. Das Fehlen solcher Beweise ist daher wohl auch aus Vorsicht zu erklären, zumal er in Philadelphia „xarä occqxcc" mit diesem Versuche gescheitert zu sein scheint. Dass ihm der Rückzug auf die Gewissheit persön- lichen Glaubens allein so leicht war, dass er sich der prinzipiellen Überwindung des Judentumes als einer vorchristlichen Stufe be- wusst war, und dass er alle Beweise für die unangetastete Au- torität der Propheten nur der Beziehung zu Jesus Christus und seinem Zeugnisse entnimmt, kann nicht aus accidentellen Um- ständen erklärt werden. Ein solcher Standpunkt ist nur möglich bei einer sehr lebendigen innerlichen Beziehung zu Jes. Chr. selbst, bei einer freien, noch ganz unreflektierten Glaubensstellung, die noch gar nicht nach Beweisen, Theorien, urkundlichen Belegen fragt, die selbst der ersten Zeit der Liebe nicht ferne steht. Wie es dem Ign. nicht in den Sinn kommt, die Möglichkeit zu denken, dass einmal die Bischöfe nicht mehr ev yvcofir/ Xq. stehen könnten, so denkt er auch gar nicht darüber nach, ob das A. T., das er mit der christlichen Gemeinde geerbt hat, Beweise für oder Widersprüche gegen das Christentum enthält. Er hält sich

86 v. d. Goltz, Ignatius.

an Jes. Chr. und das Evangelium selbst, welches in der Tradition der Apostel und in der Gemeinde unmittelbar lebt. Er hat auch denen, welche diesem Evangelium etwas nehmen wollten durch Leugnung der Geschichtlichkeit des Fleisches und Todes Jesu, fast nichts anderes entgegenzuhalten als den Beweis, dass dann das ganze Heil verloren, die Offenbarung illusorisch, sein Mär- tyrertum vergeblich, die Hoffnung des Lebens nichtig und die Einigung mit Gott zerstört sei. Der Streit um das yifQajtrai ist schliesslich iQivua; Jesus Christus ist selbst der einzige Halt Der christozentrische Charakter, die lebendige Kraft persönlichen Glaubens, eine nahe, unmittelbare Beziehung zu dem ersten Zeug- nisse des Evangeliums, und dazu eine einfache praktische Rich- tung des ignatianischen Christentums sind die einzig erfindbaren Gründe für diese Stellung zum A. T. Es sind dieselben, welche überhaupt die Eigentümlichkeit der christlichen Anschauungen des Ign. ausmachen.

Rückblick.

Denn blicken wir auf das Ganze zurück und sehen dabei von der systematischen Ordnung, in welche wir der Übersicht wegen das Einzelne stellten, ab. so ergiebt sich eine im Ganzen durch- aus einheitliche Auffassung.

Im Mittelpunkte steht Jesus Christus. Seine Gott darstellende und offenbarende menschliche Person und sein Durchdringen durch den Tod zum Leben sind nicht nur Offenbarung der Gottes- liebe und ethisches Vorbild, sondern für die ganze Menschheit Verbürgung der Erfassung Gottes in ihm, des Ewigen in der Zeit, der Hoffnung ewigen Lebens in seinem Tode; auch Erlösung von dämonischen Mächten, aber nicht von der Sünde, die IgD. nur als Ohnmacht und Unvollkommenheit der menschlichen Natur kennt. An diesen Christus, der Gott für seine Gläubigen dar- stellt, gilt es zu glauben, ihn und die Mitchristen zu lieben. In dieser engen Verbindung von Glauben und Liebe ist das ganze christliche Leben oeschlossen als ein Leben Gottes in uns, und als ein Kampf bis zum Siege im ewigen Leben. Die vollkommene Einheit Gottes und der Gläubigen hat aber ihren notwendigen Ausdruck in der Einheit der Gemeinde, welche selbst nur das sarkische Schattenbild der einen Kirche ist, in der Christus als Bischof regiert. Diese Gesamtanschauung von einer grossen, in

V. Christus und die Gemeinde. g7

der Ewigkeit vorbereiteten olxovofäa Gottes, welche ihr Ziel hat in dem xatvog txv&Qcoxoq, welcher mit Gott eins ist, und in der xaivotrjq ai'öiov £ct)TJqf ist gewiss eine theologische zu nennen, und zumal die Gedanken von der einen Kirche sind in An- knüpfung an Paulus und an die bestehenden kirchlichen Ver- hältnisse selbständig weitergedacht Eine ganze Reihe von anderen Vorstellungen: Gottessohnschaft, Präexistenz, Davidsohnschaft, Jungfrauengeburt, Abendmahlsformel, der heilige Geist, die trini- tarische Formel, der Besitz des A. T. überhaupt sind, ohne be- sondere Bedeutung im Ganzen zu gewinnen, gläubig und un- reflektiert aus dem Glauben der Gemeinde herübergenommen« Alles übrige aber, zumal das Persönliche seines religiösen Glaubens, die lebensvolle Erfassung der Persönlichkeit Jesu und seines Verhältnisses zum Vater, der Inbegriff von Glauben und Liebe, zeigen sieh uns in unmittelbarer Aussprache eines unreflektierten und zum Teil unbewussten religiösen Lebens. Seine Zeitgenossen wird er gerade in dieser Kraft persönlichen Christentums, die letztlich nur in dem innerlichen Verständnisse der Person Christi ruht, überragt haben. Seine apologetische Kunst ist, formell genommen, noch sehr unentwickelt, indem am Ende alles auf die Behauptung persönlicher Glaubensgewissheit herauskommt, die aber selbst um so kräftiger ist. Und doch ist er nicht imstande gewesen, das Christentum voll zu verstehen und wiederzugeben. Seine heidnische Abstammung und der Mangel der grossen reli- giösen Vorschulung im A. T. macht sich deutlich und einschnei- dend geltend. Was er aber erfassen konnte, erfasste er tief, wenn auch nach griechischer Weise. Der zweite Teil unserer Unter- suchung soll versuchen, deutlich zu machen, wo die Wurzeln der ignatianischen Auffassung liegen, und welche Faktoren zur Ent- stehung derselben mitgewirkt haben, und endlich, welche von ihnen für uns bei Ign. zuerst sichtbar werden, um dann in der Folgezeit in der Kirche sich einzubürgern.

Ehe ich dazu übergehe, fuge ich als Anhang zum ersten Teil noch einige Erörterungen über die sprachliche Eigentümlichkeit unserer Briefe hinzu.

gg v. d. Goltz, Ignatius.

Anhang zum ersten Teil.

Die sprachliche Eigentümlichkeit der ignatianischen Briefe.

Wir haben im Laufe unserer Untersuchung bereits mehrfach Gelegenheit gehabt, von der sprachlichen Eigentümlichkeit unserer Briefe zu sprechen. Denn nicht wenige Einzelheiten in der An- schauung des Ign. vom Christentum können nur bei einer richtigen Würdigung der eigentümlichen Sprache desselben verstanden und auch sein Verhältnis zu den Schriften des Neuen Testaments kann ohne Rücksicht auf diesen Punkt nicht richtig bestimmt werden. Wir holen also etwas Notwendiges nach, wenn wir zum Schluss unserer Darstellung die sprachliche Eigentümlichkeit einer zusammenhängenden Besprechung unterziehen. Die rein philo- logische Seite einer solchen Untersuchung kann uns allerdings hier nicht interessieren, und der Verfasser würde dieser Aufgabe auch nicht gewachsen sein. Dagegen gilt es, die sprachliche Eigentümlichkeit unserer Briefe nach der Seite zu charakterisieren, dass daraus von neuem die religiöse und theologische Individua- lität des Schreibers erkannt wird und vielleicht auch für die «Be- urteilung seiner geschichtlichen Stellung nach vorwärts und rück- wärts ein Gesichtspunkt gewonnen wird.

a) Wort8cHatz.

Was zunächst den Wortschatz anbetrifft, so lehnt derselbe sich im Wesentlichen an die Sprache des Neuen Testaments an. Eine grosse Reihe von Ausdrücken, welche der Geist des Christen- tums innerhalb des hellenistischen Idioms unter Miteinwirkung der LXX neugebildet resp. mit neuem Inhalt gefüllt hatte, finden sich bei Ign. in ihrer eigentümlich christlichen und innerlich geistigen Bedeutung wieder (vgl. z. B. jiZr}Qco(ia, öoga, x&QlG* XCtQtöfta, ovofia, olxovofiia, äXrj&eia, morig, xvevfia^ &6Zrjfia, £aw}, 9Dco£, xoöfiog u. a.). Die beigegebenen Tabellen und der ganze zweite Teil unserer Untersuchung giebt hierüber die nähere Auskunft und macht auch auf die Ausdrücke aufmerksam, welche, obwohl neutestamentlich, doch bei Ign. eine etwas anders gefärbte Bedeutung haben (z. B. d'VOiaörrJQiov , svxctQiOria, fisrdvoia,

Die sprachliche Eigentümlichkeit der ignatianischen Briefe. 89

öixcuovö&cu> viög &eovy vo/iog u. a.). Die Zahl derjenigen Aus- drücke des Ign., welche im N.T. garnicht vorkommen (175) *), ist verhältnismässig gross, und es fällt besonders auf, dass Ign. eine starke Vorliebe für zusammengesetzte Wörter hat (vgl. be- sonders die Zusammensetzungen mit &€oq und agiog). Einige Ausdrücke zeigen bereits die etwas fortgeschrittene Entwicklung 2) (vgl. die gesperrt gedruckten). Sehen wir aber nicht nur auf

1) Auf Grund des Index Vocabul. in Zahn 's Ausgabe der ign. Briefe (Patr. apost. opp. II S. 386 ff.) habe ich folgende im N. T. nicht vorkom- mende Wörter zusammengestellt:

dyysXixog, dyivvrjxog, ayio<pogog, döirjyrjxog, a&txxog, äxcctgog, dxavxrjola, dxivrjxog, axxenza, ax[i<ovy dxoiftrjxog, dXEOftog, df/Egi/uvla, d/Ltegiorog, dvaycDyevg, dvaio&Tftia) , dvaxxi£,(o, dvandgxiaxog, dv&ga>- noftogcpog, dvxiöoxogy dvxifjtifiio/4.ai} dvxlxpvxov, dwoxEgrjxog, dgiayam]- zog, dgioayvog, dgiinccivog, dgioEnlxEvxxog, dgio&avfxaoxog, d£i6- &eog, dgiofiaxdgioxog, dt-tovofiaoxog, dgiomoxog, dgionXoxog, dgio- TiQsnijg, aoxvog, aogyijxog, dna&^g, dnagxit,(o, dndgxiofia, dnoöivXi^to, dnoöivkujfjiog, dnoaxoXixog, dgxovxixog, dacofxaxog, axgsnxog, axQOvog, d%<üQioxog, dxprjXdcfTjxog, ßageco, ßccoxavla, ßißXlöiov, ßoga, ßiü), (fetXalvofjtai, öenoaixa, ösoeqxcdq, ötaßoijxog, ögooi^a), öva&eQdnsv- xog, dvoig, eögd^aj, ifißgoxrj, h^nXaaxgog, ip7iodl%a>, ivEgEiöct), iyxsgdv- vvfii, ivogfl^ü), kvou), svwaig, igalgexog, igao&Evsa) , £§E(inXdgiov, inTjQStcc, imöiofiai, igdco, sgcac, £xsqoöo£e<o, kxegoöo^la, evXoyog, Evotxovöfjiijxog, EvoweiÖTjXog, evxagia, evxsxvog, rjöcv, fyegog, rjovxicc, ifow, &£/jict, üsoögopog, 9eo[taxdgioxog, d-£OfxaxaglxTjgy &£07ige7irjg, &E07t()Eoߣvxijg) &EOOEßrigs &EO(poQog> xa&T]X6a), xa&oXixog, xa- xodiöaoxaXia, xaxoxExvia , xaXoxdya&ta, xaxagioTUOXEvopai, xaxa- 7iXr(Ooa) , xaxEvoSooficu, xoXaxEvo)r xgixpicc, xvgiaxri, Aa&goörjxxTjg, XEonagöog, XixavEvw, Xoifiog, Xvoodw, fia&rjXEia, iA£yaXo$grifioovvri, fiv^EVfxa, vao<pogog, vfxgocpogog, ($Evio[i6g, olxoy&ogog, olvofiEXi, bfio- JjS-Eia, bfxovoia, 6gyavov> ytagaxEXsia), nagatpvdg, 7idgEÖgog> nag£nnX£xü>, naxgojwfiog, nXij&og (f. d. Gemeinde), no&rjxog, noXvaydnrixog, uoXvev- xaxxog, ngoxglva), ngooßid^o/icu, ngooöriXoa), ngoa^xo), ngoaofiiXEat, ngoa<pEvyw , oaßßaxit,ü), aagxo<pogog, axyXi], oxgayya?.6a>, axgaxi(DXixog, ovyyviOfiovE'a) , ovftßiog, av/bifivaxTjg, ovvagi&pEü), avvagfio^ü) , avvöi- öaoxccXixr]g, ovvEiöog, ovvEvgv&niC,a) , avvqyogog, avvxovog, avoxaoig, oa>- ftdxiov, xegnvog, xoxEXog, xono&eola, vnaXel<pa>, wzegaydXXofiai, vneg- öo^d^ü), v7iEgE7taivs(o , vnsgrjipaviw , V7iegxi&eficu, vnonxEva), vnox&dviog, <piXovXog, (pgoxxioxyg, X°QÖV' XQiaztavioflog, x(U(JTO/ua#/af XQiaT°V0~ fiog, xQio*o<pogog, XQ<*>Pa-

2) Über einzelne lateinische Wörter, scheinbare Anachronismen und alle Wendungen, deren Inhalt wegen der geschichtlichen Situation zur Be- streitung der Echtheit Anlass gegeben haben, vgl. Lightfoot I S. 394 ff.

90 d. Goltz, Ignatius.

einzelne Wörter, sondern auf Wortverbindungen und Redewen- dungen, so stehen die hier hervortretenden Besonderheiten in ganz deutlichem Zusammenhang mit seiner eigentümlichen Ge- samtauffassung. Sprache und Gedanken sind ja überhaupt wechsel- seitig stets von Einfluss auf einander. Hierfür sind bei Ign. die wichtigsten Beispiele folgende: tvcooiq und hvoco und tvoxt/q, häufige Ausdrücke im Zusammenhang seiner mystischen Gedanken; &sov üvai, (tBxixsiv, knixvrfiavuv, yifisiv, die häufigen Zusam- mensetzungen mit &e6g und die häufige Wendung hv frecp, xaxd &eov (vgl. Eph. 4, 2. 8, i. M. 14, i. Sm. 12, 2. Pol. 7, 2 u. a.) als Zeichen dafür, wie viel ihm die Gemeinschaft mit Gott bedeutet und wie er alles zu ihm in Beziehung setzt; Worte wie xQl(iX0~ pa&tcc, XQiörovouoSi xQl<iro<P°Q0<*> das häufige o ioxtv 'ItjC. Xq. oder 61a ylt}0. Xq. und Ahnliches zeigen, wie christocentrisch er denkt; andererseits zeigen Worte wie xQotpr\ (Tr. 6, 1), gHXQfiaxov (Eph. 20, 2. Tr. 6, 2), ßoxdvrj (Tr. 6, 1), xaxäq xaQatpwöaq (Tr. 11, 1), övöcoöla (Eph. 17, 1), xXaöot xov oxccvqov (Tr. 11, 2), dxoöovXi- OftivoQ ajto ütavxoq dXXoxgiov £(Nö,f/«ros (R. inscr.), xa&agbq ccQxoq (R. 4, 2), JtvQ q>X6vXov (R. 7, 2), wie stark Ign. geneigt ist, wenn auch meist bildlich, geistige Dinge physisch aufzufassen. Aus- drücke wie yvco/iT}, öxopa xaxQoq, yvmöiq &eov, Xoyoq djto öiyijq XQoeXdmv, &eov dv&QMJtivcoq ipaveQov/ievov sind unmittelbar aus den eigentümlichen christologischen Gedanken hervorgegangen. Wir müssten hier alle unsere Ausführungen wiederholen, wenn wir bis ins Einzelne nachweisen wollten, wie genau und prägnant meist der eigentümliche Ausdruck mit dem eigentümlichen Gedanken

korrespondiert.

b) Der Stü.

Die Individualität des Verfassers prägt sich aber fast noch mehr, als in einzelnen Worten und Wortverbindungen, in dem Stil und der gesamten Schreibart des Verfassers aus. Hierüber hat schon R. Rothe (Anfange der ehr. K. S. 759 ff) sehr treffende Bemerkungen gemacht. Ign. sagt selbst von sich, dass es ihm an jtQaoxrjq mangele, und seine Briefe sind durchweg in leiden- schaftlich erregter Stimmung geschrieben. Abgerissen und wenig verbunden, reihen sich kurze, prägnante Sätze aneinander. Zumal im Polykarpbrief bekommt die Sprache oft sprüchwörtlichen Charakter. Die logischen Mittelgedanken fehlen meist und sind nicht immer leicht zu ergänzen. Auch hierin gleicht Ign. dem

Die sprachliche Eigentümlichkeit der ignatianischen Briefe. 91

Johannes-Evangelium, nur dass jenes in feierlicher, erhabener Ruhe, unsere Briefe in lebhaftester Erregung geschrieben sind. Eine ganz besondere Vorliebe hat Ign. für Antithesen und für Paarungen korrespondirender Begriffe. Darin spiegelt sich ganz besonders seine geistige Eigentümlichkeit wieder. Gott und Welt, Tod und Leben, Geist und Fleisch, Himmlisches und Irdisches, Ewiges und Zeitliches treten bald in scharfen Gegensatz zu ein- ander, bald sind sie an ein und derselben Sache so in und mit einander, dass sie geradezu nebeneinander genannt werden. Am häufigsten ist bei Ign. der Gegensatz von tfetpg und jtvevfia. Für öapg oder öaQxtxbg steht wohl auch einmal ap&Qcojtog und av&Qcoxivog, für jtpevfia und d-eog, xaxa &eop, 'fyG. Xq. xaxa 'Irjö. Xq. Eph. 8, 2. M. 3, 1. 6, 2. Tr. 2, 1. R. 8, s. Phld. 1. 7, 1. 2 steht beides in scharfem Gegensatz; dagegen in der Formel occqxI xal Jtpevfiari und occQxixbg xdi jtvsvfiarixog steht beides unter- einander, um dieselbe Sache von zwei Seiten zu charakterisiren (vgl Eph. 7, 2. 10, s. M. 13, 1. Tr. inscr. Tr. 8, 2. Tr. 12, 1. R. inscr. Phld. 11, 2 u. a.), und Eph. 7, 2 sind alle Gegensätze so gedacht, dass das Göttliche im Menschlichen, das wahre Leben im Tode offenbar geworden ist; M. 5, 1. 2 steht beides in sittlichem Sinne im schroffsten Gegensatz zu einander. Zumal die Gegenüber- stellung von tfapg und Jtvevfia ist eine so häufige, dass sie oft etwas Phraseologisches, Gedankenloses hat Die wichtigsten Paare sind ausserdem xioxig xal aycatr) und jza&og xal äväöraöig. Aber auch abgesehen von diesen häufigsten Verbindungen, liebt es Ign. in paradoxer Weise Gegensätze zu bilden, Schein und Wirklichkeit, elvai und nr\ üvai (Eph. 15, 1), seine und der Leser Lage, christliches Ideal und der Gegner Fehler, das Bekenntnis zu Christo und „xoöfiov kmfrvftslv", eigenes Können und göttliche Geisteskraft, scheinbare Niederlage und triumphirenden Sieg wirksam oft mit Wortspielen nebeneinander zu halten [vgl. Eph. 12, 1. 15, 1. 2. M. 4. 5, 1. 2 (jcafrog und £r». 10, 3 (Xq. XaZelv xal lovöai&iv); Tr. 2, 1 (jtiörevöaPTsg elg top ftavatov, rb ajco&avslv txqpvyrjte); Tr. 5,2. Tr. 10, 1 (Xiyovöi öoxelp avrol öoxelv optsg); R. 2, 1 (apfrQozjtaQSöxrjöai &t<p ccQioai); R. 2, 1 (Xoyog qx°>)i R- 3, 1 (Xiyso&ai evQe&fjpai); R. 4, 3; R. 6, 2 (Cc5p yQaqxn Iq<x>p xov äno&apslp); R. 8, 8 (tf&slrjöare tfuOTjöaTe); Phld. 9, 1; Sm. 3, 2 (9-apdzov xaT£g)QOP?]Oap, yvQe&r^ oav vyttQ &apazop)\ Sm. 4, 2 {lyyvg fiaxalQag, lyyvg &eov, fisra-

92 v- d. Goltz, Ignatiu8.

gv &?1Qia>p, fiezagv &eov); Pol. 3, 2. 4, 3]. Spiegelt sich in diesen Antithesen und paradoxen Synthesen die religiöse und theologische Eigentümlichkeit des Ign. deutlich wieder, wie sie bald dem Dualismus, bald einem mystischen Monismus sich nähert, so zeigt sich andrerseits in der Prägnanz und geistreichen Kürze seiner Ausdrucks weise, wie stark er über die Dinge nachgedacht, wie fügsam ihm die Sprache ist, und wie lebhaft Gemüt und Phan- tasie beteiligt sind. Nicht nur eine Reihe von ausgeführten Bildern, sondern viele fast zu prägnante, manchmal nicht ohne weiteres verständliche und gesuchte bildliche Ausdrücke, knapp und körnig formulierte Gnomen verraten einen Mann, der fast zu viel von seiner Gabe, sich kurz, prägnant und geistreich aus- zudrücken, Gebrauch macht. Es kommt dadurch oft etwas Ge- künsteltes und Gespreiztes in seine Sprache, was bei oberfläch- licher Betrachtung einen unnatürlichen, abstossenden Eindruck machen kann, und auf viele Kritiker gemacht hat. Dennoch möchte Rothe recht behalten, dass seine Art sich genügend aus seinem wahrscheinlich sanguinischen Temperament und seiner erregten Stimmung erklärt, und jedenfalls durchaus einen echten ursprünglichen Charakter verrät. Im Einzelnen ist hier hervor- zuheben, dass einzelne Wörter wie fiaO-^rrjg (Eph. 1, 2. R. 4, 2. 5, 3), ovofia (Phld. 10, 1), &eZi](ia (R 1), av&gcojtog (R. 6, 2) in empha- tischer Weise gebraucht sind; ovofia und jtvevfia stehen auch, um Personen zu bezeichnen (Eph. 1, 1. Eph. 18, 1. Tr. 13, 2. R. 8, 3. Sm. 10, 2). Besonders kühne Bilder finden sich Eph. 3 gwvtq&xsiv vfi yv<D(iyi\ Eph. 4. 9. Eph. 11, 2 zag jtvevfiazixag fiaQyaQizag (d. Fesseln); Eph. 12, 4 jzctQoöog (dieEpheser für d. Märtyrer); Tr.4,i (laoziyovöi fi£; Tr. 5, 1 \tr\ ozQayyaZco&rjzs; R. 6, 2 o zoxezog (f.d. Tod); Phld. 1, 2 dg xoQÖatg xi&agcc övvsvQv&fiiözat (Bischof u. Gemeinde); R. 2,2 (xaZov zb övvai äjto xoofiov . . . Iva avazelZa>); Pol. 2 vom a&Zr\zr\g u. a. In sprüchwörtlicher Kürze sind folgende Stellen formuliert: Eph. 5, 2. 8, 2. 11, 1. 16, 1. M. 5, 1. 10, 1. R. 3, 3 (ovöev <paiv6ftevov dya&ov); Phld. 1, 2 (jrdvza ofiov xaZd iöziv, iäv Iv äyajty ^cozevrjzs); Sm. 6, 1 (zojtog \ir\6iva yvöiovö&co); Sm. 11, 3; Pol. 1, 3 (ojtov jtZeicov xoxog, JtoZv xegöog); Pol. 2, 1 (ov jcäv rgavfia rfj avzjj k^jtZdozQcp -freganevezai); Pol. 2, 2; Pol. 3, 1; Pol. 7, 3 (Xgioziavog kavzov h£,ovoiav ovx ex6li <*ZZä d-ew öx<)Za£ei). Viele andere kurzgefasste und gedrängte Sätze finden sich in jedem Kapitel, so dass ihre Aufzählung müssig

Die sprachliche Eigentümlichkeit der ignatianischen Briefe. 93

wäre. Besonders aufmerksam zu machen ist aber darauf, dass sehr häufig erklärende Relativsätze einem Satze oder einer Periode oft ganz überraschend angehängt sind, welche meist einen im Zusammenhang keineswegs nötigen Gedanken beifügen; manch- mal ist dieser Nachklang auch mit yag angeknüpft (vgl. Eph. 8, 2. 9, 2. M. 1, 3. 5, 2. 6, 1. 9, 2. 11. Tr. 2, 2. Tr. 6, 1. 2. 9, 2. 13, 2. Phld. 8, 2. 9, 1. 10, 2. Sm. 10, 2. Sm. 1, 2. 6, 1. 7, 2. 10, 2. Pol. 1, 1. 8, 3); auch die Zusätze zu 'frjO. Xq. wie r\ xoivrj iXjtlg rjficöv und rb döicocQtrov rjficjv C;7\v sind durchaus nicht immer durch den Zu- sammenhang motiviert, während die erklärenden Relativsätze mit der Anknüpfung 6 sCriv zwar auch nachklingen, aber gewöhnlich keine untergeordnete phraseologische, sondern ihre gute innere Bedeutung haben, da ohne sie Ign. garnicht zu verstehen wäre (vgl. Eph. 17, 2. 20, 2. M. 10, 2. Tr. 8, 1. R. 7, 3. Sm. 5, 3).

c) Formelhaftes und Liturgisches.

An den mehr rhetorischen und phraseologischen Stellen nun und dort, wo die Ausdrücke sich häufen und einen formelhaften Charakter annehmen, ist am ersten zu vermuten, dass Ign. sei es liturgische, sei es bekenntnismässige Formeln, die in der Gemeinde schon ausgeprägt waren, gebrauche. Dass dies wahrscheinlich sei, bemerkt z. B. Harnack D. G. I3. S. 157 Anm. 1 u. S. 192 Anm. Leider lässt sich aber hierüber sehr wenig Bestimmtes aussagen: die hier in Betracht kommenden Stellen 1) sind dieselben, wo Ign.

1) Eph. 3. 2: eiq iaxgnq ioxi aagxixoq xe xal nvevtiaxtxdq, yevvrjxoq xal dyivvrjxoq iv dvd-gw7no &eöq, iv S-avdxo) %<otj cc/.rjd-tv^

xal ix Maglaq xal ix &eov, ngwxov na^rjxoq xal xoxe dna-

&rjq, 'Iijoovq Xgioxbq 6 xvgioq tj/liwv. Eph. 18, 2: cO ydg d-eoq rjfxwv 'Irjoovq 0 Xgioxoq ixvo<pogrjd-i] vno

Maglaq xax olxovofiiav &sov ix onkQuaxoq fxhv daßlö, nvei-

fiaxoq öh dylov, oq iyevv^&ij xal ißanxla^ (lva xip ndöei xb

vö(üq xa&aglay. Eph. 20, 2: iv (iiä niaxsi xal iv 'lrjo. Xq. x<ö xaxd odgxa ix ye-

vovq daßlö xtp viw dvS-gcinov xal viw d-sov.' M. 11: 7ie7i)>rjQO<pogTJo&ai iv xy yswrjoet xal x<5 nd&ei xal xy

dvaaxdaei x% ysvofjiivq iv xaigät xf^q r\ytyLOviaq Tiovxiov Hl-

Xdxov ngax&svxa aXrj&cüq xal ßeßaiwq vno Itjoov Xgtoxov

xfjq iknlöoq Tj/icäv, rjq ixxganrjvai ftyösvl vfjtaiv yivoixo. Tr. 9, 1: 'Irjo. Xg. . . xov ix yivovq Jaßlö ro7 ix Magiaq, oq d?.rj-

&wq iyevvy&T], s(payev xe xal htiev, d).r]9(vq idiw/ß-rj inl Uov-

94 v. d. Goltz, Jgnatius.

plerophorisch und feierlich meist in Antithesen den doketischen Irr- lehren den rechten christlichen Glauben gegenüberstellt; jedenfalls ist die Art der Zusammenstellung und das Einzelne des Ausdrucks von Ign. selbst gebildet. Jedoch ist es auffallend, dass diese Formeln in Einigem nicht wenig an das spätere römische Symbol anklingen, und dass einzelne der eingereihten Aussagen für den Zweck des Ign. und im Zusammenhang der Stelle mindestens überflüssig er- scheinen, z. B. kx 0jt€Q/iarog Aaßiö Eph. 18, 2; vico &eov xal vlm äv&Qwjtov Eph. 20, 2; Tr. 8, 2 xov ix yivovg Aaßiö; Sm. 1 ße- ßajtriOfiipop vnh 'Icoävvov, i'va xArjQco&fj naoa öixaioovvr) und küil uovxiov UiXaxov xal 'Hqcodov xbxqoqxov. Auch, dass sich diese Angaben in den feierlichen Formeln wiederholen, ist am besten erklärt, wenn sie einem bestimmten Bekenntnistypus, der sich schon gebildet hatte, entnommen waren. Nimmt man das, was sich in den Pastoralbriefen findet, dazu, so darf man gewiss behaupten, dass es schon eine häufig wiederkehrende, wenn auch im Einzelnen noch veränderliche Gewohnheit war, in kurzen Gegensätzen oder Paaren die Hauptthatsachen des christlichen Glaubens zu bekennen. Vielleicht darf man auch einige wenige Stellen der spätem Liturgien damit vergleichen und einen ge- schichtlichen Zusammenhang zwischen ihnen und jenen ersten wörtlich und genau nicht mehr zu fixirenden Ansätzen annehmen. Ich möchte hier folgende Punkte nennen, welche auch bei Ign. belegt werden können:

1) elg d'Boq 6 (pavegcSoag eavxbv ötä 'hjc. Xg. xov viov avxov M. 9, 1 vgl. 7, 2. 8, 2.

xlov üiXdxov, dXrj&öiq ioxavgto&rj xal dni&avsv ßXsnovxmv x<5v inovgavlwv xal imyeliov xal vnox&ovlwv.

Sm. 1, 1: nenXriQOifOQrjßhovq tlq xov xigtov rj/twv dXij&wq ovxa ix ysvovq Jaßlö xaxä adgxa, viov 9eov xaxä &eXrnxa xal övvafiiv D-sov, yeysvrjfievov dX?]9wq ix nag&ivov, ßeßanxiofihov vno 'Iwdvvov, "va nXrigw&y näaa öixaioovvr] vn avxov' d?.r]&d>q inl Uovxiov HiXdxov xal ''Hgwöov xsxgdgxov xa&rjXiofisvov vnhg t)jx<5v €v oagxl d<p ob xagnov r)fJiHq dno xov S-sofza- xaglxov avxov nd&ovq "va ägy ovoCT/fiov elq xovq afövaq öid xfjq dvaoxdoeioq siq xovq ayiovq xal nioxovq avxov sixe iv ^lovöatoiq ehe iv s&veoiv iv kvl awfiaxi xyq ixxXtjotaq avxov.

Pol. 3, 2: xov mhg xaigov ngooöoxa, xov axgovov, xov dogaxov, xov 61 rjftciq ogaxov, xhv d\pr}Xd(p^xov^ xov dna&r), xov 61 Tjfiäq na&rixov, xov xaxd ndvxa xgonov 61 qpaq xmopeivavxa.

Die sprachliche Eigentümlichkeit der ignatianischen Briefe. 95

2) Xq. 'Irjö. 6 xvQiog fycov xaxä öctQxa u. xaxct Jtpsv- fia . . . . Eph. 7, a. 20, 2. Sm. 1 {xarä &iXrjiia xal övvctfiiv &eov), vgl. R. 1, s. 1. Tim. 3, 16. 1. Pe. 3, 18.

3) ix OJciQfiatog od. yivovg Aaßiö Eph. 18, 2. 20, 2. Tr. 9, 1. Sm. 1.

4) ix MaQiag (xaQ&ivov) ix ütvsvfiaxog äyiov od. d-eov Eph. 7, 2. 18, 2. Tr. 9, 1.

5) iöiwxfry ixi Uovxlov UiZdxov M. 11. Tr. 9, 1. Sm. 1 (xal 'HqwÖov xexQaQxov)', vgl. 1. Tim. 6, is.

6) xad-tiXcofiivov vmQ rjfimv iv öccqxi Sm. 1. Tr. 9, 1. dlTj&cog iozavQcoih].

7) M. 11 dvdoxaoig. Tr. 9, 1 tfyiglh] djcb vexQ&v iyeiQctvxog avxov xov JiarQog avxov vgl. Sm. 1 u. 7, 1.

Die Himmelfahrt fehlt. Für die Wiederkunft fehlt eine fixirte Formel, vgl. Eph. 15, 2. Soweit die Parallelen zum altrömischen Symbol, worüber alles Weitere bei Harn ack Patr. apost. opp. I2. S. 115 ff. zu finden ist. Es finden sich aber bei Ign. noch Aus- drücke und Formeln, welche in das spätere röm. Symbol keine Aufnahme gefunden haben und, wo es doch sehr zweifelhaft er- scheint, ob dieselben frei gebildet sind. Dies gilt vor Allem von der Formel PoL 3, 2 und vielleicht auch Eph. 7, 2, obgleich letztere am originellsten und freisten klingt. Zu Pol. 3, 2 haben wir eine genaue Parallele in Iren. III. 17,6, vgl.auchTert.Apol. 17, und genau dieselbe Art, in Antithesen von Leiden und Leidens- losigkeit, Tod und Leben, Zeit und Ewigkeit den Glauben an Christus zu formulieren, zeigt, Constit. Ap. VIII (Lag. 254, 6 ff. Achelis1), Can. Hippol. S. 52) und ähnlich 1. Tim. 3, 16. Auch Justin kennt nad-rjxog und djtad^g und Noet (bei Hippol. X, 27)2) desgleichen. Da schwerlich alle diese Stellen auf Ign. ad. Pol. 3, 2 zurückgehen, was nur bei Irenaeus leicht möglich ist, darf man wohl annehmen, dass auch diese Formeln sei es aus Gebeten, sei es aus Hymnen oder Bekenntnisformeln des Gemeindegottes-

1)H. Achelis, Die ältesten Quellen des oriental. Kirchenrechts. Erstes Buch: Die Canones Hippolyti. Leipzig 1891.

2) Vgl.Loofs, D. Gesch. 2 §27, i.D.: Hippol. X, 27: xovxov ehai üo- oaxov, oxe firj ooäxai, ooaxov d£, oxav boäxai, dyewijxov, oxav (irj yevvd- xcci, yevvijxov öe, oxav yevväxai ix nao&evov, aTta&ij xal ä&dvaxov, oxe firj ndoxg fiyxs &vrjoxy, indv de 7id&r] 7toooeX&y.

96 d. Goltz, Ignatius.

dienstes entlehnt sind, wenn dieselben auch vielleicht nicht immer in stereotyper Form wiederkehrten. Ein Versuch in den ältesten griechischen Liturgien Stellen zu finden, die mit Formeln des Ign. in geschichtlichem Zusammenhang stehen könnten, ist so gut wie ohne Erfolg geblieben. Es kann nur folgendes notiert werden: Bereits im 1. Clem. Brief (45, 7), vielleicht auch 1. Tim. 3, 9. 2. Tim. 1, 3, jedenfalls Ign. Tr. 7, 2. Liturg. Jacobi VII, X, XXVI u. XXVII. Lit. Marci IX u. X. Lit. S. Basil. (bei Swainson p. 36) und öfters in den altern Liturgien steht die Formel xad-aoa ovvei- örjosc in Verbindung mit dem gottesdienstlichen Handeln, dem Xaxgeveiv, speziell dem Darbringen des Opfers. Wir dürfen daher wohl auch Tr. 7, 2 schon aus dem gottesdienstlichen Sprach- gebrauch herleiten. Sehr alt scheinen mir ferner die Formeln vöi rjfiäg dnod-avovxa und dvaöxdvxa^ zu sein, wie sie uns bei Ign. Tr. 2, 1 R. 6, 1. Pol. 3, 2 (xaxd ndvxa xgonov öt rj^iag vno- fielvavxa) begegnen. Sie kehren häufig bei Justin wieder und finden sich Const. Apost VIII (Achelis S. 52 ftsfiVTjfievoi a>v öS tjfiäg vjtiuBtvsv) u. L. IV (öiä Xqcöxov xrjg tZxiöog ?]fic5v xov vjcsq avxmv djtod-avovxog). Ausserdem fiel mir auf: Const. per Hippol. bei Achelis S. 46 Zvsiv öh üidvxa övvöeofiov, vgl Phld. 8, 1 0$ Xvöst jtdvxa öeofiov; Const. Ap. bei Achelis S. 66: (UfirjTTjp xmv Jtad-Tjfidxwv xov XqlOxov oov u. R. 6, 3 fiifirjxTJv xov jid&ovg xov &eov; Leucius- Acten. Fragm. der ephesin. Li- turgie bei Zahn, Acta Joh. (1S80) S. 240, 6 xo eig av&oconovc yeyovog [ivöxr)oiov xrjg oixovofilag, vgl. Ign. Eph. 20. S. 242, 9 iaxQog für Christus; S. 243, 9 xov öS rjfiäg Xex^ivxa vlcv dvd-Qm- jiov, vgl. Eph. 20, 2; S. 247, 5 Christus als xcöv ajtovoavlcov Ö£- Ojcoxrjg . . . xcov kjttyeicov <pvla§ xal xcöv löicov x&Ql(Zi vgl. Tr. 9, 1 ßZsjvovxcov xcov hnovoavlmv xal ejuyeicov xal vjtox&oviwv, vgl. Lit. Basil. 8. Jahrh. (bei Swainson p. 15) öv ydg ösOJto&ig ixovgavlcov xal kjtiysiojp; Lit. Basil. 8. Jahrh. (Swainson p. 36) evco&wpev xcp ayiop öoifiaxi xal al'fiaxi u. Lit Jacobi XIII evoj- oig xov üiavaylov awfiaxog xal xov xifilov atyaxog, vgl. mit Ign. ad Phld. 4 sv Jtoxrjgiov elg %va>6iv xov al'fiaxog avxov; zu der häufigen Formel d. Lit. hxxXrjöia djcb xsgdxwv xrjg yrjg, vgl. Ign. Eph. 3, 2 ejiloxojtoi xaxd xd nigaxa ogiöd-evxeg. Irgendwelche sichere oder nur wahrscheinliche Behauptungen lassen sich an diese schwachen Berührungen nicht anknüpfen. Bei Ign. allein dürften vielleicht noch M. 6, 1 og ütoo alwvcjp jtagd Jtaxgl r)v

Die sprachliche Eigentümlichkeit der ignatianischen Briefe. 97

xal hv riXei i<pavty u. Sm. 7, 1 oägxa vjisq xöjv afiaQxccöv Tjficöv na&ovoav, das Prädikat Christi fj xoivi) stetig rjftojv und die Zusammensetzung von nloxig xal aydjirj liturgischen Ur- sprungs sein. In der alten antiochenischen Liturgie, wie sie von Bingham1) undHammond2) aus den Schriften des Chrysostomns rekonstruiert worden ist, und in der Liturgie des Cyrill von Jerusalem sind keine Berührungen mit Ign. zu finden, und es ist auf diesem Wege vergeblich Genaueres für den Text der Liturgie zur Zeit des Ign. aus unseren Briefen ermitteln zu wollen s). Es lässt sich nicht entscheiden, was von den angeführten Formeln nur gangbare Münze in der Sprache der Frömmigkeit und was wirklich Bestandteil eines liturgischen Textes gewesen ist; am deutlichsten sind die Anklänge an das spätere Taufbekenntnis und im Vergleich zu den geringen Spuren des N. T. sind die Formeln des Ign. schon viel fertiger, ausgeführter und zahlreicher. Dass diese vielleicht kultisch-hymnischen Stücke, welche sich in das antidoketische Bekenntnis des Ign. einschieben, unzweck- mässig aneinander gereiht seien (Harnack I, S. 157 Anm. 1), kann ich nicht finden. Indem Ign. sein eigenes Bekenntnis den Gegnern gegenüber ablegen will, steigert sich seine Glaubensempfindung beträchtlich, und in dieser Erregung und im Gefühl der Gemein- schaft des Glaubens mit der Gemeinde geht die Rede unwillkür- lich aus den eigenen Worten in die feierliche Form ihm geläu- figer, gottesdienstlicher Formeln über. Bekommen seine Worte dadurch auch einen rhetorisch-pathetischen Charakter und geht deshalb die Fülle und der Inhalt des Ausdrucks etwas über das zweckentsprechende und im Zusammenhang erwartete Mass hinaus, so sind jene Formeln im Ganzen genommen doch ein treffender Ausdruck seiner eigenen theologischen Gedanken und christlichen Empfindungen, nicht etwa nur ein halb gedanken- und verständnis- loses Wiederholen von ihm bereits vorgefundener liturgischer „Formeln". Wir hatten deshalb ein Recht, aus jenen Stellen ebenfalls Schlüsse zu ziehen auf die christologischen Anschau-

1) Jos. Bingham, Origines ecclesiaaticae convert. v. J. H. Grischovius. Halae-Magdeburgiae 1754 Tom. V Lib. XIII Cap. 5.

2) C. E. Hammond. The ancient Liturgy of Antioch. Oxford 1S79.

3) Was F. Probst „Die Liturgie der drei ersten christlichen Jahr- hunderte" anfuhrt, ist entweder allbekannt oder eine Hineinbringung von Späterem in den Text des Ign.

Texte u. Untersuchungen XII, 8. 7

(>S v. d. Goltz, Ignatiua.

ungen des Ign. selbst. Gerade hier, wo die Glaubensempfindung des Verfassers besonders gesteigert ist, kommt die Eigentümlich- keit seiner Anschauungen zum Ausdruck, abgesehen von wenigen bereits im Laufe unserer Untersuchung bezeichneten Ausnahmen. Frei Gebildetes, übernommener liturgischer Ausdruck für die eigene Anschauung und reflexionslose Wiederholung älterer von Ign. selbst nicht im originellen Sinn verstandener Glaubensaus- sagen ist an diesen bekenntnismässigen Stellen ebenso eng und für uns schwer trennbar verbunden, wie überall sonst, wo wir bei Ign. der Verbindung von Eigenem und entweder erworbenem oder nicht erworbenem Erbe der Väter begegneten. Wichtig ist nach beiden Seiten hin die Beobachtung, dass Ign. jedenfalls es verstanden hat, überall auch das Überlieferte frei zu handhaben und auf Grundlage desselben seinen eigenen Gedanken einen originellen und individuellen Ausdruck zu geben. Er ist ein Schrittsteller, der seine eigene Sprache spricht, und das ist nicht das geringste Merkzeichen dafür, dass er auch selbstdurchdachte Gedanken und vor allem selbst erlebten christlichen Glauben ge- habt hat. So bestätigt sich uns auch in diesem letzten Kapitel die von uns gegebene Charakteristik des Mannes, den wir, ob- wohl uns nichts über ihn überliefert ist, aus dem Wenigen, was er hinterlassen, nach seiner christlichen Persönlichkeit besser kennen, als so Viele, über deren Leben wir von Anderen unter- richtet sind.

Zweiter Teil.

Die christlichen Anschauungen des Ignatius nach ihrer geschichtlichen Entstehung und Bedeutung,

Wenn wir zuerst nach der geschichtlichen Entstehung der christlichen Glaubensanschauungen des Ign. fragen, so müssen wir mit der Erinnerung beginnen, dass der letzte Grund jedes persönlichen Glaubens ein unerforschbarer bleibt, der unmittelbar auf die Quelle zurückgeht: auf Gott und Jesum Christum selbst, und bei Ign. werden wir in jeder Zeile darauf zurückgewiesen. Von der glühenden Liebe des Bischofs zu seinem Herrn kann nur die Lektüre der Briefe selbst einen Eindruck geben und zumal im Römerbrief spricht sich die Sehnsucht der Vereinigung mit ihm in so ekstatischer Weise aus, dass dieselbe nur aus der besondern Situation und der eigentümlich mystischen und leiden- schaftlich empfindenden Geistesart des Ign. erklärt werden kann. Um so wichtiger wird aber dann die Frage: Woher hat Ign. sein Christusbild, soweit wir es erkennen können? An welcher christlichen Persönlichkeit hat er Glauben und Liebe kennen ge- lernt? Welche der geistigen Strömungen des ersten Jahrhunderts setzen sich in ihm fort? Geschichtliche Nachrichten stehen uns gar nicht darüber zur Verfügung. Auch vom Leben des Ign. wissen wir nichts, ausser dem Wenigen, was die Briefe angeben. Diese allein unterrichten uns auch davon, dass er Briefe des Paulus kennt und diesen sehr verehrt. Joh. ist nicht genannt, wenn auch vielleicht Eph. 11, 2 mit eingeschlossen. Wir sind also ganz auf die innere Untersuchung angewiesen, und diese beginnt am natürlichsten mit Paulus.

7*

y

100 v. d. Goltz, Ignatius.

I. Paulus und Iguatius.

Dass Ign. in seinem Christentume von Paulus beeinflusst ist, liegt unmittelbar für jeden auf der Hand. Er spricht nicht nur von seinen Briefen beiläufig, sondern hat reichliche Anklänge an den Wortlaut des 1. Kor.-Briefes, vielleicht auch des Rom.-, GraL-, 2. Kor.- und Phil.-Br. {) Die litterarischen Berührungen im ein- zelnen auf ihren Wert zu prüfen, interessiert für unsere Aufgabe nicht. Uns stellt sich die Frage, wie weit der Sache nach der Einfluss des Paulus auf die Gedanken des Ign. reicht, mag dieser ein direkt litterarischer oder ein durch die Gemeinde vermittelter sein, was jedenfalls zusammenwirkt Bisher ist diese Frage nur von Hilgenfeld2) und Pfleiderer3) unter Voraussetzung resp. zum Beweise der Unechtheit der Briefe angerührt worden. Die Widerlegung ihres Resultates, dass die ignatianischen Briefe eine realistische Modifikation des paulinischen Idealismus in gesetz- licher und hierarchisch-katholischer Richtung seien, ist be- reits im ersten Teile gegeben. Doch sollen die hierin gewonnenen Ergebnisse noch einmal kurz zusaramengefasst werden, um die Abweichungen von Paulus, die thaisächlich existieren, klar heraus- zustellen und das Recht der Annahme eines paulinischen Ein- flusses genau abzugrenzen4).

I, Die älteren Paulusoriefe.

Den christocentrischen Charakter überhaupt teilt Ign. mit Paulus und Johannes. Auch reproduziert Ign. christologische

1) Die anhangsweise beigegebene Stellenübersicht (Tab. I) beweist jedenfalls eine reichliche Gemeinschaft in einzelnen Satzwendungen und Worten; beweisend sind die Stellen für eine litterarische Benutzung nur für 1. Cor. und Phil. Bei allen übrigen ist es mir wahrscheinlicher , an christliches Gemeingut zu denken, welches indirekt paulinischen Einfluss voraussetzt.

2) Apost Väter S. 248—251.

3) Paulinismus 1873. S. 482-494, 1890. S. 487—499.

4) Dass christliches Gemeingut, welches sich überall, und so auch bei Paul, findet, nicht als „paulinisch" bezeichnet werden darf, versteht sich von selbst. Dahin gehört für jene Zeit schon : Die einfache Präexistenzvor- stellung, Gottes- und Davidsohnschaft, Tod und Auferstehung Christi an sich, Begriffe wie nlaxiq, dydnrj, buovoia, vnofxovri an sich, der heil. Geist und die einfache trinitarische Formel, der Gedanke der allgemeinen ix- xkijaia, die Kenntnis des A. T. U.A.: cf. Harnack. D. Gesch. I2. S. 122 ff. I3. S. 136 ff.

I. Paulus und Ignatius. 101

Formeln (bes. Sm. 1), die wesentlich an Rom. 1, 3 anklingen, so dass litterarischer Anklang nicht ausgeschlossen ist. Und doch macht sich, wenn man genauer zusieht, ein erheblicher Unter- schied bemerkbar. Rom. 1, s werden beide Seiten der Person Christi hervorgehoben, um ihn den Juden als den geweissagten Davidssohn, den Heiden als den durch den heiligen Geist und die Auferstehung beglaubigten Gottessohn zu preisen. Eine Legitimation an der Messiasweissagung liegt dem Ign. ganz fern; denn bc yivovq Aaßid ist bei ihm nur die traditionelle Formel zum Beweise der Menschlichkeit. Der Beweis für die Gottessohn- schaft wird zwar auch auf Gottes övvafitg gegründet, aber hier schon deutlich in Beziehung auf die Jungfrauengeburt nicht auf die Auferstehung und daneben auf das Verhältnis zum Vater, dem er wohlgefiel (in johanneischer Weise). Ferner haben wir gesehen, dass bei Ign. der göttliche Christus neben dem Vater nur eine traditionelle Nebenvorstellung ist, während er eigentlich Gott unmittelbar in Christus selbst schaut in naiv modalistischer Weise. Bei Paulus wird Christus wie alle gött- lichen Dinge in den Himmel zurückdatiert, und der präexistente Christus ist ebenso wie der auferstandene: der himmlische Mensch, der Gottessohn neben dem Vater. Ign. teilt zwar den geschicht- lichen Ausgangspunkt, aber er datiert nicht den Menschen in die Vorzeit wenigstens dies nur nebenbei , sondern findet un- mittelbar in dem Menschen Gott. Er, der Ewige, erscheint in der Zeit, ist aber über alle Zeit. Kurz, es ist johanneische Denk- art, aber nicht paulinische. Auch fehlt dem Ign. jede kosmo- logische oder geschichts-philosophische Spekulation. Das mensch- liche Leben Jesu tritt stärker hervor als bei Paulus, und das Verhältnis zum Vater ist ganz johanneisch gefasst. Gleich innig wie das des Paulus ist das persönliche Verhältnis des Ign. zum Verklärten, nach dessen Gemeinschaft in der Vollendung er sieb sehnt. Nur ist Ign. excentrischer, Paulus noch klarer und tiefer. Jener hofft; auf eine tvcooiq &eov, dieser auf ein öv/ißaöiZeveiv. Auch hier ist der Apostel realistischer, der Bischof idealistischer und spiritueller. Umgekehrt dagegen ist das Verhältnis vom öcofia xvBVfiaxixov bei Pls., und der tfapg des Auferstandenen bei Ign. Die Gegenüberstellung von ö<xq§ und npsvfia überhaupt ist entschieden paulinisches Erbe. Aber wir sahen bereits, dass das psychologische Moment dem Ign. dabei fehlt. Nach der einen

K)2 v. d. Goltz, Ignatius.

Seite ist es nur der Unterschied von Form und Inhalt, nach der anderen, der ethischen, ist der Gegensatz principiell geschärft durch völlige Trennung der occqxixoI und Jivevfianxol in johan- neischer Weise (Eph. 8). Jedenfalls fehlt dem lgn. die tiefe Be- trachtung des Kampfes beider Faktoren im Menschen, wie über- haupt die Würdigung der Sünde. Nicht von dieser wird der Mensch befreit, sondern von der äusseren dämonischen Macht und dem Tode. Bei Pls. ist wirklich das Kreuz der Mittelpunkt, bei lgn. nur scheinbar; in Wirklichkeit ist es die Auferstehung Gut paulinisch ist die Würdigung des Todes als eines Zeichens un- vergänglicher Gottesliebe und als einer Quelle, von der eine Kraft für das sittliche Leben ausgeht. Ganz mit Unrecht aber hat man, wie wir wahrscheinlich gemacht haben, die paulinische Recht- fertigung bei lgn. finden wollen. Im besten Falle ist Phld. 8, 2 eine bedeutungslose rhetorische Reminiscenz an dieselbe. Eine Stellung als Bürge hat der ignatianische Christus allerdings durch die Fürbitte beim Vater, aber, wie überall, wo lgn. Vater und Sohn trennt und vom Menschen Jesus oder dem Sohne spricht, geschieht dies mehr in der johanneischen Weise, wofür wir nachher den Beweis bringen werden. 1. Cor. 5, 7 giebt lgn. wieder, aber bezeichnenderweise, ohne das Passah zu erwähnen. Überhaupt fehlen sämmtliche specifisch jüdische Vorstellungsreihen vom iXaotrjQcov, vom Opfer überhaupt, vom Priestertume im jüd. Sinne, vom Messias u. s. w. Das alte Testament steht ihm überhaupt ferne. Nur in der antinomistischen, antijüdischen Polemik tritt er in unmittelbarem Anschlüsse an Paulus auf und schützt Freiheit und Neuheit der Gnade. Hier ist der Einfluss des Heidenapostels am deutlichsten. Die Mystik des subjektiven Christentums hat er mit Pls. gemein, aber ebenso auch mit Joh., so dass nicht behauptet werden darf, dass lgn. hier specifisch paulinisch sei. Dass Glaube und Liebe das Ganze ausmachen, ist zwar nicht paulinisch, aber es ist auch kaum richtig, es eine Abschwächung des Paulinismus !) zu nennen. Es ist überhaupt eine andere Art, die Sache zusammenzufassen, welche wiederum dem Joh. verwandt ist In Bezug auf den Begriff der Kirche finden sich in den älteren Pls.-Briefen wenige Analogien zu lgn. Nur das Bild aSfia Xq. und vaoc ist hier bemerkenswert Diese

1) Vgl. bei Paulus selbst 1. Thess. 5, 8. 3, 6. Gal. 5, 6.

I. Paulus und Igiiatius. 103

Beziehung tritt nun aber ungemein deutlich hervor in dem Ver- hältnisse zum paulinischen Eph.-Briefe. Überhaupt ist die Ver- wandtschaft zwischen ihm und den ignatianischen Briefen so gross, dass sie eine besondere Besprechung verdient.

2. Epheser- und Kolosser-Brief. a) Epheserbrief. Es kommt hierbei zunächst nicht viel darauf an, ob der Epheserbrief von Paulus selbst herrührt oder nicht. Selbst wenn Ersteres der Fall ist, so hat er doch einen so eigentümlichen Ge- dankenkreis, dass sich Ahnliches nur in dem ebenfalls verdächtigten Kolosserbrief findet, aber auch dort unter anderer Beleuchtung. Der praktisch verwendete Grundgedanke: Die Einheit der christ- lichen Gemeinde unter einem Herrn auf Grund einer ewigen Heilsökonomie Gottes ist dem Eph.-Brief und den ignatianischen Briefen gemeinsam. Beide richten sich an kleinasiatische Ge- meinden, und es ist wohl möglich, dass P. Eph. 4, 20. 21 eine ähn- liehe Trennung des transscendentalen himmlischen Chr. vom historischen Jesus bekämpft, wie die ign. Briefe. Auch haben es beide mit dem Frieden in der Gemeinde zwischen judaisirenden und heidnischen Elementen zu thun, wenn auch der Gegensatz in den ignatianischen Gemeinden ein dogmatischer, kein nationaler mehr ist. Das Mittel zur Friedensstiftung ist auch das Gleiche, die Erinnerung an die eine grosse ideale Christengemeinschaft, den einen Leib Christi1), diesen Tempel Gottes (P. Eph. 2, 20-23 mit Eph. 9), welche der Herr liebt, wie der Gatte die Gattin (P. Eph. 5, 21 f. mit Pol. 5). Wie nach P. Eph. die Gesamtgemeinde nach der oixovo/Aa Gottes vorerwählt ist, so bei Ign. die einzelne Gemeinde; zumal ein Vergleich des Eingangs beider Eph.-Briefe zeigt sehr auffallende Ähnlichkeiten 2). Dass die Stiftung dieses einheitlichen Organismus zurückzuführen ist auf einen Heilsplan Gottes, der bisher verborgen war und jetzt offenbar wurde und sich verwirklichte in der Person Christi, besagen sowohl P. Eph. 3, 5. 9 als Ign. Eph. 19. Es kommt hinaus auf den neuen, vollkommenen

1) Vgl. P. Eph. 1, 22 28. 2, 16. 4, 4. 12. 16. 5, 28. 29. so mit Ign. Sm. 2. Tr. 11.

2) sv/.oyrjfth'T] vgl. P. Eph. 1,8, nXrjQtofiaxi vgl. 1, 10. 3, 19 (cf. Tr. iscr.), rfq 66§av vgl. 1,5, ixXeleyfiivijv vgl. 1,4, nQoa>Qi<jfisvij vgl. 1, 5, iv &e).r}(jiaxi xov naxQoq vgl. 1, 5. 11.

1Q4 d. Goltz, Ignatius.

Menschen '), und Christus selbst stellt in seiner Person das rea- lisierte Ideal dar, in welches die Gemeinde hineinwachsen soll. So mystisch, als „Vvcoöig deov", ist dieses Ideal bei P. Eph. allerdings nicht gefasst Auch von einem jiXrJQcofta &eov JtatQoq ist bei Ign. die Rede, ohne dass recht deutlich ist, was damit bezeichnet wird (Eph. inscr.). Christus tritt in seiner lebendigen, geschicht- lichen Persönlichkeit bei Ign. noch mehr in den Vordergrund. Er ist hier wie dort der tjyanrjuivoq (P.Eph. 1, e), der in die Welt her- abkommt, der aber nun in sehr lebendiger direkter Beziehung zur Gemeinde steht (cf. 5, 3 ff.) und ihr den Zugang zum Vater ver- mittelt (2, 18 cf. Ign. Phld. 9 &VQa xov naxQoq) 2). Wie nach P. Eph. 4, 10 ff. Christus die Kirche selbst als beherrschendes Princip leitet, so identifiziert auch Ign. ihn mit dem heiligen Geiste (M. 15). Das Gesamtziel der tvwöiq &eov, welches Jes. Chr. darstellt, ist erst vollendet durch die Einigkeit der Gemeinde mit Vater und Sohn. Nur der' Ausdruck des P. Eph.-Briefes fehlt hier, die Sache ist da. Wenn P. Eph. 2, u-n Chr. selbst Subjekt der Versöhnung und der erlösenden Wirksamkeit ist nicht Gott durch ihn so erinnert das an die Übertragung der Auferweckung auf Christus selbst. (Sm. 2 avsorrjoev iavrov cf. Joh. 10, i8.) Das Werk Christi und seiner Erscheinung ist die Befreiung vom Tode und Teufel, bei P. Eph. auch von der Macht der Sünde. Es ist Rei- nigung und Heiligung der Gemeinde, und höchst eigentümlich ist, dass auch die Verbindung von Tod und Taufe bei P. Eph. Ign. und Joh. gemeinsam ist (Joh. 19, 34), ebenso wie das Fehlen der paulinischen Rechtfertigung. Doch steht, trotzdem 5, 11 ff. der sittliche Kampf gegen teuflische Mächte gerichtet ist, der paulinische Eph.-Brief der psychologischen, die Sünde im Menschen berücksichtigenden Denkart der paulinischen Hauptbriefe näher als Ign. Die universalistische Beziehung des Heiles nicht nur auf die Gemeinde, sondern auch auf die himmlischen Mächte, das

1) I. Eph. 20 mit P. Eph. 4, 24; Sm. 4 teXslov dvd-yatTtov ysvofxivov mit P. Eph. 4, 18 slq avöga xekeiov.

2) Hier sind fast durchweg Parallelen aufgeführt, die noch besser auf die johanneischen Schriften zutreffen. Sehr dankenswert und lehrreich sind hierfür die Erörterungen Pfleiderer's über das Verhältnis des Eph. Briefes zu Johannes. Paulinismus 1873 S. 431—461. 1890 S. 433—464; vgl. auch Weizsäcker, Apost. Zeitalter 1886 S. 560— 565 und Köstlin, Jo- hanneischer Lehrbegriff S. 365—378.

I. Paulus und Ignatius. 105

Sichtbare und Unsichtbare, ebenso wie auf die alttestamentlichen xQorjXjtixoTEc kv xcp Xq. (P. Eph. 1, 10. n) ist ebenfalls gemein- same Idee. Nur treten kosmologische und specifisch alttestament- liche Gedanken (z. B. xXrjQovofjtia, jt£QiJzoi7]öig) bei Ign. zurück, die Hoffnung ewigen Lebens und inniger durch Christus ver- mittelter Gottesgemeinschaft dagegen mehr hervor. Wie überhaupt bei P. Eph. die Spekulation intensiver und das Interesse an tiefer Erkenntnis grösser ist, so ist auch in der Heilsauffassung das Erkenntnismoment bei P. Eph. noch etwas mehr betont Aus- drücke wie yvaiöiq (vgl. P. Eph. 3, ls^xsxva gxoxoq, anoxaXvq>$r\vmy ayvota finden sich bei beiden. Die Auffassung des Lebens als einer fiifiTjöiq &eov oder xvqIov steht P.Eph. 5, i und Ign. Eph. 1, i. 10, s. Tr. 1. Phld. 7 (cf. 1. Joh. 1, 7. 2, 6. 9. 3, 6. iß. 4, 17). Sm. 4 erinnert das avxov fie evdvvaiiovvxoq xov reXslov av&oc&jtov yevoftevov sehr an P. Eph. 6, 10: kvövvafiovG&e hv xvqico. Das dvaxxiöaö&e eavxovq kv nioxu Tr. 8 entspricht dem ovaveovöd-ai xcp Jtvev- fiatc xov vobq vficov xal ivövoaö&cu xov xaivov ap&gcojtov P. Eph. 4, 23. Dazu kommen noch eine ganze Reihe von Einzel- heiten *), welche jedenfalls einen ähnlichen Gedankenkreis voraus- setzen, ohne dass eine litterarische Anlehnung behauptet werden kann. Ob eine solche überhaupt statt hat, muss trotz der auf- fallenden Berührung beider Eingänge und der Übereinstimmung in einzelnen Ausdrücken als zweifelhaft gelten. Jedenfalls wäre sie nur als freie, erinnerungsmässige zu denken. Dagegen spricht aber nicht nur die völlige Unabhängigkeit in der Form an den meisten inhaltlich sich nahe berührenden Stellen, sondern noch mehr der Umstand, dass, wie Tab. IIa zeigt, eine grosse Zahl dieser Berührungen ihre Parallelen im Kolosserbrief, den Pastoral- briefen und dem 1. Petrusbrief hat. Die Verwandtschaft unserer Briefe mit dem Epheserbrief ist allerdings die bei weitem her- vorstechendste, und es ist sehr bedeutsam, dass sie gerade alle diejenigen Stellen betrifft, in welchen der paulin. Eph.-Br. selbst sich in eigentümlicher Weise der johanneischen Auffassung nähert. Es ist dies fast an allen eben genannten Stellen der Fall, und auch der Kol.-Br. nimmt in einigem daran Teil2).

1) Vgl. Tab. II a u. b.

2) Vgl. Tab. II a u. c.

106 v- d. Goltz, Jgnatius.

b) Der Kolosser brief.

Nach der christologischen Seite kommt er mit seinem näv to ütXrjQcofia rijg d-eozrjTog Gcoftarix&q (2, 7) der ignatianischen Auffassung sehr nahe und damit auch der johanneischen. Auch die Idee des Sterbens und Lebens mit Christus ist dem KoL-Br. und Ign. gemeinsam. Ganz gleich ist aber weder das Christus- bild, noch die Heils- und Lebensauffassung von Eph. und KoL und Ign. Christus bleibt dort paulinisch, der himmlische Gottes- sohn neben dem Vater, und weder die Immanenz Gottes im Menschen, des Pneumatischen im Sarkischen, noch die principielle Schärfe der Trennung beider Sphären ist so deutlich durchgeführt wie bei Ign. Das kosmisch -spekulative Element fehlt diesem ganz, während er die lebendige Anschauung des Verhältnisses zwischen Jesus und dem Vater voraus hat.

Wir werden also in jeder Beziehung darauf hingewiesen, dass das paulinische Element allein die Grundanschauung des Ign. nicht erklärt. Dann werden wir aber bei der Beurteilung der Verwandt- schaft mit Paulus diejenigen Elemente, welche dieser, resp.derEph.- Brief, der seinen Namen trägt, mit Johannes gemein hat, auch bei Ign. besser nicht auf Paulus, sondern auf Johannes zurückführen müssen, wenn anders wirklich dessen Einfluss sich uns als beherr- schend erweisen wird. Damit soll über das Verhältnis zur johan- neischen Litteratur noch gar nichts gesagt sein. Vielmehr ist es wichtig zu konstatieren, dass bei der Benutzung der PauL-Br., wo sie wirklich deutlich ist (bes. beim 1. Cor.-Br.), nicht nur der Ge- danke, sondern fast immer damit auch der Ausdruck sich als abhängig erweist Ja, die Verwandtschaft des Vokabelschatzes und die Entlehnung einzelner, zum Teile formeller Wendungen *) ist verhältnismässig viel grösser als die Verwandtschaft der Denk- und Auffassungsweise. Im Vergleiche zu den Gedanken der älteren paulinischen Briefe haben wir mehr Verschiedenheiten als Gleich- heiten gefunden. Nur die antinomistische Polemik ist treu wieder- gegeben. Der Gedankenkreis des Eph.-Briefes ist wirklich deutlich und eingehender benutzt. Was wir davon später bei Joh. wieder- finden werden, wird in dem Masse, als die Verwandtschaft dort grösser ist, an dieser Stelle nur noch mittelbar in Betracht kommen. Dazu gehört aber weder die oixovofila elg xaivov av-

1) Cf. die beigegebene Tabelle I.

I. Paulus und Ignatius. H)7

d-QODjcov, in dein ganzen Zusammenhange, wie von ihr Eph. 20 die Rede ist, noch der Gedanke der einen grossen Kirche. In beiden Fällen ist Ign. deutlich von den Ideen des Pls.-Eph.-Br. beeinflusst, wenn er dieselben im Einzelnen auch eigenartig ge- staltet hat. Zumal die praktisch-kirchliche Tendenz ist nach Massgabe der weiter entwickelten kirchlichen Verhältnisse um- gestaltet und durch Hineinziehung der Denkart über die tfßpg als Träger des Pneumatischen eigentümlich ausgeprägt. An Stelle der Apostel und Propheten, von denen die ersteren in die pneumatische Sphäre aufgerückt sind, treten Bischöfe, Presbyter und Diakonen. Aber die Grundvorstellung von der einen all- gemeinen Kirche, in der es keine Gegensätze geben kann, und ihrer Gemeinschaft mit dem Herrn, zu dem sie hinanwächst, bleibt dieselbe, und dieser Herr ist noch keineswegs durch Stell- vertreter aus seiner Herrschaft gedrängt.

Dies Ergebnis widerspricht der Auffassung dass die ignatiani- schen Briefe eine letzte Stufe des Paulinismus neben den Pastoral- briefen seien (Pfleiderer) und stellt sie offenbar in eine andere Entwickelungslinie 1). Ehe wir aber dieser durch einen Vergleich unsrer Briefe mit der johanneischen Litteratur näher nachgehen, gilt es ihre Stellung zu dem eben genannten dritten Teile der paulinischen Litteratur zu untersuchen, was insofern von doppeltem Interesse ist, als die Pastoralbriefe in Lehre und Verfassung that- sächlich der spätem nachapostolischen und altkatholischen Auf- fassung um einen Schritt näher stehen als die echten Schriften des Apostels, dem sie zugeschrieben werden. Es wird sich fragen, ob die Mittelstufe, die sie einnehmen, dieselbe oder eine ähnliche ist wie die des Ign.. oder inwiefern sich auch hier zeigt, dass unsere Briefe auf einer zwar parallelen aber anders gearteten Entwick- lungslinie liegen.

3. Die Pastoralb riefe, a) Die Polemik gegen die Irrlehrer.

Dass die Pastoralbriefe im Ganzen dem ursprünglichen Pau- linismus näher stehen als Ign., ist sofort leicht zu sehen; denn bei aller Abweichung ist doch die Terminologie der Past.-Br. im

1) Ganz unbegreiflich sind diesem Thatbestande gegenüber J. R e v i 1 1 e ' s (a. a. 0. S. 139) Bemerkungen: „mais l'essentiel n'est pas les reminiscences litterales, c'est la conception mörae du christianisme" und S.140: „un ecrivain veritablement paulinien" und S. 153: „la meme doctrine paulinienne exaltee".

10g v. d. Goltz, Ignatraa.

Wesentlichen eine paulinische, und Stellen wie Tit. 3, 7. 2. Tim. 1, 9 stehen trotz ihrer Eigentümlichkeit dem Paulus doch näher als etwa Ign. Eph. 19 u. 20. Letztere besteht jedenfalls in der Polemik gegen die Verführer und Irrlehrer zum Schutz der iyiaivovöa diöaGxaXia einerseits und der besondern Hervorhebung und Charakterisierung des Gemeindeamts andrerseits. Auch die ignatiamsehen Briefe erhalten ihre Farbe nicht zum Wenigsten durch ebendieselben Punkte; dazu sind beide Schriftgruppen an kleinasiatische Adressen gerichtet. Die Zeitbestimmung ist bei beiden Schriftgruppen unsicher; jedoch werden die Pastoral- briefe von nicht Wenigen ebenfalls in die erste Zeit des 2. Jahr- hunderts gesetzt. Was läge also näher, als dieselbe Tendenz und dieselben Ideen in Beiden zu erwarten, wenn auch nur so, dass die Ignatiusbriefe weiter entwickelten, was die Pastoralbriefe be- reits angestrebt? Nun haben wir bei Ign. festgestellt, dass von irgend einer Tendenz eine besondere Theorie, ein neues Recht, eine neue Institution bezüglich des Gemeindeamts einzufahren nicht die Rede sein kann; sofern er die Autorität des Bischofs zu heben und zu stärken sucht, ist ihm das nur ein Mittel zur Abwehrung der Häresie und der durch sie drohenden Spaltung. Gegen die Irrlehre haben seine Briefe eine wirkliche Tendenz. Wie steht es aber hier mit den Pastoralbriefen? Sie sind formell nicht an Gemeinden, sondern an deren Leiter gerichtet, enthalten direkt keine Gedanken, welche die Autorität der Episkopen schützen, sondern setzen diese voraus. Die Leiter werden er- mahnt, gegen die Verführer zu kämpfen. Am ersten sind sie also mit dem Brief des Ign. an Polykarp zu vergleichen. Welches ist aber die gefährliche Irrlehre? Bei Ign. vorwiegend Doketis- mus und in einigen Gemeinden ein von Heidenchristen vertretener judaistischer Nomismus, also dogmatische Abweichung in erster Linie. In den Pastoralbriefen handelt es sich dagegen um eine asketische Richtung, welche das Heiraten untersagte, bestimmte Speisen und Getränke verbot und darüber die sittlichen Grund- forderungen des Evangeliums vergass. In mehr sekundärer Weise scheinen mit jenen asketischen Vorschriften jüdisch-mythologische Vorstellungen spekulativer und spiritualisierender Art verbunden worden zu sein. Dass Einzelne behaupteten, die Auferstehung sei schon geschehen, war schwerlich allgemeine Meinung jener Richtung; denn es wird nur als äusserste Ketzerei genannt, in

I. Paulus und Ignatius. 109

welche 2 Vertreter schliesslich gekommen wären. Ob der Ver- fasser hier Konsequenzmacherei treibt, oder ob wirklich jene Richtung zu solchem Spiritualismus neigte, ist schwer zu sagen. Jedenfalls war, soweit es unsere Briefe erkennen lassen, der Gegensatz kein dogmatischer, die Grundlagen des Glaubens be- treffender wie bei Ign., sondern vorwiegend ein ethischer. Die vyialpovöa ötöaöxakia ist die rechte Anschauung vom christ- lichen Leben, seinen einfachen Principien und wesentlichen For- derungen im Gegensatz zu aller asketischen Extramoral und un- gesunden Spielerei mit Mächten und Mythen aus der jenseitigen Welt Wie aber bei Ign. sowohl in der Sabbathfrage, als auch in Bezug auf das Heiratsverbot der Streit um die praktischen Lebensfragen der Christen nicht unberührt bleibt, so spielen, wie jene Erwähnung der ketzerischen Auferstehungslehre (cf. au,ch PoL ad. Phil. 7, i) und die Polemik gegen unnütze Spekulationen zeigen, auch einzelne Streitigkeiten über dogmatische Dinge in den Pastoralbriefen mit herein. Dass im Ganzen aber die Situation eine andere ist, lässt sich an der verschiedenen Art der Argu- mentation erkennen, welche nur insofern die gleiche ist, als beide Verfasser sich stets damit begnügen, an das christliche Bewusst- sein zu appellieren und Grundsätze des Christentums in Erinnerung zu bringen, auf eigentliche Dialektik und logische Beweisführung verzichtend. Der Verfasser der Past.-Br. erinnert an den Lohn für treuen Glauben, an den sittlichen und äussern Schaden, den sich die Verführer zuziehen, und weist hin auf den Mangel an guten Werken, der bei den Gegnern zu beobachten sei. Sie machen den Glauben zu nichte dadurch, dass sie die sittlichen Grundforderungen nicht erfüllen und sich dadurch um Hoffnung und Wahrheitssinn bringen. Jene tyrijöeig und fiaxcu vofiixal scheinen ihm gefährlich, weil sie den Frieden hemmen. Letzteres Interesse wahrt auch Ign., wie er denn ebenfalls eine lebhafte Abneigung gegen die friedenstörende theoretische Streiterei hat. !)

1) Auch im Wortlaut klingt die Polemik gegen die jüdischen Mythen M. 8, l {jjlti nXctväo&e valq hzegoda^iaiq fi?]öh fivBsvfiaaiv colq naXaiolq dvcotpekeaiv ovaiv) an Tit. 1, w ff. an; über andere Einzelheiten vgl. Tab. II d; jedoch kann von litterarischer Benutzung der Pastoralbriefe durch Ign., welche Zahn S. 614 und Holt zmann (Pastoralbriefe S. 260 f.) mit so grosser Sicherheit behaupten, meiner Meinung nach keine Rede sein, ob- gleich in Tab. II d noch zahlreichere Anklänge notiert sind als bei Zahn

HO v. d. Goltz, Ignatius.

Wie aber seine Gegner für die Grundlagen des christl. Glaubens viel gefahrlicher waren als die Verführer in den Pastoralbriefen, so berührt auch des lgn. Argumentation vielmehr die dogma- tischen christologischen Grundfragen. Nicht nur die Gesundheit der christlichen Lebensauffassung, sondern die Erfassung Gottes in Christo selbst hat er zu verteidigen. Die scheinlose Wirklich- keit der Heilsthatsachen hat er zu schützen. Deshalb ist auch, so wenig es den Pastoralbriefen an der lebendigen Beziehung zu Christus fehlt, bei lgn. der christocentrische Charakter der Ge- danken noch ausgeprägter. Tritt doch alles Christologische in den Pastoralbriefen ungemein stark zurück, und, soweit es sich aus Einzelnem entnehmen lässt, findet sich nichts von der mys- tischen und platonischen Art des lgn. Die ganze Veranlassung der Briefe und ihre Gedanken, soweit sie mit dieser zusammen- hängen, sind in der Hauptsache verschieden. Nur einige allge- meine Züge sind gemeinsam, wie die Betrachtung der Irrlehre als Werk des Teufels, die ernstliche Warnung vor Spaltung und Unfrieden (algeöig) und die Abneigung gegen unnütze Speku- lationen. Was später, was früher ist, lässt sich hier nicht ent- scheiden. Im Ganzen hat die Priorität der etwas einfacheren Situation in den Pastoralbriefen mehr für sich; jedoch wäre auch das Umgekehrte denkbar.

b) Die christliche L ehr an schau ung.

Vergleichen wir aber, abgesehen von dem, was mit der spe- ciellen Veranlassung zusammenhängt, beide Schriftgruppen mit- einander, so stellt sich eine stärkere Verwandtschaft der Ge- dankensphären heraus. Beim Gottesbegriff fallt in den Past.-Br. die starke Betonung der Einzigkeit auf, die wir auch bei lgn. fanden; desgleichen finden sich die übrigen ignatianischen Prä- dikate (äogccTog, acp&ccQTOG, £><nv, dipevörjg). Sehr auffällig ist aber, dass das bei lgn. so sehr häufige JcarrJQ in den Past.-Br. nur in den drei Anfangsgrussformeln vorkommt, während die bei lgn. ganz fehlende Beziehung zum xoö/iog im 1. Tim. 6, 13. 15. ie deutlich hervortritt. Den Pasi-Br ganz eigentümlich ist die

und Holt zm an n. Mir kommt die von ihnen angewandte Methode, sofort litterarische Abhängigkeiten zu konstatieren, sehr gewagt und irrefüh- rend vor.

I. Paulus und Ignatius. \\\

Formel 6 Ccotj'jq f/ficov &eog (\. Tim. l,i. 2,3. Tit. 1,3. 2,io. 3,4.Jud.25) von Gott, dein Vater. Ign. hätte sie vom Sohn brauchen können, wie es vielleicht auch Tit. 2, is zu verstehen ist. Die Doxologie 2. Tim. 4, is ist vielleicht auch auf Christus zu beziehen. Das würde noch über den Begriff des Ign. hinausgehen. Die Formel

1. Tim. 2, 5 elg xal fieoirrjg &sov xal äv&QWJcwv , avfrQamog 'Itjo. Xq. halt Gott und den Mittler Christus in einer Weise aus- einander, die sehr von der religiös-modalistischen Auffassung des Ign. verschieden ist und sich vielmehr an Paulus und nicht wie Ign. an Johannes anlehnt. Der Gedanke, dass das, was jetzt er- schienen, bei Gott in der Ewigkeit vorbereitet war, findet sich

2. Tim. 1, 9 und Tit. 2, n grade wie Ign. Eph. 20, nur nicht in derselben mysteriösen, mythologischen Weise und mit geringerer Deutlichkeit der Vorstellung von einer persönlichen realen Prä- existenz. Das hängt damit zusammen, dass dem Verfasser der Pastoralbriefe nicht die Person Christi an sich in ihrer Gott darstellenden Fassbarkeit so der Grund des Heils ist, als vielmehr seine Thaten: die Vernichtung des Todes und die Offenbarung von Leben und Licht und Gründung der Lebenshoffnung. Wenn daher Christus grade, wie so oft bei Ign., rj eXmg Tjficov genannt wird (1. Tim. 1, i), so hat dies hier nicht genau dieselbe prägnante, ganz persönliche Bedeutung; denn der Gedanke, dass die Person Christi selbst das, was sie verspricht, in sich darstellt, fehlt. Der Heiland bringt £<o?'] und a<p&aQ6ia ans Licht und hat den Tod vernichtet. In ihm erschien uns die von Anbeginn in ihm ver- bürgte Gnade und Freundlichkeit Gottes und verschaffte uns die selige Hoffnung. Grade in der eschatologischen Form herrscht der Heilsgedanke in den Past.-Br. vor, und zwar stärker als bei Ign. (vgl. 2. Tim. 4, i. s. ib. 2, n. Tit. 1, 2. 1. Tim. 6, u). Ob der paulinische Rechtfertigungsgedanke vom Verfasser reproduziert wird, kann recht fraglich erscheinen; denn nach 2. Tim. 4, 8 ist die öixaioövvrj (vgL auch 2. Tim. 2, 22) augenscheinlich nicht eine zugerechnete, sondern eine eigene, welche mit einem Ort(pavog belohnt wird, und Tit. 3, 1 ist auch wohl an die Gerech tsprechung am jüngsten Tage gedacht; sie geschieht aber nicht auf Grund der Werke, sondern aus Gnaden, ein paulinischer Gedanke, der in den Past.-Br. deutlicher und energischer betont wird, als bei Ign. Was den Tod Christi betrifft, der als Selbsthingabe für uns gepriesen wird, so wird lediglich seine sittlich reinigende und

\12 v. d. Goltz, Ignatius.

uns vor künftiger Sünde schützende Wirkung betont (Tit. 2, u), dagegen nicht seine die sündliche Vergangenheit sühnende Kraft. Dies darf, da sonst jeder Anhaltspunkt dazu fehlt, auch nicht in die Worte o öovq lavrov avrUvxQOP vxeq ütavxmv hinein- getragen werden (vgl. Ign. Phld. 11, 2). Wenn es 1. Tim. 1, 1. 15 heisst, dass Christus in die Welt gekommen sei, um die Sünder zu retten, so ist das eine sehr verschieden deutbare allgemein- christliche Formel mit einem deutlichen Anklang an Lc. 11, 10, die nicht als specifisch paulinisch gelten darf. Enthalten die Pastoralbriefe auch keinen Widerspruch gegen die paulinischen Grundgedanken , so reproduzieren sie dieselben doch nicht und haben eine Auffassung vom christlichen Heil, welche so sehr die sittliche Befreiung und Erneuerung und die derselben entsprechende Hofinung auf einstige Belohnung durch Mitteilung ewigen Lebens in den Vordergrund treten lässt (vgl. Tit. 2, 11—14), dass die nahe Verwandtschaft mit 1. und 2. Clem. Barn, und Herrn, in der Gesamtauffassung nicht zu verkennen ist Auch Ign. hat, wie wir sahen, eine ähnlich beschränkte Auffassung des Heus, sofern auch er Rechtfertigung, Schuldentlastung, Sündenvergebung nicht versteht; aber er hat wenigstens einigermassen einen Ersatz dafür in seiner eigentümlichen Mystik Den Pastoralbriefen fehlt dieser Ersatz, aber sie stehen dafür dem paulinischen Verständnis des Evangeliums vielleicht ein wenig näher.

Ähnliche Beobachtungen lassen sich nach der subjektiven und ethischen Seite der Auffassung beider Verfasser anstellen. Der Begriff des Glaubens tritt bei Past. vielleicht etwas stärker hervor, als bei Ign., aber seine beherrschende paulinische Stellung hat er verloren. Auch tritt nicht mit derselben Innerlichkeit und Energie der Doppelklang ütlouq xal ayajirj, wie bei Job. und Ign. an die Stelle, wiewohl er auch vorkommt (2. Tim. 1 , 13. 1. Tim. 1, u), sondern an jtiörig und ayajirj reihen sich eine Reihe anderer Tugenden, welche alle zusammen unter den Begriff der evöeßeia zusammengefasst werden. Diese nidriq und äyäjtrj, mit ayveia (1. Tim. 4, 12), fiaxQod-v^ila, vj*0(ioprj, jzoavjza&ia, xa&agä övveid?]öiq, o<d<pqoövv?] koordinierende Aufzählungen *), finden sich sonst nur bei 2. Petr. Barn. Herrn, und sind ein deutliches Zeichen,

1) Vgl. 1. Tim. 1, 5.. 4, 12. 6, 11. 2. Tim. 2, 22. 3. 10. Tit. 2, 2 u. 2. Petr 1, 5-8. Barn. 1, 6. Herrn. Vis. III, 8, 8. 4. Sim. IX, 15.

I. Paulus und Ignatius. \\$

dass die Tiefe und Innerlichkeit der apostolischen Koncentrierung des Christentums in einem oder einigen Grundbegriffen nicht mehr resp. noch nicht verstanden ist. Hierfür fanden wir bei Ign. ein besseres Verständnis. A.n manchen Stellen der Past.-Br. scheint es fast, als ob jtlotig schon in dem objektiven Sinn einer anzuneh- menden Summe von Thatsachen stände. Vielleicht ist das zu viel gesagt, aber jedenfalls ist in dem Begriff nicht mehr enthalten, als es etwa Hebr. 11, 1 angiebt. Ist auch lebhaft betont, dass nicht unsere Werke, sondern die göttliche Gnade uns das Heil verschaffen, so sind immerhin das „reine Gewissen" und die „guten Werke" so stark hervorgehoben, dass das Christentum 1. Tim. 2, io eine d-eooißeia oV BQymv aya&äiv genannt werden kann (vgl. 1. Tim. 2, io. 2. Tim. 3, 17). Es ist nach Tit. 2, 11-w u. Tit 3, 4-8 die Hauptabsicht und der Haupterfolg der Erscheinung der göttlichen Barmherzigkeit, uns zu guten Werken zu veran- lassen, welche ebendieselbe Gnade dann mit dem ewigen Leben und ag)&aQ0la belohnt (vgl. 2. Tim. 4, is). Ist diese Auffassung auch keine ganz unberechtigte, paulinisch ist sie nicht und auch dem Ign. fehlt dieser moralistische Zug; ein religiös -mystischer tritt bei ihm an die Stelle, wie dies am klarsten erhellt, wenn man das ixv&QCQjtoq &eov Jtgoq Jtäv egyov dyad-bv b^rjQTLOfiivoq (2. Tim. 3, 13) vergleicht mit dem av&Qwxog slq tvcooiv xartjQ- xiöfiivoq Phld. 8. Der Lohngedanke findet sich bei Beiden in gleicher Weise, mit denselben Bildern vom Krieger, Athleten und vom gut angelegten Kapital ausgeführt (2. Tim. 2, 4. 1. Tim. 6, in. Pol. 2. 3. 6, 2). In gleicher Weise wird 2. Tim. 2, 12 u. Ign. Sm. 5, 1 daran erinnert, dass der Herr die verleugnen wird, die ihn ver- leugnen. Beide Verfasser wünschen dann Vergeltung seitens der göttlichen Barmherzigkeit denen, die ihrer Seele Erfrischung ge- boten (Ign. Eph. 2 u. 2. Tim. 1, ig. ib). Der Unterschied ist nur der, dass derartige Motive, wie Furcht vor Strafe oder bedenklichen innern oder äussern Folgen, oder Hoffnung auf die himm- lische Belohnung diejenigen sind, mit welchen der Verfasser der Past.-Br. am häufigsten, Ign. am wenigsten operiert. Fehlt auch die Erinnerung an Christus und den innern Christen- und Glaubensstand in den Pastoralbriefen nicht, so tritt dies Moment doch lange nicht so stark hervor als bei Ign. Die Erinnerung an das Leiden des Führers um Christi willen als ein stärkendes

Beispiel für die Leser ist wiederum Beiden gemeinsam. Die Texte u. Untersuchungen XII, 3. 8

Ü4 v- d. Goltz, Ignatius.

eschatologischen Gedanken, in welchen bei Beiden die Hoffnung auf das ewige Leben im Vorder grund steht, sind doch insofern verschieden gefärbt, als in den Past.-Br. das Gemeinsame der Hoffnung auf ein Mitleben und Mitherrschen mit Christus in seinem ewigen Königreich (ähnlich wie bei Pls.) *), bei Ign. dagegen die individuelle Sehnsucht nach der tvcoöig &eov am meisten hervortritt. Die Universalität des Heils und das Gegründetsein des- selben in einer völligen Erneuerung durch den heiligen Geist ist auch ein hier wie dort sich findender Gedanke. Jedoch ist Tit. 3, s der heilige Geist als eine Gabe Christi gedacht, während Ign. dazu neigt, wie er Gott und Christus in eins sieht, so auch Christus und den heiligen Geist nicht von einander zu scheiden. Doch sind das nicht etwa zwei verschiedene „Lehren" vom heiligen Geist, son- dern zwei nebeneinander bestehende Nuancen der Vorstellung.

Im Ganzen sehen wir also eine Verwandtschaft der Auffassung in einigen gemeinchristlichen Gedanken und in einigen anderen, wo beide gleichermassen sich der vulgär-heidenchristlichen Auf- fassung des nachapostolischen Zeitalters nähern. Da wo die Pastoralbriefe in Terminologie oder Auffassung specifisch Pauli- nisches bewahrt haben, zeigt Ign. eine andersartige, teils gleich- wertige, teils minderwertige Auffassung, und an nicht wenigen Punkten, wo er die Abweichung von Paulus mit den Pastoral- briefen teilt, hat er in mystisch -spekulativer Weise einen reli- giösen Ersatz, während die Pastoralbriefe zu einem religiös weniger kräftigen Moralismus hinneigen. Trotzdem brauchen wir es nicht zu bedauern, dass die Pastoralbriefe und nicht die Ignatiusbriefe in den Kanon gekommen sind; denn die einfachere, praktische Art der ersteren ist für uns Abendländer ungleich wirksamer und verständlicher, als die griechisch -morgenländische, mystische, oft schwer verständliche Denk- und Sprechweise des Ignatius, deren innerlicher, christlicher Gehalt nur von solchen recht verstanden werden kann, welche sich in die fremde, antike Art mit historischem Verständnis zurückzuversetzen vermögen. In letzterem Falle muss allerdings nach mehr als einer Seite hin den ignatianischen Briefen als den tieferen, wärmeren und ur- sprünglicheren der Vorzug gegeben werden.

In einigen Einzelheiten erinnern uns auch die Pastoralbriefe

1) 1. Tim. 1, l. 16. 4, 8. 0, 19. 2. Tim. 1, l. 2, n. 4, 8. 18. Tit. 2, 18.

I. Paulus und Ignatius. 115

an den Gedankenkreis, in welchem sich Ign. mit Eph.- und KoL-Br. durch die Annäherung an Joh. berührte. Wir haben dies in Tab. IIa zusammengestellt und brauchen es hier nicht zu wieder- holen. Wir kommen später darauf zurück, wenn wir das Ver- hältnis des Ign. zur johanneischen Litteratur erörtert haben.

c) Kirche und kirchliches Amt.

Wenn wir nun dazu übergehen, den Begriff' der Kirche und des Gemeindeamtes beider Schriftgruppen zu vergleichen, so kann dies hier nur mit Ausschluss aller rein historisch-archäologischen Fragen geschehen. Sehen wir von diesen ab, weil sie nur im Zusammenhang mit den übrigen Quellen untersucht werden können, und beschränken wir unsere Aufgabe dahin, die religiöse Wertschätzung und die principiellen Anschauungen vom Wesen der Kirche und des Gemeindeamts in Vergleich zu ziehen, so dürfen wir auch von den Pastoralbriefen im Ganzen als von einer einheitlichen Grösse reden und brauchen eine Entscheidung der Frage, ob und wie hier verschiedene Schichten zu unterscheiden sind, nicht zu Grunde zu legen 1). Eine Tendenzfälschung, welche bestimmten neuen Ansichten die Autorität des Paulus geben will, liegt nicht vor. Gerade die Stellen, wo von den kirchlichen Ämtern die Rede ist, tragen mehr den Charakter von kurzen Kodifizierungen bestimmter Forderungen, welche das christliche Bewusstsein unter den entstandenen Verhältnissen erhob und welche im Namen des Paulus aufzuzeichnen und mit echten Briefs tücken desselben zusammenzustellen man sich berechtigt und durch die Gefahren häretischer Bewegungen und einreissen- der Unordnungen veranlasst fühlte. Vergleichen wir nun diese Mahnungen und Anordnungen mit denen des Ignatius, so ergiebt sich gleich der erhebliche Unterschied, dass letzterer die Ge- meinden ermahnt und die Autorität der Amter der Gemeinde gegen- über hervorhebt und stärkt, während die Pastoralbriefe, auch dann.

1) Der nichtpaulinische Ursprung der Briefe im Ganzen scheint mir erwiesen zu sein; andrerseits ist es mehr als wahrscheinlich, dass zumal im 2. Tim. echte paulinische Bestandteile verborgen sind. Im Ganzen ge- nommen haben die Briefe alle drei denselben nachpaulinischen Charakter. Die kirchlichen Anordnungen und Vorschriften sind zum Teil so lose anein- ander gereiht, dass hier mehrfache Ergänzungen stattgefunden haben mögen.

8*

\\Q v. d. Goltz, Ignatius.

wenn wir von der jetzigen Adressierung absehen, mehr die Epi- skopen und Diakonen selbst ennahnen, resp. die ganze Gemeinde incl. ihrer Beamten an den Massstab und die Grundsätze erinnern, die bezüglich der Amter und leitenden Personen anzuwenden sind. Soweit thatsächlich auch die Autorität der Beamten in nicht un- erheblichem Masse berührt ist, ist sie einfach stillschweigende Voraussetzung. Eine religiös -dogmatische Begründung, wie sie Ign. der Autorität des bischöflichen Amtes aus dem Begriff der Kirche sowohl wie aus dem Einheitsbedürfnis der Gemeinde giebt, fehlt in den Past.-Br. völlig. Auch die Forderungen, die er an den Bischof und Diakon stellt, sind nicht begründet aus ihrer gliedlichen Stellung in der Kirche oder durch die Analogie des Verhältnisses der Apostel zum Herrn, des Herrn zu Gott, sondern entweder durch allgemeinchristliche sittliche Grundsätze oder durch die besondere Rücksicht auf Verwaltungspflichten, Ordnung, Anstand und Ehre des christlichen Namens (nur 1. Tim. 3, 14 Ji&q ösl Iv olxq> &eov avaötQi<peG&cu). Im Besondern unterstützt der Verfasser seine Mahnung durch die Erinnerung an die Leiden des Paulus um Christi willen und im Titusbrief auch durch die Erinnerung an ihre Erlösung durch Christus. Man sucht hier vergeblich nach Parallelen bei Ign., welche über das Allgemeine hinausgehen; höchstens einige Einzelheiten in Ign. ad Pol. können da genannt werden, wie die Mahnung, dass der Bischof treu, milde, geduldig, standhaft und im Lehren und Predigen unermüdlich sein soll. Das sind aber schliesslich Dinge, welche jedesmal, wo sich die Mahnung an die Vorsteher als die dtaxovot und olxovofioi Gottes richtet, gesagt werden mussten. Im Ganzen sind die rein praktischen und ethischen Forderungen, die lose aneinander gereiht werden und etwas von dem juristi- schen, praktischen und nüchternen Geist der spätem römischen Kirche verraten, gar nicht zu vergleichen mit den überall in der religiösen Mystik wurzelnden und für sehr bestimmte Veihältnisse eigentümlich individualisierten Mahnungen des griechischen Bi- schofs. Dies tritt noch stärker hervor, wenn wir bei Beiden die leisen Ansätze, aus denen die Entwicklung zum Katholizismus hervorgegangen ist, ins Auge fassen. Ign. ist nicht weit davon, die irdische Kirche und ihre irdischen Vertreter für eine äqui- valente Darstellung des Göttlichen zu halten und so das Sarkische und Menschliche in ekstasischer Weise in die mystische Einigung

I. Paulus und Ignatius. 117

mit der Gottheit mit hereinzuziehen: ein eben bemerkbarer An- fang zu der Entwicklung, welche die Kirche der Bilder und Symbole und Mysterien hervorgebracht hat. In den Pastoral- briefen wiederholt sich die Mahnung fiivs Iv olg Sfia&eq xal Ijiiörcctd'Tjq döcbq Jtaga xivcov efia&eg (2. Tim. 3, u), <pvXa^cu rijv JtaQa&/]XT]v und 1. Tim. 1, s JtaQayydXqq nolv fi?j ertQo- diöaöxaXelv, und auf die rechte Überlieferung der rechten Wahr- heit wird grosses Gewicht gelegt; im Zusammenhang damit auch auf die Gnadengabe, die durch Handauflegung des Presbyteriums vermittelt wird (1. Tim. 4, 14); die Art der Zurechtweisung der Sünder soll so sein dass die Andern Furcht vor Gleichem be- kommen (5, 20), und für Klagen gegen Presbyter wird schon eine Prozessordnung gegeben, welche diese Hochstehenden vor Ver- leumdung schützt (1. Tim. 5,19). Wollte man hier nach dem Wortlaut ausserhalb des Zusammenhangs gehen, so Hessen sich diese Stellen leicht im Sinne der römischen Kirche aus- legen; denn ein leiser Ansatz zu der Entwicklung liegt vor, die im Tridentinum und Vaticanum endigte. Auch der Ausdruck kxxXrfila d-sox ^mvrog, örvXog xal eÖQ<xia)tua rrjg aXrft-elag kann in jener Richtung verstanden werden. Daneben steht natürlich noch manches tief evangelische Wort, die Verweisung auf die heilige Schrift als religiöse und sittliche Lehrmeisterin und die Warnung vor denen, die fioggxoöiv evösßeiag haben, aber die övvaficg verleugnen, so dass die katholische Kirche ebensowenig ein Recht hat, die Pastoralbriefe für sich in An- spruch zu nehmen, als die Briefe des Ign. Einen Schein des Rechts wird sie bei Beiden behaupten können, jedoch in sehr verschiedener Weise; bei Ign. könnte auch die griechische Kirche Anspruch erheben, bei den Pastoralbriefen dagegen schwerlich. Wir haben also bezüglich der Wertung der Kirche und ihrer Amter in beiden Schriftgruppen mit einem noch viel erheblicheren Unterschied zu thun, als bezüglich der übrigen Lehranschauung. Was früher, was später ist, lässt sich auch hier schwer sagen1);

1) Am meisten verwandt ist in dieser Hinsicht der 1. Clem. Brief mit den Pastoralbriefen ; die Veranlassung desselben ist der der ign. Briefe ähn- licher und daher die Betonung der Autorität der kirchlichen Leiter ener- gischer. Aber auch 1. Clem. führt vorwiegend praktische und ethische Gründe ins Feld; von hier aus würde eine Gleichdatierung der Past. Br. und des 1. Clem. Br. sehr wohl möglich erscheinen.

Hg v. d. Goltz, Ignatius.

bei Ign. ist der Ansatz zur katholischen Entwicklung jedenfalls etwas deutlicher, vielleicht aber nur deshalb, weil die religiöse und persönliche Energie eine grössere, überhaupt die ganze Aus- sprache individueller und charaktervoller ist und mehr aus dem Leben heraus kommt.

So bestimmt sich denn das Verhältnis des Ign. zu den paulinischen Schriften im Allgemeinen dahin, dass die Verwandt- schaft sowohl zu den ältesten sicher echten, als zu den jüngsten sicher unechten nicht weit über das je zu entsprechender Zeit Gemeinchristliche hinausgeht, aber in dem Masse eine grössere wird, als die paulinische Theologie, wie besonders im Epheser- brief, der johanneischen nahe kommt. Auf die Bestimmung des Verhältnisses der ign. Briefe zur johanneischen Litteratur, zu der wir jetzt übergehen, wird also Alles ankommen.

II. Ignatios und Johannes.

Es ist neuerdings fast allgemeine Annahme geworden, dass der Verfasser unserer Briefe, sei er nun Ign. oder nicht, mit den johanneischen Schriften des N. T. *) bekannt sei. Früher urteilten schon Baur, Hilgenfeld, Lipsius, Volkmar einerseits, Uhl- horn, Luthardt, G. H. Mayer andrerseits so. Holtzmann suchte das Gleiche in einer ausführlicheren Erörterung (Z. f. wiss. Th. 1877) zu beweisen, und B. Weiss (Einl. i. N. T. S. 31) hält es gleichfalls für unzweifelhaft. Zahn, der in seinem I. v. A. S. 664 ff. das Verhältnis bespricht, meint, die litterarische Be- rührung müsse sehr offenbar sein, wenn sogar Lipsius sie zu- gegeben habe. Light foot macht in seinen Anmerkungen auf Entlehnungen aufmerksam. Alle diese Gelehrten stellten diese Frage in einem eigentlich litterarischen Sinne und behaupteten, dass die ignatianischen Briefe das vierte Evangelium, vielleicht auch die johanneischen Briefe, direkt benutzen. Für uns ist es die nächste Aufgabe, den ignatianischen Gedankenkreis im ganzen mit dem johanneischen zu vergleichen, um erst dann die litte-

1) Zunächst handelt es sich um Evangelium und Briefe, aber auch die Apokalypse wird von uns berücksichtigt werden.

II. Ignatius und Johannes. 119

rarischen Einzelheiten der Textvergleichung zu prüfen. Nicht zu Gunsten einer klaren Beantwortung der wichtigen Frage, welche jetzt, wo die Echtheit der ignat. Br. feststeht, ein erhöhtes Interesse bekommen hat, ist jener Vergleich der Gesamtcharaktere beider Schriftengruppen überhaupt nicht versucht oder mit der litterarischen Frage verquickt worden.

A. Die geistige Verwandtschaft. 1. Die johanneiachen Grundgedanken bei Ignatius.

Wir brauchen uns zuerst nur die Grundcharakterzüge des ignatianischen Christentums, wie wir sie gefunden, zu vergegen- wärtigen, um hier johanneischen Geist wiederzufinden. Es ist genau die Denkart des vierten Evangeliums, im Fleischlichen unmittelbar das Pneumatische, in der geschichtlichen Erscheinung unmittelbar das Ewige, Göttliche, im Zeitlichen das Überzeitliche, im Menschen Jesus Gott zu erfassen, wie es Ign. thut. Dadurch ist schon die Christologie beider in ähnlicher Weise bestimmt. Unmittelbar durch Christus erkennen beide den Vater.

a) Der Glaube an Jesus Christus.

Christus ist der Xoyog Gottes oder, wie Ign. es auch nennt, die yvcofit], das öro'/i« Gottes. Die Einheit ist eine so völlige, dass alle Zeitunterschiede aufhören *), für uns ist er „o d-ebg r)fic5vu (cf. Joh. 20, 28). Und doch ist diese Erscheinung des ewigen, un- aussprechlichen Lichtes, dem nichts gleicht, und das ragax^ her- vorruft (Joh. 1. Eph. 19), nur an dem zeitlichen, geschichtlichen Jesus Christus sichtbar. Trotz aller Offenbarungsidentität sind der Vater und der Sohn, der jzqo almvoov bei ihm war, geschieden und auseinandergehalten. Christus ist nicht eine ideale Figur oder himmlischer Mensch, sondern er ist als Mensch Gottes yvto^Tj und Offenbarung. Seine geschichtliche Persönlichkeit ist ftedq äv&Qcojiivwg gxxveQOVfievoq elg xaivorrira aiöiov C^corjg (Eph. 19, 3). Von ihr hebt Ign. gerade solche Züge hervor, welche uns sonst nur bei Joh. in idealer Weise gezeichnet werden. Mit dem Vater ist der Sohn ganz geeint, so, wie wir unter einander,

1) ä<py kvög 7iQooeX&6vra , elg eva ovza xal zcoQqoavra, cf. d. elg xoXnov tov naxgoq Joh. 1, 11 u. 13, 8, 16, 11.

120 v. d. Goltz, Ignatius.

die Glieder der Kirche mit dem Bischöfe, eins sein sollen (Eph. 5, 1. Joh. 17, 17. 28). Er thut nichts ohne den Vater (M. 7, i. Joh. 5, 19. so) und gefällt ihm in allem wohl (M. 8, 2). Eine eigentliche Logoslehre ist bei Ign. noch weniger ausgebildet als bei Joh. Die kosmische Spekulation fehlt dem Ign. ganz. In den Johannes- briefen findet sich auch die gleiche Polemik gegen eine doke- tische Verflüchtigung dieses idealen und doch ganz geschichtlichen Christus. Ein feiner Unterschied zwischen der Anschauungsweise des Joh. und Ign. liegt aber vor. Führt Joh. im Prologe seines Evangeliums *) seine Leser auch von der Idee des ewigen Xoyog immer konkreter zu der geschichtlichen Erscheinung Jesu Christi, so führt er im Evangelium selbst doch den umgekehrten Weg. In ihm wird das der Person des Herrn über alle Zeit hinaus gleichmässig zu Grunde liegende ewige, göttliche Wesen immer mehr an dem geschichtlichen, konkreten Menschen Jesus enthüllt bis zu dem Schlussbekenntnisse: 6 &e6g fiov (Joh. 20, m). Man merkt dabei deutlich, dass von vorneherein der geschichtliche Christus der Ausgangspunkt ist, an dessen Person das Ewige offenbar wird. Bei Ign. dagegen haben wir beobachtet, dass sein eigentliches Interesse, sein Ausgangspunkt an dem Ewigen, Göttlichen allein haftet. Die geschichtliche Person ist nur der beständige Anhaltspunkt. Er denkt also so, wie die Leser des Prologs, welche Joh. von ihren Xoyoq- Vorstellungen zu Jesus Christus hinfuhrt, um dann an ihm sie noch Höheres finden zu lassen. Solcher Führung ist auch Ign. gefolgt, das Ewige, Gött- liche suchend, und nachdem er es an Christus gefunden, ist ihm der ^oyo^-Gedanke nur noch ein Ausdruck für das Ganze, der durch das 6 &aoq fiov überboten ist. Gott, den ewigen, hat er in ihm gefunden, und nun ist Christi Leben, Christi öag§, Christi Leiden der beständige Anhaltspunkt für die Erfassung dessen, was er sucht. Der Ausgangspunkt ist bei ihm die Idee. Zwar

1) Diese Ausführungen knüpfen an einen Aufsatz A. Harnacks, „Über das Verhältnis des Prologs des 4. Ev. zum ganzen Werke'*. Zeitechr. f. Th. u. K. II. 3. Heft S. 189-231. Überhaupt für diesen Abschnitt ist noch besonders benutzt: Weizsäcker, Apost. Z. A. S. 493 560. Jedoch ist vorausgesetzt, dass Evang. u. Briefe von demselben Verf. stammen, dessen Identität mit dem Apostel Johannes mir unmöglich zu sein scheint. Irgend- welche Beziehung des letztern zum 4. Ev. liegt allerdings vor, vielleicht die, dass unser Evangelium von einem Schüler des Apostels geschrieben ist.

IL Ignatius und Johannes. 121

sind dies nur Vermutungen, die sich aber dadurch empfehlen, dass dies ein sehr natürlicher Unterschied zwischen der älteren und der jüngeren Generation ist Den Prolog des vierten Evan- geliums braucht er darum so wenig wie dieses selbst gekannt zu haben, denn die Ideen, welche hier ihren schriftlichen Ausdruck gefunden haben, müssen vorher und nachher unter dem persön- lichen Einflüsse des Apostels, der hinter diesen Schriften steht, in der asiatischen Kirche mächtig gewesen sein. Der Einfluss johanneischen Geistes beschränkt sich aber nicht nur auf diese beiden Grundzüge, die Immanenz Gottes im Fleische und das lebendige Bild des mit seinem Vater im Wollen, Handeln und Reden einigen Christus, sondern, wie für Joh., so liegt auch für Ign. in dem Bekenntnisse: 6 xvQiog pov xal o d-soa, (iov un- mittelbar eingeschlossen, dass in und mit dieser Person ewiges Leben, Gottesgemeinschaft und Gotteserkenntnis gegeben ist1).

b) Die Heilsthatsachen und die Heilsgüter.

Letztere tritt, wie wir sahen, bei Ign. etwas mehr zurück, während die häufige Wendung „%v<D6iq &eov" der johanneischen Mystik erst deutlichen Ausdruck giebt. Wie der johanneische Christus selbst „rj C,corfl ist, so ist der ignatianische „to £tjv" (Sm. 4, i. Eph. 3, 2). Bei Joh. herrscht der Begriff gegenwärtigen Lebens stärker vor, bei Ign. mehr die verbürgte Hoffnung auf das Zukünftige. Tod und Auferstehung stehen hier wie dort im Mittelpunkte, und zwar bei Joh. nicht viel weniger als bei Ign. mit dem Tone auf der Auferstehung, der Lebensvermittelung2). Aber wie überall, so steht auch hier der Bischof in der Tiefe der Erfassung dadurch zurück, dass er Sünde und Schuld nicht

1) Es liegt nahe, auch 1. Joh. 5, 20: ovtoq iativ b dXtj&ivoc &€o<; xal Z,(dt} alwvioq auf Christus zu beziehen und so auszulegen, wie bei Ign., indem aus dem vorhergehenden tjfjiTv (lva yivwaxo/xev die subjektive Beziehung auf uns herüberzunehmen ist. Dies würde genau der ignatia- nische religiöse Modalismus sein, der von Jes. Chr. aussagt, dass in ihm die Heüsgüter: Gotteserfassung und ewiges Leben unmittelbar gegeben sind. Mit der „metaphysischen" Gottheit Christi hat dies dann aber so wenig zu thun, wie das &e 6q Ign. Eph. 14 (S. 31).

2) Bemerkenswert ist auch das Fehlen des Begriffe dixaioavvr] und der damit zusammenhängenden Gedankenreihen, ölxaiog steht bei Joh. auch nur im moral. und judiciellen Sinn, grade wie öixaiovv bei Ign.

122 v- d. Goltz, Ignatiue.

zu würdigen weiss. Dass der Tod Jesu eine Offenbarung der Liebe Gottes ist (Joh. 15, 13. 1. Joh. 3, ig), versteht auch Ign. Be- sonders eigentümlich ist, dass die johanneische Verbindung von Wasser und Blut, welche ohne Zweifel eine symbolische Bedeu- tung für die reinigende Taufe hat, auch bei Ign. (Eph. IS, a) wiederklingt. Auch dass die Taufe Jesu selbst bei Ign. zweimal erwähnt wird, ist bemerkenswert, da auch Joh. auf sie Gewicht legt. Die Auferstehung ist bei Beiden sowohl als Aufer weckung durch den Vater als auch als eigene That Christi aufgefasst (Sm. 2, 1. Joh. 10, 18). Durch seine Erhöhung am Kreuze und die Auferstehung zieht er auch uns hinauf zu neuem Leben (Eph. 9, 1. Tr. 9, 2. 11, 2. cf. Joh. 12, 31). Christi eigenes, ewiges, göttliches Wesen wird aber, seitdem er beim Vater ist, noch mehr offenbar (R. 3, 3. cf. Joh. 14, 20. 16, 14. 17, 5), und dort bittet er für uns beim Vater (Eph. 4, 2. Joh. 17, 15. 1. Joh. 2, 1). Gegenwärtig lebt er in der Gemeinde, wie sie in ihm bleiben soll. Wie Joh. 6 die Symbolik des Abendmahles benutzt, um die Heilsgüter: innige Gottesgemeinschaft durch die Erfassung der Person Christi und ewiges Leben als lebendigen Besitz und höchste Hoffnung des Christen hinzustellen und den Genuss solch' unvergänglicher, ewiger Speise zu preisen, so thut es auch Ign. (R. 7). Nichts ist so deutlich in unseren Briefen von johanneischem Geiste ge- tragen als die Gedanken von dem Geeintsein mit Jesus und durch ihn mit dem Vater. Nur die Anwendung dieser Auffassung auf die Einheit der grossen Kirche und der Einzelgemeinde mit Bischof und Presbytern bezeichnet eine weitere Entwickelung dieser Gedanken unter Miteinwirkung der Ideen des Epheser- briefes.

c) Das neue Leben in Glauben und Liebe.

Wenn bei Joh. die Entstehung des neuen Lebens als eine Geburt aus Gott aufgefasst ist, und als eine Wiedergeburt aus Wasser und Geist, so entspricht dies dem avaxtiöaö&ai kv Jtloxei Tr. 8, 1 und ist analog dem Ysvprj&rjvai mit dem Haupte Christus Tr. 11, 2. Doch ist nicht nur der johanneische Ausdruck hier nicht wiedergegeben, sondern auch der Gedanke ist etwas anders. Die Auffassung des christlichen Lebens selbst, sich in Glauben und Liebe zusammenfassend, ist auch die gleiche. Doch hat der ignatianische Begriff mehr mystischen Gehalt, während im johan-

II. Ignatius und Johannes. 123

neischen die Beziehung auf die Erkenntnis der Wahrheit eine engere ist. Die Liebe *) ist bei Joh. noch viel enger angeknüpft an die Liebe Gottes zu uns, obgleich, wie wir gesehen, dies Moment auch bei Ign. (zumal in den Wechselwendungen: Thut

ihr wie der Herr euch) der Sache nach durchaus nicht fehlt.

In diesem Sinne ist auch das Vorbild des Herrn geltend gemacht (J. Eph. 10 etc. Joh. 13, 15. 15, 12. 1. Joh. 3, 3. iß). Kann dies aber auch als christliches Gemeingut betrachtet werden, so weist der eigentümliche, scharfe, ethische Dualismus, die Trennung der oag- xixol und der jrvevfiarixol, der Welt Gottes und der des Welt- fürsten, des Todes und des Lebens, des Glaubens und des Un- glaubens (Eph. 8, 2. 14, 1 u. 2. M. 5, 2) deutlich auf johanneische Denkweise. Zumal Eph. 14: ovöelq jtiortv ejcayyeXZ6tuevoG apao- xavei oüde dyajtrjv xexrTjf/evoq fiiöet hat an 1. Joh. 3, 6 seine genaue Parallele. Lässt sich bei Joh. sogar eine Neigung dazu verspüren, den Gegensatz des ex rov &eov und des ex rov xoöfiov bis in die Naturgrundlage des Menschen zurückzuverlegen, die sich nur auslebt, während doch zugleich die Notwendigkeit der Neugeburt eine ernste sittliche Aufforderung ist ohne jede Ab- schwächung der persönlichen Verantwortlichkeit, so dass eben jenes fertige ex rov d-eox etvcu erst mit der Wiedergeburt nicht ohne sittliche Selbstthätigkeit seinen Anfang nimmt, so lässt sich der gleiche Doppelcharakter auch bei Ign. beobachten. Dem tpvöei Eph. 1, 1 xara (pvöiv Tr. 1, 1 steht die Mahnung avaxxi- öctö&e eavrovq (Tr. 8, 1) gegenüber. Ja sogar der Austritt aus der Gemeinde wird 1. Joh. 2, 19 als ein Selbstausschluss aus der Gemeinschaft mit Gott wie, bei Ign. Eph. 5 bezeichnet. Die Ge- meinde Gottes ist auf den Hass der Welt angewiesen (R. 3, 3 u. Joh. 15, 18 u. A.). Neben dieser ethischen und kirchlichen Auf- fassung des Gegensatzes hat auch der mythologische Ausdruck für dieselbe Sache bei Beiden etwas sehr Verwandtes. Gott steht der (xqxwv rov xoöfiov rovrov (Joh.) rov alcovog rovrov (Ign.) gegenüber, und die Erlösung ist eine Befreiung aus seiner Ge- walt. Er ist der Verführer, und in seinem Dienste stehen die Irrlehrer und Feinde der Gemeinde, vor denen man sich hüten

1) Liebe und Leben sind auch bei Ign. wechselseitig bedingt (cf. Sm. 7, 1), und alle seine Hauptermahnungen laufen darauf hinaus, dass Liebe geübt werden soll.

124 v- d. Goltz, Ignatius.

soll wie vor Wölfen (Phld. 2, 2. Joh. 10). Dass das Leben in Glauben und Liebe, das Sein und Bleiben in Christo sich darin äussert, dass man seine Gebote hält, ist ebenfalls dem Joh. und Ign. *) gemeinsam und bedeutet bei Letzterem so wenig wie bei Ersterem eine katholisch -gesetzliche Umbildung. Und wie bei Ign. der Betrachtung des Lebens als einer Auswirkung des mit Glauben und Liebe gegebenen Principes, das Sünde und Hass absolut ausschliesst (Eph. 14), die andere gegenübersteht, welche nach vorwärts blickt auf die Verantwortung vor dem wieder er- scheinenden Herrn (Eph. 15. 3), der sich unser nicht soll schämen müssen (Sm. 10, 2. cf. 1. Joh. 4, 17), auf den Lohn, der im Himmel aufbehalten wird und unverkürzt erworben werden soll, so auch bei Joh. (1. Joh. 2, 28. 3, 2. 2. Joh. 8. Joh. 12,26. cf. Phld. 10,2. 11,2. Sm. 9, 1. 11, 3). Auf diese einfachen Züge beschränken *) sich bei beiden die eschatologischen Gedanken; nur hat Joh. einige aus der jüdischen Eschatologie (Erweckung aus den Gräbern, Ge- richtstag, Antichrist), welche dem Heidenchristen fehlen.

d) Stellung zum Alten Testament und zum Judentum.

Dieser nationale Unterschied, der auch in dem Fehlen des Messiasbegriffes, in dem Mangel an Verständnis der Sünde u. a., bei Ign. hervortritt, macht sich einigermassen auch geltend in der Stellung zum A. T. Nicht nur durch genaue Bekanntschaft mit jüdischen Gedanken und Streitfragen, welche Ign. als längst über- wundene Geschichten behandelt, weicht das vierte Evangelium von unseren Briefen ab, sondern auch durch eine nicht seltene Benutzung alttestamentlicher Weissagungen und eine höhere Würdigung des Eigentumsvolkes und seiner heilsgeschichtlicheh Bedeutung. Noch grösser ist aber die Ähnlichkeit sowohl in den vorausgesetzten geschichtlichen Verhältnissen als in der principiellen Stellungnahme zum Judentume. Folgt man nämlich den Beobachtungen, welche Weizsäcker (Ap. Z. A. S. 539 ff.) an dem Joh.-Ev. gemacht auf Stellen, die uns deutlich ein Wort

1) Die sing, absol. Form: fj ivtoXij Tr. 13, Sm. 8 erinnert auch an Joh

2) Principiell sind eben die Charaktere Gottes und der Welt bereits jetzt geschieden, und auch die Vernichtung des Todes ist mit der Erschei- nung Christi selbst vollzogen. Eph. 8, 2. 19, 8.

II. Ignatius und Johannes. 125

des Evangelisten an seine kleinasiatischen Gemeinden und eine Antwort auf deren Fragen, eine Wiederspiegelung ihrer Kämpfe und Verhältnisse unbeschadet eines historischen Kernes für Jesu Zeit wiedergeben, so ergiebt sich eine recht frappante Verwandtschaft mit den ignatianischen Briefen. Das Hauptbei- spiel, an dem der Erzähler Jesu Streit mit den Juden illustriert, ist die Sabbatfrage (C. 5), und nur an diesem Punkte hat auch Ign. noch eine Mahnung zur Freiheit der Christen nötig. Er richtet sich allerdings an heidenchristliche Leser (M. 9, i), die er darauf hinweisen kann, dass selbst die zum Christentume übergetretenen Juden den Auferstehungstag angenommen hätten. Eine Mahnung zur Aufgabe des jüdischen Gesetzes ist aber immer noch am Platze. Über Christus besteht auch in der Gemeinde des Joh.-Ev. eine Kontroverse, welche der Verfasser in den Reden Jesu durch- blicken lässt. In diesem Streite berufen sich die Juden auf die Schrift, und der Herr wirft ihnen vor, sie glaubten dem Zeug- nisse derselben nicht. Auch die Philadelphischen Gegner berufen sich auf die aQxela, aber sie glauben dem yeygajtrai in Bezug auf Tod und Auferstehung nicht. Jesus sagt, die Schriften zeugten von ihm, aber er nähme kein Zeugnis von andern (5, 8i ff.). Ign. sagt: Gesetz und Propheten zeugen auf Christus, aber der beste Beweis ist der Glaube und das Festhalten Jesu Christi selbst und der unmittelbaren Macht der Heilsthatsachen. Hier wie dort ist dem leeren Schriftglauben der unmittelbare Christusglaube gegen- übergestellt und doch zugleich das Zeugnis der Propheten an- erkannt. Nicht Moses giebt das Brot vom Himmel und das Leben, sondern allein Christi Person selbst (Joh. 6, 32), deshalb ist das Evangelium von ihm ein djidgriOfia dfpd-aQOiaq (Ign.). Aber nicht nur die Form des Streites ist bei Joh. und Ign. ähn- lich, sondern auch die Einwände der Juden, welche der Verfasser Jesus beantworten lässt, stimmen mit denen der ignatianischen Irrlehrer, obgleich der Gesichtspunkt etwas geändert ist. So ist Joh. 7, 4 ff. die Herkunft" aus Galiläa geltend gemacht gegen die geweissagte Davidsohnschaft. Ign. betont ebenfalls aber mehr im antidoketischen Interesse das „ex öJisQ/iarog Aaßiö" als das auf Jesus Zutreffende. Wenn Christus Joh. 8, 54 sagt o üiaxr\Q fiov 6 do£ä£a)p [ie, ov {(islq Xtyers, ort &6oq rjumv lonv, xal ovx kyvcoxaxe avrov, so kann sich in dem &eoq t)fic5v ein Vor- wurf der kleinasiatischen Judaisten wiederspiegeln, welche diesen

126 v- d. Goltz, Ignatius.

Ausdruck nir den Vater reservieren wollten und in einem o &eoq fiov Joh. 20, 28 eine Blasphemie sahen. In diesem Falle würde das o d-eoq rjfimv bei Ign. vielleicht auch nicht ohne polemische Rücksicht sein. Nach Joh. 12, 34 ist aber der Hauptanstoss der weissagungs widrige T6d Jesu. An dieser Stelle ist der Einfluss der Abfassungszeit auf die Wiedergabe der Rede Jesu auch am Deutlichsten, und damit eine Rücksichtnahme auf kleinasiatische Lehrstreitigkeiten am Wahrscheinlichsten. Ist nun auch bei Ign. nur Phld. 8 von der Polemik von der Schriftautorität aus die Rede, und sonst überall die antidoketische Tendenz bei der Be- tonung des wahren Leidens sichtbar, so spricht doch alles dafür, dass wenigstens in einigen Gemeinden jene jüdisch-alttestament- lichen und diese doketischen Angriffe von denselben Leuten kamen1). Waren diese Judaisten aber nach Phld. 6 heidnischer Abstammung, so machte sich die specifisch -jüdische Messias- vorstellung als eines irdischen Herrschers nicht geltend, son- dern vielmehr die heidnische Neigung zum Doketismus, der sich nach Übernahme des A. T. leicht des Mangels von Todes- weissagungen in demselben bemächtigte, um über die (xcogia des Kreuzes hinwegzukommen. Nun bekämpft auch das Joh.-Ev. nicht nur solche Leugnung der Weissagung *), sondern Joh. 19, 34. 20, 24 ff. auch doketische Ansichten (cf. auch 1. Joh. 4, 2, vgl. Pol. ad Phil. 7, 1). Wir haben also jedenfalls sowohl bei Ign. als bei Joh. das Zusammentreffen der Verteidigung sowohl gegen An- griffe mit Berufung auf die ägxsla als gegen Doketen. Letzteres tritt bei Ign., Ersteres bei Joh. mehr hervor, wo die Rücksicht auf national -jüdische Einwände noch hinzukommt. Im Wesent- lichen sind auch die Waffen dieselben: der Rückzug auf den unmittelbaren Christusglauben, und der antidoketische Beweis aus Thatsachen der Geschichte Jesu (cf. Sm. 3). Die Form, die Auswahl des Stoffes ist aber, wie gleich hier bemerkt werden mag, eine verschiedene, und nirgends findet sich eine Spur der Benutzung von Stellen des Joh.-Ev. bei Ign. Dass aber in diesen Punkten, wo auch der Einfluss des Paulus offen zu Tage liegt, die Gesichtspunkte durchaus johanneischer Art sind, ist sehr be- achtenswert.

