nn inne —o 180060 IULE a ’ - r _ Brehms Tierleben . Elfter Band. # r . r > ” _ . s TUE | “ R = 4 z ä x: x Is ee = = - _ < A vn < = un R BE R ji; = . - > Be Allgemeine Naturkunde. Brehms Tierleben. Vierte, neubearbeitete Auflage. Unter Mitarbeit von Dr. Viktor franz, Dr. Georg Grimpe, Prof. Dr. Ludwig Heck, Prof. Dr. Sriedrich Hempelmann, Prof. Dr. Richard Heymons, Dr. Max Hilzheimer, Prof. Dr. William Marfhallf, Dr. Ludwig Nick f, Prof. Dr. Heinrich Simroth f, Prof. Dr. Otto Steche, Dr. Erich Wagler und Prof. Dr. franz Werner heraus- gegeben von Prof. Dr. Otto zur Straiien. 13 Bände. Mit 1803 Abbildungen im Text und auf 633 Tafeln in Farbendruck, Atung und Holzichnitt fowie 13 Karten. Der Menich. Von Prof. Dr. Johannes Ranke. Dritte Auflage. 2 Bände. Mit 695 Abbildungen im Text (1714 Einzeldaritellungen), 7Karten und 64 Tafeln in Sarbendruck, Ätung und Holzichnift. ‚Völkerkunde. Von Prof. Dr. Friedrich Raßel. Zweite Auflage. 2 Bände. Mit 1103 Abbildungen im Text, 6 Karten und 56 Tafeln in Sarbendruck und Holzichnitft. Die Pflanzenwelt. Von Prof. Dr. Otto Warburg. 3 Bände. Mit mehr als 900 Abbildungen im Texf und iiber 80 Tafeln in Sarbendruck und Äung. Pflanzenleben. Von Prof.Dr. Anton Kerner von Mlarilaun. Dritte, von Prof. Dr. Adolf Hanien neubearbei- tete Auflage. 3 Bände. Mit 472 Abbildungen im Text, 3 Karten und 100 Tafeln in Sarbendruck, Atung und Holzichnift. Erdgeichichte. Von Prof. Dr. M. Neumayr. Zweite, von Prof. Dr. V. Uhlig bearbeitete Auflage. 2 Bände. Mit 873 Abbildungen im Text, 4 Karten und 34 Tafeln in Sarbendruck und Holzichnift. Das Weltgebäude. Eine gemeinveritändliche Himmelskunde. Von Dr. M. Wilh. Meyer. Zweite Auflage. Mit 291 Abbildungen im Text, 9 Karten und 34 Tafeln in Sarbendruck, Atung und Holzichnift. Die Nlaturkräfte. €in Weltbild der phylikaliichen und chemifchen Ericheinungen. Von Di. M. Wilh. Meyer. Mit 474 Abbildungen im Text und 29 Tafeln in Farbendruck, Atung und Holzichnift. — 4 pm feipzig und Wien Bibliographiiches Inititut. — Brehms Tierleben Allgemeine Kunde des Tierreichs. Mit 1805 Abbildungen im Text, 633 Tafeln in Sarbendruck, Kupferätung und Holzichnitt fowie 13 Karten. Vierte, vollitändig neubearbeitete Auflage, herausgegeben von Prof. Dr. Otto zur Straiien. Säugetiere — Zweiter Band. MICRCFORMED BY PRESERYATION SERVICES EN Ai es feipzig und Wien Bibliographiiches Inititut 1914, { kr ee 3 ß: ; an rbehalten. r Pen eger vo om Verl : by Bibliogr stitut, Le Alle Rechte i ipzig | 8 u: ai 5 = ‚Copyright 1914 Die Säugetiere Alfred Brehm. Neubearbeitet von Ludwig Heck und Max Hilzheimer, Zweiter Band: Nagetiere (Heck) — Robben (Hilzheimer). Mit 94 Abbildungen nach Photographien auf 20 Doppeltafeln, 30 Abbildungen im Text, 15 farbigen und 4 ichwarzen Tafeln von B. Geisler, K. £. Hartig, W. Kuhnert, P. Maßel, G. Müßel, P. Neumann und W. Watagin. Leipzig und Wien Bibliographiiches Inititut 1914. Vorwort. Auch diefer zweite Säugetierband braudt em Vorwort — don aus dem Grunde, weil hier ein zweiter Bearbeiter auftritt in der Perfon des Heven Privatdozenten Dr. Mar Hilzheimer, der jet zur Leitung der naturmifjenschaft lichen Abteilung des Märkischen Mufeums in Berlin berufen worden tft. Er hat fie) durch viele wiljenschaftliche Arbeiten und zufammenfalfende Sıhriften namentlic) über Die Hausfäugetiere und ihre Verwandten, neuerdings aud) durch ein Handbuch der Biologie alS gemeinverjtändlicher Darfteller einen Namen gemacht. Seiner Mitarbeit ift mit befonderem Dante deswegen zu gedenten, weil er e3 verjtanden hat, die Bearbeitung der ihm übertragenen Kapitel in einer angefichts der Schwierig: feit dev Aufgabe recht Furzen Zeit im Geifte der neuen Auflage durchzuführen und dem Gejamtwerfe organifch einzufügen. Daß er als Mitarbeiter herangezogen wurde, erklärt fih aus dem allgemeinen Verlangen der Abnehmer unferes „Dierlebens”, das ganze Werk binmen möglichjt furzer Frift in Händen zu haben. Diefes all- gemeine Verlangen machten Verlag und Herausgeber fich zu eigen, und Prof. Ded willfahrte gern dem ausgelprochenen Wunjche nach Befchleunigung. Diefen Munfche fommt auch der Umjtand entgegen, daß durch den anfangs veröffentlichten PBrofpeft des ganzen Werkes die Zahl.ver Säugetierbände unabänderlich auf vier fejtgelegt it, die weitere Bearbeitung fich alfo innerhalb diejer Grenzen halten muß. Das fann fie aber um jo eher, als den niederen, bisher etwas ftiefmütterlich behandelten “ Säugetierordnungen bereits ihr Recht geworden ift; auch den Nagetieren, der mweit- aus größten Säugetierordnung. Sie nimmt dementjprechend den größten Teil diejes Bandes ein und hat eine zufammenhängende gemeinverjtändliche Darjtellung von jolhem Umfang und folcher Ausführlichkeit bis jebt ganz gewiß nicht erfahren. In diefem Sinne feien al3 Einzelbelege aus unferem Bande befonders genannt die Taturgefchichte der befannten und wichtigen Nagetiere, wie 8 Hafe und Kaninchen, A VIII Vorwort. Hatte und Maus, Biber und Eihhorn find: fte dürfen wohl den Wert populärer Monographien beanjprucen. Und ähnlich mag man die Slluftration einjchägen, die allein auf 18 photo- graphichen Tafeln 87 Nagerbilder von um jo höherem urfundlichen Werte bietet, als fie zum guten Teile folhe Tierarten zeigt, die weiteren Kreifen im Bilde überhaupt noch nicht zur Anfchauung gebracht worden find. Bei den Farbentafeln gilt ähnliches vom Pfeithafen, der Borfenratte, dem Feh-Eichhorn. Die Borfen- vatte hat Geisler-Dresden geliefert, der allein Studienmaterial von diejem bis jeßt nur einmal lebend dagewejenen Nager befist, und mit der Darjtellung des fibirischen Feh-Eichhorns führt fich ein rufftscher Tiermaler in unfer „DIierleben“ ein, W. Watagin, von defjen hervorragenden Können die folgenden Bände weitere Beweise liefern werden. Biblivgraphijches Sujtitut. Suhalts=Üiberiicht. 8. Ordnung: Nagetiere (Rodentia). 1. Unterordnung: Doppebähner (Duplici- Seite x dentata). M. Muolauiobie Meams’ 2... 4b Mewallenix Mearmnserne. nn 022200 Familie: Pfeifhajen (Ochotonidae). Exite Tepus....:.: RE Ochotona. ... re Präriehafe, L. Okan Daten Bam oe, Ainerapfeifhnfe, 0. nasllus Pal RE! Beränderlicher Hafe, L. americanus Erxl. 60 Sibirifcher Pfeifhaje, O. alpinus Pal 14 L. a. virginianus Harl. . ..... 6 Dtogono, O. daurieus Pall....... 125 Polarhafe, L. arcticus Lech . . . . 63 O. roylei 0g. N RE ER RE TEN | 5 Boa.cbangsı- has: Ya Ne 222,269 GesntusaSevaey, 0 era rnr 16 L. labradorius Mil. . . . . „268 DiyerpihrouissBüchn. =... 20.22 4... 16 Nordiiher Schneehaje, L. timidus 7 66 O. melanostomus Büch. . . . ... 717 Sicher Schneehafe, L. t. hibernicus Bell 67 BeemeepBe Rich 2.0... 23.0.2. .18 Dublinhafe, L. t. lutescens Barr.- Ham. 67 Alpenjchneehafe, L. varronis Mil. . . 77 Bamilie: Hajen im weiteren Sinne (Leporidae). Seldhafe, L. europaeus Pal... ... 82 Romerolagus . . . Er er L. e. occzdentalis Winton . . . . .. 121 Nomeros Haje, R. ei Mr ee L. e. mediterraneus Wagn.. .. . . 121 Nesolagus . . . rat L=squ1lonus, Bias 7 25 2: 2. 5 ae) Burzofe-Banitichen, NE netschen Schl. el L. lilfordi Winton . re 1! Caprolagus . . . 22 E Seaspras.Enrba}=..2.2 Ne ee 2 Rauhfaninchen, C. Kesidee re 4.3028 PEICyFeHSIBeNaL ee ee ee Oryctolagus. . . EBEN L. lehmanni Sev. 122 Europäijches Rarinchen, 0. ers DL. 223 L. craspedotis Blanf. . 1 a 12 Hausfaninden . . . 4:35 Tr tolas Baur, =. SEN mr eRe122 Nothafe, O. oladatı 2 Gebf. 5,08 L. yarkandensis Gthr.. 122 OcanyikaewBhoss. 0; 2, es dl L. tibetanus Wtrh.. ee 1 Sylvilagus . . . 52 L.- peguensis -Blyik :: . :. 0... .. ;° 122 Amerifanifches Banden S. Horidanus B:"siamensin Bon.» se... >u, 0 4420 ER RE Ne > 7 E0rostolus. H04gs22: 0° 12 128 Tapetl.; ... TE Tespalipes® N 0498: 7... sn men 128 Goftatica-Tapeti, T. akbı Allen EP Babypsibius Blanf 0.2205 »,5.3..128 Limnolagus . . . re L. ruficaudatus Geffr. . . ... .... 123 Sumpflaninchen, = Balskeis ai a Br dayanun“Blanf. 22.22. 2.222: 120 Wafjerfaninchen, L. aquaticus Bachm. . 53 Tsmgrieolis-F. Ouva 2. „2155128 Bepaementlihe Sen). =. 2.2, 20%. "DD EL: aegyptius: Desm. =. 2... .123 Macrotolagus . . IT RIR TEE ,2.00 L. isabellinus Ortzschm. . . . . . . 123 M. californicus Harn Ber rn L. habessinicus Ehrbg. . .» . . . . 123 Netexengis>Wirh.- 2.2.0 5 0.0, 'D6 F-somalensie. Hal. „ir u. ware 1124 x Snhalts-Überfight. Seite ISsalaos Jena. 2 ae 2A T0apenais Li. a ra Iesazatılisehr. Gun. en en td L. zechi Misch. Be ee) L. capensis Sohropus Warn. 2) Teeytetoriae, TRos. a ee, en l2h 2. Unterordnung: Ginfadzähnige (Simplici- dentata). Sektion: Sfahelfhweinförmige (Hystrico- morpha). Yamilie: Hajenmänje im weiteren Sinne (Visca- ciidae). Chinchilla ° . , 126 Große Chinchilla, ch. bresicandetn, Wirk. 126 Wollmaus, Ch. laniger Mol. . . . . 129 Lagidium (Hajenmäufe im engeren Sinne) . 130 Cuvier3 Hajenmaus, L. peruanum Meyen 130 Viscacia . . re 16 Biscacha, 2 viscacia Mol. ee ee Yamilie: Meerjchtweindhenartige (Caviidae). Hydrochoerus . . 2222136 Wajjerichivein, H. car Brslr 8.136 Cavia. 7. .. 140 Meerimweinden, c. oral L. 2.028140 Struppmeerfhweinden . . . ... . 14 Angorameerfhweinhen . . . . . .. 14 Alderen, C."aperea Aral. 2.1.2... „,H 2146 Cutler3 Uperea, C. eutleri Benn.. . . 147 Kerodon . . . a Kl Bolivia-Mofo, K Bohlen Wirh. AA: Spir-Mofo, K. spixi Wagl.. . . . .„ 147 Teljen-Mofo, K. rupestris Wied . . . 147 Dolichotis . . . ne LAT Mara, D. Halazanich Ba! BEER EYE Bwerg-Mara, D. salinicola Burm. . . 151 Familie: u (Agoutidae). Dasyprocta . . . e a 157 Aguti, D. aguti IE AT . 152 Gelbrüden-Aguti, D. ebonote, Wa. 19 Uzara3 Uguti, D. azarae Lcht.. . . . 157 Mohren-Aguti, D. fuliginosa Wagl. . . 158 Mexikanischer Aguti, D. mexicana Sauss. 158 Schopf-Aguti, D. prymnolopha Wagl. . 158 Myoprocta . . . ar I Fan a Xcuchy, M. Beuchr Eral, ea 58 Agouti . . a er Pala, A. paca er, RE = 109 Bergpafa, A. naeh Sdanann 161 Tamilie: Dinomyidae. Seite Dinomys. . . En ee Pafarana, D. Tranickii Pirs. a Familie: Baumftachelichweine (Coöndidae). Coöndu (Greifftahler) . . . . : .. 165 Baumftachler, C. novae- hiepatiae Brise, 166 Cuiy, ©. villosus F. Cu. . ... .. 166 Greifitachler, C. oa Hin ah Erethizon. . . ee Urdon, E. Arab ne ee ER N! E..epixanthus Bra 2. Seal Familie: Erdftadhelichweine (Hystricidae). Atherura (Quaftenftachler).. . ... (N Afrikanifcher Duaftenftachler, A. afridare Gray 177 Sndiicher Dnaitenitachler, A alone, 178 Hystrix= 2 3. Er Staceliäein, H. erste z u H. africae-australis Pirs. . . 184 Haarnaliges Stadhelihwein, H. his rostris Brdt. . . » 185 Weihiäwanz-Stacelicimwein, SE Kenee Syke. . . 187 Bengalijches Stacellämein, H. bene lensis-Buho 428 187 Himalaja-Stahelfchwein, H. hokkaom Way 187 Langihmwänziges Eunöcicwen H. Ina cauda Marsden . . . 187 Savanisches Stadhelichiwein, en javanica BR. :Quv... 222 Dr ee SE Familie: Trugratten (Octodontidae). Terfelratten (Capromyinae). Myocastor . . to, Biberratte, M. coypus NER ee ei kclt) Capromys (Baumratten) . . . reg Hutia-Conga, C. pilorides Pall. EEE Thryonomys . . ee | Nohrratte, Th. Swinderianns, Tarm :. Wange Zanzentatten (Echimyinae). Echimys (Lanzentätten) 5, =. 22. 2 ©ania, E. armatus Js. @eoffr.. . . . 197 Proöchimys (Sgeltatten) . . . Se Cayenneratte, P. cayennensis Da ar Kannabateomys . . IS Yingerratte, K. anblyänge Wagn. ie Eigentlihe Trutgratten (Octodontinae), Octodon (Straudiratten) . .. . ..... 1% Degu, 0. degusMok..r 7 2er 00 Ctenomys (Kammtratten) - » » 2... 200 Q.. pundtiNArge Nor ae er eall BEN SEAT 5 77 wii >} u: % R, = R} ER na NT Inhalts-Üderfict. xI { Seite Seite Waetoravatme,.Donk nee ee. .. 25201 8. ehrenbergi. Nhra..: = 2, 92.71," ,.'948 ZTufotufo, C. en Ben... 6 201 S. hungaricus Nhru. . . 2 2.2.2.2 Spalacopus . . . . : . 203 S. mierophthalmus @üld. . . . ... 242 Samilie: Rammfingerarige (Ctenodactylidae). Wurzelratten (Rhizomyinae). Ctenodactylus . . . De AA Has 944 nger, C. ui Pall. N Fa A Rt 8 rg “ Große Wurzeltatte, Rh. inatzenklaRhft, 246 2 > Tachyoryctes . . . er W246 Vamilie: Ei eipetsiaciiie (ietite) Slänzender Schnelltwühler, T. er Pedetes . . . er 204 EN A RE ER Net; Springhafe, P. catler Pall N. 204 Seftion: Wausförmige (Myomorpha). Familie: Springnager (Jaculidae). Springmäufe im engeren Sinne (Jaculinae). Alactaga . . . Kam. 212 SBferbefpringer, A. len ES re 212 Beranschkime Sal su. 4.0. 0.05.2218 armer 008: 47... 270: 0. 216 Alactagulus. . . a ee A. acontion Pall BER na ee Ih Pygeretmus. . . . 216 Blatiichmanzipringer, p. Hakan Leht, 216 Jaculus ..-.. 7,216 Wüftenfpringmanz, T. Jhchlus L. „3.216 Pfeilfpringmaus, J. sagitta Pall. Re 208 Große Springmaus, J. orientalis Erxl. 228 Hüpfmäuje (Zapodinae). ARDUSS.- =; re RD geldhüpfmang, z. kedsonibe Zinn. er 2a Napaeozapus . . . ee}! Waldhüpfmaus, Be insignis a. ent Streifenmäuje en Sieista . . ee Ehefenmaus; S. subtilis Pal. ee 2al, Jamilie: Tajhenmänje (Heteromyidae). Tajhhenjpringmäufe (Dipodomyinae). Dipodomys . . . > Tajchenjpringer, D. phillipsi. ra ee A Perodipus (Känguruhmäufe) ar. 094 Drds Känguruhmaus, P. ordi Woodh. . 234 Nichardjons ee P. richard- soni Allen . . . . .. 234 — Familie: Tajchenratten (deampidae). Geomys . . . Se re Tajchenratte, @. reset ee ee Yamilie: Blindmansartige im engeren Sinne (Spalacidae). Blindmäufe (Spalacinae). Spalax . . N Re 5 Blindmauz, S. Pall. REES ZAT Yamilie: Sandgräberartige (Bathyergidae). Bathyergus . . . . Ka AR ©trandgräber, B. tits) er ar, 208 Georhychus . . . . 247 Kapiicher Blefmull, 6. capensis Pall 1.247 Damara-Blefmull, G. damarensis Og. . 245 GRZECHLE ITS, DE a DAR Myoscalop . . . 248 ©ilbergrauer Erobohter, M. AED TOHB Ball A a EZAR Heterocephalus . . re FoAg Nadtmull, H. elaker Asp. a Fornarina . . NN, Somali- Nadtmull, F. phillipsi Thos. era Familie: Maußartige (Muridae). Mullmäuje Myotalpa . . . er EB 7 Bofor, M, anal Pall En KDD (Myotalpinae). W üplm äufe (Microtinae). Ellobius . . . DDR Dull-Semming, E. Galpinaa Pall.. ii... 2254 E-lutesceng: PRo8..277.2°. u Zu 795256 Prometheomys . . A NT! B: hapaekhaikoni Ba EINE Tee Lemmus . . . 258 Gemwöhnlicher or 5 raus r 258 Sibirifher Lemming, L. obensis Ernie 269 Waldlemming, L. schisticolor Zilj. . 271 L. trimucronatus Rich. TEEN Dierostonyx (Öabelfrall-Lemminge) . . . 272 Halsbandlemming, D. torquatus Pall... 273 Doppelfralliger Zemming, D. hudsonius Pall. ne Pt Er A! Synaptomys eachamäiie, IP RE 276 Cooper3 Lemmingmaus, S. cooperi Basrd 276 Hiberzg rer... EI N: Bijamratte, F. ateihiens “ IE 2 Mierotus (eigentliche Wühlmäufe) . . - . 28 Neofiber . . . 283 Kmakiioang Bilamratte, N. alleni True 283 XII Inhalts-Überfiht. Seite Arvıcolas a er ee ey]! Wajjerratte, A. terrestris m RR EMO NS amphibiusel.nz. . 2... nme 280, Asherman SRaw-...2 07 2er Pitymys: . .... el Tichtenmaus, P. retasunn x | Kurzohrige Erpmaus, P. subterraneus IS CE EN BE | Bagurus. 22%: ne 298 Graulemming, L. en Pall. ER BR Mierotus . . . a nr 294 Schneemaus, M. Ava Manns RB Nattenköpfige Wühlmaus, M. ratticeps Beegja-Blas.a 7 22. 2.00 td 70er e29ß M. r. stimmingi Nhrg. . . . 2%2296 Wurzelmaus, M. oeconomus Pall. ee 238 Erdmaus, M. agrestis L.L . . . 2.29% Teldmaus, M. arvalis Pall.. . . . . 300 Mespcrale Ball. HS. 0 M. parvus Sat... . . . 306 PBenniylvaniiche Feldmaus, =. Bermmsyie vanicus Ord ..... 307 Bremwers Strandmaug, Mm. Iregen: Baird 309 Evotomys .. 309 Waldwühlmauz, E. Hercyniaus Mehl. 309 Notrüifenmaus, E. gapperi Vie. . . . 31 Bi. g.-ochraceus Mall. 22 E: eg. rhondsi Stone = 700.0... all Phenacomys . . ee Ph:- celatus Merr: 2 3. aan 797 3 Waldratten (Neotominae). Neotoma . . 312 FE iolegifte Waldratte, N. eher: vanica Stone . . . . 312 Tlorida-Waldratte, N. Horidäng Ord. .. 312 Meonomar.... ee lz Bergratte, T. cinerea Ord Nee Schlingenzähner (Sigmodontinae). Sigmodon . . 314 Bouneoltrnie S. hiepidite en et } Ord. 314 Peromyscus. . . ER Beipfußmaus, p. 1usopn Raf. era lA Reithrodon .. . . : .. 316 Kaninhenmaus, R. onieuläider Wirk. 316 Ichthyomys . . RTL TR: Tilchratte, I. laranni Thos. ERSTEN Eh Snjelmäufe (Nesomyinae). INESOM SEE ER EIS nl Des rulus Telnet San a Ts. rl Eiiurus (Bilhihmwans) 222. ..0.0°.7 318 Hamijter (Cricetinae). Cricetus . Hamfter, C. cericetus L, ls Graurücdenhamijter, C. c. canescens Ahr, C. c. rufescens NäArg. . C. c. nehringi Misch. . Mesocricetus . Goldhamfter, M. auratus Wirk. Schmwarzbrufthamfter, M. nigrieulus Nhrg. Dobrudichahamfter, M. newtoni Nhrg. . Cricetulus . i Grauhamfter, C. nme Pall. Fofiile Hamiter . Mystromys . 5 Weikichwänzige Zöffelmang, =. ber datus A. Sm. . Mähnenratten (Lophiomyinae). Lophiomys . 5 L. imhausi A. ı. .E. L. aethiopicus Pirs. Mäufe im engeren Sinne (Murinae). Musa Rs Epimys (Ratten) Haußratte, E. rattus L. Ägyptische Ratte, E. r. lösen = Geoffr. ; Te E. r. caledonicus Wagn. : E. r. novae-zelandiae Bull. . E. r. jacobiae Wirh. Wanderratte, E. norwegicus a E. humiliatus A. M.-E. Mettadratte, E. mettada Gray. Maoriratte, E. exulans maorium Hutton ©oldratte, E. auricomis Winton . Darlingsratte, E. chrysophilus Winton . Zangjchwanzratte, E. dolichurus Smuts . Wahlbergsratte, E. paeduleus Sund. . Damararatte, E. damarensis Winton Weißnafenratte, E. coucha A. Sm. Weikfußratte, E. colonus Brants . Weißjchiwanzratte, E.erythroleucusT’emm. Notrücdenratte, E. rufinus Teemm. . Baumratte, E. nigricauda Thos. . Einftreifentatte, E. univittatus Pire. . Tullbergratte, E. tullbergi 7’hos. . Abof, E. hypoxanthus Puch. Mus. Hausmaus, M. nur Br 2 Tabafmıaus, M. m. poschiavinus Fatio . Gelbbauchmaus, M. muralis Barr.- Ham. Baltrermaus, M. gentilis Brants . Wagner Maus, M. wagneri Eversm. - . Seite 318 318 327 328 328 328 328 328 328 329 329 330 33l 33l 33l 331 331 333 333 335 334 340 340 340 34 304 394 394 394 394 354 359 359 395 395 309 399 390 399 399 396 396 356 363 364 364 364 Inhalt3-Überficht. M. ER Lat. . M. spicilegus Petenyi £ Waldmaus, M. sylvaticus L. T- Gelbhalsmaus, M. s. wintoni Barr.- Ham. M. s. hirtensis Barr.- Ham. . Hebridenwaldmaus, M. =. Winton . M. s. islandicus Thien. M. s. arianus Blanf. Berdmores Maus, M. Keiduke: Blyth . Micromys . ; Brandmaus, M. agrarius Pall.. Bmwergmaus, M. minutus Pall. . Leggada R Sndiiche Selbmauz, T Baduga er L. minutoides Smith . hebridensis Nesocia Sndijche Befkratte, N. ongalaneis en Cricetomys . Hamfterratte, C. han Wirn. Eosaccomys . ; Tajchenratte, E. Eenipechris Pie 5 Acomys (Stadhelmäufe)”. A. cahirinus E. Geoffr. A. wilsoni 7hos. A. spinosissimus Pirs.. Arvicanthis . Streifenmaug, A Bkbaros L. A. b. pulchellus Gray. : - Striemenmaus, A. pumilio en. ; A. dorsalis A. Sm... A. neumanni Misch. B ; Hamjtermaus, A. abyssinicus Rüpp. . Golunda . Vandeleuria. . Lanajehmwänzige Barinmanz, n Glbiasea Benn. Crateromys . R Schadenbergs Niefenratte, c. elkden- bergi A. B. Meyer Mallomys ; Wollratte, M. rothschildi. Thos. Batomys (Bujchratten) . Carpomys (Fruchtratten) Uromys (Mojaitihwanzmäufe) Pogonomys . Chiruromys (Greifihanzmäufe) . _ _Conilurus (Springratten) | Auftralifche te „Gould Ascopharynx : ; - Rehbraune Springratie,. A. Gould C. hirsutus cervinus Seite 364 364 ‚397 369 369 370 370 371 37 356 357 312 375 375 375 375 375 376 376 377 377 377 377 378 378 378 378, 378 379 379 379 379 379 379 XIII Baummaudartige (Dendromyinae). Seite Dendromys . 381 Schtonzzflirhige Rlettermaug, D. nigri- frons True . . 381 Kleine SKlettermaug, D. Pnmilio W agn. . 381 Limacomys . 381 Steatomys HN 8‘r‘ Sndafritnie Settmaug, S. pratensis Purs. . 381 DOhrenratten (Otomyinae). Otomys ; 381 O. brantsi Fr 7 i 3831 Ohrenratte, O. irroratus Bränts 381 O. unisulcatus F. Cuv. 382 Rennmäufe (Gerbillinae). Gerbillus . 383 Sndiiche Rennmang, G. EN Hakan, 383 Rhombomys 383 Rh. opimus Lcht. ; 383 Niefenrennmaug, Rh. o. Adankens Büchn. 383 Gerbillus . 385 Kleine Wütenmang, G. Berbillus 01. 385 Meriones . 2 335 Große Wüftenmans, M. aha Ron. 385 Psammomys : 388 Sandrennmaus, P. E Cs 388 Pachyuromys (Dikihwanzmäuje) 389 P. duprasi Lat. . 389 P. auricularis Smith 389 Borfenratten (Phloeomyinae). Phloeomys . 390 Ph. cumingi Wirk. 390 Najenratten (Rhynchomyinae). Rhynchomys 391 Rh. soricoides Thos. 391 Hydromyinae. Crunomys £ 392 Wildbadmanz, c. fallax Mhos., 392 Chrotomys . 392 Buntmaus, Ch. whiteheadi Thos.. 392 Celaenomys . 3 393 Dunfelmaus, c. eilädens Thos. i 393 Xeromys. z 393 Landmaus, x Inyoides Thos. : 393 Hydromys 394 Auftraliiche Schioinimeaile; = Rare gaster E. G@eoffr. . See gl Familie: Schlafmangartige (Myoxidae). Platacanthomyinae. Platacanthomys - Stadelbild, P. Tasharas Blyth \ 33 3% XIV Inhalts-Überficht. Eeite Typhlomys . . . ET T. cinereus A. M. .B. DE N 53,5 ECıhte Schlafmausartige (Myoxinae). ER a a Se ae ee Giebenjchläfer, G. is L. . . . ... 396 G.g.>caspieus Sal... 20. 22...,89 Dyromys. . . ES ETAUG Baumfjchläfer, D. tel Pall. .. „02406 Griechiicher u D. n. wingei IN 407 Tiroler Baumfchläfer, D. n. rkerraedins IN N N AR Ehomys.. ... EEE ES UNI Gartenfchläfer, E. nu. Re ANS E. sardus Barr.-Ham:. . . . .. „414 Graphiurus . . . 220, 414 Mausjchläfer, G murinus Dee. Br G. coupei F. Cu... . . ee add Brillenjchläfer, G. ocularis Smith . SET RAA G. platyops Thos. . . . Ad Bwergidhläfer, G. nanus Winton a Diihwanzichläfe, G. erassicaudatus dent... +... aa N, G. Basis Dolkmam En RAD Muscardinus . . REN 000) Hajelmaus, M. vellanastus Le ab M. a. 'anglicus Barr.-Ham.. . .. .. 415 M. a. speciosus Dehne .. 2... 45 Celtion: Eihhornförmige (Sciuromorpha). Tamilie: Biberartige (Castoridae). @astor- EN IE a 1 Biber, C. fiber L. ea ers ee 1224 Stanadabiber, C. canadensis u ea lals) Carolinabiber, C. c. carolinensis Rhds. . 456 yamilie: Biberhörndhen (Aplodontidae). Aplodontie:.. 22.772 eo A. rula Dal en near eh) Jamilie: Hörnchenartige (Seiuridae). Eihhörndhen (Sciurinae). Marmota..°. . . DER R! Nlpenmurmeltier, M. a Tr ... 464 Bobaf, M. bobak P.L. 8. Müll. . . . 477 Me paibacına Drau. ee 180 M-Sbungei MRsch 0: rn en d8R M.sibirica Radde . . . . 482 en M. Aichrone AR ders... ..': lie 7480 Goldinurmeltier, M. aurea Rn, 132483 Langfehmwänziges u M. caudata Js. Geofr. . Eisgraues Nurmeltier, M. pruinosa 4 Gelbbäudhiges Murmeltier, M. flaviven- ter Aud. Bach. E Waldmurmeltier, M. monax 1 Cynomys. Präriehund, C. = osialik af Weitliher Präriehund, C. lewisi And, Bach. . E ; Valber Ziejel, C. Falyas Ten 3 Citellus R Biefel, C. ital L. 2 Perlziefel, C. suslica Güld. . Colobotis . Nötlicher Biefel, c. rufen Keys, „Bl. Mugojarijcher Ziefel, C. mugosaricus Leht, C. musicus Menetr. Parıys Biejel, C. parryi Rich. Eversmann-Ziefel, C. eversmanni Brdt. . Nichardfons Ziejel, C. richardsoni Sab. . Ictidomys. 3 Sranklins Biejel, 1. ranklint' Sab. ? ©treifenziejel, I. tridecimlineatus Mitch. Xerospermophilus . : Kennicott3 Ziejel, X. obsalekrs Kennicokt Merifanijcher Ziefel, X. mexicanus Lcht. Otospermophilus } Ohrenziejel, ©. grammurus Br Eutamias ; Burumduf, E. on Gm. E. speciosus Allen . Tamias Hadee, T. Striatne L T. st. lysteri Rich. . Xerus.. Sıilu, x. tik Ernchin Biefelhörncdhen, X. erythropus E. Geo Sr Sabera, X. e. leucoumbrinus Rüpp. . Geosciurus Kapiiches Borfenhärnden, e. capensis Kerr . Atlantoxerus. Norbaftifanijehes Eihkönuden, e ee lus L. 5 ee Epixerus. . Br Is: Großes Baigentelgecnden, E. ebii Temm. Wilfons Niefenhörndhen, E. Srkanı Du Chaillu . ae ee Protoxerus . EEE N Sipalmenftsuen, P. stangeri Wirh. . Paraxerus er ; [7 Inhalts-Übderficht. Böhms Streifenhörndhen, P. böhmi Rchw. Notihwanzhörnchen, P. palliatus Pre. . Saint-Pauls-Hörnchen, P. pauli Misch. Dderfußhörndhen, P. cepapi A. Sm. . Funisciurus . F. lemniscatus ER Mtala, F. isabella Gray . h Kleines Rotjchenkelhörnchen, F. hapes F. Our. . Gelbbauchhörnden, F. roulklis Misch. Bügelftrihhörnchen, F. congicus Kuhl . Myısilus . Höhlenbaumhörnchen, M. bin Dr. Heliosciurus, Notarmhörnchen, H. Bkrachikne w u Sraufußhörnden, H. gambianus 0. . Rhinoseiurus Najenhörnchen, Rh. itcaudarıs u ul. ee Zary, Rh. insignis F. Cuv. . Funambulus. : PBalmenhörnchen, F. in D; 3 Dreiftreifenhörnchen, F. tristriatus Wtrh. Ratufa (Niejenhörnden) Königshörmchen, R. indica Eral. Selarang, R. bicolor Sparrm. Sciurus Prevojts Eichhorn, S. reVorti De Noftbauhhörnden, S. Gray . Ningpohörnden, Ss c. ningpoensis SER: Styanz Hörmcden, S. styani Thos. Chinahörndhen, S. chinensis Gray . Graufopfhörndhen, S. caniceps Gray . Gelbbauhhörnden, S. pygerythrus Js. Geoffr. 5 Graufußhörnden, S. aanas Mm. -E. Drangehörnchen, S. concolor Blyth Blatanenhörnchen, S. notatus Boda. . Bindenhörnchen, S. vittatus Rafl. ö de S. nigrovittatus Horsf. Eichhorn, S. Tulesris = ; Transfaufajiiches Eichhörnchen, S. ano- malus Güld. Grauhörnchen, 8. Geheiieneis E ; Goldbauhhörnchen, S. aureogaster F. Cuv. castaneoventris Seite 627 527 "527 528 528 528 528 529 530 530 530 530 530 530 530 531 531 531 531 531 532 532 532 532 533 533 533 533 534 - 534 534 534 534 534 539 535 535 536 539 997 560 9. Ordnung: Robben oder _ Familie: Eispuiben (Otariidae). Eumetopias. Gteller3 Eerlöne, E aubatns Schreb. Kaliforn. Seelömwe, E. californianus Less. 583 583 589 S. a. hypopyrrhus Wagl. Wechjeleichhorn, S. variabilis Js. Geoffr. Tamiasciurus d Hudfonhörnden, T. hildecnteue Eral, Guerlinguetus (Fuhsihmwanzhörnden) . G. niger L. ; G. n. rufiventer Geofir. Brajilhörndhen, G. aestuans L.. G. ae. hoffmanni Pirs. Nr Bwerghörndhen (Nannosciurinae). Nannoseiurus N. exilis Müll. Schl, Whiteheads N headi T'hos. Myosciurus , M. minutus Du Chaillu . ; Slughörnden (Petauristinae). Petaurista Taguan, P. oral Tick. P. alborufus A. M.-E. P. leucogenys Temm. . Eupetaurus . 3 Wolliges Stupbömien, E. cinereus ‚ Thos. Sciuropterus S. sagitta L. Rn Slughörnchen, s russicus Piedem. S. momoga Temm. . Hylopetes. Bmeraflughörndien, Glaucomys FR Ajjapan, G. volans 17 N. white- H. spadiceus Dlyth 567 567 967 567 567 570 570 570 570 570 Familie: Bornfhiwanzhörndhen (Anomaluridae). Eigentlihe Dornfhwanzhörnden (Anoma- lurinae). Anomalurus , 3 Beecrofts Dornfämwanzhörndhen, & Be erofti Fras. Notrüdiges Dornfhmwanzhörnden, A. ery- thronotus A. M.-E.. : Roftbäuchiges Domjhwangtörnden, Di orientalis Pirs. x Tlugbildartige (diuringe), Idiurus Slugbild, 1. zenkeri Misch. Zenkerella i 3 Domihmwangbil, 2. insignis Mm isch. ; Slofjenfüßer (Pinnipedia). Otaria Mähnenzobbe, 0. Inaania Blasen Arctocephalus . £ at: Geebär, A. ursinus Te 573 573 974 574 575 575 576 576 590 590 593 593 XVI Snhalts-Überfidt. Süpdaftifanifcher Ceebär, A. pusillus Schreb. Südamerifanifcher Secbit, A. uses Zimm. Familie: Seehunde (Phocidae). Echte Seehunde (Phocinae). Halichoerus . Kegeltobbe, H. grypus 2 Phoca . Gemeiner Eerhunb, Ph. vitulina E Ningeltobbe, Ph. hispida Schreb. Kajpijcher Seehund, Ph. h. caspica Gm. Ph. h. sibirica Gm. eg Ph. h. ladogensis Nordquvst Ph. h. saimensis Nordquist . Seite 599 599 613 613 614 614 615 616 616 617 617 Seite Ph.”h. ’annellata? N138. *.17, 22,7 5272617 Ph. h. gichigensis Allen . . . er Gatteltobbe, Ph. groenlandica ee 617 Blajenrobben (Cystophorinae). Cystophora (Mübentobben) . . . . . . 620 Klappmüße, C. eristata Er. . . . . &0 Macrorhinus (Elefantenrobben) . . . . 622 Südliche Elefantenrobbe, M. leoninus 622 Nördliche Clefantenrobbe, M. angusti- rostris GUN 2 nern abe Familie: Waltojje (Odobenidae). Odobenus . . Be NR EL Waltoß, O. rosmarus L. Rn ee O;20besus. INS: a a re a N y » > en. 4 “ Be EEE % N - . “ | ” ae ee ER Br '— Tee Pe TE Verzeichnis der Abbildungen, er Farbige Falun Seile 3, Aperen, Seite ser . REF 13) 4. Spir- Moto. Europäijeies Kaninchen a EDEN en 7 N EEE a BE a na EEE 5): 82 1. Ztverg- Mara. 152 — 2. Rafarana. Rt 7 3. Gefhwänzter Aguti. ee &. Bala. ; Bien a See = Bageleravyk.:- ; +2: 27.205 US 168 Er : j 1. Greifjtachler. Wüftenfpringmaus. . . 0... on. 216 2. Wolliger Baumftachler. Borlenratte a en = 3. Sndiicher Ouajtenjtachler. a ae re N Ballen 5 Langfhmwänziges Stachelichtvein. Dre einen ee. 516 | Nagetiere VL... . te EEE a Er ER > 1. Schwanz des Stacelfctweins. Kafpifcer Geeiten- u RE Er 2. Südafritanifheg Stahelihwein. Et 1 3. Baumratte. € 4, Rohrratte. E HERCHETE NEENIE 5.5 EB > ee 200 Swane ne x ne | SageliereL Be Pe \: 2. Degu. 1. Simalaja = Pieibaf. 3. Cayenneratte, 2. Pifa, - 4. Wüftenfpringmaus. 3. Nadte Wildfaninden (3 Zuge a alt, blind) im 5. Zeldhüpfmaus. aufgegrabenen Neft. = 6. Pierdeipringer. 4. Junghafen im oberivdiicen Lager. Tage ER a re. DAB ıgetiere I Rafjefninden). . ». » 2.48 1: Zech8 Blemult. 2. Engliide Schede, Häftn. = ; 2. Eilbergrauer Erdbohrer. 2. Holländer, Ranunler. 3. Blindmaug, tot, von der Ceite. . Blue and tan, Rammler, b. Black and " 4. Blindmaus, in Freiheit. 32 : tan, Häfln. 5. Rattentöpfige Wühlmaus. Br Angoratanindhen, Rammler. 3 6. Waferratte. 5. Widberfaninchen, Häfin. Mageere Rose en en sie, 276 6. Belgiie Ss Ranımler. 1. Bilamratte, : getiere II. . . ern eg 02 2. Neft der Bifamratte. 1. Tolaishafe. =E 3. Feldinaus. 5 Ralifornifcher Ejeldafe. 4. Waldwüglmang. 3 Kleine Chindille. i 2 5. Slorida » Waldratte. 4 Biscada. E> RD | afferjhwein SE Fe Re 1. Weikfußmaus,. Bellere IV Fr en 148 2. Kanindenmaug. . Struppmeerjjtweinden. 3 3. Hamifter. 2. Beier i 4. Mühnenratte. XVII Nagetiere XII 1. Aayptiiche Ratte. Haußratte, Wanderratte. Brandmauz. Hausmaus. 6. Waldmaus. Mageliere XTIT 7, >... a ea ren nie 1. Zivergmaug. 2. Sudifche Beitratte, 3. Hamijterratte. Nagetiere XIV ee . Stadelmaus. . Striemenmaug. . Auftraliihe Springratte. . Obrenratte. . Große Wüjtenmauß. . Didihiwanzınans. etiere XV . Siebenichläfer. . Auftraliihe Schwimmratte, . Ziroler Baumjchläfer. . Gartenjchläfer. . Sajelmaus. Nagetiere XVI a 1. Biber, flad) auf dem Waffer Legend. 2. Biber, Holz jchneidend. 3. Biber. 4. Biberdamm in einem alten Elbarm bei Wars tenburg. 5. Wafjerburg des Biber mit Kanälen („Ges ichleife“) im Oropfühnauer See. 6. Wafjerburg des Kanadabibers in Neubraun= jchiweig. Nagetiere XVII . 1. Alpenmurmeltier. 2. Präriehund. 3. Waldmurmeltier. 4. Biejel. 5. Perlziefel. 6. Parrys Ziejel. Nagetiere XVIIL 1. Riejenhörnden. 2. Kapiiches Borjtenhörnden. 3. Platanenhörncden. 4. Goldbauhhörnden. Ba Na epen® DouPBCWV H a RR TH FE Maynenrobbe:. „4, 27, Seite 334 372 380 396 464 532 565 590 m tttiktitetiäniäiiennnäussiiern ll Verzeihnis der Abbildungen. Seite Kobbenl. . . 594 1. Seebären auf dei Bribylotoinfeln. 2. Gemeiner Seehund. 3. Kegelrobbe. Aobben II FR- 622 1. Möndsrobbe. 7 2. Walroßfopf. 3. Elefantenrobbe, Weiber. 4, Elefantenrobbe, Männchen. Abbildungen im Tert. Kagetierfchädelmitdem Kaumusfel(vom Aguti) 4 Dperjchädel- und Unterjhädelftüd mit blof- gelegten Bad- und Nagezähnen (vom Biber) 5 Dberjhädel vom Wafjerfchwein . 6 Badzähne von Eichhornartigen mit Dberaung von Hödern zu Schmelzfalten . re; Kopf des Eihhorns don unten 8 Spuren der Wirfungsmweife der unteren Sage» zähne des Eichhorns an Zirbelnüfjen g Kurzohr- Kaninchen : 22 Linfer Vorderfuß 1) des Safe und 9) des Kaninchens F ee Eoitarica-Tapeti 54 Sumpffaninden SEE 55 Nowiiher Schneehafe - . . . . 66 Schädel 1) vom Belgifchen gliefenfauiuen und 2) vom Hafen, von unten. - 83 Schädel 1) vom Hafen und 2) vom Wildkanin- chen, von der Geite : „84 Bemwegungsformen des Hajen. 90 Eupier3 Hajenmaus 131 Springhaje . 205 Zuß einer pri 211 Tajchenjpringer. 233 Zajchenratte . 239 Große Wurzelratte 245 Somali-Nadtmull. 249 Mull-Lemming 255 Berglemming 259 Graulemming . 293 Schneemaus. 235 Streifenziejel R 512 Ajlapan . f Da, Rotrüdiges Domfhimenzbötnden 575 ©felett des Seehundes . 0578 Klappmüte . . 623 Achte Ordnung: Nagetiere (Rodentia). Die Nagetiere find, im allgemeinen gejprochen, die feinen PBilanzenfrejjer unter den Säugetieren, und ihre Kleinheit, im Verein mit dem Pflanzenfreifertum, gemährleijtet ihnen überall das Fortfommen. Sie haben fich nicht nur alle Weltteile und alle Zonen, jondern innerhalb diefer auch jegliche Dberflächenform der Erde zu eigen gemacht, mit einziger Ausnahme des Meeres. Ihr Artenreichtum ift ebenjo groß mie ihre Kopfzahl erjtaunlich: die Nager machen mehr al3 ein Drittel der heutigen Landjäuger aus, jie füllen einjchlieglich der fojjilen Formen mit 2754 Arten einen ganzen Band des Trouejjartichen Säugetier- Tataiogs und bilden jo recht die „große Majje” des „Heinen Volfes" im Säugetierreic). Sie jind wohl läftige Schädlinge für den Menjchen, aber das tägliche Brot vieler Raubtiere und NRaubvögel. Sn der Drdnung der Nager jehen wir ein durchaus in jich abgejchlojjenes Ganzes vor uns. Man braucht ihnen bloß in den Mund zu jehen, um jie jofort und unzmweifelhaft als das zu erfennen, was fie find. Zwei zu großen Nagezähnen ausgebildete Schneidezähne in beiden Kiefern und das Fehlen der Echzähne find das allen gemeinjame Merkmal. Die Ordnung umfaßt die verjchiedenften Geftalten. Jr den meijten Fällen tjt der Kör- per mwalzig und ruht auf niederen Beinen von meift ungleicher TYänge, da die Hinterbeine gewöhnlich etwas, oft viel länger find als die Vorderbeine; der Kopf fit auf einem Kurzen, dien Halfe; die Augen find groß und treten gewöhnlich jtarf hervor; die Lippen find fleiichta, mit Schnurren bejeßt, jehr beiveglich und vorn gejpalten; die Borderfüße Haben in der Regel 4, die hinteren 5 Zehen, und diefe Zehen find mit mehr oder weniger ftarken Strallen und Nägeln bewaffnet, auch zumeilen durch) Schwimmhäute verbunden. Das Haarkleid ift fait immer am ganzen Körper von gleicher Länge und höchfteng an den Ohrjpisen pinjelartig verlängert oder am Echwanze bujchia. Co haben die Nager jchon in ihrer äußeren Erjcheinung eine jehr ausgeprägte Eigenart, namentlich) der Nagetierfopf ift ganz unverkennbar durch die Außenlinien: das born chief abgeftuste Profil, das ihm das Nagegebif verleiht. Sonft aber jind die Körperformen der Nagetiere äußerft mannigfaltig im Zufammenhang mit ihrer mannig- faltigen Zebens- und, Bemwegungsweife. Da gibt e3 Erdläufer bzw. Hüpfer und Springer, die im Verhältnis zu ihrer Körpergröße wahrhaft unglaubliche Säbe vollführen fönnen; ferner Erdwühler, und zwar fo ausjchlieklich unterirdifch lebende Wurzelftejjer, dab die außer Gebrauch gejekten Augen volljtändig verfümmern. Da bildet jich die Stletter- und Springfunft im Baumgezweige zu folcher Kunftfertigfeit aus, dag — ein Parallel- fall gu gemilfen eichhornähnlichen Sletterbeutlern und dem Flattermafi —, unterjtüßt j Brehm, Tierleben. 4 Aufl. XI Band. 1 2 8. Ordnung: Nagetiere, durch den Fallihienm der verbreiterten -Ceitenhaut ziviichen Vorder und Hinterbeinen, ichlieglich weithin reichende Schwebeiprünge von einem Baume zum andern ausgeführt werden können. lnderjeit3 finden wir auc) die gerade entgegengejegte, langjame und ichwerfällige Ktletterfunft mit Hilfe des Greifjchiwanzes durch einige jüdamerifanische Baum- nager vertreten, die damit ein Gegenjtüc wieder zu anderen Stletterbeutlern und den füd- amerifanijchen Widelfchivanzaffen biden. Und doch offenbart jich bei genauerer Betrach- tung ein gewiljer, von Haade („Schöpfung der Tierwelt”) auf allgemeine Eigenjchaften des Nagerjchwanzes an fich zurücgeführter Gegenjaß in der Wirfungsweile des Nager- greifjchwangzes, die bei den Greifjtachlern und einer Maus Neuguineas eine Greiffläche auf der Nücjeite des Echwanzes erzeugt hat. Der Nagerichivanz Hat nämlich das Beitreben, -jich nach oben zu richten, jo 3. B. der Echivanz der Eichhörnchen, der Duaftenftachler, der Chinchilla, Viscachas, der Hafen, der Maras und vieler anderer. Das mußte, da es eine Eigentümlichfeit bedeutet, die im Bau des Nagerjchtvanzes begründet ijt, bei denjenigen Nagern, die den Chwanz zum Feithalten an den Baumäften gebrauchen, zur Erzeugung einer Greiffläche auf der Oberjeite führen. Bei dem befannten PBelznagetier, der Bijamı- vatte, haben wir allerdings den von der Eeite abgeplatteten ARuderjchtwanz, der im Wajjer auch ohne Zweifel von der Geite jchlängelnd bewegt wird. Der Biberschtvanz hingegen (ie „Biberfelfe”) folgt mit jeiner Abplattung und Bewegung von oben nach unten wieder Der allgemeinen Neigung des Nagerichwanzes. Co fehlen jchlieklich unter den Nagern auch die Ehmimmer und Taucher nicht, die in Flüffen und Teichen vollfommen zu Haufe find und im Wafjer jelbjt jogar ihre Wohnftätte jich zu errichten verftehen vermöge der Hochaus- gebildeten und biS ins einzelne getriebenen Injtinkte, Die gerade dem Nagetier eigen find. Nur die Nagetiere verfügen über Kunjtfertigfeiten im Wohnungsbau, die man einiger- maben mit denen der Vögel vergleichen Fann, und das ganze Wejen und Auftreten vieler Nager hat gerade durch diefe Bauinjtinkfte ettwas jo Fertiges und Volllommenes mit allem Anjchein des Bernünftigen und Zielbewußten, daß man noch gar feine Dichterjeele zu Haben braucht, um zur Vermenjchlihung jolcher Heinen „braven und ordentlichen” vierfüßigen „Dausbejiser” im Sinne der Tierfabel förmlich Herausgefordert zu werden. So erjcheint uns das Nagetier vielfach nach) Teibesbau jorwohl wie nad) injtinktiven Fähigkeiten als ein Höhe- punft unter den Säugetieren in körperlicher und geiftiger Anpafjung an die verjchiedenartig- ten Lebensumjtände, immer unter Wahrung des einen mwejentlichen Nagetiercharafters. Anderjeits Haben mir freilich wieder alle Urjache, ven Nagern feine große allgemeine Entmwidelungshöhe zuzujchreiben troß aller feinen Anpafjungen im einzelnen. Das beweift jchon ihr Heines, ungefurchtes Gehirn, und auch an jo manchen anderen Einzelzügen ihrer Körperbejchaffenheit tritt e hervor. „Ariprünglichen Charakter hat“, jagt Weber, „zunächit die Hautdede bewahrt in dem jehr häufigen Auftreten von Neften des Schuppenfleides, namentlic) auf vem Schwangze, jerner an den Gliedmaßen.” Oft „tritt bei guter Ausbildung der Schuppen die Behaarung zurüd, was Anlaß gibt zu den fogenannten nadten Echwänzen vieler Nagetiere”. Die Haare jelbjt zeigen in ihrer Befchaffenheit alle Übergänge vom feinen Seidenhaar der CHin- chilla durch allerlei Borjtenhaare Hindurch bis zum derben Rajjelpanzer des Stacheljchweing, dejjen jtärkite Stacheln jo die find, daß man Federhalter daraus machen fann. „Überhaupt it der Unterjchied zwiichen Haaren und Stacheln in der Hauptjache ein quantitativer; fo wird e3 begreiflid), daß bei Erethizon und Sphingurus (zwei Gattungen Baumjtachel- ihtweine), injoweit fie in Slimaten mit jahreszeitlidem QTemperaturwechjel leben, das Ma sa 392 17 0 Ale Ze SER Allgemeines. 3 mwärmere Haarkleid im Winter zunimmt, im Sommer dagegen das Stachelffeid.” E3 aibt . auch einen unterirdijch wühlenden Nager (Heterocephalus), der fast ganz nackt ift. Anderjeits liefern die Nagetiere, namentlich die Wafjernagetiere, neben den marderartigen Naubtieren die beiten Pelzwerfe. Mit der Lebensmweije im Wajjer verbindet oder verftärkt fich wenigftens die Einrichtung des Haarkleides, daß auf dem Rumpfe zmwijchen den feineren Haaren längere, dictere al „Örannenhaare” auftreten. Sie halten eine Luftlage beim Tauchen feit und be- wirken jo, daß der mehr oder weniger wollige Pelz troden bleibt. Haare fünnen durd) DBemwimperung der Zehen, durch Ausbildung einer Haarbürjte am Fußrande den Fuß zu einem Schwimmfuß machen. Ausgiebiger gejchieht dies durch Schwimmhäute, die wieder mehr oder weniger vollftändig fein können. Yiweizeilige Behaarung des Schwanzes mag eine Rolle jpielen bei baumbemwohnenden Nagern, die weite Sprünge wagen. Noch beiier jind verjchiedene Nager hierzu ausgeftattet, nämlich mit Flughäuten, die aß Fallichiem wirken. Dies fünnen einfache Seitenflughäute zwijchen VBorder- und Hinterbeinen jein, die bei manchen Arten vorn bis an die Handmwurzel, Hinten bis an die Zehen reichen; e3 fann aber auch eine Borderflughaut zwijchen Unterkiefer und Arm und der Anfang einer Hintet- flughaut zroifchen Hinterbeinen und Schwanz hinzukommen. Hautdrüfen find in Form acinöjer Talgdrüfen an den Haarbälgen allgemein vorhanden, auch bei den Stachelträgern, während tubulöje Schweißprüfen allem Anfcheine nach fehlen. Die Hautdrüjen Häufen jich zu umfangreichen Drüjenjäden in der Gegend des Afters und der Gejchlechtsorgane: das berühmtejte Beijpiel dafür find die Bibergeiljäde. Die Milch- drüjen fünnen bruft- und bauchjtändig fein, ausnahmsmweije auch ganz abweichend ver- lagert werden: hoch an die Rumpfjeite, nach der Achjelhöhle und jogar auf den Oberjchenfel. Die Zahl der Ziben (2—18) wechjelt jehr mit der Zahl der Jungen. Die Nägel der Gliedmaßen haben in der Kegel die Strallenform, wie jie namentlic) zum Klettern und Scharren notwendig ijt; bei einigen Familien, die man früher deshalb als Hufpfötler zufammenfaßte, nehmen jie auch mehr breite, platte Hufform an. Am Schädel fällt die Heine Hirnhöhle auf, an der nur wenige Schädelfnochen jich be- | teiligen. Die großen Najenbeine erjtreden jich immer jehr weit nach vorn, fo Daß die äußeren Najenlöcher jtet3 endjtändig jind, zumeilen jelbit jchräg nach unten jehen. Man denfe an das - eigenartige, vorn abgejtußte Nagetierprofil! Die Zmijchenkieferhälften find, den großen Nagezähnen entiprechend, ebenfalls groß und reichen bis zu den Gtirnbeinen hinauf. Sm weiteren meifen natürlich vor allem diejenigen Schädelteile Fennzeichnende Sonder- bidungen auf, die mit den Musfelanjäßen für den Unterkiefer und mit feiner Bewegung, aljo mit dem Nagen, zu tun haben. Wie bei allen faufräftigen Säugetieren ijt der Jochbogen immer vollftändig: daS Sochbein ift vorhanden, das feinen Mittelteil bildet. Sein vor- derer Anja am Oberfieferbein erleidet aber eine auffallende Veränderung. Dort, mo wir jonjt nur ein Feines Loch zum Durchtritt von Nerven und Blutgefäßen finden (Foramen infraorbitale), jehen wir bei den Nagetieren eine große Lüde, die an Umfang der Yugen- höhle gleichfommen fann (Canalıs infraorbitalis) und einen abgejpaltenen, bejonders weit rad vorn reichenden Teil des Hauptjächlihen Kaumusfel3 (Musculus masseter) zu jeinem Anja am Oberfieferbein durchläßt. Anderfeits ift auch der AUnjab diejes Kaumusfels am Unterkiefer viel breiter, an jtarfen Musfelfeiften viel weiter nach vorn ausgedehnt, und in allen diejen Berhältniffen ebenjo wie in der Geftaltung des Unterfiefergelenfes jelbjt lajjen ji die verichiedenen Nagetierformen als verjchiedene Stufen darftellen, die einigermaßen den Weg der Spezialifierung der Nagetätigfeit anzeigen und fomit auch ein Licht auf . = 4 8. Ordnung: Nagetiere. Abftammungsgeichichte und Entiwidelungshöhe innerhalb der Nagetieroronung jelbjt werfen können. (Weber nad) 9. Winge.) Das Charafteriftiiche der Nagebemwegung ift nämlich, daß der Unterfiefer weniger von unten nach oben oder nach den Seiten, jondern vielmehr von vorn nach hinten und umgefehrt arbeitet. Dazu gehört, daß die Gelenfpfanne, die das Schuppenbein am Schädel für den Unterfiefer bildet, die Form einer Längsrinne hat, in der der Gelenffopf des Unterfiefers von vorn nad) Hinten und umgekehrt Hin und her laufen fann. Dieje Einrichtung fann aber jehr verjchieden weit gehen und in jehr verjichiedenem Grade andere Unterfieferberwegungen gejtatten oder ausjchliegen. Bei den Hajen und Rerimandten, die jich auch im Gebiß als die wenigjt einfeitig ausgebildeten Nager daritellen, ift noch eine ausgiebige Seitenbewegung des Unterkiefer auf vvaler Gelenfjlähe möglich, und auch beim Biber und einigen anderen Gattungen hat diefe noch eine größere Breite. Die Eichhörnchen haben überhaupt nur eine Feine, einfache Gelenfgrube ohne jcharje Be- grenzung. Sehr jtarf ausgeprägt dagegen ift ihre jeitliche Bejchränfung durch einen inneren und äußeren vorjpringenden Kamm bei den jüdamerifa- nischen Meerjchtveinchenähn- fihen, Aguti, Bafa, Capy- bara. — Der Harte Gaumen der Nagetiere ijt jehr ver- engt, beim jüpdafrifanischen Strandgräber 3. B. jo jchmal, daß die beiden Baczahn- reihen jajt aneinanderjtoßgen. Erfannauchdurcheinentiefen Nagetierfhädel mit dem Kaumustel (vom Aguti). Nach) einen Präparat bed eins jeht Dep Ds Mufeums für Naturkunde in Berlin. 3% natürlicher Größe. ; - den (Dale). Ferner erweilt fich natürlich der Unterfiefer durch das Nagegejchäft ftark beeinflußt. Zunächit find bei der Unterordnung der Simpli- cidentata jeine beiden Hälften meijt gegeneinander beweglich, eine jehr eigenartige Einrich- tung, die im ganzen Säugetierreiche nur bei den Känguruhs noch einmal wiederfehrt und - den Eichhörnchen 3. B. beim Aufiprengen von Nüfjen jehr zuftatten fommt. Sie jet voraus, daß die beiden Unterfieferhälften vorn nur jehr loje verwachien find, und ein Quermusfel (Musculus transversus mandibulae) am Unterrande von einer Hälfte zur andern verläuft, dejjen Zufammenziehung die Spiben der beiden unteren Nagezähne voneinander entfernt. Die wunrzellojen, zeitlebens wachjenden Nagezähne, die mit Hohlem Unterrande ihrer Nährpapille aufjisen, erjtreden jich meift in großem Bogen tief in den Kiefer hinein, im Unterfiefer wohl gar durch dejjen ganze Länge hindurch bis zum Gelenffopf am Hinterende. Die Länge und Lage der Schneidezähne und ihrer Zahnhöhlen ift bei den verjchiedenen Nagetiergattungen und arten jehr verjchieden, bei jeder einzelnen aber jtetS genau gleich, und unjer vortreffliher Schädelfenner Nehring hatte daher jchon 1875 („Zeitichrift für die gejamte Naturwiljenichart”) erfannt, „daß die Länge und Lage der Schneidezahnalveolen ein wichtiges Mittel zur Bejtimmung foifiler Nagetierfiefer bilden fann“, wenn die Zähne jelbft gar nicht erhalten find, auch vom Kiefer nur ein Bruchjtücd vorliegt. Ebenjo hat aber das Merintal für die Shitematif der heute lebenden Nager jeine Bedeutung. Der Nage- zahn ift der einzige in jeder Sieferhälfte noch übriggebliebene Schneidezahn; nur bei einer KL. HARTIG. Allgemeines. 5 feinen Minderheit von Nagern, den Hajenartigen im weiteren Sinne (Lagomorpha), die man deshalb auch zu einer bejonderen Unterordnung (Duplieidentata, Doppelzähner) ex- hoben hat, jigt den oberen Nagezähnen, wie ein Nebenhöder, noch der Nejt eines zweiten an, und diefelben Nager haben auch ihre eigentlichen Nagezähne noch) in einem urjprüng- licheren Zuftand erhalten, injofern als dieje auf ihrer Hinterjeite ebenfalls mit Schmelz bedeckt jind, allerdings nur in ganz dünner Lage. Bei weitaus der größten Mehrzahl der Nager aber bejchränkt fich dev Schmelzüberzug auf die VBorderfläche der Nagezähne, während dieje im übrigen nur aus dem mweicheren Sahnbein be- jtehen ; ebendadurch bildet jich en Ne - IM al > u Q QQ N N y a \ Nr ” > 3) 3 SEN \ A\\\ S NÜN RN r vermöge der ungleichen Ib NM N N nußung die befannte meißel- artige Schärfe des Nagezah- ne3 heraus. Die Abnugung itvon MeGillapıy an einen jungen Saninchen auf 3 mm für jieben QTage bejtimmt worden. Wenn durch AUb- brechen eines Nagezahnes die Abnugung des gegenjtän- digen plöglich aufhört, fo wächjt Diejer rajch weiter, tritt in einem engen Bogen SUN al» AN J J aus dem Maule hervor und RN ij KALB N FT f vollt ich yioderhornartig ein, ax \ . D wodurch) natürlich die Ernäh- rung des Tieres in höchjten Grade erjchiwert wird. Be- jonders von Hafen, Kanin- a un ah ekn Bin zen meltieren jind derartige Mip- parat des Vlujeums für Naturkunde in Berlin. 3/4 natürliher Größe. bildungen befannt. lnter- drüdung des Milchgebijjes ijt eine allgemeine Tendenz der Nagetiere, die in verjchie- denem Grade fich äußert. (Weber.) Auch an den Badzahnreiden im ganzen hat jich bei den Doppelzähnern der urjprüng- lichere Zufjtand erhalten: die beiden Oberfieferreihen jind weiter voneinander entfernt als die unteren, und die Kauflächen fteigen oben wie unten nad) innen empor. Mit anderen Worten: die oberen Backzähne, die weiter nach außen jtehen, jind außen höher als innen, - die unteren, die weiter nach innen jtehen, innen höher al3 außen und erlauben jo noch eine gewmijje jreiere Beweglichkeit des Unterfiefers. Bei der größten Mehrzahl der Nager, den Einfachzähnern (Simplieidentata), die den Heinen Nebenjchneidezahn oben nicht Haben, ift gerade das Gegenteil der Fall, was nur noch) bei dem „Nagebeutler” Wombat, jonjt im ganzen Säugetierreiche nicht wieder vorkommt: die beiden oberen Badzahnreihen jtehen näher beiiammen al3 die unteren, und die Kauflächen fteigen oben wie unten nach außen auf, wodurch zwar die Gleitbewegung des Unterfiefers von vorn nach hinten nicht gehindert K.$ HARTICT 6 8. Drdnung: Nagetiere. wird, wohl aber jede gemeinjame feitliche Bewegung feiner beiden fte. Nur jene Drehung jedes Aftes für jich um jeine Längsachje nach außen fann noch ftattfinden, wie jie oben bereits bejchrieben wurde, und jo muß das Tier auch fauen: durch „Herausbrechen”, wie der ichtvedische Nagetierforjcher Tullberg in feinem maßgebenden Werfe jagt, d.h. durch mechjel- jeitiges Umfippen der Unterfieferhälften. Der feinere Bau des Nagerbadzahnes zeigt in der Hauptjache quergeitellte Schmelzleijten, die bei der vor- und rückwärts gleitenden Un- terfieferbewegung oben und unten in der ganzen Breite de3 Zahnes über- einander mwegreiben. Diejer Badzahn- bau it aber nicht überall in der Boll endung vorhanden. ©o haben die Eichhornartigen (Sciuridae), die ihren Unterfiefer auch noch mehr in jene rechter Richtung bewegen, höderige Badzähne mit langen Wurzeln und niedrigen Kronen. Meijt werden indes die Wurzeln fürzer und die Sronen länger; fchließlic) werden erjtere gar nicht mehr gebildet, und leßtere wachjen zeitlebens. Sn demjelben Jahre, 1904, als Webers „Säugetiere erichienen, deren jächlich gefolgt find, ging aus dem Boologishen Snititut Der Univerfität Breslau von Thilo Krumbach, dem da= maligen Alistenten des Snjtitutes, jegi- gen Leiter der Station Nodigno, eine eingehende Arbeit hervor über „Die unteren Schneidezähne der Nagetiere, die jic mit Erfolg bemüht, „an einigen durchgearbeiteten Beijpielen den äuße- ren Bau der Schneidezähne zu zeigen“ "N N; N 1/77 Ha “ \ 5 eo IN SS DOberihädel vom Wajferfhwein, von unten gejehen. Nad und damit „einen Beitrag zul göjung einem Schädel de3 Mufeums für Naturkunde in Berlin. 2/3 natürz a der Gleichung von Funktion und Form zu geben”. Sirumbach jtüßt fich „vor allem auf Tycho Tullberg: ‚Über das Shitem der Nagetiere‘, Upfala 1899. Diejes Werk bringt eine foldhe Fülle neuen anatomischen Materials, und das in jo durchgearbeiteter som, daß e3 ohne alle Frage die michtigfte literariiche Grundlage auf dem Gebiet der Kagetierfunde darfteltt." Im Anfchlug daran haben jich durch Krumbachs Unterfuchungen Auffafung roie im Vorftehenden Haupt nach Geftalt und Funktion betrachtet”, die Duerjchnittformen der unteren Schneidezähne bei den Nagetieren al3 prinzipiell wichtig erwiejen, um nach Nahrung und Lebensweije alsbald mindeftens jechs in ihrer Nagefähigfeit verjchteden abgeänderte und abgeftufte Nagergebiitypen unterfcheiden zu fünnen, und zwar 1. den Zeporiden- (Hajen-) Typus oder den Typus der Nindenfchaber. „Der Ausdrud ‚chiveinchen-) Typus oder dem Typus Allgemeines. 7 Rindenjchaber joll die Höchjtleiftung ausdrüden, aljo Kräuter- und Grasnahrung, furz, was weicher ijt als Rinde, einjchliegen.” Bmijchen den hierhergehörigen Formen bejtehen aber „überall gleitende Übergänge” von dem am wenigjten leiftungsfähigen Gebiß des Hafen und Kaninchens, dejjen obere und untere Schneidezähne mit geraden, zu einer geraden Linie jich zufammenfügenden Endfanten „mie die Blätter einer geraden Schere gegen- einander” wirken, Über das der Viscacha, two die gemeinfame Sante der Schneidezähne jeitlich jchon etwas gekrümmt it und obere und untere „wie die Blätter einer in der Schneide gebogenen, jonjt aber geraden Echere (Blechjchere) gegeneinander twirfen”, zu dem des Stachelichweins, das jchon Holz nagen fann, weil die zivei Unterzähne „eine gleichmäßig nach oben und vorn gefrimmte Schneide” Haben und vermöge diejer Krünt- mung „gemeinjan wie ein Kehlhobel” wirken. Auf dem hiermit erreichten Standpunkte bleiben die Oberzähne aller übrigen Hier erwähnten Nager ftehen, „während die unteren | Schneidezähne fich immer mehr differen- zieren”. Beim 2., dem Kavtiiden= (Meer- der Blatt- und Fruchtfrefjer, bildet jeder einzelne Zahn „eine gejoriderte Durex jehnittjorm, d. 9. 3. B. die zwei Zähne wir- fen beim Benagen von Nutde wie zivei jelbjtändige Kehlhobel”, im Gegenjaß zum Stadheljchwein. „Was hier aber mehr interejjtext, ijt die Art, wie durch verichie- = dene Stellung«des Unterkiefers in den Badzähne von Eihhornartigen mit Übergang von ober und Unterzähne- Stern ın Samelstalten Mad In Meder, „Die Elan Stufen entjtehen”, und zwar it es am häufigsten, „daß die Unterzähne die Kaufläche der oberen ferbenz, jchalen- oder jtufenartig ausnagen”. Dies erklärt jich durch die Bor- und Rüdwärtsbewegung des Unterkiefers im Verein mit dem harten Schmelzbelag auf der VBorderjeite der Zähne, der jich weniger ab- nubt. Seder Gelenffopf des Unterfiefers nämlich „bewegt fich in einer lateral (baden- twärts) und medial (zungentwärts) jcharf begrenzten tiefen Rinne, die ihm — da aufßer- dem die Unterkieferhälften nahezu unbemweglich verbunden find — nur eine fchlittenartige Bemegung in der Richtung der Längsachje des Schädel3 erlaubt”. Was beim 3., dem Muriden- (Mäufe-) Typus oder dem Typus der Allesirejjer, „an neuen Elementen hinzutritt, das hängt jfamt und fonders mit dem Erjcheinen eines jeparaten Musfel3 zwijchen den Unterfieferhälften, de3 Musculus transversus mandibulae, zufammen. Diejer Muskel, der hier zum exjtenmal durchgreifend in Tätigfeit tritt, . . . er- höht die Leiftungsfähigfeit der an fich jchon getrennten Zahnjpigen gleich um einige Grade dadurch, dab er die Zähne verftellbar macht, die Tiere aljo betwehrt und auf Beute Hinweilt”. Sn diefer „Möglichkeit, die Zähne auch al3 Fangzähne zu gebrauchen”, erblicdt Strumbac) „eine beträchtliche Überlegenheit diefes Typus gegenüber dem vorigen, möchte dieje Eigen- ichaft auch gleichzeitig für die hier zum erftenmal entjchieden auftretende Vorliebe für Sleifchnahrung verantwortlich machen”. Der 4., der Sciuriden- (Eihhörnchen-) Typus oder der Typus der Nußbrecher, „dat En die vom erften Typus die gejchloffene Duerjiänittform des Zahnpaares 8 8. Ordnung: Nagetiere. und vom dritten die Beweglichkeit der Unterfieferhälften aufnehmen”. Er bringt die Leiftungsfähigfeit des Nagergebijjes auf die Höhe, zumal zugleich die Barabelform der Zähne aufs vollfommenfte durchgeführt wird. „WBarabolijch gejchnittene Säulen aber — gleichviel welchen Querjchnittesg — haben gegen Zug und Drud, die in der Richtung der Abizifjenachje wirken, iiberall gleiche Feitigfeit: ein dritter und bejonders nachdrüdlicher Hin= tveis auf die zu erwartende Hohe mechanische Beanspruchung diejer Zahnform." — „Wozu aber diefe ausgejucht differenzierte Form“ dient, dieje Frage beantwortet Srumbac) durch Bejchreibung der geradezu raffiniert anmutenden Art und Weije, wie die Eichhörnchen Küffe annagen und aufjprengen. „Ein Eichhörnchen, das ich feit 1Y/, Sahren beobachten Fann, frigt mit Vorliebe Zirbelnüjje. ES ergreift eine jolhe Nuß ftetS fo, daß es mit jeiner rechten Hand ihre ebene ‚läche, mit der Iinfen die bauchige fejthält und das jpiße Ende der Nuß nach vorne gewendet hat. Dann beginnt e8 zu nagen, d. h. es benußt die Oberzähne — wie alle Nager — als Widerlager und jtemmt mit den unteren unter jchaufelnden Be- wegungen des Stiefers ein Loch in die Nuß. Kaum it das Loch gebil- det, jo gibt3 momentan eine PBauje im Nagen, und gleich darauf jpringt die Nuß in zwei Hälften ausein= - ander: der Kern ijt frei... Zum Benagen und Aufiprengen fejticha- liger, ölhaltiger Samen aljo dient Kopf des Eihhorns von unten, mit bloßgelegtem Kaumusfel, nz 1 1 u teren Nagezähnen und dem Duermusfel zwijchen beiden Aften de3 Unter- der hochbiferenzierte Bau. tiefers. Nach einer Zeihnung von Th. Krumbad. „Bon diejem Stlettertiertypus aus beurteilt, erjcheinen die beiven folgenden und legten Typen als je ein Nücjchritt: jeder nimmt nur gewiffe Eigentüm- lichfeiten de3 Sceiuridentygpus auf und unterdrüct die anderen. Bielleicht Haben twir darin eine Anpajjung an ihre erzeptionellen Wohngebiete zu fehen — die Steppe und den Rand der Wüfte.” Es find 5. der Aretomyiden- (Murmeltier-) Typus oder der Typus der Steppenkräuterfteifer und 6. der Dipodiden- (Springmaus-) Typus oder der Typus ver Wüftenfträucherfreijer. Das Nagergehirn mit feinen glatten Halbfugeln exfcheint ext dann im richtigen Lichte, wenn man bedenkt, daß die Nager meijt Heine Säugetiere find, eine Vergrößerung der Hirneinde durch Faltenbildung alfo entbehren können, ohne daß dadurc das Verhältnis der Hirmrindenmaffe zur Körpermaffe allzu ungünftig toird. Anderfeits treten bei den größten Formen Windungen am Großhirn auf; immer aber find deifen Halbkugeln fo Fein, daß das Kleinhien freiliegt. — Daß unter den Sinnen der Geruch obenan Steht, beweift die ftarfe Ausbipung der Najenmufcheln und die große Ausdehnung der Najenräume am Schädel, Allgemeines. 9 der diejer ja nicht zum menigjten jein gejchtwungenes Profil verdankt. ES jind fünf, beim Stacheljchwein jogar jech3 Riechmwülite jederjeits in der fnöchernen Naje vorhanden. ber auch das Gehörorgan tjt gut entwidelt: die Schnede Hat 31/,—5 Windungen. Das Baufen- bein fann fich mit jeiner Gehörblafe unter Beteiligung des Zigenbeines ganz außerordentlich aufblähen bei den Wiültenjpringmäufen. Das äußere Ohr fann jehr groß fein, wie beim Hafen, oder bis auf einen Hautring zurücgebildet, wie bei der Blindmaus und anderen Erdmwühlern. Eine geringere Rolle im Leben des Nagers jpielt wohl das Auge: nur natür- lich bei einem Fleinen Säugetiere, das meijt niedrig an der Erde jißt, aljo doch nicht weit jehen fann! Bekannt ift der eigentümlich ftarre Blicl, mit dem uns 5. B. der Haje wie geiites- abmwejend anjchaut, als ob er mit offenen Augen jchliefe. Ein wifjenjchaftlicher Unterjucher, W. Harris, gejteht in der Zeitjchrift „Brain“ (1904), daß er nicht imfjtande war, bei Nagern „wgendwelche bejtimmte Yugenbewegungen überhaupt zu bemerken”. Bewegungen zu fehen, was für die Sicherung eines twehrlofen Tieres das Wichtigfte ift, vermögen aber natürlich auch die Nager jehr qut; es jei nur wieder an den „Männchen oder Segel machen- den” Hafen erinnert und andere, ivie Mumeltier, Ziejel, die jich gern auf zwei Beine erheben, um Aundjchau zu halten. Auch das Eich- hörnchen jieht gewiß mit jeinen großen jchönen Augen jehr gut, wohin e3 beim Klettern zu jpringen hat; bei der Nahrungsaufnahme richtet e3 jich aber, wie wohl alle Nager, nur nach dem Geruch. — Schließlich Hat auch der Taftjinn für das Nagetier feine große Bedeutung; dafür jind nn Be de ats ein bündiger Beweis die jtet3 Fräftig, oft geradezu Folojjal entwidelten terenNagesäpnedes Schnurhaare am Maule, die diefem Sinne beim Durchkriechen durch BA: Höhlen und enge Offnungen dienen. a a. Am Nagetierfopfe Fällt jonjt noch die furze, häufig gejpaltene Dberlippe auf, die die Nagezähne jeden läßt und dadurch das charafteriftiiche „Hajen- maul” bildet. Die Mundhöhle wird durch den mächtig entwidelten Vorderajt des Kau- musfels in der Mitte jehr verengt und in einen vorderen und hinteren Teil getrennt. Durd) diejen mittleren Engpaß und den gleichfalls engen Schlund gehen nur fein gemahlene Futtermafjen hindurch, wie fie ja auch der Nager einzig und allein verjchludt. Cine merf- windige Einrichtung, für die vorläufig wohl eine genügende Erklärung fehlt, ijt, dab die innere Badenhaut behaart fein fan. Man hat jie mit den allbefannten, nur beim Schnabel- tier und altweltlichen Affen wiederfehrenden Badentafhen in Beziehung bringen wollen, die durch Einftülpung der Munpjchleimhaut entjtehen, aber in der Hauptjache jtet3 haarlos find. Nur ihr Anfang, der von der äußeren Haut des Mundwinfels gebildet wird, ijt be- haart, und diefem Anfang Hat U. Brandt die behaarte „Snfel” auf der Snnenbade der Hajen und anderer gleichgejeßt. Diejen echten, inneren Badentafchen, die beim Hamijter bis auf die Bruft Herunterreichen und durch einen bejonderen Musfel bewegt werden, jtehen die äußeren „jaljehen“ der danach, jogenannten Tafchenratten (Geomys) gegenüber, die behaarte Ein- ftülpungen der äußeren Badenhaut find. Beide Arten dienen dem Auffpeichern von Futter- vorräten, die äußeren fünnen aber natürlich nur mit den Pfoten gefüllt werden. Auf der Zunge fommen bei Baumftacheljchweinen (Synetheres) verhornte PBapillen vor, auf dem vorderen Zungenrüden des Exrdjtachelichweines (Hystrix) jogar Hornjchuppen. Bon den Speicheldrüfen ift die in der Ohrgegend Hinter dem Kiefergelenf am ftärkjten ausgebildet. Sie kann jehr bedeutenden Umfang annehmen, und das ift nicht mehr wie natürlich bei der zum Teil fo trodfenen Pflanzennahrung der Nager, deren Stärfemehlgehalt ee I SR En 10 8. Drdnung: Nagetiere. kräftiger Aufichliegung durch auflöfende Säfte bedarf. Mit der Pflanzennahrung der Nager - hängt gewiß auch die mehr oder weniger weit fortgejchrittene Teilung des Magens zu- jammen, die jich namentlich bei den Mausartigen im weitejten Sinne (Muridae) beobachten läßt. Der innere Grund diefer Teilung ift die örtliche Trennung der beiden Hauptaufgaben des Magens, der Auffpeicherung und der Berdauung. Demgemäß bejchränft jich der Drüfen- belag auf einen bejtimmten Teil, während ein anderer, der nur noch al Sammelbehälter dient, jogar verhornte Snnenwand haben fann. Die verhältnismäßig große Länge jorwoh! des Dünn= al des Diddarmzs it jchlieglich ebenfalls auf die weniger gehaltreiche Pflan- zennahrung zu beziehen. Der Blinddarm fehlt nur den Schlafmäufen (Myoxidae); bei alfen übrigen Nagern ift er fehr fang, bei den Hafenartigen (Leporidae) 3. B. länger als der ganze Körper. Das läßt darauf jchliegen, daß er für das Nagetier — wiederum in feiner Eigenjchaft al3 Pflanzenfrejjer — eine große Bedeutung hat. Ganz neuerdings hat der ruffiiche Phyfiolog Uftjanzerv „bei einer Reihe von Kaninchen die Verdauung jämtlicher mwejentlicher Bejtandteile einer an Zellulofe reichen Nahrung vor und nach) Ausjchaltung des Blinddarms genau bejtimmt”. Aus den von ihm gefundenen Zahlen geht hervor, daß der Blinddarm auf die Verdauung derjenigen Nährjtoffe, zu deren Bewältigung im Magen und Dünndarm Fräftige VBerdauungsjäfte abgejondert werden (Eiweiß, Fette und jticjtofffreie Ertraftitoffe), feinen deutlichen Einfluß hat. „Sehr erheblich ist dagegen die Bedeutung des Blinddarmz für die Verdauung der Nohfajer und der diejer nahejtehenden Pentojane” (ge- twiller Kohlehydrate). (Referat von Zunb.) — Die Gallenblafe, die ja nur ein Sammel behälter für die aus der Leber ausgejchiedene Galle und deshalb in der Säugetierreihe ein jehr wenig bejtändiges Organ ijt, fan auch bei den Nagern fehlen, jo bei den Mausartigen. Harn und Gejchlechtsmwerfzeuge weijen jehr eigenartige Form=- und Lageverhältnijje auf, die in der Wijfenjchaft vielfach al3 Beweije niederer Entwidelungsitufe der Nager’ ge- deutet werden und in der Praxis die Gejchlechtsbejtimmung am lebenden Tiere oft recht erichtveren, zumal die Hoden nur zur Fortpflanzungszeit äußerlich fichtbar hervorzutreten pflegen und ejchlecht3- und Afteröffnung jich zu einer Art äußeren Sloafe vereinigen können. Das ift 3. B. beim Biber der Fall, dejjen Männchen außerdem durch mächtige Borhaut- drüjen, die Bibergeiljäde, ausgezeichnet ijt. Die Abjonderung der männlichen Nebendrüjen gerinnt jofort nach der Begattung zu einem Pfropf am Eingang der weiblichen Gejchlechts- wege und jichert jo den Verbleib de Samens darin. Der Shmanz der Nagetiere tritt in den verjchiedenjten Formen auf, fann hier ganz jtummelig verfümmert und dort zu einem hochwichtigen Hilfswerfzeug bei der DrtS- . bewegung ausgebildet jein. ß Die Nager verbreiten jich über alle Erdteile und finden fich in allen Klimaten der Breite und Höhe, joweit die Pflanzenwelt reicht. Doch farın man durchaus nicht von allen Nage- tierformen jagen, daß fie auf der ganzen Welt zu Haufe jeien; vielmehr find wejentlich nur die Mausartigen im meitejten Sinne Weltbürger. Wir wollen hier nicht davon fprechen, daß Hausmaus, Haus- und Wanderratte vom europäijchen Kulturmenjchen über die ganze Erde verjchleppt worden jind: auch ohne fein Zutun lebten mausartige Nager in allen Erbteilen, waren jogar in Auftralien jechs Gattungen Mäufe im engeren Sinne vertreten, die — bezeic)- nenderweije— ihre nächjten Verwandten, nach neueren Unterfuchungen von Oldfield Thomas, auf den Hochgebirgen von Celebes, Borneo und den Philippinen haben. Auch auf den poly- nejiichen Snjelgruppen fommen neben Fledermäufen Mäufe vor, und eine echte Maus (Mus exulans Peale, maorium Hutt.) ift dag einzige eingeborene Landjäugetier Neufeelands. Auch nr FRI Pr - Er \ \ t v. t Allgemeines. 11 Madagaskar Hat jelbit nach der neuejten Namengebung nur jieben Gattungen im weiteren Sinne mausartiger, im engeren hamjterartiger Nager, die jet al3 eine bejondere Familie gelten, während Eichhörnchen und alle anderen Nagerformen, die das benachbarte Afrika fo zahlreich bevöffern, vollfommen fehlen: ein weiterer Beweis für die frühe Lostrennung und daraus folgende zoologijche Selbftändigfeit des uralten madagaffischen Feitlandes! Auf den großen Feltländern find Hafen und Eichhörnchen am mweitelten verbreitet: jie leben fotwohl in der Alten twie in der Neuen Welt, auf der nördlichen wie auf der fühlichen Halbfugel. Sn der Berbreitung aller übrigen Nager nimmt aber Südamerifa eine auffallend bevorzugte Stellung ein. Fat alle jeine zahlreichen Nagergattungen find ihm eigentümlich, fommen jonjt nirgends vor; nur ganz meiige teilt e8 mit Nordamerika, und die dann noch übrigen jind allverbreitete Hafen und Eichhörnchen. Und wenn wir Hinzufügen, dab auch aus den heute jpärlicher bedachten jüdlichen Landesteilen namentlich von dem rührigen argentinischen Baläontologen Ameghino eine wahre Fülle ausgejtorbener Nagetiere bejchrie- ben worden ift, unter denen Riejenformen jo wenig fehlen wie bei ven Yahnarmen, jo tritt die ausgeprägte zoologische Eigenart Südamerifas auch durch jeine Nager wieder unverfenn- bar hervor, und es erweilt jich auch für diefe Säugetierordnung als ein bejonderes Ent- twichlungszentrum. Nordamerika Hat dagegen nur wenige ihm eigentümliche Nagerjormen, über die Hälfte muß es mit Südamerika oder Europa-Ajien teilen; jie jind ihm offenbar, ivie noch jo manche andere Säugetiere, Hier- oder dortder duch Wanderung zugefommen. Das zoogeographiich „eigentliche Afrika füdlich der Sahara Hat unter den Nagern eben- falls jeine Bejonderheiten; doch zeigt e3 bei weiten nicht die gleiche Ausjchließlichkeit wie Südamerifa, und die Ländermajje der nördlichen Halbfugel, Europa-Ajien-Nordamerifa, läßt duch ihre Nagergattungen wieder diejelben engeren Beziehungen erfennen mie durc) andere Säugetierformen. Manche Nagetiere leben paariveife, andere in Familien und nicht wenige jcharenmetle zujanmen, vertragen fich auch gut mit anderen Tieren, ohne jich jedoch mit ihnen zu befajjen. Bei Öefahr ziehen fie jich fo jchleunig wie möglich nach ihren Betjteden zurüd; aber nur die allerwenigjten find Eug genug, Verfolgungen auf lijtige Weije zu vereiteln. Cigen- tümlich ijt, daß viele, die zu Schwach find, größere Wanderungen zu unternehmen oder der Strenge des Winters zu widerjtehen, Vorräte einfammeln und in unterirdischen Kammern aufjpeichern. Nicht wenige verbringen den Winter in einem totenähnlichen Schlafe, ver- fallen in Erjtarrung und erhalten fich von ihrem im Sommer reichlich aufgejpeicherten Fett, das bei den in jeder Hinficht herabgeftimmten Lebenstätigfeiten nur allmählich aufgezehrt wird. sn Verhältnis zu der geringen Größe der Nager ift ihre Bedeutung jehr erheblich; fie erjcheinen uns al unfere läftigften Schädlinge. Hätten nicht auch) fie ein ungezähltes Heer von Feinden gegen jich, und wären fie nicht Seuchen und Sranfheiten mancherlei Art in hohem Grade unterworfen: jie würden die Erde beherrjchen und verwüjten! Der ununterbrochene Vertilgungskrieg, der gegen jie geführt wird, erhält in ihrer erjtaunlichen Sruchtbarfeit und VBermehrungsfähigfeit ein Gegengetwicht, das nur zu oft übertviegt. Jeden- falls tritt fein anderes Säugetier in folder Kopfzahl, in jolchen Unmafjen auf wie zeitweije Feldmaus und Lemming. Solche erzeugungstüchtige Arten werden oft zu furchtbaren Ver- twüjtern des menjchlichen Bejistums. Der Menjch ift aljo gezwungen, fich dem Heere der Teinde diefer Tiere anzufchliegen. Wirklich befreunden fann er jich bloß mit Höchjt we- nigen Gliedern diejer zahlceichen Song, und bon diefen wenigen find nur einzelne der gähmung winrdig. 12 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Pfeifhajen. &o jcharf die ganze Ordnung der Nagetiere durch ihre wejentlichen Merkmale gefenn- zeichnet und gegen die übrigen Säugetierordnungen abgegrenzt ift, jo jchmwierig ijt die weitere Einteilung im einzelnen. Sedenfalls gilt für die Nagetierjyitematif heute noch, was Giebel jchon 1859 fagte: „Eine natürliche Einteilung und Anordnung der Zamilien ijt bei den viel- fachen Schwanfungen der äußeren Charaktere und bei dem Mangel Hervorjtechender Diffe- renzen in der inneren Organijation mit den größten Schwierigfeiten verfnüpft. Zahlreiche Berjuche nach den verjchiedenften Prinzipien jind bis auf die neuejte Zeit veröffentlicht torden; jie alle beweifen die innige Vertwandtjchaft der einzelnen Familien und Gattungen untereinander und zugleich die Unzuläfjigfeit der linearen Anordnung.” Diejes Bekenntnis eines der legten Vertreter der alten, jedem Abjtammungs- und Blutsverwandtichafts- gedanken in der Shftematif abholden Zoologenjchule vor Darwin ift zu lehrreich, als daß tiv e3 nicht hierherjegen follten: die Stammes- und Berwandtjchaftsbeziehungen im Tier- reich find eben viel zu mannigfaltig, als daß jie jich durch die Reihenfolge auf den Blättern eines Buches ausdrüden ließen; fie gleichen vielmehr den Äften und Ziveigen eines im Naume fich ausbreitenden Baumes. Gemilje unzweideutige Snotenpunfte Haben jich in der Nagetierjyftematif allerdings feitlegen lafjen, nicht zum wenigften danf der Mitarbeit des hier jchon viel genannten Londoner Kleinfäugerforjchers Oldfield Thomas, und neuer- dings haben fowohl der Däne 9. Winge als der Schwede Tullberg jich auf demjelben Ge- biete noch weiter bemüht — allerdings nicht, ohne zu Zujammenftellungen zu gelangen, die fiir ein Werk, wie das unferige, nicht geeignet jein dürften. Wir werden, ohne dieje größeren Gruppen auseinanderzureigen, die natürlichen Nagerfamilien in möglichjt un- gezivungener Folge aneinanderzureihen juchen. Bei der Schilderung der Gattungen und Arten diejer reichhaltigften aller Säugetierordnungen müjjen wir allerdings alle Zormen ausjchliegen, die nicht irgendwie ein allgemeines nterejje haben. 1. Unterordnung: Doppelzähner (Duplicidentata). Wir beginnen mit den Hajenförmigen im weiteren Sinne (Lagomorpha), die den ganzen Inhalt der Unterordnung der Doppelzähner (Duplicidentata) ausmachen. Hier find Nagetiergebif, Kieferform und -bewegung noch nicht jo einjeitig auf die Spibe ge- trieben, die Gebiß- und zugehörigen Schädelerhältnijfe ähneln noch mehr denen der übrigen Säugetiere. Wie bei diejen ftehen rechte und linfe Zahnreihe unten näher zujammen als oben, und die Gelenfgrube für den Unterkiefer ijt breit, diejer aljo vieljeitiger beweglich. Augerdem find die Nagezähne auch hinten mit Schmelz überzogen, hier allerdings nur ichwadh. Die am fchärfiten unterjcheidende Einzelheit ift aber, daß oben hinter dem großen Hauptichneidezahn, wie ein Nebenhöder, eine „Ferje“, noch je ein ziveiter verfüimmerter jibt in Form eines Heinen, ftumpfen, fajt vierfeitigen Stiftes. Hierdurch erhält das Gebik ein jo eigentümliches Gepräge, daß die Hafen geradezu einzig dajtehen. 5—6 wurzelloje, aus je2 Platten zuiammengejegte Badzähne finden fich außerdem in jedem Kiefer. Der Blind- darım hat eine Spiralfalte. Die Unterordnung der Doppelzähner teilt jich wieder in zwei natürliche Familien, die fich äußerlich wenig ähnlich find. Die Pfeifhafen (Ochotonidae) jind Hein und Furzohrig, mit ungefähr gleichlangen Vowder- und Hintergliedmaßen; die eigentlichen Sajen (Lepo- ridae) größer, Iangohrig, mit verlängerten Hintergliedmaßen. Außerdem haben die erjteren ein vollftändiges, die letteren ein undollftändiges Schlüffelbein; dazu fommen Schädel und Gebikunterjchiede (Pfeifhafen , Hafen > echte Badzähne). Bwergpfeifhaje. 13 Bei den hauptjächlich in Innerajien und Nordamerika heimischen Pfeifhajen (Ocho- tonidae) haben die oberen Nagezähne eine beträchtliche Breite und find tief gerinnelt, wo durch fie in zwei Spißen geteilt werden, die unteren jind Fein und ziemlich ftarf gekrümmt. Die Zehen find auf der Unterfeite jtarf behaart: eine bei Hochnordiichen und Hochgebirgs- tieren oft wiederkehrende Eigentümlichkeit. Der Schwanz ijt äußerlich nicht jichtbar. Sämt- liche lebenden Pfeifhafen find Gebirgs- oder wenigjtens Hochjteppentiere, und e3 fieht aus, als ob in der Stammesgejchichte ihre bejte Zeit bereits vorüber wäre. Denn während alle heutigen Arten einer Gattung angehören, führt Trouejjart im Säugetierfatalog nicht weniger als drei fojjile Gattungen mit 20 Arten und Unterarten auf, die alle zur jüngeren Tertiärzeit (Mio-, Pliozän) und im Pleiftozän Europa und zum großen Teile Deutjchland (Weihenau, Steinheim, Eppelsheim) bewohnten. Wie Nehring in feinen „Steppen und Tundren” zuerjt nachgemwiejen hat, gehören jie zu den Tieren, „welche nad) der Eiszeit durch das jteppenartig gewordene Deutjchland bis zum Nhein und weiter vordrangen”. Auch im hohen Norden jteigen Pfeifhajen bis in die Tundra herab. Ahr Hauptgebiet find aber die zentralafiatifchen Berge; in feiner Gebirgsgruppe vom Himalaja bis Kamtjchatfa wird man jie vergeblich juchen, aber die transfajpiichen Steppenmwiüjten jegen ihrer Verbreitung eine jcharfe Grenze; weder im Raufaju3 noch in Kleinafien oder Syrien findet fich ein Pfeifhafe, jchon im rufjiichen Turfeitan jcheinen jie zu fehlen. Nur eine Art (Ochotona pusillus Pal.) geht in der ebenen Steppe bis zur Wolga mejtlich. (Kobelt, „Die Verbreitung der Tiermwelt”.) Diefer Zwergpfeifhaje, Ochotona pusillus Pall. (Lagomys), ein nur 14,5 cm langes Tierchen mit weichem, graubraunem, unterjeits weißlihem Pelz und weiß gefäumten Ohren, verdient hier vorangeftellt zu werden, weil er, in Ojtrußland, an der Wolga und auf dem Ural Heimijch, Heute noch zur europäifchen Säugetierwelt gehört. Doc macht W. A. Lind- holm, von dem „Der Zoologijche Garten“ (1901) Tagebuchnotizen „Zur Kenntnis des Ziverg- pfeifhajen” bringt, dazu die Einjchränkung: „Nac Karelin foll ji) fein Vorkommen im europäijchen Rußland nur auf die Täler des Objchtiht Syrt3 bejchränfen” (Mittellauf des Uraljlujjfes nördlich vom Kafpiichen Meere). Der Ziwvergpfeifhaje, der von den Bajchfiren des obengenannten twaldlojen Hügellandes „Säafildäf turfan” genannt wird, bewohnt dort „die zwiichen den Hügelfetten fich erjtrecfenden Täler und Niederungen. Ein von ihm be- > borzugter Standort jind die dichten, gejtrüppartigen Miniaturwäldchen der Zivergmandel (Amygdalus nana) und der ‚Tichiliga‘ (Caragana frutescens), die jich längs der Taljohlen Hinziehen. Hier jucht er Dedung und Schuß vor feinen zahlreichen gefiederten Feinden. Am Flußufer fand ich ihn gleichfalls nur an mit Weiden und Hedrojengebüjch gejchüßten Etellen. Sn der offenen, mit Setdengras (Stipa pennata) bededten Steppe habe ich ihn jo - gut wie nie gejehen. Er liebt jungfräulichen Boden; ängjtlich jegliches Kulturland meidend, bezieht er Brachfelder, die an fein Wohngebiet ftoßen, nur ungern, und aud) dann nur, wenn jich bereits jtattliche Artemisia-Stauden darauf erheben.” Die Baue jind bei der Öe- jelligfeit des Tieres „stetS nur wenig voneinander entfernt. Sie beitehen aus einem Stejjel, in den von der Oberfläche 3—5 röhrenartige Gänge führen. Bon diejen Röhren find Die meijten jchräg angelegt; doch führt ftet3 eine jenfrecht in den Kejjel. Die Länge diejer leb- teren Ihwankt nach meinen Mejjungen je nac) der Bodenbejchaffenheit ziwijchen 50 und 70 em, und der Ktejjel befindet jich Dementjprechend in der angegebenen Tiefe. Alle Röhren haben etiva 8 cm im Durchmejjer. Der Zmwergpfeiihafe ift ein ausgejprochenes Nachttier, das am Tage nur bei trüber Witterung feinen Bau verläßt. 14 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Pfeifhafen. j „Sobald der Frühling endgültig in der Steppe feine Herrjchaft angetreten Hat, was gewöhnlich mit Beginn des April gejchieht, jo regt fich auch jchon der Paarungstrieb bei dDiefem Heinen Nager. Er äußert fich Durch das eigenartige Pfeifen (das dem Schlage unjerer Wachtel ähnlich Hingen foll)... Ob diefe Stimmänßerung beiden Gejchlechtern oder nur dem männlichen zufommt, wage ich nicht zu entjcheiden.” Die Paarzeit „erreicht ihren Höhepunft im Mai, währt jedoch bis in die zweite Hälfte de3 Juli hinein“, wahrjcheinlich weil mehrere Wirfe hintereinander gemacht werden wie bei unjeren Hafen und Staninchen. Yon zweiten Drittel des Juni an fand Lindholm Junge, die etwa Halb jo groß wie erwachjene Tiere waren, _ aber ich bereitS von den Alten getrennt hatten. Die Stimme ift „ein fünf- biS achtmal ziemlich Schnell nacheinander ausgejtoßener, einfilbiger, metalliich Hingender, im Tone all- mählich finfender Pfiff, der am beften mit ‚tichiof, tfchiof, tichiof‘ (fünf- bi3 achtmal wieder- holt) wiedergegeben werden fan. Fremd berührt diejes Pfeifen das Dhr des Ausländerz, der e3 zum erjtenmal vernimmt. Ihm liegt jedenfalls die Vermutung näher, daß es der Kehle eines ihm unbekannten Vogels al3 der eines Säugetieres entjtammt. Der Yiwerg- pfeifhaje nährt fich von verjchiedenen zarten Pflanzenteilen. Geine beliebtejten Tutter- pflanzen find die niedrigen, feinblätterigen Artemisia-Atten, die in der Steppe ojt rajen- artig größere Stellen bededen. Wie eine ganze Anzahl anderer Nagetiere hat aud) er jid) an die Wafferarmut feines Standortes anpafjen müjjen; denn, von Gemäljern meijtens weit entfernt, ift er darauf angewiejen, feinen Durft durch den fpärlih-und nicht reger mäßig fallenden Tau und die jeltenen Negengüfje zu löjchen. „Da der Zmwergpfeifhafe nicht zu den Winterjchläfern gehört”, zugleich aber „die Schneejchicht gerade an feinen Standorten, nämlich in den Tälern und Kiederungen, danf den Anmwehungen der Schneeftürme die größte Diefe erreicht”, jo muß er wie einige Wühl- mäufe „während des Winters zwijchen Schneejchicht und Bodenoberfläche” ein Halb unter- irdiiches Leben führen. — Nac) Lindholm find Gehör und Geruch jehr jceharf entiwidelt, das Sejicht aber jchwächer. Der Zwergpfeifhafe ift „wenig jcheu, läßt den Menjchen nahe Heran- fommen und ftürzt dann eilfertig dem nächjten feiner Nöhrengänge zu, um darin zu ber- ichwwinden. Übrigens jcheint diefe Dummbdeeiftigfeit ihren Grund eben in dem fchiwächer entwidelten Sehvermögen zu haben.” Der Menjch verfolgt den Siwergpfeifhajen nicht, „it aber troßdem fein ärgjter Feind, da er ihm durd) den AUderbau große Territorien unbewohn- bar macht, und auf diefe Weije leider am erfolgreichjten zur Ausrottung diejes Heinen, interejjanten und durchaus unschädlichen Nagetiere beiträgt”. Sn der Pleiftozänzeit verbreitete jich der Zwergpieifhaje noch jehr viel weiter nach Beiten, über Mitteldeutichland, England, Belgien, Frankreich, Nehring fand ihn im Löß von Beijteregeln bei Magdeburg und im Diluvium von Thiede bei Braunjchweig und machte ihn mit einigen anderen Fleinen Steppennagern (Springmäufen, Hamftern, Lemmingen) zum Haupt- jtüßpunfte feiner Theorie von einer Steppenperiode Norddeutjchlands zwijchen den Eiszeiten. Dasjelbe gilt für den Doppelt jo großen ©ibirifschen oder Alpen-PBjeifhajen, Ochotona alpinus Pal. (Lagomys). Diejer erinnert in Öejtalt und Größe an das Meer- jchweinchen; doch ift der Kopf länger und fehmäler und die Schnauze weniger jtumpj. Ter Leibesbau ijt gedrungen, der Schwanz äußerlich ganz unjichtbar und nur durch einen Heinen Tetthöcer angedeutet, das mittelgroße eirunde Ohr auf der Außenfeite fajt nadt. Auf der DOberjeite ijt der raue, dichte und Furze Velz auf rötlichgelbem Grunde fein jchwarz ge= jprenfelt, während die Seiten und der VBorderhals einfarbig roftrot erjcheinen; die Unterjeite e Pfeifhale. SCART u Pan N Sibirijher Pfeifhaje. DOtogono. 15 und die Beine find Ficht oefergelb; die Kehle ift graulich, die Außenfeite der Ohren jchrwärz lich, die Snnenjeite gelblich. Einzelne Stüde find einfarbig tiefjchwarz gefärbt. Erwachjene Alpenpfeiihajen werden etiwa 25 cm lang. - Die erften Mitteilungen über daS Leben der Pfeifhajen Hat Pallas gegeben, Nadde - Hat weitere Beobachtungen veröffentlicht, Prichemwalifi neuerdings beider Berichte wejent- lich vervollftändigt. Der Alpenpfeifhaje gehört der ganzen ungeheuren Gebirgsfette des Nordrandes Inner- und Hinterajiens an, fommt aber, nach Trouejjart, aud) in Kamtjchatfa vor. Er bevorzugt, nad) Radde, die waldigen Gegenden und meidet die fahlen Hochjteppen, in denen er durch eine zweite, auf unferer Farbentafel abgebildete Urt, den Dtogono (zu deutjch: der Kurzichwänzige) oder die Dgotona (O. dauricus Pall.), erjegt wird. Diejer - Rieiihafe wählt, nach Prichemwaljfis Erfahrungen, zu feinem Aufenthalte ausjchlieglich einen wiejenartigen Teil der Steppe, namentlich wenn diejer hügelig ift, tritt aber auc) im Bai- falgebirge nicht allzujelten auf. Jr der nördlichen und fünöftlichen Mongolei begegnet man ihm häufig; in der wüjtenhaften Gobi dagegen fehlt er jajt überall ganz. Kleine, jelbitgegrabene Höhlen und natürliche Felfenrigen jind die Wohnungen der Pfeifhafen. Ihre Bauten ftehen jtetS in Siedelungen von mwechjelnder, regelmäßig jedoch erheblicher Anzahl der einzelnen Höhlen, jo daß man da, two man eine von Diejen entdeckt bat, ihrer zehn, Hundert, ja jelbit taufende wahrnehmen fann. Bei hellem Wetter liegen die Tiere bis Sonnenuntergang verfteckt, bei trüben Simmel find fie in voller Täfigfeit. Nach Ein- tritt ftrenger Winterfälte verlajjen die Ogotonen, obgleich jie auch dann wach bleiben, ihre unterirdischen Wohnungen nicht; jobald aber die Kälte nachläßt, fommen fie zum VBorfchein, - jeßen fich vor dem Eingang nieder, um jich an der Sonne zu wärmen, oder laufen, laut pjei- jend, eiligft von einer Höhle der andern zu. In ihrem Wejen paaren jich Neugier und Furcht. ‚Einen nahenden Menjchen oder Hund betrachten fie jo lange, daß der eine wie der andere bis auf 10 Schritt an jie heranfommen Ffann, bevor jie, nunmehr aber blisjchnell, in ihrer Höhle verichwinden; bald jedoch überwindet Neugierde die Furcht: nad) einigen Minuten zeigt jich am Eingange der unterivdiichen Wohnung wiederum das Köpfchen des Tieres; e3 jpäht ängftlich in die Runde und erjcheint, jobald der Gegenjtand des Schredens Jich ent- — fernt hat, jofort wieder auf der alten Stelle. Radde nennt die Pfeiihajen tätige, friedliche _ und jehr jleißige Nager, die große Vorräte von Heu jammeln, in regelrechter Weije jtapeln und zumeilen mit breitblätterigen Pflanzen zudeden, um fie vor dem Regen zu jchüßen. Die Dgotona beginnt Schon Mitte Juni für den Winter zu fammeln und ift zu Ende des Nio- nat3 damit aufs eiftigfte bejchäftigt. Sie ift nicht wählerijch: wo fie nicht gejtört wird, nimmt jie wohl gern die jaftigften Kräuter an, begnügt ich aber an Orten, wo muttwillige Knaben ihre Vorräte zerjtören oder das weidende Vieh jie auffrißt, mit Pflanzen, die jonjt von den _— Tieren verjchmäht werden. Die von ihr zufammengetragenen Heuhaufen erreichen 12 bis ur y» 18 cm Höhe und 15—30 cm Durchmejjer; wenn die Feljen zerflüftet jind, werden die Riten j als Scheunen benubt. Zu dem Baue führen jchmale Pfade, welche die Pfeifhajen aus- getreten haben, und zu deren beiden Seiten fie die furzen Gräjer abweiden. Stört man die jleikigen Sammler in ihrer Arbeit, jo beginnen fie dieje bald aufs neue, und mand- mal jchleppen fie noch im Ceptember die bereits vergilbten Steppenpflanzen zujammen. Wenn der Winter eintritt, ziehen fie vor ihren Höhlen Laufgräben unter dem Schnee bis zu den Heujchobern; diefe Gänge find mannigjach gefrümmt und gewunden, und jeder einzelne hat fein Luftloch. 16 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Pfeifhajen Der Schrei des Alpenpfeifhafen, den man noch um Mitternacht vernimmt, ähnelt dem tuf unferes Buntjpechtes und wird, jelten öfter al3 dreimal, rajch hintereinander mieder- holt. Die Ogotona pfeift nach Art der Mäufe, aber lauter und Heller und jo oft Hinterein- ander, dat ihr Auf wie ein jchrilfender, ziichender Trilfer Hingt. Zu Anfang des Sommers wirft das Weibchen, laut Pallas, gegen jech$ nadte Junge und pflegt jie jorgfältig. - Die Peifhafen Haben viele Feinde, weil fie als Feine, majjenhaft vorfommende Nager eine natürliche und bequeme Naubtier- und Naubvogelnahrung find. Sie werden zivar von den Sägern Oftiibiriens nicht verfolgt, aber fortwährend von Manulfage, Wolf, Korjaf, von verjchiedenen Adlern und Falfen belauert und ziehen im Winter die Schnee-Eule, ihren ge- rährlichjten Gegner, geradezu herbei. Aber auc) ver Mensch jchädigt die Harmlojen Nager, weil er die mühevoll gejammelten Vorräte raubt. „sn jchneereichen Wintern treiben die Mongolen ihre Schafe in jolche Gegenden, wo viele Dgotonen leben, oder füttern ihre Pferde mit dem von diejen gejtapelten Heu. Sm Säugetierbande der „Wifjenjchaftlihen Rejultate” von Prichewaljfis Neijen nad) Zentrafafien hat der Vetersburger Afademifer und Säugetierfundige Eugen Büchner eine ganze Neihe weiterer Pfeifhajenarten gejchildert, von Mübel prachtvoll abbilden lajjen und auch Brichewalitis Notizen über ihre LXebensmweije ENAREDENDE EBEN Diefe mögen hier noch Blat finden, ne fie Neues berichten. O. roylei Og (Taf. „Nagetiere 1”, 1, bei ©. 18), vom Himalaja (Kafchmir bis Siffim), Ganjı, Nanjchan, Südojt-Tibet, Motıhin, wählt Au jeinem Aufenthalt die Gebüjche der hochalpinen Zone, von two er auch in den Baumgürtel Hinunterfteigt; ojfeıe Wiejenflächen werden bon ihm gemieden. — O. rutilus Sev., aus Turfeftan, Nanjchan, Kajchmir, Ladak, _ Silgit, Nowdoft-Tibet, Ganfu, lebt auf den Gteinfeldern des oberen Teiles der alpinen Zonen, auf einer abjoluten Höhe von falt 4000 m, zum Teil in wajjerlojen. Schluchten; doch fommt er auch etwas niedriger auf den Alpenwiejen, in Steinen an den Bächen vor, auf Steinfeldern in den längs der Flüjfe angefchwenmmten großen Geröllhaufen. Diejer Pfeifhafe Hettert ganz vorzüglich an beinahe jenfrechten Feljen Hinan. Mitte Juli war der Pelz noch nicht ganz ausgehaart, und die Weibchen Hatten Junge oder waren (wahrjcheinlich zum zweiten Male) trächtig. — O. erythrotis Büchn., in Ganfu und Nordoft-Tibet (Burchan- Budda-Gebirge), wählt zu feinem Aufenthalte die ödeiten Felspartien und Geröllager, wo er auch fehr gejchidt auf den teilen Abhängen umherläuft. Beim Anblid eines Den- chen jeßt er fich auf feine Hinterbeine, fauert ich zufammen und gleicht dann dermaßen einem Steine, daß man ihn faum unterjcheiden Fann. „süchle, Wölfe, bejonder3 aber Bufjarde, Habichte, Falken und fogar Adler (Aquila bifasciata)”, berichtet Büchner, „vertilgen täglich eine unzählige Menge diejer Pfeifhajen. Die Bufjarde (Archibuteo hemilasius) nähren fich jo ausichließlich von Ogotonen, daß jogar bei der Wahl ihrer Winterquartiere in der Gobi in erjter Linie die Anzahl der in Rede Ttehenden Nager den Auzfchlag gibt. Bei der befannten Fruchtbarkeit diejer leßteren Tann nur eine derartige Vertilgung ihre übermäßige Vermehrung verhindern.” in jchönes Beijpiel für den natürlichen Gleichgemwichtszuftand in der unverfälichten, vom europäijchen - Kulturmenfchen noch unverlegten Natur! Ähnlich mögen auch in. unferer eigenen Heimat die Mäufejahre und Hamjterplagen verhindert worden fein, ehe wir jelbit jie jozujagen heraufbejchtvoren durch mwidernatürliche Verminderung des Raubzeuges. „Im Auguft 1883 auf dem Marfche von Ula-fchan nach Urga fonnte man in der Gobi Weitere afiatiihe Pfeifhajen. 17 überall int der Nähe der bewohnten Höhlen nicht eben große Heuhaufen von 2—4, zuweilen fogar 7—8 Pfund wahrnehmen, welche zum Winter gejammelt waren und jebt getrocknet wurden. Sn diefem Heu fanden wir verjchiedene Gräjerarten, Artemisia, Kompojiten und Papilionaceen, zuweilen, auch Zweige des Heinen, jtacheligen Ktaraganjtrauches vor. Dieje Kräuter waren jorgfältig in Form von Haufen immer in der nächjten Nähe der Röhren- miündung zufammengelegt; zumeilen fonnte man wahrnehmen, daß auch Heu, mohl zur Aus- fütterung des Lager3, in die Höhle gejchleppt, das alte Heu herausgeworfen war. rn den Tälern, in welchen viel Jris wächjt, Jammelt der Ogotono auch dieje Pflanze, wobei er jie gleichfalls zuerft vor feiner Wohnung Herumjtreut und oronet.“ Bon ©. melanostomus Büchn. heißt es: „Diejer Pfeifhaje jiedelt jich in nicht bejon- ders tiefen Höhlen an, die am häufigjten auf abjchüfjigen Wiejfenabhängen angelegt werden; auch bewohnt er in großer Anzahl vollitändig ebene Flächen, doch tut er die weniger gern, wohl aus dem Grunde, weil ftarfe Regengüfje hier jeine Baue unter Wajjer jegen, wobei er in Menge umfommt. Jm nördlichen Tibet febt er jomwohl auf den (vorzugsiweije nörd- lichen) Wiejenabhängen der Berge alS auch auf den hier von Cobresia tibetica bejtandenen hügeligen Sümpfen, den jogenannten Moto-jchirifi. Sein Wohngebiet reicht bis gegen 6000 m abjofuter Höhe, niedriger al3 3000 m ijt er nirgends angetroffen worden. \jn den ihm zufagenden Gegenden durchlöchert diefer Pfeiihafe mit jeinen Bauen Durchgehends die Oberfläche. Zumeilen jtehen auf einem Areal von mehreren Duadratiwerjten menigjtens zivei, drei Höhlen auf jeden Duadratfaden; an jolchen Stellen ijt ein jchnelles Reiten ge- radezu unmöglich, da das Pferd in diefe Höhlen durchbricht und fortwährend ftolpert. Die Beifhajen jelbft hHufchen vor dem Wanderer bejtändig Hin und her oder jigen unbemeglic) bor den Röhrenmündungen. Diejfer Nager ift übrigens ziemlich vorjichtig. Beim Berlajjen des Baues jtredt er gewöhnlich zuerjt jeinen Kopf aus der Röhre vor, hebt ihn in die Höhe und fpäht lange Zeit umher; in einer jolchen Lage fann er zumeilen ftundenlang unbemweglich dafien... Die Ranzzeit fällt in. den Frühling, doch vergeht dieje Beriode ganz unmerklich, wie überhaupt bei den feinen Nagern. Adler, Bufjarde und Falken nähren jich während ihres Durchzuges durch Tibet fajt ausjchlieglich von diejen Pfeifgajen und Halten jich zu diejer Zeit in großer Anzahl in den Steppen des Kufu-nor, jpeziell wegen der hier in Menge vorkommenden Pfeifhajen, auf; teilweije bleiben dieje Räuber Hier auch zum Winter... Ende Juni 1880 fam im Gebiete de3 Kufu=nor nach mehreren jtarfen Regengüjjen eine unzählige Menge diejer Pfeifhajen in ihren Behaufungen um; viele Tiere, welche noch Zeit hatten, ihre Baue zu verlajjen, ertranfen jpäter oder famen infolge des Falten Regens umt. Sn den Steppen lagen überall die Leichen diejes Tieres herum, welche jest von Naben, Milanen, Buffarden und Adlern aufgeräumt wurden. Wahrjcheinlich treten derartige Fälle jowohl Hier als in ganz Tibet, wo Sommerregen gleichfalls jehr Häufig jind, nicht jelten ein. Dieje Sommerregen find den Pfeifhafen derart läftig, daß jie die Tiere zumeilen zu einer Auswanderung aus den Tälern in die Berge zwingen; jo begegnete W. Roboromjfi in der Abenddämmerung am 7. Juli 1880 in den Bergen nicht weit vom Kufusnor einer Herde bon etiva 50 Pfeifhafen, welche jich vor den Negengüfjen rettete und in gedrängten Haufen längs dem Fluß Araschaldiyn-gol hinaufliefen, um trocdnere Stellen aufzufuchen. „Dort, too fich Pfeifhafen anfiedeln, frejjen fie das Gras und alle jeine Wurzeln, Die jie aus der Erde ausgraben, vollitändig auf, jo daß nicht jelten große Wiejenflächen jomohl im Gebiete des Kufu-nor als im nördlichen Tibet ganz kahl werden. Dann fiedeln die Tiere in die Nachbarjchaft über; während die abgemweidete Fläche fich binnen Anzen neu begrünt, Brehm, Tierleben. 4. Aufl. XI. Band. 2 18 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Pfeifhajen. um mit der Zeit wahrjcheinlich wieder von Pfeifhajen bewohnt zu werden. Diejer Pfeif- haje (O. melanostomus) febt immer zufammen mit zwei oder jogar drei Arten von Erd- finfen (Montifringilla mandelli Zume, ruficollis Blanf. und blanfordi Hume), toelche in den Höhlen diejes Nagers die Nacht verbringen, dorthin fich bei Gefahr retten und dort aud) brüten. Die Verbreitung diefer Bügel ift eng an die der Pfeifhafen gebunden. . „Die nichtsbedeutend diejer Pfeifhafe an und für fich auch fein mag, fo übt er doch in der Majje einen nicht unmwejentlichen Einfluß auf die Umarbeitung und Veränderung der von ihm bewohnten Gegenden aus. Co liefern die entblößten Flächen des Lehmbodens und die von Millionen Pfeifhafen aus den Höhlen gegrabene Lehmerde ein ergiebiges Material für den Lößjtaub, der von Stirmen aus den Steppen des Kufu-nor-Gebietes in das benachbarte China getragen wird und ganz allmählich den Kufusnor felbft verjchüttet. Dexjelbe Pfeifhaje jpielt in Nordtibet gleichfalls eine bedeutende Rolle in der Umarbeitung der Erdoberfläche. Die unzählige Menge diefer Nager durchlöchert mit ihren Bauen nicht jelten durchgängig große Flächen des tibetanifchen Hochplateaus; die eingefallenen oder die unter Regenmwajjer gejesten Höhlen werden fortwährend durch neue erjeßt. Die aus- gegrabene lodere Lehmerde wird von Winden Davongetragen oder durch Negen von den Gebirgsabhängen abgejpült, und es bleiben entblößte Stellen und mehr oder weniger große Löcher nach. Außerdem Iodern diefe Nager beim Ausgraben verjchiedener Gras- wurzen den Boden auf und verunftalten damit die Oberfläche noch mehr. Diefen Um- jtänden ijt e8 auch zugufchreiben, daß man im ganzen nordöftlichen Tibet, ganz bejonders auf den Gebirgsabhängen, jo häufig fahle Stellen antrifft, aber eine Wiejenfläche felbjt nur bon einigen Quadratfaden Ausdehnung vergeblich jucht. Da Stürme und Negengüffe- die bon den Pfeiihajen geloderte Erde von den Bergabhängen fortführen, und der größte Teil diejer Erde in den Gebirgstälern abgejeßt wird, jo befördert außerdem noch diefe Exrdarbeit der Beifhafen, in Verbindung mit anderen Faktoren, ein fchnelleres Berichütten der Ge- birgstäler und fomit auch eine Ausgleichung im Relief des Landes.“ Welch tiefgreifenden Einfluß übt aljo folch Heines Nagetier auf die ganze Erdober- jlächengeftaltung feiner Heimat jeit grauer Vorzeit fchon durch die ununterbrochene Arbeit jeiner vieltaufendföpfigen, in die Millionen gehenden Mafjen, die troß aller Verfolgung und Vernichtung in umerjchöpflicher Fruchtbarkeit fich immer wieder erfegen! Und ver- gegenmärtigt man ich die Entjtehung der Lößablagerungen als fturmvermwehter Staub- majjen, wie jie der große Geograph Ferdinand v. Nichthofen zuerjt Far erkannte in China, dem größten Löhgebiete der Erde, dann muß vor unferen Augen zugleich die Bedeutung der Mitarbeit des Pfeifhajen twachjen, diejes Kleinen, weiteren reifen ganz unbekannten . Nagerz; denn auch bei uns gibt e3 Löhjchichten, und in ihnen liegen al3 Beweije einer dilu- bialen Steppenzeit Deutjchlands Pfeifhajenreite. Nicht weniger als fünf Arten lebten da- mals in Süddeutjchland nebeneinander, und das mag fo zu erklären fein, daß fie fich ähnlich in etwas verjchieden geartete Standorte teilten, wie oben von den heutigen Arten Inner aliens gejchildert. Nacd) dem VBorjtehenden ijt um fo mehr zu bedauern, daß nur in ganz jelterem Aus- nahmefalle vielleicht ein lebender Pfeifhafe in irgendeinem Tiergarten gezeigt werden fonnte, Von einer amerifanifchen Art, dem Pifa, Ochotona princeps Rich. (Taf. „Nage- tiere 1”, 2), aus den nördlichen Rody Mountains, bringen Stone und Cram in ihren „Ame- rican Animals‘ twenigjtens zwei jehr gute Nugenblidsaufnahmen, vom freien, twildlebenden +05 W y; \3 ni 3 * ; a | Er INN! j\ 'M 1/3 nat. Gr., s. S. 16. 2. Pika 1/2 nat. Gr., s.S.18. — Doubleday, Page u. Co. phot. Nagetiere 1. % Pfeifhafe, Ochotona roylei Og. Lewis Mediand, F. Z. S.-Finchley, N., phot. ‚ Ochotona princeps Ric. 3. Nackte Wildkaninchen (3 Tage alt, blind) im aufgegrabenen’Neit. S. 20, 34 u. 35. — Aus „Natur“. 4. Junghaien im oberirdiichen Lager. S. 20 u. 105. Aus „Wild und Hund“, Achim v. Arnim -Wiepersdorf b. Reinsdorf (Mark) phot. Pika. 19 Tiere getvonnen, die diefes vermöge der verhältnismäßig großen Ohren bedeutend hajen- ähnlicher erjcheinen lafjen. Nach Merriam follen die amerikanischen Pfeiihafen oder Pifas troß ihrer furzen Beine fehr rajch laufen Fönnen und von ihren Bauen zu ihren Weide- gründen beträchtliche Entfernungen zurüclegen. Die Heuftapel für den Winter machen fie ‚ebenfalls. Sie jcheinen nie fett zu werden, und ihr abgemagertes Ausjehen hat ihnen bei den Bergleuten gemwijjer Gegenden den Namen „Hungerratten” eingetragen. * Die zweite natürliche Familie der Doppelzähner find die Hafen im weiteren Sinne (Leporidae). hre allgemeinen Kennzeichen find: gejtredter Körper mit hohen Hinter- beinen, langer, gejtredter Schädel mit großen Ohren und Augen, fünfzehige Border- und bierzehige Hinterfüße, Dice, Höchit bewegliche, tief gejpaltene Lippen mit jtarfen Schnurren zu beiden Seiten und eine dichte, fajt wollige Behaarung. Nur auf Madagaskar und im Auftraliihen Reiche würden ohne Zutun des Nenjchen Hafen fehlen; gegenwärtig aber find auch in Auftralien und Neujeeland ztvei Arten weit verbreitet. Die Hafen leben in allen Klimaten, in Ebenen und Gebirgen, in offenen el- dern und Feljenjpalten, auf und unter der Exde, furz überall, und two die eine Art aufhört, beginnt eine andere, die Gegend, welche von diejer nicht ausgebeutet wird, hat in einer anderen einen zufriedenen Bewohner. Alle nähren ich von weichen, jajtigen Pflanzen- teilen; doch Fan man fagen, daß fie eigentlich nichts verjchonen, mas jie erlangen fünnen. Sie verzehren die Pflanzen von der Wurzel bis zur Frucht, wenn fie auch die Blätter niedriger Kräuter am liebjten genießen. Die meijten leben in bejchränftem Grade gejellig und halten jet treu an dem einmal gewählten oder ihnen zuerteilten Standorte jeit. Hier liegen fie den Tag über in einer Vertiefung oder Höhle verborgen; de3 Nachts dagegen jtreifen fie umher, um ihrer Nahrung nachzugehen. Sie ruhen, ftrenggenommen, bloß in den Mittags- ftunden und laufen, wenn jie fich jicher fühlen, auch morgens und abends bei hellem Sonnen- ichein umher. Ihre Bewegungen find ganz eigentümlicher Art. Die befannte Schnelligfeit der Hafen zeigt jich bloß während des vollen Laufes; beim langjamen Gehen bewegen jie jic) im höchjten Grade ungejchict und tölpelhaft, jedenfalls der langen Hinterbeine wegen, die einen gleichmäßigen Gang erjchtveren. Sie „hoppeln” dann, d. H. fie bewegen ich nur mit den Rorderbeinen abtvechjelnd und fehrittweije, jchieben aber die Hinterbeine gleichzeitig hüpfend nach; das macht auch ihre Spur (dgl. Abb., ©. 90), namentlich im Schnee, jchon meithin fenntlich. Doch vermögen fie aucd) Wendungen aller Art im jchnellften Laufe zu machen und offenbaren dann eine Gewandtheit, die man ihnen nicht zutvauen möchte. Das Wafjer meiden fie, obwohl jie im Notjalle über Flüjje jeben. Unter ihren Sinnen fteht vielleicht der Geruch obenan: aber auch das Gehör er- zeicht Hier eine Ausbildung wie bei wenig anderen Tieren, unter den Nagern jicherlich die größte; das Geficht ift [ehwächer, doch ebenfalls nicht jchlecht entwicelt.. Die Stimme ilt ein - Dumpfes Snurren, bei Angjt ein lautes, Hlägliches Schreien. Unterjtügt wird die Stimme, die man übrigens nur jelten Hört, durch ein eigentümliches Aufklopfen mit den Hinter- beinen, das ebenjowohl Furcht wie Zorn ausdrückt und dadurd) den Genofjen ein War- nungszeichen geworden ift. Genaue Beobachter nennen die Hafen geradezu boshaft und unfriedlich im höchften Grade. Allbefannt ift ihre Furcht, ihre Aufmerffamfeit und Scheu, weniger befannt die Lift, die fie fich aneignen und mit zunehmendem Alter auf eine wirklich beiwunderungswürdige Höhe fteigern. Auch ihre Feigheit ift nicht fo arg, wie man glaubt. DE; 20 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hafen im weiteren Sinne. Man tut ihnen jedenfalls unrecht, wenn man dieje Eigenjchaft jo Hervorhebt wie Linne, der den Schneehajen für ewige Zeiten mit dem Namen eines Feiglings gebrandmarft hat. Wenn auch die Vermehrung der Hafen nicht jo groß ift wie bei anderen Nagern, bleibt fie doch immerhin jtarf genug, und der alte Ausjpruch der Jäger, daß der Hafe im Frühjahr jelbander zu Felde ziehe und im Herbite zu 16 zurücfehre, hat an Orten, wo das Leben unjerem Lampe freundlich lacht und die Verfolgung nicht allzu Schlimm ift, feinen vollen Wert. Die meilten Hafen werfen mehrmals im Jahre, manche 3—6, ja bis 11 Funge; fait alle aber behandeln ihre Sprößlinge in einer überaus leichtjinnigen Weife, und daher fommt es, daß jo viele von diejen zugrunde gehen. Außerdem jtellt ein ganzes Heer von Feinden dem jhmadhaften Wildbret nach, in jedem Erdteile andere, aber in jedem gleich viele. Für unjer Deutjchland hat Wildungen die Feinde in einem Juftigen Reim zujammengejtellt, den ich hiermit al beiten Beweis der Menge anführen will: „Menschen, Hunde, Wölfe, Lüchfe, Kaben, Marder, Wiefel, Füchie, Adler, Uhu, Raben, Krähen * Seder Habicht, den wir jehen, Eljtern auch nicht zu vergeifen, Alles, alles will ihn — freffen.” Kein Wunder, daß bei einer jolhen Majje von Feinden die Hafen fich nicht jo ver- mehren, wie es jonjt gejchehen würde — ein Glüd für ung, daß dem fo ift; denn jonjt würden fie unjere Feldfrüchte rein auffrejjen. m allen Gegenden, wo jie jtarf überhandnehmen, werden jie ohnehin zur Landplage. Wenn wir die beiden Hafenartigen unjerer Heimat, den Hajen und das Kaninchen, betrachten, jo will es jcheinen, al3 ob ich der ganze Inhalt diejer Nagerfamilie ohne weiteres in ztvei Lager jpalten lajjen müßte, die mit tiefgreifenden Unterjchieden einander gegen- überjtehen. Sind doch unjere beiven Hafenartigen in ihren einzelnen Körperverhältnijjen, in Xebens- und Fortpflanzungsiweije jo verjchieden, daß zwijchen diefen nahen Verwandten ein unzweifelhafter Fall fruchtbarer Bermijchung bis jegt Faum nachgetwiejen werden fonnte, obwohl namentlich belgische Liebhaberkreije dieje Bermijchung für jo jelbitverjtändlich hielten, daß jie längjt den Namen Leporiden für die angeblichen Mijchlinge erfunden hatten und mit jolchen ganz germohnheitsmäßig handelten und züchteten! Unjer Haje Hat jehr verlängerte Hinterbeine, verhältnismäßig langen Stummeljchwanz und überfopflange Ohren; er drückt jich über der Erde nur in ein ganz flaches Yager und wirft wenige, bereits behaarte und jehende, der Drtsbemwegung fähige Junge. Unjer Kaninchen dagegen hat wenig verlängerte Hinterbeine, verhältnismäßig furzen Schwanzftummel und unterfopflange Ohren; es gräbt fich unterivdijche Höhlen und mirft in Diejen viele nacdte und blinde, der Ortsbewegung zunächit unfähige Junge (Taf. „Nagetiere [”,3u.4, bei ©. 19). Da’gibt e3 gar feinen Zweifel, was Hafe, was Kanin- chen ift. Anderz, jobald wir die Fülle der ausländischen Formen mit heranziehen. Dann finden wir, wie jchon 9. Schlegel.in den „Notes“ feines „Leyden Museum‘ (1880) hervorhebt, daß die jcheinbar zufammengehörigen Körperverhältniffe im einzelnen beliebig wechjeln, daf e3 3. B. Urten gibt, wie den jüdafrifanischen Berghajen (L. saxatilis), die noch längere Ohren haben als unjer Lampe, und wieder andere, wie den japanischen Kurzjchtwanzhafen, die troß furzer Ohren und Furzen Schtwanzes durch ihre langen Hinterbeine zu Hajen gejtempelt werden. Und mas die Lebens- und Fortpflanzungsmeije anlangt, für uns hier das Wic)- tigjte, jo hat man den Eindrud, als ob darin längjt noch nicht alles, genau erforjcht, fejtjtünde, als ob Sammelreijende und wijjenfchaftliche Bearbeiter fich bis jegt weit mehr mit der Nomeros Haje. Kurzohr-Kaninden. 21 Artbejchreibung al3 mit der Lebensfunde der Hajenartigen bejchäftigt hätten. Doch darf man wohl annehmen, daß weitaus die Mehrzahl der bejchriebenen Arten Hafen im engeren Sinne find und nur wenige ich näher an unfer Kaninchen anfchliegen. Wir jtellen Ddiefe voran, weil fie mit ihren Fürzeren Hinterbeinen noch weniger einfeitig in einer bejtimmten Lebensrichtung ausgebildet erjcheinen. Die neun Gattungen und Untergattungen, in die die Familie der Hafenartigen (Leporidae) heute zerfällt, fönnen mir hier nur injofern be- rüchichtigen, als fie durch bemerfenswertere Eigentümlichfeiten dazu auffordern. Nomeros Hafe von den Hängen des merifanischen Bulfans Popofatepetl, Romero- lagus nelsoni Merr., den Hart Merriam erjt im Jahre 1896 entdeckt, bejchrieben und dem langjährigen Minifterrefidenten Merifos in den Vereinigten Staaten, Don Nomero, zu Ehren benannt hat, entfernt fich von allen übrigen Hajen und nähert jich den ‘Pfeiihajen dadurch, daß er gar feinen fichtbaren Schwanz hat. Durch die Längenmaße der Ohren und Hinterbeine fchließt ex fich anderfjeits dem Kaninchen an, und auch im Schädelbau gleicht er diefem jehr. In anderen Einzelheiten des Kinochenbaues weicht er wieder ab; jo hat er ein ganz volfftändiges Schlüffelbein und nur jechs Rippen, die mit dem Bruftbein gelenfen. Cr bewohnt Rinnjale in dem hohen Grafe, das die Abhänge des Berges bededt. Ganz abjonderlich und vom Hafen jchon im Außeren noch ungleich mehr abweichend als das Kaninchen find zwei indifch-malaiifche Hafenartige, die deshalb hier Aufnahme fin- den mögen, zumal e3 zugleich die einzigen altweltlichen Arten find, von denen mir wijjen oder mwenigjtens annehmen dürfen, daß fie eine mehr faninchenartige Lebensweije führen. Bor Jahren war im ehrwirdigen Amjterdamer Garten ein ganz jonderbares, furz- ohriges, trogdem aber unbedingt hafenartiges Tier zu jehen, das jchon durch jeine merf- wirdige Farbenzeichnung auffallen mußte; denn eS hatte gar nicht3 von der unauffälligen „Wildfarbe” feiner Verwandten, jondern war bunt, Hell und dunfeltot gebändert, jo un- gefähr wie manche graue Hausfagen oder auch twie daS Dunenkleid eines Fajanen- oder Wildentenfüdens. - Diejes „jeltiame Hazje” war das fumatranishe Kurzohr- Kaninchen (Abb., ©. 22), Nesolagus netscheri Schl. (Lepus), getviß da3 eigenartigjte Tier aus der ganzen Hafenfamilie und auch in feiner Heimat anfcheinend fehr jelten. Denn wir Hören von Schle- gel, der e3 benannte, während fein Nachfolger Jentink die Artbeichreibung lieferte, daß e3 jelbft den Eingeborenen unbekannt twar, als Netjcher, ein hoher Beamter der jumatranijchen Kolonialvervaltung, ihm das exjte Spirituseremplar aus dem Hochland von ‘Padang an der Sidmeftfüfte der Inel überfandte. Man begreift Schlegels Überrafchung angefichts diejer unerwarteten Bereicherung feiner Leidener Mufeumzjchäge: war man doch bis dahin ‚überzeugt, da& hafenartige Tiere im Malaiischen Archipel überhaupt nicht vorfämen. Der erfahrene Syitematifer fand aber jofort den natürlichen Anfnüpfungspunft in einer ähn- lich abweichenden Hafen- oder beijer gejagt: Kaninchenform vom indiiden Feitlande, dem Naub- oder Borjtenfaninchen. %.%. van Bemmelen fpricht in einer eingehenden Arbeit über den Gegenjtand, in jeinen 1909 exjchienenen Unterfuchungen „Über den Unterjchied zwijchen Hafen- und Kaninchen ichädeln”, die Anficht aus, Netfchers Hafe, diefer „auf primitivem Standpunkt verharrende Leporide”, fei „ein Nelift aus der Borfahrenreihe der eigentlichen Hajen und Raninchen”, und teilt auch die Gründe für diefe Auffaffung zufammen: nicht weniger al3 zwanzigerlei verjchiedene Schädelmerfmale, „um damit die entgegengefegte Anficht zu befämpfen, nad) 22 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hafen im weiteren Sinne. welcher wir e3 in Nesolagus mit einer durch den Einfluß des tropiichen Urmwaldes rüc- gebildeten Yorm zu tun hätten“. Cr erwähnt aber Doch „auch einige wenige Hinfichten, in welchen Nesolagus jich weiter vom urjprünglichen Leporidentypus entfernt hat als die höch- jtenn Lepus-Arten”. Der ausgezeichnete engliiche Baläontolog und Dfteolog Foriyth Major jagt in jeiner Arbeit „On fossil and recent Lagomorpha“ (, Trans. Linn. Soc.“ 1899): „Aus dem Bau jeiner Borderbeine darf mit Gemwißheit gejchlofien werden, daß er ein fchlechter Läufer ift, und er dürfte unter Umftänden ein Höhlengräber fein; doch ift er unzweifelhaft weniger Örabtier al3 Caprolagus.“ KurzohbreKaninden, Nesolagus netscheri Schl. 1a natürliher Größe. Das Rauh- oder Borftenfaninchen, Caprolagus hispidus Pearson, vom Siüd- juße des Himalaja, aus Bhutan und Affam, namentlich dem jumpfigen Teraigebiet, hat für ein hafenartiges Tier ebenfo auffallend furze Ohren wie Netjchers Haje, Heine Augen und faum längere Hinter- al3 Vorderbeine. Auch die abweichende Färbung finden toir bei ihm wieder: Die im allgemeinen dunfelbraune Farbe der Oberfeite entjteht aus einer Miichung von Schwarz und dem Bräunlichweiß der Unterfeite, das am Bauche Heller ift als an der Bruft. Ganz eigenartig ift der rauhe, borftige Pelz, auf den der Artname Bezug nimmt. Die Lebensweife ift, nach Blanford, nur jehr ungenügend erforscht. Das Tier joll Höhlen graben wie unjer Kaninchen, aber nicht jo gejellig zufammenhaufen. Nach Ausjage der Eingeborenen nährt es fich Hauptjächlich von Wurzeln und Baumrinde; fein Fleifch wäre wei wie Staninchenfleiich. 1898 gibt 3. F. Pollof, der da3 merfwürdige Tier jelbjt gejehen und gejagt hat, noch einige nähere Nachrichten, nach denen diejer in Sammlungen jo jeltene und wenig befannte Nager in den „„Dooars“ am Fuße der „Bhootan hills“ jogar jehr häufig ift; Pollof Hat ihn an den Ufern des Brahmaputra unterhalb Dhoobri gejehen. Wildkaninchen. N . Be 5 Kir = 74 ER 3734 NRauhfaninhen. Europäifches Kaninchen. 3 Die Ohren nennt er jehr Furz und breit, das ganze Tier von jehr dunklem Farbenton, unter» jegtem Bau und Faninchenartiger Erjcheinung, mit Kleinen Augen, kurzen, jftämmigen Glie- dern und Furzen Schnurrhaaren. rn Dacca Heißt es „chwarzes Katinchen”, und die Schi- fariefoldaten behaupten, daß e3 zuzeiten mwühle wie das gewöhnliche Karnidel. E3 bewohnt dichten Bujch, Hohes Gras, Bambusdidichte und ähnliche Orte, wo es jich der Beobachtung entziehen fann, und bei diejem verborgenen Leben ijt e3 jchiver aufzufinden und zu er- langen. Pollof jcho& gewöhnlich eins oder zwei bei jedem Jagdauzflug, den er in die Dovarz ke machte, und gelegentlich war das Tier auch im Bafar von Dacca zu verfaufen, wenn e3 bon eingeborenen Schifaries in der Schlinge gefangen worden war. Die Eingeborenen nerjicherten Pollof, Daß es wenigitens jechs Junge auf einen Wurf bringe. E3 Sm ganzen äußeren Anjehen, namentlich auch durch die jprenfelige „Wildfarbe”, dem Hajen bedeutend näher jteht das Europäiiche Kaninchen, Oryetolagus cuniculus Z. (Lepus); e3 unterjcheidet jich aber vom Hafen durch weit geringere Größe, gedrungeneren Bau, fürzeren Kopf, fürzere Ohren und fürzere Hinterbeine. Die Körperlänge des Tieres beträgt 40 cm, die Schwanzlänge 5,3 cm, das Gewicht des alten Rammlers 2—3 kg. Das Ohr ift Fürzer al der Kopf und ragt, wenn man e3 niederdrüct, nicht bis zur Schnauze —_ vor; e3 hat feinen schwarzen Spitenfled wie beim Hafen, fondern nur einen ganz jchmalen Ihwarzen Rand. Der Schwanz ijt oben jchivarz und unten weiß, der übrige Körper mit einem grauen Pelze befleidet, der oben ins Gelbbraune, vorn in3 Rotgelbe, an den Seiten und Schenfeln ins Lichtroftfarbene jpielt und auf der Unterjeite, am Bauche, der Stehle und der Snnenjeite der Beine, in Weiß übergeht. Der Vorderhals it rojtgelbgrau, der obere wie der Naden einfarbig rojtrot. Farbenabmweichungen find nach) Schäffs „Jagdtierfunde” beim Kaninchen im wilden Zu- . - ftande entjchieden häufiger als beim Hafen. Verhältnismäßig am zahlreichiten find jchwarze x Stüde. Der bayrische Forjtzoolog Fürft Hat bei Ajchaffenburg gelegentlich gelbe Wild- faninchen beobachtet. Nehring berichtete iiber zwei blaugraue, in der Gegend von Wittenberg gejchojjene Stüde, und ein fuchsrotes wurde 1898 bei Kojel erlegt. Ein jehr auffallendes — — Stüd bejchreibt Fr. Ernft („Deutjche Jägerzeitung”, XX). E3 war jchwarz mit bis zum — Sußgelenf gelbbraunen Läufen und fchrvarzer, oben ettvas weiß melierter Blume; mit an- deren Worten: jchvarz mit rotem Brand, wie man beim Tedel und anderen Hunderajjen jagt, englifch „black and tan“. Überblict man überhaupt diefe Schäffiche Lifte von Farben- abänderungen des Wildfaninchens, jo zeigt jich jofort, daß es, wie nicht anders zu erwarten, diejelben jind, die wir beim zahmen Stallfaninchen wiederfinden. Merkwürdigermweije fehlt nur die jonjt Häufigfte Ausartung, der Albinismus. Weiße und weißjchedige Wildfaninchen fennt Schäff nicht, und auch andermwärt3 find feine Nachweife von folchen zu finden, ob- _ wohl die weiße yarbe beim Hausfaninchen diejelbe wejentliche Rolle jpielt wie bei den übrigen Haustieren. Der tiefgehende Unterjchied in der Lebensweije gegen den Hafen läßt ung nach Unter- jchieden im Körperbau fuchen, die fich erjichtlich darauf beziehen: man darf erwarten, daß - die Fähigkeit, Höhlen zu graben, an der Ausbildung der Armfnochen des Kaninchens ich irgendwie ausprägen müjje gegenüber den reinen Schnelläufergliedern des Hajen. Dazu finden wir aber ext in der genannten „Jagdtierfunde” (1907) Schäffs eine vergleichende Ab- bildung der Unterarmfnochen des Hajen und des Kaninchens nebft richtiger Würdigung der Unterjchiede. „Beim Kaninchen ift der Unterjchied in der Stärke ziwijchen Elle und 24 "8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hafen im weiteren Sinne. Speiche viel geringer als beim Hafen, und die erjtere liegt in ihrer ganzen Länge neben, nicht hinter der Speiche... Der Haje ijt ein vorwiegend laufendes Tier, bei dem die grabende Tätigfeit ji) nur auf das Ausjcharren des offenen Lagers bejchränft, wogegen das Kaninchen ein eminenter Gräber ift, dejjen Vordergliedmaßen durch die jtärfere Ent- twidelung der Elle jorwie durch Die Lagerung neben der Speiche zum Graben bejonder3 ge- eignet find.” — Ülber den Gegenfaß in der Färbung der Musfelfafer zwijchen dem weißen leiich des Staninchens und dem dunfeln des Hafen it nur aus der allgemeinen Schul- meinung heraus zu urteilen, daß die IN ftarf rot gefärbte Musfelfajer, das / Fe N dunkle leiich, langer, ausdauernder a ARE N Bemegung dient, die jchwach gefärbte LINE Fafer, das weiße Fleifch, Dagegen im 77 Fu Augenblid zwar Eräftiger Leijtungen Vo fähig, aber ebenjo rajch auch zum Er- miüden geneigt ijt. Wendet man Dieje Grundanjdhauung auf den gegenjäß- lichen Befund bei Hafen und Kaninchen an, jo jpringt ohne weiteres die Be- ziehung heraus zwijchen dem dunklen Sleiiche des Hafen und jeinem Dauer- läufertum auf freiem Felde und ziwi- ichen dem weißen Fleiiche des Kanin- chens und jeinem Höhlenbeiwohnertumt in gejchügter Didung, von der e3 fich nie weit entfernt, um bei jeder Ge- fahr rajch Hineinfligen zu fönnen. Diejes einjeitige Verhalten des Kanin- chens geht jo weit, daß e3, von jei- nem Bau abgejchnitten, manchmal gar nicht den DVerjuch zu längerer 4 ir Sucht madt. So erzählt ein eng« Zinter VBorderfuß 1) des Hajen und 2) des Kanindens. Sad 0 Se ” Su daf Träparaten des Mujeums der Landwirtihaftliden Hohjäule in Berlin. ihm jeine Tochter eines Tages ei gejundes, ausgewachjenes Kaninchen gebracht habe, das ich, wie gelähmt, von ihr hatte greifen laffen, nachdem e3 fich vor ihrem Fleinen Hunde wiederholt im Graje niedergedrüct Hatte. Ein Unterjchied im feineren Bau des Ober- und Unterhaares, in feinem Ausjehen unter dem Niifrojfop, bejteht zwiichen Haje und Kaninchen nicht, obwohl gerade dieje Ein- zelheit oft ein überrajchend ficheres Mittel an die Hand gibt, nahe verwandte, jehr ähnliche Arten jcharf zu unterjheiden. Der befannte Berliner Anatom Waldeyer jagt darüber zu den photographiichen Abbildungen in feinem „Atlas der menschlichen und tierifchen Haare“: „Das Örannen- und Flaumhaar von Hafen und Kaninchen ift nicht fcharf unterjchieden, indem alle möglichen Übergänge vorfommen.” Das macht es um jo eher erflärlich, daß im Sanuar 1594 in Dahl bei Borf a. d. Lippe von A. Beckmann ein Wildfaninchen mit außerordentlich langem Pelzhaar erlegt wurde, jo dak e3 den Eindruck eines Angorafaninchens machte. » BWildfaninchen: Unterfchted vom Hafen. Heimat. Ausbreitung. 25 Auch an den Sohlen der'Hinterläufe war das Haar jehr lang. Die Pelzhaare waren durch- jehnittlich 15 em in der Länge. Das Stück wurde der Sammlung des Provinzialmufeums in Miünfter überwiejen und in den Jahresberichten der Zoologijchen Sektion 1895 beichrieben. Obwohl das Kaninchen oft viel mehr Junge wirst alS der Haje, jcheint ein Unterjchied in der Zibenzahl nicht zu beftehen; man findet dieje wenigjtens überall nur ganz allgemein für die Hajenartigen mit fünf Paar angegeben, zwei Paar bruft- und drei Baar bauchjtändige. Fat alle Naturforjcher nehmen an, daß die urjprüngliche Heimat des Kaninchens Eiideuropa war, und daß es in allen Ländern nördlich von den Alpen exit eingeführt wurde. Plinius erwähnt e3 unter vem Namen Cunieulus, Arijtoteles nennt e8 Dasypus. Alle alten Schriftjteller bezeichnen Spanien als jein Vaterland. Strabo gibt an, dab e3 von den Ba- learen aus nach Italien gefommen jei; Plinius verfichert, e3 vermehre jich in Spanien zu- meilen ins Sahllofe und bringe auf den Balearen Hungersnot Durch Berwüftung der Ernte hervor. Die Snjelbermohner erbaten jich vom Kaifer Auguftus Soldaten zur Hilfe gegen dieje Tiere, und Kaninchenjäger waren dort jehr gejuchte Leute. Die Nachrichten aus dem Mittelalter und der Neuzeit Hat E. Hahn mit äußerjtem Fleihe zujammengetragen in jeinem gehaltreichen Buche „Die Haustiere und ihre Beziehungen zur Wirtichaft des Menjchen‘, das überhaupt eine wahre Fundgrube für derartiges Ge- ichichtsmaterialijt. Hahn gibt ung auch fehr jchöne Auskunft über den Namen des Kaninchens, das im Altertum zuerjt von dem griechiichen Gejchichtichreiber Volybius fiir die nfel Korjifa alö kyniklos erwähnt wird. Daraus ift offenbar das lateinifche cuniculus, der deutjche und andere Namen entjtanden, auch im Altfranzöfischen hieß der Heutige, an „‚lepus“ an- fingende Japin: conin oder conil; nur das englijche rabbit ift jelbjtändig abzuleiten. „Einen wirklichen Aufjhwung nahm die Zucht und Verbreitung der Kaninchen erjt im jpäteren Mittelalter, und zivar nach zwei recht verichiedenen Seiten hin. Einmal zog mar zahme Kaninchen, die dafür ja jehr geeignet waren, im gejchlofjenen Raum in den Klöftern... Dann aber begann man auch, an den weltlichen Höfen Kaninchen in Gehegen zu halten, um ven Damen, Die doch auch dabei fein jollten, eine müheloje und eher ziemliche Jagdvergniüs- gung zu geben. Das nahm mit Dem wachjenden Luxus eher zu als ab. Weil man aber doch die Schädlichkeit des Kaninchen Fennen lernte, anderfeits feine große Genügjamfeit er- laubte, Kaninchen zu halten, wo fein anderes Wild fortfam, und es jich leichter als irgendein . größeres Wild, 3. B. Hiriche und Rehe, an Bord der Schiffe transportieren ließ, feste man das Kaninchen vielfach auf Injeln aus... Sm allgemeinen fcheint aber die Anjiedelung des Kaninchens, namentlich des wilden, langjamer erfolgt zu fein, al3 man eigentlich denfen jollte...” ©o war das Tier gegen Ende des 16. Jahrhunderts wild weder im Aheinland noch in Schlejien befannt. „Selbjt Fleming in jeinem ‚Teutjchen Jäger‘ (1724) fannte im damaligen Sturjachjen noch feine wilden Kaninchen... Eine befondere Bedeutung, wenn auch für die zoologijche und botanische Geographie Feine jehr erfreuliche, erlangten die Kaninchen im Beitalter der Entdedungen. Aus anerfennenswerten Gründen der Menjchlichfeit festen jhon die Portugiejen, um Schiffbrüchigen ihre Exijtenz zu erleichtern, auf Kleinen und größeren Snjeln, die jie ohne Tiere trafen, außer Ziegen auch Kaninchen aus. Bereits der erite Kolonifator von Porto Santo neben Madeira, Percotrello, brachte 1418 dorthin Kaninchen mit, die freilich [päter durch ihre großen Verwüftungen die Kolonijation geradezu gefährdeten.” Das Portojanto-Saninchen ift jpäter in der Sturm- und Drangzeit des Dar- mwinismus abermals zu einer gewijjen Berühmtheit gelangt als Beijpiel nachweisbarer Ylb- änderung eines Tieres während befannter Zeit. Damals wurde e3 von Haedel. Lepus 26 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hafen im weiteren Sinne. huxleyi genannt; Matjchie will aber an diefe Abänderung erjt glauben, wenn jie jich nicht nur dem englifchen, fondern auch dem portugiefifchen Kaninchen gegenüber als jtichhaltig erteilt. Mit den Stücden des Liifaboner Mufeums aus dem Tajogebiet verglichen, ift Dies angeblich nicht der Fall. Nac) Trouefjart („Bull. Soc. nat. d’acel.“ Januar 1910) jind Diefe Ichwärzlichen Portojanto - Kaninchen bis zur Größe einer ftarfen Wanderratte herumter- gefommen und Freuzen jich nicht mehr mit europätichen Kaninchen jpäterer Einführung. — „on Südafrifa Haben die vorfichtigen Holländer die Anfiedelung der Kaninchen auf dent Feitlande durch ftrenge Strafbeitimmungen immer zu verhindern gewußt... %. 3. Nein (1881) fannte das Kaninchen für Japan faum; dagegen foll fich jest (1892) eine wilde Spe- fulation in Kaninchen nach Art desTulpenfchtwindels der Japaner bemächtigt haben. Schlimmt jteht es mit Auftealien und Neufeeland. Hier haben jich die wilden Kaninchen, die der l[ei- digen Jagd wegen ausgejebt wurden, zu einer fürchterlihen Landplage entmwicelt. Cie folfen fogar hier ihre Lebensweije etwas verändert haben, indem fie nicht jo viel graben, Dafür aber gelernt haben, in dem fnorrigen Geftriipp des auftralifchen Bujches ziemlich Hoch zu Klettern; auch in Neufeeland find fie jehr jchädlich geworden.” Tegetmeier legte 1888 in der Sunifigung der Londoner Zoologijchen Gefelljchaft die jchlanferen, jchärfer und diinner befrallten Füße eines jolchen „Stletterfaninchens‘‘ vor. Die eingejandten Border- fäufe ftammten von einem Kaninchen, das man tot 3 m iiber dem Erdboden in den lften eines Afazienbufches eingeflemmt fand. Ebenfo fieht man die Fraßjpuren der Tiere mehr al3 4 m über dem Boden an der zarten Rinde der feinesiwegs ftarfen Bitiche. Die ganze Plage jtammt von englischen Kaninchen her, die im Jahre 1859 Durch einen gemiljen Autin im Bafjeon Bark bei Geelong (Staat Victoria) ausgejebt wurden. An manchen auftralifchen DOtten, wo die Kaninchen zu Taufenden leben, fann man oft auf 10 Meilen weit feine Kaninchenhöhle finden; Die Jungen werden in Neftern (Lagern) auf Dem Boden beobachtet, ohne das geringste Obdach, während an anderen Plägen die Höhlen in großer Zahl vor- handen find. Während der heiken Zahreszeit werden die Kaninchen auch am NRande in Wafjerlöchern nur mit dem Kopfe über dem Wafjer gejehen, wie fie auch bei der Wande- rung nach bejjeren Futterpläßen oder bei der Verfolgung durch Hunde nicht unbeträchtliche Ströme überfhwimmen. Die Kaninchen leben eben in Auftralien oft unter Verhältnifjen, unter denen wilde europäische Kaninchen, plößlich Hineinverjegt, ficherlich untergingen. Der Berichteritatter beobachtete auf feiner Neije oft Taufende von Kaninchen munter lebend, während er jie anderwärts zu Hunderten tot liegen jah. Wie ihm gejagt wurde, waren jalz- haltige Bilanzen während der heißen Zeit das einzige Futter der Tiere, und wo dieje Dabei nicht genügend Wajjer hatten, gingen jie zugrunde. Seradezu trojtlos ijt der Bericht des Direktors Loir vom bafteriologiichen Inititut in Sydney, Ddejjen Inhalt Dr. E. Müller im „Zoologijchen Garten” 1894 auszugsweije wiedergegeben hat. „Heute ijt die ganze Gegend von der Südgrenze Bictoriad bis zur Nordgrenze von Queensland nichts al3 ein großes Kaninchengehege, und Schäfereien, die jonft 120000 Schafe zählten, Haben heute nur noch den vierten Teil. Taufende von Heftaren Landes jind von den Pächtern verlajfen und Taufende von Perjonen ruiniert. Cine vor zwei Jahren erfolgte Schägung der Kaninchen ergab ungefähr 20 Millionen diefer Nager, eine Zahl, die aller Wahrfcheinlichkeit nach noch zu tief gegriffen ift... Zivei Jahre genügen diejen Nageın, um reiche Weideländer in Wülten zu verwandeln, jo daß man Heutzutage Hunderte von Silometern Durchreifen fan, die jeder Vegetation entbehren... Kurz vor dem Werfen verläßt das Weibchen die Kolonie und wandert oft 4—5 km weit, um weichen, Wildfaninchen: Ausbreitung. Schädlichkeit. 27 tonigen oder Sandigen Boden aufzujuchen, in den es leicht ein Nejt aushöhlen fanıı. Nach 3 Wochen verlajjen die jungen Kaninchen den Bau und bilden alsbald eine neue Slolonie... 4 Monate fpäter werden die Weibchen Mütter; auch fie wandern, wie vorher gejagt, 4-5 km, um ein Nejt zu bauen, aus dem jie nach ungefähr 5 Wochen zurückehren, während Die ungen jich in der Nejtgegend anjieveln. Man rechnet, dab die Kaninchen auf Diefe Weife in 3 Jahren ungefähr 100 km zurüclegen.“ Alle bisher zur Vernichtung diejer Plagegeijter angemenpdeten Mittel jind ohne rechten Erfolg gewejen. Neuerdings umgeben die Pächter ihr Land mit Umzäunungen von eng- majchigem Eijendraht, die ungefähr 1 m hoch jind und 10 em tief in den Boden gehen, jomit bor allen Dingen gegen neuen Zuzug jchügen und innerhalb des umgrenzten Raumes die Bernichtung erleichtern. Längs den Zäunen jtarben die Kaninchen zu Millionen und bil deten wahre Leichenmwälle, mit deren Hilfe dann von den nachfolgenden die Zäune über- Schritten wurden. Dft genügt aljo nicht einmal eine Einzäunung, man hat in der Entfer- nung von 1 km eine zweite errichten müjjen. Zmwijchen Neufüdmwales und Sidauftralien ift ein 519 km langer Zaun gezogen, dejjen Koften fich fiir den Kilometer auf 1200 Maxf belaufen. Als Mittel zur Vernichtung der Nager wendet man Gifte, wie Urjenif, Strgchnin und Phosphor, an. So vergiftet man z.B. mit Urjenif die Wajjerbehälter, ein Verfahren, das fich allerdings nur in der trodenen Jahreszeit bewährt, da die Kaninchen nicht zur Tränfe fommen, jolange jie frifches Gras haben. Man hat dann jchon bis zu 10000 Leichen nach einer einzigen Nacht an jolcher Tränfe gefunden. Wirkjamer ijt noch das Strychnin. Man taucht Zweige von ungefähr 20 cm Länge in einen Strychninteig und jtect dieje in gemiljen Entfernungen in die Erde. Die Schafe rühren diefe Ziveige nicht an, wenn man jie nur jorgfältig aller grünen Blätter entblößt, oft aber findet man um jie s—10 Staninchenleichen. Ein drittes bewährtes Mittel find Getreideförner, Ducch Phosphor und Strychnin vergiftet. Hunde, Raten, Wiefel, Hermelin und Frettchen find ebenfalls gegen die Kaninchen ins Feld geführt worden. So hat die Regierung von Neujeeland in den Jahren 1887—1888 nicht we- niger al3 2000 Stettchen gekauft, die jich jehr nüßlich erwiefen haben. Faft noch bejjere Rejultate Hat man mit Hermelin und Wiefel gehabt, da dieje aus veiner Mordluft würgen. Selbjt die Elektrizität hat man neben vielen anderen abenteuerlichen Mitteln für die Ver- tilgung der Kaninchen in Vorjchlag gebracht. Aber man liejt immer noch und immer wieder in den Zeitungen, daß die auftraliiche Bundesregierung dem Erfinder eines mwirklich wirk- - jamen Mittels zur Bertilgung der Kaninchen ein jtattliches Vermögen als Prämie verjpricht. Wie hoc man in Auftralien den durch die Kaninchen angerichteten Schaden bemertet, it daraus zu erfennen, daß die Regierung von Neufiidwales in einem Jahrzehnt etwa 15 Mil- lionen Mark zur Bekämpfung des Übels aufgewendet und fchlieklich eine Belohnung von 500000 Marf demjenigen zugejichert hat, der ein ducchjchlagendes Mittel gegen dieje Yanıd- plage, d. h. zur Vernichtung der Kaninchen, erfinde. Um fich einen Begriff von der Stanin- chenplage in Auftralien, und was fie für den Schaffarmer bedeutet, zu machen, genügt es, einen.Bli auf die Zahlen zu werfen, die Mr. Allan, der „Hauptinfpeftor” der Kaninchen für Victoria, in jeinem Bericht an den Minifter für Landwirtichaft angibt. Allan jagt (1903), daß während der legten fünf Jahre durchjchnittlich jährlich 19648000 Kaninchenbälge erpor- tiert worden jind, während etwa eine Million Bälge jährlich in der Kolonie verbraucht werden. Nach Abzug der aus den benachbarten Staaten eingeführten Bälge jchäst Allan die Zahl der in jedem Sahre feit 1903 in Victoria getöteten Kaninchen auf 131% Millionen. Auch bei uns it das Kaninchen längjt jowohl forft- wie landwirtichaftlich ein großer - 28 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hafen im weiteren Sinne. Schädling geworden; in beiden Beziehungen bejteht nur infofern vielleicht ein gemiljer Unterjchied, als es Waldjchaden nur in der Wintersnot, Feldichaden aber das ganze Zah jozujagen als tägliches Brot macht. Altum widmet ihm uf feiner „Forftzoologie” jchon 1876 ein ausführliches Kapitel und hat noch in feiner legten Lebenszeit 1900 über „Durch wilde Kaninchen angerichtete Schäden und gegen fie anzumwendende Mahregeln” in der „geitjchrift für Forft- und Jagdwejen“ berichtet. Er fchreibt dem Kaninchen eine größere forjtlihe Bedeutung zu als dem Hafen, und zwar zunächit wegen „feines zahlreichen Zu- jammenlebens an einzelnen Stellen. &3 jchält dort nämlich in ftrengen, fchneeigen Wintern in oft Höchft ausgedehnter Weile. Dann aber greift e3 fchälend eine weit größere Zahl von Hobarten an und nagt endlich weit jchärfer al3 der Hafe”. Im einzelnen legt Altum den Bericht eines Oberförfters Goedefe aus „Heteborn, einem reichbejeßten Kaninchenreviere”, zugrunde. Wenn tiefer Schnee den Kaninchen längere Zeit den Befuch des Feldes ver- bietet, ijt mehrfach beobachtet worden, daß fie fich mehrere Tage der Nahrung ganz enthielten, bis jie endlich durcch den Heftigften Hunger zum Benagen der Hölzer getrieben wurden. So- lange jie vom Stamm getrenntes NReisholz finden, vergreifen fie fich nicht leicht an noch jtehendem, jondern benagen jenes bis zur Abhiebftelle, fcheuen fich alfo nicht etiva vor der jtärferen Rinde am unteren Stammende. Die Kaninchen verjchmähen feine Holzart, mit alleiniger Ausnahme de3 Holunder3 (Sambucus nigra). Bei jungen Stämmchen wird die Rinde oft ringsum oberhalb des Wurzelfnoten3 bi3 auf eine Höhe von 60 em, je nach der Höhe des gefallenen Schnees auch darüber, abgenagt. Solche Befchädigung verurfacht natur- gemäß das Eingehen der Stämme und nötigt bei ausgedehnterem Schaden zum Abhieb des Holzes. Auch Forjtichaden durch „Schneiden“, vollftändiges Abnagen und Fällen, junger Stämmchen wurde Altum berichtet und durch Fraßftüce belegt: junge, bis dreijährige Kie- jern aus der imgegend von Emmerich; Kiefernpflugfurchenfaat und Kiefernjährlingspflangen aus dem Langenjelbolder Gemeindewalde, wobei nicht nur die Triebe abgejchnitten, jondern auch die Nadeln jtellenmweije abgeäft waren; 1 ha vierjährige Schwarzfiefern in Merfeld bei Dülmen wurden völlig vernichtet. Außerdem aber jchartt das Kaninchen auch oft Pflanzen aus. m Forftrevier Latvefum wurden jogar Eichenpläßejaaten volfftändig ruiniert; die Kaninchen Fraßten die im Frühling gelegten Eicheln teils fofort, teils nach bereits erfolgten Keimen aus und äjten fie. — Ludwig Schufter haben feine „Kaninchenftudien“ („Zoologijcher Beobachter” 1907) in Gonfenheim bei Mainz zu der Anficht geführt, dag im Nadelwald immer nur Berbiß-, niemals Schäljhaden entfteht, im Laubwald umgekehrt. „Der Schaden im Nadelwald... ijt ein ganz ungeheuerlicher und verurjacht jahrelange und mühjfelige Nach- bejjerungen in den Kulturen.” Der Mangel an allem frifchen Grün im Snern des ınodernen sunftnadelwaldes treibt die Kaninchen, namentlich zur Winterszeit, zum Verbiß der jungen Kiefernpflanzen. Die einjährigen Seßlinge werden natürlich am Tiebjten befreijen, und ztvar frißt das Kaninchen „die Nadeln bi3 auf kurze Stümpfchen rund um den Trieb ab, läht aber die unterjten, dem Boden am nächiten ftehenden Nadeln in der Regel unverfehrt .., Etwas anders geftaltet jich der Verbiß bei der auch gerne angegangenen Fichte”, die „erjt im dritten oder vierten Lebensjahr ins Freie gebracht” wird. „Das Kaninchen fehneidet hier meift nur die Sinojpen und die jüngften Triebe ab... Ültere Kiefernpflanzen (eventuell aber auch einjährige) werden oft am Boden abgejchnitten und dann meift, ohne da fie noch weiter beachtet und beäft würden, liegengelaffen; hier ift wohl nur der Trieb des Kanins, jeine Nagezähne abzunusen, Veranlaffung zur Beichädigung. Die Weimutsfiefer wird ebenjall3 meijt nur abgefchnitten.... Anders im Laubwald. Hier nimmt der Schälfchaden Wildfaninhen: Forft- und Feldichaden. Bertilgung. 29 ojt ungeheure Dimenjionen an. Dennoch wird er in den Laubmwäldern der Oberförfterei Mainz nicht gerade drücend gefühlt, weil das Staninchen die unedlen Holzarten bevorzugt und die Hauptbejtandbildende Holzart, die Eiche, ihrer ftarfen Borfe und auch wohl ihres Gerbjäurereichtums wegen verjchont. rn erjter Linie vergreift e3 jich an der forftlich gänzlich untergeoroneten Hainbuche” und „benagt, da die Rinde der Hainbuche lange Jahre weich) und dünn bleibt, von diejem Baume jelbjt noch die jtärferen Stämme und auf eine beveu- tende Höhe hinauf; es richtet jich dabei auf den Hinterläufen auf, und fo zeigt fich die Nage- tätigfeit noch bis zu einer Höhe von 50 cm über dem Boden. Auch die wertvolle und alatt- rindige Ejche ijt vem Schälen ftarf und noch bis in höheres Alter ausgejegt; gleiches qilt von der wertlojen, jchon fajt als Forjtunfraut zu betrachtenden Ejpe.” Über die Feldjchäden der Kaninchen jagt Nörig in feiner „Tierwelt und Landwirt- ichaft”: „Da fie jich ungern weit von ihren Bauen entfernen, jo tritt der durch fie angerichtete Schaden viel deutlicher hervor als der vom Hafen verurfachte; denn fie äfen platmweije erjt alles Genießbare ab, ehe jie weiter vorrücden, frejjen die Pflanzen auch bis zur Wurzel auf und zerftören jo die gejamte Vegetation in der Nähe der Wald- und Schonungsränder. Sunge Caaten werden meit völlig vernichtet, und nur wenige Halme, die meijt nicht das Abmähen wert jind, gelangen zur Reife; den Klee-, Serradella- und Lupinenjchlägen geht e3 nicht bejjer, und oft genug beträgt die Zone der völligen Vernichtung 50 m und mehr.” Dieje „Sründlichfeit“, mit der das Kaninchen wirkt, „stellt es in eine Kategorie mit manchen anderen landwirtichaftlichen Schädlingen, gegen welche Majjenvertilgungsmittel zur An- wendung fommen müjjen. Da, wo die Kaninchen jo überhand genommen haben, dag man Durch Frettieren, Abjchuß und Fangen ihrer nicht mehr Herr werden fann, bleibt nichts anderes übrig, alS zu Dem ziwar nicht weidmännijchen, aber jehr wirfungsvollen Schwefel- fohlenftoffverfahren feine Zuflucht zu nehmen. Der Schwefelfohlenjtoff, eine Höchjt unan- genehm nach faulendem Nettich riechende Flüfligfeit von mweißlicher oder gelber Farbe, hat die Eigenjchaft, jchon bei jehr niedriger Temperatur zu jieden und dementjprechend leicht zu verdunften. Dieje Verdunftungsgaje find jchwerer als die Luft, jinfen aljo zu Boden und mifchen fich mit der dajelbft befindlichen Luftjchicht. Tiere, die jolche Luft einatmen, werden von Übelfeit und Lähmungserjcheinungen befallen, jchnell bemußtlos und gehen in furzer Zeit ein, ohne daß jie vorher bejondere Schmerzen zu empfinden jcheinen; denn jie machen, wenn die Quftmifchung zu wirken anfängt, feine jähen Fluchtverjuche, jondern er- ‚gebenfich, ihrer geiftigen und förperlichen Kräfte offenbar jehr jchnell beraubt, widerjtandslos in ihr Gejhid. Das Schwefelfohlenftoffverfahren, das im Anfang viele Gegner hatte, ijt aljo ein durchaus hHumanes Mittel, jich diejer Schädlinge zu entledigen, da es die Dauer der Todesangit, die bei Anwendung von Eijenfallen oft außerordentlich ange währt, auf ein Nindeitmaß bejchränkt.” ALS einzigen Nachteil diefer Vertilgungsmethode bezeichnet Nörig, „daß die auf jolche Weije getöteten Kaninchen dem menschlichen Konjum verloren gehen“. Eine interefjante Fejtftellung der in einer bejtimmten Zeit verbrauchten Ajungsmenge fonnte Otto-Mör3 machen. Für 24ftündige Abmwejenheit ließ er einem gezähmten, noch nicht einmal ausgewachjenen Wildfaninchen an Futter zurüd: 2 große Blumentöpfe voll 35 cm Hoher Infarnatkleeitengel, 2 mittelgroße Grünfohlpflanzen, Z’grofe Weißbrotjchnitten. Alles mar bei jeiner Nücfehr vertilgt. Diejes Kaninchen lebte in anderem Bejit nad) 8%, Jahren noch („HYoologijcher Beobachter”, 1911). Auch dem Weinbau fann das Kaninchen jchädlich werden. Darüber liegt in den Jahres- heften des Vereins für vaterländiiche Naturkunde in Württemberg ein fehr feijelnder Bericht 80 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Hafen im weiteren Sinne. des Stuttgarter Naturforichers Julius Hoffmann aus dem Jahre 1899 vor, der eine „Ka- ninchenplage in den Stuttgarter Weinbergen” jejtitellt, während milde Kaninchen bis dahin in Württemberg ganz unbefannt waren. Dieje Stuttgarter Weinberg-Kaninchen ftammten aber auc) von zahmen ab, find troß der ihnen ungünftigen jchweren Böden fchnell verwildert und in ihrem Hußeren den wilden völlig ähnlich geworden. Ihre rafche Vermehrung ift durch zwei milde Winter und dadurch begünstigt worden, daß fie fich begnügten, Hinter Mauerfteinen uftv. Kurze Röhren zu graben, um fich und ihre Sungen zu verbergen. So haben jie e3 fertig gebracht, fich ganz anderen als den ihren wilden Artgenofjen zufagenden Berhältnifjen anzupafjen und jich in bedenflicher Weife zu vermehren. Hoffmann meint mit Recht, wirklich wilden mit ungejchwächten Snftinften wäre Dies vielleicht nicht gelungen. Schließlich mag noch die einleuchtende, weil in eigener Erfahrung begründete Bejchwerde des Belisers einer Spargelanlage aus der „Deutjchen Sägerzeitung” (1906, Nr. 34) hier Pla finden, der über empfindlichen Kaninchenfchaden Fagt. Er behauptet, „dat alljährlich die Staninchen, auch two folche gar nicht fo Fehr Häufig find, im Auguft bis Dftober vom Walde, jelbft wenn diejer 400—600 m vom Spargelfelde entfernt ift, nach der um dieje Jahreszeit einer jech3- bi3 achtjährigen, diefen Siefernfchonung ähnelnden Spargelplantage hinrücfen und hier die erhöht liegenden Spargelbeete unterwiühlen, die Wurzeln der Pflanzen dadurch vielfach bloßlegen und jomit dem Wachstum der Pflanzen mwejentlich fchaden”. ©o macht ich diejer gleich immer zahlreich auftretende oder wenigjtens bald fich jehr vermehrende Schädling für alle die verjchiedenen Zweige der Forft- und Landmirtjchaft ganz empfindlich bemerkbar, und e3 ift nur gut, daß feine Verbreitung in unjeren Vater- lande immer noch „Sporadisch” zu nennen ift, wie Altum fagt; d.h. das Kaninchen fommt in Deutjchland zum Unterfchied vom Hafen, der wohl nirgends ganz fehlt, in der Regel nur in jolchen Gegenden und an folchen Orten vor, die ihm befonders zufagen. Mit diefer Ein- Ihränfng aber ift das wilde Kaninchen (Slarnidel) gegenwärtig über ganz Süd- und Mittel- europa verbreitet und in manchen Gegenden überall gemein. Die Länder des Mittelmeers beherbergen e3 immer noch am zahleeichjten, obgleich man dort feine Schonung fennt und e3 zu jeder Jahreszeit verfolgt. Ir England wurde e3 der Sagdluft zuliebe in verjchiedene Gegenden verpflanzt und anfangs fehr Hoch gehalten; noch im Jahre 1309 foftete ein wildes Kaninchen ebenjoviel wie ein Ferkel. Zn nördlichen Ländern fann es nicht gut leben: man hat vergeblich verjucht, e8 in Rußland einzubürgern. Sn Ungarn kommt e3, nach Mojfifovics, ausgejebt zwar gut fort, ift aber von Natur wild dort nicht zu Haufe. Friedel und Bolle („Wirbeltiere der Provinz Brandenburg”, 1886) nennen e3 „im (alten) Kal. Botanifchen arten jowie in den Sandhügeln der Stadtteile Gefundbrunnen, Wedding und Moabit, aljo innerhalb Berlins, gemein”. Im Grunewaldvorort Halenjee guete es im Sommer 1907 nody frühmorgens unmittelbar neben dem Niefenrejtaurant „Terrajfen” Durch den Sattenzaun auf die Straße. Sonft ift in Deutjchland im ganzen eine Verbreitung von Weften nad) Dften feitzuftellen, im Gegenjag zu dem allgemeinen „Zug nad) dem Weften“, jeden- jalS aber im Zujfammenhang mit dem meftlichen Herfommen des Tieres. So ift das Kaninchen neuerdings von Hejfen ins wejtliche Bayern vorgedrungen, und 1911 hatte e3 lich, laut der „Deutjchen Zägerzeitung”, fogar fchon im Vorjpeffart eingeniftet. Ein intereffantes Sonderborfommen des Kaninchens ift das auf den friefifchen Snfeln und den Nordjeeinfeln überhaupt, auf den erfteren um fo interejjanter, al3 hier, auf Zuift und Baltrum, der feltene Fall vorliegt, daß man des eingeführten Kaninchens au, einmal wieder Herr wurde. Man hat es auf den genannten Snfeln neuerdings ausgerottet und Ant, Jah 2 2 a ee \ Wildfaninhen: GStellenweife Verbreitung. Küften- und Anjelvorfommen. 31 den wertvolleren, zugleich aber, was die Hauptjache ift, in den Dünen weniger jchädlichen Hafen dafür eingeführt. AS man durch Befeftigung und Bepflanzung das unheimliche, . gefahrorohende „Wandern“ der Dünen abzuftellen begann, wurde die fegensreiche Wirkung diejer foftjpieligen Maßnahmen durch die Kaninchen nur zu oft in Frage geftellt, zumal die Iprichhwörtlich fruchtbaren Nager fich jeßt ungleich ftärfer vermehrten als früher, weil fie in den befejtigten Dünen jicherere Schlupfmwinfel und in dem angepflanzten Sandhafer (Arundo arenaria) und Stranddorn (Hippophaö rhamnoides) reichlichere jung fanden. Die Ka- ninchenbauten eröffneten bei Sturmfluten dem Meerivafjer wieder Eingang in die feit- gelegten Dünenmwällfe, diefe wurden zugleich durch Zerftörung der Pflanzendece wieder ge- lodert, und Zufammenbrüche und Überfchwemmungen waren die unglücliche Folge. Auf anderen Nordjeeinjeln Dagegen, jo z.B. auf den SfelligsNods, ganz gefährlichen Feljenneitern an der Siüdweftfüjte Jrlands, two die Kaninchen zu Anfang des Mittelalter von Mönchen und Klausnern eingeführt wurden, erfreuen fie fich wohl für alle Zeiten ungejchmälerten Ge- deihens. Auch auf den mweitfriefischen, zu Holland gehörigen Injeln und auf Norderney gibt e8 noch viel Kaninchen. Ebenjo hat Schweden feit 1904 einen Borgejchmad erhalten, wie rajch ein Land zur Kaninchenplage fommen farn. Bon fehwediichen Sagdliebhabern angejtellte Verjuche, daS deutjche Wildfaninchen an geeigneten Plägen einzubürgern, jind zivar regelmäßig fehlgejchlagen; dagegen gelang die Einbürgerung weit über Erwarten und ganz wider Willen mit einem halben Dubend gewöhnlicher Hausfaninchen, die ein Eleiner - Bejiber auf einer zum jüdjchwedischen Län Halland gehörigen Schäreninfel freiließ, um jie mitfamt den Jungen jpäter wieder einzufangen. Das hatte aber jeine Schwierigkeiten. Ein anjehnlicher Teil der Nachfommenschaft hatte es nämlich vorgezogen, in den nahen Klippenmwaldungen fejten Stand zu nehmen, wo ihnen in dem fteinigen, höhlenreichen Ge- lände weder mit Menfchenhand noch mit Hunden oder jonjtwie beizufommen war. Jung und alt ging auf die Kaninchenjagd, ein alter Waldaufjeher joll binnen weniger Monate über 3000 Stüd zur Strede gebracht haben; trogdem Tieß fich feine mejentliche Abnahme feit- itellen, vielmehr müjjen die Bejiter des angrenzenden Strandgebietes in Der Furcht leben, daß die Kaninchen bei fortjchreitender Überhandnahme zur Winterszeit über das Eis nad) dem Feltlande rücken und auch Dort fich einniften werden. Das Bemerfenswerteite an dem alle ilt, daß nicht das Wildfaninchen, fondern das Hausfaninchen und jeine Nachkommen jich jo Hart und ausdauernd gezeigt Haben. Merfwürdig ift auch die Schnelligkeit, mit der Jich die ausgejekten Tiere äußerlich ihrer veränderten Umgebung angepaßt haben. Die Haar- - zeichnung ift fat ausnahmzlos blaugrau oder auch rein weiß: dasjelbe Gewand, mie es der nordilche Hafe trägt! („Wild und Hund“, 14. Dftober 1904.) Smtallgemeinen verlangt das Kaninchen Hügelige und fandige Gegenden mit Schluchten, Velsflüften und niedrigem Gebüfch; am meilten Yiebt e3 junge, trodene Stiefernbeftände, furz Orte, wo e3 jich möglichjt verftecfen und verbergen fan. Hier legt es jich an geeigneten, am tiebiten an jonnigen Gtellen ziemlich einfache Baue an, gern in Gejellichaft, oft jiedelungs- meije. jeder Bau beiteht aus einer ziemlich tiefliegenden Kammer und in Winkel gebogenen Nöhren, von denen eine jede wiederum mehrere Ausgänge hat. Diefe jind durch das häufige Aus- und Einjchlüpfen gewöhnlich ziemlich erweitert; die eigentliche Röhre aber ift jo eng, daß ihr Beivohner gerade dDurchkriechen Tann. Jedes Paar hat feine eigene Wohnung und duldet darin Fein anderes feiner Art; wohl aber verjchlingen fich oft die Röhren von mehreren Bauen, und man findet mitunter die verfchiedenartigften Tremdlinge als Gelegenheitsberohner darin. ©o jprengte laut „Field“ ein irifcher Frettierer an einem Tage ein Wiefel, einen großen 32 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hafen im weiteren Sinne. Kater, elf Ratten und an einem anderen Tage zwei Flichje, an einem dritten einen Fuchs, eine Kate und ein-Hermelin aus Kaninchenbauten. Auch „jene tiefen Schächte, die der Grünfpecht und der Graufpecht in die Ameijenhaufen unjerer Wälder jchanzen, werden vom Kaninchen gern zum Einjchieben benubt. ES erweitert den vom Specht getriebenen, bisweilen 3/, m tiefen Stollen, der in janfter Neigung nad) der Mitte des Ameijenhügels führt, noch ein Fein wenig, namentlich am Ende der Röhre, und der jchönjte und zweifellos auch beit- mwärmende Ruheplab ijt Hergeftellt; ausgefragte Erde und Genijt, Kaninchenmwolle und Die nicht zu verfennende Lofung zeigen dem Beobachter an, daß der Lapub Bejit von der Ameifenburg ergriffen und e3 fich in ihrem Innern bequem gemacht hat. Db allerdings diefe Lagerftätte auch den Anforderungen der Sicherheit entfpricht, darf man billig beziwei- feln; denn wenn ein Fuchs, Marder oder jonjtiges Raubtier das Kanin im Ameijenhaufen überrajcht, jo ift das Tier in feinem Schacht, der feinen zweiten Ausgang und Fluchtiweg bejitt, wie in einer Maufefalle gefangen.” (2. Schufter.) — In jeinen Höhlen jist das Kaninchen, jomweit e3 feiner urjprünglichen Xebensweije treugeblieben it, fait den ganzen Tag verborgen, fall8 das Bujhwerf um den Bau herum nicht fo Dicht ift, daß es fajt un- gejehen jeiner Nahrung nachgehen Fan. Sobald der Abend anbricht, rücdt e3 auf fung, aber mit großer Vorjicht, indem e3 lange jichert, ehe es den Bau verläßt. Bemerft e3 ©e- jahr, jo drüdt e3 jeine Erregung durch jtarfes Aufichlagen mit den Hinterläufen aus, und alle eilen jo jchnell wie möglich in ihre Baue zurüd. Wie die oben angeführten Beijpiele zum Teil jchon beweijen, hängt das Kaninchen aber durchaus nicht jo einjeitig an trocfenem Gelände, daß es jich nicht auch einmal in feuchtem NAevier anjiedelte. So leben nad) Mit- teilungen des Grafen ®. Brühl auf dem Gebiete feines väterlichen Majorates Pförten in der Niederlaujig Kaninchen zahlreich und regelmäßig auch in den jumpfigen Niederungen; bezeichnenderweije graben jte jich aber Dort feine tieferen Baue, mit denen jie al3bald ins Grundmwafjer geraten würden, jondern figen einfach in dichten Bitichen oder Höchitens in ganz flachen Röhren unmittelbar unter der Erdoberfläche, jo daß das fonjt oft jo wenig ergiebige Kaninchentreiben dort tets reiches Weidmannsheil bringt, weil die Heinen grauen Schelme, aller jicheren Baue bar, vor dem flopfenden Treiberjtod wohl oder übel immer wieder aus ihren oberflächlichen Berjteden herausfahren müljen. Eine gewijje „Anpafjungsfähigfeit”, ja jogar „Abänderung der-Artgemwohndeit‘ jchrei- ben überhaupt die Beobachter dem Wildfaninchen zu. Unter beiden Stihworten behandeln jomohlH. Otto-Mörs als Ludwig Schufter die weitausholende, unjere ganze Naturanjchauung berührende Frage: „Sit das wilde Kaninchen in der Gegenwart in einem Fortjchritt vom Höhlenbewohner zum Freilandberwohner begriffen?” Dtto geht davon aus, daß es am Kiederrhein eine Menge geradezu idealer Kaninchenreviere gibt, two e3 weder an pajjenden Baugelände noch an reichlicher Afung gebricht, zumal diefe Reviere durch eifrige Jagd- tätigfeit mit Flinte und Frett vor Übervölferung bewahrt werden. Trogdem fieht man die Kaninchen dort andere Ortlichkeiten bejiedeln, die für ihre natürlichen, angejtammten Le- bensgewohnheiten weniger geeignet erjcheinen müjjen. So bewohnten jie in der Dürre des Sommers 1904 „jelbjt Sumpfgelände, dicht mit Rohr und Schilf bewachjen“, und „auc) nach der Dürre, als fich längjt wieder die gewöhnliche Wafjermenge eingejtellt Hatte, fonnte man jie dort noch beobachten... Dft habe ich fie mitten im Wafjer auf einem trodenen Erlenjtode jisen jeden, zu dem jie, von Kaupe zu Kaupe jpringend, hingelangten. Solche Stellen find zum Lager jehr geeignet... Sie gewähren einen unbedingten Schuß gegen die Raubjäuger, die einmal der Fährte nicht folgen Fönnen, jodann aber auch, jelbjt wenn jie Wildfaninhen: Baue. Oberirdiiche Lager. 33 Witterung erhalten jollten, die Näjje jcheuen. Sm lebten Grunde ijt aber auf eine Ver» mehrung folcher Kaninchen nicht zu Hoffen; denn ihre bei trodener Witterung angelegten, furzen Baue zur Aufnahme der Nachfommenjchaft werden leicht beim exjten heitigen Ge- mitterregen oder bei anhaltenden Niederjchlägen jo unter Wajjer gejegt, dab die Jungen erjaufen. Nicht jelten findet man jpäter die Jungenbaue jolcher Kaninchen auf hochgelegenen Feldern in der Nähe wajjerreicher Gebiete... Man darf wohl behaupten, dat Kaninchen jich überall da, wo fie jich jeßhaft machen, auch jchnell die günftigite Wohnungsgelegenheit ausfundjchaften. So wohnen fie ohne bejondere Bauanlage zwijchen den Balken und Bret- tern größerer Holzlager oft mitten in den Städten, nach Nörig fogar unter den aufgeftapelten Eifenbahnjchwellen und jonftigem dort angehäuften Betriebsmaterial auf den Lagerpläßen des alten Hamburger Bahnhofes in Berlin. Bei Mör3 am Niederrhein benugen jie das freie Lager einer Zementröhrenfabrif, um den Raum zwiichen je zwei Röhren als Fünftlichen Bau zu verwenden. Sn Feldbrandziegelöfen dienen ihnen die Feuerungszüge in ähnlicher Weile nicht nur zum Wohnen, jondern auch al3 Sabbaue. Neilighaufen jind ihnen als Erjab für Erdbaue nicht minder lieb. Auf den Stiefernfulturen des Forjtes Sternemwald bei Sterfrade, die teilweije auf falten Moorboden, teilweije auf fejtem, lehmigen, grobfiejigem Grunde ftehen, wohnen fie in den bis 0,50 m tiefen Abzugsgräben, die von Heidefraut volfjtändig überwuchert jind, daß fajt Fein Lichtitrahl in jte dringen fan. Ar diefen Gräben haben jie auch ihre Wechjel. Höchit felten graben jie noch eigene Baue.” Die merkmwür- dDigjte Anpafjfung bleibt aber doch die folgende jeiner Zeit in „Weidwerf in Wort und Bild“ bejchriebene. Wilde Kaninchen hatten fich in einer ganz dicht verwachfenen Stiefernfchonung fogar Gänge zwifchen dem niedrigften Ajtwerk gejchaffen, Über das fie regelmäßig hinweg mwechjelten. hnliche Wohnungen findet man am Niederrhein in dicht verwachjenen Heden, ‘ Die nicht jelten durch Abnagen des Gezmweiges röhrenartige Gänge aufmweijen, in denen die Kaninchen wohnen. Aus diejen tatjächlichen Beifpielen jchliegt Otto jehr richtig auf eine „rielige Anpaffungsfähigfeit”, man möchte faft jagen: Anpafjungstuft der Kaninchen, Die itelfenmweife jo weit geht, daß fie gar feine eigenen Baue mehr anlegen und im beiten Falle nurnoch Sabbaue ausführen. Und gewilfernaßen von der entgegengejeßten Seite beleuchtet 8. Schufter diefelbe Sache: erfolgreiche Waldtreibjagden bei Schnee und ftärferer Stälte, Die beweifen, daß die Karnidel tro& Schnee und Froft ihre Baute nicht bezogen Hatten; anderjeits wieder erfolglojes fünfftindiges Frettieren im Februar bei richtigem Hundewetter, Schnee- jtürmen im Wechjel mit twolfenbruchartigen Regenfällen und ftarfen Hageljchauern. „Cs Iprang auch nicht ein einziges Kaninchen vor dem Frettchen. Alle Baue waren leer. Dagegen trieben die Frettierer öfters Kaninchen unter Gebüfch und Strauchwerk auf... Aus alledem ergibt fich, daß das Kaninchen zum Schuße gegen die Witterung den Bau gar nicht mehr bezieht; eine andere Veranlafjung, einen Bau aufzufuchen, hat es aber nicht." An Schuiters Wirkungs- und Beobachtungsgebiet, der Oberförfterei Gonfenheim bei Mainz, murden des- Halb auch mit der Schwefelfohlenftoffmethode nur fehr unbefriedigende Erfolge in der Kta- ninchenvertilgung erzielt; dagegen jtieß Schufter auf feinen Waldgängen mehr al einmal Kaninchen aus ganz freiem Lager, das genau einem Hajenlager glich. Er behauptet daher, „Daß das Kaninchen im Waldgebiete — ausdrücklich zu betonen im Waldgebiete — ein Frei- wohner geworden ift.” — Bon den jchottiichen Hochmooren mird jogar berichtet, Daß; dort Kaninchenmwürfe über der Erde in Grasbüfcheln gefunden wurden; „Field“ (1909) erklärt dies in feiner Antivort zwar für ein ungewöhnliches Vorfommnis, doch feien ihm bereits viele derartige Fälle befannt. Brehm, Tierleben. 4. Aufl. XI. Band. 3 \ 34 8. Ordnung: Nagetiere. Zamilie: Hafen im weiteren Ginne. Die Bewegungen des Kaninchens unterjcheiden fich mwejentlich von Denen des Hajen. Sm erjten Augenblide übertrifft es diefen an Schnelligkeit, immer an Gemandtheit. &3 verjteht das Hafenjchlagen meijterlich, und erfordert’einen vortrefjlich eingeübten Heshund und einen guten Schügen. Dadurcd) macht e8 einen ungleich verichmißteren und fchlaueren Eindrud als der Haje, der jich leten Endes immer auf jeine Dauerläufe verläßt. Tat- jächlich ift es faum auf der Weide zu bejchleichen und weiß bei Gefahr fast immer noch, ein Schlupfloch zu finden. Wollte e3 geradeaus forteilen, jo würde e3 von jedem mittelmäßig guten Hunde jchon nach guter Zeit gefangen werden; jo aber jucht e3 in allerlei Geftrüpp, in Feljenjpalten und Höhlen Schuß und entgeht meijt ven Nachitellungen jeiner Feinde. Auch ein Fall von anfcheinendem Sichtotftellen ift durch „Field“ (1911) befanntgeworden, in dem das beim fen iiberrafchte Kaninchen exft, mit angelegten Löffeln fich niederdrücend, regungslos verharrte, dann langjam auf den Rüden rollte und die Hinterläufe jteif aus- jtrectte — wie tot. Nach etwa zehn Minuten richtete es jich plößlich wieder auf, gab Das _ befannte Warmzeichen Durch Auffchlagen mit den Hinterläufen und flüchtete in die Didung. Die Sinne des Äugens, VBernehmens und Witterns find ebenfo jcharf, vielleicht noch jchärfer als bei den Hajen. Ir feinen Eitten hat das Kaninchen manches Angenehme. &3 ijt gejellig und vertraulich, Die Mütter pflegen ihre Kinder mit großer Hingebung; nad) U. und 8. Müller werden dieje „von der Mutter jorgjam gejüugt und fogar von dem Vater behütet, der den Steinen mehr durch feine ungejtümen Zärtlichfeitsbezeugungen al3 durch Bosheit jchaden fann. Sooft die Alte, morgens und abends, zur nächjten ung auf Schonungen oder das Feld rücfend, den Bau verläßt, verjtopft fie behutfam den Eingang der Röhre mit Erde Später, nad) vem Ausgehen der Jungen, jtellen dieje jich Dem Water vor, der, wie die Mutter, dann jehr anmutig und pojjterlich mit dem fleinen, niedlichen Volfe vor dem Baue fpielt. Dies gejchieht namentlich morgens und abends, bei ftilfer, heller Witterung auch) nac)- mittags zum bejonderen Grgöten des Beobachters. Die Flüchtigfeit der Tiere auf Feine Streden wird hier jchon dem aufmerkfjamen Auge auffällig”, und Ddiefe Flüchtigfeit zu üben umd alles andere für das jpätere Staninchenleben Notwendige, das ift ja auch der einzige Grund und Zived diejer Spiele. Wie bei gejellig lebenden Tieren überhaupt Stellt jih et engeres Verhältnis zwilchen Alten und Jungen, ja vielleicht fogar mit dem Stanımvater einer ganzen Öejellichaft her. Sn den Monaten Februar und März beginnt die Nammelzeit der Kaninchen. Wie bemerft, Hält das Baar treu zufammen, wenigjtens viel treuer als das Hajenpaar; doc) fann man nicht behaupten, daß das Kaninchen in Einweibigfeit lebe. Das Kaninchen geht „30 Tage tragend, ift aber geeignet, jogleih nach dem Wurfe jich wieder zu begatten und bringt deshalb feine Nachkommenjchaft fchon binnen Zahresfriit auf eine bedeutende Höhe. BiS zum DOftober jebt es alle 5 Wochen 4—12 Junge in einer befonderen Sanı- mer, die e3 vorher mit feiner Bauchwolle reichlich ausgefüttert Hat. Einige Tage bleiben die Kleinen blind, und bis zum nächjten Sabe der Mutter verweilen jie bei ihr in warmen Net und jaugen.” Co Dietrich au dem Windell. Die alte Schulmeinung von der Fort- pflanzung des Klaninchens hat aber in der neuejten Zeit mancherlei Berichtigungen erfahren mäüfjen, namentlich jeit man auch die etwas wechjelnde Art und Weije, die Jungen unter- zubringen, mit der ofjenfundigen Neigung zum Wechjel in den Lebensgemohnheiten über- Haupt verfnüpft. Was Otto Darüber jchreibt, macht durchaus den Eindrud guter Beobac)- tungen und logiicher Schlüffe, wenn es auch bis dahin Gültigent teilweije wiverjpricht. „Sehr viele Jungfaninchen werden in den großen Bauen gejeßt... Die Aufzucht an diejen Wildfaninhen: Fortpflanzung. Yungenpflege. 35 Pläßen ift wohl im allgemeinen die Regel. yn nicht unbeträchtlicher Zahl aber findet man am Niederrhein auch nur für den Zived der. Sungenablage angelegte 1—2 m lange Röhren“, die mwejentlich den Zweck haben, die Brut vor dem alten Nammler zu verbergen. „Man findet jolche Baue nicht nur iır den Waldungen und in der Nähe des Gebüjchrandez, jondern jelbjt mitten auf großen Aderflächen und in Gärten mitten zwijchen bewohnten Häufern. Be- achtenswert ijt das Verhalten des Mutterfaninchens am Bau. Wie e3 jcheint, bejucht es Die Sungen nur während der Nacht. ES gibt ihnen vielleicht innerhalb 24 Stunden nur einmal ‚Mh. &3 ift bei diefen Tieren nicht notwendig, daß die Alte jie erwärmt; denn die nackten = Sungen (Taf. „Nagetiere 1”, 3, bei ©. 19) liegen in einem Nejte von Baitchtwolle, Die. dor a) er“ De ET WT AP. FL % EN r Dir e : RtA 3 « Ep: m He n dem Geben vom Nutterfaninchen jelbjt ausgezupft worden it. Damit dieje nun in den furzen Bauen nicht fo leicht Hunden, Kagen, Füchjen, Mardern und ähnlichem Kaubzeuge zur Beute fallen, jcharıt Das alte Kaninchen jedesmal vor dem Fortgange die Röhre von außen mit Erde zu. Gewöhnlich verwittert e3 dann noch die Stelle Durch Lojung und Urin. Durch die Verwitterung de3 Jungenbaues wird wahrjcheinlich die Witterung der Sungen jelbft abgejchwächt. Aus der Anlage diefer Baue ijt erjichtlich, Da das wilde Stanin- chen auch ganz gut ohne ein weitverzweigtes Röhrenfyfterm ausfommen fan. Diejer Schritt zur pfimitiven Jungenbauanlage ijt vielleicht ein Schritt dahin, daß das Wildfaninchen einftens noch einmal völliger Freilandbewohner wird. Für ältere Kaninchen bejteht Durch- aus feine Notwendigkeit, einen Bau als Zufluchtsftätte zu bejiben, wenn nicht die Hilj- Iojen Jungen in ihm gejegt und durch ihn bejchüt werden müßten.” Dieje Auffafjung wird von englischen Beobachtern im „Field“ beftätigt, wo die Dezembernummern von 1909 einen Austaufch von Erfahrungen iiber das Schliehen der Brutröhren durch die Kaninchen brachten. Hugh Wormald in Heathfield Hat den ganzen Vorgang an der Hibbe eines ge- zähmten Wildfaninchenpaares täglich mit angefehen und jchildert Höchft anziehend, wie die Alte päter den Verichluf des Abends öffnete, al3 die Jungen jehen und laufen fonnten. Dann ftampfte fie vor dem Loche auf und gab ein quiefendes Grunzen von jich, ein Zeichen, auf das die Jungen nur warteten: jofort famen fie alle fünf heraus, um zu jaugen, jic) jtoßend und balgend an der Mutter Seite und eines das andere wegdrängend. Ein anderer Liebhaber befchreibt genau, wie eine Hausfaninchenzibbe die Sägejpäne ihres Käfig zum Höhlenverichluß zu verwenden wußte. Ein dritter Hat aber die Brutröhre von Wildfaninchen auch bei Tage offen gefehen, fogar das Hinterteil der Alten darin wahrgenommen und das 2 Geräufch der jaugenden Jungen gehört. Sn bejonders trodenen Jahren, wie 1911, mo laut „St. Hubertus” die „Karnideiplage an der bayrijch-heijiichen Grenze“ befonderz Ihlimm war, fieht man jelbjt Ende Dftober noc) ganz Heine Kaninchen. Die Karnidel dringen dann aus dem Nadelwald in die Felder, namentlich die Maisfelder, vor und graben fich dort überall Baue. Dann ift ihnen aber jchiwer beizufommen, auch mit dem Frettchen, weil dDiejes unter der Erde rajch die unent- mwidelten Jungen greift und fich dann ftundenlang nicht wieder jehen läßt. In warmen Ländern find die Jungen bereits im fünften, in Falten im achten Wlonate fortpflanzungsfähig, Doch erreichen fie ext im zwölften Monat ihr völliges Wachstum. Ten- ‚nant Hat fich die Mühe gegeben, die mögliche Nachfommenfchaft eines Kaninchenpaares zu berechnen. Wenn man annimmt, daß jedes Weibchen in einem Jahre jiebenmal jest und bei _ jedem Sate 8 Junge bringt, würde diefe Nachfommenfchaft binnen 4 Jahren die ungeheure Zahl von 1274840 Stüc erreichen können. Schäff bemerkt aber dazu jehr richtig, „Dab bie erjtaunfich hohe Ziffer Pennants aus dem Grunde ganz unzutreffend ijt, weil jie zur 3* BI) 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Hafen im weiteren Sinne. Borausjegung hat, dat alle Nachfommen am Leben bleiben und zur Fortpflanzung gelangen, was in Wirklichkeit nicht vorfommt.” Immerhin fan auch in unjerem mitteleuropäijchen Klima und troß unjeres jtarfen, regelmäßigen Jagdbetriebes die Vermehrung ganz erjtaunlich fein. Bon einem jolchen alle berichtet der reichsländiiche Forjtmann und Wildfenner Kruhöffer aus feinem Beobachtungsgebiete, indem er zugleich den chäplichen Einfluß überhandnehmen- der Kaninchen auf den Hajenjtand bejtätigt. „Sn einem Waldfompler von etwa 1000 ha im Zujammenhang ... waren vor etwa 20 Jahren noch jo viele Hafen, daß man hier die beiten Jagven im ganzen Bezirfe machte. 200 Stüd an einem Tage wurden bei der Treib- jagd häufig erlegt, nachdem zuvor jchon beim Bufchieren viele abgejchoffen waren. Um dieje Zeit jtellten jich nun aus der Nachbarjchaft die erjten Scaninchen ein... Dbmohl die Ka- ninchen hier zu dem jagobaren Wilde gehören und für den Jagdpächter auch einen gemiljen Faktor bilden, indem davon auf einer Treibjagd oft 200—300 Stüd erlegt wurden, jo gab man nicht nur den Forjtihugbeamten den Abjichuß frei, jondern es befamen auch einzelne weitere Berjonen das Recht zum Frettieren und Fangen. Auf dieje Weile gelang es, in der Zeit von einem Jahre in dent fraglichen Walde 13150 Stücd von diefen Schädlingen zu ver- tilgen... Mittlerweile waren aber die Hajen dort 2, noch jo vereinzelt, Daß jelten bei einer Treibjagd mehr als ein Dubend erlegt wurde.. E83 it in früheren Zeiten mehrfach behauptet worden, dat Kaninchen, abdeiehen vom Hafen, jich auch mit anderen Tieren begatteten und Junge zur Welt brächten; alle hierauf bezüglichen Angaben entbehren jedoch vollitändig der Beitätigung. Die Zeitungsnachrichten von angeblichen Mifchlingen zwiichen Kaninchen und Kate und andere derartige Gerüchte erflären fich aus Fällen von Mißgeburten ftummeljchwänziger Kagen und Ähnlichem. St doch bis Heute beiten Falles exit ein einziges Mal der Nachweis gelungen, daß das Kanin- chen mit dem Hafen jich freiwillig fruchtbar paart! Die Behauptung, dies jei der Fall, it zuerit von dem verdienten, Durch Die Entdedung des Sprachzentrums im Gehirn unjterb- lichen Anthropologen Broca in Paris ausgejprochen und-von ihm auch der Name „Leporiden” erfunden worden. Geht man aber dem Ursprung Ddiejer jogenannten Zeporiden oder Hajen- faninchen, von denen die franzöfiichen und beigiichen Züchter jchon jeit Jahren reden — neuerdings jind jie jtiller geworden —, jchärfer nach, jo ftellt jich immer heraus, daß Zeugung und Geburt diejer Tiere durchaus nicht unter „ziwingenden” Bedingungen ftattfanden und man daher auch noch ange nicht als wiljenjchaftliche Tatjache behaupten darf, wirklich auf dem gewöhnlichen, natürlihen Wege durch freiwillige Kreuzpaarung Hajenfaninchen ge=- zlichtet zu haben. Der Trugihluß aus gutem Glauben fonnte in Züchterkreifen gefördert werden durch die jtattliche Größe, zu der man die modernen Stallfaninchen Herangezüchtet hat, und der hartnäcdige Widerftreit der wiljenjchaftlichen Kreije gegen die Leporiden erflärt jich ebenjo leicht aus der wejentlichen Verjchiedendeit, die bei Haje und Kaninchen gerade in der Fortpflanzungsweife Hervortritt. Hans Friedenthal, der eifrige Erforjcher tierijcher Berwandtichaft und glüdliche Erperimentator auf dem neuartigen Gebiete der Blutflüfjig- feitsreaftionen, hat allerdings einmal einen Wurf Kaninchen erhalten, die faum etwas an- deres als wirkliche Hafenmifchlinge, Yeporiden, fein konnten, weil jie „von einem graugelben Kaninchen ohne jchtwarze Ohren und Schwanzjpige geworfen“ find, „welches nach der Geburt bon „jungen nur mit männlichen Hafen zufammen war”, und zwar untereBerjchluß des Erperimentators in den Verfuchzjtällen des Berliner Phyjiologiichen Inftitutes. Da diejer Wurf aber vereinzelt blieb, weder diejelbe Kaninchenzibbe noch andere von demjelben Hafen weitere Würfe brachten, fo hielt Friedenthal Superfötation (Überbefruchtung) von dem N ar Wildfaninhen: Vermehrung. VBermifchung. Leporiden. 37 legten Wurf echter Kaninchen her fiir möglich und veröffentlichte in vielleicht übergroßer Gewifjenhaftigfeit nichts über die Sache, zumal „die Färbung in feiner Weife an eine Hafen- färbung erinnerte... Allerdings fiel auf, dat die Jungen fchon am zweiten Tag aus dem Neite Frochen und durch die Alte wieder hineingebracht wurden. Die Haare waren aber nicht auffällig entwidelt. Der Wurf bejtand aus 7 Jungen, von denen mehrere jchwarz waren.” Sie jind in Spiritus aufbewahrt; die anatomijche Unterfuchung fteht noch aus. — Someit jolche in früheren Fällen gemacht wurde, wie z. B. von Hermann d. Nathufiug- Hundisburg: „Über die fogenannten Leporiden” (1876), hat fie immer ganz unzmweideutig und uneingejchränkt die Schävel- und anderen Körpewerhältniije reinblütiger Kaninchen aufgezeigt. Der genannte Borfämpfer wiljenjichaftlicher Züchtungsfunde in Deutichland jtellte mit Tieren aus der damals viel beredeten Leporidenzucht des Franzojen Gayot fo- wohl meitere Züchtungen al3 anatomijche Unterfuchungen vom neugeborenen bis zum erwachjenen Tier an mit all der Sorgfalt und Genauigkeit, die ihm eigen war: niemals lief Jich in Xebensweije oder Sinochenbau auch nur die geringjte Spur entdeden, die auf Bei- milchung von Hajenblut Hätte gedeutet werden fünnen. Auch Nehring Hat die Leporidenfrage zeitlebens genau verfolgt, jedes angebliche Kreu- zungsitücd, das ihm zugejchidt wurde, genau unterjucht; jo 1903 noch einen 5°/, pfündigen, beim Grafen Otto zu Wejterholt-Spjenberg in Wejtfalen erlegten Rammler: es waren immer reinblütige Kaninchen! Nehring jah die Sache art jich nicht für ganz ausjichtslos an, twiervohl \er freimütig befannte, daß jeine jahrelangen Berjuche, durch Freuzmweijes Zufammenhalten von Hajen- und Kaninchenpaaren Mifchlinge zu erzielen, nicht den geringjten Erfolg gehabt haben. Er hielt einen Erfolg aber für möglich, „bejonders wenn man einen ftarfen, grauen Kaninchenrammler mit einer Feldhäjin zufammen paart.” Dies ift übrigens im Berliner goologijchen Garten während des legten Jahrzehnts wiederholt gejchehen, jobald jich durch zahme Feldhäjinnen die Gelegenheit bot: ohne jeden Erfolg! Das Außerfte, was erzielt werden fonnte, war, daß fich beide Tiere in ihrem gemeinjamen Stalle einigermaßen ver- trugen. Eine bejondere Schwierigkeit, die Hilzheimer jehr richtig hervorhebt, ift die, daf der Feldhaje jich jchiver mit der Gefangenschaft ausjöhnt und im gefangenen Zuftand jchwer fortpflanzungsluftig und fortpflanzungsfähig wird. Ganz neuerdings (Februar 1912) hat freilich der Landivirtjchafts- und Jagdzoolog ©. Nörig von der Biologijchen Neichsanjtalt in Dahlem bei Berlin einen offenbaren Hajen- Kaninchenmijchling aus der freien Wildbahn in Tangjtedt, Bezirk Hamburg, wifjenjchaftlich genau unterjucht und im Auftrag des Neumannjchen Inftituts für Jagdfunde in Neudamm den Befund in der „Deutichen Sägerzeitung” jo ausführlich mit vielen Abbildungen bejchrieben, daß e3 genügt, hier darauf Hinzumweijen. Diejes merkwürdige Stüd jteht allerdings zwijchen Hajen und Kaninchen, aber dem Kaninchen näher als dem Hafen in allen den unterjchei- denden Merkmalen des Schädels und Gliedmaßenjfeletts, die wir beim Hafen jchildern werden, und e3 zeigte auch auf gewiljen Teilen feines Körpers die eigentüimliche Seiden- behaarung, die ebenjo von den alten Gayotichen Leporiden bejchrieben wird, dort indes nur bon jolchen, die angeblich fchon durch Anzucht von Mifchlingen erzeugt waren. Ein äußerjt jeltenes Borfommnis werden: Hajen-Kaninchenmilchlinge wohl immer bleiben: ijt Doch das Verhältnis des Hafen zum Kaninchen anjcheinend in der Freiheit jchon nicht immer das bejte! Allerdings fteht darüber in Jägerkreifen Meinung gegen Meinung, Beobachtung gegen Beobachtung, und diejer Widerfpruch Löft jich nur dadurch, dab eben heide Parteien, jede in ihrem Beobachtungsgebiet, recht haben. Mit anderen Worten: 38 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hafen im weiteren Sinne. während in gemiljen Fällen und gewijjen Gegenden das Kaninchen nachweislich eine ver- treibende, „vergrämende” Wirfung auf den Hafen und jogar auf das Neh ausübt, Hauft in anderen Gegenden in ebenjo gut beglaubigten Fällen alles friedlich zufammen. Der nieder- theinijche Jägerbeobachter ©. A. Dito erzählt darüber („Deutjche Sägerzeitung”, 4. Januar 1906): „Ein Hafje näherte jich langjam dem Holze und war bis auf wenige Gänge dortfelbit angelangt. AS er gerade äjte, fuhr aus dem Holz ein Karnidel auf den arglojen Löffelmann (03, der jichtlich erichredt einen ‚Seitenjprung‘ machte. Der Feine Kobold fuhr jo lange mit jeinen Angriffen fort, die darin bejtanden, daß er fortwährend den Hafen anrempelte, bis legterer plöglich gegen feinen Eleinen Feind zu trommeln anfing, ein Bild, das mehr als fomijch war. Dieje Verteidigung jchien jedoch das Karnicel erjt vecht zur Wut zu reizen; denn e3 wiederholte jo lange feine blisjchnellen Angriffe, bis der Löffelmann vorzog, das Se zu räumen und jchleunigft im Walde zu verichiwinden. Das Kaninchen blieb auf der Bildfläche und äfte, als wenn nichts gejchehen fei." Wem fällt da nicht die Redensart aus dem Vollsmunde ein: „Das Karnidel hat angefangen”? Ludwig Schufter Eonnte in Aheinheijen das Gegenteil fejtitellen: daß Hafe jomoh!l wie Kaninchen diefelben Ortlichkeiten in großer Hahl bewohnen und, jomweit jich das eben Feititellen läßt, in Eintracht und Frieden miteinander leben. Der Sannöverjche Faunift 9. Löns dagegen teilt in „Wild und Hund“ (9. Auguft 1904) mit, daß in jeinem Forichungsgebiete „Die Anficht verbreitet ift, der Hafe weiche vor den Ka- ninchen zurücd. Übrigens habe ich jelbt die Beobachtung gemacht, daß in einigen Saaden, in denen die Kaninchen fehr zunahmen, die Hafen auffallend zurücgingen.-- Auch, ich habe in einigen Jagden gefunden, daß Diefungen, die ftarf mit Kaninchen bevölfert waren, von den Nehen auffallend gemieden werden“, und ein Einjender des „St. Hubertus” hat mit eigenen Augen gejehen, wie ein geringer Dreilaufhaje von einem Kaninchenranmler „im Kaden gefaßt und troß jeines Sträubens und Klagens auf der Stelle totgebijjen“ wurde. Die Kreuzung zwiichen zahmen und wilden Kaninchen ift erkfärlicherweife im all- gemeinen nicht jchtwierig, da jich beide Formen äußerft nahe ftehen und einen jehr lebhaften Gejchlechtstrieb entwideln. Ein folcher Fall, der fich 1909 im Revier Nadenheim (Nhein- - hejjen) zutrug, ift num dadurd, interejjant, weil die betreffende „schwarzweiß gejchecte Ka- ninchenhäfin” ihrem Beliser entlief, „aber nach zehn Tagen wider Erwarten in ihr altes Heim zurückkehrte und ungefähr drei Wochen jpäter in einer Scheuer etiwa zehn Junge jeßte... Dieje Hochzeitsreifen wiederholten jich jpäter noch zweimal“, nachher jeste das Kaninchen einmal 15 und einmal 12 Junge in einem Stall zu Haufe; einmal blieb e3 jechs Wochen lang aus. Das Merkwinrdigite it dabei, „Daf-das weibliche Hausfaninchen immer wieder nach Haufe zurückehrte, und daß e3 nach der jechswöchigen Abmwejenheit nicht ver- mildert war”. Ungefähr die Hälfte der Jungen war „grau und fchtwarz“, die übrigen „genau wie die wilden Kaninchen gefärbt... Die Gewohnheiten ihres Vaters hatten jich gut auf die Jungen vererbt; denn diefe hatten bald in dem Stall einen regelrechten Kaninchenbau hergerichtet und waren jehr fceheu, während das alte Muttertier jehr zahm war.” (Karl Derheimer-Wendelsheim, „Deutjche Zägerzeitung”, 1910.) Die Aung des Kanincheng ift durchaus die des Hafen. Aber e8 verurjacht viel mehr Jiehtbaren Schaden als diejer. „Was das Eichhorn auf dem Baume“, jagen die Gebrüder Müller, „it das Kaninchen auf Dem Boden, den e3 fiedelweije nad) allen Richtungen unter- öhlt, Hierdurch allein fchon den Waldbeftänden, namentlich vem Nadelholze, auf jehr lodderem Boden Schaden verumjachend.” Da das Kaninchen trinkt, ift vielfach behauptet und beftritten worden. Nach feiner ganzen Eigenart wird man mit TH. Zell mehr zu leßterem neigen müjjen. dr Er er a nt Wels na 1 a Wildkaninchen: VBetragen gegen Hafen. Kreuzung mit Hausfaninchen. Afung. Feinde, Schmatoger. 39 „Die Schwäche de3 Kaninchens liegt darin, daß es nur auf furze Streden jehnelt it... Mißte nun das Kaninchen täglich zum Trinfen ein Wafjer auffuchen, jo fönnte man wohl behaupten, daß e3 in abjehbarer Zeit von feinen Feinden ausgerottet wäre. Daher ijt von vornherein anzunehmen, daß e3 fich Mit dem Tau der Gräfer, überhaupt mit dem Safte der Pflanzen begnügt.” Hier ift auch der Ort, den Bericht über eine merkwürdige, gewiß aber jehr mohl- befönmtliche Gejchmacdsabirrung eines Stallfaninchens einzufügen, den der originelle Miin- jterer Zoologe Landois 1899 im Jahresbericht de3 weitfäliichen Provinzialvereins für Wiffenfchaft und Kunft gibt: „In Telgte fiel e3 der melfenden Magd auf, daß eine Ziege plößlich gar feine Milch mehr gab. Eines Tages beobachtete Das Mädchen, wie ein in dem Biegenftall eingefperrtes Kaninchen (Lapin belier) jich auf die Hinterbeine erhob und das Euter der Ziege ausjaugte. Nachdem darauf der Milchdieb aus dem Stall entfernt war, gab die Ziege wieder Milch wie vordem... Weiterhin beobachtete Ingenieur Breitfopf in Wolfenbüttel Kaninchen beim Melfen der Ziegen...” Wo die Kaninchen jich ficher fühlen, werden fie unglaublich frech. Ein engliicher Fafanenliebhaber erzählt im „Field“, daß auf den Pfiff eines Wärter3 drei Kaninchen immer eher an der Zutteritelle waren als Die Sajanen und das Korn vor den Füßen des Mannes wegfrafen. Jm Biener Prater Hauften fie früher zu Taufenden, tiefen ungejcheut auch bei Tage umher und ließen jich weder ducch Rufen noch durch Steinwürfe im fen ftören. Man hegt fie nirgends, fondern exlegt fie, wo man nur immer fann, jelbjt während der allgemeinen Schongeit. Deffenungeachtet jind fie ohne Hilfe des Frettchen nicht aus- zurotten; nur wenn fich in einer Gegend der Jltis, das Große Wiejel und der Steinmarder - Stark vermehrt Haben, oder wenn e3 dort Uhus und andere Eulen gibt, bemerkt man, daf fie jich vermindern. Die Marderarten verfolgen fie bis in ihre Baue, und dann find die Kaninchen faft immer verloren, oder die Uhus nehmen fie bei Nacht von der Weide meg. Wenn toit jeßt vielfach über die läftige und fchädliche Vermehrung des Kaninchens und an- deren „Ungeziefers” zu fagen haben, fo dürfen wir auch hier wieder nicht vergejjen, daf; yoir diefe Übel zum Teil felbft großgezogen haben durch die unnatürliche, übermäßige Ver- minderung de3 Raubzeugs: eine jener Störungen des natürlichen Gleichgewichts auf der Erde, die der Kulturmenjch vermöge feiner Machtmittel fortgefegt und in immer fteigendem Maße zu gewilfen unmittelbaren Nubzmwecen fich erlaubt, ohne die mittelbaren Folgen in der Kette der natürlichen Zufammenhänge überjehen zu Fünnen. Schmarogende „innere” Feinde hat auch das Kaninchen in Gejtalt verjchiedener Wurmparafiten. So hat es im Dicdarın und Blinddarım einen Fleinen Madentwurm (Oxyuris ambigua Rud.) mit dem Hafen gemeinfant; außerdem fit noch ein Hinten verdicter Beitjchen- _ tout (Trichocephalus unguiculatus Rud.) im Dikdarı und ein PBaltfadenwurm (Stron- gylus strigosus Dujard.) in den übrigen Eingemweiden, namentlich der Lunge. Ein Band- "wurnt (Taenia pectinata Goeze) heftet fich im Dünndarm an, und die Finnen von zwei Bandivürmern (Cysticercus pisiformis von Taenia serrata 2 und Coenurus cerebralis von Taenia coenurus Sieb.) enttviceln fich in der Leber und im Gehien des Kaninchens, aus dem al3 Beutetier und Zmifchentoirt fie dann in ihre eigentlichen Wirte, die Raubtiere, gelangen. Ein einzelliger Schmaroger (Coceidium euniculi Riv.) bejest in verjchieden großen, mit der gelblichen Mafje zerfallener Gallengänge erfüllten Kapfeln die Leber und verurfacht, nach Mögnin, Die in Frankreich „gros ventre‘“ genannte Krankheit, die dort jchon große VBerheerungen unter den Kaninchen angerichtet hat („„Bull. Soc. Nat. d’acel.“, 4. ser., tom. V) und deshalb auch als Vertilgungsmittel für Auftralien empfohlen worden it. 40 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hafen im weiteren Sinne. Zwei eigenartige Gewohnheiten unjeres Tieres beleuchtet 2. Schujter noch in feinen Kaninchenftudien. „Wer fann wohl Auskunft darüber geben, warum der Kleine Nager feine Lojung jo gerne auf vemjelben Plate, wenn möglich einer Heinen Erhöhung, immer wieder zu deponieren pflegt? Man findet öfters jolche Kaninchenaborte, too zweifellos tagelang ein oder mehrere Kaninchen jich gelöft und einen ordentlichen Berg von Erfrementen aufgehäuft haben... Merfwürdig ijt auch der mächtige Scharrtrieb des Kaninchens”; denn nur aus ihn, nicht als „angefangene Höhlen“ erklärt Schufter „jene mafjenhaften Vertiefungen”, die der Beobachter in Kaninchenrevieren an jandigen Plägen, namentlich an Hängen überall ausgejcharrt findet, und die falt noch mehr als die Baue jelbit ein Kennzeichen des Klarnicfel- repierz jind. Scuiter glaubt nicht, daß dieje oft reihenmweije nebeneinander angebrachten Vertiefungen nur von jungen Staninchen, twie wohl behauptet worden ist, gejcharrt werden; er möchte jie vielmehr jo erklären, daß der Scharrtrieb, den das Kaninchen nun einmal in jich hat, einer jteten Auslöfung und Befriedigung bedarf.“ Die Kaninchenjagd, das „Karnideltreiben” und die dürjtige Landichaft, in der es vor Jich zu gehen pflegt, jchildert der befannte Jagdjchriftiteller „Oberländer” (Nehjus-Kehl), indem er uns mit feinem frischen, anjchaulichen Wort „Quer durch deutiche Jagdgründe” führt. „Der Zuß verjinkt im Ioderen Sandboden der Stiefernheide, deren düftere Bejtände einen jeltiamen Kontrast bilden zu dem fahlen Gelb der Sanpdflächen. In den jüngeren Schlägen und Kulturen wuchert die Erika, jene bejcheidene Pilanze, welche fich gerade da- durch, Daß jie iiber den Dürftigjten Lagen als Floras einziges Kind das Auge erfreut, jo viel sreunde erworben hat... Um den näheren und weiteren Bekannten und Jagdfreunden eine hochtwillfommene Gelegenheit zu bieten, fich ‚jo recht fatt zu fchiegen‘, veranftaltet der Jagdherr Spezialtreibjagden auf Karnidel... Was bei diefen Treibjagden Hauptjächlich dem Durchjchnittsjäger angenehm auffällt, ift das gänzliche Fehlen der fonft üblichen Vor- Jichtsmaßregeln... Sich laut unterhaltend, Wie reißend und belachend, fehreitet die Jagd- gejellfichaft von Trieb zu Trieb, während in der Ferne das Gejohle der den Bogen um- Ichlagenden Treiber verfündet, daß auch dort feinerlei Zwang herifeht... Um fo wichtiger ericheint dagegen das Wetter, weil bei rauher, vegnerischer Witterung die Mehrzahl der Kaninchen den jchügenden Bau aufjucht, jo daß eine unter joldhen ungünftigen Umftänden unternommene Treibjagd jicherlich ein jchlechtes Refultat ergeben müßte... Gefechtsfertig jteht die Schügenlinie auf der Schneife; da3 Gejohle der Treiberjchar verfündet den Be- ginn des Triebes, und in den Flanken fallen vajch hintereinander die erjten Schüffe ala Bemeis dafür, daß die dichte Schonung ihren Nuf als ‚guter Trieb“ auch heute wieder be- mähren wird. est werden jchon vorn in der Front des Treibens vor den beften Ständen die erjten Starnidel fichtbar. Sie bieten vorerft fehr leichte und deshalb ziemlich reizloje Biele, da fie geraume Zeit ftillfigen und, in den Lücden auf fürzefte Diftanz niedergedon- next, ein ruhmlojes Ende finden... Sehr bald ändert fich jedoch die Situation. Die Treiber rüden näher; ein Hornfignal verbietet das Schieken in den Trieb, wojelbjt Hunderte von Karnideln Durcheinander flisen. Von der dichten Treibertwehr gedrängt, beginnen die La- pins zuerjt einzeln, dann aber dußendweije Über die Schneife durch die Schüßenlinie nach der jenjeitigen Kultur zu flüchten. Und wie flüchten die blaugrauen, behenden Heinen Kerle — wenn ein Öummiball, mit aller Kraft über die Erde gejchleudert, bald Hier, bald dort an einen Stein vennend, forthüpft, jo bietet er ungefähr das Bild eines angftooll flüchtenden Karnidels. Gar fein Vergleich mit dem geraden, regelmäßigen Lauf des Hafen, den man in obligates Radichlagen übergehen läßt, indem man Lampe mit der Flinte nachfährt und eine Wildfaninchen: Lofungspläße. Scharrübungen. Jagd. 41 Handbreit vor feinem Kopfe abfommt. Wer etwas Ähnliches bei einem flüchtenden Karnicdel berjuchen wollte, würde jehr rajch einen gewaltigen Unterjchied zwischen Hafe und Kaninchen fonftatieren fönnen. Der Schuß nach dem Karnidel erfordert, genau wie bei der Befafine, ein blisjchnelles Abfonmen, wie e3 nur gewandten Schügen eigentümlich ift, welche fich auf einen Schnappichuß verjtehen. Nicht mit Unrecht hat man deshalb das Karnicdel die ‚vier- fäufige Befafjine‘ genannt.” Auch die nächtliche Jagd mit dem Scheinwerfer wird empfohlen, der das Wild Zugleich blendet und beleuchtet („Wild und Hund“, 1910; „St. Hubertus“, 1912). Ir Spanien follen, nad) v. Wildungen, die Jäger die Kunft verjtehen, Kaninchen jeden Gejchlechts und Alters durch deren auf einem Strohhalm oder Blatt nachgeahmtes Gejchrei herbeizuloden. Bei uns fennt man dieje Jagdart anjcheinend nicht, und es ijt auch nicht ohne weiteres ein- zujehen, welches Gejchrei dabei nachgeahmt wird. Ein Wehflagen hat allerdings auch das SKanindhen. Dem befannten Säger und Beobachter Otto-Mörs it e3 wiederholt vorgefom- men, daß ein lauflahın gejchojjenes Kaninchen noch eine Strede weit fortlief, dann plößlich liegen blieb und gellend aufquietichte, in Tönen jo jchrill, wie man fie jonft nie hört. Irı der Regel bleiben jolche Tiere mit dem Krnochenjtumpf an einem Reife Hängen und erleiden dann in dem gleichen Augenblid einen bejonders großen Schmerz. — Merfwürdiges Ver- halten eines Kaninchens nad) Schüfjen Shidert Hanke, ForjtHaus Dohnaheide, als eigenes Erlebnis. Das Tier blieb bei feinem Exrjcheinen jißen und drücte jich nur platt auf die Erde, als der Beobachter immer näher fam. Nach dem erjten Schuß, der hinter dem Sta= ninchen einjchlug, rührte es fich nicht und ebenjomwenig nach dem zweiten, obwohl es jeßt „ordentlich mit Sand bejprigt wurde. Erjt der dritte Schuß ließ es im Feuer verenden“. Dieje Darjtellung erinnert in etwas an die Schilderung des „Sichtotftellens”, die wir oben nach einem englischen Beobachter wiedergegeben haben. Ob beim Kaninchen nicht mitunter gewilje Schredlähmungszuftände eintreten, die diejes auffallende Benehmen veranlajjen? Kommen Doch fogar Todesfälle vor, ohne daß jich eine bejtimmte Einzelurjache nachweijen läßt! Sn einem jolchen Falle Dachte man an „Hisichlag beim Kaninchen” („Deutjiche Jäger- zeitung“, 1911), weil jolche, an einem jehr heigen Erntetage aus einem Haferichlag heraus- getrieben, noch eine Weile umhertaumelten und dann verendeten. Vorher hatte man jie im Hafer Hin und her laufen, mit den Läufen aufichlagen und fogar angjtooll pfeifen hören, wie jie e8, Frank gejchojjen, tun. Die eingegangenen zeigten feinerlei Berlegungen; bei allen aber war aus den Mundiwinfeln ein Streifen Flüfjigfeit ausgelaufen, wie ein dünner Faden, nach beiden Seiten des Haljes hinab. | Diejenige Jagdart, die nicht das Kaninchen als unterhaltendes Wild weidmännijch be- jagt, jondern vielmehr den böjen Land- und Foritwirtichaftsichädfing zu vertilgen jtrebt, ijt der Kaninchenfang mit dem Frettchen, das „Frettieren“, wie wir leider jtatt des bejjer Deutjchen ‚retten jagen. Für den Fang jind, umgekehrt wie für das Treiben, trübe Tage die beiten, weil dann die Kaninchen im Bau fißen. Die meijten Röhren werden verjtopft und vor die übrigen Heine Nebe, die jogenannten „Saninchenhauben”, vorgelegt. Dieje ziehen jich Durch eine Struppporrihtung zu einem Beutel zufammen, jobald ein Kaninchen aus dem Bau hineinfährt auf der Flucht vor dem gefürchteten, mit Klingelhalsband und Maulforb Hinter- her friechenden Frett. Auf diefe Weije fann man mit der nötigen Ausdauer ein ganzes Nevier von der jtet3 folonienmweife auftretenden Kaninchenplage befreien. E. Franke hat Dazu durch „Das Frettchen, feine Zucht, Pflege und Dreffur zur Jagd auf Kaninchen” die praftiiche Anleitung gegeben, während theoretijch der meidgerechte Amtsrichter Berger in Lijja „Die 42 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hafen im weiteren Einne. Stellung der wilden Kaninchen im Zivil- und Strafrecht” Fargelegt hat. Nach $ 15 des Gejeßes vom 11. Juli 1891 (Wildichadengejes) find dieje mit Ausnahme von Hannover und Kurhefien im ganzen Königreich Preußen nicht jagdbar, fondern „dem freien Tierfang unter- tworfen”. &3 fann ihnen aljo jeder mit dem Frettchen nachjtellen, auch auf fremdem Gelände, und das hat natürlich mancherlet Unzuträglichkeiten und Streitfälle im Gefolge; denn oft ind die Kaninchenfänger „vie beiten Brüder nicht”. Berger macht daher die Gejegesvor- ichläge: Die wilden Kaninchen werden für jagdbar erklärt. Die Schonzeit der wilden Kanin- chen fällt fort. Bei Überhandnehmen der wilden Kaninchen werden zuverläffige und jach- fundige Berjonen, wie jie jich im Laufe der legten Jahre in Preußen unter den Frettierern herausgebildet haben, mit ihrer-Bertilgung behördlich beauftragt. _ Da das Frettchen ein recht unverläßlicher Jagdgehilfe ift und jeinen Herrn manchmal fundenlang äfft, wenn e3 nicht wieder zutage fommnten will, find die Beitrebungen jehr erflärlich, e8 durch einen „Kaninchentedel” zu erjegen, durch Snzucht oder Kreuzung mit anderen feinen Hunden eine Zwergform unferes befannten Srummbeins zu jchaffen, die in Röhren von 10 cm Weite einjchliefen fann. Dieje Bejtrebungen haben auch bereits einen Verein ins Leben gerufen, dem aller Erfolg zu gönnen und zu wünjchen ift. Denn auch das Kaninchen Dürfen wir heute nicht mehr nur al Schädling betrachten. Soviel Vorurteil bei uns in Deutjchland auch noch gegen den Genuß jeines Fleijches dor- handen fein mag, die Zahlen werden doch immer jtattlicher, die den Verbrauch von Sta- ninchenmwildbret angeben. ©o konnte der jtädtijche Verfaufspermittler Franz Andreas für 1906 nur aus der Berliner Zentralmarfthalfe jchon 163400 Stüd angeben, die ein Gejamtgemwicht von 122500 kg und einen Gejfanmtmert von 97500 Marx daritellten. Zur Sagdnaturgejchichte des Kaninchens gehört Schließlich noch ein Wort über Spur, Lofung und Stimme. Die Spur gleicht natürlich „fait genau der des Hafen, abgejehen von den entjprechend geringeren Maßen, die etiva Denen der Spur eines halbwüchligen Hajen - gleichfommen. Auch die Lojung ijt Hafenartig, Doch geringer im Durchmefjer“, d. H. jie beiteht aus feiten, Heinen, beinahe fugeligen Kotballen, die gewöhnlich in größerer Zahl auf einmal abgejegt werden. Stimmlaute läßt das Saninchen „ungefähr ebenjo felten Hören wie jein größerer Vetter. Nur in der Angft und aus Schmerz ftößt e3 ein helles, Durchdringendes freijchendes Pfeifen aus.” (Schäff, „Sagdtierfunde”.) Ein prächtiges Stüc Tierpfychologie Hat uns der Meifterbogelvirt K. TH. Liebe in Gera gegeben, indem er mit dem ihm eigenen genialen Verständnis für die Tierfeele („Z0o- logijcher Garten“, 1889) „Gefangene Wildfaninchen” fchilderte, deren Begabungen er mit echtem Forjcherfinn auf alle möglichen Proben gejtellt Hatte. Sr dem Alter, warın er jie aus dem Bau nahm: „nachdem jich Die Augen jeit Drei oder vier Tagen geöffnet haben“, Jind fie „gegen das Licht jehr empfindlich”. Später fommen fie in einen Drahtbauer ohne abgedunfelte Berftecfe, aus dem fie täglich zweimal herausgelafjen werden, damit ie jich löjen und Bewegung machen fürtnen. Einen feinen, in einem Winfel der Stube aufgejtellten Abort in Geftalt eines flachen, halb mit Sägejpänen gefüllten Käftchens „nehmen die meijten ohne weiteres freiwillig an und halten fortan jo Stube twie ihren Bauer mujterhaft veinlich. Wenn eines jich anfänglich) Vergehen gegen das Neinlichkeitsgefeb der Stube zu jchulden fommen läßt, ... Hilft eimnach dem Tier im rechten Augenblict gewworfenes Tucd) oder der- gleichen in Funzer Frift mit vollftändigem Erfolg ab... Selbftverjtändlich darf man aber die Kaninchen, folange jie in ihrem Neinlichfeitsfaften figen, nicht ftören, — am wenigjten jte darin einfangen. Solche Reinlichkeit bringt man allen den Tieren leicht bei, die jchon u RHEIN TED, a w.. A m F \ TO ENTE DE AN ' ‘ In Jar Bi r- a “ “ mt Wildfaninhen: Yagdrechtliches. Kaninchentedel. Spur. Lojung. Stimme, Gefangenleben. 43 jrei lebend derlei Löjungspläße juchen, wie z.B. jungen Hamjtern, Dachjen, Mardern (Naben und Hunden). Yung ausgehobene Stallfaninchen Tajjen jich bei weiten nicht jo mühelos ‚an die Reinlichfeit gewöhnen mie ihre wilden Vettern, und gar manche Darunter werden nie reinlich. Feld- und Schneehajen bringt man jolche Neinlichfeit ebenfalls nicht bei. Noch in Der zarteften Jugend, in melcher die Wildfaninchen nur mit Milch genährt werden, verraten jie bejjere Anlagen als die Stallfaninchen unter gleichen Umftänden. Sebt man die Tierchen auf den Tijch, dann mwijjen fie die Gefahr des Abgrundes zwijchen Tijchrand und Stubendiele jehr richtig zu jchäßen, und vermeiden, ängjtlich prüfend, unter langfamem Heben und Senfen des Kopfes mit dem Näschen und den Heinen Löffeln fichernd, diefem gefährlichen Abgrund zu nahe zu fommen. unge Stallfaninchen fallen anfangs gedanfenlos (e3 jei mir diejer nicht ganz pafjende Ausdrucd gejtattet) regelmäßig Hinunter.” Ferner zeichnet jie eine gemijje „Cinfennigfeit” aus, „eine jehr große, fajt jElavijche - Anhänglichkeit an einen bejtimmten Pfleger”, der aber, was das Merkwiürdigjte bei der Sade ijt, gar nicht einmal der erjte und einzige eigentliche Pfleger, d. h. Werabreicher der Nahrung, zu jein braucht. ©o hatte Liebes Frau ein ganz junges Wildfaninchhen mit Milch aufgezogen, das aber troßdem zu ihm eine ganz abjonderliche Zuneigung fundgab. „Spazierte dasTierchen”, jchreibt Liebe, „auf dem Tijch Herum und geriet in Furcht,... dann eilte esjofort zu mir und verbarg jich im Nocdärmel oder Hinter der Weite. Später... jprang es mir auf den Schoß und fuchte den Schub meines Armes auf oder den des Rocflügels.” Tat Liebe „ins Zimmer, dann wußte Nuffel das fofort, hajpelte fich jchnüffelnd heran, vergemiljerte fich mittel3 jeines feinen Näschens und drüdte dann feine Freude in einigen Sreuzjprüngen aus". Bald „nachdem e3 der Milch entwöhnt war, nahm e3 von meiner Frau feinen Bijjen mehr entgegen — überhaupt von niemand außer von mir... Und doch mar das Tier durch feine jchlimme Behandlung, durch feine üble Erfahrung irgendwelcher Art zu jolcher Ab- neiqung und Vorliebe veranlagt worden. Mein Landsmann und langjähriger Freund A. Brehm hat ftundenlang fich mit demjelben bejchäftigt und gemeint,-ihm, dem bewährten ZTierwirt, gegenüber fünne jene Abneigung nicht ftandhalten; aber der Liebe Mühe war ver- loren... Brehm jchob feinen Arm unter den meinigen und feine Hand mit dem Ziviebad ziviichen den Fingerjpigen unter meine Hand, damit das Futter Doch ganz vermittert jei: Abermaßß umjonjt, die Naje des Kaninchens war feiner als unjer Klügeln,... immer jah man deutlich, daß nur die Naje dem Tiere die entjcheivenden Merkmale darbot, feinesmwegs aber das Geficht oder das Gehör... Der Geruchsfinn ift augenjcheinlich der am beiten ent- widelte Sinn; das beftändig auf- und niederzudende Näschen unterhält in erjter Linie die Berbindung des Tieres mit der Außenwelt... Den Grad der piychiichen Erregung durch Außendinge fann man ablefen an dem Tempo, in welchem jich die feine Naje bewegt. An einem Stüd Ziwiebad, in vielfaches Bapier gemwidelt, fan man jehen, mit welcher Schnellig- feit jie von dem Inhalt Kenntnis hat.” Cigentümlich ift eg, dat die Wildfaninchen bei all jolhen Mühen fich der Vorverpfoten gar nicht bedienen; dagegen fommt e3 vor, daß jie „mit beiden Vorderpfoten ärgerlich auf den Ballen losdrefchen, der ihren Zähnen beharrlich Widerftand feiftet” und jo „zuleßt ihren Zorn erregt”. Übrigens ift auch „das Gehör ficher nicht jchlecht" ; Xiebe will e8 „aber jcheinen, als ob das Gehör der Wildfaninchen verjchiede- nen Arten von Schall gegenüber jehr ftumpf und anderen Arten gegenüber wieder jehr viel jeiner ift... Mufifaliiche Klänge äußern fajt gar feine Wirkung; dagegen achten Die Tiere auf ganz jchtwache Geräufche, mas man an der Bewegung der Löffel exrfennen Fan, noch) bejjer aber aus dem augenblidfichen Innehalten im Sauen, wenn jie gerade frejjen. Start & 44 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hafen im weiteren Sinne. tönende Schläge erjchreden jie; der Donner macht gar feinen Eindrud. Wenn fie jich jon- dierend auf unbefanntem Terrain vorwagen“, dann find die Löffel „in befonderer Tätig- feit und jtehen jelten jymmetrijch gleich, jondern meift verjchieden, der eine 3. B. nach der Seite und nach unten, der andere nach vorn gerichtet. Offenbar fpielt hier das Gehör eine bedeutende Rolle. Man Fann das auch daraus abnehmen, daß die Tiere gegen eine ganz leije Berührung der feinen Haare, welche an der Innenjeite der Ohrmufchel ftehen, jehr emp- findlich ind.” Liebe hält es für „möglich und fogar wahrjcheinlich, dat das Vibrieren diefer Haare dem Tiere beim Wahrnehmen Hilft... „Daß die Kaninchen ebenjo wie die Hafen bei hellem Tageslicht nicht ehr fcharffichtig iind, ift eine längjt befannte Tatfache.” Deswegen ift es aber doch ein Vorurteil, „Daß in der Dämmerung und Dunfelheit da3 Sehvermögen der Kaninchen ein fehr gutes jei”. Als Liebe, „mit dem Experiment vorgehend, das Verhalten der Tiere prüfte”, fand er „nicht ein einziges Mal, daf jie im Dämmerlicht bejjer jehen als die Menfchen”. Ihren Tagjehlaf unterbrechen jie aber in der Gefangenschaft leicht und find „bei dem Eleinften Anlaß zur Hand, auch jogar um die Mittagszeit... ©o lernen fie fehr rajch das Klappern der Teller und Beftedfe ver- jtehen, wenn zur Mahlzeit gedeckt wird, ... fommen dann, wenn die Familie jich an den Mittagstiich gejest hat, Heraus und warten neben ihrem erwählten Liebling, mag das Mann oder rau jein, Hübjch auf“, indem jie, „wie die Hündchen rechts und Iinfs, bettelnd umd mit der Naje chnüffelnd einen Stegel (‚Männchen‘) machen. Dauert e3 gar zu lange, ehe fie ein Stücdchen Brotrinde oder Startoffel erhalten, dann werden fie wohl auch ungeduldig und jpringen ihrem Herrn auf den Schoß. Gelingt der Sprung, dann wifjen fie vecht qut, daß man jie nicht Hinabgleiten Yafjen will, und unterfuchen, indem fie die Vorderläufe auf die Tijchfante legen, ohne alle Scheu mit den ewig beweglichen Näschen die Düfte, die über dem Tijche lagern, und vor allem die Biljen, die auf der Gabel zum Munde wandern.” Lieber als mit ihresgleichen „gehen fie mit dem Menfchen, der fie dazu anregt, auf ein Spiel ein: jie jpielen Hafcheng mit der Hand, wenn man fie zu fich auf das Sofa xuft, verjtecen jich vor derjelben und fommen dann, leife und vorfichtig fichernd, von einer anderen Seite heran, prügeln auch die Hand leije mit den Vorderpfoten, beißen aber dabei nicht — auch nicht Schwach und im Scherz. Eine befondere Liebfojung, die fie fich hie und da gegen- jeitig erweifen, ijt die, daß fie fich die Schnauzen ableden, und diefe Liebfofung übertragen jie auch auf ihren Herrn: wenn er ruhig in der Dämmerung auf dem Sofa liegt, fommten fie jehr gern herauf, juchen jchnüffelnd das Geficht auf und beleden Lippen und Bart. Das ftärfte Zeichen inneren Wohlbehagens und freudiger Stimmung fcheinen aber die Kreuz- jprünge zu fein... Ohne bejonderen Anlauf, während langjamen Hoppelns oder auch im Eisen, jhütteln vergnügte Kaninchen plöglich den Kopf und fpringen aufwärts, indem fie jich mit allen vieren zugleich vom Boden abftoßen, etwa einen bis anderthalb Fuß hoc). Dabei machen fie in der Luft in der Regel eine wunderliche Drehung, fo daß die Körperachje gegen vorher mehr oder weniger rechtivinklig zu liegen fommt. Dieje Freudenbezeigung verliert fich exit, wenn die Tiere in das höhere Alter gelangen“, und Liebe vergleicht fie jehr treffend mit den „Bocjprüngen” junger Wiederfäuer. Auch Beweije, dab „Die Individuen ji al Jndividualitäten entwideln“, führt er an und folgert daraus, „tie jehr man fich hüten muß, auf Grund einer Einzelbeobachtung generahifierend auf Eigenschaften der ganzen Art Schlüjje zu ziehen. Eins meiner Wildfaninchen Hatte ich angewöhnt, die Stubendielen zu benagen... Ein anderes fand ein bejonderes Vergnügen darin, in ein beftimmtes Kleid meiner Zrau Löcher zu beißen.” Aber ihren Genofjen „fiel e3 nicht ein, fich diefe Untugenden Wildfaninhen: Gefangenleben. — Hausfaninden. 45 anzueignen”. Bei einem „hatte jich eine große Antipathie gegen einen meiner Benjionäre herausgebildet”: e3 Fannte ihn „jchon von weiten am Tritt, ... jtellte fich ihm nurrend in den Weg und wollte ihn nicht pafjieren lajjen, oder es lief Hinter ihm Ddrein und verjuchte, ihn in die Stiefel zu beißen”. Ebenfo find „die Lieblingsbijjen des einen deshalb nicht das Leibgericht des andern... Außerordentlich rajch fommen die gezähmten Wildfaninchen zu der fejten Überzeugung, daß fie in ihrem Nemnlichkeitskäftchen fich in unantaftbarer Sicher- heit befinden. Hat das Tier in feinem Mutrillen irgendetwas verübt, wovon es weiß, daß Strafe folgt, dann flieht e3 jchleunig, jobald der Herr ins Zimmer tritt, in den Kajten und verläßt Diejen nicht eher, als bis jener ich wieder entfernt hat... Das Bemwußtjein des Fehl- trittes hält aber nicht länger als eine Halbe Stunde, hHöchjtens eine Stunde an...” In großer Neugier „unterfuchen fie alles, was ihnen am Weg liegt; zunächit jtellen fie aber eine gründ- liche Vorunterfuchung mit der Nafje” an. „Wusdrud des Mikbehagens ift ein eigentümtliches ‚Schnödeln‘ mit den Hinterläufen”, ähnlich wie e3 die taken oft mit den Borderpfoten machen. Das Aufjtampfen mit den Hinterläufen hat verjchiedene Bedeutung. „Nach der jichtlihen Wirkung auf die anderen zu jchließen, jind Dieje Schläge bisweilen Warnungs- jignale, welche jchleunige Flucht in die Baue veranlaljen, — bisweilen Sammeljignale, namentlich die Jungen zu den Alten rufende, — jehr oft aber auch vollfommen jolgen- loje Hußerungen irgendeines Affeftes... Schred, Zucht, Zorn, Irger und Liebe werden jicher für gewöhnlich durch das Aufichlagen der Hinterläufe ausgedrüdt.” „Liebe“ bedeutet hier jo viel al Sorge um die jungen. Das Hausfaninchen ift heute als Fleijch- wie als Belztier von der größten Bedeutung. - Ramentlich aber kann an einer Stelle wie diejer, von wo das Wort Hinausdringt in die mweite- jten Kreije, gar nicht eindringlich genug jein Wert und Nuten al Volfsnahrungsmittel ge- predigt werden angejichts der bedauerlichen Tatjache, daß das Kaninchen bei uns als jolches ttoß zunehmender Teuerung alles übrigen Fleijches immer noch nicht annähernd jo gewürdigt mwird, wie e3 das verdient, und wie das in Frankreich, Belgien, England längjt gejchieht. Nur albernen, läppifchen Vorurteil wegen! Denn wenn Bedenfen irgendwelcher Art berechtigt wären, jo hätte fie der Engländer gewiß auch, dem doch Gejundheit und Korrektheit über alles geht. So aber ift er fein „rabbit‘“ jo qut und fo gern wie jedes andere Fleijch. Möge -e3 bei ung auch bald jo werden und jeder, wern auch nicht jein Huhn im Topf, jo doch jein Karnidel in der Pfanne haben! Über die Abftammung des Hausfaninchenz hat im Gegenjaß zu der der größeren Hausjäugetiere nie die geringfte Unflarheit beftanden. Wir Haben eg — wiederum ein Öegen- ja zu den übrigen jämtlich aus dem Dften ftammenden Hausfäugetieren — aus feiner jüDd- mejteuropätjchen Heimat erhalten: e3 ift unzweifelhaft ein Abfömmling des wilden; denn diejes fann man in furzer Zeit zähmen, jenes verwildert binnen wenigen Monaten voll Ständig und erzielt eine Nachfommenjchaft, die zur Färbung des wilden zurückehrt. Man hält die zahmen Kaninchen in einem gepflafterten oder gedielten Stalle, in dem man fünf _ liche Schlupftoinfel angelegt hat, entweder lange Kaften mit mehreren Löchern oder Fünitliche Baue im Gemäuer, gibt ihnen viel Stroh und trodnes Moos, fhüst jie gegen die Kälte im Winter und füttert fie mit Heu, Gras, Blättern, Kohl ufm. Leicht ann man fie gewöhnen, fich die ihnen vorgehaltene Nahrung jelbjt wegzunehmen; ganz zahım aber werden fie jelten, und wenn man fie angreift, verfuchen fie gewöhnlich zu Fragen und zu beißen. Sie jind mwe- niger verträglich als die wilden. Zujammen aufgewachjene leben zwar jehr gut miteinander; 46 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hafen im weiteren Ginne. fremde aber werden von der Inwohnerjchaft eines Stalles oft arg gemißhandelt, ja jogar totgebijfen. Sn Sachen der Liebe wird tüchtig gefämpft, und manche tragen dabei ziemlich bedeutende Wunden davon. Das Weibchen baut in feiner Höhlung ein Neft aus Stroh) und Moos und füttert es jehr fchön mit jeinen Bauchhaaren aus. -&3 wirft gewöhnlich zwijchen 5 und 7, manchmal aber auch mehr Junge. Lenz hat jich die Anzahl der Jungen, die ein Weibchen in einem Jahre geworfen hatte, aufgefchrieben: Am 9. Januar brachte das Weib- chen 6, am 25. März 9, am 30. April 5, am 29. Mai 4, am 29. Juni 7, am1. Auguft 6, am 1. September 6, am 7. Dftober 9 und am 8. Dezember 6, in einem Jahre aljo 58 Junge. Bei guter Nahrung werden die Kaninchen zumeilen jehr dreift, Fraben und beißen nicht bloß den, der jie fangen will, jondern auch aus freien Stücfen andere Tiere, namentlich wenn dieje ihren Neid erregen. Ein Schwager von Lenz hatte einen alten Kaninchenrammler bei jeinen Lämmern. „MS die Fütterung mit Ejparjette begann, behagte dieje dem alten Herrn jehr gut, und er hätte gern da3 ganze biichen felbft in Bejchlag genommen. Er feßte fich aljo Dabei, grungte, bi nach den Lämmern, jprang jogar emem auf den Hals und gab ihm die Zähne tüchtig zu foften. Zu Hilfe eilende Leute warfen ihn zivar herab; er bi aber immer mieder nach den Länmern, bis er fortgejchafft wurde. Ein anderer biß einer jungen Ziege die Beine blutig, jprang der alten auf das Genid und biß fie in die Ohren. Er mußte ab- gejchafft werden.” Geht alte Rammler beißen zumeilen auch ihre Jungen oder das Weib- chen oder verloden Diejes, jeine Kinder jchlecht zu behandeln. Wenn eine Kaninchenmutter ihr Gehed nicht gut jäugt oder gar totbeißt, gibt e8 nur ein Mittel, die Jungen zu reiten: Abjperrung des Nammler2. Während um die Mitte vorigen Jahrhunderts, ja vor einigen Jahrzehnten noch die Kaninchenzucht in Deutfchland faum mehr al3 ein Kinderfpiel war oder zum mindeften als - fomijche Tiebhaberei galt, um die Erwachjene jich chief anjehen Yajjen mußten, ijt fie heute eine ganze Wiljenjchaft geworden, der auch bei uns eine ganze Neihe Fachiverfe, Fach- zeitungen und Fachvereine dienen, und es it zuverfichtlich zu Hoffen, daß dieje ihre echt volfsfreundlihe Sache zu immer größerer Blüte bringen werden. Das wird der Bolf3- ernährung und Damit dem Bolfswohl mehr nügen als manche andere unjerer unzähligen WBohltätigfeitsveranftaltungen von heute; denn e3 wird nicht nur Die Kranken weniger Frank, jondern die Gefunden gejfünder machen. Jn Vorwort zu einem „Kaninchenbuch”, das die „Ztierbörje” verdienftlicheriweije im Jahre 1894 als Beilage gab, jagt der Verfafjer H. Neuen- dorf: „Das Kaninchen, welches bejonders in England, Frankreich und Belgien planmäßig gezlichtet wird, liefert vielen taujfend Berjonen jicheren Berdienft, Fleijch und jonjtigen Nuben bei Heinem Anlagefapital und erhöht jo den Natiwnalwohlitand obiger Länder um jährlich viele Willionen Mark... Jr der Nahrung find Kaninchen jehr genügjam, begnügen fich mit Abfällen der Küche, der Scheune und des Gartens, beanfpruchen weder foftipielige Futter- mittel noch Räume. Dadurch, daf man Abfälle, welche.bisher geringe oder feine Verwertung fanden, hier nusbringend verivenden Ffann, ijt der Nuben faft ein doppelter und dreifacher ‚zu nennen. Des Fleiich it nahrhaft und wohljchmedend, ähnlich dem Hühner- und Kalb- jleijch, Dabei leicht verdaulich und deshalb Perjonen mit ihwachen Magen jehr zu empfehlen. ‚sn England und Frankreich findet man Kaninchenfleiich in allen Zubereitungen bei arm und reich vertreten.” Und in feinen Schlußbetrachtungen beweilt Neuendorf den Nährwert des Kaninchenfleijches zahlenmäßig: es enthält nach Analyfen von Stöver „in fettfreier Geftalt 75 Prozent Wafjer und 25 Prozent feite Bejtandteile. Hühnerfleijch bejteht aus 77 Prozent Bajjer und 23 Prozent feiten Bejtandteilen. Bejtes fettfreies Ochjenfleifch Hat 72 Prozent EN Pax N aa. " End OP EREEIRRET th a v7 2: 24 Hausfaninhen: Vermehrung. Bösartigfeit. Nußzucht. Vollswirtfchaftliche Bedeutung. Nährwert. 47 Wajjer und 28 Prozent jejte Bejtandteile. Hieraus geht hervor, dat Kaninchenfleijch dem Hühnerfleifch überlegen ift und dem beiten Ochjenfleifch an Nährwert wenig nachiteht... Sn England und Frankreich liefert das Kaninchen den Sonntagsbraten für den Arbeiter-, - Bauern- und Kleinbürgerftand; dem Feinjchmeder bietet es Abtwechjefung und dient zur Befriedigung jeines verwöhnten Gaumens. Sn fleifcharmen Gegenden, zur teilmeifen Ab- hilfe der Fleijchnot bejtimmt, wird es von Heinen Nentnern, Arbeitern, Beamten, Hand- ‚werfern uf. als Nebenbeichäftigung und wegen des ficheren Nubens gezüchtet. E3 erfreut jich deshalb die Kanirnchenzucht einer allgemeinen Beliebtheit bei arın und reich.” Nur darf man nicht die faljche Rechnung aufjtellen, daß, weil 20 Kaninchen, deren Stall und Futter ohne große Koften zu befchaffen ift, einen ganz hübfchen Kuben abwerfen, nun 200 Stücd 10mal oder gar 2000 100mal fo viel bringen müßten. Bor diefem Trugfchluß warnt das maßgebende enalijche „Book of the rabbit“ ausprüclich, indem es fehr treffend auf die vielberegten Nubgeflügelzuchtanftalten hinmweilt und mit trodenem, echt angeljächfijchem Humor hinzufügt, der einzige, der an jolcher Kaninchenfarm etwas verdiene, werde wohl der Mann jein, der die Kaninchen zur Einrichtung liefere. Das Motto der Kaninchenzucht mag aljo fein: „Viele Wenig geben ein Biel”, tie e3 ja auch Neuendorf feinem Kaninchen- buche vorausjeßt. Troßdem befteht jeit 1908 in Berlin, Eberswalde und Heegermühle auch ein Großbetrieb al3 „Deutjche Kaninchen-Großzucht-&. m. b. H.”, die nach dem „Sagd- freund“ 1910 „für das verflojjene Gejchäftsjahr eine hohe Dividende zur Auszahlung bringen fonnte”, und deren Leiter, 2. €. Adam, daher 1910 auch für Dfterreich ein gleiches Unter- nehmen mit dem Site Wiener-Neuftadt ins Leben rief. Welche erftaunfichen Gejamtergebnijje aber in den Kaninchenländern die durch das ganze Volf verbreitete Kleinzüchterarbeit Hat, das mögen einige Zahlen veranfchaufichen, die jorwohl die ältere „Geflügel- und Kaninchenzucht” von TH. HuperzNeumied als die 1901 in dritter Auflage erjchienene „Rationelle und einträgliche Kaninchenzucht” von D. 9. Has- - bady-Gleiwit übereinftimmend bringen. ‚Nach einem Berichte, den Emil de Laveleye im Namen jämtlicher Iandwirtjchaftlicher Vereine Belgiens dem Internationalen Landiwirt- Ihaftlihen Kongreß zu Paris im Sahre 1878 über die belgische Landiwirtjchaft überreichte, werden allein auf dem Marfte zu Dftende wöchentlich 300000 Kaninchen zur Ausfuhr nad) London verkauft, vo der wöchentliche Verbrauch wenigftens eine halbe Million, der tägliche etwa 75000 Stüd beträgt. Frankreich züchtet jährlich 85 Millionen, nach) anderen Angaben jogar 100 Millionen im Werte von 350 Milfionen Frank, von denen Paris jährlid) 3 Mil ftionen verzehrt. Ir England wurden, wie Lord Malmesbury 1872 dem englischen Oberhauje mitteilte, jchon vor etiva 40 Jahren jährlich 650000 Zentner Kaninchenfleifch im ungefähren Berte von 32250000 Mark verbraucht. Der Biichof von Derby verkauft aus feinem Gehege jährlich 12000 Stüd Bälge. Hasbach gedenft dann der Anregung zur Kaninchenzucht, die Deutjchland Durch den Krieg 1870 erhielt, nachdem „unjere Krieger im Feindesland mannig- fache Gelegenheit gehabt, jich an einem faftigen Lapinbraten zu ergögen”, und zählt als „usungen des Kaninchens” außer Fleiih und Fell noch Haare, Pfoten und Dung auf. „Beim gejchlachteten Kaninchen find Die ungeniekbaren Abfälle äußert gering. Sch Habe in diejer Beziehung verjchiedene Verfuche angejtellt und gefunden, daß die Mitteilungen eines älteren Züchter, wonach bei Schlachtung von Kaninchen vom Gejamtgemwicht 15 Prozent für Blut und ungenießbare Eingeweide und 10 Prozent für Balg und Läufe abzujegen jind, und daß 12 Prozent Fett, 30 Prozent Kochfleifch und 33 Prozent Bratenfleijch übrigblieben, durchaus zutreffend find. Bei welchem anderen Schlachttier haben wir ein ähnlich günftiges 48 8. Drdnnung: Nagetiere. Familie: Hajen im weiteren Sinne. Berhältnis?... Am wohlichmedenditen ift das Fleijch der 5—8 Monate alten Tierchen int Gewicht von 4-5 kg. Das Fleiich älterer Kaninchen, darunter verjtehe ich jolche, die älter als 11% Fahre jind, hat jehr an Kraft und Wohlgejhmad verloren.” Zu jchmadhafter Zu- bereitung verhilft ein bejonderes Kaninchen-Kochbuch von 2. Pröpper, das mehr als 100 Nezepte enthält; jo für Kaninchenjuppe, Frifajjee, Ragout, Karbonaden von Kaninchen, Kaninchen falt in Öelee, Kaninchenbraten, Kaninchenroulade, geräuchertes Kaninchen. Auf die Verwertung der Kaninchenfelle, die in getroctnetem Zustande bei den Züchtern aufgekauft werden, baut jich heute eine großartige Jnduftrie auf, nachdem die Abnahme der edlen Pelztiere die Nachahmungskunft in der Kürfchneret auf eine früher ungeahnte Höhe getrieben hat. Ebenjo jtark ift der Berbraud) an Kaninchenhaaren, jeit jedermann einen Silzhut trägt. Hasbach gibt an, „daß in Frankreich jährlich fir mehr al 30 Millionen Frank Kaninchenbälge in der Hutfabrifation verbraucht werden, und daß der Wert des aus ihnen hergerichteten Pelzweris die Summe von 10 Millionen Frank noch um ein Beträchtliches überjteigt. Sn Gent werden mehr als 2000 Arbeiter durch die Zubereitung und das Färben der elle bejchäftigt.” Nacd) E. Braß ift die Kaninchenpelzbereitung auch heute noch fat ganz auf Belgien und Frankreich bejchränft, die jährlich 12—15 Millionen derartig zugerichteter, gejchorener und (meijt auf Seal) gefärbter Felle liefern; die betgijchen jind Heiner und im Telzwerf geringer als die franzöfiichen. Im Deutjchland haben wir diejem blühenden I\n- duftrieziveig unjerer wejtlichen Nachbarländer bis jet nur eine einzige große Fabrik in Unfel am Niederrhein an die Seite zu jegen, die jährlich etwa 3 Millionen Kaninchenjelle ganz in der franzöjiichen Art herrichtet; jte wurde 1870 von einem aus Frankreich aus- getviejenen Rheinländer gegründet. Außer den gewöhnlichen wildfarbifen verarbeitet Frank reich jährlich noch etwa 500000 ©ilberfaninchen, von denen die beiten in ihrer hHübjchen Katurfarbe belajjen und nur die geringeren als Nachahmungen gefärbt werden. Dagegen ind die Hauptitapelpläße fir Naturfelle vom furzhaarigen, rein weißen Albinofaninchen, alles in allem etwa 2 Millionen, Polnifch-Liffa in Deutfchland und die galizischen Handelg- jtädte. Sie liefern die Nachahmung von echtem Hermelin und werden, ebenjo wie Die anderen Nachahmungen, immer jchöner und fchöner hergeitellt. Gute Hermelinimitation trägt fich vorzüglich und läßt ich unzählige Male reinigen, während echter Hermelin Durch das Reinigen gelb wird. Das lang- und feidenhaarige Angorafaninchen Hat jich troß ver- jchtedener Verjuche in der modernen Rauchtwareninduftrie bis jebt gar feine Bedeutung erwerben fönnen. Die Riejfenmafjen von Fellen des Wildfanincheng, die Auftralien jährlich auf den Weltmarkt wirft, SO—100 Millionen, dienen, ebenjo wie Die deutjchen Wildfanin- chenfelle, einzig und allein der Filzfabrifation. Kub- und Liebhaberzucht haben zujammengemwirkt, um eine ganze Neihe fejtitehender _„Kaninchentafjen zu erzeugen, die jich recht gut vererben. Zunächft Hat man die Neigung zur Ausartung ins Weihe, die eine jtändige Begleiterjcheinung der Haustierjchaft ift, benußt, um einige ganz allerliebjte Farbenfaninchenrajjen zu erzielen. Wir nennen das Holländer- faninchen (Taf. „Nagetiere Il”, 2), vom holländiichen Bauern des Fleisches wegen jeit lange gehalten, vom englischen Sportsmann aber erjt zur Vollendung gezüchtet in jeiner eigen- artigen, ganz regelmäßigen und fymmetrifchen, wildgrauen, blauen, jchtwarzen oder gelben, Ohren und Schwanz einjchliegenden Farbenzeichnung, die wir ähnlich nur von „Mantel“ und „Masfe” des Bernhardiners und Colfies fennen. Ferner das Himalajafaninchen, das zivar mit diejem indijchen Hochgebirge nicht3 al den Namen gemein hat, aber doc) wohl aus China jtammt; es joll gewilfermaken als Verkörperung der Fruchtbarkeit Dort jährlich zu Nagetiere 11. (Rafliekaninchen.) Alle Abbildungen aus der Zeitschrift „Der Kaninchenzüchter“, Leipzig, mit freundlicher Erlaubnis des Veılags. 1. Engliiche Schecke, Häfin. S. 49. — Wird bis 3 kg- schwer. 2. Holländer, Rammler. S.48. — Wird bis 3 kg schwer. Sur De £ RT > ” Kıe NE £ De 3. a) Blue and tan, Rammler, b) Black and tan, Häfin. S.49. — Werden je bis 3 kg schwer. 4. Angorakaninchen, Rammler. S. 50. — Wird bis 4 kg schwer. 5. Widderkaninchen, Hälin. S. 50. — Wird 4-41/a kg schwer. 6. Belgifches Rieienkaninchen, Rammler. S.49. — Wird bis 8 kg schwer. Hausfaninhen: Fellverwertung. Najjen. 49 Tausenden am Mltare geopfert werden, um gute Ernte zu erbitten, und im Londoner 300- fogiihen Garten als Ehinejisches Kaninchen benannt mmorden jein, al3 e3 jeinerzeit zuerft ein- geführt wurde. Seine Färbung ift die denkbar eigenartigjte und reizvollite: weiß mit roten Augen, aljo anjcheinend ein volfitändiger Albino; trogdem aber Ohren, Najenjpige, Schwanz und Pfoten Schwarz. Das Allermerkfwürdigite an der merkwürdigen Farbenzeichnung it aber, daß bei den Jungen nicht die geringfte Spur davon zu bemerfen ift, diefe vielmehr als rein weiße Albinos das Neit verlafjen; erjt nach drei Monaten erjcheinen die Schwarzen Masken. Möglichit gleichmäßig über den ganzen weißen Körper follen Dunkle Flede verbreitet fein bei den Engliihen Scheden (Taf. „Nagetiere II”, 1). Über den Rüden verläuft ein dunffer Längsitrich; Die Ohren und ein Fled um die Augen find ebenfalls dunkel. Neuerdings hat man in England auch noch „Black and tans“ und „Blue and tans“ (Taf. „Nagetiere IL”, 3) hervorgebracht, d.h. ein neues Farbenfaninchen durch diejenige Zerlegung der gejprenfelten Wildfarbe Herausgezüchtet, die beim Tedel und den glatten PBinjchern gewöhnlich ift: Schwarz mit rotem „Brand” an Kopfund Läufen. Die genannten Farbenfaninchen dringen jedoch faum über den Kreis der zünftigen Liebhaber hinaus. Anders die, mit Denen ein Nubzwed verfolgt wird. Das Polnische Kaninchenhatten wir oben Schon erwähnt, Den einfachen, rein weißen, rotäugigen Albino, der in Bolen und Galizien manchem Fleinen Mann einen Nebenverdienit durch fein Fell und zugleich billiges Fleifch bringt. Ebenfo das Silberfaninchen, dejjen Fell einen heller oder dunkler grauen, aber auch bräunlichen, gelblichen oder bläulichen Grundton haben fanıı. Der wertvollfte Farbenjchlag ift der mittelgraue, und der jilberähnliche „Reif“ des Felles wird Durcch zweierlei gefärbte Haare erzeugt: blaugraue mit Schwarzer Spige und ganz weiße. Die Ausfärbung, das „Ausjilbern”, Dauert aber mehrere Monate, ähnlich wie bei ven Himalajas; die jungen ©ilberfaninchen jind exit tiefichivarz, jamtartig glänzend. Weitaus die größte Bedeutung hat natürlich das doppelt nugbare, Fleiih und Pelz- werk fiefernde Belgifche Riefenfaninchen (Taf. „Nagetiere II”, 6), das urfprünglich in der Provinz Flandern zu Haufe ift, von da aber fich längjt Die ganze Welt der Nubfaninchen- zlichter erobert hat. Wo fieht man heute in Deutjchland noch die unanjehnlichen, weisgejchec- ten oder gelben „Stallhafen” des vorigen Jahrhunderts, Die, unruhig und schlecht maftfähtg, im Pferde, Vieh- oder Holzjtall ein unnüges Leben führten, wahllos fortgepflanzt und den Sindern zuliebe nur eben geduldet? Heute jpreizt fich an Derjelben Stelle die Hajengraue, langlöffelige Gestalt des behäbigen belgischen Riejen, mit der mehrfach quergefalteten Hals- wanme, den 60—70 em Nafe-SchwanzsLänge und 6—8 kg Gewicht ein Fetthammel im Fleinen. Der befannte belgijche Najjetierfenner van der Snidt hat (val. „Chasse et P&che“, 1910) auf der Ausftellung in Wondelgem bei Gent eine Häfin des Züchter Smwartele von nicht weniger al3 9 kg 350 g prämiert. Sie prangte in der Auslage eines Schlächterz, und die ganze Urbeiterbevölferung Gent3 30g vorbei vor Diefem Wunder. Ein wahrer ett- funmpen! Im Bauche figt nämlich das Gemicht, in dem Fett, das um die Eingeweide auf- gehäuft it. Man verjteht es vollfommen angejichts der Größe, Farbe und namentlich der 15—18 cm langen Ohren, daß man hartnädig immer wieder glaubte, dem Niejen- faninchen eine Beimijchung von Hajenblut zufchreiben zu müjjfen. Heute weiß man all- gemein, daß das nicht zutrifft, bewundert aber nur um fo mehr die gejchiete Zuchttvahl, die das Haustier auf die dreifache Größe und Schwere der wilden Stammform emporzu- bringen verjtand. Und die heutigen deutjchen Züchter Haben dabei ihren belgiichen Vor- gängern offenbar wader nachgearbeitet; denn die dritte Auflage von Starfe-Marpmann, „Das Belgische Niefenfaninchen, feine Zucht und Pflege” (Leipzig 1906), er fühn, Brehm, Tierleben. 4. Aufl. XL Band. 50 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hafen im weiteren Sinne. daß wir heute den Belgien „entjchieden iiber” find, daß es „vie edeliten und in allen Nafjeeigenjchaften vorzüglichjten Belgiihen Niejenfaninchen in Deutjchland” gibt. Möge e3 nun bald hier auch die meilten geben, und mögen Millionen der nüßlichen Tiere Mil- lionen zu unjerem Nationalwohlitand beitragen! Dagegen gönnen mir gern und neidlos dem Engländer ein echtes Sind feiner Züchter- laune, Das verweichlichte, in überheiztem Stalle gehaltene Widderfaninchen (lapin belier, lopear rabbit; Taf. „Nagetiere IL”, 5, bei ©. 49) mit feinen fchlaff Herabhängenden, von Spibe zu Spibe bi3 66 cm Hafternden Ohren. Man beginnt zwar bei diefer Rafje jich jebt vom äufßer- jten Extrem abzuwenden und härtere Mittelformen mit fürzeren Hängeohren vorzuziehen, die auch hier ihre guten Eigenjchaften Haben mögen; aber das jchlaffe Hängeohr an fich bleibt doch immer fchon ein Zeichen einer gemwiljen Entartung. Wie bei jeder reinen Sportzucht, twoird auch beim Widderfaninchen großer Wert auf ußerlichfeiten, 3. ®. eigenartige Farben- zeichnung gelegt, und die Liebhaberjprache hat dafür Die abjonderlichiten Namen erfunden _ (Madagasfarfarbe, Schilopattfarbe ujw.). — Auch das jeidenhaarige, mit Haaren bis zu 20 und 25 cm Länge begabte Angorafaninchen (Taf. „Nagetiere IL", 4, bei ©. 49) hat heute nur noch Liebhaberbedeutung; fein Haar wird nicht mehr verjponnen — jedenfalls, weil e3 jich für diefen Ywed auf die Dauer doch nicht bewährt hat. Die Rafje, die meift wei; mit toten Augen, al3 reiner Albino, oder auch blau auftritt, joll wirklich aus Stleinafien, aus der Gegend der Stadt Angora, ftammen, wie die Angoraziege, und jo wäre Das Seidenhaar, tie bei Ddiejer, mit dem trodenen Hochlandsflima in Zufammenhang zu bringen. 8 „Belzkaninchen der Zufunft” wurde, etwas verfrüht, die erit Biberfaninchen, dann nach) der braunen Farbe allgemein Havdannafanincdhen genannte Rafje angepriejen, Die zu Anfang diejes Jahrhunderts in Nordfrankreich und Holland zuerft Herausgezüchtet wurde. Dies Feine, zierliche, geftreckte Kaninchen tritt bis jeßt nur in einem Hauptfarbenfchlage auf, der nad) der Bejchreibung des Kaninchenkfundigen B. Mahlich „eine tiefbraune Dede mit blauer Unterfarbe hat”. Diejes Fell follte in der Naturfarbe verarbeitet werden können und Erjaß für den Edelmarder bieten. Syndes, fährt Mahlich fort: „vem Felle des Havanna= Faninchens fehlt zurzeit noch das eigentliche Grannenhaar des Edelmardersd. Diefes aber gibt exit vem Pelze jeinen Wert. Ob es der Züchterfunft gelingen wird, Diejes Haar dem Kanin- chen anzuzüchten, muß abgemwartet werden.“ Nächit der weißen Maus und dem Meerjchweinchen ift das Kaninchen vermöge derjelben Cigenjchaften (Handliche Größe, Häufigkeit, Billigfeit und Harmlojigfeit) ein beliebtes Ber- juchstier Der modernen Erperimentalforschung und al „Berjuchsfarnidel” in Diefem Sinne bereit3 jprichwörtlich geworden. Auch zu den hHochbedeutjamen Blutreaftionsperjuchen von Stiedenthal, Uhlenhuth und anderen, ausländischen Forjchern, Die in ganz ungeahntem Maße die Verwandtjchaft verjchiedener Tierformen im Shftem auch al3 eine wirkliche Blutsver- - wandtjchaft im eigentlichen Sinne des Wortes erweijen, hat das Kaninchen grundlegendes Material geliefert und dabei feine nahe Berwandtichaft mit dem Hafen troß der Gegenjäße in der Xebensweije aufs unzmweidentigfte zu erfennen gegeben. Ebenjo war e8 mit jeinen verichiedenartigen Naffen fehr geeignet zu wifjenfchaftlichen Kreuzungsverfuchen, um zu ex- proben, ob das in unferer Zeit exjt zur verdienten Anerkennung gefommene Mendeliche Gejeb, Das der alte Brünner Abt gleichen Namens fchon an Kulturpflanzen feines Klojter- gartens herausgefunden hatte, aucd) für Tiere Gültigkeit Habe. EC. E. Hurft hat zu Diejem Bmwed eine lange Reihe planmäßiger, durch mehrere Generationen fortgejegter Züchtungen zwijchen zwei möglichjt verjchieden ausjehenden Kaninchenrafjen, dem weißen Angora- und ” E27 - Es . © ' > — - \N UND: 4 - — Sir Harry Sohnfton aus Nord-Nyafjaland vom Nyifaplateau 1897 unter anderem auch ein Wr ik sa BE EA en ke y’ Br: Ag Du Ze . - Hausfanindhen: Rafjen. Berjuchstier. — NRothaje. 51 dem belgiichen Hafenfaninchen, angejtellt und gefunden, daß die Streuzungen durchaus nicht regellos in die Mitte zwiichen beide Ausgangsformen fielen, jondern unverkennbar dem Mendelichen Gejeße folgten. Nach jeinem Berichte, den er 1905 der Londoner Linne-Gejell- jchaft vorlegte, glich die erjte Generation aus der Freuzmweilen Paarung ganz dem belgischen Elterntiere: dejjen Merkmale waren, um in Mendels Sprache zu reden, Dominierend, die des Angora rezejjiv (traten zurüd). Dagegen brachten dieje grauen, furzhaarigen, dunfel- äugigen Mifchlinge, denen man gar nichts davon anjehen konnte, daß jie Halbblut vom weißen, langhaarigen, rotäugigen Angorafanin waren, unter jich in zweiter Generation nicht weniger al3 14 verjchiedene Kreuzungsformen hervor, und zivar 7 Furzhaarige und 7 lang- haarige vom hajengrauen Belgier auf der einen bis zum weißen Angora auf Der anderen Geite, Daztwijchen aber die Übergänge vom einen zum anderen durch Weißjchedung und Schwarz, in der Mitte den furzhaarigen weigen Albino neben dem grauen, hajenfarbigen Angora. Mehrere diefer Zwilchenformen erjchienen in demjelben Wurf, und von jedem Halbblutelterntiere fonnte man je nac) der Berpaarung jie alle erzielen. nt weiteren Ber- laufe der Milchlingszucht [prang dann das Mendeliche Gejeß deutlich heraus mit feinen regel- ‚mäßigen Spaltungen in reine Rüdjchlags- und gemijchte Zwijchenformen nach ganz be- fimmtem Prozentjat. ES waren vier Merfmalspaare zu erkennen: Kurz und Seidenhaar, Wildfarbe und Albinismus, graue und jchwarze Farbe, Einfarbigfeit und Schedung, und dieje wurden unabhängig voneinander vererbt, jo daß aljo der Albinismus durchaus nicht an dem Geidenhaar und ebenjowenig die Wildfarbe am Furzen Haar hing, vielmehr mwild- farbige Angoras und furzhaarige Albinos fielen, auch jchiwarzes und jchwarzicheciges Kturz- . und Angorahaar auftrat. ©o ijt das Kaninchen ein Hochtwichtiges Tier, das jich mit den verjchtedenartigjten Snter- ejjen des Menjchen, mit der praktischen Wirtjchaft jo gut wie mit der wijjenjchaftlichen For- jung auf das engjte berührt: daher war ihm auch hier ein breiterer Kaum zu gönnen. Mit dem Kaninchen zu Dderjelben Gattung eingereiht jteht im Supplement des Trouefjartichen Säugetierfatalogs nur noch eine einzige Art, der Rothaje, roode haas oder klip-haas der Kapfoloniiten, Oryctolagus crassicaudatus Js. Geoffr., von den Hoc)- ländern Südafrikas, der Kapfolonie, Natal3 und Transpaals, der jich in einer Unterart O. c. nyikae Thos. bis Nord-Nyafjaland verbreitet. Er gehört nicht nur nach Schädel- und Senochenbau zum Kaninchen, fondern auch in feinen Lebensgewohndeiten jagt man ihm Kaninchenähnlichfeit nach. Der englische Sammler WhHte, der als Gejchenf des Gouverneurs Paar Feljenfaninchen ins Britifche Mufeum brachte, jchreibt dazu: „Sejchojjen in feljigem Gelände auf den Höchiten Spiten des Niyifaplateaus in ungefähr 7000 Fuß Höhe. E3 tft ein rigtiges ‚Teljenfarnidel‘, ein Name, der hier gewöhnlich auf die Daffies (Klippichliefer) an- geiwendet wird. &3 hat alle Gewohnheiten der Dafjies, lebt zwifchen Feljen an völlig Fahlen, ungededten Stellen und ijt jehr fchmwer zu jchießen, weil e3 fich in die Felsipalten verichlieft.. Es ijt jehr beichränft in feinem Vorkommen, lebt folonienmweife und findet fich nur an jolchen Ortlichfeiten, die für feine Gewohnheiten und feine Lebensweife pafjen.“ Bei Trouejjart folgt dann eine Reihe von 36 amerifanifchen Hafenarten, die unter der alten Grayjchen Gattung Sylvilagus zufammengefaßt, innerhalb diejer aber wieder in die Untergattungen Limnolagus, Romerolagus, Tapeti, Sylvilagus, Microlagus, Brachylagus 4* 92 8. Ordnung: Nagetiere. Yamilie: Hafen im weiteren ©inne. zerjpalten werden. Auch abgejehen von dem merkwürdigen, oben (©. 21) bereits gejchilderten Romerolagus, der in mancher Beziehung ganz abjeits fteht, jcheint e3 jich hier um eine be- jondere Hajengruppe zu Handeln. Denn die darauf folgende Hauptgattung Lepus, der Stern der ganzen Hajenfamilie, enthält in ihren beiden Untergattungen Lepus und Macrotolagus, namentlich der legteren, rein neumeltlichen, ebenfalls 39 amerifanifche Arten und Unter- arten, die in Nordamerika jüolich bi3 Merifo neben der Hauptgattung Sylvilagus vorfommen. Das deutet aber nad) den modernen tiergeographiichen Anschauungen, wie jie für die Säuge- tiere von Matfchie verfochten werden, in der Regel darauf hin, daß wir es mit zwei zwar nahe, aber doch nicht nächjtverwandten Gruppen zu tun haben, da foldhe geographiich jich zu ver- treten, nicht aber in demjelben natürlichen Gebiete nebeneinander zu leben pflegen. Völlig im Einflang damit unterjcheivet Hornaday unbedenklich auch in Amerifa zwijchen Hafen (hare) und Saninchen (rabbit) und bedauert nur die ganz unentjchuldbare Bermwirrung, die die fahrläjfige Anwendung des Namens „Jack rabbit“ auf die echten Hafen des Weftens angerichtet Habe, zumal ein eigentliches Kaninchen in Geitalt des „Cotton tail“ ein allbe- fannte3 Tier der Dftjtaaten fit. Vierzig Fuß pom Nationalmufeumsgebäude in Wajhington hat es fich, von Kindsnöten gedrängt, eine flache Röhre in den weichen Boden gegraben und dort jeine Jungen aufgezogen, und auf dem Grunditüde des Landwirtichaftsminifterrums haben jedes Jahr ein oder zwei Paare ihren Bau. Unter diefen Umständen dürfen wir getroft die Gattung Sylvilagus al3 die Kaninchen Amerifas betrachten und behandeln, wenn bei ihnen auch allem Anjcheine nach der Grabinjtinkt noch mehr zurückgebildet ift als bei unjeren Kaninchen, wo wir erit den Beginn diejer Nüdbildung zu erfennen meinen. Ziwijchen den geilen fann man das auch bei Stone und ram herauslejen, die ein Nejt mit jungen Cotton tails photographiich abbilden und in der erflärenden Unterjchrift von dejfen Mollbedefung und den blinden Tierchen |prechen. Ganz neuerdings ift die Kaninchennatur von E.W. Neljon in Wr. 29 der „North American Fauna‘ auch ausdrüdlich feitgelegt worden. Das Amerifanifche Kaninchen, Sylvilagus floridanus Allen (sylvaticus), ijt von ven modernen Shitematifern feiner Heimat, Allen, Miller, Bangs, nach den vetjchiedenen geographtichen Formen, die es in den verjchtedenen natürlichen Gebieten Nordamerikas bildet, in eine ganze Menge von Unterarten zerjpalten worden, die wir hier natürlich nicht einmal nennen fünnen. Im amerifaniichen VBolfsmunde Heigt das Tierchen bezeichnendermweije „Baummollichwänzchen” (Cotton tail), nach der weißen Unterjeite feiner Blume, die ihm wie ein Baummollbaufch Hinten anhaftet. Sonft hat e3 oben die befannte graue Kaninchen- farbe in verjchiedenen Abtönungen und wird daher auch Gray rabbit = Graues Kaninchen genannt; unten it e8 weiß mit einem braunen Bande quer über die Bruft. Die Größe ent- Ipricht ungefähr der unjeres Kanins. Auch darin ift das Baummollfchwänzchen ein echtes Kaninchen, daß e3 fich in feinem ganzen großen Verbreitungsgebiete (von den Neuengland- Ttaaten und NMinnejota bis in die Halbinjel Yufatan) nirgends hat ausrotten laffen, viel- mehr heute noch das meijtgejehene Wildfäugetier der Union ift. Ebenfo find zum Dauer- rennen feine Hinterläufe zu Furz und zu „mweich”; aber was ihm an Ausdauer fehlt, erjegt e3, genau wie unjer Heiner Sandfliger, Durch Firigfeit und Verfcehmibtheit. Zudem hat die Natur e3 derart durch eine Schußfärbung begünftigt, Daß e3 von feiner Umgebung faum zu unterjcheiden ift und oft erjt Dicht vor den Füßen, Die e8 eben zertreten wollen, heraus- fährt. Wie heimlich es in unmittelbarer Nähe des Menschen nicht nur fein Leben zu friften, ° jondern auch feine Jungen aufzuziehen verfteht, ift oben fchon gejchildert. Wenn es die Amerifaniihe Kaninchen. Wafjerhajen. 99 Wahl hat, bevorzugt es einen Schlupfwinfel unter einem großen Baume, dejjen Wurzeln Menfch und Tier hindern, e$ auszugraben. Feljenjpalten find ihm ebenfalls willfommen; aber oft muß e3 auch erfahren, daß hohle Stümpfe und Bäume und Keißighaufen für den Bewohner rafch zu einem Ende mit Schreden führen. &3 jchläft niemals im freien Tageslicht, wenn feine Feinde auf den Beinen find. Wenn „der Mann mit der Flinte“ fommt, drückt es fich nieder und liegt fo jtill, als wenn es ausgejtopft wäre, nur felten atmend und mit feiner Wimper zudend, aber immer bereit, aufzufpringen. Seine jcharfen Augen und Ohren mejjen jeden Meter, den der Feind näherfommt, bis diejer auf Schuß- weite heran ift. Dann aber fliegt es wie ein langer, grauer Streifen über Baumftümpfe und jauft in die Löcher fo flinf, daß in zivei, drei Sekunden nur noch die Blume als weiße Signalflagge Abjchied winkt, bevor e3 verjchwindet. Wie die Hafen hält auch der Baummollichwanz bejtimmte „Päjje” ein, und diejen folgt im Winter der nowijche Habicht (Goshawk), jogar laufend nach Hartnädiger Habichtsart, namentlich da, two jie-unter Gebüfch Hinführen, was das „Stoßen” von oben hindert. Das geichieht wohl, um die Kaninchen ins offene Holz hinauszutreiben, wo mehr Ausficht tft, fie zu fajjen, für den zweiten Habicht des im Winter jtet3 zufammen jagenden Baares, der Dort wartet. Sogar die gewöhnliche Krähe bringt es fertig, Staninchen zu töten, wenn der Neufchnee tief und weich genug ift, daß das fonft jo flinfe Baummollfichwänzchen nur langjam von der Stelle fann. Das Kaninchen Tiebt bejonderz folche Stellen, wo dornige Beerenfträucher und zerjtreute junge Fichten und Birken zwijchen den verrotteten Stümpfen einer älteren Baumgeneration wachen; aber e3 richtet jich auch in jedem anderen Walde ein, jei e8 Hoch- oder Niederwald, und ebenjo beherbergt alleinjtehendes Bujchtwerk, wenige ‚Schritte im Geviert, mag e3 nun hart am Wege oder in der Ede einer Wieje liegen, leicht eine Kaninchenfamilie. Alfo auch in der Neuen Welt „überall zu Haufe”! Dagegen macht das Baummwollichwänzchen faum irgendwelchen fühlbaren Schaden. Die Jungen trifft man im Sommer oft allein unter Farn- und anderem Straut. Überbfidt man bei Trouefjart die weiteren 12 zurzeit als jelbjtändig anerkannten Haupt- arten der Untergattung Sylvilagus auf ihr geogtaphifches Vorkommen, jo zeigt jich, daß fie Hauptfächlich im Weiten und Süden heimisch find. Mittel- und Südamerika bis Brafilien und Paraguay einfchließlich werden von 14 Arten der Untergattung Tapeti Gray bewohnt. Aus diejer bilden wir auf ©. 54 das Coftarica-Tapeti, Tapeti gabbi Allen, der bebujchten Waldblößen Coftaricas ab, das den Begriff „Haje” jehr lehrreich erweitert mit einen Furzen Ohren und feinem bis auf einen Fleinen Höder in der Haut verfümmerten Schwanze. Bleibt noch die Untergattung Wafferhafen oder, bejjer gejagt: Wafjerkaninchen (Limnolagus Mearns), mit 7 Arten und Unterarten, die jet E.W. Nelfon („North American Fauna“, Nr. 29) dureh ihre nadten, blinden Jungen als echte Kaninchen erwiejen hat. Sie it die interejjantefte von allen: zeigt fie doch die Anpaffungsfähigfeit der faninchenartigen - Hafen im glänzendjten Lichte durch die Gewöhnung ans Wafjer, ang Leben im Sumpfe! Leider jpielt diefes Leben fich aber an fo fehtwer zugänglichen Orten ab, daß mir nur jehr wenig von den merfwiirdigen Tieren wifjen. Die beiden bejtbefannten Arten find noch das Sumpffaninden, L. palustris Bachm. (Abb., ©. 55), aus dem Küftentiefland von Nord- carolina, Georgia und Florida, nur 45cm lang, Unterjeite des Schwanze3 grau, Ohren fürzer al beim Baummollfchwanz, und dag Wafjerfaninchen, L. aquaticus Bachm., 94 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hafen im weiteren Sinne. vom unteren Mifiijjippi nördlich bis Südilfinois, 53 cm lang, Unterjeite des Schwanze3 weiß, Ohren länger al3 beim Baummwollfhwanz. Bei beiden Arten find die Füße nur jpärlich behaart, offenbar eine Anpaffung an die veränderte Lebensweije. Das Sumpffaninchen ift ein Bewohner der niederen Küftenftriche in den Südftaaten. 63 ift ein wenig größer al der Baumtmollichwanz, mit dem e3 jich oft vergejellichaftet, — = Ze en er FE TI Pz c ee. — Coftarica-Tapeti, Tapeti gabbi Allen. 1a natürliher Größe. (Vgl. Tert, ©. 53.) und unterjcheidet jich von ihm noch durch die fpärlichere Behaarung, namentlich die faft nadten Füße. &3 it unverkennbar ein Tier der feuchten Sümpfe, das nicht zögert, Das Vajjer anzunehmen und, aufgejchrect, fich in den tiefiten Moraft zu ftürzen. Nach Bach- mann läuft e8 auf der Erde niedrig dahin und fan nicht fo leichte, kräftige und fchnelfe Sprünge machen wie der Baummollichtwanz. Vermöge der kurzen Ohren und Gliedmaßen. und jeiner ganzen plumpen Erjcheinung erinnert es, wern man e3 fo durch Matjch und Moder platjchen fieht, etwa an eine große Ratte. Nach Audubon und Bachmann werden die 6 oder 7 Jungen in einem großen überwölbten Nefte abgelegt, das oft aus einer Binfen- art beiteht und einen Eingang von der Geite hat: wieder eine neue Abänderung der Wohn- jtätte, weder freies Hafenlager noch unterirdifcher Kaninchenbau. Die Sümpfe des unteren Miffiffippi beherbergen das große Wafjerfaninchen, dejjen Zebensweije der des Heineren Sumpffanins, foviel wir mifjen, ganz ähnlich ift. Hinzus ur) Sau hr 2 er “ Sumpflanindhen. Ejelhafen. 55 zufügen wäre nur, daß L. aquaticus gut taucht und große Streden unrer Wafjer fchwimmt. Ferner jollen die Wafjerfaninchen im Winter großenteilß von den Wurzeln der Waffer- pflanzen leben, die jie mit ihren Fauenbemwehrten Vorderfühen ausfcharren. Der ameri- fanifche Farmer hält fie der furzen Ohren wegen, die dem Kopf Ühnlichfeit mit dem eines Bullenbeißers geben, für eine Hundeart und nennt jie waterdogs. Gie jind in denjenigen Gegenden des Mifjiijippitales, wo e3 weite Streden jtehender Gemäjjer gibt, jehr Häufig und zu Zeiten, wenn der Wafjerjtand niedrig ift, nicht fchwer zu fangen. Sumpflaninden, Limnolagus palustris Bachm. 1/s natürliher Größe. (Vgl. Tert, ©. 53.) Wir fommen zum Kern der ganzen Familie und zugleich zur legten Hauptgattung, Lepus Z., den eigentlichen Hafen, zu denen auch Meifter Lampe, der Grundpfeiler unjerer heutigen Feldjagd, gehört: 103 Arten und Unterarten aus allen Erdteilen mit Ausnahme bon Auftralien, Mitte- und Südamerifa, ein Teil der nordamerifanifchen wieder in Die bejondere Untergattung Macrotolagus Mearns abgejpalten. Diejer wifjenjchaftliche Name („Großohrhaje”; eine Art Heißt zudem noch M. callotıs = Schönohr) begegnet ich im Sinne mit dem Spottnamen, den die Anterifaner in den Prärien des Wejtens den unerwünfchten Miteffern auf ihren Obftplantagen, Feldern und Viehmweiden gegeben haben: Jack rabbits, d.h. Ejelhajen, wegen der mächtigen, über fopflangen Löffelohren; Langlöffel tönnte man deutjch auch jagen. Dank ihrer praftijchen Bedeutung hat auch das Landwirtichaftsminifterium der Union fich für die Ejelhajen inter- effiert und von einem feiner für folche Zwecke angejtellten Staatszoologen, Palmer, eine jehr vielfeitige Abhandlung ausarbeiten laffen, die uns im folgenden als Quelle dienen joll. 86 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hafen im weiteren Ginne. Danach handelt e3 fich, abgejehen von einer jpäter zu jchildernden Art mit ganz weißer Schwanzblume, hauptjächlich um die folgenden Arten mit oberjeits [hrvarzgem Schwanz: Calı- fornia Jack Rabbit, Macrotolagus californicus Bachm. (Taf. „Nagetiere III“, 2, bei. 122): am leichtejten fenntlich durch die Hell rötlichgelbe (buff) Unterjeite des Rumpfes und Schwan- 368; Körperlänge, von der Najenjpibe bis zum Ende des Schwanzmwirbels gemejjen, über 59cm, Ohren 13—15 em; Heimat: Kalifornien mweitlich der Sierra unter 3000 Fuß Meereshöhe. Texan Jack Rabbit, M. texensis oder texianus Wirh.: Unterjeite des Körpers und Schwans 3e3 weiß; Körperlänge beinahe 65 cm, Ohren über 17 cm. Die weiße Unterjeite unterjcheidet den teranischen Ejelhajen gewöhnlich von dem falifornijchen; aber Die legteren werden in den Hügeln am San Foaquin Valley oft jo hell in der Farbe, daß fie den weißbauchigen jehr ähnelt. Heimat von M. texensis: vom Feljengebirge weitlich bi8 Dregon zur Sierra Nevada in Kalifornien, von Zentral-Spaho und Sivoft-Wafhington füdlich bis Merifo. Eastern Jack Rabbit, M. melanotis Mearns, der öftliche Berteter des vorigen mit fatteren Farben und fürzeren Ohren; der jchwarzichwänzige Ejelhafe des nordamerifanijchen Dftens, unter den Palmer, einerlei, ob e8 mın eine Spezies oder eine Gubfpezies ift, alle3 einbezieht, was öftlich des Feljengebirges und von Mittelterad nordwärts bis Nebrasfa vorfommt. Allens Jack Rabbit, M. alleni Mearns, der größte und fchönfte Haje des Südweitens; auch aus der Entfernung gut zu unterjcheiden Durch Die grauen Körperjeiten und das Weiß am Hinter- teile; Länge über 64 cm, Ohren beinahe 20 cm; Heimat: Südarizona und Sonora. Nirgends in den Vereinigten Staaten und vielleicht nirgends in Der Welt, ausgenommen Auftralien, find Hafen fo zahlreich wie in einigen Teilen Kaltforniens. Aber obiwohl Der Kalifornifche Efelhafe jchon 1837 befchrieben wurde und der Teranifche 1848, hat man Doch neuerdings exit Die Grenzen ihrer Verbreitung genau bejtimmt. Der Kalifornier ijt nirgends jo zahlreich wie der Teraner, in manchen Gegenden jogar jelten; aber daran ijt nur die Bejiedelung jchuld und Die verjchiedenen Mittel, die man zu jeiner Bertilgung angewendet hat. Yan Dyfe (‚Southern California‘, 1886) findet faum ein Tier anmutiger als diejen Hafen, ob er nun leicht Dahinjagt über Die Ebene vor dem langgeitredten Windhunde oder, aus jeinem Lager herausgeitoßen, in hohen Fluchten davonjauit, riidwärts fchauend, als wenn er ein bejjeres Bild des Störer3 mitnehmen wollte, oder, anhaltend und fich auf die Hinterfüße erhebend, jenfrecht jteht und aus ficherer Entfernung beobachtet, dann abermals fich lang jtrect und Boden unter jich nimmt wie ein Nenner, bis er eine Meile weit weg ift. Zumeilen am frühen Morgen oder abends fieht man ihn wohl, wie im Spiel, über die Ebene laufen: vielleicht 2, 3 Meilen rennt er fo meiit in vollem Laufe. 63 braucht einen guten Windhund, um den beften Ejelhajen zu überholen, und der langjamite hält immer noch zwischen jich und einem gewöhnlichen Hund jeden beliebigen Abjtand. Der Teranijche Ejelhaje ift im allgemeinen ein ausgejprochener Bewohner der Wiüften und Ebenen. Im Südarizona und der Coloradvmwülte in Kalifornien fieht man ihn gewöhnlich einzeln oder in Heimen Trupps von zweien, dreien, während in Kanfas, Dfteolorado und einigen Teilen des Großen Bedens oft gewaltige Mengen zufammen ge- junden werden. Geine Häufigkeit oder Geltenheit hängt ab von örtlichen Bedingungen: ein ungewöhnlich Falter Winter, eine Epidemie oder ein trodenes Jahr, in dem das Jutter jpärlich üt, Fan feine Zahl jo vermindern, daß er da felten ift, two er fonft zahlreich war. Benn aber die Lebensbedingungen günstig find, vermehrt er fich herdenweife und ijt dann in ungeheuter Zahl vorhanden. Darüber erzählt Sudley 1884 aus Südweit-Jdaho: „Die Hajen waren Dort jo zahlreich, daß unjer Kommando von 60 Mann fait eine Woche von Ejelhajen. 57 ihnen lebte.” AJm Sommer 1891 jah Palmer jelbit große Mengen gleich füdlich der Stadt Bafersfield. Wenigjtens 100 waren immer zugleich im Gefichtöfreis, und fie waren fo ver- traut, daß fie faum auf die des Weges fommenden Gefpanne achteten und Menfchen auf wenige Fuß heranfommen ließen, ehe fie flüchteten. Eine eingehendere Lebenzjchilderung aus Arizona gibt Coues („American Naturalist‘‘, 1867): Dort ift die Art das ganze Jahr jehr gemein und in jederlei Gelände zu Haufe, ob- wohl natürlich grafige Wiejen und offene Blößen, überjtreut mit Gefträuch, Eichengruppen oder Dornbüjchen, bevorzugt werden. Die Wildwafferjchluchten oder „Wajchbütten”, mie jie genannt werden, die aus den Bergjchluchten herausführen und dicht mit „Schmier- holz” (Obiono, Atriplex canescens, eine Art Melde) beitanden find, find Lieblingspläge. Die Hafen äjen viel von diefer Pflanze und treten fich Feine Wege Durch die Büjche, auf denen fie gemächlich umherhoppeln. Wenn fie in Nuhe äjen und feine Gefahr argwöhnen, bewegen fie fich mit einer gewijjen trägen Läfjigfeit, nafchen hier vom Bufche über ihrem Kopfe und Dort vom Graje zu ihren Füßen. Sie find (als echte Hafen) durchaus nicht eigentlich gejellig, obwohl bejonders verlocdende Berhältnijje viele von ihnen auf demjelben Tlede verjammeln fünnen. Sie graben (wiederum als echte Hafen) feinen Bau, jondern ‚machen fich ein Lager zurecht (engliich „form“, wohl entlehnt vom Bilde der Kuchenform), in dem fie ich, niederdrüden. Dieje Lager hält Coues nicht für dauernd; er glaubt viel- mehr, daß jie, warn und wo nötig, in einem pafjenden Bufche hergerichtet werden. Nur zur Fortpflanzungszeit mag es anders jein. Die Zahl der Jungen wird gewöhnlich auf 2 oder 3 in einem Wurfe angegeben; Coues fand aber bis 6 in einer trächtigen Häfin. Jr der Gegend jeiner Beobachtung (Fort Whipple) wurden die Jungen im Junigeboren. Soll wohl heißen: die eriten Jungen; denn bei der zeitweije riefigen Vermehrung müjjen wir doc) an- nehmen, daß mehrere Würfe einander folgen bis in den jchönen, milden nordamterifanijchen Herbit hinein. Der Terashafe hat einen langen, jchwingenden Galopp und macht ausgiebige Sprünge, manchmal über Büjche von 4 Fuß (1,22 m) Höhe: jest jchwebt er in der Luft, alle vier Füße eng zufammen herunterhängend, und jet berührt er den Boden und prallt wieder von ihm ab mit wunderbarer Schnelffraft. So läuft er einige Hundert Ellen weit; dann hält er plößlich ein, et jich aufrecht und läßt feine langen, vor Aufregung zitternden Ohren in jeder Richtung fpielen, um einen Laut von der ihn verfolgenden Gefahr aufzufangen. Der Hftliche Ejelhafe ift nur durch forgfältige Vergleichung einer Reihe von Erem- plaren als bejondere Form zu erfennen. Sn einigen Teilen von Kanjas und in Südojt- Colorado ift er jehr zahlreich und wird in großen Mengen vertilgt, auch viel auf den Märkten der Städte verfauft. Nach Attwater bleibt er, jelbft jung aufgezogen, immer wild und jeßt jich zur Wehr. Er wird viel zu Hebjagden gebraucht und ift einer der beiten Hafen für diejen Sport. Eine intereffante Probe auf feine Schnelligfeit wurde („American Field‘, 1894) auf den Prärien von Dfteolorado bei Burlington gemacht. Einige Hafen wurden [os- - gelajjen, nachdem man ihnen einen oder zwei Tropfen Anisöl auf den Fußjohlen ver- trieben hatte, und dann eine Meute von fünf Hunden auf ihre Fährte gejebt. Der erite und der zweite Haje wurden in ungefähr 20 Minuten niedergelaufen; aber um den dritten zu überholen, einen „alten Schwarzjchwanz”, brauchten die Hunde beinahe 2 Stunden. Der Bejchreiber fügt Hinzu, daß diefe Hafen im Streife zu laufen pflegen. Cie machen ein Rennen von etwa 2 Meilen; dann aber werden fie matt, und wenn die Spur nicht verloren geht, holen die Hunde fie ficher ein. Über Allens Ejelhajen jagt Price: „Sch Habe ihn nie mit der rajchen, reigenden Flucht 98 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hafen im weiteren Sinne. des Terashajen aufipringen fehen. Er hat eine träge, anfcheinend unbeholfene Gangart, und doch macht er lange Sprünge und geht mit überrafchender Gefchmwindigfeit über den Boden hin. Sp verjchieden tie er in Farbe und Wefen von allen anderen amerifanijchen Hafen ift, muß man fich wundern, daß er fo lange unbejchrieben blieb” (6131895, „Bull. Am. Mus. Nat. Hist.“). Nun einige Beifpiele, bis zu welchen Mafjen jich die Ejelhafen in begrenzten Gebieten vermehren fönnen. In Modoe County, Nordfalifornien, wurden in 3 Monaten fait 25000 getötet, auf einer Landitrede von nur 6—8 Meilen im Umkreis. Bei Balerzfield fanden einige Treiben ftatt in einem Revier, das nicht einmal eine Duadratmeile Umfang hatte. m _ exjten Treiben wurden an einem Nachmittag 1126 Hafen getötet; jobald Dieje erledigt waren, wurde dasjelbe Feld zum zmweitenmal übergangen und noch 792 erlegt. Eine Woche jpäter hielt man auf demfelben Boden zwei Treiben ab; das exjte ergab 2000, das zweite über 3000 Hafen, weil man ein angrenzendes Felo mitgenommen hatte. &3 wurde gejchäßt, daß auf diefem Nevier in 9 Tagen alles in allem etwwa 8000 Hafen getötet worden waren. Das „Kern Country Echo“ gibt an, daß von Januar bis März 1888 im ganzen 40000 Hafen auf den Treiben um Baferzfield getötet worden feien, und nimmt dabei auf eine Schäßung bezug, nach der zwei Drittel Häfinnen mit einer Durchfchnitt3zahl von 3%, Jungen gemejen feien. Auf diefer Grumdlage wurde berechnet, daß die 40000 Hafen, wenn jie noch 2 Monate am Leben geblieben wären, fich auf 135000 vermehrt Hätten. „Wenn man bedentt, was ein einzelner Hafe anrichten ann, jo mag der Schaden, den ein folche3 Heer macht, Faum ge- vinger fein al3 der einer Heufchredfenplage." In Ada County, Jdaho, wo man unter dem PRrämienfyitem 15 Jahre hindurch die Hafen fyftematifch vertifgte, wurden im leßten Diejer Sahre, 1895, mehr Kopfhäute eingeliefert und mehr Geld für jolche ausgegeben als in irgend- einem Jahre vorher, feit 1878 das Prämiengefeg in Kraft trat. Man darf annehmen, dab die Ejelhafen in ihrer Fortpflanzungszeit mehrere Würfe bringen, angeblich alle 6 Wochen einen von durchjchnittlich 3—4 Jungen. Da dieje mın in ungefähr 2 Monaten ausgewachjen iind, fo mag man fich einen Begriff machen von dem Nahrungsbedarf der ganzen Majje. Die Hafenfrage wınde eine Lebenzfrage für die betroffenen Viehzucht, Ader- und Objt- bauftanten des Weitens. Bon Gift und Fünftlicher Verbreitung anftedender Krankheiten fan man bald wieder ab, und ebenfo durfte man fich von den natürlichen Feinden der Hafen feine mwejentliche Hilfe verjprechen. Immerhin lernte man den Cohote oder Präriemolf, den man daraufhin bisher gar nicht angefehen hatte, als recht wirfungsvollen Hajenvertilger ihäßen und hob die Prämie wieder auf, die man einfeitig zugunften der Schafzlichter auf feinen Kopf gejeßt hatte. Wieder eine jener gewaltfamen Störungen de3 natürlichen Gleich- gemwicht3 in der tierifchen und pflanzlichen Umgebung, die der europäijche Kulturmenjch mit unfehlbarer Sicherheit, wie feinen Schatten, mit fich bringt, indem er bewußt oder un- bewußt Nähr- und Wohngelegenheit vernichtet, manchmal aber auch neu jhafft! Auf Ddieje Reife muß auch die übermäßige Vermehrung der Efelhafen unter den heutigen Kultur- verhäftniffen ihrer Heimat zu erflären fein: wahrfcheinlich durch die Bebauung und Be- pflanzung jener früher vollfommen mwüften und öden Gegenden, die durch ihren Fünftlichen- Pflanzenwuchs jebt da Hunderten und Taufenden Nahrung bieten, two im geitalter Des Indianer3 faum einige wenige ihr Leben friften fonnten. Armer Langlöffel: erit baut man Jutter für dich, und dann fchlägt man dich tot, wenn du e3 auffrigt! — Der Unions- bütger der Weftitaaten fieht in den „drives“ immer noch das bejte Mittel, ich feiner Schad- hajen zu erwehren. Die Anfänge diefer Treiben follen übrigens bi3 in die Jndianerzeiten zurücgehen. Heute bringen die „Hafentage“ die gefamte Bevölferung ganzer Bezirke auf die Gjelhafen. Präriehaje. 59 Beine: fein gejunder Mann darf jich diejer gemeinnüßigen Pflicht entziehen; zugleich aber wird das Hajentreiben ein Felt, das mit Ertrazügen Teilnehmer auch aus der Ferne anlodt. Große Flächen werden umijtellt, die Darauf befindlichen Hafen nach Möglichkeit in eine Um- zäunung getrieben und dort totgejchlagen. Wie Balmers photographifche Aufnahmen zeigen, liegen dann die Zeichen jo Dicht, dat man buchjtäblich den Erdboden nicht jieht. Die Ber- tilgung ift dabei die Hauptjache; aber natürlich wird die Beute auch nach Möglichkeit aus- genußt. Was noc) gut ausfieht, bringt man auf den Markt; wo Prämien gezahlt werden, jchneidet man den „Sfalp” mit den Ohren ab al3 Beleg. Die Körper benugt man ala Schweinefutter, zum Düngen oder fchafft fie beijeite. Die Felle werden fait nur von den Sindianern des Großen Bedens benußt, die in pdaho, Nevada und Utah von jeher fich die Kleider daraus machten; daher der Name Hajenindianer. Palmer führt unter feinen Jack Rabbits auch den Bräriehajen, Lepus campestris Bachm., auf, der jich von jenen fchon äußerlich durch ganz weißen Schwanz unterjcheibet. Gr leitet ung zu den Hafen im allerengjten Sinne über. Übrigens fommt er niemals in folchen Mafjen vor wie die jchwarzjchwänzigen Langlöffel, auch unter den günftigjten Umftänden nicht. Uns interejjiert an ihm bejonders, daß er ein „veränderlicher Haje”, im Sommer grau, im Winter weiß, it und fo bis zu einem gewijjen Grade die Berbindung heritellt zmwi- chen den Gjelhajen und den Polarhafen. Sonit ift es eine große Urt, beinahe 60 cm lang, mit über fopflangen Ohren, langen, jtarfen Hinterläufen und weißem, gar nicht jchwarz gezeichnetem Schwanze. Er verbreitet jich über Dftfanada und das Tal des Sasfatichewan bis nach Kanfas und zur Sierra Nevada. Obwohl er Präriehaje heit, figt er doch hoch in den Bergen, mwenigjtens im Sommer, höher alS irgendein anderer Haje. Palmer jah ihn 10000 Fu$ hoch in der Sierra Nevada, und im Feljengebirge hat man feine Spuren weit über der Baumgrenze gefunden, nahe den höheren Berggipfeln. E3 it faum anzunehmen, daß Ejelhafen den Winter in folchen Höhen zubringen; doch muß die obere Grenze ihres Winteraufenthaltes noch feitgeitelft werden. Neichliche Hung auf den Horhgebirgsmatten und über der Baumgrenze lodt fie jedenfalls aus geringeren Höhen hinauf, ebenjo mie be- baute Felder in der Ebene fie aus der Ferne anziehen. Jm Gebirge und im nördlichen Teile ihres Verbreitungsgebietes werden fie im Winter ganz weiß; aber in Kanjas, Nebrasfa, Wajhington und anderwärts nahe der Südgrenze ihres Vorfommens verfärben fie ihren Pelz nur teilmeife oder werden nicht alle weiß. Ir Südoregon follen die Hajen des höheren Gebirges im Winter wei werden, während fie ein wenig niedriger nur unvolfitändig ver- _ färben und in den Tälern überhaupt feinen weißen Pelz anlegen. Nach Coues, der ihn auf den „Großen Ebenen” beobachtet hat, ift der Präriehaje durchaus nicht gejellig. Wenn er etivas bevorzugt, fo find es die Unfrautbejtände, die die Calbeibufchregion am beiten aufzumeifen hat; dort findet er Schuß, den ihm das niedrige, frauje Gras des melligen Brärielandes nicht bietet, und ebenfo eine vielfältigere Ajung. In manchen Gegenden fommt er jedoch auch) recht zahlreich vor. Fiiher ah 20 beifammen bei Coldy in Kanfas, und weiter nördlich wird er in großen Mengen auf den Markt geliefert. Ein Kommifjionshaus in St. Paul, Minnefota, erhielt in einem Winter 12000 Stüd aus Nord- und Süddafota, und aus dem Staate Wafhington famen Klagen über Feld- und Objtjchaden; bei Prescott, Wallawalla County, wurde eine Sohannisbrotpflanzung, die auf Waldland angelegt war, von-mweißjchwänzigen Ejelhajen zerftört. Mehr aus dem Eüden, aus der Öe- gend zwijchen John Day und Umatilfafluß fchreibt J.R. Lord: „AS wir losritten, bemerfte 60 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hafen im weiteren Sinne. ich Fährten; fie bedecten den Boden jo dicht, Daß ich zuerjt bei mir dachte: von einer großen Schafherde, al3 wenn die Tiere da eingepfercht gewejen wären. ch hatte faum Zeit, nach- zudenten, welches Tier hier jo zahlreich fein Fönnte, als die Hunde unter den wilden Salbei-- büjchen heraus zwei oder drei Hajen hochmachten. Wir jahen dann Mengen von jolchen und ichojjen mehrere; aber das Wildbret jchmedte jo ftreng nach wilden Salbei, von welchen dieje Hafen hauptjächlich leben, daß man es nicht ejjen fonnte... Der Balg des Prärie- bajen ift lang und jeidig und hat genau die Farben des Sandes und der dürren Blätter unter ven Büjchen, wo er jein Lager macht. Wenn er jich nicht bewegt, tft e8 unmöglich, ihn bon jeiner Umgebung zu unterjcheiven, mag man auch unmittelbar auf jeinen Rüden nieder- jehen.” Hochgemacht, ift jolcher Haje im Nu auf und davon. Coues bejchreibt jeine charafte- riftiiche Gangart dabei folgendermaßen: „Zunächit drückt er fich nieder in der Hoffnung, verborgen zu bleiben, bis die Furcht ihn Hoch treibt. Dann macht er einen Sprung in Die Luft mit langgejtredtem Körper und aufgerichteten Ohren. Jim Augenblid, wo er den Boden berührt, it er auch jchon wieder hoch mit eigenartig federndem Nud, mehr wie der Nüditoß eines Gummiballs al3 wie eine Musfelleiftung. Er fommt gar nicht richtig Her- unter und jammelt ich zum nächjten Sprung, fondern es fieht aus, al3 wenn er mit fteif aus- geitreckten Beinen nur-eben den Boden berührte und durch die eigene Claftizität wieder in die Höhe flöge. Die Bewegung erinnert auffallend an das ‚Boden‘ eines Maultieres, eine Sache, die den Leuten im Weiten nur zu vertraut ift. Mit einer KReihe diejer rudweijen Süße eilt das Tier in-geradem Laufe Davon; da it nichts von den Sniffen und dem Hafen- ichlagen der Fleineren Hafen. Hat er einen Vorfprung gewonnen und feine Furcht legt jich, jo werden jeine Sprünge weicher, und er jeßt fich in feiner Spur mit einem Aud auf die Haden nieder, zu lauern und zu laufchen. Die Stellung in jolchen Augenbliden it Höchit charakterijtiich: einen Vorderlauf ein wenig vorgefchoben und die Ohren gejpißt in entgegen- gejeßter Richtung. Ein Hafe in folcher Stellung ift immer auf der Hut, und der leijeite An- reiz jeiner Furcht genügt in jolhem Augenblid, um ihn von neuem zu jeinen federnden Sprüngen anzutreiben. Er ijt die jchönfte Berförperung wachjamer Furcht.“ Coues jah den Träriehajen niemal3 Männchen machen mit vomt Erdboden erhobenen Borderfühen und bezweifelt, ob er dieje Stellung überhaupt annimmt, außer auf Augenblide. Wenn der Präriehaje zwar jchon ein veränderlicher Haje mit weißem Winterbalg tar, aber Doch noch ein Bewohner des Graslandes oder wenigitens offenen Geländes, jo ijt der eigentliche, gewöhnlich in Amerifa fo genannte Beränderliche Hafe, Lepus ame- ricanus Eral., aud) injofern ein echter Schneehaje im altmweltlichen Sinne, als er, wie jein eutopäijcher Verwandter, mehr im Walde lebt. Die Waldgebiete des nordöitlichen Nord- amerifas jind, nad) Stone und ram, feine Heimat; dort verbreitet er jich jüdmwejtlich der Alleghanies entlang bis Weftvirginien, im äußerten Often wird er jüdlich von Maine jelten. Wenn man bedenkt, daß New York etwa unter der Breite von Neapel und die genannten Staaten etwa unter 40—45° nördl. Br. liegen, was in der Alten Welt etwa Stalien und Südfrankreich entjpricht, während unfer Deutfches Reich Faum unter 470 nad) Süden reicht, und das Gebiet de3 europäischen Schneehafen noch nördlicher liegt, jo tritt der Unterjchied in der Verbreitung der alt- und neumeltlichen Arten recht grell zutage: bei ung ausjchließlich nordijche und Hochgebirgstiere, reichen fie jenfeits des Ozeans ungleich weiter jüdlich, bis in Breiten, die im mwejtlihen Europa faum einen Winter im gewöhnlichen Sinne haben. Der Zeränderliche Hafe heißt in der amerifanifchen Zägerjprache auch „Schneefchuh-Karnidel”, Veränderliher Hafe. 6l twahrjcheinlich nach feinen langen, jtark behaarten Hinterläufen, hat eine Körperlänge von 48—49 cm und ift im Sommer oben rotbraun bis matt rojtfarbig, unten weiß, im Winter » ganz weiß, nur mit jchmalem braunen Rüdenjtreif. Am jüdlichen Teile feines Verbreitungs- gebietes bleiben manche Stüde auch im Winter teilweife braun. Löffel und Hinterläufe jind weniger verlängert, jtehen in ihrem Längenverhältnis zum Körper in der Mitte zmwijchen denen des amerikanischen Scaninchens und der Ejelhajen. Dies mag wohl mit dem Aufent- halt im Walde zufammenhängen, der eine andere Bemwegungs- und Lebensmweife mit fich bringt. Troßdem it der Veränderliche ein echter, ungejelliger Haje, der fich nur ein offenes Lager auf der Erde macht. Stone und ram jagen von der nördlichen Abart (L. a. virgi- nianus Harl.): Winter und Sommer und bei jedem Wetter hat er fein bejjeres Obdach als das niederhängende Gezmweig eines Jmmergrüns, zwijchen das jich jeder einzeln verkriecht, um jich gegen den Sturm zu jchüßen und vor jeinen Feinden zu verbergen. Offenbar jchläft er nie mehr als halb und ijt immer auf dem Sprunge, herauszufahren im Augenblid, wo er die Witterung des Fuchjes oder Wiefels erhält oder-da3 Knaden eines Fußtrittes von ferne vernimmt. Wenn er Hunger verjpürt, wagt er jich auch jo hinaus und hoppelt nach dem nächiten „PRaß“ oder der „Heerjtraße”, die gemeinfam von allen Hajen der Nachbarichaft benußt wird. Diefe Hajenpäfje jind gemöhnlich Hübjch gerade und verfolgen das ganze Jahr über denjelben Lauf, indem fie jich dabei oft eine Viertefmeile weit und mehr als eine Art unterbrochener Pfade fortjegen, mit vielen Seitenpfaden und Kreuzwegen von geringer Länge, die nach den Ajungsitellen hinführen. Nachdem die Hafen den Päjien eine furze Strede gefolgt jind, jchlagen jie jich gewöhnlich aufs Geratewohl ins Unterholz, hier und da nagend, an jungen Laub und Knojpen nafchend und herumfchnuppernd nach zerjtreutem Gras und Klee, wie er jelbjt im tiefiten Walde noch aufjprießt. Die jungen Hafen haben auch feinen anderen Schuß als die Blätter über jich und müjjen ganz unbejchüßt gelajjen werden, jo oft die Mutter für jich jelbjt Sutter juchen geht; die alten Männchen jollen nicht nur gar fein Berantwortlichkeitsgefühl für die Aufzucht der Jungen zeigen, jondern jie jogar mit einer gewijjen Wollujt töten, wenn jie Gelegenheit dazu. haben. Sobald die Jungen fähig jind, für jich jelbjt zu jorgen, oder noch vorher, wenn man nach dem äußeren Ausjehen urteilen darf, werden jie ihrem Schidjal überlafjen und müfjen jich jelbjt erhalten, jo qut lie fünnen. Yutter finden fie in diejer Jahreszeit leicht genug; den zahlreichen Feinden zu entgehen, die fie umlauern, muß viel fchwerer fein, und es ijt zu bezweifeln, ob vom Dusend auch nur einer groß wird. Wenn der Winter herannaht und der Froft ihnen die Afung abjchneidet, jehen fich auch die Veränderlichen Hafen mehr und mehr auf die Rinde junger Bäume und Büjche an- gemwiejen, auf Birken, weichen Ahorn und wilde Apfelbäume. Wenn die Sinojpen der grauen Birke zu jchwellen beginnen, wie jie das im Nachwinter fchon tun, jcheinen die Hafen dieje fung jeder anderen vorzuziehen, und wandern oft bedeutende Streden auf der Suche nad) Bäumen mit niedrigen Äften oder Gruppen junger Bäume vom leßten Jahre, deren Spiten noch in ihrem Bereiche find, und ein Hafe, der fich aufrecht auf die Hinterläufe itellt, wie das in diejer Zeit ihre Gewohnheit ift, reicht viel höher, al3 man auf den eriten Blid glauben möchte. Die ftarfen Stöde der Brombeere und junge Bäume von 1 cm Durd)- mejjer jchneiden diefe Hafen am Boden oder auf der Echneedede ganz ab, um zu den Ziveigen und Knojpen außerhalb ihres Bereiches zu gelangen. Gemöhnlich verbringen jie den Tag bemwegungslos niedergedrüct, Halb jchlafend unter Dedung, obwohl jie auch nicht abgeneigt jnd, um Mittag fich zu fonnen, namentlich in der zweiten Hälfte des Winters. Gegen - 62 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hafen im weiteren Ginne. Sonnenuntergang gehen fie auf Mjung aus, und bald nad) Sonnenaufgang find fie wieder zurüd im Lager. Troß feiner Größe und der bedeutenden Stärfe jeiner Hinterbeine, die er zu guter Lebt jo Fräftig al$ Verteidigung zu gebrauchen verjteht, ftrampelnd und um jich ichlagend, wenn er ergriffen wird, jcheint der nordifche Haje die Beute aller, auch der Flein- ften Raubtiere des Waldes zu werden. Im Norden joll der amerifanische Zobel oder Fichtenmarder einer feiner fchlimmiften Feinde fein, und e3 ft nicht unwahrscheinlich, daß der amerikanische Nerz oder Minf auf feinen Streifen durch höheres Land Hin und wieder einen erwijcht. Sogar vom Hermelin und Heinen Wiejel weiß man, daß fie erwachjene Hajen erlegen; die Jungen und halbwüchjigen fallen ihnen gewiß jehr leicht zum Opfer. Der ge- fährlichite und unabläffigite Feind ijt aber wohl der Fuchs. Nad) dem, was fie jelbit gejehen haben, meinen Stone und Cram, daß die Füchje auf der Hajenjagd zufammenmwirfen, wie die europäifchen, indem einer fich am Hafenpafje auf die Lauer legt und die Hafen faßt,, jobald fie den Paß annehmen, um den anderen Füchjen zu entwijchen, die fie vom Lager aufgetrieben haben. Die Habichte, der große graue Kauz, Uhusund Schnee-Eulen greifen lie entweder unverjehens aus dem Jmmergrün heraus oder verfolgen jie im Fluge dur) das Unterholz. Zu diejfer Feindejchar fommt fchlieglich noch der Menjch, der den Schnee- hajen im Herbft und Winter mit Hunden jagt und in verfchiedenartigen Fallen und Schlingen fängt. Trogdem bedeutete nach der Daritellung von Stone und Cram die Befiedelung der Heimat der Schneehajen Durch den weißen Mann für dieje eher eine Verbejjerung ihrer Lebensumjtände al3 eine vermehrte Gefahr, weil nun ihre natürlichen tierifchen Feinde, die Wölfe, Luchfe und marderartigen Raubtiere, die zugleich gute Pelztiere find, deswegen jehr vermindert, zum Teil jogar ausgerottet wurden. „Bis um die Mitte vorigen Zahr- Hundert3 war der Schneehafe fo noch gemein und offenbar die einzige Art im Süden des Staates New Hampjhire. Da trat das Fleine, graue Rabbit oder Cotton tail (Baummoll- Ihmänzchen) in die Erjcheinung. Obwohl es faum Halb jo groß, viel Fürzer auf den Beinen und noc) furchtfamer und mwehrlofer ist, erweist jich jebt, daß die größere Art (der Schnee- hafe) in demjelben Maße verjchwunden ift, wie die Heinere an Zahl zunahm.” Hiernach icheint e3 alfo, al3 ob im nördlichen Nordamerifa zwifchen dem Veränderlichen Hafen und dem dortigen Kaninchen ähnliche Verhältniffe gejpielt Haben, wie jie unjere Säger und Hajenbeobachter zur Erörterung der Frage veranlaften: Berdrängt das Kaninchen den Hajen? Allem Anfchein nach weicht der Veränderliche Hafe, der wohl ein echtes Urmwaldtier it, vor der eutopäifchen Bodenkultur, die der Weiße ins Land gebracht hat, zurüc, während das Kaninchen ganz im Gegenteil gerade mit ihrer Hilfe fich ausbreitet. Nach Stone macht der BVeränderliche Hafe in Zeiträumen von 7 oder 8 Jahren noch Borjtöße in fein altes Gebiet, verjchwindet aber immer wieder. Eine Kolonie glaubt Stone zu fennen, die an einem niedrigen, fichtenbeftandenen Berghange ununterbrochen jeit den Andianerzeiten hauft. Sonjt aber hält er die immer wieder auftauchenden Schneehajen für Wanderer aus dem Norden, die bon demfelben Triebe nad) Süden geführt werden wie die Lemminge und in geringerem Maße die meijten Heineren Pelztiere des Nordens. Stone verfolgte jelbit fajl 2 Meilen weit jolche einzelne Wanderjpur, die feine halbe Meile von feinem Haufe ab nach Cüdojten führte, faum einmal einige Ruten von der geraden NRichtung abtwich und ohne Wahl über offene Felder und Wiefen führte; fie verlor fich Schließlich in den Echneemwehen, und der Verfolger fragte fich, „was wohl aus dem einsamen Wanderhafen geworden jein möchte, wenn er bis ans Meer herangehoppelt war, defjen Braufen man jchon deutlich hören fonnte”. Ein gewifjer True aus Pittsfield, New Hampfhire, jchreibt 1899 an Stone Veränderliher Hafe. Potarhafe. 