1) Cf. 8. 81 Anm. 1.

2) Leidensweissagungen Joh. 19, 24. 25. 28. Weissagung der Aufer- stehung 20, 9.

IL Ignatius und Johannes. 127

Wir finden also nicht nur die ganze Denkart, sondern fast sämtliche eigentümliche Charakterzüge des Joh.-Ev.1) und der Briefe bei Ign. wieder, sowie eine ganze Reihe von Ähnlich- keiten der Gedankenwelt im Einzelnen. Die johanneischen Schriften sind aber nicht nur an Umfang, sondern auch an Tiefe, Originalität, Stringenz und Ausbildung dieser Gedanken- welt unseren Briefen bei weitem überlegen. Man muss bei Ign. erst kombinieren, um deutlich das Gleiche herauszustellen. Das liegt allerdings auch daran, dass Ign. durchaus eine selbständige, originelle Form für diese Gedanken hat, und zwar eine sehr knappe, die in der Kürze Geistreichtum sucht. Auch ist der Zweck der Briefe ja ein beschränkter, und es ist doch schon der Bewunderung wert, wie viele Gedanken unter der Entwickelung des einen von der Einheit der Kirche zum Vorschein kommen. Dieser kirchliche Grundgedanke findet sich, wie wir sahen, vorher im Epheserbrief. Wir hatten auch diesen schon der hier beob- achteten Strömung untergeordnet. Es wird, ehe wir dazu über- gehen, das litterarische Verhältnis zum Joh.-Ev. zu prüfen, an- gebracht sein, unsere Briefe auch mit der anderen grossen Schrift, welche unter dem Namen des Joh. hierhin gehört, der Apoka- lypse, in Bezug auf den allgemeinen Ideengehalt zu vergleichen.

2. Die Verwandtschaft mit der johanneischen Apokalypse.

Ein Vergleich zwischen zwei so verschiedenen Urkunden, wie der Apokalypse eines judenchristlich denkenden Mannes und kurzen Gelegenheitsbriefen eines mit jüdischen Gedanken über- haupt nicht vertrauten Heidenchristen, lässt zunächst sehr wenig erwarten. Das gesamte eschatologische Material kommt über- haupt nicht in Betracht, ebensowenig wie alles Alttestamentliche. Alle specifisch-christlichen Gedanken beschränken sich aber in der Apok. überhaupt auf Kap. 1 6. 7, 9 47. 21 u. 22 und ganz wenige erklärende Zwischenbemerkungen und Übersetzungen in dem übrigen ganz jüdischen Teile des Buches2). Aber auch,

1) Von den fehlenden sind ausser den jüdisch beeinflussten hervor- zuheben: Paraklet, Gotteskindschaft, Vermittelung der Weltschöpfung, \Xaafx6q der Sünden.

2) Es darf als sehr wahrscheinlich gelten, dass dieser jüdische Teil eine ältere, rein jüdische Apokalypse ist, welche der kleinasiatische Verf.

128 v- d. Goltz, Ignatius.

wenn wir uns nur an die christlichen Teile halten, sind wir hier auf Einzelheiten beschränkt. Doch weisen uns diese auf einen johanneischen Gedankenkreis deutlich hin. So zuerst der Name: 6 Xoyog xov &eov 19, n und die charakteristische Wendung wg xdyco siZrjgHZ jtagd xov jtaxgog fiov 2, 27, welche in johanneisch- ignatianischer Weise das Verhältnis Jesu zu den Christen in Parallele setzt mit dem Jesu zu seinem Vater. Wenn Christus 22, 13 rj ccqx?I xäi xb xtXog heisst, so entspricht das sachlich ganz der Vorstellung des Ign., dass seine xagovöia in der 6ctg§ der Anfang des von Gott Bereiteten sei, während wiederum seine ganze Person die hnxHHg darstellt, welche er als das xeXog ver- spricht und verbürgt; formell erinnert diese Zusammenfassung an die von Glauben und Liebe als dgxrj xal riXoq; ist diese doch nur die subjektive Kehrseite zu jener christologischen Glaubens- thatsache. Auch 2, 8 giebt der Name: 6 Jtgmxog xal 6 töxaxog, og eyepexo vexgbg xal etycev dieselbe Beziehung an die Hand. Heisst Christus 22, 16 6 döxrjg 6 XafiJtgbg 6 jzgwivog, so erinnert das an Ign. Eph. 19 döxrjg hv ovgavw eXa/itpev etc.1). Nach dem Zusätze 10, 7 ist wie bei Ign. xo fivöx?jgcov xov &eov bereits vollendet, welches schon die Propheten geweissagt haben. M. 9, 1 und Apok. 1, 10 ist der Tag des Herrn (xvgiaxrj) erwähnt. Wie der heilige Geist in Ign. ruft: ösvgo xgog xov Jtaxiga, so ist es der Geist, der mit der Braut ruft: tgxov. Liegt in dem gvXov xrjq CojTJg 22, u u. 19 ausser der Beziehung auf den Paradieses- baum auch eine Anspielung auf das Kreuz Christi, so entspricht dem ganz die Vorstellung des Ign. von dem öxavgbg d<p' oi xagjtov tffielg Sm. 1, 2 und den xXäöoi xov oxavgov Tr. 11, 2. Sicherer und auffallender aber ist die Gleichheit in den Bezeich- nungen des Heilsgutes: vöeog £corjg (22, 11. 17. 21, 6. cf. R. 7), das Himmelsbrot beim Judenchristen fidvva, beim Heidenchristen dgxog xov fteov, die himmlische Mahlzeit mit dem Herrn als Bild vollendeter wechselseitiger Gemeinschaft mit ihm (3, 20. R. 7), den Cxt(pavog xrjg £(o?jg 2, 10 (cf. Pol. 2, 3 Ccor) aitoviog als &s(ia)

vielleicht erst übersetzt, jedenfalls umrahmt und eingeleitet und für christ- lichen Gebrauch zurecht gemacht hat. Die im Folgenden citierten Stellen aus cap. 8 20 sind sämtlich solche christliche erklärende Zusätze (nach einem Kolleg bei H. v. Soden).

1) Dagegen ist Apok. 12 hier im Vergleich mit Eph. 19, J aus dem Spiele zu lassen (gegen Völter).

II. Ignatius und Johannes. 129

und das Einschreiben ins Buch des Lebens (cf. das tJziyQag)f}vcu R. 2, 1). Auch sind Jtlong und dyajt?] Apoc. 2, 19 zusaninien- genannt mit der auch bei Ign. häufigen vjtoftovi}. Der Zusatz 14, 12 nennt in johanneischer Weise die Christen TTjQovprag rag hvrolag xov d-eov. Jesus wird sich zu ihnen bekennen vor dem Vater und ihnen den Lohn geben. Wie Apoc. 3, 12 die bewährten Christen gleich Säulen sind, auf denen der Name Gottes steht, so sind dem Ign. die Christusleugner örrjXai, auf denen nur Menschennamen stehen (Phld. 6, 1) *). Bemerkenswerter Weise ist sowohl in der Apok., als bei Ign. im Briefe an die Phld.- Ge- meinde hier die antijudaistische Polemik am Stärksten. Beider- seits werden sie Hunde und giftmischende Arzte genannnt (Apok. 22, 15 cf. Sm. 7. 5, s. Phld. 6, 1). Dass die Gemeinde ein Tempel Gottes ist, kehrt auch Apok. 3, 12 wieder, und der Umstand, dass 18, 20. 21, u die Apostel glossatorisch eingefugt sind, erinnert an die Hochschätzung derselben bei Ign. Das apokalyptische Bild von den 24 um Gott thronenden Altesten ist nahe verwandt dem des ovviÖQiov &eov und dem oxi<pavoq Jtvsvfianxog bei Ign., ebenso wie die codi) xaivij 5, 8. 9 an das Lied „Jesus Christus" Eph. 9 anklingt Gewiss müssen ähnliche Vorstellungen, wie sie Ign. hat, zu dem Entwürfe jener Bilder die Grundlage gegeben haben. Jedoch ist es ganz unmöglich und fernliegend 2), an diesen Stellen irgendwelche direkte litterarische Entlehnungen finden zu wollen; der Hinweis auf eine ähnliche Gedankenwelt scheint mir aber deutlich genug, und die Anschauung von dieser hat sich durch diesen Vergleich noch um einige Züge bereichert.

3) Der Anteil des Ignatius an einer in Kleinasien verbreiteten „johanneischen" Anschauungsweise.

Es ist damit zweifellos festgestellt, dass in Kleinasien eine reiche und ausgebildete Auffassung des Christentums gelebt hat,

1) Auf diese Berührung machte schon Harnack aufmerksam in seiner Anzeige des Lightfootschen Werkes : The Expositor, Dezember 1885 p. 412 Anm. 2.

2) Dies thut Volt er, der einige der hier aufgezeichneten Parallelen auch giebt. Wie in seiner ganzen Untersuchung, so scheint V. mir auch hier mit der Annahme litterarischer Bekanntschaft und Entlehnung mit einer die wissenschaftliche Vorsicht stark verletzenden Schnelligkeit bei der Hand zu sein.

Texte u. Untersuchungen XII, 3. 9

130 v- d. Goltz. Ignatiu8.

welche besonders schon im Eph.-Briefe bemerkbar wird, auch in den Past.-Briefen und dem 1. Petr.-Brief ihre Anklänge hat (vgl. Tab. IIa), von der sich deutliche Spuren im christlichen Teile der Apokalypse finden, und die in dem johanneischen Evangelium und den mit ihm nahe verbundenen Briefen ihren klassischen Aus- druck gefunden hat1). Es fragt sich nun, ob Ign. zu der An- eignung dieser Gedankenwelt durch Lektüre unseres vierten Evangeliums gekommen ist, oder ob man ihn für einen selb- ständigen Zeugen dieser Geistesart halten muss. Bis zu einem gewissen Grade hat die bisherige Untersuchung schon gezeigt, dass letzteres der Fall ist. Liessen sich nämlich auch Einzel- heiten auf eine Übernahme aus dem vierten Evangelium deuten, so lässt sich doch ein solch' eigentümlicher, religiöser Modalis- mus, eine solche Mystik, eine solche Zusammenfassung und Be- tonung der gleichen Momente, ein solcher Christusglaube, über- haupt eine so gleiche Art zu denken und zu glauben nicht ein- fach durch eine Schrift auf jemand übertragen, der nicht Ahn- liches und Gleiches auch sonst aufgenommen und zu seinem Eigentum gemacht hat. Auch beweisen ja sowohl mehrfache TJmbiegungen, als auch eine selbständige Terminologie, dass der Verfasser njohanneische" Gedanken als eigene besitzt. Sollten wir daher wirklich zu dem Resultate kommen, dass Ign. das vierte Evangelium kennt, so würden wir wohl sein Christusbild und einige Einzelheiten allein auf diese Bekanntschaft zurück- führen dürfen, müssten aber trotzdem daran festhalten, dass Ign. überhaupt bei der Aneignung seiner Gesamtauffassung unter dauerndem Einflüsse eines „johanneisch" beeinflussten Gemeinde- kreises gestanden hat. Wir müssen daher bei der Prüfung der einzelnen Parallelen es als eine naheliegende Möglichkeit mit in Erwägung ziehen, dass die Ähnlichkeit sich nur aus der Gleich-

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heit des Geistes, der Gesamtauffassung oder der Tradition gleicher Schule erklärt, nicht aber aus einer litterarischen, wenn auch nur erinnerungsmässigen Benutzung des vierten Evangeliums.

1) Einige Spuren dieser Auffassung finden sich auch im Briefe Poly- carp's an die Phil.: Das Vorbild Chr. 2,2. 8,2; nioret xal dy.4,2; wer liebt, ist ohne Sünde 3, 3; Hervorhebung der uydnri, Gehorsam gegen Pres- byter und Diakonen wie gegen Gott und Chr. 5, 8; jeder Doket = Anti- christ 7> l cf. 1. Joh. 4, 2. 3, 2. Joh. 7; Chr. q iXnlq fj/iäiv 8, l. über den An- teil Justins an dieser Traditionslinie vgl. S. 140 ff. u. S. 149 ff.

IL Ignatius und Johannes. 131

B. Prüfung der litterarischen Verwandtschaft.

1. Einzelne Stellen.

Sicher ist die Beschränkung auf Annahme geistiger Ver- wandtschaft geboten an Stellen, wo der Wortlaut ein gänzlich anderer ist, und nur ein Gedanke vorliegt, der sich bei Joh. auch findet, wie R. 3, 2 6t av xoöfiq) fit tpatvcofiai cf. Joh. 14, 19. Eph. 15, 3 mit Job. 14, 21. Eph. 9 der oravQog als tirixavfj mit Joh. 12, 32, und eine ganze Reihe wichtiger Einzelheiten, welche wir bereits beim Vergleiche der Gesamtanschauungen eingeordnet haben 1). Auch der /lo/oc-Name gehört unzweifelhaft hierhin. Ja, hier scheint das völlige Fehlen der johanneischen Formen, der Idee der Schöpfungsvermittelung und die durchaus anders- artige Verwendung im Gegensatze zu einer oiytj Gottes, endlich der Ersatz des Wortes durch yvcofirj und özofia jccctqoc die Bekanntschaft mit dem johanneischen Prologe fast unmöglich zu machen, so gewiss andrerseits eine gemeinsame Grundanschauung nicht zu verkennen ist. Um nichts wahrscheinlicher wird die Herkunft des Xoyog M. 8 aus Joh. 1 dadurch, dass sich in dem folgenden Relativsatze: oq xarä Jtavra evTjgiöTTjOe rm Jtefitpavn avxbv ein Gedankenanklang an Joh. 8, 202) findet. Denn über den Grad von Ähnlichkeit, den ein solcher von selbst ergiebt, geht die Übereinstimmung der Worte nicht hinaus. Andrerseits klingt nun der bei Joh. vorhergehende Vers M. 7, 1 wieder in den Worten: 6 xvgioq avsv rov narQoq ovöev enoirjöev, rjvm- fievog c3i>, ovte öi* eavrov ovrs öia xmv ajtoorolmv. Hier ist formell die Ähnlichkeit sehr gering. Da jenes Wort Joh. 8, 28 den Charakter des johanneischen Christus überhaupt sehr aus- prägt, so ist eine Beziehung beider Stellen nicht zu leugnen, aber diese eben auf den Besitz eines gleichen Christus-Bildes zu

1) 6 #£o'c fiov. Joh. 20,28; der Abschluss der Ott'enb. Chr. in der Er- höhung R. 3 u. Joh. 14, 20; Glaube und Liebe schliessen Sünde aus Eph. 14 u. 1. Joh. 3, 6; der Hass der Welt R. 3 u. Joh. 15, 18; dveartjaev havrov Sm. 2 mit Joh. 10, 18; 0 fiovoQ vlog Rom. inscr. u. d. fiovoyev^q (Joh. 1); vgl. Tab. III.

2) Joh. S, 29: 6 nißxpag fxs /zer {(jiov ianv. ovx dcpfjxe fie fiövov 6 natijg, öri tyat xu (Iqsotu avzdi noi<5 Ttdvroze; cf. Tab. III a. 4 u. 5.

9*

132 v* d. (Joltz, Ignatiuä.

beschränken; oder es ist anzunehmen, dass hier ein echtes Herren- wort zu Grunde liegt, dessen Überlieferung unabhängig ist von seiner Aufnahme in das 4. Evangelium. Für den Ausdruck frvQa rov naxQoq nimmt auch Holtzmann in Erinnerung an Herrn. Vis. 9 an, dass hier nur eine Joh. 10 verwandte Idee zum Aus- drucke kommt. Joh. 10, 7. 8 ist von der Beziehung zum Vater gar nicht die Rede und auch nicht von den alttestamentlichen Frommen. Von diesen abgesehen, würde Joh. 14, 6 dem Gedanken des Ign. noch genauer entsprechen; die Form ist aber dort wieder eine völlig andere. Den Gedanken hat bemerkenswerter Weise auch Mt. 11, 27. P. Eph. 2, is. 1. Cl. 48, 4. Wir sind hier daher im Gedanken überhaupt auf weiter verbreitetes Gut hingewiesen; die Form klingt allerdings auch besonders an Joh. an. Eine Entlehnung aber aus Joh. 10 ist durch nichts wahrscheinlich gemacht. Besonders wichtig aber ist für unsere Frage R. 7. Zunächst erinnert der Ausdruck vÖwq £cov für den Geist, der in Ign. spicht, an Joh. 7, 39, wo der Erzähler selbst das »vÖcqq £g5*> " in einem Herrenworte auf den Geist deutet. Da er hier so deutlich seine eigene Auslegung von der Mitteilung des genau fixierten Herrenwortes trennt, so ist es wahrscheinlich, dass jene Erklärung Rücksicht nimmt auf einen Streit über die Bedeutung jenes Wortes in der Gemeinde (cf. auch Pol. ad PhiL 7, 1). Wir hätten dann bei Ign. die einfache Anwendung dieser Deutung das fahrt aber keineswegs auf eine Benutzung von Joh. 7, 38, da dieses Herrenwort gerade als auch sonst bekannt vorausgesetzt, und nun die richtige Erklärung gegeben wird. Deshalb kann es Ign. auch ebensogut kennen ohne das Joh.-Ev., und die Anwen- dung so kurz machen, weil auch die Deutung ihm so wie Joh. geläufig war. Aber die Beziehung auf jenes Herrenwort braucht anch nicht vorzuliegen. Es besteht ja auch eine Verwandtschaft zip vöwq £wv Joh. 4, 11. u, aber hier ist doch der Sinn ein andrer, der nur in Apok. 21, e. 22, 11. Just. Dial. 69 u. 114 eine Parallele hat. Bei diesem Vergleiche ist die Beschränkung auf geistige Verwandtschaft noch sicherer. Beweisen lässt sich natürlich aus den zwei Worten überhaupt nichts. Die darauf folgenden Worte geben genau die Vorstellungen und die Symbolik von Joh. 6 wieder. Auch das hat die Stelle mit Joh. 6 gemein, dass eine Anspielung auf die Abendmahlssymbolik benutzt wird zur Ver- anschaulichung der innigsten Gemeinschaft mit Christus. Zahn

II. Ignatius und Johannes. 133

meint, so kurz und undeutlich hatte Ign. garnicht schreiben können, um sich überhaupt verständlich zu machen, wenn die Leser nicht durch Joh. 6, eine Schrift von anerkannter Autorität, vorbereitet waren. Gewiss ist anzunehmen, dass Ign. auch mit kurzen Ausdrücken in Rom! verstanden zu werden glaubte, aber dass diese Voraussetzung bei den Römern durch das Joh.-Ev. hergestellt sein soDte (Zahn), ist selbst bei später Ansetzung unserer Briefe höchst unwahrscheinlich. Man wird eben an einer so erregten Stelle dem Märtyrer überhaupt nicht zu viel Reflexion zutrauen, ob er wohl verstanden werden würde, und daher lieber garnichts schliessen aus dem, was er bei den Lesern voraussetzen durfte oder zu dürfen glaubte. Die Frage bleibt besser darauf beschränkt, ob Ign. selbst jene Worte nur brauchen konnte, wenn er Joh. 6 gelesen hatte. Der Vorstellungskreis ist allerdings fast der gleiche. Auch der Gegensatz zur vergänglichen irdischen Speise ist ein gemeinsamer. Diese heisst aber bei Joh.: ßoojoiQ dxolZvfiivT) bei Ign.: TQog>r} <p&ooa<;. Der Trank heisst bei Joh. jtooig, bei Ign. Jtopa, und die Hineinziehung der rfdovai rov ßlov tovtov und der aydjtrj aqp&aQTOq, die sich im Tode Jesu (alfia) erwies, liegt dem johanneischen Zusammenhange ganz fern. Bei Joh. ist überdies von dem gegenwärtigen Genüsse, bei Ign. von dem zukünftigen, jenseitigen die Rede. Auch haben wir das Himmelsbrot und die jenseitige Mahlzeit mit dem Herrn wieder mit anderen Ausdrücken in der Apok. wiedergefunden, und bei Joh. selbst heisst das Himmelsbrot meist 6 dgrog ex xov oioavov und nur einmal wie bei Ign. agzog rov d-eov. So- weit die Stelle indirekt auch für das Abendmahl in Betracht kommt, haben wir Aid. X (rQoqprj jzvevfiaTixrj) Barn. 11, n (gei- stiges gxxyelv) und bei Justin Apol. 66 (tf«og und al/ia und svxagiarijd-slöa TQO<prj) Parallelen; die total verschiedene Form der Wiedergabe beweist hier überall, dass wohl eine ähnliche Vorstellung wie Joh. 6, aber keine Entlehnung vorliegt. Bei Ign., wo die Gedanken wirklich sehr ähnlich sind, würde man am ehesten ähnlichen Wortlaut erwarten. Wir fragen also: Wie kann Ign. Joh. 6 gelesen haben und sich dann so wenig an die Formen dort anschliessen? so wenig den Reichtum dort benutzen? Das etwas synoptisch klingende rjöoval rov ßlov tovtov (cf. Lc. 8, M rjöoval tov ßlov) könnte fast auf die Vermutung fahren, dass die historische Grundlage der Jesusreden von Joh. 6 in einer

134 v- d. Goltz, Ignatius.

der synoptischen Traditionslinie angehörigen Form in den Worten des Ign. wiederklänge. Das würde an der geistigen Verwandt- schaft mit Joh. 6 nichts ändern, da die Kombination der älteren historischen Überlieferung mit den eigenen Reflexionen und Ge- danken überhaupt für die johanneische Gedankenwelt und auch für Ign. charakteristisch ist. Aber das ist nichts als eine Ver- mutung, und die Verwandtschaft ist hinlänglich durch Annahme einer gleichen christlichen Geistesart und Anschauungsweise er- klärt, deren Existenz ja auch bei der entgegengesetzten Ent- scheidung feststeht. Schwieriger wird die Frage bei solchen Stellen, wo gar keine religiöse Gedankenverwandtschaft vorliegt, sondern nur ein äusserlicher Anklang an den Erzählungstext des Evg. Hier bleibt, wenn überhaupt eine Beziehung vorliegen muss, nur Kenntnis des vierten Ev. oder die Annahme einer verwandten Tradition übrig; letzteres ist aber etwas sehr Unsicheres. Des- halb haben sich die meisten Gelehrten bei Phld. 7 für die Be- nutzung von Joh. 3, 8 entschieden. Die Stellen lauten:

Ign. el ydo xard ödoxa (ii Joh. öel vftäg yzvvrft-if]vai

xiveg rjd-iXrjOav jtXavijoai, aXXa txvcod-ev. ro xvevfia ojzov &t-

xo Jtvevfia ov jtXavdrat djto Xsc Jtvsl xal rrjv <p(ovr\v avrov

■freov ov. olöev ydo jtofrtv dxoveig, dXX* ovx olöag jiod-ev

sqx£tcci XCCL Jl0^) vüidyei xal BQxsrai xal jtov vjtdyer

xQVütxd eXeyxei. ovrwg horlv näq 6 ysyevvrjitivoQ

ex rov jtvevuaroq.

Dass der Gedanke ein andrer ist, liegt auf der Hand. Bei Joh. ist zunächst vom Winde die Rede und nur indirekt vom heiligen Geiste, aus dem heraus die Wiedergeburt erfolgt. Der Gegensatz ist eine Wirkung, deren Herkunft jeder Mensch kennt. Bei Ign. ist es der heilige Geist selbst, dessen sichere Selbst- gewissheit über seine Herkunft aus Gott betont wird, während die anderen Menschen xard odgxa irren. Ign. sagt überhaupt etwas ganz Anderes, und das xal xd xgvjcrd kXiyxei ist ihm ganz eigentümlich, obgleich es unmittelbar zu dem Vorhergehenden gehört. Die Stelle enthält also weder einen Widerspruch (Schwegler) gegen Joh., noch eine Erweiterung desselben (Zahn), sondern es fehlt, auf den Gedanken gesehen, jede nähere Beziehung. Nur dass der Geist sich unmittelbar kund giebt und

IL Ignatius und Jobannes. 135

keines Beweises bedarf, sondern diesen in sich selbst trägt, kommt hier wie dort zum Ausdrucke, obgleich bei Joh. dies zunächst von der Thatsache der Wiedergeburt gesagt wird. Diese auf den Beweis verzichtende unmittelbare Geistesgewissheit und Glaubens- kraft, die nichts auf äusseres Zeugnis giebt, sondern sich un- mittelbar an die Sache selber hält, haben wir z. B. an der Stellung zum A. T. als einen gemeinsamen inneren Charakterzug für Ign. und Joh. festgestellt, der sich garnicht durch Benutzung einzelner Stellen oder einer Schrift aneignen lässt ohne eine wenigstens nebenhergehende gleiche geistige und religiöse Berührung der Denkart. Diese ist daher gewiss auch an dieser Stelle vorhanden, aber die litterarische Beziehung könnte nur eine ganz formelle, gleichsam akustische sein. Dies ist es ja doch auch nur, was uns im ersten Momente an das jzo&ev eQxercu xal Jtov vitäyei Joh. 3, 8 erinnert, worauf der Gedankenzusammenhang nicht leicht führen würde. Unter diesen Umständen ist es beachtenswert, dass ganz ähnliche Wendungen in ganz anderem Zusammenhange bei Joh. vorkommen (Joh. 8, u oläa jto&ev ijXd-ov xal jtov vjtaycol Joh. 13, s elöcog ort djtö &eov kBfltötv xal Jtgog xbv freov vjtdyei. 1. Joh. 2, n 6 fuödjv ovx olöev nov vjtdyei 1). Be- sonders die erste Stelle ist recht auffallend, da hier genau das- selbe von Christus über sich selbst gesagt wird, was Ign. über den heiligen Geist sagt. Man würde sich viel besser auf diese Stelle berufen als auf Joh. 3, s. Aber der Unterschied des Sub- jektes macht auch hier allgemeine geistige Verwandtschaft wahr- scheinlicher. Die Gleichheit der Form auf eine johanneische Schulsprache zurückzuführen ist sowohl des rein formellen Cha- rakters wegen unmöglich als auch deshalb, weil Ign. eben sonst gerade nirgends sprachliche Verwandtschaft zeigt. Dagegen ist es möglich, dass eine im dortigen Gebiet allgemein übliche Rede- weise in dieser naheliegenden Wendung vorliegt, woran auch Apok. 7, i3 riveg eiölv xal jto&ev ?)X&ov und Ign. Eph. 12: olöa zig diu

1) Vgl. auch Joh. 7, 27 xovxov ol'Sa/jiev no&ev iatlv. 7, 28 xd/xe ol'date no&sv stfd. 9, 29 xovxov ovx oiöafisv no&ev iaxiv. ,, 14, b ovx oi'daftev nov vndyeig. 15, 28 vnuya> xal toyoiiai ngoq vfiäg. 12, 35 o 7teQmax(öv iv xy oxoxia ovx olöev nov vndysi.

J36 v- d. Goltz, Ignatius.

xäl xioiv yQa(pco teilnehmen würde. Besser noch ist allerdings die auffällige Gleichheit der Form erklärt, wenn ein Herrenwort wie Joh. 8, 14 die Grundlage bildete; die oben angeführten Stellen Joh. 8, n. 7, 28 würden dann eine Art Variationen desselben sein, wie wir dies bei Joh. so oft haben. Dann brauchte Ign. dieses Wort auch nicht aus dem vierten Evangelium zu haben. Auch ist sehr denkbar, dass Joh. 3 anderweitig in einer dem Ign. ver- wandteren Form umlief. Hierfür würde sprechen, dass auch die vorhergehenden Worte von der Wiedergeburt uns bei Justin Ap. I, 61, 7. Ps. Clem. Hom. XI, 26 in einer anderen Relation vor- liegen, wie W. Bousset1) nachgewiesen hat. Das sind allerdings nur Möglichkeiten, die nicht strenge bewiesen werden können. Es genügt hier deshalb, festzustellen, dass aus Phld. 7 ein Be- weis für die Kenntnis des vierten Evang. nicht entnommen werden kann, ja, dass ein ziemlich grosser Spielraum für eben so wahr- scheinliche andere Erklärungen bleibt. Man hat nun aber schliesslich auch die Art der Erwähnung der Salbung Jesu (Eph. 17) auf Joh. 12 zurückführen zu müssen geglaubt. Weil dort 12, s allein erwähnt wird, dass das ganze Haus sich mit Wohlgenich füllt, soll sich darauf allein das llva Jtveq exxXqoia cxpd-aQOiav im Gegensatz zur övdcoöia der Gegner beziehen können. Wie das Haus von Wohlgeruch erfüllt wird, so auch die Kirche (Zahn, Patr. app. II, z. d. St.). Diese Erklärung verkennt aber ganz den eigentümlich ignatianischen Gedanken, dass die Kirche ge- rade als Leib des Hauptes an dieser Salbung Teil hat2). Dieses mystische Verhältnis ist für Ign. die Hauptsache. Für diese Aus- legung kommt es aber gerade auf die Worte erii xr\c, xspakrjc an, welche bei Joh. fehlen, während Mt. 26, 7 f. Mc. 14,3 f. sie bieten. Danach ist die Beziehung auf das Joh.-Ev. direkt aus- geschlossen.

1) Wilh. Bousset, Die Evangeliencitate Justins des Märtyrers. Gott. 1891. S. 116. 117.

2) So auch bei Orig. c. Cels. VI; 79 (bei Lightf. z. d. St.) ins l Xq. xe- <pa?.ij iariv trjg ixxXrjalug wg elvai £v oütia Xgiaxbv xul ttjv ixxX. xo fxvQOv dito xt(fulTjq xazaßeßtjxev:

II. Ignatius und Johannes. 137

2. Benutzung der synoptischen statt der johanneischen

Erzählung.

Hat uns bei den bisherigen Stellen die Prüfung nur ergeben, dass eine litterarische Entlehnung anzunehmen durchaus nicht nötig, ja sogar unwahrscheinlich ist, so ist diese letztgenannte Stelle das erste Argument dafür, dass jener weit verbreiteten An- nahme sogar erhebliche Schwierigkeiten entgegenstehen. Denn, warum hat Ign., wenn alle seine johanneischen Gedanken aus dem vierten Ev. stammen, dieses nicht auch hier benutzt? Diese Frage erheischt noch dringender eine Erklärung angesichts von Sm. 3. Dort will Ign. beweisen, dass der Herr auch nach der Aufer- stehung noch einen Fleischesleib gehabt habe. Hierfür hätte er in der Erzählung Joh. 20, 20. 24 ff. einen guten Beleg gehabt. Statt dessen benutzt er eine uns unbekannte Relation, die kurz den leiblichen Verkehr mit den Jüngern um Petrus berichtet, vielleicht das sogen. xrjQvyfia IHtqov (nach Orig. doctrina Petri)1). Auch das Herausmessen von Wasser und Blut beim Lanzenstiche hätte sich gut gegen die Doketen benutzen lassen. Überall, wo Ign. Anklänge an die evangelische Geschichte hat, ist er sonst Matth. am nächsten, und die Benutzung desselben ist durchaus nicht selten. Besonders deutlich ist die Entlehnung der Motivierung der Taufe Jesu Sm. 1 aus Mt. 3, 15 mit einem dem Ign. ganz fremden Gedanken; ferner Mt. 10, 16 und Pol. 2 in fast wörtlicher Uebereinstimmung; 6 ycaQmv xcogsira) Sm. 6 cf. Mt. 18, 12; Eph. 5 vgl. Mt. 18, 19. 20 (die Kraft des Gebets von 2 od! 3); Eph. 6 der Gedanke von Joh. 13, 20 mit Worten aus Mt. 21, 23 ff. und Mt. 10, 40 (dexeo&cu statt Xa/ißdvsiv)\ (pvrsia jicltqoq Tr. 11, Phld. 3 aus Mt. 15, 13, wofür sich aus Joh. 15 die Form auch hätte bieten können; zu Eph. 10 vgl. Mt. 5, 44, Lc. 6, 27. 28 (Fein- desliebe); zu Eph 10,3 ßoravrj rov diaßolov vgl. Mt. 13, 25 ff.; zu Eph. 14, 2 (pavBQov xo öivögov djto rov xagjtov avrov vgl. Mt. 12, 33; Eph. 16, 2 jtvQ dößearov vgl. Mt. 3, 12, Mc. 9, 45; Phld. 2 Xvxoi dgiojtiGTOi vgl. Xvxoi aoitayoi Mt. 7, 15, dagegen ganz anders fiiö&cotoq Joh. 10, 12; Sm. 10 £jtaiöxvveo&cu d. Herrn vgl. Mc. 8, 38; yqtjyoqei dxoifirjrov Jtvev/ia xexrTjfievoc vgl.

1) Vgl. dazu: v. Dobschütz (Das Kerygma Petri. Leipzig 1893 S. 82 ff.), der der Vermutung, dass Ign. aus mündlicher Tradition geschöpft habe, den Vorzug giebt.

138 v- d. Goltz, Ignatius.

Mt. 26, 41 ; üiavxcov rovg vooovq ßaora^e vgl. Mt. 8, tfj dies sind nicht einmal Erzählungsstoffe, dass man sagen könnte, für diese sei Ign. an die ältere Tradition gewöhnt gewesen. Hätte Ign. nur jene oben geprüften Anklänge an Joh. an wenigen einzelnen Stellen, so könnte man an Zufall denken, dass er nicht noch öfter Spuren einzelner Benutzung hat, oder glauben, johanneische Ge- danken hätten ihm ferne gelegen. Nun steht aber Ign. der Ge- dankenwelt des Evang. sehr nahe. Soll ihn eine gründliche Vertiefung in die Gedanken des Ev. zu solcher Gleichheit der Denkart und religiösen Auffassungsweise geführt haben, so würde es doch das einzig Natürliche sein, dass er es auch sonst be- nutzt hat, statt sich konsequent an die synoptische Tradition1) zu halten, deren Christusbild und deren Auffassungs weise über- haupt eine andere ist.

1) Ob unsere jetzigen Evangelien benutzt sind oder nur ihre Vor- stufen oder parallele Erscheinungen, bleibt ungewiss. Es ist sehr bemer- kenswert, dass fast sämtliche Stellen, die in Betracht kommen, unserm jetzigen Matthäus- Evangelium am nächsten stehen, und zwar grade solchen Versen desselben, welche keine Parallelen in Mc. und Lc. haben, also wahrscheinlich den primären Hauptquellen nicht entstammen. Dies ibt der Fall bei Sm. 1, l vgl. nur Mth. 3, 15; Pol. 1 vgl. nur Mth. 8, 13; Pol. 2, 2 vgl. nur Mth. 10, 16; Sm. 6, l vgl. nur Mth. 19, 12; Eph. 6 olxoÖ€07i6x7]q vgl. nur Mth. 21, 33; Eph. 5, 2 vgl. Mth. 18, 19; Phld. 3. Tr. 11 (pvxsla naxgoq vgl. nur Mth. 15, 13; Eph. 10, 3 vgl. Mth. 13, 25; Phld. 2,2 vgl. nur Mth. 7, 15; M. 10 aXiad-rjxs iv avzw vgl. besser Mth. 5, 13 als Lc. 14, 34; zu Pol. 3. 2 xovq xaigovq xaxccftdv&avs vgl. besser Mth. 16, 3 als Lc. 6, 56; zu Eph. 14, 2 (pavsQOv xo ö&vöqov dno xov xagnov avxov vgl. besser Mth. 12,33 -f- 7, 20 (dno) als Lc. 6, 44; zu Eph. 16, 2 nvg äaßearov vgl. ebenso gut Mth. 3, 12 als Lc. 3, 17 u. Mc. 9, 43. 45 (handschriftlich angefochten); zu Pol. 1 fjÖQao/jiivrjv dtq inl nexgav dxivqxov vgl. ebenso gut Mth. 7, 25 als Lc. 6, 48; auffällig ist dagegen der Anklang Pol. 2, l xaXovq fta&rixdq iäv <ptkyq %dgiq aoi ovx iariv nur mit Lc. 6, 32 (anders Mth. 5, 46 vgl. diö. 1, 3 und Evang. sec. Aeg.) und R. 7 Tjdoval xov ßtov xovxov mit Lc. 8, 14 yöovdiv xov ßlov; Sm. 10, 2 vgl. Lc. 9, 26, Mc. 8, 38; die letzten drei Anklänge sind aber so bedeutungslos, dass sie gegenüber den zahlreichen und deutlichen Berührungen mit dem Matth.-Evang. gar keine Rolle spielen. Es darf also jedenfalls festgestellt werden, dass Ign. keinem andern Evang. so nahe steht als dem kanon. Matth.-Evangelium, und zwar grade dessen singulä- ren Bestandteilen; nirgends ist aber ein Citat genau und Sm. 3 stammt jedenfalls aus einem uns nicht bekannten Evangebum. Sehr ähnlich ist im Ganzen das Verhältnis der dtö. zu den Synoptikern (vgl. Harn ack, Lehre der 12 Ap. Leipzig 1884 S. 69 ff.). Vielleicht haben Beide ein unserm Matth.-

II. Ignatius und Johannes. 139

3. Die Selbständigkeit der Form bei Ignatius.

Man könnte einwenden, dass so gut wie paulinischer Einfluss neben dem des vierten Ev. vorhanden sein dürfte, könne sich auch synoptischer damit kombinieren. Immer müsste man dann an- nehmen, dass da, wo der Einfluss der Gedanken am stärksten sei, auch die Übereinstimmung in der Form am auffallendsten sein müsste. Aber das Gegenteil ist der Fall. Während wir bei Joh. einige Anklänge finden mit sehr geringer Ähnlichkeit, ja starker Abweichung der Form, sind die Berührungen mit Mth. bes. Sm. 1. Pol. 2. Eph. 5 ausserordentlich genau, während doch die Auf- fassungsweise so stark verschieden, wie mit Joh. verwandt ist. Diese Verwandtschaft mit Joh. haben wir auch gar nicht aus Einzelheiten erschlossen, sondern aus der Ähnlichkeit der Denkart und Gesamtauffassung. Sieht man aber nun wirklich auf die Einzelheiten, welche uns johanneische Denkweise beweisen halfen, so zeigt sich auch hier in der Mehrzahl der Fälle eine völlige Selbständigkeit in der Form. Viel häufiger als das johanneische Wort Xoyoq (einmal) hat Ign. yvcofir] und einmal oxb\ia hv <p o Jtar?]Q kXdX?]öev; avcoöiq, ?]vc6fievog div sind bei Ign. häufig, dem Joh. fremd. Chr. heisst nicht t) fco?/, sondern rb triv; auch das dvaxexQafievovg Eph. 5 und das xoad-ivxeq Sm. 3 ist ein origineller Ausdruck für die johanneische Mystik. Joh. 1,5 ist zu vergleichen mit dem q>cöq ävexXäXrjTOV, ävo,uoiov avroiq, welches eine Taoayfl hervorbringt, aber ohne jede Ähnlichkeit der Form, welche vielmehr etwas an Mth. 2 erinnert. M. 7, 2 steht jigoeX- •d-ovra statt des johanneischen h^eXd-ovra, x^Q^v s^a^ des johanneischen vjzayuv. M. 10, 1 steht im Anklänge an 1. Joh. 4, 23 das blosse xov &eov statt des johanneischen kx rov &eov. R. 3, 3 giebt das ev jtarol äv fiäXXov (palverai einen johan- neischen Gedanken in durchaus origineller Form. Statt aQ-yxov rov xoo/iov tovtov heisst es bei Ign. stets aQx<ov rov alc5- voq tovtov1). Statt (lovoyevrjg heisst es R. inscr. fiovoq vloq

Evang. nahe verwandtes Evang. benutzt. Ign. würde dann zeigen, dass aus diesem Evang. die Zusätze stammen, welche Mth. über den synoptischen Text hinaus hat.

1) Hier ist es Zahn, Ign. v. A. S. 605 unten und Luthardt, Komm. z. Joh.-Ev. I. S. 223 und Der joh. Ursprung des 4. Ev. S. 74 (Leipzig 1S74) passiert, den Thatbestand gerade umzudrehen [es stünde bei Joh. clq'/wv xov alwvoq xovtov und bei Ign. aQywv xov xoo/xov x']. Zahn nennt diese

140 v- d. Goltz, Ignatius.

ccvToi>. Dazu kommen die Abweichungen, welche wir selbst M. 7, 8. R. 7 a. Phld. 7 gefunden haben. Dieselben Hessen sich alle schliesslich auch unter gedankenmässiger Benutzung des vierten Evangeliums denken, wenn es des Ign. Ä.rt wäre, apostolische Litteratur mit starker Abweichung vom Wortlaute zu benutzen. Nun zeigt sich aber eine starke Benutzung in formeller Beziehung sowohl des 1. Cor.- als Phil.-Briefes. Wo dort eine nahe Be- rührung überhaupt stattfindet, sind auch die paulinischen Aus- drücke erinnerungsmässig verwendet. Ja, die Verwandtschaft mit dem paulinischen Sprachschatz ist bedeutend grösser als mit dem johanneischen, während der geistige Einfluss des Paulus sehr viel geringer ist. Soll Ign. wirklich eine Fülle von Gedanken, das ganze Chr.-Bild und die ganze Auffassungsweise aus dem vierten Ev. gelernt haben, aber in der Form sich stets an die synop- tische Tradition und Paulus gehalten haben? Das ist doch psy- chologisch kaum denkbar, zumal jede Reflexion über die Art seiner Benutzung den lebhaften Äusserungen der kurzen Gelegen- heitsbriefe durchaus fern liegt. Hat also, was nicht zu bezweifeln ist, das vierte Ev. bereits existiert, so hat der Bischof von Antiochien es nicht gekannt, es jedenfalls nicht so gekannt, dass irgendwie seine johanneische Denkweise auf die Lektüre desselben zurückgeführt werden dürfte. Für die Beurteilung der Ähnlichkeiten mit dem Texte und den Gedanken des vierten Evang., durch welche man bis- her eine litterarische Benutzung glaubte beweisen zu können, giebt uns schliesslich ein Blick auf die sonstige Benutzung des vierten Ev. im nachapostolischen Zeitalter sehr beachtenswerte Fingerzeige.

4. Das litterarische Verhältnis Justins und der apostolischen Väter zu Johannes im Vergleiche mit dem des Ignatius.

- Während sonst eine Berührung johanneischer Gedanken ziem- lich selten ist, ist das litterarische Verhältnis Justin's zum vierten Ev. ein sehr ähnliches. Zwar ist die eigentümliche Gedankenwelt Justin's, und vor allem der Gesamtcharakter seiner Auffassungs- weise durchaus ein andrer. Sieht man dagegen auf die Elemente, welche Justin aus einem lebendigen Gemeindechristentum frag- mentarisch sich angeeignet hat, so finden sich hierbei auch manche

Verschiedenheit eine zutreffende Parallele, was dem Gedanken nach ja zutrifft, der Form nach das Gegenteil ist.

II. Ignatius und Johannes. 141

Gedankenanklänge, ja auch einzelne Gleichheiten der Terminologie mit dem Joh.-Ev., nirgends aber Citate oder sichere Benutzung des Wortlautes. Das grosse Material, welches Thoma !) beibringt, beweist nirgends auch nur mit Wahrscheinlichkeit direkte Ent- lehnung, und doch sind eine Reihe von Gedanken, Argumen- tationen und Bildern dem vierten Ev. näher verwandt als dem übrigen N. T. Die evangelische Erzählung ist nie nach Joh. gegeben, sondern immer nach der synoptischen Tradition oder fremden Quellen, gerade wie bei Ign. v. Engelhardt2) hat dies damit erklären wollen, dass Justin das vierte Ev. nur als Lehr- schrift benutze, gerade wie die Paulus-Brfe., über deren Benutzung durch Justin sich ähnliche Beobachtungen machen lassen. Mir erscheint die direkte Benutzung der Pl.-Brfe. nicht ganz sicher, die des Joh.-Ev. höchst unwahrscheinlich. Wenn aber auch Joh. und Paul, von Just, benutzt sind, so ergiebt sich doch ein be- merkenswerter Unterschied von Ign. Während nämlich fonnell einzelne Anklänge bei Justin etwas genauer sind als bei Ign., ist die Verwandtschaft der Geistesart wesentlich geringer, und lässt sich natürlich leichter eine formelle Benutzung und Aufnahme einzelner Gedanken ohne tieferes Eindringen in die Gesamtauf- fassung denken als das umgekehrte. Auch würde sich bei Just, die gleiche Methode für Joh. und Pls. feststellen lassen, während Ign. beide sehr merkwürdig ungleich behandelt hätte. Da nun Just, in Ephesus getauft, auch mit Klein- Asien Fühlung hatte so ist es auch bei ihm sehr wohl möglich, dass er von einer kleinasiatischen Auffassung des Christentumes beeinflusst worden ist und diese Beziehung seine Verwandtschaft mit Joh. vermittelt (cf. auch Loofs. D. Gesch.2 § 18, o), so dass an litterarische Be- nutzung gar nicht zu denken ist. Wir hätten in ihm dann einen neuen Zeugen für jene ,johanneische" Auffassungsweise und Geistesart, die wir bei Ign., der Apokalypse und keim weise im Epheserbrief gefunden haben. Mag diese Hypothese gegenüber der scheinbar viel einfacheren Annahme litterarischer Abhängig- keit willkürlich erscheinen, so wird sie aufs Beste gestützt durch eine Beobachtung, welche die beigegebene Tabelle III illustrieren

1) Thoma, Justins litter. Verhältnis zu Paulus u. z. Joh.-Ev. Zeitschr. f. wiss. Theol. 1875, S. 383-412 und 490 ff.

2) M. v. Engelhardt, Christentum Just. d. M. Erl. 1878. S. 347 —352.

142 v- d- Goltz, Ignatius.

soll. Dieselbe stellt auf Grund der Arbeiten von Thoma und Holtzmann1) und den Registern der gr. Ausgabe der Patr. apost. von Gebhardt Harnack Zahn alle Stellen nebenein- ander, welche einen Schein von litterarischer Abhängigkeit vom vierten Ev. bei Just., Ign. und den anderen nachapostolischen Schriften ergeben. Daraus folgt die höchst auffallende Thatsache, dass es mit wenigen Ausnahmen immer dieselben Stellen und Gedanken des vierten Ev. sind, welche zum Vergleiche heran- gezogen werden müssten und von jenen Gelehrten herangezogen worden sind. Man muss dabei mit Ign. anfangen als demjenigen, der bei weitem die meisten Berührungspunkte hat. Von denen, welche er mit Joh. allein hat, betreffen sechs das Verhältnis Jesu zu seinem Vater und acht von zwölf sind formell ganz unjohan- ueisch. Ganz wenige Parallelen betreffen allein Just, und Joh. Bei Weitem die Mehrzahl trifft bei Beiden zu, und eine nicht geringe Zahl hat auch Parallelen bei den anderen apostolischen Vätern oder ist überhaupt gemeinchristlich. Oft klingt Ign.2), oft Just.3) näher an; aber im Ganzen ist bei Ign. die Gedanken- verwandtschaft viel stärker, auch abgesehen davon, dass bei diesem hierin wirklich seine eigene Auffassung zum Ausdrucke kommt, bei Just, mehr aus der Gemeinde ererbtes Gut. Es ist natürlich undenkbar, dass Ign. und Just, aus Zufall so sehr oft auf dieselben Joh.-Stellen anspielen. Wären die Berührungen beweiskräftiger, so müsste man annehmen, dass gerade diese johanneischen Stellen eine Anschauung zum Ausdrucke brächten, die überhaupt in ihnen lebhaft war, wodurch sich dann eine solch' gleiche Auswahl als Folge der geistigen Verwandtschaft erklären Hesse. Auf letztere würden wir also jedenfalls geführt.. Aber nicht nur hat eine solche Ausflucht etwas sehr Bedenkliches, sondern die Anklänge sind formell so wenig beweisend, dass eine andere Möglichkeit überhaupt nicht vorliegt, als die Annahme, dass unabhängig vom Joh.-Ev. die Gedankenwelt desselben verbreitet und von Einfluss war, und dass Ign. in hohem Masse, Just, zu einem kleinen Teile unter diesem gleichen Einflüsse gestanden haben.

1) H. Holtzmann, Verhältnis des Joh. zu Ign. und Polyc. in der Zeitschr. f. wiss. Theol. 1877. S. 187—214. Barn, und Joh. ebenda 1871 S. 336 ff. Herrn, und Joh. ebenda 1875. S. 40 ff.

2) Ign. klingt näher an: Tab. III b) 2. 3. 9. 11. 14. 21 und a) 1. 4. 5.

3) Just, klingt näher an: Tab. III b) 6. 7. 10. 15. 23.

II. Ignatius und Johannes. 143

Dies bestätigt sich uns durch die weitere Beobachtung, dass beim Joh.-Ev. eigentlich nie eine einzelne Stelle in Betracht kommt, sondern immer mehrere, von denen keine im Wortlaut mit Justin oder Ign. übereinstimmt, während der Gedanke der- selbe ist. Es sind meist Themata, welche Joh. nach mehreren Seiten variiert, woraus ersichtlich ist, dass die Grundgedanken an und für sich ihm gegeben sind. Besonders bemerkenswert ist dabei, dass Stellen wie 13, 20. 5, 19 u. 8, 28. 29 u. 8, 14, deren Inhalt häufig wiederkehrt, an genannter Stelle sich deutlich vom Kontext ab- heben und augenscheinlich echte Herrenworte sind in einer uns sonst nicht bekannten Relation, deren Thema dann der Evangelist weiter variiert. Diese könnten auch dem Ign. vorgelegen haben und daraus würden sich die einzigen wörtlichen Anklänge M. 7, 8 u. Phld. 7 am Besten erklären. Auch eine geschichtliche Grund- lage von Joh. 6 mag der verwandten Stelle Ign. R. 7 zu Grunde liegen. Eph. 6 dürfte allerdings näher mit Mth.10,40 verwandt sein, als mit Joh. 13, 20; aber auch dieses mit seinem afirjv aprjv Xiyo vfilv ist augenscheinlich eine Variante desselben echten Herren- worts. Dass solche johanneisch gefärbte Herrenworte auch ausser- halb des Joh.-Ev. und unabhängig von diesem in Kurs waren, beweisen Mth. 11,27, Lc. 10,22 und ähnliche Stellen; überhaupt kann kein Zweifel sein, dass etwas von dem spezifisch johanneischen Ton den Worten des Herrn selbst eigen war, und solche Sprüche waren wohl die Grundlage für njohanneische" Gedanken. Andrer- seits sind mehrere von den in Vergleich gezogenen Joh.-Stellen nur Reflexionen des Evangelisten. Hier fehlt bei Ign. und Justin jeder Anklang des äusseren Wortlautes, während im Gedanken Parallelen aus der Apoc, aus dem paulinischen Eph.-Brf. etc. vor- liegen (z. B. Joh. 7, 39, 11, 52. 1, 1. Cap. VI, vgl. Ign., Just., Aiö). Alles dies kann unsere Auffassung des Verhältnisses des Ign. zu Joh. nur bestätigen. Bei Justin bleibt auch die schwache Mög- lichkeit, dass er das 4. Ev. doch gelesen hat, aber es sind dann nur ganz wenige Stellen (Tab. III, 6. 7. 8. 17), welche Frucht dieser Lektüre sein könnten, von der seine Verwandtschaft mit Joh. im Ganzen jedenfalls unabhängig ist.

Bei Ign. müssen wir mit Sicherheit bei der Annahme völliger litterarischer Unabhängigkeit, aber starker geistiger Verwandt- schaft stehen bleiben. Diese Erscheinung ist nur zu erklären in einer zusammenfassenden Erörterung über die Beziehung des Ing.

144 v. d. Goltz, Ignatius.

zu dem Gedankenkreis der älteren kleinasiatischen Schriftsteller und Theologen überhaupt. Wir verschieben diese Erörterung bis zum Schluss, um zuerst noch das Verhältnis des Ign. zu seinen Zeitgenossen und zur späteren Entwickelung zu skizzieren.

III. Die geschichtliche Bedeutung der ignatianischen Auf- fassung des Christentumes in seiner Zeit und ihr Ver- hältnis zur späteren Entwickelung 1).

A. Ignatius und seine Zeitgenossen.

Die litterarischen Berührungen unserer Briefe mit den Schriften der anderen apostolischen Väter, abgesehen von Polycarps Brief an die Philipper, sind sehr gering (cf. Tab. III, b. c. d.) und be- weisen nirgends auch nur annähernd Entlehnungen.2) Ebenso sind Benutzungen der Ignatiusbriefe vor Irenaeus ganz unsicher (Lightfoot I. S. 135 ff.) und von ihm ab bis Eusebius auch nicht allzu reichlich und sich auf einzelne Sätze beschränkend. Erst seit dem 4. Jahrhundert wird Ignatius ein viel benutzter Schrift- steller. Von einer geschichtlichen Bedeutung des Textes unserer Briefe in der alten Kirche vor dieser Zeit kann aber kaum die Rede sein, ist wenigstens für uns nicht kontrolierbar. Anders steht es dagegen mit der geschichtlichen Bedeutung der Auffassung vom Christentum, welche uns in den Briefen repräsentiert ist. Der vorige Abschnitt hat gezeigt, dass Ign. bei aller Eigen- tümlichkeit doch nicht isoliert gestanden hat, was die Anknüpfung an die vorige Generation und die Fühlung mit älteren Zeit- genossen anlangt, welche auch in Asien lernten und lebten. Was für ein Schatz von diesen Männern der Kirche überliefert wurde,

1) Die in diesem Abschnitte folgenden Ausführungen wollen nur zur Charakteristik des Ign. noch einen letzten Beitrag geben und machen nicht den Anspruch, etwas Vollständiges zu bieten; sie lehnen sich im Wesent- lichen an die Lehrbücher der D. Gesch. von Harnack und Loofs an, aus denen auch die Mehrzahl der Citate aus Iren. Dion.-Areop. u. A. ge- nommen ist.

2) Was Zahn, I. v. A. S. 616 ff. und Völter a. a. 0. S. 37—54 da- von vorbringen, ist ganz haltlos und ist durch unsere Tabelle III einfach widerlegt und auf gemeinchristliches Gut reduziert.

III. Die geschichtl. Bedeutung der igu. Auffassung des Christentums. 145

tritt aber erst in helleres Licht, wenn wir uns den Unterschied vergegenwärtigen zwischen diesem asiatischen Heidenchristentume des Ign. und den vulgär -christlichen Vorstellungen und Auf- fassungen, die wir aus den Clem.-Briefen, dem Barn.-Br. und dem „Hirten" des Herrn, kennen. Wir haben bereits im ersten Teile in zahlreichen Einzelheiten auf solche Verschiedenheiten auf- merksam gemacht, sodass wir nur noch kurz die Grundzüge der Vergleichung zu skizzieren brauchen.

Zu der Ausbildung des nachapostolischen Heidenchristentums wirkten zwei Faktoren zusammen: das Erbe aus der Zeit der Apostel, d. h. eines wesentlich noch auf jüdischem Boden wurzeln- den Urchristentums, und das Erbe der heidnischen Vergangenheit, d. h. der Besitz griechisch-römischer Bildung und Kultur. Ver- gleichen wir also verschiedene heidenchristliche Auffassungstypen, so fragt es sich, wo die Kraft des Urchristentumes auch in der neuen, an sich der jüdischen gleichberechtigten Form am Besten erhalten, und wo am Meisten bei der Umpflanzung verloren ge- gangen ist, und welche Elemente des heidnischen Erbes sich fähig erwiesen haben, gesunde Träger des Evangeliums zu werden. Dass Ign. die anderen apostolischen Väter an christlicher Kraft überragt, braucht nicht besonders ausgeführt zu werden. Weil in unseren Briefen die Person Christi wirklich noch im Mittel- punkte steht in lebendiger Glaubensanschauung, und alles auf sie bezogen wird, ist die Möglichkeit der Verflachung schon viel geringer. Darum hat aber griechische Denkart bei Ign. kaum einen kleineren Anteil Es eignete sich griechische- Denkweise auch nicht in gleicher Weise die Form für das neue Evangelium zu werden, ohne dasselbe zu kürzen. So lange ein Grieche nur nach Weisheit und neuer Erkenntnis fragte, konnte er das Evan- gelium nicht recht verstehen. So lange die Heidenchristen nur nach den Geboten und dem Wege, unvergänglich zu werden, fragten, konnten sie die Religion der Freiheit nicht fassen. Bei diesen beiden Fragen ist aber in der Hauptsache sowohl die Lehre der zwölf Apostel, als der Hirte des Hermas und die Clemenspredigt stehen geblieben. Wir haben Beides auch bei Ign. gefunden, aber zugleich beobachtet, dass das Interesse an der wahren Erkenntnis ihm durchaus untergeordnet ist unter das des sicheren Lebens und Gotteserfassung, und dass die Hoffnung auf Un Vergänglichkeit und ewiges Leben auch wesentlich Hoffnung

Texte u. Untersuchungen XII, 3. 10

146 v* d. Goltz, Ignatiu«.

auf ewige Gemeinschaft mit Gott durch Christus ist, welche nicht erreicht wird durch gewissenhafte Befolgung einzelner christlicher Gebote, sondern durch ein Leben in Glauben und Liebe bis ans Ende. Es ist auch ein griechisches Interesse, welches Ign. dabei hat: die mystische Erfassung des Ewigen, des Unendlichen, Überzeitlichen, Gottes. Deutlich zeigen sich bei Ign. die Einflüsse jener geistigen Richtung der Kaiserzeit, welche Unvergänglichkeit und mystische Gotteseinigung in den zahllosen Mysterien suchte und selbst in ihren philosophischen Reflexionen diese Sehnsucht überall durchklingen Hess. l) Mit seinen griechischen Zeitgenossen hatte Ign. nach tpcoöiq #€Ot>, nach ärpfragöia, nach hXjtlq £<D7g gesucht; in der Person Jesu Christi hatte er dieses Höchste ge- funden, was er suchte, aber er hatte auch für sich nicht mehr gefunden, als er gesucht hatte. Die Auffassung des Heils ist bei ihm gerade in dem Masse beschränkt, als sein Heils bedürfnis beschränkt war. Die Wurzeln seiner Anschauung liegen in Beidem, in der griechischen Art seiner Zeit, religiös zu empfinden und zu denken, und in dem wertvollen mit Energie und Innigkeit an- geeigneten Erbe der Zeit der ersten Verkündigung des Evan- geliums; dass er letzteres nicht ganz verstanden, ist ihm nicht bewusst; vielmehr weiss er sich so sicher im Besitz eines absolut Neuen, dass er arglos Ausdrücke gebraucht und auf das Christen- tum überträgt, die aus dem griechischen Religionswesen stammten wie z. B. Eph. 12, a av/ifivcrai UavXov; R. 3 xa&aQov <pmq Xa- ßelv (vgl. Anrieh. S. 33 Plato Phaedon 250 c. ip avyf] xa&aQa), Tr. 7,2 0 hvxbq d-vCiaatrjQiov xa&ctQog kexiv u. Eph. 9 das Bild von der Prozession. Wichtiger als diese einzelnen Berührungen ist aber die Thatsache, dass seine ganze Anschauung auf dem Boden eines platonisch beeinflussten Griechentums wurzelt, während

1) Den Ein flu ss des antiken Mysterien wesens und der ganzen mit ihm zusammenhängenden Religionsauffassung der Kaiserzeit auf das Christen- tum hat 6. Anrieh in überzeugender Weise als einen in der altern Zeit allgemeinen unbewussten nachgewiesen (Das antike Mysterienwesen in seinem Einfluss auf das Christentum v. Lic. G. Anrieh. Göttingen 1894). Bei Ign. beschrankt sich die direktere Berührung auf die Neigung, die Heilsthatsachen als fivatiJQia (Eph. 19) aufzufassen und hinter den ge- schichtlichen Dingen geheimnisvolle überirdische Vorgänge zu sehen ; auch die kultischen Akte, bei denen die Diakonen halfen, heissen Tr. 2, 3 ftv- oirjQia. Dazu kommen obengenannte Einzelheiten der Terminologie; vgl. auch S. 88 ff.

III. Die geschieht!. Bedeutung der ign. Auffassung des Christentums. 147

z. B. Hennas und 2. Clem. viel stärker von dem stoischen Moralis- mus beeinflusst waren. Der grössere Idealismus platonischer An- schauungen war für die Annahme des Christentums nach seiner innern Seite vielleicht schon eine bessere Vorbedingung. Jeden- falls war der religiös-mystische Zug, der durch die damalige Zeit ging, eine solche und von ihm war Ign. sicherlich beherrscht, und dieses im eigentlichen Sinne religiöse Bedürfnis bereitete ihn für ein rechtes Verständnis des Christentums ganz anders vor als Philosophie oder Moral. Es ist also nur natürlich, dass derjenige unter den apostolischen Vätern, der gerade von der religiösen Mystik des Griechentums ausging, am Besten das Christentum erfassen konnte. In dieser Legierung verlor das Christentum am Wenigsten sein eigentümliches Gepräge, zumal, wenn wie bei Ign. das Bild Christi unverwischt erhalten blieb und eine verstandene kräftige Überlieferung aus der Zeit des Urchristentums den helle- nistischen Einflüssen das Gegengewicht hielt. Nur für das Er- greifen der Erlösung als Rettung aus sündlichem Verderben hatte Ign. wie seine Zeitgenossen kein Verständnis. Sie kennen nur die Befreiung von Tod und satanischen Mächten, und die fierdvoia ist nur ein Aufgeben des Irrtums. Bei Herrn, sind die Gebote Christi „nicht schwer" im katholischen Sinne, und er kennt daher schon überverdienstliche Werke; bei Ign. ist das ganze Leben an Gott und Christus gebunden , und die Lebensgemeinschaft mit Gott durch Christus macht alles sarkische Thun pneumatisch. Hierdurch ist ein unmittelbares, enges Band zwischen Religion und Sittlichkeit geknüpft, während bei Herrn, nur die Furcht vor Strafe, die Hoffnung auf Leben und die Verantwortung vor der Kirche und ihrem Herrn das Leben innerlich bindet. Auch das Eindringen antisarkischer Askese in der Beurteilung der Ehe ist bei Ign. noch aufgehalten durch die Beschränkung von der Em- pfehlung der Ehelosigkeit auf eine subjektive Berechtigung aus religiösem Interesse mit Rücksicht auf die Christusgemeinschaft. Wie ihn so einerseits die Mystik vor stärkerer Verflachung be- wahrte, so hat sie ihn doch andrerseits in Gefahren gebracht, vor denen seine sonst schon viel stärker katholisierenden Zeitgenossen bewahrt blieben. So sehr er nämlich die vir] verachtet, so innig verbindet er doch das Pneumatische und die Erscheinungsform desselben, die tfapg. Beides gehört untrennbar zusammen. Wo nun geschichtlich eine jtvevpa tragende (>«(>£ gegeben war, hatte

10*

148 d- Goltz, Ignatius.

das keine Gefahr. Aber bei der Übertragung des Gedankens auf die Kirche, das Abendmahl und auf den himmlischen Christus stellten sich Fehler ein. Wie der Volksglaube in den Mysterien, identifiziert er Symbol und Sache fast völlig und kommt dadurch zu einer im Ausdrucke sehr nahe ans Katholische streifenden Be- tonung des sinnlichen Darstellungsmittels, z. B. der Elemente der Eucharistie und des kirchlichen Amtes. Wir haben zwar ge- sehen, dass ihn eigentlich nur das Göttliche, Pneumatische in- teressiert, aber eben, dass ihm der Besitz desselben so ganz und gar abhängt von dem Verbundensein mit dem Sinnlichen, bringt ihn dem Gedanken so nahe, das Pneumatische mit dem Sarki- schen zu identifizieren, so weit er auch zunächst davon entfernt ist. Dieser Gefahr ist erst durch zu scharfe Trennung die gno- stische Schule, später durch zu starke Identifikation die ganze alte und spätere katholische Kirche erlegen.

Erklärt sich also der Vorzug des Ign. einerseits daraus, dass er gerade das religiöseste Element des Griechentumes das Geföss werden lässt für den ererbten Schatz, so hat andrerseits die Lebendigkeit und Unmittelbarkeit seines Christentums zur Folge, dass diejenigen anderen griechischen Elemente, die sich naturgemäss auch noch finden, keinen erheblichen Einfluss be- kommen. Hierhin gehören gewisse platonisierende Spekulationen über die aQyal und hgovoicu und den xotefioq kxovQaplcov xdi hmytimv, und auch wohl an das Wort Xoyog sich anknüpfende Gedanken doch in unseren Briefen ohne Kosmologie; ferner rein eudämonistische Motive in der Ethik und der stoische Grundsatz: firjdev £jti&vfielv; schliesslich das philosophische apo- logetische Interesse, welches die Übereinstimmung der Glaubens- vorstellungen mit den geistigen Bewegungen und Erkenntnissen der Zeit sucht, d. h. das eigentlich Dogmatische. In alledem ist Ign. so wenig wie die anderen apostolischen Väter Theoretiker und Theologe. Nur soweit es das praktische Leben des Christen- tums selbst mit sich bringt, stellt er Reflexionen an zum Schutze gegen Irrlehren; aber selbst in diesem Kampfe ist die eigene un- mittelbare Glaubensgewissheit seine Hauptwaffe, und weil es diese ist, so braucht er keine breiten, moralistischen Erörterungen wie Herrn., keine typologisch umgedeuteten aQX^a wie Barnabas und keinen grossen exegetischen Apparat bei seinen Ermahnungen (wie 1. Clem.), weil alles eng und unmittelbar mit der Wurzel

III. Die geschieht!. Bedeutung der ign. Auffassung des Christentums. 149

des Lebens, der durch Christus gewonnenen Gottesgemeinschaft, verknüpft ist, und weil dieser Christus nicht nur als eine über- lieferte Figur, ein göttlicher Lehrer oder vom Himmel gekom- menes Geistes wesen vor seinem Auge steht, sondern als eine lebendige, geschichtliche Persönlichkeit. Clem. Rom. hat auch in seiner Paränese die Beziehung auf Gottes und Christi Liebe, auf sein Vorbild und sein Wort, aber mehr als Unterstützung der aneinander gereihten Ermahnungen, nicht als Wurzel und zu- sammenhaltendes, tragendes Band des Ganzen, und bei Herrn, und 2. Clem. ist überhaupt die Aussicht auf Lohn und Furcht vor Strafe das eigentlich Beherrschende. Nur da, wo die religiöse Mystik des Ign. an Übertreibung streift, stellen sich auch sofort die Spuren von fremdem Einflüsse ein, sei es durch den Hass gegen die vZrj und die stoische Mahnung (tfjöev kjti&vfielv, sei es durch zu starke Betonung der sarkischen Seite der Kirche, d. h. des kirchlichen Amtes, oder der eucharistischen Darstellung d. h. der sinnlichen Elemente. Aber Ign. ist durchaus noch fern von der isolierten Wertschätzung der kyxQarsia (Herrn.), von der Cyprianschen Auffassung des kirchlichen Amtes und selbst von des fieraßolrj der Elemente in der Justinschen Eucharistie. Deut- lich ist nur der nachapostolische Charakter in der dogmatischen Art und Weise, in welcher auch Ign. die Apostel und ihre öia- raYfdara würdigt und in ehrfurchtvoller Pietät zu ihnen hinauf- schaut. Aber auch hier steht er ihrer Zeit nicht nach in der Gewissheit, den heiligen Geist zu besitzen und in seinem Namen zu sprechen. Er hat es noch nÖthig, sich darüber zu äussern, dass er nicht die Autorität eines Apostels beanspruche, welche ihm die kleinasiatischen Christen augenscheinlich einräumten.

Die Einfachheit und Unmittelbarkeit des ignatianischen Chri- stentums, die seinen Vorzug bilden, haben jedoch auch eine ge- wisse Armut zur Folge. Die Heidenchristen, welche die reiche jüdische und alttestamentliche Gedankenwelt sich nur fragmen- tarisch und oberflächlich aneignen konnten, mussten andrerseits mit der Gedankenwelt ihrer Vergangenheit möglichst brechen und behielten dann, was klare Gedanken und tiefere Erkenntnis anbetrifft, nicht viel übrig. Daher rührt die Gedankenarmut der apostolischen Väter, welche den Ersatz in der Kraft des Ur- christentumes nicht mehr besassen und doch eigene neue Formen weder schaffen konnten noch zu schaffen sich veranlasst fühlten.

150 d. Goltz, Ignatius.

An diesem Mangel hat auch Ignatius Anteil. Aber nicht nur be- sitzt er dafür noch sehr viel reichere urchristliche Kraft und viel engere Fühlung mit der apostolischen Überlieferung, sondern es zeigen sich bei ihm im Kampfe mit den Doketen bedeutsame Ansätze zu dogmatischer Formulierung, und zwar, seinem Ge- samtcharakter gemäss, grade in der Christologie. Es ist nur nicht zu entscheiden, ob Ign. jene Formeln allein aufgestellt oder auf Grund einer schon in der Gemeinde üblichen Ausdrucksweise. Jedoch bleibt das dogmatische Interesse des Bischofs ein durch- aus durch die praktische Veranlassung beschränktes, ein inner- kirchliches. Gegen die „Welt" ist er viel zu scharf abgeschlossen, um sich mit ihren Gedanken auseinanderzusetzen. Daraus erklärt sich der grosse Abstand der Gesamtauffassung bei Ign. und Justin, wie auch den anderen Apologeten, obwohl, wie wir gesehen haben, Justin partiell unter dem gleichen Einflüsse gestanden haben muss. Der Gottesbegriff ist bei Justin abstrakt -philosophisch, bei Ign. nur persönlich-religiös, ohne jedes kosmische Interesse. Christus ist nicht depotenzierter öevtegog &s6g, sondern Gott ganz offen- barend, als Xoyog nicht CJtSQfiarixog, sondern ajto öiyijg JtQoeX- &a>v d. h. etwas ganz Neues. Die Erlösung ist nicht Entbindung der menschlichei Naturtugenden, sondern reale Befreiung von Tod und Teufel und Erneuerung zu einem neuen Menschen, durch mystische Einigung mit Gott durch Christus. Die Unter- schiede in der Ethik sind wesentlich dieselben wie die von Herrn, etc. Beweise fürs Christentum kennt Ign. keine anderen als die unmittelbare Glaubensgewissheit und eine Bewahrung von Glauben und Liebe bis in den Tod. Den bei Justin so hoch- gehaltenen Weissagungsbeweis achtet der Bischof nicht allzu- sehr, und ein Interesse für die Aussöhnung mit griechischer Weisheit liegt ihm ganz fern. Demgemäss ist auch nirgends etwas von reflektiertem, philosophischem Einflüsse bei Ign. merk- bar, während Justin natürlich viel vom Gegner annahm. Da, wo der Bischof mit fremden, judaisirenden und doketischen Ele- menten in Kampf steht, kämpft er wenig mit Gründen, sondern nur auf Grund der besten Überzeugung, im Besitze der Wahr- heit zu sein und diese durch autoritative Selbstbehauptung sich zu erhalten. Aber der Umstand, dass er überhaupt für Reinheit der Lehre zu fechten hat, übt entschieden einen anregenden Ein- fluss auf ihn aus und führt in Anknüpfung an das apostolische

111. Die geschieht!. Bedeutung der ign. Auflassung des Christentums. 15]

Erbe zu neuen originellen Reflexionen über die olxovoftla sie xaivov avd-QWJtov. Nur die mehr naturhafte als psychologisch- ethische Art, in welcher er sich die Erneuerung zur neuen Mensch- heit denkt, auf Grund der mystischen Einigung mit dem xaivbq av&QWJtog, welcher die verheissene ?va>oiq zunächst in sich selbst darstellt, bedeutet eine Übersetzung der urchristlichen Gedanken ins Griechische. Auf das Ganze gesehen hat aber Ign. den über- nationalen, universalen Charakter des Christentums sehr viel treuer bewahrt als seine Zeitgenossen, von denen die einen das Judentum und das A. T. (Barn., auch Just.) und die jüdisch-es- chatologische Richtung übermässig stark auf sich einwirken Hessen, die anderen über ihre heidnischen Vorstellungen sich nur in Ein- zelnem energisch erheben konnten (d. Moralisten Herrn. 1 und 2 Gem. und die Apologeten). Ist damit die ignatianische Auf- fassung des Christentums als die reichste, reinste und innerlich wertvollste charakterisiert, die aus dem Anfange des zweiten Jahrhunderts uns bekannt ist, und haben wir guten Grund anzu- nehmen, dass diese Kombination griechischer und johanneischer Mystik, reicher urchristlicher Überlieferung und eines durch Ge- gensätze angeregten Reflexionsvermögens auch sonst verbreitet und gepflegt war, so muss auch gerade diese Gedankenwelt als die fruchtbarste einen bedeutenden Einfluss auf die weitere dog- mengeschichtliche Entwickelung gehabt haben, auch wenn der Text unserer kleinen Briefe dabei keine wesentliche Rolle ge- spielt hat.

B. Ignatiu8 und die spätere Entwickelung.

1. Die Ansätze zur nächsten geschichtlichen Weiterbildung.

Dass wir die Fortsetzung dieser Linie nicht bei den Apolo- geten suchen dürfen, haben wir bereits gesehen. Folgen wir dem Gange der historischen Entwickelung, so verliert sich für uns zunächst die Spur dieser geistigen Strömung in der Kirche auf einige Jahrzehnte ganz, abgesehen von dem, was bei Just, frag- mentarisch zu finden ist1). Es kann deshalb zunächst nur die Frage aufgeworfen werden, ob und in welchem Masse Elemente

1) Was hierbei wesentlich in Betracht kommt, ergiebt die Tabelle 111, über das Verhältnis zum Joh.-Ev., von selbst.

152 v- d. Goltz, Ignatius.

der ignatianischen Anschauung die Ausbreitung sowohl der marcio- nitischen als der gnostischen Bewegung günstig vorbereiteten. Ign. selbst kann höchstens den Anfangen „gnostischer" Be- wegungen schon gegenübergestanden haben, denn seine Gegner sind nur Doketen und greifen noch nicht das A. T. selbst, son- dern nur den Weissagungsbeweis in Bezug auf Tod und Auf- erstehung Jesu an.

a) Gnostiscne Elemente.

Aber in den Anschauungen des Bischofs selbst stecken Elemente, welche sich gnostischen und marcionitischen Ansichten nähern. Von allem wird seine Auffassung von aaQ§ und nvevfia hierhin zu rechnen sein, von der wir bereits sagten, dass sie der völligen Trennung beider Sphären gerade so nahe steht wie einer Identifikation, und wenn auch der Gegensatz der aaoxixoi und jivEVfiarixoi religiös-ethisch zu verstehen ist, so macht sich doch sonst die Neigung bemerkbar, die Heilswirkung physisch ver- mittelt zu denken. Auch die mythologische Form des Dualismus, welche sich in den gnostischen Systemen voll ausgeprägt hat, ist bei Ign. in der Vorstellung von dem jtoXsfiog txovQavicov xai ijtiyslxov und von der Vernichtung des ccqxodv rov almvoq rov- rov, in der Trennung der Welt Gottes und der Welt des Teufels, in der Unterstellung aller himmlischen Mächte unter die Ent- scheidung des Erlösungswerks Christi ansatzweise vorhanden. Überhaupt herrscht in dem Kap. 19 u. 20 des ignatianischen Epheserbriefes ein Geist, der in den gnostischen Schulen später zur Herrschaft kam. Feierliches Geheimnis, Hinweis auf über- irdische Vorgänge, Bewegung des Alls infolge der Offenbarung Jesu Christi, und dies Alles ausgedrückt in Bildern aus der Himmelswelt. Jesu Christi Person ist bei den Gnostikern ebenso wie bei Ign. der Mittelpunkt des Erlösungsdramas, und zwar eben deshalb, weil die Gottheit in ihm erschaubar und das Pneuma- tische erreichbar erschienen ist. Für die Aneignung dieses Heils sind die Sakramente auch dem Ign. ein wesentliches Mittel, wenn auch nicht das einzige, und ein Ausdruck, wie „g>aQfiaxov ä&a- vaölag", ist nicht allzuweit von der physisch -magischen Vor- stellung der Gnostiker und der späteren Kirche entfernt, obschon wir sahen, dass hier die Annäherung des Ausdrucks stärker ist,

III. Die geschichtl: Bedeutung der ign. Auffassung des Christentums. 153

als die Annäherung der im Wesentlichen noch lirchristlichen Anschauung. Weiter ist in dieser Richtung bemerkenswert, dass das Zurücktreten aller sinnlichen eschatologischen Züge und der Verzicht auf allegorische und typische Auslegung des Alten Testa- ments im christlichen Sinne bei Ign. schon ebenso zu beobachten ist, wie später bei den Gnostikern. Dagegen macht sich von be- sonderer Betonung der yvmöiq bei Ign. nichts geltend, obwohl seine tvcoöiq &€OV wohl nicht sehr verschieden war von dem, was man in der yvwöig suchte. Auf Grund dieser Berührungen etwa eine direkte Beeinflussung des Ign. durch Anfänge gnos- tischer Schulen oder Sekten anzunehmen, ist natürlich ganz ver- fehlt. Soweit überhaupt schon Anfänge einer „gnostischen" Sonderbewegung im Gegensatz zum kirchlichen Gemeindeglauben vorhanden waren, war Ign. ihr schärfster Gegner. Dagegen zeigt sich deutlich, dass Ign. selbst unter dem Einfluss der eigentüm- lichen hellenistischen Geistesrichtung jener Zeit gestanden hat, welche in den Gnostikern nur ihre konsequente theoretische Aus- prägung gefanden hat. Grade bei ihm zeigt sich aber auch, wie der Glaube an den geschichtlichen Christus, die Erinnerung an die Thatsaehen seines Lebens, eine gute Überlieferung aus der Zeit der ersten Verkündigung, eine gesunde Auffassung des neuen sittlichen Ideals, die Überzeugung von dem einen Gott der ganzen Welt, dem Vater Jesu Christi, und das Festhalten am A. T., alle diese Momente zusammen, das Gegengewicht und den Schutz gegen jene hellenistischen Einflüsse gebildet haben. Weil der Kampf erst in den Anfängen ist, so ist die Differenz auch noch weniger gross und wir können in unseren Briefen noch beide Strömungen unvermittelt verbunden sehen, die später stark diver- gieren. Soweit der Kampf bereits entbrannt ist, tritt Ign. mit Feuereifer für den alten christlichen Glauben gegen Theorien auf, die eigentlich nichts waren, als die richtige theoretische Konse- quenz seiner eigenen Grundanschauung, sobald man sein „ovöev <paiv6(ievov aya&ov" in eine Theorie umsetzte. Weil Ign. aber kein wissenschaftlicher Theologe war, und nur in der Liebe zu seinem Herrn wirkliche Konsequenz kannte, verfiel er dieser zu Liebe in eine theologische Inkonsequenz, von der er selbst nichts merkte. Die Lösung des Widerspruchs hätte nur geschehen können durch eine principielle Änderung und Vertiefung der antiken Grund- anschauung vom Wesen Gottes und vom Wesen des Verhält-

154 v- d. Qoltz, Ignatius.

nisses der Menschen zu ihm. Zu solcher Lösung waren wohl weder dem Igri. noch seinen Zeitgenossen griechischer Bildung die geschichtlichen Bedingungen gegeben.

b) Marcion.

Ein besonderes Interesse darf noch ein Vergleich des Ign. mit Marcion beanspruchen. Zunächst scheinen allerdings seine Gegner und nicht der grimmige Feind der Doketen mit jenem Häretiker verwandte Züge zu haben. Die Verbindung von Do- ketismus und einer ihm günstigen Auslegung der Propheten er- scheint als ein direkter Ansatz zu den marcionitischen Bestre- bungen. Das Eintreten für den Glauben an den Einen Gott, den schon die Propheten verkündet und der sich endgültig durch seinen Sohn offenbart hat, die Betonung des wahren Leidens und der wahren fleischlichen Auferstehung Christi könnten direkte Thesen gegen marcionitische Behauptungen sein. Aber es fehlt hier nicht nur an allen speziellen Zügen der Kontroverse, vor Allem der Ablehnung der Trennung beider Testamente, sondern die Annahme, dass Ign. es mit den Anfangen der marcionitischen Bewegung zu thun habe, ist auch dadurch unmöglich gemacht, dass er selbst, ähnlich wie Marcion, gegen Judaismus eifert. Wir stehen sicherlich noch geraume Zeit vor dem Beginn der marcionitischen Bewegung; da ist es nun äusserst interessant zu beobachten, dass in den Anschauungen des Ign. für die Auf- fassung des Marcion ebenso gut Keime liegen, als für die katho- lische Entwicklung. So finden wir bei Marcion später dasselbe Schwanken zwischen einer modalistischen religiösen Identifikation von Christus und dem geoffenbarten Gott und einer Auseinander- haltung von Vater und Sohn, wie schon bei Ign. Ein Spruch, wie Lc. 10, 22, der sicher im Evangelium des Marcion einer der wichtigsten war, entstammt ganz der johanneischen, ignatiani- schen Gedankenwelt, und das völlige Zurücktreten aller kosmi- schen Gottesprädikate hinter dem einen Namen „Vater Jesu Christi", die Idee von der Oiyri und r^Cv^ia des aoQarog und ayivvTjTog &e6g vor seiner Offenbarung durch Christus und die starke Betonung der xcuvottjq seiner Erscheinung sind bei Ign. unverkennbare Parallelen zu den Grundgedanken Marcions. Nur Ign. und Marcion haben im 2. Jahrhundert mit religiöser Energie

III. Die geachichtl. Bedeutung der ign. Auffassung des Christentums. 155

Alles an Jesus Christus gemessen und seine Person als Mass- stab aller Beurtheilung gemacht und haben deshalb Beide die universale Bedeutung des Evangeliums und seine principielle Freiheit im Gegensatz zur alttestamentlichen Religion erkannt. Vor den Übertreibungen und Gewaltsamkeiten des Marcion ist Ign. bewahrt geblieben durch eine engere Fühlung mit der ge- schichtlichen urchristlichen Überlieferung und infolgedessen durch seine Ablehnung des Doketismus und sein Festhalten an den auch von Christo beglaubigten Propheten. Ohne diese Fühlung mit den Erinnerungen der ersten Christenheit hätte auch Ign. es vermocht, um Christi willen sich über ägxsla d. h. heilige Schriften hinwegzusetzen, wie Marcion es gethan. Den Mangel an apologetischem Interesse, das Fehlen allegorischer Schriftbe- nutzung teilt Marcion noch mit ihm. Über die Ansätze zum Dualismus, welche sich bei Ign. finden, gilt das beim Vergleich mit dem Gnosticismus Gesagte. Scharf entgegengesetzt ist die Stellung Beider zur Askese. Den Streit, ob Furcht oder Liebe im Christentum die Herrschaft haben solle, welchen Ign. mit dem „feV rmv ovo fiovov sv 'Iqö. Xq. evQe&ijvai" schlichtet, hat Marcion einseitig zu Gunsten der Liebe entschieden und einen geschicht- lichen Dualismus daraus gemacht. Überall sehen wir also, wie bei Marcion zur durchbrechenden Konsequenz und Entscheidung kommt, was bei Ign. principiell vorbereitet mit unbewussten und unvermittelten Gegensätzen schon vorhanden ist. Wir haben ein Recht, zwischen der Anschauung des Ign. und der Bewegung des Marcion einen unmittelbareren geschichtlichen Zusammenhang zu vermuten, als mit den eigentlichen gnostischen Bewegungen. Waren die Anschauungen des Ign. weiter verbreitet und erhielten sich dieselben noch bis zu der Zeit, wo die geschichtliche Erinne- rung erloschen und die persönliche Fühlung mit dem Urchristen- tum verloren gegangen war, so bedurfte es nur einer energischen religiösen Persönlichkeit, um das lockere Band mit dem A. T. zu zerreissen, aus der griechischen Anschauung vom Wesen des Göttlichen und Menschlichen, Geistigen und Fleischlichen auch in der Christologie die noch zurückgehaltene Konsequenz zu ziehen, und so aus dem ignatianischen ein marcionitisches Chri- stentum zu machen. Der Rückgang auf Paulus war dem Marcion der einzig mögliche Ersatz für den Verlust der geschichtlichen Erinnerung und der unmittelbaren Glaubensgewissheit der en-

156 v- d. Goltz, Ignatius.

thusiastischen Zeit. Soweit Ign, schon einen solchen Ersatz bedurfte, besass er ihn nur in der griechischen religiösen Mystik.

c) Irenaeus.

Ihre eigentliche Weiterbildung aber findet die Anschauung des Bischofs, der solches Gewicht auf die Einheit mit der Kirche Christi und der Apostel legt, nicht in solchen häretischen Be- wegungen, sondern in der Theologie der antignostischen Väter, vor Allem der des Irenaeus. Bei ihm finden sich zuerst wichtige Grundzüge der ignatianischen Gedankenwelt in unverkennbarem Zusammenhange wieder. Das Theologumenon von der olxovofiia elg xaivov av&Qcojtov, welches Ign. im Anschlüsse an den pau- linischen Eph.-Br. aufgestellt hat, hat Irenaeus augenscheinlich aus der kleinasiatischen Kirche aufgenommen und dann weiter ausgestaltet1). Es findet bei Irenaeus in ausgeführter theologi- scher Weise dieselbe Verknüpfung der griechischen Auffassung des Heilsgutes mit urchristlichen Gedanken statt, wie in noch ursprünglicherer, einfacherer Art bei Ign. Gemeinsam ist auch der christocentrische Charakter der Gedankenwelt, und die rea- listisch-mystische Auffassung der Erlösung. Dieselbe knüpft sich unmittelbar an die Gesamtanschauung der Person Christi, ohne dass die besondere Bedeutung von Tod und Auferstehung ganz in den Hintergrund tritt. Vollzogen ist die Erlösung dadurch, dass Gott im Menschen sich geoffenbart und sich mit ihm ge- eint hat und in Chr. urbildlich die evmoig jivBV/iaxixr) xai OaQ- xixr\ realisiert ist. Es fällt deshalb bei beiden ein sehr starker Accent auf die Menschheit Jesu und die Realität seines Fleisches und Todes, und es finden sich sehr ähnliche Formeln, welche die göttliche und menschliche Seite einander gegenüberstellen 2).

1) Gf. auch schon Just ovvzay/ia adv. Marcion. bei Irenaeus IV, 11, * (nach der Harwey' sehen Ausgabe) ab uno Deo, qui etc. unigenitus filios venit ad nos suum plasnia in senietipsuni recapitulans. Dial. 100 bei Otto. II, 358 (vgl. Loofs, D. Gesch. 18, 9).

2) Iren. III, 17, 6 invisibilis visibilis factus est et incomprehensibilis factus comprehensibüis et impassibilis passibilis et Verbum homo universa in semetipsum recapitulans; cf. dgl. Melito fragm. 13 mit Pol. 3. Eph. 6; vgl. auch Iren. III, 19, 6 TJvatas ovv xuödag 7tQoi<pa/iSv xov av&Q<onov rtp #f<jj u. s. f.

III. Die geschichtl. Bedeutung der ign. Auffassung des Christentums. 157

Jedoch ist die Bedeutung dieser Gegenüberstellung nur insoweit dieselbe, als Irenaeus mit der Betonung der Menschheit Jesu auch eine Polemik gegen Doketen verbindet. Der Hauptgedanke des Irenaeus aber, dass, um die Mitteilung der apd-aQöia möglich zu machen *), eine Einigung von Gott und Menschheit notwendig ist, liegt bei Ign. nur implicite vor, denn die Frage: cur deus homo hat er sich noch nicht gestellt. Er hat Gott in seinem Offenbarer Christus erfasst, und verteidigt gegen doketische An- griffe die wirkliche scheinlose Geschichtlichkeit dieser Offenba- rung. „Mensch" ist dem Ign. nicht in erster Linie Gattungsbegriff wie dem Irenaeus, sondern die an die thatsächliche geschicht- liche Überlieferung sich anschliessende Form für die Betonung der scheinlosen Wirklichkeit. Irenaeus steht einer „Zweinaturen- lehre" schon bedeutend näher als Ign. Deshalb fehlen letzterem auch alle Adam-Christus-Spekulationen und sein: riXeiog avO-QO- jtoq weist mehr auf das erreichte Ideal des Menschen am Schlüsse der Entwickelung als auf eine uranfangliche Bestimmung. Die tvotrjq &eov xal jjfi&p, ja überhaupt die mystische Einheit ist erst durch den religiösen Glauben und unter Voraussetzung der Liebe gegeben, also nur in der Kirche, nicht aber schon in der vorchristlichen Menschheit. Irenaeus hat bezüglich der Rück- sicht auf die vorchristliche Heilsgeschichte mehr von Paulus an- genommen und hat Christus auch zum Mittelpunkte der ver- gangenen Geschichte der Menschheit von Anfang an gemacht während Ign. dabei stehen bleibt, eine vom Christus-Geist beseelte Frömmigkeit der Propheten anzuerkennen und zugleich die abso- lute Neuheit des Christentums zu betonen. Immerhin liegen bei ihm in dem Gedanken an die olxovofila eiq xaivov av&Qcoxov und in der Hoffnung, die sich in dem Worte: „av&Qcojtog eoo- ficu" ausdrückt, deutliche Ansätze zu der Adam-Christus-Speku- lation des Irenaeus. Leicht lässt sich diese an die noch unent- wickelten Gedanken des Ign. anknüpfen. Einzelne Thatsachen des Lebens Jesu zieht Iren, im Zusammenhang seiner Rekapitu- lationstheorie viel häufiger heran, als Ign.; und doch hat letzterer augenscheinlich ein menschlicheres und geschichtlicheres Bild

1) Cf. bes. Iren. III, 19, 6 st (xij ovvTjvw&r] b üv&Qumog toi &eoi, ovx av ydvvq&ti fjtstaoxeiv x^q dtpOaQoiac. Ign. dagegen sagt: bvotijq &fol xal Tifjuüv ohne Betonung der allgem. Gattung „Mensch".

158 v- d. Goltz, Ignatiua.

vom Herrn, als der altkatholische Vater, dem die einzelnen Züge des Lebens Jesu nur zum Beweis der Konstitution Christi dienen, während Ign. gegen die Doketen sie zwar zur Verteidigung ver- wendet, aber zugleich den relgiösen und sittlichen Charakter Jesu Christi zu würdigen versteht. Wenn Iren, die Heilsveranstal- tungen Gottes in mystisch -dramatischer Weise als Sieg Gottes über seinen alten Gegner, den Teufel, als Vernichtung des Todes und Beschaffung des Lebens ansieht, ohne die Sündenvergebung und die innere Erneuerung der Herzen zu berücksichtigen, so gleicht ihm Ign. auch schon hierin. Dagegen ist das positive Heilsgut bei Ign. nicht wie bei Irenaeus eine Vergeltung des Menschen und „der Menschheit", sondern individueller und reli- giöser ein &80V sjiitvyxavsiv und tvco&fjvai. Das mystische Element ist bei Ign. noch stärker, das moralistische und intellek- tualistische, sowie die naturhafte Auffassung der geistigen Dinge noch geringer.

Eine wichtige Übereinstimmung aber liegt wiederum darin, dass Beiden das letzte Gesamtziel der Erlösung die Sammlung der neuen Menschheit in eine mystische Einheit, die Barche, ist, in welche auch die himmlischen Mächte, die an Christi Blut glauben, eingeschlossen sind1). Es sind also gerade die christo- logischen und so teriologischen Hauptgedanken des Irenaeus, welche sich als eine Ausgestaltung der ignatianischen Anschauungen darstellen.

Es darf aber nicht übersehen werden, dass sich bei Irenaeus noch apologetische und antignostische Einflüsse geltend machen, von welchen bei Ign. noch nichts zu spüren ist.

Es scheinen mir im Wesentlichen folgende Punkte zu sein, durch welche sich Irenaeus charakteristisch von Ign. unter- scheidet:

A. Unter dem Einflüsse des Gnostizismus: .

1. Die Entwicklung der einfachen Glaubensgedanken zu einer Theologie überhaupt, welche bei Ign. nur da be- merkbar wird, wo auch er schon gegen Doketen zu kämpfen hat.

1) Iren. III, 17, G uti sicut in coelestibus et spiritalibus et invisibilibus princeps est verbum Dei, sie et invisibilibus et corporalibus prineipatum habeat, in semetipsum primatum assumens et apponens semetipsum caput ecclesiae, universa ad semetipsum habeat apto in tempore.

III. Die geschichtl. Bedeutung der ign. Auffassung des Christentums. 159

2. Die Auffassung der Person Christi nicht nur als Mit- telpunkt des Glaubens und der Kirche, sondern auch als Mittelpunkt einer Geschichte der Menschheit von Anfang an.

3. Demgemäss die Konstruktion einer Heilsgeschichte unter der Idee einer avaxecpaXaicoöig (vgl. schon An- sätze bei Justin).

4. Die physische Auffassung von Heilsvennittelung ist noch viel stärker ausgeprägt, besonders beim Abendmahle 1).

5. Spekulativ-kosmologische Erörterungen.

0. Typische Erklärung und reiche Ausbeutung des A. T. und Milderung des Anti-Judaismus.

7. Gebrauch der neutestamentlichen Schriften und der apostolischen Tradition zum Beweise.

8. Die Aufnahme der urchristlichen (jud.) Eschatologie.

B. Unter dem Einflüsse der Apologetik:

1. Im Gottesbegriffe herrscht bei Irenaeus das kosmo- logische, bei Ign. noch das rein soteriologische In- teresse vor.

2. Der religiöse Modalismus 2) in der Christologie ist bei Irenaeus stärker als bei Ign. beeinträchtigt durch die an den Aoyo$-Begriff sich anknüpfenden Gedankenreihen, welche zu dem „öevrsQog d-sog" hinneigen.

3. Die Betonung des freien Willens des Menschen, der sich sein Heil schafft, tritt viel stärker hervor, als bei Ign. und demgemäss herrscht die moralistisch -katho- lische Auffassung des christlichen Lebens vor.

Trotz dieser Verschiedenheiten ist die Verwandtschaft der Grundgedanken des Irenaeus mit denen des Ign. so gross, dass man an einem direkteren geschichtlichen Zusammenhange beider Ideenkreise nicht wird zweifeln dürfen, wenn man auch darauf verzichten muss, eine Traditionslinie an bestimmten Personen nachzuweisen. Auf die dogmengeschichtliche, geistige Entwicke-

1) Cf. bes. Iren. V, 2, 2. Dagegen ganz ignatianisch IV, 31, 4 tvtoaiq gccqxoq xal nvev/tavoQ.

2) Ganz die Gedanken des Ign. giebt die Formel des Irenaeus wie- der: IV, 11, 4 omnes viderunt in filio patrem, invisibile enim tilii pater, visibile autein patris filius.

150 v. d. Goltz, Ignatius.

hing im Ganzen gesehen, ist die Linie Johannes- Ign.-Irenaeus viel deutlicher gezeichnet als die durch äussere Zeugnisse beglau- bigte Johannes -Polycarp-lrenäus. Zugleich aber ist hierdurch auch die Schranke gekennzeichnet für die Verwertung einer sol- chen Linie überhaupt. Es sind nur eine Reihe geistiger Eigen- tümlichkeiten und christologischer und soteriologischer Ideen, die sich vererbt haben, während von einer geschichtlichen Tradition über Ereignisse, Persönlichkeiten und Verhältnisse wenig zu mer- ken ist. Keinesfalls darf, obgleich Irenaeus ausser dem Röm.-Brf. auch die beiden anderen kleinen Briefe1) gekannt haben kann, die Verwandtschaft auf Benutzung unserer Texte allein zurück- geführt werden. Sie muss kirchlich vermittelt sein, wobei natür- lich die Briefe des Ign. auch einen Einfluss haben können, wenn auch schwerlich einen direkten.

2. Anticipationen der spätem Entwicklung.

a) Christologie und Heilsauffassung. «) Melito, Ep. ad Diogn.

Eine Fortwirkung dieser Theologie können wir, abgesehen von dem allgemeinen Einflüsse des Irenaeus, fragmentarisch auch noch weiterhin verfolgen. Nicht nur hat Melito einen Teil dieser Gedankenreihen geteilt (vgl. Loofs, § 21, 2), sondern auch der Brief an Diognet zeigt in seiner Betonung der Liebe Gottes und in seiner Beurteilung des A. T. auffallende geistige Verwandtschaft mit Ign.

ß) Der theoretische Modalisinus.

Sein religiöser Modalismus ist später von den Patripassianern in einen durchgeführten theoretischen Modalismus umgewandelt

1) Lightfoot I. S. 143 u. 340 vergleicht noch Iren. III, 11, 8 mit Eph. 17 {nvEiv a<p&aQaiav)\ IV, 52, a mit Tr. 10, Sm. 2 (avzol xo öoxelv ovrsq); Iren. III. 2, 2 mit Sm. 4. Dazu Zahn, I. v. A. S. 515. 516: Iren. I, 1, 6 {alxfJitxXmxityOvotv dnb xtjq äkrjöeiaq mit Phil. 2. Eph. 17); Iren. 111,4, 1 devitare ixxXlvsiv mit Eph. 7; und concludentes aures = ßvoavxeq tu tova Eph. 8; Iren. II, 32, 2 (mortem et ignorantiam destruxit) vgl. mit Eph. 19, Tr. 4; II, 31, 4 (Abendmahl) vgl. mit Sm. 7; Iren. IV, 5, 6 (Der Geist der alttest. Proph.) mit M. 8; Iren. I, 25, 2 mit Tr. 6 (todbringendes Gift). Eine litterarische Entlehnung beweist jedoch keine dieser Stellen mit irgendwelcher Sicherheit, dagegen ist die Ähnlichkeit der Gedanken ganz offenbar.

III. Die geschichtl. Bedeutung der ign. Auffassung aes Christentums. Ißl

worden, für welchen Noet sich einer sehr an Ign. anklingenden Formel1) bedient.

y) Methodius (der realistisch- mystische ErlösungsbegrifF).

Der Einfluss der irenäischen Auffassung der Erlösung ist in späterer Zeit bei Methodius besonders deutlich. Er fasst die Er- lösung als Verklärung des Leiblichen und Vereinigung mit Gott, bildet aber gerade die Adam-Christus-Spekulation weiter aus, die Irenaeus über Ign. hinaus hat. An diesen erinnert aber doch Methodius, insofern, als er die Erlösung an die Konstitution Christi anknüpft und den asketischen Zug, den Ign. nur erst in dem Aus- druck eig Tipr/v rijg OccQxdg xvgiov zeigt, ganz ausgebildet hat. Hier wird wieder recht deutlich, wie stark Ign. die Entwickelung in der griechischen Kirche anticipiert. Dies hinsichtlich der Christologie und Heilsauffassung noch an andern Beispielen näher auszuführen, würde aber Wiederholungen veranlassen von dem, was wir über den Einfluss des Hellenismus auf Ign. bereits oft ausgeführt.

b) Begriff der Kirche.

a) Cyprian.

In dem anderen Hauptstücke der ignatianischen Anschauung neben der Christologie, seinen Ideen von der christlichen Kirche, bestätigt sich ebenfalls die Beobachtung merkwürdiger Antici- pationen. Dass seine Stellung durchaus noch nicht die katho- lische ist, haben wir gesehen. Aber seine Auffassung hat in ihrer spezifischen Eigentümlichkeit ihre Weiterbildung nicht etwa bei Cyprian. Dies kann nur insofern gesagt werden, als Cyprian, durch einen Notstand der Kirche angeregt, auf Grund des be- stehenden Vorranges der Bischöfe die Theorie von ihrem gött- lichen Rechte zum notwendigen Glaubenssatze erhebt, und dem analog schon Ign. in einer Zeit der Not auf Grund der schon bestehenden monarchischen Organisation um des Friedens und der Einheit willen den Zusammenschluss um den Bischof von allen Gläubigen fordert. Aber von einem ins divinum, von „recht-

1) Cf. Loofs, D. Gesch. § 27,3b: bei Hippol. Philos. X, 27: xovxov elvat aoQccvov, ort n?j bgäxai, oqutov rfe oxav bgätat' uyhvr\xov oxav (jit) yfvvüTtti, yevvTjtov de otav yevväxou, ix naQ&evov u. s. w. Texte u. Untersuchungen XII, 3. 11

162 v- d. Goltz, Ignatius.

licher" Succession und „Institution" ist bei Ign. keine Spur zu finden, sondern bei ihm liegt die Begründung, soweit sie eine die Gläubigen bindende ist, in dem Glauben an die himmlische Kirche, die mystische Einheit mit Christus, welche in jeder Ein- zelgemeinde ihr sarkisches Abbild haben soll1). Insofern Ign. eine Analogie sieht auch in der Organisation der himmlischen und der irdischen Kirche, zeigt er Ansätze zu einem mystischen System. Ein solches ist aber weder im Occident noch im Orient in der nächsten Folgezeit ausgebildet worden. Nur wurden die Prädikate der himmlischen Kirche seit Cyprian auch im Orient einfach auf die empirische Kirche und ihre Vertreter übertragen, eine Verschmelzung von Idee und Erscheinung, welche bei Ign. noch nicht einmal für die Einzelgemeinden vollzogen ist.

ß) P8eudodionysiii8.

Voll ausgebildet finden wir ein System kirchlicher Mystik erst bei Pseudodionysius Areopagita. Vorher finden sich bei Chrysostomus Ansätze dazu. Wenigstens fasst dieser den irdi- schen Priesterdienst direkt als einen Dienst im Himmel2) auf. Besonders deutlich ist eine Stelle in den im vierten Jahrhundert interpolierten Ign.-Briefen, welche direkt als Mittelglied zwischen Ign. und dem Areopagiten betrachtet werden muss 3). Blickt man von dessen Standpunkt aus, also ungefähr vom Abschlüsse der griechischen Entwickelung, auf Ign. zurück, so zeigt sich deutlich, wie die Gedanken des antiochenischen Bischofs der ganzen Ent- wickelung vorgegriffen haben, und wie die religiöse Auffassung des Griechen wesentlich die seine geblieben ist. Man würde das

1) Hier offenbart sich also der morgenländische spekulativ - religiöse Gedanke des Ign. im Gegensatze zu der römisch - abendländischen formal - juristischen Geistesart.

2) Cf. Joh. Chrysost. nsgl iepoovv7]$ 111,4: r) ydy IsQoavvrj xsXelvai fisv inl xrjq ytjg, xd^iv öh inovgaviwv tyu iigayiiaxiov. avzog o naQaxkij- xog xavxrjv ötexdgaxo dxolovd-iav xal sxi fjttvovxog iv oagxl xr,v xwv dyyü.wv muae (favzd&o&ai diaxoviav, öib zqt) xbv IsQOfibvov wonsQ iv avxolg kaxwxa xolg ovgavolg fifxagv xwv övvdfxewv ixsivwv ovxwg elvai xa&ayov und alles folgende, wo die Vermittlung als zum Heile not- wendig gepriesen wird.

3) adTr. 7:.t/ öh TtQtoßvztQiov d)X tj ovoxtjixa iegov, ovfißov/.oi xal Gweögevxal xov imoxonov; xl 6h öidxovoi d?X rj fxifirjxal xwv ayysli- xwv dovdftewv, ?.ttxovQyovvxtg avxw leixovgyiav xa&agdv xal apwftov.

III. Die geschichtl. Bedeutung der ign. Auffassung des Christentums. 163

auch an vielen mittleren Punkten der Entwickelung, bei Marcell v. Ancyra, Athanasius u. A. konstatieren können, aber es tritt dies bei dem Mystiker besonders hervor, weil die Anschauung des Ign. auch eine mystische ist. Der Grundgedanke des Ign., dass letzlich alles auf %va>otg d-soZ öaQXtx?'] xs xal jzvevfiaTixrj hin- auskomme, ist auch der des Areopagiten l). Wie bei diesem sich himmlische und kirchliche Hierarchie gegenüberstehen, von wel- chen die letztere nur die Darstellung der ersteren ist, so stehen sich bei Ign. die katholische Gesamtkirche und die empirische Einzelgemeinde gegenüber. Die Ausbildung einer analogen Stufen- reihe in beiden Teilen des Ganzen, wie sie Pseudodionysius hat, ist nur undeutlich bei Ign. begonnen, sofern der Reihe Gott- Chr.-Apostel die irdische Bischof-Presbyter-Gemeinde gegenüber- steht, und zwar so, dass Gott und Chr. wechselnd dem Bischöfe, die Apostel aber den Presbytern und der Gemeinde entsprechen. Bischof und Presbyter sind aber noch in keiner Beziehung als Mittelspersonen zwischen Gott und die Menschen getreten. Da- gegen erinnert bei Ign. an die himmlische Hierarchie des Areo- pagiten auch der Umstand, dass die himmlischen agxcd und egovöicu in die Einheit der Gläubigen eingeschlossen sein sollen. Sehr verwandt ist ferner die Auffassung des Verhältnisses von Göttlichem und Menschlichem, Symbol und himmlischer Realität bei beiden. Der Satz des Ign. ovöhv <patv6[i£VOV aya&ov ist ganz im Sinne des Areopagiten, nur dass dieser das Irdische überhaupt nicht als volle Wirklichkeit anerkennt. Aber hier wie dort ist es Träger des Göttlichen, dessen Transcendenz bei aller Verknüpfung unverletzt bleibt Die Vereinigung beider Elemente und deren Heilswirkung ist sowohl religiös-ethisch als physisch vorgestellt. Bei Ign. überwiegt Ersteres, beim Areopagiten sehr stark Letzteres. Demgemäss entspricht in der Auffassung des christlichen Lebens der atpofioioooiq und evcoöig des Einen, Glaube und Liebe (in onorj&eia und filfirjoig &eov), welche elg &eov hin- auf führen (cf. Eph. 9), beim Anderen. Solche tvwöig, welche auch in der Eucharistie, diesem <pctQ[iaxov äfravccoLag, sich dar- bietet, ist nur Folge und Nachbildung derjenigen, welche zuerst durch die Menschwerdung von Jes. Chr. realisiert worden ist, wo- durch das Ewige zeitlich, das Unsichtbare sichtbar geworden ist

2) Coel. hier. III, 2 uifo/noiwolg xt xal tviooig.

11

|(J4 v, d. Goltz, Ignatius.

(cf. bes. eccl. hierar. III, 13). Diese Offenbarung Gottes im Men- schen war gewissermassen auch eine Verhüllung des Göttlichen, denn das Wesen Chr. wurde nach seiner Erhöhung zum Vater deutlicher offenbar (Ign. R. 3). Schliesslich bleibt doch alles ein {IVOttjqiov 1). Die Anwendung und Ausgestaltung dieser gemein- samen Grundgedanken ist, obgleich sich auch im Ausdrucke eine Reihe von Ähnlichkeiten beobachten lassen2), doch so verschie- den, wie die einfache religiöse Kontemplation des apostolischen Vaters von der durchgebildeten griechischen Kirchenlehre am Ende ihrer Entwicklung. In dogmatischer Beziehung verbietet sich jeder Vergleich, da bei Ign. nur eben die ersten Ansätze zu einer dogmatischen Christologie sichtbar sind.

Aber die religiöse Auffassungsweise, welche die griechische Kirche vom Evangelium hat, lässt sich vielleicht nirgends besser studieren als bei Ign., wo sie im Ganzen noch von jeder dog- matischen Umkleidung frei ist. Die Briefe des antiochenischen Bischofs können als die klassische älteste Urkunde des griechi- schen Christentums gelten, und seit dem 4. Jahrhundert wurden sie wenn auch bald in verfälschter Relation als klassische Urkunde geschätzt3). Dass man dies allein von Ign., nicht aber oder nur sehr partiell von den anderen nachapostolischen Vätern sagen darf, liegt daran, dass allein bei ihm Jesus Chr. wirklich in der Mitte seiner ganzen Anschauung steht, und sich dieser innerlichste Kernpunkt des Christentums gerade mit dem religiösen Bedürfnisse und dem religiösen Besitze des Griechen-

1) Cf. de div. nomine II, 7 vrihQ vovv iazi xal nuaav ovolav xal yvwoiv.

2) Cf. z. B. bei beiden sehr häufige Zusammensetzungen mit S-e 6g.

3) Vorliegende Ausführungen hatte ich, mit Ausnahme des letzten Zusatzes, geschrieben, ehe ich in Harnacks Altchristi. Litteraturgesch. Einleitung S. XLII die merkwürdige Beobachtung las, dass die byzan- tinische Kirche nur dem Ignatius und dem Pseudodionysius das Vertrauen geschenkt, sie ohne dogmatischen Anstoss abzuschreiben und der Nach- welt zu überliefern. Diese Thatsache ist nicht nur für die Überlieferungs- geschichte der altchristlichen Litteratur, sondern auch für die Charakteri- stik der ignatianischen Briefe von Wichtigkeit. Sie zeigt, dass Ign. wirk- lich den religiösen Inhalt griechischen Christentums klassisch ausgesprochen hat und doch zugleich aller fixierten Lehrausbildung noch fern genug stand, um späterhin selbst in verfälschter Form noch über den Parteien zu bleiben.

III. Die geschichtl. Bedeutung der ign. Auffassung des Christentums. 165

tums, der in der Mystik sich barg, vereinigte. Wäre dies reli- giöse Bedürfnis des Griechen noch ein tieferes gewesen, hätte lgn. den Feind und Tyrannen des Menschen nicht unter den Dä- monen, oder in der Vergänglichkeit der menschlichen Natur ge- sucht, sondern in der eigenen Sünde des Menschen, so hätte er auch die frohe Botschaft von der Sündenvergebung verstanden. Dazu fehlte dem Griechen die religiöse Vorschulung durch Pro- pheten und Psalmen. Aus diesem Mangel erklärt sich wesentlich der Abstand von Paulus und Johannes, der sich trotz des ein- fachen und innerlichen Charakters für Jeden fühlbar macht. Die griechische Kirche hat auch in den Höhepunkten ihrer Entwicke- ln g in dem religiösen Verständnisse des Christentums diesen ihren ältesten Hauptzeugen nicht überholt, sondern nur die Reihe der sich anknüpfenden Gedanken weiter ausgebildet unter ste- tigem Wachstum schädlicher Einflüsse. Erst Augustin hat, nach- dem er bei den Psalmen in die Schule gegangen, das paulinische Verständnis von Sünde und Gnade wieder erneuert und damit eine neue Epoche der inneren Entwicklung des Christentums eingeleitet.

C. Ignatius und die kleinasiatische Tradition1).

Nachdem wir nun nach allen Seiten die in den Anschauungen des lgn. enthaltenen Elemente kennen gelernt, versuchen wir im Zusammenhang ihm seine Stelle in der dogmengeschichtlichen Entwickelung anzuweisen. Wir haben bei geringer Anlehnung an Paulus vom Epheserbrief ab eine ganze Reihe geistesver- wandter Züge in den johanneischen Schriften, den Pastoralbrie- fen, den andern apostolischen Vätern, bei Justin und schliesslich bei Irenaeus und darüber hinaus gefunden. Besonders Loofs hat in seiner Dogmengeschichte bereits auf diese wichtige Traditions- linie aufmerksam gemacht und die Überzeugung ausgesprochen, dass es sich hier um eine „kleinasiatische" Theologie handele, welche bei Paulus, vor Allem aber bei Johannes ihre Wurzeln habe, und noch lange besonders bei Irenaeus, aber auch bei den

1) Einige Wiederholungen von bereits Besprochenem lassen sich in dieser abschliessenden zusammenfassenden Erörterung nicht vermeiden. Auf nochmalige AnfQhrung der Beweisstellen ist daher hier auch ver- zichtet worden.

| (>() v. d. Goltz, Ignatiua.

Modalisten, bei Tertullian u. A. nachwirke. Harnack hat das Recht einer solchen Bezeichnung stark angezweifelt (I3 210) und insbesondere davor gewarnt (I3 S. 515 Anm. 1), die Theologie des Irenaeus bereits dessen Lehrern zu vindicieren und so die katho- lische Doktrin als Eigentum eines apostolischen Kreises erscheinen zu lassen. Zu dieser Streitfrage müssen wir ins Besondere Stel- lung nehmen.

Ich glaube, dass der Wahrheit hier nur näher zu kommen ist durch eine genaue Unterscheidung der einzelnen Faktoren, denn weder „paulinische" noch ,johanneisehe" noch „apostolische" oder „nachapostolische" Einflüsse sind ohne Weiteres klare ein- heitliche Grössen. Wir beginnen am Besten mit dem, was den Ign. ohne Zweifel mit der spätem Entwickelung ebenso verbindet, wie von der urchristlichen Zeit trennt. Positiv ist dies der we- sentlich griechische Charakter seiner Heilsauffassung, negativ das Fehlen der jüdisch -alttestamentlichen Grundlage und damit die Unfähigkeit, den Paulus zu verstehen und zu reproducieren. Bei- des teilt Ign. mit allen christlichen Schriftstellern des zweiten Jahrhunderts, auch Marcion nicht ausgenommen. Der Rückgang des Letztern auf Paulus beruhte auf keinerlei unmittelbarer ge- schichtlicher Verbindung und war ein rein litterarischer. Mar- cions Gewissheit, ihn zu reproducieren bei fast völligem Miss- verständnis, war nur möglich in einer Zeit, wo Niemand mehr den echten Paulus kannte. Das Fehlen des Verständnisses der Sünde, Busse, Sündenvergebung und Rechtfertigung und aller daran sich anknüpfender Gedanken ist die einfache Folge jener völligen Trennung von Paulus. Nur einzelne antijudaistische Züge haben sich bei Ign. noch erhalten. Nach der andern, der hellenistischen Seite hin teilt Ign., wie wir sahen, gewisse griechische Grundanschauungen vom Wesen Gottes und der Welt, vom Gegensatz des Göttlichen und Menschlichen und von der naturhaften Beschaffenheit des religiösen Heilsguts, und ist darin mit den andern apostolischen Vätern, z. T. mit den Pastoral- briefen, jedenfalls mit allen spätem Kirchenlehrern des zweiten Jahrhunderts geistesverwandt. Auch hierin liegt nichts, was Ign. etwa nur mit kleinasiatischen Schriftstellern verbindet. An- ders dagegen steht es mit seinen eigentümlichen antithetischen, christologischen Formeln und dem Grundgedanken, dass Jesus Christus, weil er die %vcoöiq &sov in seiner Person darstellt, sie

III. Die geschieht!. Bedeutung der ign. Auffassung des- Christentums. 1(>7

dadurch auch seinen Gläubigen verbürgt. Reicht die religiöse und allgemeine Grundlage des Gedankens, das Interesse, welches durch denselben befriedigt wird und auch ein wichtiger Kern seines Inhalts noch in das erste Jahrhundert zurück, so sind die Aus- drücke und Formeln in ihrer theologischen Präcision und nach ihrer Zusammenstellung bei Ign. neu. Von ihm ab kehren sie dann fragmentarisch bei Justin, Praxeas und Noet, einem Presbyter des Irenaeus (Fragm. X bei Harnack Patr. apost. opp. 1), bei Ire- naeus, Melito und durch Vermittlung der beiden Letztgenannten bei Tertullian wieder. Mögen diese Formeln zum Teil liturgi- schen Ursprungs sein oder nicht, jedenfalls ist Ign. der erste, der sie bietet. Die irenäische Lehre von der ävaxe<palaicoötg, welche sich sicherlich schon bei Justin findet (vgl. Loofs D. G. 18, o), hat bei Ign. wenigstens eine Anknüpfung. Auch einige auffallende Berührungen mit den Sätzen des pontischen Marcion finden wir, welche vor Ign. noch nicht bemerkbar sind und mit der Loslö- sung vom alttestamentlichen, urchristlichen Boden im Zusammen- hang stehen. Alle genannten Schriftsteller haben ihre Beziehungen zu Kleinasien, wir sehen also Ign. als ersten Zeugen für eine theologische Entwicklung, welche späterhin gerade in Klein- asien für uns wieder sichtbar wird. Bei Irenaeus ist dieser Ein- fluss besonders deutlich. Allerdings glaube ich, dass Irenaeus als „Theologe" und Denker wesentlich von apologetisch-rationa- listischen und von kirchlich-gnostischen Einflüssen abhängig war. Theologe war er aber nur als Apologet und Polemiker. Soweit das zu erkennen ist, was ihm nicht nur für seine polemischen Zwecke, sondern für die eigene religiöse Empfindung wertvoll war, erkennen wir wichtige Gedanken wieder, die wir gerade bei Ign. finden, und die zum Teil bis auf Paulus und Johannes zu- rückgehen. Das Wichtigste ist hier die ganz christocentrische Heilsauffassung, nach welcher die Person Christi selbst der Grund des Heils ist, sei es wegen ihres zugleich göttlichen und mensch- lichen Charakters, sei es, weil sie den Zugang zum Vater eröffnet. Diese Gedanken sowohl, wie auch speziell die Idee von der ol- xovofila elq xcuvbv av&Qcojtov und die starke Betonung der Idee von der einen Kirche mit ihren gemeinsamen Gütern, deren Haupt Christus ist, finden sich vom kleinasiatischen, paulinischen (?) Epheserbrief ab bis Irenaeus. Wir müssen annehmen, dass zu- gleich unter dem Einfluss des, wie es scheint, früh verbreiteten

168 v- d. Goltz, Jgnatius.

P. Epheserbriefes eine in ihrem Ursprung paulinische Gedanken- linie von der apostolischen Zeit bis zu Ign., Justin und noch weiter bis Irenaeus gereicht hat. Der christliche Geist und die in- nere Kraft ist am Anfang am Stärksten, die gedankenmässige theologische Reflexion bei Irenaeus am Ausgebildetsten. Gehen wir noch einige Jahrzehnte zurück, etwa bis Justin oder bis Ign. und suchen von da aus gleichzeitige und ältere Berührungen, so wird das Bild dieses deuteropaulinischen Gedankenkreises noch deutlicher. Dies haben wir durch unsere Tabelle II zu veran- schaulichen gesucht.1) Auch die dort mit Ign. verglichenen Schriften sind sämtlich in Kleinasien entstanden oder haben dort ihren Leserkreis. Auch in der vorausgesetzten geschichtlichen Situation haben sie manches Verwandte. Trotzdem wird man hier vorsichtig sein müssen mit der Annahme, dass lediglich die christ- lichen Gemeinden Kleinasiens diese Gedanken besessen hätten. Das hängt auch einigermassen mit der Verbreitung der paulini- schen Briefe zusammen. Durch Hermas speziell sind die Ideen und Bilder von der Kirche auch für Rom bezeugt. Aber doch zeigen sich Eigentümlichkeiten, die wir nur aus den kleinasiati- schen Schriften und ausserdem nur bei Ign. kennen.

In noch viel bemerkenswerterer Weise trifft aber Letzteres zu bei dem in den johanneischen Schriften zum klassischen Aus- drucke gebrachten Ideenkreis, den wir ausser bei Johannes, Apoc. Joh. und Ign., fragmentarisch bei Justin, in den Abendmahls- gebeten der Aid., in einigen Stellen der synoptischen Evangelien, im Polykarpbrief und schon im Epheserbrief wiederfinden. So- weit Letzterer in Betracht kommt, geht dieser Gedankenkreis in den deuteropaulinischen Gedankenkreis über, ohne dass hier die

1) Der bessern Übersicht wegen stelle ich hier die über das Gemein- christliche hinausragenden Ideen dieses Gedankenkreises noch einmal zu- sammen: die olxovofxia stg xcuvbv uv&qüjtcov, die Kirche als awfia Chri- stus als xfipalrj; die Kirche als Tempel; die Christen als Bausteine; der civ&QamoQ 9eov; die geistliche Waffenrüstung und das Bild vom Athleten; die Liebe des Gatten und die Liebe Christi zur Kirche; das von Ewigkeit verborgene, jetzt geoffenbarte pvozqQiov; das nXrJQtofia und die aQxal xal i£ovoicu; der Zugang zum Vater durch Christus; die xa&aga ovveiörjoig', die gemeinsamen Güter der Kirche (eig xigiog^ fila iXnig etc.); <j«(>|— Ttvevfia; Polemik gegen jüdische Gesetzlichkeit und unnütze Mythen; Für- bitte für alle Menschen; die sog. Haustafel; die fiifiTjrag elvai d-eov; ni xixig xal ayanr\.

III. Die geschichtl. Bedeutung der ign. Auffassung des Christentums. Iß9

Grenze scharf zu ziehen wäre. In diesem johanneischen Gedanken- kreis können wir aber solche Elemente unterscheiden, welche wir in einer grösseren Zahl anderer Schriften wiederlinden, und solche, welche deutlich nur im vierten Evangelium und bei Ign. vor- kommen. Zu dem „weitern johanneischen Gedankenkreis" rech- nen wir vor Allem den Xoyog, das vöcoq r?jg t>coriq, die Ideen der Abendmahlsgebete der Aiö. (£ß»7, acpfragöia, TQO<pr} jtvevfia- Tixf'j), den 6TE<pavoq xr\g ^corjg, wie überhaupt das beim Vergleich zwischen Ign. und Apoc. Joh. Notierte, jzLozig xal äyouir}, das Halten der Gebote, die starke Hervorhebung der Liebe Gottes, die Verbindung von Blut, Wasser und Taufe, den Gegensatz von Tod und Leben, Licht und Finsternis, den fiovog resp. (lovoysvrjc vlog, das Kreuz als Panier für die Sammlung der zerstreuten Gläubigen (vgl. Joh. 11, 52. Ign. Sm. 1, 2. Aiö. IX, 4 und Fragm. VIII d. Presbyter d. Iren.). Dieser Gedankenkreis hatte augen- scheinlich, wie das 4. Evangelium, die Apokalypse und Justin, der in Ephesus getauft ist, also grade von dorther die spezifisch christlichen Glaubensüberzeugungen bekommen haben wird, be- weisen, in Kleinasien seine Heimat. Auch der religiöse Moda- lismus, welcher Gott und Christus in eins schaut, gehört hierher. Er hat sich noch bei Marcion erhalten und wird später gerade in Kleinasien (Noet) in Theorie umgesetzt. In dem Gedanken, dass Christi Person deshalb, weil in ihr das jtXfjQCOfia &£OT7]%og wohnt, der Mittelpunkt des Heils ist, berührt sich der vorher ge- nannte deuteropaulinische und dieser erweiterte johanneische Ge- dankenkreis. Auch die inhaltlichen Grundgedanken der zuerst erwähnten dogmatisch - christologischen Formeln, welche uns Ign. zuerst bezeugt, gehen augenscheinlich noch hinter ihn zu- rück, sind vielleicht sogar vor ihm schon in ähnlicher Weise for- muliert worden und in der gottesdienstlichen Sprache vorgekom- men. Die mystischen Gedanken des 4. Evangeliums und des Ign. kehren mit noch verstärkter griechischer Farbe bei Irenaeus wie- der (vgl. Ir. III, 18, 7 u. A.). Überhaupt besteht die Eigentüm- tichkeit dieses Gedankenkreises darin, dass urchristliche Gedanken bestimmt christocentrischen und innerlich religiösen Charakters sich mit mehr hellenistischen Gedanken verbinden und in dem- selben Masse die Verwandtschaft mit dem paulinischen Evange- lium von Sündenvergebung und Rechtfertigung verlieren. Die johanneischen Schriften bezeichnen den ersten Anfang dieser Ent-

170 v- ^- ^oltz, Ignatius.

wickelung und haben fast ganz noch den urchristlichen Charakter. Ign. zeigt die stärkste Verwandtschaft mit ihnen, aber mit einem stärkeren Hervortreten des hellenistischen Elements. Dass Ein- zelnes in den lukanischen Schriften, Aiö. IX, Barnabas und Her- mas, was hierher gehört, vielleicht nicht kleinasiatischen Ur- sprungs ist, ändert nichts an der Thatsache, dass wir diese an und für sich überall mögliche Erhaltung lirchristlicher Gedanken in Verbindung mit einer innerlichen religiös interessierten Spe- kulation hellenistischer Art vorwiegend aus Schriften kleinasia- tischen Ursprungs kennen, und dass wir auch durch die spä- teren Spuren am Ende des 2. Jahrhunderts immer wieder auf jene alten Johannes -Gemeinden zurückgewiesen werden. Dies wird, ganz abgesehen von den Briefen des Ign., zugegeben werden müssen. Da wir über die ursprüngliche Herkunft und die Le- bensschicksale des Ign. garnichts wissen, so ist der Schluss aus der starken geistigen Verwandtschaft seiner an kleinasiatische Gemeinden gerichteten Briefe mit der uns sonst fast ausschliess- lich für Kleinasien bezeugten Gedankenwelt nicht zu kühn, dass Ign. früher schon mit kleinasiatischen Gemeindekreisen in Ver- bindung gestanden hat, sei es, dass er dort gelebt, sei es, dass er häufig dorthin gekommen war, sei es, dass dieselbe Persön- lichkeit hier wie dort einen entscheidenden Einfluss ausgeübt hatte. Eine solche Persönlichkeit ist aber für uns nicht nur eine hypothetische Figur. Wir halten es auf Grund der Angaben des Irenaeus und seiner Gewährsmänner, der Notiz d. Polykr. v. Ephes. im Brief an Viktor von Rom, des Briefs an Florinus und des Zeugnisses der johanneischen Schriften für eine gesicherte That- sache, dass der Apostel Johannes bis in die Zeit Trajans hin- ein in Ephesus gelebt hat. Auch Ign. ad Eph. 11, 2 und ad Magn. 3, 1 deuten wahrscheinlich darauf hin. Das 4. Evange- lium scheint mir allerdings in Sprache und Gedanken zu sehr von hellenistischer Spekulation beeinflusst zu sein, vor Allem aber eine Reihe von zu ungeschichtlichen Zügen und Berichten neben andern sehr guten Nachrichten zu besitzen, um vom Apostel selbst geschrieben sein zu können. Dagegen scheint mir Alles dafür zu sprechen, dass der Verfasser ein Schüler des Apostels ist, der auf Grund von Aufzeichnungen oder mündlichen Erzäh- lungen seines ehrwürdigen Lehrers, um bestimmte Ideen zum Ausdrucke zu bringen, um falschen Lehren entgegenzutreten

IH. Die geschichtl. Bedeutung der ign. Auffassung des Christentums. 171

(Schüler Johannes des Täufers, Doketen und Judaisten), und um schwebende Streitfragen zu lösen, das Buch im Geiste des Apos- tels und doch nicht ohne den eigenen hellenistischen Geist ge- schrieben hat. Wir haben gesehen, dass die ignatianischen Briefe nicht nur dieselbe theologische Stellung einnehmen, sondern auch ähnliche Gegner bekämpfen, dagegen eine Bekanntschaft mit dem Text des 4. Evangeliums nicht verraten. Die geistige Verwandt- schaft geht aber noch über die Züge des besprochenen weiteren johanneischen Gedankenkreises hinaus. Denn das Heiligste und Höchste des 4. Evangeliums, das religiöse Verhältnis Jesu Christi zu seinem Vater ist nur noch in einigen synoptischen Sprüchen so deutlich berührt wie bei Ign. Hier handelt es sich aber um den geschichtlichsten Kernpunkt aller erhaltenen Charakteristik der Person des Herrn und wir glauben, dass sein Lieblingsjünger Johannes hierüber Aussprüche und Erzählungen überliefert hat, die sich für uns nur im 4. Evangelium und einigen Sprüchen der synoptischen Tradition erhalten haben. Von solchen Sprüchen glauben wir auch bei Ign. Spuren gefunden zu haben unabhängig vom 4. Evangelium. Auch den lebensvollen Eindruck, den Ign. im Unterschied von seinen Zeitgenossen, noch vom Leben und Charakter des Herrn hat, möchten wir auf den Einfluss des Apos- tels Johannes zurückführen. Die Neigung des Ign. zum sittlichen Dualismus, welche bei ihm noch wie b.ei Johannes mehr religiösen als naturalistischen Charakter trägt, mag ebenfalls ein Erbteil des Apostels sein. Denn gerade solche Schroffheit, solche Tren- nung der Welt Gottes und des Teufels ist Etwas, was sich von einem bedeutenden persönlichen Charakter leicht auf die von ihm beeinflusste Gemeinschaft vererbt. Ebenso dürfte die Betonung der Liebe und Einheit der Gläubigen um der Einheit mit Christo und dem Vater willen und die glühende Christusliebe des Ign. ein Vermächtnis des Apostels sein. Da es im 4. Evangelium selbst unmöglich ist, überall das Apostolisch -Johanneische noch vom geistigen Eigentum des Schülers zu scheiden, lässt sich auch für Ign. hier nicht Alles abgrenzen. Gewisse Richtlinien, wie wir sie durch Unterscheidung eines weiteren und eines engeren johanne- ischen Gedankenkreises gezogen haben, dürften wohl zu geben sein. An dem engeren hat nur Ign. Anteil, an dem weiteren, je- denfalls auch von Johannes beeinflussten, aber stärker hellenisti- schen, auch andere Schriften. Nun ist es allerdings für unsere

172 v- d. Goltz, Ignatius.

Bestimmung des Verhältnisses des Ign. zu Johannes misslich, dass der Bischof garnichts von den geschichtlichen Erinnerungen des Apostels wiedergiebt. War uns dies ein Beweismoment für die Nichtbekanntschaft mit dem 4. Evangelium, so scheint es auch zu beweisen, dass Ign. ein persönlicher Schüler des Apostels Jo- hannes nicht gewesen sein kann, da er dann die Erzählung des Apostels so gut kennen müsste, wie sein Mitschüler, der Verfasser des 4. Evangeliums. Diese Schwierigkeit ist nicht so gross, wie sie aussieht. Warum soll Ign. nicht Manches gekannt haben, ohne Gelegenheit zu finden, davon zu sprechen? Ist doch sein Wissen von dem Verhältnis des Herrn zu seinem Vater, von seiner Geduld, von seinem auch im Schweigen beredten Verhalten die wichtigste geschichtliche Erinnerung gerade des 4. Evangeli- ums. Dass er die einzelnen, zumal die sagenhaften Erzählungen desselben nicht kennt, da wo er Gelegenheit hätte sie zu er- wähnen, bestätigt unsere Annahme seiner Unbekanntschaft mit dem 4. Evangelium, hindert aber nicht die Vermutung, dass Ign. vom Apostel Johannes persönlich massgebend beeinflusst gewesen sei; denn wer weiss, für welche Bestandteile des 4. Evangeliums der Letztere mit verantwortlich ist? Auch ist immer etwas in Anrechnung zu bringen, dass die synoptische Erzählungsform in der Gemeinde zum Teil schon stereotyp geworden war und des- halb auch bei denen vorherrschte, die noch andere Mitteilungen kannten; erst als letztere schriftlich fixiert wurden, erhielten sie ganz allmählich den Gebrauchswert der älteren; als schriftliche waren die johanneischen Erinnerungen dem Ign. aber jedenfalls nicht bekannt. Nur einzelne Herrensprüche waren sofort bekannt und verbreitet, auch ohne zu den älteren Berichten zu gehören; deshalb zeigt Ign. von solchen auch deutliche Spuren (vgl. S. 131 ff. u. S. 143). Es wäre sogar denkbar, den engern johanneischen Ein- fluss nur auf diese Sprüche, die in fester Form dem Ign. über- liefert waren, beschränkt zu denken und allen übrigen Einfluss des Johannes auf Ign. durch einen Gemeindekreis vermittelt zu denken, der, ehe Ign. in denselben eintrat, massgebend vom Apostel beeinflusst gewesen war, ohne dass Ign. persönlich den- selben gekannt hätte. Hierfür würde die auffallige Thatsache sprechen, dass Ign. wohl von Paulus und Petrus, nirgends aber von Johannes spricht. Jedoch ist die Erwähnung des Paulus auch nur durch den Umstand hervorgerufen, dass Ign. in des

III. Die geschieht!. Bedeutung der ign. Auffassung des Christentums. 173

Apostels Märtyrerreise ein Vorbild seiner eigenen sieht. Aus Pol. 1 zu schliessen, dass Ign. den Polykarp auf der Reise zum ersten Mal gesehen habe (Zahn), ist gar nicht nötig und würde auch nichts gegen die Möglichkeit beweisen, dass Ign. den Jo- hannes gekannt habe. Als direkte persönliche Erinnerung an Johannes könnte M. 3 aufgefasst werden, wenn Johannes als einer der heiligen Presbyter gelten darf, die, obwohl sie es vermöge ihres Ansehens und ihres Alters gekonnt hätten, doch den ju- gendlichen Bischöfen ihr Amt nicht erschwert, sondern ihnen die schuldige Achtung bezeugt hätten. Man darf gegen eine persön- liche Bekanntschaft des Ign. mit Johannes auch nicht geltend machen, dass „die Apostel" bei Ign. bereits ein dogmatischer Be- griff geworden seien, und dass dies selbst bei einem jüngeren Zeitgenossen nicht denkbar sei. Auch die noch lebenden Bischöfe, Presbyter und Diakonen haben für Ign. eine religiöse Bedeutung; der Unterschied ist nur der, dass sie der Einzelgemeinde, die Apostel der Gesamtgemeinde angehören. Zumal da die Apostel, als Ign. schrieb, nicht mehr lebten, konnte er so denken, auch wenn er eine persönliche menschliche Erinnerung an diesen oder jenen von ihnen hatte. Das Schweigen des Irenaeus ist dadurch sehr einfach erklärt, dass er selbst den Polykarp, nicht aber den Ign. noch gekannt hatte. Polykarp war, wie aus dem Brief des Ign. an ihn deutlich zu merken ist, erheblich jünger als Ign., war aber nach der früheren Tradition bei seinem Märtyrertod (Mart. Polyc. IX, 3) 86 Jahre alt. Setzt man seinen Tod auf 155, so war er im Jahre 69 n. Chr. geboren, also im Jahre 117 48 Jahre alt. War Ign. älter, also ca. 50 60 Jahre alt, so bleibt auch der Zeit nach ein grosser Spielraum für eine mögliche Bekanntschaft des Ign. mit Johannes. Auf das Zeugnis des Martyrium Colb. ist natürlich kein Gewicht zu legen. Immerhin glauben wir, dass die angestellten Erwägungen es wohl als möglich und nicht un- wahrscheinlich erscheinen lassen, dass Ign. ein Schüler des Apos- tels Johannes war. Johannes könnte vor seinem Aufenthalt in Ephesus eine Zeit lang in Antiochia gewirkt haben, oder Ign. könnte, ehe er Bischof von Antiochia wurde, in Ephesus oder in dessen Nachbarschaft Christ geworden sein. Dann würden Stel- len wie Eph. 3, i JCQOöXaXco \ filv mq ovpötöaöxaXlraig fiov und Eph. 11, 2 Iva evl tcXtjqco ^Etpzoiwv etgefreo rwv Xqigthxvwv di xal xolq cljioGtoXqiq, Jtavrore ovvrjoav dahin zu verstehen sein.

174 v- d. Goltz, Ignatius.

obwohl er der jetzigen Gemeinde nicht besonders persönlich nahe stand. Es ist aber unnütz, darüber längere Erwägungen anzu- stellen, da wir eben gar nichts wissen.

Kehren wir aber nun zu jenem weiteren johanneischen Ge- dankenkreis zurück, an dem auch die anderen Schriften Teil haben und dessen Spuren sich im ganzen 2. Jahrhundert gerade im kleinasiatischen Gebiet finden lassen. Es kann kein Zweifel sein, dass die Person des Apostels Johannes auch für diesen von massgebendem Einfluss gewesen ist und ihm seine christocentrische, mystische Geistesart und wertvolle nrchristliche Gedanken vererbt hat. Derselbe Kreis stand schon länger unter deuteropaulinischem Einfluss. Sind aber mit geringen Ausnahmen die hierher gehö- rigen Erscheinungen wirklich spezifisch kleinasiatische wie kommt es dann, dass Ign., der Bischof von Antiochia, der unmöglich die christlichen Anschauungen, die er äussert, erst auf seiner Reise erworben haben kann, so reichen Anteil an diesem Schatze hat? Diesen Einwand erhebt Harnack besonders. Ich glaube, es giebt hier nur eine Lösung durch die Annahme, dass Ign. schon früher in Kleinasien war, sei es als Schüler des Apos- tels, sei es als Glied einer durch Johannes beeinflussten Gemeinde. Sonst bliebe höchstens die Annahme, dass infolge des gewiss regen Verkehrs der kleinasiatischen mit der antiochenischen Ge- meinde, für welchen unsere Briefe selbst ein Zeugnis ablegen, der Einfluss des Johannes sich indirekt bis Antiochia erstreckt habe. Denn bei der Annahme stehen zu bleiben, dass es sich bei den angeführten Erscheinungen nur um eine in der ganzen Kirche verbreitete eigentümliche Geistesart gehandelt habe, scheint mir bei den ausser Ign. und Ai 6. IX ff. und ganz Vereinzeltem bei Hermas und Barnabas nur auf Kleinasien hinweisenden Zeugnissen nicht möglich. Ausser Ign. betreffen die Ausnahmen in Aiö., Hermas und Barnabas nur vereinzelte Gedanken, welche, wie ich gewiss zugebe, auch sonst verbreitet gewesen sein können. Die Gebete der Aiö. können übrigens sehr gut aus Kleinasien stammen. Wir wissen darüber nichts. Bei Ign. ist die Ver- wandtschaft zu den jedenfalls kleinasiatischen sog. johanneischen Schriften eine so enge, dass ein bestimmter direkter geschicht- licher und lokaler Zusammenhang angenommen werden muss. Da die litterarische Abhängigkeit von diesen Schriften als un- annehmbar nachgewiesen ist, und dazu nicht einmal eine genü-

III. Die geschichtl. Bedeutung der ign. Auffassung des Christentums. 175

gende Erklärung sein würde, bleiben nur die von uns bezeich- neten beiden Möglichkeiten: eine direkte oder eine indirekte gemeinsame Abhängigkeit von einer besonders einflussreichen Persönlichkeit, dem Apostel Johannes. Gleichzeitig wirkt der ältere paulinische und deuteropaulinische Einfluss. Das Produkt beider Einflüsse sehen wir in den ignatianischen Briefen, während die johanneischen Schriften einseitiger unter dem des Apostels, dessen Namen sie tragen, die Pastoralbriefe, der Hebraeerbrief und der Epheserbrief falls er nicht noch von Paulus selbst stammt mehr unter paulinischem resp. paulinisch- hellenisti- schem Einfluss stehen. Ign. steht stärker unter dem johanneischen als dem paulinischen Einfluss. Aber schon bei ihm ist nicht mehr überall die Unterscheidung beider Elemente klar aufrecht zu erhalten. Immer mehr verschmelzen beide Elemente zu einer vom urchristlichen Geist beseelten, aber auch immer stärker griechisch beeinflussten Gedankenwelt. Das 4. Evangelium muss noch längere Zeit nach seiner Abfassung Eigentum eines kleinen Kreises geblieben sein. Es ist sogar sehr unsicher, ob Justin es schon gekannt hat. Jedenfalls ist dieser in Ephesus mit der kleinasiatischen Tradition bekannt worden und hat daher seine spezifisch religiösen christlichen Elemente. Auch Marcion ist, so lange er der Kirche angehörte, augenscheinlich in Kleinasien mit diesem Erbe bekannt geworden. Einige Elemente der johanne- isch- ignatianischen Anschauung sind fruchtbare Keime für die Entwickelung und Verbreitung des Gnosticismus geworden. Die Kleinasiaten Noet u. A. haben den religiösen Modalismus der johanneisch-ignatianischen Anschauung in Theorie umgesetzt, und die Theologie des Irenaeus hat gerade ihre religiöse Glaubens- grundlage in den kleinasiatischen Glaubensanschauungen seiner Jugend, so sehr auch der Kampf mit dem Gnosticismus und der Vorgang der Apologeten seine theoretischen und polemischen Ausfuhrungen, überhaupt seine theologischen Reflexionen an- ders beeinflusst haben mag. Ist daher vielleicht der Ausdruck „kleinasiatische Theologie" misszuverstehen obgleich auch einige theologische und dogmatische Formeln von Ign. ab in der Entwickelung wiederkehren so ist doch jedenfalls das Vor- handensein eines geschichtlichen Zusammenhanges der christlichen Glaubensüberzeugungen und damit verbundener Reflexionen von der Zeit des Paulus und seiner Schüler, des Johannes und seiner

176 v* d- Goltz, Ignatius.

Erben bis ans Ende des zweiten Jahrhunderts in erster Linie für die kleinasiatischen Gemeinden nachweisbar, und als wichtiges Mittelglied dieser Linie müssen wir zwar nicht auf Grund äusserer Nachrichten aber auf Grund der innern dogmenge- schichtlichen Kritik den Ign. ansehen, mag man sich die äussere geschichtliche Vermittelung dabei erklären, wie man will.

Zum Schluss sei es nur noch gestattet einige Bemerkungen über die Konsequenzen dieses Resultats unsrer Untersuchung zu machen in Betreff wichtiger Streitfragen, die mit ihr in Zusam- menhang stehen, aber hier nicht mehr erörtert werden können.

Wenn die Echtheit der sieben ignatianischen Briefe, die, wie wir vorausgesetzt, gesichert ist, überhaupt noch einer Stütze bedarf, so hat der erste Teil unsrer Untersuchung nachgewiesen, wie gut sich die Aussprüche des Ign. zu einer einheitlichen, von urchrist- lichem Geist beseelten Gesamtauffassung zusammenfügen lassen, und wie sich unter Voraussetzung der Echtheit alle dogmatischen Schwierigkeiten widerspruchslos lösen lassen. Der zweite Teil hat die Beziehungen zu den neutestamentlichen Schriften als solche gekennzeichnet, die nur bei echten, verhältnismässig sehr alten Briefen, nimmermehr aber bei einer spätem tendenziösen Fälschung denkbar sind. Der Römerbrief zeigt in beiderlei Hin- sicht keine andern Erscheinungen als die sechs andern Briefe, ist also (gegen Volt er) für echt zu halten.

Nicht mit derselben Sicherheit ergiebt das Resultat unserer Untersuchung Anhaltspunkte für die Datierung. Folgendes ist aber bemerkenswert:

1. Das vierte Evangelium ist noch nicht benutzt.

2. Die marcionitischen und gnostischen Bewegungen haben noch nicht begonnen, sind aber in Vorbereitung.

3. Es zeigt sich noch kein Zug der Apologetik.

4. Pls.- Briefe und synopt. Evang. sind im Gebrauche der Gemeinden, ohne aber schon dogmatische Instanz zu sein.

5. Die Verhältnisse in den Gemeinden zeigen grosse Ähn- lichkeit mit denen, welche die johanneische Litteratur vor- aussetzt.

6. Die geistige Verwandtschaft mit der johanneischen Ge- dankenwelt ist eine sehr nahe, aber auch die Spuren stärkern hellenistischen Einflusses sind schon bemerkbar.

7. Die nachapostolische vulgär-heidenchristliche Verflachung

III. Die geschichtl. Bedeutung der ign. Auffassung des Christentums. 177

macht sich viel geringer geltend als bei 1. u. 2. Cl., Herrn.

und Barn. Alle diese Umstände schicken sich gut zu der Annahme, dass die Briefe zwischen 110 und 120 geschrieben sind, obwohl aus 1., 5. und 6. keine sicheren Schlüsse zu ziehen sind, weil auch die Datierung des vierten Evang. und die Geschichte seiner Entstehung und Verbreitung ganz unsicher sind. Es fehlen nun aber auch Gründe für eine spätere Datierung nicht. Als solche können gelten:

1. Die Voraussetzung der monarchischen Organisation in der Gemeinde [dagegen ist ein dogmat. Episkopalismus hier- archischer Art gar nicht vorhanden].

2. Ansätze zu ausgeführteren christologischen Glaubensfor- meln.

3. Das stärkere Hervortreten der naturalistisch -mystischen Heilsauffassung.

Was 2. und 3. betrifft, so könnte dieser Punkt auch schon um 110 erreicht sein. Ist aber allerdings nach dem, was wir wissen, ein monarchischer Episkopat unter Hadrian denkbarer als schon unter Trajan, so wissen wir doch zu wenig von der Ent- wickelung der Dinge in den einzelnen Provinzen. Der dogma- tische Charakter unserer Briefe würde an sich noch in das erste Jahrhundert weisen, wenn dem nichts anderes im Wege stände. Völlige Sicherheit ist nicht zu erreichen, und wir müssen uns hier auf Hervorhebung der Momente beschränken, die sich ge- rade aus unserer Untersuchung für die Frage entnehmen lassen. Diese scheinen mir allerdings für die frühere Datierung (unter Trajan) zu sprechen.

Was schliesslich die johanneische Frage anbetrifft, so ist unsere Annahme, dass Ign. das Evangelium noch nicht kennt, der Echtheit d. h. dem johanneischen Ursprung desselben nicht günstig. Andrerseits ist aber der Eindruck verstärkt, dass neben hellenistischen und legendarischen Elementen im Evangelium eine ungemein wertvolle Tradition von urchristlichen Gedanken, echten Herrenworten und geschichtlichen Erinnerungen enthalten ist, welche direkt auf den Apostel Johannes zurückgehen muss und welche auch vor dem späten Bekanntwerden des Evangeliums und unabhängig von ihm grossen Einfluss geübt hat.

Texte u. Untersuchungen XII, 3. * 12

178

v. d. Goltz, Ignatius.

Anhang zum IL Teil: Tabelle I— in.

Tabelle I.

Paulus und Ignatius.

Paulus.

1. Corintherbrief. 1) 1, 10 xazrjgziofxivoi iv zip av-

Zip VOL.

Ignatius.

Eph. 4 xazrjgzto/iivovq iv fiia vrco- zayy.

2) 2. 14 rpvytxbq avfrgio7ioq ov 6i- yezai za zov nvsvfiazoq 9eov 6 6h nvzvßazixbq dvaxgivei fihv ndvza.

Eph. 8 ol oajgxixol xa nvevfiazixu

TtQLXOOHV OV ÖVV(£VX(Xl, 0VÖ6 Ol 71VBV-

(jiaxixol xa oagxixd.

3) 4, 13 TteolxpTjfxa.

Kph. 8, 18 negliprina.

4) 6, 19 xo ow/xa vfJLiüv vabq tcvev- fiaxoq iv v/xiv ayiov, vgl. 3, 16.17 ovx ol'Saxs, oxi vabq 9eov iaxh xal xo nvsvfia xov &sov iv vy.lv oixü; si' xiq xov vabv xov 9-eoZ <p&tlgei, <p&e- gei xovxov b d-eoq.

Eph. 9, 15 avxov iv ttfiiv xaxoi- xovvxoq, riva wfisv avxov vaol xal avxoq ?} iv rjfilv üsbq rjficov.

Ph. 7 xtjv odgxa vfiiöv <bq vaov

&SOV XTjQHTe.

5) 6,7 öiaxi ovyl fJtäXXov d6ixsTir9e ; öiaxl ov'/l fjiäXXov cmooxeQEio&e;

Eph. 10 xiq nXeov döixrj&elq, xiq dnoozrjgrj&elq, zlq dQezTj&eiq',

6) 6, 9 rj ovx ol'öaze bzi aöixoi ßa- atXslav d-sov ov x?.ijQovofirjoovai; fAt] nXavaa&E' ovze nogvoi, ovzs etc.

ßaoiXeiav &eov xXrjgovo/ujoovoi,

vgl. 3, 17 si' ztq zbv vaov zov 9sov <p&stgei, (p&sgsl zovzov o &soq.

Eph. 16 (iri nXaväo&s, oi olxotp&o- qoi ßaoiXsiav d-sov ov xXrjgovofjtrj- oovaiv.

Phld.3 firj nXaväod-s, d6sX<pol (jlov sX ziq oyiCjovzi dxoXov&si, ßaoiXsiav &eov ov xXriQovofiü, vgl. Pol. ad Phil. 5, 3.

7) 10, 8 snsoav pua, Tjfiigcc sl'xoai ZQSiq xiXidSeq, nach Num. 25, l 9.

Eph. 16 sl ovv oi xaxd odgxa zav- xa ngdooovzsq ä7ts9avov, auch nach Num. 25, 1—9.

8) 2, 6. 8 dpxovzwv zov aiiüvoq zovzov.

2, 7 XaXovfxsv d-sov oo(plav iv (AVGzriQio) zrjv d7ioxsxgvfifxsvt]V , tjv ngoiogiasv b &sbq ngb alioviov slq 66c.av rjfMJüv, tjv ovösiq zdiv dgyov- ziov zov aliüvoq zovzov l'yvcoxs etc. (cf. R. 16, 25. Eph. 3, 9).

Eph. 17 u. oft dgxiov zov aiiüvoq zovzov.

Eph. 19 sXa&s zbv ag%ovza zov

alaivoq zovzov xgia (xvozr]gia

xgavyijq axtva iv r]ovyJa &eov inguyßr], vvv 6h i<pavsgi6&r] xolq atiöoiv.

Tabelle I.

179

Paulus. (1. Cor.)

9) 1,18 6 Xoyoq ya.Q b xov oxuvqov xolq fihv dnoXXv^ibvoiq nwgia ioxlv, xolq de Gü)t,Ofxevoiq r\yilv övva/uiq &sov ioxi .... nov oo<poq\ nov ov^ijzrjTTjq xov alöivoq xovxov; 23. 'lovöaloiq fxkv axdvöaXovt ed-veoi /llcdqicc, vgl. Gal. 5, li ox. xov oxavgov.

Ignatius.

Eph. 18 .... oxavQOv, o ioxi oxdv- öaXov xolq dnioxovotv, r\yXv ös oa>- XTjgia xal £,0)7/ alwvioq. nov ooipoq, nov ovt,rjX7]Xrjq, nov xav%r)Oiq xcüv Xeyo/bttvcov ovvexcöv;

10) 15, 26 eoxatoq i/ßQoq xaxaQ- yeixai b B-dvaxoq. ndvxa yaQ vns- xat~ev vnb xolq nööaq avxov, vgl. Rom. 8, 2i. Tit. 2, n.

Eph. 19 sv&ev xd ndvxa awexi- relxo, diu xd fxsXsxäo&at 9avdxov xaxdXvoiv.

11) 10, n Tjpcöv, eiq ovq xd xeXt] xcüv alwvwv xaxr)vxrjoev.

12) 5, 7 ixxa&dgaxs xr)v naXaidv ^Vfitjv, "va rjxs viov <pvQa[/.a, xad-cuq ioxe a%v(ioi. xal yctQ xd ndaya r\- fitöv izv&ti Xq.

M. 6 oq ngo aiwvcav nagd naxgl t}v xal iv xt-Xei k<pdvi\.

M. 10 vnsQ&io&e ovv xt)v xaxrjv ^vfzrjv xr\v naXaiwd-elaav xal ivogi- aaoav xal ftexaßdXeo&E slq viav t,v- fiijVy o ioxiv ^Irjo. Xq.

13) 4, 18. 5, 2 (pvGiovo&ai.

M. 11 oiöa oxi ov (pvaiovad-e.

14) 10, 33 xdydt ndvxa näoiv d-

QSGXÜi.

Tr. 2 xaxd ndvxa nüaiv agsaxw.

15) 4, l coq vni]Q6xaq Xqioxov xal olxovofjiovq fiVOXTJQlcOV #£OV, vgl. Tit. 1, 7. Tab. Hd. 31.

Tr. 2 öiaxövovq ßvoxtjQicjv 'Itjg. Pol. 6 olxovofiovq üeov.

16) 3, l wq vrjnioiq iv Xgioxcp ovnco yctQ tövraoüs.

Tr. 5 (jlt) vrjnloiq ouoiv rjfxlv ßXd- ßtjv naQa&üi.

17) 7, 10 nagaxaXd} ovx iyd> dXXa b xvQioq.

Tr. 6 nagax. ovx syco aXX rj u- ydnrj ^Itjg. Xq.

18) 15, 32 sl xaxd av&Qvonov i&rj- QiOfidxtjoa iv ^Eifiacp, xi juot xb 6<ps- Xoq; (als Beweis der Gewissheit der Auferstehung). 15, 13 svQiGxo/usS-a öh xal xpsvöofiaQXVQeq xov 9eov, of. Gal. 2. 21.

19) 12, 12 ndvxa xd /neXrj xov aco- fjiaxoq noXXd ovxa ev ioxi ocofia ovtö> xal b XQioxoq, cf. 10, 16. 17.

12, 27. R. 12, 5. Col. 1 , 24. 2, 19. 3, 15

und Eph.-Br. vgl. Tab. IIa. 1.

Tr. 10 iyw xi öeöepai ; xi öe xal evxofJLat &tjQtofi.axrj(Jai', öcogedv ovv dno&vr]Oxa>'t dga ovv xaxaxpBvdofxai

xov XVQlOV.

R. 5 ^rjQiOfÄayw f*ixQl 'Pco/urjq.

Tr. 11 yihXt] uvxaq aviov ov 6v- vaxai ovv x£<paXr) %(üqIq yevvrid-fjvai ävev fieXüiv. Sm. 1 iv hvl oco/uaxi xr\q ixxXrjo. Eph. 14 fisXtj ovxaqxov viov

avxov.

20) 9, 27 [irjncoq aXXoiq xrjQv^aq avxbq döoxi/uoq ytva>tuai.

Tr. 12 "va fit) döoxifioq svqe&w.

12*

180

v. d. Goltz, Ignatius.

Paulus. (1. Cor.)

21) 9, ai Hvvo/ioq Xqloxov, vgl. Gal. 6, 2.

22) 2, 4 xb xriQvypü fiov ovx iv nei&oiQ acHpiaq Xoyoiq, dXX* iv dito- öflgei nvsvfiaxoq xal 6vvdfiEo>q.

23) 9, l ovx elfd iXsv&EQoq; ovx tlftl dnooxoXoq; 7, 22 dnEXsvO-EQoq ylr]0. Xq.

24) 4, 4 ovx iv xovxoj öeöixalw- fiai.

25) 9, 15 xaXov yaa fioi fiaXXov dno&avEiv.

Ignatius. R. inscr. XQiOTOvof4.og.

R 3 ov nEiOfiovrjq xb ioyov 6 Xql- OTiavioiAOQ> dXXa fxeyi&ovg, oxav fxi- ofjzai vnb xo.ofi.ov.

R. 4 ovx ^C IlixQoq xal JlavXoq öiaxdaoofiai vfxlv. ixEivoi dnooxoXoi^ iyd> xaxdxQixoq. ixElvoq iXev&EQoq, iycb 6h fiEXQ1 v*>v öovXoq, dXX\ iuv nd&to, dneXev&eooq Xqloxov.

R. 5 dXX' ov naoa xovxo öeöixal- (üfiai, cf. Phld. 8 ötxatwS-TJvai.

R. 6 xaXov fioi dno&avelv diu 'Irjo.

26) 1.5, 8. 9 logorov 6h ndvxtvv 10- ütcsqsI X(5 ixxQWftaxt, vgl. l.Tim. 1, 13.

R. 9 rfXirifxal xtq elvcti, cf. Sm. inscr. qXerjfjiivTi , Eph. 21 ioxaxoq cov xmv ixsZ moxwv vgl. Tab. II d. 18.

27) 5,4 awax&ivxtov vfxüv xal xov ifxov nvsvfiaxoq.

28) 10, 16. 17 xo noxfaiov 0 svXo- yovfiev, ovxl xoiviovla ioxlv xov a% fxaxoq xov Xqloxov; xov ccqxov ov xXoj/xev, ovxl xoLvoivla xov ocofiaxog xov Xq. ioxlv; oxi slq aQXoe, 'iv ocö/ua 01 noXXol iofxsv, ßXinexs xov 'Ig- qcctjX xaxä oaQxa- ovx °* io&lovxsg xuq 9volaq xoivtovol xov üvoiacxri- qlov slolv; vgl. Tab. II f. 3.

R. 8 dond'Qtxui vftäq xo ifxov nvevfia.

Phld. 4 'iv noxriQLOV slq evcooiv xov ai'fiaxoq avxov.

Eph. 19 sva ccqxov xXwvxeq.

Eph. 5 iuv fir\ xiq ivxbq xov dv- OLaOXIfQlOVyVOXSQElXai xov ccqxov xov &EOV.

Phld. 4 'iv &voiaoxiJQiov

29) 2, 10 xd nvEvfux ndvxa iQEwä. 14, 25 xa xQvnxa xf\q xaQ6laq avxov (pavEQa ylvExai.

Phld. 7 xo nvEVfia ov nXaväxai

xal xQvnxu. iXiyxsi, vgl. Tab. IIb. 11.

30) 1, 7 atoxs ifiäq (irj voxTjQELO&ai iv fitjÖEvl x<xQtOfiaxi,

Sm. inscr. dvvoxijQTjxo) navxbq ya- Qloftaxoq, cf. Pol. 2 navxbq xccqIg- fiaxoq TiEQiGOEvyq.

31) 9, 25 nag 6h 6 dywvi&fiEvoq ndvxa iyxQaxsvExai, ixEivoi fihv, "va <p&aQxbv oxi<pavov Xdßwoiv, rjßEXq 6h ay&aQXOv vgl. 2. Tim. 2, 5.

Pol. 2 vfj(p£ (oq 9eov d&Xrjxqq

xo 9ifia dtp&aQola xal £0*77 alidvioq. vgl. Tab. II d. 2S.

32) 9,26 ovx<oqnvxzEvat,wqovx dsQa 6iQQ)V dX?' vjcwrcid^to fxov xb owfia.

Pol. 3 fiEydXov ioxlv d&Xrjxov xb 6tQSO&ai xal vixäv.

Tabelle I.

181

Paulus. (1. Cor. 2. Cor. Rom.)

33) 7, 2off. k'xaoxoq iv xjj xXijoei, y ixXrj&Tj, periia) u. ff. 6 iv xvqIw xXrftelq öovXoq, dnsXev&SQoq xvqIov iotiv, vgl. Eph. 5, 20 f. etc.

34) 7, 8 f. Xiyot Sh xolq dydfjLOiq' xaXov avxotq idv fjielvatoiv wq xd- y<a' vgl. 6, 15 ff. ovx otdaxe oxi xd oivfiaxa vfuSv fiiXrj Xq. ioxtv;

35) 9, 7 xlq oxQaxevexai löloiq 8- xpwvloiq noxi;

36) 3, 9 9eov yetuQyiov iars.

Ignatius.

Pol. 4 öovXoi elq öo§av &eov nXiov SovXsvixwoav, "vcc xQtixxovoq iXev&SQtaq dnb &eov xv%<aoiv, vgl. Tab. IIa, 17.

Pol. 5 et xiq övvaxai iv ayveta (ii- vsiv, slq xtftijv oagxdq Xqioxov iv dxavyriola fisviza>.

Pol. 6 aQiaxexs, d> oxQaxevso&e, dtp ov xal xd oipwvia xofitoeo&e.

Phld.3 aoxivaq ov yewoyet 'fya. Xq.

2. Corintherbrief. 37) 7, l xaSaglouifAev kavxovq dnb navxbq fioXvofiov oagxoq xal nvsv- ftazoq.

Eph. 10 fzivexs iv Xq. octQxixwq xal nvsv fiaxixcüq (oft).

38) 4, 10 ndvxoxe xtjv vIxqwoiv xov *Irjo. iv xd* awfiaxi negiipegovreq, "va xal r\ tp>r\ xov 'Itjo. iv xw aw/uaxi Tj/LccSv (pavEQwS-y ' cf. Rom. 8, 17 und 2. Tim. 2, n.

M. 5 idv fit} av&aiQexatq k%o/itv xb dno&aveiv elq xb avxov nd&oq, xb %rjv avxov ovx soxiv iv rjftTv, vgl. Tab. II d. 8.

39) 4, 23 öidxovoq Xqioxov cf. Col. 1, 7. 1. Tim. 4, 6.

M. 6 öiaxovla 'l^a. Xq., vgl. Tab. II d. 9.

40) 13, 18 fi %aQiq ro£> xvgiov fy- oov Xqioxov xal % dydni] xov &bov xal fj xoivatvla xov äyiov nvevfiaxoq.

M. 13 iv vi(p xal naxol xal iv 7tvev(iaxi.

41) 13, 5 Xq. 'IfjC. iv vfiZv ioxi.

M. 11 ^tjO. Xqioxov l/ert iv hav- xolq.

42) 4,18 firj oxonovvxwv r\ii<öv xd ßXenofjteva dXXd xa fty ßXtnofieva' xd yaQ ßXeno/ieva nQooxaiQa.

R. 3 ovöev (paivbfxevov dya&ov.

43) 4, n xad-wq ifAfjJ^v, vgl. 1. Tim.

1, 18.

Phld. 5 iv dt xkrjQO) qXETJ&TjV, Vgl.

Tab. II d. ia

44) 11, 9 iv navxl dßagfj ifiavxbv vfilv ixijQTjoa. 12, 16 iy<o ov xaxs- ßdgijoa vftäq' cf. 1. Thess. 2,9.

Phld. 6 ovx $xtl Xl$ xavx*j<Jeo&ai, oxi ißaQqod xiva iv hixqw jJ iv f/s- ydXm.

Römerbrief. 45) 6, 4 iv xaivoxrjxi ^wrjq.

Eph. 19 slq xaivoxijxa diSiov %o>fjq.

46) 6, 5 el yaQ ovyapvxoi ysyova-

M. 5 iav /uTj av&aiQtxwq fyofiev

182

v. d. Goltz, Ignatius.

Paulus. (Rom. Gal.)

(xev rät bfiOKofiavi xov &avdxov av- xov, dXXu xal xrjq dvaoxdoeoq ioo- /ue&a, vgl. 2. Cor. 4, u 6 iyeigaq xov ^Irja. xal ijftäg ovv 'Irjo. iyegsi, vgl. Tab. II d. 8. 1.38. (2. Tim. 2, n).

47) 16, 25 xaxd dnoxdXvyiv fzvaxrj- giov xqovoiq aiwvloiq aeaiyrjf/.bvov, (pavsgw&svxoq öh vvv (spätere Zu- that?)

Ignatius.

xo dnoitaveiv etq avxov ndd-oq xo tfiv avxov ovx eoxiv iv r\yLiv. Tr. 9 bq xal dXrj&tijq ^yig^rf iyel- gavxoq avxov xov naxgbq avxov' ov xaxd xo OfMOLiofia rjfJLÜq xovq nioxev- ovxaq avxü), ovxatq iyegü 6 naxr\g avxov iv 'I. Xg.

M. 8 Xoyoq dnb ciyfjq ngoeX&atv, vgl. Tab. IIa. 4.

48) 2, 24 xo ovofxa xov &eov ßXa- ocpqftEixai öi vfiiäg iv e&veaiv, vgl. Jes. 52, 5.

49) 1,3 xov ysvoßivov ix onig/xa- xoqäaßlöxaxd adgxa, xov bgio&ev- xoq vlov &eov iv övvdfiei, vgl. 2. Tim. 2, 8.

Tr. 8 oval ydg öi ov inl fiaxaiö- xi\xi xo ovofxd fiov inl xivcdv ßXa- G(pTjjbieixai.

Sm. 1 ix yivovq Aaßiö xaxd odgxa, vlbq &eov xaxd &£Xrma xal övva/xiv &*oi, vgl. Tr. 12 u. Tab. II d. 32.

Galaterbrief.

50) 5, 6 nioxiq öi dydnijq ivsgyov- (xevri.

M. 5 nioxoq €v ayany, nlaxiq xal dydrcT] oft, vgl. Tab. IIa. 13.

51) 1, 23 nioxiv nog&eiv, vgl. l.Tim.

5, 12.

Eph. 16 nioxiv <p&elgeiv, vgl. Tab. II d. 6.

52) 5, 4 oaivsq iv vojjko öixaiovod-s, xrjq ydgixoq igeneoaxe.

M. 8 el ydg xaxd 'IovöaiOfiov £ey- ixev, bfj,oXoyov/j.ev y^dgiv f^rj slXijcpevai.

53) 2, 21 dga Xgioxbq öcagedv d- ni&avsv.

Tr. 10 öojgedv ovv dno&vrjoxa), vgl. Tab. I. 18.

54) ifJLol xoofioq iaxavgwxai xd- yd) x6o(jl(o.

R. 7 6 ifxoq egwq iaxavgwxai.

55) 5, 7 ixgexsxe xaXwq, vgl. 2. Tim. 4, 7 ög6[ioq

Phld. 2 üeoögdfjioq, vgl.Tab. II d. 27.

56) 1, i ovx an dv&gwnov ovöe öi dv&gwnwv.

57) 1, 16 ov ngooavsB-ifirjv aagxl xal alyLaxi.

Phld. 1 hyvwv ovx d<p kavxov ovöe öi dv&gwnwv xexzrjo&ai xr\v öiaxo- viav.

Phld. 7 dnb oagxbq dv&gwnivijq

ovx hyvwv.

58) 4,9 vvv Öh yvovxeq &sov, /näX- Xov öh yvwa&evxeq vnb &€Ov.

59) 6, 10 wq xaigbv exo(xev.

Sm. 5 ov xivsq dyvoovvxeq dgvovv- xai, /xaXXov öh ygvrj&iioav vn avxov.

Sm. 9 wq xaigbv e'xoßev.

Tabelle I.

183

Paulus. (Gal. Phil. 1. Thess.)

60) 6, 2 dXXrjXwv xd ßdgij ßaoxd- &ts, cf. R. 15, l. Mth. 8, 17.

61) 5, 23 npavxrjg.

Ignati.us. Pol. 1 ndvxag ßdoxa^e.

ngavxrjg Pol. 2.

Philipperbrief.

62) 2, 10 näv yovv xdfiwq inov- gaviwv xal eniyelcav xal xaxo%&o- vlaiv.

Eph. 13 tiäg noXsfiog xaxagyüxai inovgaviwv xal intyelcüv. Tr. 5 xa inovgdvia.

63) 2, 17 dXX1 el xal onevöofiai inl x% Q-vaia xal Xeixovgyiq xrjg nl- axewg vfjLÜv, vgl. 2. Tim. 4, 6. Tab. II d. 17.

R. 2 nXiov fioi (ir) nagdoxrjod-e xov onovöio&tjvat &£ä>, (t>g hxi S-vota- oxrjgtov bxoißov iaxiv. R. 4 "vä .... 9eu> &voia £hgs&<5.

64) 1, 8 inino&w ndvxag vfiäg iv onXdyxvoig Xg. *Irjo., cf. Col. 3, 12.

Phld. 10 xd onXdyxva, ä e^exe iv Xgioxw.

65) 4, 13 ndvxa layva) iv xip iv- övvafxovvxi fis. Eph. 6, 10. 1. Tim. 1,12. vgl. Tab. IIa. 11.

Sm. 4 ndvxa vnopiva) aixoZ fis ivdvvafiovvxog.

66) 3, 15 oooi ovv xiXeioi, xovxo

(pQOVWfJLEV.

Sm. 11 xeXtioi ovxeg xeXsia xal <PQOveZx£.

67) 2, 25 fiTjöh v xax1 igi&tiav iv Xq. 'Irjo.

Phld. 8 iirjSev xax ig&üav ngdo- oexe, dXXa xaxd xg^otoftad-iav.

1. Thessalonicher-Br.

68) 3, 6 xrjv nioxtv xal xrjv dyd- nrjv vfiäiv. 5, 8 &c6paxa nloxeotg xal dydnrjg.

ntoxig xal dydnrj, vgl. Tab. IIa. 13.

69) 2,4 ovx <og dv&Qainotg dgeoxov- xsg dXXa &eü>, cf. Gal. l,io. Col. 3,22.

R. 2 od &iXw vfiag dv9ga)nag€- axrjaai, dXXa #£<j5 dgioai, vgl. Tab. IIb. 4.

70) 5, 5 vlol <po>x6g (cf. Lc. 16, 8. Eph. 5, 8).

Phld. 2 xexva <pwxog dXrj&Eiag.

71) 5, 23 xd nvEvyca xal r) xpvxrj xal xb ocüuu dfii/jinxwg xrjgrjQ-Eirj.

Phl. 11 e ig ov iXni^ovoi oagxl, ipvxy, nvevfzaxi, nloxEi, dydnrj, bfxo- voia.

72) 5, 8 ivövodfievoi &(uoaxa nl- oxeojg xal dydnrjg xal nEQix£<paXaiav iXnlöa owxrjglag, cf. Eph. 4, vgl. Tab. Hb.. 3.

73) 5, 17 döiaXEinxatg ngooEvxEO&s.

Pol. 6 xo ßdnxiofxa vßdiv jaevexo) wg onXa, rj nioxig <og n£oix£<paXala, rj dydnrj (i>g öoqv, rj vno/xovrj (bg navonXia.

Eph. 10 döiaXeinx<j)g ngooEvx£0&£.

184

Paulus. (2.Thess. Philem.) 2. Thessalonicherbrief.

74) 3, 5 vTCOfjiovri zov Xqiozov (Warten auf Christus).

v. d. Goltz, Ignatiu«.

Ignatius.

R. 10 vnofiovij zov Xqiozov.

75) 2, 8 fxri zig v/iüg tganazijoy.

Eph. 8 fiij zig vfiaq i^ccnazdzw.

Brief an Philemon. 76) 20 iyco aov 6vaiyLr\v iv xvqIw.

Eph. 2 dvatfirjv ifiatv diu navzog.

77) 7 inl zy dyänq aov, ozi onXay%va ziov äyiwv dvcmtnavzcu 6iä oov. 20 dvdnavoov fxov on).dy/ya iv xvqiü>.

Eph. 2 igs/unldQtov zT/g d<p vfiiöv dydmjg ccnikaßov, xazä navza /zs dvinavGSv.

78) 9 öiä zrjv dyänr\v fiaXXov na- QaxaXä' zoiovzog wv wg Tlavlog 7tQ60ßvZ1]C, vwl 6h xccl öecfiiog Xqiozov 'Irjoov, vgl. Eph. 4, l.

Tr. 11 nciQaxa'uZ vfJLÜg ötofid (xov, ä evsxev Yrjoov Xqiozov ns-

QKptQO).

Erinnerungsmässige Benutzung von Wortlaut und Gedanken des Textes zeigen die Citate: 5? 6. 9. 12. 23. 24 (1. Cor.). 48? (Rom.) 54? (Gal.) 65. 66 (Phil.). 69? (1. Thess.). Formelle Benutzung des Ausdruckes (erinnerungs- mässig) 3. 17. 18. 25. 26. 33. 35 (1. Cor.).

bedanken anklänge ohne oder mit ganz unsicherer Erinnerung an den Text: 2. 4. 8. 10. 11. 16. 19. 21. 22. 27—32. 34. 37. 38. 41-43. 45-47. 50-52. 55—58. 63. 67.. 68. 70.

Allgemeine Verwandtschaft des Wortschatzes: 1. 13—15. 20. 23. 28. 36. 39. 42. 44. 53. 59. 62. 64. 72. 73-78.

Gemeinsame Citate: 7 und 48.

Tabelle IL

Ignatius und deuteropaulinische Schriften.

186

v. d. Goltz, Ignatius.

Ignatius.

1) Sm. 1, 2 "va ccg% cva- arjfzov elq zovq alwvaq ötd zrjq dvaazdoewq av zov ei'ze iv 'Iovöaloig ei'ze iv e&veoiv iv evl aw/uazi ttjQ ixxXr\alaq

avzov.

Tr. 11, 2 ngooxaXeizai vfiäq bvzaq fieXq avzov' ov Svvazai ovv xe<paXr\ %wglq yevvrj&rjvai dvsv fxs-

XwV, ZOV &EOV €VWOlV bJl-

ayyeXXofievov, oq ioziv avzoq.

Pauli n.Epheserb rief.

1, 22 avzov eöwxe xe- <paXr\v vnhg ndvza z% ixxXrjoia, ijziq ioziv zb owfia avzov.

2, 16 xal dnoxazaXXd- £% zovq dfjKpozigovq iv evl ow/uazi.

4, 4 'iv oüjfxa xal ev nvevfjLa, xaS-wq ixXrjd-ijze xal iv fuq iXnlöi zrjq xXr]oewq vfiwv.

Tabelle

Kolosserbrief. 1, 18 avzoq ioziv r) xe- (paXr) zov owfxazoq, zrjq ixxXrjoiaq.

vgl." 2, 19 ov xgazwv zr)v xeipaXr/v, ov näv zb owfxa Öid zwv aipwv xal ovvdia/bKüV imxogrjyov- (xevov xal ovfißißa^ofie- vov avgei zrjv av^rjotv zov &60V.

2) Eph. 9, l Kirche als vaoq und olxoöofir) &eov' d>q övzeq Xl&oi &eov na- zgbq rjzoi/Äao/zevot elq ol- xoöofirjv &eov nazgoq.

Auch als d-voiaazrjgiov.

2, 21 u. 22 iv w näoa olxoöoßr) ovvagfioXoyov- fievrj avt~si slq vabv a- yiov iv xvgiw, iv w xal vfjLStq owoixoöofieto&e slq xazoixrjZTjQiov zov 9-eov iv nvevfiazi.

2, 7 inoixoöofjLOVßf.voi iv avzw.

3) Pol. 5 dyanäv zaq ovfißiovq <oq b xvgioq zr)v ixx?.rjoiav.

5, 22 ai yvvaixeq zolq iöloiq dvdgdoiv wq zip xvoUp, bzi ävr)g ioziv xs- ipaXr) zfjq yvvaixbq, wq 6 Xgiozbq xeipaXr) zrjq ix- xXrjoiaq, avzoq owzr)g zov oojßazoq u. ff.

4) Eph. 19 zgla fivozrj- Qta xgavyfjq, diiva iv r\- ov%iq &eov ingdx&rj. Ilwq ovv iwavegwd-rj zolq alwoi u. ff. ... &e ov dv-

&QWniVWq (paVBQOfJLSVOV

elq xaivozrjza d'iölov ^wrjq. aQXVv °*& iXdfißavev zb nagd &e<p dnrjg-

ZLOfJLEVOV.

5) Eph. 20 otxovotuia slq xaivbv äv&gwnov.

Sm. 4 zov zsXsiov dv- i^gwnov ysvofievov.

R. 6, 2 ixsl nagayevöfie-' voq dv&gwnoq soofiai.

3, 9 xal (fiocioai zlq tj olxovofxia zov fivoztj- qiov zov dnoxsxQVfXfiivov dnb z(5v alcivwv iv zw &E(p zo) zd ndvza xzl- oavzi, (iva yvwQia&y vvv zalq aQxaiq xal zalq i^ovoiaiq iv zolq inov- Qavloiqff. vgl. Rom. 16, 25.

1, 26 ZO (XVOZTIQLOV zb

dnoxsxQVfJLfJLSVov dnb zwv alcjvwv xal dnb zwv ys- vswv, vvv de i<pavsQw&T] zolq dyloiq avzov, oiq r\- B-sXtjGSV b d-sbq yvwoi- oat zl zb nXovzoq zrjq

ÖO&iq ZOV /AVOZTJQlOV ZOV-

zov iv zolq e&vsoiv.

4, 24 ivdvaao&ai zov xaivbv dvd-Qwnov xbvxa- za d-sbv xzio&evza.

4, 13 elq dvöga zeXetov.

X^lvanaQaozriowyiev ndvza ccv9gwnov zeXetov iv Xgtozw.

Tabelle IIa.

187

[la.

Pastoralbriefe.

1. Petrusbrief.

Die übrigen neutest. Schriften.

vgl. 1. Cor. 12, 12 Tab. I. 12a. 19.

1. Tim. 3, 15 iv ol'xü) teov, r]ziq iozlv ixxXrjolcc teov tiövzog, ozvXoq xal ÖQaiiüfxa zr)q äXrj&eiccq.

2, 5 ccvzoi d>q Xl&oi tfivzeq olxoöofiHoO-Ey ol- xoq nvev/Mxuxoq, slq le- gdzevfxa uyiov.

Apoc. Joh. 3, 12 noirjoct) avzov ozvXov iv zw vaiö zov 9eov txov.

vgl. Apoc. Christus und die Braut.

2. Tim. 1,9 u. 10 %uqiv zrjv o&eioav rifj.lv iv Yg. rrja. tcqo xQov(üv aiioviwv, D<xvega>9*ioav de vvv öid rjq innpaveiaq zov oatzfj- )o$ rjfjiüiv Xg. Irja.., xa- agyr]aavzoq [iev zov &d- >azovy <p<oztoavzoq 6e \iDTjv xal ä<p9-agoiav. vgl. Kt. 2, n.

Vgl. 1. 20 TCQ0£yVÜ)Oßi-

vov fiev ngb xazußoXrjq xooßov , (paveoca&ivzoc öh in ioyazov zc5v %go- vüjv öi vtuäq.

Apoc. 10, 7 izeXio&tj zo (jivazr]giov zov &eov, wq evrjyyiXioev zovq kavzov öovXovq zovq ngo<prjzaq, vgl. R. 16, 25 u. 26 und 1. Cor. 2, 6 u. 8 (Tab.INo.8) Tab. I No. 16.

Zu xazagyr\aavzoq zov üdvazov vgl. 1. Cor. 15, 26 Tab. I No. 10.

l.Tim. 6,ti (6 äv&gwne teov.

2. Tim. 3, 17 "va agzioq \ o zov 9-eov OLvd-Qwnoq.

188

v. d. Goltz, Ignatius.

Ignatius.

6) Eph.inscr.Tj/fuAoyj?- fiivrj iv fieyt&si &sov na- xgoq nXrjgcifzaxi.

7) Phld. 9 9vga xo'v na- xgoq für Alle.

Paul in. Eph eserb rief.

1, 10 elq otxovofilav

xov nXrjgwfiaxoq, vgl.

1, 28. 3, 19. 4, 18.

2.» <* * > » ->» , 18 ort oi avxov e%o-

fxev xr\v ngooaywyrjv ol

dfjupoxegoi iv hvl nvev-

(jiaxi ngoq xov naxiga.

vgl. 3, 12.

Kolosserbrief. 2, 9 näv xo nkriQojfxa xrjq d-soxrrxoq iv avx<p vgl. 1, 19.

8) Eph. 18 «V« rw na- 9ei xo vSwg xa&agloy (vgl. d. v6<og £a» für nvsv- fitt R. 7, 2) und d. dva- xxioaG&e eavxovq und ye v- vr]9fjvai der Glieder. Tr. 11,2.

5, 26 kavxo v nagiöioxsv vnhg avxfjq (ixxXrjolaq), "va avxrjv äytdoy xa- &aglaaq x<p XovxQip xov vöaxoq iv grjfiaxi, vgl. 4, 28 dvavsovaB-ai r<p nvevjtaxi xov vobq vfx&v xal ivdvoaoSai xaivov äv&ga>nov etc.

9) Eph. 19 dgxhv 6% £- Xdfißavev xo naget. #£(£ dnrjgxiafjievov' %v&ev xa ndvxa avvsxtvslxo dia xo fieXsxäad'ai öavdxov xa- xdXvoiv.

1, 10 dvaxs<paXai<üoa- a&ai xa jtdvxa xa inl xolq ovgavolq xal xa inl xrjq yrjq iv avx<p.

1, 16 ort iv avx<p ix- xlaS-rj xa ndvxa iv xolq ovgavolq xal inl xrjq yyq% xa bgaxd gaxa etc.

xal xa do-

10) Eph. 1 fiifiijxal ovxtq &eov.

Eph. 10 fiifjirjxal Sh xov xvglov <snovöa%o>(xev slvai vgl. Tr. 1 u. Phld. 1.

5, l rivea&s ovv fufiij- xal xov &€0v, wq xixva dyanrjxd,xal nsginaxslxs iv dydny, xaüdtqxal bXgi- oxbq rjydnijasv v/iäq xal nagiöatxev havxov etc.

11) Sm. 4 avxov fie iv- övvafAOvvxoq xov xe- Xslov dv&g&nov ysvofxi- vov.

6, 10 ivövvafiovo&e iv xvgioj.

12) M. 10 Mr) ovv dvat- o&tjxwfjisv xrjq %gr?oxo- xrjxoq avxov' av yag rjfxäq fiifAr)asxai, xa&ä ngdaaofisvt ovxsxi ia- fiiv. eXsoq Phld.inscr.j Sm. 12, 2 ; xuQl<$ °ft; d. dixauo- &rjväi in Phld. 8, 2.

2, 7— 8 . . xo vnegßdX- Xov nXovxoq xrjq %dgi- xoq avxov iv xgr\ax6- xrjxi iyrjtiäq iv Xg.'lrjo. xjjj yag %dgixi ioxe aeoa>- Gfiivoi 6iä nlaxsa>q} xal xovxo ovx v/uwv, 9-sov xo öwgov ovx ig %gywv, "va . . etc.

Tabelle IIa.

189

Pastoralbriefe.

1. Petrasbrief.

Die übrigen neutest. Schriften.

vgl. Jon. 1, 16 ix xov nXrjQüjjnazoq avxov rj(iElg 7idvxsg iXdßofiEv.

3, 19 Vva Tjßäg npooa- ydyy x(3 &E(5.

vgl. Tab. III b. 19.

Ti. 3, 5 ötd Xovxgov na- lyysvEolag xal dvaxai- (ooecjq nvsvfiaxog aylov.

3,81 ÖtECKü&ljOaV Öl v-

öaxog. o xal v/iag dv~ xlxvnov vvv oüj&l ßd- nx io (ia, ov oagxdg cbto- Ihoig gvrtov, dXXa cvv- EiÖTjOEwq dya&rjg inrjQW- Xf\(ia eIq &eov.

vgl. Tab. III b. 15.

vgl. 1. Joh. 1, 3. 2, 6. 9. 3, 6. 16. 4, 17.

2. Tim. 2, i ivdwafioviv y xdpixi xy iv Xq. 'Itjg.

1. Tim. 1, 12 x<p ivSvva- twoavxl fie Xoioxtp *Iijai.

2. Tim. 4, 17 6 xq ivsöv-

'd (JUDOS (IE.

vgl. P. Phil. 4, 18 iv x(S ivövvafJLOvvxt (iE.

Ti. 3, 4. 5 oxe öe r\XQrc Jxoxrjg xal rj <piXavd-Q(o- tta htE*pdvr\ xov owxfjgog t/i(5v 9eov, ovx ££ Eoycjv <Zv iv öixaioovvy, a i- xot.r\oa(iEV r\(iElg, aXXd taxdxo avxov EXsog, vgl. >. Tim. 1, 9.

190

v. d. Goltz, Ignatius.

Ignatius.

13) Eph. 20 olxovofJLia sie xaivbv av&Qwnov.

Eph. 14 zr)v Tcioztv xal zrjv dyanriv rjzig iaziv d^xv ^wfjg xalzeXog' aQyji (xev nlazig, xeXog de dydnrj vgl. 7r. u. dy. Eph. 1. 9. M. 5. 13. Tr. 8. Phld. 9. 11. Sm. inscr. 1. 6. 12.

Paulin.Epheserbrief.

6, 23 dydnr/ ftszd ni- azewg.

3, 17 xazoixrjaai zov Xqiozov öta zrjg niazs- <y$ iv zalg xaQÖiaig v- fj.wv iv dydnrj £(j(u- ^wfzevot. 1, 10. 3, 2. 9 o l- xovofila.

Kolosserbrief.

1,4 dxovaavxsg zr)v ni aztv vfiwv iv Xq. 'Itjoov xal zrjv dydnrjv r)v eyszs slg ndvzag zovq ccyiovg.

3, 14 inl näoiv de zov- zoig zrjv dydnrjv. o iaziv ovvösofxoq zrjg zeXsiozrj- zog.

14) M. 11 u. sonst 7*70". Xq. r) iXnlg rjfiwv.

1, 27 'Irja. Xq. r) iXnlq zrjg öo£rjg.

15) M. 13 ßsßaiovo&ai iv zotg ööyfiaoi xvqiov.

2, 7 ßsßaiov/xsvoi iv zy nlazsi.

16) M. 7 fila ngoaevx^ fiia öerjoig, slg vovg, (iia iXnlg iv dydny, iv z% xaQ% zw dftwfiw, o iaziv yIrjo. Xq.} ov ä/Lieivov ovöev iazi. ndvzsg cu^ slg eva vaov avvzgexeze 9sov, wg inl ev 9-voiaozr]Qiov} inl eva 'Irj- aovv Xqiozov zov d<p evbg natQog nQoeX&ovza xal slg eva ovza xal X(°9Vm aavza, vgl. M. 8, 2 9sbg 6 (paveQwaag etc.

4, 4 f. fcV awfxa xal ev nvevfia, xa$wg xal i- xXrjd-rjzs iv fiiä iXnlöi zrjg xXr\aswg v,uwv. slg xvQiog, fxia niazig, ev ßdnziofia' slg &sog xal nazr)Q ndvzwv, b inl ndvzwv xal öid ndvzwv xal iv nüoiv.

17) Mahnungen zur Ver- sorgung der Witwen, Be- such der Gemeindever- sammlungen, Gehorsam u. Geduld der Sklaven, Ge- genseitige Achtung u.Treue u. Liebe der Ehegatten, Gehorsam gegen d.kirchl. Obern Pol 4-6. Fürbitte für alle Menschen Eph. 10. Allg. Liebe nach d.Vor- bild Christi Eph. 10, Pol. 6. Milde u.schonendeLei- tung durch den inlaxonog Pol. 2-3.

Gehorsam u. Liebe ge- geneinander, Liebe u. Ach- tungderEhegatten, Ge- horsam der Kinder ge- gen die Eltern, der Skla- ven gegen die Herren (u. umgekehrt). 5, 20 ff.

4, n Apostel, Prophe- ten, Evangelisten, Hirten u. Lehrer zur Einheit der Gemeinde.

Gehorsam der Ehefrauen, Liebe der Männer, Gehor- sam der Kinder, der Skla- ven (3, 18 ff.).

Pastoralbriefe. 1. Tim. 1, 4 olxovo/Atav eov xrjv iv n lozei' xo 6e '■Xoq xrjq naQayyeXiaq i- dv dyccTtTj. 2.Tim.l,i8^v laxei xal dyany. 1. Tim. 14 /i6 xa ntOTfiOQ xal dyd- rjq vgl. 2. Tim. 2,28.1. Tim. n. 2. Tim. 3,io. Tit. 2,2. Tim. 4, 12

Tabelle IIa. 1. Petrusbriet*.

191

Die übrigen neutest. Schriften.

vgl. S. 45 mit Anm.

Gal. 5, 6 niaxiq 6i dyd- nrjq ivsQyovfÄtvrj Tab. I, 50 u. 68.

1. Tim. 1, l 7^(7. Xq. xrjq \niöoq tj/möv.

vgl. Rom. 15, 8. 1. Cor. 1, 6. Hebr. 2, 3.

1. Tim 2, 5 elq yug &eoq, .q xal fxsolxrjq &eov xal

V&QWTC(l)VyaV&QÜ)7lOqXQl-

zoq 'Irjaovq.

vgl. 1. Cor. 8,6. 12, 5 f. 10, 17.

1. Tim. 2 Fürbitte für lle Menschen. Mah- ung an Männer und 'rauen, an intoxonoi nd öidxovoi.

l.Tim.5,i Milde in der i e i t u n g , Fürsorge für die Vitwen, Disciplin imPres- yterium. 1. Tim. 6, i ff . lehorsam der Sklaven.

Tit. 3.1 Gehorsam gegen ie Obrigkeit.

1. Petr. 2, 13 f. Gehor- sam gegen die weltliche Obrigkeit; treuer Ge- horsam der Sklaven. Ge- horsam der Ehefrauen und Liebe und Achtung der Männer gegen sie. . . 1. Petr. 5,1 ff. Milde und liebevolle Leitung der Presbyter; Gehorsam der Jüngern gegen sie.

Hebr. 13, 7 Gehorsam gegen die weltliche Ob- rigkeit. Hebr. 13, 17 Ach- tung vor den kirchl. Vor- stehern. Vgl. auch R. 13,1. Pol. ad Phil. 4-6 u. 12, 3.

192

v. d. Goltz, Ignatius.

b. Epheserbrief und Ignatius.

Ignatius.

1) M. 6, 2 elq xvnov xal öiöaxyv d<p&agolaq.

Paulin. Epheserbrief. 6, 24 iv (hpÜctQOia (Unverdorben - heit), vgl. Tit. 2, 7 iv xy öiöaoxaXlq d<p9ogiav.

2) Phld. 8, 2 xaxd xgi<**oixa&lav.

4, 20 ifiä&exe xov Xgioxov.

3) Pol. 6, 2 xo ßrxTtziO/ua VfJLiSüv (ts- vixw <aq onXa, tj nioxiq <bq negixe- <paXaia, q dyarnj a>q öoqv, tj vrcofiovr} <bq navonXia, vgl. Tab. I. 72.

6, n ivtöoao&e xrjv navonXlav xov &tov 14 &(ogccxa xfjq Öixaioov- vqq 16 &VOE bv xrjq nlaxewq 17 ne - gixe<paXaiavxov Oioxtjgtov nxqvfiu- Xatgav xov nvsvftaxoq, vgl. l.Thess. 5, 8 &<ogaxa nlaxsotq xal dydnr\q xal ntgixe<paXaiav iXnlöa owxtjglaq.

4) Eph. 1 ovofxa o xexTrjo&e <pvoei.

2,3 xixva <pvoei ogyrjq.

5) R. 2 äv&QCDTKxpeoxTJoai , vgl. Tab. I. 70.

6, 6 av&QtoTtuQtoxoi, vgl. CoL 3, 22.

6) Tr. 12, 2 ngenti vfilv xoig xa& fr«.

5, 83 vfJLelq oi xa& %va exaoxoq.

7) Tr. 10 xivhq äöeoi ovxsq.

2, 12 ä^eoi.

8) R. inscr. ne<pa>xiG[ievy iv &e Xr\- ftazi.

1, 18. 9 <p<oxt£tiv, vgl. 2. Tim. 1, 10 u. Joh. 1, 9.

9) d-eX^a resp. freX-rj/ua &tov Eph. 20 l. R. 1, l. M. 1, l. Sm. 1, l. Eph. u. R. inscr.

Das häufige &iXt](jia xov &eov, 1, 5. 9. 11. 5, 17. 6, 6. vgl. Col. 1, 9. 4, 12. vgl. Hebr. 10, 10. 86. 13, 21 u. l.Pt$.2,iö. 3, 17. 4, 2. 19.

10) Sm. 8, 2 x<p 9eq) evdgeoxov, vgl. M. 8 evvpioxijos x<j> niftipavTi.

5, 10 svdgsoxov x(p xvglw, vgl. Phil. 4, 18. Col. 3, 20. Tit. 2,9. Hebr. 13, 21. Rom. 12, 1-2. 14, 18. 2. Cor. 5, 9.

11) Phld. 7 xo nveifxa ov nXaväxat etc. . . . xal xgvnxä iXiyxei.

5, 12 iXeyxexs' xa yäg xgv<prj yivo- fieva vn avx(5v aioxQOv ioxi xal Xe- ystv xa, de ndvxa iXeyxoßeva vnb xov (pwzbq <pavegovxat, vgl. Tab. I. No.29.

c. Kolosserbrief und Ignatius.

Ignatius. 1) M. 10.2 aXio^rjxe iv avx(p.

2) Tr. 5, 2 bgaxd xe xal dogaxa.

3) Eph. 17 yv(5oiv 9eov Xaßovxsq, o ioxiv fyo. Xg.

4) Sm. 1 xa&tjXojfie'vovq xw oxavgw.

Kolosserbrief. 4, 6 aXaxi rjgxvfievoq.

1, 16 bgaxu, xal dogaxa.

2,2 elq inlyvioaiv xov fjtvoxrjglov xov 9-eov.

2, 14 ngoorjXcioaq avxb xol oxavgw.

Tabelle IIb. cd.

193

d. Ignatius und die Pastoralbriefe.

Ignatius. 1) Eph. 1 dva^wnvgeiv.

2) Eph. 2 dvcnpvfri.

3) Eph. 9 xccra ndvxa xexoofjiTjfii- voi iv xatq ivxoXaiq 'It]o. Xg.

4) Eph. 10 £v ndoy ayveta xal o<o~

5) Eph. 14 nlaxiv inayyeXXofievoq.

6) Eph. 16 nlaxiv (obj.) <p&elgeiv.

Pastoralbriefe. 2. Tim. 1, 6 dvd^wnvgelv.

2. Tim. 1, 16 dviyv&v.

1. Tim. 2, 9 pst' alöovq xal am- <pgoavvr\q xoofieZv kavxdq.

1. Tim. 4, 12. 5, 2 ayveta. 2, 9. 15 aoMpgoovvt].

1. Tim. 2, 10 inayyeXXofitvaiq &eo- aeßeiav.

1. Tim. 5, 19 nlaxiv d&exeiv, vgl. Gal. 1, 28, Tab. I. 51.

7) Hph. 17 (tri alxfACckwxioy vfiäq Phld. 2 alx,ua?.a>xi£ovGi &eodg6luovq.

8) M. 5 idv ftr] av&aiQtTioq kxoiiev xo dno&aveiv, xo tftv avxov oi>x I<x- xiv iv iipZv.

2. Tim. 3, 6 alxiiaXatxl^ovxeq yv- vaixdgia.

2. Tim. 2, n el ydg avvane&dvo/iev xal owZ,Tj<JOfiev, vgl. Tab. I. 38 u. 46.

9) M. 6 ötaxovia 'Irjoov Xgtaxov.

1. Tim. 4, 6 öiaxovla ä'tjo. Xg., vgl. Tab. I. 39.

10) M. 8 Mrj nXaväa&e xalq txego- 6o£laiq fitjöh ttv9eviiaaiv xolq na' Xaioiq dvaxpeXiaiv ovaiv el ydg fieXQi vvv xaxd völiov *Iovdaia- itov %(5itev, 6tuoloyovfiev ydgiv jiij elXyipevai.

11) M. 11 u; sonst 'Jrja. Xg. y iX- nlq Tjfitov.

1. Tim. 4, 7 fi v&o vq ygawöeiq, Tit. 1, H 'Iovöa'ixoiq ftv&oiq. Tit. 3, 9 fiwgäq 6h ^rixijaeiq xal yeveaXoylaq xal egiv xal fid%aq voitixdq negi- iaxaao' elolv ydg dvaxpeXeiq xal ßdxaioi.

1. Tim. 1, l 'Itjo. Xg. xfjq iXnlöoq

TJftWV.

12) Tr. 2 öiaxovovq <pvXaaaea&ai Sei xu iyxXrjttaxa <oq nvg.

1. Tim. 3, 10 öidxovoi avtyxXrixoi Svxeq.

13) Tr, 3 xaxdaxijiia.

14) Tr. 7 xa&agoq xy avveiörjaei.

Tit. 2, 3 xaxdozTj/na.

1. Tim. 3, 9. ä Tim. 1, s iv xa&a- oweidijaei.

15) Tr. 8 ngavnd&eia.

1. Tim. 6, ll ngavna&la.

16) Tr. 8 tirj d<pogfxdq SiSoxe xolq

X&VSOIV.

1. Tim. 5, 14 itrjöeiilfzv dfpogfirjv öi- öovai xip dvxixeifihip.

17) R.2 itij itXiov nagdozTjo&e xov onovStaS-tjvai 9f(5.

Texte u. Untersuch angen XII, 8.

2. Tim. 4, 6 iyd> ydg jjörj anhöofiat vgl. Phil. 2, 17. Tab. I No. 63. 13

194

v. d. Goltz, Iguatius.

Ignatius. 18) R. 9 dXXy ^Xitjfiat xtq elvai.

Pa8toralbriefe.

1. Tim. 1, 18 aXXd riXey&qv, oxi vgl. Tab. I. 43.

19) Sm. 1 xov ovxmq rjfiaq ao<pi- aavxa.

2. lim. 3, 15 xd Swdfievd <je ao- (flaai, vgl. 2. Petr. 1, 16.

20) Sm. 4 xiXeioq av&outnoq (von Chr.).

1. Tim. 2, 5 av&QotTititv av&Qü)7ioq.

21) Sm. 4 ndvxa v7toßivw avxov fie ivSvvaßovvxoq. vgl. Tab. I No. 65.

2. Tim. 2, 10 ndvxa imopivw Sid xoitg ixXexxovq.

22) Sm. 5 ov xtvsq dyvoovvxeq «(>- vovvxai,fiaXXov ijovy&ijGttv im' avxov.

2. Tim. 2, li d dovijoofjis&a, xd- xstvoq dovyoexai.

23) Sm. 8 <hq &sov ivxoXijv und Tr. 13 <bq xy ivxoXy.

1. Tim. 6, u xrjoeiv xrjv ivxoXqv dantXov.

24) Sm. 9 dvavfjxpcd.

2. Tim. 2, 86 dvav^xpü»civ. ,

25) Sm. 10 xd öeafid pov a ov% v7teQt]<pavJjoaTE ovöh ingo'zvv&ijxs.

2. Tim. 1, 16 ttjv aXvalv fiov ovx inyoxvvfhj.

26) Sm. 12 #«£<$ vftiv, h'teoq, el-

O^Vf], VTlOflOVr].

1. Tim. 1, 8. 2. Tim. 1, 8 %dQiq

27) Pol. 1 rcü ögofim <fov.

2. Tim. 4, 7 xov doopov.

28) Pol. 1 uq xiXstoq c&Ajyrjfc. Pol. 2, 8 vtj(pe ö>s &eov d&Xijx/jq.

2. Tim. 2, ö &y <fc xal d&Xü xiq, ov oxe<pavovxatt idv fiy voftißcoq d&~ Xrjoy. 4, 5 vtjipe iv nüoiv.

29) Pol. 3 kxsooötdaoxaXrtv.

1. Tim. 1, 8. 6, 8 kxsQOöiSaaxaXslv.

30) Pol. 4 pq& öovXoi qwatova' Satöccv, clXXa nXiov öovXevhcooav.

1. Tim. 6, 8 öovXoi prj xaxa<pgo- vflxwaavt dXXd päXXov dovXevexw- oav.

31) Pol. 6 &eov oixovopot.

Tit. 1, 7&eov olxovoftoVfVgll.Gor. 4. l Tab. I. 15 u. 39.

32) Sm. 1. Tr. 12 ix yivovq daßlö.

2. Tim. 2, 8 ix oniQfiaxoq daßiö vgl. Tab. I. 49

e. Ignatius und die Petrusbriefe.

Ignatius.

1) Eph. 5 vnsori<pdvoiq b teoq dvxi- xdooexcu.

1. Petrüsbrief. 5, 5 6 Seoq v7t£Qi]<pdvoiq dvxixdo- asxai « Prov. 3, 84.

2) Eph. 9 Xidoi 9eov naxobq und dort das ganze Bild.

2, 5 avxol wq Xt&oi Zfivxeq olxo- 6outfo&e, olxoq Ttvevfxaxixoq, elq le- odxevfitt aytov.

Tabelle II d. e. f.

195

Ignatius.

3) Eph. 10 Feindesliebe nach dem Beispiel des Herrn.

4) Eph. 12 "xvtj (Pauli).

5) M. 8 ol &etoxaxot nQOiptjxat ifinveo/ievoi vnb xrjq %aQaoq.

6) TV. 2 ov xaicc dv&Qwnovq Z,wv- xeq dXXä xaxä 'Irjo. Xq.

7) Pol. 5 ndvxu elq xifir)v &eov ytvio&w u. sonst.

8) R. 8 öt oXiywv yQafifJtuxwv ai- xov/iat vfiäg.

1. Petrusbrief.

2, 22. 23 Og XotöOQOVfAEVOq ovx aV

xeXotöÖQSi^ ndoxwv ovx ipieiXei. 2, 21 Xxvr\ (d. Hrn.).

1, io ol nQo<pijxat neol xijg eig v- fxüq xagixoq nQO<pr]xevaavxsg.

4, 6 xaxa dv&Qwnovg' occoxi, tfiot xaxa 9ebv nvsifiaxi.

4, n iv näot öogd^rjxat o 9ebg Ötd 'Irjo. Xq.

5, 12 öl oXiywv eygaxpa naoccxcc- Xwv.

Ignatius. 9) Xq. 6 &ebg ^wv.

10) Eph. 1 o xexxrjo&e wvost. vgl. Tab. IIb. 4.

2. Petrusbrief.

1,2. rot; &eov rjfiwv xal owxijQog Irjoov Xqioxov.

1, 4 &tiaq xoivwvol wvoewg.

11) Phld. 9 Ttaoovoia xov owxiJQog.

1, 16 naoovola '[tjoov Xqioxov von der ersten Erscheinung Christi.

12) Tr. 8 öt ov xb bvofid fiov inl xtvmv ßXaog>t]fjtelxat.

2, 2 öt ovq r\ böbq xrjg aXrj&etaq ßXao<pr](iiTj&Tjoexai.

13) Tr. 13 u. Sm. 8 t) ivxoXt).

2, 21. 3, 2 ayia ivxoXr], t) xwv d- nooxoXwv vfiwv ivxoXij.

14) Eph. 12 og {nXq.) iv ndoy int- axo\7d fivijfiovevsi vfxwv.

f. Ignatius und

Ignatius.

1) Eph. 17 ix XOV 7tQOX€lfjl€VOV

2) M. 3 xb öh xotovxov ov nQog oaQxa b Xoyoq dXXd ngbq &ebv xov xa. XQxxpta siöoxa.

3) M. 6 iv xeXet i<pdvrj.

3, 18 IlavXoq Xatg.

iv n&eatg intoxo-

der Hebräerbrief.

Hebräerbrief. 6, 18 xrjq nQOxetfiivrjq iXnlöoq.

4) M. 7 inl £v &votaoxiJQiov und Tr. 7 6 ivxoq &votaoxi]Qiov ioxt, xa- 9-aooq ioxt.

4, ndvxa öe yvfiva xal xsxQa- XlXtOfjLiva xolq Scf&aX/uoig avzov, 7tQÖq ov rifilv b Xoyoq.

1, l in ioxdxov xwv rjftSQwv xov- xwv. 9, 26 inl owxeXela xwv alw- vwv. vgl. 1. Cor. 10, ii Tab. I No. 11.

13, io exofiev &vataoxiJQtov ig ov <payetv ovx üxovot ol Xaxgevovxeq xy oxrjvy, vgl. l.Cor. 10,16.17 Tab.I No.28. 13*

196

v. d. Goltz, Ignatius.

Ignatius. 5) M. 9 ol nooyrjftai fia&rjzal ov- xeq Z(p nvevuazi wq 6iödaxa).ov av- tbv tiqooföoxwv xal diu zovzo, ov dixalioq dvitttvov, nagiav tjyetoev av- zovq ix vtxQfuv.

7) Phld. 9, l KaXol xal ol Ugelq. xgetooov dh 6 agxtegevq b neniozcv- psvoq xa ayia xBv ccytwv, bq iiovoq Ttentozevzat za xgvnza zov &eov.

8) Pol. 1 wq ziXstoq d&Xqzqq.

Hebräerbrief.

11, 16 vvv dh XQhlaoovoq ogiyovxai, xovt toxi inovgavlov ' dt 6 ovx inai- a%vvBxai avxoiq 6 &f6q &edq imxu- Xeto&ai avxtov rjxoffjtaoe ydg avxoiq noXiv.

vgl. 2, 17. 3, l. 4, H. 5, 5. 10. 6, ».

7, 86. 8, 1. 9, 11. b^S. 7,28 26 ol flhv

nXsloveq tegeiq xotovxoq tjiiZv e- ngensv dgxtegevq.

10, 82 noXlrp a&Xrjaiv vnefjttivaxe, vgl. Tab II d. 28.

g. Ignatius und der Jacobusbrief.

Ignatius.

1) Pol. 2 za dogaza cuxu *lva aoi (pttY8QO)&% (lva fitjösvoq Xebiy.

Jacobusbrief.

1, 4 iv nnöevi Xemofievoi' sl 6i zig vfiiüv Xelnezai oo<plaq, alxeixio.

2) Eph. 5 yiyganzai yäg vnsgrf (pdvoiq b Q-soq dvztzdaaszai. oitovddooißtv ovv ny dvztzdooto- d-ai zw imaxonw, Klva w/xsv &sov vTzoxaooofisvoi, vgl. Tab. II e. 1.

4, 6 6ib Xiyei' b &ebq vnsgij- <pdvoiqd*vzizdaoezai (Prov.3,34), zansivotq 6h 6l6wotv %doiv vtcozu- yyjxe ovv z<p 9-sw' dvzlozrjzi zip 6iaßoXw vgl. 1. Petr. 5,5. l.Clem.30,2. LXX hat xvotoq statt &eoq.

Von sämtlichen in Tab. II aufgezeichneten Parallelen lassen nur die- jenigen zwischen Epheserbrief und Ignatius eine litterarische erinnerungs- massige Entlehnung als leicht möglich erscheinen. Die zahlreichen Berüh- rungen mit den Pastoralbriefen verraten nirgends mehr als eine Gemein- samkeit eines geistesverwandten christlichen Sprachschatzes. Sind die ein- zelnen Beruhrungen zum Beweis litterarischer Entlehnung zu schwach, s*o ändert auch ihre verhältnismässig grosse Zahl diesen Mangel an Beweis- kraft nicht.

Tabelle III.

a. Johannes und Ignatius allein.

Johannes. 1) Joh. 6, 83 ägzoq zov &eov (ge- wöhnlich ix zov ovgavov, vgl. 6, 81.

32. 68).

2) 13, 20 b Xaitßdvwv av ziva ni/x- xpw ifjih Xttfißdvstf b 6h ifjih Xu/x-

Ignatius. Eph. 5. R. 7 dgzoq zov 9eof>.

Eph. 6 ndvza yao, ov nifinsi 6 oixo6eo7iozTjq slq I6lav olxovo/xiav,

Tabelle II f. g. III a.

197

Johannes. ßdvwv Xafißdvet xbv n ifi \p a v- xd fie.

3) 12, 8i, 14, so. 16, n 6 (xqx<ov xov

XOCflOV XOVXOV.

4) 8, 28—29 (vgl. 5, 19 u. 12, 49): an ifiavxol -reo im ovöev, dXXä xa&wq iöiöagi fie 6 naxiJQ, xavxa XaXw. xal o Tiißxpag fie fiex* iftov iaxlv (vgl. auch Joh. 9, 88).

5) ob*, dyrjxiv fie fiovov% oxi iyw xd dosora avxw notw ndvxoxe (ein scharf eingerahmtes kurzes Herren- wort).

Ignatius.

ovxwq öet tifiäq avxbv 6ixea^ai' wq avtov xbv niftyavta.1)

Eph. 17. 19 u. a. 6 aQX<*>v xov al- (OVOQ xovxov.2)

M. 7 waneg ovv 6 xvqioq avev xov natQoq ovöev inolrfoe, yvw- fiivoq <wv, ovre dt kavxov ovxe diu xwv dnooxoXwv} ovxwq . ... M. 8 oq ioxiv avtov Xoyoq dnb otyrjq nQO- eX&wv, oq xaxä ndvxa ewjgeaxrjae xiji nefixpavxi avxbv, vgl. R. 8 fyo. Xq. xb dtpevShq oxbfia, iv w o naxfoi- XdXtjoev dXrj&wq.

6) 17, «1. 88 flva ndvxeq exv woiv, xa&wq av ndxeQ iv ifiol xdyw iv ooi, Iva xal avxol iv rjßlv a>atv, vgl. 10, so. 88. 14, n. vgL Trb. III b. 21.

Eph. 5 dvaxexgafifiivovq avt(j> wq 'Itjo. Xq. xy naxot (vgL Sm. 3, 8 tj- vwftivoq), riva ndvxa iv evoxrjxi avfi- <pwvd y.

7) 1,18 6 wv elq xbv xoXnov xov naxQoq, vgl. 1, l qv nobq xbv&eov. 13, 8 dnb 9eov igfjXd'ev xal ngbq xbv &ebv vndyei.

M. 7 yIrjo. Xq. xbv d<f> kvbq na- XQoq nQo'eX&ovxa xal elq iva ovxa xal %<aQriQ'avxa.

8) 14, 80 iv ixelvy xy fjfieQa vfielq yvwoeo&e oxi iyw iv xy naxQi fiov xal vfielq iv ifiol xdyw iv vfiZv^ vgl. 16, 14. 17, 5.

R. 3, 8 7j?(J Xq. iv naxQl wv ftaX- Xov watvexat.

9) 12, 88 xdyw iav vyw&ü ix xfjq yrjq, ndvxaq kXxvaw ngbq ifiavxov.

Eph. 9 oxavQoq Xq. als firjxavt) elq &eov. Sin. 1 xa&rjXojfie'vovq X(j> oxavQÜ).

10) d. Hass der Welt 15, 18. 17, 14. 1. Joh. 3,18.

R. 3, 3 fieyi&ovq iaxlv b XQioxia- viofioq, oxav ftiorjxat vnb xoofiov.

11) 1. Joh. 3, 14 b firj dyanwy fii- vei iv xw Savdxw.

Sm. 7 owitpege de avxolq dyanävf Klva xal'dvaoxwoiv.

12) 11, 85 iyw' elfii r\ dvuoxaatq xal rj £a»i, vgl. Joh. 1, 4 14, 6.

Sm. 4 u. oft. Xq. xb dXr]9tvbv 17-

fLWV tflV.

1) Vgl. Mth. 10, 40 o öexbfxevoq vfiäq ifik dix^iai, xal b ifie öexbfievoq Sixttai xbv dnooxelXavxd fie (d. olxoöeonoxrjq Mth. 21, 88 ft).

2) 1. Cor. 2, 6. 8 aQXOvxeq xov alwvoq xov%ov.

198

Johannes. 1) 1, l iv dgxfi Vv ° Xoyoq.

v. d. Goltz, Ignatius.

b. Johannes, Ignatius und

Ignatius.

M. 8 avxov Xoyoq chtb oiyrjq ngoeX- d-oiv; vgl. yvcifxij, arojua naxgoq.

2) 1, 4 iv avTcp £o>»} t]v, vgl. 5, 26. 6, 38.

85. 11,25. 14,6. 1. Joh. 5,12.

3) 1, 5 <p<5q oxoxlä (vgl. 1. Joh. 1) <aq xb <pd)Q fytTBy nioxsvtxE tlq xb <pd>q, "va vlol qxnxbq yivrja&e. b xoo- ßoq avxbv ovx fyvw. vgl. 1, 9. 3. 19. 8, 12. 1. Joh. 1, 7. 2. 10.

4) 1, 14 occgi- iyivsxo ; 1. Joh~ 4, 2 hv oagxl iXriXv&ivai 2. Joh. 7.

5) 1, 17 ovSe ix &eXftfiaxoq oagxbq dXXy ix &€Ov.

6) /xovoyevqq naga xov naxgoq. 1, 14. 18. 3,16.18. 1. Joh. 4,9.

7) Joh. 1, 19 ff.: Johannes [d. Tl.] 20: xal cafioXöytjae oxt iyw ovx elfd b Xgiaxoq .... 23: 'Eya> <pQ>vrj ßoövxoq ivrfj ioqfty sv&vvaxs xrjv bdbvxvQlov.

8) Joh. 3, 3. 4 iav (iiq xtq yevvtj&q a- votd-ev, ov dvvaxai ideiv xt\v ßaoiXsiav xov d-eov. Xiysi ngbq avxbv Nixoöt]' fioq' n<Sq övvaxai ysvvij^vat av&ga>- noq yigwv wv, (tri övvaxai slq xr\v xoi- Xlav xrjq firixgbq avxov ösvxegov eloeX- 9sTv xal ysvvrj&tjvcu u 8. w., vgl. Joh.

1, 13. 3, 6. 8. 1. Joh. 2, 29. 3, 9.

Sm. 4 xb döidxgixov tj/udiv Z^v. u. a.

R. C xa&agbv <p<öq\ Phld. 2 xixva (fioxbq dXrj&eiaq; Eph. 19 <pwq dvtxXd- Xtjxov geviapbv nageixs rj xaivbxrjq avxov vnsgßdXXmv xo <pwq avxov vnhg ndvxa.

Sm. 4 xov xeXeiov dv&gwnov yevo- fxivov. Sin. 1 : iv aagxl etc. Eph. 6 : iv aagxl ysvofxsvoq &eoq (od. besser iv dv&g<an<p &eoq).

Sm. 7 vlbv &sov xaza. d-iXijfia xal 6v- vapiv. Eph. 0 xal ix Magläq xal ix 9sov. Eph. 18 ix onigfxaxoq daßlö, nvevfiaxoq 6h ayiov.

R. iscr. fiovoq vlbq avxov.

Sm. 1 ßfßanxtoftevov vnb 'Iioavvov, °Lva nXrjgioS-y naoa öixaioavvt] in av- xov, vgl. R. 2 den Gegensatz von Xo- yoq u. <pwvr\\

vgl. Tr. 8 dvaxxloao&e kavxovq, Tr. 11 ov övvaxai ovv x£<paXri yevvTj&rjvai ä- vsv (jleXwv u. aus derselben Erzählung ein Anklang, vgl. 9).

1) Diese Tabelle b enthält last sämtliche Stellen, welche Thoma (Zeitschr. f. wiss. Theol- 1875) zum Beweis für eine Benutzung des 4. Evangeliums durch Justin beibringt und stellt die Parallelen aus Ign. u. A. dazu, nur, um den Mangel an Beweiskraft der Thoma'schen Erörterung klarzustellen ; aber um andrerseits

Tabelle III b.

199

Justin mit Parallelen.1)

Justinas.

Ap. II, 6 b Xoyog ngb xüv noitiftd- tü)V xal owdtv xal yew&fjievoq u. A.

Parallelen aus dem N. T. u. d. nacbapost. Litt.

Ep. ad Diogn. 7, 2 xov Xoyov xbv ayiov, Tgl. aucb Athenagor. Apocal. Joh. 19, 18.

Dial. 6 u. sonst Betonung v. £ci>»j u. £jjjv. (escbatolog.)

bei Clem. I u. II, Barn. u. Herrn £a»ä

eschatologißch.

Dial. 17 d/ucojuov xal öixaiov <p<oxbg tolg dv&Qatnotg n$fjt<p&£vzo$. Dial. 121. 122 fx5q i&v<5v, xb ovoua av'xov vnhg rbv fjXiov dvaxeXü.

Barn. 14 ff. <pwg oxbxog. 1. Pe. 2, 9 ix oxöxovg yjftäg xaXiaavxog elg tb 9avfiaoxbv avxov tpög. P. Eph. 5, 8 xixva (pü>i6g. 1. Thess. 5, 6 viol <panog vgl. d. doxtjg Mth. 2. Protev. Jac. 21; Clem. AI. Exe. aus Theod. 74 (vgl. Lightfoot zu Eph. 19).

Dial. 45 u. a. yeyivvrjxat av&gwnog, vagxonoiri&tlg V7t4fi€iv(.

II. Clem. 9, 5 Sv fikv xb ng&xov nvev/ia iyivexo äugt;. Barn. 5, 6. 10. n iv oapxl <pav€Q0V09euf vgl. 6, 7. Pol. ad Phil. 7, l, vgl. P. Rom. 1, 8. 1. Tim 3,16. Tit. 2,ll.

Ap. 1, 63 <fca &eXj}fxatog &eov öid 9wdfito>g (d. h. nag^ivov); ovx «V« &Q(D7teiov oxip/jicttoq yeyewrjftivov, dXX* ix 9eXqfiaxog &sov.

vgl. P. Rom 1,8.

povog löttog vlog (Ap. I, 23) II, 6 6 uovog xvgitog vlog, unigenitus (i. Syn- bagma bei Iren. IV, 6, a Dial. 105 aus Ps. 21, si (LXX).)

Mart. Polyc. 20, a naidbg avxov xov fiovoyevovg^ifo ov.u.Testam. Beniamin9; I Clem. 43, c ovofia xov dXijd-ivbv xal ßovov xvqIov.

Dial. 49 u. 50. 88, 16 Ovx eljil b Xgioxbg, dXXa <p(ovri ßoörxog, ov ovx elfil heavbg vnoöijfiaxa ßaoxdoai (10 d. Zimmermannssohn = Mc. 3, 6.)

Mt. 3, 8 (fiovrj ßoövxog iv xy igtifuo' kxoifidoaxe etc. 3, 44 ovxto yag noircov ioxl rjiAiv 7t?.r}ß<5oai näoav öixatoavvrjy.

I Ap. 61, 7 xal yap b Xgioxbg el- nev av (itj dvayewtj&tjxe, ov m tlotX- &rjxe dg xr\v ßaoiXalav x<5v ovQavötv oxt 6h xal dövvaxov eig xag ftyxgag xcäv xsxovowv xovg ana<* yswwfiivovg ifi- ßrjvai (paveQOv näoiv ioxlv.

Ps. Clem. Hom. XI, 2b d/irjv vuiv* Xkyto iav fiy dvayewtj&Tjxs vdaxi tßvxi elg ovofia naxobg, vlod, ayiov rtvsvßa- xog, ov fjiTj eloiX&ijxe slg xr\v ßaotXelav xüv oipavdiv vgl. Clem. AI. Cohort. ad Graec. IX, 82. Paed. I, 5; 18 vgl. aucb 1. Petr. 1, 83 u. Mth.18, 8. dazuW.Bousset, Evangeliencitate Justins d. M. S, 66 ff.

das Vorhandensein einer gemeinsamen Tradition nachzuweisen, der Johannes den Stempel giebt, an der aber auch Ign. und Justin in verschiedenem Grad Teil haben. Besonders wichtig für Letzteres sind die Nummern: 1, 4, 6,8, 11, 12, 14, 15, 16, 17, 21, während 2, 5, 7, 10, 13, 20, 23 allgemein verbreitetes christliches Erbgut enthalten.

200

v. d. Goltz, Ignatius.

Johannes.

9) 3, 8 xb nvevfjia %nov 9iXei nvel xal xr\v gxovriv avxov dxovuq, ak?* ovx ol- öaq, nd&ev h*gxetai xa^ «ov vnä- yei, vgl. Job. 8,14. 13,8. 7,84.28. 9,29.

14, 6. 12, 85. 15, 28.

10) 3, 14 xa&u>g Mwvofjq v\po>oe tov b<piv iv tg iyi'jfxip, ovxwq vtpw&ijvai ösl tov vlbv tov dv&gojnov, %va naq b m~ axeviov iv avxip e%y Z,(t>rtv alwviov.

11) Joh. 5, 19 ov övvaxat b vlbq noi- £tv «V havtov ovöiv, idv fxrj xi ßXiny xbv naxkga Ttoiovvta, vgl. 8, 89. 12, 49 5, 80.

12) Joh. 5, 86—88 die Werke Christi zeugen für ihn; Beide *pa> wj u. elöoq Got- tes.. . xal xbv Xoyov avxov ovx e%ex£ iv v/xtv ftivovxa, oxi, ov änioxeiXtv ixstvoq, tovxip vfistq ov fjttj moxsvtxs.

13) 5, 18. 19 u. 7, 22 das Vorbild Gottes und die Gestattung der Beschneidung am Sabbat als Gründe für die principielle Freiheit vom Sabb.-Gebot.

Ignatius.

Phld<7 ov nXavutai xb nvtvfjia, dnb &toX> bv olöev yag no&ev egxetai xal tcov vndyei xal tu xgvnxä i?.iyxei.

vgl.Sm.l . . . avxov nä&övq rlva &gy ovaoTj/xov elq xovq aldivag 6\a xijq dvaoxdosaK elq xovq äyiovq xal ni- oxovq etc.

M. 7 ataneg ovv b xvgioq avev xov naxgbq ovöiv inotijoe Tjvutttivoq <ov, ovxe öi kavxov ovxe öta xöv dnooxo-

XüiV . . .

Christus yvwy.fi u.aro/ucc xov naxgbq vgl. Pol. 3 dbgaxov xbv öi* fjfzaq bga- xbv. Sm. iscr. ii Xoycp &eov yaigeiv.

Auch Judenchristen haben den Sab- bat schon aufgegeben (M. 9).

14) Joh. 6,27 (xri tyv ßgmoiv xqv «*- noXXvfisvrjiv fidvva, ägxoq ix xov ovgavov 33 ägxoq tov &eov 35 ägxoq xfjq Z,<orjq 54 b xgwywv fxov xijv odgxa xal nlvmv pov xb aipa e/si Z,a>riv aldtviov u. ff.

R. 7 ovx ?<W«m xgogtfj <p&ogäq ov- ob Tjöovaiq xov ßiov xovxov (vgl. La 8, 14); ägxov &eov 9iXa>, o ioxiv oägg 'Itjvov Xgioxov xal nofia 9iXat xb ah fjia avxov, o iativ dydnij utfd-agxoq, vgl. Phld. 4 elq evmoiv xov a'iuaxoq avxov.

15) 7, 87. 88 meiy-q vöaxoq aXXofjiivov elq t,(t)^v aiciviov. vgl. 4, u vö<og "Cfiv ; vöwg = nvsvfxa.

R. 7 vötog tvjv XaXovv iv ißoi.

16) 1. Joh. 3, 8 elq xovxo itpavegw&ij b vlbq xov &eov, "va Xvoy egya tov öiaßoXov.

Eph. 19 Z7a>£ i<pavegc£{hi xolq alwcty o&ev iXveto näac uayela üv&ev tcc ndvta owexiveZto Öicc tb fieXetäo&ai 9avdtov xatäXvoiv. (20 obcovoßia slq xatvbv av&gwnov).

Tabelle III b.

201

Justinus.

Ap. .1, 60. Dial. 64. 91 d. Schlange i. d. Wüste als xvnoq oxavgov (vgl. d. i£- «gare ovoorjfiov Dial. 26 aus Jes. 62, io).

Parallelen aus dem N. T. u. d. naohapost Litt.

d. Schlange als xvnoq d. Krzs. : Barn. 12, 6 Tert adv. Marc. III, 18 u. sonst Sap. 16, 5— 18 vgl. Philo Leg. all. II, 20. 21. De agrio. 22.

11) Dial. 56,25. 26 oiölv ydg <pf]fu av- tbv nengaxevai noxh rj ofufo/xivat, ?, tcnsQ 6 xov xdofiov noirjoaq . . . ßs- ßovXijxai xal npägcu xal btukrjacu.

Dial. 127 äyyeXoq ix xov vntjgexetv rj? yvwfiy avxov.

Dial. 29 Schöpfung Gottes am Sab- bat

Ap. 1, 6, 6 ov ydg wq xoivov agxov xal ovdh xoivov nöua xavxu Xafißdvo- fiev dXX* ov xgonov öid Xöyov d-sov octQxonoiTjSslg 'Iijo. Xg. o owxrig rifidiv xal odgxa xal al/aa imhg oatxrjgiaq ?/- fuäv HozS) ovxo>q xal xrjv evxagioxrj&st- oav xgo<prjv . . . ixelvov . . . xal odg- xa xal aifia ididdx&qf&v elvai.

Jid. IX ayta dfjmsXoq xmkg tfitfjq xal yvwoewq nvsvfxaxixrjv xgo<prjv xal noxbv xal C,(t>rjv altovtov vgl. 1. Cor. 10, 8 nvevfiaxixbv ßgü/xa ü. nofxa xoivtovla a'tfiaxoq xal owfiaxoq Apoc. 3, 20 eloeXevoopai ngbq avxov xal östTCvijoü) (tsx* avxov xal avxbq fiex* kfxov.

Dial. 69 u. 114 xb xrjq ^(ofjq luöwg meiv. Dial. 69 nrjyt) vöaxoq Z,wvxoq.

Barn. 11, io ff. d. umwandelnde Tauf- wasser Apoc. 2, io.. 21, 6. 22, 16. 17. Ep, Lugd. u. Vienne [Eus. V, 1,22]: xyq ov- gaviov nijyrjq xov vöaxoq xijq Zflitjq.

DiaL 45 ngb hwo<p6gov xal oeXtjvrjq t]v, xal öid xfjq nag&tvov yswij&rj- vat vntneive, °iva öid xfjq olxovo/jiaq xavTtjq o novTjgeved/uevoq xtjv dgxt)v bcpiq xal ol igofioiat&ivxeq avxw ayysXoi xa- raXv&dioi xal b &dvaxoq xaxa<pgovri&y.

Barn. 4 firJTtoxe xaxaXdßy r)/uäq xd %gya xrjq ävofiiaq vgl. 1. Cor. 15, 26 u. Mth. 2. Clem. Alex. Exe. Theod. 74. vgl. Tab. III b. 3.

202

v. d. Goltz, Ignatius.

Johannes«

17) 10, 18 igovolav %z<° nakv Xaßelv avrtjv [yfvx^v). xavxtjv xijv ivxoXrjv ?- Xaßov naQa xov naxooq pov.

18) Joh. 11, 52 o$% vnhg *°v %&vovq fxovov, dXX'Vva xalxdxixva xov &eov xd öisoxogmofiiva slaaydyg slq sv.

19) 14, 6 u. 7 ovöslq Soxftai ngbq xov Ttaxiga sl fiy Si ifiov. sl iyvaixsixi fis, xal xov naxiga fiov fo> siörjxs vgl. 17, 8 u. 10, 7 iyw elfii % Svqo, x<Sv uqo- ßdxtov u. 15, 16 ndvxa a rjxovoa nagd xov naxQoq fiov iyvdgioa vfJtZv.

20) 15, l ff, dfinsXoq * yswoyoq.

Chr. 6 naxriQ

Ignatius. Sm. 2 dvioxijos kavxdv.

8m. 1, 2 Iva nog ovootjfiov . . . slq xovq dyiovq xal moxovq avroC ehe iv lovöaioiq stxs iv i&vsoiv iv svl oclfiaxi xtjq ixxXr^olaq avxov, vgl. M. IC Jfp., slq ov naoa yXdiooa moxsvaaoa slq &sbv awrflfor\.

Eph. 17, 9 &sov yv&oiq o iaxiv *Ir\<i. Xg. Phld. 9 avxbq otv dvga xov na- xgoq etc.

Tr. 11. Phld. 3 xXdöoi xov oxavgov u. <pvxsla xov naxgoq.

21) 17, iL 21 Hva woiv s%v xa&d>q r\- (isiq %va ndvxsq fcV woiv, vgl. 10, 80. 88. 14, n Tab. III a. 6.

Eph. 5 dvaxsxga/ufis'vovq avxw wq ylrjo Xg. xw naxgi, rtva ndvxa iv kvo- xijxi iv[i<pwvd y u. M. 7 fila ngoosvxv> fila öitjotq, slq vovq, fxla iXnlq.

22) 5, 28 b firj xi/twv xov vlov, ov xi- fia xov naxsga xov niftyavxa avxov.

Eph. 6 ndvxa yctg, ov nifinsi b olxo- Ösonoxrjq slq lÖlav olxovoftlav, ovxwq 6sl rjßäq avxov ös%so&ai wq avxov xov nifiipavxa, vgl. Tab. III a. 2.

23) 8, 81 idv fislvqxe iv x(p Xoyw «uov, dXjj&wq fia&ijxal fiov ioxs u. 16, 13 xo nvsvfia xrjq dXtfd-siaq bötjyqost vfiäq slq naoav dXrj&siav, vgl. 4, 24 nvsv/uaxi xal dXrjS-sta xtfiav.

R. 4,2 fia&tjXTjq dXtjtojq. Eph. 3 fia- &rjxsvso&ai. Eph. 6 XaXovvxsq iv d- Xri&siq xaxd dXföeiav ^tp.

24) 13, 84 iv xoXrj xaivr^ (vgl. 1. Joh. 2, 7. 3, 23. 4, 21. 2. Joh. 4. 5. 6) ivxoXaq xrjoetv. Joh. 14, 15. 15, i2 u. oft.

Eph. 9. Phld. 1 ivxoXal V- XQ- Tr. 3. Sm. 8 n ivxoXrj.

Tabelle III b.

203

Justinus.

Dial. 100 dviaxaa&ai fxeXXov . . . 6 äno xov naxgoq avxov Xaßwv exet.

Parallelen aus dem N. T. u. d.

nacbapost. Litt. ? Barn. 5, 7 xr\v avo.axo.aiv avrbq nottjoaq.

Dial. 25 igdgaxe avaarjfiov eiq xd §&vi] DiaL 113 die Sammlung des zer- streuten Volks.

Dial. 34 öiä fya. Xq. xov oxccvqw- &£vxoq iniyvovxeq xov noirjxrjv x<ov o- Xwv 9s6v. Dial. 121, 18. 17 ö>y avxov TtQoq xov naxiga npoo/copovai, vgl. Ap. I, 63, 5. 19. Dial. 105, i u. 106, l Mth. 11, 87.

dtö, IX, 4 wotisq r\v xovxo xo nXdo- fxa öisaxoomafiivov indvco x<öv ogiwv xal awax^hv iyevexo sv, ovxw avva%- d-rjxü) r\ ixxXrjola äno xwv negdxatv xrjq yi\q slq xr\v arjv ßaoiXslav vgl. Tab. IIa. 1 u. 2 und Fragm.VIII, Presbyter bei Irenaeus. Harwey II, p. 372.

Mth. 11, 27, P. Eph. 2, 18 vgl. Tab. IIa. No. 7. 2. Clem. 3, l tyvwpev 6t avxov xov naxega xyq aXtj&tiaq. Zu &vga cf. nvXt] Herrn. Sim. 9, 12. 1. Clem. 48, 4. dtS. IX, 2. 8. X, 2. Apoc 2, 27.

Dial. 110 a/uneXoq <pvxev&elaa vnb xov naxgoq (v. chrstl. Volk).

Herrn. Sim. 9, 26. Mand. 1 (verwild. Weinstock). Sim.V, 6, 2 b 9ebq xov d/u- nsXov £<pvxsvos xovx eoxi xov Xabv Zxxioe vgl. Mth. 20, l ff. mit ParalL

Dial. 63 fiia yvxr] xal fxla avvaytoyrj xal (xia ixxXijaia.

Herrn. Sim. IX, 17, 4. 18, 4. 13, 5 u. 7. 1. Clem. 46, 6 vgl. P. Eph. 4, 8—7 (Tab. II a. No.16) u. Act. 4,32.

Dial. 136, 10 6 xovxov vßgl^wv xal fuocüv xal xov ni(i.\pavxa örjXovoxi xal fuoei xal vßgt^ei.

vgl. Mth. 10,40. 21, 38 ff. Ai6. XT.4.

Dial. 39, n ol ix ndarjq xrjq äXrjfteiaq ftefjia&Tixevfiivoi. I. Ap. 6, 4 Xoyat xal dXri&eia xifxdivxeq ngooxvvov/uev

1. Clem. 31 , 2 dXföeiav ötd nloxswq n'otyaaq. Herrn. Vis. 3, 4 tnipiveiv 4v äXtjd-eia. Mand. 3. Sim. IX, 2, 5 no- gevs^&ai iv dXri&ela.

xaivrj 6ia9rjxri Hauptbegriff.

1. Clem. 1, 2. 3, 4. 58, 2. 2. Clem. 8, 4 u. a. Barn. 2,9; Jtö. oft. Herrn. Sim. 13. V,3,5. 1. Tim. 6, 14 vgl. Tab. II d. 23.

204

v. d. Goltz, Ignatius.

o. Jobannes und Justin allein mit Parallelen.

Johannes.

1) 1,1 nuvxa dt avxov iyhexo.

Jmtin.

ApoL 2, 6 xtfV ccQxy* nuvxa dt avtov txxiae xal ixooftTjosv.

ParalL a. d.N.T.u.d.

nachap. Litt

Herrn. Sim. IX, 12, 8

V, 6, 5 bes. P. Col. 1, 16.

16. Apoc. 3, u: doxy xvjq

XtiOBWQ XOV &60V. Ep.

ad Diogn. 7.

2) 1, 12 eöatxev avxotq igovolav xixva d-sov ye- vio&ai. vgl. 11, 52. 1. Joh. 3,1.2.10. 5,2.

Dial. 123. Tjpelq and xov yevv^oavxoq yftäq

elq &eov Xqioxov

xal &eov xixva dXrj9tva xaXoi/ue&a xal iofikv di xaq ivxoXuq xov Xq. (pvXaooovtsq.

P. Rom. 8, 16. 17. 21. 9, 7. 8. Phil. 2, 16. Eph. 5, l (xi- xva dyanrpd).

3) 1, 29 o afivoq xov &eov 6 oiqwv xr)v aßao- xiav xov xoofxov.

Dial. 69 aus Jes. 53 wq nooßaxov inl oyayrjv do&rjoexai.

Barn. 5 d/xvoq aus Jes. 53 u. oft im N. T. Das dovlov i. d. Apoc. u. Ep. Lug. u, Vienne bei Euseb. V, 1, io..

4) 7,12 nXavä xov o%- Xov.

DM. 69, 15 payov ü- vai avxov ixoXfxtov Xi- yeiv xal XaonXavov.

Mth. 27, 68 ixelvoq 6 nXdvoq.

5) 9, l TwpXbq ix yevs- xr\q.

Dial. 09, 13 xal xovq ix ysvsxrjq xal xaxä xrp adgxa nrjgovq xal xa>- <povq xal xwkovq idou- xo (gerade x v<pXoq fehlt !) ,

vgl. Barn. 14, 8. 9 aus Jes. 49, 6 ff. u. 61, lff.

6) 14, 29 ri'orjxa vplv nplv yevio&aiy riva, oxav yivtjxai, moxevyxe.

Apol. 33, 2 xavxa (Geburt Chr.) 6 &ehq ngosfi^vvoe (xiXXsiv yi- vso&ai, "va oxav yivr\- xai firf dnioxrföyy dXXy ix xov nQOSiQfjo^ai ni-

0X£l'9jj.

7) 19, 87 "Oyovxai elq ov i&xivxijoav aus Sach. 12, io.

Dial. XIV E 32 A. Apol. 1, 52 xal xoxe oxpovxui siq ovigex£vxrjoav(mchts vom Lanzenstich).

LXX: imßXixpovxac ngoq f*e, dv&' tov xaxa>Q- X^oavxo. Apoc 1, 7 oipe - xai aviov 6 3<p&aXfidq xal b'lxtvsq avxbv i&xev- zrjoav.

Tabelle in c. d.

205

Johannes.

8) 13, 8 eiöwq b 'Iyjqovq, oxi ndvxa öeöwxev av- xui 6 naxrjg elq xäq %&- gaq xal oxt dncfi&eov £$- ijX&ev xal Ttgog xov &ebv vndysi vgl. 17, 18. 3, 85.

Justin.

Dial. 106, l xal oxi rjnioxaxo xov naxtga avxov ndvxa nagexeiv avxä), wq fäiov.

Parall. a. d. N.T. u. <L nachap. Litt.

Herrn. Sim. V, (5, 4 <£- ovoiav näoav Xaßwv na- gd xov naxgbq avxov. vgl. Apoc. 2, 27.

Tabelle, c enthält keine einzige auch nur annähernd eine Entlehnung be- weisende Stelle; Nummer 1 3, 8 enthalten christl. Gemeingut; 4—6 sind be- deutungslose Zufälligkeiten, 7 beruht wahrscheinlich auf einer gemeinsamen Lesart der LXX

d. Johannes, Ignatius und die andern apostolischen Väter.

Johannes (u. Ign.).

1) 1. Joh. 5, 6 vöwq u. alfjta vgl. 19, 84 u Ign. Eph. 18, 2 Iva xq> na&ei xo v6(og xa&agiov.

2) 6, 15 xal loovxai nuvxsq öiSax- xol &60V.

Apostol. Väter.

Barn. 11 negl xov vöaxoq xal xov oxavgov vgl. Herrn. Sim. IX, 16. P. Eph. 5, 25. 26. Barn. 12, l 4. Esra4,5.

Barn. 21, 6 yiveo&s &eoöi6axxoi aus Jes. 54, 18.

3) 14, 15. 28. 24. 1. Joh. 5, 1-8 idv dyanaxe ifii, xd&ivxoXdq ißdq xtj- grjoaxs vgl. J. Eph. 14, 8: ov6* dyd- nijv xexxtjfitvoq fuoeZ.

1. Clem. 49, l 6 e%a>v dydnrjv iv Xg., noirjodxo) xd xov Xg. nagay- yeXfjiaxa.

4) Joh 15,18 ßstCova xavxrjq dyd- ntjv ovöelq tx*i "va xiq xi/v xpvx^v avxov &y vnhg z<ov <plX<ov. vgl. Ign. R. 7 aifia »j iaxlv dydntj u<p&agxoq u. Phld. 1. Trall.' 6.

1. Clem. 49,6 iv dydny ngooeXd- ßsxo Tjfjtaq b ösonoxrjq öid xi\v dydnrjv rjv &J££ ngbq rjpäq, xo alfia avxov söwxev vnhg r\fxöiv vgl. P Eph. 5, 2.

5) Joh., 3, 18 b (urj moxevtüv ijöij xixgtxat vgl. 1. Joh. 2, 19 u. J. Eph. 5 b firi igxofievoq inl xo avxo, ovxoq ydrj vnegTjatavei xal havxbv öisxgi- vev.

6) 17, 18 xa&a>q ifie dntoxeiXaq elq xov xoofiov, xdyd dnioxstXa avxovq

Herrn. Sim. 9, 21 iuv de fiij ftexa- voqowoiv tjSt] nagaöeöofjiiv'oi eloiv. vgl. Presbyter bei Irenaeus IV, 30, 1 bei Harnack Patr. apost. opp. I Fragni. VI, 1: c8emetipsos arguunt\

1. Clem. 42, 1 ol dnooxoXoi r\(xlv eirjyyeXio&qoav dnb xov xvgiov *It]o.

206

v. d. Goltz, Ignatiii8. Tabelle III d.

Johannes (u. Ign.).

tlq xov xoofiov vgl. lgn. Eph. 3, 6 u oft.

Apo8tol. Väter.

Xg.y 'Iijo. Xq. dnb xov &€ov £&• 7i£fi<p9tj. vgl. Apoc. 2,27.

7) 1. Joh. 5, 8 al ivtoXai avxov ßaQ&Zcu ovx etat.

Herrn. MancL XII.

8) 20, 28 6 9e o'ff fiov vgl. bei Igna- tius: *„o 9edq T/ftcSv".

2. Clem. 1, l ä>Q neol &eov 2. Petr.

1,1 O B-SOQ TlfJLÜV.

Tabelle d. enthält nur nachapoatoli acnes Gemeingut; Nr. 1, 5, 7, 8 haben die meiste innere Verwandtschaft mit Johannes.

GRIECHISCHE EXCERPTE

AUS

HOMILIEN DES ORIGENES

VON

ERICH KLOSTERMANN

Texte a. Untersuchungen XII, 3. Leipzig 1894.

Nachdem zuerst Harris auf die Benutzung Philos durch den Oktateuchkonimentar des Prokopios von Gaza aufmerksam gemacht hatte, konstatierte Wendland in seinen Neuentdeckten Fragmenten Philos (Berlin 1891) das gleiche auch in Bezug auf Origenes1). Zum Beweise stellte er eine Anzahl von Prokops erklärenden Bemerkungen zur Genesis und zum Exodus den ent- sprechenden Scholien und Kommentarfragmenten des Origenes gegenüber. Dagegen gelang es ihm „nur in einem Falle" die Benutzung von Homilien desselben nachzuweisen *).

Wendland hat wie es scheint seine Untersuchung auf Ge- nesis und Exodus beschränkt; es ist ihm daher entgangen, dass wenigstens für ein Buch, den Josua nämlich, hauptsächlich Ho- milien des Origenes die Grundlage der Prokopschen Excerpte ge- wesen sind, und zwar so, dass man nicht etwa nur einzelne Ideen benutzt findet, sondern der ganze Gedankengang mehr oder weniger knapp wiedergegeben ist.

Um die Behauptung zu erweisen, setze ich im folgenden der achtzehnten Homilie des Origenes nach Rufinus* lateinischer Über- setzung die dazu gehörigen Stücke des Prokop an die Seite. Der lateinische Text ist nach der Lommatzschen Ausgabe (tom. XL Berolini 1841) gegeben2), die dort nicht zu findenden Varianten entstammen der ziemlich wertlosen Textgestalt des Rabanus Maunis (o, Migne Ser. lat. 108. 1S64)3); der griechische nach meiner Vergleichung des codex Monacensis graecus 358 (vgl. Wendland a. a. 0. 31) mit einzelnen Emendationen unter Heran- ziehung der selbständigen4) lateinischen Übersetzung (A, Migne Ser. gr. 87, i. 1860; fi nenne ich den griechischen Text von Migne = Nikephoros ebenda).

1) Wendland a. a. 0. 123: „Pr. 273 A— 277 C nämlich stammt aus Or. in Gen.Hom. II." „Übereinstimmung" kommt auch nach Wendland öfter vor.

2) Nur sind die biblischen Citate statt durch ", durch andern Druck hervorgehoben.

3) Im Walafridus Strabus und der glossa ordinaria ist dieselbe noch weiter verderbt und verstümmelt.

4) Wendland a. a. 0. 32. Doch vgl. Fabricius - Harles Bibl. Gr. VIII, 5G3 Anm. b.

Texte n. Untersuchungen XII, 3. 14

2 E. Kloeterniann.

Rufinus. Prokopios.

XVIII. De initio divisionis terrae, quae divisa est ab Jesu, et quomodo accessit ad Jesum Caleb, et petiit ab eo Hebron.

5 1. Discamus ex lege quam neces- sarie descripta est terrae divisio, quae primo per Mosen, secundo etiam per Iesum dicitur facta, non ut utramque servemus, sed rationem utriusque dis-

10 centes illara solam teneamus, quae ab Iesu nostro Domino traditur.

Igitur illam terram, quae est trans Ovxovv xAr/QOÖortlMorv- Iordanem, Moses distribuit: hanc au- orjq, zXXä ntoav rot '/op- tem, quae est terra sancta et terra öävov xlrjQoöoxfit de 'Itf-

15 bona, distribuit Iesus et principes tri- öovg fisrä xmv ä(>%upv- * buum Israel. Xcov xov 'fooaijl.

Vides ergo, quia, cum coeperit vera Ovtcoq 'Itjöovq 6 Xgiöxog illa haereditas terrae sanctae a Sal- rrjv äXrjfrrj xlrjQOÖoolav vatore distribui, adsumentur etiam öiöovg jtagaXafjßdvEi rovg

20 principes tribuum veri et spiritualis agxovrag xov jtvtvfian- Israel. Quos autem putamus esse xov 'iogarjX rovg ajtoozo- principes tribuum nostrarum, vel ec- Zovq, Jcgog ovge<prj6£v,OTi clesiae principes, nisi sanctos Apo- Ka^rjasa^s km doovovg iß' stolos, ad quos dicit Salvator, quia KQivovrsg rag iß' qjvXug xov

25 sedebitis et vos super duodecim ihro- 'Icoarjk [Matth. 19, 98]. nos, judicantes duofeeim tribus Israel? [Matth. 19,28].

4. Edd. M. hoc loco: „Chaleb". In seqq. 12. ovxovv cod. A] oni. fi. constanter „Caleph". Ed. Ruaei constan- 19. nobis distribuit X. ter: „Chebron". 7. Moysen (sie ubi- que) q. Abest „etiam" a libris editis (v. c. edd. M.), sed reperitur in Cod. Sangerma- nensi. R. om. q. 9. sed] sed ut q. 11. Iesu nobis nostro domino q. 14. est] est in (>. terra bona] Deest „terra" [Lom- matzsch: „etiam"!] in libris editis (v. c. edd. M.), sed exstat in Cod. Sangermanensi. R. 15. et principes] prineeps q. 19. Cod. Sangerm. „adsumentur". Libri editi (v. c. edd. M.) : „adsumuntur". R.