63 nach Umfrage bei den alten Fuchsjägern, aljo der Zunft, die ein nterejje daran hatte, ihrem Pelzwild feine Nahrung zu erhalten: „Die weisen Nabbit3 oder ads, wie jie hier genannt werden, find allermeijt verjchwunden; die wenigen übriggebliebenen finden fic) nur in den Dichten Wäldern. Als Grund, warum fich die Hafen verziehen, wird (ganz mie bei und mancherjeit3; Hec) angegeben, die Kaninchen bijjen die jungen Hafen tot. Sta- ninchen find fehr häufig, wie es die Jads vor dem legten Jahrzehnt waren. Die erjten follen von einem alten Fuchsjäger aus Mafjachufett3 vor etwa 30 Jahren hierher gebracht worden fein.” Ir Nordamerika jpielt aljo in den Streit zwijchen Hafen und Kaninchen auch noch das Sonderinterefje der Pelzjäger hinein; aber der Schneehaje war jtellenmweije te- nigjtens aus anderen Gründen fchon verichwunden, ehe zu feinem Erjaß für die Pelzfüchje da3 Baummollichwänzchen fünftlich eingeführt wurde. Seht angenehm berührt e3 an Stones Daritellung des amerikanischen Schneehajen, daß er nicht den geringiten Zweifel hegt über eine Hauptfrage aus dem Schneehajenleben: wie nämlich der Farbenmwechjel zuftande fommt. Nur durch Haarwechjel! „Alle Säuge- tiere, im nordifchen Klima wenigjtenz, werfen ihr Haar zweimal im Sahre, befommen einen Diceren Pelz für den Winter und einen Dünneren für den Sommer, und bei unjerer Art it der Winterpelz weiß, während da8 Sommerfell braun ijt; aber das einzelne Haar ändert niemals feine Farbe bon dem Zeitpunkt an, wo es auf der Haut zum Borjchein fommt, bis e3 wieder ausfällt. Der Wechjel von Braun zu Weiß geht im Herbjt vor jich, und für furze Zeit jieht das Tier dann etwas gejchedt aus”; aber „im Laufe weniger Wochen oder noch Schneller wird e8 ganz weiß, und wenn auch eine Zeitlang das Braun noch) in Sleden zu jehen it, jo ift doch die allgemeine Wirfung derer, die ich auf dem Schnee gejehen habe, jo, daß mindejtens die Hälfte tatfächlich weißer erjchten als die Schnee- fläche, über die fie hinliefen.” Beim amerifanifchen Schneehajen ift, nach Braß, das Leder zu dünn, um das Fell al3 Belzmwerf verwertbar zu machen; der Balg farın daher höchitens zur Filzfabrifation dienen. Eine gemwiffe Neuerungs- und Einführungsfucht, die Heute in unjeren ägerkreijen fteet al3 Übertreibung des an fich fo jchönen Hegerjinnes, hat auch den Gedanken in Die Sagdprefje geworfen, den VBeränderlichen Hafen Amerifas bei uns auszujegen. Zur Ein- führung bei uns eignet er fich aber nicht, weder für die Jagd, da er unglaublich feit im Lager fißt, noch des Wildbret3 wegen, da das Verhältnis zwijchen Keulen und Rüden jehr zuun- gunften des Ießteren ausfällt. Der Marktpreis beträgt in Amerifa 10—20 Cent, ein Beweis, daß er auch in feiner Heimat nicht fehr begehrt wird. („Diich. Jägerztg.“) Der Bolarhafe, Arktijche oder Weiße Hafe, Lepus areticus Leach (glacialis), lebt fo Hoch im Norden Amerifas, daß er das ganze Jahr über weiß; bleibt; nur die Ohrjpisen iind chwärzlich. Sm Sommer hat er aber einige wenige lange, jchtwärzliche Haare über den Rüden -zerftreut, und Ohren und Gejicht find leicht grau überflogen. Ein Sommer- Heid ift alfo Doch vorhanden, was ja auch jelbftverjtändfich ift; bei den verwandten Formen bon Zabrador (L. labradorius Mill.) und Neufundland (L. a. bangsi Rhds.) geht auch die jihtbare Veränderung weiter. Der echte Polarhafe der arktiichen Region ift auf den Schnee angewiejen, zum Schuß gegen das Unwetter und alle anderen Feinde. Sein Heim ift ein Loch in einer Schneetvehe oder eine Spalte in einem ausgebrochenen Zeljen, und jein Futter Hirfchzungenpilze, Flechten und die Zweige arftifcher Zivergbäume, die jo wetterhart find wie er jelbjt. Jr dem langen, 64 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hafen im weiteren Sinne. trüben Winter des hohen Nordens hat er jedenfalls wenig Feinde zu fürchten außer dem Blaufuchs und in den wenigen Wochen des jogenannten Sommers die Edelfalfen und die arftifchen Eufen. Wenn der Bolarhafe nicht auf feine fpärliche Ajung ausgeht, fit er nieder- gedrückt in feinem Lager, des trodenen Treibjchnee3 nicht achtend, der ihn oft ganz einhiüllt, toährend er schläft. Wenn dann der Edelfalfoder die Schneeeule in Sicht fommen, abgezeichnet gegen den düjteren Himmel, drüdt er fich nur noch tiefer in den Schnee; wenn aber der PBolarfuchs mit Räubergelüften auf feiner Spur daherjchleicht, dann fommt es meijt zu einem Nennen auf Zeben und Tod über Meilen feiter Schneefläche. ES ijt merfwürdig, daß gerade ein Glied aus einer der dünnhäutigjten und wehrlojeiten Säugetiergruppen fich jehr wohl imjtande erweilt, den Härten des Polarlebens zu troßen; aber man hat diefe Rolarhajen auf Eisfeldern gefunden und zugefrorenen Meeresteilen zwanzig Meilen vom nächjten Land. — Sperdrups, des waceren Nanjengefährten, „Neues Land“, d. H. Nordgrönland und die be- nachbarten Kiüftenjtriche, jcheinen der bevorzugte Tummelplag des Polarhajen zu jein. Überall begegnete ihm die zweite norwegifche Volarerpedition, und immer wieder jebte ebenjomohl jein Scharenmweijes Auftreten in Erftaunen wie die argloje Bertrautheit, die das vollfommen menjchenunfundige Tier verriet. Am Foulfefjord wurden die eriten aus der Ferne für wilde Renntiere gehalten, ein ähnlicher Jrrtum, wie er bei gewijjem Wetter aud) unjeren Jägern hier paffiert. Sperdrup und feine Leute ftreiften infolgedejjen die ganze - Nacht umher, ohne Nenntierfährten zu finden. „Hajenfcharen aber jahen mir falt auf Schritt und Tritt." Man machte reiche Jagdbeute an jolchen, deren einziger Fehler darin beitand, daß fie jo groß und fett und fo Schwer zu tragen waren. Die Reijfenven agen zum Abend Hajenjuppe. „So fette Hafen habe ich noch nie gejehen: es lag ein halber Zoll Fett auf der Suppe!” ALS beim Übergang über einen Fluß das blafige, hohle Süßmwajjereis Frachte, iprang am anderen Ufer eine merkwürdige Geftalt auf. „Sie war jchneeweiß, ging auf zivei Beinen und jah geradejo aus wie ein Feiner Junge, der im Hemd herumläuft... Daß es ein Haje war, wurde mir exit Far, al3 er 300—400 m von mir entfernt war... Sedenfalls it es eine Tatjache, daß die Hafen hier oben lange Stireden auf den Hinterbeinen laufen...” Sperdrups Erfahrung geht dahin, daß die Hafen jener Regionen fich recht Häufig im Winter zufammenfchließen und ein anderes Gebiet aufjuchen. „Über die Urjache wage ich mir fein beitimmtes Urteil zu erlauben ... doch daß e3 auf irgendeine Weije mit der Nahrungsfrage zujammenhängt, glaube ich ganz beitimmt.” Und aus feinen „glüclichen Jagogründen” auf Mojchusochjen, von dem Danach jo genannten „Fleischhügel” auf der amerifanijchen Seite erzählt Sperdrup: „Du lieber Himmel, was gab es hier Hafenjpuren! Zahllofe Fährten gingen Freuz und quer in allen möglichen Richtungen!” Als Sperdrup aus dem Tale den Bergabhang Hinanjtieg, jchien er jich mitten auf einer Heerjtraße zu befinden. Der Schnee war an vielen Stellen zu richtigen Wegen feitgetreten. Dann erblidte Soperdrup plößlich auf einer nicht weit entfernten Fläche einen ganzen Haufen weißer Punkte. E3 jah beinahe aus, als lägen weiße Steine auf dem mageren Boden. In Wirklichkeit bedeutete jeder einzelne weiße Punkt dort hinten einen Hafen. Sperdrup „Eonnte bald 31 Tiere zählen. Dreißig davon jagen Die ganze Zeit über völlig regungslos da; fie fchienen zu fchlafen. Der Ein- undoreißigjte war anfcheinend der Wächter. Er ging zwijchen den anderen umher und war die Wachjamfeit jelbit. Alle Augenbliee richtete er fich auf den Fußjpigen auf und horchte gejpannt; da er aber nichts Verdächtiges entveden konnte, jebte er jedesmal jeine Runde zwijchen den Reihen fort. So ließ er Sverdrup ganz nahe heranfommen, weil’diejer immer jtilfe jtand, bis der Haje jich wieder beruhigt hatte. Endlich aber fuhr diejer auf einmal in Bolarhaje. 65 die Höhe, rannte wie verrückt um die ganze Herde herum und fchlug dabei mit den Hinter- läufen auf die Erde, daß es förmlich fnallte. Dann jagte er den Abhang hinauf und die ganze Gejellichaft in einer langen, geraden Linie hinterdrein. ES jah aus, al3 werde eine lange weiße Schnur über die Halde und den Landrüden gezogen. An zwei andere einzelne Rolar- hajen fam Sverdrup durch vorfichtiges Ziczadgehen noch näher heran, fo daß er zuleßt nur noch) Drei, vier Meter von ihnen entfernt war. „ES war wirklich rührend, diefe großen, be trauengjeligen Polarhajen ein paar Schritte von mir ruhig an Wurzeln nagen zu jehen!” Weniger vertraut war eine andere Hafenjchar. „Sie wurden bald auf mich aufmerkfam und zogen jich Tangjam zujammten; jchlieglich waren jie auf dem Landrüden zu einem weißen Klumpen gejchart, und dann ordneten jie jich mit den Köpfen nach innen und den Hinter- fäufen nach außen. Der Haufe war aber jo groß, daß jich mehrere Reihen umeinanderzogen, und nun war e3 für jeden einzelnen eine Lebenzfrage, in den innerjten Ring zu gelangen. Sie drängten, pufften und bijjen einander, jo daß fie laut jchrien, und während des be= tändigen Schreiens um den Pla& dreht jich der Ring sale m im Sreife wie ein Mühlitein. Das war das Karree der Polarhajen !” ‚An flacher Fjordküfte, wo Eandwerder weit vorjprangen, etwas oberhalb der Flut- marfe hatten die Hafen jicherlich ihren Weideplab; denn dort war alles weit und breit zer= fragt und zerfchartt. Bei genauerer Unterjuchung ftellte fich Heraus, daß alle Spuren vom Weideplabe nach dem Treibeije hinunterführten; feine einzige zeigte landeinmwärt®. Tags- « über hielten jich die Hafen wohl draußen in den Höhlen und Grotten des Treibeijes auf, die ihnen viel jicherere Beritede vor Füchjen und Wölfen gewähren fonnten als die offenen, ungejchüßten Ebenen des Flachlandes. „Sch jelbit habe wiederholt die Erfahrung gemacht, dak man gerade an Diten, wo e3 um dieje Zeit buchjtäblich von Hajen winmelt, tage- und nächtelang vergeblich nach ihnen juchen fann, wenn die Jahreszeit vorbei ift, in der jich das Treibeis al3 Verjted für fie eignet. Sie ziehen dann tiefer ins Land hinein; denn in einer Gegend, die ihnen feine Zufluchtsorte vor ihren Feinden bietet, fönnen fie jich nicht aufhalten. Ceit wir bon der Troldfjordenge auf den Fjord Hinuntergefommen waren, Hatten mir unter- _wegs überall im Treibeife Hajenfährten gejehen. Selbit in der Mitte des Fahrmajjers fanden wir jie in großer Zahl.” Sm vierten Frühling der Expedition, „am 28. April gelangten mir an ein großes Gemäljer, ver in nördlicher Richtung tief ind Land einfchnitt... Wir tauften den Fjord ‚Hafenfjord‘, und zwar nicht ohne Grund. Wohin wir nur blidten, jahen wir Hafen laufen; überall wimmelte e3 von ihnen. Sie ftürmten umher, als ob fie alle halb verrüdt- wären. €&3 war mitten in der Baarungzzeit...” Eine Menge überrajchender Züge aus dem Leben de3 Polarhafen, die allem Anjchein nach diejen allein auszeichnen! Auch auf die Frage, wovon folhe Scharen in diejen Hohen Breiten leben mögen, er- halten wir bei Sperdrup wenigitens mittelbar eine Antwort durch die „Überficht über die botanischen Arbeiten der Expedition”, die deren Botanifer, Herman G. Simmons, der Keijebejchreibung'anfügt. Wenn am Foulfefjord und auf Ellesmereland 70 Arten höherer Bilanzen vorkommen, das Land dort in großer Ausdehnung grün war, oder mit anderen - orten: die Vegetation, nicht das Geftein, ven Farbenton weiter Flächen der Landichaft be- jtimmte, üppiger Pilanzenwuch3 auch die Umgebungen de3 alten Esfimoortes Jta bededte, weil überall der Boden von Millionen dort niftender Krabbentaucher ftarf gedüngt wird, jo Tann man fich fchon eher denken, wie die gefchiderten Hafenmengen ihr Leben frijten. Sie werden fich, zeitweife wenigjtens, von überaliher an folchen bevorzugten Plägen zujammen- Icharen; da können fie dann „mitten im ewigen Eife” jogar fett werden! Brehm, Tierleben. 4. Aufl. XI. Band. 5 66 8. Ordung: Nagetiere. Familie: Hafen im weiteren Sinne. Der Nordiiche Schneehafe der Alten Welt, Lepus timidus L. (variabilis), bat in unferer Wifjenfchaft das merfwirdige Schictjal gehabt, dab auf ihn der allbefannte lateinijche. Artname timidus, der FZurchtfame, Übertragen werden mußte, der jeit Linnes Zeiten den Tierkundigen für unferen heimischen Helden de3 Hajenpaniers geläufig war. 63 fann aber Bi In rordifher Ehneehafe, Lepus timidus L. 1/5 natirliher Größe. gar fein Zweifel fein, daß der geniale Schöpfer der zoologijchen und botanijchen Namen- gebung mit feinem Lepus timidus den Schneehafen gemeint hat: fommt doch in Linnes Heimat, Schweden, gar feine andere Hafenart vor! Co ijt der Schneehaje das beite Schul- beifpiel dafür geworden, daß man die Linmejchen Namen durchaus nicht immer ohne weiteres für unfere deutfchen und mitteleuropäifchen Arten anwenden darf, wie man das jozujagen als felbftverftändfich betrachtet Hat bis in anfere Tage, bis die moderne Shftematif uns eines Nordiihe Schneehajen. 67 bejjeren befehrte. Sie zeigt uns ferner, daß es nicht angeht, die nordifchen Schneehajen Europas und Ajiens alle zufjammenzumerfen, jondern geboten ift, fie mindeitens als Unter- arten zu unterjcheiden. Wie follte auch ein Tier, das von YSland über Schottland, die Sfan- dinadische Halbinjel und das übrige Nordeuropa und Nordafien bis auf die japanische Nord- injel Jejjo jich verbreitet, nicht verjchiedene geographijche Formen bilden! Zunächit unter- jcheiden fich alle nordischen Schneehajen dadurch, daß der Schwanz auch oberjeit3 wei und das Ohr Fürzer als der Kopf iit. Aber auch der allgemeine Färbungscharafter des Sommer- Heides ijt ein anderer: es fehlt dag Hellbraune, Weikiprenfelige, was unfer Lampe hat, der ganze Ton ijt dunkler, jhmusig rotbraun, oben jchwärzlich, nach Hinten von Grau überflogen, am Bauche Shmusig weißlih. Schwarz ijt nur ein NRanditreifen der Ohrjpige, der bejonders am Winterfleide deutlich hervortritt. Ferner ist der ganze Kopf plumper, im ‚Najenteil dider und die Behaarung auf den Sohlen der Hinterläufe ganz auffallend ftark und bürjtenartig jtarı, jedenfalls im Zufammenhang mit dem Laufen auf dem Schnee. Der Schneehaje erjcheint jchwächer und jtarfläufiger, weil fein Rumpf jchmächtiger und feine Läufe verhältnismäßig ftärfer und länger find als beim Feldhafen. Der Jriihe Schneehafe, Lepus timidus hibernicus Bell, unterjcheidet jich von allen anderen Dadurd, daß er im Winteggricht weiß wird, jondern wieder ein farbiges, ähnlich rot- braunes oder fuchjiges Kleid anlegt: offenbar eine Folge des meijt jehr milden Winters der grünen Snjel; denn wenn einmal ein jtrenger Winter eintritt, wird auch der Haje mehr oder weniger weiß, und anderjeits ijt in Südjchweden die Verfärbung ebenfalls meijt unvolljtändig. Sn der Srafichaft Dublin gibt es eine jehr merkwürdige Lofalform, die oben heil- braun oder zimtfarbig ist, und Barrett-Hamilton meint, fie fünne ein lehrreiches Licht darauf werfen, wie aus einer plößlich auftretenden Abänderung Mutation, englijch sport) eine Art entjtehen mag. Die irischen Hafen haben nämlich die Neigung, in diejer Richtung abzuändern; denn unter-den auf der Injel Mull, Wejtichottland, eingeführten ijt ein ähnlicher „Sport“ aufgetreten, und obgleich man derartige blafje Farbenabänderungen wohl als eine gemwilje Ent- - artung nach dem Albinismus hin betrachten muß, jo jcheint ihnen doch eine große Bererbungs- kraft innezumohnen, mittels deren jte fich gegen die gewöhnliche Form behaupten: in Der Grafjchaft Dublin fommmt heute nur noch) der heller ausgeartete, zimtfarbige Hafe vor! Barrett-Hamilton Hat diejen hellen, zimtfarbigen Dublinhajen aus dem ojtirijchen - Küftenftrich von Malahide bis Balbriggan als befondere Unterart befchrieben (L. t. Iutescens Barr.-Ham.) und bemerkt dazu, obwohl dieje Form vielleicht noch nicht genügend „fixiert“ jei, um heute jchon als Unterart gelten zu können, jo jei jie Doch auf dem beiten Wege dazu, bereits nahe daran, und er Habe ihr die verdiente Aufmerkfjamfeit zuwenden wollen auf die auf- jallendjte Weije, die ftatthaft it: dadurch, daß er fie mit den trinären Namen einer Unterart belegte. Lönnberg möchte in einem gemwijjen Gegenjabe dazu Feine verschiedenen Unterarten _ des Schneehajen gelten lajjen, wenigiteng die von Nilffon für Skandinavien unterjchiedenen nicht, weil er es für unmöglich hält, eine jcharfe Grenze zmwijchen diefen Subjpezies zu ziehen. „Oben im Norden und auf den Gebirgen find alle Hafen im Winter jchneemweiß, und die jchivarze Ohrenfante ift jchmäler. In Schweden find die Hafen nur ausnahms- weile ganz weiß, gewöhnlich vielmehr graublau, und die fchwarze Ohrenfante ijt etwas breiter. Nach Norden werden allmählich die fchneemweißen Hafen zahlreicher, fo daß in einigen Gegenden etwa ein Drittel weiß ift, etwas nördlicher die Hälfte, dann zwei Drittel ujw., Die übrigen find blau. Dies fteht offenbar in Beziehung zu der Zeit, während welcher der Boden 5* 68 8. Ordnung: Nagetiere. Yamilie: Hafen im mweiteren Sinne. mit Schnee bededt ift, und ähnliche allmähliche Übergänge findet man bei den feinen Wiejeln, Eichhörnchen.” (Brief an Hed, 1907). Über den Farbenmwechjel des Schneehafen hatte man lange Zeit faljche Anjichten, indem man Umfärbung ohne Härung annahın. 1894 wies aber Allen beim amerifanijchen Schneehajen zweimaligen Haarwechjel im Jahre nach (‚‚Bull. Amer. Mus. Nat. Hist.‘), und 1899 folgte Barrett-Hamilton mit dem Beweisjtüd eines in der Frühjahrshärung befind- lichen Balges vom Schottifchen Schneehajen, den er der Londoner Zoologijchen Gejelljchaft vorlegte. Auch im Berliner Zoologijchen Garten hatte man durch Antupfen mit Anilin- farbe fängjt Feitgejtellt, daß der Farbenmwechjel durch Haarwechjel vor fich geht. Anders fanın e3 auch) nicht wohl jein, troß der jeltenen Ausnahmefälle „über Nacht gebleichter Haare” beim Menjchen, die man für nachgewiejen- hält. Im allgemeinen ift aber nach unjeren heutigen Begriffen das Säugetierhaar, ausgewachjen, ebenjo wie die Bogelfeder, ein totes, d.h. vom Stoffwechjel abgejchlofjenes Gebilde, in dem vielleicht noch geringfügige Farbenänderungen durch Luft und Licht, nicht aber ein vollftändiges Verjchwinden der Farbe vorfommt, ge- ichweige denn ein Wiederauftreten von Yarbe, nachdem urjprünglih Weiß, d.h. fein FJarbitoff, vorhanden war. Lönnberg jchreibt darüber an Hed: „Dies it ... unjeren älteren Jauniten ganz gut befannt gewejen; jo z.B. Lillfeborg (‚Schwedens und Norwegens Wirbel tiere‘, 1874)". Diejen zitiert Lönnberg weiter: „Wie wir beobachtet haben, tt die Herbit- härung etwas langjamer als die Frühjahrshärung. Während der Herbithärung haben wir erfahren, daß Naden, Hals und der Hintere Teil des Rumpfes zuerjt weiß werden.” Über die damit angejchnittene Frage, inwieweit die Umfärbung mit Temperatur und Witterung Schritt hält, finden fich ganz widerjprechende Angaben. dv. Lewis teilt aus einem „ungemein milden Herbjte” mit („Zool. Garten”, 1879), „Daß das Ausfärben der Noorjchneehühner, Holzhajen und Eichhörnchen zur gewöhnlichen Zeit erfolgte”. Dagegen berichtet Seton PB. Gordon („Country Life“, Dezember 1907), daß „in dem milden Herbite, two faum ein einzelner Schnee- fall in den schottischen Hochlanden vorfam, der blaue Hafe feine Farbe weniger jchnell änderte als in jchneereichem Herbite. Auf einem befannten ‚Hajenberge‘ Hatten einige überhaupt faum die Farbe gewechjelt, während fie zu früherer Zeit des Jahres vorher, alS aber die Berge im Herbit jtändig mit Schnee bedect waren, meift jchon weiß waren twie ihre Umgebung.” Über das Leben der Schneehafen der rusfiichen Dftfeepropinzen berichtet d. Qoewis - in einer Arbeit über „Die mwildlebenden Haartiere Livlands” („Zool. Garten”, 1888). „Der Holzhaje war früher jehr gemein, er nimmt aber mit dem Schwinden der Dichten Wälder und bewachjenen Moräfte mehr und mehr ab. Sch fürchte, es gibt jeßt bereits ganze Kirch- jpiele in Livland, in denen der weiße Hafe nicht mehr angetroffen wird.” Und in feinen „Be- merfungen über den Schneehajen in Livland” (,„Zool. Garten”, 1837) fügt er Hinzu: „Das Nie- derhauen und Ausroden der laufchigen, Dunkeln Wälder gemijchten Beftandes, das oft abjicht- liche Nustotten größerer Ejpenbejtände, das auch hierzulande allmählich immer allgemeiner angewandte Durchforjten der Waldichläge, aber namentlich das Reinigen der feuchtgründi- gen, laubholzreichen Waldniederungen und der Grasmoore zu Heujchlägen und Weidewiejen jind die Urjachen des angjamen, aber ficheren Abnehmens, wenn nicht gar Ausiterbens unjeres Holzhajen. Seine Erijtenz verträgt fich eben nicht mit zufammenhängenden Stultur- flächen, mit forftmännijch geordneter Bemwirtfchaftung der Wälder; Ddiejelbe verlangt ur= mwüchjiges Weidengeftrüpp, wildwuchernde Wurzelichößlinge der Ejpen, undurchdringliche ZTannendicichte und namentlich auch einige Nuhe vor Biehherden, Hunden und Menjchen.“ Die findet er in einigen oftpreußiichen Gvenzforiten, jo in Rominten, dem Leibrevier Nordiiher Schneehafe. 69 unfere3 Kaiferz, jet vielleicht bejjer al3 in Rufland. Er fommt mwenigjtens innerhalb der Grenzen unjeres Reiches vor: der Nordiiche Schneehaje gehört zur Deutjchen Tierwelt! Dies - wird von der berufenen Stelle, dem Ffal. Oberförjter Baron dv. Sternburg in Rominten, brieflich bejtätigt, der jelbjt ebenjo tie jeine Nachbarn in der Rominter Heide mehrere Eyem- place erlegt hat. Das fommt aber verhältnismäßig jelten vor, weil roir unfere Treibjagden nur an den Feldrändern abhalten, die der Schneehaje meivet. Er hält fich in den inneren, ruhigen Teilen des Waldes, wechjelt nie auf das Feld. Er ift vecht eigentlich ein Tier des Wal- des und läßt fich jehr jchwer treiben, geht nicht vorwärts, jondern drückt jich Durch die Treiber. Zu Loemwis’ Kinderzeit (etwa um 1850) „fehlte der Holzhaje feinem größeren Gute; in allen einigermaßen erheblichen Walditüden Haufte er entweder allein oder dDominierend, jeden- falls aber mit dem ‚Litauer‘ (dem einmwandernden Feldhafen) gemeinjchaftlich. Die leidige Kultur nagt energijch an feiner unfcguldigen Eriftenz, und auf mald- und bufchlofen Ebenen icheint er durchaus nicht leben zu Fönnen.” Aus alledem geht deutlich genug hervor, daß auch der altweltliche Schneehafe, wie der amerifanijche, ein ausgejprochenes Waldtier it und jic) mit unjerer mwejteuropäifchen Kultur und Bodenbearbeitung fchlecht verträgt. Der ein- geborene Waldhafe verjchmwindet, und unjer Feldhaje breitet fich aus. Die erhöhte Landes- fultur bringt nicht nur neue, befjere Haustiere, fondern auch neues, befjeres Wild mit; denn dat der Schneehaje jomwohl vor der Flinte geringere Weidmannsfreude als auf dem Teller geringeren Genuß bietet, Davon Dürfen mir wohl nach dem Beifpiel feines amerifanijchen Verwandten überzeugt fein. Und doch darf nicht ne werden, daß Martenjon glaubt, in Livland eine gemiffe Anpaffung der Schneehajen an die neuen Bodenfulturverhält- nifje fejtitellen zu fönnen. „Sch habe feit vielen Jahren bemerkt, daß der Schneehafe gleich dem Feldhafen immer mehr und mehr feine Hung auf dem Winterkornfelde jucht, jich aljo darin auch der fortichreitenden Landfultur anzupafjen begonnen hat. Noch im verwichenen Oftober Habe ich bei etwas Spurjchnee zwei Schneehajen, deren Spuren ich von ihren Futterplägen auf einem Roggenfelde aus aufnahm, gejchojfen, und zwar auf einem mit Wacholder und einzelnen Bäumen betandenen Heufchlage, wo auch Feldhajen anzutreffen find. Solche Anpafjung des Schneehafen dürfte feine rajche Verminderung, über welche allgemein geflagt wird, vielleicht etiwas verzögern”, jedenfalls aber die Gelegenheit zum Bufammentreffen und zur Mifchung beider Hajenarten noch vermehren. Sr der oben angezogenen Arbeit bejchreibt v. Loemwis noch eine jehr interejjante Eigentümlichfeit des baltischen Schneehajen, die er mit Recht als neu für die Wiljenjchaft bezeichnet: das ift eine Brunftjtimme. „Wenn man im Frühjahr durch unjere einfameren, - größeren Wälder wandert, Hört man des Abendz, felten um Mitternacht, meijt aber vor dem Morgengrauen, einen eigentümlichen, ziemlich lauten Auf, der hervorgeftoßen, recht rajcı einigemal wiederholt wird und ungefähr jo Eingt: Hu-hu-hu-hushu ufm.” Auch Greve. hat im Mosfauer Gouvernement diefen Baarungsruf des Schneehajen vernommen. Nach Greve rückt der Schneehaje abends früher heraus und geht morgenz jpäter ins Lager als der „Litauer“, weshalb man beim Hajenfprengen, fall3 die Spuren des heim- fehrenden Feldlampe von fpäter fallendem Schnee verdedt werden, oft noch die Spuren des „Weißen“ im nahegelegenen Walde vom Rande aus aufnehmen fan. Greve hat „im Mlos- fauer und Mladimirfchen Gouvernement Schneehajen zu jeder Sahreszeit tagsüber nur im Walde getroffen; freilich waren diefe Wälder jehr oft Hein, parfartig und nicht dicht, wenn auch genügend mit Unterholz (Wacholder, Hajelnuf, Weidenarten) betanden. Nachts rüdten fie oft zu dem auf dem Felde in ‚Gubben‘ zufammengelegten Getreide, auf Heujchlägen „ - : SE 2 : , e.. 10 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hafen im weiteren Sinne. an die Heufchober heran, um zu äjen. Ja, auch in die Gemüfe- und Objtgärten nicht allzumeit vom Walde gelegener Gehöfte und Dörfer machten jie Erfurjionen, um auf den Veeten itehengebliebene Kohlitrünfe und die Rinde der Objtbäume zu befnabbern. In größeren Waldfompleren bearbeiten fie die Rinde der Ejpe mit Vorliebe, was auch Plesfe bejtätigt, und im Smolenjfer Gouvernement hat Förfter Dohrandt an eigens für den Holzhajen ge- fälften Eipen Fallen für den Luchs, diefen Erbfeind des erjteren, mit Erfolg geitellt. Der Luchs findet jehr bald den Hafen an jeinen Futterplägen durch fein feines Gehör heraus, da man das Nagen auch mit dem minder feinen Menjchenohr auf 40 Schritt in der nächt- (ichen Waldftille vernehmen fann. Auf die Frage, ob der Schneehaje jtändiger Bewohner der Tundra, der nordifchen, in der Tiefe meijt vereiten Moosjteppe, jei, anttvortet Greve, daß ihm der Aufenthalt dort wohl behagen dürfte, weil die Tundra jtellenweife mit dichten Strauchwerf und feinen Wäldchen, allerdings nicht hochitämmiger Bäume, beitanden it. Nach Pleste (Brief an Hed) zeigt es fich, daß infolge der Stellung jeiner Schneidezähne der Hafe jtehenden Stämmen ungefährlich ift, gefälltes Holz aber mit Leichtigkeit benägen fann. Hat der Waldhaje fein Quartier im Jungholze, jo bejucht er auch die angrenzenden Felder und äjt dort vornehmlich Winterforn. Bon feinem Waldlager trennt er jich nur im Spätfommer, zur Zeit, wenn das noch ungejchnittene Getreide ihm jomohl Nahrung als Wohnung bietet. Bei anbrechender Morgendämmterung oder bald nach Sonnenaufgang jucht der Waldhaje jein Lager auf, in welches er fich mit den üblichen BorjichtSmaßregeln (genau mwie der Feldhafe) begibt. Er verdoppelt feine Spur, d.h. fehrt auf derjelben zurüd, macht dann einen riefigen Sat zur Seite und wiederholt diejes Manöver bis zu dreimal, ehe er jich niedertut. Die Spur des Waldhafen ift bedeutend breiter als die des Feldhajen und leicht von diejer zu unterjcheiven. Wie feit der Haje in jeinem Lager fist, hängt ganz von der Witterung ab. „Bei flarem, namentlich frojtigem Wetter ift der Haje leicht rege und verläßt das Lager, jomwie er ein verdächtiges Geräujch hört. Bet najfjem Wetter muß man erit an den Baum flopfen, unter dem er fit, um ihn zu beivegen, das Lager zu verlajjen. Bei jtarfem Schneefall und bejfonders anhaltendem Schneegejtöber läßt er jich jo verjchneien, daß mir Fälle befannt jind, wo Zäger auf Schneejchuhen über den Hajen hinmweggefahren jind. Sein Verhalten im Lager hängt auch davon ab, wie weit die Färbung jeines Pelzes mit der Umgebung übereinstimmt. Der noch braune Waldhaje ift nach Schneefall äußerit furchtiam und drückt jich fieber im Lager; anderjeits macht es der weiße Hafe ähnlich, wenn die Schnee- dee abgetaut ift.” Das ift wohl jo zu erklären, daß das die ganze Umgebung verändernde Auftreten oder Verjchwinden der Schneedede einen tiefen Eindrud auf das Tier und Diejes bejonders ängjtlich macht. „Se nach der geographiichen Breite jchwankt auch der Zeitpunkt für die periodischen Erjcheinungen im Leben des Waldhajen. Die Brunft beginnt in den jüdlicheren Breiten bereit3 Ende Januar, fällt bei uns (Gegend von St. Peteräburg) meijt in den Februar und verjchiebt jich in höheren Breiten wohl noch um einige Wochen. Als Regel möchte ich wohl annehmen, daß fie mit dem erjten anhaltenden Taumwetter zufammen- fällt. Dementiprechend fällt auch die Zeit des eriten Wurfes manchmal noch in den März, meijt aber in den April. Die Anzahl der Würfe it ebenfalls von der geographijchen Breite des Wohnortes abhängig. Ar den jüdlichen Teilen des Verbreitungsgebietes jollen bis fünf Würfe im Jahre vorkommen, bei uns find e8 wohl nur vier und im höheren Norden drei oder auch nach weniger. Ende April ift bei uns gewöhnlich die zweite Rammelzeit; ich Habe wenig- jtens um dieje Zeit mehrfach aus dem Schirm während der Birfhahnbalz den Liebesteigen des Waldhajen mit angejehen. 3 gibt dabei ziemlich ernte Schlägereien und Raufereien; Nordiicher Schneehaje. 71 bornehmlich werden ausgiebige Ohrfeigen ausgeteilt, mitunter aber auch das Gebif; an- gewendet. Dah hierbei nicht unbedeutende Verlegungen und jelbjt tödliche Berwundungen borfommen, wird jchon dadurch wahrjcheinlich gemacht, da Waldhafen auf dem Transport in gemeinfamer Berpadung fich jehr häufig zu Tode beigen. Der Wurf beiteht aus 4—5 ungen; der erite und legte erliegt aber häufig den ungünftigen Witterungsverhältnifjen unjeres Frühlings und Herbites. Die Anzahl der Waldhafen ift jomit immer Schwanfungen unterworfen, und zwar läßt fich als Regel aufitellen, daß nach trodenen Sommern die Wald- hafen häufiger, nach nafjen jeltener jind. Viele fommen auch durch die Überfchwemmungen um, die Durch rajches Tauen großer Schneemajjen eintreten. Endlich herrjchen unter den Waldhajen epivemijche Stranfheiten. Sie leiden in gemwijjen Jahren jehr an einer Bandiwurm- franfheit, deren Finnenfapjeln in den Rüden- und Schultermusfeln abgelegt werden. Ferner habe ich auch andere, mit Flüfjigfeit gefüllte Blajen im Waldhajen gefunden. Die Flüffig- feit in diejen Blajen jteht unter hohem Drud und jprigt meterhoch heraus bei unvorfichtiger Offnung. Zahlveich find natürlich auch die Feinde des Waldhafen, die mit ihm viel feichteres Spiel haben al3 mit dem ungleich verfchmigteren Feldhajfen. Der Bauer fängt ihn hier mit Leichtigfeit im Tellereijen an einem gefällten Ejpenjtamme, fauert ihm in der Dämmerung an den Waldrändern auf oder loct ihn durch Nachahmung des Loctones der Häfin während der Nammelzeit heran. Weidmännifch werden auf den Waldhafen Treibjagden veranftaltet, oder er wird mit Braden gejagt oder endlich nach frischem Schneefall gefpürt und gejprengt.” Sein Fleifch ift aber nach) Soh. dv. Fijcher „hart und unjchmadhaft, ... weshalb er auf dem Markte nur die Hälfte des vorigen (Feldhajen) fojtet.‘ Nac v. Qvewis’ Bemerkungen unterjcheidet jich in feinem Betragen und Wejen „der Holzhaje vom Litauer für den aufmerffamen Beobachter nicht wenig. Von Hunden ver- folgt, jtürmt er nicht jo eilig ins Weite (obgleich er meijt rajcher al der Feldhaje zu laufen imjtande ijt), jondern jucht mehr durch Kiltiges ‚Hafenjchlagen‘, Durch Wiedergänge und dreiites Feitliegen die Feinde irrezuführen und fich Dadurch ihrer zu entledigen. Oft jah ich ven Hafen, bon langem Wiedergange kurz abjegend, jich lagern, während die laute Meute nur wenige Schritte von ihm flüchtig vorübereilte. Dann aber jprang er faum 10 Schritte hinter dem Nücden jeiner Verfolger in die Spur hinein und lief nun in großen, rajchen Säten jtet3 in derjelben rückwärts. Namentlich bei lodferem Schnee führt er auch die ge- übtejten Hunde irre. Jim Herbit entfommt. er derart bei Barforcejagden fait ausnahmslos, während jein Vetter meijt unfehlbar an den Sattel gelangt.” "Auf der Sfandinavifchen Halbinjel findet fich nach Lönnbergs briejlihen Mit- teilungen der Schneehaje überall auf den Feldern wie im Walde. Doch liebt er die meilen- weiten, ununterbrocheren Nadelmwälder nicht, fondern fommt da nur jparfam vor. Liegt aber im Walde eine Kleinbauerhütte mit einigen Äderchen, dann leben oft einige Hajen in der Umgebung. Am liebiten find ihnen folche Gelände, wo Felder und aus Laub- und Nadelholz gemijchte Wälder, recht vielfältig verteilt, die (Park-)Landichaft bilden. Auch auf den Injeln in den Schären jind Schneehafen jehr Häufig. Wo fie fich aber auf dent Setlande nad) Belieben verteilen fönnen, leben fie — zum Unterjchted vom Feldhajen — nicht Dicht nebeneinander, jondern jeder einzelne hat jeinen eignen Bezirk, bald größer, bald fleiner, je nach den Verhältnifjen. - Während der Begattungszeit wandern die männlichen Hafen oft meilenweit. Auf dem Gebirge find die Schneehajen in der Birfen- und Grau- meidenzone Häufig, fommen aber noch höher, jogar in der Flechtenzone, vor. Einjendungen an unjere deutjche SJagdprejie aus Schweden befräftigen Lönnbergs 72 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hafen im weiteren inne. Meinung über den Schneehajen noch weiter; namentlich lafjen jie feinen Ziveifel, daß der IIm- freis, den ex fich ala Wohngebiet wählte, beim Schneehajen erheblich weiter gejtect ift als beim Feldhajen. Hand in Hand mit diejer Vorliebe fürein ziwanglofes Umherftromern innerhalbeines arößeren Stammreviers geht bei ihm eine getifje Unverträgfichfeit mit feinesgleichen: „Gejelt- jchaften” fiebt und gibt er nicht. Deshalb ift es aber auch bei ihm „mit der Schonung allein nicht getan; denn ich fenne eine ganze Reihe von großen und vorjorglich gehegten Nevieren, in denen troß aller Sorgfalt und Mühe fein richtiges Gedeihen unter den Hafenbejtänden Plat greifen will. Ir Gimo (Upland) 3. B., einem der beitbejegten Jagddiftrikte Mittelfchtwedeng, betrug die Strede eines ganzen Jahres (1905/06) nicht mehr als insgefamt 576 Hafen, und das auf einer Betrieböfläche von 83000 Heftaren... Nac) dem Gejamtareal alfo netto zwei Hajen auf je 300 Hektar Waldfläche. Ettvas befjer fiegen die Dinge in den Schonenfchen Revieren.” Auf Trolfeholm (7500 Hektar) betrug die Jahresitrecde 97 Hafen, auf einem Blefinger Bejik noch günftiger: auf 5000 Hektar 376 Hafen. Die befanntgegebenen Abjichußziffern für den Ge- famtbereich Schonens zufammengerechnet, ergeben auf je 31 Hektar Sagdfläche einen Hafen. Den Schottijchen Schneehajen in feinen früheren und jeßigen Kebensverhältnijfen ichildert 9. B. Macpherfon (‚Country Life“, 1907), ein offenbar jehr guter Kenner der Hoch- lande, mit jener jcharfen Beobachtungsgabe und dem praktischen Sinn, der unferen Stantme3- brüdern jenjeit3 des Kanals eigen ift. Er beginnt gleich mit einem Gefichtspunft, der gar nicht oft genug hervorgehoben werden fann, weil er in den meijten Ländern heute den legten und triftigften Erflärungsgrund für den Zuftand der Tier- und Pflanzenwelt Tiefert: Die Störung des Gleichgewichtes in der Natur durch den europäischen Kulturmenjchen. Dieje brachte im fchottifchen Hochlande durch die Vertilgung und Verfcheuchung des Raubzeugs zunächft ein Überhandnehmen des Schneehafen (dort mountain hare, Berghafe, genannt) mit jich, Durch die die Schafzüichter gejchädigt werden. Damals entitand die Aedensart, daß drei Hafen foviel frejfen wie ein Schaf. Sobald aber die Hochlandbahn ihre Geleife nordmwärts vorjchob, wurden die Berghajen, die bis dahin nur dem Verbrauch an Ort und Stelle gedient hatten, zu Taufenden in die großen AJnduftriejtädte des Südens gejchickt und erzielten da gute Preife, bis dieje durch die Einführung geftorenen Fleijches aus dem Ausland wieder gedrüct wurden. VBermindert twird ihre Zahl noch durch die Zunahme der Hirjchparfe, weil dDiefe gewöhnlich mit einer- Aufforstung des Moorlandes verbunden it. Macpherjon Tennt Fälle, wo Schafweiden, die früher von blauen Hafen wwimmelten, im Laufe weniger Jahre nach der Aufforjtung ganz von diejen verlajfen waren. Den Grund findet er unjchwer darin, daß der harte, alte Graswuchs, welcher nach dem Berjchoinden der Schafe fich bildet, dem Hafen nicht jo gut jchmeckt wie die jungen, zarten Halme, die auf einer begangenen Schafweide immer wieder nachwachjen. Hier meidet alfo anjcheinend der Schneehaje den Wald. Freilich wird e3 wohl der öde, moderne Kulturfiefernmwald fein; aber man hat doch auch fonft aus Macpherfons Schilderung den Eindrud, al3 ob der jchottijche Schneehaje mehr ein Bewohner des freien Hochmoores wäre. Der fchwerjte Schneefturm ficht den Beraghajen wenig an. Auf der gefrorenen Oberfläche des Schnees legt er nachts unglaub- liche Streden zurüc und bejucht in großer Zahl tiefer gelegene Neviere. Der Farbenmwechjel it in den Schottifchen Hochlanden volfftändig; aber die Jungen befommen im erjten Jahre das weiße Winterfleid jpäter als die Alten und behalten oft den ganzen Winter durch einen leichten braunen Ton auf dem Nücen — je mehr, je fpäter im Jahre fie geboren find. Seine volle Größe erreicht der fchottifche Schneehafe nicht vor dem zweiten Jahre. C3 ift f Nordiiher Schneehafe. 73 wahrjcheinlich, aber mehr in geringeren Höhen, dab während der Frühlings- und Sommer- monate zwei Würfe gemacht werden. Die Zahl der Jungen ift Durchichnittlich 2—5; die im Frühling geborenen pflanzen fich erjt im nächiten Jahre fort und bringen dann nach Mac- pherjons Meinung nicht mehr al3 einen Wurf. Jr dem nordfchottifchen Beobachtungsgebiete unjeres Gewährsmannes zeigen die Schneehajen wenig Neigung, in den Silippen und Felfen- bergen zu haufen; vielmehr ziehen fie jich nur zum Schuße por jchiweren Schneeftürmen dort- hin zurück und, um ihren Feinden zu entwijchen. Auf den Hebriden dagegen benuben fie die Feljen wie die Kaninchen ihren Bau. Macpherfon möchte da3 jo erklären, daß auf diefen Snjeln Füchje und andere Raubtiere jelten find, während auf dem Feitlande gerade die Seljenjchluchten Reinede als Schlupfiinfel dienen und der Wildfage, wo fie noch lebt. Da die Berghajen wohl einen jehr guten Gehör- und Geruchzfinn haben, die jeitliche Stellung ihrer Augen fie aber hindert, genau zu jehen, was unmittelbar vor ihnen auf dem Wege liegt, jo werden fie leicht dem Wilddieb zur Beute, Iajjen ich im hellen Tageslicht jo gut wie nachts in Schlingen fangen. E83 ijt ein beliebter Kniff der Wilddiebe, die Hajenpäfje über die Berggipfel mit Schlingen zu belegen und dann die Hafen von unten nach oben zu treiben. Wenn nach) Saifonjchluß die Sportsjäger die Moore verlafjen haben, die Schafherden in den Talgründen meiden, dann macht jich der Wilddieb Hinter den Hafen. — Hajentreiben find auf dem Hochlande aus den oben berührten Urjachen Heute lange nicht mehr jo ergiebig wie in früheren Tagen. Die größte Strede, von der Macpherjon in neuerer Zeit hörte, betrug 300; aber fie muß heute entjchieden als ungewöhnlich groß angejehen werden, während früher in demjelben Revier" das Doppelte und Dreifache erzielt wurde. Die Art wandert bis zu einem gemwijjen Grade, und fo ijt ver Schaffarmer, wenn er fie auch gründlich vertilgt hat, doch jederzeit plöglichem Einbruch der Hajen von den höheren Bergen ringsum ausgejet. E38 ijt zu fürchten, daß im Laufe der Zeit die Berghafen ausgerottet werden, da jie Farmern und (Moorhuhn-)Zägern gleicherweife Yäftig jind und jelbjt der blutigjte Anfänger an ihrer Sagd wenig Vergnügen findet, wohl aber der Führer eines jungen (Vorjteh-) Hundes fort- _ während durch fie gejtört wird. Trobdem mwirde Macpherfon ihr Verfchwinden bedauern aus dem praftiichen Sägergefichtspunfte, daß eine bejchränfte Anzahl Hafen in einem Moor- hühnerrevier die Aufmerkjamfeit der Füchje und anderen Raubzeuges von diefem Wilde ab- lenft. Sn üibermäßiger Zahl verjchmuten jie Das Revier mit ihrer Lojung und äjen Mengen jungen Heidefrautes weg, das jo zuträglich für das Moorhuhn tft. Co jteht eg heute mit dem jchottiichen Schneehajen, feine Tage jcheinen beinahe gezählt. Und warum? Weil er feine Gnade gefunden hat vor den Augen des modernen Sagdhertn, in dejjen Hand heute ein gutes Teil des Schidjal3 unjerer Höheren Tierwelt liegt. Auch in der Pelzinduftrie jpielt der Schneehafe Heute eine Rolle, namentlich der ruj- jiiche. Sibirifche weiße Hafenfelle werden jeit etwa drei Sahrzehnten vorteilhaft verwertet: jie werden jchwarz, braun, blau oder luchsfarbig gefärbt, auch gefchoren und dem Pelze der Chinchilla ähnlich gefärbt und fodann zu fehr gefällig ausfehendem, aber unhaltbarem Pelz- _werfe verarbeitet. Yon diefen Zellen fommen jährlich 2—3 Millionen in den Handel; in der allerneuejten Zeit ift aber die Nachfrage wieder zurücdgegangen. Die weißen werden jest, jehwarz gefärbt, hauptfächlich zur Fabrifation von Fünftlichen „Schweifen“ verwendet. Man verarbeitet aber auch den fogenannten graufpigigen Schneehafen, d.h. Felle des Früh- jahrs- oder Herbitfanges, deifen Grannenhanre bereit3 grau find, während die Unterwolle noch weiß iit. Die ganz grauen Sommerfelle taugen nur zur Anfertigung von Hutmaderfißzen. 74 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Hafen im weiteren Sinne. Auf den Tiermarkt gelangt der Nordiiche Schneehafe nicht gerade oft; freilich ijt da wohl auch-die Nachfrage nach ihm nicht fonderlich groß. Wie e3 jcheint, gewöhnt er fich nicht ganz leicht in die Gefangenjchaft ein; das fann aber bei einem Blatt- und Sinojpenfrejjer des Waldes, wie er es ift, nicht weiter verwundern. Neinzucht des Nordischen Schnee- hajen in der engen Öefangenjchaft des Zoologijchen Gartens dürfte bis jebt noch nirgends. gelungen, allerdings aber auch faum irgendivo jehr ernithaft eritrebt worden fein; in Schweden jelbjt muß fie nicht allzu fchwer fein, da fich Jagdliebhaber, wie Lönnberg jchreibt, in Kleinen Gehegen Schneehafen züchten, um die Jagd zu verbejjern. Dagegen bejaß der befannte Ornithologe Prof. U. König in Bonn eine Mifchlingszucht zwifchen Schnee- und Feldhajen, über die er brieflich das Folgende mitteilt. Er erhielt Durch Vermittelung jeines Bruders in Petersburg zwei Schneehajenrammler, denen er in Bonn zwei Felohäfinnen zugejellte. „Schon nach wenigen Tagen hatte der jtärfere Schneehajenrammler feinen Rivalen bejeitigt, indem er mit den VBorderläufen dermaßen auf ihn losjchlua, daß er bald darauf einging. Die Begattung war fait jedesmal von Erfolg begleitet. Zumeift wurden zwei Junghäschen ge= jeßt, indejjen auch jchon vier auf einmal. Der Mutterhafe nahm fich jeiner Siinder hHingebend an. Troßdem gelang e3 nur jelten, die allerliebiten Dinger großzuziehen. In halbwüchligen Zuftande gingen die meijten ein. Jedoch hatte ich auch die Freude, einige Stüde heran- mwachjen zu jehen. Dieje ftimmten in ihrem JHußern ganz mit den Baftardhafen überein, denen ich bei Petersburg in der Freiheit begegnet war. Nur erwiejen fie jich Durchiweg als unfruchtbar, und zwar in beiden Gejchlechtern. Wenigjtens gelang eg mir nicht ein einziges Mal, troß unermüdlicher, immer von neuem unternommener und auf mehrere Jahre fich ausdehnender Berjuche, die Bajtarde zur Fortpflanzung zu bringen... Hinzufügen möchte ich noch, daß jich die Mifchlinge nur im Winterhaar deutlich als jolche abhoben. Die durch Haarwechjel hervorgegangene Sommertracht neigte zum Charakter der Feldhajen hin und wies, miftojfopijch betrachtet, feine mwejentlichen Unterjchtede von jenen auf.“ Snterejjante Beobachtungen über das Gefangenleben teilt auch Grill- Stodholm (001. Garten”, 1863) mit. Er erhielt Ende April zwei wenigitens eine Woche alte Junge, die troß gleicher Behandlung ein ganz entgegengejegtes Benehmen zeigten. „Der eine wurde jehr bald jo zahm, daß er mir auf dem Fuße nachfolgte, wenn ich im Zimmer Hin und her ging, auf meine Schultern Fletterte, wenn ich auf dem Sofa faß, und eine wirkliche Leiden- haft hatte, meine Hände zu leden. Der andere Hafe Hingegen wurde niemals freundlich, niemals zahm, jondern zeigte beitändig Furcht, weshalb er endlich feine Freiheit wieder er- hielt. — Zwei andere, im Auguft geborene Hafen, aljo vom dritten Wurf des Jahres, die bon meinem Nachbar einen Monat gefangen gehalten waren, jegte ich im September in ein Drahthaus, worin jich ein Teich für Wafjerbögel befand. Wenn jemand hineinfam, Iprangen fie ins Wajjer, und wenn diejes flach war, lagen fie oft jo, dak nur der Kopf zu jeden war. Samen fie aber in tieferes Wafjer, fo [htwanımen fie mit Leichtigkeit.” Diejes jonderbare Benehmen dürfte wohl als Gegenftüc zu dem törichten Hineinftürmen der auf den Kordjeeinjeln eingebürgerten Feldhafen in die Buchten des Wattenmeeres aufzufafjen jein, feinesfalls aber zu irgendwelchen Schlüffen auf das Freileben berechtigen. Auch in der Freiheit mifchen fich beide Hafenarten. Schon 1877 erklärte D. d. Zoemis in jeinen „Bemerfungen” („Zool. Garten”), binnen 20 Jahren mindejtens ein Dubend in Händen gehabt zu haben, an deren tatfächlicher Mifchlingsnatur durch fofortige Ver- gleiche, Durch genaue Meffungen der verjchiedenen Körperverhältnifje uf. gar fein Zweifel auffommen fonnte. Plesfe-Petersburg berichtet darüber in einem Briefe an Hed: „ALS ich Nordiiher Schneehaje. 75 noch am Mujeum tätig war, unterfuchte ich jtet3 unjere Jagdftreden aufs genauejte auf diejen Punkt Hin und habe eine ganze Reihe von Stücken präparieren lajfen. Wie von vornherein anzunehmen war, hat ich Dabei herausgefteltt, dab e3 Baftarde gibt, bei denen der Typus des Feld-, und jolche, bei Denen der des Wald-(Schnee-)Hafen borwiegt. Endlich fanden jich - auch Eremplare, bei denen nur Anzeichen von Bajtardblut vorhanden waren. Solche Stüde glaube ich als Angehörige zweiter und dritter Generationen anjprechen zu müjjen, bei welchen durch Kreuzung ihrer Baftardvorfahren mit veinblütigen Tieren einer der beiden fraglichen Hajenarten dieje legtere ganz vorherrfchend geworden ift.” Auch Lönnberg-Stodholm Hat im Jahre 1905 („‚Proc: Zool. Soc.‘) derartige Mifchlinge unterfucht, die neuerdings auch in Südjchweden vorkommen, jeit Dort der Feldhafe zu Jagdzmwecden fünftlich eingeführt it. Bei einer jolhen Mifchlingshäfin, die der jegige König Guftad Adolf von Schweden im Oftober 1904 bei Sfaberzjö in Schonen jchoß, fand Lönnberg für die bezeichnenden Körpermaße der Ohren und des Schwanzes mittlere Zahlen ziwischen Feld- und Schneehafe; die Länge der Hinterbeine dagegen übertraf die beider Arten. Auch in der Färbung zeigte fich die Mijch- (ingsnatur des Tieres, das fich im Übergang vom Sommer- zum Winterffeide befand. Cs waren z.B. Die borderen oberen Schnurrhaare jchwarz, die unteren und hinteren weiß. Der allgemeine Farbenton der Oberfeite des Rumpfes war graubraun, heller als das Sommerfell des Schneehajen, aber weniger roftrot als das des Feldhajen. Die Schädelunterfuchung ergab, daß die Najenbeine des MifchlingS in der Gejtalt ganz die Mitte halten ziijchen den beiden Elternarten. hnlich twar es auch mit den Zochbogen; doch glichen diefe mehr denen des Schneehajen, und dasjelbe gilt fir den vorderjten oberen Lückzahn, der den fomplizierteren Bau des entjprechenden Schneehafenzahnes mit drei Schmelzfalten aufwies. Er zeigte zu- gleich, welch ein Fräftiges Tier der Mifchling war, in mancher Beziehung jtärfer als die Eltern. ©o jcheint namentlich feine Kaufkraft entwicelt gewejen zu fein, mit größerer Mahlfläche, als der Durchjchnitt der Eiternarten jie hat. Das brachte eine jtärfere Entwidelung der Mus- fein mit jich, Die die Kiefer bewegen, und mit der Berjtärfung der Kaumusfeln wurden wieder die Knochen verändert, die zu ihnen in Beziehung ftehen. Das alles zeigt uns, meint Lönnberg, wie leicht fogar jolche charakteriftiiche Verhältnifje am Schädel fich ändern können. Sm Dezember, nachdem aljo auch in Schonen alle Hafen ihr Winterfleid angelegt haben mußten, jchidte Graf Thott noch einige Exemplare: darunter wieder einen Mifchling, der aber dem Feldhafen viel mehr glich al3 der frühere. Lönnberg möchte ihn daher für ein Er- gebnis zweiter Kreuzung zwijchen einem Mifchlinge und einem Feldhafen halten, zumal er allem Anfchein nach auch das Gegenftüd dazu, Dreiviertelblut vom Schneehafen, bejibt. Das erite derartige Stüf wurde ihm im Januar 1905 von dem Gute Vrams-Gunnarstorp in Schonen zugejchidt, das dem Gouverneur Tornerhjelm gehört. Noch mehr glich ein anderer Miichling aus dem Nevier Börringe des Grafen Bed-Friis dem Schneehafen, namentlich auch im Schädelbau durch Form und Größe der Nafenbeine und Sochbogen. Dagegen war von den drei Schmelzfalten de3 vorderjten Lürckzahnes im Oberfiefer die dritte nur wenig ausgebildet, und der Zahn näherte fich dadurch dem des Feldhajen. Die Miihlingshafen müjjen alfo, entgegen den Königjchen Erfahrungen, mit ihren Eiternarten fruchtbar jein; Graf Thott und feine Wildhüter haben auch beide Arten oft genug in der Paarung beobachtet. Unter diefen Umftänden muß nun entweder jozujagen eine neue Art entjtehen, welche die Unterjchiede der beiden urjprünglichen Arten verwijcht durch unbegrenzte Kreuzung, oder eine gewinnt die Oberhand und züchtet jich mehr und mehr wieder rein heraus, während Die andere zurücgedrängt toid und jchlieglich verjchtoindet. 76 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hafen im weiteren Einne. Diejes Tebtere fcheint an einigen Orten in Schonen, 3. B. in Sfaberzjö, der Fall zu jein. ©&o berichtet Graf Thott an Lönnberg, zuerjt nad) Einführung des „Deutichen Hajen“ jeien Stüde, die man als Mifchlinge habe anjprechen müjjen, recht zahlreich gewejen; jpäter aber wurden fie jeltener und feltener, “fo daß unter den erjten 200 Hafen, die 1904 gejchojjen jpurden, nur ein einziger (der oben zuerjt bejchriebene) herauszufinden war, der zweifelhaft jein fonnte; alle anderen fonnte man als richtige Feldhafen anjehen. Auch) Hier jcheint aljo der Schneehaje den Fürzeren zu ziehen; das braucht aber nicht an mangelnder Bererbungs- - fraft, jondern fann auch, wie anderswo, einfach daran liegen, daß ihm der heutige Boden- fulturzuftand Schonens nicht mehr zufagt und er daher jozufagen von felbit verjchtwindet. — Aus demjelben Grunde rüct ja auch in Nordwejtrußland der Feldhafe ohne Zutun des Men- jchen immer meiter vor, und dort find daher Baftardhajen eine jo wenig jeltene Erjcheinung, dat man fchon einen eignen Namen (Tumak) für fie hat. König, der dadurd) eben zu jeiner Mifchlingszucht angeregt wurde, bezeugt, daß auf den Treibjagden in der Umgebung von Peteröburg, die er mitzumachen Gelegenheit Hatte, dieje Baftardhafen joger von den dortigen Bauern alS folche immer richtig angejprochen wınnden. „Während der Schneehajfe — von den Aujjen Bjälak, d.h. der Weiße, genannt — in dortiger Gegend bei weiten der häufigere war, war unjer mitteleuropäiicher Feldhafe eine bedeutend jeltenere Erjheinung. Die rufjtichen Bauern nannten ihn im Gegenjab zu dem Schneehafen Russak. Diejenigen Stüde aber, welche offenbar Mifchlinge zwischen Feld- und Schneehafen waren, nannten jie Tumakı. Dieje erkannte man auf den erjten Blid als tatfächliche Baftarde; das beitätigte zunächit Die Farben- berteilung. Während der Rüden im Winterhaar jene jchöne, reinweiße Färbung zeigte, _ wie fie vem Schneehafen eigentümlich it, waren Kopf, Flanken und Hinterteil rotbraun. Die Läufe dagegen waren weiß mit Rotbraun gemifcht. Die Behaarung an jich war dicht, da3 Haar jelbjt weich und lang; die Lichter auffallend dunkel, nahezu jhmwarz.” — Auch der deutjch-rufjiiche Jagdfaunift Martenfon Fennt den Baftardhajen jehr gut, Hat „wohl fünf bon ihnen erlegt, und zwar den fünften, eine etiva zivei- oder dreijährige Häfin, noch unlängjt („Neue Balt. Weidinannsblätter”, 1907) auf dem Gute Malup. Diejer Baftard hatte feinen Lagerpla etwa eine halbe Werjt vom Feldrande entfernt im Walde. Unausgeworfen wog er 10'/, Pfund rufjiich, = 4,2 kg, alfo etwa 2 Pfund mehr als dDurchjchnittlich Der Schneehaje wiegt. Die Körperlänge betrug 55 cm, die Länge der Löffel 13 cm. Seine Hinterläufe alichen denen des Schneehajen... Die Schnurrhaare find weiß und jchiwarz, und die Sris it gelbbraun.” Die Schädelmaße deuten auf den Fürzeren Kopf des Schneehajen hin. Die Färbung tft nad) Greve „bei diejen Blendlingen eine jehr verjchiedene, nicht immer jo, tie jie Martenjon bejchreibt; aber immer fann der erfahrene Beobachter und Zäger jofort die etwa vorhandenen Merkmale der beiden Stammeltern mehr oder weniger ausgeprägt vorfinden.” Mag das Lebensbild des Schneehajen in verjchiedenen Teilen feines ungeheueren Berbreitungsgebietes fich etwas verjchieden malen: überall bleibt er ein Charaftertier des feuchten nordischen Wald- und Moorlandes, einerlei ob Hoch- oder Tiefland; überall bleibt er verbunden mit Schnee und langem Winter. Cine Ausnahme macht nur Srland; ja: hier auf der grünen Smaragdinfel, wo faum jemals längere Zeit Schnee liegt, ift der Schnee- haje jogar die einzige Hajenart. Geine gegenwärtige Verbreitung wird nur verjtändlich Durch die Berbreitungsgefchichte im Zufammenhang mit den legten Ereigniffen der Exrdgejchichte, die ja einzig und allein Licht auf die jeßige Verteilung der Tier- und Pflanzenwelt werfen fann. Die Eiszeit ift es, die ung hier zum Verftändnis verhilft. Während diejer merkwürdigen, in ihrer Entjtehung ‚heute noch unerflärten Kälteperiode unferer jüngjten erdgejchichtlichen wr S Nordiiher Schneehaje. Alpenfchneehaje. 717 Vergangenheit, des Dilubiums, waren mit dem nordiichen Klima auch nordijche Tiere und Pflanzen bis auf die füdeuropäifchen Hochgebirge, Pyrenäen, Alpen und Kaufajus, heute nocd) Vorfommensinjeln des Schneehafen, vorgerückt, und als jpäter Schnee und Eis wieder zurüicwichen, war Stland bereits eine Snfel, jo daß nachrüdende jüdlichere Formen, namentlich unfer mitteleuropäijcher Felöhaje, feinen Eingang fanden. So ijt ttoß milden Stlimas der Schneehaje bis heute auf Srland der einzige Haje geblieben, während andermärt3 jchon jeit geraumer Zeit und mehr und mehr der Feldhaje ihm jein Gebiet jtreitig macht. Und mit Erfolg: ijt er doch, urfprünglich ein Steppentier, heute der Hafe der Kulturfteppe, der fünft- fichen Gras- und Getreidefläche! Neuerdings hat man übrigens, wie Barrett-Hamilton („Irish Naturalist“‘, 1898) mitteilt, und Scharff-Dublin bejtätigt, in einem Teile des nord- irischen Tieflandes (Strabane), wo feine Schneehajfen waren, Feldhajen eingeführt, Die jich gut vermehrt haben, und dasjelbe berichtet „Country Life“ (Auguft 1907) vom irischen -Hajen aus einem englijchen Parf. Viele fojjile Refte des Schneehafen finden jich in den dilupialen Schichten und Höhlen der Länder nördlich der genannten füdeuropäijchen Hochgebirge und lafjen einen Schluß zu auf das damalige Klima diefer Gegenden. Deshalb ift e$ aber auch von nicht zu unterjchäen- der Wichtigkeit, einzelne Knochen des Schneehafen von den entjprechenden des Feldhajen -ficher unterjcheiden zu fönnen, und 8. Th. Liebe Hat jich auf diefem, von feiner Domäne, dem heimijchen Vogelleben, weit abliegenden Gebiete ein danfenswertes Berdienit erworben, indem er die „Verjchiedenheiten am Snochengerüft des Feld- und Echneehajen” („Zool. Garten”, 1830) genau gejchildert hat. Der Alpenjchneehafe, Lepus varronis Mill., it im Supplement 1904 des Trouej- fartichen Säugetierfataloges als jelbjtändige Hauptart genannt, auf Grund vergleichender Unterfuchungen (Proc. Biol. Soc. Wash.‘‘, 1901) des amerifanijchen Syitematiferz, der ihm feinen neuen Namen gegeben und ihn dadurch wifjenjchaftlich höher bemertet hat als die verjchiedenen nordiichen Schneehafenformen. 3 ift von vornherein wahrjcheinlich, daß das ganz bejchränfte, injelartige Vorkommen auf den Alpen tiefergehende Verfchiedenheiten herausgebildet hat; denn fchon am lebenden Tiere glaubt man jolche zu erfennen. DerAlpen- jchneehaje erjcheint auf den erjten Bid zarter und zierficher als der robufte, Didköpfige Aufje. Biesfe betätigt dies; auch der Haffifche Schilderer des Tierfebens der Alpen welt, F.d. Tihud, jpricht es aus, indem er den „ganzen Rumpf” al3 „Heiner, zarter, jchmaler” bezeichnet gegen den des gewöhnlichen Hafen. Ebenjo verlangt er für feine jchweizerifchen Alpenhafen nad) eignen Meffungen eine Ausnahme von Blafius’ allgemeiner Angabe über Schneehajen: „Das angedrüdte Dhr ragt nicht bis zur Schnauzenfpige vor”; bei feinen Eremplaren erwiejen jich die Ohren entjchieden länger al3 der Kopf, wenn fie auch „die Schnauze nur um ein Weniges” überragten. Nach unferer heutigen Naturauffaffung und — in diefem Falle dürfen wirjagen:Naturerfenntnig bildet der Alpenjchneehaje mit dem Alpenjchneehuhn, das eben- falls alfe jeine Verwandten im Norden hat, eine Reliftenfauna der Alpen, d. h. ein Über- bfeibjel aus der leßtvergangenen Periode unjerer Exrdgejchichte, der Eiszeit. Zeben und Eigenart des Tieres jchildert v. Tjehudi wejentlich auf dem gegenjäglichen Hintergrunde des Feldhajen. Der Alpenfchneehaje „it munterer, lebhafter, dreiiter, hat einen kürzeren, runderen, gewölbteren Kopf, eine Fürzere Naje, Hleinere Ohren, breitere Yaden; die Hinterläufe find länger, die Sohlen ftärfer behaart, mit tief gefpaltenen, weit aus sdehnbaren Zehen, welche mit langen, jpigen, frummen Nägeln bewaffnet find. Ir der Kegel it der 78 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hafen im weiteren Sinne. Alpenhafe etwas Kleiner als der Feldhafe; doch gibt e& auch 6 kg jchiwere Rammler; in Binden wurde fogar einer von 7,5 kg Gewicht gejchofjen.” Solche Gewichte erklärt Fatio („„Faune des Vertebrös de la Suisse‘) für ganz jeltene Ausnahmen: die metjten, die er unterfuchen fonnte, mogen erheblich weniger als Feldhajen desjelben Alters. Ferner hören wir von ihm, daß; der Schneehaje zwar überall aufden Alpen von etiva 1300 m Höhe an vorfommt, aber auf dem nahen Sura ebenfo volljtändig fehlt. Nach Fatios Schilderung, Die jich wohl mehr auf die fran- zöfische Schweiz bezieht, geht der Alpenfchneehafe in der guten Jahreszeit mit der Schnee- grenze jogar bis 3200 m hinauf und fist am Tage oft aud) unter einem Alpenrofenbufch. Sn jeiner Xebensweije findet Fatio fchwache Anklänge an das Kaninchen, indem er ihm eine : jtärfere Neigung, fich in Löcher zu verfriechen, zufchreibt, und ich Dabei auf eine Angabe v. Tiehudis jtüßt, daß der Schneehafe bei Bedarf fogar Murmeltierbaue annimmt. Auch joll er weniger einjiedlerijch leben und jich im Winter bisweilen zu Fleinen Trupps vereinigen. Bon öfterreichijch-ungarifchen Borfommen des Schneehajfen nennt Mojiijovies: Bielz in Siebenbürgen (Ziwergwacholderregion am Netyezät, Burzenländergebirge bei Törz- burg), Steiermark, Tirol, Niederöfterreich. „Er wird im gefamten eigentlichen Alpengebiete bis zum Öletjcher und Schneeberg als ‚blauer Haje‘ im Sommer einzeln bis 2700 m über dem Meere vorfommen, im Winter aber, wenn auc) jelten, doch auch unter eine Seehöhe von 1000 m herabgehen. Seitteles vermutete das Vorkommen des Alpenhajen in der Zins, Liptau, im Gömörer und Sohler Komitate; Kornhuber nennt ihn gar nicht; und nad) U. Kocyan hat in der Nordtatra den wahren Alpenhajen noch niemand erlegt.“ Ob der Schneehaje des ungarischen Hochgebirge mit dem Der Alpen übereinjtimmt oder nicht, jcheint noch niemand unterjucht zu haben. „Xenn im Dezember die Alpen im Schnee begraben liegen“, jchildert v. Tjehudi, „ut diefer Haje fo rein weiß wie der Schnee; nur die Spigen der Ohren bleiben jchwarz. Die Frühlingsjonne erregt vom März an einen jehr merfwindigen Zarbenwechjel. Er wird zuerjt auf dem Rüden grau, und einzelne graue Haare mifchen jich immer reichlicher auc) auf den Seiten ins Weiße. Im April fieht er jonderbar unregelmäßig gejcheckt oder bejprengt aus. Bon Tag zu Tag nimmt die dunfelbraune Färbung überhand, und endlich erjt im Mai it jie ganz vollendet, dann aber rein einfarbig, nicht gejprenfelt wie beim gemeinen Hafen, welcher auch eine derbere Behaarung hat al3 der Ulpenhaje. Sm Herbite fängt er fchon mit dem erjten Schnee an, einzelne weiße Haare zu befommen; doch geht, wie in den Alpen der Sieg des Winters I tajcher entjcheidet al3 der des Frühlings, der Farbenwechjel im Spätjahre jchneller vor fich und ift vom Anfang Oftober bis Mitte November vollendet. Wenn die Öemjen jchivarz werden, wird ihr Nachbar, der Hafe, weiß. Dabei bemerken mir folgende merkwürdige Erjcheinungen. Zunächft vollzieht jich Die Umfärbung nicht nach einer fejten geit, fondern richtet fich nach der jeweiligen Witterung, fo daß fie bei früherem Winter früher eintritt, ebenjo bei früherem Frühlinge, und immer mit dem Farbenwechjel des Hermelins und des Schneehuhns, welche den gleichen Gejeten unterliegen, Schritt hält. sm Sommerfleide unterjcheivet fich der Alpenhafe infomweit von dem gemeinen, daß; jener olivengrauer ijt mit mehr Schwarz, diejer rötlichbraun mit weniger Schwarz; bei erjterem bleibt der Bauch und ein Teil der Xöffel weiß, bei diefem mwird die Unterfeite gelb und weiß.“ ach Beobachtungen an Schneehafen, die ich pflegte, gejchieht die Verfärbung von unten nach oben, derart, daß zuerit die Läufe und zulegt der Rüden weiß werden. Sie begann bei dem von mir beobachteten Tiere am 10. Dftober und war bis zu Ende des Monats jo weit fort- gejchritten, daß die Läufe biS zu den Inien oder Beugegelenfen, der Naden und der hintere Alpenfchneehafe. 79 Teil der Schenfel weiß; waren, während die übrigen Körperteile zwar fichter als anfangs er- jchienen, aber Doch noch nicht eigentlich umgefärbt waren. Das Fell fah um Ddieje Zeit aus, als ob es mit einem durchjichtigen, weißen Spißenfchleier iiberdect wäre. Am November nahın das Weiß außerordentlich rafch, und zwar auf der ganzen Oberfeite gleichmäßig zu, das Grau berjchwand mehr uno mehr, und Weiß trat überall an die Stelle der früheren Färbung. „Der Schneehaje”, berichtet Tjcehudi weiter, „it in allen Alpenfantonen ficher in der Höhe zu treffen, und in der Regel wenigjtens ebenjo zahlreich wie der braune in dem unteren Gürtel. Am Tiebiten Hält er fich zwijchen der Tannengrenze und dem ewigen Schnee auf, ungefähr in gleicher Höhe mit dem Schneehuhne und dem Murmeltiere, ztwifchen 1600 und 2600 m über dem Meere; Doch ftreift ex oft viel höher. Lehmann jah einen Hafen dicht unter dem oberiten Gipfel des Wetterhorns bei 3600 m über dem Meere. Der hohe Winter treibt ihn etwas tiefer den Alpenwäldern zu, welche ihm einigen Echuß und freie Stellen zur jung bieten, doch geht er nicht gern unter 1000 m herab und zieht fich fobald iwie möglich wieder nach feinen fieben Höhen zurüd.“ Über „Schneehafen in Talrevieren“ verbreitet fich der Jagdichriftiteller Hans Sam- mereper, in dem öfterreichijchen „Weidmannsheil“ (1910), tommt aber jchließlich zu dem Er- gebnis, daß eine einheitliche Begründung diefer bald Hier, bald da immer wieder beobachteten Talivanderungen nicht gegeben werden Fünne, wenigjtens bis jet nicht. Und vielleicht deshalb überhaupt nicht, weil der Alpenhafe aus verjchiedenen Gründen abiteigt? Meift icheint eS allerdings, al3 ob die winterlichen Witterungs- und Ajungsverhältniffe ihn dazu beranlajjen, wie die Gemje; denn die in Talrevieren erlegten Alpenhajen find meijt weiße Winterhajen. Sammereyer fennt aber auch einen Fall jtändiger Anjiedelung in der Tiefe, und zwar aus dem Revier des befannten fteiriichen Jägers und Sagpjchriftitellers PB. Stroi- nigg-udenburg. „Dort fommen feit einiger Zeit jtändig Almhafen vor.” Nach Sammereyer „gibt .es überhaupt feine fcharfe Grenze zwischen dem Vorfommen der beiden Hafenarten”; hat er doch „ebenjo oft den Feldhafen, in diefem Falle eigentlich richtiger Waldhafen, 2000 m über dem Meeresipiegel auf freier Al noch über den legten Waldausläufern als den Schneehajen tief im Walde herunten gejehen und vor den Braden erlegt. Und das zu den verjchiedenjten Zeiten und bei verjchiedener Witterung.” Nebenbei bezeichnet unjer Ge- währsmann den Schneehajen als einen „unglaublichen Birtuofen im Foppen der Hunde“ und meint: „Wer jeine Braden zu recht tüchtigen Hajenhunden heranbilden will, der lajje jte fleißig Schneehafen jagen, und er wird jehen, daß ihnen der Feldhaje dann feine Schtwierig- Teiten mehr macht.” Deshalb glaubt Sammereyer auch nicht, daß ein erheblicher Teil der „Schneehafen in Talrevieren” von den Hunden hinabgeiprengte Stüde find; dagegen hält er es für „jehr leicht möglich, daß die Almhafen zweier parallel laufender Gebirgszüge, die durch ein Tal getrennt find, eben Durch diejes Tal von einem zum anderen Gebirge mech- jeln, wie die3 ja auch bei anderem Wilde, Gams, Rotwild, Neh, oft beobachtet wird.“ E „sm Sommer lebt unjer Tierchen”, fagt Tjehudi, „ungefähr jo: Sein Standlager tft zwijchen Steinen, in einer Grotte oder unter den Leg- und Zwergführen. Hier liegt der Jammler gewöhnlich mit aufgerichtetem Kopfe und ftehenden Ohren. Die Häfin Dagegen pflegt den Stopf auf die Vorderläufe zu legen und die Ohren zurüdzufchlagen. Frühmorgens oder noch öfters jchon in der Nacht verlafjen beide das Lager und weiden fodann auf den jonnigen Gtasitreifen, wobei die Löffel gewöhnlich in Bewegung find und die Naje herum- Ichnuppert, ob nicht einer ihrer vielen Feinde in der Nähe fei, ein Fuchs oder Baummarder, welcher freilich nur jelten bis in diefe Höhe ftreift, ein Adler, Falfe, Nabe, vielleicht aud) ein 80 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hafen im weiteren Einne. Wiejel, das des jungen Hafen wohl Meifter wird. Seine liebjte Nahrung bejteht in den-vielen Kleearten, den betauten Muttern (Mutterfraut, Pyrethrum), Schafgarben und Biolen, in den Biergmweiden und in der Rinde des Seidelbajtes, während er den Eifenhut und die Geranien- jtauden, welche auch ihn giftig zu jein-jcheinen, jelbjt in den nahrungsärmiten Wintern un- berührt läßt. Sit er gefättigt, jo legt er fich der Länge nach ins warme Gras oder auf einen jonnigen Stein, auf welchem er nicht leicht bemerkt wird, da feine Farbe mit der de3 Bodens übereinftimmt. Waffer nimmt ex nur jelten zu fich. Auf den Abend folgt eine weitere Ajung, wohl auch ein Spaziergang an den Felfen hin und durch die Weiden, wobei er fich oft hoch auf die Hinterbeine ftellt. Dann fehrt er zu feinem Lager zurüd. Des Nachts ift er der Verfolgung des Zuchjeg, der Sttiffe und Marder ausgefegt; der Uhu, welcher ihn Leicht bezwingen würde, geht nie bi in diefe Höhen. Mancher aber fällt den großen Naubvögeln der Alpen zu. Un-- längit hajchte ein auf einer Tanne lauernder Steinadler in den Appenzeller Bergen einen fliehenden Alpenhafen vor den Augen der Säger weg und entführte ihn Durch die Luft. „Sm Winter geht’3 oft notdürftig her. Überrajcht ihn früher Schnee, ehe ex fein dichteres Winterfleid angezogen, jo geht er oft mehrere Tage lang nicht unter feinem Steine oder Bufche hervor und Hungert und friert. EChbenfo bleibt er im Felde liegen, wenn ihn ein jtarfer Schneefall überrajcht. Er läßt jich, wie die Bir& und Echneehühner, ganz ein- jchneien, oft 60 cm tief, und fommt erjt hervor, wenn ein rot den Schnee jo Hart gemacht hat, daß er ihn trägt. BiS dahin fcharrt er jich unter diefem einen freien Plab und nagt an den Blättern und Wurzeln der Alpenpflanzen. Sit der Winter völlig eingetreten, jo jucht er jich in den diinnen Alpenwäldern Gras und Rinde. Gar oft gehen die Alpenhajen auch in diejen Jahreszeiten zu den oberen Heuftällen. Gelingt es ihnen, Durch Hüpfen und Springen zum Heu zu gelangen, fo jeßen fie fich darin feit, oft in Gejellfchaft, frejjen einen guten "Teil weg und bededen den Vorrat mit ihrer Zofung. Allein um diejfe Zeit wird gewöhnlich da3 Heu ins Tal gejchlittet. Dann meiden die Hafen fleißig der Schlittenbahn nach Die ab- . gefallenen Halme auf oder fuchen nachts die Mittagslager der Holzjchlitter auf, um den Futterreft zu holen, welchen die Pferde zurücgelajfen haben. Während der Zeit des Heu- holens verjteden fie jich gern in den offenen Hütten oder Stälfen und find dabei jo vorfichtig, daß ein Haje auf der vorderen, der andere auf der hinteren Seite fein Lager aufjchlägt. Nahen Menfchen, jo laufen beide zugleich davon; ja, man hat jchon öfters beobachtet, wie der zuerjt die Gefahr erfennende, ftatt da3 Weite zu juchen, exit um den Stall Herumlief, worauf dann beide miteinander flüchteten.” Weiteres zur Lebensfunde des Alpenjchneehajen bringt Dr. M. Merd („Die Jagd“, 1910). Er jchildert fein Treiben an Flarem, jonnigem Spätjommerabend: „Da Hujcht ein Schatten über das Geitein und wieder einer — und drüben, wo die Zivergmweide und der Alpenjteinbrech jtehen, die würzigen Kinder unferer Gebirgspflanzenmwelt in reicher Ge- jellfchaft mit ihren gefättigten Farben, da treibt jich’3 herum, befannt von Geitalt, aber fremd- artig in diefem Gehaben, jo unftet-jcheu, jo energijch in der gefamten Aktion, jo gewandt und hHurtig — das müfjen doch Hafen fein!” Merck beitätigt auch, daß der Alpenjchneehaje noch weniger al3 die Gemfe in jeinem Vorkommen an die Höhen oberhalb des Waldgürtels gebunden, Höchjtens von der Kultur, namentlich dem Weidebetrieb, dahinauf gedrängt it. „Er ift jogar in ganz geringer Erhebung fchon anzutreffen, feine charakteriftiiche Spur findet jich nicht gar jelten in unmittelbarer Nähe tiefgelegener Rejtaurants und Unterkunftshäufer. Die Spur erjcheint im Schnee breiter, kräftiger (als die der Feldhafen). Dies rührt von der tobufteren Bejchaffenheit der Käufe her, wie auch der Bergjchuh derber und breiter ijt und Apenjchneehafe: Fortpflanzung. Yagd. Gefangenleben. 81 jein muß... Schüfje erfchreden den Alpenhafen nicht befonders. An feiner Heimat find Knall und Prall ihm von dem Steinfchlag und ähnlichen Schalfquellen her nichts Außer- gemöhnliches. Dagegen vernimmt er das ‚Steindeln‘ und Klirren der Schuhnägel oder der eijenbejchagenen Spibe des Bergjtods mit großer Feinhörigfeit.” „Ebenjo Hitig in der Fortpflanzung wie der gemeine Hafe, bringt die Schneehäfin (nach Tfcehudi) mit jedem Wurfe 2—5 Junge, welche mit einem weißen led an der Stirn verjehen find, fchon am zweiten Tage der Mutter nachhüpfen und fehr bald junge Kräuter feejjen. Der erjte Wurf fällt gewöhnlich in den April oder Mai, der zweite in den Juli oder Auguft; ob ein dritter nachfolge oder ein früherer vorausgehe, wird öfters bezweifelt, während die Yager behaupten, vom Mai bis zum Dftober in jedem Monate Junge von Biertelsgröße angetroffen zu Haben. Der Eabhafe trägt feine Frucht 30 Tage. ES ift fat unmöglich, das Getriebe des Familienleben3 zu beobachten, da die Witterung der Tiere jo fcharf ift und die Jungen fich außerordentlich gut in allen Riten und Steinlöchern zu verjteden verjtehen. „Die Jagd hat ihre Mühen und ihren Lohn. Da fie gewöhnlich exit ftattfinden fann, wenn die Alpenfette im Schnee liegt, it fie bejchtwerlich genug, vielleicht aber weniger un- ficher als auf anderes Wild, da des Hafen frifche Spur feinen Stand genau anzeigt. Wenn man die Weidgänge, welche er oft des Nachts im Schnee aufzumwühlen pflegt, entdedt hat und dann der Spur folgt, welche fich einzeln davon abzmweigt, fo ftößt man auf viele Wider- jprünge Freuz und quer, welche das Tier nach beendeter Mahlzeit, von der e3 fich nie ge- tadesweg3 in jein Lager begibt, zu machen pflegt. Yon hieraus geht eine ziemliche Strede weit eine einzelne Spur ab. Dieje frümmt fich zulet, zeigt einige wenige Widergänge (in der Regel weniger al3 beim braunen Hafen), zuleßt eine ring- oder fchlingenförmige-Spur in der Nähe eines Steines, Bujches oder Walles. Hier wird der Haje liegen, und zwar oben auf dem Schnee der Länge nach ausgeftrecdt, wobei er mit den Kinnladen etwas fappert, fo daß jeine Löffel bejtändig in zitternder Bewegung jind. St das Wetter aber rauh, begleitet bon eijigem Winde, der jo oft in jenen Höhen herrfcht, fo liegt der Hafe entweder im Schube eines Gteines oder in einem Ccharrloche im Schnee feit. So fann ihn’ der Säger leicht Ihhießen. Trifft er ihn nicht, fo flieht zwar der Hafe in gewaltigen Säßen mit ftürmifcher Eile, geht aber nicht allzumeit und fommt leicht wieder vor den Schuß. Das Krachen und Krallen Schrect ihn nicht; ex ift deffen im Gebirge gewöhnt. E3 ftört auch die anderen nicht auf, und oft bringt ein Jäger 3—4 Stüc heim, welche alle im Lager gefchoffen wurden. Die Fährte des Alpenhafen hat etiwas Eigentümliches: fie bejteht aus großen Säben mit verhältnismäßig jehr breitem Auftritte. Im Laufe breitet er die Zehen, welche ihm dann wie Schneejchuhe dienen, weit aus und finft nicht leicht ein. Sagt man ihn mit Hunden, jo bleibt er viel länger vor dem Vorftehhunde Liegen als fein Vetter im Tieflande.” Das - Bilobret ift, nac) Fatio, weniger wohlichmedend als das des Feldhafen. „uffallendermeife ift ver Apenhafe leichter zu zähmen als der gemeine, benimmt fich - ruhiger und zutraulicher, Hält aber felten lange aus und wird felbjt bei der reichlichjten Nah- tung nicht fett. Die Alpentuft fehlt ihm allzubald im Tale. Im Winter wird er auch hier weiß... Die Bermifchung des gemeinen Hafen mit dem Alpenhajen und die Herborbringung bon Baltarden ijt oft bezweifelt worden. Doch woird fie Durch genaue Nachforfchung beftätiat. ©o wurde im Januar im Sernftale, wo überhaupt die weißen Hafen viel öfter hinabgehen als irgendwo jonft, ein Stüd gejchoffen, welches vom Kopfe bis zu den Vorderläufen braun- tot, am übrigen Körper rein wei; war, in Ammon ob dem Wallenfee vier Stüd, alle von einer Mutter ftammend, von denen zwei an der vorderen, zwei an der hinteren Körperhälfte Brehm, Tierleben. 4. Aufl. XI. Band. 6 82 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hafen im weiteren Sinne. rein weiß, im übrigen braungrau waren. Sm Bernjchen Emmentale jhhoß ein Jäger im Winter einen Hafen, welcher um den Hals einen weißen Ning, weiße Vorderläufe und eine weiße Stirn hatte. Ob folche Baftarde fruchtbar waren, ijt nicht ausgemittelt worden.” Nach eignen Beobachtungen fann ich beitätigen, daß mindeitens gefangene Hajen beider Arten miteinander fich fruchtbar vermischen. Der oben erwähnte Schneehafe, welchen ich über Jahresfrift pflegte, jegte am 2. Juni drei Junge, Blendlinge von ihm und dem Feldhajen. Sch Fam gerade Dazu, als das Tier eben geboren hatte und die Jungen troden- ledte. Die Mutter dedte Diefe Dabei jehr gejchiet mit beiden Beinen zu, jo daß man fie erjt bei genauejtem Hinfehen wahrnehmen fonnte. Alle drei Junge gediehen-und blieben am Leben, famen mir jpäter jedoch aus den Augen. Lampe, der Feldhaje, Lepus europaeus Pall., früher fäljchlich timidus (vgl. Schnee- hafe, ©. 66), erreicht 75 cm Gefamtlänge, woton nur Sem auf den Schwanz fommen, und 30 cm Höhe, ein Gewicht von ettva 56 kg; in feltenen Fällen joll ein alter Rammler auch 7 und 8, ja 9 kg jchwer werden. Die Färbung des Balges ijt mit wenigen Worten nicht leicht zu befchreiben. Der Pelz beiteht aus Furzen Woll- und langen Grannenhaaren; eritere jtehen jehr dicht und find jtarf gefräufelt, die Grannen ftark, lang und aud) etwas gefräufelt. Das Unterhaar ift auf der Unterjeite der Kehle rein weiß, an den Seiten weiß, auf der Oberfeite wei mit [chwarzbraunen Enden, auf dem Oberhaljfe dunfelrot, im Genid an der Spite weiß, Das Oberhaar der Oberjeite grau am Grunde, am Ende braunjchtwarz, toftgelb geringelt; doch finden fich auch viele ganz jchwarze Haare Darunter. Hierdurd) erhält der Pelz eiire echte Exdfarbe. Er ift auf der Oberjeite braungelb mit jchwarzer Sprenfelung, am Halje gelbbraun, mweißlich überlaufen, nach hinten mweißgrau, an der Unterjeite weiß. Num ändert die Färbung auch im Sommer und Winter regelmäßig ab, und die Häjin jieht vötlicher aus als der Hafe. Meiftens aber ift die Färbung vortrefflich geeignet, unferen Nager, wenn er auf der Erde ruht, den Bliden feiner Gegner jchon in einer geringen Entfernung zu entrüden. Die Sohlen der Füße find dicht und weich behaart. Viele junge Hajen zeichnen jich Durch den fogenannten Stern oder eine Blejje auf der Stirn aus, die, nach Tjichudi, auc) die jungen Alpenfchneehafen haben jollen; in jeltenen Fällen tragen fie diefe Färbung aud) in ein höheres Alter hinüber. Dbmwohl unfer heutiger Jagdbetrieb einen Hajen im allgemeinen faum ein folches Alter erreichen läßt, daß jein Wildbret wirflich minderwertig wird, hat es doch eine gemwijje pra® tiiche Bedeutung, junge und alte Hafen unterjcheiden zu Fönnen, und dieje Trage it daher in der Jagdprejje wiederholt aufgerollt worden. Ströfe ift dabei auf Grund vieler Proben zu dem Ergebnis gefommen („Dtjche Sägerztg.“, 1908), daß es jolcher Erfennungszeichen wohl eine ganze Anzahl gibt, eins allein aber nur in den feltenjten Fällen zu jicherer Ent- jcheivung ausreicht. Natürlich Haben die meiften jährigen Hafen jchwächere Knochen und Musfehn als ältere und jehen deshalb leichter und jchlanfer aus. Aber durchgehende Färbungs- unterjchiede am Kopfe oder jonjttvo find nicht vorhanden, und die Angabe in dem meit ver- breiteten Kochbuche von Henriette Davidis, alle jungen Hafen hätten bis zum zweiten Jahre ein weihliches Fledchen an der Stirn, trifft exit recht nicht zu. Die übrigen Zeichen, Feitigkeit der Knochen und Sinorpel, der Haut an den Löffeln, Haben ja mit dem Alter ohne Zweifel etwas zu tun; nur muß man die Prüfung immer unter denjelben Bedingungen anwenden, alfo die Löffel ftet3 an der gleichen Stelle einreifen und einen frijch gejchojjenen Hafen anders beurteilen al3 einen, der im Kühlhaufe bereits mürbe geworden ift. Seldhaie. nn u « I Era * Hafe: Körperbefchreibung. Sfelettunterjchiede vom Kaninchen. Farbenabänderungen. 83 - Mehrere auch praktiich für Bejtimmungen wichtige Eigentümlichfeiten des Schädels und Sfeletts führt Schäff in feiner Jagdtierfunde auf. Die Gaumenbildung ift ein qutes Mittel zur Unterjcheidung von Hajen- und Kaninchenjchädeln und zur ficheren Entfcheidung über angebliche Bajtarde. Ganz bejonders ift e3 die Breite des hinteren Ausfchnittes der Gaumenbeine, der jogenannten Choanen oder hinteren Najenöffnungen; diefe ijt beim Hafen breiter als die halbe Länge der Badzahnreihe, beim Kaninchen ettva jo breit wie ein Drittel der Badzahnreihe. Ein weiterer Unterjchied zwischen Haje und Kaninchen liegt in dem nach hinten gerichteten Fortjab des Gochbeines, das beim Hafen Klein und jchwach, bei dem viel Heineren Wildfaninchen aber über Doppelt jo groß wie beim Hajenijt. (Val. Abb., S.84.) Auch die inochen des Unterarms zeigen charakteriftische Abweichungen im Zufammenhange mit der Lebensweije. Beim Hafen, der nicht gräbt, tritt die Elfe, der längere, oberhalb des EI ae gelenfes einen nac) oben gerichteten Fortjat entjendende Knochen, jchon etwas zurüd: it dünn, Schlank, viel jchwächer als die Speiche und außerdem, mit Ausnahme eines feinen Teiles, völlig Hinter der Speiche gelegen. Beim Ka- ninchen dagegen it der Unterjchted in der Stärke zrwifchen Elfe und Speiche viel geringer, und die eritere liegt en in ihrer ganzen Länge neben der Speiche. (Val. Abb., ©. 24.) Auffallende een ein- zeiner Stüde find beim Hafen jelten, viel jel- tener a3 beim Kaninchen; Doch fommen Die gewöhnlichen Farbenausartungen de3 ganzen Balges ins Weite, Schwarze und Note aud) bei ihm bor, und ebenjo gibt es Weißjcheden auf der normalen Grundfarbe in allen Schädel 1) vom Belgijhen Riejentanindhen und Abjtufungen der Menge Des Weiß. Dieje 2) vom Hajen, von unten. Hintere Najenöffnungen (n) bei dem größeren Kanindhenjgädel jhmäler als bei dem kleineren Ccheden find noc) die häufigite Tarbenjpiel- Hafenjhädel. Nah Präparaten des Zoologifhen Mufeums : en : £ i jelic j i jeihnet vo art. Das Sntereffantefte it dabei vielleicht, der Landwirtjhaftlidhen Sodjäule, Berlin, gezeihnet von 8.2. Hartig. daß Die weißen Hafen anjcheinend nie ganz weiß jind. Wenigjtens wird von ihnen nie das entjcheidende Kennzeichen des vollitändigen Albinismus, das rote Yuge, angegeben, wohl aber von einigen rotgelben, jemmelgelben, mweißgelben, die demnach eher als echte Albinos anzufprechen wären als die weißen. Ahn- liches fehrt übrigens beim Stallfaninchen wieder, two e3 jomwohl rote mit Albinvaugen als “ weiße mit dunfeln Augen gibt. Cine geographijch begrenzte und durch Snzucht befeitigte Farbenabänderung find wohl die jchwarzen Hafen von der bei der Girondemündung ge- fegenen Snjel Dleron, von denen im „‚Bull. Soc. nat. d’accl.“ (Sanuar 1910) gehandelt wird. M. Magaud H’Aubufjon bezeichnet dort diefe Hafen als Abkömmlinge deutfcher im 18. Jahr- Hundert eingeführter Hafen, die ihren Standort in gewiffen Kalkfelfengegenden haben und jich mit den eingeborenen Hafen nicht Freuzen. Trouefjart fügt die Bemerkung hinzu, daß nach einem phyfiologijchen, von Darwin beftätigten Gejeß in einem vereinzelten Berbreitungsgebiet fange eingebürgerte Tiere, die einer langjamen Entartung verfallen find, Kreuzungsverjuchen mit der typijchen Spezies widerftreben. Befanntes Beifpiel: die Kaninchen von Rorto Santo. Mipbildungen en beim Hafen häufiger zu fein alS bei anderen Tieren unjerer 6* . 84 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hafen im weiteren Ginne. freien Natur; fie find es aber nicht, mann muß nur die große Fruchtbarkeit und Kopfzahl be- denfen. &3 fommen da allerlei Mikgeburten vor, die meift auf die Dauer nicht lebensfähig iind, namentlich früher aber mit Vorliebe in Mufeen und Karitätenfabinetten verewigt wurden. So Hafen mit 5 und noch mehr Xäufen, mit doppelter Blume, drei Löffeln, mit einem großen Zyflopenauge, mit verfürzten Löffeln oder ganz ohne folche, Doppelmif- geburten mit zwei Köpfen oder zwei Hinterleibern, „Hajenfeiler” mit Hauerartig aus dem Maule herausmwachjenden unteren Nagezähnen, denen e3 an der nötigen Abnusung fehlte, nachdem fie einmal durch irgendwelche Urfachen, vielleicht einen Schuß, außer Berührung mit dem oberen Schneidezahnpaar geraten waren. Diejes pflegt fich dann im Bogen einzurollen, und das Tier muß fchlieglich elend verhungern, weil e3 feine Nahrung mehr aufnehmen fann. Ganz gemeiner Schwindel von jeiten der Verfertiger und Verfäufer und törichter Alber- glaube a jeiten der Käufer und Sammler find jchließlich die „gehörnten Hafen”, Die aber in früheren Zeiten durchaus ernit genommen, von dem befannten Sagdfupferitecher Nidinger in gutem Glauben dargeitellt und jogar von dem trefflichen alten Säugetierigitematifer Schre- ber bejchrieben wurden. Dieje „Kunftwerfe” verdanften ihr Scheindafein gejchieten Aus- itopfern, Die mittels geeigneter Knopfipießer oder Rehlümmerer den Raritätenjammlern früherer Sahrhunderte das lieferten, was jie haben wollten. Heute wijjen z ; wir, daß ein Gehörn fich mur Kane f auf dem Kopfe und aus det Schädel I) vom Hafen und vom Wibdfaninhen von der Seite. . P R = Hinterer Jochbogenfortfag. 5) beim größeren Hafen jhwäcdher al3 beim £leineren Stirnhaut eines Wiederfäuers Wildfaninden. Nach en a der Landmwirtichafts bilden fann, der die nötigen Ein- tihtungen dazu bejigt. Ein ge- mifjes tiefergehendes hoiljenjchaftliches Interejje im Lichte unferer heutigen Naturanjchauung hatte ein „tedelbeiniger Safe“, den Nehring 1886 der „Gejellfchaft naturforfchender Freunde“ zu Berlin vorlegte. Er war von normal gebauten Eltern in der Gefangenschaft gezüchtet und dann in den Verfuchsitall der Berliner Landwirtfchaftlichen Hochichule übergegangen. Die Knochen feiner Bordergliedmaßen unterjchieden fich von denen eines gewöhnlichen Hajen genau in derjelben Weife, wie die eines Tedels von denen eines geradbeinigen Hun- des, und lajjen jo vielleicht einen gewilfen Schluß auf fprungmweife, plögfiche Entftehung diejer Frummbeinigen Hunderafje zu. Der alte männliche Hafe heißt Nammler, der weibliche Häfin oder Sabhafe; unter Sunghajen, jpäter Halbwüchjigen verfteht man die Jungen, unter Dreiläufern die, welche drei Viertel ihrer vollformmenen Größe erreicht Haben. Die Ohren heißen in der Weidmanns- Iprache Löffel, die Augen Seher, die Füße Läufe; das Haar wird Wolle, der Echwanz Blume, die Haut Balg genannt. Im übrigen gebraucht man für Freund Lampes Tun und Lafjen noch folgende Weidmannsausdrüde. Der Hafe äft, er fit oder drüct fich, er rückt zu Felde, v Haje: Mifbildungen. Weidmannsjprache. Verbreitung. Standorte. 85 um fung zu fuchen, und zu Holze, um zu ruhen, und folgt dabei feinem Rajje oder Wechjet, er fährt ins Lager oder in die Vertiefung, in welcher er bei Tage chläft, und fährt aus ihr heraus; er wird dom Yäger oder Hund aus dem Lager herausgejtoßen. Cr rammelt, Die Häfin jegt ihren erjten, zweiten, dritten oder vierten Cab; er ijt gut oder jchlecht; er Elagt, verendet, wird ausgeweidet und gejtreift ujw. Ganz Mitteleuropa von Frankreich bis zum Kaufajus tt die Heimat unjeres Hafen. Seine Nordgrenze erreicht er in Schottland, im füdlichen Schweden und in Nordrußfand, jeine Südgrenze in Südfrankreich und Norditalien. Sruchtbare Ebenen mit oder ohne Ge- hölz und die bewaldeten Vorberge der Gebirge find die bevorzugten Aufenthaltsorte; Doc) jteigt er in ven Alpen bis zu einer Höhe von 1500 m it. M. und im Staufajus bis zu 2000 m empor. Er zieht gemäßigte Länder den rauhen entjchieden vor und wählt aus Liebe zur Wärme Felder, die unter dem Winde liegen und gededt jind. Alte Rammler zeigen jich weniger wählerisch in ihrem Aufenthaltsorte als die Häfinnen und Junghafen, lagern jich oft in Büjchen, Rohrdidichten und Hochgelegenen Berghölzern, während jene in der Wahl ihrer Lager immer jehr jorgfältig zu Werfe gehen. Gufjtav Jäger fennzeichnet im Anjchlug an die volfstiimlichen und mweidmännijchen Standortsnamen Feld-, Bufch- und Waldhaje Die Abänderungen des Hajenlebens folgendermaßen: „Der Haje it der Hauptjache nach ein Bewohner des offenen Landes und fehlt im Herzen großer zufammenhängender Waldreviere fait vollitändig; Dagegen tritt er, wenn auch Iparjam, jofort auf, wo der Wald zahlreichere Lüden in Geitalt von Wiejen und Feldern hat: Der Jäger unterjcheidet diefe Hafen als Waldhajen von den Feldhajen; ja er jchiebt zmwifchen dieje_ beiden noch eine dritte Sorte, den Bujchhafen, ein. Der Felohaje geht gar nicht in den Wald, auch bei Tage nicht, ex liegt jelbjt im Winter jtetS auf freiem Felde. Der Bujchhafe mwechjelt Dagegen regelmäßig zwiichen Wald, d. H. den Borhölzern, und den Feldern. Bei Tage liegt er in eriteren, rückt abends in das Feld und zieht morgens wieder zu Holze. Davon macht er nur im Herbjt zur Zeit des Blätterfalls eine Ausnahme: das Rajcheln der fallenden Blätter jest fein ängjtliches Gemüt in jolche Aufregung, dah er den Wald wochenlang vollftändig verläßt. Den echten Waldhajen geniert das nicht; diejer it bei Tage jtet3 im Walde, geht nur im Sommer, und auch da nicht immer, jo weit in Die Vorhölzer heraus, daß er fung auf Feldern nehmen fan, und zieht fich, wenn die Felder geräumt find, dauernd in den Wald zurüd. Die, welche auch im Sommer ganz im Walde bleiben, lajjen fich mit der Afung auf den Waldiviefen genügen.“ Unterjchiede im Leben und Wejen zwifchen Feld- und Waldhajen hebt ein öjterreicht- jeher Sägerbeobachter, Wöber, noch weiter hervor in humoriftijcher, deshalb aber nicht me- niger von genauem Studium zeugender Form. „Der Feldhafe ijt ein Bagabund, der, wenn es ihm gerade einfällt, zu jeder Stunde des Tages nach) Genofjen fucht, mit ihnen balat, der feine Mahlzeit, feinen Wechjel einhält, der jich jein Lager nach Gefallen Heute da und morgen dort bereitet, mit wenigen Worten gejagt: ein Lumpenleben führt. Der Waldhaje hingegen hält jtet3 feinen Wechjel, jchiebt jich jtets in das gleiche Lager ein, jofern er nur in Ruhe ge- lajjen wird, und rüct, dem Aehe gleich, zu bejtimmten Stunden des Morgens und Abends auf Hung aus... Der Waldhafe ift fcheuer, vorfichtiger als fein Bruder im Felde und hat alle Gewohnheiten anderer Waldtiere angenommen. Der Waldhafe lebt 5. B. ftets paar- weije, während man den Feldhafen oftin ganzer Familie antrefjen fanıı. So hatte ich Ge- fegenheit, zwei Baar Waldhajen ein volles Jahr hindurch zu beobachten, welche morgens wie abends auf eine Heine Lichtung zur Mung ausrüdten, fonnte jedoch niemals eine S 6 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hafen im weiteren Ginne. Annäherung der beiden Ehepaare bemerfen. Jedes Paar refpektierte gemifjenhaft den fe- plaß des anderen, ohne voneinander Notiz zu nehmen.” Nur einen Fall:gibt e3 nach Wöber, in dem die Waldhafen „jofort ihren Mohnfit verlafjen, und in da3 ofjene Feld flüchten. Das gejchieht dann, wenn nach heftigem Schneefall plößlich Taumetter eintritt und ganze Stlumpen weichen Schnees von Büjchen und Bäumen fallen.” Einem unter folchen Umftänden beobachteten Hafen im Gebirgsrevier fonnte Wöber „deutlich genug anmerfen, wie ärger- lich ihm das Hatjchende Geräufch der fallenden Schneemafjen Fang; denn er machte jeden Augenblik einen furzen Bogenjprung und legte häufig, verhoffend, die Löffel zurüd”. Gleich anderen Nagern unferer Flur, Hamftern und Feldinäufen, it der Haje feiner urjprünglichen Eigenart nad) ein Steppentier, wie e3 feine nächjten Verwandten und Ver- treter in den anderen Erdteilen, namentlich Afien und Afrika, heute noch find. Wir betrachten ihn al3 einen der Einwanderer aus dem Djten, die ung die Steppenperiode nad) der großen Eiszeit brachte, und die fich dauernd bei uns eingebürgert haben, um fo mehr, als ihre Xebens- bedingungen Durch den Aderbau noch verbejjfert wurden. Heute tft der Haje Der herbor- jtechendjte Bewohner unjerer Wiejen und Felder, die, im Grunde genommen, nichts anderes als Fünftliche Kulturjteppen find, und Hat, durch die fortjchreitende, mit der Kultur ver- bundene Verminderung des Raubzeugs in feiner Vermehrung noch weiter begünitigt, als Nustier eine große wirtjchaftliche Bedeutung, während man ihn in früheren Jahrhunderten faum erwähnte, jicher nicht als hegemwürdiges Wild für den Herrenjäger betrachtete. Wehr- [o3, dem Naubzeug und dem hHungrigen Bauernvolf preisgegeben, mögen die Hajenbejtände auch gering genug gewejen fein, geringer, al3 daß fie für ven Lebensmittelmarft groß ins Gewicht fallen fonnten. Der große Umshhwung zugunften des Hafen ift eigentlich exit in unjeren Tagen eingetreten. So jagt Ludwig Dad) über vitpreufiiche SJagdverhältnifje oc) 1900 in der „Deutjchen Jägerzeitung”: „Wo wir vor etwa 30 Jahren 20 Hafen jchofjen, erlegt man jebt an einem Tage 200, 300 und mehr, je nach Pflege und Bodenverhältnifjen.” Legtere erlauben mitunter feine erhebliche Vermehrung des Hafen. So ift 5. B. in den Torf- mooren an der rheinisch-weitfäliichen Grenze zwijchen Ruhr und Lippe der Hafenbejtand heute noch jehr gering. Ein DOrtsfundiger jchreibt der „Deutjchen Sägerzeitung” (19. 9. 1909): „Mehr als einen Hafen fan man in der Kegel auf 100-150 Morgen nicht rechnen.“ „sm allgemeinen”, jagt Dietrich aus dem Windel, dejjen Lebensichilderung Lampes ich für die gelungenfte Halte, „it der Haje mehr Nacht- al8 Tagtier, obwohl man ihn an heiteren Sommertagen auch vor Untergang der Sonne und noch am Morgen im Felde umberjtreifen fieht. Höchjt ungern verläßt er den Ort, an welchem er aufgewachjen und groß geworden it. Findet er aber dajelbit feinen anderen Hafen, mit dem-er jich paaren - fann, oder fehlt e8 ihm an fung, fo entfernt ex fich weiter al3 gewöhnlich. Aber der Sat- haje fehrt, wenn die Baarungszeit herannaht, wie der Nammler zur Herbitzeit, wieder nach ver Geburtsitätte zurüd. Fortwährende Auhe Hält ihn bejonders feit, fortgejegte Verfolgung vertreibt ihn fir immer. Der Feldhafe bewohnt größtenteils die Felder und verläßt fie nur, wenn e3 regnet. Wird das Stüd, in welchem er feine Wohnung gebaut hat, abgehauen, jo geht er an einen anderen Dirt, in die Rüben-, Saat-, Krautfelderufm.” Doch jind ihm Kohl- und NRübenarten nicht jolche Zederjpeife, wie der Bollsmund vom „Häschen im Kohl” be= hauptet; Dagegen jcheint er der Peterfilie befonderen Borzug zu geben. „Sm Spätherbit wählt er nicht zu frifche Sturzäder, nicht zu feuchte, mit Binjen bewachjene Vertiefungen und Felder mit Olfaat, welche dann nächjt dem Wintergetreide den größten Teil feiner Weide ausmacht. Solange noch gar fein oder wenig Schnee liegt, verändert er feinen Wohnort - Hafe: Steppentier., Nachttier. Nahrung. Hafenfteige. 87 nicht; nur bei Nacht geht er in die Gärten und jucht den eingejchlagenen und aufgejchich- teten Kohl auf. Fallt jtarfer Schnee, jo läßt er jich in feinem Lager verjchneien, zieht jich aber, jobald das Unmetter nacjläßt, in Die Nähe der Stleefelder. Bekommt der Schnee eine Eisrinde, jo nimmt der Mangel immer mehr überhand, und je mehr dies gejchieht, um fo jchädlicher wird der Hafe den Gärten und Baumfchulen. Dann ift ihm die Schale der meijten Fungen Bäume, vorzüglich die der Ufazie und ganz junger-Lärchen, jowie der Schwarzdorn ebenjo willfommen mie der Braunfohl. Berminvdert jich durch Taumetter der Schnee, oder geht er ganz weg, jo zieht fich der Haje wieder zurüd, und dann ift grünes Getreide aller Urt feine ausjchliegliche Weide. Bis die Winterjaat zu jchojfen anfängt, äft er diefe; hierauf rückt er vor Sonnenuntergang oder nach warmem Negen etwas früher aus und geht ins Sommergetreide. Auch diefe Saat nimmt er nicht an, wenn jte alt wird, bleibt aber in ihr liegen, bejucht abends friich gepflanzte Krautfelder, Rübenjtüde und dergleichen.” Sn Sägerkreifen hat man vielfach die Frage erörtert, ob „die jichtbar ausgetretenen Steige im Korn” von Hafen Herrühren. Nach U. Bütomw („Deutjche Zägerzeitung“, 1909) jind es unzweifelhaft „Hafenfteige”. „Gewöhnlich wenn das Korn in die Öhren fchießt, wird es dem aufmerfjamen Beobachter jchon auffällig, daß der Haje am Werfe ift, jich hier ‚Straßen‘ anzulegen. Man findet lange Streifen im Korn, die fich Durch am Grunde abgefchnittene Halme, die freuz und quer liegen, wie fie gerade fallen, befonder® — oft jchnurgerade — verfolgen lajjen. Die ‚Gänge‘ find anfangs nur fchmal, weiten jich aber jchlieglich durch Be- . nubßung oft bis zur Handbreite aus. Und fchlieflich benugt der Hafe nur dieje Steige, die oft auch von ‚Wafferfurchen‘ aus mitten in das Kornfeld abbiegen. Bejonders auffällig werden dieje Steige in Getreidefeldern, die unmittelbar dem Walde benachbart jind. Jeder Beob- _ achter fann die Probe auf die Tatfache machen, da der Hafe fajt nur diefe ‚Gänge‘ benußt. Wechjelt vor ihın ein Hafe über den Weg, jo nimmt er entweder eine ‚Wafjerfurche‘ an oder er läuft noch ein Stüdchen am Kornjchlage entlang, um plößlich in diefen einzubiegen. Hier markiert fich immer mehr oder weniger der Steig in den jchon hervorgehobenen Mert- malen. Ganz ficher ift von einwandfreien Beobachtern auch die Tatjache erhärtet worden, daß der Hafe diefe ‚Hänge‘ immer wieder annimmt, fich alfo im Halmenmeer immer auf be- fannten ‚Straßen‘ bewegt. Ein zuerläfiger Augenzeuge berichtete, daß er den Hafen unmit- telbar dabei überrafcht habe, die Halme abzufchneiden (ohne jie zu äjen), twobei ihm noch der Gedante gefommen jei, in diejer dünnjtehenden Saat hätte Lampe wirklich nicht Beranlafjung, fich Pälje auszufchneiden.” Er tut es aber doch, und zwar ganz ausnahmslos mit einer wahr- haft eifernen Beharrlichfeit. Das befräftigt eingehend U. Beifer, offenbar ein Foritmann, aus eigner Erfahrung. („Deutfche Sägerzeitung”, Nr. 18, 1910.) „Daß der Haje Sommer und Winter mit aller Zähigfeit fich feinen Steig jauber hält, erfennt der Foritmann aljährlich zu jeinem Leidwejen, wenn er Neupflanzungen auf Schlägen, Lichtungen ufw. ausführt. Bei - unjerem gegenwärtigen Syftem der Engpflanzung fann e3 natürlich nicht umgangen werden, daß da und dort einmal direft auf den Hafenfteig Hingepflanzt wird, und überall, wo dies ge- jchieht, wird man anderntags die betreffenden Pflanzen jchon abgebifjen finden, abgejchnitten - dom fcharfen Zahn, der den Hafen verrät. Will e3 nun der Zufall einmal, daß die Kultur- jchnur auf einem geradlinig fich Hinziehenden Hafenfteig gezogen wird, fo verfällt alsdann Die ganze lange Pflanzenreihe dem Verderben, und... man wird mit Fug und Necht von Wild- - Schaden reden fönnen. Daß der zur Ajung ausrücende Hafe einem Heinen Raßhindernis aus- weichen möchte, fällt ihm nicht ein, er bejeitigt eg mit Gewalt, und ob’es eine jchiwache oder 2 4 jtärfere Pflanze, Laub- oder Nadelholz ift, der haarjcharfe Zahn bezmwingt das Hindernis. 88 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hafen im weiteren Ginne. „ußer der Rammelzeit“, fährt Windell fort, „während welcher alles, was Haje heißt, in unaufbörlicher Unruhe tft, bringt diejes Wild falt den ganzen Tag fchlafend oder jchlummernd im Lager zu. Nie geht der Haje gerade auf den Ort los, mo er ein altes Lager weiß; oder ein neues machen will, jondern läuft erjt ein Stücf über den Drt, wo er zu ruhen gedenft, hinaus, fehrt um, macht wieder einige Säbe vorwärts, dann wieder einen Sprung feitwärts, und berfährt jo noch einige Male, bis er mit dem mweitejten Sabe an den Plab fommt, wo et bleiben will. Bei der Zubereitung des Lagers fcharıt er im freien Felde eine etwa 5—S cm tiefe, am hinteren Ende etwas gewölbte Höhlung in die Erde, welche jo lang und breit ijt, daß der obere Teil des Nüdens nur jehr wenig fichtbar bleibt, wenn er die Borderläufe aus- jtredt, auf diefen den Kopf mit angejchlofjenen Löffeln ruhen läßt und die Hinterbeine unter den Leib zufammendrüdt. Ir diefem Lager fchüßt er fich während der milden Jahres- zeit leidlich vor Sturm und Negen. Im Winter Höhlt er das Lager gewöhnlich fo tief aus, daß man von ihm nichts al3 einen Fleinen jchwarzgrauen Punft gewahrt. Se nach der Witterung, namentlich je nach der Richtung des Windes, pflegt Der Hafe feine Lage zu ändern und jich auch recht genau nad) der Gejtalt des Geländes zu richten: jo wendet er in unebenen Gegenden am Hange den Kopf wohl ausnahmslos talwärts.” „Hat er irgendeine Gelegenheit gefunden”, fährt unfer Gewährsmann fort, „unter dem Schuge der Dunfelheit feinen fehr guten Appetit zu jtilfen, und ift die Witterung nicht ganz ungünitig, jo wird faum ein Morgen vergehen, an welchem er fich nicht gleich nad) Sonnenaufgang auf trodenen, zumal jandigen Tlägen entweder mit jeinesgleichen oder allein Herumtummelt. Luftige Sprünge, ab- wechjelnd mit SKreislaufen und Wälzen, find Sußerungen des Wohlbehagend. Der alte Haje läßt jich nicht jo leicht überliften und rettet fich, wenn er gefund und bei Kräften ift, vor den Nachitellungen feines Erzfeindes fast regelmäßig durch die Flucht. Dabei fucht er duch Hafenfchlagen, welches er meifterhaft verjteht, feinen Feind zu übertölpeln. Nur wenn er vor rajchen Winohunden dahinläuft, jucht er einen anderen vorzuftogen und drückt fich in dejjen Wohnung, den vertriebenen Befiker faltblütig der Verfolgung überlafjend, oder er geht gerade in eine Herde Vieh, fährt in das erjte befte Nohrdicicht und Shwimmt im Notfalle auch über ziemlich breite Gemwäljer. Kaum jemals aber wagt er, fich einem lebenden Ge- ichöpfe anderer Art zu mwiderjegen, und nur wenn Eiferfucht ihn reizt, läßt er jich in einen Kampf mit jeinesgleichen ein. Zumweilen Eommt e8 vor, daß ihn eine eingebildete oder wahre Gefahr derart überrafcht und aus der Fafjung bringt, daß er, jedes Nettungsmittel vergejjend, in der größten Angjt Hin und her läuft, ja wohl gar in ein jämmerliches Klagen ausbricht.“ Der Hafe ift ein fehr reinliches Tier, und das führt nad) Aothes liebevollen Beobach- tungen dazu, daß er „im Lager öfter aufrecht fißt: er macht fleißig Toilette. Schon in der Dämmerung, bisweilen noch außerhalb der GSafje, beginnt er die Säuberung des ganzen Körpers... Die VBorderläufe werden beledt, dann zunächft die Löffel bis über das Geäje heruntergezogen und gründlich gereinigt... Dann wird ein Männchen gemacht und der ganze Kopf gewaschen. Zulebt fommt der übrige Körper an die Reihe. Solche Beichäftigung findet tagsüber mehrmals ftatt. Man muß darüber erftaunen, daß der Balg des Exlegten, der aus einem Lager herausfuhr, wo der Boden mit zahllofen Eriimeligen, fajt ftaubjeinen Kejten organijcher Abfälle bedeckt ift, fo jauber ift, ‚wie gelect‘. Smmerwährend wird auch — die Wolle gejchlichtet, fie darf nicht verfilzen. So vergeht der Tag, und der Waldhafe rückt nun in das Feld. Dabei muß aber ein Sandbad genommen werden. An geeigneter Stelle wird Haltgemacht, und.nach forgfältigem Sichern erfolgt ein Wälzen im Sande, aber nur während weniger Sefunden: die Gefahr ift zu groß. E3 mar jedoch zu jchön: nach Furzem Hafe: Lager. Neinlichkeit. Furchtjamfeit. Schnelligkeit. 89 Kampfe zwijchen Furcht und Begierde des Zaghaften jehen wir den weißen Bauch noch einmal oben; dann aber fährt der Haje wie ein Bliß in die Dedung hinein. Das Berderben hat jich vielleicht genähert. Solches Bad wird auch Des Morgens beim Einlaufe in das Holz genommen, bisweilen in Gejellichaft von nahen Verwandten... Durch wiederholtes, hef- tiges Schütteln wird der Sand aus dem Balge radifal entfernt.” Bor allen unbefannten Dingen hat der Haje eine außerordentliche Scheu, und deshalb meidet er aucd) jorgfältig alle Bopanze, welche in den Feldern aufgeitellt werden, um ihn abzuhalten. Dagegen fommt es auch vor, daß alte, ausgelernte Hafen jich auferordentlich dreilt zeigen, fich nicht einmal Durch Hunde vertreiben lafjen und, jobald jie merfen, daß diefe eingejperrt oder angehängt find, mit einer Unverjchämtheit ohnegleichen an die Gärten heranfommen und jich fozufagen unter den Augen der Hunde äjen. Lenz hat mehrmals - gejehen, daß Hafen fo nahe unter feinem Fenster und neben den angefejjelten Hunden Hin- Ichlüpften, daß der Schaum aus dem Nachen der entrüfteten Hunde ihnen auf den Pelz prigte. Noch weniger jcheut jich der Haje vor dem Menjchen und feinem alltäglichen Ge- triebe, jobald er einmal gemerkt hat, daß jich das alles in Feiner Weije auf ihn bezieht. „Aus diejem Grunde”, jagt Nothe, „Jibt er auch jo häufig direft neben einer Chaufjee oder einem öffentlichen Wege, wo viele Menjchen und Wagen vorüberfommen“, wo aber „tatjächlich nur in den feltenften Fällen ein Pafjant ihn bemerkt, weil eine große Übung dazu gehört, den Hafen in qut gewähltem Lager fiten zu jehen.” Hat er einmal in der Morgendäm- merung das Lager allzu Dicht an einem Wege genommen und bemerft er den Fehler beim Borbeigehen eines Fuhgängerz, jo läßt er diejen vorüber und drückt jich dann vorjichtig fort. An den Böjchimgen der Chaufjeen find Häufig derartige, gleich wieder verlajjene und nicht bon neuem angenommene Lager. Sagt dem Hajen eine Eajje bejonders zu, und erfolgt feine Störung, jo benubt er fie längere Zeit. Das ermöglicht die Entwicelung jeines Flohs (vgl. unten). „Steht jemand in der Nähe des Lagers jtill, jo fährt der Haje bald heraus, mweil er glaubt, gejehen zu werden. Er untetfcheidet mit Sicherheit unter den am Lager Borüberfommenden. Ir der Nähe einer Kultur, an fteiler Böjchung, dicht am Wege, wo die pflanzentragenden Arbeiter den ganzen Tag Hin und her gingen, jaß ein Haje mitten auf einer Wurzelbrüde. Niemand Hatte ihn gejehen, obwohl er nicht im geringjten gededi war. Mit der Büchzflinte vorbeifommend, jah ich ihn figen, Tieß ihn jedoch ganz unbeachtet. AS ich nach 10 Minuten zurüdfam, war er fort.“ Die Schnelligkeit des Hafen im Laufe rührt größtenteils daher, daß er jtark überbaut it, d. h., daß jeine Hinterläufe Yänger als die vorderen find. Hierin liegt aucd) der Grund, daß er bejjer bergauf als bergab rennen fann, und daß in feiner Spur (AUbb., ©. 90) die Ab- drüde der Hinterläufe jtet3 vor denen der Borderläufe liegen. Wenn er ruhig.iit, Hoppelt er, wie der Jäger jagt, d. H. er bewegt jich in Furzen, langjamen Sprüngen; wenn ihm daran fiegt, jchnell fortzufommen, wenn er im Sinne des Jägers flüchtig wird, in jehr großen Säten. Beim Entfliehen hat er die Eigentümlichfeit, daß er ohne bejonderen Grund in einiger Entfernung bon feinem Lager einen Kegel macht, d. h. die Stellung eines „jchön“ machenden Hundes annimmt; ift er dem ihm nachjagenden Hunde eftı Stüd voraus, jo jtellt er jich nicht nur auf die vollftändig ausgeftredten Hinterläufe, jondern geht auch wohl jo ein paar Schritte vorwärts und dreht fich nach allen Seiten um. Zu der Frage: „Wie fchnell läuft ein Haje?” jchreibt ein Autofahrer der „Kölnijchen Beitung”: „Das geblendete Tier jieht nur einen Ausweg: die vom Scheinwerfer grell beleuch- tete Straße; erjt wenn die Straße eine Wendung macht und der Schein vorübergehend in 90 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hajen im weiteren Sinne. den Graben und auf freies. Feld hHinübergleitet, findet er Rettung aus der Gefangenjchaft der Kichtitrahlen und jigt plöglich, wohl zu feinem nicht geringen Erjtaunen, im tiefiten Dunfel. Bei diefem Wettlauf fann man die Gejchtoindigfeit eines Hafen leicht feitftellen. Sobald ihn die Lichtitrahlen eingefangen haben, mäßigt man die Gejchwindigfeit des Automobils, bis der Abjtand zwiichen Automobil und Tier gleichbleibt. Ein Bli auf den Gejchwindig- feitSmejjer zeigt uns die Gejchwindigfeit des Hajen: auf ebener Straße 22—25 km in der Stunde, bergab aber faum 20 km.” Über diefe Angabe gehen aber die Beobachtungen Kerle 2 BE 5 K- £: HARTIG. 2_ i .> == K. £-HARTIG. - Bewegungsformen be3 Hafen. Darunter die entjprehende Epur: a) im Lager, figend und Hoppelnd, b) flüchtig. anderer Autofahrer weit hinaus. Dr. Weichert in Bad Schweizermühle berechnet in einem einzelnen, bejonders Kar fiegenden Falle die Gejchtwindigfeit eines 600 m weit vor feinem Auto herrennenden Junghajen auf „mindejtens 45 km, wenn nicht mehr” in der Stunde („Wi und Hund“, Nr. 23, 1910). Auch ©. Weber „Tann bloß beftätigen, daß der Haje jogar auf längere Streden bei SO km-Tempo reichlichen Abftand vom Wagen gehalten hat“. 2eber hat „jogar die Gejchtwindigfeit von 80 km überfchritten, ohne dem Hafen näher zu fommen”. Ein alter 2ofomotivführer berichtet der „Deutjchen Sägerzeitung” aus feiner 2sjährigen Tätigfeit, „daß bei einer Stundengefchwindigfeit von50--60 km die Hafen bis 2 km neben der Majchine Herliefen“. R Gewöhnlich gibt der Haje nur dann einen Laut von fich, wenn er fich in Gefahr jieht. Hafe: Stimme (Klagen). „Schlafen mit offenen Augen”. 9] Diejes Gefchrei ähnelt dem Feiner Kinder und wird mit „Sllagen” bezeichnet. Die Nedaftion der „Deutjchen Zägerzeitung“ bemerkt Dazu gelegentlich (1911): „Der angefchoffene Hafe Hlagt — aus Schmerz — beim Schuß gar nicht felten, vor allem dann, wenn er den im Trieb oder auf dem Anftand Harrenden Schüßen nicht eräugt hat. Namentlich fcheint der hohe Vorder- laufjchuß, welcher die Funktionen der Blattjchaufel jtört, diefen Effekt zu haben. Der Hagende Haje verendet gewöhnlich bald und nicht weit vom Anfchuß, welchen er flüchtig verläßt. In jolchen Fällen Hat das Korn nicht nur den Knochen lädiert, jondern auch die Lunge gefaßt. Hajen mit Schüfjen auf die Keulen bztv. die Hintere Partie überhaupt fagen nur bei Annähe- rung eines Menjchen oder Hundes. Die Knochen des Hinterlaufes bzw. Kreuzes fcheinen daher weniger empfindlich zu fein, obwohl doch der Hafe gerade durch derartige Verlegungen (Wirbelfäule, beide Hinterläufe) bei vollem Bemwußtjein an die Stelle gebannt wird.” Auch beim Überfall durch das Wiefel bricht der Hafe in lautes Klagen aus. „Ein zweiter Stimm- (aut”, jagt Schäff in feiner „Sagdtierkunde”, „ver aber felten gehört wird und wenia befannt it, ijt ein leijes, Dumpfes Murten oder Murfjen. Sch habe es jelbjt nur einmal auf dem An- jtande im Sommer gehört, und zwar bon einem Hafen, der mit tiefer Naje dicht bei mir borbeihoppelte, augenscheinlich ein Nammler auf der Fährte einer Häfin.” Angejichts der le- teren Deutung berührt e3 eigentümlich, in der „Deutjchen Sägerzeitung” (Nr. 18, 1894) zu fejen, wiev. Scheliha-PVerichüb, als er „einer leichten Erfältung wegen ganz neue Gummifchuhe, die noch den jcharfen Gummigeruch hatten“, trug, plößlich Hinter jich „einen eigenartigen Ton“ hörte und „beim Ummenden einen Hafen in einer Entfernung von mindeftens 80 Schritten” bemerfte, „ver laut murfjend und langjam Hoppelnd“ genau feinen Fußjpuren folgte. Die Junahafen jtoßen mitunter ein gemwijjes Duiefen aus, und ein Gegenjtüd dazu bilden „Warntöne” der Häfin, die Findeifen-Nobit gehört Hat („Deutjche Jägerzeitung”, 1907). Er bejchreibt fie al3 „ein fnurrendes, murrendes, jchnurrendes, Furzes — rurt”, das jtets „im Zujammenhang mit dem Laufflopfen” hervorgebracht wurde. „Auch bei jich treibenden Hajen habe ich Diejes ‚Murfjen‘ gehört.” Eine gemwijje Bejtätigung des Schäffichen Erleb- nijjes und ein gewijjes Gegenjtüd zu den Schilderungen vom Brunftruf des Schneehajen! Unbegreiflichermweije hatte jich bis in unjere Tage die Vorftellung und VBolfsredensart hartnädig forterhalten, der Haje jchlafe mit offenen Augen: ein Vorurteil, daS offenbar Dadurch entitanden war, daß der Haje vollfommen regungslo8 in feinem Lager fist, als ob er jchliefe, und man auch an feinem Auge, das etwas eigentümlich Starres hat, feinerlei Leben und Bewegung wahrnehmen fan. Wenn der Menjch ihn jo beobachtet, ijt unjer langlöffeliger Held aber tatjächlich von behaglicher Siejta weit entfernt, befindet jich viel- mehr im Zujtande gejpannteiter Aufmerkjamfeit, und nur jein angeborener Schubinftinkt halt ihn zu unbeweglihem Ausharren nieder, weil er mit feinem erdfarbigen Balge in der Aderfurche jehr wohl überjehen werden und unerfannt bleiben könnte. Dagegen hat man zwar eingewendet, daß die vierfühigen Feinde des Hafen, vor allem der Fuchs, Nafentiere jind; aber deshalb find fie nicht blind, und der Wind fteht auch nicht immer gut. Ferner jind die Raubvögel, wie alle Vögel, ausgefprochene Augentiere, und in den anderen Weltteilen verfolgen aush die jchlecht riechenden Kabenraubtiere den Hafen. Er tut alfo im allgemeinen ganz gut, wenn er in feinem Lager recht feit liegt: wenn diefe Eigenart nicht vorteilhaft wäre, wide jie jich nicht bei ihm herausgebildet Haben. Aber Schäff — und mit ihm jeder fritiiche Beobachter — fanın auch „auf das bejtimmtefte verfichern, daß der Haje wie jedes andere Säugetier beim Schlafen die Augen jchließt. Tut er legteres bei ruhigem Liegen nicht, jo jchläft er eben nicht”. Wohl aber fchläft er, twie alles Wild, mitunter ganz erjtaunlich 92 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hajen im weiteren Sinne. feit. So berichtet ein Beobachter unterm 15. 10. 1909 dem „Et. Hubertus“, er habe „auf einer Kuhmeide” einen Hajen „mit zur Ceite gejtredten Läufen inmitten der Kühe ge- funden, der jo fejt jchlief, dab es möglich war, „vem Krummen zweimal mit der Hand den Kücden zu jtreicheln, ehe er erwachte". Bei andere neuerdings bielerörterte Hajenfragen find: das Springen und das Schwimmen. Nimmt der Hafe freiwillig höhere Hindernifje irgendwelcher Art und geht er ohne Scheu ins Wajjer? Beide Fragen find im allgemeinen zu bejahen auf Grund viel- facher Zeugnifje in der Jagdprejje. Jedenfalls fan man im Neviere des befannten Jäger- beobachters Findeifen-Nobit Hindernifje nehmende Hafen „jeden Tag jehen, wenn man jich nur die Mühe nimmt, in die Weinberge zu gehen: Die Weinberggmauern jind oft 2, 3 und mehr Meter hoch” und auf fie hinauf „jebt oft Meijter Lampe in Fühner Flucht und rettet jich über fie hinweg”. hnliches berichtet 3. Pascolotti aus Gradisca im Kart, wo jedes einigermaßen brauchbare Stücdchen Land mit einer Trodenmauer umgeben ift. „Außerhalb diejer Felder findet der Haje blutwenig oder gar nichts — daher muß er hinein... Er mußte hier lernen, Diejes Hindernis zu nehmen, — und hat es gelernt.” Inden Füritlic-Schwarzen- bergjchen Torfmooren bei Mayerbach- Fleigheim (Südböhmen) wurde wiederholt ein Haje beobachtet, der von einem der 215 m hoch mit jenfrechten Geitenwänden „aufgefaitelten” Torfhaufen abjprang: er „Eonnte nur Durch einen gewaltigen Hochjprung in fein ausgejuchtes Lager gelangen”. — Aber auch Freijprünge über Draht- und andere Zäune macht der Haje ohne Bedenken. Es ijt Daher nicht Haltbar, wenn bei Wildfchadenfragen geltend gemacht worden it, jolche Hindernifje fönne der Haje nicht [pringend überwinden, und es müjje Daher am Boden irgendivo eine zum Durchkriechen geeignete Stelle vorhanden jein. Kein Zweifel, das bezeugen Dtto vd. Mörs und andere Beobachter: daß der Haje aus freien Stüden recht anjehnliche Hochiprünge macht! Wozu hätte er auch feine Jangen, ftarfen Hinterläufe? Für Shwimmende Hafen ijt wiederum Findeijen-Nobit Augenzeuge. An Aheinhafen bei Karlsruhe hörte er „nicht allzu entfernt einen atjch ins Waffer ... und dann fchwamm ganz gemächlich, in gleichmäßigem Tempo, ohne zu plätichern, jo wie der beite Fijchotter, ein Haje quer Durch den Kanal, ... jtieg Freugvergnügt und jeelenruhig aus dem hier zirfa 40—50 m breiten Wafjerbette, — jchüttelte fich in aller Gemütlichkeit das Waffer aus dem Stamijol, hoppelte den Damm hinauf, drüben hinunter und verjchwand im nächjten Kar- toffeljtüc”. Allem Anjchein nach „wurde der Haje nicht ins Wafjer gezwungen, dazu jah jein Benehmen viel zu altgewohnt aus”. — Aus dem Wejergebiete, Gegend von Ninteln, erzählt R. Volbracht, der langjährige Pächter der Beltheimer Gemeindejagd, daß Dank den jährlichen Überföwemmungen die Hafen fich dort vollfommen an das Schwimmen gewöhnt haben und die Wejer für jie, ebenjo wie für die Aehe, weder in ihrem Liebes-, noch in ihrem jonjtigen Leben ein Hindernis bildet. Einmal jah Volbracht jogar von hoher Böjchung einen Hajen mit einem mächtigen Sab in den Fluß fpringen und an das jenjeitige Ufer jchwim- men. Der Hegemeilter a. D. R. Dtto hat Hajen bei Emmerich unter anderem jogar den ganzen Rhein durchqueren jehen, der Dort wohl 400—500 m breit ift und jehr jtarf jtrömt („Deutjche Jägerzeitung”, Nr. 51, 1909). Um meiteiten jcheint das Wafjerleben des Hafen aber in den niederöfterreichifchen Donauauen getrieben zu werden. Nach der „Dfterr. Forit- und Jagdztg.” wurden dort Hajen beobachtet, die offenbar auf einer „Leinen, muldigen Schotterbanf untertags unbedingte Ruhe und Sicherheit” genojjen, „um endlich abends per Wafjer zur Hung auszumechjfen“, d. h. jeden Tag zweimal eine „tiefe, etwa 20 Schritte breite, tote Wafferader ducchfchwammen”. Geradezu „al3 Dijtanzichwimmer” bewies ic Hafe: Springen. Schwimmen. Wafjericheu. Leben auf dem Gife. 93 ein Safe, der, auf einer Landzunge der Auen in die Enge getrieben, bon deren Spibe „mit einem gewiß 5 m langen Sprunge in See jtach”, worauf er eine Wafferjtrece von min- deitens 400 m zurüczulegen hatte. Er tat da3 mit fteif aufgerichtetem Kopfe, die Löffel Dicht an den Hal3 angelegt, mit den Schulterblättern über Waffer. Noch ftärfere „Bemeife jeiner Ausdauer und Unverzagtheit lieferte in demjelben Gebiete ein Feldhafe bei einem Norditurme mit 8 Grad R Kälte... Er flüchtete in langen Säben über das Nandeis dem offenen Wafjer zu, das er jofort in meifterhaftem Langtempo durchihmwamm.” Aber „auch am jenjeitigen Ufer war Randeis, und minutenlange Anftrengungen, diefes unter die Läufe zu befommen, fcheiterten an dem Abjcherben des dünnen Eifes und an dem fortmährenden Ausgleiten. ©o, nur mit Kopf und Bruft gegen den Eistand gejtemmt (er wurde genau mit dem Slaje beobachtet), hielt der waere Haje volle 12 Minuten aus, bis ihn endlich ... ein glücklicher Gemwaltiprung aus feiner fatalen Lage befreite.” Man foll dabei nie vergeijen, daß allen Säugetieren mit ganz wenigen Ausnahmen (vielleicht nur dem Kamel nicht) das Schwimmen angeboren ift und im Notfalle alle e3 üben. Weniger ehrenvoll für das Hafen- herz, gejchtweige denn für den Hafenverjtand ift Das Benehmen der auf Zuift eingeführten und heute bereit3 äußerft zahlreich Dort vorhandenen Hafen auf der Flucht vor dem Menijchen. Bor Heintoth, der ji) zur Beobachtung des Vogelzugs im Herbite dort aufhielt, gingen fie überall in den Dünen auf; aber gerade als ob fie noch gar nicht angefangen hätten, fich mit ihrer Snjelheimat vertraut zu machen, verjtanden jie e8 nicht im geringjten oder machten wenigitens gar feinen Berjuch, das Wafjer zu vermeiden, fondern fuhren ohne Bejinnen, man möchte jagen: ohne Bejinnung von der Düne in das Wattenmeer hinunter und flüch- teten weit in diejes hinaus, daß das Wajfjer Hoch aufiprigte. ‘ AnderjeitS mag aber auch die entgegenjtehende Echilderung Möbers nicht verjchtwiegen werden, der „nur von der großen NWafjericheu unjeres Lampe zu erzählen” weiß, und zwar aus dem Gebiete der ungariichen Sümpfe und Donauüberjchwenmmungen. Dieje un- geheuren Sümpfe „wandeln fich im Frühjahr nach der Schneejchmelze in unabjehbare Meere, deren Wafjer den Horizont begrenzen, und aus denen fleine Bodenerhebungen gleich Sinjeln ragen“. Dort jihen die Hafen, „eng aneinandergedrüdt”; „pudelnaß, abjcheulich an- zufehen, gleichen fie in diefem Zuftande eher Tiergeipenftern al3 Lebemwejen”. Bielleicht hatten sie jchon redlich ihr Heil im Schwimmen verfucht und das Land war nur gar zu weit entfernt? Auf diefe Erflärung deuten auch „viele arme Teufel” von Hafen, die Wöber „halb erfroren und vollfommen erjchöpft bei den Löffeln” in jein Boot hob, mit dem er ohne jede Scheu jofort gierig aufgenommenes Heu, Mais und Gerfte auf die „Hafeninjeln” brachte. Auf dem Eife jelbit findet jich Lampe jehr gut zurecht, wie die „Neuen Baltifchen Weid- mannsblätter” jehr einleuchtend jchildern, und Eis ohne Schnee ift für ihn gute Zeit, wenn im Spätherbjte weite Flächen der niedrig belegenen Heuschläge, VBiehmweiden und Wälder jpiegelglatt poliert find. „Nuht es fich doch auf dem Eife um fo ficherer, als hier die Lager- jpur auch der feinsten Spürnafe des Feindes nur fchwer und überhaupt nur auf ganz furze - geit wahrnehmbar, dem Auge aber gänzlich unfichtbar ft... Häslein fann aljo im Frieden - Ichlummern. Muß e3 aber doch einmal aus dem ficheren Verftec aufjpringen, dann dauert e3 nicht lange, biß e3 außer Sicht ift, und der Feind von der Verfolgung abftehen muß. Denn dank jeiner mit dichten Bürften verjehenen Läufe fann der Hafe fait ohne zu gleiten über das Eis dahinjagen; nur ab und zu fieht man auf dem mit dünnfter Echneedede belegten Spiegel einen ‚Wijcher‘”. Weder der Hund noch der Fuchs fönnen auf dem Eife den Hafen je ein- holen, und auch das fchnelfite Tier, der Windhund, fchießt, fobald der Hafe einen Hafen macht, 94 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Hafen im weiteren Sinne. in gerader Richtung noch weit über die Eisfläche dahin. Auch „die Braden fönnen auf dem Eife nicht viel ausrichten; nur wenige jehr feinnafige und gewiegte Hunde vermögen auch Hier, allerdings nur unficher, die Spur zu halten”. Der fundige Jäger weiß aber jebt alfein, „wo er den Hafen zu juchen hat. Mit fehußbereitem Gewehr jchweift er durch Heu- ichlag und Weide und hält fich bejonders an alle eis- und macholderbededten Flächen und die Umgebung ganz fahler Eispartien; leßteres, weil YQampe, der hier exit lange jeine Zager- tänze aufgeführt hatte, Häufig mit einigen Cäben unter einem dicht an jolchem Eije ge- (egenen Bufche Deckung jucht. Er fährt nur dann heraus, wenn er merft, daß es ihm gilt oder er fich entdedt glaubt, d. H. in folgenden Fällen: wenn der Feind fich allzufehr nähert, wenn er Direkt auf das Lager Iosjteuert, wenn er längs der Lagerjpur geht und wenn er jtehen bleibt und fich zum Lager wendet. Um den nahenden Feind recht genau beobachten zu fünnen, horcht Lampe nicht nur ängjtlich auf, jobald er irgendein Geräufch vernimmt, fondern ... vet fich, um die nahende Gefahr zu beurteilen und die Flucht zu rechter Zeit und nac) der richtigen Seite hin bewerfitelligen zu fünnen, oft — aud) im Lager — in Die Höhe... Sicherheben und Sichdrüden folgen bisweilen mehrmals aufeinander. Sn einigen Fällen, zumal in dichtem Gefträuch, geht’3 aus der Lageritatt zunächit noch in einen be- nachbarten Bufch, und Hier wird wieder ein wenig Verjtecfens gejpielt, bis man doch endlich gezwungen ijt, das Weite zu fuchen.” Dieje jagdlichen Erfahrungen baltiicher Hafenjäger, die zugleich ein Stitef örtlicher Naturgefchichte des Hafen find, haben für uns ihr Neues und Cigenartiges, wie denn überhaupt in den ruffiichen Oftfeepropinzen eine weidmännijche Elite durch Tradition jich fortzuerben fcheint. Schade, daß davon auf literariichem Wege jo wenig zu ung dringt! Daß Lampe auch Schnee gut verträgt, erhellt Daraus, daß man in unjerer Jagdprejje auf die Frage: „Welche Wildgattungen lafjen fich einjchneien?” ihn voranitellt. Man be- Hauptet jogar, daß er bei tiefem Schnee mit darauffolgenden Froft ji) Höhlen und Gänge in die Schneedede eingräbt, die er anfcheinend ganz fidel bewohnt. Dem miderfpricht der offenbar alterfahrene „Säger Unverdrofjen”, indem er das Vorkommen folcher „Hajenröhren” bei außerordentlich ftarfem Schneefall zwar bejtätigt, ihre Entjtehung aber anders erklärt: „ver Krumme muß bon unten auf einfchneien, von oben her in den Schnee hinein gräbt er jich nicht”. Nichts ijt von dem Hafen zu jehen, wenn er fich Hat einjchneien lajjen, nur ein. Loch, welches dem Kundigen verrät, daß Dort unter der Schneedede der biedere Krumme in jeinem Tunnel fich drüdt... Tritt man nun abjichtlich oder unverjehens in jolches Loch, jo gerät Lampe in eine arge Slemme, aus der nur ein Gemaltjtreich Rettung bringen Fann. Kerzengerade fährt er Durch die nachgiebige Dede feiner Behaufung, nicht ohne bei den nächiten paar Fluchten noch einige Ballen Schnee auf jeinem Rüden ein Cndchen mit- zunehmen. Auch dem fundigen Säger fann er in folchem Fall übel mitjpielen, der ihn Durd) Seltitampfen des Schnees über feinem Winterlager aus Diefem heraustreiben wollte. „Auf einmal mwanfte der Boden unter meinen Füßen, und der Haje jchoß, wie auf eine Nafete gejpießt, aus feinem Winterlager in den Wald, während ich mich etwas unjanft auf den Rüden legte und meine beiden Schüffe in die Luft fuhren, weil ich im Fallen mit dem Finger die Drücker berührt hatte.” Dbmwohl der Hafe aljo im Schnee jich beitens einzurichten ver- jteht, muß er fi) doch an den eriten Schnee immer wieder gewöhnen, wenn Säger Un- berorojjen jeine Beobachtungen nicht täufchen. Das Spurenbild bemeilt es Far, daß eine gemwijje Unruhe bei dem neuartigen Anblie in ihn fährt; das Fann fich aber auc) daraus erklären, daß Lampe für jeden Witterungsumfchlag ungemein empfindlich ift, und zwar ganz Hafje: Leben im Schnee. Einne. 95 bejonders dann, wenn das Wetter jich verjchlechtert. Darauf führt Jäger Unverdrofjen auch das mehr oder weniger gute „Halten“ im Lager auf der Suchjagd zurüd. „Der Hafe hat anderes Wetter im Kopf”, jagt dann der Jäger ärgerlich. Jr der Tat wird fich, wenn der Haje auffallend jchlecht Hält, in der Folge ftet3 ein Umfchlag einstellen, meift ein Wetter- jturz, und fo ift e3 höchjtwahrjcheinlich, daß auch die Vorboten des Schneemetters jorwie diejes jelbjt nicht eindrudsios an ihm borübergehen, Dazu fommt aber noch die plößlich eintretende Helligkeit des Schneelichtes, die auf ihn jo zu wirken jcheint, al3 ob er, der Doch gerade vor Beginn des Winters jo ungemein pünktlich lebt, plöglic) jeden Mafftab für die geit verloren habe. Denn entgegen feiner jonftigen Gewohnheit erjcheint er beim eriten Schnee wider Erwarten früh auf der Bildfläche, jo daß er, allerdings nur unter Aus- nugung des Schneelichtes, jelbjt an Dezembertagen noch mit der Flinte auf dem Anftand gejchoffen werden fanı. Lange aber dauert diejer Zuftand nicht, und man wird dann an mondjcheinlofen Abenden vergebens auf ihn warten. Sn der erjten Schneenacht bewegt jich der Haje im Felde verhältnismäßig wenig umher, namentlich dann, wenn Die mweihe Dede gleich eine ziemliche Stärke erlangt hat. Möglicherweije wirft der ungewohnte Anblick auf den Kruimmen jo ftark, daß er im Banne einer gewilfen Befangenheit fich nicht weit herausmwagt. ALL diefe Unjchlüfjigfeit in feinem MWejen jchtwindet aber bald wieder. Wenn nur der Schnee ihn nicht von der gewöhnten, an der Exde befindlichen Hung vollfommen abjchneidet! Fehlt dann die Hand des Hegers im Nedier oder find nicht wenigjtens Büjche oder Laubhoftämmchen vorhanden, von deren Rinde der Haje notdürftig fein Dajein zu fuijten vermag, jo geht er ein. Sn diejer Notlage entwidelt er aber ein vorzügliches Orts- gedächtnis und behält jelbft unter dem alles gleichmäßig zudedenden Schnee die Stellen, mo er jchon Afung gefunden hatte. Durch das Witterungsvermögen wird er die Anmejenheit neuen oder noch übriggebliebenen Futters faum unter dem Schnee fejtitellen können; denn auch jeine Naje wird bei jtarfem Frojte verfagen tie die der anderen Säugetiere und des Menjchen, weil der Froft in Fürzefter Zeit jedem Stoffe die ihm eigentümliche Witterung nimmt und zugleich die Geruchsnerven lahmlegt. So kann unfer Haje wohl den Menjchen auch bei jtarfem Srojte wittern, weil ihm Dejjen Gegenwart durch Die jeweils frijche Witterung verraten wird; aber das Futter unter dem Schnee wird er mittels feiner Naje höchjtens bei Taumetter auf Furze Entfernung wahrnehmen. Troßdem bemältigt er dDiefe Schwierigkeit dank jeinem Orts- gepächtnis jpielend, wenn nur dauernd an den gleichen Pläten gefüttert wird. Sm übrigen ift, um zu den Sinnen überzugehen, der Geruchfinn Des Hafen, wenn er ‚wohl auc) Hinter dem Gehör zurücditeht, durchaus nicht jchlecht und vermag unter gewiljen Vorausjegungen jehr wohl, das Tier vor Gefahren zu jchüßen. Die Entfernung, in der der Haje eine Gefahr wittert, ift oft gar nicht Hein, und wenn zumeilen durch Beobachtungen auf dem Anfi fejtgejtellt werden fonnte, daß der Haje fchlecht „mwindet”, fann es jich nur um Ausnahmen handeln, die die Kegel bejtätigen. Denn wechjelnde Luftitrömungen, Gelände- falten, jtarf duftende Lupinen- und Rapsbreiten find recht wohl imstande, den Gebrauch de3 = Geruchsjinnes zu behindern. Wenn aber die ausrücfenden Hafen vom Jäger Wind befommen, werden jie jich jtet3 empfehlen in der vom Feinde abgemwendeten Kichtung, und bei Wald- treibjagden jchneiden jene Schügen, die fchlechten Wind haben, ftet3 viel fchlechter ab. Es it genau zu jehen, wie die Hafen, welche fangjam anhoppeln, ficheren Wind nehmen. Wenn jie das Geringjte mit der Witterung aufnehmen, Schlagen fie einen Hafen. Nur in vollfter Sucht jcheint das Witterungsvermögen jfomwohl twie das Geficht durch die Todesangit jehr beeinträchtigt zu werden. Mitunter verfagt aber die Naje des Hafen auch ohne jeden 96 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hajen im weiteren Sinne. abjehbaren Grund in faum glaublichem Maße. Sit es doch Echäff jelbjt 3. B. pajjiert, daß, als er im Walde zeichnend jaß, ein Hafe bis an ihn, der vollfommen unbeweglic) blieb, beranhoppelte und mit der Naje an der auf feinen Knien liegenden Mappe jchnupperte! Nach foldhem Erlebnis ift e8 wohl zu verjtehen, wenn Schäffs „Sagdtierkunde”, entgegen der borjtehend mitgeteilten Meinung aus Sägerfreifen, das Geruchspermögen des Hafen „ent- ichieden wenig entwidelt” nennt. Cchäff glaubt, „daß der Haje jein fortwährend in ichnuppernder Bewegung befindliches Geruchsorgan hauptfächlich zur Unterfuhung und Prüfung feiner Afung benukt”. Dies und die Kontrolle der Atemfuft ift allerdings, ganz allgemein gejptochen, die erite und urjprünglichjte Aufgabe der Naje. — Das Gehör jteht beim Hafen unbeitritten obenan; darauf lajjen jcehon die langen Löffel jchliefen. — Das Auge, dem Schäff die zweite Stelle an Ausbildung und Bedeutung zufpricht, hat Die Schwäche vieler anderer Säugetieraugen: e3 ift mehr zum Wahrnehmen von Bewegungen als zum Erfennen ruhender, unbemwegter Gegenjtände befähigt. „Den regungslos da- jtehenden Säger läuft der Haje bis auf furze Entfernung an, um fofort abzufchwenfen, wenn eriterer die geringjte Bewegung macht.” Bei Echäffs oben gejchildertem Erlebnis genügte „eine leichte Handbewegung, — und mit einem Cab war der Bejucher verichwunden”. „Diezels Niederjagd“ gibt auch inder neuen Auflage feinerlei Abjchägung der Sinnes- organe des Hafen, und Altum und die Gebrüder Müller bringen ebenfalls nichtS darüber. So möge denn hier nur noc) gejagt werden, daß die oben mitgeteilten Sägererfahrungen, welche auf gutes Witterungspermögen des Hafen fchließen, den Wert zwingender Er- perimente Doch nicht beanjpruchen fünnen. Denn wer will mit Sicherheit jagen, daß es ausjchließlich nur Geruchgeindrüde jein fünnen, auf die die beim Waldtreiben anhoppelnden Hajen reagieren: Fünnen e3 nicht ebenjogut Feine Bewegungen der zum Echießen fich vor= bereitenden Echüben fein, die jie hören oder jehen? Die Schärfe der Sinne und überhaupt die ganzen geijtigen Fähigkeiten lobt jchließlich auch Nothe- Görlik in feiner vergleichenden Studie „Haje und Fuchs” („Deutiche Säger- zeitung“, 1900), welche die Frucht der reichen Erfahrung feines langen Sägerlebens it. „Das Gehör be Geplagten ift ausgezeichnet... Das Spiel der Löffel ift die Sprache des Hajen. Ceine Affefte und Gedanfen werden Dadurch in beredtejter Weije ausgedrüdt. Beunruhigung, Erjtaunen, Furcht, Entjegen — alles macht fich jehr charafteriftifch in der Stellung jener Organe bemerkbar. Das Männchen‘ und der ‚Stegel ergänzen Ddieje Zeichen- ipradhe... Wer bei Schnee und Mondjchein auf dem Raf einen Hafen jchießen will, muß jehr gute Dedung nehmen; fonjt macht der Hafe 120 Echritt vor dem Stande des Echüben ein Männchen und geht zurüd... Zieht aber der Jäger ein weißes Hemd iiber, jet er eine Nachtmübe auf und bededt er den Fußjad, in den er, am Boden figend, die Beine ge- jteckt hat, mit Schnee, jo läuft ihm der Haje auf freiem Felde vor die Füße...“ Hier ift es aljo das Auge, auf das diefer vertraut, und das ihn erjt dann verläßt, wenn der Feind fich der Umgebung gleichmacht. Unter anderen Umjtänden bewahrt ihn wieder das Gehör vor dem Berderben. „Der Verjuch, einen Hafen anzufchleichen, der auf einem Wege in ge- Ichlofjener Dikung täglich zu einer beftimmten Zeit äjend fichtbar wird (alfo ein echter Wald- haje), mißlingt jtets. Das jcharfe Gehör vereitelt jeden Berjuch des Echüen, am Rande des Weges jchußgerecht heranzufommen, und auf dem Wege jelbjt vereitelt dies das Geficht, weil Lampe ununterbrochen nad) beiden Seiten den Weg entlang äugt. Yu rechter Zeit- Happt er die Löffel an und fährt in die Dikung hinein. Nun glaubt wohl der Jäger feinen Zwed leicht zu erreichen, wenn er fich am Mfungsplage mit gutem Winde anjtellt. Der Hafe: Einne. Anitinkte. 97 Haje fommt aber nicht Heraus... Der Jäger jtellt jich nicht mehr an, und jofort jigt der Hafe wieder pünktlich auf feinem Afjungsplage.” Wie geht das zu? „Auf dem Wege äfend, ijt der Haje durch fein Gehör und Geficht vollfommen geichüßt; jchußgerecht am Aungsplaße _ unbemerkt Stand zu nehmen, hindert er aber den Echüben dadurch, daß er jein Lager jehr nahe am Wege an folcher Stelle wählt, von wo aus er eine genügende Strede feiner Um- gebung jicher fontrollieren fann.” Das jieht jehr raffiniert aus, ergibt jich aber im Leben des Tieres wie von jelbjt; ver Haje geht eben nur jo weit in die Didung hinein, bis er jich gedeckt fühlt, und das erlaubt ihm dann noch die nötige Kontrolle über den vorbeiführenden WXec. Damit joll aber nicht abgeftritten werden, daß der Haje jein Lager jtets entjprechend wählt, um rückwärts feine Spur, namentlich deren Iehtes Ende, die Widergänge und Abjprünge überbfiden zu fünnen. Nothe hat darüber und über das ganze Benehmen des Hafen im Lager jehr Schöne und eingehende Beobachtungen gejammelt. Gr belehrt zunächjt feine jüngeren Weidgenojjen, daß der Haje erjt dann „Liegt“, wenn er erlegt ijt. Sm Lager „ist“ er, und Diejes heißt Daher auch die „Sajje”. Er behält dort jtets eine jißende Gtellung bei, „auch dann noch, wenn er fich bei Annäherung eines Feindes in der Sajje drüdt, wobei er immer den Körper Hauptjächlich auf die Keulen und Hinterläufe jtüßt. „Durch Anwendung des Fernrohts fünnen wir uns überzeugen, daß der Haje, wenn er jich ungefährdet glaubt, in der Eajje jich Häufig aufrichtet und umheräugt. Das gejchteht ganz bejonders dazu, jeine ‚legten Widergänge und Abjprünge zu beobachten.” Hat er doch in diejer Richtung jeine natürlichen, ihn mit der Naje verfolgenden Feinde, den Fuchs und in früheren Zeiten noch den Wolf, zu erwarten! „Sobald er nun wahrnimmt, daß ein Feind jeine Spur verfolgt und jich von Widergang zu Widergang dem lebten Abjprunge nähert, fährt er aus dem Lager heraus und flüchtet.” Co bemerkt der Jäger manchmal „mit Erjtaunen, daß einige Hundert Echritt von dem Wege, auf dem er Hinjchreitet, plöglich ein Haje aus dem Lager heraus- fährt... Bei Echnee würde flar zu erfennen gemwejen jein, daß; der Jäger auf einen der legten Widergänge entlang gefommen war”, alfo in einer Weije jich näherte, Die den Hajen fraft feines anererbten Injtinktes zur Flucht antreibt. Sn diejem Falle ganz unnüger- und unnötigerweije! Ebenjo folgt er in anderen Fällen dem Menjchen gegenüber zu jeinem Berderben dem umgekehrten Snjtinkte, jich feit im Lager niederzudrüden, wenn der Fuchs bon ungefähr vorbeifommt, ohne ihn zu wittern. „Wer bei Schnee einen Hajen im Lager anjchleichen will, erreicht niemals jeinen Zwed, wenn er die Spur Direkt verfolgt; er muß Bogen jchlagen um den mutmaßlichen Ort des Lagers, die jich immer mehr verengen; dann hält der Haje nicht jelten derartig, daß man ihn beinahe treten fann.” Durch dieje Beijpiele bom Hafen wird es underfennbar, wie e3 zugeht, daß uns ein Tier manchmal erjtaunlich Hug ‚erjcheint und dann wieder unbegreiflich dumm. E3 folgt eben meift feinen angeborenen Jr- jtinften; Diefe find aber auf die natürlichen Feinde aus dem Tierreiche zugefchnitten und nicht auf den Menjchen, am wenigjten auf den Kulturmenjchen von heute, und lafjen daher diejen gegenüber das Tier gar häufig im Stich. ©o lehren uns Rothes tatjächliche Beobachtungen al3 angeborenen Injtinkt jelbjt eine ganz Fomplizierte Eigenheit des Hajen erfennen, die man zunächit nur durch zielbemußte Denfarbeit, um nicht zu jagen raffiniertes Klügeln des Tieres erklären zu fünnen glaubt: das ijt die umftändfiche Manier, wie der Haje mit Widergängen und Abjprüngen fein Lager bezieht. „Dieje Eigentümlichfeit des Hajen ift ein vererbter Trieb, er fann nicht durch Nac)- - ahmung bei der neuen Generation entjtehen; denn der Junghaje macht den Widergang mit dem Abjprunge in einem jo frühen Lebensalter, dat er bis dahin unmöglich Gelegenheit Brehm, Tierleben. 4. Aufl. XI. Band. 7 93 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Hafen im weiteren Sinne. gehabt haben fann, diejes Fompfizierte Experiment bei jeinen Vorfahren zu beobachten... Schon im Alter von drei Wochen zeigt er die einfachite Form Diejes überaus merfwiürdigen Schugmittels. Anftatt Direkt in das Lager zu rüden, läuft er vielmehr auf feiner Spur eine Strede zurüd, und zivar jo forreft, daß die Mittellinien der Hin- und ARüdjpur genau in- einanderfallen, macht jodann einen weiten Abjprung, wenttmöglich mit dem Winde, und rüct nun erjt in das Lager. Bon Woche zu Woche entwidelt jich das Verfahren weiter. Yivergang und Abjprung werden jedesmal ziwei-, Dreimal wiederholt. Mit zunehmendem Alter verjchärfen fich die Gicherheitsmaßregeln immer mehr; ich Habe Fälle beobachtet, in denen der Hafje exit nach dem fiebenten Abjprung in das Lager gegangen war.” Wie er idergang und Abjprung auch verfolgt vom Feinde anivendet, jchildert Rothe ebenfalls aus eigenem Erlebnis. „Eimer meiner Tedel hatte mich in das Revier begleitet und fand einen Hafen; er jagte andauernd, und ich nahm Dedung, um Beobachtungen zu machen. Nach einiger Zeit Fam der Hafe dicht vor mir flüchtig vorüber, machte einen Widergang, dann einen weiten Abjprung mit dem Winde, Hoppelte noch fünf Schritt und blieb nun fißen... Bald darauf fangte Der Tedel vor mir an, und der Hafe hieß ihn auf faum zehn Schritt vorbei, ohne jich zu rühren; er machte dann ein Männchen und äugte dem Hunde nach. Exit als Diefer, nachdem er über das Ende der Spur ein Stück hinaus gelangt war, einen Bogen jchlug, um die Fortfegung der Spur zu fuchen, feßte der Hafe fich wieder in Bewegung.” Bu diefem anjcheinend fo Faltblütigen, mwohlüberlegten Verhalten in vollem Gegenjat jtehen die zahllofen Hajengejchichten, Die unjeren Yamıpe als den befannten fopflojen „Anajt- bajen“ darjtellen. Der „Manöverhafe”, der wie verrüdt zwijchen den vorrüdenden Schüßen- Iinten hin=- und herrajt, biS er, volljtändig erichöpft, irgendeinem Mitläufer in die Hände fällt, it längjt eine jtändige Erjcheinung, die nur noch Heiterfeit erregt; aber ein von den Dorfjungen gejagter Haje am Sonntagmorgen in der Dorfitraße, den Gottespienjt jtörend und Schließlich zwifchen den Füßen einer drallen Bäuerin feitgeflemmt, das ist jchon ein fel- tenerer Fall. In Scherenbojtel auf Bremer Gebiet hat er fi) im April 1906 zugetragen. 63 gibt indes auch mutige, jogar „biljige” Hajen, die freilich die Negel vom wehrlofen Furcht- bajen nur beitätigen. In Berjcehino beobachtete Der großfüritliche Hilfsjäger Neimann beim Einfangen von Hajen mit dem Nebe, daß einer „bereit3 einige Fäden des Nebes durch- gebijjen Hatte und noch weiter big”. Derjelbe Haje faßte dann den Hilfsjäger, der ihn an den Hinterläufen hHochnahm, „am linfen Bein oberhalb des Sinies mit den Schneidezähnen”, jo daß der Mann ji) „nur mit einem ziemlich ftarfen Aue” befreien fonnte. Bei näherem Zujehen bemerfte er zu feinem „wicht geringen Erjtaunen, daß aus einer ziemlich großen Wunde gehörig Blut riefelte... Zur Überrafchung aller Beteiligten fam am nächiten Tage ein anderer Jäger mit einer blutenden Hand an uns heran und Flagte, daß er, wie er einen Hafen aus einem Kaften herausnehmen wollte, von diefem in die Hand gebiffen worden jet. Wahrjcheinlich ift er auf denjelben bifjigen Hafen gejtoßen, der mic) tags vorher gebijjen hatte.“ Beim Kaninchen al3 gejelligem Tiere ijt die Spielluft einmatürlicher Wefenszug, der in feiner Naturgejchichte jtet3 genannt wird; aber auch der ungejellige Hafe verrät mitunter diejelbe Neigung. Im jugendlichen Alter ift dies ganz und gar nichts Bejonderes, weil Die sungen der meilten Säugetiere durch nedisches Spiel mit ihresgleichen ihre Sträfte zu üben pflegen. Smmerhin it ein Zmweifampfjpiel zwijchen einem Junghajen und einer Schwarz- drojjel, wie e8 Balk in „Wild und Hund” 1907 nach Augenjchein jehr anziehend jchildert, ein jo eigenartige VBorfommmis, daß e3 hier Erwähnung verdient. „Auf einem verjchtvie- genen Waldpfade hoppelte Stleinlampe, der jeiner Winzigfeit nach der Hajenmama jich nur Hafe: Inftintte. Surchtfamfeit. Biljigkeit. Spielluft. Heimatftetigkeit. Wanderungen. 99 borübergehend entzogen zu haben jchien, und auf diejer Erfurjion begegnete ihm eine Echwarz- drojjel. Der exfte ftüurmifche Anlauf des Gelbfchnabels veranlafte das Häschen, fich in Rofitur zu jegen und feine Heinen Vorderläufe als Trommelfchlägel zu gebrauchen, um fich des An- greifers zu ertvehren. Diejer hatte es jedoch, twie fich bald erkennen ließ, nicht ernjt gemeint; denn er retirierte, um nad) einigen Berbeugungen zum zweiten Gange anzutreten. Dies- mal hatte e8 die Amjel auf Häschens lange Löffel abgefehen; denn nach ihnen fchnappte jie, den Hajen verjchiedene Male in langjamem Fluge umfreifend. Diefjer drehte fich wie ein Kreijel und gebrauchte al3 Abtwehrmittel immer feine Vorderläufe. Wenn die Droffel fich niederließ, dann ergriff auch er die Dffenjive und jagte im ‚Hoppelgalopp‘ auf den in ge- ducter Stellung ihn erwartenden Vogel los, der ihn nun wieder überflog und das alte Spiel bon neuem beginnen ließ. Das dauerte eine geraume Zeit, bis das Häschen müde zu fein jchten und feiner jchtwarzen Partnerin durch fein pafjives Verhalten zu verjtehen gab, daf; es nicht mehr mitmachen mwolle.” — Ein ähnliches, feines gemütvollen Anftriches halber noch anziehenderes Borfommnis fehildert „Field“ (Nr. 2922, 1908). Um ein feines Anmwejen in ‚Hallingdal, two nur zwei alte Leute hauften, bewegte jich eine Auerhenne mit ihren Süden wie ein zahmes Huhn. Wenn fie aber des Abends mit ihrer Brut aus dem Walde fam, jtand jie jtet3 jtill, als ob fie auf etivas wartete, und fiehe da, e3 tauchte ein Sunahaje auf, ‚der jic) ebenfalls ihrer Führung anvertraute. Wenn die Henne dann mit ihren Jungen aufs Feld zog, Iprang er fuftig um feine gefiederten Kameraden herum, und das ging jo fort bis zum Herbit, al3 die jungen Auerhühner jchon fait jo groß waren tie die Alte. Der Haje hängt im allgemeinen fehr feft an jeinem Geburtsorte, und bei der großen Zahl jeiner Feinde fann er jo an der Scholle Fleben, ohne Gefahr, jein Heimatsrevier Da- durch zu übervölfern. Guftad Säger, der, wie Rothe, eine geijt- und humorvolle Vergleichung zwiichen „Fuchs und Has” angejtellt Hat („Wanderungen durch das Tierreich aller Zonen“), erklärt jo die oben jchon erwähnte, verhältniemäßig weitgehende Herausbildung von Stand- ortsparietäten beim Hafen. Feld-, Bufch- und Waldhaje „iind auch im Ausjehen verjchieden, namentlich in der Farbe, und am meisten unterjcheiden fich Feld- und Waldhafe; denn lebterer it viel lebhafter gefärbt. Man fann es furz jo bezeichnen: der Waldhafe Hat mehr das Ntot- braun der Dürren Blätter und dDürren Tannennadeln, der Felohafe mehr das fahle Braun einer Erdjcholle, und ganz bejonders licht jind die Hafen, die auf jandigem Boden leben. Man jieht aljo, daß es jich bei diejen Unterjchieden um Anpaffungen an die Farbe des Unter- grundes Handelt, auf dem die Tiere leben. Dieje Genauigkeit der Anpafjung wäre nicht er- Härliy, wenn man nicht wüßte, Daß der Haje ein äuferjt heimatitetes Tier it: er Hält jich mit Hartnädigfeit an feinen Geburtsort, fehrt immer und immer wieder dahin zurüd und ent- ichließt jich nur, wenn ihın das Leben gar zu fauer gemacht wird, zu einem Wohnungsmwechjel.” Das fommt aber doch vor, und jo gibt es auch „Hajenwanderungen“, wenigitens zeitweije. “ Über folche Wanderungen und ihre natürlichen Urfachen hat ©. U. Otto berichtet („Die Jagd“, 1907). „Wenn 5. B. die rauhen Novemberwinde zu blafen anfangen, und es ftellt jtch hierzu rot oder Schneefall ein, werden jene Hafen, welche erponierte Feldhochplateaus bewohnen, mit Sicherheit die Tieflagen, welche ihnen bejjeren Schuß gegen Witterungsunbill gewähren, aufjuchen, um den Winter über dort zu bleiben. Umgekehrt ziehen fich die Hafen aus feuchten Kiederungen in gejchüßte, trodene Höhenlagen, welche durch Geländefalten, Naine, Heden und Gräben natürliche Dedungen gegen Wintersnot aufweijen. Wenn Wald in der Nähe it, wird auch diefer ZufluchtSort gerne angenommen.” Umgefehrt beobachtet man, „daß die für gewöhnlich im Walde wohnenden Löffelmänner an jonnigen Herbjt- und Wintertagen 7x d 100 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hafen im weiteren Sinne. mit Vorliebe ins Feld rüden, um jich die wärmende Sonne auf den Balg jcheinen zu lajjen. Bei schlechtem Wetter (Schnee, Regen, Schlacwetter, Sturm) ziehen fie fich wieder in den ichügenden Wald zurüd... Nicht nur landmwirtjchaftliche Arbeiten größeren Umfanges, Schafperden, Truppenübungen, wildernde Hunde und zu jtarfe Ausübung der Suchjagd fönnen den Die Ruhe über alles Tiebenden Lampe aus dem Nevier vertreiben; auch tief eingreifende foritliche Arbeiten (Holzhiebe, Schälarbeiten „Kultivierungen, Abtriebe ujm.). veranlajjen eine allgemeine Flucht aus den beunruhigten Waldabteilungen in andere Ktom- plere oder aufs Feld... Typisch find Die Hajenwanderungen größeren Umfanges, die im inter von den jogenannten Winterlagen (Schattenjeite) in die Sommerlagen jtattfinden. Manche Reviere, deren eigentümliche Lage und Formation im Winter der Sonne den Zu= tritt verivehren, entblößen jich in der rauhen Jahreszeit fait gänzlich von Hafen, während der Pächter der jonnig gelegenen Nachbarjagd famoje Abjchußrejultate erzielt. Auch der geologische Untergrund fann am Ausbleiben der Löffelmänner, die z.B. gipshaltigen Boden nicht lieben, jchuld fein. Bei ftarfem Froft vertreibt mitunter die Unmöglichkeit, ic) Lager zu jcharren, Die Hajen majjenhaft aus ihrer urfprünglichen Heimat...” Ganz neuerdings it unter der Spibmarfe „Der Haje Hält fich dort am liebjten auf, wo er gejegt wurde” im „St. Hubertus” aus Jägerkreifen zur Frage der Drtsbejtändigfeit des Hajen noc) einiges beigejteuert worden, was wohl Aufnahme in die Naturgejchichte verdient, zumal damit Bes. - obachtungen darüber an die Öffentlichkeit famen, wie rajcı der Hafe jogar in dasjelbe Lager iwieder zurückehrt. So jchreibt der befannte weitfäliiche Bradenjäger Freiherr vd. Slein- jorgen (er. 1 vom 7..1. 1907): „Beobachtungen darüber, wann der Haje wieder in fein Lager zurüdkehrt, fan man bejonders qut bei der Bradenjago machen. Die Löffelmänner ind Dort auch in den beiten Nevieren nicht jo did gejät, da Verwechjelungen vorkommen fünnten; auch fennt man einen bejtimmten Hajen an jeinem ©ebaren vor den Hunden, das noch lange nicht bei allen Hafen gleich it — im Gegenteil! —, dem Wechjel, den er einhält, ujo., leicht wieder. Sc Habe num gefunden, dat von den Hunden geheßte Hafen meilt jchon am nächjten Tage wieder anihrem gewohnten Plate waren. Sehr lange und jehr weit gehe&te Hafen find allerdings oft am nächiten Tage noch nicht wieder ‚zu Haufe‘, ganz bejtimmt aber fan man fie dort dann am zweiten Tage wiederfinden. Sch habe nie gefunden, daß ein Haje — vorausgejeßt natürlich, daß ihm im Verlaufe der Jagd nicht ‚ausmärts‘ noch etwas zugejtoßen war, jo daß er überhaupt nicht wiederfommen fonnte — fänger fortgeblieben wäre als eine Nacht; wenn nicht in der erjten, jo wechjelt er jicher in der zweiten zurüd. in Haje, der von Braden gehebt wird, hat zunächit das Beitreben, in einem weiten Kreife wieder zu jeinem ‚Bott‘ zurücdzufehren. Deshalb wartet der Braden- jäger gerade darauf und weiß ganz genau, wenn die Jagd nad) dorthin abging, fommt jie von jener Seite zurücd, und danach wählt er fich feinen Stand. Sit es dem Hafen mög- (ich, 3. B. wenn die Hunde inzmwijchen ‚verloren‘ haben oder doch jehr weit zurückgeblieben jind, jo fucht er fich in der Nähe feines vor der Jagd innegehabten ‚Bottes‘ zu drüden. Slüct es dem Hajen das erjtemal nicht, wieder an feinem gewohnten Plate Ruhe zu finden, jo fehrt er in immer weiteren Kreifen oft noch ein-, zweimal vor den Hunden zurüd. Auch nach der Jahreszeit it jein Verhalten vor den Hunden ein ganz verjchiedenes. Im Anfange der YJagozeit flüchten Die Hafen vor den Braden meift talwärts und halten mit Vorliebe Wege ein, jpäter flüchten jie bergauf, geradeaus und fehr eilig, ohne fich um Wege und Lechjel zu fümmern, quer durchs Gebüjch. Bei einem der erjten Bradenpreisjagen zeigte uns einmal ein Hafe, wie groß das Beitreben feiner Art, im Bogen zurüczufehren, ift. E3 f} Haje: DOrtsbeftändigfeit (Bradenjagd). Wanderungen ausgejegter Hafen. 101 var damals noch Beitimmung für die Preisjagen, daß das Wild exit bejchofien werden durfte, wenn Die Hunde e3 10 Minuten gejagt hatten. Die von den Schügen rinasum ab- geitellte ‚Bergnaje‘ war etwa 10 Morgen groß. Die Hunde fanden jehr bald, und der Haje fam oben aus den Fichten heraus, zehn Schritte an einem Schüßen, der ihn — tie obeu erwähnt — durchlajjen mußte, vorbei und flüchtete ins Feld. Die Jagd ging nun bor unjer aller Augen quer durchs Feld hinauf ins Holz, längs der Bergkante fort, wieder herunter ins Feld. Lampe wollte zurüd. Sm Felde traf er aber auf ein Miftfuhrwerf, dejjen Führer mit der Beitjche zu Fnallen begann und den Hafen zurücjcheuchte. Lampe ging alfo wieder -zurüd bis ins Holz, ließ jich Dort ein Stüd jagen, fam dann im Bogen wieder ins Feld und nun jchnurstrads auf das Feldföpfchen 108, wo er gejejjen hatte. Beim Einpajjieren aus Dem Felde in die Fichten Schoß ihn derjelbe Jagdteilnehmer, der ihn bejtinnmungsgemäß vorher hatte pafjieren lajjen müffen. — Überhaupt hat gerade der Bradenjäger die bejte Gelegenheit, die Finejjen und Eigenarten des jo oft nichtachtend und verächtlich angejehenen ‚Strummen‘ fennen zu lernen. ch erinnere mich noch jehr gut eines alten Rammlers, der im ‚Diümpel‘, einem mächtigen Fichtenbeitand, ja und uns lange genarrt hat. Wir fonnten ganz jicher jein, daß er oben herausging, wenn wir unten jtanden, und unten, wenn ir oben angeitellt waren. &3 hat lange gedauert, biFer überlijtet war. Was gehört dazu, wie ich es erlebte, daß ein Haje, den Die Braden ‚jichtig‘ auf einem offenen Wege besten, plöglich einen Sprung zur ©eite auf einen jchmalen Felsvorjprung machte, und jich Dort dDrüdte, während die Hunde mie toll unter ihm herumfuchten und nicht verjtehen fonnten, daß die Spur mit einem Male zu Ende war? hnlich machte e3 ein anderer Haje, aber nicht einmal, fondern jedesmal, wenn er gejagt wurde. Er lief jich ein Stüc hegen und fprang dann aus voller Flucht in die Gabel einer Hainbuche, die fich ettwa 0,75 m über dem Boden in ziwvei Stämme teilte. Cs war uns ein Nätjel: jedesmal war an diejer Stelle wie auf einen Schlag die Jagd aus. Schließlich Fam ich Hinter jeine Schliche, da ich mit mejner Vor- tehhündin der Jagd nachging. Da dieje mit Hoher Naje juchte, fand jie den Schlauberger, . den e3 gar nicht genierte, daß die Braden auf der Suche nach ihn oft jo nahe an ihm borbeiflisten, daß jie ihn mit ihrem Nüden fait jtreiften.“ Ein anderer Beobachter hat es in einem Falle jelbit ausprobiert, wie zähe der Haje zu jeinem Lager zurüdfehrt („St. Hubertus”, Nr. 5 vom 17. 12. 1909): „Yet der lebten Neuen (Neujchnree) machte ich einen Löffelmann hoch, der mir bald aus den Augen entjchwand. Sch verfolgte nun jeine Spur, die.in einer etiva eine halbe Stunde weiten Elfipje wieder ins Lager zurücführte. ALS ich Dort anlangte, wurde mein Haje zum zweiten Male flüchtig, und wiederum machte ich mir die Mühe, feine Spur im Schnee zu verfolgen. Diesmal war die Ellipje, die Lampe auf jeiner Tour bejchrieb, nahezu eine Stunde lang in der Ausdehnung. Aber der Hafe hatte jeine Sajje, aus der er an einem Tage in einem Zeitraum bon nicht ganz zwei Stunden zweimal verjcheucht worden war, wieder aigenommen...” Mit anderem Mafjtabe zu mejjen find die „Wanderungen” ausgejeßter Sajen, die nach aufregendem Fang und vertwinrendem Transport in fremder Gegend jich wiederfinden. Man fann ihr Schickjal einigermaßen verfolgen, feit man angefangen hat, jie mit numerierten Wildmarfen zu zeichnen. Aber auch fie eritfernen fich, wenn man nach den bis jet Horliegen- - den Berichten urteilen darf, faum weiter al3 30 km vom Ausfegungsorte. (Qal. „Zeitichrift des Allgem. Dijch. Fagdjchußvereins”, Nr. 52 vom 25. 12. 1909.) Nur ein ungarijcher, von Schul Nahmit bei Lehnin in der Mark Brandenburg ausgejegter und durch Löffeleinjchnitt gezeichneter Hafe wurde von dv. Arnim-Gerswalde in Briefen, Kreis Templin (Ucdermart) 102 8. Drdnung: Nagetiere. Yamilie: Hajen im mweiteren Sinne. geichoffen, twar aljo mehr als 10 Meilen (etwa 75km) weit gewandert, hatte jich dazu aber auch vom Februar bi3 DOftober Zeit gelajfen („Deutjche Jägerzeitung”, Nr. 50, 1910). Das Zahlenverhältnis der beiden Gejchlechter zueinander und, ivas damit zujammen- Gängt, namentlich auch das Erfennen der beiden Gejchlechter des Hafen am Ausjehen und Benehmen, das find gleichfalls Fragen, die, weil fie mit dem Gebeihen des Hajenftandes eng zujammenhängen, die Jägerwelt lebhaft bejchäftigen und ebenjo für die Naturgejchichte ihre Bedeutung haben. Von einem Übermwiegen der Rammler fann aber dabei nach den Statiftifen, Die Schäff zufammenftellt, gar feine Nede fein; im Gegenteil, mögen Die Zahlen der unterjuchten Hajenjtreden groß oder Klein fein (je gehen bis beinahe 13000): immer tar ein Übertviegen der Häfinnen unverfennbar, und Schäff meint mit Recht, daraus den beruhigenden „Schluß ziehen zu Dürfen, daß durchweg mehr Häfinnen al3 ARamımler vorhanden jind bat. gejeßt werden“. i Smmerhin hat es jomwohl jägerijches al8 naturgejchichtliches Interejje, äußere SKtenn- zeichen zu wiljen, durch die man am lebenden Tiere in der Treiheit das Gejchlecht Des Hafen unterscheiden fan. Solche Merkmale werden auch vergleichsweije angegeben, jorwohl im Ausjehen als im Benehmen; allerdings lafjen fie jich Draußen in der Gejchiwindigfeit biel- leicht nur unficher anwenden. Nach Dietrich aus dem Windell ift Das CGeitenhaar der Hafın heller gefärbt, die Schulterblätter des Nammlers find mehr brauntot; Schäff beitätigt nad) jenen Wahrnehmungen diejfen Farbenunterjchted. m Benehmen Hält Diezel für fait das einzige ziemlich fichere Stennzeichen des Rammlers das bekannte Schnalgen mit der Blume, d.h. nach Schäff: daß der Rammler nad) dem Aufftehen aus dem Lager auf der Flucht fortgejeßt ruciweife Bewegungen mit der Blume mache, twogegen die Häfin dies nur bei den exjten 4-6 Sprüngen tue. Während diefer Hält fie zwar die Blume bisweilen noch ettvas hoch und jchnaizt wohl doch einige Male damit; allein nie jet fie diejfes Schnalzen fort, vielmehr drüdt fie fpäterhin die Blume ziemlich feit an den Leib, jo daß fie weit länger zu - jein jcheint al3 die des Nammlers. Der Nammler trägt auch das Hinterteil oft etiwas jchtef und läuft rajcher und flüchtiger als die Häfin. Das Laufen der Häfin ijt langjamer . und jtetiger, ihre Haltung bleibt fi) mehr gleich. Der Kopf ift größer, der Leib länger, der Bauch niedriger und weißer, Die Haltung des Hinterteil3 nie chief, jondern gerade. „Nach den angeführten Kennzeichen”, meint Schäff zum Schlufje, „fann man im freien Felde, jolange nod) fein Schnee liegt, das Gejchlecht eines aufjtehenden Hafen in der Nähe ziemlich richtig beurteilen.” Diezel jelbjt jchict die einschränfende Bemerkung voraus: „vom Frühjahr bi3 zum Herbite irrt fich der aufmerkfjame Beobachter nur felten, allein von Ddiejer Zeit an wird e3 mit jedem Tage fchwerer und im Winter endlich faft ganz unmöglich.” Gerade dann fommt es aber für den Sagdbetrieb am meijten darauf an! Ein offenbar geiviegter Stenner gibt („Deutjche Zägerzeitung“, 1906) noch einige weitere Unterjcheidungszeichen, die jich praftifch meijt gut bewähren, zum beiten. „Die Häfın fit befanntlich weit fejter im Lager al3 der Nammler. Hafen, die man auf der Saat mit den Fühen herausitoßen fanı, jind meijtens Häfinnen, die man im Sntereife der Weidgerechtigfeit zu jchonen hat. Die Namımler jtehen meijt viel früher auf und bei froftigem oder windigem Wetter Häufig jchon auger Schußmweite. Beim Anfiß follen jene Hafen, die jehr bald auf der Bildfläche erjcheinen und gleich beim Austritt aus der Waldgrenze phlegmatijch zu äfen beginnen, als Häfinnen anzufprechen fein; der Nammler fommt jpäter und flüchtiger, auch beginnt er exit in einer gewijjen Entfernung vom Walde mit dem Ilfen. Beim Abftöbern von Waldrändern und Feld- hölzchen ijt der in flottem Tempo fehr bald erjcheinende und die Deckung mit hochgeftellten Haje: Gejchlechtsverhältnis. Gejchlechtsfennzeichen. Nammelzeit. 103 Löffeln verlafjende Lampe fait immer ein Nammler. Die Häfin fommt fangjam hoppelnd zum Vorjchein und fehrt, fall3 nicht plöglich Hund oder Treiber hinter ihr auftauchen, am Nande des Gehölzes wieder um und verjchtwindet in der Dedung.” Die Rammelzeit beginnt nach harten Wintern Anfang März, bei gelinden fchon im Febritar, jelbjt im Yanırar, im allgemeinen um fo eher, je mehr der Hafe Nahrung hat. Zu Anfang diefer Zeit jchwärmen, nach Dietrich aus dem Windel, unaufhörlich Nammler, Häfinnen juchend, umher und folgen ihren Spuren, gleich den Hunden, mit zur Erde gejenkter Nafe. Sobald ein Paar jic) zufammenfindet, beginnt das Streislaufen und Kegel ihlagen, wobei anfangs der Sabhaje immer der vorderite it. Aber nicht lange dauert es, jo fährt diejer an die Seite, und ehe der Kammler e3 verjieht, gibt ihm die Häfin An- feitung, was er tun joll. In möglichiter Eile bemüht jich nın der Rammler, feine Ge- (ehrigfeit zu beweijen, ijt aber dabei jo ungezogen, mit den jcharfen Nägeln der Häjin große Klumpen Wolle abzureigen. Kaum erbliden andere jeines Gejchlecht3 den Glücdlichen, fo eilen jie heran, um ihn zu verdrängen oder wenigjtens zu ftören. Anfänglich verjucht es jener, jeine Hälin zur Flucht zu bewegen; aber jie zeigt nur jelten Luft dazu, und fo hebt jeßt ein neues Schaufpiel an, indem die Häjin von mehreren Bewerbern verfolgt und geneckt, enolich von dem behendejten eingeholt wird. Daß unter folchen Umjtänden nicht alles ruhig abgehen Fann, veriteht jich von jelbit. Eiferjfucht erbittert auch Hajengemüter, und jo ent- jteht ein Kampf, zwar nicht auf Leben und Tod, aber Höchft Kuftig für den Beobachter. Zwei, drei und mehrere Nammler fahren zufammen, rennen aneinander, entfernen jich, machen Kegel und Männchen, fahren wieder aufeinander [03 und bedienen jich Dabei mit in ihrer Art ganz Fräftigen Obhrfeigen, jo dat die Wolle umhderfliegt, bis endlich der Stärfite feinen Lohn empfängt, oder noch öfters fich betrogen fühlt, indem fich das Weibchen mit einem der Streiter oder gar mit einem neuen Anfümmlinge unbemerkt entfernt hat. Glaubwürdige Säger verjichern, daß Dieje Zweifämpfe zwijchen verliebten Hafen, jo unjchulig fie auc) ausjehen, zumeilen doch nicht ohne Verlegungen abgehen, weil je nicht jelten auf ihrem Nevier erblindete Hajen angetroffen haben, denen bei jolchen Kämpfen die Lichter ver- wundet wurden. Gelegentlich wird auch eine Häjin jo ernithaft mighandelt, daß jie lange fümmert oder jogar verendet. Die auf den Kampfplägen umberliegende abgefragte Wolle dient dem Yäger al3 Zeichen, daß die Rammelzeit wirklich angebrochen ijt, und in bejonders milden Jahren wird jich jeder Tierfreund in acht nehmen, nunmehr noch auf das Wild zu jagen, wenn auch noch nicht gejebliche Schonzeit it. Wie übermächtig in der Fortpflan- zungszeit die Begierde des männlichen Hafen ijt und alle anderen Gefühle bei ihm übertäubt, beweijt ein Erlebnis des befannten Wild- und SJagdhundfenners Karl Brandt, der erzählt („St. Hubertus”, 1905), „er habe einem Hafen einen Lauf abgejchojjen und ihn nun mit den Augen verfolgt, um zu jehen, to er fich drüde. Eine Häfın aber, die vor dem Kranfen plößlich aus der Cajje gefahren jei, Habe diejen allen Schmerz vergejjen lafjjen, und er habe jich ihr gewidmet”. Bei Bewertung jolcher Tatfachen darf übrigens nie vergejjen werden, dab das Tier fein Menjch tft und jelbjt zwijchen verjchiedenen Menjchenrajjen, 3. B. Europäern und Negern, im Ertragen von Schmerzen die erftaunlichiten Unterjchiede beftehen. Wenngleich jowohl Diezel al3 Schäff die landläufige Meinung von etiva dreißig- tägiger Trächtigfeitsdauer des Hafen beibehalten, jo möge doch eine gelegentliche Bemerkung Nehrings hier Plab finden, der „die Richtigkeit diefer Annahme fchon feit Iangem bezweifelt” und „eine Trächtigfeitspauer der Häfin von 35 Tagen als wahrjcheinlich” Hingeftellt Hat. „Denn man bedenkt, daß die Kaninchen ihre Jungen nach einer Tragzeit von 28 Tagen nadt 104 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hajen im weiteren Einne. md blind zur Welt bringen, während die jungen Hafen volljtändig behaart und jehend ge- jet werden, jo ericheint e3 jchon von vornherein wenig einleuchtend, daß ein Zeinunterjchied bon nur zwei Tagen genügen jollte, um eine jo bedeutende Differenz in der fürperlichen Ent roiefelfung herbeizuführen.” Gemöhnlich feßt die Häjin zwischen Mitte und Ende des Mäz das erite, im Auguft das vierte und legte Mal. Immerhin gibt e8 über die gewöhnliche Sabzeit hinaus frühe und jpäte Hajenjäge; auch Befruchtungen zu ganz anderer Jahreszeit jind beobachtet. Co werden („Deutjche Sägerzeitung“, 1904 und 1907) zwei Fälle aus Weftfalen und Vorpom- mern mitgeteilt, two gegen Ende November zwei Hochtragende Häfinnen gejchojjen twurden, die ihre zivei rejp. vier Jungen in einigen Tagen hätten fegen müjjen. Natürlich ijt aber mit Sicherheit anzunehmen, daß dieje alsbald wieder eingegangen wären, und ebenjo ijt es gewiß ven ganz ausnahmsweije frühen Hafenfäßen ergangen, die im Winter 1908/09 von Ende, Mitte und Anfang Janıar, ja jogar von Ende Dezember gemeldet wurden. Der milde, jchneeloje Dezember hatte da die Hafen bereits zur Fortpflanzung jchreiten lafjen, allerdings wohl durchweg vergeblich. Pafjtert dies doch noch oft genug mit den eriten Frühjahrsjägen! Solche jind jchon von Mitte Februar befannt. Aus Ddiejer Zeit berichtet die „Deutjche Jäger- zeitung“ (1906) von einem Sunghajen, der in Mörlbach (Mittelfranken) „hinter einem Düngerhaufen im Felde jaß md fich allem Anfchein nach troß der ungünstigen Witterung ganz wohl fühlte”. Vielleicht Durch den Mift gemärmt. Sogar Anfang Februar fand Kerz- Bodenheim a. Rh. jchon einen und fein Bruder im Jahre vorher Anfang November ander- jeitS noch zwei. Das macht feine Behauptung erflärlich: „Bon Ende Januar bis Dftober jindet man bei uns junge Häschen...” („Wild und Hund“, 3.5.1907). Und auch von den jpätejten Säben fommt manchmal was auf. So einer der beiden eben erwähnten vom Anfang November: er „wurde als gut entwidelter ‚halber Haje‘ bei einer Treibjagd Ende yanuar von einem Hunde gefangen“. Anderjeit3 fing am 21. März 1907 ein Terrier bei Haubinda einen Junghajen, der bereits vier Pfund twog, aljo auch jehr früh gejegt und gut durchgefommen fein mußte. Bon den frühen oder jpäten Säben haben zum Durchfommen vermöge unferer Witte- rungsverhältnijje die jpäten Septemberjäße die bejjere Ausficht; erfahrene Hajenjäger und -heger treten daher fir Verlängerung der in Preußen 3. B. jchon Mitte September endigen- den Schonzeit bis 1. Dftober oder wenigjtens Freiwilliges Schonen des Hafen bis dahin ein. „Die alte Häfin und auch jede junge Häfin, die im Februar, März oder April gefeßt tourde, jegen im Laufe des Monat3 September noch Junghafen... Jede Häfin, die im September zur Strede fommt, hat entweder erjt vor furzer Zeit gejeßt oder fie hat inne. Die im Sep- tember gejesten Junghajen finden überall, jelbjt in Stoppelfeldern hinreichende Deckung, jpäter auch an allen Orten pafjende ung. Der Sagdiehuß im Feldrevier ijt nie jo groß tie im Frühherbit; denn die Hühnerfuche bringt täglich Jäger und Hund ins Revier...“ Der erite Sab bringt nach althergebrachter Annahme 1 oder 2, der zweite 3—4, der dritte 3 und der vierte wiederum 1—2 Junge; in ganz ungewöhnlichen Fällen umfaßt ein Cab auf einmal 5 und mehr Junge.. Die Erklärung eines gewiffen Ziwiefpaltes unferer Be- obachtungen, daß mir uns einerfeit3 nicht allzu felten von größerer Sungenzahl (bis 5 oder > 6 Stücd) beim Hafen überzeugen, im Revier aber faum einmal mehr al3 zwei Jung- hajen beifammen jehen, findet Wamwerfig-Glogau, der drei Jahre hintereinander je einen Sat bon fünf Hafen in einem Nejt beobachtet hat, jehr einfach darin, „daß die Jungen fchon jehr zeitig auseinanderlaufen”; jedenfalls ift aber die Sache noch bejonderer Aufmerfjamleit \ Haje: Tragzeit. Cabzeit. Zungenzahl. Zuftand der Neugeborenen. Säugezeit. 105 aller Jäger wert, die zugleich Heger und Beobachter find. U. Bitow und Georg Sterz geben uns denn auch „Zur Biologie des Hafen“ in diefer Richtung noch fchäßbares Material („Wild und Hund“, 8.5. 1907). Bütor fand einjt einen Sab von drei, die er zufammen in der aufgemachten Hand bequem halten Fonnte, unmittelbar an einer Chaufjee vor. Cie waren noch nicht aufgepluftert und darum teilweife noch naß um Dftern herum ohne jeden Schuß einfach aufs Land gejeßt. AJunghajen, die 8—10 Tage alt fein fonnten, hat Bittotw jehon immer einzeln angetroffen, was erjtens dafür jpricht, daß fie jchon früh aus- einanderlaufen, und zweitens, daß jie jich in diefem Alter auch bereits verforgen fünnen. " &o jah er einmal zwei faft gleichjtarfe Junghafen, deren jeder fich an einem Baume, zwifchen den zutage tretenden Wurzeln, jein Lager ausgejucht hatte. Die Entfernung zwijchen beiden Lagern betrug etwa 20 Schritt, jo daß man wohl der Meinung fein fonnte, beide Hafen gehören zufammen. Trobdem find Bütorw und Kerz nicht der Meinung, daß die Häjin ihre Jungen an verjchiedenen Stellen jege. Vielmehr überrajchten Kerz und jein Bruder im Mai 1903 eine Häfin beim Seben. „ALS toi nachfahen, fanden twir zwei frifchgejeßte Häschen. Eine Stunde jpäter famen wir wieder Dort vorbei, und nun waren e3 vier Häschen. Ale, troßdem die Häfin von ung gejtört worden war und uns beobachtet hatte, jebte jie die zivei legten Häschen nicht an eine andere Stelle.” Das Wochenbett it eine höchjt einfache Vertiefung an einem ruhigen Orte des Waldes oder Feldes: ein Milthaufen, die Höhlung eines alten Stoces, angehäuftes Laub oder auch ein bloßes Lager, eine tiefe Furche, ja endlich der flache Boden an allen Orten. Die Jungen fommen mit offenen Yugen und jedenfalls fchon jehr ausgebildet zur Welt (Taf. „Nagetiere 1", 4, bei ©. 19). Manche Käger jagen, daß fie fofort nach der Geburt fich jefbft trodinen und pußen müjjen. Wie qut die Sunghajen gleich nach der Geburt auf ihren Heinen Läufen jind, lehrt der Bericht eines Föriters aus der Neumark, der beim Nevidieren der Kajtenfallen einer zahmen Fajanerie in einer zugejchlagenen Falle eine Häjin mit vier eben gejesten Junghajen fand. Er ftellte die Falle ab, und fchon nach einer halben Stunde war die Hajenfamilie nicht mehr drin. — Durch die Frage: warın und wie lange fäugt die Häfin ihre Jungen? hat man in unjeren Jagdzeitungen immer einmal wieder den Schleier des Geheimnijjes zu lüften berfucht, der begreiflicherweife über den intimen Einzelheiten der Jungenaufzucht des Hafen liegt. Wer vermöchte auch eine einzelne Häfin jo genau zu kontrollieren, daß er jagen fünnte, wie oft täglich) und wie lange überhaupt fie ihre Jungen aufjucht, um ihnen Nahrung zu bieten? Wie fie es macht, das hat Wöber durch einen glücklichen Zufall einmal mit anfehen fönnen. „Die Mama legte jich feitlich auf den Boden fo, daß nur die Vorderläufe unter Die Brust zu liegen famen, die Hinterläufe jedoch jo gejtellt waren, daß das ganze Gejäuge den Kleinen zugänglich war. Doch die Alte zeigte bei dem Nährgejchäfte nur wenig Geduld, jprang plöglich mit einem gewaltigen Sabe auf alle vier Läufe, nachdem fie bloß 4—5 Ni- nuten in der zum Säugen der Jungen nötigen Stellung mit gejchlofjenen LXidern ver- harrt hatte.” Über die Säugezeit geht die Meinung jebt dahin, daß fie 2-3 Wochen währt; länger fan jie gar nicht gut dauern, wenn man die verjchiedenen in der bejjeren Jahres- zeit rajch aufeinanderfolgenden Säbe bedenft. Dieje und der alsbald wieder rege Ge- ichlechtstrieb der Häfin find aber feinesfalls ein genügender Grund für die unwahrjcheinliche Annahme, daß die Sunghafen nur 3—5 Tage gejäugt würden; denn auch bei anderen Säuge- tieren vertragen ich. die verjchiedenen Fortpflanzungspflichten des weiblichen Gejchlechtes jeht gut miteinander. Daß die Häfin fich fo wenig bei ihrem Sabe aufhält, it, nach Rothe, nur zum Beiten der Sunghafen. Sie nimmt ihr Zager weitab von ihnen, denn fie hat eine 106 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hajen im weiteren Sinne. jehr jtarfe Witterung; jäße fie aljo „bei den Jungen, die eine jehr jchwache Witterung haben, jo daß jie der Fuchs nicht leicht findet, um jo weniger, als fie unter jtarf riechen- den Gegenjtänden jigen, jo wiirde der das frijche Lager revidierende Fuchs die Junghajen finden und verzehren”. Bei Annäherung eines Feindes läht die Häfin gewöhnlich ihre Jungen im Stich, obwohl auch Fälle befannt jind, daß alte Häfinnen die Brut gegen Raub- vögel und Raben verteidigt Haben. Ebenfo liegen Beobachtungen vor, daß fie Dasjelbe aus eignem Antrieb gegen den Storch tun, Diefen aljo ohne weiteres als Feind ihrer Jungen erfennen. So erzählt Peter Bajchen aus Mecklenburg, wie ein Haje einen auf einem großen Kleeichlage umherftolgierenden Storch plößlich annahm, jcheinbar ohne jeden Grund. Die Erklärung für Ddiefes Erlebnis bildete ein zweites vier Wochen jpäter in Pommern. Aud) hier erjchien der Störenfried in Geftalt eines Storches. Unjer Beobachter fand aber Dicht neben der Stelle, wo der Haje gejejjen hatte, zwei erjt wenige Stunden alte Sunghajen. 63 Tiegen fogar Beobachtungen vor, daß die Junghajen jelber jich zu verteidigen juchten, und zwar in zartejtem Alter jchon. So berichtet ein Lefer der „Deutjchen Zägerzeitung“ (1908), twie ein vielleicht zwei Tage altes Häschen, das er wieder ins Neit zu jeinen Ge- ichwiitern _fegen wollte, ganz giftig zirpend nach ihm herumgefahren fei. Von dem erjten Sate gehen die meiften Jungen zugrunde: der Übergang aus dem warmen Mutterleibe auf die falte Erde ift zu jäh; das Fleine Gejchöpf erjtarrt und geht ein. Und wenn es wirklich auch das jchwache Leben noch friftet, drohen ihm Gefahren aller Art, jelbit vom eignen Vater. Der Nammler benimmt ich manchmal wahrhaft abjcheulich gegen die jungen Häschen und peinigt fie, wenn er fann, zu Tode. Wenn jolches bei Naubtiervätern einfach) auf Fleifchhunger zurüdzuführen it, jo verjagt bei einem Pilanzenfrejjer wie dem Hajen jede Erklärung für Diefes ganz widernatürlich erjcheinende Gebaren. Das Alter der Junghafen auf einige Tage genau anzujprechen, dazu gehört, nad) Rothe, viel Erfahrung; „ein Hauptmerfmal beiteht in den Falten und Kiffen der Löffelchen. Zuerit jind die Kniffe in den Löffeln ganz fcharf, weil die Jungen jehr eng im Körper der Mutter beijammenliegen. Ganz allmählich exit verlieren fich diefe. Schon in den allererjten Xebenz- tagen jorgt der Sunghaje jelbit für feine Sichetheit und zeigt jich Dabei rege und jehr gejchidt. Zu Hilfe fommt ihm die natürliche Furcchtfamfeit, jeine Haupteigenjchaft. Er verfriecht jich unter Neifig, Borfe und andere dedende Gegenitände. Auf einer von Flugjand gebildeten Düne, die jich durch [pärlichen Graswuchs und einige Kufjeln etwas gefeitigt hatte, fand Rothe eine enge, ein halbes Meter tiefe Nöhre und holte ein etwa 10 Tage altes Häschen heraus, das er gleich wieder Hineinjchlüpfen ließ. Nachdem er fich etiva 50 Schritt entfernt hatte, fehrte er zurück und war nun nicht mehr imstande, das Tierchen wiederzufinden, — weder in der Röhre noch jonjtwo in der Gegend.” Der Junghaje folgt aber dabei ohne Bewußtjein dejjen, was er tut, nur feinem ererbten Flucht- und Dedungsinftinkt, ver im Zufammenhang mit dem reifen Zujtande des Neugeborenen und jeinem verhältnismäßig jelbjtändigen Xeben gleich in den erjten Tagen bei ihm auf eine erjtaunliche Höhe getrieben ift, weil alle diejenigen unfehlbar zugrunde gehen, die diefen Snitinkt nicht haben. Der Junghaje belehrt uns aber, daß dasjelbe Ziel: Erhaltung der Urt, durch unbewußte, rein triebmäßige AUnpajjung er- reicht werden fanır — mohlgemerft bei einem Tiere, das ich reichlich vermehrt und der natürlichen Zuchtwahl dadurch genügende Unterlage bietet. Denn troß ihrer angeborenen Kunft, jich unfichtbar zu machen und jicher zu verfriechen, büpen jährlich noch eine Unzahl Junghafen ihr Leben ein durch die Unbilden der Witterung und durch das Naubzeug. Da unfer Haarraubzeug meijt mit der Naje jucht, jo üÜt zu ® Haje: Junghajen. Frühe Selbftändigfeit und Feinde. Entwidelung und Lebensdauer. Jagd. 107 bezweifeln, wie dies Th. Zell in jeinen volfstümlichen Schriften mehrfach getan hat, ob ihm gegenüber die Dedung für das Auge, die Sicherung vor dem Gejehenmwerden genügt; dieje it deshalb aber nicht weniger nüßlich und notwendig: gegen die Naubvögel und Srähen. Wie dieje Hinter den Junghajen her jind, beweijen die jährlich in unferer Sagdprefje ein- laufenden Berichte derartiger Erlebnijje. So bemerkte Sauerwein (St. Hubertus”, 1906) bei Hannover eine Krähe, die einen Junghajen annahm; nach einigen vergeblichen Stößen fam eine zweite Krähe, und num ging die Jagd gemeinjchaftlich 108. Nach kurzer Zeit war der gute Lampe ins Yenjeit3 befördert. Und Hugo Dtto berichtet („Deutfche Sägerzeitung”, 1907), daß jpielende Knaben nahe bei Mörs einen fehreienden Hafen hörten. Cie liefen hin und bemerften nun, daß eine Krähe den armen, noch nicht Halbwüchfigen Krummen mit ihrem Schnabel bearbeitete. Anjcheinend reiht jich auch unfere einzige heimijche Gift- jchlange, die Kreuzotter, gelegentlich den Feinden des Junghafen an. Ein Beobachter in Eichendorf (Württemberg) hörte im Juni 1909 auf einer nahegelegenen Wieje einen Hafen lagen und jah dann eine etiwa 0,75 m lange Kreuzotter einen Junghafen im Genic halten („St. Hubertus”, 1909). Eine junge Hajenfamilie verläßt nur ungern die Gegend, in der fie geboren wurde. Die Gejchtwijter entfernen jich wenig voneinander, wermn auch jedes jich ein anderes Lager gräbt. Abends rüden fie zufammen auf jung aus, morgens gehen fie gemeinjchaftlich nach dem Lager zurüc, und jo währt ihr Treiben, welches mit der Zeit ein recht fröhliches und frijches wird, fort, bis fie hHalbwüchjig find. Dann trennen fie jich voneinander. Nach 15 Monaten jind fie erwachjen, jchon im eriten Lebensjahre aber zur Fortpflanzung geeignet. Die Höchjte Lebensdauer, welche der Haje bei uns erreicht, dürften 7—8 Sahre fein; es fommen aber Beijpiele vor, daß Hajen allen Nachitellungen noch längere Zeit entgehen und immer noch nicht an Altersichwäche jterben. m erjten Viertel des 19. Jahrhunderts war in meiner Heimat ein Rammler berüchtigt unter den Zägern: mein Vater fannte ihn jeit Ss Jahren. Stet3 war es dem Schlaufopfe gelungen, jich allen Nachitellungen zu entziehen; erit während eines jehr jtrengen Winters wurde er von meinem Bater auf dem Anftande erlegt. Beim Wiegen ergab jich, daß er ein Gewicht von 9 kg erreicht hatte. Über die weid- und nichtweidgerechte Jagd des Hafen, die für die große Menge der Gelegenheitzjäger überhaupt die Jagd ift, find Bücher gejchrieben worden; gleichzeitig bildet jie natürlich einen jtehenden, immer wieder erörterten Gegenjtand unjerer Jagdprejje. Nac) . meinem Gejchmad gewähren dem Yäger die Suche und der Anjtand das meijte Vergnügen, weil jie immer in Spannung erhalten und des Jägers am würdigjten jind. Diefer hat auf der Suche Gelegenheit, jich als Weidmann zu zeigen, und jchöpft auf dem Anftande manche Belehrung, weil er die Tiere, nicht Die Hajen allein, jozujagen noch in ihrem Hausanzuge antrifft und ihr Benehmen im Zuftande gänzlicher Auhe und Sorglojigfeit beobachten fan. Mancher Jäger zieht den Waldanftand jeder anderen Jagd vor; denn das Süßefte, die Hoff- nung, tt hier des Weidmanns treue, unzertrennliche Gefährtin. — Durch Rudolf Kloß’ zahlen- mäßig belegte Beobachtungen Haben wir uns jedoch überzeugen müfjjen, daß die Hajenfuche mit dem Borjtehhund der Ruin des Beitandes ift; denn „der ftetS vorfichtige Rammler hält fait nie die Annäherung des Hundes aus, jondern gibt fchon auf bedeutende Entfernungen - Serjengeld, während die Häjin in unglaublicher Sorglofigfeit den Borjtehhund fait immer aushält und Daher dem Feinde zum Opfer fällt”. Auf einem Revier, wo der Jagdherr nur dieje Zagd ausübte, dafür aber feine Treibjagden abhielt, fonnte Kloß feititellen, „daß im eittaume von vier Jahren 379 Häfinnen und 71 Rammler gejchoffen wurden... Ein riejiges 108 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hafen im weiteren Sinne. Nachbarrevier, das bald nachher in vie Hände eben diejes Herrn überging, Hatte urfprünglic) einen durcchjchnittlichen Abjchuß von etwa 500 Hafen zu verzeichnen. Nachdem es jich 10 Jahre in den Händen des genannten Vächters befunden, war der Abjchuß auf 4O—50 gejunten.” Bis zu einem gewifjen Grade entgegengejebt wirft die Bradenjagd, wie jie in Gebirgs- vedieren, 3.B. des Sauerlandes, geübt wird. Bei ihr „Eommen gerade in erjter Linie die Nammler vors Rohr”, und zwar wiederum, weil „ver Nammıler ftets früher aufiteht”, die Brade aber „viel lieber eine friiche Fährte arbeitet als lange nach feitjigenden Hajen jucht”. Aus dem großen Gebiete der Hajenjagd und Hajenhege Dürfen ung, genau genommen, hier nur folche Dinge interejjieren, die ein naturgeschichtliches Licht auf das Tier werfen oder die große wirtschaftliche Bedeutung illustrieren, die der Hafe bei jeiner großen Stopfzahl heute für Nulturland und Kulturmenfch hat. So mag ein Wort über feine Widerjtandsfähigfeit gegen Schußverlegungen hier Plaß finden. Diefe ijt bei rajcher Bewegung, voller Flucht des Tieres ganz auffallend viel geringer al3 bei fangjamem Hoppeln oder Stilffigen. Ein er- fahrener Hafenjäger rät deshalb jchon feinen jüngeren Weidgenofjen, auf einen Hafen, der ihnen in voller Flucht beim Treiben auf 60 Schritt ficher ijt, beim Anfig am Waldrande Höchjteng auf 40 Schritt zu fehießen, wenn fie nicht am Schußort „nur Wolle, aber feinen Hafen” finden wollen. Beim Treiben dagegen ein ein- oder mehrmaliges Überjchlagen, ein kurzes, krampfhaftes Juden mit den Hinterläufen, und um Freund Lampe it es gejchehen. Bom Abfeuern des Schufjes bis zum VBerenden des Hafen find manchmal faum 4—5 Se- funden verftrichen: in fo furzer Zeit farn fein Wild verbluten, jelbjt dann nicht, wenn Durch Schrotförner die wichtigften Kreislauforgane — Herz, große Blutgefäße — Durchbohrt werden. Ein Bregburger Arzt, der fich mit diefer Frage feit vielen Jahren bejchäftigt, har jelbit einmal bei Neufchnee mit grobem Hagel (Nr. 2) auf einen (jedenfalls im Lager jiben- den) Hafen gejchofjen, der nach dem Schuffe jcheinbar unverleßt in voller Flucht das Weite juchte, dann aber jich plößlich verendet auf die Seite legte. Beim Abbalgen und Auswerfen ergab jich, daß ein Schrotforn Die rechte Kammer und die ganze Herzmusfulatur Durch- ichlagen hatte. Mit einer derart tödlichen Verlebung eines jo wichtigen Organs fonnte der Haje noch iiber 200 Schritte flüchten. Das fchnelle Verenden des in voller Flucht bejchofjenen Hajen läßt jich Daher nur durch eine plößliche Lähmung des Zentralnervenfyitems erklären. Durch das Auffchlagen und Eindringen der Schrotförner in den Wildförper_erleidet Diejer- eine Erjehütterung, für welche wir in Ermangelung eines bezeichnenden Deutjchen Ausdrudes das englijche Wort ‚shock‘ gebrauchen. Die nervenerjchütternde Wirkung des Schrotjchujjes twird aber gejteigert oder gemindert, je nachdem die Muskulatur im Momente des Treffens jich im Zuftande höherer oder niederer Spannung (Zufammenziehung) der Musfelfafern befindet. Ye größer die Anjtrengung eines Stüdes beim Flüchten ift, dejto größer it die Spannung der Muskulatur, welche jich im höchjten Grade einer jolchen Musfelfontraftion beinahe bretterhart anfühlt. Höchit draftiich jchildert — offenbar aus reicher Eigenerfahrung — KT. „uankgejchofjene Hafen” („Deutjche Jägerzeitung”, 1910). Er meint: „Suanfe end- gültig zu erledigen, das fcheint, wie uns immer wieder jelbit jehr gute Schügen beweijen, bisweilen ein förmliche3 Kunftftüc zu fein! Am leichteften wird man noch mit dem vorder- lauffranfen Hafen fertig. Seitwärts, vorwärts und nach oben jchlenfert in den verziicd- teiten Bogenlinien der abgejchofjfene Lauf, aber das alles hemmt Lampes Cile feinesmeg?. Schnelfer als ein gejunder Löffelmann bricht er bei uns Durch, halb arınzlang legen wir ihn die Rohre vor den Kopf, und al3 nun der Finger den Abzug berührt, wiljen twin, daß das Rad, welches der Kranke jebt fehlägt, das legte in feinem Hajenleben ijt.“ Und weiter: Haje: Jagd. Widerftandsfähigfeit gegen Schuß. Hafenquäfe. Hafenjchäden. 109 „Sobald ein Schüße — denn Jäger fann man in diefem Falle nicht gut jagen — getvohn- heitsmäßig feine Batronen an Hafen jpart, von welchen er glaubt, daß fie ihm nicht mehr entfommen fünnen, erblüht ihm auf den Treibjagden von Zeit zu Zeit immer wieder eine Höchjt unangenehme Überrafchung. Wenn die Treiber heran find und von dem Matador in jtolzer Boje zum Apportieren der gejchojjenen Stüce aufgefordert werden, paffiert e3 näm- fich gar nicht jelten, daß folch ein angeblich verendeter oder Doch wenigjtens an den Boden genagelter Haje — fort ijt oder jich unter den Händen des Treibers noch jchleunigjt emp- fieplt”. Troßdem widerjtreitet K.-T. der vielfach ausgeiprochenen Überzeugung, da; Lampe ein Höllifch zähes Leben bejißt. Hart ijt ver Haje nur gegen Wildbretichüffe (Schiffe ins Fleisch), während er auf Verlegungen der edlen Körperteile unbedingt reagiert. K.-T. möchte daher mit Sicherheit behaupten, daß jte in allen jenen Fällen nicht getroffen wurden, welche Anlaß zu dem Märchen von der Zählebigfeit des Krummen gegeben haben und heute noch geben. Und die Weidmannserfahrung, daß gerade Franfgejchofjene Hafen „jo jchmwer tot zu kriegen” find, erklärt er jehr einfach und einleuchtend aus dem Mangel an Übung unjerer heutigen Säger im Schießen auf ein fangjam bemegtes oder unbemwegtes Ziel. Von einer gewiffen naturgefchichtlichen Bedeutung ift eine Kagdart, die man in den Sachwerken faum erwähnt findet: die Hafenquäfe, die darin befteht, mit der hohlen Hand oder einem feinen Injtrument das Klagen des Hafen nachzuahmen. Dementjprechend ift jie eigentlich zum Neizen des Fuchjes bejtimmt; aber es fommt vor, daß auch Hafen geradezu biindmwütig, wie aller Sinne beraubt, darauf reagieren. Co erzählt Fürjt-Neuburg a.d.D. („Eid und Hund”, Nr.20, 1909): „Neulich Sprang mir auf das Hafengejchrei im lichten Hoch- holz ein Haje und beäugte aus etiva 12 Schritt Entfernung mich und den unangeleint neben mir jißenden Hund längere Zeit. Endlich wollte er jich empfehlen, machte aber auf ein paar Töne mit der Quäfe jofort wieder fehrt. Diejes Spiel wiederholte jich wohl fünf- bis jechsmal. Hierbei nahm er uns einmal mit folchem Ungejtüm an, daß mein Hund — der jich offenbar bedroht hielt — aufitend und nach ihm jchnappte, was ihn aber von weiteren Attaden nicht abhielt. Zulett jeste er jich in einer Entfernung von 70 Schritten und beob- - achtete ung, bis er durch einen vorbeifommenden Radler verfcheucht wurde.” Wenn Rammler auf Die Duäfe jpringen, jo deutet man das als „Eiferjucht”, jebt bei ihnen Die Borjtellung boraus, „eine Häfin werde von einem anderen Rammler vergewaltigt”; Dagegen erklärt man „das AUnlaufen der Häfinnen auf das Gejchrei damit, daß jie die Jungen in Gefahr glauben und, von Mutterliebe getrieben, zur Hilfe Herbeieilen wollen”. Demjelben Beobachter, der die leßtere Erklärung gibt („Deutjche Jägerzeitung“, Nr. 39, 1903), find aber „Ende Septem- ber” zwei Häfinnen angelaufen, eine jogar zugleich mit einem Fuchs, „... es famen Fuchs und Haje don zwei Geiten her wie rajend auf mich zu, beide nur auf das Gejchrei achtend und jich gegenjeitig nicht bemerfend, jo daß ich erjt ven Fuchs und dann den Hafen in guter Dou- blette umlegte”. Vom Hilfsjäger Birke-Brüdenbergi. R. wird jogar mit feinem vollen Namen berbürgt (‚Deutjche Jägerzeitung”, Nr. 29, 1898), daß mitunter der „Hafe auf das Neizen . mit Hagendem Ton antwortet”. Und das war abermals eine Häfin. Wie joll man jolches Berhalten veritehen? Da lernt man fich bejcheiden und auf alle Deutungen verzichten. E3 geht eben nicht immer an, mit menjchlicher Logik Jich in Die Tierjeele Hineinzuverjegen und jo ihre Regungen in menchlich befriedigendem Sinne jich verjtändlich machen zu wollen. Das wichtige Kapitel der Hajenjchäden, das auch die Regierungen und Bolfsvertre- tungen wiederholt bejchäftigt hat, betrachten wir hier aus dem Gejichtspunft, wie jich die Ernährung des Hajen bei feiner heutigen hohen Kopfzahl einerjeits, bei unjerem land- und 110 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Hafen im weiteren Sinne. forjtwoirtichaftlichen Kulturzuftand anderjeits geitaltet hat, wie der Hafe fich mit unjeren heu- tigen, in beiden Beziehungen Fünftlich Hochgetriebenen Verhältnifjen abzufinden weiß. Er tut das jchlecht und recht, wie er eben fanın, und jedenfalls hat, wenn geflagt wird, nicht er ihuld, jondern toir jelber. Das hat der allbefannte Hajenheger unferes Kaijers, Zuther- Budo, mit treffendem Humor ausgejprochen, indem er zur „Winterfütterung des Hafen“ („Weidmann“, 1898) das Wort ergriff. „Da aber am der ihn fehr verehrende Menfch mit jeiner Kultur, jchuf große Feldmarfen mit einerjeits höchftem Überfluß von Sommeräfung und anderjeits größtem Mangel an Winteräjung, ... und der Zäger trat auf und jchaffte ihm in weiten Gebieten ot fait alles vom Halje, was ‚ihn frefjen‘ will, ... und da haben wir num die Winterfalamität Fir beide ‚beteiligten Seife‘: für den in jeder Weife vor Feinden ge- jhüßten und jich aljo oft jehr ftarf vermehrenden Hafen und für den Zäger!” Den Hafennagejchaden beleuchtet Staats dv. Wacquant- Geozelles im Sinne de3 Naturforichers mit der liebevollen Einzelfenntnis unjerer heimijchen Natur, die ihm eigen it („Weidmann“, 1898). Nach feiner gut belegten Darftellung ift es ein großer Srrtum, daß auch der Hajennagejchaden, alfo da3 dom Chaufjeeaufjeher, Obftzüchter und Baun- ichulenbefißer gefürchtete Benagen der Objtbäume, eine direfte Folge ungeeigneter Winter- fütterung fei; denn der Hafe ift im Winter unter anderem auch auf da3 Benagen der Rinde und Berbeißen der Zweige verjchiedener Bäume direft von der Natur angewiejen worden. Ganz abgejehen davon, daß unjer Lampe die bei natürlichem Verlauf der Dinge einer fehr jtarfen Abnußung unterworfenen Schneidezähne unter unnatürlichen Berhältnifjen ab- jichtlich abjchleifen muß, um ihrem allzu ftarfen Wachstum gemwaltfam vorzubeugen, hat Mutter Natur ihm große Vorliebe für gewifje Begetabilien auf die Zunge gelegt, vor allem für eine größere Anzahl bitter fchmedender Pflanzen, und zwar fowohl Gräfer und Kräuter als auch Sträucher, Zweige und Stammrinden. Beim Offnen des Magens nimmt man dann oft jofort einen fonderbaren, bitter-füßlichen Geruch wahr, einen Duft, der jedem nur einigermaßen Kundigen mitteilt, daß eine ganz bejondere Hung vorliegen muß. Staats dv. Wacquant- Geozelles nimmt uns nun im Geifte mit auf die Hafenäjung. Die größte Delifatejje für unferen Lampe ijt die gemeine Schafgarbe (Achillea millefolium Z.), deren Itarfer Bitterftoff ein wirkamer Bejtandteil jo manchen Brufttees und Kräuterpulvers ift. Zu jeder Jahreszeit Fann man den Hafen die Blätter diejer Pflanze gierig äfen jehen; oft ijt viele Tage, ja Wochen hindurch eben die Schafgarbe die exjte Afung des zu Feld rücden- den Zamıpe, der jelbjt ihren Wurzeljtod, 3. B. auf frifch gebrochenen Sturzädern (auch auf gefrorenen), losjcharrt und nimmt. Sehr gut jchmedt ihm ferner der Aderflee (Trifolium arvense Z.), ein jtopfendeg Straut, aus dem ebenfalls ein Bittertee bereitet wird, die entjeblich bitteren Stengel des gemeinen Taufendgüldenfrauts (Erythraea centaurium Z.), jchließlich auch die Früchte der gemeinen Eberejche oder Vogelbeere (Sorbus aucuparia L. ), die den Bitterjtoff für viele Magenbittere und Gebirgsichnäpfe liefert. Dazu fommen im Winter die Stengel der Heidel- oder Blaubeere, Die Heide, die Spiken de3 gemeinen Ginfters, die Rinde der Ejpe (Afpe, Zitterpappel), des Weihdorns und des Wildobftes. Lebende, zum Zeil bittere, aromatisch riechende jung ift Lebensbedürfnis fir den Hafen: unfer Lampe will eben Hajenäjung, fein Kaninchenfutter, und ift jogar dem Kohl vorläufig noch abhold, figuriert nur im Fibelbuche ftändig als Häschen im Kohl. Sit e3 da num zu vermundern, daß er in bevrängten geiten mit Vorliebe Die ganz natürliche Afung, die Rinde junger Objt- bäume, der Ejpe oder der ihm ebenfalls zufagenden jungen Afazien und des Goldregens benagt? „Der Hafennagefchaden hat nicht zugenommen, weil mit unnatürlichen Stoffen Hafe: Nagejchaden (Mjıng). Gejamtnußen und »fchaden. 11] gefüttert wird, fondern er ijt größer geworden mit der Hebung der Niederjagd, die heute oft Hunderte von Hajen dort bejißt, two früher vielleicht nur einige Dübend lebten; ex it größer geworden mit der gleichzeitig jich ausbreitenden Objtkultur, die zuweilen (in Baum- ichufen) geradezu Apfelwälder gejchaffen hat; und er ift arg geworden, weil die Kultur der Natur unmöglich machte, dem Hafen im Winter draußen genügend Mung zu bieten...“ Wieder das alte Lied vom gejtörten Gleichgewicht der Natur, das fich an allen Eden und Enden rächt! Einen Wink zur Abhilfe gibt Staats dv. Wacquant- Geozelles, indem er fortfährt: „Das im Winter vom Gärtner ausgeäftete lebende Holz der Objtbäume wird dem Hafen ftet3 die liebte fung bieten und im Verein mit Ejpenzmweigen hoffentlich auf manchen Nedieren das fich feindlich gegenüberjtehende Trifolium ‚Gärtner- Haje- agdbejiger‘ ver- - föhnen helfen!” Den Hijtorifchen Verlauf der ganzen Sache jchildert Luther ganz im Ein- Hang mit der Staats dv. Wacquant-Geozellesjchen Auffafjung an dem Einzelbeifpiel der Entjtehung und Vergrößerung der Späthichen Baumfchulen bei Berlin, die an fein Nevier angrtenzten: „Die Hajen nagten die Rinde der ihnen am beiten fchmedenden Baumarten und ließen den jpeziell für fie gepflanzten Grünfohl eng bi3 die Baumjchule mit einem Drahtzaun umgeben wurde. Beobachtungen aus dem Winter 1908/09 beweijen übrigens, daß es Fälle gibt, wo Hunger als Urjache für das Schälen des Hafen gar nicht in Betracht fommen fan. Aus der Billwärder Marjch in der Gegend von Hamburg werden Hajenjchälfchäden aus einer Obit- baumjchule berichtet unter Umjtänden, daß der Bejiger mit berechtigtem Galgenhumor jagen fonnte: „Die Hafen frejjen jich exit im Grünfohl fatt, und dann pußen fie jich Die Zähne an der Ainde meiner Objtbäume!” Und Freiherr Teufel dv. Birkenjee hat die Hajenjchäl- jhävden an jeinen DObjtbäumen gerade immer nur dann gehabt, wenn unter diejen Klee und Luzerne am üppigiten jtanden. Er führt das Schälen des Hajen daher nur auf fein „Berlangen nad) Gerbjäure” als Gegenmittel gegen die Folgen der majtigen Stleeäjfung zurüc („Deutiche Sägerzeitung”, 1909). — Den Bormwurf, daß Hafen in Spargelfeldern nennenswerten Schaden anrichten follen, Hat Schäff Durch entjprechende Berjuche mit gefangenen Hafen („Deutjche Zägerzeitung”, 1905) entfräftet, die er Grünfutter entbehren ließ. Sobald ihnen dann „ausnahmameije folches in Gejtalt von Kohl und Salatblättern, Zweigen von Weiden, Linden und Bogelbeerbüfchen, Blättern von Löwenzahn, wilden Sauerampfer ujw. gereicht wurde, älten fie e3 jtetS mit großer Begierde”. Spargelfraut Dagegen rührten jie faum an. Dagegen fann, wie wir früher gejehen haben, das Staninchen jehr wohl zum empfindlichen Schädling im Spargelfeld werden. Über den Gejamtnugen und -[chaden des Hafen herrfchen verjchiedene Anfichten, je nachdem man vom wirtjchaftlichen oder jagdlichen Standpunkte urteilt. Der unbefangene Richter wird den Hafen unbedingt al jchädliches Tier bezeichnen müjjen. Sn den meijten Gegenden unjeres Vaterlandes macht er jich‘ aber als jolches aus dem Grunde wenig fühl- bar, weil er überall nur zu najchen pflegt und fomit feine Plünderungen auf einen großen ‚Raum verteilt; mwegjtreiten aber läßt fich der von ihm verurjachte Schaden nicht. Jr ©e- marfungen, in Denen Taujende und mehr Hafen alljährlich erlegt werden, — laut „Deutjcher Sägerzeitung“, 1906, bei Alzey in 2 Tagen 2500, in zwei anderen rheinhejjifchen Gemarfungen, Eibesbüdesheim und Albig, fogar 1300 und 1400 an einem Tage! — macht fich der durch die Hajen herbeigeführte Berluft an Futter jehr wohl bemerkbar. „Nach den von Dettmweiler auf- geitellten Berechnungen”, jagen die Gebrüder Müller, „bedarf ein zu 21, kg Fleischgemicht angenommener Haje nahe an 50 kg vorzüglichen Heues, um jenes Servicht berborzubringen, 112 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hafen im weiteren Sinne, ähnlich wie dies nach Fütterungsverjuchen beit Stalfvieh gefunden worden 1jt. Anderthalb- taujend in den Gemarfungen von Odernheim und Alsheim in Hejjen in einem Jahre ge- ichojjene Hajen stellen jonach, SO kg Heu zu 3,50 Mark gerechnet, einen Schaden don 5250 Markdar, d.h. die angeführte Anzahl Hafen verzehrt durchjchnittlich für die angegebene Summe Felderzeugnijje. Obgleich gegen dieje Berechnungen Einwendungen mancher Art erhoben werden fönnen, 'jind Doch Die Dettweilerjchen Betrachtungen vom nationalöfonomijchen Standpunkte aus zu würdigen, weil jie den allerdings jehr jchiwierigen und Ichwanfenden Maßitab der Wertberechnung an den von den Hafen verübten Schaden legen.” Darf nun auch die Schädlichkeit des Hajen als beiwiejen gelten, jo ift damit noch feines- iwegs gejagt, dag man ihn ausrotten joll. Man jorgt ohnehin genug für jeine Verminderung, und diejenigen, denen er erjichtlich jchädlich und läftig wird, haben e3 in der Hand, jeinen Beitand nach Belieben zu verringern; denjenigen aber, welche fich für unbedingte Vertilgung des Nagers ausiprechen, läßt jich erwidern, Daß Das Jagdvergrrügen und das wohljchmecdende Vildbret des Hafen doch ebenfalls Berüdjichtigung verdienen. Wir müfjfen uns überhaupt gewöhnen, und ländliche Gemeindevertretungen von weiterem Blid haben das längit. ge- fernt, die Jagd nach ihrer wirtjchaftlichen Bedeutung zu würdigen. Dieje Bedeutung it, wie Jagd und Hege jich in unjerer Zeit entwidelt haben, gar nicht zu unterjchägen: bilden doch Heute jchon in gar mancher ländlichen Gemeinde die Einnahmen für die Jagdpacht den wejentlichiten Teil alfer öffentlichen Einfünfte überhaupt, ganz bejonders natürlich in der Nähe großer Städte! Und allermeiit ift der Haje das gemeinnübßige Tier, Dem die Yand- gemeinden e3 verdanken, daß dieje Einnahmequelle jo reichlich fließt. Anderjeits it er es aber auch, der in eriter Linie dem Jagdpächter ermöglicht, von den Kojten der Jagd wieder etwas einzubringen. Allein in der Berliner Zentralmarkthalle wurden nach amtlichem Aus- meis im Jahre 1906 beinahe 232000 Hafen verkauft, die ungefähr ein Gejamtfleijchgemwicht von 100 000 Pfund und einen ungefähren Gejamtwert von 843 000 Marfdaritellen. Mit anderen Worten: in Berlin ift man jebt jeden Winter gegen 2 Millionen Pfund Hajenmwildbret auf! Für das Königreich Preußen fommen natürlich noch ganz andere Zahlen heraus: nach einer amtlichen Statijtif über den Widabjihuß in Preußen vom 1. April 1885 bis 31. März 1886 wurden in diejer Zeit 2373500 Hajen gejchojjen, die ein ungefähres Fleiichgewicht von 14 bis 15 Millionen Pfund gehabt haben dürften. Hteran fnüpft der befannte Wirtjchaftszoolog Aörig (Brief an Hed) ganz interejjante Berechnungen über die Verbreitung der Hafen auf die Gejamtwald- und -feldfläche des Königreichs. Danach Füme auf 64 ha Wald und 12 ha Feld je 1 Safe. Nörig fügt aber gleich berichtigend Hinzu: „Offenbar — wie auch in den Er- läuterungen der amtlichen Statijtif ausgejprochen wird — bleibt das Ergebnis der amtlichen Umfrage Hinter der Wirklichkeit erheblich zurüd, nach unjerer Kenntnis der jagdlichen Ver- hältnifje in Preußen um mindeitens 50 Prozent. In Waldgegenden mit leidlichem Hajen- beitande rechnet man jchon auf 10—20 ha 1 Hafen; im Feld wird in Schlejien und Sachien auf 2—21, ha 1 angenommen. Daneben gibt e3 natürlich auch Reviere, die im Extrage hinter der amtlichen Angabe zurüdbleiben. AS Minimum darf man wohl für Preußen 3 Millionen Hafen, d. hd. auf je 10 ha Feld und 20 ha Wald 1 Hafen, annehmen. Für Deutjchland fäme unter Zugrundelegung derjelben Verhältniszahlen ein Gejamtbejtand bon 4S00000 Stüd Hajen heraus.” Kein Wunder, dab dieje Säule des modernen Qngdbetriebes auch in der Jagpgejeb- gebung eine entjprechende Rolle jpielt, ja, daß „Lampe, der Haje beinahe das Bürgerliche Gejegbuch zu Falle gebracht hätte”, bei der Frage, ob aucd) der Haje unter das Schadwild Safe: Echaden. Bollswirtfchaftliche Bedeutung. Balgnußung. Namen, Stranfgeiten. 115 zu rechnen, für ihn ebenfalls Wildfchadenerjaß zu leisten jei. Nach mehr als fünfftindiger Debatte erfolgte namentliche Ubjtimmung darüber, ob der Hafe in der Lijte des Schaden- wildes zur belajjen jet oder nicht. Bon 252 anmejenden Abgeordneten des Neichtstages jtimmten 178 mit Nein, 69 mit Ja (Berger, „Der Weidmann”, 1899). Außer dem mit Necht gejchägten Wildbret des Hafen-nußt man auch dejfen Bala. Namentlich die Haare werden zur Heritellung von Filzhüten verwendet. Sährlich fommen mindejtens 5—10 Millionen Felle in den Handel zum Preije von 30—90 Pfennig das Stück. Die deutjchen Winterhafen find die beiten und brachten im Durchjchnitt 60 Pfennig das Fell, bi3 im Jahre 1912 eine Fünjtliche Preistreiberei auf 1,0 Mark einjegte. Sie mihglücte aber durch Eugen Zujammenhalt der Abnehmer, die zu Ende der Eaifon nicht einmal mehr 1 Mark zahlten. Über Ursprung und Bedeutung des Hafennamens „Lampe“ aus der Tierfabel, der bis in das niederdeutjche Mittelalter zurückreicht, läßt fich nichts Beftimmtes jagen; ein Zufammen- hang mit dem Stamme des lateinischen lepus und ähnlich fautenden Bezeichnungen des - Raninchens in verjchienenen Sprachen (franzöfifch lapin, altolämifch lamper) ericheint aber [2 nicht ausgejchloffen. — Der Sägerjcherzname „Serummer” beruht auf richtiger Beobachtung einer jehr bezeichnenden Eigentümlichkeit des Hafen, die ihn zugleich in einen gewiljen Gegen- ja zum Kaninchen bringt. Während Diejes nämlich wegen feiner Finrzeren Hinterläufe bei tajchererBemwegung alsbald den Rüden durchdrückt, Hält der Hafe, auch wenn er ganz flott Dahin- geht, jich inmmer noch krumm, und exit, wenn er in voller Flucht ausreißt, jtredt er fich lang. Die Krankheiten des Hafen werfen ähnlich den Hafenjchäden ein grelles Streifficht auf die verfünftelten Verhältniffe, die wir in unferem Überkulturland gejchaffen haben. Der Bollsmund jagte zwar dem Hafen von jeher eine gemwijje Neigung zu allerlei Stranfheiten nach, und die drolligite Ausgeburt diejer Bolfsmeinung ijt der „venerijche” Hafe, an den heute vielleicht noch mancher glaubt. Doch das jpielte früher alles feine große Nolle, Der Hajenbejat war nirgends übermäßig, jo daß die Gefahr einer Verunreinigung des Erdbodens mit Seuchenfeimen meit geringer war als heute und Übertragungen von Krankheiten von einem Hafen auf den andern nicht jo leicht vorkommen konnten. Auch nahm der Fuchs manchen Franfen Hafen weg; in feinem Darme gingen viele gejunpheitsichänliche Würmer des Hajen (Magenmwiirmer, Lungenmwürmer) zugrunde. So fonnten größere Epidemien nicht auffommen. Sn den leßten Jahrzehnten haben mir folche aber vielfach gehabt, gerade, jeit wir ung überall reichlichere, vielerorts jogar riefige Hafenbeftände auf unjeren Feld- marken herangezogen haben. Sit das der Lohn für die pflegliche Behandlung des Neviers, jür die weidgerechte Handhabung des Ubjchuffes und die unermüdliche Raubzeugvertilgung? Sa, und ein gerechter, namentlich für die leßtere Übertreibung des Nubtwildfchuges, die die natürliche Gejundheitspolizei de3 Nevier3 befeitigte und dafür ihr im Übermaf gehegtes Silo Heinen, aber nicht minder gefährlichen Feinden überlieferte, den Krankheitserregern, gegen die der Wildhüter oft machtlos ift. Unter diejen Umjtänden ift es doppelt erfreulich, aus Jäger- und Hegerfreifen jelbit Stimmen zu hören, die fich gegen die allzumeit getriebene, wohlmeinende, aber übel- twirfende Störung des Naturgleichgewichts erheben, gegen Den unnatürlichen Zuftand, daß die Flur weit und breit von Hafen wimmelt und von Naubzeug leer if. Denn Diejer Zuftand gibt den Nährboden ab für mancherlei Keime feuchenhafter Krankheiten. So für die Traubenfoffenfranfheit, wie fie der treffliche Sagdveterinär Ströfe in Berlin- Zehlen- dorf genannt hat, die von einem Spaltpilz (Staphylococeus pyogenes albus) erregt wird Brehm, Tierleben. 4. Aufl. XI: Band. I) 114 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hafen im weiteren Ginne. und ausgedehnte Citerungen in der Haut, im Unterhautzellgewebe, in den Musfeln jv- wie in inneren Organen, ferner Entzündungen verjchtedener Körperteile erzeugt. Nac) Bürgis genauen Unterjuchungen und vielfachen Kontrollverfuchen mit Kaninchen (,„Zentral- blatt für Bafteriologie ujw.”, Bd. 39) im Veterinärpathologiichen Snititut der Univerfität Bern mird dieje Krankheit durch den Hajenfloh (Spilopsyllus cuniculi = Pulex gonio- cephalus) übertragen, in dejjen Speichelprüjen die Staphylofoffen reichlich nachgewiejen werden fonnten. — Die zuerit von Pfeiffer auf ihren Erreger, ebenfalls einen Spaltpilz (Bacterium pseudotuberculosis rodentium) zurüdgeführte „Pjeudotuberfuloje der Hafen“ (Ströje, „Deutjche Jägerzeitung“, 1905) Fann ebenfalls epidemifch auftreten und hat z.B. in Stanfreich Mafjeniterben der Hafen verurjacht, über die jchon vor einer Reihe von Jahren Lignieres eingehend berichtet hat. Diejer faljche Tuberfelbazillus ift viel plumper und Diefer als der echte und ruft in verjchtedenen Organen Veränderungen, insbejondere fäjige Herde im der Lunge hervor, die den Durch Tuberfelbazillen veranlagten jehr ähneln; er findet jich auch bei anderen Nagetieren (Kaninchen, Hamjter, Hausmaus). Die Übertragung von Tier auf Tier erfolgt im wejentlichen durch die Mung. — Die Coccidivfe (Erreger Eimeria stiedae nad) Zeudart), die das Stallfaninchen jo oft Heimjucht, tritt auch beim Hajen oft auf und führt nicht felten zu Mafjfenverluften. Von anderen Infektionsfrankheiten des Hafen jeien erwähnt die Hämorrhagijche Septifämie, die durch eine blutige Entzündung der Luftröhte und des Stehlfopfes gefennzeichnet it; Die Huftenfeuche, ferner eine am Kurzmwildbret und inneren Organen auftretende Krankheit, deren Erreger noch unbefannt ijt (Bollinger bejchrieb jie als „Syphilis des Hajen“), und die brandige Lungenentzündung, Die Ströje in einem Nevier der Provinz Brandenburg jeuchenhaft auftreten jah. — Die in Sägerfreijen weit ver- breitete Anjicht, daß Die Hafen infolge der Anwendung fünftlicher Düngemittel oft majjen- haft eingehen, trifft nach dem Ergebnis neuerer wijjenjchaftlicher Unterfuchungen nicht zu. Ssinenjichmaroger aus der Klajje der Würmer juchen den Hajen mitunter arg heim. Tlattwürmer erzeugen die jogenannte Zeberfäule, Fadenmwürmer die Lungen- und Magen- mwurmjeuche, Bandwürmer finden jih im Darm und Finnenblajen jehr oft an der Xeber- oberfläche. Doch beruhigt der Siegener Weterinärpatholog Dlt die Jägerwelt („St. Hu- bertus”, 1909) dahin, Daß die Eingeweidewürmer Durchweg für den Menjchen unjchädlich jind. Namentlich gilt dies von der oben genannten Finne, dent Jugendzuftande eines Hundebandmwurmes (Taenia serrata), die jich im Menjchen nicht weiter entiwidelt. Finnige Hafen jind jomit nicht für den Menjchen, jondern nur für Hunde gejundheitsjchädfih. Yon Außenjchmarogern plagt den Hajen neben Zeden (Ixodes), Läujen (Haemodipsus 1yrio- cephalus) und Zaufmilben (Trombidium), welch legtere Hautentzündung erzeugen können, der oben bei der Traubenfoffenfranfheit bereits genannte Floh, dejjen Gedeihen auf den Hafen zugleich eine gewijje Sekhaftigfeit Lampes verrät, wie jie von Rothe unmittelbar beobachtet it. „Denn wenn wir uns aus der Entwidelungsgejchichte Diefer Snjeften ver- gegenmärtigen, daß die pflanzenfrejjende Larve und die am Boden ruhende Puppe zu ihrer Entmwidelung 4—6 Wochen benötigen, jo ergibt fich ohne weiteres, daß nach 111% Monat die junge Generation von Flöhen den Hafen in jeinem Lager wiederfindet“, wieder- finden muß, wenn fie weiter gedeihen foll. Die epidemijchen Krankheiten unter unferen heutigen Hafenbeftänden hat man vielfach mit dem Ausjeßen fremder Hafen in Verbindung gebracht, das neuerdings jo Mode geworden ift, daß manche Händler jehr gut davon leben können. E3 geichieht zur „Blutauffriichung und zur Berbejjerung des Wildjtandes“: an fich gewiß eine erjtrebenswerte Sache, aber Doch ein Hafe: Schmaroßer. Ausjeßungen. 115 Schlagwort, das unjere jeßige Jägerwelt vielleicht ettvas allzufehr beherrjcht. Der befannte hannöverjche Faunift 9. Löns jchreibt fogar aus feinem Beobachtungsaebiete („Yagd“, 1905): „Seitdem zur Blutauffrischung böhmifche, woHl immer aus Hafengärten ftammende, aljo förperlich wohl größere, aber degenerierte und verweichlichte Hafen eingeführt wurden, haben fich jeuchenartige Krankheiten bei den Hannöverjchen Hafen viel mehr und viel jchlim- mer gezeigt als früher; in den leßten zivei Jahren fonnte ich feititellen, daß fait überall dort, wo Böhmen importiert waren, ein Majjenjterben von Hafen eintrat.” Anpderfeit3 wieder berichtet Der ojtpreußische Gutsbejiger U. Bränder („Deutjche Sägerzeitung”, 1906) hoch- befriedigt über die Erfolge des Ausjeßens ungarischer Hafen auf jeiner und benachbarten Guts- jagden (Wenzfen, Nehjau, Neumeiten), two die Jahresitreden fich jeitdem verdoppelt haben. Wenn zwei Dasjelbe tun, ijt es eben nicht Dasjelbe; in diejem Falle jchon deshalb nicht, weil die ausgejeßten Hafen nicht immer gleich gut und für den Ziwed geeignet fein werden. Uber das (ohnte wohl, ein jolches Revier mit frifch eingejegten fremden Hafen einmal unter täg- fiche, ganz genaue fritiiche Beobachtung zu nehmen: Dabei fönnte gar manches Anterefjante über Eingewöhnungs- und Anpaffungsfähigfeit, Neigung zum Vermifchen und Ühnliches her- ausfommen. Nur zu oft jcheint ja der unerwünfchte Erfolg einzutreten, daß die ausgejegten Hafen binnen Fürzejter Friit mehr oder weniger jpurlos twieder verjchtoinden. rn Diejem Sinne erzählt ein deutjchsrufjtischer Berufsjäger, Siebenliit-Tula (Zentralrußland), die er- jtaunlichjten Dinge („Wild und Hund”, Nr. 12, 1909). Die merfwinrdigiten, eigentlich ganz unbegreiflichen Erfahrungen wurden in den zentrafrufjiichen, 200 km im Umfreis mejjenden Nevieren eines Gropfüriten gemacht, wo die Hajenjagd nicht mit der Flinte, jondern nur mit Windhunden vom Sattel aus betrieben wurde. Für Dieje glanzvollen Jagden wurden große Mengen, einmal gar 1000 Hafen, angefauft und ausgejeßt. Aber jelbit wenn Dies erit am Morgen des Jagdtages jelber gejchah, erzielte man fein wejentlich bejjeres Ergebnis als früher: die ausgejeßten Hajen waren weg, als ob jie der Erpboden verjchlungen hätte, und die-Hajen, die dor die Hunde famen, gehörten fait ausnahmslos zum alten Bejtande. Wenn dieje „Erfahrungen” nur nicht auf Vorgängen beruhen, die Siebenfijt eben nicht erfahren hat! Dagegen will man am Karjt im öjterreichiichen Kiüftenlande Die Beobachtung gemacht haben, daß nach Ausjeßung ungarischer Hafen die zur Strecfe fommenden Hafen an Stärke und Gewicht Die der vorhergegangenen Jahre weitaus übertrafen. Zwei Jahre nachher twurde auch noch einer der ausgejegten im Revier an den fupierten Löffeln erkannt („Deutfche Säagerzeitung”, Nr. 44, 1909). — Am meiften jcheint der Erfolg Dadurch gejichert zu werden, daß man die Auffriichungshajen im Nevier zunächit innerhalb eines Gatters Junge jeen fäht und dann exit Diejes öffnet. Nudel Klob fommt Durch interejjante Mifchlingszuchten in Gefangenschaft ziijchen ihmwachen märfifchen und ftarfen böhmifchen und tiroler Hafen zu der Überzeugung, dab die Häfin ihre Stärfe bejjer vererbt al3 der Nammler. Demnach wären zur Aufbejjerung Häfinnen, nicht Raminler, auszufegen. („Wild und Hund“, Nr. 9, 1909.) Wie weit die ausgejegten Hafen wandern, it 1909 mehrfach fejtgejtellt worden, nachdem man die Tiere mit Wildmarfen verjehen hatte. Dabei find nicht weitere Wanderungen als über 20 km nac)- gewiejen worden, allerdings mit Ducchjchtwimmen von Sılen „atlöt. d. Allg. Deutjchen Sagdjchugvereins”, Nr. 617, 1909). Auf den Nordjeeinjeln, mo man neuerdings den Hafen an Stelle des dünenjchädlichen Kaninchens eingeführt hat, gedeiht er allem Anfchein nach jehr qut, troß aller Untvirtlichteit und Süßtvafferarmut. Von Langeoog und Spieferoog werden in den Jagdzeitungen ganz 8* 116 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Hafen im weiteren Sinne. g q ») anfehnliche Herbititredfen gemeldet. „Die im Sonnenbrande glühenden, im Winterjturme eisitarrenden Dünen und ihr jpärlicher Pflanzenmwuchs jagen Dem Lampe jichtlich zu; auch Salzpflanzen äfter. Beditrfte er des Süßvafjers zum Trinfen, fo müßte man an der einzigen Quelle Wangeroogs täglich Hunderte von Hafen jehen. Aber tro& Sonnenglut und Sabß- pflanzen trinft er nicht.” j Sehr aut jcheinen die Einbürgerungsverjuche mit deutfchen Hafen außerhalb unferer Grenzen zu gelingen, jofern man jie nur nicht zu weit nach Norden verjeßt. Jm höheren Norden Ruklands find jolche Berjuche allerdings fehlgejchlagen: eine andauernde Kälte von mehr als 18° C fcheint der Feldhaje Doch nicht zu vertragen; das Hat fich auch in Schiweden gezeigt („Wild und Hund“, 1898). Aber in der fürlichen Hälfte der [chwediichen Siidprodinz Schonen hat der eingeführte deutjche Feldhafe den einheimijchen Schneehajen jchon fait vollftändig verdrängt, wie der Stocholmer Zoolog Lönnberg brieflich mitteilt (Dezember 1907) und, Dadurch ermutigt, hat man ihn jeßt auch jüdlich von Göthenborg und in der Nähe bon Stockholm ausgejegt: unfer Lampe ift eben als Wild in jeder Beziehung, lebend und tot, dem Schneehafen weit borzuziehen und auch feinen noch näher verwandten geographiichen Ber- treten in anderen Ländern! Geradezu märchenhaft lauten die Schilderungen, die aus Ar- gentinien fommen, über die folojjale Vermehrung weniger dort ausgejegter Hajen binnen noch nicht zwei Jahrzehnten. Schon der tüchtige, leider fängjt veritorbene Sammelreifende -Mie hatte ung jeinerzeit darüber und Matjchie brachte Daraufhin 1899 in „Natur und Haus” eine Mitteilung über „Hafen in Argentinien”. Nach Matjchie „hat der deutjche Konful in Rofario, Herr Tietgen, im Jahre 1890: 8 deutjche Hafen auf der Ejtancia Hana bei Canada de Gomez ausgejegt. Dieje fühlen jich Dort in den immergrünen Steefeldern heimijch und haben fich jo vermehrt, daß der Hafe dort demnächit zur Landplage werden wird“. Und 1902 berichtet Freiherr Marjchald dv. Bachtenbrod in „Wild und Hund” aus Paunero,_ „daß mir hier in Argentinien bereits einen jehr bedeutenden Bejtand von deutjchen Hajen aufzumeiien haben ... auch breiteten fie fich fehr bald über große Teile der Provinzen Buenos Aires und Cordoba aus. Hier in unjerer Gegend, im Herzen der Republif, dem Süden von St. Louis und Cordoba, war e3 ein Franzoje, der fich von feinem deutjchen Berwalter zivet Nammler und zehn Häfinnen aus Sachjen vor nunmehr jechs Jahren hierher bringen Tief... Hier tun Füchje, Pampasfagen, Adler, Windhunde der Gauchos und leßtere jelbit mit den jelten fehlenden Bolas dem Gejchlecht derer von Lampe nod) jtarfen Abbruch, und Dennoch beginnt bei einzelnen jagdunfundigen Großgrundbejigern, die Zehntaujende von Morgen ihr Eigen nennen, bereits das Stöhnen über Wildjchaden, ... wenngleich in unferer, nur zur Viehzucht geeigneten und von Naubzeug wimmelnden Gegend die Vermehrung nicht io bedeutend ijt wie in jenen mehr Aderbau treibenden Provinzen...” 1906 war aber nach den Schilderungen eines anderen Deutjchen (B....haus, „Deutjche Jägerzeitung”) die Frage bereit3 „nicht mehr Die, ob man. wohl einen Hafen jchiegen, jondern vielmehr, wie man mehreren Taufenden zugleich den Garaus machen ann. Die argentinischen Hafen find etwas Ttärfer und jchtwerer als ihre deutjchen oder böhmischen Berivandten... Co zahlreich jind je geworden, da man bereits mit dem Plane umgeht, fie ebenjo wie die auftralijchen Kaninchen in gejtrorenem Zuftande zu Taujenden nach Europa zu jenden.” Zm Dftober 1907 enolich berichtet Hajt-Buenos Aires („St. Hubertus”): „Heute wurde hier ein Gejeb befannt ge> geben, nach welchem die Hafen al3. Plage angefehen und infolgedejjen für vogelfrei erklärt werden.“ Dann jchildert Hait die eigenartige, Dem Reiter- und Steppenland angepakte FZoım de3 argentinischen Hajentreibens, bei dem feitlic) aufgepußte Gauchos derart als Treiber Hafe: Einbürgerungen.” Jagdgejchichte. Eprichwürter, 117 dienen, daß je zivei einen von Pferd zu Pferd befejtigten, etwa 100 m langen Eifendraht auf dem Boden hinfchleifen und jo jede Streatur im Revier unbedingt zum Aufitehen bringen. sn der Mitte des Drahtes gehen die Schügen hinterher. Was nach rückwärts ausfommt, wird bon anderen Gauchos mit ihren Wurffugeln am Lederriemen unfehlbar zur Strecde gebracht. Alle... [hingen jie über ihrem Haupte ..., und für den Hajen gibt e3 fein Ent- fommen: bald liegt er, richtig eingerollt in dem Lederriemen, verendet am Boden... So haben wir vier Tage gemirtjchaftet. ch habe nicht annähernd eine Jdee, was zufammen- gejchojjen wurde; doch dürfte es die Zahl 10000 weit überfteigen. Die Hajen wurden fpüter von Snechten zufammengefahren und in langen Gräben verjchart.” Alfo heute jchon jtellenmweije diejelbe Hajenplage wie im nordamerifanifchen Weften! Und das noch nicht zwei Jahrzehnte nach der erjten Einführung! Mit derartigen Maßnahmen fann man gar nicht vorfichtig genug jein. Sie bleiben niemals das Privatvergnügen eines einzelnen, jobald fie gelingen. Auch nach Auftralien und Neujeeland hat jich unjer Haje leicht verpflanzen lajjen. Su Sidauftralien war er jtrichweife jchon in den 1880er Jahren jo Häufig, dat; man, wie Haade in der vorigen Yuflage unferes Werkes mitteilte, oft für fchöne Stüde nur etwa 1 Mart zahlte. Die in Neufeeland eingebürgerten Hafen find, laut N. dv. Lendenfeld, „nicht ge- wohnt, vor Feinden flüchten zu müjjen, recht faul geworden und laufen vor dem Säger jo langjam davon, daß jie jehr leicht zu treffen find“. Diejer glänzenden Gegenwart unjeres Lampe mit der weiten Verbreitung in über- jeeijche Länder und nur zu gutem Gedeihen dajelbit jteht eine recht bejcheidene vaterländijche Bergangenheit gegenüber. AUlsNiederwild jpielte ver Haje bei den fürftlichen und vornehmen Hochmwildjägern vergangener Jahrhunderte dem Nothirjch und dem Wildfchwein gegenüber gar feine Rolle, ebenjomwenig wie jein feindliches Gegenjtücd, der Fuchs, und zu den Zeiten vollends, da in den viel weiter als heute ausgedehnten Wäldern Deutjchlands der Wolf noch zahtreich Haujte, wird der Haje gewiß dejto fpärlicher vertreten gewejen fein. Die „Herren“ besten den Hajen höchitens einmal mit Windhunden oder liefen den Beizvogel draufftoßen. Kurfürft Johann Georg V. von Sachjen (1611—55) exlegte während der Zeit jeiner Re- gierung im ganzen 65700 Stüf Wild, darunter aber jo wenige Hafen, daß fie gar nicht mit _ bermerkt find. Landgraf Ludwig VII. von Hejjen-Darmitadt erlegte von 1735 bis 1760 weit über 3000 Stüd Rotwild, aber nur 246 Hafen, obiwohl er alles jchoß, was ihm vor die Büchje fam, jo unter anderem auch 720 Lerchen. Aus Landaus „Gejchichte der Jagd und der Zaltnerei in beiden Hejjen“ geht aber hervor, daß jchomde3 genannten Ludwigs ebenjo mweid- gerechte und jagdfreudige Ahnen, wie z.B. ein Schriftitüd Philipps des Großmütigen von 1553 beweiit, bejondere Hajenhegebezirfe unterhielten und zu deren Schube fehr ftrenge Ber- ordnungen erliegen. Eine jolche landgräfliche Hajenhege war die Umgegend von Stajjel: „bei Höchiter Bön und Straf, aud) des Landgrafen jchwerer Ungnade” war e3 dort Bürgern und Bauern verboten, einem Krummen Durch Hunde oder jonjtiwie zu.-nahe zu treten, und es izaren „allenthalben im Felde Säulen mit des Landgrafen Wappen” aufgerichtet, „Damit jedermann die Hege fenne und fich danach richten möge”. Anderwärts dagegen übten die Bürger der Städte die „Hajenjagd in alter Zeit” („St. Hubertus“, 1906) fleißig, jo unbedeu- tend auch die Beute meijt ausfiel, und zwar gewöhnlich nur auf dem Anftand mit der Fern- waffe, Armbruft, Balejter und jpäter Feuergewehr. Hauptjächlich aber wurde der Haje mit Sarnen gefangen, was man in Sachen und Thüringen „Hajenlaufchen” nannte. Bollstümlich und als Speife beliebt war er bei uns von jeher; das beweifen jchon Die 118 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hajen im weiteren Sinne. heute noch umlaufenden Redensarten, in denen fein Name vorkommt. Vor allem „Da liegt der Haje im Pfeffer!” d. h. der mittelalterlichen, reichlich mit Pfeffer gewwürzten Brühe, die man zu Fleijch und Fischen aß; ferner aus dem Bilde der Hebjagd: „Viele Hunde jind des Hajen Tod!” und „Wer weiß, wie der Haje läuft!” An jeine jprichmwörtliche Furcht- jamfeit fnüpft offenjichtlich der „Hajenfuß” an, der bei jeder Gelegenheit „das Hajenpanier ergreift”. Dagegen dürfte es wenig befannt fein, daß auch der „Schabernad” vom Hajen berzuleiten it, und zwar aus dem Steltischen, wo diefer Name des Hajen joviel wie Langohr bedeutet: der Langohr, der Dem Menjchen durch Schaden an DObit, Garten- und Feld- früchten Fleimen oder größeren „Schabernac” jpielt. Als „Dfterhas“, der den Kindern „Eier fegt”, verfinnbildlicht er die Fruchtbarkeit des anbrechenden Frühlings durch feine eigene Fruchtbarfeit. Das rege, vielfach überrege Gejchlechtsleben fiel allen Bölfern auf, Die Hafen beobachten fonnten, und tft vielleicht der Grund, warum manchen orientalischen Völkern bon ihren PBriejtergejebgebern der Genuß von Hajenfleijch verboten wurde, nach dem uralt eingewurzelten Glauben, Daß die Haupteigenjchaften des Tieres auf den Menjchen übergehen, der fein Fleisch ift. Die Römer dagegen liebten Hafenfleijch jehr und hatten den Wolfs- glauben, daß es jchön mache; in diefem Sinne gebrauchen ihre Dichter, namentlich der jcharfe Martial, manche tronische, ungalante Wendung. Gefangene Hajen werden leicht zahım, nehmen ohne Weigerung alle Nahrung an, die man den Kaninchen füttert, jind jedoch weich und jterben leicht dahin. Bringt man junge Hajen zu alten, jo werden jie regelmäßig von diejen totgebijjen. Anderen Schwachen Tieren ergeht es jelten bejjer: im Gehege von mir gepflegter Hafen fand ich eine getötete, halb auf- gefrejjene Ratte. Mit Meerjchtveinchen vertragen fich die Hafen qut. Yung eingefangene Hajen gewöhnen jich jo an den Menjchen, daß jte auf dejjen Auf Herbeifommen, die Nah- rung aus den Händen nehmen und Kunftitücdchen ausführen lernen; alte dagegen bleiben Immer ungelehrig und fernen faum ihren Pfleger fennen. Die Gefangenen find nett und munter, verlieren ihre Furchtiamfeit jedoch nicht. „Lächerlich jieht es aus“, jagt Lenz, „wenn man in ven Stall eines Hafen mit einem weißen Bogen Papier oder jonjt einem ähnlichen Dinge eintritt. Der Haje gerät ganz aus der Faljung und jpringt wie verrüdt meterhoch an ven Wänden in die Höhe.” Anderjeits gewöhnen jich Hafen jedoch auch nach und nach jelbit an ihre erklärten Feinde. Der föniglich bayriiche Nevierföriter Fuchs zu Wildenberg in Unterfranfen hatte, wie die „Jagdzeitung” erzählt, einen ausgewachjenen gezähmten Hajen, der mit den Jagohunden ein und Diejelbe Lageritätte teilte, mit ihnen auch aus einer Schüfjel fraß und bejonders die Zuneigung eines auf der Jagd fcharfen jungen Hühnerhundes jich in dem Grade erworben hatte, daß diejer ihn durch Beleden ujw. alle steundjchaftsbezeigungen angedeihen ließ, obgleich der Haje ihn und andere Hunde durch Trommeln auf Kopf und Nücen oft jehr rücjichtstos behandelte. MS bemerkenswert fügt der Beobachter noch hinzu, daß bejagter Haje nichts lieber fra als Fleifch jeder Gattung und nur in Ermangelung dejjen grünes Futter zu jich nahm. Kalb- und Schweinefleijch, Leber- und Schtwartenwurft brachten ihn in Entzüden, jo daß er tanzte, um Ddiejer Lerker- bijjen teilhaftig zu werden. Die fünjtliche Aufzucht mit der Flafche geht nicht immer glatt vor jich, und es mag Dabei, um Durchfällen vorzubeugen und der Vorliebe des Hafen für bittere Pflanzenftoffe entgegen- zufommen, empfehlenswert jein, der verdünnten Kuhmilch einige Tropfen einer Abkochung von Eichentinde beizumijchen. Ein Billenbefiger in einem Vororte Berlins Hat damit wenige ‚tens gute Erfahrungen gemacht bei feinem „Hajenbaby”, dejien Entwidelung und Eigenart he Hafe: Gefangenleben. Zucht. 119 er alferliebit fchildert („Weiowerf in Wort und Bild“, 1907). Er erhielt das Tierchen, einen oder zwei Tage alt, al3 Überlebendes von ziveien, unmittelbar nachdem das andere bon einer Krähe getötet worden mar, die vor jeinem Hunde abjtrich. An 15. Tage fing der Yunghafe an, jelbjtändig im Gemiüfegarten die erjten fungsverjuche zu machen. 10—11 Wochen alt, war er bereits „Dianas beiter Freund” und vergnügte fich mit der Lang haarigen auf dem Hundehofe. Nach mehr als 6 Monaten noch nahm ex dreimal täglich, morgens, mittags und abends, jein Fläfchchen, das ettva die Größe einer Cau de Cologne- Slajche Hatte. Das ijt gewiß eine Gefangenjchaftserjcheinung; aber jungen Tieren joll man in der Gefangenjchaft jo lange Milch geben, als fie jie nehmen; es ijt und bleibt doch das beite Nahrungsmittel. Die Hafenmutter Hat in der Freiheit mittlerweile fchon drei weitere Würfe zur Welt gebracht und zwingt wohl auch durch ihr feltenes Erfcheinen die hungrigen Jungen jchon innerhalb der erjten 14 Lebenstage zu felbjtändigen Aungsver- juchen. Der Junghaje folgte feiner Pflegerin, der Frau des Billenbefigers, „auf feinen Namen hörend, auf Schritt und Tritt, jelbit bis in feinen Zwinger. Siben wir im Garten, jo fommt er dicht an uns heran, animiert uns, mit ihm zu jpielen, und vollführt die jonder- barjten Sprünge, jich uns immer wieder jo dicht wie möglich nähernd. Fremde unterjcheidet er jchon am Tritt und ift dor diefen jcheu und argwöhnifch; ebenjo fürchtet er meinen zweiten Hund, einen Forterrier, der ihm allerdings auch nicht gewogen it.” Der erite Fall von Fortpflanzung des Hafen in einem zoologischen Garten ift wohl der 1883 zu Münjter beobachtete. „Die alte Häfin hatte für ihr Wochenbett durchaus feine Vor- fehrungen getroffen ..., da3 Junge mußte jich mit der nadten Erde begnügen. Die Alte belecte das Junge gleich nach der Geburt, und Ddiejes lief jofort umher. Entfernte jich die Mutter von ihm, jo lief es gleich hinterher, wußte aljo jeine Ernährerin zu erkennen, obgleich noch drei andere Hajen in dem Gelaß eingejperrt waren ..., alle aber liegen das Junge ganz unbehelligt.” Bei jeiner weiteren „Hajenzucht in enger Gefangenschaft” („Zoologischer Gar- ten”, 1885) fonnte Landois feine Beobachtungen fortjegen. „Die jungen Hafen halten jich den ganzen Tag über von der Mutter getrennt in einem Beritedfe. Die Mutter jucht die Kleinen niemals bei Tage auf. Exit des Abends, jobald die Sonne untergegangen, fommen Die Sungen hervor, juchen jofort die Mutter auf und fangen an zu jaugen. Bei dem geringiten gejahrdrohenden Geräufche Duden jich Die Jungen feit an den Boden.” Bei den alten Hajen war ein Albino und bei den Jungen auch. Lebteren jah Landois nach 3 Wochen „zuerit bei Tage umberlaufen, aber auch da nur furze Zeit”. Er beftäftigt ausdrüdlich, daß alle feine SHajen „jehr viel trinfen, namentlich wenn fie mit Trodenfutter (Hafer und Heu) gefüttert werden. Bei jaftiger Srautnahrung trinken fie allerdings viel weniger. Dat der Haje ein ausgeprägtes Nachttier ijt, fonnten wir an unjeren Gefangenen jo recht bemerfen. Tags- über jigen jie wie verjteinert, geducdt. Abends bei einbrechender Dämmerung gehen fie auf Nahrung aus. Und dann beginnt der Kramall, fie hegen fich, jpringen drüber und drunter, taufen jich, daß die Wolle jtiebt. Der Wärter fonnte nachts des Rumors wegen häufig nicht ichlafen... Das Saugen des jungen Albinos fonnte ich wiederholt beobachten. Der Sauger verjährt Dabei außerordentlich behende: er ergreift eine Zige, macht in einer Sefunde etwa jechs jchnelle Saugbewegungen und ergreift jofort eine zweite Zite, jaugt wieder gegen jechsmal, und jo geht’S der Reihe nach alle vier Zigen durch, um bei der erjten von neuem - zu beginnen.” Die jungen Häschen, denen die mütterliche Nährquelle fo jelten zuteil wird, haben e3 eben gelernt, jie rajch und gründlich auszunußen. „Daß der halbwüchjige Haie nicht allein noch an feiner eigenen Mutter fog, jondern auch die Zien der fremden Mutter 120 8. Ordnung: Nagetiere. Bamilie: Hajen im weiteren Ginıe. unjeres Heimen Albinos aufjuchte”, ift weiter feine „merfwirdige Berirrung”, wie Landois meint, jonvdern eine ganz gewöhnliche Gefangenschaftsericheinung, die man im zoologijchen Garten bei Tieren, die zu mehreren zufjammengehalten werden, tie Hirjche, Büffel, Kängu- rubhs, regelmäßig beobachten Fann. „Unfer” Feldhafe fieht natürlich in verfchiedenen Gegenden Deutjchlands — und erit recht Europas — deutlich verfchieden aus, und wenn ein Oftpreuße von „jeinem” Hafen jpricht, ein Nieverrheiner und ein Bader, fo ift Das Tier, das er meint, toifjenfchaftlich ganz gewiß nicht genau Ddasjelbe. Jm bejonderen hat Dr. Thienemann, der treffliche Bogelwart von Rojjitten, auf die Neigung zu lehmgelber Farbe bei den Hafen der Kurifchen Nehrung aufmerfjam gemacht. Smnerhalb der Grenzen unjeres Deutjchen Reiches hat man indes bis jeßt nicht verjchtedene Hajenarten oder -unterarten aufgeftellt, obwohl man dies ficherfich - hier ebenjogut hätte tun können wie in anderen europäijchen und außereuropätfchen Länder- gebieten, wo es gejchehen ift. Zum mindeften ift anzunehmen, daß ein Weichjelhafe, ein Dpderhaje, ein Elb- und Kheinhafe und ein Donauhaje jich unterfcheiden lajjen werden nicht nur an verjchiedenen Zarbentönen des Felles, jondern auch an gewifjen feineren Schädel- und Zahnmerfmalen. Allerdings ift dies Heute vielleicht fchon mehr oder weniger erjchwert ducch Die Ausjfeßungen fremder (meift wohl Donau-) Hafen, wenn wirklich tiefer gehende Bermijchungen ftattgefunden haben. Die Zahl der außerdeutjchen Hajenarten und -unterarten aus der Alten Welt da- gegen, die in Trouejjarts Supplement, alfo bis 1904, unterjchieden werden, beträgt nicht weniger als 56, und inzwiichen find noch weitere hinzugefommen. Cie find al3 geo- graphijche Vertreter des vdeutjchen Yeldhafen im Weiten, Süden und Dften zu betrachten und werden auch bon der neuejten Syjtematif jämtlich derfelben Untergattung Lepus im engiten Sinne zugerechnet. Ceit das altbefannte „Lepus timidus“ Linnds auf den Schneehafen übergehen und jür den Zeldhajen das Pallasiche „Lepus europaeus“ angenommen tverden mußte, ift es Klar, daß diejer Name, dem Forjchungsgebiet feines Schöpfers entfprechend, in erjter Linie einem nordrufliichen, mit anderem Worte: nordofteuropäifchen Hafen zufommt. Eine folche nordöftliche Forum unterjchied jchon Blafius, nannte fieaber, da für ihn der-mitteleuropäifche Haje noch L. timidus war, L. aquilonius Blas. und bezog auf fie auch den Nilffonjchen L. medius Nilss. Cr fennzeichnet diefen Hafen durch „jehr Dichte und lange Behaarung mit Dichtbehaarten, ziemlich langen Ohren, jtarfem Anflug von Weil; auf den Körperjeiten und Schenfeln, im Winter mit grauem Rüden, graumeißen Seiten und Schenfeln”. Auf den erjten Blick unterjcheidet ihn aber neben dem hellen Winterbalg jchon die Größe: man muf jtaunen, wenn man 5.8. bei ven Mosfauer Wildhändlern die riefigen mweißguauen Feld- - hajen der Gegend neben den viel Eleineren reinweißen eigentlichen Schneehafen Hängen jieht! Hilzheimer, der neuerdings („Sahreshefte Des Vereins für vater. Naturfunde in Württem- berg“, 1908), „Die Hafenarten Europas" näher unterfucht Hat, möchte in Europa vier Ver- breitungszonen verfchiedener Formen des europäischen Hafen einfchließlich des Schneehajen” annehmen, die ungefähr gleiche Elimatifche Verhältniffe umfafjen und daher von Nordweit nach Südoft verlaufen, entiprechend dem immer fontinentaler, d.h. im Winter fälter werdenden Klima. Die erjite Zone erftreckt fich von England iiber Frankreich und Spanien, Stalien, Griechenland und die Türkei wahrjcheinlich bis nach Stleinajien;; doch ift von hier (und ebenjo aus Belgien) noch zu wenig über Hafen befannt. Gie umfaßt die füdlichen, Heinen, lebhaft W n [2 Hajen der Alten Welt. 12] gefärbten Hajenformen. Die zweite Zone, bon den Bogefen über Deutfchland, Dfterreich- Ungarn, Numänien, Südrußland fich Hinziehend, wird von größeren, diüjterer gefärbten Hafenformen bewohnt, die im Fontinentalen Often auch fchon anfangen, zum Winter weil; zu werden, namentlich auf Rüden und Oberjchenfeln Handbreit vor dem Schwanz. Die dritte Zone, bon Seeland in Dänemark über die Dftfeeländer, Petersburger und Mosfauer Gegend bis Charkomw, gehört der oben jchon genannten medius-aquilonius-Öruppe und die vierte (Irland, Schottland, Skandinavien, Nordrußland) dem Schneehafen an. „Über die Hafen Wefteuropas und Nordafritas” hat der früher am Londoner Wujeum als Säugetier- Ioftematifer tätige de Winton eingehendere Studien gemacht („Annals and Magazine of Natural History“, 1898).- Er bejchreibt und benennt den füdenglijchen Feldhajen aus der Grafjchaft Herefordihire als bejondere Unterart L. europaeus oceidentalis, zumal dieje wwejt- europätfche Form nicht nur wärmer, mehr rötlich gefärbt, jondern auc) Heiner ift, 2,5 cm fürzere Hinterläufe hat. Yerner den L. lilfordi Winton (granatensis), dem er jogar den Nang einer jelbitändigen Urt zufpricht: es ijt der jüdjpanijche Haje aus der Gegend von Sevilla, aljo dein Flußgebiete des Guadalquivir. Sein auffallendites Merkmal ift der jcharfe Unterjchted zwijchen der rötlich hafenfarbigen, aber mit langen, weißjpigigen Grannenhaaren Dinten und in den Weichen bejonders gezierten Dberjeite, die viel mehr gewellt und geloct it al3 bei unjerem Hafen, und der bis auf ein Dunfelfahles Kehlband jchneeweißen Unter- jeite. Den L. mediterraneus Wagn. hat der treffliche Johann Andreas Wagner, dem wir die Heute noch wertvollen Supplemente des Schreberichen Säugetierwerfes verdanken, 1841 der Wijjenichaft zugeführt. E3 it der Haje Sardiniens, der heute nur noch als Unterart (L. europaeus mediterraneus) gilt. Er ijt über ein Drittel Feiner al3 der unjrige; die Glied- maßen find jchmächtiger, die Ohren verhältnismäßig länger, nur an den Rändern Dicht be- haart, jonft nackt, Höchjtens [pärlich mit funzen Härchen überflogen. Die Erforjchung der Hafen der Slaufafusländer und weiterhin auch des rufjiichen Aliens bat Satunin im faufafischen Mufeum von Tiflis umfajjend in Angriff genommen und jchon ein gut Stüc gefürdert. In feiner Arbeit über „Die Säugetiere des nordöftlichen Zis- Taufajiens” (Tiflis 1907) fonımt jchon der L. caspius Zhrbg. des alten Berliner Säugetier- orjchers Chrenberg aus dem fandigen Küftenftreifen am Kafpijchen Meere wieder zu Ehren; und die „Mitteilungen des Kaufafiichen Mufeums” (1907) über „Neue und wenig bekannte Säugetiere aus dem Kaufajus und Transfajpien“ bringen dann den Keinen Steppenhajen Dittransfaufafiens:al3 neue Hafenart (L. eyrensis Sat.) Fraft „jeines augenjcheinlichen Unter- jchiedes von dem Feldhafen nördlicherer Gegenden... Längs dem Nuraflufje habe ich ihn bejonders in Menge angetroffen, weswegen ich ihn auch nach dem Namen diejes Flufjes (Kyros oder Cyrus im Altertum) benannt habe.” Über ihn fagt fchon Guftad Radde, der berdiente Erforjcher der kaufafiichen Tier- und Pflanzenwelt, Schöpfer und erjte Leiter des Tislijer Mufeums: „Die Hajen in der Muganfteppe und auf den Dünen jind jahrmweije un- glaublich Häufig, in anderen Sahren viel varer; man ijt der Meinung, daß jie nicht jelten bon verheerenden Epidemien heimgejucht werden.” Und Satunin fügt Hinzu: „Der Haje hält fic) an offenen Stellen auf und liebt bejonders folche, die mit Fleinem ©ejtrüpp be- wachjen find; in den Talyjcher Wäldern aber kommt er durchaus nicht vor. MWiedielmal im Sahre die Häfin Hier Junge zur Welt bringt, fonnte ich nicht genau feititellen; ich fand jedenfalls jchon zu einem Drittel erwachjene junge Hafen Ende März, und trächtige Hü- jinnen traf ich fait den ganzen Sommer an... Sm den von mir unterfuchten Weibchen fand ich gewöhnlich je 3 Embryonen.” 122 8. Dripnung: Nagetiere. Familie: Hafen im weiteren Sinne. Die nächiten Verwandten jeines Talyjcher Berghafen jucht Satunin ganz natürlicher- und folgerichtigermweife unter den wejtafiatijchen Hafenarten: dem transfafpijchen L. lehmanni Sev., dem L. craspedotis Blanf. aus Balutfchiftan und dem, was Büchner bei jeiner Be- arbeitung der Prichemwaljkyichen Ausbeute fonjt noch alsL. tolai Pall. (Taf. „Nagetiere III”, 1) zufammengefaßt hat. Satunin fieht darin eine Gruppe ajiatifcher Hajenarten, „welche hauptjächlich durch eine ftarfe Enttwicdelung der rötlich-roftfarbigen Haarfarbe auf dem Naden, der Bruft und der Unterjeite des Haljes ausgezeichnet it”. E3 jind die Hafen des wejtlichen Innerafien, die hier in den verfchiedenen natürlichen Ländergebieten jich nachbar- (ich gruppieren. Den Bereich desL. tolai Pall., ven Büchner weit nach Weiten ausgedehnt hatte, befchränfte Satunin in feiner neuejten Arbeit: „Über die Hafen Zentralafiens (1907), auf Grund des inzwijchen ftarf angewachjenen BergleichSmaterials im Petersburger Mujeum wieder auf das Vorkommen der typiichen Originalftüde, nach denen Pallas jeinerzeit Die Art aufgeitellt hatte, d. h. auf Transbaifalien (Gebiet des Selengaflufjes), und fügte zu- gleich noch eine ganze Reihe neuer Arten mehr aus dem DOften der innerajiatischen Wüften und Hochiteppen, aus der Mongolei, der Gobi und Djfttibet, Hinzu, „Die von den legten Erpeditionen PB. K. KRozlovs und anderer Reifenden aus Zentralajien gebracht” worden waren. liber das Leben diefer Wüftenhafen des innerjten Afien, die er noch als L. tolai zufammenfaßt, jagt Büchner nach Prichewalify unter anderem: „Da diejer Haje jich von Saljolaceen, auch von Saraul nährt, die reich an wafjerhaltigen Säften jind, jo fühlt er jich jehr wohl auch in den volljtändig mwafjerlofen Gegenden der Gobi; doch Hat er zumeilen während der Sommerhige nicht wenig bon Durst zu leiden, und N. M. Prjchemalfft fand in Brunnen mehrmals ertrunfene Hafen... Während der vierten Erpedition, Ende Januar 1855, fand N. M. Prichewalify Feine Hafen im Altiju-tag (im Tale des Kurgan-jjai), wo jie 1877 häufig angetroffen wurden. Nach Ausjage der Eingeborenen waren die Hajen hier wahrjcheinfich an den Folgen des ftrengen Winters eingegangen... Die allgemein für die Hafen gebräuchliche Bezeichnung lautet nah N. M. Prihewalffy mongoliih Tolaı...“ Mit dem oftturfeftanifchen L. yarkandensis Gthr. treten wir dann jenjeit3 des Tian- ichangebirges in das Tarimbeden und Zobnor ein, d. H. in die Mitte des innerajiatijchen Hocd)- (andes, und L. tibetanus Wtrh., der Haje von Wejttibet, Dftafghanijtan und -balutjchiitan führt ung anderfeit3 nach Indien. Er muß wohl in Erfcheinung und Wejen bis auf die langen Hafenohren etwas Kaninchenartiges haben. Wenigitens fonnte Lydeffer „Das wilde Kaninchen von Aftor” nicht anders bejtimmen, das ein alter indijcher Kolonialoffizier, Greig, 1910 im „Field“ aus feinem Marjchtagebuche jchilderte. E3 flüchtete jich in Feljenhöhlen, hatte weißes Fleifch und, wo e3 vorfam, konnte man überall die jedem Jäger befannten „Kraber” (angefangene Baue) in der Erde jehen. Alle die genannten Hajenformen unter- jcheiden fich nicht nur äußerlich in der Farbe, Größe und verhältnismäßigen Ohrenlänge, jondern auch tiefer gehend in Schädel- und Zahnmerfmalen. In Hinterindien und der zugehörigen Injelwelt fehlten angeblich (Blyth) Hafen im engiten Sinne der Gattung Lepus; nur aus den indochinefischen Grenzgebieten hatte man unbejtimmte Nachrichten von folchen, und auf der anderen Seite reicht tatfächlich der Begır- haje (L. peguensis Blyth) von Burma nur bis ins obere Vegu. An der Jrramaddimündung gibt e3 feine Hafen, und ebenjo fehlen fie jenfeits des Arafangebirges, das das Jrramaddital im Wejten begrenzt, in dem öftlichen Küftenftreifen des Golfs von Bengalen. Dagegen be- fand jich unter einer Fleinen Säugetierfammlung aus Siam, die Bonhote 1901 bearbeitete, ein Hajenjchädel und unter einer zweiten 1902 auch ein Balg, auf den er dann den Nagetiere III, x Da NIT XI ’ a 2. Kalifornifcher Ejelhafe, Macrotolagus californicus Bachm. 1/6 nat. Gr., s. S.56. — Nach einer Photographie aus „New York Zoological Park“. A Lu 3. Kleine Chinchilla, Chinchilla laniger Mol. 1/5 nat. Gr., s. S. 129. — P. Kothe-Berlin phot. 4. Viscacha, Viscacia viscacia Mol. !/s nat. Gr., s.S.132. — W. S. Berridge, F. Z. S.- London phot. BUEEHEERERTE Hajen’ der Ulten Welt. 123 L. siamensis Bonh. gründete: dies bedeutete die Zeritörung eines tiergevaraphiichen Vor urteils, an dem man jeit Blyth und Smwinhoe feitgehalten hatte! &3 folgen die Hafen Tibets und der Himalajaländer (L. oiostolus Hodgs., L. pallipes Hodgs., L. hypsibius Blanf.), die Blanfotd in ein bejonders interejjantes Licht rückt Dadurch, daß er fie fir nahe verwandt mit dem Schneehajen erklärt. -Tatjächlich leben dieje Hafen, die in jeiner „Fauna of British India” als Wol- und Hochlandshaje gehen, nach jeiner und Büchners (Brichewalifys) Angaben in ganz erjtaunlichen Höhen von 5000 mund mehr; e3 wird aber nirgends gejagt, daß jie im Winter weiß würden. Die lodige, wollige Be- haarung wird allerdings mehrfach hervorgehoben, und Büchner gibt nach Brichewalifys Notizen auch bemerkenswerte Einzelheiten aus der Lebensweije, jo Lieblingsaufenthalt an Flüffen zwifchen Steinen, Benubung verlaffener Korjakfuchs- und Murmeltierbaue, ver- hältnismäßig frühes Herausfahren und Flüchtigwerden vor dem Menjchen. Über den gewöhnlichen indifchen Hajen, dejjen toiljenjchaftlicher Name, L. ruficau- datus Geoffr., auf feinen oberjeit3 totbraunen Schwanz Bezug nimmt, hören wir bei Blan- ford einiges. In vielen Teilen Nordindiens, two er oft gejchojjen und gelegentlich auch mit Windhunden gehebt toird, ift er gemein vom Fuße des Himalaja an; nach Dften geht er bis Ajjfam. Im Indusgebiet (Sind, Weit-Najputana und Sidmweit-PBunjab) wird er durch den Sindhajen, L. dayanus Blanf., exjebt, der entjprechend der Natur jeiner Heimat mehr eine Wiüftenforn ift. Verfolgt, nimmt er nicht felten jeine Zuflucht zu einem Fuchs- oder an- deren Bau. Blanford fand in mehreren Fällen die Häfin nur mit einem Jungen tragend; Hodgjon dagegen fand zwei und hält diefe Jungenzahl für die gewöhnliche. Die jüdliche Hälfte Indiens vom Godavarifluß und der Gegend von Roona in Deffan ab nebit Ceylon bewohnt der Schwarznadenhafe, L. nigricollis F. Cuv., der durch einen großen jchwarzen oder braunfchwarzen Fled im Genie genügend gefennzeichnet ijt. Er geht auch in die Berge hinauf und findet ich Häufig,in den Nilgivis, wo er jeinen Schlupfwinfel oft in hohlen Bäumen hat. Nach Davifon bringt er gewöhnlich ein Junges auf einen Wurf, nicht jelten aber auch zwei. In den Nilgiris pflanzt er fich Hauptjächlich von Dftober bis Januar fort. Unjere Kenntnis der vorderafiatischen und nordoftaftifanifchen Hafen verdanfen wir wejentlich der Forjcherarbeit von Hemprich und Ehrenberg, die 1830 als Ausbeute gemein- jamer „Naturgeschichtlicher Reifen durch Nordafrika und Weftajien” in den Foliomappen ihrer „Symbolae physicae“ die lateinijchen Bejchreibungen lieferten. Neuerdings haben dam hauptjächlich de Winton und der treffliche Anderjon in jeinem auch mujtergültig illuftrierten Lebenswerk „Zoology of Egypt‘ das übrige getan, jo daß wir heute über dieje Hajenarten einigermaßen unterrichtet find. Auffallende Ohrenlänge bei Shmächtigem Körperbau und blajjen Farben ijt ein gemeinjames Merkmal der meijten afrifanijchen Hafen. Dieje Hafen (L. aegyptius Desm., L. isabellinus Ortzschm., L. habessinicus Ehrög.), arabijch Erneb genannt, habe ich auf meiner furzen Reife im Frühjahr 1862 ebenjo häufig in der tiefliegenden Samhara als auf den Hochebenen der Bogosländer gefunden und als ganz eigentümliche, dummdreite, alberne-Gejchöpfe fernen gelernt. Die Gebirgs- und Küftenbewohner Abejfiniens halten, obgleich jie zum Teil Mohammedaner und zum Teil Chriften find, die mojaischen Gefete noch hoch in Ehren und verachten daher auch das Wild- bret des Hafen. Nur hiermit fann ich mir die Dummdreiftigfeit des langlöffeligen und langläufigen Gejellen erklären. Fernab von den Orten, two weniger bedenkliche Europäer wohnen, it der Hafe überall außerordentlich häufig. Zumeilen fpringen vier, jechs, acht Stüt zugleich vor dem Jäger auf. Im Lager, mit dejjen Anfertigung der Erneb fich feine 124 8. Dronung: Nagetiere. Familie: Hafen im weiteren Ginne. Weihe gibt, gervahrt man ihn, dank feiner Gleichfarbigfeit mit dem Boden, nur fehr felten; er fteht auch immer ziemlich früh auf, weil er, wenn ein Geräufch ihn aus dem Schlafe jchreckt, fich exft Darüber Gewißheit verschaffen will. Gewahrt er mun bloß einen heran- fommenden Denfchen, jo beeilt er fich nicht im geringften wegzufommen, jondern läuft ganz gemächlich und langjam weiter, dem eriten beiten Bufche zu, feßt fich Darunter in der be- fannten Stellung nieder und richtet einfach feine Löffel nach der bedenflichen Gegend hin. Die Büjche, welche die bei ihm jehr beliebten Ebenen bededen, find fo dürftig, fo Ficht, jo durchlichtig, daß man ihn auf Hundert Schritt Entfernung immer noch fehen fann; gleich- tohl läßt er einen jorglos bis auf dreißig Schritt heranfommen, geht dann weiter und wieder nach einem Bujche zu, wo er genau Dasjelbe wiederholt wie vorhin. Nicht einmal nach einem Sehlihujje verändert er fein Wefen: troß des erjchredenden Sinalles und des unzweifelhaft vernommenen !Pfeifens der Schrotfürner fchaut er nad) einigen Minuten dem Schüßen von neuem jo widerwärtig zudringlich in das Rohr wie früher. Wenn man nicht auf ihn schießt, fann man ihn aus demjelben Bujche tagelang nacheinander Herausjagen; denn man wird ihn immer und immer wieder an dem einmal gewählten Orte finden. Ganz anders ver- hält jich die Sache, wenn ein Hund, und wie man hieraus mit Necht Schließen fanın, ein Fuchs, Schafal oder Wolf den Erneb auffcheucht: dann gebraucht ex feine Läufe genau mit der- jelben Ausdauer wie Freund Lampe. Dan jeiner Behendigfeit entfommt er auch meijtens dem vierbeinigen Jäger; dafür lauert freilich in der Höhe ein gar fchlimmer Feind, der Raubadler nämlich, welcher nur auf folche Gelegenheit wartet, um auf den über eine fahle Fläche wegeilenden und jomit einige Augenblide lang unbejchüsten Nager herabzuftogen. Cr nimmt ihn ohne weiteres dom Boden auf und erdroffelt den ihm gegenüber Wehrlojen, noch ehe Diejer recht weiß, was ihm gejchieht, in feinen gewaltigen Fängen. — hnliches erzählt Dsfar Neumann von dem Hafen des Somalilandes, L. somalensis Hgl., den er ge- mwöhnlich mit der ziwerghaften Madoquaantilope aus demjelben Bujche herausfahren jah. Aus Weftafrifa verzeichnet das Trouefjartihe Katalogjupplement von 1904 nur eine einzige dort ausjchlieglicdh Heimijche Art, den L. salae Jent. aus Benguella und Mofjamedes, der jüdlichen Küftenzone der portugiefifchen Stolonie Angola. Im übrigen wird dem Hafen des Ktaplandes weite Verbreitung nach Norden zugejchrieben, bis zum Kongo im Weften und zum siilimandjaro im Often. Tatjächlid) fehlen Hafen auch in Weftafrifa nicht, und unter den Ein- geborenen gibt e3 dort Sagdliebhaber, die zwar mit ihren Steinfchloßflinten nicht auf flüch- tiges Wild Schießen, dafür aber von den gemeinen Dorfhunden etliche, die dann wertgehalten werden, pirklich zur Jagd abgerichtet Haben. Sie ducchjtöbern mit ihnen Geftrüpp und Gras- veitände und heben fie, wenn ein Hafe aufgejtogen wird, diefem nach, wobei fie natüclich jelbjt um Die Wette mitlaufen. Sie müjjen e3 auch, wenn fie etwas vom Wildbret Haben wollen; denn Die Hunde jchneiden den Hafen an, jobald fie ihn gegriffen Haben, und frejjen ihn auf, wenn nicht ihr Herr jehr bald heranfommt. Merkwindig ift es immerhin, daß dieje verfümmert ausjehenden Hunde den jchnellen und Hafen fchlagenden Hafen einzuholen vermögen; es gelingt ihnen aber fait regelmäßig innerhalb eines Laufes von 300—500 Schritt Länge, und eine Fehljagd gehört, wenigitens in flachem Gelände, zu den Ausnahmen. : Bon den beiden altbefannten Hafenarten Südafrifas, dem fchon von Linn benannten Staphajen, L. capensis Z., und dem Berg- oder Feljenhajfen Cuviers, L. saxatilis F. Cuv., hat nur der Staphafe, der bedeutend leiner ift und ein gröberes und an den Füßen fo furzes Haarkleid hat, daß die Krallen faum bededt werden, die außerordentlich weite Vexbrei- tung nad) Norden, wie oben angegeben; der Zeljenhafe, der auch viel längere Gliedmaßen a re E = pr Afrikanifche Hafen. r25 und von fangen Haaren bededte Krallen Hat, ift allem Anschein nach auf die höheren Verg- bezirfe Eüdafrifas bejchränft. Der Ktaphafe bewohnt, nad) W. &. Eclater, unbebautes Land und mit zerjtreutem Bufchtwerf bewachjene Stellen. (And ven Menfchen und feinen Aderbau jcheint fich noch feine aufereuropäiiche Hafenart gewöhnt zu haben. ) Man fann ihn oft im Morgendämmer und des Abends auf den Grasfleden der Wege fich äjen fehen. Verfolgt, hält er jtets die Löffel hoch, nimmt feine Zuflucht unter die Erde, wo er fan, obaleich er fich (als echter Haje) jelbjt feinen Bau gräbt. Deshalb jchägen ihn Die Kapengländer auch nicht als Hebtwild und benugen für ihre Neitjagden ftatt feiner lieber feine Antilopen. — Sonft gleichen die jüdasrifanischen Hafen in ihrem Wejen durchaus nicht dem Exneb, fondern _unjerem Feldhafen. Sie find jcheu mie diefer und nicht leicht zu jchiejen, da fie beim Flüchten in der Steppe durch Gejtrüpp und Grasmwuchs gut gededt werden. Ihr Benehmen muß auch auf die menjchlichen Eingebotenen ihrer Heimat den Eindrucd befonderer Schlau- heit gemacht haben; denn während in -unferer Tierfabel Meifter Lampe in der Regel der Detrogene it, jpielt in den entjprechenden Volfserzählungen der Sulus und Hottentotten der - Safe geradezu die Rolle unjeres Reinefe Fuchs, und für boshafterweife faljch ausgerichtete Botjchaft ift ihm fo vom Mondgott der „Mund gefpalten” worden. Nur einmal war er nicht auf dem Bojten: als die Schwänze unter Die Tiere verteilt wurden, wagte er fich wegen - jchlechten Wetters micht aus feinem Lager heraus, und die anderen Tiere, die er beauftragt - hatte, ihm>eine jolche Zier mitzubringen, tießen ihn aufjißen. Aus unjeren afrifanischen Kolonien ift die Ausbeute an Hajenarten bis jeßt gering. Aus dem zoologijchen Reftafrifa, d. h. der Waldregion um den Meerbufen von Guinea, dürfen wir allerdings feine Hafen erwarten: fie fommen dort ebenjomwenig vor wie andere Steppentiere. Aber in den Hinterländern, mehr im Innern, find fie vorhanden, und fo hat Matjchie bereits im Jahre 1899 einen L. zechi Misch., einen Kleinen, furzohrigen Hajen mit heller Echwanzoberjeite bis auf den dunfeln Mittelftreif, aus Togo, dem um dieje Kolonie hochverdienten Grafen Zech zu Ehren benannt. Eine am 2. April exlegte Häfin enthielt 3 Embryonen. Jm übrigen können wir bis jet nur aus Deutjch-Ditafrifa zwei Hafen- jormen anführen: den oderfüßigen Hafen mit dent rojtgelben Nadenflee (L. capensis ochropus Wagn.), ven Wagner jchon 1844 vom Kaphajen abtrennte, der aber neuerdings diejem al3 Unterart wieder untergeordnet wird, und den viel blafjeren, mehr grauen und hell federfarbigen L. vietoriae 7’hos., aus dem Innern, vom Südufer des Viftoriajees. Den deutjehoftaftifanifchen Hajen fand Emin Bafcha „an der Küfte jelten, im Innern gemein. Liegt jehr feit”. Böhm erwähnt eine Eigentümlichfeit, die bei mancher Hafenart die Ver- wendung des Felles erichiwert. Diejes „ilt jo außerordentlich zart, daß e8 nicht gelang, einen brauchbaren Balg zu erhalten. Die Eingeborenen jengen dem Hafen einfach die Haare ab, ohne das Fell abzuziehen... Man trifft ihn niemals in einer Schamba (bebautes Feld), jon- dern jtets im offenen PBori oder in der Boga (Steppe). Sein Schwanz ailt al3 Ganga” (Zaubermittel). Auf Stuhlmanns großer Sammelreije für das Hamburger Mufeum von ‚Bangant jüdlich bis ins Portugiefifche (1888/89), deren Eäugetierausbeute Noad-Braun- jchtweig bearbeitete ebenjo wie die Böhmfche, fand jich der Haje überall häufig und wurde oft von den Trägern gefangen, denen er ein großer Lederbijjen mar. 2. Unterordnung: Einfachzähnige (Simplicidentata). Dieje, welche die Hauptmajje der ganzen Drönung ausmachen und als Schneidezähne oben wie unten nur die beiden befannten großen Nagezähne haben, beginnen wir mit den 126 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hafenmäufe im weiteren ©inne. ausschließlich füdamerifantischen KSormen, die jich äußerlich noch am beiten an die Hajen- artigen anjchliegen lafjen, wenn auch innerlich faum irgendwelche bejonders nahe Vermandt- ichaft bejteht. Wir treten damit zugleich in die zweite größere Nagergruppe ein, Die man neben den Hafenfürmigen (Lagomorpha) unterjchieden hat: Die Stahelihweinförmigen (Hystricomorpha), deren Schwerpunft in Südamerifa liegt. Sie werden durch gemilje Eigentümlichfeiten des Gebijjes, Schädel- und Gliedmaßenbaues enger zujanmengehalten, jo daß fie auch die neuefte Syftematif al3 nähere Verwandte noch-gelten läßt. Ihre Mert- male find: der untere hintere Fortjat Des Unterkiefer (Processus angularis) entjpringt an der Außenfeite; Jochbogen ftarf, Schien- und Wapdenbein vollfommen getrennt. Exit in der Neuzeit ift man befannter geworden mit den Mitgliedern einer Fleinen Familie amerikanischer Tiere, deren Felle jchon jeit alten Zeiten von den Ureingeborenen Siüdamerifas benußt und auch feit Ende des achtzehnten Jahrhunderts in Menge nach Europa ausgeführt wurden. Die Hajenmänje im weiteren Sinne (Samilie Viscaciidae, früher Lagostomidae) fünnte man äußerlich als Mittelglieder zivischen den Mäufen und Hafen bezeichnen. Wenn man fie Kaninchen mit langem, bujchigem Schwanze ‚nennt, hat man ihre Fürzejte Befchreibung gegeben. Doch unterjcheivet fie jelbitverjtändlich von den Hafen icharf und bejtimmt das Gebiß. Die Baczähne jind wurzellos, zeigen 2—3 gleichlaufende Schmelzblätter, und die Reihen nähern jich porn einander. Der feinte Pelz, Den Säugetiere überhaupt tragen, dedt den Leib mehrerer hierhergehöriger Gattungen. Seine Färbung it ein lichtes Grau mit Weiß und Schwarzbraun oder Gelb. Alle Hajfenmäuje bewohnen Sidamerifa, und zwar größtenteils das Gebirge noch in bedeutender Höhe zwilchen den fahlen Feljen unter der Schneegrenze; nur eine rt lebt in der Ebene. Natürliche Höhlen oder jelbitgegrabene Gänge bilden ihre Wohnungen. Ylle jind gejellig, manche beiwohnen familienweije eine und Ddiejelbe Höhle. Wie die Hajen dem Lichte abhold, zeigen jie jich am meiften in der Dämmerung oder in der Nacht. Sie jind ichnelle, lebhafte, behende Tiere und auch in ihren Bewegungen halb Kaninchen, halb Mäufje. Das Gehör jcheint der am beiten entiwicelte Sinn zu fein. Jhr VBerjtand ijt ge- ung. Wurzeln und Flechten, Zwiebeln und Rinde, auch wohl Früchte bilden ihre Nahrung. ‚sore Vermehrung it ungefähr ebenjo groß wie die der Hajen. Manche Arten richten Schaden an oder werden wenigftens dem Menfchen durch das Unterwühlen des Bodens läftig, alle aber nüsen durch ihr Fleiich und Fell. Die Chindillas (Gattung Chinchilla Benn., früher Eriomys) zeichnen jich Durch diden Kopf, breite, gerundete Ohren, fünfzehige Border>, vierzehige Hinterfüße und den langen, ‚außerordentlich weichen und jeidenhaarigen Belz vor ihren Verwandten aus. Die Bakzähne find aus drei Schmelzblättern gebildet. Man fennt bloß zwei Arten Diejer Tiere, die große Chinchilla, Chinchilla brevicaudata Wtrh., und die Feine Chinchilla oder Wollmaus, Chinchilla laniger Mol. Exjtere wird 30 cm lang und trägt einen 13 cm, mit den Haaren aber 20 cm langen Schwanz. Der gleichmäßige, feine, überaus weiche Pelz it auf dem Nüden und an den Seiten mehr al3 2 em lang; die Haare find an der Wurzel tief blaugrau, fodann breit weiß geringelt und an der Spibe dunkelgrau. Hierdurd) erjcheint die allgemeine Färbung filberfarben, dunfel angeflogen. Die Unterjeite und die Fühe jind rein weiß; der Schwanz hat oben zwei dunkle Binden; Die Schnurren jehen an ihrer Wurzel ihmwarzbraun, an der Spiße graubraun aus. Die grogen Augen find jchwarz. Chinchilla. 127 Schon zur Zeit der Anka verarbeiteten die Peruaner das feine Seidenhaar der Chin chilla zu Tuchen und ähnlichen jehr gefuchten Stoffen, und die alten Schriftiteller, wie Acojta und Molina, geben ziemlich ausführliche, wenn auch nicht eben getreue Schilderungen des wichtigen Tieres. Ym achtzehnten Jahrhundert erhielt man die eriten Pelze als große Eelten- heiten über Spanien, im vorigen wurden jte zu einem gewöhnlichen Handelsartifel; aber erjt im Jahre 1829 vermochte Bennett Ausführlicheres über das Tier zu berichten, nachdem er e3 fich lebend verschafft und in England längere Zeit beobachtet hatte. Der Neijende, welcher in früheren Jahrzehnten von der weitlichen Küfte Südamerikas die Kordilleren eniporklinmte, gewahrte, wenn er einmal eine Höhe von 2—3000 m erreicht hatte, oft meilenweit alle Feljen von Ehinchillas und Hafenmäufen (Lagidium) bededt. In Peru, Bolivia und Chile müjjen dieje Tiere überaus häufig gewejen fein; denn wir erfahren von älteren Reijenden, daß jie während eines Tages an Taufjenden borübergezogen find. Das fommt heute nicht mehr vor: wie alle wertvollen Pelztiere, Hat man auch die Chinchilla der Ausrottung nahe gebracht! Die Lebensjchilderung muß daher mehr oder weniger auf vergangene Zeiten zurüdgreifen. Auch an hellen Tagen jieht man die Chinchillas vor ihren Höhlen fiten, aber nie auf der Sonnenjeite der Feljen, jondern immer im tiefiten Schatten. Noch häufiger gewahrt man fie in den Früh- und Abenditunden. Ste beleben dann das Gebirge und zumal die Grate unfruchtbarer, jteiniger und feljiger Gegenden, two die Pflanzenwelt nur noch in dürftigiter Weije jich zeigt. Gerade an den jcheinbar ganz Fahlen Felswänden treiben fie fich umher, fich ungemein schnell und lebhaft bewegend. Mit überrajchender Leichtigkeit Klettern fie an den Wänden Hin und her, auch wenn dieje gar feinen Anja zu bieten jcheinen. Sie fteigen 6—10 m jenfrecht empor, mit einer Gewandtheit und Schnelligkeit, dat man ihnen mit dem Auge faum folgen fan. Obwohl nicht gerade fcheu, lafjen fie jich Doch nicht nahe auf den Leib rüden und verichwinden augenblidlich, jobald man Niene macht, fie zu verfolgen. Cine mit Hunderten bededte Felstwand erjcheint noch in derjelben Minute tot und leer, in der man einen Schuß gegen jie abfeuert. Jede Chinchilla ist eiligit in einer Felsjpalte verfchtwunden, als ob fie durch Zauber dem Auge entrüdt wäre. Ye zerklüfteter Die Wände, um fo häufiger werden fie von den Chinchillas betvohnt. Früher fam es manchmal vor, daß der Reifende, der, ohne den Tieren ettwas zuleide zu tun, oben in jenen Höhen Naft hielt, von Diefen Feljen- bemohnern geradezu umlagert wurde. Das Geitein wird nach und nad) lebendig; aus jeder Niße, aus jeder Spalte lugt ein Kopf hervor. Die neugierigjten und vertrauendften Ehinchillas wagen fich auch twohl noch näher herbei und laufen fchließlich ungefcheut unter den Beinen der mweidenden Maultiere herum. hr Lauf ift mehr eine Art von Springen als Gehen, erinnert aber'an die Bewegungen unjerer Mäufe. Wenn fie ruhen, fiten fie auf dem Hinter- teile, mit an die Bruft gezogenen Vorderbeinen, den Schwanz nach hinten gejtredt; fie fönnen jich jedoch auch ganz frei auf den Hinterbeinen erheben und eine Zeitlang in diefer Stellung erhalten. Beim Klettern greifen fie mit allen vier Fühen in die Riten des Gejteins ein, und die geringjte Unebenheit genirgt ihnen, um mit vollitändiger Sicherheit Fuß zu faifen. - Über die Fortpflanzung der Chinchilfa ift noch nichts Genaueres befannt geworden, obwohl jie fich im Londoner Tiergarten vermehrt hat. Ir ihrer Heimat hat man zu jeder geit des Jahres trächtige Weibchen gefunden und von den Eingeborenen erfahren, daß die Anzahl der Jungen zwischen 4 und 6 fchwanfe; Näheres weiß; man nicht. Die Jungen werden jelbjtändig, fobald fie die Feljenrigen verlaffen fönnen, in denen fie das Licht der Welt er- blidten, und die Alte fcheint fich von dem Augenblicke des Kuslaufens an nicht mehr um ihre 128 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Hajenmäuje im weiteren Sinne. a Nachfommenjchaft zu fümmern. Ir ihrem Baterlande wird die Chinchilla oft zahım gehalten; nach Europa gelangte fie nur jehr jelten. „Es geht mit ihr wohl”, jchreibt Hed, „wie mit den meijten jeinen Pelztieren: fie bringen tot jchon ein jchönes Stüd Geld ein; warum jolf man jich alfo Damit plagen, jie am Leben zu erhalten? Das ijt das Geheimnis, warım man jo wenig Pelztiere in unjeren zoologijchen Gärten jieht. Und die Chinchilla ift mit ihrem dijtinguiert grauen, wahrhaft unglaublich feinen Kauchwerf — zartflaumig wie ein Hauch! — eines der am vornehmiten wirkenden Pelztiere, jo recht das Pelztier der Damen. Für jie ausjchlieglich wird Chindilfafell verwendet. Echtes und unechtes! Denn Kaninchen und Schneehafe lafjen jich trefffich ‚auf Chinchilla arbeiten‘, in den Leipziger Kürjchner- burorten verjteht man jich meijterlich darauf, und ‚Chinchillafanin‘, ‚Chinchillahafe‘ werden heute viel gehandelt, um jo mehr, al3 das echte Material immer jpärlicher und teurer wird.” Die Anmut ihrer Bewegungen, ihre Reinlichkeit und die Leichtigkeit, mit welcher jie jich in ihr Schicfjal findet, erwerben der Chinchilla bald die Freundichaft des Menjchen. Sie zeigt jich jo harmlos und zutraulich, dag man jie frei im Haufe und in den Zimmern umher- faufen lajjen fann. Nur durch ihre Neugier wird fie lältig; denn jte unterfucht alles, was jie an ihrem Wege findet, und jelbjt die Geräte, Die höher gejtellt jind, weil es ihr eine Ktleinig- feit it, an Tijch und Schränfen emporzuffimmen. Nicht jelten jpringt jie den Leuten plößlich auf Kopf und Schultern. Xhre geiftigen Fähigfeiten jtehen ungefähr auf gleicher Stufe mit denen unjeres Saninchens oder Meerjchweinchens. Man fannı auch bei ihr weder An- hänglichfeit an ihren Pfleger noch Dankbarkeit gewahren. Zn der Gefangenjcaft ijt jie bei weiten nicht jo lebhaft wie im Freien, und niemals legt jie ihre Furchtiamfeit ab, wenn jie auch, wie Haade an dem Männchen eines im Frankfurter Tiergarten gehaltenen Pärchens erfuhr, gelegentlich ein wenig auf einen vermeintlichen Angreifer losfährt und ihn mit ihrem Harn bejprist. Mit trodenen Kräutern ift jie leicht zu erhalten. Jm Freien frißt fie Gräjer, Wurzeln und Moofe und gebraucht die Vorderpfoten, um ihre Speife zum Munde zu führen. Sn früheren Zeiten joll die Chindjilla bis zum Meere herab auf allen Bergen ebenjo häufig vorgefommen jein wie in der Höhe; gegenmärtig findet man jie bloß hier und da und immer nur vereinzelt in dem tieferen Gebirge. Die unabläfjige Verfolgung, der fie ihres Felles wegen ausgejebt ift, hat fie in die Höhe getrieben. Man hat jchon von alters her ihr. eifrig nachgeitellt und wendet auch jet noch fait genau Ddiejelben Jagdweijen an mwie früher. Die Jndianer veritehen es auch meijterhaft, das peruanijche Wiejel, Mustela agılıs, zu zähmen und zur Jagd der Chinchillas abzurichten; dann verfährt man genau jo wie unjere Srettchenjäger oder überläßt es dem Wiejel, daS von ihm im Irnern der Höhle getötete Tier jelbit Herbeizujchleppen. Tichudi erwähnt, daß ein einziger Kaufmann in Molinos, der weitlihjten DOrtjchaft der La Plata- Staaten, früher alljährlich 2—3000 Dubend Chindhillafelle ausführte, jchon im Jahre 1857 aber nur noch 600 Dußend in den Handel bringen fonnte. „Mehrere der indianischen Jäger”, jo berichtet er, „beklagten jich in meiner Gegenwart über die große Verminderung diejer Tiere und Die jtet3 vermehrte Schwierigkeit ihres Fanges. Das jind die Folgen der unabläfjigen, unnacdhjichtlihen Verfolgung. Der Ehinchilfajäger, jobald er den Erlös feiner Beute verpraßt hat, fauft aus einem Borjchufje auf fünftige Jagden einige Lebensmittel und begibt jich damit in die wildejten Gebirgsteife. Hier ftellt er in den ihn ihon befannten oder bei jeinen bejchwerlichen Wanderungen durch jeinen Adlerblid neu- entdedten Siedelungen bor die Eingangslöcher Schlingen aus ftarfem NRoßhaare oder ein- jache Schlagfallen und wartet, in einiger Entfernung wohlverjtedt, auf den Erfolg. Die % ie \ ; Sc de 5 i Dane. Zn Kaya ih an Ad b- iR = B - Chindilla.. Kleine Chinchilla. 129 neugierigen Chinchillas fahren, jobald jte jich jicher glauben, jchnelf aus ihren Berjteden - und bleiben entiweder in den Schlingen Hängen oder werden von den Fallen totgejchlagen. Der Indianer eilt herzu, löjt fie aus und richtet feine Sangmwerfzeuge von neuem. Nun aber dauert e3 länger, ehe die eingejchüchterten Tiere wiederum ihren Bau verlajjen. Sind mehrere von ihnen gefangen, jo bleiben die übrigen auch wohl 1—2 Tage in ihren Höhlen, ehe fie bon neuem wagen, ins Freie zu gehen, ein Verfuch, den jie gewöhnlich mit dem Leben bezahlen. E3 ijt leicht einzujehen, daß der zähe und geduldig ausharrende Indianer auf dieje Weije eine ganze Giedelung ausrotten fann; denn jchließlich treibt der Hunger - die legten Chinchilla der Gejellichaft doch in die Echlingen.” [4 Sn Nord- und Mittelchile wird die große Chinchilla durch die fleine „Bajtard- Chindilla” oder Wollmaus, Chinchilla laniger Mol. (Taf. „Nagetiere III”, 3, bei ©. 