Griechische Excerpte aus Homilien des Origenes. 3

Rufinus. Prokopios.

Assumitur tamen ad divisionem UaQaXafißdvexai 6h xal

etiara sacerdos, qui est arcanus et EXect^ag ovvlcov 'Itjgov,

mysticus sermo Dei. Sic enim dicit, xv xcov txdxegoq xvv legtet

5 quia convenerit Iesus et Eleazar simul xal agxovxa xov vlov xov

ad dividendam terram. d-eov.

2. Et videamns, quis est, qui prirnus Ugojxoq 6h 6 XdXsß d-

accepit haereditatein ab Iesu. Caleb, xoxcoq ixvxe xXrjgov. inquit, filius Ieffone [Jos. 14, e]. Hie 10 enim primus petit, et petit certis qui- busdam rationibus et verbis, quae de- scripta sunt: quae verba etiam possunt nos instruere ad salutem.

Primo omnium Caleb interpretatur ^Egfirjvevexai 6h wqxag-

15 quasi cor. Quis ergo est quasi cor, 6la' soxi 6h ovxoq 6 Jtdvxa

nisi is, qui in omnibus intellectui ope- Jtgooexeov xolq voq(ia<HP,

ram tribuit, qui non aliquod mem- o jiaQci stavxa xd fidXrj,

brum corporis ecclesiae esse dicitur, olq äjtexdgaxoy XQr\naxi-

nisi illud, quod est in nobis prae- tpv coq xagöla xal oXoq

20 clarius cor: id est, qui omnia cum ävaoxoixuco&slq eiq rjye-

ratione et prudentia gerit, et ita fiovixov. euneta dispensat, quasi non sit aliud, nisi cor?

Interpretatur autem et Ieffone pater '0 6h xovxov jtaxrjg %-

25 eius conversio. Hie ergo Caleb filius <povvrj' tQfirjvevexai öh

est conversionis. Quid nisi quia ad (kmoxQo<pi) ' XaXsß ovv)

Deum conversus, talem ex se fruetum vloq xrjq eJuöXQOtptjq. proferret, ut cor filium generaret. Est ergo omnis, qui divinis sensibus vacat,

7. Cod. Sangerm. „primus aeeepit". Libri 3. ovvuov yI^aov] cor ipsius

editi (v. c. edd. M.): „primum cepit". R. Iesu X. 4. zvmov xtX.] quo-

9. Edd. M. et R. constanter: „Iesfone". rum uterque figuram sustinet

12. 13. etiam nos possunt g. 14. Unus X. 5. xov vlov] filü A.

Cod. Ebroicensis: „Primus omnium Caleb. 8. sortem suam A. 15. qui

Caleb interpretatus dicitur quasi cor". R. omnibus in rebus prudentiae

17. aliquod] aliud aliquod q. 27. Edd. studet A. navta) caeteris A.

Merlini: conversus est, talem etc. 28. 19. a corde nomen habet A.

ut] et q. 26. imoTQoyij' XaXsß ovv

scripsi, om. cod. A. fj.. 27. zrjs)

om. fi.

14*

4 E. Klostermann.

Rufinus. Prokopios. et prudenter cuncta ac rationabiliter agit, Caleb.

Hie primo quidem eruditus a Mose, "Eon 6h JtaiöevuaMwv-

5 seeundo vero ab Iesu, cui assistebat, dimq xal öevxeqov 'iqöov.

cui et dicit: Tu nosti verbum, quod xl ö£ (pi?Oi; av intaiy ro

locutus est Dominus ad Mosen homi- Qtjtia, o ikdktjae xvQiog ngoe

nem Dei. Tu scis verbum, quod locutus Mavaijv [Jos. 14, e]. est Dominus [Jos. 14, e].

10 Quis enim alius nosse potest ver- Tlq yaQ olöe xov vo-

bum, quod locutus est Dominus ad ftov coq 'iqoovq 6 Xqi-

Mosen, nisi Iesus solus? Nemo sie oxoq; 6q xal dxQißalq ??-

intellexit legem, sicut doeuit Iesus. filv xovxov dvt/JcXcoöev. Ipse enim omnia doeuit et aperuit,

15 ipse revelavit Paulo, quia lex spiri- tualis est [Ro. 7, u].

Sicut locutus est, inquit, de me et 'Ekdkr}ae öi, <pr\Gi> xvgiog

de te. De me, inquit, et de te locu- kqoq Mavaia nsgl Ijkov y.al

tus est Moses. De te quidem, [!] hoc oov [Jos. 14, 6J* JtQO<pt]-

20 est, quod dixit Dominus: quia si ci-e- xevei yaQ Mmvotjq jitoi

dereiis Mosit credetretis utique et mihi: te Iqoov xal xov Xdkeß

de me enim ille scripsit [Ioann. 5, 46]. qxoi coq xaoöia. De me vero quod dixit, hoc est de Caleb, qui cor est, certum est, quia

25 de corde scripserit Moses, quippe qui omnia prudenter sapienterque con- scripserit.

Ait ergo: hodie valeo, sicut valebam Oq xal <f>r\oi a^tgov

tum [Jos. 14, ii]. Sanctus quippe si- ioivnv cog v'j%ve ron [Jos.

30 militer valet et in praesentibus et in 14, n]. av <xf4<poxtQoic yaQ

praeteritis, et in novis et in veteribus, xolq Xoyoiq löxvai o dyioq,

et in Evangeliis et in lege. Hoc est av xe jtaXaiqj xal xaivop,

ergo, quod dicit, valere se hodie sub am Ma>vöea>q xal fyöov.

6. Desunt verba: „cui et", in ed. Ruaei. 6. cui inquit ?.. av] annon

9. dominus] om. g. 10. potest nosse g. tu X. 13. avrptkwazv] im-

12. solus Iesus g. 23. 24. Edd. Mer- plevit k. 21. Xüksß rjtoi lini: hoc est Galeph. 26. Edd. Merlini: fik] om. cod. 28. °0$ xal conscripsit. idem g. cod. k] om. u. 29. <ag] +

OT€ COQ.

Griechische Excerpte aus Homilien des Origenes. 5

Rufinus. Prokopios.

Iesu, sicut tunc sub Mose, quia in utriusque testamenti mysteriis cor vi- gilans valet.

5 3. Sed videamus etiam petitionem Alrsl öe oQoq xa/*at- eius, quam priniam poposcit ab Iesu Jtereq l&(X<ov ovöiv Caleb, filius Iefibne. Feto a te mon- kv o> jtoZsiq fieyaXai xal fem hunCy inquit, sicut dixit Dominus oxvqccL in die illa [Jos. 14, 12]. Nihil humile, 10 vel dejectum sanctus requirit, nihil quod in demersis convallibus jaceat, sed montem quaerit excelsum, sed montem, in quo civitates magnae et munitae sunt.

15 Scriptum est enim quia ibi sunt Qq elöa>q JtoZefielv jigoq

Machi, civitates magnae et munitae tovq Epaxal fi' noXsig yccg

[Jos. 14, 12]. Et haec poscebat, quia 6%vQccg enißn öoyog xal In-

noverat belligerari, sicut scriptum est: ißq ro öxvQcofxa, Itp « ens-

civitates munitas occupabit sapiens, et noi&soctv ot aaeßelg [Prov.

20 destruet munitionem, in qua confide- 21, 22]. bant impii [Prov. 21, 22].

Putas cum haec diceret Salomon, &r\<& yäg JJoXoficip' 00-

hoc nos volebat docere, quia sapiens <pbg nokug coxvqcoös xal xa-

caperet civitates, et munitiones destrue- faite ra 6%vQ(aficcTa, drjZaöfj

25 ret ex lapidibus constructas? An illud roiq fisra jti&avorijToq

potius indicat, quod civitates et muri Xoyovq ajtaräv övvafii-

sunt impiorum dogmata, et syllogismi vovq. philosophorum, quibus adstruunt im- pia quaeque et divinae legi contraria,

30 quae apud paganos vel barbaros ob- servantur?

9. humile] Edd. Merlini : inutile. 5. öi] om. /jl. 15. sibi pu- 12. sed2] et q. 14. sunt] om. q. 16. Edd. gnandum esse X. 16. Ana- M. et R. „Machi". Vulgata: „Enacim" cim.de quibus scriptum indi- 18. belligerare q. cat, quod X. 22. nam Sa-

lomo quoque X. 23. 24. xa- &ette (jiX\ xa&aiQEL cod 26. Xoyovq cod. X] Xoyov (x.

ß £. Klostermann.

Rufinus. Prokopios.

Sed et illa in his deputanda sunt, Ovg iv oqu prjöiv, Lxel-

et civitates munitae esse, atque in JCtQ, vipwfiaTa üoiv enat,-

montibus collocatae, quae haeretici in gopeva xaror rijg yvwatcog 5 Scripturarum assertionibus, veluti in xov &eov [2. Cor. 10, 5].

altis montibus, collocant. Istas ergo

civitates sapiens quisque verbum prae-

dicans destruxit, et urbes mendacii

veritatis ariete subvertit, sicut Aposto- 10 lus Paulus dicebat: cogitationes de-

struentes, et omnem altitudinem , quae

se extollit adversus scientiam Dei [2. Cor.

10, 5]. Ita ergo etiam nunc hie sapientis- Tavta XaXsß Ixavoq 15 simus Caleb assistit ante lesum, et tivat, xaO-aiQelv ijtayyeX-

promittit valere se ad bellum , et Xerar h<p cqjieq avxov «v-

promtum esse ad proelium: et ideo Xoyrjösv'Iriaovg [Jos. 14, 13].

deposcit permitti sibi velut dispu-

tandi facultatem, ut congrediatur cum 20 dialecticis saeculi, cum iis, qui pro

veris falsa confirmant, ut eos confu-

tet et superet, et subvertat omnia,

qnae illi falsis assertionibus constru-

xerunt. Ideo denique videns alacrita- 25 tem eius, benedicit, inquit, eum [Jos.

14, 18], scilicet quod talia deposcat, et

audeat.

Sed et tu si vis dare operam stu-

diis, et legem Dei prudenter medi- 30 tari, et effici cor in lege Dei, potes

istas magnas et munitas urbes, id

esl£[!] assertiones subvertere falsitatis,

ut et tu merearis benedici ab Iesu,

et aeeipere ab eo Hebron.

2. Edd. Merlini: in iis. et illa] illa p. 7. verbum] + veritatis g. 8. destruit q. 16. se valere q. 22. Edd. Merlini: ut subvertat. 25. benedicit] praem. Ie- suB q. 34. ab eo] om. (t.

Griechische Excerpte aus Homilien des Origenes.

Rufinus. Interpretatur autem Hebron con- junctio, vel conjugium. Per quod po- test fortasse illud ostendi, quod spe- 5 lunca duplex comparata ab Abraham patriarcha in ea est, in qua conjugia patrum et reliquiae eorum jacent, id est, Abraham cum Sara, Isaac cum Rebecca, lacob cum Lia,

10 Meruit ergo Caleb patrum reliquias in haereditatem suscipere, sine dubio quia per sapientiam, quae in eo erat, qua vigebat et sub Mose et sub Iesu, intellexerat conjunctionis ipsius ratio-

15 nem, et perspexerat, quid esset causae, quod cum Abraham sola Sara ibi ja- ceret, et neque Agar neque Cethura ei meruisset adjungi: vel quid esset causae, quod cum lacob sola Lia ja-

20 cere videretur, et neque Rachel, quae amplius fuerat düecta, neque aHqua ex concubinis in sepulchro ei fuerat copulata. Ipse ergo in memoriis pa- trum haereditatem capit prudens et

25 sapiens Caleb. Ipsi Iesus Enachita- runi gentis metropolin tribuit Hebron, et efficitur ei sors usqae in hodiernum diem [Jos. 14, u].

Utinam et mihi daretur sors Abra-

30 ham et Isaac et lacob, et efficeretur mens Deus meus, sicut effectus est

Prokopios. XeßQcov 6h tQfirjvev- erat övQvyr}' xa yaq oörä rcov JtarsQcov exet xarä övgvyiav cuioxuTcu*AßQa- äfi xal SaQQaq, 'Iöaax xal ^Psßixxaq, 'laxcoß xal yfelag.

Alömöiv ovv rrjv rifirjv rcöv narigcov reo XaXeß xa&aiQElP rovg aXXo<pv- Xovq h&iXovcu

15. Edd. Merlini: quid ei esset causae, 2. 6i\ om. fi. 3. ov&yq] r\ quod etc. 25. Edd. Merlini: aenachitarum avtyyla fjt. xa y&Q] <paül fe gentis. 30. 31. Cod. Sangerm. „efficere- oxi xa (i. 4. xaxcc ov£v- tur meus Deus meus". Libri editi (v. c. ytav] comparia seu conjuga- edd. M.): „efficeretur Deus meus". R. lia A. ixet toxi x. a. äno-

xelßsva fx. 10—13. om. fi.

10. xtfirfv) nomine ac ho-

nore A.

g K. Klosfcermann.

Rufinus. Prokopios.

Deus Abraham, et Deus Isaac, et Deus Iacob, in Christo Iesu domino nostro, cui est gloria et imperium in saecula saeculorum. Amen!

Der Beweis dürfte damit erbracht sein. Ganz die gleiche Art der Benutzung ist nun für die sämtlichen Homilien von der sechzehnten bis zur sechsundzwanzigsten zu constatieren:

Rufinus. Prokopios.

Rom. 16, 1. Kai 'iqaovq eniXapbapbpepoq [M 1024

BC]. Hom. 16, 3. Kai r\ yfj vjtoxayrjoexai [1024 CD 1025 A].

Hom. 1 6, 4. UoXXmp de [de om. p] xtx>v xrjq ovxrjq

avxov [1025 A]. Hom. 17, i. Ka&oXov xX^godooiap [1025 BC].

Hom. 17, 2. s. Tmv de [de om. p] xfojQOPOfiicov dpa-

xgaceaq [1025 CD 1028 A]. Hom. 18, i. 2. 3. cf. oben [1028 ABCD].

Hom. 19, i. Kai f\ yfj xop ep avxm [avxcp p] [1028 D].

Hom. 19,2. Teooaoa)P de [de om. p] opxcdp 6 xv-

gioq [1028 D 1029 A]. Hom. 19, 3. Kai Jtgoqapaßfjpai egprjpevexai [1029 AB],

Hom. 19, 4. "ldmpep de [de om. p] xal ep y\i ayia

[1029 BC]. Hom. 20, s. 4. 5. 6. Kai xgoqtjX&op oi vlol %ida ngoq 'Itjöovp

[Kai 'ItjöotP om. p\ Ügt xrjq pegi-

doq riQpfiPevoap [1029 CD 1032 ABCD].

Hom. 21, i. 2. Kai 6 'ießovöatoq dvpapepop [1033 ABC].

Hom. 22, l. 2. 3. 4. Tqitop di g>f]öip jtgoqfrTJxT] xvglov [1033

CD 1036 AB]. Hom. 22, 5. Oi xal Xeyovöip [Oi x. X. om. p] htxoq exl-

Xexxoq [exXexxoq p] jtoXepixoq [1036B], Hom. 22, 6. KaXwq de [61 om. p] eigqxo xov Xgi-

oxov [1036 BC]. Hom. 23, i. 2. 3. 4. Kai e^exxXt]Oido&r] [exxX. p] xa>p jtga-

icop [1036 CD 1037 AB].

Griechische Excerpte aus Homilien des Origenes. 9

Rufinus. Prokopios.

Hom. 24, 2. s. Oga öe [öe om. fi] xop xvjiop yepofie-

vov, £p qj xaxoixcop h^aigexaiq *** [ev cp x. Ig. *** om. fi\ [1037 BC].

Hom. 24, i. Kai 6 'Aftoggaloq Iözvovöip [1037 D

1040 A].

Hom. 25, i. Kai jigoqrjX&oGap Megagl [1040 AB].

Hom. 25, s. 4. Kai pvp öe olxopofilaq [1040 BCD].

Hom. 26, 2 [fin.]. Toxe ovpexdXeoev xa&aigeB-ivxoq [1040 D

1041 A].

Hom. 26, s. Ovxoi öe xal 'hjOovq 6 aXrj^ivoq' avxco

i] doga elq xovq alojpaq. dft/jp [avxco dfirjv om. p] [1041 ABC].

Nur zwei Stücke des Prokop zwischen 1024 B und 1041 C gehen nicht auf die gleiche Quelle zurück, nämlich Aoxe £g v/icop [qfiav /i] Oacpeoxegop und %ei[idggovp ga&vftrjodp- xcov [1025 B].

Sonderbarerweise ist das Verhältnis beinahe umgekehrt in der ersten Hälfte des Buches; eine wirkliche Benutzung der Ori- geneshomilien ist hier nur auf kleine Strecken zu constatieren, und zwar kommen, wie es scheint, nur die vier ersten Homilien in Betracht. Daneben finden sich in einzelnen Stücken Anklänge, die nicht viel beweisen, die überwiegende Mehrzahl aber der er- klärenden Scholien hat mit Origenes gar nichts zu thun. Die unzweifelhaft entlehnten Stellen sind folgende:

Rufinus. Prokopios.

Hom. 1, 3. TexeXevxrjxe Mcovoijq xovq ngocprjxaq

[993 A].

Hom. 2, 4. T?}v egrjftop yepopepa [993 BC] !).

Hom. 1, 4. 'EmöixiOfiop öiaßdoecoq' ov ydg coq ex~

Xeitpopxoq xov fidppa ftexd x?)p öcdßaoip ****** exelpop yag tjtl xgelq rjfiegaq e'coq xo jtdoxa xelloapxeq ecpayop d^vfia xdxe jtgcoxop cpayopxeq yeptjfiaxa ytjq [pro ov ydg yijq: xal pex* oXlya f/\ [996 B].

1) Vgl. jedoch Theodoret zu diesen beiden Stellen.

[1000 BC].

IQ E. Klostermanii.

Rufinus. Prokopios.

Hom. 3, *. 5. Tzjrog avco

Airtj öe öegaftevrj xai [avrrj xal om. fi] 7CQO<p?JTtq.

VfllV

Toiyagovv xai [r. x. om. gi]

agia GvvaQi&firjGaq Elirtvoeuvnv - »woerac j BCD

A&cpoi €ö[uev orjfiaiverai ) J

Hom. 1, 3. 4. °Iva aipß'jlov \

Tb öe vömg övvel&oiev / L J#

Hom. 4, i. 2. s. 'Qöjzeg öe xaraxavoei oe [1005 CD. 1008A]

Kai xa\a jtrjxBG)V> Hom. 4, 4. Aiajtegwoi öe [öe om. fi] jtXrjy^ [1009 B].

Hom. 1, 5. Mcovöfjg öe ovx rgojtwoofiai [1020 D

1021 A] »).

Auffallend häufig sind im Josua- und im Richterkommentar des Prokop die Verweisungen auf (Josephus und) Eusebius. Von letzterem wird öfter das Buch negl xontxmv 6vofiara)v citiert; die wichtigste Stelle, die von ihm handelt und im Index nicht erwähnt wird, findet sich zu Richter 5, 28 [1064 A]:

Trjv öh Magcog ovx evglöxopiev

ovx hv ralg xXrjgovxlcug

ovx ev ralg 'Eßgaixatg eofirjveiaig

ovx ev rro jtegl Tomxmv ovofiarcov;

denn wahrscheinlich stecken in den beiden ersten die Titel zweier von Eusebius selbst am Anfange von xegl xomxmv ovoftaxov citierten Werke (vgl. Harnack, Geschichte der altchristlichen Litte- ratur bis Eusebius I, 574).

1) Die eigentümliche Reihenfolge erklärt sich wohl daher, dass Ori- genes in der ersten Homilie die Quintessenz seiner ganzen Josuaerklärung bietet und bei der Gelegenheit die dafür wichtigen Stellen des ganzen Buches kurz durchspricht.

Deutliche Anklänge an Origenes finden sich noch in folgenden Pro- kopstellen: Ilag b [b om. p] tonog ä&oig [993 AB] cf. Hom. 1, 6. 2, 8. Kai Saneg atövoq [993 C] cf. Hom. 1, 5. Kai x<5 'PovßlfA. xal 'Iijoov [996 D 997 AB] cf. Hom. 3, l. 2.

Griechische Excerpte aus Homilien des Origenes. \\

Den eigentümlichen Befund nun, dass Prokop von den 26 Homilien des Origenes zum Josua nur die ersten vier und die letzten elf benutzt, diese aber in so gründlicher Weise, dass in einzelnen Fällen selbst die Textkritik Anregungen empfangen kann, diesen Befund in einer irgendwie über blosse Vermutung hinausgehenden Weise zu erklären scheint mir augenblicklich noch nicht möglich. Ich habe mich daher mit der Feststellung des Facturus begnügt.

Wie verhalten sich aber die Texte des Rufin und Prokop zu dem Originale des Origenes? Titel *) und Vorrede des griechischen Werkes bezeugen, dass sein Verfasser aus seiner früheren Katene einen Auszug geben wollte, in welcher er die Autoren wörtlich 2) angeführt hatte, und die ihm zu umfangreich geraten war3). Diesmal liess er daher vor allem von mehreren übereinstimmenden Erklärern nur einen reden, kürzte aber auch sonst. Wir werden also nicht daran verzweifeln dürfen mitunter noch leidlich den Wortlaut der Quellen vorzufinden, wenn auch häufiger der Sinn kurz wiedergegeben sein wird, und nur ein- zelne Schlagwörter noch an das Original erinnern. Dem ent- spricht auch der Befund an der achtzehnten Homilie, wo man streckenweise keinen erheblichen Unterschied zwischen dem Um- fange des Lateiners und dem des Griechen bemerken wird.

Andrerseits ist uns zwar das ausdrückliche Zeugnis des Ru- finus erhalten:

illa, quae in Iesum Nave .... scripsimus, simpliciter ut invenimus et non multo cum labore transtulimus.

1) Photius' cod. 206 sagt im Titel freilich nichts von der ixXoywv huxoyLr\\ dort heisst es:

IlQOxoniov oo<pi(rtov i^rjyrjzixal oxoXal ei'g te zr\v oxrdrevxov T(5v naXaiaiv ygafxfxaxmv xal slg xccc ßaatXelaq xal örj xal xa na- QaXsmofxeva. Dem Inhalte nach muss seine Handschrift also der Münchener durch- aus gleich gewesen sein.

2) inl Xs&wq cod.; Nikephoros las fälschlich imXigsieu und half sich mit der kräftigen Konjektur avtoXe&ll

3) Vgl. Wendland a. a. 0. 30 und besonders Cohn J pr. Th. 1892, 475 ff. , der die glanzvolle Vermutung aufstellt, jene frühere Katene sei identisch mit der in zahlreichen Handschriften zum Oktateuch erhaltenen Katena Lipsiensis.

12 E- Klostermann.

Er stellt sein Verfahren hier in Gegensatz zu dem nament- lich beim Leviticus angewandten, wo er sich bemüht hat zu

supplere ea, quae in auditorio ecclesiae ex tempore, non

tarn explanationis, quam aedificationis intentione perorata

sunt

adimplendi quae deerant, ne pulsatae quaestiones et re-

lictae, quod in homiliatico genere ab illo saepe fieri solet,

latino lectori fastidium generarent.

Dort hatte er soviel an Form und Inhalt geändert, dass man ihm zurief

quoniam plurima in iis tui operis habentur, da titulum nominis tui!

Wenn er nun demgegenüber sein Verfahren im Josua eine einfache Übersetzung nennt, so folgt daraus nur, dass er Zusätze und Änderungen von grösserer Bedeutung hier nicht nötig ge- funden hat, nicht aber, dass er der Vorlage Wort für Wort folgt.

Dass es so ist, beweist der glücklicherweise in der Philo- kalie griechisch erhaltene erste Abschnitt der zwanzigsten Ho- milie aufs schlagendste. Wenn man diesen mit Rufins Über- tragung verglichen hat, wird man anerkennen, dass, wenn im Prokop nur verschieden stark verkürzte Excerpte aus Origenes vorliegen, Rufin uns eine erweiternde Paraphrase überliefert hat.

Möge man aus dem vorstehenden1) den schon von Wend- land formulierten Satz aufs neue entnehmen, dass eine Vorbe- dingung für die Herausgabe der griechischen Kirchenväter die Rekonstruktion der kxXoyal des Prokop ist

1) Ob in den übrigen Büchern des Octateuch, abgesehen von Genesis, Exodus und Josua eine ähnliche Benutzung der Origeneshomilien zu kon- statieren ist, bleibt zu untersuchen. Bei flüchtigem Durchblättern habe ich z. B. fast die ganze achte Honiilie zum Leviticus im Prokop vorgefunden.

URKUNDEN

AUS DEM

ANTIMONTANISTISCHEN KAMPFE

DES ABENDLANDES

EINE QUELLENKRITISCHE UNTERSUCHUNG

VON

Lic. theol. ERNST ROLPPS,

PASTOR COOP. IN BREMERVÖRDE

ZUR

ABERCIU8-INSCHRIFT

VON

ADOLF HARNACK

LEIPZIG

J. C. HINRICHS'SCHE BUCHHANDLUNG

1895

Dieses Heft enthält Titel und Inhalt zu Band XII der T. & U.

Verlag der J. C. HINHICIIS ,<Ikmi Buchhandlung in Leipzig.

Texte und Untersuchungen zur Geschichte der

Altchristlichen Literatur

herausgegeben von Oscar von Gebhardt und Adolf Harnack.

I-III. IV 1/3. V-IX. X 1/2. XI XII M. 279.50

I, 1/2. Die Überlieferung der griechischen Apologeten des zweiten Jahrhunderts in der alten Kirche und im Mittelalter, von Adolf Harnack. VIII, 300 8. 1882.

M. 9

I, 3. Die Altercatio Simonis Iudaei et Theophili Christiani nebst Untersuch angen

über die antijüdische Polemik in der alten Kirche, von Adolf Harnack.

Die Acta Archelai und das Diatessaron Tatians, von Adolf Harnack.

Zur handschriftlichen Überlieferung der griechischen Apologeten. I. Der

Arethascodex, Paris. Gr. 451, von Oscar v. Gebhardt. III, 196 S. 1883. M. 6

I, 4. Die Evangelien des Matthäus und des Marcus aus dem Codex purpureus

Rossanensis, herausgegeben von Oscar v. Gebhardt. Der angebliche Evangeliencommentar des Theophilus von Antiochien, von Adolf Harnack. LIV, 176 S. 1883. M. 7.50

II, 1/2. Lehre der zwölf Apostel, nebst Untersuchungen zur ältesten Geschichte

der Kirchenverfassung und des Kirchenrechts von Adolf Harnack. Nebst einem Anhang: Ein übersehenes Fragment der Jrfuxn in alter lateinischer Übersetzung. Mitgetheilt von Oscar v. Gebhardt. 70 u. 294 S. 1884. M. 10

II, 3. Die Offenbarung Johannis, eine jüdische Apokalypse in christlicher Be- arbeitung, von Eberh. Vischer. Mit Nachwort von Adolf Harnack. 137 S. 1886.

M. 5

(II, 1/2 u. 3. einzeln nur in anastatischen Drucken käuflich.)

II, 4. Des heil. Eustathius, Erzbischofs von Antiochien, Beurtheilung des Origenes

betr. die Auffassung der Wahrsagerin l. Könige [Sam.] 28 und die dies- bezügliche Homilie des Origenes, aus der Münchener Hds. 331 ergänzt und verbessert, mit kritischen und exegetischen Anmerkungen von Alb. Jahn. XXVII, 75 S. 1886. (Einzelpreis M. 4.50); M. 3.50

II, 5. Die Quellen der sogenannten apostolischen Kirchenordnung, nebst einer Untersuchung über den Ursprung des Lectorats und der anderen niederen Weihen, von Adolf Harnack. * 106 S. 1886. [Nicht mehr einzeln.] M. 4

III, 1/2. Leontius v. Byzanz und die gleichnamigen Schriftsteller der griechischen

Kirche von Friedr. Loofs. 1. Buch: Das Leben und die polem. Werke des Leontius v. Byzanz. VIII, 317 S. 1887. M. 10

III, 3/4. Aphrahat's des persischen Weisen Homilien, aus dem Syrischen übersetzt

und erläutert von Georg Bert. Die Akten des Karpus, des Papylus und der Agathonike. Eine Urkunde aus der Zeit Marc Aureis, von Adolf Harnack. LH, 466 S. 1888. M. 16

IV. Die griechischen Apologeten.

1. Tatiani oratio ad Graecos. ßecens. Ed. Schwartz. X, 105 S. 1888. M. 2.40

2. Athenagorae libellus pro Christianis. Oratio de resurrectione cadaverum.

Recens. Ed. Schwartz. XXX, 143 S. 1891. M. 3.60

3. Die Apologie des Aristides. Recension und Reconstruction des Textes von

Lic. Edgar Hennecke. XX, 64 S. 1893. M. 3

Partiepreis M. 2

4. Theophili libri tres ad Autolycum. Recens. Ed. Schwartz. \ Tnyorbe.

5. Iustini martyris apologia et dialogus cum Tryphone Iudaeo. } -oUhtut

Recens. 0. de Gebhardt et A. Harnack. j reilun&

Diese Ausgaben der Griechischen Apologeten sind nur mit kurzem sprachlichen Commentar und Registern versehen und sollen zum Gebrauch bei Vorlesungen oder in Seminaren dienen , weshalb auch deren Preise möglichst niedrig gestellt würden.

V, 1. Der pseudocyprianische Tractat de aleatoribus, die älteste lateinische christ- liche Schrift, ein Werk des römischen Bischofs Victor I. (saec. DI.), von Adolf Harnack. V, 135 S. 1888. M. 4.50

Fortsetzung auf Seite III des Umschlags.

URKUNDEN

AUS DEM

ANTIMONTANISTISCHEN KAMPFE

DES ABENDLANDES

EINE QUELLENKK1TISCHE UNTERSUCHUNG

VON

Lic. theol. ERNST ROLFPS,

PASTOK COOP. IN UREMEKVÖRDE

ZUR

ABERCIUS-INSCHRIFT

VON

ADOLF HARNACK

LEIPZIG

J. C. HINRTCHS'SCHE BUCHHANDLUNG

1895

TEXTE UND UNTERSUCHUNGEN

ZUK GESCHICHTE DEK ALTCHRISTLICHEN LITERATUR

HERAUSGEGEBEN VON OSCAR v. GEBHARDT UND ADOLF HARNACK.

XII. BAND. HEFT 4.

URKUNDEN

AIS DKM

ANTIMONTANISTISCHEN KAMPFE

DES ABENDLANDES

VON

Lic. theol. ERNST ROLPFS,

PASTOR COOP. IN BREMERVÖRDE

Texte u. Untersuchungen. XII, 4a Leipzig 1895.

V o r w o r t.

Ausgearbeitet in der überreichlichen Mussezeit des heutigen Predigtanitskandidaten und redigiert in den knappen Mussestunden des angehenden Pastoren, macht die vorliegende Abhandlung nicht den Anspruch, die auf sicherer Beherrschung eines umfassenden Materials ruhende Leistung eines Specialisten zu sein. Wenn sie trotzdem eine Aufgabe sich stellt, deren Lösung den eingehend- sten Specialstudien vorbehalten zu sein scheint, so ist das durch das Bedürfnis des praktischen Theologen zu erklären, abseits von den ernsten Fragen und Problemen, welche durch seine Berufs- thätigkeit ihm täglich aufgedrängt werden und ihn im Centrum seiner Persönlichkeit angreifen und erschüttern, seine Erholung in der Befriedigung des Forschungstriebes auf einem Gebiet zu suchen, wo er nicht der steten Gefahr ausgesetzt ist, liebgewor- dene Anschauungen als unbegründete Vorurteile zu erkennen- Denn das ist die wertvollste Erholung in dem Kampf um die Wahrheit und für die Wahrheit, in dem wir stehen: in der un- befangenen Untersuchung von Fragen, deren Beantwortung durch keine dogmatische oder liturgische Überlieferung gebunden ist, den Wahrheitssinn zu üben, ohne den man nach Klarheit über jene centralen Probleme des Lebens und der Theologie vergeb- lich ringt.

Bei der lückenhaften Belesenheit des Dilettanten in der alt- christlichen Litteratur fehlte mir vielfach das Material, um für die einzelnen Resultate meiner Untersuchung den Grad ihrer Wahr- scheinlichkeit sicher zu bestimmen. Daher war es mein Streben, ein möglichst abgeschlossenes und widerspruchsloses Gesamtbild zu gewinnen und daran die Richtigkeit der einzelnen Ergebnisse zu kontrolieren. Dabei ist natürlich ohne einige mehr oder weniger

VI Vorwort.

gewagte Vermutungen nicht auszukommen. Die verschiedenen Grade der Wahrscheinlichkeit vom Sicheren bis zum Ungewisser sollten durch die Anordnung der Teile der Abhandlung einen

ungefähren Ausdruck finden; insbesondere sollten die Unter- suchungen des zweiten Teiles mit denen des vierten ganz anver- worren bleiben, damit der Widerspruch gegen die letzteren nicht auch die ersteren treffe. Da ich im vierten Teil möglichste Kürze erstrebt habe, so war ich hier noch weniger als in den andern Teilen imstande, das Für und Wider in der Erörterung allseitig abzuwägen und zur Darstellung zu bringen.

Die Polemik gegen die Ergebnisse der Gelehrten, auf deren Schultern ich stehe, möge nicht über den Anspruch auf Unab- hängigkeit täuschen, den die Abhandlung wirklich erhebt. Ganz selbständig bin ich nur im ersten und dritten Teil. Der zweite ist ebenso von Voigts gründlichen Untersuchungen über die Be- ziehungen zwischen Epiphanius Haer. 48 und Tertullian abhängig wie von den Grundsätzen Bonwetsch' und den Resultaten Har- nacks und Nöldechens bei der Datierung der Schriften Ter- tullians. Der vierte Teil ruht ganz auf den Arbeiten von Lip- sius, Harnack und Voigt. In den meisten Fällen haben sie mir auch für meine abweichenden Ansichten das Material geliefert und die Wege gewiesen. Auf selbständige Untersuchung und Entscheidung textkritischer Fragen habe ich durchweg verzichtet, sie berufenen Kräften überlassend. Die uns vorliegenden Aus- gaben habe ich nur an einigen Stellen (bei Tertullian besonders durch die Lesarten [Konjekturen?] des Fulvius Ursinus und Kroy- manns Konjekturen) zu verbessern gewagt. Für persönliche An- regungen bin ich meinem hoch verehrten Lehrer Herrn Professor D. Harnack , sowie Herrn Professor D. Bonwetsch und Herrn Privatdocenten Lic. Dr. Achelis in Göttingen zu herzlichem Dank verpflichtet. Die Citate aus Origenes konnte ich bei der Korrektur nicht selbst noch einmal vergleichen; sollten daher einige Un- richtigkeiten darin vorkommen, so bitte ich, sie mit der Ungunst meiner augenblicklichen Verhältnisse zu entschuldigen.

Bremervörde, im Febr. 1895.

Ernst Rolffs.

Inhaltsübersicht.

Seite

Einleitung 1

I. Tertullians Gegner in de ieiunio 5

1. Analyse der Schrift .... 5

2. Die Anklagen gegen die montanistische Fastensitte ... IG :;. Die Überlieferung der Anklageschrift durch Tertuilian ... 21

4. Rekonstruktion der Anklageschrift 31

5. Die Tendenz der Anklageschrift ... 30

0. Der Verfasser der Anklageschrift 42

II. Tertullians Gegner in de monogamia 50

1. Analyse der Schrift de monogamia 50

2. Die gegen die Monogamie erhobene Anklage 55

3. Die Abfassungszeit der Quelle von Epiphan. Haer. 48, 1—13 . 70

4. Der Verfasser der Quelle von Epiph. Haer. 48 c. 1 13 ... 99

III. Origenes' Stellung im antimontanistischen Kampfe des

Abendlandes 109

IV. Hippolyt als Bestreiter des Montanismus ....... 122

1. I);i- Verhältnis des Traktates contra Noetum zum Kleinen Labyrinth 123

2. Der Traktat gegen Noet und die Quelle von Epiphanius Haer. 48 127

3. J I .higma Hippolyts und seine Schrift gegen die 5 Häresien 148

4. Das Syntagma Hippolyts eine Urkunde des antimontanistisehen Kampfes 158

Einleitung.

Die letzten uns erhaltenen Schriften Tertullians sind Trak- tate „adversus psychicos". De ieiunio ist im Titel, de pudicitia im ersten Kapitel ausdrücklich als solcher bezeichnet *), de mo- nogamia ist gleichfalls als Verteidigungsschrift gegen die Psy- chiker gedacht.2) Es ist die Frage: richten sich die Schriften ganz allgemein gegen die Katholiker, gegen die Grosskirche, für deren Glieder Tert. adv. Marc. IV, 22 zum erstenmal den Namen psychici einführt, oder hat Tert. in jenen Schriften ganz be- stimmte Personen im Auge, die er nach ihrer Kategorie als psychici bezeichnet? Entschieden ist diese Frage bei de pudi- citia. wo Tert. dem römischen Bischof Kallist gegenübersteht, den er anlässlich seines Indulgenz-Ediktes angreift und in dessen Person er die ganze Grosskirche bekämpft. Wie diese Schrift einen ganz bestimmten Anlass hat, so sind die beiden andern Traktate um so weniger ohne eine greifbare Veranlassung zu denken, als sie Verteidigungsschriften sind. Sie wollen die mon- tanistische Partei gegen den Vorwurf der Häresie in Schutz neh- men, der zuerst gegen die Forderung der Monogamie und sodann gegen die phrygische Fastenordnung erhoben ist. Wissen wir oder können wir wenigstens vermuten, von wem diese Vorwürfe ausgehen?

Es hat lange gedauert, bis im Abendland die Montanisten offen als Häretiker bezeichnet wurden; zu einer Zeit, wo sie in

1) Erit igitur et hie adversus psychicos titulus etc. Reiff. 220 17

2) De modo quidem nubendi iam edidimus monogamiae defensionem (de iei. 1) R. 274 25 ; vergl. Itaque monogamiae diseiplinam in haeresim exprobrant (seil, psychici). de monog. 2. (Oehler I, p. 7G2).

Texte u. Untersuchungen XII, 4. 1

2 Rolffs, Urkunden aus dem antimontanigtiscliei] Kampfe.

Kleinasien längst als gerichtet galten, war im Abendland, we- nigstens in Karthago, die kirchliche Gemeinschaft /wischen ihnen und den Katholikern noch nicht aufgehoben. Für diese eigen- tümliche Erscheinung lassen sich zwei Gründe anführen:

1. Durch Bischof Victor war die Gemeinschaft zwischen der abendländischen und kleinasiatischen Kirche aufgehoben; wie einer- seits die abendländischen Montanisten auf diese Weise vor dem direkten Einfluss und damit auch vor den Excessen des genuinen Phrygertums bewahrt blieben, so wurde andererseits das Urteil der abendländischen Katholiker über den Montanismus nicht mehr durch die Berichte aus Kleinasien bestimmt; es konnte also län- gere Zeit schwankend bleiben.

2. Der andere Grund ist die Persönlichkeit Tert.s; als uner- schrockener Apologet der heidnischen Staatsgewalt gegenüber und als unermüdlicher Bestreiter aller Ketzereien hatte er Anspruch auf die Dankbarkeit der ganzen Kirche; als ein Mann von tadel- loser Orthodoxie und strenger Sittenreinheit musste er bei allen Christen des Abendlandes in höchstem Ansehen stehen. Es war schwer, einer Partei, die unter der Ägide dieses Mannes stand, das Odium der Häresie anzuhängen. Jedenfalls konnte nicht jeder Beliebige mit dieser Anklage gegen sie auftreten; es ge- hörte einige Auktorität dazu, um ihr wirklich Gehör zu verschaffen.

Wenn es daher auch scheinen möchte, als ob Tert. sich in de monog. und de ieiun. mehr gegen eine allgemeine, den Mon- tanisten feindliche Volksstimmung richte als gegen bestimmte Personen, so müssen doch Männer vorhanden gewesen sein, die diese Stimmung gemacht haben; von selbst wird sie kaum ent- standen sein, da die Hochachtung vor der Person und dem Wir- ken Tert.s zu gross war, um sie aufkommen zu lassen. Woher können also die Vorwürfe der Häresie gegen die Montanisten zuerst gekommen sein? Unsere Blicke wenden sich unwillkür- lieh nach Rom. Hier befindet sich der Adressat von de pudicitia, der für Tert. „der Psychiker" xar l$oyj]V ist l) ; es liegt nahe, hier auch die in den beiden andern Traktaten „adversus psychicos" bekämpften Gegner zu suchen. Die römische Gemeinde allein besass wohl in jener Zeit Auktorität genug, um gegen die von Tert. geschützten Montanisten den Vorwurf der Häresie mit Xach-

1) Quid nunc et ad ecclesiam et quidem ad tuam, psy chice? (de pud. 21) R. 2711.

Einleitung. 3

druck erheben zu können. Hier war ausserdem die Abneigung gegen die montanistische Sittenzucht am stärksten, weil hier in der Welthauptstadt die Tendenz, eine Volkskirche zu schaffen, mit der montanistischen Exklusivität in den schärfsten Gegensatz trat. Romischer Einlluss ist schon früher iu Karthago zur Tren- nung der montanistischen von der katholischen Gemeinde wirk- sam gewesen, vorausgesetzt, dass der Schleierstreit die Veran- lassnng zu dieser Spaltung wurde l). Diese Haltung entspricht endlich der Praxis der römischen Kirche vollkommen, welche nicht nur die Einheit des Glaubens, sondern auch die Uniformi- tät der christlichen Sitte als Bedingung für die kirchliche Ge- meinschaft aufstellte; das Verfahren Victors im Osterstreit ist dafür typisch.

Diese Erwägungen allgemeinerer Art wrerden durch specielle Gründe gestützt. In de pudicitia 1 deutet Tert. an, dass er sich hier denselben Gegnern gegenüber befindet wie in de monogamia. Er deckt den Widerspruch auf, der darin liegt, dass dieselben Psychiker, welche die zweite Ehe gestatten, angeblich, um der Unzucht vorzubeugen, jetzt gerade die Unkeuschheit befördern, indem sie den Unzüchtigen Vergebung gewähren 2). Kurz darauf spielt er auf den gegen die Montanisten erhobenen Vorwurf hä- retischer Härte an3). Die, welche das Attentat gegen die Keusch- heit unternehmen, sind dieselben, welche die zw7eite Ehe vertei- digen und die abweichende Praxis der Montanisten als häretisch brandmarken. Bei manchen Äusserungen scheint Tert. römische Zustände vor Aussen zu haben. De monogamia 12 schlägt er

CD O O

eine Argumentation, die aus der Ausnahmestellung der Kleriker, welche allerdings nur einmal verheiratet sein dürften, folgern will, den Laien sei eine mehrmalige Verheiratung gestattet, mit der rhetorischen Frage nieder: Quot enim et digami praesident

1) S. Bonwetsch, Die Schriften Tert.'s S. 54. Harnack, Dogmen gesch. I, S. 4

2) Sed iam haec gloria extinguitur et quidem per eos quos tanto con- stantius oportuerat eiusmodi maculis nullam subscribere veniam, quanto propterea, quotiens volunt, nubunt, ne moechiae et fornicationi sueeidere cogantur, quoniam melius estnubere quam uri. R. 221 12. Vergl. de monog. 3. (Oehier I, p. 76G).

3) Das bedeutet der ironische Satz : et ideo durissime nos infamantes paracletum diseiplinae enormitate digamos foris sistimus; R. 2225. vergl. de mon. 2.

1*

j Riolffs, Urkunden aus «lern antimontanißtiBcben Kampfe.

apud vos insultantes utique apostolo, certe non erubescentes, cum haec (1. Tim. 3iff.) sub Ulis Leguntur? Darnach giebi es also bigame Kleriker; aber ihre Berechtigung ist noch keineswegs all- gemein anerkannt; vielmehr setzt die gegnerische Beweisführung den 1 Tim. 3iff. gezeichneten Zustand als den normalen voraus und Tert.s rhetorische Frage enthält sicher auch eine rhetorische Übertreibung. Wir stehen in der Zeit, wo mehrfach Verheiratete gerade anfangen in den Klerus einzudringen. Führt Hippolyt die neue Praxis nun mit Recht auf Kaliist zurück, so kann sie zur Abfassungszeit von de monogamia kaum ausserhalb Roms Eingang gefunden haben. Tert.s Frage weist also auf Rom.

In de ieiunio treten ganz dieselben Ankläger auf wie in de monogamia, wenigstens sind sie für Tert. solidarisch; das folgt aus de iei. 1. Die Gründe, die bei der einen Schrift für eine römische Gegnerschaft Tert.s beweisen, sind mithin auch bei der andern massgebend. In de iei. findet sich eine Anspielung auf den römischen Anspruch, die petrinische Tradition fortzupflanzen. Für die Sitte, die sog. Stationen nachmittags 3 Uhr zu schliessen. hat man nämlich das Beispiel des Petrus geltend gemacht, der sich nach Act. 3i um die 9. Stunde im Tempel befindet; dabei bleibt auffallenderweise sein Begleiter Johannes gänzlich unerwähnt; das ist nur erklärlich bei solchen, für die Petrus eine ganz hervorragende Stellung einnimmt. Mit dieser Vermutung trifft die sarkastische Bemerkung Tert.s zusammen: Haec autem propter illos qui se putant ex forma Petri agere quam ignorant (de iei. 10). Als Hieb gegen Rom, wo man sich allerdings rühmte, nach auf Petrus zurückzuführenden Normen zu verfahren, bekommt dieser Satz den besten Sinn.

Allgemeine Erwägungen und Einzelzüge der in Rede stehen- den Schriften lassen uns mithin Tert.'s Gegner in Rom suchen, wenn wir überhaupt nach bestimmten Gegnern suchen. Ob dar- nach zu suchen der Mühe wert ist, muss das Resultat entscheiden. Um ein solches zu erreichen, ist man in erster Linie auf die genaue Analyse der Schriften angewiesen. Vielleicht ergeben sich dadurch Anhaltspunkte für weitere Untersuchungen. Ich beginne mit de ieiunio, weil diese Schrift konkretere Züge aufweist und bei einem fortgeschritteneren Stadium des Streites die Parteien schärfer markiert.

I. Tertullians Gegner in de ieiunio. 5

L Tertullians Gegner in de ieinnio.

1. Analyse der Schrift. Die Anlage und der Inhalt.

Die Schritt de ieiunio zerfällt in drei Teile. Der erste, ein- leitende Teil omfasst die Anklagen der Gegner (capp. 1. 2); der zweite capp. 3 10) stellt positiv den Wert der montanistischen l'astendisciplin auf Grund der Schrift dar; der dritte ist mehr negativ, indem er die gegen dieselbe erhobenen Anklagen zurückweist.

Es ist selbstverständlich, dass die Psychiker der Enthaltsam- keit von Speisen gerade so wenig geneigt sind wie der von der Ehe: Unmässigkeit und Unkeuschheit gehören ja zusammen. Wie die Ehepraxis der Montanisten, so müssen sie daher auch deren Fastendisciplin verwerfen; nicht weil ihre Propheten Irr- lehren über Gott oder Christus verbreiten, sondern weil sie ge- bieten, öfter zu fasten als zu heiraten, sind sie Häretiker. Die Beschuldigungen, welche Tert. ziemlich ausführlich mitteilt, mögen in wörtlicher Übersetzung folgen: Sie beschuldigen uns, dass wir eigene Fasttage einhalten, dass wir die Stationen meistens bis zum Abend ausdehnen, dass wir auch Xerophagien beobachten indem wir die Speise ohne alles Fleisch und alle Brühe und jegliche allzu saftigen Früchte (damit1) wir nicht etwas Wein- artiges essen oder trinken) trocken gemessen dabei, der trockenen Nahrung entsprechend, Enthaltung vom Bade. Sie erheben daher den Vorwurf der Neuerung, deren Unzulässigkeit ihnen Veran- lassung giebt, alle Verhandlungen durch die Alternative abzu- schneiden: entweder sei sie als Häresie zu beurteilen, wenn sie menschliche Anmassung ist, oder als Pseudoprophetie zu brand- marken, wenn sie Einflüsterung des Geistes ist, wTenn wir, die wir anders lehren, nur von jeder Seite das Anathem hören.

Denn was die Fasttage anlange, so opponieren sie gestützt auf ganz bestimmte von Gott eingesetzte Tage, z. B. wenn der Herr im Leviticus dem Moses den zehnten Tag des siebten Monats als Versöhnungstag vorschreibt, indem er spricht: Heilig soll euch dieser Tag sein und ihr sollt eure Seelen kasteien, und jede Seele,

1) Statt des sinnlosen, die Konstruktion gänzlich aufhebenden nee ist mit Pamelius und Rigaltius ne zu lesen.

(i Rolll's. Urkunden aus dem antimontaniatischen Kampfe.

welche an jenem Tage sich nicht kasteien wird, soll ausgerottet werden aus ihrem Volk. Ganz bestimmt seien im Evangelium, meinen sie, jene Tage für die Fasten angesetzt, an denen der Bräutigam dahingerafft ist, und diese seien noch die allein be- rechtigten für die christlichen Fasten, nachdem die gesetzlichen und prophetischen Altertümeleien abgethan. (Denn wo sie wollen, erkennen sie an, was es heisst: Gesetz und Propheten bis auf Johannes.) Daher sei im übrigen ohne Anerkennung fester Tage zu fasten aus freiem Belieben, nicht nach kategorischer Vor- schrift einer neuen Disciplin, je nach den Zeitumständen und Verhältnissen eines jeden; das sei auch die Observanz der Apostel, die kein anderes Joch bestimmter und von allen gemeinsam zu begehender Fasttage auferlegten; folglich auch nicht ein Joch von Stationen, welche selbst auch zwar ihre festen Termine am vierten und sechsten Tage der Woche haben, trotzdem ohne Zwang verlaufen weder nach einer Gesetzesvorschrift noch über das Ende des Tages hinaus, wo auch die Gebete etwra die neunte Stunde abschliesst nach dem Beispiel des Petrus, das in der Apg. be- richtet wird.

Die Xerophagien aber seien der neue Name einer raffinierten asketischen Übung und heidnischem Aberglauben sehr verwandt, derselben Art, wie die Reinigungsgebräuche, welche den Apis, die Isis und die Magna Mater durch Enthaltung von gewissen Speisen reinigen (?), während doch der in Christo freie Glaube nicht einmal dem jüdischen Gesetz durch Enthaltung von gewissen Speisen verpflichtet ist, nachdem er einmal auf den ganzen Fleisch- markt vom Apostel zugelassen, der gegen alle diejenigen zeugt, welche wie sie zu heiraten hindern, so auch der von Gott ge- schaffenen Speisen sich zu enthalten befehlen.

Und daher seien wir schon damals im Voraus gekennzeichnet als die, welche in den letzten Zeiten vom Glauben abtrünnig werden, sich hängen an die verführerischen Geister der Welt, an die Lehren der Lügner, verbrannten Gewissens. (Mit welchen Feuern, ich bitte dich? Ich vermute, du meinst die, welche uns zur Wiederholung der Ehe treiben und bei denen wir täglich unsere Mahlzeiten kochen.)

Sie pochen inzwischen darauf, auch Jesajas habe gepredigt: Nicht solches Fasten hat der Herr erwählt, d. h. nicht Enthalt- samkeit von Speisen, sondern die Werke der Gerechtigkeit, welche

I. Tertullians Gegner in de ieiunio.

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er im Anschluss daran aufzählt. Und der Herr selbst habe im Evangelium auf alle Bedenklichkeiten wegen der Speisen zusam- menfassend geantwortet: nicht durch das werde der Mensch ver- anreinigt, was in den Mund eingeführt werde, sondern durch das. was daraus hervorgehe, da er selbst ass und trank, so dass ihn das Odium trat: Siehe, ein Fresser und Weinsäufer! So lehre auch der Apostel, dass uns das Kssni nicht bei Gott empfiehlt, weder als Satte, wenn wir essen, noch als Hungrige, wenn wir nicht essen. Mit diesen und ähnlichen Erwägungen zielen sie in höchst listiger Weise dahin, dass ein jeder, der seinem Bauche allzu geneigt, glauben könnte, die Übungen in der Ent- haltung oder der Verminderung oder der Verzögerung der Speise seien leer und nicht gerade sehr notwendig, da Gott selbstver- ständlich die Werke der Gerechtigkeit und Unschuld vorziehe. Und wir wissen, welche Überredungskraft der fleischlichen Nei- gung einwohnt, wie leicht gesagt wird: „es ist nötig, dass ich von ganzem Herzen glaube, Gott liebe und den Nächsten wie mich selbst. In diesen beiden Geboten hängt das ganze Gesetz und die Propheten, nicht in der Leere meines Magens und meiner Eingeweide."

Im ersten Teil seiner Widerlegung will Tert. nun die Praxis, die durch solche Angriffe gefährdet war, befestigen und zwar dadurch, dass er zeigt, welchen Wert jene Enthaltsamkeit vor Gott hat. Dieser Theil hat wieder drei Abschnitte; der umfang- reichste handelt von dem Nutzen und dem Ursprung der Fasten ii. :> 8); der zweite geht auf die Xerophagien ein (c. 9), der dritte empfiehlt die montanistische Sitte in der Beobachtung der Stationen 10).

Im ersten Abschnitt wird ausgeführt: Durch das Fasten wird die Sünde Adams gesühnt; Adam hat von der verbotenen Speise genossen und Gott damit beleidigt; indem wir uns der erlaubten Speisen enthalten, geben wir ihm die Genugthuung, die er fordert (c. 3). Weshalb hat Gott denn aber erst so spät das Fasten ver- ordnet und vorher noch durch Gestattung des Fleischgenusses der fleischlichen Freiheit mehr Spielraum gegeben? Er hielt es für angemessen, den Menschen nicht gleich am Anfang ein schweres Joch aufzulegen und ihnen Gelegenheit zu geben, durch die bei grösserer Freiheit stärkere Leistung der Enthaltsamkeit die erste Sünde vollkommener zu sühnen (c. 4). Dagegen hat

S Etolffs, Urkunden aus dem antimontani«ti»ehen Kampfe.

Gott schon bei Auswahl seines vertrauten Volkes gewisse Spe verböte gegeben; er forderte von den Israeliten die Enthaltung von gewissen Speisen, damit einst die Menschen auch dauernde Fasten ertragen könnten (c. 5). Die gemeinsame Erfahrung

bezeugt den Wert der Fasten; ist der Menscb mit Speisen ange- füllt, so vermag er seine Gedanken nicht auf Gott zu richten. Stellen wie Deut. 32i5 812 beweisen dies. Das Beispiel Christi. Moses' und Elias' zeigt, dass der Mensch, wenn er fastet, Gott am nächsten tritt, der selbst ohne Speise lebt (c. 6). Thatsachen wie der Sieg der Israeliten bei Mizpah unter Samuel (1. Sam. 7), Ninives Rettung infolge bussfertigen Fastens und viele andere führen vor Augen, wie sich selbst der erzürnte Gott durch Fasten besänftigen lässt. Desgleichen ist aus der Geschichte der Hanna, deren Gebet erhört wurde, und Daniels, der in der Löwengrube bewahrt wurde, zu ersehen, wie wohlgefällig das Fasten für Gott ist (c. 7). Die Lehren und Beispiele des N. T. bestätigen dies durchgehends (cap. 8).

Nachdem somit der Nutzen der Hauptart des Fastens dar- gethan ist, ist schon ein günstiges Vorurteil erweckt für die untergeordneten Arten derselben. Die Xerophagien als Enthal- tung von gewissen Speisen sind ein partielles Fasten. Ihre vor- teilhafte Wirkung wird an Daniel und seinen Genossen erwiesen, die bei ihrer einfachen Kost an Brotfrüchten und Wasser von Gott mit körperlicher Schönheit und hohen geistigen Gaben be- schenkt werden. Auch Elias wird von dem Engel nur mit Brot und Wasser gespeist, ein Beweis, dass in Zeiten der Verfolgung Xerophagien die angemessene Lebensweise sind, wie sie nach Ps. 101 10 für David Ausdruck seiner Busse sind. Die Enthaltung von Wein hat ihre Rechtstitel an Samuel, dem Nasiräer, und den Priestern aus dem Hause Arons, dem der Herr sagt: Wein und Rauschtrank sollt ihr nicht trinken , wenn ihr zum Altar hinansteigt, und ihr werdet nicht sterben. „So gewiss werden die sterben, welche nicht nüchtern in der Kirche ihr Amt versehen." Wenn Paulus dem Timotheus den Wein wegen seiner schwachen Gesundheit empfiehlt, so hat Tim. eben für gewöhnlich keinen Wein getrunken, also Xerophagien beobachtet; denn der Enthal- tung von Wein entspricht natürlich die übrige Kost (c. 9).

Wenn man behauptet, die Stationen dürften nicht bis in den Abend ausgedehnt, sondern müssten um die neunte Stunde ab-

I. Tertullians Gegner in de ieiunio. 9

geschlossen werden, so meint man dabei das Beispiel des Petrus für sich zu haben, der nach Act. 3i um 3 Uhr nachmittags im Tempel war. Aber wer sagt denn, dass er an jenem Tage eine Station feierte? Wir finden Petrus auch um 9 Uhr morgens und 12 Uhr mittags im Tempel; diese drei Stunden sind eben die eigentlichen Gebetszeiten, unbeschadet dessen, dass das Gebet zu jeder Zeit geübt werden soll; Petrus hat also altem Gebrauch zufolge dies»4 drei Stunden dem Gebet gewidmet. „So viel für die, welche meinen, mit ihren Stationen sich nach der Praxis Petri zu richten, die sie gar nicht kennen." Die Montanisten verachten keineswegs die Bedeutung der neunten Stunde, sondern zeichnen sie sowohl am 4. als am 6. Wochentage besonders aus1); aber ein Gebrauch, der ohne Auktorität der Schrift lediglich der Tradition gemäss befolgt wird, niuss durch einen gewichtigen Grund gestützt sein. „Untersuche, ob bei euch2) ein Grund von überwiegendem Gewicht für die Beobachtung der neunten Stunde als Schluss der Station beigebracht wird, so dass derselbe auch als für Petrus massgebend angesehen werden könnte, wenn er an jenem Tage eine Station gehalten hat. Man sagt: Er kam vom Tode des Herrn her, welchen man zwar immer im Gedächtnis haben muss ohne Unterschied der Stunden, besonders lebendig aber, wenn wir ihm auf der Station dem Sinn des Wortes ent- sprechend zur Seite stehen3). Denn auch die Soldaten, obwohl niemals des Eides uneingedenk, gehorchen doch mehr auf Statio- nen. Daher ist bis zu der Stunde die Trauer zu bewahren, bis zu welcher4) von der sechsten an der verfinsterte Erdkreis dem gestorbenen Herrn die Trauerpflicht leistete, sodass dann, als die W elt ihr Licht wieder empfing, auch wir zur Heiterkeit zurück-

1) Ich lese: qua [statt cui] et quarta fungimur, indem ich mich an Ursinus anschliesse.

2) Es ist mit Ursinus und Rigaltius vos zu lesen, nos (Oehler, Reif- fersch.) ist wegen des Finalsatzes sinnlos und als äusserlich erleichternde Korrektur zu begreifen, da man apud vos bei der Aufforderung require nicht verstand. Kroymann, Quaestiones Tertullianeae criticae 1894 liest: dignior apud nos ratio ne adferatur, require: untersuche, ob nicht bei uns ein würdigerer Grund etc. Es gelingt ihm dabei aber nicht, den folg. Satz zu verstehen.

3) So nach Kroymanns glücklicher Konjektur: impressius tarnen, cum ei adsistimus.

4) Nach Kr.s Konjektur: in quam.

]0 Rolll's, Urkunden aus dem antimontanistdacnerj Kampfe

kehren." Wenn dies besonders nach Christentum schmeckt, da os dem Ruhm Christi mehr dient, so kann mau auch sagen, die Station sei bis zum Abend auszudehnen, da der Christ nicht vor- der Grablegung seines Herrn sich erquicken dürfe. Doch dies heisst Konjekturen durch Konjekturen widerlegen; besser man sieht sich nach Thatsachen um und solche bietet uns das A. T. Exod. 17h Jos. 1()7 u. a.

Mit cap. 11 beginnt der zweite Teil der Widerlegung Tert.s. welcher die Angriffe der Gegner auf die montanistische Fasten- disciplin zurückweist. Er hat zwei Abschnitte: der erste (cap. 11 bis 14) verteidigt die gesetzliche Form der montanistischen Fasten; der zweite verteidigt die Xerophagien (c. 15. 16). Cap. 17 bildet den Schluss.

Auf die gesetzliche Form können die Gegner ihre Alter- native: entweder Pseudoprophetie oder Häresie nicht stützen; denn die Fasten sind teils von Gott den Menschen auferlegt, teils von den Menschen Gott gelobt und werden Gesetz durch die Auktorität des Acceptanten. Die gesetzliche Form war übrigens auch den alttestamentlichen Fasten eigen; also werden auch diese mitverurteilt. Häretisch oder antichristlich können die monta- nistischen Fastensitten aber deshalb nicht sein, weil sie denselben Gott ehren sollen wie die israelitischen; häretisch ist jeder, der einen andern Gott oder Christus predigt (c. 11). Die Psychiker haben in ihrem fleischlichen Sinn die Fasten nicht nötig, da sie nicht im geistlichen Kriege stehen, wie die Montanisten, die in denselben die beste Vorbereitung zum Kampf wider die Schrecken der Endzeit sehen. Die Psychiker richten ja Garküchen für ihre Märtyrer ein, sodass diese dann wie Pristinus bei ihrem Ver- leugnen mit der Verdauung beschäftigt sind (c. 12) 1). Der Satz, dass ausser den Fasten an den Tagen, wo der Bräutigam ent- rissen ist und die ja freilich gesetzlich sind, alles andere Fasten nach freier Wahl erfolgen müsse, ist nicht zu halten. Denn einer- seits ist nicht einzusehen, weshalb, wenn einmal jene Fasttage der Karwoche die einzigen sein sollen, überhaupt noch andere nach menschlicher Wahl hinzukommen dürfen, und andererseits

1) in ipsa negatione digessit. Gegen Junius, Oehler, Reifferscheid ist diese von Bonwetsch als richtig erwiesene Lesart sämtlicher Ausgaben aufzunehmen.

I. Tertullians Gegner in de ieiunio. \\

setzen die Bischöfe selbst schon gemeinsame Fasttage wegen kirchlicher Not fest. Die montanistischen Fasten sind denen gleich, welche in Griechenland gehalten werden bei den Koncilien, wo über wichtigere Dinge beraten wird. Hier erfüllt sieh »las Wort: Siehe wie gut und angenehm ist es, dass Brüder in Ein- tracht zusammen wohnen. „Dies weisst du nicht leicht zu singen. ausser wenn du mit mehreren zu Tische liegst" (c. 13). „Indem wir mit ihnen (den Griechen i gli iche Zeiten und Tage und Monate und Jahre beobachten, sollen wir galatisieren?" Einmal klagt man uns an, Neuerungen einzuführen, und zur gleichen Zeit wirft man uns in derselben Sache vor, mit den Galatern in jüdische Altertümeleien zurückzufallen (c. 14).

Mit cap. 15 beginnt der zweite Abschnitt, der die gegen die Xerophagien erhobenen Vorwürfe entkräftet. Es ist eine ungeheure Übertreibung, wenn man die Montanisten wegen ihrer Xerophagien, die sie nur zwei Wochen im Jahr beobachten, mit Marcion und Tatian auf eine Stufe stellt, indem man 1. Tim. 43 auf sie anwendet. Da- durch fallen die Gegner unter das Gericht der Worte Rom. 14 20 (vgl. 142ff.). Paulus hatte Einsicht genug, die zu verurteilen, die aus Wider- willen gegen den Schöpfer, nicht die zu seiner Ehre fasten. „Und wenn er dir die Schlüssel des Fleischmarktes übergeben hat, indem er alles dem Genuss freigiebt, damit du die Ausnahme des Götzen- opferfleisches aufrecht erhältst, so hat er dennoch nicht das Reich Gottes in den Fleischmarkt eingeschlossen;" denn er sagt: das Reich Gottes ist nicht Essen und Trinken. Und „weder wenn wir essen, haben wir etwTas zu gute, noch wenn wir nicht essen einen Mangel." Damit trifft er den, der da meint, etwas zu gute zu haben, wenn er isst, und Mangel, wenn er nicht isst. Ganz unwürdig ist es, den Herrn auf Grund von Mt. 11 19 als Schlemmer zur Verteidi- gung der eignen Begierde vorzuschieben; er preist doch nicht die Satten, sondern die Hungernden selig und lehrt uns um Brot, nicht um attalisch e Schätze bitten. Auch Jesajas will mit dem citierten Wort (58s) keineswegs alles Fasten abweisen, sondern nur das unwürdige (c. 15). Denn wenn er auch die Werke der Gerechtigkeit lieber will, so will er sie doch nicht ohne Opfer d. h. ohne eine durch Fasten kasteite Seele. Das gierige Volk streckte er in der Wüste nieder; Eli bricht wegen der Gier seines Hauses nach Opferfleisch den Hals; Sameas, ein Mann Gottes, wird wegen Unterbrechung seines Fastens von einem Löwen zerrissen.

12 Rolff«, Urkunden aus dem antimontaniBtiflchen Kam] :

..Dies sind warnende Beispiele Sowohl f'iii' das Volk als auch für

die Bischöfe, aueh für die Spiritalen, wenn sie, der Gier ihrer Kehle gefröhnt." Die Heiden sogar erkennen den Werl '\<'V De- mütigung beim Fasten an und ebenso begehen die Juden an allen Orten gemeinsames Fasten. Freilieh vergleicht man die Xero- phagien mit den Weihen zu Ehren der Isis und der Cybele, aber gerade dadurch erkennt man sie als göttliche Institution an; denn der Teufel ahmt ja immer nur göttliche Einrichtungen nach. „Aber du bist schlimmer als der Heide; er opfert dem Idol seine Kehle, du willst sie Gott nicht opfern. Denn Gott ist dein Bauch; der Magen der Tempel, der Wanst der Altar, Priester der Koch und heiliger Geist ist der Fettduft, die Würze die Charismen und das Gespei die Prophetie (c. 16). Du bist alt, wenn wir die Wahr- heit sagen wollen; du, der du deiner Kehle fröhnst, pochst auch mit Recht darauf, der frühere zu sein; immer wieder erkenne ich, dass du nach Esau, dem Jäger des Wildes, riechst; so wie er gehst du fortwährend auf den Fang von Turteltauben aus, so kommst du vom Felde deiner unglaublich laxen Disciplin, so fehlt es dir an Geist. Wenn ich dir ein Linsengericht, mit Obstgelee rot gemacht, vorsetzen werde, so wirst du sofort deine Erstgeburt verkaufen. Bei dir siedet die Liebe in den Kochtöpfen, der Glaube dampft in der Küche, die Hoffnung liegt in den Schüsseln. Aber die grösste ist die Liebe, weil sie deine Jünglinge mit den Schwestern zu gemeinsamem Schlaf vereint. Der Anhang des Schlundes sind Lascivität und Üppigkeit. Bezeichnend für deine Gier ist es, dass bei dir den Vorstehern doppelte Ehre durch doppelte Portionen erwiesen wird, da ihnen der Apostel doppelte Ehre zubilligt als Brüdern und Vorstehern. Wer gilt als der Heiligste bei euch, wo nicht wer am häufigsten beim Gelage schwelgt, wo nicht wer am eifrigsten ist beim Schmausen, wer am geübtesten beim Zechen?" Als Menschen ohne Geist stehen die Katholiker den Montanisten gegenüber. Diese wissen, dass die, welche nach dem Fleisch wandeln, Gott nicht gefallen; durch Fasten abgemagert, geht der Mensch leichter zur engen Pforte ein; durch Enthaltsamkeit stärkt sich der Christ zum Kampf gegen die Mächte der Welt, gegen die Geister der Bosheit (c. 17).

I. Tertullians Gegner in de ieiunio. 13

Die Tendenz der Schrift.

Der Traktat ist eine Verteidigungsschrift 1). Sie wendet sich nach ihrem Titel: adversus psychicos und will also die von dieser Seite ausgehenden Vorwürfe entkräften. Die Lösung dieser Auf- gabe ist aber dem zweiten kürzeren Teil zugewiesen, wo einmal die gesetzliche Form der montanistischen Fastendisciplin und sodann die Qualität derXerophagien gegen die dagegen erhobenen Angriffe verteidigt wird. Der grössere Teil der Schrift cap. 3 10 beschäf- tigt sich aber mit dem Nachweis von dem Wert des Fastens überhaupt; er steht also zu der Widerlegung der gegnerischen An- griffe nur indirekt in Beziehung. In Wirklichkeit ist diese Wider- Legung für Tert. nicht der Hauptzweck, wie es dem Titel nach scheinen könnte. Vielmehr steht ihm der Nachweis von der Not- wendigkeit und Nützlichkeit des Fastens in erster Linie2). Er selbst bezeichnet seine Absicht als eine doppelte: er will einmal durch den Nachweis aus der Schrift, wie viel alle Arten des Fastens nützen, die zurückweisen, welche das Fasten als etwas Leeres herabsetzen, und dabei zugleich die, welche es als Neuerung brand- marken, durch den Beweis widerlegen, dass sie immer gewesen sind3). Er befindet sich also zwei Richtungen gegenüber, von denen die eine den Nutzen und die Notwendigkeit des Fastens bezweifelt, während die andere die montanistische Fastendisciplin als häretische Neuerung bestreitet. Sein Verfahren ist beiden Richtungen gegenüber verschieden; die erstere will er „zurück- halten, im Zaume halten" (das bedeutet retundo); die andere will er ..zurückweisen, widerlegen". Die erstere Richtung muss bisher den Wert des Fastens nicht ausdrücklich angezweifelt haben;

1) De modo quidem nubendi iam edidimus monogamiae defensionein. Nunc de castigatione victus seeundae vel magis primae continentiae pugna est (c. 1). R. 274 25 f.

2) Itaque nos hoc prius affirmare debemus quod oeculte subrui pericli- tatur, quantum valeat apud deum inanitas ista et ante omnia, unde ratio ipsa processerit hoc modo promerendi deum. tuncenimagnosceturobservationis necessitas, cum eluxerit rationis auetoritas a priinordip recensendae(c. 3). R. 277 i

3) Propterea per singulas direximus species ieiunationum, xerophagia- rum, stationum, ut, dum recensemus seeundum utriusque testamenti para- turam quantum proficiant recusati vel recisi vel retardati pabuli officia, eos retundamus, qui haec velut vacantia infirmant, item dum pariter ostendi- mus quo semper in ordine fuerint religionis eos revincamus qui haec ut nova aecusant (c. 11) R. 2892.

] | Etolffs, Urkunden aus dem antimontanietischei] Kampfe.

denn ihr will Tert. nach cap. 3 einschärfen, wieviel bei Q-oti die Enthaltsamkeit des Fastens gilt, einen Satz, „der in Gefahr ist. anvermerkt untergraben zu werden"1!. Dies kann sieh natür- lich nicht auf die Richtung beziehen, von der die Angriffe gegen

die Montanisten ausgegangen sind, da hier der Wert des Fastens nicht unmerklich sank, sondern ganz offen bestritten wurde Wir haben die andere Richtung wohl zunächst innerhalb der montanistischen Partei zu suchen; denn wenn Tert. die warnenden Beispiele, die er in cap. 16 den Psychikern vorhält, auGh den Spiritalen nachdrücklich zur Beachtung empfiehlt 2), so lässt dies auf eine unter ihnen eingetretene Lockerung der Fastendisciplin schliessen. Aber Tert. wird auch solche im Auge haben, die, ohne gerade zu den montanistischen Gemeinden zu gehören, doch eine gewisse Sympathie für die Sittenzucht des Parakleten hatten, asketisch gerichtete Christen, denen der Ernst und die Strenge der montanistischen Disciplin imponierte, weil sie die derselben verwandte Stimmung des Urchristentums noch bewahrten: diese mussten infolgedessen montanistischen Einflüssen bis zu einem gewissen Grade zugänglich sein. Sowohl bei den laxeren Mon- tanisten als auch bei diesen asketisch gerichteten Katholikern konnten die Argumente der Psychiker Eindruck machen, indem dadurch den einen die laxe Fastenpraxis annehmbar, den andern die strengere Disciplin verdächtig gemacht wurde. Diesen schäd- lichen Eindruck will Tert. durch den ersten Teil seiner Schrift verhindern; dieselbe ist daher direkt an Montanisten und halbe Gesinnungsgenossen gerichtet und wendet sich nur indirekt gegen die eigentlichen Gegner. Der Beweis für die Notwendigkeit und Nützlichkeit der Fasten ist für Tert. die Hauptsache. Das zeigt der Eingang von cap. 9: Principalis haec species in castigatione victus potest iam de inferioribus quoque abstinentiae operationibus praeiudicare , ut et ipsis pro modo utilibus aut necessariis. Er fährt dann zwar fort: Inspiciamus igitur et xerophagiarum novitatem aut vanitatem, si non et in his tarn antiquissimae quam efficacissimae r^ligionis operatio est. Aber die ganze fol-

1) Itaque nos hoc prius affirmare debemus quod oeculte subrui peri- clitatur, quantum valeat apud deum inanitas ista.

2) Haec erunt exempla et populo et episcopis etiam spiritalibus, si quam incontinentiam gulae admiserint (c. 16). R. 295 12.

I. Tertullians Gegner in de ieiunio. 15

gende Ausführung tendiert auf deu Nachweis, welchen Nutzen die Xerophagien bringen. Wenn derselbe an biblischen Beispielen geliefert wird, so ist damit ja zugleich das Alter der Xerophagien dargethan; aber der Ton liegt darauf nicht. Der positive Teil der Schrift will also schwankende Montanisten unter der Aukto- rität und mit dem Montanismus sympathisierende Katholiker unter dem Einfluss seiner Disciplin erhalten.

Umgekehrt richtet sich der zweite Teil direkt gegen die Psy- ch i kor. um deren Vorwürfe zurückzuweisen, und bestärkt damit indirekt die andere Richtung in ihrer strengeren Fastensitte. AI »er Tert. hat sieh die Widerlegung sehr leicht gemacht; ein- gehend behandelt er nur die Sätze: aut pseudoprophetia est, si spiritalis vox sollemnia ista constituit, aut haeresis, si humana praesumptio adinvenit (cap. 11), und haec ex arbitrio agenda, non ex imperio (cap. 13); alles, was sonst gegen die montanistischen Pasten vorgebracht ist, erledigt er ganz kompendiarisch (c. 14. 15). Den Zusammenhang unterbricht cap. 12 mit heftigen persönlichen Invektiven und cap. 16 lenkt wieder in die Ausführungen des eisten Teils zurück, indem es die Strafe der Unmässigkeit und den Nutzen der Enthaltsamkeit schildert. Die eigentliche Wider- legung der Gegner nimmt also einen so kleinen Raum ein, dass der Eindruck, sie sei für Tert. Nebensache, sich nicht verdrängen lässt. Besonders stark wird man ihn empfinden, wenn man die oberflächliche Art, sich mit den gegnerischen Argumenten abzu- rinden, mit der eingehenden Behandlung vergleicht, welche er den- selben in de pudicitia zu teil werden lässt. Die Widerlegung der Gegner ist eben gar nicht darauf berechnet, sie ihres Un- rechtes zu überführen, sondern sie soll den ganzen und halben Gesinnungsgenossen das Bewusstsein von der Sicherheit und Un- anfechtbarkeit der eigenen Position geben. Der Schein der ('berlegenheit wird aber um so sicherer geweckt, je kürzer und schneidiger die Gegner abgefertigt werden. Ausführlichkeit er- scheint leicht als ein Zeichen von Schwache der eigenen Stellung. Also auch der zweite Teil will mit seiner überlegenen Behand- lung und rücksichtslosen Herabsetzung der Gegner nur die Ge- sinnungsgenossen in ihrer ins Wanken geratenen Überzeugung stärken. Die Schrift ist demnach eine Apologie, welche nicht die Gegner gewinnen, sondern die Gesinnungsgenossen festhalten will. Hierüber lässt der Schluss vollends keinen Zweifel: „Wir

Kj Rolfls, Urkunden aue dem antimontanistischeii Esaapi

wollen vor aller Welt unsere Disciplin festhalten. Wir sind ge- wiss, dass die, welche im Fleische sind, Gotl nichi gefallen können. Die Magerkeit missfallt uns nicht; denn nichl nach Ge- wicht teilt Gott das Fleisch ans, wie auch den Geist nicht nach Mass. Leichter wird im gegebenen Fall durch die enge Pforte des Heils das ausgezehrte Fleisch eingehen; rascher wird das leichtere Fleisch auf er weckt werden, länger wird das trocknere im Grabe ausdauern. Sättigen mögen sich die Olympischen Ringer und Faustkämpfer, denen kommt Sorge für den Körper zu. wel- chen auch Kräfte nötig sind, und dennoch stärken sich jene auch durch Xerophagien. Aber wir brauchen andere Stärke und andere Kräfte, wie auch unsere Kämpfe anderer Art sind, in denen nicht ein Ringen gegen Fleisch und Blut, sondern gegen die Mächte der Welt, gegen die Geister der Bosheit gefordert wird. Gegen diese muss man nicht in Fleisch und Blut, sondern im Glauben und in gewaffnetem Geist standhalten." So spricht etwa ein Prediger zu seiner Gemeinde, um sie in der Gesinnung, in der er sich mit ihr im Ganzen eins weiss, zu befestigen. Tert. er- reicht diesen Zweck, indem er die Gesinnung, die er bei allen zu finden wünscht, als das Eigentum aller darstellt. So kommt der Schluss dahin zurück, wovon der Anfang (c 3) ausgegangen war: die Schrift sucht die schädlichen Einflüsse zu paralysieren, die durch die Vorwürfe der Psychiker für gewisse Montanisten laxerer Observanz und gewisse Katholiker strengerer Richtung zu fürchten waren.

2. Die Anklagen gegen die montanistische Fastensitte.

Die gegen die Montanisten erhobenen Vorwürfe scheint Tert. mit den sie einführenden Worten: arguunt, obiectant, opponunt, putant, aiunt, iaculantur einer unbestimmten Mehrheit zuzuschrei- ben; aber dieser Schein kann täuschen; denn in de pudicitia be- handelt er die Argumente des Kailist stellenweise als Äusse- rungen einer unbestimmten Mehrheit. Derselbe Fall kann hier vorliegen, und er liegt hier vor.

Zunächst lassen sich unter den Vorwürfen (c. 1. 2) zwei Gruppen unterscheiden; die zweite Gruppe markiert Tert. durch die einleitenden Worte: Jaculantur interea; schon hiermit ist ge- sagt im Gegensatz zu den Ausdrücken: arguunt, obiectant etc., dass im folgenden keine eigentlichen Vorwürfe zu erwarten sind.

I. Tertullians Gegner in de ieiunio. 17

Es wird vielmehr eine zusammenhängende Darstellung der rechten christlichen Haltung in der Pastenfrage gegeben, die sich nach einer sehr durchsichtigen Disposition gliedert. Die evangelische Freiheit beim Fasten wird bewiesen: 1. durch ein Wort aus dem A. T.; 2. durch ein Herrnwort; 3. durch das Lehen des Herrn; 4. durch ein Wort des Paulus; 5. durch Betonung der eigent- lichen Kernpunkte des Christentums l). Das ist eine durchaus positive Darlegung der christlichen Grundsätze über das Fasten, die nur indirekt einen Vorwurf gegen die montanistische Gesetz- lichkeit und Engherzigkeit enthält, und sich eben durch diesen Inhalt und diese Tendenz deutlich von der ersten Gruppe von An- klagen abhebt.

Ein Blick auf diese lässt auch hier eine wohldurchdachte Ordnung und einen klaren Gedankenfortschritt erkennen. Drei Teile lassen sich unterscheiden. 1. In den Sätzen: arguunt nos adnuntiamus wird scharf und bestimmt die Anklage formu- liert, indem gegen die montanistischen Fasttage, die Art der Be- obachtung von Stationen und die Sitte der Xerophagien der Vor- wurf der Neuerung erhoben wird, die, entweder Pseudoprophetie oder Häresie, in jedem Falle als Urteil das Anathem zu erwarten hat. 2. Der Abschnitt Nam quod ad ieiunia pertineat a deo conditis enthält die Begründung der Anklage in dem Nachweis, dass die montanistische Fastensitte gegenüber den Anschauungen der Bibel eine Neuerung ist. 3. Die Sätze et ideo annorum begründen das Urteil durch Hinweis auf 1. Tim. 4iff. und Gal. 4io (vergl. mit I9).

Die „Heerschar von Vorwürfen" (Nöldechen, Tert. S. 449) ist also nach einem sehr übersichtlichen Schema geordnet: I. Der Angriff auf die Fastendisciplin des Parakletcn.

1. Die Anklage und das Urteil.

2. Die Begründung der Anklage.

a. Es ist nach Lev. I629 vergl. mit Marc. 2i8ff. unerlaubt, neue Fasttage als gesetzliche Institution einzurichten.

b. Es ist nach Act. 3iff. unzulässig, die Stationen bis zum Abend auszudehnen.

c. Es ist verwerflich, mit den Xerophagien eine Sitte

1) Dass Punkt 5 nicht aus dieser Disposition herausfällt, wird noch gezeigt werden.

Texte u. Untersuchungen XII, 4. -

]s Rolfls, Urkunden aus dem antimontanutucheii Kampfe.

einzuführen, die heidnischem Aberglauben nahestehl und den Grundsatz 1. Cor. lOas verleugnet, 3. Die Begründung des Urteils.

a. Enthaltung von gewissen Speisen ist nach I.Tim, hfl ein Kennzeichen der Häretiker.

b. Gesetzliche Beobachtung bestimmter Zeiten ist nacb Gal. 4io ein Abfall vom Evangelium zu jüdischer Ceremonialgesetzlichkeit.

11. Die Begründung der christlichen Freiheit in Bezug auf das Fasten

1. durch ein Wort aus dem A. T.

2. durch ein Wort Christi.

3. durch das Verhalten Christi.

4. durch ein Wort des Paulus.

5. aus dem Wesen der christlichen Frömmigkeit.

Hat Tert. die Anklagen seiner Gegner und ihre positiven Aufstellungen, die ihm von verschiedenen Seiten zugekommen waren, in diese übersichtliche Ordnung gebracht? Das ist a priori sehr unwahrscheinlich. Denn was konnte ihm daran liegen, in einen geschlossenen Zusammenhang zu bringen, was ihm als zu- sammenhangslose Fragmente entgegentrat. Der einzig denkbare Grund, er habe sich mit seiner Widerlegung an diesen Zusammen- hang anschliessen und durch die Voranstellung der gegnerischen Argumente die Übersicht über seine Erwiderungen erleichtern wollen, wird widerlegt durch die Thatsache, dass er bei seiner Widerlegung diese Disposition nicht befolgt. Denn die Wider- legung von cap. 11 an wird durch drei Punkte bestimmt, die Tert. offenbar als die wichtigsten aus den Argumenten seiner Gegner auswählt. Er weist 1. die Haltlosigkeit des anlässlich einer abweichenden Fastenordnung erhobenen Vorwurfs: entweder Häresie oder Pseudoprophetie nach (c. 11). Er führt 2. aus, dass die gesetzliche Beobachtung neuer Fasttage nicht unerlaubt ist und daher nicht den Vorwurf des Galatisierens begründen kann (c. 13. 14). Er sucht 3. klarzustellen, dass die Xerophagien mit heidnischem Aberglauben nichts zu thun haben und deshalb den auf Grund von 1. Tim. 4iff. erhobenen Vorwurf nicht verdienen (c. 15. 16). Dabei behandelt er die Punkte des zweiten Teils so, als ob sie von den Gegnern zur Diskreditierung der Xero- phagien herangezogen wären, wofür sie doch nur halb passen. Das

I. Tertullians Gegner in de ieiunio 19

Schema, welches seiner Widerlegung zu Grunde liegt, ist also folgendes: I. Die Fastenordnung des Parakleten ist, wenn auch neu, weder

Pseudoprophetie noch Häresie. 11. Die gesetzliche Beobachtung bestimmter Fasttage begründet

nicht die Anklage des Galatisierens. III. Die Beobachtung der Xerophagien ist weder heidnisch noch unbiblisch; sie steht nicht im Widerspruch

1. mit Rom. 11 und ähnlichen Stellen,

2. mit dem Verhalten Christi,

3. mit Jes. 58 3 ff.,

4. mit dem Wesen der christlichen Frömmigkeit. Dieses Schema ist Tert. sicher nicht durch die den Anklagen

in cap. 1 und 2 zu Grunde liegende Disposition an die Hand ge- geben: denn der durch die letztere bezeichnete Gedankenznsammen- hang ist hier einfach zerstört, indem die einzelnen Teile desselben unter andere Gesichtspunkte gerückt sind. Folglich rührt die cap, 1. 2 aufgewiesene Disposition nicht von Tert., sondern von seinen Gegnern her; dieser Schluss ist unausweichlich. Dann wird aber noch ein weiterer Schritt notwendig, nämlich die Annahme, die Ausführungen seiner Gegner haben Tert. schriftlich vorgelegen; denn eine mündliche Auseinandersetzung würde kaum in einem so klar und scharf durchdachten Gedankengang verlaufen, jeden- falls aber nicht von Tert. in einer so vortrefflichen Ordnung reproduciert worden sein. Mit Morcelli *) und Bonwetsch 2) ist daher die Ansicht für probat zu halten: Tert. hat eine antimon- tanistische Schrift vor sich, über die er in cap. 1. 2 referiert.

Zu einer bestimmten Schrift gehört ein ganz bestimmter Ver- 3er. Kennt Tert. denselben, so müssen sich in seiner Wider- legung Spuren davon entdecken lassen, dass er sich einer kon- kreten Einzelpersönlichkeit gegenüber befindet, und solche Spuren fehlen nicht. Man hat freilich darauf zu verzichten, jeden Fall, wo Tert. seinen Gegner mit tu, tibi, te anredet, als Beweis dafür geltend zu machen. Denn er redet eine Einzelperson an Stellen an, wo wir eine solche nicht erkennen können; deshalb kann man auf Wendungen wie oro te u. a. keine Beweise für die Einzel-

1) Africa christiana II p. .7.

2) Die Gesch. d. Montanismus S. 93. Die Schriften Tert s S. 05.

2*

'2(| Rolffs, Urkunden aus dem antimontanistwchen Kampfe.

Persönlichkeit des Gegners bauen. Alter wenn er auf <;ip. 1 (Schluss) zurückweichend sagt: Spiritus diaboli est, dicis, o psy- chice, so wendet er sich doch aller Wahrscheinlichkeit nach an eine ganz bestimmte Persönlichkeit, die jenen Vorwurf erhöhen hat. Noch deutlicher ist dies cap. 15 (p. 294, 3 ff'.): si quidem subiciens: „nee si mandxicaverimus deficiemus", tibi magis in- tonat, qui abundare te existimas si edas, et deficere, si non edas et ideo ista (nämlich den von Tert. kurz vorher citierten Satz: nee enim esus aut potus est dei regnum) detraetas. Hier wird die Schriftbehandlung, wie sie cap. 2 an der entsprechenden Stelle geübt ist, als mangelhaft und willkürlich angefochten; Exegese treibt aber immer nur eine einzelne Person und für schlechte Exegese kann immer nur ein einzelner verantwortlich gemacht werden. Ganz derselbe Fall begegnet uns in dem folgenden Satze: Dominum quoque quam indigne ad tuam libidinem interpretaris passim manducantem et bibentem; auch hier ist es eine einzelne Person, die sich einer unwürdigen Interpretation des Verhaltens Christi schuldig gemacht hat. Ebenso ist nach cap. 16 (p. 296s): sed bene quod tu nostris xerophagiis blasphemias ingerens casto Isidis et Cybeles eas adaequas der Vorwurf, der nach cap. 2 von einer unbestimmten Mehrheit erhoben wird, von einem einzelnen ausgegangen. Entscheidend aber scheint vor allem cap. 13 zu sein: vide quam bonum et quam iueundum habitare fratres in unum! hoc tu psallere non facile nosti, nisi quo tempore cum compluribus cenas (p. 292, 17). Das ist ein Hieb auf den Gegner und zwar ein sehr scharfer; soll er treffen und Tert. pflegt derartige Hiebe nicht in die Luft zu führen , so darf der Gegner ihm nicht ausweichen können. Hätte Tert. die Psychiker nur in ihrer unbestimmten Vielheit sich gegenüber, so musste er auf ihre Gesamtheit zielen und hätte sagen müssen: „Aber ihr wisst diesen Psalm nur beim Gelage zu singen." Wollte man annehmen, Tert. verhandele mit einer fingierten Einzelpersönlichkeit aus den Reihen der Psychiker und wolle mit dem auf sie geführten Hieb die Gesamtheit treffen, so würde man die Worte „ut psychicus" hinter tu ergänzen und damit die Hauptsache in den Satz ein- tragen müssen. Hier ist es also evident: er steht einem einzelnen Gegner gegenüber, dem er eine persönliche Schmähung sagen will ganz in der Art, wie er es de pudicitia 10 (age tu funam- bule etc.) Kallist gegenüber in mustergiltiger Weise fertig bringt.

I. Tertullians Gegner in de ieiunio. 21

Wir haben also hier denselben Fall wie in de pudicitia. Tert. hat eine Schrift aus den Kreisen der Psychiker vor sich und be- kämpft in deren Verfasser die ganze Partei: dadurch wird es er- klärlich, wie er bald sich mit einer Vielheit, bald mit einem einzelnen polemisch auseinandersetzen kann.

3. Die Überlieferung der Anklageschrift durch Tertullian.

Die Überlieferuns dieser Anklageschrift; durch Tert. versetzt uns einerseits in eine günstigere, andererseits in eine ungünstigere Lage, als seine Berichterstattung über das Indulgenz-„Edikt" Kal- lists. Von diesem hat Tert. nnr Fragmente erhalten, deren Zu- sammenhang er überall zerrissen hat, so dass der Gedankengang nur durch Kombination festzustellen war; in de ieiunio giebt er einen Abriss der Gegenschrift, welcher ihre Anlage und ihre Ge- dankenfolge mit ungleich grösserer Sicherheit erkennen lässt; insofern sind wir günstiger gestellt. Aber Tert. hat jene Frag- mente des Indulgenz-Ediktes an vielen Stellen im Wortlaut er- halten, so dass ihr Stil und Charakter einigermassen sicher zu erkennen ist; dagegen ist de ieiunio sehr arm an wörtlichen Citaten, sodass über den Umfang, die einzelnen Ausführungen und den Charakter der hier behandelten Anklageschrift ein schwer zu lichtendes Dunkel schwebt.

Untersuchen wir, wo Tert. uns den Wortlaut der Anklage- schrift erhalten hat. Die biblischen Citate werden hierfür den sichersten Ausgangspunkt bieten.

a. In cap. 2 wird 1. Cor. 8s citiert: sie et apostolum docere, quod esca nos deo non commendet neque abundantes, si edamus, neque deficientes, si non edamus. Tert. bringt Cap. 1 5 dieses Wort

in seiner originalen Fassung; Esca nos deo non commendat

nee si mandueaverimus, abundabimus, nee si non mandueaverimus deficiemus. Das bedeutet: Das Essen ist keine Empfehlung weder eine günstige noch eine ungünstige für uns bei Gott; wenn wir essen, so haben wir keinen Vorzug und wenn wir nicht essen, haben wir kein moralisches Deficit, Dieser Sinn wird aber durch die cap. 2 vorkommende Form um eine Nuance zu gunsten der Psychiker verschoben. Hier lautet der Satz: Das Essen empfiehlt uns Gott nicht weder als Uberflusshabende (Satte), wenn wir essen, noch als Mangelhabende (Hungrige), wenn wir nicht essen. Das be- deutet: Weder die Hungrigen noch die Satten haben bei Gott

22 Rolfls, UrkundeD ans dem antimontai n Kampfe.

einen Vorzug. Damit Ist der Salz: „Wenn wir nicht essen, haben

wir keinen moralischen Mangel" ausgemerzt und ein für die Beweisführung der Psychiker sehr störendes Moment beseitigt;; denn nach ihrer Ansicht sollte ja gerade das Fasten der Monta- nisten ein moralisches Deficit einschliessen.

b. Derselbe Fall liegt bei dem Citat Jes. 58« vor. it.- Gegner weicht von der Form der LXX: ov'/l Toiavrr/v vr/oxtiav e^eXe^aiirjv, Xiyu xvQiog, aXXä Xve jiavra Ovvdeöfiov äöixiag, öiaXve örgay/aXtag ßtaimv övv aZXay fiarcov xzX. dadurch ab, dass er den positiven Teil in einen einzigen Ausdruck zusammen- ziehend und xotavTi]v vr/öTsiav durch eine Glosse erklärend schreibt: Non tale ieiunium dominus elegit, id est non abstinen- tiam eibi, sed opera iustitiae quae subtexit. Diese Abweichungen kommen nicht auf Rechnung Tert.s, der etwa im Interesse seines Referates die Umgestaltung vorgenommen hätte; denn c. 15 be- richtigt er gerade die Deutung, die sein Gegner dem Wort durch den Zusatz id est abstinentiam eibi giebt aus dem Kontext der Stelle *). Der Spruch begegnet uns cap. 2 also in einer tenden- ziösen Entstellung und eben deshalb in der Form, die ihm Tert.s Gegner gegeben hat.

c. Hat Tert. zwei Citate einfach aus der Schrift seines Geg- ners abgeschrieben, so hat er es wahrscheinlich bei den übrigen nicht anders gemacht. Daher stammt wohl auch das Wort 1. Tim. 4 i if . in der cap. 2 auftretenden Form: [Et ideo nos esse iam tunc praenotatos] in novissimis temporibus abscedentes a fide, intendentes spiritibus mundi seduetoribus, doctrinis menda- ciloquorum inustam habentes conscientiam aus der ihm vorlie- genden Schrift. Auch hier kann man in den Abweichungen vom neutestamentlichen Text tendenziöse Entstellung kaum verkennen. Im Original werden Abtrünnige gezeichnet, „die sich halten an irreführende Geister und Lehren der Dämonen, auf Vorspiegelung von Lügenrednern, die ein Brandmal an ihrem eignen Gewissen tragen." Dabei fällt die Schuld mehr auf die Verführer als auf die Verführten. Den Montanisten wird aber mit jener Stelle ein-

1) Sic et Esaias non negavit deum elegisse ieiunium, sed quäle non elegerit enumeravit. in diebus enim, inquit, ieiuniorum vestrorum inveni- untur voluntates vestrae et omnes subiectos vobis suecutitis aut ad convicia et lites ieiunatis et caeditis pugnis. Non tale ieiunium ego elegi, sed quaie subiecit et subiciendo non abstulit, sed confirmavit. R. 294 18.

[. Tertullians Gegner in de ieiunio. 23

mal der Vorwurf gemacht, dass sie sich zu den „irreführenden -rem der Welt halten"; der Verführung von trügerischen Geistern kann jeder ohne grosse eigne Schuld erliegen; den „Geistern der Welt" aber darf ein Christ nie folgen; sodann wird ihnen selbst „ein durch die Lehren von Lügenrednern ver- branntes Gewissen" zugeschrieben, während nach dem ursprüng- lichen Sinn das böse Gewissen nur die Irrlehrer quält; sie werden mithin durch die Anklage bewussten Abfalls noch schwerer belastet

d. Nach diesen Beobachtungen ist es ziemlich selbstverständ- lieh, dass das Citat ans Lev. 23: Sancta erit vobis dies, et vexa- biids aniinas vestras, et omnis anima, quae vexata non fuerit in illa tlif. exterminabitur de populo suo die Form, in der zwei Glieder von v. 27 durch et mit v. 29 verbunden sind, von Tertullians Gegner empfangen hat.

e. Ein eigentümliches Citat macht nach Terts Referat den Schluss der ihm vorliegenden Schrift: Opus est de totis praecor- diis credam, diligam deum et proximum tamquam me. In his enim duobus praeeeptis tota lex pendet et prophetae, non in pul- monum et intestinonim meorum inanitate. Diese Sätze, welchen Mt. 2237—40 zu Grunde liegt, sind ganz sicher nicht Eigentum Tert.s. sondern gehören in dieser Form seinem Gegner an; das bedarf keines Beweises. Woraus sind aber hier die eigentüm-

CT

liehen Abweichungen vom neutestamentlichen Text zu erklären, die bei einem so bekannten Bibelwort schwerlich zufallig sein können? Es will freilich nichts besagen, wenn v. 38 ausge- n ist und ebenso wenig, wenn die Ausdrücke Iv olr\ rf] xaodia oov xal Iv oh] xi] tyvyr\ oov xal ev oh] rf] öiavoia oov in den einen de totis praecordiis zusammengezogen sind; aber weshalb diese Xäherbestimmung zu credam tritt und wie dieses credam in diesem Zusammenhang erscheint, ist doch zunächst ein Problem, das sich nicht ignorieren lässt. Sehen wir den vorhergehenden Satz genauer an: His et huiusmodi sensibus eo iam subtiliter tendunt, ut unusquisque pronior ventri possit su- pervacua nee adeo necessaria existimare sublati vel deminuti vel demorati eibi officia, praeponente scilicet deo iustitiae et inno- centiae opera, so erkennen wir, dass der Gegner Tert.s sich hier in den Gedankenkreisen des Hermas bewegt. Dieser nennt Sim. \ . I, 3 das Fasten avcohjq, was mit nee adeo necessaria über-

2| R/Olffs, Urkunden aus dem antimontanistiscliei] Eampi

einkommt; er bezeichnet es als [laraia, ein Ausdruck, dem supervaeuum entspricht (die lateinische Übersetzung giebi ihn durch supervaeuus wieder). Er behauptet: ovreo yäg vtj&cbvcov

xm dem ovölv tQya6?j rfj dixatoövpt/, rechnel also das Pasten nicht zu den tQya rijg dixaioövvr/g, ebenso wie <\*'\° Gegner Tert.8 den ieinnia die opera iustitiae entgegensetzt. Wenn er erklärt: Gott will das nichtige Fasten nicht und daran anschliessend die Weisung erteilt: rrjQrjöov rag Ivrolag avrov jiOQSVOfisvoq Iv rolg jiooörayiiaöiv avrov xal [irjöefiia tJiifrvftLa jiovr/ya äva- ßtjrm 8V rf/ xaoöia oov, so sagt er etwas ausführlicher dasselbe, was das Referat Tert.s in dem Satz zusammenfasst: praeponente scilicet deo iustitiae et innocentiae opera; denn die Befolgung der Gebote schafft „Werke der Gerechtigkeit" und die Reinheit des Herzens äussert sich in „Werken der Unschuld". Wenn nun Hermas mit dem Satz fortfährt: jtiörsvöov de reo &ec7) und Tert. da, wo er nach kurzer Zwischenbemerkung die Rede seines Gegners wieder aufnimmt, die Worte bringt: opus est de totis praecordiis credam, diligam deum etc., so kann es wohl kaum noch zweifelhaft sein, woher das auffallende credam stammt: die Gedanken des Hermas sind für die Gestaltung des Citates mass- gebend gewesen.

Neben diesen Citaten hat Tert. gewisse Formeln und Schlag- worte richtig überliefert; dies lässt sich kontrolieren, wenn er sie wiederholt.

f. Die Wendung aus cap. 1: aut haeresin iudicandam si humana praesumptio est, aut pseudoprophetiam pronuntiandam si spiritalis indictio est kehrt cap. 11 wenig verändert wieder: Aut pseudoprophetia est, si spiritalis vox sollemnia ista consti- tuit; aut haeresis si humana praesumptio adinvenit. Der Sinn ist beide Male ganz derselbe; die Verschiedenheiten des Wort- lautes sind nicht andere als sie bei der freien Reproduktion eines bekannten Satzes vorkommen. Kaum wird Tert. in beiden Fällen dem Gedanken seine Form gegeben haben; schliesst er sich aber einmal an die Worte seines Gegners an, so ist es in cap. 1: denn in cap. 11 hat die Formel Erweiterungen, die erforderlich waren, um sie in dem Zusammenhang, in welchem sie hier auf- tritt, verständlich zu machen.

g. Es stimmen ferner die Formeln: ieiunandum ex arbitrio, non ex imperio novae diseiplinae pro temporibus et causis uniuseuius-

Tertullians Gegner in de ieiunio.

r-

que (cap. 2) und haec ex arbitrio agenda mm r\ imperio überein. Vermutlich sehliesst sieh Terfc. in der ersten den Ausdrücken seines Gegners am engsten an; die zweite1 will nur kurz daran erinnern. Sicher ist freilieh nur das von den Gegnern gebrauchte Schlagwort: ex arbitrio non ex imperio.

h. Spricht Tert. cap. 2 von „observatores dierum et mensium ei annorum", so bringt er cap. 11 don Satz: Horum igitur tem- pora observantes et dies et menses et annos galaticamur? Da er sich das zweite Mal näher an den Originaltext von Gal. 4io an- sehliesst. so wird er das erste Mal genauer seinem Gegner folgen. Sonst lassen sich höchstens noch einzelne Worte durch die Wie- derholungen einigermassen sicher stellen. Die Worte castimoniae Magna Mater (cap. 2) werden durch den Ausdruck casto Isidis et Cybeles eas adaequas (cap. 16), die Wendung fides libera in Christo (cap. 2) wird durch den Satz: Ego me saeculo non deo liberum memini bis zu einem gewissen Wahrscheinlichkeits- grade als authentisch erwiesen.

Wahrscheinlich hat Tert. bei seinem Referat sehr starke Kürzungen vorgenommen; wir können sie ihm freilich nur in wenigen Fällen nachweisen; noch weniger sind wir im stände, die Lücken einigermassen auszufüllen.

i. Auffallend kurz ist die Wendung: Novitatem igitur obiec- tant, de cuius illicito praescribant aut haeresin etc. (cap. 1). Denselben Gedanken wiederholt er cap. 13: Praescribitis consti- tuta esse sollemnia huic fidei scripturis vel traditione maiorum nihilque observationis amplius adiciendum ob illicitum innova- tionis. Hier findet man, was das kurze Referat vermissen lässt, und wahrscheinlich sehliesst Tert. sich hier sehr eng an die Aus- drucksweise seines Gegners an, da er dessen Standpunkt mög- lichst präcis markieren will; denn er fährt fort: State in isto gradu, si potestis d. h. Steht fest auf der Stufe, die durch euren eben von mir citierten Satz bezeichnet ist, wenn ihr könnt. Wenigstens würde seine Schreibweise dann am schärfsten poin- tiert erscheinen, wenn er die Ansicht seines Gegners auch mit dessen Worten ausgedrückt hätte.

k. Der Schlusssatz von cap. 1 : dum quaque ex parte ana- thema audiamus qui aliter adnuntiamus ist in den letzten drei Worten unverständlich. Er ist jedenfalls Gal. 19 nachgebildet: et rig vuäq evayyeZiCsTCU Jt&Q o JtccQsXaßsTS, ava&s{ua eörm\

26 1;. ilfls. Urkunden aus dem antimontanistischeii Kampfe.

rs fehlt ihm aber «'in dem o nctQeXaßsTB entsprechender Begriff; man fragt nach einem Kanon, von dem durch das aliter adnun- fciare abgewichen wird, und ein Satz, d<>v einen derartigen Inhalt hätte, ist im Vorhergehenden nicht aufzufinden. Es ist nun beachtenswert, dass Tert. am Schluss des A-bschnittes, in welchem er die Alternative: entweder Häresie oder Pseudoprophetie be- handelt, eine Wendung bringt, die geeignet ist, die eben kon- statierte Lücke auszufüllen. Er schreibt: Sed rursus palos ter- minales figitis deo, sicut de gratia, ita de disciplina, sicut de charismatibus, ita et de sollemnibus, ut perinde of'ficia cessave- rint, quemadmodum et beneficia eius atque ita negetis usque ad- huc euru munia imponere, quia et hie: Lex etprophetae usque ad Johanne m. Zweifellos hat Teris Gegner das Wort Mt. 11 13 gebraucht und zwar in dem Sinne, wie es hier zu ver- stehen ist: das neue Gesetz und die neue Prophetie endet mit dem Apostel Johannes. Das ist ganz klar, wenn Tert. cap. 12 seinem Gegner den Fall zugiebt: Ut ab Johanne paracletus obmu- tuisset; denn vor dem Täufer Johannes nahm niemand eine Wirk- samkeit des Parakleten an. Es wird bestätigt, wenn er cap. 2 die Zwischenbemerkung macht: denn wo es ihnen passt, erkennen sie den wirklichen Sinn des Wortes an: Gesetz und Propheten bis auf Johannes 1). Denn dies setzt voraus, dass sie diesem Wort sonst auch einen andern Sinn unterschieben. In dieser Auslegung bildet dasselbe die biblische Begründung für die Regel: Deus non usque adhuc munia imponit; und von diesem Kanon weichen die Montanisten (aliter adnuntiantes) ab. Höchst wahr- scheinlich ist daher vor dem Satz, den Tert. wiedergiebt: dum quaque ex parte anathema audiamus qui aliter adnuntiamus dieser Gedanke ausgedrückt und zwar mit Berufung auf Mt. 11 13. Diese Annahme empfiehlt sich um so mehr, als Tert. in engstem Zu- sammenhang mit der Behandlung des Satzes: aut haeresin indictio est darauf zu sprechen kommt; an diesen Satz wird sich jener Gedanke angeschlossen haben. Darüber, ob Tert. in den Worten: usque adhuc eum munia imponere, quia et hie die Trümmer des Satzes seines Gegners erhalten hat, wird man besser keine Vermutungen aufstellen. Desgleichen wird man

1) Ubi volunt enim, adgnoscunt quid sapiat lex et prophetae usque ad Johannem. R. 27520.

I. Tertullians C4egner in de ieiunio. 27

unentschieden lassen müssen, ob der Satz: Ubi volunt enim, adgnoscnnt quid sapiat: Lex etc. im Referat Tert.s besagt, dass er das Wort Mt. 1 1 13 an der entsprechenden Stelle der gegne- rischen Schrift in seinem wirklichen Sinne gebraucht vorgefunden hat. Unmöglich ist es nicht; aber an haltbaren Gründen für eine solche Annahme fehlt es auch.

1. Eine klaffende Lücke bezeichnet das Referat mit dem Satze: quando et orationes fere hora nona concludat, de Petri exemplo, quod Actis refertur. Denn aus dieser Andeutung zu erraten, inwiefern das Beispiel des Petrus die Position des Geg- aers gestützt haben soll, erfordert mehr als ungewöhnlichen Scharfsinn. Glücklicherweise bilden die Ausführungen Tert.s in cap. in einen Kommentar dazu. Hier fordert er von den Psy- chikero Rechenschaft, „unde hanc formam nona dirimendis statio- nibus praescribant". Darauf fährt er fort: Si, quia Petrus et qui cum eo ad horam nonam orationis templum introgressi leguntur, quis mihi probabit illos ea die statione funetos, ut horam nonam ad clausulam et expunetionem stationis interpretetur? Dieser Satz hat in seinem Aufbau eine genaue Analogie in de pudicitia 21 1). Ich habe bei der Besprechung der betr. Stelle zu beweisen versucht, dass der mit quia eingeleitete Satz aus der Tert. vorliegenden Schrift stammen müsse; die Form der Periode legt es daher nahe, dieses auch von dem Satz: quia Petras leguntur zu vermuten; aber es fehlen diesen Worten selbst alle Kriterien, nach denen man sie Tert.s Gegner zuschreiben könnte. Möglich, ja wahrscheinlich bleibt es eben wegen jener Analogie immer, dass Tert. mit den Worten: „quia Petrus et qui cum eo ad horam nonam orationis templum introgressi leguntur" seinen Gegner citiert. Ebenso mag der Satz: ut horam nonam ad clausulam et expunetionem stationis interpretetur in „clausulam et expunetionem stationis" die Stich- worte desselben enthalten.

Die Frage: wie liess sich das Beispiel des Petrus mit einigem Schein für die Begründung der grosskirchlichen Praxis verwenden? wird durch die folgende Ausführung beantwortet: Venit enim de exitu domini, quem etsi semper commemorari

1) quaero unde hoc ius ecclesiae usurpes. Si quia dixerit ,

qualis es evertens etc. Diese Analogie bestätigt die Lesart des Gagn: si quia gegen Gel. Reiff. : si qua. S. meine Abhandlung über „Das Indulgenz- edikt des römischen Bischofs Kallist". Texte und Unters. XI, 4. S. 55 ff.

2s Rolffs, Urkunden aua dem antimontaniatischen Kampfe.

oportet sine differentia horarum, impressius tameri cum ei secun- dum ipsuiu stationis vocabulum adsistimus. oam et milit(;s uun- (|ii;ini immemores sacramenti magis stationibus parent, itaque in eam usque horam celebranda pressura est in quam a sexta con- tenebratus orbis defuncto domino lugubre fecil officium, ut tunc et nos revertamur ad iucunditatem, cum et mundus recepit clari- tatem." Diese komplicierte und künstliche Argumentation hat Tert. sicher nicht selbst ersonnen seinem Gegner zu Liebe; er reproduciert hier dessen Gedanken, weil er sich mit ihnen aus- einandersetzen muss. Das wird ganz klar durch den Satz, mit dem er seine Widerlegung einleitet: Hoc si magis ad religionem sapit Christianam, dum magis Christi gloriam celebrat, possnm aeque serae stationis ex eodem rei ordine statum figere. Xach einer von ihm selbst erdachten und seinen Gegnern zugeschobenen Beweisführung wäre dieser Satz ohne Pointe und ohne treffende Schärfe. Aber Tert. hat hier mehr als bloss die Gedanken seines Gegners erhalten. Wenn er mit den Worten: „Itaque an dignior apud vos ratio adferatur in nonam observandi require, ut etiam Petro ea ratio deputanda sit, si statione tunc functus est" an seinen Gegner die Aufforderung richtet, seine Gründe zu prüfen, ob sie so würdig sind, dass sie als für das Verhalten des Petrus massgebend angesehen werden können, und wenn er dann mit Venit enim eine Ausführung beginnt, welche diese Gründe entwickelt, so bleibt das „enim" vollständig unverständlich, falls Tert. hier seine eignen Worte giebt. Ja, wollte man dem enim die kausale Färbung gänzlich abstreifen und es als blasses „näm- lich" fassen, so bleibt der Satz in seiner Umgebung durchaus be- fremdlich. Tert. fordert auf: Bringt einen Grund für eure Praxis bei, der so überzeugend ist, dass er offenbar auch das Verhalten des Petrus bestimmt hat. Wollte er selbst im Namen seines Gegners auf diese Aufforderung antworten, so würde die Ant- wort derselben entsprechen müssen. Er musste also etwa sagen: „Die Station halten wir im Gedanken an das Leiden Christi; wie daher die Erde in der neunten Stunde die Trauer abbrach, so müssen auch wir um diese Zeit zur Lebensfreude erwachen; dafür ist uns Petri Erscheinen im Tempel eine Bestätigung; denn er lebte ja unter den Eindrücken des Todes Christi." Jedenfalls musste er, seiner eigenen Aufforderung entsprechend, die angeb- lichen Schicklichkeitsgründe für das Verhalten der Katholiker

1. Tertulliana Gegner in de ieiunio. 29

zunächst vorbringen und dann in ihrem Namen betonen: damit steht die Praxis Petri in Einklang. Die Ausführung, die er mit- teilt, geht aber von der Stimmung Petri aus und setzt damit die eigenen religiösen Gefühle in Einklang; sie kann sich nur an einen Satz anschliessen, der etwa lautet: Petrus, von dem wir lesen, dass er nachmittags um 3 Uhr im Tempel zum Gebet er- scheint, hat demnach eben um diese Stunde seine Station be- rndigt. Der ganze Abschnitt von Venit enim recepit clari- tatem ist überhaupt nur zu verstehen, wenn man ihn in Anfüh- rungszeichen setzt und annimmt, Tert. habe ihn wörtlich aus der Schrift seines Gegners herübergenommen !).

m. Ob die prägnante Kürze in dem Abschnitt über die Xero- phagien die zusammenziehende Hand Tert.s verrät oder für seines Gegners Schreibweise charakteristisch ist, wird unentschieden bleiben müssen. Zweifellos aber kürzt Tert., wenn er über die Anwendung von Gal. 4io auf die Montanisten in dem Satz refe- riert: Sic et cum Galatis nos quoque percuti ahmt observatores dieruni et mensium et annorum. Man hat gewisse Anhaltspunkte für die Annahme, dass Tert. in cap. 14, wo er auf den Vorwurf des Galatisierens zurückkommt, einige Schlagworte und Wen- dungen seines Gegners erhalten hat. Er fragt hier ironisch: In- dem wir also die Festzeiten der Griechen und ihre Tage und Monate und Jahre beobachten, sollen wir galatisieren? Darauf giebt er die ebenso ironische Antwort: Offenbar, wenn wir Be- obachter jüdischer Ceremonien, gesetzlicher Festzeiten sind; denn diese hat der Apostel in der christlichen Lehre ungültig gemacht, indem er die dauernde Gültigkeit des in Christo begrabenen A. T. beschneidet und die des N. T. feststellt2). Damit stellt er sich ganz auf den Standpunkt seines Gegners und giebt ihm völlig Recht; die Ironie würde am vollständigsten sein, wenn er dies thäte, indem er dessen eigene Worte scheinbar zustimmend wiederholte; man könnte also in den Ausdrücken „Judaicae cere- moniae und legales sollemnitates", ferner in dem Satz: apostolus

1) Kroymann empfindet auch die Schwierigkeit des Zusammenhanges ; die Lösung: venit (in mentem) de exitu domini genügt aber nicht.

2) Horum igitur tempora observantes et dies et menses et annos gala- ticamur? plane, si Judaicarum ceremoniarum, si legalium sollemnitatum observantes sumus; illas enim apostolus dedocet compescens veteris testa- menti in Christo sepulti perseverantiam et novi sistens (cap. 14). R. 292 2n

;;n Rolffs, [Jrkandeii aus dem antimontoniatischen Kamp!

sistens Stücke aus i\i'\- von Tert. bekämpften Schrift erkennen, im letzten Falle dies um so mehr, als der Satz für Tert eigentlich überflüssig war. Aber freilich ist hier der subjektive Eindruck aus- schliesslich entscheidend; es bandelt sich um ein Geschmacks- urteil, das sich keinem aufdrängen lässt. Dagegen ist ein siche- reres Urteil über die folgenden Sätze möglich. Asyndetisch fort- fahrend und deshalb um so eindrucksvoller hebt Tert. hier die Schwierigkeit hervor, die sich auf dem von ihm eingenommenen gegnerischen Standpunkt ergiebt. Er sagt: Wenn der Satz gilt: „wenn eine neue Lage in Christus [geschaffen] ist, so müssen auch neue religiöse Feiern vorhanden sein" oder wenn „alle religiöse Beobachtung von Zeiten und Monaten und Jahren der Apostel gänzlich weggefegt hat", warum feiern wir Passah beim jähr- lichen Kreislauf im ersten Monat? Hier ist es überwiegend wahr- scheinlich, dass die in Anführungszeichen gesetzten Sätze von Tert.s Gegner herrühren. Dafür sprechen vor allem die Analogien aus de pudicitia 9. 11. 21 1). Tert. verwandelt hier die Sätze seines Gegners: si nova conditio in Christo, nova et sollemnia esse debe- bunt und omnem in totum devotionem temporum et dierum et mensium et annorum erasit apostolus durch ein vorgesetztes quod bezw. si in Kondicionalsätze, um daraus in der Form der Frage negative Folgerungen zu ziehen, welche die Praxis der Katho- liker nicht anerkennen kann; er widerlegt auf diese Weise die Prämissen von den Konsequenzen aus. Bezeichnet der Satz apostolus sistens den Standpunkt der Katholiker ganz im all- gemeinen, so sprechen die beiden andern Sätze speciell ihre Grund- sätze über religiöse Feiern aus und werden von Tert. wiederholt, um die negative Folgerung daraus möglichst unmittelbar und schlagend erscheinen zu lassen. Nichts hindert daher, beide Male in den Sätzen Tert.s WTorte seiner Gegner wiederzufinden, ob- gleich sich für den ersteren Fall keine positiven Gründe an- führen lassen.

n. Endlich vermag ich die Vermutung nicht zu unterdrücken, dass der Satz: „Mit diesen und ähnlichen Grundsätzen gehen sie listig darauf aus, dass ein jeder, der seinem Bauche allzu leicht nachgiebt, die Fastenpflichten für leer und ziemlich über- flüssig halten könnte, da Gott selbstverständlich die Werke der

1) S. meine Abhandlung S. 55. 74. 81-

1. Tertullians Gegner in de ieiunio. '.)]

Gerechtigkeit und Unschuld vorzieht", ein Citat aus Hermas ver- deckt. Dass Tert.s Gegner sich hier in den Gedankenkreisen dea Hermas bewegt, ist S. 23. 24 nachgewiesen worden. Wenn nun Tert. schreibt his et huiusniodi sensibus, so hat sein Geg- ner Grundsätze, den angeführten ähnlich, vorgebracht, die im Referat übergangen werden. Er hat aber ein Wort aus dem A. T., ein Wort des Herrn, das Leben des Herrn, ein Wort des Apostels berichtet; es können entweder noch andere apostolische Worte von Tert.s Gegner gebraucht sein diese hätte Tert. aber kaum unerwähnt und nnwiderlegt gelassen oder es ist auf die Aukto- ritäten der kanonischen Schriften die einer halbkanonischen ge- folgt. Letzteres ist mir im höchsten Grade wahrscheinlich. Es war also wohl Sim. V. 1, 4. 5 citiert, vielleicht mit einigen Ab- kürzungen und Umformungen, wie sie Tert.s Gegner bei seinen Citaten liebt.

±. Rekonstruktion der Anklageschrift.

Ob das, was ich im folgenden zu geben beabsichtige, den Namen eines Rekonstruktionsversuches verdient, ist mir zweifel- haft. WTer es nicht dafür ansehen will, mag es als eine über- si entliehe Zusammenstellung der bisher gewonnenen Resultate be- trachten, die vor Augen führen will, was wir im günstigsten Fall von dem Wortlaut der von Tert. bekämpften Schrift noch kennen. Diese Stellen sind durch grösseren Druck hervorgehoben, währen« l das Referat Tert.s in kleinen Typen erscheint; frei hinzugefügte Worte sind eingeklammert. Eine Übersetzung ist nicht beige- geben, da die wichtigsten Teile schon bei der Analyse über- setzt sind.

Montanistae] ieiunia propria cüstodiunt, stationes plerumque in ves- peram produeunt, etiain xerophagias observant, siccantes eibum ab omni carne et omni iurulentia et uvidioribus quibusque pomis, ne quid vinosi- tütis vel edant vel potent, lavacri quoque abstinentiam , congruentem

arido victui !) Constituta sunt sollemnia huic fidei

scriptum vel traditione maiorum nihilque observationis amplins adiciendum ob illicitum innovationis 2), [quae] aut haeresis iudi-

1) Reift'. 2753 ff. Dass sich Tert. mit diesem Satze irgendwie an die Aus- drücke und die Schreibweise seines Gegners anschliesst, ist wohl zweifellos. Aber es fehlt jede Möglichkeit, zu bestimmen, wo und inwieweit er dies thut.

2) cap. 13 Reift', p. 291 13 s. S.25. Vor dem Satz wird man eine Lücke anneh- men müssen, da er sich nicht unmittelbar an die Einleitung anschliessen lässt.

;j2 Rolflfe, Urkunden uns dem antimontanistischeii Kampfe.

canda, si humana praesumptio est, aut pseudoprophetia pronun- tianda, si spiritalis indictio est1), [neque enim] usque adhuc (Ichs munia imponit, quia et hie: lei ei prophetae asque ad Johannem2). anathema sint, qui aliter adnuntiant3) aut Bpiri-

tum diaboli aut hominem antichristum secuti4).

Nam quod ad ieiunia pertinet, certi dies a deo constituti sunt, ut cum in Levitico praeeipit dominus Moysi deeimam mensis septimi diem placa- tionis5): saneta inquiens erit vobis dies et vexabitis ani- mas vestras et omnis anima, quae vexata non fuerit in illa die, exterminabitur de populo suo6). certe in evangelio illi dies determinati sunt, in quibus ablatus est sponsus et hi sunt iam soli legitimi ieiuniorum Christianorum , abolitis legalibus et propheticis vetustatibus 7). [hoc enim sapit: lex et prophetae usque ad Johannem]8) itaque de cetero indifferenter ieiunandum [est] ex arbitrio, non ex imperio novae diseiplinae, pro temporibus et causis uniuseuiusque 9). sie et apostoli observarunt, nulluni aliud impo-

1) Der relativische Anschluss lässt sich nicht naher begründen, er ist aber der einfachste.

2) Cap. 11 Reiff. p. 290 6 s. S. 26. Es ist der günstigste Fall angenommen, dass in dem Satz „atque ita negetis usque adhuc eum munia imponere, quia et hie: Lex et prophetae usque ad Johannem" Tert. sich wörtlich an seinen Gegner anschliesst. Der Anschluss mit neque enim ergiebt sich von selbst.