123), erjeßt. Sn der Lebensmweije jcheint diefe Art ganz der vorigen zu ähneln, wie jie ihr auch in der äußeren Gejtaltung und der Färbung des Pelzes naheiteht. Sie ijt aber viel feiner; denn ihre gejamte Länge beträgt höchitens 35—40 cm, wovon der Schwanz ungefähr ein Drittel wegnimmt. Die dicht jtehenden, weichen PBelzhaare werden auf dem Rüden 2 cm, an dem Hinterteile und den Geiten 3 cm lang. hre Färbung ist ein lichtes Ajchgrau mit dunfler Sprenfelung; der Unterteil und die Füße find matt graulich oder gelblich angeflogen. Auf der Oberjeite des Schwanzes jind die Haare am Grunde und an der Spibe jchmußig weiß, in der Mitte braunjchwarz, die Unterjeite des Schwanzes aber ift braun. — Auch von der Wollmaus famen erit auf vielfache Bitten der Naturforjcher einige Schädel und jpäter lebende Tiere nach Europa, obwohl jchon jehr alte Neijende jie erwähnen. Molina machte ung ums Ende des 18. Jahrhunderts mit ihr befannt. Sm Jahre 1829 ge- fangte eine lebende Wollmaus nac) London und wurde von Bennett bejchrieben. Sie war ein jehr janftes Gejchöpf, daS aber doch bisweilen zu beißen verjuchte, wenn e3 nicht recht bei Laune war. Gelten mar fie jehr luftig, und nur zuweilen jah man ihre fonderbaren Sprünge. Sie jeßte ji) gewöhnlich auf-die Schenfel, fonnte jich aber auch auf die Hinter- beine jtelfen und in diejer Stellung erhalten; die Nahrung brachte fie mit den Worder- pfoten zum Munde. Bei ungewöhnlichem Lärm verriet jie große Unruhe; jfonjt war jie ruhig und janft. Körner und faftige Pflanzen jchien fie mehr zu lieben als trodene Sträuter, die wiederum die Chinchilla jehr gern fraß. Beobachtungen, die ich jelbit an einer gefangenen Wollmaus machen fonnte, jtimmen im wejentlichen mit Bennett3 Angaben überein. Doch beivies meine Gefangene, daß jie mehr Nacht- al3 Tagtier ijt. Sie zeigte jich bei Tage zwar ebenfall3 munter, jedoch nur, wenn jie gejtört wurde. Als jie einmal ihrem Käfige entjchlüpft war und jich nach eigenem Belieben im Hauje umhertreiben fonnte, verbarg jie jich hartnäcdig bei Tage, trieb es aber Dafür nachts um jo lebhafter. Man fand ihre Spuren überall, in der Höhe wie in der Tiefe. Sie erfletterte Geitelle von 1—2 m Höhe mit Leichtigfeit, wahrjcheinlich fpringend, und _durchfroch Riten und Öffnungen von 5 em Durchmefjer, Drahtgeflechte z. B., die wir zu ihrer Abjperrung al3 genügend erachtet haben würden. Ihr Gang ift ein eigentümliches Mittelding zwijchen dem Laufen eines Kaninchens und dem jagweijen Springen des Eich- horns; der Schwanz, der in der Auhe jtet3 nach oben gefrümmt getragen wird, jtrect jich, jobald das Tier den Lauf bejchleunigt. Beim Sigen oder wenn jie aufrecht jteht, jtüßt jich die Wollmaus leicht auf den Schwanz; fonjt wird diejer immer frei getragen. Die Vorder» _ füße werden im Siben eingezogen und an die Brujt gelegt. Die langen Schnurren jind Brehn, Tierleben. 4. Aufl. XI. Band. 9 = 130 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Hajenmäuje im weiteren Sinne. fortwährend in reger Bewegung; Die Ohren, welche in der Auhe teilweife nach hinten fallen, richten jich, jobald ein verdächtiges Geräusch vernommen wird, ganz nach vorn. Dem Lichte entflieht die Wollmaus fajt ängitlich, jucht auch immer die dunfeliten Stellen. Hier jest fie jich mit zufammengezogenem Leibe feit. Cine Höhlung wird jofort aß Zu- fluchtsort benußt. Ihre Stimme, ein jcharfes Snurren nac Urt des Kaninchens, ver- nimmt man nur, wenn man jie berührt. Cie läßt die ungern zu, verfucht auch, wenn jie gepadt wird, jich Durch plößliche, jchnellende Bewegungen zu befreien, bedient jich aber niemals ihres Gebijjes zur Verteidigung. Heu und Gras zieht jie jeder übrigen Nab- rung dor. Körner jcheint fie zu verjchmähen, jaftige Wurzeln berührt jie faum. Ob jie trinkt, ıjt fraglich; faft jcheint es, als ob fie jedes Getränk entbehren könne. Sm Londoner Tiergarten, two dieje Art der Zamilie regelmäßig gehalten wird, hat jie jich wiederholt fortgepflanzt; .ebenjo im Berliner Garten. Die Süpdamerifaner ejjen das Fleijch beider Chinchillas soft gern, und aud) europätiche - Nteijende jcheinen jich mit ihm befreundet zu haben, obwohl fie jagen, daß man es mit dem umjeres Hajen nicht vergleichen fünne. Die Ehinchillas der hohen Ktordilleren werden, laut Tjehudi, bejonders gejchäßt, Da fie längere, Dichtere und feinere Haare haben und ein weit Dauerhafteres Belzwerf liefern als die der Küfte. Ir Amerifa verfertigte man neuerdings nur nod) Hüte aus der Wolle; denn die Runftfertigfeit der Ureinwohner, fie zu Deden und Stleiderjtoffen zu verweben, ijt mit ihnen ausgejtorben. Sm europäischen Belzhandel unterjcheidet man, laut Lomer, zwei Arten Felle: die der größeren echten Chinchilla, die Tang- und feinhaarig ind, und die furzhaarigen der Heineren „Baftard-Chinchilla” ; erjtere galten 1908, nach Braf, 60—80 Mark, leßtere 12—30, im Durchjchnitt 20 Mark. Von jenen fommen jest jährlich nur noch etwa 5—6000, von Ddiejen 15000 Felle in den Handel. Zum Bergleich jeben wir, nach Lomer, die entjprechenden Stüd- und Preiszahlen aus dent Jahre 1890 nocd) einmal hierher; fie zeigen grell auf, wie jich. auch bei diefem edlen Belztiere binnen faum 20 Jahren die Verhältniffe zuungunften geändert haben: 15—25 Mark und 20000 Stüd; 1—5 Mark und 200000 Stüd. ©o fteuern wir der Ausrottung beider Chinchillaarten entgegen. Die chilenifche Regierung hat übrigens doch jet eine mehrjährige Schonzeit mit jtrengem Fang- und Ausfuhrverbot verfügt. Bedeutend längere Ohren, der fürperlange, auf der ganzen Oberjeite bufchig behaarte Schwanz, die vierzehigen Füße und die fehr langen Echnurren unterfcheiden die Mitglieder der zweiten Öattung, welche man Hajenmäufe imengeren Sinne (Lagidium Meyen) genannt hat, von den eigentlichen Wollmäufen. Sm Gebiß ftehen fich beide Gattungen fehr nahe, in der Xebensweije ähneln jie fich faft vollftändig. Man fennt bis jegt mit Sicherheit bloß zwei Arten, die beide auf den Hochebenen der Kordilleren, und zwar dicht unter-der Grenze des ewigen Schnees, in einer Höhe von 3—5000 m über dem Meere, zwijchen fahlen Feljen feben.. Sie find ebenjo gejelfig, ebenfo munter und gewandt wie die Wollmäufe, zeigen die- jelben Eigenschaften und nähren fid) mehr oder weniger von den gleichen oder mindeftens ähnlichen Pflanzen. Bon den beiden Arten bewohnt die eine die Hochebenen des füdlichen Peru, Chiles und Bolivia, die andere den nördlichen Teil Perus und Ceuador. Gritere, Cuviers Hajenmaus, Lagidium peruanum Meyer (cuvieri), hat ungefähr Kaninchengröge und -geitalt; jedoch find die Hinterbeine viel mehr verlängert als beim Chindillas. Hajenmäuje. 131 Kaninchen, und der fange Schwanz läßt jich erjt recht nicht mit dem unferer Hafen vergleichen. Die Ohren jind ungefähr 8 em lang, an ihrem äußeren Nande etwas eingerollt, an der Spite gerundet, außen jpärlich behaart und innen fait nadt; der Rand trägt eine ziemlic) dichte Haarbürfte. Der Pelz ijt jehr weich und fang und hat eine afchgraue Gejamtfärbung, die an den Seiten etwas lichter ift, fich mehr ins Gelbliche zieht. Der Schwanz it unten und an den Geiten furz, oben lang und jtruppig behaart, die Färbung der Haare dort bräun- lichjchtwarz, hier weiß und jchwarz, gegen die Spike hin ganz jchwarz. Bejonders auffallend jind die langen, bis an die Schultern reichenden jchwarzen Schnurren. Euvier3 Hajenmaus, Lagidium peruanum Meyen. 14 natirliher Größe. Bon diefem Tiere jftammen die Felle, die alS „Chinchillones“ in den Handel fommen. Seit beide Chinchillas jo jehr abgenommen haben, find es etwas mehr, immerhin einige Taufend, die mit 20—30 Mark das Stüc bezahlt werden, alfo heute jo hoch im reife jtehen " wie vor 20 Jahren die echte Chinchilla. Auch ein böfes Zeichen für die Herrjchende „Pelz- not”, die man jelbjt heraufbejchmworen hat Durch eine gedanfenlofe, alles vernichtende Naub- wirtjchaft! — Die Hajenmaus muß übrigens in Peru auch als Wildbret eine Nolle jpielen; anders jind briefliche Nachrichten von Hartwig- Jquique über eine „vizcacha“ gar nicht zu deuten: nennt Doch auch der alte Molina das heutige Lagidium peruanum Lepus vizcacha! Hartiwig jchreibt: Die Vizcacha lebt an ganz unzugänglichen Felswänden und ijt nur mit der Büchje zu erreichen. Speziell in Beru wird fie viel gegefjen, und ich habe ihr Fleijch in den großen Hotels Limas jehr jhägen gelernt. Die Vizcacha ijt ein in den alten Jnfa- federn vielverherrlichtes Tier. Noch heute gibt es ein uraltes Indianerlied, das (frei überjegt) 9* _—— 132 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hafenmäuje im weiteren Sinne. fo anfängt: ‚Sch wollte eine Bizcacha meiner Geliebten zum Trojte jenden, aber Die Vizcacha' war jchnell und floh über Schnee und Berge‘. Der Vertreter der dritten Gattung, den auch wir Viscacha (fpr. wisfaticha) nennen, Viscacia viscacia Mol. (Taf. „Nagetiere III”, 4, bei ©. 123), früher Lagostomus tricho- dactylus, ähnelt mehr der Chinchilla als den Arten der vorhergehenden Gattung. Der ge- drungene, furzhalfige Leib hat ftarf gewölbten Rüden, die Vorderbeine find furz und vierzehig, die Fräftigen Hinterbeine doppelt fo lang als jene und dreizehig. Der Kopf ift Did, rundlich, . oben abgeflacht und an den Seiten aufgetrieben, die Schnauze furz und jtumpf. Auf Lippen und Wangen fihen Schnurren von fonderbarer Steifheit, die mehr Metall- als Horngebilden ähneln, große Federkraft befigen und fingen, wenn man über fie jtreicht. Mittelgroße, aber ichmale, ftumpf zugefpißte, fajt nadte Ohren, weit auseinanderjtehende, mittelgroße Augen, die behaarte Naje und tief eingejchnittene Dberlippen tragen zur weiteren Kennzeichnung des Kopfes bei. Die FZußjohlen find vorn behaart, in ihrer hinteren Hälfte aber nadt und ichtwielig, die Handjohlen dagegen ganz nadt. Kurze, von weichen Haaren umlleidete Nägel bewaffnen die Vorderfühe, längere und ftärfere die Hinterfüße. Die Badzähne, mit Aus- nahme der oberen Hinterjten, zeigen zwei Schmelzblätter, der hinterjte hat deren drei. Ein ziemlich dichter Belz bededt den Leib: die Oberjeite gleichmäßig verteilte graue und [chmarze Haare, weshalb der Rüden ziemlich dunkel erjcheint; der Kopf ift graulicher als die Seiten des Leibes, eine breite Binde, die fich über den oberen Teil der Schnauze und der Wangen zieht, weiß, der Schwanz jhmusig weiß und braun gefledt, die ganze Unter- und die nnen- jeite der Beine weiß. Die Leibeslänge beträgt 50 em, die des Schwanzes 18 cm. : Die Viscacha vertritt ihre Familienverwandten im Dften der Anden; ihr Wohngebiet iind die Pampas von Buenos Aires bis Patagonien. Che der Anbau des Bodens jo weit gediehen war wie gegentwärtig, fand man fie auch in Paraguay. Wo jie noch vorfommt, tritt jie in großer Menge auf. An manchen Orten trifft man fie jo Häufig, daß man bejtändig, . jedoch niemals am Tage, nur des Abends, zu beiden Seiten des Weges ganze Nudel fißen jieht. Gerade die einfamften und wüftejten Gegenden jind ihre Aufenthaltsorte, Doch fommt jie bis Dicht an die angebauten Gegenden heran; ja die KReifenden mwiljen jogar, daß die jpanifchen Anfiedelungen nicht mehr fern find, wenn man eine Menge „Viscacheras” oder Baue unjeres Tieres findet. In den jpärlich bewachjenen und auf weite Streden hin fahlen, diirren Ebenen gräbt jich die VBiscacha ausgedehnte unterirdifche Baue, am liebjten in der Nähe von Gebüchen und nicht weit von Feldern entfernt. Die Baue werden gemeinjchaft- lich angelegt und auch gemeinfchaftlich) bewohnt. Nah W. H. Hudjon lebt die Viscacha gewöhnlich in Gejellfchaften von 20—40 Köpfen und bildet jo die Biscacheras genannten Kolonien, die 12—15 Baue enthalten, manchmal aber auch daS Doppelte oder Dreifache. Solch eine Biscachera bedeckt 100—200 Duadratfuß. Die Baue jind jehr verjchieden in ihrer Ausdehnung; manche öffnen fich in weite Kejjel, von denen weitere Röhren ausitrahlen, während andere eine Verbindung mit den Nachbarn heritellen. Die ganze Biscachera bildet - einen Hügel durch die Erde, die die Tiere aus den Bauen herborbringen. Sie wird immer auf den offenen Ebenen angelegt, und die Eingänge der zufammengejegten Gemeinjchafts- baue haben manchmal bis 90 ern Durchmefjer. Der Einzelbau Hat gewöhnlich die Form einesY. Von Hudfon hören mir auch, da außer der befannten Höhleneule noch zwei Feine Bögel mit der Viscacha in Wohnungsgemeinfchaft leben: ein Eröfleiber (Geositta), der an der Seite in ihren Gängen brütet, und eine Schwalbenart (Atticora), die die verlajjenen Viscada. 133 Höhlen in Befig nimmt. Sie muß wohl ähnliche Lebensgewohndeiten haben wie unjere Uferichtwalbe; denn andere Niitgelegenheiten als auf und in der Erde bietet die Bampa eben nicht. Ferner jtellt Hudjon richtig, daß das Paar Höhlenenlen (Speotyto), das man oft auf dem Piscachahügel figen jieht, jich in der Regel feine Höhle jelbjt aräbt, manchmal aber auc) einen der Baue an den Seiten des Hügels bezieht. Der ganze Erdboden in der Nähe der Bauten tft jorgfältig von allem Pflanzenmwuchs gejäubert, der Überreft davon beim Eingang aufgehäuft, und diefe Gewohnheit ift es, durch telche die Tiere dem Landiwitt jo jchädfich werden. Jhre gervöhnliche Nahrung find Gras und Getreide, mitunter frejjen fie aber auch Wurzeln; in der Trodenzeit jind fie auf verdorrtes Gras und Dijteln angemwiejen. Solange die Weide grün ift, brauchen jte fein Wajjer; aber der erjte Negenguß in der Trodenzeit bringt jie jofort aus ihren Höhlen heraus, um das lang entbehrte Naß einzufaugen. Im Winter verlajjen jie jelten ihre Baue, ehe es dunfel wird; im Sommer aber fommen fie [chon vor Sonnenuntergang zum Vorfchein, und dann bietet eine Viscachera ein wirklich fejfelndes Schaufpiel. Gewöhnlich erjcheint zuerit eines der alten Männchen und jeßt fich gemütlich an einen hervorragenden Pla auf dem Hügel; es hat offenbar gar feine Eile, jeine abendliche Mahlzeit zu beginnen. Wenn man jich von born nähert, rührt es fich nicht, fondern jtarıt den Störenfried dDummdreiit an. Wenn man nach einer Seite geht, beliebt e3 nicht einmal den Kopf umzudrehen. Bald fommen noch andere Viscachas hervor, jede einzelne macht aber erjt in aller Auhe halt an der Mündung ihres Baues. Die Weibchen, Fenntlich an der bedeutend geringeren Größe und der heller grauen Farbe, jegen jich aufrecht auf die Haden, wie um eine bejjere Ausficht zu gewinnen, und verraten Durch verjchtedene Laute und Gebärden, daß Furcht und Neugier in ihnen fämpfen. Die Augen auf den Zudringlichen geheftet, ducen fie von Zeit zu Zeit den Kopf nieder und geben zugleich tief aus dem Innern einen Ton von Jich. Wenn die Gefahr näher- fonmt, jtürzen dann plößlich alle zugleich mit einem Schredensjchrei in ihre Baue hinein. Su die Tiefe getrieben, jtoßen jie einen eigentümlich grunzenden Ton aus. Göring hörte niemals, daß die Biscachas beim Laufen grungten, vernahm aber, jo oft er jich einer Höhle näherte, jtet3 das laute Gebelfer der Injajjen. Sn ihren Bewegungen haben die VBiscachas viel Ähnlichkeit mit den Kaninchen; doch jtehen jie Diejen an Schnelligkeit bedeutend nach, obwohl jie munterer, Iujtiger und mehr zum Spielen aufgelegt jind. Auf ihren Weidegängen jcherzen fie fait fortwährend mitein- ander, rennen hajtig umher, jpringen grunzend übereinander weg, jchnauzen jich an uf. Wie der Schafalfuchs tragen jie die verjchiedeniten Dinge, die jie auf ihren Weidegängen finden, nad) ihren Höhlen Hin und jchichten fie vor. der Mündung zu mwirren Haufen. So jindet man, nad) Darwin, „rings um jede Gruppe von Viscachahöhlen viele VBiehfnochen und -hörner, Steine, Dijteljtrünfe, Harte Erdflumpen ujw. auf einen Haufen zujammen- “getragen, der oft eine ganze Schubfarrenladung ausmacht”. Daß es immer harte Gegen- tände jind, könnte vielleicht die Erklärung erlauben, jie dienten gelegentlicher Abnußung der Nagezähne, die auf der baumlojen Bampa nicht wohl anders geübt werden fann. Doc) fand Schrend d. Noßing an diefen von den Viscachas zufammengejchleppten Hörnern und Knochen niemals Spuren ihrer Zähne. Er fommt daher auf die Vermutung: „Vielleicht er- feichtern jie jich in der einförmigen baumlojen Ebene auf dieje Weije die Orientierung, da ihre Sehjchärfe bei dem fait jtändigen Aufenthalt unter der Erde jehr gering iit. Wir fonnten uns jelbjt in weißen Anzügen bis auf zehn Schritte an fie heranpirjchen.“ Auch durch Zufall in Berlujt gefommene Gegenjtände, die ihnen ganz entjchieden nicht den geringjten Nuten 194 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hafenmäuje im weiteren Sinne. gewähren, tragen die VBiscachas dor ihren Bau, und die Gauchos gehen daher, wenn jie etwas vermifjen, zu den nächiten Viscacheras hin, um vor allem dort das Verlorene zu fuchen. Darwin erzählte ein glaubtwürdiger Gewährsmann, daß er auf nächtlichem Nitte feine Uhr verloren. Am Morgen jei er zurücgefehrt, Habe bei allen Biscachahöhlen längs des Weges gejucht und jie da, wie eriwartet, bald gefunden. Aus dem Innern ihrer Wohnungen ent- fernen die Tiere jorafältig, was nicht Hineingehört, auch die Zeichen ihrer eigenen Art. Die Viscacha ijt durchaus fein fruchtbares Tier: das Weibchen bringt im September einen einzigen Wurf, der gewöhnlich aus 2, gelegentlich aus 3 Jungen beiteht. Da es außer- dem ungefähr 2 Jahre bis zur Gejchlechtsreife braucht, jo jin® die ungeheuren Mengen um io bemerfenswerter, in denen e3 auf den Pampas vorhanden war, ehe die Landiwirte ihren Vernichtungskrieg begannen. Göring jah immer nur ein Junges bei den alten Biscachas. 6 hielt jich ftets in nächiter Nähe feiner Mutter. Die Alte jcheint es mit vieler Liebe zu be= handeln und verteidigt es bei Gefahr. Eines Abends verivundete mein Gemwährsmann mit einem Schufje eine Mutter und ihr Kind. Lebteres blieb betäubt liegen; die Alte aber war nicht tödlich getroffen. AZ fich Göring näherte, um feine Beute zu ergreifen, machte die Alte alle möglichen Anjtrengungen, um das Junge fortzujchaffen. Ste umging es wie tan= zend und jchien jehr betrübt zu jein, al3 fie jah, daf ihre Anjtrengungen nichts fruchteten. Beim Näherfommen unferes Jägers erhob fich die Alte plöglich auf ihre Hinterbeine, jprang fußhoch vom Boden auf und fuhr ichnaubend und grunzend mit jolcher Heftigfeit auf ihren ‚seind [oS, daß Diejer jich Durch Stöße mit dem Flintenfolben des wütenden Tieres eriwehren mußte. Erjt als die Alte jah, das alles vergeblich und ihr Junges nicht zu retten war, z0q jte jich nach ihrem nahen Baue zurüc, jchaute aber auch von Dort aus noch immer mit jicht- dbarer Angjt und grimmigem Zorne nad) dem Mörder ihres Kindes. Nenn man die Jungen einfängt und jich mit ihnen abgibt, werden jie zahm und fönnen, wie unfere Kaninchen, mit Leichtigkeit erhalten werden. Nicht jelten trifft man Viscachas auc) in europäischen Tiergärten an; eine im Frankfurter Garten gehaltene war, nacı Haade, jtets ftumpfjinnig, minrifch und voll boshafter Wut. Über ein 1890 im Berliner Garten gehaltenes Baar, das auc zur Fortpflanzung jchritt, jchreibt Hed: „Die Viscacha Dat es hier bis jest nicht über einen ganz jtümperhaften Anfang zu emem Baue hinaus- gebracht, obwohl ihr die jchönjte Gelegenheit geboten it. Wenn man freilich die kurzen, in weichen Haaren fait verjtecten Krallen der Worderfüre und die eigentümlich ungefügen Fufß- ballen der Hinterbeine mit dem jtarfen, aber jtumpfen und ungejchiet wegitehenden Nagel der Mittelzehe betrachtet, jo will eg einem gar nicht jcheinen, als ob die Viscacha von Mutter Katur zum Erdgräber bejtimmt wäre. Sn anderer Beziehung bereitete mir unjer Biscacha- paar eine dejto angenehmere Überrafchung. Die Tiere waren gerade in ihr Winterquartier gebracht worden, da bemerkte der Wärter am nächiten Morgen beim Reinigen, durch ihr bejonders grimmiges Wejen aufmerffam gemacht, daß fie zwei fleine, flinfe Gejchöpfe, (eibhaftige Abbilder ihrer jelbft, mit ihren Zeibern zu deden juchten: fie hatten über Nacht ein Pärchen Junge gebracht, ein in unferen zoologijchen Gärten noch nicht vorgefommener. oder wenigjtens nicht in weiteren Streifen befannt gemwordener Fall, der einige interejjante biologiiche Betrachtungen ermöglichte. Neben der eigentümlichen Zage der ganz an den Seiten des Leibes heraufgerücten Milchdrüfen verdient hier befonders die wahrhaft rüh- vende bäterliche Pflichttreue de3 Biscachamänncdens rühmend hervorgehoben zu werden. Kachdem eines Tages die Jungen durch eine jchadhafte Stelle aus dem Käfig gejchlüpft waren, tik der Alte in faum glaublicher Kraftanjtrengung das jtarke Eijenblech des Fußbodens Viscada. — Foflile Niefenformen. 135 mit den Nagezähnen auf, und als die Kleinen nicht gleich wieder zum Vorjcheine famen, da blieb der Vater in Krämpfen tot auf der Stelle. Hauptfächlich gewiß; infolge der über- mäßigen körperlichen Anjtrengung; Doch glauben toir nicht zu weit zu gehen, wenn wir aud) der ungeheuren feeliichen Erregung, in der jich daS Tier ohne Zweifel befand, einen nicht unmejentlichen Anteil an dem plößlichen Tode beimejjen.’ Man jtellt der Viscacha weniger ihres Fleijches und Felles halber al3 wegen ihrer unterirdischen Wühlereien nach. An den Orten, wo jie häufig ijt, wird das Neiten tirflich lebensgefährlich, weil die Pferde oft die Deden der jeichten Gänge durchtreten und hier- durch wenigitens außerordentlich aufgeregt werden, wenn jie nicht jtürzen und Dabei ihren Reiter abwerfen oder gar ein Bein brechen. Der Landeingeborene erfennt die Viscacheras jchon von weiten an einer Fleinen, wilden, bitteren Melone, die vielleicht von den Tieren gern gefrejjen wird. Dieje Pflanze findet jich immer da, two viele VBiscacheras jind, oder umgefehrt: diefe werden da angelegt, wo die Pflanzen nach allen Seiten Hin ihre grünen Nanfen verbreiten. Es ijt jomit ein Zeichen gegeben, die gefährlichen Stellen zu vermeiden. Man verjucht die Viscachas mit allen Mitteln aus der Nähe der Anfiedelungen zu ver- treiben und wendet buchjtäblich Feuer und Waffer zu ihrer Vernichtung an. Das Gras um ihre Höhlen wird weggebrannt und ihnen jomit die Nahrung entzogen; ihre Baue werden unter Wajjer gejebt und fie jelber gezwungen, jich ins Freie zu flüchten, wo die außen fauernden Hunde fie bald am Kragen haben. Göring wohnte einer jolchen Biscachajagd bei. Man zog von einem größeren Sanal aus einen Graben bis zu den Biscacheras und ließ nun Wajjer in die Röhren laufen. Mehrere Stunden vergingen, ehe der Bau gefüllt wurde, und bis dahin vernahm man außer dem gewöhnlichen Schnauben nicht don den jo tüdijch verfolgten Tieren. Endlich aber zivang fie die Wafjersnot zur Flucht. Angjtlich und wütend zugleich erjchienen fie an den Mündungen ihrer Höhle, jchnaubend fuhren jie wieder zurüd, als jie außen Die fauernden Jäger und die furchtbaren Hunde jtehen jahen. Aber höher und höher jtieg das Wafjer, größer und fühlbarer wurde die Not: endlich mußten fie flüchten. - Augenblidlich waren ihnen die wachjamen Hunde auf den Ferjen; eine wiütende Jagd begann. - Die Viscachas wehrten jich wie Verzweifelte; doch eine nach der anderen mußte erliegen, und reiche Beute belohnte die Jäger. Unjer Gewährsmann beobachtete jelbit, dat getötete VBiscachas von ihren Genojjen nach dem Innern der Baue gejchleppt wurden. Er jchoß Viscachas aus geringer Entfernung; doch ehe er noch zur Stelle fan, waren die durch den Schuß augenblicklich getöteten bereits im Innern ihrer Höhlen verfchwunden. Außer dem Menjchen hat das Tier noch andere Feinde. Die wilden Hunde und Füchje auf der Steppe verfolgen die Biscacha leidenjchaftlich, wenn jie ji) vor ihrer Höhle zeigt. Doch würde ihre Zahl jich faum vermindern, täte der mehr und mehr ich verbreitende Anbau des Bodens ihr nicht gar jo großen Abbruch. Der Menjch wird auch Hier durch die Bejignahme des Bodens zum vexderblichiten Feinde des Tieres. Die Indianer ejjen das Fleisch und benugen auch wohl das Fell der Vizcacha, obgleich diejes einen weit geringeren Wert hat al3 das der früher genannten Verwandten. Auc) die Nager Hatten ihre Zeit der Riefenformen, und gerade eine Verwandte der Biscacha, eine riefenhafte Hajenmaus (Gattung Megamys Laur.), it e3, die in diejem Sinne hier Erwähnung verdient. Sie hatte Dchjen- oder garNashorngröße und wurde in jieben ver- jhiedenen Arten größtenteils von Ameghino aus dem älteren Tertiär, den Dligozänjchichten, Argentiniens und Patagoniens zutage gefördert. — Stattliche Tiere, wenigjtens von der Dan 136 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Meerjhhweincenartige. Größe eines Bären, waren auch die Angehörigen der bedeutend jüngeren Familie Castoroi- didae (d. h. Biberähnliche, Gattungen Castoroides und Amblyrhiza) aus dem Dilubium oder Pleiltozän Nordamerikas und Wejtindieng, die man im Shitem unmittelbar neben die Hajenmäufe jtellt, weil jie troß ihrer Biberähnlichkeit im Schädelbau und allgemeinen Aus- jehen nad) Bittel „ein typijches Hyftricomorphen-Gebif” Haben. Und zwar nähern jie ich, nad) Flower und Xhdeffer, hierin ebenjomohl der Chinchilla wie der Capybara, nehmen aljo, wie jo viele fojjile Formen, eine gewijje Mittelitellung ein. Die Capybara oder das Wafjerichtwein (Gattung Hydrochoerus Briss., Überjegung des deutjchen Namens) jtellt man mit jeinem zwerghaften Verwandten, dem Meerjchweinchen, das ihm auch äußerlich ähnelt (Gattung Cavia nebft Untergattung Kerodon), und der mehr hajenartigen Mara, auch Bampahaje genannt (Gattung Dolichotis), neuerdings in die Fa- imilie der Meerjchtweinchenartigen (Caviidae) näher zufjammen und zerlegt damit zugleic) die größere, früher jehr geläufige Nagergruppe der Hufpfötler (Subungulata), die noch Die Agutis und Pafas (heute Familie Agoutidae) enthielt, und der man au) ein höchit jeltenes und merfwürdiges Nagetier Südamerifas, die ebenfalls als jelbjtändige Yamilie (Dino- myidae) geltende Gattung Dinomys, zurechnen muß. Die Gruppe der Hufpfötler war in- jofern nicht ohne Berechtigung, als die Strallen der zugehörigen Nager, nach Weber, tatjäch- fich „einigermaßen Hufform annehmen“: „injoweit die Zehen den Boden berühren, treten jie auf den Nagelrand auf, während zugleich die Zehenballen in größerer Ausdehnung ver- hornen“, jo daß aljo das Nagelglied wirklich in einem Hufartigen Hornjchuh mehr oder weniger drinjtect. Weber erflärt die Hufpfötler auch al3 „nach Urt der Huftiere für jchnelle „Jortbewegung eingerichtet”, jieht in ihnen Läufer und begründet dies Durch einen Tat- beitand, der allerdings zum Teil bei den meijten jchon äußerlich zu erkennen ift: „Hohe Läufe mit Ausbildung von Kielen auf den Hauptgelenfen, Rüdbildung des Schlüfjelbeins, die fait bis zu dejjen Schwunde führen Fannı; mehr FKelförmigen Bruftforb und fchmäleres Bruftbein; jomwie Neigung zur Rüdbildung der jeitlichen Zehen, namentlich am Hinterfuß... Mehr ab- jeit3 jteht die noch urjprünglichere peruanifche Dinomys mit faum geänderten fünfzehigen Gliedmaßen, breiterem Bruftforb und langem Schwanz”. Bier Badzähne in jeder Reihe von ungefähr gleicher Größe und große, breite, vorn gewöhnlich weiß gefärbte Nagezähne bilden das Gebif. Nach der Bildung der Badzähne trennen jich die beiden Familien. Bei den Caviidae jind diefe Zähne mwurzellos, und die oberen Reihen laufen vorn beinahe zu- jammen, bei den Agoutidae haben jie halbe Wurzeln und bilden gleichlaufende Reihen, Das Wajjerihmwein, Capybara oder Capivara (nad) Göldi eigentlich capi-i-uara, d. h. in der Öuaranifprache „Herr des Grafes“), jpanifch Carpincho, Hydrochoerus capybara Erzd., it da3 größte und plumpfte Mitglied der ganzen Ordnung. Seinen deutjchen Namen trägt e3 mit einigem NRecht nad) feiner Geitalt und der borjtengleichen Behaarung feines Körpers. Seine Kennzeichen find: Heine Ohren, gejpaltene Oberlippe, Fehlen des Schwanzes, furze Schwimmhäute an den Zehen und ftarfe Hufnägel jowie der höchit eigentümliche gahnbau. Die riefenhaft entwidelten Schneidezähne haben bei geringer Diele mindeftens 2 cm Breite und auf der Vorderjeite mehrere flache Rinnen; unter den Badzähnen ift der legte ebenjo groß wie die drei vorderen. Der Leib-ift auffallend plump und did, der Hals furz, der Kopf länglich, hoch und breit, ftumpffchnauzig. Ziemlich große, rundliche Augen treten mweit hervor; die Ohren find oben abgerundet und am vorderen Rande umgejtülpt, * Wailerichwein, Capybara. 157 Hinten abgejchnitten. Die hinteren Beine find deutlich länger al3 die vorderen, die Worder- füße vierzehig, die hinteren dreizehig. Ganz eigentümlich it eine Hautfalte, die After und Gejchlechtsteile einjchließt, jo daß äußerlich Männchen und Weibchen nicht unterjchieden werden fönnen; ferner bei den fortpflanzungsfähigen Böden eine Hautdrüje auf Dem Najen- tüden, auf die Göldi erneut aufmerkfjam macht: fie liefert zur Brunftzeit eine gelblichweiße Abjonderung von Mojchusgerucd. Bon einer beftimmten Färbung des dünnen, groben Pelze3 Tann man jchwer reden: ein ungemwijjes Braun mit einem Anftrich von Not oder Bräunlichgelb verteilt jich über den Leib; doch unterjcheidet Göldi, der während feiner langjährigen jüdamerifanifchen Wirkfamfeit viele Taufende gejehen hat, die rötlichen nord- brajilianischen von den gelblichen füdbrafilianischen Stücen, und ein Eleines Rudel im Schön- brunner Soologijchen Garten machte ihm durch „Fahlgelbe, fait flachsfarbene, fträhnige, enorm lange Behaarung” einen ganz überrafchenden Eindrud. Ein erwachjenes Wajjer- ichwein erreicht ungefähr die Größe eines jährigen Hausfchmweines und ein Gewicht von 50 kg. Die Körperlänge beträgt über 1 m, die Höhe am Widerrifte 50 cm und mehr. Die Capybara ijt über das ganze waldige Sidamerifa verbreitet, d. h. fie findet fich bom Drinoco bis zum La Plata oder vom Atlantifchen Meere bis zu den Vorbergen der Kordilleren, nach Göldi noch in 800 m Höhe. Hier und da ift fie ungemein häufig, 3.B. auf der Injel Marajd in der Amazonasmündung, wo Gößi Herden bon 100 Stüd und mehr jah. An bewohnten Stellen wird jie nur abends und morgens gejehen; in menfchenleeren, wenig bejuchten Flußtälern dagegen bemerkt man fie auch bei Tage in Maffen, immer in nächiter Nähe des Flujjes, entweder mweidend oder wie ein Hund auf den zufammengezogenen Hinterbeinen fiend. Snethlage hat die Capybara ebenfalls an dem Hauptfluffe Aio Avary) der Injel Marajo mafjenhaft gejehen, aber mehr in dem offenen Camposgebiet des Innern als in dem dichten Waldgürtel des Injelrandes. „Südlich vom Amazonas, wenigjtens joweit der Wald vorherrjcht und Die Campo zurüdtreten, find Capybaras jehr viel jeltener, oder man jieht jte Doch jehr viel jeltener.“ Das entjpricht ganz ihren Anforderungen an die Landjchaft. Diefe beftehen, nach Göldi, hHauptfächlich darin, daß wenigftens hier und da größere Streden möglichlt ruhiger Wafjerläufe vorhanden find mit ausgebreiteten Taljohlen, die linfs und rechts ausgiebige Entwicdelung einer recht dichten monofotylen Begetation (Gräfer, Heli- eonien, Arazeen ujw.) von nicht viel über Mannshöhe aufweijen. Wo e3 nicht an derartigen Schlupfwinfeln zum Berjted während der heißen Tagesjtunden gebricht, vermag jich Die Capivara jelbjt in jchon leivfich bewohnten Gegenden noch mit bemerfenswerter Yähigfeit zu erhalten. Das wäre allerdings nicht der Fall, wenn jie als Wildbret auch nur einiger- maßen in Betracht Füme. Tlachgelände, wo abwechjelnd ausgedehnte Gras- und Sumpf- pflanzenbejtände mit Heineren Waldpartien an die Fluß oder Seeränder herantreten, ind ihr bevorzugter Aufenthaltsort, feuchtwarme Tiimpel ihr Eldorado. Wo der Wald au das Ufer heranreicht, betritt jie ihn Höchitens in einer Gürtelbreite von wenigen Schritten und lediglich, um im Schatten ein Mittagsjchläfchen zu halten. Dagegen wagt jie fich auf offener Grasflur gelegentlich wohl bi3 auf 1 km vom Flußrand weg. Der Gang tt ein langjamer Schritt, der Lauf nicht anhaltend; im Notfalle jpringt das Tier aber auch in Säben. Dagegen fchwimmt es vortrefflich und jebt mit Leichtigkeit über Gemwäfjer. Ein eigentliches Lager hat das Wafjerichtvein nicht, obtwohl es fich an be- borzugten PBläßen des Ufers regelmäßig aufhält. Seine Nahrung beiteht aus Gras, Wajjer- pflanzen und aus der Rinde junger Bäume, und nur da, vo es nahe an Pflanzungen wohnt, fällt e8 zumeilen über Wafjermelonen oder Mais, Reis und Zuderrohr Her und richtet dann Y 138 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Meerihmweindenartige. unter Umständen jehr bedeutenden Schaden an. Daß die Capivara namentlich nachts munter ift, fonnte Gößdi vielfach an den Flüffen Südbrajiliens, in den Staaten Minas, Rio und Sio Paulo wahrnehmen. Zn mondhellen Nächten hat er ihnen jtundenlang zugejchaut, wie jie, eine nad) der anderen, entweder vorjichtig jichernd, lautlos den Strom herab- ihwammen, um etiva auf einem flachen FSeljfenriff zu landen, oder aus einer Grasiwiefe heraustraten und auf einer Sandbant jich zu Heinen Nudeln verfammelten. Das Wajjer- jichwein ijt ein jtilles und ruhiges Tier. Schon auf den eriten Anblid wird es jedermann far, daß man eg mit einem höchit ftumpfjinnigen Gejchöpfe zu tun hat. Niemals jieht man es mit anderen jeiner Art jpielen. Entweder gehen die Nitalieder einer Herde langjamen Schrittes ihrer Nahrung nach oder ruhen in jigender Stellung. Von Zeit zu Zeit fehren jie den Kopf um, um zu jehen, ob jich ein Feind zeigt. Begegnen fie einem jolchen, jo etlei fie nicht, die Flucht zu ergreifen, jondern laufen langjam dem Wajjer zu. Sm höchiten Schreden aber jtürzen jte jich eiligjt mit einem Schrei ins Waffer und tauchen unter. Wenn jie nicht gewohnt find, Menjchen zu jehen, betrachten jie dieje oft lange, ehe jte entfliehen. Das Alarmgefchrei, das Azara durch „ap“ ausdrückt, ift jo Durchoringend, daß man e3 pierteljtundeniweit vernehmen fan. Außerdem gibt es, nach Göldi, noch ein ebenjo „Durch- Dringendes Pfeifen, das von den am tragen gepadten Jungen in der Angjt ausgejtoßen wird”, Schließlich bei jung und alt ein leijes „Winjeln oder Wiehern, bei dem die Haut der Baden und des gejamten Vorderleibes in zitternde Bewegung verjegt” wird. &3 dDrüdt eine angenehme Gemütsbewegung aus: in der Freiheit zur Begrüßung der näher zu- jammengehörigen Samilienmitglieder, in der Gefangenjchaft zur Begrüßung des Pfleger und al3 Bettellaut. Alles Anwendungen, die jich für den Stenner der Tierjeele ganz folge- richtig eine aus der anderen entiwideln! Über Fortpflanzung und Jungenaufzucht hat fich neuerdings durch Züchtungen im Kölner und Leipziger Tiergarten einiges feititellen lajjen. Danach jcheint eine bejtimmte Bruniftzeit nicht zu bejtehen; wenigjtens wurden in Leipzig von demjelben Paare im De- zember 1910 zwei Junge geboren, im Dftober 1911 wiederum zwei, im Augujt 1912 drei und ım Mat 1913 vier. Die Tragzeit umfaßt alfo 5, —51% Monate. Das Kölner Baar brachte nur einmal ein Junges, das nach) zwei Jahren noch nicht ausgewachjen war. 3 hatte nach Wunderlich! Angaben ungefähr die Größe eines Aguti, war nur viel plumper gebaut. In Form und Färbung glich e3 ganz den Alten, und wenn e3 ziwijchen den Worder- beinen der Mutter jaß, um an ihr zu trinken, war e3 gar nicht von-ihr zu unterjcheiden und leicht zu überjehen. Nach Schilderung des Ajjiitenten iniejche vom Leipziger Garten wurde bei der legten Paarung dort das Weibchen vom Männchen unter Beifen und Pfeifen fat 34, Stunde lang heftig getrieben und beim Sprunge mit den Borderfüßen feit um- fammert, von deren Klauen und den Biljen der Rüden des Weibchens viele vernarbte Wunden trägt. Dabei jchreien und pfeifen beide Tiere laut. Die Jungen folgen jofort nach der Geburt der Mutter, indem jie deren lodendes Grunzen und Pfeifen mit ähnlichen leijen Tönen beantworten. Sniejche beobachtete Schon am eriten Tage, daß die Jungen eifrig an DBrot- und Rübenjtüdchen herumfnabberten. Die Mutter jäugt fie ungefähr zwei Monate; dann aber jtößt jie fie jo unjanft ab, daß jie jofort von ihr getrennt werden müffen. Auch unter jich jind die Jungen dann fehr unverträglich, jtoßen und beigen fich fortwährend, jo daß man jie ebenfalls trennen muß. Eine eigentümliche Erjcheinung, diefe Unverträglichkeit in der efangenjchaft bei einem Tiere, das in der Freiheit jo außerordentlich gejellig lebt! Der Fang iftleicht. Wenn Göldi auf der Injel Marajd große Herden von 50—100 Stüd “+ Capybara. 139 aus der Örasebene nach dem Flufje jich zutreiben fie, hatte ex Schließlich oft eine Ausbeute bon zwei und drei Dußend größerer und Heimerer Jungen, die allerdings gegen Die Gefangen- nahme jich nicht nur mit ducchdringendem winjehnden Pfeifen wehrten, vergleichbar dem vielfach derjtärkten Quiefen des Meerjchweinchens etiva, jondern auch mit jcharf tie ein Naftermejjer jchneidenden Biljen, vor denen man fich in acht nehmen mußte. Dejto jchiverer dagegen war die Eingewöhnung. Schon in der erjten Nacht bei der Überfahrt im Segel- boot ging ein Drittel oder gar die Hälfte ein, und wenn nach Wochen und Monaten roc) 8—10 Stüd übrig waren, mußte man zufrieden jein. Sn der Neuzeit it das Tier öfters lebend nach Europa gefommen, aber nie in Majien, und bejonders haltbar ift es auch nicht, wenngleich manche Stüde in z00logi- ichen Gärten fünf Jahre und mehr gelebt haben. ch habe eins längere Zeit gepflegt. 63 war mir in hohem Grade zugetan, Fannte meine Stimme, fam herbei, wenn ich es tief, freute fich, wenn ich ihm jchmeichelte, und folgte mir wie ein Hund. So freundlich tar e3 nicht gegen jedermann: feinem Wärter, der e3 zurüdtreiben wollte, jprang es ein- mal gegen die Bruft und bi dabei jofort zu, glüclicherweije mehr in den Rod als in den Leib. Folgjam fonnte man es überhaupt nicht nennen: es gehorchte nur, wenn es eben wollte. Sein Gleichmut war mehr ein jceheinbarer als wirklicher. Sobald ich es rief, jprang e3 unter Ausitoßen des oben bejchriebenen Schreies ins Wajfer, tauchte unter und jtieg langjam am anderen Ufer in die Höhe, Fam zu mir heran und murmelte oder Ficherte in höchit eigentümlicher Weife vor fich Hin, und zivar durch die Naje, mie ich mich genau überzeugt habe. Sch fann die Bewegungen des Wajjerjchweines nicht plump oder jchmwer- fällig nennen. Es läuft jelten vajch, jondern gewöhnlich gemächlich mit großen Schritten dahin, pringt aber ohne Mühe über meterhohe Gitter weg. m Wajjer bewegt es jich “ meijterhaft. E3 fehreimmt in gleichmäßigem Zuge jchnurgerade über breite Gemäjjer, ge- tadejo jchnell, wie ein Mann geht, taucht mit einem Sprunge wie ein Vogel und vermeilt minutenlang unter dem Wafjer, jchroimmt auch in der Tiefe fort, ohne fich in der beabjich- tigten Richtung zu irren. Seine Fütterung verurfacht gar feine Mühe. Es frift allerlei Pflanzenjtoffe wie ein Schwein, braucht viel, aber durchaus Fein gutes Futter. Frijches, jaftiges Gras ift ihm das liebte; Möhren, Rüben und Sleienfutter jagen ihm ebenfalls jehr zu. Mit feinen breiten Schneidezähnen mweidet es wie ein Pferd, trinft auch, wie Diejes, jchlürfend, mit langen Zügen. Die Wärme liebt es, ohne jedoch die Kälte zu fürchten. Noch im November jtürzt e3 fich ungefcheut und ungefährdet in das eisfalte Wafjer. Bei groher Hiße fucht e3 unter dichten Gebüfchen Schatten, gräbt jich hier wohl auch eine jeichte Ver- tiefung aus. Sehr gern wälzt e8 fich im Schlamme, ijt überhaupt unreinlich und fiederlich: jeine Haare liegen Freuz und quer über- und durcheinander. E3 wide ein ganzes Schwein jein, übernähme das Waffer nicht feine Reinigung. In diejes jebte, nach Haade, eine in Frank furt lebende Capybara auch ftets ihren Kot ab, jelbjt wenn man ihr nur einen ganz Fleinen Saufnapf gab. Gegen andere Tiere zeigt fich das Wajjerichwein teilnahmlos. Es fängt mit feinem Streit an und läßt jich bejchnuppern, ohne jich nach dem Neugierigen auch nur um- zujchauen. Doch zweifle ich nicht, dat es fich zu verteidigen weiß; denn es ijt nicht jo Dumm und janft, wie e3 ausfieht. So berichtet He: AlS er jeinerzeit im Kölner Garten zwei Capybaras zufammenbrachte, fielen fie fofort derart übereinander her, daß fie mehrere Bih- wunden davontrugen und ein abgebrochener Nagezahn auf dem Kampfplab zurüdblieb. Auffallend war mir der Wechfel der Milchnagezähne meines Gefangenen. Sie wurden durch Die zweiten, welche ungefähr nach Ablauf des eriten Lebensjahres dDurchbrachen, ganz 140 8. Ordnung: Nagetiere. Yamilie: Meerfchmweindenartige. allmählich abgeftoßen, jaßen eine Zeitlang wie eine Scheide auf und fielen ab, noch ehe vie nachfommenden ausgebildet waren. Das Gebiß war eine Zeitlang äußerjt unregelmäßig. Nach den Berichten aller Neifenden genießen das Fleijch der alten Capivara faum die Spmdianer und Neger, weil es einen eigenen, twiderlichen, tranigen Beigejchmad hat. Da- gegen verjichert Göldt aus eigener Erfahrung, daß das Lendenftüc junger Tiere, nac) Wild- bretart gebeizt, einen wohlichmedenden Braten liefert. Die die, fajt fahle Haut ijt außer- ordentlich Shiwammig und weich, liefert ein Leder, welches das Wajfer leicht durchdringen läßt, und wird deshalb nur zu Riemen, Fußdeden und Neitfätteln benußt. Die Botofuden- mädchen reihen die Nagezähne des Tiere3 aneinander und verfertigen fich daraus Arm- und Halsbänder. Anderweitigen Nuten gewährt das Tier, nad) Göldi, neuerdings durch jein Fett, das angeblich einen jtarfen Jodgehalt aufweiit und im Süden des Staates Minas 3. B. „bereits einen Handelsartifel von gar nicht zu unterfchägender Wichtigkeit” bildet. Co muß aljo jeßt auch daS arme, dumme Wafjerichwein dran glauben! Die füdamerifanifchen Biehhirten jagen das Wafjerjchwein zu ihrer Belujtigung, in- dem fie eS unvermutet überfallen, ihm den Weg abjchneiden und es mit ihren Wurfichlingen zu Boden reifen. Häufiger jagt man e3 vom Strome aus. „Sn einem jener leichten Kähne“, jagt Henjel, „welche nur einen Menjchen fajjen, biricht man ohne Hörbaren Nuderjchlag in den jtillen Buchten der großen Gewmäljer, wo die Capybara häufiger it. Schon in einiger Ent- fernung hört man das Sinirfchen und Nafpeln der mächtigen Badenzähne, welche die Wajjer- pflanzen verarbeiten, und Fann man jich ohne Geräusch nähern, jo gewahrt man bald das plumpe Tier, wie es, halb im Wafjer jtehend, an den Pontederien fich gütlich tut.“ Gemöhn- lich aber wird in gänzlich unmweidmännischer Art auf das Harmlofe Tier Iosgefnallt. Heut- zutage probiert, wie Göldi jagt, jeder Ausflügler vom Motorboot aus an ihm feine Flinte, und die Biehfarmer jehen das gern, weil fie, wie alle Stoloniften dem eingeborenen Wilde, dem Wafjerichivein Berwüftung der Weiden nachjagen. Für feine Größe und robujte Körpermajje ijt das Tier merfwürdig empfindlich gegen Schrotfchüffe, denen e3, nach Göldi, regelmäßig erliegt, wenn auch exit nach Stunden und Tagen; zunäch]t taucht e3 unter und verbeißt jich an Wurzeljtrünfen. Was weiter aus ihm wird, danach fragt fein Menjch. Un- verwundet entfonmene Shmwimmen minutenlang unter Wafjer davon und ftreden dann erft am anderen Ufer unter chügendem Didicht gerade eben nur die Najenspibe fichernd hervor, um jofort weiter weg zu tauchen, wenn es ihnen in der Umgegend noch nicht geheuer jcheint. Außer dem Menjchen dürften Jaguar und Alligator die fchlimmften Feinde der Capybara jein. Tag und Nacht ift am Lande der Jaguar hinter dDiefem bequemen Wilde her, und in den Slußniederungen ift es wahrjcheinlich die Häufigite Beute, die ihm zum Opfer fällt, fozu- jagen jein tägliches Brot. Aber auch der Alligator erhebt chweren Tribut von den Capy- bararudein; das ergibt fi), nach Göldi, „aus der bezeichnenden Tatjache, daß im Magen großer Alligatoren gar nicht felten große Kugeln, fogenannte Aegagropila, gefunden werden, die aus filzartig zufammengeballten Haaren von Cayybaras beitehen.” Unjer allbefatntes Meerjchweinden, Cavia porcellus Z. (cobaya), ijt bald nach - der Entdedung Amerifas im 16. Jahrhundert durch die Holländer zu uns gebracht worden. - Gesner fennt e3 bereits. Nach Nehrings Unterfuchungen ftammt es von der Cavia cutleri Benn. in Peru ab, two es jchon zu den Zeiten der Infas als Haustier gehalten wurde. Die Nehringjchen Meerjchweinchenforfehungen als folche verdienen in diefem Werte kurze Wiedergabe, weil fie zugleich grundlegend und abjchliegend find: völlige Klarheit über Nagetiere IV. I. Struppmeerichweinchen. 1/3 nat. Gr., s. S. 141. stud. L. Heck -Berlin phot. 2. Angorameerichweinchen, von der linken Seite geliehen. 1/3 nat. Gr., s. S. 141. Aus der „Geflügel-Welt“, Chemnitz. Mit irdl. Erlaubnis des Verlags. ” g 3. Aperea, Cavia aperea Erxl. 1/3 nat. Gr., s. S. 146. — Georg E.F. Schulz-Friedenau phot. 4. Spix-Moko, Kerodon spixi Wagl. !/3 nat. Gr., s. S.147. — Georg E.F. Schulz -Friedenau phot. Capybara. Meerfhmweinden. 141 Abftammung und Entjtehungsgejchichte des Hausmeerjchweinchens haben jie exit gejchaffen. Nehring geht von der unanfechtbaren Borausjegung aus, daß nur Kulturvöffer fich Haus- tiere herangebildet haben, und daß man daher die Stammform und den Ursprung des Meer- jchweinchens in dem alten füdamerifanischen Sulturlande, in dem Infareiche Beru fuchen müfje. Tatfächlich förderten denn auch Reif und Stübel aus einem altperuanifchen Gräber- feld neben Hunde- und Lamamumien auch jolche von Meerjichweinchen zutage. Sie fchieten jie an Nehring als den berufenen Bearbeiter ein, und diejer jtellte feit, Dat; die Hausmeer- jchweinchen der vorjpanischen Zeit Perus von der wilden Form des Landes jich noch nicht jo weitgehend unterjchieden wie unjer europätjches Meerjchweinchen von heute. Somohl in der Farbe (noch viel gefprenfelte Wildfarbe, wenig Weiß, gar fein Schwarz) als in der gejtrecteren und feiter gefügten Schädelbildung jtehen jie der wilden Stammart noch bedeutend näher, und diefe Mittelitellung in der Körperbejchaffenheit Harmoniert wieder jehr jchön mit der ztoiichen völliger Freiheit und enger Gefangenjchaft mitteninne jtehenden Haustierjchaft, in der die Peruaner ihre zahmen Meerjchweinchen in und bei ihren Hütten herumlaufen liegen. Außer einfarbigen Meerjchweinchen, von denen die weißen am Häufigjten find, jieht man gewöhnlich nur dreifarbige: weiß, gelb und chtvarz gejchedte. Haade hat aber zwijchen den Meerjchweinchen, die im Frankfurter Tiergarten zu Fütterungszmweden gehalten werden, wiederholt Stücde angetroffen, die nur gelbweiß gejchedt waren; jolche Stüde Haben jtets tote Augen. Nach Nehrings Unterfuchungen an den Meerjchweinchenmumien von dem Totenfelde von Ancon in Peru fehlten den Infa-Meerjchweinchen jtetS die jchwarzen Flede. Sie waren entiveder einfarbig weiß oderrötlichhraun oder, wenn ziwveifarbig, rötlichhraun, be- ziehentlich gelbmweiß gejchedt. Bei uns trifft man auch Meerjchmweinchen mit braunjchwarzen, mäufefarbenen und gelblich ajchgrauen Fleden. Dreifarbige, mit ajchgrauen anjtatt der ichwarzen Flede, jind nach Haades Beobachtungen nicht jelten; auch bei diefen jind die Yugen immer rot. Sin neuerer Zeit ift das Struppmeerjchweinchen jehr beliebt geworden, eine - Rajje mit längerer, armverschiedenen Körperitellen eigentümliche Wirbel bildender Behaarung. - Am meijten aber werden von Liebhabern die Angorameerschweinchen gejchägt, deren langes, jchlichtes Haar auf der Erde nachjchleifen muß (Taf. „Nagetiere IV”, 1 u. 2). Das Meerichweinchen gehört zu den beliebteiten Haustieren aus der ganzen Ordnung der Nager, ebenjotwohl feiner Genügjamfeit wie jeiner Harmlojigfeit und Gutmütigfeit halber. Wenn man ihm einen luftigen und trodenen Stall gibt, it eg überall Teicht zu eı- halten. € frißt die verfchiedensten Pflanzenftoffe, von der Wurzel an bis zu den Blättern, Körner ebenjogut wie frische, faftige Pflanzen, und verlangt nur etwas Abwechslung in der Nahrung. Wenn es jaftiges Futter hat, farın e8 Getränk ganz entbehren, obwohl es namentlich Milch recht gern zu jich nimmt. &3 läßt fich überaus viel gefallen und verträgt jelbft Mißhandlungen mit Gfeichmut. Deshalb ift es ein Höchit angenehmes Spielzeug für Kinder, welche fich auch am eiftigjten mit feiner Zucht abgeben. In feinem Wejen erinnert e8 in mancher Hinficht an die Kaninchen, in anderer wieder an die Mäufe. Der Gang ift nicht eben tajch und bejteht mehr aus Sprungjchritten; Doch ift das Tier nicht tölpelhaft, jon- dern ziemlich gewandt. Gewöhnlich fit es auf allen vier Füßen, den Leib platt auf den Boden gedrüct; meiftens läuft es ohne Unterbrechung in feinem Stalfe umher, am Tiebiten längs der Mauer hin, tvo e3 fich bald einen glattgetretenen Weg bahnt. Necht Hübjch jieht 8 aus, wenn.eine ganze Familie beifammen ift. Dann folgt eines dem anderen, und die ganze Reihe umfreift den Stall vielleicht Hundertmal ohne Unterbrechung. Die Stimme beiteht aus einem Grunzen, das dem Tiere wohl den Namen Schwein verjchafft hat, und - 142 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Meerfhmweindenartige. aus einem eigentümlichen Murmeln und Quiefen. Das Murmeln jcheint Behaglichkeit auszudrüden, während das Quiefen immer Aufregung anzeigt. Männchen und Weibchen halten fich zufammen und behandeln einander zärtlich. Aein- fich, wie die meiften Nager find, Tedt eins das andere und benubt auch wohl die Border- füße, um dem Gatten das Fell glatt zu fümmen. Schläft eines von dem Paare, jo wacht das andere für jeine Sicherheit; dauert es ihm aber zu lange, jo jucht e8 durch Xeden und Kämmen den Schläfer zu ermuntern, und jobald Diejer die Augen auftut, nidt e8 dafür ein und läßt nun jich bewachen. Das Männchen treibt fein Weibchen oft vor fich her und fucht ihm jeine Zuneigung und Unhänglichkeit auf jede Weije an den Tag zu legen. Auchdie gleichen Gejchlechter vertragen fich recht gut, jolange es jich nicht darum handelt, den beiten Plab beim reifen oder Auhen zu erhalten. Zwei verliebte Männchen, die um ein Weibchen jtreiten, geraten oft in Zorn, fnirfchen mit den Zähnen, jtampfen auf den Boden und treten Jich gegenjeitig mit den Hinterfüßen, paden fich auch.wohl an den Haaren; ja es fommt jogar zu Kämpfen, bei denen die Zähne tüchtig gebraucht werden und manchmal ernite Berwundungen vorfommen. Streit und Kampf enden erit dann, wenn jich ein Männchen entjchteden in den Bejit eines Weibchens gejebt hat. Seit Rengger hat man dem Meerjchweinchen eine ganz bejondere Fruchtbarkeit nach- gejagt. Mit Unrecht. Auch diefe Frage Hat Nehring Hargeitellt („Zool. Garten“, 1891). „Diejenigen Meerjchiweinchen, welche ich in dem Fleinen zoologijchen Berjuchsitalle des mir unteritellten Snititut3 der Kal. Landwirtjchaftlichen Hochichule gezüchtet Habe, Haben bisher fat ausnahmslos nur je zivei Junge in einem Wurfe zur Welt gebracht, aljo genau die Zahl, welche bei den wilden Meerjchweinchen (inSbejondere bei Cavia aperea) üblich ift, und auf welche auch jchon die Ziweizahl der Zißen bei den Cavien Hindeutet... Alle mir be= fannten Züchter bezeugten übereinjtimmend, dab die übliche Zahl der Jungen eines Wurfes zwei betrage, bei älteren Weibchen fei die Dreizahl auch nicht jelten, die Vierzahl käme fchon ziemlich jelten vor; die Fünfzahl wurde mir als jehr jeltenes Marimum angegeben! Hier- mit harmonieren die Beobachtungen, welche Bijchoff in feiner berühmten Schrift über die Entmwidelungsgejchichte des Meerjchweinchens (Gießen 1852) mitgeteilt hat... Ein von mir gezüchtetes Weibchen wurde bereits im Alter von 7—8 Wochen begattet und brachte nach 63 Tagen 2 Junge zur Welt." Große Frühreife müjjen wir aljo dem Meerjchweinchen zu- jchreiben nach Diejen jorgfältigen Zuchtverjuchen unferes Gemwährsmannes, die ja auch die Tragzeit ein für allemal auf durchjchnittlich 63 Tage, zuweilen bis 66 Tage, feitgeitellt haben. Aljo volle I. Wochen: ebenjoviel wie bei einem großen Hunde und mehr wie noch einmal joviel als bei dem ungleich größeren Kaninchen! Gegenüber Ddiejen Vergleichstieren piegelt die lange Tragzeit des Meerjchweinchens ich wider in der Größe, hohen Enttwidelung und geringeren Zahl feiner Jungen eines Wurfes. Die Kleinen fommen volfitändig enttvicelt zur Welt, werden mit offenen Augen geboren und find jchon wenige Stunden nach ihrer Geburt imjtande, mit ihrer Mutter umherzulaufen. Am ‚weiten Tage ihres Zebens jiben jie manchmal bereit3 mit bei der Mahlzeit und lafjen fich die grimen Pflanzen, ja fogar die Körner, fait ebenjogut jchmeden wie jene. Gleichwohl jäugt fie die Mutter 14 Tage lang und zeigt während diejer Zeit viel Zärtlichkeit und Sorgfalt für fie, verteidigt fie, hält fie zujammen ujw. Sowie die Stleinen jelbjftändiger werden, erfaltet die Mutterliebe, und nac) ungefähr 3 Wochen, zu welcher Zeit die Alte fich regelmäßig jchon wieder gepaart hat, be- fümmert fie fich gar nicht mehr um die früheren Sprößlinge. Der Vater zeigt fich von allem Anfang an jehr gleichgültig gegen dieje, jogar feindjelig, und oft fommt es vor, daf; Meerichweinden. 143 er fie totbeißt und auffrißt. Nach S—I Monaten haben fie ihre vollfommene Größe erreicht. Bei guter Behandlung fünnen fie ihr Leben auf 6—S Jahre bringeır. Nengger hatte gegen die jelbitverjtändliche AUbitanımung Des Meerjchtweinchens von einer der wilden Arten geltend gemacht, daß die zahmgehaltene Aperea (die brajilische Wild- form) ihre Farbe nicht verändere und mit vem Meerjchweinchen fich nicht paare. Beide Be- hauptungen gingen aus einem Werfe ins andere über und galten allgemein als Tatjachen, bis in den Sahren 1892/93 durch Neim- und Sireuzungszuchten mit AUpereas im Berliner Boologischen Garten und im Nehringjchen Inftitut das Gegenteil bewiefen wurde. Nehring faßt die Hauptrefultate der Züchtungsverjuche in folgende Säbe zufammen („Gejellich. Naturforjch. Freunde”, 1898): „Cavia aperea pflanzt fich in Reinzucht nicht nur einmal im Sahre fort, wie Nengger behauptet, jondern mindejtens ziwei- bis dreimal. Die Zahl der ungen eines Wurfes beträgt zwar gewöhnlich nur zwei, Doch fommen auch Würfe von drei ungen nicht ehr jelten vor. — Sm allgemeinen bleibt die gleichmäßige feinmelterte Färbung auch bei den in Gefangenschaft gezüchteten Nachfommen der C. aperea beitehen; Dennoch fam jehon bei einem Der erjteren Würfe der in Neinzucht gezüchteten Apereas ein Junges zur Belt, das einen weißen, länglicgen Fled am Numpfe aufzumeijen Hatte. — Die Streuzung bon ©. aperea und €. cobaya fann ohne Schwierigkeit ausgeführt werden, jowohl zitjchen C. a. Männchen und C. c. Weibchen al3 umgefehrt. — Die Baitarde jind fruchtbar jorwohl bei jogenannter Anpaarung, d. h. Vermifhung mit einer der Stammarten, als auch bei Paarung untereinander. Lebteres Nejultat ericheint bejonders interejjant. Die Trächtigteit der Baltarde dauert, wie bei C. cobaya, durchjchnittlich 63 Tage. — Die Haarfarbe der wilden Art wird mit auffalfender Zähigfeit vererbt (unter zahlreichen Halbblütern nur zwei mit etivas Fledenbildung; alle übrigen wildfarbig). Dasjelbe ft von den Doppelbaitarden aus der Paarung von Baftarden untereinander zu jagen: fie waren durchweg wildfarbig. — YAuc) in der Schädelform, namentlich in der Form der Nafjenbeine macht jich das Apereablut bei ven Baltarden in Herborragender Weije geltend. — Die Fledenbildung, welche wir an dem Haarkleide des Hausmeerjchweinchens gewöhnlich beobachten, ift erjt durch Domejtifation ent- Itanden; eine geringe Beimijchung vom Blute des wilden C. aperea genügt, um die gleich- mäßige Haarfarbe der Wildform wieder zur Entwidelung zu bringen. Auch diejenigen Baftarde, welche Drei Viertel Blut von C. cobaya in jich haben, find meiftens wildfarbig; einige von ihnen zeigen einen deutlichen Melanismus, indem fie einfarbig glänzend fchwarz erfcheinen.” Nehrings triftige Hiltorifche Gründe, das Meerjchweinchen aus Peru Herzuleiten, wer- ven durch den gegenmwärtigen Befund dort noch weiter gejtüßt. Neif bezeugte Nehring, „daß Dieje Tierchen die hauptjächlichite Fleifchnahrung der in abgelegeneren Gegenden Perus wohnenden Indianer bilden, und daß er jelbit bei feinem dortigen Aufenthalte nicht jelten gebratene Meerichweinchen mit Appetit gegejjen habe... Als 3. 3. d. Tiyudi Die abgelegeneren Gegenden PBerus bereifte, fand er die Meerichweinchen in den Sndianer- hütten noch ebenfo zahlreich vor, wie folche in der Zeit vor der Entdedung Amerikas vor- handen gemwejen zu fein fcheinen... Der erjtidende Nauch und die mefitiichen Dünfte, die fortwährend den engen Raum erfüllen, und eine Menge Meerjchtweinchen, Die die ganze Nacht Hindurch den Schlafenden über Geficht und Körper weglaufen, bringen den Reijenden falt zur Verzweiflung.” („Peru, Reijejtizzen”, 1846.) Auch aus den jpanijchen Auf zeichnungen, welche bald nach der Eroberung Perus niedergejchrieben find, liefert Nehring den Beweis, dab das Meerjchweinchen bei den Peruanern vor der Entdedung Amerikas ihon ein allgemein verbreitetes Haustier war und von ihnen als die zahme Zorm Des 144 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Meerichweinchenartige. dortigen wilden Meerjchweinchens betrachtet wurde. E&3 wird in diejen Schriften, 3. B. bei Garcilafjo und in den- peruanijchen Berichten der Relaciones geograficas de Indias, meijt als „indisches Kaninchen” bezeichnet, aber auch mit dem Heute noch gültigen Eingeborenen- namen „Cuy“ belegt. Unfer deutjcher Name „Meerjchweinchen” erklärt jich leicht für ein fleines Tier, da3 aus einem fernen Lande übers Meer zu uns gebracht worden it und fett und rund wie ein winziges Schweinchen ausfieht. Dagegen eriwect der englijche Name „Guinea - pig“ (Guinea-Schwein) geradezu eine falfche Vorjtellung von der Heimat des Tierchens, und jelbjt im öftlichen Südamerifa, two das Tierchen, nach Göldi, erjt neuerdings häufiger gehalten wird, befonders in mediziniichen Smitituten, hat man feinen bejjeren Namen als ‚„‚Porquinho da India“; man macht fich dort allerdings auch gar feine Gedanken über die Berwandtichaft mit der eingeborenen Aperea. Ienn man jich viel mit Meerjchweinchen bejchäftigt, Fan man fie ungemein zahın machen. Niemals verjuchen jte zu beißen oder fonjt von ihren natürlichen Waffen Ge- brauch zu machen. Das Heine Kind fan unbeforgt mit ihnen fpielen; fie Yajjen fich auf den Schoß nehmen, mit umherjchleppen ufw., ohne fich deshalb mißvergnügt zu zeigen. Wenn man ihnen etwas zu frejjen gibt, jind fie überall zufrieden. Aber dafür befunden jie auch jelten wahre Anhänglichkeit, jondern find jo recht aller Welt Freund. &3 gibt jedoch auch Ausnahmen. „Ein Meerjchmweinchen, welches meinen Kindern gehört”, jchreibt Friedel, „be- grüßt meinen Sohn, jobald es dejjen Schritte hört, mit lauten, aufgeregtem Duiefen; wenn er ihm Futter gibt, regelmäßig mit danfbarem, lautem Trommeln; meine feine Tochter nicht mit Quiefen, jondern nur mit leifem Murmeln; meine Frau und mich niemals mit Trommeln. Wenn meine Frau |pät abends das Zimmer pajjiert, worin das Tier hauft, wird fie von ihm regelmäßig mit Häglichem Quiefen um einen Bifjen angebettelt; bei mir jchiweigt das Tier, weil e3 weiß, ich gebe ihm jo jpät nicht3 mehr. Das Tier vermag alfo vier Verjonen genau zu unterjcheiden. Auch macht es Kunjtjtüdchen, jtellt fich auf Befehl tot und jpringt auf Be- fehl wieder in die Höhe.” Gegen Falte und nafje Witterung jehr empfindlich, erfranfen die Meerjchweinchen, wenn man jie vauhem Wetter ausfeßt, und gehen dann leicht zugrunde. Einen bejonderen Borjchub haben die Meerjchweinchen der Wifjenjchaft geleitet. Biichoff Hat fie zu Unterfuchungen über die tierische Entwidelung verwendet und ihnen dadurch) einen ehrenvolfen Plab in unjerem wifjenjchaftlichen Schrifttume gefichert. Und neuerdings, jeit die Bazillerffdrichung, die Smpfverfuche und die Serumtherapie zu jo un- geahnter, für die Menjchheit jegensreicher Blüte gelangt find, ift das Meerjchmweinchen ats dem Stinderjpielzeug zum wiljenjchaftlichen Haustiere geworden, das an feiner Forjchungs- jtätte mehr fehlen darf. Deshalb wird denn auch jeine Zucht bereits zu Erwerbszmweden getrieben. Wie die Zeitungen berichten, „it die Züchtung von Meerjchweinchen in großem Mapitabe in legter Zeit auf den Dörfern bei der Töpferftadt Bunzlau in Niederjchlejien eingeführt worden. Manche ländliche Bejiter haben dort jtet3 einen Bejtand von 100—150 jolcher Tierchen. Die Meerjchweinchen werden durch einen Zwifchenhändler monatlich auf- gefauft, wobei für das Stüd 60 Pfennig bezahlt werden. Sn einer Anzahl von 400-500 Stüd werden die Tiere dann nad) Berlin transportiert.” Nachdem dank Nehring die Frage der Abjtammung des Meerfchweinchens erledigt und in Übereinftimmung damit von Thomas der Name Cavia porcellus ausschließlich auf dieje Haustierform bejchränft worden ift, fehen wir heute einigermaßen Har über den Sn- halt der Gattung. Das Allgemeininterejjante für unjere ganze Anfchauung, für unfere Wilde Meerfhweinden. 145 Auffafjung des Begriffes der Art ift dabei, daß der Eyftematifer nicht umdin fann, die wilde Stammform (Cavia eutleri) und das von ihr abgeleitete Haustier (Cavia porcellus) zufolge der Schädel- und anderer Unterjchtede al3 zwei felbftändige Arten gleichtvertig nebenein- andberzuftellen, obwohl er feinen Augenblid zweifelt, daß Das Haustier der unmittelbare, nicht nur blutsverwwandte, jondern ausjchlieglich dasjelbe Blut führende Nachfomme der Wildform it, dejjen Berjchiedenheit einzig und allein auf Die veränderten Xebensverhältniffe im Haustierjtande zurüczuführen ift. Die Gattung Cavia Pall. fennzeichnet jich durch den Schwund des Schwanzes und des eriten und fünften Fingers der etwas verlängerten Hinterglieder. Die Krallen find verbreitert, wie beim Hufpfötler zu erwarten. Das wilde Meerjchweinchen erinnert gewiß auf den erjten Blid fchon jehr an feinen allbefannten zahmen Verwandten, und doch unterfcheidet eS von diejem feinen, weibunten _ Diebauch jenes manchmal jchwer bejchreibliche Etwas, das dem geübten Auge das milde Tier jtetS jofort vor dem Haustiere fenntlich macht. Vor allem hat es nichts Buntes an - jich, fondern die echte, eintönige, graubräunlich gejprenfelte „Wildfarbe”; ferner ist die Ge- jtalt fchlanfer und leichter, das ganze Tierchen daher viel flinfer und beweglicher: wie eine Maus oder Natte hujcht es eilfertig hin und her, veriteht es, auf Furze Entfernungen fich jehr gut dor jenen Feinden in Sicherheit zu bringen. Namentlich aber erfennt man an der feineren Modellierung des zierlicheren, Kleineren Kopfes das wilde Tier. Das wilde Meerjchmweinchen verbreitet jich in einer ganzen Anzahl verjchiedener Arten oder geographiicher Formen über den größten Teil Südamerifas, und zivar leben die faum rattengroßen Tierchen da ebenjowohl im Tieflande, jogar in der jumpfigen Niederung, mie jie der Dften des Exrdteils bietet, al3 auf den feljigen Hochebenen der Weititaaten. Immer aber müjjen die Tierchen, die mit ihren furzen Beinen und dem verhältnismäßig Jchweren Leibe natürlich nicht befonders jchnell und noch weniger ausdauernd laufen können, in un- mittelbarer Nähe ihrer Nahrungspflanzen, allerlei Gras und Straut, gejchügte Veritedfe haben; wenn ihnen daher nicht, wie am Urwaldrand und im Sumpfe, dichtes Gebüjch, namentlich ltachlige Heden zur Verfügung jtehen, graben fie fich Höhlen, die fie gejellig anlegen, in manchen Hochländern Boliviens 3. B. jo zahlreich, daß der ganze Erdboden unterwühlt ift. Sonit jcheint über das Freileben in der Fach- und Neifeliteratur bis jebt jehr wenig nieder- gelegt zu jein, „und Doch joll das Tierchen von Guayana bis Argentinien ganz gemein, jtellen- meije, wie ich aus mündlichen Berichten von deutfchen Anfiedlern in Brajilien weiß, jo- zujagen in jedem Busch und Graben anzutreffen fein. 3 wird aber weder gejchofjen noch gefangen noch jonjtwie beachtet, jondern einfach al3 ‚Ungeziefer ignoriert” (Hed), und jo erklärt e3 fich jchliegfich, daß 1891 die erften ihrer Art in den Berliner Garten gelangten. Das Ergebnis vieler Nehring zuliebe gefchriebener Briefe an deutjche Landsleute in Südamerifa! Seitdem fonnte der Berliner Garten fie öfter zeigen, und feit einiger Zeit (1906) beherbergt er auch Vertreter der zweiten Untergattung (Kerodon), der Mofo3 genannten Gebirgsformen. Eicherlich werden die Unterjchiede im Leibesbau feine tiefer gehende Trennung der Berg- und Talmeerjchweinchen erlauben al die in die beiden Untergattungen Cavia im engeren Sinne und Kerodon F. Cuv. (Cerodon); der Tiergärtner aber, der fie beide neben- einander zu Halten und zu pflegen und namentlich in dem zugetwiefenen Naume fejtzuhalten hat, daß fie nicht „ausrüden”, — der erklärt beide ebenfo jicherlich für „grundverfchiedene” Tiere. Denn während die gewöhnlichen Apereas aus dem Tieflande für den Pfleger bequeme Erdfriecher find, die feinerlei Umftände und Schwierigkeiten machen, gehören die Mofos Brehm, Tierleben. 4. Aufl. XI. Band. 10 146 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Hajfenmäuje im weiteren Sinne. zu den gefährlichiten Springern, die im zoologijchen Garten unter den Kleinjfäugern über- haupt vorfommen fünnen. „Das wird jedem Tierpfleger chneller Far, als ihm Tieb it“, ichreibt Hed, „wenn er verjucht, die Heinen Ausreißer auch nur einigermaßen im Freien zu halten. Glattgebügelte Zement- und Nohglasivände, die 1,20 m Hod) find, überwinden Die nur rattengroßen Nader troß jchief nach innen gewendeter Eifenjpigen nach einigen Ber- juchen leicht mittelS mehrerer aufeinander folgender Duerjprünge übered. Bon niedrigem -Steingeröll fpringen fie über 1m hoch auf ein gläfernes Bordad), das fie an weiteren Spazier- gängen hindern foll. Deshalb Habe ich gegenwärtig (Januar 1907) den Kampf mit meinen Mofos, in dem ich immer wieder den firzeren zog, aufgegeben und lajje jie gewähren. Weit entfernen fie fich Doch nicht von ihrer rechtmäßigen Wohnung, und dem Publikum machen fie erhöhte Freude, wenn fich einer ganz außerhalb der Gehege am Nagetierberge zeigt. Selbit der behendejte Afttionär- und Abonnentenjunge fann ich nicht rühmen, je einen erhajcht zu haben.” Und daß fie echte Feljentiere find, verraten die Mofo3 am auffallendjten Dadurch, dab man fie im Berliner Garten nie zu längerer Ruhe auf ebenem Boden fiten fieht wie Die Apereas im Nachbargehege; immer fuchen fie fic) zu dDiefem Zwede einen der rundlichen ©e- rölffteine aus, die in ihr Gehege gelegt find, und verftehen jich auf diefem jo anjchmiegend niederzudrüden, fogar mit 1 oder 2 Jungen, daß man jofort fieht, fie gehören ihrer ganzen Natur und Neigung nad) dahin. Auch dur) Häufiges Männchenmachen auf den Hinterläufen bemeijen jie ihr lebhafteres, gemwandteres Wefen, und feine Formenunterjchiede fennzeichnen jie dem jchärferen Blid jofort: die Ghiedmaßen find länger, der Leib jchlanfer als bei den Apereas, und der geitredtere Kopf hat Durch feine jchlanfe Bogenlinie fein ganz eignes Profil. Schließlich hebt Wagner in den Schreber-Supplementen noch einen interejjanten Unterjchied in der Fußbildung gegen Die Apereas hervor, der wohl ebenfall3 zu der abweichenden Be- mwequngsmweije und dem verjchtedenen Standort in Beziehung jteht. Während die Apereas Krallenzehen mit jpißen, vorjpringenden Nägeln haben, „enden bei den Mofos die Zehen mit verdidten Ballen, und die Nägel, welche beträchtlich breit, gewölbt, längs der Mitte gefielt und jchnell zugefpiht find, find fo kurz, daß fie die Zehenballen faum übertragen”: aljo eine getwije Annäherung an die Fußbildung, wie jie in der Vollendung die größten Virtuojen im Feljenklettern und Felfenjpringen unter den Kleinjäugern, die Klippichliefer (Procavia), zeigen, die gar nicht mehr zu den Krallenjäugetieren gerechnet werden fönnen. Die befanntejte Art der Talmeerfchweinden (Untergattung Cavia im engeren Sinn), it die eigentliche Aperea, C. aperea Eral. (Taf. „Nagetiere IV”, 3, bei ©. 141), aus Ciid- brajilien, die im Borjtehenden jchon fo vielfach erwähnt wurde, daß hier faum noch etwas von ihr zu jagen übrigbleibt. Sm offenen ©elände gräbt fie jich Höhlen, während jte jonjt unter dem Schuße der Pflanzendede lebt. Ein ähnliches Verhältnis, wie bei unjeren Kaninchen jeßt lab greift! Wo Graswuchs an feuchten Bodenftellen vorhanden, fonnte Göldi im Staate Niv Janeiro und den umliegenden Landesteilen diejes herzige Tierchen als regelmäßigen Be- wohner fennen lernen, und zwar in der Ebene joiwohl als bis über 1000 m hinauf im Drgel- gebirge. Allerdings verrät jich jeine Anmwejenheit meijt nur durch die zwijchen dem Graje‘ berjtreute Lojung; tagsüber befommt man die AUperea nur Durch Zufall zu Gejicht. Will man jie im Freileben beobachten, jo muß man die Dämmerung abwarten. Bor Sonnen- untergang läßt jie jich nicht leicht blidden. Wenn man aber ihre Standorte einmal ausgefund- Ichaftet Hat, erkennt man leicht ziwijchen dem Grafe die von ihr hHauptjächlich innegehaltenen Pfade und Fährten. Und weiß man die, jo fällt es gar nicht bejonders jchiver, jie in beliebiger P2 et a —_ . a Wilde Meerfhmweinhen Mara. 147 Anzahl zu fangen, mit großen Drahtmausfallen, die mit frischen Maiskörnern gefödert werden. Sn Paraguay Iebt fie, nach Nengger, an den Walorändern in Gejellichaften von 6—15 Stück zwijchen den dichten Mafjen der Bromelien (Ananasgemäche) und geht nie weit weg von ihren ausgetretenen Pfaden. Cutler3 AUperea, Cavia cutleri Benn., die eigentliche Stammform des Meerjchwein- chenz, ijt eine etwas Fleinere Art und unterjcheidet fich außerdem noch durch fchwärzlichen Ton der Ullgemeinfärbung, obwohl die Weichen und bejonders die Unterjeite ins Bräunliche jpielen. Unter den Mofos ift e8 der auf den Anden (beim Titicacajee) in 10—12000 Fuß Höhe lebende Bolivia-Mofo, Kerodon boliviensis Wtrh., der dort in großen Stolonien auftritt und in gemifjen Gebieten den ganzen Erdboden unterwühlt. Er it oben gelbgrau, Stehle, Unterjeite und Füße weißlich; Nagezähne porn orangefarben. — Der Spir-Moto, Kerodon spixi Wagl. (Taf. „Nagetiere IV", 4, bei ©.141), der germöhnlich im Berliner Garten gehalten und gezüchtet hwird, lebt in Brafilien (Bahia, Rio de Janeiro) und ift oben dunffer, unten heller grau. Ein munteres, behendes Tierchen und gar nicht heifel, weder im Futter, noch im MWärmebedürfnis, an bejjeren Wintertagen immer im Freien. (Hed.) Er ijt übrigens, nach . Göldi, gat fein Feljentier, jondern fommt „in den mehr ebenen Landftrichen mit ausgiebigen, zufammenhängendem Grasmwuchs vor”. — Der oben graue, unten weißliche Feljen-Mofo, Kerodon rupestris Wied, lebt ebenfalls in Brafilien, aber nur in felfigen Gegenden, wo er die Spalten und Riten bewohnt, jich aber feine Höhlen gräbt. Göldi nennt ihn „ein Charatter- - tier der fteinigen Bergeinöden des Sertäo von Nord-Ninas und Bahia ab bis nad) Maranhäo hinauf”. Die Indianer jagen ihn viel und nennen ihn „hofi”. Jr Biauhy und Ceara und - den anftogenden Küftenjtaaten muß er fogar zu Zeiten der durch periodijche Trodenheit her- borgerufenen Hungersnot die Hauptfleifchquelle abgeben. Bei den Brafilianern der Serra de Sbiapaba bei Spu im Staate Ceard heißt, nad) Snethlage, der Spir-Mofo allein „Mocd“, der Felfen-Mofo „Rred”. Beide werden, weil ihr Fleijch alS Lederbijjen gilt, fortwährend verfolgt und find daher jo jcheu, daß Snethlage und ihr Präparator tro häufiger Spuren und gedufdigen Wartens an befannten A fungsplägen nicht eins der Tierchen zu Geficht befamen. Ein Höchit fonderbares Wüftentier, die Mara, Dolichotis patagonica Shaw, ijt der Ber- teeter einer leßten Gattung (Dolichotis Desm.) der Zamilie der Meerjchtweinchenartigen. Jr mancher Hinficht an die Hafen erinnernd, unterjcheidet fie fich von diefen hinlänglich durch die Hohen Beine und die Fürzeren und ftumpferen Ohren. Der Leib ift Schwach, gejtredt und born etivas dünner als hinten, die Beine find ziemlich lang, die hinteren länger als die vor- deren, die Hinterfüße drei, die vorderen vierzehig, die Zehen hier Furz, dort ziemlich lang, an beiden Füßen aber frei und mit langen, jtarfen Krallen bemwehrt. Der ettvas chmächtige Hals trägt einen zufammengedrüdten, an der Schnauze zugefpißten Kopf mit langen, ziem- lieh jehmalen, abgerundeten, aufrechtitehenden Ohren und mittelgroßen, lebhaften Augen. Der Schwanz ift Furz und nad aufwärts gekrümmt. Die verhältnismäßig Heinen Badzähne . zeigen eine ftarfe mittlere Schmelzfalte. Das Fell ift weich, dicht und glänzend; die Haare - find kurz und fiegen glatt am Leibe an. Die Färbung ift auf der Oberjeite ein eigentümliches Braungrau mit feiner weißer Sprenfelung. An den Geiten und auf den äußeren Teilen der Füße geht diefe Färbung in eine Hell zimtfarbene über. Ein fchtwarzer Fled, der über der Schwanzgegend fitt, wird durch ein weißes, oberhalb des Schmwanzes fich Hinziehendes 10* 148 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hajenmäufe im meiteren Einne. Band jcharf abgegrenzt. Die ganze Unterjeite ift weiß, geht aber auf der Bruft in ein helles Zimtbraun über, das bi3 zur Kehle reicht, während die Gurgel wieder weiß ausjieht. Glän- zend Schwarze Schnurren ftechen lebhaft von den übrigen Haaren ab. Bei erwachjenen Tieren beträgt die Länge des Keibes 50 cm, wovon der Stummeljchwang nur 4—5 cm mweg- nimmt; die Höhe am Widerrifte aber fanın bis 45 cm erreichen und läßt das Tier auf den eriten Anblid eher einem feinen Wiederfäuer al3 einem Nager ähnlich erjcheinen, zumal in der Bewegung. Dann verjchtindet die flüchtige Ähnlichkeit, die die Mara im Eiten mit einem furzlöffligen, jehr jchwach- und langläufigen Hafen allenfalls noch hat, und wenn man jie auf den dünnen, vorn und Hinten ziemlich gleichlangen Beinen jtehen oder langjam jchrittweife gehen fieht, jo glaubt man wirklich, einen Zwerg aus dem’Hirjch- oder Antilopen- gejchlechte vor jich zu haben. Der Galopp Dagegen ist wieder mehr ein Mittelding zwijchen dem des Hajen und des Huftieres, obwohl auch bei diejer rajchen Bewegung das Empor- ichnellen auf allen vier Läufen auffallend an gemijje Antilopen erinnert. Weber nennt die Mara „eine zum jchnellen Laufe ausgerüftete Cavia mit großen Ohren, großen Augen- twimpern ufi.”, und dieje legtere Eigentümtlichkeit verdient allerdings bejondere Erwähnung, meil jie jonjt in der Familie nicht wieder vorfommt. Der Schädel ift dadurch gefennzeichnet, daß die vielen Nagern eigene Berjchmälerung des Gaumens nach vorn zu auf die Spibe getrieben ijt; jie geht jo meit, daß die entjprechenden Lüczähne der beiden Kieferjeiten jich mit ihren inneren Eden berühren. Schon von Darwin erfahren wir, daß die Mara in Südamerika nad) Norden nicht über den 37. Grad jüdl. Br. hinausgeht, wenigjtens im Dften. Die jteinige und wajjerarme Wüjte Patagoniens ijt ihre Heimat. Dort, wo die Sierra Talpaquen dieje Wiülte begrenzt, der Bo- den feuchter und pflanzenreicher zu werden beginnt, verjchhwindet fie gänzlich. Nach Weiten bin reicht fie biS in Die Nähe von Mendoza und jomit bi$ zum 33. Grad jübl. Br.; es it möglich, daß fie jogar noch in der Umgegend von Cordoba in Argentinien vorfommt. Früher war jie viel gemeiner al3 gegenwärtig, wo jie nur in Gegenden noch häufig ift, in denen jte die Unmirtlichfeit des Landes am meijten jchüßt. Ungeachtet diejer Häufigkeit hält es nicht gerade leicht, das Tier zu erlangen, und zwar aus dem einfachen Grunde, weil man e3 ziemlich jchwer zu jehen befommt. Entweder liegt e3 in feiner Höhle verborgen oder hat jich platt auf die Erde gedrücdt und wird dann durch fein echt erdfarbiges Kleid den Bliden leicht entzogen. Dazu fommt noch feine Scheu und Furchtiamfeit. Die Mara ergreift bei der geringiten Gefahr jofort die Flucht. Dabei folgt die Gejellichaft, die fich gerade beieinander befindet, einem Leittiere in furzen, aber ununterbrochenen Säßen und ohne von der ge- taden Linie abzumweichen. Darwin jah die Mara mehrmals in fißender Stellung vor ihrem Bau, erfuhr jedoch, daß fie, ganz gegen die Gewohnheit der Nager und anderer Höhlentiere, häufig von ihrem Wohnorte jich entferne und in Gejellichaft mit anderen meilenmweit umber- itreife, ohne gerade regelmäßig nach ihrem Bau zurüdzufehren. Cie ijt ein volljtändiges TIagtier, obivohl fie während der Mittagshige ihren Bau aufjucht. Fhre Nahrung beiteht in Pflanzen, deren Wurzeln und Ninden. In manchen Gegenden Patagoniens, wo auf dem fiejigen Boden nur wenig dürre und dornige Büfche ein erbärmliches Dafein friiten können, iit fie das einzige lebende Tier, daS man bemerft. Über die Fortpflanzung wird von früher- - her berichtet, daß das Weibchen zweimal im Jahre zwei Junge werfe. Das zurzeit (1912) im Berliner Garten gehaltene Marapaar hat jeit 1909 regelmäßig Junge gebracht, aber jedes Jahr nur einen Wurf, zweimal von 2 und zweimal von 1 Jungen, zweimal im Juli, einmal im Junt und einmal im November; leßterer Wurf war mır eine Totgebunt. Mara. 149 Sn der nächiten Nähe von Mendoza fommt die Mara, laut Göring, nur noch jehr jelten vor, öfter bemerft man fie weiter im Süden. Am häufigiten findet fie jich in Einöden, die nicht vollfommene Wülten, jondern bufchreich jind. Hier jieht man fie in Gejelljchaften bon 4-8, zumeilen aber auch in Herden von 30—40 Stüd. Die gleichen Gegenden bewohnt mit ihr da3 fchöne Helmfteisyuhn, Calopezus elegans, dort Martinette genannt, und man darf mit aller Sicherheit darauf rechnen, daß man da, vo der Vogel gefunden moird, auch die Mara bemerken fann,; und umgefehrt. Die Mara zählt zu den wenigen Säugetieren, die jich gerade im Sonnenfchein recht behaglich fühlen. Wenn jie jich ungejtört weiß, legt fie jich entiveder auf die Seite oder platt auf den Bauch und fchlägt dabei die Handgelenfe der Borderfüße nach innen um, wie fein anderer Nager e3 tuf. Zumeilen reden und dehnen jich die ruhenden recht vergnüglich; beim geringjten Geräusche aber jegen jte jich auf, jftemmen jich auf die Vorderfüße und Hinten auf die Ferje, jo daß die Pfoten in der Luft jchiweben, verweilen, jtarr wie Bildfäulen, ohne die geringite Bewegung in diejer Stellung und Augen und laufchen jcharf nach der Gegend Hin, don der das Geräusch Fam. Währt diejes fort, jo erheben fie fich vollends, bleiben eine Zeitlang jtehen und fallen endlich, wenn es ihnen jcheint, daß die Gefahr näherfommt, in einen eigentümlichen, jehr oft unterbrochenen Galopp. Sie laufen bloß wenige Schritte weit weg, jegen fich nieder, jtehen auf, lanfen wieder eine Stirede fort, jegen fich von neuem, gehen dann vielleicht 50—100 Schritte weiter, jeßen jich nochmals und flüchten nun exit, aber immer noch in gleichen Ubjäßen, weiter. hr Lauf fördert dennoch ziemlich rajch; denn jte find imjtande, Säbe von 1,5—2 m zu machen. Shre Nahrung beiteht aus den wenigen Gräjern, welche ihre arme Heimat erzeugt; fie fommen jedoc) auch in die Pflanzungen herein und lafjen e3 jich in den Feldern, namentlich in den mit Stlee beitandenen, bortrefflich jchmeden. Sie beigen die Gräfer ab, richten jich dann auf und frejjen in fiender Stellung, ohne dabei irgend etiwas anderes als die Sliefer "zu bewegen. Dabei hört man ein ziemlich lautes Geräufch, und es nimmt jich höchjt eigen- tümlic aus, die langen Grashalme und Blätter fo nach und nach verjchwinden zu jehen, ohne daß man eigentlich etwas von der Kaubewegqung wahrnimmt. Caftige Speijen ge- nügen bollfominen, um den Durjt zu löjchen. Eine mit Grünzeug gefütterte Mara erhielt während ihrer ganzen Gefangenjchaft nicht einen Tropfen Waffer. Sn Mendoza beobachtete Göring eine erwachjene Mara längere Zeit in der Ge- fangenjchaft. Für Liebfojungen zeigte fie fich jehr empfänglich; wenn man fie Fraute, frümmte fie den Nücen, bog den Kopf zur Geite, al$ wolle fie die ihr wohltuende Hand jehen, und ließ dabei ein höchit behagliches, aber unbejchreibliches Duiefen oder Grunzen vernehmen. Die Stimme hatte durchaus nichts Unangenehmes, fondern im Gegenteil etwas Gemütliches und Anjprechendes. Die Mara it außerordentlich vorfichtig und wählt fich zum Auhen oder zum Frejjen immer die bufchlofen, lichteren Stellen aus. Deshalb ift eS gar nicht leicht, ihr Fehukrecht auf ven Leib zu rüden. Im Lager läßt fie fich nie überrafchen; ihre Sinne find fo fcharf, daß fie jchon aus großer Entfernung die Annäherung eines Feindes wahrnimmt. A leichtejten erbeuten fie geübte Reiter mittel$ der Wurffugeln. Bei anhaltendem Laufe er- müpdet fie doch und wird von rafchen Pferden nach einiger Zeit eingeholt. Indianer und Gauchos jagen fie mit Leidenjchaft, Hauptfächlich des Felles halber, das zu ebenjo hübjchen wie weichen Fußteppichen und Deden verwendet wird. sn europätiche Tiergärten gelangt die Mara nicht jelten (Handelswert 100—150 Mark) und Hält fich da ganz gut, obwohl man in der Regel fein größeres Gehege für fie übrig hat, 150 8. Ordnung: Nagetiere. Bamilie: Hafenmäufe im weiteren Sinne in dem fie fich jelbit die Höhle graben fünnte. Wo dies möglich tft, wie 3. B. im Barijer Arklimatifationsgarten, bürgert jte fich volfftändig ein und lohnt durch Fortpflanzung. Sie fann in jedem Park ohne Schaden gehalten werden, weil fie nur Gras frißt, Fein Holz jchält. Fir den ländlichen Privatliebhaber vollends ift fie ein jehr danfbares Tier, zumal fie auch jehr winterhart ijt, Kälte ganz gut vertragen fann. Friedrich FalzTein, der Schöpfer eines wahren Tierparadiejes auf jeinem Gute Uscania Nova im taurischen Goudernement nördlich der Krim, hat fogar die angenehme Erfahrung gemacht, daß er feine Maraz ganz frei über twintern fann, troß eines Winters, der mit feinen tagelangen Schneejtürmen deshalb nicht weniger „tuffiich” ift, weil er jünrufjiich ift (bi8 — 30°). Das erklärt fich daraus, daß die dortige Kälte meift eine trodene Kälte ift, während das nahfalte Wetter, das auch bei ung Menschen und Tieren am meiften jchadet, faum vorkommt. Falz-Feinz Maras befuchen dann die Schughütten, die er auf feiner eingezäunten „Zierjteppe” für jeine verjchieden- artigen Pfleglinge aufgeitellt Hat. Sonft nehmen fie gerne die Höhlen an, die ihr Pfleger ihnen graben läßt, Haben jich aber jetbjt bis jeßt feinen Bau angelegt. Sie leben jtreng paarweije und nehmen paarweije ein ganz beitimmmtes Nevier in Anfjpruch, aus dem fie jeden anderen ihresgleichen hinausbeißen. Sn der Höhle wirst das Weibchen ein Junges, das in Ddiejer exit anderthalb Wochen feitfibt, dann von den Alten mitgeführt wird. Wie fejt Die Paare aneinander Hängen, zeigte jich bei Falz-Tein auf eine ganz überrajchende und geradezu rührende Art und Weife. Er ließ fich einft aus Paris zur Blutauffrischung ein neues Paar fommen und hielt Dejfen beide Gefchlechter mit denen feines alten Paares freuzmweije den ganzen Sommer in je einem engen Stalle zufammen, um die Tiere um- zupaaren. AS er dejjen ficher zu jein glaubte, ließ er beide neu zufammengeitellten Paare auf die Tierjteppe hinaus. Da nahm fich aber das alte Männchen jofort wieder jein altes Weibchen und biß das neue Männchen derart ab, daß Diejes an feinen Wunden einging. Das neue Weibchen paarte fich Dann mit einem überzähligen, in Ascania geborenen Männchen. — Sn Frankreich, mo Dank dem Klima des Landes und dem Temperamente der Bewohner die Wogen der Afklimatijationsbejtrebungen immer bejonders hochgingen, hatte jchon vor Sahrzehnten ein ebenjo fenntnisveicher wie liebevoller Tierpfleger, 3. M. Cornely, auf jeiner iylliichen Befigung bei Tours Maras glüdlich eingebürgert und andere Liebhaber mit jeinen Zuchtproduften verjorgt. Bon ihm erhielt auch der-Barifer Afklimatifationsgarten jeine Maras und der diejem naheitehende Pierre-Amedee Bichot in Sevres, Der fie in feinem Barfe vollfommen frei laufen läht und regelmäßig züchtet. Bei ihm zeigen die Maras deut- fich ihre Abneigung gegen das Gehölz und verraten fo, Daß jte Tiere der weiten, freien Steppe jind. Ceite an ©eite liegen fie da, die Köpfe nach entgegengejeßten Richtungen geivendet, beherrjchen jo den ganzen Gejichtöfreis und jehen eine Gefahr von allen Seiten fommen. Vichot hatte von Cornely und aus dem Afklimatifationsgarten gehört, dat die Maras ihr Sunges in einem flachen Erdbau zur Welt bringen, diejen aber nicht jtändig bewohnen. Sein erites Paar verjäumte diefe Vorbereitung und wurde von der Geburt überrafcht. Hußerft fomifch war nun die Berlegenheit der Alten und des Jungen, welches von Geburt an jojort laufen fanıı. Das Kleine fchien feine Kinderjtube zu verlangen, und die Alten durch- juchten mit ihm in allen Richtungen freuz und quer den Park nach einem pajjenden Quartier. Endlich famen jie an die Ti eines leeren Pferdejtalles, das Junge lief hinein und Frod) unter die Haferkijte. Hier nahın e3 num feinen bleibenden Wohnfit. Die Alten famen mehr: mals des Tages an die Stalltür; hinein wagten fie jich aber nicht: fie riefen ihr Kleines, diejes fam auf die Schwelle, um an feiner Mutter zu faugen, und verfteckte fich dann alsbald Mara. Kleine Grau-Mara. ' 151 wieder in jeinem Schlupfiwinfel. Pichot fieß dann am Fuße einer Lärche einen Holzfajten in die Erde eingraben und mit einem Fünftlichen Zugange verjehen. Diejen „Bau“ haben dann jeit 1890 alle jene Maras treu angenommen und dort bis 1904 jchon über 100 Junge zur Welt gebracht. Die Jungen haben die Grabarbeiten fortgejeßt und fich einen richtigen Bau angelegt. In diefer unterirdiichen Wohnung it Pla für mehrere Familien, und die Wohnung it oft von Würfen jehr verjchiedener Größe bejeßt, da die Jungen den - Bau nicht eher verlaffen, um fich dem Nudel anzufchließen, bis jie beinahe die Größe der Alten erreicht haben. Auch bei Pichot zeigt ich Die Anlage der Wara zur Einehe Deutlich, und die Paare Halten treu zufammen. Sie werfen 1—3 Junge, und das Männchen ver- läßt das Weibchen während des Gebärens nicht, entfernt vielmehr mit Entjchiedenheit alle ungebetenen Gäjte. Wenn aber die Kleinen glücklich da find, lajjen die Maras Verwandte und Freunde heranfommen und ftellen jie ihnen richtig vor. Wenn die Eltern zum Bau fonımen, um die Jungen faugen zu lajjen, rufen fie fie durch ein eigentümliches Pfeifen an den Eingang. Einmal wollte eine weibliche Mara, die ihr Junges verloren hatte und nun unter ihrem ftrogenden Gejäuge litt, mit einer glüclicheren Genojjin die Mutterpflichten teilen. Sie hatte aber eigentümliche Gewohnheiten, fie die Jungen nicht in ihrer Be- haujung, jondern führte jie troß Regen und Wind im naffen Graje und in Wajjerpfügen ipazieren, jo daß die wirkliche Mutter mehrmals Hinter ihrer gefährdeten Nachfommenjchaft herlaufen mußte, um fie unter ihr rechtmäßiges Obdach zurüdzubringen. Eines Morgens — die wachjame Mutter Hatte gefehlt — war die „Bonne” mit einem Jungen verjchwunden, das fie unter einem Haufen Holz am anderen Ende des Barfes veriteckt hatte. Die Mutter machte jich auf die Suche, und ehe der Tag vergangen war, hatte jie ihr Junges twieder- gefunden und brachte e3 nach Haufe. Aber die Kindsdiebin verzichtete nicht auf ihren ‘Plan, ein Kleines für jich allein zu haben. Sn der Nacht, bei Mondichein, während die Maras nach ihrer Gewohnheit weit weg vom Bazı nächtigten, fam fie an daS Loch heran und rief. ‚Allein die Kleinen famen nur bis an den Eingang, weiter folgten jie ihr nicht. (d’Herbe- pille, „Sport universel illustre‘“‘, 1904.) Auf einer anderen Befigung, beim Comte de Tel, bat man jogar jchon eine Treibjagd auf Maras abgehalten — mit der fröhlichen Schtehluit, die den Franzojen auszeichnet. Lange Jahre fannte man im Tierhandel und in den Tiergärten nur die gewöhnliche große patagonijche Maraart mit der jchwarzweigen Duerzeichnung über die Keulen. Da famen auf der jährlichen Tierveriteigerung im Antwerpener Garten Feine Maras zum Ber- fauf, mehr eintönig braungrau, jedenfalls ohne die Keulenbänder. Sie wurden zivar als unge der gewöhnlichen Art bezeichnet, erregten aber doch Das Interejje und die Zweifel der Kenner. Ein Stüd gelangte in den Berliner Garten, veränderte jich während mehrerer Jahre weder in der Größe noch in der Farbe und wurde daher als die Zwerg-Mara oder Kleine Srau-Mara, Dolichotis salinicola Burm. (Taf. „Nagetiere V”, 1, bei ©. 158), fejtgeitellt, die der große deutjch-argentinifche Naturforjcher Burmeister 1875 (‚‚Proc. Zool. Soc.‘) be- ichrieben- hat. Er erfannte fie jchon „Durch die noch größeren Ohren als neue Art” gegen die befannte patagonifche und führt Die verwwunderliche Tatjache, daß fie jo lange unbelannt bleiben fonnte, auf-die abgelegene Heimat zurüd: die „Salina“ genannte Salzwüjte Jnner- argentiniens, die Damals erjt durch die zentralargentinische Bahn erjchlojfen wurde. In „Dieje Salina fnüpfte er den wiljenschaftlichen Namen an (= Salzwüjtenbewohner), und man fönnte das Tier daher auch deutjch Salzwülten- Mara nennen. Die Einwohner nennen e3 52 8. Dronung: Nagetiere. Familie: Agutiartige. Cunejo (Kaninchen) tie alle Heinen Nagetiere de3 Landes. Dft jieht man drei Stüde zu- jammen, die Eltern mit ihrem noch nicht jelbftändigen Jungen. Das Tier ift jehr behende und entwijcht mit großer Schnelfigfeit unter die feinen Büjche jtachliger Leguminojen, die in diefem Landesteil gemein find. Jr den dichtejten Diefer Büjche Hauft es, und dort feheinen auch jeine Baue zu jein. Ganz fahle Flächen vermeidet e3, wie die patagonifche Mara. * Die nächjtverwandte Familie, die Agutiartigen (Agoutidae), jind teils Hochbeinigere, elegante, teil3 plumpere, unterjeßte Nager mit langem, eigentümlich gewölbten Profil, feinen runden Ohren, meist nadtem Schwanzitummel und Hinterbeinen, die merklich länger als die vorderen find. Diejfe haben vier Zehen und eine Feine Daumenmwarze, während die Hinterfüße in bloß drei vollfommen getrennten, jehr langen Zehen enden. Alle find mit jtarfen, breiten, wenig gefriümmten, hufartigen, an den Hinterfüßen bejonders ent- widelten Krallen bewehrt; nur auf der Daumenwarze jist ein Fleiner platter Nagel. Die eigentlichen Agutis (Dasyprocta ZZ.) haben einen leichten und feinen Bau, machen daher einen angenehmen Eindrud, zumal fie auch in jehr gefällige, zum Teil jogar jatte und lebhafte Farben gekleidet find. Das Gebiß ift jtark; Die flachen, platten Nagezähne treten bejonder3 hervor, jchon weil das obere Baar ziemlich lebhaft tot, das untere gelblich gefärbt ift; die rundlichen Baczähne zeigen eine einzige einfpringende Schmelzfalte und mehrere Schmelzinjeln. Die Agutis finden fich paarmweije oder in Heinen Gejellichaften in waldigen Ebenen, namentlich in den Ddichteften Wäldern der Flußniederungen; doch gehen einige auch bis zu 2000 m ü. M. im Gebirge empor. Der oder das Aguti, Guti oder, wie er jeines hübjchen Felles wegen auch wohl heißt, der Goldhaje, Dasyprocta aguti L., eines der Schmuditen Mitglieder der ganzen Familie, hat dichte und glatt anliegende Behaarung; das rauhe, harte, fait borjtenartige Haar zeigt lebhaften Glanz und rötlich-zitronengelbe, mit Schwarzbraun untermijchte Färbung, tt drei= bis viermal dunkel [chwarzbraun und ebenfooft rötlich-zitronengelb geringelt und endet bald mit einem helfen, bald mit einem dunfeln Ninge, wodurd) eben die gemijchte Färbung hervorgerufen wird. An einigen Leibesitellen mwaltet das Gelb vor, indem das Schwarz entweder ganz verjchtwindet oder nur einen fchmalen Ning bildet. So fommt es, daß die Gejamtfärbung fich verändert, je nachdem fich das Tier bewegt, je nachdem die Beleuchtung eine verjchtedene und endlich je nachdem das Haar hier länger und Dort Fürzer ift. Das Geficht und die Gliedmaßen deden bloß furze Haare, das Hinterteil längere und das Kreuz mie Die Echenfel jolche von fait Sem Länge; die Kehle it nadt. An Kopf, Naden, Vorderrüden und an der Außenjeite der Gliedmaßen herrjcht die rötliche Färbung vor, weil die Sprenfelung hier jehr dicht ift; am Hinterrüden und in der Streuzgegend erjcheint Das Tier gelblicher, weil hier die Sprenfelung untergeordneter ift. Je nach ven Jahreszeiten ändert fich die allgemeine Färbung ebenfallz; fie ift im Sommer heller und im Winter dunkler. Die Leibeslänge eines erivachjenen Männchens beträgt 40 cm, die des Schwanzjtummels bloß 1,5 cm. Brafilien im Gebiete des Umazonenftromes und das öftliche Peru find die Heimat der Cutia. ©o heikt das Tier dort nämlich im Spanischen allgemein, abgeleitet von dem alten Smdianerivort „akuti“, das durch die großen franzöfichen Naturgejchichtichreiber Buffon, Desmareit zu „Agouti” wurde. Göldi erflärt Die Wortbedeutung al „Früchte aufitechendes (benagendes) Tier”. Jm unteren Amazonasgebiet wird D. aguti, nach Göldi, durch den Agutis. 1 Azaras Agufi, 2 Mohren guti, 3 Aguti, 4 Schopf-Aguti. -Rc Aguti. 1583 Gelbrüden-Aguti, D. croconota Wagn., exjeßt, der bejonders im Miündungspelta, 3. B. auf der Infel Marajd, jehr häufig, Heiner von Gejtalt und auf dem Hinterrüden ganz grelf jafranfarbig ift. An den meijten Orten ift der Aquti recht zahfreich, befonders in den Fluf- niederungen Brafiliens. Hier twie Überall beivohnt er die Wälder, die feuchten Urmwälder ebenjo wie die trodeneren des inneren Landes, treibt ich aber auch auf den angrenzenden grasreichen Ebenen herum und vertritt dort die Stelle des Hafen. Yım freien Felde fommt er nicht vor. Gewöhnlich findet man ihn über der Erde, in hohlen Bäumen nahe am Boden, und öfter allein als in Gefellfchaft. Feder hat, nach Göhi, fein Wohntevier mit einem pafjen- den Schlupfiwinfel, das er gegen andere verteidigt. Doch gibt e3 auch gemilje Lieblingspläge, ähnlich wie bei uns in Hafenreichen Gegenden. Snethlage-PBara berichtet von einem folchen am Kingu — es var am Rande eines Heinen natürlichen Campo, io diejer an palmen- reichen, aber ziemlich trodenen Urwald grenzte —, wo eine ganze Anzahl Golohajen im Graje aufiprangen, um jchleunigit in ven Wald zu flüchten. Sonft liegt der Goldhaje tagsüber für gemwöhnlich ruhig in feinem Lager, das er jich aber, nad) Höldi, nicht erjt durch mühevolle Grab- arbeiten herfiellt, jondern in einem natürlichen Verjtecd wählt, einer unterhöhlten Baun- twurzel, in einem umgejtürzten und ausgefaulten Baumjtamme, unter Felstrümmern. Nur da, tvo er fich vollfommen ficher glaubt, fteeift er auch bei Tage umher. So überraschte Sneth- lage im Gebiete der jüdlichen Nebenflüfje des unteren Amazonas gar nicht jelten eines oder das andere Diejer Tiere, das, jehr in feine Bejchäftigung vertieft, meijt mit einer Frucht im Maule, durch den Wald trottet. Sowie es den Menjchen einmal bemerkt hat, beginnt ein geradezu rajendes Flüchten, bei dem es fchnell unfichtbar wird. Mit Sonnenuntergang geht der Goldhaje auf Nahrung aus und verbringt bei guter Witterung die ganze Nacht auf jeinen Streifzligen. Er Hat, wie Rengger berichtet, die Gewohnheit, jeinen Aufenthaltsort mehr mals zu verlaffen und wieder dahin zuriczufehren; hierdurch entjteht ein jchmaler, oft 100 m langer Fußweg, der die Lage des Wohngebietes verrät. Bringt man einen Hund auf dieje Fährte, jo gelingt es, falls jich das Lager nicht im Didicht befindet, fait regelmäßig, des Tieres habhaft zu werden. Die Hunde verbellen ihr Wild, und man fann e3 dann aus feiner Höhle hervorziehen oder ausgraben. Wird der Aguti aber die Ankunft der Hunde zeitig gewahr, fo entfernt er jich augenblicklich, und feine Gewanbdtheit, fein jchneller Yauf bringen ihn dann bald aus dem Bereiche feiner Verfolger. Gi jtellt die Cutia im Einklang mit der Bedeutung ihres alten Jndianernamens hauptjächlich als Fruchtfreifer Hin, der jich ebenjomwohl das faftige Fleifch weicher wie die Samenferne Holziger Früchte fehmeden Täßt. Am Amazonenjtrom tragen mehrere ein- heimijche Fruchtbäume mit mehligem, eidotterfarbigem Fleifch geradezu den Namen „Cutia- Speije” (Acutitiribä). Die großen Sapucajaferne verzehrt fie ebenfo gern twie der Menjch, und mit der größten Sunftfertigfeit öffnet fie die verfchiedenen Balmnüfje (Indaja, Ayıt, naja). AS ginge es an einer Drehbant mit Mafchinenbetrieb, jo flinf wird die ziwijchen den Vorderpfoten bewegte Nuß ihrer Fleifchumhüllung entledigt, und von einem jteinharten Kern fliegen die Späne buchjtäblich weg, al3 wenn fie vom Drechjler mit fcharfem Stahl- meißel abgejchrotet würden. Die Cutia fennt die Standorte ihrer Lieblingsfrüchte und jucht dieje ebenjo regelmäßig auf wie ihre Tränfen an einem Rinnfal mit Harem Wafjer, das ihr offenbar Bedürfnis ift. Bei Überfluß, wo etwa eine Palme ihre mächtige Fruchttraube entleerte, legt die Cutia fich aber auch Vorräte an, Proviantverjtede, wie Göldi jagt, aller- dings in wenig umfafjender und forgfältiger Form, indem fie einfach eine Frucht bei- jeite trägt und in ein trichterförmiges Exdloch einfchartt. Das gefchieht mit einer geroijjen 154 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Agutiartige. fieberhaften Eile der jtranıpelnden Borderfüße, und noch drolliger ijt eg, nach Göldi, an- zujehen, tvie jie immer wieder nachjichaut und ihren Schab wieder mo andershin trägt, al3 ob jie Entdedung und Beraubung fürchtete. Da fie ficher. einen Teil der vergrabenen Früchte vergißt, jo trägt jie wohl auch zur Verbreitung der betreffenden PBflanzen-bei. Der Aquti it, nach Göldi, aber auch ein gieriger Cier- und Vogelräuber, der an den Nejtern der erd- brütenden Steiß- und Zahnhühner und an jungen Baumhühnern manchen Schaden tut. Cr tötet die jungen Vögel durch einen Bik in den Kopf und verzehrt zuerjt das Gehirn. AS ängjtliches Tierchen ift der Aguti vielen Gefahren preisgegeben, fo daß ihn eigent- (ich nur die außerordentliche Gemwandtheit feiner Bewegungen und die jcharfen Sinne vor dem Untergange retten fönnen. An der Gefangenjchaft zeigt er jich aber mitunter auch recht ftreitluftig, zumal wenn man mehrere Arten zufammenjperren muß. Dann fann man e3 erleben, daß jte jich an Schultern und Nüden itber fingerlange, weitklaffende Wunden bei- bringen, an denen eines oder das andere eingeht. m Laufe macht der Aguti Sprung- jehritte, Die aber fo Schnell aufeinander folgen, daß es ausjieht, al3 eile das Tier im gejtredten Galopp dahin. Der ruhige Gang ift ein ziemlich langjamer Schritt. Unter den Sinnen jcheint der Geruch am fchärfiten entwidelt, aber auch das Gehör jehr ausgebildet, das Gejicht da- gegen ziemlich blöde zu jein. Die geiltigen Fähigkeiten find jehr gering, nur ein gewiljer DOrtsfinn ift vorhanden. Im übrigen fällt die große Reinlichfeit auf. Die Toilette füllt, nach Göldi, einen großen Teil des Tagesprogrammes der Cutia aus. Zeven Augenblid jebt fie jich auf die Hinterbeine und pußt jich mit den Vorderpfoten Kopf und Gejicht. An Laut-_ äußerungen läßt fie bei Ärger und Zorn ein Fauchen hören, verbunden mit Sträuben der ver- längerten Hinterleibshaare, bei angenehmer Erregung, alfo befonders während der Brunitzeit, ein ähnliches von Zittern der ganzen Körperhaut begleitetes Wiehern ivie die Capybara. Auch das Trommeln mit den Hinterfüßen, das man vom Kaninchen fennt, übt jie manchmal. Über die Fortpflanzung der freilebenden Agutis fehlen noch genaue Nachrichten. Das Männchen jucht ein Weibchen auf und jagt ihm nach unter Pfeifen und Grungen, bis e3 das anfänglich jehr Spröde Weibchen jenem Willen geneigt gemacht hat. Bald nach der Begattung lebt jedes Gejchlecht einzeln für jih. Das Weibchen bezieht jein altes Lager wieder und richtet e3 zur Aufnahme_der Jungen ein, d. h. poljtert es möglichit dicht mit Blättern, Wurzeln und Haaren aus, bringt auf dDiefem weichen Lager die Jungen zur Welt, jäugt fie mehrere Wochen und führt fie jchließlich noch einige Zeit mit umher, um fie bei den eriten Weidegängen zu bejchügen. Gefangene Agutis pflanzen fich nicht felten fort. Schon Nengger erzählt, daß ein Tärchen, das Rarlet bejaf, nach langem Werben und Verfagen fich paatte, und daß das Leibehen nad) jechswöchiger Tragzeit zwei, leider tote Junge warf. Sm Boologifcheı arten in Para fallen die Würfe von 1—2 Jungen gewöhnlich in die Monate der Winter- regen (Januar bis April); im Jahre 1910 erhielt man jedoch um diefe Zeit, ebenjo wie von den Pefaris, gar feine Nachzucht, wohl aber je einen Wurf im Dftober und November. In London, Amjterdam, Köln und anderen zoologifchen Gärten hat man ebenfall® Junge ge- züchtet. „Sweimal”, jagt Bodinus, „Haben wir jchon Junge von unjeren Agutis gezogen, da3 eritemal zwei, daS zweitemal nur ems. Sch hatte dabei Gelegenheit, zu beobachten, daß das Weibchen fein großes Zutrauen zu der Kinderliebe des Vaters hat. Die Heinen Tierchen Tiefen, obwohl etwas fchwach auf den Füßen, bald nad) der Geburt umher, ähnlich tie Die neugeborenen Jungen vom Meerjchmweinchen. Nahten fie fich dem Vater, jo ftürzte die Mutter mit gejträubten Haaren auf fie zu, ergriff fie mit dem Maule und trug fie in nr.) a Ban S #; - . 4 . E\ ‘ Er \ Er» =. 4 € - _ Aguti. 155 eine Ede — ein Verfahren, welches da3 bejorgte Tier mehrere Tage fortfebte, bis die Kinder die Mutter zu fennen jchienen und die gefährliche Nähe des Herrn Papas vermieden. Nach 4—5 Tagen jchien der Bater an den Anblid der Kinder gewöhnt und die Gefahr bejeitigt zujein. Meift juchten jich die einen in irgendeinem Schlupfiwintel aufzuhalten und famen, jobald jich Ehluft einftellte, mit quiefenden Tönen heran, mit zärtlichem Knurren begrüßt don der Mutter, welche, auf den Hinterfühen figend, fie faugen ließ. Unvermutetes Geräujch berjagte jie in ihren Schlupfiinfel, bis fie, mehr an die Umgebung gewöhnt, fich allmählich frei zu beivegen begannen und der Mutter folgten. Wenige Tage nac) der Geburt benagten ‚fie jchon das Futter der Alten und mwuchjen ohne irgend bemerfliche Umftände allmählich heran. Bei der Geburt tragen die Tierchen gleich daS Gepräge der Alten und weichen nur umbedeutend in den äußeren Formen ab.” - Auch von mir gepflegte Agutis haben geboren, am 2. Februar bei ziemlich ftarfer ‚Kälte und wahrscheinlich im Innern der jehr geräumigen Höhle, die meine Gefangenen nach eigenem Belieben und Ermejjen innerhalb ihres Geheges fich ausgegraben Hatten. Sch fand eines Worgens die getöteten Jungen mit zerbifjenem Kopfe vor dem Eingange der Höhle fiegen und vermutete, daß diejer Mord von anderen Gutis, welche in Demjelben Ge- hege wohnten, begangen worden war. Der Erwähnung mwert fcheint mir zu fein, daß meine gefangenen Gutis alle Leichen aus dem Innern des Baues herausjchleppten und vor ihrer Höhre ablegten. Wie die Jungen, war auch ein alter Guti, der im Innern der Höhle ver- endet jein mochte, von den übrigen ins Freie gebracht worden. Diejes Verfahren der Tiere teht mit ihrer großen NReinlichfeit im innigjten Zujammenhange. - Nengger erzählt, daß der Guti, jung eingefangen und jorgjam aufgezogen, fait zum Haustiere wird. „Sch habe“, jagt er, „mehrere Aqutis gejehen, welche man frei herumlaufen lajjen konnte, ohne daß jie entwwichen wären; jogar mitten in großen Wäldern, ihrem Aufent- halte im freien Zujtande, entweichen fie nicht, wenn jie einmal gezähmt jind. &$ ift aber nicht jowohl die Anhänglichfeit an den Menjchen, jondern die Angemwöhnung an ihren Aufenthaltsort, welche bei ihnen den Hang zur Freiheit unterdrüdt. Sie find dem Menjchen nur wenig ergeben, unterjcheiden ihren Wärter feineswegs von anderen Perjonen, ge- horchen nur jelten feinem Rufe und fuchen ihn nur dann auf, wenn fie der Hunger drängt. Auch) Tajjen jie fi ungern von ihm berühren; jie dulden feinen Zwang, leben ganz nach ihrem eigenen Willen und können Höchjtens dazu gebracht werden, ihre Nahrung an einer beitimmten Stelle aufzufuchen. Übrigens verändern fie im häuslichen Zuftande ihre Lebenz- art injowweit, daß fie mehr bei Tage Herumlaufen und bei Nacht ausruhen. Gewöhnlich wählen jie irgendeinen dunfen Winkel zu ihrem Lager und polftern dasjelbe mit Stroh und Blättern aus, zumeilen aber auch mit jeidenen Frauenfchuhen, Schnupftüchern, Strümpfen ujto., welche fie in Fleime Stüde zernagen. Sonjt richten fie mit ihren Zähnen wenig Schaden an, außer wenn man fie einjchliekt, wo jie dann alles zerftören, was für ihr Gebik nicht zu hart it. Ihre Bewegungen find jehr leicht. Sie gehen entweder in langjamen Schritten, - mobei jie bloß mit den Zehen auftreten und den Rüden jtarf wölben, oder fie laufen im gejtredten Galopp oder machen Sprünge, welche an Weite denen unferes Hafen nichts nach- geben. Laute geben jie jelten von jich, außer wenn fie gereizt werden; dann Yajjen fie einen - Pfeifenden Schrei hören; doch Fnurren fie zumeilen, aber nur ganz leife, wenn jie an einem verborgenen Orte irgend etwas zernagen. Werden jie in Zorn oder in große Furcht gejebt, jo jträuben fie ihre Rüdenhaare, und es fällt ihnen dann oft ein Teil davon aus. Man ernährt jie mit alfen, twa3 im Haufe gegefjen wird. Eine Lieblingsipeife jind die Rofen. _— 156 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Agutiartige. Somie eine von Diefen Blumen in ihre Wohnung gebracht wird, wittern fie ihr Vorhandenjein auf der Stelle und fuchen fie auf. Die Nahrung ergreifen fie gewöhnlich mit den Schneide- zähnen und nehmen jie dann zwijchen beide Daumenmarzen der Vorderfühe, indem ie jic) ie das Eichhörnchen auf die Hinterfüße jegen. ch jah fie nie trinfen, jedoch jollen jie nach Parlets Beobachtungen das Wajfjer lappend zu jich nehmen.” Bodinus jagt mit Recht, daß die zierliche Gejtalt, das Schöne Ausjehen und die Kein- fichfeit die Agutis für alle Liebhaber jehr empfehlenswert machen. Die von Bodinus ge- baltenen waren fo zutraulich geworden, daß jie dargereichte Lederbijjen aus der Hand nahmen und augenblidlich verzehrten. Andere Gefangene ergögen hauptjächlich durd) die obenerwähnte Eigentümlichfeit de3 Futtervergrabens. Hußerft fomifch fieht e3 aus, wie jorgjam fie fich dabei umfchauen, und tie forgfältig jie bemüht find, ihre Schabbergerei un- gejehen zu verrichten. Naht fic) ihnen ein anderes Tier, jo jträuben fie jofort das Haar und gehen zornig auf den Störenfried los. Futterneidijch jcheinen fie überhaupt im höchiten Grade zu fein; ihre jchwächeren Mitgefangenen miüfjen fich jeden Biljen jtehlen, welchen fie genießen tollen, und jelbit jtärferen Wohnungsgenofjen, 3.8. Pafas und Murmeltieren, machen fie die Nahrung ftreitig. Dasjelbe bejtätigt neuerdings Snethlage aus dem Zoologijchen Garten in Bara, wo die AgutisS „dDurd) Unverträglichkeit ihresgleichen und anderen Tieren gegen- über viel Mühe und Berdruß machen. Schwere Bikmwunden fommen gar nicht jelten dor; daß e3 Junge gab, merft man manchmal erft, wenn man die zerfleischten Leichname findet, und ein zu einem Nudel gejeßter Fremdling ift meijt unrettbar verloren.” Die Neinlichfeit der von mir gepflegten Gutis zeigte jich bei jeder Gelegenheit. Cie hielten ich jelbjt fortwährend in Ordnung und vermieden forgjam, fi) irgendwie zu be= ichmußen. Ihre Baue waren jtet3 vortrefflich imftande. Sie verdanften Ddieje eigentlich einem Murmeltiere, welches ich in ihr Gehege jebte. Bis zur Ankunft diefes Wohnungs- genojjen hatten fie nicht daran gedacht, jich eigene Höhlen zu graben, fondern mit den für jie hergerichteten Schlupfiwinfeln, die mit Heu und Stroh) wohl ausgepolitert waren, gern jürlieb genommen. Sobald das Murmeltier zu ihnen fam, änderte fich die Sache. Der Sohn der Alpen fand bejagten Schlupfmwinfel durchaus nicht nach feinem Gejchmad und machte von feiner Kunftfertigfeit fofort Gebrauch. Er begann zunächjt eine jchief nach unten jührende Röhre zu graben und arbeitete Diefe im Verlaufe der Zeit zu einem vielfach ver- ziveigten Bau aus. Syedoch hatte er jich verrechnet, wenn er glaubte, für fich allein gearbeitet zu haben; denn die Gutis fanden den Bau nad) ihrem Behagen und befuhren ihn gemein- ichaftlich mit dem rechtmäßigen Bejiter; ja es jchien, als habe Diejer jie exit das Graben gelehrt: denn fortan arbeiteten auch jie mit Ausdauer und Eifer an der Vervollfommnung der unterirdischen Wohnung. Das Murmeltier jegte feine Belehrungen fort, indem e3 Heu und Stroh nach dem Innern der Höhle jchleppte; Die -Gutis ahmten auch Diefes nad), und binnen furzer Zeit hatte fich die ganze Gejfellichaft bejtmöglich eingerichtet. Ende Gep- tember verjchwand das Murmeltier den Bliden, wahrjcheinlich weil eS bereits in Winter- Ichlaf gefallen war; e3 blieb jomit wenigjtens der größte Teil Des Baues den Gutis zu un- umjchränfter Verfügung. Bon nun an fchleppten fie jehr viel Heu und Stroh in das Jımere, täumten aber von Zeit zu Zeit wieder ordentlich aus, worauf fie neue Vorräte eintrugen. Sie blieben den ganzen Winter Hindurd) in diefer angeeigneten Herberge, weil e3 mir un- möglich war, fie zu fangen. Als ftarfe Kälte eintrat, zeigten fie fich nur auf Augenblide, um zu frejjen, und zwar bei Tage ebenfogut wie des Nachts. Pie Kälte jchien ihnen zwar unangenehm, aber nicht jchädlich zu fein; mwenigjtens hielten fie zu meiner größten 4 Aguti. Azaraz Aguti. 157 Überrafchung bedeutende Kältegrade vortrefflich aus. Exit der fallende Schnee wurde ihnen läftig und einem bon ihnen verderblich. Unter den vielen Feinden, die den Aguti bevrohen, ftehen die größeren Kaben und brafilifchen Hunde obenan; aber auc) der Menjch ijt dem jchmucden Nager feineswegs wohl- gejinnt, und der Jäger jieht in ihm nächit dem Stletterftacheljchweine das verhaßteite Tier. „Kaum hat er”, jchildert Henfel, „Jich angefchiet, mit feinen Hunden die Berge zu befteigen, da finden fchon die Hunde eine Fährte und jagen laut und hitig auf ihr die Lehne entlang, bis in der Ferne ihr Standlaut Nachricht gibt, daß fie das Wild feitgemacht haben. Mit Ingrimm hat der Jäger bei dem erjten Laute der Hunde erfannt, welchem Wilde die Jagd gilt; fluchend folgt er der ago und fteht endlich vor dem Stamme eines Riefen des Urmwaldes, welcher, im Innern ausgefault, auf dem Boden liegt und der Berweiung anheimfällt. Hier arbeiten die Hunde an allen Löchern und Kiffen mit mehr Eifer als Erfolg. Noch miderfteht das Holz des Stammes ihren Zähnen, und nur aus dem Innern hervor hört man das Knurren des Guti. Nicht ohne Mirhe find endlich die Hunde abgerufen, und der Zäger beginnt höher zu jteigen, da entmwidelt jich eine neue Jagd, und verzmweifelnd verläßt jener das Nevier; denn die beiten Stunden für die Jagd find fchon verftrichen. Sm den meijten Fällen ift es nicht möglich, das Tierchen fejtzumachen. Der Guti fennt alle hohlen Stämme feines Ge- bietes und flüchtet vor den Hunden in den nächjten beiten, um ihn augenbliclich durch eine Offnung am entgegengejegten Ende twieder zu verlajfen. Bevor die Hunde den Ausgang finden, it er jchon längit in einem anderen Stamme, um das Spiel fo lange zu wiederholen, bis die Hunde, entmutigt und ermüdet, die Jagd aufgeben. Man wird nun den Haß des Sägers begreifen. &3 gibt Gegenden im Urwalde, in denen wegen der Menge der Gutis eine ordentliche Jagd gar nicht zujtande fommt.” Nach) Badermann-Egnit („Zehn Jahre in Britiih-Guayana“, 1911) wird dort die Agutijagd des Balges wegen geübt und deshalb, weil die Tiere in den Plantagen viel Schaden anrichten. Man verwendet mit gutem Erfolge die auch) in Nordamerika für nächtliche Jagd jehr gebräuchliche Blendlaterne oder eleftrijche ZTajchenlaterne. Wenn der Jäger jich mit einer jolchen auf vem Agutiwechjel anftellt und das nahende Tier, das jich durch jein Laufgeräufch und feine pfeifenden Töne deutlich ankündigt, plöglich mit dem blendenden Lichte bejtrahlt, jo ijt der Aguti wie gelähmt und fann bequem erlegt werden. Nach Snethlage-Rara findet übrigens im Amazonasgebiete heute das „\Hmadhafte, wenn auch etwas trodene Fleijch” der Cutia viele Liebhaber. Nach GoDi behauptet e8 die zweite Rangjtufe gleich hinter dem bejten Wildbret des Landes, der Pafa, und mwird in den Küftenjtädten von Hotel und Privatleuten gut bezahlt. Die wilden Jn- dianer Südamerikas verwenden, nach Gi, die auf einem Schaftgriff befeitigten Nage- zähne der Cutia, die eine Schneidefante, fcharf wie ein Nafiermefjer, haben, beim Täto- wieren und DVerzieren ihrer Tongefäße. Der grüne oder Azaras Uguti, Dasyprocta azarae Lcht., neben dem gelbroten der häufigite in den zoologijchen Gärten, neuerdings vielleicht noch häufiger, führt über zu einer anderen Farbengruppe der Aqutis, die fich in dunkle, grünlich-chmwärzliche, Höchjteng durch jilberigen Anflug aufgehellte Töne Hleidet. Er fommt aus dem fühlichen Brafilien, Bolivien und Paraguay, aljo dem Teile Südamerifas, von wo zurzeit die meijten lebenden Tiere ausgeführt werden, und ift deshalb heute in den Tiergärten eine gewöhnliche Erjcheinung, die allerdings auf den Befchauer nicht jo auffallend wirft wie die des vorgenannten nörd- lichen Verwandten, weil die lebhafte Färbung der Hinterhälfte fehlt, diefe vielmehr ebenfalls 158 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Agutiartige. graugrünlich geiprenfelt it, im einzelnen gejprochen, auch Dort die Haare jchwarz und gelb geringelt find. Im Berliner Garten hat diefe Urt im Jahre 1905 eine Mifchlingszucht geliefert mit einer zur felben Farbengruppe gehörigen, noch dunfleren, dem Mohren- Aguti, D. fuliginosa Wagl., aus Meriko, Yucatan, Guatemala, Coftarica, das namentlich am Hinterrüden auf Schwärzlichem Grunde durch lange, weiße Stichelhaare einen ganz eigenartig Hübjchen Silberanflug erhält. Die übrigen Arten fommen nur gelegentlich zu uns; wir fünnen daher nur einige wenige furz erwähnen, wobei wir ung in der Hauptjache an Alftons Bejchreibungen Halten (‚„,Proc. Zool. Soc.“, 1876). Durch diefe wurde „ein gut Teil der Verwirrung”, wie der Berjajjer fich jehr tichlig ausdrückt, bejeitigt, in welche Namengebung und geographijche Verteilung der Gruppe geraten waren, weil Die Agutis, von Merifo und den Antillen bis Brafilien und Paraguay verbreitet, in dDiefem weiten Gebiete „eine ganze Neihe zwar qut bezeichneter, aber nahe verwandter geographiicher Rafjen“ bilden. &3 ijt interejjant zu jehen, wie Schon Alfton fich außerjtande erklärt, durchgehende Schädelunterjchiede zu finden, und jich genötigt jieht, eS bei äußeren Merkmalen bewenvden zu lafjen, von denen er die Farbe der langen Haare am Hinterrüden al das zuverläjjigite erfennt. Göldi faßt Die Verbreitung der Ugutis jo auf, daß an der Nord- und Güdgrenze nur je eine Art vorfommt: in Mexiko D. mexicana, in Süpdbrafilien und Paraguay D.azarae. Dieje wird im inneren und mittleren Drafilien durch D. aguti erjeßt. Mit der Annäherung an das amazonijche Waldgebiet und die tropifch-äquatoriale Zone tritt aber dann eine „Formen-Aufjpaltung” ein in einer Nannigfaltigfeit, daß teils nebeneinander, teil3 nacheinander in Schmalen Ablöfungsitreifen nach Norden zu mindeitens ein halbes Dugend Arten zu unterjcheiden find. Merilanijcher Aguti, D. mexicana Sauss., aus Merifo: am ähnlichiten D. fuliginosa, aber noch dunfler ger färbt; weniger verlängerte Haare am Hinterrüiden, die durchweg jchwarz find von der Wurzel bis zur Spibe. Das übrige Haar [chrwarz und rein weiß geringelt, am Hinterrüden ganz [hwarz; Hals und Bauch wei. Schopf-Aguti, D. prymnolopha Wagl., au Guayana, Nordvenezuela: zeichnet fich bejonders aus Durch den Schwarzen Schopf, welchen die verlängerten Haare am Hinterkopf, und Durch den nod) viel längeren, glänzend fohlihtwarzen, gemwölbten und am Ende zugejpigten Schopf, welchen die Haare längs der Mitte des Hinterrüdens bilden, two jie weit über den After herabhängen; fie jind am Grunde fahlgelb. Sonit it das Haar Schwarz und gelb geringelt; in den Weichen jatt goldorange oder rot. Das Heine Acuchhy oder Gejhwänzte Aguti, Myoprocta acouchy Eral. (Taf. „Nagetiere V“, 3), aus Guayana und dem amazonischen Brafilten, unterjcheidet fich von allen anderen Arten Durch einen längeren Schwanz und ift deshalb mit Recht von Thomas 1903 (,Am. Nat. Hist.‘“) zu einer-bejonderen Gattung erhoben worden. Der Schwanz ift dünn und weiß behaart und mwenigjtens 5 cm lang, bildet aber nicht die einzige Eigentüm- fichfeit des faninchengroßen, fchlanf und zart gebauten Tierchens, das jich vielmehr auch im Schädel- und Knochenbau (Schlüfjelbein) unterjcheidet. Farbe oben fajtanienbraun, unten gelbrot, Beine mit orangerotem Anfluge, Füße jchwärzlich gejprenfelt; Hinter den fleifch- farbenen, jpärlich behaarten Ohren ein:gelber Fled. Die Farbe der Dberfeite ift veränder- fich und fan fich bi3 zu Schwarz verdunfeln. / Das im Berliner Garten gehaltene Paar ermweilt fich als jehr zahın und Tiebenswürdig, wenngleich das Männchen nicht ganz ohne Beihhuft it. Diefes Baar wird aber auc) allein gehalten. Dagegen ist, nad) Snethlage, ein jeit jech3 Jahren im Zoologifchen Garten zu Para lebender „Lutiaya”, wie der Schwanz- aguti dort Heißt, „troß feiner Zierlichfeit einer unjerer wildeiten und bhutgierigjten Pflege linge, der über viel größere Tiere herfällt und fie erbarmungslos zerbeißt”. Nagetiere V. 1. Zwerg-Nlara, Dolichotis salinicola Burm. 1/4 nat. Gr., s. S. 151. — W.P. Dando, F. Z. S.- London phot. 2. Pakarana, Dinomys branickii Pfrs. 1/5 nat. Gr., s. S. 162. — Prof. E. A. Göldi-Bern phot. PP 7 1/5 Geichwänztes Aguti, Myoprocta acouchy EZrxl. 1/4 nat. Gr., s.S. 158. — Dr. O. Heinroth-Berlin phot 4. Paka, Agouti paca /. nat. Gr., s. S.159. — W.S. Berridge, F. Z. S.- London phot. ri en Pe Weitere Agutiarten. Acuchy. Pala. 159 Die oder das Pafa, Agouti paca L. (Coelogenys; Taf. „Nagetiere V”, 4), tt mit ihrem jeßigen lateinischen Gattungsnamen (Agouti Lacep.) eines der von den heutigen Tierfundigen halb vertwünfschten, halb bedauerten Tiere, die ihre Schöne, pafjende, feit eingebürgerte wifjen- ichaftliche Bezeichnung gegen ein wahres Monftrum eines neuen oder vielmehr ältejten Namens eintaufchen mußten. Uber das unanfechtbare und deshalb unerbittliche Gejeg der Priorität will es jo. Die Bafa fennzeichnet jich Durch eigentümlich dien Kopf, große Augen und Feine Ohren, ftummelhaften Schwanz, furze, Fräftige Beine, fünfzehige VBorder- und Hinterfüße, borftiges, dünn anliegendes Haarfleid und bejonders durch den merkwürdig aus- gedehnten, innen eine Höhle bergenden Sochbogen. Diejer ausgehöhlte Knochen hat Berbin- dung mit den Badentafchen, die zwar auch vorhanden jind, jedoch eigentlich nur eine Haut- falte biden. Bon ihnen aus führt eine enge, nach unten fich öffnende Spalte in die Höhlung * Des Sochbogens. Diefe ift im Innern mit einer dünnen Haut ausgeffeidet und zur Hälfte verichloffen, fo daß fie nur durch eine Heine Offnung mit der Mundhöhle in Verbindung fteht. Ihre Beltimmung ift mit Sicherheit bis jet noch nicht ermittelt worden. ALS veränderte Badentajche Hat man diefe Höhlung nicht zu betrachten; Henjel hat fie jtet3 Teer gefunden. Durch die Ausdehnung des Kochbogens wird der Schädel auffallend Hoch und edig. Die ganze Ericheinung des Tieres Hat gegen die eleganten Aautis etwas Plumpes, und „men die Bafa“, jagt GöMdi, „in ihrer gemächlich watjchelnden, Humpelmden Gangart Daherfonmt, vermutet fein Mench die bligartige Schnelligfeit, die fie zu entfalten vermag, wem es nötig wird”. Die furzen, eng am Körper liegenden Haare find oben und an den äußeren Teilen dunkel rötlihbraun, auf der Unterfeite und an der Innnenfeite der Beine gelblichweiß. Fünf Neihen weißer Fleden von runder oder eifürmiger Geftalt laufen zu beiden Ceiten von der Schulter bis zum hinteren Rande des Schenfels. Die untere Reihe vermijcht ich zum Teil mit der Farbe des Körpers. Um den Mund und über den Augen ftehen einige fteife, rüc- mwärts gerichtete Fühlboriten, die Göfdi „phänomenal jtark” nennt. Das Dhr ift furz und wenig behaart, die Sohlen und die Fußipisen find nact. Ausgewachfene Männchen werden bis 70 em lang, etiwa 35 cm hoc) und, laut Kappler, bis zu I kg jchwer. Göldi hebt noc) ‚das große, pechichwarze Auge hervor und Snethlage-RBara das Ffupferrötliche Leuchten der Pafaaugen im Dunkeln, fehr verjchieden von dem grünen Licht der Kagenaugen. Göldi wirft die Frage auf, ob man die Pafa nicht von den Aqutis weiter abtrennen und mit der folgenden Öattung, der Bakarana, näher zujammenbringen folle. Die Paka ift über den größten Teil Südamerifas, von Surinam und durch Brajfilien bis Raraguad verbreitet; auch fie hat man in mehrere Arten und Unterarten zerlegt, bon denen aber nur eine Hochgebirgsform größeres Interejfe Hat und deshalb unten furz er- wähnt werden joll. Se einfamer und milder die Gegend, um fo häufiger findet. man die Baka; in den bevölferten Teilen ift fie überall jelten geworden. hr Aufenthaltsort find der Saum der Wälder und die bebufchten Ufer von Flüffen oder jumpfige Stellen. Hier gräbt jie jich eine Höhle von 1—2 m Länge in die Erde und bringt in ihr den ganzen Tag jchlafend - zu. Eie ift, nad) Göldi, ein ausgeprägtes, ausfchliegliches Nachttier, viel mehr als Aguti und — Capybara, und im Temperament dementjprechend ein mürrijcher Oriesgram und Philifter, den nur Zorn und Sorgen aus feinem Stumpffinn aufzurütteln vermögen. Erxjt mit der > Dämmerung geht fie ihrer Nahrung nach und befucht dabei wohl auch die Zuderrohr- und Melonenpflanzungen, in denen fie bedeutenden Schaden anrichtet, zumal jie jehr gefräßig ijt und jich geradezu mäftet. Mit Vorliebe aber hält fie fich, nach Göldi, an die Maisfelder, und da dieje in den-brafiliichen Gebirgen bi3 hoch hinauf gedeihen, ift die Pafa dori — 160 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Agutiartige. überall auch Bergbewohner. So hauft jie heute noch ziemlich zahfteich in den maldigen Felsichluchten und an den tojenden Wildwäjjern des Iandjchaftlich jo fehönen, tropijch- üppigen Drgelgebirges im Hintergrunde der Bucht von Rio Janeiro und in der Serra do Mar. Sn der Wohnungsanlage it jie als gediegener Philifter viel eigener und jorgfältiger als der leichtfinnige Aguti, und vor allem ermweilt jie jich fchon durch ihre Furzen, Fräftigen Beine und breiten Pfoten als ein ungleich bejjerer Gräber. Stet3 weitet fie fich einen ge- räumigen Wohnfejjel aus, mag fie nım ihren Bau unter Baummurzeln over Steinblöden anlegen, und jtet3 forgt fie auch für Hintere Notausgänge. Zum Schlafe jtredt fie jich gern auf einer Unterlage trodener Blätter aus. Sie lebt paarweije und einzeln, ift, laut Tjcehudi, ungemein fcheu und flüchtig, fchrwimmt auch mit Leichtigfeit über breite Flüfje, Fehrt aber gern wieder auf frühere Standorte zurüd. Berfolgt und von ihrem Bau abgejchnitten, jucht fie, nach Gödi, ihr Heil geradezu im Wafjer; denn da fühlt jie fich zu Haufe: jie badet häufig und anhaltend, Schwimmt und taucht vorzüglich. Das Weibchen wirft mitten im Sommer ein einziges, höchitens zwei Junge, hält fie, wie die Wilden behaupten, während de3 Säugens in der Höhle verjtedt und führt fie dann noch mehrere Monate mit ich umher. Godi erwähnt noch den Bolfsglauben, daß mit der Pafa, ebenjo wie mit Biscacha und - Bräriehund, eine große Giftichlange, der Surufuft (Bufchmeijter), in denjelben Höhlen „Triedlich” zufammenleben joll; e3 it aber auch in diefem Falle gewiß jchiver zu entjcheiden, tie weit man diefem Frieden trauen fann. „Einer von meinen Bekannten“, berichtet Aengger, „welcher während dreier Jahre eine Bafa-in feinem Haufe gehalten hatte, erzählt mir von ihrem Betragen im häuslichen Zujtande folgendes: Nach einigen Monaten verlor fich ihre Wildheit allmählich, und fie fing an, ji) an die Gefangenfchaft zu gewöhnen. Später wurde fie noch zahmer, ließ fich be= rühren und liebfojen, näherte fich ihrem Herrn und fremden Perjonen. Für niemand aber zeigte jie Anhänglichfeit. Man ernährte jie mit allem, was im Haufe gegejjen wurde, nur nicht mit Fleifch. Die Speife erariff fie mit den Schneidezähnen, Flüffigfeiten nahm jie lappend zu fich. Ihr Herr verficherte mich, daß er ihr öfters mit einem Finger in die Badentajchen gegriffen und dort Speife gefühlt Habe. Sie war äußert reinlich und entfedigte jich ihres Kotes und Harnes immer in einiger Entfernung von ihrem Lager, welches fie fich aus Lappen, Stroh und Stücdchen von Leder in einem Winfel bereitete, Ihr Gang war ein Schritt oder ein jchneller Lauf in Cäßen. ‚Das helle Tageslicht jchien lie zu blenden. Obgleich fie jich an den Menjchen und feine Wohnung, wie e3 jchien, gut gewöhnt hatte, war ihr Hang zur Freiheit noch immer der nämliche. Sie entfloh nad) einer Gefangenschaft von drei Jahren bei der exrjten beiten Gelegenheit, welche jich ihr Darbot.“ Die Haut der PBafa ift zu Dünn und das Haar zu grob, als daß das Fell benugt werden fünnte. Sn den Monaten Februar und März tft fie außerordentlich fett, und dann ift das Ateijch jehr Schmadhaft und beliebt. Kappler jagt geradezu: „Das Fleijch ift weiß und fett und übertrifft alle mir befannten Fleifcharten an Wohlgejchmad.” Cbenjo nennt es Sneth- lage-Bara den gejchäßtejten Lecerbiffen der Brafilianer und meiftens auch der Fremden. Die Brafilianerin bereitet die ausgenommtene Pafa im ganzen zu, indem fie fie durch heißes Abbrühen der Haare entledigt und in ihrer eigenen Haut, wie ein Spanferfel, brät oder als Wildbret mit Beigabe von Hühnerblut beizt. Der Prinz von Wied fing fie in den Ur- wäldern häufig in Schlagfallen, und nach Snethlage- Para legen die Brajilianer vor den - Tafabauen gewöhnlich fogenannte „Armadilhos” (Selbitfehüffe). - „Wenn man aufmerk- jam den Saum der Pflanzungen abjpürt”, jagt Henjel, „wird man bald unter den dichten Pala. Bergpafa. 161 Nohrgrasheden den Wechjel des Tieres bemerfen. Hier nun jtellt der Jäger feine Schlinge, mit einem Maisfolben als Köder, und wird am nächiten Morgen feine Mühe reich belohnt finden.” Auch jagt man die Pafa mit Hunden, nach Göldi bejonders mit den furzbeinigen, tecfelartigen, eigens für diejen Ziwed gezüchteten und eingejagten „‚pagueiros“, die fie zu Baue hegen und aus diefem herauszujprengen juchen. Dagegen jebt fie jich aber fnurrend und fauchend energijch zur Wehr, und ohne mehr oder weniger bedenkliche Bißtwunden auf beiden Ceiten geht e3 dabei oft nicht ab. Der Jäger räuchert dann das Wild meift durch jchwelendes Feuer aus grünem Holz aus und fängt es an dem hinteren, in der brafiliichen Sägerjprache „‚suspiro“ genannten Ausgang im Nebe. Neuerdings hat man das Tier nicht jelten lebend nach Europa gebracht. Schon Buffon befaß ein Weibchen längere Zeit, welches ganz zahm tar, fich unter dem Dfen ein Lager machte, den Tag über jchlief, des Nachts umherlief und, wenn e3 in einen Saiten ein- gejchloffen wurde, zu nagen begann. Bekannten PBerjonen lecte e3 die Hand und lie fich bon ihnen frauen; dabei ftrecte e3 fich aus und gab fein Wohlgefallen durch einen Schwachen Laut zu erkennen. Fremde Perfonen, Kinder und Hunde verfuchte e3 zu beißen. Im Borne grunzte und Fnirjchte e8 ganz eigentümlich. Sch Habe die Pafa über ein Jahr lang be- obachtet und als ein träges, wenig anziehendes Tier fennen gelernt. Bei Tage erjcheint jie jelten außerhalb ihrer Höhlen; gegen Sonnenuntergang fommt fie hervor. Cie lebt friedlich oder, richtiger, gleichgültig mit anderen Tieren zufammen, läßt jich nichtS gefallen, greift aber auch nicht an. Genügjam, wie fie ijt, macht fie weder an bejonders gute Nahrung, noch an einen mwohleingerichteten Stall Anipruch. Shre Unempfindlichkeit gegen Kälte it aber durchaus nicht fo groß, wie Buffon und neuerdings noch Henjel meinen, die jogar bon Einbürgerung jprechen. Was follte diefe auch nüsen? Un derartige Phantafien glaubt heute fein wirklich Sachfundiger mehr, obwohl die Bafa mittlerweile in zooloaijchen Gärten, 3. B. dem Berliner, auch gezüchtet worden ift. Die Hochgebirgsform, die Bergpafa, mie wir jie nennen wollen, A. taczanowskii Stolzmann, it von dem Sammelteifenden Stolzmann 1885 auf der hohen Stordillere Ecuadors 6—10000 Fuß ü. M. entdedt und dem befannten Konjervator des Warjchauer Mufeums zu Ehren benannt worden. Sie wird auch von den Landesbewohnern durd) einen bejonderen Namen von der gewöhnlichen Bafa der heißen, feuchten Niederung unter- ichieden und zeichnet fich vor diefer aus durch viel fürzeren Kopf, namentlich Fürzeren Schnauzenteil, viel dunflere Farbe (Schwarzbraun ftatt Kaftanienbraun) und die Stellung der meiken Slede, die auf jeder Seite drei, jtatt zwei, vollftändig durchgeführte Längsreihen bilden. Das ganze Haarkleid ift überhaupt ungleich Dichter und länger, an den meijten Körper- jtellen mehrmals jo fang wie bei der Tieflandsform, und jchließlich Fehlt eg auch an erheb- fichen Schädel- und Gebißunterjchieden nicht. Sn den Wäldern der angegebenen Meereshöhe it die Beragpafa auf beiden Seiten der Anden nicht jelten und gräbt fich, wie die gewöhnliche Pafa, einen Bau mit zwei Aus- gängen, in den jie jich vor ihren Feinden flüchtet. Nach Angabe des Jägers, der Stolz- mann jeine Eremplare Tieferte, bewohnt immer ein Paar denjelben Bau; ein Mitte März erlegtes Weibchen mar mit einem Jungen tragend und jtand vor dem Wurf. Das Fleijch jhmecdt ausgezeichnet und ijt bei ven Landesbewohnern jehr gejucht. Man jagt die Berg- pafa mit Hunden zu Bau; dann verftopft man die eine Nöhre, legt in die andere Feuer und jchlägt das Tier mit einem Prügel tot, wenn es fich den Ausgang erzwingen will. Brehm, Tierleben. 4. Aufl. XT. Band. 11 162 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Dinomyidae. Eine fofjile Riefenform der Agqutiartigen ijt der Neh-Aguti, Dasyprocta capreolus Lund, aus den Diluvialen Sinochenhöhlen Brafiliens: ein echter Aguti, aber bon der Größe eines Nehes. E3 Eine Familie für jich (Dinomyidae) bildet die auf den exiten Bli der Pafa jehr ähn- liche Dinomys branickü Pirs., Bafarana (Taf. „Nagetiere V”, 2, bei ©. 158), wie jie nac) Snethlage in ihrer Heimat heißt, deren wifjenjchaftlichen Namen ihr Bejchreiber anfnüpfte an den des Durch Ausfendung von Sammelteijenden um die Tierfunde jo verdienten Grafen Branich. Das erjte der Bejchreibung („Monatsber. Afad. Will. Berlin”, 1873) zugrunde liegende „männliche Eremplar diefes merkwürdigen Nagers it von Conjtantin Zeljfi in den Hochgebirgen Perus, der Montaita de Vitoc, Kolonie Amablo Maria, erlegt worden und ge- hört dem Warfchauer Mufeum. Zeljfi teilt noch mit, Daß e3 bei Tagesanbruch in dem Hofe der Kolonie angetroffen wurde und feine Scheu zeigte, jo daß man fich ihm nähern und e3 durch zwei Säbelhiebe auf den Kopf töten fonnte. &3 jcheine jelten zu fein, da Die Be- twohner der Umgegend es nicht Fannten.” Taczanomifi, der fchon genannte Konferdator des Warjchauer Mujeums, fchiete Fell und Schädel an Peters nach Berlin, und diefer, Damals Leiter des Berliner Mufjeums und einer der eriten Säugetierjyjtematifer, führte die neue, eigenartige Nagetierform in die Wiffenfchaft ein. Dreißig Jahre hörte man nichts von dem Tiere: verwunderlich, aber in der Gejchichte Der Mufeen nicht unerhört! Da überrafchte im Sahre 1904 Gößi vom Mufeum in Para durch photographiiche Aufnahmen der Pafarana nach zwei lebenden Exemplaren und einen Vortrag über dieje auf dem Berner Zoologen- fongreß. hm waren die Tiere, offenbar eine Mutter mit ihrem zmweidrittelmwüchjigen ungen, von einem Freunde feines Mufeums lebend zugejchict worden, und das Vor- fommen der Art im Gebiete des Amazonenitromes war damit eriwiejen. Göldi betätigt durchaus Die Petersichen Angaben, daß die „falihe Pala”, wie die auch in Para boll- fommen unbefannten Anföümmlinge dort genannt wurden, der richtigen in Größe, Farbe und allgemeinem Anfehen jehr ähnlich ift, Durch den anjehnlichen, Halb förperlangen, dicht- behaarten Schwanz, die vorm und Hinten vierzehigen Füße und die tief gejpaltene Dber- lippe dem jchärferen Blid aber ebenfofehr fich unterjcheidet. Bei näherem Zufehen werden der Unterjchtede natürlich immer mehr. Die Größe entjpricht zwar ziemlich genau der der Tafa; aber das Haar it raub, bon ungleicher Länge und die Farbe viel mehr mit Grau, jelbft Weiß untermifcht, namentlich auf dem Vorderförper bis hinter die Schultern und auf der Unterjeite, jo daß fchließfich nur der fchtvärzliche Rücken mit den weißen Flecenreihen als durchaus pafaähnlich übrigbleibt. Bon diejen Fleden find übrigens nur je zwei Längsreihen oben zu beiden Geiten des Rüdgrats richtig geordnet, tiefer nach dem Bauche herunter jtehen jie unregelmäßig. An dem etwas zugejpißten Stopfe stehen auf Den Göldifchen Auf- nahmen nach dem Leben die mächtigen weißen Schnurrhaare auffallend hervor, Die bis hinter die Ohren oder gar zu den Schultern reichen. An den Stellungen der lebenden Tiere fieht man auch, daß dieje mit ihren nadten Sohlen der ganzen Länge nach auftreten. sm inneren Leibesbau nimmt die Bafarana, nach Peters, al3 urfprünglichere Form eine wiljenschaftlich Hochintereffante Mitteljtellung ein zwifchen einer ganzen Reihe näher verwandter Nagetiergruppen aus der großen Sektion der Stacheljchweinförmigen, nämlich jmwijchen den bereits gejchilderten Chinchillaartigen, Meerjchweinartigen, Agutiartigen und den im Anjchluß zu jchildernden Baumrattenartigen (Capromyinae). N 2 a <- ws Be u a Neh-Aguti. Palarana. 163 Göldi gibt uns aus der Beobachtung feiner beiden Pfleglinge ein Lebensbild von der Eigenart der Pafarana, aljo gerade das, was wir hier brauchen. Aus der jhligförmigen Bupille der heilbraunen Augen fann man jchon jchließen, daß die Palarana ein mehr nächt- liches Tier ift, und die Beobachtung bejtätigt das. Namentlic) die Hinterfüße mit ganzer Sohle aufjegend, läuft das unterjegte, mohlbeleibte Tier watjchend dahin. Beide Stücke SiS waren friedlicher, phlegmatijcher Natur und machten ‚keinerlei Umjtände, wenn jie nur genug zu frejien hatten. Sie vertilgten ungeheure Yuttermengen, und Frejjen mar ihre Hauptbejchäftigung Tag und Nacht, wobei fie eine gewilje Vorliebe zeigten für Brot, Melonen und die Früchte verjchiedener Balmenarten, wie z.B. die orangefarbene Tucumä. Beim Frejjen jeßten fie fich gern auf die Hinterbeine, und dabei mußte man bewundern, mie gejchiet fie eine Frucht in den Vorderpfoten hielten, obwohl ihnen Doch der Daumen fehlt. Solche Frucht drehte jich unter ihrem Griff wie in einer Drehbanf, und die großen Späne, mwelche fielen, erfüllten mit Rejpeft vor der Nagefraft der breiten, aber verhältnismähig wenig borjtehenden Schneidezähne. Der vorherrjchende Zug im Wejen der Patarana ift Behaglichkeit und Gutmütigfeit. Haft und Unruhe fennt jie nicht. Den größten Teil Des Tages verjchliefen beide in.einer Eefe — die Mutter lag oft über dem Jungen, wie um es zu jchügen und warm zu halten — und beide öffneten die halbgejchlofjenen Augen nur, wenn jie die Schritte des Wärters hörten, Die den Entjchluß zumege brachten, Tangjamen Schrittes heranzufommen und auf das Futter zu warten. Dabei ließen jie jich offenbar mehr vom Gehör und Geruch leiten als vom Geficht. Das Tier ift nicht leicht aufzuregen, läßt jich auf Kopf und Rüden ftreicheln und frauen und gibt nur gelegentlich jein Mikvergnügen Durch ein tiefes nurren aus der Kehle zu erfennen; niemals wurde eine Neigung zum Beihen beobachtet. Aus dem Käfig gelafjen, macht e3 feinen Verjuch zu enttischen und jucht nur in der unmittelbaren Umgebung nach Futter umher. Gelegentlich Fragt es jich rajch mit jeinen langen Klauen; das ift aber auch die einzige Gelegenheit, two eS zeigt, Daß es auch rajche Bewegungen machen fanın, wenn e3 fein.joll. Ob die Pafarana gräbt, fonnte Göldi nicht feititellen; nach der Entmwidelung der Slauen fann man aber wenigjtens jo viel jagen, daf fie gut dazu ausgerüftet ift. Mutter und Sohn verfehren jehr freundlich zufammen, und das nimmt eimen für das Wefen der Tiere ein. Diejes phlegmatijche Wejen tft aber eine bedenkliche Mitgift für den Kampf ums Dafein, und man dürfte fich nicht wundern, wenn die Art auf dem beiten Wege wäre, zu verfchtoinden. Shre offenbare Seltenheit fönnte jo eine Erklärung finden; e3 fönnte aber auch fein, daß man den eigentlichen Aufenthalt des Tieres noch nicht fennt. Wie die Sache jebt liegt, darf man annehmen, daß die tatjächliche Heimat der Bafarana nicht die peruanischen Anden find, das erjte dort gefundene Eremplar vielmehr ein Jrrgaft war, und das eigentliche Berbreitungsgebiet mehr auf die unerforjchten öjtlichen Hänge und Tafelländer der bolivianifchen und peruanijchen Vorberge bejchränft ift, die an Brajilien grenzen und die Oberläufe der Flüffe Ucre, Puris und Jurud in jich jchliegen. Das it inzwijchen durch Snethlage bejtätigt worden, die die Bafarana vom oberen Amazonas mehrfach für den Zoologijchen Garten in Para erhalten hat. Sie jtaunt über die ganz unglaubliche Kraft der großen, gelben Schneidezähne ihrer Tfleglinge, die nächtlicher- weile auch die jtärkjten Drahtgeflechte Durchbeifen. Im übrigen gediehen die Tiere bei Bananen, Reis und Mais, Milch mit Semmel, die fie leidvenjchaftlich fiebten, gut, gaben ihre Zufriedenheit Durch behagliches, ihren Zorn durch ärgerliches „Murmeln“ zu erfennen, ähn- lich den Tönen, welche die Meerjchweinchen herborbringen, und eriwiejen jich ihren Pflegern gegenüber in einer gemwiljen phlegmatijchen Weife anhänglich, wobei allerdings die Liebe m : 11* 164 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Baumftahelichweine. Hauptfächlich Durch den Magen zu gehen jchien. Ein Junges erhielt Milch aus der Pipette, weil e3 Gummipfropfen jofort entzweibiß. „ES fannte mich ganz genau”, jchildert Sneth- (age, „und fan, jowie ich mich jehen ließ, jofort ans Gitter gelaufen, um das geliebte Getränf, das ich ihm immer jelbjt gab, in Empfang zu nehmen. Das jonit jo phlegmatijche Tier wurde bei jolchen Gelegenheiten fürmlich jähzornig. Die unvermeidlichen Baujen, um die PBipette zu fülfen, erregten jeinen Zorn und jeine Ungeduld im Höchjten Maße. Wütend Fletterte e3 dann troß jeiner plumpen Gejtalt am Gitter in die Höhe, und fein gemwöhnliches janftes Murmeln wurde zu einem mwütenden, jchrillen Pfeifen und Kreifchen...” Auffallend findet Snethlage jchlieglich mit Recht noch an der Bafarana eine gemwilje Gejchidlichfeit im Stlettern, die in jeltfamem Gegenfag zu der jo überaus plumpen Geftalt des Tieres jteht, ihm aber bei Überichwemmungen feines Wohngebietes, wie jie ja auch in Oberamazonien im Winter häufig vorfommen, doch zuftatten fommen mag. E3 folgen die Stachelichweine im weiteren Sinne, die der ganzen Geftion der Stachelfchweinförmigen den Namen gegeben haben. Sie bedürfen feiner langen Bejchreibung Hinfichtlich der äußerlichen Kennzeichen ihrer Mitglieder. Das Stachelfleid, jo verjchieden es auch ausgebildet fein mag, ift jämtlichen hierher gehörigen Tieren eigen. Der Leib it ge- drungen, der Hals furz, der Kopf Die, die Schnauze furz, ftumpf und an der Oberlippe ge- jpalten, der Schwanz furz oder fehr lang und bei einer Gattung greiffähig; die Beine jind ziemlich gleichlang, die Füße vier- oder fünfzehig, breitfohlig, Die Zehen mit jtarf gerümmten Nägeln bemehrt, die Ohren und Augensflein. Die Hinfichtlich ihrer Länge und Stärke jehr verjchiedenen Stacheln ragen in geraden Reihen aus einem jpärlichen Unterhaare hervor oder jteden umgefehrt zwijchen einem längeren Grannenhaare, das jo überwiegen fann, dat e3 die Stacheln vollftändig bededt. Bezeichnend für legtere it eine verhältnismäßig (ebhafte Färbung. Die Nagezähne find auf der Vorderjeite glatt oder gerinnelt, Die vier Badzähne in jeder Neihe mit oder ohne Wurzeln, faft gleich groß und jchmelzfaltig. E3 gibt neumweltlihe Baum- und altweltliche Erdftacheljchweine, und daß Ddieje wwejent- liche Verjchiedendeit in der Xebensweije Hand in Hand geht mit der Verteilung auf die beiden Erohälften, deutet jchon darauf hin, daß auch tiefergehende Unterjchiede im Leibesbau beide Gruppen trennen. Tatjächlich betrachtet man fie heute al3 zwei nur durch das Außerliche Merkmal des Stachelffeides zufammengehaltene, jonjt aber ganz jelbitändige Samilien. Die altweltlichen Erdftacheljchweine leben in dünn bejtandenen Wäldern und Steppen, bei Tage in felbitgegrabenen Gängen und Höhlen verborgen, die neumeltlichen Baum- jtachelfchtweine in großen Waldungen, zufammengefnäuelt auf einer Aftgabel Dichter Baum- ywipfel oder in einer Baumhöhlung fißend. Ungejellig wie fie find, vereinigen ie fich nur während der Fortpflanzungszeit zu Heinen Trupps, die mehrere Tage miteinander ver- bringen können; jonft lebt jedes einfam für jich. Shre Bewegungen find langjam, gemejjen, träge ; zumal die Hetternden Arten leijten Erjtaunliches in der gewiß jchiweren Stunft, jtunden- und tagelang bewegungslos auf ein und Dderjelben Stelle zu verharren. Jedoch würde - man irren, wenn man behaupten wollte, dat die Stacheljchweine rajcher und gejchidter Bewegungen unfähig wären. Wenn einmal die Nacht eingetreten ijt und jie ordentlich munter getvorden jind, laufen die einen trippelnden Ganges jehr rajch auf dem Boden Hin, und die anderen Hlettern, wenn auch nicht mit der Behendigfeit des Eichhorns, jo Doc immer gewandt genug, in dem Gezmweige auf und nieder. Die Bodenbewohner verjtehen das Graben A Greifjtachler. 165 meifterhaft und wijjen allen Schioierigfeiten, welche ihnen harter Boden entgegenfeßt, zu begegnen. Unter den Sinnen jcheint ausnahmslos der Geruch obenan zu ftehen, bei den Kletteritachelfchweinen auch noch der Taftjinn einigermaßen ausgebildet zu fein, Geficht und Gehör Dagegen jind bei allen jchwach. Shre Stimme beiteht in grunzenden, dumpfen Lauten, in Schnauben, leifem Stöhnen und einem jchmwer zu bejchreibenden Quiefen, das wahrfcheinlich zu dem im übrigen gänzlich unpafjenden Namen „Schwein“ Beranlajjung gegeben hat. Allerlei Pflanzenteile, von der Wurzel an bis zur Frucht, bilden die Nahrung der Stachelichweine. Nach anderer Nager Art führen fie das Futter mit den Borderpfoten zum Munde oder halten es, während fie frejjen, damit am Boden feit. Das Wafjer fcheinen fait alle längere Zeit entbehren zu Fönnen; wahrjcheinlich genügt ihnen der Tau auf den Blättern, die fie verzehren. Über die Fortpflanzung find erft in der Neuzeit Beobachtungen gejammelt worden. Die Jungen, deren Anzahl zwijchen 1 und 4 fchwankt, Fommen nach einer Tragzeit von un- gefähr 7—I Wochen zur Welt. Für den Menjchen find die Stacheljchweine ziemlich bedeutungsloje Wejen. Die erd- beiwohnenden Arten werden zumeilen Durch das Graben ihrer Höhlen in Feldjtüden und Gärten läjtig, nügen aber dafür durch ihr Fleisch und Durch ihr Stachelfleid, defjen jchön gezeichnete, glatte Horngebilde mancherlei Verwendung finden. Die Fletternden Arten richten als arge Baumvermwülter nur Unfug an und nüsen gar nicht3. Ar den reichen Gegenden zwijchen den Wendekreifen fünnen Die dort lebenden Arten weder fchaden noch nügen. Die Familie der Baumjtachelichtweine (Coöndidae, wie jie nach der jüdamerifa- nijchen Öattung heißen) hat entjprechend ihrer Fetternden Xebensweije ein volljftändiges . Schlüjjelbein, in ihren jüdamerifanischen Bertretern auch einen Greifichwanz und nur vier- zebige Gliedmaßen. Die Sohlen der Sletterfüße find mit Warzen bejegt, jeitlich nach innen gestellt und jchmiegen fich feit den Baumftämmen und Äften an. Die Stacheln find Furz, mit Haaren untermijcht und werden von Ddiejen vielfach überragt. Die Oberlippe der nord- amerifanijchen Gattung ift nur wenig, die der finamerifanifchen gar nicht gejpalten, was namentlich der behaarten, jtumpf abgejtugten Nagerjchnauze der le&teren ein ganz be- jonderes Ausjehen verleiht. Die Wurzeln der Badzähne find vollitändig, ihre Krone tief von beiden Seiten her eingefaltet. Für die Greifjtachler, d. h. die mittel- und jüidamerifanischen Baumjtacheljchweine mit Sletterjchwangz und, abgejehen bon einer nagellofen Warze an Stelle der Daumen- zehe der Hinterfühe, vierzehigen Füßen, ijt jebt Coendu Zacep. als der ältejte und Daher alleingültige Name feitgeitellt worden; die Namen Cercolabes, Sphingurus oder Sphiggurus, Synetheres jind ganz weggefallen. Früher rechnete man diejenigen Arten, bei denen das Haarkleid die Stacheln derartig überwuchert, daß diefe nur ftellenmweije herborragen und auf Kehle, Bruft und Bauch gänzlich fehlen, zu der Untergattung der Baumftachler (Sphingu- zus), Diejenigen, bei denen die Boriten zurücd- und die Stacheln vortreten, zur Untergattung der Greifitachler oder Cuandus (Synetheres), und Cercolabes umfaßte al3 Hauptgattungs- name beive. Der Stachlergreifichtvanz hat feine Bejonderheit darin, daß er — gerade um- gefehrt wie der Affen und Beutlergreiffchtwang — mit feinem nadten Ende von unten nach oben greift. Haade bringt das in feiner „Schöpfung der Tierwelt“ recht einleuchtend in Zujammenhang mit der allgemeinen Neigung des Nagerjchtvanges, fich nach oben zu richten. 166 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Baumftachelichweine. Die Oftfüfte Mexikos, jüdlich bi3 Guatemala, Coftarica übergreifend, bewohnt der Baumijtachler, Coöndu novae-hispaniae Briss., ein Tier von 95 cm Gejamtlänge, wovon der Schwanz ungefähr ein Drittel wegnimmt. Die glänzenden Haare find jehr dicht und tveich, leicht gefräufelt und fo lang, daß viele Stacheln von ihnen vollitändig bededt werden. Legtere fehlen auf der Unterjeite, mit Ausnahme des Unterhalfes, auf der Innenjeite der Beine, der Schnauze und der Schwanzjpigenhälfte, die oben nadt, unten mit fchivarzen, jeitlich mit gelben Borjten bejeßt it. Das Haarfleid erjcheint Schwarz, weil die einzelnen Haare, welche an ihrer Wurzel ins Bräunliche und Lichtgraue jpielen, in einer glänzend ihmwarzen Spiße enden. Geht lange Schnurren jtehen im Geficht, einzelne lange, jteife Haare auf ven Oberjchenfeln und Oberarmen. Die im allgemeinen jchwefelgelb gefärbten, ihmwarzipisigen Stacheln find an der Wurzel jehr verdünnt, hierauf gleichmäßig jtarf und jodann plößlich zugejpißt, in der Mitte glatt und an der nadeljcharfen Spige mit abwärts gerichteten Widerhafen verjehen. Fhre Farben find natürlich am fchönften unmittelbar nach dem Haarwechjel; Später bleichen jie aus und werden verwajchen. Sn der Augen- und Dhrgegend stehen jie jo dicht, dat Die Behaarung nicht zum Vorjchein Fommt und auch das Ihr von ihnen vollitändig verdect wird. Sie find hier weit fürzer und lichter gefärbt als am übrigen Körper, zumal auf dem Nücen, wo die längjten und dunfeliten ftehen. Das Auge it auffallend gemwölbt, die Jris fichtbraun, der Stern nicht größer als der Kopf einer feinen Nadel, aber länglich geitaltet; das ganze Auge tritt wie eine Glasperle aus dem Sopfe her- bor. Solange der Baumjtachler ruhig it, gewahrt man von der Beitachelung mit Yus- nahme der Stelle um Auge und Ohr jehr wenig; das Fell erjcheint verlodend weich und glatt, und nur, wenn das Tier jich erzünt, weijen verjchtedene Nauhigfeiten auf die ver- borgenen Spigen unter den Haaren. Sn der Erregung fträubt e3 alle Stacheln, jo daß; jie freuz und quer vom Leibe abitehen, und wenn man dann mit der Hand über das Tell gleitet, jpint man jie von allen Seiten. ie jteden fo Ioje in der Haut, daß fie bei der geringiten Berührung ausfallen; wenn man mit der Hand einmal über das Fell jtreicht, reißt man Dusende aus, von denen regelmäßig einige in der Hand ftecden bleiben. Über das Freileben der Baumftachler und aller iibrigen Sletterftachelichweine find die Nachrichten jehr dürftig. Das meiste wijjen wir noch über eine nahe verwandte Art, ven Cuiy, den Wolligen Baumjtachler, C. villosus F. Cuv. (Taf. ‚ NagetiereV1”, 2), über den Azara, Nengger, der Prinz von Wied und Burmeiiter Mitteilungen gemacht haben. Er ijt über Nittel- und Südbrafilien bis Paraguay) verbreitet, alferorten befannt, jedoch nirgends gemein. Seinen Aufenthalt wählt er vorzugsweife in hohen Waldungen; doch trifft man ihn auch in Gegenden an, die mit Geftrüipp bewachjen jind. Den größten Teil des Jahres lebt er allein, und zwar in emem bejtimmten Gebiete, immer auf Bäumen, in deren Geziveige er fich gejchieft bewegt. Söldi Hat jedoch in hellen Mondnächten manchmal zwei, drei und vier zufammen gejehen und hatte dadurch den Eindrud eines bis zu einem gewifjen Grade gefelligen Tieres. Während des Tages ruht der Cuih in zufammengefugelter Stellung, in einer Aitgabel fibend; nachts Ichmeift er umher, indem er langjam und bedächtig, aber ficher Hettert. Henfel hebt hervor, daß er in Geftalt und Färbung mit feiner Umgebung übereinftimmt. „Brafilien zählt manche Rauboögel, welche jich befonders von den Fletternden Säugetieren des Urwaldes nähren: gegen ie erhielt daS Stacheljchwein eine ‚jchüßende Ähnlichkeit‘, welche bisher nicht beachtet worden it. Sein Stachelfleid wird nämlich überragt von langen, feinen Haaren von eisgrauer Färbung. Dieje verleihen dem Tiere, wenn e3 halb zufammengerollt und ruhig auf den Zweigen des Baumes fißt, eine täufchende Ähnlichkeit mit emem Klumpen grauen Bartmoofes, und jelbjt Nagetiere VI. 1. Greifitachler, Coöndu prehensilis Z, 1/5 nat Gr., s. S. 169. — Lewis Medland, F. Z. S.-Finchley, N., phot. 2. Wolliger Baumitachler, Coöndu villosus F, Cuv. 1/5 nat. Gr., s. S. 166. — W. S. Berridge, F. Z. S.-London phot. 3. Indiicher Quaitenitachler, Atherura macroura Z. 1/6 nat. Gr., s. S.178. — Lewis Medland, F.Z.S.-Finchley, N., phot. 4. Langichwänziges Stachelichwein, Hystrix Jongicauda Marsden. 1/6 nat. Gr., s. S. 187. — W.S. Berridge, F. Z. S.-London phot. Baumftahler. Euiy. h 167 ein charfjichtiger Jäger geht leicht vorüber, getäufcht durch die im Winde wehenden Haare des unbeweglichen Tieres, oder jchießt wohl auch ein anderes Mal in jene Schmaroger- pflanzen hinein, ohne jeiner Tat jich rühmen zu fünnen.” Die Stellung des letterjtacheljchtweines auf Bäumen ijt eigentümlich: es fit, mie ich an meinen Gefangenen jah, auf den Hinterfühen, Hält die Borderfühe dicht neben diefe, manchmal umgebogen, jo daß es mit den Handrüden jich jtüßt; der Kopf wird dabei jent- recht nach abwärts gerichtet, der Schwanz gerade ausgejtreckt und mit der Spige nach oben hafig umgebogen. Gewöhnlich verjichert e3 fich durch den Greifjchwanz, den es um einen At Schlingt, in feiner Lage. ES jist aber auch ohnedies jehr feit auf den Dünnjten Ziveigen, weil die breiten, gewölbten Hände einen jicheren Anhalt gewähren. YJm Sllettern dritcdt e3 die breiten, fleifchigen Sohlen feit an die te und umflammert fie mit den Handballen. Bei Tage bewegt es jich Höchit ungern, ungejtört wohl niemals; bringt man e3 aber ins Sreie, jo läuft es jchwanfenden Ganges dem erjten beiten Baume zu, Elettert rajch in die Höhe und wählt jich im Gezmweige eine jchattige Stelle aus, um fich dort zu verbergen, beginnt auch wohl zu freien. Wenn es von einem Alte zu einem zweiten, entfernter tehenden gelangen will, Hält es jich mit beiden Hinterfüßen und dem Schwanze feit, jtreckt den Körper wagerecht vor und verjucht, mit den Vorderfüßen den in3 Auge gefaßten Zweig zu ergreifen. Syn diejer Stellung, die eine große Kraft erfordert, fan e3 minutenlang ver- meilen, auch mit ziemlicher Leichtigkeit fich feitlich hin und her bewegen. Sobald es den eritrebten Mit mit den Borderfühen gefaßt hat, läht e3 zuerjt die beiden Hinterfühe und jodann den Schwanz los, jchwingt jich, Durch das eigene Gewicht bewegt, bis unter Den _ Ziveig, jaßt diefen mit dem Schwarze und hierauf mit den Hinterbeinen und Elettert nun mehr gemächlich nac oben und dann auf den Ziveige weiter. Der Baumitachler nährt fich Hauptjächlich von Früchten, Knojpen, Blättern und Wur- zein, die er mit den Händen zum Maule führt. Meine Gefangenen verzehrten jehr gern auch die Rinde junger Schößlinge, jedoch nur dann, wenn jie jich leßtere jelbjt auswählen fonnten. Im Käfige fütterte ich jie mit Möhren, Kartoffeln und Neis, auch nahmen jie Milchbrot an. Ir Amerika ernährt man jie mit Bananen. Göldi fennzeichnet den Baun- jtachler al3 ganz ausgejprochenen Fruchtfrejfer und führt e3 darauf zurüd, daß er nicht im gejchlojjenen Urwalde, jondern an den Rändern, vor allem in der Nähe von Pflanzungen jeinen Wohnjig nimmt. Unter den Wildgemwächjen bevorzugt er die verjchiedenen ırga- bäume, die ein bon allem Getier des Waldes gejuchtes Wildobit liefern in ihren langen, gedrehten Schoten mit jaubohnenartig, in zuderfüße, wollige Umhüllung gebetteten Früchten. Ferner geht er dem Beerenobit der MuricHbäume nach, den apfelgroßen Früchten ver- jchiedener Bajjifloren und gewiljen einheimifchen Kufurbitazeen (Taguya). Jr den Objt- gärten Hat er e3 auf die Bananen, namentlich aber die Goyaba abgejehen, mit ihrem zart- rötlihen Fleijche allerdings eine föftliche Frucht. Wo einige Goyababäume beijammen- itehen, bleibt der Baumftachler gleich wohnen und jchläft in der Nähe unter den trodenen Blättern eines Bambusbujches oder in einem anderen ruhigen Schlupfiwinfel. Der Schilderung des Gefangenlebens will ich Uzaras Beobachtungen vorausjchiden. „Einen alt eingefangenen fie ich in meinem Zimmer frei und ein Jahr ohne Wajjer; denn er trinkt nicht. Wenn ex erjchrect wurde, lief er mit großer Leichtigfeit; doch erreichte ich ihn immer noch, wenn ich gemächlich Hinterher ging. Auch wenn ex laufen will, beugt er das Gelenk zwijchen Schienbein und Knöchel nicht, gerade als ob er feinen Spielraum habe. Alle jeine Bewegungen find tölpelhaft; doch Flettert er mit Zeichtigfeit an irgendwelchen 168 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Baumftahelihmeine. Stocfe auf und nieder und Fammert fich jo feit, daß eine ziemliche Kraft erforderlich it, um ihn wegzubringen. Eine Stuhllehne, die Spibe eines jenfrecht eingerammten Pfahles genügen ihm, um ficher zu fchlafen und auch wirklich auszuruhen. Er ijt jftumpffinnig und fo ruhig oder träge, daß zuweilen 24—48 Stunden vergehen fünnen, ehe er feinen Ort verändert oder feine Stellung im geringiten wechjelt. Der meinige bewegte ich nur, wenn er frejjen wollte, und dies gefchah in der Negel um 9 Uhr vormittags und 4 Uhr nach- mittags. Er feste fich in den erjten Tagen feiner Gefangenfchaft auf eine Stuhllehne, nie- mal3 auf etwas Ebenes; al3 er aber eines Tages am Fenjter emporgejtiegen war und dort die Kante des Feniterladens aufgefunden hatte, juchte er jpäter feinen anderen Ort. Oben auf dem Laden verbrachte er feine Zeit und faß hier, ohne die geringjte Bewegung, einer Bildfäule gleich, in einer außergewöhnlichen Stellung. Er hielt jich, ohne fich mit der Hand oder dem Schwanze zu verfichern, einzig und allein mit den Füßen feit, legte die Hände übereinander und zmwijchen fie hinein feine Schnauze, al$ ob er die Hände Füfjfen wollte. So faß er, ohne fich zu bewegen, ja ohne umherzubliden, bi8 zur Stunde feiner Mahlzeit. Er nahm von dem ihm vorgejeßten Brote, Maife, den Maniofwurzeln, Kräutern, Blättern und Blumen außerordentlich wenig, liebte e8 aber, mit der verjchiedenen Kot abzumechjeln. Vielmal fah ich, daß er, die erwähnten Dinge verfchmähend, fich über dünne Holzjtengel bermachte, ja jelbit, daß er gediegenes Wachs anging. Er biß oder fragte nie und fügte auch niemand Schaden zu. Seine Notdurft verrichtete er während de3 Fraßes, und Dabei achtete er nicht darauf, ob fein Kot und Harn auf die Nahrung fiel. „Der Gerud) ift der ausgebildetite Sinn. Sch beobachtete, wenn ich Schofolade tranf oder mit Blumen in das Zimmer trat, daß mein Baumftachler feine Schnauze erhob, und durfte mit Sicherheit folgern, daß er den Duft auf ziemliche Entfernungen wahrnahm. ©eine Schwanzjpite ift jo empfindlich, daß er fich fogleich aufrafft und zufammenfchredt, wenn man ihn dort ganz leife berührt. Manchmal wendete er jein Haupt, wenn er bei jeinent Namen genannt wurde. Für gewöhnlich jah er fich nicht um, fondern tat gerade, als ob er nicht jehen könne, und ließ jich berühren, al3 wäre er von Stein; fam man ihm aber zu derb, jo jträubte er feine Stacheln, ohne ji) im übrigen zu bewegen.“ Meine gefangenen Baumftachler jagen während de3 ganzen Tages, in der ange- gebenen Weije zufammengefauert, ruhig in ihrem Kaften und begannen erjt nach Sonnen- untergang langjam umbherzuflettern. Wenn man fie berührte, Tießen fie auch ihre Stimme. vernehmen, ein ziemlich leijes, dem Winfeln eines jungen Hundes jehr ähnliches Quiefen. Eine Berührung war ihnen entjchieden unangenehm; doch machten fie, wie dies auch Bur- meilter jehr richtig jagt, „niemalß einen Verjuch zur Flucht, fondern kießen den Feind ruhig heranfommen, wo er auch war, ducdten jich nieder, fträubten die Stacheln und winfeltenn, wenn fie berührt wurden”. Die von mir gepflegten Baumjtachler machten feine Verjuche, ih aus ihrer Kifte zu befreien; Burmeilter3 Gefangener dagegen arbeitete, wenn man jeinen Kaften nachts mit dem Dedel verjchloß, Tich fehnell und heftig eine Offnung, indem er das Holz in großen Feben abnagte. Auffallend erjcheint es, daß Azaras Baumjtachler fein Wafjer tranf; denn Diejenigen, welche ich beobachtete, verlangten jolches regelmäßig. Sobald jie gefreffen hatten, nahten fie fich ihrem Saufnapfe und jchöpften hier mit der breiten Hand einige Tropfen, mwelche fie dann behaglich abledten. Sehr unangenehm und ganz eigentümlich ift der Geruch, den fie verbreiten. Wahrhaft entjeglich wurden meine Gefangenen von Heinen, braunen Läujen oder Iausähnlichen Tieren geplagt. Dieje Schmaroger faßen bisweilen zu Hunderten an ein und derjelben Stelle, am diefiten in der ECuiy. Greifftacdhler. 169 Schnauzengegend, und ließen fich weder durch Straßen vertreiben, noch durch perfisches Sn- jeftenpulver, zu dem wir unfere Zuflucht nahmen, entfernen. Nengger berichtet, daß jich beide Gefchlechter der jonft einfam lebenden Tiere während des Winters auffuchen und dann eine Zeitlang paarweife leben. Im Anfange des Sommers ihrer Heimat, d. h. gegen Anfang des Dftobers, wirft das Weibchen 1—2 Junge. Azara, der ein trächtiges Weibchen unterjuchte, fand nur ein Junges, das mwie jeine Mutter be- reits mit Stacheln bededt war. Genaueres über die Fortpflanzungsgefchichte vermag ich nicht mitzuteilen. Da das Hußere des Baumftachler3 wenig Einladendes hat, wird er von den Bermoh- nern Paraguays nur jelten eingefangen und aufgezogen; demungeachtet entgeht er den Nachitellungen nicht. Die Wilden verzehren das Fleisch, daS des unangenehmen Geruches wegen bon den Europäern verichmäht wird. Gleichwohl jtellen auch dieje ihm eifrig nach. Durch Henjel erfahren wir den Grund des uns unverjtändlichen Ingrimms der Einheimi- jchen. ‚Die Stacheln find nämlich an ihrer Wurzel fofein und jtedfen fo loje in der Haut, daß jie bei einem ganz unbedeutenden Zuge herausfallen: fie bleiben daher in dem frem- den Körper haften, jobald jie nur mit der Spie eingedrungen jind. Ergreift num ein Hund das ruhig am Boden liegende Kletterjtacheljchwein, welches nicht daran denkt, zu entfliehen, jo bohren jich ihm nicht nur unzählige Stacheln in die Weichteile des Nachens und bleiben darin figen, fondern dringen auch vermöge ihrer Widerhafen und durch die Bewegungen des Hundes immer tiefer ein. Das unglüdliche Tier Fan den Rachen nicht fchliegen und muf, wenn nicht bald Hilfe fommt, nach qualoollen Leiden durch Anjchwellung der Kachenhöhle und des Kehlfopfes eriticlen oder verhungern. Daher gehen manche Jäger nur mit einer Zange verjehen in den Wald. Unter jolchen Umständen it es wohl erklärlich, wenn der Jäger des UIr- waldes fein Gejchöpf, jelbft nicht die Giftfchlangen, jo Haßt und fürchtet wie das Stachelichwein. C3 wird daher jedes ohne Gnade getötet, obgleich das Tier jonjt ganz unfchädlich ift und auch feinerlei Nuten gewährt. Merkwürdigerweife findet man beim Ozelot oft einzelne Stacheln unter der Haut, jo daß man annehmen muß, diefe Kate wage e3, das Stachelihwein anzu- greifen — mit welchem Erfolge, läßt fich natürlich mit Sicherheit nicht feititellen. Welche Berwundungen die eingedrungenen Stacheln herbeiführen fünnen, jah ich bei einem meiner Hunde, dem ich den größten Teil der Stacheln heraustiß. ch befühlte den Hund jeden Tag mehrere Male und faßte die Herborgefommenen Spiten mit der Greifzange, mittels melcher fie jich jehr leicht Herausziehen ließen, den legten Stachel zog ich nach) 6 Wochen an der Seite des Haljes heraus.” Azara hat die Stacheln mehrmals im Kote des Jaguat3 gefunden. Der Greifjtachler oder Cuandu, Coöndu prehensilis Z. (Taf. „Nagetiere VI‘, 1, bei ©. 166), hat im allgemeinen die Geftalt des Baumjtachlerz, ift jedoch merklich größer und er- - jcheint Fräftiger gebaut. Göli jpricht von feiner blafjig aufgetriebenen Stirn. Seine Länge beträgt 1,1 m, wovon 45 cm’auf den Schwanz fommen. Die Stacheln beginnen jchon am - Gejicht, jegen fich über den ganzen Oberleib fort, beffeiden die Beine bis zum Wurzelgelenf hinab, die obere Schwanzhälfte und auch den ganzen Unterleib, liegen jedoch Feineswegs glatt am Körper an. Einzelne zwifchen ihnen hervortretende Haare werden größtenteils von ihnen überdedt. Die Stacheln fteden ehr Iofe in der Haut, find alle von gleicher Geftalt, hart und stark, fast rund, glatt-und glänzend, an der Wurzel [hwad, im übrigen gleich- mäßig di, nadelfürmig und gegen die jehr feine Spiße hin plößlich ftark verdünnt, erreichen auf dem Hinterrüden eine Länge von ungefähr 12 cm, verfürzen fich gegen den Unterleib ee *,< ST REDEN! Berne 170 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Baumftaheljchweine. allmählich und gehen auf dem Bauche nach und nach in wahre Borjten über, die auf der Unterjeite des Schwanzes3 wieder jtachelartig, d. H. jteif und jtechend werden. Shre Farbe ift ein lichtes Gelblichweiß, unterhalb der Spite aber tritt eine Dunfelbraune Binde lebhaft hervor. Das Haar auf Naje und Schnauze ift rötlich, das des übrigen Leibes rotbraun; dazmijchen jind einzelne weißliche Borjten eingejtreut. Die jehr jtarfen und fangen Schnurren, die ich in Längsreihen ordnen, jehen jchwarz au2. Über das Freileben des Greifitachlerz ift wenig befannt. Das Tier bewohnt einen ziemlich großen Teil von Südamerika, nämlich Venezuela, Guayana, Trinidad und das amazonische Brafilien, und it an manchen Orten feineswegs jelten. Nach Art feiner Ver- wandten verjchläft es den Tag, in der oben angegebenen Stellung in einem Bauntmwipfel jigend; nacht3 läuft es langjam, aber gejchiet im Gezweige umher. Seine Nahrung beiteht in Blättern aller Art. Das Fleifch wird von den Eingeborenen gejchäßt, und auch die Stachel finden vielfache Verwendung. Bei ntanchen Indianerjtämmen werden fie in der Surpfujcheret bemubt, weil man glaubt, daß jie wie Blutegel wirken, wenn man fie in die Haut des Kranken einbohrt. Kappler berichtet vom Greifjtachler: „Das Tier ... Hat eine eigentümliche Art zu jigen, nämlich nicht der Quere, fondern der Länge nach auf einem Ziveige, den es mit jeinen Hinterfüßen umklammert... Die Vorderfühe Hält es gegen den Sopf und bleibt in Diejer Stellung manchmal den ganzen Tag. Sein Geruch it jehr fein.” Das jchliegt Kappler aus folgendem Erlebnis. Als er einft ein totes Weibchen unter der Oalerie jeines Haujes fiegen hatte, jchlug jein Neffe des Abends einen zweiten Greifitachler mit dem Stode tot. 63 „war ein Männchen, das, obwohl der nächte Wald mwenigitens 300 m entfernt war, doch vielleicht das tote Weibchen gerochen hatte.“ Snethlage-Bara findet den Greifjtachler in der Gefangenschaft ebenjo jtumpfjinnig mie Hinfälftg, möchte aber beides, wohl mit Necht, darauf zurückführen, daß wir ihm im z00- (ogtichen Garten feine auch nur einigermaßen entiprechenden Yebensbedingungen zu jchaffen vermögen. Für Käfiggenojjen können die Greifitachler leicht lebensgefährlich werden, „Da Die jehr leicht ausfallenden Stacheln, die die Cuandus, erjchrecdt, geradezu unter einem rajjelnden Geräujche von jich jchütten, in die Haut eindringen und mittel ihrer feinen Widerhafen jich immer tiefer einbohren, bi3 fie nach einigen Tagen ganz im Körper verichwunden find“. Sch Habe zwwifchen einem von mir gepflegten Cuandu und dem Baumftachler im Be- tragen feine wejentlichen LUnterjchiede bemerken fünnen, allenfalls daß der Cuandu nur höchit jelten auf den Baumzmweigen feines Käfigs feine Nacht» oder richtiger Tagruhe Hält, jondern jich immer auf dem ihm bereiteten Heulager niederjeßt, ja jich förmlich darin ver- birgt, indem er jich unter das Heu einmwühlt. Die Stimme tft ettvas ftärfer al3 beim Baum- itachler, diefer aber ganz ähnlich. Berührungen läßt er fich nicht jo ruhig gefallen wie jeine Verwandten, jondern verjucht, den jich ihm Nähernden durch plößliches Vorwärtsbewegen zu jchreden; möglich it, daß er Dabei beabfichtigt, von feinem Stachelpanzer Gebrauch zu machen. Wenn man ihn einmal am Schwanze gepacdt hat, läßt er fich berühren, ohne jich zu verteidigen: jo fan man ihn auf den Arm jegen und Hin und her tragen, ohne daß er daran denkt, nach) anderer Nager Art um fich zu beigen. In der Erregung jträubt er jeine Stachel nach allen Seiten hin und erjcheint nun fast noch einmal fo did, als er wirklich it. Seine Färbung wird dann, weildas Gelb des Stachelgrundes zur Geltung fommt, eine andere. Weitere Greifitachlerarten und -unterarten hier zu erwähnen, hat feinen Zmwed: jie verteilen jich über Mittel- und Südamerifa, jo weit das Waldland reicht; in Argentinien Urion. Greifitachler. Urjon. 171 fommten jie nicht mehr vor. Nur die abweichende nord- und innerbrafiliiche Gattung Chae- tomys Gray mag noch genannt werden. Sie unterjcheidet jich durch den rattenähnlich be- jhuppten und mit furzen Boriten beffeideten Greifichtvanz und die furzen, welfig gebogenen Stacheln des Numpfes, die nach Hinten länger und dünner, borjtenartig werden. Nach Nordamerika übergehend, fommen wir zu einer Stacheljchweingattung, dem Urfon (Erethizon, F. Cuwv.), die durch ihr ganzes Sußere, den größeren, fchweren Körper und den furzen, breiten Schwanz, unverfennbar in der Mitte jteht ziwijchen den amerikanischen Greif- und den altweltlichen Erpdjtachlern, wenn fie jelbjt auch troß plumper Körpergeitalt noch ein unzmweifelhafter Baumjtachler it. Auch bei ihr haben mir, wie bei jo manchem nordameri- fanischen Tiere, zwei Hauptformen zu unterjcheiden, eine öjtliche, den eigentlichen Urjon oder das Kanadische Baumjtachelichwein, E. dorsatus Z. (j. Sarbentafel), altbefannt, jchon bon Linne bejchrieben, und eine weitliche, E. epixanthus Brdt., mit mehr Gelb, von dem Petersburger Afademifer Brandt 1835 abgetrennt und von amerifanischen Syitematifern (Mearnz, Merriam, Allen) neuerdings noch um drei Unterarten bereichert, die fich von Alasfa über Kalifornien bi3 Merifo verteilen. Den Urjon unterfcheiden der gedrungene Leib und der furze, abgeflachte oder breitgedrückte, oberjeits mit Stacheln, unterjeitS mit Borjten bejette Schwanz von den jüdamerifanijchen Sletterjtacheljchweinen. Körperlänge 80 cm, wovon der Schwanz 19 cm wegnimmt. Der Kopf iit Furz, did und jtumpf, die Schnauze abgeitust, die Heinen Najenlöcher find durch eine hHalbmondartige Klappe mehr oder weniger verjchließbar. Die Oberlippe ijt deutlich, aber nur wenig gejpalten und zeigt jo den mittleren Zujtand zwijchen neu= und altweltlichen Stachelichweinen, ebenjo wie die Zehenzahl der Füße. Dieje find nämlich vorn vierzehig und daumenlos, hinten fünfzehig, die Strallen lang und jtark, die Sohlen nact, mit nebförmig geriefter Haut beffeidet. Ein Ddider Pelz, der auf dem Naden bis 11 cm lang wird und an der Unterfeite und Schwanzipite in jcharfe Briten jich verwandelt, bedeckt den Leib. Zivijchen den Haaren und Boriten jtehen auf der ganzen Dberjeite bi S cm lange Stacheln, welche größtenteils von den Haaren überdedt werden. Die Färbung ijt ein Gemijch von Braun, Schwarz und Weiß; die Haare der Ober- lippe jind gelblichbraun, Die der Wange und Stirn lederbraun, jchwarz und weiß gemijcht, die fangen Rumpfhaare ganz jchtvarz oder ganz mweik, oder jchwarz an der Wurzel, weih an der Spibe, die de3 Unterleibes braun, die des Schwanzes gegen die Spiße Hin jchmubig weiß. Cartiright, Audubon, Bachmann und der Prinz von Wied haben uns das Leben und Treiben des Urjons ausführlich gejchildert. Das Tier bewohnt die Waldungen Nord- amerifas, vom 67. Grad nördl. Breite an bis Birginien und Kentudy, und von Labrador bis zu den Felsgebirgen. Sn den Waldgegenden mweitlich vom Mifjouri ift es nicht gerade jelten, in den öftlichen Ländern dagegen fajt ausgerottet. „Der Urfon”, jagt Cartiwright, „üt ein fertiger Kletterer und fommt im Winter wahrjcheinlich nicht zum Boden herab, bevor er den Wipfel eines Baumes entrindet hat. Gewöhnlich bewegt er jich im Walde in einer geraden Linie, und jelten geht er an einem Baume vorüber, es jei denn, daß diejer zu alt jei. Die jüngjten Bäume liebt er am meijten: ein einziger Urfon richtet während des Winters wohl hunderte zugrunde. Der mit den Sitten diejer Tiere Bertraute twird jelten vergeblic) nad) ihm juchen; denn die abgejchälte Rinde mweift ihm ficher den Weg.” Audubon verfichert, er jei durch Wälder gefommen, in denen alle Bäume vom Urjon entrindet worden waren, jo daß der Beitand ausjah, al ob das Feuer darin gewütet habe. Namentlich Ulmen, Bappeln und Tannen waren arg mitgenommen worden. Mit feinen braunen, glänzenden Zähnen 172 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Baumjtaheljchweine. ichält der Urjon die Rinde jo glatt von den Ziveigen ab, als hätte er die Arbeit mit einem Meier bejorgt. Man jagt, daß er regelmäßig auf dem Wipfel Der Bäume beginne und nieder- wärts herabjteige, um Die Zweige und zulegt auch den Stamm abzujchälen. Der befannte amerifanifche Biologe Hart Merriam hat „viele Hemlodstannen gejehen, die vom Urjon jo vollftändig abgenagt waren, daß fie feinen grünen Trieb mehr hatten, nicht an dem dünnjten Afte. ES Scheint unglaublich, daß ein fo großes und jchweres Tier weit genug hinaus Flettern fann auf die te und Zweige, um die Blätter an den Spiten zu erreichen; aber e3 verteilt jein Gewicht, indem e3 mehrere Zweige zufammennimmt, dann mit einen mächtigen Slauen die Spiten zurüdbiegt und durch Maul zieht. Hoc) in den Baummipfeln bleibt e3 jo oft unbemerkt, wird für ein Krähen- oder Habichtsneit gehalten‘. — Auc, Edmund Goes, ein deutich-amerifaniicher Sägerbeobachter, der in feinen „Amerifanifchen Sagdbildern” „Das amerifanifche Stachelichwein und feine Tätigkeit im Urwalde” gefchildert hat, bezeichnet als dejjen hauptjächlichite Ajung die jungen Triebe „ver Nadelbäume, von denen e8 wiederum Spruce- und Baljamfichte bevorzugt, weshalb jein Wildbret einen harzigen Beigejchmad bejigi”. Man darf mit ziemlicher Sicherheit darauf rechnen, den Urjon monatelang alltäg- lich in derjelben Baumhöhlung zu finden, die er jich einmal zum Schlafplage gewählt hat. Einen Winterjchlaf Hält er nicht; doch ift e3 wahrjcheinlich, daß er fich während der Fälteiten Wintertage in gedachte Schlupfwinfel zurüdzieht. Sn folhen Baumlöchern oder in Feljenhöhlen findet man auch das Nejt und in ihm im April oder Mai die Nachfommenschaft. Goes neigt über die Fortpflanzung „zu der An- jicht, daß das Stacheljchwein zumeiit nur ein Junges im Mai zur Welt bringt, da fich bei vielen getöteten Exemplaren im April oder Mat immer nur ein Junges in der Tracht vor- fand... Sn der Nanzzeit (März, wie mir jcheint) fan man Ddieje Nager des Nachts und zuweilen auch am Tage ein greuliches Liebesfonzert vollführen hören, das in einem jchreck- fichen Gegrunze und Gejchrei beiteht und, jo harmlos es ijt, einem Neuling im Walde die Haare zu Berge treiben fann.” Der Sndianerglaube, daf die Mutter feine Ziben habe, tft wohl dadurch zu erklären, daß die Ziben, wie bei manchen anderen Nagern, am Körper nach beiden Seiten hinaufgerüdt find und in der gewohnten Gegend unten am Bauche vermißt werden. Die aus dem Weite genommenen und in Öefangenjchaft gehaltenen Jungen gewöhnen ih bald an ihren Herin und an die Umgebung. Man ernährt jie mit allerhand Pflanzen- itoffen, auch nehmen fie Brot jehr gern. Wenn man fie im Garten frei umherlaufen läßt, beiteigen jte Die Bäume und frejjen hier Ninde und Blätter. Audubon erzählt, daß ein von ihm gepflegter Urfon nur dann jich erziint habe, wenn man ihn von einem Baume des Gartens, den er regelmäßig beitieg, entfernen wollte. „Unjer Gefangener war nach und nad jehr zahım geworden und machte jelten von feinen Nägeln Gebrauch, konnte deshalb auch gelegentlich aus jeinem Käfige befreit und der Wohltat eines freien Spazterganges im Garten teildaftig gemacht werden. Er fannte uns; wenn wir ihn riefen und ihm eine jühe Kartoffel oder einen Apfel vorhielten, drehte er jein Haupt langjam gegen ung, bliete ung mild und freundlich an, ftolperte dann Iangjam herbei, nahm die Frucht aus unferer Hand, richtete jih auf und führte diefe Nahrung mit feinen Pfoten zum Maule. Oft fam er, wenn er die Tür geöffnet fand, in unfer Zimmer, näherte jich ung, rieb fich an unferen Beinen und blidte uns bittend an, um irgendeine jeiner Zedereien zu erlangen. Vergeblich bemühten ir ung, ihn zu erzümen: er gebrauchte feine Stacheln niemals gegen uns. Anders war e3, wenn ein Hund fich näherte. Dann jeßte er jich augenblidlich in Verteidigungszujtand. Die Naje niederwärts gebogen, alle Stacheln aufgerichtet, und den Schwanz hin und . Urjon. 173 her bemegend, zeigte er jich fertig zum Kampfe. Ein großer, mwütender, im höchiten Grade jtreitluftiger Bullenbeißer aus der Nachbarfchaft jprang eines Tages mit offenem Maufe auf den Gemwappneten los. Der Urjon fchien in demjelben Augenblide auf das Doppelte jeiner Größe anzujchwellen, beobachtete den anfommenden Feind fcharf und teilte ihm recht- zeitig mit feinem Schwanze einen jo mohlgezielten Echlag zu, daß der Bullenbeißer augen- bliclich feinen Mut verlor und jchmerzgepeinigt laut aufjchrie. Sein Maul, die Zunge und Nafe waren bededt mit den Stacheln jeines Gegners. Unfähig, die Kinnladen zu fchließen, floh er mit offenem Maule unaufhaltfam über die Grundftüde. Obgleich die Leute ihm jofort die Stacheln aus dem Miumde zogen, blieb der Kopf doch mehrere Wochen lang ge- jchwollen, und Monate vergingen, bevor die Schnauze geheilt war.” Der Prinz von Wied fing einen Urfon am oberen Miffouri. „ALS wir ihm nahe famen,” jagt er, „träubte das Tier die langen Haare vorwärts, bog feinen Kopf unterwärts, um ihn zu veriteden, und drehte fich Dabei immer im Kreife. Wollte man e3 angreifen, fo fugelte e3 jich mit dem Vorderleibe zufammen und war alsdann wegen feiner äufßerft fcharfen, ganz (oder in der Haut befejtigten Stacheln nicht zu berühren. Kam man ihm fehr nahe, fo rüttelte e3 mit vem Schmwanze Hin und her und rollte fich zufammen. Die Haut ift fehr weich, dünn und zerreißbar, und die Stacheln find in ihr fo Iofe eingepflanzt, daß man fie bei der ge- vingjten Berührung in den Händen jchmerzhaft befeitigt findet.“ Bon der Wahrheit vorjtehender Angaben Audubons und des Prinzen von Wied be- (ehtte mich ebenjo empfindlich wie überzeugend ein Urfon, den Finfch für mich in Nord- amerifa angefauft und mir überbracht hatte. Sch unterfuchte die Weichheit feines wolligen Telles und fam jo nach und nach mit der Hand bis an die Schwanzjpige; faum aber be- rührte ich dieje, jo jchlug er fchnelf den breiten Plattjchtwanz von unten nach oben, und ein jtechender Schmerz in meinen Fingerjpigen befehrte mich, daß feine Abwehr nur zu gut geglüct war. Achtzehn Stacheln waren fo tief in meine Fingerjpigen eingedrungen, daß ich jelbit nicht imftande war, jie herauszuziehen, vielmehr Müßel bitten mußte, mir zu Hilfe zu fommen. Von nun an wurden fernere Verjuche nur mittels eines Stöcdchens ausgeführt und dabei bemerft, daß der Schlag mit dem Schwanze heftig genug war, um die Stacheln auch in das Harte Holz des Berjuchjtäbchens einzutreiben. Bedenft man, daß der ganze Unterrüden mit ebenjo feinen Stacheln wie der Schwanz bededt ift und legterer gegen den Unterrüden gejchlagen wird, jo ift wohl zu begreifen, daß e3 nicht leicht eine zweckdienlichere Bewaffnung geben fann, als der Urfon jie bejibt. Abgejehen von diefem Schwanzjchnellen vermochte der Urfon mir wenig Teilnahme einzuflößen. Still und langweilig jaß er am Tage auf ein und derjelben Stelle, ein Dicler Kugelballen ohne Bewegung und Leben. Erit nad) Sonnenuntergang gefiel er fich, ein wenig im Käfige umbherzuflettern. Obwohl hierin feinesmwegs ungejchict, bewegte er fich Doch weder mit der Sicherheit, noch auch mit der Gemwandtheit der Greifftachler, bewies vielmehr eine ähnliche Haft, wie die Bodenftachel- ihmweine jie beim Laufen zeigen. Ein Höchjt unangenehmer Geruch, dem von Greifjtachlern ausgehenden entjchieden ähnlich, verftänferte den Käfig und machte das Tier auch denen widermwärtig, die e3 mit Teilnahme betrachteten. An die Nahrung ftellt der Urjon Feine Anfprüche; Doch verträgt er größere Hite nicht. „AB der Frühling vorjchritt”, berichtet Audubon, „überzeugten wir uns, daß unfer armes Stachelichwein nicht für warme Länder geichaffen war. Wenn e3 heiß wurde, fitt e3 jo, dab wir e3 immer in feine fanadijchen Wälder zurückvünfchten. Es lag den ganzen Tag über feuchend in feinem Käfige, fchien bemegungslos und elend, verlor feine Frepluft und verjchmähte alle Nahrung.” 174 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Bauniftahelihmweine. Neuerdings ijt der Urjon nicht gerade jelten auf den Tiermarkt gefommen; im Frühjahre 1907 hatte der befannte Tierhändler Hagenbed jogar einen ganzen Affenpavillon feines Tier- parfes mit einer großen Menge der merfwürdigen Stachelnager bevöffert, und viele Weibchen brachten dort Junge, die jehr entwidelt, mit Stacheln, zur Welt fommen. Die Regel ift eins; diejelbe Zahl, die auch in zoologijchen Gärten, 3. B. dem Berliner, beobachtet it. Stone und Cram erklären für den hartnädigiten Feind des Urfons den großen Fijch- marder, dem es manchmal doc irgendwie gelänge, ihn an der Kehle zu jajjen, wo er am wenigiten gejchüßt it, und Dabei die unangenehme Berührung mit den Stacheln zu vermeiden. Den großen Haben jollen die Stacheln, wenn fie aus Hunger den Urjon angreifen, Durch die Musfelberwegungen tiefer und tiefer in den Körper dringen, bis jie einen edlen Teil erreichen und das Raubtier jo doch jchlieglich noch den Waffen des Urjons erliegen muß viele Wochen, nachdem e3 ihn verjpeilt hat. Dagegen berichtet Goes: „Der Bär jchlägt den Nager mit einem Tabenjchlage zu Boden, ungeachtet dejjen, daß er ich Die Pranfe mit Stacheln jpidt.“ Der Fuchs „weiß den ftacheligen Waldbewohner gejchiet auf den Rüden zu werfen und unternimmt jeinen Angriff von der jtachellojen, fait nadten Bauchjeite aus; meijt mit Erfolg. Bahlloje Nejte gejchlagener bzw. gerijjener Stachelichweine jamt Dabet befindficher Bifiten- farte und Spurenabdrüden haben dieje Annahme betätigt”. Durch dieje Erfahrungen von Goes erhält der „unüberwindliche” Stachelpanzer eine ganz eigentümliche Beleuchtung. Die Kletterbewegung des Urjons vergleicht Brandes jehr bezeichnend mit der einer Spannerraupe und hebt Dabei auch die Verwendung des Echwanzes gebührend hervor. Nach feiner Schilderung Hettern die Urjons, „indem fie ven Baumftamm mit allen Vieren umgreifen, jich möglichjt nach vorn ausitreden, um dann die Hinterbeine ganz an die vorderen heranzuziehen, wodurd) natürlich der auch für die Spannerraupe charafteriftiiche Kaben- budel zujtande fommt. Außerdem benuben fie aber auch den unten furz behaarten, ab- geplatteten Schwanz am Stamm ebenjowohl wie auf den dünnjten Zweigen zur Stüte, zum Feithalten und zum Nachichteben“. Goe3 nennt die Bewegungen des Urjons auf Dem Boden jehr langjam und unbehoffen. Bernimmt das Tier jeinen Feind, jo bewegt es jich in furzen Galoppiprüngen dem nächiten Baume zu, wobei e3 jedoch leicht eingeholt werden fann, und baumtjodann in gleichem Tempo auf. „Erjtaunlich ift feine Fähigfeit, fich auf ganz dünnen, jehwachen Äften balancierend zu erhalten, wobei e3 jich, mit der dien, folbigen Aute den Körper jtübend, vor- und rücdtwärts bewegt... In ganz jtrenger Winterzeit ijt eS weniger rege, wie das ja auch an anderen Tieren des Waldes ohne irgendwelchen Winterfchlaf zu beobachten tft... Für den Anfiedler machen jich diefe Nager oftmals in unliebjamer Weije bemerkbar...” So bejuchen fie die von den Waldfarmern angelegten Calzleden des Hochwildes „und vergrämen Diejes Durch ihr geräufchvolfes Kinabbern von der Lede, wo e3 der Hinterwäldler, erhaben über alle Ge- mwijjensbijje Deutjcher Weidgerechtigfeit, für Küche und Salzfaß niederfnallen möchte”. Ebenjo liebt e3 der Urjon, nach) Goes, „ven Anjiedelungen Bejuche abzuftatten und alle etwa aufen- gelajjenen Werkzeuge, oder vielmehr deren mit dem Schweiße der Hände getränften Stiele zu benagen und jo, zuweilen in einer einzigen Nacht, eine ganze Anzahl jolcher zu ruinieren”. Schheglich hat er auch die Neigung, „alle im Walde fich vorfindenden Gemeihabwürfe, Kadaverreite uf. zu benagen und volljtändig aufzuzehren“. Goes führt alles das auf eine „ungemeine Vorliebe diefer Tiere für Salz und jalzhaltige Gegenstände” zurüd. Gonit fennt man aber einen derartigen Salzhunger gerade von Nagern nicht und erklärt das Be- nagen harter Gegenjtände, 3. B. Das Zerjchroten von Abmwurfjtangen durch Eichhörnchen, ie ER Urjon. 175 mit dem Bedürfnis, die Nagezähne Fräftig abzunußen. Goes erlebte felbit „ein recht draitijches Beifpiel des vorher Gejagten”, als er „Durch das Nagegeräufch eines in voller Tätigkeit befindlichen Stacheljchweines auf einen Pla aufmerkjam gemacht wurde, wo ehemals ein in einem Holzfällerlager gefallenes Pferd gelegen Hatte, das (dejjen Skelett) von diejen Nagern fchon nahezu aufgezehtt war”. Eine für amerikanische Urwaldverhältnijjfe „nüßliche Tätigfeit” des Urfons fieht Goe3 darin, daß jener im ftrengen Winter „auf HemlodSs-, Spruce- und Balfamfichten, bis zu den äußerften tragenden liten gelangend, eine folche Mafje von jungen Trieben abnagt, daß rings um den betreffenden Baum der ganze Boden dicht bedect it. Das edle Hochtwild pflegt jich an jolchen Pläten gerne einzufinden, und daß es die ihm unabfichtlich gebotene Afung annimmt, bewies mir fchon oftmals der Augenschein“. Über den Kalifornifchen Urfon, E. epixanthus Brdt., und zahm gehaltene Exemplare aus Arizona (Unterart couesi Mearns) berichtet der botanische Sammelteifende Purpus („Natur und Haus“, Jahrg. 13). Ir Kalifornien liebt der Urjon „ganz bejonders die Ninde und Nadeln der Douglastanne und einer Stiefernart (Pinus flexilis). Das Tier frißt aber auch Laub, Kräuter und verichiedene Gräfer, ferner die Rinde von Neiden, bejonders einer folchen, die unjerer Salmweide (Salix caprea) ähnlich ift... ES zieht die Rinde der Alte der des Stammes vor und verjteht dieje jehr geichidt abzujchälen... Sn den San Francisco ‚Mountains in Arizona jindet fich der Urjon in zerffüfteten Bafaltfelfen in einer Höhe von 2—3000 Fuß, bejonder3 da, wo Douglastannen und die bereitS erwähnte Pinus flexilis mwachjen.” Zivei Zunge fand Burpus in den Francisco Mountains „bei einer botanijchen Tour in einem Weidenbufch, dejfen Rinde fie abzunagen im Begriff waren. Die Tiere jahen aus wie Haarbüfchel und waren etwas über fauftgrog”. Che Burpus einen Behälter herbei- holen fonnte, „waren die Tierchen verjchwunden; als wir jedoch Die Umgebung genauer unter- juchten, fanden wit fie zwifchen Steinen verjteet. Man jah nicht als ein paar ihrer langen, grauen Haare herborjchauen. Die Tierchen hatten jchon ihren Stachelpanzer und wehrten ihtapfer. Im Anfange zeigten fie fich jehr wild und wollten nichts frejjen; eS dauerte jedoch nicht Iange, fo fingen fie an, Milch zu trinken; ferner benagten fie Weidenruten und fragen die Nadeln von Tannen und Kiefern. Sie machten die Reife mit... In den Hotels ließen mir fie oft frei im Zimmer herumlaufen, ebenjo auf dem Dampfer. Die Tiere ge- währten uns auf der langen Reife viel Unterhaltung, waren jehr lebhaft, namentlich des Nachmittags, fpielten miteinander und fugelten fich auf dem Boden herum... Sie nehrien ihr Futter in die Vorderpfoten wie die Eichhörnchen. Die Tiere find jehr zahm geworden. . Gie Klettern einem die Beine hinauf und auf den Rüden, unterfuchen und beriechen alles. Sn ihrem Zimmer ftehen ein paar Heine Kiefernbäume, in denen fie jich zur Nuhe und zum Schlafen niederlafjen. Sie fiten auf den Hinterbeinen mit übergeneigtem Kopfe und herab- hängenden Borderpfoten. Ihr Gang ift jehr unbeholfen, und watjchend fommen fie heran, wenn man das Zimmer betritt, um ihr Futter in Empfang zunehmen. Manchmal laufen jie aber auch ziemlich vafch, machen fogar Sprünge... Das Weibchen ijt Heiner und viel janfter al3 das größere Männchen. Exfteres beißt nie, während das Männchen zumeilen zubeißt, wenn es aufgehoben wird. Das lettere gibt auch einen eigentümlichen frurrenden Laut von fich, der Furz nacheinander ausgeftoßen wird, wenn man e3 aufheben will. Wenn die Tiere hungrig find oder das eine das andere nicht fieht, jo geben fie einen grungzenden Ton bon fich, der etwa wie ‚on, on‘, durch die Nafe gejprochen, lautet und rajch nach- einander ausgejtoßen wird. Bringt man die Tiere ins Freie oder in ein anderes Zimmer, jo fträuben fie jofort die Haare und zeigen die Stacheln... Die Tiere find jehr reinlich und 176 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Erdftahelichweine. riechen gar nicht...” Purpus hat auf feinen „vielen Reifen im Weiten nur etwa 8—9 Ur- jong gejehen”. Das Tier macht ich jtet3 fofort „zur Abwehr bereit, die darin beiteht, daß e3 einem den jtachelbewehrten Nücden zumendet”. Purpus’ Freund, Herr Hochderffer aus Flagitaff, Arizona, hatte einen Stier, der eines Tages von der Weide zurüdfam, feine Naje gejpict mit den Stacheln eines Urjond. Um dieje zu entfernen, mußte das Tier zu Boden geworfen werden. „Der Ochje war wahrscheinlich beim Weiden auf einen Urjon geitogen und hatte ihn bejchnüffelt.“ Der Urjon wird von Zahr zu Sahr jeltener. „Sm wejtlichen Connecticut”, jo erzählte William Caje jchon Audubon, „war das Tier noch) vor einigen Jahren jo häufig, daß ein Säger gelegentlich der Eichhornjagd 7 oder 8 im Laufe eines Nachmittags erlegen fonnte, und zwar in einer Entfernung von 3 oder 4 (englifchen) Meilen von der Stadt, während man jet vielleicht nicht ein einziges dort finden würde.” Audubon erhielt einen fanadijchen Luchs, welcher den Angriff auf ein Stacheljchwein fchwer hatte büßen müfjen. Das NRaubtier war dem Tode nahe, jein Kopf heftig entzündet und der Mund voll von den fcharfen Stachel. Den erlegten Urjon wifjen nur die Indianer entjprechend zu benugen. Das Fleijch des Tieres wird von ihnen jehr gern gegejjen und joll auch den Weißen munden. Das Fell it, nachdem die Stacheln entfernt find, feiner angenehmen Weiche halber brauchbar; Die Stacheln werden von den Wilden vorzugsweife zum Schmud ihrer Jagdtafche, Stiefel ujw. verwendet. Nach Burpus färben fie die Siourindianer in Dafota rot, gelb, blau und grün. „Ic jah jolche Mofaffins (Sndianerjchuhe) am Little Miffourt in den Badlands von Montana, welche jehr Hübjch ausjahen.” x Mit der Familie der Erdjtacheljchtweine (Hystricidae) gehen wir in die Alte Melt über, deren mwärmere Länder dieje ausjchließlich auf und in der Erde lebenden Zormen be- wohnen. Ste unterjcheiden jtch Durch die längeren und ftärferen Stacheln, gejpaltene Ober- lippe, eine Daumenmwarze an den-Vorder- und vollftändig ausgebildeten Daumen an den Hintergliedern, Fräftige Grabfrallen und nacte, glatte, geradegeitellte Sohlen. Das Schlüjjel- bein ift unvollftändia, und die fchmelzfaltigen Badzähne Haben nur unvollftändige Wurzeln. Die Duaftenftachler oder Stachelratten (Atherura @. Cuv.) muß man wegen ihres längeren und deshalb urjprünglichere Verhältnijje zeigenden Schwanzes jowie wegen des weniger entwidelten Stachelfleides al3 minder vollfommene Erdftachelfchweine betrachten. Sie jind verhältnismäßig Hein, Haben furze, nadte Ohren, vierzehige Borderfühe mit fleinerer Daumenwarze, fünfzehige Hinterfüße und einen langen Schwanz, der teilweije mit Schuppen beffeidet ijt und am Ende eine pinjelfürmige Quafjte aus Horngebilden trägt, Die weder Stacheln noch Haare noch Borjten find, jondern eher Pergamentitreifen ähneln. Dieje Ge- bilde jind bald gleich breit, lanzettartig, bald mehrfach eingejchnürt und wieder erweitert, jtehen dicht nebeneinander und ragen ziemlich weit über das Ende des Schwanzes hinaus. Die Rüden und Seiten bededenden Stacheln find Ffurz, aber jehr jcharfipißia, beachtens- wert auch wegen einer tiefen Ninne, die längs der Mitte verläuft. Zwijchen ihnen treten kurze, jcharfe Borjten hervor. Die Unterjeite des Leibes ift mit Haaren befleidet. Die geo> graphiiche Verbreitung der Quaftenftachler ift von der eigenartigen Zerriffenheit (einerjeits Wejtafrifa, anderjeits Hinterindien und Nachbarinjeht), Die wir bei einer ganzen Anzahl von Säugetiergruppen wiederfinden. Afritanifcher Quaftenftachler. 177 Der Afrikanische Quaftenftachler, Atherura africana Gray, von Sierra Leone bis Angola verbreitet und jeßt öfters lebend nach Europa gebracht, ift ein verhältnismäßig Ichlanfes Tier von Höchitend 60 cm Länge, wovon ein Drittel auf den Schwanz gerechnet werden muß. Die Stacheln ind flach, längsgefurcht, jehr jcharfipigig und an der Spibe widerhafig, [hmubig weiß an der Wurzel, graubraun im übrigen gefärbt, einzelne feit- liche mweißjpißig. Sie nehmen von vorm nach Hinten an Länge zu: Die auf den Schultern jtehenden werden ettva 4 cm, die auf dem Hinterrüden jisenden fat 11 cm lang. Die Hornblättchen der Schwanzquafte jind gelblichtweiß. Ein bräunlichtweihes, ziemlich dichtes und weiches Fell bekleidet die-Unterfeite; jehr lange, braune Schnurren mit weißer Wurzel jtehen zu beiden Seiten der Schnauze. Über das Freileben des Duaftenftachlers ift nur wenig befannt. Büttifofer berichtet darüber aus Liberia folgendes: „Verlafjene Termitenbauten bilden willfonmene Wohn- pläbe für diefe Art. Doch habe ich in den malpbededten Abhängen des Cape Mount- Gebirges einen Bau Diefer Tiere gefunden. Er war unter den Wurzeln eines ftarfen Baumes angelegt und hatte jechs verjchiedene Ausgänge, die leider nicht alle frühzeitig genug auf- gefunden und verjtopft werden fonnten, jo daß nur ein junges von etwa.acht in unferei Bejit Fam. Am Fuße des Cape Mount-Gebirges, ganz nahe am Strande, befand fich ein ähnlicher Bau zwijchen hohen Felfentrümmern; Doch war e3 hier nicht möglich, dejjen Be- wohnern beizufommen.” Gin dritier Bau wurde im Gteilufer eines Flufjfes und ein vierter wiederum im Gefelje entvedt. Aus dem Betragen gefangener Duaftenjtachler darf man hliegen, daß die Sitten denen anderer Bodenftachelichtveine ähneln. Sch habe das Tier wiederholt lebend gejehen und auch längere Zeit beobachten fünnen. Wie da3 gemeine Stachelichwein liegt es bei Tage möglichjt verborgen in dem ihm hergerichteten Schlupf- mwinfel, am Tiebjten in fein Heulager eingewühlt; mit Sonnenuntergang wird e3 lebendig und läuft dann mit großer Behendigfeit, aber trippefnden Ganges in feinem Gehege umher. Seine Bewegungen find gleichmäßig, vajch- und durchaus gejchidt. Über Steintrümmer und andere erhabene Gegenjtände flettert es mit Leichtigkeit hinweg, und auf dem Boden hufcht e3 gejchwind dahin. Der Schwanz wird öfters aufrecht getragen, das Stachelffeid gejträubt. Lebteres gejchieht namentlich, wenn das Tier erzürnt ift: dann rafjelt e8 auch mit der Quafte, aber weit weniger geräufchvoll al3 die übrigen Stachelichweine. Gegen den Pfleger bemweijen jich die Duajtenftachler weit zutraulicher al3 ihre Ber- wandten und machen dadurd) einen weit günftigeren Eindrud als das gemeine Stachel- jhmwein. Sie kommen, wenn man ihnen Nahrung vorhält, ohne Bedenken herbei und nehmen dieje zierlich weg, lajjen jich überhaupt behandeln, ohne fofort in Erregung zu geraten. Auch unter fich leben fie verhältnismäßig friedlich. Die Gatten eines Paares jheinen fich jehr zu lieben, Tiegen bei Tage dicht nebeneinander, laufen abends zufammen umber und pußen, Fragen und lecken fich gegenfeitig, auch zmwijchen den Stacheln, die das eine dann jo weit auseinander fträubt, daß das andere mit der Klaue oder Zunge zwijchen ihnen hindurchfommen fan. Doch habe ich freilich ebenfo erfahren, daß eine beiden vor- - getworfene Lederei den Frieden jtören und Streit erregen Tann; ja, ich habe infolge eines jolhen Streites den Gatten eines Paares verloren: der andere hatte ihm im Zorne einen Bi in den Kopf verjegt, der feinen Tod herbeiführte. &3 jcheint, al3 ob die Duaftenjtachler nicht fo Fichtfeheu wären wie die iibrigen Stachel- weine. Bei Tage freilich wenden fie fic) immer vom Lichte ab, und ihr großes, Ieb- haftes Auge jcheint die Helle jchmerzlich zu empfinden; fie werden aber oft bereits vor der Brehm, Tierleben. 4. Aufl. XI. Band: 12 _ 178 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Erdftahelihmweine. Dänmerung munter. Ein feit längerer Zeit im Berliner Garten lebendes Exemplar ift (1908) vollftändig erblindet, weiß jich aber mit Hilfe des Taftgefühles feiner a Schnurr- haare, wohl auch des Geruches, jehr gut zurechtzufinden. Der Sndiiche Duaftenstachler, Atherura macroura L. (Taf. „Nagetiere VI”, 3, bei ©. 167), aus Malaffa, Burma, Alam und Kotichinchina, Hat troß feines wijjenjchaftlichen Tamens (= „Langjehwanz”) einen verhältnismäßig fürzeren Schwanz, der nur ein Viertel bi3 ein Drittel der Gejamtlänge ausmacht, und ift größer, fonjt aber dem Afrifanischen fehr ähnlich. Die eigentlichen Stachelfchtweine (Hystrix Z.) find an ihrem furzen, gedrungenen Leibe, dem diden, ftumpfichnäuzigen, auf ftarfem Halje jißenden Kopfe, dem Furzen, mit hohlen, federjpulartigen Stacheln bejetten Schwanze, den verhältnismäßig hohen Beinen, den fünfzehigen Vorderfüßen und dem außer allem Verhältnis entwidelten Stachelfleide Yeicht erfennbar. Bezeichnend für jie find außerdem die Fleinen, rundlichen Ohren, die breite Oberlippe und die gejpaltene Nafe. Das Stachelfleid bededt hauptjächlich die legten zwei Dritteile oder die Hinterhälfte des Leibes, während das Vorderteil mit Haaren oder Boriten, meijt mähnig, beffeidet ift. Die Stacheln find die größten, die überhaupt vorkommen. Da3 Stachelichwein, Hystrix eristata L., übertrifft unjeren Dachs an Größe, nicht aber an Länge umd erjcheint vermöge feines Stachelfleides viel dider und umfangreicher, als e3 wirklich ift. Seine Länge beträgt 65 cm, die des Schwanzes 11 cm und die Höhe am Widerrijte 24 cm; das Gewicht dürfte 15 kg faum jemals überfteigen. Bloß an der funzen, jtumpfen Schnauze und an der Nafe jigen einige Haare; Die dicfe Oberlippe ijt mit mehreren Reihen glänzender [chwarzer Schnurren bededt, und folche Borjten ftehen auch anf Warzen über und hinter dem Auge. Längs des Haljes erhebt jich eine willfürlich aufrichtbare Mähne aus starken, nach riichvärts gerichteten, feht fangen, gebogenen Borften. Dieje Boriten find dünn und biegjam, teils weiß, teil3 grau gefärbt und endigen meijtens mit weißen Spiten. Die übrige Oberjeite des Leibes bededen nebeneinander geitellte, lange und furze, glatte, jcharf gejpigte, abmwechjelnd Dunfel- oder fchivarzbraun und weil; gefärbte, Ioje im ‚elle feitjigende und deshalb leicht ausfallende Stacheln, zwijchen denen überall boritige Haare jich einmengen. An den Geiten des Leibes, auf den Schultern und in der Streuz- gegend jind Die Stacheln Finger und ftumpfer als auf der Mitte des Nüdens. Die dünnen, biegjamen erreichen eine Länge von 40 cm, die furzen und ftarfen dagegen werden nur 15—30 cm lang, aber bi$ 0,5 cm di. Alle find im Inneren Hohl oder mit [hwammigen Mark angefüllt, Wurzel und Spibe meijtens weiß gefärbt. Die fürzeren Stacheln find jchwarz- braun und weiß geringelt, an der Wurzel und Spite ebenfalls meijtens weiß. Den Schwanz bededen verjchieden gebildete Stacheln von etwa 5 em Länge, aber fat 7 mm Dide (Taf. „tagetiere VII”, 1, bei ©. 184). Sie beitehen aus abgejtußten, dünnmwandigen, am Ende offenen Nöhren, die angejchnittenen Federfielen gleichen, ihre Wurzeln dagegen aus langen, dünnen und biegjamen Gtielen. Alle Stacheln fünnen mittels eines großen, Fräftigen Musfels, der jich unter der Haut des Tieres ausbreitet und einer ftarfen Zufammenziehung fähig ift, willfürlich aufgerichtet und zurücfgelegt werden. Die Unterfeite des Leibes ift mit duntelbraunen, rötlich gejpiten Haaren bededt; um die Kehle zieht fich ein weißes Band. Die Krallen find dunfel hHornfarbig, die Augen fcehwarz. Die Einrichtung und Wirkung der Schwangrajjel im einzelnen hat Brandes gemein- berftändfich gejchidert. ES „stehen am Schwanze zwei Arten von Stacheln: Dünnere, Ä | 4 | " | | | | | | a a . == =, e | B 3 “ Key u rn) Sn na } = — Tg | en Ye -. u N Are PRw N Er. > SH ze. "uraa A ) E ” | i \ | Kiyu » huo, Behr Sndiiher Quaftenftahler. Stadeljhwein. 179 jpiße, und Didere, die wie abgeschnitten ausjehen”. Lebtere bejtehen „mur aus einer ganz dünnen Wandung und gleichen einer Federjpule. Soliert man ein jolches Gebilde, jo drängt jich der Vergleich mit einem hohen Champagneraglaje auf; es läßt jich nämlich ein Feiner Fuß, ein dünner Hals und ein hohes Gefäß untericheiden. Die Kleinen, maffiven Stacheln jtehen, zwwijchen den Felchglasartigen gleichmäßig verteilt”. Nun erinnere man fich an „die zitternde Beivegung des Schwanzes, die die verjchiedenartigen Stachelbildungen zufammen- ichlagen läßt: die Kelchgläfer werden zu Gloden und die mafjiven Stacheln zu den aufßer- halb der Glocden angebrachten Klöppeln.“ Über Hornzähne auf der Zunge des Stachelichwein hat neuerdings Brian eingehende Unterfuchungen gemacht (Gegenbaurs „Morpholog. Jahrb.”, BD. 37). Sie bilden auf dem vorderen Teile der Zunge, Durch einen Zivischenraumt getrennt, zwei gleichgroße Gruppen nebeneinander, jind „in hintereinander ftehenden Duerreihen angeordnet und dienen offen- bar dazu, die Nahrung zu zerreiben. Durch jtarfe Muskeln aus dem Innern der Zunge fünnen fie in der günftigiten Stellung fixiert werden.“ Das gewöhnliche Stacheljchtwein findet man längs der Küjte des Mittelmeeres, zumal in Algerien, Tripolis, Tunis. Sn Unteräggpten, mo es vorkommen foll, habe ich feine Spuren nie gejehen. Das übrige Afrifa bewohnen ganz nahe verwandte, äußerlich faum zu unter- jcheidende Arten. Syn Europa lebt e3 in der Camıpagna bei Rom, in Kalabrien, Sizilien und ‚ in Griechenland, vielleicht auch in Spanien. Die Ulten fannten das Stacheljchwein recht gut, verdunfeln aber feine Naturgejchichte durd) Fabeln. Plinius gibt an, daß es feine Stacheln durch eine Spannung der Haut fort- ichleudern fünne, und Oppian führt dDiefe Behauptung weiter aus in übertriebener, phan- tajtiicher Schilderung, Die jo recht auch dem Geijte des wundergläubigen Mittelalters ent- jprach und jich Daher durch die ganzen naturgejchichtlich unfruchtbaren Jahrhunderte fort- erhielt, bis jie in der Neuzeit Buffons Widerjpruch herausforderte. Ir unjeren Tagen hat nun %. Vofjeler in einem ausgezeichneten Lebensbilde des Stacheljchweins (Meerwarth, „Säugetiere”, 3. Bd.) gemwichtige Hinweije beigebracht, daß auch diefem Aberglauben, wie jo manchem anderen, geroilje Tatjachen und richtige Beobachtungen zugrunde liegen. Wäh- rend jeiner langjährigen Tätigkeit auf der wijjenschaftlichen Berfuchsitation Amani in Deutjch- Dftafrifa wurden ihm bon einem Farmer Stachelichweinftacheln gezeigt, über mannshoch in der Rinde eines Baumes jtedend, an dejjen Fuß ein Stachelichwein im Schwanenhals ge- jangen worden war. Sie fonnten nicht wohl anders dorthin gelangt fein, als aus der Haut herausgejchleudert durch das plößliche Aufrichten mittel3 der Hautmusfulatur im Augenblicde des jähen Schredens und Schmerzes, den dem Tiere die zufchlagende Falle verurjachte. Der Sänger war aber gänzlich ahnungstos und gerade deshalb ein um fo unverdächtigerer Zeuge, als er annahm, das Tier jei mit der Falle an der Kette den Baum ein Stüd emporgeflettert. Das Stacheljchwein Tebt einfam. Bei Tage ruht eS in langen, niedrigen Gängen, die e5 jich jelbjt in den Boden wühlt; nachts fomımt es heraus und ftreift nach feiner Nah- zung umher, nach Pflanzenftoffen aller Art, Difteln und anderen Kräutern, Wurzeln und Früchten, der Rinde verjchiedener Bäume und mancherlei Blättern. C3 beißt die Nahrung ab, faßt jie mit den Vorderzähnen und hält fie mit den Vorderpfoten feit, folange es frifit. Alle Bewegungen jind langjam und unbeholfen; der Gang ift träge, bedächtig, der Lauf nur wenig rajh. Bloß im Graben hat das plumpe Tier einige Fertigkeit. Im Winter foll es mehr als gewöhnlich im Baue verweilen und manchmal tagelang dort fehlafend zu- bringen. Einen wirklichen Winterfchlaf Hält e8 nicht. 127 N 180 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Erdftahelfchweine. \ Wenn das Stachelfchtein irgendiwte beunruhigt wird oder fich gefährdet glaubt, . dreht e3 dem Störenfried jofort den Rüden zu, richtet jeine Stacheln auf und läßt unter zitternder Bewegung jeines Schwanzes ein heftiges Rafjeln Hören: offenbar ein inftinftives Gebaren, Feinde abzujchreden, eim Schußinjtinft. Diejer hat zunächit au) Erfolg; denn unmillfürlich hemmt der Nahende jeinen Schritt. Er wird gewarnt, und die Schmwanz- tafjel des Stacheljchweing übt alfo eine Wirkung, welche den Vergleich mit der entjprechen- den Einrichtung am Klapperjchlangen- und Sforpionjchwanze herausfordert. Darauf hat neuerdings (,Proc. Zool. Soc.‘“, 1906) Bocod vom Londoner Garten gebührend aufmerfiam gemacht. Das Benehmen der Stachelichtveine des Nachts, wenn jie jich draußen herum- treiben, ijt ganz verjchteden von dem der meijten nächtlichen Tiere. Statt fich leife zu be- wegen wie die legteren, machen fie allem Anjcheine nach jo viel Geräufch wie möglich, indem fie mit ihren Stacheln rafjeln und heijer grunzende Kehllaute ausjtoßen, was man - beides auf beträchtliche Entfernung hören fann- Shre Nähe wird auch noch auf andere Weije angezeigt, nämlich durch die leuchtende Weite ihrer Stacheln, die, in der charafterijtiichen Fächerform aufgerichtet, im Dunkeln ganz deutlich fichtbar find und den Beobachter injtand- jegen, genau zu jagen, wo das Tier jich befindet, was durch da3 Rafjeln allein nicht möglich it. Doc find Stacheln und Färbung nur Warn- und Abjchredeinrichtungen. Achten ftärfere Tiere ihrer nicht, jo find Stacheljchweine wegen ihrer außerordentlich dünnen Haut leicht zu töten. Ein Hund, der darauf drejjtert ift, reißt binnen weniger Gefunden eins in Stüde, wenn er e8 einmal von unten oder von vorn außerhalb des Stachelpanzers gepadt hat; jo berichtet Simons, ein jüdafrifaniicher Sammelreijender, und die warnenden Eigentümlich- feiten der Stacheljchweine erklären jich aljo Daraus, daß fie zwar die Verteidigungseinrichtung des Stachelpanzers, jonjt aber nur eine jehr geringe Widerjtandsfähigkeit befigen. Das drohende Gebaren des Stacheljchweins im Verein mit dem Stachelffeive erjcheint dem modernen Naturforjcher ganz jelbjtverjtändlich al3 eine Höchjt wirffame Schubemmrichtung. Aus diefem mwahrjcheinlichen Gedanfengang heraus hat denn auch Pocod mit Recht darauf Dingetviejen, wie jehr das im Dunkeln raffelnde, jtampfende und grunzende Stadeljchwein jich bei jeder Begegnung bemerfbar macht, mit anderen Worten auf jeinen Stadhelichus geradezu pocht. Da möchte man allerdings mit Rocod die Erzählungen von Löwen, Tigern und anderen NRaubtieren, die angeblich recht gern und oft Stacheljchweine frejjen, entweder ganz ins Reich der Fabel verweijen oder höchitens als jeltene Ausnahmen gelten lajjen und die in den Lippen und Pranfen von Raubtieren gefundenen Stachelreite viel mehr al3 Be- weije mißglüdter Angriffe denn al folche gelungener Tötungen auffajjen. Wenn nur nicht Tocods eingehende und einleuchtende Darlegungen im ‚‚Field‘“ (Nr. 3037, vom 11. März 1911) jo viel gut begründeten Widerjpruch gefunden hätten! Aber in den nächjten Nummern der genannten geitjchrift wurden aus Afrika und Sndien fo viele eigene Erlebnijje vom Gegenteil erzählt, daß man in dem ganzen Glauben an die Wirkung des Stachelichußes irre werden fünnte. Wir hören allerdings aus Südafrifa von einer gefledten Hyäne, die Buren tot fanden mit einem Stachelfchweinftachel im Halfe, und Ähnliches aus Zentralindien von einem Tiger, dejjen von Hyänen und Schafalen zerfrejjene Nefte zufammen mit denen eines Stachel- ichweine3 gefunden wurden, nachdem man bierzehn Tage vorher in derjelben Gegend einen Tiger mehrere Stunden der Nacht andauernd Hatte brüllen hören, wasTiger nur por Schmerzen tum. Anderjeits fand man beim Abjtreifen von Leopardenfellen öfters Stacheln jowohl in den Lippen als in den Vorder und Hinterpranfen, ohne zugleich Spuren einer Entzündung nachweijen zu Fünnen, und beim Tiger bezeichnet man das al3 eine ganz gewöhnliche Sache. ) an Staheljchwein. 181 Ya, Tiger und Leopard jollen geradezu verjejjen fein auf Stachelfchweine: ftafen doch einem alten, erfahrenen, von nachweisbarem Büffelraub wohlgenährten Tiger je ein Stachel- jchweinftachel in der Bruft und der jtark entzündeten Pranfe! Das it nicht anders denfbar, als daß die Naubtiere lernen, das Stachelfchwein troß feiner Stacheln zu töten, und e3 läßt jich weiterhin auch nichts Stichhaltiges einmwenden auf die aufgeworfene Frage, mwarım man den großen Kaßen die nötige Sntelligenz nicht zutrauen follte, des Stachelfchweins durch) gejchidtes Belauern und einen jchnellen Tagenhieb Herr zu werden. Zumal einem viel Hleineren und ungejchidteren Raubtiere, dem jüdafrifanifchen Honigdachje, geradezu igftematifche Verfolgung des Stachelfchweines in feinem eigenen Erdbau nachgejagt wird. Nad) Bowfer-Grahamstorwn öffnet der Honigdachs den Stacheljchweinbau immer bon oben, genau über dem Stejjel; Bomfer fing bei folcher Gelegenheit zwei diefer Näuber, deren Mägen noch vollgepfropft waren von friichem Stachelichweinfleiich. Darüber, wie jie die Stachel- wunden ertragen, jagt er riichts, betont aber, daß jolche Verlegungen bei Hunden mwochen- lang eitern, bis die legte Stacheljpige aus dem Körper entfernt it. Nach alten Angaben ericheinen im „Field“ jchließlich jogar die Riejenschlangen als Feinde und Bewältiger des Stacheljchweind. Da wird in den hochangejehenen „Philosophical Transactions“ nicht nur bezeugt, daß bei Bombay jchon im Jahre 1744 eine tote Kiejenfchlange gefunden worden jei, der Stachelihweinftaheln zwijchen den Rippen hevausfamen, jondern es folgt auch noch die weitere, ungleich interejjantere Beobachtung, daß eine Kiejenjchlange ein Gemölle von jolhen Stadjeln ausgemworfen habe als Beweis glücklicher Tötung und Verdauung eines Stachelichweing. — Daß den Menjchen die Stacheln des Stacheljchweines jehr empfindlich verwunden fünnen, jollte, wie Landois berichtet, ver Tierwärter Nikolaus des Zoologifchen Gartens zu Münjter erfahren, als er den Auftrag erhielt, das Tier von einem Behälter in einen anderen zu Ichaffen. „Das gereizte Tier fonzentrierte fich rücfwärts auf den Wärter und durchbohrte mit jeinen jteifen, geraden Stacheln nicht allein die Hofe, jondern auc) die Waden feines ver- meintlichen Feindes. Acht Stacheln drangen vollftändig Durch das Fleiih. ES wurde Des Nachts noch ärztliche Hilfe notwendig. Nach Behandlung mit Karbol hat die Verlegung weiter feine nachteiligen Folgen gehabt." Sie ift aber nach Vofjeler „nicht nur eine me- chantjche Verlegung. Die Wunde blutet jchlecht und Hinterläßt recht nachhaltige und aus- jtrahlende Schmerzen, oft auch Unfchwellungen. Ir der Nähe der Gelenfe der Finger fann jie zudem mehrtägige Unbeweglichfeit des getroffenen Gliedes verurjachen. Dieje Bealeit- erjcheimungen müfjen als eine Art Giftwirfung angefprochen werden, die eine weitere Unter- juchung verdiente, um fo ntehr, als fie auch bei anderen Stacheltieren feftzuftellen ift.” Sie fann faum anders alö mit dem Fett (Hauttalg) zufammenhängen, das in jehr merflichem Maße den Stacheln anhaftet und gewiß auch den fennzeichnenden Geruch desStachelichweinesverurjacht. Die geiltigen Fähigleiten des Stacheljchweins erjcheinen gemeinhin ebenjo gering iwie die jeiner Verwandten; Doch wird unfer Urteil vielleicht ungünjtig beeinflußt durch Die hemmenden Berhältnijje der engen Schaugefangenfchaft, in der man das Tier gewöhnlich jieht. Wenigitens zeigte ich ein Stachelichwein, das Bofjeler in feiner großen Tierliebe als freien Hausgenofjen hielt, „troß eines gewifjen PBarfüms und der Nagezähne”, von ungleich vorteilhafterer Seite. Die ihm angeiviejene Wohnkifte mit Stroh- und Heulager bildete bald nur noch feinen Auheort, den e3 von felbft abends oder, wenn e3 ganz ungeitört jein (mohl jchlafen?) wollte, auch tagsüber auffuchte. Alfo auch beim Stacheljchtwein, wie bei vielen anderen Nachttieren, die Ummandlung zum Tagtier, fobald in der Gefangenjchajt 182 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Erdjtaheljchmweine. das Nahrungsbedürfnis amı Tage ohne Schwierigkeit oder Gefahr befriedigt werden fann! Bnfjelers Stachelihwein trolfte fich in den ihm zugänglichen Räumen oder im Freien mit um jo größerer Zuverjicht und Emjigfeit herum, je genauer e3 mit feiner Umgebung ver- traut wurde. Hiwijchendurc) jtredte e3 jich vor den Füßen feines Herrn an einem jonnigen Pläschen oder im Winter vor dem warmen Dfen behaglich aus. Bisweilen auch trottete e3 wie ein Hund hinter jenem Pfleger her, ledte ihm die Stiefel oder gab durch Scharren jeinem Berlangen nad) Nahrung Ausdrud. Ebenjo wußte es, angelehnte Türen zu öffnen oder durch Grunzen und Kragen an einer verichlojjenen Türe Einlaß zu begehren. Sehr bald nahm e3 das Futter aus der Hand und jegte (tie jedenfalls im Freileben auch) jeinen Kot an einer bejtimmten Stelle ab, wurde aljo auf jeine Weife jtubentein. ES lernte auch bi3 zu einem gewiljen Grade, fich den Wünfchen jeines Bflegers durch Gewöhnung zu fügen, indem e3 jich 3. B. Nageverjuche an Möbeln abgewöhnen ließ. Erjtaunlich hHartnädig und abgefeimt zugleich war es dagegen in dem Beitreben, jich auch verbotene Xederbijjen anzueignen, worin Vojfeler es abjichtlich auf die Probe jtellte. Al e3 durch Zuruf erjchredt und der Raub ihm wieder abgenommen worden war, jchien e3 jich daS zur Lehre dienen zu lajjen und verhielt jich über eine Halbe Stunde ganz ruhig an jeinem Stammplag. Al aber Bojjelers Aufmerkfjamfeit nur wenige Minuten abgelenkt wurde, war e3 jofort mit der größten Weintraube aus der Fruchtichale unter das Sofa entwijcht und wehrte fich gegen die Wegnahme. Derjelbe Borgang wurde oftmals abjichtlich herbeigeführt, auch bei Lampenlicht. Stet3 mit gleicher Sicherheit und Geduld trug das Tier die Maske der Gleichgültigfeit, bejjer fait, als ein Affe es verjteht, genau jo lange, bis die Aufmerffamfeit feines Herrn eingejchläfert war. Vollfommen geräufchlos bewegte es jich dann den Möbeln entlang über den halben Umfang des großen Zimmers nach der Frucht- ihale Hin und entnahm ihr vorjichtig — merfwürdigermweije nie die von ihm jonjt jehr ge- ihästen Nüfje oder Mandeln, jondern jtet3 nur jaftige Früchte, die e3 gegen feine jonjtige Gewohnheit ohne Schmabßen verzehrte, jobald e3 jich an dem gejchüßten Plage unter dem Sofa in Sicherheit gebracht hatte. Wie Vofjelers Stacheljchwein bei diefen Verjuchen jich zu beherrjchen, zu beobachten und den richtigen Augenblid wahrzunehmen wußte, das ift immerhin und auf alle Fälle eine recht achtbare geiftige Leiftung! Weniger imponierend dagegen und jchiwer erflärlich ijt eine ungemeine Wehleidigfeit des Stacheljchweines, Die Bofjeler durch mehrere Exlebnijje belegt. Sie ift um jo merfwürdiger, als jie anjcheinend nur für die Gliedmaßen gilt. Ein Hund biß einjt einem Stacheljchweine Vofjelers eine mehr al3 4 cm lange Wunde in feinen feiiten Nadenfamm. Diejes jpidte ihm zwar zur Strafe das Geficht mit jech! Stacheln, wandte fich aber jofort wieder gelajjen feiner Be- häftigung mit einer Mohrrübe zu. Als dagegen das oben gejchilderte Eremplar jich ein Vorderbein gegen eine Türe jtieß, gebärdete es fich wie vor Schmerzen rajend, wälzte jich unter nervöjem PBujten und Atemjtogen, jammerte und Eagte in mitleiverregenden Tönen. Das getroffene Bein wurde, obwohl vollfommen beweglich und nur anfangs wenig ge- ihwollen, ganze jechs Wochen nicht benußt, und tagelang wimmerte der Weichling aufs Häglichite, jobald man fich ihm nur näherte oder jein Lager nachjehen wollte. Um das Glied ja recht zu jchonen, wurde vorwiegend die jonjt ungemohnte Seitenlage eingenommen. sn einem zweiten ähnlichen Falle hatte ein noch junges Eremplar ein volles Jahr bei jonjt tadellojem Befinden gelegen, bevor e3 jich wieder beiwegte, und nach diejer Zeit eriwies jich das Vorderbein als jeitwärt3 gemwachjen, entweder infolge einer Verrenfung oder eines Bruches des Oberarmes. Auch in diefem Falle war da3 verlegte Glied jicher längjt Stadeljhhwein. 183 gebrauchsfähig und wurde nur aus übertriebener Wehleidigfeit jo enorm lange gejchont, dai; ver Patient längjt verhungert wäre, wenn er jich nicht in Gefangenjchaft befunden hätte. Und im Gegenjate dazu wieder die ebenfall3 von Bofjeler bezeugte Erfahrung, daß zufällig ins Tellereifen geratene Stachelichweine jich das eingeflemmte Bein regelrecht abjchneiden:: faum zu erklärende Widerfprüche im Verhalten ein und desjelben Tieres! Nach dem verjchiedenen Klima der Heimatsorte ändert jich Die Zeit der Paarung. Man fann annehmen, daß fie überall in den Anfang des Frühlings fällt, in Nordafrifa in den Januar, in Südeuropa in den April. Um dieje Zeit juchen die Männchen die Weibchen auf, und beide leben mehrere Tage zufammen. Das Weibchen wirft 60—70 Tage nach der Be- gattung in feiner Höhle auf ein ziemlich weiches und mit Blättern, Wurzeln und Sräuterin , ausgepolitertes Neft 2—4 Junge. Die Tierchen fommen mit offenen Augen und furzen, weichen, eng am Körper anliegenden Stacheln zur Welt; diefe aber erhärten jehr bald und wachjen außerordentlich rajch, objchon jte ihre volle Länge erjt mitdem Höheren Alter erreichen. Sobald die Jungen fähig find, fich ihre Nahrung zu erwerben, verlafjen fie die Mutter. Auch gefangene Stachelichweine pflanzen fich nicht jelten fort. „Eines Tages“, fchreibt mir Bodinus, „ward zu meiner Freude "ein junges, joeben geborenes Tierchen im Käfig gefunden. &3 hatte etwa die Größe eines jtarfen Maulwurfes, war mit jparfamen, jehr furzen Stacheln bededt und Froch mit einiger Mühe, obwohl noch nat und an der Nabel- jchnur Hängend, im Käfige umher. Meine Sorge, daß der Bater fich unnatürlich beweifen möchte, war unnötig; er betrachtete den jungen Sprößling zwar neugierig, befünmmerte jich dann aber nicht bejonders um ihn, während die Mutter unverdroffen zunächit den Mutter- fuchen und die Nabeljchnur zu verzehren begann. Sie fra te vollitändig mitfamt der Kabeljchnur bis auf die Länge von 1,5 cm. Nunmehr lecte jie ihr Junges, welches jogleich die Bruftwarzen juchte. Bekanntlich liegen diefe vorn an der Seite des Schulterblattes; die jie umgebenden Stacheln find aber durchaus fein Hindernis für das Säuggeichäft. Das Junge jaugte noch, al3 es über die Hälfte der Größe feiner Eltern erreicht Hatte, während ji) die Eltern bereits wieder begattet hatten. Auch dafür find die Stacheln fein Hindernig, wie man wohl vermuten jollte: das Weibchen jchlägt den Schweif aufwärts, jo daß die Schweifitacheln fait auf dem Nüden liegen.” „Die Alte”, berichtete mir Mübel, „it eine ausgezeichnete Mutter; denn jie nährt nicht allein, jonvern jchüßt auch ihre Kinder nach Kräften. Sobald man ich ihr naht, jagt jie die Seinen in den Hintergrund des Käfig, jtellt ich quer vor fie Hin und geht, nach- dent jie den Bejchauer einige Zeitlang angeglogt, nach Art der Strandfrabben jeitlich dor jhreitend, Kamm und Stacheln fträubend, fauchend, mit dem Schwanze rajjelnd, ab und zu auch wohl mit einem Hinterbein aufitampfend, herausfordernd auf den Störenfried lo2. Verhält man jich ruhig, jo läßt die Erregung nach; Kamm und Stacheln legen jich zurüd, Jauchen, Rafjeln und Stampfen enden, und alle Furcht oder Beforgnis jcheint vergejjen zu jein: eine einzige Bewegung aber, und das alte Spiel beginnt von neuem. Da bringt ver Wärter Futter: Brot oder Rüben. Die Mutter ergreift ein Stüd Brot mit den Zähnen, trägt es ihren Jungen zu, welche bisher, dumm in die Weite glogend, den Ereignijjen zu= gejchaut und höchiteng bei der Flucht nach Hinten ihre ftummelhaften Stachel zu fträuben verjucht Hatten, legt e8 vor jenen auf den Boden und hält es mit beiden Vorderfühen feit. Die Jungen lafjen jich nicht lange nötigen, fondern beginnen fofort fnabbernd ihr Mahl; eins aber unterbricht diejes, und nach der Muttermilch verlangend, nähert eS fich der erbjen- großen Bruftzige, welche von ungefähr 2.cm langen, ftrahlenförmig dem Leibe anliegenden, 184 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Erdftachelichweine. E gelbbraun und fchwarz gefärbten Stacheln umgeben ijt, und faugt mit Fräftigen Zügen... In jeder Seite der langjtacheligen Mutter hängt eines der furzbeftachelten Jungen, ohne die einmal gefaßte Zibe loszulafjen; denn die Stleinen geben fich mit ganzer Seele dem Saugen hin... Endlich löfen fich Die Jungen, verjuchen fchüchtern auch ihrerjeit$ Befanntjchaft mit dem Frembdlinge anzufnüpfen, erjchreden über irgendwelche Bewegungen desjelben, eilen, durch eigenartige Kopfbewegungen, Durch Schnauben und Rafjeln der Alten gewarnt, im vollen Laufe der Tiefe Des Käfigs zu und gewinnen glüdlich das dort für jie gebettete Strohlager.” Dat das Stachelichwein dem Menjchen Schaden bringe, fan man eigentlich nicht jagen, wenigjtens mit allgemeiner Bedeutung nicht; denn es ijt nirgends Häufig, und die Ver- wüjtungen, die e3 zeitweilig in den jeiner Höhle nahegelegenen Gärten anrichtet, fommen für die Allgemeinheit faum in Betracht. Da, two e3 Iebt, hält e3 fich in Einöden auf und wird deshalb felten läitig. Gleichwohl verfolgt man e3 eifrig. Die Stacheln finden vielfache Ver- wendung, und auch das Fleifch wird Hier und da benußt. Man fängt den ungejchidten Wanderer entweder in Schlagfallen, die man vor feiner Höhle aufitellt, oder läßt ihn Durch _ eingeübte Hunde bei feinen nächtlichen Ausgängen feitmachen und nimmt ihn einfach vom Boden. auf oder tötet ihn vorher mit einem Schlage auf die Naje. Jr der römijchen Campagna gilt feine Sagd als ein befonderes Vergnügen; es läßt jich auch gar nicht leugnen, dat die Art und Weife, wie man dem Tiere hier nachitellt, etwas Abjonderliches und An- ziehendes hat. Das Stachelichwein legt jeine Höhlen am Tiebjten in den tiefen Gräben an, welche die Camtpagna durchfurchen, und streift, wenn e3 zur Nachtzeit ausgeht, jelten weit umber. Sn dunkler Nacht nun zieht man mit gut abgerichteten Hunden zur Jagd hinaus, bringt Dieje auf die Fährte des Wildes und läßt fie juchen. Ein lautes, zorniges Bellen ver- fündet, daß fie einem der Stachelhelden auf den Leib gerückt find, und zeigt zugleich die Gegend an, wo der Kampf zmwijchen beiden ftattfindet — fall man überhaupt von Kampf reden fann. est zünden alle Jäger bereitgehaltene Fadeln an und nähern fich damit dem Schauplage. Sobald die Hunde die Ankunft ihrer Herren bemerken, heulen jie laut vor Freude und gehen wütend auf ihren Widerpart Ios. Das Stachelichwein jeinerjeit3 jucht lie zurüdzutreiben, indem e3 in allen Tonarten rajjelt, grungzt und fnurrt und fich jobiel tie möglich Durch jeine nach allen Seiten abjtehenden Speere zu [hüten jucht. Schließlich bildet die Sagdgenojjenjchaft einen Kreis um das Tier und feine Verfolger, und bei der grellen Beleuchtung der Fadeln wird es leicht, e3 in der vorher angegebenen Weife zu be- wältigen und entiweder zu töten oder lebend mit nad) Haufe zu nehmen. Sn friiheren Zeiten noch mehr als jebt zogen Staliener mit folchen gezähmten Tieren von Dorf zu Dorf, wie die Savoyarden mit den Murmeltieren, und zeigten das auffallende Gejchöpf für Geld. Bei nur geringer Pflege ijt es leicht, daS Stadhelfchwein 8-10 Sahre lang in der Gefangenfchaft zu erhalten. Man fann jogar ein Beifpiel aus dem Hamburger HBoologijchen Garten aufführen, daß e3 21 Sahre lang aushielt. Wie Haade berichtet, ijt e3 im Frankfurter Garten vorgefommen, daß ein Stachelichweinmännchen fein Weibchen, mit dem es Jahr und Tag friedlich zufammengelebt hatte, aus unbekannter Urjache tötete, indem es ihm eine hHandagroße Bihwunde auf dem Rüden beibrachte, auf deren Grund die Eingemeide hervorzuquellen Drohten. ir die füoliche Hälfte Afrifas hat Peters eine zweite Stacheljchweinart, Hystrix africae-australis Pirs. (Taf. „Nagetiere VII“, 2) aufgejtellt, die fich Hauptfächlich auf Schädel- unterjchiede gründet. Sie fommt auch in Deutjch- Dftafrifa vor und lebte lange Jahre als Nagetiere VII. wo - Im ern rErTTinT { NER) BL urn 1. Schwanz des Stachelichweins, Hystrix cristata Z. S. 178. — W. S. Berridge, F. Z. S.- London phot. RI RE x FERNE mem: — - = £ IS uR N Ei ri BE 2. Südafrikaniiches Stachelichwein, Hystrix africae-australis Pirs. 1/6 nat. Gr., s.S.184. — W. S. Berridge, F. Z. S.-London phot. 3. Baumratte Capromys pilorides Pall. 1/5 nat, Gr., s. S. 193. — P. Kothe - Berlin phot. KEN a sn > x >> 2 E “.; 9 : ee ” “ Fr By 3 net RS. un mr, EEE EEE ET: 4. Rohrratte, Thryonomys swinderianus Temm. 1/5 nat. Gr., s. S.194. — P. Kothe-Berlin phot. a Staheljhwein. Dftafrifanijhes und Haarnafiges Staheljchwein. 185 Sejchent Wipmanns im Berliner Garten. W. L. Sclater bezeichnet fie al3 böjen Schädling für die Landwirte und Gärtner des Staplandez, weil jehr erpicht auf Kürbijje, Melonen, Kartoffeln, Mais und andere Gartengewächle. Am Kap jagt man das Stachelichwein im Monpjchein mit Hund und Speer; das Fleifch fchmect jehr gut. — Auch in Deutfch- Dft- afrifa, und zwar in Sifalagavenplantagen bei Mifindani, fah H. Grote einige Male durch Stachelichweine verurjachten Schaden. Die AUgave war jedesmal bis in die Wurzel zerjtört, und die äußeren Blätter lagen Freuzfürmig um den in der Erde ftefenden Reit der Wurzel. Neuerdings („Sib.-Ber. Berl. Gef. Naturf. Freunde”, Berlin 1910) Hat F. Müller fich mit vergleichenden Schädelunterjuchungen über deutjch-ojtafrifanische Stacheljchweine bejchäftigt und noch mehr Arten aufgejtellt. Danach jieht e$ ganz fo aus, al3 ob die der europätjch- nordaftifanischen Art nächjtverwandten Formen im Außeren fich zwar faum unterjcheiden lajjen, wohl aber ganz erhebliche Schädelunterjchiede aufweisen. Auch die gemähnten afiatischen Formen unterjcheiden fich von den europätjchen Haupt- jahlich im Schhädelbau. Der rujjiihe Afademifter Brandt befchrieb daher jchon im Jahre 1835 in feiner Arbeit über neue ausländijche Nagetiere nach faufafiischen Stüden ein Haar- najiges Stadheljchwein, H. hirsutirostris Brdt., da3 auch das äußere Merkmal einer dicht- behaarten Schnauze und Naje hat. Und von der anderen Geite, au Vorderindien und Ceylon, brachte Shfes jein Weißihwanz-Stacheljchwein, H. leucura Sykes, dem er nad) der Farbe der Schwanzitacheln feinen wifjenjchaftlichen Namen gab. Im übrigen wurden beide jo ähnlich befunden, daß jte im Trouefjartichen Säugetierfatalog heute noch als eine Art (leucura) gehen, deren Berbreitung ji) dann vom Kaufajus und Vorderafien über den Himalaja bi3 nach Ceylon erjtredt. Satunin-Tiflis hat aber die Erfahrungen der modernen Spitematik für ji), wenn er in feiner Arbeit über die Säugetiere des Talyjchgebietes und der Muganfteppe („Mitt. Kauf. Muj.”, 1905) eS „jchwierig findet, Die völlige Spentität einer Stachelichiveinart auf diefem ungeheuren Gebiete anzunehmen”, Brandt3 Artnamen wieder heritellt und für jeine jowie Die von Nadde gefammelten Eremplare in Anjpruc) nimmt. Ein Haarnafiges Stacheljchweinmännchen des Berliner Gartens ivog nad) Hein- roth bei jeinem Tode 13,5 kg. Satunin gibt uns auch jehr erwünjchte Einzelheiten über da3 Leben. „Sn den Grenzen des Kaufajus lebt das Stachelihwein nur im Waldgebiet de3 Streijes Lenkoran”, alfo im jünöjtlichen Kaufafien, an der Südmeitfüfte des Kafpijchen Meeres, und hält jich im Gegenjag zu feinen transfajptichen Artgenofjen niemals auf freier Steppe auf, jondern bevorzugt Dichtbewachjene Gegenden. Die undurchdringlichen Didichte au Rubus arme- niacus, Smilax excelsa, Mespilus germanicus, Pyrus communis, zuweilen noch Paliurus australis und Phragmites (Brombeeren, Stechwinden, Mijpeln, Schilf), Die Schafal- und Sumpfluchs beherbergen, gewähren auch ihm jehr bequeme Unterjchlupfe. E3 fommt aber auch häufig im hochjtämmigen Walde vor, nur wählt es dann Stellen mit dichtem Unter- holze. Fat alle Baue, die Satunin jah, befanden fich nicht weit von dichten Holunderbüjchen und Adlerfarn, dejfen Wurzeln unjerm Tiere offenbar al3 Nahrung dienen. Man Tann jtet5, ohne zu fehlen, auf die Nähe eines Stachelichweines aus den Spuren feiner Tätig- feit jchliegen, Die jich in den ausgegrabenen und darauf abgenagten Wurzeln des Adler- farns verrät. Sm allgemeinen ift das Stachelihwein ein Bewohner des unteren Yald- gürtels; Satunin hat e3 aber auch einmal im Alpengürtel gefunden, wahrjcheinlich war e3 auf der Nahrungsjuche dorthin vorgedrungen. 186 8. Ordnung: Nagetiere, Bamilie: Erditahelichweine. Der Stacheljchweinbau jteht immer an höher gelegenen Stellen, jo daß er bei dei häufigen und ftarfen Negengüfjen nicht mit Wajjer vollaufen fann, und zwar gräbt ihn das Tier entweder jelbjt, oder es nimmt (nach den Angaben der Jäger) häufig aud) fertige Dachs- baue in Bejit. Zumeilen lebt das Stachelichivein jogar mit den früheren Bejigern des Baues zufammen darin, natürlich in verjchtedenen Abteilungen. Satunin jelbit grub in einem Bujchoidicht nördlich von Lenforan aus einem Bau ein Stacheljchwein und drei Düchje aus. Der vom Stacheljchwein jelbjt angelegte Bau hat eine Länge von 2 m umd mehr, geht aber nicht tiefer al3 70 cm. Die Röhre verläuft Dabei zwijchen den Wurzeln der Sträucher, was das Graben fehr erfchwert; der Eingang ift fehr gut verborgen durch überhängende Zweige von Brombeeren und anderen Gemwächien. Einmal hat Satuniin aber auch einen jehr großen und alten Bau gejehen, dejjen riejiger, halbfreisförmiger Ein- gang völlig offen war. Das läßt darauf jchliegen, Daß auch in den übrigen Fällen die an- icheinend jo „Eunjtvolle Masfterung” des Höhleneinganges fein beivußtes Werf des Tieres, jondern eine natürliche Folge des üppigen Diefichtwuchjes it. Der Gang hat im Durd;- ichnitt eine halbfreisförmige Gejtalt mit flachem Boden und gemwölbter Dede, läuft unter flachem Winfel nach unten, macht eine Wendung und endet in einer großen Sammer, Die ebenfalls eine ungefähr, aber nur unregelmäßig halbfugelförmige Geftalt hat. ltere Baue bejigen mehrere Gänge; jolche hat Satunin auch aufgedeckt, blieb aber jtets im Ziveifel, ob jie nicht vorher von Dächjen angelegt worden waren. sm Kaufajus trifft man das Stachelichwein nicht jelten auch am Tage an. Ceine Nahrung bilden dort außer den Wurzeln des jchon genannten Holunders und Adlerfarns auch Sauerampfer und verjchiedene andere Pflanzen, im Frühling frifche Triebe, jpäter Wurzeln. Das Tier liebt ferner alle Gemüfe und Gartenfrüchte, bejucht Deswegen die Gärten und richtet da furchtbare Berwüjtungen unter Gurken, Kürbijjen, Melonen und anderem ar, wobei e3 jowohl das Kraut, bejonders junges, als die Früchte vertilgt. Deshalb jiedelten jich früher die Stacheljchweine in und bei ven Gärten an, two fie ihre Baue an den Kanälen anlegten; jet aber jind jie wegen des großen Schadens, den jie machen, hier völlig aus- gerottet. Am Herbit nährt ji) das Stachelichwein von verjchiedenen wilden Früchten: Äpfeln, Birnen, Pflaumen, Eichen, jchliegt fich alfo damit der Gefellfchaft an, die man in Ihönen Herbitnächten unter Birnen- und Pflaumenbäumen antreffen fan. Die Jäger in Lenforan haben bemerkt, daß es jich jehr vor dem Wildjchiwein fürchtet und, jotwie es diejes wittert, jchnell flüchtet. Satunin beitreitet, wie alle anderen Beobachter, daß das Stacheljchwein einen Winterjchlaf Hält; es ijt ihm aber nicht gelungen, fejtzujtellen, wovon e3 jich im Winter nährt. Wenn fein oder wenig Schnee liegt, jebt es feine tägliche Nahrungs- juche fort, ohne die Kälte zu beachten; wenn aber tiefer Schnee fällt, zeigt e3 jich zwei, Drei Tage lang nicht und verbleibt in jeinem Bau. Vielleicht nährt es jich in Ddiejer Zeit von den. Stengeln des Adlerfarns und des Holunders, die Satunin zumeilen bei ihm im Bau fand: ein Anfang des Vorratfanmelns, das bei anderen Nagern jo hoch ausgebildet ift. sn Lenforan werden die Jungen im August zur Welt gebracht, und der Wurf beiteht aus zwei Stüd. Solange Talyich ausjhlieglich von Mohammedanern betwohnt war, die nur Reis bauten und fogar die Weizenfultur für eine Sünde anfahen, brachte das Stacheljchwein ihnen fajt gar feinen Schaden. Al aber rufiiiche Anfiedler ins Land famen und Gemüfe- und Weinbau einführten, lernte das Stachelfchwein jchnell diefe Genüffe fehägen, und es entbrannte ein Krieg gegen den ungebetenen Feinjchmecder, der die völlige Ausrottung des Tieres in der Umgebung der ruffifchen Anfiedelungen zur Folge hatte. Satunin hat niemals Haarnafiges Stahelfhwein. Indiihe Stachelfchweine. 187 von einem der Berufsjäger in Lenforan gehört, daß er Neite eines von Naubtieren zer- riffenen Stacheljchweines gefunden hätte, und glaubt daher, daß dejjen Stachelrüftung es genügend bor den einheimijchen Heineren Naubtieren, wie Sumpfluchs und Schafal, fchüßt. Bon den größeren Naubtieren, Wolf, Luchs und Bären, jagt Satunin nicht3. Zum Schlufje deutet er noch an, daß er, dem allgemeinen Yägerglauben in Lenforan entiprechend, ein yoillfürliches Weajchleudern der Stacheln beim Stacheljchweine nicht „Eategorisch verneinen” möchte, aber „für verfrüht” Hält, das mitzuteilen, was er über diefe Sache weiß, die feines Erachtens „noch weitere Beobachtungen” erfordert. Bu H. hirsutirostris rechnet Nehring auch diluviale Stachelichweintejte, Die er jelbit aus der Hoejichs-Höhle in Oberfranken (Bayern) zutage gefördert hat. Dasjelbe gilt für anderes fpär- liches Material aus der Gegend von PVottenftein, ebenfalls Oberfranken, und von Saalfeld in Thüringen. Nehring ift daher der Meinung, daß diefe Funde nicht „als ein Beweis für das Hineinragen der füdeuropätichen, rejpeftive nordafrifanischen Fauna in unjere Dilupialfauna hingeitellt”, jondern „bejjer aus dem Diten als aus dem Süden hergeleitet werden” fünnen. Dem borderindiihen Weikihwanz-Stacheljchwein, Hystrix leucura Sykes, Das einen weniger gemölbten Schädel und fürzere Najenbeine hat, jagt Blanford eine Vorliebe für felfige Hügel nach und fügt die abweichende Angabe Hinzu, daß es häufig gejellig lebe. Das heikt in diefem Falle vielleicht nur: benachbarte Feljenlöcher bewohnt? Bon der ver- breiteten Sucht der Nager, Knochen zu benagen, bringt Blanford das jchöne Beijpiel eines im Walde gefundenen Elefantenzahnes, den er jelbjt gejehen hat: tief eingeferbt von den Zähnen eines Stachelichweins. Die Zahl der Jungen beträgt nad) Blanford 2—4. Sterndale Hat ein indisches Stacheljchwein fich gegen Hunde erfolgreich wehren jehen. Er jtieß auf mehrere Eingeborene, die eifrig von obenher den Bau eines Stacheljchmweines aufgruben, während zwei Hunde am Nöhrenausgange Wache hielten. Als eritere den Stejjel trafen, fuhr das Stachelichwein jählings heraus und rafjelte aufs höchite erzürnt zwijchen die Hunde. Dabei rutjchte e8 mit gejpreizten Stachein jehr Hurtig und gejchidt rüdwärts iwie jeitwärts hin und wider und hatte im Nu beide Gegner derartig getroffen, daß jte heulend zurüdwichen und einer der Leute mit einem Artjchlag auf den Kopf des erboiten Stachelhelden die zwar jehr drollige, aber für die Hunde feineswegs ungefährliche Rauferei beenden mußte. Dem einen war ein Stachel tief in den oberen Hals gefahren, dem anderen je einer in den Unterkiefer und in das Gejicht Hart am Auge; diejer jaß jo tief und feit in der Wunde, daß e3 große Anjtrengung erforderte, den heulenden Hund davon zu befreien. Die Hinterindisch-chinefiichen Stachelichweine bilden eine Gruppe für jich (Acanthion F. Cuwv.), die im Öegenjaß zu den vorjtehenden auf den erjten Blid jchon durch jchwache Ent- widelung oder Fehlen der Nadenmähne fich unterfcheidet. Den Übergang macht in diefer Be- ziehung das furzmähnige Bengalifche Stacheljchwein, Hystrix bengalensis Blyth, aus dem öjtlichen Bengalen, dem anjtogenden Südvorland des Himalaja (Affam) und dem weitlichen Hinterindien (Xrafan, Burma). Die übrigen Formen richtig auseinanderzuhalten und geogra- phijch zu begrenzen, ift wohl eine der vielen heiklen Aufgaben, die der heutigen Säugetier- igitematif obliegen, nicht aber uns hier. Wir nennen deshalb nur das mähnenloje Himalaja- Stadeljchwein, H.hodgsoni Gray, das Blanford in feiner Fauna Britifch-Jndiens neben dem bengalijchen noch anführt, und das Langjehwänzige Stacheljchwein, H. longicauda Marsden (Taf. „Nagetiere VI“, 4, bei ©. 167), das 1810 von Sumatra bejchrieben worden ült. - 188 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Trugratten. > Weil im Tierhandel nicht allzu felten und deshalb auch manchmal im Zoologijchen Garten gezeigt, wäre jchlieglich noch das Savanijche Stachelfchwein, H. javanica F. Cwv., auS Java zu erwähnen. Während die vorgenannten Formen in der hinteren Körperhälfte hell und langftachelig erjcheinen, ijt Das Zavafjtachelichwein fofort durch feine dunflere, biS auf das helle Halsband aller Stacheljchweine, braunjchiwarze Farbe, aud) des Hinterrüdens, und Die verhältnismäßig Furzen Stacheln fenntlih. Ein fehr fettes Weib- chen des Berliner Gartens wog, nach Heintoth, bei feinem Tode 8,5 kg. ä eitere Arten verbreiten fich über Borneo, die Philippinen und Eidojtchina mit der Injel Hainan. * / Eine nicht eben fehr zahlreiche, aber mannigfaltige und eigentümliche Familie ratten- ähnlich ausjehender Nager bevölkert Südamerika und Afrika und bildet durch dieje Ber- breitung eine Stüße für die Annahme einer früheren Yandverbindung zwijchen beiden Feit- ländern. €3 find die wegen einer gewifjen äußeren Ähnlichkeit mit Ratten jogenannten Tırugratten (Octodontidae). Ihre Ohren find furz, breit und jpärlich behaart, die Füße bier- oder fünfzehig, der Schwanz ijt verjchieden lang und oft ringelartig gejchuppt wie bei den echten Ratten: hiermit ift die Rattenähnlichkeit Diejer Tiere aber erjchöpft. Der Pelz er- icheint bet einigen Trugratten weic) und fein, bei anderen jtraff, borjtig, ja jogar mit einzelnen platten, der Länge nach gefurchten Stacheln untermifcht, und der Schwanz wird nicht nur haarig, jondern jogar bujchig. Das Gebiß zählt 4, ausnahmsweije3, gewurzelte oder wurzelloje Badzähne in jeder Reihe, deren Kauflähen3s—t Schmelzfalten am Nandehaben und ander ab- gefauten Strone häufig die yorm einer 8 bilden; daher der wifjenjchaftliche Name (Achtzähner). Die Trugratten leben in Wäldern oder in offenen Gegenden, die einen in Heden und Bujchwerf, die anderen in den Straßenanpflanzungen, zwijchen Feljen, an den Ufern von Jlüffen und Strömen, jelbjt an der Küjte Des Meeres. Gewöhnlich wohnen jte gejellichaft- lich in jelbitgegrabenen unterirdifchen Bauen mit zahlreichen Mündungen. Einige jind echte iühler, die, wie die Maulwürfe, Haufen aufwerfen und faft bejtändig unter der Erde verweilen; andere halten ji) in Dieichten auf und Klettern gejchidt auf Bäumen umher. Shre gewöhnliche Arbeitszeit ift Die Nacht; nur wenige find auch bei Tage tätig. Sie find um ganzen plump und jchwerfällig; doch muß man dagegen bei einigen gerade die große Schnelligfeit bewundern, mit der je jich auf den Bäumen oder auch unter der Erde be- wegen. Manche Arten jind wahre Wajferttere und verjtehen das Schwimmen und Tauchen- ganz vortrefflich. Soviel man bis jegt weiß, verfallen die Trugratten nicht in einen Winter- ihlaf; gleichwohl tragen fich einzelne Nahrungsporräte ein. Unter ihren Sinnen ftehen Gehör und Geruch obenan; das Gejicht zeigt jich namentlich bei den unterirdijch lebenden, wie jich jajt von jelbit verjteht, verfümmert. Shre geijtigen Fähigkeiten find gering. Die Gefangen- ichaft ertragen jie meijt ziemlich leicht, find neugierig, beweglich, lernen ihre Pfleger fennen und ihnen folgen und erfreuen Durch ihr zierliches Wejen. Ihre Vermehrung ift bedeutend; denn die Zahl ihrer Zungen jchwanft zwijchen 2 und 7; aber fie werfen, wie die meijten anderen Nager, mehrmals im Jahre und fönnen zu Scharen anwachien, dieinden Pflanzungen und Feldern Schaden anrichten. Bejonders bemerkenswert find bei diejer Fruchtbarkeit der reife, weitentiwidelte Zuftand, in dem die Jungen geboren werden, und die feitlich vom Bauche heraufgerücdte Lage der Milchdrüjen des Weibchens, Die man neuerdings in Be- ziehung zu der Größe und Zahl der Jungen bringt; fie fönnen jo befjer faugen. Biberratte, ee en. z IR RR 4 © rl wi Se N { 7 3 R* Biberratte, 189 Wir reihen die Familie der Achtzähner im weiteren Sinne (Octodontidae), die in Trouefjart3 Supplement wieder in die drei Unterfamilien der Achtzähner im engeren Sinne (Octodontinae), Zanzentatten (Echimyinae) und erfelratten (Capromyinae) zer- fallen, in die Sektion der Stachelfchweinförmigen ein, obwohl die Gelehrten über ihre Stellung und Bewertung im Nagetierfyjtem noch nicht ganz einig find. Weber betrachtet jie, nach Winge, al3 zwei felbitändige Familien: Capromyidae und Octodontidae in einem ettva3 engeren Sinne, der nur noch die Echimyinae in Sich fchließt, und fügt, ebenfo tie Trouejjart, al3 weitere jelbjtändige Familie die Kammfinger (Ctenodactylidae) an, mas wir infolgedejjen auch tun werben. Die grögten Achtzähner, darunter eine für ung Europäer als Belztier bedeutungsvolle Gattung und Art, enthält die jiid- und mittelamerifanifche Unterfamilie der Ferfelratten (Capromyinae), von den übrigen wohl abgegrenzt durch Unterjchiede in der Bildung der PBaufenhöhle am Schädel, der Bemurzelung und Schmelzfaltung der Badzähne. Unter ihnen jteht im Vordergrunde des Interejjes Durch ihren bereits erwähnten Wert als Belztier die Biberratte oder der Sumpfbiber, die Nutria (d. H. eigentlich Otter) der jpanischen Amerikaner und unjerer Stürfchner, Myocastor coypus Mol. (Myopotamus coypu). Der Leib ijt unterjegt, der Hals furz und Did, der Kopf did, lang und breit, ftumpfjchnauzig und platt am Scheitel; die Augen jind mittelgroß, rund und vorstehend, die Ohren Klein, rund und etwas höher als breit; die Gliedmaßen furz und Fräftia, die hinteren ein wenig länger al3 die vorderen, alle Füße fünfzehia, an den Hinterfüßen die Zehen aber bedeutend länger al3 an den vorderen, durch eine breite Schmimmhaut verbunden und mit fangen, jtarf ge- fümmten und jpißigen Krallen, die inneren Zehen der Borderfüße mit einem flachen Nagel bewaffnet. Der lange Schwanz ijt Drehrund, würfelartig gefchuppt und ziemlich reichlich mit dicht anliegenden, jtarken Borjtenhaaren bejegt. Die übrige Behaarung ijt dicht, ziemlich Yang und weich und bejteht aus einem im Wafjer faft undurchdringlichen, furzen, weichen, flaum- artigen Wollhaar und längeren, weichen, jchiwach glänzenden Grannen, welche die Färbung bejtimmen, weil fie das Wollhaar vollitändig bededen. Jm Gebik erinnern die jehr großen, breiten, Herborjtehenden gelbroten Nagezähne an den Zahnbau des Bibers; die Badzähne ind halbgemwurzelt und oben durch zwei Schmelzfalten jederjeit3 ausgezeichnet. Der Sumpfbiber erreicht nahezu die Größe des Filchotters: feine Leibeslänge be- trägt gewöhnlich 40—45 cm und die des Schwanzes fajt ebenjoviel; doch findet man zu- weilen recht alte Männchen, die einen vollen Meter Gefamtlänge bejigen. Die Färbung der Haare it im allgemeinen trübgrau am Grunde und rötlichhraun oder braungelb an der Spibe; die langen Grannenhaare find dunkler. Gewöhnlich jieht der Rüden faftanien- braun und die Unterjeite graubraun aus, Najenjpige und Lippen find weiß oder lichtgran. Nicht megzuleugnende Tarbenabänderungen von graugelblicher und Hellbrauner Sprenfe- fung bis ins Nojtrote hängen wohl mit verjchiedener geoaraphifcher Herkunft des mweit- verbreiteten Tieres zufammen. Ein großer Teil des gemäßigten Südamerifa ift die Heimat Diejes wichtigen Pelz- tieres. Man fennt den Sumpfbiber beinahe in allen Ländern, die füdlich vom Wendefreife des Steinbodes liegen. Sein Verbreitungsfreis erjtredt fich) vom Atlantifchen bis zum Stillen Weltmeere über das Hochgebirge hinweg und vom 24. big zum 43. Grad füdl. Breite. Er bewohnt, nach Nengger, paarweife die Ufer der Seen und Flüffe, vorzüglich die ftillen 190 8. Ordnung: Nagetiere, Familie: Trugratten. Wafjer da, wo Wafjerpflanzen in Menge vorhanden find. Syedes Paar gräbt fich am Ufer eine metertiefe und 40—60 sm weite Höhle, in der es die Nacht und zumeilen auch einen Teil des Tages zubringt. Der Sumpfbiber ift ein vortreffliher Schwimmer, aber ein jchlechter Taucher. Auf dem Lande bewegt er fich langjam; denn jeine Beine jind, wie Azara jagt, jo Furz, daß der Leib fait auf der Erde aufjchleift; er geht Deshalb auch nur über Land, wenn er fich von einem Gemwäfjer zum anderen begeben will. Bei Gefahr jtürzt er jich augenblicklich ins Waffer und taucht unter. Seine geijtigen Fähigkeiten find gering. Klug fannı man ihn nicht nennen, obaleich er jeinen Pfleger nad) und nad) fennen lernt. Alt eingefangene Tiere beigen wie rajend um fich und verjchmähen gewöhnlich die Nahrung, jo daß man jie jelten länger als einige Tage erhält. Sm jedem Tiergarten ift der Sumpfbiber heute ein jtändiger Bewohner iu irgendeinem Wafjerbeden wird er jicherfich gehalten. „Der Sumpfbiber”, jagt Wood, „tt höchit furzmweilig in feinem Gebaren. ch habe feinen jpaßhaften Gaufeleien oft zugejehen, _ und er hat mich im höchiten Grade gefejjelt durch die Art und Weije, wie er feine Be- jiung Durchichtwimmt und dabei jedes Ding, das ihm neu vorfommt, aufs genauejte prüft. Sobald man ein Häufchen Gras in fein Beden wirft, nimmt er e8 augenblidlich in jeine Borderpfoten, jchüttelt eS heftig, um die Wurzeln von aller Erde zu befreien, jchafft es dann nach dem Wajffer und mwäjcht eS dort mit großer Gemwandtheit.” Gefangene Sumpfbiber, die ich pflegte, trieben fich mit wenig Unterbrechungen den ganzen Tag über im Waffer und auf den Ufern umher, ruhten höchitenz in den Mittags- jtunden und waren gegen Abend bejonders lebendig. Sie befunden Fertigfeiten, die man faum von ihnen erwarten möchte. Shre Bewegungen jind allerdings weder lebhaft nod) anhaltend, aber doch Fräftig und gewandt genug. Ihren Namen Biber tragen fie nicht ganz mit Necht; denn jie ähneln in ihrem Wejen und in der Art und Weije ihres Schwim- mens Wafjerratten mehr al3 Bibern. Solange fie nicht beunruhigt werden, pflegen jte geradeaus zu jchwimmen, den Hinterleib tief eingejenft, ven Kopf big zu zivei Dritteln jeiner Höhe über dem Wafjer erhoben, den Schwanz ausgejtredt. Dabei haben die Hinter- füße allein die Arbeit des Auderns zu übernehmen, und die Vorderpfoten werden ebenjo- wenig tie bei den Bibern zur Mithilfe gebraucht. Aber auch der Schwanz fcheint nicht al3 eigentliche Ruder zu dienen, wird wenigjtens jelten und wohl faum in auffallender Weije bewegt. Sm Tauchen jind die Sumpfbiber Stümper. Sie fünnen ji) zwar ohne Mühe in die Tiefe des Wafjers begeben und dort gegen eine Minute lang verweilen, tun Dies jedoch feineswegs jo häufig wie andere jchwimmende Nager und auch nicht in fo gelenfer und zierlicher Weife. Die Stimme ijt ein Fagender Laut, der gerade nicht unangenehm Tlingt, als Lodruf dient und von anderen eriwidert, deshalb auch oft ausgejtogen wird. Erzürnt oder geitört, läßt das Tier ein ärgerliches Brummen oder nurren vernehmen. Gras ijt die Tiebite Speife des Sumpfbibers, er verjchmäht aber auch Wurzeln, Knollenfrüchte, Blätter, Körner und in der Gefangenfchaft Brot nicht, frißt ebenfo recht gern Fleifch, 3. B. Stiche, ähnelt alfo auch in diefer Hinjicht den Natten, nicht dem Biber. Das Gras wird von ihm gejchict abgemweidet, nicht zerjtücelt oder zerjchnitten, hingeworfene Nahrung mit den Pfoten erfaßt und zum Maule geführt. Gegen den Winter treffen gefangene Sumpfbiber Vorkehrungen, indem fie da, wo fie fönnen, bejtändig graben, in der Abjicht, jich größere Höhlen zu erbauen. Läßt man fie gewähren, fo bringen fie in Furzer Zeit tiefe Gänge fertig, jcheinen auch deren Kefjel weich auszupolitern, weil fie von ihnen vor- gemorfenen Futteritoffen, namentlich Gräfern, eintragen. Biberratte. 191 Sn neuerer Zeit hat Hagmann über das Gefangenleben und die Fortpflanzung unjerer ‚Tiere im Zoologischen Garten zu Bajel berichtet. Dort war ihnen al3 Heimat ein großes fünft- liches Wafjerbedfen angemiejen, an das fich eine Felsgrotte anjchließt, Die eine 2 qm große, mit Erde überdecte Höhle birgt. „Bei Eintritt der falten Wintertage wurde das Lager auf das reichlichjte mit Stroh) verjehen, alle Zugänge bis auf ein feines Einjchlupfloch mit wärmendem Dünger verjtopft. Diefe Vorkehrungen haben ausgereicht, den Tieren ein genügend warmes Winterlager zu fchaffen. Die Sumpfbiber zeigten fich überhaupt gegen Schnee und Kälte durchaus nicht empfindlich, fie ergingen fich jeden Tag einige Zeit im Freien, verzehrten dort ihr Futter und badeten, jomweit es die Eismajje des Bedens erlaubte. Die Tiere überjtanden jo den Winter gut, und der anbrechende Frühling fand jie beide im beiten Wohljein. Am 2. Mai 1884 beobachtete der Wärter Nachfommenjchaft, die er im eriten Augenblid für Ratten hielt, ‚bis ihm die helfgelbe Färbung der Mund- und Najenteile auffiel und ihm die Sache Har machte. ch jah die jungen Tiere noch am Abend, fie waren in der Größe geringerer Meerjchweinchen und mochten jedenfalls jchon einige Tage alt fein; jie gingen ziemlich herzhaft mit den Alten, nahmen bereits an deren Abendbrote teil und waren außerit lebhaft in ihren Bewegungen. Die fünf jungen Tierchen eigneten fich rajch das zutrauliche Wefen ihrer Eltern an und blieben bei diejen ruhig jigen, auch wenn eine große Zahl von Bejuchern das Gehege umfjtand, um das niedliche Bild Diejes Yamilien- lebens zu. betrachten. Das meitmajchige Drahtgeflecht der Umzäunung gejtattete den Fleinen Tierchen Durchzufchlüpfen, auf der anliegenden Nafenfläche zu meiden und jich zu tummeln, was man ihnen wohl erlauben fonnte, da fie jofort zurücflüchteten, forte jich ihnen jemand zu nähern juchte, und jie feinen Schaden anrichteten. Die Alten, lüjtern gemacht durch die ungen, rijjen mit ihren jcharfen Schneidezähnen oft Köcher in das Drahtgeflecht, um eben- fall8 an den Ausflügen ihrer Kinder teilzunehmen. Den Winter 1884/85 verbrachten fünf übriggebliebene Tiere (2 Alte und 3 Junge) in beiter Gejundheit und Eintracht. Gegen das Frühjahr aber jchienen die Alten der Jungen überdrüffig zu werden; insbejfondere duldete das alte Männchen das junge nicht und verfolgte es auf das Heftigite. Daraufhin verfauften wir die jungen Tiere. Am 23. Februar 1886 ftarb das alte Männchen, das wir aber jchon am 19. März durch ein ausgewachjenes, prächtiges Stüd erjegen fonnten. „uch Diefent Tiere fam die ihm von uns gebotene Welt zu Fein vor. E3 zeigte auch fremden PBerjonen gegenüber durchaus feine Scheu, und wenn wir e3 in fein Bedfen zurüd- zutveiben oder e3 mit einem Zangjade zu ergreifen fuchten, fo feste e3 fich zur Wehr, indem es laut fnurtte und um jich bif. Diejes Tier benugte den oberhalb des Gartens vorbei- fliegenden Rümelinbac), der jtet3 reichlich Wafjer führt, zu feinen Wanderungen. Wie zu erwarten, blieb der Ausreißer einmal gänzlich weg. Wochen vergingen, und nod) hatte ich feine Spur bon feinem Verbleiben, al am 9. Dftober der Gärtner des Bottminger Schlößchens, das eine Kleine Stunde von dem Tiergarten entfernt im Tale liegt, das Tier erichofjen brachte. Durch) den Rümelinbach war der Sumpfbiber in den dortigen Schloßteich gelangt und von dem Gärtner nach langem Anftehen als ‚Fijchotter abgejchojfen worden. Dem Auswanderer fonnte e3 in feinem 8S—10 Wochen andauernden Landaufenthalte nicht jchlecht gegangen jein; denn er war fehr gut bei Leibe. „m 25. Mat 1887 erhielten wir aus Dresden ein Paar halberwachjene und am 13. Auguft ein Paar erwachjene, aus Argentinien eingeführte Sumpfbiber. Beide Paare wurden zufammengebracht. Aber e3 zeigte fich, wie früher, daß das ftärfere Männchen berrjchte und fein zweites neben jich Duldete; deshalb fahen wir uns genötigt, das verfolgte 192 8. Ordnung: Nagetiere.‘ Familie: Trugratten. Männchen wegzunehmen. Das andere Männchen lebte nun mit den beiden Weibchen iır beitem Einvernehmen, das nicht ohne Folgen fein follte. Am 19. Sana 1888 zeigte fich in der Höhle zahlreiche Nachfommenfchaft; ... Das eine Weibchen hatte 6, das andere jogar 7 Junge geworfen. Im Yuni verfauften mir fämtliche Junge. Am 1. Auguft hatte das eine Weibchen wieder 5 Junge, die wir Ende Dftober verfauften. Am 17. November hatte nun auch das andere Weibchen zum zweiten Male geboren und zwar 6 Stüd... = „Da die Wartung der Sumpfbiber jo einfach, die Fütterung jo leicht und billig iit und auch die Fortpflanzung feine Schtwierigfeiten bietet, jo ijt das Halten diejer Nager jedem Tierfreunde, der einen hierzu geeigneten Pla befigt, zu empfehlen; mehr noch: e3 wäre wohl des VBerjuches wert, eine Heine Kolonie von 4-5 Stüd in einem gejchüsten Walde, der einen Teich oder ein ruhig fliegendes Wafjer nebjt genügendem Grasmwuchje in fich birgt, auszufegen. Nach den an unjeren Ausbrechern gemachten Erfahrungen glaube ich, daß Ddiefe Tiere genügend Nahrung finden würden und fich wohl auch über den Winter zu halten wühten, ohne dem Walde oder der Landwirtichaft erfichtlichen Schaden anzutun.” Derartige Hoffnungen find vielleicht gerade bei der Biberratte weniger unangebracht als anderswo, zumal das Tier bei uns auch ohne Schwierigfeit zur Fortpflanzung jchreitet. unge Biberratten jind heute ein ganz alltäglicher Zuchterfolg, von dem man in Tiergärtner- freijen gar nicht mehr jpricht, und die Tiere werden in einigermaßen günjtigem Klima das ganze Jahr ungeheizt gehalten. 2 Shres wertvollen Balges halber verfolgt man die Biberratte eifrig. Bis zum Jahre 1823 wurden jährlicd 15— 20000 Felle auf den europäiichen Markt gebraddt. Im Sahre 1827 führte die Provinz Entre Rivs nach amtlichen Angaben des Zollhaujes Buenos Aires 300000 Stüd aus, und nod) jteigerte fich die Ausfuhr; denn zu Anfang der dreißiger Jahre wurden nur aus den Sümpfen von Buenos Aires und Montevideo gegen 50000 Felle allein nach England gejandt. Jr neuerer Zeit fommen, nach Lomer, jährlich etwa 1,5 Million Selle in den Handel, von denen etiva zivei Drittel, die geringeren, zur Filzbereitung dienen, und ein Drittel, die lang» und dichthaarigen, nachdem fie durch Aupfen von ihrem Ober- haar befreit jind, zu Pelzbejäßen verarbeitet werden, und zwar jowohl in natürlicher als auch in fünftlicher Färbung. Der Hauptauffhwung Fam erfidann, als man veritand, Die elle derart zu enthaaren, daß feine Spur des Grannenhaares mehr zurüdblieb. Die Mehr- zahl der Felle geht nad) Hamburg, wo der Hauptmarkt dafür ift, ein Teil auch nad) Leipzig dDireft. Bei der Nutria Hat ganz im Gegenjah zu fajt allen anderen Pelztieren der Rüden viel geringeres Velzwerf als der Bauch, weshalb auc) die Felle meijtens auf dem Rüden beim Abjtreifen aufgejchnitten find. Die beiten Felle liefert Patagonien, namentlich das Gebiet am Rio Chubut und feinen Zuflüffen; doch fommen von dort wenig. Dann folgen die Buenos-Aires-Felle aus dem mittleren Argentinien und hierauf die jogenannten Flores, die meift in Beutelform geliefert werden, d. h. gejchloffen abgeftreift durch einen Sthnitt zwijchen den Hinterbeinen. Die Felle aus Uruguay, die jogenannten Montebideos, jind flach (Eurzhaarig), aber groß. Am zahlreichiten hHauft das Tier in dem noch faft gar nicht bejiedelten grogen Wald- und Sumpfgebiet des Gran Chaco; doch jind die Felle von hier des warmer Klimas wegen von geringer Qualität. Der Fang im Sommer hat jeßt jtarf nachgelajjen und jolt Finftig, in Argentinien wenigitens, ganz unterbleiben. “Auch bei diefem Pelztier wird Cchonung nötig, und man hat fie ganz neuerdings durchgefebt. Die als Velzwerf brauchbaren Selle werden mit 3—12 Mark das Stüd bezahlt. Das weige, wohljchmedende Fleijch wird an vielen Orten von den Eingeborenen gegejjen, in anderen Gegenden aber verjchmäht. | ; - t Hutla-Conga. 193 Man jagt die Sumpfbiber in Buenos Aires hauptjächlich mit eigens abgerichteten Hunden, die fie im Waffer auffuchen und dem HYäger zum Schuß; zutreiben oder auch einen Kampf mit ihnen aufnehmen, obgleich der große Nager ich mutig und Fräftig zu wehren weiß. Auf den feichteren Stellen feiner Lieblingsorte und vor den Höhlen jtellt man Schlagfallen auf. Biemlich bedeutende Größe, furzer, gedrungener Leib mit fräftigem Hinterteil, furzer, Dieter Hals und ziemlich langer und breiter Stopf mit geftreckter, ftumpf zugejpißter Schnauze, mittelgroßen, breiten, fajt nadten Ohren und ziemlich großen Augen foiwie gejpaltener Ober- fippe, ftarfe Beine, Hinterfüße mit fünf und Vorderfühe mit vier Zehen, die jämtlich mit (angen, jtarf gefrinmmten, zugejpigten, jcharfen Strallen bewehrt find, nebjt einer Daumen- jvarze, Die nur einen PBlattnagel trägt, mittellanger, bejchuppter und jpärlich mit Haaren bejegter Schwanz, reichliche, fchlichte, ziemlich grobe, rauhe und glänzende Behaarung endlich jind die äußerlichen Kennzeichen der mittelamerifanifchen Baumratten (Capromys Desm.). [4 Die Badzähne find wurzellos; die oberen zeigen außen eine, innen zivei tiefe Schmelzfalten. Im Leben verraten jich die Tiere al3 baumbewohnende Verwandte der Biberratte. Wenn man das plumpe Tier im Verfandkiftchen ankommen fieht, Tann man zwar feine Zweifel nicht unterdrüden, ob e3 wirklich auf den Baum gehört. Gibt man ihm aber zum Stlettern Gelegenheit, jo bemweijt es alsbald, daß e3 im Gezmweige zu Haufe ijt: Die Baumratten des Berliner Gartens fuchen ftets die Höhe und fiben meift der Länge nach auf einem Aite ihres Kletterbaumes. Man unterjcheivet heute zehn Arten und AUbarten und hot zwei jogar als Gattungen (Procapromys von Venezuela und Plagiodontia von Haiti) abgetrennt. Baumratten werden fchon bon den älteiten Schriftitellern erwähnt, jind aber Doch erit in der Neuzeit näher befanntgemworden. Dviedo gedenft in feinem im Sabre 1525 erfchienenen Werfe eines dem Kaninchen ähnlichen Tieres, das auf Can Domingo vorfomme und die Hauptnahrung der Eingeborenen ausmache. Bereits dreißig Jahre nach der Entdedung Amerifa3 war das Tier durch Die Sagd bedeutend vermindert worden. Eine, und zivar die für uns wichtigjte Art, Die Hutia-Conga, Capromys pilorides Pall. (fournieri; Taf. „Nagetiere VII”, 3, bei ©. 185), lebt neben zwei anderen auf Kuba, ift aber hier in den bemohnteren Teilen bereit3 ausgerottet. Eine weitere ift von Samaifa und ven Bahama-ssnfeln bejchrieben. — Die Leibeslänge der Hutia-Conga beträgt 45—59 cm, die Echwanzlänge 15 cm, die Höhe am Widerrifte 20 cm, das Gewicht 6—8 kg. Die Für- bung des Belzes ijt gelbgrau und braun gejprenfelt, am Kreuze mehr rotbraun, an der Brust und am Bauche jhmußig braingrau; die Pfoten find fehwarz, die Ohren dunkel, die Bruft und ein Längsitreifen in der Mitte des Bauches grau. Dft ift die Oberfeite jehr Dunfel; dann jind Die Haare an der Wurzel blafgrau, hierauf tiefjchtvarz, fodann rötlichgelb und an der Spibe wieder jchwarz. An den Seiten, namentlich in der Schultergegend, treten ein- jene weiße Haare hervor, die etwas ftärfer find. Die Hutia-Conga bewohnt die dichteren und größeren Wälder und lebt entweder auf Bäumen oder im Ddichteften Gebüfche, nur bei Nacht hervorfommend, um nach Nahrung auszugehen. Ihre Bewegungen im Gezmweige find nicht eben gejchwind, jedoch geichict, während fie auf der Erde wegen der ftarfen Enttvicelung der hinteren Körperhälfte fich jchwerfällfiger. zeigt. Beim Klettern gebraucht fie den Schwanz, um fich feitzuhalten oder das Gleichgewicht zu vermitteln. Am Boden febt fie fich oft aufrecht nach Hafenart, um in Die Runde zu fchauen; zumeilen macht fie Furze Sprünge, wie die Kaninchen, oder läuft Brehm, Tierleben. 4. Aufl. XI. Band. 13 we = 194 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Trugratten, in plumpem Galopp wie ein Ferfel dahin. Unter ihren Sinnen ift der Geruch am beiten entwidelt; die ftumpfe Schnauzenjpige und die weiten, jchiefgeitellten, mit einem erhabe- nen Rande umgebenen und durch eine tiefe Furche getrennten Nafjenlöcher find bejtändig in Bewegung, zumal wenn irgendein neuer, unbefannter Gegenjtand in die Nähe fommt. Die Hutia-Conga ijt im allgemeinen furchtjam und gutmütig, auch gejellig und freundlich gegen andere ihrer Art, mit denen fie jpielt, ohne jemals in Streit zu geraten. Wird eine von ihren Verwandten getrennt, jo zeigen beide Teile viel Unruhe, rufen ich durch jcharj- pfeifende Laute und begrüßen fich bei der Wiedervereinigung Durch Dumpfes Grungzen. ©elbjt beim Frejjen vertragen fich die Tiere gut und jpielen und balgen fich untereinander, ohne - jemals die heitere Zaune zu verlieren. Bei Verfolgung zeigt jich die Baumratte mutiger, als man glauben möchte, und wie alle Nager beißt jte heftig um fich, wenn jie ergriffen wird. Sn der Wildnis leben die Tiere von Früchten, Blättern und Rinden. Gefangene zeigen bejondere Neigung zu jtarkriechenden Pflanzen, wie Minze, Melijje, die andere Nager meiit verjchmähen. Über die Paarungzzeit fehlen Beobachtungen; die Anzahl der Jungen wurde durch wiederholte Züchtungen im Berliner und Frankfurter Garten auf eins bis drei feitgeitellt. Sie werden behaart, jehend und lauffähig geboren, find gelblicher als die Alten und haben eine jchwarze Schwanzjpite. Das Männchen des Berliner Paares fiimmert fich mindejtens ebenjo eifrig um die Jungen wie das Weibchen, an dejjen hinter der Schulter gelegenen Zißen die Kleinen, neben ihm jigend, jaugen. Die Tragzeit beträgt 72 Tage. (Hed.) Sn manchen Gegenden Kubas verfolgt man die Hutia-Conga des Tleijches wegen; namentlich die Neger find diejer Jagd leivenjchaftlich ergeben. Sie juchen ihr Wild ent- weder auf den Bäumen auf oder fegen nacht3 Hunde auf die Fährte, die e3 wegen feines langjamen Laufes bald einholen und leicht übermwältigen. Der Größe und allgemeinen Erjcheinung nad) wollen wir hier den ftattlichiten Nager anjchließen, den Afrifa nächit Stachelihwein und Hafen bejist, ohne zu verichweigen, daß zwar Weber e3 mit Vorbehalt aud) nod) tut, Trouefjart im Supplement aber den geographi- jhen Sprung von Südamerifa nad) Afrifa vermeidet und Die Öattung Thryonomys Fitz. in die nächite afrifanische Familie, zu den Kammfingern, ftellt, mit denen jie allerdings äußerlich faum mehr gemein hat ala mit anderen Nagern. Das jind alles, bei Lichte betrachtet, nur Bemeije, wie jchiwer für manche Nagetierform der richtige Plat im Syitem zu finden, wie jchiver überhaupt die nähere Einteilung der Nagetiere ift. Das Tier, daS uns diejes (ehrreiche Beijpiel gibt, Heißt Nohrratte oder Boritenferfel, Thryonomys swinderianus Temm. (Aulacodus; Taf. „Nagetiere VII", 4, bei ©. 185). 3 ijt ein gedrungen gebauter Nager mit edigem, Ffurz- und breitjchnauzigem Kopfe, Heinen, nadten, halbrunden Ohren und Furzen, vierzehigen Fügen mit Daumenjtummehr. Die Zehen tragen jtarfe, jichel- jürmige Srallen, der dünne Schwanz erreicht ungefähr die Halbe Länge des etiwa 50 cm langen Störper. m Gebijje jind bejonders die oberen Nagezähne eigentümlich durch drei auf der inneren Hälfte der Vorderjeite verlaufende Furchen, die dem Tier jeinen bisher ge- bräuchlichen twijjenjchaftlichen Namen Aulacodus (= FJurhenzahn) verjchafft Haben. Die Badzähne gleichen denen der Baumratten. Das Gewicht beträgt nad) den in Weftafrifa borgenommenen Bejtimmungen etwa 4 kg, manchmal 5 kg. Die Behaarung bejteht aus glatten, jtachelähnlichen Borften mit biegjamer Spite. Sie find am Grunde afchgrau, in der Mitte dunkler und an der Spiße, vor der meiftenz ein bräunlichgelber Ring fteht, [hwarz gefärbt. Kinn und Oberlippe find weißlich, die Bruft fehmusig gelblich, der Unterleib ® SA ER P2 Nohrratte. 195 bräunfich mit graubrauner Sprenfelung. Die Behaarung der Ohren ift gelblichweiß, die Schnurren find weiß und jchivarz gefärbt. Neben diejer zuerjt von Temmindbejchriebenen Art, die feine Schwimmhäute Hat, unter- ichied Heuglin im oberen Nilgebiete eine zweite, Thryonomys semipalmatus Zgl., mit deut- lichen Schwimmhäuten an den Hinterfüßen. Snzrifchen hat man noch weitere Arten aufgeitelft. Die Verbreitung der Nohrratte erjtrect jich nach unjerem jeßigen Wifjen Durch das öft- (iche Afrifa jüdmwärts bis zum Kaplande und umfaßt im mwejtlichen Afrika forwohl Ober- als Niederguinea. Binnenmwärts wurde jie von R. Büttner im Stongolande noch am Kuango beobachtet und in Oftafrifa von Böhm noch am Tanganjifa. Die Rohrratte gehört zur Säugetier- welt unjerer fämtlichen afrifanijchen Kolonien ; aus Kamerun hat fie der Berliner Garten fchon wiederholt lebend erhalten. Ar Niederguinea, von Mayumba bis Ambriz, wird fie von den Gingeborenen Gibeje, in Südojtaftifa Jvondue genannt, von den Nubiern im oberen Nil- gebiete Fahr = el=-buh& und von den Iam-Njam Nemoo over Alimdod, im Suaheli Ndeji. Sn ihrer Kebensweije jtinnmen die verjchiedenen Arten im mwejentlichen wohl überein. Sie leben nicht gejellig und bilden feine größeren Vereinigungen, finden fich aber an ihnen zujagenden Orten ziemlich Häufig. Stets halten fie fich in der Nähe von Gemwäfjern auf und Haufen vorzugsmweije an deren Uferjtrichen in dichten Gras, Nohr- und Schilfbejtänden jowie im durchwachjenen Gejtrüpp. Nach Schweinfurth graben ich die im Nordojten Afrikas vorkommenden tiefe Löcher. Aus Niederguinea it dies nicht befannt; ebenjo be- richtet Büttifofer nichts Darüber aus Liberia, und auch Drummond jagt von den in Süd- oltafrifa beobachteten: „Sie graben jich feine unteriwdiichen Wohnungen, flüchten aber, wenn jie aus ihren Berjteden im Graje und Röhricht vertrieben werden, in irgendwelche Höhlen und Klüfte des Gefeljes oder auch in verlafjene Baue anderer Tiere.” Ihre Nahrung, Gräjer, Wurzeln und Snollen, finden jie hinreichend an den Ufern der Gemwäjjer und in den feuchten Niederungen. Sn Liberia ftiften fie, laut Büttifofer, in Maniof, Neis- und Maispflanzungen großen Schaden. Sn Wejtafrifa ift unjer Tier überhaupt fchlecht be- feumundet, weil es nach bejtimmter, freilich aber nicht ertviefener Verficherung jomwohl der Eingeborenen als der Europäer das Elfenbein benagen und manchen fchönen Zahn ver- unftalten foll. Der Augenfchein jpricht jedoch dagegen. Unfer Tier mag gelegentlich auch Elfenbein benagen; die bei weitem meijten Schnittitellen an Stoßzähnen rühren aber von viel Heineren und wahrjcheinlich verjchiedenartigen Nagern her. AJmmerhin ift es jehr be- merfenswert, daß aud) im fernen Nordojten Afrikas die Nohrratten in der gleichen Weife be- jcjuldigt werden. „Den Njan-Njam”, jchreibt Schweinfurth, „Sind fie wohlbefannt, Haupt- - jächlich Durch Die Berheerungen, welche fie in den Elfenbeinvorräten anzurichten pflegen... Die Njam-Njam befolgen nämlich die Gewohnheit vieler afrikanischer Völfer, indem fie ihr Elfenbein, um e3 vor der Möglichkeit Friegerifcher Überfälle, vielleicht auch um e8 gegen ein DBrandunglüd ficherzuftellen, dem nafjen Grunde der Sumpferde anvertrauen.” Die Rohrratte wird von Eingeborenen wie von jagdluftigen Europäern verfolgt, weil jie einen wohljchmedenderen Braten liefert als irgendein anderes afrifanifches Säugetier. Wenigjtens jtimmen alle angeführten Gemwährsmänner darin überein, daß ihr Fleifch vor- trejjlich jei: es ijt fettreich und ähnelt dem eines derben Spanferfels, it auch frei von irgendwelchen abjtoßenden Beigejchmad. Da die Haut, obwohl die, jehr leicht zerreift und ziemlich fejt mit der darunterliegenden Feiftjchicht verwachien ift, pflegt man fie nicht zu entfernen, jondern bloß die Borften abzujengen und dann das Wildbret im ganzen wie ein Spanferfel zuzubereiten. Die Sagd wird mittels Zallen oder mit Hunden oder 13* 196 8. Ordnung: Nagetiere. Zamilie: Trugrattien. mit Hilfe des Feuers ausgeübt und das Wild, wenn ihm die Hunde nicht den Garaus machen, gejpeert, gejchofjen oder totgefchlagen. Bei der Einzeljagd wird Aufjuchung und Erlegung der Nohrratte durch ihre Gewohnheit erleichtert, feitzuliegen mie etwa unjer Haje und ebenjo auch Wechjel zu halten, d. d. auf den Pfaden zu flüchten, die fie jich durch das Dieicht gebahnt hat. Dies machen fich die Eingeborenen in Weitafrifa zunuge, indent jie auf dieje Wechjel lange, aus feinen Splinten gearbeitete, fijchreujfenähnliche Körbe legen und jeitwärts unter jpigem Winfel flügelähnlich verlaufende Furze Zäune herrichten. Die aufgejcheuchten Nohrratten fahren in dieje Korbfallen hinein, manchmal mehrere hinter- einander, und bleiben darin steden; denn ihr biegjames Gefängnis ijt jo eng, daß jie jic) darin nicht ummenden fönnen, fo daß jie, hilflos eingeflemmt, ihren Verfolgern in die Hände fallen. Lohnender ind zu gewijjen Zeiten größere Treibjagven, bei denen Menjchen, Hunde und Feuer zufammenwirfen. Wenn in der Trodenzeit manche Gemäfjer verjiegen und mweite Streden der Grasbejtände niedergebrannt jind, verfammeln jich die Rohrratten notgedrungen in den verjchont gebliebenen Neiten der Dieichte. Dieje werden nun umitellt, angezündet und die flüchtenden Tiere von jedermann in feiner Weife erlegt. So gejchieht es, nad) Schweinfurt), auch im oberen Nilgebiete. „Die Nohrratten hatten nun aller dings die üble Gewohnheit, jtetS bis zum legten Augenblide zu warten und erjt mit ber- jengtem Felle und mit verbrannten Füßen die Flucht zu wagen, jo dag man unverjehrte Bälge nicht jo leicht zu erlangen vermochte. An manchen Stellen, imo dag vom Gteppen- brande verjchont gebliebene Gras in bejonderer Dichtigfeit angetroffen wurde, brauchten Die nich begleitenden Djur mit ihren Lanzen nur aufs Gerateiwohl hineinzujtechen, wie in Die von Fiichen wimmelnden Lachen der zurücgebliebenen Alt- und Hinterwäjjer des Flujjeg, um etliche von den Nohrratten aufzujpießen.” — Emin PBajcha jchreibt: „Sn den breiten Schilfrändern, welche die Wajjerläufe von Lado durchziehen, findet man jchmale Pfade gebahnt, die zum Wajfer leiten.” .E3 find die Wechjel der Rohrratte. „Selbit in den Ihlimmiten Randanusdidichten, in welche fo leicht fein anderes Tier fich Hineinmwagt, findet man ihre Wege. Sie gräbt fich Höhlen, in- welchen fie den Tag über auf weichem Grafe liegt, um früh und gegen Abend ihrer Nahrung nachzugehen...” Über die Fortpflanzung unjeres Tieres ift nur befannt, daß ein trächtig in den Ber- finer Garten gelangtes Weibchen 3 gleich jehende, behaarte und bewegungsfähige Junge tvarf, Die rajch Heranmwuchjen. Die Nohrratte fommt im Tierhandel nur ganz jelten und ausnahmsweije einmal vor. Sm Berliner Garten hält jie jich neuerdings ganz gut, fonımt aber dem Bublifum faum zu Gelicht, da fie ihre angeborene Scheu nicht ablegt. RR Wir fehren nad) Eiidamerifa zurüd und gehen zu der großen, 9 lebende Gattungen mit 65 Arten enthaltenden Unterfamilie der Lanzenratten (Echimyinae) über, jo genannt von ihrer rattengroßen und rattenähnlichen Gejtalt und merkwürdigen Borjtenftacheln, die bei ihnen vorkommen. Dieje jind abgepfattet, zugejpit und gerillt wie ein Speer- oder Lanzenblatt; daher der deutiche Name, während der fateinifche einfach „Stachelmaus” bedeutet. Die beiden befanntejten Gattungen find Echimys und Proöchimys, und diejen find auch vorzugsweije die bejchriebenen Stacheln eigen. Sie verbreiten jich in zahlreichen Arten hauptjächlich über die Nordftaaten Südamerifas und das amazonische Brafilien; nur wenige gehen bis nach Paraguay oder nach Panama. Es find in der Hauptfache Waldbewohner, ruht und Wurzelfrejjer;.tierifche Nahrung fcheinen fie zu verfchmähen. An Bälgen der Sania. Cayennerattd. 197 gewöhnlichen Jgel- oder Cayenneratte, Proöchimys cayennensis Desm., fonnte jchon Pictet 1840 im Genfer Mufeun feititellen, daß die jüngeren Tiere noch gar feine Stacheln haben, jondern dieje exit im fat erwachjenen Alter erjcheimen. Sie find auch anfänglich biegjam, borjtenähnlich und werden exit jpäter, nach mehreren Härungen jedenfalls, wirkliche lanzen- jpigenförmige Stacheln. Die Jgelratten find durch lange, jchmale Hinterfüße und einfachere Beichaffenheit der Badzähne ausgezeichnet vor den eigentlichen Lanzenratten (Echimys F. Ouv., früher Loncheres), von denen ebenfalls eine ganze Reihe verjchiedener Arten be- jchrieben find, über deren Leben aber anjcheinend jehr wenig befannt tft. Die Angehörigen der ganzen Unterfamilie müjjen ein merkwirdig verborgenes Leben führen; Das bejtätigt auch Snethlage-PBard, aus deren Mitteilungen für die Lebensfunde einiges zu jchöpfen it. Die häufigjte Lanzenratte von Para, Echimys armatus Js. Geoffr., Dort Sania ge- nannt, wird ohne den weniger als förperlangen Schuppenfchwang gegen 25 cm lang und üt oben braun, jchwärzlich gemijcht, unten heller, in$ Gelbliche jpielend, gefärbt. Snethlage traf jie einmal in einem überijchiwenmten Bachrevier, wenig unterhalb von Monte Alegre, wo das Tiet, obwohl e3 gegen Mittag war, in den überhängenden Zweigen, nicht hoch über dem Wafjer, ganz munter umherfletterte und leicht gejchofjen werden fonnte, weil es von dem herannahenden Boote gar Feine Notiz nahm. Den PBräparator des Bara- Mufeums machte in einem Vororte von Cametä ein Bewohner auf eine Lanzenratte auf- merkam, die in der Aitgabel eines nicht jehr Hohen Baumes am Nande des Weges zujammen- gerollt jchlief. ES war ein Männchen, und das zugehörige Weibchen jollte nach) Ausjage des Eingeborenen, der die Tiere jchon länger beobachtet Hatte, etwas unterhalb der Ajtgabel in einem Loche des Stammes gehauft haben, bis e3 von Kindern totgejchlagen worden war. Nac) Burmeiiter joll Diejelbe Lanzenrattenart „aus loder ineinandergefügten Blättern” ic) ein Nejt vom Umfange und der Gejtalt einer großen Melone bauen. Die oben jchön rötlichbraune, unten jcharf abgejegt weiße Cayenneratte, Proöchimys cayennensis Desm. (Taf. „Nagetiere VIII“, 3, bei ©. 200), Schwanz mit weißem Haarpinjel an ver Spike, vertritt die bereits gefennzeichnete Gattung der Sgelratten (Proöchimys Allen, Echimys). Sie ijt bei Pard die häufigte nicht mur ihrer Gattung, jondern der ganzen Unterfamilie: wird jte doch von Knaben in dem Sumpfwald zwifchen der Stadt und dem Nio Guama oft gefangen und zum Kauf angeboten! Snethlage brachte ihr zu- liebe einige Tage auf der zum Überfchtwemmungsgebiet gehörigen Flußinfel Manapiri bei Baido zu, Do e8 von den Tieren derart twimmelte, daß am jelben Abende zwei Stüd hinter- einander in verjelben Falle gefangen werden fonnten. Troßdem befam Snethlage in deni üppigen Gewirre de3 prachtvollen tropifchen Pflanzenmwuchjes fein Stüd zu Geficht. An den Gefangenen fonnte jie aber eine ganz merkwürdige Eigentümlichfeit beob- achten, die bei Eidechjen und Blindfchleichen allgemein befannt und unter den Säugetieren bei Schlafmäufen fejtgejtellt it. Fajt die Hälfte ihrer Cayenneratten hatten verftümmelte Chmänze, die meijtens jogar von der Wurzel ab fehlten. Die Stelle, an der das Abbrechen des Schtwanzes ftattfindet, lernt man beim Abziehen der Fellchen Yeicht, und zwar in recht unliebjamer Weije, fennen. Nicht nur find einige der Schwanzwurzelwirbel verfümmert, jondern auch die ohnehin mürbe Haut der Ratten ift an diefer Stelle fo dünn, dah fie troß aller VBorjicht fat. vegelmäßig zerreißt und ein häfliches Anfliden nötig macht. Dieje Abjonderlichfeit erklärt man in den anderen vergleichsweije genannten Fällen als eine z 198 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Trugratten. Schußeinrichtung, vermöge deren das Tier feinen Feinden entmwijcht, indem e3 ihnen fein Schwanzende überläßt, und im Falle der Cayenneratte wird e3 wohl ebenjo zu erklären fein. Vielleicht waltet aber doch ein Unterfchied ob, derart, daß bei den gelratten nicht wie bei den Reptilien und auch bei den Schlafmäufen der abgebrochene Schwanz wieder nahmwächit; wenigitens führt Snethlage bei ihren im Boologijchen Garten Para gehaltenen Cayenne- vatten zwar einen Fall von „Schwanzabmwerfen” an, aber feinen von Regeneration. Auch in Cameta amlinfen Tocantinsufer fand Snethlage die Cayenneratten vorwiegend in der Varzea (Überfchiwemmungsgebiet), womöglich jogar an den täglich von der Flut ichwach überjpülten Bächen (Sgarapes), troßdem aber auch hier am Boden oder nicht hoch über diefem. Sn den Regennäcdhten jchienen fie fich in ihren Löchern zu halten. Die Weib- chen waren um diefe Zeit (Januar) fast alle tragend mit 2, in einem Falle mit 3 Embryonen. Tach Snethlages Beobachtungen an Gefangenen frißt die Cayenneratte mit Bor- fiebe die Früchte beftimmter Palmen, insbefondere der Tucuma (Astrocargium tucuma). Sie ift ein Harmlofes, friedliches Tier, das ich auch dann nicht zur Wehr febt, wenn man e3 anfaft, fondern höchitens ein jehr eigenartiges, an das Weinen Feiner Kinder erinnerndes Quäfen von jich gibt. Sn einem Falle bik jedoch) ein ftärferes Stiüd ein jchrwächeres tot md richtete e8 übel zu. Sm ihren Bewegungen erinnern die Tiere mehr an Agutis als an Ratten, weil fie fchreitend und verhältnismäßig hoch auf den Beinen umherlaufen, mit aufgeredtem Kopfe, der durch feinen Umrik und die Yorm der Ohren ebenfalls etwas Aguti- oder Meerjchweinchenähnliches Hat. Ein Weibchen warf bei Snethlage 4 Junge, die — ebenfall3 wie junge Meerjchmweinchen — die Augen meit offen hatten und jofott jehr beweglich waren. Bereits am zweiten Tage fand die Pflegerin eins auf einer Banane jigend und deutlich frefjend. Sonjt aber hingen die Jungen in den eriten Tagen fat bejtändig an den Ziten der Mutter, die fie fehr liebevoll und ängftlich betreute. Nach drei Wochen waren die Jungen ganz jelbjtändig und jagten fich des Abends ftundenlang unter fort- währendem leifen Duiefen im Käfig umher, zanften fich aber nie ernithaft. Eine verwandte ftachellofe Angehörige der Unterfamilie fanden Henjel und Göldi Gelegenheit, näher zu beobachten: Kannabateomys amblyonyx Wagn., die brajiliiche Fingertatte, wie fie hier genannt werden mag in Anlehnung an den wijjenjchaftlichen Namen der nächjtverrvandten Gattung (Dactylomys Js. Geoffr.), von der jie Zentinf 1891 erit abgezmweigt hat. Sie hat mit Diefer die „abjonderliche Gejtaltung der Füße” gemein: „Die vierzehigen Vorderpfoten bejigen zwei duch ihre Länge in die Augen fpringende Mittel- sehen, Die durch ihren aufliegenven, furzen und Ioderen ‚Kuppennagel‘, fönnen mir jagen, Ahnlichkeit gewinnen mit der Fingergeftalt der Halbaffen und des füdamerifanifchen Nacht- affen. Die Hinterpfoten find fünfzehig; drei mittlere Zehen find länger und mit jpigeren Strafen verjehen, die exfte und fünfte find kürzer und tragen ftumpfere Nägel. Das Ausjehen der Fingerratte ift im übrigen völlig rattenartig; im Leben und in voller Bewegung dürfte das Tier mit jeder anderen Ratte verwechjelt werden”. Diejes gleichartige Ausjehen der Natten Hält Göldi mit Recht für eine der Haupturfachen der mangelhaften Kenntnis. Tat- jache ift, daß Die Fingerratte felbjt den zoologifchen Sammlungen des brafilifchen National- mufeums gefehlt hat biS in die Mitte der achtziger SYahre. Henfel ijt wohl feit Natterer3 Zeiten der erite gemwejen, der ettwas tiefere Einblide ei hat in die Lebensmweife de3 interejjanten Nagers („Zool. Garten‘, 1872). Ceine Leute nannten dieje Fingerratte ganz treffend Bambusratte; denn fie lebt vorzugsweije an den Singerratte. 199 Ufern der Flüjfe, wo jie mit baumhohem Bambustohre dicht bewachjen find. Da, two dejjen junge Schößlinge abgefrejjen jind, fan man da3 jeltene Tier vermuten, das bei Tage jtet3 verborgen it. Fährt man dagegen in mwindftilfer Nacht und bei dem hellen Scheine des Vollmondes in der Canoa unter jenen Bambusdidichten hin, jo entdeckt man wohl zufälligerweije gegen den hellen Nachthimmel und Hoch in den Stronen der Bambujje das feine, vattenähnliche Tier, wie e3 auf den jchiwanfenden Zweigen mit bfigähnlicher Schnellig- feit auf und nieder Elettert. „Merkwirdig it die Eigentümlichkeit, da die Zingermaus Die glatten Nohritengel beim Klettern zwijchen die zweite und dritte Zehe der Hinterfüße nimmt, und daß danach dieje beiden Zehen gebaut jind.” Man jollte eher erwarten, über die Be- nußung der verlängerten Zehen des Vorderfußes etivas zu erfahren! Aber auch Göfldis eigene Beobachtungen bringen darüber nichts. Ex jah das Tier zuexjt auf einer Dienftreife in die Weinbaudiftrikte der Provinz Sao Paulo, nicht weit von der Stadt jelbit. E3 war nach einem nächtlichen Getwitter an einem „jchmalen Bache, deifen Ufer eine hohe Bambushede einfaht”, und „e3 dauerte auch gar nicht lange, bis aus jener Hede ein auffallend greller Auf, wie ‚qui, qui, qui‘ Fingend (in abnehmender Stärke), an unfer Ohr drang, erjt an einer Stelle, dam bald an verjchiedenen zugleich. So oft der Mond eine jener Bartien beleuchtete, gewahrte man ein Tier von Eichhorngröße an den Bambustohren auf und nieder Klettern mit einer erjtaun- lichen Fertigkeit und Behendigfeit. Hin und wieder jah man eines jeine Stletterübungen unterbrechen — wer in der Nähe war, fonnte ein vom Benagen der Bambusfnojpen her- rührendes Fnifterndes Geräujch vernehmen. Solche Augenblide waren denn auch die ein- zigen, too e3 möglich twurde, einen Schuß anzubringen. Auf die Ratte während des Klettern zu feuern, dürfte auch für einen recht geüibten Schübßen unter zehnmal neunmal ein frucht- lofes Unternehmen fein. Das vorhin erwähnte Gejchret jchten mir jedesmal dann bejonders ausgejtogen zu werden, wenn zwei Natten, von verjchtedenen Ceiten her fommend, ic) in Tafelwerf der Bambushede begegneten. Die Fingerratte jcheint eben auch den bijjigen und gehäjjigen Charakter zu bejien, der uns an der gejamten Nattenfippjchaft befremdet... Der Mageninhalt beitand ausschlieflich aus zernagten Bambusfnojpen... Cine bei Tage ausgeführte Bejichtigung jener Bambushede zeigte deutlich die verwiitende Tätigfeit der Fingerratten. Überall waren die Spiten fahl, an einzelnen Stellen, zumal an den jüngeren Halmen, waren die Blattwirtel auf eine Entfernung von 2—3 m mweggeftejjen. Die Bambus- hede jchien Die fortwährenden Bejchädigungen Der neuen Triebe empfindlich zu fühlen: die fahlgefrejjenen Halme befanden jich in einem Zuftande völligen Bergilbens. Der Befiter jener Fazenda wußte mir mitzuteilen, daß einmal auch ein Humpenförmiges, aber leeres Neit zivi- jchen den Bambustohren gefunden worden jei, Das vermutlich der Fingerratte angehört hätte. Er verglich dies Net mit demjenigen des europäischen Eichhorn3... E3 wurde mir verfichert, daE die Fingerratten in jener Gegend jahrein jahraus in zahlreicher Gejellichaft ihr Wejen treiben, und daß jie auch an anderen Stellen der Umgebung der Stadt Säo Paulo zu finden jein müjjen für denjenigen, der aus dem fpezielfen Charakter ihrer Verwüftungen an den Spiben der Bambusalleen ihre Anmejenheit zu erfennen verjtehe.” Göldi ijt „überhaupt der Überzeugung, daß die Fingerratte in den mittleren und füdlichen Provinzen Brafiliens feineswegs das feltene und jchiwer aufzutreibende Nagetier ift, für da3 man fie immer noch Hält”. Zebend ift diefe Gattung oder eine Verwandte aber wohl noch nie Dagewejer. 5 * Kein füdamerikanifch find auch die eigentlichen Trugratten (Octodontinae). Vo ihnen leben die Straucdfratten (Octodon Benn.) in Chile, Peru und Bolivia. Der Leib 200 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Trugratten. ijt gedrungen und Furz, der Hals Furz und di, der Kopf verhältnismäßig groß, der Schwanz endet meift in einen Pinfel; die Hinterbeine find merklich länger als die Vorderbeine; alle Füße haben fünf freie, befrallte Zehen. Mittelgroße, ziemlich breite und aufrechtitehende, an der Spibe abgerundete, dünn behaarte Ohren, mittelgroge Augen, gejpaltene Dberlippe zeichnen den Kopf aus, glatte, ungefurchte und jpike Nagezähne, mwurzelloje Badzähne, Deren Kauflächen fait einer arabifchen 8 gleichen (daher der Name Octodon), da3 Gebik. Die Be- Haarung des Körpers it reichlich, wenn auch furz, das Haar troden und vauh). Der Degu, Octodon degus Mol. (cumingi; Taf. „Nagetiere VIII”, 2), it oben bräun- ficharau, fchwärzlich untermifcht, unten graubräunfich, auf Bruft und Naden dunkler, an der Schwanzmurzel Tichter, fajt weiß. Die Ohren find außen dunkelgrau, innen weiß, Die Schnurren zum Teil weiß, zum Teil fchwarz; der Schwanz ijt oben und an der Spibe ichhvarz, unten biS zum erjten Drittel feiner Länge hellgrau. Die Gejamtlänge beträgt gegen 26 cm, wovon etivas über ein Drittel auf den Schwanz kommt. „Der Degu“, fagt Pöppig, „gehört zu den häufigften Tieren der mittleren Probinz von Chile. Hunderte bevölfern die Hedfen und Büfche; jelbit in der unmittelbaren Nähe belebter Städte laufen fie furchtlos auf den Heerjtragen umher und brechen ungejcheut in Gärten und Fruchtfelder ein, wo fie Durch mutwilliges Zernagen den Pflanzen faft eben- jopiel Schaden tun wie durch ihre Gefräßigfeit. Selten entfernen fie jich vom Boden, um die unteren Äfte der Büfche zu erflettern, warten mit herausfordernder Kühnheit Die Aıı- näherung ihrer Feinde ab, ftürzen aber dann in buntem Gemwinmel, den Schwanz aufrecht tragend, in die Mündungen ihrer vielverzweigten Baue, um nach wenigen Augenblicen an einer anderen Stelle wieder hervorzufommen. Das Tier gleicht in feinen Sitten viel mehr einem Eichhörnchen al3 einer Ratte. E3 fammelt, ungeachtet des milden Klimas, Vorräte ein, verfällt aber nicht in einen Winterjchlaf." Die Zeit der Paarung, die Dauer der Tragzeit jowie die Anzahl der Jungen jcheint troß der Häufigkeit de3 Tieres bis jegt noch nicht befannt zu fein. Man fann eben bloß ichließen, daß der Degu einer großen Vermehrung fähig ift, und glaubt, daß er jährlich zwei Würfe von je 56 Jungen bringt. Die Gefangenschaft erträgt er jehr leicht, toird auch bald recht zahın. Sch erhielt eine Gejelljchaft von fünf Stüd diejer Ratten, Habe mic) aber nicht mit ihnen befreunden können. Stil! und regungslos jafen die Tiere am Tage in zufammengefauerter Stellung auf einem Afte des Kletterbaumes in ihrem Käfige, und erit wern die Nacht hereinbrach, begannen jte jich zu rühren, aber auch dann noch befundeten jie feinestwegs die Regjamfeit unferer Eichhörnchen oder Bilche. An die Nahrung fchienen jie feine Anjprüche zu machen, vielmehr mit dem gewöhnlichjten Nagerfutter zufrieden zu jein. Billig find fie nicht, zutraulich ebenfowenig. Die Welt um fie,her jehien fie einfach gleichgültig zu laffen. Im Londoner Tiergarten haben fic) einige Pärchen fortgepflanzt und unge gebracht; Die don mir gepflegten Gefangenen find nach und nach dahingeftorben, ohne jemals Paarungsgelüfte zu zeigen. Nach den Erfahrungen. des Londoner Gartens fonmnen die Jungen vollfommen behaart, überhaupt jehr entwidelt zur Welt und öffnen ihre Augen jpätejtens einen Tag nad) der Geburt. An den lebten Jahrzehnten jcheint Der Degu.nur ganz vereinzelt wieder nach Europa gekommen zu fein. Bon Sidbrafilien bis zur Magellanitraße hinab dehnen Die Kammratten oder Tuto- tufos (Otenomys Blainv.) ihre Heimat aus. Sie ähneln noch entfernt der vorigen Gattung; Nagetiere VII. 1. Kammfinger, Ctenodactylus gundi Pall. 1/2 nat. Gr., s. S. 203. — P. Kothe-Berlin phot. 2. Degu, Octodon degus Mol. 1/2 nat. Gr., s. S. 200. — W. S. Berridge, F. Z. S.-London phot. 3. Cayenneratte, Proöchimys cayennensis Desm. 1/3 nat. Gr.,"s. S. 197. — Snethlage-Bertram,' Parä, phot. 4. Wüftenipringmaus, Jaculus jaculus Z. 1/2 nat. Gr., s. S. 216. — Lewis Medland, F. Z. S.-Finchley, N., phot. 5. Seldhüpfmaus, Zapus hudsonius Zimm. nat. Gr., s. S. 229. — P. Kothe - Berlin phot. 6. Pferdeipringer, Alactaga saliens Gm. 1/9 nat. Gr., s. S.212. — Falz-Fein, Ascania Nova, Südrußland, phot. Degu. Tukotufo. 20] die feinen Augen und die noch viel Fleineren, fait im Belze verjtedten Ohren aber deuten auf ein unterivdiiches Leben hin. Der Körper it gedrungen und walzenfürmig, der Hals furz und Die, ver Kopf ebenfalls Furz, ftumpfjchnauzig, der Schwanz furz, Di und ftumpf jpißig. Die Beine jind hurz und die fünf Zehen der Fühe mit tüchtigen Scharrkralfen bemwehrt. Das Haarkleid Tiegt glatt an, it furz am Stopfe, etwas länger am Störper; feine Grannen- haare treten einzeln aus dem Pelze hervor. Welche mächtigen Größenunterjchiede in der langen Reihe verjchiedener Arten obwalten, die im Trouefjart beinahe zivei Seiten ausfüllt, zeigen Nehrings Schöne Schävdelabbildungen („Siß.-Ber. Naturf. Freunde”, 1905): zwijchen C. pandti Nhrg. aus der argentinijchen Provinz Cordoba und C. torquatus Zeht. aus Uruguay ein Verhältnis von 1:3! hnliches Fehrt bei ven Blindmäufen (Gattung Spalax) wieder. Eigentümlich it das Vorfommen derartiger Nager in einem Höhengürtel der Kor- dilleren, wo der Bflanzenmwuchs bereit aufgehört zu haben jcheint. Tijcehudt berichtet, daß ihn in den gänzlich pflanzenlojen Wüjten einzelner Hochebenen der Storbilleren die vielen taujend Löcher von Slammratten in Erjtaunen gejeßt haben. „Wovon mögen fich wohl Dieje Tiere hier nähren? Troß langen Nachvenfens konnte ich dieje Frage nicht genügend be- antworten, zumal andere Neijenve, namentlich Philippi, die Wüjte in Sommermonaten bereit Haben und fie an Stellen, wo die Erde von Kammratten mie ein Steb Durchlöchert ivar, ebenjo Dürr, jandig und ohne den geringiten Pflanzenwuchs fanden, wie ich jte im Winter getroffen habe. Sollte vielleicht hier ein unterixdifcher Pflanzentvuchs vorfonmen, welcher jich bisher dem Auge des Forjchers entzogen hat?“ Der Neijende, der zum eriten Male jene Länder betritt, Hört verivundert Die eigen- tümlichen, voneinander abgejchiedenen, grunzenden Laute, die in regelmäßigen Ziijchen- räumen gleichjam aus der Exde herausjchallen und ungefähr den Silben Tufotufo entjprechen. ir bejchreiben nur eine Art der nac) ihnen benannten Rammratten, den eigentlichen Tufotufo, Ctenomys magellanicus Benn. Das Tier ommt an Größe ungefähr einem halbwüchjigen Hamjter gleich; der Leib mißt 20 cm, der Schwanz 7 cm. Die Färbung der Oberjeite ijt bräunlichgrau mit gelbem Anfluge und Schwacher jchwarzer Sprenfelung. Die einzelnen Haare jind bleifarben, gegen die Wurzel und an den Spiben größtenteils alchgrau, ins Bräunliche ziehend. Cinige dünn gejtellte Grannenhaare endigen mit Ihiwarzen Spißen; auf der Unterjeite fehlen diefe Grannenhaare, und Deshalb ericheint Die Färbung hier viel Lichter. Kinm und Vorderhals find bla fahlgelb, die Füße und Der unter der Behaarung ringelichuppige Schwanz weiß. Wir verdanfen die für ung gültige Entdedung und die exjte Beichreibung des Tufotufo dem auch um die Naturgejchichte der fünlichiten Spibe Amerikas Hochverdienten Darwin. Der Tufotufo wurde zuerit am öftlichen. Eingange der Magellanftraße und von dort aus ach Norden und Weiten hin-in einem ziemlich großen Teile Patagoniens gefunden. Aus- gedehnte, trodene, jandige und unfruchtbare Ebenen geben ihm Herberge. Hier Durchmwühlt er nach Maulwurfsart große Flächen, zumal des Nachts; denn bei Tage jcheint er zu ruhen, obwohl man gerade dann jeine bezeichnende Stimme oft vernimmt, die ihn jeinen ein- geborenen Namen verjchafft hat. Der Gang auf ebenem Boden ift fehr jchwerfällig und un- beholfen; das Tier vermag nicht über das geringjte Hindernis zu fpringen und ijt jo ungejchidt, daß man es außerhalb feines Baues Leicht ergreifen fan. Unter den Sinnen dürften Gerud) und Gehör am meijten ausgebildet fein; das Geficht ift jehr ftumpf. Wurzeln der Gefträuche bilden die ausjchliegliche Nahrung des Tieres, und von diejen fpeichert e3 auch hier und da 202 8. Ordnung: Nagetiere. Familien: Trugratten und Kammfingerartige. Vorräte auf, obwohl es vielleicht feinen Winterjchlaf Hält. Nach Hudjon trifft man den Tufo- tufo auf der argentinifchen Pampa, wo ein fandiger Landtrich oder eine Reihe von Sand- Diinen fich Hinzieht. Man jieht ihn nicht, aber man hört ihn. Tag und Nacht ertönt feine Stimme laut hallend geich einer Reihe von Hammerjchlägen: wie wenn die Ziverge tief unter der Erde am Amboß arbeiteten, exit mit ftarfen, gemejjenen Schlägen, dann heller und härter. Neuerdings erfuhr Hed noch einiges aus Briefen der Frau R. Liejegang, welche die Tiere in unmittelbarer Nähe ihrer Eitancia San Sorge im Nio-Negro-Gebiet Uruguays täg- lich beobachten konnte. Auf den Anhöhen dort, welche die Tufotufos mit Vorliebe bevölfern, muß man im Umfreis von 1—2 ha mit aller Vorjicht reiten, um nicht zu ftürzen, da die ganze Strede unterwühlt ift. Ebenfo janf Schrend von Noging bei der Pirjch auf Darwinftrauße (Rhea darwini) in den Medanosdünen von San Antonio (Nordpatagonien) jtändig bis zum Knöchel ein: der Boden war parallel zur Oberfläche rings unterminiert von den Kammı- vatten. Nach Liefegang müfjen dieje aber auch jenkrechte Röhren graben, in die jie jich hineinfallen lafjen, wenn fie überrafcht werden. Ferner veritopfen jie offenbar die Röhren- mündung Hinter fich, wenn fie zu Baue fahren; denn ehe fie gegen Sonnenuntergang er- icheinen, fieht man jie jtetS etwas Sand Hochwerfen und den Kopf herausiteden, um zu jichern. Das geht aber bligjchnell, und es gehört eine bejondere Gemwandtheit dazu, bei Diejer Gelegenheit Tufotufos zu erlegen. Macht man irgendein Geräufch oder die geringjte Bewegung, jo jind jie jofort wieder unter der Erde verjchwunden. Auf das Klappern-des Kodak, mit dem Frau Liejegang für. unjer „Tierleben” einen um Meterlänge von einem Bau entfernten Tufotufo photographieren wollte, war das Tier mit einem Sabe wieder in feinem Loche und hatte diefes auch außerordentlich fchnell mit Erde verfchlojjen. Wenn es genug regnet, jprießt um die Tufotufobaue ein jpärlicher Graswuchs, und es fonnte beobachtet werden, daß die Nager davon äften. Da die von ihnen bewohnten Stellen aber allermeift faft fahl find, fommt Frau Liejegang ebenfalls ganz von jelbit auf die Vermutung, daß jte von Wurzeln leben müßten. Da die Tiere an diejen unfruchtbaren Stellen feinen Schaden machen, läßt man jie meilt gewähren, obwohl man, nach Liejegangs Erfahrung, jte durch Umpflügen leicht vertreiben fan. Daß fie voll von einem Ungeziefer, ähnlich den Hühnerläufen, find, lädt auch nicht gerade ein, fich mit ihnen zu bejchäftigen, und wird gewiß, dadurcd gefördert, daß fie allermeift in ihren Bauen beifammenhoden. Daß die Stolonie bei San Sorge jchon jeit Jahrzehnten als Tufotufohigel befannt ift und jich jeitven zwar under- fennbar, aber nur unbedeutend vergrößert hat, faßt Liejegang wohl mit Necht als Beweis nur mäßiger Fortpflanzung auf. US die Hauptfeinde bezeichnet jie die Eulen, die fie öfters auf den Nattenhügel hat herabjtoßen jehen, und das jteht ja auch mit der mehr nächtlichen Lebensmweije der Tufotufos vollfommen im Einklang. Den Hämmernden Ruf, die erite Silbe ziemlich gedehnt, die zweite ganz furz, hält unjere Beobachterin für eine Art Vorjpiel, das dem Erjcheinen der Tiere über der Erde vorangeht; wenigitens hörte jie das unterirdijche Hämmern halbe Stunden lang aus den Bauen ertönen, ehe die eriten Tufotufos herborfanten. Über die Fortpflanzung, die Zeit der Paarung und die Anzahl der Jungen fehlen zurzeit noch genaue Nachrichten. Gefangene, die Darwin hielt, wurden bald zahm, waren aber jtumpfjinnig. Beim Frejjen nahmen fie die Nahrung nad) Nagerart zwijchen die Borderpfoten und führten fie jo zum Munde. Die Patagonier, die in ihrer armen Heimat feine große Auswahl Haben, ejjen auch das Fleijch des Tufotufo und ftellen ihm Deshalb nach. Lebend ift der Tufotufo wohl noch nicht in Europa gewejen, in neuerer Zeit mwenigjtens nicht. \ Tufotufo. Kammfinger. 203 Die nahejtehende Gattung Spalacopus Wagl. aus Chile unterjcheidet jich durch Ver- fümmerung des äußeren Ohres: eine weiter vorgejchrittene Anpaffung an das unterirdijche Wiühlerleben. e Damit find die amerikanischen Gruppen Der Geftion der Stacheljchtweinfürmigen erichöpft, und wir gehen mwieder nac) Afrifa über zu den jebt als jelbjtändige Familie betrachteten Hammfingerartigen (Ctenodactylidae), benannt nach) der wichtigjten Gat- tung Ctenodactylus Gray. Der Hauptvertreter ift der Algerien, Tunis, Tripolis beivohnende eigentliche Kanım- finger, der Oundi der Uraber, Ctenodactylus gundi Pall. (massoni; Taf. „Nagetiere VILL”, 1, bei ©. 200). Das im ganzen 17,5 cm lange Tier ift bräunlich rojtfahl mit chwarzer Sprenfe- fung aufden Rüden und hat einen unterjeßten, jchiwerfälligen Leib, dicken, jftumpfjchnauzigen Kopf mit furzen, rundlichen Ohren, mäßig großen Augen und ungemein langen, jteifen, boriti- gen Schnurren, jtarfe Gliedmaßen, deren hinteres Baar länger al3 das vordere ijt, und bier- zebige, nadtjohlige Füße mit kurzen Strallen, die Hinten unter abjonderlichen Boriten teil- mweije verjteckt find. Unmittelbar über den furzen, gekrümmten hinteren Zehen nämlich liegt eine Reihe von Hornigen, fammartigen Spiben, über ihnen eine zweite Neihe von jteifen und über diejen eine dritte Reihe von fangen und biegjamen Borjten. Yon diejer ganz einziq Dajtehenden Fupbildung leiten jich jowohl der deutjche al3 auch der lateinijche Name des Tieres her. C3 jolf jeinen „Bürftenfamm” zum Buben des Felle3 verwenden; Doch dürfte dies als Entjtehungsurfache kaum genügen. Der Schwanz tft ein nur 1,5 em langer Stummel, aber ebenfalls mit langen Borften beffeidet. Die Nagezähne jtnd jchwach und ftarf gehrümmt, die drei Badzähne jeder Reihe oben länglich und jchmal, außen gebuchtet, die unteren nach hinten an Länge zunehmend und die Form einer 8 Daritellend. „on den bon den Beni Ferah bewohnten, wildromantijchen Tälern des Dichebel Aures“, jchildert Bupry, „und zum Teil auch in den die öjtliche und meitliche Sahara be- grenzenden jüdlichen Höhenzügen Algeriens zeigt jich in den Wintermonaten zur Mittags- zeit auf borjpringenden Felsblöden ein Fleiner Nager, der, mit dem Kopfe dem Tale zu- gewendet, dicht an den Fels gedrüct, gleichfam ein Teil davon zu fein jcheint. E3 ift der Gundi-der Araber, der hier in Felzlöchern und überlagernden Steinen lebt und fich dDurd) große Behendigfeit und feines Geficht und Gehör auszeichnet. Bei dem geringjten ver- dächtigen Geräufche zieht er fich hHüpfenden Laufes in feinen nahen Schlupfivinfel zurüd, der gewöhnlich allen Anjtrengungen des Jägers Troß bietet. Die geeignetite Zeit, diejes merfwindige Nagetier zu beobachten, ift der Morgen. Sobald die Sonne ihre erjten er- wärmenden Strahlen auf die Hohen Feljenmwände jendet, erwacht der Gundi, und von allen Seiten her beginnt eine Wanderung diejer Tiere ins Tal hinab, den Feldern zu. Behende rutjchend und laufend, erreichen jie binnen kurzem das Getreide, für jie ein mwillfommenes Futter, nagen, auf den Hinterbeinen fitend, die Halme durch und verzehren, mit den Vorder- fügen nachhelfend, den oberen Teil der Schößlinge. Doch halten fie jich nicht immer jtreng an grünes Futter, gehen vielmehr nach echter Nagerart auch Körner an. Mit dem Er- toachen des Menjchenverfehts auf Straße und Feld fommen jte, nachdem fie getrunfen, zu ihren Höhlen zurüd. Wie oft im Jahre fie Junge werfen, fonnte ich nicht in Erfahrung bringen; Doch verjchaffte mir die Unterfuchung einiger Weibchen Gewißheit, daß jie im Monat Februar und anscheinend regelmäßig Drei Junge erzeugen. Während der Brunft jolt e3 ztwijchen den Männchen zu Kämpfen auf Leben und Tod fommen. 204 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Springhafenartige. „Ungeachtet des verjtedten Lagers des Gundis gelingt e3 ziemlich leicht, ihn zu er- beuten, und zwar mit Hilfe von Haarfchlingen, die an Ausgangslöchern befeitigt werden, und in denen das Tier fich mit den Hinterfüßen verwidelt. Die erwachjenen Araber geben jich nicht die Mühe, den Gundis nachzuftellen; ihren Kindern aber macht der Fang Ber- gnügen, und das zarte, dem Hühnerfleijch wenig nachitehende Wildbret bietet einen will fonımenen Braten. Auch verivendet man den weichen, jamtartigen Pelz zu Sädchen, die als Geldbörjen dienen.“ Paul Spab hat unter anderen Berdieniten um die Erforjchung der tunejiichen Tier- welt auch das, die erjten Gundis lebend in den Berliner und Frankfurter Zoologijschen Garten gebracht zu haben. Die fahlgelben, fnapp hamftergroßen Tierchen hielten jich da eine Zeitlang ganz gut. Der Bertreter im Somalilande unterjcheidet ich äußerlich Durch längeren, bufchigen Schwanz und ift als bejondere Gattung (Pectinator Blyth) abgetrennt worden. * Die neuere und neueite Nagetierjgitematik jchreibt jo mancherlei Yerreigungen und Bereinigungen vor, die aus Leben und Ausjehen der betreffenden Nager oft jchwer zu ver- jtehen, al3 wifjenjchaftliche Vorjchriften aber Doch zu refpeftieren find, wenn wir auch hier, wo uns in erjter Linie das lebende Tier angeht, die Begründungen aus Schädel- und Zahmunterjchieden nicht immer im einzelnen wiedergeben fünmen. Unter diefen Umjtän- ven jchliegen wir die Geftion der Stachelichweinförmigen nicht ab, ohne ihnen, mit TIrouejjart, nocd) den Springhafen (Gattung Pedetes ZU.) al3 Familie der Springhajen: artigen (Pedetidae) einzuordnen. Der Springhaje, Pedetes caffer Pall., unterjcheidet ji) von den übrigen, Fleine- ten Springnagern, mit denen er früher zujammengeftellt wurde, wejentlich Durch jein Gebiß, da in jedem Stiefer vier-zweihöderige Badzähne ftehen, weicht aber auch außerdem merklich von jenen ab. Der gejtrecte Leib wird nach Hinten allmählich diefer, der Hals it ziemlich die, jedoc, abgejebt vom Leibe und .viel beweglicher als bei ven Springmäufen; die Borderbeine find zwar jehr Furz, aber viel Fräftiger als bei jenen, ihre fünf Zehen mit ltarfen, langen, jcharfgefrümmten Srallen bewehrt, während die Hinterglieder, lange, Fräf- tige Sprungbeine, vier an bejonderen Mittelfußfnochen jißende Zehen haben, die mit jtar- fen und breiten, aber ziemlich Furzen, faft Hufartigen Nägeln bewaffnet find. Die Hintere Mittelzehe übertrifft die übrigen an Länge; Die kurze Außenzehe ijt jo hoch geftellt, daß fie faum den Boden berührt. Der jehr lange, Fräftige und dichtbufchige, an der Wurzel noch dinne Schwanz wird durch Die reichliche Behaarung nach der Spibe zu Dider und endet mit einem ftumpfjpikigen Haarbüjchel. Der Kopf ijt ziemlich groß, Hinten breit, an den Ceiten zujammengedrüdt, die Schnauze mäßig lang, ziemlich ftumpf, die Mundjpalte Klein, die Oberlippe nicht gejpalten. Große, hHochgemwölbte und deshalb Herbortretende Augen, mittellange, Schmale und jpißige Ohren erinnern an die Springmäufe, die Schnurren dagegen find verhältnismäßig furz. Das Weibchen trägt bier Ziten auf der Bruft. Die lange, dichte, veichliche und weiche Behaarung des Springhafen ijt auf der Oberfeite roftbräunlich- fahlgelb mit Schwarzer Beimifchung, weil viele Haare mit fchtwarzen Spiten endigen, auf der Unterjeite weiß, am Schwanzende fehwarz. In der Größe bleibt das Tier Hinter unferem Hafen zurüc: die Leibeslänge beträgt etwa 45 cm, die des Schwanzez etwas weniger. 205 Springhaje. Epringhafe, Pedetes caffer Pall. Mittlere3 Tier 15 natürliher Gröhe 4 \ 206 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Springhajenartıge. Der Springhaje bewohnt dürftige Gegenden und jelbit mwüjtenartige Steppen. Cr ijt iiber einen großen Teil de3 füdlfichen Afrifa verbreitet, fommt vom Saplande im Weiten nordmwärts mindeiteng bis nach Angola und im Djten ficher nod) in Deutjch-Ditaftifa vor. Gr it ftellenmweije recht häufig, ebenjowohl in gebirgigen Gegenden mie in offenen Ebenen, und lebt manchmal in fo großer Anzahl zufammen, daß er fürmliche Anfiedelungen bildet. Wie die Springmäufe gräbt auch er unterirdiiche Baue mit langen, gewöhnlich jeicht ver- laufenden und vielfach verzweigten, nach einem tieferen Kejjel führenden Gängen. Meijt bewohnen mehrere Baare, ja ganze Familien einen jolhen Bau, und oft jiedeln jich in manchen Gängen des bewohnten Baues wilde Bienen an, die aljo friedlich mit dem Bau- bejiger die Wohnung teilen. Die Hottentotten jagen, daß Diejer beim Graben ebenjo fein Gebif wie die VBorderfühe brauche. Gujtad Fritjch gibt an, daß der Springhafe die Köhren jeine3 Baue3 am Tage jorgfältig verjchlofjen Hält. Lichtenftein erfuhr, daß e3 nicht jo leicht ist, ihn auszugraben. Das Neb, welches jeine Gänge bilden, war fo vielfältig, daß e3 ganz unmöglich wurde, vem Springhafen alle Wege abzujchneiden. Da er ein Nachttier ift, beginnt erjt mit der Abenddämmerung fein wahres Leben. Er fommt langjam aus feinem Bau hervor, Friecht mehr als er geht auf allen vieren dahin und fucht fi) Wurzeln, Blätter und Sämereien zur Nahrung. Fat jede Minute richtet er jich auf und laufcht; denn er ift bejtändig Höchft unruhig. Wenn er nicht frißt, pußt er jich, und wenn er jich nicht pubt, zeigt er jich beforgt um jeine Sicherheit. Bisweilen läßt er ein Srunzen oder Medern Hören. Die Nahrung führt er, wie die Springmäufe, mit den furzen Borderfüßen zum Munde. ©o langjam er jich bewegt, wenn er auf allen vier Füßen dahin= geht, jo jchrell ift fein aus rajch aufeinander folgenden Säben bejtehender Lauf. Mit den tangen Hinterbeinen fchnellt er ji) vom Boden in die Höhe und tritt mit den Hinterfüßen wieder auf, ohne jich nad) vorn zu überjtürzen. Die Vorderbeine bleiben über der Brut gefaltet. Gemöhnlich beträgt die Weite jeiner Sprünge 2—3 m, wird er aber verfolgt, jo jteigert er jeinen Lauf derartig, daß dann die Durchjchnittliche Weite zwijchen 6 und 10 m beträgt; jo geben übereinjtimmend Forjter und Sparrmann an. Dabei legt er eine Leichtig- feit an den Tag, daß es ausjieht, als wäre er gar nicht imftande, zu ermüpden, und jo ent- fommt er denn auch regelmäßig feinen Feinden. Nur die Näfje lähmt jeine Behendigfeit. Die Hottentotten verjicherten Lichtenftein, daß der Springhafe bei Negenmetter niemals aus jeinem Baue fomme, und daß es bei heftigem PBlaßregen leicht wäre, ihn mit den Händen zu ergreifen, jo matt würde er durc) die Näjje. Und wenn man mın gar Wafjer in die Baue leite, fönne man jo viele Springhajen fangen, als man wolle. Das Weibchen wirft im Sommer 3—4 Junge, die längere Zeit von der Mutter ge- jäugt werden und dann mit ihr ausgehen, auch lange denjelben Bau bewohnen. Beim Eintritt der Regenzeit joll die ganze Familie oft tagelang, in zufammengerollter Stellung eng aneinandergerüct, im Inneren des Baues verweilen. Die Gefangenjchaft hält Der Springhaje bei guter Pflege leicht und dauernd aus; doch möchte Hed dahingeitellt jein lajjen, ob die anjcheinende Zahmheit und Zutraulichkeit des Nachttieres nicht vielmehr durch eine bei ihm natürliche Schlaftrunfenheit und Stumpfjinnigfeit anr Tage zu er- Hären ijt. Wenigjtens fchlugen feine Verjuche, Springhafen des Berliner Gartens im Snter- ejje der Bejucher an das Tageslicht zu gewöhnen, vollitändig fehl: Die Tiere jchliefen im Gehege den ganzen Tag über genau fo Hartnädig zujammengerollt tie in der Höhle. Sonjt macht jeine Neinlichfeit den Springhafen beliebt, und feine Fütterung verurfacht ebenfalls feine Mühe: Weizen, Brot, Salat und Kohl genügen ihm vollftändig. Er jchläft jigend, Springhaje. 207 birgt den Kopf zwijchen den Schenfeln und drüct mit den gefreuzten Vorderpfoten die Ohren über die Augen weg. „Wer ihn zuerjt tagsüber in feiner Schlafitellung fennen lernt”, Ihildert Hed, „wird Faum recht wiljen, was er eigentlich vor fich hat; denn ex fieht nicht viel mehr al3 eine Mafje weicher, glänzender, Hübfch jandgelber Haare. Doch da fommt der Wärter mit dem Jutternapf, und das Offnen der Türflappe de3 Käfigs bringt Leben in den Haarknäuel in der Ede. Ein Teil diefes Knäuels Löft jich ab und Legt fich als bufchig, aber doch deutlich zweizeilig behaarter Schwanz mit jchwarzer Spite auf die Erde Hin; zu jeinen beiden Geiten jchieben fich dann, beinahe ebenfo lang, zwei mächtige Sprungbeine mit eigentümlich jtumpfen, platten, Hufartigen Nägeln hervor; fchließlich erheben fich auch Kopf und Körper, und das ganze Tier jtredt jich, jo recht wie ein ertwachender Langichläfer, behaglich auf dem Rüden im Sande aus. Die feinhäutigen, wenig behaarten Ohren Hängen noch jchlaff am Kopfe herab, die Augen find Halb gefchlofjen und die ganz kurzen Vorderbeine unter dem Kinn gefreuzt. Aber nun fommt das Tier mit einem elaftifchen Schwunge ganz auf die Beine, und indem jich die Ohren stellen und die Augen ganz öffnen, überzeugen wir ung, daß die leßteren groß, dunfel und langmwimperig, fajt fehön zu nennen find. Der Springhafe präfentiert jich jeßt, auf den Hinterbeinen aufgerichtet, einige Augenblide in ganzer Figur, um gleich darauf jpielend feinen Käfig mit einem Sabe von einer Ede bis zur andern auszumefjen. Nicht lange übrigens, jo erregt der frifch gefüllte Futternapf die gebührende Aufmerfjantfeit, und das Tier bewegt fich, nach Kaninchenart hüpfend oder eigentlich noch mehr Friechend, gemächlich darauf zu, wobei die furzen VWorderbeine ebenfalls auf die Erde aufgejegt werden. Amı Ziele wird jedoch gleich wieder die offenbar bequemite, aufgerichtete Haltung eingenommen, und der Springhaje beginnt feine Mahlzeit in feiner ganz eigenartigen Weije, die auf mich, als ich fie zum eritenmal beobachtete, einen geradezu verblüffenden Eindrud machte. Auf den Hinterbeinen neben dem Futternapf fitend, mwitr- digt er dejjen Inhalt jcheinbar gar feines Blicdez, jondern faßt nur wahllos und gleichgültig, aber doch jehr flinf und eilfertig, mit einer Vorderpfote hinein, Hemmt ein Korn, ein Stückchen Brot oder Mohrrübe zwijchen Die eingejchlagenen Krallen und den ganz bejonders geformten und ausgebildeten Ballen der Handfläche und führt jo die Nahrung zum Munde. Niemals nimmt er unmittelbar mit diefem etivas auf: jelbjt ein Kafenjtüc, das ich ihm zur Probe Dingeben ließ, twurde nicht abgetweidet, jondern ebenfalls mit den Borderpfoten abgepflückt, umd wenn man dazu die ganz auf die Unterjeite des Kopfes zurücgerüdte Yage der Mund- ‚jpalte betrachtet, jo möchte man falt die Anficht ausjprechen, daß der Springhaje auf eine andere Weije jeine Nahrung gar nicht zu fich nehmen könne.” Bei den holländiichen Anfiedlern ift die Jagd des Tieres jehr beliebt; denn das Fleisch twird gejchäßt und der Balg in ähnlicher Weife verwandt wie der unferes Hafen. Man jagt fajt nur bei hellem Mondjchein, indem man fich da, tvo e3 viele Löcher gibt, anftellt und lauert, biS ein Springhafe in die Nähe fommt. Nach Fritfch foll man zumeilen in einer einzigen Mondjcheinnacht gegen ein Dußend diefer behenden Tiere erlegen. E3 joll hier nicht verjchtwiegen werden, daß der dänische Anatom Winge in feiner anatomijchen Einteilung der Nagetiere, der auch der hier jo oft angeführte Weber folgt, den Springhafen in eine Gruppe (Anomaluroidea) zufammenftellt mit ganz merkwürdigen, flughörnchenartig ausfehenden Nagern Afrifas, den Fetternden Dornjchtwanzhörndhen, die von einem Springnager auf den erjten Blid fo verjchieden zu fein fcheinen, wie Nager überhaupt nur fein fünnen. Winge gründet feine Zufammenftellung auch mur auf 208 8. Drdnung: Nagetiere, Familie: Springnager. Schädel-, Gebik- und Sfelettmerfmale und findet jie Dadurch noch weiter gejtüßt, da; er ein Berbindungsalied zwijchen den beiden nach Körpergeitalt und Lebensmeile jo ver- ichiedenen Formen in der tertiären Nagergattung Issiodoromys Blainv. jteht. Sndem wir zur Familie der Springnager (Jaculidae) übergehen, treten toir in eine neue, große Sektion der Nager ein, in die der Mausjörmigen im allerweiteiten Sinne (Myomorpha). Hußerlich it diefe überhaupt Faum zu fennzeichnen: find Doch die ge- famten Nager befanntermaßen in allen hauptjächlichen Merkmalen fo gleichartig, da man zrwed3 weiterer Einteilung zu Sfelett-, Schädel- und Gebißunterjchieden greifen muß! Solche iind bei den Mausfürmigen am Sfelett Berwachjung der beiden Unterjchenfelfnochen am unteren Ende; am Schädel Zufammenjegung des fchlanfen Jochbogens nur zum geringeren Teile aus dem Sochbein, das fich nur jelten nad) vorn ausdehnt, gewöhnlich vielmehr durch einen langen Fortjab des Oberfiefers von unten geftüßt wird; am Gebik höchitens ein, häufig gar fein Lüczahn im Ober- oder im DOber- und Unterfiefer. Die Springnager (Jaculidae, Dipodidae) erinnern in ihrem Bau einigermaßen an die Känguruhs. Dasjelbe Mifverhältnis des Leibes wie bei Diejen zeigt fich auch bei ihnen. Der hintere Teil des Körpers ift verjtärkt, und die Hinterbeine überragen die vorderen wohl dret- bis jechsmal an Länge; der Schwanz ift ebenfalls jehr lang und gewöhnlich am Ende zmeizeilig bequaftet., Der Kopf ift fehr die und trägt die verhältnismäßig längften Schnurren aller Säugetiere überhaupt: Schnurren, die oft ebenjo lang jind wie der Körper jelbit. Die großen Augen deuten auf nächtliches Zeben, jind aber lebhaft und anmutig wie bei wenig anderen Nachttieren; mittelgroße, aufrechtftehende löffelförmige Ohren von einem Drittel bis zu ganzer SKtopflänge bezeichnen das Gehör als nicht minder entwidelten Sinn. Der Hals ift jehr Die und unbeweglich, der Aumpf fchlanf. _ An den Heinen Vorderpfoten finden jich gewöhnlich 5 Zehen, an den hinteren 3, zumetlen mit 1 oder 2 Ufterzehen. Der Pelz it Dicht und weich, bei den verjchiedenen Arten und Gattungen jehr übereinjtimmend, nämlich den Sande ähnlich gefärbt. Die Nagezähne find bei einigen glatt, bei anderen gefurcht; Die Anzahl der Badzähne beträgt 3 oder 4 für jede Reihe; auch fißt oben ein ftummelhafter Zahn vor den 3 eigentlichen Badzähnen. Den Schädel fennzeichnet der breite Hirnfajten und Die ungeheuren Gehörblajen. Die Halswirbel, mit Ausnahme des Atlas, verivachjen oft in ein einziges Knochenstüd. Am Mittelfuße verjchmelzen die verschiedenen, nebeneinander liegenden Knochen in einen einzigen, an dejjen Ende die Gelenfföpfe für die einzelnen Zehen jtehen. Die Springnager beiwohnen vorzugsweile Afrifa und Mjien; einige Arten reichen aber auch nad) Südofteuropa herüber, und eine Unterfamilie ist faft ganz auf Nordamerifa bejchränft. Sie find Bewohner des trodenen, freien Feldes, der grasreichen Steppe und Der dinren Sandmwüften, aljo eigentliche Müftentiere, wie auch die Färbung augenbliclich er- fennen läßt. Auf lehmigem oder jandigem Boden, in den Niederungen, jeltener auf An- höhen oder an dichten, bufchigen Wiejenfäumen und in der Nähe von Feldern fchlagen Jie ihre Wohnfige auf: jelbitgegrabene, unterirdifche Höhlen mit vielen verzmweigten, aber meijt jehr jeichten Gängen, die immer mit zahlreichen Ausgängen münden. Bei Tage in ihren Bauen verborgen, erjcheinen fie nac) Sonnenuntergang und führen dann ein heiteres Leben. Außer ihrer Hauptnahrung, Wurzeln, Zwiebeln, mancherlei Körnern und Samen, srüchten, Blättern, Gras und Kräutern, verzehren fie auch Snjekten, ja jelbjt Heine Vögel, Springmäufe. 209 gehen jogar Aas an und frejjen unter Umftänden einander auf. Die Nahrung nehmen jie zu jich in Halb aufrechter Stellung, auf das Hinterteil und den Schwanz gejtüßt, das Sutter mit den Borderpfoten zum Munde führend. Sshre Bewegungen find eigentümlicher Art. Der ruhige Gang unterjcheidet fich von dem de3 Kängurubs injofern, als jie in rajcher Folge ein Hinterbein vor Das andere feßen; bei eiligem Laufe aber fördern fie jich jprungmeife, indem fie jich mit den fräftigen Hinter- fügen hoch emporjchnellen, mit dem zweizeiligen Schtwanze jteuern und das Gleichgewicht er- halten. Dabei legen jie die Borderbeine entweder an das Stimm oder, wie ein fchnellaufender Menjch, gefreuzt an die Bruft, fcheinen dann auch wirklich nur zwei Beine zu Haben. Dann verjteht man den wijjenjchaftlichen Namen Dipodidae (= Zweifüßer). Die größeren Arten vermögen gewaltige Säge auszuführen. Ein Sprung folgt unmittelbar auf den andern, und wenn die Tiere in voller Flucht find, jieht man eigentlich bloß einen gelben Gegenjtand, der in flachen Bogen wie ein Pfeil die Luft durchjchießt. Mit ebenjo großer Behendigfeit graben jie am Boden, troß der jchwachen Borderfüße, die diefe Arbeit Hauptjächlich ver- tichten müjjen. Während jie meiden, gehen jie, ebenfall3 wieder wie Känguruhs, auf vier Beinen, jedoch jehr langjam und immer nur auf furze Zeit. Im Siten ruhen fie auf den langen, bis zur eigentlichen Ferje dem Boden aufgelegten Hinterfüßen. Alle Arten jind jcharfjinnig, namentlich feinhörig und fernjichtig, und wiljen daher drohenden Gefahren leicht zu entgehen. Hußerft furchtfam, fcheu und flüchtig, juchen fie jich, bei jeder Störung jo eilig wie möglich nach ihrem Bau zu retten oder ergreifen, wenn _ ihnen dies nicht möglich wird, mit rafender Schnelligkeit die Flucht. Ihre Stimme beiteht in einer Art von Winjeln, dem Gejchrei junger Raten ähnlich, bei anderen wohl auch in einem dumpfen Grunzen. Aber man hört nur jelten überhaupt einen Ton von ihnen. Bei geringer Wärme verfallen jie in Winterjchlaf oder erjtarren mwenigjtens auf furze Zeit, tragen aber nicht, wie andere Nager, Vorräte für den Winter ein. Gefangene Springnager find üiber- aus angenehme und anmutige Gejellfchafter des Menjchen; ihre Gutmütigfeit, Sanftmut und Harmlojigfeit erwirbt ihnen jedermann zum Freunde. Alle Arten find durchaus un- Ihädlich. Die freie Wüfte bietet ihnen jo viel, daß fie nicht nötig haben, das Befiktum des Menjchen zu plündern. Sn der Familie der Springnager vereinigt man jegt drei Unterfamilien. Von diefen jind die afrifanisch-aftatiihen Springmäufe im weiteren Sinne (Jaculinae), die auch nach Südojteuropa hineingehen, ganz abjonderlich geitaltet und fehr befannt, die vorwiegend nordamerifanijchen Hüpfmäufe (Zapodinae), die zweite Unterfamilie, weniger extrem gebildet und weniger befannt, und die Streifen- oder Birfenmäufe (Sicistinae), die dritte, von ganz unjcheinbarem, mausartigem Ausjehen und faft unbefannt, obwohl gerade jie auch in Nordeuropa vorfonmen. Der Leibesbau der Springmäufe im weiteren Sinne (Jaculinae) legt im Zu- jammenhang mit ihrer Lebens- und Bewegungsweife der eingehenderen Betrachtung den Gedanfen an die Anpafjung ganz bejonders3 nahe, weil die verjchiedenen Gattungen der Unterfamilie durch Berjchiedendheiten im Skelett, insbejondere der Hinterbeine, fich als ver- Ihiedene Stufen der Anpafjung des Nagetierförpers an die fpringende Bewegung daritellen. Veit ausgebildet al3 Springer ift jchon die Gattung Alactaga. Bei diefer, den jo- genannten Pferdejpringern, find innere und äußere Zehe des Hinterfußes zu Afterzehen geworden, die den Boden bei der Ortsbewegung gar nicht mehr berühren und nur beim Brehm, Tierleben. 4. Aufl. XI. Band. 14 210 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Springnager. Graben, beim Hinterwärtsjchteben der mit den VBorderfüßen losgefragten Erde, allenfalls in Betracht fommen. Nur die Afterzehen haben noch ihre gejonderten Mittelfußfnochen; diejenigen der drei Hauptzehen jind vollitändig zu einem runden Nöhrenfnochen verwachien, der an feinem unteren Ende drei Gelenfföpfe trägt, — eine jonjt nur bei Bögeln porfommende Bildung. Die Hinterbeine find fast viermal jo lang al die Vorderbeine, jo daß dieje mur, wenn das Tier jich ganz auf die Ferjen niederläßt, etwa um zu weiden, leicht auf den Boden aufgejeßt werden. Syn allem übrigen, inSbejondere auch, was Schwanz und Hals anlangt, jtimmen die Pferdefpringer vollftändig mit den Springmäufen im engjten Sinne überein, und auch die Grenze, welche Durch den Fußbau zwijchen beiden Gattungen noch beiteht, yoird fchlieglich verwifcht Durch Den Vierzehigen Pferdefpringer, A. tetradactylus Leht. (Seirturus), der nur noc) eine, und zwar die äußere, Afterzehe bejitt, während von ver anderen, äußerlich wenigitens, gar nichts mehr zu fehen ift. Er leitet dadurch über zu der Gattung Jaculus (Dipus), den eigentlichen Spring- mäufen, den typifchen Springern, welche ung die Anpafjung des Nagetierförpers an ganz beitimmte, und zwar fehr jehtwierige Lebensverhältnifie bi3 zur denkbar Höchiten Vollendung durchgeführt zeigen. Die eigentinnliche Ausbildung der Bewegungswerfzeuge und ander- jeit3 die hohe Berbollfonmmung der Sinnesorgane ermöglichen es den Springmäufen, geradezu in der Wühte zu leben, an Orten, welche faum die Möglichteit zum Leben zu bieten jcheinen, und wo in der Tat auc) fonft nur einige wenige Vögel, auf weitem Wohn- gebiete zerjtreut, fich Fiimmerlich ernähren. Daß ein Feines Cäugetier, das jolchen harten Kampf ums Dafein glücklich beiteht, an Schnelligkeit der Bewegung und Schärfe der Sinne gewilfermaßen mit dem Vogel wetteifern muß, um die jpärlich verteilte Nahrung zu finden und eine genügende Menge davon jich zu eigen zu machen, um die Feinde, gegen die es iiber der Erde wenig oder gar feinen Schuß gibt, in der Ferne Schon wahrzunehmen und rechtzeitig zu fliehen, das dürfte wohl von vornherein einleuchten, und dann wird es wohl auch faum mehr verwunderlich erfcheinen, daß die Springmäufe in der Tat gerade in den bedeutungsvolfften Eigentümlichkeiten ihres Leibesbaues eine unleugbare Öhnlichfeit mit den Vögeln zeigen. Nicht nur, dat an den Hinterbeinen, die fait jechsmal fo lang ind als die Vorderbeine, von Afterzehen jchon gar nichts mehr zu jehen it: der einzig übriggebliebene Mittelfußfnochen foiwie fäntliche Nöhrenfnochen der hinteren Leibeshälfte enthalten beim ausgetwachfenen Tiere gar fein Marf mehr, find alfo fehr Yeicht und dabei jpröde und Hart wie ein Bogelfnochen, jo dat man den Mittelfuß einer Springmaus fehr wohl auf den erjten Blick für den entiprechennden Sinochen eines Vogels, etiva eines Fleinen Negenpfeifers, halten fann. Im übrigen tragen alle Sinochen des Hintergliedmaßen- jfelettes von dem breiten Beden an ausgeprägt die Eigentümlichfeiten an fich, wie fie jehr Itarfe Musfel- und Gehnenentwidelung mit fich bringt: jo insbejondere die Schenkel mit ihren Stark hervortretenden Kanten und tief einfpringenden Ainnen und das Ferjenbein, 003 einen langen Hebelfortjab für Die Sehnen der Springmusfeln entmwidelt, indes die Sußmurzel jonjt jehr zurüdgebildet ift. Während fo die obere Partie des Hinterbeines in hervorragender Weije für die aktive Leitung des Sprunges geeignet erjcheint, erweijen fich die Zehen mit ihrer Ausitattung für Die pafjiven Nebenleiftungen gleichfalls vorzüglich befähigt. Zunächit find die Zehen fehr furz, meift nur zweigliederig, und nur wenig, nur bon oben nach unten beweglich, die Krallen rechtwinklig nach oben ftehend eingelenft, jo daß jte beim Sprunge niemals hindern fünnen. Ferner ist das Nagelglied mit einer mehr- fachen, elaftischen Schwielenunterlage verjehen, die den Fall nach dem Sprunge bricht. Springmäufe. 311 Ebenjo wirkt auch die lange, bürjtenartig nach unten vorjtehende Behaarung der Zehen, die zugleich das Ausgleiten beim Sprunge im fofer Sande verhindert. Wie bei allen fpringenden Tieren, ft auch bei den Springmäufen ein fehr wejent- liches Hilfswerkzeug zur Bewegung der Schtwanz, der als Sprungfeder und dritte Stübße des Körpers dient. Er ift aber nur an der Wurzel jtarf musfulös, und nur da haben die Wirbel gegabelte Dornfortfäge und ftarfe Duerfortfäße; jchon vor der Mitte verfiimmern beide mit der abnehmenden Muskulatur. Entjprechend diejer abweichenden Bejchaffenheit wird der Schtvanz der Springmäufe auch ganz anders verwendet und getragen als bei den Känguruhs, mit denen der Vergleich wohl befonderz naheliegt: nämlich in einem flachen, nach oben gefrümmmten Bogen, der jich nicht oder faum über die Horizontallinie erhebt, die durch) die Schwanzmwurzel geht. Nur das Ende, etiva das u Viertel, liegt platt auf, und jeine jtraffe, zweizeilige Behaarung hat wohl diejelbe Wirkung wie die Bürjtenhaare der Zehen des Hinterfußes. Schließlich bleibt noch als jehr bedeutungspolles Kennzeichen der vollendeten Anpafjung der Springmäuje an ihre eigentünt- liche Bemwegungsweije der furze und wenig be- wegliche Hals zu erwähnen übrig: nur der erite und zweite Halswirbel gelenfen aufeinander, alle übrigen jind miteinander verwachien, jo daß fait ohne jede Anwendung von Musfelfraft der Kopf jeit vem Rumpfe aufjibt. Eine jolche bejondere Befeftigung it Die- jem SKopfe aber auch notwendig, und Damit fommen wir auf die zweite Reihe Förperlicher Cigentümlichfeiten der Springmaus, Die ihre voll- NEE“ endete Anpafjung an ihren Wohnort beweijen. Ba een Teenie): Ein Heites, wehrlojes Säugetier, das auf öder Sandfläche beftehen will, wo Nahrung wie Verftecke gleich pärlich verteilt find, muß not- wendigeriweije neben der Schnelligfeit der Bewegung eine außerordentliche Entwicelung der Einnesorgane bejigen. Eine jolche zeigt denn auch der Schädel der Springmaus durch das Größenverhältnis von Hirn- und Gefichtsteil in einer Weife, die wiederum lebhaft an die Vögel erinnert. Während die Schnauze mit den Kiefern nur als ein unbedeutender Anjas am Hirnjchädel erjcheint, ift diefer außerordentlich verbreitert, geradezu breiter als fang, und zwar durch die ungeheure blajige Nuftreibung der das innere Ohr umjchliegenden PTaufenfnochen und die ungewöhnliche Größe der Augen, mit der eine bejondere Aus- bildung der Zochbogen und -fortfäge zufammenhängt. Das äußere Ohr ijt dünnhäutig und fein behaart, wie bei den jcharfhörigen Fledermäufen, und wird fogar, bis zu einem gemijjen Grade wenigitens, wie bei diefen im Schlafe zufammengefaltet. Daß auch das Gefühl fein ausgebildet ijt, beweijen die folofjalen Schnurrhaare, deren mittlere tatjächlich länger jind al3 der Aumpf des Tieres felber. (Hed.) Der Pelz der Springmäufe ijt weich, feidenartig und auf dem Nüden am Grunde blaugrau, dann jandfarbig, an den Spiten aber jehwarz oder dunkelbraun, unten immer weiß. Die Schwanzjpibe ijt ebenfalls weiß behaart, mit einer dunfleren bis fhwarzen Stelle davor. Das Gebiß beiteht aus 16 oder 18 Zähnen, da im Oberfiefer enttveder 3 oder 4, 14* De 212 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Springnager. im Unterfiefer jtetS 3 Badzähne jtehen; die Nagezähne jind glatt oder gefurcht. Die Bad- zähne zeigen verjchtieden gewundene oder gebogene Schmelzfalten. Gewöhnlich finden jich 4 Zibenpaare, 2 Paare auf der Bruft, 1 Taar am Bauche und 1 Paar in den Weichen. AUbgejehen vom Bau der Hinterfüße unterjcheiden aud) Schädel und Gebiß die Pferde- jpringer (Alactaga F. Cuv.) von den Wüjtenjpringmäufen. Der Schädel tft hinten jchmäler und etwas gerundeter als bei den Berwandten; an der Vorderfläche der Nagezähne fehlt die Ninne; die Badzähne, 4 im Oberfiefer, 3 im Unterkiefer, find tiefer und vielfacher ge- faltet. Sm übrigen ähneln die Pferdejpringer ihren Berwandten volljtändig; teilweije bewohnen jte mit ihnen dasjelbe Vaterland. Durch die vorzüglichen Bejchreibungen von Pallas, Brandt und anderen ift uns namentlich der eigentliche Pferdejpringer, Alactaga saliens @m. (Scirtetes jaculus, Dipus; Taf. „Nagetiere VIII“, 6, bei ©. 200), befanntgeworden. Das Tier hat nicht ganz die Größe eines Eichhörnchens: fein Leib it 18 cm, der Schwanz 26 cm lang; die Ohren haben Kopflänge. Der Kopf trägt lebhafte, Hervorragende Augen mit reisrunden Sternen, große, lange und jchmale Ohren von mehr als Kopflänge und jehr lange, jchwarzgrau geipibte Schnurren, die fich zu beiden Ceiten der Oberlippe in acht YLängsreihen ordnen. Die Hinter- beine jind fat viermal jo lang wie die Borderbeine. Die Mittelzehe it am längiten; denn die beiden jeitlichen reichen nur bis zu ihrem erjten Gliede, und die noch übrigen fommen faum in Betracht: es jind hochgeitellte furze Afterzehen, die beim Gehen nie den Boden berühren. An den Hinterfüßen jind die Krallen kurz, ftumpf und fait Hufartig geitaltet, an den Vorderfüßen lang, gerümmt und jpibig. Der Pelz ijt auf der Oberjeite rötlichgelb, mit ihwach gräulichen Anfluge, auf der Seite und den Oberjchenfeln etwas heller, auf der Unterjeite und an den Beinen innen weiß. Ein länglicher, fait jtreifenähnlicher weißer Fled zieht jich von den Oberjchenfeln bis zum Schmanze, ein ähnlicher verläuft vorn über Die Hinterbeine. Der Schwanz tft rötlichgelb bis zur Quafte, dieje in der erjten Hälfte Omega in der Spite weiß, deutlich pfeilartig gezeichnet. Der Pferdejpringer findet jich zwar auch im jüdöftlichen Europa, namentlich in Den Steppen zwijchen Donau und Don, in den füdruffiichen Gouvernements Cherjon, Taurien, im nördlichen Kaufajien und in der Strim, Doch bleibt für ihn Ajien die wahre Heimat. Nach Norden Hin geht er nicht über den 52. Grad nördl. Br. hinaus; dagegen erjtredt jich fein Berbreitungsfreis bis in die öjtliche Mongolei. Bei den Aufjen heißt er Semljanvi-Saez oder Erdhaje, am Zatt Tujhfantjchid oder Häschen; die Mongolen und Burjäten gaben ihm den Namen, den Cupier zum attungsnamen erhob, Alafdaga oder Alagdagen; die Kalmüden nennen ihn Morin-Salma oder Pferdejpringer und die Tataren endlich TIna-‘elman oder Kamelhaje. Der Pferdejpringer bewohnt die offenen Ebenen, namentlich aber lehmigen Boden; den eigentlichen Rollfand meidet er, weil diejer nicht Hinlängliche Feitigfeit für feine Gänge und Höhlen bietet. Er lebt gejellig,: wie jeine Verwandten, Doc nicht in großen Scharen. Bei Tage ruht er verborgen in jeinem Bau; nach Einbruch der Dämmerung itreift er umher, fehrt jedoch, Taut Radde, auch des Nachts wiederholt zu feiner Höhle zurück. Seine Eäße jollen in voller Flucht fo fcehnell fördern, daß das beite Pferd nicht nachfommen fann. Daher fein deutjcher Name. Scheu und furchtjam, ergreift er bei der geringiten Gefahr die Flucht; jelbjt wenn er ruhig weidet, richtet er jich bejtändig auf, um zu fichern. Pferdejpringer. 213 Wenn er verfolgt wird, hüpft er nicht in gerader Richtung fort, fondern fpringt joviel wie möglich im Ziczad davon, bis er jeinen Verfolger ermüdet oder irgendeine ihm pafjende Höhle gefunden hat, in der er jich augenblicklich verbirgt. Dieje Höhlen rühren meiftens bon anderen feiner Art her und fönnen ziemlich Funjtvolle Baue genannt werden. Mehrere Zugangsröhren führen von außen jchief nach dem Hauptgange, der nicht jelten eine lange Strede, in einem bei Falz-Fein nachgeprüften Falle ettva 10 m wagerecht 20—25 em unter der Erdoberfläche verläuft; exit jpät jenkt er jich jteiler nieder zu dem geräumigen Steffel, welcher jeinerjeitS wieder mit einigen Nebenfammern in Berbindung jteht. Bom Kejjel aus führt in entgegengejeßter Richtung nach oben bis dicht unter die Oberfläche des Bodens ein anderer Gang, die Fluchtröhre; dieje wird bei Gefahr vollends durchbrochen und rettet das geängjtete Tier auch fait regelmäßig, da Feiner Der verfolgenden Feinde twijjen fanı, in welcher Richtung fie mündet. Die jauberen, glattwandigen Röhren find, nach Falz-Fein, entjprechend der Figur des Pferdejpringers Höher als breit und zeigen im Duerjchnitt eine im ganzen Berlauf gleichbleibende Ellipjenfornt; der Ktejjel hat die Form eines hochgeitellten Cies mit den Durchmejjern von 25 und 20 cm. Der Sommerbau ijt flacher als der Winter- bau und hat fürzere, jteilere Röhren. Eigentümlich ift die Gewohnheit des Pferdeipringers, alle Gänge des Baues zu veritopfen, jobald er diejen betreten hat; aber gerade hierdurch gibt er ein jicheres Merkzeichen jeines Borhandenjeins. Denn niemals findet man in einem Baue, dejjen Röhren unverjchlojjen jind, einen Bewohner. Vor der Mündung der Haupt- röhre liegt regelmäßig ein größerer oder Fleinerer Erdhaufe aufgejchichtet, wie wir dies ja auch bei den meilten Bauen anderer unterirdijch lebenden Tiere jehen. Gewöhnlich be- wohnen 2—3 Paare ein und denjelben Bau, und deshalb finden jich wohl auch die ver- Ichiedenen Nebenfammern im Kejjel. Der Waldaga frigt Planzen aller Urt und alle Pflanzenteile, mit Vorliebe jedoch Siwiebeln. An Gejträuchen nagt er die Rinde ab, von den jaftigen Steppenpflanzen aber frißt er nur die zartejten Triebe. Das Weibchen wirft im Sommer bis 8, gewöhnlich aber nur 5—6 Junge auf dem warmen, mit den eignen Haaren ausgefütterten Lager im Bau. Wie lange diefe Jungen bei der Mutter bleiben, wei; man nicht; e3 ift wahrjcheinlich, dat; jie bis gegen den Winter Hin diejelbe Wohnung mit ihr teilen. Beim Eintritt jtrenger Kälte fällt der Pferdejpringer in Schlaf. Sein feines Gefühl fündet ihm im voraus fommende Witterung an; denn man bemerkt, daß er auch vor Negenmwetter jich in jeinem Nejte einzu- hülfen und zu verbergen jucht. Gegen den Winter Hin jchließt er nach außen jeine Röhren jorgfältiger al3 gewöhnlich und rolft jich mit anderen jeiner Urt auf dem weich ausgepoliterten Kejjel in einen Knäuel zufammen, um die unmirtliche Jahreszeit zu verjchlafen. Obwohl er noch in falten Nächten ich zeigt und weit mehr Kälte als feine Verwandten vertragen fann, legt er jich Doch, laut ARadde, bereits in den erjten Tagen des September zur Winter- ruhe nieder und erjcheint vor der legten Hälfte des April nicht wieder außerhalb jeines Baues. Dies gilt aber wohl mehr für die jibirifche Steppe. Ir Taurien erjcheint der Pferde- jpringer, nad) Falz-Fein, bereit3 im März und ift im Spätherbit bei günftiger Witterung noch im November zu jehen. Hec hat ihn dort aus feinen Höhlen herausgeholt. „Es war in den taurijchen Steppen Südrußlands, auf den Gütern meines Freundes Friedrich Falz- Fein. In Darowfa, unmittelbar am Schwarzen Meere, wanderten wir zwar vergeblich mit der Wafjertonne auf dem Ochjfenwagen von Bau zu Bau, um die furiojen Berwohner auszugießen. Die Höhlen waren alle offen, d. H. verlafjen; denn die bewohnten find am Tage jtet3 von innen mit Erde jo gut verjchlojjen, daß der Baueingang nur jchwer zu 214 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Springnager. ertennen it. Man fonnte aber die Einrichtung jehr jchön ftudieren, namentlich die Flucht- vöhre, die das Tierchen von unten her bi3 beinahe zur Erooberfläche anlegt mit einem jener gejchidten, zwecmäßigen Snitinfte, wie fie viele Nagetiere auszeichnen. Von ober, auf der Erde, jieht man höchitens ein Feines, ganz unauffälliges Loch, und durch diejes bricht dann das Tier von unten mit der diinnen Erdfrufte durch, wenn e8 im Bau irgendivie gefährdet wird. Auf dem Hauptgute Ascania Nova jelbit erwifchten wir endlich den ‚Crd- hajen‘, wie die Nufjen den Pferdejpringer nicht unzutreffend nennen, in der Nähe der Windmühle, wo die Steppe viel befahren und bemweidet wird, und der Grasmuchs daher weniger dicht und gleichmäßig fteht." Golche Stellen, ausgetrampelte Viehmweivden umd die Nähe der Wege, werden bevorzugt; denn dort kann jich der Pferdefpringer bejjer be- wegen. Nach Falz-Fein gräbt er da Hauptfächlich nach den Zwiebeln des Gelbiternes, eines einen Frühlingsblümchens (Gagea lutea). Der Aaldaga wird ziemlich lebhaft verfolgt, da die Steppenbemwohner jein Fleijch be- jonders lieben. Am eifrigften fcheinen ihm die mongeliichen Knaben nachzuftellen. Sie unterjcheiden die verlafjenen und bewohnten Höhlen jehr genau und verjtehen es vortreff- Yich, das behende Tier zu fangen. Zu diefem Ende umzäunen fie den ganzen Bau auf das engite und gießen Wafjer in die Fallröhren oder brechen mit einem Pfahle die Gänge auf. Schon beim Beginn der Verfolgung verläßt der Mlakdaga feinen Bau und jucht jich durch den verdecdten Gang ins Freie zu retten. Unterläßt man e3 aljo, den ganzen Bau mit einem Baume zu umgeben, fo ijt er gerettet. Ya jelbit dann, wenn man ihn fchon in der Hand zu haben meint, entrinnt er manchmal noch. Nur Höchit jelten Halten die Nomaden jener Steppen einen Mlafdaga in Gefangenjchaft, obgleich er dieje recht gut erträgt. Man hat ihn jchon öfters lebend in Europa gehabt, und jonderbarerweije verdanfen mir die bejte Schilderung feines Gefangenlebens nicht einem Naturkundigen, jondern dem AUltertumsforjcher Haym. Um eine Golpmünze aus CHhrene, Die auf der einen Seite einen Reiter, auf der Nücjeite aber das berühmte Straut Silphium und darunter einen Pferdefpringer zeigte, zu erklären, verichaffte fich Haym unfer Tierchen, hielt es über ein Jahr lang gefangen, beobachtete e3 jorgfältig und teilte feine Beobachtungen mit. „Bald jest er alle vier Füße auf den Boden, bald fteht er nur auf den Hinteren, immer aber geht er bloß auf den leßteren. Er richtet fich hoch auf, wenn er erjchrect wird, und läuft jehr jchnell, falt geradeaus und hüpfend wie die Fleinen Vögel. Sch habe verjucht, ihm verjchiedene Speijen zu geben; die eriten Drei vder vier Monate fraß er aber nichts als Mandeln, Biltazien und gejchrotenes Korn, ohne jemals zu trinfen. Man Hatte mir näms lich gejagt, daß er dies nicht tue, und deshalb gab ich ihın auch Fein Wafjer. Nichtsdejto- weniger ließ er viel Harn. Später fand ich, dat er auch Apfel, Möhren und noch lieber Kräuter fraß, jedoch bloß jolche, Die wenig Geruch haben, wie Spinat, Salat, Nejjeln ufw., memal3 Nauten, Sraujfeninzen, Thymian und dergleichen; ja, er trank auch gern Wajjer, obgleich nicht immer. Brot, Zucer und ähnliche Dinge fraß er gern, Käfe und alle anderen Milchipeijen verichmähte er Hartnädig. Einmal stellte ich ihn auf den rohen Sand, und davon verjchlucte er jo viel, daß ich ihn wirklich Schiverer fand, als ich ihn in die Hände nahn. Schlieglich z0g er allem übrigen Futter Hanfjamen vor. Er verbreitete gar feinen übeln Seruch wie ähnliche Tiere, als Mäufe, Eichhörnchen und Kaninchen. Dabei war er jo janft, daß man ihn mit aller Sicherheit in Die Hände nehmen fonnte; Denn er bi niemals. Furcht jam wie ein Haje, jcheute er fich jelbjt vor Feineren, unjchuldigen Tieren. Sn der falten ysahreszeit fitt er viel; deshalb mußte ich ihn im Winter immer in der Nähe des Feuers halten.” - a Pferdejpringer. 215 Sr die zoologifchen Bärten gelangt der Pferdejpringer manchmal; in Berlin ift er, dank Falz-Fein, meift vertreten. ES wird aber nicht viel Nachfrage nach ihm fein, weil er fein Schauftüc abgibt, vielmehr immer erjt aus jeinem Schlafwinfel aufgejtört werden muf. Dann fißt er Höchjt unglücklich da, das weiche, graugelbliche Fellchen wire und zerdrückt, die großen Ohren jchlaff und faltig hHerabhängend, die schönen, Dunklen Augen verjchlafen, nur halb geöffnet unter jchweren Lidern: ein halb fomijcher, Halb Mitleid erregender An- blick! Auch die unficheren, planlojen Bewegungen zeigen nur zu deutlich, daß diefer nächt- liche Springinsfeld fich im hellen Tageslicht nicht3 weniger als wohl und heimijch fühlt. Er fucht auch, je eher, je lieber, jeine dunkle Schlafede wieder auf und wühlt jich zu- jannnengefrümmt zum Weiterjchlafen ins Heu ein. Bom Publikum wird er daher allermeijt überjehen, jelbjt wenn er jichtbar ift. Und doch Hat diejes Tierchen auch für unjer Vaterland jeine Bedeutung, wenigitens für die erdgejchichtliche Vergangenheit der norddeutichen Tiefebene. Denn die Wijjenjchaft it ohne Zweifel berechtigt, wejentlich auf das Vorhandenjein jolcher Charaftertiere in der Vorzeit eine Anficht über die landjchaftliche und Elimatiiche Bejchaffenheit einer Gegend während der betreffenden Periode der Erdgefchichte aufzubauen. Wenn Nehring im den diluvialen Lehmjchichten von Thiede bei Wolfenbüttel und Weiteregeln in der Magdeburger Böwe neben anderen Nagetieren der Ebene majjenhaft fojjile Kejte von Springmäufen nachgemwiejen hat, und zivar, wie fich Durch Vergleich mit rezenten Sfeletten auf das un- zweifelhaftejte ergibt, von einer Zorn der Pferdejpringer, die mit dem jeßt lebenden Alac- taga saliens der jüdofteuropäifchen und vorderafiatiichen Steppe vollitändig wentijch it, jo fann man nur mit ihm in den Schluß einstinmen, daß in der jogenannten Boltglazial- zeit unfere norddeutfche Tiefebene bis zu den mitteldeutjchen Gebirgen den landjchaftlichen Charakter der Steppe und ein fontinentales Klima, d. H. heifere Sommer und Fältere Winter als jet, gehabt hat. Dies hat aber wiederum zur Borausjegung, dab der ganze europäifche Kontinent noch nicht die ausgebildete Küftenentwidelung bejaß, die jeßt Das Klima unferer norddeutichen Tiefebene feucht und verhältnismäßig milde macht. Europa mufß- damals, insbejondere in feiner weitlichen Hälfte, durch die fete Landverbindung mit Nordafrika einen viel fompafteren Kontinent gebildet Haben. Später, am Anfang der Exrd- ° _ periode, in der joir jet noch ftehen, trat dann durch weitere Hebungen und Senfungen der Erdoberfläche eine veränderte Verteilung von Waffer und Land ein und fand jpeziell ein tiefes Eindringen des Meeres in den großen mwejteuropäifch-nordafrifanischen Kontinent itatt. Die Folge davon war eine Anderung des Klimas und damit der Vegetation, vor allem in Weit und Mitteleuropa: die Steppe verwandelte ich in Wald und Sumpf, unjer Baterland nahm den landichaftlichen Charakter an, den uns Cäfar und Tacitus jchildern. Unter diefen Umftänden fonnte die diluviale Fauna Keiner Steppennagetiere nicht mehr eriitieren; fie wich vor dem vordringenden Sumpfwalde zurüc in die ofteuropäifchen und afiatiichen Steppen, wo wir fie heute noch finden. Dort, wo die Lebensbedingungen die- jelben geblieben find, find auch die Tiere Heute noch diejelben. (Hed.) Auch mit den anderen, bi3 in die Mongolei und Nordweitchina verbreiteten ‘ferde- Ipringevarten hat Nehring ich jehr verdienftvolf bejchäftigt und hier manches Hargeitellt. Er gibt dabei den exakten tiergeographifchen Anjchauungen Raum, mie jte jegt immer mehr maßgebend werden, und bezweifelt, daß A. saliens in dem ganzen Gebiete der Kirgijen- jteppen verbreitet jei, möchte vielmehr mit Sicherheit vermuten, daß der neuerdings unter- ichiedene A. suschkini Sat. der Vertreter de3 gewöhnlichen A. saliens in der mittleren und a 216 8. Ordnung: Nagetiere. Yamilie: Springnager. öftlichen Kirgijenjteppe ijt, der gar nicht jo weit nach Ajten Hineingeht. — Zwei Spiritus- eremplare der interejjanten mittelgroßen Sandjpringerart, welche D. Thomas 1897 als A. williamsi Thos. bejchrieben hat und die der Gejellichaft Naturforjchender Freunde (Sib.- Ber., 1901) vorgelegt wurden, geben wieder Anlaf zu interejjantem Ausblie nach anderer Nichtung. „Das Eremplar vom Talyichgebirge (rufitsch-perjische Grenze) ift 7000 Fuß ü.M., dasjenige vom Grogen Ararat I000 Fuß ü.M. erbeutet worden, während Satunin ein anderes Eremplar diejer Art im Kreije Kuban, unweit der Süfte Des Kafpiichen Meeres, im Meeres- niveau gefangen hat. Dieje Fundverhältnijje liefern von neuem Den Beweis, Ddaf die Springmäufe jomwie viele andere charakteriftiiche Steppentiere in ihrer Verbreitung Feines- wegs an die Tiefebene gebunden find, jondern daß fie häufig auch in Gebirgen (auf Hoch- ebenen) vorkommen, fofern nur die Steppendegetation entjprechend weit in Die Gebirge hinaufreicht. Das ijt eine Tatjache, welche für die richtige Beurteilung mancher in Mittel- europa gefundenen Fofjilrefte von Steppentieren (z. B. der bei Nübeland im Harz aus- gegrabenen Nejte von A. saliens) ihre Bedeutung hat." Nach Nehring ift A. williamsi diejenige Art, welche auch in Berjien vorkommt, und ebenfo hat er je für Nordwejt-Slein- ajien feititellen fünnen, von wo überhaupt bisher feine Springmausfpezies mit Sicherheit bejchrieben war. Ferner verhalf Nehring dem Fleinen Alactagulus acontion Pall. (früher Alactaga a.) der unteren Wolga aus der Gegend von Sarepta zur verdienten Anerkennung als bejondere Gattung auf Grund verhältnismäßig weitgehender Schädel- und Gebif- unterjchtede. Ebenjo verdanken wir Nehring erjt eine richtige VBorjtellung von dem Platt- Ihmwanzjpringer, dem Dipus platyurus Lichtenjteins, den fchon Gloger 1841 als Pygeret- mus und Brandt 1844 al3 Platycercomys zu einer bejonderen Gattung erhoben hatten, obwohl er gar feinen platten, jondern einen „Eolbig runden” Schwanz hat. Die Gattung der Wüftenjpringmäuje (Jaculus Zrxl. [Dipus]) fennzeichnet fich dadurd), daß die oberen Schneidezähne eine mittlere Längsfurche zeigen, daß vor die drei regelmäßig vorhandenen Badzähne des Oberfiefers nur zumeilen und ausnahmsweije noch ein Feiner einmwurzeliger tritt, und daß die Hinterfüße nur drei Zehen haben. Die erjte und die fünfte, die bei den Pferdeipringern als heraufgerücte Afterzehen jchon außer Tätigfeit gejegt waren, find hier jamt ihren Mittelfugfnochen ganz gejhwunden. Wenn die Arten richtig unterjchteden und geographiich abgegrenzt find, jo muß man annehmen, daß die Wüjtenjpringmäufe vielfach mit den Pferdeipringern zufammen vorkommen, von diejen aber in ihrer geographiichen Verbreitung fich Dadurch unterjcheiven, daß jie auch ganz Nord- afrifa, die Altasländer und das Nilgebiet beivohnen; füdlicher und weitlicher gehen fie in Afrika nicht, gehören aljo auch nicht zur Tierwelt unjerer Kolonien. Al Vertreter der Gattung erwähle ich die Wüjtenjpringmaus, Djerboa der Ara- ber, Jaculus jaculus Z. (Dipus aegyptius; j. auc) Taf. „Nagetiere VIII”, 4, bei ©. 200), ein allerliebjtes Tierchen von 17 cm Leibes- und (ohne die Duajte) 21 em Schwanzlänge, ober- jeit3 graulich jandfarben, unterjeit3 weiß gefärbt, mit einem breiten weißen Schenfelitreifen, der von rückwärts über die Schenfel jich zieht, und oben blaßgelbem, unten mweißlichem Schwanze, dejjen Duafte weiß und pfeilartig jchwarz gezeichnet ift. Über die Bedeutung diejer weißjchtvarzen Schwanzzeichnung und eine gewilje Möglichkeit, beide Gejchlechter jchon nach der ganzen Äußeren Erjcheinung zu unterfcheiden, entnehmen wir jehr interejjante Einzelheiten den feinen Gefangenjchaftsbeobachtungen von Schmidtlein- Leipzig („Zool. Wüftenipringmaus. “ s ‘ ’ er i Ri 1% 4 iv Ar K ı fr ANNE Al Rx ‚ 4 u a u eo x Pr J . _. 5 m. Mr’ Del i i A { 5 % ‘ | he a MR, IA ER i j fr [D i j 27 ) ed eu R D Wüftenipringmaus. 217 Garten”, 189). Er jagt: „Den jefundären Gejchlechtscharafteren nach unterjcheidet fich das Männchen durch jchlanferen Körper und mehr grauen, dunfel melierten Pelz der Dberjeite von dem in der Lendengegend breiteren und mehr jandfarben mit einem Stich ins Rötliche gefärbten Weibchen.” Ferner: „Wenn ich in tiefer Dämmerung das Treiben der Tierchen belaufchte und die lautlos und jchattenhaft über den Boden hinfchtiwebenden Gejellen faum mehr unterjcheiden fonnte, da waren e3 die weißjchimmernden Schtwanz- quaiten, die, Durch Die jcharfe, jchivarze Benrensung in ihrer Wirkung noch gehoben, mir den Weg d 8 Tiere verrieten. &3 ift mir wahrscheinlich, daß den gejellig lebenden Tieren bei ihrem nächtlichen Treiben mancherlei Vorteile aus diejen Fiederquaften erwachjen fönnten, jomohl im Sinne eines Fluchtfignals als zum gegenfeitigen Auffinden. Daf; das Weibchen jeine Jungen bei den erjten gemeinjchaftlichen Ausflügen mit Hilfe feiner Schwanz- quafte lockt und führt, Habe ich bejtimmt gejehen.“ Die Wüftenjpringmäufe, und wahrscheinlich gerade die ägyptifchen, waren fchon den Alten wohlbefannt. Wir finden fie Häufig bei griechifchen und römischen Schriftitellern er- mwähnt, immer unter dem Namen der zweibeinigen Mäufe, welche Benennung ja einen wiljenjchaftlichen Namen (Dipus) der Gattung abgegeben hat. Auch in der Bibel werden die Tiere genannt: Sejaias droht denen, die jie genießen, Strafe an. Dagegen betrachten die Araber jie nicht nur als reine Tiere, fondern erzählen auch viele hübjche Dinge von ihrer Lebensmweije. Doch jcheinen fie nicht zu wiljen, Daß bei den Springmäufen, wenn man fie am Schwanze fejthält, während fie zugleich einen gewijjen Gegenzug ausüben fünnen, die Schwanzhaut an einer ganz bejtimmten Stelle, etiva3 weiter als ein Drittel der Gejamtlänge bon der Schwanzmwurzel entfernt, abreißt und fich abjtreift. Dies hat Henneberg-Giegen 1909 nachgemwiejen in einer Arbeit, die diejelde „Schwanzautotomie” bei unferer Waldmaus zum Hauptgegenjtand hat („Mediz.-Naturw. Archiv“, Heft 2,7. Juli 1909). Daß eine beitimmte Gegend für die Zerreigung präformiert ift, zeigt die in den Präparaten an diejer Stelle jehr häufig zu beobachtende Spaltbildung in den Gewebejchichten der Schwanzhaut. Die Wüftenfpringmaus verbreitet fich über den größten Teil Nordoitafrifas, nach Trouejjart auch über Arabien und Baläftina. Aber nur offene, trocdene Ebenen, Steppen und Sandmwüjten find ihre Wohnpläße: fie bevölfert die dürrjten und ödejten Landichaften und bewohnt Orte, die faum die Möglichkeit zum Leben zu bieten fcheinen. Auf jenen mit harten Gräjern bededten traurigen Flächen findet man fie zuweilen in größeren Gejell- haften. Sie teilt dDiefe Orte mit dem Wüftennhuhn, der Heinen Wüftenlerche und dem Wüften- läufer, und man begreift faum, daß auch jie dort Nahrung findet, wo jene, die neben dem Gejäme doch auch viele Kerbtiere frejjen, jich nur dürftig ernähren. In dem harten Slies- boden gräbt jie jich vielverzweigte, tiefe Gänge, in die jie ich bei der geringjten Gefahr zurücdzieht. Nach ven Verjicherungen der Araber arbeitet der ganze Trupp an diejen unter- wodiichen Wohnungen. Die Tiere graben mit den jcharfen Nägeln ihrer Vorderfühe und benugen wohl auc) die Nagezähne, wenn es gilt, den harten Kiesboden zu durchbrechen. Troß ihrer Häufigkeit gewahrt man die jchmuden Tierchen ziemlich jelten. Man fann nicht gerade jagen, daß jie jehr fcheu wären; aber jie find unruhig und furchtfam und eilen bei dem geringiten Geräufch und beim Sichtbartwerden eines fremden Gegenjtandes jchleunigjt nach ihren Vöchern. Auch fallen fie nur in geringer Entfernung ins Yuge, weil ihre Zärbung der des Sandes vollitändig gleicht und man ziemlich nahe heranfommen muß, ehe man jie bemerkt, während ihre fcharfen Sinne jie die Ankunft des Menjchen jchon auf große Entfernungen Hin wahrnehmen lafjen. Wohl darf man jagen, daß e3 jchmwerlich 218 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Springnager. anmutigere Gejchöpfe geben kann als dieje Springmäufe. So abjonderlich und fcheinbar mißgeitaltet jie ausjehen, wenn man fie tot in der Hand hat oder regungslos jiben jieht. jo zierlich nehmen fie ji aus, wenn jie in Bewegung fommen. Erjt dann zeigen fie jich als echte Kinder der Wüjte, lajjen fie ihre beivundernswerten Fähigfeiten erfennen. Shre Bewegungen erfolgen mit einer Schnelligfeit, Die geradezu ans Unglaubliche grenzt. Bei ruihigem Gange jegen fie ein Hinterbein vor das andere und laufen jehr rajch dahin. Bei groger Eile jagen fie in weiten Sprüngen davon, die jte jo jchnell fördern, daß ihre Bewegung dann dem Fluge eines Bogels gleicht; denn ein Sprung folgt fo rafjch auf den anderen, daß man faum den neuen Anja wahrnimmt. Dabei tragen die Springmäufe ihren Leib weniger nach born übergebeugt als fonjt, die Hände mit den Stralfen gegeneinander gelegt und nac) born gejtrecdt, den Schwanz aber zur Erhaltung des Gleichgewichts fchräg nach Hinten und unten gerichtet. Wenn man das Tier aus einiger Entfernung laufen jieht, glaubt man einen pfeilartig durch Die Luft jchiegenden Gegenstand zu gewahren. Kein Menfch ijt imftande, einer im vollen Laufe begriffenen Springmaus nachzufommen, und der jicherjte Schüge muß jich zufammennehmen, will er jie im Laufe erlegen. Sogar in einem eingejchlofjenen Naume beivegt fich das zierliche Tierchen noch jo jchnell, daß ein Jagohund e3 faum einholen fann. Bruce erzählt, daß fein WindHund fich eine Vierteljtunde abhegen mußte, ehe er Herr über jein gewandtes und jchnelles Dpfer wurde. Fühlt jich die Springmaus ungejtört und jicher, jo jißt fie aufrecht auf dem Hinterteile, oft auf den Schwanz gejtüßt, die Vorderpfoten an die Bruft gelegt. Auf der Weide gräbt fie viel nach Knollen und Wurzeln, die ihre Hauptnahrung zu bilden fcheinen; außerdem ver- zehrt jie mancherlei Blätter, Früchte und Samen. Obgleich die Wüjtenmaus ein echtes Nachttier ift und ihre Wanderungen erjt nach Sonnenuntergang beginnt, jieht man fie doch auch zumweilen im helliten Sonnenjchein, jelbit während der größten Hiße vor ihrem Baue jiben oder jpielen. Sie zeigt Dann eine wahrhaft bewunderungswürdige Sleichgültigfeit gegen die Mittagsglut der afrikanischen Sonne; denn man muß wiljen, daß faum ein einziges anderes Tier um dieje Zeit in der Wülte fich beivegt, weil die brennende Hite jelbit dert eingeborenen Kindern jener erhabenen Lanpdjchaft geradezu unerträglich wird. Gegen Kälte und Näjje da- gegen tjt fie im höchjten Grade empfindlich, bleibt Daher bei jchlechtem Wetter jtet3 in ihrem Bau verborgen und verfällt wohl auch zeitweilig in eine Erjtarrung, die an den Winterjchlaf der nördlichen Tiere erinnert. Zatajte führt aus feiner Erfahrung ein zufälliges Betjpiel dafür an; experimentell fonnte er jedoch eine Winterjtarre feiner Springmäuje nicht erzeugen. Die Erzählungen über die Fortpflanzung in der Freiheit jtellt Zatajte in feinem großen Nagerwerf(,‚Recherches zooethiques etc.‘“, 1887) dahin richtig, daß die hochträchtige Spring- maus, wie die Kaninchenzibbe, jich eine bejondere furze Nöhre mit einem feichten Stejjel gräbt, in dem fie ihre 2—4 Jungen wirft. Zur Yusfütterung des Neftes veriwendet je trodene Halme, mit Vorliebe aber Kamelmolle oder andere Fipen und Lappen; ihre eigene Xeibes- tolle würde dazu nicht entfernt ausreichen. Weidholz brachte in Tugurt (Inneralgerien) am 28. Sanuar 1910 ein Araber „ein Springmausneit: Mutter und 3 nadte Junge. Das Keit beitand aus Kamelhaaren, die die Springmäufe jorgjam auflefen“. (Brief an Hed.) Al Ergänzung der jchrwachen Stimme der Springmaus betrachtet Zatafte ein rajches Aufichlagen der Hinterfühe auf den Boden, wobei der Schwanz als Stüße benußt wird. Er nennt e3 den Wirbel oder, in Nachahmung des Geräufches, das „Tatera” und vergleicht es, jedenfalls durchaus zutreffend, mit dem befannten Klopfen des Kaninchen int Bau. Auch Die Springmäuse Schlagen den Wirbel im Falle gejchlechtlicher oder jonjtiger Erregung. . u Wüftenfpringmaus. 219 Die Araber jtellen dem Tierchen, weil jie da3 Fleijch genießen und ziemlich hochichäßen, eifrig nach und fangen e3 ohne jonderliche Mühe lebendig oder erjchlagen e3 beim Heraus- fommen aus den Bauen. Yhre Jagdweije tjt jehr einfach. Sie begeben fich mit einem langen und jtarfen Stode nach einer Anfievelung der Springmäufe, verjtopfen den größten Teil der Röhren und graben nun einen Gang nach dem anderen auf, indem fie ihren ftarfen Stod in den Gang jteden und dejjen Deden aufbrechen. Die geängitigten Wüftenmäufe drängen fich nach dem innerjten Stejjel zurüct oder fahren durch eine Fluchtröhre nach außen und dann in ein vorgejtelltes Net oder jelbit einfach in den Armel des Obergewandes, das der Araber vorgelegt Hat. So fünnen zumeilen 10—20 Stüd auf einmal gefangen werden; wenigjtens macht e3 gar feine Mühe, eine jolche Anzahl lebend zu erhalten: jagdfundige Araber bringen auf Verlangen jo viele Springmäufe, wie man haben will. Außer dem Menjchen find Fenek und Sarafal, vielleicht auch eine oder die andere Eule die fchlimm- jten Räuber, die ihnen auflauern; gefährlicher dürfte ihnen die ägyptiiche Brillenfchlange werden. Dieje lebt an ähnlichen Orten mie die Springmäufe, dringt mit Zeichtigfeit in deren Gänge ein und tötet viele. Die naturkundigen Europäer, die in Ugypten und Algerien wohnen, halten die Spring- maus oft in der Gefangenjchaft. Sch Fan aus eigener Erfahrung verfichern, daß das Tier im Käfig oder im Zimmer viele Freude macht. Während meines Aufenthaltes in Afrifa brachte man mir oft 10—12 Springmäufe zugleich. ch räumte folchen Gefellfchaften dann eine große Kammer ein, um ihre Bewegungen beobachten zu können. Yom erjten Augen- blide an zeigten jich die Gefangenen harmlos und zutraulich. Ohne Umftände ließen fie Jich berühren, machten auch nicht Miene, dem Menfchen auszumeichen. Beim Umhergehen in ihrem Zimmer mußte man ich in acht nehmen, fie nicht zu treten; fo ruhig blieben fie jigen, wenn man auf jie zufam. Unter fich find die Springmäufe auch in der Gefangenjchaft höchjt friedlich und gejellig. Sie fchmiegen fich Dicht aneinander und verjchlingen fich zu- mweilen jürmlich ineinander, namentlich wenn e3 am Morgen fühl ift; denn jchon die geringite Abnahme der Wärme empfinden fie. Trocene Körner, Neis, Möhren, ARüben, andere Wurzeln und manche Früchte deinen ihnen bejonderz zu behagen; auch Kohl und Kraut, jelbjt Blumen-, z.B. NRojenblätter, frejjen fie gern. Allein man fann fie nicht augjchlie- (ich mit jaftigen Pflanzen erhalten. Sie find an dürftige und dürre Koft gewöhnt. Ohne trodene Nahrung werden jte traurig, verfümmern jichtlich und fterben endlich dahin. Gibt man ihnen Weizen, Reis, etwas Milch und dann und warın eine Weinbeere, ein Stüdchen Apfel, eine Möhre oder jonft eine andere Frucht, jo befinden fie fich wohl und halten jich jehr lange. Nach Europa fommen jie neuerdings nicht felten. Jede Springmaus jchläft auch in der Gefangenschaft den ganzen Tag, vom frühen Morgen bis zum jpäten Abend, fommt, wenn man fie nicht ftört, auch nicht einen Augen- blid aus ihrem Nefte hervor, jondern fchläft gute 12 Stunden in einem Zuge fort. Aber auch während der Nacht ruht fie noch mehrere Male halbe Stündchen aus. Wenn man fie bei Tage aus dem Nejte nimmt, zeigt fie fich jehr jchläftig, fällt in der Hand Hin und her und Tann ic) längere Zeit nicht ermuntern. Shre Stellung beim Schlafen ift eigentümlic). Gewöhnlich fit jte im Nejte auf den ziemlich eng zufammengeftellten Ferjen jo, daß die weiter auseinanderitehenden Fußjpigen in der Luft jchweben. Den Kopf biegt fie ganz ‚herab, jo daß die Stirn unten auf dem Boden ruht und die Schnauze an den Unterleib an- gedrüct wird. Der Schwanz liegt in großem Bogen über die Zußjpigen weg. So gleicht das Tier einem Ball, über dejjen Oberfläche bloß die übermäßig langen Beine herborragen. 220 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Springnager. Manchmal legt fich die Springmaus aber auch auf die Seite oder jelbjt auf den Rüden und jtrect dann die Beine jonderbar nach oben; immer aber bleibt jte in diejer zufammen- gerollten Stellung. Die Ohren werden beim Schlafen dicht an den Kopf gedrüdt und an ihrer Spite teilmweije eingerollt, jo daß fie faltig, gleichjam wie zerfnittert ausjehen. Be- wegungslos liegt das Tier in dem warmen Neftchen, bis der Abend vollitändig herein- gebrochen tit. Nunmehr macht jich ein leijes Rajcheln und Rühren im Nejte bemerflich. Die Langjchläferin pust jich, glättet die Ohren, läßt einen leijen, wie Schwacher Hujten Fingenden Ton vernehmen, jpringt plößlich mit einem einzigen Sabe durch die Nejtöffnung hervor und beginnt nun ihr eigentümliches Nachtleben. Das erite Gejchäft, das jie jet bejorgt, it das Buben. Sn der Reinlichkeit wird die Springmaus von feinem anderen Nager übertroffen. Fajt alle ihre freie Zeit verwendet jie auf das Ordnen des jeidenmweichen Felles. Härchen für Härchen wird durchgefämmt und Durchgeleckt, jeder Teil des Ktörpers, jelbit der Schwanz, gehörig bejorgt. Einen mwejent- lichen Dienjt leijtet ihr Dabei feiner Sand, der ihr überhaupt ganz unentbehrlich it; jie wälzt jich mit förmlicher Wolluft darin herum, Fraßt und wühlt in ihm und fann jich gar nicht von ihm trennen. Beim Buben nimmt jie die verjchtedenjten Stellungen an. Ge- wöhnlich jigt fie nur auf den Zehenjpiten und gewijjermaßen auf dem Schwanze. Cie hebt die Ferjen ziemlich hoch empor, bildet mit dem Schwanze einen großen Bogen und jtemmt ihn, mit dem le&ten Viertel etwa, auf den Boden auf, trägt den Leib vorn nur ein wenig erhöht und legt die Hände mit den Handflächen gegeneinander, Daß die Finger- jpigen oder bejjer die Krallen fich berühren. Dabei hält fie diefe furzen, ftummelartigen Glieder gerade nach vorn gejtredt, jo daß jie auf den eriten Bid hin al3 Zubehör zu ihrem Maule erjcheinen. Wenn jie jich aber pußt, weiß fie die zierlichen Gliedmaßen dortreff- lich zu gebrauchen. Che jie an das Glätten des Felles geht, jcharrt und wühlt jie jich eine pajjende Vertiefung im Sande aus. Zu Diejem Ende biegt jie jich vorn hernieder, jchiebt nun mit vorgejtredten, auseinandergehaltenen Händen und der rüjjelartigen Schnauze den Sand, oft große Mengen auf einmal, nach vorn, und jcharrt ihn da, wo er jich nicht jchteben läßt, durch rafche Bewegungen der Hände 108. So geht es fort, bis fie jich endlich ihr Lager zurechtgemacht hat. Jet legt jie zuerjt den Kopf in die entitandene Vertiefung und jchiebt ihn, jich vorwärts jtredfend, auf dem Sande dahin, den oberen Teil jowohl als den unteren, die rechte wie Die linfe Seite, jedenfalls in der Abjicht, das Fell zu glätten. Nachdem dies bejorgt ijt, wirft jie fich plöglich der ganzen Länge nach in Die Mulde und jtredt und dehnt jich äußert behaglich, die langen Springbeine bald gerade nach Hinten, bald jenkrecht vom Leibe ab oder endlich gerade nach vorn und zulebt jo ausitrecfend, Daß die Läufe Hart an die Schnauze zu liegen fommen. Wenn fie fich in diefer Yage ordentlich ein- gemwühlt hat, bleibt jie oft mehrere Minuten lang ruhig und zufrieden liegen, jchließt die Augen halb, legt die Ohren an und ftreicht jich nur dann und warın einmal, al wolle jie jich dehnen, mit einem der feinen Pfötchen über das Geficht. Nach diefer Stredung und Dehnung beginnt das eigentliche Puten. Viele Mühe, Arbeit und Zeit foftet ihr das Neinigen des Mundes und der Wangen, namentlich des Teiles, two die langen Schnurrhaare figen, und erjt nachdem fie hiermit zuftande gefommen, jest fie jich vollends auf und nimmt nun auch das übrige Fell ihres Leibes vor. Sie padt ein Stüdchen Fell mit beiden Händen, Fümmt es mit den Zähnen des Unterfiefers durch und lect eS dann mit der Zunge gehörig glatt. Necht hrett jieht e3 aus, wenn fie den Unterleib pußt; denn fie muß dann die Fußwurzeln jehr breit voneinander biegen und den BWüftenjpringmans. 22] Leib fugelrund zufammentolfen. Die jonderbarjte Stellung aber nimmt fie an, wenn jie jich in der Beugung zwifchen Mittelfußfnochen und Unterjchenfel leden oder überhaupt da3 lange Unterbein pußen will. Sie läßt dann das eine Bein wie gewöhnlich beim Siben auf den Fußtwurzeln jtehen und fchiebt das andere um die ganze Länge des Mittelfuf- frochens vor. Der Schwanz wird immer gebraucht, um der Stellung Sicherheit zu geben. Das Kraben beforgt fie mit den Hinterfüßen und bewegt dabei die langen Beine fo außer- ordentlich jchnell, daß man bloß einen Schatten des Fußes wahrnimmt. Weil fie fich aber Dabei jehr auf die Geite biegen muß, jtemmt fie jich, um das Gleichgewicht zu erhalten, auch born mit einer ihrer Hände auf. Am VBorderfopfe Fragt fie fich auch mit den Händen, beiwegt dieje aber weit langjamer als die Hinterbeine. Der ruhige Gang des Tieres ijt ein jchneller Schritt. Die Hinterbeine werden beim Gehen am erjengelenf gerade ausgejtreckt und jo gejtellt, daß fie unter das dritte Fünftel oder unter die Hälfte des vorn etwas erhobenen Leibes, der durch den Schwanz im Gleich- gewicht gehalten wird, zu jtehen fommen. Nun jet die Springmaus in rafcher Folge ein Bein um das andere vor. Die Vorderbeinchen werden, in der gewöhnlichen Weife zufammen- gelegt, unter dem Sinn getragen. Da jich die gefangene Springmaus an den Menjchen gewöhnt, macht jie nur Höchit jelten einen größeren Sprung, hHauptjächlich dann, wenn e3 gilt, ein Hindernis zu überwinden, 3. B. über ein großes, ihr vorgehaltenes Buch zu Springen. Dabei jehwingt fie jich ohne den geringften Anjag durch blofes Auffchnelfen ihrer Hinter- beine jußhoch und noch mehr empor. AIL3 ich eine bei ihren Nachttwandlungen durch eine plößliche Bewegung erjchredte, fprang fie jenfrecht über 1 m in die Höhe. Wenn man fie auf den Tiich jet, läuft fie vaftlos umher und jieht jorgfam prüfend in die Tiefe hinab. Gelangt jie an die Kante, jo jtemmt fie fich mit ihren beiden Vorderarmen auf, fonft aber nie. ie fommt, jelbjt wenn fie aus Höhen von 1 m und mehr zu Boden jpringt, immer auf die Hinterfüße zu jtehen und läuft dann, ohne jich nur nach vorn zu bücden, jo ruhig weiter, als habe jie bloß einen gewöhnlichen Schritt gemacht. Stehend fann fie, dank der ftarfen Hinterläufe und des jtüsenden Schwanzes, ihren Leib ebenjomwohl mwagerecht wie jenfrecht halten, vermag jich auch vorn biS auf die Erde niederzubeugen. Wie wichtig ihr der Schwanz zur Erhaltung des Gleichgemichtes ift, fieht man deutlich, wenn man fie in der Hand hält und tajch Herumdreht, jo daß jie mit dem Rüden nach unten zu liegen fommt. Dann bejchreibt jie jofort Kreife mit dem Schwanze, offenbar, um ihren Xeib wieder Herumzumerfen. Beim Frejjen jet jie jich auf die ganzen Fußjohlen nieder, biegt aber den Leib vorn weit herab und nimmt nun die Nahrung mit einem rafchen Griffe vom Boden auf. Aus einem Näpfchen mit Weizenförnern Holt fie fich in jeder Minute mehrere Körner. Sie ver- zehrt die erhobenen aber nicht ganz, fondern beißt bloß ein leines Stückchen von ihnen ab und läßt jie dann wieder fallen. In einer Nacht nagt fie manchmal 50—100 Körner an. Alferliebit jieht es aus, wenn man ihr eine Weinbeere' oder ein Stücchen feingefchnittene Möhre, Apfel und dergleichen Früchte Hingibt. Sie pact folche Nahrung jehr zierlich mit den Händen, dreht jie bejtändig hin und her und frikt fie auf, ohne jie fallen zu lafjen. Bei weichen, jaftigen Früchten, wie 3. B. bei Weinbeeren, braucht fie jehr lange Zeit, ehe jie mit ihrer Mahlzeit zu Ende fomımt. An einer Weinbeere fraf eine Gefangene von mir 7 Minuten lang. Sie öffnet die Beere bloß mit einem einzigen Bi und taucht in Dieje Offnung fort und fort ihre unteren Nagezähne ein, um fie jodann wieder abzuleden. So fährt fie fort, biS der größte Teil des Inhaltes entleert it. Ein Kohlblatt nimmt fie mit beiden Händen, dreht es hin und her und jchneidet dann am Rande in zierlicher Weije 222 8. Ordnung: Nagetiere. Zamilie: Springnager. Stückchen nach Stücchen ab. Bejonders hübjch ift auch ihre Weife, Milch zu trinken. Sie braucht nur höchft wenig Getränf, fann folches, wenn man ihr nebenbei faftige Wurzeln veicht, monatelang entbehren; täglich ein halber Teelöffel voll Milch genügt ihr. Auch) Flüffigfeiten muß jte mit den Händen zu fich nehmen, taucht daher in rajcher Folge ihre Hände ein und ledt die Milch dann ab. Sie ijt mäßig, braucht aber viele Nahrung, weil jie von jedem Nährftoffe nur wenig frißt. Fhre Lojung ähnelt der mancher Mäufe.. Jhr Harn hinterläßt feinen übeln Geruch; jeine Menge tft dazu aud) viel zu gering. Sm Sande bemerkt man überhaupt nicht3 von den Ausleerungen. Alle Sinne des Tieres jcheinen hoch entwidelt zu fein. Welchen unter den drei edleren ich als den höchiten anfehen foll, weiß ich nicht. Die Springmaus jieht und hört, wie Die großen Augen und Ohren befunden, jehr qut, riecht und fühlt aber auch fein. Denn wenn jie ein Korn oder ein Stüdchen Möhre oder andre Nahrung zu Boden hat fallen lajjen, jucht jie e3 immer vermitteljt des Geruches, vielleicht auch der tajtenden Schnurthanre, und nimmt e3 dann mit größter Sicherheit wieder auf. Süße Früchte verzehrt jie mit jo vielem Ber- gnügen, daß man gar nicht im Zweifel bleiben fann, wie angenehm ihr Geihmadsjinn gefitelt wird. Das Gefühl offenbart ji als Taftjinn in jeder Weife. Die Springmaus tajtet jehr fein mit den Schnurren auf den Lippen und dann noch mit ihren Vorderpfoten, hauptjächlich wohl mit Hilfe der Fingerfrallen. Shre getitigen Fähigkeiten will ich nicht eben hoch jtellen; fo viel aber ijt zweifellos, daß jte jich jehr bald an einem bejtimmten Orte ein- - gewöhnt, Xeute, die jich mit ihr abgeben, gut fennen lernt und eine gemwijje berechnende Runitfertigfeit an den Tag legt. Der Bau ihres Nejtes bejchäftigt jie an jedem Morgen längere Zeit. Wenn man ihr Heu, Baumwolle und Haare gibt und den Grundbau des Nejtes vorzeichnet, arbeitet jie verjtändig weiter, holt jich die Baummollenkflumpen herbei, zieht jie mit den Händen auseinander und legt jie fich zurecht, jchtebt die Haare an den betreffenden Stellen ein und put und glättet die runde Neithöhle, bis jie Den erforder- lichen Grad von Ordnung und Sauberkeit zu haben fcheint. Hervorjpringende Halme werden dann auch wohl noch ausgezogen oder abgebijjen, bi daS Ganze in einen möglichit behaglichen Zujtand verjegt worden ift. Unter allen Nagern, die ich biS jebt in der Gefangenfchaft hielt, Hat mir die Spring- maus das meijte Vergnügen gewährt. Shrer Eigenjchaften wegen muß fich jedermann mit ihr befreunden. Sie ilt jo außerordentlich harmlos, jo freundlich, zahm, reinlich und, wenn einmal vom Schlafe eriwacht, jo munter und jo luftig, jede ihrer Stellungen jo eigentüm- lich, und jie weiß jo viel Abmwechjelung in dieje zu bringen, daß man jich ftundenlang mit ihr bejchäftigen fanın. Nagen habe ich nur dann bemerkt, wenn ich meine Gefangenen frei im immer herumlaufen ließ. Dann jollen, nach Latajte, die Springmäuje aber auch ganz Bedeutendeg leijten in einer geradezu „unbezähmbaren Iagegier”, die feinen Teppich) und Möpbelftoff, fein Holz, ja nicht einmal mweicheren Stein unangefrefjen läßt. Überdies rät Latajte noch, den Käfig mit Blech zu benageln. Sn den Tiergärten zeigen jich die Spring- mäuje für gewöhnlich nicht als jo wütende Nager. Gegen ihren Pfleger benimmt jich die Springmaus jehr liebenswürdig. Bei Der Gefangennahme wehrt fie jich natürlich; bald aber fällt es ihr gar nicht mehr ein, den zu beißen, der jie aufhebt. Man darf fie berühren, jtreicheln, umbertragen: fie läßt jich alles gefallen. Nur wenn man ihr abends den Finger durch das Gitter hält, faßt jie denjelben zumeilen und jchabt mit den Zähnen ein wenig an der Spige, wahrjcheinlich weil jie glaubt, daß man ihr irgend etwas zum Frejjen reichen wolle; zu einem ernjtlichen Beißen aber - Wüftenjpringmaus. 223 fommt e3 auch dann nicht. Man könnte, glaube ich, die Springmaus in jedem Pubzimmer halten, jo groß ift ihre Gutmütigfeit, Harmlofigfeit und Neinlichkeit. Lebtere Tugend, die ihr unbejtritten fein, mag, hindert fie abef durchaus nicht, wenn im Zimmer ein Spudnapf jteht, jich ichleunigit Darin Herumzumälzen, daß Sand und Sägejpäne links und rechts Heraus- -fliegen. Diejes und ähnliches, nicht minder Drolliges, weiß; Latajte von jenen zahmen Springmäufen zu erzählen in einer jehr ergößlichen, die Tierchen aber doch wohl etivas ver- menjchlichenden Art und Weije. Eine interefjante Einzelheit, die Latafte Dabei erwähnt, it ein rajches, dem gewijjer Vögel ähnliches Kopfniden, das die Springmaus jedesmal ausführte in dem Augenblide, wenn fie, in einem ihrer Streiche begriffen, jcheltendes Drein- fahren ihres Pfleger erwartete. Nichts ift ihr unangenehmer, al3 wenn man jie bei ihren abendlichen Luftiwandlungen außerhalb des Käfigs jtört, und nur Höchjt ungern bfeibt jie dann in der Hand. Seht man fie aber auf die eine Hand und jtreichelt fie janft mit dem Finger, fo jchließt fie wie verzüct die Augen zur Hälfte, rührt minutenlang fein Glied und bergiit Freiheit und alles andere. Alles in allem dürfte fich der Feine, pubige Nachtgeijt ganz bortrefflich zum Stubentier eignen, zumal er auch völlig geruchlos und im Tierhandel nicht teuer ift, Höchjteng 20, manchmal aber auch nur 6 Mark foftet. Sm Sahre 1894 Hat Kuftos Schmidtlein vom Leipziger Univerjitätsmujfeum die ägyp- tiiche Wüftenfpringmaus gezüchtet: der erite Fall ihrer Fortpflanzung in der Gefangen- jchaft, wenigjtens der exjte öffentlich gejchilderte. Schmidtleim hatte die Tierchen in einer &de feines Arbeitszimmers auf Sand mit einem Schlaffiftchen Hinter einer meterhohen Drahttir abgejchloffen. Bon da onnten fie „jederzeit durch Offnen der Türe in das Zimmer herausgelaffen werden und ebenjo ohne Hebjagd wieder in ihre Miniaturwüjte zurüc- fehren. Lebteres lernten fie jo rajch, daß jchon nach wenigen Tagen ein Wink von mir ge- nügte, um jie in flüchtigen Säßen in den Stall zu treiben. ©either habe ich fat allabendlich ihnen diefe Freiheit gegönnt, die für ihr Wohlbefinden von großer Bedeutung it, und über welche jie auch ihre Freude durch munteres Hinundherhufchen und phantaftijche, über- mütige Quftiprünge zu erfennen gaben. Wenn man ich völlig ruhig verhält, jo jchtwindet bald die ängjtliche Aufregung, in die fie zunächit die Gegenwart von Menfchen zu verjegen pflegt”, jie glauben „jich unbelaufcht und bieten dem Beobachter ein unverfäljchtes Btld ihrer Gewohnheiten”. Schmidtlein erwähnt eine „merkwürdige Behandlung der Baum- wolle” im Schlaffaften, „Die jie in lauter Kleine, lodere Röllchen und Snäuelchen zerteilen und die ganze Mafje mit zarten Nagejpänen, die von der Snnenmwand des Kajtens jtammen, durchjeßen, jo daß das Neftmaterial in Furzer Zeit eine ganz eigentümliche, pliesartige Be- ichaffenheit annimmt”. Schmidtlein hatte gleich zu Anfang jäntliche Möbel „... durd) vor- gelegte Gegenstände unmwegjam gemacht; dennoch Fam das Weibchen eines Tages dahinter, daß durch Beifeitefchieben einer Schachtel das Unterfriechen unter einen Schranf ermöglicht wurde. Mit wunderbarer Schmiegjamfeit jchlüpfte es durch den engen Spalt hinein, famı indejjen bald wieder zum Borfcheine, worauf ich Die Lüde feit verichloß. Das Tier gab je- doch den Verfuch, von neuem einzudringen, nicht auf, fondern fehrte immer wieder an Die Stelle zurüd, und noch mehrere Tage nachher Fonnte ich beobachten, daß die einmal ge- machte Erfahrung nicht vergejjen worden war.” Schmidtlein bemerkte noch, „dab das Weibchen immer jcheuer und. wilder war al3 da3 zutraulichere Männchen”. Schmidtleins Zuchterfolg leitete fich ein Durch ein wildes allabendliches Umherhegen feiner Springmäufe, „wobei fie mit unglaublicher Schnelligkeit in engen Streifen umeinander wirbelten oder unter öfterem Ausgleiten auf den glatten Dielen durch das Zimmer jtürmten. 224 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Springnager. Das Weibchen wurde von jeinem Genojjen in eigenartigen Sprüngen umtanzt, worauf das hofierende Männchen jich ihm gegenüberitellte und beide Tiere mit gejenften Köpfen einen Najengruß austaufchten: Dabei lief das Männchen unaufhörlich feinen Rocdruf hören, einen eigentümlich fchrapenden Laut, den ich früher nie von ihm vernommen hatte. Von dem Weibchen vernahn ich nie eine jolche Stimme, wohl aber einen helfen, jcharfen Quieflaut, jobald es beim Umhertollen von dem Männchen zu hart verfolgt oder in die Enge getrieben wurde. Die Baarungsipiele wiederholten jich nun alle Abende, abwechjelnd mit der Hebe, bei welcher bald das Männchen, bald das Weibchen den Verfolger machte. „Am die Aufregung und Scheu des letteren zu beruhigen, hatte das Männchen ein ganz eigenartiges und, wie ich wahrnehmen fonnte, jtet3 erfolgreiches Mittel. &3 fing an, mit der Schnauze Sand gegen das Weibchen Hinzujchaufeln, wobet es Diejem immer näher auf den Leib rücdte und endlich jo nahe fan, daß Die Schtwanzquafte des Weibchen von dem borgejchobenen Sandhügel überjchüttet wurde. Stand fein Sand zur Verfügung, weil etiva die Tiere jich auf dem Fußboden des Zimmers befanden, jo machte das Männchen gleichwohl die Schaufelbewwegungen mit dem Kopfe und erreichte jeinen Bejänftigungszwed ebenjogut. „sit der zweiten Hälfte des Juli jteigerte jich Die Erregung der Tiere, namentlich die Unduldfamfeit des Weibehens gegen das Männchen, und am 28. abends, nachdem ich die Gittertüre geöffnet hatte, jhoß das Männchen plöglich aus dem Kaften heraus, verfolgt vom Weibchen, Das aber diesmal ganz gegen jeine Gewohnheit in jeine Behaujung zurüd- jchfüpfte und jich nicht mehr bliden Tief. Zugleich jcholl mir ein feines Quiefen im höchjten Kinderdisfant entgegen, und der Einbli in den forgfam mit Watte rings verjchlojjenen Raum zeigte mir, daß die Geburt eines Ziwillingspaares erfolgt war. Aus Rücdjicht auf das jehr erregte Weibchen wurde nun das Männchen im gegenüberliegenden Zimmermwinfel eingejperrt. E38 gewöhnte fich ohne weiters an diefen neuen Aufenthalt und verjuchte. nie, ven bloß einen halben Meter hohen Berichlußrahmen zu überjpringen. „Luc der an mancherlei ©eltjames im weiten Gebiete der Tierwelt gemöhnte Zoolog - muß erjtaunen, wenn er das erjtemal eine neugeborene Springmaus zu jehen befommt. Das Heine, nacdte, blutrote Gejchöpf, das fich hilflos und mausartig piepend Hin und her mwälzt, hat zunächit gar feine Ähnlichfeit mit feinen Eltern. Die Familiencharaftere der Dipodinen find bei der Geburt jo qut wie nicht vorhanden. Der Körper maß von der Stiri- fläche des herabgebeugten Kopfes bis zur Schwanzmwurzel 4 cm; das Vorderbein 1,3, das Hinterbein 1,5, der Schwanz 2 cm; die Dicke des Körperz,. vom Rüden zum Bauche ge- mejjen, 1,5 em. Der Kopf mit feiner fonifch verlängerten Rüfjeljchnauze erinnert an den eines Schweinembryos. Die großen Augen liegen unter der Haut, die fie fugelig vorwölben, und durch welche fie al3 dunkle Ringe durchicheinen. Die Ohren find furze Läppehen, die Schnurren durch feine Härchen an der Oberlippe angedeutet. Die Worderbeine find bereits mit gut enttwidelten fcharfbefrallten Fingern verjehen, während die drei Zehen der Hinter- beine exit als furze Zipfelchen angedeutet find. Der Übergang des Oberjchenfels in den Rumpf wird von einer Hautfalte Fappenartig verdedt. Der gleichmäßig verjüngte drehrunde Schwanz ijt von einer geringelten Haut bedet und liegt fehtwach nach vorne gefrümmt den Hinterbeinen an. „Die zweite Meffung nahm ich am 7. Auguft, alfo nach 10 Tagen, vor. Sie ergab als überrajchendites Nefultat eine Längenzunahme der Hinterbeine um 1,5 em: alfo die doppelte Länge des Beine3 gegen das Neugeborene, während die Körperlänge und die des Schwanzes um 1 cm gemwachjen waren. Die Schnurren waren bereits vorhanden, im übrigen jedoch Wüftenfpringmaus. 225 feine Spur von Behaarung. Die Beweglichkeit hatte zugenommen, bejonders fiel das be- jtändige Strampeln und Streden der Hinterbeine auf. Das Muttertier... begann neben- bei um diefe Zeit eine Befchäftigung, deren Sinn mir ext jpäter Far werden follte. E3 war nämlich von einer wahren Nagewut befallen, die es jowohl im Inneren des Schlaffaftens al3 an den Wänden des Stalles ausließ. Ar demjelben Tage Frabbelte das Junge in Ylb- wejenheit der außerhalb äjenden Mutter aus dem Weite und rollte in jeiner Unbehilflichkeit über die Sandrampe bor dem Eingang des Kajtens herunter. Die Mutter famı jofort herbei, beichnupperte das Kleine, jprang einige Male herum, fahte es dann zart mit den Vorder- Händchen (nicht mit dem Maufe!) und verjchtvand mit ihm im Inneren des Nteites. „m Abend desjelben Tages machte ich den Berjuch, die beiden Eltern im Zimmer zufammenzubringen, um zu jehen, ob ihre Unverträglichkeit nunmehr gewichen jei. Aber die wilde Hebjagd, die nun losging, zwang mich, die Tiete wieder zu-trenmen, und brachte mich zu der Einjicht, daß erit die allmähliche Gemwöhnung durch öftere Wiederholung des Berjuches Iangjam den Frieden mwiederheritellen fünne. „Die dritte, am 12. Augujt vorgenommene Mefjung des ungen ergab bei einer Länge bon 7 cm (von der Schnauzenjpite des nunmehr gejtredten Kopfes bis zur Schtvanz- _ mwurzel gemejfen) für das Sinterbein eine folche von 5, das Vorderbein 2,5, den Schwanz 3,5 em. Der Durchmejjer des Rumpfes vom Rüden nad) dem Bauche betrug 2 cm. Das auffallendite an dem Tiere in diefem Alter war die nun auftretende feine Behaarung von dunfelgrauer Farbe, welche die ganze Dberjeite wie berußt erjcheinen ließ. CS war das Unterhaar, das ja auch bei der ausgewachjenen Springmaus grau gefärbt it. Die Leb- baftigfeit hatte entjchieden zugenommen, und oft hörte man ein feines, mausartiges Quiefen, namentlich jobald die Mutter jich mit ihm zu jchaffen machte. „en den Abenden des 15., 16. und 17. Auguft wiederholte ich die Beobachtungen über das Berhalten der freigelajjenen Tiere und überzeugte mich bald, daß die Annäherung jtetige Fortjchritte machte. Cehr befuftigend war dabei das Betragen des Männchens, das früher als das Weibchen herausfam, in das offene Gehege des legteren lief, jich por den Kajten Hinjtellte, und witternd davor jtehen blieb, aber nicht den Mut zu haben jchien, Hinetn- zufchlüpfen, jondern anfing, eigentümliche Kapriolen und Luftiprünge davor zu machen, al3 ob ihm durch die Witterung die Erfenntnis des freudigen Familienereignifjes zuteil ge- worden wäre. Bald darauf pflegte dann das Weibchen aus dem Sajten herauszuftürzen, und die Heße begann, aber nicht mehr jo jtürmijch und nachhaltig tie früher, fondern immer mehr den Charakter des Paarungsipieles annehmend, wobei das Männchen eifrig lockte, begütigend mwirklihen oder imaginären Sand feiner Gattin entgegenjchaufelte und Najen- - grüße mit ihr taufchte. Auch die lettere begann ihrerjeits das Männchen aufzujuchen, jo- bald jie früher als diejes ihren Schlafraum verlaffen hatte. Sie lief dann zu dem Behälter, an dejjen Verjchlugrahmen jie Herumftöberte, fich Hochrecdte, aber ebenjotwenig als das Männ- chen Darauf verfiel, das nur 50 cm hohe Hindernis zu nehmen, wie es ihrer Sprungkraft ein leichtes gewejen wäre. Dffnete ich die Schranfe, fo lief fie jehr bald hinein, begann von ' den Futterborräten des Männchens zu frejjen, benahm fich auch in feiner Gegenwart viel berträglicher an diefem Drte als in ihrem eigenen Rohnraume, von dem jte auch jeßt noch ihren Genojjen bei jeder Gelegenheit vertrieb. „m 17. Auguft Hatte das 20 Tage alte Junge eine Länge von 8 cm: das Hinterbein war 7, daS Vorderbein 3, der Schwanz 4 em lang. Sehr hübjch war in diefem Stadium die erfte Andeutung des Schtwanzquafte zu jehen, indem die Schwanzjpise 1 cm lang durd Brehm, Tierleben. 4. Aufl. XI. Band. 15 226 8. Drdnung: Nagetiere. Yamilie: Springnager. ihre helle Farbe fich fcharf von dem Grau des übrigen Schwanzes abhob. Die fünf Tage jpäter wiederholte Mejjung (22. Auguft) ergab I cm Länge, Hinterbein 8, Vorderbein ettvas über 3, Schwanz 7, Kopflänge 3 cm. Ir diefem Stadium prägten fich die Charaftere der Springmaus fehon mit überrafchender Deutlichfeit aus: Der .Kopf war breiter umd fürzer geworden, die Springbeine mächtig gewachjen und ihre Muskulatur überaus Fräftig enttoidelt, die Behaarung überall deutlich, über den Nüden zwar noch dunfel, am Kopfe jedoch bereits jandfarben, das Weiß und Schwarz des Schwanzendes vollfommen deutlich ausgeprägt, zunächit aber noch ohne Spur einer Quaftenbildung. „Um dieje Zeit fing die Mutter wieder eifrig an, in ihrem Kajten zu arbeiten, und namentlich an Vormittagen hörte ich fie in der geräufchvolfiten Weije ftundenlang uner- müpdet fragen, bohren, feilen, brechen und nagen. Gie hatte an der freien Ceitentvand des Kiftchens, two dieje an die Nüdwand grenzt, das zentimeterdice Brett bereits durch- brochen und am 25. August eine Brefche gelegt. Diejes Schlupfloch war für das Junge be- ftimmt. MS diejes, das nach den Mefjungen vom 26. und 31. Auguft eine Körperlänge bon 10, rejpeftive 12 cm bei einer Länge des Schwanzes wie der Hinterbeine von 9 und 11 erreicht hatte, in den erjten Tagen des September feine Gehverjuche unter Leitung der Mutter begann, da belaufchte ich den Unterricht, der das Tierchen gemöhnte, Durch jene Geitenpforte aus und ein zu gehen! Die Mutter gab ihm durch Schieben mit der Schnauze bald rechts, bald Yinks, durch Drängen von rüdwärts, wobei fie e3 an der Schwanzmwurzel mit den Händen emporhob, die gewünschte Richtung, und jchon nach wenigen Tagen hatte der Unterricht jo erfolgreich gewirkt, daß das Tierchen, wenn ich es herausnahm und frei auf den Sandboden feste, mit nie fehlender Sicherheit jpornftreich® in den Winfel Tief und in jeinem feinen Fluchtloche verjchwand. „Seine Entwidelung hatte in den legten Tagen große Fortjchritte gemacht. Die Haltung mwar feiter geworden, Die Sandfärbung der Dberjeite vollfommen, die Schwanz- quafte deutlich differenziert und prachtvoll ausgefärbt, Kurz: die Springmaus fir und fertig — nur noch blind, und erft am 5. September, dem 40. Tage nach der Geburt, öffnete fie die Augen! Die erjften Gehverjuche der Kleinen waren ungemein drollig. Gie ging vierbeinig, wie ein jchreitendes Känguruh, abwechjelnd alıf die weit borgejtredten Vorderbeinchen und die nachjchiebenden Springbeine fich jtügend, mur daß die Stellung noch fteiler nach hinten emporgerichtet war als bei jenen Springbeutlern, da der Längen- unterfchied zwifchen den beiden Gliedmaßenpaaren noch größer ift. Wollte fie fich pußen und dabei die Fühnen Stellungen der Mutter nahahmen, fo fiel jie um und z0g dann vor, in liegender Stellung ihre Bejchäftigung fortzufegen. Aber jchon nach wenigen Tagen der Übung merfte man, wie die Springbeine mehr und mehr allein zur Verwendung famen, wie die Benugung des Schwanzes al3 Stüßorgan erlernt wurde, und nach ungefähr einer Xoce hüpfte der Feine Schelm jchon jo munter Hinter der führenden Schwanzflagge jeiner Mutter einher, daß es eine Freude war. Mitte Oftober war das Junge faum durch jeine Größe bon den Eltern zu unterjcheiden; nur die Zahmmheit und Das jugendlich über- mütige Wejen ließen e3 leicht erfennen. „SbmwoHl die Alte fich viel mit ihrem Kinde bejchäftigte, fand jie Boch Beit, jobald Die Behälter abends geöffnet wurden, die Gejellichaft des Männchens zu fuchen, das jtet3 eifrig lodte und jich in lebhafter, oft ftürmijcher Weije um die Gunft des Weibchens bewarb. An 3. September gelang e3 mir dann auch, Die wiederholte Paarufig der beiden Tiere zu jehen, die ohne Locton von feiten des Männchens und in furzen Paufen von wenigen Minuten Wiüftenjpringmaus. 227 erfolgte. Dazmwijchen frabbelte das Junge auf eigene Kauft aus dem Nejte, wie e3 jchien, jehr gegen den Willen der Mutter, die, jobald jie das Quiefen ihres Sprößlings vernahnı, jofort herbeieilte und das unerfahrene, in die fremde Welt des Zimmers fic verirrende Kind in jehr energijcher Weife zum Nücdzuge aufforderte, jo daß e3 fchleunigft durch fein Hinterpförtchen wieder ins Nejt zu verjchiwinden genötigt war. Dabei hörte ich nun auc) von der Mutter einen Lodton, ähnlich der Stimme des Jungen, nur weniger laut und etwas tiefer. Welche Bedeutung die Einrichtung jenes bejonderen Einganges für das Junge haben könnte, darüber vermag ich nur eine Vermutung auszufprechen. Vielleicht legen die Tiere im Wüjtenboden eine direft zum SKejjel führende Fluchtröhre für ihre Jungen an, deren Nachbildung jene von unjerem Weibchen gejchaffene Einrichtung vorjtellt. Ich finde leider über die Bejchaffenheit der Springmausbauten feine näheren Angaben, um dar- über ins Hare zu fommeen. „Nachdem das Junge am 16. September jeinen erjten Zimmerjpaziergang flinf und mündig mit den Eltern gemacht Hatte, der Vater auch durch liebevolles Entgegenfommen und Najengruß jein Kind jomohl als jolches, wie im bejonderen als Töchterchen anerfannt hatte, durfte ich eS wagen, fie alle drei für den Reit der Nacht im Gehege des Weibchens zu vereinigen, und am Morgen des 17. fand ich fie, einträchtig aneinandergejchmiegt, im Kaften jchlafend. Von diefem Tage an hörte die Führung des Jungen durch die Mutter auf. „Der zweite Wurf vom 30. September beitand aus 4 Sungen, und Dabei wurde die Trächtigfeitsperiode auf rund einen Nonat feitgeitellt. Daß die Vierzahl das Marimunt dar- itellt, wird durch die Achtzahl der Ziten des Weibchens bekräftigt. Merkwirrdigerweije hatte die Mutter diesmal weder das Männchen noch das ältere Junge aus dem Nejte vertrieben, _ jo daß ich alle in diefer Nacht beifammen ließ. Bon Aufregung und jcheuem Wejen war bei dem Weibchen diesmal nicht zu jehen, jie ließ willig die Jungen unter ihrem Leibe hervorholen und jich wieder unterlegen, ging auch jofort nach Entfernung ihrer beiden Ge- fährten daran, ein weiches Wollbettchen für die Stleinen zu bereiten, worauf fie die Wolle über jich zu einer Dichten, jauber verjchlojjenen Kugel zufammenarbeitete, die fie vollfommen verbarg. Bemwunderungswürdig war auch die Sorgfalt, mit der jie abends, bevor fie das Neit verließ, um zu frejjen und jich im Zimmer mit den anderen Herumzutreiben, die Jungen nebeneinander bettete und dann mit Wolle jo jäuberlich zudedte, daß man beim Offnen des Kajtens nicht einmal die Stelle, wo jie lagen, erfennen fonnte. &3 jcheint, daß die Säug- linge nachts in Abmwejenheit der Mutter jchlafen, am Tage hingegen wach find und jaugen. Wenigftens- hörte man zu allen Tagesitunden ihre feinen Stimmchen bald einzeln, bald vereint, während in Abmwejenheit ver Mutter tiefes Schweigen im Stajten zu herrjchen pflegte. „Es war ein föltlicher und zugleich jeltiamer Anblid, die Mutter im Nejte jiten zu jehen, wie jie ihre Kinder mit ihrem Leibe bededte. Diejes Bid war um jo anmutiger, als jtet3 die größte Neinlichkeit Herrjchte. Nie fand ich eines der jchmuden Kleinen beihmust, niemals das Nejtmaterial feucht, wie denn auch fein übler Geruch zu merfen war.“ Sn einer Nachjichrift fügt Schmidtlein Hinzu, daß ihn das Muttertier auch am Silveiter- abend 1894 mit 3 und am 6. Februar 1895 mit 4 Jungen überrafcht habe. Die Zucht hat aljo im Laufe eines halben Jahres 13 Junge geliefert: ein jprechender Beweis für die Jruchtbarfeit auch diejer Nager. = Der Nuben, welchen die Wüjtenjpringmäufe bringen, ijt nicht unbedeutend. Die Araber ejjen ihr ziemlich geijchmadlojes Fleijch jehr gern und bereiten fich wohl auch aus den weichen Fellchen Eleine Pelze für Kinder und Frauen oder verivenden jie jonjt, zur 15* 228 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Springnager. Verzierung von Gätteln, zum Bejab von Deden ujw. Schaden bringen die Spring- mäufe natürlich nicht; fie nußen Höchjtens diejenige Stelle der Wüjte aus, die jonjt von feinem anderen Gejchöpfe bewohnt wird. Auf die verjchiedenen Springmausarten können wir natürlich hier nicht eingehen, zumal fie in ihrer Xebensweife gewiß faum verjchieden jind. Die Berbreitungsangaben jowohl der afrifanifchen al3 der afiatischen Arten unterjcheiden jich bei näherem Zujehen jehr wejentlich dadurch, daß jie zu einem Teil jehr bejchränft und beitimmt begrenzt, zum anderen Teil im Gegenjab dazu ganz allgemein und umfajjend find, ohne mweiteres von Afrika nach Vorderafien übergehen und von Europa bis nad) Snnerafien. ©o joll die eben gejchilderte ägyptiiche Wüftenfpringmaus auch in Arabien und Paläftina vorfommen, und die ruffiihe Pfeilfpringmaus, Jaculus sagitta Pall., zwifchen Don und Wolga anfangend, über Süpdjibirien, die Bucharei und das Araljeegebiet bi3 nach Snnerajien, in die füdliche Gobimülte und nach Yarkand fich verbreiten! Das macht den Eindrud, alö ob in der geo- graphiich-syitematischen Erforfchung der Springmäufe noch mancherlei zu tun wäre, obwohl bereits im 18. Jahrhundert Pallas und 1844 Brandt jich eingehend mit ihnen bejchäftigt Haben und auch der altberühmte Berliner Forjchungsreifende und Mujeumsleiter Lichtenftein jchon 1828 ihnen eine ausführliche, reich mit farbigen Steindruden illuftrierte Arbeit gewidmet bat, nachdem es, wie er jelbit jagt: „ausnehmend glüdlich für Die hiejigen Föniglichen Samm- (ungen und Die durch diejelben zu gewinnende Belehrung fich gefügt Hat, daß gerade zur jel- bigen Beit, al3 die Doftoren Hemprich und Ehrenberg Ügypten, Nubien, Arabien und Syrien bereijten, Dr. Eversmann in Sibirien und in der Firgijiischen Steppe für ung tätig gemejen it, ohne welches Zufammentreffen die Höchit interejfante Bergleichung der Tiere, welche in beiden Slontinenten die unmwirtbaren Hochebenen bewohnen, nicht möglich gewejen fein würde.“ Sm Tierhandel fommt neben der ägyptijchen Wüftenjpringmaus am häufigjten wohl die gleichfalls aus Nordafrika ftammende, nicht nur dunkler gefärbte, jondern auch erheblich größere und deshalb jogenannte Große Springmaus, J. orientalis Erxl., vor, die man im Berliner Garten und anderwärts bereitS mehrfach gehalten hat. %* Die zweite Unterfamilie der Springnager, die nordamerifanisch-oftafiatiicheh Hüpf- mäufe (Zapodinae), enthalten nur eine Hauptgattung (Zapus Coues), nad) der jie benannt jind, mit drei Untergattungen. Gie jtellen troß verlängerter Hinterbeine und ausnehmend langen Schwanzes eine weit niedrigere Stufe der Anpafjung an aufrechte Körperhaltung‘ und jpringende Bemwegungsweije dar als ihre gejchilderten Berwandten. Die Mittelfup- fnochen ihrer Sprungbeine find zwar verlängert, aber nicht verwachjen und haben noch alle fünf Zehen, nur daß die erjte und fünfte nach Hinten verjchoben find. Auch die Hals- mwirbel find nicht verwachjen. 1 Lüc- und 3 Badzähne oben und unten find bewurzelt. Der lange Schwanz ift auch bei der Hüpfmaus als Balancier aufzufafjen, der das Tierchen bei jeinen ungeheuren Sprüngen im Gleichgewicht hält. Kac) Slades Beobachtungen, die Hart Merriam mitteilt, beivohnen die Hüpfmäufe Hoc- MD Tiefland, Wald und Wiefe, bebautes Feld und Sumpfdidicht; überall find fie zu Haufe, aber nirgends zahlreich. Die Hüpfmaus entwidelt im Augenblid eine Behendig- feit wie fein zweiter Nager und bejitt für ein jo Feines Tier eine ganz enorme Musfelfraft. Wenn fie, plötlich aufgeftört, in gerader Linie davonfliüchtet, macht fie zuerjt drei oder vier feılfpringmaus. Große Springmaus. Feldbhüpfmaus. 229 Sprünge von S—10 Fuß (ca. 3 m) Länge; aber diefes Ma vermindert fich rajch auf 4 Fuß (1,2 m). ©ie macht das aber nicht immter jo; oft nimmt fie eine unregelmäßige Richtung und tut verjchiedene aufeinanderfolgende Sprünge in verjchiedenem Winkel, indem fie dabei diejelbe Hauptrichtung einhält oder dieje auch ändert, wie fie will. Sie kann jehr fchnelf Hafen fchlagen, wenn fie verfolgt wird, und entgeht durch derartige Sniffe und plößliches Kiederduden dem Habicht und der Eule. Dieje planlojen Hin- und Herbewegungen retten fie mitunter auch, wenn fie von einem Wiejel in Schreden gejagt oder von der Schwarz- natter angefallen wird. Beim Springen folgen die einzelnen Säbe jo rajch aufeinander, daß die Füße faum den Boden'zu berühren fcheinen. Die Länge des Winterjchlafes hängt bon der geographiichen Lage des Ortes und der Temperatur ab: in milden Wintern twird er oft für längere oder fürzere Zeit unterbrochen. Edward V. Preble, der im Auftrage des Landwirtfchaftsminifteriums der Ber- einigten Staaten die Hüpfmäufe bearbeitet („North American Fauna“, Kr. 15) und eine Reihe neuer Arten aufgeitellt hat, gibt auch ein zufammenfajjendes Xebensbild der Tiere. Nach ein oderzmwei „Frojchartigen” Sprüngen bleibt die aufgefcheuchte Hüpfmaus oft regungs- 103 jigen. In ihrem Wohntevier hat fie feine ausgetretenen Pfade wie viele Fleine Säuge- tiere, namentlich die amerifanifchen Wiefenmäufe, fondern treibt fich anjcheinend mwahllos umber, indem fie fich nur die natürlichen Fußmwege und offenen Stellen einigermaßen zu- nuse macht. Im Spätjommer baut fich die Hüpfmaus ein Fugeliges Neft aus Gras von etwa 10 cm Durchmejjer, mit einem engen Eingang an der ©eite. Alle derartigen von Preble gefundenen Nejter jtanden auf Wiejen an der Erde in dichtem Gras oder feinen Büjchen. Eins, da3 er unterfuchte, bejtand nur aus jchmalen, langen Grashalmen und war ein jehr bübjches, Feines Heim; aber obwohl e3 jehr dicht ausjah, war es in Wirklichkeit jo lofe gebaut, daß Preble es nicht zufammenhalten fonnte. Dieje Weiter find regelmäßig von zwei Hüpf- mäufen bejeßt, jedenfall3 einem Paar, und fcheinen nur nach Schluß der Fortpflanzungs- zeit benußt zu werden. Die Geburt der Jungen, gewöhnlich 3, geht meift in einem unter- irdijchen Net vor jich, manchmal aber auch in einem hohlen Baumjtumpf, und zwar find Mai und Suni die eigentliche Fortpflanzungszeit. Manchmal dauert dieje indes auch bis zum September; dann wird jedenfall3 noch ein zweiter Wurf aufgezogen. Drei „ausgepflügte‘ unge, die Preble am 25. September erhielt, waren noch jo jung, daß die hinteren Bad- zähne im Dberfiefer gerade erjt dDurchgebrochen waren. Obwohl man die Hüpfmaus während des Sommers in ihrem Nejt oder Erdbau oft auf Futterborräten liegend findet, weiß mar nichts davon, daß fie Diejes Futter im Winter verbrauchte. m Winterjchlaf liegen die Tiere einzeln, nur hier und da einmal paarweije und nur ausnahmsmweije über der Erde. Stone und Kram unterjcheiden Feld- und Waldhüpfmäufe entjprechend den Unter- gattungen Zapus und Napaeozapus, zu denen al3 dritte noch die aftatijche, aus Szetjchwar (Weitchina) nachgemiejene Eozapus Hinzutritt. Die gewöhnliche oder Feldhüpfmaus, Zapus hudsonius Zimm. (Jaculus ameri- canus; Taf. „Nagetiere VIII”, 5, bei ©. 201), ijt ungefähr jo groß wie die Waldmaus; ihre Leibeslänge beträgt etwa 8 cm, die Schwanzlänge 13 cm. Das Gebiß beiteht aus 18 Zähnen, da im Oberfiefer jederjeitS 4, im Unterkiefer 3 Badzähne vorhanden find; die oberen Nage- zähne zeigen eine Längsfurche; unter den oberen Badzähnen ijt der vordere einmwurzelige jehr Klein, die übrigen nehmen von born nach hinten an Länge ab. Der Leib ift geitredt, nach Hinten etwas dicer, der Hals mäßig lang und dic, der Kopf lang und jchmal, Die 230 R 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Springnager. Schnauze mittellang und zugejpigt, der Mund fein und zurücgeitellt; die mäßig großen Ohren jind eiförntig gejtaltet, hoch und jchmal und an der Spite abgerundet, die Augen ziemlich Hlein, Die Schnurren mäßig, aber Doch noch von mehr al3 Ktopfeslänge. Die kurzen, dünnen Vorderfüße haben 4 Zehen und 1 Daumenmwarze, die wohl dreimal längeren, verhältnismäßig Ihmächtigen, nadtjohligen Hinterfühe dagegen 5 Zehen, von denen Die beiden äußeren beträchtlich Ffürzer al3 die 3 mittleren jind. Alle Zehen, mit Ausnahme der Daumenmwarze an den Vorderfüßen, die einen Plattnagel trägt, werden durch Furze, ge- frümmte, Schmale und zufammengedrücte Krallen bewehrt. Der jehr lange, runde Schwanz ijt Schon an der Wurzel dünn, verfchmächtigt fich immer mehr und endet in eine feine Spige, ift geringelt und gefchuppt und nur fpärlich mit furzen Haaren bevedt. Die glatte, an- liegende und dichte Behaarung it auf der Oberjeite dunfel leberbraun, braungelb unter- mijcht, an den Seiten braungelb mit Schwacher Schwarzer Sprenfelung, an der Unterjeite weiß gefärbt. Zumeilen nimmt die bräunlichgelbe Färbung der Seiten einen ebenjo großen Naum ein wie die Rüdenfarbe; im Winterffeide dagegen wird fie gänzlich verdrängt, und das Dimfelbraun des Nückens verbreitet fich bi3 zur Unterjeite. Die Ohren jind jchwarz und gelb, die Mundränder weiß, die Hinterfüe oben graulich, die Borderfüge weißlich behaart. Der Höhere Norden von Amerika it die Heimat der Feldhüpfmaus. Gie findet jic) bon Mifjouri an bis Labrador in allen Pelzgegenden und von dem Gejtade des Utlantijchen bis zu dem des Stillen Meeres. Hier lebt jie an Dicht bebufchten Wiejenrändern und in der Nähe von Wäldern, bei Tage verborgen, bei Nacht gejellig umherjchweifend. Ihre Höhlen jind ungefähr 50 em tief, in der fälteren Jahreszeit auch noch tiefer. Vor Beginn des Winters baut jie eine Hohlfugel aus Lehm, rollt fich in ihr zufammen, fchlingt den Schwanz um den Leib und liegt Hier in vollfommener Erjtarrung bi3 zum Eintritt des Frühlings. Sm Sommer ijt fie außerordentlich Hurtig und hüpft ungemein gewandt und jchnell auf den Hinterbeinen umher. Davis konnte eine Hüpfmaus, die in der Niachbarjchaft von Quebec aus dem Walde in ein weites Feld geraten war, exit in der Zeit von einer Stunde fangen, objchon ihn noch drei Männer jagen halfen. Sie ließ jich exit ergreifen, nachdem jie voll- jtändig abgeheßt und ermattet war. Ym Walde foll die Hipfmaus gar nicht zu fangen jein. Sie jeßt hier mit Leichtigkeit über niedere Büfche weg, über die ein Manı nicht jo leicht ipringen fann, und weiß dann immer ein ficheres Plägchen zu finden. Audubon bezweifelt, daß es noch ein Säugetier gibt, das ihr an Gemwandtheit gleichfommt. Gewöhnlich Friecht die Hüpfmaus zwifchen Gras und Blättern herum, jo daß jie un- bemerft bleibt, und nur, wenn Gefahr droht, macht jte von ihrer Sprungfraft Gebrauch, deren Wert zum guten Teil auf derplöglichen Überrafchung beruht, die jiedem Feinde bereitet. ac) Stone und Cram ift die Hüpfmaus entjchieden noch) weniger intelligent als andere Mäufe: jie jpringt einer Kate oder einem anderen Feinde geradesiwegs in die Stlauen, jtatt nach der entgegengejebten Seite. Auf diefe Weije ertrinkt jie auch oft in Milchfübeln und Wafjereimern, wobor jie ein wenig Vorficht wohl behüten wirde. Stone beobachtete und verfolgte eine Hüpfmaus am Flußufer, die danı durch ihre planlojen Sprünge in3 Wafjer geriet, dort aber dem ftarfen Strome ftandhielt und gegen diejen zu einem treibenden Afte Schwanım. Auf dem lief fie entlang bis zum anderen Ende und [chwamm don da wieder ans Land, wo jie zwijchen dem Treibholz und Schotter unter dem überhängenden Ufer berichwand. Am häufigsten fieht man die Hüpfmäufe, unmittelbar nachdem die Wiejen und Heufchläge im August gemäht find: offenbar wandern fie dann, aus ihren gewohnten Stand- orten vertrieben, wie verloren und verirrt umher auf der Suche nach einer neuen Heimat, TeldHüpfmaus. Waldhüpfmaus. Birfenmaus. 231 oder e3 fann auch fein, daß die Sommerdürre fie wegtreibt zum Waffer. Die Hauptnahrung bejteht allem Anjchein nad) wie die der anderen draußen lebenden Mäufe in der Hauptjache aus Grasjamen; zeitweije bringen aber Beeren, Pilze und mwahrjcheinlich auch Infekten - ettoad Abmwechjelung in dieje Koft. Audubon hat die Feldhüpfmaus in Gefangenschaft gehabt. Nach feinen Berichten läßt jich das fchmude Tierchen ohne Sthwierigfeit halten. „Sch bejaß ein Weibchen”, jagt er, „vom Frühlinge bis zum Herbfte. Wenige Tage nach feiner Einferferung warf e3 zivei Junge, die prächtig gediehen und im Herbite fajt ausgetwachjen waren. Wir fchütteten ihnen 1 Fuß Hoch Erde in ihren Käfig; hier gruben fie jich einen Bau mit zwei Ausgängen. Ge- mwöhnlich verhielten jie jich jchtveigjam; brachten wir aber eine andere Maus zu ihnen in den Käfig, jo jchrien jie laut auf, wie ein junger Vogel aus Angjt, zeigten jich überhaupt jehr furchtfam. Bei Tage liegen fie jich niemals außerhalb ihrer Baue fehen, nacht3 aber (ärmten jie viel im Käfige herum. Illes, was wir in ihr Gefängnis legten, war am nächiten Morgen verjchtwunden und in die Höhlen gejchleppt worden. Cie fragen Weizen, Mais, am liebjten Buchweizen. Hatten fie mit diefem eine ihrer Kammern gefüllt, fo gruben jie fich jofort eine neue.” Auf dem Tiermarkt tar die Hüpfmaus früher jo gut wie unbefannt. Der Berliner Soologische Garten erhielt im Jahre 1908 durch French-Wafhington zum erftenmal ein Paar Hüpfmäufe, jehr ähnlich den afrikanischen Springmäufen, aber weniger langbeinig und aufrecht in ver Haltung, der Kopf länger, zugleich aber auch im Verhältnis zum Körper noch dieer. Am 9. Dftober warf das Weibchen im Schlaffaften drei nadte, blinde Junge, die am 17. bereit3 Haare und die Augen offen hatten. Am 20. zeigten fie ich außerhalb des Kaitens. Die Waldhüpfmaus (Untergattung Napaeozapus Preble mit der Hauptart N. insignis Mil.) it der Feldhüpfmaus in den meiften Beziehungen ähnlich, aber weit fatter in der Tarbe. Sie hat ihre Heimat in den tiefen, fühlen Wäldern an den Gebirgsbächen unter dem Schuße der Tannen und Zorbeerbüfche und jcheint die Nähe des Menjchen zu meiden, der die andere Untergattung nicht abhord ift. * Die Mitglieder der dritten Unterfamilie, die Streifen- oder Birfenmäufe (Siei- stinae, früher Sminthinae), haben feine erheblich verlängerten Hinterbeine, überhaupt äußerlich gar nicht8 Springnagerartiges, fehen vielmehr aus wie etwas langohrige und langföpfige Mäufe und wurden nur wegen ihres Gebiffes von H. Winge hierher zu den Springmausartigen verjebt. Die wichtigjte Art der einzigen Gattung Sieista Gray, die eigentliche Streifen- oder Birfenmaus, Sieista subtilis Pal}. (Sminthus vagus), oben gelblichbraun, fchtvarz über- flogen, unten gelblichweiß, mit jhwarzem Nüdenftreif und jehr langem Schwanz, lebt in Norden und Dften Europas und in Mien. Von Schweden und Finnland kommt fie duch das rujjiiche Reich nach Süden bis in die Krim und den Kaufafus vor. Auch die bis jet nur den Namen nach befannte „Knopfmaus” (Button Mouse) der Orfadeninfeln glaubt FSoriyth Major auf jie beziehen zu dürfen („Zool. Garten”, 1905). In Wien n S. sub- tilis biS nach Turkeitan und zum Seniffei. Über Leben und Wejen berichtet Giebel nad) älteren Quellen: „Hält ich in dünnen 232 8. Ordnung: Nagetiere. Yamilien: Springnager und Tajhenmäufe. Birkengehölzen auf und nährt fich von Gejäme. Gie Flettert gejchictt an Stengeln und ftarfen Sräjern empor, wird leicht zahm, Fan aber nicht viel Kälte ertragen und verjchläft den Winter in Baumlöchern.” Jm Sommer „tagsüber unter Steinen, Baumftämmen und in Mäufelöchern verjtect, abends munter”. Schon Pallas hebt aber die Neigung zum Schlafen hervor. Der zufammengerollten Schlafitellung verdankt die Maus auch ihren orfadischen Namen „Knopfmaus”. Cie hält nicht nur einen Winterfchlaf ab, fondern zeigt auch in der befjeren Jahreszeit eine fait un- begrenzte Schlafjucht. Die Beweije dafür liefern der ungarische Beobachter Kocyan (Miojji- jovics, „Tierleben öjterreich-ungarischer Tiefebenen”) und andere. „Die im Käfig gehaltenen Streifenmäufe jchliefen auch jehr viel im Sommer, noch mehr bei veränderlichem Wetter, bei +10° C... Gelbjt bei ganz warmer Witterung Tann e3 ihr einfallen, jich zur Kugel zujammenzurollen, einzujchlafen und falt zu werden, und man muß fie dann lange be- arbeiten, bis jie wieder recht erwacht." (H. Winge.) Der großen Schlaffucht und den "dadurch bedingten verjtedten Aufenthaltsorten wird e8 wohl zuzufchreiben fein, daß das Tier verhältnismäßig jelten gefunden wird, abgejehen davon, daß es äußerlich leicht mit einer jungen Brandmaus zu verwechjeln ift. Zedenfalls ijt bei der Streifenmaus die Fähig- feit, jederzeit bei nur einigermaßen finfender Temperatur rafch in einen wirklichen Er- tarrungsichlaf zu verfallen, ganz außerordentlich ausgebildet, ungleich mehr als bei allen übrigen Winterjchläfern, und das würde Das Tierchen unbedingt zum bevorzugten Stupdien- objeft bei Unterjuchungen über die rätjelvolle Erjcheinung Des Winterjchlafes machen, wenn es nicht fo jelten und fchwer zu haben wäre. Lebteres erklärt Toriyth Major, der alles literarijche Material über die Streifenmaus fehr jorgfältig zufammengetragen hat, ehr ein- leuchtend im Anschluß an einige Funde fojjiler Rejte des Tierchen, die Nehring aus dem Diluvium von Nußdorf bei Wien bejchrieben hat, Danacd) fannı fein Zweifel darüber jein, daß die Gattung Sieista in den mweitlichen Teilen ihres gegenwärtigen Berbreitungsgebietes ein Überbleibfel der Steppenperiode ijt, da fie ja im Dften vorzugsweife in den Steppen Diteuropas und Ajiens lebt: fie hat fich von der Steppenperiode bis zur Gegenwart „Durch- gejchlafen". Aber auch) in der genannten paläarktiichen Fauna ift fie ein Anachronismus; mehr al3 alle andere Saculiven, die höher fpezialijiert find, Hat Die Gtreifenmaus Be- ztehungen zu gewijjen mitteloligozänen Nagern: im Schäpelbau zu der Gruppe, die Winge zu jeinen Anomaluridae gejtellt hat, jpeziell im Gebiß zu Omegodus Pomel (Eomys), den der genannte Zoologe für den primitivften Saculiden hält, während er mit ebenjoviel Be- rechtigung auch zu den Arnomaluriden gerechnet werden fan. Aljo eine der altertümlichen und urfprünglichen Sammelformen, wie fie heute noch vielfach auf der Se Donge Denn aber immer mehr im Berjhhiwinden begriffen find! Bielfeicht darf man hier eine Nord- und Mittelamerika angehörige, früher al Familie Saccomyidae zufammengefaßte Nagergruppe, die der jogenannten Tafchennager, anreihen. Dieje Abteilung enthält fehr verjchieden geitaltete, teilweije zierliche und hübjche, teilweije unjchöne, in ihrem Wefen, ihren Sitten und Gewohnheiten wenig befannte Nager, Die jich von allen übrigen Dadurch unterfcheiden, daß fie verfchievden lange oder tiefe, nicht im Munde, jondern außen auf der Bacdenfläche fich öffnende, innen mit kurzen Haaren ausgefleidete Badentafchen befigen. Diejes eine Merfmal genügt, um die hierher zu zählenden Arten der Drdnung von allen Verwandten zu unterjcheiven. &3 genügt aber nicht, um eine wirklich Birkenmaus. Tajchenfpringer. 233 natürliche Gruppe zu bilden, und jo finden wir denn bei Trouejjart die mehr mausartigen Tajchennager einschließlich der fünguruhbeinigen Formen, die den eigentlichen Springnagern ühneln, als jelbitändige Yamilie (Heteromyidae) den plumpen, unterirdiich mühlenden Tajchenratten als einer zweiten jelbjtändigen Familie (Geomyidae) gegenübergejtellt. Das Gebiß jtimmt der Anzahl der Zähne nach mit Dem der Eichhornnager wie der Stacheljchweine überein und beiteht außer den Nagezähnen in jedem Stiefer aus4 Badzähnen mit gejchlofjenen und ungejchlofjenen Wurzeln. Am Schädel, dejjen Umrig mit dem Fochbogen fait vieredig er- jcheint, find die Schläfenbeine.außerordentlich enttwidelt und reicht das Jochbein born bis zu dem Tränenbein; Schien- und Wadenbein find verwachjen, die Füße fünfzehig, die vorderen jtärker befrallt alsdie hinteren. Der Pelz beiteht aus straffen, jteifen Grannen ohne Grundhaar. Zafhenfpringer, Dipodomys phillipsi Gray. 1a natürlicher Größe. Tajchenmänje (Heteromyidae) nennt man die Mitglieder der eriten Familie mit ichlanfem, zierlihem Leib, verlängerten Hinterfüßen, langem Schwanze und fpibiger Schnauze, Tajhenjpringmäufe (Dipodomyinae) die Vertreter der erjten und herbor- tagendjten Unterfamilie. In ihrer Gejtalt ähneln leßtere den Springmäufen; der Kopf ift groß, breit und platt, das Ohr abgerundet, die innere Zehe an allen Füßen verfümmert, aber noch mit einer Kralle verjehen, der Schwanz jo lang oder länger als der Körper, ganz, an der Spite pinjelartig behaart; die Hinterfüße zeichnen jich Durch ihre Länge aus; das Gebig enthält wurzelloje Badzähne. Aus der Gattung Dipodomys Gray ijt der Tajchenjpringer, Dipodomys phillipsi Gray, die befanntejte Art. Bon der Gejamtlänge, 30 cm, fommen ungefähr 17 cm auf den Schwanz; das Weibchen ift um etwa 2 cm fürzer al3 das Männchen. Auch die Färbung erinnert an die der eigentlichen Springmäufe: der Kopf mit den Ohren, der Rüden und die Hinterjchenfel find lichtbraun, die Seiten, die Unterjeite, ein über den Schenfeln nad) dem Schwanze zu verlaufender Streifen, ein zweiter, der fich von den Ohren herab nad 234 8. Ordnung: Nagetiere. Familien: Tajhenmäuje und Tajcdhenratten. den Schultern zieht, und endlich die Schwanzjpite find weiß; an den Leibesjeiten geht dieje Färbung in das Gelbliche über. Soviel man bis jebt weiß, bejchränft jich die Heimat dieje3 ebenjo hübjch gefärbten wie lebendigen Tierchens, von dem heute eine lange Reihe verjchiedener Arten und Unter- arten unterjchieden werden, auf Kalifornien, Teras und Merifo. Hier lebt e8 in den ödejten und ärmjten Gegenden, auf Stellen, die ein müjtenhaftes Gepräge zeigen und nur jpärlic) mit riejenhaften, wunderbar geformten Kaftusarten bejegt jind. Aus der furzen Lebens- ichiderung, die Audubon gibt, geht hervor, daß e3 in jeinem Wejen und Betragen vielfach mit den Rüftenjpringmäufen übereinstimmt. E3 erjcheint erjt mit der Dämmerung außerhalb jeiner Höhle und trippelt dann regelmäßig zwijchen den Steinen umher, den Menjchen weder fennend noch fürchtend. Sn jeinem Wohngebiete bemerft man außer dei vielen Eidechjen und Schlangen faum ein lebendes Wejen weiter und fragt jich daher mit Kecht, wie es möglich ift, daß ein Säugetier ich dort ernähren fan. Höchjtwahrjcheinlich lebt der Tafchenjpringer ebenfalls von Samen, Wurzeln und Gräjern und fan, wie die meijten Wüftenjpringmäufe, das Wajjer längere Zeit vollftändig entbehren oder begnügt jich mit den Tautröpfchen, die fich des Nacht3 auf einzelnen Pflanzen niederjchlagen. Über Fort- pflanzung und Gefangenleben fehlen immer nocdy Beobachtungen. Eine zweite Gattung derjelben Unterfamilie, ebenfalls mit verlängerten Hinterbeinen, bilden die Känguruhratten der amerifanijchen Naturgejchichte, Känguruhmäufe (Pero- dipus Fitz.), wie wir jie lieber nennen wollen, um VBerwechjelungen mit den befannteren auftralifchen Beuteltieren ‚vorzubeugen. Drd3 Känguruhmaus, P. ordi Woodh., aus Teras, Neumgrifo und Arizona, . Kopf und Rumpf etwa 11, Schwanz etiva 14 cm lang, ober odergelb, am Rumpfe jchwärz- lich überflogen, unten weiß, ebenjo die Seiten der Naje, ein Fled hinterm Ohr und ein Duer- band über die Keufen, nennen Stone und Cram „einen anderen nächtlichen Bewohner der jandigen Ebenen des Südmeitens”. Sie macht jich ein unterirdijches Nejt mit zahlreichen, ineinander laufenden Röhren; das Ganze bildet einen niedrigen Erdhaufen, der jehr leicht einbricht, und dem daher die ortsfundigen Pferde und Maultiere jehr forgfältig ausweichen. Ein jolches Neit, das Seton Thompjon unterjuchte, lag unter den jchügenden Dornen eines Büjchels jogenannter Spanijcher Bajonette und Diiteln, und dieje hielten jehr wirfungs- voll alle etwaigen Verfolger von den neun Zugängen ab. Diefe Öffnungen führten zu einem mehr oder weniger vermwidelten Syitem von Röhren, die eine in die andere jich öff- neten auf eine Art und Weife, daß ein Eindringling viel eher zu einem anderen Ausgang geführt wurde als in das Neit. Diejes war durch einen furzen Seitengang zu erreichen, Der bon einer der obigen Röhren ausging; er wurde von dem Tierchen vor dem Berlajjen offen- bar mit Erde veritopft, um das Weit vor jeder Störung zu jchüben. Das Weit hatte eine dide Toliterung von feinen Halmen und ausgerijjenem Seidengras und war mit Federn mweic) ausgefüttert, Zwei andere mit Sonnenblumenjamen gefüllte Kammern waren offenbar Borratsräume. Die Maus jelbjt, die Thompjon einige Zeit in Gefangenjchaft hielt, war die Verförperung rajtlojer Tätigkeit: alles lebte an ihr von den dDurchjcheinenden Spiten der Naje und Ohren bis zum Ende des zudenden Schwanzes. Sie fonnte ihren Käfig mit einem Sprunge Durchfreuzen, und „da jah ich, welchen Zived der mächtige Schweif hat. Bei den außerordentlich weiten, fliegenden Sprüngen, die das Tier macht, leiftet der Quajt am Ende diejelben Dienjte wie die Federn für den Pfeil. Er hält das Tier auf jeiner Bahn Drds Kängurufmans. Nihardjons Känguruhmaus. 235 in der Luft gerade... ES war der unermüblichite eine Gräber, den ich je fah. Diefe Heinen, rojigweigen Pfötchen, nicht viel größer al3 eine Bleijtiftfpige, wurden nimmer müde zu wüh- fen und warfen die Erde in Fleinen Sprigern zwifchen den Hinterbeinen hindurch wie eine Dampfihaufel. Das Tierchen unterhöhlte erjt die ganze Exrdmafje durch und durch, und ich zweifle nicht, daß e3 mehrere ideale unterixdifche Wohnungen hergeitellt und wieder zerjtört, viele unterirdijche Verbindungen gejchaffen hat. Dann machte e3 fich ein nächtliches Gejchäft daraus, Hügel aufzumwerjen und Schluchten einzugraben, two e3 ihm gutdünfte.” Thompfjon hatte Grund, zu vermuten, daß das fchivache, vogelähnfiche Gezwiticher, das Wiehhirten und andere Leute zuweilen auf den Ebenen hören, der Känguruhmaus zuzufchreiben ift. Die verwandte Richardjons Känguruhmaus, Perodipus richardsoni Allen, preiit Hornaday al3 ein wahres „Elfchen”, eine der fchönften und anziehendften Kormen unter allen amerifanijchen Mäufen. Hoch aufgerichtet auf ihren Hinterbeinen fteht fie da twie ein win- ziges Känguruh und hüpft auch jo umher, die Vorderpfoten dicht unter das Kinn eingezogen und fait im Fell veritedt. Das Haar ijt weich, feidig, ziemlich lang und oben von fahl- brauner Farbe. Kopf und Rumpf zufammen etwa 11, Schwanz über 14 cm lang. Die Badentajchen jind groß und werden angeblich zum Herausbringen des Sande3 aus dem Bau benußt. In den trodenen und unfruchtbaren Gegenden des weiten Sidmweftens vom (früheren) Indianerterritorium bis Arizona und Kalifornien, wo die Wüftenjtreden augen- jheinlich nichts al® Sand bieten, Kafteen, Yırccas und Salbeibitiche, Halten diefe munteren Tierchen aus. Dffenbar find fie jotwohl feuer- als wafjerfeit, meint Hornaday weiter mit gutem Humor; fein Hibegrad ficht jte an, und fein Wajjermangel fann ihre Lebensgeifter auch nur im geringjten nieverorüden. Wie die meijten Natten und Mäufe leben fie nächt- ich, und, jegen wir Hinzu, das Hilft ihnen, das Leben in jenen Gegenden zu ertragen. Einige bauen jich zufammen große Hügel aus Erde und Sand von 1-3 Fuß (ca. 90 cm) Höhe und 5—10 Fuß (ca. 3 m) Durchmejjer, die von Kejjeln und Röhren wabenartig durd;- zogen jind. Diefe Bauten werden oft auch von lapperichlangen und Eidechjen betwohnt, und die Känguruhmaus it zweifellos ein wichtiges Gericht auf Der Speifefarte des Wititen- Happerers. m Wejen ift jie außerft janft und beißt nie, wenn man fie greift; aber zugleich it jie jo zart, daß jie in Gefangenfchaft nicht lange lebt, und wenn man fie noch jo jorg- fältig und jachgemäß pflegt. R Während die Tajchenmäufe den zierlichiten Nagern gleichen, erinnern die verwandten Zajchenratten (Geomyidae) an die plumpften Glieder der Ordnung. Der Pelz beiteht aus jtraffen, jteifen Grannen ohne Grundhaar. 20 Zähne, 1 mächtiger Schneidezahn und 4 wurzelloje, länglichrunde Badzähne mit einfacher Kaufläche in jedem Kiefer bilden das Gebiß. Der breite und Fräftige, zwifchen den Augenhöhlen eingezogene Schädel hat große SJochbogen und außerordentlich entiwidelte Schläfenbeine. Hart Merriam hat den „„Pocket-Gophers“, wie die Amerikaner die Tajchenratten nennen, eine eingehende Studie gewidmet („North American Fauna“, Nr. 8, 1895). Ein- feitend entwidelt er den LTeibesbau aus den Erfordernijjen des unterivdischen Lebens, das jie alle führen; -deshalb find auch alle die zahlreichen Arten äußerlich ehr gleichförmig. C3 . jind furzbeinige, dicleibige Tiere ohne deutlich abgejesten Hals, ohne fichtbare äußere Ohren und mit jehr Kleinen Augen. Die Füße find ftarf entwidelt zum Graben; die Vorderfühe bejonder3 Fräftig, mit langen, ummen Krallen bewaffnet, deren Zuftand vom Alter des 236 8. Ordnung: Nagetiere Familie: Tajchenratten. Tieres abhängt und von dem Boden, in dem es arbeitet. Sie wachjen lebenslänglich weiter, und ihre Spiten nuben fich in hartem Boden ab, fo daß fie did und ftumpf werden; in jandigem Boden finden fie nicht genug Widerjtand und werden dann länger und jchmäler, als natürlich it. Die Zehen find an den Seiten mit Borjtenreihen bejest, die offenjichtlich verhüten, daß Erde zwijchen die Finger fommt. Der mittellange Schwanz ijt did, fleijchig, gewöhnlich Haarlos und mit empfindlichen Taftjinn begabt. Beim Graben gebrauchen die Gopher ihre mächtigen oberen Nagezähne wie eine Hade, um die Erde aufzulodern. Zugleich leijten Die Vorderfüße eine Doppelte Tätigkeit, fie graben und drüden die Erde rüd- wärt3 unter den Körper, während die Hinterfühe Dieje noch weiter zurüdichteben. Wenn das Tier eine genügende Menge Hinter fich angehäuft hat, dreht es fich plößlich in der Röhre um, und indem e3 die Handgelenfe unter dem Kinn zujammenlegt, die Handflächen aber jenfrecht ftellt, drängt e3 jich jelbit mit den Hinterfüßen vorwärts und jchiebt die Erde nach born hinaus ins Freie. Dort bildet dieje dann einen Eleinen Hügel, ähnlich wie ein Maul- wurfshaufen. Viele Arten haben eine nadte Schiele oder Najenmwulft auf Der Vorderhälfte der Naje, die beim Graben der Röhren ebenfalls tüchtig helfen muß. Wenn diefe Schwiele jtarf entwidelt ift, find die unterliegenden Najenbeine Hoch gewölbt oder aufgetrieben. Ein Gopher aus Vermont in Teras, Geomys lutescens Merriam, den Merriam einige Monate lebend hielt, ütberrafchte ihn jehr dadurch, daß er ebenjo rafjch und leicht rückwärts laufen fonnte wie vorwärts. Dies machte fich bejonder3 bemerkbar, wenn das Tier im eigenen Quartier einem Laufgang oder fonft gewohnten Wege folgen konnte. Wenn e3 Futter nad) einem feiner Yagerräume brachte, drehte e3 fich felten um, jondern lief ge- mwöhnlich rückwärts zu dem Lagerpla, Fehrte zurüd, um mehr zu holen, und wiederholte dies immer wieder, an ein Weberjchiffchen auf feiner Bahn erinnernd. Der Schwanz ift nadt bei den meijten jüdlichen Arten und mehr oder weniger be- - haart bei den nördlichen; die legteren Haben im Winter viel mehr Haare am Schwanze als im Sommer. An dem vorgenannten lebenden Gopher jah Merriam, daß er beim Rüdwärtslaufen feinen Schwanz als Tajtwerfzeug gebrauchte. Wenn der Gopher auf weichem Boden läuft, hält er feine Borderfüße mit den Sohlen nach unten wie andere Tiere; auf hartem Boden aber jchlägt er jie einmwärts und läuft auf dem äußeren Sohlentande, jo daß ihm die langen Krallen nicht im Wege find. Man fann auch beobachten, daß die Vorderfüße in der Ruhe ebenfalls oft jo gehalten werden. Wenn fie al3 Schaufel dienen, um Ladungen Erde oder Sand aus dem Wege zu jchaffen, werden jie unter die Bruft zurüdgezogen, jo daß die Handgelenfe ganz nahe beieinander und Die langen Krallen nach außen jtehen. Die Lippen mit einer dünnen Behaarung ziehen jich in die breite Lüde zwijchen Schneide- und Badzähnen hinein, two jie jich in eine Nute am Dach der Mundhöhle legen und ebenjo eine Abtrennung diejer am Unterfiefer bewirken, indem jie eine zwerchfellartige Teilung zwijchen Schneide- und Badzahnregion bilden. Die Dffnung darin ift Hein, liegt ganz unten und fan vollftändig geichlofjen werden entweder durch die fleifchige Zunge oder durch Die haarigen Lippen jelbit, die jich aneinanderlegen und nur einen jerfrechten Schliß lajjen. ©o ziehen jich die Lippen — wenn der Ausdrud „Lippen“ für dieje Fellfalten an- gewendet werden darf — rings um die unteren Nagezähne, an deren Grund das Fell Hinten angeheftet ift, jo daß es zurücgezogen werden fan. Dann läßt e3 einen freien Raum unter der Stelle, wo der Zahn aus feiner Höhle hervortritt und gibt dadurd) den unteren Schneide- zähnen größere Freiheit beim Nagen. Bei der vor- und rüdwärtsbohrenden Bewegung Tajhenratten. 237 de3 Kiefers bleibt das Fell anjcheinend auf der Stelle, während die unteren Nagezähne rajch vor- und rückwärts jpielen. Zweck diejer ziwerchfellartigen Teilung, die die Mundhöhle ‚in zwei Räume jcheidet, ijt offenbar, Erde und Holzjpäne vom Eindringen in den Mund abzuhalten, namentlich während der verjchiedenen unterirdijchen Tätigfeiten des Tieres, Die innen behaarten, außerhalb des Mundes im Gejicht jich öffnenden Badentafchen werden ausfchlieglich zum Futtereintragen benußt, nicht um Erde fortzufchaffen, wie oft irrtümlich vermutet wurde. Die Gopher find „große Sammler” und tragen in ihren Borrat3- fammern vielmal mehr zufammen, al3 jie verbrauchen fünnen. Die Badentajchen reichen rüdwärts bis zur Schulter und jind jo befeitigt, daß jie nicht vollftändig ausgejtülpt werden fönnen, ohne daß dieje Verbindungen zerreigen. Während der Hintere Teil der Tajche durch den Musfel zurüdgehalten wird, der von ihr bis zu den Lendenwirbeln reicht, Farın die be- haarte Innenfeite, die den Gejichtöjeiten unter dem Auge und vor dem Ohre aufliegt, um- gefehrt und borgejtülpt werden, jo daß jie wie ein Lappen von dem Mundminfel niederhängt. An jeinem zahmen Gopher, der ihm Kartoffeljtüdchen aus der Hand fraß, beobachtete Merriam, wie das Borratöfutter in die Badentajchen gelangt. Die Art zu frejjen offen- barte eine ganz unerwartete Gejchidlichfeit im Gebrauch der plumpen Vorderfüße und Klauen. Wenn der erite Hunger gejtillt war, füllte das Tier eine oder beide Badentajchen. Seine Bewegungen waren jo rajch, Daß es außerordentlich jchwer war, ihnen zu folgen und genau zu jehen, wie die Sache vor jich ging. Der gewöhnliche Verlauf war folgender: ein Stüd Kartoffel, Rübe oder anderes Futter wird mit den Schneidezähnen gefaßt und dann jofort in die Vorderpfoten weitergegeben, die wagerecht gehalten werden, die Klauenjpiten gegeneinander gefrümmt. Wenn das Futter zerkleinert werden muß, wird e3 in Diejer Haltung zugerichtet. Dann wird das Stüd rajch quer über die Bade gejchoben mit einer Art wijchender Bewegung, die e3 in die offene Mündung der Tajche Hineinjtopft. Manch- mal genügt ein Wijch mit einer Hand; ein andermal werden wieder beide Hände gebraucht, namentlich wenn das Stüd groß ijt. Zr jolchen Fällen ziehen die langen Srallen der einen Piote den unteren Tajchenrand nieder, während mit der anderen das Futter hineingejtedt wird. Das Merfwürdigite bei dem ganzen Gebrauch der Tajchen ift, wie fie entleert werden. Die Vorderfüge werden gleichzeitig jo weit hinten an die Kopfjeiten gelegt, bis fie das Hinterende der Tajchen erreichen, dann werden jie feit gegen den Kopf gepreft und rajch bormwärts gejchoben. Auf dieje Weije entleert jich der Inhalt glatt vor die Füße des Tieres. Manchmal it aber auch wiederholtes Streichen nötig. Das Gebik ijt ein Hochjpezialijierter Mechanismus zum Zerjchneiden und Spalten der Nahrung; außerdem helfen die Schneidezähne aber nebenbei noch al3 Beil, Brecheijen und Hade die verichiedenartigen Hindernifje überwinden, die dem Tier entgegenjtehen, wenn e3 jeine Gänge in die verjchiedenen Bodenarten treibt. Im Einklang mit den ganzen merkwürdigen Anpajjungen des Schabeapparates fteht die bejondere Art und Weije der Befeitigung der Zähne mittels der Knochenhaut der Zahnhöhle, derart, daß dieje die Zähne nicht einfach überkfeidet, jondern nur den Zementbändern fejt anhängt, die Schmelzflächen - aber frei läßt. Co ijt jeder Zahn an einem oder mehreren jenfrechten Roljtern aufgehängt, melche jich von der Wurzel bis zum Zahnfleijch ausdehnen. Dieje Befeitigungsmweije jchüst nicht nur den zarten Zahnpulp am Grunde vor Drud, fondern gibt auch den fchneidenden Nändern eine Höchjt wirfjame Elaftizität. Bei den meilten Gopherarten fommen zwei Färbungen vor: eine bleigraue oder dunkle und eine Fajtanien- oder gelblichhraune. Sm ganzen genommen ijt die braune Farbe 238 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Tajchenratten. bei weiten die gemöhnlichite. Das bleigraue Fell glänzt gewöhnlich mehr oder weniger metalliich und jpielt zumeilen jogar in den Negenbogenfarben: eine Eigentümlichfeit, Die jich bei unterirdischen Säugern mehrfach findet! Manche Arten mweijen je nach der Sahres- zeit zwei jehr verjchiedene Färbungen auf. ©o fehlt 3. B. manchmal im Sommer der Dunkle Rüdenftreif, und das fan nicht immer Folge der Abnubung der Haare jein. Gejchlechtsunterjchiede in der Größe und den Merkmalen des Schädels gehen durd) die ganze Gattung durch und find bei manchen Arten außerordentlich jtarf ausgebildet. Die Weibchen jind immer bedeutend Feiner als die Männchen. Beiden Tajchenratten im engiten Sinne (Geomys Raf.) zeigen die oberen Schneide- zähne eine Furche in der Mitte und find die Ohren verfümmert. Von den vielen Arten, die man neuerdings unterjchieden hat, mag unsdie am beiten befannte ein Bild der Familie geben. Die Tafchenratte oder der Gopher, wie er im Lande jelbit heißt, Geomys bur- sarıus Shaw (canadensis), ijt etwas feiner als unjer Hamiter, jamt dem 6,5 cm langen CSchiwanze35 cm lang, und fteht in der äußeren Erjcheinung etwa zwijchen Hamjter und Maul- wurf mitteninne. Der Pelz ijt ungemein Dicht, weich und fein. Die Haare find an ihrer Wurzel tief graublau, an ihren Spißen rötlich auf der Oberjeite und gelbgrau auf der Unter- jeite; der Schwanz und die jpärlich behaarten Füße haben weipliche Färbung. Der Name Gopher wird übrigens in einzelnen Gegenden auc) verjchtedenen anderen Nagern (Ziejeln) beigelegt, und die Tajchenratte dann als „Pocket-Gopher“ unterjchieden. Der Gopher verbreitet jic über das öjtlich) von dem Feljengebirge und mejtlich vom Miiiiiitppi und zivischen dem 34. und 52. Grad nördl. Breite gelegene Land. Er führt ein unterirdiiches Leben und wirft Haufen auf, die denen unjeres Maulwurfs jehr ähneln. Manchmal geben feine Wühlereien der Oberfläche beinahe das Ausjehen gepflügter Felder; zu anderen geiten, zumal im Winter, bemerkt man feine Tätigfeit faum. Bloß während der warmen Jahreszeit fomımt er ab und zu einmal auf die Oberfläche der Erde; Die Falte Zeit jcheint er zu verjchlafen. Namentlich Audubon und Bachmann bejchreiben fein unter- iwdijches Leben ziemlich genau. „Sn einem Garten, in welchem wir mehrere frijc auf- geworjene Hügel bemerften, gruben wir einer Tajchenratte nad) und legten Dadurch mehrere ihrer unteriwdiichen Gänge nach den verjchiedenjten Richtungen Hin bloß. Einer von den Hauptgängen verlief ungefähr 30 cm tief unter der Erde, außer wenn er die Gartentmwege freuzte, wo er dann tiefer jfanf. Wir verfolgten den ganzen Gang, welcher durch ein breites Sartenbeet und unter zwei Wegen Hiniveg noch in ein anderes Beet verlief, und fanden, daß viele der beiten Pflanzen Durch dieje Tiere vernichtet worden waren, indem jie Die Nurzeln gerade an Der Oberfläche der Erde abgebijjen und aufgeftejjen hatten. Die Höhle endete in der Nähe der Pflanzung unter einem Nojenbufche. Hierauf verfolgten wir einen anderen Hauptgang, der bis an das Gemwurzel eines großen Buchenbaumtes lief; hier hatte die Natte die Ainden abgenagt. Weiter und weiter unterjuchend, fanden wir, daß viele Nöhren vorhanden waren und einige von ihnen aus dem Garten hinaus in das Feld und in den nahen Wald führten, wo wir dann unjere Jagd aufgeben mußten. Die Haufen, welche dieje Art aufwirft, jind ungefähr 30—40 cm hoch und ftehen ganz unregelmäßig, manchmal nahe beieinander, gelegentlich auch 10-, 20-, ja jogar 30mal weiter entfernt.“ Ältere Gänge jind innen feitgefchlagen, die frifchen nicht. Hier und da zweigen fi) Neben- gänge ab. Die Kammer wird unter Baummurzeln in einer Tiefe von etiva 1,5 m angelegt; Sopher. 239 die Röhre fenkt fich fehraubenförmig zu ihr hinab. Dieje Kammer ift groß, ganz mit weichem Grafe ausgekleidet, einem Eichhornnefte nicht unähnlich, und dient dem Tiere zum Nuhen und Schlafen. Das Neft, in dem das Weibchen Ende März oder Anfang April feine 5—7 Jungen zur Welt bringt, ift der Kammer ähnlich, jedoch innen noch mit den Haaren der Mutter ausgefleivet. Wie öfter das Neft des Maulmwurfes umgeben esRundgänge, von denen aus die Röhren fich abzwweigen. Vom Nefte aus führt ein Gang zu einer größeren Höhlung, der Vorratsfammer. Sie ift gefüllt mit Wurzeln, Erdfrüchten (Kartoffeln), Niffen und Sümereien. Sn den Morgenftunden von 4 bis 10 Uhr arbeitet die Tajchenratte am eifrigjten 2 g Ba U G PB Tel m Palau = = I N a Se na re ER Inn nn ea rg - = BR BEN Eh a ge —— #7 u ee = nn — ET 2 FE ——— 112 07 ll = Fe ea EN Sr D — (> ” re Tal henratte, Geomys bursarius Shaw. 1a natürlider Größe. am Weiter- und Ausbau ihrer Wohnung, unzweifelhaft in der Abjicht, fich mit Speife zu verjorgen. Wenn der Ort reich an Nahrung ift, werden in diejer Yeit 3—5 m Höhlung her- gejtellt und 2—5 Hügel aufgeworfen; im entgegengejegten Falle dDurchwühlt das Tier größere Streden und arbeitet länger. Zumeilen unterbricht es die Arbeit wochenlang; e3 jcheint dann von den aufgejpeicherten Vorräten zu zehren. Beim Aufmerfen der Erde, das der Gopher nach Art des Maulwurfes bewerkitelligt, läßt er jeinen Leib jo wenig als möglic) jichtbar werden umd zieht fich augenblicklich wieder in die fichere Tiefe zurüd. Auf dem Boden erjcheint er, um jich dürres Gras für feinen Wohnraum oder das Neit zu jammeln und, nad) Audubon, um fich zu fonnen. Sein vortrefflicher Geruch und das ausgezeichnete Gehör fichern ihn hier vor Überrafchungen; bei vermeintlicher Gefahr ftürzt er ich augen- blieflich in die Tiefe, auch wenn er fich exrft durch Neugraben eines Schachtes den Eingang erzwingen müßte. Gopherbauten jcheinen weder Anfang noch Ende zu Haben, jagt Vernon Bailey. Sie werden von Jahr zu Sahr ausgedehnt und vergrößert, und oft mift, was ein n 240 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Tajchenratten. einzelnes Tier gewühlt hat, eine englische Meile und mehr, wenn man e3 in eine gerade Linie überträgt. Am Ende des Jahres mag man den Gopher oft feine zwanzig Ruten von ver Stelle finden, wo er ausging; aber er wandert eben nicht mit vem Kompaß. Set geht er einige Fuß weit nach einer zarten Wurzel, dann wendet er jich zur Seite, jtößt auf einen Stein und macht eine zweite Wendung. Eine Schicht weichen Bodens treibt ihn wieder in eine andere Richtung und jo weiter Durch taufend Frumme Umwege. Dr. Goode bejchreibt das Wühlen jelbit folgendermaßen: Die Gopher graben dur) Bohren mit der Naje und rajches Schaufeln mit den langen, Frummen Borderflauen, während die Hinterfüße durch ‚Stoßen mithelfen. Sie jchteben die Erde unter dem Körper weg und jchleudern fie mit großer Kraft nach Hinten auf eine Entfernung von 20—25 cm. Sn feinen Röhren joll jich der Gopher mit der. Hurtigfeit des Maulmwurfes bewegen. Beim Frejjen jest er jich oft auf die Hinterbeine nieder und gebraucht die vorderen nach Eichhörnchenart. Zum Schlafen rollt er fich zufammen und birgt den Kopf zmwifchen den Armen an der Bruft. Seine erftaunlich großen Badentajchen treten, wie bei anderen Nagern auch, mehr und mehr nach außen hervor, je volfer jie werden, und gewinnen danır eine länglich-eiförmige Gejtalt, Hängen aber niemals jadartig zu beiden Seiten der Schnauze herab und erjchiweren dem Tiere feine feiner Bewegungen. Die gefammelten Nahrungs- borräte jchüttet e3 zumeilen gleich von außen her Durch einen jenfrechten, päter zu ber- ftopfenden Schacht in feinen Speicher. Der Schaden, den der Gopher anrichtet, Fanın jehr bedeutend werden. Das Tier ver- nichtet zumeilen durch Ubnagen der Wurzeln Hunderte von wertoollen Bäumen in wenigen Tagen und vermültet oft ganze Felder durch Anfrejjen der von ihm jehr gefuchten Knollen- früchte. Deshalb wird der Menjch auch ihm, das fonft nur vom Waffer oder von Schlangen zu leiden hat, zum gefährlichjten Feinde. Man jest ihm Maulwurfsfallen aller Art, nament- lich Heine Tellereijen. Groß ift die Anftrengung gefangener, jich zu befreien, und gar nicht jelten, freilich aber nur nach Verluft des eingeffemmten Beines, gelingt ihnen jolches. Audubon hat mehrere Tafchenratten wochenlang 'gefangen gehalten und mit Snollen- gemwächjen ernährt. Sie zeigten fich überrafchend gefräßig, verichmähten dagegen zu trinken, obgleich ihnen nicht bloß Wafjer, jondern auch Milch geboten wurde. An ihrer Befreiung arbeiteten jie ohne Unterlaß, indem fie Kiften und Türen zu dDurchnagen verjuchten. Stlei- Dungsitücde und geug aller Art jchleppten jie zufammen, um fich ein Lager davon zu bilden, und zernagten es natürlich. Auch Lederzeug verjchonten jie nicht. Einmal hatte ich eine don Audubons gefangenen Tajchenratten in einen Stiefel verirrt: anfjtatt umzufehren, fraß fie fich an der Spite einfach durch. Außer der Fortpflanzungszeit leben die Gopher einzeln. Sie jind jehr angriffsluftig und fämpfen nicht nur heftig untereinander, fondern gehen auch ohne Zögern auf den Menschen los, wenn er fie fern vom Bau überrajcht und fangen will. Diejes jtreitbare Vejen liegt in vielen Nagern drin, und zwar naturgemäß in denjenigen, die zum Flüchten nicht gewandt genug jind. Auch der mwohlbefannte deutich-amerifanische Beobachter und Vogelwirt Nehrling hat über den Gopher in Texas Erfahrungen gejfammelt. „Unter den Nagetieren ijt dent teranischen Farmer feines jo verhaßt wie der ‚Salamander‘.” Co heißt der Gopher merf- mwürdigerweije im Süden der Union. „Allerwärts, namentlich an den fruchtbariten Stellen der Telder, jieht man die frifch ausgefcharrten Erdhaufen. Die Eingänge zur Wohnung jind immer zidzad- oder fchraubenförmig, jo daß das Waffer nicht leicht eindringen Fann. Gopher. Blindmaus. 241 Sch fand in den Vorratsfammern große Kartoffeln und Bataten, Erdnüjje, Maisförner und =folben, Hafer ujw. E3 it rätjelhaft, wie die Fleinen Tierchen die großen Kartoffeln und Bataten einzujchleppen vermögen! &3 jind jehr jcheue Tiere, Die jich nicht leicht bei ihrem Tun und Treiben überrumpeln lafjfen... Wenn man einen gefangenen Salamander auf einer freien Stelle laufen läßt, jo jucht er nicht zu entrinnen, jondern er fceharrt mit beivunderungsmwürdiger Schnelligkeit, anjcheinend mit alfen vier Füßen zugleich, einen Eingang in die Erde, und im Nu ift er dem Auge des Beobachter3 entjchwunden.” * Wir fehren jet nach der Alten Welt zurüd, um hier die übrigen Erdmwühler und Wurzelfreifer anzureihen, foweit fie nicht zu den Wühlmäufen im wiljenfchaftlichen Sinne gehören: die Blindmausartigen oder Wurfmäufe. 3 find ungeftalte, Häßliche, fait ganz unterirdifch lebende Nager. Der Leib ift plump und walzenförmig, der Kopf did, breit, jlachitirnig und ftumpfjchnauzig; die Augen find außerordentlich Klein oder liegen gänzlich unter der äußeren Haut verborgen; die jehr Kleinen Ohren entbehren meijt äußerlich jicht- barer Mujcheln; meift fehlt auch der Schwanz oder ijt im Pelze verjtedt. Die fünfzehigen Füße find fait gleichmäßig entwicelt, aber doch, wie bei den Maulwürfen, die vorderen jtärfer als die hinteren. An dem hinten jehr breiten, vorn abjchüfjigen Schädel fällt bejonders der in zwei ungleiche Ifte geteilte Sochfortjat auf. Das Schlüffelbein ift jehr Fräftig, der Oberarm breit und jtarf. Die Schneidezähne find breit und flach, Die 3, 4 oder 6 Bad- zähne in jedem Kiefer gefaltet und mit Wurzeln verjehen oder mwurzellos. Die Wurfmäuje bewohnen meijt trodene Ebenen der Alten Welt und durchwühlen nac) Art der Maulwürfe den Boden auf weite Streden Hin. Keine Art lebt gejellig; jede wohnt einzeln in ihrem Bau und zeigt auch das mürrijche, einjiedleriiche Wejen des Maul- wurjes. Lichtjcheu und unempfindlich gegen die Freuden der Oberwelt, verlajjen die Wurf- mäufe nur höchit jelten ihre unterirdifchen Gänge, arbeiten meijtens auch hier nicht einmal während des Tages, jondern hauptfächlich zur Nachtzeit. Mit auferordentlicher Schnellig- feit graben jie, mitunter fogar jenfrecht, tief in den Boden hinein. Auf der Erde ungemein plump und unbeholfen, bewegen jte jich in ihren unterirdifchen Gängen vor- und rückwärts mit fajt gleicher Gewwandtheit. Jhre Nahrung bejteht nur in Pflanzen, meiftens in Wurzeln, Knollen und Ziviebeln, die jie aus der Erde wühlen; ausnahmsweife jrejjen einige auch Gras, Rinde, Samen und Nüjfe, Die in,falten Gegenden wohnenden jammeln fich zivar Kahrungsporräte ein, verfallen aber nicht in einen Winterfchlaf, fondern arbeiten rüjtig weiter zum Nachteile der Felder, Gärten und Wiejen, Glüclicherweije vermehren fie jich nicht jehr jtark, jondern werfen bloß 2—4 Junge, für die jie ein Neft Herrichten. Sn Tronejjarts Supplement werden zwei Familien, Blindmausartige und Cand- mullartige (Spalacidae und Bathyergidae), unterjchieden. Die Blindmansartigen in diejem engeren Sinne (Spalacidae) jegen jich wieder zujammen aus den eigentlichen Blindmäufen (Spalacinae), bei denen die verfümmerten Augen vom Fell überzogen find, und den Wurzelmäufen (Rhizomyinae), die ztwar offene, aber jehr Heine Augen haben. Die befanntejte Art der Gattung Spalax Güld. ift die Blindmaus, Spalax typhlus Pall. (Taf. „Nagetiere IX”, 3 u. 4, bei ©. 248). Der Kopf ift jtumpffchnauzig und ftärker Brehm, Tierleben. 4. Aufl. XI. Band. 16 242 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Blindmausartige. als der Rumpf, der urze, unbewegliche Hals fo die wie der [chwanzloje LXeib; Die Beine find furz, und die Füße haben ziemlich Schwache Zehen und Krallen. Die Blindmaus wühlt auch mehr mit dem Kopf al3 mit den Gliedmaßen. Die faum mohnforngroßen Augen liegen unter der Haut, fünnen alfo zum Gehen nicht benußt werden. Die Körperlänge beträgt 20 cm. An dem Ddiden Kopfe ift der Schädel abgeplattet, die Stirn flach, die Schnauze jtumpf gerundet, die Nafe die, breit und fnorpelig, mit runden, weit auseinander jtehenden Löchern. Gewaltige, die und gleichbreite, vorn meißelartig abgejchliffene Nagezähne ragen weit aus dem Maule hervor; die Drei Badzähne in jedem Sliefer zeigen feine Schmelzbuchten, und ihre Kauflächen ändern fich, jobald die Zahnfronen fich abzufchleifen beginnen, ununter- brochen. An den Vorderfüßen ftehen die Scharrfrallen weit voneinander ab und find nur am Grunde Durch eine Furze Spannhaut verbunden. Der Schwanz wird durch eine fchwach hervorragende Warze angedeutet. Ein Dichter, glatt anliegender, weicher Pelz, der auf der oberen Seite etwas länger al3 auf der unteren ift, bedeckt den Körper; jtarre, borjten- ähnliche Haare bevdeden die Kopfjeiten von den Najenlöchern an bis zur Augengegend und bilden eine bürjtenartige Haarfante, die beim Wühlen eine Rolle jpielt. Die Zehen jind nicht mit Haaren bekleidet, die Sohlen aber ringsum mit jtarren, langen, nach abwärts gerichteten Haaren eingefaßt. Jm allgemeinen ift die Färbung gelbbräunfich, afchgraulich überflogen, der Kopf lichter, nach Hinten bräunlich, Die Unterjeite dunfel ajchgrau mit weißem Längsitreifen an der Hinterjeite des Bauches und weißen Fledchen zwischen den Hinterbeinen, die Mundgegend wie das Sinn und die Pfoten Shmubig weiß. Früher nahm man nur dieje eine Art an, deren geographiiche Verbreitungsgrenzen infolgedeijen jehr weit gezogen werden mußten, Europa, Wien und Nordafrika umfpannten. Snzwijchen haben aber Nehring, Satunmn und Mehely jich mit den Blindmäufen be> ichäftigt, und ihren genauen und erjchöpfenden Arbeiten verdanfen wir es im mejent- lichen, daß Shitematif und Geographie der Gattung heute ziemlich Hargeftellt und auch zur Stammesgejchichte bereits einige Unterlagen vorhanden ind. „Die Blindmäufe”, jchreibt Nehring, „Eommerreinerfeit3 in Niederungzfteppen, fofern- diefe frei von Überfchwemmungen find, anderfeits auch in Hocdjiteppen vor. Ahr Ver- breitungsgebiet umfaßt das füdöftliche Europa, das weitliche Ajien und einen feinen Teil bon Afrifa (Unterägypten).“ 2. dv. Mehely, der Säugetierfujtos des Budapefter Nationalmufeums, hielt fchon 1904 auf dem Internationalen Zoologenfongreß zu Bern einen Vortrag über die Abjtammung, die Phylogenie, der Spalax-Arten und teilt dieje (Brief an Hed) in „rei Kormenfreife” ein: „j. Spalax ehrenbergi Nhrg. Steine Formen mit rotbräunlichem Pelz. Tripolis, Ägypten, Paläftina, Syrien. 2. Spalax hungaricus Nhrg. Mittelgroße Kormen mit grauem oder graurötlichem Velz. Stleinafien, Transfaufajien, Balfanhalbinjel, Dobrudjcha, Ungarn. 3. Spalax microphthalmus Güld. Große Formen mit mausgrauem oder hell jilber- grauem Pelz. Galizien, Bulowina, Südrußland, Zisfaufajien, Kirgifeniteppen.“ „Spalax typhlus Pall. geht in Sp. mierophthalmus Güld. auf.” 1908 hat v. Mehely dann in Prospalax priscus Nhrg. „die pliozäne Stammform der heutigen Spalax-Atten“ entdeckt, Dadurch, daß er dieje ältefte Wurfmaus, die Nehring nur als Art aufgeitellt hatte, an einem bejjer erhaltenen Unterkiefer aus dem Komitate Baranya al bejondere Gat- tung erkannte, von der die übrigen abgeleitet werden Fünnen. Yür diejfen bedeutung vollen Schluß waren v. Mehely namentlich „Die Form und Lagerung der Musfelfortjäge” Blindmans. 243 an dem Unterkiefer maßgebend, und im bejonderen jcheint es ihm „ziveifellos zu fein, Ddaf; der Asutige Spalax ehrenbergi der unmittelbare Abfümmling von Prospalax it“. Wie fait alle Wurfmäufe, wohnt auch) die Blindmaus in fruchtbaren Gegenden und hauft in unterixdifchen, mweitverzweigten Bauen, deren VBorhandenfein man an zahllofen Haufen erfennt. Lebtere find jehr groß, viel größer als die des Maufmwurfes, aber nicht hohe, jondern auffallend flache Hügel. Der ungemein mwinflige Gang verläuft in geringer Tiefe unter der Oberfläche, Durchjchneidet feuchte, mit Wafjer förmlich gejättigte Täler, Tiber- oder vielmehr unterjchreitet Bäche und Flettert an den Gehängen der Bergmände empor. Hier und da zweigt fich ein Nebengang ab, mündet wohl auch auf der Oberfläche. Während des Winterd werden die Gänge jo dicht unter der Grasnarbe angelegt, daß ihre erdige Überwölbung höchitens 2 cm did zu fein pflegt und der darüberliegende Schnee die eigent- liche Dede bildet. Die Blindmaus hält feinen Winterfchlaf, arbeitet daher fortwährenn, nach Berjicherung der Kirgijen am eifrigjten in den Mittagsjtunden und bei Sonnenjchein, am trägiten des Morgens und bei Regen. Beim Graben joll fie die jtarfen Schneidezähne benußen, um das Wurzelwerf zu durchnagen und die Erde, die zrwijchen den Wurzeln liegt, zu zerkleinern. Die losgejcharrte Erde wirft fie mit dem Kopfe in die Höhe und fchleudert fie dann mit den Vorder- und Hinterbeinen zurüd. Sie lebt ebenjomwenig gejellig wie Der Maulwurf, viel häufiger aber in größerer Nähe mit anderen ihrer Art zufammen. Um die Beit der Paarung fommt fie manchmal, um ich zu fonnen, auch bei Tage auf die Ober- fläche, eilt jedoch bei drohender Gefahr jchleunigit wieder ihrem Baue zu oder gräbt ich, wenn fie nicht augenblidlich die Mündung findet, mit überrafchender Schnelligkeit in die Erde ein, im Nu den Bliden fich entziehend. Häufiger noch als in den Mittagsitunden foll fie am frühen Morgen und in der Nachtzeit aus ihren Gängen hervorfommen. So ungejchidt und täppijch, wie man gewöhnlich angibt, find Die Bewegungen der Blindimaus nicht. Wie fie fich unterivdiich benimmt, hat man neuerdings im Berliner Garten an lebenden Eremplaren beobachten fünnen, die man in einem halb mit Erde ge- füllten Glasfaften hielt. Bei der Wühlarbeit fommt, wie zu erwarten, die merkwürdige Bürjtenfante zur Geltung, die jih vom Mundwinfel quer über die Baden zieht. Die Bürjtenfante wird einfach auf die Erde aufgejegt und diefe Durch rajches Heben und Senfen des Kopfes weggejchoben. Die Füße und Strallen leiften dabei wenig oder nichts, wie nach ihrer Schwachen Ausbildung fchon anzunehmen. Während die Sinne jonjt wenig entwidelt fein dürften, jcheint daS Gehör eine her- borragende Rolle zu jpielen. Man hat beobachtet, daß die Blindmaus gegen Geräufch jehr empfindlich ift und Hauptjächlich Durch den Gehörfinn geleitet wird. Wenn fie jich im Steien befindet, fit fie mit emporgerichtetem Kopfe ruhig vor der Mündung ihrer Gänge und laufcht Höchit aufmerkffam nach allen Seiten hin. Bei dem geringiten Geräujch hebt jie ven Kopf noch Höher und nimmt eine drohende Stellung an oder gräbt fich jenkrecht in der Boden ein und verjchtwindet. Wahrjcheinlich trägt auch der Geruch bei, den fehlenden Gejichtjinn bis zu einem gewiljen Grade zu erfegen. Ahr Wefen jcheint mit dem anderer, wenig fluchtgewandter Nager übereinzuftimmen. Man bezeichnet fie al3 ein mutige und bifjiges Gejchöpf, das im Notfalle feine Fräftigen Zähne in empfindlicher Weife zu gebrauchen weiß, ergriffen heftig jchnaubt und fnirfceht und wütend um fich beißt. Eine von uns ge- fangene benahm fich ruhiger, verjuchte nicht, fich zu befreien, zappelte auch nur wenig, als mir jie im.Genid gepadt hatten und feithielten. | dem ihr angemwiejenen Gefängnifje ai fie ein Ihwaches Duriefen vernehmen; andere Laute hörten wir nicht. 16* 244 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Blindmausartige. Die Blindmaus nährt fich, wenn nicht ausschließlich, jo Doch vorwiegend von pflanz- lichen Stoffen, bejonder3 von allerlei Wurzelwerf. Finden ji in ihrem Wohngebiete Pilanzen mit tiefgehenden Wurzeln, jo fenft fie ihre Gänge im Winter bis unter die hart- gefrorene Krufte des Bodens, wenn nicht, jchürft fie jene flachen Wege dicht unter dem Schnee. Wintervorräte hat man in ihren Gängen noch nicht aufgefunden, wohl aber Neiter, Die aus den feinjten Wurzeln zufammengebaut find. Sn einem jolchen Nejte wirft das Weibchen im Sommer feine 2—4 Jungen. Die neueiten Beobachtungen, die uns durch Plesfes freundliche Vermittelung zugäng- (ich gemacht jind, verdanken wir Sfilantjeff aus dem Wolgagouvernement Saratoim und Nojjiforw aus dem nördlichen Kaufafus (Terefgebiet). Sfilantjeff berichtet: „Der Blindmolf bewohnt allenthalben die Schwarzerdeiteppen und bevorzugt die Geländejenfungen. Die - Haufen haben einen Durchmeffer von 14—21 Zoll (35—55 cm) ; ich zählte bis 64 folcher Hügel in einer Reihe. Am Tage, zur heigeiten Zeit, trifft man den Blindmoll wohl auch auf der Erdoberfläche, wobei man feinem ganzen Benehmen leicht anmerft, dag man es mit einem blinden Tiere zu tun hat. Er bewegt jich nämlich jtet3 in gerader Linie vorwärts, ebenjo über die Steppe wie auf einem Fahrwege, wo er Gefahr läuft, überfahren zu werden. Bei diejen Spaziergängen hebt er häufig den Kopf mit den wulitigen Baden und horcht, ob Gefahr im Anzuge it. Beim geringjten Geräufche wendet er den Kopf in die Richtung der vermeintlichen Gefahr, nimmt eine Kampfitellung an und bringt, wenn es ihm gelingt, jeinen Feind zu erreichen, diefem mutig Bißwunden bei, die man nicht fo leicht vergißt.“ Nojjikomw fchreibt: „Der Blindmoff fehlt im nördlichen Kaufafus nur der Höchiten Alpen- region... Er hält feinen Winterjchlaf und zieht jich zur Winterzeit nur tiefer in die Erde zurüd: im Januar grub ich einen Blindmoll aus einer Tiefe von 11 Fuß (gegen 4m) heraus. Sn der Ebene haben die Blindmolle Ende Mai alten Stiles bereits vollitändig entwidelte unge, die, während man ihnen nachgräbt, fich rajch in der Erde verflüften. Sm Gebirge erbeutete ich am 23. Junt a. ©t. ein trächtiges Weibchen mit 3 Embryonen. Syn der Ge- fangenjchaft hielten alt eingefangene nur wenige Tage aus; die Jungen lebten etiva einen Monat, gingen aber dann troß jorgfältiger Pflege ein.“ Der Blindmoll fügt dem Menschen im ganzen geringen Schaden zu, obgleich ihm viel Bojes nachgejagt wird. Die Aufjen nennen unjfere Wurfmaus übrigens Slapujch oder die Blinde; in Galizien Heißt jie giemnibijaf und in Ungarn Földi-Földf. > Bei den indijch-ojtafrifanischen Wurzelratten (Rhizomyinae) erjcheint die Arnpaj- jung an ein unterirdische Wühlerleben noch weniger weit getrieben: jie haben, wenn aud) feine, jo doch offene Augen, Furze, äußere Ohren und einen fichtbaren Stummel= oder balblangen Schwanz. Schädel- und Gebifunterjchtede find natürlich auch vorhanden, und die indijchen und afrikanischen Angehörigen der Unterfamilie teilen jich nach) den beiden Gattungen Rhizomys und Tachyoryctes. Die indischen Wurzelratten (Rhizomys Gray) haben vorn nur eine jehr Heine, ver- fümmerte Daumenzehe, die aber eine Kralle trägt. Der Schwanz ijt allermeift nadt, nur mit wenigen zerjtreuten Haaren bejeßt, aber nicht bejchuppt, 1/,—"/, jo lang wie Kopf und Rumpf zufammen. Die mächtigen Nagezähne find glatt, vorn braun gefärbt. „Die Bad- zähne gleichen am meijten denen von Spalax... Der Schädel hat eine jehr ausgezeichnete Form, zunäcjt an Spalax jich anjchließend.” Blindmaus. Wurzelratte. 245 Sn Britifch-Indien fommen drei Arten vor; eine jüdchinejijche, 1000 m hoch gejan- melt, und eine ojttibetanijche aus Mupin jchließen ji an. Bom Freileben aller weiß man nur wenig, und in die Zoologifchen Gärten fommen jte höchit jelten. „Die Wurzelratte”, jchreibt Hed in feinem Begleitivprt zu der eriten Abbildung einer lebenden Wurzelratte, die Heintoth auf dem Heimweg bon feiner Neuguinea-Erpedition Dem Berliner Garten mit- brachte („Sllufte. Ztg.”, 1902), „it bei näherem Zujehen ein ganz abjonderlicher Nager mit dem mächtigen, edigen, in manchen Anfichten wie ‚jtilifiert“ wirkenden Kopfe und den durch die breitgejpaltene Oberlippe jajt in ihrer ganzen Länge blofliegenden Meihelzähnen. Ver- möge ihres diden Kopfes, ihrer etwa rattengroßen, aber viel plumperen und jchwereren Eu —— A 6 as, N \ \Y ” 7 ff Grofe Wurzelratte, Rhizomys sumatrensis Rafl. 1/5 natürliher Größe. Geitalt, ihrer furzen Beine und ihres halblangen Schwanzes, dejjen Haut wie beim echten Nattenfhwanz ringelförmig eingejchnürt ift, muß die Wurzelratte jozujagen als die Bull- dogge erjcheinen unter Den verjchiedenen Gattungen der unterirdijch lebenden, nach Xur- zen grabenden Nager, die von allen die größten Kraftjtüde vollführt. Ihre Füße mit den weichen, beim Laufen gejpreizten Zehen und den verhältnismäßig furzen Krallen find allerdings nicht gerade auffallend ausgebildete Grabfüße, und es ijt aljo auch möglich, daß fie in den Sumpfdidichten ihrer Heimat mehr oberirdijch lebt; Darauf deutet ihr zweiter Name ‚Bambustatte‘ Hin, und wenn jie wirklich die harten Bambusitengel abnagt (um zu den zarten Schößlingen zu gelangen?), jo Tann fie ja ihre riefigen Schneidezähne prächtig gebrauchen.” Es ijt aber auch möglich, daß die Nagezähne beim Graben gebraucht werden. Bielleicht leijten jie dabei jogar die Hauptarbeit, die Erde zu lodern und loszubeigen? Diejer Gedanke drängt fich angefichts der [wachen Füße und Krallen jchon bei den Blindmäufen auf, und.er fehrt Hier verjtärkt wieder, zumal wenn man fich erinnert, daß die Beobachter die Nagearbeit de3 amerifanifchen Gopherz in diejer Weije bejchreiben, und daß bei ihm 246 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Sandgräberartige. die Ziweiteilung der Mundhöhle jchon auf Abweichungen vom gewöhnlichen Gebraud) der Zähne hindeutet, Hed jchließt: „Was die Wurzelratte mit diejen fürchterlichen Werkzeugen leijten fann, hat fie uns bereit3 gründlich gezeigt... Ich rate jedem Kollegen dringend, eine Wurzelratte nur hinter Glas und Eijen zu halten, und beides recht die und Derb zu wählen; | fie befreit jich font in einer Nacht und bewältigt dabei Leijtungen im Nagen, die wirklich ans Unglaubliche grenzen.” Auch der Regierungsapothefer Willemz, ein verdienter Freund des Berliner Zoologijchen Gartens, weiß davon ein Lied zu fingen. Er jchreibt (Brief an Hed, 1904): „Einmal jchon habe ich das Tier mit großer Mühe aus der Tiefe meiner Grund- mauern wieder ausgraben müjjen. Weder jtarfer Draht, noch beites Holz fann jeinen rie- jigen Nagezähnen widerjtehen. Deshalb muß jest eine Zinkfifte ihm als Wohnung dienen.” Die größte Art ift die Große Wurzel- oder Bambusratte, Rhizomys sumatrensis Raffl. (Abb., ©. 245; Kopf und Rumpf werden zufammen zmwijchen 40 und 50 cm lang), aus Sumatra und Hinterindien, namentlich der Halbinjel Malaffa und Siam, Tenafjerim. Die Entdedlung, dat e3 auch in Afrifa Wurzelratten gibt, verdanfen wir dem Frank furter Abejjinienforjcher Rüppell, der für fie auch jchon die bejondere Gattung Tachy- oryctes Rüpp. aufgeitellt hat. Die\ältejte Urt, T. splendens Rüpp., der Glänzende Schnellwühler, wie die Überjegung des tiljenjchaftlichen Namens lautet, nach jeinem zimtfarbigen, im Leben bolizenden Telle jo genannt, gehört auc) zur Deutjch-vitafrifa- nijchen Säugetierwelt. %* Die neuerdings als jelbjtändige Familie betrachtete Gruppe der Sandgräberartigen (Bathyergidae) oder Maulmwurfsratten fennzeichnet ji) vor den vorhergehenden durch gewijje abweichende Formverhältnijje des Unterftefers und das Gebiß, in dem Lüd- zähne auftreten fönnen. 3 find echt afrifanifche, nur auf die Äthiopifche Region füdlich der Sahara bejchränfte Nager und zugleich die letten, die durch Ähnlich weitgetriebene Anpafjung an ein unterirdijches Wühlerleben im Hußeren an den Maulwurf erinnern. Hierher gehören: die Strandgräber oder Sandmulle (Bathyergus), die Erdbohrer oder Blegmulle (Gattungen Georhychus und Myoscalops) en die Nadtmulle oder Kahl tatten (Heterocephalus). Der Strandgräber, Sandmull, Bathyergus maritimus Gm., die befanntefte Art der Öattung Bathyergus IZ., ift ebenjo unjchön wie die übrigen hierhergehörigen Tiere, plump gebaut, mit walzigem Rumpfe, breitem, ftumpfem Kopfe, ohne Ohrmufcheln, mit jehr Heinen Augen und breiter, fnorpeliger Najenjpite, kurzen Beinen und fünfzehigen, durch riejige Scharrnägel bewehrten Pfoten. Born ijt die zweite, Hinten die dritte Zehe die längite. Der Pelz ijt dicht, außerordentlich weich und fein; lange, ganz jteife Schnurren umgeben den Kopf; der jtummelhafte Schwanz trägt einen jtrahligen Haarbüjchel. Auf- fallend lang find die weit vorragenden, jchwach gebogenen, weißen Nagezähne, Deren oberes Taar durch eine tiefe Ninne förmlich geteilt ijt. Unter den vier Badzähren in jedem Kiefer it der hinterjte der größte. Die allgemeine Färbung des Pelzes it weiß, oben gelblich, unten grau überlaufen. Die Länge beträgt einjchließlich des 5 cm langen Schwanzes 30 cm. Der Strandgräber ift über einen verhältnismäßig Feinen Teil Südaftifas verbreitet; am häufigiten findet er fich am Vorgebirge der Guten Hoffnung. Sandige Küftengegenden Wurzelratte. Schnellwühler, Strandgräber. Kapijdher Blegmull. 247 bilden jeinen Aufenthalt, und jorgfältig meidet er jeden fejteren und pflanzenreicheren Boden. Sein Leben ift unterirdijch. Er gräbt jich tief im Sande lange, verzweigte Röhren- gänge, die von mehreren Mittelpunkten ausjtrahlen und untereinander vielfach verbunden jind. Neihenweije aufgeworfene Haufen bezeichnen ihren Verlauf. } Die Gänge jind weit größer al3 die des Mauimwurfes, da das falt Hamjtergroße Tier jelbjtverjtändlich Röhren von größerem Durchmejjer graben muß. Wie e3 jcheint, ift der Strandgräber emjig bemüht, überall dem Eindringen der äußeren Luft zu wehren, wie er dem überhaupt ein im Höchiten Grade Lichticheues Gejchöpf ijt. Kommt er durch irgend- einen Zufall auf die Erde, jo fan er faum entfliehen. Er verjucht danın, fich auf höchjt unbeholfene Art fortzufchteben, und zeigt jich ängjtlich bemüht, wieder in die Tiefe zu ge- langen. Greift man ihn an, jo jchleudert er heftig den Vorderleib umher und beigt wütend um fich. Die Buren Hafen ihn außerordentlich, weil er den Boden jo unterwühlt, daf; häufig die Pferde von oben durchtreten und Gefahr laufen, die Beine zu brechen, ja, daß jelbjt Menjchen jich bejchädigen. Gewöhnlich wirft er morgens um 6 Uhr oder nachts um 12 Uhr feine Haufen auf. Dies benugen die Buren, um ihn durch Selbftjchüife zu vertilgen, die jie mit einer Mohrrübe oder anderen Wurzel födern. Auch leitet marı Wajjer in jeine Baue, um ihn zu erfäufen. Er nährt jich von Knollen und Wurzeln. Erdbohrer von der Gattung Georhychus ZU. gibt e8 eine ganze Reihe verjchiedener Arten, die vom Kap bis Togo und zum Blauen Nil reichen, in Deutjch-Ditafrifa aber zum Teil durch die nächjtverivandte Gattung Myoscalops T’hos. vertreten werden; lebtere unterjcheidet jich Dadurch), daß jie nicht nur 1, jondern gewöhnlich 3 Küdzähne Hat. Bei Georhychus fanı aber der eine auch noch fehlen, und Myoscalops fann nur 2 haben. Die oberen Nagezähne find vorn glatt. Die Erdbohrer find äußerlich dem Strandgräber jehr ähnlich, aber erheblich Feiner und durch ganz Heine Krallen ausgezeichnet. Das läßt Darauf ichliegen, daß auch die Erdbohrer, wie die Blindmäufe, mehr Kopf- als Krallenwühler find, torauf ja ihr Name „Erdbohrer” ebenfalls jchon Hindeutet. Die Mehrzahl der Arten hat gewöhnlich, aber nicht immer, einen weißen Fled oben auf dem Kopfe, und dieje Blep- mulle jind auch die größeren, ungefähr 20 cm, die anderen Arten, die nie eine Blejje haben, nur etwa 12 cm lang. “ Der Kapifche Bleßmuil, Georhychus capensis Pall., ijt oben rojtbraun, an den Ceiten blafjer, unten bleigrau, auf dem Kopfe dunkler, fait jhivarz; um Naje und Mund, um die Augen und Ohröffnungen und oben auf dem Sopfe jtehen Gruppen weißer Tlede. Das Fell ijt weich und dicht; äußere Ohren fehlen; der Schwanz ift jehr Furz, did und walzig, mit weißen, jteifen Borjten bejett. „Der Blegmulf findet ich jowohl in der unbebauten Sandmwiüite als i im Rulturland und wühlt hier auf diejelbe Art wie der Sandmull, indem er in Zwijchenräumen Erdhaufen aufiirft, die den Verlauf jeiner Röhren anzeigen. Dieje gehen nicht tief in die Erde hinab und dverzweigen jich von geit zu Zeit in blind endigende Seitenröhren. Die Hauptröhre endet in einer rumdlichen Kammer mit glatten Wänden. Hier jtapelt das Tier feinen Futter- borrat an Knollen und Zwiebeln auf. Auf dem Löwenrumpfhügel, der gerade iiber Kap- jtadt Hinmegjieht, ijt die Häufigjte Zwiebel die von Sparaxis grandiflora, einer Sridacee; hier wird man in jolcher Kammer den Boden bededt finden mit einer Lage trodener äußerer Hüllblätter der Zwiebeln und oben auf diejer eine Anzahl von Zwiebeln jelbjt; von allen 248 8. Ordnung: Nagetiere. FKamilie: Sandgräberartige. it Die Feine Knojpe an der Spiße forgfältig abgebijfen, fo daß jie nicht feimen können. Im tiefer liegenden Gelände jammeln die Blegmulle oft die Stnollen der ‚Schweinelilie‘ (Ri- chardia) und, wenn ein Garten in der Nähe ift, Kartoffeln, auf die fie ausnehmend erpicht zu fein jcheinen. Auch Dieje verhindern jie am Keimen, indem fie die ‚Wugen‘ abbeiken.” (3. 2. Oclater, „Mamm. 8. Afr.“) Das Tier überträgt aljo feinen ererbten Snitinft auf eine eingeführte Sulturpflanze, die feinen Voreltern, als je jich Diefes ziwedmäßige Ver- fahren aneigneten, völlig unbefannt war. Eine tierpigchologijch Höchtt beveutfame Tatjache ! Bon den größeren Arten mit weißem Kopffled jet noch der Damara-Blegmull, G. damarensis Og., erwähnt, weil. er jedenfalls auch zur Tierwelt Deutjch-Südmweltafrifas gehört. Aus Togo hat Matjchie einen G. zechi Misch. (Taf. „Nagetiere IX”, 1) bejchrieben und dem verdienten Gouverneur, Grafen Zech, gewidmet. Was Deutih-Djtafrifa und Die Nachbarländer von Erdbohrern enthalten, gehört zu der zweiten Gattung, Myoscalops 7hos. Der Silbergraue Erdbohrer, M. argenteocinereus Pers. (Taf. „Nagetiere IX“, 2), von Mojambif, Deutjch- und Britiich-Dftafrifa, tft, nach Böhm, „häufig in den Feldern, findet fich aber auc) im Walde. Cinmal außerhalb der Erde, in die er jich mit außer- ordentlicher Schnelligkeit einzugraben verjteht, ift er äußerjt unbehilflich und vermag fich nur jehr langjam fortzubewegen. Gefangene jegen jich mit hochgehobenem Kopfe und grunzendem Tauchen heftig zur Wehr, und es fcheint Die Wut, welche durch ihren ganzen Körper zuct, jie fat wahnfinnig zu machen. Vorgehaltene Stödchen zerjplittern fie mit einem einzigen Biß; Doch haben viele eine jo winzige Mundöffnung, daß fie nicht ordentlich zubeißen fünnen.” In dem Magen und Darmfanale fand Peters unter einer breiartigen Majje zeritücdelte Leibesringe von Jnfelten. (Matjchie, „Säugetiere DOAfrifas“,) Bojjeler hat den Erdbohrer neuerdings als Schädling der Sijaldanf- und Kautihur pilanzungen in Deutich-Dftafrifa nachgemwiejen und Dabei nad) eigenen Beobachtungen eine jehr anjchauliche Schilderung feiner Wühlweije gegeben („PBflanzer”, 1907). „Er gräbt jich, wie der Maulwurf, Gänge im Boden und jucht fich dabei jeine Nahrung. Ab und zu wirft er, wie der Hamfter und Maulwurf, Heine Erdhaufen aus. Das Graben gejchieht nicht allein mit den Fräftigen Borderpfoten, wird vielmehr Durch Die Schneidezähne unterjtügt. Mit diejen pact das Tier ziemlich große Exrdklumpen und lodert die Erde. Die Borderpfoten Itoßgen das Iosgelöfte Material den Hinterbeinen zu, die es weiter nach rücdtwärts befördern. Bon Heit zu Zeit wird Die nicht Ducch Andrüden an Die Seiten des Ganges zur Befejtigung verbrauchte Erde an die Oberfläche gejchafft. Auf feinem Wege angetroffene Wurzeln beißt der Erdbohrer ab oder frißt davon. Bejonders zujagenden Bijjen, wie Manihot-, aud) Mhogofnollen und den jaftigen Wurzelftöden der Sijalagaven gräbt er nach... Das Wühlen geichteht ohne Haft, geht aber Doc) ziemlich rajch vonstatten. Auch das Gehen auf dem Boden it langjam, unbeholfen. Außer Wurzeln jammelt der Erdbohrer auch Sämereien nebjt Ssniekten ein, weshalb er jich nächtlicherweile über die Erde begibt... Gejtört, läßt das bon mir jeit einiger Zeit beobachtete Junge einen Eläglichen, jcehwachen Ruf hören, jperrt das Maul weit auf und hält das Gebif dem Angreifer entgegen; e3 warf jich oft fait jchnellend nach der Seite der Berührung, bi aber nicht in vorgehaltene Gegenjtände. Jede Erjehütterung des Bodens läßt das Tier nervös zufammenzuden; fein Schlaf ift leicht und an feine bejtinnmten Zeiten gebunden. Sn der Schlafjtellung wird die Schnauze zwijchen die Borderbeine verjenft.” Nagetiere IX. 1. Zechs Blefmull, Georhychus zechi Misch. 1/2 nat. Gr., s. S. 248. — W. S. Berridge, F. Z. S.-London phot. 2. Silbergrauer Erdbohrer, Myoscalops argenteocinereus Pfrs. 1/2 nat. Gr., s.S. 248. — Prof. J. Vosseler-Amani phot. 3. Blindmaus, Spalax typhlus Pall., tot, von der Seite. 1/2 nat. Gr., s. S.241. — Aufn. aus dem Zoologischen Garten-Berlin. BE RER er DT IE BEL, E 4. Blindmaus, Spalax typhlus Pall., in der Sreiheit. 1/s nat. Gr., s. S.241. — H. Rettig-Malcoci-Tulcea, Rumänien, phot. 5. Rattenköpfige Wühlmaus, Microtus ratticeps Keys. - Bl. !/2 nat. Gr., s. S. 296. — P. Kothe-Berlin phot. FR 6. Waiferratte, Arvicola terrestris Z. 1/2 nat. Gr., s. S. 284. — P. Kothe-Berlin phot. Damara-Blefmull. Zedhs Blefmull. Silbergrauer Erdbohrer. Nadtmulle.. 249 Die Gattung der Nadtmuflle oder Kahlratten, Heterocephalus Rüpp., Hauptart H. glaber Rüpp., fchon von Rüppell aus Südabefjinien und Schoa bejchrieben, gehört zu den abjonderlichiten Fleinen Säugetieren, die man jich überhaupt denfen fan: eben durch ihre Haarlofigfeit. Sie find ungefähr jo groß wie eine Maus, jehen aber mit ihrer nadten Haut und den Heinen Augen aus wie blinde Nejtjunge eines größeren Tieres. Aus dem nicht bejonders großen Kopfe ftehen die Nagezähne hervor, äußere Ohren fehlen, Schwanz und Gliedmaßen find von mittlerer Länge. Die Augen find jo gut wie gebrauchsunfähig, die Zehen feitlich mit Haaren befranft; fonft ftehen nur hier und da zerjtreute Haare. Troß der Haarlojigfeit fieht man deutlich, daß die äußere Haut ji) in den Mund hinein und Hinter den Schneidezähnen quer durchzieht. An den Lippen und Mundminfeln find Schnurr- haare vorhanden, und vier oder fünf jolcher Haare entjpringen auch von einer Gejichtswarze auf jeder Seite. Die Augen jind deutlich offene Schliße, aber die diden, fleifchigen Lider bededen die winzigen Augäpfel, die faum einen halben Millimeter im Durchmejjer haben. Die Ohren jind einfache Löcher. Kopf und Körper find, obwohl fie nadt jcheinen, bei näheren SomalisNadtmull, Fornarina phillipsi Thos. Natürlihe Größe. Nah „Proc. Zool. Soce.“, 1885. Zujehen doch mit feinen, jpärlichen Haaren bedeckt, Die aber fein Haarkleid ausmachen, ipeil jie jo fein und der gelblichen Haut jo ähnlich gefärbt find, dag man fie faum jieht. Der Schwanz trägt ähnlähe Borjtenhaare, wie jie am Munde jtehen, aber dünn gejät. Die Fühe jind für ein ausjchlieglich wühlendes Tier ganz bejonders ausgejtattet. Die Zehen vorne jind im Verhältnis zum Handteller lang, länger als bei den Erdbohrern und auf dem hinteren Teile der Handfläche mit zwei ungewöhnlich jtarfen Schwielen verjehen; die übrige Hand- fläche ijt ganz weich. Die Hinterfüße find ganz ähnlich gejtaltet, Haben nur noc) längere Zehen. Das Merkwürdigite am Fuße jind aber die Haarfranfen, die an die der Hinterfühe der Wajjerjpismaus erinnern; Die Haare find nur länger, mehr vereinzelt und viel feiner. Der Wert diejer Beiwimperung, durch die die Fußbreite vermehrt wird ohne‘ Vermehrung der Lait, it für ein zeitlebens im lojen Sande wühlendes Tier offenjichtlich. Thomas hält die Nadtimulle für „Heruntergefommene” Erdbohrer, die jich für ein ausjchlieglich unterirdifches Leben jpezialijiert Haben. Für ein jolches Leben find ihr haar- lojer, maulmwurfsförmiger Körper, ihre beinahe gejchlofjenen Augen und borjtenbejegten Füße wunderbar geeignet, während anderjeit3 jowohl der Mangel eines jchügenden Haar- - Heives als der des Sehvermögens ihnen verhängnispoll würde, wollten jie jich auf der Erde bemwegen, fich den jengenden Strahlen der afrifanifchen Sonne und den Angriffen einer Schar bon Feinden ausjegen, denen jie durch ihr unterirdijches Leben entgehen. Dieje Auffafjung ergab jich für Thomas ganz natürlich aus den Schilderungen E. Lort Phillips’ vom lebenden Tiere. Diejer jehreibt über eine verwandte Art, Fornarina phillipsi T’hos. (,‚Proc. Zool. Soc.“, 250 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. 1355) in jeinem Tagebuch: „Heute brachten mir die Schwarzen ein merfwürdiges Tierchen ins Lager... Al wir es auf die Erde jegten, fing es eifrig an zu wühlen und benußte die Zähne, um die Erde damit zu lodern.” Und brieflich an Thomas: „Diejes Tierchen, von den Somalis ‚Sarumfer‘ genannt, wirft jtelleniweife Gruppen von Miniaturfratern auf, die genau Bulfane in Tätigkeit dartellen. Wenn die feinen Tiere an der Arbeit waren, pflegte ich jie zu beobachten und fand, daß jie die Ioje Erde aus ihren Gängen auf den Boden de3 Kraters brachten und jie von da mit großer Kraft in die Luft warfen in einer Folge von tojchen Stößen; aber jie jelbjt famen niemals aus dem Dunkel ihrer Höhlen hervor.” * Einen Schritt enger zieht fich der Kreis unjerer Betrachtung um den Begriff der Maus, die für alle Welt zugleich der Snbegriff des Nagers ijt: wir fommen innerhalb der Sektion der Mausförmigen im allerweiteiten Sinne (Myomorpha) zur Familie der Mau? artigen (Muridae) in dem engeren Sinne, wie jie Trouejjarts Katalogjupplement faßt. Dort füllt diefe Gruppe mit ihren Gattungs- und Artennamen 112 ©eiten von 256, aljo beinahe die Hälfte des Ganzen. Mit anderen Worten: wir jind bei der Hauptmafje der Nager angelangt, an ihrem Hauptherd, der eine gewijje Mittelftellung in der ganzen DOrd- nung einnimmt mit Beziehungen zu allen übrigen Nagerformen. Keine andere Familie der Ordnung veriteht es, jo gründlich uns zu belehren, was Nager jind, al3-die, welche die Mäuje umfaßt. Ein allgemeines Bild von der Gejamtheit ift jchwer zu geben. Denn in ihrer Öejamtgeitaltung nähern jich viele Mäufe anderen Familien der Ordnung: jtacheliges Örannenhaar erinnert an die Stacheljchweine, echte Schwimmfüße, furze Ohren und Beine an die Biber, Did behaarter Schwanz an die Eichhörnchen uf. , Mit jolhen äußerlichen Ubänderungen der allgemeinen Grundform jteht der Bau des Ge- bijjes mehr oder weniger im Einflange. Gewöhnlich jind die Nagezähne jchmal und mehr did als breit, mit jcharfmeißeliger Schneide oder fcharfer Spibe, an der Vorderjeite glatt oder geiwölbt, weiß oder gefärbt, auch wohl durch eine Längsrinne geteilt. 3 Badzähne in jeder Reihe, Die von vorn nach Hinten an Größe abnehmen, bildeneneijtens das übrige Gebig. Sie jind entweder jchmelzhöderig, mit getrennten Wurzeln oder quergefaltet oder jeitlich eingeferbt. Viele jchleifen jich Durch das Kauen ab, und dann erjcheint die Fläche eben oder mit Faltenzeichnung. Bei einigen Arten fommen wohl auch Badentafjchen vor, bei anderen fehlen jie gänzlich; bei den einen ijt der Magen einfach, bei anderen jtarf eingejchnürt ufw. Die Mäufe jind Weltbürger. Sie bewohnen alle Gegenden und Klimate, ziehen zivar die Ebenen gemäßigter und wärmerer Länder dem rauhen Hochgebirge oder dem falter torden dor, finden jich aber Doc) jo weit, wie Die Grenze des Pflanzenmwuchjes reicht, Demt- zufolge auch noch in unmittelbarer Nähe des ewigen Schnees der Gebirge. Wohlbebaute Gegenden, Fruchtfelder, Bflanzungen jind unbedingt ihre beliebteiten Aufenthaltsorte, junp- fige Streden, Flußufer und Bäche bieten ihnen jedoch ebenfall3 genug, und jelbjt Dürre, trodene, mit wenig Gras und Bujchiwerf bewachjene Ebenen gewähren ihnen noch die Möglic)- feit zu leben. Einige meiden die Nähe menjchlicher Anjiedelungen, andere drängen fich dem Nenjchen als ungebetene Gäjte auf und folgen ihm überallhin, wo er neue Wohnorte gründet, jelbjt über das Meer. Sie bevölfern Haus und Hof, Scheuer und Stall, Garten und Feld, Lieje und Wald, allerorten mit gefräßigem Zahne Schaden und Unheil antichtend. Nur die menigiten leben einzeln oder paarweije, die meiften lieben die Gejelligfeit, und mandje Arten Allgemeines. 251 wachjen zumeilen zu ungeheueren Scharen an. Bei fajt allen ift die Vermehrung eine ganz außerordentliche; denn die Anzahl der Jungen eines einzigen Wurfes jchmanft zwijchen 6 und 21, und die allermeiften pflanzen jich mehrmals im Jahre, ja jelbjt im Winter fort. Gewandt und behende in ihren Bewegungen, fünnen jie vortrefflich laufen, fpringen, flettern, fchwimmen, verjtehen es, jich durch die engiten Offnungen zu ziwängen oder, mern jie feine Zugänge finden, mit ihrem fcharfen Gebijje jolche Wege zu eröffnen. Sie find ziemlich Klug und borjichtig, ebenjo aber auch dreijt und mutig, ihre Sinne durchgehends fein, objehon Geruch und Gehör die übrigen bei weiten übertreffen. Sie freien alle ef- baren Stoffe des Pflanzen- und Tierreiches. Samen, Früchte, Wurzeln, Rinde, Kräuter, Gras, Blüten, ihre natürliche Nahrung, werden nicht minder gern von ihnen verzehrt als Kerbtiere, Würmer und andere tierische Koft. Beim Menjchen fchmarogend, nehmen jie auch Fleijch, Fett, Blut und Milch, Butter und Käje, Haut und Knochen, und was fie nicht frejjen können, zernagen und zerbeißen jie wenigjtens, jo Papier und Holz. Dabei verwülten jie regelmäßig weit mehr, alö jie verzehren, und werden hierdurch zu Den allerunangenehm- ten Feinden des Menjchen, die notwendigermweije jeinen ganzen Haß heraufbejchwören. Wajjer trinken jte im allgemeinen nur jelten. Nur jehr wenige jind harmlofe, unfchädliche Tiere und haben wegen ihrer zierlichen Geftalt, der Anmut ihrer Bewegungen und ihres anjprechenden Wejens Gnade vor unjeren Augen gefunden. Hierher gehören namentlich auc) die Baufünitler it diejer Familie, welche die Funftreichiten Nejter unter allen Säuge- tieren überhaupt anlegen und durch ihre geringe Anzahl und den unbedeutenden Nahrungs- verbrauch wenig lältig werden, während andere, die in ihrer Weije auch Baufünftler find und größere oder Feinere Höhlen anlegen, jich gerade hierdurch verhaft machen. Cinige Arten, welche die fälteren und gemäßigten Gegenden bewohnen, halten einen Winterjchlaf und tragen vorher Nahrungsporräte ein; andere unternehmen zeitweilig in ungeheueren. Scharen Wanderungen, die ihnen aber gewöhnlich verderblich werben. Für die Gefangenschaft eignen jich wenige Arten; denn bloß der geringite Teil aller Mäufe erfreut durch leichte Zähmbarfeit und Verträglichkeit mit anderen feiner Art. Die übrigen bleiben auch im Käfig unangenehme, unverträgliche, bijjige Gejchöpfe, welche die ihnen gewiomete Liebhaberei und Pflege jchlecht vergelten. Eigentlichen Nuten gewähren die Mäuje nie; denn wenn man auc) von diejer oder jener Art das Fell benußt oder jelbit - das Fleijch ift, fommt beides doch nicht in Betracht gegen den außerordentlichen Schaden, den die Gejamtheit der Zamilie anrichtet. Nicht zu verwundern bei reichlich fich vermehrenden PBilanzenfrejjern! Erit jchafft ihnen der Kulturmenjch mit feiner Garten, Feld- und Forit- yoirtjchaft fünjtlich Mengen von Nahrung; wenn fie aber dann mafjenhaft auftreten und fich über dieje Nahrung hermachen, verdammt jie „ver Herr der Erde” als Peit in Tiergeitalt und wünjcht alles Verderben der Hölle auf fie herab. Die Geijter, die er rief, jie wird er um jo jehiwerer wieder los, als er zugleich ihre natürlichen Feinde, die Eleineren Raubtiere und Die Raubdvögel, vermindert, weil dieje auch feinem Nuswild nachitellen. Diefe Störung de3 Gleichgewichts in der Natur können wir ja nicht gut vermeiden; wir müjjen nur ihre Ihädlichen und läjtigen Folgen als eine notwendige Kehrjeite unjerer Kultur erkennen lernen. Die riejige Zamilie der Mausartigen teilt man heute in nicht weniger als 12 Unter- familien ein, deren wichtigite die Wühlmäufe (Microtinae, früher Arvicolidae), die Hamjter (Cricetinae) und die eigentlichen Mäufe (Murinae) find. Früher ftellte man Mäufe und Wühlmäuje als jelbjtändige Familien einander gegenüber und rechnete die Hamfter zu den Mäujen; neuerdings Hat man jich aber überzeugt, daß die Hamster auch Beziehungen zu 252 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. den Wühlmäufen haben, dieje mit den eigentlichen Mäufen verbinden. Dadurch fah man jich veranlagt, alle drei Gruppen in eine Familie der Mausartigen näher zufammen- zurücen und innerhalb Diejer al Unterfamilie gleichtvertig nebeneinander zu ftellen. Mäufe und Wühlmäufe bilden den Hauptinhalt der Mausartigen, und um fie herum grup- pieren jich dann die übrigen Unterfamilien, die zum Teil jehr Elein find. Wir beginnen mit der Unterfamilie der Mullmäufe (Myotalpinae), weil wir durch die einzige hierhergehörige Gattung (Myotalpa Kerr, früher Siphneus) gut an die lebt- behandelten Wühlnager anjchliegen fünnen. Die Mullmäufe beweijen ihre Mifchnatur am beiten durch Die wechjelnden Schiejale, die ihre fyjtematijche Stellung im Laufe der Zeiten erfahren hat. Cudier und Desmarejt rechneten jie zu ven Lemmingen, Pallas zu den Blindmäufen; das Richtige wird alfo wohl jein, fie al3 eine Übergangsgruppe zmwifchen beiven zu betrachten und zwijchen beide zu ftellen, d. H. nach unjerer Anordnung an den Anfang der Familie der Mausartigen, noch vor die Unterfamilie der Wühlmäufe, die wir mit den Lemmingen eröffnen. Man fünnte fie dementjprechend auch Lemmingmulle nennen. Lemming- oder wühlmausartig gemildert ijt die äußere Geftalt, bejjer gegliedert als bei den vorhergehenden Ervbohrern, nicht mehr ganz jo unbeholfen und jadartig, mit furzem, aber jichtbar Hervoritehendem Schwanz. Auch die Augen find zwar Flein, aber deut- [ich geöffnet, und ein erhöhter Rand auf der Hinterfeite der Ohröffnung deutet das äußere Ohr wenigitens an. Namentlich aber find die Nagezähne lange nicht jo ungeheuer groß und breit, gewijjermaßen al3 Erjaß dafür aber die drei mittleren Krallen der großen, fahlen Borderfüße jehr lange, jcharfe, fichelfürnige Grabfrallen. Sie und die breite, ftuntpfe, bor- tehende Kafe bejorgen zujammen das Grabgejchäft; die drei großen Mittelfrallen born fragen auch harten, jteinigen Boden auf und zerreigen entgegenftehendes Wurzelwerf, die Zähne wirken dabei nicht mit. Die Nahrung der Mullmäufe bejteht aus allerlei Kıuollen-und Zwiebeln, wie jie auf den Hochebenen ihrer Heimat reichlich gedeihen. Dieje erjtreckt jich über das rufjiiche Ajten bis nach Norochina, geht aber nad) Norden nicht viel iiber den 50. Breitengrad hinaus. Die ältejte befannte Art, Kopf und Aumpf 20 cm, Schwanz 5 cm lang, oben gelb- grau, unten weißgrau, um die Schnauze weiß und auf dem Scheitel oft mit einem weißen led, it der Schon von Pallas 1778 bejchriebene Zofor der Slirgijen, Myotalpa aspalax Pall. (Siphneus zokor), den man Deutich Gewöhnliche Mullmaus oder Lemmingmull nennen fönnte; Schreber nennt ihn Scharrmaus. Er jagt von ihm: „Daurien, und zivar die Gegend jenfeit feiner Schneegebirge, zwijchen dem Jngoda- und Urgunfluß, bringt dieje Maus, nach des Herin PBrofejjor Ballas Bemerfung, häufig hervor; am Abafan fand er jte jelten; der Herr Hofrat Larman entdedte fie jenjeit des Frtiich zwischen dem Alei und Ziharyich. Sie Liebt Schwarzes Erdreich oder feiten Sand, worin fie Röhren, oft von einigen hundert Slaftern, mit der Oberfläche der Erde oder dem Najen parallel gräbt, und daraus in mäßigen Entfernungen große Erdhaufen aufwirft... Ihre Nahrung beiteht in Ziviebel- und Wurzelwerf: in Daurien vornehmlich von dem dortigen jcharlachtoten Türfifchenbunde (Lillum pomponium) und vielleicht von einigen Stisarten; um den Abafan und am Mlei von dem Hundszahne (Erythronium dens canis)... $hre Stimme ift, wenn fie gefangen wird, aus girrenden Furzen und fchwachen Tönen zufammengefeßt. Sie ift nicht blind, ob- gleich ihre Augen Kein find. Sie ift fchwer zu fangen.” Zolor. Wühlmäufe. 253 Ein Bofor, den ich laufen fah, Hufchte mit der Schnelligfeit einer Natte über Den Boden dahin, eilte einem Bache zu, jtürzte fich Fopfüber ins Wafjer, Schwamm rajch ein Stüd in ihm fort und verfchtwand eilfertig in einem hier ausmiündenden Loche. Daß wenigjtens dieje Art vortrefflich lauft und Shwimmt, verjicherten einjtimmig alle von mir befragten Sirgijen. * Die Unterfamilie der Wühlmäufe (Microtinae) umfaßt eine unüberjehbare Anzahl von Heinen, einander jehr ähnlichen Nagetieren, die vielfach an die eigentlichen Mäufe im engiten Sinne erinnern. Außerlich unterfcheiden fie Hauptfächlich der plumpere Körperbau, der Diele Kopf, Die ganz veritedten oder nur wenig aus dem Kopfhaare hervorragenden Ohren und der furze Schwanz, der höchitens zwei Drittel der Körperlänge erreicht. m Gebiß finden jich 3 Badzähne, die aus mehreren in der Mitte jchwach gefnidten Platten bejtehen und feine eigentlichen Wurzeln haben, bei einzelnen auch, wie die Nagezähne, bejtändig nachwachjen, bei anderen dagegen jich wurzelartig jchliegen. Shre Kaufläche ericheint ziefzadförmig, weil an den Seiten tiefe Furchen zmwijchen den einzelnen ‘Platten herablaufen. Hierzu treten noch Eigentümlichfeiten des Sinochengerüjtes Der Schädel it am Gtirnteile jehr verengert, der Sochbogen weit abjtehend. Die Wühlmäufe bewohnen den Norden der Alten und Neuen Welt. Sie leben ebenjo- wohl in der Ebene wie im Gebirge, auf bebauten Lande wie auf ziemlich wüjten, auf Fel- dern, Wiejen, in Gärten, an den Ufern von Flüjjen, Bächen, Seen, Teichen und wohnen in jelbftgegrabenen Höhlen und Löchern: Faft alle meiden die Nähe des Menjchen; nur wenige fommen zuweilen in feine Ställe und Scheuern oder in feine Gärten herein. Shre Baue be- jtehen aus längeren oder fürzeren, einfacheren oder verzweigteren Röhren, die jich vor ande- ven oft Durch große Flachheit auszeichnen; manche aber bauen hüttenfürmige Kejjel, andere mehr oder minder funjtvolle Wohnungen. Die meijten wohnen einzeln oder paarweije zu- fammen; doch vereinigen fie jich gelegentlich zu bedeutenden Scharen. JhreNahrung nehmen fie vorzugsweije aus dem Pflanzenreiche, manche verjchmähen aber auch tierische Stoffe nicht. Viele tragen jich Wintervorräte ein, obgleich fie feinen Winterjchlaf halten. m übrigen ähneln jie den eigentlichen Mäufen faft in jeder Hinficht. Shre Kebensweife ift fait die gleiche wie bei jenen; ihre Bewegungen find ziemlich rafch, jedoch nicht jo behende und gewandt wie die echter Mäufe. Wenige Arten fönnen Elettern, aber fat alle verftehen das Schwimmen meijterhaft, einige leben beinahe gänzlich im Wafjer, andere monatelang wenigjtens im Schnee, wo fie jich lange Gänge ausgraben und Funftreiche Nefter bauen. Einzelne Arten unternehmen, wahrjcheinlich vom Nahrungsmangel getrieben, große Wanderungen, und Die- jen haben wir es vielleicht zuzufchreiben, daß gegenwärtig mehrere Arten in Europa heimijch geiworden find, die früher anjcheinend auzjchlieglich in Ajien lebten. Unter ihren Sinnen jtehen Geruch und Geficht obenan. Shre geiftigen Fähigkeiten find gering. Alle vermehren jich jtark, manche Arten geradezu in unglaublicher Weife. Dem Menfchen bringen fait Jämt- liche Arten nur Schaden und werden deshalb mit Necht gehaft und auf jede Weije verfolgt. ie verichiedenen Wühlmäufe ftimmen im allgemeinen jehr überein, und die Arten lajjert jich fchwieriger erfennen als die der meijten übrigen Säugetiere. Manche unterjcheiden jich durch Mannigfaltigfeit Der Lebensweife, des Aufenthaltes und der Verbreitung jehr auffallend, während fie in der Gejtalt und Färbung einander außerordentlich naheitehen. Deshalb find die Unterfuchungen über fie noch feineswegs abgejchlojjen. AS die jicherjten Anhaltspunkte bei Beitimmung der Arten gilt die Bildung der Badzähne, der ji) einige 254 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. Cigentümlichfeiten des Schädels anfchließen; auch die bezügliche Größe der Ohren ijt von Bedeutung. Die Färbung dagegen zeigt vielfache Schwankungen; junge Tiere find durch- gängig trüber gefärbt als die Alten, und diefe in Gebirgsgegenden wieder dunkler und trüber als in der Ebene. Wir befchränfen uns hier auf die wichtigften Arten. Den Anfang müfjen wir mit den nächiten Verwandten der vorjtehend gejchilderten Mullmäufe machen, mit der Gattung Ellobius Fisch., Die wir deutijh Mull-Lemminge nennen fünnen, nachdem wir jene auch Lemmingmulfe genannt haben. Cie führen eben bon den Mullmäufen zu den Lemmingen über und damit zugleich in die Unterfamilie der Wühlmäufe ein. Lhdeffer nennt fie Angehörige der Wühlmausgruppe, die ganz bejonders an ein unterirdifches, maulwurfsähnliches Leben angepaßt find md fich deshalb beträchtlich bon den anderen Formen unterjcheiden, aber den gewöhnlichen Bau der Badzähne haben ‚wie alle Wühlmäufe. Hußerlich find fie gefennzeichnet durch plumpen, rundlichen Kopf, der unmerklich in den walzigen, maulwurfähnlichen Numpf übergeht, durch Fehlen der äußeren Ohren, jehr Kleine Augen, Furzen Schwanz und Gliedmaßen und die breiten fünfzehigen Süße, die aber zum Unterfchied von denen der Mullmäufe auc) vorne nur ganz furze Strallen tragen. Die Nagezähne jtehen erheblich vor, und ihr Schmelz ift gewöhnlich weiß, hat nicht den gelben oder Drangeton, der bei den gewöhnlichen Wühlmäufen vormiegt. Die Mulle-Lemminge, Deren es nur wenige Arten gibt, jind in der Hauptjache auf Mittel- und Nordafien bejchränft; eine Art reicht allerdings bis Afghaniitan und Nord- balutjchiitan (Duetta) nach Süden, und eine andere gehtnac Ofteuropa (Südrußland) hinein. Zur europätjchen Säugetierwelt gehört ver Mull-Xemming, Ellobius talpinus Pall., ein 9,5 cm Länge erreichender Nager mit 1 cm langem, im SBelze verjtedtem Schwanz. Er fommt in Südrußland (Halbinjel Krim, Steppen des nördlichen Staufajusgebietes) vor, dann aber auc) in Turkeftan (Steppen um Mitrachan) und lebt nur in der Ebene, hier aber jowohl in dürrem, unfruchtbarem Gelände als in bebauten Feldern und Gärten. Ferner verbreitet jic) diejelbe Mull-Lemmingart über Innerajien, namentlich Süpdfibirten mit dem ausgedehnten Hochlandgebiete de3 Altai. Dies hat neuerdings Büchner wieder nachgewiejen und durch jeine Unterfuchungen der Przewaljfiichen Ausbeute fejtgeitellt, „Daß Die Färbung bei Ello- bius nicht als Spezifiiches Merkmal angejprochen werden fann, da Diejelbe einer Variabilität unterworfen ijt, wie wir fie jelten im Bereiche ein und derjelben Spezies zu beobachten Gelegenheit haben. Die reiche Ellobius-Sammlung unferes afademifchen Mufeums befibt eine große Reihe von Exemplaren, die in den verjchtedenjten Tönen gefärbt jind, und läßt ung zwifchen den ertrem gefärbten Tieren die Übergänge auffinden. Angefangen von ein- farbig jchwarzen Exemplaren, liegen mir 3. B. bräunlichjchwarze, Dunfelbraune, hellbraune, gelblichbraune, dunkel bräunlichgelbe Bälge vor, in den verjchiedensten Nuancen, bei einigen die Töne blajjer, bei anderen wieder intenjiver. Sr demjelben Grade wie die Dberjeite variiert auch die Unterfeite: Dunfeltotgeld, Roftgelblich, Gelb, Grau und Weiß find Die jenigen Töne, die in berjchiedener Nuancierung fic) auf Der Unterfeite finden. Doc) wäre die naheliegende Annahme, daß Dieje jo verichieven gefärbten Exemplare vielleicht verichiedenen geographijchen Formen angehören, trrig, da jich Die einzelnen Varietäten geographisch nicht ausschließen. So kommt beifpielsweife im Gouvernement Aitrachan, io die gewöhnliche Dunfelbraune Form die vorherrschende ift, neben diefer auch die ganz jhmwarze, die bräunlichichwarze und die gelblichbraune Varietät vor.” Anfcheinend aljo ein Mull-Lemming. 259 ähnlicher Zuftand wie beim Mäufebufjard und der Kampfjchnepfe, wo faum zwei Stüde jemals jich gleichen! ALS „Liebjte Nahrung” des Mull-Lemmings bezeichnet Schreber Erdnüffe, die inollen de3 Lathyrus tuberosus und die von der Phlomis tuberosa; ar der untern Wolga nährt ex jich vornehmlich von den Zwiebeln der Tulpe. N. Sarudny fchreibt: „Der Mull-Lemming zählt zu den gemeinften Nagern im Dren- burger (Südural) Gebiet. Die echte, mit den hohen Stipa-Grasbüjcheln bewachjene Steppe bermeidet er und bevorzugt die mit anderem Gras bejtandenen Steppen, namentlich wenn diejes Gras nicht zu Dicht und Hoch ift. Auf der Erdoberfläche läuft er unbeholfen, bejjer auf unebenen Stellen al3 auf glatten; unter der Exde ijt er aber jehr flinf und läuft in feiner Nöhre rüdwärts fchneller als auf der Erde vorwärts. Seinen Bau verläßt er nicht felten. MulleLemming, Ellobius talpinus Pall. Natürlide Größe. Nah Büchner, „Wiffenihaftlide Nefultate Przewaljfi- Retjen“. St. Petersburg 1889. Am Tage entfernt er jich nicht weiter als fünf Schritt von der Röhre und fällt trogdem häufig Bufjarden, Weihen, Krähen und Möwen zur Beute; in der Nacht wagt er fich fünfhundert Schritt und noch weiter weg. Seine Hauptnahrung find die Zwiebeln von Iris, Tulipa und Allium; er geht aber aucd) Gräfer und deren Wurzeln an und zieht lebtere vielleicht allen anderen vor. Einmal zog ich einen angefrejjenen Frojch aus einer Röhre des Mull-Lemming?. Erjcehredt, gibt er einen piependen Ton von jich; außerdem hörte ich, namentlich zur Nachtzeit, zwitichernde Laute von ihm. Der Mull-Lemming direchitreift teils über, teils unter der Erde ziemlich bedeutende Gtreden. Während der Sommermonate zieht er fich in die Fluftäler und Seenniederungen hinunter; im Herbite, und zwar in der zweiten Hälfte September und int Dftober, geht die Mehrzahl wieder auf die Höher gelegenen Bläbe und in die Steppe. Dieje Streifereien find aber nicht zu verwwechjeln mit den eigentlichen Wanderungen, die im Falle zu ftarker Vermehrung ftattfinden. Solche Wanderungen habe ich zweimal be- obachtet. In der zweiten Hälfte des Auguft 1881 vermehrten fic) die Mull-Lemminge fehr Itark beim Kofafendorfe Nejchinfa und wanderten von da zum größten Teile das Uralfluf- tal entlang. Jm Jahre 1888 zogen die Tiere in Mafjen aus dem Tale der Kazgalfa nad) den Hügeln des DObjchtit Syrt. Die Wühlereien des Mull-Lemmings find namentlich im Herbite 256 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. jehr Stark; um diefe Zeit find die aufgeiworfenen Hügel jo zahlreich und dicht beifammen, daß zwijchen zweien faum ein Menjchenfuß Pla hat. Wahrjcheinlich werden jebt die Winter- quartiere gegraben, die tiefer in der Erde und häufig von vielen gemeinfam angelegt werden.“ Sarudny ftimmt (nach Plesfe) der Anficht Eversmanns bei, daß der Mull-Lemming feinen Winterjchlaf Hält, Hat allerdings darüber feine unmittelbaren Beobachtungen gemacht. Er glaubt, daß Die zahlreichen, im Herbjt angelegten Gänge dazu dienen, um die im Winter aufgegrabene Erde, die nicht an die Oberfläche befördert werden fann, aufzunehmen. „Sn Winter find weder die Mull-Lemminge jichtbar noch friich aufgemworfene Erdhügel. Solche erjcheinen aber jofort, jobald der Schnee weggetaut und die Erde im Frühling bloßgelegt itt. Der Mull-Lemming lebt in Kolonien, die je nach der vorhandenen Futtermenge bald iehr zahlreich, bald Fein find. Er wirft bis viermal jährlich; ich jelbjt fand 2, 3 und 4 Junge im Nefte, habe aber von Würfen gehört, die 7 Zunge enthielten. Syn der warmen Sahreszeit febt der Mull-Lemming in Gängen, die im Nafen oder unmittelbar unter diefem angelegt jind, demnach alfo nicht tief unter der Erdoberfläche liegen. Die Nejtmulde jelbit wird aber itet3 tiefer angelegt, und e3 führen janft geneigte Röhren zu ihr hinab, entweder gerade over jpiralig gewunden. Gie hat eine Höhe bis 12 cm, eine Länge bis 18 cm und eine Breite bis 13 cm, ift mit Heu und zahlreichen Artemisia-Stengeln (der Charafterpflanze der Salz- iteppe) ausgefüttert und hat bald einen, bald zwei Zugänge. Außerdem legt der Mull-Lem- ming in den oberen Röhren noch eine zweite Mulde an, die er mit friischem Grafe ausfüttert; jie dient nur al3 VBorratsfammer und Nuheplab, aber nicht al3 Kinderjtube. Zumeilen it auch das eigentliche Nejt durch eine Röhre von 7—15 cm Länge unmittelbar mit einer Kammer verbunden, in der Vorräte von Zwiebeln, Wurzeln und Kräutern aufgejpeichert iind. Der Mull-Lemming gräbt hauptfächlich nachts, am frühen Morgen und abends; ich habe ihn aber auch in der heigejten Mittagszeit an der Arbeit gejehen.” — Aus dem nörd- lichen Kaufajus (Terefgebiet) berichtet Rojjifom: „Bejonders zahlreich ift die Art im Flac)- lande; jie meivet hier nur die feuchten, zufammenhängenden Waldungen und die Wiejen, die vom Hochwafjer überjchivemmt werden. Conit fann man fie an Waldrändern, auf Waldwiejer, in Gemüje- und Objtgärten, ja jelbjt auf den Marftplägen inmitten der An= jiedelungen treffen. Jr den Vorbergen und auf den Hochebenen tjt jie weniger zahlreich und fehlt dem Hochgebirge ganz. Hält feinen Winterjchlaf; ihre Nejter fand ich im Winter 5-6 Fuß tief. An warmen Wintertagen fan man frisch aufgeworfene Erdhügel finden, Bemeije der Tätigkeit der Tierchen. Ende April fand ich jchon Junge im Nefte.“ Thomas hat 1897 einen Ellobius lutescens T’hos. vom armenijchen Hochlande am Nau- jee, alfo aus dem Taurusgebiete, unterjchteden, und Satunin hat diefe Art nach den Schädel- merfmalen bejtätigt. LZebterer entdedte fie in der Nähe eines rujjiischen Wachtpojtens im Talyjichgebiet an der perjiichen Grenze, über 2000 m hoch, auf einer „typiichen Hochiteppe, durcchjegt mit zahlreichen Felsdurchbrüchen. Diejer Nager wählt zu jeinem Wohnort die ebenen Wiejenjtücfe und gräbt unter der Erde lange, aber flache Gänge, welche eine Wellen- linie mit vielen furzen Sadgäfchen nach beiden Geiten bilden. Lebtere werden wohl bei der Nahrungsfuche gegraben, telche allerlei Wurzeln zum Gegenftande hat. Hußerlich wird der Gang durch zahlreiche Keine Erdhaufen angedeutet, welche das Tier beim Graben auf- wirft. Gewöhnlich nehmen die Gänge eines Neites (eines Paares?) einen Flächenraum bon zirfa 6 m im Durchmejfer ein; einmal jedoch fam ein Gang von über 10 m Länge vor, der aufgegraben werden mußte, bevor man an das Neit gelangte. Die Gänge verlaufen Mull- Lemminge. | 297 unter der Erde in einer Tiefe von nur 16 cm, das Weit aber jtecft 40 cm tief. Daz fir die Aufzucht der Jungen bejtimmte Neft liegt noch viel tiefer, ungefähr 1m und mehr unter der Erdoberfläche. Seitwärts vom Neit, zumeilen in bedeutender Entfernung, befinden jich die Borratöfammern: fugelfürnige Kammern von 20 em Durchmefjer, welche mit Wurzeln und anderen Vorräten, aber jtet3 gleichartigen, angefüllt find. An einer folchen Sammer lagen lange Wurzeln, in einer anderen eine Art Nüfje (3 Pfund). Jr einem Bau wurden einige Heine Zwiebeln gefunden, obgleich die Entfernung bis zum Gemüfegarten nicht weniger al 200 m betrug. Die Eingemweide des in diefem Bau gefangenen Eremplares rochen jtarf nad) Zwiebeln. Dffenbar verfügt diefer Nager über eine außergewöhnliche Grabfähigfeit; denn zumeilen find jeine Gänge in einem Humus-fehmigen Boden angelegt, der fo fejt ift, daß man beim Ausgraben die ganze Zeit mit der Spishade arbeiten muf,. Sm März 1899 wurden zmwijchen den Pojten Sjalvjaz und Gjadüf aus einem Bau drei Junge ausgegraben, die wohl nicht älter als eine Woche waren. ch fann nicht genau angeben, twiepiel Junge geworfen werden, und ob die drei Stüd einen ganzen Wurf daritellten, da beim Ausgraben, al3 wir uns dem Nejte näherten, die Alten ihre Jungen in Nebengänge ichleppten, two einige jehr wohl unbemerft bleiben konnten." Der Grenzoffizier „beobachtete, wie dieje Nager auch bei einer Kälte von —5° C ihre Grabarbeit fortjegten und Erdhaufen aufmwarfen. Schnee war damals nicht gefallen”. (Satunin, „Säugetiere d. Talyjchgebietes und der Muganjteppe”, in „Mitt. Kaufaf. Muj.”, Bd. II, 1905.) An die MullLemminge jchließt jich noch am beiten ein jeit 1901 entdedter faufafischer Nager aus der Unterfamilie der Wühlmausartigen an, der im übrigen ganz allein fteht. Der Befchreiber, Satunin-Tiflis, berichtet über dieje merkwürdige, von ihm Prometheomys genannte Gattung, die er auf dem Paß der Srufinifchen Heerjtraße erhielt, im „Zool. AUn- zeiger“, 1901: „Nach dem prismatijchen Bau der Zähne ziehe ich dDiefe Gattung zur Unter- familie der Mierotinae, obgleich jie einige bejondere Eigentümlichfeiten aufweift und über- haupt jich von allen übrigen Angehörigen diejfer Unterfamilie fcharf unterjcheidet... Die Zahl der Schmelzjchlingen auf den Badzähnen it geringer als bei irgendeiner anderen Form der Mifrotinen und erinnert am meijten an die Zähne von Ellobius... Das aufer- gerwöhnlich Heine Yuge mißt nur 2,5 mm im Längendurchmefjer und wird fait ganz vom Pelze bevedt." Dies deutet man gewöhnlich auf unterivdifches Leben, und e3 wäre eine weitere Ühnlichkeit mit den Mull-Lemmingen. Dagegen find „die Ohren gut entwickelt, mit halbrundem Außentand, am Rande außen und innen dicht mit Haaren bewachjen... Die Krallen der Vordergliedmaßen find lang... Die Kralle der Mittelzehe des Vorderfußes erreicht eine Ränge von S mm. Auf der Sohle des Hinterfußes befinden jich vier Snorpel- mwüljte.” Das ganze Tier ift „von der Größe einer Heinen Wafjerratte. Nur der vordere Teil der Naje zwijchen den Nafenlöchern und um diefe herum ift Ffahl; der ganze Körper ijt mit jehr dichten, langen Haaren bededt. Einzelne Haare auf dem Rüden jind bis 18 mm lang. Die Sohlen der Füße jind nur im vorderen Teile fahl, hinten dagegen dicht behaart. Die Farbe des Pelzes ijt Tajtanienbraun, die Füße heller... Der dide Schwanz ift Dicht mit funzen Haaren bededt und etiwas fürzer als die Hälfte der Körperlänge einfchlieglich Kopf... Das einzige Ereniplar diejes feltenen Tieres, ein Männchen, wurde von Dr. N. ©. Schapojchnifow unter blühenden Anemonen unweit des Kreuzberges auf der Grufinijchen Heeritraße in der Hauptfette des Kaufajus etwa 6500 Fuß (2200 m) hoch gefangen und in Spiritus Fonjerviert.” Ihm zu Ehren heißt das Tier P. schaposchnikowi Sat. Brehm, Tierleben. 4. Aufl. XI. Band. 17 258 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. Die Lemminge erinnern unter den Wühlmäufen in Gejtalt und Wejen an die Hamiter: jie jind bejonders gedrungen gebaute, jtubjchwänzige Mitglieder der Gejamtheit. Der ver- hältnismäßig große Kopf ift dicht behaart, die Oberlippe tief gejpalten, daS Auge Hein; Die auch auf den Sohlen dicht behaarten Füße tragen, zumal vorn, große Scharrkrallen. Der legte untere Badzahn bejteht wie der lebte obere aus vier Prismen und zeigt auf der Stau- fläche fünf Schmeßfchlingen; der Schädel ijt jehr breit, das Jochbein auffallend hoch. Die Lemminge zerfällt man heute in zwei Gattungen. Die eigentlichen Lemminge (Lemmus Link, Myodes) haben ein äuferes, allerdings nur furzes und ganz im Pelze veritectes Ohr und fünfzehige Füße mit großem, plattem Daumennagel. Die Halsband- (emminge (Dierostonyx Glog., Cunieulus) haben ein ganz verfüimmertes äußeres Ohr und an den Vorderfüßen nur noch einen rücgebildeten Daumen mit verfümmertem Nagel, dagegen zwei jet lange Mittelfrallen; in den Gebißverhältnijjen jind fie den Wühlmäufen im engeren Sinne ähnlicher. Beide Lemminggattungen fommen in den nordiichen Einöden beider Erdhälften vor; die eigentlichen Lemminge find aber doch mehr altiweltlich, die Hals- bandlemminge mehr neumeltlic). Die befanntefte Art der Gruppe, der ewöhnliche oder Berglemming, Lemmus lemmus L. (Myodes), ift ein berühmtes, um nicht zu jagen: berüchtigtes Tier. Er erreicht eine Gejamtlänge von 15 cm, wovon höchjitens 2 cm auf das Stußfchwänzchen fommen. Der reiche und lange Pelz ift jehr anfprechend gezeichnet. Yon der braungelben, im Naden gemwäfjerten Grundfärbung heben fich jchtwarze Tlede ab; von den Augen laufen ziwei gelbe Streifen nach dem Hinterfopfe. Der Schwanz und die Pfoten jind gelb, Die Unterteile einfach gelb, fait jandfarbig. — Weißlinge fommen vor, anjcheinend aber jelten. Der Lemming mar lange das rätjelhafteite Tier ganz Sfandinaviens. Erjt Linne ichiderte in den fehwedifchen Abhandlungen vom Jahre 1740 den Lemming der Natur ge mäß und jo ausführlich, dag man feiner Bejchreibung nicht viel Hinzufügen Tann. ch jelbit habe Lemminge im Sahre 1860 namentlich auf dem Dovrefjeld zu meiner Freude in großer Menge angetroffen und mich durch eigene Anfchauung über fie unterrichten können. Dort wohnte einer neben dem andern, und man jah und hörte oft ihrer S—-10 zu gleicher Zeit. Heute wijjen wir genau über die eigentliche Heimat, den natürlichen Standort des Berg- lemmings Bejcheid, dank der neueren Unterfuchungen von Collett („‚Myodes lemmus, its habits and migrations in Norway“, 1895) und den neuejten von Efman („Die Wirbeltiere der arftiichen und fubarktifchen Hochgebirgszone im nördlichiten Norwegen“, 1907). Er it im arftiichen Europa (Norwegen, Lappland, Kolahalbinfel), Ajien und Grönland ein Be- mwohner der fogenannten fubalpinen Region, d. h., um mit Efman zu reden, der über dem Tadelwald liegenden Birfen- und der auf dieje folgenden Graumeidenzone. Mit Diejen pflanzengeographifchen Zonen rüdt er im Süden jeines Berbreitungsgebietes an den Ge- birgen hinauf und fteigt im Norden bis zum Meeresipiegel hinab. Die Tiere find ganz allerliebft. Sie jehen aus wie fleine Samfter und ähneln diejen auch vielfach in ihrem Wefen. Ihr Gang ift trippelnd, aber rajch, wenn auch der Menjc) fie leicht einzuholen vermag. Auf der Flucht zeigen fie jich überaus gejchict, indem fie, jelbjt in dem ärgjten Sumpfe, jede trodene Stelle herauszufuchen und als Brüde zu benugen wijfen. Wenn man fie in ein größeres Wafjerbeden oder in ein Flüfchen wirft, quiefen und Inurren fie jehr ärgerlich, fuchen auch fo jchnell wie möglich das trodene Land wieder zu gewinnen. Das fchließt aber nicht aus, daß jie freiwillig, rein zum Vergnügen, ins Wajjer Berglemming. 259 gehen. Vielmehr fah Prof. Koch-Heidelberg „viele Tiere, die fih am See Vaifijaure (bei Soffmofk in Lappland) zwifchen gefällten Baumftämmen herumtrieben, ohne jeden Zwang und ohne jedes Zeichen von Scheu oder Unbehagen auf die am Uferrand gelagerten Steine fettern, dort eine Weile nach allen Seiten Umjchau halten und zulegt mit einem feinen Pumps ins Wafjer gleiten, in das fie wohl 10—15 m weit Hurtig und gejchiett Hinaus- jchwammen. Dann machten fie fehrt und jchhwammen in beiter Stimmung und ohne Ziveifel mit Luft und Behagen wieder ans Ufer zurüd, two fie jich das Wajjer vom Heide fchüttelten und ein Weilchen ausruhten.” Gemöhnlich verraten die Leniminge jich jelbit. Sie jiben oft ruhig und wohlveritect in ihren Löchern und würden jicherlich nicht von den Borübergehenden Berglemming, Lemmus lemmus L. 12 natürlider Größe. bemerkt werden; aber die Eriheinung eines Menjchen erregt fie viel zu jehr, als daß jte jchweigen fünnten. Mit lauten Grunzen und Quiefen nach Meerfchtweinchenart begrüßen jie den Eindringling in ihr Gehege. Nur während fie umherlaufen, ergreifen jie, wenn man auf jie zugeht, die Flucht, eilen nach irgendeinem der unzähligen Löcher und jegen fi) dort feit. Dann gehen fie nicht mehr zurüd, fondern lajjen es darauf anfommen, tot- gejchlagen oder mweggenommen zu werden. Sobald man in nächjte Nähe ihrer Höhle gelangt, jpringen fie daraus hervor, quiefen, grunzen, richten fich auf, beugen den Kopf zurüd, fo daß diejer falt auf den Rüden zu liegen fommt, und fchauen nun mit den Eleinen Yugen jo grimmig auf den Gegner, daß man wirklich unfchlüffig wird, ob man jie aufnehmen joll oder nicht. Wenn jie einmal geitellt find, denfen fie gar nicht daran, wieder zurüdzumweichen. Hält . man ihnen den Stiefel vor, fo beißen fie hinein, ebenjo in den Stod oder in die Gemwehrläufe, wenn jie auch merken, daß jte hier nichts ausrichten können. Manche bijjen fich jo feit in meine Beinfleider ein, daß ich fie faum wieder abjchütteln fonnte. Bei jolchen Kämpfen geraten jie in große Wut und ähneln dann ganz den bösartigen Hamftern. Wenn man ihnen recht rajch auf den Leib fommt, Yaufen fie viicwärts mit aufgerichtetem Stopfe, 17* 260 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. Solange der Weg glatt ijt, und quiefen und grungen dabei nach Leibesfräften; jftogen jie aber auf ein Hindernis, jo halten jie wieder tapfer und mutig jtand und lajjen fich lieber fangen, als daß fie jich ducch einen Kleinen Umteg freizumachen juchten. Zumeilen jpringen jie mit feinen Cäßen auf ihren Gegner los, fcheinen jich überhaupt vor feinem Tiere zu fürchten, jondern tolfdreift jedem Gejchöpfe entgegenzutreten. rn den Straßen werden viele überfahren, weil fie jich troßig in den Weg jtellen und nicht weichen wollen. Die Hunde auf den Höfen beiken eine Menge tot, und die Klagen verzehren wahrjcheinfich jo viele, daß jie immer jatt find; wenigjtens fönnte ich mir jonjt nicht erflären, daß die Staben der Roftwechjelitelle Fogstuen auf dem Dovrefjeld ganz ruhig neben den Lemmingen vor- übergingen, ohne jich um jie zu befümmern. m Winter jchürfen jie jich, wie bemerft, fange Gänge in den Schnee, und in diejen hinein bauen jte jich auch, wie ich bei der Schnee- ichmelze bemerfte, große, didwandige Nefter aus zerbijjenem Graje. Die Neiter jtehen etwa 20—30 em über dem Boden, und von ihnen aus führen lange Gänge nach mehreren Seiten hin durch den Schnee, von denen die meijten jich bald bis auf die Moosdede herab- jenfen und dann, wie die Gänge unjerer Wühlmäufe, Halb zwijchen dem Mooje und Halb im Schnee weitergeführt werden. Aber die Lemminge laufen auch auf dem Schnee umher oder jeben mwenigjtens über die großen Schneefelder in der Höhe des Gebirges. Die Hauptnahrung der Lemminge find die wenigen Mlpenpflanzen, die in ihrer armen Heimat gedeihen, namentlich Gräjer, Renntierjlechten, die Kätchen der Ziverg- birfe und wahrjcheinfich auch alferlei Wurzeln. Soviel ich erfuhr, tragen fie fich nichts für den Winter ein, jondern leben auch dann von dem, was fie unter der dien Schneedede finden, zumal von den Kinojpen der bededten Gejträuche. Großen Schaden bringen jie nicht; denn da, two fie wohnen, gibt e3 feine Felder, ‚und in die Häufer fommen jie nicht herein. Doc) jagte mir ein Bewohner der Lofoten, daß die Kartoffelfeider in manchen Jahren von den Lemmingen gebrandichaßt würden. Die Tiere wühlen fich fange Gänge in den Acer und bauen fich ihre Höhlen unmittelbar zwiichen die Wurzelfnollen, von denen jie dann in aller Gemächlichfeit leben. Shre Heimat it übrigens nicht immer reich genug für ihre Anjprüche; dann jehen jich die Lemminge genötigt, ihre berühmten Wanderungen anzutreten. Mit Plesfe muß man der Überzeugung fein, daß nur auf Grund der Lebensweije des Tieres eine genügende Erklärung jeiner Wanderungen gegeben werden fanı. Man Fann daher nichts Befferes tun, als diefem trefflichen Korfcher zu folgen, der in feiner „Überficht der Säugetiere und Vögel der Kolahalbinjel” (Petersburg 1884) jo wertvolle eigene Be- obachtungen und erjchöpfende Literaturjtudien über den Gegenjtand bietet, daß nur hier und da noch eine Ergänzung durch Ehman möglich ift.. Plesfe betätigt zunächjt den Berg- femming al3 ausgejprochenen und ausjchlieglichen Bewohner der jubalpinen Negion, mit der er gegen den Meeresipiegel herauf- und Herunterfteigt. Dieier Pflanzengürtel, den der Lemming immer bewohnt, wenn er nicht auf der Wanderung begriffen ijt, und der aljo als feine eigentliche Heimat angejehen werden muß, ift Anderjons Regio subalpina, und zwar derjenige Teil derjelben, der mit einzelnen Sträuchern von Juniperus communis (Wacholder) und einem dichten Gejtrüpp von Betula nana (Zmergbirfe) bedect ift. Der Lemming it jo jtreng an diefe Region gebunden, daß in den Zeiträumen zwiichen zivei Wanderungen: feine horizontale und vertifale Nerbreitung mit der Ausdehnung. diejer Pilanzenzone übereinjtimmt. Chne einen Fehler zu begehen, fönnen wir daher behaupten, dap, wenn der Lemming in der Diluvialperiode England, Frankreich Belgien, einen großen Zeil Deutjchlands jorwie Polen bewohnt hat, zu jener Zeit dajelbjt die Regio subalpina ! Berglemming. 261 vertreten war. Mit dem Zurüchveichen diejer Negion, das infolge der Milderung des Silimas eintrat, hat fich auch der Lemming allmählich nach Norden zurücorängen lafjen, bis er auf jein heutiges Gebiet bejchränft ward. Was feine vertifale Verbreitung betrifft, jo hängt diejelbe volljtändig von der geographiichen Breite des betreffenden Punktes ab, da amı Eis- meer der Lemming auf der Höhe des Meeresniveaus ftändig vorkommt, während er meiter jüdlich Höher und Höher zu jteigen hat, um in jeiner heimatlichen Zone zu bleiben. Cfmans „Meinung nad) ijt e3 aber nicht bewiejen, daß nicht noch der alleroberite Teil der Nadel- mwaldzone, die Nadelmwaldgrenze im meiteren Sinne, hierher gehört. Hier bilden nämlid) die Nadelbäume nur jtellenmeije gejchlofjene Beitände, und die Birke mitderjelben niedrigeren Vegetation wie in der Birfenzone Herrjcht mancherorts vor. Während lemmingreicher Jahre it die Fortpflanzung in diejen Gegenden jehr lebhaft, und ich fonnte im Verhalten der Tiere feinen Unterjchied der Birkenzone gegenüber bemerfen. Daß die Tiere während lemmingarmer Sahre hier von einem Zoologen noch nicht gefunden worden find, bemeilt jehr wenig; denn während jolcher Zahre entgehen jie auch in den höheren Gegenden ge- möhnlic völlig der Aufmerkjamfeit, obgleich hier die Vegetation weniger al3 dort fie ver- ‚ bergen würde, Weder 1900, 1901 noch 1899, ’al3 ich in den jemtländilchen Hochgebirgen den halben Sommer zubrachte, wurde ich eines einzigen Lemmings gewahr, und doch kann fein Zweifel darüber Herrchen, daß das Tier vorhanden war.” Dies läßt jich nur durch die verborgene Zebensweije erklären, wie fie Plesfe im folgenden jchildert: „Die dide Schicht - von Moojen und Flechten, welche in der Heimatzone de3 Lemmings den Boden bededt, erleichtert dem Tierchen in höherem Grade die Einrichtung feiner Wohnung. Sn Diejer Schicht braucht der Yemming nur Gänge auszufrefjen, die in das Innere der Erde nicht ein- dringen, aber unter und zwijchen den Wurzeln der Sträucher, namentlich der Ziwergbirke, ihren Berlauf nehmen. Nach Martius’ Befchreibung führt das Eingangslocdh in eine Galerie, die jich jpäter in zwei Arme teilt, deren jeder eine Länge von etwa 80cm Hat; von den beiden lesteren gabelt jich ein Arm wieder. Ein Ausgang bildet die Regel, zwei oder drei jind nur jelten. Fat alle dieje Baue befanden fich entweder unter Mooshügeln oder unter verfaulten Baumiftubben, die mit einer MooS- oder Flechtenjchicht bedeckt waren. Sn einem dev oben bejchriebenen Lemmingbaue fand Martius auch ein zylinderfürmiges Neit von 18 cm Länge und Sem Breite, welches den Bau vollitändig ausfüllte und unten dider war als oben. In der Richtung der Öffnung des Baues befand fich im Zylinder des Neftes ebenfalls ein rundes Eingangsloch. Diejes Net bejtand aus Stengeln einer Grasart, die in dem oberen Teile der Länge nach, in dem unteren dagegen der Quere nad) gelegt waren. Smijchen diejen Stengeln befanden jich Stüde von anderen Pflanzen. Nach Collett find die Baue des Lemmings Häufig mit feinen eigenen Haaren ausgefüttert; Martius hat in einem Nejte auch trodene Blätter al3 Unterlage gefunden.” Die Lemminge machen fich aber noch oberirdiiche Winternejter, und diefe Hält Efman für ein „Mittel, um die ungefähre Häufigkeit der Tiere während des Winters zu bejtimmen. 63 find Fugelige Gebilde aus Riedgräfern, Die ziemlich oje übereinander zufammengeflochten jind, mit einem Eingang an der einen Seite. Diefe Nejter werden auf der Bodenober- - fläche gebaut und ragen frei in den Schnee hinauf. Nach deiien Abjchmelzen find fie Daher feicht bemerkbar, jofern fie nicht vom Schmelzwafjer weggejpült worden find, was natürlich das Schidjal jehr vieler Nefter wird. Sn den Jahren 1900 und 1901 Hatte ich insgejamt nur ein paar jolcher Nejter gejehen, und zwar nur in zerjtörtem Zuftande, jo daß e3 ebenjo möglich war, daß jie von der lekten Lemmingperiode ftammten als vom leßtgenannten 262 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. Winter. Der Unterjchted 1904 gegenüber war jehr erheblich. Sn allen oberhalb der Baum- grenze gelegenen Gegenden, die ich in dDiefem Sommer bejuchte, jowohl in der Torre als in der Lule Lapmarf, waren die Nejter jehr zahlreich; oft jah ich mehrere in 10—20 m Abitand zufanımen, bejonders auf ebenen Sumpfwiejen, wo die Riedaräjer majjenhaft vor- famen und Exdlöcher unter Steinen jelten waren.” Nach Ekman geben auc) die Wechjel der Tiere Aufjchluß über ihre Häufigkeit währenD des vorhergegangenen Winters. Solche Wechjel werden nur während des Winters unter dem Schnee ausgegraben, und zwar in der Weife, daß die Tiere bei ihrem Bordringen, wie auch Collett bemerkt, die unteriten Teile der Pflanzenjtengel wegfrejien, jo daß legtere herunterfallen, wodurch die Wechjel nach der Schneejchmelze als in die VBegetationsdede _ des Bodens eingejenkte Kanäle jichtbar werden. Nach einigen Jahren werden fie von den twieder Heraufwachjenden feinen Pflanzen verdeckt, und man bemerft dann felten Spuren von ihnen, jo 3. B. 1901. Während des Sommers nad) einem Lemmingjahre Dagegen, wie 1904, durchkreuzen dieje Wechjel den Boden überall, bald nach einem oberiwiichen. Keite, bald in eine unteriwdiiche Höhle führend. Sin den eben bejchriebenen Wohnungen verbringen die Lemminge auch den Winter, ohne in einen Winterjchlaf zu verfallen. Nach Plesfe jind alle fEandinaviichen Foricher darin einig, daß ihre Tätigkeit im Laufe des ganzen Winter nicht aufhört. Die Lemminge graben unter dem Schnee Gänge, verjehen dieje mit Luftlöchern und nähren fich während diejer Zeit ausjchlieglich von denjenigen Pflanzenftoffen, die jte um ihre Wohnung herum unter dem Schnee antreffen. Auch Plesfe Hat von einem Zujammentragen von Winter porräten nie etwas gehört. Auf Collett und andere zuverläjjige Beobachter gejtüßt, Hebt Wlesfe ferner eine Seite des Wejens des Lemmings gebührend hervor, die für das Verjtändnis der merkwürdigen, in Natur und Menjchenleben der Umgebung tief einjchneidenden Lebensäußerungen des Tierchen von größter Wichtigkeit it: feine nächtliche Natur, permöge deren er am Tage nur dann jeinen Ruheplat verläßt, wenn er aus diefem aufgejchredt wird, regelmäßig aber in der Nacht hervorfommmt. Dies erflärt da3 Überrafchende der jcheinbar plößlich, tie „vom Himmel gefallen“, auftretenden Maije bei ven Wanderungen. Plesfe gibt aus eigener Erfahrung die Beijpiele dafür. „Auf der großen Taibola, ziviichen der Gtation Kiga und dem Flufje Klola beobachtete ich in der Nacht eine ziemlich bedeutende Wanderung des Lemmings, während ich im Laufe des Tages in den benachbarten Gegenden auch nicht einen auftreiben konnte. Syn der Stadt Slola, wo e8 während meines Aufenthaltes dajelbjt von Lemmingen winmelte, verbargen fie jich den Tag über Hauptjächlich unter den gedielten Stegen für Zußgänger und erjchienen exit beim Beginn der Abendoämmerung. Troß Des jehr hohen Preifes, den ich bot, wurde mir nur ein einziger Lemming im Laufe einer Woche gebracht, weil um die Zeit, wann die Lemminge ihre Schlupfwinfel verlajjen, die von mir mit dem Fang beauftragte Sugend jchon jchlief.“ Tritt ein Menjch dem Lemming in den Weg; jo jucht Diejer jich in ‚der Kegel durch Die Flucht zu retten und irgendeinen Schlupfwinfel zu erreichen. Steht aber,der jliehende Lemming, daß er von feinem Berfolger erreicht wird, fo dreht er jich mitten im Laufe um, erhebt jich auf die Hinterbeine, wirft den Kopf zurüd und beginnt feinen Angriff auf den Feind. Er pfeift laut nach Art der Ziejel, fnurrt grimmig, beift endlich wie ein junger Hund und wirft fich fauchend auf den Gegner. Um das Tier vollitändig zu beruhigen, genügt e3 aber, jich aufzurichten und fich den Anjchein zu geben, alS wenn man es nicht weiter l Berglemming. 263 beachte. Das Tierchen benubt jolche Augenblide unverzüglich, um fich wieder in die jchleu- nigjte Flucht zu begeben, bleibt jedoch immer bereit, fein früheres Manöver anzumenden, wenn der Verfolger Miene macht, ihm nachzueilen. Auf diejelbe Art begegnet der Lemming auch Hunden und anderen Tieren, wobei er natürlich meijt umfommt. Wenn natürliche Hindernifje jich den Lemmingen entgegenftellen, jo weichen dieje in den jeltenjten Fällen, jondern juchen mit Gewalt vorwärts zu fommen. Gelbit die reigendjten Ströme, wie der Kolafluß, Halten die Lemminge auf ihrer Wanderung nicht auf. Der Lemming it ja ein aus- gezeichneter Schwimmer und jeßt bei Winditille mit ziemlicher Leichtigkeit über breite Seen, obgleich e8 oft vorfommt, daß einzelne oder ganze Mafjen dabei ertrinfen. Marxtius ftellte Rerfuche mit dem Lemming an, um defjen Fertigkeit im Schtwimmen beunteilen zu fönnen; er warf zu Diefem Sivede die Tiere in der Mitte des Muonioflufjfes ins Wajjer und itber- zeugte jich, daß alle das Ufer erreichten. Ihre Tollfühnheit tritt auch in den Fällen jehr deutlich zutage, wenn fie in reigenden Strömungen ihren Untergang finden. Gelbjt in den Augenbliden, wenn die Tiere fchon vom Strudel fortgerijjen find, ertönt noch ihr ° wiütendes Pfeifen und Bellen. Troß ihrer Fähigkeit zum Schwimmen und troß ihres Mutes finden Doc) eine Menge von Lemmingen den Tod in den Wellen, und jehr oft jieht man am frühen Morgen ganz frifche auf den Wellen treibende Lemminge, die während ihrer Wanderung in der verflojjenen Nacht ertrunfen find. Da die Fortpflanzungsgejchichte des Lemmings im engjten Zufammenhange mit jeinen Wanderungen fteht und von diejen jchwer zu trennen tft, jo hält jte Plesfe mit Kecht für geeignet, „um die Darjtellung feiner Wanderungen überfichtlicher zu machen... Nach Eollett unterjcheivet jich die Fortpflanzung in den Wanderjahren bedeutend von derjenigen aufer- halb derjelben, und zwar fotwohl durch die Anzahl der Jungen eines Wurfes als auch durch die Anzahl der Würfe... Nach Collett finden zwet Würfe jährlich jtatt, in den Wanderjahren folgen fich aber die einzelnen Würfe jchneller. Da in den Wanderjahren die Fimatijchen Berhältnijje günftiger find als gewöhnlich, jo ift wohl anzunehmen, daß die Lemminge jic) in jolhen Jahren früher paaren, früher den eriten Wurf zur Welt bringen und dadurch jo viel Zeit erübrigen, daß ein (vielleicht auch mehr als ein) überzähliger Wurf ftattfinden fann. Was die Anzahl der Jungen in einem Wurfe betrifft, jo hat Collett in gewöhnlichen Jahren 5, zuweilen jogar nur 3, jelten 7—8, in ven Wanderjahren aber fjogar I—10 gefunden. Nacd) GollettS Beobachtungen jind die Jungen des eriten Wurfes zum Herbit jchon fortpflanzungs- fähig. Würfe auf der Wanderung fommen wohl auc) vor; doch fcheint e8, daß nur zufällig einzelne trächtige Weibchen mit in den Strudel fortgeriffen werden, bejonders da nad) Angabe von Collett die bedeutende Mehrzahl der Wanderer aus Männchen beiteht und ich (“Pleste) unter allen Lemmingen, deren ich Habhaft werden fonnte, nur ein Weibchen erhalten habe.“ Nach Ehman ift auch in der eigentlichen Heimat, in der Birfen- und Graumeiden- zone, während der meilten Jahre die Fortpflanzung recht bejcheiden, und Yemminge jind dort eine jehr jeltene Erjcheinung. Dagegen find in „Lemmingjahren” nicht einmal Die Hälfte der Weibchen ohne Embryonen; die Würfe folgen daher dicht aufeinander, und man findet nun Embryonen im Uterus der Weibchen jchon, wenn die Jungen des dor- hergehenden Sabes noch blind find. Dies dürfte das Gewöhnliche fein; denn man jteht oft halberwachjene unge, welche noch zujammen umherftreifen und jich in zufällig in Bejiß genommenen Höhlen oder dergleichen veriteden. Sie find offenbar ausihrem ehemaligen Vejte verjagt tworden, wahrjcheinlich weil ihre Mutter fchon einen neuen Sat Junge geworfen hat. „uch Hat mir Dr. R. Holmgren mitgeteilt, daß er 1903 in den Nadelwäldern von Gellivare 264 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. fauım halberwachjene Zunge fand, welche Embryonen enthielten, allerdings in geringerer Anzahl als die alten Weibchen. Jch muß mich an Colfest anfchliegen, wenn er behauptet, daß die Lemminge fich in gemiljen Fahren viel intenfiver als fonjt fortpflanzen. Nach einer anderen, von Plesfe vertretenen Auffaffung beruht die Verjchiedenheit der Sndivivuenzahl darauf, daß gemwiffe Jahre für das Winterfeben der Jungen günftig, andere ungünjtig find. Sch Halte e3 für fehr wahrjcheinlich, daß dieje beiden Faktoren zufammentirken. Daß aud) die Witterung eine Rolle fpielt, dafür jpricht unzmweideutig der Umjtand, da gleichzeitig mit den Lemmingen noch andere Nager jich einer bejonders ftarfen Vermehrung erfreuen.“ „Während der lemmingreichen Sahre wird das Gebiet der Art beträchtlich erweitert. ES it von mehreren Forfjchern feitgeitellt worden, daß jich die Tiere dann auch in Den Nadel- wäldern fortpflanzen, wenigitens in den oberen, was ich bejtätigen Tann... Etima 250 m unterhalb der Nadelwaldgrenze waren die Tiere jehr gerne und befanden fich Ende Juni in reger Fortpflanzung.” Cbenfo geht die Gebietserweiterung nach oben vor ich: „auch in der unteren Flechtenzone pflanzten fie fich 1903 fort”. (Cfman.) Die Wanderungen der Zemminge felbit behandelt Plesfe in derjelben Iogijchen und erichöpfenden Weife wie ihre übrigen Lebensverhältnijje. Hier nur das Allernotiwendigite daraus. „Nach den neueren Forichungen hat e3 jich erwiefen, daß bedeutendere Wande- rungen in jehr verjchiedenen Zeiträumen ftattfinden... Sch betone hier bejonderz diejen Umstand, da nad) Collett die Lemminge alljährlich wandern, jedoch in jo engen Grenzen und in fo geringer Anzahl, daß diefe Wanderungen der Bevölferung entgehen." Die Trage, ob alle Lemminge ihre Heimat verlafjen oder nicht, möchte Plesfe ohne Zögern dahin be- antworten, daß unbedingt nicht alle Lemminge ihre Heimat verlajjen, daß vielmehr ein Teil zuriicbleibt. Nur ift nach dem Aufbruche der Wanderer die Anzahl der Lemminge an ihren gewöhnlichen Aufenthaltsorten fo gering, daß fie meift nicht bemerft werden. Nicht weniger maßgebend ift auch der Umftand, daß die Mehrzahl der Wanderer Männchen find. C3 icheint alfo, dat fich der Wandertrieb Hauptfächlich Der ungepaarten Männchen bemächtigt, daß - dieje, zunächft auf der Suche nach Weibchen, jozujagen wider Willen ins Wandern ’geraten. Aus den vorliegenden Angaben über die Jahreszeit, in welcher die Wanderungen itattfinden, glaubt Plesfe den Schluß ziehen zu dürfen, daß im Laufe des Frühlings, Sommers und Herbites feine genaue Zeit zu beftimmen ift, in welcher die Lemminge wan- dern, und dieje Anficht moird noch Durch Die Beobachtung von Collett befräftigt, welcher be- hauptet, daß in den Jahren der großen Wanderungen die Lemminge im Laufe des ganzen Sommers ihre Heimat verlafjen, eine Schar der anderen folgt und fie im Flachlande eindolt. Die Richtung der Lemmingwanderungen geht in der Hauptjache vom Gebirge zur Ebene. Das ergibt jich mit Sicherheit aus unzähligen unmittelbaren Beobachtungen. Aus diejen folgert dann Plesfe jehr richtig weiter, daß die Weltgegend, nac) der der Lemming steht, von der Richtung des Gebirgszuges abhängt, auf welchem der Lemming feinen Wohn- ort hat. So fommt es, daß im größten Teile Sfandinavienz die Lemminge genau mejt-. öftlich oder umgefehrt wandern, während die im rufjischen und im benachbarten finnijch- norwegischen Lapmarfen, wo der Gebirgszug die Richtung Dft-Welt annimmt, nac) Norden und Süden ziehen. Daran fchließt fi) das weitere Beobachtungsergebnis, daß die Lem- minge gemwilje Zugftraßen haben, die fie den anderen vorziehen, weil jie wegjamer jind. „Bährend ich im Sahre 1880 zugleich mit einer Wanderung von Lemmingen mich bont Smandrajee nach Kola begab, waren die Tierchen troß ihrer Menge an manchen Stellen nicht zu finden. Sch fand foldhe auf der ganzen Strede von 18 Werft nur an einer Stelle. Berglemming. 265 Dieje Stelle, die auf der 12. Werft lag und mir auch fchon von den Lappländern als ein Ort bezeichnet wurde, wo jich Lemminge gezeigt hätten, war ungefähr !/a Werft breit. Aus diefer Beobachtung glaube ich den Schluß ziehen zu dürfen, daß hier fich eine der Wander- jtaßen des Lemmings befand.” Bei diejer Gelegenheit betätigt Plesfe Ducch eigene Be- obachtungen die Schilderungen Linnes und anderer, „laut welcher die einzelnen Yemminge einer Schar wohl alle in einer und derjelben Richtung wandern und daher al3 zu derjelben Schar gehörig angejehen werden können, jedoch jeder Yemming in einer gewijjen, bisweilen ziemlich beträchtlichen Entfernung von den anderen jeines Weges zieht... Auf einer Ent- fernung von einer halben Werit längs dem Wege fonnte man fortwährend Lemminge hören, die alle in derjelben Richtung liefen und den Weg Freuzten. Schon in einiger Entfernung hörte man auf der rechten Seite des Weges das leije Pfeifen des herannahenden Lemmings, welcher dann jchnell über ven Fußiteig Hujchte und auf der anderen Ceite des Ietteren in derjelben Richtung feinen Weg jortjeßte, mobei er immer leije pfiff. Doch mar das Pfeifen des einen Lemmings noch immer hörbar, während jich bon der rechten Seite des Weges abermals eine3 oder mehrere der Tierchen Hören ließen, die jich dem Wege aus der- jelben Richtung näherten. Zumeilen fonnte man ganz deutlich vernehmen, mie die Lem- minge jich auf ihren Wegen begegneten; das Pfeifen wurde lauter, man vernahm das leije Bellen und Sinumren der Tiere, e3 entjtand ein Eleiner Kampf, worauf beide Kämpfer ihren eg in der früheren Richtung fortfesten. Infolge diefer Kämpfe, ohne die e3 bei Be- gegnungen nicht abgeht, Halten fie wohl abfichtlich darauf, in einiger Entfernung voneinander und nicht in dichten Haufen zu wandern. Sr größeren Scharen jammeln fie jich nur dort an, wo jie auf größere Hindernilje jtoßen, 3.8. an den Ufern der Flüjfe und Seen.“ ur Frage der Richtung der Lemmingwanderungen liefert Efman eine jehr wejent- fihe Ergänzung durd) den Nachweis, daß jie die Tiere nicht nur nad) unten in die Nadel- wälder, jondern auch in entgegengejebter Nichtung führen, was indes bisher überjehen worden ilt. Auch „in den oberiten Teilen der Flechtenzone finden wohl in jedem Lem- ningjahre Wanderungen jtatt, und 1903 Hatte ich mehrmals Gelegenheit, jte zu beobachten. Meiitens wanderten die Tiere einzeln, bald-über die Heinen vom Schnee freigelajjenen Tundraflede, bald über die großen Schneefelder oder die Gletjcher, und fie erreichen oft auf diefen Zügen die höchiten Gebirgspatrtien. So fand ich auf dem Gipfel des Pärtetjäffo Mafjen ihrer Erfremente in einer Höhe von über 2000 m, und derartige Funde an an- deren jehr Hohen Drten waren gewöhnlich. Auf den Gletjchern jah ich mehrmals in den Firngebieten jowohl wandernde Tiere als ihre Fährten. Dr. Hamberg hat mir mitgeteilt, daß er einmal im Auguft einem Lemmingzug in großem Maßjtabe auf dem Pärteglacieren begegnete. Er jah jelber wohl gegen Hundert Tiere den Gletfcher hHinaufwandern, aber nicht in gefammelter Majje, jondern ziemlich zerjtreut mit etwa 50—100 Schritt Zwifchen- raum. Der Zug jchien beinahe die ganze Breite des Gletjcher3, die etiva 2 km beträgt, einzunehmen und bewegte ich langjam in der Richtung gegen den Luottolafo, jedes Tier folgte aber nicht einer geraden Bahn, fondern lief hin und her; die mittlere Richtung war jedoch zweifellos am Gletjcher hinauf. Die Tiere fhienen fehr aufgeregt zu fein, und es - it zu vermuten, daß die meilten auf dem Gletjcher umfamen. Anzeichen früherer jolcher Wanderungen wurde ich jelbjt einige Male gewahr. Auf demjelben Gletjcher, dem Pärte- glacieren, jowie einem anderen, dem Suotasglacieren, fanden fich auf dem niederen fchree- freien Gebiet jehr zahlreiche Lemmingleichen, welche ettva im joeben angegebenen Abjtand lagen oder noch etwas dichter, und auf einem dritten letjcher, dem Miffaglacieren, war ein 266 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. großes Gebiet mit Leichen überjtreut, welche fo dicht lagen, dag man auf jedem Duadrat- meter 1—2 ©tüd zählte.” US legte Grundurjache der Kemmingwanderungen will Chman Nahrungsmangel nicht gelten lajjen. Auch an Orten, wo die Lemminge am dichtejten zujammenleben, jieht man bon einer Bejchädigung der Vegetation nur fehr wenig. Nur hier und da fieht man einen Weidenjtrauch, dejjen Borfe abgenagt worden ijt; an Gras, Flechten und Moo3 gibt e3 iiberall Überfluß, und jede Gegend würde unzweifelhaft eine mehrmals größere Zahl von Lemmingen ernähren fünnen al3 die jie betwohnende. Collett und Plesfe zogen daher den unverträglichen Charakter des Lemmings zur Erklärung heran. Cfman ftellt aber diejer Auffafjung widerjprechende Beobachtungen entgegen. „Sn der freien Natur (und in ihrer eigentlichen Heimat) jind die Tiere gar nicht jo unduldfam gegeneinander, daß die Hoch- gebirge ihnen auch bei der intenjioften Vermehrung nicht Plat genug gejtatten follten. Wenn ich mich auf den Boden jeste und mich ganz ruhig verhielt, Eonnte ich oft 5—6 Lemminge in meiner unmittelbaren Nähe jehen, und jie vertrugen das Zufammenleben ebenjogut wie irgendeine andre Tierart. Auch leben im Winter anjcheinend mehrere zufammen; denn ich habe in ihren Winternejtern bis zu 4 Tiere tot gefunden.” Chman ging das Verjtändnis fir die Lemmingwanderungen schließlich auf durch jorgfältige Beobachtung und Berücfichtigung jämtlicher in Betracht fommenden Eigentümlichfeiten fomwohH! des Tierchens jelbit als feiner norwegijch-[appländifchen Heimat. Beide müljen zufammenwirfen, um die auffallende und viel beredete Erjcheinung der Lemmingmwanderungen, eine der merfiwindigiten im ganzen Säugetierreiche, herborzurufen. Da der Lenming, wie Die meilten feinen Nager, jehr frucht- bar und in feiner eigentlichen Heimatregion Nahrung für ihn in Hülle und Fülle vorhanden üt, jo vermehrt er jich in günjtigen Wetterjahren ganz außerordentlich. Das wird aber in jeinen menjchenleeren Wohngebieten bei jeiner verborgenen Lebensweije gewöhnlich überjehen, und erjt im zweiten Jahre, nachdem die Stopfzahl bereits bedeutend angejchmwollen ilt, macht e8 fich durch die Überfülle der erjcheinenden Tierchen nach außen bemerkbar. Dann tritt zunächit das ein, was Ehman mit dem Tiergeographen Kobelt „Das Drängen gegen die Artgrenze” nennt: die Lemminge leben und vermehren jich nicht nur in ihrer Birfen- und Graumweidenzone, jondern ebenjomwohl auch unterhalb, in der Nadelholz-, wie oberhalb in der Flechtenzone. Someit handelt e3 fich um nicht3 andere3 als eine ganz natürliche Aus- breitung. Dieje wird aber jehr jchnell gejtört Dadurch, daß die Tierchen bei der eigenartigen DOberflächengeftaltung mit den vielen jchroffen Gebirgszügen, die Norwegen und das an- toßende Nachbarland auszeichnet, alsbald andere Lebensbedingungen vorfinden, die ihnen, den ausgeprägten Charaftertieren der mittleren Bergzone, offenbar nicht zufagen. Und nur dadurch fommt die Unruhe über fie, die fie immer weiter treibt und zu den ungeheuren Scharen zujammendrängt, die plößlich, wie vom Himmel gefallen, in den Städten der Ebene ericheinen und fich durch feinen Fluß oder See, ja jelbit das Meer nicht vom weiteren Vor- dringen abhalten lajjen. Norwegens „Lemmingjahre” jind aljo durchaus mit unferen „Mäufe- jahren” zu vergleichen, und die Gejtalt Der verhängnispollen Wanderungen, die alle Wanderer zum Tode und feinen einzigen zurüd in die Heimat führen, nimmt die „Zemmingplage” nur vermöge der eigenartigen Erdoberflächengeitaltung ihres Heimatlandes an. Sm nordischen Aiten und Amerika, wo andere Lemmingarten leben, zeigt jich ihre Vermehrung in ähnlicher Form wie bei uns die „Mäufeplage”, und überall jtellt die Natur bald da3 Gleichgewicht durch anftedende Krankheiten wieder her. Auch den mwandernden Lemming befällt eine „Zemmingpejt” und reibt feine Scharen noch rajcher auf, als Dies Berglenming. 