3) Der Satz ergiebt sich im Anschluss an die Worte: dum quaque ex parte anathema audiamus, qui aliter adnuntiamus fast von selbst und wird sich kaum sehr weit vom ursprünglichen Wortlaut entfernen.

4) Die Worte sind, das Anathem begründend, hinzugefügt, da nach den Ausführungen Tert.s in cap. 11 sein Gegner sie in diesem Zusammen- hang gebraucht zu haben scheint. Es ist dies zu schliessen aus den kurzen Sätzen: Spiritus diaboli est, dicis, o psy chice und Sed hominem anti- christum adfirmas. Natürlich bleibt die Umrahmung, welche diese Worte in der Anklageschrift hatten, gänzlich unbestimmbar.

5) Reiff. p. 275 12. Wie weit Tert. hier seinen Gegner wörtlich citiert, ist nicht auszumachen.

6) S. S. 23.

7) Es ist sehr wahrscheinlich, dass Tert. die von seinem Gegner als allein gültig anerkannten Fasttage auch mit dessen Worten beschrieben hat.

8) Es ist höchst fraglich, ob dieser Satz auch hier einen Platz ge- funden hat; unmöglich ist es nicht; aber ein irgendwie sicheres Urteil lässt sich nicht abgeben; s. S. 26.

9) Die gesperrten Worte sind sicher, die andern höchst wahrscheinlich in der Anklageschrift gebraucht; man hat den Eindruck, als ob Tert. die Schlagworte seines Gegners hier wiederholte s. S. 24.

I. Tertullians Gegner in de ieiunio. 33

nentes iugum certorum et in commune omnibus obeundorum ie- iuniorum, l)

proinde nee stationum, quae et ipsae suos quidem dies habent quartae feriae et sextae passive tamen cürrunt neque sub lege praeeepti neque

ultra supremam diei. 2) Petrus et qui cum eo 3) ad ho-

ram nonam orationis templum introgressi leguntur [Petnis

igitur] horam nonam clausulam et expunetionem stationis [obser- vat].4) venit enim de exitu domini, quem etsi semper comme- morari oportet sine differentia horarum, impressius tarnen cum ei seeundum ipsum stationis vocabulum adsistimus. nam et milites nunquam immemores sacramenti magis stationibus parent. ita- que in eam usque horam celebranda pressura est, in quam a sexta contenebratus orbis defuneto domino lugubre fecit officium, ut tunc et nos revertamur ad ioeunditatem cum et mundus rece- pit claritatem. 5)

Xerophagiae vero novum afteetati officii nomen et proximum ethnicae superstitioni [sunt] quales castimoniae Apim, Isidem et Magnam Matrem certorum eduliorum exceptione purificant, cum fides libera in Christo ne Judaieae quidem legi abstinentiam quorumdam eiborum debeat, semel in totum macellum ab apostolo admissa, detestatore eorum, qui sicut nubere prohibent, ita iubent eibis abstinere a deo conditis. 6)

1) Die Anknüpfung an das Vorige ist von Tert.; dagegen scheint er die von seinem Gegner benutzten Züge aus dem Bilde der Apostel auch mit dessen Worten wiederzugeben.

2) Die Ausdrucks weise ist kurz bis zur Unverständlichkeit ; sie gehört daher sicher dem Referat Tert.s an; nur in der Schlussformel wird man nicht ohne Grund Schlagworte seines Gegners suchen.

3) Der Ausdruck ist griechisch: IHrgog xal 01 (jlet avzov. Da ei Act. 3 nicht vorkommt, so kann ihn Tert. nicht daher übernommen haben. Ist die Anklageschrift in Rom entstanden, so wird sie griechisch abgefasst sein; hier darf man eine Spur der Ursprache erkennen.

4) cap. 10 Reift", s. S. 47. Eine Verbindung der Sätze herzustellen, erscheint unmöglich; es bleiben Lücken, die auch durch die hinzugefügten Worte Petrus igitur und observat nicht ausgefüllt werden und zu deren Ergänzung Tert. uns weiteres Material nicht liefert.

5) cap. 10 Reiff. s. S. 47 f. Auch in diesem Stück findet sich eine Spur von griechischer Ursprache: nämlich in der Wiederholung des et in

beiden Gliedern der Vergleichung : tunc et nos cum et mundus

, „so dass auch wir dann zur Lebensfreude zurückkehren, wann

die Welt das Licht wieder empfing".

6) Die Stücke, welche hier der Anklageschrift zugerechnet werden. Texte u. Untersuchungen XII, 4. 3

;; 1 RolHs, Urkunden aus 'lern antimontanietischei] Kampfe.

[deo [Montanistae] sunt iam tunc praenotati in im vi ssi in is tem- poribus ab sce dentis a fide, intendentes spi ri t i bu* mundi seductoribus, doctrinis mendaciloquorum Inustam ba-

bentes conscientiam *) Galaticantur *) observatores

dierum et mensium et annorum'3), [qui] cum Galatis percutiuntur 4). Judaicas [enim] caeremonias [et] legales sollemnitates apostolus dedocet compescens veteris testamenti in Christo sepulti perseve- rantiam et novi sistens. si nova conditio in Christo, nova et sollemnia esse debebunt; omnem in totnm devotionem tempornra et dierum et mensium et annorum erasit apostolus5).

Esaias pronuntiavit : non tale ieiunium

dominus elegit id est non abstinentiam cibi, sed opera iustitiae quae subtexit. et ipse dominus in evangelio ad omnem circa victum scrupulositatem compendio respondit : non his communi- catur homo quae in os inferuntur, sed quae ex ore pro- feruntur6), cum et ipse manducaret et biberet usque in notationem: ecce homo vorator et potator!7) sie et apostolus docet: quod

sind Schlagworte od. Formeln, die Tert. nicht gut so ausgeprägt haben kann, wie sie hier vorliegen. Dagegen kommt die ganze Struktur des Satzes auf seine Rechnung; er hat die sämtlichen charakteristischen Rede- wendungen seines Gegners in einen Satz von gedrungener Kürze gepackt.

1) S. S. 22. Auch die Einführung des Citates mag z. T. von Tert.s Gegner herrühren; sichere Anhaltspunkte sind dafür nicht vorhanden.

2) Der Ausdruck galaticari scheint mir von Tert.s Gegner herzurühren, weil er keine original lateinische Bildung, sondern eine Übersetzung des nach Analogie von xoqivQ-loQeiv gebildeten yaXaxiaQsLV ist.

3) S. S. 25.

4) Der Satz: sie et cum Galatis nos quoque percuti aiunt sagt mehr als das galaticantur, da er die ausdrückliche Verurteilung der auf äusser- liche Gesetzlichkeit Gerichteten ausspricht.

5) Cap. 14 Reiff. p. 292 s. S. 29. Die Verbindung der Sätze ergiebt sich ganz ungezwungen, und es entsteht ein geschlossener Gedankenzusammen- hang, der eine einigermassen zureichende Garantie für die Richtigkeit der Rekonstruktion bietet.

6) Die Einführung des Citates ist wieder so kurz und gedrängt, dass wir sie mit Sicherheit zum Referat Tert.s rechnen dürfen, das überhaupt in der zweiten Hälfte noch knapper zu sein scheint, als in der ersten. Das Citat wird er wie die andern wörtlich von seinem Gegner entlehnt haben, der wieder nur ganz geringe Abweichungen von dem Originaltext Mt.lön hat.

7) Auch hier ist die Einleitung zu dem Citat in ihrer prägnanten Kürze ein ursprüngliches Stück von Tert.s Referat, während das Citat seinem Gegner gehört.

I. Tertullians Gegner in de ieiunio. 35

esca nos deo non commendai inM|iie abundantes, si edi- 1 » i hs. neque deficientes si non edimus1). [aeque et Pastoris scriptum praedicat]: deua non desiderat fcale ieiunium Bupervacuumj sie enim ieiunando nihil praestas iustitiae. custodias mandata eius, praeeeptis eius Ingrediens neque ullum desiderium nocens admiseris animae fcuae2); crede autem deo; quoniam si haec feceris, vives deo3). opus est [igitur] de totis praecordiis credam, diligam doum et proximum tanquam me. In his duobus praeeeptis tota lex pendet et prophetae, non in pulmonum et intestinorum meorum inanitate.

Dieser Rekonstmktionsversuch bestätigt, was schon die aus Irrt, zu schöpfende Disposition der Anklageschrift erkennen Hess, dass er keinen Hauptgedanken seines Gegners unerwähnt gelassen haben kann; denn er zeigt ein durchaus geschlossenes Gedanken- l:» tilge, in welchem eine Lücke nicht zu finden ist. Er lässt er- kennen, dass Tert. die Schlagworte und Formeln seines Gegners ziemlich vollständig überliefert haben muss, und wird daher einen im ganzen zutreffenden Eindruck von dem Ton der Anklage- schrift erwecken. Aber er giebt keine Auskunft über die Um- rahmung, in der Tert.s Gegner seine Gedanken ausgesprochen hat, und lässt uns daher über den Stil desselben gänzlich im Unklaren. Wäre jeder Gedanke so weit ausgeführt, wie das Bei-

1 S. S. 21. Die Einführung könnte Tert.s Gegner angehören, wird aber wohl von ihm selbst herrühren.

2) Past. Herrn. Sim. V. 1, 4. 5. s. S. 30. Hat Tert.s Gegner den Hermas citiert, so hat er natürlich den in Rom gelesenen griechischen Text benutzt. Daher schliessen sich die obigen Sätze, die in der Form gedacht sind, wie Tert. sie berichtet haben würde, möglichst an den griechischen Text an, indem iustitiae für aequitatis gesetzt ist und die beiden Glieder des letzten Satzes nicht wie im lateinischen Text in eins zusammengezogen sind. Tert.s Gegner würde nach seiner Art zu citieren jedenfalls nur die für seinen Zweck unmittelbar brauchbaren Sätze gebracht haben; ich habe daher nur die Sätze eingefügt, die zur Umschreibung der Worte: praeponente deo iustitiae et innocentiae opera durchaus notwendig sind.

3) Die beiden Sätze können nicht fehlen, wenn der Satz opus est etc. aus dem Vorhergehenden die einzige Norm und Regel des Christenlebens abschliessend folgern soll. Verlangt war: Halte die Gebote, indem du auch dein Herz, deine Gesinnung darnach bestimmst, glaube an Gott. Daran war die Verheissung geknüpft: So wirst du Gott leben. Nun wird gefol- gert: will ich also das Ziel meines Christenlebens erreichen, so ist es nötig, dass ich Gott glaube und die Gebote mit reinem Herzen halte, d. h. dass ich Gott von ganzem Herzen liebe und den Nächsten wie mich selbst.

3*

;j(5 Koltfs, Urkunden aus dem antimontanistischen Kampfe.

spiel des Petrus, so würde das Referat Tert.s die Schrift des Gegners um mindestens 3/4 ihres Umfanges gekürzt haben; die Verkürzung könnte noch erheblicher erscheinen; aber man hat zu berücksichtigen, dass das Referat hier ganz besonders kurz ist: so kurz Hessen sich andere Stellen nicht zusammenziehen. Nun erfor- derte gerade dieses Beispiel eine besonders künstliche und darum ausserordentlich weitläufige Interpretation; andere Stellen werden nicht so ausführlich behandelt sein; das Verhältnis, welches hier zwischen dem Original und dem Referat stattfindet, kann daher nicht auf jedem Punkte zutreffen. Aber auch eine Vergleich ung der Behandlung der Stelle Gal. 4io im Referat mit der im Ori- ginal zeigt eine Verkürzung um über 2/3 des Umfanges. Freilich scheint auch hier wieder das Referat ganz besonders kurz aus- gefallen zu sein; an anderen Stellen z. B. in der Einleitung und im Schluss, auch bei Besprechung des Wortes Lev. 22 27 f. vergl. mit Marc. 2 20 ist die Differenz im Umfang zwischen Original und Referat keinesfalls so gross. Doch rechnet man schon immer sehr günstig, wenn man das Referat auf nicht ganz die Hälfte und die durch den Rekonstruktionsversuch gewonnene Schrift auf etwa zwei Drittel des Originals taxiert; dann würde dieses 900 1000 Worte enthalten haben, also seinem Umfang nach zwischen dem Brief an Titus und dem zweiten an Tim. stehen.

5. Die Tendenz der Anklageschrift.

Zu welchem Zweck wird die Anklage auf Häresie gegen die montanistische Fastendisciplin erhoben? Das Verständnis der von Tert. bekämpften Schrift ist in hohem Masse von der Be- antwortung dieser Frage abhängig. Wir werfen daher einen Blick auf die kirchliche Fastensitte und untersuchen, in wTie weit hiernach die Katholiker berechtigt waren, gegen die Montanisten den Vorwurf der Neuerung zu erheben. Die Grosskirche kennt zur Zeit Tert.s zwei Arten von Fasten: ieiunia und stationes. Beide Arten werden schon durch Hermas bezeugt; dieser fastet, wenn er eine Offenbarung erwartet, und zwar teils aus eigener Initiative1), teils auf Befehl der Kirche, welche ihm als Greisin erscheint 2). Aber es ist lediglich ein Privatfasten, durch welches

1) S. Vis. II. 2, 1. III. 1, 2 Gebh. etc. III S. 18.

2) Vis. III. 10, 6 Gebh. etc. III S. 54.

I. Tertullians Gegner in de ieiunio. 37

er sich für den Empfang individueller Offenbarungen disponieren will. Dieses Privatfasten kennt auch Tert. in seiner katholischen Zeit. Er tadelt nämlich die Sitte an den Tagen, wo man fastet, nach dem gemeinsamen Gebet den Mitch listen den Bruderkuss zu verweigern; dadurch verrät man ja den andern, dass man fastet und übertritt die Vorschrift des Herrn, das Fasten geheim zu halten 1). Man fastet also nach seinem individuellen Bedürfnis und Tert. möchte dabei das Gebot Christi befolgt sehen, wonach das Fasten geheim geschehen soll. Der Zweck derartigen Fastens i>r verschieden; drei Arten lassen sich nachweisen: 1. Bei Hermas dient das Fasten verbunden mit Gebet dazu, um ihn für Offen- barungen zu disponieren. 2. Es ist ein Beweis der Reue über begangene Sünden2). 3. Man fastet, um die dadurch gemachten Ersparnisse den Armen zuwenden zu können3). Dieses Fasten ist durchaus nicht durch kirchliche Vorschriften geregelt und nicht etwa ein gemeinsames4).

Indes scheint schon früh aus dem Judentum der Brauch, am Montag und Donnerstag zu fasten, in die Kirche eingedrungen zu sein. Gegen diese Sitte wendet sich die „Lehre der 12 Apo- stel", welche Mittwoch und Freitag als christliche Fasttage festsetzt5). Diese Tage begegnen uns nun zur Zeit Tert.s als „Stationstage"; auch dieser Ausdruck findet sich schon bei Hermas.

1) Quaecumque oratio sit, non erit potior praecepti observatione, quo iubemur ieiunia nostra celare. iam enim de abstinentia osculi agnoscimur ieiummtt's. sed et si qua ratio est, ne tarnen huic praecepto reus sis, potes domi, si forte, inter quos laterc ieiunium in totum non datur, diff'erre pacem. de orat. 18. Reift". 191 18

2) 2. Clem. XVI, 4. Ka).ov ovv tXsr]/ioovvtj, wq fxsxavota ccftaQxiccq. xgeioacov vrjüzeta Tigoaev/rjq, eksijfjioovvi] ös dfzcpoxc-Qcov. Patr. ap. ed. Gebh. etc. I S. 135. 3(). Das Fasten bildet demgemäss auch einen wichtigen Bestandteil der Exhornologese s. de paen. 9.

3) Vergl. Hermas Sim V. 3, 7. Origenes hom. in Lev. X. Bamabas 3, 3. Darnach scheint diese Sitte sich auf Jes. 58 4 ff*, zu gründen, s. Dobschütz, Kerygrna Petri T. u. U. XI. 3 S. 84 ff. Apol. Arist. c. 15. ed. Hennecke T. u. U. IV. 3 S. 68.

4) Nach Orig. hom. in Lev. X. 2: Habemus enim quadragesimae dies ieiuniis consecratos scheint besonders in den 40 Tagen vor Ostern gefastet zu sein.

5) /Jiöayt] xwv öojö. an. c. VIII. 1 : al ds vr\oxslai viawv fxt] loxcooav y.sxa

X(i)V V710XQIXWV. VrjOXSVOVOl yCCQ ÖeVT8QU OaßßaTCüV XOl 7l8fÄ7lT%. vfxeig

ös VTjaxsvoaxs xexqÜök xal 7ia()CiOxevrjv. ed. Harnack T. u. U. IL 1. S. 24 f.

38 Rolfts, Urkunden aus dem ;uitimontanistisohen Kampfe.

Dieser ist in der Frühe hinausgegangen auf einen Bert»; and ver- weilt hier fastend im Gebet; da sieht er den Hirten neben sich, der ihn nach seinem Thnn fragt; er antwortet: orarlcova %%<D. Auf die Frage, was das bedeute, erklärt er: ich faste, und als der Hirt sich weiter nach diesem Fasten erkundigt, erwidert er: *&§ uwß-siv, ovtg) vr/örsvo) 1). Daraus geht hervor, dass er mit diesem Fasten einer bestimmten Gewohnheit folgt; ob diese kirchlich oder rein individuell ist, wird nicht gesagt; doch muss man wohl nach dem folgenden Satze an eine kirchliche Sitte denken: Ovx oiöare, (ptjoi, vtjötsvsiv reo xvqLcd ovdt lörtv vrjöreia avrrj r\ avco(p£?.?jg r\v vr/OTevsTS avteo. Was sollte sonst der Übergang der Anrede aus dem Singular in den Plural be- deuten? Die Gewohnheit des Hermas scheint sich demnach auf eine kirchliche Sitte zu gründen, nach welcher zu bestimmten Zeiten Stationen eingehalten werden; ob diese Tage Mittwoch und Freitag sind, lässt sich nicht ermitteln. Ist die Art, wie Hermas die Station beobachtet, typisch, so besteht eine Station darin, dass man sich in die Stille zurückzieht und den Tag ohne Nahrung im Gebet verbringt. Das Stationsfasten ist mithin kein gemeinsames; denn es konnte natürlich nicht jeder Christ jeden Mittwoch und Freitag eine Station halten; wenn diese Tage daher als Stationstage gelten, so bedeutet dies: will ein Christ eine Station halten, so stehen ihm dafür nur der Mittwoch und der Freitag dem Herkommen in der christlichen Gemeinde ge- mäss zur Verfügung. Es ist nicht etwa damit gesagt: am Mitt- woch und Freitag halten die Glieder der christlichen Gemeinde eine Station; dagegen zeugt Tert. in de oratione; hier tadelt er einige, die an den Stationstagen sich von der Feier der Euchari- stie zurückhalten, weil sie der Ansicht sind, nach dem Empfang des heil. Mahles könne die Station nicht fortgesetzt werden; Tert. sagt dagegen: Accepto corpore domini et reservato utrum- que salvum est et partieipatio sacrificii et executio officii2). Müssten alle Christen an jedem Mittwoch und Freitag eine Sta- tion halten, so hätte über die Zulässigkeit der Teilnahme am Herrenmahl kein Zweifel entstehen können, da die Kirche schon dadurch, dass sie überhaupt an jenen Tagen die Eucharistie

1) Sim. V. 1, 1. 2. Patr. ap. ed. Gebh. etc. III S. 141. 42.

2) S. de oratione c. 19. Reift'. 192 18.

I. Tertullians Gegner in de ieiunio. 39

feierte, gegen die Zurückhaltung von derselben entschieden hätte; eine Berufung darauf konnte dann bei Tert. nicht fehlen1).

Das einzige allgemeine Fasten ist das des Passah2); es findet an den Tagen statt, wo der Bräutigam den Jüngern entrissen ist, also am Freitag und Sonnabend vor dem Auferstehungstage. Gemeinsame Pasttage sind die parasceue3) und der Ostersabbath 4). Alles andere lasten richtet sich nach den individuellen Bedürf- nissen eines jeden5); will jemand dafür die bestimmte Form der Station wählen, so stehen ihm der Mittwoch und Freitag oifen; übrigens ist es ihm unverwehrt, an jedem Tage auf seine Art zu fasten.

Mit der kirchlichen Sitte setzen sich die Montanisten in Widerspruch. 1. Sie halten nach einer für alle geltenden ge- setzlichen Vorschrift in zwei Wochen des Jahres Xerophagien, indem sie Fleisch, Brühe, Wein und Bäder meiden; die Kirche kannte diese Institution nicht6). 2. Sie zeichnen ausser dem Freitag und Sonnabend des Passah besondere Tage durch ge- nieinsames obligatorisches Fasten aus; es sind dies Tage, die auch in der griechischen Kirche gefeiert werden 7). 3. Sie setzen für

1) Auch der Satz: si statio facienda est, maritus de die condicat ad balneas (ad uxorena II c. 4) spricht gegen eine regelmässige wöchentliche Beobachtung der Stationen.

2) Sic et die paschae quo communis et quasi publica ieiunii religio est, merito deponimus osculum, nihil curantes de occultando quod cum omnibus faciamus (orat. 18. ReifT. p. 192 i).

3) Cur stationibus quartana et sextam sabbati dicamus et ieiuniis imrasceuen? de iei. 14. Wenn hier die parasceue mit den Stationstagen zusammen genannt ist, so ist nicht daraus zu schliessen, auch an diesem Tage sei das Fasten in das Belieben des einzelnen gestellt gewesen; der

omenhang, in welchem der Satz steht, zwingt, von dieser Beziehung abzusehen. Die Äusserungen in de iei. 2. 13 geben die richtige Erklärung.

4) Quamquam vos etiam sabbatum, si quando, continuatis, nun quam nisi in pascha ieiunandum secundum rationem alibi redditam. de iei. 14. R. p. 293 5.

5) Pro temporibus et causis uniuscuiusque. de iei. 2. R. p. 275 23.

6) Freilich üben auch die Katholiker Enthaltsamkeit von allen Speisen ausser Wasser und Brot: et vos interdum pane et aqua victitantes, ut cuique visum est (de iei. 13. R. 291 18) ; aber diese Enthaltsamkeit ist durchaus frei- willig. Dazu ist zu vergl.: Past. Herrn. Sim. V 3, 7; iv ixsivy ry ti/x^qc/. i vrjozEVEiq (xyjösv yevoy sl ixr] agxov xal vöojq (Patr. ap. ed. Gebh. etc. III p. 146. 148).

7) Si et ista sollemnia (die der griechischen Gemeinden), quibus tunc praesens patrocinatus est sermo, nos quoque in diversis provinciis fungimur in spiritu invicem repraesentati, lex est sacramenti (de iei. 13. R. 292 22).

40 Rolfe, Urkunden aus dem ontimontaniatiflchei] Kampfe»

alle auf bestimmte Tage Stationen an, überlassen ee also nicht

dem Belieben des einzelnen, ob er eine Station halten will: ge- wisse Stationen dehnen sie dann entgegen der kirchlichen Sitte über die neunte Stunde bis zum Abend aus ').

Während also in der Kirche alles Fasten mit Ausnahme desjenigen am Passah freiwillig ist, ist bei den Montanisten alles Fasten gesetzlich geregelt, so sehr, dass für freiwillige Leistungen kaum Gelegenheit übrig bleibt. Aber die evangelische Freiheit in der Fastenübung ist auch in der Kirche im Schwinden be- griffen. Tert. kann seinen Gegnern vorhalten, dass von den Bi- schöfen bei etwaiger Bedrängnis der Kirche Fasttage angesetzt werden2). Auch die Zahl der kirchlichen Fasttage erweitert sich über die Stationstage hinaus; es bahnt sich die Sitte an, auch den Sonnabend durch kirchliches Fasten auszuzeichnen3). Die Ent- wicklung der kirchlichen Fastenordnung ist also keineswegs in einer dem Montanismus abgewandten Richtung begriffen, sondern sie strebt auf die montanistische Disciplin zu. Wenn daher ge- rade die phrygische Fastensitte einem Angehörigen der Gross- kirche Anlass zu einem so heftigen Angriff giebt, so kann der Grund nicht sein, weil man sich von derselben am meisten ab- gestossen fühlte; dazu war die Fastendisciplin viel zu sehr interne Angelegenheit der montanistischen Partei. Es ist klar: man wollte die Montanisten zu Ketzern stempeln. Aber weshalb wählte man dann gerade die Fastendisciplin zum Angriffspunkt? Das Phrygertuni bot doch auch sonst Blossen genug4).

1) Aeque stationes nostras ut indietas, quasdam vero et in seruni constitutas, novitatis nomine ineusant (de iei. 10. R. 286 9). Diese Stationen werden natürlich nicht regelmässig jeden Mittwoch und Freitag gehalten, sonst brauchten sie nicht angesagt zu werden. Ebenso wenig werden sie jedesmal (sondern nur plerumque de iei. 1. nicht alle Stationen, son- dern nur quasdam) bis zum Abend ausgedehnt.

2) Bene autem quod et episcopi universae plebi mandare ieiunia ad- solent, non dico de industria stipium conferendarum, ut vestrae capturae est, sed interdum et ex aliqua sollicitudinis ecclesiasticae causa, (de iei. 13. R. 29127.)

3) S. S. 39 Anm. 4. Eigentlich soll nur der Sabbath des Passah durch Fasten ausgezeichnet werden; nun wird aber auch das Stationsfasten vom Freitag an gewöhnlichen Sonnabenden fortgesetzt; das Sonnabendfasten fängt an, kirchliche Sitte zu werden.

4) Tert. hat gewiss Recht, wenn er Häresie oder Pseudoprophetie an einer falschen Auffassung von Gott und Christus gemessen haben will

I. Tertullians Gegner in de ieiunio. 41

Die Tendenz der Offensivschrift wird deutlich durch diejenige der Gegenschrift Tert.s. Sein Hauptzweck ist, die strengere Fastenzucht bei schwankenden Montanisten und asketisch gerich- teten Katholikern in Ansehen und Geltung zu erhalten. Dem entsprechend verfolgt die Anklageschrift das Ziel, gerade diese Kreise für eine weniger drückende Fastendisciplin zu gewinnen. Deshalb versucht man zunächst, die montanistische Enthaltsam- keit als häretisch zu brandmarken; dann konnte sie den asketisch gerichteten Katholikern nicht als eine reinere Erfüllung des ur- christlichen Sittlichkeitsideals erscheinen und die mehr weltlich gestimmten Montanisten mussten in ihrem Glauben an die Para- kletoffenbarung erschüttert werden. Aber hierdurch allein konnte man keine andere Fastendisciplin begründen; daher treten die Argumentationen des zweiten Teiles dem negativen ersten Teil als positive Ergänzung zur Seite. War es lediglich darauf ab- gesehen, die Montanisten als Häretiker hinzustellen, so war dieser zweite Teil völlig überflüssig, da dies im ersten Teil erreicht war. Er wird nur verständlich aus der Absicht, die Auktorität der Disciplin des Parakleten bei den laxeren Montanisten zu brechen und den Einfluss des Montanismus auf gewisse kirchliche Kreise unwirksam zu machen. Tert. wird recht haben, wenn er diese Absicht charakterisiert: „Mit diesen und ähnlichen Gedanken zielen sie in höchst raffinierter Weise dahin, jeden, der seinem Bauche allzu geneigt ist, zu dem Glauben zu führen, die Leis- tungen der Enthaltung, Verminderung und Verzögerung im Essen seien ohne Wert und nicht gerade sehr notwendig". Die Schrift ist ein höchst geschickter Versuch, die Unentschlossenen, die Halben zu .gewinnen, die halben Montanisten sowohl wie die halben Katholiker. Derartige Menschen werden sich immer zu der Partei halten, die ihnen die Haltung, die ihren natürlichen Neigungen entspricht, als die dem sittlichen Ideal entsprechende darzustellen versteht. Dies ist aber der Angriffsschrift in hervor- ragendem Masse gelungen. In einer Zeit der Ruhe vor Verfol- gungen, wo die Reaktion des Montanismus gegen die Weltför- migkeit der Kirche nicht getragen wurde von eschatologischer

lndubitate enim et haeresis et pseudoprophetia divinitatis diversitate iudi- cabuntur, apud nos omnes unici dei creatoris et Christi eius antistites (de iei. 1 1 R. 289 22). Nicht weil die Montanisten Häretiker waren, verdammte man sie, sondern weil man sie verdammen wollte, machte man sie zu Häretikern.

12 Rolll's, Urkunden aus dem antimontanistischen Kampf«-.

Spannung und weltverachtendem Enthusiasmus, musste der Er- folg eines solchen Angriffe eine Isolierung der montanistischen Partei von ihren halben Anhängern und eine Lahmlegung ihres Einflusses auf weitere Kreise sein. Diesen Erfolg sah auch Tert. voraus, und daher erklärt sich die Wut, mit der er seine Ent- gegnung schreibt und die ihn in seiner Polemik masslos und ge- mein werden lässt 1). Dieser Erfolg ist aber durchaus kein un- beabsichtigter; denn schon durch ihre Kürze giebt sich die Schrift als Agitationsschrift zu erkennen, und dem entspricht der ganze Ton: die gedrängte Gedankenfolge, die zahlreichen Schlagworte. Sie zielt also gerade auf diesen praktischen Erfolg ab; sie ist das Dokument einer Kirchenpolitik, welche darauf ausgeht, die mon- tanistische Partei zu isolieren und in ihrem Einfluss ein Element aus der Kirche auszuscheiden, das ihrer vollen Verweltlichung auf dem Gebiet der Disciplin widerstrebte.

6. Der Verfasser der Anklageschrift.

Es wird als ein etwas gewagtes Unternehmen erscheinen, den Verfasser einer Schrift, deren Existenz erst bewiesen werden musste, rein nach inneren Gründen zu bestimmen, und doch ist in diesem Fall der Versuch nicht ganz aussichtslos. Wir wissen, sie ist in Rom verfasst; sie stammt aus der Zeit, wo Kailist seine Gemeinde durch Lockerung der Disciplin und weitgehende Koncessionen an den weltlichen Sinn der Christen zu einer Volks- kirche zu entwickeln suchte. Sie hat selbst eine Tendenz, die in dieser Richtung liegt. Wir dürfen also schon voraussetzen: sie ist aus der Partei Kallists hervorgegangen. Ja, da sie höchst wahrscheinlich eine kirchenpolitische Aktion bedeutet, so ist ihr Verfasser wohl in den Reihen des Klerus zu suchen. Hierfür bietet Tert.s Polemik weitere Anhaltspunkte; sie lässt uns in seinem Gegner mit ziemlicher Sicherheit den Repräsentanten einer Gemeinde erkennen. Wie Tert. in de pudicitia von „deinen Märtyrern" spricht, so redet er hier von „deinen Jünglingen" 2).

1) Es sind besonders die gar nicht zu exegesierende Stelle in cap. 1 und die plump gemeine Stelle cap. 16 (Schluss) 17 (Anf.) gemeint.

2) Sed maioris est agape, quia per hanc adulescentes tui cum sororibus dormiunt. de iei. 17 vergl. de pud. 22: At tu iam et in martyras tuos effundis hanc potestatem.

I. Tertullians Gegner in de ieiunio. 43

Wenn er ferner sagt: Ad eloghvm gulae tuae pertinet, quod duplex apud te praesidentibus honor binis partibus deputatur (c. 17), so rechnet er seinen Gegner jedenfalls zu den „Präsi- denten" der Gemeinde, da er die doppelten Portionen, welche diese empfangen, als ein Zeichen seiner Genusssucht ansieht; ja, der Vorwurf hat eigentlich nur dann Sinn, wenn ihm die Vor- aussetzung zu Grunde liegt, sein Gegner könne jene Sitte ab- stellen, wenn er wollte, d. h. wenn er Bischof war. An zwei Stellen warnt er speciell die Bischöfe vor Ausschweifungen und hält ihnen Gottes Strafgericht vor1); das erklärt sich nur dann vollkommen, wenn er gerade mit einem Bischof zu thun hat. Besonders lässt sich unter dieser Voraussetzung der Satz vor- trefflich verstehen: Et si claves macelli tibi tradidit (seil, apos- tolus), permittens esui omnia, ad constituendam idolothytorum exceptionem, non tarnen in macello regnum dei inclusit (de iei. 15). Die Worte: ad constituendam idolothytorum exceptionem sind hier von tradidit abhängig, sodass gesagt ist: wenn der Apostel, indem er alles zu essen gestattete, dir die Schlüssel des Fleisch- marktes übergeben hat, um die Ausnahme des Götzenopferfleisches

festzustellen (d. h. aufrecht zu erhalten), so . Demnach

hat der Angeredete das Recht, den Fleischmarkt allen zu öffnen, und zugleich die Pflicht, auf die Enthaltung von Götzenopfer- fleisch zu achten; er nimmt also die Stellung eines Leiters, des Bischofs, ein, und dieser Bischof wähnt, das Himmelreich sei in den Fleischmarkt eingeschlossen d. h. er meint, diejenigen, welche nicht zum Fleischmarkt Zutritt suchten, könne er auch als vom Himmelreich ausgeschlossen erklären, in das Himmelreich könne nur der eingehen, der sich durch seine Lehre von der fides libera in Christo den Fleischmarkt aufschliessen Hesse.

Wir haben also für den Verfasser der Anklageschrift drei Merkmale: 1. er ist in Rom; 2. er gehört nach der Tendenz seiner Schrift zur Partei Kallists; 3. er ist wahrscheinlich Bischof. Da- mit ist gesagt: Kailist selbst ist der Verfasser. Aber diese An- nahme bleibt doch nur eine freilich durch nichts erschwerte Ver- mutung, so lange sie nicht noch weitere Bestätigung empfängt. Glücklicherweise sind die Züge, mit denen Tert. in seiner Pole- mik seinen Gegner charakterisiert, kräftig genug, um das Bild

1) Haec erunt exempla et populo et episcopis (de iei. 16) p. 295 13. Adeo morientur qui non sobrii in ecclesia niinistraverint (de iei. 9) p. 285, 23.

j) K'oliK Urkunden aus dem antimentaniatischen Kampfe.

Knllist's wieder erkennen zu lassen. Am deutlichsten and schärf- sten ist der Satz: Vetus es, vera si relimus dicere, tu qui tantum gulae indulges <it merito te priorem Lactitas; semper agnosco sa] Esau venatoremferarum; ita passim indagandis tnrdis Stades,

ita de oampo laxissimae disciplinae tuae venirs, ita spi- ritu deficis '). Nach diesen Äusserungen hat sich Tert.s Gegner jedenfalls als Repräsentant einer der montanistischen Sitte durch ihr Alter überlegenen Tradition d. h. als Vertreter einer durch Alter hervorragenden Gemeinde hingestellt; hierbei hat man im Abendlande zunächst an die römische Gemeinde zu denken, auf die ohne Zweifel die gleichartigen Äusserungen in de virginibus velandis zu beziehen sind2). Sodann aber wird er als der Ur- heber einer im höchsten Grade laxen Disciplin bezeichnet, die ihm als Jagdgrund für den Fang von Turteltauben dienen soll. Damit wird der Charakterzug an Kallist scharf und bestimmt bezeichnet, der in dem Bericht des Hippolyt über ihn der her- vorstechendste ist: durch Lockerung der Disciplin sucht er Pros- elyten für seine Gemeinde zu werben. Indem Tert. ihn dabei als Jäger darstellt, drückt er seine listige Verschlagenheit und seinen unruhigen Eifer durch dasselbe Bild aus, durch das Hippolyt seine intriganten Bemühungen um den Bischofsstuhl charakte- risiert3). Kallist haftete aus seinem Vorleben das Odium des Geizes und der Geldgier an, die ihn ja zu höchst unsauberen Ge- schäften verleitet hatte; in diesem Ruf stehend wurde er Nach- folger des von Hippolyt ebenfalls als geldgierig und gewinn- süchtig geschilderten Bischofs Zephyrin und nahm, um sich bei dessen Anhängern zu behaupten, selbstverständlich seine Praxis auf, bei welcher der Klerus offenbar grosse pekuniäre Vorteile gehabt hat; dies wird durch gewisse Äusserungen des Origenes ziemlich wahrscheinlich4). Dieselbe Seite berührt Tert. in dem

1) de iei. 17. Man darf die Stelle nicht wie Nöldechen, Tertullian S. 457. 58 auf die Grosskirche überhaupt beziehen.

2) de virg. vel. 2: Sed eas ego ecclesias proposui quas et ipsi apostoli vel apostolici viri condiderunt et puto ante quosdarn. Cap. 3: Sed nee inter consuetudines dispicere voluerunt illi sanetissimi antecessores.

3) Phil. IX. 11: &r]Q(o{xsvoq xbv xfjg imoxoTirjg Sqovov (Dunker p. 450, 67). 12: ovxw [isxa xr\v xov ZecpvQivov xeXevxrjv vofxitwv xexv/^- xevai ov £&t]Qäxo (p. 456, 70).

4) S. darüber meine Abhandlung Das Indulgenzedikt des Kallist. T. u.U. XI, 3 p. 129 f.

I. Tertullians Gegner in de ieiunio. 45

Satz, der bitter ironisch gemeint ist: „Mit eurem Grundsatz, alles Pasten müsse freiwillig sein, harmoniert vortrefflich, dass auch die Bischöfe für das ganze Volk Pasten zu verordnen pflegen ich will nicht reden von eurer Geschäftigkeit, Umlagen zu er- heben, wie es zu eurem Verdienst gehört sondern bisweilen auch aus Anlass einer kirchlichen Not"1). Die giftige Zwischen- bemerkung Tert.s bezieht sich eben auf Abgaben, die Kallist im Verfolg der Praxis seines Vorgängers aus der Gemeinde zog, wahrscheinlich um eine ausgedehntere und intensivere Armen- pflege zu ermöglichen. Darauf deutet die höhnische Bemerkung Tert.s über die übel angebrachte und zweckwidrige Wohlthätig- keit an Märtyrern2). Aus dem Bericht Hippolyts gewinnt man den Eindruck, dass Kallist seinem Vorgänger zwar an kirchen- politischer Gewandtheit bedeutend überlegen war, als Theologe aber auf derselben niedrigen Stufe stand wie jener avorjroQ xal jiolxiÄOQ nennt ihn Hippolyt ; auch diesen Zug erwähnt Tert. in der Bemerkung, bei den durch ihre Masse imponierenden Psychikern besässen die Unerfahrenen den grössten Einfluss3). Endlich fehlt nicht eine Anspielung auf seine dogmatische Hetero- doxie; wenigstens wird das Pathos in den Sätzen: „nicht weil Mmitanus und Priscilla und Maximilla einen andern Gott predigen, nicht weil sie Jesum Christum auflösen, nicht weil sie irgend eine Regel des Glaubens und der Hoffnung verdrehen" 4) nur dann recht verständlich, wenn dabei der unausgesprochene Gedanke im Hintergrunde liegt: „bewahre, das zu thun verursacht den Psy- chikern selbst ja keine Gewissensbedenken". Nur dann kommt

1) Bene autem quod et episcopi universae plebi mandare ieiunia ad- solent, non dico de industria stipiuni conferendaruin, ut vestrae capturae est, sed interdum et ex aliqua sollicitudinis ecclesiasticae causa (de iei. 13 R. p. 291 27).

2) Plane vestrum est in carceribus popinas exhibere martyribus incertis, ne consuetudineni quaerant etc. (de iei. 12 R. p. 290 27).

3) Omnia autem ista credo ignota eis qui ad nostra turbantur aut sola forsitan lectione non etiani intentione comperta, seeundum maiorem vini imperitorum apud gloriosissimam scilicet multitudineni psychicorum (de iei. 11 R. 288 29.

4) Non quod aliuni deum praedicent Montanus et Priscilla et Maxi- milla nee quod Iesum Christum solvant, nee quod aliquam fidei aut spei regulam evertant, sed quod plane doceant saepius ieiunare quam nubere (de iei. 1 R. 274 22).

46 Rolfl's, Urkunden aus dem antimontanistischer Kampfe.

die wirklich belastende Anklage heraus: I)i<- Psychiker, die selbst die Glaubensrege] verdrehen, beschuldigen uns. die wir dogmatisch

völlig korrekt sind, der Häresie, weil wir öfter fasten als hei- raten.

Weitere Argumente für die Annahme, Kaliist sei der Ver- fasser der Anklageschrift, gewinnen wir durch eine Vergleichung derselben mit seinem Indulgenz- Edikt. Die Tendenz beider Schriften ist dieselbe: Vergrößerung der Gemeinde mittels Locke- rung der Disciplin1); das ist schon genügend hervorgehoben. Beide bewegen sich in denselben Gedankenkreisen. Wenn das Indulgenz-Edikt betont: Gott will lieber Barmherzigkeit als Opfer, so sagt die Fastenschrift: Gott will lieber Werke der Gerechtig- keit und Unschuld als Fasten; beiden liegt dieselbe Auffassung zu Grunde. Während Christus sonst vor allem als Verkündiger eines neuen Gesetzes erscheint, tritt er im Edikt allein als Be- freier vom Druck der Sündenschuld auf und ganz gleichartig steht er in der Fastenschrift als Befreier vom Zwang äusserlicher Gesetzlichkeit da. Die Gesinnung, welche nach Rom 144 sich davor scheut, den Nächsten als einen fremden Knecht zu richten, ist der fides libera in Christo aufs engste verwandt, die selbst in ihren Handlungen von niemand gerichtet werden darf. Wie das Edikt im Gegensatz zu streng gesetzlicher Sittenzucht die Barm- herzigkeit als erste Christenpflicht betont, also im Gegensatz zu äusserer Ordnung Gewicht auf die innere Gesinnung legt, so stellt die Fastenschrift die Pflichten der Gottes- und Nächstenliebe dem Fasten als Übung der Selbstzucht gegenüber, tritt also in der- selben Weise für die Beschaffenheit des Herzens äusseren Ord- nungen gegenüber ein. Das Edikt proklamiert evangelische Weitherzigkeit in der Beurteilung gefallener Christen und stellt dieselben doch zugleich in die strengste Abhängigkeit vom Bischof; indem es die Strenge des Sittengesetzes mildert, verschärft es zu- gleich die kirchlich hierarchischen Grundsätze; die Fastenschrift betont die evangelische Freiheit in den äusserlichen Übungen der Selbstzucht; aber diese Freiheit gilt nur innerhalb des hier- archischen Systems der bischöflich verfassten Kirche; in dem- selben Masse, in welchem die Ansprüche an die sittlichen Lei- stungen der einzelnen herabgestimmt werden, erscheinen die

1) S. meine Abhandlung S. 136 ff. Hippolyt Phil. IX. 12, p. 450, 22 ff.

1. Tertullians Gegner in de ieiunio. 47

Ansprüche der Hierarchie gesteigert. In beiden Schriften ist das Interesse nicht: evangelische Freiheit im Gegensatz zu gesetz- licher Engherzigkeit, sondern: sittliche Laxheit im Gegensatz zu rigoroser Sittenzucht.

Die Pastenschrift verfolgt in ihrem positiven Teil wesentlich denselben Gedankengang wie das Indulgenz-Edikt: 1. Bei beiden ein Argument aus dem A. T.: hier die Arche als Bild der Kirche, dort das Wort Jes. 5 8 4 fY. 2. Der Beweis durch Herrenworte: hier die Gleichnisse Luc. 15, dort der Spruch Mt. 15 n. 3. Die Be- gründung durch die Handlungen des Herrn: hier die Samariterin Job. 4 und die grosse Sünderin Luc. 7, dort: die absichtlicher Askese fremde Lebensführung Jesu. 4. Die Rechtfertigung aus den apostolischen Schriften: hier 2. Cor. 2 5 ff., 12 21, Apoc. 2 20 f., dort das Wort 1. Cor. 8s. Man könnte freilich diese überein- stimmende Anordnung auf die Berichterstattung Tert.s zurück- führen wollen und deshalb ihre Beweiskraft bestreiten, indessen liegt es doch näher, den Grund für dieselbe nicht bei ihm, son- dern bei seinem Gegner zu suchen, wenn man beachtet, wie er sich diesem auch im einzelnen bei der Wiedergabe der Citate an- schliesst. Es lässt sich beweisen, dass die Form, in der wir die- selben sowohl in de ieiunio wie in de pudicitia finden, nicht Tert. angehören kann. Diese Form ist aber im Edikt und in der An- klageschrift in allem Charakteristischen völlig übereinstimmend. Die Citate sind durchweg gekürzt, indem nur die Punkte her- vorgehoben werden, die für die Beweisführung von Wichtigkeit sind; dabei wird vielfach der ursprüngliche Sinn geändert, indem entweder der Zusammenhang ignoriert wird, oder indem durch absichtliche Änderungen den Worten eine andere Bedeutung auf- gezwungen wird.

Für das Edikt wie für die Fastenschrift sind die Gedanken des Hermas nicht ohne tief greifenden Einfluss gewesen. Im Edikt ist Hermas ganz sicher citiert; in dem Schluss der Fasten- schrift sind zweifellos seine Gedankengänge reproduciert; wahr- scheinlich ist er aber auch hier geradezu citiert. Nun hat Kallist den Hirten ausser an der Stelle des Edikts, die sich nach de pud. 10 feststellen lässt, noch anderswo citiert; denn Tert. sagt ihm: a qua et alias initiaris. Dies könnte auch eine andere Stelle im Edikt sein; wahrscheinlicher ist es aber, mit Harnack anzunehmen, Tert. habe noch andere Schriften Kallists gekannt, wo er den

IS Rolfts, Urkunden aus dem aritimoiil.ini.-ii-cher] Kampfe.

Milien eitiert fand. Haben wir hier nun eine Schrift vor uns, für die sich seine Autorschaft bis zu einem gewissen Grade wahr- scheinlich machen lässt, und gestattet dieselbe, jene Äusserung aus de pud. 10 auf sie zu beziehen, so ist hiermit wenigstens ein Moment mehr gegeben, um die Vermutung zu einer recht wahrschein- lichen Annahme zu erheben 1).

Eine Vergleichung stilistischer und lexikalischer Eigentüm- lichkeiten beider Schriften kann keine irgendwie wertvollen Re- sultate ergeben; da uns beide nur durch das Medium des Tertul- lianischen Referates zugänglich sind und dieses sie uns nur in Übersetzung aufbewahrt hat. Unter der doppelten Tünche lässt sich nicht mehr erkennen, wo sich die ursprüngliche Farbe er- halten hat.

Das Schwierigste bei der Annahme, Kallist sei der Verfasser der Fastenschrift, ist das Fehlen jedes äusseren Zeugnisses dafür. Freilich wenn Hippolyt diese Schrift seines Gegners nicht er- wähnt, so spricht das nicht dagegen. Denn über die monta- nistische Fastendisciplin dachte er nicht anders als sein Rivale, wie aus Phil. VIII. 19 (p. 436, 79.) X. 25 (p. 528, 78) genugsam zu erkennen; er hätte also dessen Angriff auf die Montanisten nur anerkennend erwähnen können; das widersprach aber der Tendenz seines Berichtes. Aber auch in der übrigen Litteratur scheint jede Kunde von einer schriftstellerischen Leistung Kallists, wie wir sie ihm zuschreiben möchten, erloschen zu sein, es scheint so; in Wirklichkeit hat sich doch eine, wenn auch sehr schwache, Erinnerung daran erhalten. Im Liber pontificalis findet sich bei Kallist die Notiz: Hie constituit jejunium die Sabbati ter in anno fieri, frumenti, vini et olei seeundum prophetiam quarti, septimi et deeimi. Diese Notiz hat Pseudoisidor Veran- lassung gegeben, einen Brief zu erdichten, in welchem Kallist ein viermaliges jährliches Fasten verordnet unter Berufung auf Zach. 8 1—19. Er fälscht also die Nachricht des Liber pontificalis, um die Sitte, welche zu seiner Zeit die herrschende war oder die er zur herrschenden machen möchte, durch die Auktorität des Kallist zu decken. Damit wendet er aller Wahrscheinlichkeit

1) Jedenfalls hat Hermas gerade auf die kirchliche Praxis in Rom grossen Einfluss geübt; s. Harnack, T. u. U. V. 1. p. 126. Benutzt ihn der Verf. der Fastenschrift, so ist die Annahme, er habe zum römischen Klerus gehört, um einen Grad wahrscheinlicher.

I. Tertulliana Gegner in de ieiunio. 49

nach dasselbe Verfahren an, mittels dessen der Verfasser des Liber pont. seine Nachricht konstruirt hatte; auch dieser wird mit seiner Notiz nur die Sitte seiner Zeit auf Kallist zurück- führen. Aber weshalb gerade auf ihn und nicht auf einen der Bisehöfe, deren Andenken in der Kirche lebendiger geblieben war und deren Auktorität mehr galt als die des ziemlich rasch ver- gessenen Kallist ? Nun, weil sich eben eine Erinnerung daran erhalten hatte, dass Kallist auf dem Gebiete der Fastendisciplin irgend welche Grundsätze und Regeln aufgestellt hatte, die in Rom allgemeine Geltung erlangt hatten; alle Änderungen der Fastenordnung wurden daher ebenso unter den Schutz der Auk- torität des Kallist gestellt, wie man alle Wandlungen in den als apostolisch geltenden Institutionen auf die Apostel selbst zurück- führte. Ficker l) und Harnack 2) machen darauf aufmerksam, dass der zweite von Pseudoisidor dem Kallist beigelegte Brief Erin- nerungen an die Anschauungen enthält, die dieser Bischof über die Behandlung der Unzuchtsünden und die Unabsetzbarkeit der Bischöfe aufgestellt hat. Weshalb kann der Verfasser des Liber pontificalis sich mit seiner Notiz nicht gerade so gut auf eine geschichtliche Erinnerung stützen wie jene andere uns unbe- kannte Quelle Pseudoisidors?

Die Schrift Kallists, die wir somit zurückgewonnen hätten, wird, wie sie in der Tendenz und Anlage dem Indulgenz-Edikt nahe verwandt ist, so auch den gleichen Charakter mit ihm tragen: sie ist ein Flugblatt, das eine in der Gemeinde gehaltene Ansprache weiter verbreiten soll; darauf deutet vor allem der stark rhetorische Schluss. Tert. würde sie vielleicht ein edic- tum adversus continentiam genannt haben, wie er jene spätere Schrift Kallists ein edictum adversus pudicitiam nennt. Aber er fand darin keinen Satz wie den: Ego et moechiae et fornicatio- nis delicta paenitentia functis dimitto, der ihm durch seine einem kaiserlichen Edikt ähnliche Form Grund und Anlass zu einer derartigen Ironie gegeben hätte.

1) Studien zur Hippolytfrage 1893. S. 109 ff.

2) Altchristl. Litteraturgesch. S. 604. Übrigens hat schon Lipsius, Chronologie der röm. Bischöfe S. 176 dieselbe Bemerkung gemacht.

Texte u. Untersuchungen XII, 4.

5(j Rolil's, Urkunden aus dem antimontanistischen Kampfe.

IL Tertullians Gegner in de monogamia.

1. Analyse der Schrift de monogamia.

In zwei einleitenden Kapiteln stellt Tert. die Aufgabe und das Thema seiner Schrift fest: Im Gegensatz zu den Häretikern. welche eine mehrmalige Verheiratung gestatten, stellen die Mon- tanisten die Forderung auf: es soll nur eine Ehe geben, wie es nur einen Gott giebt (c. 1). Daraus wird ihnen von den Psychi- kern, die am Geistlichen kein Gefallen haben, der Vorwurf häre- tischer Härte gemacht; der Paraklet ist ihnen der Begründer einer neuen und harten Disciplin; daher ist zunächst Antwort auf die allgemeine Frage zu suchen, ob der Paraklet etwas ge- lehrt haben dürfe, was als neu zu beurteilen wäre im Vergleich mit der katholischen Tradition oder als drückend im Vergleich mit der leichten Last Christi. Diese Antwort hat der Herr selbst Joh. 16 12 gegeben; darnach ist zu erwarten, dass die Parakletoffen- barung einerseits etwas Neues erhält, andererseits bisweilen etwas Drückendes einschliesst. Damit ist aber keineswegs der Willkür Thür und Thor geöffnet; denn der Paraklet erkennt die regula fidei an; eine Verfälschung der christlichen Sittenzucht durch willkürliche Satzungen ist aber nur nach vorhergehender Fäl- schung der Glaubensregel möglich. Damit hat sich Tert. zu- nächst den Rücken gedeckt; er steht auf dem Standpunkt: auch wenn die Forderung der Monogamie neu und drückend wäre, so könnte man den Parakleten nicht der Häresie beschuldigen. Aber er bleibt nicht auf diesem Standpunkt stehen. Vielmehr liefert er in dem ersten Teil seiner eigentlichen Abhandlung (capp. 3 14) den Nachweis, dass die Monogamie keine absolute Neue- rung sei. „Ob sie drückend sei, darüber mag einstweilen die schamlose Schwachheit des Fleisches mit sich zu Rate gehen.'* Wie unwürdig dieser Vorwurf ist, weist er dann in dem zweiten Teil nach (capp. 15 17).

Die Gliederung des ersten Teiles ist sehr durchsichtig: man hat nach cap. 9 einen Einschnitt zu machen, durch den die capp. 10 14, in welchen sich Tert eingehend mit den Argu- menten seiner Gegner beschäftigt, von dem ersten Abschnitt capp. 3 9 abgetrennt werden, in welchem er den montanisti- schen Standpunkt in positiver Entwicklung begründet.

II. Tertullians Gegner in de monogainiu. 51

Der erste Abschnitt des ersten Teiles gliedert sieh in drei Stücke. Im ersten (cap. 3 wird ausgeführt: Selbst wenn der Paraklet die Ehe überhaupt verboten hätte, so würde dies keine unerhörte Neuerung sein; denn sowohl Christus wie Paulus haben den Enthaltsamen den Vorzug vor den Verheirateten gegeben. Ist nun damals schon die Ehelosigkeit allgemein als .las eigent- lich Wünschenswerte anerkannt, so wäre es nicht unerhört, wenn sie jetzt, nachdem die Zeit um 160 Jahre vorgerückt ist, als das allein gültige verordnet wäre. Wenn der Paraklet nun trotzdem noch eine Ehe gestattet hat. so ist er auch deshalb als der „Ad- vokat" anzuerkennen, der die Schwachheit des Fleisches gegen- über der völligen Enthaltsamkeit in Schutz nimmt.

Das /.weite Stück erbringt aus dem A. T. den Nachweis, dass die Monogamie das ursprüngliche ist: Der erste Anfänger des Menschengeschlechtes Adam war monogam, der zweite Noah ebenso. Christus aber ist gekommen, das Ursprüngliche wieder- herzustellen, wie sein Wort über die Ehescheidung Mt. i96 0'. he weist und wie es auch in dem Satz: Ich bin das A und das 0 ausgesprochen ist (cap. 4. 5). Es lassen sich für die, denen Adam und Noah nicht gefallen, noch andere Personen anführen, die den ursprünglichen Zustand darstellen. Man pflegt sich freilich auf den mehrmals vermählten Abraham zu berufen; aber Abraham vermählte sich zum zweiten Mal erst nach der Be- schneidung; den Glauben aber, durch den er nach Paulus unser geistlicher Vater ist, bewies er vor derselben. Wer sich daher seinem Beispiel gemäss mehrmals verheiraten will, der mag sich auch beschneiden lassen, wie er. Unser Vorbild ist der einmal vermählte Joseph, Moses, der mit Gott in innigem Verkehr stand und Aron, der erste Hohepriester (c. 6).

Neben den Vorbildern massgebender Persönlichkeiten sind die Vorschriften des Gesetzes als Beweismaterial zu benutzen. Freilich behaupten gewisse Leute, das Gesetz sei für Christen nicht mehr in Kraft; aber wo es ihnen passt, machen sie doch Gebrauch davon. Aufgehoben sind nur die unerträglichen Lasten ; alles, was sich auf die Gerechtigkeit bezieht, ist nicht nur nicht abgeschafft, sondern noch erweitert. Auf die Leviratsehe darf man sich nicht berufen; sie ist verordnet aus drei Gründen: ein- mal zur Erfüllung des Wortes: Wachset und mehret euch, so- dann weil die Sünden der Väter an den Kindern heimgesucht

52 Rolff's, Urkunden aus dem antimontamstischen Kampfe.

werden sollten, endlich weil Kinderlosigkeit als Schande galt. „Was nun das Gesetz angeht, so treffen seine Beweisgründe mehr

für uns zu". Das Gesetz verbietet den Priestern, mehr als ein- mal zu heiraten; das haben die Christen auf sich zu beziehen; denn sie sind alle Priester (c. 7).

Das dritte Stück enthält das Beweismaterial aus dem N. T. und zwar werden im ersten Teil wieder Personen vorgeführt, welche die Monogamie empfehlen sollen, und im zweiten die Worte Christi herangezogen. An der Schwelle des N. T. begegnen uns Zacharias und Johannes, der eine nur einmal, der andere gar nicht vermählt. Christus wird zuerst von Hanna, dann von Simeon im Tempel gepriesen, von denen die erstere sicher, der letztere höchst wahrscheinlich nur einmal vermählt war. Von den Aposteln ist nur Petrus vermählt. Ckristus hat die Keusch- heit in jeder Weise empfohlen, so wenn er den Kindern das Himmelreich verheisst, wenn er Taubenunschuld von uns fordert, wenn er den sechsten Mann der Samariterin nicht als Ehege- mahl gelten lassen will, wenn er bei seiner Verklärung nur mit Moses und Elias, einem Monogamen und einem Ehelosen zu- sammen ist, wenn er nur ein einziges Mal auf einer Hochzeit erscheint (c. 8).

Aber diese Beweise würden mehr auf Konjekturen beruhen, wenn ihnen nicht auch ausdrückliche Aussprüche des Herrn zur Seite ständen. Der Satz: „Was Gott zusammengefügt hat, das soll der Mensch nicht scheiden" hat als notwendige Kehrseite den andern: „Welche Gott durch den Tod geschieden hat, die soll der Mensch nicht durch die Ehe verbinden". Derselbe Grundsatz wird von Christus Matth. 532 ausgesprochen: Wer eine Geschiedene freit, bricht die Ehe; denn es kommt nicht darauf an, ob eine Frau durch den Scheidebrief oder durch den Tod ihres Gatten von demselben geschieden ist. Ehebruch liegt überall da vor, wo einer von zwei auf irgend eine Weise Geschiedenen eine Einigung mit fremdem Fleisch eingeht (c. 9).

Der zweite Abschnitt des ersten Teiles setzt den angefan- genen Gedankengang fort, indem er von den Worten Christi zu denen der Apostel fortschreitet. Er ist aber von durchaus defen- siver Haltung, indem sich alle seine Ausführungen an Argumente der Gegner anknüpfen. Kap. 10 bereitet die Widerlegung der Argumentation vor, welche die Psychiker auf 1. Cor. 739 stützen:

II. Tertullians Gegner in de monogamia. 53

.,Das Weib ist gebunden, so lange der Mann lebt; ist er gestorben, so ist sie frei und kann heiraten, wen sie will, nur im Herrn". Es ist zunächst zu berücksichtigen, dass das Weib dem Manne auch nach dessen Tode verbunden bleibt. Wenn der Gatte ge- storben ist, so ist eine Scheidung nach göttlichem, nicht nach menschlichem Gesetz eingetreten. Sind Frau und Mann in Un- frieden geschieden, so kann der überlebende Teil nicht wieder- heiraten, weil ja noch der Ehescheidungsprozess bei Gott schwebt. Sind sie in Frieden geschieden, so müssen sie in Frieden bleiben ; denn der überlebende Teil betet für den verstorbenen und bringt Oblationen am Todestage dar. Bei der Auferstehung werden beide, zwar nicht fleischlich, sondern geistig, vereint werden. Wie kann daher ein Gatte in eine neue Ehe eintreten, da er doch nach dem Tode mit dem ersten vereint sein wird (c. 10). Nach einem Exkurs: die zweite Ehe ist schon deshalb nicht passend, weil ja doch die trauenden Kleriker monogam sein sollen, und weil durch Schliessung derselben Ehebruch an beiden Frauen begangen wird, fährt Tert. fort mit dem Nachweis, das Wort 1. Cor. 739 sei von Paulus gar nicht in dem Sinne gemeint, in welchem es von den Psychikern gebraucht wird. Das ergiebt sich aus der Lehre, der Absicht und der Disciplin, welche Paulus abgesehen von der vorliegenden Stelle vertritt; überall dringt er auf möglichste Einschränkung des ehelichen Lebens. Sein Grund- satz steht fest: am besten ist es, wenn alle sind wie er d. h. ehelos. Denen, die bei ihrem Übertritt zum Glauben, verwittwet sind, gestattet er die Wiederverheiratung, obgleich ihm der Witt- W( instand höher gilt; aber indem er den Verheirateten Sorge und Angsr verheisst, nimmt er diese Erlaubniss gewissermassen wieder zurück. Nur eine Frau, die als jWittwe zum Glauben kommt, darf sich mit einem Christen wieder verheiraten; denn er ist in Wahrheit ihr erster und einziger Gemahl. Das ist der Sinn des von den Psychikern angezogenen Ausspruches (c. 1 1). Sie machen sich nun auch 1. Tim. 3 2 ff. zu nutze und folgern daraus, dass hier für den Bischof ausdrücklich die Monogamie gefordert wird, für die Laien könne dies Gebot nicht gelten. Dann müsste es aber einen Stand der Monogamen geben, aus dem sich der Klerus ergänzte; da die Bischöfe aus allen Laien gewählt werden, so müssen alle monogam sein. Übrigens giebt es bei den Katho- likern ja auch schon zweimal vermählte Bischöfe. Sollen etwa

,r>4 Rolffs, Urkunden aus dein antimontaaiiatiacheii Kampfe.

die Kleriker eine besondere Sittlicbkeil haben? Dann wären wohl auch die andern 1. Tim. 3 2 ff. vom Bischof verlangten sittlichen Qualitäten nicht von den Laien zu fordern? Damit wäre aber alle Disciplin untergraben (c. 12). Wenn der Apostel 1. 'lim. ."> 11—15 verlangt, die jungen Wittwen sollen sieb verheiraten and Mufcterpflichten erfüllen, so bezieht sich das auf die jugendlichen Enthaltsamen, die im ersten Feuer sich in den Dienst der Kirche stellen und später sich verheiraten wollen, sodass sie als Ab- trünnige dem Gericht verfallen. Ebensowenig aber können die Gegner ihre Position durch Rom. 72— g verteidigen; denn wenn auch nach dem Gesetz die Frau nach dem Tode ihres Gatten sich wieder verheiraten durfte, so ist doch die Ordnung, welche nach Abschaffung des Gesetzes in Geltung getreten ist, eine höhere; und nach dieser wird die zweite Ehe als Unzucht beurteilt (c. 13).

Das 14. Kap. bildet die Überleitung zum zweiten Hauptteil. Tert. lenkt in die Gedankengänge des 3. Kap. zurück: Wenn aber auch Paulus ganz bedingungslos die Wiederverheiratuncr eines Christen gestattet hätte, so wäre dies nur eine Nachsicht gegen die Schwachheit der ersten Gläubigen gewesen, wie sie Paulus auch sonst geübt hat. Wie Moses wegen der Herzens- härtigkeit der Menschen die Ehescheidung gestattet hat, bis Christus sie abschaffte, so hat Paulus mit der zweiten Ehe wegen der Schwachheit des Fleisches Nachsicht geübt, bis die neue Dis- ciplin des Parakleten sie abschaffte. Man höre daher endlich auf, die Schwachheit des Fleisches als Entschuldigung anzuführen, weil der Herr gesagt hat: Das Fleisch ist schwach; denn er hat vorangeschickt: Der Geist ist bereit, das Fleisch zu besiegen. Er sagt auch: Wer es fassen kann, der fasse es d. h. wer es nicht kann, der gehe fort; fortgegangen ist auch jener Reiche, welcher das Gebot, seine Habe mit den Armen zu teilen, nicht gefasst hatte (c. 14).

Der zweite Teil kann sofort mit der Folgerung beginnen: Es ist also keineswegs eine häretische Härte, wenn die Monta- nisten die zweite Ehe verweigern. Der Apostel bezeichnet 1. Tim. 4iff. diejenigen als Häretiker, welche die Ehe völlig verbieten und Speisen untersagen, die Gott zum Genuss für den Menschen geschaffen hat. Wenn die Montanisten die zweite Ehe verbieten, so verhindern sie die Ehe nicht mehr, als sie die Speisen unter- sagen, wenn sie ungewöhnlich oft fasten. Wer darin häretische

IL Tertullians Gegner in de monogamia. 55

Härte sieht, wenn die Montanisten die Schwachheit des Fleisches, welche die zweite Ehe fordert, nicht tragen, der mag sich doch fragen, weshalb man nicht auch Nachsicht mit denen haben darf, welche in der Schwachheit des Fleisches unter Martern den Urlauben verleugnen (c. 15). Lächerlich ist aber, wenn das Ver- bot der zweiten Ehe als eine Härte gegen die Schwachheit des Fleisches hingestellt wird; Heiraten ist eine Sache der Kraft, nicht der Schwachheit. Es ist auch keine Rücksichtslosigkeit gegen «Ich durch die Sorgen des verwaisten Hauswesens gequälten Witt- wer, der Christ soll jeden Augenblick zum Scheiden aus der Welt bereit sein und darf sich nicht durch die Sorgen um Haus und Nachkommenschaft daran fesseln lassen (c. 16). Gegen die, welche die Schwachheit des Fleisches zum Grund für die zweite Ehe nehmen, treten sogar Heiden als Richter auf, die durch ihre in einmaliger Ehe bewiesene Keuschheit die christliche Unenthalt- samkeit beschämen (c. 17).

2. Die gegen die Monogamie erhobene Anklage.

Bekämpft Tert. in de monogamia einen litterarischen Gegner oder wendet er sich etwa gegen eine den Montanisten feindliche Volksstimmung? Bonwetsch vermutet auch hier einen Kampf gegen eine ihm schriftlich vorliegende Bestreitung und denkt an das Werk des Apollonius; er muss aber zugeben, dass in de monogamia die Beantwortung eines vorliegenden Schriftstückes nicht so deutlich ist, wie in de ieiunio j). In der That der W eg, auf welchem man aus de ieiunio und de pudicitia ein un- gefähres Bild von der bekämpften Schrift gewinnen konnte, ist hier völlig ungangbar. Nur in den Kapiteln 10 13 knüpft Tert. deutlich an gegnerische Argumente an; aber was sich hier findet, ist so wenig, dass sich daraus keine Anhaltspunkte für die Er- mittelung des Inhaltes oder Gedankenganges einer antimontani- stischen Schrift gewinnen lassen. Dass indessen eine solche ihm vorgelegen hat, ist wohl kaum zu bezweifeln. Es spricht dafür: 1. der Eingang von de ieiunio. Wenn Tert. sagt: „Ich würde mich über die Psychiker wundern, wenn sie allein in den Banden der Genusssucht wären, die sie zu wiederholten Heiraten treibt, wenn sie nicht auch von einer Gefrässigkeit besessen wären, in-

1) Die Schriften Tert.s S. 65.

56 RoliJ's, Urkunden aus dem antimontanixtisdien Kampfe.

folge deren sie die Fasten hassen'', so ist darnach der Hass <_r<"_r<'!i die Kasten später als die Abneigung gegen geschlechtliche Ent- haltsamkeit hervorgetreten: denn nur dann war die Möglich- keit vorhanden, sich über das alleinige Auftreten der letzteren zu wundern, die Tert. in dem „mirarer" doch voraussetzt. Da er nun das Hervortreten des Widerwillens gegen die Monogamie mit dem Hervorbrechen des Hasses gegen das Fasten völlig gleich- stellt als zwei zeitlich sich folgende Akte, so wird beides auch in derselben Form geschehen sein. Wenn er daher von einer „Anklage" des psychischen Glaubens „gegen die geistliche Dis- ciplin auch in dieser Form der Enthaltsamkeit"1) spricht, so wird die zweite Anklage der ersten gleichartig sein; liegt ihm also die zweite schriftlich vor, wie oben gezeigt, so wird auch die erste Tert. in einer Schrift übermittelt sein.

2. die bestimmte Formulierung der Anklage. Die Disciplin des Parakleten erweist sich formell als häretisch durch den Widerspruch gegen die katholische Tradition, materiell durch ihren Gegensatz zu der leichten Last Christi; so hat man bei der Anklage ganz deutlich zwei Seiten unterschieden, die Tert. beide zu entkräften sucht. Er kämpft nicht gegen eine feind- selige Yolksstimmung, sondern er wehrt sich gegen einen plan- mässigen und wohlüberlegten Angriff.

Es lassen sich nun aus de monogamia einzelne Merkmale dieser Anklageschrift feststellen:

1. Sie ist in Rom geschrieben.

2. Sie erhebt zuerst im Abendlande ausdrücklich die Anklage der Häresie gegen die montanistische Richtung.

3. Sie begründet diese Anklage auf die phrygische Ehepraxis, nicht ausschliesslich, aber doch hauptsächlich 2).

4. Sie vertritt nicht den Standpunkt des Kaliist, sondern fordert für die Priester die Monogamie 3).

1) Agnosco igitur animalem fidem studio carnis qua tota constat, tarn multivorantiae quam multinubentiae pronam, ut merito spiritalem disci- plinam pro substantia aemulam in hac quoque specie continentiae ac- cuset . (de iei. 1) R. 274 10.

2) Itaque monogamiae diseiplinam in haeresim exprobrant, nee ulla niagis ex causa paracletum negare coguntur, quam dum existimant novae diseiplinae institutorem et quidem durissimae illis. de monog. 2 init. (Oehler I. 762).

3) de monog. 12. (Oehler I. 781).

II. Tertullians Gegner in de monogamia. 57

5. Sie veralteilt die montanistische Praxis als unkatholische Neuerung und widerchristliche Härte. Diese fünf Merkmale passen auf eine Schrift, die sich nach den gründlichen Nachweisen von Voigt1) bei Epiphanius Haere- sis XL VI II. erhalten hat.

1. Diese Schrift ist im Abendland, wahrscheinlich in Rom entstanden2); denn in der eigentümlichen Form des Montanismus, welche sie bekämpft, erkennen wir die Gedankenkreise Tert.s wieder3); ja sie wird dessen Werk de ecstasi nach Voigts höchst probater Annahme geradezu voraussetzen, wenn sie auch nicht direkt gegen dasselbe geschrieben ist.

2. Sie ist jedenfalls innerhalb der ersten zwei Jahrzehnte des 3. Jahrhunderts verfasst, und ist daher im Abendland die erste Schrift, welche die Anklage der Häresie gegen die Montanisten erhebt; denn ernstlich ist dieser Vorwurf ihnen gewiss nicht lange vor der Abfassung von de monogamia gemacht, wir würden sonst Spuren davon in Tert.s früheren Schriften finden4).

3. Sie nimmt genau die Haltung ein, die wir nach Tert.s Verteidigung von der Anklage erwarten müssen: die montanis- tischen Parakletoffenbarungen sind Pseudoprophetie, das soll vor allem nachgewiesen werden; kommt dieser Vorwurf dem der Häresie auch schon sehr nahe, so wird der letztere doch aus- drücklich nur gegen die montanistische Ehepraxis erhoben5). Daher passen vortrefflich auf diese Schrift die Worte Tert.s: „Daher brandmarken sie die Disciplin der Monogamie als Häresie und werden aus keinem Grunde mehr gezwungen den Parakleten zu leugnen als weil sie ihn für den Urheber einer neuen und

1) Eine verschollene Urkunde des antimontanistischen Kampfes. Leipzig 1891.

2) Voigt a. a, 0. S. 111. 227.

3) s. die überzeugenden Ausführungen Voigts S. 36 ft".

4) Der Verf. kann die Montanisten nicht als ausgesprochene Häretiker behandeln, sondern muss sich bemühen, den Nachweis zu liefern, dass sie nicht zur Kirche gehören können: liovßcpajvoq xot'vvv navxünaoiv 6 xoi- ovzoq töjv &ELWV ygaifwv rjvQb&r], tbq navxi xo) oa<peq toxi xol vovveywq ivivyyävovxi. el to'ivvv Jovtu<p(vvoq vnuQ'/ti, d)J.6xQi6q saxi xijq xa&o- kixrjq txxlrioiaq xal r/ xax avxov ar/ovoa r/ioeoig rtQocp^xaq byuv xal '/agiofMaxa, ä (jlti eü.yypev, akXa ix xovxcov dniatij. haer. 48 c. 11. Dind. II p. 438 9.

5) Haer. 48 cap. 8. 9. Dind. II p. 435. 43(3.

58 Rollls, Urkunden aue dem antimontanietdschen Kampfe.

zwar Ihnen sehr drückende]] Disciplio halten", und wenn er ge- rade die Anklagen gegen die Monogamie herausgreift, am sie eingehender zu widerlegen, so trifft er damil den Punkt, der von

hervorragender praktischer Bedeutung und über den allein eine ernstliche Diskussion möglich war. Denn ein Streit aber die Art der montanistischen Propheten musste immer resultatlos bleiben, da weder ihre Gegner von ihrer Glaubwürdigkeit, noch ihre Anhänger von ihrer Lügenhaftigkeit zu überzeugen waren. Dagegen mussten Katholiker wie Montanisten das grösste Gewicht darauf legen, in der Praxis des sittlichen Lebens die urchrist- lichen Traditionen für sich in Anspruch nehmen zu können. Da- her forderte der Angriff auf die Monogamie allein Tert.s Ver- teidigung heraus, zumal er die Prophetie des Parakleten in de eestasi ausführlich verteidigt hatte.

4. Die Schrift vertritt den Standpunkt, dass ein Priester d. h. der Bischof, auch wohl Presbyter und Diakonen nur einmal ver- mählt sein dürfen; sie stellt sich also nicht auf die Seite des Kailist i).

5. Sie verurteilt endlich die Monogamie der Montanisten einmal als einen Widerspruch gegen die katholische Tradition: die Ordnungen Gottes werden dadurch aufgehoben2), der „kirch- liche Kanon" wird nicht beachtet 3), die „Richtschnur der Wahr- heit" gilt ihnen nicht als Massstab 4). Es wird also immer die apostolische Tradition der montanistischen Neuerung entgegen- gesetzt und diese als Abweichung davon verurteilt. Sodann wird der montanistischen Disciplin unevangelische Härte vorgeworfen; der Gott-Logos übt Nachsicht mit der natürlichen Anlage und der Schwachheit der Menschen 5), er verlangt von jedem, dass er

1) ei 6e ziq xaza do&svEiav etiiöetj&eIi] fxEzd zrjv zeXevztjv zijq löiaq yafXEZtjq avvacp&rjvai öevzeqco ydßio, ovx aTiayoQEVEi zovzo o xavojv zfjq aXrjd-Eiaq zovzeoziv zov {trf ovzcc lEQEa. (p. 436, 7 ff.)

2) d>q zolfxriQWQ zu ex &eov xalaiq zEzay/uEva dnayooEvovxEq vofiod-Ezovai. (435, 27).

3) wq xal oi avzov dnoozoloi zov ixx?^rjoia ozixov xavova zf/q iSQü)ovv7]q svzdxzcoq xal oaiwq öiEzd^avzo (436, 5).

4) el ob ziq xaza. do&EVEiav ETCiÖErjd-Etrj ovvacp&tjvai öev-

zeqw yd/uü), ovx dnayoQEVEi zovzo b xavdbv zf\q dlr\&Eiaq (436, 7).

5) xal ydo ov/u/iEZQia zivl b &Eoq Xoyoq iv Z(p EvayyEkia) <pr)oaq „Q-eXEiq zslEioq yEVEO&at''; ovyyvwfxoviov zfj züv dv&oomwv TiXaoEi xal do&EVEta (435, 30).

II. Tertollians Gegner in de rnonogamia. 59

die Schwachheil der Schwaches trage '); deshalb soll auch die zweite Ehe gestattet sein2); die Montanisten aber vertreiben die zum zweiten Mal Verehelichten aus dw Kirche und fordern so- mit die Monogamie durch gesetzlichen Zwang3); damit machen sie sich einer häretischen Barte schuldig.

Da die Merkmale, die wir nach de monog. für die von Tert. bekämpfte Schrift ermitteln konnten, für die Quelle von Epi- phan. 4S zutreffen, so hat man beide Schriften eingehender zu vergleichen; vielleicht werden sich dann sichere Spuren davon zeigen, dass Tert. die Quelle do* Epiphanius vor sich gehabt hat und zu widerlegen sucht. Tert. legt seine Widerlegung so an, dass er zunächst den Vorwurf unkatholischer Neuerung und dann den unchristlicher Härte untersucht und entkräftet. Er leitet seine Ausführungen mit dem Satze ein: „Aber ob die Monogamie drückend sei, damit mag einstweilen die schamlose Schwach- heit des Fleisches mit sich zu Rate gehen, ob sie aber neu sei, das mag inzwischen konstatiert werden"; er will also die beiden Vorwürfe nacheinander behandeln; indem er dies ausdrücklich bemerkt, deutet er an, dass diese Sonderung und Anordnung von ihm selbst herrührt; er hat sie nicht bei seinem Gegner vorge- funden. Daher kann es nicht stören, wenn wrir Haer. 48c. 8 (fine) 9 eine andere Anordnung finden. Scharfe Einschnitte lässt die- selbe nicht erkennen.

Die ganze Ausführung knüpft sich an das Wort 1. Tim. 4i ff.

I. Die Praxis der Häretiker wird derjenigen der Kirche

gegenüber gestellt, damit an dem Charakter der letzteren

die Häresie beurteilt werden kann (p. 435 11—24).

IL Die kirchliche Praxis entspricht der Ordnung Gottes,

welche die Häretiker auflösen durch neue Gesetze (p. 435

25 43627).

1. Der Gott-Logos übt Nachsicht gegen die natürliche Anlage und die Schwachheit der Menschen gemäss dem Spruch: Willst du vollkommen werden? (435 30. 31.) Daraus folgt:

1) b yccQ ccyiog ?.6yoq navzl bxrjQv^e zr/v äo&tveictv xüv do&evovv- xu)v ßaöTÜL.eiv (p. 436, 17).

2i s. 8. 5S Anm. 4.

3) ixßaXXovai yug zov öevrigcp ydfxa) ovvapS-Lvza xal ävayxutovoi ßrj öevxtQo) yufxoj ovvänxeo^ut (p. 430, 11 ff.).

6Q Rolils, Urkunden aui dem antimontanistischei] Kampfe.

a) dass die völlige Jungfräulichkeit am höchsten ge- schätzt wird, die Monogamie aber in Ehren steht,

sodass die priesterlichen Würden nur Monogamen und Enthaltsamen zuteil werden können (436 1—7).

b) dass gemäss der Schwachheit des Fleisches Wie- derverheiratung nach dem Tode der eisten Gattin gestattet ist, ausgenommen den Priestern (436 7—10).

2. Das Verhältnis der Montanisten und der Katholiker zu dieser Ordnung (436 10— 27).

a) die Montanisten widersprechen ihr, indem sie die Wiederverheirateten ausschliessen, also die Mono- gamie durch gesetzlichen Zwang fordern (436 10 13).

b) die Katholiker entsprechen ihr, indem sie die Monogamie empfehlen, die Wiederverheirateten aber dulden (436 13— 17). Damit befolgen sie

«.das Wort: Rom. 15 1 (436 17. 18.) ß. die Anw eisung des Apostels 1. Tim. 5 nff.(4362iff.) Wollte Tert. die beiden gegen den Montanismus erhobenen An- klagen widerlegen, so konnte er dieser Disposition nicht folgen, ohne seine Schrift gänzlich unübersichlich zu machen. Dennoch lässt sich der Gedankengang seines Gegners bei ihm wieder- erkennen.

In cap. 7, wo er seiner Disposition gemäss die montanistische Praxis aus dem alttestamentlichen Gesetz beweisen will, macht er die Zwischenbemerkung: „Und da gewisse Leute sagen, sie

hätten mit dem Gesetz nichts zu schaffen, , bisweilen

aber was sie wollen vom Gesetz sich aneignen, so sagen auch wir, das Gesetz sei soweit abgethan l) u. s. w. Die „gewissen Leute" sind Tert. Gegner, diese haben sich also auf das Gesetz berufen, und welche Stelle sie angezogen haben, ist aus dem weiteren Verlauf des Abschnittes zu erkennen; da sagt Tert.2):

1) Et quoniam quidam interdum nihil sibi dicunt esse cum lege, quam Christus non dissolvit, sed adimplevit, interdum quae volunt legis arripi- unt. cap. 7 init. (Oehler I p. 770).

2) Quomodo ergo apostolo conveniet et legi quam non in totum im- pugnat, cum ad epistolam ipsius venerimus ostendetur. Interim quod per- tineat ad legem magis nobis competunt argumentationes eius. Denique prohibet eadem sacerdotes denuo nubere. (Oehler I p. 771 Z. 5 v. u.)

II. Tertullians Gegner in de monogamia. Q]

^Inzwischen was das Gesetz angeht, so passen seine Argumentationen mehr für uns. Endlich verbietet es auch den Priestern, von neuem zu heiraten." Die Übereinstimmung des Apostels mit dem Ge- setz will er später darthun; inzwischen passen die aus dem Ge- setz entlehnterj Argumente mehr für die Montanisten als für die Katholiker. die sich ihrer bedienen. Das ist der Sinn der Sätze; nach dem Zusammenhang kann sich die Äusserung nur auf die gleich darauf citierte Stelle Lev. "21u beziehen; diese ist also von den Gegnern benutzt. Nun finden wir bei Epiphanius den schwierigen Satz: t))v de [lovoyauiav rifia, ei xal fiaXiöza ti\ yaQiofiara rtje: ieqcoövvtjc öid zcov ajtb ^uovoyaftlag lyxQa- tiitvcov xal tcqv hv jraQfrsvia ökxteXovvtcqv xoOfit'jöag jiqo- öistvjtov (436, 2—5). Die Übersetzung desselben kann nur lauten: „Die Monogamie aber ehrt er (seil. Gott in seinem Wort), wenn er ganz besonders, indem er die Gnadenwirkungen des Priester- tums durch solche verrichtete, die seit der einmaligen Ehe ent- haltsam sind und solche, die in der Jungfräulichkeit verharrten, ein typisches Vorbild aufstellte 1)." Hiermit wird das alttestament- liche Priestertum als typisch für das christliche bezeichnet, was der Schlusssatz: „wie auch seine Apostel den kirchlichen Kanon des Priestertums wohl angemessen und würdig feststellten" vollends deutlich macht. Damit ist mithin das Gebot Lev. 21 14 auf den christlichen Klerus angewendet. Die Quelle des Epiphanius hatte also das Argument gebraucht, das Tert. de monog. 7 zu ent- kräften sucht.

In cap. 10 und 11 bekämpft Tert. die Verwendung des Wortes 1. Cor. 73o: Mulier vineta est, in quantum temporis vivit vir eius: si autem mortuus fuerit, libera est: cui vult, nubat, tantum in domino. Die Quelle des Epiphanius drückt genau den Sinn dieses Spruches in dem Satze aus, der sich dem vorigen unmittel- bar anschliesst: .,Wenn aber jemand seiner Schwachheit gemäss begehrt, nach dem Tode seiner eigentlichen Gattin in einer zweiten

1) s. Voigts ausführliche Erörterung der Stelle S. 175 f. Sehr schwierig ist das et xal. Pamelius übersetzt: singulares porro nuptias commendat, cum sacerdotalia munera et ornamenta cum iis, qui post unas nuptias con- tinentiam servaverint aut in virginitate persisterint , communicanda esse velut in quodam exemplari monstraverit. xoafj.y)aaq hat er nicht ver- standen; aber das ei xal wird man kaum anders übersetzen können, wenn man nicht auf jeden Sinn verzichten will.

(32 Rolffs, Urkunden aus dem antimontanistisclieii Kampfe.

Ehe eine Verbindung einzugehen, so verbiete! dies die Regel der Wahrheit nicht." Diese Form wendet den Grundsatz des Paulus,

der i'üv die Frauen gelten sollte, auf den Mann an, und das ist wohl der Grund der Umschreibung: allgemein geltende Regeln pflegen gewöhnlich für das männliche Geschlecht passend ausgesprochen zu werden.

Die Klausel TovxtGTiv xbv ///} ovxa hyta enthält implicite die von Tert. c. 12 berührte „höchst spitzfindige argumentatio e contrario"1): Werden die Priester besonders zur Monogamie ver- pflichtet, so ist dieselbe für die Laien nicht Gesetz. Auf die Stelle 1. Tim. 3 i ff. war schon mit den Worten: coq xal ol avxov ajtoöxoloi xbv IxxXrjötaöTLxbv xavbva rijg hQCoövvrjg öierd^avTO hingewiesen; dass hier der Priester noch einmal wieder ausdrücklich ausgenommen wird, ist überflüssig, wenn es nicht in der ganz bestimmten Absicht geschieht, die Folgerung daran zu knüpfen: Ist allein der Priester zur Monogamie verpflichtet, so dürfen die Laien mehrmals heiraten. Epiphanius' Bearbeitung scheint hier verkürzend eingegriffen zu haben.

In de monog. 13 behandelt endlich Tert. das Wort 1. Tim. 5 uff., das bei Epiphanius den Schluss des Abschnittes über die mon- tanistische Ehepraxis bildet. Freilich hat dieser Abschnitt keinen eigentlichen Abschluss; der erste Satz von cap. 10: Jiäq toivvv jtQ<xp)]Tevcav jiaQaxoXovO-mv evQLöxerai xav re Iv rf] jiaXcua öta&?)xt] xav tb hv rT] xcuvrj kann sich unmöglich an das Ende von cap. 9 angeschlossen haben; das hat Voigt ganz richtig ge- sehen. (S. 39 ff.) Es ist hier also eine Lücke anzunehmen. Was aber ist hier ausgefallen? Voigt ist geneigt, im Anschluss an Lipsius anzunehmen, dass die Quelle des Epiphanius noch einen Angriff auf die montanistische Fastensitte und zwar an dieser Stelle enthalten habe. Diese Annahme hat aber sehr wenig für sich. Denn indem im Eingang von cap. 9 die richtige Disciplin der Kirche der falschen der Montanisten entgegengestellt wird, wird nur der Gegensatz in der Ehepraxis ausführlich und entschieden betont: Die heil. Kirche aber verherrlicht die Jungfräulichkeit und lobt die Monogamie, die Keuschheit und den Wittwenstand, und eine rechtschaffene Ehe ehrt sie und erkennt sie an, Hurerei aber und Ehebruch und Ausschweifung verbietet sie. Damit ist

]) Oehler I p. 781.

IL Tertullians Gegner in de monogamia. 03

der Standpunkt der Kirche gegenüber der montanistischen Praxis in absichtlicher Ausführlichkeit gekennzeichnet, und trotzdem ist der Gegensatz zu der Fastendisciplin des Montanismvft mit keinem Wort berührt. Dieselbe wird also in dn- Quelle keine Berück- sichtigung gefunden haben, weil sie von untergeordneter Be- deutung zu sein schien. Es wird ja in cap. 9 ebenso sehr die kirchliche Beurteilung der Ehe verteidigt als die montanistische angegriffen. Man fühlte sieh wirklich durch die letztere beengt: denn da die Jungfräulichkeit höher geschätzt wurde als das eheliche Leben, so mussten die Montanisten bei ihrer grösseren Enthalt- samkeit als Vertreter der vollkommneren Sittlichkeit erscheinen und dadurch notwendig die kirchliche Sittlichkeit diskreditieren. Weil man die kirchliche Ehepraxis verteidigen wollte, musste man die montanistische als häretisch brandmarken. Die Fastendisciplin konnte dabei als mehr interne Angelegenheit des Montanismus ganz unerwähnt bleiben. Einen Abschnitt darüber darf man daher auch am Schluss von cap. 9 nicht suchen. Wahrscheinlich ist die Lücke durch Ausfall einer Ausführung über Rom. 72 6, eine Stelle, deren Anwendung Tert. seinem Gegner cap. 13 streitig macht, ent- standen1). Daran wird sich dann ein zusammenfassendes Urteil über die montanistischen Propheten geschlossen haben; durch ihr Auftreten sei das Wort Pauli 1. Tim. 4 1—3, das av jcaQccxolov- ftt/Oei gesprochen, erfüllt; dieses habe sich damit als wirkliche Prophetie erwiesen.

Doch das sind Vermutungen, zu denen man erst berechtigt ist, wenn die Bestreitung der Quelle des Epiphanius durch Tert. zur Evidenz gebracht ist. Bis jetzt ist aber nur erst bewiesen, 9 die vier Bibelworte Lev. 21 u, 1. Cor. 7 39, 1. Tim. 3ifT. 1. Tim. 5 uff wenigstens ihrem Sinn nach bei Epiphanius in der- selben Reihenfolge sich finden, in der sie Tert. bringt. Dies ist schwerlich ein blosser Zufall, aber freilich auch kein stringenter Beweis dafür, dass de monog. die Quelle von Epiph. haer. 48 voraussetzt.

Mit de monog. 14 gleitet die Ausführung Terts. ohne bemerk- baren Absatz von dem ersten Teil in den zweiten hinüber: in

1) Tert. fährt nach Erwähnung von 1. Tim. 5 11 ff. fort: Legimus euru et ad Romanos scribentem: quae autem sub viro est mulier, viventi viro vincta est; si autem obierit evacuata est a lege viri. (Oelil. I 783).

04 Rolffs, Urkunden aus dein antimontaniei ischen Kampfe.

die Widerlegung des Vorwurfes häretischer Härte. Dieser un- merkliche Übergang, der bei dem die einzelnen Teile seiner Aus- führung sonst immer scharf markierenden Schriftsteller etwas Auf- fallendes hat, wird verständlich durch einen Blick auf die Quelle des Epiph., wo beide Anklagen gegen die Montanisten neben ein- ander hergehen und vielfach ineinander greifen. Nun lägst sich wieder in dem Fortschritt der Gedanken bei Tert. die Abhängig- keit von der Reihenfolge der Äusserungen über die Schwachheit des Fleisches bei Epiphanius erkennen. Tert. sagt: „Wie lange werden wir das Fleisch vorschützen, weil der Herr gesagt hat: Das Fleisch ist schwach? Hat er doch auch vorausgeschickt: Der Geist ist willig, sodass der Geist das Fleisch besiegt, das, was schwach ist, dem stärkeren weicht. Denn er hat auch gesagt: Wer es fassen kann, der fasse es d. h. wer es nicht kann, der gehe fort. Fortgegangen ist auch jener Reiche, der das Gebot, sein Vermögen an die Armen auszuteilen, nicht gefasst hatte, und er ist von dem Herrn seiner Ansicht überlassen. Man wird doch Christus nicht Härte vorwerfen, weil ein beliebiger Mensch in seiner freien Ent- scheidung einen Fehler beging." x) Man fragt: Was soll hier die Erwähnung des reichen Jünglings? Gerade dieses Beispiel musste Tert. ziemlich fern liegen, weil dem Jüngling nicht Schwachheit des Fleisches in dem Sinn nachzusagen ist, der hier gefordert werden müsste; ausserdem tritt es so unvermittelt in den Zu- sammenhang ein, dass man den Eindruck gewinnt: hier liegen Beziehungen vor, die für uns nicht sofort durchsichtig sind. Einen vollkommen ausreichenden Kommentar aber empfängt die Stelle, wenn man sie auf die Worte bei Epiphanius bezieht: xal yag övfifieTQia xiv\ o &söq Xoyog sv TG? svayysXlcp (prjöaq „freiste rsXsiog ysveo&ai"; övyyvcofiovcov rf] rcov (xv&qcdjicqv jtlaosi xal ao&svsLa %aiQSt xxX. Der Antimontanist folgert also aus dem Wort: „Willst du vollkommen werden?": Der Herr hat Nachsicht mit der Schwachheit der Menschen; er giebt ja durch seine Frage zu verstehen, solche Vollkommenheit sei nicht von allen zu fordern. Dem gegenüber weist Tert. auf den Ausgang der Geschichte hin: Der Jüngling ging fort und wurde vom Herrn nicht zurückgerufen; dabei benutzt er sie gleich zur Abwehr des Vorwurfs der Härte, indem er fortfährt: und nicht wird dem

1) c. 14 Oehler I. 785.

IL Tertullians Gegner in de monogamia. Ö5

Herrn aus der fehlerhaften Entscheidung eines Menschen der Vor- wurf der Härte gemacht. Der springende Punkt der ganzen Aus- führung ist eben die Präge: Willst du vollkommen werden?, über die Tert. schweigt, weil sie ihm wie seinem Gregner nach der Ar- gumentation des letzteren im Sinn lag.1) Hier also an der ersten Stelle, wo Tert sich aber die Schwachheit des Fleisches eingehender verbreitet, setzt er die erste Stelle der Quelle des Epiphan., die von der Nachsicht gegen die Schwachheit des Fleisches spricht, deutlich voraus: denn nur durch sie wird seine Erörterung ver- standlich.

Mit den Prägen: Quae igitur hie duritia nostra, si non fa- cientibus voluntatem dei renuntiamus? Quae haeresis, si seeundas nuptias, ut illicitas iuxta adulterium iudicamus? (c. 15) kommt Tert. auf die Stelle zu sprechen: ovrot öh xcokvovoi xaxa ro sIq?]- y.ivov „xcolvovTcov yafielv". axßdXXovot ydg rbv ötvrtQco yctfiq? övva(f)&£vTa xal avayxatovöi fi?) öevregq) ydpLcp GvvajiTSö&ai. Er lehnt den darin liegenden Vorwurf ab, und zwar bezieht sich die erste Frage auf den zweiten Satz und die zweite auf den ersten. Die Worte „gemäss dem Ausspruche ,derer, die zu hei- raten hindern'," veranlassen ihn, auf den von seinem Gegner zur Begründung der Anklage auf Häresie an die Spitze gestellten Satz des Apostels 1. Tim. 4 lff. einzugehen und das Unzutreffende seiner Verwendung nachzuweisen; er thut es ganz kurz: „Es kenn- zeichnet der Apostel diejenigen, welche überhaupt zu heiraten verhindern und Speisen verbieten, die Gott geschaffen hat. Wir aber schaffen nicht mehr die Ehe ab, wenn wir die zweite nicht zulassen, als wir die Speisen verbieten, wenn wir häufiger fasten." Da der Satz als Widerlegung gemeint ist, so setzt er voraus, dass die montanistische Fastendisciplin nicht angegriffen ist; denn diese Voraussetzung bildet die Grundlage der Widerlegung: eben- sowenig wie ihr uns wegen unseres häufigen Fastens mit der An- klage des Apostels zu treffen wagt, wir verböten die von Gott geschaffenen Speisen, ebensowenig könnt ihr auf unsere Ein- schränkung der Ehe das „xcoXvovrcov ya(itlvu beziehen. Tertu- 1 ums Gegner hat also die montanistische Fastendisciplin nicht

1) So allein lässt sich in dem Satze: Discessit et ille dives das

et genügend erklären; es heisst: Auch jener Jüngling, dessen Geschichte ihr für euch verwerten wollt, musste fortgehen.

Texte und Untersuchungen XII, 4. :,

6(3 Rolil's, Urkunden aus dem antimontanistischeu Kampfe.

angegriffen; auch dieses Merkmal trifft auf die Quelle des Epi- phan. zu, wie wir oben sahen.

Es kann endlich kein Zweifel sein, dass der kurz auf die eben citierte Stelle folgende Satz: Plane qui exprobnint nobifl duritiam vel haeresim in hac causa aestimant, si in tantum fo- vent carnis infirmitatem, ut in nubendo frequenter sustinendam putent, cur illam in alia causa neque sustinent neque venia fovent ? *) eine Anspielung der Worte: 6 yccQ ayiog Xoyog Jtavtl exr/Qv^t ttjv aod-tveiav äö&svovvrojv ßaöra^siv sein soll. Also auch die Äusserungen, in denen bei Epiphan. der Vorwurf rücksichtsloser Härte gegen die Schwachen erhoben wird, kehren bei Tert. in derselben Reihenfolge wieder, und hier ist es noch deutlicher als in den Kapiteln 10 13, dass der Gedankengang des Antimontanisten den seinen beeinflusst, da wir ihm eine selbst entworfene Dispositon hier nicht nachweisen können. Sowohl in den capp. 10 13 wie 14 (Schluss) 15 giebt, wenn nicht alles täuscht, der Gedankengang der Quelle des Epi- phanius den Faden für die Erörterungen Tert.s ab; das ist schwer- lich ein Zufall, sondern nur zu erklären, wenn Tert. jene Schrift vor sich hatte und sie zuerst auf diejenigen Argumente hin durch- ging, die den Montanismus mit der kirchlichen Tradition, und dann auf diejenigen hin, die ihn mit der evangelischen Milde in Widerspruch setzen sollten.

Die bisher erwähnten Beziehungen fanden alle zwischen de monogamia und dem Abschnitt Haer. 48 cap. 9 statt, gegen den diese Schrift sich vor allem richtet; Beziehungen fehlen aber auch nicht zwischen ihr und andern Teilen von Haer. 48, wenngleich sie hier naturgemäss nur sehr spärlich vorkommen. An zwei Punkten dürften sie nachzuweisen sein. Einmal wird die Stelle de monog.4 2), wo Tert. Gen. 2i8 behandelt, kaum anders verständlich als im Hinblick auf Haer. 48 c. 6 (p. 432, 29—433, 5). Nachdem er ausgeführt hat, Gott sage: Ich will ihm eine Gehülfin machen, nicht Gehülfinnen, schreibt er: Adiecit et legem de futuro. siquidem prophetice dictum est: Et erunt duo in unam car- nem; non tres neque plures. Hier zeigt er eine bemerkenswerte Abweichung von seiner sonstigen exegetischen Ansicht. Seitdem

1) cap. 15. Oehler I. 785.

2) Oehler I. 766.

II. Tertullians Gegner in de monogamia. 67

ihm nämlich der tiefe Schlaf, in den Gott Adam versenkt, ein wertvoller Beleg für die ekstatische Prophetie geworden ist, hat er den Inhalt des prophetischen Satzes auf Christus und die Kirche gedeutet1). Weshalb giebt er hier diese exegetische Er- rungenschaft auf? Er macht seinen Gegnern damit ein Zuge- ständnis, um sie von ihrem eignen Standpunkt ans zu bekämpfen. Deshalb braucht er auch die auffallende Wendung: siquidem prophetice dictum est. die bedeutet: „wenn ja, wie ihr behauptet, in prophetischem Sinne gesagt ist'*. Er geht also auf die An- schauung seines Gegners ein; die Auffassung, die er hier auf- nimmt, linden wir aber in der Quelle des Epiphan. ausgesprochen: löov yciQ Ixiyvm xa jtQcora, 6x8 i\v ev vjivco Xiycov oxi ooxovv Ix xeor ooxüjv fiov. xal Iniyvm xa jzaoovxa, ftexcc JtXa- oO-fjrcu xi]v yvvalxa kjtiyvovq avxrjv axe xov odfiarog yofiwtjv. xal £üZQO(p?]x evos jtsqI xcov eöofievmp, oxi tvsxsv xovxov xaxaltlipei av&QOMzog xov jzaxt'oa avxov xal xi)v [ifjxeoa avxov , xal jiQooxoXZ?]B-?]6exai x?] yvvatxl xal hoovxai ol ovo elq odgxa y.iav.

An dem andern Punkt ist die Beziehung auf Haer. 4S frei- lich nicht ganz so einleuchtend. Wo Tert. beweisen will, eine zweite Ehe sei unerlaubt, weil die eheliche Gemeinschaft auch nach dem Tode im Auferstehungsleben fortbestehe, schreibt er: Ergo qui cum deo erimus, simul erimus, dum omnes apud deum uniim (licet merces varia, licet multae mansiones penes | irrem eundem), uno denario eiusdem mercedis operati, id est vitae aeternae, in qua magis non separabit quos coniunxit deus, quam in ista minore vita separari vetat (monog. 10)2). Was soll hier die Restriktion; ..mag der Lohn auch verschieden sein, mag es viele Wohnungen geben bei demselben Vater"? Sie ist be-

1) In de virg. vel. 5 sieht er durch jenes Wort das Verhältnis des Mannes zum Weibe für die Zukunft charakterisiert. In de anima 11 heisst es: Nam et si Adam statim prophetavit magnum illud sacramentum in Christum et ecclesiam : hoc nunc os ex ossibus meis et caro ex carne mea. (Reift*. 315 28) vgl. cap. 21: Si quia prophetavit magnum illud sacramen- tum in Christum et ecclesiam. (R. 333 26). Höchst wahrscheinlich hat er diese Deutung auch in der verlorenen Schrift de eestasi vorgetragen (s. Voigt a. a. 0. S. 35 ff.). Sie kehrt wieder de ieiun. 3: Verum et ipse tunc in psychicum reversus post eestasin spiritalem, in qua magnum illud sacra- mentum in Christum et ecclesiam prophetaverat. R. 277 7.

2) Oehler I. 777.

5*

(;§ R-olffa, Urkunden aus dem antimontanistischen Kampfe.

sonders in ihrer zweiten Hälfte geeignet, seiner ganzen Argu- mentation die Spitze abzubrechen: denn giebl es riele Wohnungen beim Vater, verschiedene Stufen (U>v Seligkeif, so wird dadurch sehr zweifelhaft, ob im jenseitigen Leben eine besondere Gemein- schaft der Ehegatten fortbestehen wird. Tert. muss also seinem Gegner gegenüber ein hervorragendes Interesse daran gehabt haben, verschiedene Grade der Seligkeit zu behaupten. Dies er- klärt sich durch den Abschnitt Haer. 48 c. 10 (p. 436, 28 ff). Hier wird nämlich ein Ausspruch Montans bestritten, nach welchem „die Gerechten hundertmal heller leuchten werden als die Sonne und die Geringen unter den Erlösten hundertmal heller als der Mond". Dem gegenüber wird behauptet, der Herr werde den Seligen bei der Auferstehung nicht andere Leiber verleihen, sondern die Leiber der Gestorbenen mit Herrlichkeit ausstatten, und der Ausspruch Montans wird an dem Wort: „Es werden eure An- gesichter leuchten wie die Sonne" als Pseudoprophetie beurteilt. Indem Montan also verschiedene Stufen der Seligkeit kennt und die von Christus verheissene überbietet, beweist er sich als falscher Prophet. Diesem Vorwurf will Tert. keine Berechtigung zuge- stehen; deshalb betont er ausdrücklich: Mit der Vereinigung aller Seligen bei Gott sind verschiedene Stufen der Seligkeit nicht ausgeschlossen.

Endlich soll eine Berührung zwischen den beiden Schriften nicht unerwähnt bleiben, die zwrar für sich allein nicht ins Ge- wicht fällt, aber in Verbindung mit den übrigen doch nicht ohne Bedeutung ist. Es lässt sich nämlich im Eingang von de monog. eine Anspielung auf die Sätze erkennen, mit denen der Anti- montanist seine Erörterung gegen die Monogamie eröffnet (p. 435, 11 20): al ya.Q jtlslovg rcov aigtöecov rovrcov xb yafielv xm- Xvovölv, Jtexeö&at ßpatfiarcov jragayyeZZovGtv, ov% tvexev Jto- lixdag jiqotqsjio^svoc, ov% tvexev agerrjg (lelCovog xal ßga- ße'iwv xal ot£(pap(ov, alla ßöeZvxrä ravza vjto Xqiötov yeyevrjfitva rjyovtuevoi. II de ayia exxXrjöla xal xagfrevlav öo^a^ei xal fwvot/jTa xal cyveiav xal z?jqogvv?]v ejtatvel xal yafiov oefivbv zifia xal öexerai, jiogveiav öe xal [lor/eiav xal aoeXyetav djtayogevei. Wie er also damit beginnt, den kirch- lichen Standpunkt als den gesunden Gegensatz gegen falsche häretische Askese zu kennzeichnen, so setzt die Schrift Tert.s ganz in derselben Weise damit ein, die montanistische Praxis

IL Tertulliana Gegner in de monogamia. 69

als den richtigen Mittelweg zwischen den Abwegen häretischer Weltentsagung und katholischer Laxheit zu charakterisieren: Eaeretici nuptias auferunt, psychici ingerunt Uli nee semel, isti non semel nubunt Quid agis, lex creatoris? lnter alienos spa- dones et aurigas ? fcuos tantundem quereris de domestico obse- quio quantum de fastidio extraneo. Penes nos autem, quos spiritales merito dici facit agnitio spiritalium charis- lnatuin. continentia tarn religiosaest quam licentia vereeunda, quan- doquidem ambae cum Creatore sunt. Continentia legem nuptiarum honorat, licentia temperat. Die Einleitung des Antimontanistcn heint hier ins Tertullianische übersetzt. Wenn auch die an entscheidenden Punkten stattfindenden wörtlichen Berührungen (fastidium ßöelvxroq, honorat Ti^ia) zufällig sein könnten, so Lsl doch die Übereinstimmung beider Schriften im Ausgangspunkt schwerlich ein Zufall; vielmehr wird Tert. seinen Eingang in direktem Hinblick auf die einführenden Worte seines Gegners niedergeschrieben haben.

Trotzdem sich die antimontanistische Schrift nur in der sicher viele charakteristische Züsje verwischenden Bearbeitung;

TD O

des Epiphanius erhalten hat, ist es doch gelungen, eine Anzahl von Berührungen zwischen ihr und de monogamia aufzuzeigen, nach welchen für ein litterarisches Abhängigkeitsverhältnis ein hoher Grad von Wahrscheinlichkeit besteht. Man darf sagen: Tert. bekämpft allem Anschein nach in de monogamia die Quellen- schrift von Epiph. Haer. 48 c. 1—13. (c. 426, 20— p. 442, 15)1). Nur ein Einwand Hesse sich dagegen erheben. In de monog. 11 scheint sich Tert. bei der Besprechung des Wortes 1. Cor. 739 zur Widerlegung seiner Gegner auf den griechischen Urtext zu be- rufen: darnach könnte die ihm vorliegende Schrift nicht in griechischer Sprache verfasst sein 2). Aber Tert. richtet sich in dem Zusammenhang gar nicht gegen seinen Widersacher, sondern er kor- rigiert das durch eine ungenaue Übersetzung entstandene vulgäre Verständnis jener Stelle aus l.Cor.7, weil durch dasselbe seine Wider- legung unverständlich wird: „Wir wollen uns doch klar machen, dass der Spruch nicht so im authentischen griechischen Text steht

1) Soweit erstreckt sich dieselbe nach den Nachweisungen von Voigt a. a. 0. 113 ff'.

2 Bonwetsch, Die Schriften Tert.s S. 65.

70 Rolft's, Urkunden aus dem antimontanistischen Kampfe.

wie er in den Gebrauch übergegangen ist durch die entweder schlau berechnete oder unabsichtliche Verkehren g zweier Silben:

Si autem dormierit vir cius, als ob er von der Zukunft spräche und deshalb sich offenbar auf eine bezöge, welche erst im Glaubensstande ihren Mann verloren hätte"1). Tert. behaupte! nämlich, das Wort 1. Cor. 739 beziehe sich auf eine Frau, die als Wittwe getauft sich wieder verheiraten wolle, während durch das dormierit der Sinn sich ergiebt: wenn der Gemahl einer getauften Ehefrau stirbt, so darf sie wieder heiraten. Die Berufung auf den griechischen Text war nicht seinem Gegner gegenüber not- wendig, sondern sie war zur Aufklärung seiner Leser erforderlich, denen sonst durch die vulgäre Form des Spruches das Verständnis für seine Argumentation abgeschnitten wäre.

3. Die Abfassungszeit der Quelle von Epiplian. Haer.

48, 1-13.

Die Annahme, Tert. weist in de monog. die Angriffe des Antimontanisten bei Epiphanius zurück, würde von den grössten Schwierigkeiten gedrückt sein, wenn dieser, wie Voigt behauptet, zwischen 179/180 und 207 geschrieben hätte, wenn seine Schrift etwa 205 206 verfasst wäre2). Denn da die Abfassung von de monogamia sicher nach 217 anzusetzen ist, so hätte Tert. über 11 Jahre verstreichen lassen, ehe er auf die erfahrenen Angriffe reagierte; dies ist bei seiner polemischen Schlagfertigkeit aber undenkbar. In diesem Falle könnte also de monogamia nicht durch die Anklagen des Antimontanisten von Haer. 48 hervor- gerufen sein. Indessen ist die Datierung der Quelle durch Voigt auf durchaus schwankender Grundlage unternommen. Er geht davon aus, dass zu der Zeit, wo Apollonius seine antimontanistische Schrift verfasst, in Phrygien eine prophetische Person, die nicht mit Maximilla identisch sein kann, schon einige Zeit ihr Wesen getrieben hat. Die Quelle des Epiphan. betont auf das nach- drücklichste, dass nach Maximilla kein Prophet mehr unter den Montanisten aufgetreten sei, also muss sie vor dem Auftreten

1) Sciamus plane non sie esse in Graeco authentico, quomodo in usum exiit per duarum syllabarum aut callidam aut simplicem eversionem: Si autem dormierit vir eius ; quasi de futuro sonet ac per hoc videatur ad eam pertinere quae iam in fide virum amiserit. Oehler I. 780.

2) a. a. O. S. 108. 111.

II. Tertullians Gegner in de monogamia. 71

dieser phrygischen Prophetin verfasst sein. Apollonius schreibt 212, die Prophetin ist einige Jahre vorher schon aufgetreten, etwa 207; also ist die Quelle des Epiphanius kurz vor 207 verfasst und zwar unmittelbar nach dem Erscheinen der ersten 6 Bücher von Tert.s Werk de ecstasi, dessen Argumentationen sie voraussetzt. So unanfechtbar diese Schlüsse auf den ersten Blick scheinen, so wenig vermögen sie doch eine kritische Prüfung auszuhalten 1). 1. Für das Werk des Apollonius ist auch durch die scharf- sinnigen Untersuchungen Voigts über die Chronologie des Mon- tanismus keineswegs das Jahr 212 als Abfassungszeit zur allge- meinen Anerkennung gebracht2). Aber wenn es feststände, so würde Voigt gerade mit dem in Konflikt kommen, was er m. E. zur Evidenz gebracht hat, dass die Quelle des Epiphanius Tert.s Schrift de ecstasi voraussetzt. Über dieses Werk berichtet nämlich Hieronymus: Tertullianus sex voluminibus adversus ecclesiam editis, quae scripsit jttQi exöraGecog, septimum proprie adversus Apollonium elaboravit, in quo omnia, quae ille arguit, conatur de- fendere 3). Darnach ist das Werk de ecstasi erst nach dem Er- scheinen der Schrift des Apollonius vollendet. Voigt versteht die Nachricht des Hieronymus dahin, „dass das 7. Buch von Tert.s Werk über die Ekstase ein Ganzes für sich war, ein Anhang, eben erst veranlasst durch die Angriffe des Apollonius," und findet keine Schwierigkeit darin, wenn das 7. Buch von de ecstasi den 205 206 erschienenen ersten Büchern erst nach 212 gefolgt ist. Aber ganz unerklärlich wird dann, weshalb es den Titel de ecstasi trägt. Apollonius hat in seiner Schrift „die Prophetien der Montanisten

1) Loofs. Theol. Ltt. Ztg. 1893 S. 302 hält diese leitenden Gedanken für wohlbegründet. Dagegen will er nicht anerkennen, dass die Quelle des Epiph. Tert. bekämpft. Voigt behauptet aber auch nur, dass dieselbe „in direktem Hinblick auf eine Schrift Tert.s verfasst wurde", und dies ist m. E. eines der sichersten Ergebnisse seiner Untersuchung. Loofs dürfte S. 42 in Voigts Schrift nicht ganz genau gelesen haben, wenn er Ltt. Ztg. 1893 S. 301 Voigt die Alternative aufstellen lässt: „die alte Quelle habe ent- weder eine specielle Widerlegung des Montanisten Tert. im Auge gehabt oder sie rühre aus Tert.s Zeit her". Deshalb wird auch V. von dem Vor- wurf nicht getroffen, er entscheide sich zuerst für die eine und dann für die andere Alternative. V. hat 3 mögliche Annahmen aufgestellt und sich für die dritte entschieden, um dabei zu bleiben.

2) s. Zahn, Forschungen zur Geschichte des Kanon V. S. 27.

3) de vir. ill. c. 40 Migne Tom. 23 p. 690.

72 Rolffa, Urkunden aus dem antimontaniatischen Kampfe.

als falsch nachgewiesen, indem er sie der Reihe nach durchnahm, und er hat Gericht gehalten über das Leben der Häupter der Häresie;"1) die ekstatische Form der Prophezeihungen bildete för

ihn, wenn überhaupt, so jedenfalls aur einen untergeordneten An- griffspunkt. Mithin kann auch Tert.s Entgegnung nicht vor- wiegend eine Verteidigung der Ekstase gewesen sein. Weshalb trug dieselbe dann aber den Titel eines 6 Jahre früher erschienenen Werkes, der ihren Inhalt durchaus nicht deckte? Darauf lässt sich keine Antwort geben. Nein, die Notiz des Hieronymus besagt: In 6 Büchern über die Ekstase hat Tert. die Kirche angegriffen und in seinem 7. selbständig erschienenen Buche hat er sich gegen die Angriffe des Apollonius verteidigt; indem dieses alle erhobenen Anschuldigungen widerlegte, handelt es nicht mehr eigentlich von der Ekstase, es geht aber unter dem Titel der früheren Bücher aus, weil es unmittelbar im Anschluss an sie ausgearbeitet ist und die Ergänzung derselben bildet. Es können also auch die ersten 6 Bücher de eestasi frühestens 211212 ver- fasst sein.

2. Die Voraussetzung, auf der Voigts Beweisführung ruht, ist unbeweisbar und sehr wahrscheinlich hinfällig:. Er nimmt an, dass der Verfasser der Quelle des Epiphanius auch sofort von dem Auftreten der Prophetin in Phrygien hätte Kunde haben müssen; weil diese nun etwa 207 aufgetreten sein müsste, so soll er nicht nach 207 geschrieben haben können. Aber nach Voigts eigner Annahme lebt er im Abendland, wahrscheinlich in Rom; es ist gänzlich unbeweisbar, dass er von dem Auftreten einer Prophetin in Phrygien sofort unterrichtet sein musste; es ist dies sogar sehr unwahrscheinlich. Victor hatte ja die kirchliche Ge- meinschaft mit den Gemeinden Kleinasiens aufgehoben: damit hörten die Beziehungen zwischen ihnen und Rom auf, es wurden daher auch die Nachrichten, die über Vorgänge in kleinasiatischen Gemeinden nach Rom gelangten, spärlicher und unsicherer. Von jener neuen phrygischen Prophetin erfuhr man daher wohl erst durch die Schrift des Apollonius, wenn diese überhaupt in Rom gelesen wurde.

1) Eus. Hist. eccl. V. c. 18: xaq fxev (peQOfxsvaq ccvxwv TtQocprjxelaq ipsvösZq ovoaq xaxa Xbfyv ev&vvcov, xbv 6h ßiov xwv xfjq alpsGswq aQyrjyöJv biiolöq xiq ytyove öieltyxwv.

IL Tertullians Gegner in de monogainia. 73

3. Selbst wenn der Antimontanist bei Epipli. über die dem Apollonius bekannte Prophetin sofort unterrichtet war, so brauchte er in seiner Schrift doch keine Notiz davon zu nehmen. Hier kam es ihm darauf an, den Selbstwiderspruch derjenigen Montanisten aufzudecken, die nach Montan, Priscilla und Maximilla keine Propheten mehr anerkennen wollten. Schrieb er nun im Hinblick auf Tert., so konnte er alle seine Ausführungen aufrecht erhalten, auch wenn er wusste, dass in Plnygien eine neue Prophetin auf- getreten und von einem Teil der Montanisten anerkannt sei; denn Tert. hat ausser den genannten keinen Propheten anerkannt, und wenn jene Prophetin, wie Voigt vermutet, Quintilla war, so kam sie überhaupt für die abendländischen Montanisten nicht in Betracht.

Die glänzenden Ausführungen Voigts über die Chronologie des Montanismus sind für die Bestimmung der Abfassungszeit dir Quelle von Haer. 48 gänzlich ergebnislos. Voigt hat nach- gewiesen, dass sie Gedanken Tert.s voraussetzt, die dieser aller Wahrscheinlichkeit nach ausführlich und im Zusammenhang in de eestasi entwickelt hat; wollte er ihre Abfassungszeit bestimmen, so musste er versuchen, de eestasi zeitlich festzulegen. Dies ist der einzige Weg für eine einigermassen stichhaltige Datierung der antimontanistischen Urkunde. Ist er nicht gangbar, so wird man überhaupt auf eine solche verzichten müssen.

De eestasi war ohne Frage eine Rechtfertigung der eksta- tischen Form der montanistischen Prophetie und damit natürlich auch eine Verteidigung ihres Inhaltes; sie war die umfassendste Verteidigung der Parakletoffenbarung. Nun erzählt Tert. adv. Praxean 1: Et nos quidem postea agnitio paracleti et defensio disiunxit a psychicis *). Darnach wird die Anerkennung des Parakleten ihn der Kirche innerlich entfremdet und die Ver- teidigung desselben dann den äusseren Bruch herbeigeführt haben; denn die Trennung Tert. von der Kirche fällt nicht mit der An- erkennung des Parakleten zusammen. Die Scheidung von den Psychikern vollzog sich vielmehr in zwei Akten; die Anerkennung des Parakleten hat dieselbe nur vorbereitet; erst als Tert. als Verteidiger der neuen Prophetie auftrat, wurde die Trennung de- finitiv und führte zur Separation der montanistischen Gemeinde

1) Oehler II 654.

74 Rolffs, Urkunden aus dem antimontanistisehen Rumpfe.

von der Grosskirche. War nun de eestasi die Apologie des Pa-

rakleten, so fällt ihre Abfassung zeitlich mit der Trennung Terts. von der Kirche zusammen.

Von den uns erhaltenen Schriften steht diesem definitiven Bruch der Zeit nach am nächsten de virginibus velandis. Der Satz Bonwetsch', diese Schrift setzt einerseits gottesdienstliche Ge- meinschaft der Katholiker und Montanisten zu Karthago voraus, spiegelt andererseits Verhältnisse wieder, die sehr geeignet waren, derselben ein Ende zu bereiten1), ist mit aller Entschiedenheit aufrecht zu erhalten. Es findet zwischen Katholikern und Mon- tanisten ein Streit über die Verschleierung der Jungfrauen statt, der allem Anschein nach einen definitiven Bruch herbeigeführt hat. Die Katholiker verlangen stürmisch die Entschleierung der Jungfrauen der rigoristischen Partei und scheuen selbst vor Gewalt- thätigkeiten gegen verschleierte Jungfrauen nicht zurück; darin spricht sich eine Gereiztheit und eine Leidenschaft aus, bei der an eine Versöhnung der Richtungen nicht zu denken ist. Nöldecheu hat hier grosse Verwirrung gestiftet2), indem er in dem Schleier- streit eine interne Angelegenheit der montanistischen Gemeinde sehen will: „Es ist auch besonders beachtenswert, dass, nachdem die Frage vom Schleier in einer Anzahl Bücher unter verschiedenem Gesichtspunkt gestreift ist, diese Frage hier argumentierend in dem eigenen Hause behandelt wird: wozu, ruft er hier aus, soll uns denn das Walten des Geistes, wenn nicht sicherlich dazu, dass die Disciplin ihre Richtung, dass die Schrift ihre Auslegung, dass der Verstand seine Förderung, dass alles guten Fortgang erhalte? Hier betont er ja gar nicht, wie gemeinhin in den Werbeschriften, dass man den Parakleten annehmen soll, sondern das ist die Forderung, dass man den Parakleten sein Werk ungehindert voll- ziehen lasse." Dieser Auffassung, die sich auf den Satz stützt: Quae est ergo paracleti administratio , nisi haec, quod diseiplina dirigitur, quod scripturae revelantur, quod intellectus reformatur, quod ad meliora proficitur?, widerspricht erstens der Zusammen- hang, in welchem der Satz steht; sie wird zweitens durch den Wortlaut desselben nicht gefordert.

1) Die Schriften Tert.s S. 54 s. auch Hauck, Tert.s Leben und Schriften S. 200 Änm. 6.

2) Die Abfassungszeit der Schriften Tert.s T. u. U. V. 2. p. 125 ff.

IL Tertullians Gegner in de nionogamia. 75

1. Der Gedankengang Tert.s ist folgender: die Wahrheit fordert die Verschleierung der Jungfrauen; wenn eine davon abweichende Gewohnheit besteht, so ist dieselbe aus einer gewissen Einfalt und Unwissenheit hervorgegangen und hat der Wahrheit gegen- über kein Recht; daher mögen sich die vorsehen, denen das als Neuerung erscheint, was an sich alt ist; eine Häresie weist sich als solche aus nicht durch ihre Neuheit, sondern durch Wider- spruch gegen die Wahrheit. Es giebt nur eine regula fidei; ob- gleich diese anverändert bleibt, muss sich doch auf Grund der- selben »üne Entwicklung der Disciplin und des Wandels zum Besseren vollziehen, indem die Gnade Gottes wirkt und bis ans Ende Fortschritte macht; denn deswegen hat der Herr den Pa- rakleten geschickt, dass er, da die menschliche Schwachheit nicht alles auf einmal fassen konnte, die Disciplin allmählich zur Voll- kommenheit bringe nach dem Wort Joh. 16 12. Wenn Tert. im Anschluss hieran fragt: Was ist also das Amt des Parakleten, wenn nicht dies, dass die Disciplin geregelt wird?, so hat die Frage den Sinn: Der von Christus verheissene und gesandte Paraklet kann kein anderes Amt haben, als die Entwicklung der Disciplin zu leiten; wenn Christus also Joh. 16 12 den Parakleten oder den Geist der Wahrheit verheisst, so sagt er damit, die Dis- ciplin muss sich weiter entwickeln. Dies wollte Tert. ja be- weisen: eine Entwicklung der Disciplin ist notwendig und Neuerungen auf diesem Gebiet sind also nicht häretisch. Es wird wieder gefordert, dass man den Parakleten annehmen, noch dass man ihn sein Werk vollziehen lassen sollte, eine derartige praktische Forderung an die sittliche Entscheidung liegt überhaupt ganz fern, sondern Tert. verlangt nur das theoretische Zu- geständnis, dass die Gnade Gottes in der Kirche fortwirkt und der Paraklet, den Christus verheisst, die Disciplin weiter ent- wickeln kann.