267 die Menge der anderen Fährlichfeiten ohnehin jchon tun würde, Ar großen Lemming- jahren stellt fich, nach Collett3 Beobachtungen, gegen Herbjt namentlich bei den alten Männchen eine Hautkrankheit ein: über der anjchwellenden Schwanzmwurzel wird der Unter- rücken mehr oder weniger Haarlos und bedeckt jich mit zahlreichen borfigen Sinötchen. Diefe fand Sohan-Dlfen mit einem Bakterium gefüllt, das er alö Streptotrix lemmi bejchrieb; Coflett Hält es aber für wahrjcheinlicher, daß es nicht diejes, fondern ein andres, noch un- befannteg, ift, welches die mandernden Lemminge jchließlich alle dahinrafft. - Bei ihren Mafjenwanderungen fommt e3 vor, daß die Lemminge hoirklich alles Ge- nießbare auffrejjen. So Iejen wir von einem norwegijchen Mitarbeiter des „St. Hubertus” aus dem Februar 1908 über Lemmingjchäden: „Bo ein Lemmingheer in Erjceheinung tritt, ijt es in wenigen Tagen, ja Stunden mit der Vegetation zu Ende. Graswälle und Weidepläße werden in meilenmweiten Umfreije bi3 auf die Grundwurzeln Ducchwühlt und vernichtet. Tritt Schneefall ein, jo wird das Bernichtungsmwerf mit verdoppelter Energie unter dem Schuße der hartgefrorenen Krufte fortgejeßt. Sind der, Wiefen und Matten genügend bearbeitet, dann geht e3 an das Wurzelwerf der Jungholzbeitände, die von Millionen gejchäftiger Zähnchen mit Windeseile der Shüßenden Rindenhüllfe entkleivet und dem Verderben preisgegeben werden. Gleich fühlbar, wenn nicht jchlimmer noch, find die. Nachwehen, die ein jolches Phänomen in jagdlicher Beziehung nad jich zieht. Die Orte, wo der Lemming gehauft hat, werden jahre- lang vom Wilde gemieden. Die Elche treten meilenweite Wanderungen an, um jich dem Machtbereich der Nagerichwärme zu entziehen. Schneehühner und Birkwild verjtreichen auf ungeahnte Entfernungen, und jelbjt das genügjame Nenntier jcheint durch die wider- lichen Ausdünjtungen der Lemmingpfäße jo geniert zur werden, daß e3 ohne weiteres jeine Lieblingsitandorte preisgibt, um in den unzugänglichen Berghängen Zuflucht zu finden. Die fragliche Ausdünjtung muß von derartig fräftiger_ Beichaffenheit jein, daß dem Wilde jelbjt im zweiten Jahre nach dem Durchzuge noch der Aufenthalt an den verwüfteten Pläßen - zuwider ijt, und erfahrene Fjälljäger rechnen im allgemeinen mit einem Siijchenraum von 5—6 Sahren, ehe der Wilditand in einem von Lemmingen verheerten Reviere jeine alte Höhe wieder erlangt. Wie indejjen alles in der Welt unter verjchtedenartigen GejichtS- punkten gewürdigt werden fann, jo fehlt e3 auch in diefem Falle nicht an Leuten, die in dem Ausbruche einer Qemmingplage ihr Gutes erbliden. Der unerfättliche Heißhunger zwingt die Tiere, bei ihrer Nahrungsaufnahme tief in die unteren Erdfchichten einzudringen, die auf dieje Weije mit vollfommener Gründlichkeit Durhmiühlt, zernagt und zermürbt werden, und zwar in einer räumlichen Ausdehnung, die feines Menjchen Hand unter Ddiejen un- wirtlichen Breiten je bewältigen fünnte. Damit ift alsdann der erite Anjtoß zu einem groß- artigen Berwitterungsprozejie gegeben, der nach Verlauf einer entjprechenden Auheftijt dem natürlichen Fruchtertrage des wilden Bodens auf Jahre hinaus zugute fommt.“ Sur verflofjenen Jahrzehnt Haben fich die Lemmingjahre gehäuft. Schon im Dftober 1906 hatte die Tagesprejje darauf aufmerfjam gemacht, daß wieder Lemmingjahre bevor- itänden, daß „gerade in diejem Herbit die Lenminge aus ihren eigentlichen Aufenthaltsorten in den Öebirgsgegenden von Schwedijch - -Norıland. auf der Wanderung nad) den Küjten- gegenden an der Bottnifchen Bucht begriffen” waren. Auch 1909 war ein Lemmingjahr. Darüber lieferte ein Mitarbeiter der „Norwegijchen Jagd- und Fifchereizeitung” Beobad)- tungen, die im „Field“ (Nr. 2973, 09) wiedergegeben jind. Ym Dftober begann der Abjtieg bon den Fjeld3 immer in wejtlicher Richtung. Allerliebit muß das Benehmen der Heinen 268 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. Wanderer beim Übergang über eine Brücfe gemwejen fein. Der Berichterftatter jah das zivei- ennhalb Stunden im Mondjchein mit an, und mwährenddeijen famen etwa 500 Stüdf an ihm vorüber. Exit war am Oftufer eine Menge, am Wejtufer fein einziger. Gegen 9 Uhr abends aber famen fie. Ext einer, der äußerjt vorfichtig vorging, fortwährend bellte und aufmerffam auf das Summen der Telegraphendrähte horchte. ALS diejer Führer die Brücde Halb über- jhritten hatte, tauchten andere am Dftende auf. Viele bellten immer und immer wieder. Bevor der erjte drüben anlangte, waren 18 auf der Brüde zu zählen. Sie hielten öfters an und jchnüffelten in die Luft, genau wie ein Hund, der Wildwitterung anzieht. Exit waren die Heinen Wanderer überall auf der Brüde. Bald aber hatten fie jich zu einem Zuge auf der rechten Seite vereinigt, und wenn nun einer auf die Iinfe Seite geriet, jo hielt er an, ;og die Luft ein und mwechjelte hinüber auf die rechte Seite, two er dann weiterlief. „Z10d” berichtet unterm 31. Auguft 1907 von dem feltenen Falle einer Rüdwanderung. Sm Winter nach der großen Wanderung 1902 waren die Lemminge vom Südufer des Selbojees vollfommen verjchwunden, am Nordufer aber große Mengen zurücgeblieben. Als nun der Frühling Fam, Fehrten jie zu Taufenden über den See zurüd auf der Eisdede, die jich in einec Nacht gebildet Hatte, um ihre Hochtjelds wieder zu erreichen. Das Ei3 brad) bald; aber unerjchroden warfen fich die Lemminge ins Wafjer und [chwammen über: auf den vorjpringenden Landzungen fammelten fie fich und begannen von da ihre lange Schwimm- reife. An einer Stelle lag ein großes Floß Bauholz nahe am Land verankert, das von einem Dampfer weggejchleppt werden follte. Auf diefer guten Gelegenheit fammelten fich die Lenmminge in jolchen Mengen, daß die Stämme von ihnen zu leben fchienen. Der bete Vertilger der Tiere ift das Klima. Ein naffer Sommer, ein Falter, früh» zeitiger, jchneelojer Herbit tötet fie millionenmweife, und dann bedarf es, wie erffärlich, längerer Sahre, bi8 die Vermehrung ein folches pejtartiges Hinfterben wieder einigermaßen ausgleicht. Außerdem Haben die Lemminge eine Unzahl von lebenden Feinden. Man darf wohl fagen, daß fich alle Naubtiere ganz Sfandinaviens von ihnen mäjten. Wölfe und Füchje begleiten jie meilenmweit und frejjen, wenn e3 Lemminge gibt, nichts anderes; der Vielfraß ftellt, wie ich felbft beobachtete, unferen Tieren eifrig nach; Marder, Sitiffe und Hermeline jagen zur Yemmingzeit nur fie; die Hunde der Lappen jehen in einem Lemmingjahre Feitzeiten, wie folche ihnen, den ewig hungrigen, nur jelten wiederfommen; die Eulen folgen den Zügen; die Schnee-Eule findet fich fast augjchlieglich an Orten, wo 8 Lemminge gibt; die Buffarde, namentlich der Rauhfußbuffard, find ohne Unterlaß be- müht, die armen Schelme zu vertilgen; Naben füttern mit ihnen ihre Jungen groß, und strähen und Elitern juchen die bijjigen Gejchöpfe, jo gut e$ gehen will, auch zu vernichten; jelbjt die Nenntiere follen, wie vielfach behauptet wird, zumeilen Lemminge frejjen oder jie wenigitens, mwahrjcheinlich erzient durch die Kampfluft der Heinen Kerle, mit den Borderhufen totichlagen. Höchit jpaßhaft fieht e$ aus, wenn eine Krähe fich an ein Lenmingmännchen wagt, das jich nicht gutiillig feiner Feindin überliefern will. Sch hatte das Glüd, einen joldhen Zweikampf mit anzujehen. Der Men wird nur, wenn er jich felbit in "größter Not befindet, zum Feinde der Lemminge. Sn allen hochgelegenen Gegenden Sfandinaviens läßt er die Tiere fchalten und walten, wie jte wollen. Er weiß fie auch nicht zu benußen; das Fell ift nicht viel wert, und vor dem Fleijche hegt er, wie Leicht begreiflich, ungefähr.denjelben Abjcheu, den wir vor dem Nattenfleifche haben. Die Lappen aber werden oft Durch den Hunger getrieben, Lemminge zu verfolgen. Wenn ihnen alles Wildbret mangelt und die von ihnen fo ficher Berglemming. DOblemming. 269 gehandhabte Büchje nichts mehr bringen will, müjjen fie. zum Hirtenjtode greifen und Lem- minge fchlagen, um ihr Zeben zu friften. Dem Menfchen bringen die Heinen Nager, wenn fie jich majjenhaft anhäufen, eine ganz. befondere Krankheit, das jchon 1520 erwähnte und jchon damals auf die Lemminge zurüdgeführte „Zemmingfieber”. Dieje „„Lemaensot‘“ fängt nach Arel Johannefjen mit jtarfen Fiebererfcheinungen an, auf welche große Mattigfeit, Lendenjchmerzen und Drüjen- anjchwellungen am Halfe, in der Elfenbeuge und in den Leijten, oft diphtheritifcher Belag im Rachen und mitunter eine Art Nejjelausfchlag folgen. Todesfälle fommen aber nur jelten vor. Auf dem regelrechten Tiermarkt beim Händler ijt der Lemming faum jemals zu haben, nur gelegentlich von den Einwohnern feiner Standorte und Wandergebiete. Daher ijt er auch in den zoologijchen Gärten eine Seltenheit: e8 gab bei ung nicht einmal eine Abbildung nach dem Leben von ihm, bi3 1889 zum erjtenmal einige in den Berliner Garten famen und bon Meifter Mübels Stift in muftergültiger Weife verewigt wurden. Gie hielten eine geraume, allerdings nicht allzulange Zeit aus und zeigten in der Gefangenjchaft gar nichts von dem biffigen und angriffsfuftigen Wefen, das dem Lemming in der Freiheit nac)- gejagt mwird, waren vielmehr alferliebfte Tierchen, ‚halb icheu, halb zahm mie andere Fleine Nager auch. Untereinander vertrugen fie fi) gut. Anders war eS mit einer zeiten, viele Jahre jpäteren Sendung: bei ihr traten die aus der Freiheit befannten Yemmings- eigenschaften auc) im Benehmen gegen den Wärter und untereinander deutlicher zutage. Heute unterjcheidet man natürlic) mehrere Lemmingarten und -unterarten und zweifelt nicht mehr daran, daß auch der Lemming feine ganz bejtimmten Ausprägungen Heinfter geographifcher Einheiten hat wie jedes andere Säugetier. Wie nahe jich aber dieje ver- jchiedenen Lemmingformen ftehen, daS fennzeichnet am beiten Nehrings Ausipruch, nad) dejjen forgfamen Unterfuchungen jie nur „alS gut charafterijierte Varietäten betrachtet werden dürfen”. Er fam zu diefem Ergebnis durch Schädel- und Gebißjtudien am Sibi- tiichen »der Oblemming, L. obensis Brants, dem öftlichen Vertreter des norwegijchen, der, in Europa öftlich vom Weißen Meere beginnend, durch die Tundra der Samojeden über den nördlichen Ural durch ganz Nordfibirien fich verbreitet. Diefen Oblemming hält Neh- ing für „das Urbild der Sippe”, von dem die anderen abzuleiten jind. Die Unterjchiede zwijchen dem normwegijchen und dem Dblemming „beichränfen jich beinahe auf eine ab- meichende Färbung de3 Haarfleides; außerdem fcheint jener ettvaS größer und Fräftiger zu jein. Schon die für eine arktijche Tierart auffallend geringe Ausdehnung feines (des Nor- wegers) Verbreitungsgebietes, welches jich auf Skandinavien und das nordweitliche Ruf- fand bejchränft, jpricht dafür, daß M. lemmus eine Iofale, feit der Eiszeit entjtandene Ab- ztveigung de3 M. obensis ijt.“ Außerlich unterjcheidet fich der Oblemming, abgejehen von jeiner geringeren Größe, durch weniger bunte, jchedige Färbung; nad) Middendorffs Farbentafeln it an feinem Sommerfleide das Schwarz auf den Kopf bejchränft, im Winterffeide überhaupt Faum angedeutet. Das graubraune, ganz feldmausähnliche Jugendkleid, das tatjächlich zu Ver- mechjelungen Anlaß gegeben hat, ift dagegen, nach Efmar, von dem der normwegijchen Art wejentlich verjchteden, „und die beiden alten Tieren der beiden Arten vorhandene, freilich jehr geringfügige Farbenähnlichkeit ift daher nur eine Konvergenzerjcheinung”, d. h. eine nachträgliche Berwilchung urjprünglicher Berjchiedenheit: ein Grund mehr, an der Att- jelbjtändigfeit des norwegischen Lemmings Fejtzuhalten. 270 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. Auch der Standort macht einen bedeutjamen Unterfchied gegen den Noriveger: der DOblemming ijt fein Berg- und Hochlandstier, fondern im Gegenteil ein ausjchließlicher Be- wohner der Moositeppen des nordjibirischen Tieflandes, der eigentlichen Tundra. „Dbgleid) er dort”, jagt dv. Middendorff, „wo das Flachland des Nordrandes von Sibirien wenig über 70° nördl. Br. vom Eismeer begrenzt wird, die Kiften diejes lebteren zu erreichen jcheint, jo fand ich ihn im Taimyrlande doch faum über 74° nördl. Breite Hinaus. Auch niltet er gern und zahlreich innerhalb des Krüippelwaldes, der die Baumgrenze umgibt. Seine qua- totialgrenze fennen wir nod) nicht; Doch muß fie nahe mit der Grenze des Hochitämmigen Waldwuchjes zufammenfallen.“ Der zweite deutjcherufjiiche Erforjcher Sibiriens, Schrenf, jchildert das Tierchen nach Beobachtungen in der Samojedentundra. „Der Boden mancher Flächen zeigte ji) von zahl- lofen Gängen und Pfaden der Kleinen Tierchen durchwebt, die von den hiefigen Rufen mit dem Namen der ‚Mäufe‘ (mymi) bezeichnet, von den Samojeden aber pise genannt werden.” Schreber-Wagner führt den Oblemming unter dem rujjiichen Namen Pestruschka auf. Finjch berichtet über den Oblemming in feiner „Reife nach Weitfibirien”: „Der Lemming war ungemein häufig auf der Tundra, nördlich bis zum 68. Grade, und wir beobachteten ihn täglich jehr oft. Neben der vorherrichend jemmelfarbenen Färbung erlangte ich aud) einen ins Note fallenden und jah fait jchwarze.” Schrenk jpricht noch von Wanderungen des Oblemmings: „Das Tierchen erjcheint in diefen Gegenden in regelmäßigen Wande- rungen, die zu Ende des Mat bis in die Witte des Juni über das Uralgebirge in die Ebenen gelangen und Sich meitlich über die drei Samojedentundren bis an das Weiße Meer und jüdlich bis an die Waldgrenzen verbreiten; denn in der Waldregion wird der Lemming nicht angetroffen... Füchje und Eisfüchje folgen regelmäßig den Wanderungen des Lem- mings, von dem jie hauptjächlich ihre Nahrung nehmen, und dejjen Häufige Erjcheinung daher mit Recht als ein Segen für die Einwohner der Tundra betrachtet wird, indem jelbige in dergleichen Jahren ergtebige Jagd haben.” Bon einer Lemmingwanderung auf Nomwaja Semlja, die wir nach dem heutigen Stande unjerer Kenntnis nur auf den fibirischen Tundralemming beziehen fünnen, entwirft der deutjch-rufjiiche Jagdzoologe Martenfon-Malup ein äußerft jejjelndes Bild nach K. Noj- jilow, „der zwanzig Jahre lang im Norden Nuplands, darunter mehrere Jahre in Nomaja Semlja gelebt hat, und vejjen Darftellung den Eindrud der Wahrheitstreue macht." Er läßt jeinen Gewährsmann jelbjt erzählen: „Der Dat it Herangenaht, die rötliche Sonnenjcheibe bleibt Tag und Nacht über dem Horizont, und die Polarnatur erivacht zu regem Leben. Bejonders zahlreich, in Scharen von Taujenden, jtreichen die Naubmömwen niedrig über das Gelände. Das fei, meinen die Sa- inojeden, ein Anzeichen, daß die Wanderung der Lemminge bald eintrete. Und in der Tat, als ich eines Morgens aus der Hütte trat, ergoß fich ein Strom diefer Tiere heran, oder marjchierten jie tie eine Heeresmafje einher, überall fich nach Kräften gegen ihre jchreienden und fliegenden Feinde wehrend. Soweit man aud) von erhöhten Standpunkt und mit be- wajfneten Augen bliden mochte, überall die beweglichen Neihen der Mäufe und über ihnen die freijenden Mömwen. Auf jedem Hügelhen und Steine aber hodten Schnee-Eulen, die jich bereits jatt gefrejjen hatten, und weiterhin am Fuße der Berge Iungerten die Eisfüchje umher, füllten ihre Rachen mit Mäufen und fchleppten diefe zu ihren Schlupfiwinfeln. Am Zube eines Telsblodes liefen eine Menge Lemminge hin und her, wie gequält von der Ungewißheit, wie diejes Hindernis zu nehmen fei; einige fprangen gegen diefe Wand, um DOblemming. Waldlemming. 271 zurückzufalfen und feitwärts einen Ausweg zu fuchen, andere bijjen ärgerlich in den Stein und zerbrachen ihre Zähnchen oder fragten ihn mit ihren Nägeln, noch andere verfuchten fich unter dem Schnee durchzumwühlen, und nur wenige, Denen e3 wunderbarermeije gelungen war, den Bloc»zu erflettern, zogen haftig weiter. „Sch verließ num Ddiefe wie vom Wahnfinn getriebenen Tiere und begab mic) ans Ufer, dejfen Tonfchieferfelfen abjagweife fteil abfiel und mit Alten, Tauchern und anderen Vögeln zu Taufenden bejebt war. Doch auch dort gab’3 für die Lemminge feinen Halt. Steich Fchwarzen Tropfen jtürzten jie fich über 30 m tief auf das Ufereis hinab: von der Seite jah e3 aus wie ein Wafjerfall. Während ein Teil der Mäufe fopfüber abjtürzte, Frafften jich andere von ihnen an die Vorfprünge an und fielen von Abjab zu Abjag. Die dort in Majjien befindlichen Tauchenten wichen ihnen aus und liegen fie zwifchen ihren Nejtern friedlich vorbei. Auf einem Ummege gelangte ich num auf das Ufereis hinab. Dort lagen zu Hunderten tote Mäufe, während Taufende fich zum offenen Meere fortbewegten. Um weiter beobachten zu fünnen, begab ich mich meerwärts bis zum Freieije, obgleich das bei dem Landivinde, der das Eis leicht abtreiben fonnte, nicht ohne Gefahr war. Auch hier drangen die Lemminge unaufhaltfam vor, Hetternd, fpringend, fallend und fich durch den Schnee bohrend. Hier und da hielten Hunderte von ihnen an der Eisfante einige Augen- | blide jtill, daS Geficht zur blauen See gewandt, als hätte der Meeresduft jie bevaujcht, oder als wandle fie Furcht an vor der unbefannten Ferne.- Dann aber richteten fie fich in die Höhe, eilten wieder vorwärts und ftürzten fich in das falte Seemwafjer. Zmwifchen den Eis- jcholfen und über fie hinweg jchwimmen und Fettern die Mäufje wie wahnjinnig und un- entmwegt in der einmal angenommenen Richtung vorwärts, ob auch fchon der Tod unter ihnen aufgeräumt hat und fich überall ihre dunfeln toten Körperchen auf den Wellen jchau- feln. Sch jchreite längs Der Eisfante einher, ziwei Werjt weiter — immer dasjelbe Schaujpiel der jich vom Uferrande herabwerfenden Mäufe, nur daß hier und da ein Trupp Seehunde die Schhwimmenden abfängt und gierig verjchlingt. „Sechs Tage und Nächte dauerte diejer Zug, und mir befanden uns durch ihn tie im Belagerungszuftande. Am zweiten Tage änderte der Zug, da jtarfer Wogengang ein- getreten war, jeine Richtung und ergoß jich dem Wejtufer entlang zur Karifchen Pforte Hin.” Sm Uralgebiet jcheinen, nach Schrenf, aud) einigermaßen regelmäßige Rüdwande- rungen Stattzufinden: „Sn Herbit pflegt der Lemming öftlich über das Gebirge zurüd- zumandern. Cine nicht geringe Anzahl bleibt jedoch auf der europäifchen Ceite zurüd, die in den Tundren überwintert... Alle Tiere, die jet (21. Juli) auf der Tundra angetroffen wurden, waren folche, die hier überminterten.“ Zu dem norwegischen Berg- und dem fibirifchen Moorlemming gefellt jich ala dritte altweltliche Art der Waldlemming, Lemmus schisticolor Lil2j., der in der Stufen- leiter der Standorte die mittlere Stelle, die Nadelwaldregion, einnimmt. Das trennt ihn jcharf von dem gewöhnlichen Norweger, mit dem er jonjt ungefähr diejelbe geographiiche - Verbreitung (Skandinavien und Finnland) Hat. Denn nad) lesfe ift fein Zweifel, dab . bei normalen Berhältnifjen, d. h. wenn feine Wanderungen des Berglemmingg ftattfinden, die beiden Arten ganz verjchtedene Gebiete bewohnen, M. schisticolor ein typijcher Ber- treter der Fauna des aus Abies excelsa bejtehenden Waldes ift, während M. lemmus in der Regio subalpina auftritt. M. schisticolor jieht wie eine Wühlmaus aus: erheblich einer al3 die beiden anderen Lemmingarten und afchgrau gefärbt, nach Giebel mit einem 272 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. großen rotbraunen Flec auf dem Unterrüden. Ferner unterjcheidet er jid) äußerlich noc) darin, daß die Klauen an den Vorderfüßen bedeutend fürzer jind al an den Hinterfüßen und folglich das umgefehrte Verhältnis zeigen wie bei M. lemmus. Schließlich find, nach Plesfe, noch in den Schädelverhältnifjen fcharfe Eonftante Unterjchtede nachzumeifen. Immerhin fteht, nach Nehring, „auch er (M. schisticolor) dem M. obensis ofteologijch jo nahe, daß er gewiljermaßen al3 eine mit den Jugendcharafteren (Färbung!) de3 M. obensis. verjehene Ziwergform erjcheint. Seine geographiiche Verbreitung ift, jobiel wir miljen, ebenfall$ eine relativ beichränfte, und ich ehe auch in ihm vom paläontologijchen Stand- punft aus eine Abziweigung des M. obensis“. Plesfes Reifegefährte, W. Larvromw, fand vier tote Waldlemminge auf dem Weißen Meere in der Nähe der Kujafhaja Guba, wenig jüdlicher als Kandalafjcha, treibend, und diefer Fund ift von ganz bejonderem Snterejfe, weil er deutlich bemweilt, daß in demjelben Sahre, wo der Berglemming wanderte, au) der Waldlemming eine Wanderung unter- nommen hatte. Ferner endigt die Wanderung ebenfalls im Meere, da die erbeuteten Stüde bejtimmt ertrunfene Wanderer waren. — Genauere Beobachtungen über die War- derungen des Waldlemmings find von Sädbom gemacht und von Lehe auszugsmeije wiedergegeben tvorden („Zool. Garten”, 1873). Sädbom fand im Herbit 1871 überall in der Umgegend von ©vartä (Provinz Nerife, 599 nördl. Br.) Die Tiere des Morgens tot an und auf den Eifenbahnjchienen. Die Wanderungen wurden ftets des Nachts in der Richtung von Nordiveiten nach Süden unternommen. Auch in entlegeneren Gegenden, im Walde bei Sparta, wurden mehrere tote Waldlemminge gefunden, alle am Halje vertvundet. Wahr icheinlich Gefallene in den Kämpfen der wandernden Lemminge untereinander, wie jie Dlesfe beobachtet Hat! toch eine andere abweichende Feititellung Sädboms gibt Leche wieder, an deren tatjächlicher Richtigkeit aber faum ein Zweifel erlaubt jcheint. Während jonft allgemein von einer großen Überzahl der Männchen unter den wandernden Lemmingen die Rede ilt, waren von der großen Menge Lemminge, die man (1872) an denjelben Stellen bei Sparta und Hejielfors gefunden, die Mehrzahl Weibchen und auch nur zur Hälfte ausgemwachjen. Dies wird allerdings al3 ein Beweis angejehen, daß die Waldlemminge, wenn jie auc) nicht ihre eigentliche Heimat in den nahegelegenen Wäldern gehabt, doch feine bejonders große Wanderung gemacht haben, zumal fie Schon Anfang Juli oder wahrjcheinlich noch früher da waren, wenn man jie auch nicht früher beobachtet Hatte. Die amerifanijhen Lemmingformen zeigen ebenfalls jehr deutlich den Wandel der Anjchauung in der Syftematif. Früher fprach man in der nordischen Naturgefchichte mit Borliebe von „zirtumpolaren”, jowohl in der Alten al3 in der Neuen Welt vorfommenden Arten und betrachtete auch den Tundralemming als eine jolche: der amerifanijche L. tri- mucronatus Rich. aus Nordalasfa erjcheint in der Hauptausgabe des Trouefjartichen Ka- talog3 von 1897 nur al3 Unterart von ihm; im Supplement 1904 werden aber beide als jelbjtändige Arten geführt, und feine Zemmingjpezies,iit mehr zirfumpolar. Genau fo ging e8 mit der zweiten Lemminggattung (Dierostonyx Glog.), den Gabel- frall-Lemmingen: in der Hauptausgabe nur eine zirfumpolare Art (D. torquatus Pall.), mit einer amerifanijchen Unterart, im Supplementband dieje als jelbitändige Art (D. hudsonius Pall.) anerfannt und noch mit drei Unterarten verjehen. i Waldlemming. Halsbandlemming. 273 Shren mwifjenschaftlichen Namen, der Gabel- oder Doppelfralle bedeutet, hat die Gat- tung von einer zeitweijen GejtaltSveränderung der beiden Mittelfrallen des Vorderfußes, dejfen Daumen nur noch als Heine, Hownbededte Warze auf der Unterfeite jitt. Während nämlich die dritte und vierte Kralle im Sommer am Grunde nur ftärfere Ballen haben und an den Spiten jchlanfer, gejtredter und jchärfer jind als bei den gewöhnlichen Lemmingen, mwächjt diefer untere Ballenteil zum Herbit plöglich vor bis zu gleicher Länge mit der eigent- lichen Stralle oder gar noch länger und jtärfer, breit und poljterähnlich. Gegen Ende des Winter3 gräbt fich die Grenzlinie zwijchen diefer Ober- und Unterfralle immer tiefer ein, bis leßtere fchlieglich abfällt. Der amerikanische Forjcher Coues, der eine genaue Bejchreibung diefer merfwindigen Bildung gibt, bringt fie mit verjtärkter Grabtätigfeit des Tieres in Be- ziehung, das in unteriwdiichen Nöhrengalerien überwintert, während es im Sommer mehr frei und oberixdifch lebt. Die beiden „Doppeltrallen” find auf der Höhe ihres minterlichen Wach3- tum3 über 1 cm lang. Aber auch jonit ijt die Gattung wohl gefennzeichnet. Vor allem fehlen die Zahnunterfchiede nicht, die von jeder Säugetiergattung verlangt werden: die Badzähne jind einfacher gejtaltet, Denen der gewöhnlichen Wühlmäufe ähnlicher. Schlieglich ift die äußere Ohrmufchel gejchtvunden, nur noch eine nadte Hautfalte Hinter der Ohröffnung übrig. Die einzige altweltliche Art der Gattung nach heutiger Auffaffung, der durch Pallas und Middendorff befanntgewordene Halsbandlemming, D. torquatus Pall. (Myodes), ein Heine Tier von weniger als Feldmausgröße, ift in feiner Verbreitung auf die Alte Welt, den nördlichen Ural und das nördliche Sibirien bis Kamtjchatfa bejchränft. Jmmer noch ein ungeheures Gebiet, in dem jich der Halsbandlemming aber ftet3 nördlich von oder, in der Meereshöhe, über jedem Baummuchs Hält! Er ergänzt und vertritt fich jo mit feinen bereits gejchilderten Verwandten aus der Wald- und Zivergwaldzone und endet die Stufen- leiter der Verbreitung der Lemminge nach oben. Daher fommt denn auch bei diejem „Wärmehafjer” (Misothermus hat ihn Henjel genannt) etwas zum Vorjchein, was den tiefer und jüdlicher lebenden Arten der Gattung Lemmus fehlt: ein weißes Winterfleid. Mivden- dorff widmet den verjchiedenen Färbungen des Halsbandlemmings in den verjchiedenen Altersjtadien und Sahreszeiten ausführliche Bejchreibungen und viele Abbildungen. Man erjieht aus ihnen, daß das junge Tier-zunächjt oben bräunlichgrau, unten heller gefärbt it, ungefähr wie unfere Feldmaus. Die Hellgraue Farbe der Unterfeite zieht jich dann an den 2eibesjeiten herauf, und e3 bleibt nur auf dem Nüden ein rötlicher Ton, der beim alten Tier im Sommer jich verdunfelt und ausdehnt. Die Herbitkleider bilden in ihrer Aufeinanderfolge einen deutlichen Übergang zum weißen Winterffeid durch Einengung der dunklen Farbe von unten her. Der deutjche und der wilfenjchaftliche Artname fnüpfen daran an, daß von der rötlich, gelblich und jchwärzlich gewäflerten Dberfeite ein graues Vadenband jich mehr oder weniger deutlich abhebt. Der Halsbandlemming ift, nach v. Middendorff, ein Bewohner des Eisboden3 und fehlt als jolcher dem gejamten außerrufjiichen Europa, ja jogar dem ruffiichen Lapplande; da- gegen reicht er nordmwärts, jo weit nur Feitland vorhanden, und gleichfalls auf die Snjeln de3 Eismeeres hinüber; ja jogar auf dem Polareije fand Parıy ein Sfelett diejes Tieres unter 82° nördl. Br. Die Südgrenze der Verbreitung des D. torquatus greift gar nicht oder nur unbedeutend in die Waldgrenze hinein; wo er aber leßtere jüdmwärt3 zu überjchreiten iheint, folgt er doch nur den unbewaldeten Höhenzügen. Der Halsbandlemming darf als das am meilten charakteriftiiche Landjäugetier der waldlofen arktiichen Gebiete bezeichnet Brehm, Tierleben. 4. Aufl. XI. Band. 18 274 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. werden. Middendorff rechnet ihn zu den „hyperborealen Eistieren” und bemerkt, daß Diejer Nager jelbjt in jenen Hohen Breiten ein entjchiedenes Höhen- und Feljentier jet. Die Nefter jchildert Martenjon nad) Nofitlow von Nomwaja Semlja: fie „befinden sc unter den Schneelagern auf trodenem Sandgrunde, find aus Gräfern gebildet und haben die Geitalt von flachen Ballen mit einem Durchmefjer von etwa 20 cm. ln der Unterjeite it ein Eingangsloch, zu dem ein etwa zwei Zoll breiter, im Boden ausgewühlter Gang führt. Außerdem führen noch mehrere gewundene Pfädchen nach verjchiedenen Nichtungen, immer aber zu Moo3- und Graspläßen. Unmeit des Nejtes war unter einem Gteine eine feine Grube, die VBorratsfammer, in der allerlei Würzelchen lagen.” Über die Winter- färbung jagt Martenfon: „Um 30. September trat Schneefall und Frojt und damit der lange nordijche Winter ein... Zu feiner (Nofjilows) Verwunderung hatten fich die Hals- bandlemminge um diefe Zeit gleicham plößlich verfärbt. Die Grannenhaare und Schnurr- haare waren weiß, die Unteriwolle aber grau.” Nebenbei lejen wir auch bei Martenjon- Kojjilow, daß die Halsbandlemminge auf Nowaja Semlja „nur Heine güge unternehmen”. Der amerifanifche Vertreter des Halsbandlemmingg, der Doppelfralligelemming, tie er bei Schreber-Wagner, oder Schedenlemming (Pied Lemming), wie er in Der amerikanischen Naturgefchichte heißt, D. hudsonius Pall., wurde auf Grund einiger Felle aus Labrador von PBallas in feinen großen Nagetierwerfe benannt und beichrieben, zugleich mit der altweltlichen Art, alfo fehon von dem Entdeder für verjchieden von diefer gehalten. Außer- lich ift er alfewdings jehr ähnlich: diejelbe jchiwarzgelblich und grau verwaschene GSommer- färbung und dasjelbe weiße Winterfleid. Stone und Cram geben an, daß der Farbentechjel zum Winter und Sommer von einer volfitändigen Frühlings- und Serbithärung begleitet jet. Die geographijche Verbreitung reicht durch Das ganze arktijche Amerika, von Grönland bi3 zur Hudfonbat und durch Nordfanada bi3 Ulasfa, befchränft fich aber überall auf die „barren grounds“‘, d. h. die öden Tundren oberhalb der Baumgrenze. „Ein ganz unerwartet jüdfiches Vorkommen ist dasjenige auf der Snfel Unalajchka (im Beringsmeere füdlich vom 54. Grade nördl. Br.), Doch geht allerdings auch der Eisfudh am Beringsmeere bis zu denjelben Breiten hinab." (v. Middendorff.) Bon den ffandinavischen Bolarforschern Nathorft und Kolthoff wurde der amerifanifche Halsbandlemming in feiner Heimat beobachtet. „Kolthoff fand ihn 1900 in größerer Zahl bei der Madenzie-Bucht (Dftgrönland, 73° 30’ nördl. Br.)... Die Höhlen der Lemminge be- Itanden aus einem Hauptgange mit zwei Ausgängen, dejjen Länge von 1-3 m und dar- über [hwanfte. Ungefähr in der Mitte des Ganges war eine größere Feijelartige Erweiterung gegraben, und hier befand jich das recht große, aus feinem, zernagtem Grafe gebaute Weit, das Ausgänge nach beiden ©eiten hatte. Von diejfer Erweiterung aus führte ein fchmälerer, 1'/a—2 m langer, jadgajjenartiger Gang zu einer größeren, fellerförmigen Erweiterung, in der ausjchlieglich Die Lojung Des Tieres gefunden wurde, und zwar in folcher Menge, daß jie mehr als die Hälfte der Grube füllte. Mitten im Geitengange war eine Fleine Er- weiterung, welche wahrjcheinlich als Rejerveverftec dienen follte, und in der mehrmals ein Wurf halbwüchfiger Junge gefunden wurde. Dieje Jungen waren wahrjcheinlich vom hoch- trächtigen Weibchen dahin gebracht, wenn ein neuer Wurf in Ausficht ftand; denn wenn im Ceitengange halbwüchfige Junge gefunden wurden, fand man immer neugeborene Junge im eite. ES ergab fich aljo, daß das Weibchen fehon von neuem mirft, wenn die Jungen des eriten Wurfes Halbwüchjig find. Ein Wurf zäglte in den meijten Fällen 3, ein paarmal nur Halsbandlemming. Schedenlemming. 275 2, vereinzelt 4 und einmal 5 unge. Sn den bejchriebenen Lemmingneftern oder Gruben wurden niemals ältere männliche Lemminge gefunden. Dieje wohnten für fich in einem einfachen Furzen Gange, der oft nur einen Ausgang hatte und ohne Neft war. Auch Winter wohnungen wurden gefunden. Gie hatten die Größe eines Menjchenfopfes, gewöhnlich fugelrunde Geftalt und feitlichen Eingang. Gie lagen zur ebenen Erde, waren erjichtlich unter dem Schnee gebaut und durch die Schneefchmelze bloßgelegt." (Lorenzen, „Brome- theus”, Nr. 861.) Die neugeborenen ungen find nadt und blind., Schon nach ein paar Tagen mwächft ihnen ein einfarbig dunfelgraues Haarkleid ; aber erit nach etwa 14 Tagen öffnen fich die Augen, und dann erhält der Pelz ein jchtvarzes Nücdenband. Die hübjche Sommertracht der Alten legen fie exit nach etwa zwei Monaten an. — „Daß der grön- ländifche Lemming nicht in einen Winterfchlaf verfällt, geht daraus hervor, daß er mit jolcher Leidenschaft Vorräte jammelt, und daß er ein bejonderes Winterffeid Hat, was im allgemeinen nicht bei den Tieren der Fall ijt, Die in Winterjchlaf fallen. — m Echlafe nehmen die Lemminge recht eigentümtliche und dverjchtedene Stellungen ein. Teils jiben jie auf dem hinteren Teile des Rücdens, in Heine Kugeln zufammengezogen und alfe vier Füße nad) oben; teils liegen fie auf dem Rüden und ftreden alle viere in die Höhe. Nachts jind fie mehr in Bewegung..." Nach Stone und Cram unternimmt auch der amerifanijche Halsbandlemming, mie der altweltfiche, feine ausgeprägten Wanderungen. „Die von Kolthoff nach Schweden mitgeführten Lemminge gediehen vortrefflich in der Gefangenschaft und brachten fchon.im erjten Jahre mehrere Würfe zur Welt. Sie zeigten ausgeprägten Drdnungsjinn und mußten ich in ihren Kleinen Käfigen vortrefflich einzurichten. Shren natürlichen Bedürfnifjfen genügten fie ausjchließlich in einem Heinen Blechfajten, der zu diefem Ziwede in einen bejonderen Raum geitellt war, Hatten ihre beitimmten Schlafpläße und trugen ihr Futter jtet3 an einen beitimmten Plab, um es zu verzehren. Neu gemorfene Sunge wurden nicht von den Kameraden beunruhigt; vielmehr verließen leßtere den Raum, in dem fie vorher gemeinjam gejchlafert hatten. Namentlich ein Weibchen zeigte große Be- jorgnis um feine Jungen und griff einen in die Nähe fommenden Finger teils mit den Borderpfoten, Die es in der Aufregung mit der Gejchmwindigfeit von Trommeljtöden be- wegte, teil3 mit den Zähnen an. AlS die Jungen herangewachjen waren und die Wohnung verließen, fonnte e3 ftundenlang eines nach dem anderen wieder zurüdjchleppen, indem es _ jie bald im Genic, bald an einem Beine mit den Zähnen pacdte, und wie jehr die Kleinen ji) aud) jperrten, fie mußten mit... Sie freien fait alle Pflanzenftoffe, zeigen aber be- jondere Vorliebe für Gras, Blätter vom Löwenzahn, Weinbeeren, Heidewurzeln ı. dgl. Beim Frejjen Halten jie nach Art der Eichhörnchen das Futter zwijchen den VBorderfüßen und verzehren eritaunlich Schnell und viel. Sicherlich Tammelt dDiefer Lemiming Wintervorräte; denn er trägt jein Futter auf bejondere Stellen und fcheint überhaupt aufs Tragen erpicht zu jein, wobei er den Mund jo voll als möglich nimmt. Dabei macht er auch erheblichen Kraftaufwand. Eine ganze Stunde fann er fich mit einem größeren Zweige abmühen, und zeigt ji, jeine Mühe vergeblich, jo zerbeißt er ihn und geht zweimal damit... Während die älteren Lemminge in der Freiheit getrennt leben, vertragen fie jich in der Gefangen- haft wohl mit denjenigen, mit denen fie von Anfang an im Käfig zufanımen waren ; da- gegen jind die Berjuche, Tiere aus verschiedenen Käfigen zufammenzubringen, mißlungen.” Solche ausgeprägte Charaftertiere rauher nordiicher Berg- und Moorgegenden, tie die Lemminge, die lebend heute ftet3 nur in ganz bejtimmten Klimaten und Landichaften 5 18* 276 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. getroffen werden, jind gewiß auch in ihren fofjilen Sinochenreiten bejonders Fräftige Be- mweije dafür, daß an der Funditelle in der erdgejchichtlichen Vergangenheit einmal diejelben fiimatifchen und Tandichaftlichen Verhältnijje geherrjcht Haben, wie jie heute Borausjegung des Borfommens don Lemmingen find. Dementjprechend jpielen die fojjilen Lemminge in Nehrings „Tundren und Steppen der Febt- und Vorzeit” eine große Rolle. „ES zeigte jich bei genauerem Zujehen, daß an vielen Orten in Mitteleuropa die Lemminge und zahl- reiche andere Feine Säugetiere, twelche man bis dahin verhältnismäßig wenig beachtet hatte, die Spuren ihres ehemaligen Vorhandenfjeins zurüdgelajjen Haben." Cogar aus Portugal find folche Spuren durch Gadomw befanntgetworden. („Sib.-Ber. Naturf. Freunde”, 1899.) Mehr im Dften Europas handelt e3 jich meilt um den Db- und den-Halsbandlemming, und gerade deren Spuren find ganz bejonders bemweisfräftig; denn ihr ganzes Dajein ijt mit den Eriftenzbedingungen, welche die Tundra bietet, derartig verwachjen, daß fie unter anderen Berhältnifien auf die Dauer nicht leben fünnen. Wenn wir alfo beide Arten tır Mitte- und Wejteuropa fojjil finden, jo find wir überzeugt, daß zu ihren Lebzeiten, während der diluvialen Eiszeiten, auch unjer Baterland arktiihe Tundra war wie heute das nördlichite Nußland und Norojibirien. An die Lemminge jchliegen wir al3 nächjtverwandte Gattung die von der neueren amerifanijchen Shyitematik vielbearbeiteten Lemmingmäuje (Synaptomys Baird) an, die durch geriefte obere Schneidezähne ausgezeichnet find; Badzähne und Schädel haben fie wie die Lemminge, das Hußere von den Feldmäufen. Die ältefte und befanntefte Art, Cooder3 Lemmingmaus oder der „Faljche Xemming”, Synaptomys cooperi Baird, wird jchon 1857 von Baird befchrieben. Farbe fepiabraun mit eingeftreuten fchwarzen Haaren, manche Stüde mehr rötlich, andere mehr grau. Ohren jehr kurz, vom Haar über- deckt. Mit den Unterarten verbreitet jich die Lemmingmaus von den Neuenglanditaaten einerjeit3 nad) Kanada, anderjeit3 nach Kanjas und Virginia. Kalte Torfmoore jcheinen im Dften ihre Lieblingspläge zu fein; doch ijt e3 bei der Natur ihrer Schlupfwinfel tatjächlich unmöglich, viel Einblie in. ihre Lebensweije zu ge- winnen. Wenn man aber jo glüclich war, einen flüchtigen Schein von einem der Tierchen wahrzunehmen, nicht mehr als ein Stüdchen braunes Zell, jo it Die Maus, wie Stone und Cram erzählen, auch fcehon blisfchnelf in einem der Laufgänge verichtwunden. Sm geiltigen Wejen jcheint aljo doch jchon die furcdhtfame Mausnatur an die Stelle des toll- fühnen Lemmingmutes getreten zu jein. Die Bijamratte oder Ondatra, Musk-rat, aud) Musquafh (indianiich) ge- nannt, Fiber zibethieus Z. (Taf. „Nagetiere X“, 1 u. 2), die einzige nu&bare Art aus der ganzen Unterfamilie der Wühlmäufe, fan man al3 eine große Wafjerratte mit langem Schwanze, breiten Hinterfüßen, ftumpfer Schnauze und furz behaarten und verjchlief- baren Ohren bezeichnen. Die Vorderfüße Haben vier Zehen und eine Daumenmwarze, die Hinzerfühe fünf am Grunde durch eine kurze Schwimmhaut verbundene Zehen, die wie der Mittelfuß jeitlich mit fangen Schwimmhaaren bejegt find und ziemlich jtarfe Krallen tragen. Der Schwanz ift feitlich zufammengedrüct, gegen das Ende ziweifchneidig und mit. Fleinen Schuppen bejett, zwijchen denen an den Ceiten, diefe fäumend, furze, ziemlich diünnftehende, aber glatt anliegende Härchen Hewvortreten. Ir der Nähe der Gejchlechtsteile ‚ist eine Drüje von der Größe einer feinen Birne, die nad) augen mündet und eine weiße, Nagetiere X. 1. Bilamratte, Fiber zibethicus Z. 1/3 nat. Gr., s.S. 276. — L. Medland, F.Z.S.-Finchley, N., phot 2. Neit der Bifamratte, Fiber zibethicus Z. S. 277 u. 278. — Doubleday, Page u. Co.-New York phot. 3. Seldmaus, Microtus arvalis Pall. nat. Gr., s. S. 300. — P. Kothe-Berlin phot. 2 /2 1/ 4. Waldwühlmaus, Evotomys hercynicus Mehl. 1/2 nat. Gr., s. S. 309, — Douglas English-Hawley, Dartiord, phot. Neotoma floridana- Ord. lorida- Waldratte, $ 5. Kothe-Berlin phot. 312. — P. ‚sS nat. Gr. e 1 ge e L ’ı ri Ka a ee Eh %y ” a2 A Tag SS SE Ba IE Aakte Ee E Fojlile Lemminge. Cooper3 Lemmingmaus. Bijamratte. 277 ölige, jehr ftarf nach Zibet riechende Flüjjigfeit abjondert. Der Leib iit gedrungen, der Kopf rundlich, ziemlich furz und breit, die Schnauze die und abgejtumpft, die Oberlippe gejpalten und- feitlich mit langen Schnurren bejest; die Ohren jind fat unter dem Pelze veriteckt, die Augen Hein, die Hinterbeine entjchieden länger als die vorderen. Das Fell ijt dicht, glatt anliegend, weich und glänzend, fein Wollhaar außerordentlich zart, fein und furz, das Grannenhaar jtarf glänzend und doppelt jo lang als jenes. Die Oberfeite hat braune, bisweilen gelbliche Färbung, die Unterjeite ift grau, hier und da rötlich angeflogen, der Schwanz hwarz; die Shmwimmhaare an den Zehen find weiß, die Krallen rötlich Horn- farben. Selten begegnet man dunflen Abänderungen, häufiger Weißlingen. Ermachjene Männchen werden etwa 58 cm lang, wovon auf den Schwanz ungefähr die Hälfte fommt. „Der Schwanz liefert die Triebfraft bei der Schwimmbemwegung des Tieres”, jagt Hornaday; man fann hinzufügen: durch jeitwärts jchlängelndes Ausjchlagen. Damit hängt auch jeine eigentümliche, von der Ceite plattgedrüdte Form zujammen mit der Kante oben und unten. Außerdem ijt er jozujagen ein jehr bequemes drittes Bein, wenn das Tier aufrechtfteßt, um fich umzufehen oder beim fen im Unterholz einen höheren Zweig zu er- reichen, und er gibt ihm aud) verjtärften Antrieb, wenn e3 fopfüber in das Wafjer hinabtaucht. Die Bijamratte, von der man neuerdings natürlich auch mehrere Arten und Unter- arten unterjcheidet, .bervohnt die zwiichen dem 30. und 69. Grade nördl. Br. gelegenen Länder Nordamerikas, verbreitet jich von Ditfanada und Labrador bi3 in die jüdlichen Ver- einigten Staaten (Nrizona) und vom Atlantijchen bis zum Stillen Ozean. Am Häufigjten fommt da3 Tier in dem majjerreichen Kanada und in Masfa, hier bejonders nördlich von der gleichnamigen Halbinjel, um Briftolbai im Nufchagafgebiete, vor. Die grafigen Ufer größerer Seen oder breiter, langjam jtrömender Flüfje, itiller Bäche und Sümpfe, am liebiten aber nicht allzu große, mit Schilf und Wafjerpflanzen bededte Teiche jind die Auf- enthaltsorte der als Pelztier geihästen Ratte. Hier bewohnt jie familien- oder volfweije eine bejtimmte Stelle. Anderjeit3 gehött jie aber ac) dem übereinjtimmenden Zeugnis der neueiten amerifanijchen Naturgejchichtichreiber zu den Tieren, die ji) von der europätjchen Kultur nicht haben zurüddrängen und ausrotten lafjen, jondern von ihr jogar Nugen zu ziehen mwifjen. Namentlich fommt ihr, nach Stone und Tram, die fortwährende Ver- minderung ihrer natürlichen Feinde zugute, und, obwohl mehrere Monate im Jahre un- abläjjig gejagt und gefangen, leben ihre Kolonien weiter, ohne ji) von dem Freijchen der Sägemühle oder dem Rauchen der Fabriffjlote ftören zu lajjen. Sie finden fich eben mit den Schattenjeiten der Bivilijation ab und nehmen die Vorteile der Stauteiche des Menjchen wahr, unfähig, jich jelbjt derartiges Herzurichten wie der Biber. Nac) Hornaday hat man die Bijamratten nicht einmal aus den großen Waldparfs der Stadt New York ausrotten fönnen. Al drei Sümpfe in dem neuen Zoologijhen Park dort (im Bronr Parf) aus- gehoben und in Teiche verwandelt wurden, fanden fich alsbald die wilden Bijamratten aus det Bronzflujje ein, ergriffen jofort Bejit davon und find bis heute dageblieben. Da jie an den Lilienfnollen und den meijten anderen Wajjerpflanzen viel Schaden ftiften, jind jie an Schmudteichen faum zu dulden. Sn ihrer Zebensmeije ähnelt die Bijamratte in mancher Hmficht dem Biber. Je nachdem, ob hohes oder .niederes Ufer, find die Baue, wie bei dem Biber, entweder einfache Keijel unter der Erde mit mehreren Ausgangsröhren, die jämtlich unter Wafjer münden, oder Burgen über der Erde. Lebtere, die vorzüglich im Norden angelegt werden, find rund und fugelförmig oder Fuppelartig und ftehen auf einem Schlammhaufen, jo daß jie Den 278 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. Wajjerjpiegel überragen. Ihre Wandungen werden aus Schilf, Niedgräjern und Binjen hergeitellt und mit Schlamm gefittet. Das Snnere der Burg ijt eine einzige Kammer von 40—60 cm Durchmefjer. Zu ihr führt eine auf dem Boden des Wajjerd mündende Nöhre. Andere, blinde Röhren laufen von ihr aus und gehen ein Stüc unter der Erde fort, werden auch nach Umjtänden mehr oder weniger verlängert; denn jte jollen eigentlich bloß zu den Wurzeln der Wafjergewächje führen. Im Winter füttert die Bifamratte ihre Kammern mit Wafjerlilienblättern, Gräjern und Schilf weich aus und forgt, nach Audubon, da= durch für Quftiechjel, daß fie die Kuppelmitte ihrer Hütte mit Iofe zufammengefchichteten Pflanzen bedeckt, die eben genug frifche Luft zu- oder die verbrauchte ablaffen. Solange der Sumpf oder Teich nicht bis auf den Grund ausfriert, Tebt jie Höchit behaglich in der warmen, durch die dide Darüberliegende Schneedede noch bejonders gejchüßten Wohnung. Dringt die Kälte jo tief ein, daß der Bijamratte freier Ausgang verwehrt wird, fo leidet lie erheblich von dem Ungemache der Verhältniffe, und manchmal gehen viele Hunderte einer Anjiedelung zugrunde, weil es ihnen nicht gelingt, Atmungslöcher durch die Eisdede zu brechen und diefe durch Auskleivung mit Schlamm für längere Beit offenzuhalten. Nichardjon, der diefe Angaben über die Baue macht, fügt Hinzu, daß nur in jehr jtrengen Wintern die Tiere in wirkliche Not geraten; denn jte bauen meijt in tiefere Sümpfe und Teiche oder in die Nähe von Quellen, wo das Wajjer nicht zufriert. Sit der Grund, auf dem der Bau errichtet werden joll, zu tief, jo wird er Durch Anhäufung von Schlamm und Erde erhöht, it er zu jeicht, bejonders ausgegraben. Dabei hält die Bijamratte immer darauf, daß fie auch zu Zeiten der Überfchwemmung gefichert ift und in der Nähe ettvas zu frejjen hat. Deshalb wählt fie am liebjten Gewäljer, die einen möglichjt gleichmäßigen Stand haben und reich an Gemwächjen jind. Denim fie lebt faft ausjchließlich von Wafjer- pflanzen, obgleich man in den Bauen von mehreren auch ausgefrefjene Mufcheljchalen ge- junden hat. An gefangenen beobachtete Audubon, daß fie Mufcheln jehr gern verzehrten, Die weichichaligen wußten fie mit jcharfen Biljen zu öffnen; bei den Hartjchaligen warteten jte, biS ie jich felbit aufjchlojjen, fuhren dann fchnell zu und töteten durch Bilfe den Be- wohner des fejten Gehäufes. Wenn in der Nähe einer Anfiedelung Gärten und andere Pflanzungen Tiegen, erhalten dieje oft Bejuch von Bijamratten und werden dann in enp= findficher Weije gebrandjchagt. Auch diefe Wühlmäufe verwiliten weit mehr, als fie ver- zehren, weil jie zwijchen den Burzeln tiefe Höhlen graben und außer den Pflanzen, die _ jte abbeißen, noch viele entwurzeln und ummerfen. Audubon und Bachmanr Haben die Sitten und Gewohnheiten des Tieres gut be- ichrieben. „Bijamratten”, heißt es in ihrem Werke, „jind' jehr lebendige, fpiellujtige Ge- ichöpfe, wenn jie in ihrem eigenen Elemente, im Wafjer, ich befinden. In einer ruhigen Nacht fan man in einem Mühlteiche oder tiefen, abgelegenen Gemäfjer viele von ihnen jehen, tie jte jich befuftigen und nach allen Nichtungen Hin und wieder Shrvimmen, lange, glänzende Streifen im Wafjer Hinterlaffend, während andere einige Augenblide Yang bei Büjcheln von Gras oder an Steinen oder Blöden verweilen, von wo aus fie die auf dem Wafjer Shmwimmende Nahrung erreichen können, und andere an den Ufern des Teiches ligen, bis fie dann eine nach der anderen, wie die Fröjche, in das Wafjer fpringen. Zu- weilen jieht man eine von ihnen vollfommen ruhig auf der Oberfläche des Teiches oder Stromes liegen, ihren Leib weit ausgebreitet und fo flach wie möglich gehalten. Ab und zu gibt jie einen Furzen Schlag mit dem Schwanze, fajt wie es der Biber tut, und ver- jhroindet dann blißichnelf unter die Oberfläche des Wafjers. In einer Entfernung von Bijamratte. 279 10 oder 20 m fommt das Tier jpäter wieder zur Oberfläche empor und vereinigt fich viel- feicht mit jeinen Kameraden zur Jagd oder jeßt da3 alte Spiel fort. Zu derjelben Zeit bejchäftigen fich andere mit Einfammeln des Futter3 an den grafigen Ufern, indem fie die verjchtedenjten Arten von Pflanzenmwurzeht ausgraben und ruhigeren Plägen zuführen. Wenn man jein Gewehr abjchießt, während die Bijamratten fo bejchäftigt find, beginnt eine entjegliche Flucht und Verwirrung. Dubende von ihnen tauchen auf den Analf oder ver- Ihtwinden in ihren Höhlen, und zwar mit einer Gefchtwindigfeit ohnegleichen. Selbjt bei Tage, wenn jie nur unvollfommen jehen, it e8 außerordentlich jchwer, eine im Schwimmen zu erlegen, weil jie, auch wenn man die beiten Gewehre führt, in das Wafjer getaucht find, ehe der Hagel jie erreicht.” In die Enge getrieben, wehren fie jich übrigens troß ihrer Surchtjamfeit nach Sträften. Bulger erzählt von Bifamratten, die nicht nur feinem feinen Hunde, fondern auc) ihm nach Hamfterart entgegentraten und jo angriffsluftig waren, daß er Jich genötigt jab, jie mit dem Stode abzuwehren und endlich zu erjchlagen. Das Warnjignal ijt ein jcharfer Schlag de3 musfulöfen Schwanzes auf das Wajjer. Witmer Stone Hat darüber Beobachtungen angejtellt: „Hinter mit lag ein finjteres Sumpf- dichicht mit alten, jtarfen Hemlodtannen, wo die Uhus laut einander zuriefen. Solange dieje jich in der Entfernung hielten, Hatten die Bifamratten gar nicht acht auf das Ge- jhrei; aber im Augenblick, wo ich einer Eule antwortete, indem ich den hohlen, tiefen Ton nachahmte, jchiwang die nächjte Bijamratte ihren Schwanz in die Luft und fchlug ihn flach auf das Wafjer. Nun war es Höchit ergöglich, die Folge von Schlägen zu hören, die ein- ander antmworteten längs des Wafjerlaufes, immer weiter jich entfernend und gefolgt vom plöglichen Untertauchen der Tiere. Die großen Uhus gehören zu den Ihlimmiten Feinden der Bijamtatte, weil jie geduldig Stunde um Stunde in ihrem Hinterhalt auf den Tannen- äften lauern und dann plößlich Herauzftreichen über die Wiejfengründe ohne jedes Feder- taujchen. Wenn ein Fuchs bei Dunkelmerden jehnuppernd das Ufer entlang fommt, Tann man den warnenden Schwanzjchlag aus den versteckten Buchten und Winkeln hören zwifchen den Binjen hervor, jobald die Bijamratten Wind von ihm haben.” sm April und Mai, nachden die Tiere ihre Winterbaue verlaffen haben, paaren jich die Sejchlechter. Das Weibchen wirft in feinem Bau oder in einer Erdhöhle 3—6 Junge, und zwar mehrmals im Jahre. Den ganzen Sommer und Frühherbit leben die jungen Bijam- tatten friedlich mit ihren Eltern zujammen, obwohl nicht eigentlich unter ihrem Schub, nur daß jie auf deren Warnungszeichen hören; fie paddeln und mwaten in den austrocdnen- den Flüjjen und Teichen herum oder fchlafen zufammengerolft zu einem Heinen, braunen Haarball, jet am Uferrand, veritect im Wafjerlilien- und Binfendidicht, in dem fie gut ausgetretene Pfade von Drt zu Ort haben. ym jpäten „Sndianerjommer” fommt aber dann die Wanderzeit: die Tiere machen jich auf den Weg und jchweifen unftet umher, durcchftöbern fremde Wiefengründe und Waffer- (äufe, bald allein, bald zwei oder drei Familien zufammen, und legen fich eine neue Burg oder Höhle an, wenn das Ufergelände ihnen zufagt. Vielleicht ziehen jie aber auch wieder weiter und lajjen ihr Werk halb vollendet liegen, biS fie zulegt den Plat finden, der ihnen ann beiten behagt und jich für den Winter da niederlaffen, um nun für Monate ein fijch- ähnliches Leben unter dem Eife zu führen. sung eingefangene Bifamratten werden leicht zahm, wie überhaupt diefe Wühlmaus jieh Durch ein auffallend jfanjtes Wefen auszeichnet: Audubon fagt, dag man auch die größeren Jungen, ohne gebijjen zu werden, mit der Hand fangen fünne. Alte Tiere bleiben 280 8. Drdnung: Nagetiere. . Familie:. Mausartige. bijjig und unzugänglich, find auch nur in SKiiten zu halten, die volfftändig mit Blech aus- geichlagen wurden. Cine Bilamratte, die Sarrazin gefangen hatte, nagte in einer einzigen Nacht durch hartes Holz ein Loch von 8 cm Weite und 30 em Länge und entmwifchte, indem jie einen großen, fehweren Stoß, der ihr im Wege lag, verrüdte. Auch das Wühlen wenden dieje Nager oft zum Schaden der Mühlteichbefiser an oder graben Löcher durd) Flußdämme und fegen die anliegenden Wiejen dadurch der Überfchivemmung aus. Doch verfolgt man fie weniger des Schadens wegen, den fie anrichten, ald des Nubens halber, den fie bringen. Das Fell wird, obwohl manche Menfchen es wegen des ihm Yange an- haftenden Zibetgeruches nicht gern haben, gegenwärtig zu PBelzen, Kragen und Muffen verivendet und majjenhaft verbraucht, das Fleifch Dagegen nur von Indianern gegefjen; denn der erwähnte Zibet- oder Mojchusgeruch dDurchoringt es fo Stark, daß e3 Europäern volfftändig ungenießbat ift. Im Frühling wird die Bilamratte gejagt und gefangen wegen ihres Felles.. Man ichießt jte, wenn fie auf den angejchwolfenen Flüjfen jchwimmt oder am Ufer ausruht, und fängt fie im Gifen, da3 man unter Wafjer an ihre Ausitiege ftellt. Dft lock fie fchon ein Stüdchen Apfel, Pajtinafe oder Mohrrübe hinein, das man an einem Stöcdchen einen Fuß über dem Eifen anbringt. Die beite Witterung it im Frühling der Mofchus der alten Männchen. Diefer it in zwei flachen, 2—3 cm langen, eirunden Säden enthalten, Die ziwiichen den Hinterbeinen fiegen und frei zutage treten, jobald man das Fell abftreift. Diejer Mojchus- oder Bifamgeruch, von dem das Tier feinen Namen hat, it fo Stark, daß er den gemerbsmäßigen Fallenjtellern während der ganzen Frühlingsfangzeit anhaftet. Die Fallen ftellt man jo, daß fie ins Wafjer ftürzen müfjen, um die gefangenen Tiere zu erfäufen. Unterläßt man dies, jo werden lettere von den Kameraden umringt und nad) Nattenart behandelt, d. H. in Stüde zerrijfen und jodann aufgefrefjen. Wenn eine Bilam- tatte gejchofjen und nicht augenblicklich aufgenommen worden ift, umgeben jofort die itber- lebenden den Leichnam ihres Gefährten und tragen ihn nad) ihren Höhlen, um-ihn un- geitört zu verzehren. Außer dem Menjchen ftellen Luchs und Fuchs, Mink und Marder, Adler, Uhu und Schnee-Eule der Bijamratte nad). Sn den zoologischen Gärten fah man die Bifamratte früher faum, ebenjfowenig wie die übrigen berühmten Pelztiere: weil diefe tot Geld bringen, nimmt fich Fein Fänger die Mühe, fie am Leben zu erhalten. Der Berliner Garten erhielt die erite Bijamratte durch die Gefälligfeit William T. Hornadays vom New Norfer Zoologiichen Staatzparf. Weitere lieferte dann Dr. French-Wafhington, dem Die zoologiichen Gärten neuerdings mancherlei interejjante nordamerifaniiche Tiere verdanken. Seitdem ijt die Bijamratte regelmäßig im Nagetiertümpel des Berliner Gartens vertreten, wo man es ihr durd) eine Halb in Waffer gelegte hohle Weide und allerlei Nijtitoffe möglichit wohnlich und angenehm zu machen fucht. Dieje gute Abjicht ihres Pfleger Haben die Tierchen auch wohl zu wiür- digen gewußt md fich in der ihnen angeiviejenen Abteilung ganz nach ihrer Eigenart ein- gerichtet. Wo der Baum aus dem Wajjer heraustagt, umgeben fte ihn mit einem mäch- tigen Haufen Neijer und anderen Genijtes, das fie in einer Nacht mit erjtaunlichem Eifer und Gejchie zufammentragen, und darunter, in einem ficheren, trodnen, emporgefrümmten Teile des hohlen Stammes, befindet ji) das eigentliche Neit, in dem jte, behaalich bei- jammen liegend, den Tag verjchlafen. Ein Gang führt von da unter Wafjer, aus dem fie gewöhnlich des Abends auftauchen, zwei andere auf das Land in der Richtung des Stalle. Dort wird ihnen das Futter gereicht, und diejes holen fie jich Stüd für Stüd in die . Bifamratte. 281 Reijerburg, um e3 hier in aller Ruhe zu verzehren. Da fte in der Freiheit, wo die Gegend belebt ijt, ein jehr Heimliches, nächtliches oder wenigitens abendliches Leben führen, muß, wer jie jehen will, jchon einmal eine Dämmerjtunde daranmwenden: fie find fozufagen mr ein Zederbijjen für die Kenner unter ven Bejuchern. Dieje werden aber reichlich belohnt, wenn jie mit einiger Geduld ausharren. E3 ijt allerliebjt anzujehen, mit welchem Eifer eins ums andere der Tierchen in kurzen, Hoppelnden Galoppjprüngen dem Feljenftalfe zueilt und mit einem Stückchen Brot oder Mohrrübe im Maufe wiederfehrt. Bemundernsmwert find die Shwimm- und Tauchfünfte, wobei die Schiffsichraubenbetwegung des eigentümlichen, „hoch- Tant” gejtellten Schuppenfchtwanzes deutlich wird. Dagegen hat Hed das aus der Freiheit be- Ichriebene Warnungsfignal, das Aufklatjchen des Schtwanze3 auf das Waffer, niemals gehört und ebenjomwenig irgend etwas von Mojchusgeruch wahrgenommen, obmoh! fich die Bifam- tatten im Berliner Garten mehrfach fortgepflanzt Haben. Sn der Paarungszeit fchmimmen beide Gejchlechter des Abends, unmittelbar nachdem fie zum Borjchein gefommen find, mit bejonderer Heftigfeit und Hartnädigfeit dicht hintereinander her. Die Begattung felbjt erfolgt gewöhnlich im jeichten Wafjer am Ufer, two die Tiere Grund haben; der aufmerf- jame Wärter behauptet aber mit aller Bejtimmtheit, fie auch im tieferen Wafjer während des Umherfchwimmens beobachtet zu Haben. Über Trag- und Wurfzeit hat Hed bis jet nichts Genautes feititellen fönnen, weil das Nejt nur dann einigermaßen zugänglich ift, wenn das Wajjer abgelafjen wird und man begreiflicherweife Bedenken trägt, die Tiere zu ftören. Fix das Sahr 1907 fonnte aber der erite Wurf etwa auf Anfang Mai, der zweite auf Ende Auguft angenommen werden. AS die ungen des erjten Wurfes im Auguft verfauft wurden, waren jie nicht mehr viel Eleiner als die Alten, aber dunfelbraun, erheblich dunkler als die mehr rot- braunen Eltern gefärbt. Geboren werden fie nadt und blind und fehen dann ganz ähnlich aus wie gervöhnliche Nejtratten. Der Nijthaufen enthielt mitunter noch ein Nebenneft, dejjen Zmwerabernicht zu erkennen war. Auch fand fich manchmal eingetragenes Futter, aber nie viel. Ein ganz jonderbares Erlebnis mit den Bijamratten des Berliner Gartens möge hier noch erzählt werden, weil e3 geeignet erfcheint, ein eigentümliches Licht auf das viel um- jtrittene Kapitel der Tierjeelenfunde zu werfen. Eines Tages hatte ein Minf (amerifa- nijcher Nerz) jich durch Das Gitter feines Käfigs gezmängt und war und blieb verfchwunden, trog mehrfachen Abjuchens unjeres benachbarten „Bierwalditätter Sees" und feiner Injeln. Da fand man ihn am anderen Tage, als das Nagetierbeden gejcheuert wurde, im Nefte der Bijamratten wieder, friedlich zwijchen diejen Tiegend und offenbar gar nicht von ihnen ge- fürchtet und geflohen, obwohl er eine getötet und halb aufgefreifen hatte. (Heck.) Die Bijamratte ijt das 'verbreitetite Belztier Nordamerikas, und es it bisher an- jcheinend nicht die geringjte Abnahme ihrer Zahl zu bemerfen — zum Unterjchied von den meijten bejjeren PBelztieren. An der Bijamratte jeden wir, jagt Hed an anderem Dite, den Träger und Lieferanten des „Bijam”, jenes Hübjchen Fellchens, dem neben dem grauen hbiifchen „Seh" Heutzutage hauptfächlich die große Aufgabe obliegt, Den Mafjenbedarf an bilfigeren, aber doc im Naturzuftand, ungefärbt und unverändert, verwendbaren Pelz- werfen zu Ddeden. Bijam it Heute ein Mafjenartifel geworden, von dem jährlich fieben Millionen Stüd verarbeitet werden, und die deutjche Hochburg hierfür ift der Fabrifort Markranjtädt bei Leipzig. Der für Herrenpelzfutter beitimmte Bijamı bleibt, wie das Tier ihn liefert. Für Damenpelzwerf wird er „auf” Nerz, Hobel, Skunf gefärbt, in den ent- jprechenden braunen und [chiwärzlichen Farbentönen für Kragen und Müßen, fchiwarz „auf Seal”. Man fpricht dann von Nerz-, Zobel-, Sfunt- und Sealbifam. Beider Schwarzfärbung 282 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. auf Seal wird durch eine bejondere Art der Zurichtung das Dberhaar gelodert und dann — der neuejte Triumph moderner Rauchwareninduftrie — mittel3 Elektrizität entfernt. Daher da3 englijche „electric seal“. Die meijten Bijamfelle liefert Minnefota, die beiten fommen aus den nordöltlichiten Staaten Neiv York, New Serjey, Connecticut und Pennfylvanien. Während das Fell früher eine geringe Rolle jpielte, fommen jebt, nach) Braß, von der Hudjonbai-Co. jährlich etwa 5— 600000 Stüd, von den Vereinigten Staaten durchjchnitt- (ich 3 Millionen Stüd nach London, mindejtens 1 Million geht diveft nach Leipzig, und etwa 2 Millionen werden in den Bereinigten Staaten und Kanada jelbit verbraucht, jo dab die Jahresausbeute mindeitens 7 Millionen Stiid beträgt. Dabei ift aber, feit man angefangen hat, auch bei diejen Tieren Schonzeiten einzuführen (von April bis Oftober- November), feine Abnahme zu verjpüren. Der Gedanke, ein jo nubbares und mit der modernen Kultur verträgliches Pelztier in Europa einzuführen, lag nahe, und er ift 1906 in Böhmen ausgeführt worden. In Sommer 1909 ging die Notiz durch alle Zeitungen, und die Fürftl. Colloredo-Mannzfeldiche Domänendireftion Dobtifch teilt Heck auf Anfrage des näheren mit, „daß über Snitiative Seiner Durchlaucht des Hochgebornen Herrn Fürften zu Colloredo-Mannsfeld vor 3 Jahren tatjächlich amerifanijche Bifamratten eingeführt und auf der Domäne Dobtijch bei Prag an einem großen See (Teiche) ausgejegt wurden. Seither verbreiteten fich diefelben über ganz Mittelböhmen jo, daß je fchon in der Nähe Prags, Pilfenz, ja fogar bei Tabor in Sid- böhmen beobachtet und erlegt wurden”. Auch in Böhmen machte man „die Beobachtung, daß die Bijamratte feineswegs rein vegetarijch lebt, jondern e3 wird fchon apodiktifch feitgeftelft, daß jie die gemeine Teichmujchel, diefen Nahrungsfonfurrenten des Karpfens, von mweither durchs Wafjer jchleppt, um jie an einer erhöhten Stelle vor ihrem Bau zu verzehren, dort ganze Berge ihrer Mufchelichafen Hinterlajjend; außerdem frift fie aber auch Krebfe und tote Stiche, ja jie joll die Hleineren Fische auch nach) Art des Diters fangen. In einer Hinficht dürfte jedoch ihr Nuben den gejchilderten Heinen Schaden an Teichbejagmaterial (Krebs- und Ktarpfenjas) überwiegen, nämlich Durch ihr Beftreben, verfrautete Teiche von Schilf, Kalmus uj. zu reinigen, um daraus haufenähnliche Sommerbaue im feichten Wafjer zu machen. So tjt ein mehr al3 10 ha großer Teich der fürjtlichen Domäne, dejjen eine Hälfte fait ganz . derwwachjen war, jo gründlich gereinigt worden, daß faum die Hälfte des ehemaligen Schilfes noch vorhanden it. Nur in Teichen mit Dämmen ohne Steinverfleidung wird die Ratte durch ihren Bau, Ddejjen unter dem Wajjerjpiegel befindliche Eingänge mit dem Wafjer- jtande wechjeln, einigermaßen unangenehm; ebenfo macht fie auf in Waffernähe befind- fichen Wiejen jtark befahrene Wechjel.” Auch von der Finftlic) Schwarzenbergijchen Herr- ihaft Bojjow in Böhmen aus, wo jie „in einem umgitterten, betonierten Teiche gehalten“ wurden, jollen, Beitungsnachrichten vom Auguft 1909 zufolge, ausgebrochene Bijam- ratten jich verbreitet und bereits fo jtarf vermehrt Haben, dag jie durch „Wühlen in Teich- anlagen jchon läjtig geworden” find. Die näcdhjitfolgende Niejengruppe der eigentlihen Wühlmäufe (Gattung Micro- tus Schrank) ijt Heute wieder jo vielfach zerteilt, daß bei Trouejjart 15 Untergattungen und 127 Arten ohne die Unterarten aufgezählt find. Hier fan natürlich nur eine jehr Heine Auswahl der allerwichtigiten getroffen werden, und unter diejen verdient wieder am meijten Beachtung der Häufigjte heimische Vertreter, die Feldmaus. Den Lemmingen und Bijam- tatten nähern fich die Wühlmäufe durch Übergangsformen an, unterjcheiden fich aber im Bifamratte. Nundihwanz-Bijamratte. 283 allgemeinen jchon äußerlich von den leßteren durch Kleinheit, von den erjteren durch graue „Mausfarbe”, jchlanfere Gejtalt und längeren Schwanz. Doch ändern die Mitglieder der Öattung Microtus, nac) Gerrit Miller, dem neuejten amerifanijchen Bearbeiter, in der äußeren Erjcheinung ausnehmend ab. Einige gleichen Lemmingen fo völlig, da; man fie mit diejen vereinigt hat; andere jind dem Wajjerleben angepaßt und haben infolgedeijen mehr das Hußere der Bifamratte. Noch andere bringen die meifte Zeit ihres Lebens unter der Crde zu; bei ihnen jind Augen, Ohren und Schwanz zurüdgebildet, die Vorderfühe vergrößert und das Fell jo verändert, daß man jie für Maulmwürfe halten fünnte. Die große Mehrzahl zeigt aber feine jolche bejonderen Anpafjungen, und immer ijt der Schwanz länger al3 die Hinterfüße und der Daumen mit einem feinen, verfüimmerten Kagel verjehen. Der Schädel tft in feinem vorderen Teile viel jtärfer al3 bei den eigent- lichen Mäufen, worauf am lebenden Tiere der Fräftige Kopf jchon Hindeutet; daher finden jich, nach Nörig, in den Eulengemwöllen die Feldmausichädel jtet3 mehr oder weniger unver- jehrt, während die anderen Mäufejchävel in Stüde zerfallen find. Sonjt bietet der Schädel feine greifbaren Unterjcheidungsmerfmale, wohl aber die Zähne. Die oberen Schneide- zähne jind niemals gerieft, und die Zahnpulpa der unteren hat einen ganz charakteriftiichen Verlauf im Unterkiefer, drängt die Wurzeln de3 zweiten und dritten Baczahnes mehr zur Ceite al3 bei irgendeiner anderen Gattung. Die Baczähne befommen niemals Wurzeln, jelbjt im Höchiten Alter nicht, und diejes Merkmal allein Schon unterfjcheidet die Gattung von allen übrigen. Das Mufter der Schmelzfalten ändert bei den verjchtedenen Untergattungen ganz beträchtlich ab und fennzeichnet dieje neben vielen anderen Eigentümlichfeiten. — Die geographiiche Verbreitung der Gattung reicht auf beiden Erbhälften von der Grenze des Tierlebens im hohen Norden und auf dem Hochgebirge bis zur Grenze der Tropen. Die Rundihwanz-Bifamratte, Neofiber alleni True, einzige Art der Unter- gattung Neofiber True, aus Florida nähert fich in Schädel- und Zahnımerfmalen der echten Bijamratte, wie aus ihrem Namen jchon zu jchliegen, unterfcheidet fich aber durch den dreh- runden, aljo weniger für Schwimmzimwede veränderten Schwanz und ebenfo weniger dent Wajjerleben angepaßten Fußbau. Das Fell dagegen mit dem ausnehmend dichten, wolligen Unterhaar und dem jchimmernden Glanz der längeren Grannenhaare ift dem echten Bijam jehr ähnlich. Ob das Tier Mofchusdrüfen Hat, ift heute noch unficher. Im Schmelzfalten- mufter der unteren Badzähne und im Hußeren erinnert die Rundihiwanz-Bifamratte auch an unjere Wafjerratte, während jie die Geitalt der oberen Badzähne wieder mit dem fo- genannten Graulemming (Untergattung Lagurus) gemein hat. Wegen all diefer Übergänge und verbindenden Eigenfchaften findet jie hier Erwähnung. Sie ijt gemein in den Süßwafjertümpeln und Sümpfen des Inneren von Slorida und auf den Salzjteppen anı Indian River, baut fich, nach Bangs, ein großes, eirundes Neit, manchmal wie bei der Bijamratte im Wafjer über den Spiegel Hervorragend, manchmal auch, jroiichen den Mangrovenmwurzeln oder gar in einem hohlen Baumftumpf. Die Wafjerneiter haben unten zwei Offnungen, die, wenn jie nicht von Wafjer bedeckt find, mit unterivdifchen Gängen in Verbindung jtehen. Obwohl auch der Rundichwanzbijam ein guter Schwimmer it, jieht man ihn im Wafjer doch felten nach Art des echten Bijams fich bewegen. Nach Chapman nährt er jich von einem jaftigen Graje, das reichlich an den Wohnplägen wächit. Um die jüngeren, zärteren Schößlinge zu erlangen, macht fich das Tier eine Art Plattform aus den dideren Stengeln, auf der es jißt und behaglich die Spiben um fi) herum abäft. 284 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. Dieje Plattform wird immer diefer, je mehr Futter in der Nähe wächjt, weil die Ratte alle bärteren Stüde, die jie verichmäht, darauf Tiegen läßt. An die Rundichwanz-Bifamratte wollen wir die Wafjerratten anreihen, die, jeit man auf feinere Gebifunterjchiede Gewicht legt, ebenfalls in eine bejondere Umtergattung (Arvicola Lacep.) zu verweilen find. Für diefe Hat man, laut Blafıus, folgende Merk- male zu beachten. „Der erite Badzahn im Unterkiefer hat auf der Kaufläche fieben Schmelzfalten und außen vier, innen fünf Schmelzleiften, der zweite fünf einfache Schmelz- ichlingen und außen und innen drei Länggleiften ; der zweite Badzahn am Oberfiefer hat vier Schmelzjchlingen und außen drei, innen zwei Längsleijten. Das Ziifchenjcheitelbein it am Hinterrande in der Mitte erhaben, nac) den Seiten hohl abgerundet, born in eine Mitteljpige ausgezogen, jeitwärts jchief abgejtußt und in fange, jchräg nad) außen und hinten vorgezogene Spiben verlängert.” Kaum ein anderes Fleine3 Säugetier macht fich mehr bemerflich und verhaßt als die Wafferratte,Scher-, Reut-, Hamfter- ud Mollmaus, Arvicola terrestris L., Unterart amphibius L. (Taf. „Nagetiere IX”, 6, bei ©. 249), einer der jchädlichhten Nager, zugleich ein Tier, das wiederholt der Zankapfel zwiichen den Naturforjchern gemwejen ijt. Die einen jagen, daß e3 nur eine Art von Wafferratten gäbe, die anderen, daß die Scher-, Moll- oder Reut- maus, welche allen Gartenbefigern wohl oder vielmehr übel befannt zu fein pflegt, wegen ihrer verjchiedenen Lebensweife, troß ihrer großen Ähnlichkeit mit der Wafferratte als jelb- tändige Art betrachtet werden müfje. Auffallend bleibt die Verjchiedenheit der KLebenswerje innerhalb unferer Tierform immerhin. Die Wafjerratte lebt, wie ihr Name jagt, am umd im Wafjer, namentlich ar ftillftehendem, wohnt hier in jelbitgegrabenen unteriwdijchen Bauen, die vom Wafjeripiegel aus chief nach oben anfteigen und in einen weiten Kejjel münden, und ihr eigentliches Wohnzimmer geht von hier aus gewöhnlich nach dem Wafjer Hinab; fie treibt jich in diefem umher, fucht hier ihre Nahrung und denft nicht daran, größere Reifen zu unter- nehmen. Die Schermaus dagegen Iebt unter Umftänden wochen- und monatelang fern vom Raffer und fcheint ich wenig darum zu befümmern, gräbt Yange, flache Gänge nad) Maul- wurfsart, wirft dabei die Pflanzen um, welche über den Gängen jtehen, verzehrt die Wurzeln und jchadet Dadurch weit mehr, al3der Maulwurf jemals durch jeine Wühlereien jchaden Tann. Die Hejjiichen Tierlebenjchilderer Gebrüder Müller halten noch 1882 in „Tiere der Heimat” den Glauben an zwei verjchiedene Arten zuverfichtlich aufrecht, eben weil fie von - der Beobachtung des Lebens ausgehen; fie führen aber auch gemwilje Größen- und Farben- unterichiede an, welche für ihr oberhejliiches Beobachtungsgebiet wohl ihre Richtigkeit haben mögen. „Schon gewilje äußere Oeitaltungszeichen der Schermaus und ihre Färbung im Vergleich zur Wafjerratte fichern ihr das Necht einer bejonderen Art. Offenbar it jie feiner und Furzijchwänziger als die jehr verwandte Wafjerbemohnerin. Während die - Wafjerratte dunfel bis zum Schwärzlichen gefärbt erjcheint, zeigt die Schermaug bei aller Keigung zu Abänderungen nach der helleren oder dunfleren Färbung hin doch immer das Charafteriftiihe des rötlichen oder gelben Schimmers der Oberjeite und das Hellere des Bauches und der Kehle.” — Der gedanfenreiche Guftad Säger trifft den Ausweg, indem er in „Deutjchlands Tierwelt, nach ihren Standorten eingeteilt” 1874 von „Snitinktrafjen” jpricht. Nach ihm ift unfer Tier „dadurch merfwürdig und Gegenjtand vielen Gtreites gemwejen, daß e3 nicht nur nach den Gegenden, die e3 bewohnt, ziemlich abändert, jondern Wafjerratte. 285 auch in zwei biologische Nafjen fich gefondert Hat. Troß ihrer jo ganz verjchiedenen Lebens- weile unterjcheiden ich dieje beiden Nafjen weder äußerlich noch durch innerliche Merkmale. Für den neueren Tierfenner Hat dies nichts Auffallendes an fich, da man noch mehrere jolcher Rafjen Fennt, die jich nur durch die Verjchiedenheiten des Anitinftes auszeichnen, und die man deshalb auch Intinktraffen nennen kann.” Pfeiffer-Schaffgaufen macht 1883 („gool. Garten“) noch auf eine Eigentümlichkeit der in feiner Heimat „Nuelmaus” genannten Landraffe aufmerkfam, die möglicherweile zu einer Unterjcheidung führen fünnte: „ein haarlojes, drüfenartiges Hautorgan in beiden Flanken, welches jich mehr oder minder ent- mwicdelt, aber wahrjcheinlich immer zeigt... Bei der Nuelmaus ijt das angeführte, drüfige Drgan bei beiden Gejchlechtern bis 1,5 cm lang und Smm breit und mit einer fchorfähn- lichen, wachsartigen Sefretion bededt... Wozu diefe Hautdrüfe dient?” Dieje Schluffrage Pfeiffers beantwortet Gerrit Miller mittelhar dadurch, daß er von einer „Mojchusdrüfe” an den Geiten bei der Untergattung Arvicola |pricht; danach würde Ddieje Geitendriie ihre Bedeutung für das gegenjeitige Auffinden der beiden Gejchlechter Haben. Miller führt die Drüje aber unter den Merkmalen der ganzen Untergattung auf, jchreibt fie aljo allen Arten und Abarten zu. Die Waflerratte it 21—24 cm Ken mwobon auf den Schwanz 6,5—8,5 cm fommen. Der Pelz fann einfarbig genannt werden; denn die graubraune oder braunfchwarze Ober- jeite geht allmählich in die etwas heflere, weißliche oder graue biz jchwarze oder jchtwarz- graue Unterfeite iiber. Yon der gewöhnlichen Wanderratte, die fäljchlich oft „Wafjerratte” genannt wird, weil man fie auch am Waffer findet, unterfcheidet die eigentliche Wafjerratte jofort der die, runde, furze Kopf mit auffallend furzen, nicht aus dem Pelze hervortretenden, faum ein Viertel der Kopflänge erreichenden Ohren und der kurze Schwanz, der zwijchen 130 und 140, ringsum gleichmäßig und ziemlich dicht mit funzen, jteifen Haaren bejebte Schuppentinge trägt. Die Najenkuppe ilt fleiichfarben, die ris Schwarzbraun, die Schnurren ind jchwarz, zumeilen mit weißen Spiten, die Vorderzähne braungelb. Mancherlei Ub- mweichungen in der Färbung fommen vor. So war die Wafjerratte, nac) Altum, 1864 („Zool. Garten”) in der näcdhiten Umgebung von Müniter leider jehr gemein und vartierte zum Teii fofal: tieffchwarz, graufchwarz, braungrau, erdgrau; die tiefichwarzen waren die fleinjten, die erdgrauen die größten. Jm Waljer Tale Vorarlberg war fie, nach Bruhin, 1867 („Zool. Garten”) jo häufig, daß allein auf dem Brühl, einer mittelgroßen Wieje in St. Gerold, in einem Frühling 1000 Stüd, darunter mehrere gefledte, gefangen wurden. ©o verbreitet jich das Tier in einer ganzen Menge verjchiedener geographiicher Formen nicht nur über Europa, jondern auch über Miien und Nordamerika. Trouefjart gibt in feinen „Mammiferes d’Europe“ (1910) an: A. amphibius Z. für Großbritannien, A. terrestris L. fir Skandinavien und Weftrußfand, A. scherman Shaw für das weftliche Mitteleuropa, auch Deutjchland. Aus dem europäischen Rußland it die Wafjerratte für die entlegenjten Grenz- gebiete nachgemwiejen: für die Kolahalbinfel von Plesfe, für den Kaufajus von Satunin. Jr Aupland Fehlt jie, nach Plesfe, „nur im äußerten Norden, wo die baumloje Tundra auftritt”, und geht auc) im Gebirge bis zur Birfenregion hinauf. Nach Satunin ift jie „an allen für ihr Xeben pajjenden Plägen, wie an Flüffen, Bächen und Teichen”, im nowdöftlichen Kau- fafus wenigjtens, „gervöhnlich”. Catunin hat auch Wajjerratten aus dem Gouvernement Eriwan und aus den Beriejelungsfanälen bei Tiflis erhalten. „Beim Vergleich mit Erem- plaren aus dem Mosfaujchen SKreife fonnte ich feine Unterjchiede, weder im äußeren Bau noch in der Bildung der Zähne, finden.” („Museum Caucasicum‘“.) 286 8. Drdnung: Nagetiere. Jamilie: Mausartige. - Wafjerratten und Schermäuje erinnern in ihrer Lebensweije vielfac, ar die Maul- twürfe, aber auch an die Bifamratten und andere im Wajjer lebende Nager. Die Baue in der Nähe der Gemwäjjer jind regelmäßig einfacher als die in trocneren Gärten und Feldern. Dort führt, wie bemerkt, ein fchiefer Gang zu der Kammer, Die zuzeiten jehr weich aus- gefüttert wird; hier legen ich die Tiere Gänge an, die viele Hundert Schritte lang jein fönnen, und bauen die Kammer in einem der größeren Hügel. Meijt ziehen fich die langen Gänge dicht unter der Oberfläche de3 Bodens dahin, höchit jelten tiefer, als die Pflanzen- wurzeln Hinabreichen, oft jo flach, daß die Bodendede beim Wiühlen förmlich emporgehoben wird und die Bededung des Ganges aus einer nur 2—3 cm dien Exrdfchicht beiteht. Solche Gänge werden jehr oft zerjtört und unfahrbar gemacht; aber die Schermauß ift unermüdlich, jie auszubeifern, jelbjt wenn fie die gleiche Arbeit an einem Tage mehrere Male verrichten müßte. Manchmal laufen ihre Gänge unter einem Fahrwege hin und dauern eben nur jo lange aus, al3 der Weg nicht benußt wird; gleichwohl ändert das Tier die einmal gewählte Richtung nicht, fondern verrichtet Tieber die Arbeit immer wieder von neuem. Sn diejen Bauen lebt die Schermaus paarweije; aber ein Baar wohnt gern dicht neben dem andern. Das Tier läuft nicht bejonders fchnell, gräbt jedoch vorzüglich und chwimmt mit großer Meifterichaft, wenn auch nicht fo gut wie die Waijerfpismaus. An stillen Orten jieht man lie ebenjowohl bei Tage wie bei Nacht in Tätigkeit; doch ift jte vorfichtig und entflieht, jowie jie ich beobachtet fieht, in ihren Bau. Nur wenn fie fich zwischen dem Schilfe umbertreibt, läßt fie fich leichter beobachten. Was das Voll „Wafjerratte” nennt, ift daher in den allermeisten Fällen ficher weiter nichts alS unfere gewöhnliche Natte, die Wanderratte, die ja ebenfalls eine ausgezeichnete Schwimmerin ıft und in allen öffentlichen Parkanlagen fich einniftet, zumal wenn Dort. Schwäne und Enten gehalten und gefüttert werden. Unter den Sinnen der Wafjerratte jcheinen namentlich Gejicht und Gehör vortrefflich ausgebildet zu fein. Shre Nahrung wählt fie vorzugsweile aus dem Pflanzenreiche, und da- durch wird fie oft überaus jchädlich, zumal wenn jie in Gärten ihren Wohnfit aufichlägt. Sie fäfst fich nicht fo Leicht vertreiben, und wenn fie fich einmal eingeniftet hat, geht fie freiwillig nicht eher weg, als bis fie alles Genießbare aufgefrejjen Hat. „Einjt“, erzählt mein Vater, „hatte ji eine Schermaus in dem hiefigen Pfarrgarten angefiedelt. Ihre Wohnung lag in einem Wirfingbeete, aber jo tief, daß man das ganze Beet hätte zerftören müjfen, wenn man jte dort hätte ausgraben wollen. Mehrere Gänge führten von der Klammer aus in ven Garten. Wenn e3 bejonders fill war, fam fie hervor, bif ein Kohlblatt ab, faßte es mit den Zähnen, 30g e3 zum Loche Hinein und verzehrte e8 in ihrer Höhle. Den Bäumen fraß fie die Wurzeln ab, und zwar jelbjt folche, die bereits eine ziemliche Größe erlangt hatten. Aber e3 war jehr jchwer, die Maus zu erlegen; jobald fich jemand jehen ließ, verjchwand jie in der Exrve. Erjt nach 14 Tagen gelang e3, fie zu erlegen, und zwar von einem ihretwegen angelegten Hinterhalte aus. Sie hatte mir aber bis dahin fast den ganzen Garten verwiltet.“ Ühnliches berichtet Altum aus dem Gebiete der Forftwirtfchaft. Ihm ift „etwa außer dem Biber feine andere hiefige Säugetierjpezies befannt, welche in ihren einzelnen Sndi- biduen ein jolches Berderben anzurichten imftande wäre wie unfere große Wühlmaus... Kräftige, armsdide Bäume beginnen im beiten Wachötum plößlich zu mwelfen, und beim Anfajjen der Stämme fühlt man fofort, daß fie nur mehr ganz loder im Boden ftehen; mit geringem Straftaufiwande lafjen fie fich umlegen und ausziehen. Der Fraf diefer größten Wühlmaus ift aus der Geftalt der Nagewunden fofort mit Zeichtigfeit zu bejtimmen. Shre Wafjerratte, 287 jehr fcharfen und Fräftigen Nagezähne fchneiden unter der Erdoberfläche das Holz mit Hinterlajjung fcharfer und Tanger Eindrüde dur... Ganz fchwache Pflanzen und feine Wurzeln, jchneidet fie in einem Gange (Schnitt) ab, ftarfe aber partienmweife, jo daf jtet3 auf Heineren (Teil-) Flächen die Yahneindrücde parallel Taufen und eine größere Fläche demnach mit verjchiedenen Nagedejjins bedecdt ijt. Nach meinen Erfahrungen wie nad) fremden Angaben ift fie der Eiche am meiften jchädfih. Jr Baumfchulen habe ich ganze Neihen junger Eichen durch fie vernichtet gejehen.” Aber auch für die Buche wird fie berderblich; ferner liebt fie Ahorne und foll gern an Weiden und Erlen gehen. Nach Be- richten aus Schotten im Hejjischen Vogelsberg wurden in dortigen Pflanzfämpen Tau- jende von Eichen und Ahornen vernichtet. Nadelholzpflanzen blieben verjchont. Zu Shngen bei Kalw im württembergijchen Schwarzwald wurden „in einem lichten Stiefernbeftande von 60— 70 Jahren mit jchönem,-Fräftigem Eihennahmwuchs von 5—12 Jahren Mitte März die jtärferen Eichenjtämme bis zu einem Durchmefjer von 2—3 Zoll im Boden fegelförmig ab- genagt. Auf einem Flächenraume von 4 Morgen waren dort 219 Stämme vernichtet.” An Zeichen tut die Wajjerratte verhältnismäßig viel weniger Schaden, den einen freilich abgerechnet, daß jie die Dämme durhmwühlt und jo dem Wafjer einen un- erwiünjchten Ausflug verjchafft. Dort verzehrt jie vorzugsmweife Rohritengel, und zwar auf ganz eigentümliche Weije. Sie baut fich nämlich einen fürmlichen Speifetifch. „Dieje Eptijche”, jagt mein Vater, der die Wafjerratten vielfach beobachtete, „iind auf umgefnic- ten Rohritengeln angebracht, einige Zentimeter über den Wajjerfpiegel erhaben, und be> itehen aus grünem Seggengraje. hr Durchmefjer beträgt 20—30 cm. Sie find aus einer fejten, dichten Majje aufgevaut und oben ganz platt; denn fie dienen den Waiferratten nur al ARuhepläge und Speifetafeln. Sn unjeren Nenthendorfer Teichen leben die Tiere im Sommer beinahe ausjchließlich von Rohrftengeln. Diefe beißen jie en der Oberfläche des Wafjers ab und tragen jie im Rachen nach dem näcdhjiten Ehtiihe. Auf ihm angefom- men, richten fie jich jenfrecht auf, fajjen den Rohritengel mit den Borderfüßen und fchieben ihn jo lange fort, bis jie an den oberen, marfigen Teil fommen; jest halten fie ihn feit und verzehren die ganze Spite. Sind fie mit einem Rohritengel fertig, dann holen fie ji) einen andern herbei, behandeln ihn auf ähnliche Weije und feßen, wenn fie nicht geftört werden, dieje Arbeit jo lange fort, bis jie völlig gejättigt find. Aber fie lafjen fich bei ihren Mahlzeiten nicht gerne beobachten und ftürzen fich bei dem geringsten Geräufche oder beim Erbliden eines auc in ziemlicher Ferne vorbeigehenden Menijchen fogleich in das Waffer, tauschen unter und fchtwimmen einem ficheren Berjtede zu. Haben fie aber ihre Mahlzeit un- geitört vollendet, dann legen fie fich zufammengefauert auf den Eftifch und ruhen aus.” „Wer- folgt man aufmerfjam die beliebten Gänge der Wafferratten”, fügen die Gebrüder Müller Hinzu, „die namentlich unter den hohlen Uferwänden und der Dedung von dichten Büjchen und Baumturzelausichlägen Hinziehen, jo entdedt man auch hier plattgetretene Pläte, die e3 verraten, daß jie zu regelmäßigen längeren Aufenthaltsorten der Tiere dienen.” Keben dem Rohre verzehren die an Teichen wohnenden Wafjerratten allerlei Pflanzen- mwurzeln und faftige Gräfer, unter Umständen auch Früchte; die Neut- und Schermäufe aber gehen alle Gemüfe ohne Unterihied an und vernichten weit mehr, als fie wirklich brauchen. „E3 find Beijpiele befannt”, jagt Blafius, „daß durch diefes Tier in einzelnen Feldern und Feldmarfen über die Hälfte der Getreideernte umgefommen ift. Sie freijen die Halme über der Wurzel ab, um die Ähre zum Falle zu bringen; doch holen fie, als ge- Ihidte Slettexer, ebenfo die Maisförner aus den Ähren oderreifes Obft vom Spalier und 288 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. den Bäumen herab.” „Wie überaus jchädlich jie der Forjtfultur im Kiede wird, ijt all- befannt; Taujende von Kulturpflanzen fallen ihr alljährlich zum Opfer, jogar jtarfe Kana- denjer Bappeln bis 30 cm Stocddurchmefjer werden von ihr durch Abnagen bis an den Splint entrindet und zum Abfterben gebracht. Eine Niedparzelle im Drauriede (Herrichaft Darda) führte infolge der durch die Mollmaus Hervorgerufenen Berwüftung jogar den Namen ‚Mäufefraß‘. Das beite Mittel, fie zu vertilgen, ijt die Bejegung der von ihr be- fallenen Waldteile mit ftarfen Schweinen, welch le&tere fie begierig aufjuchen und verzehren, teilweije auch vertreiben.” (Mojjijovics.) Im Wafjer müjjen Kerbtiere und deren Larven, fleine Fröfche, Fische und Strebje den Wafjerratten zur Mahlzeit dienen, auf dem Lande ver- folgen jie Feld- und andere Mäufe, den im Graje brütenden Vögeln nehmen jie die Eier weg, den Gerbern frejien fie ganze Stüde von den eingeweichten Tierhäuten ab ujmw. Schacht, der befannte Beobachter aus dem Teutoburger Walde, jah einjt, wie die Scher- maus eine Feldmaus von einem Gebüfch zum andern eifrig verfolgte, und es ijt daher erflärlich, wenn man in einem von Schermäufen bewohnten Reviere jelten andere Mäuje findet. Sm Herxbite erweitern fie ihren Bau, indem jie eine Vorratsfammer anlegen und dieje durch Gänge mit ihrem alten Nefte verbinden. Die Kammer füllen jie aus nahe ge- fegenen Gärten und Feldern mit Exrbjen, Bohnen, Zwiebeln und Kartoffeln an und leben hiervon während des Spätherbites und Frühjahres oder folange das Wetter noch gelinde it. Exit bei ftarfem Frofte verfallen jie in Echlaf, ohne jedoch dabei zu erjtarren. Nur jehr jelten gewahrt man die Fährte einer Wajfferratte oder Echermaus auf dem Schnee; in der Hegel verläßt Dieje den Bau während der fälteren Jahreszeit nicht. Doch jcheint jie bisweilen Wanderungen zu unternehmen. Einen Ausnahmefall, daß die Schermaus durch das Eintragen von Winterporräten dem Menschen auch nüslich werden fann, fchildert Fifcher-Sigwart aus dem Wiggertale in der Schweiz („Zool. Beobachter”, 1907). „Un einer Stelle mitten in einer Wieje fanden wir nahe beieinander, jeweilen bei einem Maufeloche zwei ziemlich große Haufen der ver- dictten und verfürzten unteren Stengelglieder des Baternojtergrajes (Arrhenatherum tube- rosum Gilib.), die fleischige Knollen bilden. Diejfe aneinandergereihten Kügelchen, die dem Teile einer Baternojterjchnur oder eines Nojenfranzes gleichen, dienen der Schermaus zur Nahrung. Hier befand fich diefe Sammlung deswegen auf der Erde, weil die VBorrats- fammer von den Mäufen vor der Schneejchmelze zwijchen der Erde und der über 1/, m dien Schneejchicht angelegt worden war. Wir jahen dazır Hin- und davon wegführende Gänge, die nur zur Hälfte in der Erde angelegt waren, deren obere Wölbung vor der plöglich ein- getretenen Schneejchmeßge aus Schnee bejtanden Hatte. Viele der Knöllchen waren auch angefrejjen. Der ganze Vorrat mochte aus über 200 jolcher Gebilde bejtanden haben. Für die Schermaus, die jonjt durch ihre Schädlichkeit befannt ift, bildet dieje Tatjache eine gute Empfehlung; denn die Bauern fennen das Paternojtergras als ein jchwer aus- zurottendes Unkraut. Inzwiichen it von mehreren Landwirten unferer Gegend beitätigt worden, daß jie Häufig unter der Erde Vorratsfammern finden, die nur mit jolchen Snöll- chen diejes Grajes angefüllt find.” Die Bermehrung der Wafjerratten und Schermäufe ift bedeutend. Drei- bis viermal im Jahre findet man in dem unteriwdischen warmen, ‚weich ausgefütterten Nejte 2—7 Junge, oft in einem Nejte jolche von verjchiedener Färbung zufammen. „Die Tiefe der Crohöhle, in der das Veit errichtet wird“, jagt Landois, „schwankt zwijchen 30—60 cm. gu ihr führen jtet3 mehrere Gänge. Das Net jelbit füllt die Erdhöhle vollitändig aus, it Wafjerratte. 289 fugelig, hat einen Durchmejjer von 15—20 em und befteht aus einer Unzahl äufßerft feiner, trocener Wurzelfäjerchen. Dicfere Wurzelfafern und Wurzeln werden beim Baue ver- mieden und jomit ein Neft hergeitellt, welches in bezug auf feine Weiche und Wärme viele Bogelnefter beichämen könnte.” Zumeilen findet man die Nefter in dichtem Geftrüipp un- mittelbar"üiber der Erde, manchmal auch im Rohre. Kin folches Net befchreibt Blafius. „E3 jtand 1 m hoch über dem Wajjerjpiegel, wie ein Nohrjängerneit zwiichen drei Schilf- jtengel eingeflochten, etiva 30 Schritte vom trocenen Ufer ab, war fugeltund, aus feinen, weichen Grasblättern gebaut, am Eingange zugejtopft, Hatte außen etwa 10 cm, intwendig wenig über 5cm im Durchmejjer und enthielt zwei Halberwachjene Junge von fohlichwarzer Färbung. Eines der alten Tiere, welches bei meiner Annäherung fich vom Nefte entfernte und ins Wajjer jprang, war ebenfalls jchivarz von Farbe. Die Alten fonnten nur jchwim- mend zum Nefte gelangen und waren dann gezwungen, ar einem einzigen Schilfftengel in die Höhe zu Hettern. Hätte ich das Nejt beim Auffuchen von Nohrfänger- und Srontaucher- nejtern nicht zufällig gefunden: e3 würde mir nie eingefallen fein, an ähnlichen Orten nach Wafjerrattenneftern zu juchen.” Der Paarung gehen lang anhaltende Spiele beider Gejchlechter voraus. Nament- lich das Männchen benimmt jichjehr eigentümlich. E3 dreht fich manchmal fo jchnell auf dent Wajjer herum, daß es ausjieht, al3 ob e3 von einer ftarfen Strömung bald im Wirbel bewegt, bald herumgemwälzt würde. Weitere „anmutige Szenen aus dem Cheleben der Wafferratte” jchildern die Gebrüder Müller. „Sn der Abenddämmerung, wo das rege Leben diejes Nagers beginnt, umfreift und umtanzt, hochaufgerichtet wie ein Wajjertreter, das Männchen fein Weibchen und fucht fich durch folches poffierliches Gebaren die Gunjt des Weibchens zu erwerben. Bald dreht und mälzt es jich zur Nechten oder zur Linfen, bald rudert e3 der ausmweichenden Gattin lebhaft erregt nach und vergißt auf diefe Weife oft jich jelbit und die Sorge um die jonft jo ängjtlich gewahrte Sicherheit." Das Weibchen jcheint zwar ziemlich gleichgültig zuzufehen, erfreut fich aber doch wohl jehr an diejen Künften; denn jobald das Tiebestolle Männchen mit feinem Reigen zu Ende ilt, jchwimmen beide gewöhnlich gemütlich nebeneinander, und dann erfolgt faft regelmäßig die Begattung. „icht minder unterhaltend”, fahren die Gebrüder Müller fort, „und von zärtlicher Fa- milienneigung zeugend, jind die Spiele, welche die Mutter mit den Steinen bei ihren abendlichen Ausgängen treibt. Hier jieht man fie zu mehreren auf einem Häufchen im Wajjer unter- und übereinander purzelnd und hujchend vereinigt, dort eilen mehrere der Führerin nach, weldhe eine Beute ic) angeeignet hat und nedend Ddiefe den Jungen borenthält. Dann jammelt fie mit eigentümlichem, leifem Lodton an vertrauten Bläschen im Schilf oder Rohr, das von den Ratten zur Tafel ausgetreten ift, die Meinen und legt ihnen die Lederbilfen in Geftalt von Fröjchen, Krebjen oder auch Uferjchneden, Würmern und Kerbtieren vor. Oder wenn Alte und Junge zufammenfigen und die herzugetragenen Knollengewächje und Gemifje oder Wurzeln und marfige Rohritengel verzehren, jo jieht . man jie auf den Hinterbeinen aufgerichtet fiben, die Vorderfüße Handartig gebrauchen und die Köpfe beim Nagegejchäfte bald nach diefer, bald nach jener Seite wenden, um vor allem das Beliebtejte auszuwählen.” Wenn die Mutter die Kleinen in dem einen Nejte nicht für ficher Hält, jucht fie nach einem fichereren Site, jchleppt fie im Maule hin und jchroimmt dabei mit ihnen über breite Flüffe und Ströme. Die eigene Gefahr vergejjend, fäßt fie fich bisweilen mit der Hand erhafchen; aber nur mit Mühe fann man dann das Sunge, da3 fie trägt, ihren Zähnen entwinden. „Werden die Jungen”, jagt Fißinger, Brehm, Tierleben. 4. Aufl. XI. Band. ‚ 19 290 8. Ordnung: Nagetiere, Familie: Mausartige. „zufällig mit der Pflugfchar ausgeadert und nicht jogleich getötet, jo eilt die Mutter jchnell herbei und fucht fie rafch in einem andern Loche zu verbergen oder trägt jie, wenn ein jolches in der Nähe nicht gleich aufzufinden ift, unter das nächjte Bujchwerk, um jie einjt- mweifen dort zu jchüben. Geraten die Jungen durch einen plößlichen Angriff in Gefahr, jo verteidigt fie die Mutter mit Kühnheit und Gejchie, Ipringt Hunden, Haben, ja'jelbjt dem Menjchen entgegen und verjeßt den Berfolgern oft heftige Bilje mit ihren jcharfen Zähnen. Nach drei Wochen führt fie ihre Stleinen aus der Höhle und trägt, während Dieje auf dem Nafen oder auf Pflanzenbeeten freifen, die zarten Sprojje von verichiedenen Gräjern, befonder3 aber Erben, die Lieblingsnahrung der ungen, in ihre Höhle ein. Die Kleinen beginnen nun auch bald ihre Grabverfuche und werden jcehon in zarter Jugend auf Wiejen und Aderfeldern und noch mehr in Gärten fehr jchädlich.” Die gefährlichiten Feinde der Schermaus find Wiefel und Hermelin, meil fie ihr in die unterindifchen Gänge und felbjt in das Wafjer nachfolgen. Beim Berlafjen ihrer Röhren wird fie auch von Waldfauz und Schleiereule, von Sltis und Kate erbeutet; nach Altum zur Zugzeit auch von der Sumpfohreule in den Dünen der Nordjeeinfeln, wo der fatale Schädling durch Abnagen der Wurzeln des Strandhafers den Dünenbefeitigungen gefährlich wird. Sm allgemeinen aber ift die Schermaus gegen die Räuber ziemlich gejichert ud fordert um fo dringender unnachlichtliche Verfolgung von feiten des Menjchen heraus. Fallen oder eingegrabene große Töpfe, deren glatte Wände ihr, wenn jte bei ihren nächt- lichen überiwdischen Spaziergängen hineingefallen ift, daS Entfommen unmöglich machen, jchüßen ebenfalls wenig gegen fie, weil fie beide möglichit vermeidet, und jo bleibt nur ein Mittel zur Abwehr übrig: ihre Gänge zu öffnen, jo daß Licht und Luft Hineimdringen. „Schon einige Minuten, nachdem dies gefchehen”, jagt Schacht, Frühere Angaben von Lan- 0018 bejtätigend, „fommt fie herbei, ftectt neugierig den Kopf zur Türe heraus, fchlüpft wieder zurüc und fängt bald darauf an, unter der eröffneten Nühre eine neue zu graben. Un fie Hervorzulocden, legt man ihr auch wohl eine Beterjilienwurzel, ihre Lieblingsjpeije, bor die Offnung. Beim Hervorfommen bläft man ihr das Lebenslicht aus. Freilich ift e3 fein edles Weidwerf, auf Nattenvieh zu jagen, diejes Wild aber immerhin einen Schuß Pulver wert.” Die Gärtner Weftfalens nehmen, wenn andere Bertilgungsporfehrungen des maßlos Fchädfichen Wühlers fehljchlagen, jtet3 zu Diefem erprobten Mittel ihre Zuflucht. Für die Gefangenschaft eignet ich Die Wajjerratte wenig. Sie ift ziemlich weichlich, verlangt deshalb qute Pflege und wird niemals ordentlich zahnı. Entiprechend ihrer Überzeugung von der Artjelbftändigkeit der nır auf dem Lande lebenden Schermaus widmen die Gebrüder Müller diejer noch eine bejondere Xebensichil- derung, aus der allerdings manches zu denfen gibt. „Die Schermaus legt ihre Baue jtet3 in trodenem Geländean, jelbjt in der Nähe oder Dicht an den Ufern der Gräben, Flüjie und Teiche, und diefe Baue münden nicht an der Ufertwvand nach dem Wajjer zu. Sie metdet überhaupt das Wafjer und den Sumpf und fehrt fic) dem trocenen, bebauten Lande mit entjchiedener Neigung zu. Wie follte auch die bis Hoch ins Gebirge fern von allen Gemwäljer hinaufgehende Schermaus ein und dasjelbe Tier. mit der vorher gejchil- derten Art fein, die fo fichtlich an das Wafjer gebunden ift und hier folonienweife, aljo ge- jellig lebt, mithin auch nach diefer Nichtung mit der größtenteils einzeln auftretenden Ver- wandten nichts gemein hat! In der Heimat unjeres Vaters befand fich ein zur Pfarrei gehöriger Felogarten in der Nähe eines Miühlgrabens, two die Schermaus zahlreich ver- treten war, aber niemals im Wafjer von den jorgfältig bemühten Beobachtern gejehen Wafjerratte. Fichtenmaus. Kurzohrige Erdmaus. 29] wurde. Endlich jtellt jich auch die Yorm der Baue bei der Schermaus mwejentlich anders dar als bei der Wafjerratte. Der Bau, in welchem das Nejt nach Art der Feld- und Haus- mäufenejter angelegt ift, bejteht unter einem ausgemworfenen ftärferen Eröhügel in einen runden Sejlel, zu dem mehrere Gänge führen.” Die Gebrüder Müller liefern auch noch eine „Beichreibung der Taggänge im Gegenjaß zu den erwähnten Hauptgängen. Da fich das Tier ftet3 an der Oberfläche hält, jo drückt e3 die Erde über ich in die Höhe, jo daß der Gang eine Wölbung nach oben erhält. Wenn num der Boden jpröde ift, jo jpringt er hier und da in Heine Riffe und zerbrödelt fish, wodurd) dann Offnungen in den Gängen ent- jtehen. Bon den Maulwurfsgängen unterjcheiden jic die Gänge der Schermaus dadurch, daß jie diel mehr als jene Hin und Her ziehen, und daß die Auswürfe von größeren Schollen begleitet find. Wenn man diefe unteriwdijchen Streifereien verfolgt, jo wird man fich bald überzeugen, daß diejelben nach dem eigentlichen Leben der Pflanzen, ihren Wurzeln ge- richtet find und ganze Fojtbare Pflanzenbeete verwilten. Kein Wunder, daß der Schermaus denn auch mit Gemwehren, Fallen und Hunden der Sirieg erklärt ift! Am erfolgreichiten bewähren jich die Echnell- und Zangenfallen, mit welchen die Maulwürfe gefangen werden.” Die durch die Untergattung Chilotus Baird aus dem nordamerifanijchen Wejten mit der Schermaus verbundene Untergattung Pitymys Mac Murtrie enthält nicht nur die ameri- faniiche Fichtenmaus, P. pinetorum Lee., jondern auch) eine europäijche, von Belgien und Sranfreich bis nach Deutjchland verbreitete Art (P. subterraneus Selys); deshalb verdient jie hier wohl Beachtung. Sie ijt ausgezeichnet Durch ihr bejonders furzes und dichtes Fell, das bei der Fichtenmaus ganz maulwurfsartig ift, Heine Augen und Ohren und einen flachen Schädel mit meift jeher Furzen Stirnbeinen. Die Fichtenmaus, die jich in den atlantifchen Staaten Nordamerifas von New Nork bis Florida verbreitet, it oben rojtbraun, unten jilbergrau und hat ein jo weiches, jeiviges Fellchen, daß man an den Maulwurf denft, zumal fie diefem auch durch ihre Kleinen - Augen und Ohren gleicht. Diefe Übereinjtimmung fommt von der gleichen Lebensweife; 1} denn die Fichtenmaus ijt jo ausjchlieglich unterivdifch wie feine andere Maus. Stone hat manche in Gängen gefangen, die er für das Werk von Maulwürfen hielt, und ist überzeugt, daß viel Schaden, den man der amerifanischen Feldmaus zufchreibt, von ihrer feiden- haarigen Verwandten verurjacht ift. se Die in Deutjchland vorfonımende Art, die Kurzohrige Erdmaus, wie jie Blafius treffend nennt, P. subterraneus Selys, oben ajchgrau mit mehr oder weniger roftfarbigent Anflug, an den Seiten heller, unten und an den Fi;en graumeiß, liefert den Beweis, daß auch bei uns noch manches Tier jo gut wie unbefannt lebt. Und doch gehört fie unbedingt zu unjerer heimijchen Cäugetierwelt; denn Blafius erhielt fie vom Niederrhein, aus Weft- jalen, Braunfchweig, dem jächjischen VBogtlande und aus Bayern, und ihm „jcheint, daß jie in Belgien, Weit und Mitteldeutfchland und Frankreich ziemlich allgemein verbreitet ift. Sie lebt, nad) de Selys, bejonders auf feuchten Wiejen, in Gemüfegärten, in der Nähe ter Slüffe und, wie ich Hinzufügen muß, nicht felten auch auf fultivierten Feldern und Berg- miejen, nährt jich in der Regel von allerhand Wurzeln und dergleichen, richtet in Gemiüje- gärten daher zumeilen große Verwültungen an und häuft Vorräte von Lebensmitteln in ihren Bauen auf. Sch Habe mich überzeugt, daß fie, wie die meijten übrigen Arten der attung, auc Würmer und Snfekten nicht verfchmäht und in der Gefangenschaft fogar fich 192 292 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. an ihresgleichen vergreift... Da jie wenig Bedürfnis Hat, die Oberfläche zu betreten, jo iorgt fie deto emjiger für unterirdische Unbejchränftheit, indem fie einen weit zahlreicher verziveigten Nöhrenbau anlegt als die nahe verwandte gewöhnliche Felomaus.“ Sn den Vorratsfammern fand Dehne im Dezember über !/, kg Wurzeln, jede Art gejondert und gereinigt: Yöwenzahn, Duede, Hainanemone, Sauerampfer, Snöllchen der. gemeinen Butterblume, einige Zwiebeln, Möhren und Vogelmilh. Die. Niederlagen waren etiva 30 em tief unter dem Najen der niedrigen Wiejen des Lößniker Grundes an- gebracht und hatten 16—21 em im Durchmejjer. Mehrere ziezadjörmige, ganz flach unter dem Rajen fortlaufende Gänge führten zu ihnen und verbanden fie. Selten vermehrt jich diefe Maus, die auch nur vier Ziten hat, jo jtarf wie ihre Ber- wandten. Sn ihren weich ausgepoliterten Nejtern findet man allerdings fünf- bis jechsmal im Jahre 3—5 Junge; aber von Diejen gehen, weil die Niederungen oft überihwemmt werden, regelmäßig viele zugrunde. Man fan die Jungen mit Nunfelrüben, Möhren, Raitinafen, Kartoffeln, Ipfeln und Kürbisförnern leicht großziehen und lange erhalten; bei Brot und Getreideförnern verhungern fie aber in wenigen Tagen. Dehne hatte ein Sunges jo gezähmt, daß er e8 in die Hand nehmen und mit jich herumtragen fonnte, obgleich er ihm nicht ganz trauen durfte, weil es zuweilen, jcheinbar unmwijjentlich, zu beigen verjuchte. Mit anderen Wühlmäufen verträgt fich diefe Art nicht. Wenn man fie mit jenen zufammen- jteckt, entiteht ein wütender Kampf, und die schwächere wird, wenn fie nicht baldigjt abgetrennt wird, der jtärferen regelmäßig unterliegen. Über die Graulemminge (Untergattung Lagurus G7og.), namentlich über die Haupt- art (L. lagurus Pall.; Eremiomys), fönnen wir glüdficherweije Ausführlicheres berichten ver- möge VBerdeutfchungen aus der ruffiichen Fachliteratur, die wir, wie jo manchen anderen wertvollen Beitrag hier, der iteten Hilfsbereitichaft Vlesfes und Büchners verdanfen. Büchner jelbit hat den Graulemming in jeinen „Säugetieren der Prjchewalfkireijen” behandelt und von Mütel abbilden lajjen: eine graugelbliche, ganz lemmingartig Furz- geichwänzte Feldmaus mit Shwarzem Aaljtrich lang über den Rüden, die auch Miller mit ihren nächiten Verwandten eben wegen des furzen Lemmingjchwanzes im CShitem vön den eigentlichen Feldmäufen getrennt halten möchte, obwohl er jonjt feine durchgehenden Unterjchiede von Diejen findet. Über die Heutige geographifche Verbreitung der Hauptart fügt Büchner (brieflidh an Hed) Hinzu: „Das Verbreitungsgebiet des Graulemmings erjtredte jich früher von Den Steppen am Mittellaufe des Uralfluffes bis an den Senifjei. Sarudny fand ihn in großer Anzahl bei Orenburg, längs der Sjafmara und auf dem Objehtieht-Syrt (Süduralgebiet) und jtellte damit feit, Daß das Berbreitungsgebiet jich in der zweiten Hälfte des vorigen Sahrhundert3 ftarf nach Norden ausgedehnt Hat. Ein noch größeres Interejje beanjprucht aber die Tatjache, daß Ddiefe Art Ende des vorigen Jahrhunderts auc) Die Wolga über- ihritten Hat und in das Tichernofjem- (Schwarzerde-) Gebiet eingedrungen ift. Der Grau- lemming fommt jet in den Goupernements Sjaratomw, Woronejch und Charkotw nicht nur überhaupt vor, jondern tritt hier ftellenweife jchon in jo folofjalen Mengen auf, daß er der Landwirtichaft beträchtlichen Schaden zufügt; namentlich haben die Winterjaaten jtark von ihm zu leiden.” Vielleicht ein Seitenftüd zur Ausbreitung der Wanderratte? Die Haupt- heimat ijt aber immer noch die Kirgifensteppe öftlicd) von Wolga und Ural bis nad) Snnerafien. Nacd) Sarudny bewohnt der Graulemming „mit Vorliebe die lehmigen, mit Artemisia r\ Ta R S ° Kurzohrige Erdmaus. Graulemming. 293 (krautige Wermutpflanze) bejtandenen Steppengebiete und dringt von hier aus auch in die Steppen der Schwarzerde ein, die mit dem büjcheligen Stipa-Grafe bewachjen find; im trodenen Sandgerölfe fommt er aber aud) vor. Wie die eigentlichen Lemminge inter- nimmt er zuweilen Wanderungen. &o feßten im Jahre 1880 große Mengen über den Fluß Or und überfchwenmten die Steppe am Af-tjube. Mit Beginn des Schneefalles hörte die Einwanderung auf; im Laufe des nächiten Winters und Sommers waren die Tier- chen aber in der Gegend jehr zahlreich und richteten am Getreide viel Schaden an. Sn Herbjt 1881 begann Die Wanderung aufs neue, und zwar in weitlicher und füdmweftlicher Nichtung. Jm Juli und Auguft 1882 erfchien der Graulemming majjenhaft in den Steppen am Unterlaufe des le (linfer Nebenfluß de3 Ural) und drang bis an das linfe Ufer des Ural vor, jedoch ohne Diejen zu überjchreiten. Jm Früh jahr 1884 fand er jich aber Ichon jehr zahlreich an der Tiehernaja Nutjchka, aljo auf der rechten Geite des Ural- Hluffes. Sie vermehrten fic) hier jtarf und zogen noch im Herbite des Sahres weiter nach Norden. Auf der Wan- derung bildeten jie weit aus- gedehnte Herden, jelten Kleine Häufchen bi3 zu vier beijam- men. Die Breite der ganzen wandernden Kolonne betrug jedenfalls zeitweije nicht we- niger al3 einen Kilometer, und nur beim Übergang über Graulemming, Lagurus lagurus Pall. 1/2 natürlicher Größe. Flüßchen jcharten fich Die Tierchen ziemlich dicht zufammen. Che jte jich entjchlojjen, über einen Fluß zu feßen, liefen jie längere Zeit am Ufer Hin und Her. Die Wanderung erfolgte frühmorgens und abends etwa drei Stunden dor Sonnenuntergang; wahrscheinlich dauerte fie auch die Nacht durch.“ Alles ganz wie bei den eigentlichen Lemmingen! Die Baue des Graulemmings find unverzweigt, furz und liegen nur wenige Zoll unter der Erdoberfläche. Am Ende des Ganges, zuweilen aber auch Schon weiter vorne, befindet jich eine fugelfürmige Höhlung, Die das eigentliche Neft enthält. Diefes ift mit Grashalmen und Artemifiajtengeln ausgefüttert und hat zwei fich gegenüberliegende Offnungen; mit Artemijiajtengeln wird auch der Gang felbjt ausgelegt und die Eingangsöffnungen verftopft. Der Graulemming wirft im Laufe eines Sommers bis fechsmal, und jeder Wurf zählt 3—7 Junge. Lieblingsnahrung find die Ziviebeln von Iris, Tulipa, Allium und Astra- galus-Samen. Animalische Koft wird nicht verfchmäht, Sarudny hat den Graulemming Heujchreden verjpeifen jehen. Sn der Gefangenschaft fraß ein Weibchen zweimal jeinen Wurf auf, und dasjelbe Tier nahm auch fehr gern Fleifch, Sowohl roh wie gefocht. Der Grau- (femming hat durch die Frühjahrsüberfchwemmungen jehr zu leiden; viele fommen darin um, obwohl fie gute Schwimmer find. Wenn Schnee gefallen ift, graben die Graufemminae 294 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Mausartide. ihre Gänge unter Diefem oberirdijch, meijt zwijchen den Didichten von Amygdalus nana und Spiraea erenata. Zahm wurden Sarudnys Gefangene nicht. Prichewalifi fand den Graulemming nur auf dem Steppenplateau des feinen Juldus im zentralen Tian Schan in einer Meereshöhe von I—10000 Fuß (über 3000 m). Er fommt dort nicht gerade häufig vor und lebt in Höhlen auf den Hochgebirgsmatten. Die Untergattung der eigentlihen Wühlmäufe im engjten Sinne, Denen Der älteite Gattungsname Microtus verblieben ift, Hat die weitejte Verbreitung über beide Erphälften und bejißt die größte Artenzahl (73 ohne die Unterarten), in die fich die Alte Welt und Nord- amerifa ungefähr zu gleichen Hälften teilen. Die Untergattung Microtus mit ihrer langen Neihe von Arten bildet den Kern der ganzen Hauptgattung Microtus im weiteren Sinne, und die übrigen Untergattungen find Hauptjächlich nach) Verjchtedenheiten in der Schädel- und Zahnbildung oder auch nach äußeren Merkmalen (Zitenzahl) abgetrennt, die jie gegen die eigentlichen Mierotus-Arten aufzumweijen haben, und die al3 Um- und Weiterbildungen aufgefaßt werden. Die Untergattung Mierotus enthält viel mehr Arten als alle übrigen Untergattungen zujammen. Hat man doch darin alle Formen bereinigt, die nicht in Die anderen bejchränfteren Untergattungen pafjen und noch nicht genügend herausgebildet find, um jelbjt den Rang von Untergattungen zu verdienen! Als durchgehende äußere Kennzeichen fünnen gelten: 6 Sohlenballen; Seitendrüjen in der Lendengegend bei den alten Männchen; 8 Zigen, 4 bruft- und 4 baudjitändig; Ohren gewöhnlich über das Fell vorragend. Außerdem ind natürlich einige Badzahnmerfmale vorhanden, auf die hier nicht eingegangen werden fan. Wir Schildern die Arten im einzelnen, ohne auf alle ihre verzivicten jyjtematijchen Beziehungen anders al3 etwa durch die Neihenfolge Rüdjicht zu nehmen. Hoc oben auf den Alpen, da, wo das übrige tieriihe Leben jchon längit aufgehört hat, wohnt eine Art der Untergattung, jeder Jahreszeit Troß bietend, ohne daran zu denfen, im Winter nach Art anderer Nager Schuß im Smnern der Erde zu fuchen: die Schneemaus, von dem modernen amerifanijchen Shitematifer Gerrit Miller zu der bejonderen Unter- gattung Chionomys erhoben. Die Schneemaus, Mierotus nivalis Martins, ift eine ziemlich große Wühlmaus von 18 cm Öejamtlänge oder 12 cm Leibes- und6,5 cm Schwanzlänge. hr Belz ijt zweifarbig, auf der Oberjeite hell bräunlichgrau, in der Mitte des Rüdens dunkler als an den ©eiten, auf der Unterjeite ziemlich Deutlich abgejeßt graumweiß. Ständige Berjchtedenheiten fommen vor. Sn der Zebensmweile lajjen jich, joviel wir mwiljen, feine Unterjchiede bemerfen. „Die Schneemaus”, jagt Blajtus, „hat unter allen Mäujen den eigentümlichiten Verbreitungs- freis. Sie gehört der Alpenfette ihrer ganzen Ausdehnung nach an. Außerdem erhielt jie Selys aus den Pyrenäen (jebt Unterart aquitanius Mil.). E3 ift mir fein Beijpiel be- fannt, daß fie in den Alpen regelmäßig unter 1000 m Meereshöhe gefunden wäre; auch bei 1300 m Scheint fie in der Regel nicht Häufig vorzufommen. Von hier aus aber findet fie jich in allen Höhen bis zu den legten Grenzpunften des Pflanzenlebens. Sn der Nähe Der Schneegrenze erjcheint jie am häufigiten, aber jogar über die Schneegrenze geht jie hinaus und bewohnt die Heinjten Pflanzeninjeln, die mit ihren fümmerlichen Alpenfräutern jpär- fich beiwachjenen Blößen auf der Südjeite der hohen Alpenjpigen, mitten zwijchen den Schneefeldern, two die warmen Sonnenftrahlen oft faum 2—3 Monate lang die wöchentlich ‚ic erneuernden Schneededen überwinden und die Erde auf wenige Schritte Hin freilegen Schneemaus. 295 fönnen. In diejer großartigen Gebirgseinjamfeit verlebt jie aber nicht bloß einen jchönen furzen Alpenfommer, jondern, unter einer unvermwüftlichen Schneedede begraben, einen 5-10 Monate langen, harten Alpenwinter; denn jie wandert nicht, obwohl fie fich im Winter Röhren unter dem Schnee anlegt, um Pflanzenmwurzeln zu juchen, wenn die ge- jammelten Vorräte nicht ausreichen. Kein anderes Säugetier begleitet die Schneemaus ausdauernd über die Welt des Lebendigen hinaus bi3 zu Diejen luftigen, jtarren Alpen- höhen; nur einzeln folgt vorübergehend al3 unerbittlicher Feind ein Wiejel oder Hermelin ihren Spuren.” Dagegen jcheint fie jelbit in ihren unmirtlichen Höhen von äußeren und inneren Schmarogern jtark geplagt zu fein. Galli-Valerio unterjuchte im Hygienijch-para- jitologifchen Snftitut der Univerjität Laufanne („Zool. Anzeiger”, 1905) eine ganze Reihe Schneemaus, Mierotus nivalis Martins. 2/3 natürlicher Größe. jolher Schmaroger, meiit neue Arten, und bejchrieb: zwei Flöhe, ein Sporentierchen (Coc- eidium arvicolae nov. spec.), einen Bandwurm, eine Milbe, deren Kolonien jich als orangegelbe Flede zivijchen den Haaren, an den Ohren und an den Hinterbeinen anhäufen, und eine Laus in den Kopfhaaren. Das Leben, das die Schneemaus in ihrer unmirtlichen, traurigearmen Heimat führt, ijt jchwer zu denken. Man weiß, daß jie Pflanzen, hauptjächlich Wurzeln und Alpenkräuter, Gras und Heu, frißt und von diefen Stoffen auch Vorräte für den Winter einjanmtelt; aber man begreift faum, daß fie an vielen Orten, wo jie lebt, noch Nahrung genug findet. An manchen Stellen tit e8 bloß eine einzige Pflanzenart, die ihr Zehrung bieten fan; an anderen Orten vermag man nicht einzufehen, wovon fie leben mag. Jm Sommer freilich leidet jie feine Not. Sie bejucht dann die Sennhütten der Kuh- und Schafalpen und najcht von allent Ehbaren, was jie in den Hütten findet, nur nicht vom Fleifche. Ihre Wohnung jchlägt fie dann bald in Erdlöchern, bald in Geröll und Gemäuer auf. Sr der Nähe ihrer Höhle jieht man jie auch bei Tage umherlaufen, und jie ift jo vertraut, daß man fie dann leicht erjchlagen oder wenigitens jchiegen fan. Gelbit bei hellem Tage geht jie in die Fallen. Erjchredt, 296 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. verichtwindet fie rafch zwijchen Felsblöden; doch dauert e3 jelten lange, bis fie wieder zum Borichein fonımt. Sn ihren Bauen findet man zernagtes Heu und Halme, oft au) Wurzeln von Bibernell, Enzian und anderen Alpenfräutein. Das Neft enthält wahrjcheinlich zweimat im Sommer 4-7 Junge: Blafius hat folche noch gegen Ende September gefunden. Kommt nun der Winter heran, fo zieht fich Die Schneemaus wohl ein wenig weiter an den Bergen herab; Doch bis in die wohnliche Tiefe gelangt fie nicht. Sie zehrt jebt von ihren gejanmtel- ten Vorräten, und wenn diefe nicht mehr ausreichen, fchürft fie fich lange Gänge in dem Schnee von Pflänzchen zu Pflänzchen, von Wurzel zu Wurzel, um fich mühjfelig genug ihr tägliches Brot zu erwerben. Hugi erbeutete fie 360) m Hoc) in einer Schuähütte am Finter- aarhorn, Die weit über das Dach hinaus eingejchneit war. Auf den Tiermarkt fommen Schneemäufe nur ausnahmsiweije einmal. m Berliner Garten Hat man jie mehrfach einige Zeit gehalten, in ihrem Benehmen aber feinen Unter- ichted gegen andere mausartige Stager beobachten Fünnen. Die Nattenföpfige Wühlmaus oder den fattenfopf, Microtus ratticeps Keys.- Bl. (Taf. „Nagetiere IX”, 5, bei ©. 249), erhielt Blaftus „zuerjt lebendig im Fahre 1840 im Norden von Rußland, in Ultjug welife an der Divina. Graf Keyjerling und ich über- zeugten uns fofort, daß fie noch unbefannt und als Urt noch nicht bejchrieben fei. Sehr auffallend war ung der rattenähnliche Kopf, der auch die Veranlaffung zu dem fpäter er- teilten Namen wurde. Wochenlang war jie unjer Stubengenojje und betrug jich während der Zeit harmlos und gutartig wie alle ihre Gattungsperiwandten. Oft war jie Tag und Nacht in Bewegung, ergab fich aber bald in ihr Schidjal, jaß abwechjelnd frejjend, mif den Borderpfoten Die Nahrung zum Munde führend, dann die Haare glättend oder zujammen- gefauert fchlafend, bis der geringite fremde Ton fie wieder aufweckte. Nachdem wir Schädel und Gebif unterjucht, waren wir von der Gelbitändigfeit der Art überzeugt. d. Baer hatte in demjelben Sommer diejelbe Art aus dem rufjiichen Lappland mitgebracht. Später ijt mir Dieje Maus aus den Djtfeepropinzen und aus Sibirien, jowohl aus dem Ural wie aus dem Altai und aus Kamtjchatfa zugejididt worden.” Neuerdings bejchränft man die Art, laut Trouejjart, auf das nordische und mittlere Diteuropa, fannn aber hier, nach Nehring, für Preußen eine Kleinere Form mit zierlicherem Schädel alö Unterart M. r. stimmingi Närg. unterjcheiven. 1892 rhielt Nehring den Nattenfopf aus der Umgegend der Stadt Branden- burg an der Havel, wo fünf oder jechs Stück während des Spätherbites in einem Gartentreib- hauje gefunden wurden und in die Hände des befannten Sammler3 Gustav Stimming famten. Nach Stimming fommen dieje Mäufe in unmittelbarer Nähe der Stadt Brandenburg vor, 3. B. in dem Stimmingjichen Garten; fie jollen gut Schwimmen und zumeilen jogar tauchen. Stimming hatte dDiefe Wühlmaus fchon nach, ihrer ganzen Lebensweije als etivas Bejonderes angejehen und berichtet fpäter noch über jie: Sie lebt hier „auf zwei Havel- injeln, gräbt unter der Wiejendede ihre Gänge, fommt bereits am Spätnachmittag ins Freie, jrißt allerlei Wurzeln und frijches Grimm. Der beite Köder find frifche Zichorienwurzeln. Sie wirst im Berlaufe ihrer Gänge Feine Hügel (ca. 20 cm Durchmefjer haltend) auf, Shwinmt vorzüglich und taucht, befonders wenn fie verfolgt wird, ganz ausgezeichnet. Shre Anzahl auf beiven Infeln ijt eine bejchräntte; denn ich habe in den Yekten fünf Jahren nur acht - Stück erbeutet.” Hiernach ähnelt Die nordische Wühlratte in ihrer Xebensweije der Wajjer- tatte (Arvicola amphibius), mit der ja M. ratticeps von Blajius in einer Gruppe (Paludicola) zujammengejtelft it. Zn Auguft 1899 Hatte Nehring fchlieglich Gelegenheit, Die nordiiche un — Nattenkopf. 297 Wühtratte „auch für die Gegend von Breitebruch im reife Soldin feftzuftellen”, und zwar durch zwei Eremplare, die fich im Magen einer dort friich erlegten und dem Präparator der Berliner Landwirtichaftlichen Hochjchule zugejchictten Waldohreule vorfanden. Und int Sabre 1904 fing Edjtein, Altums Nachfolger, an den Karpfenteichen der Eberswahder Forit- akademie nicht weniger al3 zehn Stüd Nattenföpfe in Fallen, die mit Mohrrübe gefödert waren („Naturwifj. Zeitjcht. f. Land- und Forjtwirtichaft”, 1904). Auch Rörig hat den Rattenfopf jowohl im Freileben beobachtet als in Gefangenjchaft gehalten. Er bejtätigt, „daß Arv. ratticeps die Nähe des Wajjers bevorzugt und auf feuchtem Gelände zu juchen fein wird. Nach meinen bejonders in Großbruch angeftellten Ermitte- lungen verlaufen ihre Gänge ziemlich flach unter der Erdoberfläche und dort, wo dichte Srasnarbe die Erde bedeckt, jogar auf ihr, indem Durch den Pflanzenmwuchs Hindurch Gänge gebifjen werden, die fich jtellentweife nejtartig verbreitern. Auch am füdlichen Rande des Dammes bei Eberäwalde auf der Grabenfeite fand ich zahlreiche offene, nur ftellenmeife durch herabhängende Grasplaggen und Wurzelmwerf verdedte Gänge..." Das Aufmwerfen bon Hügeln fcheint aber „nicht die Regel zu fein, da ich bei meinen wiederholten Befuchen in Großbruc) in den Monaten Mai, Dftober und Dezember jolche niemals finden fonnte. Vielleicht verhindert fie der dort gerade jehr üppige Grasmwuchs daran. Wie dieje Hügel zuftande fommen, fonnte ich an meinen gefangenen Mäujen beobachten.” Rörig hält jolche in Außerft praftiicher, nachahmensmwerter Weife. „Wenn man Mäufe längere Zeit gejund in Heinen Behältern halten will, jo ift eg am beiten, ihren Käfig mit Pretorfitüden auszufüllen, in welche jie fich mit großer Schnelligkeit eingraben. In dem Torf können die Mäufje natürlich nicht graben, jondern ihren Bau nur Durch Abbeigen Eleiner Stüdchen anlegen; dies geht aber fo jchnell vonftatten, daß z. B. in weniger als einer halben Stunde eine Maus volfftändig verjchtvunden it.” Aörig bildet den Gipsausguß eines folchen Baues ab. „Man jieht hier eine Anzahl von Röhren, von denen drei in eine nach oben gerichtete große Höhle münden. Lebtere beiteht gewijjermaßen aus drei Abjchnitten, einem unteren, . der Durch Die Vereinigung der Gänge gebildet wird, und zivei darüberliegenden Abtei- lungen, die zujammen einen Raum bon genau 900 cem (mit trodenem Sand gemejjen) biden. Man kann annehmen, daß die Mäufe ähnliche Gänge und Höhlen fich auch im Freien anlegen, und wird in den Fleinen, Maulwurfshügeln ähnlichen Haufen wahrscheinlich den Erdausmwurf diejer Höhlen zu jehen haben, die mit ihrer oberen Wandung bis dicht an Die Oberfläche reichen... Dieje Höhlen jcheinen mehr als Wohn- denn als Borratsfammern benußt zu werden; denn wenn die (Rattenfopf-) Mäufe auch bei Überfluß an Nahrung etwas davon eintragen, jo ijt doch feine Nede davon, daß fie etiwa jyitematijch Vorräte an- häufen, ‚wie ich dies 3. B. bei den unter gleichen Bedingungen gehaltenen Feldmänfen regelmäßig beobachten fan... Die Nahrung der nerdiichen Wühlmaus fcheint Hauptjächlich aus Sämereien md Wurzelmwerf fowwie aus der Rinde weicher Holzarten und aus Gräjern zu deitehen. In Großbruc, fand ich Carex-©tengel, zu fleinen, einige Zentimeter langen Stückchen zerbijjen und zu Heinen Häufchen aufgefchichtet, in den im Graswuchs verlaufenden Gängen und nejtartigen Plägen. Sn der Gefangenschaft aber verzehrten fie am liebiten Kartoffeln und Mohrrüben, die Samen der Sonnenblume und andere ölhaltige Sämereien, gaben dem Weizen vor dem Hafer den Vorzug und fragen regelmäßig von der Ninde zarter Weidenzweige einzelne Heine Stellen heraus... Das Wajjer der Mohrrüben und Kartofjeln genügt ihnen nicht; fie brauchen ftets Trinfwaffer und wären mir beinahe eingegangen, als - ich in der eriten Zeit, im Glauben, daß die Wurzeln ihren Wafjerbedarf befriedigen würden, 239 nn 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. e3 ihnen vorenthielt.” Alfo eine Ausnahme von der vielverbreiteten Bedürfnislofigfeit der Nager an Wajjer! „Snjeften verichmähten jie... Shren Nahrungsbedarf deden die nor- diichen Wühlmäufe gewöhnlich abends und in der Nacht, fommen aber auch bei Tage ge- (egentlic) aus ihrem Bau, um ein Weilchen an der ObErfläche umherzulaufen und ein paar Körner zu verzehren oder einen Schlud Wajfjer zu trinfen... Sie jcheinen an Denjelben Barajitern zu leiden wie unjere anderen einheimijchen Arten; iwenigitens fand ich in der Leber die mehrere Zentimeter lange Sinne der (Bandiwurmart) Taenia crassicollis.” Mojitjovics berichtet im „ZTierleben der öjterreich-ungarischen Tiefebenen”: „Nach No- tizen des verewigten Kujtos am früheren Zoologiijchen Hoffabinett in Wien, WU. dv. Belzeln,, it höchit auffallenderweije M. ratticeps, die nordiiche Wühlratte, in Fiichamend in Nieder- öjterreich nachgeiiejen worden”, und endlich hat 1908 dv. Mehely für das Budapeiter Wationalmujeum „zahlreiche Bälge und Schädel durch Karl Kunkt ausdem Komitat Boziony erhalten”. Laut Kunft it diefe Art in der Gegend von jalloföz-Somorja ziemlich Häufig, viel häufiger alS die Wafjerratte. Sie wählt ihre Standorte in der Nähe des Wafjers, hält jih am liebjten im Nöhricht auf, baut unter Rohrabfällen ujw. auf der Erde ein voll fommen rundes Reit und jchrwimmt ebenjo vorzüglich wie die Wajjerratte. Im fofjilen Zuftande ift M. ratticeps in zahfreichen diluvialen Ablagerungen Mittel- europas fejtgeitellt worden, jo 3. B. von Nehring bei Thiede unweit Braunjchweig, in mehreren oberfränfiichen Höhlen, am Schweizerbid bei Schaffhaujen ufw.; man Darf jie aljo dort, wo fie in unjeren Breiten noch zuweilen beobachtet wird, als jogenanntes „NRelift” aus der Glazialperiode betrachten. Der Rattenkopf ift ein llberbleibjel aus der Eiszeit und jomit wieder einer von den feinen Nagern, die Schlüfjje auf die frühere flima- tiiche Bejchaffenheit unjeres Vaterlandes erlauben. Sn Sibirien, und zwar vom Ob bis zum Onon, vom Altaigebirge bis ins Almurgebiet, tritt neben und zwijchen Verwandten eine Wühlmaus auf, die Wurzelmaus, Microtus oeconomus Pall., die jich zunäcdit an den Nattenfopf anjchlieft. Sie tjt etiva jo grof, aber ein wenig fangjehiwänziger al3 unjere Yeldmaus, 14,5 cm lang, wovon 4,5 cm auf den Schwanz fommen, oben hell gelblichgrau, unten grau, der Schwanz oben braun, unten weiß. Bon der Feldmaus unterjcheidet jie ich auch durch den fürzeren Kopf, die Fleineren Augen und die furzen, im Pelze falt veritedten Ohren. Vallas und Steller Haben uns anziehende Schilderungen von dem Leben Diejes Tieres hinterlafjen. Die Wurzelmaus findet jich in Ebenen, oft in großer Menge, und wird bon den armen Einwohnern jener traurig=öden Gegenden geradezu als Wohltäterin be- trachtet; denn jie arbeitet hier zum Beiten des Menjchen, anjtatt ihm zu jchaden. Unter dem Najen macht jte jich lange Gänge, die zu einem in geringer Tiefe liegenden, großen, runden, mit einigen jehr geräumigen Borratsfammern in Verbindung stehenden Neite von 30 em Durchmejjer führen. Diejes ift mit allerhand Pflanzenftoffen weich ausgefüttert und dient der Maus zum Lager wie zum Wochenbette; die Borratöfammern aber füllt jie mit allerhand Wurzeln an. „Man vermag faum zu begreifen”, jagt Pallas, „wie ein Paar jo Heiner Tiere eine jo große Menge Wurzeln aus dem zähen Najen Hervorgraben und zu= jammentragen fünnen. Oft findet mar S—10 Pfund in einer Kammer und manchmal deren 3—4 in einem Baue. Die Mäufe holen jich ihre Borräte oft aus weiten Entfernungen, Iharren Grübchen in den Rajen, reißen die Wurzeln heraus, reinigen fie auf der Stelle und ziehen jie auf jehr ausgetretenen, förmlich gebahnten Wegen rüdlirtgs nad) dem Neite Wurzelmaus. Erdbmaus. 299 Gewöhnlich nehmen jie den Gemeinen Wiejenfnopf, den Sinollenfnöterich, den Betäubenden Kälberfropf und den Sturmdhut. Lebterer gilt ihnen, wie die Tungufen jagen, als Feitgericht; jie beraujchen fich damit. Alle Wurzeln werden forgfältig gereinigt, in fingerlange Stücde zerbiljen und aufgehäuft. Nirgends wird das Gewerbe diejer Tiere dem Menfchen jo nüßlich wie in Daurien und in anderen Gegenden des öjtlichen Sibiriens. Die heidnijchen Völfer, die feinen Acerbau haben, heben die Schäße im Herbjte, wenn die Vorratsfammern gefüllt jind, mit einer Schaufel aus, lejen die betäubenden weißen Wurzeln aus und behalten die jchwarzen des Wiejenfnopfes, die jie nicht bloß als Speije, jondern auch als Tee gebrauchen. Die armjeligen Landjajjen haben an diejen den Mäujen abgenommenen Borräten oft den ganzen Winter zu ejjen; was übrigbleibt, wühlen die wilden Schweine aus, und wenn ihnen dabei eine Maus in die Duere fommt, wird dieje natürlich auch mit verzehrt.” Merkvürdig ijt die große Wanderluft dDiejer und anderer verwandter Wühlmäuje. Zum Kımmmer der Eingeborenen machen jie jich in manchen Frühjahren auf und ziehen heer- weije nach Weften, immer geraden Weges fort, über die Flüffe und auch über die Berge weg. Taujende ertrinfen und werden von Fiichen und Enten verjchlungen, andere Taufende bon Bobeln und Füchjen gefrejjen, welche Dieje Züge begleiten. Nach der Ankunft am andern Ufer eines Flujjes, den jie Durchichwammen, liegen fie oft zu großen Haufen ermattet am Strande, um auszuruhen. Dann jegen jie ihre Neije mit friichen Kräften fort. Ein Zug währt manchmal zwei Stunden in einem fort. So wandern fie bi3 in die Gegend von PBenjchina, wenden jich dann jüdlich und fommen Mitte Juli am Ochota an. Nach Kamtjchatfa fommen jie gewöhnlich im Dftober zurüd, und nun haben jie für ihre Größe eine wahrhaft ungeheure Wanderung vollbracht. Die Kamtjchadalen prophezeien, wenn die Mäufe wandern, ein najjes - Jahr und jehen jie ungern jcheiden, begrüßen fie auch bei der Küdfehr mit Freuden. Ebenfalls zu Mierotus im engjten Sinne wird neuerdings die Erdmaus, Microtus agrestis Z. (campestris), gerechnet. Sie ijt im Körper 10—11 cm lang, mit 3—4 cm langem Schwanz. Der erjte untere Badzahıı hat auf der Kaufläche 9 Schmelzichlingen, außen 5, innen 6 Zängsleiiten, der zweite 5 Schmelzichlingen und außen und innen 3 Länggleiften, der erite und zweite obere Badzahıı 5 einfache Schmelzichlingen und außen und innen 3'Längsleiften, der dritte endlich 6 Schmelzfchlingen und außen und innen 4 Kanten; das Smijchenjcheitelbein ijt an den Seiten ziemlich rechtwinklig abgejchnitten; das Ohr tritt wenig aus dem Pelze hervor und erreicht etwas über ein Drittel der Kopflänge. Ar der Färbung erinnert die Erdmaus an die Waldwühlmaus. Der Pelz ist zweifarbig, oben dunfel Ihwärzlichhraungtau, nach den Weichen etwas heller, unten und an den Füßen graumeiß,, der Schwanz ebenjo, oben dunfelbraun und unten graumeiß. Die Erdmaus bewohnt den Norden der Alten Welt: Skandinavien, Dänemarf, Britannien, Norddeutjchland und Frankreich. In England und Schottland ift jie die ge- mwöhnlichite Art, und Lhdeffer nennt fie in jeiner Naturgejchichte einfach „Kurzihwänzige Fedmaus“, im Gegenjat zu unjerer Feldmaus (M. arvalis), die bei ihm als „Feitlands- Feldmaus“ erjcheint. Die Erdmaus lebt gewöhnlich im Gebüfch, in Wäldern, an Wald- tändern, Gräben, auf Dämmen ufw., aber nur in wafjerreichen Gegenden, manchmal mit ihren Verwandten zufammen. Blajius traf fie zuweilen auch in Gejellichaft der Wafjer- jpismaus in den Nejtern des großen Wafjerhuhns angefiedelt. Altum hebt hervor, Daß man ihre Ülberrejte bejonder3 in den Gemwöllen der Waldohreule und des Waldfauzes findet, jie aljo in lichteren jüngeren Waldteilen mit freien Pläßen und dichten Gebüfchen, nicht 800 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. aber auf dern und freien Wiejen zu fuchen hat. Ihre Nahrung nimmt fie dorzugsmweije aus dem PBflanzenreiche. Cie verzehrt Wurzeln, Ninden, Früchte, aber aud, Kerbtiere und Fleifch. In ihren Bewegungen it fie fo unbeholfen, daß man jie ohne große Mühe mit der Hand fangen Fann. Dabei ift fie gar nicht fcheu und erjcheint auch-meijtens am hellen Tage vor dem Eingang ihrer Erdhöhlen. Das runde Weit fteht dicht unter der Oberfläche der Erde, wird aber durch dichte Grasbitfchel und dergleichen von obenher ehr gefchüst. Drei- bis viermal im Sahre findet man in folchen Neftern 4—7 Zunge, die bald groß werden und von Anfang an den Alten ähneln. In der Gefangenfchaft Fann man fie leicht erhalten. Cie lebt hier auch friedlich mit anderen Artverivandten zufammen. Die Gebrüder Müller fchildern befonders die Holznagereien Der Crdmaus. „ALS Die fräftigjte unter den Hleineren Wühlmäufen nagt fie mit derben, fcharfen Bifjen bis in den Splint die Holzpflanzen an. Ihre Zahnfurchen gehen fait horizontal und in langen Zügen am Holze her; fie nagt auch eine Strede an den Stämmichen hinauf, denn fie farın troß ihrer icheinbaren Plumpheit Hettern.” Auch Rörig ftellt fie mehr als Forft-, denn als Feldjchädling dar: „Sie ift ein fehr gefährlicher Feind vieler Holzgemächfe, und e3 gibt faum eine Pflanze, welche fie nicht benagt. Kleine Stämmchen werden von ihr durchnagt, größere Dicht über dem Erdboden geringelt und auf diefe Weife auch fchließlich zum Eingehen gebracht." Die eigentlichen Feldmäufe ähneln den Erdmäufen darin, daß der erjte untere Badzahıı ebenfalls 9 Schmelzleiften auf der Kaufläche und außen 5, innen 6 Länggleiften hat, twie auch der zweite untere Badzahn feine wejentliche Abweichung zeigt, unterjcheiden jich aber durch die Bejchaffenheit des zweiten oberen Badzahnez, der nur 4 Schmelzjchlingen und außen 3, innen 2 Länggleiften hat. Das Zwifchenfcheitelbein ift am Hinterrande erhaben abgerundet, an den Geiten verfchmälert und fcharf abgefchnitten mit einer Furzen, jcjräg nach Hinten und außen gerichteten Spiße. Das für ung wichtigjte Mitglied der ganzen Untergattung ift die $eldmaus, Microtus arvalis Pall. (Taf. „Nagetiere X”, 3, bei ©. 277), ein Tierchen von 14 cm Gejamt- oder 11 em Leibes-und 3cm Schwwanzlänge. Der Velz ift undeutlich zweifarbig, auf der Oberjeite gelblic)- grau, an den Seiten heller, auf der Unterfeite [hmusig roftweißlich; die Füße find reiner wei. Mittel- und ein Teil von Nordeuropa fowie der weitliche Teil von Mittel- und Nord- afien find die Heimat diefe3 Heinen und für den menfchlichen Haushalt jo überaus be- deutfamen Gejchöpfes. Ir Europa reicht Die Feldmaus bis in die nördlichen Provinzen Rußlands, in Afien füdfich bis nach Verfien, weftlich bis jenfeit3 des Ob. In Großbritannien und Irland, auf Kland, Korfika, Sardinien und Sizilien fehlt fie gänzlich und heißt daher in der englichen Naturgejchtcehte Feftlands- Feldmaus. Sie gehört ebenfowohl der Ebene wie dem Gebirge an, obgleich fie im Flachlande häufiger auftritt. In den Alpen fteigt jie bis 2000 m über das Meer empor. Baumleere Gegenden, Felder und Wiejen, jeltener Waldränder und Waldblögen find ihre bevorzugten Wohnpläge, und nicht allein das trodene, bebaute Land, fondern auch die feuchten Sumpfniederungen müffen ihr Herberge geben. Hier Iegt fie fich in den trocdenen Bülten ihre Gänge und Nefter an; dort baut fie jic) feichte Gänge mit 4—6 verjchiedenen Eingangslöchern, Die außen durch) niedergetretene, vertiefte Wege verbunden werden. Im Herbite zieht fie fich unter Getreidehaufen zurüd oder Fommt in die Wohnungen, in Scheuern, Ställe und Keller. In den Häufern lebt jie vorzugsweife in den Kellern, nicht auf dem Boden wie die eigentlichen Mäufe. Zm Winter - Feldmaus: Standort. Wohnung. Nahrung. 301 gräbt fie fange Gänge unter dem Schnee. Wo fie fann, fammelt fie Vorräte ein, nament- fich Getreide und andere Sämereien; bei eintretendem Mangel aber wandert fie gejellig aus, gewöhnlich bloß nach einem benachbarten Felde, zumeilen aber auch jcharenmeije aus einer Gegend in die andere, und jebt Dabei über Bergrüden oder jchwimmend über breite Flüffe. Sie läuft gut, jchroimmt vortrefflich, Hettert aber wenig und unbeholfen. Da Graben verjteht fie meijterhaft. Sie wühlt fchnelfer als irgendeine andere Maus und jcheint im Höhlenbauen unermüdlich zu jein. Shrer Lebensweije nad) ift fie fait ebenjojehr Tag- als Nachttier. Man fieht fie auch während des glühendften Sonnenbrandes außerhalb ihrer Baue, objchon fie die Morgen- und Ubendzeit dem heigen Mittag vorzuziehen jcheint. Wärme und Trodenheit find für fie Lebensbedingungen; bei anhaltender Feuchtigkeit geht jie zugrunde. Troßdem jiedelt jie fich auch auf feuchten Moorwiejen an, wenn dieje ihr jonft gute Nahrung bieten, errichtet fich dann aber „ihre Wohnung über der Erde, indem jie aus weichen Heuhälmchen ein äußerft fejtiwandiges, warmes Kugelneit auf der Oberfläche det Wieje zwijchen die Gräfer baut: jehr zwedmäßige Trodenmwohnungen, die jelbit einen Regenfchauer gut auszuhalten vermögen”. So berichtet Staats von Wacquant-Geozellesaus dem Heger Bruche bei Dsnabrüd. „Die große Wiejenfläche ijt zum weitaus größten Teile mit jauern Gräjern beitanden, und da jich unter diejen verjchiedene Arten befinden, welche ziemlich viele mehlhaltige Samen tragen, und da ferner verjchiedene der Dort wachjenden Pflanzen mehlige, nahrhafte Wurzeln haben, jo fühlten ich Dort auch die Feldmäufe heimisch und wohl.” Die oberirdischen „Kugelnejter famen nicht etiva vereinzelt vor, fondern geradezu in Menge und jchienen auch während des ganzen YJuhres jo angelegt worden zu fein, da ich eine größere Anzahl fand, Die durch die Senje zerjtört worden waren. Bon einzelnen der Keiter führten gut ausgetretene Gänge zu den Weide- (Nahrungs-) Pläben... „Anders verhielt jich die Sache in diefem Jahre (1893): ich fand Dubende auf dem Erdboden gebauter Halmnejter; aber der Grund zu diefen Bauten war durchaus nicht Teuchtigfeit, jondern Die diesjährige einzig dDajtehende Trodenheit. Die Dürre und Hibe war der Vermehrung der Feldmäufe natürlich jehr günftig; ... und fomit mußte der junge Nahmwuchs fort und fort die elterliche Wohnung verlaffen... Doch fait unüberwindliche Schwierigkeiten jtellten ji) den um eine Wohnung verlegenen jungen Tieren entgegen; der jteinharte Boden im Weizenfelde war zu fchiwer zu bearbeiten für die zarten, im Graben noc) wenig geübten Pfoten der jungen Nager. Sie probierten hier, probierten da... Doc) manche angefangene Röhre mußte aufgegeben werden... So famen recht viele Mäufe auf den Gedanken, ihre Nejter überirdifch anzulegen... Hier und da tagte ein Teil des vor- jährigen Düngers etwas aus der Erde hervor, oder ein folches Häufchen Mift lag oben auf dem Eroboden: jchnell wurde ein Zoch hineingearbeitet und ein hübjches Kugelneit darin oder darunter aus Halmblättchen angefertigt. Andere Nefter jtanden unter dichten Diftel- blättern oder unter dem jtellenmweife Heuer jehr üppigen Geranfe der AUderwinde.” (St. vb. Wacquant-Geozelles, „Anpafjungsvermögen der Feldmaus“, „Zool. Garten“, 1894.) Alle möglichen Pflanzenitoffe find die Nahrung der Feldmaus. Wenn fie Sämereien hat, wählt jie nur Ddieje, jonjt begnügt fie ich auch mit frifhen Gräfern und Kräutern, mit Wurzeln und Blättern, mit lee jorie Früchten und Beeren. Bucheln und Nüffe, Getreide- förner, Rüben und Kartoffeln werden arg von ihr heimgejucht. Wenn das Getreide zu reifen beginnt, janımelt jie jich in Scharen’ auf den Feldern, beißt die Halme unten ab, bis fie jallen, nagt fie dann oben durch und fchleppt die Ähren in ihre Baue. Während der Ernte jolgt fie den Schnittern auf dem Fuße von den Winter- zu den Sommerfeldern nad), frißt 302 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. die ausgefallenen Körner ziwijchen den Stoppeln auf und trägt noch die beim Binden der Sarben verlorenen Ühren zufammen. Sr den Wäldern jchleppt fie die abgefallenen Hage- butten und Wacholderbeeren, Bucheln, Eicheln und Nüfje nac) ihrem Baue. Während der rauheiten Jahreszeit verfällt fie in einen unterbrochenen Winterfchlaf; bei gelinder Witte- rung erwacht fie wieder und zehrt dann von ihren Vorräten. Gie ift unglaublich gefräßig und bedarf jehr viel, um ich zu fättigen, Fann auch das Wafjer nicht entbehren. Sn hohem Grade gejellig, lebt die Feldmaus ziemlich einträchtig mit ihresgleichen, mindeitens paarweije zufammen, häufiger aber in großen Scharen, und deshalb jieht man Bau an Bau gereiht. Ihre Vermehrung tft außerordentlich jtarf. Schon im April findet man in ihren warmen Neftern, Die in Der Regel 40—60 cm tief unter dem Boden liegen und mit zerbiffenem Grafe, fein zernagten Halmen oder auch mit Moos weich ausgefleidet jind, 4—8 Junge, und im Verlaufe der warmen Jahreszeit wirst ein Weibchen noch vier- bis jechsmal. Höchit wahrjcheintich find die Jungen des eriten Wıltfes im Herbite jchon wieder fortpflan- zungsfähig, und jomit Täßt fich die zumetlen jtattfindende erftaunliche Vermehrung erklären. „Unter günftigen Umständen“, jagt Blafius, „vermehren fich die Feldmäuje im un- glaublicher Weije. E3 find viele Beijpiele befannt, daß durch ihre übermäßige Bermehruna auf weite Länderitreden hin ein großer Teil der Ernte vernichtet wurde und mehr als - taujend Morgen junge Buchenfchonungen durch Abnagen der Ninde zerjtört worden jind. er jolche mäufereiche Jahre nicht erlebt hat, vermag jich jchwerlich eine Borjtellung von dem faft unheimlichen, buntbeweglichen Treiben der Mäufe in Feld und Wald zu machen. Dit erjcheinen fie in einer bejtimmten Gegend, ohne daß man einen allmählichen Zumachs hätte wahrnehmen fönnent, wie plöglich aus Der Erde gezaubert. Es it möglich, daß fie auch itellentveije plößlich eintwandern. Aber gewöhnlich it ihre jehr große Vermehrung an der Zunahme der Mäufebuffarde Schon wochenlang voraus zu vermuten. m den zwanziger Jahren (des vorigen Jahrhunderts) trat am Niederrhein wiederholt diefe Landplage ein. Der Boden auf den Feldern war ftellentweife jo dircchlöchert, daß man faum einen Fuß auf die Exde ftelfen fonnte, ohne eine Mäuferöhre zu berühren, und zwifchen diefen Offnungen waren zahlloje Wege tief ausgetreten. Auch am hellen Tage wimmelte e3 von Mäujen, tvelche frei und ungeftört umherliefen. Näherte man jich ihnen, fo famen fie zu 6—10 auf einmal vor einem und demfelben Loche an, um Hineinzufchlüpfen, und verrammelten ein- ander unfreitillig ihre Zugänge. &3 war nicht jchtwer, bei dDiefem Zufammendrängen an den Nöhren ein halbes Dubend mit einem Stodjchlage zu erlegen. Alle fchienen Fräftig und gejund, Doch meijtens ziemlich Klein, indem es großenteils Junge fein mochten. Drei Wochen jpäter bejuchte ich Diejelben Punkte. Die Unzahlder Mäufe hatte noch zugenommen, aber die Tiere waren offenbar in Franfhaften Zuftande. Viele Hatten jchorfige Stellen oder Gejchwüre, oft über den ganzen Körper, und auch bei ganz undverjehrten war Die Haut jo loder und zerreißbar, daß man Jie nicht derb anfafjen durfte, ohne fie zu zerjtören. ls ich vier Wochen fpäter zum drittenmal dieje Gegenden bejuchte, war jede Spur von Mäufen verichwunden. Doch machten die leeren Gänge und Wohnungen einen noch viel unheims- ficheren Eindrud als die früher fo lebendig bewegten. Viele mochten an einer verheerenden Seuche umgefonmen fein, viele ihresgleichen aufgefreijer haben, wie fie es auch in der Öefangenjchaft tun; aber man fprach auc) von unzählbaren Scharen, die am hellen Tage an verichiedenen Punkten über den Ahein gejchwommen jeien. Doch hatte man nirgends in der weiten Umgegend einen ungewöhnlichen Zuwachs gejehen; fie fehienen im Gegen- teil. überall gleichzeitig verfchwunden zu fein, ohne irgendwo mwieder aufzutauchen. Die TFeldmaus: Vermehrung. Wanderung. Forftjchaden. 303 Natur mußte in ihrer übermäßigen Entwicelung auch gleichzeitig ein Werkzeug zu ihrer Vernichtung gejchaffen haben. Die Witterung, ein jchöner, twarmer Spätjommer, jchien fie bis zum legten Augenblide begünftigt zu haben.“ Um für die Mafjeı der Mäufe, die manchmal in gewiljen Gegenden auftreten, Zahlen zu geben, will ich bemerfen, daß in dem einzigen Bezirfe von Zabern im Jahre 1822 binnen 14 Tagen 1570000, im Streisamte Nidda 590327 und im Streisamte Bugbach 271941 Stücd Feldmäufe gefangen worden find. „sm Herbite des Jahres 1856”, jagt Lenz, „gab e3 jo viele Mäufe, daß in einem Umfreije von vier Stunden zwijchen Erfurt und Gotha ettwa 12000 Ader Land umgepflügt werden mußten... Auf einem großen Gute bei Breslau wurden binnen 7 Wochen 200000 Stüd gefangen und an die Breslauer Düngerfabrif ab- geliefert, die Damals fürs Dubend einen Pfennig bezahlte. Einzelne Mäujefänger fonnten der Fabrik täglich 1400— 1500 Stüd Tiefern.” Sm Sommer des Jahres 1861 wurden in der Gegend von Alsheim in Rheinhefien 409523 Mäufe eingefangen und abgeliefert. m gleichen Sahre niftete ich laut Bericht Mar Schmidts, des damaligen Leiters, auch im Frankfurter Boologiichen Garten die Feldmaus fcharenweife ein, jo daß an einem Tage oft 60 Stüc gefangen wurden. Das Jahr 1861 war offenbar ein Mäufejahr, in dem die Felodmäufe der - Frankfurter Gegend infolge ungewöhnlicher Vermehrung bis an die Stadt heranrüdten. Sn den Sahren 1872 und 1873 war es nicht anders. Falt aus allen Teilen unjers Vaterlandes erichollen Klagen über Mäufjenot. E3 war eine Plage, der befannten ägyptijchen vergleichbar: GSelbit in dem Dürren Sande der Mark zählte man auf einzelnen Feldjtüden Taujende von Feldmäufjen; in dem fetten Aderlande Niederjachjens, Thüringens, Hejjens hauften fie jurcht- bar. Halbe Ernten wurden vernichtet, Hunderttaufende von Morgen umgepflügt, viele Tau- jende von Mark für Bertilgungsmittel ausgegeben. Sn landwirtichaftlichen Vereinen mie in Minifterien erwog man Mittel und Wege, der Plage zu fteuern, aber damals noch) vergeblich. Ausgeiprochene Wanderungen der Feldmäuje jind ebenfalls beobachtet. In Mäufe- jahren tritt, obwohl nicht eben häufig, plöglich unter ihnen der Wandertrieb auf. Sie ver- lajien jcharenweije die Gegend, nad) einer Richtung ziehend, wobei fie jogar breite Ströme nicht jcheuen, um jchließlich [purlos zu verjchwinden. ©&o jchwammen 1819 Mäufe jcharen- weije bei Kojthein durch den Main, 1822 bei Oppenheim durch den Nhein. Mitte Mai 1873 lief folgende hierhergehörige Mitteilung durch die Zeitungen: „Eine höchit jeltfame Erjchei- nung wurde Diejer Tage im Felde bei Saltenmoor an der nach Norden abfallenden Seite des Gehölzes beobachtet. Anjcheinend bewegte jich eine riefige graue Schlange, von einem im Verhältnis zu ihrer Länge jehr dünnen Umfange, dem Gehölze zu. Bei näherem Hinzu- treten aber merkte man, daß die Erfcheinung durch ein ganzes Heer dicht Hintereinanderher laufender Felomäufje gebildet wurde, welche jich erjt dann jcheu zeigten und ihre Ordnung verließen, al3 man ganz nahe heranlief und mit Steinen dazwijchen warf, worauf jich Die Majjen in wildeiter Flucht auflöften und fich im Gehölze verloren.” gumeilen überfällt die Feldmaus aud Waldungen. So berichtet Altum: „Von den angrenzenden Feldern zieht fie jich jehr gern in ven Wald, wenn diejer dem Felde ähn- lich, d. h. wenn er mit Gras und Kräutern bewachjen und nicht gejchlofjen, jondern räumig oder lüdig ijt.” Wo dies nicht der Fall ift, „Hat der Forjtmann von diejer Wühlmaus nichts zu fürchten”: die Feldmaus „fordert ausgedehntes Terrain. Weite zujammenhängende Gras-, Getreide-, Krautflächen find ihr die liebiten. Solche aber ftellen fich in den Be jtänden des Foritmannes zuweilen faft plöglich, und zwar nad) ftarfem Raupenfraße, ein. Nach Halbfah- oder gar Kahlfraf ... wird einerjeits der Boden durch) den mafjenhaften _ 304 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. = Naupenfot jtarf gedüngt, und anderjeitS die Kronenpartie derart gelichtet, daß jich gar bald ein üppig wuchernder Bodenüberzug bildet, wenn der Boden überhaupt für Kraut- und Graswuchs empfänglich ift. Im der Nähe der Felder jind alsdann die Beitandesper- jüngungen, namentlich die Buchenfulturen, durch Einwandern der Feldmäuje ernitlich be- droht.” Ihre Beichädigungsweile an den Holzpflanzen, ihr Sraß jelbit Hat jo viel Charafte- rijtisches, Daß e3 nicht jchwer Hält, ihn ftet3 richtig anzufprechen. Die Feldmaus „it ein ichlechter Kletterer, ihr ganzes Zeben verbringt fie am oder im Boden... Diefer allbefannten Tatjahhe entjprechend ift ihr Aindenfraß am Holze tief, am Wurzelfnoten, jo weit der Gras- wuchs den Stamm umgibt. Gern fchält fie ferner die bei der Buche häufig vorfommenden niedrigen, flacd) am Boden Hinftreichenden, von Gras und Kraut verdedten, zumeilen halb von Moofen umgebenen Äfte... Bon fenfrecht aufitrebenden Wüchjen hält fie jch fern. Da die älteren Pflanzen in ihrem unteren Stammteile bereits für jie zu borfige Kinde haben, jo vergreift fie fich vorwiegend nur an ganz fchwachen, bi8 etiwa finger- over daumen- itarfenı Materiale... Die Schnittflächen bilden feine Ebene, jondern jind, wenn e3 jich nicht um jehr junge Pflanzen handelt, ftumpf- oder fpitfegelföürmig oder federpojenförmig. Man erfennt jofort, daß die Feldmaus das Holz von der Peripherie allmählich nach innen din durchjchneidet. Sogar am fchwächiten Material läßt jich der Fra — unrein, höderig, mehr unjicher — unterjcheiden... Der oberirdiiche Nindenfraß ijt noch leichter von jedem anderen zu unterjcheiden. Außer der Rinde wird nämlich aud) der Splint, bei jchwächerem Materiale am jtärfiten angegriffen. Diejer Angriff aber bildet in der Kegel zahlioje Heine Sledchen, die Durch freigelegte Baltpartien unterbrochen werden.” Altum jingt unter den „natürlichen Gegenmitteln” gegen die Feldinausplage zunächjt den vierfüßigen und gefiederten Feldmausfeinden überzeugtes Lob: neben Fuchs und Her- melin, gewöhnlichem und Rauhfußbuffard gariz befonders dem Fleinen Wiejel und den Eulen. „Das jchlangenartige Wiejel, nicht Dider als eine erwachjene Feldmaus, vermag deren NAöhren zu pajjieren und jo Dieje feine beliebtejte Beute in den geheimjten Schlupfwinfeln zu erreichen... Unter den Vögeln nehmen unftreitig die Eulen die erite Stelle ein... Maı findet im Durchichnitt in jedem Gewölle des Waldfauzes 1,3 Schädel der gemeinen Yeld- maus und in jedem der Waldohreufe 1,6 derjelben.” Auch „der Storch fanıı, two er fich, gejchart, vor feiner Abreije längere Zeit auf mäufereichen Feldern aufhält, Großartiges leiten. Seine großen Gemölle, nur aus Mäufehaaren bejtehend, bebesten in überrajchender Menge den Boden unter jeinen Nachtitandbäumen. Aucd, Naben, Krähen, der Turmfalf und Große Würger leijten ettva3 gegen die Feldmäufe.” Dagegen vertreten die Gebrüder Miller aufs entjchiedenfte die Anjchauung, „Daß die völlige Schonung aller Feinde unjerer Mäufe nicht ausreichen winde, Mäufejahre zu verhüten, noch weniger während lekterer der ungeheuren Anzahl der verheerenden Nager mwejentlichen Abbruch zu tun“. Und man möchte ihnen Necht geben, wenn fie fortfahren: „In Normaljahren greifen diefe Nüslichen viel mejentlicher in den Haushalt der Natur ein; aber was find fie imftande, gegen Un- zählige zu leilten? Der Magen üt in außergewöhnlichen Zeiten eben nicht größer als in ge- mwöhnlichen... Der Nuten unferer mäufefeindlichen Raubtiere ift unter allen Umjtänden - zu jchägen; aber man hat ihn, namentlich in dem lebten Jahrzehnt (1870— 80), in der- jelben Weije überjchägt, wie man dies in Hinficht der Snjeftenfrejfer unter den Vögeln getan.” — Mojitjovics fügt den Feldmauspertilgern aus der ungarijchen Tiefebene noch den Rurpurreiher und den Grauen Fijchreiher Hinzu, „Man hat Graue Reiher erlegt, die 19—12 Mäuje im Kropfe Hatten.” Feldmaus: Schaden. Feinde. Strankheiten. Bekämpfung. 305 Auch in anderer Beziehung nehmen die Gebrüder Müller einen eigenen Standpunft ein. „So ganz ohne Nuten jedoch für den Aderbau jcheinen Die Mäuje nicht zu fein; denn die unterirdijchen Gänge lodern den Boden und erleichtern den Zutritt der Feuchtigkeit.” Das zeitweife Überhandnehmen der Feldmäufe it ohne Zweifel ein natürliches, d. h. ohne Verjchulden des Hulturmenfchen, nur vermöge natürlicher Witterung und anderer Umftände eintretende3 Ereignis, genau wie die Lemmingmwanderungen, die ja von völlig menjchenleeren Gebirgseinöden herabjtrömen. Uber ebenjo zweifellos ijt e8, daß der Uder- bau diefe Vermehrung noch ganz bejonders begünftigt, weil er Nahrung in Hülle und Fülle ichafft. Um fo froher begrüßen wir bei der Mäufeplage den natürlichen Verlauf der Dinge, dal; jede Störung im Gleichgewichte der Natur Gegengemichte erzeugt, die den gewöhnlichen Zuftand wieder herjtellen. So entjtehen in Mäujejahren alsbald anjtedende Sranfheiten unter den Nagermaffen und räumen fürchterlich unter ihnen auf. ALS jolche nennt jchon Der alte pommerjche Ornitholog und Tierfenner Eugen dv. Homeyer („Yool. Garten“, 1876) die „Schwanzräude”, die fich durch Ausjchwisen eines Febrigen Stoffes aus dem Schwanze und nach dem Rüden zu, Ausfallen der Haare äußert und nach jeiner Meinung auch die Urfache des jogenannten Rattenfönigs it. Ein Schmaroger der Feldmaus mag hier einjchaltend erwähnt'werden, den der nicht ganz genau Eingeweihte nur von großen Huftieren, unjerem Bieh und Wilde, fennt: auch die Feldmaus hat ihre Dafjelfliege. Schon 1863 fing Hering eine Feldmaus, „Die am Bauche Dafjelbeulen mit je einer Dftridenlarve hatte”. 3 war die Oestromyia satyrus des Wiener Spezialforichers Brauer. ’ Den Gedanken, mittels fünftlicher Erzeugung einer anjtedenden Krankheit unter den Seldmäufen über diefe Herr zu werden, hat zuexjt der Greifswalder Forjcher Löffler mit Glück verwirklicht in feinem befannten Mäufetyphusbazillus, für den andere Tiere und der Menjch nicht empfänglich find: eine fehr wejentliche Bedingung! — Und er hat mit diefem Mäufebazillus, dejjen Neinfulturen in Brot den Tieren beigebracht werden, 1892 eine große Feldmausplage in der griechijchen Provinz Theijalten erfolgreich befämpft. Jr anderen Füllen joll ihm diefer Erfolg allerdings nicht ganz treu geblieben fein; doch mag dies an mangelhaften Material gelegen haben. Sedenfalls führt Nörig auch in feiner neuen „Tier- welt und Landwirtjchaft” (1906) den Löfflerichen Mäufetyphusbazillus und das Schwefel- fohlenftoffverfahren al3 die beiden mwichtigiten Befämpfungsmethoden des Mäufejchadens auf. Das Schwefelfohlenjtoffverfahren hat gegenüber dem Mäufebazillus den großen Vor- zug der Bequemlichkeit in der Anwendung und der jofortigen Wirkung; e8 ijt dagegen nicht unerheblich teurer. ES bejteht darin, daß der Schwefelfohlenitoff, eine Hellgelbliche Flüffigkeit bon dDurchdringendem Geruch und jehr großer Flüchtigfeit, aus einer dazu geeigneten Kanne in die Mäufelöcher eingegojjen wird. Da jein Siedepunft bereits bei 461,° C liegt, jo ver- flüchtigt er jich außerordentlich leicht. Das jo entitandene Gas ijt jchiwerer als die Luft und jinkt daher zu Boden, jo daß die unteren Quftfchichten mehr davon enthalten al3 Die oberen. Werden jolhe Luftmifchungen eingeatmet, jo erfolgt in Furzer Zeit der Tod, nach- dem Bewußtjeinsjtörungen vorangegangen find. Sehr einleuchtend ijt der Rat Nörigs, die Bekämpfung der Nagetiere auf dem Felde in der gleichen Weife in den Betriebsplan aufzunehmen wie jede andere regelmäßig wieder- fehrende Arbeit. Wenn man 3. B. dafür Sorge trägt, da& nach Dem Abernten jedes Schlage3 jofort ein Mann mit der Schwefelfohlenftofffanne das Feldjtüd abgeht und alle vorhandenen Mäufelöcher, mögen diejelben jo jpärlich jeit, wie jie wollen, in der vorjchriftsmäßigen Brehm, Tierleben. 4. Aufl. XI. Band. 20 306 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. Weife behandelt, und wenn Dabei auch den Rainen und benachbarten Böjchungen die gleiche Aufmerfjamfeit gejchenft wird, dann ift das Entjtehen einer Mäufefalamität vollitändig ausgejchlojjen, weil dieje Shädlichen Nager dann niemals Gelegenheit haben, an irgendeiner unbeachteten Stelle fich in nennenswerter und fpäter für uns verhängnispoll werdender Veije zu vermehren. Wenn wir wollen, find wir alfo dank unjerer Wijjenjchaft Heute ge- wappnet gegen eine Kraftäußerung der Natur, die unfere Altvordern als Fügung des Himmels ohnmächtig über fich ergehen Yafjen mußten. „Ungeziefer” pflegt man nicht aus Liebhaberei in Gefangenjchaft zu halten, und jo it auch über Gefangenleben der Feldmaus faum etwas zu berichten. Nur in einem alten Sahrgang (1873) der Zeitjchrift „Der Zoologifche Garten” Iejen wir nach) Erfahrungen von Koch und Kein (Frankfurt a. M.), daß eine bei Wiesbaden gefangene Feldmaus „Ichon nach 24 Stunden aus der Hand fraß und nach zeitweifer Wanderung im Zimmer wieder zum Hädfellager im Käftchen zurüdfehrte...! Sie wırrde mit Äpfelicheiben und Milch gefüttert. Um feßtere in dem vorgehaltenen Teelöffel erreichen zu fünnen, jtellte jich unfere Maus auf die Hinterbeine-und erfaßte mit den Borderfüßen den Nand des Löffels. Nach jeder Mahlzeit wurde mit den beiden Vorderfüßen eine gründliche Reinigung des Bartes und Maules vorgenommen, genau jo, wie dies alle Nager zu tun pflegen... Die Maus Tief aus einem Zimmer ins andere und ftöberte neugierig, Doch ohne Scheu, überall umher... Wenn jie gegen Abend noch einmal ihre Behaufung verließ, konnte ich ficher jein, Daß ich fie am anderen Morgen wieder darin fand.“ Go ftelft fich der Heine Feldjchädling als ein recht angenehmer Zimmergenofje dar. sm Kaufajus fonnte Satunin während einer Reife im Herbit 1896, welche zur Unter- juchung der Berheerungen Durch Feldmäufe in Transfaufafien gemacht wurde, nachweijen, daß die gewöhnliche Feldmaus (M. arvalis) und eine andere rein tranzfaufafifche Art (M. socialis Pall.) ich gegenjeitig ausjchliegen. M. socialis bewohnt Die niedrigen Gegenden und geht nicht Höher als 3000 Fuß; dann beginnt die Verbreitung von M. arvalıs, welche bis über 8000 Fuß vorkommt (‚„‚Mus. Caucas.“, 1899). „M. socialis hat ihren Namen (die Gejellige) mit Recht erhalten, da fie niemals einzeln, fondern ftets in Gejellichaften zufanmen- lebt, welche zumeilen jehr groß find. Periodiich vermehrt fie fich zu ungeheurer Menge, und dann wird fie zu einer wahren Plage für die transfaufajische Landwirtfchaft. Die Baue diejer Feldmaus jind gar nicht tief angelegt, nicht mehr als 20 cm unter der Erdoberfläche, und beitehen aus einem ganzen SHitem von Gängen, welche größtenteils noch oberflächlicher liegen, und einer zentralen Kammer, in welcher das fugelförmige, unordentlich aus Stroh und trodenem Gtaje gebaute Net angelegt ift. Außer diefem Nejt, wo die Jungen aufgezogen werden, gibt e$ noch Kammern für Vorräte von verjchiedenen Körnerfrüchten. Bei ver- änderlichem Wetter mit vielem Negen werden dieje Borräte häufig naf und verderben, und dann trifft die Feldmäufe eine Hungersnot, während Der jie jogar trodenen Mift nicht ver- jhmähen. Die unter ihnen entitehenden Epivemien vernichten zumeilen die Feldmäufe an einem Drte ganz und gar, und da, wo der Boden völlig Durchlöchert war, fan man ein Jahr darauf mit alfer Anftrengung auch nicht ein Exemplar mehr finden.” („Säugetiere Talyjch und Muganiteppe”, 1905.) Eine neue, von Gatunin bejchriebene, nordfaufafiiche Feldmausart (M. parvus Sat.), „welche dem M. socialis am nächjten fteht”, unterfcheidet fich von diefem „vor allem dadurch, daß fie bedeutend Feiner ift als die übrigen ruffischen Vertreter der Gat- tung; bejonders fein find die Männchen”. („Säugetiere Steppen nordöftl. Kaufafus“, 1901.) Transkaufajiihe Feldmaus. Pennipylvaniihe Feldmaus. 307 Weitere jelbjtändige Arten, auf die wir hier nicht eingehen fünnen, verbreiten jich über Ajien in Gemeinjchaft mit den Angehörigen der Untergattung Alticola. Wir gehen Daher zu den nordamerifanischen Formen über, die eine noch ungleich längere Neihe von nicht weniger al3 57 Arten und Unterarten aufzumeifen haben. Südamerika und Afrifa bejigen feine Yeldmäufe. Die befannteite und Moichtigjte Art, von der wohl die meiiten anderen abgejpalten worden find, it die Benniylvanifche Feldmaus, Microtus pennsylvanicus Ord, tie ihre Gattungsgenofjen in der Heimat auch Wiejenmaus (Meadow-Mouse) genannt. Dieje Wiejenmäufe haben den modernen amerifanijchen Shjtematifern lange Zeit ein reiches Tätigfeitsfeld geboten, bis alle die verjchievdenen geographiichen Formen von Nordmerifo und dem Golf bis zu den entlegenen Injeln des Beringmeeres bejchrieben waren (Bayley, „Revision of american Voles of the genus Microtus‘“, „North Americ. Fauna“, Wr. 17). DasTier hat, nad) Stone und Cram, den diden, gedrungenen Körper, die kurzen Beine und die jehr furzen Ohren der echten Feldmaus, gleicht ihr auch ungefähr in Körpergröße und Schwanzlänge. Das Fell ift oben dunkelbraun mit gleihmäßiger Beimifchung jchwarzer Haare und geht nach unten allmählich in Grau über. Doch ändert die Farbe der Oberjeite ‚ganz beträchtlich ab: e3 gibt chwärzliche Stüde, lohfarben getönte, und gelegentlich fommen auch ganz Fajtanienbraune vor mit nur jehr wenig Schwarzen Haaren. Wuch die Bauchfarbe mwechjelt bis zu matt Notgelb. s Die eigentliche Wiejenmaus verbreitet jich von Südfanada bis Nordcarolina, mweitlich bi3 an den Rand der großen Ebenen, und jpielt dort Diejelbe Aolle wie bei uns die Feld- maus. &3 it vollfommen richtig, daß jie Wiejen den dürren Feldern borzieht; daran mag die bejondere Trodenheit des nordamerifanijchen Sommers jchuld fein. Mit Ausnahme der Ihlimmiten Dürre find aber, in den Neuenglanditaaten wenigjtens, auch die trodeniten und jandigiten Felder das ganze Jahr von Wiejenmäufen bewohnt, und in den Zeiten reich- lichen Regenfalles find Dieje auf den Feldern jicher jo zahlreich twie auf den Wiejen. Jm Sommer bejuchen jie regelmäßig die Getreidefelder twie richtige Feldmäufe. Ir den Mais- feldern richten jie Unheil genug an, indem jte ihre runden Neiter von ausgeitreiften Hüljen mitten in den Garben machen und fich auf Kojten des Landwirts. mäjten, bis jie im Herbjt beim Einernten herausgeworfen werden. Obwohl viele Wiejenmäufe auf trodenen, hochgelegenen Feldern und Viehmweiden leben, hat die Art doch eine entjchiedene Vorliebe für das Waffer und feuchte Ortlichfeiten. Die an den Flußufern leben, werden fat zu Wafjertieren und nehmen, verfolgt, ihre Zuflucht zum Wajfer. Stone hat jie jogar oft im jeichten Wafjer unter dem Eije Schwimmen und im Sommer zwijchen dem Hechtfraut und Schilf herumpaddeln jeden. Er jah fie auch tauchen und eine furze Strede unter Wafjer ichwimmen; beim Auzitieg beivies das Fell aber nach einigem Schütteln itets, daß es für Derariiges geeignet ijt: e3 war jo troden und flaumig wie immer. Manchmal empfängt die Maus aber bei ihrer Flucht ins Wafjer dort ein anderer Feind: der Hecht padt jie von unten. Wiejenmäufe jind jogar Häufig in den Salzfümpfen an der Seefüfte, nicht nur an Deren . Grenze, wo Sumpf und Wald jich begegnen, und an den Rändern der Sanddünen, jondern jehr wohl auch auf den flachen, grajigen Streden und an den Ufern der Galztümpel, die täglich mit jeder Flut vom Ozean überjhiwemmt werden. Wie fie e3 anftellen, zu diejen Zeiten der Flut zu entgehen, weiß man nicht. Natürlich werden dann viele umfommen; aber darauf find die feinen Nager mit ihrer Mafjenvermehrung jchon eingerichtet. Immerhin 20* 308 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. glaubt Stone, dat die Mäufe im folchen Fällen fich jelten unvorbereitet treffen lajjerr wer- den: er hat viel Zeit an den überjchwenmmten Marfjchen zugebracht, aber höchitens einmal eine einzelne Maus jchwimmend ihr Leben retten jehen. Ihre Wechjel machen fich die Mäufe, inden jie das furze, jteife Sumpfgras unten dicht an der Wurzel abbeißen und jo einen Pfad von 2—3 cm Breite freilegen. Das dicht wachjende Gras neigt fich bald von beiden Seiten über und bildet einen Schiem gegen die räuberijchen Augen der Habichte. Das abgebijjene Gras auf den Pfaden verjchwindet volfftändig, jeden- falls weil es die Mäufe auffrejjen. Die freien Stellen zwijchen den Fuchg- und Schwarz- grasitengelt wimmeln von braunen Sandhüpfern und verichiedenem anderen jalzliebenden Getier, und Diejes möchte Stone für das Locmittel halten, das die Wiejenmäufe von den höheren Lagen herunterzieht: winzige Schaltiere und andere Heine Wafjerbrut frejjen jie auch. Ebenjogern lajjen jich die Wiejenmäufe aber in Obitjtüden und Gärten nieder, wenn das Gelände nicht zu fauber gehalten wird und die Kaben nicht zu pflichteiftig Jind, auch unmittelbar um die Häufer herum, namentlich wo Holzjtöße jind, unter denen fie Schuß finden fünnen. Arm Wafjer muß jedes gejtrandete Stüd Treibholz und jedes herabgefallene Zaunbrett al3 Dach dienen für ihre gewundenen Gänge, und Häufig machen jie jogar ihr Reit aus trodenem Graje an jolchen Stellen. Sie graben aber auch einfache Baue don faum einem Fuß Tiefe, an deren Grunde das Weit liegt. Die Jungen lernen bald, Dieje fait jenfrechten Schächte eniporzuflettern, und man jieht je oft ihre Stumpfnajen heraus- itreden, um jich die Welt draußen zu bejehen. Zn Winter liegen die Nejter auf der Erdober- fläche unter dem Schnee, und die Gänge führen von da nac) allen Richtungen durch Das nieder- gedrückte Gras. Stone fand in dieien Nejtern ganz früh im Februar jchon Junge. Die Gänge unter dem Schnee werden fortwährend ausgedehnt, jo daß die Mäufe in verhältnismäßiger Sicherheit umheritreifen und die Stoppeln nad) Grasjamen und zarten Schößlingen abjuchen fünnen. Durch zahlreiche „Torwege” fünnen jie an die freie Zuft gelangen, und daß jte nachts tatjächlich oft draußen Freuz und quer im Schnee herumlaufen, verraten die hinter- fafjenen Fußjpuren auf dem weißen Untergrunde. Nicht jelten jieht man jie aber auch im Winterjonnenjchein zwijchen dem Straut- und Strauchwerf, das vom Schnee unbededt ge- blieben ijt. In itrengen Wintern greifen jie viel die Rinde der Objtbäume und Büjche an. Dhne jo beweglich zu fein wie andere Mäufe, haben die Wiejenmäufe dafür gelernt, zu jtehen und zu fämpfen; natürlich find ihre Ausfichten aber nicht Diejelben, als wenn Die großen Waldınurmeltiere jich auf jolche Weije verteidigen. Stein regelrechter Mausjäger zögert, fie zu greifen; unerfahrene junge Haben und ohne Zweifel auch andere junge Tiere von gleichem Appetit werden aber beim erjten Verjuch oft tüchtig gebijjen, bis fie eine bejjere Angriffsweije finden. Wenig Tiere werden jo unabläjlig verfolgt wie die Wiejenmaus. Solange die warme Jahreszeit dauert, muß jie fortwährend auf der Hut fein vor Der Sumpfweihe und den Sperber, die fleißig das Grasland abjuchen in den Gegenden, 10 die Mäuje noch ihre Neiter bauen fünnen. Auch die Strähen find erpicht auf Die Mausjagd, die jie zu Fuße ausüben, befonders im Spätjommter, nachdem das Gras gejchnitten it; jte jind aber natürlich nicht fo erfolgreich wie die Naubvögel. Wenn der Winter herannabt, rüjten Dieje Feinde zum Wegzug, aber ihre Pläte werden gewöhnlich von verjchiedenen Eulenarten mehr als ausgefüllt. Mit Ausnahme des großen Uhus und der Schnee-Eule leben Ddieje Zivielichtvögel geradezu von Mäufjen; Kaninchen, Eichhörnchen und Vögel, Die jte fangen, find nur Nebeneinkünfte und wahrjcheinlich unerwartete Glücjchläge in der tat- jächlich endlojen Mäufejagd. Sobald dann die Wiejenmäuje merklich an Zahl abnehmen, Brewers Strandmaus. Nötelmaus. 309 oder der Schnee für erfolgreiche Jagd zu tief wird, jegen diefe Maufer aus Nordland jich twieder in Bewegung, bejjere Jagdgründe zu fuchen. Die vierfüßigen Jäger, die Füchle, Sagen und Wiejel der verjchiedenen Arten, find zu aller Jahreszeiten da, und wenn es viel Wiejenmäuje gibt, jagen fie dieje anhaltend; wenn nicht, gehen fie auf andere Beute. Aus einem bejonderen Gejichtspunft interejjiert Brewers Strandmaus von der zum Staate Mafjachujett3 gehörigen Musfegetinjel, Mierotus breweri Baird; fie ift größer als die Wiejenmaus, mit gröberem Haar, oben bla graugelblichbraun, unten graumeii; mit einem Stich ins Nötliche. Stone und Cram erklären dieje merkwürdige blajfe Maus, die urjprünglich bon demjelben Stamme herfommt wie die Dunkle Wiejenmaus des Feitlandes, für einen fchlagenden Beweis von der Einwirfung der Umgebung auf die Artbidung. Nicht nur, daß fie ihre Farbe gewechjelt hat: auch ihre Gemohnheiten und ganze Lebensmweije ind Veränderungen unterlegen. Der jandige Boden der Snjel, auf der jie lebt, macht Erd- höhlen unmöglich, außer vielleicht im Winter, und die Mäufje verbringen alfo den größeren Teil des Jahres der vollen Gewalt der Elentente ausgejeßt; ihr einziger Schuß find Stüde bon Treibholz; und Schhiffstriimmer. Wo jie häufig find, Durchfreuzt ein Labyrinth von wohlausgetretenen Pfaden den Sand nad) allen Richtungen; auf diefen Pfaden laufen jie, wenn fie verfolgt werden. Die einzigen Nöhren, die vorfommen, find kurz und offenbar nur zu dem Zmwede gegraben, um zu den weichen Teilen des Strandgrajes (Ammophila) zu gelangen, von dem die Mäufe leben. Shre überall verjtreuten Nejter oder Lager machen jie jich oben offen und groß genug, ein Tier aufzunehmen. Am Herbjt legen die Mäufe Wintervorräte von den weichen Stengeln des Strandgrajes an; dieje werden im Sande bergtaben, immer ungefähr eine englijche Mebe ar einer Stelle. Die Waldwühlmäuje gelten heute als jelbitändige Gattung (Evotomys Coues), die jich von den eigentlichen Wühlmäufen dadurch unterjcheidet, daß Der zweite untere Badzahın 3 geteilte Schmelzjchlingen, außen 3 und innen 2 Länggleijten hat, und daß das Smwijchenjcheitelbein am Hinterrande flach abgerundet, jederjeitS aber in eine lange Spibe verjchmälert it. Auch jchließt fich die in der Jugend offene Zahnmwurzel mit zunehmen- dem Alter fait gänzlich. Unjere Waldwühlmaus oder Rötelmaus, Evotomys hereynicus Mehl. (glareolus; Taf. „Nagetiere X, 4, bei ©. 277), von 10 cm Leibes- und 4,5 cm Schwanzlänge, ift zweifarbig, oben braumtot, nach den Weichen Hin graulich, unten und an den Füßen jcharf abgejegt weiß. Die Wadwühlmaus findet fich gewöhnlich in Laubwälhern und an Waldrändern, ebenjo in Gebüjchen und parfähnlichen Gärten. Man fennt fie auch aus Ungarn, Kroatien, der Mobdau und Rupland. Ihre Nahrung nimmt fie mehr aus dem Tier- al aus dem Planzenreiche, verzehrt vor allem Kerbtiere und Würmer, mag im Freien ein oder das andere Bögelchen wegnehmen und läßt jich im Käfig Fleifchnahrung behagen, verjchmäht jedoch auch Getreide, Sämereien und fnollige Wurzeln nicht und geht im Winter mit Vor- liebe die Rinde junger Bäume an. Wenn jie in einem Walde häufig auftritt, fanın jte durch Benagen der Rinde von Pflänzlingen unfäglichen Schaden anrichten und große Streden junger Schonungen vollftändig verwülten. Vom Walde aus geht fie zwar jelter weit, be- jucht aber Doch manchmal benachbarte Felder und tut hier danı ebenjoviel Schaden wie andere ihrer Jamilie. Einzeln jieht man fie in den Wäldern auch bei Tage umherlaufen, 310 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. die Hauptmafje erjcheint jedoch erjt gegen Abend. Weniger behende al3 andere Mäufe, läuft jie dann mit ihren Artgenojjen umher, jpielt und balgt ji) wohl ein wenig oder flettert mit Gejchidlichkeit an Baumjtämmen bis zu ziemlich bedeutenden Höhen hinauf, da= bei der Nahrung nachgehend. Drei= bis viermal im Jahre wirft das Weibchen 4—8 nadte und blinde Junge, die in ungefähr 6 Wochen jchon die Größe der Alten erreicht haben. Das Neit jteht, jehr verjtect, in den meijten Fällen über dem Boden, in dichten Büjchen, it mit wenig Kunit, jedoch immerhin noch dicht gebaut und beiteht äußerlich aus gröberen Holzfajern, Grashalmen und dergleichen Stoffen, innerlich aus denjelben Bejtandteilen, nur daß dieje hier forgfältiger gewählt, feiner und weicher find. Der befannte Münjteraner Zoologe Landois „hatte zweimal Gelegenheit, das Nejt diefer Maus aufzufinden... Das eine fand jich im Frühling beim Abräumen vieler nebeneinanderjtehender Bohnenjtangen. Es war fugelig und beitand rings herum aus gröberem Material, inwendig mit feinen Fäjerchen jeht weich ausgepolitert. Das andere wurde in einem Gartenhäuschen entdedt. Ein alter Sad (Kaffeejad), der benußt werden jollte, enthielt ebenfalls ein Ffugeliges Neit von etwa 12 cm Durchmefjer. Die alte Maus hatte das Material, woraus der Sad verfertigt, zer- frejjen, zerzauft und zu Dem Nejte geformt. Jr demjelben fanden jich drei völlig behaarte, jedoch noch blinde Junge. E3 jtimmt hiermit die Angabe anderer Zoologen, welche die Frucht- barfeit Diefer Art eben nicht hoch, etwa auf zwölf Zunge jährlich, mutmaßlich anjchlagen“. („gool. Garten“, 1871.) — Der moderne englijche Naturjchilderer und Berfajjer der Kleinen „aturbücher”, Douglas Englifh, legte einmal ein unterirdisches Gejellichaftsneit der Wald- wühlmaus mit Borratsfammern bloß, das in einem Objtgarten nicht weit von einem eben- jolhen der langjchwänzigen Waldmaus (Mus sylvaticus) und genau in derjelben Weije angelegt war. Mehrere Eingänge ziwijchen Wurzelwerf führten in einen etiwa 40 cm tief gelegenen Doppeltaum: Schlafzimmer und Vorratsfammer, wie English jagt. Die Kolonie beitand aus fünf erwachjenen Mäufen und der Vorrat aus 93 ganz dicht aufeinander ge- padten Hajelrüjjen, die fich al volljtändig unverjehrt und jehr mohlichmedend erwiejen, aljo mit Verjtändnis ausgejucht waren. („Nature Books“, Nr. 1.) „Der forjtlich wichtige Fraß der Nötelmaus”, wie Altum die Wadwühlmaus nach ihrer brauntoten Rüdenfärbung nennt, „charafterijiert jich in mehrfacher Hinfiht. Zunädjit jcheint fie nur oberirdijch, aber bis weit hinauf, etwa bis 1 oder gar 4 m Höhe das Schälen der Rinde vorzunehmen. Sie benagt ferner nur die Rinde und greift nicht in den Splint ein. Die bejchädigten Hölzer jcheinen vielmehr entweder wie mit einem Mejjer bis auf den Splint glatt abgejchabt zu jein, oder e3 haften auf demjelben als mehr oder weniger dicht jtehende Fledchen Keine Baftinjeln. Sm. lebteren Falle jind die einzelnen Zahnzüge oft jehr deutlich zu jeden, und zwar als jehr feine und unter jpigem Winkel linf3 und rechts ichräg nach oben verlaufende Bijje: Endlich geht jie nur an wenige Holzarten und trifft in diejer Hinjicht eine merfwürdige Auswahl. Nur an einer einzigen wird jie erheblich forit- Ihädlich, nämlich an der Lärche.” Altum führt ferner noch) an, auf Grund zahlreicher Zu- ihriften und jorgfältiger Erfundigungen: Weißtanne (während Fichte und Kiefer gänzlich berichont blieben); Faulbaum, weniger Aipen, äußerjt jelten Salweide; Stechpalme, Die in den Wäldern bei Münjter fehr häufig ift. Der Hauptfeind der Waldwühlmaus ift naturgemäß der Waldfauz; außerdem jtellen ihr Zu, Jltis und Hermelin, Bufjard, Rabe und Krähe nach. Doch entgeht fie durch ihren Aufenthalt im Geftrüpp vielen Feinden. Eine gefangene Waldwühlmaus ift ein niedliches Gejchöpf. Sie dauert leicht im Käfig Nötelmaus. Notrüdenmaus. Falide Lemmingmaus. sll aus, wird bald recht zahm, Täßt ich in die Hand nehmen und berühren, beißt aber doch ab und zu einmal ihren Wärter in die Finger. Mit anderen ihrer Art oder mit Verwandten verträgt jie fich vortrefflich. Trouefjart führt in der Hauptgattung Evotomys (zwei Untergattungen: Evotomys und Craseomys) 37 Arten und Unterarten auf, die jich über das nördlichere Europa, Ajien und Amerika verbreiten, hier aber nicht näher berüdjichtigt werden fünnen. Nur der amerikanischen NRotrüdenmaus, E. gapperi Vig., wollen wir, nach Stone und Cram, eine furze Schilderung widmen. Gie ijt ein fleinerer Vetter der Wiejen- maus, ähnlich im Bau, aber mit längerem Schwanz und immer gefennzeichnet durch ihre fajtanienbraune Farbe. Eine Unterart (E. g. ochraceus Mil.) it das häufigjte Säugetier auf dem Hochgebirgs- gipfel des Mount Wafhington; jie fommt dort im jeder Umgebung vor, ziwijchen den Feljen, im Mooje und unter den Ziwvergmweiden. Eine andere Unterart (E. g. rhoadsi Stone) aus dem jüdlichen New Serjey ijt eine ausjchließliche Bewohnerin der Falten, feuchten Torfmoore, die mit den jandigen Stiefern- beiden abwechjeln. Hier lebt jie tief unten im Torfmoos, teilt ihre breiten Laufgänge mit der Wiejenmaus, Lemmingmaus und den winzigen Spibmäufen. m Winter ift das Moor häufig bi8 mehrere Zoll unter die Oberfläche feitgefroren, und das zwingt dann die feinen Nager, von jolhem Futter zu leben, da3 jie in ihren unterivdifchen Gängen abjeit3 auf- gejtapelt haben. Daß jie oder ihre Genojjen auch Fleifch frejjen, beweifen die teilweije aufgezehrten Stüde, die die Trapper oft in ihren Fallen finden. US legte Gattung der Unterfamilie der Wühlmausartigen führen wir Phenacomys, Merriam auf, die Nordmweitlihe Wühl- oder Falihe Lemmingmaus der amerifani- jhen Naturgejhichtsichreiber. Man fennt neun Arten, alle aus dem Weften der Vereinigten Staaten. Mit ihren wirklich nächjten Verwandten, den Rotrüdenmäufen, bilden fie durch bewurzelte Badzähne Verbindungsglieder zu den folgenden Gruppen. Über das Leben weiß man auch bei der befanntejten rt, Ph. celatus Merr. (latimanus), nur wenig; doch gibt Gerrit ©. Miller an, daß fie häufig die Hochgelegenen, mit verfrüppelten Blaubeer- büjchen bewachjenen Heiden in Ontario bewohnt. Ihren Bau fand er unter einem ver- fallenen Baumjtumpf verlaufend und in einem Kejjel endend, der offenbar für das Winter- nejt bejtimmt war. Blaubeeren jchienen zu jener Jahreszeit die Hauptnahrung zu bilden. * Die nächjitfolgenden Stammgattungen Neöstoma, Sigmodon, Nesomys teihte man früher in die Unterfamilie der Hamjterartigen ein, während fie jegt mit ihren Verwandten al3 bejondere Unterfamilien gelten. Die Hamfterartigen in diefem weiteren Sinne fenn- zeichnet Weber durch „Wurzelzähne mit Höcern”, die auf den oberen Badzähnen in zwei Längsteihen geordnet jind mit einer mittleren Grube dazwijchen; oben find die äußeren, unten die inneren Höcer die höchiten, und nach Abnugung erjcheinen innere und äußere Höder an jedem Badzahır durch Querleiften verbunden. Hamjterartige folcher Umgrenzung bewohnen die ganze Erde außer Auftralien; auch die einzigen eingeborenen Nager Mada- gasfars gehören hierher, und Flower und Lydeffer jehen in der jo gefaßten Unterfamilie die urjprünglichiten Formen der ganzen großen Familie der Mausartigen, „aus denen die 312 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. mehr jpezialijterten fich entmwidelt Haben... Dieje Annahme wird durch den Umftand ge- tüßt, da Die Hamiter einer der ältejten THben der Familie find: ihre Reite jind verhältnis- mäßig gemein in den miozänen Schichten Europas und Nordamerikas.” Die Unterfamilie Neotominae mit der Hauptgattung Neotoma Say et Ord enthält die nordamerifaniichen Waldratten. Sie jchliegen fich noch am nädjiten an die Wühlmäufe an, da „ihre Zähne das prismatiiche Ausjehen derjenigen der Arvicolinae (Microtinae) nachahmen”. Cie jind etwa jo groß wie eine Wanderratte und haben entweder den ge- wöhnlichen Rattenihwanz (Untergattung Neotoma) oder einen bufchigen Eichhornjchwanz (Untergattung Teonoma); aber auch) die Rattenjchwänzigen unterjcheiden jich von den ein- gejchleppten europäijchen Katten dadurch, dat der Schwanz qut behaart ift. Die Bennjglvaniihe Waldratte, N. pennsylvanica Stone, vom Alleghany- gebirge, mit fait Förperlangem Schwanz und vorjtehenden Ohren, ift oben bleigrau mit ihtwarzer Sprenfelung und gelblihbraunem Unterton; Bauch und Füße find rein weiß. Dieje beiden Körperfarben erjcheinen, jcharf getrennt, auf der Dber- und Unterjeite des Schwanzes wieder, der jo Dicht behaart ift, daß Die Schuppen ganz verdedt werden. Die Alleghany-Walvratte bewohnt, nach) Stone und Cram, wilde, feljige Berg- abhänge, mo fie zwiichen dem Iojen Steingeröll Schuß findet oder in den Spalten und Höhlen, die dort gewöhnlich vorhanden find. Hier trägt fie fich eine Menge von Halmen, Blatt- und Rindenftüden und anderem Abfall zu einem Nejte zufammen, das jie zumeilen in regelmäßigerer, Tejjelfürmiger Gejtalt baut. Cie jcheint fi von allem zu nähren, was der Wald an pflanzlicher und tieriicher Koft bietet, und in größeren Höhlen, wo Füchje oder Rotluchje ihre Beute Hinjchleppen und verzehren, finden fich oft die Zahnjpuren der Waldratte an den Knochen, die die jtärferen Räuber übriglaffen. Obwohl ganz Ratte, fehlt ihr Doch der widrige Geruch und der abjtogende Charakter der europäijchen Natte, und ihr dichtes, weiches Fell erinnert an das Pelzwerf der Eichhörnchen. Bon der Florida-Waldratte, N. floridana Ord (Taf. „Nagetiere X“, 5, bei ©. 277), erzählt Hornadad in feiner Humoriftiihen Weije drollige Dinge. „Die wahren Gejchichten bon ihren Streichen find Faum zu glauben. Shre Hauptlebensaufgabe fcheint e3 zu fein, uns Menjchenfindern grobe Bofjen zu jpielen... Ein Paar Waldratten in Daf Lodge, Florida, welches ich ‚par renomme*‘ fannte, jchleppten zuerjt eine Menge Wajjfermelonenjamen von ebener Erde eine Treppe Hoch und veritecten jie unter einem Kopffijjen. Dann nahmen fie aus der Küche einen ERlöffel voll Gurfenfamen und. jtedten ihn in die Tajche einer Weite, die eine Treppe hoch an einem Nagel hing. Ir einer Nacht trugen fie aus einem Kaften 5 Stüd Bienenjtodheftel weg und ftedten jie in einen anderen Kaften, und in der folgenden Nacht jchleppten fie in dem erjten Kaften ungefähr zwei Quart Korn und Hafer zufammen. Die weitlichen Grenzleute und andere, die im Gebiete der Waldratte leben, wijjen unzählige Gejichichten von dem törichten, aber emfigen Gebaren Diejes merhvürdigen Gejchöpfes, das übrigens im allgemeinen ganz harmlos ift.“ Über die wichtigjte Art der Untergattung Teonoma Gray, die Bergratte, T. cinerea Ord, aus dem weitlichen Colorado, weiß der botanifche Neifende C. A. Burpus Höchit feijelnd zu berichten auf Grund eigener Beobachtungen, die auch die eigentümliche, tief in der PBennjpylvanijche Waldratte. Florida-Waldratte. Bergratte. 313 ganzen Gattung drinjtedende Sammellujt auf3 neue bejtätigen. „Die Bergratte ijt haupt- jächlich Nachttier und außerordentlich beweglich. Sie lebt hier in der Grand Meja, einem 10000 Fuß hohen Gebirgszug Weltcolorados, meijt im Geflüft der Felfen, jo namentlich der Sandfteinfelien, welche in ihren mannigfachen Aushöhlungen dem Tiere willfommene und trodene Schlupfwinfel bieten. Manchmal trifft man fie aber auch in hohlen Bäumen, in verlafjenen Gruben oder alten, unbewohnten Blocdhütten. Berohnte Gebäulichkeiten Dagegen meidet fie entiweder oder nijtet jich darin nur in Ausnahmefällen ein. Man trifft jie gewöhnlich in Höhen bon 6—8000 Fuß. Das Tier wirft 4—5 Junge in einem ziemlic) umfangreichen Nejt, welches jich manchmal auf Felsporjprüngen außerhalb feiner Höhle, häufiger jedoch im Baue jelbit befindet. Zum Bau desjelben verwendet jie den jehr zähen und gejchmeidigen Baft bon Juniperus oceidentalis var. monosperma, einer der häufigjten Koniferen der Grand Meja. Sie zerfajert denjelben jehr fein und mijcht ihn mit Haaren, namentlich mit Hajenhaaren. Die Außenjeite umgibt jie mit Zweigen derjelben Koniferen- art, ferner mit Holz, Spänen, Zumpen, überhaupt mit allen möglichen Gegenjtänden, deren fie habhaft werden fanın, und die je fortzujchleppen vermag. Das Tier hat wie die Eliter eine wahre Stehlmanie. Was es findet, wird weggejchleppt, und falls es die zu- jammengetragenen Öegenjtände nicht um das Nejt aufhäuft, füllt es damit die Felsipalten an oder trägt fie vor den Eingang feines Baues. Man findet daher da, tvo die Ratte Hauft, ein Durcheinander von Gegenjtänden, welches oft recht fomifch it. Durch ihre Stehlmanie werden dieje Tiere, falls fie fich in der Nähe von Wohnungen angefiedelt haben, jehr läjtig, da jie alle Haushaltungsgegenjtände, Kleiwungsitüde ujw., deren jie Habhaft werden fünnen, und die fie wegzutragen vermögen, vor ihre Höhle jchleppen. So habe ich jchon Mejier, Löffel, Gabeln, Strümpfe, alte Schuhe ufiv. in wirrem Durcheinander vor ihren Höhlen oder um Die Teiter gefunden. Finden fie in einer verlajjenen Hütte ein Faß oder eine Kiite, jo werden dieje Behälter bis obenan vollgefüllt. So fand ich fürzlich in einem alten Seller ‚dort jtehende Fäljer und Kijten voll aller nur möglichen Gegenjtände, fogar Feine Steine waren dabei. Das Tier lebt nur von Begetabilien, Wurzeln, Samen, Früchten, jungen Bilanzen und Hauptjächlich von den zahlreich Hier wachjenden Dpuntien. Sobald der Herbit herannaht, fängt das Tier an, die Nahrungzitoffe zufammenzufchleppen und jest Dieje in den Felsipalten und Höhlen auf. Während die Ratte die anderen Gegenjtände Durcheinander- wirft, jeßt fie die ihr zur Nahrung dienenden Dinge manchmal gejondert auf oder mijcht Knochen darumter, die jie benagt. So fand ich 3. B. in demjelben alten Keller da einen Haufen Opuntien, dort einen Haufen junger Pflanzen, an einem anderen Plage Wurzeln ujiw. Ein Hiefiger Anjiedler erzählte mir, daß er, als er eines Tages fein Vorratshaus bejuchte, wo er jeine Zwiebeln, getrodnetes Objt ujw. aufbewahrte, nicht mehr davon vorfand. Nach langem Suchen entdedte er diefe Dinge in einem jadartig von der Wand herab- hängenden Stüd Leinwand, dajelbit jede Sorte für fich, von der Bergratte aufgehäuft." * Die Unterfamilie der Schlingenzähner (Sigmodontinae, früher Hesperomyinae) it mit ihren 500 Arten, darunter nur wenigen foffilen, wieder eine jener unüberjehbaren, artenreichen Nagetiergruppen: fie muß aber in Amerifa auch die echten Mäuje der Alten Welt vertreten, die dort volljtändig fehlen. Lodeffer nennt jie in jeiner Naturgejchichte Beikfußmäufe, weil die große Mehrzahl aft Bauch und Glieder weiß gefärbt ft, und findet ihren Zahnbau im mwejentlichen jo gleichartig, daß er fie alle famt und jonders zu der 314 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Maudartige. Gattung Cricetus (Hamjter) hinzuzieht und auf die 40 Gattungen und Untergattungen der neuejten Syitematif gar nicht eingeht. Auch wir fünnen hier nur eine ganz geringe Aus- wahl der bemerfenswertejten Sormen treffen. Die äußere Erjcheinung jchwankt recht erheblich. Einige haben lange Schwänze und jehen maus oder fchlafmausartig aus, andere jind wieder hamjter- und wühlmausartig mit furzem Schwanz; eine hat auch Stacheln zwijchen den Haaten. Der trefflihe Londoner Kleinjäugerforjcher Thomas macht darauf aufmerfjam, daß im fälteren Süden Südamerikas die nördlicheren und tropifchen mau3- und jchlafmausähnlichen Formen.verjchwinden; jie machen den hamjter- und wühlmausähnlichen Plab, und in der Alten Welt it es ein mer& würdiges Gegenjtüc dazu, daß, je weiter wir nach Norden gehen, dejto weniger echte Mäuje und Schlafmäufe und dejto mehr Hamjter und Wühlmäufe vorfommen. (,Proc. Zool. Soc.“, 1884.) Die Schlingenzähner haben ihren Namen von den Schmelzjchlingen ihrer Badzähne, die zum Teil auf der Oberfläche die Form eines breiten, niedrigen S annehmen. Die Baummollratte oder der Boritige Schlingenzahn, Sigmodon hispidus Say et Ord, deren Gattung Sigmodon Say et Ord heute der ganzen Unterfamilie den Namen gibt, verbreitet jich über die Küftengebiete der Südjtaaten am Merifanifchen Golf und fällt durch ihre weitgehende Ühnlichkeit mit der oben bejchriebenen Wiefenmaus auf, von der jie allerdings ihr langer Schwanz fofort unterjcheidet.. Im übrigen hat fie aber diefelben furzen Beine, diejelben angedrücdten Ohren, deren Offnung faft ganz vom Haar bededt ift, nur ihr Fell ıjt länger, und gröber al3 bei irgendeinem anderen Mitglied der Gruppe. Selbft die Baczähne zeigen Übereinjtimmungen mit denen der Wiefenmaus. Die Farbe it oben gelblichbraun, dicht mit [hwarzen Haaren Durchjprenfelt, auf der Unterfeite weiglich. Der Schwanz ijt nur jpärlich behaart, jo daß man die Schuppen jieht. Wie die Feldmaus Des amerifanischen Nordens unterliegt die Baummolltatte großen Yarbenabänderungen, und der leichtejte Unterjchied in der Umgebung bewirkt, nach Stone und Cram, einen merflichen Unterjchied im Äußeren des Tieres. x Ihre Lieblingspläge find Heden und Gräben, brachliegende alte Felder, Dämme bon aufgegebenen NKeisplantagen und ähnliche Orte. Hier gräbt und baut fie jich ihr unter> irdiiches Weit. Nach Hornaday, der jie auch Sumpfratte nennt, ijt die Baummollratte mutig, bösartig und gefräßig. Erpicht tft fie auf Fleiich, und wenn man mehrere zujammtenjperrt, jo machen jich die jtärferen feine Gewijjensbijje, jchwächere der eigenen Art aufzufreflen. Überall, wo fie vorfommt, ift fie wegen ihrer Zerjtörungswut herzlich unbeliebt. Die befanntejte Art (Peromyscus leucopus Raf.; Taf. „Nagetiere XI”, 1) der eigent- lihen Weißfußmäufe (Peromyscus Glog.) jpielt in Nordamerika die Rolle unjerer Haus- maus, gleicht ihr auch in Größe und Erjcheinung annähernd. Doch it fie, nach) Lydekfer, noch niedlicher al3 dieje; denn fie Hat neben dem langen Schwanz, den großen Ohren und den Ihwarzen Perlaugen noch den Farbengegenjat zwijchen dem jatten Rotbraun der Oberjeite und dem fchneeigen Weiß des Bauches und der Gliedmaßen. ©o erklärt jie Hart Merriam mit Recht für einen der jchöniten und anziehenditen Bewohner der nordamertfaniichen Wälder. Unfer Tierchen tt ein gewandter Sletterer, läuft Baumftämme Hinan mit der Firigfeit eines Eichhörnchens und verfchtwindet dort oft in einem Loche hoch iiber dem Boden. Außer Küfjen und anderen Sämereien frift die Weikfußmaus Lebendes, was ihr in den Weg fommt, und was fie bewältigen fann; gelegentlich mag jie jich aljo aud) an Kleinen Vögeln Nagetiere XI. 1. Weißfußmaus, Peromyscus leucopus Raf. Nat. Gr., s. 5.314. — Aus: Stone and Cram, „American Animals“, New York 1902, 2. Kaninchenmaus, Reithrodon cuniculoides Wirh. 1/2 nat. Gr., s. S.316. — P. Kothe-Berlin phot. 3. Hamiter, Cricetus cricetus Z. 1/3 nat. Gr., s. S. 318. — K. Soffel-Schloß Paschbach, Eppan (Südtirol), phot. 4. Mähnenratte, Lophiomys smithi Rhoads. !/3 nat. Gr., s. S.331. — Aufn. aus dem National Zoological Park-New York. Baummollratte Weißfußmaus. 315 ergreifen. Stone gefällt der Name Waldınauz für je am beiten: Jmmergrüne und Hart- hölzer und Diefichte von Blaubeerbüjchen, das ift ihr Gejchmad. Doch geht jie auch ins offene Gelände hinaus, und auf den Prärien des Weitens fand fie Hornaday oft eingeniftet in den hohlen, übel duftenden Büffelgerippen, in der Hirnhöhle oder ziwijchen den Siefern der Büffelfchädel, die die Felljäger nicht abgezogen hatten. Wie viele Meilen mögen diefe Mäufe bon einem Büffelgerippe zum andern über die ebene Prärie zurücgelegt haben von ihren eigentlichen Schlupfwinfeln her! Die Dftitaaten beherbergen jie fait in allen Aderbaugegen- den. Bei Störungen trägt die Mutter ihre Jungen oft am Leibe Häitgend davon. 3—6 Stüd fommen in einem Wurfe zur Welt, und e3 erfolgen anjcheinend mehrere Würfe im Zah. Das erite Haarkleid der Jungen ijt eintönig dunkelgrau. Jr den nördlichen Verbreitungs- gebieten it das Net gerwöhnlich in einer Baum- oder Erdhöhle untergebracht und jieht dann ganz aus wie das anderer Mäufe, ein einfacher Ballen aus weichem Graje, mit Federn und Dijtelwolle ausgekleidet. Mehr im Süden baut das Tier aber ein freies Veit aus Moos, Gras, Blättern und Rinde, gewöhnlich mehr oder weniger von Kofosnußform und einent Fuß im Durchmejjer. E3 ift in der Regel an einem wagrechten Zweige in einiger Entfernung bom Boden aufgehängt und hat feinen Eingang an der Unterjeite. Nach Stone eignet jich die Waldnaus im Sommer die Neiter von Singpögeln in Büjchen und auf niedrigen Bäumen an und richtet fie fich für ihre Zwecke her, jo wie dies die Eichhörnchen mit Habichts- und Krähennejtern machen; 'dabei wartet fie gar nicht erjt, bi$ die rechtmäßigen Bewohner aus- gezogen find, fondern al3 große Liebhaberin von frijchem Fleifch ijt fie jchon oft Dabet betroffen worden, wie jie Eier und junge Vögel verzehtte. Wie die Eichhörnchen, finden auch die Waldmäufe auf der Nahrungsjuche oft einen Zugang zu den Kornböden und Bauernhöfen, zumal in harter Winterzeit; denn obwohl jie reichlich Vorräte von Nüfjen und Körnern jammeln und vielleicht auch bis zu einem gemijjen Grade Winterjchlaf halten, find doch jehr viele wach und im Gange troß allen Unmetters, juchen hier und da Futter und halten Nachlejfe, two etwa einer der größeren Räuber des Waldes einen Fleiichbijjen übriggelajjen hat, hungrig jeden Kriochen befnabbernd, dei jie finden. Auch die vertrodneten und gefrorenen Waldbeeren nehmen fie an und den Vadel- holzjamen, den die Kreuzjchnäbel und andere Bögel beim Frejjen zur Erde fallen lajjeır. Biele Waldmäufe Schlafen unzweifelhaft in Perioden, die zwijchen einigen Tagen und viel leicht mehreren Wochen jchiwanfen; doch bejchränfen fie jich wahrscheinlich öfter auf gewöhn- lichen Schlaf von geringer Dauer, wachen zwei-, dreimal am Tage auf und najchen an dent Nüffen und Körnern ihrer Borratsfammer. Geder verlajjene Waldmurmeltierbau wird zur Winterherberge für mehrere Familien Weißfußmäufe, denen noch bejjer gedient ift, wenn das Vieh den Eingang Halb zugetrampelt und Froft und Regen und jchmelzender Schnee ihr fangjameres, aber noch wirfungspolleres Werk daran getan haben. Der Reit des Baues bleibt offen und gut erhalten auf Zahre Hinaus: ein warmer, trodener Untergrundiveg jamt dem mit weichem Graje ausgepoliterten Kefjel, in dem die Mäufe jich nach Belieben zujammentollen fünnen. Die Heinen, zarten Tierchen fürchten die Kälte aber feineswegs. Sm der bitteriter Srojtnächten, wenn Far und breit die Sterne unten zwijchen den Baummipfeln zu hängen jheinen, ein eijiger Wind durch die jteifgefrorenen Zweige pfeift und trodner Schnee fich hoch um die Fichtenjtämme aufhäuft, jieht man fie roch viel Draußen von Baum zu Baum durch den Schnee hüpfen. Im Herbit liefern die Linden eine reichliche Ernte von Fleinen, runden Nüffen, die die Mäufe in großen Mengen unter die Wurzeln der Bäume jelbjt 316 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. eintragen. Bon diejen und ihren anderen Vorräten leben jie dann, indem je fich von Tag zu Tag etwas wegholen, und bringen e3 jo in der Regel fertig, fich in gutem Ernährungszuftand zu erhalten, jolange Schnee und Frojt dauern; aber jie find jtarfe Frejjer, und Deshalb wird ihre Lage jchivierig, wenn Die Borräte auf die Neige gehen. Auf alle Fälle werden fie wäh- vend der Frühjahtrsmonate mager und jchäbig, bis es wieder reichlich Sterbtiere und Beeren gibt. Die Weißfußmäuje Haben als Nachttiere am meiiten die Eulen zu fürchten, bejonders - den feinen Kauz und die Schleiereule, die fie unverjehens paden. Stone tft niemals einer Beißfugmaus im Sonnenjchein begegnet; aber bei trüben Wetter fanır man fie wohl auch am Tage einmal flüchtig jehen. Die Weihfußmäufe gehören, wie die Flughörnchen, zu den janftejten und hHarmlojeiten Tierchen; obwohl mit langen, jcharfen Zähnen bemwehrt, leijten fie jelten irgendwelchen Viderjtand, wenn man jie fängt. Stone hat von ihnen auc) niemals das Duiefen anderer Mäufe gehört; Doch haben fie einen jcharfen, jchwachen Lodton und zuzeiten einen tiefen, ichnatternden Schrei, jehr ähnlich einem jchwachen Echo des Eichhornjchnatterns. Jr Ge- fangenjchaft werden jie bald zahm und zutraulich und nehmen ohne Scheu alles Futter an, das man ihnen bietet. Der vielgereiite Hornaday erzählt jchließlich noch Selbjterlebtes von der eritaunlichen und ergöglichen Sammellujt der Weißfußmaus und ihrer Sucht, alles wegzufchleppen und zujammenzutragen, vermöge deren fie zur richtigen „Hamjtermaus” im Sinne unjeres Boltsmundes wird. „Einit holten wir uns in den Wildnijjen Montana einige alte Stümpfe ins Lager al3 Brennholz. Bein Aufjpalten fanden wir in dem einen ein hauptjächlich aus Federn gemachtes Nejt mit fünf Weihfußmäufen, die jich in der Höhlung recht wohnlich eingerichtet hatten. Dicht neben das Net gepadt waren anderthalb Bints (18 Unzen) jchöner, reiner Saat, wie Nadieschenjamen ausjehend, von irgendeinem Unkraut aus der Familie der Hüljenfrüchtler. Während wir den Futtervorrat bejahen und auf einen Haufen an die Erde legten, nahe bei der Zelttür, entwijchten Die fünf Mäufe in die Salbeibiijche. Vahebei jtand ein alter Einfpännerwagen. Am nächiten Morgen, al3 der Photograph unjerer Erpedition das Boliter feines Wagenjibes füftete und den Dedel des flachen Kajtens darunter öffnete, jahen ihn Die fünf Mäufe, die Köpfe zu einer drolligen Gruppe zujammtengeitedt, überrascht und neugierig an, ohne einen Fluchtverjuch zu machen. Aber jehr bald fan an uns die Reihe der-Überrafchung. Wir fanden, dat die emfigen Dinger jeden Teil ihres keites und jedes Korn ihres Winterborrat3 aufgepadt und alles in den Sibfaiten des Wagens gejchleppt Hatten. Das Neit war forgfältig twiederhergeftellt, und die Sämereien lagen daneben wie vorher. Wenn man bedenkt, wieviel Wege dazu gehörten, um all das auf der Erde Hin zum Wagen zu tragen und damit den ©ib zu erklettern, jo ijt die Emjigfeit und Behendigfeit zum Staunen. Berjuchsiweife nahmen wir das Neit wieder weg, und wäh- rend die Mäufe ich nochmals in das Salbeigebüjch verzogen, jammelten wir das ganze Gejäme und jchütteten e3 auf einen Haufen an Die Erde wie vorher. Sr der folgenden Nacht holten die unermüdlichen Tierchen Nejt und Gejäme zurüd unter den Wagenjit genau wie vorher. Nun lajen wir die ganze Mausfamilie auf jamt Nejt und Gejäme und nahmen alles mit nach New Mork.” Nein füdamerifanijch, jogar aufden Süden dort, Argentinien und Batagonien, bejchränkt it die Gattung Reithrodon Werh. Nach ihrem Faninchenartigen Äußeren fönnte man fie deutjch treffend Kanincdhenmaus nennen, worauf ja auch der wiljenjchaftliche Artname Weiffußmaus Kaninhenmaus Fifchratte. AJnjelmauz. 817 (R. eunieuloides Wtrh.; Taf. „Nagetiere X1”, 2, bei ©. 315) hindeutet. Ein Stüd, das vor Sahren einmal im Berliner Garten lebte, jah tatjächlich aus wie ein eben dem Neite entlaufe- nes Jungfaninchen: jehr furzer Kopf mit Hoch gejchwungenem Profil, jehr großen Augen und ziemlich große, rundliche Ohren. Dazu fonımt allerdings ein halbförperlanger Schwanz! Steichjalls füdamerifantjch it die ausgeprägte Wajjerform der Gruppe, die mander- tattengtoße Fijchratte (Ichthyomys 7’hos.), mit der Hauptart I. stolzmanni T’hos., die von Thomas 1893 aus dem Innern Perus bejchrieben wurde. Er beginnt die Bejchreibung der neuen Gattung mit der bündigen Erflärung: „Zorm angepaßt an ein fijchfrejjendes Wafjer- (eben“, und will wohl damit jagen, daß hier jchon in der ganzen Störperaejtaltung die bei Nagern Häufige Neigung fich ausjpricht, ihre natürliche pflanzliche Nahrung zu verschmähen und zur Fleijchkoft überzugehen. Der Kopf it auffällig plattgedrüdt, jo daß er von der Seite ausjieht wie ein Schlangenfopf. Augen und Ohren jind Fein, die Schnurrhaare lang, itarf und weit abjtehend, das Fell furz und dicht. Die Hinterfüße find jehr breit und fächer- fürmig, die Zehen zwar nur zum Teil, von der Wurzel Her durch Schwimmhäute verbunden, in der Vorderhälfte aber dafür jeitlich breit und Dicht betvimpert. Der Schwanz ift lang, drehrund, aber in jeiner jenfrechten Fläche verjtärft Durch verlängerten Borjtenbejab auf der Unterfeite. Im einzelnen finden fich am Schädel ganz erftaunfiche Ahntichkeiten mit der auftraliichen Schwimmratte (Hydromys), die ebenfalls ein Wajjerleben führt. Die oberen Schnewezähne jind einmwärts jo gegeneinander gedreht, daß jie einen nach vorn offenen Winfel bilden und ihr Schmelzbelag augenjcheinlich von der äußeren Ede nach der Berüh- rungsfläche beider Zähne hin an Dide abnimmt; jo nuben jie jich in jchiefer, nach der Mittel- linie des Kopfes aufiteigender Richtung ab, und die äußeren Zahneden jtehen nach unten vor: alles „von offenbarem Nuben beim Greifen der Fijche”, jagt Thomas. Es handelt jich hier um eine Unpafjung „nicht nur an ein Wafjerleben”, fährt er fort, „wie jte viele Nager zeigen, jondern wirklich an ein räuberisches Fijchfrejfertum, Das in der Ordnung der Nager ganz einzig dafteht. Dieje Tatjache ijt glücklich außer Frage geitellt Durch den Mageninhalt des bon mir unterfuchten perudianischen Stüdes an Fiichjchuppen und Gräten, die mein Kollege Boulenger als jolche von Tetragonopterus alosa Gthr., einem Fijch mit einer dDurchjchnitt- lichen Länge von ungefähr 6 Zoll (15 cm), beitimmt Hat.” ax Die Mausartigen Madagasfarz bilden eine bejondere Unterfamilie (Nesomyinae). Sonit bejitt dieje Snel feine eingeborenen Nager; fie it ja befanntlich ein jelbjtändiges feines Feitland mit eigener Tierwelt. 1870 entdedte der Berliner Syitematifer Peters die Gattung Nesomys, die er mitihrer Urbejchreibung der „GejellfchaftNaturforjchender Freunde” borlegte. Er jagt von Diejer Snjelmaus (= Nesomys), daß jie im Zahnbau fich am nächiten den Schlingenzähnern (Sigmodon) anjchließt und jo ein neues Beijpiel von der geoaraphiic jo merkwürdigen Berwandtichaft der Fauna von Madagaskar mit der von Amerika liefert. Die einzige Urt, N. rufus Pirs., hat die Größe der Wanderratte, verhältnismäßig lange Ohren und lange, weiche Körperbehaarung mit glatten, jeidenartig glänzenden Haarjpiken. Der Schwanz ijt grob geringelt und bortig behaart; die Krallen Hinten Doppelt jo groß tie born, der Daumenjtummel trägt einen abgerundeten Nagel. Die Farbe ijt dDunfel rojtbraun mit Braungelb gemengt, am Endteil de3 Schwwanzes unten und feitlich weiß. 818 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. Außerdem fei noch der Bildjichwanz (Eliurus M.-E.) erwähnt, eine von Milne- Edwards 1885 bejchriebene Gattung Kleiner, jchlafmausähnlich ausjehender Injelmäufe, deren Schwanz am Wurzelteil bejchuppt, im übrigen aber lang behaart it. * Die nächite Unterfamilie enthält die Eigentlichen Hamjter (Cricetinae), mehr oder weniger plump gebaute, oft auch große Mäufe mit gejpaltenen Lippen, großen Baden- tajchen und drei bewurzelten, höderigen Badzähnen in jedem Kiefer. Die befannteite Gattung ijt Cricetus Zeske, deren hauptjächlichite Kennzeichen in dem plumpen, dien Leib mit dem fehr furzen, dünnhaarigen Schwanze und den furzen Olied- maßen liegen, von denen die Hinterfüße 5, die Vorderfühe 4 Zehen und 1 Daumenmwarze haben. Das Gebik beiteht aus 16 Zähnen, 2 Paar auffallend großen Nagezähnen und 3 einfachen Badzähnen, deren Höcer alle zufammen zwei Längsteihen bilden. Der leiblich recht Hübjche, geiltig aber um jo häßlichere, mürrijche, reizbare und zugleich mutvolle Hamfter, Cricetus cricetusZ. (vulgaris; Taf. „Nagetiere XI”, 3, bei ©. 315), wird ungefähr 30 cm lang, wovon auf den Schwanz etwa 5 cm fommen. Der Leib ijt unterjebt, der Hals did, der Kopf ziemlich zugejpibt; die Häutigen Ohren find mittellang, die Augen groß und hell, die Beine kurz, die Füße und Zehen zierlich, die lichten Krallen furz; der Schwanz üt fegelfürmig zugejpibt, aber etwas abgejtußt. Die dichte, glatt anliegende und etwas qlänz- zende Behaarung beiteht aus fürzeren und weichen Wollhaaren und längeren und jteiferen, auch dünner ftehenden Grannenhaaren. Gewöhnlich ijt Die Färbung des Oberfürpers ein fichtes Braungelb, Das wegen der jchwarzijpikigen Grannen ins Gräuliche jpielt. Die Ober- jeite der Schnauze und die Yugengegend jowie ein Halsband find rotbraun, ein led auf den Baden ist gelb, der Mund mweißlich, die Unterjeite, auch die Beine bis zu den Füßen herab und die Hinterbeine wenigjtens innen jowie ein Streifen über der Stirn find jchwarz, Die süße Dagegen weiß. Meiit jtehen noch gelbe Flede Hinter den Ohren und vor und Hinter den Vorderbeinen. Es gibt aber die verjchtedeniten Spielarten: mande find ganz jhivarz, andere jchivarz mit weißer Kehle, grauem Scheitel, die hellen Abänderungen blaß graugelb mit Dunfelgrauer Unterjeite und blafgelbem Schulterfled, andere oben mattfahl, unten Licht- grau, an den Schultern weißlich; auch vollitändige Weißlinge werden zumeilen gefunden. Kobelt nennt den Hamijter „einen Einwanderer aus den Steppengebieten Ajtens“, dejjen Verbreitung „noch deutlich feine Herkunft aus dem Dften erkennen läßt. Noch hat er das Rheintal nur wenig überfchritten..., aber in Belgien dringt er nad) Weiten vor und wird jest auch auf dem linfen Maasufer immer häufiger, ... der Schweiz fehlt er, natürlich auch in England und Skandinavien”. In Rukland fommt er, nach Blajtus, nicht nördlicher als bis zum 60. Breitengrade vor. Überall, wo neuerdings von ihm die Nede ift, findet man jeine Ausdehnung nac) Weiten betont: da, wo er früher fchon einmal war und feine fojjilen Neite jich finden, fommt er jebt wieder Hin. Für Frankreich legte Dies Trouefjart der Afklimatijationsgejellichaft in ihrer Situng vom 5. Februar 1906 genauer dar, indem er einleitend den Hamijter für einen „Sprößling der Tatarei” erklärt, der fich jet von Weft- jibirten bis nach Paris verbreitet. „WBor 1870 war er in der Provinz Limburg und im Eljaf vorhanden; aber er hatte die Bogejen noch nicht überjchritten. Nach Frankreich fam ex exjt im Gefolge de3 deutichen Einmarjches, Der ihy nach Weiten mitgezogen zu haben jcheint. 1874 meldet ihn M. E. Gayetin Lothringen und der Champagne. 1885 weiit ihn M. deCherville Bilhihmwanz. Hamfter: Steppentiernatur. Verbreitung. 319 in der UImgegend von Paris nach durch einige Stüde, die ihm ein Maulmurfsfänger brachte. Die Einwanderung dauert fort." Südlich der Alpen fehlt er, wie Blajius fchon angab. Nac) Muojjijovicz findet er fich aber „zeitweife in Steiermark, und zwar in der Murebene, im Neudorferfelde, unmveit von Wildon; er ift ferner in Niederöjterreich bei Larenburg, in Fiichamend und anderswo zu Haufe. In Ungarn tritt er in manchen Jahren in den großen Niederungen mafjenhaft auf... In Siebenbürgen folgt er der Ebene und geht nur jo weit in die Höhe, wie fich Der Getreidebau erjtrect. Er tft ferner, nach Fric, nicht jelten in frucht- baren Gegenden Böhmen, Er findet fich ferner in (Dfterreichifch-) Schlefien und Galizien.” Seine Verbreitung in Deutjchland ift [cher Furz und allgemein anzugeben, weil er al3 „typijcher Steppennager“, wie Rörig ihn nennt, jich nur in einer ganz bejtimmten Land- Ichaft dauernd heimisch macht. in mäßig fejter, trodener und dabei fruchtbarer Boden jcheint die Hauptbedingung für fein Wohlbefinden zu jein. Er verlangt, daß die Baue, die er gräbt, dauerhaft find, und meidet aus dDiefem Grunde alle jandigen Gegenden; aber er toilt fich auch nicht jehr anftrengen beim Graben und verjchont deshalb jehr feiten und jteinigen Boden mit feinen Anfiedelungen. „Wenngleich er das Stontinentalffima Ofteuropas bevor- zugt”, jagt Nehring, der fich der Erforfchung der Hamjfter mit bejonderer Vorliebe widmete, „jo nimmt er doch auch mit dem mehr oder weniger ozeanifchen Stlima des heutigen Deutjch- land fürlieb; aber er bewohnt hier nur folche Diftrikte, die entweder von Natur waldarın jind oder in Denen der Menjch die Wälder gelichtet und durch ausgedehnten Getreidebau jteppen- ähnliche Begetationsverhältnijje hergeitellt hat." Seine Verbreitung in Deutjchland dürfte ferner aus dem Grunde überhaupt fchwer feitzulegen fein, weil er wohl auch Heute noch ‚wandert, jich immer noch ausbreitet. Wenigitens muß er dies im vorigen Jahrhundert noc getan haben; denn Blafius jagt in jeinem 1857 erichienenen Quellenmwerf über die Säuge- tiere Deutjchlands: „Wejtlic) vom Nhein hat man ihn nur am Niederrhein aufgefunden.” Heute aber it der Hamiter längjt fchon am linken Oberrheinufer, in Aheinhejjen und der Pfalz, ganz gemein, zeitweije eine Landplage. Nach Nehring findet er jich außer den ge- nannten Gegenden im Eljaß, in einzelnen Teilen der Nheinpropinz, in einem Teile Oft- bannovers, in fait ganz Braunfchweig und in der Provinz Sacdjjen, in Anhalt, im mweitlichen Brandenburg, an einigen Orten in Meclenburg- Streliß und des angrenzenden Pommern, in Schlejien, Sachjen, Thüringen und hier und da in Bayern, Württemberg und Baden; dagegen fehlt er in Oldenburg, Bremen, Hamburg, Lübed, Weitfalen, Lippe, Schleswig- Holitein, Medlenburg- Schwerin, fat ganz Pommern, Oftbrandenburg, Pojen, Weit- und Dftpreußen. Er „it aljo”, meint Kobelt, „offenbar füdlich der Pripetfünpfe durch Galizien und Schlejien nach Deutjchland gelangt”. Sein Vorkommen in der Provinz Hannover hat Hermann Löns genau jtudiert und nach den maßgebenden Umständen Hargelegt. „Nach der eigentümlichen, engbegrenzten Verbreitung, die der Hamfter bei uns hat, ift e3 wohl als . Jiher anzunehmen, daß er einmal bei uns verjchwunden war (während der Bemwaldung nach der Steppenzeit) und von jeiner mitteldeutichen Zufluchtitätte jpäter, al3 die Xebens- bedingungen fich bei uns dadurch wieder günftiger gejtalteten, daß große Teile Hannovers infolge der Abnahme der Wälder und der Ausdehnung des Getreidebaues zu Kulturjteppen wurden, wieder einrüdte; Denn er bewohnt bei uns zivei völlig voneinander getrennte Ge- biete, nämlich einen nördlichen, zwijchen der Aller und der Wefer zu beiden Seiten der mitt- leren Leine gelegenen größeren Bezirk und einen Fleineren, füdlichen, der auf Goslar und Liebenburg bejchränkt ilt... Nur auf fehwerem Boden, im Weizenlande, ift er Häufig, und dort allein wird ihm planmäßig nachgeitellt, oft jo jeht, daß er jtellenmeije völlig 320 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. verjchtounden zu fein jcheint und fich exit nach) Jahren wieder zeigt. Auch dort, wo jich der Nübenbau auf Kojten Des Getreidebaues ausbreitet, geht der Hamjter zurüc; Denn der Nübenbau bedingt einmal eine jehr tiefe Bodenkultur, die dem rurheliebenden Einjiedler nicht behagt, und bietet ihm auch, da er fein Wurzelfrejjer tft, feine Nahrung.” Trogdem „verrückte er jeit einigen Jahren die Nordgrenze feines Verbreitungsgebietes fangjamı, aber jicher weiter nordmwärts...” Seine Baue beitehen im einfachjten Falle aus einer Wohnfammer, die in einer Tiefe bon 1—2 m liegt, mit einer jchrägen Ausgangs- und einer fenfrechten Eingangsröhre, und aus einem VBorratsraume, der mit der Wohnfammer durch Gänge in Verbindung jteht. Jeder Hamijter hat feinen eigenen Bau, und je nach Gejchlecht und Alter des Tieres werden die Baue verjchieden angelegt, die der jungen Hamfter jind die flachjten und Finzeiten, die des Beibchens bedeutend größer, Die des alten Nammlers die größten. Man erfennt den Hamjter- bau leicht an dem Erdhaufen, der vor der Ausgangstöhre hiegt und gewöhnlich mit Spreu und Hüljen bejtreut ift. Das Zalloc) geht immer jenkrecht in die Erde hinein, bisweilen jo gerade, daß man einen langen Stod hineinjteden fanıı; doch fällt e3 nicht in Die Kammer ein, jondern biegt nach unten bald in wagerechter, bald in jchtefer Richtung dorthin um. Das Schlupfloch Hingegen läuft jelten in gerader Richtung, jondern mehr gebogen der Stammer zu. Den Gängen fan man jehr leicht anjehen, ob ein Bau bewohnt ijt oder nicht. Findet jich in ihnen Moos, Schimmel oder Gras, oder jeher fie auch nur rauh aus, jo jinDd jie jicher ver- lajfen; denn jeder Hamjter hält jein Haus und jeine Haustür außerordentlic) rein und in Ordnung. Länger bewohnte Gänge werden beim Aus und Einfahren durch das Haar jo geglättet, daß ihre Wände glänzen. Außen find die Tücher etwas weiter al3 in ihrem Fort- gange; dort haben jie meiltens 5—8 cm im Durchmefjer. Unter den Kammern ijt die glatt- wandige Wohnfammer die Fleinere, auch jtets mit jehr feinem Stroh, meijtens mit den Scheiden der Halme angefüllt, Die eine weiche Unterlage bilden. Drei Gänge münden in jie ein, der eine vom Schlupf-, der andere vom Falloche und der dritte von der Vorrats- fammer fommend. Dieje ähnelt der eriten Kanımer vollitändig, ift rundlich oder eifürmig, oben getwölbt, inmwendig glatt und gegen den Herbit hin ganz mit Getreide ausgefüllt. Junge Hamiter legen bloß eine ar, die alten aber, namentlich die Rammler, die den ganzen Sommer hindurch nur einschleppen, graben fich 3—5 jolche Speicher, und hier findet man denn auc) ebenjo viele Meben Frucht. Manchmal veritopft der Hamjter den Gang vom Wohnzimmer aus zur Borratsfammer mit Erde, zuweilen füllt er ihn mit Körnern an. Dieje jind jelten ganz rein von Ährenhülfen oder Schalen. Wenn man in einem Baue die verjchiedenen Setreidearten getrennt findet, rührt dies nicht von dem Oxrdnungsjinne des Bemwohners her, jondern weil er zur betreffenden Zeit eben nur Ddiefe und danı nur jene Getreideart fand. Sm Spätherbite trägt mancher Hamiter übrigens auch Grünfutter ein. Ir dem nach dem Schlupfloche führenden Gange weitet ich oft furz dor der Kammer eine Stelle aus, two der Hamiter jeinen Mijt abzulegen pflegt. Der Nejtbau des Weibchens weicht in mancher Hin- Jicht von dem bejchriebenen ab; er hat nur ein Schlupfloch, aber 2—8 Fallöcher, obgleich von diejen, jolange die Jungen noch Hein find, gewöhnlich nur eins recht begangen wird. Das mit jehr weichem Stroh ausgefütterte Wochenbett ift rundlich, Hat ungefähr 30 em im Durch- mejjer und ijt S—13 cm hoch. Von der Nejtfanmer aus gehen zu allen Fallöchern befondere Nöhren, manchmal verbinden auch wieder Gänge Ddieje unter jich. VBorratsfammern finden jich ehr jelten im Nejtbau; denn das Weibchen trägt, jolange e3 Junge hat, nichts für fich ein. Der Hamjter it troß jeiner Scheinbaren Plumpheit ein ziemlich gewandtes Tier. Sein ee Hamfter: Bau. Bewegungen. Einne. Temperament. 321 friechender, dem des gels ziemlich ähnlicher Gang, bei Dem der Unterleib fait auf der Erde ichleppt, beiteht aus feinen Schritten. m Zorne bewegt fich der Hamfter heftiger und ver- mag dann auch ziemlich weite Sprünge und hohe Säbe auszuführen. Meifterhaft verjteht er das Graben. Wenn man ihn in ein Faß mit Erde ftect, geht er augenblicklich ans Werf. Er bricht mit den Vorderfüßen oder, wenn der Grund hart ift, mit diefen und den Zähnen Erde 103, toirft jie zuerjt unter den Bauch, holt fie dann mit den Hinterbeinen hervor und jchleudert fie Hinter fich. Kommt er in die Tiefe, jo jchtebt er, rückwärts gehend, ganze Haufen auf einmal heraus; niemals aber füllt er damit jeine Badentajchen ar, mie fälfchlich be- hauptet wurde. Jm Waffer bewegt ex fich nicht ungefchict, obwohl er es ängitlich meidet. Der Hamiter it mit feinen Borderfüßen ungemein gejchict und verjteht fie ganz wie Hänpe ‚zu benußen. Mit ihnen führt er die Nahrung zum Munde, mit ihnen hält und dreht er Die hren, die er enthülfen will, um die Körner in feinen Badentajchen aufzuipeichern, und mit ihrer Hilfe bringt er auch feinen Pelz in Ordnung. Yuerjt fommt der Kopf dran. Er legt beide Hände bis an die Ohren zurück und zieht jie nach vorwärts über das Geficht; dann nimmt er einen Haarbüfchel nach Dem andern und reibt ihn jo lange zmwijchen den Händen, bis er ihm genügend gejäubert zu jein jcheint. Die Haare der Schenfel und des Rüdens glättet er, auf den Schenfeln und dem Hinterteil jigend, mit Zunge, Zähnen und Pfoten gemeinschaftlich, wobei er legtere außerordentlich rajch von oben nach) unten bewegt; die Hauptarbeit jcheint hier aber mit der Junge zu gejchehen. Wenn der Hamjter überrajcht wird, erhebt er jich augenbliclich auf die Hinterbeine und läßt dabei die Borderbeine herab- hängen, eine Hand gewöhnlich etwas tiefer als Die andere. Co ftarıt er den Gegenitand, der ihn in Aufregung verjeßt, jcharf an, augenjcheinlich bereit, auf ihn loszufahren und bon jeinen Zähnen Gebrauch zu machen. Bei ihm als nicht fluchtgetvandtem Nager ein verjtändliches Verhalten! Die höheren Sinne des Hamjters jcheinen ziemlich gleichmäßig ausgebildet zu fein; wenigiten3 bemerft man nicht, daß der eine vor dem andern bejonder3 entmwicdelt wäre. Die geiftigen Eigenjchaften find nicht gerade geeignet, ihn zu einem Liebling des Menfchen zu machen. Der Zorn beherrfcht fein ganzes Wejen m einem Grade wie bei faum, einem andern Nager bon jo geringer Größe, Lemminge ettva ausgenommen. Bei der geringiten Urjache jtellt er fich troßig zur Wehr, fnurrt tief und Hohl im Innern, fnirfcht mit den Zähnen und Schlägt fie ungemein fchnell und heftig aufeinander. Ebenjo groß mie fein Born ist auch jein Mut. Er wehrt fich gegen jedes Tier, das ihn angreift, und fo lange, mie er fan. Alle Hunde verfolgen ihn mit großem Eifer, und e8 dauert immer einige Zeit, bis der Hamjter überwunden wird. Ungejchieten Hunden gegenüber bleibt der Hamfter jogar zumeilen Sieger. „Sobald er merkt”, jagt Sulzer, der ein ganzes Buch über ihn ge- jchrieben hat, „daß e3 ein Hund mit ihm zu tun haben till, leert er, wenn feine Baden- tajchen mit Getreide vollgejtopft find, folche erftlich aus; alsdann weht er die Zähne, indem er jie jehr gejchwind aufeinander reibt, atmet fchnell und laut, mit einem zornigen chzen, welches jich mit dem Schnarchen eines Schlafenden vergleichen läft, und bläft zugleich die Badentajchen dergeitalt auf, daß der Kopf und Hals viel dicfer auffchwellen al3 der hintere Teil des Leibes. Dabei richtet er fich auf und fpringt in diefer Stellung gegen feinen Feind in die Höhe, und mern diefer weicht, ift er Fühn genug, ihn zu verfolgen, indem er ihm wie ein Frojch nachhüpft. Der Hund mwird feiner nicht eher Meifter, als bis er ihm von hinten beifommen fann. Dann faßt er ihn jogleich bei dem Genic oder im Rüden und hüttelt ihn zu Tode." Nicht allein gegen Hunde wehrt fich der Hamfter, fondern greift auch Brehm, Tierleben. 4. Aufl. XI. Band. 21 322 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Mausartige, fühn den Menfchen an, felbjt ven, der gar nichts mit ihm zu jchaffen haben mag. 3 fommt nicht jelten vor, daß man ruhig an einem Hamfterbau vorübergeht und plößlich das tpütende Tier in jeinen Kleidern Hängen hat. „Einer attadierte mich”, erzählt Mojjtfovics, „fauchend während einer Wachteljagd (in Ungarn); hierdurch wurde ich erit auf dag neben meinen Füßen ftehende Tier aufmerfjam. Die Wut, mit der der Fleine, Dicwanjtige Nager auf mich losfuhr, war in der Tat pofjterlich; er bil derart um fich, daß ich ihm nur mit einem fchwachen Schrotjchuffe beifommen fonnte.” Und die Hejjiichen Beobachter Gebrüder Müller befennen: „Uns jind.al3 Knaben die Hamjter in den Feldgärten unferer Heimat (Wetterau) wütend nach den Beinen gefahren, wenn wir ung ihren Bauen näherten. Sie marfchierten und gerade entgegen und waren ficher, uns in die Flucht zu jchlagen. Großer Schreden ergriff fie aber jtet3, wenn jich ein Naubovogel zeigte oder von den lärmenden Bachitelzen in der Luft und den fich in die Heden ftürzenden Sperlingen angezeigt wurde. Entweder eilten fie unter die Erde oder fie verbargen jich irgendivo über der Erde.” An Pferden beißt der Hamfter fich ebenfalls feit, und gegen Naubvögel, die ihn dom Boden erhoben, wehrt er fich noch in der Luft. Wenn er fich einmal eingebijjen hat, hält ex fo feit, dag man ihn totichlagen fan, ehe er Iosläßt. Daß ein jo jähzorniges Tier nicht verträglich fein Fann, it erflärlich. Die eigenen Kinder mögen nicht mehr bei der Mutter bleiben, jobald fie größer geworden find; Der männ- liche Hamiter beißt den weiblichen tot, wenn er ihm außer der Paarungzzeit in den Weg fommt. Sn Gefangenjchaft leben alte Hamfter nur felten miteinander in Frieden; bejjer vertragen fich Junge, Die noch nicht ein Jahr alt find. Sch Habe längere Zeit in einer Kijte drei Stürd gehabt, die fich niemals zanften, fondern im Gegenteil recht verträglich beieinander hocdten, meijten3 noch einer auf dem andern. Junge Hamjter aus verjchiedenen Neitern fallen aber augenblicklich übereinander her und beginnen den Kampf auf Yeben und Tod. Mit anderen Feineren Tieren verträgt fich der Hamfter natürlich noch weniger als mit jeinesgleichen, ja, er macht förmlich Jagd auf fie; denn jeine Nahrung beiteht zum guten Teile auch aus lebenden Gejchöpfen. Kleine Bögel, Mäufe, Eidechjen, Blindfchleichen, Ringel- nattern und Kerbtiere frißt er noch Tieber als Pflanzenftoffe, und wenn man ihm einen lebenden Vogel in feinen Käfig wirft, jpringt er eilig zu, zerbricht ihm zuerjt die Flügel, dann den Kopf oder zermalmt ihm überhaupt gleich Hals und Kopf und verzehrt ihn dann mit Behagen. Gelegentlich wird ein alter Hamjter jogar zum Jagdfrevler. Ein guter Be- obachter, Lehrer Seidler in Clofewit bei Jena, hörte bei einem Gange durch die Felder Geräufch und Tierjtimmen und bemerkte an einer Stelle im Grünzeutge heftige Bewegung. Dort fand er einen Starken Hamfter auf einem etwa gleichgroßen Häschen jiben, dem er eben durch Bifje ind Genid den Net gab. ©o gierig war der Räuber mit feinem Opfer bejchäftigt, daß er den herantretenden Menjchen gar nicht bemerkte und mittels eines Stodjchlages ge- tötet werden fonnte. Ganz Ähnliches beobachtete der Landivirt Ferdinand Müller in Leifel- heim bei Worms; ihm mwiderfuhr e3 auch, daß ein Hamiter einen Hafen, den unjer Gemwährs- mann jich unter Kartoffelftroh verjtect hatte, am Kopfe anfraß, bis er zurüdfam („Wild und Hund“, 1909). Aus dem Pflanzenreiche verzehrt der Hamiter jo ztemlich alles, was gentegbar it, am liebiten wohl Getreide und Hülfenfrüchte, aber auch grüne Caaten, allerlei Kräuter, Möhren, Kartoffeln und dergleichen, ferner mancherlei Gemwurzel fotvie reifes und umnreifes Dbit. Sn der Gefangenschaft nährt er jich auch von allerlei Gebadenem, wie Kuchen und Brot, von Butter, Käje ufw., Turz: er zeigt fich al wahrer Allesfreifer. Auch der Hamfter it ein Winterfchläfer. Er erwacht, jobald die Erde aufgetaut it, Hamfter: Unverträglichkeit. Winterfchlaf. Fortpflanzung. Entwidlung. 323 oft jchon im Februar, jicher im März. Anfangs öffnet er feine verjtopften Löcher noch nicht, jondern hält fich Still unten im Bau und zehrt von feinen eingetragenen Vorräten. Gegen Mitte März erichließen die alten Männchen, Anfang April die alten Weibchen das Falloch. Sebt juchen fie fich bereits außen Nahrung, tragen auch von frifchbejäten Aderjtücen, wo fie die Körner forgfältig auflefen, Getreide in ihren Bau ein. Junge Pflanzen behagen ihnen bald mehr al3 die Körner, und nunmehr gehen jte diejer Nahrung nach oder nehmen ab und zu auch wohl ein ungejchicttes Vögelchen, eine Maus, einen Käfer, eine Raupe als mwillfommene Beute mit weg. Zu gleicher Zeit pflegen fie jich einen neuen Bau zu graben, in dem fie den Sommer zu verleben gedenfen, und jobald diejer fertig ift, paaren fich die Gejchlechter. Der Sommerbau iit gewöhnlich nur 30, höchitens 60 cm tief, und der Kefjel mit einem weichen Neite ausgefüttert, neben dem dann eine einzige Kammer an- gelegt wird, falls e3 viel Saatgetreide in der Umgegend gibt. Ende April begeben jich die Männchen in die Behaufung der Weibchen und leben, wie e3 jcheint, friedlich einige Tage mit ihnen; beide zeigen jogar injofern eine gemwijje Anhänglichkeit aneinander, als jie jich gegenjeitig beiltehen, wenn es gilt, eines oder das andere zu verteidigen. Kommen zivei Männchen zu einem Weibchen, jo beginnt ein heftiger Zweikampf, bis der jchwächere der Gegner unterliegt oder entweicht: man findet oft genug Rammler, welche auf ihrem Leibe tiefe Narben tragen. Alzbald nach) der Paarung vertreibt das Weibchen den Kammer wieder aus feinem Bau, und es herrjcht zwifchen beiden mwieder diejelbe Feindjeligfeit ivie gegen jedes andere fremde Gejchöpf. Die Tragzeit beträgt 20 Tage; das ft im Berliner Zoologijchen Garten durch wieder- holte Beobachtung ficher feitgejtellt worden. Jr der Freiheit wirft das Weibchen zum eriten Male gegen Ende Mat, zum zweiten Male im Juli in jeinem weich und warm aus- gefütterten Nejte 6—18 Junge. Dieje fommen nadt und blind zur Welt, bringen aber ihre - gähne jchon mit, wachjen auch außerordentlich Schnell." Sie erhalten mit dem zweiten oder dritten Tage ein feines Flaumbhaar, das jich aber bald verdichtet und den ganzen Körper einhüllt, jo daß mit 10 Tagen die Schrwarzgelbe Zeichnung zu erfennen ijt. Mit 14 Tagen öffnen. fie erjt die Augen und beginnen nun auch im Nejte umberzufriechen; aber mit 3 Wochen find jie noch wenig bewegungsfähig, Haben noch die breitgedrüdte Haltung de3 friechenden Neitjungen. Die Mutter behandelt ihre Brut anfangs mit viel Liebe, duldet e3 auch, dak man ihr andere Junge zum Säugen anlegt, jelbjt wenn dieje nicht die gleiche Größe wie ihre Kinder haben. Sobald jedoch ihre Sprößlinge wühlen fünnen, jagt fie die Alte einfach aus dem Baue und zwingt jie, auf eigne Fauft für ihren Unterhalt zu jorgen. Dies jcheint den Hamfterchen nicht eben jchwer zu werden; denn bereits mit dem fünften oder jechiten Tage, wenn jie faum behaart und noch vollitändig blind find, mwilfen jie recht hübjch ein Weizenkforn zwifchen ihre Vorderpfötchen zu fafjen und die Scharfen Zähnchen zu benußen. Doch brauchen fie immerhin ein ganzes Jahr, ehe jie ihre vollitändige Größe er- reichen. Bei Gefahr entflieht die Alte, jobald fie jpürt, daß man ihr im Bau nahefommt, und dverkriecht ich mit ihren Sprößlingen in das blinde Ende eines Ganges, den fie jo ichnell wie möglich nach) dem Nejte zu mit Erde zu verftopfen fucht oder auch mit ex- taunlicher Gejchielichfeit und Schnelligkeit weitergräbt. Die Jungen folgen ihr durch den Hagel von Erde und Sand, den jie hinter fich wirft. Sobald die Feldfrüchte ausreifen, haben die Hamjter viel zu tun mit der Ernte. Jeder einzelne jchleppt bis zu einem Zentner an Körnern in feinen Bau. Leinfnoten, große Puff- bohnen und Erbjen jcheinen allen übrigen Früchten vorgezogen zu werden. Ein Hamiter, 21* 324 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. der in einem Flachsitüde liegt, wird nicht leicht etivas anderes einernten als Die Knoten. Ebenjo ijt e im Erbjenfelde; doc) wijjen ich Die Tiere recht wohl in andere Arten von Feld- früchten zu jchiden. Man hat beobachtet, daß die alten NKammler, die Zeit genug haben, das Getreide auslejen, e3 viel jorgfältiger auffchichten als die Hamfterweibchen, die nad) der legten Brut noch rajch einen Bau graben und hier die Speicher füllen müjjen. Nur two der Hamjter ganz ungejtört it, trägt er jeine Ernte bei Tage ein; gewöhnlid) ift die erite Hälfte der Nacht und der Morgen vor Sonnenaufgang feine Arbeitszeit. Er biegt mit den VBorderhänden die. hohen Halme um, fchneidet mit einem Bifje die Ähre ab, faßt fie mit den Pfoten, dreht fie ein paarmal Hin und her und hat jie num nicht bloß entförnt, jondern die Körner auch gleich in den Badentajchen geborgen. So werden die weiten Schleppjäde gefüllt bi3 zum Übermaße; manchmal fchafft einer an 50 g Körner auf einmal nad) Haufe. Einen fo beladenen Hamfter hindern die vollgepfropften Tajchen am Beißen; angegriffen, jtreicht er aber die Körner heraus und jeßt jich in Verteidigungszuftand. Anfang Oftober, wenn e3 falt wird und die Felder leer jind, denkt der Hamijter ernit- (id) daran, fic) jeine Winterwohnung herzurichten. Zuerft verjtopft er das Schlupflodh von der Kammer an bis oben hinauf jo Dicht wie möglich mit Erde, dann vermauert er jeirt Talloch, und zwar von innen heraus, manchmal nicht ganz bis zur Oberfläche der Erde. Das Lager it fehr Hein und wird mit dem feinften Stroh dicht ausgepofftert. Hier legt er jich endlich zufammengerollt zum Schlafen nieder. Gewöhnlich liegt er dann auf der Ceite, den Kopf zwiichen den Hinterbeinen an den Bauc) gedrückt. Alle Haare befinden jich in der jchönften Ordnung, jtehen aber etwas jteif vom Körper ab. Die Glieder fühlen jih eisfalt an und lajjen jich Schwer beugen, jchnellen au, wenn ınan fie gewaltjam ge- bogen hat, wie bei toten Tieren, jofort wieder in die frühere Lage zurüd; die Augen find geichlofjen, jehen aber hell und Far aus wie beim lebenden und jchliegen ji) auch von jelbjt wieder. Ein Atemholen oder ein Herzpochen fühlt man nicht. Gewöhnlich jchlägt da3 Herz in der Minute 14—l5mal. Bor dem Aufwachen bemerft man zunädjit, daß die Steifigkeit nachläßt. Dann fängt der Atem an, e8 folgen einige Bewegungen; der Schläfer gähnt und gibt einen röchelnden Laut von fich, jtredt jich, öffnet die Augen, taumelt wie betrunfen umher, verjucht fich zu jegen, fällt um, richtet fich von neuem auf, bejinnt fich und läuft endlich langjam umher, frißt auch) jofort, wenn man ihm etwas vorwirft, pubt und jtreichelt jich und ijt endlich ganz munter. Auch im Freien müjjen die Hamjter mitten im Winter aufwacen; denn zumeilen öffnen jie ihre Löcher im Dezember bei einer Kälte bon mehreren Graden unter Null und laufen ein wenig auf den Feldern umher. Sn einer Stube, die bejtändig geheizt wird, Tann man fie das ganze Zahr hindurch wach erhalten; jie befinden ji) dabei aber doch nicht recht wohl und fterben mitunter bald. . &3 it ein wahres Glüd, daß der Hamiter, der jich zuweilen ganz außerordentlich vermehrt und dann bedeutenden Schaden anrichtet, fo viele Feinde hat. Bufjarde und Eulen, Naben und manche andere Vögel, vor allem aber Jltis und Wiejel find ununterbrochen auf jeiner Fährte und töten ihn, wo und wann jie fönnen. Der Jltis und das Große Wiejel folgen ihm auch in jeine unterirdischen Wohnungen und müjjen deshalb als die jchlimmiten aller jeiner Feinde angejehen werden. Jeder Landwirt müßte in Hamftergegenden dieje beiden nüblichen Naubtiere, wenn er jeinen Vorteil erfennen wollte, nad) allen Kräften Ihonen. Die Gebrüder Müller haben e3 mit angejehen, wie das Große Wiejel raubgierig - den Pfad verfolgte, „auf welchem der Hamjter vorhin in das Feld gegangen. Jr der Halt rennt e5 gegen den Hamjter an. Mit hohem Cab prallt e8 zurüd. Der Hamjter jpringt Hamfter: Ernte. Winterwohnung. Feinde. Vertilgung. 325 fauchend ebenfalls nahezu einen halben Meter Hoch, und nun jtehen fich die Todfeinde fampf- bereit gegenüber, das Wiejel angriffsluftig, der Hamfter zur VBerteidigäng bis aufs Außerfte gerüftet. Das Wiejel jpringt zur Rechten und Linfen, gerade über den Hamiter weg, um ‚ihn feitwärt3 oder von hinten anzufallen; diejer dagegen richtet feine Zähne und Strallen je nach Den Wendungen des Feindes und jucht das Hinterteil möglichit dicht unter den Leib zu jchieben, um eine Fleinere Angriffsfläche zu bieten und um jo jchneller mit dem Vorderteil berumfahren zu fünnen. Der viel gewandtere und ausdauerndere Räuber ermüdet durch jeine Sreuz- und Duerfprünge den plumpen Nager nac) und nad) jo, daß der Sprung in den Naden oder an den Hals gelingt, und der Hamjter, wenn auch nicht ohne manchen abmwehren- den Biß und Krallenjchlag angebracht zu haben, unter dem blutdürjtigen Wiejel jtirbt." Mar fönnte vielleicht auch zur Verfolgung und Vertilgung des Hamiters das Frettchen mehr an- wenden, al3 dies bis jebt gejchieht. Ein VBerjuch auf einem hannoverjchen Rittergute fiel jehr ermutigend aus. „War der Hamjter zu Haufe, jo entmwidelte jich jofort im Bau ein Heidenlärm; e3 dauerte aber in allen Fällen nicht länger als etwa 3 Minuten, jo fam unfer Frettchen mit jchweißigem Yange zurüd”, und beim Nachgraben fand man „jedesmal den bom Frett erbijjenen Hamjter im Kejjel. Wohlgemerkt: nicht etwa junge Eremplare, jondern ganz alte Familienpäter und Mütter. Diejes Verfahren ijt gewiß für Die richtigen Hamiter- gegenden bon hohem Werte; denn während man zum gewöhnlichen Hamjtergraben Stunden gebraucht, hat man beim Frettieren auf Hamjter nur wenige Minuten nötig.” Sn einigen Gegenden zieht der Menjch gewerbsmäßig gegen den Hamiter zu Felde. In Thüringen 3. B. gibt e3 Leute, die jich ein Gejchäft Daraus machen, die Hamijter aus- zugraben und umzubringen. Die Gemeinden in den von Hamftern bevölferten Gegenden pflegen für jeden eine Kleinigkeit zu zahlen, für einen Rammler und ein Junges weniger, für ein Weibchen mehr. Sr der Umgegend von Ajchersieben wurden 1883 allein 97519 Stüd gefangen und dafür 1950 Mark Fanglohr bezahlt. Den Hauptgeminn der Jagd aber bilden die Vorräte, welche diejes eigentümliche Wild fich eingetragen hat; die Zeute wajchen die Körner einfach ab, trodnen fie wieder und vermahlen jie Dann wie anderes Getreide. Über die Hamfterplage in Aheinheifen berichtet Wilhelm Schufter vom Nheinfnie bei Mainz. „Lußer in der Gemarfung Hechtsheim Herrjchte die Hamfterplage 1904 auch in den Gemar- fungen Bodenheim, Zaubenheim u.a. Auf der Bürgermeijterei in Hechtsheim wurden im Laufe des Jahres im ganzen 13408 alte und 7052 junge Hamiter eingeliefert”, für die zufam- men etwa 1800 Mark bezahlt wurden. Solche Maßregeln führen dann aber auch fait zur Austottung des Tieres. Bei einem Bejuche, den Schufter um Weihnachten 1904 in den heim- gejuchten Gemeinden machte, überzeugte er fich, daß „lebende Tiere faum zu erhalten jeien“. „Beim Hamiterfang” („Kosmos”, 1909) Hat Dtto Langenhan-Gotha jehr hübjche Beobachtungen gemacht. „Die Jagd auf Diefen Nager wird mit wahrer Leidenjchaft von vielen PBerjoner, vor allem auch von der Jugend ausgeübt... Ein jcharfes Grabjcheit, ein jtarfer Eijendraht und ein Sad bilden die Ausrüftung des Hamfterjägers." Auf dem Erdhaufen vor dem Bau „jehen wir abgebijjene Ühren liegen, aus denen die Körner heraus- gejchält jind, hier hat er ‚gebrochen‘, d. h. die Körner von jämtlichen Hülfen befreit, ehe er jie in den Bau brachte... Ungefähr anderthalb Spatenjtiche tief führt der Gang nach unten, dann biegt er von der Genfrechten ab... Nach einigen Spatenitichen teilt er jich... Bir graben erjt den nach links führenden und finden in diefem bald in einer Erweiterung de3 Ganges das aus Strohhalmen und Gräfern beitehende Neit...., e3 ijt volljtändig zerbijjen: ein geichen, daß Junge im Bau find. Emjig graben wir weiter und ftoßen bald auf den andern 326 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. Gang, der zuerit nach rechts führte und jich jebt wieder mit dem Nejtgang vereinigt... Wieder wird mit Dem Drahte jondiert, da ertönt ein fernes Fauchen aus dem Gange, wir jind den Jungen nahegefommen... Nach und nach befördern wir 14 ungefähr 2—3 Wochen alte Junge heraus. Dabei find wir mit Graben ziemlich biS zu dem von ung zuerit zu= gejtopften Zoche gefommen... Mit dem Drahte fahren wir durch das veritopfte Loch; da ertönt aber auch jchon ein jtarfes Zauchen: das Weibchen hat jich im lebten Teile jeines Baues in Sicherheit bringen wollen... Mit aufgeblähten Baden faucht es und an, wütend beißt e8 in den Hingehaltenen Draht: ein Aud mit diefem, und Hoch im Bogen fliegt e3 aus dem Bau.” In einem andern Bau haben wir „die Kloafe bloßgelegt, in welcher der Hamjter jeine Erfremente abjeßt... Einige feine Fliegenarten jowie verjchtedene Stäfer- arten, hauptjächlich aus der Familie der Staphylinen, von denen einige Arten, wie Quedius vexans, nur in Hamjterbauen vorkommen, wirken hier al3 Sanitätspolizei... Wir verfolgen eine andere Abzweigung des Ganges und bemerken, daß diejer Gang mit zerbijjenem Stroh und Grashalmen verjtopft it“: der „Abjchluß der Borratsfammer. Denn nachdem wir das Stroh entfernt haben, finden wir in einer Erweiterung des Ganges etwa 11, Kilo Gerite... Sr der trodnen, glatten Höhlung liegt das Getreide, Das der Hamjter vor dem Eintragen von allen Hülfen befreite, und das nur aus gejunden, vollwertigen Körnern beiteht, reinlich da wie die beite gedrojchene Frucht." Aus einem anderen Bau „fördert der in den Gang eingeführte Draht plöglich ein Hamiterfell zutage, das zerbijjen iit und nur noch einige Knochen enthält... Noch ein paar Stiche, da fliegt plöglich ein dunkles Etwas aus dem Gange, der Spaten jchlägt Durch die Zuft, und lächelnd hebt unjer Hamfterjäger einen ausgemwachje- nen Eräftigen Jltis aus der Grube...” Der Landivirtichaftliche Verein in Gotha zahlt für jedes Hamftermännchen und jedes Junge 5 Pf., für jedes Weibchen 25 Pf. Fangprämie und hat auf diefe Weije im Jahre 1908 2500 Mark für Hamjtervertilgung verausgabt. Zum Bergnügen wird der Hamfter faum gehalten; man verjpricht fich eben fein Ver- gnügen bon ihm. Und doch verjichert Wilhelm Bartels („Natur und Haus“, 1909), daß er „to& jeiner ausgejprochenen Wildheit und Bösartigfeit jehr jchnell zu zähmen und leicht n allerhand Kunftjtücchen abzurichten tft." Die Zähmung des Hamjters vollbringt Bartele auf ganz eigene Art, indem er ihn nach dem Ausgraben mit dem Spaten niederdrüdt, ihn eine Strippe an das Hinterbein Mnüpft und ihn Ducdh einen Rud an diejer jo oft auf den Rüden wirft, als er Miene macht, auf den Fänger loszufpringen, um diefen zu beißen. „„eicht lange währt es, dann jest ich der Hamjter ruhig auf das Hinterteil, als wollte er fragen, was wir denn eigentlich von ihm wollen." Nun wird ihm borjichtig der Spaten untergejchoben und er auf dieje Weije nach Hauje getragen, — immer an dem Sicherheits- anfer der Strippe, die alle Fluchtverjuche vereitelt und die Willenskraft des Hamjters-jehr jchnelf vollends bricht. Meift „it man noch nicht zu Haufe angelangt, da ijt er jchon jo weit gezähmt, daß er jich willig auf dem Arme tragen und jtreicheln läßt”. Zu Haufe wird Die Zähmung borjichtig fortgejebt, und „nicht lange dauert es, dann jteigt er uns auf die Schulter, um neugierig aus dem Fenjter oder auf den Tijch jehen zu Fünnen.. Sebt fönnen toir auch mit der Drefjur beginnen. Das Männchenmachen‘ erlernt er am leichtejten, wenn wir ihm einen LZederbijjen, Weigbrot, Zuder uf. in jolcher Höhe vor Die Naje halten, daß er, um e$ zu erreichen, fich auf das Hinterteil jeßen muß; nachdem Ddiejes eine Zeit- lang durchgeführt wurde, wobei natürlich immer eine bejtimmte Redensart zu gebrauchen it, 3. B. ,Pud, mach’ mal fchön‘, wird der Hamfter fchon auf die Worte Hin gehorchen. Auf ähnliche Weite jind ihm noch mehrere Kunftitüde beizubringen, und der einft jo bösartige Hamjter: Gefangenleben. Zähmung. Fellmugung. Graurüdenhamiter. 327 Gejell wird bald der Liebling aller jein und uns durch feine oft drolligen Kapriolen er- göben; auf jeden Fall ift ein Hamjter den unruhigen Eichhörnchen oder den langweiligen Meerjichiweinchen vorzuziehen, zumal er fojtenlo3 zu befommen und jehr jchön gefärbt ift.“ Bartels Hatte einen in jeinem Bejis, der, „völlig zahm, dabei gehorjfam, alle die ihm befannten Kunfttüce auf Befehl ausführte und auf den Namen ‚Puc hörte. Bud war der erklärte Liebling der ganzen Familie, er lief wohlgemut und zutraulich int ganzen Hauje umber und bettelte während der Mahlzeiten um Lederbifjen. Namentlich wenn Säfte da waren, wurde Buck nicht müde, jich durch ‚Männchenmachen‘ ein Stüd Zuder oder Kuchen zu erbitten. Mit Hund und SKabe jtand Pud auf fameradjchaftlichem Fuße; ja, nicht jelten benußte er das Hundehaus al3 Lagerjtatt: dann jchlief er jorglos neben oder auf einen: deutjchen Schäferhundrüden, der jeder anderen Kreatur auf Befehl an die Gurgel jprang. Leider wurde die Hundefreundjchaft dem Hamiter zum Berderben. Bon einer Reife brachte ich einen Schäferhund mit heim, der dem alten Freunde Puds jehr ähnlich war. Kaum hatte ich den Neuen angefoppelt und war ins Haus gegangen, da war auch Pud Herbei- geeilt, um jich den neuen Gajt anzujehen und mit ihm Freundichaft zu jchliefen. Dieje Bertrauensjeligfeit mußte er dann mit dem Leben büßen; denn der Hund hatte den lieben Kerl einfach gepadt und jich um die Ohren gejchleudert.” Auch die Felle werden benubt, obgleich noch nicht in der Ausdehnung, wie jie es ver- dienen; denn nach allen Erfahrungen geben jie ein ganz bortreffliches, leichtes und Dauer- haftes Belziverf. Doch fomımen („Neue Belzwarenztg.”, 1905) einzelne elle fait gar nicht in den Handel; jie werden vielmehr in verjchtedenen Städten Thüringens und des Harzes, 3. B. Naumburg und Quedlinburg, alfo jozujagen an Ort und Stelle zugerichtet, zu Futtern und NRotunden zujammengejegt und dann nach) Leipzig zum Verkauf gejchiet. ES mögen auf dieje Art jährlich mehrere Millionen Felle verarbeitet werden, die vorwiegend aus Deutjchland ftammen; denn obgleich der Hamiter, namentlich in Dfteuropa, jehr verbreitet it, hört man doch nicht, Daß die Felle ir den anderen Ländern gejammelt werden. Jr ‚manchen Gegenden wird das Fleisch der Hamfter gegejjen, und es ift auch wirffich nicht der geringjte Grund vorhanden, gegen jolche Nahrung etivas einzuwenden; denn das TFleijch it jedenfalls ebenjogut iwie das des Eichhörnchens oder anderer Nager, deren Wildbret mar mit Behagen verzehrt. „Das Blatt der Landwirtichaftsfammer der Provinz Sachjen macht darauf aufmerffam, daß der Preis für ein Schod Hamiterfelle 15 Mark beträgt, während das Fleiich des abgebalgten Hamiters fir 5—10 Pf. verwertet wird. Welche Summen hierdurch erlöjt werden können, erhellt aus der Tatjache, daß auf der Feldmarf der Stadt Alchersleben jährlich etwa 100000 Hamfter gefangen werden. Davon ließe jich eine Ein- nahme von 25000 Mark für Felle und 5000 Mark für Fleifch erzielen, während zur Dedung der Koiten 5000 Mark Hinreichten.” („Die Jagd“, 1906.) ZTrouejjart führt im Säugetierfatalog jchon drei europäifche und eine vorderaftattjche Unterart des Hamijters an, und e3 war ja von vornherein zu erwarten, daß ein Tier von jo weiter Verbreitung abändert. Am interejjanteiten wird für uns der belgiihe Graurüden- Hamiter, Cricetus c. canescens Nhrg., vom linfern Maasufer durch die Betrachtungen, Die jein Bejchreiber, Nehring, an ihn anfnüpfte. „Während die Oberjeite des Felles bei den mir vorliegenden deutjchen Hamftern aus den Provinzen Sachjen und Brandenburg, welche ich als typiich betrachte, eine gelblichbraune, mit vereinzelten jchwarzen Grannen untermijchte Färbung aufmweilt, zeigen zwei ausgejtopfte Hamjter aus der Gegend von Ferhe-Slins 828 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. in Belgien, die mir Fürzlich Durch Herin Prof. Edm. Leplae in Loudain zugegangen find, auf dem Niücken eine dunfel mausgraue Färbung... Außerdem find die belgiichen Hamifter bedeutend Keiner als gleichaltrige Exemplare aus der Provinz Sachjen” und Haben verhältnis- mäßig „große Ohren“. Nehring früpft daran die Bermutung: „es Scheint alfo in Belgien jich eine bejondere Varietät herausgebildet zu haben”. — Der Hamiter des Uralgebietes ijt umgefehrt oben tiefer al3 der unfere, nämlich fuchligrot gefärbt, und jeine tiefihivarze Unter- jeite iit viel jchärfer abgejegt; Die Ohren find Hein mit lebhaft weiß gefäumten Rande. Neh- ring nennt ihn C. ec. rufescens Nhrg. („Sib.-Ber. Gej. Naturf. Freunde”, 1899). — Die dritte europäijche Unterart, Die Trouefjart zu folcher. durch die Drei Namen C. c. nehringi Misch. herunterdrüct, Hat der Bejchreiber Matjchie vom Berliner Mujeum al3 Urt mit den zwei Namen Cricetus nehringi Misch. in Die Naturgejchichte eingeführt („Sib.-Ber. Gef. Naturf. Freunde”, 1901). Sie lebt in Rumänien, aljo im Donaugebiet, und unterjcheidet fich von unjerem Hamjter „Durch etwas Dunklere Rüdenfärbung mit gelbbraunem, nicht fahlbraunen: Grundton, Durch jatteres Rotgelb am Kopfe und an den Halsjeiten, Durch breiten, weißen Saum am Ohrrande und Durch viel zierlichere Füße; außerdem find Schädelunterjchiede bor- handen.” Snterejjanter aber als dieje Bejchreibung find die allgemeineren tiergeographijchen Gelicht3punfte, die Matjchie im Anjchluß an jeine Studien über rumänische Säugetiere aus dem unteren Donaugebiete darlegt. „DieDonau ergießt jich in das Schwarze Meer, ein frühe- re3 Binnenmeer, nach Dften, die mittedeutichen Flüfje eilen nach Nordweiten zum Ozean. E3 würde die allgemeine Gültigkeit der von mir jo oft verfochtenen Anfichten in Frage Itellen, wenn die Donauszauna mit derjenigen des mittleren Deutjchlands übereinjtinmte.” ‚Den großen Schwarzbauchhamitern jtellt Nehring mehrere andere gegenüber, Die jogar berdienen, mit dem fyriichen Goldhamiter, C. auratus Wirh., zu einer neuen Untergattung erhoben zu werden. Nehring nannte fie Mesocricetus („Mittelhamjter”), um anzudeuten, daß fie in mancher Beziehung zwijchen Cricetus, im engeren Sinne al3 Untergattung der großen Schwarzbauchhamiter genommen, und der bereits 1867 von U. Milne-Edwards ab- getrennten Untergattung Cricetulus der Kleinen, hellbäuchigen Grauhamiter vermitteln. Aus diejer Untergattung ijt der Kleine nordfaufafiihe Shwarzbrufthamijter, M. nigrieulus Nhrg., dadurch bejonders bemerfensiwert, daß er im Gegenjab zum gewöhnlichen Hamiter jich nicht an die Nähe der menjchlichen Niederlafjungen hält; Satunin („Säugetiere d. Steppend. nordöritl. Kaufajus”, in „Mitt. Kaufaj. Muf.”, 1901) „and ihn in der offenen, unberührten Steppe”. Durch die benachbarten Arten aus dem Nordoitfaufajus, Dagheitan, aus Trans- Taufajien, Berjien, Kleinajien, aus Rumänien, Bulgarien vollendet fich die Untergattung zu einem gejchlofjenen Ganzen, in dem ein benachbartes Glied an das andere ich natürlich anreiht. Bis auf den Nemwtons- oder Dobrudjchahamiter,.M. newtoni Nhrg.! Mit dem hat e3 aber auc) feine eigene Bewandtnis. „ES erjcheint bemerkenswert”, jagt Nehring („Sib.- Ber. Ge). Naturf. Freunde“, 1901), der feinem M. newtoni eine ganz bejonders beharrliche Sorjcherarbeit gewiomet hat, „daß M. newtoni näher mit den transfaufafiichen al3 mit den zisfaufafischen Arten verwandt it, und daß zwijchen Der Dobrudfcha und dem Kubangebiete (aljo in Sitdrußland) bisher fein Mesocricetus nachgewiejen wurde. Dieje Umstände führen zu der Annahme, daß die Balfanhalbinjel einjt mit Sleinafien in feiter Landverbindung ge- itanden hat...” In Oftbulgarien, wo der Kleine Schwarzbrufthamfter zuerft von Alfred Newton feitgeftellt wurde („Proc. Zool. Soc.“, 1870), ift er alfo ein „Nelift“, ein Über- bleibjel aus der Vorzeit, und an diefer jeiner Natur braucht mann um fo weniger zu zweifeln, en ka . Nehrings-, Gold-, Schwarzbruft-, Dobrudiha-, Grauhamiter. 329 al3 nicht nur die Tier-, fondern auch die Pflanzenwelt Oftbulgariens Gegenftüde genug bietet. Der Schwarzbrufthanfter ift in der fteppenartigen Niederung gefunden worden; in der Nähe von Nuftichuf und Schumla fommt er Häufig vor, viele Belegeremplare werden, laut Klein, im Mufeum zu Sofia aufbewahrt. An anderer Stelle („Sib.-Ber. Gef. Naturf. Freunde”, 1901) jagt Nehring: Der Do- brudichahamifter „liebt die Steppe, welche bei Malfoci (Norodobrudicha) eine mwellige Ober- fläche hat; auf Uderland fommt er jeltener vor und ift in Dortiger Gegend bisher niemals landwirtjchaftlich jchädlich aufgetreten”. Er „wird meiftens erjt im Herbjt einzeln beobachtet, wenn er die von den Feldmäufen zufammengetragenen Ährenhaufen auffucht, aus welchen er jeinen Winterborrat zu entnehmen pflegt. Wie aus dem beigefügten Inhalt von zwei Badentajchen zu erjehen ift, beiteht die Nahrung im Mai meilt aus Gräjern und Kräutern; in den eriten Tagen des Frühjahrs wurden in den Badentajchen die harten, jpißigen Samen des Dort unter dem Namen ‚Schuhnägel‘ vorkommenden Unfrauts und Teile einer aus Sidrußland eingejchleppten Dijtelart gefunden.” Das Weibchen wirft im Mai 6—14 Junge (nach Nehring erfolgt wahrjcheinlich im Sommer noch ein zweiter Wurf). „Der Bau beiteht meijt aus einer flach unter der Erdoberfläche verlaufenden Nöhre, welche oft bis 20 Schritt lang ift, zumeilen aber aus zwei Röhren, bon denen die eine ziemlich jenfrecht verläuft und als Falltohr dient. Lebtere jcheint aber nur bei Winterquartieren vorhanden zu jein. Das Naturell des Newtonhamiters ijt etivas friedfertiger al das des gewöhnlichen; jobald er aber nicht mehr fliehen fann, jtellt er jich, Elappert mit den Zähnen und fpringt wütend gegen den Menjchen ar.“ Zulegt noch ein jehr interejfanter Gejichtspunft: nicht nur nach Weiten, jondern aud) nach DOften dringt Die große mitteleuropäifche Hamjterform vor. „Sr Bulgarien jcheint ein ähnliches Eingreifen des C. vulgaris (cricetus) in daS Gebiet de3 Mesocricetus new- toni ftattzufinden, wie in Nordfaufajien in dasjenige des M. nigriculus Nhrg. Unjere Sammlung (Landw. Hochjichule, Berlin) erhielt im vorigen Jahre durch K. Satunin (Tiflis) je ein Eremplar des M. nigriculus aus dem Kubangebiet und aus dem Gouderne- ment Gtawropol, außerdem aber durch W. Schlüter (Naturalienhandlung, Halle a. ©.) ein Erenplar des C. vulgaris aus Pjatigorjf in Nordfaufafien. Durch dieje Eremplare it das Sneinandergreifen der Gebiete von Cricetus und Mesocricetus, das jchon von Roifi- form und Gatunin beobachtet war, bon neuem bemwiejen. &3 jpricht vieles dafür, daß C. vulgaris die vordringende Urt ift... Bisher bilden Tirnowo in Bulgarien und Pjatigorff in Kordfaufafien, joviel mir befannt, die jüdlichjten Borpoften Diefer Spezies auf der Balfan- halbinjel und im Kaufajusgebiete.” („Sit.-Ber. Ge. Naturf. Freunde”, 1901.) In Süd- rußland und Rumänien hat Nehring nur den Gemeinen Hamijter feititellen fönnen. Auc) bei Ruftjcyuf in Djtbulgarien jcheint noch der Gemeine Hamfter vorzufommen und das aus- jchließliche Gebiet de3 Mesocricetus newtoni erjt bei Schitangif und Schumla zu beginnen. Bon hier ab wird leßtere Art wohl bis zum Bosporus und den Dardanellen verbreitet jein; fie hängt offenbar mit dem Fleinafiatijchen Mesocricetus zujammen. Nachdem von Nehring die jchon 1867 von Milne-Edwards vorgejchlagene „Aufitellung eines Subgenus Cricetulus für die Eleinen, grauen, hellbäuchigen Hamjterjpezies als mohl- begriümpet” neu bekräftigt worden ift, erjcheint fie im Supplement zu Trouejjarts Katalog als dritte Untergattung mit neun Arten, die jich von Südrußland und dem Kaufajus durd) Aien bis nach China verbreiten. Über Leben und Wejen des Heinen Grauhamiters, 330 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. Cricetulus phaeus Pall., berichtet Satunin einiges in den „Mitteilungen des Faufafischen Mujeums‘ (1905, „Säugetiere des Talyjchgebietes und der Muganjteppe”). Diejer Hübjche fleine Hamiter ift im ganzen faufafischen Gebiet weit verbreitet. Er variiert hier und da in der Färbung; am Schädel jedoch konnte Satunin feine Unterjchiede zwijchen transfaufafi- jchen, füdruffiichen und transfafpifchen Exemplaren finden. „Der graue Hamiter ift bei uns (in Raufafien) überall verbreitet, auch in den Häufern zufammen mit den Mäufen, jogar in den Städten. Jm Freien gräbt er für feine Größe recht ausgedehnte Bau, in derer Tiefe er aus trodenen Öräfern fein fugelförmigesWeit baut; in der benachbarten tammer aber jpeichert er wie der gewöhnliche Hamster Borräte auf, Die aus Getreidefürnern und Samen von Steppengräjern beitehen. Alle dieje Borräte bringt er vom Felde in jeinen Bau in dert Badentafchen heim, welche er jo volljtopft, daß er nur mit Mühe gehen fan. Trifft man ihn in diejer Zage an, fo ift er leicht zu fangen. Tagsüber ift er aber nur ausnahmsweife zu jehen, er ift durchaus ein Nachttier. Außer Körnern frißt diefer Hamjter auch Gras, bejon- ders im Frühling, wenn das eben jich entwidelnde Grün voller Saft iit. Einen Eleineren Teil diejes Grüng jchleppt er auch in feinen Bau, wahrjcheinlich, um es dort ungefährdet zu berzehren; denn Feinde hat er viele.” Auch mit den fofjilen Hamjtern hat Nehring jic eingehend bejchäftigt, weil er Neite diejer jeßhaften Steppennager, die nie Wanderungen unternehmen, mit Necht als jtarfe Stüße jeiner Theorie von einer Steppenzeit Europas anjieht, Die auf die Eiszeit folgte. „Bejonvders interejjant it es, daß der gemeine Hamjter einjt weiter nach Weiten und Süd- weiten in Europa verbreitet war als heutzutage. Schon die Gegend von Schaffhaujen hat heute den Hamjter nicht aufzumweijen; während der jüngeren Diluvialzeit fam er dort vor, tie ich aus den von Dr. Nuejc am ‚Schweizersbild‘ ausgegrabenen Snochenreiten nachweijen fonnte. Noch wichtiger it das Vorfommen jolcher Neite in Frankreich und Oberitalien, zumal dieje Funditellen weit entfernt liegen von dem heutigen Verbreitungsgebiete des Hamiters.” Natürlich Haben die Hamfter nicht in den zum Teil hoch im Gebirge liegenden Seljenhöhlen gelebt, in denen man ihre Knochen jeßt findet: dieje jind vielmehr „Durch Naub- tiere und namentlich durch Raubvögel (Eulen) in jene Höhlen transportiert worden.” Joch bezeichnender erjcheint Die Tatjache, daß eine Der Fleinen, zwerghaften, mäuje- ähnlichen Hamfterarten, die Heutzutage in den Steppengebieten von Siüdofteuropa und Zen- tralafien haufen, ehemals in Mittel- und Wejteuropa weit verbreitet gewejen ijt. Nehring bezeichnet jie al Cricetulus phaeus, weil fie nach feinen Vergleichungen am beiten mit den ihm don Sarepta (an der Wolga) befannt gewordenen Exemplaren des rezenten C. phaeus übereinftinmmt, fomweit ofteologijche Vergleichungen eine jolhe Übereinjtimmung feitzuftellen erlauben. Die Neite „tammen aus der Huttonhöhle, welche zu den Somerjet- Caves (Südengland) gehört...” Ebenjo rechnet Nehring zu C. phaeus einen Unterfiefer, der am Noten Berge bei Saalfeld in Thüringen neben Nejten von Alactaga saliens, Cri- cetus cricetus ujid. gefunden und ihm zur Beitimmung überjandt war. Bald darauf Fam er in die Yage, den C. phaeus fossilis mit Bejtimmtheit für die Gegend von Kajchau in Ungarn feitzuftellen, und auch von dem befannten öfterreichiichen Paläontologen Woldrich werden in der Folge fofjile Zwerghamiterrejte bejchrieben aus den pleiftozänen Spalt- ausfüllungen von Zuslawig im Böhmerwalde, in den von Masfa erforjchten mährijchen Höhlen, der Certova dira und der Sipfahöhle; endlich, und zwar mafjenhaft, 2 lie Der mähriiche Foricher Kriz-Steinik dort in den Höhlen des Hadefertales. Fojfile Hamfter. Löffelmaus, Mähnenratte. 331 gur Unterfamilie der Hamjterartigen gehört nach Trouejjart3 Anordnung noch eine jüdafrifanische Gattung, die Joh. Andr. Wagner als Mystromys, Löffelmaus, aufgeitelit und als Mittelding zwijchen Wüjtenrennmäufen und Wajjerratten bezeichnet hat, mit leßteren im Hußeren, mit erfteren mehr im Zahnbau übereinfommend. Wieder ein Beweis der viel- jachen engen Beziehungen, die die Nagetiere untereinander haben. „Die Geftalt ift maus- artig mit ziemlich großem Sopfe, die Ohren jind bejonders groß und breit, im Umfange ge- rumdet, auf der unteren Hälfte der Nücdjeite lang und bujchig behaart... Der Schädel ift tie der der Nennmäufe geformt, mit dem Unterjchiede, daß die Baufenfnochen fleiner, mehr denen der Feldmäuje ähnlich find.” W. 2. Sclater jagt von der Weißjhwänzigen Löffelmaus, M. albicaudatus A. Smith, daß fie auf grafigen Ebenen, aljo auf der Steppe lebt und jich dort ihre Baue gräbt; „jie ift nächtlich, aber jehr lebhaft und dreijt, namentlich bei regnerischem Wetter”. * Die merkwürdige Unterfamilie der Mähnenratten (Lophiomyinae), die nur eine Gattung (Lophiomys M.-E.) mit wenigen Urten (L. imhausi M.-E. [Taf. „Nagetiere XI”, 4, bei ©. 315] aus dem Somaliland, L. aethiopicus Pirs. aus Abejjinten und mehreren aus Bri- tich-Dftafrifa) enthält, jchtebt jich naturgemäß hier ein. Sie unterjcheidet ich zwar von den Hamiterartigen in mancher Beziehung, hat eine entgegenjtellbare Daumenzehe, verfümmerte Schlüfjelbeine und Inöcherne Überdachung der hinteren Seitenteile des Schädel3; nach Lyde& fer fann aber wenig Zweifel jein, daß jie nur eine hochjpezialifierte Form der Mäufefamilie ift. Seit Milne-Edwards die erjte und lange Zeit einzige Mähnenratte 1865 wijjenjchaft- lich verarbeitet hatte, hörte man nichts wieder von dem eigenartigen Nager, bis 1894 mit einen Tiertransport des befannten Tierhändlers und verdienten Sammelteijenden Menges aus dem Somalilande zwei Stüd lebend mitfamen. Sie fanden in dem leider mittlerweile eingegangenen Nillichen Tiergarten zu Stuttgart bis zu ihrem Tode Unterkunft, weil fie jofort nach Eintreffen von dem föniglichen Naturalienfabinett dajelbit, dem altberühmten Stuttgarter Mufeum, erworben wurden. So fonnten jie von Albert Kull näher beobachtet und gejchildert werden. Kull berichtet („Zool. Garten”, 1894), „Daß es ternperamentloje, jheue und ängitliche Tiere find. Sn einer Ede ihres Behälters, in einem Klumpen liegend, den Kopf zwiichen Die VBorderbeine geitecdt, eriweden jie wenig Sympathie; allein die Sache ändert Jich zu ihrem Vorteil, jobald fie jich bewegen. Ein hübjch gezeichnetes, rundes Köpf- chen mit jhwarzen Perlaugen und langen Schnurthaaren fommt zum Borjchein. Auf den Hinterbeinen nad) Eichhornart jibend, wird Umfchau gehalten, mit den zierlichen jchwarzen Piötchen das Schnäuzchen gepußt, um endlich gemächlich Durch den Käfig zu trollen. Farbe, Behaarung und Beivegung erinnern an den Dachs, die Größe ijt etiva die eines Sgels; doch ijt die Leibesgeitalt eher zierlich alS plump und erjcheint uns durch die auf dem Nüden und an den Seiten etwa 5 cm lange Behaarung größer und unförmlicher. Die Füße haben nur Shmwache Krallen und find mehr zum Klettern als zum Graben geeignet. An den Vorder- beinen jind vier Zehen und eine deutlich entwidelte Daumenwarze, an den Hinterbeinen fünf Zehen; die größte Zehe ist jichtlich getrennt und entgegenitellbar. Der Kopf it kurz und jehr gewölbt, die Ohren jind Klein und abgerundet, der Schwanz erjcheint bujchig und mäßig lang. Die Farbe ift ein Gemifch von Schwarz, das zum Teil ins Nötliche fehimmett, und Weiß; die einzelnen Haare des Nüdens find am Grunde weiß, in der Mitte jchwarz, an der Spibe wieder weiß, was als Gejamtmwirfung ein jchönes Silbergrau hervorbringt. 332 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. Kajenrüden, Stirn, Wangen, ein Fled unter den Augen jowie die Schwanzjpiße jind rein weiß. Schnauze, Unterjeite des Haljes, ein Zügelftrich über und unter dem Auge, ein langer Streifen vom Ohr bis zum Beden, ein fürzerer vom Hals über den Oberarm jowie die Füße find glänzend jchwarz. So fann das ganze Tierchen wirklich Hübjch genannt werden; es weiß jich aber auch jehr interejjant zu machen: gereizt, jträubt e3 die langen NRüdenhaare jenfrecht in die Höhe, wodurch e3 vollfommen einem Stacheljchwein gleicht. Aufgerichtet, bilden dieje Haare einen 4 cm breiten, nach) den Seiten Hin jtreng getrennten, einer Bürjte vergleichbaren Kamm; zugleich legen fie einen jtarf 2 cm breiten Streifen bloß, welcher Hinter den Ohren beginnt, längs der Seiten bis zum Beden verläuft und nur mit Furzen, dicht anliegenden Haaren von gelbbrauner Farbe bededt it. Dies verleiht dem Tiere ein völlig verändertes Auzjehen und bemwirft bei jedem Uneingeweihten höchites Erftauner.“ Kull Hat wohl recht, wenn er annimmt, daß „diefe Veränderung dem mwehrlojen Tier als Schredmittel gegen jeine Feinde dient, von welchen wohl der diejelben jteinigen Gegenden bermohnende Karafal oder Wüjtenluchs der gefährlichite jein wird”; Kull Hat aber ficher ebenjo recht, wenn er gleich hinzujeßt, daf dem Karafal und anderen Raubtieren und Raubpögeln „jedoch diefe Komödie nicht lange imponieren dürfte". Schmidt (Menges’ Schwager), der jenen Tiertransport begleitete und „mit den Tieren und Menjchen des Somalilandes jehr vertraut lt, gab fich vergeblich Mühe, nähere Auskunft über Benennung und LZebensweije (der Mähnenratte) zu erhalten. Die Somalijäger jelbit fannten feine bejondere Bezeichnung für diejfe Tiere, jondern hielten diejelben für junge Stadhelichweine. In ihrer Heimat tt felfiges®elände ihr bevorzugter Aufenthalt, wo fie jih tagsüber in Feljenfpalten verbergen." — Die Nahrung ift wohl, wie bei allen Nagern, vorwiegend vegetabiliich; Doch zeigt Jich Die Mähnentatte in der Gefangenschaft wenig wählerifch und verzehrt mit demjelben Gleichmut feingehadtes Fleijch, Milch, Maiskörner und Grünfutter. x Die Ur- und Vorbilder der Familie, Die Mäuje im engeren Sinne (Murinae), jind infolge ihrer Zudringlichkeit al3 Schmaroger des Menjchen in ihrem Treiben und Wejen nur zu befannt. Unter ihnen finden jich jene Arten, die jich mit dem europäiichen Kultur- menjchen über die ganze Erde verbreitet und gegenwärtig auch auf den ödejten Snjeln an= gejiedelt haben. Aber dieje anhänglichen Hausfreunde jind abjcheuliche Hausdiebe, mwiljen jich überall einzuniften und bereiten ihrem Gaftfreunde nur Schaden und Berluft. Hieraus erklärt ji, daß alle wahren Mäufe fchlechtiveg häßliche, garjtige Tiere genannt werden, obgleich fie dies in Wahrheit durchaus nicht find, im Gegenteil vielmehr al jchmude, an- mutige, nette Gejellen bezeichnet werden miüjjen. Sm allgemeinen fennzeichnen die Mäufe, die man in unferer Unterfamilie vereinigt, die jpiße, behaarte Schnauze, die breite, gejpaltene Oberlippe, die in fünf Reihen geordneten, langen und jtarfen Schnurren, die großen, runden, tiefihwarzen Augen, die frei aus dem Telze hervorragenden Ohren und vor allem der lange, nadte, blo& jpärlich mit fteifen Härchen befleidete, anjtatt der Behaarung mit dieredigen und verjchoben-vieredigen Schuppen bededte Schwanz. Die Borderfüße haben vier Zehen und eine Daumenmwarze, die Hinterfüße find fünf- zehig. Jm Gebiß jtehen in jedem Kiefer 3 Baczähne, die von vorn nach Hinten an Größe . abnehmen. Jhre Kaufläche ift Höcerig, jchleift jich aber mit der Zeit mehr und mehr ab, und dann entftehen quere Schmelzbänder, die in hohem Alter ebenfalls verjchtwinden fönnen. Der Pelz beiteht aus kurzem, wolligem Grundhaar und längeren, fteifen, abgeplatteten Grannen. " a 2 000 a WE Hausratte und Wanderratte. 333 Schon im gewöhnlichen Leben unterjcheidet man zwei Hauptgruppen: Natten und Mäufe, und dieje Unterfcheidung nimmt auch die Wiffenjchaft an, indem fie die Haupt- gattung Mus Z. wieder in mehrere Untergattungen teilt, von denen Epimys T'rt. (Ratte) und Mus in engjten Sinne die wichtigjten find. Führt doch Troueffart in feinem Katalog nicht weniger al3 222 Arten Ratten und (mit Unterarten) 56 verjchiedene Mäufe auf. Epimys: Schwanz 210—260 Schuppentinge; Füße die und plump, der lebte oder fechfte Sohlenballen auf dem Hinterfuße langgeftredt, bogig, nach innen hHoYl; Gaumenfalten in der Mitte ungeteilt. Mus: Schwanz höchjtens 180 Schuppentinge; Füße jchlanf und zierlich, auf der hinteren Fußjohle nur rundliche, gedrungene Ballen; Hintere Gaumenfalten in der Mitte geteilt. Ym ganzen find die Ratten die plumperen und häßlicheren, die Mäufe die leichteren und zierlicheren Geftalten, und die Unterjcheivungsmerfmale bedürfen immerhin einer ziemlich jorgfältigen Prüfung, haben auch nur für den Forjcher von Fach bejonderen Wert. In ihrem Leben dagegen unterjcheiden jich die eigentlichen Ratten von den wahren Mäufen auffallend genug. Mit den Ratten und Mäufen in diefem Sinne ijt aber der Inhalt der Unterfamilie durchaus nicht erjchöpft, ja nicht einmal Der Srhalt der Hauptgattung Mus. Innerhalb diefer jchliegen fich noch die gmergmäufse (Untergattung Micromys) arı und zwei ausländijche Untergattungen (Heliomys und Leggada). Endlich gehören zur Unterfamilie der Mäufje (Murinae), die nur in Amerika fehlt oder erxft jeit dejjen Entdecung eingejchleppt ift, auch eine ganze Reihe jelbjtändiger Hauptgattungen, die fich über Afrika, mit Ausnahme von Madagaskar, über Südafien und jeine Injelmwelt bis nach Neuguinea und Auftralien ver- breiten. Aus diejer Fülle von Formen können wir zu näherer Xebensichilderung Hier natürlich nur eine ganz Heine Auswahl treffen, die — ebenfo natürlich — jehr zugunften unferer ein- heimijchen Arten ausfallen muß. Mit ziemlicher Sicherheit nahm man lange Zeit an, daß die Ratten, die gegenwärtig in Europa haufen, urjprünglich hier nicht heimijch waren, vielmehr einmanderten. Nach allgemeinem Glauben fand jich die Hausratte zuert in Europa und Deutjchland ein oder bor; ihr folgte die Wanderratte. Die Wanderratte, al3 die jtärfere, vertreibt und ver- nichtet jedoch die Berwandte und hat jich fait überall der Alleinherrjchaft bemächtigt. Dieje Alleinherrichaft oder wenigjtens Borherrjchaft jieht man, und die allgemeine Annahme der Einwanderung jtüßte man auf eine Angabe des alten deutfch-rufjischen Naturforfchers Ballas, mwonacd) im Sabre 1727 die eriten Wanderratten, aus Wien fommend, die Wolga überjchritten und don da nad) Weiten in Europa Jich verbreitet haben. Dieje Einwanderungsgejchichte wurde aber von rufjishen Naturfundigen jchon lange bezweifelt. Schon 1880 jprad) in einer Gitung der zoologijchen Geftion des Petersburger Naturforjcher-Vereins Bogdanom die Vermutung aus, die Angabe von Pallas dürfte vielmehr auf die Wajjerratte (Arvicola amphibius) zu beziehen jein, nachdem Nikoljfy von einer Wafjerrattenplage berichtet hatte, die er 1877 im Wolgadelta miterlebte. E3 fommt Hinzu, daß weder Blanford nod) ein anderer Faunift die Wanderratte in Perjien, Indien oder Irnerajien als eingeborenes Tier fejt- zuftellen vermochte, und neuerdings (1909) Hat jchließlich Dahl in der „Naturmwiljenjchaftlichen Wocenjchrift” mit Recht darauf aufmerfjam gemacht, wie wenig, genau genommen, das Pallasiche Zeugnis in diefem Falle bedeutet, weil es nicht Selbitgejehenes, jondern Sahr- zehnte jpäter Gehörtes berichtet. Anderjeits führt Dahl aber zwei um jo bemeisfräftigere Gemährsmänner für ein ungleich älteres Borfommen der Wanderratte bei uns auf in Gejtalt der beiden mittelalterlichen Naturgefchichtsichreiber Gesner (um 1550) und Johniton 394 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Mausaztige. (um 1650). Die Rattenabbildung bei Gesner ift fo gut und genau, daß man fie nach Ohren- und Schwanzlänge nicht wohl al3 Hausratte, fondern nur al3 Wanderratte deuten kann, und bei Sohniton find gar auf demjelben Bilde zwei verjchiedene Nattenformen nebeneinander jo deutlich gekennzeichnet, auch durch helleres und Dunfleres Fell, daß der Kundige als- bald die Überzeugung gewinnt, unfere beiden Rattenarten vor fich zu Haben. Dahl gräbt auch noch eine fehr bezeichnende Stelle aus dem Tagebuch eines alten jchwäbifchen Striegs- mannes, Burkhard Stidels, aus, der 1573 aus einem Winterlager vor Neapel von einem „Ungeziefer von Natten, die größer denn die unfrigen, und braun“, berichtet. Das fann nur auf die Wanderratte gehen, und diefe müßte denn. alfo um Diejfe Zeit mindeftens jchon bis Unteritalien gefommen fein, Sedenfalls erjcheint es Heute nicht mehr zuläjjig, die land- läufige Einwanderungsgejchichte Der Wanderratte noch weiter als feititehende Wahrheit zu betrachten; vielmehr muß eine gründliche und unbefangene kritische Nachprüfung aller hierhergehörigen Tatjachen und Nachrichten gewünfcht werden, und dabei wäre auch ge- bührend die alte menschliche Erfahrung zu berüdjichtigen, daß gar manches oft neu und vorher nicht dDagewejen erjcheint, was nur nicht beachtet worden war, weil niemand darauf Dingewiejen und zur Beobachtung angeregt hatte. So Fünnte e3 in alten Zeiten jchon an vielen Stellen Europas und Deutjchlands auch mit der Wanderratte gegangen fein. Die Hausratte joll nach Blanford in Borderindien heimijch fein; wenigjtens ift jie heute noch Durch das ganze Land, ebenfo in Burma und Ceylon verbreitet, aber in abweichender, hellerer Farbe. Wenn fie aus Ajien nach Europa gefommen ift, fo muß dies fchon Iange vor gejchichtlicher Zeit gejchehen jein. Wirklich fofjile Refte find zwar nur aus dem Pleiftozän der Lombardei bejchrieben worden; aber zur Tierwelt der weitdeutichen Pfahlbauten gehört .die Hausratte, und der englifche Paläontolog Forfyth Major hat fie bei Pifa und an anderen Orten fejtgejtellt, der öfterreichiiche Höhlenforscher Woldrich in Böhmen chon zur diluvialen Steppenzeit. Da fpielt aber verwirrend ein dritter Nattenname, die fogenannte Agyp- tifche. oder Dacdhratte, Mus alexandrinus Js. Geoffr. (Taf. „Nagetiere XII", 1), Südeuro- pas, Sleinafiens und Nordafrifas hinein, und jo mag hier gleich erwähnt werden, daß Diefe heute als gleichbedeutend mit der Hausratte erkannt, als helle Farbenabart von jener er- wiejen ift. Die forgfältigen Unterfuchungen von de !’SSle, Poppe-Begejad und Baumgart, die zu diefem Ergebnis führten, eröffneten zugleich einen intereffanten Einblic in das Gebiet der arbenänderungen im Zufammenhang mit Xebensänderungen. Die bereits jehr lange geit und in nördlich gemäßigten Klima eng mit dem Menfchen zufammen lebende Haus- tatte ijt am ganzen Körper Dunkel, fat jchwarz gefärbt; die im Süden verbliebene und dort mehr auch im Freien lebende Hgyptifche Ratte dagegen, wie fie z.B. Thomas noch 1901 auf den Balearen nachgetiejen hat (‚„Proc. Zool. Soc.“), ift ebenfo gefärbt wie die oben braun- graue, unten helle Wanderratte, die in Europa erjt Fürzere Zeit der ungebetene Gajt de3 Menjchen ijt. Heute findet man aber jchon nicht allzu jelten Wanderratten mit dunkler Hausrattenfarbe, die zu Srrtümern Veranlaffung gegeben haben, und auch der Dunkeln Hausmaus jagt man nach, daß fie urfprünglich und in ihrer eigentlichen Heimat hell, wander- rattenähnlich, gefärbt gemwejen fei, wie e3 Heute noch ihre bei ung einheimischen Verwandten Jind, die fich nicht an den Menschen angejchlofjen haben, fondern draußen im Freien haufen. Die dunkle Haustattenfarbe erjcheint in Diefer Beleuchtung als die angenommene Farbe der alteingenifteten Schmaroger im Haufe und in der Wirtfchaft des Menfchen; fie fängt auch bereit3 an, bei der Wanderratte aufzutreten, obwohl diefe wahrjcheinlich exft jeit Fitr- zerer Zeit zum Menfchen übergegangen ift. Die Hausrattenfarbige Wanderratte wäre alfo Nagetiere XI. 1. Ägyptifche Ratte, Epimys rattus alexandrinus Js. Geoffr. 1/3 nat. Gr., s. S. 334. Douglas English-Hawley, Dartford, phot. 2. Hausratte, Epimys rattus Z. 1/3 nat. Gr., s. S.335. — P. Kothe-Berlin phot. PR) 2 % rn a 2 « ni a 4. Brandmaus, Micromys agrarius Pall. Nat. Gr., s. S. 357. — Alice Matzdorff-Berlin phot. n KH wor 5. Hausmaus, Mus musculus Z. Nat. Gr., s. S. 356. — Douglas English-Hawley, Dartiord, phot. 6. Waldmaus, Mus sylvaticus Z. Nat. Gr., s. S. 357. — Douglas English-Hawley, Dartiord, phot. Ügyptiiche Ratte. Hausratte. 335 eine jogenannte Mutation im Sinne des niederländischen Pflanzenforjchers de Vries, eine plöglich aufipringende Abänderung, die jich vererbt und jo jchlieglich zur Entftehung einer neuen Urt führen, eine vorhandene in gewiljen Eigenfchaften (hier der Farbe) vollfommen ummandeln fanr. ZTatfächlich darf man heute jchon von einer Zunahme der Haustatten- farbigen Wanderratte fprechen, die man überhaupt exjt jeit den legten Jahrzehnten fennt, und vor unferen Augen vollzöge fich aljo mit der Wanderratte derjelbe Vorgang, der jich mit der Hausratte und exit recht mit der Hausmaus in jo weit zurüdliegender Zeit bereit3 ab- gejpielt hat, daß uns darüber gar nicht3 überliefert ift. Neuerdings (1907) Hat nun v. Mehely vom Budapejter Nationalmujeum zu dem Gegen- jtande noch weiteres Material geliefert. Die Farbenänderung ins Dunkle glaubt er auf die allgemeinen Urjachen des Melanismus zurüdführen zu müjjen, wobei er „Der gefteigerten Wärme, einer ftarfen Lichtftrahlung und der Feuchtigkeit des Standortes den größten Ein- Huß zugefteht... Zu den obigen Faktoren gejellt ji) dann eine überreiche Ernährung, die — wie ©. Tornier3 neuejte Erperimente erweijen — jchon an und für jich zur Entwidelung melanotischer Formen führen kann. Da alle dieje Faktoren in der freien Natur vorfommen und mir tatfächlich viele Nigrinos (dunkel gewordene Formen) fennen, die im Freien ent- Itanden jind, ift e8 nicht unbedingt notwendig, anzunehmen, daß fich Die Hausratte in den menjchlichen Anfiedelungen aus der äghyptiichen Stammform entwidelt hat“; v. Mehely hält es jogar für „viel wahrjcheinlicher, daß diejelbe jchon in ihrer jegigen Form und Fär- bung nach Europa gelangte”. Die Hausratte, Epimys rattus Z. (Mus; Taf. „Nagetiere XII“, 2), erreicht 16 cm Leibes-, 19 cm Schwanz>, aljo 35 cm Gejamtlänge und ijt oberjeit3 dunfel braunjchwarz, unterjeit3 ein wenig heller graufchwarz gefärbt. Das an der Wurzel Schwarzgraue Haar zeigt grünlichen Metallichimmer. Die Füße haben graubraune, jeitlich etwas lichtere Färbung. An dem verhältnismäßig jchlanfen Schwanze zählt man 260—270 Schuppenringe. Weißlinge find nicht jelten; ja vielleicht Hat fich gerade in Forın der rein weißen, rotaugigen oder jchtiwarz- ichedigen, dunfeläugigen Ratten, die hier und da zum Vergnügen gezüchtet und von Vogel- händlern feilgeboten werden, die Hausratte als zahme Bierrajje auch da erhalten, wo jie wild längjt verjchwunden ijt. Kleiner als die Wanderratte find dieje Zierratten, langohriger er- icheinen fie auch, Die Schwarze Schedung bedeutet vielleicht ebenfalls etwas, und der engliiche Faunilt 3. ©. Millais behauptet gelegentlich eines Meinungsaustaufches über Albinoratten, der jich in der Sportzeitichrift „The Field“ (29.6.07) entjponnen hatte, auf das bejtimmtefte, daß alle weißen Ratten, die er im le&ten Jahre unterfucht habe, Hausratten gemwejen jeien, ebenjo die von Ogilvie-Grant am Britiihen Mujeum gehaltenen. Dap jedoch auch die Wander- ratte Weißlinge und Scheden bildet und zu den zahmen Zierratten ihren Teil ftellt, ift wohl ebenfall3 mit Sicherheit anzunehmen. Daß der eigentümliche jcharfe Geruch, der der Haus- tatte gewöhnlich anhaftet, ihr auch fehlen Tann, beweijt Reefer durch zwei Stücke feines Weft- rältihen Propinzialmujfeums, die ihm eben wegen diejer Geruchlojigfeit zugejchiekt wurden. („Sahresber. Zool. Geft.”, 1895.) — Von einem Gelbling der Hausratte, der unterjeitS weiß war und tote Augen hatte, berichtete Landois in der Zool. Sektion des Weitf. Prod.-Bereins 1893. Bonhote hat aljo unrecht, wenn er meint (‚„‚Proc. Zool. Soc.“, 1910), jeine gelbe Ratte, die er von einem Paar wild gefangener Hausratten aus Ägypten züchtete, fei Das erjte be- fannte Stüc diejer Zarbe. Shre langen Grannenhaare auf der Oberfeite, die jonft jchtwarz jind, waren farblos, die übrigen am Grumde grau, an der Spibe gelb. 336 8. Drdmung: Nagetiere, Familie: Mausartige. Wenn man die jest jeltene Hausratte gegenüber der gewöhnlichen Wanderratte fenn- zeichnen will, jo gejchieht dies am beiten Durch die großen, nadten, dünnhäutigen Ohren, die ungefähr von halber Kopflänge find und, nad) vorn an die Kopfjeiten angedrückt, bis zum Auge reichen, und den mehr al3 fürperlangen, dünnen Schwanz, der durch beide Eigen- ichaften, Länge und Dünne, bei näherer Betrachtung jofort auffällt. Das Merkmal der bedeutend geringeren, um ein Drittel hinter der der Wanderratte zurücdbleibenden Körper- | größe Fan natürlich nur bei gleichaltrigen Eremplaren voll zur Geltung fommen; dagegen ift der leichtere, flachere und länger geftredte Kopf im Gegenjab zu Dem derben Schädel der Wanderratte noch ein Kennzeichen am lebenden Tiere, da3 jchärferem Blide nicht entgeht. Baumgart [pricht in diefem Sinne geradezu davon, daß bei der Wanderratte der „NRaubtier- charafter” befonder3 deutlich in der ftarfen Entwidelung der Beif- und Ktaumwerkjeuge aus- gebildet ift. Seine „Bergleichenden Unterfuchungen über Mus rattus und Mus decumanus und über die Urjachen der Verdrängung der Haustatte durch die Wanderratte” Haben aus jeder Einzelheit des Leibesbaues den Beweis ergeben, daß die Hausratte verhältnismäßig ichlechter ausgeftattet und für den Kampf ums Dafein gewappnet ijt als die Wanderratte. Und dasjelbe geht aus den Lebensäußerungen hervor, die Baumgart ebenfalls ar Gefangenen beider Arten genau verfolgt hat. Beide Arten find AUllesfrejjer. Jndes: „Das erite mir überfandte Eremplar von Mus rattus fraß fein Fleijch oder doch nur, wenn es fange gehungert hatte. Waren aber neben der Fleijchkoft Körner, Semmel, Milch ujw. im Käfig, jo 30g es ftet3 Diefe vor und ließ das Fleifch unberührt. — Bei Mus decumanus fonnte ich diefe Beobachtung nicht machen.” An körperlichen Fähigkeiten ift, na) Baumgart, nur im Springen die leichtere Hausratte der Wanderratte iiber, „mähtend Mus decumanus eriterer im Waffer gewaltig überlegen ift, indem fie jchneller und jicherer [hwimmt und taucht und dabei infolge ihrer größeren Körperkraft, Ausdauer und Gemwandtheit drei- bis viermal jolange im Wafjer aushält al3 Mus rattus”. Ebenfo fam fie nach völliger Erfchöpfung „weit früher zu fich und begann früher wieder zu atmen als die Hausratte... Mithin ift auch in der Lebensenergie und Zähigfeit die Wanderratte der Hausratte überlegen”. Baumgarts „Berfuche haben ferner ergeben, daß Mus decumanus viel fampfluftiger ift al3 Mus rattus, und daß bet ihr der aggrejjive Charakter beim Kampfe ftark in den Vordergrund tritt, während Mus rattus fich meift nur auf die Defenfive bejchränft; dazu fommt, daß die erjteren fich beim Kampfe gegenfeitig unterftügen; fie greifen den Feind jtetS zu mehreren gemeinjam aıt. Die Haustatte dagegen ift wenig zum Kampfe geneigt ... und wird durch die feigen Art- genofjen nicht unterftüßt.”" Sr der Fruchtbarkeit foll nach den Angaben der Literatur die Haus- tatte der Wanderratte nicht nachitehen; Baumgart „jedoch gelang es tro& langer Beobad)- tung und verschiedenster Berfuche nicht, auch nur einen Nachkommen von Mus rattus in der Gefangenschaft zu erhalten, während fich die Wandertatte auch in der Gefangenfchaft Ieb- haft fortpflanzte... Baftarde von beiden Nattenarten zu erzeugen, ift mir nicht gelungen.” Ulbertus Magnus ift der erjte Tierfundige, der die Hausratte als deutjches Tier auf- führt; der Bifchof von Autun verhängt Anfang des 15. Jahrhunderts den Kirchenbann über lie; in Sondershausen jeßt man ihretwegen einen Buß- und Bettagan. Bis in Die erite Hälfte de3 18. Jahrhunderts genoß fie in Europa anjcheinend Die Alleinherrichaft; von Diejer Zeit an, wenn nicht Schon früher, hat ihr die Wanderratte das Gebiet ftreitig gemacht, und zivar mit jolchen Erfolge, daß die Hausratte fait überall Hat weichen müjjen. Doch ift fie zurzeit noch) jo ziemlich über alle Teile der Erde verbreitet, fommt aber nur jelten in gejchlofjenen Mafjen, jondern fait überall einzeln und weit zerjtreut vor. Bei uns in Deutjchland jchien Hausratte: Vergleich mit Wanderratte. Gejchichte. Verbreitung. 337 jie allermeift verjchwunden zu jein; Doch blieben unter anderen noch in Nordweitdeutichland (Bremen, Liineburg) wıd Thüringen (bei Rudolftadt) Fundorte der Hausratte befannt, und in neuerer Zeit haben dieje jich jogar wieder vermehrt, jeit man genauer auf das Tier achtet. Aus Bremen berichtet der Neallehrer Meer („Zool. Garten”, 1889): „Das... Badhaus it hier in Bremen der Ort der genaueren Beobachtung des feindfeligen Berhältnijjeg zivi- chen Haus- und Wanderratte... Wiederholt bemerkte man hier, wie die Hausratte, um den Angriffen der Wanderratte zu entgehen, an den Seilen der Winden emporffetterte. Nur bei Nahrungsmangel in den oberen Räumen Eletterte jie wieder herunter, mo jie aber bon der Wanderratte nicht geduldet wurde. Syn den oberen Räumen etwas hoch gelegener Padhäufer wird jie noch jeßt vereinzelt angetroffen, bisweilen auch in Häufern, welche in deren Nähe liegen; Doch immer nur in den oberen Stocdwerfen.” Ein Schüler Mejiers ber- jicherte, „Daß in dem betreffenden Haufe in den lebten beiden Jahren wohl gegen 70 Stüd, meiltens jüngere Tiere, getötet worden wären”, und berichtete weiter, „Da dieje Ratten viel zutraulicher, gewiljermaßen jchußjuchend dem Menschen gegenüber fich zeigten...” Borcher- ding („Zool. Garten‘, 1889) glaubt „zu der Annahme berechtigt zu fein, daf die Hausratte doc) noch an mehr Stellen unjeres Nordweiteng vorfommt, al3 man gewöhnlich annimmt”. Tatjächlich Tiefen denn auch, nachdem die Aufmerfjamfeit einmal auf das Tier gelenkt war, in der Zeitjchrift „Der Zool. Garten” eine ganze Menge Fundzeugnijje zujammen. So von FT. Nömer aus Mörs, von Hartert aus Wejel am Niederrhein, aus Hamburg von Schiötk und D. Edi. Eiffe. „In Lüneburg herrichte 1868 die alte Art noch vor, troßdem Die - Wanderratte auch hier jchon Ende der 1830er Jahre in den Häufern an der Ilmenau auf trat und die Hausratte immer mehr zurüddrängte; Doch werden immer noch vereinzelte Stüde gefunden.” Für Mitteldeutjchland, Thüringen, gibt Nömer Funditellen an nad) T. Negel(„Geogr. Handbuch von Thüringen”, 1894), der jich wieder auf. Kirchhoff („Mittlgn. d. Geogr. Gef. f. Thüringen”, Bd. 3) jtüßt. „Sm Gallma auf dem Franfenmwald war 1883 die Wanderratte noch unbekannt. Ir Stleinliebringen, unfern Stadtilm, wurde 1873 Die erite Wanderratte Durch einen Spiß aufgebracht und von den Bewohnern angejtaunt; zehn Jahre ipäter war die Hausratte faum noch vorhanden. Auch im fränkischen Borland des Thüringer Waldes, in Solz, weitlich von Meiningen, fannte man die Wanderratte vor 11 Jahren (1887) noch nicht, und in Sonneberg gab es 1884 noch beide Nattenarten.” Nach Feititellungen, die der Hafjtiche Vogelwirt Liebe-Gera in den Sahren 18850—82 machte, hatten jich „in einem großen Walddorf des Herzoglich altenburgifchen Weitkreifes, in St. Gangloff, ... beide Nattenarten in die Herrichaft geteilt, jo Daß Mus rattus mehr die Dachböden und oberen Etagen der Häufer, die Scheunen und Gerätjchaftshäufer in den höher gelegenen Teilen des Drtes, die Wanderratte Hingegen mehr die Keller und Ställe und die tiefer, dem Bad) zu gelegenen Gehöfte bewohnte”. Für das Königreich Sachjen bringt der vielbelefene Marjhall . in jeinen „Spaziergängen eines Naturforichers” nur aus den jiebziger Jahren vorigen Jahr- . Hundert3 einige Einzelbelege. Damals „gab es in Dresden in verjchiedenen auf dem rechten Eldufer gelegenen Straßen und Gajjen noch Hausratten, ebenjo in dem eine Stunde Sehens nacı) Dften gelegenen Schänfhübel. Bald aber waren jie verfchtvunden, wenigjteng wurden jpäter in den Fallen nur noch Wanderratten gefangen. m Fahre 1877 famen in der Brauerei Schloß Blanfenhain bei Crimmigjchau noch Hausratten vor; furz darauf waren jte auch Hier nicht mehr vorhanden, und es ift zweifelhaft, ob jeit jener Zeit im Königreich Sachen noch lebende Hausratten anzutreffen find.” Dagegen erhielt aus den Dftpropinzen unjeres Vaterlandes „Der Zool. Garten” noch Brehm, Tierleben. 4. Aufl. Kr. Band. 22 338 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. in den 189er Jahren Nachrichten über die Hausratte; jo von Knauthe 1893 aus Schlejien (aus dem jüdlichen Teile des Zobtenberggaues, aus Schlaupis, Niedeglangjeifersdorf, Siliter- wib) und aus der äußerften Dftmarf jogar von Fr. Lindner, dem jie der Nittergutsbejiber Kunert aus Wernsdorf bei Tharau, Kreis Königsberg i. Pr., zuichiete. Anderjeits regte „Der Zool. Garten” durch alle diefe Mitteilungen auch Nachweije vom Nittel- und DOber- ıhein an. Der Gymnaftallehrer Geifenheyner in Streuznacd) Hatte bi3 zum Jahre 1895 Die Hausratte „aus dem größten Teile der Dörfer Der Umgegend“ befommen, und 1898 fonnte er berichten, „daß der Kreis um Kreuznach vollftändig gejchloffen it: e3 gibt um meinen Wohnort herum jet feinen Ort mehr, aus dem ich nicht Exemplare der Yausratte mit eigenen Augen gejehen hätte”. Auch aus Linz a. Rh. erhielt er jie von Oberförjter Meis- heimer, und aus dem Eljaß berichtet der Straßburger Zoolog Döderlein („Mitt.d. Philomath. Gejellich. in Elfaf-Lothringen“, 1896; Neferat „Zool. Garten“, 1897), daß jie „in gemiljen Teilen des Landes noch Häufig ift. Sie zeigt fich in Straßburg wohl ebenjooft wie die Wan- derratte, ift aber ganz auf die Gebäube bejchränft, wo fie vom Steller bis in die Dachräume, befonders gern aber in Magazinen, und oft in nicht geringer Menge, wohnt. Auch in Dperehnheim und in Zabern jcheint jie die Häufigere Art zu fein, Die Wanderratte ift dort jchwerer aufzutreiben. Die Haustatte verbreitet fich bis in die Hochvogejen, und die Ratten, die Förfter Waltisperger vom Hotel ‚Weißer See‘ einjandte, wo jie in Menge leben, er- wiejen jich jämtlich al$ Mus rattus.” Schließlich wurden während der erjten Jahre Diejes Sahrhunderts noch im jtädtiichen Lagerhaus zu Frankfurt a. M. eine ganze Anzahl Haus- tatten gefangen und dem dortigen Zoologijchen Garten überwiejen. Huch aus unjeren Nachbarländern liefen Ntachweije der Hausratte ein, nachdem einmal die Aufmerfjamfeit darauf gelenkt war. So 1906 von ’®. d. Burg aus Olten im Schweizer Kanton Solothurn, Der berichtet („Zool. Garten“, 1906), „Daß in den jtebziger und achtziger Jahren die Hausratte längs des Schweizerischen Juras auf einige wenige ijolierte Gebäulich- feiten bejchränft, aljo ehr jelten war“, der „aber jchon von Mitte der neunziger Jahre an eine | jtarfe Zunahme von Mus rattus feitgejtellt” zu haben glaubt. „Zurzeit ijt fie an vielen Drten häufiger als die Wanderratte; oft wird in Der einen Nacht ein Mus decumanus und in der folgenden am gleichen Ort und im gleichen Eifen eine Hausratte gefangen. Viele Crem- plare der legteren überjchreiten um ein Beträchtliches die Marimalmaße der zoologijchen _ Yerfe.” Diejer leßtere, im Original fettgedrucdte Sat kann bedenklich machen, weil er den Ge- danten an hausrattenfarbige Wanderratten aufprängt. Aus dem Sahre 1892 liegen aber auch bon anderer Seite für Olten und Umgegend Nachweije der Hausratte vor („Zool. Garten“, 1592, Bezirtslehrer Keller-Zichoffe und Apotheker Fiicher-Sigmwart), und im Erjcheinungs- jahr jeiner „Wirbeltierwelt der Schweiz“, 1869, gibt Fatio fogar an, daß er „lesthin” in Laufjanne, Neuchätel und Bern noch die Haustatte in ihrer „weißbäuchigen alexandrinus- Form“ vorgefunden habe; ja, er hielt es damals für wahrfcheinlich, daß fie auch noch ander= - mwärts in der Schweiz vorfomme, aber mit der Wanderratte zufammengemworfen werde. „Die Negerrafje (wie Fatio die dunkle Hausrattenform nennt), jeit Jahrhunderten Schma- toger, hält jich an die menschlichen Wohnungen, Keller und Speicher. Was die typijche Rajje mit weißem Bauch anlangt”, jo glaubt Fatio an eine erneute Einwanderung zu da- maliger Zeit: „Neue Scharen durcheilen unfere Fluren, wohnen bandenweife in unferen Wäldern, fallen von da in die Gehöfte ein und erobern allmählich Dörfer und Städte, indem jie jich in den Häufern oft durch die Abflufröhren ausbreiten. So war e8 auch eine Rotte von 30—40 Alerandrinerratten, die mir am hellen Tage vor etwa zwei Jahren im Hausratte: Verbreitung. 339 Walde bei Genf quer über den Weg lief.” — E. Hecht hat aus der Gegend von Nancy in den Sahren 1897—99 „mehr al3 10 Stüd echter Hausratten” erhalten, die er jehr wohl von Dunkeln Wanderratten zu unterjcheiden veriteht, und möchte „die zahlreichen neueren Mel- Dungen über das Vorkommen der Hausratte an den verjchiedenjten Orten” geradezu als einen Beweis dafür gelten lafjen, „daß diefe Art fi augenblicklich in einer Zeit des Auf- Ichtwunges, Der Vermehrung und Ausbreitung befindet”, — „Noch 1879 fand jich die Haus- ratte in gewiljen Gegenden Englands, nad) Klaypole jogar in den Whitechapel-Dods in London jelbit. Morton Mivdleton ftellte 1878 ihre Gegenwart in Stocdton-on-Tees in Der Srafichaft Durham feit“, und noch 1909 meldete E. E. Phillips dem ‚‚Field‘“ eine an feinem Wohnort Talgarth in Breconjhire (Wales) tot gefundene. „Giglioli jagt 1879 über die Haus- tatte in Stalien, fie jei auf dem Fejtlande jorwie auf den meijten Injeln von Sizilien bis Elba jehr häufig, ja gerade auf den Heinen die ausjchlieglich vorhandene Art. Im Mufeums- gebäude von Florenz war decumanus damals im Steller, rattus in den oberen Näumlich- feiten.” (Marjhall, „Spaziergänge eines Naturforichers.”) Aus den Bereiche der öjterreichtich- ungarischen Monarchie führt Mojjifovics die Kgyptifche Natte nur für Südtirol an; dagegen ift „heute noch (1897) die Haustatte in Ofterreich-Ungarn ziemlich oft an nrerfen. Sch fenne jie jelbft von zahlreichen Zundorten, aus Sidungarn, aus Niederöfterreich, Steier- mark; fie findet jich ferner noch in Tirol, Siebenbürgen (jelten), Galizien, Bufomwina, Böhmen und Schlejien, angeblich auch in Kärnten bei Klagenfurt”. Anderjeits fehlte sie jehon 1861 in manchen ausgedehnten Strichen Ungarns durchaus; jo nach Zeitteles in der Im- gebung von Kajchau. — Aus Rußland beitätigt Greve aus eigener Erinnerung und Erfahrung („Zool. Garten“, 1895) Satunin, der in feiner Arbeit über die Wirbeltiere des Moskauer Goubvernements angibt, daß die Haustatte „jeit etwa 30 Jahren” dort verihiwunden, aber „m Tulafchen (Goud.) noch jet (1895) ftellenmweife vorhanden” ift. Er fügt die interejjante Bemerkung hinzu, daß „Das Volk dort auch die beiden Arten wohl auseinanderhält, ja für jede einen bejonderen Namen hat. Die Haustatte wird ‚tschornaja kryssa‘, |hwarze Natte, genannt, während für, die Wanderratte die Bezeichnung ‚passjuk‘ üblich ıjt.” Aus den Kaufajusländern berichten Radde und Satunin, lebterer, daß die Hausratte „an einigen Stellen Transfaufajiens noch zahlreich, z.B. im Dorfe Muchran, Goudernement Tiflis”, borfommt, erjterer, daß in Tiflis jelbjt „beide Nattenarten noch (1899) im Ktamıpfe” Tiegen, die Haustatte jedoch „nicht jo gemein als die Wanderratte” ijt. — Bon der Einjchleppung, früheren Berbreitung und jpäteren Berdrängung der Hausratte in den überjeeischen Län- dern gibt wieder der vielbelefene Marjhalt in jeinen „Spaziergängen eines Naturforjchers” einige Proben. „Bon europäischen Häfen aus wurde jie bereits im 16. Jahrhundert in überjeeijche Kolonien zu Schiff verjchleppt. So zeigte fie jich jchon 1540 in Südamerika, nahm, bejonders auf den weitindischen Snjeln, ganz außerordentlich überhand und erivies jich als ein namentlich dem Zucderrohr Höchit jchädliches Tier. So tat jte diejem allein auf Barbados jährlich für Durchjchnittlich 100000 Mark nach jegigem Gelde Schaden... Die Hausratte war unter anderem fchon im 16. Jahrhundert auf Jsle de Bourbon (Reunion) ein- gewandert und hatte jich Hier jo vermehrt, daß fich die Ktolonijten gelegentlich zum Teil ge- nötigt jahen, die Snjel zu verlajjen. Da erjchien gegen Ende des vorigen (18.) Jahrhunderts die Wanderratte und drängte jene in das Innere, wo jie 1859 im Gebirge noch jehr zahlreich war... Sn der Neuen Welt jpielte jich zwijchen den beiden beim Menjchen fchmarogenden Nattenarten das nämliche Tramıa wie in der Alten ab. Im füdmweitlichen Teil des Staates Dhio gab e3 1840 nur die Hausratte, zehn Jahre ipäter ausjchließlich die Wanderratte, und 22* 340 8. Drdnung: Nagetiere. Familıe: Mausartige. einige Jahre darauf wiederholte jich Die Sache im Staate Sllinois. — Ir mehreren.Gegenden der Dftindifchen Archipels, z.B. im Norden und Süden der Snjel Celebes, mar Ende der jiebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts Mus rattus jchon völlig verihwunden, ebenjo in der Gegend von Lhttleton auf Neufeeland und ausden Dajen der algerijchen Sahara; dafür var decumanus eingezogen.” Sn Vorderindien hat die Haustatte heute noch weitere Verbreitung und größere Be- deutung, um jo größere, als fie zu den Überträgern der fürchterlichen Peft gehört, die fait unausgejegt im Lande wütet. Die eigentlichen „Bejtratten” gehören zwar zu einer ein- geborenen Gattung (Nesocia); aber nächjt Diejer ijt wohl die Hausratte am meijten beteiligt. Diefe Meinung äußerte wenigjtens der Sanitätsfommifjar der indiichen Negierung bei einer Beiprechung der Rolle, welche die Flöhe der Ratten bei der Verbreitung der Reit ipielen, indem er der Vermutung Raum gab, die verhältnismäßige Milde der neuejten Epidemien in Kalfutta, verglichen mit denen in Bombay, Poona und anderen Städten Dberindiens, fünne darauf zurücdzuführen jein, daß in diejen leßteren Die Haustatte dor= berrichte, in Kalfutta aber die Wanderratte, die vermöge ihrer etwas abweichenden Xebens- gervohnheiten mit dem Menjchen in weniger enge Berührung fomme. Der gewöhnliche Aufenthaltsort Der Haustatte in Kalfutta jind das Dachjtrod, die un- dichten Stellen des Daches, die Dachziegel, Hohle Dielen und ähnliche Schlupfwinfel. Zum Unglücd für jtie gewährt ihr aber die Bauart der Durchjchnittshäufer Kalfuttas folche Wohn jtätten nicht, weil die Dächer flach und aus Mauerwerk auf Balfen gebaut find, heutzutage allgemein aus Eifen, und das mag die Erklärung fein, daß jie dort verhältnismäßig jelten ilt, nur 14 Prozent der gefamten Nattenmenge in Kalfutta ausmacht. Anderjeits gibt es aber x noch aroße Stadtteile mit ziegelgededten Hütten; von dort wurden Hojjad Hausratten aus den oberen Räumen gebracht, namentlich aber aus den Küchen. Im oologiichen Garten Kalfuttas leben fie vielfach auf den Balmen. Direktor Sanyal ließ dort einmal einige aus den Nejtern nehmen und züchtete jie in einer ausgemauerten Grube weiter: da verloren jtie binnen weniger Generationen ihre helltötliche Farbe und wurden dunkelbraun. Ergänzend berichtet Gourlay in den „Records of the Indian Museum“ über die Ratten von Dacca im öjtlihen Bengalen (Brahmaputragebiet), daß bei einer Zählung im April 1907: 59 Prozent Hausratten und 41 eingeborene (Nesocia) waren, andere Arten aber über- haupt nicht vorfamen. Außer E. rattus alexandrinus verzeichnet Trouejjart noch Drei weitere Abarten Der Haustatte: E. r. caledonicus Wagn. von Neufaledonien, E. r. novae-zelandiae Bull. von eufeeland und E. r. jacobiae Wtrh. von den Galapagos. Diejes Vorkommen auf weit entlegenen Südinfeln legt jchon den Schluß nahe, daß man e3 hier mit Abfömmlingen eingejchleppter Hausratten zu tun hat, die jeit dem Entdedungszeitalter durch ihre infus. lare Abgejchlojjenheit und noch mehr wohl durch die veränderten Lebensumftände fich zu bejtimmten, von der Stammform deutlich unterjcheidbaren Nafjen herausgebildet haben. Eine vierte Abart, die Minasratte aus Südbrafilien (Provinz Minas Gera), wurde jeinerzeit von dem däntjchen Shitematifer Lund als jelbjtändige Art (M. setosus = borftige Ratte) aufgeitellt, weil fie von allen Mausnagern des Landes (Gattung Hesperomys und Verwandte) jich durch die langen, über den Wollpelz vorragenden Grannenhaare unter- ichied. Lund liefert aber jelpft gleich Die Hinweise, daß auch jie nur eine abgeänderte Haus tatte it. Denn einmal war dieje Ratte nach den Ausjagen der Einwohner exit jeit 25— 30 ‚ahren vor jeiner Forjchungsreife im Lande befannt, d.h. jeit Anfang des 19. Jahrhunderts, Hausratte und Abarten. Wanderratte. 341 und ferner berichtet er, laut Schreber-Wagner, „daß er bei jeinen Unterjuchungen der Haufen Feiner Sinochen, die man oft auf Dem Boden Der Höhlen antrifft, Die Sinochen von Ddiejer Art nur in den oberen Teilen und in friichem Zujtande wahrnahm, niemals aber unter den übrigen Sinochen, die unterhalb beijanmnenliegen und deren Einlagerungszeit öfters auf Jahrhunderte zurücdgehen mag”. Auch Wagner möchte jchon „nach den wenigen Angaben, die Lund von der Bejchaffenheit diejer Ratte mitteilt“, „mit einiger Wahrjcheinlich- feit auf die Dachratte (M. alexandrinus bziv. rattus) mutmaßen“. &o jehen wir aljo hier die direkten Nachlommen einer genau befannten Tierform innerhalb genau befannter, gar nicht jehr langer gejchichtlicher Zeit unter veränderten Lebensumftänden veränderte Merf- male annehmen, die fich aber nach einem PVierteljahrhundert jchon bejtimmtt vererben und Dadurch aus der alten eine neue Tierform machen, der die wiljenjchaftliche Syitematif durch eine Namengebung gerecht werden muß. Nach dem Gewicht der bis jet vorhandenen Unter- jcheidungsmerfmale ift Dies Durch Aufitellung als Abart geichehen. Die Wanderratte, Epimysnorwegicus Erz]. (Musdecumanus; Taf. Nagetiere XII, 3, bei ©. 334), ift um ein Beträchtliches größer als die Hausratte, nämlich einjchlieglich Des 18 cm mejjenden Schtwanzes 42 cm lang, und ihre Färbung auf Der Ober- und Unterjeite des Leibes verjchieden. Der Oberteil des Körpers und Schwanzes tt bräunlichgrau, die Unter- feite jcharf abgejebt graumeiß, die Mittellinie des Niüdens gewöhnlich etwas dunfler als die Geite des Leibes, die mehr ins Gelblichgraue jpielt. Der Haargrund tft oben braungrau, unten lichter, meijt blaßgrau. Der Schwanz hat etiva 210 Schuppenringe. Schwärzlinge, Weih- linge mit roten Augen, Falbe und Scheden fommen vor. Lebtere jind entweder jchwarz- weiß oder graumeiß, und fait immer jind bet ihnen Kopf, Hals, Schultern und Borderbeine nebjt einem breiteren oder jchmäleren Rüdenjtreifen jchwarz oder grau, die übrigen Teile weiß gefärbt. — Bon den Farbenabänderungen haben die Schwärzlinge, wie oben bereit? dargetan, Das meiite Snterejje, weil jie als ein Gegenjtücd erjcheinen zu den beiden Jormen der Haustatte (E. rattus und E. r. alexandrinus), um jo mehr, al3 eine Junahnte Diejer Wanderrattenjchwärzlinge in unjerer Zeit unverkennbar ijt. Bocod, der Leiter des Londoner 300, hat aus einer Boliere dort 15 Stüd auf einmal ausgraben jehen, und gewiß behält er in vielen Fällen recht, wenn er auch die weißen und jchecigen Ratten als Wanderratten anjpricht. Bon E. ©. Codburn aus Chejterfield erhielt er aber auch einen wild gefangenen Gelbling von der Wanderratte, wie er nie zubor einen gejehen hatte. „Er ijt von bla jandfahler _ Farbe, Bauch, Schwanz und Füße weiß, Augen dunkel rojenrot... Codburn teilte mit, dab ähnliche Stüde in den legten zivwet Jahren auf jeiner Bejigung gejehen worden jeten; jie jchtenen ich jogar allmählich auszubreiten.” Ganz nadte, haarloje Ratten find neuerdings jowohl im Berliner als im Londoner Garten beobachtet worden; Pocod zeigte im Juni 1904 der Londoner Zoologiichen Gejellichaft mehrere Eremplare lebend vor und fnüpfte daran die zutreffende Bemerkung, daß die Haarlojigfeit offenbar immer mit jtarfer Haut- runzelung verbunden tjt. Yerner ließen die vorgezeigten Stüde annehmen, daß jich auch eine gewilje Augenjchwäce Hinzugejellt. Bon folcher machte jich bei dem im Berliner Garten 1908 gefangenen und längere Zeit gefangen gehaltenen Eremplar nichts bemerkbar. güchtung mit einer weißen Natte ergab feine Vererbung der Haarlojigfeit, jondern die Jungen waren ganz gewöhnlich behaart und gefärbt. Ein Berliner Hautarzt unterjuchte die haarloje Ratte nach ihrem Tode und fan zu dem Ergebnis, daß die Haarlojigfeit durd) nachträgliche VBerödung der Haarbälge entjtanden, aljo nicht angeboten gemwejen jei. * 342 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. An PBallas’ bisher überall gläubig Hingenommener Behauptung von der jpäten und plöglichen Einwanderung der Wanderratte durch majjenhaftes Überjchreiten ver Wolga im Sabre 1727 find nach den oben bereitS angeführten Gegenzeugnijjen heute Zweifel nicht mut erlaubt, jondern vermöge jener gewichtigen Belege jogar geboten, zumal das Tier noch im vorigen Jahrhundert das nächitgelegene Vorderafien allem Anjchein nach nicht bewohnte. Jr Turfmenien war die Wanderratte, laut U. Walter, nicht heimifch, und in den achtziger Jahren de8 vorigen Jahrhunderts fehlte fie noch in Asfabad und Merw, wohin fie nun wohl längjt die ruijische Bahn verjchleppt haben toird. Anderjeits liegen auch Zeugnijje vor, daf jie noch gegenwärtig zuweilen in Scharen von einem Orte zum andern zieht. „Mein Schwager”, ichreibt mir Helms, „traf einmal an einem frühen Herbitmorgen im Vördenjchen einen iofhen wandernden Zug, den er auf mehrere taujend Stüd jhäten mußte.” Auch der Wanderratte, wie „vielen Arten von Nagetieren, jißt ein wunderbarer Nandertrieb im Leibe”, jagt daher Marjhall in feinen „Spaziergängen eines Naturforjchers”. „So überfiel 1846 eine große Schar die Injel Aaröd im Kleinen Belt, die jie nur jchtvinmend erreichen fonnte, und tat hier großen Schaden. Im Jahre 1843 oder 1844 ftiegen jie im ehemaligen Königreiche Novara (nordital. Provinz Piemont) in Mengen vom Gebirge von Yhnascons in die fruchtbare Ebene und brandjchaßten die Umgegend von Alova und der Hauptitadt Novara felbit... Im Jahre 1884 ging eine Notiz durch die Tagesblätter von einer groß- artigen Nattenwanderung, die in Weitfalen jtattgefunden hatte. Die ‚Wejtfäliiche Boit‘ berichtete damals aus Nedlinghaufen: ‚Ein nad) Taujenden zählender Zug Wanderratten paijierte am 16. Dezember unferen Ort. Wie wir hören, famen jie an Stoesfeld vorbei über die Dörfer Latte, Wehlde, Börnfte. Ste durhiehwanmen die Steyer und bei Flasheim die Lippe, worauf jie nach Nedlinghaufen wanderten. Yon da ging's über Herten, worauf jie jich bei Grünberg in die Emjcher warfen. Von Beritörungen hörte man nicht viel.‘ Wenn die Wanderratte von Epimys humiliatus A. M.-E. abjtammt — und Oldfield Ihomas hält es für „jehr wohl möglich, daß dieje die urjprüngliche Wildform diejer Aller- mweltspejt” darjtellt —, jo mitjjen wir ihre Urheimat nach Nordchina verlegen, nach Nordweit- Soften („Proc. Zool. Soc.“, 1898). Das Stlima des Gebirges von Nordweit-Fohien, auf den engliichen Karten Boheagebirge genannt, it falt und feucht. Dicht bei Kuatun jind die ganzen Berghänge noch mit jungfräulichem Urwald bededt. Ir jolhem unmirtlichen Lande mag wohl ein Nagergejchlecht gedeihen, das wanderlujtig und allüberall dem Kampf ums Dajein vollauf gewachjen it! Wie Marjhall („Spaziergänge eines Naturforichers”) jehr jejjelnd jchildert, tt Die Wanderratte gewiß vor allem „auch, was für jte viel bequemer war und bejjer und jchneller gefördert haben wird, auf dem Geewege von Djtindien aus, das Ichon früher von China her von ihr überzogen war, mit Schiffsgelegenheit nach Europa und vermutlich zuerit nach England gefommen, angeblich im Jahre 1732. Wie jehr in jchalfhafter Sneonjequenz die jo überaus unjfauberen Wanderratten das Wajfer und den Aufenthalt auf Schiffen lieben, it befannt. Sie laufen nachts in den Häfen von den Schiffen entlang der Anfertaue im Gänjemarjch bis in die Nähe des Landes und durchjchtoimmen die lebte trennende Strede, vortreffliche Schwimmerinnen, wie jie jind, mit Leichtigkeit. Cbenjo ge- langen fie umgefehrt vom Lande aufs Schiff. Sie Klettern auch, wenn jie Durst Haben, hoch in die Tafelage hinauf, um das Wafjer, das fich bei vorhergehendem Regen in den Falten der Segel gejammelt hatte, zu jaufen.” sm Jahre 1775 wurde die Wanderratte nach Nordamerika verjchleppt und erlangte hier ebenfalls in Fünzejter Zeit eine unglaublich große Verbreitung; doch war fie im Jahre 1825 Wanderratte: Herfunft. Berjchleppung. 343 noch nicht weit über Kingston hinaus in Oberfanada vorgedrungen, und im achten Jahrzehnt de3 vorigen Jahrhunderts hatte jie den oberen Miffourt noch nicht erreicht. Auch David E. Lan nennt jie in jeiner eingehenden Arbeit über ‚The brown rat in the United States“ (,U.S.Dep. of Agr. Biol. Surv.‘, Bull. No. 33) 1909 zwar „die gewöhnliche Ratte bei Häufern, Ställen und Scheunen”, meint aber doch, daß fie mehr nur Die Dichtbevölferten Teile Amerifas bewohne. Sie fommt von Banana bis Yukon und Grönland vor, mit Ausnahme der inneren Tafel- (änder und vielleicht einiger Bezirke des Südens; zwiichen den Feljengebirgen und der Sierra tft fie fait ganz auf die Stäpte an den Bahnlinien bejchränft. Aus Nevada, Utah, Wyoming und Jdaho fehlen Nachrichten von ihr. — Bon der Nattenplage in der Südjee er- zählt Dr. Divuzet, ehemaliger Deutjcher Negierungslehrer dort („Kolonie und Heimat‘, 1909): „Eine furchtbare Landplage auf den Marianen bilden die in unheimlichen Mengen hier vor- fommenden Ratten. Manche Ausjaat an Mais geht gar nicht auf, weil jie buchjtäblich von den Ratten aufgefrejjen wird. Eingeborene erzählten mir, daß fie manchmal drei- bis viermal das Feld mit Mais bejtellen müjjen, bis die Ausjaat jo weit gediehen ijt, daß jte von den Natten nicht mehr angegriffen wird.” Ganz bejonders läjtig und jchädlich, ja geradezu verhängnispoll wurden die Ratten auf einjamen Snjeln, jo daß der allbelejene Langfavel darüber eine längere, ebenjo erjtaunliche als unerfreuliche Schilderung zufammenjtellen konnte („Nattenplage auf Injeln”, „Zoot. Garten”, 1896): in mehr als einem Falle gingen die Ratten aus dem Kampfe mit dem menjchlichen Stolonijten als Steger hervor! Auf der Injelgruppe Trijtan da Eunda jollen jie jich zwar mehr an die Eier und Jungen der Seevögel halten — ebenjo wie Die Staßen, die zum Kampfe gegen jte eingeführt wurden. Auf Juan Fernandez aber, der NRobinjon- Infel im Stillen Ozean bei Chile, waren jte „So gro und ftark geworden, daß jte in Menge Katen und Hunde angriffen und die zu Anfang des 19. Jahrhunderts dorthin gebrachten politischen Verbrecher jich mit 6—8 Naben umgeben mußten, um nacht3 wenigitens etwas ‚Nube zu haben”. Nach Blainvilles- ‚Neifebejchreibung bejonders durch Stalten” (1767) jollen jogar von der ariechiichen Ziegeninjel Joura auf der Gruppe der Strophaden im Sontjchen Meere „vie Einwohner Durch die ungeheure Anzahl Ratten vertrieben worden” jein. Damit ind aber die europätichen Fälle nicht erledigt. „Nahe bei Frankreich liegt die Ale des Moutons, 00 ich die vor ihren Feinden jicheren Natten in den legten Jahren derartig ver- mehrt hatten, daß die Schafherden die Injel verlaffen mußten” („Peterm. Geogr. Mitt.”, 189). Auf Sable Ssland bei Neujchottland an der fanadiichen Dftfüfte endlich hatten „Die zahllofen Ratten und die einst eingeführten wilden Kaninchen die vielen hügeligen Er- bebungen vollitändig mit Gängen durchzogen und ich zu Herren der Injel aufgemworfen”. Von den Fauniften unjerer Nachbarländer meint Fatio, da die Schweiz die Wander- tatte Höchitwahrjcheinlich aus Deutjchland erhalten habe: die Kantone am NAhein und am Bodenjee jcheinen zuerjt von diefem jchrecftichen Gajte befallen worden zu fein, durch Über- ihmwimmen de3 Flujjes oder durch Einfchleppung auf den Seedampfern. Bis zum Er- icheinen jeiner „Wirbeltiere der Schweiz” (1869) hatte Fativ Belege aus Bajel, Schaffhaufen, Konitanz und St. Öallen, jelbit gejehen hatte er die Wanderratte an der Wejtgrenze, in Zürich; aber Theobald jchrieb ihm damals, daß fie in Graubünden noch jehr jelten jet. Fatto zweifelt noch, ob jie zu jeiner Zeit jchon wirklich in Genf heimifch war; die ihm vorgezeigten Stüde waren wenigitens alle Dachratten (E. alexandrinus). Der einzige fichere Fall, den er (bis 1869) anführen Fann, war ein jchönes Männchen, das er nahe beim Bahnhof, totgetreten, fand. — Mojitjopics bringt in feinem „ZTierleben der öjterreichiich- ungarischen Tiefebenen“ nichts + 344 8. Drdnung: Nagetiere. Yamilie: Mausartige. Gejchichtliches von der Wanderratte, jondern jagt nur: „In großer Zahl bewohnt jie auc) Das füdungarische Nied, jo Das Wurzelwerf der an Steilufern jtehenden Bäume und Sträucher, und des Abends fieht man fie, den Fijchottern ähnlich, mit langem Stielwafjer auf der Ober- fläche der Teiche Des Rohrmwaldes Ichwimmen. Sie ijt eine notorijche Fichräuberin und richtet in den jogenannten ‚Sifchjelchen‘, wie überall, too jie vorfommt, bedeutenden Schaden an.“ In der Lebensweije, in den Sitten und Gewohnheiten, im Vorkommen uw. jtimmen beide Ratten fo jehr überein, daß man die eine fchildert, indem man die andere bejchreibt. Wenn man feithalten will, daß die Wanderratte mehr in den unteren Räumlichkeiten der Gebäude und namentlich in feuchten Kellern und Gemwölben, Abzugsgräben, Schleujen, Senfgruben, Fleeten und an Flußufern jich eimgeniftet hat, während die Hausratte den oberen Teil des Haufes, die Kornböden, Dachfammern ufw., vorzieht, dab die Hausratte beijer fpringt und Hlettert, die Wanderratte aber dafür die wichtige Kunft des Schwimmens und Tauchens ungleich beffer verjteht, zugleich auch viel mehr fleijchfreifender, räuberijcher Natur ift, wird nicht viel mehr übrigbleiben, was beiden Arten nicht gemeinjam wäre. Die eine twie die andere Art bewohnt alle nur möglichen Räumlichkeiten der menjchlichen Woh- nungen und alle nur denkbaren Orte, Die Nahrung verjprechen. Bom Steller an bis zum Dachboden hinauf, vom Prunkzimmer an bis zum Abort, vom Palajt an bis zur Hütte, überall find fie zu finden, objchon Die Hausratte ihrem Namen immer noch Ehre zu machen jucht und fich möglichjt wenig von der eigentlichen Wohnung der Menfchen entfernt. Aus- gerüftet mit allen Begabungen in leiblicher und geijtiger Hinjicht, Die fie zu Feinden Des Menschen machen fönnen, hören fie nicht auf, diejen zu quälen, zu plagen, zu peinigen und ihm ohne Unterbrechung Schaden zuzufügen. Wo fie feinen Weg haben, bahnen jie jich einen; durch die ftärkiten Eichenbohlen und Durch Dide Mauern nagen und wühlen fie fich Gänge. Sogar die Bleirohre der Wafferleitung nagen fie Durch, um einen Ausweg oder Durchjichlupf zu gewinnen oder um zum Wajjer felbjt zu gelangen, und verurjachen Höchjt unangenehme Überschwemmungen im Haufe. Landois erhielt mehrfach jolche Fraßjtüde für das Mujeum in Münfter. Nur wenn man die Grundmauern tief einfenft in Die Erde, mit feitem Zement alle Fugen zwijchen den Steinen ausftreicht und vielleicht zur Borjorge noch ziwiichen dem Gemäuer eine Schicht von Glasjcherben einfügt, ift man vor ihnen ziemlich jicher. Und diejes Zerjtören der Wohnungen, diejes abjcheuliche Hernagen und Durhwühlen der Wände ift noch das geringjte Unheil, das die Ratten anrichten. Weit größeren Schaden verurjachen fie Durch die Art, wie jie jich ernähren. Shnen tft alles für Menjchen Genießbare recht. Nicht zufrieden mit diefem jchon jo reichhaltigen Speijezettel, fallen jie aber ebenjo gterig über andere Stoffe, zumal auch über lebende Wejen her. Die jchmusgigiten Abfälle des menschlichen Haushaltes find ihnen unter Umjtänden noch immer recht; verfaulendes Yas Findet an ihnen Liebhaber. Sie frejjen Leder und Horn, Körner und Baumrinde oder, bejjer gejagt, alle nur denkbaren Bilanzenftoffe, und was jte nicht frejjen können, zernagen te wenigjtens; Zuderrohr- und Kaffeepflanzungen Schädigen fie manchmal in bedenklichiter Wetje. Jeder größere Gutsbejiger hat erfahren, wie arg fie jeinen Hoftieren nachitellen. Sehr fetten Schweinen frejjen jie Löcher in den Leib, dicht zufammengejchichteten Gänjen die Schwimmhäute zwifchen den Zehen weg, junge Enten ziehen jie ins Wafjer und er- jäufen fie dort, dem Tierhändler Hagenbed töteten fie Drei junge afrikanische Elefanten, indem jie diejen gewaltigen Tieren die Fußjohlen zernagten. „Nicht einmal vor dem Herun der Schöpfung perfönlich”, jagt Marjhjall, „macht ihre Unverfchämtheit Halt: abgejehen — ‚Wanderratte: Standorte. Nahrung. Schaden. 945 davon, daß fie Leichen durch ihre Freßgier jchänden, fallen fie feine Stinder in Der Wiege und Hilflofe Kranke in ihren Betten an. Im Jahre 1831 griffen jie den elfjährigen Sohn des Müllers zu Sunfersdorf abends im Bette an, wurden zwar bon den auf die Hilferufe ‚des Knaben mit Licht Herbeieilenden Eltern vericheucht, Hatten aber die bovdenloje Dreiftig- feit, nach deren Weggang wiederzufehren. Ein englijcher Stapitän, namens Light, erzählt, wie er eines Nachts in Aden erwacht jei, weil die Beitien anfingen, ihm an den Zehen berumzufnabbern.” Ym Herbit 1904 ging jogar die Mitteilung durc) die Zeitungen, daß ein armer Teufel in Paris von den Natten jozujagen bei lebendigem Leibe aufgefrejjen worden jei, und fie wurde Hed von dem Leiter des Bartjer Afflimatifationsgartens in ihrem wejentlichen Inhalte brieflich bejtätigt. Der unglüdliche Menjch war allerdings volljtändig bettunfen, al3 er zu feiner verfallenen Hütte in der Butte aux Cailles heimfehrte und Dort im Schlafe von einer Nattenfchar überfallen wurde. Aber man fand unzmweideutige Beweise, daß er von den Nagern lebendig zerfleijcht worden war und ein Kampf jtattgefunden hatte: einige Möbeljtüde waren umgejtürzt und eine Anzahl Natten zertreten. Die Natten find übrigens durchaus nicht ftreng an den Menjchen und jeine Nieder- lajjungen gebunden. Cdm. Löns erweilt fie Durch eigene Beobachtungen als „Schädlinge der Niederjagd”. Einen 17 Köpfe ftarfen Schof junger Wildenten jah er ihnen zum Opfer fallen, fand immer die Überreite, obwohl er zugleich binnen drei Tagen fünf jtarfe Natten in jeinem Tellereifen fing, und in drei Fällen fonnte er eine Natte dabei erwijchen, . wie fie viertelwüchjige Junghajen abwirgte.. Ja, er hat jogar mitangejehen, wie jeinem „sreunde im Zoologischen Garten zu Münjter eine Halbflügge Schwarzorojjel im Moment bon einer ungeheuren Wanderratte aus der Hand gerifjen wurde umd dieje, ehe man Zeit fand, dem frechen Räuber einen Fußtritt zu verjegen, jchon mit dem jchreienden Vogel in der Höhle verichwunden war”. Wenn die Ratten jich mehr als gewöhnlich an einem Orte vermehren, tt es wahrhaftig faum zum Aushalten. Und es gibt jolche Orte, 00 fie in einer Menge auftreten, von der wir uns faum einen Begriff machen fünnen. In Paris erichlug man während vier Wochen in einem einzigen Schlachthaufe 16000 Stüd, und in einer Abdederet in der Nähe diejer Haupt- jtadt verzehrten Ratten binnen einer einzigen Nacht 35 Pferdeleichen bis auf die Sinochen. Sobald jie merfen, daß der Menjch ihnen gegenüber ohnmächtig it, nimmt ihre Frechheit in wahrhaft erjtaunlicher Weije zu. Las Cajes erzählt, daß Napoleon auf St. Helena am 27. Juni 1816 nebit jeinen Gefährten ohne Frühftüd bleiben mußte, weil die Natten in der vergangenen Nacht in Die Küche eingedrungen waren und alles fortgejchleppt hatten. Sie waren Dort in großer Menge vorhanden, ehr böje und außerordentlich unverichämt. Ge- wöhnlich brauchten jie nur wenige Tage, um die Mauern und Bretterwände der einfachen Wohnung des Kaijerz zu durchnagen. Während der Mahlzeit Napoleons famen fie in den Saal, und nach dem Ejjen wurde förmlich Krieg mit ihnen geführt. Man mußte auch darauf verzichten, Federvieh zu halten, weil die Ratten e3 wegfraßen; jie holten Das Geflügel nachts jogar von den Bäumen herunter, auf denen es jchlief. Ir den Faftoreien an fernen Stüjten, wo allenthalben mit den Taufchwaren auch die Wanderratten landen, find fie eine überaus läftige Plage und jtiften oft ernftlichen Schaden. Alle Reijenden und bejonders Sammler haben zu Klagen, wie viele oft jehr jeltene und mühjam erlangte Gegenjtände dDieje Duälgetiter vernichten, und wie jehr fie durch ihre twüjten Beifereien und Heßjagden am Boden, an den Wänden und auf den Dächern die Nachtruhe jtören. „Duajtenitachler (Atherura africana) und Schuppentiere (Manis longicaudata)”, jchreibt Bechuel-Loeihhe von Tichintfchoticho, 346 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. „nd uns nur einige Male lebend gebracht worden, fielen aber jogleich den Ratten zum Opfer. Dieje jchlimmen Gäfte hatten fi) in bedrohlicher Menge bei uns eingeniftet und fügten troß aller angewendeten Borjichtsmaßregeln unjerer Habe und unjeren Sammlungen immer wieder Schaden zu. Wir konnten uns ihrer nicht erwehren, weil wir, gleich den Ein- geborenen, zu ebener Erde in Schilfbaraden wohnten und uns die Verhältnijfe nicht ge- jtatteten, auf Pfeilern ruhende Holzhäufer zu errichten, wie e8 in den Faktoreien üblich ijt.” Auch die Seeleute jind mit ihnen jehr übel daran; denn es gibt faum ein Schiff ohne Ratten, jei es ein jegelnder Kauffahrer, ein der Groffijcherei obliegendes Fahrzeug oder der prächtigjte Schnelldampfer der Neuzeit oder ein in peinlichiter Ordnung erhaltenes Kriegs- ihiff. Auf den alten Fahrzeugen jind jie nicht auszurotten, und die neuen bejeben jie augenbliclich, jobald die erite Ladung eingenommen wird. In allen Leibesübungen find die Ratten Meiiter. Sie laufen rajch und gejchiet, Hettern bortrefflich, jogar an ziemlich glatten Wänden empor, jchrwimmen meilterhaft, führen mit Sicherheit ziemlich weite Sprünge aus und graben recht leidlich, wenn auch nicht gern aus- dauernd nacheinander. Die jtärfere Wanderratte jcheint noch gejchiefter zu jein als die Haus- tatte, wenigjtens jchwimmt fie bei weiten bejjer. Shre Tauchfähigfeit ift beinahe ebenjo groß wie die echter Wajjertiere. Die Wanderratte darf dreift auf den Ftichfang ausgehen; denn jte ijt im Waffer behende genug, den eigentlichen Bewohnern der feuchten Tiefe nachzuitellen. Darüber wird dem „VBogtländischen Anzeiger” unterm 1. September 1909 aus Plauen glaubwürdig folgendes gejchrieben: „Ein jtattlicher Weihfisch mittlerer Größe fam gemäch- (ich durch das jtille Wafjer angejchwommen, als eine große Wajjerratte mit Blißesjchnelle taucht und den Fijch von unten her am Halje padt. Ein mächtiges Schlagen mit dem Schwanz, und der Filch it frei. Aber am Halje hat ihm der Bih des Nagetieres eine tiefe Wunde gejchlagen. Da jtürzen nicht weniger alS drei Natten auf den halb betäubten und ihlägt mild um jich und flieht. Doch jchon verjperren noch zwei plößlich vom Ufer her ericheinende Ratten ihm den Weg. Der einen gelingt es, fich feitzubeigen, und im Nu ift der eben noch jo lebensfrohe filbern glänzende Fiich von den jechs Räubern überfallen und — aufgezehrt. Steinwürfe vom Ufer fonnten die Raubgejellen nicht bewegen, von ihrer Beute abzulajjen. Die Vorgänge bemweijen, welch gewaltige Feinde der Fifchzucht die Ratten find.” Die Wanderratte wird vielfach geradezu „Waiferratte” genannt, was zu Verwechjelungen mit der eigentlichen Wafjertatte, Arvicola amphibius Z., führt. Manch- mal tut jie aber auch gerade, al3 ob das Waffer ihre wahre Heimat wäre. Erjchreckt, flüchtet lie ih augenblidlich in einen Fluß, Teich oder Graben, und wenn e3 fein muß, jchwimmt je in einem Zuge über die breitejte Waiferfläche oder läuft minutenlang auf dem Grunde des Bedens dahin. Die Hausratte tut dies bloß im größten Notfalle, verjteht jedoch die Kunjt des Schwimmens ebenfalls recht gut. Unter den Sinnen der Ratten jtehen Gehör und Geruch obenan; namentlich das exjtere it vortrefflich, aber auch das Geficht nicht jchlecht. Über ihre geiftigen Fähigkeiten brauche ich nach dem Angegebenen nicht mehr viel zu jagen. Eine gewiije Schlauheit, mit der jie ji den Gefahren der verfchiedenten Art zu entziehen und wiederum begehrte Lederbijjen zu erbeuten wijjen, fanrı man ihnen wahrlich nicht abjprechen. Die Paarung geht unter lautem Lärmen, Quiefen und Schreien vor fich; denn die Männchen fämpfen heftig um die Weibchen. Das brünjtige Weibchen macht, nach Haade, allerhand jonderbare Gefichter und Bewegungen und wird unzählige Male Hintereinander - Wanderratte: Beweglichkeit. „Wafferratte.” Sinne. Fortpflanzung. Vermehrung. 347 von dem Männchen bejprungen. Ungefähr einen Monat nach der wirklichen Begattung, die übrigens wahrjcheinlich Durchaus nicht bei jedem Sprunge eintritt, werfen die Weibchen 5—22 Junge, fleine, allerliebjte Tierchen, die jedermann gefallen würden, wären jie nicht Ratten. „Am 1. März 1852”, berichtet Dehne, „befam ich von einer weißen Natte 7 Junge. Sie hatte jich in item Drahtkäfige ein dichtes Nejt von Stroh gemacht. Die Jungen hatten die Größe der Maifäfer und jahen blutrot aus. Bet jeder Bewegung der Mutter ließen fie ein feines, durchoringendes Piepen oder Quietjchen hören. Am 8, waren fie jchon ziemlich weiß; bom 13.—16. wurden jie jehend. Am 18. abends famen fie zum erjten Male zum Borjchein; als aber die Mutter bemerfte, daß jie beobachtet wurden, nahm fie eine nad) der andern ins Maul und jchleppte jte in das Nejt. Einzelne famen jedoch mwie- = der aus einem andern Loche hervor. Allerliebite Tierchen von der Größe der Zivergmäuje mit ungefähr 3 Zoll langen Schwänzen! Am 21. hatten jie jchon die Größe gewöhnlicher Hausmäuje, am 28. die der Waldmäuje. Sie jaugten noc) dann und warn (ich jah fie jogar noch am 2. April jayigen), jpielten miteinander, jagten und balgten jich auf die ge- twandtejte und unterhaltendite Wetje, jesten jich auch wohl zur Ubwechjelung auf den Rüden der Mutter und ließen jich von derjefben Herumtragen. Sie übertrafen an Pojjierlichfeit bei weiten die weißen HSausmäuje. Am 9. April trennte ich die Mutter von ihren Jungen und jegte jie wieder zum Männchen; am 11. Mat warf jie abermals eine Anzahl Junge. Bon den am 1. März zur Welt gefommenen hatte ich jeit Anfang April ein Pärchen in einem großen Glaje mit achtzölliger Mündung abgejondert gehalten, und jchon am 11. Juni nachmittags, aljo im Alter von 103 Tagen, gebar das Weibchen jechs Junge. Troß der Weite des Slajes jchien der Mutter Doch der Raum für ihre Jungen zu eng zu jein. Sie bemühte jich vergebens, eiri weiteres Nejt zu machen, mwobet jie öfters Die armen Kleinen jo verjcharrte, da5 man nichts mehr von ihnen jah; doch fand jte dDieje immer bald wieder zufammen. Gie jäugte ihre Jungen bis zum 23. Juni ganz qut, und jie wurden bereits etwas weiß; auf einmal aber waren jie alle verichtwunden: die Mutter hatte fie fämtlich gefreifen ! „m Tage und nach Mitternacht jchlafen die Wanderratten; früh und abends fjieht man jie in größter Tätigfeit... Fletjch und Fett, Lieblingsgerichte für fie, entziehe ich ihnen jowie allen anderen Nagern, ‚welche ich in der Gefangenjchaft ernähre, gänzlich, da nach jolchen Spetjen ihr Harn und jelbit ihre Ausdünjtung jtet3 einen widrigen, Durchdringenden Geruch befommt... Sie lieben die Gejellichaft ihresgleichen. Dft machen fie fich ein gemein Ichaftliches Neit und erwärmen jich gegenjeitig, indem jie darin Dicht zufammenfriechen; ftirbt aber eine von ihnen, jo machen jich die übrigen gleich über jie her, beifen ihr exit den Hirn- jchädel auf, frejjen den Inhalt und verzehren dann nach und nach die ganze Leiche mit Zurüc® _ lajjungder Knochen und des Felles. Die Männchen muß man, wenn die Weibchen trächtig jind, jogleich abjperren; denn jie lajjen ihnen feine Ruhe und frejjen auch die Jungen am erjten.“ Bis zu welcher Anzahl die Ratte jich vermehren fann, davon legt, nad) Marjhall, das „berühmte Nattenneit” Paris ein erftaunliches Zeugnis ab, namentlich wenn man auch in die Vergangenheit zurüdichaut. Maurice Maindron jchägt die Zahl der Parijer Ratten auf „mindejtens eine Milliarde. Im September 1851 hielt die Zunft der Rattenfänger von Paris eine Verjammlung ab, auf der unter anderem fejtgejtellt wurde, daß jie im Jahre vorher 144361 Stüd des edlen Wildes zur Strede gebracht und deren Schwänze der Prämiierung wegen auf dem Rathaus abgeliefert hätten.“ „Außerordentlich groß“, Fährt Dehne fort, „it die Lebenszähigfeit diefer Tiere. Einft wollte ich eine ungefähr 1 Jahr alte weiße Wanderratte durch Erjäufen töten, um jie von 348 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. einem mir unheilbar jcheinenden Leiden, einer offenen, eiternden Wunde, zu befreien. Nach- dem ich fie bereits ein halbes Dugend Mal in eisfaltes Wafjer mehrere Minuten lang ge- taucht hatte, lebte jie noch und pußte fich mit ihren Pfötchen, um das Wajjer aus den Augen zu entfernen. Endlich jprang jie, indem ich den Topf öffnete, in den Schnee und juchte zur entfliehen. Nım fette ich fie in einen Käfig auf eine Unterlage von Stroh und Heu und brachte jie in die warme Stube. Sie erholte jich bald jo weit, daß man jah, das falte Bad habe ihr nichts gejchadet. Ihre Frekluft hatte gegen früher eher zu- als abgenommen. Nach einigen Tagen jeßte ich fie wieder aus der warmen Stube in ein ungeheiztes Zimmer, gab ihr aber Heu, und jie bereitete jich daraus auch alsbald ein bequemes Lager. Zu meinem Erjtaunen bemerkte ich num, daß der offene Schade von Tag zu Tag Heiner wurde; die Ent- zündung jchwand immer mehr, und nach) ungefähr 14 Tagen war die Heilung volljtändig erfolgt. Hier hatte aljo offenbar das eisfalte Bad die Entzündung gehoben und dadurd) die Genejung bewerfitelligt... Die unteren Nagezähne wachjen zahmen Ratten oft bi3 zu einer unglaublichen Länge und find dann jchraubenförmig gemwunden, Ich habe auch gejehen, dat jie durch das Badenfell gewachjen waren und die Tiere derart am Frejjen verhinderten, daß jie elendiglich verhungern mußten.” ) Sn engem Gemwahrjan gehaltene, qut gepflegte Natten werden jo zahın, daß jte jich nicht bloß berühren oder von Kindern als Spielzeug verwenden, jondern auch zum Aus- und Eingehen in Haus, Hof und Garten gewöhnen lajjen, ihren Plegern wie Hunde nach- folgen, auf den Auf herbeifommen, furz zu Haus- oder Stubentieren im beiten Sinne werden. Sm Freileben fommt unter den Ratten zumeilen eine eigentümliche Kranfheit vor. Mehrere von ihnen verfleben untereinander mit den Schwänzen und bilden dann den jo- genannten Rattenfönig. ©o viel it jicher, Daß man zumeilen eine größere Anzahl fejt mit den Schwänzen vermwidelter Ratten findet. Möglich, dat eine Ausihwigung der Ratten- ihwänze ein Aufeinanderkleben derjelben zur Folge hat; man tft aber nicht imjtande, etiwas Sicheres darüber zu jagen. In Altenburg bewahrt man einen Nattenfünig auf, der von 27 Ratten gebildet wird; in Bonn, bei Schnepfenthal, in Frankfurt, in Erfurt und in Lindenau bei Leipzig hat man andere aufgefunden. Lebterer it Anfang 1774 amtlich genau bejchrieben worden, und Dabei findet jich die Bejchreibung des Arztes und des Wundarztes, die auf Wunjd) der Landitube die Sache genauer unterjuchten. Der betreffende Arzt teilt Darüber unter anderem folgendes mit: „Am zu unterfuchen, was von der von vielen jehr fabelhaft erzählten Gejchichte des Nattenfönigs zu halten fei, Habe ich mich am 16. Januarii nach Lindenau begeben und dajelbit gefunden, daß in der Schenke zum Bojthorn in einem fühlen Zimmer auf einem Tijche eine Anzahl von 16 todten Ratten gelegen, davon 15 Stüd mit den Schwänzen, gleich als ein aus vielen Enden beitehender Strid, in einen großen Knoten ineinander jo veriwidelt, daß einige diejer Schwänze ganz in den Knoten bis ungefähr 1—2 Zoll von dem Rumpfe an verfnüpft gemwejen. Ihre Köpfe waren nach der Peripherie, die Schwänze nach dem Centro, jo der aus ihnen bejtehende Knoten ausmachte, gerichtet. Neben diefen aneinander hangenden Ratten lag die jechszehnte, die nach, Borgeben des dabeiftehenden Malers Fakhauer von einem Studiojo von der Verwidelung mit denen übrigen losgeriffen worden. „2.13 ich vermittels eines Stückchen Holzes den Sinoten und die an demjelben hängenden Ratten in die Höhe heben wollte: jo bemerkte ich gar deutlich, daß; e3 mir nicht Schwer fallen würde, einige der vermwidelten Schwänze auseinander zu zerten, wovon ich aber von dem dabeijtehenden Maler mit einigem Unmwillen abgehalten wurde. An der oben erwähnten a ee Fee ee ae Ve nn ee ee ee Wanderratte: Lebenszähigfeit. Zahmheit. Nattenkönig. 349 jechszehnten Natte habe ich deutlich wahrgenommen, daß ihr Schwanz, ohne die geringite Berleßung erlitten zu haben, noch an ihr befindlich, und fie aljo mit leichter Mühe von dem Senoten der übrigen losgelöft worden... Die Art und Weife, wie oft gedachte Natten fich mit- einander jo verwidelt haben, jtelle ich mir alfo vor. Sn der wenig Tage vor der Entdedung diejer häßlichen Verfammlung eingefallenen jehr jtrengen Kälte haben dieje Tiere jich in einem Winfel zufammentottiert, um durch ihr Neben- und Übereinanderliegen jich zu er- wärmen; ohnfehlbar haben jie eine jolche Richtung genommen, daß jie die Schwänze mehr nac) einer freien Gegend und die Köpfe nach einer vor Stälte mehr gejchügten Gegend zu- gewendethaben. Sollten nicht Die Ercrementa der oben gejejjenen Ratten, welche notwendig auf die Schwänze der unteren gefallen, Gelegenheit gegeben haben, daß die Schwänze haben zujammenftieren müjjen? Sit es auf diefe Art nicht möglich, daß die an den Schwänzen an= einandergefrorenen Ratten, jobald jie nad) ihrer Nahrung gehen wollen und mit ihren an= gefrorenen Schwänzen nicht losfommen fönnen, eine jo feite Verwidelung bewerfitelligt haben müjjen, daß fie auch bei bevorjtehender Lebensgefahr fich nicht mehr losteigen fünnen?“ Auf eine ähnliche natürlihe Erklärung deuten Einzelheiten in einer Nattenfönig- jchilderung von Lenz. In Dölljtädt, einem 2 Meilen von Gotha gelegenen Dorfe, wurden im Dezember des Jahres 1822 zwei Kattenfönige zu gleicher Zeit gefangen: ein „Uchtund- zwanzigender” und ein „Bierzehnender”, Die beide in demjelben ausgehöhlten Scheunen= balfen einer Föriterei jtafen. Der Bierzehnender ward lebend in die Stube des Forjtaufjehers getragen, und dahin famen dann unaufhörlich Leute, um das wunderbare Ungeheuer zu be- Ihauen. Nachdem die Schaufuft der Dorfbetmohner befriedigt war, endete das Schaujpiel damit, daß die Drejcher ihren Gefangenen im Triumphe auf die Mijtitätte trugen und ihn dort unter dem Beifall der Menge jo lange „drajchen”, bis er jeine 14 Geifter aufgab. Sie padten die Natten num noch mit zwei Mijtgabeln, jtachen fejt ein und zerrten mit großer Gewalt nach zwei Ceiten, bis fie drei von den übrigen losgerijjen. Die drei Schwänze zer= rien dabei nicht, Hatten auch Haut und Haare noch, zeigten aber die Eindrücde, welche fie bon den anderen Schwänzen befommen hatten, ganz wie Niemen, welche lange mitein- ander verflochten gewejen jind. Sedenfalls ftellt aber der genaue Bericht eines twiljenschaftlich gebildeten und jachver- jtändigen Zeugen, des Gymnajtalprofejjors Ahrend, wenigjtens jo viel außer Zweifel, daß ein neuerer Nattenfönig, der am 2. Februar 1880 in dem Häutelager von Erwig, Dicht bei der alten Echlachthalle in Düjjeldorf, von dem Fuhrunternehmer Ch. Fijcher gefunden, ohne abfichtliches Zutun eines Menjchen entjtanden it. Er ging im Sahre 1903 nach dem Tode des Bejigers Wilhelm Deders als Gejchenf in das naturhiftoriiche Kabinett des ftädtijchen Gymnajiums und Realgymnafjiums über und konnte von Ahrend genau unterfucht werden. Cr beitand- aus acht Hausratten, von denen eine bei der Entdedung getötet worden war; die übrigen jieben lebten, was eine ganze Reihe bei dem Funde anmwejender PBerjonen be- zeugen. W. Dederz brachte ihn an jich, um ihn von dem Präparator Guntermann ausftopfen zu lafjen. „Suntermann hat die Schwänze der Tiere jorgfältig von jeglihem Klebjtoff ge- reinigt, jo daß nur die Berjchlingung geblieben ist... Daß bei diejer Verwidelung der Schwänze auch jchon der geringite Klebitoff die Tiere unauflösbar verbinden mußte, wird jedem Bejchauer des Präparates jofort Kar.” — Noch neueren Datums und in einem Uni- verjitätsmujeum beglaubigt ijt ein. weitfäliicher Nattenfönig aus dem Jahre 1907. Der Münfteraner Zoolog Neefer jchreibt darüber (Brief an Hed vom 9./6. 08): „Von Herrn PBajtor Wigger in Capelle (zwijchen Münfter und Hamm) erhielt ich im Februar 1907 die 350 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. Nachricht, dak in dDortiger Gegend Ende Januar ein Rattenfönig gefunden jei, der leider, ehe Wigger ihn für das Weitfälifche Propinzialmufeum erwerben fonnte, in das Boologijche Snftitut zu Göttingen gelangte. Auf eine Anfrage meinerjeit3 in Göttingen nad) der ‚Echt- heit‘ des Rattenfönigs fchrieb mir Herr Geheimrat Ehlers am 10./3. 07 folgendes: ‚Wie Der Kattenfönig von zehn Mus rattus, der unferer Sammlung als Gejchent übermwiejen wurde, zuftande gefommen ift, weiß ich nicht. An den dicht verjchlungenen Schwänzen ijt eine dem Weichjelzopf zu vergleichende Bildung nicht vorhanden. Unjer Präparator hält es für aus- gejchlofjen, daf die vorliegende Bildung fünftlich gemacht jein Fönne.‘“ Eigentümlich bleibt es, daß auch Diefer neuefte Rattenfünig von der Haustatte gebildet ift! Unzählbar find die Mittel, die man jchon angewandt hat, um die Ratten zu vertilgen. Die gemwöhnfichiten Mittel zu ihrer Vertilgung bleiben Gifte verjchiedener Art, die man an ihren Lieblingsorten aufitellt; aber ganz abgejehen davon, da man die vergifteten Tiere auf eine greuliche Weife zu Tode martert, bleiben dieje Mittel immer gefährlich; denn die Ratten brechen gern einen Teil des Gefrefjenen wieder aus, vergiften unter Umjtänden Getreide oder Kartoffeln und Fönnen dadurch anderen Tieren und auch den Menschen gefährlich werben. Bejier ift es, ihnen ein Gemisch von Malz und ungelöfchtem Stalf vorzujegen, das, wenn fie es gefreffen Haben, ihren Durit erregt und den Tod herbeiführt, jobald jie das zum Löjchen des Kalfes erforderliche Wajjer eingenommen haben. Die beiten Vertilger der Ratten bleiben unter allen Umjtänden ihre natürlichen Feinde, vor allen Eulen, Naben, Wiejel, Haben und Pinjcher, obgleich es oft vorfommt, da die Katen jich nicht an Ratten, zumal an Wanderratten, wagen. Dehne jah in Hamdurg vor den Fleeten Hunde, Kaen und Natten untereinander herumjpazieren, ohne Daf eines der betreffenden Tiere daran gedacht hätte, dem anderen den Strieg zu erklären, und mir jelbjt iind viele Beiipiele befannt, daß die Klaben fich nicht um die Ratten befümmern. Es gibt aber auch Katen, die mit wahrer Leidenschaft der Nattenjagd obliegen, obgleich jie anfangs viele Mühe haben, die bifjigen Nager zu überwältigen. Eine unjerer Kaben fing bereits Natten, als fie faum den dritten Teil ihrer Größe erreicht Hatte, und verfolgte fie mit joldhem Gifer, daß fie jich einftmals von einer ftarfen Ratte über den ganzen Hof weg und an einer Mauer emporichleppen Tiet, ohne ihren Feind loszulafjen, bis jie ihn endlich mit einem ge- ichieten Bilje fampfunfähig machte. Übrigens ift es gar nicht jo notwendig, daß eine Nabe wirklich eifrig Ratten fängt; fie vertreibt dieje jchon dutch ihr Umherjchleichen in Stall und Scheuer, Keller und Kammer. Kaum geringere Dienite leiften Jltis und Wiejel, eriterer im Haufe, leßteres im Garten und an den hinteren Seiten der Ställe. Daf die freche Wanderratte manchmal auch unvermutet ihren Meifter findet in einem Tiere, dem man das zunächit gar nicht zutraut, beweilt nicht nur die Erzählung von der Mutterente im Berliner Tiergarten, unter deren Schnabelhieben — und wohl auch Flügel- ichlägen — die Räuberin ihrer Dunenjungen jchließlich auf Dem NRafen am Ufer vevendete (oder wenigjtens bewußtlos wurde), jondern auch der Bericht eines Dffiziers vom Devonfhire- Negiment an „Field“ (1907), der beim Fijchen am Waltdamflug mit anjah, wie in einer Bucht ein Aal von 75 cm Länge unter Wafjer in drei bi3 vier Minuten langem Stampfe eine ausgewachjene Wanderratte übermwältigte und fein totes Opfer fchlieglich in eine Uferhöhle jchleppte. Cine ganz eigenartige, mehr jportsmäßige, faft möchte man jagen weidgerechte Art Der Nattenvertilgung gibt W. v. Bismard-Antonshof bei Lifja in der „Zticht. v.U.D.%. 8.” befannt. Er blendet die Ratten mit der Azetylenlaterne, in deren Schein je „entweder wie Hypnotifiert figen blieben, die Laterne anblinzelten oder ein Stüdchen Wanderratte: Bertilgung. Feinde. Peitgefahr. 351 dDavonliefen und wiederum in ftaunende Betrachtung verjanfen, manchmal jogar ein Männ- chen machten und jich zu pußen begannen”. Dann jchoß er fie mit dem „erprobten 6 mm- Teiching (kleine Kugelpatronen)...” Erjt recht und ausjchlieglich jportsmäßig it Die Tötung in derftattenarena, dem „Ratodrom”, wie eine jolche eigenartige Anjtalt vor der Porte Maillot beim Barijer Bois de Boulogne fich nennt. Hier Handelt es jich aber mehr um die Hunde, die die Natten totbeißen, in 15 Sekunden mit 5 Stüd fertig werden müjjen; die Natten find nur „Material”, welches von Lumpenjammlern und Kanalräumern zu 5 Sous (20 Pf.) das Stüd geliefert wird. Sehr gemijchtes Publitum umdrängt die vergitterte Arena, und die 300 Ratten, die jtetS vorrätig gehalten werden, verbreiten einen unbejchreiblichen Geftanf. Sm Kampfe gegen die Wanderratte, das muß zulegt noch nachdrüdlich hervorgehoben terden, entledigen wir uns nicht nur eines läjtigen Plagegeijtes, jondern beugen auch einer ganz unabjehbaren Gefahr vor. Sieht doch die Wijjenjchaft heute, wie oben bei der Haus- tatte jchon berührt, ganz allgemein in der Ratte die Überträgerin jowoHl der Trichinoje, tvas dank unferer Fleischbejchau in Deutjchland von geringer Bedeutung, als auch ganz be= jonders der orientalischen Reit, die fortwährend aus Aien droht! Um uns diejen jchiwarzen Tod vom Leibe zu Halten, tjt unfere fürjorgliche Obrigkeit daher ftändig auf der Hut, an den Küften wie im Inland. So berichten manchmal die Zeitungen, daß an Bord diejes oder jenes Schiffes „pejtverdächtige Ratten” gefunden und das Schiff Daher „ver Ausgajung mit dem Nattentötungsapparat unterworfen” wurde. Ebenjd richten die Bolizeipräjidenten von Berlin und Charlottenburg in gemejjenen Zwijchenräumen an alle Bemwirtichafter größerer Grundjtüde, unter anderen auch an den Berliner Zoologijchen Garten, eine Umfrage nad) den Mitteln, die gegen die Katten angewendet, und des Erfolges, der Damit erreicht werde. &3 fann dann beruhigend geantwortet werden, daß das Ungeziefer mit dem Fort- “ jchreiten der Neubauten und dem Berjchwinden pajjender Schlupfmwinfel durch moderne und rationelle bauliche Einrichtungen in fortichreitender Abnahme begriffen ist. Irı Düäne- marf hat man es dank der verdienftlichen Agitation des Juftizrats Zufchlag, der den jährlichen Rattenjchaden auf nicht weniger als 7 Millionen Stronen veranjchlagt, und jeiner „Liga der Rattenfeinde” im Jahre 1907 jogar zu einem Landesgejeß über die Ausrottung der Ratten gebracht, „Das die Gemeinden verpflichtet, zur Vertilgung der NRatten beizutragen. Für jede eingelieferte tote Ratte haben die Gemeindefajjen eine Prämie von mindeitens 8 Or (etwa 10 Pf.) zu zahlen und das tote Tier Durch Verbrennung zu bejeitigen“. Wenn nur indujtrielle Köpfe dadurch nicht auf die Rattenzucht verfallen! Diejelbe Prämie wird übrigens dem Perjonal unferer deutjchen zoologifchen Gärten jchon feit Sahrzehnten gewährt, und in deren Betriebe jind die jo gewonnenen Nattenleichen ein jehr willfommenes, ja not- wendiges Futter für Naubvögel und Fleinexe Naubtiere. Trihinds jind die Ratten, wie zahlreiche Unterfuchungen gezeigt haben, in einem hohen Prozentjab. So hat Heller aus 29 verjchiedenen Orten in Sacdhjen, Bayern, Württemberg und Dfterreich im ganzen 704 Ratten eingefammelt, von denen 8,3 Prozent trichinös waren. Bahr-Kopenhagen fand 5,12 Prozent trichinös. Der heutige Rattenvertilger, der jich vieldeutig Kammerjäger nennt, arbeitet mit aller- lei geheimgehaltenen Mitteln, die fich aber meijt auf das Gift der Meerzwiebel zurüdführen lajjen, und Fann jedenfalls den Grundjaß nicht erjchüttern, daß das bejte Mittel gegen die Ratten gute, jichere Baueinrichtungen, Ordnung und Reinlichkeit find. Wo die ungebetenen Gäjte Feine jicheren Schlupfiwinfel finden, öfters gejtört und bedroht werden, da verziehen jie jich. — Der durch Anwendung in Griechenland befanntgewordene Löffleriche Mäufebazillus # 892 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. gab die Anregung, zu unterfuchen, ob e3 auch rattentötende Bakterien gibt, denen gegen- über unsere nüglichen Haustiere angeborene Unempfindlichfeit bejigen. Im Laufe Der Sahre haben dann auch verjchiedene Forjcher, wie Dany, Siatjchenfo, Wiener, Schilling, Tartaforwffy, Neumann, Dimbar und andere rattentötende Bakterien gefunden, von denen das Virus Dandyf, der Siatichenkofche Bazillus und der Neumannjche NRatinbazillus im größeren Umfange zur praftifchen Anwendung gefommen find. Dieje Mittel hat Raebiger, der Leiter des Bakteriologifchen Smitituts der Landwirtichaftsfammer für die Provinz Sachjen, nachgepritft und darüber im „Jahrbuch der Deutjchen Landwirtjchaftsgejellichaft" (April 1907) berichtet. Seine mit dem Sfatjchenfofchen Bazillus „an weißen und grauen Ratten angeftellten Fütterungsverfuche hatten zunächit ein günftiges Ergebnis, bejonders bei weißen Ratten; nach einer furzen Reihe von Übertragungsverfuchen jhmwächte aber Die Virulenz des Bazillus fo jehr ab, daß er nicht einmal mehr die weißen Natten nad) Ber- impfung in die Bauchhöhle tötete”. Über Verfuche mit dem Virus Danyg gab Naebiger in Übereinftimmung mit anderen der Landwirtfchaftsfammer in Halle fein „Outachten dahin ab, daß fich das Virus Danyk wegen feiner unzuverläfiigen Wirkung für die Praris nicht empfehlen fönne“. — „Mit den Natinkulturen“, heißt e8 an anderer Stelle, „Hatte ich Ge- fegenheit, mich befonders eingehend zu bejchäftigen und größere Verjuche im Laboratorium und in der Praris anzustellen.” Naebiger war „beauftragt, den Ausfall der in der Praxis angeftellten Verfuche unter Mitwirkung der Vertriebsitellen behufs Aufklärung von Mip- erfolgen genau zu fonttollieren. Da hat jich gezeigt, daß das Ratin nad) den eingegangenen Berichten im Jahre 1906 nur auf 0,65 Prozent der Stellen troß richtiger Anwendung verjagt hat. Zur Löfung der Trage, ob das Ratin für unfere Haustiere unjchädfich ift, jnıd im... Bat- teriologischen Snftitut der Landwirtjchaftsfammer in Halle a.©. zahlreiche Fütterungsper- juche an Pferden, Kühen, Schafen, Ziegen, Schweinen, Hunden, lagen, Geflügel (befonders Tauben und Hühnern), Kaninchen und Filchen vorgenommen worden. Keins der Verjuchs- tiere ging zugrunde, obgleich jie viel größere Kulturmengen erhalten hatten, al3 von unjeren Haustieren in Wirklichkeit jemals zufällig verzehrt werden dürften. Wir verfütterten 60—120 g feter Natinfultur auf das Tier.” E83 zeigte fich aber, „Daß gewifje Rattenftämme eine durch befondere Ernähtungsmweife erworbene Widerftandsfähigfeit aufweijen. Eomohl die Ratin- als auch die anderen NRattenbazillen gehören zu einer Gruppe von Bakterien (Paratyphus), welche weit verbreitet ift und nicht nur in Abfallftätten und Echmußmäjjern vorfommt, jon- dern auch bei gewiljen Seuchenfällen von unferen Haustieren ausgejchieden wird. Daher beiteht die Möglichkeit der Erwerbung einer gewifjen Immunität mancher Natten durch Sreß- infeftion, wie e8 Trautmann bezeichnet.” — „Ferner erinnert er (Trautmann) daran, daß wir vielfach bei wilden, fonft völlig gefunden Verfuchsratten eine nicht unerhebliche Milzichmwellung vorfinden, melche jehr wohl als Überbleibjel einer früher beftandenen Snfeftionsfranfheit angejehen werden fan, um jo mehr, al3 man folche Befunde bei den in der Gefangenschaft gebornen Ratten nicht fennt.” Es ift ihm auch „zufammen mit Mezinejfch gelungen, den tachtweis jpezifischer, gegen die in Frage ftehende Bafteriengruppe gerichteter Echukjtoffe im Blutjerum einer größeren Anzahl wilder Ratten zu führen. Dagegen gelang ihm dies nicht bei zahmen (weißen) Ratten.” Sobald die Heriteller des Ratins den ihren Kulturen anhaftenden Fehler erkannt hatten, wurden fofort umfangreiche Berfuche angejtellt, um auch der erworbenen Widerjtandsfühigfeit einzelner Rattenftämme wirffam entgegenzutreten, und das it dem „Ratinlaboratorium in Kopenhagen mitden für jolche Fälle foftenlos abgegebenen Ergänzungspräparaten NRatinin bzw. Natin II in befriedigender Weife gelungen... Wir Wanderratte: Nattentötende Bakterien. Verjuchstier. 399 ohne für unfere Haustiere jchädlich zu fein...” Troß alledem: jo Tätig und fchädlich, in gewiffer Beziehung geradezu gefährlich Die Natte ist, ganz ohne jeden Nuben ift fie Doch nicht. Gegefjen wird fie in Europa allerdings nur in Zeiten der Not, jo 1870/71 während der Belagerung von Paris; auf dem Stüchenzettel der Ehinejen, die überhaupt eigenartige Feinjchmeder find, joll fie aber eine jtändige Stelle einnehmen. Als Pelzwerf oder Xeder oder jonjtiwie gewerblich wird fie nicht verwertet. Gezähmt indes find weiße und gejchedte Ratten allerliebjte Stubengenoifen, die jehr zutrau- fich werden, in ihren Anforderungen jehr bejcheiden find und lange feinen jo übeln Geruch enttwideln wie Mäufe. Sogar zu öffentlichen Schauftellungen werden folche bunte Ratten bermwendet, freilich nur fozujagen als Statijten für drejjierte Raben und ähnliches. Die dabei gezeigte „Drejjur” ift nur wieder ihre Jahmheit, vermöge deren fie, plößlich aus dem dunfeln Kaften genommen, Herumjchnüffelnd auf dem Tifche oder Ceil jißen bleiben, wo der Vor- führende fie hinfeßt, vielleicht auch an feinen Leibe umherklettern. So ahmt heute mancher Clown die Dämonisch-romantische Geitalt des Nattenfängers von Hameln nach, deren alt- eingewurzelte Bolfstümlichfeit ung bemweift, wie wichtig auch unferen Altvordern jchon Die Kattenfrage war. So wichtig, daß Poejte und Volksfage jich ihrer bemächtigte! Die einzige wirkliche, in ihrem Werte aber auch gar nicht zu unterfchäßende Benußung, die Die Ratte bei uns findet, ift die als Verfuchstier in Der modernen Bazillenforichung und Heil- jerumfunde. Hier wetteifert jte im Dienjte der Wiffenjchaft mit Kaninchen, Meerjchtweinchen und Maus, und in der jogenannten Präzipitinreaktion, tie jte Uhlenhuth, Friedenthal und andere mit Blutferum üben, zur Prüfung der Blutsverwandtjchaft im wörtlichjten Sinne des Wortes, hat jte auch für die Shitematif ein Höchjt beachtenswertes, um nicht zu jagen bedenf- liches Ergebnis geliefert. Wie Uhlenhuth Heck mitteilt (Brief vom 3.6.08), hat er „Feitgeitellt, daß jich mittels der Präzipitinreaftion Natten= und Mäufeblut ohne weiteres unterjcheiden läßt, ja daß jich nicht einmal eine Berwandtichaftsreaftion ergibt, mie 5. B. bei Nind und Schaf”. Unter diefen Umjtänden müjjen fich ftarfe Ziveifel erheben an der Angabe Jivanoms, des rufftichen Speztalforjchers auf dDiefem Gebiete, daß 23 ihm gelungen fei, durch Fünftliche Befruchtung, in der er Meiiter ist, Milchlinge zwiichen Natte und Maus zu erzielen. Mit der Berjchleppung über die ganze Erde hat die Ratte hier und da bereits angefangen, in ganz bejtimmter Richtung abzuändern. So ift fie, nach) Marfhall, „auf Die weitlich der Landenge von Panama gelegene, damals wenigitens noch menjchenleere Gruppe der Steeling- injeln bei Gelegenheit eines Schiffbruches gefommen, gemwiljermaßen vertildert und hat hier im Laufe der Zeiten eine eigene, etwas Heinere und dunflere Raffe gebildet”. Won den Wanderratten Kalfutta3 weiß Dr. Hojfad ebenfall3 allerlei, aber doch lange nicht jo weit- gehende Abänderungen zu berichten wie bon den dortigen Hausratten. Am meijten machten ihn Eremplare mit zweifarbigem, unten hellerem Schwanze ftußig; dann find auch die Haut- ichuppen unten heller, bis weiß. DieWanderratte lebt auch in Kalfutta Hauptfächlich in den Ab- zugsfanälen, Kloaten und Kellern, überhaupt unten in den Häufern, und nur, to die oberen Stodwerfe aus Eifen und Stein ausgeführt find, wie jest allgemein in den modernen Häufern Kalfuttas, fängt man jie Häufig auch in den oberen Räumen, two fie durch die weiten Negen- röhren und ähnliches Zugang findet. Aus dem Gefangenleben hebt Hojjad ihren Gleich- mut hervor im Gegenjab zu der eingebornen Ratte (Nesocia). Sm erjten und zweiten Bezirk Kalfuttas, die zahlreiche Kornmagazine enthalten, ergaben jich bei Hofjads Auszählung nur " Brehm, Tierleben. 4. Aufl. XT. Bmd. 23 354 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. 26 Prozent Wanderratten, und die eingeborene Gattung herrjchte vor; Dagegen waren aus dem dritten Bezirk, auf dem und um den ftädtischen Markt, die Hälfte Wanderratten. Es fehlt aber auch nirgends an eingeborenen Nattenarten; überall ift Davon viel- mehr eine folche Fülle vorhanden, daß man zur geographifchen Einteilung hat greifen müjjen, um einige Ordnung hineinzubringen. Ferner hat man die Überficht über die ganze Mafje dadurch zu bejiern gejucht, daß man Sektionen und Gubjektionen aufitellte. Zur Seetio „Norwegicus“ oder „Decumanus“ in diefem Sinne, d. h. zu den engiten Verwandten der Wanderratte, gehört naturgemäß die nordchinefiiche E. humiliatus A. M.-E., die ja vielleicht die Stammform der Wanderratte ift. Auf den übrigen Jnhalt der Seftion und zugleich der geographifche.ı Abteilung A. Mures Europae et Asiae Septentrionalis, fibirifche, chineftiche, cochinchinefische, fiamefische Arten und folche von der Jnjel Formoja, fönnen wir hier ebenjowenig eingehen mie auf die jüdaftatiich-malaiifchen Arten (B. Mures Asiae meridionalis et Malasiae). — Aus deren Subfeftion Chrysocomus mag nur die über Vorderindien, namentlich Madras und Ceylom, verbreitete Mettadratte over Weich- haarige Feldratte, Epimys mettada Gray, hier genannt werden, weil Blanford ihre Furze Rebensjchiderung nach Elliot wiedergibt: „Die Mettadratte betvohnt nur das bebaute Feld, paarweije oder in feinen Gejelljchaften von 5 oder 6, und gräbt fich da eine feht flache, Funft- (oje Höhle unter einem Bujch oder herbergt einfach in den auf den Feldern zujammen- gemworfenen Steinhaufen, in verlaffenen Bauten der indischen Mulfratte (Sof) oder begnügt jich gar mit den tiefen Rifjen und Spalten, Die während der heißen Monate in Dem jchwarzen Boden entjtehen. Große Mengen gehen jährlich zugrunde, wenn diefe Ervrijje wieder zu- jammenfallen und mit Beginn der Negenzeit jich ausfüllen. Das Fleifch wird gegejjen von den Kulis, die die Wafjerlöcher graben. Das Weibchen bringt 6—8 Junge auf einen Wurf. Bei Negenmangel vermehrt fich die Mettadratte beratt, daß jte eine wahre Plage yoird N die Ernte vernichtet.” Bon den Ratten Neuguineas, Auftrafieng und Polynejiens (©. Mures Novae-Guineae, Australiae et Polynesiae) jei nur eine furze Mitteilung über das Leben der neujeeländischen Mapriratte, E. exulans maorium Hutton, hier aufgenommen, die Marjhall nach einem anonymen Gewährsmann mwiedergibt. „Sn den waldigen Teilen der Südinjel Neujeelands ericheinen und, twie gejagt wird, alle vier Sahre in der dortigen Frühlingszeit wandernde Ratten in gewaltigen Mengen und tun jehr großen Schaden.” — „Auf dem Erdboden foll fich diefe Ratte nur fchlecht fortbetvegen, aber auf Bäumen und bis an die äußerjten Spiben der Bmweige ausgezeichnet Hettern; demzufolge flüchtet jie, wenn ihr zu ebener Erde Gefahr droht, jogleich auf diefe Zufluchtsorte. Wenn jie jich fürchtet, foll fie laut fchreien und da- durch ihren Aufenthaltsort verraten...“ Die legte geographiiche Gruppe, die Ratten Sleinafiens und Aftifas (D. Mures Asiae Minoris et Africae), wird nicht weiter in Heinere Sektionen uf. eingeteilt. Aus Südafrifa gibt W. L. Sclater furze Lebensschilderungen von folgenden Arten: Öoldratte, E. auricomis Winton, aus NYyalja-, Matabele-, Majchonaland und der Kapfolonie, noch Heiner al3 die Darlingstatte, E. chrysophilus Winton, derjelben Gegenden, die der Berliner Garten 1908 lebend bejaß, d.h. ettva den dritten Teil jo groß; wie die Wanderratte; oben mehr goldgelb, unten rein weiß; feheint nur zwijchen Fels- wänden ımd Gejtein zu leben; alle Mufeumseremplare find auf „Ropjes” gefangen. Die Langjhwanzratte, E. dolichurus Smuts, jcheint dagegen ein Baumtier zu fein, Wanderratte und Verwandte. 855 macht wenigjtens ihr Nejt auf Bäumen oder nimmt das eines Vogels in Bejit, wie 3. B. der afrifanischen Bartvögel, ift ungefähr ebenjogroß tie die vorigen, aber oben fahlbraun, und verbreitet fi) vom Kap und Natal weit über Airifa bis zum Niger und nach Kamerun. Nach Beters joll fie ihre Jungen, angejogen an die Zigen, mit fich Herumfchleppen, mie die jüd- oftafrifanische Wahlbergstatte, E. paeduleus Sund., aus Kaffernland. Eine Damara- tatte, E. damarensis Winton, oben xotfahl oder ijabellfarbig, unten weiß, ift von de Winton aus dem Damaraland bejchrieben, gehört alfo auch zur deutjch-fünmweftafrifanischen Tierwelt. Die Weifnafenratte, E. coucha A. Smith, von Südafrika bis zum Kongo und Mofambik verbreitet, ijt allem Anfcheine nach eine eingeborene afrifanijche Ratte, die fich zu- mweilen in menjchlichen Wohnungen findet, two, fie läftig werden Fann; ihr Neft Hat man jomohl auf Afazien- und anderen Bäumen gefunden als in Exrdhöhlen; die Mufeumserempfare find bei Bleys und Termitenhaufen oder im Haufe gefangen. Für Deutjch-Djftafrifa Führt Matjchte von den vorstehenden Arten nur E. dolichurus an, die er Baumratte nennt wegen ihrer Sletterfähigfeit. Dieje wird auch von Emin PBajcha bejtätigt durch Die Notiz: bewohnt Baumlöcher und Fettert gut. — Bon der Weißfußratte, E. colonus Brants (Mus natalensis), die ich Durch verhältnismäßig kurzen Schwanz, jenach dem Alter verjchtedene Färbung und weiße oder gelblichweiße Fühe auszeichnet, gibt Matjchie Lebensbeobachtungen von Böhm und Fiicher wieder. Böhm fand einmal ein Weibchen mit 19 Jungen. „Dieje Ratte lebt hHauptjächlich in Wohnungen und wird dort jehr läjtig. Sie find infolge ihrer unaufhörlichen Beißereien oft mit Wunden bedeckt, und Dieje entwideln jich dann zur Regenzeit, während der auch der Heinfte Riß länger eitert, zu efelhaften Gejchwüren, jo daß die Tiere jchlieplich zum Laufen unfähig werden." Nach Fiicher baut die Weiffußratte „aus Halmen bereitete Vefter in Ufazienjträucher”. — Nac) Emin ift aberdoch die gewöhnlichite Nattenart zwijchen der Küfte und Tabora an der großen Karamwanenjtraße unjere Haustatte, die Dort auf den Feldern wie in den Hütten lebt. Nach Stuhlmann findet fie jich auf Sanfibar in den Häufern der Stadt, bei Sijerama im Wald und hat im Suaheli auch einen bejonderen Namen (panja). — Die Wanderratte tft an der Sanjibarküfte jchon von van der Deden, jpäter von Stuhlmann in Bagamoyo feitgeitellt worden, und auc) die ägyptijche Dachratte fanden diejelben Neijenden an demjelben Ort, Oskar Neumann außerdem auf Sanjibar felbit. Für Kamerun fehlt ung leider eine deutiche Zufammenitellung, und für Togo haben wir nur Matjchies Säugetierlifte vom Jahre 1893. In diefer ericheinen eine Weißichmwanz- _ tatte, E. erythroleucus Temm., nach dem weißlichen Schwanz jo genannt; eine Rotrüden- . tatte, E. rufinus Temm., oben totjchwärzlich meliert, Unterrüden vein rötlich gefärbt; und Ichließlich wieder eine Baumratte, E. nigricauda T’hos., mit jehwarzem, dicht behaartem Schwanz. — Aus dem Batesichen Bericht über Südfameruner Säugetiere jind- dagegen glüdlicherweije eingehende Lebensjchilderungen zu entnehmen (,,Proc. Zool. Soc.‘, 1905). Nach) Bates jind die Mehrzahl der ratten- und mausartigen Tiere in Kamerun Bewohner der Gärten, d. h. des angebauten Landes in der Umgebung der Dörfer, und dies tft namentlich mit all denen der Fall, Die zur Gattung Mus gehören: fie werden alle mit verjchiedenen - Kumitgriffen von den Schwarzen in und um die Kajjavapflanzungen (Maniof) gefangen. Die Einftreifenratte, E. univittatus Pirs., Cingeborenenname ‚„‚mven‘“, gilt für Die chädlichite an den Kajjavamurzeln. Sie ft im Lande Sprichiwörtlich wegen ihrer Gefräßigfeit, iwie bei uns das Schwein, lebt und niltet in Erdhöhlen, ift dreifter und zeigt jih öfter am Tage alsdie anderen. DieTullbergratte, E. tullbergi T’hos., Cingeborenenname ‚„‚ndan“, lebt in hohlen Baumjtümpfen und ähnlichen Schlupfiwinfeln; jie fommt aber auch öfters in 23* 4 356 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. die Häufer, niftet und nährt fich da und wird zur Hausratte. Der Abof der Eingeborenen, E. hypoxanthus Puch., lebt in den Büfchen, die auf unbebautem Grund unmittelbar um die Dörfer wachjen, und baut fich Nefter aus trodenem Gras in diejen Biütfchen 4 oder 5 Fuß; über der Erde. Wenn das Fleifch jparjam ist, jagen Die Dorfjungens oft „Mebof" zum Cjjen. Dies tun fie gewöhnlich mit Dunfelwerden, wenn die Natten anfangen, draußen herum- sulaufen; dann fchlagen fie fie mit Stöden tot oder fchießen fie mit Pfeil und Bogen, oder jie freifen fie im Kraut und Strauchwerf ein und treiben fie in ein Neß, unter einen alten Lappen, unter ein Stüd Baumrinde. Dieje Mebofjagd ift ein Hauptjport der Dorfjugend. Wahrjcheinlich zu demfelben Ztvede umfchweben oft auch Eulen die Dörfer. Leit lieblicher, anmutiger und zierlicher al3 die Natten find Die Mäufe, obwohl aud) jte troß ihrer Schmuden Geftalt, ihres heiteren und netten Wefens arge Feinde Des Menjchen jind und fast mit gleichem Ingrimme wie ihre größeren Verwandten von ihm verfolgt werden. Man darf behaupten, daß jedermann eine im Käfig eingejperrte Maus reizend finden wird, und daß jelbjt Frauen, die germöhnlich einen zwar vollfommen ungerechtfertigten, aber den- noch gewaltigen Schreden empfinden, wenn in der Küche oder im Seller eine Maus ihnen über den Weg läuft, diefe, wen fie genauer mit ihr befannt werden, für ein hübjches Ge- ichöpf erklären müjjen. Weil aber die Mäufe fich überall einzudrängen wijjen und fich jelbit an den Ratten unzugänglichen Orten einfinden, haben fie gegen ich einen Berfolgungsfriea heraufbeichworen, der fchwerlich jemals enden wird. Snodes ift fein Zweifel, daf der moderne, majjive Wohnhausbau auch ihnen ungleich weniger Spielraum und Schlupftwinfel gewährt als die winfeligen Fachwerfsbauten unferer Vorfahren. Im Berliner Weiten 5. B. dürften heute fchon viele Häufer, ja vielleicht ganze Straßenzüge fein, in denen nicht eine Maus (ebt. Alle Deden und Wände von Eijen und Zement: wo foll fie alfo bleiben? Und wovon jolt fie leben, wenn alle Borräte dicht verfchlofjen gehalten und alle Abfälle vom Mifwagen jofort abgeholt werden? sn Deutjchland leben vier echte Mäufe: die Haus-, Wald-, Brand- und Zwerg- maus. Die drei erjteren werden überall ziemlich jchonungstos verfolgt; die leßte aber hat, jolange fie fich nicht unmittelbar dem Menjchen aufdrängt, wegen ihrer ungemein zierlichen Seitalt, ihrer Anmut und ihrer eigentümlichen Lebensweife Gnade vor feinen Augen ge- funden. Die Wijjenfchaft hat die vier Arten und ihre ausländischen Verwandten nad ihren jeineren Körperverhältniffen, u. a. auch nach der Länge der Ohren, wieder zu zwei und zwei derart abgeteilt, daß Haus- und Waldmaus die Untergattung Mus im engiten Sinne Brand- und Ziwergmaus aber eine andere Untergattung, Micromys Dehne (Apodemus Kaup), vertreten. Bei diejer erreicht das Ohr nur ungefähr den dritten Teil der Kopflänge und ragt, an die Kopfjeiten angedrüct, nicht bi3 zum Auge vor, während e3 bei jener die halbe Kopf- länge hat und, an die Kopfjeiten angedrückt, bis zum Auge reicht. Vie Hausmaus, Mus musculus L. (Taf. „Nagetiere XII“, 5, bei &.335), hat in ihrer Gejtalt noch immer einige hnlichkeit mit der Hausratte, ift jedoch weit zarter und eben- mäßiger gebaut und bedeutend Heiner, Ihre Gefamtlänge beträgt ungefähr 18 cm, wovon Jem auf den Körper fommen, Der Schwanz hat 180 Schuppentinge. Das Fell ift einfarbig: die gelblich-graufchtwarze Oberfeite de3 Körpers und des Schwanzes geht ganz allmählich in die etras hellere Unterfeite über; Füße und Zehen find gelblichgrau. Weite Mäufe mit roten Augen und Scheden mit Dunkeln Augen (volftändige und unvollftändige Albinos) fommen Hausmaus. Waldmaus. Brandmaus. 357 bor, werden auch al3 folche weiter gezüchtet zu lebendem Spielzeug für Kinder, namentlich aber zu wijjenschaftlichen Verjuchs- und anderen (Jmpf-) Zweden. E3 gibt indes allem An- jchein nach auch verjchiedene Abtönungen der gewöhnlichen graubraunen Farbe, und Yatio glaubt, Dieje in einen ganz EN Bujfammenhang mit Der Lebensweije bringen zu dürfen. Er behauptet in jeinen „Wirbeltieren der Schweiz”, daß die Hausmaus außer- ordentlich abändere, je nachdem fie frei auf Den Feldern und Wiejen oder als Schmaroger in den Häufern, ja jogar je nachdem fie in den Städten der Ebene oder in den Landhäufern der Alpen lebe. „Diejenigen, die im Freien leben, find immer oben mehr rot und unten mehr weiß, die Hausjchmaroger dagegen regelmäßig mehr jchwärzlich (worauf fchon Gesner Hinweilt). Die Nahrung hat auf die Haarfarbe einen jolchen Einfluß, daß man mitunter fehon Lofalvarietäten fich bilden jah lediglich durch die Wirkung einer befonderen Ernährung.” Auch Lunel, Fatios Konfervator, Hat angeblich in Cette (Südfrankreich) beobachten fünnen, „Da Mäufe, die fich ausschlieglich van Vögeln zugedachter Hirje nährten, ganz rasch Hellgelblich, jozujagen blond wurden”. Haarlofe Mäufe zeigte Pocod 1904 der Londoner Yoologijchen GSejelljchaft lebend vor, zugleich mit ebenfolchen Ratten (,‚Proc. Zool. Soc.‘, 1904). Die Waldnaus, MussylvaticusZ. (Taf. „Nagetiere XII, 6, bei&.335), wird 20 cm lang, wovon der Schwanz, der ungefähr 150 Schuppenringe hat, ettva die Hälfte wegnimmt. Sie ijt ziweifarbig: Die Oberjeite des Körpers und des Schwanzes braun-gelblichgrau, Die Unterjeite nebjt den Füßen und Zehen jcharf abgejebt weiß. Die Brandmaus, Micromys agrarius Pall. (Taf. „Nagetiere XII”, 4, bei ©.335), er- reicht 18 cm Gejamtlänge, der Schwanz (etwa 120 Schuppentinge) mißt Sem. Gie ijt Drei- farbig: die Oberjeite des Körpers braunrot mit einem schwarzen Längsitreifen über den Rüden vom Scheitel bis zur Schwanzwurzel, die Unterfeite nebjt den Füßen fcharf abgejegt weiß. Dieje drei Mäufe ähneln fich in ihrem Aufenthalte, ihrem Wejen und Betragen un- gemein, obgleich jede ihr Eigentümliches hat. Sr einem stimmen alle drei überein: jie zeigen, twenigjtens zeitweilig, große Vorliebe für den Menjchen. Alle Arten, wenn auc) die Haus- maus regelmäßiger als die übrigen, finden jich, zumal im Winter, Häufig in den Häufern, vom Seller an bis zum Boden hinauf. Steine einzige ift ausjchlieglich an die Orte gebunden, auf welche ihr Name Hindeutet: Die Waldmaus lebt ebenjowohl zeitweilig in der Scheuer oder im Haufe wie auf dem Felde, und die Brandmaus ift ebenfowenig allein aufs Feld be- jchränkt wie die Hausmaus auf die Wohnung des Menfchen, jo dat man gelegentlich die verjchtedenen Arten beifammen jehen fann. Die Hausmaus joll jchon jeit den ältejten Zeiten der treuejte Genojje des Menjchen geivejen jein. Nach) dem Sprachforscher Viktor Hehn muß jie „eint aus dem jüdlichen Ajien zu uns herübergefommen jein, — fiel ihre Anfunft etwa mit dem Einbruch der Jndo- europäer zujammen?... AS Hausdiebin Fennt die Maus jchon Die voreuropätiche Sprache; denn ihr Name, der ich in Griechenland und Stalien, an der Elbe wie am Indus iwieder- findet, jtamımt von einem Verbum mit der Bedeutung ftehlen.” Bereits Ariftoteles und Plinius tun der Hausmaus Erwähnung, Albertus Magnus fennt jte genau. Gegenmärtig üt jie über die ganze Erde verbreitet. Wahrjcheinlich gibt es nur wenige Dxte, two fie fehlt, und jedenfalls hat man jie da bloß noch nicht beobachtet. Auf den Sunda-Snjeln 3. B. joll fie nicht vorfommen. Shre Aufenthaltsorte find alle Teile der menschlichen Wohnungen. Auf dem Lande Hauft fie zeitweilig auch im Freien, d. h. im Garten oder in den nächiten 358 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. Feldern und Wäldchen ; in der Stadt bejchränft fie jich auf das Wohnhaus und feine Neben- gebäude. Hier bietet ihr jede Nite, jede Höhle, mit einem Worte jeder Winfel, wo jie jich verjteden Ffann, genügendes Obdach, und von hier aus unternimmt jte ihre meijt nächtlichen Streifzüge, wobet fie ohne Zweifel ihre graubraune „Mausfarbe” jehr gut deckt und jchüßt. Mit größter Schnelligkeit rennt jie auf dem Boden dahin, Hlettert vortrefflich, fpringt ziemlich weit und hüpft oft längere Zeit nacheinander in kurzen Cäbßen fort. An zahmen fann man beobachten, wie gejchidt alle ihre Bewegungen jind. Läht man fie auf einem ichief aufwärts gefpannten Bindfaden oder auf einem Stödchen gehen, jo [hlingt ie, jobald fie zu fallen fürchtet, ihren Schwanz fchnell um das ©eil, nach Art der echten Wideljchwänze, bringt fich wieder in das Gleichgewicht und läuft weiter; jebt man fie auf einen jehr bieg- jamen Halm, jo flettert jie auf ihm bis zur Spite empor, und wenn fich der Halm dann nieder- biegt, hängt fie fich auf der unteren Seite an und fteigt hier Iangjam herunter, ohne jemals in Berlegenheit zu fommen. Beim Sllettern Teijtet ihr der Schwanz mejentliche Dienite: zahme Mäufe, denen man die Schwänze furzgejchnitten hatte, waren nicht mehr imjtande, es ihren bejchwänzten Mitjchmweitern gleichzutun. Ganz allerliebit jind auch Die verichiedenen Stellungen, die jie einnehmen fann. Schon wenn jie ruhig fißt, macht jie einen recht hübjchen Eindrud; erhebt jie jich aber, nach Nager- art auf das Hinterteil fich jtügend, und pußt und wäjcht fie jich, dann tft jie geradezu ein bezauberndes Tierchen. Sie fann ji) auf den Hinterbeinen aufrichten, wie ein Menfch, und jogar einige Schritte gehen. Dabei ftüßt jie jich nur dann und warın ein flein wenig mit dem Schwanze. Das Schwimmen verjteht fie auch, obwohl fie nur im Höchiten Notfalfe in das Wafjer geht. Wirft man fie in einen Teich oder Bad), jo jieht man, daß fie fajt mit der Schnelligteit der Ziwergmaus oder der Wafjerratte Die Wellen durchjchneidet und dem erjten trodenen Otte zuftrebt, um an ihm emporzuflettern und das Land wiederzugetvinnen. Shre Sinne jind vortrefflich: fte Hört das feinste Geräufch, riecht fcharf und auf weite Entfernungen, lieht auch gut, vielleicht noch bejjer bei Tage als bei Nacht. hr geijtiges Wefen macht fie dem, der das Xeben des Tieres zu erfennen trachtet, zum wahren Lieblinge. Sie ift gutmütig und harmlos und ähnelt nicht im geringjten ihren boshaften, tücifchen und biffigen Ver- wandten, den Ratten; jie ijt neugierig und unterfucht alles mit der größten Sorgfalt; jie it fujtig und Klug, merft bald, wo fie gefchont wird, und gewöhnt fich hier mit der Zeit fo an den Menjchen, daß fie vor feinen Augen Hin und her läuft und ihr Hausgejchäft betreibt, als gübe eS gar feine Störung für fie. Marjhall erzählt: „Der alte Kupferftecher Schwerdt- geburth in Weimar hatte eine ganze Hede weißer Mäufe, die jehr dreift, ja geradezu frech waren, im ganzen Haufe herumliefen und an ihm und den Hausgenofjen auf und ab Hletterten. 65 war ein ergößlicher Anblid, den Heinen vrigmellen Mann zu jehen, wenn er fo, feiner Art nach lebhaft getifufierend daftand, eine Maus auf dem Kopfe und je eine auf jeder Hand, die fortwährend in Gefahr jchwebte, bei einer bejonders nachdrüdlichen Gefte herab- gejchleudert zu werden.” Im Käfig benimmt fich die Hausmaus jchon nach wenigen Tagen liebenswündig; felbft alte werden noch leidlich zahm, und jung eingefangene übertreffen durch Öutmütigfeit und Harmlofigfeit die meiften anderen Nager, die man gefangen halten Fan. ohllautende Töne Ioden fie aus ihrem Berjtede hervor und Yafjen fie alle FZurchtfamfeit vergejjen. Sie erjcheint bisweilen bei hellem Tage in den Zimmern, wo mufiziert wird, und Räume, in denen vegefmäßig Mufif ertönt, werden zulest ihre Lieblingsaufenthaltsorte. Nach Marjhall erzählt ein gewiijer Walte in der „Natur: Wenn er am Abend jeine Klari- nette blies, lieh jich feine Maus jehen; jobald er aber feine Bratjche herbeiholte und zu jpielen Hausmaus: Beweglichkeit. Zahınheit. Singmaus. Schaden. Alkoholliebe. 399 anfing, dann famen die Tiere aus allen Eden hervor und trieben jich luftig im Zimmer umher, zuweilen dabei piepend und pfeifend. Die Gäfte verjchtwanden, jobab die Stlarinette wieder an die Reihe fan, woraus man jchließen fann, daß wenigitensdieje Mäufe den Klang eines Saiteninjtrumentes dem eines Blasinjtrumentes vorzogen. Ofters ift in verfchiedenen Zeitjchriften über jogenannte Singmäufe berichtet worden, und auch ich Habe mehrere Zufchriften über denjelben Gegenftand erhalten. Alle Berichte jtinmmen darin überein, daß hier und da und dann und wanıı Hausmäufe beobachtet werden, die ihr natürliches Piepen und Zwitjchern in einer an Vogelgefang erinnernden Weife ver- nehmen Jajjen. Pechuel-Loejche hat monatelang und gleichzeitig zwei in einer Küche frei- lebende jogenannte Singmäufe belaufcht. Dieje liegen jich jehr Häufig zugleich hören, und zwar borzugsweife in den Dämmerjtunden der Monate Mai bis September. C3 (ag aber doch etivas ganz anderes und viel Unvollfommeneres darin als im Schlage, Gejange oder Pfeifen eines Vogels; e3 Klang rauher, abgebrochener und erinnerte darum auch wieder an mancherlei von Snjeften Hervorgebrachte Töne. Das empfand auch der gute Beobachter Koch- Wiesbaden („Zool. Garten”, 1881), der feine Singmaus bald als ein franfes, an Atemnot leidendesTier erfannte. Nolls Interjuchung nach dem Tode der Maus bejtätigte dies, und von anderen Seiten famen ähnliche Erklärungen, die die Sache allen poetifchen Neizes entkleideten: Schmaroger (Haarwürnter) in der entzündeten und verengten Luftröhre, Franfhafte Berände- rungen in der Lunge, Finnen vom Kabenbandwurm in der gejchtoollenen Leber. Ulle genauer beobachteten Singmäufe ftarben denn auch in verhältnismäßig furzer Zeit, und ihre Zahm- heit war, bei Lichte bejehen, Krankheit und Schwäche. Dasjelbe ftellte auch Landois-Münfter 1883 Durch eigene Beobachtungen und Unterfuchungen feit. (Val. „Weitfalens Tierleben“.) Alle angenehmen Eigenschaften unjerer Hausgenofjin werden leider durch ihre Ge- näjchigfeit jehr beeinträchtigt. Dieje beweilt auf das fchlagendite, dat der Sinn des Ge- Ichmades bei der Hausmaus vortrefflich entwidelt ijt. Die jpigen Nagezähne fommen Hinzu, um jie verhaßt zu machen. Wo fie etwas Genießbares mwittert, weiß fie jich einen Zugang zu verichaffen, und e3 fommt ihr eben nicht darauf an, mehrere Nächte angejtrengt zu arbeiten und jelbjt jejte, jtarfe Türen zu durchnagen. Findet ie vielNahrung, die ihr befonders mundet, jo trägt fie jich much noch einen Vorrat davon in ihre Schlupfwinfel. „An Orten, wo fie wenig Störung erleidet”, jagt Fißinger, „Findet man zuweilen ganze Haufen von Wal oder Hafel- nüfjen bi3 zu einer halben Elle hoch in Winkeln aufgetürmt und jo regelmäßig und zierlich jeit aneinandergejchloffen und mit allerlei Abfällen von Papier oder Kleiderftoffen überdeckt, daß man hierin faum ein Werk der Hausmaus vermuten möchte.” Waffer trinkt fie, wenn jie andere jaftige Stoffe haben fann, gar nicht und auch bei trodfenem Futter nur felten, chlürft dagegen fühe Getränfe aller Art mit Behagen. Daß fie jich auch über geijtige Ge- tränfe hermacht, bemweift nachitehende Beobachtung. „Etwa im Jahre 1843”, jchreibt mir Söriter Blod, „wurde ich einmal beim Schreiben durch ein Geräujch geftört und erblidte eine Maus, welche an den glatten Füßen eines Tifchchens emporkletterte. Auf diefem jtand ein ganz leichtes, glodenförmiges Schnapsgläschen, zur Hälfte mit Kümmel gefüllt. Mit einem Sprunge ja das Mäuschen oben auf Dem Glafe, bog fich vorn über, ledte eifrig und jprang jodann herunter, nahm aber noch eine Gabe von dem jühen Gifte zu jich. Durch ein Geräujch meinerjeits gejtört, jprang jie mit einem Sabe vom Tijche herab und verjchtwand hinter einem Glasjchranfe. Jet mochte der Geift über fie fommen; denn gleich darauf war jie wieder da und führte die jpaßhafteften Bewegungen aus, verjuchte auch, obwohl vergeb- lich, den Tisch nochmals zu erfteigen. Ich holte eine Kate herbei: die Maus lief auf einen - - v . 5 r £ Pe . a > = e Kan a B a ee = RT Sin”. - - 360 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. Augenblie davon, war aber gleich wieder da. Yon meinem Arme herab jprang die Sage zu, und das trunfene Mäuschen Hing an den Krallen ihrer Tape.” Der Schade, den die Hausmaus durch Wegfrejjen verjchiedener Speijevorräte anrichtet, ijt im ganzen gering; ihre hHauptfächliche Schädlichkeit beruht in dem abjcheulichen gernagen wertvoller Gegenftände. Sn Bücher und Naturalienfammlungen Haufen die Mäufe auf die verderblichite Weife und fönnen, wenn ihrer Zerftörungsluft nicht mit allen Kräften Einhalt getan wird, unfchägbaren Schaden anrichten. — Wie eine Maus in der modernen Wirtjchaft, die mit Eleftrizität arbeitet, wider Willen zur Brandftifterin werden fann, zeigt ein Vorfall auf einem Thüringer Rittergute, den der „Deutfche Tierfreund“ 1905 berichtet. Dort wurde im Stalle „Hinter der Platte, an der die Sjolierungen angefchraubt find, eine jtarf verbrannte Maus gefunden. Sie hatte beim Überlaufen der Drähte eine Verbindung ziifchen diejen hergeftellt; infolgedeffen waren die Sjolierungen durchgebrannt und das Feuer entjtanden.“ Die Hausmaus vermehrt fi) außerordentlich ftarf. Sie wirft 22—24 Tage nach der Paarung 4-6, nicht felten aber auch 8 Junge und in Jahresfrift Jicherlich fünf- bis jechsmal, jo daß die unmittelbare Nachfommenschaft eines Jahres mindeitens 30 Köpfe beträgt. - Eine weiße Maus, die Struve in der Gefangenfchaft hielt, warf am 17. Mai 6, am 6. Juni 6, am 3. Juli S Junge. Sie wınde am 3. Juli vom Männchen getrennt und am 28: Juli tpieder mit ihm zufammengetan. Nun warf fie am 21. August wieder 6 Junge, am 1. OF tober ebenfall3 6 und am 24. Dftober 5. Während des Winters ging fie gelt. Am 17. März famen wieder 2 Junge zur Welt. Eins von den am 6. Juni geborenen Weibchen befam Die eriten Jungen, und zwar gleich 4, am 18. Juli. Die Mutter Schlägt ihr Wochenbett in jedem Yinfel auf, Der ihr eine weiche Unterlage bietet und einigermaßen Gicherheit gewährt. Nicht jelten findet man das Nejt in ausgehöhltem Brote, in Kohlrüben, Tajchen, Toten- föpfen, ja jelbjt in Maufefallen. Gewöhnlich it es aus Stroh, Heu, Papier, Federn und anderen weichen Stoffen forgfältig zufammengejchleppt; Doch fommt e3 auch vor, daß bloß Holzjpäne oder jelbjt Nußfchalen Die Unterlage abgeben müfjfen. Die Jungen find, wenn fie zur Welt fommen, außerordentlich Hein und förmlich Durchjichtig, wachjen aber rasch heran, befommen zwijchen dem fiebenten und achten Tage Haare, öffnen aber exit am dreizehnten Tage die Augen. Nun bleiben fie nur noch ein paar Tage im Nefte; dann gehen jte jelbjtändig auf Nahrungserwerb aus. Die Alte behandelt fie mit großer Zärtlichkeit und gibt fich ihrethalben jelbit Gefahren preis. Weinland erzählt ein rührendes Beijpiel ihrer Mutterliebe. „Sn dem weichen Bette, welches eine Hausmaus ihren Jungen bereitet hatte, entdeckte man fie und ihre neun Slinder. Die Alte Tonnte entrinnen, aber fie macht feine Bewegung zur Flucht! Man fchiebt die Jungen auf eine Schaufel und die Alte mit ihnen: jie rührt fich nicht. Man trägt fie frei auf der Schaufel fort, mehrere Treppen Hin- unter, bi8 in den Hof, und fie Harıt zu ihrem Verderben bei ihren Kindern aus.” Bu einem wirklichen Haustier oder mwenigitens zum Gegenftand der Liebhaberei ijt die Hausmaus bei den Bewohnern Chinas und Japans geworden, die ja befanntlich in der fiebhaberifchen Steintier- und Pflanzenzüchtung Bewundernswertez Ieiften. Won dort fommen jeit Jahren bunte Mäufe auf den europäifchen Tiermarkt: weiße, gelbe, gelb- oder blauweiß gejchedte, die immer rote Augen, grau- oder jchtvarzweiß; gefchedfte, die immer dunkle Augen haben, als ganz befondere Merkwinrdigfeit aber die jogenannte Tanzmaus, ebenfalls in den verfchiedenen Schedfärbungen. Was diefe Maus jedoch im Leben ganz auffallend auszeichnet, das ift die angeborene Gewohnheit, mit rajender Schnelligkeit in größeren und Heineren Streifen herumzulaufen, meiftens aber auf einem Jede mit Hausmaus: Fortpflanzung. Nafjen. Tanzmaus. 361 unglaublicher Gejchwindigfeit Herumzumirbeln. Häufig gejellen ich zwei, feltener drei Mäufe zu jolchem Tanze, der gewöhnlich in der Dämmerung beginnt und während Der Nacht von Zeit zu Zeit wieder aufgenommen wird; meijtens wird er aber einzeln aufgeführt, und Die unermüdlichen Tänzer fäubern Durch ihre Bewegungen den Boden ihres Behälters an manchen Stellen vollitändig von der Diden Schicht Sägefpäne, die ihn bedeckt. Auch beim gewöhnlichen Umherlaufen offenbart die Tanzmaus eine gewilfe übermäßige Lebhaftigfeit. Sie wendet fich blißfchnell und anjcheinend ziwedlos hin und Her und fchnuppert fortwährend in der Luft herum. Schon vor Jahren glaubte Rawib nachgewiejen zu Haben, was allerdi 'g3 twieder bejtritten wurde, daß Die Gewohnheit der „Tanzmaus” jich auch im inneren Leibes- bau auspräge: dDurd, Berfümmerung der halbkreisfürmigen Kanäle im Ohre, die man mit dem Gleichgewichts- und Nichtungsfinn in Beziehung bringt. Neuerdings (1910) Hat aber van Lennep in einer holländijchen Difjertation gezeigt, wie bei der jungen Tanzmaus ein ernährendes Organ im inneren Ohre (Stria vascularis) jehr bald zu verfümmern anfängt, twas wieder andere Berfümmerungen innerer Ohrteile nad) jich zieht bis zur vollftändigen Taubheit, und jchon 1906 beobachtete Haade, der mit großen Mengen von Tanz= umd Farbenmäufen jahrelange Zucht- und Kreuzungsverjuche angeitellt hat, eine Vererbung des Tanzens („Die-Gejege der Rafjenmijchung und die Konftitution des Keimplasmas”, Hour „Archiv für Entwidelungsmechanif”): „Eine Tanzmaus, mit einer Tanzmaus ge- paart/‘ erzeugt unter allen Umftänden eine Tanzmaus, ganz einerlei, ob die betreffenden Tanzmäufe Zauf- (d. h. Nichttanz-) Mäufe unter ihren Vorfahren haben oder nicht.” Da- gegen fand er, „vaß Tanzmäufe nur dann mit Laufmäufen Tanzmäufe zeugen, wenn die betreffenden Laufmäufe von-Tanzmäufen abjtammen”; ja jogar: „auch Laufmäufe, mit Laufmäufen gepaart, fönnen Tanzmäufe zeugen, wenn beide Gatten des Paares von Tarız- mäujen abjtammen”. Nun das Gegenftüd! „Laufmäuje werden mit Sicherheit nur dann erzeugt, wenn mindeitens ein atte des betreffenden Mäufepärchens eine Durchgezüchtete Laufmaus, d. h. eine nur Laufmäufe zu ihren Vorfahren zählende Laufmaus ijt. Und it dies der Fall, jo treten nur Laufmäufe auf, auch dann, wenn der andere Gatte eine durchgezüchtete, d. H. eine nur Tanzmäufe zu ihren Vorfahren zählende Tanzmaus ift. Bei Baarungen echter japanijcher Tanzmäuje mit gewöhnlichen weißen deutichen Mäufen habe ich immer nur Laufmäufe erhalten.” — ES find das die Berhältnijje, die Heutzutage durch die Wiederentdedung der an Pflanzen herausgefundenen Vererbungstegeln des Brünner Prälaten Mendel al3 „Mendelismus” ein Hauptarbeitsgebiet der modernen Naturforscher geworden, von dem Hallenjer Zoologen Haeder, von Plate, dem Nach- folger Haedels in Sena, und vielen- anderen in ihren Werfen über Bererbungslehre bis zu den Außeriten Schlußfolgerungen ausgebaut worden find. — Sr diefem Lichte gewann natürlich die Tanzmaus auch Sntereffe für die Syitematif. Fortuyn-Amfterdam hat ein- gehende Unterjuchungen über ihren „yitematijchen Wert” angejtellt („Zool. Anzeiger”, 1912). Dabei ergab fich zunächit, daß jie urfprünglich nicht aus Japan, fondern aus China tammt: ein Japaner jelber, Kiihi, führt als Beweis dafür an, daß fie in feinem Water- lande „Nanfin nefumi“, d.h. Nanfing-Maus, genannt wird. Ferner zeigte fich, daf; die - Tanzmaus von der gewöhnlichen Maus äußerlich fich nicht nur durch ihre Buntjchedigfeit unterjicheidet, eine geläufige Ericheinung in der Haustierzucht, jondern auch durch ein ganz unzmweideutiges Formmerfmal, das auf verjchiedene Abjftammung und Artzugehörigfeit deutet. Sie hat nämlich jtets eine erheblich Heinere Zahl Ringfalten am Schwanz, im Durch- jchnitt jtatt 180 nur 136 Schwanzringe und ftimmt darin überein mit der rufjisch-chinefiichen 362 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. Vertreterin unferer Hausmaus, dev Mus wagneri Eversm. der Wifjenfchaft. Dieje ift alfo als ihre Stammform anzujehen, was ja nach ihrer chinefischen Herkunft am Ende nicht mehr wie jelbjtverjtändlich. Noch größere Bedeutung als für diefe mehr theoretiichen Bererbungsfragen, ja un- ichägbaren praftiichen Nußen hat die Hausmaus, und namentlich ihr Albino, die allbefannte weiße Maus, für die Erforschung und Befämpfung der anftefenden und anderer Krankheiten, 3. B. neuerdings auch für die Krebsforfchung, nach den modernen Methoden der Jmpfung und Heilferumgeminnung. Syn unferen heutigen bafteriologischen und Hygienifchen Yabora- torien tjt fie nicht nur unentbehrliches, tagtäglich gebrauchtes Verfuchstier, fondern geradezu (ebendes Aufbewahrungs- und Forterhaltungsgefäß für alle möglichen Sranfheitserreger und die ihnen entgegenwirfenden „Antiförper” vermöge ihrer Kleinheit, leichten und bil- (tigen Haltung, rajchen und reichlichen Vermehrung. Der Bedarf der medizinischen Smititute an weißen Mäufen ijt Heutzutage ebenjo groß wie andauernd, und die Zucht daher vielfach ein jehr hübjcher Nebenverdienst für induftrielle Köpfe unter den ftädtifchen Stleinbürgern. Nach Hertwig und Boll („Zur Biologie der Mäufetumoren”, „Abhdlgn. Kal. Preuß. Afad. 2817.” 1907), die, dem Charakter des II. Unatomifchen Snititutes in Berlin entjprechend, vom allgemein wijjenjchaftlichen Standpunkt der Zellen- und Gemwebelehre aus jeit mehreren Sahren umfafjende erperimentelle Unterfuchungen über die Übertragbarkeit bösartiger Ge- ihwüljte bei weißen Mäufen machen, „jollen von hier jährlich gegen 50— 60000 Stück weißer Mäuje exportiert werden, wobei der hiejige Verbrauch nicht mit inbegriffen ift. Der Verjand gejchieht Hauptjächlich durch Händler, die ihre Ware erft wieder von verjchiedenen fleinen Süchtern beziehen...“ Aber auch die Liebhaberei, der reine Sport, hat jich der Mäufezucht bemächtigt, und darin find natürlich die Engländer voran. In London gibt es einen Mäufeliebhaber- verein (Mouse Fanciers Club), der jedes Jahr eine Ausftellung veranftaltet. Auf diejer werden Preife bis zu 600 Mark verteilt, und Zuchttiere, die fich durch jeltene Färbung und Zeichnung oder fonjtmwie en: für entjprechende Summen verkauft. Die Hausmaus bewährt fich deshalb al3 medizinifches Laboratoriumstier jo ausgezeich- net, weil fie, zumal in der befanntlich ftetS weichlicheren und anfälligeren Albinoform, für allerlei Krankheiten und Beeinfluffungen äußerft empfänglich if. So wurde fie 5. B. früher in Bergmwerfen al Warner benußt, um durch ihr Benehmen beizeiten auf etwaige gefähr- (iche Veränderungen der Grubenluft aufmerffam zu machen. Bon fachmännifcher Seite wird aber noch ganz neuerdings bei Gelegenheit eines jchweren Unterfeebootsunfalfes in der englifchen Marine eine ähnliche Verwendung der weißen Maus als Warner vor Erplofionsgefahr behauptet („Berl. Tageblatt“ 16. 7.08): „an jucht in England diefe Gefahren dadurch herabzumindern, dag man auf den Unter- jeebooten weiße Mäufe mitführt. Dieje vierfüßigen Mitglieder der Schiffsmannfchaft find jchon gegen ganz geringe Mengen von Gajolindämpfen außerordentlich empfindlich, werden, jobald fie die Dämpfe wahrnehmen, jehr unruhig und fangen an, durchdringend und jämmerlich zu fchreien. Auf diefe Weife haben fie ihre zmweibeinigen Kollegen chen oft aus Todesgefahr gerettet.” " Aber auc) die normal gefärbte Hausmaus in der Freiheit ift ein äußerjt empfindliches Tierchen, das allerlei Krankdeiten im Handumdrehen exrliegt. Dem Alten Teftament galt die Maus daher al3 das Symbol der Peft (vgl. 1. Sam. VI, 4,5, 11, 18): wieder ein Bemeis der guten Natıurbeobachtung und praftifchen Bebensweisheit, die die Juden und ihre religiöfe / re AT RN, Hausmaus und Unterarten. 363 Gefeßgebung jo vorteilhaft auszeichnet! Bei uns haben wir alle Urjache, wie Landois mit Hilfe des Straßburger Botmifers de Bar) nachgewiejen hat („Zool. Garten”, 1883), die Hausmaus 3. B. al Verbreiter und Überträger des efelhaften Kopfgrindes anzufehen, der namentlich bei Kindern auf dem Lande vorkommt und hier, wie bei Maus und Stabe, durch den fogenannten Favuspilz (Achorion schoenleini Remak) verurjacht wird. Mehrere Beobachter berichten („Zool. Garten”, 1873) über eine Feindichaft zroiichen Haus- und Waldmaus, wobei die exjtere der leidende Teil ijt, jo daß die ganze Sache an das befannte Verhältnis von Haus- und Wanderratte erinnert. Näheres darüber bringen mir unten bei der Waldmaus. Der jchlimmite aller Feinde der Hausmaus ift und bleibt aber Doch die Kate. In alten Gebäuden Hilft ihr die Eule treulich mit, und auf dem Lande Tetiten ltis und Wiefel, Jgel und Spigmaus gute Dienste, bejjere jedenfalls als Fallen aller Art. Schließlich wundern wir ung ficher nicht, wenn wir jehen, daß ein jo alltägliches „Haustier” wie die Maus in Volfsfage und Bolfsaberglauben eine entjprechende Nolle jpielt. Launig erzählt Marfhall darüber: „Der Teufel nimmt gern die Gejtalt einer Maus ‚an, und Kafpar PBeucer, der Schwiegerjohn Luthers, jah ihn als jolche unter der Haut einer Bejejjenen Hin und her Friechen. Die heilige Hildegard ift gar nicht gut auf die Maus zu iprechen und jagt von ihr, fie habe ein heimtüdifches Wefen und triebe teufliiche Fünfte. Zur Zeit der Herenprozefje war eine der eriten Fragen, die an die armen, gefolterten Weibs- _Teute gerichtet wurde, die, ob fie nicht unter anderm auch Mäufe gemacht hätten.” Die Mäufe, die die Sage jcharenweije bei Bingen durch den Ahein Schwimmen läßt, um dort auf einer feinen Snjel im „Mäufeturm” (verdorben aus Mautturm, Zollturm) den Erzbiichof Hatto von Mainz aufzufrefien, müfjen aber wohl Feldmäufe gewejen fein; wenigitens ift bon Mafjenvermehrungen und Mafjenmwanderungen der Hausmaus font nichts befannt. Wenn man auf Arten und Unterarten der Untergattung Mus im engjten Sinne TrouefjartS Supplement durchjieht, fo erhält man das beruhigende Ergebnis, daß hier nicht entfernt die verwirrende Fülle herrjcht wie bei den Ratten. „Die Bemerkung Naddes, - daß die faufafiichen Hausmäufe Häufig auf dem Rüden eine Beimengung von Gelb in der Haarfärbung haben”, beitätigt Satunin. Im Talyjchgebiet hat er „jogar weigbauchige Mäufe gefunden”, die er zuerit für Baktrermäufe hielt, nach genauerer Unterfuchung aber „bloß für eine Farbenvarietät der gewöhnlichen Maus” anjprechen fonnte, „wie jte Häufig und überall angetroffen werden”. 3 find ‚dies wohl folche Stüde, die, wie Radde jchon in feinem „Museum Caucasicum“ jagt, außerhalb der menjchlichen Wohnungen „eine voll- jtändig wilde LZebensweije” führen und im Einklang damit noch eine waldmausähnliche „Btldfärbung” beiten. Die erite Unterart der Hausmaus, die Trouejjart anführt, die fchwarze Tabafmaus, M. m. poschiavinus Fatio, hat gleich ein bejonderes Interejje, weil ihre Entdedungs- gejchichte ganz jo ausjieht, als ob hier die Syitematif eine neue Tierform danf einem glüd- lihen Zufall in ihrem allererften Entjtehen belaufcht und mwijjenjchaftlich feitgelegt haba. Fatio fand die Tabafmaus 1864 bei einem Befuche der Zigarrenfabrif Burg vor Boichiavo in Graubünden. Fatio wollte in dem merkwürdigen Tierchen zuerjt nur eine „Negerraffe” der Hausmaus jehen, und diefes augenfcheinliche-Gegenjtüd zu dem Verhältnis von Haus- und Dachratte (E. rattus und E. alexandrinus) feijelte ihn jchon jehr; er fand aber dann auch ‚Schädel- und Zahnunterjchiede und bejchrieb feine Tabafmaus infolgedejjen al3 jelbitändige Urt. Neuerdings wurde fie dann wieder zur Unterart erniedrigt, angejichtS der langen Reihe 64 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. von folchen, die man allerwärt3 entdeckte, vonden Azoren bis Jsland und Tahiti, von Ägypten und Indien bi8 Merifo und Patagonien. Allermeift Handelt es fich hier um nachweistich eingejchleppte Hausmäufe, und doch find fie Heute von unjerer Hausmaus jo verjchteden, dat man ihnen im Shitem mindejtens den Nang einer Unterart zugejtehen muß. Cben- deswegen find e$ aber jicher nur veränderte Flimatifche und Nahrungsverhältnijje, veränderte Lebensumstände, die diefe Farben- und Formenveränderungen hervorgebracht haben. Anderjeit3 befißt jchon Europa jelbjtändige Arten von „Hausmäufen“: jo die große, oben graufprenfelig braune, unten jcharf abgejet Iedergelbe Gelbbauchmaus, M. muralis Barr.-Ham., des jchottijchen Feljeneilands St. Kilda weitlich der Hebriden. Aber auch von diejer Gelbbauchmaus möchte ihr Entdeder und Bejchreiber, Barrett-Hamilton (,‚Proc. Zool. Soe.“, 1899), nicht behaupten, daß jie ohne Hilfe des Menfchen nach St. Kilda gefommen: jet, obwohl fie nach feiner Überzeugung jedenfalls jchon Jahrhunderte dort ift. Dafür bringt er den Beweis durch allgemeine Betrachtungen über die Abarten der Hausmaus, die im Gegenjag zur Waldmaus von der Urjprungsform jehr leicht abweicht. [ Außer den „Hausfornen” der Hausmausgruppe gibt e3 in vielen Teilen der Erde „Wtdformen“ von ihr, Die zwar mehr oder weniger in der Größe, Schwanzlänge und Farbe, nicht aber im Schädel und Gebif von der gewöhnlichen Hausmaus unterjchteden werden fönnen. Solche Art ift außer der Baftrermaus, M. gentilis Brants (bactrianus), die jich bon Nordafrika über Weftajten und Siideuropa bis nad) Südajien verbreitet, die oben (&.362) bei der Tanzmaus jchon genannte Wagnersmaus, M. wagneri Eversm. (pachycercus), Snnerajiens, eine echte Hausmaus, die oft in Häufern lebt. Brichewaljfi jchreibt über fie an Büchner: „Dieje Maus liebt menjhlihe Wohnungen; jo Erochen jeden Abend mehrere Eremplare in unjer Zelt, in welchem jte jich die ganze Nacht hindurch Herumtrieben. Nicht jelten fingen mir fie auch in unjeren Badjäden, in Kamelfilzjätteln und jelbft in unferen zur Nachtruhe ausgezogenen Stiefeln.” Für gervöhnlich gräbt fie fich aber Höhlen in den Einöden der Djungarei, im zentralen Tian-Schan, am Tarim, Lobnor ufw. Doch nennt fie Blanford in den mwijjenjchaftlichen Ergebnijjen der zweiten Yarfand-Miffion ebenfalls „eine offenbare Hausmaus”, die in den Dörfern gefangen wurde. | Schlieglich gibt e$ auch noch eine Anzahl Mäufe von verichiedener Farbe, Körpergröße und Schwanzlänge, die aber alle durch weißen Bauch gefennzeichnet find und fich in vielen Gegenden neben der richtigen Hausmaus finden. So M. spretus Lat. in den Atlasländern und M. spicilegus Petenyi in Ungarn, den Pırenäen, Portugal und auf den Balearen. Auf dieen Snjeln fand jie Thomas 1901 (‚„Proc. Zool. Soe.“), nachdem er jie 1896 jchon bei Cintra in Portugal als „wildlebende Form der Hausmausgruppe” feitgeftellt Hatte; weitere Beobachtung zeigte ihm aber, daß fie von der Hausbewohnenden Hausmaus ganz verjchieden it. Ein Anzeichen, daß die balearifchen Stüde fich zu einer befonderen Injelform heraus- gebildet hätten, fand er allerdings nicht. Er fammelte M. spieilegus auch in Cerbere, einem ranzöfiich-[panijchen Grenzorte am Dftende der Vıyrenäen; fonft ift jie aus Frankreich nicht befannt, jeines Erachtens aber vielleicht weiter verbreitet, als e3 bis jeßt jcheint. Won ihrer im Haufe jchmarogenden Verwandten Fann fie immer durch geringere Größe, viel fürzeren Schwanz und blajfere Farbe unterfchieden werden. Wir wijfen auch, dat in Wüftengegenden meijt eine Baktrermausform Iebt, jo daß die Baktrermaus vielleicht in den Wüften ebenfomweit verbreitet ijt wie die eigentliche Hausmaus in den Häufern. Barrett-Hamilton hält es deshalb jür wahrjcheinlich, daß Baftrer- und Hausmaus Anpafjungen einer Urform an verjchiedene a un ad nn u AL 0 0 N EEG on ul Verwandte der Hausmaus. Waldmaus. 365 Lebensbedingungen find, und meint, daß wir als dieje Urform vielleicht eine innerafiatifche Art, wie die Wagnersmaus, anzufehen hätten. Einige der weibauchigen Formen, die „mild“ in Wefteuropa und anderwärts leben, wo die Hausmaus in den Häufern lebt, mögen Rück jchläge diejer leßteren auf die Stammform fein, und al3 zweifellos ficher nimmt Barrett- Hamilton dies an für Infelformen wie die der Salvages-Injeln zwifchen Madeira und den Kanaren, two die Mäuje zufällig eingeführt fein müffen. Aber daraus möchte er feinestmwegs folgern, daß dasjelbe für die oben von den Balearen genannte M.snicilegus zutrifft, die fo- viel zierlicher und Furzichwänziger ift al3 die Hausmaus. Dieje jieht Barrett- Hamilton vielmehr al3 eine wilde Stammform der Hausmaus an, und nicht mit ihr, fondern mit un- zweifelhaften Nücjchlagsformen der Hausmaus will er die Gelbbauchmaus von St. Kilda zujammengeitellt wijjen, zumal die ähnlich abzuleitende Salvages-Maus der St. Kilda-Maus in ihrem fräftigen Körperbau vollfommen gleicht. Wald- und Brandmaus teilen die metiten Eigenschaften der Hausmaus. Erit- genannte ijt, etwa mit Ausnahme der Hochnordifchen Gegenden, durch ganz Europa und Mittelajien verbreitet und fteigt im Gebiuge bis zu 2000 m über das Meer empor. Sie lebt in Wälern, an Waldrändern, in Gärten, jeltener auch in weiten, baumleeren Feldern und fommt im Winter gern in Häufer, Keller und Speijefammern, fteigt aber baldmöglichit nach oben hinauf und treibt jich in Bodenfammern und unter den Dächern umber. Sn ihren Bewegungen ijt jie mindejtens ebenjo gewandt wie die Hausmaus, unterjcheidet jich jedoch dadurch von ihr, daß jie meijt in Bogenjprüngen dahinhüpft, nach Art der Springmäufe mehrere Säße nacheinander macht und erjt dann ein wenig ruht. Ir Süddeutjchland, 3. B. Württemberg, Heißt fie deshalb geradezu Springmaus. Nach NRaddes Beobachtungen jcheint ihr Gefichtjinn nicht befonders entwidelt zu fein; denn man fann fich ihr, vorfichtig vorwärts jchreitend, bi3 auf etiwa 60 cm nahen und jie ohne bejondere Mühe töten. Im Freien frigt jie Kerbtiere und Würmer, jelbit Eleine Wögel, oder Oft, Kirfchferne, Nüffe, Eicheln, Bucheln und in der Not wohl auch die Rinde junger Bäume. Sie trägt jich ebenfalls einen Wintervorrat ein, hält aber feinen Winterfchlaf und zehrt bloß an trüben Tagen von ihren aufgejpeicherten Schägen. „Al wir unfere Wohnung im Bureja-Gebirge vollendet hatten“, erzählt Nadde, „itellte jich die Waldmaus in der größeren Unterart (M. sylvaticus major Radde) für den Winter in großer Anzahl bei uns ein und jpielte uns manchen Streich, indem jie jelbjt die Tiiche befuchte und Unfug auf ihnen trieb. Sie vermied die gelegten dergijteten Talgpillen und hielt fich) am meiften zu den Buchweizenvorräten in unferem Speicher; auch war fie es, welche die Erbjen verjchleppte und fich davon ftarfe Vorräte an- legte. Am Tage wurde fie nie angetroffen, in der Dämmerungsitunde aber war jie jehr. lebhaft und ungemein dreift.”" Auch bei uns zulande macht fie im Haufe oft empfindlichen Schaden und-hat ganz eigene Gelüjte: jo dringt fie nachts in Käfige, tötet Kanarienvögel, Lerchen, Zinfen. Die Gebrüder Müller erzählen aus Oberhejien: „Wir wijjen uns jehr ohl aus den Jahren unferer Sugendzeit zu erinnern, wie dieje Springer mit Leichtigkeit in Bogenjäßen die Treppen hinaufjprangen und dabei Beweije ihrer Behendigfeit gaben. Unjere Kanarienvögel mußten wir in der Vogeljtube jtetS mit Sorgfalt vor ihren Angriffen wahren; denn wir machten die Erfahrung, daß jie in der Dämmerjtunde und nacdht3 die ge- jhäßten Vögel auf ihren erreichbaren Siten anftelen und töteten, das Fleifch bis auf Senochen und Federn verzehrend.” H. Schacht, der befannte Beobachter aus dem Teutoburger Walde, rühmt ebenfalls die Gewandtheit der Waldmaus im Springen und Klettern. Er jah fie jchon 366 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. in der Abenddämmerung auf jeinen Zwetjchenbäumen umbherfteigen, um zu dem jüßen Objte und vorzüglich zu defjen Sternen zu gelangen. Einft fand er fogar eine große Ladung ange- freijener Zwetfchenfteine in einem Meijenfaften, die nır eine Waldmaus hineingejchleppt haben fonnte. Coejter („Zool. Garten“, 1890) fraßen Walomäufe die Erbjen und Bohnen jogar aus den Schoten an den äufßerften Spisen der Pflanzen heraus, „in anfangs ganz unerflärlicher Weife. Exit die feinen Zahneindrücde, die fich bei genauerer Befichtigung an den weichen Samenfchalen zeigten”, brachten ihn auf den Gedanken, „Daß Nagetiere, und bei der Sletterfertigfeit, die immerhin zu einer derartigen Näuberet nötig war, die gewandte Waldmaus der Täter fein müffe. Diefe Vermutung fand fich dann auch beitätigt, als in den aufgeitellten Fallen in kurzer Zeit eine große Menge diejer Mäufe gefangen wurde”. Häufchen von Lederbijjen, welche fie nicht-gut mwegjchleppen fann, bededt die Wald- maus mit Halmen, Papierftücchen und dergleichen. Ein englifcher Beobachter fchildert („„Field“, 1907) den Angriff einer „Langjchwänzigen Feldmaus”, wie die Walomaus ber- wirrenderweife in England genannt wird, auf eine Bfindjchleiche, den er auf vem Spazier- gang mit anjah. Die Waldmaus faßte die Blindichleiche am Schwanze, der dank der be- fannten Schußeintichtung bei eidechjenartigen Reptilien jofort abbrach. Darauf wollte die Maus mit dem Blindichleichenfchwanze im Maule in ihrer Höhle verjchwinden, aber der Be- obachter bücdte fich und hielt ven Schwanz feit. Das fchredte Die Maus nicht im geringiten; jie zerrte vielmehr tüchtig, um den Schwanz wieder in ihren Bejiß zu bringen, und ließ auch dann nicht von ihrer Beute ab, al3 der Beobachter fie mitjamt diejer in die Höhe hob. Wieder Hingejeßt, lief jte nicht weg, jondern jchnüffelte auf dem Boden umher nach der Blindichleiche, die inzwilchen einige Meter weggeftochen war. Als jte dieje wiederfand, griff fie die Schleiche von neuem heftig an und begann, fie troß allen Sträubens nach ihrer Höhle Hinzufchleppen. Der Beobachter tötete num die Blindichleiche, legte jte in einiger Ent- fernung von dem Maufeloch Hin und ging einige Freunde holen. Als er nach) 10 Minuten zurüchfam, hatte die Maus die Blindichleiche fchon bi8 an die Höhle gejchleppt und fraf eifrig daran. Wenn man fie mit der Hand berührte, fchnüffelte fie nur einmal umher und wandte jich wieder zum Fraße. Schlieklic nahm man die Blindfchleiche weg, und Die Maus verschwand in ihrem Loche. — Die ganze Gefchichte ift ein erftaunlicher Beweis von der dreiiten Fleischgier der Waldmaus, zugleich aber auch von ihrer Unfähigkeit, durch den Menjchen drohende Gefahr zu erkennen. Über Die bei der Hausmaus bereits erwähnte Feindfchaft zwijchen diefer und der Wald- maus, die um jo mehr an das Verhältnis von Haus- und Wanderratte erinnert, als die Wald- maus anjcheinend jtetS Sieger bleibt, lafjen wir hier die Beobachter felber Näheres berichten. Farvid-Münfter „Te mehrmals in den Kaften eine Hausmaus hinein. Sobald aber die Waldmäufe Kunde davon erhielten, brach ein volfftändiger Aufruhr aus, felbit bei Tage. Zlfe jeßten hinter dev Verwandten her, bis fie fich in einer oberen Ede des Kaftens den Ver- jolgungen entzogen hatte. Höchjtens zwei oder drei Tage fonnte fich fo eine Hausmaus den Nachjtellungen dev Waldmäufe entziehen. Schließlich erlag fie deren Zähnen, und am Morgen fand man nur noch geringe Überrefte von ihr.“ („Zool. Garten“, 1873.) oh. dv. Fifcher- Gotha beginnt feinen Bericht gleich mit dem Ausdruc der Überzeugung, „daß ftellenweije die Hausmaus die pajjive Rolle der Hausratte jpielt... Auf Befiungen, die außerhalb der Stadt liegen, wird die Hausmaus durch ihre Verwandte überall verfolgt und vertilgt." Im eine große ausgemauerte Kammer, aus der feine Maus entjchlüpfen fonnte, ließ dv. Filcher einige Waldmäufe und die vierfache Anzahl Hausmäufe hinein. „Nach acht Tagen war nicht Waldmaus. 367 eine Hausmaus mehr am Leben”, jondern alle ihren Wunden erlegen. „Auf einem ehe- maligen Gute meines Baters wurden in den leßten Jahren Feine Hausmäufe in Stellern, Scheunen ujw. gefunden, nur Waldmäufe, während früher eritere häufig waren. Dagegen fand man folche noch in den inneren Näumen Des Haufes. In einer Scheune bei meiner Wohnung in Gotha fing ich 156 Waldmäufe, dagegen nur 7 Hausmäufe, und zwar die leßteren in einer entfernt liegenden Abteilung des Gebäudes.” Fijcher glaubte jich jogar nicht zu täujchen in der Annahme, „Daß die Zeit nicht fern liegt, wo die Hausinaus, wwenigitens auf den Lande, der Waldmaus weichen wird. Db die leßtere der erjteren auc) in Die Städte folgen wird, ijt noch abzuwarten.” („Zool. Garten”, 1873.) Neuerdings jcheint leider über Diejes interefjante Gegenjtüd zum Haus-Wanderrattenfriege nichts weiter beobachtet zu fein. Bondem „guten Gejchmade” der Waldınaus erzählt Lenz ein hübjches Beijpiel. Eine jeiner Schwejtern hörte abends im Keller ein eigenes, fingendes Biepen, juchte mit der Laterne und fand eine Waldmaus, welche neben einer Flajche Malaga jaß, der heran- fommenden Dame freundlich und ohne Scheu ins Gejicht Jah und jich in ihrem Gefange dabei gar nicht jtören ließ. Die junge Dame ging fort, holte Hilfe, und e8 wurde mit Heeres- macht in den Keller gezogen; die Maus war mit ihrem Liedchen noch nicht fertig, blieb - ruhig fißen und war jehr verwundert, als fie mit einer eifernen Zange beim Schopfe ge- faßt wurde. Bei weiterer Unterfuchung fand fich num, daß die Flajche etivas auslief, und daß ringsum ein ganzer Kranz von Mäufemijt lag, woraus der Schluß gezogen wurde, daß die als Trunfenbold verhaftete Maus Hier jchon länger ihre Gelage gefeiert haben mochte. Die forftliche Bedeutung der Waldmaus it nach Altums feter Überzeugung früher überjchäßt worden. Diejer vermißt bei allen Dahingehenden Angaben die genaue Charafteri- lterung ihres Fraßes etiva dem der Feldmaus gegenüber. Dagegen verzehrt fie in Menge Baumjämereien. In ihren Wohnungen, in denen fie Altum jelbjt erbeutet Hat, Tagen Stie- jernzapfen mit zajerig zernagten Schuppen. Genau dasjelbe Bild zeigen Weimutsfiefer- zapfen, die Hartig in einer Höhe von etwa 7m am Baum fand. Ein Oberföriter teilte Altum aus Weilburg (HejjenNafjau) mit, daß auf Linden, die dort an einer durch den Wald führenden Chauffee jtehen, die Waldinaus bemüht war, die vom Vorjahr noch hängenden Samen abzujchälen. Die gleiche Beobachtung ist auch früher von anderen bereits gemacht. Hier liegen alfo jichere Tatjachen vor, nach denen die Waldmaus vorzugsmweije Samenftejjerin ft. Als foritlich gleichgültig Fann man fie deshalb nicht bezeichnen, da bei ihrer jtellenweije oft grogen Menge ein empfindlicher Teil dev Buchen- und Eichenmaft verzehrt wird. Auch über diejen Punkt fehlt es Altum feineswegs an beweijenden Berichten. Anderjeits bezweifelt er nicht, daß die Waldmaus auch eine Menge Snfeften, die al3 Larven oder Puppen am Boden ruhen, vertilgt. Dadurch wird fie unzweifelhaft nüglich. Aber fie vergreift jich auch nicht jelten an Bogelbruten, verzehrt den Inhalt der Nejter und benubt dann dieje wohl al3 be- queme Wohnung. Schon mancher wird überrajcht gewejen fein, wenn bei der Unterjuchung eines Nejtes im Walde plößlich eine Maus aus diefem herausiprang. Ausgefrejjene Nefter, deren Boden zerjtört ijt zum Zeichen, daß fich ein Heines Tier von unten her Hineingearbeitet hat, gehören feineswegs zu den Seltenheiten. Ihr Stand und ihre Anlage zeigen, daß nur ein guter Kletterer dieje Zerjtörung bewirken fonnte. So haben wir e3, nach Altum, in der Waldmaus ohne Zweifel mit einem Nagetier zu tun, das fich im Walde jowohl von Säme- reien al3 von tierischer Koft, nicht aber von Baumrinde nähtt. Sn Übereinftimmung mit ihrer großen Beweglichkeit Flebt die Waldmaus durchaus nicht an einem bejtimmten Standort, jondern fucht nahrungsreiche Stellen auf. Ihre Spur fannn 868 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. man auf dem Schnee oft weithin verfolgen. Die Eindrüde, die ihr langer Schwanz zurüc- (äßt, befeitigen leicht jede Unficherheit in der Beitimmung, zumal nad) Altum die Feld- maus niemals dergleichen Spuren zurüdläßt. An maftreichen Stellen hat Altum abends auf dem Anftande alles ringsumher von Waldmäujen wimmeln jehen. Anderjeits: wo Die Wadmaus im Sommer und Herbit vielfach gefangen wurde und jich oft zu drei oder vier Stüd in einer Falle befand, war fie im Winter felten und konnte troß aller möglichen Lod- ipeifen im Frühling lange Zeit nicht erbeutet werden. Ein dichter Bodenüberzug von Ge- itriipp ift für ihre Anmwejenheit feine Bedingung. AJm Gegenteil rajcheln oft genug zahlreiche Waldmäufe im dürren Laube des Buchenwaldes, in dem Jich fein Grashälmchen befindet. Bon einer „tanzenden” Waldmaus erzählt Paul Kammerer-Wien („Zool. Garten“, 1900). Er hatte fie in den Dftfeedünen der Anjel Ujedom gefangen und aus Verjehen einer unbeabjichtigten Hungerfur unterworfen, nach der jie Halbtot mit rötlich unterlaufenen Füßen und ganz eingetrodneter Nafe in ihrem Behälter lag. „Sie erholte ji) rajch und war am nächiten Tage Fräftiger als je, lief aber nicht mehr in gerader Richtung, jondern be- itändig im reife herum. Seitdem benimmt jte jich ganz wie eine japanische Tanzmaus.” Sm Anatomischen Snititut zu Gießen hat Henneberg eingehende Verjuche und For- ihungen über „Schwanzautotomie” bei der Waldmaus angejtellt, d. h. über jenes merf- würdige Abreigen und Abitreifen der Schwanzhaut, das wir jonjt nur von den Schlafmäufen fennen. SHennebergs Unterfuchungen jind im „Mediziniich-Naturwifjenschaftlichen Archiv” (BD. II, Heft 2 vom 20. 7.09) niedergelegt und beweijen ung, daß, ähnlich wie bei der Eidechje der größere Teil des ganzen Schwanzes, jo bei der Waldmaus wenigitens die lebten 6—7 Zehntel der Schwanzhaut jehr leicht abreißen und fich abjtreifen, wenn man das Tier daran feithalten will. „Die Schwanzhaut riß bei unjeren Verjuchen in allen Fällen fait genau an derjelben Stelle”, und es wurden die legten „21—22 Schwanzwirbel freigelegt. Das freigelegte Schwarnzgerüft ijt feucht, jedoch meift nicht blutig... Nach einigen Tagen ijt die entblößte Schwanzwirbeljäule vollitändig eingetrodnet und geht nun verloren.” Bei ge- nauerer Unterfuchung zeigt ji nun, „daß in dem feiten Abjchnitt jowohl die Haut feiter mit dem Schwanzgerüjt verbunden als die Haut jelbjt bedeutend widerjtandsfähiger ift, d.h. eine größere Zugfeitigfeit befißt al der autotomierbare Abjchnitt”. Sr diejem jchmwächt jchon die fchräge Einpflanzung der Haare die Verbindung der Schwanzhaut mit der Schmanz- mwirbeljäule; aber noch mehr gejchieht das durch vollfommene Spalträume im Unterhaut- bindegemwebe, die fich außerhalb und längs der Haarbälge bis zur Oberhaut ziehen. Die Bedeutung der Schwanzautotomie erjcheint im erjten Augenbli ganz jelbt- veritändlich als Schußeinrichtung, um die Schwanzhaut in den Händen des Feindes zurüc- zulajjen, jelbit aber wenigjtens mit dem Leben davonzufommen. Doch gibt Henneberg nur der Wahrheit die Ehre, indem er jelbjt darauf aufmerffam macht, daß dieje Einrichtung das Tier jeinen natürlichen Feinden gegenüber wenig jchügen dürfte, weil dieje, unfere Raubtiere und Eulen, die Waldmaus nicht zögernd und ungejchiet am Schwanze, wie der Menjch, fondern bligjchnell und fozufagen mit Handwerfsmäßigem Griff am Kopf, Naden oder Rüden paden. Henneberg hält es daher für nötig, noch Die Kämpfe der Waldmäufe untereinander heranzu- ziehen und jtüßt diefe Erklärung durch den Hinweis auf unfere Wanderratten, die fich mit Vor- liebe gegenfeitig die Schwänze zerbeißen. Sedenfall® aber gehört die Schwanzautotomie der Waldmauszuden Naturtatfachen, für die im erften Augenblid eine fchlagende Erklärung ganz jelbjtverjtändlich gegeben jcheint, Teider jedoch beinäherer kritischer Betrachtung nicht ftandhält. Die Waldmaus wirft jährlich zwei- oder dreimal d—6, jeltener auch 8 nadte Zunge, die Waldınausz (Unterarten). 369 ziemlich langjam wachjen und den jchönen, rein rotgelben Anflug des Belzes erjt im ziveiten Sahre erhalten. Die Tragzeit beträgt nach den Beobachtungen eines englijchen Liebhaberz, der immer einen Käfig mit Waldmäufen auf feinem Schreibtifch ftehen hat, wie er an Hein- roth jchreibt, 25 Tage, und die Alten paarten ich am Geburtstage der Jungen jofort twieder. Sm Oroßbritannischen Reiche muß die Waldmaus jehr Häufig fein; denn nad) Douglas Englifh jagt man dort: die gemeinften „milden Tiere” find „lanajchwänzige Feldmäufe” und „Sungens”. Gnalifh erklärt die Waldmaus für ein gejelliges Tier und grub denn auch im Frühling 1902 in einem Obftgarten der Nachbarfchaft eine Feine Kolonie aus, die ziwischen dem Wurzelgemwirr drei getrennte Eingänge hatte. Dieje führten in einen doppelten Raum (Schlafzimmer und Borratsfammer) einige vierzig Zentimeter unter der Erdoberfläche. Fünf erwachjene Bewohner waren da, und der Borrat bejtand ganz aus Hajelnüfjen: 98 Stüd, die jo dicht gepadt waren, daß man fchiver mit den Fingern eine herausnehmen fonnte. Die Niüfjfe waren unverjehrt und feine leere Schale im Bau oder in der Nachbarjchaft zu ent- deden. &3 jah aus, al3 ob der Vorrat noch nicht angegriffen worden wäre. D. Englijh pro- bierte die Nüffe und fand jie ausgezeichnet; fie waren offenbar mit Verftändnis ausgefucht und auf gleicher Temperatur gehalten. Die Waldmaus tft jehr Hart und jo unempfindlich gegen Kälte, daß man fie auch im ftrengjten (englijchen) Winter fängt. Ste gewöhnt fich zivar rajch an die Gefangenschaft, Englijh fonnte fie aber auf feine Weije zähmen. Mit ihren Hinterbeinen, die auf den eriten Blick den‘ großartigen Springer verraten, hat er die Waldmaus einen 15 Fuß (4 m) hohen Sat von einem Fenfter des erften Stodes - herunter machen und unverlegt weiterlaufen jehen, was aber vielleicht mehr für die Ela- Ittzität ihrer Glieder als für Sprungkraft zeugt. Die verichiedenen Arten, Unterarten oder geographifchen Formen der Waldmaus, wie man will, jind mehrfach Gegenstand genauerer Unterfuchungen gewejen, deren Ergebnijje - weit über das fachmännijche Snterejje des Mujeumzsiyjtematifers hinausgehen. Deshalb jei hier einiges davon mitgeteilt. Bon den fünf Unterarten, die man auf den brittichen Sinjeln unterjcheivet, erwähnt Englifh die Gelbhalsmaus, Mus sylvaticus wintoni Barr.-Ham., eine ftarfe, fehr rein und jatt gefärbte Waldmausform, bei der der zimt- oder orangefarbene Brujftfled durcd) Ausdehnung in die Quere und abwärts ein hängendes Halsband bildet; Englifh hat aber, tvie er gleich Hinzufügt, viele Stüde gefangen, die nach Größe und Ausbildung diejes Fledes in der Mitte jtanden zwijchen der richtigen Wintonfchen und der gewöhnlichen Waldmaus. Dem jteht jedoch ganz fchroff entgegen die Behauptung des Verfajjers der bis jebt umfafjenditen Arbeit über die Waldmaus, Barrett-Hamiltons (‚„‚Proc. Zool. Soc.“, 1900), der fich wieder auf de Winton („Zoologist“, 1894) ftügt: daß die große Waldmausfornt in England und WVejteuropa überhaupt in Kolonien zerjtreut zwijchen den Eleineren Kormen - febe und fich mit diefen nicht mifche, im Dften aber zur alleinigen Vertreterin der Waldmaus werde. Ein äußert merkwürdiger Zujtand, den toir nur weiter unten im Zufammenhang mit dem jeßigen und früheren Alpenvorfommen des Tieres erklären Fünnen. Die Waldmaus von St. Kilda, M. s. hirtensis Barr.-Ham., wird im Gegenjaß zu der obenerwähnten gelbbäuchigen Hausmaus von dort (M. muralis) nur al3 Unterart anerkannt, und ihrem Bejchteiber, Batrett-Hamilton, jelbft (,‚Proc. Zool. Soe.“, 1899) ift das Interej- - jantejte an ihr, daß fie durch) jehrittiweife Übergänge mit der gewöhnlichen Waldmaus ver- bunden und die trennende Kluft gegen Dieje nantentlich durch das Vorfommen einer weiteren Brehm, Tierleben. 4. Aufl. XI. Band. 24 m 370 8. Drdnung: Nagetiere. Familie; Mausartige. Unterart, der Hebriden-Waldmaus, M. s. hebridensis Winton, auf den dazmwijchen- fiegenden Snfeln überbrüdt wird. Wermn num ein Heines Gäugetier wie die Waldmaus, abgefehen von den nordifchen Tundren und den großen Sandmwülten, überall in der Palä- arktiichen Region Europas, Afiens und Nordafrifas vorfommt von der Dftküfte Chinas bis zum Atlantifchen Ozean, auch auf den Infeln, 3.8. Korfifa und jogar SSland (M. s. islandi- cus Thien.), und fir gewöhnlich fo wenig abändert, daß 3. B. Barrett-Hamilton erklärt, forfifanifche Stüde von irischen oder franzöfifchen nicht unterfcheiden zu Fönnen, fo ift das abweichende Ausfehen der Waldmaus von St. Kilda ein Beweis, daß fie auf Diejer Jnjel ichon feht lange lebt. Man muß jhon glauben, daß fie dort eingeboren, d.h. jchon jeit jener Entwicelungszeit der Erdoberfläche dort vorhanden ift, als noch Zandbrüden die gejamten nordeutopätjchen Snfeln verbanden. Dies muß aber anderfeits in der Erdgejchichte wiederum eine fo junge Zeit gewefen fein, daß ein fo „modernes” Tier, wie eine Maus, einwandern fonnte, und tatfächlich geben Die Meeresunterfuchungen Stübpunfte, daß noch im fpäten Tertiäx ein untergegangenes Feftland von Schottland tiber die Färder und Ysland jogar bis nach Grönland fi) erftredte. Barrett-Hamilton fchliegt feine gemeinfame ftammes- gefchichtliche Betrachtung der Haus- und Waldmaus von St. Kilda mit der für alle jolche Fälfe fer zu beherzigenden Erfenntnis, daß diefelben Veränderungen der Lebensumftände auf verschiedene Tierformen verfchieden ftarf und in verjchiedener Weife eintoirfen, daß jede Tierform ihre eigene Art und Weije Hat, ich umzubilden. Fatio fcheint e3 bei den Waldmäufen der Schweiz, daß Die im Walde und im Sommer gefangenen Stüde regelmäßiger gelb oder rot waren als die während der Nachjaijon in den Gärten und um die Gebäude gefammelten. Er fand Waldmäufe ungefähr jo grau wie Haus- mäufe und wieder andere von brillantem Not. Der gelbe Bruftfled verwandelt fich mand)- mal in ein volfftändiges Halsband, ein andermal fehlt er ganz. Die langen, jeidenglänzenden Gtannenhaare auf dem Rüden fönnen ftarf und zahlreid) fein, jo daß jie eine Art Mantel bilden; fie önnen aber ehr wohl auch ganz fehlen. Der Schwanz endlich ann verhältnis- mäßig kurz oder jehr lang fein, gut behaart oder faltnadt. FZatio meint daher (1869), daß man zwijchen allen diefen Formen nirgends eine einfchneidende Trennung vornehmen fünne, weil zahlreiche Übergänge fie in allen Punkten verbinden. Die einzige Abart, die ihm etwas fonftanter fcheint, ift die Alpenform, die immer größer und ftärfer ift, Hellere, mehr gelbe Farbentöne, ein gleichmäßigeres, ftrafferes Haarkleid und einen viel weniger behaarten Schwanz hat. „Diefe Alpenwaldmäufe gehen mit der Jahreszeit gleichmäßig von einem rötlichen zu einem mehr graulichen Ton über, ohne fich aber jemalS fo jehr dem Grau der Hausmaus zu nähern, wie die Waldmäufe der Ebene.” — „Die Waldmaus ift überall in der Schweiz gemein und geht in den Alpen bis zu bedeutenden Höhen, jowohl im Walde und Srummhbolz al3 auf den Grasmatten.” Fatio fand fie im Berner Oberlande bis 1900 m und fing fie noc) Höher im Engadin bis 2500 m über dem Meere. „Viele diefer Alpenbemoh- ner ziehen fich zur fchlechteren Jahreszeit in die Villen und Hausfeller... Die großen Augen und die langen Hinterbeine geben der Waldmaus etwas Wüftenmausähnliches... Ihre Laufgänge liegen fo flach unter der Erde, daß fie den Boden etiwas aufhebt... Sehr gewandt und ein guter Sletterer, treibt fie fi) die Nacht viel umher auf der Sagd nad) Snfeften... Voljilteite der Waldmaus Hat man in der Schweiz viel gefunden, fowoHl in den gejchichteten Kiejen bei Genf als im Torf und zwischen den Reften menschlicher Niederlafjungen, 5. B. in den Pfahlbauten von Bobenhaufen.” Fatio bemerkt dazu, daß die im Kies gefundenen Knochen durch ihre über das Mittel Hinausgehenden Maße an die Heutige Alpentwaldmaus erinnern. — ! ee ERS \ Ar a he a a N £ : - 3 - Waldmans (Unterarten). Brandmaus. 371 Das gibt wohl den Schlüffel zum Berftändnis der aroßen, von den übrigen jich getrennt haltenden Waldmausform. Hilzheimer dürfte faum fehlgehen, wenn er (Act. Soc. Faun. et Flor. Fennica“, 1911) diefe M. s. wintoni Barr.-Ham. als ein „Nelift”, ein Überbleibjel aus der Eiszeit bezeichnet, und zwar jedenfall aus derjelben Periode, die vielfach Aus- breitung öftlicher Säugetierformen nac) Wejteuropa mit ich brachte. Und das ijt das ATL- gemeininterejjante an der Sacdye! Nach Mojftfovies fommen in derTatra „Eremplare mit weißen fleden am Stopfe, Halje und mit weißer Schwanzipiße ziemlich Häufig vor; im Altvatergebirge, der Höchiten Erhebung der Sudeten (Nordmähren, Schlejien), two Ste, wenn auch nicht Häufig, bis in die obere Krütppel- fichtenregion bordringt, ift diefe Art nie rojtgelb, jondern nur grau gefärbt zu finden.“ Eine faufafiiche Waldmaus zählt Satunin aus dem Talyjchgebirge al3 M. s. arianus Blanf. auf; dieje Unterart geht aber, nach Trouefjart, angeblich durch Nordperjien, Turfeitan, den Tienjchan bis Gilgit, d.h. an die Nordgrenze Jndiens weiter und fommt daher jorwohl in Büchners „Mammalia Przewalskiana“ al3 in Blanfords „Fauna of British India“ vor. Bon afiatischen Arten wollen wir noc) die bei Blanford Berdmores Maus genannte Mus nitidulus Blyth aus Burma, Begu, Siffim erwähnen, weil jie manchmal Stacheln Hat und dadurch einen gewilfen Übergang zu der Gattung Leggada bildet. Die Brandmaus, Mieromys agrarius Pall. (©. 357), ift auf einen geringeren Ber- breitungsfreis bejchränft al3 die verivandten Arten: fie lebt zwifchen dem Ahein und Wejt- - fibirien, Noröholftein und der Lombardei. In Mitteldeutjchland ift fie fajt überall gemein, im Berliner Tiergarten läuft fie einem jeden Tag über den Weg; im Hochgebirge fehlt jie, und Fatio beitreitet entjchieden, daß fie zur Schweizer Tierwelt gehöre. Im Kaufafus fennt man fie bis jet nur auf der Nordfeite. Ihre Aufenthaltsorte find Aderfelder, Waldränder, lichte Gebitfche und im Winter die Getreidefeimen oder die Scheuern und Ställe. Beim Mähen des Getreides jieht man fie fcharenweije flüchten. Pallas erzählt, daß fie in Sibirien zumeilen tegelloje Wanderungen anftellt. Sn ihren Bewegungen ift fie ungefchicter, in ihrem Wejen tveit gutmütiger oder Dimmer als ihre Verwandten, Shre Nahrung beiteht Hauptjächlich aus Getreide, Sämereien, Pflanzen, Knollen, Kerbtieren und Würmern; auf Negenmwürmer üt fie nad) Matjchies Beobachtungen ganz bejonders begierig: ja, Golm-Charlottenburg beobachtete jogar, wie fie „einen-vollftändig ausgewachfenen Sperling, der fic) vor Angit in den Büfchen verfing, jagte und zu fajfen fuchte”. Sie trägt ebenfalls Vorräte ein. Jm Sommer wirft fie drei- bis viermal zwifchen 4 und 8 Junge, die, wie die der Waldmaus, exit im folgenden Jahre volfftändig ausgefärbt find. Über ihre Fortpflanzung erzählt Lenz folgendes: „Vor nicht langer Zeit nahm ich ein Brandmausweibchen nebjt feinen Jungen, welche eben zu jehen begannen, in die Stube, tat die Familie ganz allein in ein wohl verwwahrtes Behältnis und fütterte fie gut. Die Alte machte jich ein Nejtchen und jäugte darin ihre Jungen jehr eifrig; 15 Tage nad) dem, an welchen die Familie eingefangen und eingejperrt worden war, al3 eben die Jungen jelbftändig zu werden begannen, warf die Alte unvermutet wieder 7 Junge, mußte fich alfo jchon im Freien, nachdem fie die vorigen gehedt, wieder gepaart haben. Lustig war es mit anzujehen, wenn ic) die alte Brandmaus,_ während fie die Jungen fäugte, fo ftörte, daß fie weglief. Die Jungen, welche gerade an ihren Zißen hingen, blieben dann daran, fie mochte fo fchnelf laufen, wie fie wollte, und jie fam mit der bedeutenden Laft doch immer fchnell vom Flede. Zch habe auch im Freien Mäufe gejehen, welche ihre Jungen, wenn ic) fie ftörte, jo wegjchafften.” Unter ihren Feinden 24* 372 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. ftcht wohl das Wiefel obenan; wenigftens farın man dieje3 mitunter Dr am hellen Tage im Berliner Tiergarten auf der Jagd nad) ihr beobachten. Bei der Brandmaus hat Henneberg-Gießen die gleiche „Schwanzautotomie” feit- geitelft wie bei der Waldnaus. Auch fie ftreift den größeren Teil ihrer Schwanzhaut ab, wenn man fie daran feithält, und „die Unterfuchung der Nipenden zeigt, daß die Zerreifung an derjelben Gtelfe ftattfindet wie bei der Waldmaus, tie denn der Bau der Sn bei beiden Arten ganz ähnlich it”. ©o oe und nett alfe Heinen Mäufe find, jo allerliebit fie jich in der Sefangenfchaft betragen: das Heinfte Mitglied der Familie, die Zivergmaus, Micromys minutus Pall. (Mus; Taf. „Nagetiere XIII, 1), übertrifft die anderen doc) in jeder Hinficht. Sie ift be- weglicher, gejchieter, munterer, furz, ein noch viel anmutigeres Tierchen als die übrigen. Ihre Länge beträgt 13 cm, wovon faft die Hälfte auf den Schwanz fommt. Die Pelzfärbung wechjelt. Gewöhnlich ift das Tier zweifarbig: die Oberfeite des Körpers und der Schwanz gelblich braumtot, die Unterfeite und die Füße fcharf abgejebt weiß; es fommien jedoch Dunflere und Hellere, rötlichere und bräunlichere, grauere und gelbere vor; die Unterfeite jteht nicht io Scharf im Gegenfaße mit der oberen. Junge Tiere Haben andere Körperverhältniffe als die alten und noch eine ganz andere Leibesfärbung, nämlich viel mehr Grau auf der Oberjeite. Bon jeher hat die Zivergmaus den Tierfundigen Kopfzerbrechen gemacht. Ballas ent- decte fie in Sibirien, bejchrieb fie genau und bildete jie auch ganz gut ab; aber fait jeder Foricher nach ihm, dem fie in die Hände Fam, ftellte fie als eine neue Art auf, und jeder alaubte in feinem Rechte zu fein. Exjt fortgejebte Beobachtung ergab die unumftößliche Wahr- heit, daß unfer Zmwerglein wirklich von Sibirien an durch ganz Rußland, Ungarn, Polen und Deutschland bi3 nach Frankreich, England und Italien reicht und nur ausnahmsweife in manchen Gegenden nicht vorfommt. Allerdings haben die neueiten Forjchungen gezeigt, daß iich eine Reihe von Unterarten unterfcheiden läßt. Die Hivergmaus lebt in allen Ebenen, in denen der Acderbau blüht, und feineswegs immer auf den Feldern, jondern vorzugsweije in Sümpfen, im Röhricht, in Binfen ufw. Sn Sibirien und in den Steppen am Fuße des Raufajus ift fie gemein, in Rußland und England, in Schleswig und Holftein wenigitens nicht jelten. Aber auch in den übrigen Ländern Europas fann fiezumeilen häufig werden. Während des Sommers findet man das niedliche Gefchöpf in Gejellichaft der Wald- und Feldmaus in Setreidefeldern, im Winter mafjenmweije unter Feimen oder auch in Scheuern, in die jie mit der Frucht eingeführt wird. Wenn fie im freien Felde übermwintert, bringt fie zivar einen Teil der falten Zeit jchlafend zu, fällt aber niemals in völlige Erftarrung und trägtdeshalb während des Sommers Borräte in ihre Höhlen ein, um davon leben zu fünnen, wenn die Not an die Pforte Hopft. Ihre Nahrung ist die aller übrigen Mäufe: Getreide und Sämereien bon ber> jchtedenen Gräfern, Kräutern und Bäumen, namentlic) aber auch Eleine Kerbtiere aller Art. Sn ihren Bewegungen zeichnet fich Die Zwergmaus vor allen anderen Arten der Fa= milte aus. Sie läuft, ungeachtet ihrer geringen Größe, ungemein fchnell und Hettert mit größter Fertigkeit, Getwwandtheit und Sierlichfeit. An den dünnften Aften der Gebüfche, an Srashalmen, die jo Schwach find, daß fie fich mit ihr zur Erde beugen, fchiwebend und Hängend, läuft fie empor, fait ebenfo fchnell an Bäumen, und.der zierliche Heine Schwanz wird dabei jo recht gejchictt als. Widelichwanz benußt.: Er ift nach Douglas Englifh „eine Sache für jich“, „ein richtiger Greifichwanz, einzig daftehend in der europäifchen Tierwelt”. Er wird ganz | getwwohnheitsntäßig als Greiforgan gebraucht und fann in feinem Endteil forfjteherförnig Pe, Nagetiere XIII. 1. Zwergmaus, Micromys minutus Pall. !/2 nat. Gr., s. S. 372. — Douglas English-Hawley, Dartiord, phot. 2. Indiiche Peitratte, Nesocia bengalensis Gray. 1/3 nat. Gr., s. S. 375. — S. C. Mondul - Kalkutta phot. oyd unsog 904 'd — "9285 'S "IQ eu P/; "44 Snuejqwes SAW) ‘dypanayyuoy "€ \ \ Bwergmaus: 913 gemwimden werden. Er tjt eig im Duterfchnitt und feine flache Unterjeite offenbar ein Bor- teil beim Gebrauch. Auch im Schwimmen ift die Zwergmaus wohlerfahren und im Tauchen jehr beivandert. So fommt es, daß fie überall wohnen und leben fann. Ihre größte Fertigkeit entfaltet die Zivergmaus aber doch noch in etwas anderem. Eie ijt eine Künftlerin, wie e3 wenige unter den Säugetieren gibt, eine Stimftlerin, die mit den begabtejten Vögeln zu metteifern verjucht; denn jie baut ein Veit, das an Schönheit alle anderen Säugetiernefter weit übertrifft. Al Hätte fie es einem Rodrjänger abgejehen, jo eigentümlich wird der niedfiche Bau angelegt. Das Nejt jteht, je nad) des Drtes Bejchaffenheit, enttweder auf 20-30 Niedgrasblättern, deren Spiten zerichlijjen und fo Durcheinandergeflochten jind, daß jie ven Bau von allen Seiten umjchließen, oder es hängt ätijchen t/, und 1m hoch über der Erde, frei an den Zweigen eines Bufches, an einem Schilf- jtengel und dergleichen, fo daß es ausjieht, als jchiwebe es in der Luft. Schacht fand es im Teutoburger Walde auch „einmal wenigjteng 4 Fuß hoc) in einem dichten Fichtenbäumchen”. Sn feiner Gejtalt ähnelt es am meijten einem ftumpfen Ei, 3. B. emem bejonders rundlichen Gänjeei, dem e3 auch in der Größe ungefähr gleichfommt. Die äußere Umhiüllung bejteht immer aus gänzlich zerjchligten Blättern des Nohres oder Niedgrafes, deren Stengel die Grundlage des ganzen Baues bilden. Die Zwergmaus nimmt jedes Blättchen mit den Zäh- nen in das Maul und zieht es mehrere Male zwijchen den nadeljcharfen Spißen durch, bis jedes einzelne Blatt jechS-, acht- oder zehrffach geteilt, gleichjam in mehrere bejondere Fäden getrennt worden ift; dann wird alles außerordentlich jorgfältig durcheinandergejchlungen, verwebt und geflochten. Das Innere ist mit Rohrähren, mit Kolbenmwolle, mit Käschen und Blütenrifpen aller Art ausgefüttert. Eine Heine Offnung führt von einer Seite hinein, und wenn man da hindurch in das Innere greift, fühlt fich diefes oben wie unten gleichmäßig geglättet und überaus weich und zart an. Die einzelnen Bejtandteile jind jo dicht mitein- ander verfilzt und vermwebt, daß das Neft einen wirklich feiten Halt befommt. Jedes Tejtchen wird immer zum Hauptteile aus den Blättern der Pflanzen gebildet, die eS tragen. Cine notwendige Folge hiervon ift, dat das Hußere auch faft oder ganz die nämliche Färbung Hat wie der Strauch jelber, an dem e3 hängt. Nun benußt die Zivergmaus jedes einzelne ihrer Kunftwerke bloß zu ihrem Wochenbette, und das dauert nur ganz furze Zeit: jo find denn Die ungen regelmäßig ausgejchlüpft, ehe das Blätterwwerf um das Neft verwelfen und hierdurch eine auffällige Färbung annehmen könnte. Ältere Mütter machen immer funftvolfere Nejter als die jüngeren; aber auch bei diejen zeigt fich jchon der Trieb, die Kunft der alten auszuüben. Bereits im erften Jahre bauen die Jungen ziemlich vollfommene Weiter, um darin zu ruhen. Dan glaubt, daß jede Zivergmaus jährlich ziei- bis dreimal Junge wirft, jedesmal 5-9 Stüd. Gemöhnlich verweilen dieje jo lange in ihrer prächtigen Wiege, bis fie jehen fönnen. Die Alte Hat fie immer warn zugededt oder vielmehr die Tür zum Nefte ver- ichloffen, wenn fie die Wochenftube verlajjen muß, um fich Nahrung zu holen. Sie ijt in- zwwifchen wieder mit dem Männchen ihrer Art zufammengefommen und gemöhnlich bereits von neuem trächtig, während fie ihre Kinder noch fäugen muß. Kaum find dieje Dann jo weit, daß fie jich zur Not ernähren können, fo überläßt fie die Alte fich jeldit, nachdem fie ihnen höchjtens ein paar Tage lang Führer gewejen it. Falls das Glüd einem twohl will und man gerade dazu fommt, wenn die Alte ihre - Brut zum erften Male ausführt, Hat man Gelegenheit, ji) an einem der anziehendten Familienbilder aus dem Säugetierleben zu erfreuen. So gejchieft die junge Schar auch ift, etwas Unterricht muß ihr doch werden, und fie hängt auch noch viel zu jehr an der Mutter, [4 F 974 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. als daß fie gleich jelbftändig fein und in die weite, gefährliche Welt Hinausftürmen möchte. Da Flettert nun ein Junges an diefem, das andere an-jenem Halme; eines zirpt zu der Mutter auf, eine3 verlangt od) die Mutterbruft; Diejes wälcht und pußt ji), jenes hat ein Körnchen gefunden, das e3 Hübjch mit den Borderfüßen hält und auffnadt; das Nejthäfchen macht fich noch im Inneren des Baues zu fchaffen, das beherztejte und mutigjte Männchen hat fich jchon am mweiteften entfernt und fchiwimmt vielleicht bereit3 unten im Wajjer herum: furz, die Familie ift in der lebhaftejten Beivegung und die Alte gemütlich mittendrin, hier helfend, dort rufend, führend, leitend, die ganze Gejellichaft bejchügend. Man fann diefes anmutige Treiben gemächlic) betrachten, wenn man das ganze Neit mit nad) Haufe nimmt und in einen enggeflochtenen Drahtbauer bringt. Mit Hanf, Hafer, Birnen, füßen Apfel, Fleifch und Stubenfliegen find die Zwergmäufe leicht zu erhalten, vergelten auch jedeMühe, die man fid) mit ihnen gibt, durch ihr angenehmes Wejen taujend- fach. Allerliebft fieht es aus, wenn ınan eine Fliege Hinhält. Alle fahren mit großen Sprüngen auf fie 108, paden fie mit den Pfötchen, führen fie zum Munde und töten fie mit einer Hat und Gier, al3 ob ein Löwe ein Nind erivürgen wolle. Die Jungen werden jehr bald zahmı, aber mit zunehmendem Alter wieder jcheuer, fall man fich nicht ganz bejonders oft und jleißig mit ihnen abgibt. Am Die Zeit, wo fie fich im Freien in ihre Schlupfwinfel zurück ziehen, twerden fie immer fehr unruhig und fuchen mit Gewalt zu entfliehen, geradejo, wie die im Käfige gehaltenen Zugvögel zu tun pflegen, wenn die Zeit der Wanderung heran- naht. Auch im März zeigen fie bejonderes Gelüjte, jich aus dem Käfige zu entfernen. Sonjt gewöhnen fie jich bald ein und bauen Luftig an ihren Kunftneftern, nehmen Blätter und ziehen jie mit den Pfötchen durch den Mund, um fie zu jpalten, ordnen und verweben jie, tragen allerhand Stoffe zujammen, Kurz, fuchen fich jo gut wie möglich einzurichten. Die Ziwergmaus it vermöge ihrer Neinlichkeit und Zahmheit ein ideales Liebhabertier; doch Fommt e3 auch vor, daß mehrere, zujammengehalten, jich wütend befämpfen. Douglas Guglifh erfuhr, daß zweimal nur ein vertwundeter Überlebender auf einem unerfteulichen Haufen von Zeichen blieb. Für gewwöhnlic) find die gmergmäufe aber ein friedliches, gejelliges Sölfchen; zehn fann man in eine Kofosnußfchale paden, und Sie fißen ftundenlang zufrieden iı jolch engem Quartier. D. Englifh verjorgte feine Gefangenen immer mit natürlichem Zurngerät in eftalt von Kornhalmen und beobachtete dann oft vier oder fünf beigleichzeitigen Übungen. Einige machen fenfrechte Umdrehungen, wie die Eichhörnchen, andere wagerechte, twie man jie fonft überhaupt nicht fieht, andere wieder in einem gemifjen Neigungswinfel, und Dabei vergejjen fie nie den Halt mit Fuß und Schwanz, ändern nie die Ordnung ihrer angart. Das ijt dann eine ganz einzige Vorftellung bei Sonnenfchein oder auch Fünftlichem Licht. Wenn man das Gas aufdreht, fo ift das für eine oder die andere Ziwergmaus das Signal, ihre Kofosfchale zu verlafjen und ein Preisturnen zu beginnen. Der bejte Behälter für 4 oder 5 Stüd ift ein großes, unbededtes Olasaquarium. Wie hoch man fie darin Klettern fajjen darf, Fann man leicht ausprobieren; für Mäufe find fie mäßige Springer. Sn folcjhem Bewahrjam gewöhnen fie fich jehr rafch an den Menfchen, und man Fann ihre täglichen Zwerg- mahlzeiten und Swergfämpfe, zwerghaften Toilettenfünfte und Turnübungen jehr jchön beobachten. Der Kampf wird mit den Vorderfüßen eingeleitet, teil zum Angriff, teils zur Abwehr. Dft jchlingen fich dabei zufällig die beiden Schwänze umeinander, weil der ‚Chang inftinktiv greift, was er faffen Fan, und bei der erften Bewegung bringen jid) dann beide gegenjeitig ausdem Öleichgewicht. Toilette wird nach gewöhnlicher Mäufeart gemacht, - beginnend mit dem Schnurrbart; aber der Schwanz fommt aud) dran. E° ri j E 3 & i 5 h - Bwergmaus. Ymdiiche Feldmaus. Afrifanifhe Zwergmaus. Sndijche Peitratte. 375 Die lebte Untergattung der Gattung Mus, die mwir-hier aufnehmen, Leggada Gray, ijt auf einen befonderen Badzahnıhöder gegründet; ihre Arten haben ein mehr oder weniger ltachliges Fell. Bei der gewöhnlichen Sndifchen Feldmaus, L. buduga Gray, wie Blanford eine häufige indische Art nennt, Hat der erite obere Badzahn nicht immer den überzähligen Höder, und fie ftellt Dadurch die Verbindung mit der Untergattung Mus imengiten Sinne her. Jerdon behauptet von ihr, daß bei ihrer Höhle regelmäßig ein Feiner Steinhaufen läge. Die füdafrifanifche Art (L. minutoides Smith), die Peters auch auf feiner Reife nad) Mojambif gefammelt und al3 Mus minimus Pers. bejchrieben Hat, nennt W. %. Selater einfach „Feldmaus”, was im Deutjchen leicht Mißverjtändnijje erzeugt. Sie ijt Hein und jchlanf, und Matjchie führt fie daher als (afrifanijche) Bwergmaus, da jie in Deutjch- Dftafrifa ebenfalls vorfommt. Sie ift oben fahl, in der Mitte dunkler durch Beimifchung ihtvarzer Haare, unten weiß. Der Schwanz ift kürzer als Kopf und Rumpf zufammen und dicht mit weißen Borften bejett, ohne einen Endbüfchel zu bilden. Die afrikanijche Bivergmaus wird manchmal in Häufern gefangen, lebt aber gewöhnlich in den Feldern, tvo jie jich furze Höhlen But. Am meijten bei der Beft beteiligt find die eigentlichen Peltratten Indiens, Angehörige ‚der Gattung Nesocia Gray, die dadurch eine erhöhte Bedeutung gewinnt. Das haben die oben bereit3 erwähnten danfenswerten Unterfuchungen W. E. Hofjads vom Pejtamt in Ralfutta feitgeftellt. Thomas fennzeichnet die Gattung äußerlich durch „plumpföpfiges, wühlmausähnliches Gepräge”, fie unterjcheidet fich aber auch jehr bezeichnend durch das Gebiß. Die indischen Engländer nennen jie Maulmwurfsratten, weil die Gattung ähnliche Haufen aufwirft wie der Maulwurf. Sie verbreitet jich in einer ganzen Reihe von Arten, mit denen fich auch Nehring wiederholt bejchäftigt hat, von Indien und Ceylon nad) Irner- und Vorderafien, bis Transfajpien, PBaläftina, Arabien, ja jelbft Nordäggpten. E3 jind alles große, ftarf und unterjeßt gebaute Ratten mit nicht jehr langem Schwanz und hartem Haar, aber ohne Stacheln. Die Schneidezähne find fehr breit, vorn fein gerieft, die Bad- zähne aus Querplatten zujammengejeßt. Die gemeinfte Ratte in Kalfutta, und daher jedenfalls an der Verbreitung der Peit am meijten beteiligt, ift die bengalijche Maulwurfsratte, die eigentliche Jndijche Peitratte, Nesocia bengalensis Gray (Taf. „Nagetiere XIII”, 2, bei ©.372), mäßig groß, wie eine feine Wanderratte, aber mit langen Grannen oder Borften auf dem Rüden. Der Schwanz hat mindeftens drei Viertel der Kopf- und Rumpflänge und verjüngt fich plöglich gegen das Ende; er ijt eintönig fchwarz und beinahe nadt. Seine Form ift recht bezeichnend gegenüber dem Wanderrattenjchwanz: an der Wurzel auffallend dick und an der Spibe jehr dünn. Die Kingelung ift ftarf ausgebildet, aber jehr unregelmäßig, jo daß jich eine beitimmte Gejamtzahl der Schwanzringe faum angeben läßt. Die für die Syitematif nicht unwichtigen Sohlen- balfen find Hein und beinahe Freisrund, nicht herzförmig. Füße (und Nafe) Hell purpurz, nicht fleifchfarben ; verhältnismäßig Hein. Haar dünn und borftig, was den ertränften Stüden ein halbnadtes Ausjehen gibt; oben dunkelbraun, Helfer gelblich gejprenfelt, unten hellgrau bis ifabellfarben. Im allgememen ift die Sarbe der der Wanderratte jehr ähnlich; aber der Gejamtton ift ein älteres, mehr ins Graue fpielende3 Braun. Die Peftratte war urjprünglich eine grabende, förnerfammelnde Feldratte; aber ün 376 8. Didnung: Nagetiere. Samilie: Mausartige. Kalfutta ift fie ein ganz ausgeprägter Schmaroger beim Menjchen geworden, indem fie fich in Ställen und Kornjpeichern einniftet. Sie Höhlt maffive Badjteinmauern aus, und Hofjad fand in feinem eigenen Stall einen Schutthaufen von mehreren englijchen Fuß im Geviert von diefer Art ausgewühlt, der große Hlumpen Mauerwerk enthielt. Zur jelben Zeit wurde ihm ein gemauerter Abzugsfanal ganz und gar verjtopft durch die Wiühlereien der Beitratte _ in den Hausfundamenten. hr eigentlich natürliches Wildleben draußen in den Feldern, Gärten und auf den Biehtveiven bejchreibt Blanford; dort erfennt man ihre Anmwejenheit an den großen, Maulwurfshügeln ähnlichen Exdhaufen, die vor jedem ihrer Löcher liegen. Dft befinden fich Dieje Löcher in den Böjchungen von Gräben und Weihern oder Neis- jelderdämmen; im Einklang damit ift die Beltratte auch eine vorzitgliche Schwimmerin und Taucherin. Ihre Höhlen find ausgedehnt und von unregelmäßiger Form, oft verzweigt, zu> weilen Freisfürmig und führen zu einem mittleren Keffel oder Neit, in welchem die Ratte ge- legentlich viel Korn zufammenträgt, manchmal ein Pfund in einem Bau. Gerdon beobachtete jolche Nattenbaue, die einen Raum von 15—20 englijchen Ellen im Durchmejfer einnahmen. Elfiot fand immer nur einen Bewohner in jedem Bau. Die Nahrung beiteht Hauptjächlich aus Gras und allerlei Wurzelwerf jowie Körnern, wenn folche zu beichaffen find. Sr ihrem een ijt die Maulwurfsratte recht wild, |träubt, wenn fie gereizt wird, ihre langen Grannen- haare und ftößt einen grungenden Ton aus. Nach Hofjad fnurrt fie und fträubt die Haare, wenn man jiein einen Käfig jeßt. Die Schnauze blutet gleich von dem heftigen Antennen an das Gitter, und mehrere jeßen den ganzen Käfig in Aufruhr mit wilden Angriffen und egenangriffen untereinander. Bei den Hütten, wo Korn gefpeichert ift, und den großen Kornmagazinen ift der ganze Hofraum, find Sodel und Lehmmände der umgebenden Hütten wie ein Sieb durchlöchert von ihren Höhlen. Die Kornfpeicher find aber in Kalfutta und andermwärt3 in Indien nachweislich die Ausgangspunkte, von wo fich die Peft verbreitet, und auf Holjad3 Beranlafjung ift noch obendrein nachgewwiejen worden, daß dort gefangene Maulwurfsratten an der Krankheit litten. (Nogers, „Caleutta Plague Report“, 1905/6.) Nach Elliot fangen die Wadaris oder Wafjergräber von Defhan, die alle Natten ejjen, die Maulmwurfsratte in großen Mengen zu diefem Ziwed; an bevorzugten Pläben und zur ent- Iprechenden Jahreszeit find fie jogar imftande, von den Kornborräten der Ratten zu leben. Für gewöhnlich joll die Beitratte S—-10 Junge auf einen Wurf bringen; Sterndale hat aber 14 beobachtet bei einem gefangenen Weibchen, twelches er fo vollfommen zu zähmen vermochte, daß e3 auf feinen Namen hörte, d. h. herbeifam, wenn man tief. Eine Riejenform unter denrattenartig ausfehenden Mausnagern ijtdie braune Hamfter- vatte (Gattung Cricetomys Wirh.), die nur in einer Art (C. gambianus Wirh.; Taf. „Nage- tiere XIII”, 3, bei ©. 373) fich über daS ganze tropifche Afrifa von Dften nach Weiten ver- breitet. Jm Berliner Garten hält man fie jorwohl aus Deutfch-DOftafrifa wie aus Kamerun und glaubt die Beobachtung gemacht zu Haben, daß die öftliche Form erheblich größer wird. Ein auffallender Schmud ift der förperlange, in der weißen Endhälfte fich fehr verdiinnende Schwanz, nad) dem man das Tier recht treffend auch Beitjchenfchtwang nennen könnte. Der jpige Stopf ift mehr maus- als vattenartig, und Badentafchen rechtfertigen den deutfchen und lateinischen Namen des eine Körperlänge von 35—40 cm erreichenden Tieres. Matjchie jtellt in feinen „Säugetieren Deutjch-Dftafrifas” eine Kurze Lebensgefchichte des Tieres nach Oskar Neumann, Emin Pascha, Fifcher und Büttifofer zufammen. „Die Hamiterratte it überall, two fie vorkommt, ihrer Gefräßigfeit halber beritchtigt und wird, N Sndiche Peftratte. Hamfterratte. Tafchenratte. Stahelmaus. 977 vermutlich zur Vergeltung, gegefjen. Sie fommt des Nachts, denn aud) fie it mehr von nächt- licher Lebensart, in die Hütten, wird den Getreide- und bejonders den Sefamvorräten jehr jchädlich und foll, wie übereinftimmend berichtet wurde, allerlei ihr auffällige Gegen- jtände in ihr Lager fchleppen. Gie foll zwischen Baummurzeln fich Höhlen graben, aber auch mit Riten zwijchen Felsblöden und Geftein fich begnügen. Sie flettert, wie Emtin felbft jab, jehr gewandt. Übrigens ift fie durchaus nicht biffig; Emin Hat in Monbuttu ein Paar längere Beit lebendig gehalten, die jic) ohne weiteres aufnehmen ließen, ohne je einen Ver- Judy zum Beißen zu machen.“ Dasjelbe hat man im Berliner Garten erfahren, wo man zahme Hamjterratten ihrem Wärter am Körper umberflettern fehen konnte. „Auf Sanfıbar nicht jelten in der Stadt; neben den zahlreichen Wanderratten tft diefe Form, welche in den Kloafen und Wafjerlöchern der Umgegend hauft, den Warenlagern der Kaufleute jehr jchäd- lich. Sie ijt bijfig und tapfer. Spielt in den Fabeln der Suaheli eine große Rolle.” (Fiicher.) „Lebt in verlajjenen Termitenbauten, to jie durch die Eingeborenen nicht jelten ausgegraben wird... Sn ihrer Bewegungsweije haben jie mich immer an das Känguruh) erinnert, da jie nrit Vorliebe auf ihren jtarfen Hinterbeinen jißen und den Schwanz als Stüße ge- brauchen, während der dünne Vorderleib, tie bei einem Kängurud, eine aufrechte Stellung hat. Beim Gehen berühren jie mit den Borderpfoten faum den Boden und werfen ic) oft fänguruhartig mit den Hinterbeinen vorwärts.” (Büttifofer aus Liberia.) Die Hamjterratte hat einen jehr merfiwürdigen Hautjchmaroger (Hemimerus talpoi- des WIk.): es ijt ein zentimeterlanger Geradflügler aus der Verwandtjchaft der Ohrmwürmer und Küchenjchaben, aus einer Snjektengruppe, in der jonjt gar feine Schmaroer vor- fommen! Er jicht eigentümlich aus, mit abgeplattetem, gänzlich flügellofem Körper md furzen Beinen. Wenn er mit der Hamjterratte bei uns in die engere Öefangenjchaft fommt, füllt er anjcheinend öfter von feinem Wirtstier ab. Seine Nahrung befteht jedenfalls aus Hautjchinn, vielleicht auc, aus Fremdförpern, die auf die Haut der Natte gelangen. Wir reihen die Badenmäuje (Eosaccomys Palmer [Saccostomus]) an, die ebenfalls Badentajchen haben. m übrigen find e$ Fleine Nager von Mausgröße mit ungeringeltem, jparjam behanrtem Schwanz, der die Halbe Körperlänge nicht erreicht. Die wichtigjte Art ift die jüdafrifanifche E. campestris Pirs., von ®.L. Sclater Tajchen- tatte genannt. Shore Badentajchen, die jich im Maufe jederjeits neben der Zunge öffnen, jind jehr groß, reichen bis zu den Schultern rückwärts und bilden, wenn fie mit Slörnern ge- füllt jind, zweigroße Anjchwellungen am Kopfe. ©o erinnert dieje Maus in mancher Beziehung an unjeren Hamjter und lebt auch gewöhnlich in bebauten Feldern, wo fie jich einen Bau nut bejonderem Ein- und Ausgang gräbt und in Verbindung damit wohlgefüllte Borrats- fammern eintichtet. Die jüdafrifanifchen Schwarzen ejjen fie manchmal. Nach Peters häuft die Badenmaus vor ihren Köchern Steinchen an, was denjelben Zived, dieje zu verrammeln, haben fünnte mie bei den jogenannten indischen Feldmäufen (Leggada; vgl. ©.375). Matjchie führt fie auch unter den Säugetieren Deutjch-Dftafrifas auf, und ebenjo gehört jie zur Tier- welt Deutjch-Südmweltafrifas, da fie im Damaralande vorkommt. Eine befanntere Öattung jind die Stachelmäuje (Acomys Js. Geoffr.), weil die ägyp- tijche Art (A. cahirinus Z. Geoffr.; Taf. „Nagetiere XIV”, 1, bei ©. 380) im Londoner Öarten regelmäßig gezüchtet wird und von da aus auch in anderen zoologijchen Gärten, z. B. dent Berliner, fich eingebürgert hat. Sie jieht aus wie eine recht Dunkle, vauchfarbene Hausmaus, 378 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Mauzartige. unterjcheidet jich aber durch die flachen, rinnenförmigen Stadheln, die fie jtatt der Rücden- grannen trägt. Die Stachelmäufe find Wüften- und Steppentiere, die jich”von Syrien an über Nord- und Dftafrifa bis Mojambik und zur Kapfolonie verbreiten. Zwei Arten (A. wilsoni T’hos. und A. spinosissimus Pers.) verzeichnet Matjchie für Deutijh-Dftafrifa. Auch die zahlreiche oft- und füdafrifantjche Arten enthaltende Gattung Arvicanthis Less. it rattenähnlich, Hat aber behaarte Ohren. Sie ift faum bon der Gattung Mus zu trennen und in der Hauptjache äußerlich durch bunte Etreifen- und Fledenzeichnung unterjchieden. Eine der jchönften Arten der Gattung it die Streifen- oder Berbermauß, A. bar- barus Z. (Mus), ein Tierchen, das einjchlieglich des 12 cm langen Schwanzes etwa 22 cm an Länge erreicht. Ein jchönes Gelblichhraun oder Kötlichlehmgelb ift die Grundfarbe des Körpers. Bom Kopfe, der jchwarz gejprenfelt ift, zieht jich ein jchwarzbrauner Längs- itreifen bis zur Schwanzmwurzel herab, und viele ähnliche Streifen verlaufen längs Der Seiten, aber in etwas ungerader Richtung. Die Unterjeite ift rein weiß. Die Ohren find rötlichgelb behaart, die fchwarzen Schnurten endigen größtenteils in eine weiße Spite. Der Schwanz ijt oben jchwarzbraun, unten gelblichbraun. . i Die Streifenmaus lebt in Nor und Mittelafrifa, bejonders häufig in den Atlas- ländern, fommt jedoch auch in den inneren Gteppen nicht jelten vor. Sch beobachtete jie mehrmals in Kordofan, jah fie jedoch immer nur auf Yugenblide, wenn jie zwijchen dem hohen Graje der Steppe dahinhufchte. „Wie alle übrigen Verwandten, welche die Steppe bewohnen“, jchildert Bupry, „wird Die betberiche Maus von den Arabern jchlechtiveg als Maus der Wildnis bezeichnet, verachtet und wenig beobachtet; die Eingeborenen mwijjen deshalb nichts von ihr zu berichten. Man trifft jie längs der ganzen Küfte Algerieng, vorzugS- mweije in jteinigen Gegenden, zumal da, two dürre Höhenzüge fruchtbare Ebenen begrenzen. sn den Öehängen der Hügel gräbt jie jich Röhren, welche zu einer tieferliegenden Kammer führen; in diefer fpeichert fie fi) im Herbjte Vorräte, Kornähren und Gräfer, auf und zehrt von ihnen nach Bedürfnis bei faltem oder najjem Wetter. Die beim Zernagen der Ähren abjallende Spreu wird zur Ausfütterung der Kammer benußt. Se nach der Zahreszeit bejteht die Nahrung in Getreide und Sämereien oder in anderen Pflanzenjtoffen. Früchte, namentlich Objtjorten, find ihr ein gejuchter Zederbifjen: in den Fallen, welche ich aufitellte und mit einem Stüde Wafjermelone föderte, fing ich viele. Ob fie auc) Kerbtiere fängt und verzehrt, weiß ich nicht. „sn ihrem Wejen erinnert die Streifenmaus vielfach an die Ratten. Sie ift gefräßig, aber auch bijjig und jcheut fich nicht, auf den überlegenen Feind loszugehen. m übrigen ift fie eine echte Maus und zeigt die nämliche Gelenfigfeit, Zierlichfeit und Gemandtheit in ihren Be- wegungen wie andere Beriwandte. Über ihre Fortpflanzung ift mir nichts befannt geworden.” Shrer jhmuden Geftalt wegen hat man die Berbermaus manchmal nach Europa ' gebracht. Sie verträgt unjer Klima recht gut, da jie in ihrem Vaterlande ja auch, wenigitens zeitweilig, ziemlich bedeutende Kälte ertragen muß. Nur wenn man fie reichlich mit Futter verjieht, darf man fie ohne Scheu mit anderen ihrer Art zufammenlaffen; im entgegen- gejegten Falle frißt die jtärfere die jchwächere auf. Sm Zoologijchen Garten fieht man-jie nur ausnahmsweife. Benn die Streifenmaus in ihrer Unterart A. b. pulchellus Gray bis ins tropijche Afrifa nad) Süden geht, im DOften bis zum Silimandicharo, im Weiten bis Liberia, aljo auch zur Berbermaud. Giriemenmaus und Verwandte. Baummaud. Niejenratte. 379 Tierwelt Kameruns und Togos gehört, jo reichen anderjeits füdafrifanische Arten der Gat- tung fo weit nach Norden, daß jie ebenfalls in Deutjch-Dftafrifa zufammenfommen. Matjchie berzeichnet al3 Striemenmaus zunächit A. pumilio Sparrm. (Taf. „Nagetiere XIV”, 2, bei ©. 380), der nur vier fchwarzbraune und fünf helle, nicht immer alle gleich deutlich aug- geprägte Längsbinden über den Rüden laufen. Von ihr jind mindejteng noch) drei geographifche Unterarten aus Matabele-, Betjchuana- und Mafchonaland anzuerfennen, die in Größe und Farbe ganz-bedeutend voneinander abweichen. Sie findet jich auf bufchigem Gelände im Unterholz, wo fie fich ein Brutneft ziwijchen den dürren Blättern und Zweigen macht. Shre Stimme ift ein mehr oder weniger hartes, metalliiches Zirpen. — Eine zweite Art (A. dorsalis 4. Sm.) hat nur einen Rüdgratftrich, und Matjchie nennt fie deshalb (afrikanische) Brand- maus. Gie foll auf den Feldern leben und ijt von Emin in den Ngurubergen, von Dsfar Neumann in Korogwe am Pangani gefammelt worden, fommt aber aud) im Sambejigebiet und nad) Weiten bis Benguella vor. — Eine dritte deutjch- ojtafrifanische Art, die Dsfar Neumann aus der Mafjai Nyika mitbrachte, und die Matjchie ihm al$ A. neumanni Misch. widmete, ift ihr jehr ähnlich, Hat aber feinen dunfeln Rüdenftrih. Deutjch bezeichnet fie Matjchie einfach als (afrifanishe) Feldmaus. — Die ebenfalls hierhergehörige Feine, Derb- gebaute Hamfjtermaus, A. abyssinicus Rüpp., nennt Matjchie jo von ihrem Hamjterartigen Kopfe mit innen behaarten Ohren. Das Männchen ift größer als das Weibchen und hat einen roftroten Hinterrüden, roftrote Schwanzwurzel und Hinterjchenfel. Im allgemeinen ift die Oberfeite jchwarz, fahlbraun gejtrichelt, die Unterjeite jhmußiggrau bis weiß, dünn behaart, jonft ift die Behaarung ziemlich ftraff; der Schwanz viel fürzer als der Rumpf. Sie ver- breitet jic) von Abefjinien bis nach unferer deutjch-oftafrifanijchen Karamanenftadt Tabora und findet ji), nach) Böhm, „Häufig im Gras und ziwijchen den von Ranfengemwächjen (Stufur- bitazeen ujw.) ummwachjenen Ambatjchgebüfchen am Tanganjifa bei Starema. Die anjchließende Gattung Golunda Gray hat zwar ebenfall3 den Furzen, runden Kopf und das ftraffe, borjtige Haar, aber langen Schuppenjchwanz. Nach ihrem Vorkommen in Indien und Afrifa hat man jie wieder in Ei Untergattungen (Golunda im engeren Sinne und Pelomys) geteilt. Bei Trouefjart folgen einige indijch-malaiifche, über die Hinterindijche Snjelmelt bis Neuguinea verbreitete Gattungen, von denen aber nur über die Langjhwänzige Baum- maus, Vandeleuria oleracea Benn., berichtet jei, daß jie auf Bäumen und Büfchen lebt und fich dort in den Zweigen ein Neft aus Gras und Blättern macht. Lebteres fteht oft auf Balmen und Bambufjen, gelegentlich aud) im Dach eines Haufes. Die Baummaus ift ein jehr lebhaftes, gejchäftiges Tier. Die Gattung Crateromys Thos. von Zuzon ift erjt nachträglich von Thomas aus der Gruppe der großen philippinifchen Borfenratten (Phloeomys) herausgenommen worden, mit denen uns neuerdings der frühere Dresdener Mufeumzgleiter A. B. Meyer durd) dei Sammler Dr. Schadenberg genauer befannt gemacht hat. Thomas verjegte Phlosomys schadenbergi A. B. Meyer al$ Crateromys schadenbergi A. B. Meyer, Schadenbergs Niejenratte, zu den Mausartigen, und jo ift fie mit ihren 86 cm Gejamtlänge, von denen 39 auf den Schwanz fommen, der größte mausartige Nager. Bon den Borfenratten unter- icheidet fie äußerlich der dicht, faft bufchig behaarte Schwanz, für die wifjenfchaftliche ShHite- inatif außerdem Schädel und Gebiß. Gemeinfam ift ihr mit jenen die auch bei den Kusfuten 380 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. bon Celebes wiederfehrende Eigentümlichfeit, in der Färbung ganz auffallend abzuändern, durch Weißfcheetung mehr oder weniger zum Albinismus hinzuneigen. Wiedie meiften Nager ift fie nächtlicher Natur, und daher läßt fich das Leben diejer Ratte oder vielleicht Eichhorn- Ratte, tie Whitehead jagt, fehtver beobachten. Der Schrei der Niejentatte ift ein jonber- bares Murffen, das jo fcötwirrend herborgeftogen wird, dab e8 ebenjogut bon einem Der eigentümlichen Waldinfeften dort Herrühren Tönnte. Faft ebenjo groß wie Schadenbergs Natte ift die Wollratte von Britiich-Neu- auinea, Mallomys rothschildi Thos., die Thomas von ihrem langen, dichten Haarkleid fo genannt und dem um die Mufeumszoologie unferer Tage jo hochverdienten Walter b. Rothichild gewidmet hat. In defjen Privatmujeum zu Tring fteht das Driginaleremplar ausgeftopft, nach dem die einzige Art befchrieben ift. Das wollige Unterhaar it auf dem tier 30-35 mm Yang, und die verhältnismäßig fpärlichen Grannenhaare erreichen fait da3 Doppelte. Diefe Bejchreibung erinnert daran, daß auch die Kuskuten Teuguineas das- jelbe Dichte, twollige Haarkleid haben. \ Whitehead entdeckte auf der 7—8000 Fuß hoch gelegenen, 3 Meilen langen und 1 Meile breiten Kopfplatte des Tafelberges Monte Data (Nord-Luzon) außer der Schadenbergs- Natte noc) eine ganz eigene Nagetierwelt von nicht weniger als fünf neuen Gattungen, Deren zwei, Bufchratte (Batomys T’hos.) und Fruchtratte (Carpomys T’hos.), al3 mausartig im engeren Sinne (Murinae) hier einzureihen find. Sie gehören, nach Thomas, der die Samm- lungen Whiteheads bearbeitete (‚‚Transact. Zool. Soc.‘, 1898), zu einer Gruppe von Baum- mäufen, die über den öftlichen Teil des malaiischen Snfelarchipels verbreitet find. Die Angehörigen diefer Gruppe mögen vielleicht die vereinzelten Überbleibjel einer älteren Maus- fauna fein, über die die Gattung Mus jet die Borherrjchaft gewonnen hat. Nac Neuguinea und Auftralien führen die Gattungen Uromys Pirs. und Pogono- mys A. M.-E., dieje mit der Untergattung Chiruromys Thos., über. Man fönnte fie Deutjch Mofaifichtvanzmäufe und Greiffhwanzmäufe nennen. Denn bei ven Mojaitjchwanz- mäufen (Uromys) greifen die Schwanzichuppen nicht dachziegelförmig übereinander, fon- dern legen fich Kante an Kante an, wie ein Mofaif, und bei ven Greifijhwanzmäufen (Chiruromys) ift der Endteil des Schwanzes oben überhaupt ohne Schuppen, ganz nadt, nur quer gerungelt und greiffähig, aber nach oben, wie alle Greifjchtwängze, die bei Nagern vorkommen; daher auch die Nadtheit oben. Den Schluß der Unterfamilie der Mausartigen im engeren Sinne (Murinae) machen poir mit den auftralifchen Springtatten (Conilurus Og. [Hapalotis]). E3 find vattenartig ausjehende Tiere mit langen Ohren und Schwänzen, namentlich aber verlängerten Hinter- beinen. Sid-QDueensland bewohnt C. hirsutus Gould (Taf. „Nagetiere XIV“, 3). Als eigene Gattung (Ascopharynx Waite) von ihnen abgetrennt ijt heute die an den Hinterbeinen jchwarz gezeichnete, jonjt Nehbraune Springratte, Ascopharynx cervinus Gould (Hapalotis). Jhre Kenntnis verdanken wir dem Hauptmann Sturt, der jie auf einer jeiner fühnen Reifen ins Innere Yuftraliens entdeckte. Sturt fütterte feine fleinen Gefangenen mit Hafer, wobei jie jich qut hielten und jehr zahım wurden. . Sie hocdten gewöhnlich zu- jammen in einer Ede ihres Behälters; aber wenn jte von einer Seite zur anderen rannten, m Ya ne Nagetiere XIV. 1. Stachelmaus, Acomys cahirinus Z. Geoffr. Nat. Gr., Ss. S. 377. — P. Kothe-Berlin phot. EST _ 2. Striemenmaus, Arvicanthis pumilio Sparrm. Nat. Gr., s. S. 379. — W. S. Berridge, F. Z. S.-London phot. - . - a - . Pe ERST > : - u u _ Sn Er SE Satin re 3. Auitraliiche Springratte, Conilurus hirsutus Gould. 1/3 nat. Gr., s. S. 389. — Dr. O. Heinroth, Berlin phot. 4. Ohrenratte, Otomys brantsi A. Sm. 1/3 nat. Gr., s. 5.381. — Lewis Medland, F. Z. S.-Finchiey, N., phot. 5. Große Wüftenmaus, Meriones shawi Roz. 1/2 nat. Gr., s. S. 385. — Lewis Medland, F.Z.S.-Finchley, N., phot. 6. Dickichwanzmaus, Pachyuromys duprasi Lat. 1/2 nat. Gr., s. S.389. — W.P. Dando, F. Z. S.-London phot. Wollratte. Mojaik-u. Greiffhmwangmäufe. Springratte. Baummaußartige. Ohrenratte. 381 jo gejchah dies fprungmweife auf den langen Hinterbeinen, wie bei den Känguruhs, wobei fie den Schwanz wagerecht ausgejtredt hielten. Später jah Sturt große Mengen und überzeugte jich, daß die Eingeborenen jandige Kuppen aufjuchten, um die Nehbraune Springratte als Fleifchkoft für fich zu fangen. Sie lebt von zarten Bflanzenjchößlingen und muß viele Monate ohne Wafjer aushalten fönnen; denn man findet jie unter Umftänden, die für längere Zeit- räume jede Möglichkeit ausfchließen, folches zu erhalten. (Gould.) * Die afrikanische Unterfamilie der Baummausartigen (Dendromyinae) enthält fleine, jchlanfe, mausähnliche Nager mit langen, jpärlich behaarten Schuppenjchwänzen, ziemlich großen Ohren und fchlanfen Gliedmaßen, deren drei mittlere Zehen verlängert find: jedenfall3 int Zufammenhang mit ihrem Baumleben. Für Deutich-Dftafrifa führt Matjchte zwei Arten auf. Die Schwarzitirnige Nlettermaus, Dendromys nigrifrons True, it nur vom Kilimandjcharo befannt. Dagegen ijt die Kleine oder Langjchwänzige Klettermaus, D. pumilio Wagn., oben braun, Unterfeite und Füße weiß, viel weiter, auch über Südaftifa, verbreitet und in ihrem Leben vielfach beobachtet worden. &3 ift eine zierliche, Feine Maus, die fugelrunde Nejter aus zarten Halmen im Hochgras und auf niedrigen Bäumen baut. Emin fand diefe Art auc) in Mais- und Sorghumfeldern und entdecdte ein Net, das, nach Urt der Weberneiter wie an einer Schnur aufgehangen, ftarf jchiwanfte; es hing etiva 1,5 m über dem Boden mit nach unten fchauender Offnung. Die Langichwänzige Klettermaus nimmt öfter auch ein Bogelneit in Belib; im Kapftädter Mufeum jtehen drei Stüd, die man in verlafjenen Weberpogelneftern gefangen hat. Für Togo hat Matjchte 1893 die Gattung Limacomys abgetrennt. Auch die von Peters jchon 1846 begründete Gattung Settmaus (Steatomys Pirs.) gehört hierher. Sie ijt ebenfalls Hein und mausförmig, aber furzichwängig, Furzbeinig und jehr plump zufolge Fettanfammlung über den ganzen Körper. Die befannteite, jchon von PBeters bejchriebene Art it die Südafrifanijhe Yettmaus, S. pratensis Pirs., oben dunkel votbraun, an den Seiten heller, unten weiß, aus Sidoftaftifa, namentlich Mojambif. 3 Die Dhrenratten (Gattung Otomys F. Cuv., Unterfamilie Otomyinae) jind ratteıı- ähnliche Nager mit hHalbkörperlangem, borftig behaartem Schuppenjchwanz und breiten, vorn am Grunde von langen Haaren überdedten Ohren. Sie verbreiten jich vom Srapland bis Angola im Welten und bis Abefjinien im Often und gehören alfo jotvohl zur Tierwelt von Deutjch-Dftafrifa al3 von Deutjch-Südweitaftifa. Sm Gebiet des Dranjefluffes lebt O. brantsi A. Sm. (Taf: „Nagetiere XIV”, 4). Weiter verbreitet ift die mit Schtvanz 30 em lange eigentliche-Ohrentatte, Otomys irre- ratus Brts. „C3 jcheint”, jagt Matfchie von diefer, „als ob ganz junge Tiere grau ind mit bräunlichem Tone auf dem Rüden und Kopf. Später werden fie dunfel unbrabrauır und endlich graubraun mit dunkler Sprenfelung oder jandfarbig." W. 2. Sclater jpricht von Farbenabänderungen mit der Verbreitung, und Thomas hat Zahnunterfchiede zivifchen:ojt- und füdafrifanischen Stüden nachgemwiejen. W. 2. Sclater nennt die Obhrenratte Vleyratte, u 832 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. was fchon darauf Hindeutet, daß fie im jumpfigen Gelände nahe bei diejen tır der Buren- iprache fo genannten Wafjertümpeln lebt. Dort gräbt fie kurze, germundene Gänge im &ebüfch und nährt fich von Binfenwurzeln und ähnlicher Pilanzenkoft. — Eine dritte Art (O. unisul- catus F. Cuv.) findet fich nach A. Smith in fandigen Gegenden mit einigem Geftrüpp. Ob fie da ift oder nicht, Fan man leicht entfcheiden; denn fie häuft Heine trodene Zweige rings um die Büfche zu halbfugeligen oder unregelmäßigen Gebilden zufammen, oft bis zu an iehnlicher Höhe. Diefe find nach allen Richtungen von den Gängen der Ratte durchzogen, die fich auch nach unten in die Erde erftreden, und in diefem unterivdiichen Teile de3 Bautes macht fid) da3 Weibchen fein Neft aus weichem, trodenem Grafje für die Jungen. * Auch die Rennmäufe werden in einer bejonderen Unterfamilie (Gerbillinae) von der Vervandtfchaft getrennt. hr Leib ift eher unterfegt als geftrect, ver Hals kurz und Did, der Kopf ziemlich Kurz, hinten breit, nach vorn“zu verjchmälert, die Schnauze zugejpibt, der Schwanz fast von Körperlänge, regelmäßig dicht behaart, zumeilen jogar gepinjelt, nie- mals nat. Die hinteren Glieder find beträchtlich länger al3 die vorderen, die Füße fün- zehig; doch ift der vordere Daumen eigentlich nur eine Warze mil plattem Nagel, während die übrigen Zehen furze, jchwac gefrümmte und zugejpiste Krallen tragen. Die Ohren jind ziemlich, die Augen fehr groß. Der Pelz ift dicht, glatt anliegend und weich, auf der Dberjeite regelmäßig roftbraun oder fahl, auf der Unterjeite Heller oder weiß, ohne daß jich jedoch diefe Färbung fcharf von der oberen abjett. Die Nagezähne find meeift gefurcht und dunkel gefärbt, die Badzähne, drei in jeder Reihe, nehmen nach Hinten an Größe ab. Der Schädel ähnelt bis auf die ftarf aufgetriebenen Baufenfnochen dem der Ratten. Das Verbreitungsgebiet der Rennmäufe bejchränft fich auf Afrika, das füdliche Ajten und das füdöftliche Europa. Sie leben am liebiten in angebauten Gegenden, finden Jic) aber auch in den dürrjten Ebenen und Steppen, oft in außerordentlicher Menge. Manche Arten find gejellig und vereinigen jich zu Scharen, die dann ebenfo jchädlich werden mie unjere Feldmäufe. Die meilten graben jich ziemlich feichte, unterirdiiche Gänge, in denen jie ven Tag verbringen. Mit Einbruch der Dämmerung kommen fie hervor, um nac) Nal- rung auszugehen. Shre Bewegungen find außerordentlich rajch und lebhaft; einzelne jollen imftande jein, bedeutende Säbe zu machen. Scheu und furdhtjam, wie die übrigen Mäufe, flüchten fie bei der geringften Störung eiligft nach ihren Löchern. Shre Nahrung befteht in allerlei Samen und Wurzeln, namentlich auch in Getreide. Auf bebauten Feldern richten jie arge Berwüftungen an, beißen die Ihren ab und fchleppen fie nach ihrer Wohnung, wo jte diefelben ungeftört und gemächlich verzehren oder ausdrejchen, um die Körner für un- günftige Zeiten aufzufpeichern. Die Vorräte, die fie fich eintragen, find fo bedeutend, daß man durch Ausgraben eine ziemlich reiche Ernte halten Tann; denn man findet oft in einent Umfteife von 20 Schritt mehr al3 einen Scheffel der fchönften Ühren unter der Erde ver- borgen. Wie unferen Ratten, ift ven Rennmäufen aber auc) tierische Nahrung willfommen, und vorzüglich die Infekten Haben in ihnen Feinde. E3 fcheint, daß fie das Wafjer zu ent- behren imjtande find; wenigjtens findet man fie nicht felten in diürren Ebenen, meilenmweit bon Bächen und Brunnen entfernt, ohne daß man ihnen Mangel anmerken fönnte. Der Berwüjtungen wegen, welche die Rennmäufe in den Feldern anrichten, werden fie von den Einwohnern ihrer Heimat ebenfo gehaßt und verfolgt wie unfere Ratten. Sie zu vertreiben, ift nicht möglich, fo eifrig man ihnen auch nachjtelfen mag: ihre Vermehrung ift zu N N N Nennmäufe. 383 bedeutend. Genaueres über ihre Fortpflanzung im Freien ift nicht befannt; man weiß nur, daß die Weibchen nrehrntal3 im Jahre ziemlich zahlreiche Nachkommtenschaft zur Welt bringen. "Bon einigen Arten rühmt man ihr angenehmes Betragen in der Öefangenfchaft. Sie jollen fich ebenfo durch Beweglichkeit und Reinlichfeit wie durch Sanftntut und Berträglich- feit auszeichnen, letere aber nur fo lange betätigen, als ihnen nicht3 abgeht, fich dagegen ebenfalls al3 räuberische Tiere erweifen, wenn fie Mangel leiden. Der Shitematif der Rennmäufe Hat fich neuerdings Latafte, der befannte Erforjcher der Tierwelt der Atlasländer, angenommen, jo daß heute außer der Hauptgattung Gerbillus Desm. mit nicht weniger als fünf Untergattungen noch die Gattungen Meriones, Psammomys, Rhombomys und Pachyuromys unterjchieden werden, von denen die legtgenannte Gattung jich Schon äußerlich durch einen eigentümlichen Fettichwanz auszeichnet. Die Indifche Rennmaus, Gerbillus indicus Zardw., Borderindiens und Ceylong, von Nattengröße, oben hell brauntot, unten weiß, wie alle Angehörige der Unterfamilie, it mit ihren großen, dunfeln Yugen und dent mindejtens förperlangen Duaftenjchwangz einer ver Hübjcheften Mausnager. Sie lebt wie die anderen Arten gejellig in den offenen, fandigen Ebenen, two fie jich ausgedehnte Höhlen mit vielen Eingängen gräbt; ein im Mittelpunft gelegener Hauptfejjel enthält immer ein Lager von trodenem Gras. Die Fndifche Rennmaus it ein durchaus nächtliches Tier, das feinen Bau nur jelten am Tage verläßt. Sie hält fich oft in der Nähe der bebauten Felder, tvo jie vielen Schaden am Getreide tut und manchmal in jolher Menge auftritt, daß jie zur Landplage wird. Sr unangebauten Gegenden lebt jie hauptjächlich von Gras und Wurzeln. Vorräte legt fie allem Anjcheine nach nicht an. Wie die Rennmäuje überhaupt unter den Mausartigen jozujagen die Springmäufe vorbereiten, jo bewegt fich auch die indijche Art durch Springen auf den Hinterbeinen und macht jo, nad) 2ydeffer, Säbe von nicht weniger al 12 —15 englischen Fuß. Natürlich ift fie auf diefe Weife fähig, jelbit einem Hunde zu entkommen. Die Sndijche Rennntaus ist einer der fruchtbarften Nager, bringt Häufig auf einen Wurf 12—15 Junge und gelegentlich wohl noch mehr. Weitere Arten jchließen Jich in den Nachbarländern Indiens, Afghaniitan, Balutjchiitan und in Berjien, an. Auch Innerafien hat feine Rennmäufe, und Büchner hat aus Prichewaljfys Sammlungen mehrere neue Arten bejchrieben. Eine von Büchner neu aufgeitellte Font aus ‚ der Wüfte Gobi und der Djungarei wird heute der Gattung Rhombomys zugejchoben und nur als Unterart (Rh. opimus giganteus Büchn.) der Rh. opimus Zcht. gelten gelafjen, die mit zwei Unterarten den einzigen Snhalt diejer wegen ihrer rautenförmigen Badzahnfiguren ichon 1841 von Wagner abgetrennten Gattung bildet. Über beide, fowohl über die inner- ajtatijche Unter- alsüber die bis na) Südrußland Hinein reichende Hauptart, gibt Pricheivality etwas ausgedehntere Lebenzichilderungen. Über Büchners Riefenrennmaus jagt er: „Sie lebt in Gejellichaft in Höhlen, welche im lehmigen Boden der Gebirgstäler und Schluchten und borzugsweife dort, wo Saraul wächft, angebracht find. Shre Stinme ift ein dumpfer Pfiff, welcher dem der int Majchan vorkommenden Rennmaus (Gerbillus opimus) jehr ähnlich it. Wiejene, jo pfeift auch diefe Art abgebrochen und dermaßen dumpf, daß fie bejtändig ven Menjchen täujcht. Man glaubt nämlic) die Rennmaus noch ziemlich weit entfernt, während fie nicht weiter a3 20 Schritt auf ihrerr Hinterbeinen#or der Röhre fißt, in der fie jich darauf auch Schnell verbirgt. Doc) jtedt diejes neugierige Tier feinen Kopf jogleich von neuem aus der Höhle. Beim Erbliden eines Menfchen oder überhaupt bei Wahrnehmung von Gefahr 384 8. Ordnung: Nagetiere. Yamilie: Mausartıge. E Laffen diefe Rennmäufe immer ihr Pfeifen ertönen, wahrjcheinlich al Warnungsruf. Dieje Art Fäuft jehe Schnell Hüpfend, entfernt fich jedoch niemals auf eine große Strede von ihren Bau. Da Ste fich von Saraul und anderen gewöhnlich fehr wajjerhaltigen Galjolazeen nährt, jo bedarf fie, wie auch andere feine Nager der Witte, nicht des Wafjers... Anfang Dftober jahen twir bei den Höhlenmindungen Heu liegen, twelches zum Futter für den Winter oder auch zur Ausfleidung der Höhlen vorbereitet war. Während meiner dritten zentralafiatijchen Erpedition fanden wir im April und Anfang Mat 1879 die gejellichaftlichen Anjtedelungen diefer Art ziemlich Häufig im öftlichen Teile der Djungarei; jonderbar jedoch, daß wir Fein einziges Mal die Tiere jelbjt zu Geficht befamen. Sehr möglich, daß jie während de$ Falten Winters zugrunde gegangen waren, oder, was wahrjcheinlicher it, wegen der häufigen Winde und der Kälte ihre Baue nicht verließen. Exjt im Mai wurde ein Eremplar in der. _ Nähe des Salzjees Barfulj erbeutet.“ Auch die al Rh. opimus Zeht. bejtimmte Rennmausform traf Prichewality „in gentral- alten nur auf dem mit Saraul (Haloxylon ammodendron) bewachjenen lugjande de3 nörd- lichen Mlafchan, wo fie in großen Mengen vorkommt. Gie legt ihre Höhlen (mit vielen Nebenröhren) in den Hügeln des Flugjandes an. Fhre Stimme ist derjenigen des Spermo- philus mongolieus ähnlich und ließe jich in Silben ettwa durch pi-pispi wiedergeben, twas dieje Nennmaus, an ihrer Röhre fitend, an zwanzigmal hintereinander wiederholt. Man Farın das im Frühling und Sommer den ganzen Tag Hindurc) Hören, und nur bei jchlechten Wetter verjteckt jtch G. opimus in feinen Höhlen, welche er auch im Winter nur jelten verläßt. Des Morgens jchläft dDiefe Rennmaus ziemlich lange, wenigjtens zeigt fie fich im Herbft nicht früher außerhalb ihres Baues, al3 bis die Sonne genügend gewärmt hat. Bei jchönen Wetter, ge- wöhnfich gegen 9 Uhr, verlajjen endlich die Rennmäufe ihre Baue, gehen furze Zeit ihrer Nahrung nach und fangen darauf ar, Höchjt Fomisch auf ihren Hinterfüßen zu Hüpfen, wobei jte ihren Körper, vollftändig vertifal in die Höhe ausreden. Bei diejer Gelegenheit läßt die auf jolche Weife tanzende Nennmaus ihre gevöhnliche dumpfe Stimme vernehmen. Da in ein und demjelben Sandhügel, namentlich auf feiner jüdlichen Seite, zuweilen mehrere Dusend bewohnter Höhlen (die Nebenhöhlen nicht mit eingerechnet) angebracht find, jo re- präjentieren die aus ihnen gefrochenen Rennntäufe eine ganze Gefellfchaft, welche mit ihren Zängzen bejchäftigt it. Von Zeit zu Beit reißt diefes oder jenes Tier einen Grasitengel oder einen Saraulzweig ab, führt ihn mit den VBorderfüßen zum Munde und frißt ihn auf. Doch da zeigt ich auf einmal ein Milan oder ein Fuchs oder auch ein Menfch.... die ganze Sejelljchaft gerät in Schreden: ein Teil wirft fich Hals über Kopf in die Baue, ein anderer, der mutiger ft, bleibt noch auf dem Plabe, verjchtwindet jedoch, forwie er fich über die Gefahr vergemwiljert hat, im Nur in den Röhren, aus welchen jchon hier und da ein hübjches Köpfchen neugierig wieder hervorzufugen beginnt. Am liebiten fit diefe Art jedoch, auf den Hinter- beinen hodend, vor der Nöhrenmündung...” Nach) diefer Schilderung feheint die Gattung Rhombomys Jich ganz unverfennbar auch in der Zebensweije von der rein nächtlichen Ger- billus im engjten Sinne zu unterjcheiden; fie fcheint mehr ein Tagleben zu führen, toas jicher al3 eine weitere Stüße für ihre Berechtigung als befondere Gattung anzuerkennen wäre, Die novdafrifanifchen Arten intereffieren hier bejonders, weil fie es wohl Hauptfäch- fich find, die lebend in die zoologifchen Gärten, mitunter fogar in die Pflege eines Lieb- habers gelangen. So hat der Berliner Garten feinerzeit zuerst durch den befannten Tunis- jammler Spaß zivei Formen erhalten: die Kleine und die Große Wüftenmaus, wie fie Wüftenmäufe. 385 dort genannt werden (Gerbillus gerbillus Ol. und Meriones shawi Roz.,; Taf. „Nagetiere XIV”, 5, bei ©. 381), von denen die exrjtere wenig größer al3 die Hausmaus, die leßtere immer noch jehr viel Heiner al3 die Ratte it. Günther- Freiburg nennt die Wüftenmäufe die angenehmiten Stubentiere, die er je bejeljen habe, und lobt vor allen ihre „vollftändige Geruchlofigfeit... &o konnten fie im beiten Zimmer geduldet werden, jie waren abjolut falonfähtg... Die Pflege diejer Mäufe war die denkbar einjachite; ich brauchte ihnen nur alle paar Tage ihren Napf mit Hirje zu füllen jowie in ein anderes Näpfchen etwas Wafler zu gießen. Bon der Hirfe fraßen jie jo wenig, daß die Ausgabe faun zu merken war. Der Sand, der recht hoch den Boden - bedeckte, brauchte nur etiva alle drei Monate gemwechjelt zu werden, und fonftige Reinigungg- maßregeln waren nicht nötig. Ein Heiner Holzfajten, gefüllt mit Watte oder Holzmwolle, diente den Tieren als Schlafjtätte.” Eiffe-Hamburg, ein anderer erfahrener Liebhaber, der allerdings jeine Wüjtenmäuje ebenfalls „im Winter im Wohnzimmer hielt, möchte doch nicht unerwähnt lajjen, daß ihr Harn in größerer Menge einen ziemlich unangenehmen Geruch verbreitet und jich daher eine tägliche Reinigung des Käfigs beziehungsmweije der Aborte empfiehlt. Auch riechen die Mäufe jelbjt bisweilen jehr jtarf, etiva wie Antilopen in ge- ichloffenem Raume; in diefen übrigens nur wenigen’Tagen im Jahre macht auch das Fell den Eindruc, al3 ob e3 öfig fei.” Vielleicht find diefe verjchiedenen Erfahrungen auf ver- jchiedene Fütterung und Haltungsweije zurüdzuführen. Eiffe reichte „Hauptjächlich Hafer und weiße Hirje, zur Abwechjelung allerlei Sämereien, Hanf, Sonnenblumenjamen, Gerjte und Weizen’ Ferner „aben alle gern Mehlwürmer und Küchenjchaben und mußten auch mit einem Maifäfer fertig zu werden. Waljer fönnen fie jelbjt bei ausjchließlicher Körnerfütterung ganz entbehren. Vier Monate lang entzog ich ihren das Wafjer gänzlich, ohne daß dies den gering- jten Einfluß auf ihr Befinden gehabt hätte. Für gewöhnlich gab ich ihnen jedoch alle 8 oder 14 Tage Gelegenheit zu trinken, wovon das eine Männchen jedesmal, das andere jelten und die beiden Weibchen niemals Gebrauch machten; wenigjtens habe ich e3 nicht gejehen.” Günther „Hatte zuerjt ein Pärchen, das in vollem Frieden miteinander lebte und, wenn e3 nicht jchlief, jich damit bejchäftigte, den Sand zu einem Hügel aufzufchütten oder einen tiefen Gang zu graben, in dent es mit unglaublicher Schnelligkeit Hin und her lief. Beim Graben fcharzten die Mäufe den Sand mit den Vorderpfoten auf, um ihn dann von Zeit zu Zeit mit den Hinterfüßen jehr Fräftig nach Hinten abzumwerfen. Beim Frefjen jaßen jie auf den Hinterbeinen, öffneten die Hirjeförner, die fie in den Vorderpfoten hielten, ge- jchieft mit den Zähnen, und ftecten dann den Kern in das Mäulfchen. „ach einiger Zeit fonnte ich beobachten, daß das Weibchen die Hirje nicht mehr auf- fnadte, jondern eine Zahl von Körnern im Maul anfammelte und diefe in ihr Häuschen trug, wo e8 in einer Ede einen Haufen davon aufjchüttete, den e3 dann mit Sand zudedte. Nun hatte auch der Friede ein Ende; jobald das Männchen fich dem verjtedten Magazin näherte, jprang das Weibchen heraus, unt ihren Mann mit Bifjen zu vertreiben. Ein jolcher Überfall machte fich immer fehr jpaßig. Das Weibchen fuchte das Männchen zu unterlaufen, drückte jich mit jeinem Hinterteil an dasjelbe heran und juchte ihm nun von unten, indem 8 das eine Auge zufniff, Bilje beizubringen, während das Männchen jich aufrichtete und mit den Vorderbeinen unter fortwährendem Duiefen abzuwehren und zu fragen verfuchte. Diejes 309 aber doch jtetS den Kürzeren, und um ihm einen Erjaß für das verlorene Schlaf- gemac) zu verichaffen, tat ich noch ein Käftchen in den Käfig. Aber auch das half nichts; faum war das Männchen erfreut hineingeftochen, jo erjchten auch jchon das Weibchen, bif e3 hinaus und nahm auch von der neuen Schlafitube Bejit. Das gleiche wiederholte jich, Brehm, Tierleben. 4. Aufl. XI. Band. 25 386 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. als ich noch einen Kaften hineinjegte: de3 Weibchens Habjucht jchien umerjättlich zu fein. Doch bald erklärte fich das Nätjel: das Weibchen warf 6 rojenrote Junge, die, ohne Haare und mit verwachjenen Augen, feinen jchönen Anblic gewährten. Da jest die junge Mutter beitändig in jolcher Wut mar, daß das Männchen bei der geringiten Annäherung fürchterlich verbifjen wurde, ehte ich das legtere in einen anderen Käfig; Übrigens fonnte ich die Jungen jederzeit berühren, ohne daß die Alte den Verjuch des Beien3 machte, und auch als Die ungen jchon größer waren und in ihrem gelbweißen Zellchen und mit ihren großen jchwarzen Augen ganz allerliebjt ausfahen, faßte ich fie oft an und Eonnte fie an jede Stelle des Käfigs jegen, ohne die Mutter zu erzürnen. Nur trug fie ihre Stinder dann ehnell wieder im Maule in ihr Häuschen, wobei fie oft derb zufaßte, jo daß die Stleinen recht Hläglich quiekten. Dabei konnte ich die Kraft der Alten bewundern, mit der fie Hocherhobenen Yauptes die jpäter ichomrecht großen Jungen in vollem Laufe Hin und her trug; ja, al3 ich Dieje einmal auf den Boden eines hohen Bierglafes feßte, holte die Mutter fie wieder heraus, indem je mit fühnem Sprunge über den Nand des Glajes jebte. „Die Jungen mwuchjen Fräftig heran, bis auf eins, das bald einging, und al3 ich den Rater num fpäter wieder dazu jeßte, zeigte es fich, daß auch er große Freude an ihnen hatte. Kamen fie zu ihm, fo beledte er fie zärtlich und jchmiegte jich eng an jie; aber die Mutter, die als egoitisches Gemüt weder Schlafjtuben noch Kinder mit jemandem teilen wollte, biß den Vater jedesntal, wenn fie dazu fan, weg und — böjes Beijpiel verdirbt gute Sitten — die Jungen lernten von der Mutter. Bald nämlich fonnte ich jeden Abend eine Art Bolts- beluftigung fehen, d. h., wenn Mutter und Kinder aus ihrem Nlttagsichlafe erwacht waren und auf der Bildfläche erjchienen, wurde der Vater in feinem Schlupfwinfel aufgejucht, hervorgetrieben und num lange Zeit im ganzen Käfig Herumgejagt; dabei wurde ihm mit Biffen Fräftig zugejebt, fo daß jeine Beine und fein Schwanz bald mit Beulen bevecdt waren. Sch hoffte immer noch, er würde fich einmal aufraffen und jeinen doch viel [hwächeren Sin- dern die Macht des Vaters zeigen; aber meine Hoffnung erfüllte jich nicht, und nach einiger Zeit erlag er feinen Wunden, gerade alsdie Mutter wieder einen Wurfvon jechsjungen Mäufen hatte. Übrigens vertrugen fich Später auch Mutter und Kinder fchlecht miteinander; aber die Mutter führte doch immer das Machtivort, bis eines Tages mich ein furchtbarer Lärm an den Käfig führte. Dort jah ich dann die Mutter und ihre größte Tochter im Kampfe begriffen, der fait eine Viertelftunde lang von beiden Geiten mit großer Exrbitterung geführt wurde. Endlich gewann die Junge, die Alte ergriff die Flucht, wobei exjtere fie noch nach dem Prinzip eines großen Feldherin lange Zeit im ganzen Raumt verfolgte und herumjagte. Won diejer geit an war die Herrjchaft der Mutter gebrochen, und die Tochter jpielte num die erjte Geige. „Daß die Mäufe ein gutes Gedächtnis bejaßen, erprobte ich Durch folgendes Exrperi- ment: Sch baute an die Glaswand des Käfige von augen eine Treppe von Higarrenfiiten heran, die bi3 an den oberen Rand des Zivingers reichte. Dan nahm ich die Mäujemutter und jeßte jie außerhalb ihres Heims auf den Tijch, der dem Käfig als Unterlage diente. Sie war jehr unruhig, wollte durchaus in ihre Behaufung zurück und juchte umjonft Durch das Glas zu dringen oder dur) Scharren einen Eingang zu erzivingen. Da entdeckte fie die Treppe, fprang auf die unterite Stufe und wieder herunter, verjuchte dann aber wieder auf! andere Weite ihr Ziel zu erreichen. Nachdem fie lange Zeit hin und her probiert und aud) im Laufe der Unterfuchung des Terrains viele Stufen der Treppe beftiegen hatte, fan jie. auch auf die oberite, jah von da in den Käfig hinein und fprang nun mit einem Sat in den- jelben. Wie ich jie hierauf das zweitemal herausjeßte, fand fie den Weg jehon fcpneller, und Wüjtenmäuje. 387 jpäter brauchte ich fie bloß auf den Tijch zu jtellen, um jie jofort auf die Treppe zueilen, dieje mit großen Sprüngen erjteigen und dann in den Käfig hinabjpringen zu jehen. „Luc in ihrem Heim wußten die Mäuje gut Bejcheid. ch hatte ihnen ein ganzes Labyrinth von unterivdischen Gängen aus Pappe aufgebaut, in welchen jie nun gejchäftig Din und her liefen, hier einen Gang verjchütteten, dort einen verbreiterten; hier einen Seiten- gang mit Hirje füllten und dann zugruben, dort in die Pappe eine neue Offnung nagten oder eine alte vergrößerten; ja jogar für ihren jpärlichen, trodenen und geruchlojen Schmuß hatten jich die jauberen Tierchen einen ganz bejtimmten Gang ausgejucht. Leider waren jie über die Bejiterareifung der einzelnen Abteilungen nicht immer einer Anficht, und oft fam es in den Gängen zu großen und erbitterten Kämpfen. Abjoluter Friede Herrjchte eigentlich nur, wenn jie, eng zujammengedrängt und jtch gegenfeitig erwärmend, fchliefen. „So ftreitfüchlig fie aber untereinander waren, jo friedlich und zutraulich zeigten fie jich dem Menjchen gegenüber, und wenn ich abends nur die Hand in den Käfig Hineinjtreckte, famen jie jofort herbei, um an ihr heraufzuflettern; ja, fie blieben, wenn ich meine Hand twagerecht hielt, lange vergnügt auf ihr jigen. Einen fomtjchen Eindrud machte es, wenn ich mit der geballten Zauft neben eine Maus Hinjchlug; denn jtatt erjchredt davonzufpringen, blieb jie ruhig jißen und bejchnüffelte die Hand neugierig. Sehr niedlich jah es aus, wenn ein Tierchen, auf der Hand jigend, einen Mehlwurm verjpeilte; denn Mehlwürmer waren ihr Zeibgericht, und jie fragen dieje mit großem Appetit und der bedächtigen Ruhe des Fein- jchmeders, wobei e3 vem Wurm allerdings übel erging, bejonders wenn fie an jenem Hinter- teil mit dem Anbeigen angefangen hatten. „gurcht vor anderen Tieren war den Mäufen gar nicht eigen, und jo wurde eine große Ningelnatter, die ich einmal Hineinjegte, nur wenig beachtet. Ebenjo fiimmerten fte jich auch um eine weiße Maus herzlich wenig; dagegen wurde eine Fledermaus heftig zerbilien, und Injeften wurden, einerlei ob groß oder Hein, jofort getötet und mit großer Begeiiterung gefrejjen.“ Eiffe brachte jeine Witernmäuje nicht zur Fortpflanzung, beobachtete aber an jeinen beiden Männchen öfter noch eine weitere merkwürdige Erjcheinung, die offenbar mit dem Sejchlechtsleben zufammenhängt: die „blutende Bruft“. „Tatjächlich ift das weiße Haar der Bruft gelegentlich von Blut dunfelcot gefärbt, und es zieht fich ein rötlicher Streifen bis zum Leibe genau in der Mitte hinab... Das eine Männchen rieb jich an diejen Tagen die Bruft an jpigen Steinen, Kanten und dergleichen, oder aber es jchartte jich einen Keinen Hügel und glitt dann mit der Bruft darüber hinweg...” Dieje Erjcheinung bejchränkte jich „nur auf die Männchen, und es befand jich der Fled jtet3 in der Mitte der Bruft”. Eine erflärende Bejtätigung diejer zunächit ganz unverftändlichen Beobachtung jucht man natürlich in Lataftes „Documents pour l’Ethologie des Mammiferes“, und zwar in der Premiere Serie, ir der Tagebuchnotizen über Nager in der Gefangenjchaft mit unermüdlichem Beobachtungseifer und unendlichen Fleiße zu einem dien Buche zufammengetragen jind. Eine unmittelbare Er- Härung derblutenden Brujt beim brünftigen Rennmausmännchen findet jich aber auch da nicht, nicht einmal eine unmittelbare Erwähnung; aus Latajtes eingehenden Schilderungen aber, die für wiljenjchaftliche Bearbeiter derartiger Fragen auf alle Fälle ein höchjt wertvolles Quellen- werf daritellen, läßt jich mittelbar jchliegen, daß das brünjtige Baar jich jehr wohl mit Blut be- fleefen ntag, da die Begattung durchaus nicht glatt vor jich geht, jondern exit nach wiederholten Berjuchen, bei venen Blut fließt. Troß der Schmerzen, die dem Weibchen hierbei zugefügt werden, ermweilt es vem Männchen anderjeits wieder Zärtlichkeiten, die man nach Latajte nicht anders denn als Küjje bezeichnen fann. Das Gejchlechtsieben ift, twie bei ven Nagern 25* 388 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. überhaupt, jobeiden Nennmäufeninsbejondere ganzerjtaunlich Hoch ausgebildet, und als eigen- artige Einrichtung auf diefem Gebiete mag hier noch der Scheidenpftopf (bouchon vaginal) ge- nannt werden, die bei Antvejenheit von Blut eritarrende Abjonderung der Gejchlechtöneben- drüfen des Männchens, die die Scheide des Weibchens nach Einfluß des Samens verjchließt. Die Sandrennmaus, Psammomys obesus Ortzschm.,-hat etiva die Größe unferer Wanderratte, aber einen weit fürzeren Schwanz, da diejer bei 32 cm Gejamtlänge nur 13 cm mißt, und ift oben rötlich fandfarben, [hwarz gejprenfelt, an den Seiten und unten Tichtgelb. Die Wangen find gelblichweiß, fein Schwarz geitrichelt, die Ohren hellgelb, die Pioten licht ocferfarben. Bon den Schnurren find einige jchwarz, andere weik, einige endlich an der _ Wurzel ichwarz und an deriSpibe licht. Das mwejentliche Merkmal der Gattung Psammomys Crtzschm. bilden die nicht gefurchten Schneidezähne, die nur am Snnenrande eine mehr an- gedeutete als ausgebildete Rinne zeigen. Sn Hgypten fieht man diefe Maus auf jandigen Stellen der Witte, befonders häufig auch auf jenen Schuttbergen, die alle Städte des Pharaonenlandes umgeben. Sie legt jich vielfach verzmweigte, ziemlich tiefe Röhren und Gänge an, am Tiebjten unter und zioijchen dem niederen Gejtrüpp und den wenigen friechenden Pflanzen, die ihre Wohnorte jpärlich genug bededen und ihr zugleich das tägliche Brot bieten. Da jie auch am Tage vor dem Bau erjcheint, fann man jie leicht beobachten. Dft-fieht man ihrer 10—15 umherrennen, miteinander jpielend verfehren, von diejer und jener Pflanze najchen. Ein herannahender Menich oder ein herrenlojer Hund verjcheucht die ganze Gefellichaft augenblidlich; aber es dauert nicht lange, und hier und da qudt wieder ein Köpfchen aus den Löchern hervor, und wenn alles ruhig bleibt, ift die ganze Gejellichaft in furzem wieder außerhalb der ficheren Baue. Ob jie ihrem Namen bejondere Ehre macht, Lafje ich dahingejtelft fein; ich Habe nicht wahrgenommen, daß fte fich durch befondere Schnelligkeit im Laufen auszeichnet. Über ihr Familienleben habe ich feine Beobachtungen gemacht. Die Araber fehen in den Rennmäufen unreine Tiere und verfolgen jie nicht. Um jo eifriger bejchäftigen jich die Straßenhunde mit der Jagd jolch Tederen Wildes, und oft jieht man einen diejer Köter mit der innigjten Teilnahme und lebhaftejten Spannung vor einem der Ausgänge jtehen. Das Gefangenleben, namentlich die Fortpflanzung in Der Gefangenjchaft, Hat Dal am beiten und ausführlichiten bejchrieben. „m 1. September warf meine Sandrennmaus jechs Junge. Sch entfernte das Männ- | chen aus dem Käfig und gab der Mutter frifches Heu, woraus fie jich alsbald ein bequemes Keit verfertigte. Die neugeborenen Jungen hatten das Ausjehen junger Wanderratten, jchtenen aber um ein wenig größer zu jein. Shre Mutter war jehr bejorgt um jie und ver- deckte jte, wenn jte das Lager verließ, mit Heu. Manchmal, namentlich in der ihr jehr wohl tuenden Mittagshise, legte fie jich beim Säugen auf die Seite, jo daß man die Jungen qut beobachten konnte. Dieje waren jehr lebhaft und faugten mit Begierde. Vier Tage nad) ihrer Geburt waren fie jchon ganz grau, am 6. Tage ihres LXebens hatten fie die Größe der Smwergmäufe, und der ganze Oberkörper war mit einem außerordentlich feinen Ylaum von ihieferblauer Farbe bevedt. Hr Wachstum ging rajch vonstatten. Am 13. Tage waren jie überall mit funzen Haaren bedeckt, der Oberkörper hatte fchon die eigentümliche, rehfahle ‚Jarbe der Alten, und die jchivarze Schwanzjpite fonnte man bereits deutlich erfennen. Sie liefen manchmal, wenn auch noch etwas unbeholfen und Ihwerfällig, um ihr Lager und Sandrennmaus. PDidjhwanzmaus. 389 machten, obgleich noch blind, öfters Männchen und pußten jich. Die Mutter verjuchte jie aber immer der Beobachtung zu entziehen, nahm eine nach der anderen ins Maul, brachte jie eiligjt nach dem Nefte zurüd und verbarg fie dort jorgfältig. Wenn man längere Zeit in ihrer Nähe verweilte, wurde fie jehr ängitlich und lief mit der größten Schnelligkeit int Käfig herum, eines oder das andere der Jungen im Maule tragend. Man glaubte be- fürchten zu müjfen, daß fie die zarten Tierchen verlegen möchte; doch war dies nie der Fall, und die Jungen gaben auch fein Zeichen des Schmerzes oder Undehagens. Alm 16. Tage ihres Lebens wurden fie jehend. Nun benagten fie jchon Hafer, Gerite, Mais, und einige Tage jpäter konnte man ich auch durch das Gehör von der Tätigkeit ihrer Nagezähne über- zeugen. Am 21. Tage hatten fie die Größe der Hausmäufe, am 25. die der Waldmäufe. Jebt jaugten fie nur jelten; doch bemerfte ich dies von einigen noch, nachdem fie über einen Monat alt geworden waren. Sie fraßen fchon von allem, was ihre Mutter zur Nahrung befam: in Wafjer gequollene Semmel, Zwiebad, Brot, Hafer, Gerjte, Mais. Der lettere behagte ihnen vorzüglich, wenn er frisch abgenommen und noch etwas weich war. Hanfjamen, Kürbiskörner liebten fie jehr; aus Birnen, Apfeln und anderem Objte fchienen fie fich wenig zu machen: jie fojteten nur zumeilen etwas davon.” „m 5. Oftober gab das feit dem 1. September abgejperrte Männchen zum erjten Male deutlich wahrnehmbare Töne von fich. Sie bejtanden aus girrenden, trillernden Strophen, in denen zum Teil etivas Melodie lag, ähnlich denen des Meerjchiweinchens, nur jchtwächer. Diejer Gefang dauerte wohl eine Biertelftunde; früher hatte ich nie etwas hnliches von meinem Gefangenen vernommen. Am 6. Dftober bemerkte ich zu meinem großen Erjtaunen, daf die Mutter der zur Welt gefommenen Jungen jchon wieder fünf Stleine geboren hatte. Sie war demnach 36 Tage trächtig gegangen und hatte jich alfo gleich nach ihrer Entbindung wieder mit ihrem Männchen begattet.“ Die lebte Gattung der Kennmäufe, die der Didjchmanzmäuje (Pachyuromys Lat.), die nur eine nord» und eine füdafrifaniiche Urt enthält (P. duprasi Lat. [Taf. „Nage- tiere XIV”, 6, bei ©.381] und P. auricularis Smith), ift jchon äußerlich durch den ganz eigen- tümlichen, jchtwach behaarten und daher fleiichwötlich fchimmernden, wurftförmigen Fett- ichwanz gefennzeichnet. Aber auch der Schädel hat ein auffälliges Merkmal in der riejig angeichwollenen Gehörblafe, die fich bis über die Hinterhauptshöder ausdehnt. Die nordaftikanische Art wird manchmal lebend eingefühtt; der Berliner Garten erhielt jie zuerjt von dem befannten Wiener Zoologen und hervorragenden Reßtilienfenner Dr. Franz Werner, der jie aus der Libyjchen Wüfte mitgebracht Hatte. „Ganz pußige Dinger find es“, jagt Hed („SU. Ztg.“, 1906), „mit ihrem graugelblichen, feidenweichen Fell und dem runden, grokäugigen Kopfe, den befannten Springmäufen ähnlich, die ja ebenfalls die dürren Wüjten- landjchaften Ügyptens und der anderen nordafrifanifchen Länder bewohnen. Das Sonder- barjte aber ijtderdidle Schwanz, von dem fie ihren fehr bezeichnenden Namen haben. Schwac) behaart und fleischrötlich jchimmernd, fieht er ganz fo aus, als ob jemand draufgetreten hätte, under infolgedejjen angejchiwollen wäre.” Die merkwürdige Schwanzfornt entiteht durch Fett- anhäufungen dajelbit, die ja am Schwanze in der Säugetierwelt nicht3 Unerhörtes find; man braucht nur an die Fettfchiwanzichafe zu denken. Bon der gewaltig vergrößerten Gehörblaje „möchte man wohl annehnien, daß dieje Eigentümlichkeit irgendiwie mit dem Leben in der trodenen Steppen- und Wüftenregion zufammenhängt. Vom Leben der Dikjchwanzmäuje wird jonft (nach) U. Smith) erzählt, daß es nächtliche, wanderluftige Tierchen find, die ji ei 390 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Mausartige. Erdbaue graben und fich Hauptjächlich von Injekten nähren.” Qebteres fommt bei Nagern nicht allzu jelten vor (vgl. unjere Brandmaus). Über die Liebesfampfipiele bei Gelegenheit der Begattung, das gegenfeitige Aufjuchen und Fliehen, Beigen und „Küfjen“ jotwie über Geburt und Entmwicelung der Jungen hat Latafte in feinem obengenannten eigenartigen Werfe ähn- lich eingehende Tagebuchaufzeichnungen gemacht wie bei den gewöhnlichen Rennmäufen. * Die Unterfamilie der Borfenratten (Phloeomyinae) mit der Gattung Phloeomys Wtrh. führt ung wieder auf die Philippinen, wo auch die oben (©. 379) gejchilderte, äußerlich ähnliche Gattung Crateromys hauft; im Badzahrıbau dagegen (Der erjte aus drei, die beiden anderen aus ‘zwei Duerblättern bejtehend) jchliegen fich dieje jtattlichen, mit Schwanz bi3 78 em langen Mausnager an die Nennmäufe an. Die Nagezähne find jehr breit, vorn glatt. Die Schnauze ift ungemwöhnfich kurz und die Umrißlinie des Kopfes daher jtarf gemölbt. Die Ohren find Hein, die Füße jehr breit und mit großen Krallen verjehen. Der Schwanz it fürzer als Kopf und Rumpf zufammen und im Gegenjaß zu Crateromys nur furz md jpär- fich behaart. „Das Haar ift dicht, lang und glänzend, von graumeißer und bräunlicher Farbe mit einem dreiedig geformten, länglichen, jeharf gezeichneten, braunfchwarzen Sattel auf dem Nicden, brauner oder jchwarzer Zeichnung im Geficht, braun und jchwarz gefärbten Schwanze und dunfeln Ohren. Die Behaarung ijt dachsartig zu nennen, und das drei- farbige, braun, jchiwarz und graugejchedte Ausjehen erinnert an Meerjchiweinchen.”" Nach U. B. Meder, dem früheren Dresdener Mufeumsleiter, der mit Hilfe des ausgezeichneten Sammlers Schadenberg die größte Neihe der jeltenen Borfenratten zufammengebracht hat, ündert deren Farbe und Zeichnung in den weiteften Grenzen ab. Meder jagt darüber („gool. Garten”, 1890): „Man Fennt fie faft ganz Hell (Mlbinos), nur mit brauner Schnauze, braunem Schwanz und ebenjolchen Ohren, oder oben braun und unten heller, auch ganz braun mit Schwarz, endlich noch unregelmäßiger gejchect und mit weniger jcharf gezeich- netem dunfeln Sattel. Nächtlic) lebende Cuscus- und Lemur-Irten 3. B. ändern auch be- fanntlich jehr in der Färbung ab, und jo liegt in Ddiejer verjchtedenen Farbenzeichnung der Borkenratten von Yuzon auch nichtS weiter als ein Variieren derjelben Art vor; Männchen und Weibchen jcheinen in der Färbung jich nicht zu unterjcheiden.” Meyer bleibt auf Grund jeine3 reichen Materials, das er noch mit dem jonft vorhandenen verglichen hat, auf das be- jtimmtejte dabei, daß es nur eine Art Borfentatte (Phloeomys cumingi Wtrh.) gibt, die dann den gejamten Inhalt der Unterfamilie ausmachen würde. Über das Freileben fcheint faum etwas befannt zu fein. „Denn auch in ihrer Heimat jind jte nach den YUusfagen von Dr. Schadenberg ... jelten, wie ferner der Umjtand bemeiit, dab bon den vielen miljenfchaftlichen Neifenden auf den Philippinen nur wenige Borken- tatten erhielten... Won den Sgorroten, unter denen Dr. Schadenberg fünf Jahre lang lebte, werden fie Altmaöng oder auch Zärla genannt, und man findet fie in Erdhöhlen am Zirae-Gebirge, Diftrift Tiagan, und am Monte Malaya in Lepanto, Nordluzon. Den Namen Borfenratten erhielten fie von ihrem exjten Bejchreiber Waterhoufe (‚Proc. Zool. Soc.‘, 1839), weil jte fich Hauptfächlich von Ainden nähren jollen. Da fie aber in der Gefangenfchait Früchte, Gras, Salat, Wurzefn, Mais, Reis und dergleichen, jelbft Fifche gern freifen, jo dürften fie auch im Sreileben ähnliches zu fich nehmen. Sie reifen wie die Eichhörnchen, Biejel und einige andere Nager, indem fie fich meist aufjegen und die Nahrung in den Vorder- - pfoten halten..., e3 find nächtliche Tiere, und ihre Lebensgewohnheiten follen Trjt jetst im ae A ME ne aa Ati ee "D2JDIU2Y1Og Borkenratte. Najenratte. 391 Dresdener Garten näher beobachtet werden.” Dorthin hatte nämlich Dr. Schadenberg 1890 pier Stüd lebend gebracht: die eriten, die in einem z3oologifchen Garten zur Schau gejtellt wurden! „Dr. Schadenberg jagt, jie jeien jtark und bijfig, und man müjje vorjichtig mit ihnen umgehen, was in Dresden auch jchon zu erfahren Gelegenheit gemwejen ijt. Sie geben, gereizt, ein quäfendes Grunzen von jich und jchnurren ähnlich wie Murmeltiere.” Über die Farbenabänderung gibt Meyer in feiner twiljenschaftlichen Arbeit noch ein ettwa3 weiter ausjchauendes Schlußwort: „Es leben eben, wie überall jonjt, Albinos mit anderen zujammen, und damit ift auch das Zufammenvorfommen aller Übergänge gegeben. Wie der Phloeomys der Zukunft ausjehen wird, läßt jich heute nicht bejtimmen; vielleicht ipird er weiß jein, wie Gymnura candida Gthr. von Borneo (Sentinf, ‚Notes Leiden Mus.‘, 1881). Heute fönnen wir nur fejtitellen, daß die Art jich zurzeit in jehr labilem Gleichgewichte bezüglich ihres Haarkleides befindet. Ob der jchwarzbraune Phloeomys oder der hellere mit dunklem Sattel und jolcher Kopfzeichnung aß Stammform anzujehen it, wird jich wohl bei mehr Material herausitellen... Dieje Frage wage ich nicht zu entjcheiden... Ammerhin aber ift im Freileben eine jolche Bartationsbreite der Färbung bei Säugetieren etivas YAus- nahmsweijes und fommt nur in verhältnismäßig twenigen Gattungen vor.” * Die nächite Unterfamilie, Najenratten, Rhynchomyinae, lebt gleichfalls auf den - Bhilippinen und enthält gleichfalls nureine Gattung (Rhynchomys Thos.) mit einer einzigen Yrt (R. soricoides Thos.). Diejer mußte aber notgedrungen im Nagerjyitem ein jo hoher Nang zuerkannt werden: ijt jie doch nicht nur einer der abweichendjten Mausnager in der ganzen großen Yamilie der Muridae, jondern vielleicht einer der abweichendjten Nager über- haupt. Abweichend gerade im wejentlichiten Merfinal, dem Gebiß, das die vollfommen jpigmausförmig verlängerte Schnauze enthält. ES ift zwar jchlieglich nach Zahl und all- gemeiner Anordnung noch ein Nagetiergebif, aber was für eins! Die Zähne find ganz außer- ordentlich zurücgebildet, im Verhältnis zur Größe des Tieres feiner al3 bei’irgendeinem anderen Nager, vielleicht jogar, abgejehen von den Walen, alS bei irgendeinem bezahnten Säugetier. Die oberen Nagezähne jehr kurz, jchmal und fchlanf, Stark gefrimmt, fo daß ihre Wurzeln im Schädel eine ganz eigentümliche Lage haben; die unteren, ebenfalls jehr jchlant, - laufen verntöge der jchrägen Begrenzung ihres vorderen Schmelzbelags in eine äußerjt feine Cpite aus, jo jpis wie eine Nadel. Die Badzähne find fo Hein, da jehver einzufehen ift, jwa3 jie dem Tier überhaupt noch nüsen fünnen. Bei einem der von dem Entdeder und Bejchreiber Thomas unterjuchten Stüde fehlt der hintere untere Badzahnı auf beiden Seiten, ‚ jo daß nur noch ein Badzahn vorhanden ift: das zeigt jehr deutlich die Richtung an, in der die fortjchreitende Nüdbildung der Badzähne geht! Mit ihrem eigentümlichen, jpigmaus- ähnlichen Hußeren, dem rücfgebildeten Gebif, der verlängerten Schnauze und ihren übrigen Merkmalen fchien diefe merkwürdige Gattung Thomas auf den erjten Blid vollfommen ver- einzelt unter den Nagergruppen; dann fand er aber durch die Gattung Echiothrix, Jgel- tatte, von Celebes eine Verbindung zur Unterfamilie der Mausartigen im engeren Sinne (Murinae), jo daß er feine neue Gattung Rhynchomys einigermaßen befriedigend al3 be- jondere Unterfamilie (Rhynchomyinae) in,der Familie der Mausnager im weiteren Sinne (Muridae) unterbringen fonnte. Die etiva rattengrofe Najenratte gehört auch zur Tierwelt des merkwürdigen Tafel- berges Monte Data im Inneren von Nordluzon und lebt dort 8000 Fuß über dem Meere. » an nd, a En a rn “ 392 8. Ordnung? Nagetiere. Familie: Mausartige. Der Sammler Whitehead hat leider nichts über ihr Leben erfahren können. Die Jgorroten fagten ihm, jie lebe von Gras; dies ift aber jedenfalls unwahr, da die Zähne für jolches Futter augenfcheintich ganz ungeeignet find. Anjekten und Würmer find vielmehr die Nahrung, für die folche verfümmerte Badzähne pafjen. Das Auge it verhältnismäßig Hein, mas den Ge- danfen nahelegt, daß die Nafenratte am Tage aufNahrung ausgeht wie die echten Spismäufe. * Einige andere mausartige Gattungen von den Philippinen (Crunomys, Chrotomys, Celaenomys) bilden mit den eigentlichen auftralifch-neuguineifchen Wajjermäujen die Unterfamilie der Hydromyinae, die lebte der Mausartigen im weiteren Sinne (Muridae). Sie twird mit den übrigen verbunden durch die philippiniiche Gattung Crunomys, die noch drei Baczähne hat. Die anderen Mitglieder der Unterfamilie haben deren nur zwei und bilden eben deshalb im Syitem eine Gruppe. Die durch das Gebiß vermittelnde Gattung Crunomys T’hos. au8 dem Gebirge des inneren Nordluzon, deren mwiljenjchaftlihen Namen man deutjch etwa Wildbahmaus überjegen könnte, hat ein dicht mit Stacheln Durchjegtes Haarkleid; nur der ziemlich Furze Schwanz ift dünn behaart. Der Schädel hat fchon die charafteriftiiche Form vieler Wajjer- nager: niedrig, abgeplattet, Stirnlinie eingebogen. Durch das Gebiß fennzeichnet jich die Gattung aß eine wirkliche Übergangsform, und der Beichreiber Thomas bezeichnet feine Wildbachmaus daher mit vollem Rechte al3 „Äußerit interejjant vom Standpunkt der Ent- twielungslehre aus; denn fie fügt ein weiteres Glied in die Berbindungsteihe ein, die zu der ganz abweichenden Gattung Hydromys hinführt, und ijt das leßte Glied, dejjen mir in Ddiejer Neihe bedürfen”. Nac) den weiteren Ausführungen in3 einzelne, die Thomas anfrüpft, unterjcheidet jich Hydromys in fünf Merkmalen von einer gewöhnlichen Maus. Yon diejen jind bei der zuerst entdedten Ziwijchenform Xeromys drei mausartig, zwei wajjermausartig, und ähnliches, nur in anderer Verteilung der Merkmale, fehrt bei den übrigen Berbindungs- gliedern (Chrotomys, Celaenomys und Crunomys) wieder. Wie alfe Übergangsformen, ift die Wildbahmaus Außerjt jchiwer in befriedigender Weife dem Syjtem einzureihen, und Thomas erklärt, daß er fie nur nach vielem Zögern den Wafjermausartigen eingefügt habe. Die einzige Art (Crunomys fallax T’hos.), ganz rattenartig, graubraun, mit Schwanz etiwas iiber 20 cm lang, wurde von Whitehead entdedt, aß er an einem Keinen Wildbach im Buchwald des Hochgebirges auf den Boy mit der Vogelflinte wartete: jie juchte am anderen Ufer zwiichen großen Steinen eifrig nach Nahrung umber, und er jchoß jte glücdlich ohne zu große Bejchädigung, indem er alles Schrot biS auf wenige Körner aus der Batrone Heraus- nahm. Das eigentümliche Gehabe hatte jeinem fcharfen Blid die Gewißheit gegeben, daß e3 jich um etwas Snterejfantes handle. & ; Die frapp rattengroße Öattung Chrotomys T'hos., zu deutjch etwa Buntmaus, mit ebenfall® nur einer Art:C. whiteheadi T’hos., fteht in ihrer Färbung einzig da unter allen Mausartigen im weitejten Sinne vermöge eine3 orangefarbenen, über den Kopf bis jen- jeitS der Augen fich fortfegenden Rüdgratftreifens, der beiderjeit3 von einem weniger jcharfen |hmwärzlichen Streifen begrenzt wird. Sie wurde von Whitehead ebenfalls auf dem Gipfel des Monte Data gefammelt, joll nach Ausjage der Eingeborenen von Gras und füen Kar- toffeln leben und ich deshalb viel in der Nähe der Anpflanzungen aufgalten. Sie muß aber auch im Tieflande vorfommen, denn Whitehead jah in Manila ein Stück aus dem Uxriwalde — / Wildbahmaus. Buntmaus. Dunfelmaus. Landmaus. 393 von Tarlac nördlich der Stadt; fie verbreitet fich aljo wahrjcheinlich durch ganz Luzon. Die - Farbentafel von Smit zu der Thomasjchen Befchreibung („Transact. Zool. Soc.“ 14, 1898) zeigt auch bei diejer Form jchon eine einigermaßen jpiß ausgezogene Schnauze, in Terte wird aber davon nichts erwähnt. Dagegen jagt Thomas von der nächjtverwandten, gleichfalls auf Grund der Whitehead- jchen Sammlungen neu aufgestellten Gattung Celaenomys 7’hos., nach ihrer düfter fchwarz- braunen Farbe jo genannt, deutjch Dunfelmaus, daß man fie auf den erjten Blick leicht mit der Najenmaus veriwechjeln Fönne. Wiederum nur eine einzige Urt, C. silaceus 7’hos.., die auf den Monte Data bejchränft und auch dort jelten zu fein jcheint, da binnen fünf Wochen nur zwei Stüd in der Schlinge gefangen werden fonnten. Schädel und Gebif; find aber nicht ettva jchtvach, wie bei der Najenmaus, jondern vielmehr Fräftig, ähnlich wie bei der Buntmaus, die Augen dagegen Hein iwie bei der Najenmaus und die ganze äußere Erjicheinung fpigmausartig. ; Sn Auftealien jelbft haben wir bereit eine Vorjtufe zur Wajjermaus in der ebenfalls von Thomas entdedten Gattung Xeromys T’hos., die anderjeit3 zugleich äußere hnlichkeiten mit der philippinifchen Wildbachmaus aufweilt. Deutjc) müßten wir jie Landmaus nennen, wenn wir den twillenfchaftlichen Namen verdeutjchen wollen, den Thomas wählte, um den Gegenjat in der Lebensweife gegen die Wajjermaus (Schwimmratte) troß naher jojtematifcher Veriwandtichaft zu bezeichnen. Dieje Berwandtichaft Tiegt aber einzig und allein im Gebiß; Schädel und äußere Merkmale find die der gewöhnlichen Mausartigen. Thomas fann die Bejchreibung feiner neuen Gattung, von der bis jeßt nur eine Art aus Nordauftralien, Dueensland, befannt ijt (X. myoides T’hos.), nicht vorübergehent lajjen, ohne daran ftanmesgejchichtliche Betrachtungen ettva folgenden Jnhalts zu fnüpfen. Bisher hatte man fich gejagt: Die Stammform der Wajjermaus wird ein germöhnlicher Mausnager mit drei Badzähnen gemwejen fein, der ein Waljerleben annahm, wie e3 unjere Wajjerratte und andere auch getan haben. Nachdem dann das Außere an die fchwimmende Berwegung angepaßt war und die Nahrung immer ausschließlicher nur im Wajjer gejucht wurde, warı- delte jich auch das Gebiß in die für die Gattung charakteriftiiche Form und Zahl. Dieje ganz natürliche und in fich jelbjt begründete Borftellung ift durch die Entdedung der Landmaus plößlich über den Haufen geworfen; denn dieje hat ohne Wajjerleben diejelben Eigentümlich- feiten des Gebiljes. In Wirklichkeit wird aljo die Herausbildung der abweichenden Wajjer- maus etwa folgendermaßen vor jich gegangen fein. E3 mögen in Auftralien, vielleicht noc) in verhältnismäßig junger Vergangenheit, eine oder mehrere Arten einer landlebenden Gat- tung vorhanden gemwejen fein, die mausartiges Hußere und Schädel mit einem Wafjermaus- gebii vereinigte, aljo ungefähr das, was toir heute Xeromys nennen. &inige Mitglieder diejer Gattung nahmen ein Wafjerleben an und veränderten dadurch alle Merkmale, die irgendwelche Beziehung zum Schwimmen haben, wie Größe, Form des Stopfes und Schä- dels, Bau der Schnauze (um das Wafjer zu ducchichneiden und fein Eindringen in Den Mund zu verhindern), ftarfe Entwidelung der Schnurrhaare, Dichte und Glanz des Felles, bejon- dere Falten in der Ohrmujchel, Schwimmhäute zwijchen den Zehen, Rüdbildung der Sohlenmwüljte, Vergrößerung und kräftigere Ausbildung des Schwanzes nebjt jeiner Be- haarung. Anderjeits blieben Zahl und Bau der Zähne und gewijje Schädelmerfmale unver- ändert, weil von der Änderung der Lebensmweife unberührt. Als Barallelfall führt Thomas ER 394 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Schlafmausartige. noch die beiden Bijamratten an, den jeltenen Neofiber aus Florida, der in diejem Zu- fammenhang Keromys, und den gewöhnlichen, weit verbreiteten nordamerifantichen Fiber, der Hydromys entjpräche. Die ganze Familie der Mausartigen im meiteiten Sinne abjchließend, fommen tir endlich zur auftraliichen Wafjermaus oder, in Anbetracht ihrer jtattlichen Größe (mit dem förperlangen Schtwanze über 60 cm Gejamtlänge) bejjer gejagt: Auftraliihen Shwimm- vatte (Gattung Hydromys E. Geoffr.), die in Auftralien jelbjt durch drei Arten mit zwei Unterarten und auf Neuguinea durch eine weitere Art vertreten it. Bon ihrem abmweichen- den Gebik, das nur zwei Badzähne enthält, und jonjtigen Eigentümlichkeiten des Ktörper- baues, die man a8 Anpalfungen an das Wafjerleben deutet, ift bei Schilderung ihrer Ber- wandten im vorjtehenden jchon fo viel die Rede gewejen, daß wir hier ihre eigentliche Be- ichreibung furz fajjen Fönnen. Die Najenjpige ift dicht behaart, und die Najenlöcher Tönnen fejt verjchlofjen werden. Die Heinen Ohren ragen nur wenig aus dem Pelze hervor. Die auffallend langen, kräftigen Zehen der Hinterfüße find bis auf die äußerfte durch Schwimm- häute miteinander verbunden. Der drehrunde, zugeipiste Schwanz ijt mit jtarren, anliegen- den Haaren dicht bedeckt. Am Schädel hat der Borderteil des Jochbogens jeine bejondere, von der der gewöhnlichen Mausartigen abweichende Form. An den beiden Badzähnen, namentlich dem exjten, der dreimal jo groß ift wie der zweite, nu&t jich die Zahnjubjtanz napfförmig ab, und die quer einjpringenden Schmelzfalten jtehen als jchneidende Ränder vor, deren Schärfe mit der jonjtigen Abnugung des Zahnes zunimmt. Die ältejtbefannte Art (Hydromys chrysogaster E. Geoffr.; Taf. „Nagetiere XV“, 2, bei ©. 396), die jehr früh, 1805, von Etienne Geofftoy Saint-Hilaire bejchrieben wurde, tit oben dunfelbraun, an den Seiten und unten jatt goldrötlich gefärbt und hat davon ihren Yrtnamen, der Solbbaud bedeutet. Die größere Endhälfte des Schwanzes ift weiß. Schon Gould war aber nicht im Zweifel, daß Auftralien mehrere Arten beherbergt, und Beters hat noch eine aus Neuguinea Hinzugefügt. Die Schwimmratten jind ausgejprochene Iaffertiere, die an jchlammigen Wajjer- läufen und Tümpeln, aber auch an den Ufern der größeren Ströme und feinen Mleeres- buchten leben. Siemlich jcheu im Wejen und nur nachts rege, fommen jte nicht jo oft zu Gejicht, wie man glauben möchte; jie jind aber nicht jehwer zu erlangen, wenn man jie haben will. Wie man fhon am Bau der Hinterfühe jieht, ift das Waffer ihr Element: jie Ihwimmen und tauchen mit der größten Leichtigkeit und entziehen fich ebenjo leicht den Bliden zwijchen dem Schilfgras, das die Ufer befäumt, oder verjchtoinden nach Art der euro- pätichen Wafjerratte in ihrem Bau. Wie viele auftralijche Säugetiere, fitt auch Die Schwimm- ratte gern auf den Hinterbeinen: jo jieht man fie oft auf großen Steinen, halb unter- gejunfenen Baumftämmen und anderen vorragenden Lieblingsplägen. (Gould.) Über die Nahrung jagt Gould in jeiner Hauptjchilderung merkwürdigermweije nichts, jpäter bei einer weiteren Art nur beiläufig, daß diefe von PWflanzenftoffen, Weichtieren und dergleichen lebe. Die auftralifchen Koloniften nennen unfer Tier, nach Lhydeffer, Biberratte: ein guter Name, wenn er nicht jchon für einen befannteren füdamerifanifchen Nager vergeben wäre. * Die Familie der Bilche oder Schlafmansartigen (Myoxidae), zu der wir uns jebt menden, bejchließt nach unferer Anordnung die große Gruppe der Mausförmigen im aller- meitejten Sinne (Sectio Myomorpha) und leitet im Nußeren zu der legten Nagerjeftion, den Fo “A Auftralifche Schmwimmratte Stadelbild. 395 Eichhornförmigen (Sectio Sciuromorpha), über. Syn Gejtalt und Wejen jtehen die Bilche den Eichhörnchen nahe, unterjcheiden jich von ihnen aber bejtimmt durch Eigentümlichkeiten ihres Daues. Sie haben einen jchmalen Kopf mit mehr oder minder jpißiger Schnauze, ziemlich großen Augen und großen, faft nadthäutigen Ohren, gedrungenen Leib, mäßig lange Gtied- maßen, zart gebaute Füße mit vorn vier Zehen und einer plattnageligen Daumentmarze, hinten fünf Zehen, mittellangen, dicht, oft bujchig und zmweizeilig behaarten Schwanz und reichen, weichhaarigen Belz. Die Vorderzähne jind vorn flach gerundet, die unteren jeitlich zujammengedrüct, die vier Badzähne in jedem Siefer haben Deutlich abgejeßte Zahnmwurzelnt und zahlreiche, ziemlich regelmäßig fich abfchleifende, mit ihren Schmelzwänden tief in den Zahn eindringende Duerfalten. Dabei ijt eine fortjchreitende Ausbildung nach einer ge- mwijjen Richtung Hin bei den verjchiedenen Hauptgattungen zu beobachten. Bei Eliomys jind die Höder der Badzähne noc, groß und ihre Zahl wie die der Schmelzfalten gering; bei Dyromys und Glis find die Höder Feiner und die Zahl der Schmelzfalten höher; bei Muscardinus fehlen die Höcder völlig, und die Oberfläche der aus zahfreichen Schmelz- falten bejtehenden Badzähne ift zu einer jehr wirfjamen Stauplatte geworden. Der Schädel ähnelt dem der Mäufe mehr als dem der Eichhörnchen. Der Blinddarm fehlt. Die Schlafmausartigen find jämtlich Bewohner der Alten Welt. Hügelige und bergige Gegenden und hier Wälder und Bormwälder, Haine und Gärten find ihre Aufenthaltsorte. Cie leben auf und in den Bäumen, jeltener in jelbjtgegrabenen Erdhöhlen zwijchen Baum- twurzeln oder in Fels- und Mauerjpalten, unter allen Umständen möglichjt verborgen. Bei weiten die meiften durchjchlafen den Tag und gehen nur während des Morgen- und Abend- dunfels ihrer Nahrung nach. Aus diefem Grunde befommt man jte jelten und bloß zufällig zu jehen. Wenn jig einmal ausgejchlafen Haben, find jie Höchit bewegliche Tiere. Sie fönnen vortrefjlich laufen und noch bejjer Klettern, nicht aber auch, wie die Hörnchen, bejonders große Sprünge ausführen. In gemäßigten Öegenden verfallen jie mit Eintritt der Fälteren Jahreszeit in Exftar- rung und verbringen den Winter jchlafend in ihren Nejtern. Manche häufen ich für dieje Zeit Nahrungsporräte auf und zehren davon, wenn jte zeitweilig erwachen; andere brauchen dies nicht einmal, da fie jich vorher jo gemäjtet Haben, daß jie von ihrem Fette leben fönnen. Shre Nahrung jind Früchte und Sämereien aller Art; die meijten nehmen auch Snjeften, Eier und junge Vögel zu ih. Beim Frejjen jiten je, wie die Eichhörnchen, auf dem Hinterteile und führen die Speije mit den Borderfüßen zum Mumpe. Einige lieben Gefelligfeit und halten ich wentgitens paarwetje zujfammen; andere jind äußerft unverträglich. Das Weibchen wirft während des Sommers in einem zierlichen Neit jeine Jungen, gewöhnlich 4—5, und erzieht jie mit großer Liebe. Jung eingefangen, werden alle Schläfer leidlich zahm; doch dulden fie e3 nicht gerit, daß man fie berührt, und alt ein- gefangene lajjen jich dies nie gefallen. Einen irgendwie nennenswerten Nuten bringen Die Bilde uns nicht; wohl aber fönnen auch jie Durch ihre Räubereien in Gärten uns Schaden zufügen. Shre zierliche Geftalt wirbt ihnen nearient mehr Freunde, al3 die meilten von ihnen verdienen. Wir beginnen mit der Unterfamilie Platacanthomyinae, weil ihr Hauptvertreter, nach dem jie genannt ift, der jüdindishe"Stachelbilch von der Malabarfüfjte, Platacanthomys lasiurus Blyth, wieder eine Übergangsform zu fein jcheint. Mit den Bilchen hat er unter anderem gemein, daß ihm der Blinddarm fehlt. Einen jolchen bejist aber die zweite, noch 396 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Schlafmausartige. ieltenere Gattung der Unterfamilie, die danach) wohl jo genannte Typhlomys (= Blind- [darm]maus), ebenfalls mit nur einer Art, T. einereus A.M.-E., aus dem Sinneren der Provinz Fofien in Südoftchina, diedaher noch mehr den Übergang zwifchen Mäufen und Schlaf- mäufen vermittelt. — Der Stachelbild) muß ein hübjches Tierchen fein, das im Gebirge etwa 2000 engl. Fuß hoch lebt und für die wiljenfchaftliche Syjtematif durch die Figuren feiner Bakzahnkonen gekennzeichnet ift. Außerlich fallendie großen, zugejpisten Ohren und der (ange, nach der Spite zu immer länger und bujchiger behaarte Schwanz auf. Die Farbe it oben vötlichhraun, unten weißlich} die Länge beträgt mit Schwanz etwa 25 cm. Auf der DOberjeite ftehen zwijchen den Haaren breite, flache Stacheln mit verdidten Rändern. Nad) Mitteilung des Entdeders, eines Neverend Baker, an den Sndienforjcher Blyth lebt der Stachelbilch ausjchlieglich auf hohen Bäumen, auf denen er jich Aitlöcher aushöhlt und mit Blättern und Moos auspofitert. Die Bergbewohner behaupten, daß er viel Pfefferpflanzen zerjtöre und auch an der jogenannten Engel und Jafobsfrucht (Aretocarpus incisa und A. integrifolia) ernfthaften Schaden mache; ebenjo joll er auf gärenden Balmjaft, den Balm- - wein, erpicht fein. - & Chte Schlafmausartige oder Bilche (Unterfamilie Myoxinae) gibt e nur in der Raläarktifchen und ihiopifchen Region, d. h. einerjeits in Europa, im nichttropiichen Ajien und in Norwdaftifa (die Gattungen Glis, Dyromys, Muscardinus, Eliomys) und anderjeits in Afrika füdlich der Sahara (Gattung Graphiurus). Die erjte Gattung (Glis Briss., Myoxus) wird von dem Stiebenjchläfer oder Bilch, Glis glis Z. (Taf. „Nagetiere XV“, 1), und jeinen Verwandten gebildet. ‚Der Siebenjchläfer gehört zu den Tieren, die dem Namen nach weit bejjer befannt jind al3 von Gejtalt und An- jehen. Seder, der jich mit der alten Gejchichte bejchäftigt hat, Fennt diefe Schlafmaus, den bejonderen Liebling der Römer, zu dejjen Hegung und Pflegurg eigene Anjtalten getroffen wurden. Eichen und Buchenhaine umgab man mit glatten Mauern, an denen die Gieben- jchläfer nicht emporflettern fonnten; innerhalb der Umgebung legte man verjchiedene Höhlen an zum Nijten und Schlafen; mit Eicheln und Kaftanien fütterte man hier die Bilde an, um jte zulegt in itdenen Gefäßen oder Fäjjern, Olirarieft genannt, noch bejonders zu mäjten. Lie und Die Ausgrabungen in Herkulaneum belehrt haben, waren die zur legten Mäftung be- Itunmten Ölirarten Heine, halbfugelige, an den inneren Wänden terrajjenjürmig abgeteilte und oben mit einem engen Gitter gejchloffene Schalen. Sn ihnen fperrte man mehrere Sieben- ichläfer zufammen und verjah fie im Überflufje mit Nahrung. Nach vollendeter Mäftung famen die Braten als eines der lederjten Gerichte auf die Tafeln reicher Schlemmer. Den Siebenjchläfer, einen Bild) von 16 cm Leibes- und 13 cm Echiwanzlänge, fenn- zeichnet Hauptjächlich die Geitalt feiner Badzähne, von denen zwei größere in der Mitte und fleinere vorn und Hinten teen, und deren Kaufläche vier gebogene, durchgehende und drei - halbe, oberjeit3 nach augen, unterjeit3 nach innen fiegende Schmelzfalten zeigt. Der weiche, ztemlich dichte Pelz ift auf der Oberjeite einfarbig afchgrau, bald heller, bald dunkler jchwärz- fichbraun überflogen, an den Seiten des Leibes etwas lichter und da, wo jich die Rüden- jarbe von der der Unterjeite abgrenzt, bräunlichgrau, auf der Unterjeite und der Snnenjeite der Beine, jcharf getrennt von der Oberfeite, milchtweiß und filberglänzend. Der Najen- - rüden und ein Teil der Oberlippe zwijchen den Schnurren find gräulichhraun, der untere Zeil der Schnauze, die unteren Baden und die Kehle weiß, die Schnurren jehwarz, die Nagetiere XV. 1. Siebenichläfer, Glis glis 2. 1/4 nat. Gr., s. S.396. — P. Kothe-Berlin phot. 2. Auitraliiche Schwimmratte, Hydromys chrysogaster E. Geoffr. 1/4 nat. Gr., s. 5.394. — W.S. Berridge, F. Z. S.-London phot. 3. Tiroler Baumichläfer, Dyromys nitedula intermedius NArg. !/2 nat. Gr., s. S. 407. — K. Soffel-Sch!oß Paschbach, Eppan (Südtirol), phot. $ 1/2 nat. Gr., s. S. 408. — K. Soffel-Schioß Paschbach, Eppan (Südtirol), phot. 5. Hafelmaus, Muscardinus avellanarius Z. 1/2 nat. Gr., s. 5.415. — P. Kothe-Berlin phot. N } Blinddarmmaus. Siebenjchläfer. 397 mittelgroßen Ohven außen dunfel graubraun, gegen den Rand hin lichte. Um die Augen zieht jich ein dunfelbrauner Ring. Der bufchig und ziweizeilig behaarte Schwanz ift bräunfich- grau, unten mit einem weiglichen Längsjtreifen. Berjchiedene Abänderungen fommen vor. Mittel-, Sitd- und Ofteuropa find das Vaterland des Siebenfchläfers; doch Hat man für den Süden unjeres Exrdteil3 eine Anzahl Unterarten abgefpalten. In Sfterreich, Steiermark, Kärnten, Mähren, Schlejien, Böhmen und Bayern ift er häufig, in Ktoatien, Ungarn und dem jüdlichen Rußland gemein; im Norden Europas, fchon im größten Teile Norodeutichlandgs, in England, Dänemark, fehlt er. Des Näheren fei über feine WVerbrei- tung noch folgendes angefügt. Nach Schmiedefnecht („Wirbeltiere Europas”, 1906) ift er bei Blankenburg am Harz in Buchenmwaldungen durchaus nicht jelten. Jim Hannöverjchen ijt er, nach Hermann Löng („Beiträge zur Landesfauna”, 1906), ebenfalls nur für das Zaub- holzgebiet de3 Berglandes fejtgejtellt, aber an mehr Orten alS die Hajelmaus, nämlich Ichon durch Bechjtein für Göttingen, wo er auch Heute noch gar nicht jo jehr jelten ift; aus Moringen erhielt ihn das Schulmufeum, aus dem Bobertale bei Barbis das Provinzial- mufjeum in Hannover, Rudolf Löns fing ihn mehrfäch bei Scharzfeld, Leunis ftellte ihn fiir Löder und Ippen bei Hildesheim, Forjtmeijter Wallmann für den Oftertwald, andere fürWel- Iingholzhaujen bei Dsnabrüd, für Getsmar bei Göttingen, für den Wohldenberg bei Derne- burg und für den Deifter feft. Bon den Nachbarländern Hannovers befiten ihn Braunfchtveig und Weitfalen. Im jüdlichen Weitfalen ift er nach Wiemeyer-Warftein („Zool. Garten”, 1894) jelten; der genannte Beobachter erhielt ein altes Weibchen nebjt einem halbtwichjigen Jungen vom Boden des bei der Bilfteiner Höhle ftehenden Reftaurants, two fie „ihr Neft in einem Heuhaufen errichtet Hatten... Mitte November hatte die Mutter ihr Teibliches Kind getötet und gänzlich verzehrt, troßdem Nahrung in Hülle und Fülle gereicht worden war.” Für Brandenburg find nur zwei Funde vom Giebenjchläfer befannt (Friedel, „Wirbel- tiere der Provinz Brandenburg”, 1886, führt die Neumark, aljo die Gegend von Küftrin, an), in Schleswig-Holitein und Oldenburg fehlt er. Dagegen hat ihn Wasmuth in feine „Tabella- tiiche Naturgefchichte der Dftjeeprovinzen, bejonders Ejtlands”, mit ruffifchen, eftnijchem uno lettiichem Namen aufgenommen, vielleicht gejtügt auf Oskar dv. Yoetwis, nach dem der Siebenjchläfer in Livland „nicht über 56° 40°, d. h. eben nur an der äußerjten Südgrenze, dem Norduferrande der Düna, und zwar in bejchränktefter Ausbreitung von nur wenigen Werften vorfommt... Die Dina bildet dort die Grenze zwifchen Livland und Kurland.” Zu der Säugetierwelt Stdrußlands (Wolgagebiet, Rodolien, Wolhynien) gehört er ja einft- weilen noch; denn jelbjt der genaue Satumin hat Glis glis Z. im nordöftfichen Kaufafus jejtgejtellt, wenn auch nur äußerft felten und nur in den Wäldern und Gärten der Fluf- täfer. („Über die Säugetiere der Steppen des nordöftlichen Kaufafus”, 1901.) Ganz neuer- dings hat er jedoch nach einem Stüd aus dem transfajpiichen Mufeum in Aschabad, das im Kopet-dagh gefangen war, eine „Kajpijche Bilchrajje” als G. g. caspicus Sat. bejchrieben, die jich Durch einen weißen Streifen längs der Unterfeite des Schwanzes unterjcheidet, und zu diejer Unterart rechnet er auch den Siebenfchläfer des Talyjchgebietes in der füdöftlichen Ede des Kaufajus, diesjeits des Kafpiichen Meeres. So vollzieht fich auch in der foftematijch- geographiichen Betrachtung und Begrenzung des Siebenjchläfer3 der jebt überall in der Säugetierfunde zu beobachtende Vorgang, daß immer neue Arten und Unterarten ab- gejplittert werden müjjen, jobald man eine Form oder Gruppe, die man biß dahin für jehr weit verbreitet hielt, genauerer Unterfuchung unterwirft: Satunin fragt fchon nach „dem Wohnort der tgpifchen Art” und meint mit Recht, daß als folcher „wahrscheinlich Deutfchland 398 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Schlafmausartige. anzufehen ift, da der Bilch in Schweden (dem Heimatlande des großen Nomenflators Linne, der ihn benannt hat) nicht vorfommt”. („Neue und wenig befannte Säugetiere aus dem Kaufafus und aus Transfajpien”, 1905.) Aus Mitteldeutichland, dem Königreich Sachjen, Hat neuerdings JZimmermann-Rochlik wiederholt ausführlichen Bericht gegeben („Zool. Garten“, 1905 u. 1906) und mißt diejem mit Necht bejonderes Snterejje bei, „va nad) Fidel (‚Die Literatur über die Tierwelt des Königreichs Sachjen‘, 1901) der Schläfer anjcheinend gleich dem Ziejel und ähnlich der an- derratte feit vorborigem Jahrhundert in einer Wejtwärtswanderung begriffen: it“. Auf Grund jeiner forgfältigen Feititellungen vermag Zimmermann ein einleuchtendes Bild über die Einwanderung und Ausbreitung des Siebenjchläfers in Sachjen zu zeichnen (eine Starte gibt ex bei) und fommt zu der Überzeugung, „daß die Einwanderung von Böhmen aus längs der Elbe gejchehen it, und dab der Schläfer zunächit die laubwalobeitandenen und obftreichen Gegenden IinfS und rechts von der Elbe bejegt hat. Nördlich ift er bis zum Plauenfchen Grunde vorgedrungen und von hier aus dem Nordabhange des Erzgebirges ent- lang wejtwärts in das Gebiet des Chemnißflujjes geivandert. Diejen ijt er abwärts in das Gebiet der Zwidauer Mulde und jchließlich in daS der vereinigten Mulde gefolgt und hat lich von den Tälern aus über die Nachbargebiete (Laufid) verbreitet. An diejem Bilde ändert auch der Umstand nichts, dat Nachrichten über fein Vorkfommen in dem weiten Landjtriche zwijchen dem Clbgebiete und dem des Chemnitflujjes und der Mulde vollitändig fehlen. Denn zunächjt halte ich e8 für nicht ausgejchlojjen, daß er in ihm gleichfalls noch vorfommt, und dann jteht einer anderen Einwanderung in das leßtere Verbreitungsgebiet der Umftand entgegen, daß er Dabei den Stamm des Erzgebirges hätte überjchreiten müjjen. Das halte ic) aber auf Grund jomwohl der Elimatijchen al3 auch der Begetationsverhältnifje für völlig aus- gejchlojjen.” Sr der öfterreichtich-ungarischen Monarchie lebt der Siebenjchläfer, nach Niojjt- jovics, „Tajt in jedem Stronlande. Er findet jich in Niederöjterreich, Steiermarf, Kärnten und in großen Majjen in Srain, jeltener in Oberfrain; er tritt füdlich in Dalmatien auf, wejtlich in Tirol, it in Laubwäldern Ungarns, jowohl in den jüdungarischen Ebenen iwie bet Pref- burg, im Ofener Gebirge, in Arva Varalja (Tatragebiet, aber nicht im Hochgebirge), in Sieben- bürgen, Galizien und zahlreich in Böhmen vorhanden. Eichen- und Buchenmwälder liebt er bejonderz, diejen folgt er auch in die Bergregion hinauf. Im Überjchivemmungsgebiete, im Niede überhaupt fehlt er; aber im Yaubwalde wird er namentlich im Winter bei Füllung alter Eichenüberftänder öfter in Gejellichaft von 4—6 Stücd angetroffen..." — Auf Schweizer Ge- biet fommt der Stebenjchläfer, nach Fatio, im Tele und im Gebirge, jowohl im Jura als in den Alpen vor, geht aber nicht fo hoch wie der Gartenfchläfer; iiber 1500 m hoch. ift ex nicht nachgewiejen worden. Nach Fatio jcheint er nirgends jehr häufig zu fein, während Tjehudt verjichert, daß er im Stanton Schaffhaufen „periodijch in jtarfer Zahl erjcheint“, jeine größte Verbreitung aber in dent tejjinischen Gebirge hat, two ex mit Borliebe die Kaftanienwälder aufjucht. Sn den Niederlanden ift er, nach Neuvens („Die Myoxidae oder Schläfer”, In- auguraldiijertation, 1890), „nur einmal gejehen worden, und zwar in der Provinz Limburg“. Wenige Nager dürften e3 dem Bilde an Gefräßigfeit zuvortun. Er frißt, jolange er frellen fann. Eichen, Bucheln, Hafemüffe bilden vielleicht feine Hauptnahrung, Walnüffe, Kaftanien, füuhes und jaftiges Obft werden aber auch nicht verjchmäht, und tiexijche Koft Icheint ihm geradezu Bedürfnis zu fein; wenigjtens iiberfältt, mordet und verzehrt er jedes Kleinere Tier, das er erlangen Fann, plündert Nefter aus, twiirgt junge Vögel ab, tritt iiberhaupt nicht jelten al3 Raubtier auf. Wafjer trinkt ex wenig, und gar nicht, tvenn er jaftige Früchte Hat. Giebenjchläfer. 399 Frag an Waldkulturen läßt jich der Siebenfchläfer wohl auch manchmal zujchulden fommen; doch ijt diefer Schade, nach Altum, faum jemals bedeutend und wahrjcheinlich mehr der Hajelmaus zuzujchreiben. Dagegen „wo er in großer Menge vorfommt, wie 3. B. im füdfichen Strain, wird er jchon Durch das VBerzehren der Buchenmaft fortichädfich. Er fcheint Jich dann gleichjam wandernd nach den maftreichiten Orten zu begeben”, was Mojitfopicz bejtätigt. „Die Wanderzüge des Frainischen Bilches im Herbite nach den majtreichiten Orten jind begünstigt durch den Zufanımenhang der Wälder Snnerkrains mit jenen Siroatiens und Bosnienz einerjeit, jenen der Juliichen Alpen, des Hämus und der Dinarischen Alpen ander- jeits. Am zahlreichiten findet er jich füdlich des Laibacher Moores, von wo aus zivei bewal- dete Gebirgszitge einerjeits öftlich über Gottjchee nach Mötling, Unterkrain und vem Balfan- gebiete hin, anderjeits über den Schneeberg (Snnerkrain) nach Ftume und dem Velebit jich eritreden. Bom Ternovaner Forite oberhalb Görz beginnend, Fann man durch das Sprianerz, DBirnbaumertwald-, Schneeberg», Gottjcheer- und Usfofengebirge wochenlange Wanderungen unternehmen, ohne Den Wald länger zu verlajjen. Das tft die Frainijche Heimat des Bilches !" Für den Landwirt fommen, nac) NRörig („Tierwelt und Landivirtichaft”), „Die Schlaf- mäuje nur injoweit in Betracht, als fie gelegentlich jeine Objtplantagen brandichagen”. Dies tut der Siebenfchläfer aber ftellenmweije doch in recht empfindlichem Mahe. So berichtet Zimmermann aus Sachen: „Un den Orten feines Borkommens tritt der die Gejelligfeit liebende Bilch jtets in größeren Mengen und immer ftarf jchädigend auf. Hempel berichtet, daß im Chemnibtale aus Starfajten 24 alte und 56 junge Tiere hervorgeholt worden jeien; ich jelbjt Habe im verflojjenen Jahre gleichfalls in Starfaften auf dem Rochliger Berge gegen 25 ältere und jüngere Tiere gefangen, und in den Obitanlagen des Nochliber Schlojjes jind nahezu ebenjo viele erlegt worden. uch in früheren Jahren hat man hier und auf dem Nochliger Berge ähnlich große Mengen gefangen und getötet; ein merflicher Nücgang in dem Beitande des Tieres ift indejjen nicht eingetreten; vielmehr will es mir fcheinen, als ob e3 auf dem Nochliger Berg in ftändiger Zunahme begriffen fei. Schädlich wird der Bilch in hiejiger Gegend durch die Plünderung der Objtbäume. Nicht nur, daß er des Nachts alle Früchte — irichen, Pflaumen, Pfirfiche, Birnen, Apfel uf. — angeht und in feiner unglaublichen Gefräßigfeit beträchtliche Mengen an Ort und Stelle verzehrt oder annagt und damı zu Boden fallen läßt, verjchleppt er fie auch nach feinen Schlupfwinfeln. Sch jand einen Starfajten, in dem einige Schläfer des Tags über Siefta hielten und dejjen innere Bodenfläche ettva 20 cm im Geviert maß, nahezu 20 cm hoch mit Kirfchfernen und Stielen, untermijcht nur mit einer ganz geringen Quantität Gras und einigen Holzjpänen, angefüllt. Aber nicht allein im Freien räubern dieje Tiere, fondern fie dringen auch in die Gebäude ein und fahnden in diejfen nach allerhand Zedereien. Im Haufe meiner Eltern (auf dem Noch- lißer Berge) war im verflojjenen Sommer wiederholt das VBergamentpapier der im Steller jtehenden Konjervengläjer durchnagt und die eingemachten Früchte angegangen. Meine Mutter jchloß anfangs auf Mäufe und bededte die Gläjfer mit fchweren Brettchen. Wer aber bejchreibt ihr Erjtaunen, al3 nach einigen Tagen die Brettchen herabgeworfen und die Früchte aufs neue angegangen waren. Für mich jtand es nun feit, daß nur Siebenfchläfer, die Dutch das immer offen jtehende Fenfter bequem in den Keller eindringen fonnten, ale Räuber der Früchte in Betracht kommen konnten.” Das beftätigte ich, un® im Einklang mit diejem Fall jteht auch der Fund eines Bilches in dem Neftaurant Friedensburg am König- jtein, two jich das Tier in Brot eingenagt hatte und in jenem Magen.Kompottrefte barg. „Der Siebenjchläfer ift ein ausgejprochenes Nachttier. Mit beginnender Dunkelheit Eu Ka ee 400 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Schlafmausartige. verläßt er feine Schlupfmwinfel und fehrt exit beim Morgengrauen wieder dahin zurüd. Ver- einzelt nur habe ich ihn auch tagsüber auf Objtbäumen angetroffen und — während meiner KRnabenzeit — dann jogar Jagd auf ihr gemacht, indejjen jtet3 mit negativem Erfolge. Er flettert gut und link; weite Sprünge ähnlich dem Eichhörnchen macht er dagegen jelten und wagt jie — dann aber mit großem Gejchid — wohl nur, wenn er verfolgt wird. Am Boden vermag er, wenngleich auch nicht mit der Gemwandtheit wie auf Bäumen, ebenfalls rajch dahinzueilen, fühlt jich aber hier nie vollfommen jicher. An dem erjten aufmwärtsitrebenden Gegenjtand Hettert er empor, um von ihm aus nötigenfall® auf einen noch höheren zu ge- langen. ©&o fam es, als ich im verflojjenen Sommer auf dem Rochliger Berge die Starfaften nach dem Schläfer durchjuchte, wiederholt vor, daß einige entwijchte Tiere jelbit an mir und meinen Begleitern emporfletterten, um von hier aus — einige Male mit gutem Erfolg — den rettenden Sprung nach einem nahen Baume, einer Yaube oder dergleichen zu wagen. Troß ihres großen Hange3 zur Gejelligfeit fommen Kämpfe unter den Artgenojjen recht häufig vor, und die Behauptung, daß die Schläfer im Hunger jogar ihresgleichen auffräßen, wird ilfuftriert dadurch, daß zwei von mir eingefangene Bilche troß der ihnen reichlich zu- gemejjenen Nahrung einen dritten bei febendigem Leibe angefrefjen hatten. Über das Vor- fommen des Schläfer$ in der Grimmaer Gegend jind mir gleichjall3 verjchiedene neue Mitteilungen zugegangen. Er jcheint dajelbjt gleich Häufig wie in der Rochliger Pflege zu jein und tritt ebenfall3 jtarf jchädigend in den Obftanlagen auf. Ir Grimma erbeutete Tiere befinden jich im Dresdener zoologiihen Mujeum.“ Zur Natur» und Lebenzgefchichte des Siebenfchläfers mögen hier noch die genauen Aufeichnungen des Pfarrers Jäde-Windsheim wiedergegeben fein, eines ganz ausgezeich- neten Erforjchers unjerer heimijchen Tierwelt aus den jechziger und fiebziger Jahren vorigen Jahrhunderts. Er hielt die drei reichSdeutichen Schläferarten jahrelang, namentlich un fejt- zujtellen, ob jie forjtichädfich jind oder nicht, und hat über die Nahrung, die er reichte, täglich Buch geführt. Aus jeinem Berichte („Zool. Garten”, 1877) geht zunächit hervor, was für jtarfe Frejjer dieje Nager find. Drei Siebenjchläfer fragen von Ende Zuli bis zum Winter- ichlaf, alfo etwa in zwei Monaten: 272 Kirihen, 92 Birnen, 64 Üpfel, 42 Aprifofen und Bwetjchen, 56 Neineclauden, 25 Weintrauben, 526 Stachelbeeten, 245 Aprifojen-, Reine- elauden-, Pitrjichferne und Nüffe, etliche Hundert Kürbis-, Melonen- und Gutfenferne, 24mal Weifbrot; an SInjekten große Heufchreden, Hautflügler, Zmeiflügler und endlich mehrere Hausmäufe und Hausjperlinge. Injekten fragen jie am liebjten, und ebenfo be- obachtete auch Leydig zur Maifäferzeit, daß fie dieje Käfer allem anderen vorzogen und in eritaunlicher Dienge verzehrten. AS Fädel außer anderem Futter zwei frifche Apfelbaum- zeige in den Käfig brachte, war er nicht wenig überrafcht, „am anderen Morgen beide Siweige an vielen Stellen in Plattenform oder in jchmalen fenkrechten Streifen von größerer oder geringerer Länge entrindet” zu finden. Ein andermal ftedte er „vier 60 cm lange und 2—21, em dide Birfen-, Rot- und Weißbuchenfnüppel ein und feste die Tiere auf jchmale Koft, Wafjer und Schtwarzbrot. Sie gingen auch richtig.den einen Birfen- und den Notbuchenfnüppel an, berührten aber die Weißbuche nicht. Zädel bejchreibt dann die Formen des Fraßes genau und fpricht fchlieglich die Überzeugung aus, daß auch der Sieben- Ihläfer nach dem „Erwachen im Frühjahr zu dem Notbehelf der Baumrinde greifen” mag, wie Haje und Eichhörnchen, aber, bei ung wenigjtenz, feinen erheblichen Schaden verurfacht. Solange der Sommer währt, treibt der Siebenfchläfer fich, fall die Witterung nicht gar zu jchlimm ift, allnächtlich in feinem Gebiete umher. Auf feinen Weidezügen fest er fich Ciebenfhläfer: Winterjchlaf. Fortpflanzung. 