2. Nöldechen übersetzt: „Was soll nns denn dann das Walten des Geistes, wenn nicht sicherlich dazu etc." Er fasst administratio als die Thätigkeit des administrare und nimmt die Worte quae est als Frage nach dem Zweck dieser Thätigkeit; er gewinnt auf diese Weise den Sinn: Welchen Zweck hat denn das Wirken des in der Kirche thätigen Geistes, wenn nicht den, der Disciplin ihre Richtung zu geben? Dann liegt darin eine Aufforderung, doch den Parakleten, dessen Wirken man anerkennt, sein Werk aus-

7i; Rolffs, Urkunden aua dem antimontanietuchei] Kampfe.

führen zu lassen, indem man sich seiner Disciplin unterwirft; eine solche könnte dann freilich nur an Montanisten gerichtet werden.

Aber gestattet schon dw Zusammenhang nicht, eine derartige For- derung in dieser Frage zu suchen, so ist auch der Wortlaut dieser Auslegung keineswegs günstig. Quae est ergo administratio para- cleti? wäre als Frage nach dem Zweck der administratio sehr unge- schickt, ergo ein durchaus mangelhafter Anschluss an das Vorher- gehende. Nöldechens Deutung ist auch kein es wegs notwendig. Admi- nistratio bezeichnet ebenso wie die Thätigkeit die Befugnis des adnii- nistrare; man wird den Worten „quae est" sicher mehr gerecht, wenn man sie als Frage nach dem Inhalt dieser Befugnis fasst, und in- dem sich ergo folgernd an Joh. 16 12 anschliesst, legt es nahe, „para- cleti" auf den hier verheissenen Geist zu beziehen und nicht auf den nach Anschauung der Montanisten in Montan erschienenen. Dann ergiebt sich der Sinn: Welchen Inhalt hat also die Befugnis zur Leitung, die der von Christus verheissene Geist besitzt, wenn nicht den, dass die Disciplin geregelt wird? Das ist der Gedanke, der durch den Zusammenhang gefordert ist: mit der Verheissung des Parakleten zur Erschliessung neuer Wahrheiten spricht der Herr von einer Weiterentwicklung der Disciplin. Wir haben hier mithin nicht eine Frage, die er an Montanisten richtet, sondern mit der er Gegner in Verlegenheit führen möchte, die eine Entfaltung der Disciplin leugnen.

Dass de virginibus velandis eine innermontanistische Krise behandelt, ist also nicht daraus zu folgern, sondern vielmehr das Gegenteil. Man kann Nöldechen zugeben, dass die Verschleierung der Jungfrauen kein speeifisch montanistisches Schibboleth war, sondern eine Frage, die auch innerhalb katholischer Kreise ver- handelt wurde, wie de oratione zeigt. Aber daneben kann die Möglichkeit sehr wohl bestehen, dass diese Frage in Karthago der Anlass zur Trennung der Montanisten und Katholiker wurde. Der Beweis dafür lässt sich nach Nöldechens gegenteiligen Be- hauptungen nicht ersparen.

1. Tert. betrachtet sich als Mitglied der ungeteilten Gross- kirche; denn er behauptet, die abendländischen bilden mit den griechischen Gemeinden einen unteilbaren Körper, sie haben zu- sammen denselben Glauben, denselben Gott, denselben Christus, dieselbe Hoffnung, dasselbe Sakrament der Taufe. „Wir bilden kurz gesagt eine Kirche. So gehört uns alles, was den Unsern

II. Tertullians Gegner in de inonoganiia. 77

gehört. Sonst zerteilst du den Körper1)." Unter den gemeinsamen Stücken wird die Offenbarung des Parakleten nicht genannt, ob- gleicfa sie kaum fehlen könnte, wollte Tert. die Solidarität der montanistischen Gemeinden Griechenlands und des Occidentes be- tonen. Mit dem letzten Satz setzt er voraus, dass der Körper der auf der Glaubensregel ruhenden Kirche nicht geteilt werden darf; der Riss zwischen Psychikem und Spiritalen ist also im Abend- land noch nicht vorhanden.

2. In der Präge der Verschleierung der Jungfrauen besteht innerhalb der montanistischen Richtung kein Zwiespalt. Tert. sagt ganz allgemein: „Die den Parakleten angenommen haben, ziehen die Wahrheit der Gewohnheit vor. Die ihn gehört haben, nicht einst, sondern bis jetzt als den Propheten, verschleiern die Jungfrauen2)/' Die Gegner der Verschleierung sind den An- hängern derselben gegenüber entschieden in der Mehrzahl; letztere sind die Geduldeten3). Die ersteren können also nicht der mon- tanistischen Gemeinde angehören; denn unmöglich konnten hier diejenigen das Übergewicht haben, die mit der Disciplin des Pa- rakleten sich in offenem Widerspruch befanden. Ebenso undenkbar ist es, dass Montanisten sich der Auktorität des Parakleten gegen- über auf die Gewohnheit, d. h. auf die kirchliche Tradition be- rufen haben sollten. Durchschlagend aber ist endlich folgendes: Die un verschleierten Jungfrauen verlangen, dass die Verschleierung der andern abgeschafft werde, da sie ihnen Ärgernis gebe. Darauf fragt Tert.: Quid enim si et incontinentes dicant se a continen- tibus scandalizari, continentia revocanda est? Et ne multinubi

1) Non possumus respuere consuetudinem, quam damnare non possu- mus, utpote non extranearu, quia non extraneorum , cum quibus scilicet commanicamus ius pacis et nomen fraternitatis. Una nobis et illis fides, unus deus, idem Christus, eadem spes, eadem lavacri sacramenta, semel dixerim, una ecclesia sumus. Ita nostrum est quodeumque nostrorum est. Ceterum dividis corpus (cap. 2).

2) Hie erit solus a Christo magister et dicendus et verendus. Non enim ab se loquitur, sed quae mandantur a Christo. Hie solus antecessor, quia solus post Christum. Hunc qui reeeperunt, veritatem consuetudini anteponunt. Hunc qui audierunt usque, non olim, prophetantein, virgines contegunt (cap. 1).

3) Contenta erat reritae pacisci cum consuetudine, ut tacite sub con- suetudinis nomine frueretur se vel ex parte (cap. 3).

78 Rolfts, Urkunden aus dem antimontanistischen Kampfe.-

gcandalizentur monogam ia recusanda est?1) Darnach giebt es in der Gemeinde mehrfach Verheiratete; Tert. kann also keine mon- tanistische Gemeinde vor Augen haben; denn diese erzwangen die Monogamie durch Ausstossung der mehrmals Vermählten2). T > I - Montanisten gehören also noch der katholischen Gemeinde an, und ihre Gegner im Schleierstreit sind eben ihre nicht parakletgläubigen Gemeindegenossen.

3. Der Streit ist entstanden durch, eine Reaktion der Katho- liker gegen den wachsenden Einfluss montanistischer Sitte auf die Gemeinde. Als man sich der Erkenntnis nicht mehr ent- ziehen konnte, dass bei der Gleichberechtigung der montanistischen Praxis mit der katholischen in der Gemeinde immer mehr Jung- frauen den Schleier nahmen und also die montanistische Sitte immer grösseren Einfluss gewann, wurde eine heftige Agitation dagegen ins Werk gesetzt, indem die grosskirchlich gesinnten Jungfrauen die Entschleierung der andern forderten.3) Diese Agi- tation wird unterstützt, ja sie ist vieleicht angestiftet durch rö- mische Emissäre, die gestützt auf das hohe Alter ihrer Kirche und die Sicherheit ihrer Tradition die Auktorität des Parakleten und seiner Partei in Karthago zu stürzen suchen 4). Sie benutzen

1) Oehler I. p. 887.

2) de monog. 15: quae igitur hie duritia nostra, si non facientes vo- luntatem dei (d. h. die, welche das Gesetz der Monogamie übertreten) renuntiamus? de pud. 1: et ideo durissime nos infamantes paracletum diseiplinae enormitate digamos foris sistimus.

3) Sed quoniam coeperat agnitio proficere, ut per licentiam utriusque moris indicium nielioris partis emergeret, statim ille adversarius bonorum multoque institutorum opus suum fecit. Ambiunt virgines hominum adver- sus virgines dei nuda plane fronte temerariam in audaciaum excitatae et virgines videntur quae aliquid a viris petere possunt, nedum tale factum, ut scilicet aemulae earum tanto magis liberae quanto Christi solius ancil- lae, dedantur illis. Scandalizamur, inquiunt, quia aliter aliae incedunt et malunt scandalizari quam provocari (cap. 3). Oehler L 887.

4) Sed eas ego ecclesias proposui quas et ipsi apostoli vel apostolici viri condiderunt, et puto ante quosdam. Habent igitur et illae eandem consuetudinis auetoritatera, tempora et antecessores opponunt magis quam posterae istae (cap. 2). Sed nee inter consuetudines dispicere voluerunt illi sanetissimi antecessores. Tarnen tolerabilius apud nos ad usque proxime utrique consuetudini communicabatur (cap. 3 p. 885). Man kann diese Stellen nur mit Harnack auf Rom beziehen; besonders setzt das „apud nos" in der zweiten die Karthagische Gemeinde, wo beide Sitten geduldet sind, in

IL Tertullians Gegner in de nionogamia. 79

den Streit als Anlass. um die Trennung der Montanisten von der katholischen Gemeinde in Karthago zu erreichen. Die ganze Situation findet eine gute Beleuchtung durch die Nachricht des Bierony mus: Hie (Tertullianus), cum usque ad mediam aetatcni presbyter ecelesiae permansisset, invidia postea et conttimeliis clericorum Romanae ecelesiae adMontani dogma delapsus in multis libris novae prophetiae meminit, specialiter autem adversus Eccle- siam texuit voiumina de pudicitia, de persecutione, de ieiuniis, de monogaroia, de eestasi libros sex et septimum, quem adversus A/pollonium composuit1). Dieser Bericht ist freilich nicht ohne weiteres verständlich; denn es ist gar nicht einzusehen, wie der Neid und die Anmassung römischer Kleriker Tert. bewogen haben soll, „das Dogma des Montanus anzunehmen". Dies hätte nur dann Sinn gehabt, wenn mit der Annahme der neuen Prophetie die Trennung von der grosskirchlichen Gemeinde verbunden gewesen wäre, sodass Tert. sich durch den Übertritt in eine separierte Ge- meinde den lästigen Intriguen der römischen Kleriker entzogen hätte. Das war aber nicht der Fall; vielmehr ist Tert. auch als Anhänger der neuen Prophetie noch lange Mitglied der Grosskirche ge- blieben. Wir werden die Nachricht des Hieronymus dahin richtig zu stellen haben, dass durch die Intriguen römischer Kleriker in Karthago der Brach zwischen Katholikern und Montanisten er- folgt ist. Hieronymus hat hier zwei Berichte mit einander ver- schmolzen, einmal dass Tert. in seinem Mannesalter zum Mon- tanismus übergetreten war, sodann dass er infolge römischer Intriguen sein Presbyteramt niedergelegt und sich von der Ge- meinde getrennt hatte. Beides musste für den Berichterstatter zu- sammenfallen; denn bei dem Verhältnis zwischen Phrygern und Katholikern, wie er es sonst kannte, war der Übertritt zum Monta- nismus immer mit dem Austritt aus der Gemeinde verbunden. Dass er sich von dem freilich wohl ziemlich einzigartigen Verhältnis beider Parteien am Anfang des 3. Jh. in Karthago keine rechte Vor- stellung machen konnte, geht aus seiner Auffassung von de fuga

Gegensatz zu einer andern, wo die „allerheiligsten Vorgänger" als Auktoritäten für die ausschliessliche Berechtigung der einen angerufen werden. Nöldechen findet für seine Anschauung „die Sache auch ein klein wenig heikel". In der That ist eine derartige Berufung auf die Tradition bei Montanisten undenkbar; der Paraklet, nicht die Tradition war für sie Auktorität. 1) De vir. ill. cap. 53. Migne Tom. 23 p. 698.

§0 Rolffs, ürkandeii aus dem antimontanistischei] Kampfe.

in persecutione hervor, die er als Kampfschrift gegen die Kirche betrachtet und mii de ieiunio, de monogamia und de pudicitia

auf eine Linie stellt.

4. Von den Schriften Tert.s, die wir vor adv. Prax anzusetzen haben, ist de virginibus velandis die einzige, welche eine wirkliche Verteidigung des Parakleten unternimmt. Was sich in früheren Schriften ähnliches findet, geht über einige empfehlende Worte für den Parakleten, einen Hinweis auf die Vortrefflichkeit seiner Disciplin, eine Erinnerung an die Sicherheit der durch ihn ver- mittelten Erkenntnis nicht hinaus. Dagegen wird de virg. vel. 1. eine wirklich principielle Rechtfertigung der Parakletoffenbarung versucht: Auf der Grundlage der regula fidei muss es eine Ent- wicklung der Disciplin geben; diese wird durch den Parakleten geleitet. Alles hat seine Zeit. Wie der Baum aus dem Samen- korn sich allmählig entfaltet, so giebt es auch ein Wachstum der Gerechtigkeit: „Zuerst war sie in unzulänglichen Anfängen, indem sie Gott von Natur fürchtete, von hier schritt sie durch das Gesetz und die Propheten zur Kindheit fort, dann erstarkte sie durch das Evangelium zum Jünglingsalter, jetzt wird sie durch den Parakleten zur Reife gebracht *)". Die ganze Schrift dient der Verteidigung eines Satzes der speeifisch montanistischen Disciplin, der für die abendländische Kirche eine neue Sitte bedeutete; sie unterscheidet sich dadurch wesentlich von de Corona und de fuga. wo ein Stück der alten kirchlichen Disciplin gegen laxe Neuerungen aufrecht erhalten werden soll. Man darf sie daher eine „Ver- teidigung des Parakleten" nennen; wie de eestasi die enthu- siastische Seite der phrygischen Bewegung verteidigte, so tritt de virg. vel. für ihre Gesetzlichkeit ein. Die Bemerkung Terts in adv. Prax. 1 : „Die Verteidigung des Parakleten schied uns von den Psychikern ," wird man daher auch auf diese Schrift mit beziehen müssen, und dann hat man ein direktes Zeugnis dafür, dass sie einen Faktor bei der Trennung Tert.s von der Grosskirche bildete.

Wir dürfen mithin sagen, de eestasi ist etwa in derselben Zeit wie de virginibus velandis verfasst, und zwar ist sie wie diese eine Urkunde des sich vollziehenden definitiven Bruches zwischen Tert. und der Grosskirche. Lässt sich nun dieser Bruch einiger-

1) Oehler I. 884.

IL Tertullians Gegnei in de monogainia. 81

massen zeitlich fixieren? Wir suchen zunächsl einen terminus a quo zu gewinnen. Sicher datierbar ist das erste Buch gegen Marcion; es ist 2n7 verfasst, ..Zu dieser Zeit ist Tert. bereits Montanist, der Paraklet ist ihm Anktorität und seine Disciplin ver- pflichtend. Doch weiss sich darum nichts destoweniger Tert. als Glied der Kirche gegenüber jedem spiritus haeretieus, und ist ihm gewiss, dass die Kirche immer die Wahrheit besessen hat1)". Nach diesen Worten Bonwetsch' dürfte man erwarten, dass seiner Ansicht nach adv. Marc 1 noch keine Spuren dvv vollzogenen Trennung zwischen Montanisten and Katholikern aufweise; allein das Gegenteil ist seine Meinung. Er sagt S. 54: de virg. vel. muss vor de anima geschrieben sein, das separierte montanistische Gottesdienste c. 9 voraussetzt, „also auch wohl vor adv. Mrc. I." Dieses ..also auch wohl" ist für seine weiteren Aufstellungen ver- hängnisvoll geworden, denn es lässt sich durch nichts beweisen, dass 207 die Separation der Montanisten vollendete Thatsache war. Das Gegenteil ist vielmehr wahrscheinlich zu machen. Denn adv. Man-. 1. 29 schreibt Tert.: ..Wir wollen sehen, ob die Einrichtung der Marcioniten, nur Enthaltsame zu taufen, gerecht ist, nicht wie Leute, die das Glück der Heiligkeit vernichten wollen, sondern indem wir die Heiligkeit kennen, ohne die Ehe zu ver- dammen, und ihr nachjagen und 'sie vorziehen, nicht wie dem Schlechten das Gute, sondern wie dem Guten das Bessere. Denn wir verwerfen das Heiraten nicht, sondern wir sichern es, und wir i: reiben die Heiligkeit nicht vor, sondern wir raten sie an, in- dem wir das Bessere wie auch das Gute bewahren dadurch, dass jeder dem nachstrebt, was seinen Kräften entspricht; dann ver- digen wir entschieden die Ehe, wenn gegen sie der Vorwurf der Unflätigkeit erhoben wird, um den Schöpfer zu entthronen, welcher die Ehe nach der Ehrwürdigkeit ihres Wesens segnete zum Wachstum des menschlichen Geschlechtes2)." Hier schliesst er sich vollständig in die Grosskirche ein und spricht mit „wir" von ihrem Standpunkt aus; dies wird deutlich durch den kurz darauf folgenden Satz: Secl et si nubendi iam modus ponitur, quem quidem apud nos spiritalis ratio paracleto auctore de- fendit nimm in fide matrimonium praescribens, eiusdem erit mo-

1) Bonwetsch, die Schriften Tert.s S. 42.

2) (Dehler IL p. 82.

Texte und Untersuchungen, XII, 4.

§2 Rolfts, Urkunden aue dem antimontanistischei) Kampi

dum figere qui modum aliquando difTuderat Er bezeichnet hier

den Montanismus als eine „geistliche Richtung," eine geistliche

Disciplin1), die vom Parakleten ausgehend ..bei uns-' die Mono- gamie verteidigt. Er sieht darin eine besondere Richtung, eine eigentümliche Tendenz innerhalb der Grosskirehe, aber die An- schauung der letzteren über die Ehe unterscheidet er principiell nicht von der seinigen. Das konnte er nicht mehr, wenn er sich gerade aus Anlass ihrer laxeren Sittenzucht von ihr getrennt hatte. Dasselbe Verhältnis besteht zwischen ihm und den Katholikern noch zur Zeit von adv. Marc. III, wo er cap. 24 den Marcioniten gegenüber die montanistischen Orakel als „die bei unserm Glauben bestehende neue prophetische Rede" bezeichnet. Auch hier be- tont er geflissentlich seine Einheit mit den Katholikern 2). Man darf nicht einwenden, den Häretikern gegenüber habe er sich noch immerhin mit den Katholikern zusammenfassen können, auch nachdem er der Grosskirche nicht mehr angehörte. Denn in den Schriften, die zweifellos nach seiner Separation verlaset sind, giebt er den Häretikern gegenüber seinem Dissensus von den Katho- likern auch da Ausdruck, wo es durch den Gedankengang seiner Polemik weniger gefordert war als an der Stelle adv. Marc. I. cap. 29. Ich erinnere an adv. Marc. IV. 22: In spiritu enim homo constitutus, praesertim cum gioriam dei conspicit, vel cum per ipsum deus loquitur, necesse est excidat sensu, obumbratus scilicet virtute divina, de quo inter nos et psychicos quaestio est3). Hier hebt er seinen Gegensatz zu den Katholikern ebenso ge- flissentlich hervor, wie er in jenen früheren Schriften seine Ein- heit mit ihnen betonte. Wir dürfen also sagen: Im Jahre 207 ist Tert. Montanist, aber zugleich noch Mitglied der Grosskirche, und dieses selbe Verhältnis besteht noch zur Abfassungszeit von adv. Marc. III.

Ganz die gleiche Situation lassen die beiden eng zusammen- gehörenden Schriften de Corona militis und de fuga in persecutione erkennen. In beiden findet sich keine Spur einer vollzogenen

1) s. Forcellini zu ratio 14.

2) Hanc et Ezechiel novit, et apostolus Johannes vidit. Et qui apud fidem nostram est novae prophetiae sermo testatur, ut etiam effigiem civi- tatis ante repraesentationem eius conspectui futuram in signum praedicarit. (Oehler II. 156).

3) Oehler II, p. 216.

II. Tertullians Gegner in de monogamia. g

Separation der Montanisten: die böse Bezeichnung Psychiker wendet Tert. noch nicht auf die Katholiker an. Zu diesen negativen treten folgende positive Merkmale:

1. Tert. redet den Adressaten von de fuga, der zur Gross- kirehe gehört, als christlichen Bruder an; derselbe hat sich an ihn um Hat gewandt, er betrachtet ihn also noch als Vertrauens- person. Ein solches Verhältnis wäre zwischen Angehörigen zweier sich feindlich gegenüberstehenden Gemeinden nicht mög- lich *). Den Unterschied zwischen den beiden Standpunkten sieht Tert. hier nur darin, dass den Parakletgläubigen ihre Pflicht in der Verfolgung klar und bestimmt vorgezeichnet ist, während die andern einer sorgfältigen Prüfung bedürfen, da sie infolge ihrer Ablehnung des Parakleten auch mit andern Zweifelsfragen zu kämpfen haben2).

2. Der Soldat, für den Tert. in de Corona eintritt, weil er durch sein standhaftes Bekennen das Martyrium sich zuzieht, gehört nicht zur montanistischen Partei; denn der Tadel, zu welchem seine Handlungsweise den andern Christen Veranlassung giebt, trifft nur seine Person, aber nicht den Parakleten, wenigstens macht Tert. nicht den leisesten Versuch, denselben zu verteidigen3). Er fühlt sich auch hier mit einem Angehörigen der Grosskirche solidarisch.

1) Quaesisti proxinie, Fabi frater, fugiendum necne sit in persecutione, quod nescio quid annuntiaretur (c. 1). (Dehler I. 461.

2) Procuranda autem examinatio penes vos, qui, si forte, paracletuui non reeipiendo deduetorem omnis veritatis merito adhuc etiam aliis quae- stionibus obnixi estis. (ibid.) Zu diesen Fragen gehört z. B. die Wieder- verheiratung, worüber Tert. in de exhort. cast. einen christlichen Bruder berät, und die Verschleierung der Jungfrauen.

3 Exinde sententiae super illo, nescio an Christianorum non eniin aliae ethnicorum, ut de abrupto et praeeipiti et mori cupido, qui de habitu interrogatus nomini negotium fecerit; solus scilicet fortis inter tot fratres commilitones, solus Christianus. Plane superest, ut etiam niartyria recusare meditentur qui prophetias eiusdem spiritus saneti respuerunt (cap. 1). Oehler I 417. Besonders wird durch den letzten Satz deutlich, dass der Soldat nicht durch das Gebot des Parakleten zu seinem Verhalten veranlasst sein kann. Er bedeutet: die Prophetien des Parakleten haben sie abgelehnt; damit sind sie eines Teiles seiner Wirkungen ver- lustig; nun fehlt es noch, dass sie auch die Martyrien nicht wollen, die derselbe Geist unter ihnen wirkt; dann haben sie den Geist gänzlich aus-

getrieben.

6

SJ Rolff's, Urkunden aus dem antimontanistixchen Kampfe.

3. Tert. kann den Parakleten wenigstens als halbe Auktoritäl ins Feld führen, was unmöglich wäre, wenn es wegen der Dig- ciplin desselben zum Bruch gekommen wäre1). Er empfiehlt die Annahme des Parakleten für die Kleriker, die jetzt pflichtver- gessen ihre Herde in der Verfolgung im Stich hissen: sie sollen die Drohungen der Propheten hören gegen die Hirten, die ihre Herde den Raubtieren überlassen. „Das geschieht nie mehr, als wenn in der Zeit der Verfolgung die Gemeinde vom Klerus im Stich gelassen wird. Wenn einer (von den Klerikern ausser den Worten der Propheten) auch den Geist anerkennen wird, der wird auf ihn hören, wie er die Fliehenden straft"2). Er stellt ihnen nicht etwa montanistische Kleriker als Vorbild hin 3), eben so wenig spricht er von Übertritt in eine montanistische Gemeinde, sondern er verlangt einfach: Erkennt den Parakleten an, so werdet ihr nicht in Versuchung kommen, zu fliehen. Endlich rät er sehr ernstlich zu einer allgemeinen Anerkennung des Parakleten; dann allein wird man sich nicht in unwürdiger Weise dem Martyrium entziehen, da er die Kraft zum Dulden giebt4). Nachdem Tert. mit der Grosskirche definitiv gebrochen hat, finden wir einen derartigen Versuch, Propaganda zu machen, in keiner Schrift mehr.

4. Tert. spricht durch gehends vom Standpunkt der Kirche aus. Er schliesst sich allen andern Menschen gegenüber mit den

1) Spiritum vero si consulas, quid magis sermone illo spiritus probat? Nanaque omnes paene ad martyrium exhortatur, non ad fugam; ut et illius commemoremur: Publicaris, inquit, bonuni tibi est; qui enim non publi- catur in hominibus, publicatur in domino etc. (de fuga 9). Oehler I. 478.

2) In quos et Ezechiel et Hieremias iisdem minis perorant, quod

dispersum gregem faciant et in praedam esse omnibus bestiis

agri, dum non est pastor illis. Quod nunquam magis fit, quam cum in persecutione destituitur ecclesia a clero. Si et spiritum quis agnoverit, audiet fugitivos denotantem (de fuga 11). Oehler I. 481.

3) Der Satz : Novi et pastores eorum in pace leones in proelio cervos (de cor. 1) beweist nicht, wie Nöldechen will (T. und U. V. 2. S. 90), dass die leidensscheuen Christen ihren eigenen Klerus haben uud also eine von den Montanisten getrennte Gemeinde bilden, sondern Tert. sagt: ich kenne auch ihre Hirten, nämlich Hirten, wie sie zu ihnen passen, die, anstatt sie an ihre Pflicht zu erinnern, fliehen wie die Hirsche.

4) Et icleo paracletus necessarius, deductor omnium veritatum, exhor- tator omnium tolerantiarum. Quem qui receperunt, neque fugere persecu- tionem neque redimere noverunt, habentes ipsum qui pro nobis erit, sicut locuturus in interrogatione, ita iuvaturus in passione (de fuga 14 p. 492).

II. Tertullians Gegner in de monoganiia. 85

Katholiken! zusammen, wenn er sagt: Alles aber, was gegen die Natur ist. verdient bei allen die Bezeichnung der Monstrosität, bei uns aber auch den Schimpf eines Sakrilegs gegen Gott, den Herrn und Urheber der Natur"1). Er kann sich nicht zu einer Ge- meinde rechneu. die sittlich hoher stände als die anderen eben durch die Annahme des Parakleten, sonders die Schmach, die so viele Gemeinden auf sich nehmen, empfindet er als seine eigene: ..In Masse haben ganze Gemeinden sich einen Tribut auferlegt. Ich weiss nicht, ob man Schmerz empfinden oder erröten soll, wenn in den Listen der Benefiziarier und Polizeispione zwischen den Budenbesitzern, den Bäderdieben, den Würfelspielern und Kupplern auch die Christen als Tributpflichtige sich befinden"2). Gehörte Tert. damals zu einer abgesonderten Gemeinde Paraklet- gläubiger, so würde hier ein hochmütiger Ausdruck der Selbst- befriedigung des Separatisten nicht fehlen, der sich von solchen Menschen geschieden weiss.

r>. In de Corona 14 berührt Tert. die Schleierfrage in einer Weise, die kaum möglich wäre, wenn gerade diese Frage einen so erbitterten Streit hervorgerufen hätte, dass dadurch die Einheit zwischen Montanisten und Katholikern für immer zerriss: Porro et quod obnoxium est velamento, caput feminae, hoc ipso iam oecupatum non vacat etiam obligamento. Habet humilitatis suae sarcinam. Si nudo capite videri non debet propter angelos, multo magis coronato fortasse tunc illos coronatos scandalizaverit. Tert. will hier den Beweis liefern, dass für das weibliche Ge- schlecht ebenso wenig wie für das männliche eine Bekränzung des Hauptes passend sei; unter femina ist daher auch die Jung- frau mitbegriffen. Es wird bei der Argumentation also einfach vorausgesetzt: auch die Jungfrau soll den Schleier tragen. Das war nach de virg. vel. nicht mehr möglich; de Corona ist also vor dieser Schrift d. h. vor dem Bruch Tert.s mit der Gross- kirche entstanden.

Die beiden Schriften lassen sich nun ziemlich sicher datieren; Xüldechens Untersuchungen haben sie mit ziemlicher Gewissheit in die Zeit der während des Prokonsulates des Scapula stattfin- denden Verfolgung gewüesen. Die Liberalitas, deren de cor. 1

1) de corona. cap. ~>. 2 de fdga 13.

85 Rolffs, Urkunden aus dem antimontanistischeii Kampfe.

gedacht wird, kann kaum eine andere sein als die des Ant.onin und Geta im J. 211. Die beiden Schriften sind also nicht vor 211 verfasst1). Da nun der Sehleierstreit kaum ausgebrochen sein wird, als die ersten Schrecken der Verfolgung die Gemeinde

1) s. Texte und Unters. V. 2 8. 89 ff. 105 Z. f. KG. 1890: Tert. vom Kranze. Ich darf es unterlassen, Nöldechens Gründe für seinen Ansatz zu wiederholen; schon Bonwetsch hatte anerkannt, dass eine Reihe von An- gaben aus beiden Schriften auf das Jahr 211 vortrefflich passen. Was ihn hinderte, sie diesem Jahre zuzuweisen, war allein die nahe Verwandtschaft mit der von ihm in die Zeit um 203 gesetzten Schrift de exhortatione castitatis in der Stimmung Tert.s gegen die Grosskirche; nach dieser gleichen Stimmung zu urteilen, müssen die Schriften in der gleichen Situa- tion und daher auch in derselben Zeit verfasst sein. Dies ist ohne Frage richtig; nicht unbedingt sicher ist aber der Ansatz von de exh. cast. in die Zeit um 203. B. kam dazu durch die richtige Beobachtung, dass de exh. cast. zwischen ad uxor. und de monog. ihren Platz habe, und den falschen Ansatz von de monogamia, de iei. und de pud. vor 207. wo er ja ohne Grund die Separation der Montanisten annahm. Gehört de monog. aber erst in die Zeit nach 217 und besteht die Situation von de exh. cast., wie aus adv. Marc. I und III folgt, noch über 207 hinaus, so wird B.s ein- ziger Grund für seinen Ansatz hinfällig, und die für das Jahr 211 sprechen- den Momente treten in ihr Recht. Fällt de monog. nach 217, so kann auch de exh. cast. weiter hinunterrücken ; vermutlich ist sie in zeitlicher Nähe von adv. Marc. I verfasst, wo sich cap. 29 starke Anklänge an sie finden : eiusdem erit modum figere, qui modum aliquando diffuderat, is colliget qui sparsit, is caedet silvam qui plantavit, is metet segetem qui seminavit, is dicet: Superest ut et qui uxores habent sie sint quasi non habeant, cuius et retro fuit: Crescite et multiplicamini, eiusdem finis cuius et initium vergl. de exh. cast. c. 6: Utique enim continentiam indicens et compescens coneubitum, seminarium generis, abolefecit Crescite illud et multiplicamini. Ut opinor autem, unius et eiusdem dei utraque pronuntiatio et dispositio est, qui tum quidem in primordio sementem generis emisit indultis coniu- giorum habenis, donec mundus repleretur, donec novae diseiplinae materia proficeret. Nunc vero sub extremitatibus temporum compressit quod emi- serat et revoeavit quod indulserat, non sine ratione prorogationis in pri- mordio et repastinationis in ultimo. Semper initia laxantur. Propterea silvam quis instituit et crescere sinit, ut tempore suo caedat. Silva erat vetus dispositio, quae ab evangelio novo deputatur, in quo et securis ad radices posita. Ganz unmöglich wird der Ansatz von Bonwetsch, wenn die vormontanistische Schrift Tert.s de patientia und die ihr verwandte de paenitentia, wie Nöldechen nachzuweisen sucht und m. E. auch zu grosser Wahrscheinlichkeit gebracht hat, 203/4 verfasst sind (T. und U. V. 2 S. 59 ff.); denn dann können die montanistischen Schriften de fuga und de Corona nicht auf die Verfolgung von 203 sich beziehen. Aber die Da-

II. Tertullians Gegner in de monoganiia. 87

in aufregende Spannung und kopflose Bestürzung versetzten, so wird de virginibus velandis kaum vor 213 geschrieben sein.

Dieser Ansatz wäre freilich anmöglich, wenn die Acta Per- petuae, die auf jeden Fall vor 211 verfasst sind, das Martyrium montanistischer Christen schildern, die bereits Mitglieder einer von der Kirche getrennten Sekte sind dieser Ansicht scheint Noldechexi zu sein *) . oder wenn dieselben zum Zweck erbau- licher Vorlesung in einer für sich bestehenden montanistischen Gemeinde geschrieben wären dies folgert Hauck aus der Vor- rede der lateinischen Ausgabe der Akten. Nöldechen, der keine (•runde für seine Ansicht vorbringt, auch keinen Gewährsmann nennt, braucht man nur mit Uhlhorn 2) und Bonwetsch 3) entgegen- zuhalten, dass von einem Bestehen zweier Gemeinden in Kar- thago in den Akten sich nicht die leiseste Andeutung findet. Die Märtyrer werden von den Presbytern und Diakonen besucht, sie

in sich überhaupt mit der ganzen Christengemeinde eins. Es giebt streitige Fragen in der Gemeinde; das Volk ist erregt, der Bischof und der Presbyter erscheinen in der Vision traurig und niedergedrückt; aber eine Spaltung besteht nicht. Ausserdem hat die katholische Kirche das Martyrium der Perpetua und ihrer Genossen seit den ältesten Zeiten gefeiert; dies wäre nicht zu erklären, wrenn sie einer der Kirche feindlichen Sekte angehört hätten.

Mehr Recht scheint die Ansicht von Hauck zu haben, we- nigstens nach dem lateinischen Text: Sed viderint qui unam vir- tutem Spiritus unius saneti pro aetatibus iudicent temporum, cum maiora reputanda sint novitiora quaeque ut novissimiora

Itaque et nos qui sicut prophetias, ita et visiones novas pariter repromissas et agnoseimns et honoramus ceteras- que virtutes Spiritus saneti ad instrumentum ecclesiae deputamus

, necessario et digerimus et ad gloriam Dei lectione celebramus4). ..Denn die nos, die im Gegensatz zu den Gegnern des Geistes gedacht sind, sind allein das Subjekt

tierung N.s von de paenitentia ist noch nicht allgemein anerkannt. Jülicher Theol. Litt. Ztg. 1889 S. 334 stimmt ihr zu. 1 a. a. 0. S. 17 ff".

2) Fundamenta chronologiae Tert. p. 16.

3) a. a. 0. S. 75. vergl. auch Zahn a. a. 43 f.

4) Acta mart ed. Ruinart Veronae 1731 p. 80.

$g Rolffs, Urkunden aus dem antimontaniatiflchen Kamp'«-.

der gottesdienstlichen Feier." Allein der letzte Satz ist nicht notwendig auf eine gottesdienstliche Lesung der Passio Perpetua« zu beziehen; Uhlhorn und ßonwetsch haben ihn nicht so gedeutet. Indessen legt freilich der Ausdruck: ad gloriam Dei lectione celebramus diese Deutung nahe. Dagegen ergiebt der griechische Text, in dem wir doch wohl das Original zu erkennen haben !), einen anderen, weniger missverständlichen Sinn: Wenn die alten Beweise eines starken und freudigen Glaubens, die wir in den Martyrien haben, aufgezeichnet sind und zur Erbauung der Ge- meinde dienen, so können auch die neuen Martyrien diesen Zweck erfüllen; denn auch sie werden einst durch Alter ehrwürdig wer- den. „Aber alle diejenigen, welche noch eine einzige Kraftwir- kung eines einzigen heiligen Geistes durch die einzelnen Zeit- abschnitte hindurch mit ihrem Urteil wahrnehmen, sollten sehen2),

1) s. Harnack in Theol. Litt. Ztg. 1890 IS. 4U4. 405. Harris and Gif- ford, The Acts of the Martyrdom of Perpetua and Felicitas 1890 S. 13 ff. Doch ist ein Einverständnis darüber noch nicht erzielt s. Voigt a. a. 0. S. 33 Anm. 1. Harnack, Altchristi. Litt. Gesch. S. 819.

2) Indem der Lateiner schreibt: „Es mögen sich aber die vorsehen,

die , da immer die neueren als die neuesten für die grösseren zu

erachten sind" , durchbricht er den Zschg. : die neueren Martyrien ver- dienen aufgezeichnet zu werden, wie die alten, denn auch sie werden einst durch Alter ehrwürdig. Aber diejenigen, welche überhaupt an ein Fortwirken des heil. Geistes glauben, sollen an ihnen sehen, dass die Wirksamkeit des hl. Geistes immer an Stärke wachsen muss, wie die Mon- tanisten behaupten. Der Lateiner giebt *A)X oipcovzcu oixiveq durch die ihm geläufige Wendung Sed viderint qui wieder und verwandelt dann das oxi, womit er nichts anzufangen weiss, in ote. Der Abschnitt lautet griechisch: )) yd.Q xa vvv TiQayßtvxa ov xr\v avxrjv naQQrjoiav e%8i} entl öoxel nwq slvat xa agyaia ge/uvÖxsqcc; nXrjv xal xavxa vgteqov tcoxe ysvofxeva naXaid, (boavxcoq xotq iaeQ? rjfxäq yevi]oexai xal dvayxala xal xl/ita. äk)l öipcovxai otxiveq filav övvafuv kvbq ccylov nvEVfxaxoq xaxa xdq .rf/uxlaq xqIvovol xüjv xqov(dv, oxl örj övvaxwxEQa eöel vofjod-ai xa. xaivoxEoa, coq h'xovxa av<iavo(Z£v?]q xr\q yaQLXoq xrjq Eiq xa xsXt] xöjv xaiodiv ETtiqyyE'k- fiEvrjq (Act. 2 17). rtfLEiq öh olxivEq TCQOcprjXEiaq xal ogaOEtq xaivaq ÖE'/oiAEÜa xal ETtLyLVwaxofjiEv xal xtfxwfiEv näoaq xdq dvvdfAEiq xov aytov nrtv\uaxoq, (bq xogriyEi xf{ dyla ExxXr\ala TtQoq qv xal inEßcp&r], ndvxa xa yaglo/uaza iv näaiv Sloixovv, exdaxip wq eu&qioev 6 Ssoq, dvayxalwq xal ava/ui/uvi?o- xo/uev xal itQoq otxoöo/urjv ECadyo/j.Ev, (XExd dydjtrjq xavxa noiovvxEq Eiq öogav &eov xal (tva fi?j nwq % dßeßaioq xiq xal okiyoTtioxoq r\ xal xotq naXaiolq fiovov xr/v yaQiv xal xr\v dvvafiiv ölöooxhai vofiloy .... (Harris p. 39, 41).

II. Tertullians Gegner in de monogamia. 89

dass die neueren Wirkungen als die stärkeren wahrgenommen werden mussten, da sie sich vollziehen, während die für das Ende der Zeiten verheissene Gnade zunimmt (gemäss dem Worte Act. 2 17 vergl. Joel 3i). Wir aber, die wir neue Prophetien und Gesichte an- nehmen und anerkennen und alle Kraftwirkungen des heil. Geistes ehren, wie er die heil. Kirche leitet, (zu der er auch gesandt wurde) indem er alle Gnadengaben in allen wohnen lässt, wie es Gott einem jeden zugeteilt hat, gedenken ihrer auch notwendig und führen sie zur Erbauung ein, und zwar aus Liebe zur Ehre Gottes und zu dem Zwecke, dass nicht etwa einer unsicher und kleingläubig sei oder auch glaube, den Alten allein sei die Gnade und die Kraft gegeben." Von einer Aufzeichnung zu gottesdienst- licher Vorlesung ist hier nicht die Rede, der Verfasser berichtet das Martyrium, 1. damit die, welche überhaupt noch an eine einzige durch die Zeiten fortgehende Kraftwirkung des Geistes glauben, sehen, dass dieselbe notwendig an Stärke zunehmen rnusste. 2. weil es für die Montanisten eine Liebespflicht ist, die Kraftwirkungen des Gottesgeistes, die in ihrer Erinnerung leben, den Schwachen und Kleingläubigen zur Stärkung ihres Glaubens an die noch immer wirkende Gnade Gottes nahe zu bringen. Er will Propaganda machen für die neue Prophetie, indem er die [dee einer fortgehenden und stets sich steigernden Wirksamkeit des Geistes Gottes in der Kirche durch Offenbarungen und Mar- tyrien zur Anerkennung zu bringen sucht. Er gehört also not- wendig noch zur Grosskirche, und die Situation ist hier dieselbe wie in de Corona und de fuga.

Man könnte nun auf die Passio Perpetuae noch einen an- dern Einwand gegen die Verlegung der Separation der Monta- nisten in die Zeit um 213 gründen, indem man argumentiert: nach den Perpetuaakten regten im Jahre 203 heftige Kämpfe die Karthagische Gemeinde auf; dies müssen Streitigkeiten zwischen Montanisten und Katholikern über Annahme oder Ablehnung des Parakleten sein ; denn wir wissen von keinen andern in der Kar- thagischen Gemeinde, also wird der Schleierstreit und damit der Bruch doch um 203 anzusetzen sein !). Man könnte diesen Ein- wand sehr einfach erledigen, indem man entgegnete: wenn wir auch von keinen andern Kämpfen wissen, als von denen über die

1) so etwa Bonwetsch nach S. 81 f.

<)0 Rolrt's, Urkunden aus dem anbimontanistischen Kampf"'-.

aeue Prophetie, so können doch noch sehr wohl andere Streitig- keiten, die wir eben nicht kennen, stattgefunden haben. Aber ich will hier eine Vermutung nicht unterdrücken, die wenigstens wohl einmal erwogen werden dürfte. Zunächst: Was können wir über den Streit in der Karthagischen Gemeinde aus cap. 13 der Acta schliessen?

1. Der Presbyter Aspasius steht an der Spitze einer Partei, die sich in Opposition zu dem Bischof Optatus befindet.

2. Der Streit hat zu persönlichen Beleidigungen und zu gegenseitiger Erbitterung geführt, sodass er nur durch wechsel- seitiges Vergeben beigelegt werden kann.

3. Der Streit regt die Gemeinde heftig auf und giebt zu stürmischen Debatten Anlass, die an das Streiten der Circusbe- sucher erinnern.

Dies ist alles. Kein Wort weist auf die neue Prophetie als den Gegenstand des Streites. Ja, es lässt sich die Frage auf- werfen: Wäre es für die Visionäre, die entschieden montanistisch gerichtet sind, ein subjektiv möglicher Gedanke, dass die über den Parakleten entzweiten Kleriker, von denen der eine ihnen ebenso nahe stehen, wie der andere ihnen fremd sein musste, sich von ihnen als von über den Parteien Stehenden versöhnen lassen wollten? Aber in einer Vision ist schliesslich alles mög- lich; man kann daher kein Gewicht auf diese Frage legen. Ein anderer Punkt ist von grösserer Tragweite. Wir haben hier eine Vision, die weiter erzählt und vom Schriftsteller redigiert ist; dabei werden teils unwillkürlich, teils absichtlich die zusammen- hanglosen Traumbilder so gegen einander abgestimmt und ein- ander angenähert, dass sie der Darstellung eines Gedankens dienen. Bezieht man nun 'den zweiten Teil der Vision auf die monta- nistischen Streitigkeiten, so wird jede Verbindung mit dem ersten Teil aufgehoben, und es soll hier doch eine Vision erzählt werden.

Was wird nun im ersten Teil der Vision dargestellt? In den himmlischen Gefilden angekommen, werden die Märtyrer von den Engeln aufgefordert: Gehet zuerst hinein, damit ihr den Herrn begrüsset. 6 xvQioq ist hier natürlich, wie immer im christlichen Sprachgebrauch, Christus. Im folgenden treten sie aber ein in das Allerheiligste vor das Angesicht Gottes; das er- kennt man:

IL Tertulliana Gegner in de inonogamia. 91

1. an den Mauern von Licht, die den Raum umgeben; er wird für sie erst zugänglich, nachdem sie weisse Kleider ange- zogen haben1), vergl, 1. Tim. 6ie;

2. an dem Zuruf: heilig, heilig, heilig, der ihn unaufhörlich umtönt, vergl. Jes. 6s Ä.pok. 4s;

3. aus der Schilderung der Gestalt, die sie sehen; es ist ein Mann in weissem Gewände (av&Qcojrog jioZioq), und sein Haar ist weiss wie Schnee. Das ist der jcaZaiog ?/iu£Qmv aus Dan. 7s.

Diese Erscheinung entspricht aber zugleich dem Bilde, das von Christus in cap. 1 entworfen war'2); auf ihn deutet vor allem das jugendliche Gesicht, das der auf dem Throne Sitzende haben soll. Die Märtyrer sollen den Herrn begrüssen; sie sehen eine Gestalt, in der sie zugleich Gott und Christus erkennen. Was hat das zu bedeuten? Als sie wieder heraustreten, sagt Saturus: Per- petua, du hast, was du wolltest. Etwa Gewissheit, dass ihnen die Märtyrerkrone beschieden sei? Das war ihnen schon früher versichert3). Oder Gewissheit, dass sie zu Christus kommen sollten? Das war für sie als Märtyrer selbstverständlich. Beides wäre auch gar nicht irgendwie symbolisch ausgesprochen. Nein, Perpetua hat Antwort auf eine Frage empfangen, die sie heftig bewegte, weil sie auch die Gemeinde augenblicklich aufregte. Es war die Frage: Wer ist Gott und wer ist ihm gegenüber Christus? Darauf empfängt sie die Antwort: Gott und Christus sind ein und dieselbe Person. Durch diese Antwort ist sie hocherfreut, und nun tritt sie hinaus und sieht Optatus und Aspasius vor sich, die sich über eben die Frage entzweit haben, auf die sie soeben Antwort erhalten hat, und die traurig sind, weil ihnen keine Antwort zuteil wird. Demnach gewinnen wir das Resultat:

incl die modalistischen Streitigkeiten, welche die Karthagische

1) xal Tj?.&o/bt£v 7t?.Tjalov xov xorcov ixeivov xov ttxovxoq xolxovq axiavel ex (fonoq ojxoöofxrjfxtvovq xal tcqo xyq 9vqccq xov xonov ixeivov eioe).d-6vxeq ol xbooaoeq ayyelot eveövaav Tjfxaq levxaq oxoXdq' xal eiar\).- 9-o/uev xal ijxoioa^ev (pcovrjv rjva){jtvr]v ?.ey6vxa)V ayioq, ayioq, ayioq, dxaxartavaxcoq. xal el'öo/uev ev fisau) xov xonov exelvov xaQ-et)6fxevov wq avd-Qomov no'/.iov ov al xoiyeq o/uoiai yiovoq xal vsaobv xb tcqöocdtiov avxoi" nööaq 6h avxov ovx i&eaodfxeS-a (Harris p. 57).

2 xal eiöov exel xtjtcov /utyioxov xal ev fxeaco xov xotcov avd-ow- 7t ov rcoXibv xa&e^o/uevov TtoifXivoq oyj/ua eyovxa vmQ/ueye&T] oq r\}.- (xevye xd TtQoßaxa.

3 cap. IV. Harris p. 45.

92 Rollt's, Urkunden aus dem antimontaniBtiflchen Kampfe.

Gemeinde im J. 203 aufgeregt haben. Die Unruhen zur Zeit des Martyriums der Perpetua dürften vielleicht identisch sein mit der Bewegung, die das Auftreten des Praxeas in Karthago hervorrief1). Dass Praxeas schon 177 nach Rom gekommen sei, ist nicht zu erweisen; vielmehr scheint sein Auftreten in eine Zeit zu fallen, wo Tert. schon länger zum Christentum übergetreten war. Denn nach den Worten traduetae dehinc, per quem deus voluit, war er es, der die Irrlehre widerlegte und Praxeas zum Wider- ruf zwang2). Ist nun Praxeas unter Bischof Victor3) nach Rom gekommen, vielleicht erst gegen Ende seines Episkopates, so steht nichts im Wege, ihn noch 203 in Afrika in Aktion zu denken. Die Schwierigkeit, dass die montanistisch gestimmten Märtyrer dem Modalismus des antimontanistisch gesinnten Praxeas zu- neigten, ist nicht unüberwindlich; nach Hippolyt gab es eine mo- dalistische Richtung unter den Montanisten; überhaupt scheint eine gewisse Sympathie zwischen dem kleinasiatischen Enthusias- mus und jener kleinasiatischen Christologie bestanden zu haben: Tert. macht hier, wie in manchen Stücken, eine Ausnahme. Wenn Saturus in seiner Vision auf die Äusserung: t%eig o IßovXov von

1) Fruticaverant avenae Praxaneae hie quoque superseminatae, dor- mientibus multis in simplicitate doctrinae; traduetae dehinc, per quem deus voluit, etiam evulsae videbantur. Denique caverat pristinum doctor de emendatione sua, et manet chirographum apud psychicos, apud quos tunc gesta res est; exinde silentium. Et nos quidem postea agnitio para- cleti atque defensio disiunxit a psychicis (adv. Prax. 1).

2) s. Voigt S. 57. Anm. 4.

3) s. Möller in R. E. 2 X. S. 257 Hilgenfeld, Ketzergesch. des Ur- christentums S. 568 f. Diess Ansicht setzt sich in Widerspruch mit Ritschi Entst. d. altkath. Kirche 2 S. 542, Lipsius, Chronol. S. 174 Quellen S. 141. Bonwetsch, Gesch. d. Mont. S. 140. 174 und halb und halb auch mit Harnack, Der pseudoeyprian. Tractat de aleatoribus. T. und U. V. 1. S. 114; H. wäre wohl geneigt, das Auftreten des Prax. in die Zeit Victors zu verlegen, dem man wohl montanistische Neigungen zutrauen könnte, ihn hindert daran nur die Kombination des Eintretens der gallischen Märtyrer für die Montanisten 177 mit dem Auftreten des Praxeas gegen sie. Aber diese Kombination ist nur ein Vorurteil. Das darf wohl nach den Ausführungen von Voigt (S. 58 73) als zweifellos gelten; auch Loofs erkennt dies an Theol. Ltt.-Z. 1893 S. 302. Die gleichen Ausführungen giebt Zahn, For- schung, z. Gesch. d. Kanon V. (Paralipomena) S. 47 51. und Langen, Gesch. der röm. Kirche bis Leo I. S. 179 f. hält auch die Zeit Victors als für das Auftreten Praxeas' gesichert.

II. Tertulliana Gegner in de monogamia. 93

Perpetua den überschwenglichen Ausdruck der Freude vernimmt: ra3 fr£(ß y/(Qtg Iva, coq hv öctQxt fietcc yaQao. 8yevoku?]r, Jildova yctQcu rvi\ so zeigt 'lies, wie lebhaft und dringend der Wunsch Perpetuas war. der durch die Vision seine Erfüllung fand. Diese Heftigkeit des Wunsches einer Antwort auf die sie bewegende ge wird um so erklärlicher, wenn Perpetua sich abgestossen fühlte von der antimontanistischen Agitation des Praxeas und doch zugleich von seiner modalistischen Christologie lebhaft an- gezogen wurde.

Sollte sich aber diese Vermutung auch als unhaltbar erweisen, keinesfalls Lässt sich beweisen, dass gerade die in den Akten erwähnten Streitigkeiten den Bruch zwischen Montanisten und Katholikern herbeigeführt haben. Die Akten bilden unter keinen Umständen eine Instanz gegen die Auffassung der karthagischen Verhältnisse, nach welcher die Montanisten von '202 203 bis über 211 hinaus einen Teil der katholischen Gemeinde bildeten. Meint man, die lange Dauer eines solchen immerhin unklaren und auf eine Lösung hindrängenden Verhältnisses sei ganz einzigartig und da- rum unwahrscheinlich, nun, die Persönlichkeit Tert.s, unter deren Einfluss dasselbe sich entwickelte, war auch einzigartig.

Ist somit de virg. velandis schwerlich vor 213 verfasst, so sind die ersten Bücher von de eestasi sicher nicht vor Anfang des Jahres 214 erschienen. Denn zweifellos bezeichnet de virg. vel. das erste Stadium der Separation; sie ist ein Versuch Tert.s. den Streit auf die Schleierfrage zu beschränken, während die römischen Agitatoren ihn wahrscheinlich zum Anlass nahmen, eine principielle Entscheidung über die Offenbarung des Parakleten herbeizuführen. Als dann Tert. sah, die Trennung sei unver- meidlich, trat er mit der Schrift de eestasi hervor, in der er die Forderung aufstellte und begründete: 6el rj^äg xal xa yaglo- f/ara ötysöftat [), um möglichst viele von den Schwankenden in die sich neu konstituierende montanistische Gemeinde hineinzuziehen. Freilich bleibt auch die Möglichkeit offen, dass Tert. nach den in der letzten V erfolgung gemachten schlimmen Erfahrungen zu der Überzeugung gekommen war, nur eine allgemeine Annahme

1 Epiph. haer. 48 c. 1 (Dind. p. 426, 21). Man darf hierin, wenn die Quelle de eestasi berücksichtigte, das diese Schrift charakterisierende Schlagwort sehen.

().| Rollf's, Urkunden uns dem antimontanifltiflehen Kampfe.

des Parakleten könne die christliche Sittenzucht in ihrer alten Strenge erhalten der Schlug» von de fuga könnte dafür sprechen und daher in Wort und Schrift eine stärkere Propaganda für den Parakleten begann, der Schleierstreit wäre dann als die Reaktion der Katholiker dagegen zu begreifen. Dann könnte Tert. die Ausarbeitung von de eestasi schon gleich nach de fuga, also 212 begonnen und die ersten Bücher gleich nach de virg. vel. vollendet haben; erschienen waren sie beim Ausbruch des Schleier- streites jedenfalls noch nicht, sonst würde de virg. vel. sich doch mit irgend einer Andeutung darauf beziehen. De eestasi dürfte also frühestens 213, wahrscheinlicher aber nicht vor 214 erschienen sein. Ein terminus ad quem wird sich leichter bestimmen lassen. Die Urkunde, in welcher Tert. ausdrücklich seinen Bruch mit den Katholikern bezeugt, adversus Praxean, stammt wahrscheinlich aus dem Jahre 218. Früher kann sie nicht verfasst sein, da sie die Glaubensformel des Kallist voraussetzt. Diese Thatsache, ob- gleich nicht allgemein anerkannt, ist doch unbestreitbar. Auf den ersten Teil der Regel Kallists geht Tert. zwar nur mit zwei kurzen, aber hinreichend deutlichen Bemerkungen ein. Er sagt cap. 21: „einen andern als Logos Gottes, einen andern als Gott (mag auch Gott Logos sein, aber qua Sohn Gottes [seil, ist Gott Logos], nicht qua Vater") !). Kallist hatte behauptet: „Der Logos selbst sei der Sohn, genannt werde derselbe auch Vater, sei aber eine Einheit, der unteilbare Geist2). Damit führte er den stoi- schen Z6yoQ-&eoq ein, gegen den Tert. hier protestiert, indem er behauptet, Gott sei Logos, aber nur sofern er Sohn, nicht auch sofern er Vater sei. Kallist hatte gesagt: xal sivcu rb kv rfi jiaQ&tvcp öagzcofrev jtvavfia ov% trepov Jtaga zbv jta- T£Qa, aXXa ev xal rb avxo. Darauf kommt Tert. cap. 26 zu sprechen; er will Joh. Im mit Luc. I35 in Einklang bringen durch die Behauptung, der Logos sei im Geist und der Geist im Logos enthalten; dabei hat er Grund zu vermuten, seine Gegner würden argumentieren: „Der Geist Gottes ist Gott und die Kraft des

1) alium serinonem dei, alium deuni (licet et deus sermo, sed qua dei filius, non qua pater); alium per quem omnia, alium a quo omnia. (Dehler IL 680.

2) xov Xöyov avxbv tlvai viov, avxov xal naxtpa ovo/naxi imv xa- kov/usvov, tu de ov xb nvevfxa ddiaiQexov. (Phil. IX. 12. Dunker p. 458, 80).

II. Tertullians Gegner in de monogamia. 95

Höchsten ist der Höchste"1). Dazu gieht ihm die Formel Kallists ein Recht; sie lehnt er ab mit den Worten: „Indem er (der Engel) aber sagt ..der Geist Gottes", wenn auch „der Geist Gottes", so will er ihn trotzdem, da er ihn nicht direkt Gott nennt, als einen Teil des Ganzen verstanden wissen, der in die Rolle des Sohnes eintreten sollte2)". Denn der starke Anklang, den Kallists Satz an Lue. Isö aufweist, veranlasste ihn, gerade diese Stelle heran- zuziehen, die ihn doch in eine gewisse Verlegenheit brachte, da er. um sie mir Joh. lu zu reimen, Logos und heil. Geist, die in seiner Theologie sonst zwei verschiedene Grössen sind, identifi- cieren musste \ Auf die doppelte Gleichung Kallists: der Sohn ist identisch mit dem Vater, und der heil. Geist ist identisch mit dem Vater blickt er zurück in den Sätzen: Sicut ergo sermo dei non est ipse cuius est, ita nee Spiritus, et si deus dictus est, non tarnen ipse est, cuius est dictus. Et ideo spiritus deus et sermo deus, quia ex deo, non tarnen ipse ex quo est (Oehler IL 689).

Die Ausführungen Tert.s in capp. 27 ff. sind bestimmt durch den christologischen Teil der Kailistischen Formel. Tert. weiss wohl, welch ein Verlegenheitsprodukt diese höchst komplicierte Christologie ist; im Eingang von cap. 27 spricht er es aus4). Euer ist die Übereinstimmung mit Kailist schlagend, obgleich ihn Tert. nicht wörtlich citiert. Kallist fasst seine Christologie in die Sätze: Tb kuev yaQ ßA£ji6tuevov, ojisq hörlv av&QCDJioq, tovto etvai rbv vlov, to de hv reo vim #coo?7#£^ jtvev- fiarovro stvac rbv jtarsga. ov yaQ, cprjoiv, eQco ovo frsovg,

1) Nenipe, inquiunt, spiritus dei [so ist natürlich zu konjicieren statt tilius dei entsprechend dem ersten Gliede des Satzes: Spiritus dei super- veniet in tej deus est, et virtus altissimi altissimus est. Oehler IL G89.

2) Dicens autem „spiritus dei". etsi „spiritus dei'', tarnen non directo deum nominans portioneui totius intellegi voluit, quae cessura erat in filii nornen (ibid).

3) Hie spiritus dei idem erit sermo. (ibid).

4) Undique enim obdueti de distinetione patris et filii, quam manente coniunetione disponimus, ut solis et radii et fontis et fluvii. per individu- um tarnen numerum duorum et trium, aliter eam ad suam nihilominus sententiam interpretari conantur, ut aeque in una persona utrumque distinguant. patrem et filium, dicentes filium carnem esse, id est hominem, id est Jesum, patrem autem spiritum, id est deum, id est Christum. (Oehler II 690).

9() Rollls, Urkunden aus dem antimoutanistischen Kampfe.

Marina xal vlov, aXX' tva. 0 yaQ Iv avTfp ywofttvog jcar/jn jTQOölaß()[ievoQ rfjv Oaoxa tlhojroirjObv Ivo'joccc: lavrep, xal IjtohjOsv bvy cqq xalüodat jzaTtoa xal vlov tva i) tov, xal tovto tv ov uiQoötojtov fiTj övvaotiai üvat ovo. Tert. giebt den Inhalt dieser Sätze, auf den es ihm ankommt, in den Worten wieder: In einer Person unterscheiden sie beide, den Vater und den Sohn, indem sie sagen1), der Sohn sei das Fleisch d. h. der Mensch (d. h. Jesus), der Vater aber sei der Geist, d.h. Gott (d. h. Christus). Und die darauf bestehen, Vater und Sohn seien ein und derselbe, fangen schon an, mehr zu scheiden als zu vereinigen". Die Zusätze id est Jesum, id est Christum macht Tert. in der deutlichen Absicht, diese Christologie mit der Valentinianischen auf eine Stufe zu stellen 2). Er widerlegt dann zunächst den Satz: der Mensch in Jesus Christus sei der Sohn, indem er ausführt: dass dann der zeugende göttliche Geist, der mit dem Logos identisch sei, sich in Fleisch verwandelt, also sein Wesen verwandelt haben müsse, das widerspricht der Unver- änderlichkeit Gottes und der Person Christi, der Gott und Mensch, aber nicht ein aus beiden gemischtes Drittes war. Mit der Wen- dung: „Aber nach dir soll ja der Geist für den Vater selbst ge- halten werden" geht er dann zur Widerlegung des zweiten Satzes über: xo de iv reo vlco %ojQt]&ev Jtvsvfia tovto eivcu tov na- tsqcc. Der folgende Satz bei Kailist ist Eigentum des Irenaeus, dessen Theologie freilich er so wenig verstand, wie sie Tert. ganz erfasst hat; dieser Gedanke bot also Tert. keinen Stoff zur Po- lemik. Dagegen wendet er sich aufs schärfste gegen den Schluss- satz: xal ovtcqc, tov üiaTboa ovfuisjtov&tvai tco vlcß; er lehnt ihn ab: ergo nee compassus est pater filio und weist nach, dass ein Mitleiden auch ein Leiden sei. Interessant ist, wie sowohl Tert. wie Hipp, in dieser Formel die Absicht erkennen, eine direkte Blasphemie gegen den Vater zu vermeiden 3). Hat Kallists Regel

1) statt des seltsamen discentes ist dicentes zu lesen.

2) Si enim alius est Jesus, alius Christus, alius erit filius, alius pater, quia filius Jesus et pater Christus. Talern monarchiam apud Valentinuni fortasse didicerunt, duos facere Jesum et Christum. (Oehler II. 691).

3) Scilicet direetam blasphemiam in patrem veriti diminui eam hoc modo sperant, concedentes iam patrem et filium duos esse, si filius sie qui- dem patitur, pater vero compatitur. (Oehler II. 695). vergl. Dunker p. 458

II. Tertullians Gegner in de monogamia. 97

ihnen hierfür vielleicht einen Anhaltspunkt geboten? Oder hat ffipp. diese Vermutung von Tert übernommen ')?

Man kann die von Tert bekämpfte Christologie nicht für die des Praxeas halten; dieser war, wenn auch nicht überhaupt der erste Patripassianer, so doch der erste tnodalistisch gerichtete Christologe im Abendland. Die liier vorliegende Christologie ist aber komplicierter als die des Kleomenes2) und des Zephyrins) und zeigt deutlich das Bemühen, die Schwierigkeiten zu Lösen, die jener aus der Berührung mit der wissenschaftlichen Theologie er- wuchsen. Wäre sie von Praxeas entworfen, so hätten Kleomenes und Zephyrin eine Rückbildung unternommen, die deshalb un- möglich ist. weil die Probleme, mit denen der Modalismus be- lastet war. nicht einfach abgestreift werden konnten. Kailist hat sein«1 Formel dem Bericht Hipp.s zufolge gleich nach dem An- tritt seines Episkopates kundgegeben4), also im Jahre 217; adv. Praxean ist daher höchst wahrscheinlich 218 erschienen. In diesem Jahre besteht demnach die montanistische Gemeinde schon einige Zeit neben der Grosskirche. Der Schrift adversus Praxean gehen nun die Bücher de anima, de carne Christi, de resurrectione car- nis vorauf. De carne Christi wird in de resurectione citiert6); ebenfalls wird hier de anima erwähnt6). Da nun de resurrectione sich unmittelbar an de carne anschliesst es ist schon geplant, als de carne begonnen wird7) , so ist de anima das erste dieser Bücher. Zur Zeit von de anima ist nun die Trennung zwischen Montanisten und Katholikern vollendet; beide feiern gesonderte Gottesdienste 8). Demnach ist de anima nach de eestasi verfasst und

(.»4: ov yv.Q lH).u keyeiv xbv rcaxtQa TisTZov&ivca aal £v eivat tcqogwtcov

ixgwystv xtjv elg xbv naxepa ßkaorprjjuiav 6 dvorjxoq aal nolaiXoq.

- Nöldechen a, a. 0. 132 f. 141. Jülicher Theol. Litt -Ztg. 1889 134. 2 Phil. IX. 10 (p. 450, 52 ff.)

3) Phil. IX. 11 (p. 450, 82 ff.)

4) s. Phil. IX. 12 (p. 456, 70 ff.)

5 Propterea et nos volumen praeinisimus de carne Christi, de res. eani. c 2. (Oehler II. ;

6) Habet et iste a nobis plenissimum de omni statu anima e stilum. de res. carn. 2. (Oehler IL 470/71).

7) Ut autem clausnlam de praefatione communi faciat resurrectio nos- fcrae carois alio libello defendenda hie habebit praestruetionem. de carne Chr. 25. b. Ilonwetsch a. a. 0. 8. 50 Anm. 28.

8) vergl. die bekannte Stelle de anima 9: Nam quia spiritalia charis- Texte u. Untersuchungen XII, 4. 7

98 Rolffs, Urkunden aus dem antiinontanistdschen Kampfe.

mithin auch die beiden andern Schriften. !)<■ ecstasi wird nun aller Wahrscheinlichkeit nach in adv. Marc IV citieri l); jedenfalls fallt dieses Buch aber später, denn es dokumentiert den voll- zogenen Bruch, indem es zum erstenmal die böse Bezeichnung „Psychiker" einfuhrt. Es ist nun ebenfalls vor de carne Christi geschrieben; denn es wird hier citiert2). Dagegen ist adv. Marc V erst nach de resurrectione verfasst, da Tert. hier auf dieses Buch zurückblickt5); es ist daher nicht klar, ob es auch noch vor adv. Prax. anzusetzen ist; wahrscheinlich ist dies wohl; denn in den letzten leidenschaftlichen Kämpfen mit den Psychikern von 219 222 wird er kaum Ruhe zu solcher Arbeit gefunden haben. Aber die Möglichkeit muss offen bleiben, dass es überhaupt Tert.s letztes Buch ist und erst nach 222 fällt. In die Zeit zwischen de ecstasi und adv. Praxean fallen daher sicher 4, vielleicht 5 grössere Bücher; dieselbe kann also nicht allzu kurz gewesen sein. Die 4 Jahre, welche für diese Schriften zur Verfügung stehen, werden jedenfalls voll dadurch in Anspruch genommen. Aber da dieselben einen vielfach verwandten Stoff behandeln und adv. Marc. IV u. V sich an den Kanon des Marcion anschliessen, also an die künstlerische Kompositionskraft des Schriftstellers keine sehr hohen Anforderungen gestellt haben, so ist die Abfassung dieser Schriften innerhalb des vier- bis viereinhalbj ährigen Zeit-

mata agnosciums, post Johaimem quoque prophetiarn. meruinius consequi. est hodie soror apud nos revelationum charismata sortita, quas in ecclesia

inter dominica sollenmia per eestasin in spiritu patitur. post

transaeta sollenmia dimissa plebe, quo usu solet nobis renuntiare quae viderit (nam et diligentissime digeruntur, ut etiam probentur) etc. i'Reift'. p. 310 17). Der erste Satz macht evident, dass unter nos die Montanisten ver- standen sind. s. Bonwetsch a. a. 0. S. 48 gegen Haucks entgegengesetzte Behauptung.

1) adv. Marc. IV 22: Quomodo nesciens? Utrumne simplici errore, an ratione qua defendimus (verteidigt haben) in causa novae prophetiae gratiae eestasin, id est amentiam, convenire? (Oehler II. 215).

2) De carne Chr. 7: audiat igitur et Apelles quid iam responsum sit a nobis Marcioni eo libello, quo evangelium ipsius provoeaviums (Oehler IL 429) vergl. adv. Marc. IV. 1 : Omnem sententiam et omnem paraturam im- pii atque sacrilegi Marcionis ad ipsum iam evangelium provocamus. (Oehler II. 159).

8) adv. Marc. V. 10 : Revertamur nunc ad resurrectionem, cui et alias quidem proprio volumine satisfeeimus omnibus haereticis resistentes. (Oehler TL 302).

II. Tertullians Gegner in de monogamia. 99

raumes nicht unmöglich, selbsl wenn noch das 7. Buch de ecstasi in denselben hineinfallen sollte1. Können also die ersten Bücher dieses Werkes nicht vor 21 l erschienen sein, so ist ein viel späterer Termin doch ebenso bestimmt ausgeschlossen. Sind also die ersten 6 Bücher von de ecstasi um 214 herausgekommen, so kann die Quelle des Epiphanius nicht vor 215 verfasst sein. Sie braucht aber nicht gleich in diesem Jahr erschienen zu sein, da sich als ihr eigentlicher und einziger Zweck durchaus nicht die Widerlegung des Tertullianischen Buches nachweisen lässt; dazu wäre sie schon viel zu kurz. Sie setzt dessen Gedanken nur voraus. Es hindert also nichts, ihre Abfassung dicht vor der von de monogamia anzusetzen.

4. Der Verfasser der Quelle von Epiph. 48 c. 1—13.

Über den Verfasser der Quelle ist bisher folgendes als fest- stehend anzusehen:

1. Er schreibt in Rom.

2. Er hat seine Schrift nicht vor 215 verfasst.

3. Er vertritt nicht den Standpunkt des Kallist; der mehrfach Verheiratete in den Klerus aufnahm, sondern hält fest an der alten Praxis; dies ist wichtig festzustellen, da seine Schrift auch nach 217 verfasst sein kann; wir werden ihn auf keinen Fall unter den Anhängern des Kallist suchen dürfen.

Durch diese Ergebnisse sind von der Autorschaft ausge- schlossen einmal der anonyme Antimontanist, dessen Schrift Eusebius in der Kirchengeschichte B. V. c. 16. 17 excerpierte l) dieser schreibt im Orient bedeutend früher , sodann Apollonius, auf den Hilgenfeld verfallen war, ganz dieselben Gründe sprechen gegen ihn , endlich auch Rhodon, in welchem Voigt den Verfasser vermutete; denn dieser war nach Hieronymus 2)

1) An ihn dachte Lipsius, Zur Quellenkritik des Epiphanius 1865. S. 225. Er hält ihn für identisch mit Miltiades, hat diesen Irrtum aber später berichtigt. Jahrb. f. d. Th. 1809 S. 159. Quellen zur ältesten Ketzer- gesch. 1875 S. 101.

2) Rhodon, genere Asianus, a Tatiano Romae in scriptum eru-

ditus edidit plurima praecipuuinque adversus Marcionem opus.

- meminit in eodem libro quem scripsit ad Callistionem, Tatiani se fuisse auditorem. Sed et in hexemerum elegantes traetatus composuit et

100 Rolffs, Urkunden aus dem antimontanistiachei] Kampfe.

unter Commodus and Severus schriftstellerisch thätig; er wird auch, wenn er nach einer durchaus nicht unzweideutigen Notiz des Eusebius dem Kaliist eine Schrift widmete, zu dessen Partei gehört haben, kann also mit dem Verf. unserer Quelle nicht identisch sein; endlich ist das Zeugnis des Hieronymus. auf das Voigt sich beruft, durchaus nicht zuverlässig *). Aber Voigt wollte nur eine Vermutung aussprechen; ehe wir sie prüfen, können wir daher versuchen, ob Sich nicht eine Ansicht über den Verfasser aufstellen lässt, die mehr als Vermutung ist.

Die drei für den Verfasser ermittelten Merkmale passen vor- trefflich auf Hippolyt. Er steht in Rom um 215 im Mittelpunkt des kirchlichen Lebens und der kirchlichen Kämpfe, und er ver- tritt in der Ehefrage ganz die Anschauung, die wir in unserer Quelle finden und die sich aus de monogamia für Tert.s Gegner ergiebt. Bonwetsch2) hat ihn von vornherein für den Verfasser gehalten; nur identifi eierte er unsere Quelle mit Hippolyts Schrift jisqI yaQidiiaTcov , die in dem auf dem Sessel seiner Bildsäule eingegrabenen Katalog seiner Schriften sich findet. Als daher von Achelis 3) der definitive Nachweis erbracht war, dass die Schrift jisqI %aQL6[iaTCDV zum grössten Teil in den ersten beiden Ka- piteln des 8. Buches der Apostolischen Constitutionen enthalten sei, wurde seine Hypothese in der vorgetragenen Form unhaltbar. Damit ist aber keineswegs die Autorschaft Hippolyts überhaupt un- möglich geworden; im Gegenteil Bonwetsch und mit ihm Achelis halten dieselbe fest4).

Voigt hat sie angefochten; indem er behauptet, Hippolyt als Schüler des Irenaeus könne nicht die Anschauung gehabt haben, dass die Prophetie mit der apostolischen Zeit in der Kirche auf- gehört habe3), und nach constit. ap. VIII, 1. 2 habe er sie auch nicht gehabt. Aber ist sie denn in unserer Quelle vertreten? Ihr Verfasser erklärt ausdrücklich: Die heil. Kirche Gottes nimmt in gleicher Weise die Charismen an, aber die wirklichen Cha-

adversus Cataphrygas insigne opus, temporibusque Comraodi et Severi floniit. de vir. ill. 37.

1) s. Harnack, Altchristi. Litt. -Gesch. S. 599.

2) Gesch. d. Montanismus S. 36 f.

3) Die Canones Hippolyti T. und U. VI. 4 S. 2G9 ff.

4) Nach freundlichst gewährter mündlicher Auskunft, a. a. 0. S. 219ff.

II. Tertulliana Gegner in de monogamia. |n|

rismen and die schon in der heil. Barche Gottes durch den heil Geist geprüfl sind von Propheten und Aposteln und vom Herrn seihst ber, da der Apostel Johannes in seinem Brief sagt: Prüfet

die Geister, oh sie von Gott sind1). Es ist zwar hieraus nicht ohne weiteres klar, welche Charismen gemeint sind, zumal sich nicht entscheiden lässt, ob jiaga bei dieser Übersetzung im rich- tigen Sinne genommen ist. Aber wenn das Wort des Johannes citiert wird: Prüfet die Geister, so wird man doch zunächst an prophetische Geister denken. Es giebt also noch Charismen in der Kirche, aber nur solche, die dw heil. Geist erprobt hat als von den Propheten und den Aposteln und dem Herrn herrührend. Daher müssen die Geister geprüft werden, ob ihre Charismen echt sind. Diese Prüfung will der Verf. im folgenden vornehmen, wie er cap. 3 ankündigt: „Indem wir das von ihnen Gesagte ver- gleichen, was nach dem alten und neuen Testament wirklich da ist und wirklich erfüllt ist und prophetische Rede ist, wollen wir prüfen, was Prophetie und was Pseudoprophetie ist" 2). Dies setzt eigentlich schon voraus, dass das Vorkommen der Prophetie in der Kirche in des Verfassers Augen nichts Unregelmässiges war, sonst wäre keine ins einzelne gehende Prüfung der montanisti- schen Prophetien, sondern eine principielle Abweisung des An- spruches, neue Offenbarungen zu empfangen, am Platz.

Die eigentliche Entscheidung dieser Frage kann aber nur durch eine Analyse von cap. 2 erzielt werden. Hier wird zu- nächst die Absicht ausgesprochen, die Montanisten von ihren eigenen Ansprüchen aus zu widerlegen. Dann heisst es weiter: ..Denn wenn Charismen angenommen werden müssen und in der Kirche Charismen sein müssen, wie kommt es dann, dass sie nach Montan und Priscilla und Maximilla keine Propheten mehr haben V

1) xal t] ayia dh xov S-eov ixxXrjola bf-ioiatq xa ya^ia/uaxa di-yexcu, d).Xa xa övxajg /aoloLtaxa xal r/ör/ ev ayia &eov sxxkrjolcc Öid nvei/naxog ayiov dedoxLßaofieva riaoa xe Tioo(prjX(3v aal cmooxöküjv xal avxov xov xvgiov, <pdoxovxoq xov drcooxoXov 'Iwdvvov xxX. (p 42822).

2) ovyxQivovxeq ydg xa naQ avxüjv eiQTj/bibva xal xaxte xtjv nakaidv diaS-'xrjv xal xaivrjv bv d/.rjB-eta bvxa xal bv dkrj^sia yevöftbva xal nt- TtoorprjxevjUbva öoxi/xdoioßev, Tioia 7ioo(f,r(züa xvyydvzi, noia de yj8vÖ07iQ0<frj- xeia (p. 428, 32 ff.). Der von Voigt (a. a. 0 S. 15 ff) vorgeschlagenen Über- setzung kann ich mich nicht anschliessen, da 7i87iQO(pr]xevßbva nicht sagen kann, wa> er hineinlegt (s. Näheres darüber IV 2).

|()2 Rolffs, Urkunden aus dem antimontaniatischeD Kampfe.

Ist etwa die Gnade unwirksam geworden? Unwirksam aber wird die Gnade nicht in der heil. Kirche, das sei ferne"1 . Voigt meint (S. 12), mit dem letzten Satze werde den Montanisten spöttisch ein Wort entgegengehalten, das sie selbst im Munde; fahrten. Aber // ayia exxX?]OLa bezeichnet in der ganzen Quelle bestimmt die katholische Kirche im Gegensatz zu der phrygischen Ge- meinde; ohne zwingende Gründe darf man daher diesen Sinn nicht aufgeben. Dann wird der Frage: Ist etwa die Gnade un- wirksam geworden? die Behauptung entgegengestellt: In der heil. Kirche ist ein solches Unwirksamwerden nicht denkbar, woraus sich ungezwungen die Folgerung ergiebt: also können sich die montanistischen Gemeinden nicht zu der ayia tTcxXrjöla rechnen. Dies ist die eine Seite der Alternative, in welche die Montanisten versetzt werden; die folgenden Sätze bringen die andere Seite: „Wenn aber bis zu einem gewissen Zeitpunkt die als Propheten Aufgetretenen prophezeit haben und nicht mehr prophezeien, so haben auch nicht Priscilla und Maximilla pro- phetisch geredet nach den durch die heil. Apostel in der heil. Kirche anerkannten Prophetien"2). Voraussetzung ist hier: Die Kirche hat ihre volle Ausstattung an Charismen im apostolischen Zeitalter empfangen, und diese Charismen bleiben ihr in vollem Umfang erhalten. Unter dieser Voraussetzung ist dann der Schluss möglich: Haben die montanistischen Charismen eine be- stimmte zeitliche Grenze, nach der sie aufhören, so gehören sie nicht zu den Charismen, die der Kirche als Erbe der apostolischen Zeit gehören, da von diesen keins verloren gehen kann. Die mon- tanistischen Prophetien sind also erst nach dem Ende der apo- stolischen Zeit eingeführt und daher Pseudocharismen. Die Mon- tanisten stehen darnach in folgendem Dilemma: entweder halten sie mit der Kirche die Anschauung fest, was sie unter Gnade ver- stehen, könne nicht unwirksam werden; dann müssen sie aber

1) 'löov ya.Q €| avxfjq xf/g vno&bOEax; iX&yyovxai fii) dvvufxevoi n?.rj- qovv xa vti avxwv ev (piXoveixla vnioyvovfjL^va. et yciQ 6h yaQiGßaxa dkyso&ai xal öfX elvai iv ixxXyaia lagiaiiaxa, nwg ovxixi /iexcc Movxavov xal IlQioxiXXav xal Ma^ißilXav e^ovoi TiQocpr'jxaq (p. 427, 8).

2) si dh 6wg xivoq TiQoeifrjxevoav ol TcgocprjxavoavxeQ, xal ovxixi tcqo- <prjxtvovoiv, äpa ovxe Il^iGxiXka ovxe Ma^i'/uiXXa TtQoecp^xevaav /uexa xag 7i (xxptjxe lag xccg 6ia xä>v ccyiajv anooxöXoiv iv xy ayia ixxXrjai'a öoxi- Hao&eioaq (p. 427, 14 ff.)

IL Tertulliana Gegner in de monogamia. 103

den Standpunkt verlassen, auf »lern sie nach Maximilla keine Propheten mehr anerkennen wollen und damit den darauf bezüg- lichen Ausspruch der Maximilla desavouieren; oder sie behaupten ein*1 bestimmte Grenze ihres prophetischen Charisma, dann ge- hört dies aber nicht zu den Charismen der apostolischen Zeit, von denen keins unwirksam wird; die montanistischen Propheten haben sich also von einem Lügengeist inspirieren Lassen. In jedem Fall sind sie Pseudopropheten *). Dazu bringt das folgende nun den urkundlichen Beleg durch ein Wort der Maximilla: .,Nach mir wird keine Prophetie mehr sein, sondern das Ende". Von diesem Wort hat Epiphanius durch einen Einschub (p. 427 29 428 ig) die dazu gehörenden Schlusssätze getrennt: „Denn wenn Maximilla sagt: ein Prophet wird nicht mehr sein, so schliesst sie aus, dass bei ihnen das Charisma ist und noch bis jetzt sich erhält. Wenn aber bis auf sie das Charisma bleibt, wie ich vorher sagte, so ist auch sie nicht das Ende der Charismen"2). Die ganze Argumen- ta! ion ruht auf zwei Voraussetzungen: 1. Die Gnade des heil. Geistes muss in der Kirche wirksam bleiben. 2. Der Charakter der Kirche wird durch die apostolische Zeit bestimmt. Aus der ersten folgt, dass es keine Grenze für das prophetische Charisma giebt, aus der zweiten, dass der Montanismus nicht durch Ein- führung einer neuen Art von Prophetie den Charakter der Kirche verändern durfte. Wie die zweite Voraussetzung ein kirch- licher Grundsatz ist, so haben wir auch in der ersten einen kirchlichen Kanon und nicht eine montanistische Anschauung zu

1) 7} yuQ 6eic(o<7iv tivai TtQCHpyxaq [xexd Mat~i[Ai)Xav, (lva ßr) uQy^o^j \ nag3 caxoiq ksyofievr) yüoiq, 7} ol tcsql Ma^lfxO.Xav tpevöoTiQO(p7jxat svqf- 9qoovTcu, ya-xa xov ooov xcöv Ttoocprjxixwv yaoiofxdxwv, xoXfji^oavxec, ovx unb ayiov Tivev/uaxoq, äXX* dnb TtXdvqq öaifiovlojv tvQovGiao&TJvcu xal (pavTaoiäaat xovq dxovovxaq avxwv (p. 427, 18 ff.)

2) ei yao Xtysi Ma§ißi).).a 61 1 TtgocpTjXTjq oixtxi soxcu, uqo. dvaiQtl xb slvcu nuQ avxoiq xo yÜQiOfxa xal slq 8x1 tieipo <pbQto&ai. sl de ewq avxrjq fjisvsi xb yaoio/ua, ojq nooelnov, dga xal avxrj ovx soxiv [xikoq] xwv yagtG/udxojv (p. 428, 16 f.). Die P]iu Schiebung des xtkoq ist eine höchst glückliche Korrektur von ^onwetsch. Sie beseitigt den Ausdruck: ovx i'oxiv xwv / fao 10 \u äx ct)v, der , um verstanden zu werden, im Sinne der von Oehler aufgenommenen Lesart „/usxto'/Ev xcöv yaQiO{j.dxcov" gedeutet werden muss. Dies macht erst die ganze Beweisführung verständlich; es ist die- selbe Alternative wie p. 427, 19 25, nur in ganz specieller Beziehung auf Maximilla.

10 I l.'olll's, Urkunden aua dem antimontaniatischen Kampfe.

scIkmi. Der Satz: ovx aQyti // yjtQtq Lv ayia hxxXrjöla, (it) yivotro ist also nicht ein Schlagwort der Montanisten, sondern völlig ernst zu nehmen.

Es bleibt nun die Frage: Wie hat der Verf. sich das Fort- wirken der Gnade gedacht, da er die montanistische Form des- selben ablehnt? Welche Charismen erkennt er als kirchlich an? Auskunft darüber giebt der folgende Satz: Denn der Herr hat die Kirche versiegelt und hat ihr die Fülle der Charismen gegeben. Denn jedesmal, wenn der Drang in den Propheten war, dann weissagten in wahrhaftigem Geist und mit unverwirrtem Gemüt und bei voller Vernunft die Heiligen selbst das alles, erfüllt vom heil. Geist, nach dem Masse der vom Geist einem jeden verliehenen Gaben und nach dem Masse des Glaubens zum allgemeinen Nutzen1)". Die wahren Charismen sind also diejenigen, welche der Herr selbst seiner Kirche gegeben hat, und die Merkmale der Prophetie, welche von ihm ausgeht, sind: 1. die Heiligen2) geben ihre Weissagungen bei vollem Bewusstsein, 2. die Prophetie ent- spricht den einem jeden vom heil. Geist verliehenen Charismen und dem Glauben der Kirche und dient dem allgemeinen Nutzen. Jede Prophetie, die diese Merkmale aufweist, wird in der Kirche anerkannt. Hieraus wird klar, was unter den ya^löiiaxa rjörj lv ayia &sov IxxXrjöla ötä jtvevfiarog aylov ösöoxLftao/itva jiaQa te JtQO(pr]Tcöv xal ccjioötoXcov xal avzov zov xvqlov zu ver- stehen ist; es sind dies Charismen, welche von Propheten, Aposteln und vom Herrn selbst der Kirche mitgeteilt sind und eben wegen dieses Ursprungs als vom heil. Geist approbiert gelten. Die Mon- tanisten führen 'eine Form charismatischer Begabung ein, welche den Kreis der durch die Apostel auf den Herrn zurückgehenden Charismen überschreitet; dadurch erweisen sie sich als häretisch. Diese Anschauung wird vortrefflich erläutert durch die Darstellung

1) eoyoayiOE yaQ b xvqloq zr\v exxXrjolav xal 87i/.?]QW08v avzfi za yaQLOfjiaxa. oze yaQ r\v yQSia iv nQOcpijzaig, ev älrjS-ivc» nvevßazi xal {■qqco/li£v% diavoia xal naQaxoXov&ovvzi vöj ol avzol ayioi za ndvza ZTtQocprjzevov, £/umn?.aj[i£V0L nvevfxazoq ayiov, xazct zrtv avaloylav züv ix nvEVfxazoq yaQLOfiäziov hxäozoj öiöo[iha)v xal xazcc zrjv dvaloyiav zf/q mazscog tcqoq ov[A<p£oov p. 428, 21 28.

2) ol avzol ayioi ist ein eigentümlicher Ausdruck, der die kirch- lichen Propheten als einfache, auf innern Drang redende Genieindeglieder in Gegensatz zu den berufsmässigen Propheten des Montanismus setzt.

II. Tertulliana Gegner in de monogamia. 105

der Const. Apost. VIII cap. I. also durch Hippolyts Schrift juq) yaoioiiaxwv. Hier heisst es: [xvQiog] tlxoxojg cog dv xexsXeico-

i/i'i'ojr tjuojv (ptjOi näöLV akua jcegl xcov avxov 6id xov jivsv- fitxrog Öiöoflivcov yaniüudxor HijUtla öh xolq jtiöxsvoaöi xavxa jzaQttxolovfrrjOei' tv x<p ovofiarl fwv öatuovia txßaXovoi, yXcoo- öcuq XaXrjöovdtv xaivalj.. <><ftu agovöi, xav ftaväoif/ov xi jiio- öiv, ov u>) avxovq ßXcnpei, tnl (xqqcdözovg ~/MQa(Z eju&tjoovoi xal xaXcac \'lovof Torror xmv yaoiöfidxcov jzq6x8(>oi> fihv rjfilv öofttvxmv xolg aJtoöxoXoiq fieXXovöi ro evayyeXiov xaxayyt'XXeiv jzäoij x >/ xxioei, ejtsixa 6h xolc oV i)iu~jv JtiOxev OaOiv dvayxaicog yoot/yovfitvwv. (Lag. p. 231 Hier erkennen wir, was xa övxcog ya^la^iaxa sind: Diu Kraft, Dämonen auszutreiben, die Fähigkeit zu prophetischer Rede, die Sicherheit gegen Gift, die Gabe, Kranke zu heilen. Sie sind vom Herrn selbst auf die Apostel übertragen und von diesen weiter auf die andern Gläubigen fortgepflanzt; es ist kein Gläubiger ohne ein geistliches Charisma1). Hier bestätigt sich, dass der Ausdruck ol avxol ayioi xa jidvxa ejiQocp/jxevov in Epiph. h. 48 c 3 absichtlich gewählt ist, um die Gelegenheitsprophetie, die alle Gläubigen je nach ihrer individuellen Begabung ausüben, der Berufsprophetie montanistischer Ekstatiker entgegenzusetzen. Hier findet sich die Erklärung der Worte in Epiph. h. 48 c. 1. xa yagioi/axa jcaga xe Jt()0(prjxo3v xal djtoöxöXojv xal avxov xov xvq'lov; es ist damit gesagt: Die Charismen, hier specieU die prophetischen, da diese im Streit mit den Montanisten vor allen in Frage kamen, sind vom Herrn auf die Apostel über- tragen und von diesen den christlichen Propheten mitgeteilt; diese Reihe wird hier von ihrem Endglied aus auf ihren Anfangspunkt zurückverfblgt; aus den Const. apost. wird klar, dass nicht alt- testamentliche Propheten gemeint sind, und in der durch sie ge- wonnenen Auffassung wird das avxov xov xvq'lov recht verständ- lich: die kirchlichen Charismen gehen durch die Kette der Pro- pheten und Apostel auf den Herrn selbst zurück, und eben ihres vollkommenen Ursprungs wegen sind sie öid xov jtvev- ftaxog 6söoxL{iaoiitva.

1) '/a.Qlo[ÄUza öl ?.tyoju:v xa dia orj/utlwv, intl ovx sgtiv av&QOJTiOQ Tuoztvaccg öi'l Xqioxov elq xov &sov, oq ovx .//.>,</.' /äQiOjxa nvevfxaxiy.öv Lag. 232, 12 .

]{)(] Rolffs, Urkunden aus <l<-in antimontaniatiflcheii Kampfe.

Beide Schriften stimmen auch in der Anschauung aberein, wonach jedem ein bestimmtes Mass charismatischer Begabung zu teil wird, welches ihn in der Ausübung seiner Wirksamkeit be- stimmen soll '). Mehr noch fallt die gemeinsame Beton 1 in g <!••- Zweckes in die Augen, dem die wahren Charismen dienen; sie sollen das Wohl der Menschen fordern, indem sie die Ungläubigen zum Glauben bringen, sollen also auch zugleich die Ausbreitung der Kirche zum Zweck haben2).

Die Vergleichung der Quelle des Epiphanius mit der Schrift Hippolyts weist keine verschiedene Anschauung über die Charismen bei beiden auf. Im Gegenteil, die Übereinstimmung zwischen beiden ist so weitgehend, dass sie kaum anders als durch die An- nahme der Identität der Verfasser erklärlich wird. Zu gleicher Annahme drängt eine Berührung, die sich zwischen unserer Quelle und dem vierten Buch von Hippolyts Danielkommentar findet 3). Hier heisst es: Kai lütayu Xeycov, „xal rov öcpQayloat. oQaatv xal jiqo^)7]t7jv.u ^Ejisidt] yäg jtfojQCQfia vofiov xal JtQO<pr]TCQv avTOQ jHXQrjv, 6 vouog yäg xal ol jcQcxprjraL tojg 'Imavvov, eöet tec vji Ixuvcov lalr\&&VTa öcpQayi^sGd ai xal jtk/jQovo&ai. Nach dem unmittelbar vorhergehenden Satz: oögl de >)jiu&ow

1) vergl. Epiph. h. 48 c. 3: xaza zr)v dvaXoyiav zäJv ex nvEVßazoq yaoiofxdzwv hxdazoj öiöojuevcov mit Const. apost. VIII c. 1 : ovx hndvayxEc, ovv Ttävza TciGiov öalfxovag exßäXXeiv r) vexqovq dviozäv r] yXiöaoaig )m).elv dXXa zov dJ-ico&svra yaQia fiazoQ etil Zivi alzia yQr\Gißq eiq Gajzrjotctv Z(5v dniazcov 6vG(onovfj.Evo)v noXXdxiq ov zr\v zwv Xoywv dnodeiciv d'kXa zrjv z(öv G7]ß8ta)v ivtQyeiav d^lcov ovtwv oojzijQtaq. (Lag. 231, 18). Die Anschau- ung ist bei beiden dieselbe, wenn auch der Antimontanist des Epiph. auf die prophetische Gabe speciell das anwendet, was" hier von der charismatischen Begabung im allgemeinen gesagt ist. Die Verschiedenheit entspricht nur der verschiedenen Tendenz beider Schriften.

2) vergl. Const. ap. VTII c. 1: ovx Eiq zr)v zwv ivepyovvzajv wcptXei- av, ulk' elq zr)v zajv dnlozcov ovyxazd&eoiv. (Lag. 231) und die Anm. 1

citierte Stelle mit Epiph. h. 48 c. 3: TtooEcpr/ZEVGav xaza z)\v dva-

Xoyiav zfjq niozeajQ ngbq zo ov/MpEoov Dass mit den Worten ngbq zo ovfjKpl-QOv auch hier die Förderung des Glaubens und die Erbauung der Kirche gemeint ist, zeigen die folg. Sätze: zi ovv GvfKpEgov ovzoi Eigrr xaotv rj Tioiov dvdloyov zr)q niozEwq; najq 6h ov%l fiäXXov ovzoi eIglv tceql (ov eitcev b xvgioq ozi folgt Mt. 7, 15.

3) Das neuentdeckte vierte Buch des Daniel-Kommentars von Hippo- lytus, herausgeg. v. Bratke 1891. S 26, 29. Auf die Stelle machte mich Herr Prof. Bonwetsch gütigst aufmerksam.

II. TertuUians Gegner in de monogamia. 107

avT(~) rovrcor tocfQayiZorro al afiaQTicu, r?]Qoviu£vat eiq xqi- olv bedeutet G<pQayi£sir hier „versiegeln** in dem Sinne von „sicher aufbewahren, einschliessen". Die Worte des Propheten mussteo also wegen der Erscheinung des Herrn, der ihre Er- füllung ist. durch Siegel gesichert werden, damit weder Zusätze noch Abzüge gemacht werden können. Zugleich mussten sie aber auf ihren vollen Gehalt gebracht werden, so dass weitere Zusätze nicht gemacht zu werden brauchen. Dieselbe Formel in demselben Sinne gebraucht findet sich haer. 48 c. :>: tcxpya- yios yao o xvQiog xr\v kxxXrjoiav xai BJtXrjQmöev avrfi ra ya- glOfiara. Damit soll im Zusammenhang gesagt sein: Der Herr versiegelte seine Kirche, sodass ihre Ausstattung an Gütern weder vermindert noch vermehrt werden kann, und zugleich brachte er ihre Charismen auf ihre Vollzahl, ihren vollen Gehalt, sodass eine Vermehrung derselben unnötig ist '). Die Formel öcpQayi^uv xai jzX?]qovv ist also beide Male ganz in demselben Sinne, das eine Mal auf die alttestamentlichen Prophetien, das andere Mal auf die neutestamentlichen Charismen, angewendet, und dabei doch mit Variationen, die deutlich beweisen, dass sie keine im allge- meinen Gebrauch befindliche Redensart, sondern in beiden Fällen eine ursprüngliche Prägung ist. Daher wird man beide Schriften auf denselben Verfasser zurückführen müssen.

Im Danielkommentar finden wir ferner ein Urteil Hippolyts über die Montanisten, das mit dem unserer Quelle vollkommen harmoniert: xai vvv dt nveg ra 6{uoia roXficadt JiQOOtypvrtq oQafiaoi fiaraioig xai öiöaoxaXiaic, öai[ioviwv xai hv oaßßarcp xai KvQtaxi] jwXXaxic. vrjordav ogtCovreq i\v o XQLöroq ovy a>QiGt, ro töv Kvgiov evayytXtov arifxaCovöLV1). Wenn eine bei charakterisiert wird, sie richte sich nach leeren Gesichten und setze Termine für Fasten gesetzlich fest, für welche Christus keine Vorschrift gegeben habe, so werden höchst wahrscheinlich

1) In diesem Sinn verstanden spricht der Satz die Voraussetzung für die Argumentation in cap. 2 aus: wenn er überhaupt eine Grenze für die montanistische Prophetie giebt, so hat dieselbe nicht zu der Ausstattung der Kirche in der apostolischen Zeit gehört, denn der Herr hat die Kirche versiegelt und ihre Charismen auf die Vollzahl gebracht, so dass weder neue hinzugefügt werden noch ursprüngliche verloren gehen können.

2) s. Bratke S. 17, 4 ff.

108 ol 11s, Urkunden aus «lern antimontanistischen Kampfe.

die Montanisten gemeint sein l), obwohl sich nicht nachweisen liisst, dass sie Fasten auch auf den Berrntag angesetzt haben. Demnach wendet auch Hippolyt 1. Tim. 4iff. auf dieselben an, denn hierauf ist zweifellos angespielt. Er stimmt also in seinem Urteil über die Phryger vollkommen mit dem Antimontanisten des Epiphan. überein, der sie ebenfalls unter das Gericht des Wortes 1. Tim. 4iff. stellt. Wenn dieser besonders ihre Ehepraxis, jener ihre Fastendisciplin rügt, wie es auch Phil. VIII. 19. X. 25 thut, so darf dies an der Identität des Schriftstellers nicht irre machen. Hippolyt hatte in seinem antimontanistischen Traktat Tert.s Schrift de eestasi vor Augen. Bestätigt sich die an sich durchaus nicht unwahrscheinliche Vermutung Zahns 2), der Verf. des Praedestinatus habe seine ihm eigentümlichen Mitteilungen über die Bestreitet* des Montanismus aus Tert.s Buch de eestasi, so könnte dort auch ein Satz gestanden haben, den er wörtlich citiert: Hoc solum discrepamus (inquit), quod seeundas nuptias non reeipimus et pro- phetiam Montani de futuro iudicio non recusamus 3). Dann hätte Tert. eine Abweichung der Montanisten nur in der Ehepraxis zu- gestanden, und es ist sehr wohl zu begreifen, wenn Hippolyt in seiner Polemik die Anklage auf Häresie nur auf die von dem Montanisten selbst zugestandene Abweichung von der kirchlichen Praxis gründet. Hebt er an andern Stellen die Verstösse gegen die Fastenpraxis hervor, so ist das nicht auffallend. Jedenfalls beweist der Danielkommentar, dass Hippolyt zu gewissen Zeiten schärfer über die Montanisten geurteilt hat als in den Philo- sophumenis. Wenn hier sein Urteil milder auszufallen scheint, so mag das in den Erfahrungen, die er inzwischen mit der Gross- kirche gemacht hatte, seinen Grund haben. Die schärfere Beur- teilung, welche die Montanisten in der Quelle des Epiph. erfahren, kann keinesfalls einen Zweifel an der Autorschaft Hippolyts be-

1) So Harnack Theol. Litt. Ztg 1891 S. 3G Anm. 7 und Bonwetsch nach mündlicher Mitteilung

2) a. a. 0. S. 51 ff. Hennecke Theol. Litt. Ztg. 1894 p. 440 verhält sich zwar ablehnend gegen diese Vermutung, aber lediglich aus Misstrauen gegen Praedestinatus ; das ist aber gerade hier ungerechtfertigt : denn Praed. lehnt die Verleumdung gegen die Montanisten bezüglich der bluti- gen Mysterien ab, indem er sich auf ältere Quellen beruft. Gerade hier darf man ihm wohl trauen.

3) Migne Tom. 53 p. 596. Die Form des Satzes ist ganz Tertullianisch 'non reeipimus non recusamus!)

III. Origenes' Stellung im antimontanietischen Kampfe. 109

gründen, and wenn Voigt ' sich auf «las Zeugnis des Stephanus Gtobarus für die mildere Gesinnung desselben gegen die Mon- tanisten beruft, so wird dies Zeugnis eben der Äusserung im I tanielkommentar gegenüber wertlos.

Zum Schluss noch folgende Erwägung: Epiphanius benutzl als Quelle das Syntagma Hippolyts; die erste Hälfte des ersten Kapitels, abgesehen von den einleitenden Worten (Dind ]>. 12(>. 13 8i . stammt auch in haer. ls daher. Wo ihm das Syntagma nicht genügt, benutzt er andere Schriften Bippolyts, so den Traktat gegen Nbet in haer. 57 und nach Lipsius2) auch die Schrift zur Verteidigung des Evangeliums und der Offenbarung des Johannes. Liegt «'s nicht nahe, auch hier die Benutzung einer Hippolytischen Schrift anzunehmen? Wenn aber diese nächstliegende Annahme nirgends Widerspruch findet, sondern durch eine Reihe von Be- obachtungen bestätigt und gestützt wird, so dürfte sie den er- reichbar höchsten Grad von Wahrscheinlichkeit für sich haben.

Wir dürfen somit die Thatsache konstatieren, dass Hippolyt in der Zeit der beginnenden Auseinandersetzung mit Zephyrin und Kaliist auch eine Schrift verfasste, in welcher er seinen kirch- lichen Standpunkt von dem der Montanisten scharf unterschied und den letzteren energisch bekämpfte.

III. Origenes' Stellung im antimontanistischen Kampfe

des Abendlandes.

In der Zeit von etwa 215 222 fanden im Abendland Kämpfe /.\s sehen Katholikern und Montanisten statt, in deren Verlauf der Montanismus aus der Stellung einer schismatischen Sekte in

1) a. a. S. v. 220: xivaq vftokijipsic: ei/ev o ayiojzaTOQ ^InnölvxoQ nt(*l TTJc tojv Movzaviazcöv aiQtaeojc. Es ist schwer, aus diesen Worten eine milde Gesinnung gegen die Montanisten herauszulesen. Welches die opinionea oder suspiciones Hippolyts über die Montanisten waren, ist gar nicht ge>agt. Wohl aber ist gesagt, dass sich Hipp, ausführlicher über die Montanisten ausgesprochen haben muss, als er es in dem Abschnitt that. den Pseudotert. vom Syntagma erhalten hat.

2) L)i>' Quellen der ältesten Ketzergesch. 1874 S. 113 f. Genau sowie Lipsius sich dort die Benutzung dieser Schrift zur Ergänzung des Syntagma, denkt, wäre die der antimontanistischen Schrift vorzustellen.

HO Rolll's, Urkunden uns dem antimontanigtascheii Kampf'»'.

die einer häretischen Bewegung gedrängt wurde. Hippolyt greift ihre Prophetie und ihre Ehepraxis an, Kailist spricht wegen ihrer Fastendisciplin das Anathem über sie aus. Haben diese Kämpfe weitere Kreise in Bewegung versetzt? Jm Anschluss an Döllinger, Langen und Harnack habe ich nachzuweisen versucht, in wie hohem Masse Origenes für den Streit zwischen Hippolyt und Kaliist interessiert gewesen ist. Sollte er nicht auch in dem Kampf zwischen Katholikern und Montanisten Partei ergriffen haben? Wenn derselbe seine Aufmerksamkeit erregte, gewiss. Dies festzustellen, ist aber für die Beurteilung der Bedeutung dieses Kampfes von Wichtigkeit. Denn nur hiernach wird sich entscheiden lassen, ob es sich nur um einen litterarischen Waffen- gang zwischen Hippolyt und Kallist einerseits und Tertullian andererseits handelte oder ob die litterarischen Denkmäler Ur- kunden einer tiefer gehenden Bewegung sind.

In dem von Hieronymus in einem Brief an die Paula über- lieferten Verzeichnis von Schriften des Origenes1), das wahr- scheinlich auf dem Katalog des Pamphilus ruht, findet sich fol- gende Stelle: In epistolam ad Hebraeos hom. XVIII. De pace hom. I. Exhortatoria ad Pioniam. De ieiunio. De mo- nogamis et trigamis hom. II. In Tarso hom. IL Bei dieser von Pitra aufgenommenen Lesart ist befremdend, 1. dass exhor- tatoria ad Pioniam genannt werden ohne nähere Bezeichnung des Inhaltes und ohne Angabe der Bücherzahl. 2. dass die Schriften exhortatoria ad Pioniam und de ieiunio eine Ausnahme in der ganzen Reihe bilden, indem sie nicht als „homiliae" bezeichnet werden. Was will der gänzlich unbestimmte Titel exhortatoria ad Pioniam besagen, und wie kommen die beiden ihrer Art nach unbestimmten Schriften unter die Homilien? Diese beiden Schwie- rigkeiten lösen sich bei der von Redepenning und Fr. Ritschi auf- genommenen Lesart, deren Abdruck auch nach Harnack wohl den Vorzug vor dem Pitras verdient; darnach heisst es: De pace hom. I. Exhortatoria ad Pionam (?): de ieiunio, de monogamis et tri- gamis hom. IL In Tarso hom. IL Dieser Lesart zufolge hätte Origenes zwei Homilien paränetischen Inhalts gehalten, an Pio-

1) Abgedruckt Zs. f. d. hist. Theol. 1851 S. 60 ff. von Redepenning; nach einer neuen Kollation bei Pitra, Specileg. Solesm. ITT (1885). Hier- nach bei Harnack, Altchristi. Litt. Gesch. S. 334 f.

III. Origenes' Stellung im antimontanistischeii Kampfe. \\\

oius oder Pionia gerichtet, von denen die eine den Titel de iei- unio, die andere de monogamis e\ trigamia führt«'. Wahrschein- lich sind hier zwei paränetische Schriften als Homilien bezeichnet; denn es wäre ganz vereinzelt, dass BomiHen au eine bestimmte Person gehalten wären. Ans den Angaben des Katalogs können wir nun ober diese paränetischen Schriften folgendes schliessen:

1. Sie sind als ein Werk bezeichnet, das in zwei Teile zer- fällt; daher werden sie von Anfang an in einem Buche zusammen gestanden haben; sie sind also auch wohl etwa gleichzeitig er- schienen.

"2. Sie sind an eine Person gerichtet; die behandelten Fragen müssen für dieselbe nahe bei einander gelegen haben, da sie so- wohl in dem Verhalten zur Ehe wie in dem zum Fasten zu glei- cher Zeit durch Ermahnungen bestimmt werden musste.

3. Da die Schriften paränetischen Inhalts sind, also den Adressaten zu irgend einer praktischen Entscheidung drängen wollen, so werden sie in einer Zeit verfasst sein, wo man schwan- ken konnte, wie man sich in diesen Fragen zu entscheiden habe.

Es kommt nun darauf an festzustellen, ob die Abfassungs- zeit jener Schriften eine Periode des Kampfes war. Wir fragen also: Hatten die beiden Schriften bei ihrem paränetischen Inhalt zugleich eine polemische Tendenz? Zur Entscheidung dieser Fra- gen sind wir lediglich auf die Titel angewiesen. Aus der Über- schrift de ieiunio lässt sich kein Schluss ziehen; dagegen kann man in dem Titel „de monogamis et trigamis" eine polemische Beziehung vermuten. Um sie mit Sicherheit zu konstatieren, ist die Haltung des Origenes in der Ehefrage zu untersuchen.

Er teilt natürlich die allgemeine kirchliche Ansicht, wonach die Virginität der höchste Stand ist; die Keuschheit der Christen, die sieh in völliger Enthaltsamkeit bewährt, ist der Ruhm der Kirche l). Aber sie ist ein besonderes Gnadengeschenk Gottes und selbstverständlich nicht von allen zu fordern; daher ist die einmalige Vermählung das Normale. Die zwTeite Ehe ist et\\;i-

1) In Gen. hom. II! e. 6: Verum ecclesia Christi gratia eius, qui pro se crueifixus est, roborata non solum ab illicitis nefandisque cubilibus, verum etiam a concessis et licitis temperat, tamquam iam virgo sponsa Christi castis et pudicis virginibus floret, quibus vera circumeisio carnis praeputii facta est et vere testamentum Dei et testamentum aeternum in aeternum in eorum circumeisa carne sorvatur.

||2 Rolll's, Urkunden aus dem ;int inionl ,i nisl isehen Kampfe.

durchaus [nferiores und wer, in dem Irrtum befangen, die Wie- derverheiratung schriesse vom Reiche Gottes aus, dieselbe imter- Lässt, der ist besser daran, als wenn er die Wahrheit erkannt und von der Erlaubnis zur Wiederverheiratung Gebrauch gemacht hätte 1). Deshalb werden die Wittwen ermahnt, dem Beispie] der Hanna (Luc. 2) zu folgen und unvermählt zu bleiben2). Unter Umständen ist aber gegen eine einmalige Wiederverheiratung nichts einzuwenden. Dagegen ist es ein trauriges Zeichen der Zeit, dass sich neben der erlaubten zweiten Ehe auch dritte und vierte finden. (Nunc et seeundae et tertiae et quartae nuptiae reperiuntur: es finden sich sowohl zweite Ehen, die zulässig, als auch dritte und vierte, die verwerflich sind). Wer mehr als zwei- mal heiratet, ist vom Reiche Gottes ausgeschlossen. Der Schein, als ob nach Orig. auch die zweite Ehe zu verdammen wäre, den der citierte Satz erwecken könnte, verschwindet im weiteren Verlauf seiner Ausführungen. Orig. betrachtet nämlich die monogami und die virgines als die eigentlichen Glieder der Kirche; die zweimal Vermählten sind Christen zweiten Ranges, „die zwar im Namen Christi gerettet, aber nicht von ihm gekrönt werden"3). Auf

1) In Jer. hom. XIX c. 4. (De la Rue III p. 267): IlaQaxivdvvevoai &gXü) xal nagdösiyfxa öovvai oj(psX-r](*£vwv rJ7iaxrj/u,£vwv. slat xivtg oi öia xovxo doxovvxeg dyveiav xal xr\v xa&apöxrjxa xal dXXoi cn öicc xovxo aoxovot rrjv fiovoyccßlav, stzsI nQOOEÖöxrjoav dnoXXvoQ-ai xbv Gvvovaidoavxa ya/ui- xüg, uTtoXXvo&ai xbv öiya/j,?]Gavxa. GvyxgivofA,ev xa& savxovg. Oxi Xvai- xeXel x% fiovoydfxo) ^rtaxrjad^ai xal ol'eo&ai xoXät>eo&cu xcd alcovlaj xoXdozi TKXQadldoö&ai xr/v diya/uov, (lva /nelvy /Ltovoya/xog xal xad-agd, ij yvojvai xb dXqd-hg xal öiya/urjoai vofj.it,w. Jlavxbq ovxivogovv ßXbnovxog xb dxoXov9öv taxiv HJieiv, oxi [xaxaQiajxeQOv fxhv r\v xb xa9aQ?v£iv, xal fxrj öiya/uelv (jltj t]TtaxT]/uGvr]v, xal oqüv, oxi ß8xe%8i fxsv ocozrjQlag xivbg xal ?] öiya/xog, ov ßr\v xooavxrjg /xaxaQioxrjxog oGrjg rj xa&agevoaoa ' el 6h ßrj övvaxai xovxo, ßsXxiov xb fj7iaxrJG9ai, (bg aTioXXvßhaJV öiyd/ucov xal öia xrjv dndxrjv xad-apevEiv, i] xb dXtj&hg iyvwxzvai xal sv tXdxxovi yeyovevai xcö xwv öiyd/ucov xdyßaxi.

2) In Luc. hom. XVII (De la Rue III p. 953) : Bonum est et primuni. si qua potest virginitatis gratiam possidere. Si auteni hoc non potuerit, sed evenerit ei, ut perdat virum, vidua perseveret. Quod quidem non solum post mortem viri, sed etiam cum ille vivit debet habere in animo, ut etiamsi non venerit voluntas ipsius et propositum a Domino coronetur, et dicat: Hoc voveo atque promitto, si mihi humanuni aliquid quod non opto contigerit. nihil aliud faciam quam incontaminata viduaque perseverem. Nunc vero et seeundae et tertiae et quartae nuptiae, ut de pluribus taceam, reperiun- tur, et non ignoramus quod tale coniugium eiieiet nos de regno Dei.

3) tvid. (p. 954) Puto enim monogamum et virginem et, eum qui in casti-

111. Origenes' Stellung im antiinontanistischen Kampfe. ]|;{

diesem Standpunkt erscheint es ihm unzulässig, Digame in den Eüerus aufzunehmen, da sie nicht zu der wahren, der Idealkirche gehören1). Doch hat er nicht immer so bestimmt diesen Ge- sichtspunkt geltend gemacht. Im Kommentar zu Matthaeus meint er, es könne anter Umständen ein digamer Christ reiner und für den Klerus tauglicher sein als ein monogamer; trotzdem soll er nicht in denselben eintreten, weil der Apostel 1. Tim. 3i. 12 Tit. <lirs bestimmt verboten hat2); dies Gesetz soll gehalten wer- den: denn der Bischof soll auch ein Symbol sein für die einzelne Seele, die sich nur einmal mit Christus vermählen kann. Wenn Origenes daher de trigamis schreibt, so kann diese Schrift nur eine scharfe Verurteilung derselben enthalten haben. Trigami sind nun zunächst alle dreimal Vermählten; aber diese könnten für Origenes gleichgültig sein, wenn sie bei ihrer dritten Verhei- ratung aus der Kirche ausschieden. Wenn er daher eine Mah- nungsschrift de trigamis bezeichnet, so will er damit vor denen

monia perseverat (der Wittwer und die Wittwe), esse de ecclesia dei: eum vero qui sit diganius, licet bonam habeat conversationem, et ceteris virtutibus polleat; tarnen non esse de ecclesia et de eo numero, qui non habent rugam aut maculain aut aliquid istiusmodi, sed esse de secundo gradu et de his qui invocant nomen domini et qui salvantur quidem in nomine Jesu Christi, aequaquam tarnen coronantur ab eo.

2) Sicut enim ab ecclesiasticis dignitatibus non solum fornicatio, sed et nuptiae repellunt neque enim episcopus nee presbyter nee diaconus nee vidua possunt esse digami: sie forsitan et de caetu primitivorum immacu- iatorumque ecclesiae, quae non habet maculam, neque rugam eiieietur di- gamus non quo in aeternum mittatur incendium, sed quo partem non ha-

in regno dei. a. a. 0. p. 953.

.1 Comm. in Matth. tom. XIV. c. 22 (De la Rue p. 645): ovötva yäg xGJv fxTio vyq lxxXr\öiaq vit8Qoyr,v xiva nagu xovq nolXovq cbq iv avßßökoiq clvsi?.T](p6xa ßov/.exai b üav?.oq ösvxtgov nenbioäod-ai yd/uow tlsql /uhv ydp b7iiox('>7iü)v vofAO&txwv tv xy nobq Ti/uoS-eov Tiooxepa g)rjah 1 Tim. 3 1. 12 1 Tim. 59 1 Tit. 15.6. 'EnrjTio qoi/liev ötj oQwvxeq övvaxbv eivai ßsXxlovq 7to).hö xvyydvttv xivdq öiydfjiovq /uovoya/uajv, xi dqnoxs ovx bTtLXQtnei b Tlavloq Siydjuovq slq xaq txx?.rjGtaoxixccq xaÜioxaa&ai dgydq' xal yug söoxei jj.01 ZqTyoeojq a£iov tivai xb zoiovxov, xw svötysod-ai dxvyrjoavxd xiva nsgl ovo ydjuovq exi vbov bvxcc aTtoßalövxa xr\v öevxbgav, iyxgaxbaxaxa xalxaüa- gohaxa ßzßuDXtvai naget xov Xoinbv /uiygi yrjQcoq ygovov. Tlq ovv ovx av eiXbycoq bitanogy xt ö^rcoxe, ^TjxovLtbvov xov ag^ovxoq xrjq bxxXrjolaq, xbv fiev xoiovde öiya/iov ov xaS^laxa/uev öid xaq xov yd/uov Xe&ig' xbv de /uovo- ya/uov, xal el xvyoi /ub'/gi yt'/oojq ov/ußiwaai xy yvvaixl, xgaxov/uev dgyovxa, iaS-* oxe /birjöh yv(xvaoätu8vov slq ayveiav xal naj(pgoovvr]v; Texte u. Untersuchungen XII, 4. 8

\] | Rolffs, Urkunden aus dem antimontaniatischeu Kampfe.

warnen, die beanspruchen, auch nach der dritten Vermahlung zur Kirche zu gehören; er bekämpft also eine kirchliche Partei, wie sie in Rom durch Kallist vertreten wird.

Will er vor den trigami warnen, so hat er die monogami wahrscheinlich nicht empfehlen wollen1); sonst würde er beide nicht im Titel zusammenstellen. Auch die monogami müssen in dieser Zusammenstellung eine kirchliche Partei bezeichnen. Dann können aber nur die Montanisten gemeint sein; für sie war die Monogamie ja wirklich ein gewisses Schibboleth; Tert. ruft pa- thetisch aus: „Wir kennen eine Ehe, wie wir einen Gott kennen"2). Origenes würde also vor den monogami ebenso warnen wie vor den trigami, vor den Montanisten ebenso wie vor der Partei des Kallist. Dies ist keineswegs auffallend, wenn man sieht, wie er an andern Stellen über die Montanisten urteilt. Wie er dem Parakleten wegen seiner sinnlichen Eschatologie keineswegs ge- wogen ist, so tadelt er auch ausdrücklich die montanistische Ehe- praxis und Fastendisciplin. Er stellt sie unter das Verdikt von 1. Tim. 4i 33). Ganz das gleiche Urteil spricht er de principiis II c. 7 über sie aus und hier betont er gerade den verderblichen Einfluss ihrer Disciplin: sie verbieten zu heiraten zum Verderben und Untergang vieler und verlangen eine unzweckmässige Enthalt- samkeit, um durch Prahlerei mit einer schärferen Selbstzucht die Seelen der Unschuldigen zu verführen4). Wenn er im Kommen-

1) Wollte Orig. die Partei, der er angehörte, monogami nennen, so würde er sie sehr ungenau und missverständlich bezeichnen; denn obwohl er die Monogamie für allgemein wünschenswert hielt, so war er doch un- befangen genug anzuerkennen, dass unter Umständen der zweimal Ver- mählte sittlich höher stehen könne als der Monogame.

2) de monog. 1.

3) In Matth. Comm. tom. XV c. 30 (De la Rue p. 697): Kai ei xoi- avxd ye et,tixovv xaxa xr\v *Ir\oov (pwvrjv dnb xov üapaxXtfxov ndvxeq ol xo xaxa *Io)dvvr]v ElayyeXtov uvayivojoxovxeq, ovx äv TiQooeoyov zivhq, ojq IlaQaxXr'jXoJ „nvev[A.aoi nXdvqq xal öiöaoxaXiaiq Saifiovlwv, ev vno- xqIosi ipevöoXoycov, xexavxr]QiaOfÄtV(ov xrjv löiav ovveiöeoiv", aioxe xa xT]q TiXdvriq nvevfxaxa xal xa öaLßovia dvayOQevoat xiö /xeydXcp xov IlaQa- xXr\xov ovößaxt, otleq o Zwxrjo xolq änooxoloiq, xal et xiq xolq änooxö- Xotq naQanXriOioq eoxiv, enr\yyeiXaTO.

4) De princ. 11 c. 7. (De la Rue I p. 93): Quas divisiones ac dift'e- rentias (seil, charismatum) non advertentes hi qui eum Paracletum in evan- gelio audiunt nominari neque considerantes ex quo opere vel actu para- cletus nominetur, vilibus eum nescio quibus spiritibus compararunt, et per

III. Origenes' Stellung im antdmontanißtischen Kampfe. 115

fcar zu Matth.. wie wir sahen, 1. Tim, Li 3 in dein Auftreten der Montanisten erfüllt sieht, so wird er dieselben auch da vor Augen haben, wo er diese Stelle auf eine häretische Richtung anwendet, ohne sie durch andere Merkmale zu charakterisieren; der Vor- wurf, sie Lassen sich mit Lügengeistern ein. passt auf keine Sekte so gut wie auf diese. Onter dieser Voraussetzung finden wir noch ein scharfes Urteil bei ihm über die Ehepraxis dov IMiryger1):

hindern nicht nur die Unzucht, sondern auch die Heirat, und v. er sich mit ihren Lügengeistern einlässt, der löst die auf, die zuvor nach der Vorsehung Gottes verbunden sind. Der letzte Satz bezieht sich auf die Enthaltung vom ehelichen Verkehr von der Taufe an. den die Montanisten empfahlen2); sie wird mit der unerlaubten Ehescheidung gleichgestellt. Doch können an dieser Stelle auch smostische Sekten gemeint sein.

Meint Origenes mit den monogami die Montanisten und daran dürfte kaum zu zweifeln sein so deutet der Titel de monogamis et trigamis an, dass er hier zwei Extreme abwehren will: montanistische Rigorosität und römische Laxheit; der Titel lässt also deutlich eine polemische Tendenz erkennen. Da die Schrift nun aber paränetischen Inhaltes ist, so hat sie den prak- tischen Zweck, den Adressaten vor dem einen wie dem andern

hoc conturbare conati sunt ecclesias Christi, ita ut dissensiones fratribus non

modicas generarent. Isti vero pro irnperitia sui

Mitcllectus, quia non solum ipsi quod rectum est consequenter non valent exponere, sed ne his quidem quae a nobis dieuntur, possunt audientiam com- modare, minora quam dignum est de eius (seil, spiritus saneti) divinitate ientes, erroribus se ac deeeptionibus tradiderunt, erratico magis spiritu depravati, quam saneti spiritus institutionibus eruditi, seeundum quod apo- stolus dixit: Doctrinam spirituum daemoniorum sequentes prohibentium nubere ad interitum et ruinam multorum, et importune se abstinere a eibis, ut per ostentationeni acrioris obsevvantiae seducant animas innocentum.