401 jajt alle Minuten einmal nach Eichhörnchenart auf das Hinterteil und führt ettva3 mit den Borderpfoten zum Mumde. Bejtändig hört man das Sinaden von Nüjjen, die er zerbricht, oder das Fallen von ausgefrejjenen Früchten, die er herabwirft. Gegen den Herbit hin fammelt er Nahrungsvorräte ein und jpeichert dieje in jeinen Höhlen auf. Um dieje Zeit „jtroßt er be- reits von blühenden Fette”, jrißt aber noch jo lange wie möglich; dann denft er daran, Her- berge für den Winter zu bereiten. Yebt macht er jich in tiefen Erdlöchern, Rifjen und Spalten, Feljen und in altem Gemäuer, wohl auch in tiefen Baumhöhlungen, ein Neft von zartem Moos zurecht, rollt jich, gewöhnlich in Gemeinschaft mit mehreren feiner Genofjen, zufammen und fällt Schon lange vorher, ehe der Wärmemejjer auf dem Nullpunfte steht, in rauheren Gebirgsgegenden bereits im Auguft, in der wärmeren Ebene erjt gegen den Oftober hin, in tiefen Schlaf. „Der jpätejte Terntin”, an dem Zimmermanm-Rochlit den Siebenjchläfer im Sreien antraf, „it der 14. Dftober 1906.” Einmal im Schlafe, zeigt-er die Gefühllojigfeit aller Winterfchläfer und ijt vielleicht derjenige, welcher am tiefiten jchläft. Man kann ihn vuhig aus jenem Lager nehmen und wegtragen: er bleibt kalt und regungslos. Im warmen - Zimmer erwacht er nach) und nach, bewegt anfänglich die Ghtedinaßen ein wenig, läßt einige Tropfen jeines hellen, gologelben Harnes von jich und regt jich allmählich mehr und mehr, jieht aber auch jegt noch jehr verichlafen aus. Im Freien wacht ex zeitweilig von jelbft auf . und zehrt ein wenig von jeinen Nahrungsporräten. Siebenjchläfer, die Lenz übermwinterte und in einem Fühlen Raume hielt, wachten etwa alle 4 Wochen auf, fraßen und jchliefen . dann wieder fo feit, daß fie tot fchienen; andere, die Galvagni pflegte, wachten nur alle 2 Monate auf umd fraßen. Auch beim Siebenichläfer erleidet, wie bei den anderen Winter- jchläfern, diefe Zebensgewohnheit durch die Gefangenschaft eine gemilje Störung — jeden- falls, weil hier in der Regel nicht diejelben Außenumftände eintreten und auf das Tier ein- wirfen toie in der Freiheit. Ofter endet diejer gejtörte Winterjchlaf aber mit dem Tode, wie es beim Siebenjchläfer z.B. der Teutoburger Beobachter Schacht erfuhr. Im Freien erwacht unjer Bilch exit jehr pät im Frühiahr, felten vor Ende April. Somit beträgt die Dauer jeines Winterjchlafes volle 7 Monate, und er führt feinen Namen mit Fug und Recht. Bald nach dem Erwachen paaren jich die Gejchlechter, und nach ungefähr viertwöchiger Tragzeit mwirjt das Weibchen auf einem weichen Lager in Baum oder anderen Höhlungen (in der Nähe von Altenburg jehr häufig in den Niftkäftchen der Stare, die man vermittelft hoher Stangen über und auf den Objtbäumen aufzuftellen pflegt) 3—7 nadte, blinde Junge, die außerordentlich jchnell Heranmachien, nur kurze Zeit an der Mutter faugen und fich danıı jeldjt ihre Nahrung aufjuchen. „Bei lement in Hermannftadt, Siebenbürgen, öffneten am 17. Augujt geborene Junge am 8. September, aljo nad) 23 Tagen, die Augen und nahmen jchon nad) 2 Tagen an den Mahlzeiten der Alten teil. Anfang Oftober wurden fie aber nod) jaugend gejehen. Den bujchigen-Schweif erhielten fie im zweiten Monate ihres Lebens, im Dezember hatten jie noch nicht die volle Größe der Alten. Im März des folgenden Jahres jchienen fie fortpflanzungsfähig; denn ziwifchen den Männchen famı e8 manchmal zu feinen Balgereien.” („Zool. Garten”, 1892.) Niemals jteht das Nejt des Bilches frei auf Bäumen, wie das unjeres Eihhörnchens, wird vielmehr jtetS nach Möglichkeit verborgen. Jrı Gegenden, two e8 viele Buchen gibt, ver- mehrt fich der Bilch jehr jtark, wie jein Wohlleben überhaupt von dem Gedeihen der Früchte abhängt. — Die Wurfzeit jheint nach Zimmermann-Nochlit „rechten Schwankungen unter- torjen zu jet. Sch habe 2—3 Wochen alte Tiere jchon vor Mitte Juli, um ein weniges ältere aber aud) ext nach dem 15. Auguft Eonftatiert. Ir diefem Jahre (1909) erhielt ich gar Brehm, Tierleben. 4. Aufl. XI. Band. 26 402 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Schlafmausartige. erjt am 18. September einen nur wenige Wochen alten Bild... Auffallend viel ommen Junge vor, die in ihrer Enttvidelung hinter ihren Gejchwiftern urhdgehlieben ind. Oder handelt es jich bei diejen Funden einzelner Eleinerer und ihwächlicher Sndividuen unter weiter entwicelten um Tiere eine3 zweiten Wurfes, die ji) in den Streis eines anderen, fort- gejchtitteneren verirrt Haben?" („Bool. Beob.”, 1909.) Viele Feinde tun dem Siebenjchläfer übrigens bedeutend Abbruch). Baummarder und Iris, Wildfage und Wiejel, Uhu und andere Eulen find mohl jeine jhlimmiften Verfolger, und wenn ex auch jelbft gegen die jtärkjten Feinde fich mit vielem Mute wehrt, jie anjchnaubt, wütend nach ihnen beißt und jogar die hwachen Krallen bei der Verteidigung zu Hilfe nimmt: er muß ihnen doch exliegen. Der Menjc ftellt ihm da, wo er häufig ült, teils des. Sleifches, teils des Felles wegen, eifrig nach. Jr Bayern fangen ihn die Landleute in ge- wöhnlichen, mit Hanftörnern geföderten Meijenkaften. „Sobald man“, jchreibt mir Nbeber, „an den unter den Obftbäumen liegenden, zerbijjenen Früchten Das Vorhandenjein und schäbfiche Wirken eines Siebenjchläfers erkundet Hat, jtellt man den Meijenjchlag wie für einen Vogel in eine Ajtgabel. Unfer Bilch geht dem Hanfe nach, wirft den Schlag ein, ergibt ich ruhig in die Gefangenjchaft und jchläft den Schlaf des Gerechten, anjtatt den ' Kaftendecel aufzuheben oder die dünnen feitlichen Holsjtäbe zu zernagen und ich jo zu be- freien.” In Unterkrain erbeuten ihn die Bauern in Schnellfallen, die jie entweder an den Ästen aufhängen oder vor dem ihnen genau befannten Schlupfwinfel des Giebenjchläfers aufitelflen und mit einer faftigen Birne oder Pflaume Födern. Außerdem gräbt man teil- weije mit Obft gefüllte Fäffer in die Erde, die oben nur einen Zugang haben, ein Rohr nämlich, in dem Eijendrähte jo befeitigt werden, daß jie wohl das Hinemjchlüpien, nicht aber das Herausfommen des Bilches geftatten. Hier fangen fich die Tiere oft in jo großer Menge, dat mancher Jäger während eines Herbites 200—400 Stüd erbeuten kann. Nad) Mojjiiovics ann bei diefem „in großem Stile“ betriebenen Bilhfang ein folder Krainer’ Fallenfteller jogar „in einer Nacht bis 500 Stüd erbeuten!" „Das ledere Wildbret” wird dort auch gerühmt und mag dies zufolge der Obft- und Buchenmaft wohl verdienen. „Die Felle fommen nach Dimis, mit Kalf zubereitet, in Tafeln zu 16 Stüd in den Yandel. Zu Zeiten einer Buchenvollmaft liefert rain bis 800000 Felle = 50000 Tafeln; injolchen Jahren repräfentiert der Frainijche Bilchfang (wenn man den Fleijch- und Fettivert dem Ertrag für Bälge gleichichäßt) einen Wert von 50—60000 Gulden.” Die Felle müjjen wohl zu Pelzjutter und anderem gleich im Lande verbraucht werden; denn auf den Weltmarkt, den Leipziger Rauchtwarenmarkt 3.B., fommen, nac) Braf, Taum einige taujend Siebenjchläferfelle jährlich. Bei uns, namentlicd) in Norddeutjchland, ift vom Stebenjchläfer nur der Name volis- tümlich; das Tier jelbft ift jehr wenig befannt und wird verhältnismäßig jelten in der Ge- fangenjchaft gehalten. Im Hamburger Zoologijchen Garten hat es ein Siebenjchläfer auf eine Lebensdauer von 7 Jahren 6 Monaten gebradht. Sein Wejen ijt nicht gerade an= genehm, jeine größte Tugend die Reinlichkeit; im übrigen wird er langweilig. Er befindet jich fortwährend in gereizter Stimmung, befreundet fi) durchaus nicht mit feinem Pfleger und fnuret in eigentümlich jchnacchender Weije jeden wütend aiı, der jich erfrecht, ihm nahe- zufommen. Dem, der ihn ungejchiet angreift, bemeiit er durch rasch aufeinanderfolgende Bijje in jehr empfindlicher Weife, daß er feinestwegs geneigt jet, jich itgendiwie behelligen zu lajjen. Nachts jpringt er wie rajend im Käfig umher und wird jchon deshalb feinem Bejiger bald jehr läftig. Er muß auf das forgfältigfte gepflegt, namentlich gefüttert werden, damit er jich nicht durch den Käfig nagt oder einen und den anderen feiner Gefährten aufftißt; GSiebenjchläfer: Feinde. Nupen. Wejen. Gefangenleben. 403 denn wenn er nicht genug Nahrung hat, geht er ohne weiteres feine Artgenofjen an und ermordet und verzehrt jie ebenjo ruhig wie andere Heine Tiere. Auch die im Käfige ge- borenen Jungen find und bleiben ebenjo unliebenswürdig tie die Alten. Diejes allgemeine Urteil fonnte Schäff während feiner Tätigkeit an der Berliner Land- wirtjchaftlichen Hochjchule bejtätigen. „Einige Male erwachte er täglich, ftrecte fich, fchnup- perte umher und entledigte jich jeiner Erfremente, die ftet3 möglichit entfernt von dem augen- bfidfichen Ruheplat abgejeßt wurden... Er lief mit nach unten hängendem Körper gefchickt an dem aus Durchbrochenem Blech beftehenden oberen Dedel jeines Käfigs (eines Kleinen Terrariums); Dagegen konnte er jich an den vier Glaswänden natürlich nicht anflammern.... Unter jeinen Sinnen jcheint das Gehör am meiften entwidelt zu fein, wie auch das große, jtarf Hervorragende und für eine nächtliche Zebensweije eingerichtete Auge gute Dienjte im Dunkeln Walde leijten wird. Jim wachen Zuftande ift die große, gewölbte Ohrmufchel in jteter Bewegung, bald hierhin, bald dorthin gerichtet, um auch das leijejte Geräufch auf- zufangen. Abgejehen von der Zeit des Winterjchlafes, genügte meijtens ein vorjichtiges Herantreten an den Käfig, um den im Schlaf befindlichen Siebenjchläfer jofort zu mweden. Das Geruchsvermögen jcheint jchtvach zu fein; wenigftens fchnupperte das Tier oft nach im Heu verjtedten Vorräten umher, wenn diefelben in nächjter Nähe lagen. Kam e8 ganz nahe mit der Naje heran, jo 30g e3 diejelb&n hervor und begann zu frejjen. Der Tajtjinn ist jehr fein, die leijejte Berührung eines Haares des Pelzes veranlafte eine augenblicliche Be- wegung... ‚liegen, welche lebend in den Behälter gejegt wurden, fing der Siebenjchläfer mit großer Behendigfeit, führte fie zierlich mit den Vorderpfoten zum Munde und fraf fie, indem er Stüd für Stüd abbif. Vor den großen jogenannten Brummern, welche viel Ge- täujch machten, jchien er etwas Angjt zu Haben; wenigjtens fragte er oft unter ärgerlichem Knurren und Kläffen nad) ihnen, wenn jte in feine Nähe famen, ohne daß er fie aber immer verfolgte und frag... Bon den Apfeljinen verzehrte unjer Schläfer jonderbarerweije eben- jogern die Schale wie das jajtige Fleiih. Der Kot nahm nad) diejer Nahrung eine völlig orangerote Farbe an, während er jonjt dunfelichiwärzlich und nad) Kirichengenuß violett aus- jah... Die Früchte (Äpfel, Apfeljinen), welche nur etwas Saft enthalten, jcheinen zu ge- nügen, um jeinen Durft zu ftillen.“ Mehrmals entwijcht, fing er fich ftetS gleich in der eriten Nacht wieder in rajch Hergerichteten Fallen. Das ericheint zunächit verwunderlich. Aber warum joll ein Tier, das jeinerNaturnach gewöhnt ift, jich in allen möglichen Qöchern und Spalten zu verkriechen, nächtlicherweile in einer joldden Spalte plöglic) die Falle erkennen? "Darüber muß e3 durch perjönliche Erfahrung erjt wiederholt und gründlich belehrt werden. Einem anderen Pileger, Coejter (Hannöverih- Münden), ift, „wie jchon in früheren Jahren in der Nähe Göttingens, two der Siebenjchläfer durchaus nicht zu den Geltenheiten gehört. .., die ausnehmende Vorliebe desjelben für Kalkboden, den er wohl Hauptjächlich der größeren Trodenheit und der bei normalen Berhältnifjen ftärfer und mannigfaltiger ent- widelten Bejtodung wegen jehr gern aufjucht, aufgefallen. Die Grenze feines Vorfommens jheint, jomeit meine eigenen Erfahrungen und die zahlreicher, in und mit dem Walde Häufig perfehrender Perjonen, deren Auskunft ich hierbei in Anfpruch nahm, reichen, geradezu hier mit dem Übergang von Buntjandftein zu Kalf gezogen zu jein.“ Coejter munderte jich an- jänglich, alS er jeinem gefangenen Stüd Nüfje, Brot, Semmel in Mil) und faftige Früchte reichte, Daß es Dieje Nahrungsitoffe direkt aus feiner Hand, ja allmählich — und dies jchon am zweiten Tag — auf jeiner Hand jigend annahm, und glaubte, dies für.ein Zeichen beginnen- der Zahmheit deuten zu önnen, irtte aber. „Denn“, fährt er fort, „wenn der Giebenjchläfer 2 26* 404 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Schlafmausartige. auch Heute (nach drei Wochen) zeitweilig Liebfojungen ruhig über jich ergehen läßt, io fnurrt und beißt er doch meistens oder jchlägt, in äußerjter Bedrängnis auf den Rüden ftegend, mit den jcharfkralligen Pfoten in derjelben twütenden Weije auf alles os, was ihm irgendtvie zu aufdringlich zu werden beginnt, wie im Anfange der Gejfangenjchaft." Diejes Verhalten diirfte aus dem Tier jelbjt Heraus vielleicht jo zu verftehen jein, daß ihm der ruhig die Nahrung Darbietende Menjch ift wie der Baum, an dem die Frucht hängt, und den e3 ohne weiteres bejteigt. Sobald aber diejes große Etivas ich bewegt und in berührende Nähe fommt, mird e3 ebenjo Schnell dem Kleinen eingejperrten Tiere zum Feinde, zur unentrinnbaren Gefahr, gegen die man jich mit Händen und Füßen verzweifelt wehren muß. Die angeerbten Jn- itinfte verlafjen die meiften Tiere eben nie! „Steigt er aus feinem hochhängenden Schlaf- gemach herab, jo gejchieht dies in Ruhe, ohne große Haft und Eile und nachdem vorher ein- gehend gejichert ijt. Sein großes Auge, das in der Dämmerung gewiß fein zu unterjchägender Sinn ift, mustert dabei jorgjam die Umgebung; vorzüglich aber jcheinen die Ohren, die, wie bei den Fledermäufen, in fteter zitternder Bewegung jind, ein Hauptjicherungsorgan zu jein. Dft hängt er jich zterlich, nur Durch die feyarfen Stralfen der Hinterzeheit gehalten, an jeinem Kletterbaum fopflings auf, greift mit den Borderpfoten am Boden liegende Nahrung und verzehrt jte jo frei jchwebend.... Sr der Stube benimmt jich der Bilch am Boden ungejchidt tie das Eichhörnchen, bewegt jich, den bufchigen Schwanz in janftem Bogen aufwärts ge- frümmt, meift fprungmeije vorwärts, dabei immer bemüht, die Zehen zufammenzupreijen, als juche er irgendetwas Damit zu umjpannen, entfaltet aber gern an allen Stube und Tijch- beinen, Vorhängen ufiw. jeine außerordentliche Fertigkeit im Klettern. Selbit an dem glatten Nahmen eines großen Spiegels Eimmit er, wenn auch mit häufigen Schwierigkeiten, empor. Unter feinen Zauten hatte ich jeither nur das unmillige, im Zorn ausgejtoßene Sinurren und Schnarren.vernommen. Mehrfach hörte ich aber jebt abends, wenn er in jeinem Schlaf- gemach ruhig jaß oder, eben erwacht, den Kopf hervorjtrecfte und ich zur Tätigkeit anjchickte, ein eigenartiges, durch Zaute Faum zu verjinnlichendes, entfernt ettva durch ‚tüt‘, ‚tüt‘ wieder- zugebendes, Furz hervorgeftoßenes und oft wiederholtes Hohes Pfeifen, das zeitweilig fürm- lich in die furz, wie bei jedem Atemzug, hervorgebrachten, feinen PBieptöne der jogenannten ‚ingenden Hausmäuje‘ überging. Der Sinn desjelben ijt mir noch nicht recht Flar geworden, jcheint jedoch Zufriedenheit ausdrücden zu jollen. „Sehr interejjant ijt fein Benehmen gegenüber einem zahmen Steinmarder. Dit liegt der Marder langgejtredt, mit funfelnden Augen jeder Bewegung des Schläfers folgend, dem Käfig nahe auf dem Tijch, fauft plöglich wie ein Pfeil durch die Luft gegen das Käfiggitter, aber jchon nach den erjten Verjuchen nur mit dem Erfolg, daß der Bilch, untoillig fchnarrend ob des momentanen Schredfens, entweder ruhig weiterfrißt oder auf feinen Kletterbaum jich emporjchtoingt, Hier — Fam die Überrafchung in Geftalt des Marder3 zu plößfich — ftill ‚ ich niederdrücdkt, auch wohl einmal in jein Schlafgemach fchlüpft und von hier aus neugierig jich des Marders Einbruchsverjuche betrachtet. Dies ftille und lautlofe Sichniederdrüden ijt übrigens für den Stebenjchläfer ein treffliches Schußmittel. Wird eS in der Freiheit aud) angewandt, jo mag e3 jehr leicht vorfommen, daß man den an fich fchon Heinen Nager auf der ganz ähnlich gefärbten Buchen- oder, Eichentinde überjieht. — Noch) Fomijcher jteht e3 aus, wenn der Schläfer erboft an dem Käfiggitter emporfährt, den daran fich haltenden Marder in die Pfoten ziwickt und jchlieglich, will der Störenfried nicht weichen, fchnarrend und fnutrend in jein Gemach fich begibt oder feine anfängliche Bejchäftigung weiter fortjeßt. „luffallend twar mir eine Beobachtung, die ich am 3. Oftober machte und die jich mir Giebenjhläfer: Gefangenleben. 405 am 11. wiederholte. Jch fand den Bilch Scheinbar halbtot, bei Berührung Schwach jchnarrend und lahm in jeder Bewegung, in feinem Neft vor und glaubte bereits, dal die Sache einen jchlimmen Ausgang nehmen würde. Die Erklärung fand jic aber am 11. jehr einfach — ic) hatte den Giebenjchläfer im Beginn jeines Winterjchlafes vor mir. Sn dem tags zuvor jehr wenig geheizten Zimmer war nämlich die Temperatur morgens auf + 7° R gejunfen, und getreu dem angeborenen Naturtrieb, hatte das Tierchen jich zum Schlafe niedergelegt: der bujchige Schwanz war über die Stirn gejchlagen, die Borderläufe hielten den Stopf jeitlich gefaßt, der Körper Frümmte jich im Kreisbogen feit zufanımen — in der Haltung genau eine Wiedergabe des vortrefflichen Bildes der Heinen Hajelmauz, jchlafend im Winterneft, in K. und U. Müllers ‚Tiere der Heimat‘. An diejem exit einnächtigen Zujtand reagierte der Schläfer auf Anftöße nur wenig, wehrte mechanijch mit den Borderpfoten, leije und Heijer jehnarrend, jeden Erwedungsverjuch ab, machte jedoch feinen Gebrauch von dem Gebip. Die Augen blieben bei allen diejen Erregungen und Bewegungen gejchlojfen. Die Körper- temperatur betrug, joviel ich fejtitellen fonnte, +12°R. Nachdem das Zimmer geheizt war, erwachte er binnen 34 Stunde, bewegte jich jlinf und gewandt wie jonjt im Käfig und zeigte feine Spur mehr von der eben noch jo tiefen Schlafjucht. „Kurz darauf Brad) der Bild) in die Stube aus. Zu meiner Überrajfchung fand ich ihn anı anderen Morgen ruhig in jeinem Nejte jigend twieder vor; er hatte aljo troß der weiten und umfaljenden Wanderung in der ganzen Stube doc) jeine auf einem Stuhle jtehende Wohnung und den Heinen (durchgenagteft) Eingang zu ihr wieder aufgefunden, ein Umjtand, der, will man feinen Zufall hier mitreden lajjen, immerhin auf eine gemwijje Sinnenjchärfe binweijt, zugleich aber auch ebenjo jicher beweilt, daß das Tier weit entfernt war, Freiheit und Gefangenjchaft, Freiheitsberaubung und Wiedererlangung auch nur einigermaßen deut- lich zu empfinden oder gar Har zu erfennen, daß es vielmehr einfach an jeinem ererbten Jn= itinfte Hebte, nach nächtlicher Streife zu Dem gewohnten Schlupfwinfel zurüdzufehren. Von jeiner Slettergewwandtheit legte derjelbe Siebenjchläfer unter anderem auch noch einen be- jonder3 jprechenden Beweis ab, indem er an einer faum 1 cm jtarfen Hajelrute gewandt berumffetierte, gleichgültig, ob die Rute wagerecht oder jenkrecht gehalten wurde. Mit den nadeljpigen Krallen jeiner Zehen brachte er e3 jogar fertig, in legterer Lage der Rute mit dem Kopfe nach unten gleich gewandt herabzuflettern.” — Coejter brachte „den jest aufer- ordentlich feilten Schläfer in den ziemlich falten Tagen Ende November und Anfang De- zember (1888) auf den Hausflur. Bald jchlief er Hier auch wirklich feit; doch riefen äußere Reize immer nod) Bewegungen und jchwaches Gejchrei bei ihm hervor. Morgens lag er meijt ivie tot eingefugelt auf dem Hinterteil da, die bujchige Aute über den Kopf gejchlagen, die Naje am hinteren Ende. Doc) erwachte er noch abends und nahm Nahrung zu jih. Jm übrigen aber blieb jein Wejen träge und matt. Mit der etwas zunehmenden Kälte Mitte Dezember 1883 befand er jich oft 4—5 Tage in einem Zujtand völliger Regungslojigfeit, der Durch nichtS unterbrochen wurde. „sin völlig fejten Schlaf ließ jich mit Ausnahme der kurzen, Faum bemerfbaren Atem- züge, denen in Zwijchenräumen von etiva 30 Sekunden je ein tiefer, durch Heben der Jlanfen deutlich erfennbarer Atemzug folgte, Feine Bewegung an dem Schlafenden ent- deden, und regung3los verhartte er in jeder Stellung, in die man ihn bog. Seit Mitte Februar war er infolge der häufigeren Bewegung jchon bedeutend gegen früher abgemagert. Eine längere, fejt andauernde Schlafperiode trat jeitdent nicht mehr ein.” — Coejters „mit dent gefangenen Siebenjchläfer angejtellte Verjuche führten, joweit e3 die Holz=, oder vielmehr 406 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Schlafmauzartige. Kindennahrung betrifft, ebenfalls zu feinem das ‚forftichädfich“ vechtfertigenden Ergebnis”: „mit Ausnahme der Steimpflanzen blieb alles unberührt. Dieje jelbjt wurden am unteren Teil erfaßt, Plumula und nach ihr die Kotyledonen wurden verzehrt, der Neft ward meg- geworfen umd nicht mehr berührt. Jr einem Tage fraß er auf dieje Weije 7—12 Reim- pflanzen... Die jungen, im Vorfommer erjcheinenden Keimpflanzen, die gerade zur Zeit jeine3 Erwachens den erjten jchüchternen Schritt inS Leben machen, geht er aljo an, und tritt in der Freiheit wirklich ein derartiger Eingriff des Giebenjchläfer in das pflanzliche Wachstum häufiger auf, jo fann der Schaden des Tieres unter Umftänden ein recht empfind- licher werden.” Einen anderen Siebenfchläfer, der Schacht im Januar gebracht wurde, hatten die Holz- bauer jehr unmanierlich behandelt und der jchönften Zierde, des bujchigen Schtwanzes, zur Hälfte beraubt, fo daß die Schwanziwurzel einen Yinger breit blutig Hervorjtand. „Um ans deren Morgen Yag er ruhig da, hatte jedoch das Schwanzende amputiert." Diejer Fall von Selbftamputation darf den Umftänden nach wohl aß feititehend gelten und hat deshalb be- jonderes Interefje, weil derartiges neuerdings wieder jelbit beim Yuch3 im Tellereifen be- ztveifelt oder vielmehr anders erklärt wird. Spomwohl Coejter a8 Zimmermann bejtätigen, daß beim Giebenjchläfer wie bei den anderen Schläfern „die Schwanzhaut ehr leicht reißt”. Zimmermann verwahrt jich aber im Einklang mit anderen Beobachten (Handmanı) ausdrüclich dagegen, dies als „Selbft- verjftümmelung”, al3 eine im Kampf ums Dafein Herausgebildete Schusborrichtung aufzu= fajjen und mit dem befannten Abbrechen des Eidechjenjchtwanzes auf gleiche Stufe zu jtellen. „WBiederholt pajjierte es mir beim Einfangen von Bilchen, daß Jich die Haut des Schtwanzes, wenn ich das flüchtige Tier an diefem ergriff, loslöfte. Niemals aber gejchah) dies an einer jeit bejtimmten Stelle, und mir fchien e3 auch, al3 ob diejer Vorgang jich bei jungen Tieren leichter und häufiger ereignete al3 bei ausgewachjenen, älteren... Weder mit Zähnen nod) mit Füßen haben jich, die Tiere dabei am Schwanze zu jchaffen gemacht." Daß e3 beim Siebenjchläfer feine ganz beitimmte Stelle ift, wo der Schwanz abreißt, erklärt Henneberg- Gießen, der die neuefte Arbeit „Über Schtwanzautotomie bei Säugern” („Med.-Naturi. Archiv”, 1909) geliefert hat, einfach daraus, daß am Siebenjchläferjchwanz „feine derartige Ringbidung vorhanden” ift wie am Waldmausjchwanz, mit dem er Hauptfächlich erperimen- tiert Hat; doch gibt auch er einen nicht autotomierbaren Abjchnitt auf etwa ein Fünftel der ganzen Schwanzlänge an. Der Baumjchläfer, Dyromys nitedula Pall. (Myoxus, dryas), gewijjermaßen ein Mittelglied zwijchen Sieben- und Gartenfchläfer und neuerdings als Vertreter der Gattung Dyromys Thos. angejehen, erreicht im ganzen eine Ränge von 18 cm, wovon Sem auf den Schwanz fommen, und ift auf dem Kopf und der Oberjeite rötlichhraun oder bräunlich- grau, auf der Unterfeite jcharf abgejegt weiß gefärbt. Unter den Augen beginnt ein fehwarzer Streifen, umfaßt, jich exweiternd, die Augen und feßt fich bis zu den Ohren fort; Hinter diejen jteht ein [dmußig graumeißer Fled. Der Schwanz ift oben dunfel braungrau, an der Spibe ettvas Fichter, unten weißlich, furzhaariger als beim Siebenjchläfer und weniger bujchig. Bom füdlichen Rußland, dem Mittelpunfte feines Heimatskreifes, verbreitet fich der Baumjchläfer nach Weiten Hin bis Ungarn, Tirol, Niederöfterreich und Schlefien, fommt hier jedoch immer nur jelten vor. In feiner Lebensweije ftimmt er, foviel bis jest befannt it, mit Gieben- und Gartenjchläfer im mesentlichen überein. ing / Baumjdläfer. 407 Auch vom Baumfchläfer hat Nehring zwei neue Unterarten bejchrieben, und zwar außer dem Griechijchen von Parnaf (D. n. wingei Nhrg.) den Tiroler (D. n. inter- medius Nhrg.; Taf. „Nagetiere XV", 3, bei ©. 397) aus den Djterreichifchen Alpen, den er zuerjt ausgejtopft in der Sammlung des Gejundheitsamtes zu Berlin entdedte, two ihm das Stüd durch die rein graue Oberjeite auffiel. „Bet jlüchtiger Betrachtung jieht das Tier (deshalb) wie ein zwerghafter Stebenjchläfer aus”, und danach erhielt e3 feinen wijjenjchaft- lichen Namen gewijjermaßen als Mittelglied zwijchen Baumz- und Stebenjchläfer. Zedenfalls bemweilt es, daß der Baumjchläfer viel weiter nach) Weiten geht als früher angenommen, und hier mußten ihn um jo mehr einige Worte gewidmet werden, al3 er neuerdings von Lienz im oberen PBujtertal auch lebend in den Handel fommt, z.B. im Berliner und Frankfurter Zoologijchen Garten gewöhnlich vertreten ift. Sonft ijt der Baumjchläfer in der öfterreichtich-ungarischen Monarchie, aut Mojjijovies, „nachgewiejen für Niederöjterreich (bei Wien), in Ungarn im Banat in Yaubmwäldern und Weingärten, in Siebenbürgen (bei Hermannjtadt ziemlich Häufig), ferner in Galizien, Mähren und Schlejien; in Böhmen jcheint er zu fehlen... Sr der Nordtatra beobachtete Ktocyan das Auftreten diejer wenig befannten Art bis zu 1000 m Seehöhe, die jte nicht überjchreitet. Sie hält jich dort an das Vorgebirge, an Waldränder mit gemijchten Holzarten, ältere Schläge, Hütten und Wohngebäude. Kräuter, Sinojpen, Beeren, Obit, dann auch Käje und Milch, in welch leßterer Kochyan viele Stüde ertrunfen vorfand, liebt jte jehr. ©ie ıjt, wie ihre Ver- wandten, ein nächtlicher Kletterer. Aus trodenen Gräjern it ihr Andsfopfgroßes Neft nicht - hoch und gar nicht verjteckt an Bäumchen oder im Himbeergejtrüpp angebracht. m Juni gibt e3 vier fait jchwarze Junge, die jehr langjam wachien. Den Winterjchlaf beginnen auch dieje a im Dftober und graben jich in trodener, nicht zu fejter Erde bis zu 1 oder 11% m Tiefe n.” Dieje jedenfall wohl Kocyhan entnommene Angabe Eingt jehr vertvunderlich! „m E a fonnte Kochan das Erwachen aus dem Winterjchlafe nicht verfolgen. Die von ihm in der Gejangenjchaft übermwinterten Tiere befamen einmal auch Nachfommenjchaft, die jic) (aber nur) jo lange vertrug, als jie ganz jung war. Jm Frühjahr verbeigen jich Männchen und Weibchen und müjjen dann getrennt werden. Die im Winter in ungeheiztem Raume gehaltenen Tiere jchlafen bis Ende Februar.” — Ein-Baumjchläfer aus Oberjchlejien, Negie- tungsbezirt Oppeln, unmeit der Grenze von Rufjiich-Polen, der ausgejtopft in der Samm- fung der Foritafademie Eberswalde fteht, wurde von dem dortigen Zoologen Eeitein eben- jalls Nehring zur Unterjuchung zugejchiet. E3 jcheint das einzige Stüd zu fein, das imerpalb unjerer deutichen Reichsgrenzen beobachtet wurde. Die Tiroler Baumjchläfer des Berliner Gartens behalten im allgemeinen zivar ihre nächtliche Nebensweije bei, werden abends aber doch jchon bei guter Zeit munter und erfreuen und erjtaunen dann die Bejucher durch ihre blißjchnellen Bewegungen und geiwandten Sprünge: wie ein Leuchten jieht man den weißen Bauch jedesmal vorbeiwijchen, weni fie, den Rüden nach unten, an der vorderen Drahtgeflechtdede ihres Käfigs dahinrennen. Sie fajjen jich berühren und allerlei Mitgebrachtes vom Rublifum zujteden, ohne jemals durch Saucen oder Beißen Die üble Laune des Giebenjchläfer3 zu befunden. Die Gattung der Gartenbilche (Eliomys Wagn.) unterjcheidet jich durch den Fury behaarten, nur am Ende mit einer Quajte gezierten, zweifarbigen Schwanz und ihre ein= facheren, am Außenrande deutliche Höcder tragenden Badzähne, bei denen die Schmelz- falten. wenig entwidelt find. 408 8. Ordnung: Nagetiere. YJamilie: Schlafmausartige. Der®artenichläfer, Gartenbilch overdie Große Hajelmaus, Bliomys quereinus L. (nitela; Taf. „Nagetiere XV“, 4, bei ©. 397), wird im Körper höchitens 14 cm lang, der Schwanz 9,5 em. Der Kopf ift wie die Oberjeite rötlich graubraun, die Unterjeite weiß. Um das Auge läuft ein glänzend jchwarzer Ning, der jich unter dem Obhre bis ar die Halsjeiten fortjeßt; vor und hinter dem Ohre befindet jich ein weißlicher, über demjelben ein jchwärzlicher led. Der Schwanz ift in der Wurzelhälfte graubraumn, in der Endhälfte ziveifarbig, oben ichwarz und unten weiß. Die Haare der Unterjeite find ziweifarbig, ihre Wurzeln grau, ihre Spiten weiß, bisweilen fchivach gelblich oder gräulich angeflogen. Beide Hauptfarben tren- nen fich fcharf voneinander. Die Ohren find fleifchfarbig, die Schnurren jchwarz, weißjpißig, die Krallen Ficht hHornfarben, die oberen Borderzähne Fichtbraun, die unteren Tichtgelb. Schön dunkel I hwarzbraune Augen verleihen dem Gartenchläfer ein Fluges, gemecdtes Anjehen. . Der Gartenjchläfer, der jchon den alten Römern unter dem Namen Nitela befannt war, gehört hauptfächlich den gemäßigten Gegenden des mittleren und weftlichen Europa an: Frankreich, Belgien, die Schweiz, Stalien, Deutjchland, Ungarn, Galizien, Sieben- bürgen jind feine Heimat. Sm Deutjchland ift er in manchen Gegenden, 5. B. am Harz, recht häufig, auf hHannöverjchem Gebiete, nach Hermann Löns, „mit Sicherheit nur aus dem füdöftlichen Berglande befannt, in dem er aber nicht, wie jeine beiden Verwandten, nur an das Zaubholz gebunden ift; denn er fommt auch im reinen Fichtenbeftande vor”. Aus der näheren oder weiteren Umgegend von Göttingen, für das Mönchstal bei Zeller- feld, am Zillierbache zwijchen Drei Annen-Hohne und Elbingerode, bei Scharzfeld, für den Solling it er nachgemwiejen. Bon den Nachbarländern Hannovers beherbergen ihn Wejt- falen und Braunfchweig. Sm Sauerlande (Südweftfalen) ift er, nach Wiemeyer-Warftein („gol. Garten”, 1894), exit einmal gefangen worden, und zwar, wie der Stebenjchläfer, bei der Bilfteinhöhle. Über die Mark Brandenburg jagt Friedel nur: „Soll bei Ebers- walde und Freienwalde gefangen fein.” Altum erwähnt davon nichts. „Nach Diten ver- , breitet er jich im Süden der Dftjeeprovinzen, Polen und Süpdrußland. Demidoff hat ihn in Befiarabien, Wolhynien und an der Dftfüfte des Schtwarzen Meeres gefunden.“ (Neuvens.) Kac Mojitjovies ft er in feinem öfterreichifch-ungarischen Stronlande „häufig, aber in Tirol (Bultertal), Kärnten, Ungarn, Siebenbürgen, Galizien und Böhmen nachgewiejen.” „An Holland wurde er noch nie beobachtet; ob er in Dänemark vorfommt, ift mir nicht befannt; in England fehlt er.” (Neuvens.) „In der Schweiz”, jagt Fatio, „it er zahlreicher als ver Stebenjchläfer und geht hoch in die Alpen hinauf. Man findet ihn mehr oder weniger häufig in allen Kantonen und gemeinhin eher in den Gebüjchen und Gehölzen des Ge- birges als ım Tale." Fatio jelbjt hat ihn an vielen Orten gefangen, infonderheit auf 1500 m. Meereshöhe bei den Teufelsbergen in den Berner Alpen; Srätli ift ihm noch Höher begegnet, in einer Schäferhütte des hohen Engadinz, beiläufig 2000 m über dem Meere. ach Coeiter („Zool. Garten”, 1894) fcheint auch beim Gartenfchläfer neuerdings noch weitere Ausbreitung durch Wanderung ftattzuhaben. Cyefter hatte „auf der in den Vor- bergen des Spefjart3 gelegenen preußiichen Oberförfterei Flörsbach im Jahre 1891 mehrfach Gelegenheit, Notizen über das Auftreten des Gartenfchläfers dortjelbft zu fammeln, der bis zu diejem Jahre, wie überhaupt die Schläferarten, in dortiger Gegend völlig unbekannt ge- wejen war. 3 ift nicht unmöglich, daf die Einwanderung von Norden oder Nordoften her erfolgte, wo beijpielsweife bei Steinau im Sreife Schlüchtern (zivfa 23 km nordnordöftlich von Flörsbach) der Gartenjchläfer nicht zu den Seltenheiten gehört.” Im Februar 1894 wurde Goefter dann vom Lehrer Huth aus Flörsbach ein Iebendes Stüd zugejchidt, das Gartenjchläfer: Vorfommen. 409 „wohl beweijen dürfte, daß die Einwanderung diejer Tiere im Jahre 1891 einen dauernden Aufenthalt derjelben dort mit fich gebracht hat”. Bei diefer ganzen Auffafiung und Dar- jtellung wäre indes nicht zu vergejjen, daß in qrogen Walorevieren der nächtliche Garten- Ihläfer Forjtbeamten, die nicht bejondere zoologijche Neigungen und Snterejjen haben, jehr wohl unbefannt bleiben Fann, auch wenn.er von jeher da war. Aus dem Spejjart jelbit (Rothenbuch) Hatte jchon Altum 1869 jogar Berichte über Forjtichaden des Gartenjchläfers. Günther-London gibt Erinnerungen an den Gartenjchläfer aus den Jahren 1853 und 1854, feiner Studentenzeit. „Zu jener Zeit war diejes niedliche Tier in den Gärten und Häufjern der Koblenzer Straße in Bonn ziemlich Häufig. Im und um das Poppelsdorfer Schloß war er gemein... Meine erite Bekanntjchaft mit ihm machte ich in der Mitte des Sommers, als ich wiederholt an gewiljen Stellen auf der den Garten einjchliegenden Mauer ausgeftejjene Schalen der großen Schnede Helix aspersa fand. Dieje hatten alle jo ziemlich an derjelben Stelle ein Loch, durch welches die Schnede herausgefrejjen war. Zu meinem Gritaunen war e3 der Gartenjchläfer, der auf diefe Weije dem Gärtner Erjab gab für den Schaden, welchen er im Herbite unter dem Obft anrichtet.” „Daß der artenjchläfer im Rhein- tal bei St. Goar häufig fei, und zwar von der Taljohle an bis zum Nande des Gebirges”, war Noll „längjt aus Erzählungen der Gartenbefiger befannt, die bejonders im Herbit und Winter das Tier öfters zu Geficht befamen. Dft fteigt e3 nämlich an den Spalteren an der Yußenjeite der Häufer empor, kommt in die Zimmer und nafcht Dort von dem aufbewwahrten DObft, bejonders Pfirfichen und füßen Birnen, oder jucht fich in Betten, Türchern oder jonjtigen weichen Dingen ein Lager für den Winter zu bereiten.” Die Schwiegermutter des Nheinfeljer Dberförjters „wurde einmal im Frühjahre durch ein jolches Tier erjchredt, das die Watrage eines unbenusten Bettes ducchnagt und, in deren Noßhaaren eingewühlt, den Winterjchlaf verbracht hatte”. In jolchen Fällen pflegt man von Dreiftigfeit und ähnlichem zu fprechen; bei Lichte betrachtet, hat man aber nur den Beweis, twie Himmelweit das Tier entfernt war von einer auch nur einigermaßen Karen Erkenntnis des Drtes, an dem es fich zum Winter- - jchlaf einniftete. Die geringe Intelligenz und ebenjo geringe Nageluft, oder vielleicht bejjer gejagt: Nagekraft, des Gartenjchläfers erfuhr auc Fr. Helm „ur den Wäldern des oberen Bogtlandes, welche fait ausjchlieglich aus Nadelwald bejtehen“. Dort „jcheint dieje Schläfer- art nicht jelten vorzufommen; denn überall ist jie al3 ‚Hajelmaus‘ befannt und gefürchtet. Die Landbewohner der dortigen Gegend glauben nämlich allgemein, daß, wenn ein Garten- jchläfer eine Kuh anhaucht, diefe ein böjes Euter befommt; außerdent joll der Harıı des Schläfers alles, was er beneßt, jofort zum Faulen bringen und er jelbjt mindejtens ebenjo aujtig jein als die dort überall vorkommende Kreuzotter.” Helm fing den Gartenjchläfer „mit Hilfe des befannten Meijenfajtens“, der mit Obft und Schweinefped gefödert war. Er „itellte ihn im Walde an einer nicht gar zu dichten Stelle, etwa 1m vom Boden entfernt und gut mit Moos verpadt, auf. Der Dedel des Kaftens war jo eingerichtet, daß, wenn er zuftel, er nicht dicht Schloß, jondern ein Spalt entjtand, Durch den Luft und Licht in das Innere eindringen fonnten. Auch nicht ein einziger Gartenfchläfer — ich fing mit demfelben Kaften im Laufe eines Sommers mehrere — erweiterte das Loch, um ins Freie zu gelangen; alle warteten ruhig ab, bis fie erlöjt wurden: ja, ein Exemplar, welches, da ich Franfheitshalber den Jang- . apparat längere Zeit nicht bejuchen konnte, in demjelben gejtorben war, hatte dies nicht einmal verjucht." Ebenjo bezeichnend für den Stumpfjinn des Tieres tft anderjeit3 das Er- lebnis Nolls, da ein friich gefangener Gartenichläfer, mit der Falle auf den FKamilientijch geitelft, ruhig an der halben Birne weiterfraß, die ihn in das Verderben gelodt hatte. 410 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Schlafmausartige. Der Gartenjchläfer bewohnt die Ebene wie das Hügelland, lieber aber doch Berg gegenden, und hier vorzugsmweije Laubwaldungen, obgleich er auch im Schwarziwalde vor- fommt und nicht allzu jelten in niederen Gebüjchen oder in Gärten jich einjtellt. Jr der Schweiz jteigt er im Gebirge bis in die Nähe der Gleticher empor. . Seine Nahrung ift die de3 Stebenjchläfers; doch holt er jich aus den Häufern der Bergbewohner Fett und Butter, Sped und Schinken und frißt junge Vögel und Eier vielleicht noch lieber und mehr alß fein (angjamerer Verwandter, den er im Stlettern und Springen unbedingt überbietet. Sein Seit unterjcheidet fich von dem des Siebenjchläfers dadurch, daß es frei jteht; Doch bezieht er unter Umjtänden auch Schlupfwinfel im Gemäuer, alte Nattenlöcher, Maulwurfgänge und andere Höhlungen im Gejtein und in der Erde, bettet jie jich mit weichem Moos aus und macht jie jich jo behaglich wie möglich. Alte Eichhornhorjte werden von ihm jehr gern als Wohnung benubt; im Notfalle baut er jich auch jelbit ein Net und hängt diejes frei zwijchen Baumzmweige. U. und K. Müller jchildern die Zubereitung einer jolchen Wohnung, eines Sommernejtes zur Jungenaufzucht, aus eigener Anjchauung („Tierwohnungen”, 1869). „Die Maus bildet den Rand des Vogelnejtes mittels Moosbiticheln, in welche je bejonders die gemeine Heidewurzel, auch Halme, Kleines Reijergenijte und dürre Blätter unterflicht, zu einer ettwva 10 cm hohen Kuppel weiter und läßt über dem Vogelnejtrand in der Witte der Kugel ein Heines Schlupflodh. Das Bauen gejchieht von innen heraus, indem jich das Tier in die Grundlage, hier das Wogelneft, jet und die durch Zunge, Zähne und Pfoten zubereiteten Baujtoffe mittels Andrüdens mit Kopf und Füßen allmählich über jich auftürmt. Etwaige Eden an der äußeren Wandung glättet und verflicht die Maus von außen. Zur inneren Bekleidung wählt diejelbe gewöhnlich Kuhhaare, auch Schafwolle, welche Stoffe - jie ztemlich glatt zujammenfilzt. Ein jolches vollendetes Neft hat gewöhnlich 12—17 em im Durchmejjer und tft ziemlich rund.” Das Winterneit jchildern die Gebrüder Müller ebenfalls genau und bilden e8 nach eigener Zeichnung auch jehr jchön ab („Tiere der Heimat”, 1882). „Meift findet man e3 in hohlen Bäumen, aber auch in Mauerlöchern, Heufchobern ujw. Das einzige, welches wir jahen, jtand im Wandgefach einer halb zerfallenen Erdhütte, welche Waldarbeiter errichtet hatten... Das Neit ift beinahe ganz rund bis auf die untere ab- geplattete Fläche, welche von den Gejachgerten der Wand einige Eindrüde erhalten hat. Die Hauptjtoffe jind äußerlich Moos, mit Heiderwurzeln und dürrem Eichen und Buchenlaub untermijcht; die innere Ausfütterung bejteht aus Gras und Schafwolle. Die Wandungen jind bis fnapp 4 cm did, und das jehr dichte Neft mit über 20 cm im Durchmefjer... Übri- gens jchlafen dieje Tiere nach unferen Beobachtungen auch öfters, bejonders in gelinden Wintern, im Holzmehle hohler Bäume, zu einem Klümpchen zufammengeringelt.“ Ein anderer füddeutjcher Beobachter, der hier öfter al3 Gemwährsmann angezogene Piarrer Jäde-Windsheim, nennt den Gartenjchläfer „unter jeiner Sippjchaft die nahezu omnibore, Rindennahrung aber verichmähende Wanderratte” und bezeichnet damit zugleich das Ergebnis jeiner dreijährigen Fütterungsverjuche auf ettvaige Forftichädlichkeit des Tieres. Dagegen erivies fich durch diefe Zädeljchen Fütterungsverjuche der Gartenjchläfer als „unter unjeren Schläfern derjenige, welcher am meijten auf animaliiche Nahrung angewiejen ift und am liebiten Injeften aller Art, Mäuje und Vögel friht”. Jäcdeß Gartenjchläfer fraf; in 3 Jahren außer einer riefigen Menge Obft und anderer Pflanzennahtung „33 Haus, - Seld- und Waldmäufe, 5Smal Kalbfleifch, 13mal Reh-, Ziclein- und Schweinefleiich, 3mal Preßmwurit und ebenjooft Sped, 68 Vögel, 7mal NRebhuhn-, Wachtel- und Entenfleifch, 151 Zaubenföpfe und 2 Gier vom Sperling; an Reptilien 2 gemeine Eidechjen, von ‘ 46 che ee \ } Ki a re ee De N a u Br I . r - F \ 1 Sartenjchläfer: Aufenthalt. Nahrung. Schtwanzautotomie. Fortpflanzung. 411 denen er nur die Schuppen liegen ließ, und 1 Blindfchleiche; 937 Großfäfer, 3 Larven, 45 Gtoßjchmetterlinge, 19 Büppen derjelben und große Partien von Kohlweißlings- und Kohleufenraupen, endlich Hautflügler, Ameifenpuppen, Zmweiflügler, Kauferfe (Grillen, Maulwurfsgrilten, Heuschreden, Schwaben), Ajfeln, Taufendfüße und Spinnen in Menge... Er frift jchwelgerifch und fällt über Mäufe und Vögel mit wahrer Mordgier her. Jn einer Nacht verzehrte er 27 Maifäfer und 2 große Hausmäufe, in einer anderen IS Maikäfer, Kopf und Eingeweide einter Wachtel, wieder einmal 101 Maifäfer und tags darauf während einer Stunde eine große Eidechje. Kann er Larven, Raupen, Puppen, Schmetterlinge, Maikäfer und dergleichen haben, jo läßt er jede, auch die bejte Fleifchnahtung marmblütiger Tiere unbeachtet.” Unter diejen Umjtänden möchte man glauben, daß der Gartenjchläfer als Snjektenvertilger der. Forftwirtichaft eher nüslich al3 jchädlich werden Fönnte. Auch beim Gartenjchläfer Fehren die Erzählungen vom Abjtreifen der Schwanzhaut oder gar Abbrechen des Schwanzes wieder. Schon Yatio jagt: „Beim geringiten Nud ab- brechend, Heilt diejes Glied leicht und erhält tro& der Verkürzung wieder diejelbe zweierlei Behaarung (die beiden Wurzeldrittel Turzhanrig, das Enddrittel zmweizeilig, Ianghaarig) und diejelbe Farbe (weiße Spite) wie vorher. Wenn Haut und Muskulatur abgerifjen ift, nagt das Tier jich jelbft die nadt hervorftehende Stnochenachje ab und trägt bald wieder einen Schwanz von normalem Ausfehen, obiwohl mitunter bi3 auf ein Drittel verkürzt.” Dieje jeht weitgehenden Angaben bedürfen wohl noch der Nachprüfung durch den Verjuc, und das Scheinbare Wiederauftreten einer weißen Schwanzipite erklärt jich vielleicht dadurch, dab die Haare auf bejchädigten Hautftellen oft weiß werden. Etwas Wahres muß aber doc) an der Sache fein; denn auch Helm jchreibt: „Der Schwanz diefes Schläfers jcheint jozujagen jehr zexbrechlich zu fein; denn mehr als einmal ift es mir vorgefommen, daß ein Stüd des- jelben abbrach, wenn ich das Tier, e8 am Schtwanzende haltend, Hin und Her jchwenfte. Der erite Gartenjchläfer, welchen ich erhielt, hatte beim ange die Haut de3 Schwanzendes ver- foren, jo daß einige Wirbel bloß lagen; aber noch am erjten Tage bejeitigte er dieje3 unjchöne Anhängjel, indem er die Knochen abnagte.” Ein von Noll in ähnlicher Weije gefangener Gartenjchläfer tat dies nicht. In der erjten Hälfte des Mai paaren jich die. Gejchlechter. Mehrere Männchen jtreiten oft lebhaft um ein Weibchen, verfolgen fich gegenfeitig unter fortwährendem Ziihen und Schnauben und rajen förmlich auf den Bäumen umher. So friedlich fie fonit find, jo zänkiich, boshaft, bilfig, mit einem Worte ftreitluftig, zeigen te jich jet, und die ernfthaftejten Ge- fechte werden mit einer Wut ausgefochten, die manfaum von ihnen erwarten jollte: Häufig genug fommt e3 vor, daß einer der Gegner von dem anderen totgebijjen und dann jofort aufgefrejjen wird. Nach 24—30tägiger Tragzeit wirft das Weibchen 4—6 nadte, blinde Junge, meijten3 in einem hübjch zubereiteten, freiftehenden Nefte, gern in einem alten Eid)- hörnchen- oder Raben-, jonft auch in einem Amfel- oder Droijelnefte, welch letere unter Umständen gemwaltjam in Bejit genommen und jodann mit Moos und Haaren ausgepolitert, auch bis auf eine Heine Öffnung ringsum gejchlojjen werden. Die Mutter fäugt die Jungen längere Zeit, trägt ihnen auch, wenn fie jchon frejjen Fönnen, eine hinreichende Menge von Tahrungsmitteln zu. Kommt man zufällig an das Nejt und will verjuchen, die Jungen auszunehmen, fo jcehnaubt die forgende Alte den Feind mit funfelnden Augen an, fletjcht die Zähne, jpringt nad) Gejicht und Händen und macht von ihrem Gebiß den allerausgedehn- tejten Gebrauch. Merkwürdig ift, da der jonft jo reinliche Gartenjchläfer jein Nejt im höch- jten/&rade jcymusig hält. Der jtinfende Unrat, der jich darin anhäuft, bleibt fiegen und 412 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Schlafmaußartige. verbreitet mit der Zeit einen jo heftigen Geruc), daß nicht bloß die Hunde, jondern aud) geübte Menichen aus ziemlicher Entfernung eine folche Kinderwiege wahrzunehmen imftande jind. Nach wenigen Wochen haben die Jungen bereits die Größe der Mutter erreicht und jtreifen noch eine Zeitlang in der Nähe des Lagers umher, um unter der Obhut und Leitung der Alten ihrer Nahrung nachzugehen. Später beziehen fie ihre eigene Wohnung, und im näc)- sten Jahre jind fie fortpflanzungsfähig. Bei bejonders günftigem Wetter wirst das Weibchen auch wohl zum zweiten Male in demjelben Sabre. Für den Winterjchlaf jucht fich der Gartenjchläfer trodene und gejchütte Baum- und Mauerlöcher, auch Maulwurfshöhlen auf oder fommt an die im Walde ftehenden Gehöfte, in Gartenhäufer, Scheuern, Heuböden, Köhlerhütten und andere Wohngebäude, um jic) dort zu verfriechen. Gewöhnlich findet man ihrer mehrere jchlafend in einem Nejte, die ganze Gejellihaft dicht zufammengerolit, jajt in einen Knäuel verjchlungen. Sie jchlafen un- unterbrochen, Doch nicht jo feit wie andere Winterjchläfer; denn jo oft milde Witterung ein- tritt, ertvachen fie, zehren etwas von ihren Nahrungsvporräten und verfallen exit bei erneuter Kälte wieder in Schlaf. Abweichend von den übrigen Winterjchläfern zeigen jie während ihres bewußtlojen Zujtandes Empfindlichkeit gegen äußere Reize und geben dies, wenn man jte berührt oder mit einer Nadel sticht, durch chwache Zudungen und dumpfe Laute zu er- fennen. Selten erjcheinen jie vor Ende April wieder im Freien, frejjen nun zunächjt ihre Nahrungsvorräte auf und beginnen jodann ihr eigentliches Sommerleben. Der Öartenjchläfer ijt ein verhaßter Gaft in Gärten, in denen feinere Obitjorten ge- zogen werden. Ein einziger reicht Hin, eine ganze Pfirfich- oder Aprikojenernte zu vernichten. 63 gibt fein Schußmittel, ihn abzuhalten; denn er weiß jedes Hindernis zu übertwinden, Flettert an den Spalieren und Bäumen hinan, jchlüpft durch die Mafchen der Nee, die dar- über gejpannt find, oder durchnagt fie, wenn fie zu eng gemacht wurden, zwängt jich jelbjt duch Drahtgeflechte. Da er num den Menfchen nur Schaden zufügt und weder durch jein Stleijch noch durch jein Fell den geringsten Nuten bringt, wird er von Gartenbejigern, die am empjindlichiten von ihm gebrandichaßt werden, eifrig verfolgt und vernichtet. Die beiten allen, die man ihm ftellen Fann, jind wohl Drahtichlingen, die man vor den Spalieren auf- hängt, oder Heine Tellereijen, die man pafjend aufitellt. Bejjer alS alle joldhe Fallen jchüst den Garten eine gute Kate vor diefem zudringlichen Diebe. Marder, Wiejel und Eulen jtellen ihm ebenfalls eifrig nad). Für die Gefangenjchaft eignet jich der Gartenjchläfer ebenjowenig mie der Bild). Selten gewöhnt er ich an den Menfchen, und bei jeder Überrafchung bedient ex jich jofort jeiner jcharfen Zähne, oft in recht empfindlicher Weife. Dabei hat er die unangenehmen Eigenjchaften des Siebenjchläfers, verhält fich ftill bei Tage und tobt bei Nacht in feinem Käfig umbder, verjucht Stäbe und Gitter durchzunagen oder durchzubrechen und tajt, wenn ihm leßteres gelingt, im Zimmer herum, daß man meint, e8 wären wohl ihrer zehn. Was im Wege jteht, wird dabei umgemworfen und zertrümmert. Won dem räuberifchen Wejen der Tiere fan man fich an den gefangenen leicht überzeugen. Sie zeigen die Blutgier des iejels neben der Gefräßigfeit anderer Bilche, ftürzen fich mit wahrer Wut auf jedes Heinere irbeltier, das man zu ihnen bringt, erwürgen einen Vogel im Nu, eine biffige Maus troß aller Gegenwehr nach wenigen Minuten. vd. Fregberg-Regensburg hatte einjt („Zool. Gar- ten“, 1573) einen Gartenjchläfer „als Eindringling und Mörder” in feiner Voliere, die an die alte Stadtmauer anjtieß. Das Tier verjchleppte ihm eine Heidelerche unter die Hundehütte. „Sie hatte am Hinterfopfe Blutjpuren und war auf der linfen Rüdenfeite ohne Bejeitigung \ Gartenjchläfer: Winterjchlaf. Echaden. Gefangenleben. Schmaroker. Giftfeftigfet. 415 vieler Federn angeftejjen. Auf der linfen Nüdenjeite war, ohne daß eine Nippe verlegt war, eine Öffnung, durch welche Herz und Leber herausgerifjen und mwahrjcheinlich gleich ge- jrejjen worden waren.” Außerdem vernichtete der Nager hHochinterejjante Bruten wert- voller Eroten und richtete einen Schaden von beinahe 400 Mark an. Bon gefangen ge- haltenen Gartenjchläfern wurden laut dv. Freyberg „bei Nacht und Nuhe jelbjt Dohlen und Eichelhäher ohne Unterjchied ermordet, jelten aber angeftejjen. Mit weißen Ratten war er ohne alle Umjtände jogleich fertig; auch mit der Wanderratte wurde er fertig, allein nur ein gejchietter Sprung half ihm zum Siege. Kaninchen tötete er, wie alle Tiere, mit Biljen ins Genid.” Die Gier geht jo weit, daß, nach Dr. Weber, „jieben Junge in der Ge- fangenjchaft exit die Ohren der Mutter, dann deren Schwanz anfragen, Hierauf die Mutter jelbjt bis auf den leeren Balg und endlich die Gejchwilter einander aufzehrten, biS zuleßt nur noch ein jtarfes Männchen am Leben war”. Sie fallen aljo jelbjt übereinander her. „Beim Zujammenjperren mehrerer Gartenjchläfer”, bemerkt Weber, „hat man jtetS darauf zu achten, daß jie eritens fortwährend genügendes Futter, Nüjje, Buchen, Objt, Milchbrot, Hanf, Leinjamen ufiv., und Trinkwajjer haben, und zweitens, daß jie durch mäßige Wärme des Raumes, in welchem jie jich befinden, wach erhalten, d. h. vor dem Winterjchlafe bewahrt werden. Verjällt einer von mehreren gemeinjam in einem Käfige haujenden Gartenbildhen in Winterjchlaf, während die übrigen noch wach jind, jo tit er verloren: die jauberen Ge- nojjen machen jich über den Berjchlafenen her, beißen ihn tot und zehren ihn auf. Gleiches ereignet jich, wenn mehrere im Winterjchlafe liegende Gartenbilche nacheinander munter werden: der zuerjt aufgewachte tötet dann einen der hilflojen Schläfer nach dem anderen. Der gewöhnliche Tagesichlaf wird aus dem Grunde nicht fo gefährlich, weil der Überfalfene jchnell erwacht und jich jeiner Haut wehrt. Am hübjchejten nehmen jich gefangene Garten- ichläfer aus, wenn man jie in einem weiten, oben und unten vergitterten und dadurch luftig gemachten NRundglaje unterbringt und ihnen ein Sletterbäumchen herrichtet, auf welchen. jie umbherjpringen müfjen. Syn gewöhnlichen Käfıgen Hängen jie, auch wenn fie munter jind, regelmäßig an dem Gitter, nehmen hier ungewöhnliche Stellungen an und verlieren dadurch viel von ihrer Schönheit und Anmut.” Bon Schmarogern jcheint der Gartenjchläfer jehr-geplagt zu fein; Noll gibt davon am Schlufje jeiner Schilderung eine Blütenleje. „Die großen Ohrmufcheln des Schläfers bieten . An den tiefen Falten der zarten Innenjeite mancherlei Plagegeijtern Aufenthalt. So fand ich bei allen auf Rheinfels unterjuchten Tieren zahlreiche orangefarbene jechsbeinige Milben- larven in den Falten des Dhres eingenijtet, und zivar fo fejt eingebohrt, daß bei ihrer Weg- nahme jtet3 ein Teil des Dberhäutchens aus dem Ohre an dem Bohrjtachel hängen blieb; einer der Schläfer hatte eine erbjendide Zede (Ixodes) im Ohre; Flöhe jiben im Pelze der niedlichen Nager, und durch) D. dv. Lewis hören wir, daß in dem Körper des Gartenjchläfers außer einem Bandmwurm auch noch andere jchmarogende Würmer gefunden wurden, nämlich Strongylus gracilis und Ophiostoma cristata.” („3Zool. Garten”, 1880.) Eine ganz merkwürdige, aus der Lebensweije faum erflärliche Eigenjchaft des Garten- ichläfers: Feitigfeit gegen Schlangengift, ift exit neuerdings entdeckt worden. Wie G. Billard in den „Comptes Rendues“ der Societ& Biologique 1909 berichtet, ift der Gartenjchläfer gegen das Gift der Streuzotter vollfommen immun. Billard jprigte einem Weibchen, das 59 g twog, 9 mg Dttergift ein: eine Gabe, die genügt, um zehn Meerjchweinchen zu töten." Aber eine Halbe Stunde jpäter befand fich der Heine Nager deshalb nicht fchlechter und fraf etiwas Apfel mit offenbarem Appetit. Ein Männchen wurde getötet, nachdem es ähnlich 414 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Ehlafmausartige. behandelt worden-war, und 1 cem jeines Blutes einem Meerjchweinchen eingejprigt. Diejes fonnte man dann von einer Dtter beißen lajjen, ohne daß irgendwelche Strankfheitserjchei- nungen folgten. Durch diefe Berjuche jcheint Eargejtellt nicht nur, daß der Gartenjchläfer gegen Schlangengift immun it, jondern auch, daß jein Blut wie ein jtarkes Gegengift wirft. Während feiner Gefangenfchaft war dem Männchen ein Auge von dem Fangzahn einer der Dttern durchbohrt worden; aber troßdem dadurch das Gift fait unmittelbar in3 Gehirn drang und troß zahlreicher Bilje in verjchtedene Körperteile blieb jeine Gejundheit unerjchüttert. Die Gartenschläfer der Mittelmeerländer jind nach und nach alle als jelbjtändige Formen abgetrennt worden. Lebend ift die jardinisch-Forjifanijche Art, E. sardus Barr.- Ham., 1910 in den\ Berliner Garten gefommen durch einen deutichen Landsmann, U. 9. Krauje in Ajuni, nach dejjen Angabe die Tierchen dort „maillonis“ heißen. Sn Afrika, füdlich der Sahara, lebt die Schläfergattung Graphiurus F. Cuv., zit deutjch Pinjelihwänze, deren verhältnismäßig Fürzerer Schwanz ganz gleichmäßig behaart it und nur einen Endbüjchel Hat. Auch durch die jehr Heinen Baczähne tft je gefennzeichnet, die jich Durch Abnußung der Schmehfalten napffürmig austiefen. Sn Deutjich-Djtafrifa ommt der Mausjchläfer, G. murinus Desm. vor, in Togo jein jehr ähnlicher weitlicher Vertreter, G. coupei F. Cwv. Eriterer hat die gewöhnliche Schläfer- farbe: oben grau, unten mweißlich. Um das Auge verläuft in der Kegel ein dunkler Ring: Schwanz dicht behaart, abgeplattet, oft mehr in3 Braune jpielend, zuweilen mit weißlicher Spite. Der Schwanz wird 10 cm lang, der Rumpf mit dem Kopf etwas länger. Über das Leben ftellt Matjchie folgende Angaben zufammen: „Männchen und Weib- chen wurden im November mit vier Jungen aus einem Nejt genommen. Das Nejt war fugelrund und hatte ungefähr 13 cm im Durchmejjer. &3 jaß 11% m über dem Erdboden in einem Bujc) und bejtand aus Grashalmen und Streifen von Bananenblättern. Im Inneren war es mit feinem Gras ausgefüttert.” (AUbbott.) „an findet das Tierchen meift in Euphorbiaheden, welche die Biehparfe umgeben. Höhlen in den fajerigen alten Stämmen bilden hier ihr Verjted. Die Vermehrung muß be- deutend jein; denn man findet Weibchen mit vier Jungen im September und darf wohl an- nehmen, daß jte, Ihren Verwandten ähnlich, wenigjtens zweimal jährlich werfen. Die Jungen jind jeidengrau, rojtgelblich überhaucht, nach dem Bauche zu heller, unten rein weiß. Die unbehaarten Pjoten jind roja. Der Stopf ift im Berhältnis zum Rumpf ziemlich groß, der Schwanz dicht behaart.” (Emin.) „Ein Heiner Giebenjchläfer war auf den jchönen Sterfulien am Mpwapwabache jo häufig, daß er abends in die Zelte fam und ganz flott, an das Leinen gedrüct, in die Höhe Hlet- terte. Er glich in diejer Stellung, vom Schwanze abgejehen, auffällig den Gedonen.” (Cmin.) Die füdafrifaniichen Arten teilen fich, nach W.L.Sclater, ingrofevon ettva löcm Körper- länge, Kopf mit jhwarzer und weißer Zeichnung (Brillenfchläfer, G. ocularis Smith); mittelgroße mit Icm Rumpflänge ohne deutliche Kopfzeichnung Mausichläfer,G. mu- zinus Desm., der aljo auch hier vorfommt und fich durch Iangen, fchmalen Schädel unter- jeidet von dem ungefähr ebenfo großen, breit- und flachföpfigenG. platyops T’Ros. mit weißer Schwanzjpiße); Eleine, unter Scm Körperlänge (Zwergfchläfer, G. nanus Winton). Bom Leben weiß man wenig. Cuvier berichtet, daß ein in Paris gefangen gehaltener en Pinjelihwanzichläfer. Hafelmaus. 415 Mausichläfer einen Winterfchlaf hielt, genau wie die europätfchen Schlafmäuje; ob das in - der Freiheit und in der Heimat auch der Fall ift, Hat man noch nicht bejtätigen fönnen. Über den Zivergichläfer jehrieb der Sammler G.W. 8. Marfhall, der ihn aus Salisbury jchicte, an Cclater: „Dieje Tiere haben die merkwürdige Gewohnheit, die Nejter der größeren unjerer beiden Gejellichaftsijpimnen (Gattung Stegodyphus) als Wohnung zu benugen. Ob dies jtändige Sitte bei ihnen ift, kann ich nicht jagen; aber ich Habe jie dreimal auf dieje WWeije gefangen und in drei oder vier Fällen alte Spinnennefter gefunden, die augenjcheinlich von Schlafmäufen benußt waren. Die Bauart der Spinnennejter wechjelt zwijchen einer Einzel- fammer von der Größe, eines Heinen Hühnereies bis zu einer Majje jehr feit geftlgten Ge- ipinftes, jo groß wie ein Menjchenfopf und durchzogen von Gängen und Kammern. Darin Höhlen fich die Schläfer eine Kammer von pafjender Größe aus, die jie mit Fiedergräjern, den laumigen Samen verjchiedener Blumen und auch mit einigen Bogelfedern auspolitern. Wenn ich nach dem einen Falle urteilen darf, too ich fie mit ihren Jungen in jolchem Neite fand, möchte ich glauben, daß jie nicht nur alte, verlajjene Nejter benugen, jondern jogar die Spinnen austreiben; denn ich war durch die Spinnen erjt auf das Keit aufmerkfam geworden. Sch bemerkte ungefähr 200 derjelben auf einem Kleinen Bujch, offenbar in großer Aufregung und emfig beichäftigt, fich ein neues Neft zu machen.“ Eine weitafrifanijche Art von Liberia und Fernando Po, der Didihmwanzichläfer, ° G. erassicaudatus Jent., hat jich dadurch bejonders interejfant gemacht, daß gleich ihr Ent- deder Sentinf ein Stüc mit ähnlich „vegeneriertem" Schwange bejchreiben konnte, tie eg Thomas von einem innerafiatischen Schläfer der Gattung Elomys gejchildert hat. Ein zweites jolche3 Eremplar von Fernando Po jand Thomas dann in den Sammlungen des Britijchen "Mufeums, mit einem ähnlichen, Feulenförmigen, bufchigen Schmwangze, der bis dahin immer als zufällig abgebrochen angejehen wurde, bei Eröffnung aber im Sıneren denjelben langen, „regenerierten” Endftiel aufwies wie jener inneraftatiihe Schläfer. Von vier Kameruner Schläfern (G. haedulus Dollman) aus den Sammlungen von Bates hatte einer ebenfalls den feulenförmigen Schwanz mit dem ftabförmigen Endfnochen. * Die Gattung der Mäufebilche (Muscardinus Kaup) unterjcheidet jich ebenfalls Haupt- jächlich Durch das Gebiß von den vorigen. Der erjte obere Badzahıı hat zivei, der zweite fünf, der dritte jieben, der vierte jechs, der erjte untere drei und die drei folgenden jechs Querleiften. Auch jind die Ohren Heiner als bei den vorigen. Der Schwanz tft jeiner ganzen Länge nad) gleichmäßig und ziemlich Furz behaatt. Sa Europa lebt nur eine einzige Art diejer Gattung, die Hajelmaus, Muscardinus avellanariusZ. (Taf. „Nagetiere XV“, 5, bei ©. 397); ja, wir haben hier jogar den jeltenen Yall, daß aucd) bis heute Feine weitere Art abgetrennt ijt, wenigjtens bis zum Erjcheinen de3 Trouejjartihen Supplementbandes 1904 nicht bejchrieben war, eine alte Gattung aljo immer noch aus eimer einzigen Art beiteht. Ohne zwei Unterarten it e$ aber doch nicht abgegangen: die englische Hajelmaus ift als M. a. anglicus Barr.-Ham., die füditalische als M. a. speciosus Dehne bejonders bejchrieben worden. Die Hajelmaus ift eiies der niedlichjten, anmutigjten und behendeiten Gejchöpfe unter allen europäifchen Nagetieren, ebenjo ausgezeichnet durch zierliche Geftalt und Schönheit der Färbung wie durch Neinlichkeit, Nettigfeit und Sanftheit de3 Wejend. Das Tierchen ift 416 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Schlafmausartige. ungefähr jo groß wie unfere’Hausmaus; jeine Gejamtlänge beträgt 14 cm, twovon fait die Hälfte auf den Schwanz fommt. Der dichte und anliegende, aus mittellangen, glänzenden und tweichen Haaren bejtehende Pelz ijt gleichmäßig gelblichrot, unten etivas heller, ar der Bruft und der Kehle weiß, Nugengegend und Ohren jind hellötlich, die Füße vot, die Zehen weißlich, die DOberjeite des Schwanzes ijt bräunlichrot. Jm Winter erhält die Oberjeite, namentlich die leßte Hälfte des Schwanzes, einen jchwachen jchwärzlichen Anflug. Dies fonmt daher, weil das friiche Grannenhaar jchwärzliche Spiten hat, die jich jpäter abnußen und abjchleifen. Junge Tiere jind lebhaft gelblichrot. Mitteleuropa ijt die Heimat der Hajelmaus. Schweden und England jcheinen ihre nörd- fichite, Tosfana und die nördliche Türkei ihre füdlichjte Grenze zu bilden; ojtmwärts geht jie nicht über Galizien, Ungarn und Siebenbürgen hinaus. Bejonders Häufig it jie in Tirol, Kärnten, Steiermark, Böhmen, Schlejien, Slamonien und in dem nördlichen Stalien, ie jte überhaupt den Süden in größerer Anzahl bewohnt als den Norden. Doch verzeichnet jie tiedel in feinen 1886 erjchienenen „Wirbeltieren der Mark Braudenburg” jogar für den Ber- - liner Tiergarten, den befannten öffentlichen Park vor dem Brandenburger Tor, der täglich von Taujenden von Fußgängern, von Fuhrwerfen und Straßenbahnen durchfreuzt wird; jerner nach Angaben von Schalomw (1868) für die dichten Hajelgebüjche von Schönholz bei Berlin. Neuere Bejtätigungen fehlen wohl. Sn Hannover ijt die Hajelmaus, nach Köns, „nur aus dem Kaubholzgebiete des Berglandes befannt, wurde aber überall nur jelten gefunden“. Sie „it für Göttingen jchon durch Bechitein feitgejtellt”, bei Hildesheim, im Solling, bei Goslar (früher öfter in Dohnen gefangen), im Harz, auf dem Hörzen, einem der Sieben- berge bei Alfeld, gefunden. Sn Oldenburg fehlt jte, it m Schleswig-Holitein einmal ge- fangen, jonjt in Braunfchweig und Weitfalen nachgewiejfen. In Weftfalen wird, nad Wiemedger-Warjtein („Zool. Garten”, 1894), ihr Berbreitungsgebiet „nach Norden durch das Haarjtranggebirge begrenzt; nördlich diejes Höhenzuges trifft man jie ebenjomwenig in der fruchtbaren Soejter Börde wie in dem jandigen, jonnigen Miünjterlande an. Ym jüd-_ lihen Teile Wejtfalens, jpeztell im jogenannten Sauerlande, tritt jie überall, wenn auch nicht gerade Häufig, auf und wählt unter Vermeidung des gejchlojjenen, finjteren Hoch- mwaldes lichte Waldraine, junge Aufihläge, Waldheden ujw. zu ihrem Aufenthalte.” Shre Aufenthaltsorte jind fait die nämlichen wie die ihrer Verwandten, und auch ihre Lebens- mweije erinnert lebhaft an die bejchriebenen Schläfer. Sie gehört ebenjoqut der Ebene wie dem Gebirge an, geht aber in leterem nicht über den Laubholzgürtel nach oben, fteigt aljo eiwa bis 1500 m über daS Meer empor. Niederes Gebitich und Heden, am alferliebiten Hajenußdidichte, bilden ihre bevorzugten Wohnjibe. Bei Tage liegt die Hajelmaus irgendwo verborgen und jchläft, nachts geht fie ihrer Nahrung nach: Nüffen, Eicheln, harten Samen, jaftigen Früchten, Beeren und Baum- fnojpen; am liebjten aber verzehrt jie Hajelnüjje, die fie geichickt öffnet und. entleert, ohne je abzupflüden oder aus der Hülje zu fprengen. Auch den Beeren der Eberejche geht fie nach und toird deshalb nicht jelten in Dohnen gefangen. Sie lebt in Heinen, nicht gerade innig verbundenen Gejellichaften. Jede einzeln oder ihrer mehrere zufammen bauen jich in recht dichten Gebüjchen ein weiches, warmes, ziemlich funftreiches Nejt aus Gras, Blättern, Moos, Würzelchen und Haaren und durchitreifen von hier aus nächtlich ihr Gebiet, fajt immer gemeinjchaftlich mit anderen, die in der Nähe wohnen. Als echte Baumtiere Hlettern fie wundervoll jelbjt im dünnjten Gezmweige herum, nicht bloß nach Art der Eichhörnchen und anderer Schläfer, jondern auch nach Art der Affen; denn oft fommt e8 vor, daß fie jich mit Hafelmaus: Verbreitung. Freileben. Nahrung. Fortpflanzung. 417 ihren Hinterbeinen an einem Zweige aufhängen, um eine tiefer hHängende Nuß zu erlangen und zu bearbeiten, und ebenfo häufig fieht man jie gerade jo ficher auf der oberen mwie ar der unteren Seite der Hite hinlaufen, ganz in der Weife jener Waldfeiltänzer de3 Südens. GSelbjt auf ebenem Boden jind fie noch recht Hurtig, wenn jie auch jobald wie möglich ihr luftiges Gebiefwieder aufjuchen. „Die bejte Beobachtungszeit”, jagen die Gebriider Müller, „At die Morgen- und Abenddämmerung oder auch die hellerleuchtete Mondnacht... Man jtellt oder jeßt fich mitten in einen Hajelbujch, der von den Hajelmäufen fleißig bejucht wird, und richtet fein Augenmerk auf die Afte und Ziveige, welche fich gegen den hellen Himmel deutlich abzeichnen. Mit wunderbarer Schnelligkeit laufen die Tierchen über die Ziveige, und in den mannigfaltigjten Stellungen eignen fie jich die Nüfje an. Oft halten fie fich nur mit den Hinterfüßen, während die Vorderfüße die am Zweig Hängenbleibende Frucht er- faljen und für das Nagen und Aushöhlen des Jnhalt3 den nötigen Halt bieten. Die feinen Bähne jchneiden die Nuß in wahrhaft funtfertiger Weije an, und e3 genügt eine verhältnis- mäßig jehr Heine Öffnung, um die allmähliche Entleerung de3 Kerns mittels der Zähne zu ermöglichen. So wandert jedes Glied des gejchäftigen VBölfchens von einer Nuß zur andere, und das ijt ein Knuppern und Sinaden und Niederfallen der Schalenteile und nicht jelten auch der troß der Borjicht der Behandlung doch mitunter vom Zmeig jich trennenden, häufig von den Tierchen aber abjichtlich Iosgeriffenen und fchlieglich nach der Ausbeutung weggemor- fenen Nüfje, daß die Mühe der Beobachtung reichlich gelohnt wird durch das fich darbietende Bild der Anmut und Rührigfeit. Eine geräujchvolle Bewegung jchredt fie alle bligjchnelt auseinander, und, faum gedacht, find jie verjchwunden, das eine in Hujchendem Lauf, das andere durch rajche Sprünge, das dritte durch einen Sprung aus der Höhe auf den Boden, two eine Höhle oder Steingerölle die Schußjuchenden aufnimmt.” Sn unferer deutichen Naturgejchichte heikt e3 allgemein, die Fortpflanzungszeit der Hafelmaus falle exit in den Hochjommer, Juli, und nac) vierwöchiger Tragzeit, alfo im August und nur einmal im Jahr, werfe das Weibchen 3—5 nadte, blinde Junge in dem fugelförmigen, jehr zierlich und Eunftvoll aus Moos und Gras erbauten, innen mit Tier- haaren ausgefleideten Sommerneft, das regelmäßig im dichteften Gebiüjch und etwa meter- hoch über dem Boden zu jtehen pflegt. In England dagegen werden, nach Lydeffer, jchon im Frühjahr Hafelmäufe geboren, aber auch im September noch; e3 fonımen aljo wahrjcheinlich zwei Würfe im Jahr vor. Darauf deuten übrigens auch mweitfäliiche Be- obachtungen von Wiemeyer-Karjtein („Zool. Garten”, 1894). Die Jungen wachjen außer- ordentlich Schnell, Jaugen aber doch einen vollen Monat an der Alten, wenn jie auch inzwijchen ichon jo groß geworden jind, daß jie ab und zu das Neft verlajjen können. Anfangs treibt ji) die Familie auf den nächiten Hafeliträuchern umher, jpielt vergnüglich und jucht dabei Nülje. Bei dem geringjten Geräujch eilt alles nach dem Nefte zurüd, dort Schuß zu fuchen. Noch ehe die Zeit fommt, vo fie Abjchied nehmen von den Freuden des Lichtes, um fich in ihre Winterlöcher zurüczuziehen, find die Meinen bereits fait jo fett gervorden tie ihre Eltern. Um Mitte Oftober ziehen jte jich wie leßtere in den Schlupfmwinfel zurüd, mo jte den Wintervorrat eingejammelt Haben, und bereiten jich aus Reijern, Laub, Nadeln, Moos und Gras eine Furgelige Hülle, in die jie jich gänzlich einticeln, rollen fich zum Knäuel zufammen und fallen in Schlaf, tiefer noch als ihre Verwandten; denn man fann fie in die Hand nehmen und herummfugeln, ohne daß jie irgendein Zeichen des Lebens von fich geben. Ye nach der Milde oder Strenge des Winters ducchichlafen fie nun ihre 6— 7 Monate, mehr oder weniger unterbrochen, bis die jchöne, warme Frühlingsionne jie zu neuem Leben wachruft. Ein Brehm, Tierleben. 4. Aufl. XI. Band. 27 418 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Schlafmausartige. Winterneft am Boden entdedte A. Müller „in den eriten Tagen des März 1880, al3 das Wetter fich plößlich bei Süd und Siüdmweft milder geftaltete, durch ein feines Piepen unter fich”. E3 war „halb in, halb auf der Erde, mit ettvaS Laub bededt, angebracht” und „zeigte in feiner Unterlage eine deutliche Schicht feiner Grashalme, melde fi) ohne viele Mühe aleichjam von felbft von den übrigen Stoffen ablöjen ließ.. Auf diefem mie eifte flache, rund- fiche Untertaffe geformten Rofte war nun das nettejte Kugelneft zu jhauen. ES beiteht teil- mweije aus fein zerichligten Baftjchnüren von Weichholz, teils aus |hmalem Bandgraje, welche Stoffe jehr feft und dicht, etiva 1,5—2 cm did, mit dem verhärteten, wie trodener Schneden- ichleim glänzenden Speichel de3 Tierchens ineinander verfittet jind. Die Wand des Neites war damals überall verjchloffen; nur machte fich bei gründlicher Unterfuchung derjelben bald eine Stelle bemerflich, an welcher die Spigen der Hälmchen und Schnürchen weniger Dicht in einem gemeinfchaftlichen Mittelpunfte jich vereinigten. Dieje Stelle ließ fich bequem öffnen, wodurch eine im Winterfchlafe begriffene und völlig zufammengefugelte Hajelmaus zum Vorjchein Fam... Das Mäuschen war troß des fundgegebenen Lebenszeichens durch Pfeifen noch in Erftarrung und fühlte fich jehr fühl an.” Samt dem Nefte mit nad) Haufe genommen, lag e3 in tiefem Winterjchlaf bis zum 25. März. An diefem Tage wurde be- merft, daß e3 einige Hafelnüfje verzehrt und, „da die übrigen Tage des März unfreundlic) und troß des Sonnenfcheing durch einen rauhen Dftjtrom Falt blieben, das Schlupflod) jeines Zufluchtsortes beinahe ganz verjtopft” Hatte. „Sn der Erjtarrung fonnte man mit bloßem Auge Fein Atmen entdeden, unter dem Vergrößerungsglas aber bald einen auffallend ver- langjamten Puls; aud) verriet fich das Atmen innerhalb 3— Minuten nur in einem rud- mweijen Heben der Flanken, worauf wieder völlige Ruhe eintrat." Auffällig reichlich ift „eine fleine, murm- oder nadelartige, jchtvarze Zojung in 3—8 mm langen, 1—1,5 mm breiten“ Stüdchen. „Der Ballaft, welchen e3 durch Zernagen und Berzehren der häutigen und hol- zigen Umhüllungen der Hajel- und Weljchnußferne und Schalen in feinen Magen bringt, mag mwohl zu diejer ftarfen Darmauzjcheidung Hauptjächlich beitragen.” Bei „II—12° R blieb die Maus ftet3 in ihrem Neftchen zufammengeroflt, jchlafend, erwachte aber bei leijem Anhauch jogleich, während der Schlaf jchon tiefer fich erwies, jobald die friihe Yuft durch geöffnete Fenfter eindrang. Bewegte Luft oder jehr windiges Wetter jcheut die Maus, Wind it ihr zutider.” Als am Morgen de3 4. April der ettvas rauhe Wind Fräftig ins Zimmer jtteß, fand man nach einiger Zeit das Nejt „nicht allein merklich aus feiner vorherigen Lage gebracht, jo daß das bis dahin halb gegen das Fenfter gerichtete Eingangsloch dem Luftzuge abgemendet war, jondern auc) das Neft gänzlich zugeftopft. Um zu jehen, wie die Hajelmaus das Wenden des Neftes und das Berftopfen des Schlupfloches beiwirfe, wurde das Neft wieder in jeine frühere Lage verjett und das Schlupfloch geöffnet. Innerhalb einiger Mi- nuten bemerkte man eine äußerjt rajche reigbewegung der Maus im Nejte, wodurch dies in einem Halbfreije der Bewegung feines Snfafjen folgte und wieder mit feiner Offnung dem durchs Fenjter dringenden Windftoß abgemendet lag. Kaum war das Neft auf dieje Weije etiva im rechten Winkel umgedreht, fah man die Hafelmaus mit Vorderpfoten und Schnauze die Schnürchen und Hälmchen in dünner Lage über fich zufammenziehen, wonad) jte jich Fugelte und den Schwanz im Bogen quer über das Gejicht legte... Trokdem das Tierchen num jchon vom 1. April, aljo gegentvärtig 6 Tage, nicht mehr in einem anhaltenden Schlafe begriffen und jede Nacht auch anhaltend wach ift, zeugen feine Bewegungen doch noch) von Unficherheit und Schlaftrunfenheit. Auch ift e3 fichtlich reizbar, angegriffen. Das merkt man daran, daß e3 Teicht erfchridt und feine Bewegungen noch verhältnismäßig langjam MN > / Wi 7 war N Hajelmaus: Winterjchlaf. 419 find.” Am „6. April, während eines längeren Sonnenblides, rüdte man jeinen Behälter leife fo, daß da3 in feinem Nefte Schlafende die Sonnenjtrahlen trafen und nach und nac) ervärmten. Vorher, im Schatten der Stube, zählte man ar dem Schläferchen alle3 Sekunden ungefähr einen Bulsichlag; in der Sonne atmete und pulfierte das Tierchen zuleßt jo rajch, daß 1,75—2 Bulsichläge und fat ebenjo viele Atenzüge in einer Sekunde erfolgten. Dennoc) erwwachte e3 nicht von jelbjt durch die Erwärmung... Den unmittelbar einfallenden Sonnen- jtrahlen jowohl al3 der grellen Helle durch jtarfes Reflerlicht weicht e3 init dem Geficht aus, indem e3 fich in feiner Lage wendet, jo daß e3 zulet der Lichtjeiteden Rüden kehrt... Zebt, tvo im Garten die Blütendolden des Spitahorns (Acer platanoides) zum Borjchein fommen, reicht man der Hafelmaus allabendlich einige Dolden in den Käfig, die jie gerne annimmt. Schon borher nagte fie das Herz der angejchtwollenen Snojpen des Spibahorns jotwie des ejchen- blätterigen (A. negundo) jo heraus, daß die Schuppenhüllen jternförmig auseinanderftanden.“ Über den Winterfchlaf gibt noch dv. Tjeyudi „merkwürdige Unterfuchungen von Mangili und anderen” wieder. „Die Erperimente wiejen nach, daß dieje Yethargie ganz anderer Art it al die der Murmeltiere oder der Hamfter, und daß ihre Erjcheinungen bei den einzelner Arten diefer Familie wieder nicht unbedeutend variieren. Die Heine Hajelmaus jcheint die ichlaffüchtigfte zu fein. Ein gefangenes Tierchen lag bei einem Thermometerjtand von 1° über Null in todähnlicher Erftarrung und zählte während 42 Minuten nur 147 unregelmäßige Atenzüge. Das Thermometer janf bis 19 unter Null; — da erwachte das Mäuschen, ent- ledigte jich jeiner Erfremente und begann zu frejjen. Später, bei höherer Wärme, jchlief es tpieder ein und atmete bei 5° viel feltener al bei 19 und immer jeltener, je länger der Schlaf dauerte, ja bis zu Unterbrechungen von 27 Minuten.” Einigermaßen einleuchtend jcheint Lataftes Schlußfolgerung, dag man Hajelmäuje während des Winterjchlafes in etivas feuchter Quft Halten müfje, tie je ja im Winter draußen tatjächlich meift ift. Zwei, die er verlor, waren jozujagen allmählich eingetrodnet, und ihr Tod erfolgte durch Eindidung der Körperjäfte. So erklärt er jich auch, wie der Störper eines alten Stüces, fett und jchwer bei Beginn des Winterjchlafes, binnen zwei Monaten mager und leicht wie eine Feder werden konnte, und er verjteht, warum ein junges jich Darauf ver- jteifte, fein luftiges Nejt zu verlajjen, und fich immer wieder auf dem Fußboden des Ktäfigs zum Schlafen niederlegte; es juchte dort eine jchiverere, feuchtere Luft. „Sm der trodenen Atmojphäre unjerer Zimmer verlieren die Tierchen jchnell durch Verdunftung einen merk lichen Teil ihres Wajjers, und während des Winterjchlafes erjegen jie diefen Verluft nicht in jedem Augenblid wieder durch Speije und Trank.” Eine Gewichtszunahme während des Winterjchlafes, wie jie Horwarth und andere 3. B. beim iejel nachgemwiejen haben, fonnte Rabus bei der Hafelmaus nicht feititellen außer bei einem „Männchen vom 1. Dftober bis 26. November, welches am 15. Oftober zu jchlafen begann und am 26. November eine Gewichtszunahme von 3 g zeigte... Die größte Heiwichts- zunahme fällt in den Monat September”, aljo unmittelbar vor den Winterjchlaf: z.B. von 25 auf 35, von 24 auf 37, von 39 auf43 g. Bei dem jehr regelmäßigen Winterjchlaf eines Weibchens zeigte jich „eine Gewichtsabnahme von 11 g innerhalb der Dauer desjelben, jonach nicht ganz 2 g im Monat”. — „Eine mikrojfopijche Unterfuching der am erjten Tage des Wiedererwachens abgegebenen Erfremente, welche faft volle 7 Monate im Darm gewejen waren, ließ feinerlei Fettzellen mehr von Nüfjen erkennen, während die Zellen de3 Klernobjtes (Apfelmarf) reichlich noch vorhanden waren, möglicherweije ein Beweis, daß die Fetteile der Nahrung gänzlich zur Fettbildung des Körpers abforbiert waren. Außerdem fand jich eine 27* 420 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Schlafmauzartige. Art Schlauchförmiger Gebilde in Menge vor, die in ihrer äußeren Form eine gemwijje Ahnfich- feit mit den befannten Pjorojpermienjchläuchen im Musfelfleifch der Schweine Hatten.” Am leichteften fängt man die Hafelmaus, nach) Wilhelm Schufter, im Sommer in den v. Berlepjchichen Niftkäften, deren Dedel jich bequem abjchrauben läßt, während die Tierchen aus alljeitig verichlofjenen Nijtfäften bei Beunruhigungen meift nicht Herausgehen. Syn Star- fäften haufen, nad) Qudmwig Schufter, meift vier, fünf oder jech$ zujammen, wie der genannte Beobachter in den Wäldern des Vogelöberges, wo er Starfäften aushing, erfuhr; feine Star- fäjten waren in den dortigen Mijchwäldern ihre beliebteften Wohnftätten. Häufiger erhält man jie im Spätherbjt oder Winter beim Laubrechen und Stöderoden. Entweder frei unter dürren Blättern oder in ihrem Nejte Ttegend und mwinterjchlafend, werden jie mit dem Werkzeuge an das Tageslicht gejchleudert und verraten fich Durch einen feinen, piependen Laut dem einiger- maßen achtiamen Arbeiter, der fie, wenn er fie fennt, dicht in Moos einhüllt, mit nach Haufe nimmt und bis auf weiteres einbauert oder einem Tierfreunde überliefert. Hält diejer jie einmal inder Hand, jo haterjie auch jchon jo gut wie gezähmt. Niemals wagt die Hajelmaus, fich gegen ihren Bemältiger zur Wehr zu jegen, niemals verjucht je zu beißen; in der höchjten Angjt gibt jie bloß einen quietjchenden oder hell zifchenden Laut von fich. Bald aber fügt fie fich in da3 Unvermeidliche, Yäßt jich ruhig in das Haus tragen und ordnet jich ganz und gar dem Willen des Menjchen unter, verliert auch ihre Scheu, Doch nicht ihre angeborene Schüchternheit und Surhtiamfeit. Man ernährt fie mit Nüffen, Objtfernen, Objt und Brot, auch wohl Weizen- förnern. Sie frißt jparjam und bejcheiden, anfangs bloß des Nachts, und trinkt weder Wajjer noch Mil. Ihre überaus große Neinlichkeit und die Liebenswürdigfeit und Verträglichkeit, die jie gegen ihresgleichen zeigt, die hübjchen Bewegungen und lujtigen Gebärden machen jte zum wahren Lieblinge des Menjchen. In England wird fie als Stubentier in gemöhn- fichen Bogelbauern gehalten und ebenjo wie Stubenvögel zum Marfte gebracht. Man kann jte in dem feinjten Zimmer halten; denn fie verbreitet durchaus feinen übeln und nur im Sommer einen bijamähnlichen Geruch, der aber jo jchrwach ift, daß er nicht läjtig fällt. Obwohl die Hajelmaus jich jo leicht und gut in die Gefangenjchaft eingemwöhnt, fcheint jte da doch nur ausnahmsweije zur Fortpflanzung zu fchreiten. Aus der neueren Zeit wenig- jtens können mir hier feinen anderen Zuchterfolg mit ihr verzeichnen als den von PBrofejfor Heine mitgeteilten („Kosmos“, 1910), der aber auch nur ein halber war. „Zweimal habe ich Junge von diefen Tierchen erzielt, und zwar jedesmal im Februar. Vorher jchleppt das Weibchen fein zerzupfte Watte in eine Ede des Käfigs und baut fich dort ein Neft als Wochen- jtube, aljo nicht in dem gemeinfamen Schlafgemach, jondern gefondert vom Männchen. Was das für einen Zwed hat, jollte ich bald erfahren. Das erftemal war das Junge tot, al ich es entdedte; das zweitemal waren zwei prächtige Junge da, die aber von dem Männchen nacht gefrejjen wurden, und tie e3 fcheint, nach einem exbitterten Kampfe mit dem Weib- chen; denn nachts tar ein fürchterlicher Spektakel in dem Käfig. Als ich morgens nachjah, lag das Pärchen, friedlich in die Watte eingewühlt, im gemeinfamen Schlafgemach, und das Wochenbett war leer.” Dit zwei gefangenen Hafelmausfamilien erlebte Wiemeyer-Warftein etwas jehr Sonderbares. Die eine Mutter verlie zweimal ihr Neft mit ihren Jungen und legte jich zu der anderen Familie in das andere Neft, jo daß ihre Jungen beinahe erftarrt wären. Wie- meyer fonnte jogar noch „ein drittes Nejt mit vier Jungen, die jedoch bereits ganz jelbftändig waren... zu den zivei anderen Familien in den einen Käfig jegen”: alle „hielten, ttogdem ein bejonderes Bett für fie bereitet war, Tagesruhe in Gemeinfchaft in ein und demjelben Hafelmaus: Yang. Gejangenleben, 421 Käftchen. Streit und Bifligfeit fcheinen die Hajelmäufe im Gegenjat zu den größeren Schläfern nicht zu fennen; wenigitens zeigten meine aus drei gamilien zujammengejegten Pilegefinder jtet3 das Bild des jchönften Samilienfriedens. rn der Gefangenjchaft wachen übrigens die Heinen Tierchen jehr langjam heran, was wohl auf die veränderte Lebensmweije (der Alten) zurüczuführen fein dürfte. So öffneten jich z.B. beiden yon mir aufgezogenen ungen ... exft in der dritten Yebenswoche — etwa am 17. Tage — die Augen, und die Ende Auguft geborenen Mäuschen waren exit Anfang Dftober, nad) 5—6 Wochen, jelbjtändig. Sn der Freiheit währt diefe Periode nach meinen Beobachtungen nur etiva 3 Wochen... Wenn ich die Jungen dem Nefte entnahm, liegen die Alten mehrfach einen kurzen, etiva aus drei Tönen zufammengejegten janften Triller hören, der mich an den Triller der Hauben- meije erinnerte, jedoch jehr jchwach war.” Bei jeinen Studien über die Gewicht3veränderungen während des Winterjchlajes hat Nabus auch andere wiedergebenswerte Beobachtungen gemacht („Zool. Garten“, 1881). Von feinen beiden Hajelmäufen big das ältere Männchen dem jüngeren Weibchen den Schwanz mehrfach auf dem Transporte von England nach Deutjchland an, und diejelbe Hajel. maus biß auch, als fie einft entjprungen war, ihren Bejiger und Pfleger, einen heftigen, pfeifenden Ton von fich gebend, fo tief in die Zingerjpigen, daß es ihm nicht möglich war, jie loszufchleudern, und er die Hand mit dem Tiere in den Käfig brachte, wo e3 endlich [os- ließ. „Sm uni 1880”, fährt Rabus fort, „machte ich den Berjuch, die Tiere zu zioingen, jich die Nüffe jelbit zu öffnen, die ich bis dahin ftet3 geöffnet in ihre Futterjchale gelegt hatte, von dem Gedanken ausgehend, daß ein gleiches der Fall fei in ihrem freien Naturleben. Der Berjuch mißlang vollftändig. Ir der eriten Nacht nagten jie zirkelrunde, erbjengroße Löcher in die Schalen der Nüfje und Holten den Inhalt vollitändig heraus. Jr der darauffolgenden Nacht nagten fie die Nütlje an, ohne bi auf den Kern zu jtoßen, und in den nächitfolgenden Nächten machten fie faum diefe Verjuche mehr, jo daß jie dann in Furzer Zeit jehr jchtwac und mager wurden und wohl verhungert wären, hätte ich meinen Verjuch nicht bald wieder eingejtellt, von dejjen Folgen fie jich jedoch in einigen Tagen bald wieder erholt hatten.” Dieje Erfahrung ift wohl jo zu erklären, daß die Schalen der Nüjfe draußen in der Natur nie jo hart austrodfnen, al3 wenn der Menjch jie aufbewahrt. Auch bei der Hajelmaus hat man die Erfahrung gemacht, dag ihre Schwanzhaut bei hajtigem, derbem Zufafjen leicht abreißt und jich abtreift. Dan Hat dies al eine Schuß- einrichtung auffalfen und in der Hajelmaus ein Säugetier jehen wollen, das „jich jelbt ver- jtümmelt”, um der Gefahr zu entgehen, wie das bei den Neptilien in dem befannten Bei- jpiel des abbrechenden Eidechjenfchtwanzes unverkennbar ift. Aber während bei der Eidechje der Schwanz nachwächit, regeneriert wird, wurde, nach Dr. Handmanns Bericht („Naturtv. Wochenjchr.”, 1905), beider Hafelmaus im entfprechenden Falle „Der ganze Schwanz nefrotijch (brandig), und das Tier ging in wenigen Tagen ein”, obwohl Handmann „die Haut jofort wieder über die Schwanztirbelftülpte und mit einigen feinen Nähten ander Wurzel annähte”. Mit den Schläfern ift die fchier unerjchöpfliche Sektion der mausförmigen Nager im mweitejten Sinne (Myomorpha) beendet, und wir gehen zu der legten Sektion, den Eich- hornförmigen (Sectio Sciuromorpha), über, die durch folgende Schädel- und Sfelett- merfmale zufammengehalten werden. Der Fochbogen ift jchlanf und zart, wird Hauptjächlich durch das Sochbein gebildet, nicht gejtügt durch einen Oberfieferfortjaß, der jich rüchwärts 422 8. Drdnung: Nagetiere, Familie: Biberartige. nach unten zieht. Abgefehen von den Dornjhhwanzhörndhen (Anomaluridae), ift daS Unter- augenhöhlenloch, durch da fonft betRagern ein mehr oder weniger großer Zeildes Kaumusfels (m. masseter) durchtritt, Hein und eng. Der hintere Winfelfortjaß des Unterfiefer3 erhebt fich bon deffen unterem Rande, von der inneren Oberfläche der fnöchernen Jahnıhöhle des unteren Nagezahnes. Schneidezähne find oben zwei, unten einer oder oben und unten je einer vor- handen. Das Schlüfjelbein ift wohl entwidelt, das Wadenbein frei, vom Schienbein getrennt. Bei der Umgrenzung der Eichhornförmigen zeigt jich wieder die Schwierigkeit einer alferjeit3 befriedigenden Einteilung der Nagetiere überhaupt. Unter den Mausförmigen hoben jich die Springmausartigen (Jaculidae) heraus, und die Schläfer (Myoxidae) neig- ten zu den Eichhörnchen. Zmwijchen diefe und die Biber, an denen man wieder mancherlei Bermittelndes zwiihen Maus und Eichhornförmigen findet, jchiebt jich noch die Eleine, merkwürdige Yamilie der Biberhörnchen (Aplodontidae) ein, und die oben jchon als Aus- nahme genannten Dornjhwanzhörnchen (Anomaluridae) haben wieder jo viel Gemein- james mit den Springhajen (Pedetidae), daß die neuejte Nagerjyjtematif dieje ganz von den Springmäufen weggeitellt und mit jenen vereinigt hat. Deshalb mag hier nicht un= erwähnt bleiben, daß der große Münchener Baläontolog Zittel, bejtärkt Durch die Befunde bei gemiljen fojjilen Nagern, aus diejen und den vorgenannten lebenden nocd) eine weitere ©eftion, die Protrogomorpha, gebildet hatte, von denen er jagt: „Alle diefe Formen lajjen ji) in feiner der von Brandt vorgejchlagenen Hauptgruppen (Sektionen) unterbringen; jie vereinigen vielmehr Merkmale der Sciuromorpha und Hystrieomorpha.” Wir beginnen mit der Familie der Biberartigen (Castoridae), die jamt ihrem an- jehnlichen Inhalt an foijilen Gattungen auch von Zittel zu den Eichhornförmigen geftellt wird, aber mit der Einjchränfung: „Sm Bahnbau erinnern die Caftoriden mehr afı die Hystrico- morpha alS an die Sciuromorpha; auch ihre beträchtliche Größe nähert fie den erjteren.“ Tatjächlich ift der Biber, Castor fiber Z., der größte altweltliche Nager, auch dem Stacheljchwein an Größe noch über und nur von einem neumeltlichen Stacheljchweinförnti- gen, dem Capybara oder Wajjerschivein, übertroffen. Bei erwachjenen Männchen beträgt die Leibeslänge 75—95 cm, die Länge des Schwanzes 30 cm, die Höhe am Widerrift ebenjo- viel, dad Gemwicht 20—30 kg, mitunter aber auch noch bedeutend mehr. Friedrich-Dejjau verzeichnet 3. B. einen 1891 von Elbdeicharbeitern bei Afen gefangenen Biber mit 48 kg. Der Leib ift plump und ftark, Hinten bedeutend dicker al3 vorn, der Rüden gemwölbt, der Bauch hängend, der Hals kurz und dick, der Kopf Hinten breit, nach vorn verjchmälert, platt- Iheitelig, Eurz- und ftumpfichnaugig; die Beine find furz und fehr kräftig, die hinteren etiwas länger al3 die vorderen, die Füße fünfzehig und die hinteren bi3 an die Krallen durch eine breite Schtwimmhaut miteinander verbunden. Die zweite Hinterzehe trägt eine Doppel- fralle. Der Schwanz, der fich nicht deutlich vom Rumpfe jcheidet, ift an der Wurzel rund, jonft von oben nach unten platt gedrüdt, bi3 15 cm breit, an der Spibe ftumpf abgerundet, an den Rändern fait fchreidend fcharf, von oben gejehen eirund geftaltet. Ir diejer Schhwanzfelle, wie fie von der mauerfellenartigen Form heißt, erkennt Friedrich-Defjau „ein bortreffliches Steuer, das, wie der Schwanz der Vögel, infolge feiner horizontalen Lage die auf und abwärtsgehenden Bewegungen zu regulieren geeignet ift, gelegentlich aber aud) als Stübe des aufgerichteten Körpers dienen fan. Das Innere diefes Organes ift mit einem im frischen Zuftande rofa gefärbten, fettigen Bindegewebe erfüllt, das, von einer Nagetiere XVI. 1. Biber, flach auf dem Wailer liegend. S.429 u. 435. — L. Medland, F. Z. S.-Finchley, N., phot. 2. Biber, Holz ichneidend. S. 426. — Aufgen. im Zoologischen Garten in Hamburg. 3. Biber, Castor fiber Z. 1/6 nat. Gr., s. S.422. — Joh. Lüpke-Groß-Lichterfelde phot. 4. Biberdamm in einem alten E€lbarm bei Wartenburg. S. 437 ff. — Amıtmann M. Behr-Cöthen i. A. phot. , be ni EHE 6. Waiierburg des Kanadabibers in Neubraunichweig. S. 457. - C. Rungius-New York phot. Eu {a ” i © > Biber. 423 großen Anzahl Sehnen durchzogen, einjtmals al3 das bejte Stücd des Biber3 angejehen und zu lederer Speije zubereitet wurde.” Die länglichrunden, fait unter dem Pelze verjtecten Ohren jind Klein und furz, innen und außen behaart und fönnen\jo an den Kopf angelegt werden, daß fie den Gehörgang beinahe vollitändig verjchliegen. Die Heinen Yugen zeichnen ji durch eine Nihaut aus; ihr Stern jteht fenkrecht. Die Najenlöcher find mit mwuljtigen Flügeln verjehen und fünnen ebeifalls gejchlojjen werden. Die Mundjpalte ijt Elein, die Dberlippe breit, in der Mitte gefurcht und nach abwärts gejpalten. Das Fell beiteht aus außerordentlich dichten, flocigen, jeivenartigen Wollhaaren und dünn jtehenden, langen, jtarfen, jteifen und glänzenden Grannen, die am Kopf und Unterrüden furz, an dem übrigen Körper über 5 cm lang find. Auf der Oberlippe jiten einige Reihen dicker und jteifer, nicht eben langer Borjten. Die Färbung der Oberjeite ijt ein jahles Braun, daS mehr oder weniger ins Gräuliche zieht, die der Unterjeite heller, das Wolldaar an der Wurzel jilbergrau, gegen die Spiße gelblichbraun; die Füße find dunkler gefärbt als der Körper. Den an der Wurzel im eriten Drittel jehr lang behaarten, im übrigen aber nadten Schwanz bededen hier Kleine, länglichrunde, fajt jechsecige, platte Hautjchuppen, zwijchen denen einzelne, Furze, jteife, nach rücdwärts gerichtete Haare hervortreten. Die Färbung diejer nadten Teile ijt ein blajjes, Ichwärzliches Grau mit bläulichem Anfluge. Die am Schädel auftretenden Leijten und Kämme weijen in Gemeinjchaft mit dem weit vorjpringenden, breiten und gejenkten Kochbogen auf eine gewaltige Entmwidelung der Beimusfeln hin. Mit jehr verftändlicher Beziehung zu diejer bejchreibt Friedrich „die dreifantigen Nagezähne. Die beiden oberen find Halbfreisfürmig gebogen und erjcheinen daher bei 10—12 cm Gejamtlänge weit fürzer als die flacher gebogenen und jchtwach jpiralig gedrehten unteren, die, zwar nur wenig länger, troßdem unter der ganzen Neihe der Back zähne Hinziehen und exit unter dem Stronfortjage (des Unterfiefers) endigen. Snwendig jind jie Hohl, am hinteren im Kiefer figenden Ende jogar papierdünn, und umjchliegen hier den bleibenden Zahnfeim, nehmen aber nach vorn derartig an Stärfe zu, daß auf der jchräg nach hinten abgenußten Bißfläche die Höhlung nur noch al dreiftrahliger Spalt bemerkbar wird. Die äußere, jtahlharte, orangefarbene Schneide jchärft jich beim Nagen fortwährend jelb- jtändig, da die innere Seite des Zahnes nicht mit Schmelz befleidet it. Die dadurch be- dingte Vbnubung wird durch ftetiges Wachstum vom Grunde her wieder ausgeglichen. Durch eine weite Liide von-den Nagezähnen getrennt, jtehen oben und unter jederjeits vier nach hinten an Größe allmählich abnehmende Baczähne, deren Schmelzfaltige Bejchaffenheit in dem Träger den echten Pflanzenfreijer verrät; bei denen des Oberfiefers dringen von außen her drei Schmelgleilten in gewundener Form nach innen vor, zwijchen die jich eine einzelne "Schlinge von der entgegengejegten ©eite einjchiebt, während die Schmelzfalten der unteren Badzähne gerade die umgefehrte Anordnung erkennen lajjeı. „Bon den inneren Organen erreicht der Darm, wie bei allen Pflanzenfrejjern, eine ganz beträchtliche Länge. Zur Auflöfung des fohlehydratreichen Nahrungsitoffes jchiden große Speicheldrüfen ihr Sekret in die Mundhöhle, das weiterhin durch die am Magenmunde liegende Kardiafaldrüfe, welche fich Durch zahlreiche, weite Mündungen in die Magenhöhle öffnet, vermehrt wird. An den langen, die Rejorption des Speijebreies bejorgenden Dünn- darm jchließt fich in Geftalt eines zweiten Magens der Blinddarm an, der die Nachverdauung bejorgt, und in dem fich gewöhnlich Hunderte von Heinen Saugmwürmern (Amphistomum subtriquetrum) finden. Der Darm mündet ziwar getrennt von der Offnung der Gejchlecht3- ‚teile; doch Liegen beide in einer gemeinschaftlichen Vertiefung, die von einem teilmeije 424 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Biberartige. behaarten Hautwulfte umjchloffen wird. Diejer Umftand erjchwert die Unterjcheidung der Tiere nach ihrem Gefchlechte, namentlich da auch die vier an der Bruft befindlichen Saug- warzen nur während der Säugezeit hervortreten, fonjt aber ganz im Pelze veritect liegen und nur Schwer aufgefunden werden Fönnen.“ Bei beiden Gefchlechtern finden fich im Unterteile der Bauchhöhle, nahe am After und den Gejchlechtsteilen, zwei eigentümliche, gewöhnlich voneinander getrennie, in Die Ge- ichlechtsteile mündende Abjonderungsdrüfen, die Geil- oder Ktajtorjäde. Die inneren Wan- dungen diefer Drüfen, mit einer Schleimhaut überzogen, die in jchuppenähnliche Säcchen und Falten geteilt ift, jondern das fogenannte Bibergeil oder Gail (Castoreum) ab, eine dunkel rotbraune, gelbbraune oder fchwarzbraune, ziemlich weiche, jalbenartige Mafje von eigen- tünmlich ducchdringendem, ftarfem, nur wenig Leuten angenehmem Geruche und lange an- haltendem, bitterlichem, balfamifchem Gejchmad, welche in früheren geiten alS Frampj- itilfende3 und beruhigende Mittel vielfach angewandt wurde. „Über die Bedeutung der Kaftorbeutel forwie der unmittelbar dahinter gelegenen Olfäde dürfte mar wohl in der An- nahme nicht fehlgehen, daß fie zur gegenfeitigen Anlodung eine wejentliche Rolle fpielen. Einmal treten fie zur Brunftzeit bejonder3 hervor; dann aber hat, wie Yudubon be- richtet, ein dem Biberfang obliegender Trapper beobachtet, daß die Tiere an bejtimmten Landungspläßen ihre Afterdrüjen entleerten, wodurch andere Biber herbeigeloct werden. Heute noch benugen die Trapper das Geil al ‚Witterung‘, um die Tiere nach den Fang- pläßen zu loden. Wie groß feine Anziehungskraft it, geht Daraus hervor, daß Biber, die in einem Eijen geprellt waren, jich fchon nach einigen Tagen wieder in einer anderen Falle furgen, darunter jogar jolche, die bereit Teile ihres Laufes im Eijen eingebüßt hatten.” (Friedrich.) „Der Biber ift ein Wajjertier”, jagt der Hamburger Tiergärtner Bolau, „ein Wajjer- und Uferbewohner. Das Wajjer ijt fein Element, und danach ift jein Körper gebaut: vorn ihvächer, Hinten dider. An dem glatten Körper mit den furzen Ohren und den Furzen Beinen ragt nicht hervor, was die Fortbewegung im Wafjer Hindern fönnte. Ein dichtes Fell mit reichlihem, warmem Wollhaar, das von dem prachtvoll glänzenden Dberhaar über- tagt wird, jchligt unjer Tier gegen die Kälte und gegen das Wajjer; der Biber wird nie bis auf die Haut naf. Schwimmhäute finden wir nur zwijchen den Zehen der Hinterfüße, nicht an den Vorderfühen. Die veriteht der Biber gejchiekt wie ein Paar Hände zu gebrauchen.“ Der Biber lebt gegenmwärtig meijt paarweife und nur in den ftillften Gegenden zu größeren oder Feineren Zamilien vereinigt. Sr bevölferten Ländern hauft er, wie der Stchotter, meift in einfachen, unterivdifchen Röhren, ohne daran zu denken, fich Burgen zu bauen. Solche fand man aber noch) im vorigen Jahrhundert an der Nuthe, unweit der Elbe, in einer einfamen, mit Weiden bewachjenen Gegend, die von dem nur 6—8 Schritt breiten Slügchen ducchjtrömt wird und fchon feit den älteften Zeiten den Namen Biberlache führt. Dort beobachtete von Meyerind die Biberanfiedelungen viele Jahre und jagt folgendes darüber: „E3 wohnen jet (im Jahre 1822) noch mehrere Biberpaare in Gruben, welche, einem Dachsbau ähnlich, 3O—40 Schritt lang und mit dem Wafferjpiegel gleich hoch laufend jind und auf dem Lande Ausführungsgänge haben. Ir der Nähe der Gruben errichten die Biber jogenannte Burgen. Sie find 2,5—3 m hobe, von ftarfen rnüppeln funftlos zufanımen- getragene Haufen, welche fie an den benachbarten Bäumen abbeifen und fchälen, weil fie jih davon äfen. Im Herbit befahren die Biber die Haufen mit Schlamm und Erde vom Ufer des Zlufjes, indem fie diefe mit der Bruft und den Vorderfüßen nach dem Baue jchieben. Biber: Geilfäde. Lebensweife. Bauten. 425 Die Haufen Haben das Anjehen eines Badofens und dienen den Bibern nicht zur Wohnung, jondern nur zum Yufluchtsorte, wenn hoher Wajjerjtand jte aus den Gruben treibt. m Sommer de3 genannten Jahres, al3 die Anjiedelung aus 15—20 Jungen und Alten bejtand, bemerfte man, daß fie Dämme warfen. Die Nuthe war zu diejer Zeit jo jeicht, daß die Ausgänge der Röhren am Ufer überall jichtbar wurden und unterhalb deren nur noch wenige Zentimeter tief Wajjer jtand. Die Biber hatten eine Stelle gejucht, wo in der Mitte des Aluffes ein Heiner Heger war, von welchem fie zu beiden Geiten jtarfe Reijer ins Wajjer warfen und die Ziwifchenräume mit Schlamm und Schilf jo ausfüllten, daß Dadurch der Wajjeripiegel oberhalb des Dammes um 30 em höher jtand al3 unterhalb. Der Damm twurde mehreremal weggeriien, in der Negel aber die folgende Nacht mwiederhergeitellt. Wenn das Hochwajjer der Elbe in die Nuthe hinaufdrang und die Wohnungen der Biber überftieg, waren fie auch am Tage zu jehen. Sie lagen al3dann meijt auf der Burg oder auf den nahejtehenden Kopfweiden.” Einzeln lebende wohnen in einfachen unterirdischen Bauen nach Art des Filchotters. Die Baue haben eine oder mehrere Jugangsröhren oder Gejchleife von verjchtedener, ungefähr zwifchen 2 und 6 m fchivanfender Länge, die ausnahmslos unter Wajjer münden und zu dem geräumigen, mehr oder minder hoch über dem Wajjerjpiegel liegenden Stejjel führen. LZebterer bejteht gewöhnlich nur aus einer Wohnfammer, die jorgfältig und nett mit fein zerjchleigten Spänen ausgefüllt it und al Schlafjtätte, ausnahmsmweije aber auch a Wochenftube dient. In einfamen und ftillen Wäldern werden die unterirdiichen Baue twahricheinlich nur als Notröhren benußt und regelmäßig jogenannte Burgen errichtet, über dem Boden gelegene Wohnräume der Biber, zu denen im tieferen Wafjer mündende umd von diejem aus gegrabene Gejchleife führen. Die Burgen find badofenförmige, diefwandige, aus abgejchälten Holzjtücken und Äften, Erde, Lehm und Sand zufammengejchichtete Hügel, die im Inneren außer der Wohnfammer noch Nahrungsipeicher enthalten jollen. Wechjelt der Wajjerjtand eines Flufjes und Baches im Laufe des Jahres ziemlich erheblich, oder hat ein Bach nicht die erwünjchte Tiefe, jo ziehen die Biber mehr oder minder lange und hohe, je nach der Strömung ftärfere oder jchwächere Dämme quer durch daS Gemäjjer, jtauen diejes und bilden jich jo oberhalb des Dammes freies Wajjer von jehr verjchtedener Aus- dehnung. Morgan hat vor Jahren in den pfadlojen Wäldern an den Ufern des Oberen Sees in Nordamerifa mehr als 50 jolcher Dämme unterjucht, photographiert und in einem bejon- deren Werfe über den Biber und feine Bauten ausführlich bejchrieben. Einzelne diejer Dämmte jind 150—200 m lang, 2—3 m Hoch und am Grunde 4—6 m, oben nod) 1—2 m did. ©ie beitehen aus arım= bis jchenfeldiden, 1—2 m langen Hölzern, die mit dem einen Ende im Boden jtedfen, mit dem anderen in das Wafjer ragen, mittel dünnerer Siveige ver- bunden und mit Schilf, Schlamm und Erde gedichtet werden, jo daß auf der ©trom- jeite eine fait jenfrecht abfalfende feite Wand, auf der entgegengejesten Seite aber eine Böjchung entjteht. Nicht immer führen die Biber den Damm in gerader Linie quer dur) den Strom, und ebenjomwenig richten fie ihn regelmäßig jo ein, daß er in der Mitte einen Wafjerbrecher bildet, ziehen ihn vielmehr oft auch in einem nach unten ich öffnenden Bogen durch das Wafjer. Bon den oberhalb der Dämme entjtehenden Teichen aus werden ichlieglich Laufgänge oder Kanäle ausgetieft, um die notwendigen Bau- und Nähritoffe leichter herbeijchleppen oder herbeiflößen zu fönnen. Ohne die höchite Not verlajjen die Biber eine von ihnen gegründete Anjiedelung nicht. Man trifft daher in unbewohnten Wäldern auf Biberbauten von jehr hohem Alter. Agajjiz 426 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Biberartige. unterfuchte den Damm eines noch bevölferten Biberteiches, fand, daß alte, von den Tieren benagte Baumftümpfe und Atjtüde von einer 3 m hohen Torfichicht überlagert waren, und 30g daraus den Schluß, daß dieje Anjiedelung jeit mindejtens 900 Jahren bejtanden Haben müfle. Biberbauten üben, wie derjelbe Forjcher Hervorhebt, in Amerifa einen merflichen Ein- Hußaufdie landfchaftliche Öeitaltung einer Gegend aus. Die Dämme verwandeln Feine Bäche, die urfprünglich ruhig im dunfeln Walesichatten dadinflojjen, in eine Kette von Zeichen, bon denen einzelne einen Slächenraum von 10-20 ha bededen. Sn ihrer Nähe entftehen in- folge des Füällens der Bäume durch die Biber Blößen, fogenannte Bibermwiejen, von 100 und mehr Hektar Flächenraum, die oft die einzigen Lichtungen in den noch jungfräulichen Ur- waldungen find. Am Rande der Teiche jiedeln jich rajch Torfpflanzen an, und jo bilden jich rtach und nach an allen geeigneten Stellen Torfmoore von größerer oder geringerer Yus- dehnung. Anderjeit3 werden durch die von den Tieren ausgetieften Kanäle manchmal auch Sümpfe angezapft und entwäjjert, jo daß in der Folge trodene, waldloje Flächen entjtehen. Alle Arbeiten der Biber hängen mit ihren Gewohnheiten und Bedürfnifjen jo innig zu- jammen, daß man die Xebensweije Schildert, wenn man dieje Arbeiten bejchreibt. Wie die meijten Nager während der Nacht tätig, treiben fte fich nur in ganz abgelegenen Gegenden, to jie lange geit feinen Menjchen zu jehen bekommen, auch während des Tages umher. „Kurz nach Sonnenuntergang”, jagt v. Meyerind, „verlajjen fie die Gruben, ... jhwimmen eine Zeitlang in der Nähe der Burg, gegen den Strom fo fchnell wie abwärts, und fommen, je nachdem jte jich jicher glauben, entweder mit Nafe und Stirn oder mit Kopf und Nüden über das Wajjer empor. Haben fie gefichert, fo fteigen fie ans Land und gehen 50 Schritt und ıoch weiter vom Fluffe ab, um Bäume zur Afung oder zu ihren Bauten abzufchneiden. Sie entfernen fich von der Burg fchwimmend bis eine halbe Meile, fehren aber immer in derjelben Nacht zurück. Auch im Winter gehen fie des Nachts ihrer Nahrung nach, verlajjen jedoch zumeilen S—14 Tage die Wohnung nicht und äfen fich mit der Rinde der Weiden- fnüppel, welche im Herbjte in die Gruben getragen, und mit denen die Ausgänge nach der Zandjeite zu verjtopft werden.” Zweige von der Dice einiger Zentimeter beißt der Biber ohne mweitere3 ab; Bäume bringt er zu Falle, indem er den Stamm ringsum und oft be- jonders auf der einen Seite nach dem Fluffe zu benagt, bis er jich dahin neigt und in das Wafjer ftürzt. Die Spur feiner Arbeiten befteht in unzähligen flach mufchelförmigen Ab- Initten, die fo glatt und Scharf erjcheinen, al ob fie mit einem leicht gebogenen Stemmeifen ausgejchlagen wären. &3 fommt vor, daß der Biber Stämme von mehr al3 mannsdidem Durchmefjer abjchneidet, und zwar auch noch bei uns in Deutjchland. In Stedby wie in Zochheim an der Elbe Hat Bechuel-Loejche abgejchnittene Stämme nicht bloß von 15 und 30 em, jondern auch von 40 und jelbjt 60 cm Dice, und zivar in diefem Falle ftet3 Schwarz- und Silberpappeln, gemefjen. Einmal fällten die Tiere fogar eine 25—30 cm ftarfe Eiche. Die meiften der Bäume hatten nahe am Wafjer geftanden und waren in diefes geftürzt, manche aber, bejonders die jchwächeren und darunter Ejpen, fanden fich bis an 200 Schritt weit vom Elbufer entfernt und teilweije in jo dichtem Wuchfe, daß fie nicht einmal völlig umfinfen fonnten, fondern mit ihren Kronen in den benachbarten Iehnten. Die meiften der Bäume ericheinen zivedlos, d. h. bloß zur Übung, aus ererbter Gewohnheit und Nageluft, gejältt, werden wenigjtens nach dem Abfchneiden nicht weiter berührt; in den Weidenhegern hart am Ufer find ja auch Snitppel viel bequemer zu erlangen. „Unjere Foritleute*, jagt der Prinz von Wied, „tirden mit den Zerftörungen, welche die Biber in den amerifanifchen Wäldern anrichten, fchtverlich zufrieden fein. Wir Haben et Mi ee Biber: Bauten. Holzjchneiden. 427 Bappeln von 70 em Durchmeffer gejehen, welche fie abgenagt hatten. Kreuz und quer lagen die Stämme durcheinander.” Die Bäume werden zuerft ihrer Afte beraubt, dann in be- liebig große Stücke zerfchnitten und dieje als Pfähle verwandt, während die Äite und Ziveige mehr zum Baue der Wandungen einer Burg dienen. Am liebjten wählt der Biber Weiden, Pappeln, Eichen und Birken zu feiner Nahrung oder zum Bauen; jeltener vergreift er jich an Erlen, Rüftern und Eichen, obgleich auch dieje feinem Zahne verfallen. Nur um Bäume zu fällen oder um zu weiden, betritt er das Land, im Freien jtet3 jehr vorjichtig und auf möglichjt furze Zeit. „Sn der Dämmerung”, jagt Dietrich aus dem Windell, der eine Bibermutter mit ihren Jungen beobachtete, „Fam die Familie rajch im Wafjer herangezogen und jchwamm bis zum Ausftiege. Hier trat die Mutter zuerit allein an das Land und ging, nachdem fie, den Schwanz noch im Wafjer Hängend, einen Augenblid gejichert hatte, in das MWeidicht. Eilig in ihrer Art folgten ihr die drei Jungen, welche ungefähr die Größe einer halbwüchjigen Kate haben mochten. Kaum waren auch jie im Holze, alS das durch fchnelfes Schneiden veranlafte, jchnarrende Getöfe hörbar wurde, und nad) Verlauf einiger Minuten fiel die Stange. Noch eiliger und vollitändiger wurde nun der erwähnte Laut, weil die ganze Familie in Tätigkeit war, um die Zweige abzujondern, vielleicht auch, um gleich auf der Stelle Schale davon zu äfen. Nach einiger Zeit Fam die Alte, die da3 Ende einer Weiden- ftange mit der Schnauze erfaßt hatte, jedoch auf allen vieren ging, zum Vorjchein. Gleich- mäßig waren fäntliche Junge Hinter ihr zu beiden Seiten des Stabes verteilt und emjig bejchäf- tigt, ihn an und in das Wajjer zu jchaffen. Nach einer Eurzen Ruhe wurde er dann von der ganzen Gejellichaft wieder mit der Schnauze gefaßt, und höchit eilig und ohne auszuruhen, ihiwammen fie mit ihrer Beute denjelben Weg zurüd, auf welchem fie gefommen waren.“ Befler als dieje und andere Mitteilungen haben mich gefangene Biber, die ich pflegte und durch die Anlage von Gejchleifen zum Erbauen von Burgen veranlaßte, über die Art und Weife ihrer Arbeiten belehrt. Einmal mit der Ortlichkeit und dem ©etreibe um jie herum vertraut geworden, erjchienen die in Nede ftehenden Biber bereits in den legten Nach- mittagsjtunden außerhalb ihres Baues, um zu arbeiten. Eingepflanzte Stämme wurden loje hingetworfenen Schößlingen vorgezogen und jtetS gefällt. Zu diefem Ende jeßt jich der Biber neben dem betreffenden Bäumchen nieder und nagt ringsum jo lange an einer bejtimmten Stelle, bis der Baum niederjtürzt, wozu bei einer S cm diden Weide oder Birfe 5 Minuten erforderlich find. Nunmehr padt der Biber den gejällten Baum an jeinem dideren Ende mit den Zähnen, hebt den Kopf und watjchelt vorwärts. Bisweilen jieht e3 aus, als wolle er die Zaft über den Rüden werfen; doch gejchieht dies niemals. Sit der Schößling leicht, jo trägt ihn der Biber ohne Aufenthalt dem Ziele zu; ijt die Laft jchtverer, jo bewegt er jie abjagweije, indem er das aufgeladene Holzjtück mittel3 eines Fräftigen Nudes de3 Stopfes vorwärts zu bringen jucht. Aftreihe Schöflinge werden vor dem Wegjchleppen genau be- jichtigt, unter Umftänden geteilt, Hindernde Aftitummel weggejchnitten, alle Holzitüde aber zunächft ins Wafjer gejchleppt und hier entrindet oder für jpätere Zeiten aufgeipeichert. Erjt nachdem der Knüppel gejchält worden ift, vertvendet der Biber ihn zum Bauen, holt ihn aus dem Wajjer heraus, jchleppt ihn nach der nächften Burg und bringt ihn Hier unter. Bon einer regelmäßigen Anordnung der Bauhölzer läßt fich nicht8 wahrnehmen. Den Be- dürfnijjen wird in überlegt jcheinender Weife abgeholfen, an eine regelmäßige Schiehtung und Ordnung der Bauftoffe jedoch nicht gedacht. Einige Krüppel liegen mwagerecht, andere ichief, andere jenfrecht, einzelne ragen mit dem einen Ende weit über die Wandungen der Burg vor, andere find gänzlich mit Erde überdedt; es wird auch fortwährend geändert, 423 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Biberartige. vergrößert, verbejjert. Meine Pfleglinge jcharrten fi) zunächjt ein muldenförmiges Loch vor dem Ende des Gejchleifes aus, bildeten aus der Iosgefragten Erde ringsum einen feiten, hohen und dichten Damm und Hleideten den Boden der Mulde mit langen, feinen Spänen aus, die eigens zu diefem Zmwede zerjchleigt wurden. Nunmehr erhielt die Mündung des Gejchleifes eine Dede aus Ajtwerf, jodann wurde der Hintere Teil der Wände erhöht und ebenfalls mit einem Kuppeldach überdeckt und, alS auc) diejes vollendet war, das Ganze mit Erde gedichtet. Alle erforderlichen Dichtungsitoffe, als Erde, Sand, Lehm oder Schlamm, werden in verjchiedener Weije, jedoch immer nur mit dem Maule und den Händen bewegt und ausschließlich mit lebteren verarbeitet. Najenjtüde oder fette, lehmige Erde bricht der Biber ballenmweije Ios, indem er Hände und Zähne benubt, padt den Klumpen mit den Zähnen, drückt von unten die Hände, mit den Handrüden nach oben gefehrt, Dagegen und mwatjchelt nun, auf den Hinterfüßen gehend, zeitweilig mit der einen Borderpfote jich jtügend, bedächtig der Bauftelle zu; lojere Erde oder Sand gräbt er auf, jcharrt fie auf ein Häufchen aufammen, jegt beide Handflächen hinten an dasjelbe und fchiebt e3 vorwärts, erforderlichen- fall mehrere Meter weit. Der Schwanz wird dabei höchitens zur Erhaltung des Gleid)- gemwichts, niemals aber als Kelle benußt. Wie bei den meijten Tieren ijt das Weibchen der eigentlihe Baumeijter, das Männ- chen mehr Zuträger und Handlanger. Beide arbeiten während des ganzen Jahres, jedoch) nicht immer mit gleichem Eifer. Im Sommer und im Anfange des Herbites jpielen jie mehr, als jie den Bau fördern; vor Eintritt ftrenger Witterung dagegen arbeiten fie ununterbrochen während der ganzen Nacht. Sie haben, wie aus den von Fißinger mitgeteilten Beobach- tungen Eringers hervorgeht, ein feines Borgefühl für Eommende Witterung und juchen jich nad) Möglichkeit darauf vorzubereiten. Die von Eringer gepflegten und in einem ziemlich großen Teiche gehaltenen Biber lebten mehr noch al3 meine Gefangenen nach) Art und Weife ihrer freien Brüder, errichteten zivar feine Burgen, gruben jich aber große und ausgedehnte Baue aus und legten jich in mehrere Abteilungen oder Kammern gejchiedene Kejjel an. Sn diejen Kammern, deren Boden mit zerichlijjenen Holzipänen ausgefüttert wurde, brachten jie den ganzen Tag und bei jtarfem Winde auch die Nacht zu, holten jich dann aber Weiden und andere Ziveige herein. Stieg das Wajjer oder drang e3 in ihre Wohnungen ein, jo gruben jie jich rajc) eine neue Höhle oberhalb der früher von ihnen bewohnten; nahm das Wajjer ab, jo er- richteten fie jich unverzüglich einen tieferen Gang; ereignete e3 jich, daß die Erdjchicht über ihrem Sejjel ducchbrach, jo vereinigten fie jich, um noch in der auf den Unfall folgenden Nacht den Schaden wieder auszubefjern. Einige jorgten für die Zerfleinerung des hierzu nötigen Holzes, andere jchleppten die Stüde an die bejchädigte Stelle und legten jie- in mannigjacher Kreuzung übereinander, während ein Teil der Familie damit bejchäftigt war, Schlamm aus dem Wafjer zu holen, ihn mit Rohr und Grastwurzeln zu mengen und damit die übereinander gejchichteten Holzjtüide zu dichten, bis jede Offnung verjchlofjen war. Vor Eintritt der Kälte zogen die Biber alle früher angefahrenen Weiden und Pappeln in den Zeich, jtedten die dieferen und ftärferen Stämme in jchräger Richtung und mit der Krone nach oben gefehrt nebeneinander in den Schlamm und verflochten fie mit den Zweigen der Stämme, die fie in den verjchiedenften Richtungen darüber legten, jo daß ihr Bau einem verankerten Floße glich und ein jelbjt den ftärfjten Stiimen troßendes Flechtiverk bildete. Eines Abends erjchienen jie wie gewöhnlich außerhalb ihres Kejjels und machten fich, obgleich die Witterung noch ebenjo gut jchien, als jie vorher gewejen war, plöglich mit Haft an die Biber: Bauten. Nahrung. Bewegung. 429 Arbeit, Stämme in ihren Teich zu jchleppen. Binnen einer einzigen Nacht hatten fie 186 Stämme von 2—3 m Länge und 8—11 cm Dide ins Wafjer gejchafft, und 24 Stunden fpäter par der ganze Teich feit zugefroren und bereit mit einer 7 cm diden Eisfrufte überdeckt. Keine andere Beobachtung ijt jo wie dieje geeignet, ein fennzeichnendes Streiflicht auf die rein instinftive Entjtehung der bewundernsmwerten Arbeitsleijtungen des Bibers zu werfen. Er weiß nicht, was er tut; jonjt wüßte er jich in der Gefangenjchaft oft befjer zu Helfen mittels aller der Kumftfertigkeiten, die er bejigt. Warum fchleppt er im HYoologijchen Garten nicht jeine Holzfnüppel alle auf einen Haufen am Gitter zufammen, um diejes zu überjteigen und jic) fo zu befreien? Er jchleppt doc) fonft allnächtlich Holz genug! Uber es ift bei ihm im Grunde genau wie bei ver Ameije: alle dieje hochgetriebenen und fein jpezialijierten Snitinkt fünfte verjagen, jobald fie einmal zu anderem Zwede al® dem gewöhnlichen wirklich mit Überlegung angeivendet werden follen. Ar diefem wirklichen Sachverhalt ändert e8 auch nicht3, wenn das Wittingauer Forjtamt berichtet: „Der Bach, in welchem hier die Biber feben, geht durch einen Teich, der nach Verlauf einiger Jahre zur Abfishung fommt. Sr diejer Zeit werden jämtliche Wajjer abgelajjen, und der Bach bleibt für einige Tage troden. Bei dem legten Wajjerabzuge behufs der Abfifchung ift e8 vorgefommen, daß der Biber bei dem eingetretenen Wajjerabfall die Urjache des Abnehmen ergründete und, nachdem er gefunden, daß das Wajjer durch das Zapfenhaus abrinne, diejes durch Schilf und Schlamm derartig verbaute, daß fein Tropfen durchfam.” Das Aufjuchen und Verftopfen von Löchern a jeinen Dämmen liegt vollfommen im Bereiche der injtinktiven Bautätigkeit des Bibers, fann ihm ebenjo unbewußt und triebmäßig angezüchtet fein, wie die inftinftive Futter- fürjorge, ehe Frojt eintritt, und beweilt daher gar nicht3 für bewußtes Denken und Handeln. Unter allen Zweigen, die ich meinen Gefangenen vorwerfen ließ, wählten jte zuerjt jtet3 die Weide und nur in Ermangelung diefer Bappel, Schtwarzpappel, Ejpe, Eiche und Birke, am wenigjten gern Erle und Eiche. Sie frejjen nicht bloß Rinde, jondern auch Blätter und die weichen Schößlinge, und ziwar mit entjchiedenem Behagen. Härtere Ziveige, die jie mit den Händen fajjen und bejtändig drehen, entrinden jie äußerjt zierlich und gejchidt; fie ichälen an daß man auf.dem entrindeten Zweige feine Spur eines Zahneindrudes , wahrnimmt. An Brot und Schiffszwiebad, Apfel und Möhren gewöhnen fie fich bald und jehen. jchlieglic) in Früchten Lederbijjen. Um ji aufzurichten, drüct der jihende Biber die Schwanzipite gegen den Boden und erhebt jich nun langjamer oder rafcher, wie er will, ohne dabei einen der Füße zu be- wegen. Er Fan fich beinahe, aber nicht ganz, jenfrecht ftellen und ruht dann auf den Hinter- füßen und dem Schtwanze fo ficher, daß e3 ihm leicht wird, beliebig lange in diefer Stellung zu verharren. Beim ruhigen Liegen und beim Schlafe wird der Schwanz unter den Leib geflappt und jo dem Blide vollitändig entzogen. Der Biber fann fich aber auch jest ohne Anftrengung oder Gliederbewegung erheben und in den verjchiedeniten Lagen erhalten, beijpielsweije um fich zu Fragen, eine Bejchäftigung, die oft und mit fichtlicher Behaglichkeit, niemals aber hajtig ausgeführt wird. Wenn er auf der Seite ruht, rollt er jih. Beim _ Gehen wird ein Bein um das andere watjchelnd bewegt; denn der fast auf der Erde jchleifende Bauch läßt eine rajche, gleichmäßige Bewegung nicht zu. Bei größter Eile führt der Biber Süße aus, die an Plumpheit und Ungejchiclichkeit die der meijten übrigen mir befannten Zandjäugetiere übertreffen. Ins Wafjer fällt er blo$ dann mit Geräufch, wenn er geängitigt wurde; beim germöhnlichen Verlaufe der Dinge gleitet er lautlos in die Tiefe. Schtwimmend taucht er das Hinterteil fo tief ein, daß nur Najenlöcher, Augen, Ohren und Mittelrüden 430 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Biberartige. über dem Wafjer bleiben, die Schtwanztvurzel aber überflutet wird. Er liegt aufden Wellen, ohne ein Glied zu rühren, hebt auch oft noch die Schwanzipike, die jonft gewöhnlich auf der Oberfläche ruht, in Schiefer Richtung empor. Die Fortbewegung gejchieht durch gleichzeitige, feltener durch wechjelfeitige Stöße der Hinterfüße, die Steuerung Durch den Schwanz, der jedoch niemals jenkrecht geftellt, fondern immer ein wenig jchief gedreht, oft auch) in entiprechen- der Richtung Fräftig und ftoßmweie bewegt wird; die Vorderfüße nehmen am Schwimmen feinen Anteil. Bei rafchem Eintauchen geht der Biber vorn nieder, jtößt mit jeinen breit- ruderigen Hinterfüßen kräftig nad) oben aus, jchlägt gleichzeitig den Schwanz manchmal laut Elatichend auf die Oberfläche des Wafjers und verfinkt rafch in faft jenkrechter Richtung. Er fan an 2 Minuten im Waffer verweilen, bevor ihn die Atemnot zum Auftauchen zwingt. Die Stimme ift ein fchtvacher Laut, der am richtigjten wohl al3 ein Gejtöhn bezeichnet wird; man vewnimmt fie bei jeder Erregung de3 Tieres und lernt bald die verjchiedenen Bedeutungen der ausgeftoßenen Laute verjtehen, da ihre Stärfe und Betonung den ge- nügenden Anhalt hierzu gibt. Unter den Sinnen jcheinen Gehör und Geruch obenanzuftehen; die Heinen Augen fehen ziemlich blöde aus, das Geficht ift jedoch ebenjowenig verkümmert wie der Gefchmacd, und auch Gefühl fann dem Tiere nicht abgejprochen werben. Bei Hochtwalfer find die Biber am beiten zu beobachten; denn danın fißen fie gelegent- fich auf ihren Burgen, mehr noch auf Kopfweiden, gejchobenen Stämmen und an bebujchten Uferhängen; bei gewöhnlichem Wafjerftande bemerkt man fie jeltener und dann an Buhnent und in Weidenhegern. Sn diefen figen fie manchmal fo feit, daß aud) Jagdhunde fie vorjtehen. Der Hund von Förjter Ganger fuhr einst einem Biber ind Wafjer nad) und jchwamm dort umher. Der wieder auftauchende Biber mochte ihn für einen jeinesgleichen halten; denn er Schwamm ruhig an ihn heran und ging erft, als er den Hund fat berührte und diefer nad) ihm auiff, exrfchrecdt in die Tiefe, verjete aber feinem Gegner jogleich von untenher einen tüchtigen Bi, der ein ganzes Stüd Fleifch wegnahm. Der eilig ans Land flüchtende Hund lahmte infolgedejjen lange Zeit. Sn den leßten Jahrzehnten hat fich der hier Schon mehrfach zitierte Dejjauer Zoolog H. Friedrich des Biber im Elbgebiete auf das Berdienftlichjte angenommen, und jeine Be- mühungen um Schuß und Hege diejes umjere3 größten und interejjantejten heimijchen - Nager3 find von den Yandesherren, den Herzögen von Anhalt, tatkräftig unterftüßt worden. Dank dem dürfen wir heute jagen, daß e3 um den Biber in Deutjchland eher wieder bejjer al3 jchlechter fteht wie vordem zu dv. Meyerind3 Zeiten. Friedrich Hat bereit im Jahre 1894 jeine Beobachtungen über „Die Biber an der mittleren Elbe” in einem Werfchen von originalem Werte niedergelegt und jeitdem fortlaufend namentlich in der Sagdpreije über jeine wiljenschaftlichen Schüßlinge berichtet, hier und da noch ergänzt und beftätigt von anderen Anhalter Beobachtern. Über die Qebensweife des Bibers im Elbgebiet hören toir bei Friedrich, daß er jo be- timmte Ausitiege in feinem Bereiche nicht innezuhalten pflegt wie der Filchotter, jondern allenthalben ans Ufer geht, wo er geeignete Nahrung findet. Doch hat er „hier und da be> borzugte Landungspläge. Meift liegen dieje, wie die des Filchotters, im tiefen Wajjer, ind aber al3 Biberausitiege jofort fenntlich an den durch die nachjchleppende Kelle ver- urjachten Berwijchungen der durch da3 Gewicht namentlich in fchlammigem oder jandigem Boden tief abgedrücten Fährte. Lofung, die auf regelmäßig bejuchten Ausftiegen des Fijch- otters, namentlich auf jolcden mit fandigem Untergrunde, felten fehlt”, fand Friedrich „hier niemals”; Merten3-Magdeburg Hat fie aber am Lande „noch verhältnismäßig frifch gefunden Fa Biber: Stimme. Ginne. Friedridid Berichte. 431 zu einer Zeit, wo an Hochwafjer nicht zu denken war, und an einem hochgelegenen Orte, two diejes niemals Hingelangt.” („Zool. Garten”, 1904.) Trogdem fann man jagen: der Biber löjt ich für gewöhnlich nur im Waffer. Darauf lajjen auch die Erfahrungen an gefangenen im Boologischen Garten fchliegen. inen Hinweis liefert aber außerdem „die mutmap- Ihe Entwidelungsgejchichte der im Blinddarm des Bibers vorfommenden Saugmwürmer. Deren Eier werden im Darme... abgejeßt, gelangen mit den Erfrementen nad) außen und entwideln fich im Wafjer, und zwar nur im Wajjer, zu Heinen, mit Wimperhaaren ver- jehenen Embryonen, die fich dort nach Art der Infufionstierchen umhertummeln und fich alsbald eine Wajjerjchnede als neues Wohntier auswählen, um in ihr zu weiteren Stadien der Entmwidelung vorzujchreiten. Würde die Lojung der Biber auf dem Lande abgejeßt, jo müßten die in den Exrfrementen enthaltenen Eier der Würmer, tefpeftive die darin fchon vor- gebildeten Embryonen umfommen, eine Infektion der Biber mit neuen Wurmfeimen wäre nicht möglich, weniaftens nicht in den Mafjen, wie fie eine fo große Zahl von Würmern in fait jedem Biber bedingt. „Beltimmte Wechjel Hält der Biber nur jelten zu jeinen vom Ufer etwas entfernter liegenden Holzichlägen inne: breit getretene und durch das hier fortgejchleppte Holz noch mehr verbreiterte Pfade.” Friedrich kennt ihrer aber doch einige. Aus diefen Biberpfaden ent- - ftehen auf weichem Schlamm und jchwanfendem Moorboden ganz von felbft die jogenannten Biberfanäle, die man früher vom altweltlichen Biber nicht Fannte und daher als einen Vor- zug, einen Beweis ganz bejonderer Sntelligenz des amerikanischen Bibers pries, weil man jie von dem Tiere mit Vorbedacht ausgegraben glaubte. Jm Winter 1901 fand fie aber Friedrich am moorigen, nur bei ftarfem Frofte zugänglichen Ufer de3 Großfühnauer Sees von den Biberbauten zu den Nahrungzitellen führend und fonnte in einer eigenen Abhand- lung (Herzogl. Friedrich3-Oymnafium Dejjau, Bericht Dftern 1901/02) nachweifen, daß fie „nicht Werfe wahrer Sntelligenz, jondern lediglich die Folgen der Schwere de3 immer den- jelben Weg innehaltenden Tieres" find. „Nun ift aber diefer Biberpfad in dem weichen Boden bald rinnenförmig ausgelaufen, vertieft fich bei jedem Gange mehr und mehr und füllt jich aus dem mit Feuchtigkeit durchtränften Boder. bis zum Rande mit ftagnierendem Wajjer, jo daß der Biber, anftatt zu gehen — ein pafjionierter Läufer ift er jowiejo nicht —, von jeiner Schtwimmfertigfeit Gebrauch machen fan. Da auch die Breite der Kanäle dem Umfang des Bibers entjpricht, fo fcheint mir diefe Erklärung ihrer Entftehung um fo mehr gerechtfertigt, al3 dabei die Frage nach dem Verbleib des vorher den Kanal ausfülfenden Materials ganz in Wegfall fommt. Diejes ift gar nicht ‚ausgegraben‘, fondern vom Gewichte des Bibers auf den Grumd gedrücdt. ©o find... durch Snnehalten desjelben ‚Wechjels‘ die Biberfanäle am Gropfühnauer See mer und die ‚beaver canals‘ entjtanden und ent- itehen.... genau auf diejelbe Weife.“ Friedrich geht dann über zu der „Frage, ob folche Biberfanäle den topographiichen Charakter (die Natur der Oberfläche) eines Gebietes zu beeinfluffen imftande find“, und bejaht jie. „Vorausgefebt, daß fie (die Kanäle) bei ausreichendem Holzbeftande des Ufers jahrelang benußt werden, jo da ein Zumwachjen durch Wurzelfafern neuer Sumpfpflanzen in ihnen verhindert wird, werden fie mehr und mehr den Charakter von Abzugsgräben er- halten, in denen jich das Wafjer des angrenzenden Sumpfgebietes anfammelt und Yeßteres dadurch trodenlegt. Ar verjtärktem Maße wird diefe Entwäfjerung jich dann vollziehen, wenn der aus irgendwelchen Grunde finfende Wajjerjpiegel des benachbarten Teiches die Kanäle in fließende Feine Wafjerbäche umgeftaltet. So wird das fumpfige Gelände durch 432 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Biberartige. Abjterben der ihrer Eriftenzbedingungen beraubten Wafjerpflanzen ohne Zutun des Menjchen in Wiejenboden oder, was noch wahrjcheinlicher tft, in Waldland verwandelt. Dieje in den amerifanifchen Gebieten gewiß häufig genug beobachtete Umwandlung der Biberfanäle in Bäche jpiegelt jich in der Sage der Jndianer von der Erjchaffung der Welt wider, monad) Manitu, der große Geijt, nachdem ihm der Biber aus dem das All anfangs völlig bededenden Wafjer den Schlamm zur Bildung des feiten Landes heraufgeholt hatte, feinen Gehilfen auch mit der Anlage der Flüjje und Bäche beauftragt habe.” „Seinen Aufenthalt verrät unjer Biber jehr leicht, ... jelbjt für Nichteingeweihte un- verfennbar, ... ducch feine Nageöfonomie”, wie Friedrich des Tieres eigenartigen Nahrungs ermerb nennt. „20—30 cm hohe, fegelfürmige Stümpfe von Weiden, Ejpen, Bappeln, Eichen, Nüftern, Hartriegel, Eihen, Buchen, Erlen, Weifdorn, Schmarzdorn und DObjt- bäumen zeigen auf ihrer Schnittfläche zahlreiche rinnenförmige, querlaufende Vertiefungen jo jcharf und glatt, al3 wären fie mit einem Kehlmeißel hervorgebracht; e3 find dies die Zeichen einzelner, aber gewaltiger Bijje jeiner Nagezähne. Borjichtig geht der Biber beim Nagen zu Werfe, und oft hält er den Kopf jchief, um nach oben zu jehen und jich zu über- zeugen, ob e3 etiva angezeigt jei, dem fallenden Baume Blab zu machen. Am Wafjer jtehende Stümpfe findet man häufig, wie auch die von jchwachen Stämmen herrührenden, nur ein- jeitig geferbt, jo daß der Baum beim Sturze ins Wafjer fallen mußte.” Von einer wahren ' Niejenleiftung des Bibers als Baumfäller berichtet Friedrich aus dem Jahre 1899 („St. Hu- bertus”, Nr. 19) und belegt jeine Schilderung mit photographiichen Aufnahmen. „Um Nordojtufer des weitlich von Dejjau gelegenen Groffühnauer Sees, an dem Teile, der den Kamen ‚Langer See‘ führt, begann im November 1896 ein, vielleicht auch der Biber, der Ihneiden, die unmittelbar neben jeinem Bau auf einer Kleinen, nach Weiten hin vorjpringen- den Halbinjel wurzelte. &3 war ein jchiweres Stüdchen Arbeit, das Freund Bodert in An- griff genommen hatte; denn an der Schnittfläche betrug der Umfang des Baumes 1,92 m. Wohl verzagte er manchmal, Monate Hindurd) ließ er die Arbeit liegen, und jchnitt für feines Leibes Notdurft und Nahrung Weiden und Ejpen in der Umgebung; dann aber faßte er doch wieder Mut, und Späne auf Späne häuften fich ring um den Stamm. Da fam Hoch- mwajjer und trieb ihn hinüber nach der höher gelegenen Filcherinjel. Die alten Späne hatte der Strom Hinweggejchtvemmt; aber bald Häuften fich neue an, und jchon von weiten erfannte man die im Sonmnenjchein hell leuchtende, mehr und mehr die Form einer Sanduhr an- nehmende Schnittfläche. So vergingen über der Arbeit die Jahre 1897 und 1898, und als der milde Winter des legten Jahres Feine große Unterbrechung verurjachte, ftürzte im An- jang diejes Jahres der gewaltige Baum unter lautem Krachen zur Nachtzeit in den ©ee. Daß die von Bibern gefällten Bäume... ins Wafjer ftürzen, hat man mit einem hohen Örade von Intelligenz des Tieres in Zufammenhang gebracht, indem man ihmdie Überlegung unterjchob: im Wafjer wird e8 dir leichter, den Baum zu zerfleinern und fortzufchaffen! Wes- halb findet man aber auch jo oft das &egenteil? Zch meine, die Erklärung für erfteren Umftand ergibt fich ganz zivanglos, wenn man erwägt, daf am Waffer ftehende Bäume nad) diejer Seite Hin mehr Licht Haben al3 nach der Landfeite, wo fie gewöhnlich durch benachbarte Bäume eingeengt werden. Nach der Lichtjeite Hin wird aber die Entiwicelung der Äite und Yiweige eine viel größere, und dadurch erhält der Baum naturgemäß nach dem Wafjer das Übergewicht. Hätte jener Großkühnauer Biber jich die Sache vorher reiflich ‚überlegt‘, ich glaube, er Hätte zwedmäßiger den Baum gar nicht ins Wajfer fallen lafjen; die Hauptmajje Biber: Nahrung (Schnitte). 433 der Ziveige liegt ja nummehr tief im Wajfer, ift für ihn zur Mung alfo verloren: denn unter- getaucht zu jchälen, ijt jelbjt einem Biber unmöglich. So muß er jich nach jahrelanger Arbeit jogar mit der gröberen Rinde des Stammes, joweit fie für ihn erreichbar ift, begnügen.” „Anverfennbare Biberjchnitte findet man zuweilen mehrere Meter über dem Erdboden. Diefelben rühren aus der Zeit der Überfchwemmung her und geben nicht felten zu eigentim- lichen Berunjtaltungen der betreffenden Bäume Beranlafjung. m Forjtrevier Voderode liegt in einer der Überfhwemmung alljährlich ausgejesten Senkung eine Ejchenpflanzung bon eigentümlichem Ausfehen. Die vor Jahren hier angepflanzten Heifter wurden von Bibern bei Hochwajjer etwa 11,—2 m über dem Boden verbifjen, jchlugen unterhalb der Bißitelle wieder aus, wurden beim nächiten Hochtwafjer abermals geföpft, und num erhielten die Stämme beim nächjten Triebe derartig breitfronige Formen, daß man fich erjt nad) genauer Unterjuchung dazu entjchließen fan, je für Eichen anzujprechen." (Friedrich.) Mertens berichtet von einer jchön gewachjenen Nüfter bei Magdeburg an der Alten Elbe, die zweimal dicht übereinander frijch fajt völfig Durchgefchnitten war. Solche „Doppel- Jchnitte find äußerft jelten”, und „mo jie jonjt angetroffen werden, find jie wohl immer auf Schnitte zu verjchiedenen Zeiten zurüdzuführen”. Wenn diejer Baum die beiden Schnitte zeigt, mag e3 darauf zurüdgeführt werden, daß er beim erjten noch nicht gefallen ift, weil ex es nicht fonnte” (meil die Ziveige mit denen einer dicht danebenftehenden NRüfter völlig verichlungen find), Jo daß das Tier nochmals anjette; oder aber e3 haben zwei Tiere (Mutter und Kind?) zu gleicher Zeit übereinander gearbeitet. „eben den beim Fällen der Bäume Hinterbliebenen Stümpfen werden häufig auch die Schälftüde, d. H. die der Rinde beraubten weißglänzenden Holzferne der Üfte und Stämme zu VBerrätern des nächtlichen Treibens des Biber. Jr etiva meterlangen Stüden liegen fie am Ufer oder im flachen Waffer, und namentlich die ftärferen, mit trodener Rinde ver- jehenen zeigen deutlich die Spuren der Nagezähne.” (Friedrich.) Sn der Kreuzhorit bei Magdeburg, wo die Weiden bereits faft völlig verjchwunden jind, zeigen indes die Biber „ihre Anpafjungsfähigfeit in der Ernährungsfrage” und nehmen jest (Mertens, „Bool. Garten”, 1904) vorzugsmweije die Eichen, jelbit die Erlen an. Der Schaden, der dadurch angerichtet wird, ift natürlich recht bedeutend. „Eine umgeftürzte Eiche erhärtete zugleich die Tatjache, daß der Biber auch jehr wohl imftande ift, auf fchräg ftehende Zweige zu jteigen und jelbjt auf dünnen entlang zu Hettern. Der bufchige Baum war fo gefallen, daß er, durch ftärkere Äfte in fchräger Lage gejtübt, Kiegen blieb. Die Tiere — oder das Tier? — waren nun vom Stamme aus auf den Ziveigen entlang gegangen und hatten überall, jo weit jie hinabreichen fonnten, oben und zu beiden Seiten die Rinde abgejchält, auf der (auch vom Erdboden wegen ihrer Höhe) nicht erreichbaren Unterfeite aber jigen fajjen. Die Spisen waren jämtlich jcharf, wie mit einem Meier, abgejchnitten und fort- getragen. Die Rinde und die dünnen Zweige haben aljo zur Nahrung gedient.” Die Biber des Berliner Zoologijchen Gartens pflegen diefere Stämme in erheblich Fürzere, oft nicht einmal 50 em lange Stüde zu zerjchneiden und haben mit den Spänen ihr Lager im Grottenjtall hoch aufgefüllt. Shre Lofung wird ftets im Wafjer abgejegt, von diefem ' auseinandergejchtvemmt, ihrer löslichen Bejtandteile entäußert, und findet jich beim Ent- wäljern des Bedens als jägejpänartiger Grus wieder. Der Biber geht aber auch in der Freiheit und freiwillig mitunter zu ganz ander3 ge- arteter Nahrung über. Das beweiit eine jchon vom Oftober 1896 ftammende Boftfarte des föniglichen Forjtmeifters Brecher-Grünemwalde bei Schönebed an der Elbe an Friedrich: „Von Brehm, Tierleden. 4. Aufl. XI. Band, 28 434 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Biberartige. mehreren Eigentümern jolcher Grundftüde an der Alten Elbe, die mit Nunfelrüben bejtellt find, ift wiederholt Klage geführt, daß die Biber ihnen großen Schaden durch Beftejjen (Be- nagen wäre zu wenig gejagt) der Runfelrüben verurjachen. Außerdem würden aud Kunfel- rüben mit den Zähnen nur ausgehoben und mit ins Wafjer genommen. Die derart be- ichädigten Stellen find oft mehrere Duadratruten groß. Auch der naturwifjenjchaftlich vor- züiglich gebildete Lehrer Miüller-Schönebed, der die Zahnjpuren vom Hafen, Reh, Biber ganz genau unterjcheiden Farın, hat die Biberzähne ebenjo wie ich unzweifelhaft jeitgeitellt. Sch habe jet wieder eine ganz frifch benagte Aunfelrübe an der Alten Elbe gefunden, in welcher die Biberzähne ungefähr je Lem breit jo frijch und deutlich wie in Marmor oder Gips zu jehen find, jo daß jeder Zweifel ausgejchlojjen it.“ Wie es landichaftlich „Im Reich des Bibers“, an der Elbe und Mulde, zwijchen Warten- burg bei Wittenberg und Magdeburg, ausjieht, hat der Berliner Landesgeolog E. Meder iehr anfchaulich gejchildert („Naturwiff. Wochenfchr.”, 1907). „Der größte Teil diejes Ge- bietes ift anhaltinifch, und das Ausdauern des Bibers dürfte großenteils mit dem Schuße zufammenhängen, den er Hauptjächlich in den Bezirken genießt, die Herzoglicher Privatbejig find.” Das ift gewiß richtig und verjtärft das Dankdarfeitsgefühl aller Tier- und Naturfreunde dem anhaltinischen Herzogshauje gegenüber! Diederich-Defjau fchildert („Wild und Hund“, 1903) eine „Waldverwüftung, wie jie fürzlich in dem am Iinfen Elbufer gelegenen Forjtrevier Lödderig bei Yfen, dem Sagdgebiet des deutjchen Kronprinzen, ftattgefunden Hat. Jr dem genannten Revier haben die Biber Ende September und Anfang Dftober diejes Jahres auf einer Bodenfläche von etwa 8m im Geviert nicht weniger als neun Bappeln zu Falle gebracht. Die jtärkjte der abgejchnittenen Rappeln mit an der Schnittjtelle 30 em im Durchmefjer, die übrigen Stämme jind zwijchen 15 und 20 em ftarf... Die ausgejprochene Abjicht, die Bäume möglichft nahe nad) jeinem Bau oder dem Wafjer Hin zu werfen, Tann man dem Biber wohl faum unterjchieben; aud) der vorliegende Fall pricht nicht für eine folche Annahme. Nach Anjicht des Föriters Michaelis in Kühren bei Lödderig ift die angerichtete Verwüjtung vermutlich das Werf eines einzigen Biberpaares, und man fann jchon an der Leitung diejes Biberpaares ermejjen, welch ungeheueren Schaden die Biber einft in den Wäldern angerichtet Haben müjjen, als ie noch) in großen Kolonien die Gemwäjjer bevölferten: Haben jte doch in Nordamerika in den Waldungen große Lichtungen, die fogenannten Biberwiejen, gejchaffen!" Aus den Kronen der nach dem Deich zu gefallenen Bäume haben die Biber einen großen Teil der Zweige entfernt. Dabei jchneiden fie jelbit Üfte von 3 em Die mit einigen Bilfen glatt duch. Der Kegelfchnitt wird nur bei ftärferen Hölzern angewendet. Die abgejchnittenen Afte haben die Biber, wie man an der jcharf ausgeprägten Fährte im Grafje deutlich erkennt, nad) einem jenjeit3 de3 Deich gelegenen Teiche gejchleppt, an dejjen Ufer jie ihren Bau haben. Bei Bejchreibung der Biberbauten hebt Friedrich vor allem gebührend den großen Unterjchted hervor, der zwijchen den heutigen Wohnungen der legten Biberfamilien an der Elbe und den früheren altweltlichen oder jegigen amerifanijchen Biberfolonien bejteht. „Am Ufer und in den Buhnen des Elbftromes und feiner Zuflüfje, namentlich gern an den durch die Stromregulierung abgejchnittenen alten Waijerläufen oder an den die Elbauforften durchziehenden Bächen, ferner auch an Seen und Teichen, legt ji) unfer Biber an hohen, der Überfchtwernmungsgefahr weniger ausgefegten Stellen einen einfachen Röhrenbau an.“ „ündet ‚das Gejchleife‘, wie man die Zugangsröhre nennt, unter Wajjer, jo verrät gemöhn- lich nichts das Vorhandenfein eines Baues. Bei niedrigem Wajjerjtande, wie ihn 5. B. die "Biber: Nahrung (NRunkelrübe, Baumfällen). Bauten (Ufer-, Reijiguorbauten). 435 Trodenheit desTebten Jahres (1893) im Gefolge Hatte, liegen vielfach die fonft unter Wajjer mündenden Nöhren frei; indejjen ift auch bei normalem Wafjerftande in ruhig gelegenen Gegenden nicht felten zu beobachten, daß die Biber offen (über dem Wafjeripiegel) mündende Röhren zu ihrem Aus und Einftiege zu benußen pflegen... Daß aber bei diejen Bauen neben dem gewöhnlich benubßten, offenen (zutage liegenden) Eingange noch bejondere Sluchtröhren unter dem Wajjerjpiegel münden, zeigte jich, als eines Tages ein Dachshund unaufgefordert jolchen Bau revidierte. Kaum hatte er Hals gegeben, al3 auch Schon Wellen und aufjteigende Luftblajen die glücklich bemwerkitelligte Flucht des Biber anfündeten. Su diejem Jahre (1894) ift der Wajjerjtand an den erwähnten Bauen jo weit gejunfen, daß man dieje Fluchtröhren, die zu drei und vier in verjchiedener Höhe liegen, deutlich jehen fann. Gleichzeitig aber zeigte jich dabei, daß neben diejen Hauptbauen auf einer Strede von etiva 3 km nicht weniger al® 12—15 Eleinere Baue, die gewiß nur zu gelegentlichen Unterjchlupf dienen, vorhanden waren.” Wejen und Wirkung der unteren Fluchtröhren wurde auch ganz unztveideutig vor Augen geführt, al3 Hed einen vom veritorbenen Herzog von Anhalt dem Berliner Garten als Gejchent übermwiejenen Biber im Revier Luifium nahe bei Defjau jelbjt einfangen und Heimbringen wollte. Trobdem er den Hamen des Nebes zwifchen Bau und Wafjer mit aller Kraft tief in das fodere Ufer ftieß, ging der vom Tedel ge- Iprengte Biber mit dumpfem Gepolter drunter durch und lag nachher, wie zum Hohne, ganz platt und ruhig draußen im Strome. Weiter jchildert Friedrich die eigentümlichen fchwimmenden Keijigvorbauten, die er, wie den Uferbau jelber, zunächit al3 Anpafjung des Bibers an feine heutigen Lebensumstände erflärt. „Sn Gegenden, die durch Schiffahrt oder jonjtigen Verkehr beunruhigt werden, ge- hören offen mündende Baue zu den Geltenheiten; die Röhren münden fat immer unter Wafjer. Sinkt hier der Wajjerjpiegel, jo daß der Zugang des Baues frei wird, fo ziehen die Biber enttweder aus, oder jie verdeden die freigevordenen Röhren durch einen Vorbau aus ineinandergeflochtenem Reijig, dejjen vorderes Ende aufden Wafjer [chwimmt und ihnen fo ein unbemerktes Entweichen in ihr eigentliches Element gejtattet.” Später („St. Hubertus”, 1907) kam Friedrich dann durch weitere Beobachtungen zu der Auffaflung, daß diefe Reifig- vorbauten mejentlich Zuttervorräte fürden Winter find, namentlich für Zeiten ftrengen Ftofteg, tvo der Biber feinen Bau gar nicht verläßt, weil er durch die ftarfe Eisdede feines anftoßgenden Wohngemwäfjers von der Außenwelt vollitändig abgejchloffen ift. „Wenn der falte Wind die legten jchon loder jigenden Blätter von Bäumen und Sträuchern Hinmwegfegt, dann beginnt im Ufergebüjch unferer Flüffe und Seen um den Biberbau herum und in der Nähe ein Ieb- haftes nächtliches Treiben. Schon mit einbrechender Dämmerung fteigen die Biber an Land, und mit geradezu fieberhafter Tätigkeit werden Bäume und Strauchwerk gejchnitten. Breit ausgetretene Wechjel entjtehen im dichten Weidengebiüfch, und deutlich zeigen die im Sande durch das Schleppen der Zweige verurfachten Spuren, daß das gefällte Holz ins Wafjer ge- bracht und jortgejchleppt worden ift. Und richtig, dort im ftillen Wafjer einer rechttvinfelig _ zur Stromrichtung vorjpringenden Buhne jehen wir e3 angehäuft; eine fchrwimmende, dichte Dede aus den gefällten, zirka jechsjährigen Weiden des Uferbeftandes reicht ettva 8m in den Elbjtrom — mir befinden uns ettva 1 km oberhalb der Dejjau-Roflauer Brücde — hinaus und jchaufelt, von den Wellen eines gerade vorüberfahrenden Schleppdampfers betvegt, auf und ab. Und beim Nähertreten gewahren wir einen bisher vom dichten Gebüfch verdedt ge- . wejenen großen Reijighaufen in Zorm eines Heufchoberz, der mit der fchwimmenden Reijig- dede in ununterbrochenem Zufammenhange fteht: eine Biberhütte oder, wer es lieber vornehm 28*+ nn 436 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Biberartige. > nennen will, eine Biberburg (Landburg). Bis zu der etiva 215 m über den Wafjerjpiegel reichenden Kuppel ift das frifche, zum Teil noch beblätterte Holz Hinaufgeichleppt, jtellenmeije auch mit Schlamm verdichtet und von hier au in unvregelmäßiger Schichtung über das ichlammige und fandige Ufer hinweg in den Strom hinausgebaut. Einzelne fingerdide Stüde iind, wie andere längs des Ufer verjtreute Zweige, bereits abgejchält,... die weitaus größte Maije des frifchen Holzes aber it unberührt.” Dieje Borbauten entjtehen „nur beim Beginn des Winters”, dagegen hat Friedrich „in trodenen Sommern monatelang die Röhren frei minden, die Biber ungeniert heraus- und hineinjchliefen jehen, ohne daß jie nur den Verjuch gemacht hätten, ein Reifigdedtwerf anzulegen. Der Zmwed des aufgejpeicherten Holgesijt eben _ ein anderer: e8 it Proviant fürden Winter. m Inneren jeiner Höhle Fann der Biber die Bor- räte nicht aufitapeln, ... fie nehmen zu viel Pla& weg; darum baut er jie vor dem YAusgange auf.” Was davon im nächiten Sommer noch übrig ift, mag dann auch eine ganz angenehme Dedung des Eingangs bilden. „Vom Ufer jchräg nach oben führend, geht die Röhre in mehr oder weniger gewundenem Laufe (daher wohl ‚Sejchleife‘) einige Meter landeinmwärt3 und endet meijt dicht unter der Najendede in einer gewölbten Erweiterung, dem ‚Sejjel‘, dejjen mit Gras, Moos und Schilf ausgefütterter Boden nicht jelten die Überbleibjel feiner Mahl zeit, gejchälte Holzftücke und Späne, aufmweift.” Im Berliner Garten haben die Biber auf diefe Weije einen mindejtens 30 cm hohen Fußbodenbelag ihres Grottenftalles hergeftellt. Eigentliche Wajjerburgen, die neben den Dämmen den Biber als Wafjerbaumeijter jo berühmt gemacht haben, führt er heute im Elbgebiete gar nicht mehr auf, nur noch eine Art „Taliche” Burgen, die man Landburgen nennen fönnte. Friedrich erklärt ihre Entjtehung folgendermaßen: „Die notwendige Luftzufuhr bei jolchen Bauen, deren Eingang durch Wajjer verjchlofjjen tft, Fann nicht anders als durch die über dem Kejjel liegende, meijt nur diinne Najendede erfolgen. Zumeilen findet man indejjen einen vom Kejjel nach der Erd- oberfläche ziehenden und etiva in der Größe einer Fauft mündenden Kanal, der jid) nament- ich im Winter durch das Schmelzen des darüberliegenden Schnees bemerflich macht. Ob diejer Luftichlot abjiähtlich angelegt wird oder, was wahrjcheinlicher ift, durch Einbruch der Najendede zufällig entiteht, lajje ich dahingeftellt; jedenfall3 aber jucht der Biber, jobald die Dffnung über dem Kefjel zu groß wird, diefelbe fofort zu fchliegen. Rnüppel und Reifig werden herbeigejchafft und über der Bruchitelle zu einem Haufen zufammengefchichtet, jo dab er nad) einigen Wochen zu einer Höhe von 2—3 m anwächlt. Wird im Herbite diejer fünjtlihe Holzitoß durch Schilf und Schlamm gedichtet, jo ift damit ein meilerförmiges Bau- werk gejchaffen... Näumt man den Holzbau fort, jo fommt man ... zum Kefjel, der durch eine oder mehrere Röhren mit dem Waljer in Verbindung fteht.“ „eben den (Land-) Burgen errichten die Biber gelegentlich noch eine zweite Art von allerdings nur zeitweije betvohnten Holzbauten.” Friedrich bejchreibt einen jolchen als „Neiigbau, der in Gejtalt einer großen Hundehütte im Gegenfage zu den ‚Burgen‘ einen ojjenen Ausgang nach dem Lande hatte”, und erklärt ihn mit Necht für „einen Notbau, dejjen Eingang zur Zeit feines Bewohntjeins vom Wajjer befpült war... Vertreibt das Hochwajjer den Biber aus feiner (eigentlichen) Wohnung, fo jucht er in der Nähe gelegenes, nicht über- - Ichwenmtes Land zu erreichen, macht von hier zur Herbeifchaffung von Nahrung Erkur- jionen und, falls der Landungsplat Dedung in ausreichender Weife nicht bietet, häuft er Knüppel und Neifig zu einer Hütte zufanmen, die ipm Schirm und Schuß gewährt, bis er jeinen Bau wieder beziehen kann.” = US „Die interefjantejten Bautwerfe der Biber, deren Herftellung am meijten an "". VORREINBERR Biber: Bauten (Landburg, Wafjerburg, Notbau, Damm). Deichjchaden. Nachtleben. Zumafjergehen. 437 menschliche Intelligenz erinnert”, bezeichnet Friedrich Die Dammbauten und hebt zugleich die wenig befannte Tatjache hervor, „daß diefelben auch int unjerem Elbgebiete häufig genug noch jegt vorfommen“. Geit 1890 ift e3 Friedrich „gelungen, an verjchiedenen, ziemlich weit von- einander getrennten Punkten unferes Bibergebietes Dammbauten zu ermitteln... Als ım November 1891 die Elbe einen außerordentlich niedrigen Wafjeritand Hatte, führte der jonjt quelfenreiche See dem Graben nur geringe Wajjermengen zu, jo daß vielfach die Röhren der Biberbaue jichtbar wurden und den Bervohnern die Möglichkeit freier Schwimmbemwegung bei ihren nächtlichen Streifzügen benommen tvar. Da machte eines Tages ein Forjtbeamter die auffallende Entdedung, daß das Wafjer im ‚Bruchgraben‘ ohne jede Neigung zum Abfluß bedeutend gejtiegen war. Die Urjache der Stauung war bald entdedt: unterhalb der er- wähnten Biberbaue, two der Teich fich wieder zum Graben verengt, war an einer bejonders ichmalen Stelle querdurch ein 1,5 m hoher, ettva 3 m breiter Damm gezogen, fejt genug, um dem Drucde de3 faft bis zum Nande geftauten Wajjers jtandzuhalten. Daß hier das Verf von Bibern vorlag, twar unjchwer zu erfennen; denn das grobe Baumaterial de Dammes, welches aus ca. 1 m langen und 10—15 cm Starken Snüppeln beitand, zeigte deutlich die Spuren feiner Hauer, und eine vom Holze herfommende Schleppe führte nach vem Plage, dem das Material entnommen war. Geitwärts feit in das Ufer eingeflemmt, waren die jtarfen Hölger mit feinerem Material, namentlich mit Hafelteijig, gededt und jchlieglich mit jchlammigen Rajenjtüden bis obenhin derartig verdichtet, daß das Ganze undurchdringlich für Wafjer und fo feit geworden war, dag man ungefährdet darüber hingehen Fonnte. Die der Strömung zugefehrte Seite des Dammes war vom Bachgrunde aus jenfrecht Hoc)- gebaut, während die abgetwendete infolge der nach oben zu abnehmenden Stärke eine jchräge Böfchung, twie bei einem fteil angelegten Wehre, aufwies. Das Bauterf war, noch bevor ich Gelegenheit zu jeiner Befjichtigung gehabt Hatte, von Waldarbeitern zerjtört, aber jofort von den Bibern in der gejchilderten Weije wiederhergeitellt worden. Erjt das Frühjahrz- twajjer der Elbe war imftande, den Damm zu bejeitigen; Spuren davon find aber noch heute, nach beinahe zwei Jahren, am Grunde des Baches fichtbar.” Selbjtverjtändlich muß man dem Biber unbedingt entgegentreten, jobald er durch jeine Dämme oder auf andere Weije Menfchen und Menjchenmwerfe gefährdet. „Wenn jich Biber in Elbdeichen häuslich niederlajjen", jagt Friedrich jelbit, „jo it das auf feinen Fall zu dulden. Denn wenn chon Kaninchenbaue, jogar Maustöcher bei Hochtwafjer zu Wallbrüchen geführt haben, jo muß der weit größere Biberbau diefe Gefahr erjt recht herbeiführen. Es läßt jichnun freilich Der Biber ausderartig gefährdeten Gegenden leicht vertreiben”, und zwar mit weniger radikalen Mitteln al3 durch einfachen Abjchuß, mit dem man jedesmal wieder einige der wenigen lebenden Naturdenfmäler vernichtet, die wir in Deutfchland heute noch habeır. Auch Friedrich läßt das tägliche oder vielmehr nächtliche Xeben des Bibers erit nach Sonnenuntergang beginnen: „... an den mit offen mündenden Röhren verjehenen Bauen erjcheint er zu Diefer Zeit am Ausgange, um zunächit (fichernd) Umjchau zu Halten und dann plöglich fait geräufchlos in das ihm befreundete Element zu tauchen”. Diejes tatjächlich oft unhörbare Verjchwinden des großen, jchweren Tierförpers unterm Wafjerjpiegel jest anfangs in gerechtes Erjtaunen, erklärt jich aber daraus, daß der Biber ganz jpib Kopf bor und zuerft faft jenfrecht in die Tiefe gleitet, nicht aber mit dem Bauche fich platt und Hatjchend aufs Wajjer wirft, tie dies wajjerfremde Tiere tun, die mit dem Kopfe nicht gern untertauchen. Der Biber verjchwindet, wenn er zu Wajjer geht, zunächit immer vollfommten unter der Oberfläche und geht im jeichten Beden des goologijchen Gartens bis auf den Grund. 438 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Biberartige. Wieder aufgetaucht, fichert er dann abermals in fehr charakteriftijcher Art und Weije. „Die obere Kopfhälfte über Waffer, macht ex halt, dreht jich, anfcheinend, um nochmals zu jichern, “ mit leichter Mühe auf dem Flede herum, und die Vorderläufe gerade nad vorn gejtredt und dem Halje angelegt, zieht er, eine mehr und mehr fich ausbreitende Zurche Hinterlajjend, geräufchlos dahin. Der geringfte verdächtige Laut läßt ihn aber mit laut Hatjchendem Kellenz= ichlage unter dem Wafjerjpiegel verjchuinden.” Dasjelbe taten im Berliner Garten anfangs die noch nicht eingewöhnten Biber, wenn der im Schein einer benachbarten Bogenlampe jtehende Beobachter eine Bewegung machte. Diejem jprigten dann die Wafjertropfen aus dem vertieft liegenden Beden übers Gitter bis ins Geficht. Auf dem Lande macht der Biber zunächit einen geradezu Häglichen Eindrud von Unbeholfenheit. Die kurzen Border- und die, mächtigen Hinterglieder wollen gar nicht jo recht zufammenarbeiten: wadelnd und watjchelnd beivegt er fich langjam dahin. „Schwerfällig ift fchon fein Ausitieg aus dem Wajjer, jchlep- pend und fcheinbar mühjam fein Gang, geradezu ungejchidt aber jein offenbar mit Aufwand aller Musfelfraft ausgeführter Galopp, wenn er, gejtört und erjchredkt, dem Wajjer zueilt... Mit dem anbrechenden Tage fehrt er in feinen Bau zurüd”; Friedrich traf „ihn jedoch auch - am Tage außerhalb des Baues jchlafend an“, und zwar im April an einem abgelegenen und ruhigen Teile des Muldeufers. „Sr einer fejjelartigen Höhlung des Ufers, von einem Weiden- jtrauche halb. gedeckt, lag er nach Hundeart zufammengefrümmt, den auf der Stelle ruhenden Kopf dem Wafjer zugefehrt. Sein Schlaf fchien nicht allzu feit zu jein; denn als ihm der Wind einige Male in den Pelz fuhr, daß die langen Grannen auseinanderjtoben, jchob er untillig den Kopf auf der Kelle Hin und her, und ein leife3 inurren drang zwijchen jeinen Schneidezähnen” hervor. „Auch an anderen Stellen des Ufers fand ich gerade zu diejer Zeit im hoben, dichten Graje verjchiedene, ganz offenbar von Bibern Herrühtende Lagerpläße, und da anderwärt im Elbgebiet diejelben Beobachtungen gemacht worden find, jo vermute ich, daß diefe zeitweije einzeln im Freien fich aufhaltenden Biber alte Männchen find, die während der Säugezeit der Jungen aus den Bauen vertrieben werden.” Amerifanijche Be- obachtungen beftätigen diefe Annahme. Aber auch Biberweibchen mit Jungen beziehen mitunter jolch offenes oder Halb offenes Lager; Behr-Cöthen hat das im Juni 1908 beim Amtsrat Elsner am Taubengraben der Elb-Saale-Niederung beobachtet. „Eine jtarfe Bibermutter mit vier Jungen liegt am jenfeitigen Grabenufer unter Weidengeftrüpp, Rohr und jchilfartigem Gras in einer Erdhöhle. Die Jungen erflettern den Rüden der Alten, purzeln wieder herunter, und ein leifeg Fauchen läßt jich Hören. Auch die Alte wälzt jic) öfters, dutch unzählige Fliegen gepeinigt, herum.” Leben und Treiben des Bibers aus nächiter Nähe jchildert noch Käfebier jehr anjchaulich und anziehend aus dem Nif oder Schwarzen Wajfer der Oberförfterei Wörlig in Anhalt, dejjen „Hochbordige Ufer und urwaldähnliche Wildnis wie ausgejucht find, den Bibern als Unterjchlupf zu dienen... Der Biber ... ruderte nun auf eine von ung feine 30 Schritt ent- jernte Stelle zu, wo die gelbe Wajjerrofe mit ihren Blättern eine große Fläche des jeichten Bajjers bededte. Hier angelangt, tauchte er in die Tiefe, hierbei feine Kelle gleich einem Signaların gen Himmel ftredend, und verjchtwand für längere Zeit von der Oberfläche, hinter jich einen Weg von Luftblafen laffend und fo genau die Stelle angebend, an der er jich befand. ALS ex wieder erfchien, Hatte er um Kopf und Hals, einer fagenhaften Seejungfer gleich, Blätter, Blüten und Wurzelwerk der Nymphäe gefchiungen und begab fich nach einer Hachen Schlammbanf, um fich dort zu äjen. Er nahm die wohl meterlange und faft armftarfe Wurzel der Wafjerrofe, bei uns Hupe genannt, her und fing an, fie, wie wir hierzulande Biber: Verhalten im Wafjer. Bewegung an Land. Dffene Uferlager. ung im Wajfer. Winterleben. 439 jagen, zu ‚jchroten‘, d. h. Hein zu nagen; dabei fonnte man bejtändig das fchnurpjende Ge- räujch deutlich hören. Gelegentlich fonnte man auch ein wohlgefälliges Schnalzen, dem des Schweines ähnlich, auf3 genaueite vernehmen. Aber nicht nur die Wurzeln, auch die Blätter nahm er an, immer in der Haltung aller Nager, auf den Hinterlatjchen jigend und die Nah rung mit den Borderläufen haltend.” Much zwei junge, diesjährige Biber fonnte Kläjebier bei derjelben Gelegenheit beobachten. „E3 war ergöglich, Höcht Drollig und interejjant zu beobachten, wie beide jcherzend und jpielend ihr Wejen mit herabgefallenen Blättern und Neifern trieben. Schließlich jteuerten auch jie auf die Kupen zu, um fich dort zu äfen.“ Den Winter überdauert der Biber ohne Winterfchlaf, ja ohne irgendwelche Herab- jtimmung feiner Zebenstätigfeit. Dies geht, nach Friedrich, „Daraus hervor, daß der auf die Hütten fallende Schnee feht leicht jchmilzt: in den unabjehbaren Schneejeldern Nordamerifas erkennen die Trapper die fchneelojen Erhöhungen als Biberhiütten, und zwar als bewohnte. Die Porojität der Kuppel, die auch dem Atmungsbedürfnis der Bewohner genügt, läßt die Wärme ausjtrahlen und bringt den Schnee zum Schmelzen. Lägen die Biber in fejtem Winterjchlafe, dann wäre eine derartige Wärmeentwidelung nach Analogie der echten Winterichläfer ausgejchlojfen. Der Biber hält feinen Winterjchlaf. Die erjte Eisdede, die jich vor jeinem Bau bildet, finden wir meijtens zertrümmert. Wird aber die Eisjchicht zu jtark, jo ergibt er jich in jein Schidjal. Ruhig liegt er in feiner Kammer; nur wenn der Hunger ihn treibt, geht er unter das Eis, um von den untergetauchten Weidenvorräten ein Stüd nach dem anderen in den Bau zu ziehen und zu äjen, ... jobald durch die wärmer werdenden Strahlen der Frühjahrsjonne das Eis mürbe geworden ift, Durchbricht er e8. Am Strome' überwinternde Biber befreit gewöhnlich jchon. vorher der Drud des durch die Schneejchmelze jteigenden Waljers. Durch das in die Hütte dringende Wafjer gezwungen, verläßt der Biber alsbald jein Lager, taucht in den Strom und fchwimmt, mit der rajenden Jlut und den jich dDrängenden und überjtürzenden Schollen fänpfend, um einen jicheren Plab an wajjerfreier Uferitelle zu juchen. Freilich erreicht dabei mancher die rettende Kopf- weide oder den am nunmehr überfluteten Wiejfenrande zur Uferbefeftigung angefahrenen Neiighaufen nicht. Was, infolge langer Wintersnot jchiwach und matt, ins Treibeis gerät, geht unfehlbar zugrunde — bei einem im Hochtwajjer der Mulde 1895 umgefommenen Biber twaren die Schädelfnochen wie in einem Mörjer zu Brei zermalmt —, und die nach Berlauf der Flut im Ufergebüfch hängenden Kadaver beweijen, daß der Übergang zum Frühling des Bibers böjejte Zeit ift. Wiederholt Hat man auch auf Schollen talwärts treibende Biber beobachtet, die dann gewöhnlich meilenmweit unterhalb Magdeburg allzu eifrigen Sägern zur Beute fielen. In den Jahren 1842, 1845 und 1876, die fich durch Harte Winter und bejonders anhaltende und große Hochiwafjer auszeichneten, trat nach v. Meyerinds Berichten eine ganz bedeutende Verminderung unjeres Biberbejtandes ein, und im Laufe des lebten Jahrzehntes de3 vorigen (19.) Jahrhunderts büßte die fönigliche Oberförjterei Grünetwalde bei Schönebed den größten Teil ihrer Biber ein. Während jo die Schwächlinge zugrunde gehen, gelingt es den Fräftigen und gejunden Bibern, fich zu retterr. Alle nur möglichen wajjerfreien Bunfte ind ihnen recht: auf den Elbdeichen, auf Reifighaufen und Kopfweiden fajjen jie Fuß. Wiederholt beobachtete ich im Forjtrevier Yuifium bei Dejjau einen Biber, der während de3 Hochmwajjers in einer hohlen Eiche jaß, während ein anderer in Gejellichaft eines Dachies, eines Fuchjes und mehrerer Rehe von den unweit der Muldemündung liegenden Walltejten der Walderjeeburg Bejit ergriffen hatte. So bedauerlich nun auch bei dem jpärlichen Neit- beitande unjerer Biber der Berlujt jedes einzelnen Eremplares ijt”, jo jcheint Friedric) „ver 440 8. Ordnung: Nagetiere. Zamilie: Biberartige. + durch die natürlichen Verhältnifje entjtehende Abgang fein jo großes Unglüd”. „Bei den Bibern liegt die Gefahr der Degeneration noch ganz bejonders nahe, weil e3 jich nur noc) um Reftbeftände handelt... Trogdem ift von einer Degeneration bis jest nicht3 zu merfen: unjere Biber ftehen an Stärke und Gewicht Feineswegs hinter den Fanadichen zurüd. Die Erklärung hierfür fan nur darin gefunden werden, daß nur gejunde und fräftige Eremplare zur Fortpflanzung fommen, Schwächlinge aber im Winter und Frühjahr eingehen. Die in der Inzucht beftehende Gefahr wird aber dadurch auf das geringite Maß herabgeminbdert.” Aus „Wintersnot” erklärt fich wohl auch das „auffällige Benehmen“ Der Biber, das Frei- herr d.N. („Wild und Hund“, 1908) jchildert. „Am 30. Dezember vorigen Sahres ereignete jich bei einer Drückjagd auf Rotwild im Schußbezixt Kühren Der Oberförfterei Lödderig ein überaus feltener Vorfall. Aus einem Weidendidicht Fam ein ftarfer Biber auf einen hauffierten Holzabfuhrweg herausgemwechjelt. Ummeit davon war einer der Schüßen auf geitelft, der eine junge Dachshündin bei fich führte; diejer ging, da das Treiben inzmwijchen beendigt war, mit feiner Hündin am Riemen auf den Biber Io, der nun nicht flüchtig wurde, - iondern ftehen blieb, ich gegen den Hund ummendete, aber von dem Schüßen berühren und ftreichefn Tieß. ALS ich nach Furzer Zeit Hinzufam, umftanden jchon mehrere Schüßen, dar- unter der Major 3. D. dv. Bünau-Bernburg, den Biber, ein recht jtarfes Eremplar, und bejahen ihn fich, während die Hündin ab und zu Laut gab. Inzwilchen jchien ihm Die Menjchenanfammlung doch läftig zu werden und er wechjelte langjam in die Weiden zurüd. Dabei folgte ich ihm etwas und drüdte mit der Spite meines Stodes auf die nachichleppende Kelle; dies fchten ihm nicht angenehm zu fein, denn er wendete jich zähnefletichend nach mir um. Dann watjchelte er mit feiner bisherigen Langjantkfeit weiter und verjchwand bald im Dieicht... Nun hat derjelbe Beamte, der den Biber zuerit jah, der Forftaufjeher Mahn- fopf, vorgeftern und geftern am jpäten Abend, al3 er vom Anftand auf Rotwild zurücd- fehrte, in jener Gegend auf dem Eije des großen Teufel3loches, eines Waldjee3 von an- nähernd 0,9 ha Größe, einen Biber vergnügt Hin und her jpazieren fehen. Auch diejer ließ jich jedesmal von ihm angehen und ftreichelnd berühren. Auf der Eisfläche jind an ver- ichiedenen Stellen durch den Biber Löcher in das-&i3 gejchnitten.” Auch Franz Genthe hat fich mit Erfolg um weitere Einzelheiten über den Beitand und die Naturgejchichte des Elbebibers bemüht und bezeichnet („Wild und Hund“, 1905) als „zwei bejonders interejjante Reviere... Die Revierföriterei Zuifenthal bei Magdeburg und die nächite Umgebung von Dejjau”. Aus Luijenthal erzählt er unter anderem: „Die Haufen Späne | unter den ftärfiten Bäumen habe ich Durchwühlt und alß Unikum das Produft eines einzigen Bijjes entdedt, das (nach forgjältiger Meijung) 1,25 em in der Mitte Did, 5,5 cm breit und 11 cm lang war, wie vom Stellmacher mit dem Werkzeug herausgefchlagen. Friich gefällte Eichen von 10—15 cm Durchmefjer fand ich in größerer Zahl; auf einer Fläche von 5m im Öeviert lagen wohl 10—12 Stämmchen, fäntlich der oberjten Zweige beraubt... Hier zeigt jich meine3 Erachtens deutlich, daß der Biber in Ermangelung von Weiden fi) völlig an Eichen hält — oder auswandert. An Nadelhölzer ift er nad) Revierförter Fidert3 Anficht bis jet noch nicht gegangen... Sn den Privatrevieren wird der Biber gefangen und ge- jholjen, wo e8 nur möglich ift. Jedes Verlajjen der fisfalifchen Reviere ift gleichbedeutend mit Vernichtung. Eine Zunahme ift ganz ausgejchloffen, jelbft bei normaler Vermehrung.“ Auch aus den beiden anderen hervorragendften preußiichen Biberrevieren bringt Genthe Berichte der zuftändigen Forftbeamten. Oberförfter Binner-Grünetwalde fchreibt unter an- derem: „Die Fiicher tun den Bibern am meisten Abbruch, abfichtlich und unabfichtlich durch Biber: Natürliche Zuchtwahl. Vertrautheit. Werminderung. Fortpflanzung. Zudt. 441 gelegentlichesFangen indenReufen.” Forjtmeifter v. Nordenflgcht-Lödderi berichtet: „Dber- halb Aten, wo alte Flußbetten fehlen, ijt der Biber jeit 8—10 Jahren (1887— 35) gänzlich berjehtwunden.. Fälle von Bejchädigungen der Deiche find mir nicht befannt getvorden, ob- twohl ich 12 km Deiche habe.” „Eine allgemeine Abnahme im ganzen Elbgebiet” it auc) nach Genthes Erkundigungen „unverkennbar... Yr der Mulde Hat augenjcheinlich eine Ber- mehrung ftattgefunden; auch haben ich die Tiere in leter Zeit mehrfach in Heineren Nteben- füffen der Elbe und im Stromgebiet liegenden Altwäfjern, wo jie vorher unbekannt waren, gezeigt. Dafür Haben fie fich aber aus der Stromelbe zurüdgezogen.” Nad) Baurat Bauer- Magdeburg Fann übrigens doch „der Biber den zum Schuße ausgedehnter Niederungen her- gejtellten Deichen böje mitipielen. Sit bei Hochtvaljer das ganze Stromgebiet überjchtvemmt, dann bleibt ihm nichts übrig, als fich an die Deiche zu retten, two er mit unglaublicher Schnellig- feit an der äußeren Böfchung einen ‚Bau‘ ausführt. Steigt der Strom höher, jo fommıt die Mündung diefer Röhre unter Waffer, jo daß jie von den Deichtwachen leicht überjehen toicd, während der Biber jeinen Gang jchräg nach oben meiterführt, um troden zu jigen. Nimmt er hierbei feine Richtung quer durch den Deich und,gräbt biS an die Binnenböjchung, jo hat er durch denjelben ein fußtmweites Loch gejchaffen, durch welches das Wafjer bei weiterem Wachjen mit großer Gewalt in die Niederung jtrömt, und wenn die Einlaufitelle unter Wafjer nicht jehr bald gefunden .und verftopft wird, jo ijt ein Bruch des Dammes unabwendbar. Im lebten Zahrzehnt find hier zwei Fälle (bei Magdeburg und bei Wittenberg) fejtgeitellt, wo nur durch bejonders glücliche Umftände der Deich vor einem Bruch infolge von Biber- gängen gerettet wurde; feitdem achtet man mehr als früher auf diefen Umftand, dem mancher unaufgeflärte Deichbruch früherer Jahre zuzufchreiben fein möchte, und duldet die Biberburgen in unmittelbarer Nähe der Deiche nicht mehr.” Se nac) dem Wohnorte des Bibers fällt die Paarung in verjchiedene Monate. Einige jegen fie in den Anfang des Winters, andere in den Februar oder März. Friedrich gibt für den Elbebiber Februar an. Bei diefer Gelegenheit foll das Geil zur Öeltung fommen und dazu dienen, andere Biber anzuloden. Audubon erfuhr von einem Säger, daß ein Biber jeine Geilfäde an einem bejtimmten Orte entleere, daß hierdurch ein zweiter Herbeigelodt tverde, der das abgejette Geil mit Erde überdede und auf dieje wieder das jeinige ablege und fo fort, jo daß oft Hohe, ftarf nach Geil riechende Hügel gebildet würden. Männchen und Weibchen benehmen jich, wie man dies an gefangenen wiederholt beobachtete, jehr zärt- lich, jegen fich nebeneinander Hin, umarmen fich buchjtäblich und wiegen jich dann mit dem DOberleibe Hin und her. Die Begattung gejchieht, nach Eymouth, der als Vorfteher der fürft- lih Schwarzenbergifchen Kanzlei die von feinem Gebieter im NRothenhof jahrelang gehaltenen Biber beobachten Fonnte, in aufrechter Stellung, indem das Männchen fein Weibchen in angegebener Weife umfchlingt, wird aber auch öfters im Wafjer vollzogen. Nach jech3- töchentlicher Tragzeit wirft das Weibchen in feinem trodenen Baue zwei bis drei behaarte, aber noch blinde Junge; nad) acht Tagen öffnen dieje die Augenlider, und die Mutter führt nunmehr jchon, bisweilen aber auch exit am 10. Tage, ihre Nachkönmlinge mit fich ins Wajjer. Eymouth gibt aß Seßzeit April und Mai an; der jpätejte Wurf fand am 10. Juli ftatt. Schon im September fämpften im Rothenhof gezüchtete Junge nicht felten mit den Alten und mußten paarweije abgejondert werden; nur ausnahmsweije durfte man die Sungen bis zum zweiten Jahre bei ihren Eltern lajjen. Dies gibt einen Fingerzeig, wie die regelmäßige Auswanderung der Jungbiber im Freileben zujtande fommt. Außer dem Fürften Schwarzenberg befaßte jich in der Neuzeit niemand mit der 442 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Biberartige. Biberzucht, obwohl diefe Feine bejonderen Schwierigkeiten verurjacht. Ein Biberpaar, das im Sahre 1773 im Rothenhof angejiedelt worden war, Hatte jich jchon 6 Jahre jpäter bis auf 14 und 10 Jahre jpäter bis auf 25 vermehrt. Jr Nymphenburg bei München hielt man ebenfalls Biber und erfuhr, daß einzelne von diejen 50 Jahre in Oefangenjchaft ausdauerten. Im Boologijchen Garten zu Hamburg hat e8 einer auf 17 Lebensjahre gebracht. Kanadifche Biber haben fie) dort auch in den lesten Jahren wiederhol® fortgepflanzt. Der Leiter des Hamburger Gartens, der ältere Bolau, jchildert ihr Zamilienleben launig, wie folgt: „Seit einiger Zeit find bei den Bibern Junge, drei Hübfche, iebhafte, zumeilen jogar jchon übermütige Burjchen.” Zwei erjichienen, „jobald jie jehend geworden waren, im Eingange des Biberbaues, eilten ohne viel Bejinnen an den Rand des Wafjers und : jtürzten ji), von der Mutter jorgjam überwacht, in die Fluten. Lange aber dauerte die Freude nicht; denn bald faßte die Frau Mama den einen und trug ihn in den Bau zurüd und dann auch den anderen in der gleichen Abjicht ...; während te jich mit dem zweiten bemüht, rückt der erjte hinter ihrem Rüden wieder aus, und hat jie Diejen wieder gefaßt, entwifcht ihr der andere. Sofort aber wird er von neuem gepadt und ins Haus veriviejen. Er jeßt jich Diesmal aber zur Wehr, und eS gelingt der gejtrengen Frau Mutter erit, ihn in die Kinderjtube zurüdzubringen, nachdem jte ihn buchjtäblich auf die Arme genommen, den ih Sträubenden vom Boden aufgehoben und hineingetragen hat. est Herricht Ruhe ... und die Mama fann ji) nach Herzensluft im Wafjer ergehen und nach Nahrung fuchen. Aber nicht lange, und die beiden Sprößlinge erjcheinen von neuem auf der Bildfläche, die3- mal begleitet von dem gejtrengen Herrn Bapa. Und während die Alten bald Hier, bald da nach Nahrung ausjchauen...., beluftigen ich die Kinder mit Tauch- und Schwimmfünften...“ ©o gut wie ganz frei Hat man jeit 1898 („Prometheus”, Nr. 455, nad) ,„Nature“) Biber im Wajhingtoner Nationalpark angejiedelt. Dort „it eine Biberkolonie in einem von einem Slüßchen ducchichnittenen Waldtal untergebracht, die jich völlig wohl fühlt und fich jchon an den Bejuch der Menjchen einigermaßen gewöhnt hat. Die Biber Haben dort drei Dämme, deren einer 1,2 m Höhe hat, angelegt, ... aus Hölzern, die fie jelbjt abnagten und überein- anderjchichteten. Bei jedem Damm befinden jich mehrere Baue ...” Die Ausweifung eines Bibers aus diejer Kolonie jchildert U. Radelyffe Dugmore („The outlaw...“. „Ann. report board reg. Smithson. Inst.“, 30. Juni 1900, Wafhington 1901; nach Dahms, „Über den Biber ujw.”). Die Kolonie war offenbar entjchlojfen, „ein altes Tier abzufchieben. Der Lärter Fam gerade Hinzu, al es den Bilfen feiner Genojjen beinahe erlegen var. € wurde in einen bejonderen, umfriedigten Raum gebracht und ging hier bald daran, jich am Ufer eine Höhle anzulegen.” So entjtehen aljo die Einzelgänger, die in Erdbauten unter dem Ufer leben; e3 find alte — oder auch junge — Ausgeftoßene: eine durch die ganzen gejelligen Säugetiere durchgehende Erjcheinung. Außer den Menjchen hat der frei lebende Biber wenig Feinde. Die nordamerifanijchen Trapper behaupten, daß er da, two er in Menge wohnt, Wachen augftellt, welche durch lautes Aufihlagen mit dem Schwanze gegen die Oberfläche des Waifers die übrigen von der heran- nahenden Gefahr benachrichtigen follen. Diefe Angabe ift fo zu verftehen, daß bei einer. Sejellihaft von vorfichtigen Tieren mehrere leichter einen Feind jehen als der einzelne, jomit aljo jedes Mitglied der Anfiedelung zum Wächter wird. Da das Katjchende Geräufd) nur erfolgt, wenn ein Biber jählings in die Tiefe taucht, und dies in der Negel dann gejchieht, wenn er eine Öefahr zu bemerfen vermeint, achten allerdings alle auf das weit hörbare Ge- räufch und verichwinden, fobald fie es vernehmen, von der Oberfläche des Wajjers. un rc ee EEE ee ee N Biber: Zucht. Feinde. AIndianerglaube. Gejchichtliches und Statiftif (Elbe). 445 Bei den amerikanischen Wilden fteht der Biber in jehr hohem Anjehen. Sie jchreiben ihm fast ebenjoviel Verftand zu wie dem Menjchen und behaupten, dei das vorzügliche Tier unbedingt auch eine unfterbliche Seele haben müfje, anderer Märchen nicht zu gedenken. Die „in Amerika Häufiger beobachtete Umwandlung von Biberfanälen in Bäche und die da- durch veranlaßte Veränderung von Moorgrund in fejten Boden hat ihn in nähere Beziehung zu der Erjchaffung der Welt gebracht. Manitu, der große eilt, beauftragte ihn mit der An- fage von Flüffen und Bächen, als jener ihm aus der Wafjermajje, die Has All vollitändig bededte, ven Schlamm zur Bildung des feiten Landes Heraufgeholt hatte”. Neuerdings it der Biber fozufagen zum lebenden Wappentier feiner letten Freiltatt, de3 Herzogtums Anhalt, geworden dank der landesherrlichen, Durch Friedrich wach erhaltenen Fürjorge, und der Funkbrunnen in Dejjau zeigt einen alten Germanen, der einen Biber mit fejten Griffe im enid gepadt hat. Friedrich jehreibt in feinem trefflichen Werfchen nicht nur die Naturgejchichte jeiner Schüblinge, der „Biber an der Elbe und Mulde“, jondern auch ihre Gejchichte, der er ein bejonderes Kapitel widmet. Aus gejchichtlicher Zeit fügt der findige Genthe „das Jagd- vegiiter des Kurfürjten Johann Georg II. von Sachjen mit 347 Stüd” Hinzu, woraus zu erjehen, „wie zahlreich der Biber in den an die Elbe anftogenden jächjijchen Yanden noch 1650 gewejen jein muß”. Auch zu Beginn des 18. Jahrhundert3 „müjjen die Biber im anhaltijchen Gebiete ziemlich zahlreich gewejen jein; denn Fürft Leopold (‚der alte Dejjauer‘) fonnte 1714 mit dem Landgrafen von Hejjen-Kafjel einen Taujhhhandel abjchliegen, daß er für jeden demjelben überjandten Biber einen (‚langen‘) Refruten eintaujchte”. — „An- fangs der jiebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts erfuhren die Lebensverhältnijje des Eibe- biber3 mit einem Schlage eine Veränderung durch die Anlegung des Elbumflutfanals von der Dornburger Grenze ab, oberhalb Pretien bis Biederit eine Meile unterhalb und nördlich von Magdeburg. Dadurch wurde der größte Teil der früher jchiffbaren Alten Elbe, welche jich unterhalb Dornburg aus der Stromelbe abzweigt und gegenüber dem Dorfe Salbfe wieder in diejelbe ergießt, durch gänzliche Abjperrung oberhalb Vregien in dem Klojterforite Streuz- horit und noch mehrfach in der Mitte in ein tote, ftagnierendes, unterirdijch durch Drud- majjer von der Elbe her gejpeiftes Gemwäjjer verwandelt. Dieje etiva 2 Meilen lange, ichlangenartig gewwundene, fupierte Strede der Alten Elbe ijt fajt durchweg beiderjeit3 mit mehrere Meter hohen, jenkrecht fteilen und jtrauchbewachjenen, größtenteild von Weiden- werdern und ausgedehnten, dichten Laubwäldern begrenzten Ufern verjehen, twodurd) den Bibern, nachdem der ihre Anjiedelung früher behindernde rege Schiffahrtsverfehr gänzlic) aufgehört hatte, ein Gelände geboten wurde, wie jie e$ jich geeigneter nicht wünjchen Fonn- ten... Binnen wenigen Jahren nach Anlegung des Umflutfanals zogen fie ji) nach diejem Eldorado Hin ..., und während die Gebiete zwischen dem Hauptjtrom und der Alten Elbe... vor jener Zeit Faum jemals ein Biberpaar aufzumeijen gehabt hatten, wırden fie nad) der- jelben ein Hauptfiß der Biber, und zwar nicht bloß in dem eben bejchriebenen totgelegten Teile der Alten Elbe, jondern auch in verjchiedenen Lachen und Wafjerläufen im Jnneren des Neviers. Und doch muß aller Vorausficht nach eine immer weitere Abnahme jtattfinden, da die Lebensbedingungen im Laufe der Jahre immer ungünftiger werden. Die an den Elbufern in jedem Jahre weitergeführten Abpflafterungen, der immer reger werdende Schiffsverkehr, die fortgejegte Ummandlung der unergiebigen Elbiwerder in ertragsfähigere Wiejen — alles trägt dazu bei, den Bibern das Dafein zu erjchiveren.” Die neuejte Elbebiber- jtatiftik fiefert Amtmann Behr-Eöthen, der im September bis Dezember 1913 da3 gejamte 444 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Biberartige. Bibergebiet bereijt, Die Baue aufgefucht, Die Zahl der Tiere feitgeitellt und die bewohnten Baue in den amtlichen Meftifchblättern vermerft hat. Der Beltand betrug 112 Alte und 76 Junge, 137 bewohnte Baue; davon entfallen auf Anhalt 40 Alte, 32 Junge und 52 Baue. Reider wird aber die zufällige oder abjichtliche Verminderung der Elbebiber Durch den Menfchen wohl nicht aufhören, jolange es eben noch Biber im Elbgebiet gibt. „Wie viele endigen nicht allein in den GStellnegen der Fiicher!... Solche Fälle fommen alfjährlich in faft allen Teilen unferes Bibergebietes vor, und daf; die Fiicher die jo gemachte Beute in den feltenften Fällen abliefern, jondern fich an ihr für jo manches zerrijjene Neb ichadlos halten”, ift jelbftverftändfich. „Unabfichtfich, tie der Ziicher im Garne, fängt der Jäger den Biber im Eifen, das auf den Fifchotter gelegt ift... Durch derartige unbeabjichtigte Zang- ergebnifje veranlaft, haben meidgerechte Jäger im Elbgebiete das Legen bon Tellereijen auf den Otter fchon ganz aufgegeben.” Das ift hoch anzuerkennen. Das unerjreuliche Gegenftitt dazu find die fortgejegten gelegentlichen Tötungen von Bibern, die wohl aud) duch Fein Mittel zu verhindern find. Auch Jagdpächter find bei diefen Bibermorden, Die Heute Berftörungen lebender Naturdenkfmäler find, anjcheinend nicht unbeteiligt: jpricht doc) Baurat Bauer-Magdeburg von „Herren, die fi) rühmen, ein Dubend und mehr erbeutet zu haben, und hat doch ein Herr bei Wittenberg in3 Tagen nicht weniger al neun Stüc totgejchofjen!" Mertens möchte die in der Magdeburger Gegend 1904 feitgeitellte, „wenn auch geringe Abnahme durch Auswanderung” erklären („Zool. Garten“, 1904). „Namentlich die männ- lichen Biber ftreifen ja zur Paarungszeit oft weit umher... Auffallend aber ift das Auftreten bon ztvei Bibern in der Ohre, aljo weit unterhalb Magdeburg. Dieje find dort um Pfing- ften angetroffen worden; Hochwajjer war nicht gemwejen, das jie mitgenommen haben könnte: fie müffen alfo freiwillig nach Norden gewandert und dann jeitwärts den Nebenfluß der Elbe einige Meilen weit aufmwärt3 gegangen fein. Sn dem weiten Wiejentale, daS oberhalb Wolmirftedt nur zur Heuernte einigermaßen belebt ift, haben fie jich aufgehalten...” Der Eibebiber jucht alfo nach neuen Wohn und Futterplägen, und nach Frhen. d. N.- Ködderit wäre e3 gar nicht jo fchiwer, durch Herrichtung oder nur Freigabe folcher jeine Zu- funft etwas ficherer zu Stellen. Man brauchte nur die „Menge größerer und Eleinerer Ein- jenfungen und Schlänfen neben den noch erkennbaren alten Flußbetten” nicht weiter von ihren Weidenbeftänden zu reinigen und auf die magere Pachtnugung zu SOtreuzmweden zu verzichten. „Die Schaffung zahlreicher Feiner Weidendidungen auf diefen für foritliche Bmede doch nicht zu gebrauchenden Flächen twitrde nicht nur den Bibern Schuß und Ajung gewähren, fondern auch dem Schalenwilde, dem Not-, Neh- und Dammilde. Sie wide mittelbar dem Walde nüben, indem fie dieje Wildarten vom Verbeißen und Schälen edlerer Holzarten abhielte. Hier würden aljo zwei Fliegen mit einer Klappe gejchlagen.” („Wild und Hund“, 1905.) Hoffentlich wird diefer Vorjchlag Wirklichkeit, ehe_es zu jpät it! Sedenfalls muß unfere Schilderung des Elbebibers der Vergangenheit und Gegentart in den Wunjch für feine Zukunft ausklingen, daß auch unjeren Kindern und Kindeskindern als lebendes Naturdenkmal diejer größte deutfche Nager erhalten bleiben möge, der bei uns jeine Säugetierordnung einigermaßen ebenbürtig vertritt, den ftattlichen Formen des Sit- den der Alten und namentlich der Neuen Welt gegenüber. Auch die frühere und jegige Verbreitung des Bibers fonft in Deutjchland, Europa und der Alten Welt ift ein großes Kapitel für fich, über das viel Literatur erijtiert: maır hat fich überall jeht Tebhaft für den Biber interejjiert — als e3 zu fpät war und man nur nod) jeine Ausrottung literarijch protofollieren fonnte. So fchreibt der Frankfurter Arzt W. Strider, ee ee! Ks Biber: Abnahme. Auswanderung. Gejchichtliches über Verbreitung und Ausrottung. 445 der Sich durch viele Hiftorifch-zoologiiche Arbeiten verdient gemacht hat („Yool. Garten“, 1868): „Noch zur Zeit des Bonifacius muß Biberfleisch in Deutfchland viel gegejjen worden jein, da Bapft Zacharias dejjen Genuß verbot. Der legte Biber in Niederjachjen wurde 1819 in Dömiß an der Elbe exlegt.” Jim Hannoverjchen war der Biber nad) Hermann Lönz, „einjt jehr verbreitet, wie jo manche von ihm ableitbare Drt3- und Flußnamen durch die Zur jammenjeßung mit ‚Bever‘ oder ‚Beber‘ bemweijen. lm 1200 lebte der Biber noch im Göttinger Stadtgraben, um 1500 an der Unterwejer... Ein Balg eines hannoverjchen Bibers ift nicht mehr vorhanden, twährend im Herzoglichen Mufeum zu Braunfchweig noc) ein Stüd fteht, da3 am Ende des 18. Jahrhunderts in der Schunter bei Braunjchweig ge- junden wurde." — Für Weitfalen machte Altum 1866 („Zool. Garten“), abgejehen von der da- mals längjt biberlojen Lippe, noch ein anderes, viel länger forterhaltenes Vorkommen, in der Möhne, weiteren Streifen befannt. Anfangs der fünfziger Jahre wurde der legte Biber dort totgejchlageh, dejjen Balg fich ausgejtopft in der zoologiichen Sammlung de3 Gymnafiums zu Arnsberg befindet. Friedrich weiß aber noch von einem „allerlegten” Biber aus dem Nheingebiet. Diejer an der Möhne „haufende Einfiedler wurde gegen Ende der 70er Jahre unjeres (vorigen) Jahrhunderts infolge Aufgrabung jeines Baues vertrieben; er ging tal- wärts durch die Ruhr nach dem Nhein und wurde hier, nach der ‚Kölnischen Beitung‘ vom 2, Dftober 1877, an der Werthaufener Fähre von Schiffern erjchlagen.” — Für die Mauf Brandenburg bringt Friedel („Wirbeltiere d. Prov. B.”, 1886) folgendes über den Biber: „on der Altmark (Gegend von Stendal) noch Ende de3 18. Jahrhunderts nicht jelten... Auf dem Mittelwerder an der Elbe, in der Gegend von Havelberg, find noc) im vergangenen Winter (1885) mehrere Biber beobachtet worden, twelche jich auch jet noch dort aufhalten... Cine Uferjtelle der Spree nahe dem Plänterwald der Stadt Berlin heißt das Biberloch; vgl. außerdem die Ortsnamen Biberftein, Bibersdorf, Biberjee, Biberteich in der Provinz... Gewiß ift, daß diejes Tier noch vor 20 Jahren (1866) an der Havel und Nuthe lebte und an der Glienider Lanfe mutmaßlich ein Hauptlager gehabt hat.” Nach Friedel ift auc) „Babelsberg oder Babertsberg joviel wie Biberberg”. Der Gejchichte des Bibers überhaupt, namentlich der Frage feiner früheren Berbrei- tung in Wejtpreußen, hat jich Dahms= Danzig jehr erfolgreich angenommen. Nach ihm („gool. Garten“, 1900) it der Biber „jeit ungefähr 100 Jahren für Wejtpreußen aug- gejtorben... Unter den fojjilen Reiten aus dem Weftpreußiichen Provinzialmujeum zu Danzig fehlen jolche von diludvialer Lageritätte vollitändig... Dagegen liegen aus dem Alluvium mehrere Stüde, zum Teil von ausgezeichneter Schönheit, vor... Der jchönite Fund wurde im Forjtrevier Charlottenthal, zwilchen Klinger und Altfließ, am Schwarz- wajjer im Freie Schweß, ... 0,5 m tief im weißen Sande, 2m über dem jetigen Wajjer- jpiegel gemacht. Der Schädel des Tieres ift vollitändig; auch die Schulterblätter, einige Beden- und Ertremitätenteile joiwie zahlreiche Wirbel und Rippen jind gut erhalten. Diejes fait vollitändige Sfelett gehört zu den bemerfenswertejten Seltenheiten". Die interejjantejten Belegjtüde für den Biber in Wejtpreußen jind aber vielleicht die ganz charakterijtiichen Biberfallen, die Dahınz genau bejchreibt, E. K. (Strauje- Berlin, „Prometheus“, 28. Februar 1900) aud) abbildet, und das Allermerkfwürdigite ift, daß dieje Biberfallen genau von derjelben Form im Ahonegebiet wiederfehren. Der Biber wurde von ihren beiden Flügeltürflappen „am Halje gepadt und entweder erwürgt oder unter Wajjer feitgehalten und ertränft”. Eine jolche Biberfalle befindet jich im Märkischen Mufeum zu Berlin. — Bei Ankunft des Deutjchen Didens war der Biber nicht mehr allzu zahlreich 446 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Biberartige. vorhanden, was vielleicht auf zu mwilffürlichen Abjchuß in früheren Jahrhunderten, wo das Fell als wichtiges Taufchmittel gegen arabijche Erzeugnifje galt, zurücgeführt werden fann. Deshalb hatte jich der Deutjche Orden den Biberfang ausprüdlich vorbehalten: „der Biber wurde Regal und blieb Regal”. (Vgl. Bujad, „Über die Zeit des Verfchtwindens der Biber in Preußen”, im „Preuß. Prov.-Bl.”, 1836.) Um das Jahr 1400 werden in dem Marien- burger Treßlerbuch der Jahre 1399 —1409 (Herausgegeben von Archivrat Dr. Joachim- Königsberg i. Pr., 1896) „Hüte aus Biberfell erwähnt, und ztvar jowohl rufjiiche wie ge- möhnliche..., und es ergibt jich, daß ein rufjiicher Biberhut ME. 5,64, ein preußijcher dagegen nur ME. 1,54 gefoftet hat.” Dieje Verjchiedenheit in der Preislage ift darauf zu- rüchzuführen, „daß die Biber Polens und Nußlands wohl jchon damals wegen ihres jchö- neren, braunjchwarzen, famtweichen Felles berühmt waren, wie fie ja jpäter mit der Be- zeichnung ‚Herren‘ (domini, nobiles) bedacht wurden, während die preußifchen, mehr rötlich gefärbten und weniger jchön behaarten gelegentlich jogar ‚Sflaven‘ (servi, rustici) hießen...” Unter den „Liebesgaben, die dem Hochmeilter bei jeinen Reifen durch das Land von jeinen Untertanen dargebracht wurden, ... vergaß man auch die Biberfelle (beberzayle = Biber- zagel) nicht“. Jin 16. Jahrhundert finden wir den Biber dadurch, „daß er mit dem Filchotter die gleichen Gemäjjer bewohnte und große Nagezähne bejaß”, zu einem „gewaltigen Filch- mörder” gejtempelt und „gewöhnlich mit einem Fiich im Maule dargeftellt. Bon Schonung einem jolchen Tiere gegenüber auf eigenem Grundbejite fonnte nicht die Rede jein, zumal e3 reichlichen Erlös brachte.” Exit im Jahre 1706 oronete König Friedrich I. in einem PVatente von Königsberg aus die Schonung diejes Tieres an, empfahl, für feine Unter- haltung zu jorgen und feine Vermehrung zu fördern. Ende 1713 und Anfang 1714 wurden bei Potsdam und Charlottenburg Biber ausgejegt und in jeder Beziehung gejchüßt. Ohne jeden bleibenden Erfolg; denn unter dem Nachfolger „wurde dem Biber eine Behandlung zuteil, die von der vorigen durchaus verjchteden war. Die Biberjagd wurde 1765 von Friedrich dem Großen freigegeben und das Tier jo von jeglicher Schonung ausgejchlojjen: jah Friedrich in ihm doch nur einen Feind der Kultur, der jedem Handel und Wandel an VBajjeritraßen gefährlich werden fonnte!... Mit dem Ende des 18. Jahrhunderts geht dann der Biber auch jeinem Ausiterben mehr und mehr entgegen; am längjter hielt er jich noch an der Weichjel und Nogat.” ES find aber „jeit 1796 verjchiedentlich Überläufer aus den benachbarten Gebieten und den Gewäjjern des Bug und Nareiv nachgewiejen worden“. Dahms bringt jchließlich noch einiges Urkundliche über Fang und Nugung des Bibers in alten Beiten. Cine befondere altpreußifche Fangart war die in Neußen, die mit Baum- tinde gefödert wurden. „Sedenfalls zu den älteften Sagdmethoden” gehörte das Speeren: „daß man auf den Biber, der aus dem Wafjer emportauchte, um Quft zu fchöpfen, ... mit langen Biken und Harpunen ftach oder warf” (fpäter auch jchoß). Gewöhnlich aber gruben die Jäger den Bau auf und ließen einen Hund hinein, nachdem fie gegen das Wajjer ein Ne ausgejpannt Hatten. „Die Hunde, die zur Jagd auf Biber und Dachs vertvendet wurden, führten jchon in den Jagdgejegen der früheiten Zeiten, 5. B. in der Lex Saxonum (l. Fran- corum), lex Anglorum et Werinorum, lex Ripuariorum uf. befondere Bezeichnungen, tie canis, qui sub terra venatur, canis bersarius, beverarius, bibracco, castorius. Sn feinem Werfe ‚De gentibus septentrionalibus‘ bildet bereits 1555 Dlaus Magnus eine jolche Jagd ab. Als Wertvolfftes von der jo gemachten Beute war unzweifelhaft das Geil gejchägt”, und war „hätte man das als das wirkiamfte, das aus Falten Ländern Itammte, 3. B. vom ‚teutjchen, jchweißerifchen oder mosforitifchen Biber‘, borzugsmwetje aber das jibirijche. Der Biber: Gejchichtliches über Verbreitung und Ausrottung (Geil). 447 höchjte Preis ijt jedenfall 1852 gezahlt worden, al ein Förfter fiir 11%, Lot ME. 276 erhielt; e3 entjpricht dies einem Werte von ME. 1533 fürikg. Auch heute findet man noch das Geil in zahlreichen Pharmafopden aufgeführt; in der deutfchen ift e3 geftrichen.” — Am Chhrvanze ließ man gleich die Hinterfeulen dranhängen, dab die Faftenjpeife ettvas reic- licher wurde. „Bejonders gejchäßt war fie bei den Klartäufern, denen der Genuß von an- derem Fleijche verboten war.” — Die Hauptmenge der Felle „lieferte Litauen, und von hier famen fie nach Danzig, um in die Welt zu gehen. Sie wurden zur Hanfazeit noc) einmal, wie bereit3 zur nordijch-arabifchen Epoche, eine im Auslande vielfach begehrte Ware und famen alö bevere, beverwamme, pelles castorini in den Handel... Der reiche Erlös, den jeder erlegte Biber gab, macht e8 uns erflärlich, daß Pultuff (Stadt nördlich von Warjchau am Narem) im 14. und 15. Jahrhundert einen Tiergarten für Biber Hatte.” „Die früheren und heutigen Wildbeitände der Provinz Oftpreußen” behandelt Karl v. Hippel ausführlich in der „Deutjchen Jägerzeitung”, 1895, und gedenkt dabei auch gebüh- rend des Biber. Sn den „Neuen preußijchen Propinzialblättern” von 1859 erzählt ein alter Weidmann: „Um 1800 fand man an den flachen Ufern des Langen Sees bei Warnen (Romintenjche Heide) noch bewohnte Biberbaue. An jenem See lagen auch die Dienftwiejen unjeres Baters (des damaligen Oberförfters von Warren), und um diefe zu verbefjern, wurde der See etiwa3 abgelajjen und die Ufer trodengelegt, wodurch man aber die Biber aus ihren dortigen Anfiedelungen verjcheuchte. Sie famen fpäter aud) an einigen veritedten Stellen der Rominteufer vor, und an einem folchen Orte bei Theerbude wurde 1885 der Ießte Biber bon einem Holzhauer mit der Art erichlagen.” Dies find alles Forftorte aus dem jebigen ojtpreußiichen Yeibrevier unjeres Katjer3: wie jchade, daß fie das interejjante Wild nicht mehr enthalten! Ob man es nicht dort wieder anfiedeln fönnte? Der allerlegte oftpreußifche Biber wurde 1844 bei Memel erlegt laut den „Neuen preußifchen Provinzialblättern”, Bd. II. Aus Siddeutjchland Haben mir jehr bejtimmte Nachrichten für Bayern („Zool. Gar- ten“, 1866) über die frühere Verbreitung, mit anderen Worten: das Ausfterben des Biberz, bon dem trefflichen Beobachter und Fauniften Pfarrer Sädel-Sommersdorf, die in dem Schlußmwort gipfeln: „das Jahr .1860 Hat wahrjcheinlich feiner mehr erlebt"! Das Iun- gebiet jah jie länger, wie 5. Reindl in den „Mitt. d. Geogr. Gef. München“, 1907, berichtet; aber jeit 1867 jind fie auch dort verjchtwunden. — In Hefien war der Biber im 15. Jahr- hundert noch jehr Häufig. Aber fchon im 16. Jahrhundert findet man im nördlichen Hejien feine Spur mehr von ihm, während der Odenwald damals nod) einige aufweifen Fonnte, mwenigjtens wurde noch 1596 ein Biber in der Gerjprenz gefangen. — Für den Elfa wird, nach Strider („gool. Garten“, 1873), der Biber in der Urkunde des Kaijers Heinrich II. von 1004, wodurch er der Kirche zu Bajel den Harthtwald fchenkt, zugleich mit Hirfch, Reh und Wildihwein al3 Häufig erwähnt. Friefe („Dfonom. Naturgejch. der ıhein. Departement3“) fennt zu Anfang des 19. Jahrhunderts nur noch einzelne Eremplare. Sn der Schweiz be- wohnte der Biber, nach Fatio, „ganz gemein bis in die ziveite Hälfte des 17. Sahıhunderts die Ufer der Flüjje und einige Seen”. Nütimeyer bejchrieb Biberrefte aus den Schweizer Zorjlagern und Pjahlbauten. Auch in der Umgegend von St. Gallen war der Biber (nach 6. Keller, „AUlpentiere im Wechjel der Zeit”, 1892) noch im Beginn des 19. Jahrhunderts eine wohlbelannte Erjcheinung und eine gejchäßte Faftenjpeije auf der Kloftertafel. In den Benedictiones gejchieht. feiner ausdrüdlich Erwähnung: „Sit benedieta fibri caro!“ As die Kirchenväter 1414—18 in Konftanz zum Konzil verfammelt waren, da gab e3 (nach Friedrich) „Biber, Dachs, Otter (Faftenfpeifen) —alles genug”. So berichtet die Speifefarte, ui, 448 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Biberartige. die „Ordnung und Tage der Ejjenjpeijen”. Über „die legten Biber des Alpenvorlandes” hat Friedrich genaue Exrkundigungen eingezogen. Sie „lebten auf bayrijchem Gebiete an der Sur, einem Bache, der fich in die Salzach ergiekt, und auf öfterreichijcher Seite in den Antheringer Auen nordweftlich von Salzburg. Noch 1867 erwähnt fie dort die ‚Allgemeine Forit- und Zagdzeitung‘; doch jhon in den 70er Jahren gaben, wie mein Gemwährsmann mir mitteilte, nur noch die Nefte der Baue von ihrer ehemaligen Anmejenheit Kunde: die (egten Bewohner waren den Wilddieben zur Beute geworden.” Die öfterreichiich-ungarische Monarchie Hat am längiten Biber auf den böhmijchen Be- figungen des Fiürften Schtwarzenberg beherbergt. ES waren aber fünftlich angejiedelte, die 1773 aus Polen bezogen waren. Aus den übrigen Staaten.der öfterreichiich-ungarifchen Monarchie gibt zunächit Friedrich Nachrichten des f. u. E. Fort und Domänenvermalters E. Böhmerle aus Hugos „Zagdzeitung” wieder, nach denen jich Biber „vereinzelt noch im Sahre 1865 bei Semlin auf den Injeln zwijchen Donau und Sau, 1857 in Siebenbürgen und 1860 in Galizien” fanden, aber „jest nirgends mehr zu finden“ find. „Bei Fiihamend, an der Mündung der Fiicha in die Donau, wo noch zu Beginn diejes (19.) Jahrhunderts größere Biberkolonien bejtanden, wurden 1863 die beiden legten Biber erlegt." m Sahre 1825 war der Biber, nach Fisinger („Zool. Garten“, 1865), „in Oberöfterreich an der Traun, und zwar in der Gegend von Bernau in der Nähe von Wels, noch in ziemlich großer Menge anzutreffen, jo daß die dortigen Yandleute allerdings Urjache hatten, jich über den Schaden zu beflagen, welcher ihren Bäumen durch dieje Tiere zugefügt wurde... Sr Unteröfterreich traf man regelmäßig bis zum Jahre 1856 Biberbaue an der Donau, bald in diejem, bald in jenem Arme des Stromes, und jowohl bei Niedermalljee unterhalb Linz als auch bei Stadelau nächjt Wien, bei Aipern auf einer Donauinjel, dem jogenannten Biberhaufer, bei Mannswörth und Fiichamend und ebenjo auch an der Leythe in der Umgegend von Eben- furth”. Das f. u. £. Oberjtjägermeifteramt zu Wien berichtete Genthe unterm 10. No- vember 1903 aber dahin, daß der leßte Biber in den Donauauen „in den 50er Jahren des vorigen Sahrhunderts von dem damaligen Hofjäger und nachherigen Forjtmeilter Franz Seipt am jogenannten Gänshaufen gejchojjfen” wurde. — Der lette Biber, den Mojjtjovics aus Ungarn erwähnt, erichien 1856 unterhalb Preßburg. — „Sr Bosnien und der Herzego- ppina, two die Ortsnamen Dabarpolje (Biberfeld) und Dabar (Biber) bei Sansfimoft das ehe- malige Vorfommen des Bibers andeuten, was Sfelettfunde bei Sarajevo betätigen, wurde infolge irrtümlicher Beobachtung noch bi in die neuefte Zeit hinein der Biber als Bewohner ver Ukrina, eines Nebenflujjes der Save, angeführt.” (Friedrich.) Nach Nußland leitet uns über, was AU. Barthels (deutjch von Joh. Praun) in der „Deutjchen Zägerzeitung”: „Von ben Bibern Titauens” erzählt. Er beginnt damit, daß auch dort der Biber „jich nur noch an den unzugänglichiten Ortlichfeiten, an einigen ferbft in der Geographie nicht vorkommenden Feineren Flüffen aufhält” und „dank der Kurzs jichtigfeit der Eigentümer und dank dem Mangel jeder behördlichen Aufjicht wahrscheinlich dem völligen Untergange geweiht ift. Am allermeiften hat jedoch zur Ausrottung der Biber die Nusholzerzeugung (befjer gejagt: Nubholzverwertung) beigetragen, infolge deren die früher die Flüffe umgebende Wildnis bevölkert und die Flüffe jchiffbar (bejier gejagt: beichifjt) werden... Die prächtigiten und Eoftbariten Biber von dunklem, jchroärzlichem, weichem und leichtem Haar, die jogenannten Edelbiber, erbeutete man in Litauen in den Flüjjen Bobryf, Lania, Wielfa, Njemen, im Polesje (Waldland) in der Pina, im Zaftold, Stotr, Prypec, der Slaweczna amd dem Horyn; dann weiter nördlich in der Berzyna.“ 3 Bil Biber: Gejhichtliches über Verbreitung und Austottung (DOfterreich-Ungarn, Rußland). 449 Bartheis fügt aber gleich einjchränfend Hinzu, daß dieje Biber „bla bis zum Fahre 1863 in ziemlicher Anzahl und noch halbwegs gejichert in einigen jtärferen Kolonien an meh- reren von völliger Wildnis umfchloffenen Flüffen zu finden waren, namentlich aber auf den leder und Davidgrodzfer Majoratsgütern des Füriten Nadziwill, auf den Nach- vadzimwillower de3 Fürjten Wittgenftein, auf jenen der Lubeder Fürjten in Polesje jomwie in geringer Anzahl auf den Befiyungen der Tyfzkfiewicz und einiger anderer Edelleute, welche größere Komplere an Wald und Sumpf bejaßen. Bon diejen fonnte Barthels „im leder Majorate des Slucker Bezirks gegen 50 an den Flüjfen Lanta und Morocza befindliche Biber- burgen aufzählen..., auch einige an der in die Berejina mündenden Brodmia im Boryjomwer Bezirke... Dieje (einige 10) Biberburgen erfreuten jich des Schußes des Radziwillichen Sagdperjonals... gegen eine bedeutende, diefem Wilde auflauernde Anzahl von Dieben... Sm Sahre 1842 in jener Gegend auf Enten jagend, lernte ich zum erjtenmal einen Teil des Zaniafluffes Fennen, welchen Biber bewohnten, und fah ihre Burgen. Hußerlich erjcheinen dieje tie große, fegelförmige Reilighaufen inmitten des das Flußufer bededenden Weiden- gejträuch.” E3 waren alfo auch jchon Biberhütten am Ufer, nicht eigentliche Burgen im Wajjer. Den Fellen legt Barthels „gegenüber den amerifanischen und jibirifchen wenig Wert” bei, „weil jie rötlich und rauhhaarig jind”. ES joll übrigens „Dajelbit auch weiße Biber gegeben haben”, von denen „ein Exemplar dem Dresdener Mujeum als Rarität einverleibt worden tft”. Über „Die frühere und gegenwärtige Verbreitung des Bibers im ruffischen Reiche” ließ Greve-Mosfau („Zool. Garten”, 1903) einen größeren Bericht erjcheinen nach einer rujjiichen Arbeit von Th. Köppen. Das Wichtigjte aus dem europäiichen Rußland jet Hier furz wiedergegeben. In Rußland kommen wir durch Funde von Biberrejten „oft zu dem Ergebnis, daß heute dort Steppen jich ausdehnen, wo früher dichte Waldungen gejtanden haben müjjen (wiez.B. bei Odejja). Die Haupturjachen des Berjchtvindeng diejes interejjanten Nagers müjjen wir daher in der Wbholzung, Entwäjjerung jumpfiger Waldpartien und tır der Sagd auf ihn jehen... Jr Lappland ift ver Biber augenbliclich ausgerottet ..., jeine Bauten fann man bei Wardö und Mortensnes jehen — er war aljo früher hier gemein...” lesfe hat während feines „Aufenthalts in Lappland (1880) nur erfahren können, daß der Biber der Bevölferung jehr wohl bekannt, aber in den 40er Jahren gänzlich verjchwunden ift... Sr der Schtwedenzeit (bi$ 1809) wurden noch die Abgaben in Biberfellen entrichtet.” In Finn- land war der Biber um die Mitte des 19. Jahrhunderts „jchon eine jehr große Seltenheit, und 1880 wurde nach langer Zeit einer am Püha-Särwi-See beobachtet”. Dem fügt Mertens („Zool. Garten“, 1904) aus jpäterer Zeit noch das Zeugnis eines früher in Finnland anfäjigen Magdeburger Fabrifbejiters Hinzu, der „einen Biber im Jahre 1884 in einer Bucht des Näjt Särtoi, einer Fortfegung des genannten Püha Särwi, in der Nähe von Tammersfors” jah. Über „Das Ausfterben des Biber in Livland” gibt Oskar dv. Loemwis („BZool. Garten”, 1878) genauen Bericht. „Soweit meine Nachforjchungen folches ermitteln fonnten, jcheint vom Sahre 1818 ab der Biber nur no) am Mittellaufe der Aa heimijch getvejen zu fein... Hier an dem am meiteiten nach Norden vorgejchobenen Bogenlauf der Ya waren auch die beiten Bedingungen zum natürlichen Schuße und verlängerten Ausdauern des allgemein verfolgten, wehrlojen Tieres vorhanden. Der ftattliche Aafluß ftrömt in diefer Gegend über 50 Werft weit fajt nur durch einfame, große Wälder und einzelne Waldwviejent..., bildet überall große, mweitbogige Altwajjer, Teiche und jtellenweije auch Doppelflüfje und Injeln. Dieje Ultwajjer (von den Letten attak genannt) werden zur Zeit des Hochtwafjer3 mit dem Flujje gänzlic) verbunden. Die Aa überjchwemmt in wafjerreicher Zeit die Ufergegend faft 1 Werft weit Brehm, Tierleben. 4. Aufl. XI. Bad. 29 ’ 450 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Biberartige. % (ftelfentveije jogar noch weiter) und feßt derart Wälder, Wiejen, Brüche, Teiche ufrv. unter Wafjer. Mit Beihilfe der bauenden Biber mögen die Hochmwäljer in früherer Zeit noch viel bedeutendere Ausdehnung angenommen haben. Hierdurdy ungeftört und in natürlich) pajienden Verhältnifjen, lebten die Biber dort verhältnismäßig recht ficher... Aber bald nahte das Verhängnis aud) den bisher ziemlich glüdlichen Aabibern mit Riejenjchritten! Die Apothefen aus Dorpat, Wolmar, Fellin uf. gaben nad) Wal größere Aufträge auf Biber- geil zu jehr ftark erhöhten Preifen. Das brachte unter die Wilderer — und alle anmwohnenden Bauern waren zu jener Zeit folche — ein unheilvolles Leben... So wurde e3 denn durch niedrige Getwinnjucht und beifpiellofe OrdnungSlofigfeit zu Wege gebracht, daß binnen 12 Sahren auch dieje allein übriggebliebenen Iivländijchen Biber jchnöde ausgerottet wurden... Die Tvländifchen Biberfelle waren merfmwürdigermweije nicht Hoch geachtet, wurden meijt nur don Hutmachern benußt und verarbeitet; vielleicht, weil die Biber fat nur im Sommer erlegt wurden.“ z Auch die Greve- Köppenjchen, aus dem ganzen rufjiichen Neiche mit betvunderns- werten Fleife zufammengetragenen Einzelangaben laufen alle darauf hinaus, daß der Biber im eutopätjchen Rußland durchichnittlich ebenjofrüh ausgerottet war wie im übrigen Europa. Bu Anfang des 19. Jahrhunderts war er überall, wenn überhaupt, nur noch [pärlich und aus- nahmsmweife vorhanden, dem Bolfe gar fein befanntes Tier mehr! Und doch fehrt auch in Nufland vielerorts und oft genug der Name „Biberfluß" (babrowka) wieder: ein Beweis, daß der Biber ehemals zahlreich da gelebt Hat! „Das Hauptbibergebiet Ruflands war und it das Dijeprbeden“, und in diefem wieder namentlich der Bereich des größten nördlichen Nebenflujjes Bripet, der die Abwäfjer der ausgedehnten Rofitnofünpfe in dem oben bereits genannten Zandesteil Bolesje fammelt. Greve gibt, nad) Köppen, jogar eine genaue Auf- itellung, twie die Biberfolonien verteilt waren, mit zufammen etiva 314 alten und 252 jungen (alio alles in allem 566) Sndividuen, die jich in 140 Familien gliederten und in 132 Bauen und 182 Uferlöchern Hauften. Köppen unterjcheidet aljo ebenfalls zwei Wohnungsformen des Bibers; ob feine Unterfcheidungen aber den Wafjerburgen und Landhütten Friedrichs entjprechen, müljen wir dahingeftellt fein lajjen. Greve jagt allerdings: „Einige Werft nörd- lich von der Berefinamündung (in den Djepr) fällt in diefen Fluß der Smwids, und 7 Werft von dejjen Einfluß bildet jich ein See, in dem 1875 zwei bewohnte Biberbaue jtanden“ (Kreis Retihhiza, Out Gorwal). Danacd) wäre vielleicht anzunehmen, daß der Diijeprbiber zufolge feiner Verminderung in der zweiten Hälfte vorigen SahrhundertS gerade in der UIm- twandlung jeiner Bau und Wohnmeije begriffen war, die Friedrich beim Elbebiber als längit vollendet jchildert. Bom Jrpen, dem nächjtnördlichen Nebenflujje des Dinjepr oberhalb Kiew, hat der Berliner Zoologijche Garten noch 1907 einen Biber erhalten, der aber leider mit unpafjender Nahrung aufgezogen war und nicht Iange Iebte. — hnlich twie fonft im Dnjepr- gebiete jteht e8 wohl auch im Gouvernement Wilna auf den früheren Sayn-Wittgenfteinjchen Gütern, die durch Heirat an unferen früheren Reichsfanzler Fürften Hohenlohe-Schillingsfürft gelangt waren und jest im Befie der Brüder Falz-Fein find. Auch dort find Biberbauten jeitgeitellt und Fraß beobachtet, Biber felbjt bis jeßt aber weder lebend noch tot erhalten worden. Auf den einen diejer Güter, Nalibofi, Haben die Biber jogar noch Dänme gebaut bor dem Abfluß.eines Sees und regulieren fich jo ven Wajjeritand. Dort haben fie auch zwei Burgen errichtet, weil fie gejchont werden; anderwärt3 befchränfen fie fich auf Uferröhren. on der Sfandinaviichen Halbinfel ift über den fchwedtichen Biber bis jeßt nichts Zu- jammenhängendes veröffentlicht worden. Lönnberg teilt nur brieflich (an He) mit, daß der Biber: Gefchichtliches über Verbreitung und Ausrottung (Rußland und Skandinavien). 451 leßte, dejjen Schädel das Stodholmer Mufeum bejißt, „mwahrfcheinlich etrva 1870 in Jämtland getötet” wurde. — Dagegen find wir über den Biber in Norwegen genauer unterrichtet durch den Ehrijtianier Mujeumszoologen Collett, der feine umfajjende, photographiich illuftrierte Yrbeit in „Bergens Museums Aarbog“ 1897 mit einem englischen „Summary“ verjehen und dadurch allgemein zugänglich gemacht hat. Dadurch erfahren wir, daß, wie zu erwarten, der Biber ziwar nicht in dem allzu jchroff gebirgigen, wenig fruchtbaren Weiten des Landes, wohl aber in den breiteren und längeren Flußtälern des Dftens früher zahlreich war. Der legte Biber endete 1860 am Barangerfjord, und der am Varanger Vorgebirge entjpringende Ktomwagelofluß, damals meift von dichtem Walde umgeben, war unter 70° 10° nördl. Breite wohl der nördlichite jemal3 von Bibern bewohnte led der Erde. Gegenwärtig find die Biber Norwegens auf wenige Flußgebiete im äußerjten Süden des Landes, etiva auf die Strede ziwijchen Kragerö und Stavangerfjord, bejchränft. Am ftärkiten bevölfert find die Ufer des Nidelo, eines reigenden und von Wajjerfällen ftellenmweije unterbrochenen, nord- jüdlich fließenden Stromes, der bei Arendal in das Sfagerraf mündet. Die Ufer find durch- weg mit Zaubholz, namentlich mit Eichen, Birken und Erlen bejtanden, während die Eipe, ein Lieblingsbaum des Bibers, durch defjen Tätigkeit im Laufe der Jahrhunderte recht jelten geworden it. Die Kolonien erjtreden fich über SO—90 km von der Mündung des Flufjes an teilmeije am Hauptitrom, teilweije an feinen Nebenflüfjjen und Altwäjjern nordmwärts nahezu bi3 zum Nifjervand, dem See, aus dem der Nidelo entjpringt. Überall findet man an dei Ufern die Reijighütten, und auch Dammbauten zum Aufjtauen zu niedrigen Wajjer3 werden mit ebenjolcher Hartnädigfeit wie bei uns an der Elbe aufgeführt, jo daß die Dadurch ver- urjachten Überfchwemmungen den Grundbefigern zumeilen nicht unbeträchtlichen Schaden anrichten. Collett gibt auch eine furze Naturgejchichte des norwegischen Biber und be . zeichnet als jeine Hauptnahrung dort die friiche Ninde der Ajpe oder Zitterpappel (Populus tremula) mitjamt dem darunter jißenden Bat; die dünneren Ziveige werden ganz und gar verzehrt, die rauhe Rinde des Stammes anderjeit3 in der Regel verjchmäht. Geziwungen durch die gebirgige Natur de3 Landes, holt fich der norwegifche Biber feine Wjung ge- legentlich jogar von hohen Steilhängen und Schwer zugänglichen Klıppen herunter. Zu den Aluıngs- und Arbeitsplägen führen ausgetretene Wechjel, und diefe ziehen fich auf lange Streden am Ufer Hin; denn der Biber fällt viele Hundert Meter von feinem Bau entfernt noch Bäume. m eriten Frühling, unmittelbar nach dem Aufbrechen des Eifes, fieht man nicht jelten jeine Fährte jchon im Schnee. Auf feinen Landmärjchen, namentlich wenn er in die Jrre geraten ift, vergißt er ganz jeine Scheu, und e3 fann fogar vorfommen, daß er fich anfajjen läßt. Der norwegijche Biber zeigt aljo unter Umständen dasfelbe verwunderliche Be- nehmen, wie vom Elbebiber im Winter gejchildert. Unmittelbar hinterher ftellt ihm aber Collett das Zeugnis aus, daß er, angegriffen, jich mit großem Mute verteidigt und dem An- greifer fürchterliche Wunden beibringen fann. Diejer Widerfpruch wird fich wohl jo er- Hären, daß das Tier, two e3 jich heimijch fühlt, auch gefährlicherer Lage ich gewachjen zeigt, in fremder Umgebung aber, wenn Ermüdung es niederdrüct, mehr oder weniger willenlos, alles über jich ergehen läßt. Des Nachts joll es fait unmöglich fein, den jchwimmenden Biber . zu erkennen, weil er faum den Kopf an die Luft Herausitedt. Die Biber des Berliner Gartens lajjen gewöhnlich auch die langen Rücdenhaare jehen, zwijchen denen jich das Wafjer in Tropfen und Heinen Lachen anjammelt, und bei Dejjau jah Hed einen eben dem Fangneg entronnenen Biber flach Draußen auf dem Wafjer liegen, jo daß jich jogar die Schwanzfelle deutlich abzeich- nete. Nach Colfett farnn der Biber mehrere Hundert Meter weit unter Wafjer fchwimmen. 29* 452 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Biberartige. i Nächit der Ajpe benugt er in Norwegen die Birke, Eiche und zwei Erlenarten (Alnus incana und A. glutinosa) am meijten; Nadelhölzer fällt er nicht, nimmt fie aber gelegentlich zum Hüttenbau, wenn er jie treibend findet. Der Durchmejjer der gejällten Bäume beträgt in Norwegen 10—20 cm, oft noch weniger, gelegentlich aber auch bis 47 cm. Die beiden ipi zugenagten Teile des Baumes, die jich mit den Spißen berühren, Haben zujammen eine Höhe von 30 cm. Dünne Stämme oder Äfte werden einfach quer durchgenagt. Der jtehen- bleibende Baumftumpf ift in der Regel 14 m Hoch. Nur lebende Bäume werden angegangen und oft wieder verlaljen, ehe fie durchgenagt find. ©o jieht man viele Bäume mit Nage- wunden, die in der Folge nicht wieder angerührt werden. Die Späne veriwendet der Biber nicht; die dünnen Bäume nußt er volfftändig als ung und Baumaterial aus und fchneidet ie jich in pafjende Längen auf. Eine Biberhütte mit Jungen, in die Collett im März 1896 einbrach, lag nahe bei jchiffbarem Gemwäfjer, wo täglich auf einige 30 m die Holzfäller in Booten vorbeifamen. Die meijten Hütten liegen aber an ftillem Wafjer, und hier muß der Biber fich alles jelbft Herbeifchleppen. Er tut das, nach Collett, mit den Vorderbeinen. m Berliner Garten jieht man die Biber gewöhnlich ihre Hölzer mit den Zähnen querüber nicht weit von einem Ende faljen und jo [chwimmend Davonjchleppen. Der Bau einer Hütte nimmt, nad) Collett, wenigjtens 2 Jahre (zwei Herbite, Sep- tember bis November) in Anjpruch, und jedes Jahr wird daran ausgebejjert. Auch Eolfett fennt die beiden Arten von Biberwohnungen, die Friedrich al3 Burgen und Hütten unter- jcheidet, und bezeichnet die erjteren als Heutzutage jelten, am Ufer eines Teiches gelegen, der einen stetigen Wajjerjpiegel hat entweder von Natur oder durch Dammbauten der Biber. Die Hütten, Langbauten (elongated lodges), wie jie Collett im Gegenjaß zu den Burgen, Nundbauten (round, conical lodges), nennt, jird auc in Norwegen jest die gewöhnlichen und werden überall da am Ufer aufgeführt, wo der Wajjerjpiegel des Flufjes Ichiwanft. Der Eingang liegt immer am Ende des untergetauchten Teiles. Einen zweiten trifft man gelegentlich am Ufer, gedeckt Durch eine Schicht Erde oder Keijig. Selten finden jich (Heute) mehrere Hütten in unmittelbarer Nachbarichaft, gewöhnlich jtehen fie einzeln. Aus einiger Entfernung erjcheinen Collett die norwegijchen Biberbauten recht unordentlidh. Sie jind aus gejchnittenen Niten, einem Teil Erde, manchmal auch einigen Steinen zufammengejeßt. Die verwendeten Stüde haben in der Regel 34—1 m Länge, zumeilen bi$ 2m und find ungefähr 10 cm did. Dünnere Zweige werden auch verwendet, jchlagen auf dem Dach der Burg oft Wurzel und treiben Blätter. Dünne, trodene Treibhölzer, jogar von der Fichte, die rich nie gejchnitten wird, werden gelegentlich ebenfalls in das Ganze hineingebaut. Viele Hte find der Rinde beraubt, an anderen fitt fie noch dran. Sie liegen unregelmäßig durcheinander, und die Ziwiichenräume find mit Erde gefüllt. Die Dide der Wände, die von ganz beträchtlicher Stärke und Feitigfeit find, beträgt ungefähr % m oder mehr. Der Zu- gang, der von dem untergetauchten Teile der Hütte aus in den eigentlichen Wohnraum rührt, ft in der Regel einfach, nur jelten doppelt und etiva 14 m hoch. Sn Iehinigem Boden wird das \ıınere diejer Röhre nach einiger Zeit ganz glatt. Eine Hütte, die Collett 1896 aufbrach, war leicht zugänglich und onnte mit der bloßen Hand geöffnet werden. Gie lag auf einem jchräg abfallenden Felfen und Hatte feine Verbindung mit dem Erdboden weiter oben. Shre- Einfahrt war ziemlich Eurz; das Dach bildete ein dichtes Lager von ljten, über- dedt mit Erde, auf welcher wieder derbe Äite lagen. Das Nejt, in dem drei Zunge jaßen, lag im Wättelpunft der Hütte und beftand aıs einem Lager dünner Späne von einigen Zoll Dide, Abfall von den ten, deren Rinde der Biber gefrejfen hatte. Diefe Späne waren Biber: in Norwegen (nad) Collett). 455 15—20 em lang. Über dem Neft, 1 m weiter über der Zufahrt, befand fich noch ein Neben- raum: eine Notwendigkeit, weil der Wajjerjpiegel in einer Woche jo jehr gehoben wurde (zun Siwede der Holzflößerei), daß aller Wahrfcheinlichkeit nach das eigentliche Nejt über- Ihwenmt war. Die Hütten werden jedes Jahr ausgebejjert nach den Bejchädigungen, die ihnen das Treibeis und die Holzflöge angetan haben, und fönnen jo 20, 30 Jahre al3 Wohnung dienen. Während des Hochwaljers im Frühling und Herbit ijt oft die ganze Hütte untergetaucht, große Stüce löjen jich ab und Schwimmen weg. Auch zahlreiche Erdbauten finden jich im norwegischen Bibergebiete am Flußufer nahe bei den Hütten, mit denen einige in Verbindung jtehen, die meijten aber nicht. Sie werden bejonders von jungen Bibern bewohnt. Der Eingang liegt oft im Graje verborgen, gelegentlich auch unter Wajjer; gewöhnlich führt aber ein glatter, ausgetretener Pfad vom Wafjer zu ihm hin. Coflett hält diefe Erdbauten für den erjten Zufluchtsort, den fich die Biber dort herrichten, wo fie jich anfiedeln und bauen wollen, und nimmt an, daß jede Hütte nur bon einem Baar mit jeinen (unfelbjtändigen) Jungen bewohnt wird: Die älteren Würfe, borausgejeßt, daß fie nicht ausgewandert find, leben tn den Erdhöhlen und Gängen der Nach- barjchaft. Einzelne Kleine und eilig gebaute Hütten find wahrjcheinlich nur von einem ein- zelnen Biber bejeßt. Auch von den Dämmen der norwegifchen Biber hebt Collett hervor, tie jejt gebaut und wie jchwer fie zu zerjtören find. Einer, den er im Juli 1895 bei Treungen unterjuchte, war über den Ausflug eines Waldjumpfes gezogen, durch den ein Wäjjerchen riejelte. Während diejes früher nur einen Tümpel bildete, Dehnte jich dort jest ein Teich von mehreren Hundert Metern Durchmejjer aus. Der ganze Danım war im Sommer 1890 binnen 3 Wochen gebaut worden: er. hatte 14m Länge und 2m Durchmejjer. Spuren im Schnee beweijen, daß auch der norwegische Biber im Winter manchmal jeine Hütte verläßt. Eollett jpricht auch von Wanderung des Bibers injofern, als die Jungen bald den elter- lihen Bau verlajjen (wahrjcheinlich von den Alten nicht mehr zugelajjen werden) und jich einen anderen Standort juchen. Diejfe Wanderungen fünnen jich auf viele Meilen ausdehnen und über breite Gebirgsrüden erjtreden, wenn eS dort nur Heine Bergjeen und Bäche gibt; gelegentlich gehen jie jogar ein furzes Stüd durch das. Meer. Demzufolge fönnen in ent- legenen Tälern plöglic) ein oder mehrere Biber auftauchen, die verjuchen, jich da anzujiedeln. Das war 5. B. in Suldal und Roldal 1891 der Fall. Viele gehen natürlich auf diejer Wanderung zugrunde, zumal man faum Halbwüchfige jchon wandernd findet. Als ein- zigen Stimmlauf des erwacdhjenen Bibers gibt Collett eine Art Knurren während det Herbit- lichen Bauarbeit an. Der Schrei des Heinen Biberjungen, den Collett im Mai 1896 jelbit hörte, gleicht menjchlichem Kindergeichrei, wird aber nicht oft ausgejtoßen. Jr die Enge getrieben, gibt der Biber wohl einen Schred- oder Klageton von fich, jtellt den Schwanz hoch, jchüttelt fi und fletjcht die Zähne. In das Fortpflanzungsgeichäft erhielt Collettnur da- durch einen gewiljen Einblid, daß er am 24. Mai 1896 einen Bau unterjuchte: diejer barg drei Heine, etiva 14 Tage alte Junge, deren Augen fich gerade öffnen wollten. Ihre Oejamt- länge betrug 35 cm, die Breite der Schwanzfelle etwas über 3 cm. Collett hielt jie einige Tage lebend; aber jie waren jehr träge und jchiverfällig, ließen jich nie in Erregung bringen und machten Feinerlei Fluchtverjuchhe. Im September-Dftober haben die Jungen die Größe einer Kate. Ziijchen den Haaren eines Biber3 von Yamli fand Collett die ausgetrodnete Zarve eines bis dahin in Norwegen und Dänemark unbefannten Hafenfäfers (Pitomophilus), der im Wafjer jonjt träge, von einer Zuftblajfe umgeben, an Steinen und Pflanzen jitt; wirkliche Schmaroger dagegen hat er an den norwegischen Bibern nicht nachweijen fünnen. 454 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Biberartige. Sn Nortvegen beugte das Schongejeß von 1845 dem Ausiterben der Biber vor, und 1880 wurde die Zahl der noch vorhandenen von Cod3 auf 60 veranjchlagt. 1883 jchäßte jie Colfett auf 100, und er hält e3 für wahrjcheinlich, daß die Zahl jeitdem ich gleichgeblieben oder jogar etwas geitiegen ift. Zehn Jahre jpäter jchrieb er an Friedrich, die Biber jeien in der Ziwijchen- zeit „richt gerade zahlreicher geworden, wohl aber hätten fie jich über größere Streden Hin zeritreut” — eben infolge de3 regelmäßigen Austwanderns der Jungen. Nac) weiteren Mit- teilungen Collett3 „jeheint in Norwegen die Holzflößerei der Grund für die Berjtreuung der Kolonien zu fein; oft werden (in den jchmalen Bergmwäfjern) die ven Hütten vorgebauten Reifigdeden durch die Flöfe zerjtört, nicht jelten jogar die Biber jelbit getötet”. Bejonderen Schaden tun die Biber in Norwegen heute nicht mehr, weil der wichtigjte Baum ihres Wohngebiete die Fichte ift, die jte nicht angehen. Anderjeits läßt ich aus ihnen auch nicht viel herausichlagen, zumal das Bibergeil der norwegischen Pharmafopöe Castoreum cana- dense jein foll, und fo werden fie glücdlicherweije faum verfolgt. Al3 Gejamtlängenmaß von vier ausgewachjenen Männchen des Mufeums zu Chrijtiania gibt Collett 101—109,5 em an, für ein altes Weibchen 102,5 cm. Sn Weiteuropa ift heute Frankreich noch das einzige Biberland. Dort leben an der unteren Ahone, von Avignon abwärts, und an ihrem Nebenflufje Gardon bis zum Pont du Gard, dem berühmten römischen Aquäduft, etva 3 km oberhalb der Einmündung in die Nhone, ganz ähnlich wie bei uns an der Elbe, die legten Nejte eines Biberbeitandes. Es ift _ ihnen auch ein Gejchichtichreiber erjtanden in alten Mingaud.zu Nimes, der jeine Be- obachtungen im „Bulletin de la Societe d’&tude des sciences naturelles“ niedergelegt hat. Außerdem gab Pichot in feiner „Revue Britannique“ 1888 eine genaue Überjicht mit Karte über die damaligen Standorte des Biber3 im Ahonedelta, der jogenannten Camargue. Der Nhonebiber muß wegen der fortichreitenden Kultur auch dort feine Yebensweije ändern und allmählich in die unbebauten Teile des Ahonedeltas auswandern. Nachdem er an Zahl jo jehr vermindert worden ift, Fan er troß jeines Gejelligfeitstriebes feine Kolonie mehr bilden, und man fieht ihn nur noch in einzelnen Paaren, namentlich an der Kleinen Rhone ztoifchen Fourques und Syloerdal, außerdem an dem Nebenfluß Gardon, wenn auch jehr jelten. Mingaud läßt den Aihonebiber feinen Bau im Gteilufer oder den aufgeworjenen Dämmen am Flujje ausgraben und jpricht von zwei Zugängen: der eine mündet etiva 2 m unter dem tiefjten Wajjerjtand, der zweite, jehr enge, auf der Höchiten Spibe; der legtere dient nur zur Lüftung und it jorgfältig verborgen in Kraut und Gefträuch. Der oberite Teil des Baues mölbt ich vor und hat nur 15—20 cm Wanddide; e8 fommt auch oft genug vor, daß er von Fußgängern eingetreten wird. Jeder Bau joll zwei Räume enthalten, die durch einen ang verbunden jind. Jr dem erjten, größeren, dem Vorratsraum, ftapelt der Biber jeine Holziniippel von 10—25 em Durchmefjer und 30—40 cm Länge auf, deren Rinde ihm zur Nahrung dient. Wenn er jie abgenagt hat, wirst er das Holz ins Waffer. In dem zweiten, höher gelegenen Raume wohnt die Familie. Dort wirft das Weibchen zwifchen Ende März und Ende April 2—3 Junge, manchmal auch mehr. E3 macht jein Neit inmitten von Blätterftreu und Wolle, die e3 ich am Bauche ausreißt. Dieje Dartellung des Biberbaues ftimmt nicht ohne weiteres mit der Friedrichichen überein. Sollte der Nhonebiber aus irgendeinem Grunde im Herbite nicht die Vorbauten von Aungsreifig aufführen, wie die Eibebiber, jondern jeine Vorräte unteriwdiich im Bau jelbjt anhäufen? Dann würden fie ihm leicht troden und ungenießbar werden. Oder ijt Mingauds Vorratsfammer nur Die Aushöhlung des VBorratsporbaues durch Verbrauch? Die TER Ra Biber. Kanadabiber. 455 Biber de3 Berliner Gartens zeigen alle gleicherweije die Neigung, diinneres Nageholz jo- wohl in die fünftlich für jie hergeitellten Wafjerburgen al in den Feljenftall einzutragen, jo daß je auf einem erhöhten Lager figen., — Ein ganzes Kapitel wiomet Mingaud den berichiedenen an der Nhone üblichen Methoden der Biberjagd und des Biberfanges: eine it immer „mweidgerechter” al3 die andere, und alle zujammen dürften wohl genügen, die legten Ahonebiber bald zu vertilgen, wenn dies nicht bereits gejchehen it. Bon Europa nach Ajten übergehend, gewinnt man aus den Greve-Stöppenjchen Yu> jammenjtellungen den Eindrud, daß in Sibirien mit den Bibern ebenjo jchnell und gründlich aufgeräumt worden ift wie in Europa. Ym Uralgebiet erijtierten fie zu PBallas’ Zeit an der Kolonga, an der Soswa und Tatmvda, ferner an der Honda und nördlichen Sosiva, die zum Ob gehen. Seht find jie im Ural recht felten geworden. Noch 1876 lebten Biber in Bauen am Oberlauf der Konda (fließt in den Srtyjich) und Steinen Soswa (geht zur nördlichen Sosiwa, diefe in den Ob); 1892 fanden fich noch welche im PBelimergebiet im Streife Tjumen, an der Kleinen Honda und im Gebiet Berejomjf an der nördlichen Soswa; 1887 Hatte man jie noch in der Ljajpinjfaja Woloft; Hier wurden jie auch noch 18% und 1894 beobachtet. Sm xufjiichen Turfeftan dürfte der Biber auch. einmal gelebt haben, da noch Heute Nanıei (Fluß Kundusda, Zufluß der Emba; Kundus = Biber) darauf Hinmweijen, bejonders in den Mugodjcharbergen. Auch Knochenfunde von Sujchkin (1894) an der Mündung des Temir, eınes rechten Embazuflujjes, two jet eine Steppe ijt, bejtätigen diefe Annahme. Je weiter nach Dften, defto jpärlicher und unflarer fliegen die Nachrichten. Überfchauen wir das Ganze, jo fünnen mir feititellen, daß der Biber in Sibirien einft bi zu den rechten Lenazuflüfjen verbreitet war. Er fehlte in der Tundra, weil fein Wald vorhanden war, und in der ur- jprünglichen Steppe aus demfelben Grunde. Db er wirklich in Oftjibirien gefehlt Hat, wo der jtetS gefrorene Boden vorherrjcht, ift nicht ausgemacht. Fraglich ijt jein Vorkommen auch ım Kaufajus und Sleinajien. Nach Braß („Neue Belzwarenzeitung”, 1905) vermutet man übrigens, daß ein großer Teil der Biberfelle, die auf die Märkte des nordöftlichen Sibirien, Anadyrjf und Kijchni Kolymif, gelangen, gar nicht aus Sibirien ftammen, jondern aug Amerika und auf dem Wege des Taujchhandels über die Injeln der Beringjtraße von den Jndianern in die Hände der fültenbeivohnenden Ticehuftichen gelangen. Auch für jeinen Taufchhandel mit China (Kiachta) Hat Rußland jchon in früheren Jahrhunderten große Mengen amerifanijcher Biber- jelle über England bezogen. Den volljtändigjten Bericht über „Die Berbreitung des Bibers im Duartär”, d. H. in unjerer jeßigen Erdperiode, hat gewiß D. dv. Linftow in den „Abhandlungen und Berichten des Mujeums für Natur- und Heimatkunde zu Magdeburg” (Bd. I, Heft IV) 1908 geliefert: eine ganz umfaljende, mit äußerftem Fleie durchgearbeitete Literaturftudie! Bom altweltlichen Biber hat man verjchiedene Arten aufgeftellt, deren Berechtigung jedoch wieder beitritten worden ijt. Dagegen befteht Schon lange fein Zweifel mehr, daß man den fanadiihen Biber des nördlichjten Nordamerika al3 bejondere Art aufzufajjen hat. Der Kanadabiber, Castor canadensis Kuhl, unterscheidet jich von dem europätjchen durch die mehr gewölbte Gefichtslinie des iiberhaupt jchmäleren Kopfes und andere Eigen- tümlichkeiten des Schädels, durch das dunflere Fell und namentlich Durch abweichende Ber- hältnijje des Geiljades. Wilhelm Blajius Hat 1886 den endgültigen. Nachweis für jeine Artjelbjtändigfeit durch jehr jorgfältige VBergleihung geführt. („Verein f. Natur. zu 456 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Biberartige. Braunschweig”, TV. Zahresber.) Daß damit aber die amerifaniichen Biberformen nicht er- ichöpft find, fan man fehon an den lebenden Stüden jehen, die der amerifanijche Tier- händler Cecil Frend) in Wafhington feit einigen Jahren in die europätichen zoologijchen Gärten liefert. Darunter befinden fic) folche aus dem Weften der Vereinigten Staaten, die ebenfo hell gefärbt find tie Eibebiber, und fo unterjcheidet man denn auch Heute, indem manden Sanadabiber auf die Ufer der Hudjonbai bejchränft, noch weitere Unterarten. In Nordamerika hat der Biber früher eine noch viel größere Rolle gejpielt als in der Alten Welt. Er tvar dort gemein, feine Zahl ift aber durch die unabläfjige Verfolgung jchon icht zufammengejchmolgen. La Hontan, der vor zwei Jahrhunderten Amerika bereijte, er- zählt, daß man in den Wäldern von Kanada nicht 4—5 Stunden gehen Zünne, ohne auf einen Biberteich zu ftoßen. Seitdem hat die Anzahl der Tiere, wie leicht erklärlich, ungemein abgenommen. Audubon gibt (1849) bloß noch Labrador, Neufundland, Kanada und einzelne Gegenden der Staaten Maine und Mafjachujetts a8 Heimatländer des Tieres an, fügt je- doch Hinzu, dat der Biber in verjchiedenen wenig bebauten Gegenden der Vereinigten Staaten einzeln noch gefunden werde. Und Hornaday muß jich in feiner „Amerifanijchen Naturgejchichte” von 1904 natürlich ext recht dahin ausfprechen, daß e8 auch in Nordamerita nur noch) wenig Biber gibt und nur nod) in wenigen Gegenden. Da er aber verjchiedene Biberarten nicht unterfcheidet, fo bejchreibt er ven Gejamtverbreitungsfreis vom Nio Grande in Texas nördlich durch die Rody Mountains einerjeits, Sierra Nevada und Kasfadengebirge anderjeits biS zur Baumgrenze und von da wieder jüdöftlich durch Kanada bis in die nörd- lichen Neuenglandftaaten. „Die Zahl der jebt noch in Colorado vorhandenen Biber toird auf 1000 gejchäßt.” Stone und Cram geben in ihren „American animals“ 1902 als Heimat des Fanadischen Biber das nordöftliche Nordamerika an mit dem Zufaß: „jest in den Ber- einigten Staaten beinahe ausgerottet”. Und dem Carolinabiber, den fie als Unterart (C. c. carolinensis Rhds.) noch anführen, fchreiben fie al3 urjprüngliches Vorkommen die mitt- leren Tieflandftaaten de3 Südens zu mit ähnlicher Bejchränfung: „jest meift ausgerottet, findet fich jedoch noch in einzelnen Teilen von Nordamerika. Wie mitdiefen neueften Angaben der volfstümlichen nordamerifanischen Naturgejchichte die Statiftifen des Belzhandels in Einklang zu bringen find, jcheint jchwer erfindlich: Hat doc) der Leipziger Nauchwarenfommiffionär Rob. Hermann Müller noch) für die vier Londoner Auktionen des Jahres 1906 eine Gejamtjumme von beinahe 83000 verfauften Biberfellen nach amtlichen Quellen angegeben, und fann man doc) in den Lagerräumen von Gaudig u. Blum und anderen auf dem Brühl in Leipzig die fattbraunen, oval (ohne Schwanz und Beine) zugejchnittenen Felle jederzeit aufgeitapelt jehen! Der „Hunters and Trappers Guide“ von Anderjch Bro3. in Minneapolis, Minn., bringt eine Zujfammenftellung der Er- gebnijje der fünf legten Fangzeiten von 1904/05 rückwärts mit insgejamt 375500 Biberfellen im Öejamtierte von beinahe 2300000 Dollar. Die Zahlen über Ausfuhr von Biberfellen Jind oft nicht ohne weiteres verständlich. So hat die befannte Weltbeherrjcherin des Pelz- Handels, die Hudjon’s Bay) Company, 1853 über 55000, 1873 beinahe 150000 und 1893 über 56000 Biberfelle verkauft, ift aljo im Verlaufe von 40 Jahren über eine Steigerung auf das Dreifache wieder bei der Anfangsziffer angefommen. Für ihr im großartigften Mafjtabe be- triebene3 Taufchgefchäft gab früher das Biberfell lange Zeit jozufagen die Einheitsmüngze ab. Na) Brab („Neue Pelzwarenzeitung“, 1905) fommen die beften Felle aus den füdöftlichen Zeilen des Hudjonbaigebietes. ES find dies die M.R. gezeichneten aus der Faktorei Mooje River, die E.M. aus Eaft Maine, dunkle, fast [chrwarze Felle, die am höchften im Preife ftehen; Sanadabiber. 457 danıı folgen die Y. F,, große, aber vielfach etwas (heller) bräunliche Felle. Aus (dem jüd- licheren) Kanada fommen große, gutfarbige (dunkle) Felle, die aber nicht jo rauch find wie die aus den nördlichen Gebieten. Das Gebiet des Madenzie River, weit nördlich inmitten der aus- gedehnten, unmirtlichen Barren-Grounds, Tiefert länglich getrodnete, helle Felle, während Britiich-Kolumbien eigenartig fiichförmig getrodnete Felle bringt. „Die Vereinigten Staaten liefern jeßt Faum mehr 20000 Felle im Jahr (auf den Londoner Markt). Die meijten fom- men aus dem Welten und Norden. Weitlich der Nody Mountains find die Biber jehr Heil- farbig; namentlich das füidliche Oregon und Kalifornien liefern fat goloblonde Felle. Auch der Alaskabiber ft zwar jehr gut im Haar, aber bedeutend heller als die Felle aus dem Hudjonbai- gebiet, ja jelbjt als die hellen Felle von Madenzie River... Sehr gute und dunkle Biber liefert Montana... Sr den öftlichen Staaten gibt e3 fait feine Biber mehr. An den Südftaaten Arkanjas, Teras uf. fommt der Biber wohl noch vor, ift aber jelten und das Fell wenig tert.“ Bom Kanadabiber ift neuerdings auch ein Albino befannt und im „Field“ (1907) - bejchrieben worden: ein jchönes Winterfell, das ein Beamter der Hudjonbatfompanie dem Londoner Mufeum für Naturkunde jchentte. Hornaday gibt in jeiner „Amerikanischen Naturgejchichte” das Gewicht eines 1900 in Maine gefangenen Bibers auf etwas über 50 Pfund an. Ein ftarfes Stüd im Neudyorfer Boologiichen Barf hat über 75 cm Rumpf-, 30 cm Schwanzlänge und wiegt 44 Pfund. Die Biberdämme möchte Hornadad nicht nur jo veritehen, daß jte die Eingänge der Burgen unter Wajjer halten; er jieht jie vielmehr auch al3 „Kühlgefäß” an, auf dejjen Grunde jich die auf- geitapelten Aungshölzer für den Winter friich halten, wenn die Oberfläche für lange Zeit zugefroren ist. Den Dammbau hat Hornadad jelbjt beobachten fünnen. Mit den Vorderfühen gräbt das Tier weichen Schlammgrund auf, hält fich Die Majje gegen die Bruft und Schwinmt Damit zum Damm. Hier legt e3 jie an der Stelle nieder, two fie am nötigjten ift, und Hopft je tätjchelnd feit. Um den Bau zu feitigen, trägt e3 Holzprügel herbei, 4 oder 5 Fuß lang und 21,—5 cm im Durchmejjer, von denen e3 die Ninde abgefrejjen Hat. Dieje legt e3 Freuz- weile oder ungefähr jo auf den Damm und füllt die Zwifchenräume mit Schlamm aus. Wenn Biber einen mehr als 50 Fuß langen Damm anzulegen Haben, um tiefen Wajjerjtand aufzufluten, jo geben jie ihm gewöhnlich eine Krimmmung ftromaufwärts. Der Damm der Biber des Neunorfer Zoologiichen PBarfes ift ungefähr 40 Fuß lang, 3 Fuß Hoc) und ganz chart ftromaufwärts gekrümmt. Cine Biberburg des Zoologiishen Barkes hat ungefähr 15 Fuß (4,57 m) Durchmejjer und 5 Fuß (1,52 m) Höhe; das Innere enthält in der Mitte einen über Wajjer gelegenen Kejjel, während der einzige Eingang qut unter Wafjer liegt. Stone und Cram geben eime genaue Bejchreibung, wie der amerifanijche Biber in der guten, alten Zeit gelebt und gearbeitet hat, wie aber die Zehntaufende, die auch Heute noc) jährlich ihr Fell lajjen müjjen, wohl auch Heute noch) leben. Der Damm wird oft durch weitere Dämme unmittelbar unterhalb des eriten veritärkt, um Wafjer gegen den erjten aufzujtauen und diefen dDadurd) von einem Teile des Drudes zu entlajten. Wenn das Wajjer jteigt, werden Damm und Ufer genau überwacht, jeder Einbrucd) an der Seite wird jofort abgedämmt und der Teich fo immer wieder auf die gewünjchte Höhe gebracht. Noch heute müjjen übrigens in manchen Gegenden Kanadas die Biber durd) ihre Dammbauten der Landichaft fozujagen ihren Stempel aufdrüden; denn unter den einladenden photo- graphiichen Aufnahmen für einen -„‚wilderness club“ in den Laurentian Mountains bringt A. Radelyffe Dugmore („Country Life in America“) nicht tweniger- alS zwei, auf denen ein Boot über einen Biberdamm Hinübergeschafft twird. Der verftorbene Leipziger Geolog 458 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Biberartige. Hermann Credner Hat „Die Beeinflufjung des topographiichen Charakters gemiljer Land- ftriche Nordamerifas durch den Biber” des Näheren dargelegt („Petermanns Mitt.”, 1869). To das Tier noch in größerer Zahl, unbeeinträchtigt durch den Menfchen, jeinen Gejchäften nachgehen fan, vermag es der ganzen Landjchaft ein ganz eigenartiges Gepräge zu ver- leihen. Mit Dieicht oder Bäumen bewachjene Täler verwandeln jich bei jeiner Tätigkeit in Teiche, wenn es feine Dämme anlegt. Werden dieje jpäter nach dem Berjchwinden des Tieres aus der Gegend von den Frühlingsfluten fortgerijjen, jo läuft das gejtaute Wajjer ab, und e3 entftehen große, jumpfige Flächen, die jich mit Niedgras bededen. Dieje Pflanzen=- deefe macht dann wiederum jpäter mit fortichreitender Austrodnung Wiejen mit Süßgräjern Plab, die von Hirschen aufgefucht werden. Morgan und Agaljiz Haben aber auch amerifa- nische Biberdämme unterfucht, denen fie ein Alter von vielen Hundert bis zu taufend Jahren zufchreiben. Das läßt fich aus der Stärfe des Torfe3 jchließen, der zum Teil jchon die exjten Anfänge der Dämme überlagert hat, nachdem infolge der Wafjerftauung Seen, Sümpfe und Torfmoore entftanden waren. Diejelben Forjcher beitreiten auch, daß bei den Damım- bauten nüppel irgendivie „eingerammt” würden. Die unterjten Snüppel mögen allerdings manchmal fo ausjehen, find aber in Wirklichkeit nur übereinander gejchichtet, oft ganz regel- mäßig, parallel zueinander und zur Stromrichtung, mit dem diden Ende nach aufwärts, und mit Sand, Schlamm, Lehm, auch 1—6 Pfund wiegenden Steinen bejchwert und ge- dichtet. Die Diämme wurden aller Wahrjcheinlichfeit nach urjprünglich nur von einer Fa-‘ milie ausgewanderter Zungbiber angelegt, Höchitens von mehreren Familien desjelben Jahr- ganges. Später wurden jie aber wohl von anderen Generationen ausgebefjert und ergänzt, und jo konnten mit der Zeit ganz großartige Bauwerfe entjtehen, auch ohne dag man plan= mäßige, gemeinfame Arbeit einer großen Biberjchar annehmen muß. Cbenjo jind Yorm und Richtung der Damme nicht die Frucht einer an Sngenieurwifjenfchaft grenzenden Über- fegung, jondern erklären fich auf viel einfachere Weije aus äußeren Urjachen. Sie verblüffen allerdings oft dadurch, daß fie eine Krümmung ftromaufwärtS Haben: ohne Ziveifel die Form, die dem Wafjerdrudf am beiten Widerjtand leijtet. Aber das fommt daher, daß die Biber meijt mitten im Strome an einem Feljen oder feitgeijhwemmten Holze beginnen und der Strom jelbft die nach beiden Seiten abgehenden Dammflügel abwärts drüdt. Die um- gefehrte Ausbiegung fommt ebenfalls vor, vielleicht dann, wenn die Tiere an der Seite be- ginnen, und schließlich gibt es auch Dämme von unregelmäßigem Berlaufe, der aber gewiß auch durch die Strömung jelbjt und zufälfige Urfachen im Strombett herbeigeführt ijt. Man fan loderere Brügeldämme unterscheiden, durch die das Wajjer bejtändig ducchdringt, und vollfommen dichte Dämme, über die e3 nur oben überfließt durch regelrechte, von den Su jelbjt ausgearbeitete Abflüje. (W. Blafius, „Der Biber”, 1886.) Das Betragen des gejangenen Bibers anderen Tieren gegenüber ift unfreundlich, dent Menjchen gegenüber mindeitens zurüdhaltend; aber bald gewöhnt fich diefer Nager an eine hm anfänglich läftige Nachbarichaft und fügt fich der Herrichaft feines Pflegers, ohne jich indejjen Unbilfiges gefallen zu lajjfen. Die gut behandelten dulden fchlieglich, daß man jie lieb£oft, gehen auch wohl zu ihrem Wärter Hin und begrüßen ihn förmlich, widerjegen fich aber jeder Gewalttat, indem fie den Nücen Frümmen, die Zähne weifen und nötigenfalls auch angreifen. Jm Tiergarten lebende Biber betteln auch, auftvartend und ftehend, vorüber- gehende Bejucher um Äpfel, Nüffe, Zuder und Brot an, nehmen diefe Stoffe gejchiet mit den Händen weg und beginnen zu frejjen, jchlagen aber den, welcher nect, auf die Finger. Biber: Gefangenleben. 459 ung eingefangene Biber können jehr zahm werden. Die Schriftiteller, welche über Amerika berichten, erzählen von jolchen, welche fie in den Dörfern der Jndianer gemiljer- maßen al3 Haustiere fanden oder felbjt zahm hielten. „Sch jah”, jagt La Hontan, „in diejen Dörfern nichts Merkwürdigeres als Biber jo zahm mie Hunde, jowohl im Bache wie in den Heden, wo fie ungeftört hin und her liefen.” Hearne hatte mehrere Biber jo gezähmt, daß jte auf feinen Ruf famen, ihm wie Hunde nachliefen und jich über Liebfojungen freuten. Sn Ge- jellfchaft der indianischen Weiber und Kinder fchienen fie fich jehr wohl zu befinden, zeigten Uncuhe, wenn dieje lange wegblieben, und Freude, wenn fie wiederfehrten, frochen ihnen auf den Schoß, legten jich auf den Rücken, machten Männchen, furz, betrugen jich fajt wie Hunde, die ihre Freude ausdrüden wollen, wenn ihre Herren lange abwejend waren. Dabei hielten fie das Zimmer jehr reinlich und gingen immer in das Wajjer, im Winter auf das Eis, um ihre Notdurft zu verrichten. Sie lebten von den Speijen der Leute und fragen nament- lich NReis- und Rofinenpudding fehr gern, nebenbei aber auch Fijche und Fleiich. Buffon befam einen aus Kanada und hielt ihn jahrelang, anfangs ganz im Trodnen. Diejer jchloß jich zwar niemand an, war aber janft und ließ ich aufnehmen und umhertragen. Bei Tijche verlangte er mit einem fchwachen, Hläglichen Tone und mit einem Zeichen jeiner Hand auc) etivas zu freffen, trug das Empfangene jedoch fort und verzehrte e3 im verborgenen. Die mehr oder weniger ertvachjen gefangenen Elbebiber des Berliner Gartens erweijen jich, alS Harmlofe, fchüchterne Tiere, die den nahenden Pfleger aus ihren Heinen, ausdruds- fojen Augen merkwürdig blöde anbliden, jich aber bis jegt mit niemand näher befreundet Haben; freilich läßt der tägliche Dienft in der großen Berliner Tierfammlung auch faum Zeit zu irgendwelchen Zähmungsverjuchen. Der dunkle, mit dem einen Anhaltiner zujammen- haujende Kanadier dagegen, der jung unmittelbar aus feiner Heimat nach Berlin fam, er- innerte nicht nur durch fein Gejchrei, fondern auch durch fein ganzes Benehmen Menjchen gegenüber an ein Kind, wollte aufgenommen fein uf. — jolaıge er Hein war. Jegt benimmt - er ich gegen Menfchen nicht anders wie die Elbebiber auch. Bewundernsiert ift die tägliche oder vielmehr abendliche und nächtliche Schälarbeit der vier großen Nager: das ganze Ufer des Wafjerbedens liegt morgens voll Späne, und ftet3 find eine Anzahl entrindete Prügel mit einem Ende bis zu dem SFelfenloch Hingejchleppt, das den Eingang zum Stalfe bildet. Bemwundernswert ift auch, tie geräufchlos die großen, plumpen Tiere vom Ufer unmittelbar unter Wafjer zu tauchen verftehen. Auf dieje Weife gehen fie jtet3 zu Wafjer; man jieht nie- mals, daß fie etwa den Kopf gleich über Waffer behielten und jo vom Ufer abihwänmen: immer erfolgt exit ein tiefes Untertauchen. Wenn fie wieder auftauchen, ann man jic von der trefflichen Wafferdichtigfeit des Pelzes überzeugen: das Wajjer jteht in perlenden Tropfen und Heinen Lachen zwifchen den trodenen Grannenhaaren des Rüdens. Mit gemächlichen Auderichlägen der jchwimmfühigen Hinterbeine gleiten jie dann in jtetiger Vormärts- bewegung ganz flach im Wafjer dahin, jo daß die wagerecht ausgeftreckte Schwangzfelle gerade mit dem Wajjerjpiegel abjchneidet. Anfangs, ehe fie an Menjchen gewöhnt waren, gaben die Anhaltiner auch noch) öfter den Hatjchenden Schlag mit der Schwanzfelle aufs Waller zum beiten, der manchem neugierigen Abendbejucher aus dem vertieft liegenden Beden über das Gitter weg das Wafjer bis ins Geficht jprigte. Dies ift Hed,mehrfach pajjiert, als er zu ipäter Stunde noch vom LZeben und Befinden feiner feltenen Pileglinge ji überzeugen wollte. Heincoth Hat wiederholt beobachtet, daß die Biber des Berliner Gartens, wenn der von der Landfeite angejchnittene Stamm anfängt, einzufniden, jchleunigjt davdonlaufen, und ztvar jo eilfertig, wie man das font nie von ihnen jieht. An einer entfernteren Stelle gehen 460 8. Ordnung: Nagetiere. Familien: Biberhörnhen und Hörndenartige. fie dann zu Waffer und holen fich den hineingefallenen Stammteil wieder heraus. Die Prügel, die fie in ihre Höhle fchleppen Fönnen, zermeißeln fie drin zu Spänen, aus denen fie fich fo ein Hohes Lager auftürmen. Die Außenfchmaroger des Bibers, ein flugunfähiger, mit den YAasfäfern (Silphidae) » berivandter Käfer, Platypsyllus castoris Rits., und eine Haarmilbe, Die ziemlich zu gleicher Zeit von mehreren Spezialforfchern, auch von Friedrich, entdedt, von Trouefjart dem fran- zöjifchen „Bibervater” Mingaud zu Ehren Schizocarpus mingaudi benannt wurde, Haben deshalb eine ganz allgemeine, weit iiber die Fachinterefjen hinausgehende Bedeutung, weil fie ganz genau von gleicher Form und Art auf dem Elbe- und Ahone- wie auf dem fanadischen Biber gefunden worden find. Dies läßt fich gar nicht anders begreifen, als daf dieje Snfeften auf ihren Wirten fchon fchmarogten, al3 die Biber noch eine gemeinjame Heimat bewohnten, und diefe Zeit fann gar nicht fo jehr mweit zurüdliegen; jonft würden die Schmaroger eben nicht mehr gemeinfam fein. Um jo mehr aber müfjen wir den Biber zu jenen fpäten Einmwanderern in Nordamerifa rechnen, die, wie Wapitihirich, Schnee- ziege, Diethornfchaf, Bifon, Griefelbär, ihre nächjten Verwandten in der Alten Welt haben, und- zugleich dürfen wir wohl den Schmarogerfäfer und die Haarmilbe des Bibers als febendige Bemeife dafür anfehen, daß ihr Wirt von einem beftimmten, im Norden der Alten Welt zu denfenden Entftehungsherd aus jich dur) Wanderung verbreitet und Dabei in jeine heutigen Arten und Unterarten verändert hat. * Brorfchen Biber und Eichhörnchen fchalten wir die nach einer gemwiljen Mitteljtellung jo genannten Biberhörnchen (Aplodontidae) ein, denen man vermöge ihres Schädel- und Zahnkaues (Aplodon oder Haplodon = Einfachzahn) im Shitem den Rang einer ganz jelbftändigen Familie zugefteht, obwohl diefe nur eine Gattung (Aplodontia Rich.) mit wenigen Arten (A. rufa Raf.) enthält. Tullberg möchte fie beinahe al3 Urjorm der Eichhorn- artigen anfehen, und Hart Merriam erklärt fie wenigjtenz für ein Überbleibjel (Nelikt) aus der erdgejchichtlichen Vergangenheit, da3 feine nahe Berwandtjchaft mit einer lebenden Nager- gruppe habe. Hußerlich Yafjen fich die Biberhörnchen in ihrer Größe und Gejtalt mit dem furzen Schwanze wohl noch am beiten mit Murmeltier und Präriehund vergleichen; bei genauerer Betrachtung fällt aber der ganz ausnehmend furze und ftumpfe Kopf mit dem gebogenen Profil und die jehr langen, ftark jeitlich zufammengedrücdten und wenig geboge- nen Srallen an den Borderfüßen auf. Die letteren haben, ebenfo wie die Hinterfühe, fünf ganz voneinander getrennte Zehen. Die Biberhörnchen leben im Weiten der nordamerifani E Union, jenfeits der Felfen- gebirge in den Staaten Wafhington, Dregon, Kalifornien, und graben jich folonienmweije Ihre Baue in hügeligen Gegenden mit’viel fließendem Wafjer; ja, diejes joll jogar oft Durch die Gänge der Tiere felber fließen: fo tief liegen die Baue! Bei Sonnenuntergang und Tagesanbruch Eommen die Biberhörnchen hervor und gehen ihrer Nahrung nach, die wohl hauptjächlich aus Wafferpflanzen, den Stengeln von Wafjerlilien und ähnlichen beiteht, aber auch aus Baumblättern und Zweigen, denen zuliebe die Tiere fogat gewilje, aller- dings wohl nicht weitgehende Sletterfünfte an niedrigen und umgebrochenen Bäumen üben; Dazu ericheinen ihre Füße mit den felbftändigen Greifzehen jehr geeignet. Die Familie der Hörnchenartigen (Sciuridae) „zeigt eine größere Mannigfaltig- feit”, jagt jhon 1859 der trefflihe Dfteolog Giebelr-Halle in feinem viel benubten, aber Biber: Schmaroger. — Biberhörnden. — Eihhörnden. 461 wenig zitierten Säugetierwerfe, „... jowohl in der äußeren Geftaltung der Mitglieder als in deren Lebensweije; doc) find die ertremften Formen von dem zierlichen, behenden Eich- hörnchen bi3 zum plumpen Murmeltier durch allmähliche Übergänge vermittelt und durch große Übereinftimmung in der inneren Organifation zu einer Familie verbunden... Back zähne jind mit wenigen Ausnahmen oben fünf, unten vier vorhanden, der erfte obere fehr verkleinert, einfach, hinfällig, die übrigen drei- und vierwurzelig, die jchief vier- oder drei- jeitigen Kronen mit einigen Querwülften, die fich meift abnugen. Der Schädel hat eine breite, jlache Stirn mit großen Augenhöhlenfortfägen und ein fjchmales oder jpaltenjörmiges Unteraugenhöhlenlod); der Unterfieferwinfel ift abgerundet, nach innen gebogen... Boll fommene Schlüfjelbeine, Unterarm- und Unterjchenfelfnochen getrennt”, was auf eine viel- jältigere Bewegungsteije hindeutet. DIS ganz neuerdings teilte man die Familie nach dem allgemeinen Ausjehen und der Lebensiweije in zwei Hälften, deren eine die eigentlichen Hörnchen und Flughörnchen, die andere die Siejel und Murmeltiere waren. Dabei bildeten aber jchon die Erdhörnchen Übergangsformen, und anderjeit3 mußte mancherlei Abweichendes, Schlafmausartiges an den nächtlichen Flughörnchen auffallen. Heute ift man nun auf Grund eingehender Gebij;- unterfuchungen des englijchen Dfteologen und Paläontologen Forjyth Major zu der Über- zeuqung gekommen, daß man die Zamilie der Hörnchen in drei Unterfamilien zerfällen muß, deren erjie, die Eichhörnchenartigen im engeren Sinne (Sciurinae), nicht nurdie baumlebenden Eichhörnchen mit den verwandten Zwijchenformen (Erohörnchen), jondern auch die ganz anders ausjehenden Biejel und Murmeltiere enthält, die zweite (Nannosciurinae) die wenig befannten Swerghörnchen der Orientaliichen Negion und die dritte (Petauristinae) die Flughörnchen. Der Leib der Eichhörnchen (Sciurinae) ift mehr oder weniger gejtredt und trägt einen berjchieden langen, meijt dicht, oft bufchig und zweizeilig behaarten Schwanz. Die Augen ind groß und hervorjtehend, die Ohren bald Flein, bald groß, bald dünn behaart, bald mit PBinjeln verjehen. Das vordere Beinpaar it merflich Fürzer als das hintere. Die Vorder- pjoten haben vier Zehen und einen Daumenjtummel, die hinteren Pfoten fünf Zehen. Die Hörnchen bewohnen mit Ausnahme von Auftralien die ganze Erde, gehen ziemlich weit nad) Norden hinauf und finden fich im heißeften Süden, leben in der Tiefe wie in der Höhe, manche Arten ebenjogut im Gebirge wie in der Ebene. Waldungen oder wenizitens Baumpflanzungen find ihre bevorzugten Aufenthaltorte, und bei weitem die größere An- zahl führt ein echtes Baumleben, während andere in unterixdifchen, felbftgegrabenen Bauen Herberge nehmen. Gewöhnlich lebt jedes Hörnchen für fich; doch Halten jich unter Um- jtänden größere und Heinere Gejelljchaften oder wenigjtens Paare längere Zeit zujammen, und einzelne Arten unternehmen, getrieben von Nahrungsmangel, Wanderungen, wobei jie jich zu ungeheuer, heerartigen Scharen vereinigen. %. Hall erzählt, daß fich im ganzen Weiten Nordamerikas die Eichfäschen binnen weniger Jahre oft ganz gewaltig ver- mehren und dann notwendigerweije auswandern müjjen. Heujchredenartigen Schwärmen vergleichbar, jammeln jich die Tiere im Spätjahre in größere und immer größer werdende Scharen und rüden, Felder und Gärten plündernd, Wälder und Haine verwüjtend, in füd- öjtlicher Richtung vor, über Gebirge und Flüfje jegend, verfolgt von einem ganzen Heere von Feinden. Beim Beginn ihrer Wanderung jind alle fett und glänzend; je weiter jie aber ziehen, um jo mehr fommt das allgemeine Elend, das joldhe Nagerheere befälft, über jie: fie erfranfen, magern ab und jallen Hundertmweife der Not und Seuchen zum Opfer. Die 462 8. Drdnung: Nagetiere. Zamilie: Hörnchenartige, Natur jelbft übernimmt die Hauptfächlichfte Verminderung der Tiere, der Menjh würde ihnen gegenüber ohnmächtig fein. Ähnliche Eihhörnchenwanderungen Fehren nicht nur in Sibirien mehr oder weniger regelmäßig mwieder, fondern fommen fogar, allerdings an- icheinend noch viel zu wenig gemwürdigt, in unferem eigenen Vaterlande (Württemberg) vor. Faft alle Hörnchen, am mwenigften natürlich die größeren Murmeltierarten, beivegen fich Iebhaft, fehnell und behende, und zwar die meiften ebenjomwohl auf den Bäumen wie aufdem Boden. Die Mehrzahl läuft fabtweije und tritt dabei mit ganzer Sohle auf. Die auf Bäumen lebenden Arten Flettern vorzüglich und fpringen über große Zmwijchenräume weg von einem Baume zum andern. Beim Schlafen nehmen fie eine zufammengerolite Gtellung an und fuchen fich gern bequeme Lagerpläße aus, ruhen daher entmweder in einem unterivdijchen Baue oder in Baumhöhlen oder endlich in Neftern, die fie fich teilweije vorgerichtet oder ganz felbft erbaut haben. Die in falten Ländern Wohnenden wandern, wenn der Winter herannaht, oder fallen in dauernden oder unterbrochenen Winterjchlaf und jammeln fich größere oder Heinere Mengen von Borräten ein, zu denen fie im Notfalle ihre Zuflucht nehmen. Shre Stimme ift ein Pfeifen und ein eigentitmliches, nicht zu bejchreibendes Brummen, Knurren und Zijchen. Die geiftigen Fähigkeiten find gering, für die Ordnung der Nager aber verhältnismäßig bedeutend. Unter ihren Sinnen dürften Geficht, Gehör und Geruch am meijten ausgebildet fein; einzelne befunden jedoch auch ein jehr feines Gefühl, mie fich namentlich bei Veränderung der Witterung offenbart. Alle find aufmerffam und feheu und flüchten bei der geringften Gefahr. Jm ganzen ängftlich und feig, wehren jie fich doch nach Möglichkeit, wenn fie ergriffen werden, und können mit ihren fcharfen Zähnen tüchtig verivunden. Die meiften Arten jcheinen jährlich mehr al einmal Zunge zu werfen. Um die Zeit der Paarung lebt oft ein Männchen längere Zeit mit dem Weibchen, Hilft ihm wohl auch an dem Ausbau der mehr oder weniger funftvollen Wohnung, in der das Weibchen jpäter jeine Nach- fommenjchaft beherbergen will. Die Anzahl der Jungen eines Wurfes jchwankt zmwijchen zwei und zehn. Die Kleinen fommen faft nadt und blind zur Welt und bedürfen deshalb eines warmen Lagers und forgfältiger Pflege von feiten ihrer Mütter. Aus dem Nejte ge- nommene unge lajjen fich ohne bejondere Mühe zähmen, halten auch die Gefangenjchaft lange Zeit ohne Bejchwerde aus. Manche gewöhnen fich an ihre Pfleger und hängen mit einer gerifjen Zärtlichkeit an ihnen; doch erreicht ihr Verftand felbft bei längerem Umgange mit dem Menjchen feine bejondere Ausbildung, und fast regelmäßig bricht im höheren Alter das trogige und mirriiche Wefen durch, das vielen Nagern gemein zu fein fcheint: fie werden böje und biljig, jo gutmütig und harmlos fie früher auch waren. Alle Hörnchen frejfen ziwar mit Vorliebe und zeitweilig ausjchließlich Pilanzenftoffe, verjchmähen aber, wie jo viele andere Nager, auch Fleifchnahrung nicht, überfallen jhwache Säugetiere, jagen eifrig Bögeln nach, plündern unbarmherzig deren Nejter aus und morden, als ob fie Raubtiere wären. Khrem gefräßigen Zahne fällt alles zum Opfer, toas ihnen irgend- wie genießbar erjcheint. Auf Java befuchte Hakkarl Dörfer, in denen die zahlreichen Kofos- palmen nie zu reifen Früchten fommen, weil auf den Palmen haufende Eichhörnchen jtets die noch unentwidelten Früchte anbeißen und in ihrer Weiterentwidelung ftören, wie fie auch jpäter die reifenden Kofosnüfje anbohren, nicht allein um deren Mar zu freien, jondern auc um die Höhlung der Nuß zu ihrem Nefte zu verwenden. Obgleich man das Fell mehrerer Hörnchenartigen als Pelzwerf verwertet, hier und da das Fleifch genießt, Tann Doch diejer geringe Nuben den Schaden, den die Hörnchen unferen Nuspflanzen und den nüßlichen Vögeln zufügen, nicht aufwiegen. Sene von Haffarl erwähnten Dörfer auf Java verarmen Murmeltiere. 463 diejer Tiere wegen und werden nach und nach verlafjen, die Feldmarfen ganzer Dorfichaften Nordamerikas erleiden die fchwerften Einbußen durch die Eichhörnchen. Auch bei ung zulande jchaden fie mehr, al fie nügen. Im großen, freien Walde mag man fiedulden, in Parkanlagen und Gärten wird man ihnen nachftellen müjjen. Sie verwüjten mehr, al fie zu ihrer Sät- tigung bedürfen, und machen fich aß Neftplünderer verhaßt, rechtfertigen aljo eine Ber- jolgung unfererjeits felbft dann, wenn fie nicht in größeren Scharen auftreten. Nach Foriyth Major ift feinerlei tiefergehende Scheidung zmwijchen Eichhörnchen und Murmeltieren zuläffig, fondern innerhalb. derjelben Unterfamilie einfach Gattung neben Gattung zu jeßen, vom Murmeltier durch Ziefel und Erdhörncen bis zum Baumbhörnchen. Die fhftematijche Kennzeichnung der Murmeltiere (Gattung Marmota Bibeh. [Arc- tomys]) jtüßt fic) auf den Bau des Schädel und die Bildung de3 vorderen oberen Bad- zahnes. Der Schädel ift oben fehr platt und ziwiihen den Augenhöhlen eingefenft, der erite obere einmwurzelige Badzahnı auf feiner Oberfläche etiva halb jo groß wie die übrigen. Gedrungenen Leib und kurzen Schwanz, Furze Ohren und Heine Augen forvie nur angedeutete Badentajchen haben die Murmeltiere mit den hier auf jie folgenden Bräriehunden gemein. An den Vorderfüßen Fann ein Daumen vorhanden fein oder fehlen. Man findet Murmeltiere in Mitteleuropa, Nordafien und Nordamerika in ziemlic) bedeutender Artenmenge verbreitet. Die meiften von ihnen bewohnen das Flachland, einige dagegen leben gerade in den höchften Gebirgen ihrer Heimatländer. Trodene, lehmige, jan- dige oder fteinige Gegenden, grasreiche Ebenen und Steppen, aber auch Wälder find Die Aufenthaltsorte, und nur die Gebirggmurmeltiere ziehen die Triften und Weiden über der Grenze des Holgwuchjes oder die einzelnen Schluchten und Felstäler ziwijchen der Schnee- grenze und dem Holzwuchje jenen Ebenen vor. Alle Arten haben fejte Wohnfige und wan- dern nicht. Gie legen fich tiefe unterirdiiche Baue an und leben hier in Gejellichaften, oft in exjtaunlich großer Anzahl, beieinander. Manche haben, je nach der Jahreszeit oder den - jeweiligen Gefchäften, die fie verrichten, mehr al® einen Bau, andere halten fi) jahraus . jahtein in derjelben Höhlung auf. Alle find Bodentiere, ziemlich lebhaft und jchnell in ihren Bewegungen, jedoch weit langjamer al3 die eigentlichen Hörnchen; einige Arten er- jcheinen geradezu jchwerfällig. Gras, Kräuter, zarte Triebe, junge Pflanzen, Sämereien, Teldfrüchte, Beeren, Wurzeln, Sollen und Zwiebeln find ihre Nahrung, und nur die wenigen, die ji) mühjlam auf Bäume und Sträucher hinaufhafpeln, freffen junge Baumblätter und Knofpen. Manche werden den Getreidefeldern und Gärten jchädlich; Doc) ift der Nachteil, den jie unjerem Befisftande zufügen, nicht von Belang. Beim Frejjen fißen fie wie die Hörn- chen auf dem Hinterteile und bringen da3 Futter mit den VBorderpfoten zum Munde. Mit der Fruchtreife beginnen fie Schäße einzufammeln und füllen fich, je nach der Ortlichkeit, bejondere Räumlichkeiten ihrer Baıte mit Gräfern, Blättern, Sämereten und Körnern ar. Gegen den Winter hin vergraben fie jich in ihren Bau und verfallen in einen ununterbrochenen und tiefen Winterjchlaf, der ihre Lebenstätigfeit auf das allergeringjte Maß herabjtimmt. Ihre Stimme ift ein ftärferes oder fchwächeres Pfeifen oder Kläffen und eine Art von Murten, das, wenn es leije ift, Behaglichkeit ausdrückt, jonft aber auch Zorn befundet und bei den Präriehunden dann in ein fchmetterndes Gezeter umjchlägt. Unter ihren Einnen find Gefühl und Gefiht am meijten ausgebildet; namentlich zeigen fie ein jehr feines VBorgefühl der fommenden Witterung und treffen danach ihre Vorkehrungen. Höchit aufmerfjam, vorjichtig und wachjan, jcheu und furchtjam, Stellen viele von ihnen bejondere 464 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hörnchenartige. Wachen aus, um die Sicherheit der Gejellichaft zu erhöhen, und flüchten jich beim ge- ringften Verdacht einer nahenden Gefahr ichleunigjt nach ihren unterirdischen Verjteden. Nur jehr wenige wagen es, einem heranfommenden Feinde Troß zu bieten. Die große Mehrzaht jebt fich, ungeachtet ihres tüchtigen Gebiljes, niemals zur Wehr, und deshalb jagt man von ihnen, daß fie gutmütig und fanft, friedlich und harmlos feien. She Verjtand be- fundet fich darin, daß fie fich leicht big zu einem ziemlich hohen Grade zähmen lajjen. Die meiften lernen ihren Pfleger fennen und werden jehr zutraulid) ; einige zeigen jich jogar folg- jam, gelehrig und erlernen mancherlei Kunftjtücchen. Ihre Vermehrung ift ftark. Sie werfen allerdings ducchjchnittlich nur einmali im Jahre, aber 3—10 Junge, und diefe find fchon im nächjten Frühjahre fortpflanzungsfähig. Man benubt von einigen das Fell und ift von den anderen da3 Fleijch, hält jie auc) gern als artige Hausgenofjen; weiteren Nuben bringen fie nicht. Dagegen haben jich neuer- dings innerafiatiiche Arten al3 WVerbreiter der mongofifchen Lungenpejt jo berdächtig ge- macht, daß die Jagd auf die in der Pelzinduftrie viel verwerteten Tiere jowwohl von der ruffiichen al von der chinefischen Negierung verboten wurde. Oben auf den höchften Steinhalden der Alpen, wo fein Baum, fein Straud, mehr wächft, two fein Nind, faum die Ziege und das Schaf mehr hinkommen, jelbjt auf den Keinen Selfeninjeln mitten zrwijchen den großen Gletfchern, wo im Jahre Höchjtens 6 Wochen lang der Schnee vor den warmen Sonnenftrahlen jehwindet, ift die Heimat eines jchon jeit alter Zeit wohlbefannten Mitgliedes der Familie. Die Römer nannten dieje3 Tier Alpenmaus, die Savoyarden nennen 8 Marmotta, die Engadiner Marmotella, die Deutjchen, beide Namen umbildend, in der Schriftiprache Murmeltier, in der oberbagrijchen Mundart Manfet. Sn Bern heißt 8 Murmeli, in Wallis Murmentli und Miftbelleri, in Orau- bünden Marbetle oder Murbentle, in Glarus Munf. Gegenwärtig ift uns Mittel- deutjchen das Tier fremder geworden, als es früher war, da noch arme Savoyawdenfnaben bis zu ung und noch weiter nördlic) pilgerten mit ihrem zahmen Murmeltier auf dem Rüden, um duch die einfachen Schauftellungen, die fie mit ihrem ein und alles in Dörfern und Städten gaben, einige Pfennige zu verdienen. Das Alpenmurmeltier, Marmota marmota Z. (Taf. „Nagetiere XVII”, 1) er- reicht ettva 62 em Gefamtlänge, oder 51 cm Leibes und Il cm Schwanzlänge, bei 15 cm Höhe. An den Vorderfühen fehlt zum Unterjchted von dem nächitfolgenden Bertwandten der Daumen. Die Behaarung, die aus fürzerem WollF und längerem Grannenhaar be- steht, ift dicht, reichlich und ziemlich lang, ihre Färbung auf der Oberjeite mehr oder weniger jahlgrau, auf Scheitel und Hinterkopf jchtvarz gemifcht, im Naden, an der Schwanzmwurzel und auf der ganzen Unterfeite dunkel rötlichgelb, an den Beinen, den Leibesfeiten und Hinter- baden heller, an der Schnauze und an den Füßen roftgelblichweiß. Augen und Krallen jind jchtvarz, die Borderzähne braungelb. Übrigens kommen vollfommen jehwarze oder weiße und perlartig meißgefledte Stüde vor. Die neueren Unterfuchungen haben ergeben, daß das Murmeltier ausjchließlich in Europa lebt. Das Hochgebirge der Alpen, Pyrenäen und Karpathen beherbergt eg, und zwar bewohnt es die höchjtgelegenen Stellen, die Matter dicht unter-dem eivigen Eis und Schnee, geht überhaupt höchitens bis zum Holzgürtel herab. Zu feinem Aufenthalt wählt es freie Nläße, die ringsum durch fteile Feljenmwände begrenzt werden, oder Heine enge Gebirgs- ihluchten zwifchen einzelnen aufjteigenden Spiten, am liebjten Orte, die dem menjchlichen Nagetiere XVII. 1. Alpenmurmelfier, Marmota marmota Z/. S. 464. — M. Hähinle-Reutlingen phot. 2. Präriehund, Cynomys socialis Ray. !/5 nat. Gr., s. S. 489. — W. S. Berridge, F. Z. S.-London phot. alle | Pr AT g f ", $- = 3. Waldmurmeltier, Marmota monax Z. 1/5 nat. Gr., s. S.484. — Georg E.F. Schulz-Friedenau phort. 4. Ziejel, Citellus citellus Z. S. 498. — Von M. Steckel-Königshütte auf dem Truppenübungsplatz Lammsdorf (Oberschl.) aufgenommen. 22 5. Perlziefel,’ Citellus suslica Gäld. !/2 nat. Gr., s. S. 503. — P. Kothe-Berlin phot. N FR. 2 EIN 6. Parrys Zieiel, Colobotis parryi Rich. 1/2 nat. Gr., s. S. 507. — W. P. Dando, F. Z. S.-London phot. AUlpenmurmeltier: Verbreitung. 465 Treiben fo fern wie möglich fiegen. Ye einfamer das Gebirge, um.jo häufiger wird e3 ge> junden; da, wo der Menfch fchon mehr mit ihm zufammentraf, ift e3 bereit3 ausgerottet. Sn der Regel wohnt e3 nur auf den nach Süden, DOften und Weiten gelegenen Bergjlächen und Abhängen, weil e3, wie die meijten Tagtiere, die Sonnenftrahlen liebt. Hier hat es fich jeine Höhlen gegraben, Kleinere, einfachere und tiefere, großartig angelegte, die einen für den Sommer bejtimmt, die anderen für den Winter, jene zum Schubße gegen vorübergehende Gefahren oder Witterungseinflüfje, diejfe gegen den furchtbaren, ftrengen Winter, welcher da oben jeine Herrichaft 6, 8, ja 10 Monate lang fejthält. Mindejtens zwei Drittel des Jahres verjchläft das merkwürdige Gejchöpf, oft noch weit mehr; denn an den höchjtgelegenen Stellen, wo es jich findet, währt jein Wachjein und Umphertreiben vor dem Bau faum den jechjten Teil des Sahre2. Sm Öenaueren jcheint die tatfächliche Verbreitung des „europäijchen Gebirggmurmel- tieres” (um einen vorfichtigen und doch genügend allgemeinen Ausdrud zu wählen) durchaus nicht jehr Far und fejt zu liegen, und mit Einzelbelegen jieht e3 recht dürftig und unerfreulich aus. Nach Langfave-Hamburg, dem allbelejenen, bis an jein Lebensende unermüdlichen Aufftöberer zerjtreuter Angaben über Säugetiere, gab e3 „in den hohen Teilen des Bregenzer Waldes zu Anfang der 1860er Fahre noch allenthalben dieje Tiere und noch jeßt (‚Zool. Garten‘, 18%), nad) König-Warthaufen, im bayrijchen Ulgäu. Im Jahre 1878 wurden in Tirol und Vorarlberg 164 Stüd erlegt; jie jind nur im le&teren noch ziemlich Häufig. Nac) 5%. Paper ijt nur noch auf der Marteller Alp die Jagd wirklich Iohnend. Bor 250 Jahren (in der erjten Hälfte des 17. Jahrhunderts) gab e3 Manfei oder Murmentel im mild- romantischen Gleirjchtal an der bayrischen Grenze und an der Frauhütt bei Srnsbruc, wohin jie durch die tiroliichen Herzöge verjegt waren. m Salzfammergut wurde 1890 ein einziges erlegt. Für ganz DOfterreich betrug im Jahre 1886 die Abfchußlifte 325 Stüc, für 1887 die Durchfchnittszahl des jährlichen Abjchuffes nach neunjährigem Turnus 214.” — „Über die Verbreitung des Murmeltieres in Bayern” macht der treffliche Beobachter und Gejchicht- jhreiber jeiner heimatlichen Tierwelt, Pfarrer Jäde-Sommersdorf, jehr zahlreiche und genaue Mitteilungen. („Zool. Garten‘, 1866). Laut diefen findet fich das Tier „urjprünglich nur auf der Oft und Wejtgrenze der Bayrijchen Alpen, im Berchtesgadenjchen und im Algäu, twojelbit es jeine hauptjächlichiten Wohnpläße hat und Feineswegs jelten ift. An verjchiedenen Punkten des dazwijchenliegenden Gebirgszuges hat man in neuerer Zeit die Einjegung des interejjanten Tieres mit teilweife ermunterndem Erfolge verjucht.” Die Hoffnungen, die Sädel daran fnüpft, jcheinen jedoch nicht in Erfüllung gegangen zu fein; man hat wenigitens nichts von weiterer Ausbreitung des Murmeltieres in den Bayrifchen Alpen gehört. Dagegen erhielt Der Berliner Zoologiiche Garten aud) in den legten Jahren noch wiederholt Angebote bon Murmeltieren aus Nenzing in Vorarlberg. „Im Forjtamtsbezirt Berchtesgaden fommen fie allenthalben, vorzüglich im Revier Königsjee und auf der an genanntes Forftamt angrenzenden, auf öfterreichiichem Gebiete gelegenen Forjtwartei Falled (Nevier des Saalacı- tales, Forjtamt der Saalforfte) vor, bewohnen bis zu einer Höhe von 7000 Fuß eine Menge bon Bergen in hohen, jehr raubfteinigen Lagen, welche Sand- und Schotterumterlagen haben.” Zädel gibt dann eine genaue „Aufzählung der Berge”; darunter befinden fich Göll, Senner, Wabmann. dv. Kobell, der alte Kenner und Dichter des badyrijchen Gebirges, fand „bIS Falle, wo man es die. Kemmattenbretter heißt, weitum die meijten; diejer Plat tjt eine Art von Kar, durch die wundervolle Kräutervegetation merkwürdig; denn man befindet jich in einem wahren Hochlandsgarten, wuchernd von Enzian, Meifterwurz, AUlmenharnijch, / Brehm, Tierleben. 4 Aufl. XI Band. 30 ® 466 8. Ordnung: Nagetiere. Yamilie: Hörnchenartige. Hirfchtwurz und wie die aromatijchen Kräuter alle Heigen”. Auch auf den Bergen der Ramsau. und im Hinterjeetal gibt e8 Murmeltiere, doch mehr nur vereinzelt; Dagegen beruhen An- gaben, „daß die Murmeltiere auch) in den Feljen des Hohen Stauffen und des Dreifejjel- fopfes im Bezirk von Reichenhall ihr Spiel haben“, nach Zäcel „auf Unmwahrheit”. Diejer aibt auch einen Hinweis, wie lange das Tier fchon „auf den Bergen der ehemaligen Graj- schaft Werdenfel, aljo bei Bartenfirchen, Mittenwald und Garmijch“, verjehtvunden fein muß: „Die auf mehr denn 100 Jahre zurücdgehenden Jagdrechnungen aus der bijchöffichen Zeit tun de3 Murmeltieres feine Erwähnung, und jelbft im Gedächtnis des Volkes Hat jich... feinexlei... Tradition erhalten... An der weftlichen Grenze unferer Alpen tft ihre eigentliche Heimat im Allgäu... Sm den Jagdbezirfen Seiner Königlichen Hoheit des (verjtorbenen) Prinzen Luitpold von Bayern, in den Nevieren Burgberg und Fiichen, beimohnen fie die Berge bei Hindelang und Oberftdorf, ... in den Oberftdorfer Bergen, wo in allem etwa 100 Stüc leben mögen, die vordere und hintere Gee- und die Laufbachalpe.” Wo es an Ver- mehrung und Ausbreitung mangelt und Ausjebungsverfuche mißlingen, jchreibt Sädel die Schuld den Füchfen und Steinadlern zu; doc) „Hat fich das Tier in neuerer Zeit allenthalben in unferem Hochgebirge, fowohl im Berchtesgadenschen als im Algäu, durch Hege bedeutend vermehrt... Am Berchtesgadenjchen allein fchäßt Nevierförjter Niebl-Königsjee die Zahl der vorhandenen Murmeltiere auf 400 und darüber, und nach dv. Kobell können in den Hinde- . langer Bergen auf der Blättelalp und Wängenalp 200— 300 Stüd angenommen werden, während Revierförjter Schemminger die auf der Bach-, Blättel-, Blatter- und Wängenalp lebenden ‚Murmeln‘ auf 500—600 Stüd jchäßt.“ Über „Die Murmeltiere in den öfterreichifchen Hofjagdrevieren” berichtet ganz neuer- dings Forftgeometer Wytlaci-PBoslich („Die Jagd“, 1908) aus Eifenerz von einer gelunge- nen Ausfegung; ebenfo Schreiner-Öraz aus feinem Jagdrevier bei Aflenz (Dberfteier). Aus diefem Revier haben jich Die Murmeltiere bereits in die Nachbarreviere verbreitet. ‚Ahnliches meldete die „Vofjiiche Zeitung”, Berlin, im Dftober 1908 von der Rar am Semmering, io in den Sahren 1900 und 1901 in der Nähe der Karreralın fünftlihe Baue für Murmeltiere errichtet und eine Anzahl diejer Tiere ausgejeßt worden waren. Die Tiere breiteten jich weiter aus, jo daß fie einerjeits bis zum Gfcheid, anderjeit bis zum Naß famen und neuejtens aud) bis zum Plateau an der Raralpe vorkommen. Außerdem werden jchon einige Murmeltiere am Napköhr und auf der Schneealpe beobachtet, ein Beweis dafür, daß die Tiere aud) größere Wanderungen unternehmen. — Wer Tierfreund und Tiergeograph zugleid) ift, liejt jo etivas mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Woher mag man diefe ausgejegten Murmel- tiere bezogen haben, und welche „geographijche Form“ des Murmeltieres mag auf dieje Weije im Semmeringgebiete jebt fcheinbar „zu Haufe” fein?! — Aus der Schweiz hat wiederum Langlavel viele Einzelheiten zufammengetragen: dort „ift man in den Ießten Jahren eifrig bejtwebt gewejen, neue Murmeltierfolonien zu gründen”. „In Graubünden wurden in der legten Jagdjailon (1892) 2944 Stüd exrlegt” ; diejer Kanton fcheint alfo der Hauptverbreitungs- bezivk in der Schweiz zu fein. Aber auch „Olarus bejist im Freiberg Kärpfjtod recht viele”, Von dort aus werden Ausfeungen vorgenommen in3 Glärnifchgebiet, vom VBättisberge nac) Appenzell, ziwilchen Ebenalp und Mesmer. „Die von St. allen vor einigen Jahren hierher verichentten erhielten in der Alp Wefen die Freiheit; doch verließen fte diefen Standort, wan- perten aus und wurden im Sommer 1890 auf Garten beobachtet.” Auch) aus Tirol (Latjch) und Savoyen hat man Murmeltiere nach der Schweiz gebracht, nach dem Bannbezirf Schratten im Kanton Luzern, und die Jagd twurde, ebenfo tie auf Genfen und Fafanen, 1892 im ganzen Alpenmurmeltier: Verbreitung. Anfiedelung. 