1) In Matth. Comm. tom. XIV 16 (De la Rue III p. 639): cO fthv ovv EanrjQ bvezei /mto, 1v otisq 6 d-ebq avvb^v^ev uv&qcdtioq fit] ycoQiC,^' äv- &qw7Zoq öh ywQi'Cfiv ßovlerai o b 9-edg avve^ev^sv, dte „dnoozdq zf/q vyiovc

niazewq, nooot'ycuv 7Zvev(*aoi n?.dvrjq £v vnoxQiotL xptvöokoyajv

xu)kv6vxa)v „ov noQvevEiv /jlovov, d).kd aal yafxnv" , öia/.vtt xal zovq <p&d- aavraq rg TxoovoUi ovve^ev/ßai zov Oeov.

2) Tert. de exhort. cast, 1: Prima species (sanetificationis) est virgi- aitas a nativitate, seeundit ;i seennda nativitate id est a lavaero, quae aut in matrimonio puriticat ex compacto aut in viduitate perseverat ex arbi- trio. (Oehler I 738).

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] \{j Rolffs, Urkunden aus dem anthnontanietischei] Kampfe.

Extrem zu warnen. Sie muss daher in einer Zeit verfasst sein, wo ein Schwanken zwischen diesen beiden Extremen möglich war. Das setzt voraus: einmal, dass die beiden entgegenge- setzten Richtungen noch als kirchlich galten; denn war die eine häretisch, so brauchte Orig. nur vor der andern zu warnen; waren aber beide häretisch, so war kaum ein Schwanken zwischen beiden möglich, weil der Adressat schwerlich von zwei häretischen Ex- tremen gleichmässig stark angezogen sein wird.

Sodann, dass sich beide im Kampf mit einander befanden; denn nur dann war die Entscheidung für die eine oder die an- dere von principieller Wichtigkeit, sonst wäre eine solche nur dann nötig gewesen, wenn die individuellen Verhältnisse des Adressaten sie forderten; dann aber war die Möglichkeit einer Entscheidung nach beiden Seiten nicht vorhanden, denn nach dem Tode der ersten Frau konnte er sich nur für die Mono- gamen und nach dem Tode der zweiten nur für die Trigamen entscheiden.

Die Schrift ist also nur unter Verhältnissen verständlich, wie wir sie im Abendland um 218/219 finden, wo einerseits Tert. energisch für die Monogamie eintrat und andererseits Kailist durch die Ordination zwei- und dreimal Vermählter der wieder- holten Verheiratung die volle kirchliche Sanktion erteilte.

Derselbe Adressat hat aber gleichzeitig oder wahrscheinlicher kurz vorher eine Schrift paränetischen Inhalts unter dem Titel de ieiunio empfangen. In welcher Richtung werden sich die in derselben enthaltenen Ermahnungen bewegt haben? Origenes ist gegen alles gesetzliche Fasten, wodurch der Anschein jüdischen Cermonienwesens erweckt wird 1). Den Christen geziemt es nicht, mit den Juden zusammen zu fasten; denn was die thun, welche Christum gekreuzigt haben, kann Gott nicht gefallen. Auf seinem

1) In Lev. hom. X. 2 (De La Rue II p. 245): Unde et nunc dicenda nobis sunt aliqua etiam ad eos, qui putant pro mandato legis sibi quoque Judaeorum ieiunium ieiunandura, et primo omnium sernionibus utar Pauli dicentis: quia si quis vult unum aliquid custodire de observationibus legis

„obnoxius est universae legis faciendae". Quomodo ergo cognit;t

veritate convertimur iterum ad infirma et egena elementa huius mundi, quibus rursus a capite servire vultis dies observantes et raenses et tempora et annos? Audi quomodo etiam propheta huiusmodi ieiunium respuit et dicit: „Non hoc ieiunium eligi, dicit dominus, neque diem ut humiliet homo animam suam."

III. Origenes' Stellung im antiinontanistischen Kampfe. 117

Standpunkt giebt es keine gesetzlich begründete Fastenordnung; das Wort: „Wenn ihnen der Bräutigam entrissen ist, werden sie tasten", benutzt er nicht, am die Pflicht, am Freitag und Sonnabend der Leidenswoche zu tasten, daraus abzuleiten, sondern gerade. um die Freiheit der Christen von jedem Fastenzwang zu beweisen; der Bräutigam ist ja immer bei ihnen. Dennoch erkennt er die kirchlichen Fastenzeiten an und empfiehlt sie als gute Sitte, aber Lediglich in Anbequemung an die bestehende Ordnung, principiell zu begründen vermag er dieselbe nicht1). Der Angriff der zu- citierten Stelle scheint darnach auf die Montanisten gerichtet zu sein, zu denen er sich mit diesen Anschauungen über das Fasten in scharfem Gegensatz befinden musste. Als selbststän- dige Leistung hat ihm die Enthaltung von bestimmten Speisen zu gewissen Zeiten überhaupt keinen Wert; die einzige Art rechten Fastens ist für ihn die Enthaltung von aller sittlichen Unreinheit, von aller Befleckung durch sündliches Leben 2). Nicht die Speisen an sich sind rein oder unrein, sondern es kommt ganz darauf an, in welcher Gesinnung sie genossen werden; eine zuchtlose Be- gierde macht alle Speisen unrein und ein lauterer Sinn geniesst

l)In Lev. hom. X. 2. (De la Rue p. 246): Abstinere vero a eibis, quos deus creavit, ad pereipiendum cum gratiarum actione fidelibus, et hoc facere cum bis, qui Christum crueifixerunt, aeeeptum esse non potest deo. Indignati sunt aliquando et Pharisaei domino, cur non ieiunarent diseipuli eius. Quibus ille respondit, quia non possunt filii sponsi ieiunare. quamdiu cum ipsis est sponsus. Uli ergo ieiunent qui perdiderunt sponsum, nos h.ilicntes nobiscurn sponsum ieiunare non possumus. Nee hoc tarnen ideo dieimus, ut abstinentiae Christianae frena laxemus. Habemus enim quadra- gesimae dies ieiuniis consecratos. Habemus qartam et sextam septimanae dies, quibus sollemniter ieiunamus.

2) In Lev. X. 2 (De la Rue II p. 246): Vis tibi adhuc ostendam quäle te oportet ieiunare ieiunium? Ieiuna ab omni peccato, nullum ci- bum Emmas malitiae, nullas eapias epulas voluptatis, nullo vino luxuriae concalescas. Ieiuna a malis actibus, abstine a malis sermonibus, contine te a cogitationibus pessimis. Noli contingere panes furtivos perversae doc- trinae. Non coneupiscas fallaces philosophiae eibos, qui te a veritate sedu- cant. Tale ieiunium Deo placet. vergl. in Matth. Comm. tom XL 12 (De la Rue III p. 495): El de /qtj vrtoyQccU'cu xa xaxa xo evayyi?uov dxd&aoxa ßQ(vfj.axu, <prjGO[xev, oxi xoiavxd ton xa dnb n?.eove^laq nenoQiGfxava xal dno aloyooxeQÖtlaq 7t€()iyeyav7]fxbva, xal dno <pi/.i]öovlaq ?.a/uj3avo/u£va xal and xov ö-tonoitioüai xiixtoy.bvr\v xr\v yaoxtya, dxav avxrj, xal cd xax" aixrjv doigt-tg, xal ftr/ o köyoq, a.Q'/J% xrjq ipvyrjq r/ßtöv.

llg Rolffs, Urkunden aua dem antimontanistiscben Kami

nur reine Speisen1). Hiernach steht Origenes ganz auf dem von

Kaliist in seiner Fastenschrift bezeichneten Standpunkt; die Be- rüh rangen, die er in der Homilie über Lev. X. mit ihm aufweist, sind auffallend stark; er citiert wie jener Je§. 59 4 ff. Mt. 15 12 20 (= Mc. 7 15 ff.) und benutzt Past. Herrn. Sim. V, 1, wovon auch Kallist stark abhängig ist. Hat er vielleicht gar seine Schrift gekannt? An einem Punkte scheint er in seiner Freiheit von jedem gesetzlichen Zwang bewusst noch einen Schritt über ihn hinauszugehn, indem er die kirchliche Sitte einfach als einen Brauch hinstellt, dem man sich anschliessen wird, ohne sie aus der Schrift zu begründen. Aber dies ist nur Schein; in Wirk- lichkeit ist er gebundener als Kallist.

Indem dieser schreibt: Opus est de totis praecordiis credam, diligam deum et proximum tamquam me; in his enim duobus praeceptis tota lex pendet et prophetae, non in pulmonum et in- testinorum meorum inanitate, stellt er das Fasten als eine für den Glauben und die Sittlichkeit des Christen gänzlich bedeu- tungslose Kasteiung hin, die nur durch das Wort Marc. 2 20 und die kirchliche Sitte gefordert ist. Diese Beurteilung könnte Origenes sich nicht aneignen. Das Fasten ist ihm ein notwen- diges Hülfsmittel zur Bewahrung der Keuschheit; eine unum- gängliche Gymnastik, um sich für das, Studium der heil. Schrift tüchtig zu machen, die unausweichliche Bedingung, unter der die völlige Enthaltung vom ehelichen Leben möglich ist2); daneben

1) a. a. 0. (De la Rue III. p. 495) : Tavza de ziq sm/uEXdJq voyoaq, oipEzai, ozi xal zcc vo/xi£,6ßEva dya&d olov zi eozl, xaxwq xal dno ndS-ovq Xaßovza, dßaQzdvEiv, xal zcc XEyopiEva dxd&agza, övvazbv xazd Xoyov ev

XQ^OEi rj/uZv yivo/usva, Xoyi^Eod-ai xa&agd. ovzcoq zcc fiev vojui-

^OfjLEva xa&apd XoytoO-i]OEzai Eiq dxdd-aQZa zw /urj öeovzojq ccvzoiq, /irjöh

OZE ÖEl, flTjSh OOOV OEZ fÄTjÖE 6&EV OEZ XQ0)ß6Vip. OV yCCQ CiTtÖ dxo-

Xaoiaq, ovös dno (piXqöovlaq, ovSh juezcc öiaxgiOEOjq nEQiEXxovGr\q elq sxazEQa 01 (Uxaioi xqwvzul zolq ßQw(j.aOLV 77 nö/biaoi. 1. Cor. 10 31.

hat o dnöozoXoq ptlvzoi Emozd/uEvoq [xri zr\v (pvaiv ztiüv ßgwfxdzwv alziav Eivai ßXdßr\q zw /QwpcivLo r] wcpEXeiaq zrS> dnEXO/uevcp , dXXd zcc 6oy- [Accza xal zbv ivvnaQxovza Xoyov, eitle. 1. Cor. 8 s.

2) In Lev. tom. X. 2 (De la Rue II p. 246): Est certe libertas Chris- tiano per omne tempus ieiunandi, non observantiae superstitione, sed vir- tute continentiae. Nam quomodo apud eos castitas incorrupta servatur nisi arctioribns continentiae fulta subsidiis? Quomodo scripturis operam dabunt? Quomodo scientiae et sapientiae studebunt? Nonne per conti-

111. Origenee' Stellung im antimontanistisclieD Kample. 119

erklärt er die Sitte, zu Gunsten der Armen zu fasten, für höchst wertvoll l).

Hat nun Origenea eine Homilie paränetischen Inhaltes über fasten verfasst, so musa er seinen Adressaten darin einer- seits vor montanistischer Gesetzlichkeit und Überschätzung des Fastens und andererseits vor ballistischer Laxheit und Unter- schätzung derselben gewarnt baben. Freilich besagt der Titel der Schritt ja keineswegs, dass auch hier zwei Extreme abge- wehrt seien, wie es deutlich in der Überschrift: de monogamis et trigamis ausgedrückt ist; es könnte darin einfach ohne Rück- sicht auf irgendwelche Extravaganzen die rechte Praxis des Fastens dargestellt und empfohlen sein. Aber dies ist wenig wahrschein- lich. Wenigstens nimmt er am Schluss seiner Erörterung über den Abschnitt Matth. 15ia 20, wo er die Fastenfrage behandelt hat. Gelegenheit, beide Richtungen zu verurteilen Comm. in Mt. tom. XI. c 15. (De la Rue III. p. 501): Ovxcog ovv xal r] öo- xovöa ayveia, eäv dtaXoyi6tuovg syj] xovg ejtl xevoöot-ia. rj (pih>- xegöia xal t] vofitL.ofttvrj exxXrjöiaöxixr} dtöaöxaXia, eav hv Xoym xoXaxelag avsXev&SQia ylvr/xai, rj jiQo<paösi jiXeove^iag // Ojxovvxog xtvog xi)v ajto av&Qcojzcov ejtl öiöaöxaXia do£-avr ovx toxi XeXoyi6{utvrj ajto xwv „xe&tvxcov äjco xov &eov ev ttJ txxX?/öla jtqcqxov ajtoöxoXwv, ösvxsqov jiQO<pr/xcov xal tqlxov ÖLÖaöxaXcov''. Dass mit der exxXr/öiaoxtxrj öiöaoxaXta, die ver- urteilt wird, die Disciplin Kallists gemeint ist, dürfte kaum zwei- felhaft sein: denn es folgt unmittelbar darauf ein Satz, der den Bischof verurteilt, welcher aus Ruhmsucht und Ehrgeiz den Epis- kopat erstrebt: dieser ist, nach den andern unzweideutigen An- spielungen des Matthaeus-Kommentars auf römische Verhältnisse, ohne Frage auf Kallist zu beziehen; daher wird auch der vor- hergehende Satz schon ihn im Auge haben2). Mit dem Aus-

ncntiam ventris et gutturis? Quo modo quis se ipsum castrat propter reg- num coelorum, nisi ciborum atfluentiam resecet, nisi abstinentia utatur ministra?

1) a. eu 0. Invenimus enim in quodam libello ab apostolis dictum: „Beatus est qui etiam ieiimat pro eo ut alat pauperem". Huius ieiunium valde acceptum est apud deum, et re vera digne satis. Imitatur enim illum, qui animam suam posuit pro fratribus suis. s. über die Stelle Dobschütz, Kerygma Petri. T. u. V. XI, 1. 8. 84ffi Harnack, Altchristi. Litt.-Gesch. S. 26.

2 In meiner Abhandlung über das [ndulgenz-Edikt Kallists habe

120 Rolft's, Urkunden aus dem antimontanistischen Kampfe.

druck ri öoxovöa ayvda ist ohne Frage die montanistische Fasten- disciplin gemeint, deren Motive man in Ehrgeiz1) und Geldgier2) suchte. Er stellt also hier die montanistische Rigorosität der Kallistischen Laxheit gegenüber, um gegen beide wegen ihrer un- lauteren Motive zu protestieren. Wir dürfen daher annehmen, dass er dies auch in seiner paränetischen Schrift de ieiunio ge- than hat. Wie wir sahen, ist die Veranlassung zu den in de monogamis et trigamis ausgesprochenen Ermahnungen nicht in den individuellen Verhältnissen des Adressaten, sondern in einer kirchlichen Krisis zu suchen, in der zwei entgegengesetzte Rich- tungen ihn von dem traditionell kirchlichen Standpunkt abzuziehen suchten. Dasselbe muss von de ieiunio gelten, eben wegen des Zu- sammenhanges, in welchem sie mit de monogamis et trigamis steht. Wir stellen die Punkte zusammen, die uns zur Bildung eines Urteils über die beiden Schriften dienen können:

1. Origenes ist über die römischen Verhältnisse zur Zeit des Kampfes zwischen Hippolyt und Kallist unterrichtet.

2. In Rom ist zu derselben Zeit ein Kampf zwischen Katho- likern und Montanisten über die Ehepraxis und Fastendisciplin im Gange, in welchem den letzteren die Zugehörigkeit zur Kirche unter Anklage auf Häresie bestritten wird.

ich hierin eine Beziehung auf die Nachsicht des römischen Bischofs gegen die Unzüchtigengesehen; allein die Worte: r} Ttpocpäosi nXeove^iag (vergl. dazu Tert. de iei. 13: Bene autem quod et episcopi universae plebi man- dare ieiunia adsolent, non dico de industria stipium conferenda- rum, ut vestrae capturae est.) 77 tsr\xovvx6g xlvoq anb av&QcoTtcov enl öidaoxaliav öö£av werden doch nicht ganz dadurch gedeckt, und da der ganze Abschnitt von der Erörterung der Fastenfrage ausgeht, so liegt es näher, hier an die Verordnungen Kallists in der Fastendisciplin zu denken, über die ich beim Druck meiner früheren Arbeit noch nicht im Klaren war. Dann wird auch der Gegensatz zu der ayvsla des ersten Gliedes klarer. Die Worte iav iv loya) xo laxe lag ävelev&egla ylvrjxai werden sich dann auf die Einschränkungen beziehen, die Kallist dem Fasten der einzelnen auferlegte, indem er die Ausdehnung der Stationen bis zum Abend verbot u. a. Unter dem Vorwand, die Last zu erleichtern, wurde hier- durch die Freiheit beschnitten.

1) s. Orig. de princ. IL c. 7. (S. 114 Anm. 4).

2) So Apollonius. Eus. Hist. eccl. V. 18 § 2: 6 iiQaxxi]Qag yQrjfxäxwv xaxaox^oag, b en orofiaxi TtQOOcpoQwv xi,v öwgolriipiav e7iLxeyv(i)(j.evog, 6 oaXccQia ycoQrjywv xolg xriQvtxovöiv avxov xbv Xöyov, iva öia xrjg yao- xgi/uaQylag ?] öiöaöxakla xov loyov xQaxvvrjxai.

III. Origenes' Stellung im antimontanistischen Kampfe. 121

3. Origenes schreibt dicht hinter einander zwei Schriften über die Fastendisciplin und die Ehepraxis, in denen er vor den in Rom sich bekämpfenden Richtungen gewarnt haben muss.

4. Die Veranlassung zu diesen Schriften liegt nicht in den persönlichen Verhältnissen des Adressaten, sondern in einer kirch- lichen Krisis.

5. Der Titel der einen verrät eine polemische Tendenz.

ti. Im Orient galt der Montanismus schon vor dem schrift- stellerischen Auftreten des Origenes als häretische Partei.

7. Der Manu, welcher in Rom die kirchliche Tradition gegen die beiden extremen Richtungen verteidigt und dessen Standpunkt in der Ehepraxis ganz der des Origenes ist, Hippolyt, ist ihm theologisch nahestehend und wahrscheinlich persönlich befreundet.

Diese Thatsachen können den Schluss rechtfertigen: Origenes hat mit seinen Schriften de ieiunio und de monogamis et tri- gamis in den antimontanistischen Kampf zu Rom zu Gunsten der von Hippolyt vertretenen Richtung eingegriffen.

Freilich gänzlich sicher ist dieser Schluss nicht, weil wir einmal nicht nachweisen können, dass der Adressat der Schriften in Rom war *), und weil wir zweitens nicht den geringsten An- haltspunkt für ihre Abfassungszeit haben. Aber es giebt doch keine irgendwie ins Gewicht fallenden Gründe, die uns verhin- dern zu sagen: Die verlorenen Schriften des Origenes waren Ur- kunden aus dem antimontanistischen Kampfe des Abendlandes. Die Situation war dann etwa folgende: Als Tert.s Schrift de mo- nogamia, die Antwort auf die Anklage Hippolyts, zuerst in Rom gelesen wurde, bekam Origenes Kunde von dem Angriff Kallists auf die montanistische Fastendisciplin, vielleicht hat er gar dessen Schrift in Händen gehabt; die Berührungen in der zehnten Homilie über den Levitivus mit den Ausführungen Kallists sind

1) Der Name ist nicht sicher überliefert. Der Abdruck bei Pitra hat „Pioniam", derjenige in der Zs. f. d. histor. Th. 1851 das sinnlose „Pio- nam", wofür Fr. Ritschi „Pionium" und Redepenning „Piorum" lesen will ; im letzteren Falle wäre der Adressat etwa ein ägyptischer Mönch; aber eben deshalb ist die Konjektur unmöglich richtig; denn für einen solchen war eine paränetische Schrift „de monogamis et trigamis" überflüssig. Pionius = ÜEtoviog wäre ein Grieche, Pionia eine Griechin. Griechen aus des Origenes' Bekanntschaft haben sich sicher zu jeder Zeit in Rom aufgehalten.

-)22 Rolffs, Orkunden aus dem antimontanistischen Kampf«-.

sehr stark; «lies gab ihm Veranlassung, für einen in Rom weilenden Bekannten eine paränetische Schrift de ieiunio zu ver- fassen. Nachdem er diese soeben beendigt hatte oder als er noch mit der Ausarbeitung beschäftigt war, hörte er von den neuen Grundsätzen, die Kailist in der Ehepraxis handhabte, zugleich vernahm er aber, dass unter dem Eindruck von Tert.s Schrift de monogamia bei ernster Gesinnten eine Reaktion nach der mon- tanistischen Seite hin sich geltend machte. Dadurch fühlte er sich bewogen, die Partei seines Gesinnungsgenossen Hippolyt zu stärken, indem er zugleich mit de ieiunio die Schrift de mono- gamis et trigamis an seinen Bekannten nach Rom abgehen Hess. Beide waren natürlich dazu bestimmt, auch in weiteren Kreisen gelesen zu werden; sie sollten für die Richtung Hippolyts Pro- paganda machen. So könnte es gewesen sein; ob es so war, wer will es sagen?

IV. Hippolyt als Bestreite! des Montanisnms.

Ist Hippolyt als Bestreiter des Montanisnms aufgetreten, so erhebt sich die Frage : in welchem Verhältnis steht diese Polemik zu seiner übrigen häresiologischen Schriftstellerei? War die Quelle des Epiphanius eine selbstständige Schrift oder war sie Teil eines grösseren Werkes? Es ist hier eine Hypothese Iwan- zow-Platonows *) zu prüfen, wonach die Quelle von Epiph. h. 48 mit dem Traktat contra Noetum zusammen einem Werk Hipp.s gegen die zeitgenössischen Häresien angehört hätte. Diese Hy- pothese ist freilich unmöglich, wenn sich die Ansicht Harnacks als stichhaltig erweist, nach welcher der Traktat gegen Noet einem Werke Hippolyts gegen sämtliche Monarchianer angehört hätte, das mit dem um 235 verfassten „Kleinen Labyrinth" identisch wäre. Diese Hypothese ist daher zunächst zu untersuchen.

1) Mitgeteilt von Bonwetsch, Gesch. d. Montanism. S. 38. „Hipp, konnte anfänglich besondere Abhandlungen gegen Noetismus, Theodotia- nismus, Alogismus schreiben und darauf alles Wesentliche aus diesen Ab- handlungen in einem grossen Werk vereinigen, welches die Hauptquelle für Epiphanius wurde im 1. Teil des 2. Buchs des Panarion ähnlich, wie im 1. Buch Irenaeus für ihn die Hauptquelle bildete."

IV. Hippolyt als Bestreiter des Montanismus. 12;>

1, Das Verhältnis des Traktates contra Noetuni zum Kleinen Labyrinth.

Harnack *) argumentiert folgendennassen: Der Häretiker

Ajrtemas, der in dem Kleinen Labyrinth bekämpft wird, ist um 235 in Rom aufgetreten; um diese Zeit muss auch die von Eus. H. E. V. 2s citierte Schrift gegen ihn verfasst sein; diese Schrift. eben »las sog. Kleine Labyrinth, enthielt auch Angaben über die Theodotianer, welche Euseb. wiedergiebt. Nun hat Epiph. eine Schrift gegen die Äloger benutzt, die wahrscheinlich von Hipp. stammt und um 23-1 verfasst ist; desgleichen ist der Traktat gegen Nbet etwa um 2)> I verfasst. Hippolyt war also um 234/35 im Kampf gegen die Monarchianer begriffen;- es ist daher sehr wahrscheinlich, dass derselbe das 23435 in Rom entstandene Kl. Labyrinth verfasst hat als eine Schrift gegen alle Monarchianer. Diese scharfsinnige Hypothese ist aber von den grÖssten Schwierigkeiten gedrückt:

1. Hippolyt ist nicht sicher als Verfasser des Kl. Labyrinths nachzuweisen. Zwei Bedenken erheben sich dagegen: a. Eusebius kennt den Verfasser schon nicht mehr, und das Auftreten des Artemas im 4. Jahrzehnt des 3. Jh. fällt vielleicht in eine Zeit, wo Hippolyt schon nach Sardinien verbannt war. b. Der schis- matische Bischof Hippolyt konnte schwerlich die verunglückte Gemeindebildung der Theodotianer unter Natalis als ein Zeichen ansehen, das selbst die Sodomiten zur Umkehr gebracht haben würde2); er, der doch selbst erfahren hatte, mit welchen Mitteln die römischen Bischöfe gegen schismatische Gemeindestiftungen arbeiteten, wird der Geschichte von den prügelnden Engeln gegen- über skeptischer gewesen sein als der Verf. des Kl. Labyrinths.

2. Wir weissen nicht, ob die von Theodoret als das Kleine Labvrinth bezeichnete Schrift eine Bestreitung aller Monarchianer enthielt. Harnack bemerkt selbst, dass der Verf. bemüht ist, den Artemoniten Theodotus, den von Victor exkommunicierten, als ihren geistigen Vater aufzurücken3); es lag also im Plan der

1) Herzog R. E2 X. Art. „Monarchianer".

2) Eus. H. E. V. 28 § 8: Ino/uvr/Oü) yovv noXXovc xcöv döeXfpwv 7iQÜy/ua £</;' tj/i(öv y8v6/uevov,.o vo/uiXw oxi f-c iv Sodo/uoig bytyövei, xvyov uv xaxelvovq ivovÜi:Tr\Gi:.

3) R. E.2 X. 19a

124 Rolffs, Urkunden aus dem aiitimontiuiistisohen Kampfe.

Schrift, auf die Thcodotianer Rücksicht zu nehmen. Damit ist aber über die andern Monarchianer nichts gesagt. Sehr fraglich ist schon, ob die Schrift gegen die Aloger, die Harnack postu- liert, wirklich als Teil des Kleinen Labyrinths existiert hat. Zu- gegeben ist, dass Epiphanius bei seinem Bericht über die Aloger höchst wahrscheinlich die Schrift „vjc&q xov xaza Icoävvr/v ev- ayysXlov xal ajioxalvipecogu benutzt hat1). Dann gehört der- selben aber allem Anschein nach die Stelle an, aus der Harnack die Abfassung der Quellenschrift um 234 folgert2); denn diese Stelle verteidigt ja den Verf. der Apokalypse gegen den Vorwurf, er habe die Christengemeinde in Thyatira einfach fingiert, gehört also zur Verteidigung der Apokalypse. Im günstigsten Falle könnte man also daraus folgern, dass die Apologie der johanne- ischen Schriften um 234 verfasst wäre; aber auch dieser Schluss ist nicht sicher. Hippolyt weist in der fraglichen Stelle den Vor- wurf, die Apokalypse fingiere eine Gemeinde in Thyatira, zurück, indem er sagt: Johannes gab eine Weissagung; jetzt nach 112 Jahren existiert dort eine Gemeinde und ist im Wachstum be- griffen d. h. 112 Jahre nach der in der Apok. ausgesprochenen Weissagung des Johannes. Dann bemerkt er: „Deshalb war auch der heil. Geist bemüht, uns zu offenbaren, wie die Kirche verwirrt werden sollte nach der Zeit der Apostel, des Johan- nes und der ganzen Reihe, welches ein Zeitraum nach des Hei- lands Himmelfahrt von etwa 93 Jahren war"3) d. h. ein Zeit-

1) Lipsius, Die Quellen der ältesten Ketzergesch. Harnack RE.2 X. 183.

2) Epiph. haer. 51 c. 33 (Dind. II p. 500).

3) vvv 6h 6id zov Xqlgzov iv zw %qovo) zovzw, fxsza xqovov Qiß' ezwv, eaziv 7] hxxXrjGia xal avgsi, xal aXXai zivsg ixsioe zvy%avovoi' zöze de r\ näaa ixxXrjGia ixavcod-rj eic zrjv xazd <pQvyaq. 6lo xal soTiovdaoe zo ayiov nvevfta dnoxaXvxpai r/filv 7t(5g rjfxeXXe nXaväG&at tj 8xx?.t]ola /usza zov Xqovov zwv dnoGzöXwv, zov ze 'Iwdvvov xal zwv xad-e^q' {oq i]v XQ°~ voq uezcc zr\v zov gwztjqoq dvdXrjxpiv inl livevrjxovza zqlgLv szsgiv), wq /ueXXovGqq zr\q sxeTos SxxXrjGiaq TiXaväad-at xal x<i)vzmG$ai ev zf/ xaza <Povyag atQsaei. Hennecke (Theol. Litt. Ztg. 1894 S. 439) will die Paren- these hinter äväXrjipiv schliessen, sodass gesagt wäre, die Weissagung von der Verwüstung der Kirche sei 93 Jahre nach Ablauf der apostolischen Zeit (die Epiphanius wie Clemens Alex, bis zum Tode des Paulus und Petrus gerechnet hätte) durch das Auftreten der Montanisten, das dann wie haer. 48 c 1 von Epiph. in das Jahr 15G gesetzt wäre, erfüllt. Dagegen nur zwei Fragen: 1. Ist es möglich im Hinblick auf Ev. Joh. 2l2off., dass

IV. Bippolyt als Bestreiter des Montanismus. 125

räum von 122 J. nach Christi Geburt Es berechtigt zunächst nichts da/n. die Abfassungszeit der Quellenschrift dadurch zu be- stimmen, dass man die 112 Jahre nach der Weissagung der Apo- kalypse ZU der Dauer des apostolischen Zeitalters addiert; dies wäre nur erlaubt, wenn der Hippolyt die Apokalypse als den Abschluss tles apostolischen Zeitalters betrachtete. Darf man dies nicht annehmen, so kann man auch die beiden Zahlen nicht ver- wenden, um die Abfassungszeit der Quelle zu bestimmen. Nun ist es /war höchst wahrscheinlich, dass Hipp, das apostolische Zeit- alter bis zur Apokalypse rechnete, aber gänzlich unwahrschein- lich, dass er als Ahfassungszeit derselben das J. 122 annahm; man darf also die 112 Jahre nicht vom J. 122 an rechnen. Dann fragt man aber vergebens: weshalb hat Hippolyt die Dauer des apostolischen Zeitalters ausdrücklich angegeben? Der einzige Zweck könnte ja nur sein, den Zeitpunkt der Weissagung fest- zulegen, nach welchem die Verwirrung in die Kirche herein- brechen sollte; dieser Zeitpunkt kann das J. 122 auf keinen Fall sein: denn so spät hat man die Abfassung der Apokalypse nie angesetzt. Mit dieser Zahl ist also nichts anzufangen: entweder setzt Hippolyt das Ende des apostolischen Zeitalters in dieses Jahr, dann wissen wir nicht, wann er die johanneische Weissa- gung ansetzt, also von wann an er die 112 Jahre rechnet; oder das Ende der apostolischen Zeit wird für ihn durch die Apoka- lypse markiert, dann ist die Zahl 122 falsch. Da nun das letzte las bei weitem wahrscheinlichere ist, so wird man mit Lipsius2) lesen müssen „ftsra r/}v rov öojrrJQog ytvvrjöiv bju svevyxovra tqloIv ereöiv". Dann würde das apostolische Zeitalter für Hipp. mit dem J. 92 schliessen; dies ist aber etwa die Zeit, welche sein Lehrer Irenaeus für die Abfassung der Apokalypse annahm; in

ein Schriftsteller, der das apostolisehe Zeitalter*7 als o ygovoq zov xelcodv- vov xal xojv xcc&ecrjq bezeicliet. dasselbe mit dein Tode des Petrus (J4 enden '. 2. Von wo ab sollen die 112 Jahre gerechnet werden? Vom Auf- treten der Aloger an, was schon nach dem Zusammenhang höchst unwahr- scheinlich wäre, oder von der Weissagung des Johannes an, die man dann ()4 ansetzen nitisste'? Im ersten Fall wäre die Zeit des Schriftstellers etwa 270 290, im zweiten 170; keine von beiden Zahlen passt, weder für Epi- phanius noch auch für Hippolyt.

1) Quellen S. 109 f. Schon Petaviua nahm an der Zahl Anstoss. Oehler Corp. haeres. Tom. 111. Epiph. opp. II. p. CLXXX1X.

12(> Roltl's, Urkunden aus dem antimontanistischei] Kampfe.

die auch er mithin dieselbe gesetzt haben wird. Wir haben dem- nach die 112 Jahre von 92 an zu rechnen, die Quelle des Epi- phanius ist hiernach 204 verfasst. Es ist sehr viel wahrschein- licher, dass Hippolyt 204, wo der Gebrauch, den der gerade in Karthago festen Fuss fassende Montanismus von den johanneischeu Schriften machte, Bedenken gegen sie erregen musste, eine Schrift zu ihrer Verteidigung gegen die Angriffe der Aloger verfasste, als um 234, wo die Montanistische Krisis längst überwunden und der neutestamentliche Kanon während eines 50jährigen Ge- brauchs in seinem Kern unantastbar geworden war. Wir müssen also sagen : dass Hippolyt 234 gegen die Aloger schrieb, ist nicht nachzuweisen und sehr unwahrscheinlich.

3. Dass der Traktat gegen Noet 234 verfasst ist, lässt sich nicht beweisen. Wenn Epiphanius in ziemlich mechanischer Anlehnung an Hippolyt (contra Noetuni c. 1 Lag. 43) schreibt, das Auftreten Noets sei erfolgt: ov jzqo stcop jtlstovmv, aX)! cog djto %qovov izcov tovtcov sxcctov TQiaxovTa, so verlegt er dasselbe in das J. 246. Hat er sich überhaupt etwas dabei gedacht, so setzte er die Abfassung der Hippolytischen Schrift etwa in das Jahr 250; dann darf man kaum sich auf sein Zeugnis für den Ansatz um 234 berufen. Wahrscheinlich aber hat er sich nichts dabei gedacht. In jedem Fall ist die Zahl wertlos und dürfte nichts als die Kon- fusion des Epiphanius beweisen.

4. Setzt man die Abfassung des Traktates gegen Noet hinter die Philosophumena, so ist gänzlich unverständlich, wie nach dieser ausführlichen und gründlichen Darstellung der Noetischen Lehre und nach einer Widerlegung, welche dieselbe auf ihren heidnischen Ursprung zurückführt, von dem kurzen Abriss der- selben und der auf die Auslegung exegetisch zweifelhafter Stellen gegründeten Widerlegung irgend welcher Eindruck erwartet werden konnte. Der Traktat gegen Noet kann nicht nach den Philosophumnena verfasst sein.

5. Epiphanius hat das Kleine Labyrinth nicht gekannt; denn er, der sonst jeden Ketzernamen begierig aufgreift, kennt den Ar- temas nicht. Dagegen hat er den Traktat gegen Noet völlig ausgeschrieben. Derselbe kann daher nicht zu dem Kleinen Laby- rinth gehört haben; sonst hätte Epiph. dieses gelesen und müsste Artemas erwähnen.

6. Der Traktat gegen Noet bildet den Schluss eines grösseren

IV. Hippolyt als Bestreiter des Montanismus. [21

häresiologischeo Werkes, das die Noetianische Irrlehre als die Spitze der Häresien li inst eilte. Denn die äjiodsit-ig rrjg ah\- fttiaq giebt die positive Darstellung der christliehen Lehre in fort gehender Antithese zu dov d^s Noet. Das Kleine Labyrinth war aber speciell gegen Artemas gerichtet; es hat also eine von contra Xoetnm vollständig verschiedene Tendenz. Diese Schrift kann ihm daher nicht angehört, kann am allerwenigsten seinen Schiusa gebildet haben. Denn wie sollte der Verfasser, der Ar- temas, den dynamistischen Monarchianer vom Schlage des Theo- dotus, an den Pranger stellen will, dazu kommen, sein Werk mit einer emphatischen Warnung vor dem modalistischen Monarchianis- mus des Noet zu beschliessen?

Diesen Schwierigkeiten gegenüber dürfte Harnacks Hypothese kaum zu halten sein. Der Traktat gegen Noet gehört nicht zu dem um 234 verfassten Kleinen Labyrinth, sondern ist vor den Philosophumena, also vor 230 geschrieben. Die Hypothese Iwan- zow-Platonows ist daher nicht von vornherein unmöglich, son- dern muss einer näheren Prüfung unterzogen werden.

2. Der Traktat gegen Noet und die Quelle vonEpiph. haer.48.

Gewährt der Traktat c. Noetum Anhaltspunkte zur Be- stimmung des von Hippolyt in seinem mit Noet schliessenden Werke verarbeiteten Stoffes? Sicher hat dasselbe eine Bestreitung des Theodotus enthalten l), und dann auch höchst wahrscheinlich eine Polemik gegen die sog. Melchisedekianer, die Hipp, im Syntagma an Theodotus anschliesst. Betrachtete er denselben als einen Abkömmlins: der Aloger, so hat sich auch diese Häresie in der Schrift gefunden; doch ist hier einige Vorsicht geboten2). Keinen Schluss gestattet die Erwähnung des Valentin, Marcion und Cerinth3) auf ihre etwaige Berücksichtigung in der Schrift

1) xccl xavxa ßoi'kovxai oixio Öirjyelad-aL xal avzol (nach Achelis und Ficker) (j.ovoxc6?.ü>q %qü>}A£voi, ov xqotcov elnev Oeoöoxoq. avÜQomov avvio- xäv V'l/.ov Jov/.ofxevoq (c. N. 3. Lag. p. 44. 45).

2) haer. 54, 1: Ävloxtj nä/uv Oeoöoxoq xtq, dnöonaafxa vnuQ'/wv ix xfjq TiQoeiQTj/usvrjq ukoyov aiQtaeojq. Lipsius will sie mit den Theodotianern fast für identisch halten. Quellen S. 105. In der Bemerkung, sie seien cmo<maG[jLa der Aloger, sieht Harnack eine nicht unwahrscheinliche Nach- richt Hipp's. R. E. 2X. p. IST.

3) Noet. 11. Lag. p. 51.

■J28 Rolffe, Urkunden uns dein antimontanistdschei] Kampfe.

Eippolyts, wenngleich unter dieser Voraussetzung ihre Erwähnung im E])ilog als ein Rückblick auf Früheres verständlicher würde. War nun auch der Montanismus in dieser Schrift bekämpft? Es giebt eine Stelle, die dies wahrscheinlich macht. Hippolyt schreibt c. Noetum 9: eig &eog, ov ovx dXXoftev kjuylvcooxofisv , aösl- <poi, ? ex xwv aylwv yga(poJv. oöoi

ireoötßeiav aoxelv ßovX6[te&a, ovx aXXoirev doxr/oofiev r) Ix xoZv Xoyiwv xov &£OV. oöa xolvvv xtjqvööovölv al freien yoctcpal Iöoj- (iev, xal oöa diödöxovoiv , ejiiyvdifiev, xal mg fre'Xei jiaxrjg ni- öxeveöfrai, jtioxevöoj{uev, xal cog fre'Xei vlbv do^d&öfrai, do$d- öojfiev, xal wq freXei jrvevfia ayiov öcooeiöfrcu, Xaßcofiev, firj xax löiav jcgoaioeöiv, firjöe xax löiov vovv firjöe ßia- Cbfievoi xd vjio tov freov öedo^eva, aXX ov xqojzov avxog eßovXrjfr?] öiaxcbv ayuov ygacpcov öelt-ai, ovxoog löoofiev (Lag. p. 50). Zunächst liegt in den letzten Worten eine deutliche Beziehung auf die montanistische Art und Weise der Inspiration. Ja, wir dürfen mehr sagen: es liegt eine Beziehung auf diejenigen charak- teristischen Eigentümlichkeiten derselben vor, die von Hipp, bei Epiph. haer. 48 bekämpft werden. Hier stellt er in cap. 3 den montanistischen Propheten die kirchlichen als solche entgegen, die redeten oxe ydg rjv XQ£ia £V XQO<prjxaig, also nicht xaz löiav Jigoaloeöiv ; erfüllt vom heil. Geiste prophezeien sie xaxa xi\v avaXoylav xcov ex Jivevfzaxoc xagiöfidxoov exdöxop öiöofievoov xal xaxa xi]v avaXoylav x?/g jtlöxeoog xqoq xb övpKpeoov, also nicht wie die montanistischen xax' löiov vovv. Wenn end- lieh versichert wird firjöe ßiaC,6fievoi xd vjto xov freov öeöofieva, so geschieht dies im Gegensatz zu der Epiph. 48 c. 9 angegriffenen Praxis der Montanisten, welche auch die zur Monogamie zwingen wollen, denen Gott nicht das Charisma der Enthaltsamkeit ge- geben hat; zwar kommt hier nicht das Wort ßidfeöfrai vor, aber mit den Ausdrücken dvayxd^eiv, dvdyxrjv enixifrevai ist ganz dieselbe Sache bezeichnet 1). Bei genauerem Zusehen erweist sich aber das ganze Kapitel als eine Antithese gegen die Mon- tanisten. Die monarchianischen Sekten, gegen die Hipp, im fol- genden die W'ahrheit verteidigen will, stellten sich ganz auf die heil. Schriften; die Theodotianer waren vortreffliche Exegeten. die

1) vergl. besonders die Sätze: rjtuelq 6h ovx dvayxrjv tmzL&iccfxzv - ovx dvdyxr\v 6h t-7nTL&{'a{/.8v reo /uy övva/usvo).

[V. Hippolyt als Bestreiter des Montanismus. 129

Noetianer gaben sich wenigstens den Anschein, als ob sie ihre Lehre gänzlich aus der Schrift schöpften und ihr höchstes Inter- sri. den bil)lischen Monotheismus zu wahren. Ihnen gegen- über war der biblische Standpunkt einfach Voraussetzung; daher ist hier kaum etwas anderes als die montanistische Parakletoffen- barung abgelehnt. Das setzt voraus, dass in der Schrift, der con- tra Noetum angehört, von dieser die Rede gewesen ist und zwar als von einer Quelle christlicher Erkenntnis. Dies trifft wieder auf Hippolyts antimontanistische Schrift zu; hier wird c. 13 ein Aus- spruch der Maxiniilla abgelehnt, wonach sie aufgetreten ist, „um jeden, mag er wrollen oder nicht, die Erkenntnis Gottes zu lehren". Dagegen wird geltend gemacht: wie Christus nicht gezwungen, sondern aus überquellender Menschenliebe in die Welt gekommen ist, so will er die Menschen auch nicht mit Zwang zur Erkenntnis Gottes bringen. Auf diese Stelle dürfte c. Noet. 9 Bezug ge- nommen sein mit den Worten: coq ds'Zei ütaxi]Q juörsveöfrcu, jiiOTEvöcQftev. nämlich in freier Hingabe des Willens und nicht aus Zwang. Der folgende Satz coq freiet viov öoZa^eöß-cu, öo- ^docofisp scheint sich zwar zunächst auf das bekannte Wort Noets zu beziehen: xi ovv xaxbv üiolco öo^a^cov xov Xqlötov (c. Noet 1); aber es ist doch sehr beachtenswert, dass haer. 48 c. 11 Montan 'It^halb der Pseudoprophetie beschuldigt wird, weil er Christus nicht verherrlicht1); im folgenden Kapitel heisst es dann vonMaxi- milla: xal Iv oiq eöot-e XqlOtov öo^a^eiv, jisjtlavrjzai und am Schluss wird dieser vermeinten Verherrlichung Christi die gegen- übergestellt, welche der Vater für ihn fordert: 6 jiarfiQ top viov t/ylaos xal ajtioreiXev siq rov xoöfiov, tva yivcoöxcoötv avxbv xal öogäömotj xafrcoq öo^a^ovöt zov Jiaxioa. Unter der Vor- aus8etzung der Zusammengehörigkeit dieser Quelle mit dem Trak- tat e. Noet würde c. 9 der letzteren Schrift deutliche Bezieh- ungen zu allen Teilen derselben aufweisen, indem der Satz coq jnöTEVGcofisv auf c. 13, der Satz coq öot-döojf/sv auf c. 11. 12. der Satz coq öedofieva auf c. 3 u. 9 zurückblickte. Jedenfalls wird man zugeben müssen: c. Noet. cap. 9 empfängt durch die antimontanistische Schrift Hippolyts in Epiph. haer. 48 eine vor-

1 Dinrt. II p. 439,3, <prjol Movxavbq, oxi ovxe ayyeXoc ovxt

TiQtoßvg, a/.K i-yw xiQiog b ü-sog naxr\Q tj?.S-ov. xavxa öh Xeywv (pcoQa- G&qoETai d/.koxQLoq wv, Xqloxov [xt] dot~aL,o)v, ov näv %äQiOfia txxlrjaia- oxixbv Iv ixxXrjolq xTti ayia öod-hv iv d?.Tjfreirt söo^aoev.

Texte u. Untersuchungen XII, 4. 9

lifo Rolffs, Urkunden aus dem antimontanißtischen Kampfe.

treffliche Beleuchtung. Das ist aber ein starkes Präjudiz für die IM<'litigkeit der Hypothese Lwanzow-Platonows.

Wir müssen nun den Versuch wagen, die Abfassungszeil des Traktates c. Noet. näher zu bestimmen. Ich stelle zunächst den Satz auf: Die Schrift gegen Noet ist die Antwort Hippolyts auf die modalistische Bekenntnisformel Zephyrins. Dieser Satz Lägst sich beweisen:

1. Der Traktat bekämpft nicht Noet, sondern die Noetianer. Ich kann hier nur die Sätze Harnacks l) wiederholen: „Die Per- son Noets tritt ganz zurück, nachdem im ersten Kapitel seine Exkommunikation als warnendes Exempel berichtet worden ist. Vielleicht wollte der Verfasser diese Geschichte erzählen, um zu zeigen, wie ganz anders man anderswo als in Rom gegen die gottlosen Patripassianer verfahren ist, um so seinen Landsleuten das Gewissen zu schärfen. Dieselben feinen Beobachtungen, die Lipsius in seiner Monographie über Tert.s Schrift wider Praxeas niedergelegt hat, lassen sich an der Schrift Hippolyts wieder Noet machen. Der bereits exkommunicierte Häretiker muss den Namen hergeben, unter welchem ihm verwandte, noch nicht völlig abgewiesene Richtungen um so wirkungsvoller prä- scribiert werden können".

2. Die Formulierung, in der Hippolyt die Lehre Noets be- kämpft, ist mit der Formel Zephyrins identisch. Hippolyt sagt zwar: „Dass Noet sagt, Vater und Sohn seien ein und derselbe, weiss jedermann". Aber in dieser nackten Paradoxie hat Noet seine Ansicht nicht ausgesprochen; sie ist vielmehr die Konse- quenz, die seine Gegner ihm vorrückten. Denn Hippolyt citiert gleich darauf zur Erläuterung dieses Satzes die Worte Noets2): Ots fiev ovv iir\ ysytvrjzo 6 jicct/'/q, öixaicog JtarijQ JtQOörjyo- qsvto' ots öh rjvöoxTjösv ytvtOtv vjio(islvcu} ysvvTj&elg o vlog lytvsxo avTog tavrov, ovy IztQov. Diese „wissenschaftliche" Ausdrucks weise hat Zephyrin in seiner Formel abgestreift: er hat die Noetianische Lehre auf den populären Ausdruck ge- bracht: 'Eycb oiöa Iva d-sov Xqiötov 'irjöovv, xal jcXtjv avrov

1) Zs. f. d. hist. Th. 1874 S. 201. Ich versuche H.s frühere Ansicht gegen die später von ihm vertretene (R.E2X) zu verteidigen.

2) oti öh xal xov avxov vlov zivai ?Jyet xal naxlga ovöt-ig ayvosl. Xiysi 6k ovtojq- "Ort (xev xzk. Phil. IX. 10. (p. 448,48).

IV. Hippolyl als Bestreite] des Montanismus. 131

trenor ovöiva ysvvrftov xal na^r\xov^ . In dieser populären Aus- prägung bekämpft Hippolyt in seinem Traktai die Lehre Noets;

er kleidel sie in die Worte: xov Xgiörov avrnv dvai xov Jia- rt'oa xal avxov rbv jtartga yeytvvi/oüai xal jtsjzov&tvat xai ajioT'cttrti'/.u'iu- . Sachlich ist dies ganz dasselbe, was Zephyrin behauptete; Bippolyt konnte natürlich dessen Formel dem No<M oicht wörtlich in den Mund legen, wenn er die Fiktion, den Xoet zu bestreiten, nicht sofort wieder aufgeben wollte. Dass er den Zephyrin meint, wenn er Noet sagt, zeigt er da, wo er darstellt, wie die Gregner zu ihrer Lehre kommen (c. 2. Lag. U2): oi xal (hi^at ßovXovzai ovoraoiv rw öoyfian Xtyovrzg' Eixev Iv PO fiep „syoj diu 0 freög rebv jtartooyv vkuo"Jv. ovx loovrai vfilv d-eot \'t8()oi Jtlt)v sfiov." xal jtaltv hv trigep „eyco" (prjoh\ „jtQcözoq xal kya) (Ach. V. lö^arog xal tu£r £tus ovx loriv ovdtij." ovtoj (paoxovotr ovviörav tva &£ov, ol xal ajzoxgi- vovrai Xtyovrzg' El ovv Xgcörov otuo Xoym &sov, avrog aga loriv 0 Jiart'jg, ei ys (Ach. F.: yag) horiv o &eog. IjiaiHv ös Xgiorog, avrog ojv &eog: aga ovv sjiafrev jcar/jg, jtarr g yag avrog r/v. Man erkennt noch: Die Stellen: Exod. 3 6 (20, 2. 3) Jes. 44 ü (45 5) haben den Satz geliefert: £ya> olöa tva &eov xal jzli]v avrov tregov ovöeva. Hieraus ist Zephyrins For- mel entstanden, indem auf Grund der Voraussetzung: Christus ist Gott, Xgiörov ^Irfiovv als epexegetische Apposition hinter $zov eingeschoben und auf Grund der Thatsache: Christus ist geboren und hat gelitten ytvvrjrdv xal Jia&r/rov appositionell als Attribut zu Xgiörov '[tjöovv hinzugefügt wurde. Hippolyt lässt uns also, Indem er die Argumentation seiner Gegner berichtet nicht die des Xoet , einen Blick thun in die Entstehung der Formel Zephyrins. Wir dürfen sagen: Die Ausprägung, in der Hippo- lyt die Lehre der Noetianer bekämpft, ist der Formulierung des Noet gerade so fremd, wie sie der Formel Zephyrins verwandt ist.

3. Der Traktat ist in einer Zeit verfasst, wo eben diese Lehre im Begriff war. die Herrschaft in der Gemeinde zu ge- winnen. Den Schluss bildet eine Apostrophe an die Brüder, in der ihnen mit rhetorischem Pathos und in warmer Glaubensüber- zeugung da- orthodoxe Bekenntnis dargestellt wird, um sie zum

1) Phil. IX. 11. (]». r

2) c Noet. 1 (Lag. 43).

[32 Etolffe, Urkunden aus «Irin antimontanistischeii Kampfe.

Festhalten daran zu bestimmen s. c. 17. 18); sie ist nur verständ- lich, wenn die Gefahr eines A Mails vorhanden, und wenn sie dringend war. Darauf deuten besonders die einleitenden Worte hin: avragxeig avzcu al f/aoxv()lai jtioroig äXrjfHiav aoxovüiv. ol 6h ccjziöTOt ov6ev\ jtiöTtvovöiv xal ya.Q xo Jivev/ia ro ayiov ex jtQOOcojtov rmv anoöxoXcov öiefiaQxvyaxo Xiyov „xal xig ejtlöxevoev xfj dxoij ijficov" möxe (ir/ yeva>(ie&a ajtiozoi, fitjjiors e<$ tjfilv xeXeöd7( xo elQTjfitvop. juöxevowfiev ovv, ftaxaoioi a6eX<poi, xaxa xr)v nagadoötv tcov äjtoöxoXow, ort xxX.]) Über das Wort (laxaoiog sagt Heinichen: „(laxaoiovg dixi etiam de hominibus aliqua re praestantissimis, qui aliquo in genere propius ad ipsam divinitatem videantur accedere."2) Dar- nach sind die fiaxccQiot d6eX<pol jedenfalls hervorragende Ge- meindeglieder: Presbyter, Diakonen, Konfessoren. Wenn diese der Warnung bedürfen: lasst uns nicht ungläubig werden, son- dern an der apostolischen Tradition festhalten, so muss sich die Irrlehre im Mittelpunkt der Gemeinde festzusetzen im Begriff sein. Dies passt am besten in die Zeit, als der Bischof Zephyrin selbst zum modalistischen Monarchianismus überging.

4. Nach c. Noet. c. 14 wird gegen Hippolyt der Vorwurf erhoben: ovo Xeyeiq fteovg2'). Dieser ist aber von Kallist ausge- gangen, nachdem er den Zephyrin zur Erklärung seiner moda- listischen Formel bewogen hatte: 6g dg dnbvoiav xmowv diä xo ozdvxag avxov x(] vjioxqiOei Ovvxoeyeiv, r^iag 6h ov, ajie- xdXec r^iag ÖLßeovgJ) Diese Anklage sucht der Traktat zu widerlegen; er fällt also in die Zeit, wo dieselbe erhoben wurde.

5. Hippolyt erzählt: ov xa vor/fiaxa [gemeint sind zunächst die Gedanken Kallists; aber da er dem Zephyrin seine Formel inspiriert hatte, so sind seine Gedanken in dieser ausgedrückt]

1) c. Noet. 17 (Lag. 55).

2) s. Harnack in Zs. f. hißt. Th. 1874 S. 221.

3) el 6e ovv 6 löyoq nooq xbv &eov &eoq ojv, xt ovv (f>7]oeiev av xiq' Avo ?.eyeiq &sovq; ovo /ihv ovx eqü) 9-sovq, dXX1 ?/ tva. (Lag. 52).

4) Phil. IX. 11. (p. 452). Hierauf blickt Hipp, später zurück, indem er erzählt, wegen dieses öffentlich erhobenen Vorwurfs habe Kallist sich nachher geschämt, die wahre Lehre zu vertreten: €X(ov de xal xbv lov tyxfl/uevov tv zy xaoditx, xal ev&bojq /UTjöev cpoovwv, afxa 6h xal alöov- [Atvoq xcc dXrjd-rj Xcytiv, 6iä xo örjfxoola fj/uiv ovsiöig'ovxa eItcsiv' ötd-Eol lote. Phil. IX. 12 (p. 456).

[V. Hippolyt als Bestreiter des Montanismus. 133

ypovrsg rjfielg ov GvvexcoQOvftsv, eXeyxovreg xal avrixa- x^iöra/jsvot VXEQ rfjg ahj&eiag 1). Da die Lehre Zephyrins und Kallists öffentlich erklärt war, so kann Hippolyt nur eine öffent- liche Widerlegung und ein öffentliches Eintreten für die Wahrheit meinen. Nun war Zephyrin theologisch viel zu ungebildet und Kailist politisch viel zu klug, um sich dem gelehrtesten Theologen und gewandtesten Ketzerbestreiter ihrer Zeit öffentlich zu einer mündlichen Disputation zu stellen. Hippolyts Widerlegung und sein Eintreten für die Wahrheit muss also schriftlich erfolgt sein. Der Traktat c. Noet. ist in seinem ersten Teil ein eXeyxog der Noet-Zephyrinischen Lehre, in seiner zweiten Hälfte eine djtoösc^iQ rrjg aXrjd-eiag; es liegt daher sehr nahe, ihn für die Schrift zu halten, die Hippolyt in dem oben citierten Satze meinen muss.

In dem von uns angenommenen Zeitpunkt allein ist die Schrift nach Inhalt, Anlage und Tendenz verständlich; sie ist schon nicht mehr zu verstehen, wenn sie hinter die Formel Kallists gesetzt wird; denn diese will ja gerade solchen Ein- wendungen aus dem Wege gehen, wie sie Hippolyt gegen die Lehre Zephyrins erhebt. Die Schwierigkeiten, die er hier hervor- hebt, bestanden für die Formel Kallists nicht mehr, mochte sie sich auch in ungleich stärkere Widersprüche verwickeln; als sie deklariert war, musste daher eine Argumentation wie die Hippo- lyts eindruckslos sein.

Wann hat nun Zephyrin seine modalistische Formel prokla- miert? Harnack meint, am besten würde man den Traktat c. Noet. in die erste Zeit Zephyrins setzen. Aber dies erscheint mir ausgeschlossen durch das Zeugnis Tertullians. Er hat seine Schrift adv. Prax. verfasst, nachdem ihm die Formel Kallists be- kannt geworden war. Das dürfte feststehen. \\\ der Einleitung erzählt er: Endlich entsagte Praxeas, da er korrigiert wurde, seiner früheren Lehre und es bleibt die Urkunde darüber bei den Psychikern, bei denen damals die Angelegenheit verhandelt wurde; seit der Zeit Stillschweigen. Jener Windhafer aber hatte damals überall Samen ausgestreut. So war er einige Zeit durch Heuchelei bei sehlauer Lebenskraft verborgen, und

1) Phil. IX. 11. (p. 452).

131 Rolft's, Urkunden aus dem antimontanistischen Kampfe.

jetzt ist er von neuem hervorgebrochen1). Also Tert. hat, seit- dem Praxeas seine Rolle ausgespielt, nichts wieder von einem nennenswerten Vorstoss des Modalismus gehört, l)is eben durch Zcphyrin und Kaliist derselbe neuen Einfluss gewann. Da er sagt: jetzt ist er von neuem hervorgebrochen, so kann dies nicht lange vor der Abfassung von adv. Prax. gewesen sein, also nicht lange vor 217/18.

Wir können aber ferner mit ziemlicher Bestimmtheit be- haupten: als Tert. de carne Christi schrieb, wusste er von dem Siege des ihm verhassten Modalismus in Rom durch die Formel Zephyrins noch nichts. Sonst wären die stark modalistisch klin- genden Formeln, die er hier gebraucht, und zwar ohne jede Re- striktion, für ihn unmöglich: Necesse est, quatenus hoc putas arbitrio tuo licuisse, ut aut impossibilem aut inconvenientem deo existimaveris nativitatem. An ergo voluerit nasci (quia si voluit, et potuit et natus est) consideremus. Ad compendium decurro. Si enim nasci se deus noluisset, quacunque de causa, nee hominem se videri praestitisset (cap. III.) So hätte Noet auch schreiben können2); Tert. konnte sich aber nicht die Formel einer gerade in höchster Machtentfaltung stehenden, von ihm für häretisch gehaltenen Lehre stillschweigend aneignen. Desgleichen musste es für ihn recht bedenklich sein, von den contumeliae et passiones dei zu reden, nachdem Zephyrin im Sinne des Modalismus Grott die Attribute ysvvrjxoq xal jza&rjroq beigelegt hatte. Es ist sehr prekär, die Möglichkeit und Unmöglichkeit auf psychologischem Gebiet zur Datierung von Schriften zu verwenden; denn es ist hier oft das scheinbar Unmögliche Wirklichkeit. Aber in diesem Falle dürfen wir sagen: nach der Formel Zephyrins waren Aus- drücke wie die eben citierten für Tert. eine psychologische Un-

1) Denique caverat pristinum doctor de emendatione sua, et manet chirographum apud psychicos, apud quos tunc gesta res est; exinde silen-

tium. Avenae vero illae ubique tunc semen excusserant.

Ita aliquamdiu per hypoerisin subdola vivacitate latitavit, et nunc denuo erupit. adv. Prax. 1. Durch die Worte per hypoerisin etc. wird offenbar die geheime und geschickte Agitation Kallists für den Modalis- mus charakterisiert, s. Phil. IX. 11 (p. 452,87).

2) s. Phil. IX. 10 (p. 448): oxt fihv ydg ov% OQäxai tjv aoQaxoq, [oxe 6h boüxai bpazöq], dxd>QrjXoq dh oxe /urj %wQHO&ai &eXei, xwotjxbg de oxe xwQelxai. ovzwq xaxa xbv avxov Xöyov axpdxrjxog [xal XQaxrjxoq), ayhvvqxoo, [xal yzvvrjxöq], dd-ävaxoQ xal S-vrjxog.

IV. Hippolyl als Bestreiter «I«'- Montanismus. 135

möglichkeit. Hiernach hätte Zephyrin seine Formel nicht vor 215 ir> proklamiert

Dieses l\esult;i! wird durch eine genaue Prüfung des von Hipp, in den Phil, gegebenen Berichtes aur bestätigt. Als Kal- iist etwa 192 wider den Willen Viktors von Sardinien zurück- kehrte, stand er bei der römischen Gemeinde in dem übelsten Ruf und wurde deshalb von Victor nach Antinni geschickt. Zephyrin ruft ihn zurück und ^iebt ihm die Aufsicht über ein Cömeterium; es kann nicht eine der ersten Regierungshandlungen dieses Bischofs gewesen sein, dem übel beleumdeten Kaliist ein Ehrenamt in dw Gemeinde zu geben, seine Geschichte war zu ungewöhnlich, um rasch vergessen zu werden. Zephyrin befand sich in einer Notlage, als er den Kaliist rief; er brauchte ihn als Genossen und Mithelfer jtgog ttjv xaraOraOiv zov xItjqov1). er hat also Streitigkeiten mit seinem Klerus gehabt, die er allein nicht schlichten konnte. Dies wird kaum in den ersten Jahren seines Episkopates gewesen sein,- da sich derartige Konflikte erst mit der Zeit anzuspinnen pflegen. Alles das macht es wahr- scheinlich, dass Kalbst nicht vor 205 nach Rom zurückgekehrt ist. Die Noetianische Irrlehre ist von Epigonus nach Rom ver- pflanzt; Bedeutung hat sie aber erst durch Kleomenes gewon- nen2); dieser schloss sich ihr an, „als Zephyrin die Kirche zu verwalten glaubte", also zu einer Zeit, wo er schon stark unter dem Einfluss Kallists stand; das kann frühestens 206 gewesen sein. Kleomenes war „ein durch Leben und Wandel der Kirche entfremdeter Mensch"; das Zeugnis, das ein kirchlicher Theologe über den sittlichen Wandel eines Häretikers fällt, hat nicht

1) [ÜiI'xt(d()\ <pv?Mao6/uevog de zov vnb nollöjv oveiöov (ov yccQ r/v /jiaxpav za vn avzov zezok/urjfiira., h'zi 6h xal zov KaQTiocpoQOv dv- ziTiiTtzovzoQ, itbßTtBL avzov xazauivaiv iv l4v9£iw, bgioaq avziö /uqviaTbv zi txzQOiprjQ. Med- ov xolfjtrjGiv ZupvQlvoQ ovvaQaßevov avzov G~%Ü)V TtQOQ zr)i' xazdozaoiv zov xlrjgov, zzl/ur/oe zo> UYio) xaxo), xal zovzov (.tezayayüjv dnb zov 'AvSelov siq zb xoifujTTJgiov xazi'ozrjaev. Phil. IX. 12. (p. 456,60).

12/ TEbtiyovq)] fxa&rjztvGaq Kkso/xtvrjg, xal ßio) xal z(t6itoj dk- kozoioq zftz txxkrjGiaq, txQazii'8 zb öoyfia, xaz ixtlvo xaiQOv ZeyvQivov ödntLV voiul'C,ovzoq zr\v ixxkrjoiav , dvÖQoq ukohor xal aiG/QOxsQÖovq.

[bq] ZW Xl'nihl TtQOGipBQOßbVO) 7T8lx^6/U8VOq GWr/OJQEL ZOlq 7ZQOGIOVOI T(ö

KXeofiEVSt fxaS-rjzsvsGd-ai. Phil. IX. 7 (j». 440.25).

136 Rolff's, Urkunden aiM dem antimontanistischen Kampfe.

gerade viel Gewicht, hier besagt es aber immer «loch so viel, dass er nicht zum Klerus gehört haben kann und mich wohl bis dahin keine Rolle in der Kirche gespielt hat. Es kann ihm also nicht ganz leicht geworden sein, eine kirchliche Partei zu bilden, mochte auch bei der grossen Menge eine Prädisposition für den Modalismus vorhanden sein und mochte auch vielleicht gerade sein weltlicher Wandel vielen laxen Christen zusagen. Zephyrin hat ihn in der ersten Zeit nur geduldet und, wenn Hippolyt hier recht berichtet, nur weil er Geldgeschenke dafür empfing. Dar- nach kann die Partei nur allmählich gewachsen sein. Gleich- wohl hat sie, als Kailist *) sich ihr anschliesst, schon einen recht bedeutenden Einfluss; denn er tritt auf ihre Seite, um durch sie das Ziel seiner Wünsche, den Episkopat, zu erreichen. Wenn wir für diese Entwicklung einen Zeitraum von fünf Jahren annehmen, so ist das noch immer ziemlich knapp bemessen; Kallist ist demnach schwerlich vor 211 zur Partei des Kleomenes über- getreten.

Der Bericht Hippolyts über die folgende Zeit lässt drei Thatsachen erkennen2):

1. Kallist beginnt ein höchst raffiniertes Intriguenspiel, in- dem er den Zephyrin veranlasst, wahrscheinlich durch irgend welche konträre christologische Behauptungen sowohl die An- hänger Hippolyts wie die des Sabellius, der damals noch eine Mittelstellung zwischen Orthodoxen und Modalisten eingenommen haben muss, in einem fort in Aufregung zu versetzen, um dann selbst dadurch, dass er den einen wie den andern in Privatunter- haltungen Recht giebt, sich unter beiden Freunde zu verschaffen.

2. Kallist versucht, den Sabellius ganz auf den Standpunkt des Kleomenes hinüberzuziehen; hierbei hat er die Gegenwir- kungen Hippolyts zu überwinden; durch seine fortgesetzten Be- mühungen erreicht er sein Ziel.

3. Hippolyt hat eine Zeit lang Einfluss auf Zephyrin und Kallist ausgeübt oder wenigstens auszuüben geglaubt; freilich

1) Tavxrjv ttjv diQEGvv ixQaxvve KäXXiorog, uvriQ iv xax'iq navovQyoq xal noixiXoq tiqoq nlävrjv, ^rjQcjfievog xbv rrjg S7iiax07tj}q 9qovov (Phil. IX. 11. p. 450,66).

2) s. Phil. IX. 11 (p. 450,68-79).

IV. Hippolyt als Bestreiter des Montanisruus. [37

hat er sie in ihrer theologischen Haltung nur vorübergehend bestimmen können 1).

Hieraus wird klar: Kaliist hat eine Zeit lang Versuche ge- macht, entweder mit den Sabellianern oder mit den Anhängern Hippolyts einen Kompromiss zu Bchliessen; deshalb hat er zu Zeiten dem letzteren Recht gegeben; allein hier waren seine Kompromissversuehe vergeblich; dagegen gelang es ihm, den Sabellius zu gewännen. Darauf veranlasst er Zephyrin zu seiner Erklärung, die wahrscheinlich bestimmt war, die Anhänger des Sabellius und des Kleomenes zugleich zu befriedigen. Aus dem allen erhellt, dass die Proklamation der Formel Zephyrins nicht unmittelbar auf den Übertritt Kallists zur Partei des Kleomenes gefolgt ist. Der Kampf um die Person des Zephyrin muss allem Anschein nach mehrere Jahre gedauert haben, sodass sein defini- tiver Übertritt zum Modalismus schwerlich vor 215 anzusetzen ist. Natürlich kann man dieser ganzen Konstruktion Willkür vor- werfen; ich möchte sie daher nicht als Beweis, sondern nur als Bestätigung der aus Tert. gewonnenen Resultate angesehen wis- sen; wer das Zeugnis Tert.s für eine so späte Datierung der Formel Zephyrins zu entkräften vermag, wird sich gewiss auch den Bericht der Philosophumena anders zurecht zu legen wissen. Nur das glaube ich auf Grund dieses Berichtes behaupten zu können: die Formel Zephyrins gehört nicht in die erste Hälfte seines Episkopates. Dagegen müsste man Tert. genaue und rasche Informationen über römische Verhältnisse absprechen, wenn man die aus seinen Schriften beigebrachten Argumente entkräften will, und das wird man wohl angesichts seiner Traktate gegen die Psychiker unversucht lassen müssen.

Als Ergebnis unserer Untersuchung gewinnen wir mithin den Satz: Der Traktat gegen Noet ist höchst Avahrscheinlich nicht vor 215 und nicht nach 217 verfasst; er gehört also in dieselbe Zeit wie Hippolyts antAnontanistische Schrift.

Wir haben bisher folgendes ermittelt:

1) xaizoi miüv /UTjdt7ioi8 avy/ü)Q7]oävTü)v, dkXa nkeiozäxiq uvzixu- iheoxwTüJV TtQoq avzovg xal öisleyQavzwv xal axovzaq ßiaoccftsvcuv zrjv dkq&siav o/nokoyeTv oll tcqoq (xev wgav alöovfxevoi xal vtco zfjg dXrjd-eiag ovvayojuevoi w/Lio?.6yovv, jutz' ov nokv 6h snl zbv avzov ßoQßoQOv avt- xvllovzo. Phil. IX. 7. (p. 440,35).

i;;s li'oltls. I rkunden aus dem antimontanistischei] Kampfe.

1. Sicher ist, dass sowohl der Traktat contra Noetum wie die

Quelle von Epiph. haer 48 von Hippolyt verfasst ist.

2. Sehr wahrscheinlich sind beide Schriften /wischen 21 5 und

217 verfasst. ;;. Wahrscheinlich hat die Schrift, von welcher c. Noet. ein Frag- ment ist, auch eine Bekämpfung der Montanisten enthalten. 4. Bezieht sich c. Noet c. 9 auf die Montanisten , was wir für wahrscheinlich halten müssen, so finden die dort an ihnen hervorgehobenen Züge durch die antimontanistische Schrift Hippolyts eine ungezwungene, freilich nicht die einzig mög- liche Erklärung.

Diese Momente genügen, um die Hypothese Iwanzow-Plato- now's, wonach die beiden Schriften einem grösseren Werk Hippo- lyts gegen die zeitgenössischen Häresien angehören, sehr plausibel erscheinen zu lassen.

Dieses Werk hätte demnach enthalten: einen Abschnitt über die Montanisten, vielleicht über die Aloger, sicher über die Theo- dotianer, wahrscheinlich über die Melchisedekianer und gewiss über Noet1). Da Epiphanius dieses Werk in haer. 4S und 57 als Quelle benutzt, so ist es so gut wie gewiss, dass er auch seine Kenntnis für die dazwischen liegenden Häresien, soweit sie in diesem Buch besprochen waren, daraus schöpft. Leider können wir nicht kontrollieren, wie weit er durch seine Bearbeitung den ursprünglichen Umfang und Charakter seiner Quellenschrift ver- ändert hat. Voigt sucht aus der Art der Bearbeitung, die der Traktat gegen Noet erfahren hat und die wir ja durch Ver- gleichung feststellen können, einen ungefähren Massstab für die Beurteilung der an der Quelle von haer. 48 vorgenommenen Über- arbeitung zu gewinnen. Aber Loofs2) macht mit Recht auf die * Unsicherheit dieses Massstabes aufmerksam. Epiphanius hat hier wahrscheinlich stärker eingegriffen als bei den andern Abschnitten,

1) Die Reihenfolge war höchst wahrscheinlich: Montanisten, Aloger, Theodotianer, Melchisedekianer, Noet; es könnten freilich die 3 zusammen- gehörigen Richtungen der adoptianischen Monarchianer auch vor den Mon- tanisten behandelt sein; aber das ist kaum anzunehmen, da nach dem Ausdruck c. N. 8: xal avxol fxovoxwXutq xQüjfxevoi, ov xqotiov einer (JeoAozoQ die Bestreitung der Adoptianer unmittelbar vorher gegangen zu sein scheint.

2) Theol. Litt -Ztg. 1893 S. 302.

IV. Hippolyt als Bestreiter des Montanismus. 139

da hier gerade Fragen zur Verhandlung kamen, die" zu seiner Zeit durch tue arianischen Kämpfe noch brennend waren. Man wird sich m. E. darauf beschränken müssen, diejenigen Stücke auszuscheiden, die sich durch Unterbrechung des Gedankenganges

deutlich als Einschaltungen des Epiphanius verraten. Bei einzel- nen Redewendungen und Ausdrücken entscheiden zu wollen, ob

sie von Epiphanius oder von Hippolyt herrühren, wird man sich versagen müssen. Da der Abschnitt über die Montanisten die ausführlichste Erörterung erfordern wird, so beginne ich die Re- konstruktion von rückwärts.

Der Abschnitt über Noet nebst dem Epilog des Werkes liegt in vollem Umfang und völlig intakt vor. Lagarde p. 41 57.

Der Abschnitt über die Melchisedekianer ist enthalten in der Abhandlung haer. .V) bei Epiph. (Dind. II 516—528). Abge- sehen von demSchluss, (p. 527,20 —528,8), der sich sofort als Eigen- tum des Epiphanius ausweist, lassen sich vier grössere Einschal- tungen erkennen:

1. c. 1. ol fiev /«() ev xtj IHt (ja bis cap. 2: 6r\lol xo tQyov (p. 'AI. 19 5 1 8, 12) unterbricht den Gedankengang Hippolyts. Dieser will zeigen, dass die Melchisedekianer die Stelle Hebr. 7 1—3 nicht verstanden haben und deshalb aus den Attributen ajtarcoQ, aiit)rcoQ einen falschen Schluss ziehen. Er sagt deshalb: „Der tiefe und dem natürlichen Verstände nicht fassbare Sinn der heil. Schrift führt viele irre;" den Sinn der fraglichen Stelle erörtert er dann von ]». .")ls, 13 an. Epiphanius bringt aber erst zwei Beispiele zu der Behauptung Hippolyts, die nur halb passen, und macht dann Mitteilungen über die Eltern Melchisedeks, die dieser nach der Tradition gehabt haben soll und über Salem, sodass -der Satz, mit dem er Hippolyts Gedanken wieder aufnimmt „tt-t'jvsyTcs ycxQu, (prjöl, reo Aßg.. im unmittelbaren Kontext vollständig unverständ- lich ist.

2. c. 3: Tva öt ///} 61a tovto bis rovg jcartQaq rjVQa/nsv oder wahrscheinlicher bis aXla. pij yepoiro (p. 519, in 520.5 resp. lo ' zerstört die Pointe Hippolyts, der den Elias als djta- tcoq und apTjTCOQ angeführt hatte, indem seine Genealogie nach i\('\- Tradition mitgeteilt wird.

1) Gehört das Stuck 520,6 10 Hipp, an, so ist es auf jeden Fall Btark aberarbeitet.

140 Rolfls, Urkunden aus dem antimontanistischen Kampfe.

3. cap. 5 7 erweisen sich durch ihre Nachrichten, die über Hippolyts Zeit hinabgehen, als Eigentum des Epiphanias 1).

4. cap. 9 xal iva nr\ riq unq bis jtÄavr/Oat (p. 526 2—21) bringt eine ganz unpassende Ausführung über den heil. Geist, in der Epiphanius die für ihn zeitgemässe Frage nach der Stel- lung des heil. Geistes innerhalb der Trinität erörtert.

Kleinere Einschaltungen sind: p. 517,2: rov ayiov IlavXov (Hipp, hielt den Hebräerbrief nicht für paulinisch) p. 520,33 521b: vlöq d-eov ysvvrj&elq avaQycoq xal axQorwq bis avdooq, p. 525, 10. 11: ysysvvrjfiEVOV ex JiaxQoq avaQicoq xal dygovcoq (als im ari- anischen Streit geprägte Formeln), p. 525, 23— 28 : alla xal bis /.a<pvQaya>ylaq (verrät die überflüssige Vollständigkeit des Epi- phanius), p. 526,27—29 p. 527,11 13 (als Ausrufe der ungeheuchel- ten Entrüstung des alten ehrlichen Ketzerrichters). Die ausge- schalteten Stücke umfassen rund 200 Zeilen (in der Dindorfschen Ausg.), was von Hippolyt entlehnt ist, beträgt etwa 190 Zeilen; viel mehr scheint dieser Abschnitt seiner Schrift nicht enthalten zu haben.

Der Abschnitt über die Theodotianer bei Epiphanius haer 54 scheint ziemlich intakt erhalten zu sein, wenigstens sind grössere Einschaltungen nicht erkennbar; nur der Schluss p. 516,8— u ist von Epiphanius. Darnach hätte dieses Stück der Hippolytischen Schrift rund 200 Zeilen umfasst; sehr viel ist auch hier wohl kaum ausgefallen. Die Abschnitte über die Theodotianer und Melchisedekianer dürften also von Hippolyt etwa in gleicher Länge gehalten zu sein.

Der Abschnitt über die Aloger bei Epiph. h. 51 ist in der Schrift Hippolyts, wie es scheint, recht kurz gewesen. Epiphanius benutzt hier für den grössten Teil seiner Ausführungen Hippo- lyts Schrift vjisq rov xarä Icoavvtjv evayyeliov xal ajioxalv- ipecoq. Wenn nicht alles täuscht, so beginnt ihre Benutzung c. 4 mit den Worten: xal xi, (prjolv, sljiev (p. 453, s); denn hier setzt ein neuer Gedankengang ein, da mit dem vorhergehenden Satze: xal öoxovöl XoiJtov ejzikafißavso&ai rrjq aylaq xal kv&eov öiöaöxaXlaq ein Schlussurteil abgegeben ist. cap. 1. 2 kommen ganz auf Rechnung des Epiphanius. Hippolyts Schrift kann

1) Vielleicht gehören auch die Nachrichten über Oblationen, die dem Melchisedek dargebracht sein sollen cap. 8 (p. 524,20—27), dem Epiphanius an. s. Harnack, Dogmengesch. I2 S. 627.

IV. Hippolyt als Bestreiter des Montanismus. 141

also nur in Kap. :> und dem ersten Abschnitt von Kap. 4 be- nutzt sein, und hier ist sie bestimmt benutzt; man erkennt sie an der milderen Beurteilung, welche die Aloger im Gegensatz zu der des Epiphanius erfahren '). Bei Hippolyt hiess diese Richtung rj aiosoig v\ djioßdXXovoa ^Icodvvov rag ßißXovg; er erzählte von ihnen: ovrs to zof Icodvvov tvayytliov Öiyovxai ovre tt]v avrov axoxdZvtpiv (p, 452, s). Diese beiden Nach- richten hat Epiphanius gänzlich in seinen eignen Bericht ver- woben; aber mit dem Satze jtQoötpaoi^ovra ydo ovrot xrX. (p. 452,15) beginnt die Darstellung Hippolyts, die bis zu dem oben citierten Satz (p. 453, s) reicht; sie umfasst nur 27 Zeilen. Aber sie ist bei Hippolyt kaum viel länger gewesen; denn in dem Abschnitt wird die Ansicht der Aloger summarisch dargestellt und summarisch widerlegt; er bildet ein abgeschlossenes Ganze, in dem man nichts vermisst. Weshalb Hippolyt die Aloger so kurz abthat, ist leicht zu erklären aus der Tendenz seiner Schrift; sie waren keine römische Sekte und hatten in dem Parteikampf, in welchem seine Schrift entstand, keine Bedeutung.

Der Abschnitt über die Montanisten ist bei Epiphan. haer. 48 cap. 1 (von den Worten: ovrot yao ot xarä <Povyag an bis cap. 13 Schluss) erhalten. Der Eingang ist von Epiphanius; den Absatz ovrot yao bis xaQ^öfZCCTCC deyeö&at (p. 426, 13—21) weist Lipsius2) zwar dem Syntagma Hippolyts zu; aber wir können uns vorerst bei der Auskunft beruhigen, dass wir den Text des Syntagma nicht genau kennen und Hippolyt die Dar- stellung derselben Ketzerei in zwei verschiedenen Schriften mit ganz ähnlichen Worten eingeleitet haben kann3). Einschaltungen ii - Epiphanius lassen sich an sechs Stellen finden:

1. cap. 1 von xat jtaltv öh Ityovroq bis fiv&oZoytag p. 426,88 427r,) kommt auf seine Rechnung; er will hier wieder einmal am falschen Orte vollständig sein.

2. cap. 2: iöov de Ix jiavraxo&ev bis jiaQadeöatxaGiv |). 127.29 428, ig) ist als Unterbrechung des Gedankenganges

sofort zu erkennen und giebt sich als im J. 376 geschrieben4).

1) s. Lipsius Quellen 108.

2) Quellenkritik 8. 223 vergl. Voigt S. 331.

3) Es ist nicht die leiseste Spur davon vorhanden, dass, wie Voigt will, p. 426,2i: oxl öel tjfiäg *r/. eine neue Quelle anfinge.

4) s.Voigt S. 148.

142 Roltfs, Urkunden aus dem antimontanistischeii Kampfe.

:\. Die ganze Ausführung von cap. 5 and damit der erste Satz von cap. 6 (p. 431, 10 432 ie) ist höchst überflüssig and störend. Am Schluss von Kap. 4 war gesagt, der Schlaf Adams werde exöraöig genannt xard t/jv <pv6ixr/v evtoyeiav, haupt- sächlich wegen seiner Tiefe. Nun bringt cap. 5 eine Auseinander- setzung darüber, inwiefern jeder Schlaf eine Ekstase sei, die in ihrer Umständlichkeit ganz die Art des Epiphanius an sich trägt und gar nicht passt, weil ja vorhin die Bezeichnung Ekstase als durch den ungewöhnlich tiefen Schlaf Adams berechtigt er- klärt war. Mit dem Satze: xal ecpodöafiev öl rjv alriav kxel jzaod xvqlov exöraöig elorjzai r\ xov vjivov fieroyji räumt der Verf. selbst ein, dass seine Ausführung ein Excurs war und fährt auf demselben Punkte fort, wo er am Schluss von cap. 4 stand l).

4. In cap. 12 sind die Worte: Ilcog rolvvv bis JioXefiiov (p. 439,i4—i7) und elödyere 6h r)[iiv bis ßaoßaoixov (p. 439,22—25) Blüten der Rhetorik des Epiphanius2).

5. Ebenfalls in cap. 12 sind die Sätze: Jiwg ovv xovro ol jcccq3 avxr\g bis axoveö&ai (p. 440, 11—15) jedenfalls nichts weiter als ein etwas plumper Witz des Epiphanius.

6. Endlich ist in cap. 12 mindestens das Satzglied Jirj 6h ex jiqoöcojiov tov aylov jivevfiarog, vielleicht auch die beiden vor- hergehenden: üz7\ [Cev Ix jiqoöcojiov jicctqoq, Jirj 6h ex jzqoöcojzov tov viov (doch ist dies nicht sicher vergl. c. Noet. 14 Lag. 52) und der ganze folgende Abschnitt bis fir) dxovere /iov (p. 444, 30 441, ß) Eigentum des Epiphanius; er vertritt hier seine Dog- matik und unterbricht mit diesen Bemerkungen den Gedanken- gang; denn der Satz ydg Xqiötov to jtvevfia eXaXei, in welchem übrigens die Worte: xal ev jivevtuaTi aylco exßdXXei xd 6ai\iovia durchaus überflüssig sind, schliesst sich begründend unmittelbar an die Worte: Jiola rd ex tov Jivevfiaroq tov aylov XeXaXrjiieva 3).

Ich habe nur da Einschaltungen des Epiphanius annehmen zu dürfen geglaubt, wo eine eklatante Unterbrechung des Ge- dankenganges vorliegt. Ich kann mich daher auch nicht davon

1) Voigt hat die Stelle beibehalten.

2) s. Voigt S. 146.

3) s. Voigt S. 157.

IV. Bippolyf als Bestreitei des Montanismus. 14;$

überzeugen, dass alles, was Voigi a. a. 0. S. 342ff. durch den Druck als Zusätze des Epiphanius kennzeichnet, der Schrift Bippolj ts abzusprechen isi; was als Eigentum des Epiphanius

auszuscheiden ist. umfassl etwa s."> Zeilen: dieser Abschnitt hätte demnach bei Hippolyt 44u Zeilen umfasst. Aber nach Voigts Analyse soll er bei Epiphanius bedeutende Lücken auf- weisen; es ist zu untersuchen, inwieweit diese Annahme be- gründet isi. Dass /.wischen dem neunten und zehnten Kapitel etwas fehlt, war schon bemerkt, nur darf man hier nicht mit Voigt einen Angriff auf die Fastendisciplin vermissen einen solchen hat die Schrift nicht enthalten , sondern eine kurze Erörterung über Rom. 7a— e und einen Schlusssatz, an dem sich die Portsetzung mit Iläq xoivvv jtQO(f/jx£va>v jia()axolov&dJv tvoloxtrat anschliessen kann. Aber Voigt will diesem Satz in cap. 8 hinter den Worten xaxijlOov JTQOtyfjxai (p. 434. 32) seine ursprüngliche Stelle anweisen und nimmt an, der Schluss dieses Kapitels sei von Epiphanius stark verstümmelt, da er hier den zweiten Teü seiner Quelle mit in den ersten hinein- gearbeitet habe. Diese Ansicht ist nun von vornherein mit grosser Vorsicht aufzunehmen; denn eine Umstellung von Ab- schnitten ist bei der Art, wie Epiph. seine Quellen bearbeitet, sehr unwahrscheinlich. Voigt selbst konstatiert bei der Ver- gleichung von haer. 57 mit der Vorlage c. Noet: Epiphanius hat eigene Ausführungen hinzugefügt, aber doch nicht den Gang seiner Quelle verlassen1). Voigt wird zu seiner Annahme ge- drängt, weil er in dem Satz: GvyxyivovTSg yäg xd jhxq avxcov dn/jutva xal xd xaxd xt)v JtaXaidv öiadt'jxrjv xal xaivrjv tv aXrjd-uq ovxa xal sv äXrj&eia yevofieva xal JtsjtQog)rjx£vtutva öoxifldöcofiev jioia jtQocprjxsla xvyydvsi, jtoia öh ip£vdojtQO<pr/- xäa (c. :>. p. 428s3ff.) die Disposition des ganzen Abschnittes aus- gesprochen findet. Man kann diesem Satz nicht gerade eine be- sonders grosse Klarheit nachrühmen; Voigt selbst braucht eine Erörterung von fünf Seiten Länge, um seinen Sinn zu ergründen. Bei dieser Sachlage wäre es aber methodisch richtiger gewesen. ersi die Disposition durch eine Analyse dvr Quelle zu ermitteln und von hier aus den dunkeln Satz zu beleuchten, als umgekehrt, das Helle durch das Dunkle klar zu machen. Klar isi folgendes:

1) a. a. 0. S. L36.

1 1 | Rolffs, Urkunden aus dem antimontanietischeD Kampfe.

Mit den Worten „o jiQoyriTrjq jcävra iura xaraöTOÖSOfg h>yi- Ofimv xal jia(>axoZov&//<jeojq Haltt xal kq>d-iyyero Ix jtvtvfm- rog aylov wird der Satz aufgestellt, der durch die sich daran schliessenden Erörterungen bewiesen werden soll; dieser Beweis ist am Anfang von cap. 10 abgeschlsosen; das konstatieren die Worte: TJag xolvvv jtQocprjTevcov JiaQaxolovtimv evQioxsTcu. Das Beweisfahren ist folgendes: I. Der Prophet des alten Testamentes spricht in logisch ge- ordneter Rede. (p. 429,8 430,7). IL Die Montanisten sind hieran gemessen Pseudopropheten; denn

1. Nach dem Ausspruch Montans reden sie in Ekstase.

(C. 4 p. 430,9-24).

2. Sie können das Recht dieser ekstatischen Rede nicht begründen, (p. 430,25 434, 15).

a. die „Ekstase" Adams war ungewöhnlich tiefer Schlaf (p. 430,25— 433,6).

b. die „Ekstase" Davids war die des Staunens (p. 433, 7 434,4).

c. die „Ekstase" Abrahams war die des Schreckens (p. 434,4-15).

III. Die Propheten des neuen Testamentes reden wie die des alten in geordneter Rede. (p. 434, 16 436,27).

1. Die Jünger empfangen nach der Himmelfahrt die Weis- sagung der Engel bei vollem Verstände.

2. Petrus hatte seine Vision Act. 10 bei voller Besinnung.

3. Agabus gab seine Prophezeiung durch ein wunderbares Zeichen; er band Paulus mit seinem Gürtel; das setzt volle Überlegung voraus.

4. Die Propheten, die nach Antiochien hinabkamen natürlich bei klarer Vernunft, prophezeiten eine Hungersnot, und damit man diese in logischer Rede gegebene Weissagung für wirkliche Prophetie ansehen soll, wird hinzugefügt: dies trat ein unter dem Kaiser Claudius.

5. Paulus prophezeite das Auftreten von falschen Pro- pheten, die verbieten würden, ehelich zu werden; er schrieb, war also nicht in Ekstase; aber die Erfüllung, die sein Wort durch die Montanisten gefunden hat,

IV. Hippolyt als Bestreiter des Montanismus. 145

erweist dasselbe als wahr«' Prophetie. Daran schliesst sich cap. 9 als Exitus. Die ganze Ausführung ordnet sich nicht nach einem abstrakt logischen Schema; dies musste etwa angelegt sein, wie folgt:

I. Die wahren Propheten weissagen bei voller Besinnung. Dies gilt

a. von den alttestamentlichen

b. von den neutestamentlichen.

II. Die Montanisten sind Pseudopropheten: denn ;i. si*> reden in Ekstase.

b. sie können das Recht ekstatischer Prophetie nicht begründen.

Dieses logische Schema wird mit Recht einem sehr durch- sichtigen und den psychologischen Bedürfnissen der Leser an- gepassten Gedankengang geopfert. Das Einzige, was vermissi wird, ist am Schlnss von cap. 9 die ausdrückliche Versicherung: Alle diese Propheten redeten nicht in Ekstase, sondern mit klarer Überlegung, und durch die eingetretene Erfüllung wurden ihre Weissagungen als wahre Prophetie erwiesen. Dann konnte Hippolyt cap. 10 IIa g rolvvv xxl. fortfahren. Was hier fehlt, braucht nicht mehr als 15 20 Zeilen an Raum beansprucht zu haben.

Ein Blick auf die jetzt folgenden Ausführungen zeigt, dass die in dem Satz: ovyxQivovrsg yag xxl. (c. 3 p. 428,33) ange- kündigte Vergleichung zu Ende ist. Es wird jetzt nachgewiesen: die montanistischen Propheten reden nicht efUzucXcofievoi Jtvsv- fiarog ayiov xarcc ri)v avaloyiav rwv ex jivevparog %aQi6[ia- rcov Ixaoxco diöoutvcov xal xarcc n)v avaloyiav t//c jclarecog jtQog to öv^cftgov (s. cap. 3 p. 428, 25). Dies zeigt schon der Satz. der als Thema an der Spitze dieser Beweisführung steht: o dt Movravog ovrog o av%wv lavrov üvai XQO(p))rr}v xal jtlavt'/oac rovg vx avrov JtsjtXavrjf/svovg dövörara xard rT/g fteiag yoacff/g öir/yeirai (c. 10 p. 437 8f.). Indem er sich selbst rühmt, ein Prophet zu sein, redet er nicht nach dem Massstab der vom heil. Geist verliehenen Gnadengaben; indem er die Verführten betrügt, redet er nicht jiQog rb öi\u(ptc>ov, und indem er Unzu- sammenhangendes wider die heil. Schrift zu Tage fördert, redet er nicht xaz ava/.oylav rfjg Jtiorscog. Die Disposition des Ab- schnittes cap. 3 13 wird also durch den am Anfang von cap; 3 Texte u. Untersuchungen XII, 4. 10

14(> RoltVs, Urkunden aus d«'i n iintiiiioiiiiiiiistisclicii Kampfe.

ausgesprochenen Satz bestimmt, worin die Merkmale der wahren Prophetie aufgestellt waren: 1. der Prophet redet bei vollem Be- vvnsstsein, 2. er redet nach Massgabe der ihm verliehenen Cha- rismen dem Glauben gemäss. Der Satz OvyxQlvQVTSg yao *t/. formuliert also nur die im ersten Teil zu lösende Aufgabe; er dürfte zu paraphrasieren sein: Wir wollen die montanistischen Prophetien vergleichen mit dem, was an prophetischen Reden nach dem Alten und Neuen Testament in Wahrheit vorhanden und in Wahrheit vorgekommen ist1). Die jiejtQOfpr/Ttvfibva des A. T. werden als die in Wahrheit vorhandenen bezeichnet, weil sie als Bücher abgeschlossen vorliegen, die des N. T. sind Iv ah]d-eia yevofteva, weil er hier an die geschichtlichen Ereignisse denkt; das A. T. ist ihm ein Kodex von Orakelsprüchen, das N. T. eine Sammlung von historischen Urkunden über einzelne Er- eignisse. Das wird mit den Worten ausgedrückt sein; natürlich wird man über den Sinn des Satzes immer streiten können, da er ziemlich verschroben ist; aber nicht streiten kann man über die nachgewiesene Disposition des Abschnittes capp. 3 9; wir haben daher in cap. 8 keine Lücke anzunehmen.

Dagegen hat Epiphanius höchst wahrscheinlich am Schlu ss von cap. 13 einige Bemerkungen Hippolyts ausfallen lassen. Dieser kennt nämlich nach Phil. VIII. 19. X. 26 eine Richtung unter den Montanisten, die der Noetianischen Irrlehre sich ange- schlossen haben; nach Lipsius 2) war diese Richtung auch im Syn- tagma erwählt, und dies wird durch eine Vergleichung von Pseudo- tert. c. 73) mit Philastrius haer. 5t4) sehr wahrscheinlich. Es

1) Der Satz enthält also nur zwei Glieder und nicht drei; die drei Teile, die Voigt in dem Abschnitt 1 13 sucht, sind aus diesem Satz daher nur sehr künstlich zu gewinnen.

2) Quellen S. 99 ff. Quellenkritik S. 230.

3) Hi habent aliam communem blasphemiam, aliam blasphemiam non communem, sed peculiarem et suam. Privatam autem blasphe- miam illi qui sunt Kata Aeschinem hanc habent qua adiciunt etiam hoc, uti dicant Christum ipsum esse filium et patrem. Oehler IT. 764.

4) Sunt alii docentes [teTccyyiOftov id est filium intrare in patrem et ut vas in vase inesse, ignorantes quod asserant, cum salvator non dixerit filium in patrem intrare, sed aequalitatis causam in divinitate et potentia docuerit. non introitum aut continentiam, ut illi aestimant, impertitaiu Fit separant se a catholica ecclesia propter illos suos pseudo- prophetas. Oehler, Corpus haereseol. 1. p. 53.

IV. Hippolyt als Bestreiter des .Mmihinisnius. 147

spricht nun alles dafür, dass sie auch in unserer Schrift Erwäh- nung gefunden hat. Denn

1. Hippolyt wendet sich hier ganz speciell gegen den moda- list ischen Monarchianismus; eine Bemerkung über modalistisch gesinnte Montanisten war also durch die Tendenz gefordert.

2. Die Aussprüche Montans und Maximilla, die er citiert, weisen daraufhin. Montan soll gesagt haben: tyc) xvQCOq o frebg 6 Jtavro- xo(ctcch) xarayivofuvoj: ev avftQtojico, und Maximilla wird der Aus- spruch beigelegt: tfiov ta) cry.ovoari:, aXXa XqlGtov (cxovüart; wollte man diese Sätze theologisch bearbeiten, so nmsste man sich notwendig auf modalistische Grundlage stellen. Wenn ferner gerade der Anspruch der Maximilla hervorgehoben ist, jeden, möge er wrollen oder nicht, die Erkenntnis Gottes zu lehren, und wenn ihr dann vorgeworfen wird, sie habe die rechte Erkenntnis Gottes selbst nicht besessen, so lässt auch das darauf schliessen, dass er ihr dogmatische Irrtümer vorrücken möchte.

Ich vermute also, Hippolyt hat hinter cap. 13 noch etwa die Bemerkung gemacht: durch solche Lehren ihrer falschen Propheten haben sich viele von ihnen verführen lassen, sich der Irrlehre des Xoet anzusehliessen, über die wir später berichten werden. Epi- phanius hat diese Bemerkung vielleicht wegen ihrer Kürze über- sehen, vielleicht aber absichtlich ausgelassen, weil die Monta- nisten, die er in Cilicien und Konstantinopel kennen gelernt hatte, orthodox waren. Sie wird kaum 5 Zeilen umfasst haben. Die Lücken, welche wir also anzunehmen haben, dürften im Ganzen nicht über 30 Zeilen an Raum beansprucht haben, sodass der Ab- schnitt über die Montanisten bei Hippolyt etwa 470 Zeilen um- fasst hat.

Wir können nun den Umfang der Schrift Hippolyts gegen die fünf Häresien annähernd berechnen.

Der Traktat gegen Noet umfasst 4300 Worte Der Abschnitt über die Melchisedek. 1500 Worte Derjenige über die Theodotianer 1600 Worte

Der über die Aloger 240 Worte

Der über die Montanisten 3 760 Worte

Die ganze Schrift zählte also: 11 L00 Worte; sie war demnach von sehr massigem Umfang.

Es ist nun eine Schwierigkeit ins Auge zu fassen, die schon

10*

148 Rolfl's, Urkunden uns dem antimontan i.-t LS4 li<-n Kampfe.

oben berührt war. Lipsius1) führt haer. 48 c. 1, den ganzen Abschnitt über die Theodotianer und von dem über die Meld dekianer haer. 55 c. 1 und 2 auf das Syntagma des Hippolyt zurück. Die Auskunft, die wir in einem Falle treffen konnten, verliert stark an Wahrscheinlichkeit, wenn sie zu wiederholten Malen angewendet werden muss. Dazu kommt ein weiterer Punkt. Schon Fabricius und neuerdings wieder nach anderen Gelehrten Lipsius hat in dem Traktat gegen Noet den Schluss des Syn- tagma erblickt; wir aber müssen ihn zu der Schrift gegen die 5 Häresien rechnen. Es drängt sich daher die Frage auf: Wie verhält sich Hippolyts Schrift gegen die 5 Häresien zu seinem Syntagma?

3. Das Syntagma Hippolyts und seine Schrift gegen

die 5 Häresien.

Die Beziehungen des Syntagma zu der Schrift gegen die 5 Häresien kommen in zwei Thatsachen zum Ausdruck.

1. Die Reihenfolge der Häresien ist in der Schrift gegen die 5 Häresien wahrscheinlich genau dieselbe, wie im Schlussteil des Syntagma.

2. An mindestens vier Stellen, haer. 48 c. 1. haer. 54 c. 1. haer. 55 cap. 1. 8, die wir zu der Schrift gegen die 5 Häresien rechnen mussten, finden sich wörtliche Berührungen mit dem Text des Syntagma, soweit wir ihn aus Philastrius und Pseudotertul- lian erkennen können.

Vier Möglichkeiten giebt es, die Thatsachen zu erklären:

1. Epiphanius benutzte die Schrift gegen die 5 Häresien nur haer. 48 und haer. 57; für die dazwischen liegenden Häresien be- nutzte er lediglich das Syntagma. Aber wie wenig wahrscheinlich diese Annahme ist, ist oben schon bemerkt; es ist absolut kein ver- nünftiger Grund für dieses Verfahren ausfindig zu machen. Ausser- dem müsste man dann doch noch zur Erklärung der fast wört- lichen Übereinstimmung von haer. 48 c. 1 (p. 426, 13—20) mit dem bei Philastr. haer. 49 erhaltenen Text des Syntagma, den Zufall zu Hülfe zu nehmen.

2. Epiphanius benutzte beide Schriften, indem er aus jeder herübernahm, was ihm passte. Aber wie es schon schwer fällt.

1) Quellenkritik S. 223. 235. 237.

IV. Hippolyt als Bestreiter des Montanisinus. 149

in harr, 18 cap. 1 zwei verschiedene Quellen zu unterscheiden, so ist dies ganz unmöglich in haer. 54; hier ist aller Wahrschein- lichkeit aach nur eine Quelle verarbeitet.

:>. Hippolyt schrieb sieh seihst ab, sodass die Schrift gegen die ,"> Häresien eine Überarbeitung vom Schlussteil des Syntagma wäre. Aber es ist kaum denkbar, dass sich ein fruchtbarer and durchaus nicht gedankenarmer Schriftsteller so sklavisch an seine eignen Worte gebunden habe, wie es Hippolyt gethan haben müsste, und es ist ganz unmöglich, wenn der Traktat gegen Nbet, wie nachgewiesen, die Formel der Zephyrin bekämpft und die Deklaration derselben den Anlass zu seiner Abfassung gab.

Der bei Phibasterius erhaltene Text des Syntagma lautet:

lO Sl

tov JiaTEQa ytyevvrjG&at xal ntjzov&tvai, xal ajiOTefrv7]xu'cu.

ovrog tkeyev eavrov eivcu

Mmvor\v xal tov äöelcpov av- rov Aaowv.

Im Tr. c. Noetum als Teil der Sehr. gg. die 5 Häresien heisst es: alii autem Xoetiani insensati tTSQOi Ttveg ersoav öiöaoxa- cuiusdam nomine Noeti, qui Xiav jtaQeiöayovötv, yevof/svot

bat patrem omnipotentem Tivog JSoi)tov fia&Tjrai xtX. ov- ipsum esse Christum et ipsum Tog .... tg)7] tov Xqiötov av- natum et ipsum passum et ip- tov etvai tov JiaTtoa xal avtbv sum mortuum fuisse in corpore, hie etiam dicebat se Moysen esse et fratrem suum Heliam v Verwechslung mit Aron) pro- phetam.

In der Schrift gegen die 5 Häresien stellt Hippolyt die Lehre Noets möglichst mit den Worten Zephyrins dar und vermeidet nur, ihm des letztern Formel geradezu in den Mund zu legen, um die Fiktion nicht zu zerstören; das Syntagma stimmt hier- mit aber wörtlich überein; da die Priorität an dieser Stelle zweifel- los der Schrift gegen die 5 Häresien zukommt unmöglich kann Hippolyt nach der Proklamation Zephyrins erst das Syn-

na gegen die 32 Häresien und dann erst mit Benutzung des- selben seine eigentliche Streitschrift gegen den Bischof verfasst haben , so wäre der Schlussteil des Syntagma ein Auszug aus derselben; aber wozu hätte er diesen Auszug veranstaltet?1) Er müsste dürftiger gewesen sein als die erste Schrift; wie sollte Epiphanius sonst dazu kommen, von haer. 48 an statt des Syn- tagma. das er bisher benutzte, jene frühere Schrift zu Grunde zu

1) Lipsius, Quellen S. 115 f.

150 RolÜ's, Urkunden aus dem antimontariistischen Kampfe.

legen? Aber wozu aus der ohnehin nicht sehr langen Schrift noch ein Auszug? Man häuft Rätsel auf Rätsel bei dieser An- nahme und wird daher die vierte Möglichkeit vorziehen.

4. Die Schrift gegen die 5 Häresien bildete den Schluss des Syntagma. Epiphanius benutzte nur eine Schrift, und diese war das Syntagma Hippolyts. Uiese Annahme löst alle Schwierig- keiten. Sie lässt sich aber noch durch sehr gewichtige Gründe stützen:

a. Ein Werk Hippolyts gegen mehrere zeitgenössische oder monarchianische Häresien ist gänzlich unbezeugt.

b. Gelasius führt mit der Formel: Hippolyti episcopi et mar- tyris Arabum metropolis in memoria haeresium ein Citat ein, das aus contra Noetum c. 18 ziemlich wörtlich entlehnt ist1). Ausser dem Syntagma ist schwer eine Schrift unter den Werken Hippolyts aufzufinden, auf welche der Titel „in memoria haere- sium" passen würde.

c. c. Noet. c. 8 heisst es: ejitiöy ovv r/6?] xal o No?/toq avazirQaxrai, eA&oofiev sjtX t))v t?/q altj&elag ajtoöei^tv, iva rtvörrjomfiev t?)v ahföziav, xaft ?)g jräöai roöavrat, aiQE- (jsig jtytvr/VTaL [iijöhv öwa^tvac bljiüv. Der Ausdruck „gegen die sich alle so viele Häresien erhoben haben", der sich sicher auf die in dem Werk, dessen Schluss c. Noet. bildet, dargestellten Häresien bezieht, wäre geradezu lächerlich, wenn es sich um 5 oder 6 Häresien handelte.

Ich identificiere also die Schrift gegen die 5 Häresien mit dem Schlussteil des Syntagma und erfülle damit Harnacks 2) Pro- phezeiung: Dieses Bedenken der gänzliche Mangel an Zeug- nissen für eine Schrift gegen alle Monarchianer wird aller- dings immer wieder zu der Annahme der Identität unseres Bruchstückes mit dem Syntagma treiben. Aber meine vierte Möglichkeit ist vielleicht schon gleich als eine Unmöglichkeit von der Hand gewiesen; es erhebt sich der Einwand: Das Syn- tagma enthielt ausser der Darstellung von 32 Häresien auch ihre Widerlegungen; dabei war es ein ßtßXiöaQiov. Wo bliebe aber dies ßißliöaQiov, wären alle Häresien so vollständig widerlegt wie

1) Lag. p. 90. Gelasius episc. Romae in testimoniis de duabus natu- ris in Christo. Bibl. Patr. Lugd. tom. VIII. p. 704.

2) Zs. f. d. hist, Th. 1874 p. 183.

IV. Hippolyt als Bestreitei des Montanismus. 151

diese fünf? Wie stellt es mit diesem Einwand? Informieren wir uns zunächst über die Widerlegungen, dir das Syntagma enthielt und sehen dann, was es mit dem ßiß/jdaoiov auf sich hat. Das sicherste Zeugnis dafür, dass das Syntagma Wider- legungen enthalten hat. bietet das Proömion der I'hilosophumena: Die Dogmen der Häretiker setzten wir schon früher in massiger Ausführlichkeit auseinander, indem wir sie nicht im einzelnen zur Schau stellten, sondern sie en gros widerlegten, da wir es nicht für der Mühe wert hielten, ihre unausgesprochenen Ge- danken ans Licht zu ziehen, damit sie, indem wir ihre Dogmen änigmatisch darstellen, aus Scham und Furcht, dass wir sie nicht durch Aufdeckung ihrer Hintergedanken als Atheisten erwiesen, von ihrer unvernünftigen Ansicht und ihrem frevelhaften Be- ginnen abliessen 1). Darnach hatten die Widerlegungen des Syn- tagma den Zweck, die Häretiker „von ihrer unvernünftigen An- sieht und ihrem frevelhaften Beginnen" zu bekehren. Da aber dieser erwartete Erfolg ausblieb, Hippolyt vielmehr sehen musste, wie sie nicht beschämt durch seine Milde und ohne zu überlegen, dass der von ihnen gelästerte Gott langmütig ist, bei ihrem Irr- thurn beharrten, so ist er gezwungen, auch ihre unausgesprochenen Geheimnisse zu enthüllen 2). Hiernach können die Widerlegungen nur für Häretiker bestimmt gewesen sein, die noch wirklich existierten, Hippolyt kann nicht gehofft haben, die Dositheaner, Sadducäer, Pharisäer, Herodianer, die Anhänger des Simon, Menander, Karpokrates, Cerinth und Kolarbasus, den es überhaupt nie gegeben hat, zu bekehren; ihre Verstocktheit kann ihn auch

1) (hv xal ndXai lAETQiüjq xd öoy/xaxa l&&t{xt&a, ov xaxd Xtnxov i-7ii(teL<-avztQ, aXXa äöQOiitSQwg £?.ty$avxeg, /jtTjöhv ciStov qyrjod/nevot xd dp- ot{ia avxwv elg <pwg dyeiv, onwg, öl alviyixdxwv rj/xwv ix&efitvwv xd <)ö^avxa avxolg, aLO/vv&bvxeg ^.ijiioxt xal xd appr/xu i^emovxtg d&tovg i7iiötl$ü){x£v, navowvxal xi xfjg dloyiaxov yvw/irjg xal u&zjaixov im/ELQri- o.cwg. Phil. I. Proöm (p. 2, 19 ft*.). Der Ausdruck öl alviy/idxwv habe er die Dogmen der Häeretiker dargestellt d. h. in „zweideutiger, dunkler Rede" passt eigentlich nur auf die Häresie des Zephyrin und Kallist, die er ja unter der Maske Noüts bekämpft, also in zweideutigen Worten darstellt.

2) lA)J.y entl oyw (iq övawnovfiivovg avxovg xtjv r^iextgav inielxi-iav !</,():■ ?.oyiC,ojutvovg, wg ütog juaxgo&vfxti vn avxwv ß).ao<pr]/Liov/Li£vog, oTiwg ?} aldta&tvxtq fxexavoijOwGiv ?} tTiifueivavzeg öixaiwg xql^wol, ßtao- ttilg tiqoei^ll öel^wv avxwv xd dnoggrixa (xvoxqQia, xxl. Phil. I. Proöm.

p. I, 3 ff.)

152 Rolffs, Urkunden aus dem antimontanistiBchen Kampfe.

nicht zur Abfassung der Philosophumena getrieben haben; wer ihn hierzu veranlasst hat, ist nach Lib. IX deutlich genug: die verhasste Noetianische Irrlehre wollte er auf heidnische Wurzeln zurückführen; das ist sein Zweck, und um diesen Zweck zu er- reichen, zeigt er, dass sie hiermit keine Ausnahme von der Rege] bildet, sondern dass alle Häresien heidnischen Philosophemen entspringen 1). Auf die Noetianer vor allem und die andern zeit- genössischen Häretiker hat man daher die oben citierten Worte zu beziehen. Diese waren allerdings im Syntagma widerlegt, wenn wir die Schrift wider die 5 Häresien als dessen Schluss- teil ansehen; ob die anderen hier eine Widerlegung gefunden haben, muss sehr zweifelhaft bleiben.

Nun soll aber nach dem Zeugnis des Photius Hippolyt im Syntagma eine Übersicht über die von Irenaeus gegebenen Wider- legungen geliefert haben. Die Stelle lautet: r\v ös xo övvxayfia xaxcc atQeöeojp lß\ ccqx?)v Jtocovkuevov Aoötdeavovg xal (i£%Qi No?]tov xal No7]rtava>v ötalaußavov. Tavxag de <p?jöcv eley- yocg vjioßlrjfrijvai ofiilovvrog ElQi]vaiov, wv xal övvoxpiv 6 ' IjtJtolvrog jtoLOVfisvog xoöe xb ßtßliov tprjöl övvxexayevat. Dem zweiten, viel gequälten Satz kann ich nur den von Harnack2)

1) Dem Kampf mit der Noetianischen Häresie bezeichnet er als den gefährlichsten: IIo?J.ov xolvvv zov tcsqI naGwv alQ^aeojv yevofÄüvov r\ixlv dywvog /urj&iv ye ave&Xeyxzov xazalinovGi , neQLXsintzai vvv b fieyiG- zog dywv, ixdirjytjGaG&ai xal öiekey^ai zag sp* müv ZTtavaozaoag alge- Geig, dl d)v ziveg d/ua&eTg xal zoXtu?]Qol öiaoxeöavvveiv STtsysiQ^aav ztjv zxxXtjolav, fiiyiazov zaga^ov xazcc ndvza zbv xoGfzov ev näoi zotg nio- zolg eßßallovzeg Phil. IX. 6 (p. 440, 13). Zweimal betont er, dass alles darauf ankommt, den wahren Ursprung dieser Lehre aufzudecken: doxtZ yäQ inl zi]v aQyr\ybv zwv xaxwv ysvofxev?jv yvoj/x^v oQfxrioavzag 6ie)Jy- £«t, zivsg al zavzqg agyal, oncog evyvwGzoi at ixcpvdöeg avzfjg anaGi yevo/uevai xaz afpQOvrj&tiiG i (ibid.). *Ak)? el xal tiqozeqov exxeizai v<p3 r^xwv iv zolg ^nXoGO(povfxlvoig i] do£a 'HQaxlelzov, aXXd ye öoxet TZQOOavaTCagax&rjvat xal vvv, oncog öia xov zyylovog cXeyyov <pave QÜg diöay- &(JüGiv öl zovzov vofil^ovzeg Xqlgzov eivai {.ia&rjzdg, ovx övzag, d).ka xov gxozeivov. Phil. IX. 8 (p. 442, 47). Man merkt es ihm an, er würde den Hauptzweck seines Werkes als verfehlt ansehen, wenn es ihm nicht gelänge, die Verwandtschaft der Noetianer mit Heraklit nachzuweisen und sie da- mit zu diskreditieren. Wenn er zu diesem Zweck ein Werk wie die Phil, schreibt, so beweist er dadurch seine reiche theologische Bildung ebenso sehr wie seine kirchenpolitische Unfähigkeit.

2) a. a. 0. S. 175—77.

IV. Hippolyt als Bestreit er des Montaxrismus. 153

ermittelten Sinn abgewinnen: „Diese aber seien Widerlegungen unterworfen worden, indem sich [renaeus mit ihnen beschäftigte."

Vielleicht ist der etwas gezierte Ausdruck dem Hippolyt von dem Gefühl des Stolzes auf seinen grossen Lehrer eingegeben worden; er wollte1 sagen: die Häresien vertrugen nicht, dass sich Irenaeus mit ihnen beschäftigte, unter seinen Händen zergingen die thörichten Lehren. Dann bezieht er sich mit jenen Worten auf die von Irenaeus in seinem sXsyxoq gegebenen Widerlegungen; dies leidet keinen Zweifel, da er dieses Werk bei der Abfassung seines Syntagma benutzt hat; das ist von Harnaek unwiderleglich bewiesen !). Giebt man dies zu. so kann man dem weiteren Zu- geständnis nicht ausweichen, dass der Satz, den Photius aus Hippolyt mitteilt und der bei diesem gelautet haben muss: avrai dh t/Jyyoig vjicßÄt'/frtjoav ofiiXovvrog Eigrjvalov, in dem Zusammenhang, in den er ihn stellt, einen andern Sinn gewinnt als er im Syntagma gehabt haben kann, ravrag bezieht sich bei Photius auf y.axa alytöecov lß'\ dann sagt der Satz aber etwas Falsches aus, denn Irenaeus hat in seinem lltyyoq nicht die 32 Häresien widerlegt, sondern nur einen Teil derselben; er könnte sie auch mündlich 2) nicht alle widerlegt haben, da mindestens die Melchisedekianer und Noetianer, wahrscheinlich aber auch die Theodotianer, nach seiner Zeit aufgetreten sind. Nun zeigt ein Blick auf die von Lipsius aufgestellte synoptische Tabelle, dass der letzte Teil des Syntagma, die Schrift gegen die 5 Häresien mit ihren ausführlichen Widerlegungen, gerade die Häresien umfasst, die im tlsyyoc, nicht mehr ihre Wider- legung gefunden haben. Diese aber zu widerlegen, war nach dem. was wir über den Traktat gegen Noet feststellen und aus dem Prooemion der Phil, schliessen konnten, Hippolyts Haupt- zweck. Sämtliche Häresien zerfielen für ihn demnach in zwei (Truppen, die, welche von Irenaeus wuderlegt, und die, welche nicht von Irenaeus widerlegt w^aren; in dem citirten Satz wird mit c.vrai 6h nur die erste Gruppe bezeichnet. Jetzt ist es nicht sehr schwer, sieh vorzustellen, wie Hippolyt etwa geschrieben haben

1) a. a. 0. S. 211 ff.

2) Der Satz bei Photius bleibt also auch falsch, wenn Lipsius' Deu- tung desselben richtig wäre, wonach Hipp, sich darin auf die mündlichen Vorträge des Irenaeus beriefe, die er in übersichtlicher Ordnung zusammen- gestellt habe. Quellenkritik S. 50. Quellen 126 ff.

151 llolfts, Urkunden aus dem antiniontanistischen Kampfe.

könnte: In unserer Zeit sind viele Irrlehrer aufgetreten, welche das Gift der Häresie in der Kirche Christi ausspritzen. Diese wollen wir ihrer Irrtümer überführen, damit sie nicht viele be- trügen und mit sich verderben. Denn die jetzigen Häresien sind. obgleich ihre Lehren vielen der Wahrheit konform zu sein scheinen, nicht weniger gefährlich als die früheren. „Diese aber1) sind Widerlegungen unterzogen worden, indem sich Irenaeus mit ihnen beschäftigte; indem wir auch von ihnen eine Übersicht geben, wollen wir unser Buch zusammenstellen." Worüber will Hippolyt eine Übersicht geben, über die Widerlegungen des Irenaeus oder über die von ihm widerlegten Häresien? Lipsius und Harnack behaupten cov müsse auf hltyyoiq bezogen werden ; aber mit dem- selben Recht kann man sagen, dv kann nur auf ravraq bezogen werden: Hippolyt hat seiner Widerlegung der zeitgenössischen Häresien eine Übersicht über die von Irenaeus widerlegten Hä- resien vorangestellt. Dafür sprechen zwei Gründe:

1. Gerade dies wurde durch den Zweck seines Werkes ge- fordert. War derselbe nach dem Prooemion der Phil., die Hä- retiker d. h. die zeitgenössischen ihres Irrtums zu überführen und sie zur Umkehr zu bewegen, so kam es darauf an, ihnen die verblüffende Thatsache vor Augen zu führen: Ihr bildet die Fort- setzung der langen Reihe von Häresien, die, wie ihr selbst an- erkennt, Irenaeus widerlegt hat. Das geschah aber am besten dadurch, dass ihnen diese Häresien mit kurzen Zügen in ihrer verhassten Erscheinung dargestellt und sie dieser Schar dann einfach angereiht wurden. Eine Hinzufügung des Inhaltes der von Irenaeus gegebenen Widerlegungen hätte diese Wirkung nur geschwächt.

2. Nur dies wird durch die Thatsachen bestätigt. Im ganzen ersten Teile des Syntagma hat Lipsius keine Spur einer Wider- legung aufzufinden vermocht, und mögen auch die Seitenrefe- renten Pseudotertullian und Philastrius gefehlt haben, so steht die Sache nun doch nicht, dass wir nur mit ihrer Hülfe Hippo- lytisches Gut erkennen könnten; hat doch Lipsius selbst in haer. 51 und 54 solches auch ohne sie gefunden.

Das Syntagma hat demnach keine Widerlegungen der Hä- resien von Dositheus bis Tatian enthalten. Diesem Satz scheint

1) So allein kommt das de zu seinem Recht.

IV. Hippolyt als Bestreiter des Montanismus. KV)

aber Epiphanius scll>st zu widersprechen, wenn er sagt '): f/fieig ds ccoxsOth'i'Tu rolg re jrao rjpcov ieyftefötv oXiyoiq xal xou vjto tcov r//^ aXrj&elaq ovyyouqnop tovtov /jyfteloiv rs xal ovvax&slöiv, xal ogcovreg oxi aXXoi jrejrovtjxaöi, (prjfil de KXrjfirjg xal Etgrjvalog xal IjtJtoXvroq xal aXXot JtXelovq. Lipsius argumentiert: Unter der von Epiphanius hier gemeinten Schrift des Hippolyt die Philosophumena zu verstehen, geht schon darum nicht an, weil er diese Schrift überhaupt nicht kannte. Da aber von einer andern Schrift des Hippolyt, in welcher er die Va- lentinianer bestritten hätte, nichts überliefert ist, so kann Epi- phanius nur das Syntagma meinen *2). Die Alternative Philo- sophumena oder Syntagma ist aber falsch gestellt. Unter den verlorenen Schriften Hipolyts befinden sich drei, deren Titel beweisen, dass er sich in ihnen auch mit der Valentinanischen Gnosis beschäftigt haben muss; Jteol ftsov xal öaoxbg avccöraöig, xegl fteoXoyiag, jie(>1 nr/adov xal Jtoftev xb xaxbv'*). Diese Schriften hatten zweifellos antignostische Tendenz; wer aber im Abendland die Grnostiker bekämpfte, stritt in erster Linie gegen Valentin. Wie Epiphanius wahrscheinlich die Schrift: vjzsq xov xaxa * holivvr)v evayysXiov xal ajtoxaXvxpewg benutzte, so konnte er auch andere Schriften Hippolyts zur Verfügung haben. Übrigens könnte dieser im Syntagma nach Lipsius ja nur einen Auszug aus der Widerlegung der Valentinianer durch Irenaeus gegeben haben, wäre also wohl kaum selbständig neben diesem benutzt und genannt.

Nach dem Chronicon paschale 4) hat das Syntagma eine Widerlegung der Quartodecimaner enthalten, die folgendermassen lautete: €Ogco fiev ovv ort (piXovuxiag xb eoyov. Xeyei yag ovxatg' ejioh/oe xb Jictoya o ÄQiöxbg xbxe xtj Tjfisoa xal Ijza&ev. öio xci/s ösl, ov TQOJtov oxvqioq sjtolrjosv, ovxa) üioiziv. jtejtXa- v/jTatös firj yivcooxmv bxL<bxaiQco tjraoysv o Xoiöxbg, ovx tepays to xara vbuov -raoya. orxog yeco r/v xb jraöxa xb jtQOxext/Qvy- ulvov xal xb xtÄeiovuevov xi/ cootOfitvi] ?){ieoa. Die Quarto- decimaner und ihr Vertreter ßlastus gehören nach Epiph. und Pseudotert. zum zweiten Teil des Syntagma. Wenn sie wider-

1) haer. 31 c. 33 p. 185.

2) Quellenkritik S. 3(3.

3) s. Harnack, Altchristi. Litt.-Gesch. S. 605.

4) Lag. p. 91.

],")(; Rolfls, Urkunden aus dem antiinontanistischen Kampfe.

leert wurden, so beweist das nichts für Widerlegungen, welche die Häresien des ersten Teils, also die von Irenaeus widerlegten, erfahren hätten. Die Länge des zweiten Teiles wird nicht er- heblich verändert, wenn wir ihm die Quartodccimaner noch zu- rechnen müssen, denn es ist leicht zu sehen, dass die citierte Stelle die ganze Widerlegung enthält, wie denn auch in den Phil. Hippolyt ihnen nur einen ganz kurzen Abschnitt widmet. Der zweite Teil des Syntagma wächst dadurch auf 11450 Worte.

Aber ist eine Schrift von diesem Umfang, der noch dazu beträchtlich vergrössert wird, wenn man den ersten Teil, der im Auszug bei Pseudotertullian 2250 Worte umfasst, hinzurechnet, noch ein ßißZtöccQiov zu nennen? Oder vielmehr: konnte Photius eine solche Schrift ein ßtßXiöctQiov nennen? So ganz klein hat er sich ein ßtßXiöccQiov doch nicht vorgestellt. Cod. 81 beschreibt er ein ßißliöaQiov Theodors mit dem Titel jtsqI rrjg tv IKqOlÖl fiayixfjg, das drei loyoi umfasst, und cod. 1 85 verzeichnet er als ßißXiöa{fiov das Buch eines Dionysius, mit dem Titel Aixxvaxmv, das 100 xecpalcua umfasst. Aber wir haben bestimmtere Massstäbe. Cod. 126 beschreibt er ein ßißXiöaQiov , in dem er die beiden Briefe des Clemens und den des Polykarp gelesen hat *); die drei Schriften umfassen 99 Kapitel und 15 700 Worte. Nannte Photius ein solches Buch ein ßißZtdaQiov, so konnte ein solches, das etwa um ein Viertel stärker war, für ihn noch unter dieselbe Be- zeichnung fallen. Das ist schon a priori wahrscheinlich, lässt sich aber auch beweisen. Cod. 186 beschreibt er die dirjyrjösig eines gewissen Konon, 50 Erzählungen aus der griechischen und römischen Sagenwelt; der Auszug, den er von diesem ßißliöaQior macht, umfasst, obgleich er sehr summarich die einzelnen Er- zählungen wiedergiebt, + 6500 Worte; man rechnet sicher sehr gering, wenn man das ganze Buch auf das dreifache dieses Aus- zuges taxiert; dasselbe hat dann etwa 20 000 Worte enthalten. Ebenso stark kann das Syntagma gewesen sein; es könnte also der erste Teil 8500 Worte umfasst haben; so gross war er nun sicher nicht; denn da er nur das Präludium zum zweiten Teil bildete, so wird er einschliesslich des Prooemions kaum die Hälfte

1) Hierauf machte Bunsen schon aufmerksam. Es ist mir nicht ver- ständlich, weshalb Lipsius sich Harnack gegenüber nicht darauf beruft. Durch die Verteidigung, die er Quellen 125 versucht, erschüttert er seine ganze Hypothese.

IV. Bippolyt als Beetreiter des Montanismus. 157

desselben, also etwa 5500 Worte betragen haben. Dann könnte der zweite Teil also noch immer um 3000 Worte länger gewesen sein, ohne dass deshalb unsere Hypothese an dem Ausdruck ßiß/Liöa(HOV scheitern müsste. Damit dürfte auch das zweite Hedenken beseitigt sein, das V'oigi abhielt, die Quelle von Epiph. haer. 4s dem Hippolyt zuzusehreiben und zum Syntagma zu rechnen l).

Wie die 32 Häresien des Syntagma zu zählen sind, kann keine Frage sein, wenn wir beachten, dass die beiden Gruppen der MelehisedekianeL* als eine Haeresie gezählt werden; der Streit zwischen Lipsius und Harnack, ob die orthodoxen und modalisti- schen Montanisten als eine oder zwei Häresien gezählt seien, ist damit zu Gunsten Harnacks entschieden. Die Häresien des Syn- tagma sind also folgende:

1. Dasitheos 17. Ptolemäus

2. Sadducäer 18. Secundus :>. Pharisäer 19. Herakleon

4. Herodianer 20. Markus

5. Simon 21. Kolarbasus

6. Menander 22. Kerdon

7. Satu minus 23. Markion

8. Basilides 24. Lucanus

9. Nikolaos 25. Apelles

Kl. Ophiten 26. Tatian

11. Kainiten 27. Montanisten

12. Sethianer 28. Quartodecimaner

13. Karpokrates 29. Aloo-er

14. Kerinth 30. Theodotos

15. Ebion 31. Melchisedekiaher

16. Valentinus 32. Noetos

Zweifelhaft wird es bleiben müssen, ob die Angaben, welche Epiphanius haer. 48 c. 14 2) über die Beziehungen der Montanisten zu Pepuza und die von ihnen gefeierten Mysterien macht, auf das Syntagma zurückzuführen sind. Philaster spricht zwar auch

1) a. a. O. S. 220.

2) Titxüoi 6h ol xoiovToi xal xönov xiva. l'gq/jiov ev x/j 'f'yvyic Hi7iov'C,dv 7COT8 xaXovßtvrjv, vvv de tjöacpiGfXbVTjv, xal cpuoiv exelos xazitvai zrjv äv(oSevcIeoovoa?.i]fz. (p. 442).

158 Rolft's, Urkunden aus dem antimontanistischen Kampfe.

über Pepuza und gewisse Mysterien1), aber seine Angaben diffe- rieren doch nicht unwesentlich mit denen des Epiphanius. Dieser

erzählt, die Montanisten erwarteten die Herabkunft des himm- lischen Jerusalem nach Pepuza; Philaster sagt: sie nennen Pe- puza Jerusalem; Epiphanius berichtet, sie feierten dort Mysterien, Philaster hat schon vorher die Notiz: publice mysteria celebrant. Eine Bemerkung über die Totentaufe der Montanisten hat Epi- phanius nicht; da nun die Geschichte von der grauenvollen Feier, bei der ein Knabe mit der Nadel durchstochen wird, sicher nicht aus Hippolyt stammt, obgleich sowohl Epiph. wie Philaster sie mitteilen, so wird man anzunehmen haben, dass auch jene an- dern Bemerkungen aus der mündlichen Tradition geschöpft sind. Sie pflegt ja gerade die abenteuerlichsten Extravaganzen am treuesten in der Erinnerung zu erhalten2).

4. Das Syntagma Hippolyts eine Urkunde des anti- raontanistisclien Kampfes.

Die christologischen Kämpfe der römischen Gemeinde haben den Anstoss zur Abfassung des Syntagma gegeben. Aber diese Kämpfe waren mehr als theologische Debatten; die Vertreter der modalistischen Christologie, Zephyrin und Kallist, verfolgten zugleich ganz bestimmte Ziele in der Kirchenpolitik. Zephyrin hatte Kallist siq xardöraöiv rov xhjgov nach Rom berufen. Es wurde also eine straffere Organisation des Klerus angestrebt. War Kallist aber wirklich der geistig überlegene Berater Zephy- rins, wie Hippolyt behauptet, so wird er unter ihm schon be- gonnen haben, was er als Bischof fortgesetzt hat: eine Lockerung der Disciplin im Interesse der Ausbildung des hierarchischen Systems. Geldgeschenke an die Kirche scheinen schon unter Zephyrin einen gewissen Ersatz für mangelnde sittliche Leistun-

1) haer. 49: Hi raortuos baptizant, publice mysteria celebrant. Pepu- zam villam suam, quae sie dicitur in Phrygia, Hierusalem appellant, ubi Maximilla et Priscilla et ipse Montanus vitae tempus vanum et infruetuo- sum habuisse dinoseuntur.

2) Lipsius, Quellenkritik S. 223 Voigt a. a. 0. 120 führen wenigstens teilweise die Nachrichten auf das Syntagma zurück. Aber man würde auch dann, um die Abweichungen zu erklären, wohl auf die mündliche Überlieferung rekurrieren müssen, obgleich Epiph. haer. 49 c. 1 eine teil- weise Erklärung bietet.

IV. Hippolyt als Bestreiter des Montanismus. 159

gen gebildel zu haben; wenigstens bal nach Hippolyt Kaliist durch Geld den unfähigen Bischof zu allem bewogen, was er

beabsichtigte, und Kleomenes hat von ihm Duldung seiner Partei erkauft. Dieser wird von Hippolyt als ein .A^v Kirche durch Leben und Wandel entfremdeter Mann"' geschildert; ist dieses Zeugnis nicht ohne jeden Anhalt an den Thatsachen, so war seine Lebensrichtung strenger Sittenzucht abgewendet und mehr weltförmig. In seiner Person und wahrscheinlich dann auch in seiner Partei war das Dogma Noets verbunden mit einer mehr weltlich gerichteten Lebensführung. Deshalb konnte Kailist ge- rade von dieser Partei die kräftigste Förderung seiner Kirchen- politik erwarten; sie besass die Duldsamkeit gegen die sittlichen Grundsätze und Lebensanschauungen anderer, die allein die Grund- lage einer Weltkirche, wie sie Kallist beabsichtigte, abgeben konnte. Dieser Lockerung der Disciplin gegenüber gewann die montanistische Reaktion gegen alle WeltfÖrmigkeit neues Recht und konnte auch auf die ernster gerichteten kirchlichen Christen nicht ohne Eindruck bleiben. Daher galt es für den, der mit der Logoschristologie die überlieferte Lehre und die überlieferte Disciplin zugleich zu verteidigen hatte, seinen Standpunkt be- stimmt gegen den montanistischen abzugrenzen. Sonst lag die Gefahr nahe, dass seine Opposition von den Gegnern als monta- nistische Rigorosität präskribiert wurde. Diese Gefahr vermeidet Hippolyt, indem er die Montanisten zu Häretikern stempelt, ebenso wie er durch die Bekämpfung der Theodotianer und Melchi- sedekianer seine subordinatianische Christolo<ne gegen den Vor- wurf des Adoptianismus sichert1). Nur wenn man diese höchst

1) Dieser Vorwurf lag gar nicht so fern, wie es uns wohl scheinen möchte. Nach den Theodotianern war Christus ein Mensch, der erzeugt war durch den heil. Geist als Kraft Gottes und geboren aus der Jungfrau Maria. Nach Hippolyt ist Christus die Inkarnation des Logos, der als Kraft Gottes und als Geist bezeichnet wird und in der Jungfrau Maria seh angenommen hat. Vergl. Sätze wie: c. Noet. 16: I'öcd/zsv de xal zb ngoxei(jLtvov, ozt öviwq, äötXipoi, rj dvvafiiq r\ tkxtqojcc (o eaziv Xoyoq) an ovqclvov xazfjX&ev xal ovx avzbq 6 nazrjQ. zi 64 eoziv zb ..isTJJ.ttov ix zov nax^bq'' d'/X // o zu tilgen Ach. F] Xöyoq; xi de xo avtov ytvrfjü-iv aXX // 7ivevfj.ee, xov z' toxlv 6 Xoyoq; (Lag. 54, 20 ff.), c. 4: f-Gxiv ßhv oiv ot<(j£ tj vnb zov /.oyov zov nazQojov ngoatve/ßeloa düJQOv, rj ix nvev/iazoq xal nag&evov, zl/.eioq vlbq Üeov änodtdeiyfxevoq Lag. 40, 20). Wollte Hipp, dem Vorwurf der Zweigötterei entrinnen, so

\{j() Rolffs, Urkunden aus dem «antimontanistischen Kampfe.

komplici orten Verhältnisse in Rechnung zieht, wird der Exkurs haer. 48 c. 9 verständlieh, der mehr eine Rechtfertigung des eignen Standpunktes in der Ehefrage ist als ein Angriff auf den mon- tanistischen. Infolge dieser Konstellation der kirchlichen Parteien musste der Kampf gegen den durch Zephyrin und Kallist ver- tretenen Modalismus als Begleiterscheinung einen Kampf gegen den Montanismus mit sich führen. Hippolyt als Mann der kirch- lichen Mitte sowohl in der Lehre wie in der Disciplin muss in doppelter Frontstellung kämpfen. Daher ist das Syntagma zu- gleich eine Urkunde des antimodalistischen und des antimonta- nistischen Kampfes.

Den Angriff auf die montanistische Ehepraxis hat Tert. in de monogamia abgewehrt. Den Ausführungen gegen die Ekstase war er schon durch sein Buch de ecstasi zuvorgekommen. Aber wahrscheinlich hat Hippolyt den montanistischen Propheten noch den Vorwurf gemacht, sie hätten durch ihre Aussprüche viele verleitet, sich der Noetanischen Irrlehre anzuschliessen (s. S. 146). Es war doch der höchste Trumpf, den er ausspielen konnte, wenn er einerseits seinen Noetianischen Gegnern, die ihn gern auf die Seite der Montanisten gestellt hätten wegen seiner Disciplin, ihre Verwandtschaft mit denselben in der Lehre vorrücken konnte, und wenn er andererseits den Montanisten, deren theologische Vertretung der orthodoxe Tert. in de ecstasi besorgt hatte, sagen durfte: eure Prophetien sind geeignet, zum Noetianismus zu verführen. Wir dürfen also wohl annehmen, dass er von der ihm bekannten Thatsache der Existenz moda- listischer Montanisten polemischen Gebrauch gemacht hat. Dann fällt aber ein ganz neues Licht auf Tert.s Schrift advers. Prax. Diese hat dann nicht nur den einen Zweck, die wieder aufgesprosste Saat des Praxeas auszurotten und die Einfältigen über die öko- nomische Trinität zu belehren, sondern sie will zugleich den

kam er den Adoptianern bedenklich nahe; denn wie soll man seinen Logos- Geist, der Kraft Gottes ist, von dem zeugenden Geist der Theodotianer, der ebenfalls Kraft Gottes ist, unterscheiden? Dass er TtQoaojTiov sei, war ja lediglich eine Behauptung Hippolyts. Ferner: wodurch ist der Zeugungs- process des Geistes Gottes in der Jungfrau verschieden von dem Process der Fleischannahme des Geist-Logos in der Jungfrau? Hippolyt that wohl daran, die Theodotianer ausdrücklich zu widerlegen; er hätte von bös- willigen Gegnern leicht mit ihnen zusammengeworfen werden können.

IV. Hippolyt als Bestreiter des Montanismus. KJl

Parakleten von dem Vorwurf reinigen, seine Offenbarungen fahr- ten zum Modalismus.

Durch diesen zweiten Zweck erklärt sieh zunächst der Titel der Schrift: adversus Praxean. Man fragt mit Grund: Weshalb schreibt Tert.. wenn er den Modalismus Zephyrins und Kallists bekämpfen will, gegen Praxeas? Dieser Agitator war jedenfalls kein hervorragender theologischer Vertreter des Modalismus; wir kennen seinen Namen nur durch Tertullian und den von ihm abhängigen Pseudotertullian. Für Hippolyt ist nicht er, sondern Epigonus der erste Vertreter der Noetianischen Irrlehre in Rom. Die Lehre, zu der er den Bischof Victor bestimmt hat, kann endlich nicht die genuine Lehre Noets gewesen sein; denn wenn wir dem Bericht Hippolyts nicht alle Glaubwürdigkeit ab- sprechen wollen, so müssen wir die Thatsache anerkennen: die Lehre Noets ist durch Kleomenes in Rom zu grösserem Einfluss gelangt und durch Kallist in den Klerus eingedrungen. Praxeas aber ist in Karthago zu einer Erklärung veranlasst worden, welche das Anstössieje seiner Lehre beseitigte. Diesen Thatsachen gesjen- über gewinnt eine Vermutung Langens1) die grösste Wahrschein- lichkeit, der zufolge Praxeas Bischof Victor veranlasst hat, gegen- über der Lehre des Theodotus, die Vater und Sohn völlig trennte, die Einheit beider so stark zu betonen, dass der ärgerliche Satz: „der Vater hat gelitten" die notwendige Konsequenz dieser Lehr- weise zu sein schien. Aber diese Konsequenz wird Praxeas in Karthago ausdrücklich abgelehnt haben; darin bestand eben sein Widerruf. Weshalb benutzt Tert. also seinen Namen, um die neue Ausprägung des Noetianismus durch Zephyrin und Kallist zu bekämpfen? Unter der Voraussetzung, dass den Paraklet- gläubigen von Hippolyt eine gewisse Prädisposition für den Mo- dalismus vorgeworfen wurde, erklärt sich dies in der einfachsten Weise. Von Praxeas' Wirken konnte Tert. sagen: paracletum fugavit et patrem crueifixit. In ihm verband sich die modalistisehe mit einer antimontanistisehen Richtung; indem Tert. den Feind des Parakleten zum Urheber der modalistischen Christologie macht, widerlegt er schon die Ansicht, als ob der Montanismus irgendwelche Sympathie für dieselbe habe.

Einem derartigen Vorwurf gegenüber werden ferner aber

1) Gesch. d. römischen Kirche bis Leo I. S. 194 ff. Texte u. Untersuchungen XII, 4. 11

162 Rolfts, Urkunden aus dem antimontanistischen Kampfe.

erst die wiederholten ausdrücklichen Versicherungen verständlich, dass gerade durch den Parakleten das rechte Verständnis der ökonomischen Trinität gefördert sei. Die Erklärung, die Tert. an die Spitze seiner Erörterungen stellt: „Wir aber glauben, wie immer, so jetzt noch mehr als durch den Parakleten besser unterrichtet, der ja in alle Wahrheit leitet, einen einzigen Gott zwar, aber unter der Einteilung, die wir Ökonomie nennen", kann nur den Verdacht abwehren wollen, als hätte sich mit Tert.s Übertritt zum Montanismus eine Wandlung in seinen trinitarischen Anschauungen vollzogen. Für die Leser, auf welche Tert. seine theologische Beweisführung in erster Linie berechnet, kann diese Erklärung nicht bestimmt sein; denn dies sind nach seiner eig- nen Aussage Christen, die durch die neue Irrlehre berunruhigt sind und daher durch eine Widerlegung derselben gestärkt und unterrichtet werden müssen. Waren sie Montanisten, so genügte die einfache Versicherung der Orthodoxie des Parakleten nicht; Tert. hätte seine trinitarischen Sätze auf die neue Prophetie stützen müssen, dazu macht er keinen Versuch. Waren sie Katho- liker, so konnte eine Berufung auf die Auktorität des Parakleten ihnen die ökonomische Trinität lediglich verdächtig machen. Jene Erklärung kann nur Eindruck auf die Partei machen, die be- stimmt für die ökonomische Trinität gegen den Modalismus ein- tritt; ihr gegenüber enthält sie aber nicht eine Empfehlung des Parakleten, wie Nöldechen will, wenn er adv. Prax. zu den „Werbeschriften" rechnet, eine solche hätte nur dann Aussicht auf Erfolg gehabt, wenn Tert. wirklich den Beweis geliefert hätte, dass sich die ökonomische Trinität auf die neue Prophetie sicherer begründen Hesse als auf die Schrift sondern nur eine Verteidigung. Allein um den Vorwurf zu entkräften, der Paraklet begünstige den Modalismus, war ein Hinweis Tert.s auf seine eigne theologische Stellung, in der er durch den Parakleten nur noch befestigt sei, am Platz, und hier allein erfüllte er seinen Zweck. Demselben Zweck dient auch das Bekenntnis am Schluss seiner Darlegungen: „Christus hat inzwischen das vom Vater empfangene Geschenk, den heil. Geist, ausgegossen, den Verkündiger einer einzigen Monarchie, aber auch den Interpreten der Ökonomie, wenn jemand die Reden der neuen Prophetie an- genommen hat, und den Führer in alle Wahrheit, die gemäss der christlichen Religion in Vater und Sohn und heil. Geist be-

IV. Hippolyt als Beetreiter dea Montanismua. K53

schlössen ist**.1) Am Anfang und Schluss der Erörterungen also eine ausdrückliche Versicherung der Orthodoxie des Para- kleten. \ erständlich ist das nur. wenn dieselbe irgendwie in Zweifel gezogen war.

Hierdurch wird wieder unsere Vermutung bestätigt, das Syntagma Hippolyts habe den Vorwurf modalistischer Neigungen gegen die Montanisten erhoben. Denn Tert. muss ja das Syn- tagma gelesen haben, da er in de monogamia zweifellos auf haer. 48 e. 9 reagiert2). Aber er hat auch den Abschnitt über Noet bei seiner Abhandlung benutzt; hiermit wird Lipsius3) Har- nacb gegenüber Recht behalten. Wie er in de monogamia 10 17 haer. 4S C 9 zur Richtschnur seiner Ausführungen nimmt, um an allen einzelnen Punkten seinen Dissens zu erklären, so ver- folgt er adv. Prax. c. 5 16 den Gedankengang von c. Noet. c. L0. 11., um sich alle dort ausgesprochenen Sätze mittels völlig selbständiger Argumentationen anzueignen. Seniler schon hat eine grosse Anzahl von Parallelen zusammengestellt 4); aber in- dem er auch da Parallelen sah. wo keine waren, hat er seine richtigen Beobachtungen diskreditiert. Hippolyt und Tert. nehmen beide ihren Ausgangspunkt von der Einheit und Einzigkeit Gottes. Hippolyt stellt als das Wesentliche fest, zu wissen: ort övyyoovov d-eov ov6hv Jtfa)v avrog t)v, avroa 6h fiovog cov Jtolvg yv. ovrs yaQ cdoyog ovrs c'toorpoq ovrs aövvaxoz ovrs aßovlsvrog ?jv. xoptü 6h t(V Iv avrcp, avrog 6h yv rb nav. Tert. drückt die- selben Gedanken in folgenden Sätzen aus: „Denn vor allen Dingen war Gott allein, er selbst für sich Welt und Raum und das All. Allein aber, w^eil nichts anderes ausserhalb vorhanden war neben ihm. Übrigens war er nicht einmal damals allein; denn er hatte bei sich die Vernunft, die er in sich hatte, seine eigene natftr-

1) Hie interim aeeeptum a patre munus effudit, spiritum sanctuiu, tertium notaen divinitatis et tertium graduni maiestatis, unius praedica- torem monarchiae, sed et oly.ovo^ilaq interpretatoreui , si quis sermones novae prophetiae eius admiserit, et deduetorem oinnis veritatis, quae est in patre et filio et spiritu saneto seeundum Christianum sacramentum. adv. Prax. 30.

2) Wenn er Hipp, in adv. Valentinianos nicht nennt, so beweist das nicht dagegen, da nach unserer Datierung das Syntagnia lange nach dieser Schrift veriasst ist. s. Harnack a. a. 0. 204.

3) Jahrb. f. deutsche Theol. 1868 S. 704. Zs. f. bist. Th. S. 202.

4) s. Oehler. Tert. opera Tom. TU. 089 ff.

11*

]C,j Roltfs, Urkunden aus dem antimontanistischen Kampfe.

lieh l)." Was Hippolyt in den beiden Worten aXoyog und aöoepoe; ausdrückt, muss Tert weitläufiger auseinandersetzen, da er das Wort Aoyoq im Lateinischen nicht seinem ganzen Inhalt nach kurz wiedergeben kann; er spricht also erst von der immanenten Vernunft Gottes, der ratio, die in dem sermo Gestalt gewinnt, diese identificirt er dann mit der sophia, sodass er für den Logos den Inhalt ratio und sophia gewinnt. Nun kann er sich die These Hippolyts aneignen: „Denn alles Gewordene bereitet er kunst- voll durch Vernunft und Weisheit, durch die Vernunft einrichtend, durch die Weisheit ordnend. Er machte nun, wie er wollte: denn er war Gott. Als Erstling und Berater und Werkmeister des Werdenden aber zeugte er den Logos." Er thut es mit den Worten: Nam ut primum deus voluit2) ea quae cum sophia e ratione et sermone disposuerat intra se in substantias et species suas edere, ipsum primum protulit sermonem, ha- bentem in se individuas suas rationem et sophiam, ut per ipsum fierent universa per quem erant cogitata atque disposita, immo et facta iam quantum in dei sensu (cap. 5) 3). Die Zeugung des Logos wird von beiden an das Wort: es werde Licht ge- knüpft; mit dem ersten Wort, das Gott sprach, gewann der Logos Gestalt und wurde sichtbar4). Bei beiden tritt infolge der gleichen Verwendung von Gen. 1 3 für die Zeugung des Logos die gleiche Unklarheit über das Verhältnis des gezeugten Logos zu der durch ihn geschaffenen Welt zu Tage. Tert. schliesst hieran einen aus- führlichen Schriftbeweis und eine Widerlegung der gegnerischen Ansicht, wonach der Xoyoq nur das gesprochene Wort und keine selbständige Hypostase bedeutet. Dann erörtern beide das Verhältnis des hypostasierten Logos zum Vater, Tert. wieder

1) Oehler IL p. 658.

2) vergl. dazu noch den früheren Satz Hipp.s: öxs rftiXtio^v, xa&coq föe/.rjoev, eöeige xov Xoyov avxov, xcuqoXq (vgio/uevoiq nag' ccvxto, 61 ob tu nuvxa £7ZOit]0€v.

3) Oehler II. 659.

4) ov Xöyov l%u)v iv kavxco dÖQaxöv xe^bvxa xcö xxi'C,Ojuerva> xöo/uw oyuxov noiel, nooxeQav <pa)vrjv <p9eyy6[*evoQ xal (p<ög ix (pwxög yevvcüv TiQOrixev xy xxlosl xvqlov xov l'öiov vovv, avxcö fxovw tiqoxeqov oQctxov vnÜQ'/ovxa, xtö dl yivo/utvo) x6o[A(p doQaxov bvxa oQaxbv TioitT, onojg ditc xov ipavfjvai cöwv b xoafiog aw&rjvai övvrj&y (Lag. 51, 7 ff.), adv. Pr. c. 7: Tunc igitur etiam ipse sermo speciem et ornatum suum sumit cum dicit deus: fiat lux.

IV. Hippolyt als Bestreiter des Montanismus. icr»

ausführlicher, anter polemischen Ausfallen, die für Hippolyt in seiner einfachen positiven Darstellung des Glaubens nach der schon vorausgegangenen Polemik überflüssig waren. Die Formel Hippolyts aXX toq p<oq tx tpcorbg // ölt; vöcoq ix jzt/yt'jj; ){ oog axrlva cuto rjXlov kehrt bei Tert. mit nur geringer Variation wieder: Protulit enim deus sermonem, quemadmo- dum etiam paracletus docet, sicut radix fruticem et fons flu- vium et sol radium '). Hier ist die ausdrückliche Erklärung beachtenswert, dass diese Formel auch durch den Parakleten bestätigt werde; er legt Gewicht darauf, dass der Paraklet ge- rade an dieser entscheidenden Stelle mit der orthodoxen Lehre zusammentrifft. Beide betonen im weiteren Verlauf die Unter- ordnung des Sohnes unter den Vater, von welchem er nur ein Teil sei; Tert. sagt: Pater enim tota substantia est, filius vero derivatio totius et portio 2). Dies hat denselben Sinn, wie wenn Hipp, sich ausdrückt: „Denn er ist eine Kraft, die aus dem All hervorströmt, das All aber ist der Vater, aus welchem als Kraft der Logos hervorgeht. Dieser aber ist Vernunft, welche ausge- strahlt in der Welt sich als Sohn Gottes zeigte." Von hier ab geht Tert. durch lange Auseinandersetzungen seine eignen Wege; aber am Schluss von Kapitel 15 taucht in dem Satze: Pater enim sensu agit, filius vero quod3) in patris sensu est videns perficit. Sic omnia per filium facta sunt, et sine illo factum est nihil4) der abschliessende Gedanke Hippolyts auf: Ilccvra rolvvv öi avrov, avroq ös (iovoq ex JtaxQoq. In der gleich darauf folgenden Erörterung über die Wirksamkeit des Sohnes in der Geschichte vor seiner irdischen Erscheinung bietet Tert. dann noch eine schlagende Parallele zu Hippolyt; in den Sätzen: Ipse enim et ad humana semper colloquia descendit, ab Adam usque ad patriarchas et prophetas, in visione, in somnio, in speculo, in aenigmate, ordinem suum praestruens ab initio semper quem erat per s ecu turn s in finem. Ita semper ediscebat et deus in terris cum hominibus conversari, non alius quam sermo, qui caro erat futurus5) nimmt er dessen Gedanken auf: ovroq 6h

1) cap. 8 Oehler II. 662.

2) cap. 9 Oehler II. 663.

3) So mit Fulv. Urs.

4) Oehler IL 674.

5) cap. 16. Oehler II. 674/75.

lß(j Rolfts, Urkunden aus dem antimontanistischen Kampfe.

söcoxev vofiov xal Jtyocptjxag xal öovg öia jtvev/iaxog ayiov t)vayxaöev xovxovg (p&ty^aö&ai, ojicog xt/g üiaxocnag dvvakueojj z) )v djiojivotav Xaßovxeg xi\v ßov)J/v xal xo frtlijfta xov JtarQog xaxayyulwöiv. hv xovxoig xoivvv jtoXtrsvofiepog o Xoyog l- (pfriyyexo jisqI eccvxov (r/d?/ yciQ avxog tavxov xrJQV§ hyivexo) öblxvvcdv \iiXXovxa Xoyov <paivt6&ai tv av&Qto- no ig (Lag. 51,24 ff.). Auf Berührungen, die sich abgesehen von diesem bei beiden gleichen Gedankengang finden, ist kein allzu grosses Gewicht zu legen. Aber nach den aufgewiesenen Pa- rallelen ist kein Grund vorhanden, eine Benutzung Hippolyts durch Tert. zu bezweifeln. Tert. hat dabei die bestimmte Absicht verfolgt, seine Übereinstimmung mit Hipp, hervorzuheben und dadurch seine Orthodoxie zu beweisen. Die Selbständigkeit Tert.s ist dadurch nicht im geringsten gefährdet.

Seine Solidarität mit Hippolyt scheint er an einer Stelle selbst auszusprechen. In Kap. 27 sagt er: Undique enim obducti de distinctione patris et filii, quam manente coniunctione dis- ponimus, ut solis et radii et fontis et fluvii, per individu- uni tarnen numerum duorum et trium, aliter eam ad suam nihi- lominus sententiam interpretari conantur *). Was nun folgt, ist die Formel Kallists; dieselbe wird hier also als ein Verlegen- heitsprodukt charakterisiert, als eine Auskunft, zu der er sich durch gegnerische Einwände gedrängt sah. Einen Erfolg seiner eignen Widerlegungsversuche kann Tert. darin nicht finden, da Kailist von diesen keine Kunde haben konnte. Wenn wir nun sehen, dass er in der Formel ut solis et radii et fontis et fluvii nur die Ausdrücke wiederholt, die er mit Hipp, gemeinsam hat, und et radicis et frutificis auslässt, so ist es doch sehr wahrschein- lich, dass er hier einen Erfolg der Beweisführung Hipp.s hervor- heben will, mit dem er sich also im Zweck eins weiss. Vielleicht war adv. Prax. auch ein Versuch, mit dem durch die kirchlichen Verhältnisse ganz isolierten römischen Theologen Fühlung zu gewinnen. Dann musste er freilich sehr bald diese Hoffnung als trügerisch erkennen; so lange Hipp, den Anspruch machte, mit seiner Partei die Kirche zu bilden und Kallists Anhang als ein neben der Kirche stehendes öiöaOxaXuov ansah, konnte er sich

1) Oehler IL 690.

IV. Hippolyt als Bestreite! des Montanismus \('}~]

keiner von ihm selbst als häretisch bezeichneten and mindestens verdächtigen Richtung nähern.

Die letzte Phase des antimontanistischen Kampfes im Abend- lands wird also eröffnet durch das Syntagma Hippolyts. Indem er sieh der von Kallist geführten niodalistischen Partei gegen- über zu behaupten sucht, muss er seinen Stand])imkt zugleich gegen die andern kirchlichen Richtungen Roms, die jüngeren und älteren Theodotianer und die Montanisten, abgrenzen; so wird der antimontanistische Kampf eine Begleiterscheinung der chri- stologisehen Kämpfe. Tert. hat hierauf in adv. Prax. die dogma- tische Korrektheit des Parakleten verteidigt und damit Anschluss an den durch Kallists Politik isolierten Hippolyt zu gewinnen ver- sucht. Als dies misslang, verteidigte er die montanistische Dis- ciplin. auf deren Rigorosität Hipp, die Anklage der Häresie ge- gründet hatte, in de monogamia. Aber kurz darauf erfuhr sie einen neuen schärferen Angriff durch Kallist, der, um die Zügel der Disciplin nach Belieben lockern und die Pforten der Kirche allen weit öffnen zu können, die in der montanistischen Bewegung lebendig erhaltenen Reste altchristlicher Zucht mit dem Stempel „häretisch" versehen musste. Gegen ihn sucht sich Tert. in de ieiunio zu verteidigen, um wenigstens die Fahnenflucht der früheren Gesinnungsgenossen, die Kallist anzulocken suchte, nach Möglichkeit zu hindern. Wie weit es ihm gelungen ist, wissen wir nicht. Aber das wissen wir: kurze Zeit nachher, als Kallists indulgenz-„Edikt" erschien, legte Tert. selbst keinen Wert mehr darauf, zu der Kirche zu gehören, deren Jungfräulichkeit durch den römischen Bischof geschändet war. Durch das Indulgenz- ,.Edikt" ist der antimontanistische Kampf definitiv entschieden; der Mimtanismus verzichtet darauf, ein Faktor in der kirchlichen Entwicklung zu sein.

ZUR

ABERCIUS-INSCHRIFT

VON

ADOLF HARNACK.

Texte u. Untersuchungen XII, 4 b. Leipzig 1895.

G. Ficker hat in den Sitzungsber. d. K. Preuss. Akad. d.

Wissensch. (1. Febr. 1894, S. 87 ff.) eine Abhandlung über den heidnischen Charakter der Abercius-Inschrifl vorgelegt. Katho- lische Gelehrt«' haben sich bisher mit dem Versuch begnügt, sie lächerlich zu machen1). Dieser Ton ist Leider zuerst im Bullet. critique 15. März angeschlagen worden, wie mau hört von einem Ge- lehrten, dessen Ernst and Unparteilichkeit bisher über jedem Zweifel stand. Die Christlichkeit der Inschrift hat er nicht vertheidigt, viel- mehr es vorgezogen, seinen Witz an der Hypothese zu üben, Aber- cius sei ein Cybelepriester gewesen. Es ist aber eine Frage zweiten Ranges, festzustellen, welchem Cultverein er angehört hat, sobald nachgewiesen ist, dass er kein katholischer Christ war. Das musste Niemand hesser wissen, als der Anonymus im Bull, critique. Warum machte er von diesem Wissen keinen Gebrauch? Oder ist trotz Ficker die katholische Christlichkeit der Inschrift so evident, dass ein ernster Gelehrter für seinen Ruf fürchten musste. wenn er sie noch einmal bewies? Wie es wirklich mit der Inschrift steht, werde ich im Folgenden in Kürze zeigen. Die bisher erschienenen Arbeiten setze ich dabei als bekannt voraus 2). Für die Inschrift habe ich dankbar einen Abklatsch Hülsen's und das kürzlich von de Waal (Rom. Quartalschr. 1894, 8. Bd. 3. 4. Heft) publicierte Facsimile benutzt. Genaue Angaben über die ZZ. 12. 13 verdanke ich Herrn Dr. Holl, der, zur Zeit in Koni weilend, mir meine Fragen beantwortet hat. Was durch den Stein oder durch die Alexander-Inschrift bezeugt ist, gebe ich in Ma- juskeln, sichere Ergänzungen in eckigen Klammern, unsichere in

1) V. Schultze hat doch wenigstens den Versuch gemacht (Theol. Lit, Bl. 4. 11. Mai, 27. Juli), die Christlichkeit der Inschrift gegen Ficker zu beweisen.

2) Auf die interessante, von Robert (Hermes 1894 S. 42111'.) aufge- worfene Präge, ob die Inschrift streng einheitlich ist, gehe ich nicht ein, obschon es nicht ganz gleichgültig ist, ob die Inschrift dem Ende des 2. oder z. Th. dem Anfang des 3. Jahrh. angehört.

I Harnack, Zur Abercms-Ihscnrift.

runden (S == Inschrift, A = Alexander- Inschrift, M = Meta- phrast; über Varianten in M s. Zahn, Forschungen V S. 68ff.).

[E\KAEKTH2 IIO[AE\Q,2 OIIOAEl[TH2 T]OYT EIIOIH[2A ZUN 1]N EXil xaigtp 2QMAT02 EN&A SE2IN OY[N]OM aßegxiog wv 6[M]A&HTH2 Ü0JMEN02 ArNOY og ßoöxei Jigoßarcov ayeXag bgeöiv JteÖloig re 5 o(pfral[iovg og e%et ^y^ovg Jtavxrj xadogwvxag

ovxog yag (i eöiöa^e yocc[i[WTa jiLöxa

EIS PQMHv og Ixeppav EMEN BA2[I]AII avad-Q^oai KAI BA2IAI2öav iöelv zqvooöTOAON XPYoojteöüov AAON AE1AON exet Zctfuioav 2&PATEIAAN Eyovxa

10 KAI 2YPIH2 IIEöov eiöov KAI A2TEA IlAvxa vtGißiv EY&PATHN AIAßag JtavTH JE2XON SYNOfirjyvQovg IIAYAON E(X£N) EUO . . . {flSTIX) Jcavxrj de xQorjye KAI nAPE&HKE TQoyrjv IIANTH IX&YN ajiö jzr/yijg nANMErE&H KAOaoov ov EAPAaATO UAPBEvog ayvrj

15 KAI TOYTON EÜEöcQxe <piAOI2 EZßetv diä jiavxbg olvov iQrjGTov eyovoa xegaöfia öiöovoa [ier agrov ravra jiccgeörcog elüiov aßeoxiog möe yQacpijvai eßöoftrjxoGTOv erog xal devreoov ijyov al^wg ravd^ 6 vocuv ev^aifr vjzeg aßsQxiov Jtäg o ovvwöög

20 OY MENTOI TYMB[QI] TIS EMQI ETEPON Lavm 6H2EI EI A OYN PLIMAlilN TA[M]EIQI 6H2EI AI2[X]EIAIA

[X]PY2A KAI\X\PH2T1III1ATPIA[I} IEP0I10AEI[X]EIA1[A X\PY2A

ZZ. 1—3, 20—22 A, ZZ. 7—15 S 2 xcuq(? M, <PANE(P&2) A 6 M zeigt keine Lücke, aber der Vers verlangt eine Ergänzung 7 So Zahn, ßuoiktiav aO-Qqoai M, daher Andere ßaalkrjav oder ßaaikrjav d&Qrjoai 11 avvofJiriyvQOvq M, aber das passt nicht in den Vers; also wohl ovvofxilovQ oder ähnlich. Jeder Halbvers bildet auf dem Stein eine Zeile; aber der Stein ist in zwei Theile gesprengt, und der Riss läuft zwischen 12a und 12b. Von beiden Zeilen, besonders von 12b, ist wenig mehr zu sehen. Doch sind die Buchstaben 1, 3—7 am Anfang der Zeile sicher, sicher ist auch der 11. und 12. Buchstabe; der 8.— 10. und 13. über- wiegend wahrscheinlich. Von den übrigen Buchstaben (= 12b) ist nichts mehr ganz sicher; die letzten 13 fehlen ganz, die Buchstaben, die vorher- gehen, können nSTIS, TI2TI2 T12H2 TIS El 2 u. ä. sein. M giebt: fIccv?.ov £G(o&6v ' nioxiq nüvxr\ 6h TtQOrjye.

20 biavw M, T[I]NA A.

22 lhQU7t6Xei M.

Harnack, Zur Abercius-Inschril't. 5

1. Der Metaphrast r hat die Inschrift selbst vom Steine ab- brieben (a?dt jicoq tjtl Xigemg £iX8V)' doch bemerkt er: ort

f<t] o XQOVOc v(f£lXe xar oZiyov t//c dxQißeiac xal mtaQTtjfJt- vcoq e%etv ttjv jQa(piiv jiaQSG/cevaosv. Die Christlichkeit war ihm nicht zweifelhaft. Die Fabel, die er erzählt, hat schwerlich eine andere Grundlage als eben die Inschrift.

2. Tillemont(Mem.lI 1()91 }). (i()3sq.) hat die Inschrift z. T. für eines Christen unwürdig erklärt und deshalb Zweifel an ihrer Christlichkeit gehegt; Andere, wie Garucci, haben, bevor der Stein entdeckt war, an Interpolationen gedacht. Ficker's Nach- weise sind daher wie er selbst schon bemerkt hat keines- wegs von jeder kritischen Tradition verlassen.

3. Die Form des Steines (ßcofiog), auf dem die Inschrift an- gebracht ist, ist der Annahme, sie sei christlich, nicht eben günstig2). Auch die Alexander-Inschrift ist auf einem ßwfioq angebracht. Giebt es Beispiele, dass christliche Inschriften um 200 auf Altären oder altarartigen Steinen angebracht wurden?

4. Besässen wir die Verse mit Ausschluss des 12 16., so hätte sie schwerlich irgend Jemand für christlich erklärt; denn a) sie lassen die speeifisch christlichen Gedanken, die man auf einer Grabinschrift erwartet, völlig vermissen (Auferstehung, ewiges Leben, Jesus Christus), b) sie enthalten die gewöhnlichen heidnischen Grabschrift-Bemerkungen, die sich u. W. auf christ- lichen Gräbern höchst selten finden, c) einzelne Verse sind ent- weder einfach profan oder heidnisch-sacral, aber nicht christlich- sacral. d) sie Verstössen wider die christliche Terminologie, e) ein- zelne Verse können nur mit Not und Kunst christlich gedeutet werden, nach der allein wahrscheinlichen Deutung sind sie heid- nisch. Diese Behauptungen sollen im Folgenden kurz belegt werden:

In v. 1 bezeichnet sich Abercius als Bürger txXsxz?jg jio- lecoq". Damit ist s. v. 22: XQ^^V wcQiq Hieropolis ge- meint, nicht etwra das himmlische Jerusalem. „Dass Heiden eine

1) Dass er noch vor Anfang des 5. Jahrh. die Vita verfasst hat, ist wahrscheinlich (s. Zahn, a. a. 0. S. 62), aber nicht ganz sicher.

2) M bemerkt: ).l&ov xivtc xexQaycovov, /utjxoq xe xal nXaxoq l'oov, xäcpov huvxü) xaxaoxevd&i, dann: xal xov ßw/uov . . . xo) Xt&q) bcploxrjoi xolovöl- xi £7tiypa/j[xa avxü ty/agd^aq.

(j Hiirnack, Zur Abericus Inschrift.

Stadt oder Gemeinde mit dem Epitheton IxXsxxog zu schmücken pflegten, müsste erst nachgewiesen werden", sagt Zahn. Aber das heisst die geringere Schwierigkeit hervorziehen und die grössere verdecken. Richtig ist, dass txlsxxog in der Profangräcität ein ziemlich seltenes Wort ist, während es bei den LXX und im N. T. häufiger ist. Allein dieser Beobachtung steht die andere, viel wichtigere gegenüber, dass die „Heiden" ihre Vaterstadt mit allen möglichen Ehrennamen zu schmücken liebten (wie sich denn auch hier jjQr\öxog neben sxlexxog findet), während die Christen der älteren Zeit das nicht thaten, denn sie fühlten sich als jzaQOixoi am wenigsten aber konnten sie exlsxxog von der irdischen Heimat gebrauchen; denn dieses Wort war von Anfang an terminus techni- cus wie für die Christen überhaupt (Minuc. 11, 6), so für ihre himmlische Heimat. Es muss daher jeden Kenner der Stimmung und der Terminologie der alten Christen aufs stärkste befremden, dass der „Christ" Abercius seine Vaterstadt im Angesicht des Todes und der Ewigkeit als hxlhxxT] bezeichnet. Selbst noch der hellenisch durchtränkte Origenes hat eine ganz andere Schätzung der Stadtgemeinden zum Ausdruck gebracht; man lese c. Cels. 111, 29. 30. Hermas aber schreibt (Simil. 1, 1): olöaxe oxi am ^i'rjg xaxotxelxn V[ieig ol öovloc xov &sov tj yä(j nolig vßcoi> fia- xgav soxiv cato xr\g jtoZemg xavxr\g. si ovv olöaxs xr\v jio2.lv vfimv sv ?j fitXXexs xaxoixelv, xi mos vfietg exocfiä^exs ayoovg xal jictQaxä^eig JioXvxslelg xal olxodofiag xal oix?jfxaxa fiaxaia; xavxa ovv 6 kxoifict^mv sig xavxrjv xr\v Jtoltv ov jzooööoxa sjtavaxafitycu dg xr\v löiav JtoXiv. Im Diognetbrief (5, 5) lesen wir von den Christen: jzaxoidag oixovötv lölag, aXl* mg jzcxqol- xot' fiextxovöt- jravxmv mg uiollxai xal jtav& vjiofitvovöov mg £tvoc jtäoa t-£V7j jzaxQig eöxtv avxmv,xal jzäöa jiaxolg ^svrj. In der Inscript. seines Briefs nennt Ignatius die Kirche in der Stadt Tralles exZexxr}, nicht aber die Stadt selbst. Exlexxrj jiölig ist sogar dann im Munde eines Christen schwer erträglich, wenn die ganze Stadt Hieropolis, wie Minasi (La dottrina dei XII Apost. Roma 1891, p. 289) wirklich annimmt, damals christlich gewesen wäre. Dagegen ist das Wort sehr passend, wenn es als eine Paraphrase des Stadtnamens aufgefasst werden darf. Hieropolis ist die „Stadt des Heiligtums", d. h. die Stadt, die sich die betreffende Gottheit als ihren Sitz erwählt hat. So kann sich natürlich nur ein solcher Bürger der Stadt ausdrücken, der an das Heiligtum glaubt.

Barnack, Zur Abercius-lnschriffc. 7

Ist diese Erklärung die richtige1), so ist schon gegen die* Christlich- keit der Inschrift entschieden. Doch uur mit Wahrscheinlichkeit,

nicht mit Sicherheit liisst sich hier arteilen.

V. 3 (> hat man Christus, den ..guten" Hirten erkennen wollen „er ist der Leiter der bereits vorhandenen und aber alle Lande verteilten (iemeinden (v. 4) . . . er hat auch diejenigen im Auge, welche, wie Abercius ehedem, noch nicht zu seiner Heer'de gehören (v. 5) ... er ist der Hirt, welcher das Verlorene die Heidenwelt) sucht, zu sich als dem Hirten bekehrt und da- durch seiner Heerde einverleibt (v. 6)". So erklärt Zahn. Allein gegenüber dieser eingetragenen pastoralen Interpretation ist an den einfachen Thatbestand zu erinnern, dass vom „guten Hirten", wie er im 4. Evangelum dargestellt ist, hier nicht die Rede ist.

Die altchristliche Predigt und Symbolik kennt den Hirten m. \Y. nur als den, der die Schafe pflegt und die verlorenen wiederbringt. Hier aber sind drei Punkte genannt, die m. W. bei dem guten Hirten nie- hervorgehoben werden: er weidet die Heerde der Schafe auf Bergen und Fluren er hat grosse Alles überschauende Augen er hat seine Jünger glaubwür- dige Wissenschaft gelehrt. Solange nicht nachgewiesen ist, dass von Christus als dem Hirten so gesprochen worden ist jeden einzelnen Punkt kann man ja zur Not auf Christus deuten2) , und dass Christen sich als „Schüler" des Hirten bezeichnet haben (in der Alexander-Inschrift ist nur dieses Moment hervorgehoben; aber sie umfasst nur die vv. 1 3. 20 22), so lange ist man verpflichtet, an einen heidnischen Gott zu denken, vielleicht an Helios, den jtavojtTrjg, og jidvr s<poQa, vielleicht an Attis, der ähnlich beschrieben ward und seiner Naturbedeutung

1) Zu vgl. ist Kaibel, Epigramm. Gr. n. 718, 2:'E<p800v, /ueyd[?.r]g ti-eov tlfxi TioX]£iTrjq (im CIGr n. 5699 wird ergänzt: /u.eycc[Xu)vv/xov elfxl noX sIttjq ; ferner Kaibel n. 257 v. 1. 2: KqLgtclov elxoo£[xrj\, Xqvo[€tjq $eov ovxa no?.ltavt KvJTtQoyevrj (die Ergänzung von Wilamo witz, über- liefert ist Xqvüo . . .).

2) Auf Tertull. de pudic. 10 („at ego eius pastoris scripturas haurio qui non potest frangi") darf man sich nicht berufen, da hier „pastor" mit „scripturae" zusammengestellt ist im Gegensatz zum pastor des Hermas. rgd/i/uaTa übersetzt man wohl besser mit „Wissenschaft" als mit „Schriften" oder „Briefen". Übrigens fehlt vor y^d/xf/ara in M ein Wort, welches der Vers nothwendig verlangt. Ist das zufällig? Stand hier vielleicht etwas, was der Abschreiber zu unterdrücken für gut befand?

8 Harnack, Zur Ahcrcius-Inschrift.

nach der Sonnengott ist, vielleicht an einen dritten. Dass der Hirte nicht Christus ist, wird zum Überfluss deutlich an dem, was die vv. 7 ff. enthalten: der Hirte hat den Abercius nach Rom geschickt, um den Kaiser und die Kaiserin oder um einen himmlischen König und eine himmlische Königin zu sehen. Auch wenn man den Satz als Zwecksatz nicht presst, bleibt doch immer der Gedanke bestehen, dass Abercius seine Romreise durch den alles schauenden Hirten veranlasst und geleitet weiss und ihren Zweck in der Anschauung des „Königs" und der „Königin" erfüllt sieht. Was er geschaut hat, ist also entweder etwas Profanes oder etwas Heidnisch-sacrales. Tertium non datur; denn die Er- klärung Duchesne's u. A., ßaöiXeia (so liest er) sei die könig- liche Stadt Rom (resp. wenn ßaöiZevg zu lesen ist, sei damit der römische Bischof gemeint) und ßaöUtööa sei die königliche Christengemeinde Rom's, trägt das Gewünschte einfach in den Text hinein. Die Entscheidung, ob Kaiser und Kaiserin oder ein Himmelsgott und eine Himmelsgöttin gemeint sind, kann nicht sicher getroffen werden. Bedenkt man aber, 1) dass die Inschrift, auch abgesehen von den Versen 13 16, sacralen Charakter hat {[ia&rjT7]q noifievog ayvoi xxX. yoccfifiara jtiöxä ravr o vocav ev§aiTo nag 6 ovvcpöog), 2) dass die Beinamen %qv- ööötoAoq, XQVÖOJteÖLZog vortrefflich auf die Himmelskönigin, die Juno regina, die 'Hqcl XQVöo&oovog, passen („gewöhnlich wurde sie thronend dargestellt, wie eine Braut verschleiert oder als Ehefrau prächtig gekleidet, immer mit weitem, die ganze Gestalt verhüllendem Peplos, dazu mit der königlichen Stephane" u.s.w.), so scheint diese Deutung vor jener den Vorzug zu verdienen 1). In dem nun folgenden Vers (9) kann de natürlich keinen Gegensatz ausdrücken; der Verf. kann nicht sagen, er habe Mehr und Besseres geschaut, als ihn der Gott habe schauen lassen wollen; also setzt de die Rede ein- fach fort. Auch darf das elöov in v. 9 nicht anders verstanden werden, als das äva&Qtjöai (7) löelv (8), elöov (10), d. h. als wirk- liches Sehen eines wirklichen d. h. sichtbaren Objekts. Zahn 's Be- hauptung, Abercius ginge hier aus der eigentlichen in die uneigent- liche Redeweise über, um in v. 10 wieder zur eigentlichen zurück -

1) Man beachte übrigens die Bevorzugung der „Königin" vor dem

„König". Es ist doch schwerlich ohne Bedeutung, dass jene mit Attributen

ausgestattet erscheint, zumal wenn sich auch (s. unten) der 9. Vers auf sie beziehen sollte.

Harnaok, Zur Abercius-Inschrift. 9

zukehren, ist daher mehr als gewagt. Er behauptet das alter, am

unter ocpgayu die christliche Taufe verstehen zu können. Allein gegen diese Erklärung sprechen noch zwei Gründe: 1) ist das Beiwort ZafijtQa bei ocpQayic. wenn dieses die '.raufe bedeuten soll, sehr störend; denn sofern die Taufe als OqpQayiq bezeichnet wird, hat sie aus sehr naheliegenden Gründen niemals ein Beiworl dieser Art bei sieh: 2) war. wie /ahn annimmt, in den unmittel- bar vorhergehenden Versen vom Kaiser und dvv Kaiserin die Rede, so kann doch nicht ohne Weiteres auf die Christen über- gegangen werden. Das hat Zahn selbst gefühlt: „Wenn neben dem König und der Königin vom Volk die Rede ist, so liegt es freilich am nächsten, an das ganze von jenem beherrschte und durch sie die Welt beherrschende Volk, den „populus Romanus" oder doch an den in der Stadt Rom wohnhaften Theil desselben zu denken." Gewiss und was am nächsten liegt, ist so lange festzuhalten, als es nicht durch zwingende Gründe widerlegt er-

* CT O

scheint. Die Charakteristik des Volkes aber legt den Gedanken an Christen nicht nahe. Was bedeutet sie dann? Ich gestehe, dass ich darauf keine ganz befriedigende Antwort zu geben weiss; aber folgendes ist wohl erwägenswerth: das ixet v. 9 braucht nicht nothwendig auf Rom im Allgemeinen (v. 7) zu gehen; es kann sich auch specieller auf v. 8 beziehen: dort, wo er die Königin, d. h. die Hera in goldenem Gewand, mit goldenen Sandalen gesehen, sah er auch den Zaoc mit dem glänzenden Siegel. Es sind also zwei Möglichkeiten: entweder ist Xaoq wenn in v. 7. 8 Kaiser und Kaiserin zu verstehen sind das römische Volk, welches mit einem Attribut versehen ist, das wir zur Zeit nicht zu deuten vermögen (an den „anulus aureus" zu denken ist unmöglich) *), oder es ist wenn v. 8 die Him- melskönigin zu verstehen ist unter dem Xaoq mit dem glänzenden Siegel etwas gemeint, was in dem Tempel der Him- melskönigin zu schauen war. Tertium non datur. Eine christ- liche Deutung tritt hier gar nicht in den Gesichtskreis.

Die vv. 10 11 sind völlig profan; sie erzählen von einer syri- schen Reise und dass do\° Verf. überall Begleiter gehabt habe. In den

1) 'EcpfjctyZda eytiv navxÖQ wird in deu Lexicis einmal belegt ( - die Oberherrschaft haben); allein der Genetiv navxoq oder ein anderer Genetiv ist dann nothwendig. (In den Psalm. S;ilom [2, 6] heisst es umgekehrt: fcV acpQayidi b XQäyjjkoq avxüjv, als Ausdruck für die Sklaverei).

]{) Harnack, Zur Abercius-Inschrift.

vv. \1 19 findet sich ebenfalls nichts Christliches; denn die Für- bitte für Verstorbene kommt auch auf heidnischen Inschriften Tor. Die beiden Ausdrücke o vocov und Jiaq 0 övvcpdoc beziehen sich auf die Cultgenossen; aber ovvmöoq ist m. W. kein christ- licher Terminus, und die ganze Ausdrucksweise ist bei einem katholischen Christen mehr als befremdlich. Apokalyptiker und Apokalypsenerklärer (wie Hippolyt) sprechen aus politischen Gründen wohl so, aber wo ist ein Beweis, dass ein alter Christ seinen Glauben um ihn handelt es sich als Geheimlehre darstellt? Abercius aber setzt ihn v. 19 als solche voraus. Zu den vv. 20 22 kann ich nur die Worte Ficker's wiederholen (S. 93): „Wer möchte es nicht sonderbar finden, dass ein Christ im 2. Jahrh. (oder im Anfang des 3.) seine Vaterstadt als yj)r\6ri] bezeichnet und ihr und dem römischen Fiscus die Strafen zu- weist, die ein Verletzer seines Grabmahls zu zahlen haben würde." Zahn verweist darauf, dass auch sonst in christlichen Grabin- schriften Kleinasien's solche Bedrohungen und Strafbestimmunger für jede Verletzung des Grabes gebräuchlich sind. Allein dass „solche" gebräuchlich sind, hat er nicht nachgewiesen: kein Bei- spiel ist bekannt, dass ein kleinasiatischer Christ „dem Schatz der Römer" und „der edlen Vaterstadt" die Busse zuweist. Wohl aber ist es von heidnischen kleinasiatischen Grabinschriften be- kannt. l) Diese Bedrohung am Schluss, höchstens zur Noth auf einer christlichen Inschrift erträglich, und jener Anfang „exZez- rrjg jtoZswq" fügen sich zusammen; sie machen den heidnischen Charakter der Inschrift ausserordentlich wahrscheinlich, und in (U>r\ vv. 1 11. 17 22 steht nicht nur Nichts, was bestimmt auf

1) In einer der letzten Abhandlungen, die wir von de Rossi besitzen (Bull, di Archeol. Crist. 1894 IV, 3 p. 67), ist Folgendes mitgetheilt: „II seguente frammento, che io vidi tra i marmi tolti alla basilica dei martiri TCutropio, Bonosa e Zosima presso Porto (di Roma), c manifestamente cris-

tiano; e ciö non ostante vi e comminata la multa cosi:

inferet [dabit aerario] populi Romani etc." Hiernach ist eine

solche Zahlung an den römischen Fiscus auch auf einer christlichen In- schrift als wahrscheinlich zu ergänzen nachgewiesen, aber für Rom und aus welcher Zeit ist die Inschrift? In den Inschriften der christlichen Basilica von Salona (4.-5. Jahrh.) werden die Strafen zwar meist der ec- clesia, aber doch auch (selten) der r[es] p[ublica] d. h. der Gemeindekasse von Salona zugewiesen.

Bamack, Zur Abercius-Insehrift. 1 |

Christenthum deutet, sondern auch Manches, w;is nur ans heid- oischer Feder verständlich ist.

5. Aboi- bisher haben wir von den vv. 12 16 geschwiegen. Sic scheinen nur christlich verstanden werden zu können. Wäre das richtig, so dürfte man desshalb nicht einfach die ganze In- schrift für christlich erklären; wir hätten vielmehr in einer heid- nischen Inschrift ein christliches Stück, resp. die Reception eines christlichen Mysteriums, anzuerkennen; denn die an den vv. 1 11. 17 22 gemachten Beobachtungen können durch den Inhalt jenes Stücks nicht umgestossen werden. Ein eigentümlicher Synkretismus läge vor. wie er übrigens für Kleinasien ich denke an die späteren Hypsistarier u. A. nicht ganz uner- wartet kommt. Nach der hergebrachten Auffassung enthält das Stück Folgendes: Abercius, sagt man. erzähle, dass er den Apo- stel Paulus auf seiner syrischen Reise (auch auf der Romreise?) zum Begleiter gehabt habe; überall aber sei der Glaube voran- gegangen und habe ihm und den „Freunden" überall und be- ständig als Speise den gewaltigen reinen Fisch aus dem Wasser (nämlich Christum) vorgesetzt, den die h. Jungfrau (nämlich Maria) gefangen hat, (der Glaube), der edlen Wein hat, Misch- trank gebend zugleich mit Brod (das h. Abendmahl). Auf den ersten Blick scheint hier Alles klar; aber in Wahrheit stecken diese Verse voll Schwierigkeiten, wie übrigens auch die verschie- denen Auslegungen im Einzelnen, die sie gefunden haben, be- weisen. Zunächst der 11. Vers: zugestanden, dass hier Tlavlov vfwv kjto . . . jiiOTLQ jtavTrj öh JiQorjye auf dem Steine gestan- den hat1), so kann eno . . . schwerlich anders als sjioxov (Kirch- hoff, Minasi) oder hjt oymv (Hirschfeld) ergänzt werden. Letzteres wird vorzuziehen sein, da sjtoxog in der Bedeutung „festsitzend" nicht passt, in der Bedeutung „auf etwas sitzend" einen Zusatz verlangt.2) Also „den Paulus" hatte ich auf dem Wagen"; ein Exemplar der paulinischen Briefe in der Reisetasche, erläuterte Lightfoot im Ernst; allein Zahn findet mit Recht

1) Zahn's Conjectur iycov kno/urjv verbietet die Beschaft'enheit der In- schrift; in dem v. 11 ergänzt er avvoöivrjv.

2) Die Erklärung, die Minasi p. 296 von moyoq, giebt, scheint mir grammatisch nicht haltbar : „II valore adunque della voce mo^ov e inten to, assiduo, fermo. costante; ed il senso di tutta la fräse e questo : Con Paolo mi ebbi in ogni luogo assidua, ovverro, costante compagnia".

12 Harnack, Zur Abortus- Inschrift.

diese Deutung unannehmbar; er meint, Abercius habe bei seinen Reisen oft an den vielgereisten Apostel denken müssen, Paulus sei sein Vorbild und im Geiste sein Reisegenosse gewesen. Allein diese Deutung war schon sehr gewagt, solange man mit Zahn lesen durfte: jcavxi] <5' söxov övvo\6ixr(v\ llavlov, lywv tjiofirjp. jetzt aber ist sie unannehmbar, da wir wissen, dass das ovvo\...\ und Uavlov nicht zusammengehören, weil IlavXov durch tyjcov, das aller Wahrscheinlichkeit noch auf dem Stein steht, regiert wird. Der Satz aber „Paulus hatte ich auf dem Wagen" kann doch nicht im Ernste gedeutet werden: „der Apostel Paulus war auf der Reise mein Vorbild und im Geiste mein Reisegenosse." Also ist hier wahrscheinlich von einem anderen Paulus, nicht von dem Apostel, die Rede. Dies ist auch desshalb glaublich, weil jede nähere Bestimmung des „Paulus" fehlt. Höchst auf- fallend ist das Folgende: „der Glaube aber zog überall voran und reichte den Fisch dar usw." Man erwartet einen Eigen- namen wie Paulus, zumal wenn dieser eben nur ein gewöhn- licher Gefährte ist. Der Satz: „überall aber hatte ich Gefährten" (Z. 11) soll doch durch das Folgende explicirt werden. Ganz sachgemäss fährt der Verf. daher fort, „indem ich Paulus auf dem Wagen hatte"; folgt nun ein jigorffe nebst einem de. so muss das nothwendig besagen, dass ein zweiter Gefährte (eine Gefährtin?) d. h. ein wirklicher Genosse im Unterschied von dem ersten, der auf dem Wagen sass, den Reisenden voranzog. Unerträglich undurchsichtig oder vielmehr ganz sinnlos aber wäre der Satz: „N. N. hatte ich auf dem Wagen, mein anderer Gefährte aber, der Glaube, zog überall voran." Unter solchen Umständen kann man wohl fragen, ob „Pistis" wirklich auf dem Steine steht resp. gestanden hat. Sicherheit bietet der Stein heute dafür nicht mehr. Es kann auch ein ähnlich aussehendes anderes Wort dafür gestanden haben, und ich muss es bezweifeln, dass man „Pistis" ohne Hülfe des Metaphrasten gelesen hat. Dieser aber ist hier nicht zuverlässig: offenbar hat der Bruch im Steine schon bestanden, als er die Inschrift abschrieb *); denn es kann nicht zufällig sein, dass er dort am meisten, ja fast nur dort (mit Ausnahme des fehlenden Worts vor ygccfif/ara) geirrt

1) An eine absichtliche Zerstörung zu denken, um etwa den Namen „Paulus" unkenntlich zu machen, liegt kein Grund vor.

Ilarnack, Zur Abercius-liiM-linft. [;;

hat, wo auch heute die Inschrift unleserlich ist. Den v. 12a hat er wiedergegeben: „Ilavlov towftev", allein das ist offenbar falsch, wie die Inschrift noch heute beweist; denn noch heute ist der obere Theil des X (Y?) und KUO erkennbar. Hat er nun hier kurzer Hand etwas conjicirt, rcs]>. fabuürt, wer steht uns dafür, dass sein II12TI2 richtig ist?1^ Hier vermögen wir ihn heute nur soweit zu controliren, dass wir sagen können, ein graphisch ähnliches Wort wie II12TI2 muss auf dem Steine gestanden haben, ob aber wirklich I1I2TI2, muss unentschieden bleiben. Indessen gesetztauch, UUSTIShsbe wirklich auf dem Stein gestanden, so wird man mehr an den weiblichen Namen Pistis denken dürfen. Freilich ein Paulus und eine Pistis, die doch nicht der Paulus und die Pistis sind, sind höchst auffallend; aber ist es nicht noch auffallender, den Apostel Paulus und den „Glau- ben" ;ils Gefährten des Abercius auf einer syrischen Reise um d. J. 2<H) zu finden, jenen auf dem Wagen sitzend und diesen vor- anziehend? Bei aller Bereitschaft, mit der Phantasie der ältesten Christen zu rechnen die der katholischen Christen ist übrigens um 200 nicht besonders üppig gewesen , sollen denn Paulus und Pistis als eine Art von Syzygie vorgestellt werden, so wie der aveo XpiGrog und die 'ExxZrjoia2), als ein himmlisches Aonen- paar, das den Reisenden begleitet? Diese Erklärung wäre noch nicht die tollste, wenn denn Paulus der Apostel und Pistis „seine" Pistis sein soll: aber man würde durch sie nicht auf einen katho- lischen Christen geführt, sondern auf einen „Gnostiker" von speci- fischer und bisher sonst nicht nachgewiesener Albernheit: Paulus und Pistis nicht nur unter sich Gefährten, sondern auch die Ge- fährten dieses Reisenden3). Man hat somit die Wahl: entweder man sieht in ..Paulus" einen obscuren Paulus und macht zu Pistis e n 1 ragezeichen (resp. nimmt eine obscure Pistis an) oder man räumt den Apostel Paulus und die von ihm gepredigte Pistis als

1) Noch mehr gilt das von den Worten ,jcävxr\ de nQorjye". War die Inschrift, als der Metaphrast sie abschrieb, an dieser Stelle bereits in dem Zustande, in dem sie sich jetzt befindet, so sind diese Worte nichts an- deres als eine willkürliche Conjectur wie das eaw^sv.

2) Oder wie „Jesus und die Anastasis", s. die Auslegungen zu Act. 17, 18.

3) Die von de Rossi herbeigezogene Inschrift der Maritima im Cöme- tcriuni der I'riscilla: evosßsia yeep Gr\ ndvroxa as Ttpodyei. gehört nicht hierher, denn nur in dem Wortlaut, nicht in der Sache ist sie ähnlich.

14 Harnack, Zur Äberciua-Inschrift.

die Gefährten des Abercius ein, muss dann aber constatiren, dass

er sich in einem tollen Wirrwarr bewegt, den wir schlechterdings nicht aufzulösen vermögen, da selbst in den unsinnigsten gno- stischen Speculationen, die wir kennen, weder ein Paar „Paulus und Pistis" vorkommt, nach Äonen so concret vorgestellt werden, dass sie auf dem Wagen sitzen. Indessen es gab eine Zeit in der Religionsgeschichte, wo Alles möglich war. Es gab in dieser Zeit Dichtungen, aus Begriffen und concreten Personen zusammengeballt, für deren Verständniss uns heute jeder Schlüssel fehlt, und es gab sogar Augen, die diese Gestalten zu sehen ver- mochten. Es gab auch eine Geheimwissenschaft yga^ftara jitöxa vor deren Zeichen und Ausdrücken, Bildern und Redeweise wir heute völlig unwissend stehen (s. die koptisch-gnostischen Stücke).

Doch in den vv. 13 16 scheint die Christlichkeit endlich klar zu sein; denn was kann der Ix&vq ccjio jrqyr/g anders sein als das bekannte Symbol Christi, neben welchem noch Wein und Brod, also die Abendmahlselemente, genannt sind? Ich leugne nicht, dass diese Auffassung hier sehr nahe liegt, wie denn auch gewiss um dieser Zeilen willen der Metaphrast die Inschrift für gut christlich gehalten hat; aber es tauchen doch wichtige Be- denken auf. Zunächst ist die Construction des Satzes nicht ganz klar. Zahn meint, dass die Pistis (oder wie der Name in v. 12 lauten mag) auch Subject zu v. 15 und 16 ist. Diese Annahme ist in der That die nächstliegende; denn v. 15 ist nur eine Wie- derholung des v. 13. Aber dann entsteht die Schwierigkeit, dass tjzeöoixs ein anderes Subject als eöga^aro (v. 14) haben soll, obgleich sie durch xal verbunden sind. Über diese Schwierig- keit setzt sich Zahn vielleicht mit Recht hinweg (man beachte das tovtov nach 6v). Die jkxq fr evog ayvi] soll entweder die Jungfrau Maria oder die Kirche sein: „der Glaube reicht den Fisch dar, den die Jungfrau Maria gefangen hat." Von der Erklärung „Kirche" sehe ich ab; denn sie ist abenteuerlich, ob- gleich jta()übvog für die Kirche nicht selten ist. Allein auch die Vorstellung, dass Maria den Fisch „gefangen" hat, ist höchst an- stössig. Zahn braucht mehr als eine enggedruckt«1 Seite, um sie plausibel zu machen. Die jzrjyrj ist nach ihm die Gottheit resp. der h. Geist oder der Himmel, nach Lightfoot im<l Vche- lis der Jordan (Taufe Christi aber dann erwartet man nicht,

3 über Maria zu hören). Die Christen beissen wohl „Fische

Barnack, Zur Abercius-lnschrifb. !,">

aus dem W . weil Bie aus der Taufe stammen; aber was soll

der Zusatz djtb jeTjyrjg bei Christus, wenn er mehr als eine Rede- floeke] sein soll? Soll er mehr sein, dann bat Zahn Recht, dann kann nur an den Himmel resp. an die Gottheit (den b. Geist) gedacht werden. Alna- die Bezeichnung /////// für den b. Geist ist nicht gemeinchristlich; Zahn hat sie auch nicht zu be- legen vermocht. Man kann einwenden, das Urelement des Fisches konnte nicht anders bezeichnet werden; immerhin befremdet ein Ausdruck, den wir in erster Linie als gnostischen resp. auch juden- christlichen kennen.1"; Die unbefleckte Empfangniss findet Zahn

1) Juden christlich: das Hebräerev.: „descendii fons omnis Spiritus saneti et requievit Buper eum". Dasselbe Evangelium fasst den h. Geist bekanntlich weiblich (ccqxi b'/.a-ii- ut // ut'jxriQ fxov xb äyiov 7ivsvf/.a). In vielen gnostischen Systemen (s, Irenäus und Hippolyt) ist der h. Geist weib- lich gedacht und als Quelle alles Lebens, als Mutter, ja als die jungfräu- liche Mutter (Act. Thoru. [Bonnet p. 37] : rj dnb dvanavaeojq dnooxaküou rjixlv 7iTjyrj, % övvafjiiq xTtq owxtjyt'aq xx?.., bei den Valentdnianern Iren. I, 2. 6; 4, 1; 1. 5, 2: xavxrjv ös xi\v Mrjxtpa . . . xcd "Aywv nvev\ua xakovoi; Bar- belioten T, 29, 1 : vne&evxo aitöva xira avwXe&QOv iv nap&tvizcö öid- yovxi nvevfxaxi. 1.29,3: „virtutem ei invietam datam a virginali spi - ritu", 1,29,-1: „spiritum sanetum, quem et Sophiam vocant". I, 30, 1: „spiritum sanetum . . . primam feminam vocantes . . . postea exultante primo nomine cum filio suo super formositate Spiritus, hoc est feminae, et illu- minante eam, generavit ex ea lumen incorruptibile, tertium masculum, quem Christuni vocant. tilium primi et seeundi hominis et Spiritus saneti, primae feminae, coneumbentibus autem patre et filio feminae. quam et matrem viventium dieunt". Naassener Hippol. V, 6: dnb oov naxr^j aal dta ah u'iXtj'j. rr. Aio d&dvaxa dvotuaxu, alwvujv yoveig. V. 8 nävxaq ytviol+ai vvyapiovq (l^riQaevujixhvovq öia xov nag&evtxov 7tvevfiatoq. «er?/ yag ■'■>Tiv )j nuo'h'voq rj iv yaoxfji Zyovoa xal avXkafißuvovaa xal zlx- tovoa viöv, ov vv/ixov ov Guji/axizbv d)j.a uaxdoiov aiaJva alwvwr. Der «tiker Justin Bippol. V, 27: xal nivti dnb xov Cßvxoq vöaxoq. önf-o ioxl kovx{juv avt otq, wq vofiß^OVOi, nrjy^ L,ä>vxoq vöaxoq ulkofj.ivov. Nun wird ein doppelte:- Wasser unterschieden, das untere und das obere, iv w Xovovxai oi 7iv£viAcaix.oi'C,wvxtq (Iv&QojnoL, iv w ilovöaxo^Elattifj.. Valen- tinianer Hippol. VI. 35: 'I/jaovq dnb nvei/naxog äyiov, xoixioxi xijq 2o<piaq ... 6 loyoq b xrjq /nrjXQoq diojüev t/7> —(/(fiac. Der Gnostiker Marcus Hipp. VI, 50 nach Irenäus: b Iijooiq xavxitv fihv l'/ti ttjv aoQrjvov yeveoiv. dnb yaQ i^q fujzgoq xojv oXüjv, t//c 7ZO<oTt]q itxydöoQ xxl. S. auch die Mutter bei den Sethianern. Hijyrj heisst die Magna Mater bei Julian und bei Philippua Sidetes (s. unten). Ober Maria als nrjyrt s. Milien bei üsener, Weihnacht-- ! und Wirtli.. entalischen Quellen (1894) S. 198 f.

\(j Harnack, Zur Abercius-Inschrift.

in den Ausdrücken xa&aQOV lyftvv, jtaydtvoc, ayvrj, auch tö{>d- S«to deutlich angezeigt. „Rein wäre der Fisch nicht trotz seiner Herkunft aus der überirdischen Welt, wenn es nicht eine reine Jung- frau wäre, die ihn erhascht und an das Ufer dieser irdischen Wellt gezogen hat." Diese Deutung ist im besten Falle möglich; aber die Erklärung ist auch nicht ausgeschlossen, dass die jzaQfibvog ayvr'/ eben die in v. 12 genannte Begleiterin ist, und man zu über- setzen hat: „Jene Begleiterin setzte überall als Speise einen Fisch aus dem Bach vor, einen gewaltigen, reinen, den sie, die h. Jungfrau, fing, und ihn reichte sie den Freunden beständig zum Essen dar". Ist diese Erklärung richtig doch trete ich nicht für sie ein , so ist jede Beziehung auf Christus geschwunden. Allerdings wissen wir nicht, auf welchen sacralen Gebrauch einen solchen setzen die Worte unzweifelhaft voraus das Erzählte sich be- zieht. Das aber wissen wir, dass Fische eine heilige Speise waren („cibus sanctior" nennt sie Tertullian), dass der Ausdruck ,.(jp/2o£" für Christen ein ungewöhnlicher ist, und dass auch Wein und Brod im Heidenthum sacrale Bedeutung gehabt haben. Dazu kommt, dass das Fischsymbol seinem Ursprünge nach noch nicht erklärt ist Achelis' Abhandlung hat den Schleier noch nicht gelüftet , auch kommt der Fisch auf jüdischen Denkmälern, und zwar nicht nur decorativ, vor.1) Endlich sind zwar in v. 16 Wein und Brod genannt, aber die Ausdrucksweise ist der Deu- tung auf das Abendmahl nicht günstig: „edlen Wein habend, Mischtrank gebend mit Brod." Ich kenne keine Stelle über das Abendmahl, die dieser ähnlich wäre. Warum ist der Wein zwei- mal genannt? warum steht er vor dem Brod? warum heisst der Wein edel, nicht aber das Brod? Der christliche Charakter wird also unsicher, wenn man das Einzelne genau betrachtet. Nein, wenn man es zerstückt, wird man einwenden; das Ensemble iyflvq xa&aQog, TQoeprj, jrccQ&evog ayvrj, olvov . . . [isr (xqtov muss christlich sein, mag auch die Ordnung der Begriffe und der Context noch so dunkel und unverständlich sein. Ich ent- ziehe mich dem Eindruck dieses Arguments nicht; allein entschei-

Hippol. de antichr. 1: aylct Ttrjyrj = h. Schrift. Sibyll. Orac. VIII, 315: d&dvazoq nriyrj = Taufe.

1) S. ein Deckengemälde des jüdischen Cömeteriums an der Via Appia (V. Schultze, Katakomben S. 121. Achelis, Das Symbol des Fisches etc. S. 93).

Earnack, Zur A-bercius-Inschrifb. 17

dend scheint es tuir nicht zu sein, Lässl man es aber gelten,

so hat man das paradoxe Phänomen vor sich, dass in einer In- schrift viid 22 Zeilen 17 (18) /eilen ganz indifferent oder offen- kundig heidnisch sind und mir ."> (4) christlich. Ist ein solcher Synkretismus möglich? Kann eine Inschrift mit heidnischen Göt- tern, mit Helios. Zeus und Hera oder ähnlich beginnen, mit einem Testat für den Schatz der Römer und die edle Vaterstadt schliessen, an die Cultgenossen als die in eine Geheimwissenschaft Mitein- geweihten appelliren, von allerlei Reisen ohne christlichen Inhalt berichten, und doch vom Fisch (Christus) und der hl. Jungfrau handeln?

Statt einer Antwort verweise ich auf ein urkundliches Zeug- aiss. In den letzten Jahren ist nach dem Vorgang Usener s (Weihnachtsfest S. 32 ff.) von mehreren Seiten an eine bisher wenig beachtete Schrift erinnert worden, an das „Religionsgespräch am Hof der Sassaniden" (Wassiliew, Anecd. Gr. Byzant. Mosk. L893 S. 73 ff. Wirth, Aus oriental. Chroniken S. 143 £ ßratke, Theol. Litt.Bl. 1594 Nr. 16). Die Zeit der sehr interessanten Schrift ist nicht ganz sicher zu bestimmen; aber Bratke hat locht, wenn er den Abschnitt, um den es sich handelt, auf die verlorene „Christliche Geschichte" des Philippus Sidetes zurück- führt (c 400) *). Dieser kritiklose Polyhistor hat in dem Laby- rinth seines weitschichtigen Werkes auch heidnische Weissagungen für das Christenthum gesammelt (XQ7]G{imölcu ^EllTjvr/Mi), Zeug- nisse dafür, dass auch im Heidenthum die Ankunft und die

1) Am Schluss des Gesprächs heisst es (Wirth p. 102): Ovxoq o <f>!- "unnoq ngf-oßvxeQoq xai avyy.OJ.oq ytyovev Vcoävvov ccQ'/jemGxoTiov Kwv - Ttos.tojg, oq xi]v GVfxnaaav (yoa(p?)v) tutyä).ajq toxa&fxoy()d(p7]Gf-v' coq ovöeic iüjv oocpcöv \oxoQLoyQtl(fojv 7TOJ7ZOT6 Tiaosixu^exai' lgxo g rj g e de o avxvq

71 Q £G ß\)X£Q OG X7]V J]fXlOCCV £v y OJ(p&7] 0 CCGXTJ0 tV TW Ußtö" Xt]V CiVxijl'

7cat.iv r^fxhoav zra eviavxov Ewq xov dva?.r](pS^fjvai xhv xvgior ndvxivq xd dyd/.uaxa xrjv löiccv i'xccgxov antxth l (pwvrjv, wc näoav x?/v nö'/.iv ixsivrjv i-ycel nooGxciQxtQüv d-stooovvxaq xa fieyaXa &av/uaoia xal xr)v xov daxi-oog xax iviavtov tTtupaveiav. Gewisa ist also eben das Stück über die Geburt Jesu und den Stern aus Philippus geschöpft, wenn auch vom Compilator redigirt. Dass die Geschichte bereits dem Verfasser des Evangeliums Pseudo- matthaei (Tischendorf. Ew. apocc. 2. Aufl. p. 90 sq.) bekannt gewesen i>t. hat Usener zuerst gesehen (Weihnachtsfest S. .'Ki). Der Kirchenhistoriker Sokrates (VII, 27) hat eine ungünstige Charakteristik des verworrenen Werks des Philippus gegeben.

Texte und Untersuchungen, XII, 4b. 13

18 Harnack, Zur Abercius-lnschrift.

Schicksale Jesu vorher verkündigt worden seien. Dass er sie selbst angefertigt hat, dafür spricht nichts, dagegen Alles; denn so anstössige Stoffe erfand man um 400 nicht. Unter Anderem liest man hier Folgendes (wesentlich nach Wirth's Ausgabe S. 160 f.): 'Ex üegoidog ayvcoö&rj Xgiöztg dji dg^r/g. Folgt die Mit- theilung, Cyrus habe einen prächtigen Hera-Tempel erbaut und in ihm goldene und silberne Götterstatuen aufstellen lassen. xazy axelvag de zag r/fiegag, cog al yeygaftftevai jtzvyai diddoxovoiv, elöeX&ovzog zov ßaöiXeojg ev zcZ legco Xvöiv bveigdzcov de$ao9ai, ecprj avzcp o legevg IlgovjiJiiJiogi^)' ovyyalgco ooi dtojtoza' ?/ 11 ga ev yaözgl eXaßev. o de ßaoiXevg fteididöag Xtyei avzcT- // ftavovöa ev yaözgl e%ti\ 6 de legevg l<prj' vai, r\ tyavovoa ave^rjöe xal ^cor)v yevva. o de ßaoiXevg' xi zovxo; oacpyviöbv [toi. aX?jOcog deöjioxa' xaigicog ecp&aoag xd evxavfra' jtaoav ydg zr\v vvxza zavzrjv zd dydXftaza efteivav yogevovza, zd re dvdgixd zd re yvvaixeia, Xeyovza aXXr\Xoig' devze ovyyagcbfiev rf( Hga' xal Xe'yovöiv fioi' jrgoyrjza, vnaye, övyyaige rfj Hga, ozi ecpiliföt]. eycb de eljiov jicbg eyei cpiXrj&ijvai rj firj ovöa: avziXeyovöiv dveC,7]öe, xal ovxezi Hga aXX3 Ovgavla' o [ik'yag ydg HXiog ecpiXqoev avzr'jv. al de &i]Xuai Jigög zovg dvdgag eXeyov drjfrev rb jtgäyjia evzeXl^ovöai' Ilrjyi] eoziv r\ cpiXr\- &elöa, fi?) ydg Hga xexzova ekuv?]Oxevöazo. xal Xeyovoiv ol dvdgeg' bzi firjv FFr/yr] dixalcog eigrjzai, äjtodexoftefra, Mvgla de avzijg zovvo^a, ?jzig ev firjzga, cog ev uieXdyei [ivoia- ytoyov oXxdda cpigei' ei de xal Ilrjyi) avzrj, ovzco voeiofrco' Jtrjyrj yao vdarog Jtrjyrjv jtvevfjazog devväi^ei' eva [tovov ly&vv Zxovöa reo zrjg &t6z?]zog dyxlözgcp jiegiXaftßavbfievov xal zov jidvza x6o{uov cog ev &aXäoor/ diayivbpcevov Idia oaoxl zgecpovza. xaXcog tcprjxs' xixxova efivrjöxevoaxo' xtxxova ydg exeivrj eyei, aXX* ovx ex Xiyovg ov zixzti zexzova. ovzog ydg o yevvcoftevog ztxzcov o zov zexzovdgyov jialg zbv zoiovözazov ovgavov bgocpov ezexzdvr\oe xzX . . . efteivav ovv zd dydXftaza cpiXoveixovvxa jieol Hoag xal /Z/y/z/g, xaL 0(i0~ cpcovcog eljiov jtXrjQovfie'vrjg xrjg f/fteoag xb öacpeg anavxeg xal ajiaoai yvcoobfie&a. Der König wird vom Propheten aufgefor- dert, am Ort zu bleiben, um das Angekündigte zu sehen. Plötz- lich werden die Statuen lebendig und fangen zu spielen und zu singen an. Der König will erschreckt davon gehen; aber der Priester sagt ihm, es werde jetzt die zeXeia djtoxdXvipig erfolgen.

Harnack, Zur Abercius- Inschrift. 19

Da öffnete sich die Tempeldecke, xal xar^XiHv dox t)g Xa^jigog xal £Ot?j sjidvoj x?jg öt//'///; x/jg n^yfjq^ xal (poov?) ijxovöfhj xotavx?]' AbOnoiva II?] y?], o fityac HXiog ajtbOxeiXs fie n?i~ j'vöai öoi dfta xal Ötaxov/joai xd jigbg xoxor, dftiavxov yay,ov Jtoiovfisvog Jtgog Ob, co (lijrsg xov jcgcoxov jtavxcor xgov xay- [iaxcov yivofttv?], vvftcp?] xgicovvfjov kuovo&£iaQ ovöa' xaXblxai dt xo dojtogov ßgbtpog APXH KAI TEA02£. dgyj) [itv oco- x/jgiag, xbXog ös ajtcoXsiag. Da fielen alle Statuen auf ihr An- gesicht, fi6v?]q x?]g n?]y?]g loxaiubv?]g, sv ?) evg?]xo jtayev diadrjua ßaöiXixbv syov ijzdvm avxov s£- ar&gaxog xal öficc- gdyöov Xl&oxoXX?]xov döxsga' vjtsgdvco de avxtjg töxaxo 6 dox?/g. Der König lässt zur Deutung des Wunders alle Weisen im Reiche rufen, und alle erschienen, cog 6h slöov xov döxiga bJtdvco x?]g Ütiyijg xal xb 6tdö?]iua akua reo aOxsgcojtco XL&cp xd x dyakfiara ra in böd<povg xsij-isva, da deuteten sie es auf die Geburt Jesu. Auch das Folgende ist noch interessant, der Text z. Th. verworren (?] II?]y?/ Maglag x?]g BrjfrXebf/ixtöog ioxiv &vydx?]g(\), dagegen: Ü/jy?) ovxixi yia ? fieov, aXXy vjtsq ?][iäg xivd yevva dv&gcojzov frbiag xvy?]g ovxa övXX?][ia, dann wieder: xovxoig ÖQOöog jtdgbOxi x?\g Magiag xovxeöxi x?]g Hgag /j bvxvyia, II)\y?)v xaxd x?)v B?]0-X€6iu xsxeiv); doch mag das Mit- getheilte genügen 1).

Hier liegt ein wüster Synkretismus vor2), aber gewiss hat ihn, wie bereits oben bemerkt, nicht Philippus Sidetes, der Pres- byter und „Syncellus" des Johannes Chrysostomus, erfunden. Er mag ihn zurechtgerückt und der letzte Redactor mag noch etwas dazu gethan haben; aber solche Stoffe nahm man in späterer Zeit nicht auf, wenn sie nicht überliefert waren3). Philippus

1) Es folgt die breit erzählte und ausgeschmückte Geschichte von den Weisen aus dem Morgenland. Einzelne Formeln sind noch interessant, so der Gesang der Weiber (p. 1G4): xvqIo. Ilrjy^ vafmzoyoQE, tj ovQaviov (pivozrJQog yevoftbvrj /h^ttjq, rj ceno xavfxaxoq ögctoi^ovoa xov xoafzov veyeXr], /xvrj/j.6vev8 tüjv oiöv olxExiöujv, (fiXrj Ovyavla. Nachträglich sehe ich, dass schon Pitra und de Rossi diese Erzählung für die Abercius- Inschrift verwandt, indessen nur gestreift haben.

2) S. die Formel p. 166: Ad cH?Juj Seal fieydXo) ßaaiXel 'Iijoov.

3) 8. vor allem die Parallelen in Julian's 5. Rede auf die Magna Mater. (Einige Stellen aus ihr sind unten abgedruckt). Diese z. Th. wört- lichen Parallelen beweisen, dass in der Legende des Philippus wirklich Stücke aus dem Magna-Mater-Cultus mit christlichen verschmolzen sind.

13*

2k Earnack, Zur Abercius-Inschrift.

stammt aus Side in Pamphylien, einer Phrygien benachbarten Provinz. Helios ist mit Gott Vater, Hera mit Maria gleichgesetzt; die "Hga (es giebt bekanntlich auch eine Hga jrag&tvoq) Ovgavia IJt]y/j Magia gebiert vom Helios den lyftvg, der die Welt mit seinem Fleische nährt. Die entscheidenden Stich- worte sind 'Hga- Magia und der iyflvq, dazu kommen als wichtige Momente die Hr\y7] und der dorsgojjtdg li&og (hdoxoZlr/Tog aöT't)g) auf dem Diadem der Hera, der ausdrücklich von dem Wunder des über ihr schwebenden Sterns unterschieden wird. Also gehört jener döregcojtog Mfroc, wie das Diadem, zum regel- mässigen Schmuck der Hera (wie der Magna Mater). Kann man die frappante Berührung dieser synkretistischen Geschichte mit der Aberciusinschrift verkennen? Mit einem alles schauenden Gott beginnt diese; dann hat sie den Himmelskönig und die Him- melskönigin. Nach Erwähnung der letzteren man durfte Hera vermuthen oder die mit ihr verschmolzene Magna Mater spricht sie von einem Zaoq Xapuigav oygayslöav sycov. Hirschfeld (Sitzungsber. d. K. Pr. Akad. d. W. 1894 S. 213) hat bereits ver- muthet, dass laov metaplastische Form des Acc. von Zäag sei. Diese Hypothese erhält durch den döxegmjida H&oc, auf dem Diadem der Hera in unserer Geschichte eine starke Stütze (über

Höchst merkwürdig ist, dass bereits Ignatius, wo er (Ephes. 19) auf die Geschichte von dem Stern bei der Geburt Christi zu sprechen kommt, einen legendarischen Bericht voraussetzt, der weit über das von Matthäus Erzählte hinausgeht: nolq ovv i(pave(HoOr] zolq alwotv; dozrjQ iv ovoavtp (■/Mfiipsv v7t€Q ndvzaq zovq doztgaq, xal zo (fäiq avzov dvexXdkrizov r/v, xal ^eviGßdv TzaQSiyev rj xatvozrjq avzov' zu. de Xoina ndvza dozoa d/ucc rjXiw xal G£?>r]v% %oq6q eyavszo zcö äoz/oi, avzoq 6s r\v vneoßdV.ojv zo <p(ö<Z avzov vnho ndvza' zagayi] ze r\v nd&ev r, xaivoztjq % dvd/uoioq avzolq. od-sv iXvezo näaa /uayela xal näq Seo/btoq, 7](pavi'C,ezo xaxlaq dyvota, xa- 9%Q8izo naXaid ßaatleia, [öieqj&eioezo], &eov dvd-Qwnlvcoq (pavc-oov/ubvov elq xaivozrjza d'Cdiov Z,(OTJq- aQ'/r]v ob sXdfißavev zo nagu &£t» dntjQZiG/uevov. ev&tv zd ndvza ovvsxiveizo did zo fteXtzäo&ai Savdzov xazaXvoiv (s. auch Excerpt. ex Theodot. 74). Dass eiue gewisse Beziehung zwischen dieser Darstellung und der Legende des Philippus besteht, scheint mir offenbar. In der ,. Schatzhöhle" (s. Lightfoot, Ignat. and Polyc. II p. 81) heisst es: ,.For two years before the birth of Christ the star appeared to the magi; t'or they beheld the star in the firmament of heaven, which shone with a light, the appearance of which was greater than all the stars; and there was a girl in the midst of it holding a boy, and a crown was placed upon hiß head etc."

Hannick, Zur Abercius-Inschrift. 21

den h. Stein der Magna Mater s. Preller- Jordan, Rom. My- thol. II S. 5511'.; der glänzende Stein im Tempel der dea Syria bei Lucian, de Syria dea 32). Nim folgt in beiden Stücken, und fast wörtlich gleichlautend, der 'ix&vg ajto n//yijg (geboren von der heiligen Uagd-tvog resn. der Hga vvfi<p?j) als TQO<pi]. Hier wie dort ist die Erwähnung desselben im höchsten Grade über- raschend: denn jede Vorbereitung fehlt. Die jzrjy/] der Inschrift tritt dabei in ein helles Licht; denn in der „Geschichte" ist sie eine Person, identisch mit der Ovqccvlcc, der '//(>«; also so darf man vielleicht vermuthen auch auf der Inschrift ist II?]yi] zu verstehen und zwar als identisch mit der in der folgenden Zeile genannten üagO-tvog ayvr\ der „jungfräulichen Mutter", dem ..jungfräulichen Geiste", ans dem der obere Christus stammt, der wahren himmlischen Maria.

Dass ein so wilder und undurchsichtiger Synkretismus, wie ihn Philippus Sidetes wiedergegeben, einst wirklich in den mannig- faltigsten Formen existirt hat, dafür bürgen die Schilderungen der Ophiten, Naassener, Sethianer, Barbelioten u. s. w. bei Irenäus und Hippolyt. Die Namen „Helios" und „Hera" finden sich aller- dings dort nicht; aber dass die Götternamen in jener Zeit viel- fach vertauscht wurden, das bezeugt uns, ausser der Legende des Philippus u. A., Origenes (Exhort. ad mart. 46, s. c. Cels. I, 25; [V, 48; V, 41). Solch einem synkretistischen Cultverein scheint Abercius, wenn man überhaupt eine Hypothese wagen darf, an- gehört zu halten: auf ihn deutet das „o vocov" und „jcag 6 övv- <pdög"; vielleicht ist es auch nicht gleichgiltig, dass Hippolyt die Naassener gerade mit dem phrygischen Cult zusammenstellt. Die Nachrichten des Philippus Sidetes harren noch einer genauen quellenkritischen Untersuchung, welche die neue Ausgabe von Bratke hoffentlich bringen wird. Die offenkundige Parallele der Inschrift und der „Geschichte" ruft eine ganze Reihe von Prägen hervor, vor allem die Frage, ob der ix&vq auf der In- schrift nicht vielleicht noch ganz heidnisch ist1) oder ob er was doch wahrscheinlicher schon ein Beweis ist für die Ver- klitterung der evangelischen Tradition mit heidnischem Mythus.

1) Ebenso wie das. was Epiphanius (h. 51, 22) über das Fest im Korion in Alexandrieii erzählt, noch ganz heidnisch ist : zavz% xiA wga orjftSQOv ?j KÖqtj xovTbOXiv t> TiuQ&tvoq tytvvrjot xbv ccliöva.

22 Harnack, Zur Abercius-Inschrift.

Soviel aber ist gewiss, auch wenn man, wie der Verf. dieser Zeilen, eingesteht, alles Einzelne der Inschrift noch längst nicht sicher erklären zu können die einzigen Verse der Grabschrift, die die Vermuthung zu begründen vermögen, sie seien christlich, sind auch in einem grob-synkretistischen Mythus Kleinasiens nachweisbar. Hiernach kann das Urtheil über die Inschrift nur lauten: Abercius ist entweder purer Heide gewesen oder, wahr- scheinlicher, der Anhänger eines heidnisch-gnostischen Cultvereins, in welchem ein christliches Mysterium mit heidnischen Mysterien verbunden war; denn die vv.l 11, 17 22 fordern nirgendwo dazu auf, an einen Christen, sei es an einen katholischen, sei es an einen gnostischen, zu denken, der v. 12 ist so dunkel und dazu so schlecht überliefert, dass man auf ihn überhaupt nichts bauen kann für ütlörtq haben wir eine nicht vollkommene, für jtdvrrj 6h JtQoijye gar keine Gewähr auf dem Stein , die vv. 18 15 scheinen zwar bei flüchtiger Betrachtung gemein christlich, sind aber, genauer untersucht, nicht durchsichtig, dazu im Ensemble höchst befremdlich (namentlich neben den vv. 7 9) und haben in eben diesem Ensemble nur an der wüsten synkretistischen Ge- schichte des Philippus Sidetes eine Parallele, hier aber eine frap- pante. —

Die herrschende Meinung darf nicht als endgiltig widerlegt angesehen werden, so lange nicht eine völlig befriedigende posi- tive Deutung der Inschrift geboten ist. Man ist verpflichtet, von den v. 13 16 aus es immer wieder zu versuchen, ob sich nicht dem Ganzen ein katholischer Sinn abgewinnen lässt. Aber setzt man sich auch über alle Schwierigkeiten und Anstösse hinweg, die die Verse 1 6. 10 12. 17 22 bieten, die vv. 7 9 lassen m. E. eine christliche Erklärung nicht zu; denn der römischen Erklärung, (ßaötlsvq sei der römische Bischof), ßaöihööcc die römische Kirche, Zaoq die römischen christlichen Laien, muss man das Wort entgegenhalten: „ne velut aegri somnia vanae fingantur species." An Kaiser und Kaiserin für einen Christen verdächtig genug ist aber auch kaum zu denken; denn warum ist die Kaiserin offenbar vor dem Kaiser bevorzugt? Der Alles schau- ende, heilige Hirte, die Himmelskönigin, der Fisch das sind die drei Höhepunkte auf dieser sacralen Inschrift. Mit der Himmelskönigin ist wahrscheinlich die heilige Jungfrau, die zugleich die Ilrjy/] ist, die Mutter des Fisches, identisch; als eine

Harnack, Zur Abercius-Inschrift. 23

Statue hat Abercius sie vor sich, mit goldenem Gewand, mit goldenen Sandalen, einen sternförmigen Edelstein auf dem Haupte (oder ist der heilige Stein der Magna Mater gemeint V). Damit sind wir im Gedankenkreis der Legende des Philippus Sidetes. Oder ist diese Legende eine ganz willkürliche, bloss litterarische Combination eines müssigen Kopfes? Aber welcher katholische Christ hat sich dergleichen am Schreibtisch ausdenken dürfen, und wTelch wunderlicher Zufall wäre es, dass Philippus eine rein christliche Vorlage heidnisch entstellt und verklittert hätte, wäh- rend Ficker, ohne diese Verklitterung zu kennen, eben in einer solchen Vorlage, wie wir sie für Philippus annehmen müssten, kein Christenthum, sondern nur Heidenthum entdecken konnte! Ihm, der zuerst die Einsicht und den Muth besessen hat, die herrschende Meinung zu durchbrechen, gebührt der wärmste Dank, trotz einiger Missgriffe in Bezug auf die positive Deutung der Inschrift: seine Ausführungen über den „König" und die „Königin" haben auf den richtigen Weg ge- wiesen, und selbst seine unhaltbare Hypothese, dass der Fisch Attis ist, birgt die Wahrheit, dass man es bei der positiven Er- klärung der ersten Hälfte der Inschrift zunächst mit den Nomina der phrygischen Gottheiten versuchen muss. Ich sehe nicht, dass man der Deutung auf Attis-Helios (dem „Hirten", dem der Widder heilig ist, dem ßovxoXog und aljtoXog, dem fivQiofifiaTOg, dem jioifiijv izvxmv aörgcov) ') und der Magna Mater-Hera (der jrao&evoq aii7]rcoQ xal Aiqq ovvirory.oq)1) etwas Haltbares ent-

1) Der Hymnus auf Attis, den uns Hippolyt (Philos. V, 9J aufbewahrt hat, zeigt, in welchen Synkretismus die Attisverehrung um d. J. 200 ver- senkt war (s. auch Julian, Orat. V p. 179): Ehe Kqovov yevoq, ehe dioq ixdxaQoq, e he lPf aq fieyd?.riq, yaiQe, xb xaxrjcpeq äxQiGfta 'Peccq, Axxi' oh xa'/.ovai /uev'AoGVQioi T()i7i6&r]Tov'Adü)Viv, y.aXel Ö* Ar/v7iToqvOotQiv, enoi- (jävtov fxrjvbq xtQaq Ekkrjveq (//) ao<piav (~Eqjxov), 2a/j.o&Qf]xeq Aöapva oe- fiuojuiov, Alixovioi KoQvßavxa, xal ot tygvyeq a).).oxe /usv üdnav, noxh 6h vtxvv 77 9ebv 77 xbv axagnov 1) alnö/.ov rj yloegbv ozdyvv dfxrjd^evxa ?} ov 7io).vxaQ7ioq exixzev d(ivyöa).oq dvtpa ovgixxdv. Die Entsühnung in den Mysterien des Attis und der Magna Mater heisst ayveia, s. den Ein- gang der 5. Rede JulianV. xlq (xev b 'Axxiq . . . xiq de rj xwv Üeuiv MqxTjQ, xal b xrjq ayveiaq xavxrjol XQÖnoq bjcoloq (vgl. in unserer Inschrift v. '.\ Tioiurjv ayvöq, v. 14 rtand-t-voq ayrt] .

2) Wichtig ist, <las> die Bezeichnung „nr\yrf' für die Magna Mater auch bei Julian (Orat. V. p. lfiü u. sonst) sich findet: Tiq ovv tt MtjrijQ

24 Harnack, Zur Abercius-Inschrif't.

gegen zu setzen vermag (s. das Epigramm eines Taurobolienaltars aus Rom in C. I. Gr. III n. 6012b, bei Henzen zu Or. n. 6040: Mtjtsql rf] jiavxcov 'Pety rexecov rs yevt&lcp, 'Attu &' mpiörcp xal övvtevri to Jiäv xrX.)1)

Usener weist in seinem Buch über das Weihnachtsfest (S. 28 f.) beiläufig darauf hin, dass es nicht nur ein von Heid- nischem durchsetztes Christenthum gegeben habe, sondern auch „wirkliches Heidenthum durch ein Pfropfreis christianisirender Speculation in der Art der Mysterien erneut und veredelt"; ich selbst habe in meinem Lehrbuch der Dogmengeschichte an meh- reren Stellen solche Erscheinungen ins Auge gefasst. Was speciell Kleinasien betrifft, so ist andererseits gewiss, dass der Montanis- mus zwar wesentlich eine innerchristliche, ja innerkirchliche Bewegung gewesen ist, aber dass er ausserdem ein dunkles frem- des Element in sich geschlossen hat2). Montanus ist, bevor er

XÖJV 9-EüJV', XWV XVßSQVÜJVXOJV TOVQ £[l(paVUQ VOEQWV Xal ÖrjfJLLOVQyiXÖJV &6ü)V

JJrjyrj, r\ xal xexovaa xal avvoixovaaxw ßeydXco /Jd&sog vnooxäoa ße- ya\r\ ßsxd xbv ßzyaü xal ovv X(ö ßsydXip drjßiovQya), rj TtdaTjg ßhv xvgia t,(orjg, ndor/g 6h ysveaswg aixla, ^ Quaxa ßhv enixeXovoa xa noiovßeva, yevvcöaa 6h 6L%a ndd-ovg xal 6t]ßiovQyovaa xd ovxa ßsxd xov naxgog (klingt das nicht, als spräche ein Christ, ein ausschweifender Marien Verehrer, wie Synesius: ßia nayd, ßla Qi^a' XQnparjg ekaßips ßOQ(pd oder naya naywv, aQ%üjv aQ%d, QiC,&v QLQa, ßovdg el ßovd6(vv, aber es spricht Julian, und Christen haben die Sprache, in der die Göttermutter verherrlicht wurde, auf Maria übertragen), avxrj xal 7iaQ&£vog dßrfxwQ xal diog ovvd-ojxog xal ßi]xr\Q &€d)v ovxwg ovoa ndvxcüv. xwv yaQ vorjxäiv vneQxooßlwv üsctiv 6s£aßEV7] ndvxwv alxiag iv kavxy lir\yi] xolg vosQolg syevexo. S. auch das folgende: Hr\yr\ züv 6rjßiovQyiXü>v &S(öv . . . b ßhyag HXiog 6 gvvS-qo- vog x% Mrjxgt, vgl. auch p. 176. 179 sq. Stehen hiernach die Gleichun- gen Zeus-Helios, Magna Mater- U^yri fest, so hat Usener (a. a. 0. S. 34) auch den Übergang ( 'ÜQa- Ilrjy^ in einer Glosse des Hesychius nachgewiesen : AdA' rj6ov?j. nrjyrj. xal vno BaßvXwvlcov rjaHQa&7iaQd Tvgioig 6h ij^Ixta. Doch stammt vielleicht die Gleichung ( 'HQa- Jlriy-f] bei Hesychius aus Philip- pus Sidetes.

1) Natürlich ist nicht einfach an den alten Mater- Attis-Cultus zu «lenken, sondern an einen Synkretismus, der sich sowohl an den Mythus dieses Cultus als an christliche Mysterien anlehnte.

2) Neander, KGesch. 2. Aufl. I, 2 S. 883 f.: „In der alten phrygi- schen Naturreligion erkennen wir den Charakter dieses zur Schwärmerei und zum Aberglauben geneigten, leicht an Magie und Entzückungen glau- benden Gebirgs Volkes, und es kann uns nicht wundern, wenn wir die phrygische Gemüthsart, die sich in Ekstasen der Priester der Cybele und

Harnack, Zur Abenius- Inschrift. 25

Christ wurde, heidnischer Priester gewesen1), und zwar Cybele- priester; denn darauf deuten die Worte „abscisus <it semivirus"2); die Xerophagien <\<'v Montanisten wurden schon zu Tertullian's Zeit von den Gegnern auf die Mysterien der Magna Mater zurück- geführt3); ihre Ekstasen und f-epogxovicu (Euseb. h. e. V. 1(>) er- innern an die Ekstasen jenes Cultus und wurden von den recht- gläubigen Zeitgenossen als dämonisch*1, d. h. als heidnische be- zeichnet4); die Verfassung montanistischer Gemeinden mit der abgestuften Hierarchie der Patriarchen, Cenonen (noch Niemand hat sie sicher zu erklären vermocht, Ökonomen?) und Bischöfen, ist aus der allgemeinen kirchlichen Verfassungsgeschichte nicht zu erklären5): lässt selbst der gut christliche Montanismus ein verstecktes Element phrygiseher Naturreligion erkennen kann es da auffallen, dass umgekehrt auch ein „Pfropfreis christiani- sirender Speculation" in die bereits aufgelöste Naturreligion ge- kommen ist? Das, was wir Gnosticismus nennen, lehrt uns doch, dass in der Zeit der Religionswende eine Kette abgestufter reli- giöser Neubildungen die äussersten Punkte mit einander ver- bunden hat, und dass in einigen dieser Bildungen der christliche Gedanke im Centrum steht, in anderen die alte Naturreligion

des Bacchus zeigt, in den Ekstasen und Somnambulismen der Montanisten wieder finden". Munter, Primord. eccl. Afric. p. 143: „Oritur suspicio, Montanum a priori vaticinandi professione hisce Cybeles sacerdotibus fami-

liari ista vaticinia transtulisse." Schwegler, Montanismus S. 78 ff..

ähnlich auch B aumgarten-Crusius, Böhmer, Kirchner. Routh U.A. Aber wie viel über eine blosse „Prädisposition" (Bonwetsch, Montanis- mus S. 149) und eine formale Einwirkung der phrygischen Religion anzu- nehmen ist, ist allerdings ganz ungewis-.

1) Didymus de trinit. ITT, 41, 3: yevofievoq leqsvq tcqütov ftdajkov. ,,Neopist" nennt ihn auch der Anonymus des Paisebius (h. e. V, IG, 7).

2) So nennt ihn Hieronymus (ep. ad Marcell. ep. 41, 4); ich glaube nicht, dass darin nur eine boshafte Verspottung zu sehen ist; denn Hiero- nymus hat augenscheinlich in dem Briefe eine gute Quelle zur Hand.

3) Bei Tertull. de ieiun. 2: „Xerophagias vero novura aff'ectati officii nomen et proximum ethnicae superstitioni, quales castfmoniae Apim, Isidem et Magnam Matrem certorum eduliorum exceptione purificant"; c. IG: „tu nostris xerophagiis blasphemias inserens casto Isidis et Cybeles eas adae- quas".

4) So bereits vom ersten Auftreten an.

5) Die montanistische Verfassung kennen wir nur durch Hieronymus p. 41, 3.

2(j Harnack, Zur Abercius-Inschrift.

nur mit Christlichem versetzt, nicht aber gebrochen ist. Für die Deutung unserer Inschrift ist es jedenfalls nicht gleichgiltig, dass 1) eine gewisse Berührung des Cybeledienstes mit dem Christenthum in dem phrygischen Montanismus nachgewiesen werden kann *), und dass 2) Philippus Sidetes uns in einer seiner Legenden den Magna Mater (Hera)-Mythus in voller Verbindung mit dem christlichen „Fisch" aufweist. In diese Sphäre man mag sie als christlich oder als heidnisch bezeichnen gehört allem Anschein nach unsere Inschrift.

Besserer Belehrung sehe ich mit Freude entgegen. Mir lag es daran, den gegenwärtigen Stand unserer Erkenntniss zu präcisiren und die Schwierigkeiten aufzuweisen, welche der her- gebrachten und welche der F ick er 'sehen Erklärung entgegen- stehen.

Epimetrum.

1) Der „Hirte" des Abercius (v. 3) hat mit dem „Hirten" des Hermas nichts gemein; denn dieser ist der Engel der Busse. Aber auch die per- ymificirte Pistis, die im Buche des Hermas als eine der neun Jungfrauen neben der „Enkrateia", Haplotes" . . . „Agape" auftritt (Vis. III, 8. Simil. IX, 15), ist, wie der Context lehrt, nicht zu vergleichen.

2) Eine eigenthümliche Bewandtniss hat es mit dem Ausdruck nag- &svoc ayvq in den Sibyll. Orac. Er kommt, wenn ich nicht irre, viermal dort vor. Lib. VIII, 270 ist Maria gemeint; an allen anderen Stellen (s. die Ausgabe von Rzach) ist der Ausdruck resp. der ganze Vers, in dem er steht, interpolirt (I, 359. VIII, 358. II, 312).

3) Nicht unwichtig ist die Mittheilung Diodor's (Fragm. XXXVI, 13), der Priester Battaces der Göttin von Pessinus, also der Magna Mater, habe ein goldenes, die königliche Würde anzeigendes Gewand getragen: oxo- Irjv dv&lvr]V öidxQvGov, ßaaiktxr]v a^tav enKpalvovoav (s. auch das Folgende: tiioTCEQ 6 Baxxaxrjq Xaßihv xi]v ovy%d>QriGiv xrjg xaxa xr\v legav axokrjv xaxccoxsv^q). Man vgl. das yQvoooxokoq unserer Inschrift.

4) Der Güte des Herrn Hirschfeld verdanke ich die Mittheilung einer bisher nicht publicirten Inschrift aus der Gegend von Salona, und Herr Kubitschek war so freundlich mir einen Abklatsch zu senden:

1) Es ist wohl nur Zufall, dass in Rom die Stätte der Sühnungs- opfer im Mater-Attis-Cult der Vatican war, „merkwürdiger Weise gerade da, wo sich mit dem Christenthum die Peterskirche über dem Grabe des Apostels erhob, beim Circus des Nero oder dem Gaianum" (Preller- Jor- dan, a. a. 0. II S. 393). Wenigstens besitzen wir keine Mittel, um darüber etwas sagen zu können.

Sarnack, Zur Abercius-Inschrift. 27

(Delphin) SERVILIA M I" (Fisch)

COPIESILLA

AEDICVLAM M MAG

ale FACIENDA!! CYRAVI(T) (Becher)

IPSA [NPESA 8VA QVAM

VOVERAT PRO KAM COT

(ein Hand mit einem TIVS CERTUS [?*n "nn<^ m'* l'in,'lu

Vorderfass einen Ball .,". Vorderfuss einen Ball

berührend) V1K JfilVb berührend)

Die „Aedicula" war, wie die Inschrift Bagt, der Mater Magna geweiht. Dann ist es vielleicht nicht ohne Bedeutung für die Abercius-Inschrift. dass rechts von dem Namen der Servilia ein Fisch angebracht ist („den Fisch rechts wollte ich der Symmetrie der Anordnung zu liebe", schreibt Herr Kubitschek, „für einen Delphin halten, doch konnte ich mich vor dem Steine nicht davon überzeugen"), und dass weiter ein Becher („gewiss kein guttus" K.) und, ihm entsprechend, eine Schale zu sehen sind. Bevor diese Embleme nicht auch auf anderen Magna Mater-Inschriften nachge- wiesen sind, wird man allerdings keine Schlüsse ziehen dürfen.

5) In den Mithrasmysterien spielte nach Justin (Apol. I, 60. Dial. 70. 7^ Brod und ein Wasserbecher eine Rolle. „Panis mero niixtus" als Opfer- speise, allerdings als Surrogat, bei Cyprian. de lapsis 25. Dass Wein und Brod, zumal in der Ausdrucksweise der Aberciusinschrift, nicht das christ- liche Abendmahl bezeichnen müssen, ist gewiss, aber die Verbindung m1' 'I/ßvg legt es nahe, an eine Einwirkung seitens des christlichen Mysteriums zu denken.

(3) Der rein heidnische Charakter der Abercius-Inschrift wäre dann gewiss, wenn ^lyßvq ohne die Zusätze Tzav/utyt&qq und bv iÖQcc£azo nay- ttivoq ayv/j stünde. In diesem Falle müsste man an heidnische sacrale Mahlzeiten (Fische, Wein, Brod) denken. Allein jene Zusätze machen es höchst unwahrscheinlich, dass man bei solchen stehen bleiben darf. Der eine (eig ftovoq heisst es bei Philippus Sidetes) sehr grosse reine Fisch, den die h. Jungfrau gefangen hat und von dem sich die <fiXoi stets nähren, kann nicht wohl ein wirklicher Fisch sein, sondern muss als Symbol ver- standen werden. Aber bisher ist, soviel mir bekannt, in allen Nachwei- sungen über heilige Fische in der Antike niemals „der Fisch" am wenigsten als heilige Speise nachgewiesen worden, während „der eine reine Fisch", und zwar als (geistliche) Nahrung, aus Dutzenden von christ- lichen Zeugnissen zu belegen ist. Möglich ist es immerhin, dass dieser Fisch noch einmal im Heidenthum entdeckt wird, aber zur Zeit dürfen wir nicht anders urtheilen , als dass in dem 'Iy&ig höchst wahrscheinlich das Christus-Mysterium verborgen liegt.

7) <PiXoi ist im N. T. kein term. techn. für Christen; höchstens Act. 27, 3 lässt an diese insgesammt denken; doch ist die Erklärung nicht sicher. Auch in der Litteratur des 2. Jahrh. habe ich vergebens nach 1!«' legen gesucht.

8) Ramsay (The church in the Roman einpire 1803) bietet eine Reihe

2s Harnack, Zur Abercius-Inschrift.

von Beobachtungen über die Verklitterungen von Heidnischem und Christ- lichem und das wilde, unkatholische Wachsthum des Christlichen in Klein- asien; s. z. 13. p. 438: „It is a trite subject, on which I need not dwell, how many traces of the old enthusiastic religion of Phrygia are to be found in Montanism, etc.", p. 444 ff. und den ganzen Abschnitt über den Diacon Glycerius; p. 463: „The Organisation of Phrygia on the orthodox model is much later than that of Cappadocia, and it was probably not so thorough. It seems to have been only superficial, caused by the Govern- ment imposing on the country the forms of the Catholic Church". S. ferner das ganze 19. Cap. p. 466 f.: „The Orthodox Church (in Kleinasien) acquies- ced in the continuance of the old local impersonations of the Divine power in a Christianised form. The giant-slaying Athena of Seleuceia is dimly recognisable beneath the figure of Saint Thekla of Seleuceia; the old Virgin Artemis of the Lakes became the Virgin Mother of the Lakes etc." Eine von den Vorstufen dieser Bildungen auf heidnischem Boden scheint durch unsere Inschrift bezeugt zu sein.

Nachschrift: Die Inschrift (S. 27) ist soeben veröffentlicht von Bulic, Bull. Dalmato 1895 p. 3.

Druck von August Pries in Leipzig.

Verlag der J. C. HINRICHSVchen Buchhandlung in Leipzig.

Baud I— V, l auf Seite II des Umschlags. V, 2. Die Abfassungszeit der Schritten Tertullians von Ernst Noeldechen.

Neue Fragmente des Papias, Hegesippus u. Pierius in bisher unbekannten Exoerptea aus der Kirchengeschichte des Philippus Sidetes von C. de Boor. 184 S. 1888. M. 6

V, 3. Das Hebräerevangelium, ein Beitrag zurGeschichte nnd Kritik des hebräischen Matthäus von Rud. Handmann. III. 142 S. 1888. M. 4.50

V, 4. Agrapha. Aussercanonische Evangelienfragmente, gesammelt u. untersucht von Alfred Resch. Anhang: Das Evangelienfragment von Fajjum von Adolf Harnack. XII, 520 S. 1889. M. 17

VI, l. Die Textüberlieferung der Bücher des Origenes gegen Celsus in den Hand- schriften dieses Werkes und der Philokalia. Prolegomena zu einer kritischen Ausgabe von Paul Kötschau. VII, 157 S. u. l Tafel. 1889. M. 5.50 VI, 2. Der Paulinismus des Irenaeus. Eine kirchen- und dogmengeschichtliche Unter- suchung über das Verhältnis des Irenaeus zu der Paulinischen Briefsammlung und Theologie von Jons. Werner. V, 218 S. iss9. M. 7

VI, 3. Die gnostisehen Quellen Hippolyts in seiner Hauptschrift gegen die Häretiker

von Hans Staehelin. Sieben neue Bruchstücke der Syllogismen des Apelles. Die Gwynn'schen Cajus- und Hippolytus-Fragmente. Zwei Abhandlungen von Adolf Harnack.

III, 133 S. 1890. M. 4.50 VI, 4. Die ältesten Quellen des orientalischen Kirchenrechts. 1. Buch:

Die Canones Hippolyti von Hans Achelis. VIII, 295 S. 1891. M. 9.50

VII, l. Die Johannes-Apokalypse. Textkritisck« Untersuchungen u. Textherstellung

von Bernh. Weiss. Vi, 225 S. 1891. M. 7

VII, 2. Ueberdas gnostisc he Buch Pistis-Sophia. Brod u.Wasser: die eucharistischen Elemente bei Justin. 2Untersuchgn. von Adolf Harnack. IV, 144 S. 1890. Bf. 4.50 VII. 3/4. Anollinarios von Laodicea. Sein Leben u. seine Schriften. Nebst e. An- hang: Apollinarii Laodiceni quae supersunt dogmatica. Von Johs. Dräseke XIV, 494 S. 1892. M. 16

VIII. 1/2. Guostische Schriften in koptischer Sprache aus dem Codex Brucianus heraus- gegeben, übersetzt u. bearbeitet von Carl Schmidt. XII, (592 S. 1893. M. 22 VIII, 3. Die katholischen Briefe. Textkritische Untersuchungen und Textherstellung von Bernh. Weiss. VI, 230 S. 1892. M. 7.50

VIII, 4. Die griechische Übersetzung des Apologeticus Tertullians. Medicinisches aus der ältesten Kirchengeschichte. Zwei Abhandlungen von Adolf Harnack. III, 152 S. 1892. M. 5

IX. i. Untersuchungen über die Edessenische Chronik. Mit dem syrischen Text und einer Übersetzung herausgegeben von Ludwig Hallier. VI, 170 S. Die Apologie des Aristides. Aus dem Syrischen übersetzt und mit Beiträgen zur Textvergleichung und Anmerkungen herausgegeben von Richard Raabe.

IV, 97 S. 1892. M. 8.50 IX, 2. Bruchstücke des Evangeliums und der Apokalypse des Petrus von Adolf

Harnack. Zweite verbesserte u. erweiterte Aufl. VIII u. 98 S. 1893. M. 2

IX, 3/4. Die Apostelgeschichte. Textkritische Untersuchungen und Textherstellung

von Bernh. Weiss. 313 S. 1893. M. 10

X. Aussercanonische Paralleltexte zu den Evangelien gesammelt u. untersucht

von Alfred Resch.

1. Textkritische u quellenkritische Grundlegungen. VII, 160 S. 1893. M.5

2. Paralleltexte zu Matthäus und Marcus. VIII, 456 S. 1894. M. 14.50

XI, l. Das Kervgma Petri. Kritisch untersucht von Ernst von Dobschütz. VII, 162 S.

1893. M. 5

XI, 2. Acta SS. Nerei et Achillei. Text u. Untersuchung Von Hans Achelis. IV, 70 S.

1893. M. 3

XI, 3. Das Indulgenz-Edict des römischen Bischofs Kailist kritisch untersucht und

reconstruiert von Ernst Rolffs. VIII, 139 S. 1893. M. 4.50

XI. 4. Textkritische Studien zum Neuen Testament von Wilhelm Bousset. VDH,

144 S. 1894. M. 4.50

XII, l. Der Chronograph aus dem zehnten Jahre Antonius. Von Adolf Schlatter.

IV, 94 S. Zur Cberlieferungsgeschichte der altchristlichen Litteratur. Von Adolf Harnack. 32 S. 1894. M. 4

XII, 2. Tertullian's Gegen die Juden auf Einheit, Echtheit, Entstehung geprüft von

E. Noeldechen. IV, 92 S.

Die Predigt und dasBrieffragment des Aristides auf ihre Echtheit unter- sucht von Paul Pape. 36 S. 1894. M. 4 XII, 3. Ignatius von Antiochien als Christ und Theologe. Eine dogmengeschicht- liche Untersuchung von Eduard Freiherrn von der Goltz. X, 206 S.

Griechische Excerpte aus Homilien des Origenes von Erich Klostermann. 14 S. 1894. M. 7.5<>

XII, 4. Urkunden aus dem antimontanistischen Kampfe des Abendlandes. Eine quellenkritische Untersuchung von Ernst RolfFs. VII, 167 S. 1895.

Zur Abercius-Inschrift von Adolf Harnack. 28 S. 1885. M. 6.50

TEXTE UND UNTERSUCHUNGEN

ZUE GESCHICHTE DER

ALTCHRISTLICHEN LITERATUR

HERAUSGEGEBEN VON

OSCAR von GEBHARDT und ADOLF HARNACK XII. BAND, HEFT 4

URKUNDEN

AUS DEM

ANTIMONTANISTISCHEN KAMPFE

DES ABENDLANDES

EINE QUELLENKRITISCHE UNTERSUCHUNG

VON

Lic. theol. ERNST ROLFFS,

PASTOR COOP. IN BREMERVÖRDE

ZUR

ABERCIUS-INSCHRIFT

VON

ADOLF HARNACK.

LEIPZIG J. C. HINRICHS'SCHE BUCHHANDLUNG

1895

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