467 Kantongebiete verboten. — Die Schweizer Hauptjtädte wollen neuerdings alle die Alpentiere lebend zeigen. So hat Bern außer jeiner Bärengrube fich 1904 im „Hirfchenparf” auch eine Murmeltierfolonie zugelegt und ihr einen „Oberländer” Heujchober aß Wohnung hergerichtet. Ülter ift die Kolonie in St. Gallen, über die der befannte Schweizer Tierfundige Girtanner jchon 1887 („Zool. Garten“) berichtet hat. Sie wurde ganz privatim, jozufagen heimlich von einem ©t. Galler Tierfreund dadurch gegründet, daß „erim Frühjahr 1879 ein Pärchen Murmeltiere, das er in feinem Haufe übermwintert hatte, eines jchönen Tages ein- fach beim Schopfe nahm, in eine bei jeinem Haufe gelegene Wiejenparzelle trug und dort... jreiließ.” Die Tiere lebten dort in „Freiheit-Gefangenjchaft”, wie Girtanner fich fehr treffend ausdrückt, d. h. in der Stadt zwijchen Häufern und Straßen und Hinter „einer jchadhaft ge- wordenen hölzernen Einfriedigung, aber auf natürlihem Erdboden und nit einem natür- lichen Wafferlauf... Bald bezeichneten die charakteriftiihen Schutthalden unterhalb des Höhleneinganges und die fejtgetretenen jeitlichen Zußjteige zu ihm, wie wir fie in den Alpen zu finden gewöhnt find, das Vorhandenjein eines fejtberwohnten Murmeltierbaues.” Neich- lich wurde Hingebrachtes Heu zum Baue getragen. „Mitte Dftober verjchtvand unjer Paar in feinem wohl mit Heu ausgepoliterten Bau, der jich in der Folge als tüchtig auswies, zum langen Winterjchlafe”, und anderjeit3 „wurden unjere Murmeltiere, deren Heimjtätte in einer Meereshöhe von nur 650 m, dabei jonnig gegen Süden liegt, jchon am 29. März zum erften- mal wieder außerhalb des Baues gejehen... Sm zweiten Frühjahr wurde nun die Paarung zu genanntem Zeitpunkt (in den erjten Tagen nach dem Verlajjen des Winterbaues) beob- achtet, und ungefähr 10 Wochen nachher zeigte fich vermehrtes Leben mit vervielfachtem Pfei- fen in der lolonie und fröhliches Jagen und Spielen des alten Paares mit feinen Jungen...“ Snzwilchen wird wohl die ganze Kolonie längjt der Bautätigkeit zum Opfer gefallen ein. - Shr Gedeihen beweift aber, daß das Alpenmurmeltier, das „urjprünglich jo gut wie feine nächjten Artverivandten (Bobaf uf.) auch das Tiefland bewohnt hat ...., auch heute noch jelbjt in bedeutend tieferen Regionen als jeinen jetigen Heimftätten bei font entjprechender Pilege jich wohl befindet: und den veränderten Berhältnijien in hohem Grade fich anpaßt. Dabei nimmt e3 mit fterilem, für Rulturzwede nicht mehr verwertbarem Terrain gerne vorlich, trägt zu freundlicher Belebung einer jonjt dem ewigen Tode verfallenen Wildnis viel bei, während jeine nicht übergroße Fruchtbarkeit und die Zahl feiner Feinde Gefahren und Nachteil, wie das Ausjeben des Kaninchens 3. B., abjolut nicht befürchten Yafjen; denn überall, two der Menjch das Murmeltier ausrotten wollte, ift es ihm aufs gründlichte ge- lungen, vielerorts jogar, two e3 nicht beabjichtigt war.” Girtanner meint aljo, e8 würde fich „gerade Diejes Tier zu Anfiedelungen in abjoluter oder bedingter Freiheit ganz bejonders eignen“, und das Unternehmen wäre „angeficht3 des drolligen Treibens und der Charafter- eigentümlichfeiten des harmlojen, an das Giedelungsgebiet nur äußert bejcheidene For- derungen jtellenden Gejchöpfes überall da, wo dasjelbe nicht3 Befjerem im Wege ijt, aljo an vielen abjolut unbenußt liegenden Orten, empfehlenswert. C3 wäre Sache der Alpen- vereine, der Tierjchubvereine, der Wildhüter...” Sm Sura hat man im Frühjahr 1905, wie der Berner „Bund“ berichtet, einen der- artigen Verjuch unternommen: „in der Arena des Creur du Bent ob Boudry, von Noiraigue in einem Stündchen zu erjteigen... Jr der Mulde diefes ungeheuren Zirkus befindet jich ein Naturpark, den die Societe des Parcs du Creux du Vent mehr und mehr in einen reich- bejeßten Wildgarten umgewandelt und jet auch mit 28 Murmeltieren bevölfert hat; 8 famen aus Savoyen, 14 aus Stalten und 6 vom Kärpfitoe in Glarus... Die jchtwarzgelben Schtweizer 30* « B 468 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hörnchenartige. Tiere find bedeutend größer und ftärfer alS die grauen Fremdlinge.” Diefe legtere Beobach- tung ift um jo bemerfenswerter, als fie geiviß von einer Seite ftammt, der jeder Gedanfe an moderne Syftematif, geographiiche Abänderung und Unterartenbildung gänzlich fernliegt. Stellen wir damit Fatios Angabe in feiner „Schweizer Tierwelt” zufammen! „Das Murmel- tier ändert ab nicht nur in den allgemeinen grauen oder rötlichen Tönen, jondern auch die verichiedene Ausdehnung der jchwärzlichen Nüdenfärbung. Mir icheint, daß die Murmeltiere des Engadins fich Fonftant von denen aus dem Berner Oberland unterjcheiden Durch helleres Fell und ganz [hwache Spuren von Schwarz auf dem Rüden, während die aus den Berner Alpen im Gegenja dazu dort immer eine dunkle Binde oder einen Mantel tragen.” Senauen Auffchluß über den gegenwärtigen Murmeltierbeftand in der Schweiz geben auf Grund amtlichen Material fomwoh! das Eidgenöffiiche Oberforftinipeftorat in Bern als Dr. Fischer-Sigwart vom Aargauifchen Tierfchugverein in Zofingen. (Briefe an Hed vom September 1908.) Danad) war da3 Murmeltier in der Schweiz „ettva um die Mitte des 19. Sahrhunderts fo zurücdgegangen, daß e3 angezeigt erjchten, Maßregeln zu treffen, um diefe Wildart zu erhalten. Diefe Maßregeln hatten Erfolg, und gegenwärtig ift das Murmel- tier in allen Schweizer Alpen häufig... Das Murmeltier findet jich als ftändiger Bewohner unjerer Alpen in der Höhenzone von ca. 1600— 3000 m-üt. M. beinahe überall mehr oder weniger zahlveich vor, und zwar meift am Fuße und in der Umgebung von fonnig gelegenen, mit ettvas NRafen beffeideten Geröllhalden. &3 wirft im Juni oder Juli 4—5 Junge und vermehrt fich daher in Gegenden, wo ihm nicht zu jehr nachgejtellt twird, rajch, objchon es unter dem Naubwild viele Feinde zählt, wie Fuchs, Marder, Uhu, Kolfraben, namentlic) aber den Adler. Seitens des Menjchen wird ihm am gefährlichjten das Ausgraben während feines Winterjchlafes, das, wenn aud) durch das Gejeß verboten, in einigen Gegenden nod) ziemlich Häufig betrieben wird.” Die neuerliche Vermehrung des Murmeltieres erklärt fich duch die „Bannbezirke”, in denen jegliche Jagd verboten ift, und die daher jeit 1876 auf Die Erhaltung und Hebung der fchweizerijchen Tierwelt jo außerordentlich jegensteich gewirkt haben. Bis zum Sahre 1884, aljo nach achtjährigem Beftehen der Bannbegirke, Hatten jich in ihnen die Murmeltiere fchon jo vermehrt, „daß eine auch nur annähernde Zählung unmöglid) war”, und heute ift „in manchen Alpengegenden, fo im Kanton Glarus, das ‚Munfenfleijch‘ während der offenen Sagdzeit tagtägliches Gericht”. Auf manden Freibergen „it die Zu- nahme fo bedeutend, dak auf Klagen der Bodenbejiser hin wegen Bejchädigung ihrer Alpenmiejen durd) zahlreiche Baue der Murmeltiere wiederholt ein Abjchuß durd) die Wild- hüter vorgenommen werden muß... Daß das Murmeltier in der Schiveiz auc) außerhalb der Sagdbanngebiete noch ziemlich häufig vorkommt, bewveift auch die Jagdftatijtif des Kantons Graubünden. Nach amtlichen Erhebungen tourden in diefem Santon während der offenen Jagdzeit (vom 7.—25. September) im Jahre 1906: 3160 Stück, 1907: 4404 Murmel- tiere exlegt.” Al neuefte, in diefem Jahrhundert gelungene Wiedereinbürgerungsverjuche verzeichnet das Eidgenöfjtiche Oberforftinjpeftorat die im Bannbezirk Dent de Broc (Kanton Jreiburg), Säntis, Creur du Bent (Kanton Neuenburg). Der Srafauer Mujeumskuftos Schauer jagt 1865 („Die Murmeltiere und Ziejelmäuje . Polens und Galiziens”): „Der Goral, Gebirgsbetvohner, nennt diejes Tier Swistak, auc) Swiszez, von swistac, pfeifen. Wirft man einen Blie auf die Landkarte, jo wird man finden, daß die galiziiche Grenze fich plößlich auf die Tatra, auch Zentralfarpathen genannt, Drängt und ihren höchften Punkt auf der 7000 Fuß hohen Swinica erreicht. Innerhalb diefer Grenze gibt es Heute feine Murmeltiere mehr, noch bemerkt das aufmerkfjame Auge Stellen, too jie in Alpenmurmeltier: Verbreitung. Anfiedelung. 469 früheren Jahren ausgegraben wurden.” Biel; („Wirbeltiere Siebenbürgens”, 1888) nennt da3 Murmeltier „auf unferen Hochgebirgen äußerft felten und wahrfcheinlich durch die Schäfer- hunde fast überall ausgerottet”. Kaum bejjer jtellt Kocyan in jeinen „Säugetieren der Nord- Tatra‘ (1887/88) die Sachlage dar. „Der Menic) ist des Murmeltieres größter Verfolger; es werden im Spätherbjte ganze Zamilien ausgegraben und getötet. Der ungarische Karpathen- berein, der galizische Tatraverein und die phyliographiiche Kommijjion verwenden viele Geld- opfer zum Schuße diejer Tiere und der Gemjen; jonjt wären beide an der Nordjeite längjt ausgerottet.” Neuerliche Mitteilungen 2. vd. Möhelys, des maßgebenden Kuftos am Budapefter Nationalmujeum (Brief an Hed vom September 1908), beftätigen, daß das Murmeltier „vom ganzen ungarischen Hochlande befannt“ ijt und „noch in den vierziger Jahren vorigen Jahr- hunderts ziemlich allgemein verbreitet” war, aber „in neuerer Zeit an den meijten Standorten jpärlich geworden, hier und dort auc) ganz verjchtwunden” ijt. Jmmerhin gibt es in der Hohen Tatra heute noch mindefteng zehn gut bejeßte Standorte, die zum Teil geradezu nad) dem Murmeltier (Svistova) heißen (Murmeltiertal, Durmeltiertürme, Groß-NRabenberg). Das hat der Wiener Zagdichriftiteller Camillo Morgan an Ort und Stelle jich bejtätigen und von einem alten, überall dort bewanderten Karpathenjäger den Gejamtbeftand auf etiva 1300 Stüd ab- jehäßen Yajjen. — Nicht minder interefjant und für den Shitematifer ganz bejonders wichtig ericheint aber Morgan Feititellung, „Daß die Niedere Tatra überhaupt erft etwas über fürtfzig Sahre mit Murmeltieren bejiedelt ift und vordem jolche gar nicht bejaß”, die Murmeltiere von dort aljo für Artunterjcheidungg- und Verbreitungsfragen nicht in Betracht fommen Fünnen. War doc) jelbjt von der zuftändigen Ausfunftsitelle, der Herzoglich Sachjen-Koburg-Gothai- jhen Forftdireftion, die auf Veranlajjung des lebhaft für die Sache Jich interejjierenden Prinzen Leopold befragt wurde, nicht mehr mit Sicherheit zu erfahren, woher das eine oder die zwei Baar Murmeltiere ftammten, die jie jeinerzeit in ihrem Tatrarevier Drlopa auıs- gejegt hatte! Bon diejen ijt aber, nach Morgan und feinen Gewährsmännern, der heutige Beitand in der Niederen Tatra abzuleiten. Wenn man übrigens jchon in den verjchiedenen __ Gebieten der Alpen jelber verjchiedene Murmeltierformen unterjcheiden fann, jo wird man bon Ddiejen aud) das Karpathenmurmeltier unterjcheiden können; allem Anjchein nad) fehlt es den Mujeen nur vorläufig noch an genügendem Unterjuchungsmaterial. Sm Sahre 1885 lieg Graf Rudolf Gzernin-Morzin im Revier Peter, bei der jo- genannten Blauhöhle im Niefengebirge, zwei Baar ausjegen. Diejer Verjuch verlief aber anjcheinend im Sande, ebenjo wie der, den „die Altenburger Forjtverwaltung vor längeren Sahren in dem unteren Neinftedter Grund“ machte. Über fein Ende gelegentlich eines Fuch$- graben berichtet „Wild und Hund“ 1906 nad) der „Senatjchen Zeitung“: „... Derausgrabende erfahrene Raubzeugfänger befam in der engen Röhre den Kopf des Tieres zu Geficht, hielt es für ein altes, jtarfes Kaninchen und verjuchte es daraufhin gleich mit der Hand auszuheben. Das Tier big ihm aber beinahe den Finger durch; Auch einen Dahshund jhidte es mit jchweißendem ange heim, jeste jich aljo jehr energifch zur Wehr. Man hörte es im Bau ein jtarfes Pfeifen ausjtoßen.” Als e3 endlich gelang, das Tier mittel3 Zange und Schlinge aus- zuheben, entpuppte es jich alß ein jtarfes männliches Alpenmurmeltier. „ES ijt ein altes aus- gewachjenes Eremplar und haufte jicher Schon mehrere Jahre in dem abjeitS gelegenen Bau. Bereits vor einigen Jahren ift in dem benachbarten Sagdrevier bei einer Treibjagd ebenfalls ein Murmeltier gejchofjen worden, möglicherweije das weibliche Tier von dem jegt gefangenen.“ Das „Pyrenienmurmeltier” erbt jich zwar in der allgemeinen Naturgejchichte von Bud zu Bud) fort; wenn man aber auf die maßgebenden Quellen zurücdgeht, verflüchtigt 470 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hörnchenartige. c3 fich volffommen ins Sagenhafte. Schon in dem 1878 erichienen „Catalogue des Mammi- 5, feres des Pyrenses“ von Trutat-Touloufe juchen wir e3 vergebens, und Graells’ „Fauna Mastodontologica Iberica“ von 1897 enthält es erjt recht nicht. Mit Matjchie dürfen wir aljo an jeiner Eriftenz zweifeln. — Warum das Murmeltier im Kaufafus fehlt, bedarf wohl be- Sonderer Erflärungsgründe, die einftweilen wohl noch nicht zu geben find. „Daß ihm jedoch Breitengrade mit immer telativ Hoher Temperatur, in denen e3 jeines Winterjchlafes ent- behren muß, nicht zufagen, beweift fein Mangeln im Süden Europas, während e3 anderjeits wohl Hauptfächlich aus dem entgegengejesten Grunde den nördlichen Gebirgen in unjerer Zeit ebenfalß fehlt. Doch müffen feiner Eriftenzunfähigfeit jelbit im füdlichen Norwegen 3.8. noch andere Urfachen zugrunde liegen, 5. ®. das zu tiefe Einfrieren de3 Bodens ujiv., mern wir bedenfen, daß in den Zentralalpen fo hoch oder Falt gelegene Giedelungen ge- funden werden, daß fie dem Murmeltier nicht mehr als jährigen Aufenthalt in wachen- dem Zuftand geftatten.” (Girtanner.) - Das Sommerleben ift, laut Tjeyudi, jehr furzmweilig. Mit Anbruch des Tages Eommeit zuerit die Alten aus der Röhre, ftreden vorfichtig den Kopf heraus, jpähen, horchen, wagen fi) dann langfam ganz hervor, laufen etliche Schritte bergan, jeben jich auf die Hinter- beine und mweiden hierauf eine Weile mit unglaublicher Schnelligkeit das Fürzefte Gras ab. Bald darauf ftreden auch die Jungen ihre Köpfe hervor, Hufchen Heraus, meiden ein wenig, liegen ftundenlang in der Sonne, machen Männchen und fpielen artig miteinander. Alle Augenblide fehen fie fich um und bewachen mit der größten YAufmerkjamfeit die Gegend. Das erite, das etwas Verdächtiges bemerkt, einen Raubvogel oder Fuchs oder Menjchen, pfeift tief und laut durch die Nafe, die übrigen wiederholen e3 teilweife, und im Nu find alle verjchtvunden. Bei mehreren Tieren hat man ftatt des Pfeifens ein lautes Kläffen gehört, woher wahrjcheinlich der Name Miftbelleri fommt. Db fie aber überhaupt eigentliche Wachen ausftellen, ift nicht entjchieden. Mehr jichert fie ihre mäßige Größe und [dwarzgrau- gelb gemijchte Schußfarbe vor der Gefahr, bemerkt zu werden, und ihr Auge, befonders aber ihr Ohr und Geruch find fehr fcharf. Während des Sommers wohnen die Murmeltiere ein- zeln oder paarweije in ihren eigenen Sommermwohnungen, zu denen I—4 m lange Gänge mit Seitengängen und Fluchtlöchern führen. Diefe find oft jo eng, daß man faum eine Fauft glaubt durchzwängen zu können. Die losgegrabene Erde werfen jie nur zum Heinjten Teile hinaus; das meifte treten jie oder Schlagen jie in den Gängen feft, die dadurc) hart und glatt werden. Die Ausgänge find in der Regel unter Steinen angebracht. In ihrer Nähe findet man ojt eine ganze Anzahl kurzer, bloß zum Verjteden bejtimmter Löcher und Röhren. Der Kefjel ift wenig geräumig. Hier paaren fie fich, wahrjcheinlich im April, und das Weibchen wirft nad) 6 Wochen 2—4 Junge, die jehr jelten vor die Höhle fommen, bis jie etivas herangewachjen find und bis zum nächiten Sommer mit den Alten den Bau teilen. Gegen den Herbjt zu graben jic)h die Murmeltiere ihre Winterwohnung, die jedoch jelten tiefer al3 bis 1%, m unter den Rajen hinabgeht. Sie ift immer niedriger im Gebirge gelegen als die Sommermwohnuntg, die oft fogar 2600 m über dem Meere liegt, während die Vinterwohnung meift in dem Gürtel der oberjten Alpenweiden, oft aberauch tief unter der DBaumgrenze angelegt wird. Dieje num ift für die ganze Familie, die aus 5—15 Stüd beiteht, berechnet und daher jehr geräumig. Der Jäger erfennt die bewohnte Winterhöhle jomohl an dem Heu, das vor ihr zerftreut Tiegt, alß auch an der gut mit Heu, Erde und Gteinen bon innen verjtopften, aber bloß fauftgroßen Mündung der Höhleneingänge, während die Köhren der Sommerwohnungen immer offen find. Nimmt man den Bauftoff aus der Ulpenmurmeltier: Berbreitung. Sommerlchen. Winterrmohnung. Bewegung. 471 Nöhrenmündung weg, fo findet man zuerjt einen aus Erde, Sand und Steinen wohl- gemauerten, mehrere Fuß langen Eingang. Berjolgt man nun diefen fogenannten Zapfen einige Meter weit, jo jtößt man bald auf einen Scheideweg, von dem aus zwei Gänge fich jortjeßen. Der eine, in dem jich gewöhnlich Lofung und Haate befinden, führt nicht weit und hat wahrjcheinlich den Bauftoff zur Ausmauerung des Hauptganges geliefert. Diejer erhöht fich jett allmählich, und nun ftößt der Jäger an feiner Mündung auf einen weiten Steffel, oft 8-10 m bergmärts, das geräumige Lager der Winterfchläfer. €3 ift meift eine eirunde, badofenförmige Höhle, mit furzem, weichem, dürrem, gewöhnlich rötlichbraunem Heu angefüllt, das zum Teil jährlich erneuert wird. Bom Auguft an fangen nämlich die Murmeltiere an, Gras abzubeißen und zu trodnen und mit dem Maufe zur Höhle zu ichaffen, - und zwar jo reichlich, daß e3 oft von einem Manne auf einmal nicht weggetragen werden fann. Man fabelte früher von diejer Heuernte jonderbare Sachen. Ein Murmeltier follte jich auf den Ritden legen, mit Heu beladen lafjen und jo zur Höhle wie ein Schlitten gezogen werden. Zu diefer Erzählung veranlafte die Erfahrung, daß man oft Murmeltiere findet, deren Rüden ganz abgerieben ijt, was jedoch bloß vom Einjchlüpfen in die engen Höhlen- ‚gänge herrühtt. Außer diefen beiden Wohnungen hat das Murmeltier noch befondere Flucht- töhren, in die es jich bei Gefahr verjteckt; wenn es feine Höhle nicht erreichen fanı, ver- birgt e3 jich unter Steinen und in Feljenklüften. Die Bemegungen des Murmeltieres jind jonderbar. Der Gang namentlich ift ein Höchjt eigentümliches, breitipuriges Watjcheln, wobei der Bauch faft oder wirklich auf der Erde jhleift. Eigentliche Sprünge Habe ich die Murmeltiere, meine gefangenen mwenigjteng, niemals ausführen jehen: jie jind zu jchwerfällig dazu. Jm Berliner Zoologifchen Garten befand jich jedoch 1908 eins, das ganz gemohnheitsmäßig eine recht anjehnliche Sprungleiftung bolfführte. E3 jprang vom Boden des vertieften Geheges 1m hoch auf einen Baumjchüter aus Eijenftäben und von da 1,2 m weit auf das Aufjasgitter, das die Futtermauer de3 Geheges Frönt. Dort blieb es in aufmerfjamer Haltung fiten und ftürzte fich mit lauten PBiiff wieder in die Tiefe, jobald jemand fich näherte. Höchft jonderbar fieht das Murmeltier aus, wenn e3 einen Kegel macht; e3 jiht dann ferzengerade auf dem Hinterteile, jteif mie ein ©tod, den Schwanz jenfrecht vom Leibe abgebogen, die Vorderarme jchlaff herab- hängend, und jchaut aufmerkfjam in die Welt hinaus. Beim Graben arbeitet e3 für gemöhn- lich Tangjam, nur mit einer Pfote, bis es einen Hübjchen Haufen Erde Yosgefrabt hat; dann wirst es dieje Durch jchnellende Bewegungen mit den Hinterfüßen weiter zurütc, und endlich jchtebt e3 jie mit dem Hinterteil vollends zur Höhle hinaus. Während des Grabens erjcheint es Häufig vor der Mündung feiner Röhre, um jich den Sand aus dem Fell zu jchütteln; hierauf gräbt e3 eifrig weiter. Aus unmittelbarer Beobachtung in der halb zahmen St. Galler Kolonie jchildert Girtanner das Grabvermögen des Murmeltieres folgendermaßen: „Bei günftiger Bodenbejchaffenheit gräbt e3 jich rajch jehr tief ein, indem e3 dabei oft im Zidzad den am wenigjten Hindernijje bietenden Weg verfolgt; e3 vermag aber auch jehr bedeutende Hindernifje zu überwinden. &3 fannı fich gezwungen fehen, ganz nahe unter der Erdoberfläche Din zu graben oder aber, wie ich dies namentlich einmal mit anjah, fo fteil abwärts, daß e3 bei der harten Arbeit beinahe auf dem Kopfe ftand, während bald fauftgroße, durch die Borderfüße losgemachte Steine und Exrdichollen in Mafje wie aus einem Krater herauf und zwijchen und neben den meitgejpreizten, ebenfalls grabenden Hinterfüßen des in jeiner Angjt wütend arbeitenden Tieres ans Tageslicht emporflogen.” Fre und faftige Alpenpflanzen, Kräuter und Wurzeln bilden die Nahrung des 472 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hörnchenartige. x Murmeltieres. Zu feiner Lieblingsweide gehören Schafgarbe, Bärenklau, Grindmwurzel, Söwenmaul, Klee und Sternblumen, Alpenivegerich und Wajjerfenchel; doch begnügt es fich auch mit dem grünen, ja jelbft mit dem trocenen Grafe, das jeinen Bau zunächit umgibt. Mit feinen fcharfen Zähnen beißt e3 das Fürzejte Gras ichnell ab; e3 erhebt fich auf die Hinterbeine und Hält die Nahrung mit den Vorderpfoten, bis e3 fie gehörig zermalmt hat. Zur Tränfe geht es felten; dann trinkt e3 aber viel auf einmal, jchma&t Dabei und hebt nad) jedem Schlude den Kopf in die Höhe, wie die Hühner oder Gänfe. ©eine ängjtlije Auf- merfiamfeit mährend der Weide läßt e3 faum einen Bifjen in Ruhe genießen; fortwährend richtet e3 fich auf und fehaut fich um, und niemals wagt e3, einen Augenblid zu ruhen, bevor e3 fich nicht auf das forgfältigfte überzeugt hat, daß feine Gefahr droht. Diele Beobachtungen des Freilebens des Murmeltieres zeigen, um Girtanner3 Wort- ipiel zu wiederholen, „daß es nicht nur ein pfeifendes, jondern auch ein pfiifiges Gejchöpf ijt, nicht bloß ein Freund harmlofen Spiels, fondern aud) ein Mufter von Wachjamfeit und Borficht, durchaus nicht allein der iprichwörtliche Langfchläfer, Faulpelz und Tagdieb, fondern ein fleißig arbeitender, mit allen Umftänden rechnender Kolonift, und nicht der icheue, furchtiame Höhlenbewohner bloß, fondern, wern Not an den Mann geht, noch viel mehr ein Huger und tapferer Kämpe für fein und der Geinigen Sicherheit und Leben”. Girtanner gibt dann noch einige Bewveife für feine Wehrhaftigfeit und feinen mit Klugheit gepaarten Mut. „So berichtet Fatio, daß, als in das Gehege einer von ihm gefangen gehal- tenen Marmotte einft eine ftarfe Kate eindrang, jene jofort attacierend gegen Ddieje vorging, jie beim Balge nahm, fich jo wütend in fie verbif und mit jolhem Erfolge mit ihr Fampite, daß das Naubtier nur mit Not von dem Nager losgerijjen werden fonnte und [cher ver- wımdet herausgejchafft wurde." „Ein ebenjo gewiljenhafter als erfahrener Beobachter der Alpentiere feiner Heimat” erzählt „ven Kampf eines Murmeltieres mit feinem blutigjten Feinde, dem Steinadler, dem er in den Öraubündner Bergen zuzujehen Gelegenheit hatte... Ein Steinadler hatte eine alte Marmotte entiveder ziemlich weit vom ficheren Bau abzu- treiben gewußt, was er ftet3 gern tut, wenn die Bodenbejchaffenheit für den Stoß aus der Luft herab ungünftig ift, oder er hatte fie entfernt vom Bau überrafcht." Er fonnte feinem Wilde aber nicht beifommen, „da die zivar geängftigte, den Kopf aber über der Gefahr den- noch nicht verlierende Marmotte fich einfach nicht auf freien Boden hinausjagen Tieß”, jondern fich „in einem Zoche des Kars” verftect hielt. Der Adler lief jich deshalb in nächjter Nähe nieder, um jie „beim erjten Erjcheinen mit rafhem Griff des mächtigen Yanges zu faffen”. Die Anderung feiner Taktik Hatte jedoch nur eine wenigftens ebenjfo große und ttige feitens der Gejagten zur Folge. „Plößlich Fährt fie wie bejejjen aus ihrem Loc) heraus direft gegen die Beine de3 fast unmittelbar über ihr jtehenden Feindes los. Der auf dieje Kriegsführung wohl nicht bejonnene Adler ... macht ... einen hohen Luftiprung, den fie ihrerjeits blißfchnell zu einigen Fühnen Säben unter ihm durch Heimmwärts benußt, um jich ebenjo fehnell wieder in dem Töcherreichen Gejelje zu verlieren.” Der Adler will wieder tiber ihr feften Fuß faffen. „Ehe er dies jedoch völlig zu tun imftande ift, fährt unfere Marmotte jchon wieder heraus. Der Adler, gerade in diefem Augenblic nicht mehr fliegend und noch nicht ftehend, Fan twieder nicht zufaffen und fliegt wieder auf, während die Par- motte, alle Vorteile des Terrains und die befte Richtung der Flucht gleichgut im Auge be- haltend, wieder dahinflieht, bis fie die Fittiche ihres Feindes aufs neue über fich raufchen hört, der jich juft niederfegen will, während fie genau das gleiche Experiment mit beftem Erfolge wiederholt.” Der Beobachter fieht dann noch „nach mehrmaliger Wiederholung Alpenmurmeltier: Nahrung. Geiftiges Wefen. Ausmufterung. 475 diejer prächtigen Szene” da3 Murmeltier in feinen Bau verjchwinden, jchnell den Kopf twieder herausftreden und hört e3, „dem Moler und jedem, der fonft noch auf der großen Bühne der Alpenwilonis aufrichtigen Anteil an feiner Errettung nehmen wollte”, durch eiiten Riff „feine glüchiche Ankunft verkünden“. „Eine in mancher Hinjicht ähnliche, jedenfalls nicht weniger jeltene und abjonderliche Degebenheit” jah Girtanner im Sommer 1886 in der ©t. Galler Kolonie: „zwei junge, jedoch ziemlich ausgetvachjene, von einem Murmeltier unter hejtigem Gepfeife in gejtrecdtem Galopp verfolgte Jagdhunde ... Schweizer Laufhunde.” Dieje waren in das Gehege ge- drungen und hatten angefangen, „alle Höhleneingänge aufzujuchen und ihre Najen hinein» aufteefen, fuhren jedoch gleich darauf erjchroden und zumeilen laut quiefend zurüd, den rich- tigen Empfang eines Najenftübers” von dem den Eingang bewachenden Murmeltier be- ftätigend. Einer alten, ftarfen Marmotte genügte diefe Abwehr aber nicht. „Hochaufgerichtet jteht fie plößlich vor ihrem momentan nicht belagerten Bau; fünfmal, zehnmal jchmettert rasch nacheinander ihr Pfiff den Feinden entgegen, die num aber, hierdurch wohl mehr ge- lodt al vertrieben, angreifend vorgingen. Da wendet jic) das Blatt, und das unmöglich Scheinende gejchieht — die Marmotte rennt in weiten Sprüngen auf die Hunde os, die Furchtbarfeit ihres Angriffes durch Fampfmutiges Pfeifen aufs Höchfte fteigernd. Den Hunden geht es genau wie dem Adler; fie find völlig perpler, ftuben, die Heine Marmotte ijt ja gleich an ihren Füßen; dann fneifen fie wahrhaftig aus, verfolgt von dem tr ge> jtredtem Galopp neben ihnen herrennenden und an fie hinaufpfeifenden Murmeltier, bis in die Ede des Geheges, two fie fich wohl Stellen müfjen. Aber num läßt ihnen dieje wieder feine Zeit zum Angriff, eilt vielmehr jpornftreich dem Baue zu, unterläßt es indejjen de3- halb doch nicht, in die am Wege liegenden Höhlen den Kopf einen Yugenblid hineinzufteden... An ihrem Bau angelangt, verfriecht fie fich nicht; wieder richtet fie jich Hoch auf, und wenn auch jichtbar angjtvoll erregt und hart fehnaufend, ift fie doch bereit, auch meiter fich zu _ wehren. Und wieder fommen die Hunde, und wieder rennt fie ihnen entgegen, verfolgt jie bis zur Einjtiedigung, und nochmals zieht fie fich im richtigen Moment zurüd bis vor ihren Bau; da endlich werden die Hunde abgerufen. Sobald hiermit die Marmotte die Gefahr al3 bejeitigt erfennt, eilt jie vor allem von einem Höhleneingang zum andern, was zur Folge hat, daß die Murmeltiere jehr rajch zum Borjchein fommen und ohne lange Be- denfen ihr frohes Treiben wieder aufnehmen.” „us dem Leben des Alpenmurmeltieres“ berichtet Girtanner („Zool. Garten“, 1903) noch einen merkwürdigen Zug, der an die fogenannten Storchgerichte erinnert. Ganz wie dieje hört e3 fich an, wenn ihn Anfang Dftober — aljo unmittelbar vor Bezug der Winter- baue — der Tierwärter des St. Galler Wildparfes mit der Mitteilung überrajchte, Die Murmeltiere Hätten zu feinem Erjtaunen große VBerfammlung abgehalten, und e3 hätten jich dann mehrere von ihnen wie auf Kommando auf ein einzelnes Exemplar gejtürzt und es Durch wütende Bilje in furzer Zeit getötet, was er jonft noch niemals beobachtet habe. Das duch die Mordgefellen Tiegengelafjene Tier erivies fich al3 jehr alt und zum Gfelett ab- gemagert. Ausftoßung und Tötung alter und kranker Stüde ift bei gejelligen Tieren eine gewöhnliche Erjcheinung, deren Nuten für die Gejamtheit auf der Hand liegt; derartige Stüde pflegen fich meift fchon von felbft abzufondern, zu verjteden und zu verkriechen. Daß nun bei ven Murmeltieren diefe Yusmufterung gerade unmittelbar vor Bezug des geniein- jamen Winterbaues ftattfindet, erklärt fich wohl ganz ungeztvungen daraus, daß dann eben die Tiere fich enger zufammenjchließen und das eine den Zuftand desandern genauer wahrnimmt. 474 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hörnchenartige. Wie die meiften Winterjchläfer find die Alpenmurmeltiere im Spätjommer und Herbit ungemein fett. Sobald nun der erjte Froft eintritt, frejjen jie nicht mehr, trinten aber nod) viel und oft, entleeren jich fodann und beziehen nun familienweije die Vinterwohnungen. Bor Beginn des Winterjchlafes wird der enge Zugang zu dem geräumigen Sejjel auf eine Strede von 1—2 m von innen aus mit Erde und Steinen, zwijchen welche Lehm, Gras und Heu eingefchoben werden, gejchidt und fejt verftopft, jo daß das Ganze einem Gemäuer gleicht, bei dem das Gras gleichjam den Mörtel abgibt. Durch diefe Bermauerung tvird die äußere Luft abgefchloffen und im Inneren durch die Ausftrahlung des Körpers jelbjt eine getvilje Wärme hergeftellt. Der mit dirrem Heu ausgepoljterte und ringsum ausgefütterte Kefjel bildet für die ganze Gejellichaft das gemeinjame Lager. Hier ruht die Familie dicht beieinander. Alle Zebenstätigfeit ift aufs äußerfte herabgeftimmt, jedes Tier liegt tegung3los und Falt in todähnlicher Erftarrung in der einmal eingenommenen Lage. Jm Frühjahr er- icheinen die Murmeltiere in jehr abgemagertem Zuftande vor der Offnung ihrer Winter- wohnung, fehen jich jehnfüchtig nad) etwas Geniekbarem um und müjjen oft weit wan- dern, um an den Eden und Kanten der Berge, da, two der Wind den Schnee mweggetrieben hat, etwas verdorrtes Gras aufzutreiben. Diejes überwinterte Gras ift im Anfang ihre Hauptnahrung; bald aber fprofjen die jungen, frijchen, jaftigen Alpenpflanzen und ver- ichaffen ihnen wieder Kraft und Fülle. Sn das mwiljenschaftliche Verjtändnis des Winterjchlafes find wir gerade beim Alpen- nurmeltier durch die Forfehungen Cuenots, Regnaults, Manglis, namentlich aber durch die Verjuche von Raphael Dubois- Paris, ©. Albini-Neapel und Weinland und Riehr München während der beiden legten Jahrzehnte tiefer eingedrungen. Das Tier beginnt da- mit, daß e8 die Schnauze gegen den After drückt, Augen und Maul jchließt. E3 ann dann wie eine Kugel gerollt werden, ohne zu erwachen. Magen und Darın jind leer von Nah- rung, nur der Maftdarın mit einer dem Kindspech ähnlichen Mafje angefüllt. Die zufammen- gefallenen Zungen enthalten wenig Luft; das Tier Haucht etiva-dreigigmal weniger Kohlen- jäure aß fonft aus, in den Lungengefäßen befindet jich aber viel Blut. Der Herzichlag jinft auf T/, gegen den wachenden Zuftand. Ar zwei Monaten verliert der Schläfer nur 200— 300 g an Gewicht (aljo etwa !/,); er it jelbjt gegen tiefe Wunden wenig empfind- lich, das Auge für Lichteindrüde ganz unempfindlih. Bei eleftriihen Schlägen‘ erwacht er nicht, jondern erjt nach fortgejegtenm Galvanijieren. — Dubois hat jeine Unterfuchungen am ausführlichjten in den von der Univerfität Lyon herausgegebenen Annalen (1896) ver- ‚öffentlicht und gefunden, daß der Winterjchlaf fih vom gewöhnlichen Schlaf nur durch jeine längere Dauer, größere Tiefe, d. h. viel ftärfer herabgejebte Sinnesempfindlichkeit, viel jtärfer verlangjamten Stoffwechjel und einen niedrigeren Stand der Wärme unterjcheidet. Er überwinterte feine bei Beginn des Winters rich gefangenen Berjuchstiere in Keller- räumen bei ziemlich gleichbleibender Temperatur. Mit Beginn des Winters werden Die Zeiten de3 gewöhnlichen Schlafes immer länger, die wachen Perioden immer fürzer — ein Zuftand, der ettwva 14 Tage dauert; dann mwechjeln Schlafperioden von 3—4 4 Wochen mit 12—14 Stunden des Wachjeind. Am Ende der Übermwinterung treten wieder 14 Tage mit immer fürzer werdenden Schlafperioden auf. Das Verjchwinden und Wiederauftreten der aktiven Lebensbetätigung erfolgt in der gleichen Reihenfolge wie bei dem Eintritt und Aufhören einer allgemeinen Narfofe. Abjolutes Fajten wird 6 Monate lang ohne Schaden ertragen. Während des Schlafes enthalten die Eingeweide ftetS Flüffigfeit, namentlic) der Magen einen Saft ähnlich wie bei Alfoholifern und Narkotifierten. Die Verdauung it AUlpenmurmeltier: Winterjchlaf. 475 verlangfamt, aber nicht aufgehoben: alle 3—4 Wochen erwachen die Tiere, um Slot und Harn zu entleeren, weil die Überfüllung der Harnblafe mittel Nefleres zahlreiche Atmung3- beiwegungen bewirkt. Wahrfcheinlich find in der Blaje Juden erregende Btomaine enthalten. Diejer Nefler, gleichjam ein „Weder”, wird jedoch unterdrücdt, wenn in der Blaje eine Filtel angelegt wird, welche die Anhäufung des Urins verhindert. Derlei Tiere werden nicht geiwedt, bleiben ohne Unterbrechung in ihrem Schlafe bis zum Tode. Das Herz und die großen Gefäße der Bruft und des Unterleibes find bei den Winterjchläfern ungewöhnlich jtarf entmwidelt; dorthin drängt das Blut während der Zeit des Winterjchlafes, während das Gehirn und feine Häute wenig blutreich find. Der Sauerftöffverbrauch bei der Atmung be- trägt während des tiefen Winterfchlafes 1/,, bis !/;, des normalen. Das Venenblut ift reicher an Kohlenfäure. Die abjolute Zahl der roten Blutkörperchen nimmt im Winterjchlaf ab, die relative Menge (gegen die weißen) ift dagegen erhöht. Aus den vergleichenden Beobach- tungen über den Gehalt an Öfyfogen (tierijcher Stärke) in der Zeber und den Zudergehalt des Blutes ergibt fich, daß im Wachen Kohlehhdrate, im Schlafe Fette verbrannt werden. - Der Harn wird durch Rüdreforption des Wajfjers fonzentriert und während des winterlichen "Sajtens fauer tie bei Sleijchfreffern. Vergebens fuchte Dubois nach giftigen, [chlafmachenden Stoffen im Organismus und in den Auzjcheidungen der Murmeltiere; dafür fand er aber bei der Analyje der Blutgaje jehr wichtige NRejultate. Der Sauerjtoffgehalt des arteriellen Blutes im Zuftande des Wachens und der Erftarrung tft ungefähr derjelbe; er war jtet3 Hoch, im Mittel 0,16 cem pro 100 cem Blut. Hingegen war die Gejamtmenge der Blutgaje im ichlafenden Zuftande viel Höher, durchjchnittlich 0,87 cem gegen 0,60 ccm im wachen Zu- jtande. Diejer Unterfchied beruht auf der Kohlenjäure, welche, jchon während des winterlichen Fajtens jehr reichlich, von 0,42 cem auf 0,71 cem jteigt, wenn das Tier in Erjtarrung fällt, und bis zum Ende des Winterjchlafes jich noch weiter vermehrt. Dieje jtarle Anhäufung erklärt fich nicht allein durch die Langjamfeit des Blutumlaufes und der Atmung infolge der fortjchreitenden Abfühlung, jondern auch und vor allem durch die leicht nachtweisbare Konzentration des Blutes, die Entwäjjerung desjelben (deshydration). Die Anhäufung _ der Kohlenjäure im Blute und die Entwäjjerung desjelben führen eine Selbjtbetäubung (Autonarfofe) und Selbjtabfühlung (Uutohypothermie) herbei. Ferner fand fich im Blute der jchlafenden Tiere eine größere Menge Azeton als beim mwachenden, und das Azeton verlängert, wie durch Verjuche nachgemwiejen wurde, den Winterjchlaf. Daher betrachtet Dubois den Winterjchlaf des Murmeltieres als eine Autonarkofe durch Kohlenjäure und Azeton. Daß die Erniedrigung der Temperatur der Umgebung nicht ausreicht, um den wahren, tiefen, mit entjprechender Abfühlung des Tieres verbundenen Winterjchlaf bet ven Murmeltieren hervorzurufen, hat G. Albini ducch Verfuche bewiejen, die zeigten, daß ein Murmeltier, durch ftarfes Cleftrifieren aus dem Winterichlaf geweckt und mit Nahrung ver- jehen, wach bleibt und frißt, auch bei weit niederer Temperatur als diejenige ijt, bet melcher die Murmeltiere in den Winterjchlaf zu verfallen pflegen. — Weinland und Riehl haben den Gasmechjel beim minterjchlafenden Murmeltier unterjucht („Zeitjchrift für Biologie”, 1907). Der Gasmwechjel, d.h. die Beziehungen zmwijchen der Menge eingeatmeter Luft und aus- geatmeter Kohlenjäure, geftattet nämfich Rücjchlüffe auf die Lebensvorgänge. Bon tiefiter Schlaf, in dem die Kohlenfäureproduftion des ungefähr 3 kg jchweren Tieres pro Stilo- gramm und Stunde unter 50 bis höchftens 200 mgr beträgt, bis zum Wachjein, in dem die Kohlenjänreausiheidung pro-Kilogramm und Stunde um 1000 mgr ausmacht, zeigen jic) Schwankungen in der Kohlenjfäureproduftion, die fich auf rund das Zwanzigfache belaufen, 476 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hörndhenartige. und e3 ijt verftändlich, daß dementjprechend die Wärmeproduftion, die ihren Ausdrud in der vermehrten Kohlenfäureausatmung findet, im Wachjein jo außerordentlich viel größer it al im tiefjten Schlafe. Das Interejjantefte aber ift der Vorgang im Tier, der das Auj- wachen vom Schlaf zum Wachzuftand Ieiftet, und in wenigen Stunden das Tier aus der niederen Temperatur von vielleicht 9° C auf die Temperatur des Warmblüters bringt. Es it Hat, daß hierfür ein bejonders reichlicher Stoffverbrauch, eine befonders ftarfe Verbren- nung organischer Subftanz ftatthaben muß, und dementjprechend jehen wir das Murmel- tier in diefem Zeitabjchnitt eine ftündliche Kohlenfäureproduftion aufweijen, die nod) weit über die des wachenden Tieres hinausgeht, nämlich bis zu 2200 mgr Kohlenfäure pro Kilo- gramm und Stunde. E3 zeigte fich auch, daß beim Aufwachen gegenüber den Fettverbraucd) während des Winterfjchlafes ein neuer chemifcher Vorgang in den Vordergrund tritt, näme- lich die Verbrennung von Kohlehydraten, d. h. in erjter Linie von Ölyfogen, das die Tiere während der ganzen monatelangen Dauer des Winterjchlafes, die ohne Nahrungsaufnahme ablaufen fann, immer in anfehnlicher Menge in ihren Körper, in Leber und Musfeln, aufgejpeichert enthalten. Sagd und Fang des Murmeltieres haben mancherlei Schwierigkeiten. Der heran- nahende Säger wird fast regelmäßig von irgendeinem Öliede der Gejellichaft bemerkt und den übrigen durch helles Pfeifen angezeigt. Dann flüchten alle nad) dem Bau und erjcheinen jo bald nicht wieder; man muß alfo vor Sonnenaufgang zur Stelle fein, wenn man ein folches Wild erlegen will. Übrigens werden die wenigften Murmeltiere mit dem Feuer- getvehr erbeutet. Man ftellt ihnen Fallen aller Art oder gräbt fie im Anfange des Winters aus. Schon in alten Zeiten wurde ihnen eifrig nachgeftellt, und in der Neuzeit ift es nicht bejjer geworden. Die Fallen liefern, fo einfach fie find, immer guten Ertrag und vermindern die Murmeltiere um ein Beträchtliches; die Nachgrabungen im Winter rotten jie familien= weile aus. Mit Necht ijt deshalb in vielen Kantonen der Schweiz das Graben auf Murmel- tiere verboten. Ir den Savoyer Alpen ift von folder Bernunft feine Rede; da gräbt man jte, nad) Wütlacil, aus, wo man fan. „Wenn der Savoyer einen Murmeltierbau findet, dann eilt er jogleich ins Tal, um die zum Ausgraben nötigen Gerätjchaften (Spaten, Haden, eijerne Brechjtangen und Spithaden) zu holen. Die erjchlagenen Tiere werden auf die Stiele der Haden gehängt, die lebendigen im zugebundenen Urmel einer Jade nad) Haufe gebracht. Um fie Handelt es fi) bejonders bei der Savoyer Bevölferung: fie jind recht teuer, Ynlagefapital für die mwanderluftigen Savoyarden, die früher noch viel mehr wie jest mit zahmen Murmeltieren umherzogen. Die Baue werden ‚Küche‘ genannt. Die alten Haben manchmal faum noc, Haare auf dem Nüden, pflegen aber fehr feift zu fein. Ein guter ‚Bär‘ (altes Männchen) hat im September bi Dftober 1—1,5 kg Schmal, und die Murmeltiere find twegen ihres Fettes, das befonders gegen Gliederjchmerzen an- gewendet wird, jehr gejchäßt.“ Welche Rolle das Tier Heute noch in den Bayrischen Alpen fpielt und wie jich die Staat3- gewalt jeiner dort annimmt, darüber berichtet Epenjtein-Berchtesgaden nad) amtlichen Quellen. (Brief an Hed.) „ES findet ein geregelter Vbichuß ftatt (4 Prozent des Bejtandes); die gejegliche Schonzeit ift aber jehr lang, nämlich vom 31. Dftober bis 15. Auguft; Schuf- zeit aljo nur 21, Monate. Das Tier gehört zu dem vom Forjtamt beaufjichtigten Wild, und unbefugter Abihuß wird ftreng beftraft... Das ausgelafjene Fett wird noch vielfach zu Yeilziveden verwendet, 3. B. gegen Sehnenzerrungen und Musfedehnungen, Lura- tionen ujiw. leifchwert des Tieres, das 13—14 Pfund fehiwer wird, je nach Gejchmad! 7 RR N 0702 Bobak. Ulpenmurmeltier. Bobat. 477 Die Jagdgehilfen machen jich einen lederen Braten daraus, lajjen das FFleijch jedoch erjt in Ejfig fiegen, um den Erdgejchmad wegzubringen. m Handel fommt das Fleijch nicht vor. Fettwert (5—6 Pfund) 8 Mark; Fellwert 50 Pfennig. Das Fell ijt wajjerdicht und wird von Schuftern viel zu Hausjchuhen und anderem leichten Schuhtverf verarbeitet... Auch die Zähne des Murmel3 werden viel al3 Zierde auf Hüten, zu Brojchen verarbeitet und haben einen Wert von 2%—4 Mark.” Für die Gefangenjchaft und Zähmung wählt man jich natürlich am lebjten die Jungen. Man füttert fie mit verjchiedenen Pilanzenftoffen und Milch. Gibt man ji) Mühe mit ihnen, jo werden jie bald und in hohem Grade zahın, zeigen jich folgjam und gelehria, lerneıt ihren Pileger fennen, auf jeinen Ruf achten, allerlei Stellungen annehmen, auf den Hinter- beinen aufgerichtet umherhüpfen, an einem Stode gehen ujiw. Das harmlofe und zutraufiche Tier ift dann die Freude von jung und alt, und jeine Reinlichfeitsliebe und Nettigfeit erwirbt ihm viele Freunde. Mit feinesgleichen lebt e3 nicht immer in gutem Einvernehmen; mehrere aufammengejperrtte Murmeltiere greifen nicht jelten einander an, und das jtärfere beißt das jchwächere tot. m Haufe farın man es nicht umherlaufen lajjen, weil es alles zernagt, und der Käfig muß a jtark und innen mit Blech bejchlagen fein, wenn man das Durchbrechen verhindern will. Jm Hofe oder im Garten läßt es jich ebenjowenig halten, weil es jich einen Ausweg verichafft, indem e3 unter den Mauern durchgräbt. Jm warmen Zimmer lebt e3 im Winter wie im Sommer, in falten Räumen rafft es für den Winter alles zujammen, was e3 befommen Fann, baut jich ein Neft und jchläft, aber mit Unterbrechung. Während des Winterjchlafes farın man ein wohl in Heu eingepadtes Murmeltier in gut verjchlojjener Kilte weit verjenden. Übrigens erhält man jelbjt bei guter Pflege das gefangene Murmel- tier jelten länger a3 5—6 Jahre am Leben. Das hängt wohl damit zujammen, daß e3 in der Öefangenjchaft kaum jo regeltecht feinen Winterjchlaf halten Fann wie in der Freiheit. Trogdem hat e3 im Frankfurter Garten 7 und im Hamburger 10 Jahre gelebt. Was das Alpenmurmeltier im Gebirge, ijt der im Rumpf größere und jchwerere, im Schwanz aber fürzere Bobaf, Marmota bobak P.L.S. Müll., in der Ebene: er ijt das ojteuropäiich-ajiatiiche Steppenmurmeltier. Der ziemlich dichte Pelz ijt jahl rojtgelb, auf der Oberjeite infolge der Einmijchung einzelner jchivarzbrauner Haarjpisen etivas dunfler, auf dem Scheitel, an der Schnauze, den Lippen und Mundwinfeln jowie in der Augen- gegend einfarbig bräunlich rojtgelb, am Schwanze dunkel roftgelb, an der Schiwanzjpite \hwarzbraun, der Haargrund oben dunfel graubraun, unten heller braun, an Vorderhals und Kehle graumweißlich. Die Jungen find trüber gefärbt als die Alten. Schauer jchreibt in jeiner Arbeit über „Die Murmeltiere und Ziejelmäuie Polens und Oaliziens” dem Bobaf nach eigener Unterjuchung auch Badentajchen zu, obwohl dieje der Gattung Murmeltiere jonjt fehlen jollen: „man fan den halben Finger einer mittelmäßigen Hand einführen; mit Kraft aufgeblajen, werden jie jo groß wie Walnüjje.” Mit Schauer bleibt zu erwarten, „daß dieje nicht unmwichtige Bemerfung mit der Zeit ihre Bejtätigung findet”. Im Fußbau unter iheidet jich daS Steppenmurmeltier jedenfalls dadurch vom Alpenmurmeltier, daf es am Borderfuß einen Heinen Daumen mit verfümmertem Nagel hat. Bon dem jüdlichen Polen und Galizien an verbreitet jich der Bobaf ojtrwärts durch einen Teil Zentralajiens bis zum Amur. So jteht eg wenigjtens auch im Supplement des Zrouejjartichen Säugetierfataloges noch. Die in der Naturgejchichte üblichen allgemeinen Berbreitungsangaben jind aber beim Bobaf jedenfalls mit derjelben Borficht aufzunehmen RE 478 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hörncdhenartige. wie beim Alpenmurmeltier. Nach Bielz („Wirbeltiere Siebenbürgens“, 1888) fam das polniiche Murmeltier in früheren Jahren ebenfalls (neben dem Alpenmurmeltier) in Sieben- bürgen vor. AS Bewohner der Buforwina wird es von C. v. Hormugzaki beftätigt, der noc) 1897 (Ber. £. £. Zool.- Botan.” Gef. Wien) behauptet, daß er ein bei Czernowiß gefunde- nes Stitd felbft gefehen habe. Die Art jei auch fchon von Schirl bei Zutjchfa erbeutet worden. AUnderjeits fucht Schauer jchon 1865 „zu beiveijen, daß e3 feine Bobak3 in Polen, Galizien und Podolien gibt...” Er will „feed behaupten, daß jich in diefen Ländern Fein Bobak findet”. Auch in Taurien fommt der Bobak heute nicht mehr vor: er ift aus- geftorben. Heck onnte fich aber bei einem Bejuche Friedrich Falz-Feins in Ascania Nova und auf den benachbarten Gütern der Familie im September 1901 überzeugen, daß man auf der Steppe dort heute noch ganz genau jede einzelne Stelle bezeichnen fann, wo einft ein Bobalbau war. Dort ift eine helle, leichte Erde auf den dunkleren, Iehmigen Steppen- boden heraufgeholt und fticht auffallend ab von der Umgebung. Wenn man auf einem Hügel oder Skythengrab in der Steppe fteht, fieht man jo ringsum runde, helle Flede zer- ftreut und fann fich eine Vorftellung machen von der Wohn- und Lebensiveife des Bobaks, die ganz mit der des amerikanischen Präriehundes zu vergleichen ift. — Aus älterer Zeit berichtet dasjelbe aus derjelben Gegend (Nogaische Steppe) U. Pesholdt („Reife im euro- päischen Nußland”, 1864) „von dem Steppenmurmeltier, daS bei den Polen Bobaf, bei den Mleinruffen Baibaf, bei den Großruffen Surof genannt wird und früher im füdlichen Rußland fehr verbreitet war, aber nun Dort als ausgeftorben betrachtet werden fan. Die Bobaf3 graben fadentiefe Gänge und werfen dabei große Erdhaufen auf, wodurd) das von ihnen bejegte Land ganz hügelig wird... Zwar hat der Regen und der jchmelgende Schnee jowie die mit der Zeit zufammenjinfende Iodere Erde viel beigetragen, dieje Hügel viel nied- tiger zu machen, al fie urjprünglich waren; allein fie jtellen jich dafür nur jet um jo breiter dar und haben bei einer Höhe von 1—2 Fuß einen Durchmejjer von 6, Jund 12 Fuß. Da bei ihrer Bildung die tiefer gelegene Exde über den fruchtbaren ehwarzen Grund (Tjehernojem) aufgetworjen wurde, jo jind jte ganz fahl und können Schon dadurd) aus der Ferne wahr- genommen werden. Merkwiürdigerweije dienten die Haufen des Bobak3 den Anfiedlern bei nächtlichen Steppenritten, wenn die Nacht jo finfter war, daß fein Stern Jid) zeigte, früher als Kompaf. Da nämlic) der obere Teil der Röhre mit feiner Offnung genau nad) Süden gerichtet ijt, jo bedurfte es bloß des Abjteigens vom Pferde, wenn man einen Bobafhügel antraf. Dann juchte man durch Umbertaften mit der Hand nad) der Offnung des Ganges und erfuhr jo mit Sicherheit die Himmelsgegend.” („gool. Garten“, 1864.) Bebholdt betrachtete daS Berjchwinden des Bobaß in der Nogaijchen Steppe als Beweis dafür, „daß die Ausbreitung der Arten auch ohne in die Augen fallende äußere Störungen großen Schwanfungen unterliegen und im Laufe der Zeit fich erheblich verändern fann.” Weiter nordöftlich, im Sefaterinoflatwfchen Gouvernement, gibt es noch einzelne Kolonien, und in ven „Bobafhügeln” findet man Stuochen und Zähne des Tieres. sn allen Bobakjiedelungen herrjcht während des Sommers ein ungemein reges und vetriebjames Leben. Die bereit3 im April oder jpäteftens im Mai geborenen Jungen find um dieje Zeit halb ervachjen und treiben e3 fchon ganz wie die Alten, wenn fie auch deren _ Erfahrung nod) nicht bejigen. Mit Sormnenaufgang verlajjen fie mit den Alten den Bau, leden gierig den Nachttau, ihre einzige Qabung in den meift wajjerlojen Steppen, von den Blättern, frefjen und fpielen dann bis gegen Mittag Iuftig auf den vor ihren Höhlen auj- gemworjenen Hügeln, verträumen den heißen Nachmittag auf wohlbereitetem Lager im NT u A A Bobak: Verbreitung. Freileben. 479 Suneren des Baues und erjcheinen gegen Abend nochmals außerhalb des lebteren, um noch einen ymbiß für die Nacht zu nehmen. Ungern nur weiden fie die in unmittelbarer Nähe ihrer Röhrenmündungen wachjenden Sträuter ab, bilden fich vielmehr zwifchen diefen fchmale Pjade, die jie bis zu ihrem oft 40 und 50 m entfernt gelegenen Weidegebiete führen; ebenfo ungern aber begeben fie fich auf Stellen, von denen aus fie nicht in Fürzefter Frift mindeftens einen Notbau erreichen können. Solange feinerlei Gefahr droht, geht e3 in der Giedelung jajt genau in derjelben Weije her wie in einem Dorfe der Präriehunde, und ebenfo ver- Ihmwinden die Bobal3, jobald fie die Annäherung eines Wolfes, Hundes, Adlers, Bartgeier3 oder eines Menjchen wahrnehmen, auf den bellenden, von vielen wiederholten Warnungsruf eines wachjamen Alten hin augenblicklich, nach Art ihrer Berwandtfchaft fopfüber in ihre Löcher jich ftürzend. m Juni beginnen fie mit dem Eintragen der Wintervorräte, betreiben ihre Heu- und Wurzelernte jedoch noch läjjig; [päter werden fie eifriger und fleißiger. Die zunehmende Kühle beläftigt und verjtimmt jie ungemein. Dann fieht man fie am Morgen nach einer kühlen Nacht taumelnden Ganges, wie im Schlafe, langjam von ihren Hügeln jhleichen, und von ihrer Munterfeit ift fortan wenig mehr zu bemerfen. Ir den Steppein Südoftjibiriens ziehen fie ich ziemlich allgemein in der erjten Hälfte des September in ihre Winterbehaufungen zurüc, verjtopfen den Eingang der Hauptröhre wohl 1 m lang mit Steinen, Sand, Gras und ihren eigenen Kote und führen nunmehr bi3 zum Eintritt des Winters noc) ein Halbleben in der Tiefe ihrer Wohnungen. Die Baue haben bei übereinftimmender äußerer Form eine in fehr bedeutenden Gren- zen jchiwanfende innere Ausdehnung und find in der Negel da Am großartigften, wo der Boden am härtejten it. „Gervöhnlich”, bejchreibt Nadde, dejjen Schilderung ich folge, „be- trägt die Entfernung des Lagers von der Mündung des Ausganges 5—7 mm, felten bi3 14 m. Diejer Haupteingang teilt fich oft fchon 1 oder 114 m unter der Oberfläche der Erde gabel- jörmig in mehrere Arme, deren jeder nicht felten nochmals fich fpaltet. Die Nebenarme enden meijtens blind und geben die Stoffe zum Verjchliegen des Haupteinganges her. Alle aber, welche nicht blind enden, führen zu der geräumigen Schlafftelle.” Das Neft, in dem die Bobals überwintern, ift ein anderes als dag, in dem jie zur Sommerzeit lagern. Yln= jänglich fcheinen die Bobaks in ihrer Winterherberge noch ziemlich munter zu fein. Gie müjjen von den eingetragenen Vorräten freien, denn fie erzeugen beträchtliche Kothaufen; jie müfjen auch ziemlich [pät noch munter fein, weil weder der Tungufe noch der Sitis, welche beiden die Murmeltiere ausgraben, ihrer vor Eintritt des Winters habhaft werden fünnen. Doch endlich fordert die Falte Jahreszeit ihr Recht: vom Dezember bis Ende Februar ver- fallen auch die Bobals in todähnlichen Schlaf, und erft im März ermuntern fie fich wieder zu neuem Leben. Gie find die erjten Winterjchläfer, die auferjtehen. Anfänglich geht e3 ihnen fchlecht genug. Das von ihnen gefchonte Gras auf und neben ihren Hügeln ift von den Kühen abgefrejjen worden, und fie finden einen öden, faum auf- getauten Boden, auf dem in der Nähe des Einganges zu ihrer Höhle nur die hohen, trocenen Brennejjelftämmchen, vom Winde ihrer verdorrten Blätter beraubt, und einige braune Khyabakberjtengel jich ihnen zur Nahrung bieten. Sproßt das erjte Gras hervor, jo wird e3 noch nicht viel bejjer; denn der Genuß diejes Grajes verurjacht ihnen heftigen Durchfall. Kein Wunder daher, daß fie fich faum auf den Beinen halten können und ihren vielen Zeinden leichter al je und fo lange zur Beute werden, bis der pflanzenjpendende Mai ihnen twieder zu vollen Kräften und der alten Lebensluft verholfen hat. Während ihrer Hunger- not nimmt nicht allein der Adler einen und den andern Bobaf weg, fondern auch der 480 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hörnchenartige. Wolf, der bis dahin den Herden folgte, findet es bequemer und minder gefährlich, der Murmel- tierjagd obzuliegen, lauert, hinter den Hügeln verftedt, jtundenlang auf das Wild und erbeutet feine Mahlzeit, wenn der infolge feines Elendes gleichgültiger getvordene Nager jich einige Schritte weit von dem ficheren Baue entfernt hat. Zu diefen natürlichen, feineswegs erjchöpfend aufgezählten Zeinden gejellt jich der Menfch. Um die Zeit des Erwwachen3 oder erjten Erjcheinens der BobalS jattelt Der jagd- treibende Tungufe oder Burjäte fein Pferd, ladet jeine Büchje und zieht auf die Murmeltier- jagd. „Nach langem Winter”, jchildert Nadde, „währenddeljen er jelten Zleijch aß und fein Zeben fimmerlich in Falter Jurte friftete, ift er begierig, jich einen Braten zu holen. Mit jeiner Kugelbitchje legt er fich Hinter die Anhöhe eines Murmeltierbaues und wartet mit Geduld, ohne fich zu regen. Ein alter Bobaf, chon geivisigt durch vorjährige Erfahrungen, guet vorjichtig aus dem Loche, zieht den Kopf aber rajch twieder zurücd. Der Tungufe hört nur den furzen, dem Bellen de3 Hundes vergleichbaren Schrei des Tieres und bleibt, die auf der Gabel ruhende Büchfe zum Abfeuern bereit, ruhig liegen. Nicht lange währt es, und der furzgefchwängzte, gelbbraune Erdbewohner Friecht ganz hervor, erhebt jich und blidt um fich, febt fich wieder nieder, jchlägt den Schwanz einige Male aufwärts, belt und läuft 3—4 Schritt vom Eingange weg. Eine Sefunde fpäter Fracht der Schuß, und der Bobat ftirzt zufämmen. Bunächft löft der Schüße der Beute die Eingeweide heraus: denn Dieje verderben den Gejchmad; hierauf jucht er, falls er Hunger hat oder fich fern von feiner Jurte befindet, eiligft trodnen Mift zufammen, zündet ihn an, erhigt einige Feldjteine in der Olut, ichiebt dieje fodann in den Bauch des Murmeltieres, legt e3 jo auf die Satteldede und ver- zehrt es nach etiva 2 Stunden ohne alle Zutaten mit dem beften Appetit. Doc) das ift nur ein Notgericht, befjer wird die Beute in der Jurte zubereitet. Frau und Finder erwarten den Heimfehrenden fchon lange. Cie haben feit gejtern bloß den dünnen Yufguß eines Krautes getrunfen und freuen fich alle auf das zähe Fleifch des Bobal. Najch werden die exlegten Beuteftüce enthäutet, und währenddem fommt in dem eijernen Kefjel, aus welchem abends die Hunde fragen, Wafjer zum Sieden. Ernfthaft erteilt der Jäger jeinem die Felle abjtreifenden Weibe die Ermahnung, das Menfchenfleijch recht jorgfam vom Murmeltierfleifche zu fondern, damit erjteres ja nicht mitgejotten und zum Srger der Gottheit verzehrt werde. Dem verivundert ihn fragenden Fremdling aber erzählt er folgendes: ‚Unter der Achjel des Murmeltieres findet man zwischen dem Fleijche eine dünne, weißliche Mafje, deren Genuß verboten wurde, da fie der Überreft des Menjchen ift, welcher durch den Born des böfen Geiftes zum Bobaf verdammt wurde. Denn du mußt wijjen, daß alle Murmeltiere einjt Menjchen waren, von der agd lebten und ausgezeichnet jchoffen. Cinft aber wurden fie übermütig, prahlten, jedes Tier, jelbjt den Bogel im Fluge, mit dem erjten Schufje zu töten, und er- zürnten dadurch den böjen Geift. Um jte zu ftrafen, trat diefer unter jie und befahl dem beiten Schüßen, eine fliegende Schwalbe mit der erjten Kugel herabzufchiegen.” Der dreifte Jäger lud und fchoß; die Kugel ri der Schwalbe jedoch nur die Mitte des Schtvanzes weg. Ceit jener Zeit Haben die Schwalben einen abeljchwanz; die übermütigen Säger aber wurden zu Murmeltieren.‘ Snztwijchen ift die Suppe fertig geworden. Das Fleifed wird zuerit, und zwar ohne Brot und Sal, verzehrt, in die Brühe aber Mehl gejchüttet, zu einem dinmen Sleifter zufammengequirlt und diejer jodann aus hölzernen Schalen getrunfen.” Ehe wir über die weiteren afiatischen Murmeltierarten zu den nordamerifanijchen übergehen, jei hier noch mit einem Worte der foffilen Murmeltierfunde aus den verjchiedenen Bobak: Feinde. agd. — Fojjile Murmeltiere, 481 Gegenden Weft- und Mitteleuropas gedacht, weil bei diejen die Artbejtimmungen erjt zwijchen Berg- und Steppenmunrmeltier jchwankten. Größere Bedeutung in diefem Sinne hat ein jehr merfwürdiger und für die Einficht in die Diluvialzeit Steiermarfs wichtiger Mumel- tierfund am Nainerfogel bei Graz, den der befannte Zoolog Dsfar Schmidt, fpäter in Straßburg, zur Zeit feines Wirfens in Graz 1866 bejchrieb („Berichte der £. Ufademie der Wiljenjchaften in Wien“, 1866). Der Fund, bis jeßt der zweite diejer Art in Steiermark, führt nach Schmidts Deutung unmittelbar in jene Dilupialperiode, wo durch die Ausdehnung der Sletjcher in den Höheren AUlpengegenden die Hochalpentiere und die Alpenflora bis in die Niederungen Hinabgedrängt waren, und mwofir man bisher namentlich in der Schweiz die in Steiermark vermißten Nachweije und Bejtätigungen hatte. Nehring dagegen bezieht in feinem vexdienftvollen, gar manchen älteren Srrtum umftürzenden Werfe „Über Tundren und Steppen der Sebt- und Vorzeit”, 1890, diejen Grazer Murmeltierfund ohne weiteres auf den Bobaf. Diejer Gegenjab in der Auffajjung it eg aber gerade, der die ganze Sache für weitere Kreije interejjant macht. Bei jehr vielen der zahlreichen Murmeltierreite aus den diluvialen Ablagerungen Deutjchlands, der Schweiz, Frankreichs und Belgiens, aljo Mittel- und Wefteuropas, Handelt e3 jich gewiß nicht um in die Ebene Hinabgedrängte Alpenz-, jondern um weit nach Weften vorgerüdte Steppenmunmeltiere, welche ver- möge einer für fie pajjenden Anderung de3 Klimas nach der Eiszeit hier eingewandert waren. Mit abermaliger Anderung des Klimas in umfere jegige feuchte Waldperiode zogen jich diefe Steppentiere (auch Ziejel, Springmaus, Pfeifhaje) wieder nad) DOften zurück, two fie jeßt noch ihre Lebensbedingungen in der Steppe finden. Allerdings Herrjcht unter den berjchiedenen Bearbeitern der deutichen Murmeltierfunde (Henjel, Schäff, Liebe) fein bollftändiges Einvernehmen über die Artbejtimmung, und verjchiedener Auffajjung bleibt daher ein gewiljer Spielraum, der zu allgemein interejjanten Annahmen nicht unbenubt geblieben ijt. Eine jolche jftammt von dem al3 Bogelwirt befannten K. TH. Liebe-Gera, der 1874 im benachbarten Lindenthal fojjile Murmeltiere entdedt hat („Zool. Garten”, 1878). Deren genaue Unterjuchung führt ihn „zu dem Schluß: Die Murmeltiere aus dem jüngeren Diluvium bei Gera jind einerjeits größer al3 die ojteuropätjchen Bobafs und als die AUlpen- murmeltiere, jtehen aber in ihren Eigenjchaften zwijchen beiden in der Mitte, Höchitens vielleicht den le&teren ein Flein wenig näher. Da nun aber die AUrtunterjchtede zivijchen Aretomys bobae und A. marmotta überhaupt jehr gering jind (im Sinochenbau), jo find mir gerechtfertigt, wenn mir das oftthüringijche fojjile Murmeltier als die Stammart beider noch lebenden anjehen und ihr vielleicht ven NamenA. primigenius Kaup belafjen.” Diefe Auffajjung hat Gottfried Hagmann durch eingehende Schädelunterfuchungen, „Über diluviale Murmel- tiere au dem Nheingebiet und ihre Beziehungen zu den lebenden Murmeltieren Europas” („Mitt. d. Geolog. Landeanft. d. Elj.-Lothr.“, 1908), derart bejtätigt und bekräftigt, daß jie heute al3 vollfommen gejichert gelten fann. Ein Einzelbeweis für „Entjtehung der Arten” ! Für Kaffa- Prag geht aus feinen Unterjuchungen über „Die diluvialen Murmeltiere in Böhmen” („Sibungsber. d. K. böhm. Gef. d. Wijj.”, 1889) die „interejjante Folgerung hervor: 1) wäre vielleicht die geringere Größe der rezenten Alpenmurmeltiere auf eine Ber- änderung der Lebensverhältnifje zurüdzuführen, 2) dürften die gleichen Dimenfionen der beiden Arten im Diluvium für ähnliche oder gleiche Lebensverhältnijje jprechen. ch glaube, jobald die Eriftenz beider Arten im Diluium fichergeftellt wird, aus diefem Grunde annehmen zu fünnent, daß beide zur Diluviaßeit Steppentiere waren.” Und diejer Auffaljung fommen nun wieder Liebes weitere Darlegungen entgegen. „Der Bobak ift ein Steppentier, und Brehm, Tierleben. 4. Aufl. _XI. Band. al N 482 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hörnhenartige. A. primigenius war ein ©teppentier. Das Wort Steppe bezeichnet aber nicht (immer) Ebene oder mit Gras bewachjene Ebene, am allerwenigjten Tiefebene, jondern vielmehr baumlojes, mit Gras, traut und Gejtriipp bededtes und teilmeije — mwenigjtens zeitweilig — fahles Land. In Weftafien reicht die Steppe bis in die eigentlich Hochalpinen Regionen, und mein verehrter Freund Brehm, der auf jeiner jüngjten Reife gerade auf den Bobaf (oder naheverwandte weitajiatijche Minmeltierarten) jein Augenmerk bejonders richtete, jchreibt mir: ‚Im Altai geht er bis mindejtens 2000 m empor, wird jogar in dem oberen Höhen- gürtel entjchieden häufiger, als er in den Borbergen ijt.‘ Nach Brehm wohnt dort der Bobaf auf den füdlichen, alfo waldlojen Gehängen des Hochgebirges (nicht auf den öfter bewaldeten Kordgehängen) jo weit hinauf, als überhaupt die Eriftenz eines Bflanzenfrejjers von feiner Größe möglich ift. Die Heimat des Alpenmurmeltieres ijt ver Gürtel oberhalb ver Baum- grenze, der ebenfalls nur mit Gras und Kräutern bewachjene Matten, wenig niedriges Gejträuch und dazwijchen Fahlen, jteinigen Boden, aber nicht einmal höheres Gefträuch darbietet, aljo ebenfalls den Steppencharakter trägt. Sn der früheren Dilubialgeit ift Djt- thüringen und Mitteleuropa überhaupt Steppe gemwejen. Damals lebten hier... aud) Murmeltiere unter Lebensbedingungen, die ihnen jehr zujagten, wie ihre auffallende Größe beweijt. Mit der Zeit jchwand aber die erjte Bedingung ihrer Eriitenz: die Steppe machte dem Wade Plab... Bor ihm wichen die Murmeltiere allmählich zurücd, einerjeits in die Steppen Dfteuropas und in die waldlojen hohen Gebirge Aitens, anderjeits in die jteppen- artigen baumlojen Regionen der Hochalpen. Dort wie hier änderten fie allmählich ein Klein wenig ab; dort wurden jie zum Bobaf (und Berwandten), hier zum Murmentli.” Schon der deutjchrufjiiche Naturforicher und Nagetierfenner $. %. Brandt („Zoogeograph. und paläont: Beiträge”, St. Betersburg 1867) hatte die Frage aufgeworjen: „ob nicht möglicher- ieije Arct. marmotta ein in Europa zur Eiszeit eingewanderter, auf die Gebirge zurück gedrängter, gejtaltlich etwas veränderter Bobaf fein könne”. So erweiit fich unjer Alpen- murmeltier als Relift, Überbleibjel, das fich heute nur deshalb aufs Hochgebirge befchränft, mweil ihm das tiefere Gelände durch den Wald unmwohnlich gemacht wurde. &3 ijt fozufagen nur ein Alpenbewohner wider Willen, genau wie Schneehaje und Schneehuhn, die mit ihren eigentlichen Yebensbedingungen heute erjt im hohen Norden mwiederfehren. Die Lifte der Murmeltierarten in Trouejjarts Säugetierfatalog mit den beigejegten Heimatsangaben piegelt dem, der daraus zu lejen veriteht, den gegenwärtigen Stand der Murmeltierforihung wider. Die angebliche Verbreitung ein und desjelben Alpenmurmel- tiere nicht nur über die ganzen Alpen, fondern auch über Karpathen und Bırenäen haben wir oben jchon der unleugbaren Tatjache gegenübergeftellt, daß das Tier bereit3 innerhalb der Alpen jelbjt für Latenaugen auffallend abändert, und ähnlich fteht es gewiß mit dem DBobaf, der von Djteuropa bis nach Dftjibirien an den Amur reichen foll. Auch noch zwei weitere Arten, die alte M. baibacina Brdt. von 1843 und die neue M. bungei Kasec. von 1901, werden mit „Sibirien“ geographiich ganz ungenügend umfchrieben; bei der leteren handelt e3 jich wohl um das Murmeltier der unteren Lena. Die anderen ajtatifchen Arten dagegen werden in ihrem Vorkommen mehr oder weniger jcharf und natürlich begrenzt und machen dadurch den Eindruck richtig erfannter fyftematifcher Einheiten gegenüber den vorgenannten, noch derjchiedenerlei ungeklärt enthaltenden Sammelbegriffen. Da ift vor allem die M. sibirica Radde aus Südfibirien, vom Altaigebirge, auf die wohl manche Angabe zu beziehen it, die dem Namen nach dem Bobak gilt. So die jchönen Naddejchen Schilderungen aus Afiatifhe Murmeltiere. 483 den Hochjteppen des tungufifchen Transbaifalten im Norden der Wirte Gobi. Auch Prjche- waljfi Hat nach Büchners Anficht diejes Nunmeltier beobachtet, aber nicht gefammelt, obwohl fein Kofaf Srintjchinorw einmal einen Bau aufgrub, „in welchem an 30 Tiere auf einem Haufen beifammen im Winterfchlaf lagen”. — Dagegen brachte Brijchewalifi drei Bälge von der Schönen, bunten Art ausdem Tianjchan mit, Die nach ihrer lebhaft rötlichen Unterjeite Bweifarb-Murmteltier, M. dichrous Anders., heißt und mit größeren Tianjchantieren, tie Srebijjen, vor einigen Jahren auc) lebend durch einen rufjtichen Negierungsjäger aus der Gegend des Forts Naryn in den Berliner Zoologischen Garten fan. Bom Sreileben fejen wir bei Brichewaliti-Büchner: „Von Mitte September hatten fich die Tiere fchon alle zum Winterjchlaf in ihre Behaufungen zurüdgezogen. Si diejer Zeit ftellten ihnen die Bären jehr eifrig nach, indem fie die tiefen Baue aufgruben; auch im Sommer gelingt es dem Büren zumeilen, einzelne unachtjante Tiere, die ich von ihren Röhren zu weit entfernt haben, zu fangen. Auf dem Plateau de3 Zuldus und auf den benachbarten Gebirgen fommt diejes Murmeltier bis zu einer abjoluten Höhe von 11000 Fuß, d. h. biS zur unteren Grenze der fahlen Feßwände und der Schuttanhäufungen, vor. Außer dem Pfeifen läßt diejes Wiurmel- tier zumeilen, aber jchon in der Nöhre, einen bejonderen, dumpfen Laut hören, der un- gefähr mit den Eilben ‚Ewalwafiva‘ wiederzugeben ijt. Auf den Murmeltierpfiff hören, nad) Prichewalffi, auch andere Tiere, wie z.B. Wildichaf und Hinrich." Sm Berliner Garten er- wiejen fich die Tianfchan-Murmeltiere al ebenfolche Ausreißer wie die Alpenmurmeltiere; eins jprang jede Nacht ganz gewohnheitsmäßig 1,20 m hoch auf das Gitter hinauf. Die goldgelbe Farbe Hat dem Goldmurmeltier, M.aurea Blanf., vom Bamirplateau im rufjiihen und Zarkand im benachbarten chinefischen Turfeitan den Namen gegeben. &3 teilt mit den vorgenannten Verwandten den kürzeren, Schwarzipigigen Schwanz, diejer ijt aber bujchiger behaart und bringt Dadurch eine-gemwilje Annäherung an eine zweite Gruppe altatiicher Murmeltiere, die fich Durch längeren, halbe Körperlänge erreichenden Schwanz aus» zeichnet. — Dieje zweite Gruppe (nach Blanfords Einteilung) vertritt das Langfchwänzige Murmeltier, M. caudata Is. Geoffr., von Kajchmir, namentlich Ladakh, nach dem röt-- lichen Ton feiner Grundfarbe auch Notes Murmeltier genannt, eine der größten Arten der ganzen Gattung, nach der prächtigen Farbentafel von %. Smit in Blanfords ‚„ Mammalia““ der Second Yarkand-Mission überhaupt ein jchönes, jtattliches Tier, an dem der lange und Yang behaarte, im Enddrittel ganz Ichtvarze, fonft dDunfel gewölfte Schwanz noch bejonder3 auffällt. ES unterjcheidet jich aber auch durch feinen Ruf. Adams bejchreibt diejen als lauten, Hagenden Schrei, Thdeffer al3 Tanggezogenes, jchrill Freifchendes Pfeifen. Das Langjchwänzige Murmeltier lebt an fruchtbareren Stellen mehr am Rande der trodenen DOdländer und nicht jehr hoch. Die Felle der afiatiichen Murmeltiere, namentlich der wejt- und ojtiibirijchen, werden jebt vielfach im Velzgewwerbe verivendet, 3. B. gefärbt als „Zobelmurmel” und noch mehr al3 „Nerzmurmel”. Murmeltierfelle find jegt geradezu einer der Hauptitapelartifel des Fell- handel3 geworden. Noch vor 30 Jahren konnte man jolche fir 30 Pfennig dag Stüd faufen, jest jteigt der Wert bis mehr als aufs Zehnfache. Am gefuchteften jind die Drenburger Murmel, die aus der Kirgijenfteppe fommen und in ausgewachjenen Fellen etiva 3,75 Mar bringen. &3 fommen jet etwa 11, Million ti den Handel. Zahlteicher jind die Bij;fi- Murmel, die ihren Namen davon haben, daß fie Hauptjächlich über die Stadt Bijjf in der Kähe von Tomjf ausgeführt werden. m ganzen fommen etiva 21, Millionen Felle jährlich an den Markt, die jtets etiva 10 Prozent billiger jind als die Orenburger. Man unterjcheidet 31* 484 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hörnchenartige. je nach der früheren oder jpäteren Fangzeit gelbe und blaue. Sehr jchöne Felle, die den Bijifi in Qualität nur wenig nachgeben, liefert die Mandjchurei unter dem Namen Nyu- tichwang-Murmel. Sehr viel geringer find die chinefischen, Die aus den Provinzen Stanjı, einem Teile des nördlichen Schanfi und der Mongolei fommen und im Handel als Kalganz- Murmel gehen, im ganzen jährlich etwa 15 Million. Seit 1910 haben fi) nun die innerajiatiichen Mummeltiere, die vielfach unter dem angeblich aus dem Türkischen ftammenden Namen Tarbagan zujammengefaßt werden, eine traurige Berühmtheit erworben als Träger und Berbreiter der fürchterlichen Belt, die neuer- dings in der Mongolei und Nordchina wütet. Das Verdienit, bei uns öffentlich auf Ddieje Gefahr aufmerkfam gemacht zu haben, gebührt unter anderen dem befannten Schriftjteller Fris Bley. Unter den Tarbaganjägern war e3 lange befannt, dab man Franken Murnteltieren nicht ungeftraft fich nähern dürfe, wenn man jie, einzeln und wenig jcheu vor dem Menjchen, feın-von den Höhlenfiedelungen antrifft; und wenn den Neuling etwa die leichte Erlegung jolchen Veittieres Iodte, jo war er jelbjt meift der mörderijchen Stranfheit bereits erlegen, ehe ex feine unheilvolle Beute in den Handel bringen fonnte, wie der Arzt Baron Budberg, ein Kenner der Verhältnijje, aus der Mandjchurei jehreibt. Bis wir hier vollends jolch ajtatı- jches Murmeltierfell al3 Nerz- oder Zobelmurmel tragen, tft durch die gründliche Umarbeitung bei der Jmitation wohl jede Anftekung ausgejchlojjen. Aber daß die Peitfeine mit den Murmeltieren den Winterjchlaf überjtehen, ijt Durch Verjuche von Mosny und Dujardin- Beaumeß im PBarifer Bajteurinjtitut erwiejen, und man hat jic) auch überzeugt, daß Die Keime an den Fellen fich längere Zeit lebensfähig erhalten, wenn die Felle nicht vollfiommen getrocnet werden. Daher gereichte e3 Doch zu einer gemwijjen allgemeinen Beruhigung, als die Nachricht durch die Zeitungen ging, daß jomwoh!l die rufjisch-fibirifchen als die miongolijch- chinejiichen Behörden ein Verbot der Tarbaganjagd erlajjen hätten. Die nordamerifanijchen Murmeltiere jcheinen fich zum Teil eng an die nordojt- ajtatischen anzuschließen, was bei der nahen Nachbarjchaft beider Feitländer auch weiter nicht wundernehmen fan. Das Eisgraue Murmeltier, M. pruinosa @m. (Aretomys caligatus), aus Ulasfa und dem Fanadijchen Hudfjonbaigebiet bringt Büchner in jeinen ‚„Mammalia Przewalskiana“ in nahe Beziehung zu ajtatijchen Arten, und e3 gehört tat- jächlich zu den furzihtwänzigen Formen wie die meijten der Alten Welt. Eine ziveite, Kleinere Art Dagegen, das Gelbbäuchige Murmeltier, M. flaviventer Aud. Bach., hat jcyon den halb förperlangen Schwanz, 1jt aber im übrigen noch ein echtes Gebirgsmurmeltier, das jich über die Feljengebirge von Teras und Kalifornien, Neumerifo und Arizona verbreitet. Bon diejen, wie die altweltlichen, gejellig im offenen Berggelände lebenden Arten unterjcheidet fich in der ganzen Lebensweije jehr bedeutend das heute noch von der Kultur in den Vereinigten Staaten nicht allzufehr verdrängte Waldmurmeltier, das dort jehr boltstümliche „Woodchuck“ oder „Ground-hog“ (Erojchiweinchen), M. monax L. (Taf. „agetiere XVII“, 3, bei ©. 464), das deshalb auch in der gemeinverjtändlichen Natur- gejchichte und Tierlebenfunde viel mehr Beachtung verdient, als ihm feither zuteil geivorden jt. 63 ijt nämlich das einzige Murmeltier, das einzeln lebt und den Wald mern auch nicht gerade jucht, jo Doch auch nicht meidet. Hornaday nennt e8 „geduldet auf den Landgütern der Neuenglandtaaten”. Er hebt den flachen Kopf gebührend hervor und die jchwarzen Augen, die dem Tiere ein finjteres Ausjehen geben. Kennzeichnend gegen die altweltlichen \ \ Nordamerifanijche Murmeltiere. Waldmurmeltier. 485 Arten ijt neben dem langen und langhaarigen Schwanz auch die fpigere Schnauze. Nach vem weißgrauen Anflug auf der dunfelbraunen Oberfeite, namentlich bei älteren Stücfen, heißt e3 bei Schreber daS bereifte Murmeltier. Die Unterjeite ift heller, rotbraun, Kopf, Füße und Schwanz dunkler, jchiwarzbraun bis jchwarz. Früh im November geht das Walomurmeltier, nach Hornaday, jchon jchlafen und wacht nicht wieder auf bis zum 2. Februar, dem „Erdfchtweinchenstag”, wie das Volk jagt. Ähnlich beginnen Stone und Cram den Lebensabrig mit einer Betrachtung des Winterjchlafes: ununterbrochen, ohne Vorräte, im Stlima der Neuenglandjtaaten, two die Temperatur einem Abjturz von 100% ausgejeßt ijt. „Aber was weiß jelbit das ältejte Exrdjchwein von unjerem Winter?" &3 ijt für gewöhnlich das fauljte Tier, das es gibt; nur wenn es feinen Bau graben muß, dann arbeitet eS fürchterlich darauf los, bis er fertig it. Wenn der Bau aber einmal gemacht ift, verjucht es jelten, ihn zu vergrößern oder zu verändern, jondern verfebt jeine Tage im Genuß der Ruhe. Bald nach Sonnenaufgang fommt e3 zur Frühmahlzeit hervor, wenn der Tau noch auf dem Graje liegt. Das ift wohl jene Hauptmahlzeit, wenn man es gelegentlich auch zu anderer Tageszeit äjen jieht. Mittags verivendet e8 mehr Zeit aufs Sonnen als aufs Frejjen. Spät am Nachmittag zeigt es fich wieder und äjt bis beinahe Sonnenuntergang. Während des Sommers fan man es in angebauten Gegenden außer morgens und abends auch die Mondjcheinnächte hindurch, überhaupt zu allen Zeiten draußen finden. Wenn aber der Herbjt herannaht und es fett und träge wird, erjcheint e8 gewöhnlich nur bei jchönem Wetter und auch dann nur für wenige Stunden in der wärmjten Nach- mittagszeit. Dann it es in einem ganz drolligen Zujtand von Fettleibigfeit. — Der Bau hat gewöhnlich mehrere Eingänge, die Durch gut ausgetretene Päjje verbunden find. Ilhn- liche Räjje jtrahlen nach allen Richtungen in das Gras aus, von einem Slleejtücd zum anderen und nur zu oft auch zum Bohnenftüd oder Garten, wo das Tier das zarte Srnere mehrerer Kohlköpfe in einer Nacht herausfrigt. Bon den Bohnen ftreift es die Blätter und Schoten und alles ab, ijt auch Kornähren nicht abgeneigt und jungen Kürbisranfen; furzum: in einem richtigen Gemüjegarten mwächjt wenig, wovon es nicht gelegentlich foftet. Cbenjo ift es erpicht auf füße Ipfel und anderes Obft und richtet, um Dies zu genießen, jein Heim im DObitgarten ein. Wenn das Gras hoch genug ijt, betvegt e3 jich gern auf den verjchiedenen Päjien, die es jich getreten hat, hier und da nach Herzenslust fnabbernd und von Zeit zu Zeit jich Hoch aufrichtend, um Umjchau zu halten. Andere Tiere bleiben in der Nähe des Men- jchen am Tage verborgen und wagen fich nur unter dem Schube der Dunkelheit hervor. Das Waldmurmeltier aber gräbt fich jeine Höhle oft nur wenige Ellen von einem Farm- hauje und macht jich um die Mittagszeit im Garten breit, indem es fich einfach zu Gemüte führt, auf was e3 gerade am meijten Appetit hat. — Wie häufig das Tier jtellenmweije ift oder wenigitens in früheren Jahrzehnten war, veranjchaulicht eine jorgfältige Zufammenitellung von Rohlmann-Neumied („Zool. Garten“, 1889): „ALS ich mich einft längere Zeit auf einer zwijchen dem Michiganfee und dem oberen Mifjijippi gelegenen Farm aufhielt, juchte ich die Umgegend im Umfteife von einer engliichen Meile forgfältig nach Murmeltierhöhlen ab und legte mir zur Erleichterung einer genauen Beobachtung ein Verzeichnis der aufgefun- denen Wohnitätten an... Sn einem Sreife, dejjen Durchmefjer nicht ganz eine halbe deutjche Meile betrug, befanden fich nicht weniger al3 16 bewohnte Murmeltierhöhlen. An un= bewohnten waren mindejtens ebenfo viele vorhanden. Da der Bejiter der betreffenden Farı ausnahmsweije ein Liebhaber des Murmeltierfleiiches war, jo hatten jeine Söhne in den vorhergehenden Jahren bereits eine ziemlich große Anzahl diefer Tiere erlegt; auch befand 486 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hörnchenartige. fich friiher im Befige des Farmers ein Neufundländer Hund, der oft allein auf Die Woodchud- jagd ging.” Aus alledem fann man allerdings „jchließen, wie viele TZaujende und Aber- taujfende von Murmeltieren in den Laubholzwäldern des nordweitlichen Amerifa vorhanden iind”, oder, wir wollen vorjichtiger jagen: waren. Verfolgt, reißt es in unfinniger Haft aus nach feinem Bau, daß die schwarzen Terjen im Sonnenschein glänzen, wenn e3 dahingaloppiert. Hat e8 den Bau aber glücklich erreicht, io dreht e3 fich darin um und ftrect wie zum Hohne die Naje heraus. jr Die Enge getrieben, iit e3 immter bereit zu fämpfen, gegen wen und was e3 auch jei, und ein Hund, dem die nötige Erfahrung fehlt, fan jehr wohl den Finzeren ziehen; denn Murmeltierzähne jind nicht zu verachtende Waffen. Wenn man die Höhle aufgräbt, gelingt es dem Wurmeltier öfter, fich Dadurch zu retten, daß e8 jich weiter in den Boden hineinwühlt; dann füllt es den Boden hinter fich wieder auf, wie der Maulwurf, und fommt nicht eher wieder hervor, bis ge- nügende Zeit vertrichen ift, daß es fich ficher dünft. Wie eS fich in der Zmwifchenzeit vor dem Gritiefen bewahrt, ijt jehwer zu begreifen. Mit großer Staltblütigfeit läßt ein nicht weit von jeinem Bau meidendes Murmeltier, nach Pohlmann, Fußgänger, Neiter und Wagen auf der benachbarten Landftrage vorbeiziehen, jcheinbar ohne fich um jie zu fümmern; macht man aber Miene, vom Wege abzubiegen, um zum Schuß zu fommen, jo Hujcht e3 jofort in die Tiefe. Sehr anziehend ift eg, eine ganze Murmeltierfamilie bei der jung zu belaufchen. Die munteren Jungen treiben luftig ihr Wejen im grünen Graje, während eines der alten Tiere Wache hält. Am liebiten wird dazu ein großer Stein benubt, der nicht weit von dem Eingang zur Höhle liegt. Nähert jich irgendeine Gefahr, jo ertönt ein lauter Warnungspfiff, und die ganze Gejellichaft jtürzt auf das Loch zu, um fopfüber hineinzufallen. Der Woodchud liebt bejonders die verjchtevdenen Stleearten, und jo ijt e8 wohl auch zu erklären, daß der jonit fo Scheue Waldbewohner jeinen Aufenthalt aus dem Jnneren der Wälder mit Borliebe an deren Rand verlegt, weil er von dort aus leichter zu den Slleeädern der An- jiedler gelangen fann. Man findet in der Nähe von Murmeltierhöhlen oft große Fahlgefrejjene Stellen in den Slleeädern. Der vorjichtige Einjiedler entfernt jich eben nur Höchjt ungern weit von feiner Wohnung und jchlägt fein Quartier am Fiebften dort auf, wo den ganzen Sommer hindurch dicht am Bau hinreichende Nahrung vorhanden ift. Bohlmann tft es nur zweimal gelungen, einen Woodchud in weiterer Entfernung von jeiner Höhle anzutreffen. Biele Murmeltiere verlajjen deshalb im Sommer ihre Winterwohnungen, um eine Sommer- wohnung zu beziehen. Bermutlich it e$ der Mangel an leicht zu erreichender Nahrung, der jte dazu veranlaßt; denn die in der Nähe eines Stleeaders gelegenen Winterwohnungen werden auch im Sommer beivohnt. An der Wahl des Sommeraufenthalts ijt das Murmel- tier feinesmwegs heifel. Ein hohler Baumjtamm, ein Holzjtoß oder ein Steinhaufen ge- nügen jeinen Anfprüchen, vorausgejebt, daß die nächite Nachbarjchaft reiche Nahrung bietet. Ein mweibliches Tier mit Jungen trifft man jedoch nie in einem ähnlichen Quartier; wahr- Iheinlich zieht die bejorgte Mutter für ihre Jungen die fichere unterirdijche Höhle einem Aufenthalte über der Erde dor. Stone und Cram unterjcheiden in ihren Lebensjchilde- rungen den Woodchud der Felder und des bebauten Landes von dem der Viehmweiden, wo das Gras Fürzer und jüher it und er weniger den Zorn der Yandeigentümer erregt. Dort muß er weiter aufs Feld laufen, um feinen Hunger zu ftillen; deshalb tft er aber Doch immer qut bei Leibe, und es Fällt ihm nicht ehwer, im Sommer dasnötige Fett anzufammeln, dasihn über den Winter bringt. Auf den Viehmweiden jonnt er jich gern oben auf alten Baumjtümpfen und runden, glatten Gevölffteinen und verjchmilzt dann duch jeine Farbe ganz mit dem Untergrumd. ° DIT kan, Waldmurmeltier. 487 Schließlich gibt es, nach Stone und Cram, auch noch einen „Woodchud” der Forjten und Waldländereien, der den Namen exit recht verdient, und dem er auch) zuerjt Durch die alten Anfiedler gegeben worden it. Damals war aber das meijte Land im Often der Union eben Waldland! Das echte Waldmurmeltier gräbt jeine Höhle unter Stippen und Feljen zwijchen den Wurzeln der Hentlodstannen und Fichten, mo die Sonne faunt Hindringt, die abjterbenden Baumjtrünfe durch- und übereinanderjtürzen und nur durch die noch jtehenden einigermaßen aufrechterhalten werden. Hier friecht e3 zwijchen dem Unterhol; und den Falläften herum und lebt von Beeren und Grünzeug, vielleicht auch von eßbaren Pilzen wie die Waldhühner und Eichhörnchen, die dort feine Genojjen jind. Da jieht man es wohl an einem Sommernachmittag in der Sonne ausgejtredt auf einem halbumgejtürzten Stamme, offenbar froh, von den Somnenjtrahlen etwas mitgenießen zu können, die in jeinen Schlupf- yoinfel dringen. Hier erfreut e3 fich verhältnismäßiger Sicherheit vor Menjchen und Hunden und hat nur wenig natürliche Feinde. Daher lebt e3 hier auch oft bi3 an fein natürliches Ende, und man findet nicht felten feine Gebeine in hohlen Stämmen ımd an ähnlichen Orten ohne jedes Anzeichen, das auf einen getvaltfamen Tod deutete. Nur in einem hat e3 das echte Waldomurmeltier fchiwerer als feine Brüder im offenen Lande; e3 toird jelten jo fett und muß deshalb im Frühjahr zeitiger aus dem Winterjchlaf Heraus, oft wenn der Schnee noch mehrere Fuß Hoch liegt. Solche armen Würmer miüjjen jich dann Ducchjchlagen, jo gut mie jie fünnen, bis e8 warn wird, indem jie die chneefreien Stellen zmwijchen dem mmer- grün auffuchen und heißhungrig Baumrinde nagen oder was ihnen jonjt zur Nahrung dienen fan. Cie find ganz erbärmlich mager und fo lebhaft, dag man faum das mwohlgenährte Sommertier wiedererfennt. Sm Sommer trifft man oft Feine Murmeltiere, nur einige Wochen alt, die allein und ohne Schuß in den Feldern umherlaufen. Sie werden bon ihren hartherzigen Eltern vertrieben, jobald fie fir fich jeldit jorgen Fönnen. Dieje Heinen Waifen zeigen noch feine Scheu, wenn man jich ihnen nähert, fegen fich vielmehr auf die Haden und verfuchen, nach allem zu beißen, was in ihren Bereich fommt, oder fallen jogar den Gegner wild an mit heißerem, gurgelndem Angitgejchret. Sn der Zeit der unberührten Urmwälder, ehe der weiße Mann ins Land fan, Hatte das Waldmurmeltier ficher viel mehr Feinde als jest. Bären, Wölfe, Luchje werden ihm un- zweifelhaft nachgejtellt und der indianifche Jäger wird fich wohl auch nicht erniedrigt gefühlt haben, wenn er fich zu jolchem Sleintwild herabließ. Sm der Gegenwart ijt das einzige ein- geborene Tier, das der Woodchudf zu fürchten Hat, der Fuchd. Bor diejem firen Jäger it e3 nie ficher, nicht einmal in den Tiefen feiner Höhle. m Winter, wenn der Boden nicht gefroren ift, gräbt es der Fuchs jogar aus dem Winterquartier aus und beißt es im Schlafe tot. Ebenjo holt er e8 in der warmen Jahreszeit aus der Erde heraus. Jr noch grö- Berer Gefahr find aber die-jungen Murmeltiere, die, noch nicht größer al3 eine Ratte, ar jonnigen Tagen fich fehon im Grafe um den Bau herumtreiben oder vor diefem an der warmen Erde auf einem Haufen zufamment fchlafen. Zu folchen Zeiten mögen jie wohl auch die Naub- vögel leicht wegnehmen; aber Stone erinnert fich nicht, dies öfter gejehen zu Haben. Da- gegen hat Pohlmann einen Fall erlebt, wo die Liebe zu den Jungen das Tier antrieb, jich ohne dringende Not der größten Gefahr auszujfegen. Als er-fich eines Tages einem Bau näherte, jah ex, wie ein großer Wovdchud mit fieben Jungen in die Tiefe Hujchte. Er ging ganz an die Höhle heran und fniete vor derjelben nieder, als plößlic) das Tier, zornig fauchend und trilfernd, dicht vor ihm auftauchte. ES wich jelbit nicht, als er das Gemwehr anfchlug, fondern fam im Gegenteil noch ettva8 mehr hervor. 4883 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hörnchenartige. Über die Jagd jagen Stone und Cram, daß jchon ein guter Schuß mit dem gröbjten CS chrot dazu gehört, um das Waldmurmeltier über der Erde zur Strede zu bringen, da es in feiner diefen Haut umd feinen fejten Schädelfnochen einen jehr wirfiamen Schuß beißt. Die meiften werden aber im Cifen an der Einfahrt ihres Bautes gefangen. Sobald das Tier fühlt, daß das Eifen den Fuß gefaßt Hat, ftrebt es zurüd i in den Bau und zerrt mit folcher iiber- rajchender Straft, dak e3 oft die Freiheit twiedererlangt. Wenn es nicht imjtande ift, jich zu befreien, gräbt e3 alle Erde in der Höhle 108 und Häuft fie vor ich auf, jo daß es der Fallen- ftelfer dann herausholen muß, jo gut er fan. Dft beiht es jich auch den Fuß über den beiden Birgeln des Eifens ab. Nac) Pohlmann ijt das Tier im Sommeraufenthalt ziemlich leicht zu erbeuten. Aus einem hohlen Baume wird es einfach dur) Stlopfen herausgetrieben, ein Steinhaufen wird abgetragen. Nüct man ihm dabei näher zu Leibe, jo gibt es einen eigentümlichen, trillernden Laut von fich, der fich um jo häufiger und ftärfer wiederholt, je drohender die Gefahr wird. Man fann es auch durch einen Hund herausholen Lafjen. Diejer dringt eifrig mit dem Kopf in das Verjted des Murmeltieres, um jedoch alsbald mit bfutender Schnauze zurücdzufahren. Dies wiederholt fich unter jteigender Wut auf beiden Eeiten fo lange, bis e3 jchlielich dem Angreifer gelingt, den Verteidiger der Zeitung im Genid zu paden und herauszuziehen. Dann folgt ein gewwaltiges Abjchütteln, und der tamıpf iit beendet. Gelingt es jedoch dem Murmeltier, fich draußen wieder freizumachen, jo jtellt e3 fich fampfbereit auf die Hinterfühe, um fich verzweifelt zu wehren. Jedes Zujchnappen des Hundes hat einen Bi nach feiner Schnauze zur Folge, und zumeilen weigert jich ein jolcher aus vielen Kopfwunden blutender Hund, noch fernerhin den jo furchtbar beikenden Nager anzugreifen. Meijtens endet der Kampf durch einen riejigen Cab des aufs äußerite gereisten Hundes, der das Murmeltier iiber den Haufen wirft und e3 den Zähnen jeines Teindes preisgibt. Das einzige, was vom amerikanischen Murmeltier in Farmerkreijen allgemein ge- ichäßt roind, fceheint das Fett zu fein. Gegen den Herbit gibt eS Tiere, die über 12 Pfund tpiegen, iind bon jolhen gewinnt man eine erjtaunliche Menge Fett. Die amerifantjchen Farmer fchreiben diejem Fett, genau wie unjere Alpenbauern, eine eriveichende, heilende Wirfung zu und pflegen es jorgjam aufzubewahren. Stones zahmes Murmeltier machte jich gern mit den Sagen zu jchaffen, Die aber feine Zuneigung zu ibm hatten. Wenn e3 eine Milch trinken jah, fam es leife von hinten, fniff jie in den Naden und rannte dann in fein Verjted. Diejen Spaß jebte es oft fort, bis die Haben jich ärgerlich verzogen, worauf es jich dann jelbjt Die Milch zu Gemüte führte. oh. d. Fijchers Beobachtungen aus der Gefangenfchaft („Zool. Garten“, 1875) bezeugen zunächlt die große Kraft und Nagetätigfeit des Waldmurmeltieres: in einer Nacht hatte e3 die 215, Zoll jtarfen Wände feines Kaftens ducchgenagt und war entwijcht. CS zerbif und zerriß Drähte von 3 mm Dide. Mit dem Kopfe hob es große Steine, die fat die halbe Gröpe feines ganzen Körpers hatten, mit Leichtigkeit in die Höhe. Wärme jchien ihm an- genehm zu jein, wenn jie 170 R nicht überjtieg, Höhere Temperatur jedoch lältig: es Tief dann in eine fühlere Stube, jtrecte fich dort auf dem Boden aus und jchlug heftig mit den Flanfen. Die Lebensweije war in der eriten Zeit die eines Dämmerungstieres: Schlaf den Tag und die Nacht über; das Lager wurde dann nur auf Furze Zeit zur Entleerung verlajjen, die jtet3 auf ein und derjelben Stelle gejchah. In der Morgendämmerung war e3 rege, pubte jich, fraß, lief umher, und das wiederholte fich gegen Abend, ettva eine Stunde vor Sonnen- untergang bis zu einbrechender Nacht. Beim Erwachen mwiederholtes Gähnen, Neden, Waldınurmeltier. Prärichund. 489 Sichpußen; dann wurde die Lojung abgegeben. Bei zunehmender Zahmheit veränderte fich die Lebensweije jo, daß jchlieglich die Mahlzeit des Pflegers, wobei einiges abfiel, die Hauptrichtjchnur bildete. Bei Zorn blähte fich der ganze Leib gleichjam auf, das Haar wurde jtruppig aufgerichtet. Das Tier fauchte heijer, indem es die Luft heftig, aber lange andauernd aus der Lunge ausjtieß, wobei ein grunzendes Brummen vernehmbar wurde, dem jich ein trommelndes Sinurren, heftiges Zähnefnirschen und Klappern, Ausdrücke der höchjten Wut, beigejellten. Bon Trillern jchreibt dv. Fijcher nichts. Einern Schnalzton folgte das Murmeltier aus dem Käfig heraus, jedoch nur dann, wenn es hungrig war. War e3 gejättigt, jo ließ es jeden Ruf unbeachtet. Auf einen Namen folgte e3 nicht, jchten überhaupt für Töne der menjchlichen Stimme wenig Gehör zu haben, jelbjt wenn man dicht vor ihm laut aufjchrie; Dagegen wurde das leijejte jonjtige Geräufch jofort vernommen. Diejes Ver- halten erklärt jich wohl jo: die menjchlichen Stimmlaute werden als vom Herrn ausgehend erfannt und Daher als ungefährlich nicht beachtet. Yedes andere Geräufch Fonnte eine Gefahr bedeuten und erforderte daher mehr Beachtung. Das Tier fannte jeinen Herrn, hieß jich von ihm ftreicheln, im die Höhe heben, Tief Dagegen vor fremden Berjonen fort und biß dieje jogar. ES juchte jeinen Herrn aber nur dann auf, wenn es hungrig war, und leitete nur dann einem Anruf Folge. Deshalb jchäßt dv. Fiicher feine Intelligenz als faum über die des Kaninchens gehend. Mangel an Anhänglichkeit darf indes faum ohne weiteres als Mangel an Sntelligenz gedeutet werden; hier fommt auch die natürliche Anlage aus dem Steileben (Gejelligfeit oder Ungejelligfeit) zur Wirkung, die oft erjt durch lange Haustier- Ihaft geändert wird. — Von den Sinnen jchägt dv. Fijcher das Auge des Waldmurmeltieres gewiß nicht Höher, das Gehör geringer ein al beim Hafen oder Kaninchen. Den Geruch findet er dagegen jehr qut entwidelt. Ebenjo den Gejchmad: das Murmeltier will reich- gededte Tafel haben und unterjcheidet die Qualität der Nahrung jehr gut. Alles mußte friich jein: eine welfe Möhre, ein angefaulter Apfel wurden nicht berührt. Das Tier tranf jehr jelten, vielleicht in drei Wochen einmal. Sn der warmen Stube (am Tage 16°R, nachts nicht unter 120) wurde ununterbrochener Winterjchlaf nicht beobachtet. Das Tier ichlief 4—10, einmal 34 Tage hintereinander, erjchien aber, jobald ein jonniger Tag fam, am Tijch und verlangte Futter, verichtvand bei Eintritt von fchlechtem Wetter ufw., bis im Frühjahr das Wetter bejtändig geworden war. ES hielt fich jehr rein, pußte und beledte den Pelz jorgfältig mehrmals am Tage in aufrechter Stellung ganz jenfrecht zum Boden. Auch) das Lager blieb jtetS troden und rein. Bon fojiilen Verwandten der Murmeltiere interejjiert hier die Gattung Plesiaretomys Brav., die in drei verjchiedenen Arten aus dem Cozän Siüd- und Dftfranfreichg und aus der Schweiz bejchrieben worden it, weil jie urfprünglich für ein Eichhörnchen gehalten wurde, in den Schädelmerfmalen fich diefen aljo wohl annähert. Der in Nordamerika lebende Bräriehund (Gattung Cynomys Raf.; befanntejte Art C. socialis Raf. [ludovicianus]; Taf. „Nagetiere XVII“, 2, bei ©. 464), von Wejtteras und Weitfanjas bis zum Oberlauf des Mifjouri und dem Fuße der Felfengebirge verbreitet, ver- bindet gemwiljermaßen die eigentlichen Murmeltiere mit den Ziejeln; obwohl er, fyitematijch jtrenggenommen, zu leßteren gehört, ähnelt er erjteren doch äußerlich mehr und unterjcheidet Jih von ihnen wejentlich nur durch das Gebif, dejjen erjter oberer eintmwurzeliger Badzahn fajt ebenjo groß ijt wie die übrigen jehr großen, forwie durch den kurzen und breiten Schädel, Der Leib ift gedrungen, der Kopf groß, der Schwanz jehr kurz, bujchig, oben und an den 490 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hörnchenartige. Seiten gleichmäßig behaart; die Badentafchen find verfümmert. Erwachjene Präriehunde erreichen ettva 40 cm Gejamtlänge, wovon ungefähr 7 cm auf den Schwanz fommen. Die Färbung der Oberfeite ift bei der genannten Art licht rötlichbraun, grau und jchwärzlich ge- mifcht, die der Unterfeite jcymusigweiß, der furze Schwanz an der Spiße bräunlichichmwarz. Der Weftlide Präriehund, C. lewisi Aud. Bach. (columbianus), eine Fleinere Art mit viel fiingerem, ganz weißem Schwanz und mehr gelbem Yarbenton des Tellez, verbreitet jich wejtlich des Felfengebirges ftellenweije von Kolumbien durch Kolorado und Arizona bis zur Sierra Nevada, dem wejtlichen Randgebirge der Vereinigten Staaten, und verdient bejonderes Interejje, weil er angeblich mehr Gebirgstier ijt und bis itber 3000 m Mteeres- höhe vorfommt. Der Name „Präriehund”, der mehr und mehr. gültig geworden it, ftammt von den eriten Entdedern, den alten fanadijchen Trappern oder PBelzjägern, Her, die unjer Tierchen nach feiner bellenden Stimme benannten. Die ausgedehnten Anfiedehmgen, die man ihrer Größe wegen „Dörfer” nennt, finden jich regelmäßig auf etwas vertieften Wiejen, auf denen ein zierliches Gras einen wunderschönen Nafenteppich bildet und ihm zugleich bequeme Nahrung gewährt. „Zu welcher unglaublichen Ausdehnung die Anfiedelungen diejer fried- lichen Erdbewohrter herangewachjen jind”, jagt Balduin Möllhaufen 1860, „Davon Fanır man fich am beiten überzeugen, wenn man ununterbrochen tagelang ziwijchen Heinen Hügeln Hinzieht, deren jeder eine Wohnung zweier oder mehrerer jolcher Tiere bezeichnet. Die einzenen Wohnungen find gewöhnlich 5—6 m voneinander entfernt, und jeder Feine Hügel, der jich vor dem Eingange derjelben erhebt, mag aus einer guten Wagenladung Erde beitehen, die allmählich von den Bewohnern aus den unterirdischen Gängen ans Tageslicht befördert worden ijt. Manche haben einen, andere zwei Eingänge. Ein feitgetretener Pfad führt bon einer Wohnung zur andern. Bei der Wahl einer Stelle zur Anlage ihrer Städte jcheint jie ein furzes, fraujes Gras zu bejtimmen, das bejonders auf Höheren Ebenen gedeiht und nebjt einer Wurzel die einzige Nahrung diejer Tierchen ausmacht. Sogar auf den Hoch- ebenen von Neumerifo, wo viele Meilen im Umfreije fein Tropfen Wafjer zu findemift, gibt e3 jehr bevölferte Freiftaaten diejer Art, und da in Dortiger Öegend mehrere Monate hindurch) fein Regen fällt, man auch, um Grundwajjer zu erreichen, über 30 m in die Tiefe graben müßte, it fat anzunehmen, daß die Präriehunde fein Wafjer brauchen, jondern jich mit der Feuchtigfeit begnügen, die zeitweije ein ftarfer Tau auf den feinen Grashalmen zurüd- läßt. Daß dieje Tierchen ihren Winterfchlaf Halten, ift wohl nicht zu bezweifeln; denn das Gras um ihre Höhlen vertrocfnet im Herbfte gänzlich, und der Froft macht den Boden fo hart, daß es unmöglich für jie jein würde, auf gewöhnlichem Wege fich Nahrung zu verjchaffen... Den Ausjagen der Indianer gemäß öffnet der Präriehund manchmal bei noch Falter Witte- rung die Türen jeiner Behaujung. Dies ift alsdann aber als ficheres Zeichen anzujehen, daß bald warme Tage zu erwarten find. „Einen merfwürdigen Anblie gewährt eine jolche Anjiedelung, wenn es glüct, von den Wachen unbeachtet in ihre Nähe zu gelangen. Someit das Auge reicht, herrjcht ein reges Leben und Treiben: fajt auf jedem Hügel fit aufrecht, wie ein Eichhörnchen, das Feine gelbbraune Murmeltier; das aufwärtsftehende Schwänzchen ift im immerwährender Be- wegung, und zu einem fürmlichen Summen vereinigen fich die feinen bellenden Stimmchen der vielen Taufende. Nähert jich der Bejchauer um einige Schritte, jo vernimmt und unter- jheidet er die tieferen Stimmen älterer und erfahrener Häupter; aber bald, wie Durch) j u Yu rn PIE EU ee De Präriehund: Anfiedelungen. Zujammenleben mit anderen Tieren. | 49] Bauberichlag, it alles Leben von der Oberfläche verschwunden. Nur Hin und wieder ragt aus der Offnung einer Höhle der Kopf eines Kundfchafters hervor, der durch anhaltend berausforderndes Bellen jeine Angehörigen vor der gefährlichen Nähe eines Menjchen warnt. Legt man fich al3dann nieder und beobachtet bewegungslos und geduldig die nächjte Um- gebung, jo wird in furzer Zeit der Wachtpoften wieder den Pla auf dem Hügel vor jeiner Tür einnehmen, wiederum unter unausgejegtem Bellen. uch feine Gefährten fommen ipieder, einer nach dem andern, aus den Dunkeln Gängen auf die Oberfläche, wo alsbald das harmloje Treiben diejer gejelligen Tiere von neuem beginnt.” „aus ich“, Schreibt mir Finjch, „im Oftober 1872 die Stanjas- PBacifie-Eijenbahn be- teilte, wurde ich durch eigene Anjchauung mit den Dörfern des Präriehundes zuerit befannt. Das VBortommen des letteren ift, wie das des Bijon und der Gabelantilope, an jene aus- gedehnten Hochebenen gebunden, welche, aller Bäume und Gefträuche bar, nur mit dem bezeichnenden Büffelaraje bededt jind und Büffelprärien heigen. Eine jolche Prärie wird von der Kanjas-Bahn, eine ebenjolche von der Denver-PBacific-Bahn durchzogen. Hier wie dort gehören Präriehunde zu den gewöhnlichen Erjcheinungen; dagegen erinnere ich mic) nicht, fie auf der Hochebene von Laramie gejehen zu haben, und auf der trojtlofen, nur mit Artemifien bejtandenen Salzwüfte zwijchen dem Felsgebirge und der Sierra Nevada fehlen jie bejtimmt. Anjiedelungen von der Ausdehnung, wie je von Mölldaufen gejehen wurden, bemerfte ich niemal. Wie der Bifon und die Antilope, hat jich auch der Präriehund an das Geräufch des vorüberjaujenden Eifenbahnzuges gewöhnt, und unbefümmert darum jieht man ihn bewegungslos auf feinem Baue jiten, den Zug ebenfo neugierig betrachtend, wie die Snjafjen ihn jelbjt. Oft nämlich befinden fich die Dörfer der Präriehunde in nächjter Nähe der Bahn, nur durch den Graben von ihr getrennt, dann wiederum begegnet man auf weiten Streden feinem einzigen Bau; denn nicht immer fiedelt der Präriehund in Dörfern ich an. Dagegen weiß jeder, der mit der Prärie und ihren Bewohnern vertraut ift — und id) befragte mich bei jehr verjchiedenen und durchaus glaubwürdigen Männern —, daß Prärie- hunde, Erd- oder Prärie-Eulen und Klapperjchlangen friedlich in einem und demjelben Baue beifammen leben.” Sn Wirklichkeit dürfte von eigentlicher Kameradjchaft, gern geübter gegenjeitiger Dul- dung faum die Rede jein. Hornaday jchreibt ganz ausdrüdlich und unzweideutig: „ES it nicht wahr, daß der Präriehund in Frieden und Eintracht mit Klapperjchlange und Höhleneule denjelben Bau bewohnt. E3 ift vielmehr ficher anzunehmen, daß, wenn der jchredfiche, jtreitbare Naßler in das Heim einer Präriehundfamilie eindringt, diefe ich jchleunigit eine andere Wohnung fucht. Die Höhleneule bezieht ganz gemwohnheitsmäßig verlajjene Höhlen und nijtet in Diefen, wodurch fie die Arbeit part, jich jelbjt eine Höhle zu graben. Jm Zoologifhen Garten zu Philadelphia verjuchte der Direktor A. E. Brown, Höhleneulen und Präriehunde zufammenzuhalten: die Eulen wurden von den Hunden fofort totgebijjen und in Stüde gerijjen.“ Hed hat allerdings im Frühjahr 1907 beim Befuche des Londoner Gartens dort Vräriehunde und Eulen in derjelben Anlage vereinigt gejehen; doch jagen die Eulen meift auf erhöhten Brettern, und vielleicht ijt auch eine wirkliche Zufammen- gewöhnung der beiden Tierarten dadurch erzielt worden, daß man beide zugleich einbrachte, aljo die Präriehunde fich nicht eher heimijch fühlen Fonnten als die Eulen und daher auch gegen dieje nicht jo angriffeluftig waren. „Surchtlos”, bemerft Möllhaufen noch, „jucht fich der Präriehumd feinen Weg zroijchen - den Hufen der wandernden Büffel hindurch; doch der Jäger im Himterhalte braucht ich nur 492 8. Ordnung: Nagetiere. Yamilie: Hörnchenartige. unvorfichtig zu bewegen — und jcheu und furchtjam flieht alles hinab in dunkle Gänge. Ein leifes Bellen, welches aus dem Schoße der Erde dumpf heraufflingt, jomwie die Anzahl Heiner, verlaffener Hügel verraten dann allein noch den jo reichbevölferten Staat. Das Fleijc) diejer Tiere ift fchmadhaft; doch die Jagd auf fie jchtoierig und felten von Erfolg gefrönt. Manches getötete Tierchen rollt außerdem noch in die faft jenkrechte Höhle tief hinab, ehe man es er- hafchen fanın, oder twixd, falls man nachjtehender Erzählung Ölauben ichenfen darf, rechtzeitig noch durch feine Genofjen gerettet.” „Ein nach Präriemurmeltieren jagender Trapper”, erzählt Wood, „hatte glüclich einen der Wächter von dem Hügel vor jeiner Wohnung herab- gejchojfen und getötet. Jr diefem Augenblick erfchien ein Geführte des Berwundeten, Der bis dahin gefürchtet hatte, fich Dem Feuer des Jäger3 auszujegen, padte den Leib jeines Freundes und fchleppte ihn nach dem Innern der Höhle." Ein nur veriwundeter, objchon tödlich getroffener Präriehund geht regelmäßig verloren, weil er jich noch nach jeiner Höhle zu jchleppen weiß und verjchtwindet. „Eher gelingt e8, derer habhaft zu werden, welche jich ettva3 weiter von ihren Röhren entfernt Haben, und ebenjo ift es, nad) Ausjage Der Bräriejäger, leicht, fie auszuräuchern. Während des Baues der obenerwähnten Bahnen waren Bräriehunde bei den Arbeitern ein gewöhnliches und beliebtes Ejjen." (Finjch.) Der befannte amerifanifche Syitematifer und Tierlebenforicher Hart Merriam vom Biological Survey de3 Department of Agriculture hat in dejjen Jahrbuch für 1901 („The Prairie-Dog of the Great Plains“) den Bau näher bejchrieben. „Die Röhre fällt exit jehr jteil in die Tiefe, wendet dann beinahe in rechtem Winkel um und geht wagerecht weiter, gegen das Ende etwas anfteigend. Das Neft ift eine feitliche Kammer, die in Verbindung mit Der wagerechten Röhre fteht, aber gewöhnlich, wenn nicht immer, etwas höher liegt als dieje. Von einem folchen offengelegten Bau gibt W. 9. DIgood eine genaue Zeichnung mit Mafen. Bei diefem fiel die Einfahrtsröhre fast jenfrecht bis in eine Tiefe von über 4m, to fie tvie abgebrochen ins Wagerechte umdrehte. Der wagerechte Teil mar ebenfalls beinahe 4 m lang, fein hinterftes Drittel fowie zwei alte Seitenfammern nebjt Zugängen mit [chwarzer Erde gefüllt, die aus der oberflächlichen Schicht eingebracht und fehr verjchieden war von Dem hell gefärbten Kehmboden, in dem der größere Teil des Baues lag. Etwa 11% m vom Ein» gang war eine Ausbuchtung, eine Art kurzer Seitengang, in dem die zu Baue gejcheuchten Tiere fich wahrjcheinlich umdrehen, wenn fie nad) Murmeltierart aus der Einfahrt heraus noch einmal einen Blie auf den Störenfried werfen wollen, ehe fie endgültig in der Tiefe des Baues verjchtwinden. Hier figen fie jedveitfalls auch, wenn jie bellen und jchimpfen, nachdent jie jich von der Mündung des Baues zurüdgezogen haben.” Einen ganz ähnlichen Bau machten jich ein Pärchen Präriehunde, die Profejior B. E. Zillfon, nachden fie in jeinent Snftitute den Winter glüclich überjchlafen hatten, auf feinem Landfite in eine große Voliere brachte, wo fie reichlich Gelegenheit hatten, ihre befannte Grabfähigfeit auszuüben. Sn einer Cie begannen fie ihre Arbeit und waren bald außer Sicht. Binnen wenigen Tagen erhob jich rund um das Einfahrtsloch ein Hügel von etiva 50 cm Höhe und 60 cm Durchmejjer. Das unterirdische Werk fchien aber noch nicht vollendet; denn die Tiere warfen bejtändig Erde aus der Höhle. Beim Graben gebrauchten fie ihre Vorderbeine und warfen den Boden in einige Entfernung Hinter die Hinterbeine. Bon Zeit zu Zeit drehten fie fich dann um und jchoben ihn mit den Strallen weg. Sie hatten eine eigene Art, ihre Nafen al3 Stoßramme im Heinen zu gebrauchen, und waren auf diefe Weife ftändig dabei, die Erde um ihre Behaufung jeitzuftoßen. Viel Zeit verbrachten fie damit, aufrecht mit niederhängenden Vorderpfoten auf ihrem Hügel zu figen; offenbar injpizierten fie dann die Umgebung. Bein leijejten Präriehund: Bauten. Schaden. Gefangenleben. 493 Seräujch jtürzten fie in ihre Höhle, auf äußert Fomijche Weije mit dem Schwänzchen wadelnd. Kaum aber waren jie verichwunden, jo erjchtenen ihre Stöpfe verjtohlen jchon wieder mit einem Ausdrud von Ungeduld und Dreiftigkeit. Obwohl offenbar jo furchtiam, fam manch» mal doch ein gemwijjer Wagemut über jie: jo Hletterten jie öfter auf Das Dach des anftoßenden Kohlenjchuppens, und ihr haftiges, ungejchidtes Strabbeln, um wieder herunter zu fommen, war dann jpaßhaft anzujehen. Um ihre unterirdische Behaujung zu unterjuchen, grub Sullfon im November den Bau auf. Diejer z0g jich unter den Kohlenjchuppen; Dadurch war jeine Tiefe wahrjcheinlich beeinflußt und die Leiftung nicht jo groß, wie man zuerjt ver- mutete. Die Röhren hatten einen Durchmefjer von beinahe 9 cm und waren ziemlich rund, bon oben nac) unten leicht abgeplattet. E&3 fanden fich auch zwei jeitliche Ausbuchtungen von fugeliger Form: Die eine 30cm im Durchmejjer, gefüllt mit trodenem Grafe, Stornfutter ujw., die andere nur ettva 20 cm und leer. Außerdem war ein blinder Gang, eine Sadgafje von 90 cm Länge vorhanden, vollgepact mit Gras und Heinen Mengen Erde; jie diente zweifellos dem Zwed, den Winterborrat an Futter feucht zu halten, und die feite Badung war bemwerf- jtelligt Durch das.oben bejchriebene „NRammen”. Die Gejamtlänge des Baues betrug un- gefähr 71, m. Die Frage ijt oft aufgeiworfen worden, ob der Präriehund Wafjer braucht oder nicht. Der Vorbejißer des Zillfonjchen Paares hatte dDiefem zwei Monate nichts zu trinken gegeben, und Sillfon jelbit ift jicher, daß die Tiere von Ende Dftober bi3 März nicht tranfen. Wäh- end des Dezembers trank einer viernal je im Abjtand von mehreren Tagen vor Beginn des Winterjchlafes. Sm Ausjehen der Bauten beiteht ein Unterjchied zwijchen dem Mifjouri- und Columbia- Präriehund; bei le&terem fehlt die trichterförmige Erhöhung um den Eingang. Nach Xemwis und Clark nahmen die Anjiedelungen der columbijchen Art manchmal 200 englische Acker ein. Die einzelnen Baue jind getrennt, und jeder Hat vielleicht zehn oder zwölf Ein- wohner. Bor der Einfahrt entiteht auch ein Kleiner Hügel durch Die ausgemworfene Erde; aber oft liegen drei oder vier verjchtedene Röhren, die zu einem Bau gehören, mit ihren Ein- gängen rings um den Fuß der Heinen Hügel. In Kanjas fcheint der Präriehund nur wenige Tage im allerunfreundlichiten Winter jich zurüdzuziehen; denn man hat ihn Dort im Januar jo lebendig wie im Sommer ge- jehen. Weiter im Norden hält er aber ziweifellos einen längeren Winterjchlaf. Stellenmweije muß der Präriehund zum landiirtjchaftlichen Schädling werden; denn das United States Department of Agrieulture, Bureau of Biological Survey gibt in einem jeiner Flugblätter von 1908 Anleitung zu jeiner Vernichtung. Bergiftetes Ktorn und Schwefelfohlenjtoff find die beiten und billigiten Mittel. Zm Winter und erjten Frühling, wenn die Nahrung fnapp ift, legt man das Strychninforn aus, das SI—I0 Prozent der Tiere tötet mit einem Kojtenaufivand von nur 10—15 Cents für den Ader Land. Die übrig- bleibenden erjtict man dann mit Schwefelfohlenftoff, wofür das Ninijtertum die Ktojten mit ungefähr 1 Cent auf den Bau berechnet. Über gefangene Präriehunde jchreibt Haade („Zool. Garten”, 1888) das Folgende: „Es dürfte nur wenige Tiere geben, deren Gefangenleben fich jo leicht zu einem annähernd naturgetreuen Bilde ihres Freilebens geitalten läßt wie das des Präriehundes, dejjen fünjt- liche Anfiedelung mit dem anziehenden Treiben ihrer Bewohner viele Bejucher des Frank furter Tiergartens fejjelt. Hier ift den Präriehunden die Möglichkeit der Anlegung ihrer Höhlen gegeben, und an das Leben in und um die legteren und an ihre Herjtellung ift der 494 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Hörnchenartige. = volfftändige Begriff des Präriehundes jo jehr gebunden, daß das Tier im engen Käfige ichwer twiederzuerfennen ift. Kaum hatten wir im legten Sommer unjern Durch einige neue Einrichtungen verbefjerten Präriehundpark toieder bejest, als auch jhon die Grabtätigfeit der Tiere begann. Die Bejegung war am Nachmittage erfolgt; jchon in der nächiten Nacht fonnten die Präriehunde in den neugegrabenen Höhlen jchlafen. E3 verlohnt jich, die Bau- tätigfeit unferer Tiere genauer zu verfolgen. „Die Aufloderung von Erde und Lehm, aljo das eigentliche Grabgejchäft, wird durch die VBorderfüße beforgt. Mit ihnen Häuft der Präriehund unter jenem Bauche eine Dutan- tität Erdreich an, das dann durch die Hinterfüße weit fortgejchleudert wird. Celbjt wenn da3 grabende Tier fchon tief in der Höhle jteckt, jieht man häufig noch Heine Exrdffumpen weit herausfliegen. Bei der Vertiefung feiner Höhlen geht der Präriehund mit großer Umficht zu Werke. Nie beginnt er in der Tiefe des zu verlängernden Höhlenganges zu graben, denn dadurch würde er feinen Ausweg veritopfen oder doch wenigjtens jehr verengern; nein, immer toird ganz vorn am Eingange der Anfang gemacht. Hier wird die von früherer Grab- arbeit Tiegengebliebene Erde mit den Vorderfüßen unter den Bauch des Tieres gejchafft und mit den Hinterbeinen hinausgefchleudert, und jo verjchiwindet das Tier, abiwechjelnd mit Border- und Hinterfüßen arbeitend, allmählich in die Tiefe. Nach einiger Zeit fommt es zurücd und entfernt mit den Zähnen den an den Strallen der Borderfühe Febenden Lehm. 63 hat den Gang etwas erweitert oder verlängert und ruht jich jest aus; aber bald wird die Tätigfeit wieder aufgenommen, und zivar vorn am Cingange, wie immer. Auf das Graben der Gänge, deren Weite dem Präriehunde ein bequemes Aus- und Einjchlüpfen geftattet, it aber das Baugejchäft Feinesivegs bejchränft. Ein mwejentlicher Teil diejes bejteht in der Ausführung eines die Höhle vor Überfchwemmung fchügenden Walles rings um das Schlupf- loch. Zu diejem Zivede wird die herausgejchaffte Erde gefammelt. Was zu weit fortgeflogen war, wird durch die Hinterfüße wieder in die Nähe des Höhleneinganges gejchleudert, und num jchtebt das Tier, da e3 jich um genaue Arbeit handelt, jorgfältig die Erde mit den Border- füßen vor fich her und häuft fie rings um den Eingang an. Damit fie hier aber liegen bleibe und einen jchönen Wall bilde, wird fie hübjch mit der Naje feitgejtampft, und zur Aus- führung Diejer Befejtigung des Walles und der Wände des Einganges wählt der Prärie- hund zwedentjprechendermwetje Negentage, nad) denen man rings um den Eingang die Najen- eindrüde des Tieres fieht. „Der Präriehund nimmt je nach) dem Wetter yeitteifige Veränderungen mit jeinent Baue vor. Als es im Dftober falt wurde, verjtopften unfere Präriehunde drei der fünf Eingangslöcher zu ihrem unterivdiichen Baue, dejfen Gänge, wie es fcheint, durchweg zu . jammenhängen. Zu diefem Ziwede wurden die Wälle teilmweije zerjtört. Ein entgegengejeßtes Verhalten Habe ich im Sommer beobachtet, wenn nach Negentagen die Sonne warın fchien und für die Austrodnung der Wohnung geforgt werden mußte. Dann wırden, un den Abzug des Wafjerdunftes zu fürdern, den ich einmal in Heinen Wolfen aus dem Baue auf- tteigen jah, Luftröhren gegraben. Ym Gegenfage zu den fchrägen Laufröhren gingen jie jenfrecht in die Erde und waren beträchtlich enger alS jene; auch wınde, wa8 aus dem Mangel von Erde um ihr Ausgangsloch hervorging, ihr Bau von der Tiefe aus begonnen, nicht von der Oberfläche, denn im leßteren Falle hätten die Tiere nicht leicht auf die aus- zutrocnenden Gänge der Wohnung treffen können. Sobald die Luftröhren überflüffig waren, wurden fie wieder bejeitigt. Zur wohnlichen Einrichtung des Baues gehört die Auspolfterung des Nuhelagers mit Heu und ähnlichen Dingen. Bei trodenem Wetter werfen wir imjeren a nr ae en Kap N ’ PBräriehund: Gefangenleben. 495 Präriehunden eine Handvoll Heu hin. Mit Hilfe der VBorderfühe und des Maules formen die Tiere dann Heubündel, jo did, dag der Mund fie faum faljen fann, und verjchtwinden mit ihnen in die Tiefe. Ganz ähnlich verfahren fie mit Bapier; ganze Zeitungsblätter werden in Ballen zujammengefaltet und in den Bau gejchleppt. Jit das Heu im Lager zu feucht geworden, jo wird eS wieder entfernt und durch neues erjebt. „sm vergangenen Frühjahre betrug die Anzahl der Präriehunde in unjerem Gehege neun Stüd, zu denen jpäter noch fünf junge und jechs Ziejel famen. Wieviel Männchen und Meibehen fich darunter befanden, vermag ich nicht anzugeben, da die Unterjcheidung der Gejchlechter jchiwierig und das zu dDiefem Zwede notwendige Ergreifen der Tiere ein miß- liches Ding ift. Sämtliche Bräriehunde lebten durchweg im bejten Einvernehmen und waren auch gegen die Ziejel, die mit ihnen diejelben Löcher bewohnten, jehr dDuldfam. Selbjt mit ven Ratten, die jich im und am Prärienhundeparf eingentitet hatten, jchienen fie auf ganz qutem Fuße zu leben; wiederholt habe ich e3 beobachtet, daß Präriehunde und Ratten fich ganz freundlich gegenfeitig bejchnüffelten. Dagegen erging e3 zwei fremden Präriehunden, die ipir bon Hamburg erhielten und den unferigen beigejellten, recht Schlecht. Sie wurden jofort heftig angegriffen und mußten jich in die Höhlen flüchten, um alsbald von deren rechtmäßigen Bejisern mit großer Öejchtwindigfeit darin begraben zu werden. Nach wenigen Tagen hatten die beiden Hamburger ihr Leben unter den Bijjen der leßteren Iafjen müjjen. Conijt habe ich Beißereien faum beobachtet; wenn der Präriehund wirklich einmal (und bei einem außergewöhnlichen Tederbijjen gejchieht das mitunter) feine Liebenswürdigfeit gegen- über jeinen Gemeindegenojjen vergißt, Hilft er jich mit Prügeln. Mit beiden VBorderfühen zugleich trommelt er dann auf den Gegner ein, wobei er ein unwirjches Gezeter, ähnlich dem Zanfen des Stiegliges, ausjtößt. it aber der Gegenjtand des Streites verzehrt, jo ift auch der Heine Ziiichenfall vergejjen, und wieder wird mit dem Schwänzchen vergnüglich gejchnippt, wie jtet, wenn der Öleichmut feines Trägers ungeftört ift. Abwechjelndes Bellen, wie Mölldaujen es beobachtet Hat, findet hier nicht jtatt. Vielleicht aber meint Mölldaujen damit ein plögliches, aus feinem erjichtlichen Grunde ftattfindendes Aufjauchzen, das von einem jich hoch auf die Hinterfüge jchnellenden Tiere ausgeht und von ihm und den übrigen einige Male wiederholt wird, aber gleich wieder aufhört. Man beobachtet diejes eigentüm- liche Aufjauchzen nicht jelten. Sch vermag es nicht zu deuten; ein Warnruf ift es jicher nicht. „Der Warnruf der Präriehunde ijt jenes helle Gekläff, dem das Tier jeinen Namen verdankt. Unfjere Präriehunde lajjen es nur vernehmen, dann freilich auch regelmäßig, wenn unjere Bernhardinerhündin ‚Cora‘ fich in der Nähe des Geheges befindet. Sie fünnen dieje zivar nicht jehen, aber der Geruch verrät jie einem der Tiere, das jebt eindringlich zu Häffen beginnt. Schleunigjt verichwinden die übrigen in den Höhlen, während der wachjame Kläffer jich in aufrechter Stellung auf den Wall eines Höhleneinganges jest und jeinen Genojjen im Inneren durch fortgejettes Bellen das Weiterbejtehen der drohenden Gefahr mitteilt. Berjchwindet die letere nicht bald, fo flüchtet ich auch die Wache unter plöglich jchneller ausgejtoßenem Gefläffe in die Tiefe. Im Menjchen erbliden unjere Bräriehunde feine Gefahr mehr; wenn aber zufällig fein Beobachter bei ihnen jteht und dann plößlich einer. naht, jo laufen alle den Höhleneingängen zu, um nötigenfalls fich möglichit fchnell in die Höhlen flüchten zu Finnen. Sie Haben fich aber bald von dem Nichtvorhandenjein einer Gefahr überzeugt, nahen fich dem Befucher, ftelfen fich aufrecht vor ihm Hin und machen wohl auch einige Schritte auf den Hinterbeinen gegen ihn, um jich eine:t Yederbijjen zu erbetteln. Zeßteren entnehmen jie unmittelbar der Hand des Bejuchers, und gibt es etivas bejonders 496 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hörncdenartige. Gejchäßtes, wie Hafenußferne, jo lajjen fie jich lieber an den Zähnen in die Höhe heben, al? dab fie den einmal gepadten Bifjen wieder fahren fiegen. Das gewöhnliche Futter der Rräriehunde ift bei uns Mais und Grünzeug aller Art. Unter legterem jind bejonders Möhren gejchäßt. Auch grüne Grashälmchen und, wenn nichts anderes zu haben ift, Heuhalme find willfommen. Der Halm wird zierlich mit einer Hand (jo fann man mit Recht den Vorder- fuß des Präriehundes nennen) gehalten, indem die Finger den Halm gegen den Daumen- balfen drüden. Lederbijjen fir Präriehunde find Niüfje, die man aber auffnaden muß, da die Tiere ganze Nüfje unbeachtet lafjen. Auch Heine Vögel werden gern verzehrt. ch ver- mute, da die Präriehunde letere gelegentlich jelbjt erbeuten; demm ich Habe mehr als einmal unfere Rräriehunde beim Verzehren eines Sperlings angetroffen, von dem Feiner der Wärter zu jagen wußte, wie fie ihn erhalten hatten. Bei der Frechheit der Spaßen ijt es ja aud) er- flärlich, daß gelegentlich einer die Beute der Präriehunde wird. „Nur von einem unjerer Präriehundweibchen haben mir bi jeßt Nachzucht erhalten, Schon feit geraumer Zeit war ung ein Tier aufgefallen, dejjen Haarwechjel jich äußerft_Jang- iam vollzog, jo daß es ftellenmweije ganz fahl twar, und bei ebendiejem Tiere, das einen ab- gejonderten Gang für ich bewohnte und bejonderz fleikig Heu und Bapier eintrug, ragten die Ziben weit und deutlich fichtbar hervor. Daß es eine jängende Mutter war, unterlag iomit faum einem Zweifel, zumal da das Tier jich durch Unliebensmwürdigfeit gegen jeine Genofjen auszeichnete und diefe mitunter in ihre Höhlen trieb und dann die Eingänge ichleunigjt verjchartte. Lange Wochen aber dauerte es, bis in dem Eingange zur Wochenjtube das Köpfchen eines jungen Präriehundes fichtbar wurde, der jich neugierig, aber äußerit vorjichtig die Welt betrachtete. “Tage vergingen, ehe jich nach diefem erjten Herauslugen die jungen Präriehunde ganz herauswagten. Jndejjen konnten wir nach und nad) ihrer fünf zählen und jahen jie auch allmählich zutraulicher werden; freilich die Zahmheit der Alten hatten fie auch am Ende ihres erjten Sommers noch nicht ganz erreicht. Die jungen Präriehunde trugen ein helleres und weniger rötliches Haar als die alten. Sie gingen jehr bald ans Futter, wurden freundlich von Allen Gemeindemitgliedern aufgenommen und fingen frühzeitig an, jich an der Erweiterung und Ausbejjerung des Baues zu beteiligen. Einen echt findlichen Zug habe ich an ihnen beobachtet. Als jie während einer Verbejjerung des Geheges von den Alten getrennt und nach längerer Zeit wieder mit diejen bereinigt wurden, fannte ihre Freude des Wiederjehens feine Grenzen. Unaufhörlich ftefen jie den älteren Gemeindemitgliedern nach und fühten und liebfoiten jie in ihrer Weije. Mit Beginn des Winters hatten die Jungen die erjte Härung überjtanden und den jchönen rofgrauen Telz der Alten erhalten, jest, zu Ende des zweiten RN: in einem Alter von etwa 15 Monaten, jind jie ausgemwachjen.“ Bei der im Berliner Garten 1909 erzielten Nachzucht bon zwei oder einem Jungen war das Benehmen der Tiere anders. Die Jungen wurden im gemeinjamen Stallnejt ge- worfen, und die Alten lagen alle auf ihnen, jo daß man gar nicht ohne weiteres die eigent- fiche Mutter erfennen fonnte. Die erjten beiden Jungen wurden am7. März gefunden und fonnten da höchitens einige Tage alt fein; am 8. April hatten fie die Augen geöffnet und eine feine plüjchartige Behaarung angelegt. Haade fährt fort: „Bei Eintritt der falten Witterung im Oftober oder November ziehen fich unjere Präriehunde zum Winterjchlafe zurüd. Sie bleiben den Winter über in ihrem Gehege und erjcheinen im Frühjahre ziemlich volzählig wieder. Gibt es im Winter jehr warme Tage, jo wird der Schlaf auf kurze Zeit unterbrochen.“ “ -Salber Biejel, Biefel. 497 Im Berliner Garten bewohnen die Präriehumde neben den Mımmeltieren, Ziejeln und Eichhörnchen ein Höhlengehege unten am Landnagetierhauje. Freie Gelegenheit zum Graben gibt man ihnen dort nicht, weil man bei dem lofen Sandboden und den naßfalten Wintern der Mark Brandenburg damit früher jchlechte Erfahrungen gemacht hat. Sn dem Boden der Gehege jind aber Nöhren gelegt und rundliche Kefjel ausntodelliert, die Die Präriehunde wie ihre Verwandten alle jofort auf das bereitwilligite annehmen und mit dem befannten Eifer voll furz zerbijjenes Heu jtopfen. Die zünftige, hHandwerksmäßige Art und Weile, wie die Fleinen Nammer und Poljterer dabei zu Werfe gehen, amüjiert das Publikum ebenjofehr wie die Zutraulichfeit, mit der jie, auf zwei Beinen jißend, aus dem vertieften Gehege emporbetteln. Co jind fie ganz allgemein vielgefütterte Lieblinge, zu- gleich und dadurc) aber wahre Maftjchiweinchen, die faum mehr laufen füniten. Syn Der Nagetierfammlung des Berliner Gartens jind die Präriehumde diejenigen, die bis jebt am wenigiten durch Kletter- und Springfünfte irgendwelche Überrajchungen bereitet oder Schwierigkeiten verurjacht haben. Mit dem amerifanijchen PBräriehund in feinen wenigen geographiichen Formen glaubte man bis in die neuejte Zeit die Gattung Cynomys erjchöpft und hielt fie für rein neumeltlih. Da machte Satunin 1908 im Tiflifer Mufeum durch Bergleich der Schädel _ die überrajchende Entdedung, daß der Falbe Ziejel, Colobotis fulvus Zeht., oder Die Gelbe Ziejelmaug, wie er ihn nennt, ein altweltlicher Präriehund, der altweltliche Ver- treter der Gattung Cynomys ijt und daher Cynomys fulvus Zeht. genannt werden muß. (Bal. „Beiträge zur Kenntnis der Säugetierfauna Kaufajieng und Transfajpiens”, XI.) Sein Verbreitungsgebiet beginnt nach Satunin „im Weiten in der Wolga-Uraliteppe und erjtreckt jich von dort nach Djten durch das Gebiet des Ural-Stojafenheeres auf die Slirgijen- iteppe, wobei auch die jüdlichen Teile der Gebiete Turgai und Akmolimjf einbezogen werden... Nac, Eüden geht das Wohngebiet längs dem Kafpiufer wenigitens bis zum Kinderly-Meerbujen... Weiter gehören dazu der Mjt-Urt, der nördliche Teil der Kijil-Kum- Wüfte, ein Streifen am Shyrdarja und die Umgebung von Samarfand und Bernoje.” Die abweichende Erjcheinung, Bewegung und Höhlenform des altweltlichen Präriehundes im Gegenjaß zu den eigentlichen Biejeln derfelben Gegenden war jchon Eversmann aufgefallen. „Dieje Art ijt die größte, jchlankite und flinkite unter den hier in Betracht fommenden jowie unter den Biejelarten überhaupt... Der Falbe Ziejel Hingegen macht feine Höhle voll- “ fommen jenfrecht in die Erde, treibt jich einzeln und ziemlich weit von feiner Wohnung in der Steppe umher und läuft äußerit jchnell in Sägen und Sprüngen, jo daß man ihn etwa mie einen Jltis-vorbeifliegen fieht." Cigentliche Präriehundgewohnheiten jind dies übrigens doch nicht. Catunin meint denn auch am Schlufje feiner Unterfuchungen, die Gattung Cynomys jcheine ihm „wenig begründet, und e3 wäre vielleicht richtiger, fie al3 eine Unter- gattung des Genus Marmota anzufehen”. Mlfo Übergänge vom Murmeltier durch Ziefel und Erdeichhorn bis zum Baumeichhorn! Siejel, Citellus Oken (Spermophilus) heißen feine Arten der Unterfamilie, Schnrude Tierchen mit verhältnismäßig jchlanfen Leibe, geftredtem Kopfe, im Pelze verjtedten Ohren, 4 Zehen und einer furzen Daumentwarze an den Vorder-, 5 Zehen an den Hinterfüßen jotwie großen Badentafchen. Die Körpergeftalt ift mehr eichhornartig, Schlank, und auch der Schädel nähert jich dem Eichhörnchenschädel. Im oberen Kiefer finden fich 5, im unteren Brehm, Tierleben. 4. Aufl XI. Band. 32 498 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Hörnchenartige. 4 Badzähne; Der erjte obere Backzahı ift etwa Halb fo groß wie die iibrigen und mit einer hohen, jcharfkantigen Querleifte bejeßt. Der Schwanz Fann ein furzbehaarter Stummtel, aber auch — ebenfalls eichhornartig — lang und zweizeilig bujchig behaart fein. Die zahlreichen Arten diefer Gattung, die Jämtlich der nördlichen Erdhälfte angehören, fich aber auf beide Halbfugeln verteilen, wohnen auf offenen und bebujchten Ebenen, einige gejellig, andere einzeln in jelbftgegrabenen Höhlen und nähren ich von verjchiedenen Körnern, Beeren, zarten Kräutern und Wurzeln, verjchmähen jedoch au) Mäufe und Heine Bögelnicht. Der (oder auch das) gewöhnliche, einfarbige Ztefel, Citellus citellus Z. (citillus; Taf. „Nagetiere XVII”, 4, bei©. 465), ein niedliches Tierchen, faft von Hamjtergröße, aber mit viel ichlanferem Leibe und hübcherem Köpfchen, 22—24cm lang und mit 7em langem Schwange, am Widerrift bis 9 cm Hoch und ungefähr 0,5 kg jchiver, trägt einen loderen, aus ziemlich Itraffen, in der Mitte dunkler geringelten Haaren beftehenden Pelz, der auf der Dberjeite gelbgrau, unregelmäßig mit Nojtgelb gemwellt, auf der Unterjeite rojtgelb, am Kinn und Borderhals weiß ausjieht. Stirn und Scheitel find rötlichgelb und braun gemijcht, die Augenkreife licht, die Füße roftgelb, gegen die Zehen Hin heller, die Krallen und die Schnur- ren Schivarz, Die oberen Borderzähne gelblich, die unteren weißlich. Das Wollhaar der Ober- jeite ift jchwarzgrau, das Der Unterjeite heller bräunlichgrau, das des Borderhaljes einfarbig weiß. Die Najenfuppe ift Schwärzlich, das ziemlich große Auge hat fchtvarzbraunen Stern. Der Biejel findet fich Hauptfächlieh im Often Europas, von two er fich neuerdings in Schlejien immer weiter in weitlicher Richtung verbreitet; um 1893 wurde er fchon bon den ichlefischen Artilferiefchießpläßen in Die zoologischen Gärten geliefert. Er fcheint aber auch vor gut 100 Jahren fchon einmal viel weiter weftlich gewefen zu fein; denn viele exft fenkrecht, « dann mwagerecht gegrabene, in einem Stejjel endigende ARöhren, die der befannte Vogeltirt Liebe, im Amte Landesgeologe, gelegentlich eines Waldabtriebes auf dem Wolgen bei Leubsdorf (Schleiz) Fand, lafjen jich Faum auf einen anderen Wühlnager als auf den Ziejel beziehen, der fie vor der Aufforjtung Diefer Graumadenfuppe gegraben und mit der Be- waldung den Ort wieder verlafjen haben mußte. („Zool. Garten”, 1876.) Nach v. Martens („gool. Garten“, 1871) nennt übrigens Schwendfeld den Ziefel bereit 1603 als jchle- jiiches Tier. Zm wifjenfchaftlichen „Führer durch Dresden für die Naturforfcherverfanm- lung 1907 berichtet der Dresdener Mufeumsleiter Zafobi: „AUS Vertreter der Steppen- fauna hat der Biejel von Böhmen her den Kamm des Erzgebirges überjchritten und be- reits die Zone de3 Elbjandfteingebirges erreicht." Und nad) feinen Studien über das Tier, die er 1903 im „Archiv für Naturgefchichte” veröffentlicht hat, bewohnt der Ziefel gegen- wärtig Schlejien vom Süden ar bis fat an die Grenze von Brandenburg. Auch im König- reich Sachjen bejeßt daS Tier einen Kleinen Bezirk auf dem Kamme de3 Exrzgebirges an der Müglit und bei Gottleuba. | sm allgemeinen Hat, wie es fcheint, der gewöhnliche Ziefel von allen verwandten Arten die größte Verbreitung. Man Fennt ihn mit Sicherheit al Bewohner des fitdlichen und gemäßigten Rußland, von Galizien, Schlefien und Ungarn, Steiermark, Mähren und Böhmen, Kärnten, Srain und'der oberhalb des Schtvarzen Meeres gelegenen tuffifchen Prodinzen. Daß er in Rußland häufiger auftritt als bei uns, geht aus feinem Namen hervor; denn diejer ift rujjiichen Urfprunges und lautet eigentlich Sustik, im Bolnifchen Sufel, im Böhmiichen Sifel, „woraus das oftdeutjche Ziejel oder Bizel, wie Albertus Magnus jchreibt, der es jchon zur eitellus latinifiert hat...” (v. Martens.) Daher hat 3. B. die Regierung des Biejel: Verbreitung, Standorte. Bauten. 499 Füdruffischen Gouvernements Taurien fchon vor Jahren eine Berordnung erlajjen, nach der jeder ländliche Grundbefißer alljährlich jo viel getötete Ziejel abliefern muß, wie er Hektar Land bejigt: eine öffentliche Laft, die Großgrundherren, wie z.B. dem befannten Friedrid) Talz-Fein in Ascania Nova, jedes Jahr die Bertilgung von nicht weniger als 150000 Stüd auferlegt! Er erfüllt feine Pflicht vermöge de3 auch bei uns für ähnliche Zivede immer mehr bevorzugten Schmwefelfohlenftoffverfahrens mit jehr gutem Erfola; ja, er glaubt jogar, baldige Abnahme des Ziejel3 in Taurien vorherjagen zu Fönnen, zumal zu ungunjten des "Tieres auch nocd) „die rajch zunehmende Kultivierung der Steppe” wirkt, „Die dem Yiejel die Möglichkeit eines gejicherten Baues raubt... Schon fann man nicht mehr von ‚Siejel- jahren‘ fprechen, in denen der Ziejel zur Plage würde, und bei fortgejegter Berfolgung wird e3 jehr bald eine jeltene Erfcheinung in unferem Goupernement fein.” Nach Falz-Fein bewohnt das Tier nämlich „vor allem die freie, offene Steppe, in der e3 jich zur Anlage jeine3 weitläufigen Baues mit Vorliebe Furzbewachjene Stellen ausfucht: Biehtriften, auf denen das Gras abgemeidet und ausgetreten it, [pärlich bejtandene Böfchungen von Rinn- jalen ufw. Tief gelegene, feuchte Stellen meidet der Ziejel, ebenjo aber auch jandiges oder aufgeadertes Land und bebaute Felder. Dagegen jtedelt er jich begreiflicherweije gern in deren Nähe an, zumal er dort auf Schwarzem Boden mit jalzhaltigen Lehmunterjchichten . auch den ihm am meilten zufagenden Baugrund findet. An den grasreichen Teilen der Steppe fehlt der. Ziefel geradezu.” Laut Herklog Hat er jich befonders den Eijenbahnen zugeiwendet, deren aufgeworfene Dämme ihm das Graben erleichtern und vor Regengüjjen einen gewijlen Schu gewähren. Doc jcheut er auch unter fonft günftigen Lebens- bedingungen einen feiten Boden nicht und zerlöchert diefen unter Umftänden fo, daß hier und da falt Röhre an Röhre nach außen mündet. Cr lebt jtet3 gejellig; aber jeder einzelne gräbt jich feinen eigenen Bau in die Erde, das Männchen einen flacheren, das Weibchen einen tieferen. Der Kejjel liegt 1—1,5 m unter der Oberfläche des Bodens, ijt von läng- lichrunder Gejtalt, Hat ungefähr 30 cm Durchmefjer und wird mit trodenem Graje aus- gefüttert. Nach oben führt immer nur ein einziger, ziemlich enger und in mancherlei trüm- mungen oft jehr flach unter der Erdoberfläche Hinlaufender Gang, vor dejjen Mündung ein Heiner Haufen ausgeworfener Erde fiegt. Der Gang wird nur ein Jahr lang benust; denn jobald es im Herbite anfängt, Falt zu werden, verjtopft der Ziejel die Zugangsöffnung, gräbt jic) aber vom Lagerplage aus eine neue Röhre bis dicht unter die Oberfläche, die dann im Frühjahre, jobald der Winterjchlaf vorüber, geöffnet und für das laufende Jahr als Zugang benußt wird. Die Anzahl der verjchiedenen Gänge gibt aljo genau das Alter der Wohnung an, nicht aber aud) das Alter des in ihr wohnenden Tieres, weil nicht jelten ein anderer Ziejel die noch brauchbare Wohnung eines feiner Vorgänger benußt, falls diejer durch irgendeinen Zufall zugrunde ging. Nebenhöhlen im Baue dienen zur Aufjpeicherung der Wintervorräte, welche im Herbite eingetragen werden. Der Bau, in dem das Weibchen im Srühjahre, gewöhnlich im April oder Mai, feine 3—8 unbehilflichen, nadten und blinden Jungen wirft, it immer tiefer angelegt alS die gewöhnlichen Wohnbaue,; um den Stleinen hinlänglichen Schuß zu gewähren. Bemerkenswert ift, daß man vor dem Biejelbau zumeiit feinen Erdaufwurf findet, die Yöcher vielmehr wie in den Boden. gejtochen erjcheinen. Talz-Feins Beobachtungen darüber Haben ergeben, daß der Ziejel die Gewohnheit hat, die Erde in feinen Badentajchen ie Erdhäufchen in der Umgebung des Baues deuten fchon darauf hin. „Bewohnte Baue”, jchreibt mir Herkloß, „Lajjen jich jofort durch den Geruch erfennen; 32* 00 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hörnchenartige. denn der Ziejel verabjfäumt jelten, vor dem Einfahren jeinen Harn zu lajjen, und Diejer hat einen jo unangenehm ftechenden Geruch, daß man jich jelten täufchen fan. Auffallend it die Sucht des Tieres, allerlei glänzende Dinge, Borzellanjcherben, Glas- und Eijenjtüd- chen 3. B., in feinen Bau zu fehleppen. Der Ziejel bejist eine Fertigkeit im Graben, die geradezu in Erjtaunen jegen und Uneingemweihten vollfommen unglaublich jcdeinen muß.“ Ein Herflog entlaufener Hatte binnen einer Woche ein Loch von über 2 m Tiefe in eine Biegelmauer gegraben, bis er wieder eingefangen wurde. „Es fann feine angenehmere Unterhaltung gewähren“, jchildert Herfloß weiter, „als in den Nachmittagsitunden eines Frühjfommertages Ziejel zu beobachten. Kaum zehn Minuten währt e8, und in der Mündung einer Röhre erjcheint ein äußerft niedliches Köpfchen, dejjen are Augen bejorgt ins Grüne jpähen; der übrige Leib folgt, unjer Tierchen jest ji) auf, macht Männchen, vollendet feine Aundjchau, fühlt fich fiher und geht an irgendmelches GSejchäft. Binnen weniger Minuten ijt gewiß die ganze Gejellichaft am Plabe, und nun- mehr hat das Auge volle Bejchäftigung. Einige jpielen, andere pußen fich, einige befnabbern eine Wurzel, andere treiben jonjt etwa. Da jtreicht ein Raubvogel vorüber: ein gellender Piiff, jeder rennt feinem Falloche zu, jtürzt ich Fopfüber hinein, und alles it in den Nöhren verjchwunden. Doch nur geraume Zeit, und das alte Spiel beginnt von neuem. Sn feinen Bewegungen ijt der Biejel ein Feines Murmeltier, Fein Hörnchen. Er läuft hufchend über den Boden dahin, in rajcher Folge ein Bein um das andere fürder jeend, führt jelten einen Sprung aus und Hettert ungern, objchon nicht ganz ungejchiekt, jedoch immer nur nad) Art der Murmeltiere, nicht nad) Art der Eichhörnchen. Auc) feine Stellungen beim Siten, jein Männchenmachen und endlich feine Stimme, ein dem Lodtone des Kern- beigers täufchend ähnlicher Pfiff, erinnern an jene, nicht an diefe. Obgleich der Biejel jehr mißtrauifch und vorfichtig ift, gewöhnt er fich doch an öfter wiederkehrende Störungen, fo daß dieje ihn Schließlich nicht im geringiten mehr beläftigen. Auf einer ungarijchen Bahn entdeckte ich am Ende einer im Schotter eingebetteten Schwelle eine in den Bahndamm einoringende Ziejelröhre, und gar nicht lange, jo erjchten der Ziejel. Eine Halbe Stunde jpäter braufte der Zug heran, der Biejel fuhr in feinen Bau, jchaute mit halben Leibe heraus, ließ ruhig den Zug über fich wegrafjeln, fam fodann wieder heraus und trieb e3 wie vorher. Später jtieß ich auf einen Ziejelbau unter einer Weichenjchwelle: hier fam zur Be- unruhigung durch den Zug noch die, welche durch das Stellen der Weiche DErUrIBE! wurde, und gleichwohl ließ jich das Tier nicht ftören.“ Barte Kräuter und Wurzeln, 3. B. Vogelmwegetritt und Klee, Getreidearten, Hüljen- füchte und allerhand Beeren und Gemüfe find die gewöhnliche Nahrung des Ziefels. Gegen den Herbjt Hin jammelt er jich von den genannten Stoffen Vorräte ein, ‚die er Hamfterartig in den Badentajchen nach Haufe chleppt. Nebenbei wird der Ziefel übrigens auch Mäufen und Bögen, die auf der Erde nijten, gefährlich ; denn er raubt ihnen nicht bloß die Nefter aus, jondern überfällt ebenjo die Alten, wenn fie nicht vorfichtig jind, gibt ihnen ein paar Bifje, jript ihnen das Gehirn aus und verzehrt fie dann vollends bis auf den Balg. Seine Nahrung hält ex jehr zierfich zwifchen den Vorderpfoten und frißt in Halb aufrechter Stellung auf dem Hinterteile jigend. Nach dem Frejfen pubt er fich die Schnauze und den Kopf und let und wäjcht und Fämmt fich fein Zell oben und unten. Waffer trinkt er nur wenig und gewöhnlich nach der Mahlzeit. Der Schaden, den der Ziejel durch feine Plündereien verurjacht, wird nur dann fühl bar, wenn jich das Tier befonders ftarf vermehrt. Das Weibchen ift, wie bei allen Nagern, Biefel: Freileben. Nahrung. Schaden. Fortpflanzung. Feinde. Gefangenleben. 501 außerjt fruchtbar umd wirft in den Monaten April oder Mat nach 25—30tägiger Tragzeit auf vem weichen Lager feines tiefjten Kefjels ein meift ftarfes Gehede. Die Jungen werden jorgjältig gejäugt, gepflegt und noch, wenn fie bereits ziemlich groß find und Ausflüge machen, bewacht und behütet. hr Wachstum fördert fchnell; nach Monatsfrift find fie Halbroüchjig, im Spätjommer faum mehr bon den Alten zu unterjcheiden, im Herbjte vollfommen aus- gewachjen und im nächiten Frühjahre fortpflanzungsfähig. Bis gegen den Herbit hin wohnt die ganze Familie im Baue der Alten; dann aber gräbt fich jedes Junge eine bejondere Höhle, trägt Winterborräte ein und lebt und treibt eS wie feine Vorfahren. Feinde find außer den zünftigen Naubtieren und Naubvögeln die Strähen und Kolfraben, der Storch, die Graumantelmötwe de3 Schtwarzmeergebietes und die Trappen, die dem Ziefel eifrig nach- ftellen. Der Großtrappe gehört, laut Herfloß, nicht allein zu den Feinden der Mäufe, jondern verfolgt auch die Ziejel mit ebenfoviel Eifer wie Gejchic, tötet fie durch einen Hieb mit dem Schnabel und verzehrt jie mit Haut und Haar. An Südungarn bejteht, nach Mojjtjovics, eine ganz bejtimmte Beziehung zwijchen dem Ziejel und dem Kaiferadler, „die beide entiweder von ihren früheren Verbreitungsgebieten fast gänzlich verfchwunden (Baranyar- Komitat) oder noch nebeneinander zu finden find, wie in der Frusfa Gora und den vorgelagerten Niederungen der Iinfsjeitigen Donauufer”. Auch der Menfch ver- folgt die Biefel zu Nußzmweden, teil3 des Felles wegen, teils des mohljchmedenden Fleijches halber, und jagt fie mittels Schlingen und Fallen, gräbt fie aus oder treibt fie durch ein- gegojjenes Wafjer aus der Höhle hervor uf. So fommt es, daß der Starken Vermehrung des Biejels auf vielerlei Weije Einhalt getan wird. Und der jchlimmite Feind ift immer noch ver Winter. Schon früh im Herbite, in Taurien bereits in der erften Hälfte des September, hat das frijchfröhliche Xeben der Gefellfchaft geendet; die Männchen haben ausgejorgt für die Sicherheit der Gejamtheit, welche nicht nur außerordentlich wohlbeleibt und fett geworden ift, jondern jich auch ihre Speicher tüchtig gefüllt hat. Feder einzelne Ziefel zieht fich in jenen Bau zurüd, verjtopft dejjen Höhlen, gräbt einen neuen Gang und verfällt dann in Winterjchlaf. Aber gar viele von den eingejchlafenen fchlummern in den ewigen Schlaf hinüber, wenn naßfalte Witterung eintritt, welche die halberftarrten Tiere auch im Baue zu treffen weiß, indem die Näffe in das Innere der Wohnung dringt und mit der Kälte im Vereine rajch ven Tod herbeiführt. Selbit Plagregen im Sommer töten viele von ihnen. Nach) Talz- Fein halten fie bei großer Dürre und während der heifen Monate Auguft und September auc) einen furzen Sommerfchlaf und zeigen fich im Herbft wieder, um ihre Vor- tatsfammern zu füllen. Den Winterfchlaf enden fie „bisweilen jehr früh”, gewöhnlich aber in der zweiten Märztwoche; doch hat Falz-Fein Ziejel „oft jchon im Schnee Herumlaufen fehen“. Gefangen, benimmt fich der Ziejel Höchft liebenswürdig. Er ergibt fich rafch in fein Schidjal und befreundet fich nach und nach mit feinem neuen Gemalthern. Sndeijen zeigt er manchmal die Tücken der Nager und beißt tüchtig zu. Bei guter Behandlung erträgt der Biejel mehrere Jahre hindurch die Gefangenfchaft, und nächit der Hafelmaus ift er wohl eines der hHübjchejten Stubentiere, die man fich denfen fann. Seder Befiger muß feine Freude haben an dem schmuden, gutmütigen Gejchöpfe, das fich ziexlich betvegt und bald Anhänglichkeit an den Wärter zeigt, mern auch feine Begabung nicht eben bedeutend genannt werden Kanır. Ganz bejonders empfiehlt den Ziejel feine große Neinlichkeit. Die Art und Weife feines beftändigen Pubens, Wajchens und Kämmens gewährt dem Beobachter ungemeines Ber- gnügen. Mit Oetreide, Objt und Brot erhält man den Gefangenen leicht; Fleifch verihmäht er auch nicht, und Milch ift ihm eine wahre Lederei. Wenn man ihn vorwiegend mit 02 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hörnchenartige. trodenen Stoffen füttert, wird auch fein jonft jehr unangenehmer Geruch nicht läftig. Nur eins darf man nie verabfäumen: ihn feit einzufperren. Gelingt es ihm, durchzubtechen, jo benagt ex alles, was ihm vorkommt, und fan in einer Nacht eine Zimmereintichtung erheb- fich bejchädigen. Bemerkenswert ift eine Beobachtung von Herkloß, daß der Ziejel durch den Locton des Kernbeißers fich täufchen läßt und diefem antwortet. Zum Berjand miüffen Ziefel, weil fie — eine bei Nagern nicht unerhörte Fannibaliiche Neigung! — im engen Ge- wahrjam fich gegenfeitig abwürgen und anfrejjen, immer einzeln verpadt werben. Ein älterer Bericht von Tiemann-Breslau („Zool.©arten”, 1867) bemweilt, daß der Ziejel auch in Gefangenschaft unbejchadet feinen regelrechten Winterjchlaf Durchmacdhen Fan. „Ohne eine auffallende Veränderung im Benehmen des Ziejel® wahrgenommen zu haben, fand ich ihn am Morgen de3 9. November in feinem Schlaffäftchen tief in die darin befindliche Baumtolle eingebettet, in der befannten gefugelten Lage unbeweglich. Tiegen. Außer einer abivechjelnden Hebung und Senfung der Seiten waren an ihm feine meiteren Lebens- zeichen zu bemerfen. Die das Käftchen umgebende Temperatur fchivanfte zwijchen +3° und —11,5°R. Unter folhen Verhältnijfen mwährte der lethargijche Zuftand mit geringer Unter- brechung von nur 4 Tagen (Mitte März) vom 8. November 1859 bis zum-20. April des folgenden Sahres. Die Dauer des Winterjchlafes betrug jomit 158 Tage. Während diejer Zeit, wie auch während des viertägigen Wachens, nahm das Tier feine Nahrung zu jid), hielt aljo 162 Tage ohne Speife und Tranf aus. Ym Berlauf Ddiefer Zeit gab es aud) feine Zojung ab. Das Atmen gejchah in langjam aufeinanderfolgenden Zügen, in Deutlich wahrnehmbaren Zmwijchenräumen, und es folgte nach) mehreren [chwächeren Einatmungen ein tiefer Atennzug. Die Zwijchenpaufen, in denen die einzelnen Aternzüige einander folgten, ichwanften zwijchen 50 und 56 Gefunden. ES fommen hiernach auf einen Tag 1630 Aten- züge; im wachen Zustande hingegen etwa 30 Atemzüge auf die Minute, mithin 42300 auf einen Tag, aljo etiva 26 mal joviel als während des Winterjchlafes. Die Körpermärme janf auf--8°R. Dem Erwachen gehen feine auffallenden Anzeichen vorher. Am 19. April lag der Biejel noch in feinem lethargifchen Zujtande; am 20. morgens aber, als ich Die obere Lage Wolle abhob, jchaute er mich mit feinen Haren Augen an wie vordem, und al3 meine Hand ihn erreicht Hatte, Hujchte er mit derjelben Gewandtheit tiefer in die Wolle hinein wie vor dem 9. November.” Im zweiten Jahre der Gefangenschaft war der Winterjchlaf aber jchon nicht jo feit; jondern e3 „mar injofern eine Veränderung eingetreten, al3 die animalische Wärme nicht unter -\-100 R herabjanf, oft fogar Höher, bi3 auf-1-13° ftieg und damit jelbjtverjtändlich ein fchnelleres Atemholen verbunden war.” 20. Januar Erwachen, 26. Schlaf, 12. Februar Erwachen uf. abmwechjelnd 21. Februar, 20. März, 24. März, 7. April, 12. April, ausgangs April endgültiges Erwachen. „Während des mehrtägigen Er- wachens nahm der Ziejel außer etwas Milch weiter feine Nahrung zu fich.” Der dritte Winterjchlaf war erjt recht unregelmäßig. „Nach einigen Wochen erwachte unfer Schläfer DER blieb wochenlang wach, jchlief wieder auf furze Zeit ein, erwachte wieder uff. bis Mai. Wenn er aufgewedt war, nahın er, wie gewöhnlich, feine Nahrung zu fich und ließ nicht etwa bejondere Trägheit und Schläftigfeit wahrnehmen.“ Das ijt ungefähr die Art und Weife, wie auch im Zoologijchen Garten die Winterfchläfer den Winter zu verbringen pflegen. Außer den Bewohnern Sibiriens und Zigeunern ejjen bloß arme Leute das Fleifch des Ziejels, obgleich e3 nach den Erfahrungen von Herfloß vortrefflich, und zwar ungefähr wie Hühnerfleijch jchmeckt. Auch das Fell findet nur eine geringe Benusung zu Unterfutter, zu Derbrämungen oder zu Geld- und Tabaksbeuteln. Nach Bra, der allerdings für den Biefel: Gefangenleben (Winterfchlaf), Nuten. — PBerlziefel. 03 gewöhnlichen Ziefel feine gefonderten Angaben macht, fondern alle „Suslikı“, auc) die afiatifchen Arten, zufammenfaßt, „werden die Felle in Rußland zugerichtet und zu Futter zufammengenäht. Sährliche Produktion ettva 30000 Futter. Der Preis für ein jolches ichtwanft zwifchen 5 und 12 Mark. In Jahren, two folche Futter gejucht find, mögen mohl eine Million Biejelfelle verarbeitet werden.” Zu der zweiten europäifchen Biefelart, dem etwas Eleineren und furzichwänzigeren, nach feiner dichten, hellen Fledkung jo genannten Berlziejel, Citellus suslica Güld. (gut- tatus; Taf. „Nagetiere XVII”, 5, bei ©. 465), übergehend, müjjen wir un vor allem Darüber Hlarwerden, twie beide Arten in ihrer Verbreitung fich zueinander verhalten. Da geht nun aus Mojfifovic3’ „Tierleben der öfterreichifch-ungarifchen Tiefebenen” unzweideutig hervor, daß man die gewöhnliche Art wohl als den Ziejel de3 Donaugebietes betrachten Darf. Damit ift ihr Vorkommen aber nicht erfchöpfend umfchrieben: fie greift auch in den Bereicd) der Weichjel, Oder und Elbe über. Anderjeit3 wieder jchneidet der gewöhnliche Ziejel in DOfterreich scharf mit der fogenannten pontifchen Flora, der füdofteuropäijch-vorderaliatiichen Pflanzen- welt, zugleich ab, wie der Wiener Botaniker Kerner v. Marilaun in feinen „Studien über die Flora der Diluvialzeit in den höchiten Alpen” (Sib.-Ber.d. Afad., 1888) gezeigt hat. „Und doch bilden die hier in Betracht fommenden ‚pontifchen‘ Pflanzen im Donautale und auf dem Gelände zwijchen der Donau und den öftlichen Alpen für den Biejel feine Nahrung, itehen überhaupt zu ihm in feiner erfennbaren Beziehung. Er lebt in den Getreidefeldern, und e3 ift nicht einzufehen, warum er nicht auch noch weiter weitlich in den Getreidefeldern von Bayern, Württemberg und Baden fich aufhält.” Vielleicht wandert er da noch ein! Bis jett jcheint e3 allerdings, al3 ob das Tierchen gegen die jüddeutjchen Bundesstaaten — wohl unter dem Einfluß des Gebirges — feine natürliche, ererbte Verbreitungsgrenze einhielte und nur im DOften außerhalb des Karpathengürtels aus der galizijchen in die jchlefiiche Ebene borrüide. Aus Siddeutjchland ift wenigjtens noch fein Borfommen befanntgeworden. Der PBerlziefel dagegen ift eine viel „ausgefprochener öftliche Art: jeine Wejtgrenze icheint das podolifche Plateau zu fein, von dem aus ev fich nördlich über die (öfterreich- ungarische) Reichsgrenze (d. h. über die Dfthälfte Galiziens) in das rufjiiche Polen bis Zublin verbreitet”. Man fan aber auch die geperlte Art wohl faum ohne weiteres al3 den Ziefel de3 Dryjeftrgebietes bezeichnen; denn Schauer („Die Murmeltiere und Biejelmäufe Rolens und Galiziens“) Hat „am Ufer des Dnjeftr an der bejjarabijchen Grenze ein einziges Gremplar gefunden“, und in der Tieffteppe am Unterlaufe des Dirjepr lebt nach Angaben Friedrich Talz-Feinz nördlich, am rechten Ufer ein geperlter, firdlich, finf3 ein ungeperlter. Schauer berichtet aus feinem Beobachtungsgebiete, Poturzyfa bei Sofal am Flufje Bug in Galizien, daß er ‚den ganzen April hindurch vergebens auf die Perlziejel gewartet habe. „Endlich in den erften Maitagen... waren wie mit einem Zauberjchlage die Susli auf der Obermwelt erfchienen.” Das nächfte Jahr war Schauer im Auguft zur Stelle und ichoß gleich nach feiner Ankunft zivei Biefel. „Der Magen, noch einmal fo groß mie der Kopf, war voll, enthielt fat trodenes Mehl mit nur wenig grünen Pflanzenftoffen. Der eine hatte in jeder Badentafche 62 jchöne, ausgewählte Buchweizenförner, der andere in jeder Baden- tafche 40 Haferkörner, die jehr forgfältig in zwei Reihen gefchichtet lagen: fein Korn lag verfehrt, Spite neben Spite, Stielnarbe neben Stielnarbe; fie waren nicht enthüllt... 63 trat unfreundliches Wetter ein, und die Susli Tießen jich mehrere Tage lang nicht jehen.... Nie fah ich zwei Stücke beifammen oder einen Bau ftärfer befahren, und am 2. September 504 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hörnckhenartige. waren alle verfchwunden. Nur an dem trodenen Ende einer Wiefe, die mit Feldern um- geben tar, bemerfte ich noch Susli, fonjt an feinem anderen Drte. Die Urjache war nicht weit zu fuchen. Alle Felder in der Nähe der Wieje wurden umgeadert, die Tiere-in ihren Wohnungen gejtört; denn je verlafjen auf der Stelle jedes frijch gepflügte Feld... Bom 10. September an habe ich auch auf diefer Wiefe feinen Sufel mehr gejehen... Jm Sommer fieht man fie manchmal bei gutem Wetter nicht, manchmal laufen fie. während des Regens herum. Bebor die Sonne untergeht, jind fie jchon verichwunden, und die Sonne jteht jchon hoch, bevor fie fich zeigen und die legten Taufropfen von den Pflanzenfjtengeln ableden. Sedes Tierchen hat jein Territorium, um das nicht jelten im Frühjahr auf Leben und Tod gekämpft wird. Am beiten Fann man dies jehen auf Wiejen und NRajenhügeln. Bon einer Hauptröhre, die durch den häufigiten Gebrauch am meiteiten geworden tft, gehen nad) drei, bier, fünf ©eiten fejt ausgetretene, 1, 2, 3, 4 Stlafter lange Fußiteige. Ein jeder führt zu einer Nöhre, von welcher wiederum Fußjteige ausgehen, und je weiter der Bewohner zum Weizenfelde hat, dejto mehr Löcher hat er. Eine jolche Röhre Fällt jenfrecht ein, und in einer Tiefe von ungefähr 3 Fuß teilt fie fich in ein, zwei, drei wagerecht laufende fte, die aber nicht mit anderen in Verbindung ftehen... ©eht das Tierchen von dem Hauptloche ins Seld, jo geht e8 an Feiner Röhre vorüber, ohne einzufchlüpfen, Fommt heraus, macht ein Männchen, jteht fich vorjichtig um und geht zur nächjten Röhre und fo fort bis ins Sorn- feld, wo e3 fich auch noch Notbaue gräbt, die nicht tief find und bei welchen immer Ühren und Spreu liegen... Dieje Zufluchtsbaue find wohl zu unterjcheiden von den eigentlichen Wohnbauen... Die Hiejel fönnen nicht [hwimmen und gebärden fich im Wajjer ganz un- bändig und ungejchidt..." Und doch finden fie fich, nach Schauer, bei Sofal und Poturzyfa auf beiden Ufern des Bug und bewohnen die Felder von Dörfern, Die rings von Wald und Sumpf umgeben jind. „elle die, welche ich im September befant, hatten nur grünes Gras in dem immer vollen Magen; fie find in diejer Zeit erjtaunlich fett. Wo die Cusli eine Flur bewohnen, da find jie auch Häufig, und der Schaden, den fie anrichten, ijt erheblich." Ein Güterverwalter verjicherte Schauer, „daß fie Maispflanzungen, viele Morgen groß, vernichten, wenn die Samentörner feimen”. In der Gefangenjchaft freien fie fogleich zund zanfen fich mit- einander immer in aufrechter Stellung, fchlagen fich mit den Händen und fchreien dabei gewaltig wie Ferkelchen”. Sie durchnagen einen Btettfajten, „machen fogar Löcher in ge- brannte Ziegelteine. Während der Arbeit treten oft Baufen ein, in denen fie ihre Schneide- zähne aneinander wegen, und zwar mit folcher Gefchtwindigfeit, dag man das Schwirren einer Heujchrede zu vernehmen glaubt. So viele man ihrer auch in einen Klaften zufammen- gibt, jo Drängen fich alle, wenn fie ruhen oder fchlafen, auf einen Haufen und fiegen auf- und übereinander, was doch wohl auf einen gejelfichaftlichen Winterfchlaf Hindeutet... Wenn fie de3 Nacht3 oder bei Tage feit fchlafen und man an den Käfig ftößt, fo lajjen fie, ohne zu erwachen, tie im Traume, den fchon erwähnten Pfiff hören... Aufgeregt und zounig, jtellen fie die Schwanzhaare vertikal auf wie eine Flafchenbürfte... Won fechs Ziverg- adlern, die ich in Poturzyfa fchoß, hatten deren fünf jeder ein Sufel im Ktopfe... Bufjarde, Nilane, Weiden, Raben find zu ungefchiet, einen Gufel zu fangen; ich Tenne fein Beijpiel, objchon ich in jener Gegend Hunderte folcher Naubvögel gefchoffen und unterjucht habe. sit ein Naubvogel in den Lüften, fo geht fein Sufel von der Röhre weg; die Zivergadler und Wanderfalfen fegen fich auf einen Maulwurfshügel oder eine Exdjcholle und warten zum ange gejchidt den Zeitpunkt ab, wenn fich ein Sufel zu weit inIFeld gewagt hat.” Später Perlziefel. Nötlicher Ziejel. Mugojarischer Ziejet. 905 it der Perlziefel in Schauer Beobachtungsgebiete „zugleich mit dem früherer Zeit jehr häufigen Zwergadler, die falt immer von Guslis vollgefröpft waren, recht felten gerworden.“ Neirerdings hat man ich, wie nicht anders zu eriwarten, überzeugt, daß die aliatiichen, namentlich die von Brandt und Milne-Edmwards länajt bejchriebenen Arten und Unterarten des Siejels vollfommen zu Necht beitehen. Auch die Brandtichen Untergattungen find meuer- dings in der Shitematif zu Ehren gefommen und wieder angenommen worden: jchlugen doch die amerikanischen Bearbeiter (Allen, Merriam) denjelben Weg ein, um ihrer zahlreichen Stejelarten in überjichtlicher Einteilung jyitematisch Herr zu werden. Die bisher behandelten Arten gehörten der Untergattung Citellus (Spermophilus) im engeren Sinne an. Sm ojt- europäijchen Ural- und Kaufajusgebiet beginnt aber jchon eine zweite Untergattung, Colo- botis Brdt., die fich nicht bloß durch ganz Mittel- und Nordafien bis zum Amur und nad) Stam- tichatfa, jondern auch nach Amerifa (Ulasfa, Kanada und Weitjtaaten der Union) fortjebt. Eine Art diejer Untergattung, der Rötliche Ziejel, Colobotis rufescens Keys.- Bl., ijt noch rein europäijch. Er verbreitet fich mwejtlich des Uralgebirges von Kajan an der oberen Wolga bis Orenburg am oberen Iralflufjfe und it von dem Forjchungsreifenden Eversmann näher beobachtet und bejchrieben worden, der ihn Sp. undulatus nennt. „Das Baterland diejes Ziejels fängt etwa unter dem 49. oder 50. Breitengrade an und erjtredt jich von da nordmwärt3 biS zum 56. Da, io die niedrigen Vorberge des Ural baumlos und jteppenartig werden, two die Gebirge fich verflachen und hügelige Steppe bilden, das wahre Baterland des Bobaks, da findet fich auch fchon diefer Ziefel auf Stellen, die mehr horizontal find und nicht jehr hohes Gras haben; ungleich häufiger aber weiter mwejtlich, wo die Stefpen hori- zontal und diürrer find. Außerordentlich häufig it er in den Steppen um Drenburg jomwohl auf dem rechten al3 dem linken Ufer des Uralfluffes, weitwärts bis in Die Gegend von Mralif und bis ind Wolgagebiet; im Kajanischen Gouvernement trifft man ihn überall an Stellen, die waldlos find, lehmigen Boden haben und nur mit niedrigem Graje bewachjen find.” Die Schilderung des Tieres jelbit jtellt Cversmann auf den Vergleich mit dem oben (©. 497) bereits gejchilderten „Salben Ziejel”, einem altweltlichen PBräriehund „Er it weniger behende..., lange nicht jo flüchtig; dafür entfernt er jich aber auch nicht weit von jeiner Höhle, jo daß man ihn nicht einholen fan, ehe er ich Hineinwirft. Bon den Naubvögeln werden jedoch viele gefrejjen, bejonderz fpäter im Sommer, wenn die weniger erfahrenen ungen in der Steppe umberlaufen.“ Der Mugojarijche Ziefel, C. mugosaricus Zcht., hat den Schwerpunft feiner Ver- breitung in Turkeftan, fommt aber auch in den Mugodjcharbergen füdlich vom Ural, zmwijchen Kafpiichem Meer und Araljee, vor und greift bis Sarepta nach Weften. Über ihn fchreibt Eversmann: „Herr Profejjor Lichtenftein Hat diefen Ziefel nach den Mugojarischen Bergen benannt, weil ich die ihm überjandten Exemplare dort gefangen hatte; er ijt aber nicht allein Diejen Bergen (oder vielmehr den angrenzenden Steppen) eigen, jondern im Öegen- teil jehr weit verbreitet. Ex findet fich überall in den füdlichen, unfruchtbaren Lehmiteppen, etiva vom 49. bis 45. Breitengrade; auf der Hochiteppe ziwifchen dem Kafpijchen Meere und den Araljee findet mar ihn nicht unter 5 Grad. Am unteren Uralfluß bewohnt er Diejelben Gegenden mit vem Falben Ziejel; auch an der unteren Wolga wird er noch angetroffen und it 3. B. bei Sarepta gar nicht felten... Er it der Hleinjte von unferen Ziejeln und hat Dabei -auch verhältnismäßig den Heinjten Schwanz. Der Körper, obgleich Hein, it plump 506 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hörnchenartige. gebaut und die Beine ziemlich Furz; daher der Gang mausartig Friechend.” Cversmann gibt auch jehon ganz beftimmte Unterfchiede in der Lebensweije der beiden borjtehend be- Ichriebenen Arten an. „Der Rötliche Ziejel des Nordens macht jeine Höhlen jchräg in Die Erde, etwa unter 50° Neigung, lebt gejellig, ift ein munteres Tier und fpielt im heißen Sonnenjchein; der Mugofarische macht feine Höhle weit jchräger, geht einzeln in der Steppe auf Nahrung aus und läuft jehr langjam, jo daß man ihn leicht einholen Fann.“ Hier mag das Nötige über die fojfilen Ziefel Deutfchlands und Wefteuropas ein- geichaltet werden, weil es nicht die Heute mweftlichiten Arten find, Die dabei auftreten, jondern die foeben gejchilderten aus dem Wolga- und Uralgebiet. Die diluvialen Ziejelrefte jind eine der feiteften Stüßen für Nehrings Theorie von einer Steppenzeit Mittel- und Wejteutopas nach der Eiszeit; aber was er jelbjt davon bei Weiteregeln, Quedlinburg, Thiede ausgegraben hat, twa3 von Kena, Saalfeld, Pöhned, Oppurg, aus einer oberfränkiichen Höhle bei Neu- mühle unter dem NRabenftein, bei Würzburg, Tübingen, Praunheim bei Frankfurt a. M. und Curve bei Wiesbaden befannt geworden ift, fonnte alles ohne weiteres dem Nötlichen Biejel zugewiejen twerden, der alfo in jener Periode fich weit über unjer Vaterland verbreitet hat: der beite Beweis, daß große Gebiete Deutjchlands damals ebenjolche Steppen waren, wie jie heute an Wolga und Ural die Ziefel-, Bobak- und Pferdeipringergebiete bilden. Aber auch) „ein Heiner Ziefel von der Größe des Mugofarifchen“ ijt von Nehring „für Wejteregeln und für Nußdorf bei Wien in wenigen Neften nachgemwiejen worden, und jchlieplich fehlt eine große Ziejelart, die mit dem Falben übereinzujtimmen jcheint”, ebenfalls nicht; man fennt jie von Weilbac) am Taunus und Neumühle in Oberfranfen. Bon europäifchen Ziefelarten aus der Untergattung Colobotis wäre noch C. musi- cus Menetr. zu nennen al3 Beweis, daß Ziejel auch im Kaufajusgebiete leben und aus den Steppen des Nordfaufafus auf die Alpenmwiejen der nordmweitlichen Hauptfette zu be- trächtlichen Höhen emporfteigen. - König beobachtete fie in großer Anzahl am Küfürlikol 10000 Fuß Hoch, und Satunin fand fie „in allen trodenen Steppen des (nordöjtlichen Staufajus-) Gebietes jehr gewöhnlich”. Alle weiter noch zu errwähnenden Ziefel gehören Nordamerifa an, das dank dem ‚leiße feiner Säugetieriyitematifer, namentlich Allens und Merriams, eine wahre Fülle verjchiedener Arten zu verzeichnen hat. AS echte Steppentiere leben die Ziejel aber auch in Amerifa nur auf der Steppe, d.h. auf den Prärien und Hochebenen des Weitens; auf das Djtufer des Mifjijjippi greifen Faum einige wenige Arten über. Wo jie vorfommen, treten jie auch in der Neuen Welt meijt ebenjfo mafjenhaft auf wie in der Alten und find neben ven Jack Rabbit genannten Hafen die Hauptjchädlinge des Landwirts. Auch in Amerika halten - die nördlichen Ziejelarten einen Winterfchlaf, bei den füdlicheren ift diefer aber jchon ganz bedeutend abgekürzt, und ganz im Süden bleiben die Ziefel den Winter über mehr oder weniger munter. Sm der amerifanifchen Umgangssprache nennt man den Ziejel vielfach Öopher und unterjcheidet den eigentlichen „Gopher” der Naturgejchichte, die Tajchenratte, al3 „„Pocket-Gopher“ (pocket = Tafche). E3 ift natürlich unmöglich, hier die der Wifjenjchaft befannten (mehr als 60!) amerifanifchen Biejelarten und -unterarten auch nur annähernd zu nennen; nur wenige bejonders wichtige fünnen berüdjichtigt werden. Da jind zunäcdhjt aus der Untergattung Colobotis einige Arten aus dem äußerjten Nordweiten der Neuen Welt, Masfa und angrenzenden Gebieten, von denen Parrys Foffile Ziefel. Barrys Ziefel. Rihardjonz Ziefel. 507 Siejel, €. parıryi Rich. (Taf. „Nagetiere XVII”, 6, bei ©. 465), genannt fein möge, eine dem Eversmanns-Ziejel, C. eversmanni Brat., Sibiriens nahe verwandte Art. Sie lebt, nach Nichardjon, gewöhnlich in fteinigem Gelände; bejonder3 aber fcheint jie Fleine Sandhügel zwijchen Feljen zu lieben, wo man oft die von mehreren Sndividuen bewohnten Bauten zujammengedrängt jieht. Einer aus der Gejellichaft fit gewöhnlich aufrecht auf dem Gipfel des Hügel3, während die anderen in der Umgebung Zutter juchen. Bei Annäherung von Gefahr gibt er dag Marmzeichen, und jofort flüchten alle in die Höhlen, bleiben jedoch ziwitjchernd im Eingang jißen, bis die Nähe de3 Feindes fie zwingt, jich in die Tiefe zurüd- zuziehen. Bon Mlasfa dehnt Parrys Ziejel jein Berbreitungsgebiet nad) Often über das arktiiche Amerifa, Kanada, bis zum Madenziefluß und auf die Melville-Fnjel aus; füdlich geht er mit feinen Unterarten bis in die Felfengebirge von Britiich- Kolumbien. Weiter füdlich und öftlich, am Sasfatichewan und in den Feljengebirgen von Montana und Dakota, jchließt ich Richardfons Ziejel, Colobotis richardsoni Sab., an. Er gehört jchon zu den landwirtjchaftlichen Schädlingen der Union, denen der „Chief field agent“ Vernon Bailey vom United States Department of Agriculture in Wajhington 1893 ein „Bulletin“ gewidmet hat. Richardfong Ziejel ähnelt in Geftalt und Farbe fehr einem Keinen Präriehund, zumal er feine Sledung und Zeichnung hat, über den ganzen Körper ziemlich gleichmäßig gelbgrau gefärbt ijt; nur der Schwanz ijt oben jchwärzlich, feine längeren Geiten- haare aber weißlic). Die eingehendfte Lebenzichilderung verdanken wir Coue3, der bei einer Grenzper- mejjung längs des 49. Barallelfreijes mit diejer Art vertraut wurde. Richardjons Ziejel „it eines der häufigiten Tiere des LYandes, er verbreitet jich zu Hunderttaujfenden über viele Duadratmeilen bis zum Ausschluß alles anderen Säugetierlebens! Millionen Ader Land jind Durchlöchert von feinen Bauten. ch fah niemalsirgendwelche Tiere in fol) übermäßiger Menge. Sch bin Tage und Wochen geritten, während deren fie um mich herum jo zahlreich waren mie die Präriehunde in ihren dichtbevölferten Dörfern. Shre Zahlen auf die Duadrat-- meile find weitaus größer, als ich jemal3 von Otospermophilus beecheyi Rich. (Unterart von O. grammurus), der Belt Kaliforniens, unter den günftigiten Bedingungen feititellen fonnte. Mit einem Worte: ihre Zahl iit Legion! Wie oft Habe ich, zwijchen ihnen Dahinreitend, ver- jucht, mir darüber Harzumerden, welche Art von Boden oder welche Lagen fie bevorzugten! Wenn ich mir aber faum irgendeine unjichere Meinung gebildet hatte, mußte ich jie gleich wieder umiverjen; denn wenn ich einige Stunden weiter ritt, fand ich die Tiere vielleicht ebenjo zahlreich an ganz anders gearteten Drtlichfeiten. Kam ih durch eine unfruchtbare, Faftus- beitandene, alfalihaltige Wüjte, jo waren da jo viele, daß ich unmillfürlich Dachte: dies jagt ihnen am beiten zu; wenn wir aber dann unten am Wajjer auf einem grajigen led unjer Lager bezogen, jo waren jie jo zahlreich wie immer. hr Gefelligfeitstrieb verjagt jelten. Einige taujend bevölfern eine Fläche jo dicht, wie eS die Präriehunde tun, und dann fieht man feine einzelnen Umhertreiber mehr vielleicht während einer ganzen Tagereije. Die Wahl ihrer Wohnftätten ift übrigens ganz dem Zufall überlaffen, und überdies jtoßen die größeren Kolonien gewöhnlich aneinander an. Wenn die Tiere irgendeine Vorliebe haben, jo ift e3 die für leichteren ımd leichter zu bearbeitenden Boden. Sie jcheinen befonders die leichten ‚Höcer‘ der Prärie aufzufuchen, die fich einige Fuß über die allgemeine Oberfläche erheben. Dort ift der Boden lofer, und fie Haben noch den Vorteil der Überficht über die Umgebung. Aber e3 liegen auch eine Menge Baue im jchwerjten Boden der Taljohlen. 508 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hörnchenartige. Cie vermeiden fteinige Stellen, gleichwohl bauen fie oft unter einem großen Stein. ch) fand auch fajt mwagerechte Röhren, die fie in eine fait jenfrechte Wand eingetrieben hatten; furzum: die Verfchiedenheit ihrer Wohnftätten im. einzelnen ift endlos. „Eine merkwürdige Ausnahme gibt e8 vom gejelligen Leben diejer Tiere. Dann und wann, an ungewöhnlichen, abgelegenen Stellen, wo man meilenmweit wohl feinen Biejel jieht, trifft man auf ein einfiedlerijches Individuum, das einen wohlbeitellten Bau bewohnt, ganz allein in feiner Herrlichkeit. Jch Icho& mehrere jolcher Tiere: fie erwiejen Jich alle als Männchen und, was einzig in feiner Art ift, diefe alten Burfchen waren immer größer als der Durchichnitt (einige mochten das Doppelte wiegen), eigentümlich weich und hell gefärbt und enorm fett. Zuerft hielt ich fie für eine befondere Art, jo abweichend waren jie in vieler Beziehung. ch nehme als ficher an, daß das alte Junggejellen find, die der Öejellichaft ent- jagt haben für ein Leben fauler Ruhe; allerdings, hätte ich fie öfter unter ihren Artgenofjen gefunden, fo würde ich fie vielmehr für die Bafchas im Harem halten. 3 jcheint fich hier um ein Gegenftüd zu den einzeln gehenden alten Büffelbullen zu Handeln, die man jo oft fern von der Herde krifft. „Das Weibchen wirft im Juni; das Schließe ich wenigitens aus dem Umiftande, daß der Suli Mengen von zweidrittelwüchjigen Zungen herborbringt. Die Jungen halten jich nän- lich ftreng im Bau, bis fie ungefähr diefe Größe erreicht Haben. ch erinnere mich nicht, fleinere herumlaufen gejehen zu haben. Das Sammeln und Aufjpeichern von Sämereien jcheint die Hauptbejchäftigung während des Sommers zu fein. Unter Taufenden, die mir im Borbeifommen nur ängftlich in ihren Höhlen verfchwinden jehen, jind notwendigeriveije auch einige, die Feine Notiz von uns nehmen und nicht irgendwie Alarn jchlagen. Sch Habe jolche oft beobachtet, wo das Gras höher war als gewöhnlich, während fie ihre Vorräte ein- jammelten. Sie erheben fich hoch auf die Hinterbeine, fajjen die Spißen des Grashalmes und beißen fie ab. Dann feßen fie jich mit einem eigentümlichen Aud nieder, figen mit gefrümm- tem Nüden und fteden ihren Mundvorrat mittel$ der Borderpfoten in die Badentafchen. Dieje jind nicht jehr groß: beide zufammen werden faum einen gehäuften Teelöffel voll enthalten. Wenn fie richtig beladen find, machen fie fich davon nach der Höhle. Bei der Kahrungsjucdhe jcheinen fie regelmäßige Wechjel einzuhalten. Bon fat jedem langbenußten Baue jieht man einen oder mehrere Pfädchen ausgehen, bi3 5 cm breit, zumeilen jo gut ausgetreten, daß man fie 15, 20 Fuß weit verfolgen fann. Dieje Pfade führen oft von einer Höhle zur anderen." Vermutlich machen alfo auch die amerifaniichen Biejel Zu- fluchtsbauten, wie dies ja nicht anders zu erwarten ijt. „Ob noch fo eben der Boden, die Tfade find nie ganz gerade, fie wiederholen im Heinen die abbiegenden Fußpfade der Men- hen über die Wiejen: das geheimnispolle Etwas, das jedes Zebewejen hindert, vollfommen geradeaus zu gehen. Obwohl eigentlich ein Pflanzenfrefjer wie Die anderen Nager, ijt der Btejel doch auf Fleifch erpicht, und ich denke, daß Teinen Heinen Teil feines Sommerfutters die Büffelleichen liefern. Wölfe jcheinen im Lande nicht Häufig zu fein, im Sommer wenig- jtens nicht, und das Präparieren der Büffeljfelette wird aljo zumeift von den Kitfüchjen, Dachjen, Stinktieren und Biejeln beforgt. Unmittelbar neben dem Hingeftredten Büffel wird mit ziemlicher Sicherheit bald ein Dachsbau eingerichtet fein, zugleich mit einer Anzahl Biefelbauen. AS pojitiven Beweis diefer Neigung zum Fleifchfreffen habe ich mehr ala einmal das \junere der trocdnenden Leichen ganz bededt gejehen mit dem eigentümlichen, leicht zu erfennenden Mifte des Ziefels, während Knochen und Fleifch auf eine Art und Weije benagt waren, daß man glattiweg jagen fonnte, wer dagewefen war. Komijch tie der Nihardjons Ziefel. 509 Biejel in vielen Stellungen und Bewegungen ift, jieht er doch nie fo fpaßig aus, alS wenn ex quielt. Dan geht er gewöhnlich nieder auf alle viere, läßt die Kiefer mit einem Nucd fallen und quetjcht den Ton heraus, indem er den Bauch einzieht; es erinnert einen an ein Schoßhündchen. Gepadt oder verwundet, hat er einen energijchen, zwitjchernden Angjit- jchrei, jehr ähnlich dem anderer Arten”. („American Naturalist“, 1875.) „sn den achtzehn Jahren”, fügt Bailey Hinzu, „jeit Coues diefe Schilderung veröffent- lichte, Hat ich vieles geändert. Dakota und Montana find zwar noch nicht der Garten der Welt, aber Dakota liefert ein gut Teil zum Weizenfeld der Welt. Meile um Meile wogender Öetreidefelder bededen jett den Boden, den einjt Büffel und Gopher in unbejtrittenem Befit hatten. Die Büffel find verfchwunden, ihre gebleichten Gebeine aufgejammelt und ver- fauft. Die Ziejel jind geblieben und vermehren fich offenfichtlich zum Schreden und alljähr- lich wiederfehrendem Schaden der Farmer. Die Vermehrung mag dadurch nur fcheinbar jein, weil man die Tiere aus dem gepflügtenLande hHerausprängt auf die angrenzende PBrä- 'rie. Sowie der Pflug ihre Höhlen aufbricht und zufüllt und das Getreide aufjpriegt über ihren Köpfen, ziehen jich die Ziejel an den Rand der Felder, wo fie mehr natürliche Um- gebung finden und jich ihr Futter vom Feld oder von der Prärie holen fünnen. So bejegen jie ein Hleineres Gebiet, und ihre Zahl erfcheint dadurch größer. Zur felben Zeit werden ihre alten Feinde, die Dachje, Wiejel, Füchje und Naubvögel, vernichtet und von den Anfiede- - lungen mweggetrieben, und die Ziejel vermehren ich, frei von dem bejtändigen Vernich- tungsfrieg, der don ihren natürlichen Feinden gegen jie geführt wurde, Hier wirklich in bevenklicher Weile. Nachdem die Lage ernit geworden it, werden verjchiedene Mittel zur Vertilgung angewandt. Staatsbehörden bieten in der Hoffnung, die Zahl zu vermindern, Prämien mit dem einzig jichtbaren Ergebnis, die Staatsfajjen zu leeren. Männer und Sinaben werden auf manchen Farmen angeftellt, fie zu jchiegen und zu vergiften. Das Aderbauminifterium wird Häufig um Hilfe und Rat im Kriege gegen fie angerufen.“ Über die Art, wie fie die Ernte jchädigen, fchreibt Bollin E. Cooper von Cooperstorn, Griggs County: „NRichardjons Ziejel tun am meilten Schaden, nachdem das Getreide zu Ihiegen begonnen hat und den Boden ganz bejchattet; dann drüden fie die Halme nieder und beißen den oberen Teil ab auf viele Nuten rings um ihre Höhlen, anjcheinend um die Sonne den Boden bejcheinen zu lajjen. Yeuchtigfeit lieben jie nicht und find zahlreicher auf bewegten als auf ebenem Boden." &.W. Sewell aus Rugby, Norddakota, jchreibt: „nenn wir im Frühling anfangen, das Land zu bebauen, find die Ziefel überall auf den Feldern und frejjen den gejäten Weizen auf. Sie finden fich von dem herrenlojen Lande ringsum ein und frejfen den Weizen in der Zeit an, wenn er feimt, bis er d cm hoc) ift; dann frejjen jie die Keimblätter ab. Sie vernichten Weizen, Korn, Bohnen, wühlen Flach3- jaat und Kartoffeln aus. Am 15. Zuni fangen fie an, die Weizenhalme abzujchneiden und jegen das fort biS zur Reife; dann jchälen fie die Körner heraus und fchleppen fie in die Höhlen. Wo fein ©etreide ijt, jchneiden fie das Präriegras nieder. Mir haben fie 60—50 Uder Getreide vernichtet und an einigen Stellen 60 Prozent der ganzen Ernte.” Prof. G. 8. Waldon von der Aderbaufchule Norodakota berichtet, daß Nichardjons Ziejel im öft- fichen Norddafota neuerdings feine Verbreitung beträchtlich nach Süden und Diten aus- gedehnt Habe und viel häufiger als früher geworden jei, während zu gleicher Zeit Franklins Siejel in demjelben Gebiet abgenommen habe; er zieht daraus den Schluß, daß der lebtere von Nichardjons Ziejel vertrieben werde, wie die jchiwarze Ratte von der braunen und der graue Fuchs vom roten. 510 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hörnchenartige. In Amenia, Cal County, Norddafota, erjchten Richardjons Ziejel zuerjt 1887 und hat fich feitdem vafch vermehrt, Franklin Ziefel indejjen jich vermindert, jo daß man jeßt vielleicht nur noch ein Dußend im Laufe des ganzen Sommers zu jehen befommt. Soweit Bailey und feine Gemährsmänner. Gie bejtätigen wieder den unausbleib- fichen Verlauf in allen von der wejteuropäifchen Kultur in Befiß genommenen Ländern. Diefe Kultur vermehrt die Nahrungsmengen und Nahrungsgelegenheiten gewijjer Tiere auf fünftliche Weife, jegt in unferem Falle an die Stelle der Naturfteppe Die ungfeid) er- tragreichere Kulturfteppe, die man Getreidefeld nennt, und fördert auf Dieje Weife das Gedeihen der Steppennager, die ihr al3 Schädlinge wieder entgegenwirken. Die Erdgeijter, die fie wider Wien und Willen rief, wird fie dann nicht wieder los! Zugleich fpielt jich dabei allem Anfcheine nach zrifchen den amerikanischen Ziefeln noch ein zweiter Vorgang ab, der in der Alten Welt ein älteres Gegenftücd Hat. Die der neuen Kultur am beiten gemwachjene Art breitet fich aus und verdrängt und vernichtet die in diefem Sinne jchwäche- ren Berwandten: der Richardfoniche Ziejel wandert in die Dan de3 Franklinjichen ein und tritt dort an dejjen ©telle. Der wiederholt erwähnte FSranflins-Ziefel, Ictidomys franklini Sab., unterjcheidet fich von dem Nichardfonfchen, obtwohl er einfarbig ift wie diefer, doch jchon äußerlich durd) die braungraue Farbe und den längeren, bufchigen Schwanz; er wird auc) zu einer anderen Untergattung (Ictidomys Allen) gerechnet. Seine Verbreitung erjtredt jich von den jüo- fanadifchen Staaten Sasfatjchewan und Manitoba über daS Gebiet des Red River (of North) und des oberen Miffiffippi bis nach Kanfas und Weit-Jndiana nach Süden; jeine Weftgrenze fällt zufammen mit der Djtgrenze des Präriehundes: diejer bewohnt die trod- neren wejtlichen Ebenen, jener die feuchten und fruchtbaren öftlihen Prärien. Sn feinem Verhalten zur Landwirtfchaft Hält diefem Ziejel Bailey ein ähnliches Sündentegifter vor, wie dem Nichardfons- Ziefel, und fügt noch Hinzu, daß er gelegentlich auch Heine Kiden auf dem Hühnerhof anfalle. „Sn gleicher Zeit aber”, fährt er dann fort, „fißt er ungeheure Mengen Snfekten von folchen Arten, die ven Feldfrüchten bejonders jchädlich werden, und fo fann der Nußen, den er ftiftet, ven Schaden überfteigen, den er Durch jeine Blünderungen in den Feldern anrichtet. Eine Prüfung des Zuhalts von 29 Magen gibt Auffchluß über die Art der Nahrung, und zwar _entichieden zugunjten der Auffafjung, daß das Tier mehr nüglich ift.” Diejes Ergebnis fchwächt Bailey allerdings gleich wieder durch den Zufag ab: „wenn man e3 von feinen Feldräubereien abhalten fönnte, ohne e3 zu vernichten, würde e3 der nüßlichjte Bejchüger der Landwirtichaftserzeugnifje fein”. Denn man darf wohl billigerweije fragen, wie man diejes Kunftjtüd fertig bringen jollte. Eine unabfichtliche Einbürgerung des Franklinfchen Ziejel3 Hat im öftlichen New Serjey jtattgefunden, in der Gegend von Tuderton, wo im Mai 1867 einem Mr. ShHlvejter Mathis ein ausllinois mitgebrachtes Baar entwijchte. Samuel Zillfon jchreibt darüber im Mat 1877: „an findet fie heute in Minaharofer, I Meilen nördlich von Tuderton, auch 4 Meilen jüdlich und noch viel weiter weg. Sie find fehr gemein auf allen Farmen drei Meilen im Umkreis bon Tuderton.” m Yuni 1892 befuchte E. A. Preble eigens zu dem Zwed Tuderton, um feftzuftelfen, ob Ddiefe Fünftlich eingeführte Kolonie fich vermehrt Habe und ernften Schaden tue. Gr berichtet: „Sie find den Einwohnern als ‚Präriehörnchen‘ befannt zum Unterjchied bon dem eingeborenen grauen Waldeichhörnchen. Sn den legten Jahren hat fich ihre Zahl vermindert Durch den bejtändigen Krieg, den Männer, Knaben und Hunde gegen fie führen. aaa Aula ba ad > rc Sranklins Biefel. Streifenziefel. ; 5ll Noch dehnt fich aber ihr Berbreitungsgebiet ftetig aus, und fie find jebt im füdlichen Teile des Staates gemein. Weltwärts haben fie fic quer Durch) den Staat zerjtreut bis nach Auburn im Salem-Bezirk am Delawarefluß und nordwärts mindejtens bis nad) Ned Lion im Bur- lington-Bezirk. Die fandigen Hochländer [cheinen einen pafjenden Boden für ihre Bauten zu liefern, die gewöhnlich in rauh bewachjenen Zaunminfeln an Feldern und Wegen oder ge- legentlich auch im offenen Felde liegen. Getreu ihrem angeborenen Snitinkte gehen fie nicht in die Dichter bewaldeten Gegenden hinein, fondern halten jich an-das von SLatur offene Land oder die abgeholzten Felder, Weiden und Wegeränder. Sie find einer Anzahl von Feldfrüchten Ihädlich, ... und wenn fie überhandnehmen, nötigt dies die Yarmer oft zu einer zweiten Teldbejtellung und beftändiger Bewachung ihres Getreides, wenn fie etivas ernten wollen.” Der wichtigfte und verbreitetfte, chönfte und jchädlichite aller amerikanischen Biejel tft der Streifen- oder Zeopardenziefel, Ictidomys tridecimlineatus Mitch. (hoodi; Abb., ©. 512). Eine der Fleinften Arten, nicht größer al3 der europäijche, it er jchlanf gebaut und hat in Haltung und Bewegung manchmal geradezu etwas Eivechjenhaftes; ver Schwanz ift Halb förperlang und zweizeilig-bujchig behaart. Am beiten fennzeichnet ihn aber die ebenjo auffallende als anjprechende Fleden- und Streifenzeichnung jeines Felles, don der er feinen mwiljenfchaftlichen Artnamen (= der dreizehnftreifige) hat. Über den Rüden ver: laufen nämlich auf der graugelben Grundfarbe jech3 jchmale Helle und fieben breitere dunfelbraune Längzitreifen, und jeder der leßteren enthält wieder eine Keihe Heiner heller Slede. Auf der Nüdenmitte ziehen Ni die Streifen vom Stopfe bis zum Schwanze, a der ©eite jind jie Fürzer. Der Streifenziejel ift im Smneren Nordamerifas weit verbreitet, von Oft-Michigan bis nac) Montana und Colorado und vom inneren Teras nördlich bis auf Die Ebenen am Sas- fatfchetvan in Kanada. E3 ift die öftlichjte Zorm, nimmt das ganze Präriegebiet im Often der Feljengebirge ein und ift ein echtes Prärietier, das niemals in’eine Waldgegend Hinein- geht. Aber jobald der Wald gelichtet und die Gegend in Aderbau genommen wird, folgt e3 oft den Feldern und entfernt fich beträchtliche Streden von feinen urfprünglichen Stand- orten. In Michigan war Ddiefer Ziejel bis Mitte vorigen Jahrhunderts auf die wenigen Heinen PBrärien im Süden befchränft; Anfang der 18%er Jahre war aber die Südhälfte des Staates fchon fat ebenjo waldlos wie die urfprüngliche Präriegegend, und die Hiejel hatten fich bis zu den Big Rapids im Mecofta-Bezirk ausgedehnt. In Minnefota beobachtete Bailey jelbjt eine Ähnliche Ausbreitung, wern auch geringeren Umfanges. Als der Wald gejchlagen war, wanderten die Ziefel aus den angrenzenden Prärien ein und fanden fich bald in den Teldern, die bisher noch frei von ihnen gewejen waren. m Weiten jegen die Seljengebirge ihrer Ausbreitung eine Grenze; dieje überjchreiten fie nicht, wohl aber dringen fie in die Täler der Dftabhänge ein und fogar in einige Berglandichaften. Überall auf den Prärien des Miffiffippitales ift der Leopardenziefel eine vertraute Er- jcheinung, wie er durch das Gras in feine Höhle flißt oder aufrecht auf den Hinterfüßen fteht, jtrad3 und regungslos wie ein Stod. Mit feinen furzen Ohren, dem glatt gerundeten Köpf- chen und den jchlaff an der Seite herabhängenden Borderpfoten gibt er in feinen Außen- Iinien dem Auge feinen Anhaltspunkt, und jchon auf Furze Entfernung ijt es unmöglich, ihn bon einem alten Holzpfahl oder Zeltpflod zu unterjcheiden. „Wenn das Tier jo aufrecht jteht, läßt e3 einen häufig biz-auf wenige Ellen heranfommen, dann fällt e3 flug3 auf alle viere nieder, jtößt ein jchrilles Geztwiticher aus und verfinkt in fein Zoch nebenan. Berhält man 512 , 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Hörnchenartige. ich einige Minuten ruhig, jo erjcheint das Köpfchen wieder am Eingang des Baue3, und die schwarzen Nuglein ftieren einen ganz pugig an. Entfernt man jich, jo fommt das Tier auch) bald wieder heraus und beobachtet einen, wieder aufrechtitehend, jolange man in Sicht ift, und hin und wieder einen Warnruf für die Kameraden ausjtogend. Sein Ton ift ein rajcher Triller oder zitterndes Zwitjchern, ein langgezogenes ‚Ohörr-r-r=r‘ in hoher Stimmlage." (Bailey) Richardfon jchreibt dem Streifenziejel ein zankjüchtiges Wejen zu, nennt ihn lebhafter, mutiger und reizbarer als den Richardjonjchen. Wenn das Tierchen jeine Zuflucht zum Baue nehmen muß, Hört man e3 wohl feinem Irger in einer jchrillen und harten Wiederholung der Streifenziejel, Ictidomys tridecimlineatus Mitch. IR natürlicher Größe. Silbe „Sie-fi” Luft machen. Die Männchen fimpfen, wenn jie zujammentreffen, und in diejen Kämpfen werden oft die Schwänze verjtümmelt. NRichardjfon beobachtete mehrere Stüce mit friichen Berlegungen diejer Art, und man trifft überhaupt jelten ein Männchen mit genau jo langem Schwanze, wie ihn die Weibchen haben. Al3 Dr. Frend-Chicago dem Berliner Garten einen Transport Leopardenziefel jchickte, wurden auch gleich die unterwegs unvermeidlichen Berlufte in Betracht gezogen. Des Streifenziejels Schuß und Schtem ift natürlich fein Bau. Dejjen Röhren haben etiwa dem Durchmejjer, jinfen eine furze Strede jteil ab und laufen dann mwagerecht weiter. Mandjmal hebt jich eine außergewöhnlich lange Röhre wieder bis beinahe zur Oberfläche und fällt dann heberartig ab, wodurch zwifchen Eingang und Neft ein Schugwall gegen ein- dringendes Wafjer gebracht wird. Viele Röhren find furz und-cheinen nur zum Einjchlüpfen berherannahender Gefahr zu dienen: e3 find die auch von den altweltlichen Ziefeln befannten GStreifenziejel. 913 Zufluchtsbaue. Zu den Nejtern, in denen die Ziejel den Winter verbringen und ihre Jungen aufziehen, führen Nöhren von 15— 20 Fuß Länge; die Nejter liegen aber nicht tiefer als 1, höchitens 2 Fuß unter der Erdoberfläche. Obwohl viele Bauten auf glatter, nadter Erde münden, ohne irgendivie verjteckt zu fein, liegen die Eingänge doch meijt unter einem Gras- büfchel; oft liegt auch trodenes Unkraut, ein Stüd Papier oder ein alter Lappen darüber. Auch ein deutjcher Beobachter, Bohlmann-Nteumied, hat das Freileben de3 Leoparden- ziejel3 ftudiert, und zwar auf der Zar eines Landmannes im Bezirk Fond du Lac in Wis- confin. Der Beliger „erging jich in Klagen über das durch die zunehmende Entwaldung hervorgerufene Berjchwinden des größeren Wildes" und die Vermehrung der jchädlichen Tiere. „m legten Jahre war e3 5. B. mit den verwünjchten Gophers gar nicht auszuhalten. Meine ganze Weide haben fie mir unterwiühlt, und meine Oerfte haben jie ganz gehörig heim- gejucht!" Der Lieblingsaufenthalt des Leopardenziejels find nämlich die mit den jtehen- gebliebenen Stümpfen der Urwälder bejäten Weiden in der Gegend des oberen Mijjtjjippi. In dem vermodernden Wurzelwerf der Stümpfe läßt jich unjer Ziejel mit Vorliebe nieder, twahrjcheinlich weil ihm dort der jchwere, in der Glut des amerikanischen Sommers zu Stein erhärtende Lehmboden weniger Widerjtand bei jeiner Wihlarbeit darbietet. Und ein eifriger Gräber ift der Gopher; verdankt er doch feinen amerikanischen Namen diejer Eigen- Ichaft! Die urjprünglichen Erforjcher jener Gegenden nämlich, die bekanntlich Franzöfischen Stammes waren, nannten den Ziejel ‚Gaufre‘, was eigentlich Honigiwabe bedeutet, um damit auszudrüden, daß er die Erde wie eine Honigtvabe durchlöchere. ES gibt Weiden, auf denen jich fait an jedem der unzähligen Baumftimpfe ein Gopherloch befindet. „Den Wald. meidet der Leopardenziejel gänzlich. ES ijt mir nie gelungen, im Walde einen Ziejel anzutreffen. Höchjtens gräbt er feine Höhle zwijchen den vorderiten Bäumen eines Waldjaumes; er ift durchaus ein Kind der Ebene und des leicht gemwellten Landes. Gern treibt er im Sommer auch jein Wefen in und an den Steinmauern, die der Farmer aus Iojen Findlingiteinen um jeine Bejigung aufführt. Die Kinder der Anfiedler machen jih Sonntags ein Vergnügen daraus, den Gopher mit der Schlinge zu fangen.“ („Bool. Garten”, 1889.) | Während der Fortpflanzungszeit jind die Leopardenziejel jtill und jcheu; aber im Juni und Zuli, wenn die halbwüchligen Jungen zum Vorjchein fommen, hört man ihre Stimmen jehr oft. Alte und Junge rufen fich um diefe Zeit bejtändig zu und entfernen ich nie weit boneinander. Die Zahl der Jungen eines Wurfes jcheint 7—10 zu betragen, und die Zahl der Ziben jchwanfte bei den Weibchen, die Bailey unterjuchte, zwijchen 8 und 12. Nach Nichardjon und Kennicott werden die Jungen Ende Mai oder Anfang Juni geboren; jte jind nadt und blind und jehen aus wie Embryonen. Nach Dr. HoHY, der dies an Öefangenen feitgejtellt hat, befommen jie exjt mit 20 Tagen Haar auf dem Körper, und die Augen öffnen jich nicht vor dem 30. Tage. Sie brauchen viel länger Nahrung und Pflege von der Mutter als die meijten Nager. Während des Sommers beginnen jie, jeichte Baue zu graben, und vor Winter verlajjen jie die Mutter, um für jich jelbft zu jorgen. Winterjchläfer müfjen gut bei Leibe jein, wenn jie jich in ihre Winterquartiere zurüdziehen; das fönnten die Weibchen aber faum jein, wenn jie bis ins Spätjahr Junge aufjäugten. Der Leopardenztejel — und wahr- jcheinlich die übrigen Arten ebenfo — bringt auch nur einen Wurf im Jahre. Gegen Herbjt werden die Ziejel jehr fett, und nach einigen Froftnächten, lange bevor Schnee fällt oder die Exde friert, verichwinden fie in ihre Höhlen und erjcheinen nicht wieder, bis die Erde im Frühjahr auftaut. Am jüdlichen Minnejota jieht man jie jelten nach dent Brehm, Tierleben, 4. Aufl. XI Band. 33 en ol4 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hörndenartige. "1. Oftober und im Frühjahr vor dem 1. April über der Grde. DB fie die ganzen jechs Mo- nate, die fie unter der Erde zubringen, fejt jchlafen, ijt jchiwer zu bejtimmen; aber wahr- icheinfich tun fie das nicht. Große Vorräte von Kömern und Nüjjen haben fie im Herbit in ihre Höhlen eingetragen und nahe bei ihrem Nejte aufgejpeichert. Db Dieje Vorräte mäh- rend des Winters gefrejjfen oder für das Frühjahr aufbewahrt werden, wenn Körner und Sämereien fnapp find, muß noch feitgejtellt werden. Über den Schaden berichtet George Little, Schakmeijter des Son-Bezirts i in Minne- jota: Die geftreiften Gopher nehmen fehr vajch zu und ab, je nach der Witterung des Jahres. Eine Reihe trodener Sabre ift befonder3 günftig für ihre Vermehrung, während einige najje Sahre ihre Zahl jehr jchnell vermindern, jedenfalls dadurch), daß die Baue unter Wafjer ge- jeßt werden. Nach Veter Sfoglund von Lafe Andrew, Kandiyohi-Vezirk, tut der gejtreifte Gopher den Feldfrüchten mehr Schaden al3 irgendein anderes Säugetier. W. Head in Briftow, Soma, fand die ausgejchälten Weizenähren in den Bauen und das Brachfeld um diefe betreut mit folchen; die Körner waren in die Baute eingetragen. John N. Houghton aus Grinnell, Bomeafifh-Bezirk, jah ihn aber auch wiederholt den Kohljchmetterling fangen und verfpeien und beobachtete ihn, wie er nac) Würmern mwühlte. Nach Latvrence Brumer in Lincoln, Nebraska, lebten die Ziejel früher in Höhlen auf der Prärie und „arbeite- ten” nur am Rande der Felder; dies Jahr (1888) aber Haben fie jich ihre Höhlen in den Feldern ielbft gegraben und frefjen ringsum alles Korn auf. Auch Bruner fah aber einen Gopher eine Feldmaus fangen und totbeißen. Aus Turlington, Dtve=-Bezirk, jchreibt William N. Hunter: Diefen Sommer mußte hier ein Zarmer zehn Ader noch einmal beitellen, jo vollfommen hatten die Gopher die Saat zerjtört! Troß bejtändiger Bertilgung nehmen jie immer mehr zu. Nac) Brofefjor L. 2. Dyche in Lawrence, Douglas-Bezirk, Kanjas, meinen dort die Farmer, die Biefel wittern die Saat, weil jie immer geradesmwegs auf dieje Hinab- wühlen. Aus Kanjas und Colorado wird auch der Schaden an Melonen hervorgehoben. Horace G. Smith in Denver, Colorado, fand ein- oder zweimal Federn der Obrenlerche (Eremophila alpestris leucolaema) por dem Eingang von Biejelbauen und fügt Hinzu: „Die Lerche be- trachtet den Ziejel augenscheinlich al3 Feind; denn ich habe oft gejehen, daß jte ihn von ihrer Niititelle zu vertreiben fucht, und ihre Gelege jomwohl als die der amerikanischen ‚Lerchen- anımer‘ (Calamospiza melanocorys) zerjtört gefunden, wie ich vermute, vom Hiejel.“ Uber nody mehr: die Ziejel find richtige Stannibalen, die die Toten ihrer eigenen Art auffrefjen. Sie reißen das Fell in Streifen ab und holen das Fleifch Heraus. Mäufe werden gewöhnlich mit inochen und allem verzehrt, und oft bleibt nichts als Fellftüde, Füße und Echtvanz übrig. Bailey jchoß einit einen Ziefel, der aufrecht fitend von etivas fraß, daserin den Borderpfoten hielt. E3 war eine halbverzehrte Eidechje (Eumeces fasciatus), und einige Glieder des Eidechjenichiwanges jtedten noch in den Badentaichen des Ziejels. Profejjor Herbert Dsborn in Ames, Jomwa, jah Anfang Juni Ziefel auf dem Spielplat der Schule im Nafen mwühlen und etivas frejjen, was fie herauszogen. Al er an den Stellen nachjah, fand er überall die eigentümliche Puppe eines Crambus (Rüffelmotte), daS leere Gejpinfl und die Höhle der Yarve. Die Ziefelbaue waren auf einigen Teilen des Plabes ehr zahlceid), ud auf einer Etelle zählte Osborn 25 im Umkreis eines Duadratyard3: ein Beweis, daf; die Ziejel e3 verjtanden hatten, von den vielen Larven und Puppen Gebrauch zu machen. Ebenjo it augenscheinlich, wo e3 viel Rafenmwürmer gibt, der Ziefel durchaus nicht nur ein - Übel. Profefjor E. P. Gillette von der Soma Erperiment-Station in Ames veröffentlichte 1359 daS Ergebnis der Unterfuchung des Mageninhaltes von 22 Ziejeln, die zwijchen dem 1, el a er RR b Streifenziejel. Kennicott3 Ziejel. old 19. April und 2. Auguft getötet worden waren. Er fand, daß Anfektennahrung 46 Prozent ausmacht mit einer Durchjchnittszahl von 13 „eutworms“ und „webworms“ in jedem. Lebtere waren in der größten Mehrzahl der Fälle die Larven von Crambus exsiccatus, der in oma dem Korn und Gras jehr jchädlich it. E3 wird der Schluß gezogen, daß die Sinjeften, welche die Biejel frejjen, faft ausichlieglich Schädliche Arten find. Da Gras, Klee und anderes Grünzeug reichlich vorhanden war zur Zeit, alS die Ziefel getötet wurden, und trogdem alle ihre Magen oft vollgepfropft waren mit Snjeften, deren ang ihnen viel Mühe macht, jo muß man annehmen, daß fie die leßtere Nahrung vorziehen. Unzmweifelhaft it der Nußen, den der Etreifenziefel durch Bertilgung von Infekten und Unfrautfamen bringt, von nicht geringer Bedeutung; aber es ijt fraglich, ob er genügt, den Schaden wieder wettzumachen, den er in den ©etreidefeldern anrichtet. Aus dem Gefartgenleben teilt Bruhin New Cöln einige Züge mit. Er gab feinem Leopardenziejel „Milch, welche er mit Behagen jchlürfte”. Das Tier liebte e3, „jich jtunden- lang an die Sonne zu jegen und dabei das Heinichenartige Gezirpe .... Hören zu lajjen. Jr dem Zimmer, in dem ich e3 frei herumlaufen ließ, juchte e3 frühmorgens die Stellen auf, welche die Sonne bejchien, und rücte mit der Sonne vorwärts, weil der von der Sonne bejchienene Fled nur einige Duadratzoll maß”. Ym Unmillen jchlug e3 mit dem Schwan;z, wie eine Kabe, in horizontaler Richtung. „ES fraß mir in furzer Zeit zwei Blaubögel, die ihr Nachtlager unvorfichtigerweije auf dem Boden genommen, bis auf die Füße und einige Federn auf.“ - („Zool. Öarten“, 1871.) Dr. HoY erzählt: Wenn man ein Eichhorn zu einem Streifengopher in den Käfig jebt, ftürzt fich diefer im Augenblid auf den Eindringling, bringt ihm eine Wunde bei und flüchtet wieder zurück mit folcher Schnelligkeit, daß faum eine Möglich- feit zur Verteidigung bleibt. Sobald er feinen Öegner gejchwächt hat, faßt er ihn im Genic und beißt ihn auf der Stelle tot. Während des Kampfes jtößt er ein tiefes, fchnarrendes Knurren aus, und nad) dem Tode feines Opfers tut er fi) gütlic) am Gehirn und Blut. Die nächite Ziejelart, die Bailey bejpricht, nennt er Kennicotts Ziejel, Xerosper- mophilus (Merriammjche Untergattung) obsoletus Kennicott. Bailey befchränft das Verbrei- tungsgebiet auf Nebraska, Djt-Wyoming und Sid-Dakota jüdlich der Blaf Hills. Er be- jchreibt die Art al undeutlich und unregelmäßig gefledtes, matt gefärbtes, eines Ziefel mit Taum fichtbaren Ohren und Furzem, dünnem Schtvanze. Wo e3 mit dem geftreiften zufammen vorkommt, wird eS oft al3 das Kleine gefledte Ziefel unterjchieden. Bailey traf es felbit an berjchiedenen Punkten im Cherry-Bezirk, two e3 gemeiner zu fein fchien al3 das geitreifte. Die Tledenziejel „waren fo [deu und ruhig und ihre Farben und Slede gehen fo vollfommen mit der Umgebung zufammen, daß man fie jelten fieht, obwohl fie in Fallen nicht fchwer zu fangen find. Sie wählen fich gewöhnlich leichten, fandigen Boden zur Anlage ihrer Höhlen, eine Neigung, die jie mit der Känguruhmaus (Perodipus ordi) gemein haben. Dieje fomımt in derjelben Gegend vor, und in ihren unbefegten Bauen fängt man oft den Sledenziefel. Die Gewohnheit der Känguruhmaus, viel mehr Höhlen zu graben, als fie bejegen und be- nußen kann, jcheint ebenjorwohl von Diefem Ziefel gewürdigt zu werden als von einer Anzahl anderer Heiner Nagerarten, die jie in Bejig nehmen, anftatt fich jelbft jolhe zu graben.“ Der Magen eines Fledenziejels, den Bailey unterfuchte, enthielt Sämereien und die Über- teite einiger junger Mäufe, der eine3 anderen Körner und Sufelten. Weitere Magenunter- fuchungen hatten ähnliche Ergebnifje, und fo darf man annehmen, daß der Flecenziejel ähnlich vielfältige Nahrung aufnimmt wie der Streifenziefel. Wirtfchaftlich ift er nicht 33* _ 516 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hörnchenartige. pwichtig, weil er in den Aderbaugebieten nicht zahlreich it. Der größte Teil jeiner Heimat ift Grasland und nur diinn befiedelt. Der Merifanifche Ziefel, Xerospermophilus mexicanus Zeht., ähnelt jehr dem Gtreifenziefel, unterjcheidet fic) von diefem aber dadurch, daß die neun oder elf Längs- reihen weißlicher Rüdenflefe auf gleichmäßig hellbraunem Grunde verlaufen, und vom Tteeenziejel eben dadurch, daß dieje Fleden in Reihen jtehen, nicht unregelmäßig über den Nücden zerjtreut find. Der Merikanijche Ziefel tritt in die Vereinigten Staaten nur im füd- mwejtlichen Teras und im füdlichen Neumerifo ein, verbreitet fic) von da aber über das merifanifche Tafelland bis Zapotları und Salisco und nod) füdlicher bi8 Mexiko und Drizaba. Bon abweichenden Lebensgewohndheiten weiß Bailey aus eigener und anderer Erfahrung nur zu berichten, daß der Merikanifche Ziejel manchmal auch außerhalb der Winterjchlafzeit feinen Bau von innen zuftopft. Er gräbt ihn mit Vorliebe unter den Wurzeln des Mes- quito- (Flußharz-) Baumes. Die Röhren verlaufen — daher wohl? — nicht gleichmäßig, aber immer im Winfel, fallen nicht jenfrecht ab. In Neumerifo bewohnt das Tier feljiges und fteiniges Land, jandiges Erdreich nur da, wo e3 an jteiniges anjtößt. m Tale von Meriko Dagegen, bei Tlalpam, findet e3 fich nur in lofem, mehr jandigem Boden, auf den Feldern nahe der Taljohle. Gemöhnlid) find die Tiere fehr jcheu md eilen in ihre Höhlen lange, ehe man auf Schußmeite heranfommt. Gie pafjen jo gut auf und jchlagen fo rajch Alarm, daß man nur wenige zu jehen befommtt, auch two fie verhältnismäßig gemein find. Schlieglich erwähnen wir nur noch den Ohrenziejel, Otospermophilus grammu- rus Say, mit jehr großen, oft nocd) mit langen Haaren befranjten Ohren und jehr langem, bufchigem Schtwanze: ein abmweichendes Gepräge, das am meijten äußere Berechtigung ermweilt, eine befondere Untergattung (Otospermöphilus Brdt.) zu bilden. Diefe verbreitet jich über Colorado, Dregon, Nevada, Utah, Teras, Kalifornien und Mexiko und fcheint in der Hauptjache Gebiete zu bewohnen, die nach) dem Stillen Ozean abmwäjjern. Shre wirtjchaftlihe Bedeutung ald Maffenjchädlinge ift wohl diefelbe wie bei den bereitS ge- Ihilerten; vom Obhrenziefel Tieft man mwenigftens in der Literatur feiner Heimat oft als der „Belt Kaliforniens”. Gegen die eigentlichen Hörnchen vorrücdend, gelangen mir zu den jogenannten Baden- hörnchen, der früheren Gattung Tamias ZU. Cie wurde neuerdings zerlegt in die euro= pätjch- aftatifch -nordamerifanifche Gattung Eutamias Trt., die den Qömwenanteil der Arten enthält, und zwei Feine, rein nordamerifanifche Gattungen. Das Vorhandenfein von Baden- tajchen, die bis zum Hinterhaupte reichen, und die mehr oder weniger unterivdiche Lebenz- wveije ftellen die Badenhörnchen ald Mittelglieder zwifchen Ziefeln und Hörnchen Hin; Doc) jtimmen fie mit leßteren- mehr al3 mit erjteren überein. Ihr Gebiß ähnelt dem der Eich- hörnchen, der vordere obere Badzahı fehlt aber beftändig. Die fünfzehigen Füße und die Deine find Fürzer al3 bei den Hörnchen; der verhältnismäßig dünn behaarte Schtvanz ift etwas fürzer al3 der Körper, der Pelz Furz und nicht fehr weich, auf dem Rüden gewöhnlich durch jcharfe Längsftreifen gezeichnet. Der Burunduf oder das Geftreifte Badenhörnchen der Alten Welt, Eutamias asiaticus Gm. (Tamias), ift bedeutend Heiner al® dag gemeine Eichhorn, ohne den 10 em u N (0. Burunduk. Mezilanijcher Ziejel. Ohrenziefel. — Badenhörncdhen. 017 mejjenden Schwanz 15 cm lang und am Widerrift nicht über 5 cm hoch. Der längliche Kopf dat eine wenig vorjtehende, rundliche und fein behaarte Naje, große, Shivarze Augen und furze, Heine Ohren; die Gliedmaßen find ziemlic) ftark, die Sohlen nadt; die Daumenmarze der Vorpderfüße ift mit einem Heinen Hornplättchen an der Stelle des Nagels bededt, der auf der Haut geringelte Schtvanz ringsum jchtvach bufchig behaart. Feine, in fünf Reihen ver- teilte Schnurren ftehen auf der Oberlippe, einige Borjtenhaare auf den Wangen und über den Augen. Die Färbung des kurzen, rauhen, dicht anliegenden Pelzes ijt am Stopfe, Halje und den Leibesjeiten gelblich, untermijcht mit lagen, weißjpigigen Haaren; über den Rüden verlaufen der Länge nad) in ungleichen Zwifchenräumen fünf jchwarze Binden, dere mitteljte die Nüdgratslinie bezeichnet; Die nächjten beiden ziehen fich von den Schultern zu den Hinterjchenfeln und jchliegen ein blaßgelbes oder auch weißgelbliches Band zwijchen fic) ein. Die ganze Unterfeite ift graulichweiß, der Schwanz oben jchwärzlich, unten gelblich; die Schnutren find fchwarz, die Srallen braun. Sn der Tithäljte Nordamerikas ift das Gegenjtüd des Burunduf und feiner nächjten Oattungsverwandten der von Ontario in Kanada über die Staaten New York, Michigan, Minnejota und das Mifjijfippital bis nach Virginia und Georgia verbreitete Hadee oder Chipmunf, Tamias striatus Z., der mit feinen drei Unterarten (die befanntefte T. st. lysteri Rich.) den ganzen Inhalt der heutigen Gattung Tamias ausmacht. Er ift ungefähr gleich- groß mit dem Burumduf, im Geficht rötlichbraun, auf Stirn und Baden dunkler gejpreufelt, im Naden afchgrau, Hinterjeits rotbraun, unterjeitS weißlich, ein Rüdenftreifen dunfelbraun gefärbt, ein Schwarzer Augenjtreifen oben und unten weiß, ei breiter weißer Seitenjtreifen Ihmwarzbraun eingefaßt; das dunfelbraune Schwanzhaar hat graugelbe Wurzel und weißliche Spibe, fieht unterjeits aber rötlich aus. Der Schwanz ift kürzer und der Stopf jchlanfer als bei dem altweltlichen Gegenjtüd. Ein großer Teil des nördlichen Wien und ein Heines Stüd Dfteuropas jind die Heimat des altweltlichen Bakfenhörnchens. Der Wohnkreis wird ettva von den Flüffen Divina und Kama und im Often von dem Ochotjfiihen Meerbujen und dem Golf von Anadyr begrenzt. Sn Sibirien dehnt ji) das Verbreitungsgebiet, mit Ausjchluß der Dauromongoliihen Hoch- iteppen, bis zum Amur. Der Burunduf, Dichirkfi der Eojoten und Burjäten, Morümti der Chinefen, lebt in Wäldern, und zwar ebenjomwohl im Nadeltvalde wie in Birkengehöfgen, am häufigiten in Zirbelfieferbeftänden. Unter den Wurzel diefer Bäume legt er Jich eine ziemlich Funftloje, einfache Höhle an, die in gabelförmiger Teilung zu dem Nejte und zu einer oder zwei bisdrei jeitwärt liegenden Borratsfammern führt, durch einen langen, gerwundenen Oang aber nad) außen mündet. Celten find die Baue tief, weil die Feuchtigkeit des Bodens dies nicht gejtattet; Doch liegt in fälteren Gegenden die Lagerjtelle regelmäßig tiefer, als der Froft reicht. Eine befondere Eigenart hat, nach Stone und Cram, der Bau des amerikanischen - Chipmunfs darin, daß der Eingang ftetS merklich enger ift als die übrige Röhre. Ir ge- tinger Tiefe wird dieje plößlich weiter, wenigitens doppelt jo weit wie die Mündung, und die Wände find überrafchend hart geglättet. Stone ftellte Dabei auch feit, daß die losgefraßte Erde in den Badentafchen weggetragen wird, wie e3 Falz-Fein vom Biejel behauptet: er fand die Häufchen des emporgebrachten gelben Untergrundes in der Nähe unter Büjchen verjledt. Die Nahrung der Badenhörncdhen befteht aus Pflanzenfamen und Beeren, borzugs- „weile aber aus Getreideförnern und Nüffen, von denen fie für manchen Winter 5—S kg 518 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hörnchenartige. in den Badentafchen nach Haufe fchleppen und in den Vorratsfammern aufbewahren. Im Birejagebirge find, aut Radde, die Eicheln und die Früchte der mandjchurifchen Linde de3 Bırumduls Lieblingsfpeife, wovon er bisweilen fo viel jammelt, daß noch im Frühling der nachbleibende Borrat von Wildichweinen und Bären.aufgegraben und verzehrt wird. An der unteren Schilfa reinigt er für feinen Bedarf jehr jorgfältig die Zirbelnüjjfe und bringt ihrer 11,5 kg zufammen, ebenfall nicht felten zum Nußen der Bären. Am Baifalfee be- wohnt er mit Vorliebe Waldungen, in deren Mitte Heine Ader liegen, und two das Getreide, twelches diefe liefern, im Halme gejtapelt wird. Hiervon jammelt er oft eine erhebliche Menge, nicht felten bi 4 kg, Ühren ein, die 2—3 kg reines Korn geben. Genau ebenfo’verfährt der Chipmunf. Nac) den verjchtiedenen Monaten jchleppt er jeine mannigfaltigen Vorräte zu- jammen, am meijten Buchweizen, Hajelnüfje, Ahornförner und Mais. Nac) Stone und Cram frefjen die Chipmunks auch alle Arten Beeren, Ipfel, Birnen und Tomaten. Im erjten Früb- ling juchen fie die forallroten Beeren des Jmmergrüng und der Biichofsmüge. Einigermaßen jind fie auch Räuber: Stone jah fie die großen, jchädlichen jtreifenflügeligen Heujchreden des Spätjommers jagen, indem jie Dazwijchenrannten, daß dieje aufflogen, und jie padten, wenn jie jchließlich zur Erde niederfamen. Einer diefer diefen Burjchen muß ein vollitändig befriedigendes Frühftüd abgeben für ein Tier, das nicht größer ift al3 ein Chipmunf: es wird alles aufgefrejjen bi auf die Flügel und die Enden der Beine. Wie die meijten Nager jind auch die Chipmunfs nur zu jehr auf den Nejtraub aus; doch glaubt Stone, daß fie in diefer Beziehung weniger zerjtörend wirken al3 andere Eichhörnchen und Mäufe. Er beobachtete einjt ein Paar, die am Ufer eines Mühlenteiches einige Gefledte Strandläufer bejchlichen. Der Burunduf fomohl wie der Chipmunf Halten Winterjchlaf, doch bloß einen jehr unterbrochenen, fcheinen auch-mährend des ganzen Winter der Nahrung bedürftig zu fein. Audubon, der im Januar einen der Baue aufgrub, fand in der Tiefe von 11, m ein großes Neit aus Blättern und Gras, in dem drei Hadees verborgen lagen; andere jchienen fich in Die Seitengänge geflüchtet zu Haben, als ihnen die Gräber nahe gefommen waren. Die Tiere waren zivar jchlaftrunfen und nicht gerade jehr lebendig, jchliefen aber Feinestwegs nach Art unjerer Winterjchläfer, jondern bijjen tüchtig-um fich, al der Naturforjcher fie ergreifen wollte. Der Hadee legt jich nicht vor dem November, der Burunduf im füdlichen Sibirien zu derjelben Zeit, in Mittelfibirien dagegen, wo die Fröfte zeitig einjegen, jpätejtens Mitte Dftober zur Winterruhe nieder. Beide verlafjen ihre unterivdiichen Baue während des Winter3 nicht, halten aber einen Gang offen, auch bei eintretendem Tauietter, bei dent man mwenigjten3 den Burunduf eifrig bejchäftigt fieht, den Eingang zu feiner Höhle vor dem eindringenden Schneemajjer zu [hügen und fonjt zu reinigen. Mit der Schneejchmelze be- ginnen beide ihr Leben auf der Oberfläche des Bodens. Die Zungen werden im Mai geboren; ein zweites Gehed findet man gewöhnlich im Auguft. Der Baarung gehen fehr heftige Kämpfe unter den Männchen voraus: man verfichert, daß e3 jchwerlich rauffuftigere Streithänfe geben Zünne als dieje Fleinen, aber ungemein regjamen Tiere. Bejonders lebhaft find die Badenhörnchen wenige Wochen, bevor fie jich legen. Man vernimmt dann häufiger als je ihren vollen, an das Elagende Gejchtei der Zwergohreule erinnernden Ruf und fieht fie jelbit in eiftiger Bewegung. Was ihnen an Stletterfertigkeif abgeht, erjegen fie durch ‚erjtaunliche Behendigkeit im Laufen. Wie Zaunfönige Hufchen fie zroifchen und unter den Büjchen dahin, blisjchnell bald geradeaus laufend, bald eine Richtung in eine andere verändernd. Nad) Hormaday haufen die Chipmunfs vorzugsweife zwifchen Feljen; er nennt fie . geradezu Feljenhörnchen (Rock Squirrels), zumal in Amerifa die Ziefel Cröhörnchen (Ground, TBONTTITSTET, ay\ DE A A >> Ann ten Badenhörncden. 19 Squirrels) heißen. Syn Ermangelung von Feljen leben jie an Einfriedigungen, wo nur eine Steht; ihre Lieblingswohnftätten find aber hohle Bäume, in die fie unmittelbar vom Erdboden aus hineinjchlüpfen fönnen. Wo fie gejchligt werden, mie in einigen öffentlichen Barfen, werden fie jo zahm und vertraut, daß fie Futter juchend auf den Wegen umberhufchen und die Spaziergänger bi3 auf wenige Fuß heranfommen lajjen. Den gewöhnlichen Chipmunf des Oftens jchildert Hornadad ebenjo anjprechend wie anfchaulich: Wenn man auf dem Lande jpazieren geht, läuft einem fajt überall in den Oftjtaaten diejes Hübjche Feine Gefchöpf in den Weg, wie ein Schein bräunlichen Lichtes, und ruft ganz wohlgemut fein Tjehip, tichip, - tichip, tichip! Wenn man ftillejteht, um es zu beobachten, hält e$ auch an und jchaut auf- merffam her mit aufgeriffenen Augen und gejpigten Ohren; abgefehen von ver rafchen Atembemwegung jeiner Zlanfen bleibt e8 regung3lo3 wie ein ausgeftopftes Eichhörnchen. Yede Einfriedigung it ihm eine Feltung. Ob von Stein oder Holz, der Chipmunf fennt jeine beiten Schleichwege, wenn Gefahr droht, und trägt in feinem gejchäftigen Heinen Gehirn eine ganze Handlifte von Bauen und Schlupfwinfen. Wenn er von Sinaben, Hunden oder Naubtieren verfolgt wird, flibt er Hurtig auf.den oberen oder unteren Duerriegeln jeines Baunes entlang, bis er einen genügenden Schlupfiwinfel erreicht: da Hujcht ein Schein braunen Felles hinein, und man fiegt nicht3 mehr. Sm Herbit jpeichert der Chipmunf in jeinem frojtfreien Bau erjtaunliche Mengen von Körnern und feinen Nüfjen auf, und Davon hat er jeinen wiljenjchaftlichen Gattungsnamen Tamias, der im Griechiichen „Proviant- meijter” bedeutet. Auch im Winter läuft er an fonnigen Tagen, wenn die Zeljen frei von Schnee find, über der Erde herum. Auch Stone und Cram erklären die Chipmunks für unfraglich jehr regjame Gejchöpfe, die Sonnenschein und Wärme fieben und offene Beftände von Harthölzern, wo der Rajen vom Vieh furz abgemweidet ift. Hier graben fie ihre Baue auf jolche Art und Weije, daß dieje die Aufmerkjamfeit ihrer Feinde nicht auf fich ziehen und zugleich vom Eingang freien Aus- blie nach allen Seiten gewähren. Beim Ab- und Zugehen am Bau macht der Chipmunf Sprünge über das Gras und jcheint e3 jorgfältig zu vermeiden, irgendeinen Wechjel aus- zutreten, der jeinen Feinden als Führer dienen könnte. Unter fich find die Chipmunfs ein jehr gejprächiges Bölfchen: oft hört man wohl eine Gejelljchaft von einem halben Dubend und mehr an ruhigem Sommernachmittag eine jehr lebhafte Unterhaltung führen. Seder fit auf feinem eigenen Stein oder Stumpf, und ge- & trennt durch Zwifchenräume von einigen Ruten, rufen fie ich jtundenlang mit wechjelnder Modulation einen Zirp nach dem andern zu. HZeitweije verjteigen jie jich zu einem richtigen Chorgejang mit einer Art dDurchgehendem Rhythmus, der jehr ergöglich it. Diefer Zirpton wird auch als Warnungsruf benußt, indem einfach der Ausorud eine Kleinigkeit geändert wird. Wenn ein Chipmunf durch Annäherung eines Tuchjes oder andern Feindez in jeiner Tätigkeit unterbrochen wird, in jeinem Sonnenbad, oder was er jonjt gerade treiben mag, eilt er, wenn möglich, in den Bereich jeiner Höhle und läßt dann aus diejer jicheren Stellung eine gleichmäßige Reihe von Marmrufen ertönen, jolange der Feind in Sicht it. Der Alarm wird von den anderen aufgenommen, und der verjchmigte Räuber findet feine An- näherung angekündigt troß all feiner Borfiht. Wenn ein Badenhörnchen unmittelbar an- gegriffen und gezwungen wird, nach feiner Höhle ‘zu rennen oder zwijchen den Zeljen Schuß zu fuchen, jo unterrichtet ein jchrilfer, zittender Schrei jeine Genojjen noch genauer über den Standort des Teinde2. Den Winterjchlaf der Chipmunks vergleichen Stone und Cram mit dem der altweltlichen 520 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hörnchenartige. Schlafmäufe, betonen aber als Unterjchied ziwiichen diefen und anderen Winterjchläfern, daß die Chipmunks nur mäßig fett find, wenn fie jich im Herbit zurüdziehen. Wenn nad) allgemeiner Annahme mehrere Wochen vergehen, ehe jie in endgültigen Winterjchlaf fallen, fo bejchäftigen fie fich jehr wahrfcheinlich in der Ziwijchenzeit damit, jich eine genügende Menge Fett anzulegen, damit fie bis zum Frühjahr aushalten. m April und Dat find die Chip- mund ficher an jedem warmen Tag draußen im Sonnenjchein, ziehen jich aber wieder zurüd und jchlafen, fobald Kälte und Schneewetter eintritt. Wenn fie aber in wadhen Zujtande find, find fie auch unzweideutig wach von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang, offenbar jogar ohne Mittagjchlaf, wenn die Tage am längjten und heikejten jind. Dem Landwirt find die Badenhörnchen durchaus nicht willfommen. Cie gehen nad) Mäufeart in die Scheunen und richten, wenn fie in großer Menge auftreten, arge Ver- wüjtungen an. Shre gefüllten Speicher werden, wie bei uns zulande die der Hamjter, aus- gegraben und entleert. Stone und Cram bemerfen zur Frage der Schädlichkeit, Daß die Chip- munfs Hauptjächlich im Frühjahr, wenn andere Nahrung knapp ift, das frijch gejäte Getreide angehen, in ihren großen, bis zuden Schultern reichenden Badentajchen erjtaunlich viel weg- ichleppen Fönnen und jo mitunter fortfahren, bis die Saat einige Zoll Hoch tft; dann Fönneın jte allerdings beträchtlichen Schaden anrichten. Neifes Korn nehmen fie jelten, höchitens wenn die Niüfje nicht geraten find. Zm Weiten jcheinen jte mehr Schaden zu tun und werden vom Bolfe entjchieden als eine Plage angejehen. Die Sibirier verwerten die Bälge des Bu- runduf und fenden fie nach China, wo man die Felle hHauptjächlih zu Berbrämungen wärmerer Pelze benubt. Der Chipmunf wird eifriger verfolgt als jein Bruder in Eibirien. Ein ganzes Heer von Feinden ftellt ihm nach. Die Buben üben fich an ihm in dem edlen Weid- werk und jagen ihn mit weit größerem Eifer als die Sinaben der Zafuten den Burunduf, dem Ic&tere während der Ranzzeit hinter Bäumen auflauern und ihn herbeirufen, indem fie ver= mittelit eines Pfeifchens aus Birfenrinde den Lodton des Weibchens nachahmen. = Der Chipmunf hat aber noch jchlimmere Feinde. Wiejel verfolgen ihn auf und unter Der Erde, Beutelratten ftreben ihm eifrig nach, Hausfagen halten ihn für eine ebenjo gute Beute wie Ratten und Mäufe, und alle größeren Raubvögel nehmen ihn vom Boden weg, wo fie nur fönnen. Ein amerifanifcher Rauhfußbuffard gilt al fein eifriger Verfolger und Heißt des- halb geradezu „Squirrel-Hawk“. Auch die Slapperjchlange folgt, nac) Geyer, dem armen Cchelme, und zwar mit ebenfo großer Ausdauer wie Schnelligkeit. Der Winter vermindert die während des Sommers erzeugte bedeutende Nachfommenfchaft der Badenhörnchen oft in unglaublicher Weije. Troß alledem find fie, in gejegneten Jahren wenigjtens, überall außer- ordentlich zahlreich; die große Fruchtbarkeit des Weibchens gleicht die Verlufte toieder aus. Die hübjche Färbung, die Zierlichkeit und Lebendigkeit der Bewegungen empfehlen die Badenhörnchen für die Oefangenfchaft. Ganz zahm werden fie nicht, bleiben vielmehr immer jurhtjam und bifjig. Dazu fommt ihre Luft, alles zu zernagen. Mit anderen ihrer Art ver- tragen fie jich nicht immer; zumal die Männchen beginnen oft Streit untereinander. Die Ernährung hat feine Schwierigkeiten; denn die einfachiten Körner und Früchte genügen zu ihrem Futter. Bei einigermaßen entjprechender Pflege halten fie mehrere Jahre in Ge- fangenfchaft aus, jchreiten hier auch leicht zur Fortpflanzung. Lebteres haben fie bis jegt im Berliner Garten noch nicht getan, deijen Landnagetierhaus von den beiden oben bejchrie- benen Arten in der Regel die leichter zu bejchaffende amerifanijche, bisweilen aber auch die jeltenere fibirifche enthält. Die Amerikaner, die in größerer Anzahl vorhanden find, Haben ihre Schlaffäftchen mit mehreren Abteilungen, und fo herrfcht einigermaßen Friede unter Badenhörnden. Ziejelhörnden. 921 ihnen. Sm übrigen haben fie jich die Gunst des Bublifums in bejonderem Maße erivorben durc) ihre erjtaunlich flinken und getwandten, dabei aber jtets Hübjchen und anmutigen Be- mwegungen, namentlich jedoch die bettelige Zahmheit, mit Der fie vorn am Gitter Hin und her hujchen, bald hier, bald dort das feine rofige Näschen zwijchen die Drahtmafchen ftedend. - Dem Wärter laufen fie beim Füttern und Neinemachen über die Hände. Das einzelne fibi- tiihe Männchen tut das auch, zeigt jich aber Dabei als tollfühner Streiter, ‚wie das ja bei Na- gern nicht unerhört ilt; eS jucht ganz ernithaft zu beißen. Einmal lief es dem Manne imNuam Arm in die Höhe und juchte ihn mit den fcharfen Zähnchen nad) Kräften am Halje zu fneifen. Wie bei den Biejeln, ijt auch bei den Badenhörnchen eine Falifornifche Art, Eutamias speciosus Allen (macrotus), nebenbei eine der fleinjten, durch lange, jcharf zugejpibte Ohren ausgezeichnet. Hornavay nennt fie einen vergnügten Heinen Kobold, ganz eigenartig flinf und hübjch Dabei, dem die Ohren und die weißen Harlefintreifen ein äußerjt jchel- mijches und fedes Ausjehen geben. Er hält fie viel im New Vorfer Tierpark und möchte fie in mancher Beziehung als die dankbariten aller jeiner Höhlennager bezeichnen. Nur die Itengjte Kälte treibt fie in ihre Baue, und in der Winterjtille, wenn eine dide Schnee- Dede alle anderen Bewohner der Nagergehege unter der Erde verjtect hält, bringt die erjte Stunde Karen Sonnenjcheins ein halbes Dubend Falifornijcher Chipmunfs zutage, Die jich bor ihren Xöchern jonnen. Die afrifaniichen Ziejel- oder Borjtenhörnden (Öattung Kerus 7. E.) mögen wohl häßlicher erjcheinen als die vorhergehenden. Die äußeren Ohrmujcheln treten faum hervor oder fehlen ganz. Sn doppelter Hinficht merfwürdig aber ift die Behaarung: fie jtehf nur jpärlich auf dem Leibe, jo daß jie die Haut mitunter faum dedt, und die jehr jtarren, borjtigen Haare jind an der Wurzel platt, von da an der Länge nach gefurcht und. breit zugejpißt. Der ganze Pelz jieht manchmal aus, als wären bloß einzelne Haare auf _ den Balg geklebt. Gerade durcd) dieje dDünnere, jtarrere Behaarung fan aber der Förper- lange, zweizeilig bujchig behaarte Schwanz jehr jhön ausjehen, wenn er in die Höhe ge- ichlagen und jedes einzelne Haar aufgerichtet wird: dann hat er etwas von der wehenden Straußenfeder, und das ganze Tier erjcheint recht anmutig, wenn man es jo aus einiger Entfernung betrachtet. Hußerlich find auch die langen, verhältnismäßig geraden Krallen fennzeichnend, im inneren Leibesbau das Fehlen der Badentajchen, der Schädel und die Badzähne. Der Schädel ijt groß und breit, ettwas in die Yänge gezogen, was jich namentlich an den Stirnbeinen zeigt, hat aber nur ganz furze Hinteraugenhöhlenfortjäe. Die Bad- ‚zähne unterjcheiden jich von denen der eigentlichen Baumhörnchen mit ihren niedrigen, ichalenförmigen Kronen durch mehr oder weniger wohlausgebildete Querplatten, modurd) ji) die Borftenhörnchen merfwürdigerweife den Stachelichweinen nähern und jich offenbar al ein jpezialijierter Typ unter den Hörnchen erweijen. Sn der LXebensweije jind es Erdhörnden, die ji) Baue graben. Der Schilu der Abejjinier, Xerus rutilus Crtzschm., wird im ganzen 50 cm lang, “ mobon etwa 22 cm auf den Schwanz fommen. Die Färbung ift oben rötlichgelb, an den Geiten und unten licht, fait weißlih. Der ziveizeilig behaarte Schtvanz ift jeitlich und am Ende weiß, in der Mitte rot, hier und da weiß geflecdt, weil viele feiner Haare in weiße Spiten enden. Dasjelbe ijt auch bei den Nüdenhaaren der Fall. Sn den Steppenländern fommt eine andere Art vor, Die Sabera der Araber (Xerus erythropus leucoumbrinus 522 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Hörnchenartige. Rüpp., die neuerdings alS Unterart de3 weitafrifanijchen X. erythropus B. Geoffr. betrachtet _ toird), und zwar fehr Häufig, während der Schilu immer nur einzeln auftritt. Beide Tiere ähneln fich in ihrem Leben vollitändig. Sie bewohnen dürre Steppen- waldungen, die waldlofe Ebene, jelbit gebirgige, Hügelige Gegenden mit jpärlichem Pflanzen- wuchs und andere ähnliche Orte, graben jich gejchidt und rafch unter dichten Büjchen, ztifchen dem Gemwurzel der Bäume und unter größeren Felsblöden tiefe und Funftoolle Baue und ftreifen von diefen aus bei Tage umher. Man fieht fie einzeln oder paariveife auch in unmittelbarer Nähe der Dörfer. Wo die Gegend nicht feljig ift, graben fie jich unter starken Bäumen Röhren von großer Ausdehnung; wenigitens muß man fo jchließen nach dei hohen Haufen, die vor ihren Fluchtröhren aufgerworfen werden. Die Baue näher zu unter- fuchen, hat feine Schwierigkeit, weil fie regelmäßig zwijchen dem Wurzelwerfe der Bäume verlaufen. Wurde die Wohnung unter Felsblöden angelegt, jo ift e8 nicht befjer; denn das Biejelhörnchen Hat fich ficher den unzugänglichiten Plab ausgejucht. Sm Dorfe Menfa Hatte fich ein Schilu- Pärchen die Kirche und den Friedhof zu feinen Wohnfigen erforen und trieb fich luftig und furchtlos vor aller Augen umher. Alfer- liebft fah e8 aus, wenn eines der Tiere auf die Spike eines Grabhügels jich jeßte und Die bezeichnende Stellung unjeres Eichhörnchens annahnı. Sch Habe den Schilu wie die Sabera nur auf dem Boden bemerft, niemals auf Bäumen oder Sträuchern. Hier zeigt er fich ebenjo gewandt wie unfer Eichhörnchen in feinem Wohngebiete. Der Gang ijt leicht und wegen der hohen Läufe ziemlich fchnell; Doch gehen beide mehr jchrittweije al3 die wahren Eich- hörnchen. Su ihrem Wefen befunden fie viel Leben und Rajtlofigfeit. Jede Ribe, jedes Loch wird geprüft, unterjucht und womöglich Durchfrochen. Die hellen Augen find ohne Unterlaß in Bewegung, um irgend etivas Genießbares auszujpähen. Stuojpen und Blätter jcheinen die Hauptnahrung zu bilden; aber auch Heine Vögel, Eier und Kerbtiere werden nicht verjchmäht. ©elbjt unter den Nagern dürfte e3 wenig bijjigere Tiere geben, als die Ziejel- hörnchen e3 find. GOtreitluftig fieht man fie umherjchauen, angegriffen, jich mutvoll vertei- digen. AUngejchofjene oder gefangene beißen tüchtig. Sie werden auch nach längerer Haft niemals zahm, jondern betätigen bejtändig namenloje Wut und beißen grimmig nach jedem, der fich ihnen nähert. Guter Behandlung fcheinen fie vollfommen unzugänglich zu fein: frz, ihr geiftiges Wefen fteht entjchieden auf niederer Stufe. Ein Schilu, den ich über Jahr und Tag pflegte, blieb derjelbe vom Anfang bis zum Ende. Gefürchtet von jedem Wärter, wurde er ung zur Laft. Außer feinen hHurtigen Bewegungen zeigte er nichts -Anziehendes. Über die Fortpflanzung habe ich nicht? Genaues erfahren Fönnen. Sch jah nur einmal eine Zamilie von vier Stüd und vermute deshalb, daß die Ziefelhörnchen bloß zwei Junge werfen. Hiermit fteht die gleiche Zibenzahl des Weibchens im Einflange. Sshr Hauptfeind ift der Schopfadler. Dagegen fcheinen fie mit dem Heufchredenhabicht im beiten Einverjtändnis zu leben; wenigjtens fieht man fie unter Bäumen, auf denen diefer NRaubvogel fist, jich unbeforgt umhertreiben. Unter den Säugetieren ftellen ihnen die großen Wildhunde ameifrigften nach. Die Mohammedaner und chriftlichen Bewohner Innerafrifas lafjen fie unbehelligt, weil fie in ihnen unreine Tiere erkennen; die Neger dagegen jollen das mwahrjcheinlich nicht unfchmadhafte Fleisch genießen. Das oben jchon genannte mwejt-, inner- und oftafrifanifche Ziefelhörnchen, Xerus erythropus E. Geoffr., unterjcheidet fich von dem Schilu durch den helfen Geitenjtreifen, der bon den Vorder- zu den Hinterbeinen verläuft; e3 hat aber die Heine äußere Ohrmuschel Biefelhörnden. Erdhörnden. 923 mit ihm gemein. Dagegen hat das Kapijche Borftenhörnchen zwar denfelben Seiten- jtreifen, aber feine Spur eines äußeren Ohres und bildet deshalb eine bejondere Unter- gattung (Geosciurus A. Sm., einzige Wrt G. capensis Kerr; Taf. „Nagetiere XVII”, 2, bei ©. 533). Schließlich it auch noch das Kleine Nordafrifanifche Erdhörnden von Maroffo, Algerien, Tunis zu einer weiteren Untergattung erhoben worden (Atlantoxerus F. Maj., einzige Art A. getulus Z.). Die Borjtenhörnchen gehören zu unferer folonialen Säugetierwelt und verdienen auch in diefem Sinne hier berüdjichtigt zu werden. Der Schilu fommt füdlich bis zum + Kilimandjaro, aljo bis über die Nordgrenze Deutjch-Ditafrifas vor. Matjchie nennt ihn in jenen „Säugetieren Deutjch-Ditafrifas” Punftiertes Erdeichhörnchen, von den weißen Haar- jpigen auf dem gelblichbraunen Rüden, die diefen weiß punktiert erjcheinen lafjen. Den weit verbreiteten gejtreiften Verwandten führt er in feiner furzgefaßten Lijte der Säugetiere des Togogebietes jchon 1893 aus Bismardburg auf: „in Erdnußpflanzungen”. Und ähnlich heißt es in den Notizen des jpäteren Gouverneurs von Togo, Grafen Zech, zu jeinen 300l0- gischen Sammlungen: „Zrißt gern Erdnüffe. Das Fleiich wird von den Sratjis, Anecho- und Anlo- und Tichileuten gegejjen.” Aus Liberia hat Büttifofer, der treffliche Forichungs- teijende und jetige Tiergartenleiter in Rotterdam, folgende Lebenzjchilderung gegeben (Sentinf, ‚„„Zoolog. Researches in Liberia, Notes from the Leyden Museum“, Vol. X, 1887): „Dieje ungemein lebhaften Tierchen finden fich am zahlreichiten in Erdnußanpflanzungen und auch in neu angepflanzten Bajjavefarmen (Maniof), wo fie die in den Grund eingelegten Eajjavejtedlinge ausgraben und deren Ninde abnagen. Sie graben jich Heine Baue in den Boden, legen Heine Vorräte an und leben gern in Gejelljchaft, oft bis jechs Stüd beifammen. hr Fleisch ift jehr [hmadhaft, namentlich von denjenigen, die fich in Erdnußfeldern aufhalten.” Das ebenfalls geftreifte, aber äußerlich vollfommen ohrmufchellofe Borftenhörnchen bom Sap (Geosciurus capensis Kerr), dejjen Ohr jich in einem jchmalen, fchiefen, etwas über 1 cm langen Schlig öffnet, lebt im Inneren Südafrikas auf den trodnen, offenen Ebenen der Karru, verbreitet jich von da aber auch nordwärts durch die Kalahari und das Be- tichuanenland bis Matabeleland und Damaraland. So fommt e3 auch nad) Deutfch-Südmejt- afrifa und wird nach dem Vorgange der Kapfolonijten dort in der Schußtruppe „Erdmänn- chen“ genannt, ebenjo wie die Surifate. E3 tut jich in große Kolonien zufammen, und man jieht eS oft auf dem Hinterteil jißen und jich fonnen; aber beim erjten Erjcheinen einer Gefahr rennt es mit großem Öejchnatter davon in jeinen Bau. Seine Nahrung beiteht ganz aus den Bwiebelfnollen, an denen Südafrika jo reich ift; dieje verjteht es'mit jeinen langen, ftarfen Krallen vortrefflich auszugraben. Wenn man es im zoologischen Garten durch fein Gehege laufen jieht mit dem nachgejchleiften, nicht bejonders dicht, aber lang behaarten Schmweife, auf den es wenig achthat, ihn in die Höhe zu jtellen und von der Erde zu entfernen, jo fällt durch diefe Haltung und Bewegung troß aller Sihnlichkeiten der Unterjchied der ganzen Erjcheinung gegen die Baumhörnchen jehr ins Auge, und es leuchtet ohne weiteres ein, daß diejes Tier al3 Erdtier nur auf der freien, trodnen, büjchelmeije mit Gras und Kraut be- wachjenen Ebene gedeihen Fanı. Bon dem Heinen Nordaftifaniichen Erdhörnchen, Atlantoxerus getulus Z., rötlichgrau mit weißem Bauch, vier gelblichen Längsftreifen auf dem Rüden und graugebändertem Shmanz, entwirft Vojjeler aus eigener Erfahrung ein äußerjt anjprechendes Bild des Ge- fangen- und Freileben3 („Zool. Beobachter”, 1907): 524 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hörncdenartige. „Diejes von den Beduinen Rallid genannte Nagetier ijt eines der zierlichiten und liebens- wirrdigiter Glieder jeiner Sippe. Zn Siüdoran (Algerien) jah ich e8 zuerjt in Gefangenjchaft, fonnte aber mit dem beiten Willen feinen Befiser dazu veranlajjen, mir eines zu überlajjen. Das machte mic) begierig, den Charakter diejes munteren Nager3 genauer fennen zu lernen. Dazu follte ichnac) Erwerbung eines jungen Männchen und zweier erwachjener Weibchen, Die Beduinenfnaben frijch gefangen hatten, jahrelange ©elegenheit Haben. Schon in wenigen Tagen hatte fich das junge Männchen zum Herrjcher über die übrigen frei in meinem Wohn- _ raum herumlaufenden Tiere gemacht. Schildkröten und Stachelich manzeidechjen (Uromastix acanthinurus) jegte e3 fich dreilt auf den Rüden und hieß jich jo von ihnen tragen. Auch die Erwachjenen zeigten jchon nach wenigen Tagen feine Spur von Scheu mehr, ließen ic) willig greifen und machten feine Berjuche, aus einem Heinen Körbchen, ihrem erjten ©e- fängnis, auszubrechen, obgleich fie e8 durchnagten. Mit einer unverfrorenen Neugier durch- mujterten fie nach jedem Wechjel der Umgebung die neuen Gegenjtände, gewöhnten jich jchnell auch an das mitteldeutjche Klima und an winter geheizte Zimmer. Da fie als Bodentiere wenig Kletterten, noch weniger nagten, durften fich alle drei im Arbeitszimmer frei beivegen. Sie nusten dies jofort zur Gründung eines eigenen Heims zwijchen den Federn des Sofas aus. Was fie an Tuch- und PVapierjchnielchen erwijchen fonnten, trugen jie dorthin zum Ausbau des Neites, das jie jo anzulegen wußten, daß fie nicht ge= drüct werden fonnten. Dennoch quietjchten fie unmillig, wenn fich jemand auf das Sofa jegte. Morgens wurden jie im Sommer erjt gegen-158 Uhr, winter noch jpäter munter md begaben fich jchon mit Einbruch der Dunkelheit zur Ruhe. Tagsüber jpielten fte jomwohl unter fich al3 mit einer Kate und einem Moluffenfafadu, den fie durch Überfpringen oder Anftogen zu erjchreden liebten, aufs drolligjte. Um Mittag hielten fie Giejta; das Männchen juchte dazu die Hand jeines ebenfalls ruhenden Herrn auf, deren Finger energijch, aber ohne verlegt zu werden, mit den Zähnen jo lange gezerrt wurden, bis e3 fi) bequem da- zwiichen zufammenfugeln fonnte. Mit ganz bejonderer, nicht einzufchränfender Behendig- feit Hletterte e3 bei Tijch am Näcdhitbeiten Hoch und befand fich — eins, zwei, drei — zwiichen ven Gededen an der Schüjjel, die eg anlocte, oder auf dem Bierglad. Dem Gambrinus war e3 jo ergeben, daß e3 mehrere unfreitillige Bäder davon nicht abzubringen vermochten. Ebenjo jchnell, wie e3, auf dem Glasrand ausgeglitten, fopfüber hHineingeftürzt war, ebenfo Ihnell jprang e3 heraus, fchüttelte ich und Löfchte nun wieder vorfichtiger feinen Durft, als wäre nichts gejchehen. Einen Augenblid jpäter fonnte e3 mitten im Salat fiben und Blatt um Blatt herauswerfen, bis eS mit einem paffenden davonlief. Nohen Salat jchäkte e3 dagegen nicht. Bom Überfluf ölhaltiger Früchte wurden Vorräte eingetragen und gewöhn- lich in Bantoffeln oder Stiefeln verjtedt. Mit der Zeit fonnten die fcherzhaften Ungezogen- heiten abgejchliffen werden. Das lebte, feine beiden Genofjen um drei Zahre Überlebende Weibchen hatte ganz genau begreifen gelernt, an welcher Stelle e3 feine Bedürfniffe ver- richten durfte, umd wich verjchmißt dem Dienjtboten aus, wenn e3 fich einmal in diefem Punkt verfehlt Hatte. „Sonne und Salz war allen Bedürfnis. Jeden mwärmenden Strahl fuchten fie auf und legten jich platt auf den Bauch, die Beine breit jeitwärt3 nach vorn und Hinten geftrecft. Der in der Ruhe dünne Schwanz breitete jich z.B. beim Spiel oder bei Aufregung aus, zeigte dann jchöne Querjtreifung und wurde, wenn die Sonne zu jtarf brannte, fchimend über den Nüden gelegt. Bei Tijch erjchienen fie auch ohne Hunger, nur um Salz’ zu erbetteln. Dabei warteten jie auf und matjchelten auch ungeduldig auf den Hinterbeinen von einem zum Erdhörndhen. Baumhörnden. 525 andern, bi3 jie e3 erhalten hatten. Das legte Weibchen hatte 5 Jahre frei in der Wohnung gelebt, mar aljo etiwa 7 Jahre alt geworden. Wie feine Vorgänger blieb e3 bis zur legten Minute, jelbjt Eranf, ftetS gleich liebenswürdig und drollig... „Eine ftaunenswerte Gejchidlichfeit entfalten fie beim Fang von größeren Snfekten, 3. B.-Schwärmern, auf die fie erpicht find, und mit denen fie lange fpielen, ehe fie ihnen die Ylügel ausreigen und den Leib verzehren. „Ende Mai jchienen die Weibchen erjt abgejäugt zu haben; das zur felben Zeit erhaltene unge mochte, 5—6 Wochen alt, Faum recht der Muttermilch entwöhnt gewejen fein, fo daß die Wurfzeit etiva in die erjte Aprilhälfte fallen dürfte. „sn den Felsgebirgen um Ain-Sefra (Südoran) beobachtete ich die Tiere zweimal im Breileben. Fhre Wohnung Hatten jie in engen Feljenlöchern, vor denen ich eine mit dünner Pflanzendede verjehene Geröllhalde ausdehnte. Sie jcheinen weder in großen Gefelljchaften beijammen zu wohnen, noch jich weit vom Schlupf zu entfernen.” Weitaus die meijten Mitglieder der Unterfamilie gehören der nur in Auftralien und Ma- dagaskar, auf den Südjee- und mwejtindischen Snjeln und im füdlichen Südamerifa fehlenden Gruppe der Baumhörnden an. Alle ihre Arten zeigen in Geftalt, Bau, Lebensweife und Wejen große Übereinjtimmung. So gleichartig aber auch alle Baumhörnchen fein mögen, und jo eng die Berwandtjchaft der ganzen Unterfamilie der Eichhornartigen (Sciurinae) unzweifelhaft ijt, jo Hat man doch zur Aufitellung mehrerer jelbftändiger Gattungen und einer ganzen Reihe von Untergattungen jchreiten müfjen, gerade um diefe verjchiedenartigen Ver- mwandtjichaftsabitufungen einigermaßen richtig und gerecht auszudrüden. Das Klingt ehr un- gereimt, erklärt jich aber bei näherem Zujehen jehr einfach jo, daß die borzüglichen Unter- juchungen des hervorragenden englijchen Raläontologen Forjyth Major: „Über einige miozäne Eichhörnchen mit Bemerkungen zu Gebiß und Einteilung der Unterfamilie der Eichhorn- artigen“, die Syitematif vor die Entjcheidung stellten, entweder vom Murmeltier über den Träriehund, die Ziejel, Baden- und Borftenhörnchen bis zu den Baumhörnchen einjchlieglich alles ganz eng zujammenfajjen oder unter den Baumhörnchen ebenfalls noch weitere Unter- jheidungen zu machen. Denn Major bewies durch Gebikvergleichung, daf die Borften- hörnchen viel weniger allein jtehen, als bisher angenommen, zumal zahlreiche afrikanische - jomohl als einige füdaftatische Baumhörnchen enge Beziehungen zu ihnen haben in Bahn- merfmalen, die jie zugleich der großen Sektion der Stachelihweinförmigen annähern. Die Schädelmerfmale der Borjtenhörnchen, Ianggezogene Form des Schädels, bejonder3 der Stirnbeine, im Berein mit furzem Hinteraugenhöhlenfortfag, gehen in derjelben Richtung, während im übrigen die Unterfamilie der Eichhornartigen ganz im Gegenteil durch breite Gtirnbeine und lange Hinteraugenhöhlenfortfäge gefennzeichnet ift. Noch mehr: eine Heine Gruppe aftifanijcher, den Boritenhörnchen verwandter Baumbhörnchen (Protoxerus stangeri und Verwandte) fommt im Schädel durch das verhältnismäßig große Unteraugenhöhlenloch der jtachelichweinartigen Sorm noch näher. Der Schädel diejer abweichenden Baumhörnchen, namentlic) einer Art (Epixerus ebii), gleicht bis auf ein Merkmal fo jehr dem der Borften- hörnchen, daß e8 Major unmöglid) erjcheint, fie bei ven Baumhörnchen ftehen zu lajjen, wein man die Borftenhörnchen als jelbjtändige Gattung aufrechterhält. Dagegen gibt es eine andere Gruppe afrikanischer Baumhörnchen (Helioseiurus rufobrachiatus ujw.), die nad) ihren Zahnmerkmalen nahe Verwandte unjeres gewöhnlichen Eichhörnchens find, aber in der Schädelform einige Annäherung an die Borjtenhörnchen zeigen, während anderfeit3 526 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hörnhenartige. einige Arten, die zufolge ihrer Schäbelform nicht wohl von den Borjtenhörnchen getrennt werden fönnten, durch ihre Badzahnmerkmale wieder zu unjerem Eichhörnchen Hinneigen, wie 3. B. unter den indijchen Arten das Palmenhörnchen (Funambulus palmarum). Pie Iehrreich beleuchtet ung hier Forfyth Major, Diefer berufene Schädel- und Gebig- fenner, die Schtvierigfeiten, die ich dem. twifjenjchaftlichen Bejtreben entgegenftellen, den bielverzweigten Verwandtichaften, twie fie tatjächlich vorhanden find, Durch ein Shftem nad) alfen Seiten auch nır einigermaßen gerecht zu werden! Bei den Nagetieren find Dieje Schivierigfeiten Faum zu löfen. Nach) Möglichkeit Hat jie Dldfield Thomas vom Britifh Mufeum glücklich überwunden, der als gleichertwveife -berufener Nagetierfenner Major zur Seite trat und’ deffen Ergebnifje fozujagen in eine praftifche Form umgoß. Er jah ji) ge- ztwungen, eine ganze Reihe neuer Gattungen aufzuftellen, die alle Übergänge von den Erd- hörnchen zu den ausgejprochenen Baumhörnchen, mie fie unjer Eichhörnchen vertritt, erkennen laffen. Gegen 400 verjchiedene Eichhörnchenformen waren bereits im Jahre 1904 wiijenjchaftlich befannt und benannt, al3 Trouejjarts neueftes Supplement erjchien. Und bis heute hat diefe gewaltige Zahl natürlich noch zugenommen! An der Verbreitung der Eichhörnchen ift bemerkenswert, wie fie jich in einzelnen geo- graphifchen Negionen häufen. So hat 3.8., nad) Matjchie („Verbr. d. ©gt." in „Der Menfch und die Erde“) Südafrifa in jeder Gegend zivar nur 2, der Sudan 4, Südoftafrifa einerfeit3 und Oberguinea anderjeits je 8-9 und Unterguinea jchon 11 Arten. Vorder- indien hat 6: „Dagegen Fann Hinterindien und Borneo als das Land der Eichhörnchen be- zeichnet werden; denn hier finden wir in ein und demfelben Gebiet in Siam 26, auf Borneo jogar 31 Arten nebeneinander”, wobei Matjchie allerdings 8-9 Flughörndhen mitzählt. Wir find hier wieder einmal auf einem Gebiete im Säugetierreich angelangt, two wir gar nicht daran denken fönnen, auch nur einigermaßen ins einzelne zu gehen, fondern ung damit begnügen müffen, wenige, im Verhältnis zur Gejamtzahl verjchtvindend wenige Ver- treter herauszugreifen; jelbjt diefe wenigen fönnen wir aber zumeift nur nebenbei und füchtig erwähnen, nicht genauer befchteiben und fehildern. Die denkbar befte Anfnüpfung an die Borjtenhörndhen liefern die beiden afrifanijchen Baumhörnchengattungen Epixerus T’hos. und Protoxerus F. Maj.; die Namen drüden icon ihre Mittelftellung aus. Das Große Rotichenfelhörnchen, Epixerus ebii Temm., von der Goldfüjte, und Wilfons Riefenhörncden, E. wilsoni Du Challu, von Niederguinea, jtehen den Borjten- hörnchen noch jehr nahe. Das ebenfalls fehr ftattliche Olpalmenhörnchen, Protoxerus stangeri Wtrh., mit 30 cm Rumpf- und 40 cm Schwanzlänge, das leicht an dem auffallend weiß und jchwarz gebänderten Schwanze Tenntlich ijt, bewohnt in-einer Reihe von Lofal- formen die ganze afrifanijche Urwaldregion von der Goldfüjte im Weiten bis nach) Britijch- Dftafrifa im Dften und Angola im Süden. Den gelben Bauch möchte Büttifofer auf die gelbfärbenden, fetten Früchte der Olpalme zurüdführen, von denen das Tier in Liberia alfem Anjchein nach lebt. Er traf e3 dort ftet3 auf den Dlpalmen, im ganzen aber nicht eben häufig. Yon der Kamerunform, die dort „mvök“ heit, erzählt Bates („Proc. Zool. Soe.‘‘, 1905), jte jet imftande, die fteinharte Schale der „ngali“-Nuß durchzunagen, die Härtejte pflanzliche Wajje, die ihn je vorgefommen. Die Stimme bejteht nicht aus dem gewöhnlichen Eichhörnchengejchnatter, fondern aus ganz anders gearteten Kehltönen, die abgejeßt, Hart _ und rajch hervorgejtoßen werden. | Ir A * u . ed 2 1 2 Ab A el Ah a la. A ln Hl nn u 0 a Mn 1. Baumhörnhen: Aftikanifche Arten. 927 Hier jchließt fich eine Anzahl Heinerer Formen an, die hauptjächlich die baum- beitandenen Teile der afrikanischen Steppenregion bervohnen und für den Dften und Süden bejonders charakteriftijch find. Wir fünnen von der Gattung Paraxerus F. Maj. nur einige Arten Herausgreifen. Cine hierhergehörige Art, Böhms Streifenhörnden, P. böhmi Rehw., hat Böhm meift in Deutjch-Dftafrifa gefammelt, und Neichenomw hat e3 diejfem viel- berjprechenden, aber bald dem Fieber erlegenen Afrifareifenden gewidmet. Cs trägt auf dem olivengrünen Grunde der Oberjeite auffallende gelbe und jchwarze Längsbinden, Hat grauen Bauch und graumelierten Schtvanz. — Über da3 Leben findet fich einiges bei Böhm und Emin Bafcha: „Ausgejiprochenes Uferwaldtier, welches in Heinen Banden von drei bis fünf Stüd im dichten Ufergebiiich lebt und auch im Schilfe herumflettert. &3 ift nicht jehr jcheu und ftößt oft ein tucendes und zmwitjcherndes Gejchrei aus, wobei es heftig mit dem Schtwanze zudt. Ein Weibchen mit einer grünen Raupe im Maul wurde im Juli exlegt.“ (Böhm.) „Seine Nahrung befteht in Früchten, Samen, Snojpen und Snjeften, bejonders auch in fetten Termiten, und auch Vögel und deren Gier dürften faum verjchmäht werden. Die Zahl der Zungen ift Höchitens zwei, die Wurfzeit fällt in den Anfang des Juli; jedoch ijt e3 auch möglich, daß ein ziweimaliger Wurf ftattfindet.”“ (Cmir.) Eine andere vitafrifanische Art, das Rotihwanzhörnden, P. palliatus Pirs., die ji) mit mehreren Unterarten vom Sid-Somaliland und dem nördlichen Deutjch-Djtafrifa - bis nad) Mojambif und Natal verbreitet, hat Unterjeite, Beine, Kopfjeiten, Stirn, Schnauze, Ihren, Schwanz gegen die Spihe hin feurig roftrot, Schwanzmwurzel und Rüden unfcheinbarer dunfel gejprenfelt. Bon ihm erzählt Vofjeler („Zool. Beobachter”, 1907): „AS Schädling in den Baummollfeldern Bagamojos im Jahre 1905 in größerer Menge erjchienen, wurde es nad) Ausjegung einer Prämie von den Schwarzen mit einer einfachen Falle weggefangen. Drei jo erlangte erwachjene Eremplare wurden mir überlajjen. Sie übermanden die an- fängliche Scheu fehr jchnell, wurden aber nicht vollfommen zahm. Dfter3 durchnagten fie das Drahtgitter ihres Käfig, Fehrten aber, wenn gejagt, von jelbjt wieder zurüd. Als Futter zogen jie Körner den Früchten vor, bejonders Mais und Erdnüffe. An den Baumbejtänden hatten fie die Kapjeln angeftejjen, um zu den Kernen zu gelangen.“ Das Saint-Pauls-Hörnchen, P. pauli Misch., aus der Gegend von Targa und dem Ujambaragebirge wurde von Matjchie dem langjährigen Bezirßamtmann dv. St. Baul- Sllaite, einem unjerer ältejten „Afrikaner, zu Ehren benannt nad) einem Stüd, das der Genannte lebend dem Berliner Garten überwiejen hatte. E3 ift oben dunfel, mit jtarf grün- lihem Ton, unten graumeiß gefärbt, der Schwanz jchivarz mit weißen Haarfpigen. Der Kopf fällt durch die runden, breiten Ohren auf, die feine Außenlinie nirgends überragen, und Bojjeler findet daher begreiflicher- und bezeichnenderweife „in feinem Hußeren viel Ännlichfeit mit den Erdeichhörnchen”, nennt e3 aber doch, „jeinem Aufenthalt im hohen Urwald entjprechend”, ein „ausgejprochenes Baum- und Klettertier. An den Hocdjtämmen um Amani treibt e3 fich häufig familienweije herum, fünf bis jechd Stüd verfolgen fich jpielend und Hajchend den Lianen entlang; noch größere Zahlen finden jich auf fruchttragenden Bäumen, wie 3.®. Myrianthus arborea, zufammen und lajjen beim Streit um die beiten Biljen Häufig ein quiefendes Gezänfe hören. Schon in der Freiheit wenig fcheu, werden jie, jung eingewöhnt, in Fürzefter Zeit volffommen zahm und bleiben dem Haufe und dem Pfleger jehr treu, fo daß man ihnen freien Lauf auch in3 Freie gejtatten fann. hr Benehmen üt allerliebit, jelbjt der den Eichhörnchen allgemeine Charafterzug eines ausgejprochenen 528 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hörndenartige. Eigenfinns fteht dem Heinen, drolligen Tiere gut an. Sie find nicht nur dankbar für jede Lieb- fofung, jondern erwidern folche auch durch Beleden und Befnabbern oder Aufforderung zum Spiel, bei dem fie eine große Gemwandtheit im ‚Hafenjchlagen‘ entiwideln. Aufs vorfichtigite fuchen fie, ftetS zu jchleunigem Rüdzug bereit, eine neue Umgebung auszufmdjchaften, wobei der Schwanz wie bei jeder Erregung von Zeit zu Zeit wippt und jeine Behaarung geipreizt wird. Leicht jind jie zum Zorn zu reizen, wenn man jıe etwa beim Frejjen jtört. Knurrend wehren jie dur) Schläge mit den Vorderpfoten den Störenfried ab. Die Vorliebe - für Süßigkeiten, Sonne und Salz teilen jie mit anderen Artgenofjen. Mit Haustieren (Raten, Hunden und Papageien) lajjen jie jich leicht zujammengewöhnen. Ein wenig Herrichjucht pflegt den Spielfameraden zu imponieren. Genau merken jie die Stunden der Mahlzeiten. Wenn jie einmal dort geduldet wurden, betteln jie dur) lautes Gebell, um aus ihrem Käfig entlajjen zu werden, jobald fie den Klang der Gejchirre vernehmen, und geben der Freude über die Erfüllung ihres Willens durch tolle Kreuz- und Querjprünge Ausdrud. Wenn das lebhafte, unjtete Wejen der Miüdigfeit gewichen ijt, juchen fie gern die Hand ihres Herrn auf, um ich jtreicheln zu lafjen, worauf jie oft durcch behagliches Knurren antworten. Trob eines getoiffen jähen Temperament3 neigen jie faunm dazu, bijjig zu werden. Das Saint-Pauls-Eihhörnchen gehört zu den wenigen Tieren, die der Mihamba (Ein- wohner von Ujambara) bisweilen in die Hausgenojjenjchaft aufnimmt. Die Wurfzeit muß in den Oftober bis November fallen; dreimal erhielt ich im Dezember junge Tiere.” (Bojjeler.) Das dom Kilimandjaro bis in die Kapfolonie verbreitete Dderfußhörnden, wie. 3 Matjchie, Graufußbörnden, wie es W. 2. GSclater nennt, P. cepapi A. Sm., hat "Hände und Füße odergelb, Unterjeite graumweiß bis gelblichiweiß". Der Rüden ijt oliven- grau, dunkel gejprenfelt bis rojtrot; diefe Farbe mechjelt aber jehr nad) der Jahreszeit. A. Smith traf diejes Eichhorn gelegentlich auch auf der Erde; wenn es da überrajcht wird, jucht eS aber jtets einen Baum zu erreichen und jic) in einer Ajtgabel oder einem Ajtloch zu beriteden. Livingitone fand in der Höhlung eines Mopanibaumes eine Menge Sämereien, die mit grünen Blättern zugededt und von diefem Eichhorn für die Trodenzeit gefammelt waren. Der jüdafrifanische Sammler Marfjhall gibt ebenfallß an, daß dieje Art jich nur da findet, wo der Mopanibaum wädjlt, und daß die Majchona das Fleiich als einen Lederbifjen anjehen. Sn der Urvaldzone wird die Gattung Paraxerus dur) typiiche Wald- und Baum- hörnchen der vielgejtaltigen Gattung Funiseiurus Tri. erjegt. Das in Südfamerum „Ösen“ genannte F. lemniscatus Zee. von Kamerun, Gabun, Ogomwe, Kongo und Angola traf Bates ebenjomwohl im gejchlojfenen Hodhiwald alS in den Büjchhen auf alten Kahlichlägen. Auh Nejter fand er oft: jie waren aus dürren Blättern und Baftfajfern zu einer volffommenen K Kugel geflochten. Ein jolches Net, das zwei Zunge enthielt, hatte gar Feine fichtbare Öffnung; die Mutter jchien diefe gejchlofjen zu haben, als jie ihre Brut verließ. Das war im Februar, und in demjelben Monat brachten Bates feine Diener auch nod) andere Junge, die fie gefunden - hatten. Das Schnattern des „Dfjen“ hört mar am bhäufigiten, es Eingt oft recht verjchieden. Die Eingeborenen drüden e3 jehr gut mit dem Worte „Renge“ aus, nur daß oft eine Silbe Imell vielmals wiederholt wird, wie wenn ein Stotterer „Ränge“ jagen will. — F. isa-- - bella Gray bejaß und beobachtete eine Zeitlang Pechuel-Loejche in Loango. Er berichtet darüber: „Ein allerliebjtes Hörmchen mit rojtgelbem Felle und zwei doppelten Ihwarzweigen Seitenftreifen geziert, wurde mir einjt lebend als Gejchenf gebracht. Die Leute nannten ee Mfafa. Es jchien volljtändig erwachjen und Hatte doc) nur die Größe einer jtarfen Maus, Baumhörndhen: Aftikanifche Arten. 529 fo daß man es in der hohlen Hand bergen fonnte. Binnen weniger Tage wurde e3 jo zahm, daß e3 jich fortan frei im Zimmer umbertummeln dinfte. Mit fröhlichen, leijem ‚Taf, ta‘, das jedesmal von einem Wippen des breiten, bujchigen Schweifes begleitet wınde, trieb e3 zu allen Stunden jein nedijches Spiel, war aber des Nacht3 weit reger al3 des Tages. Seine Liebhabereien wechjelten außerordentlich rajch. Eine Zeitlang hodte es dann ımd warn, alle meine Bewegungen mit Fugen Augen verfolgend, jich putend und Fümmend, bejonder3 gern auf dem Tintenfajje; wenn ich die Feder eintauchte, jprang e3 dann regel« mäßig auf meine Hand und beim Zurüdziehen wieder auf den alten Pla&; dann fand es meinen Kopf zum Site geeignet, jpäter wieder einmal die Schulter, Froch dann auch ins offene Hemd, in beliebige Tajchen, jo daß ich mich beim Aufitehen erit immer überzeugen mußte, ob ich daS winzige und manchmal eingejchlafene Tierchen nicht irgendivo bei mir hätte. Zur Schlafitelle hatte ich ihm eine in jicherer Höhe angebrachte ausgehöhlte Adan- joniafrucht angetviejen. Dieje füllte e3 nun eifrig mit weichen Läppchen, Wattefloden und großen Wergbündeln, die e3 aus dem Zimmer meines Nachbars entführte und an einem ala Leiter dienenden Stabe oder an der Schilfiwand Hetternd binaufichleppte. Das Einbringen der oft faum zu bewältigenden Majjen durch das enge Loch in der Fruchtichale machte ihm unendliche Mühe, aber von augen jchiebend, von innen ziehend, ließ e8 nicht eher nach mit dem Ausfüttern des warmen Nejtes, bis tatjächlich nicht3 mehr in den Hohlraum bineinzu- ftopfen ging. Bei aller emjigen Arbeit gab das niedliche und ungemein reinliche Tierchen zeitweilig jein frohes ‚Taf, taf von jich oder hüpfte auf einen Rubepla& und jtrich und fümmte hurtig das in Unordnung geratene Kleid, namentlich die langen Haere des Schwanges, und pußte das Auge Köpfchen mit den großen, dunfeln Augen. Kaum war aber daS weiche Nejt eine Woche benußt, jo begann es auch jchon wieder die mühjam bergeitellte Rolfterung auszuräumen und nach einem verledenden Winfel am Bücherbrett zu jchaffen; nachdem diejer einige Zeit aß Schlafplab gedient hatte, wurde ein drittes Nejt in der Tajche eines zur Seite meines Arbeitsjtuhles an der Wand hängenden Rodes angelegt. Dort fühlte es jich längere Zeit wohlgeborgen, und ich glaubte eS endlich zur Ruhe gefommen. Als ich aber eines Tage3 meine der Ratten wegen mittel einer am Dachbalten befejtigten Schnur frei jchiwebenden Kniejtiefel anziehen wollte, fand ich einen davon zu einer neuen Wohnung eit- gerichtet und bis obenan mit Werg, Watte und Federn angefüllt. Da entdedte ich auch, daß der rajtloje Liebling allerlei glänzende und glatte Gegenitände, wie e8 von Biejeln berichtet twird, zufammentrug: Zündhütchen, Patronenkapjeln, hellgefärbte Scherben und andere Dinge, darumter auch mein jeit längerer Zeit vermißter Fingerhut, famen zum Vorjchein. Segliches Futter: Früchte, Brot, Fleiich, Ei, war Mfafa recht, wurde artig aus der Hand genommen und in der Weije unjerer Eichhörnchen verzehrt. Eine Zeitlang faßte das Tierchen eine mwunderliche Zuneigung zu meinen ebenfall3 frei lebenden Graupapagei, juchte in dejjen Nähe zu verweilen und vernachläjjigte mich bald gänzlich. ES nedte ji) nicht mehr mit mir, ließ jich nicht mehr greifen und hätjcheln und wurde immer wilder, ohne indejjen bifjig zu jein. Eines Tages war es verichtvunden. Vermutlich ift e3 troß feiner Gemandtheit eine Beute der Ratten geworden.“ Das Kleine Rotjenfelhörncdhen, F. pyrrhopus F. Cuv., den „odön“, der nach Trouejjart von Senegal über Tiberia und Aichantiland bis zum Kongo reichen fol, jah Bates oft auf der Erde oder auf dem Fallbolz umhberlaufen; beim Lautgeben jtößt es immer nur einige wenige Silben hervor, etiwa wie „Ea=-pafa“. Auch Büttifofer traf „Diejes zierliche Brehm, Tierleden. 4 Aufl, XI. Band. 54 \ 530 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hörndhenartige. Eichhörnchen ... mehr in Heinen Gehößzen und Palmenbeftänden als im dichten Hochtvald. 63 baut fein Neft gern in die Achjeln der Blattftümpfe dicht an die Stämme der Olpalmen, ettva 6 Fuß vom Boden, aus Balmblattfajern gleichgültig zufammengeftellt. Jedes Neit enthält zei blinde Junge. Ar Liberia ift diejes Tierchen ftellenweije jo häufig, daß man e3 auf jeder Wafferfahrt beobachtet. CS Hält fich dort mit Vorliebe in den Weinpalmen auf, die in dichten Beftänden die Ufer einfäumen, und verrät fich jtetS durch feine Stimme, die _ täufchend dem Zrwitjchern eines Vogels ähnelt. Die blinden Neftjiungen wurden mir häufig zum Kauf angeboten.” — Sehr ähnlich ift daS weniger gemeine, oberjeit3 dunkle, unter- jeits oeferfarbige Gelbbauchhörnchen, F. auriculatus Misch., das der Bejchreiber Matjchie in feinen „Säugetieren des Togogebietes” für Biemanibiag verzeichnet. — Das deutjch- oftafrifanifche, bis nach Südafrika reichende Zügelftrihhörnden, F. congieus Kuhl, hat je nach der Jahreszeit wechjelnde Färbung, hellen Ring um das Auge und von da zum Ihr zwei parallele helle Striche, ebenfo von der Schulter bi3 zum Hüftgelenf eine Ve: weiße oder mweißgelbe Binde. Eine weitere rein afrifanifche Baumhörnchengattung, Myrsilus T’hos., zeichnet jich durch langen Schwanz und an Protoxerus erinnernden Schädel aus. Das hierhergehörige Höh- fenbaumbörnchen, M. aubinni Gray, das in Weitafrifa von Liberia bis-zur Goldfüfte lebt, hat, nach Büttifofer, auch eine bemerfensiwerte, in feinem deutjchen Namen ausgedrücdte Lebenseigentümlichfeit. „Diejes Eichhorn wohnt, was id) an feiner der übrigen Arten be= obachtet, in Baumhöhlen. Die Eingeborenen Haben mich zuerjt darauf aufmerffam gemacht und jagen auch, e3 jet Fein ‚squirrel‘ (Hörnchen), fondern eine ‚bush cat‘ (Bujchfage).” Die ©attung Heliosciurus Tri. enthält Urwald- und Gteppenformen, darunter einige befannte Arten. Das Notarmhörnden, H. rufobrachiatus Wtrh., war jchon vor dem Erjcheinen bon Matjchies „Säugetieren Deutjch-Dftafrifas" (1895) aus Uganda und Kamwirondo befannt und von Emin PBajcha, Stuhlmann und Osfar Baumann gefammelt. C3 hat undeutlich gebänderten Schwanz, dunkle Ober- und helle, Schwach behaarte Unterjeite, rojtrote Füße und ebenjolche Jnnenjeite der Gliedmaßen. Sn Liberia ift diefe Art, nad) Büttifofer, die häufigite von allen und wurde an allen von ihm befuchten Pläßen gefunden. „Stellenmeije fam jie jo zahlreich vor, daß fie jeden Augenblid auf unferer Speifefarte figurierte.” Zeit- mweije ijt jie auch im Nagetierhaufe des Berliner Gartens vertreten und fällt dann durch die furzen, rımdlichen Ohren auf, die dem Eichhornfopf ein abmweichendes Gepräge geben. H. gambianus Og. hat undeutlich fchwarz und weißgrau gebänderten Schwanz. Sonft hat e3 graumelierten Rüden und bald mausgraue, bald roftgraue Unterjeite. Die Füße jind immer fchmußiggrau, und danach Fönnte man e8 Graufußhörnden nennen mit Matjchte, der Böhmjche Stüde aus Katomwa in der Landjchaft Ugunda füdlich von Tabora unterfuchte. Böhm fand das Tier „Häufig im Pori, vo e8 fich ausgezeichnet zu verbergen ver- jteht, indem eS ftetS auf der dem Säger entgegengefebten Seite am Baume emporläuft und ji), wenn fein Aftloch oder fonftiger Zufluchtsort vorhanden ift, mit ausgefpreizten Beinen an den Stamm andrücdt und fo infolge feines mit der Nindenfärbung übereinjtimmenden SKolorits oft nur fchiwer zu entdeden ift. Angefchoffene verjuchen mit großer Energie immer wieder am Baum in die Höhe zu Hettern. Geht Iebenszäh.. Im Februar Weibchen mit zwei ziemlich ausgetragenen Embryonen, im Zuli folche mit ftark angefchtwollenen Ziken. An den Baumhörnhen: Indifch-chinefifche Arten. ol Geiten de3 Afters zivei Drüjen, welche eine fcharfriechende Subjtanz abjondern. Scheint Bogeleier zu frejjen, da es vom Eljtertwürger (Urolestes aequatorialis) verfolgt wird.” Den denkbar deutlichiten Hinweis, wie Baum- und Borftenhörnchen ineinander über- gehen, liefern die Gattungen Funambulus Zess., und Rhinosciurus Gray, namentlich leß- tere. Ganz überrajchend auch in der Zebensweije. Der Name Rhinosciurus, der Najen- hörnchen bedeutet, Mnüpft daran an, daß die Angehörigen diejer Gattung eine längere Najen- und Schnauzenpartie bejigen als die übrigen Eichhörnchen. Dadurch und durch gleiche Färbung werden jie ihren Landsleuten aus der Ordnung der Snjektenfrefjer, den Tupajas oder Spishörnchen, jehr ähnlich. Dem eigentlichen Najfenhörnchen, Rh. laticaudatus Müll. Schl., von Mataffa und Borneo gibt der verlängerte Schnauzenteil des Kopfes ein jehr eigenartige Ausjehen. Der Schädel unterjcheidet jich von dem aller übrigen Eichhörnchen durch jeine Schmalheit, für einen Nager ungemein langgezogene Gejtalt und bejonders durch die Yänge der Schnauze, die in der Hälfte ihrer Länge, von hinten gerechnet, jich verjchmälert und dann in gleicher Breite zu Ende läuft. Die Schneidezähne find: jchwächer al3 bei den übrigen Eichhörnchen, die unteren jehr lang, ein wenig gefrümmt und ftarf nach vorn geneigt. Außerlich ift das Tier heil fuchligrot ohne Zeichnung, und nur der dunfle, gelbgrau melierte Schwanz hat an der Wurzel einige undeutliche Duerringel. Die eigentümlich zwitterhafte XUebensmweije der Najenhörnchen jchildern Müller und Schlegel an der am längiten befannten Stammart der Gruppe, dem roten, mit drei jchwarzen Längzitreifen über den Rüden gezeichneten Yard), Rh. insignis F. Cuwv., von Malaffa, Su- matra, Saba, Borneo. E3 Hettert jchlecht und geht niemals auf jehr Hohe Bäume, Hält fich bielmehr falt immer an oder dicht über der Erde auf, treibt jich namentlich) auf den um- gejtürzten Stämmen herum, in deren Löchern und Spalten e3 auch jchläft und feinen Sungen das Weit bereitet. &3 ijt ein jehr lebhaftes, rurhelojes Tierchen, das bald die dürren Blätter am Boden durchjchnüffelt, bald auf dem halbvermoderten Fallholze Hin und wieder Ipringt. Jm Wejen ijt es jehr zutraulich und erinnert dadurch im einfamen Walde untill- fürlich an unjer Notfehlchen. Seine Nahrung bejteht aus abgefallenen Früchten oder jolchen, die nahe über dem Eröboden hängen; bejonders die jaftigen, jcharf aromatischen Früchte der . Eletteria-Atten liebt e8, die auf Java als Biening, Honje und Tapocs befannt find. Es frift aber auch Käfer umd allerlei andere Snjeften. Die Malaien der Weitfüfte Sumatras nennen e3 Toepeitanah, d.h. Erdhörnchen. Unter diefem Namen fennen es, nach Horsfield, auch die Sadanen; dagegen haben Miller und Schlegel nie den Namen Lary gehört; vielleicht ift er durch Mißverjtändnis entjtanden, da larie „laufen“ bedeutet und das Tier ja in der Tat bejonders jchnell Läuft. Befannter ijt die Hauptart der anderen Gattung, Funambulus Zess., das Balmen- hörnchen, F. palmarum Z. Auf dem Rüden braun gejprenfelt, ändert e3 von einem graulichen oder rötlichen Ton bis fait zu Schwarz ab, hat aber immer drei gut ausgeprägte, weißlichgelbe oder blaßrötliche Längsitreifen über den Rüden. Die Ohren find furz be- haart. &3 ijt gemetn durch ganz Indien (mit Ausnahme der Malabarfüfte) und Ceylon, findet jich aber nur in den mehr offenen, angebauten Gegenden, namentlich in der Nähe menjch- licher Wohnungen, nicht im dichten Walde. Dftlich geht e3 nicht über den Meerbujen von Bengalen hinaus, wejtlich bis nad) Sind und Balutjchiitan, ift dort aber jelten. Das Balmenhörncden it, nach en eines der gemeinjten und bejtbefannten Tiere 34* 532 8. Ordnung: Nagetiere. Yamilie: Hörnchenartige. Smdiens und unter den tilden Tieren dort vielleicht das zutraulichite. C3 findet fich ganz gewöhnlich in Hainen, Gärten und Alleeıı, bejonder3 auf großen Bandyanen- und PBipal- bäumen, und wenn man e3 aud) oft auf Palmen fieht, ift e3 doc) nicht abhängig von diejen. Ghenfo gewöhnlich fieht man.e3 auf der Erde um die Bäume herum feine Nahrung juchen, aber nie weit tweg von diefen, und wenn es erjchreckt wird, nimmt es jtetS feine Zuflucht ins Seziweige. E3 bewohnt auch ganz gewöhnlich daS Dachgebälf und das Dadjitroh der Yäufer und fommt freiwillig in die Jumenräume hinein. Bahlreicd) auf bebautem Land und bei Häufern, fehlend im Wald, ift das Balmenhörnchen allem Anjchein nad) ein ähnlicher „Mit- ejfer” in der Gefolgjchaft des Menfchen, wie Hausmaus, Haus- und Wanderratte es ficher iind, und man fan e3 vielleicht al3 die halb zum Haustier gewordene Abänderungsform des Dreiftreifenhörnchens (F. tristriatus Werh.) erklären, das von Sikfim im Yimalaja durch ganz Indien, auch in Malabar, bis Ceylon die Wälder bewohnt. Die Nahrung befteht, wie bei anderen Eichhörnchen, aus Sämereien, Früchten, Knofpen uf. und, nad) MeMafter, auch Snfekten. YBlanford jelbjt hat es fliegende Ter- miten fteffen jehen. MeMafter bezweifelt, daß e3 Bogeleier zerjtört, aus dem jehr einleuch- tenden Grunde, weil ein Nefträuber in der Brutzeit große Aufregung unter den Kleinen Vögeln erregen roürde, mit denen das Palmenhörnchen auf bejtem Tuße lebt. Der Schrei ift ei Schrilles Zirpen, ähnlich dem eines Vogels. Das Tierchen ift jehr leicht zu zähmen, weil e8 von vornherein fchon wenig oder gar feine Scheu vor den Menjchen hat. Das Weib- chen bringt, nach Zerdon, 2—4 Junge und baut ein rohes, großes Nejt aus Gras, Wolle und anderen Faferitoffen, die es haben fann, im Baumgezmweige oder zumeilen auc) in den Dachtraufen und den Gebälf der Häufer. Die gleichfallS imdifch- malaiischen, faft mardergroßen Riefenhörnchen (Oattung Ratufa Gray) haben einen auf der Unterfeite kurz behaarten Schtvanz und oben nur bier Badzähne. Dem haben fie e3 zu verdanken, daß jie zu einer eigenen, jelbjtändigen Gattung erhoben find. Sonft find es, im Außeren und im Leben, echte Baumhörnchen. Sie verbreiten jic) über Vorderindien, Hinterindien und die Großen Sunda-Snjeln in etiva 40 Arten und Unterarten, durch deren Farbenabänderungen fie die Wandlungsfähigfeit des Eichhörnchen: felfes jehr jchön veranfchaulichen. Von unferer Gattung find jo viele Berjchiedenheiten in der äußeren Exfcheinung nach Farbe und Zeichnung befchrieben — Trouefjart erkennt allein 17 jelbftändige Arten ann —, daß wir nur die beiden Formen des indifchen Niejenhörnchens etwas näher betrachten Fönnen, die man in den zoologijchen Gärten manchmal lebend jieht. Das ift vor allem das im Handel fo genannte Königs- oder Gewöhnliche Niejen- hörnchen, R. indica Erxl., Vorderindiens. - Die Färbung bejchreibt Blanford in feiner „Tierwelt Britifch-Smdiens”: „das Not mehr oder weniger erjeßt durch Schwarz auf Schutl- tern, Mittel- und Unterrüden, Schenfeln und Schwanz; immer ein blafjes Band quer ber den Scheitel, dicht vor den Ohren”. Die Unterfeite und einige bandartige Ausläufer an Kopf und Hals find mweißgelb gefärbt. Ohrpinfel “vorhanden. Die Hinterindijch-malaitjchen Sormen, deren befanntefter Vertreter der Jelarang, R. bicolor Sparrm. (Taf. „Nage- tiere XVII“, 1), von Saba ift, Haben feine Ohrpinfel und unterfcheiden ich jo leicht bon den vorderindiichen Formen, wie Weoughton Fürzlich gezeigt hat. Das Riejenhörnchen ift, nach Blanford, ein echtes Baumbhörnchen, das nur jelten auf die Erde herunterfommt und jich aus Zweigen und Blättern im Wipfel eines hohen Baumes ein großes Neft baut. Ein zahmes, das Sterndale hielt, machte fich auf mehreren Bäumen ei Nagetiere! XVII. 1. Rieienhörnchen, Ratufa bicolor Sparrm. 1/5 nat. Gr., s. S. 532. — P. Kothe - Berlin phot. 2. Kapiiches Boritenhörnchen, Geosciurus capensis Kerr. nat. Gr., S. — L. Medland, F. Z. S.-Finchley, N., phot. 3. Platanenhörnchen, Sciurus notatus Boda. !/a nat. Gr., s. S.535. — W.P. Dando, F. Z. S.-London phot. 4. Goldbauchhörnchen, Sciurus aureogaster hypopyrrhus Wagı. 1/5 nat. Gr., s. S. 560. W.P. Dando, F.Z. S.- London phot. Baumhörnkhen: Indisch“ hinefische Arten. 933 Reiter und Fonnte 20 Fuß (etiva 6 m) mweit von einem Baume zum anderen jpringen. Das Niejenhörnchen ift zu allen Tagesitunden in Bewegung und auf der Nahrungsfuche, aus- genommen etiva die heigejte Mittagszeit. Die Jungen bezeichnet Blanford als leicht zähm- bar, aber nicht jehr Hug und gelehrig. Diejen Eindrud hatte man nicht, Jjondern eher den des Gegenteils, wenn man feinerzeit in einem großen Käfig des Dresdener HZoologijchen Gartens den Wärter- bei feinen fünf Kiejenhörnchen fah, die oben ganz jchivarz, unten hellgelb waren, aljo wohl eine bejtimmte Yarbenabänderung des bereit3 genannten Hinterindijchen Felarangs darjtellten. Die aus- nehmend zahmen Tiere jaßen dem Manne auf der Schulter, dem Kopfe und Kletterten ihm am ganzen Körper herum, jo daß jich immer eine Menge Zufchauer vor diefem anziehenden Bilde jammelten. 63 folgt nun der Kern der ganzen Gruppe der Baumhörnchen, die Stammgattung Sciurus Z., die in ihren zwölf Untergattungen die Fülle aller noch übrigen europätjch- aliatiichen, nord- und füdamerifanifchen Arten (bei Trouefjart 164 jelbjtändige Arten ohne die Unterarten) enthält. Auch Hier wären zunächit noch eine endloje Reihe Hinterindijch- malaiifcher, über die ganze oitajiatijche Snjelmelt und bis nach China verbreiteter Arten zu berzeichnen. Wir fönnen natürlich nur wenige nennen und noch weniger näher jchildern. Unter diejen letteren verdient das Prevofts Eichhorn, S. prevosti Desm., un- bedingt den Vorrang als eines der Schöniten Eichhörnchen überhaupt. Ganz furz gejagt, ijt e3 von oben nach unten am Körper fchwarzsweiß-tot gefärbt, wie die deutjche Flagge, und wird deshalb bei uns jehr bezeichnend auch Flaggenhörnchen genannt. 3 verbreitet jich mit zahlreichen Unterarten, die wieder eine Borjtellung von der Abänderungsfülle unter den indiichen Eichhörnchen geben, von der Halbinjel Malaffa über Sumatra und Borneo. Slüdlicherweije ijt es im Tierhandel nicht jelten und daher auch öfter in zoologijchen Gärten zu jehen. Sehr langlebig ijt es da allerdings in der Regel nicht; im Berliner Garten gibt man ihm neuerdings viel Obit, und anjcheinend Hält e3 fich jeitdem bejjer, hat jich jogar fortgepflanzt. &3 it ein jehr lebhaftes, mutiges Tierchen und, obwohl Heiner al3 unjer Eich- horn, diefem im großen Kletterfäfig doch unbedingt über. Manche der in Berlin gehaltenen wuchjen jich gegen ihre Gattungsperwandten zu jolden Tyrannen aus, daß fie zeitweije zur Einzelhaft verurteilt werden mußten. Den Schlaffajten mit dem Jungen bemwachten fie na- türlich aufs Schärfite; dorthin durfte jich Fein Käfiggenofje auch nur in die Nähe wagen, und ebenjo. war das Sunge bei jeinen erjten Ausgängen jtet3 von den ftreitbaren Alten umgeben. Sm Gegenjab zum Flaggenhörnchen jehr unfcheinbar gefärbt find zwei verwandte chinejiihe Arten, von denen neuerdings durch Kreyenberg und Filchner lebendes und totes Material nach Berlin gelangt if. Das oberjeit3 graue, unterjeit3 rote Ningpo- hörncden, S. c. ningpoensis Bonh., eine Unterart des Roftbauhhörncdenz, S. castaneo- ventris Gray, wurde dem Marinearzt Kreyenberg gebracht, al3 er mit einem Srieggjchiff im jogenannten Nimrodfund bei der mittelchinefifchen Stadt Ningpo lag. Diejer „Hans“ wurde jehr jchnell zahm. „Wenn ich am Schreibtifch jaß”, erzählt Kreyenberg, „Fam er herunter, nagte an dem Federhalter in meiner Hand, lief auf meine Schulter, Inabberte liebfojend_an meinem Ohr herum und machte font allerlei Mätchen. Sch Eonnte ihn in die Hand nehmen, in die Tafche jteden, auch ihn Strafen; er machte wohl Abwehrbemegungen, bif auch wohl um lich, aber biß nie fo zu, daß e3 mir mwehgetan hätte. Nief ich ihn bei meinem Eintritt, jo 904 8. Ordnung: Nagetiere. Bamilie: Hörnchenartige. antwortete er mit einem eigentümlichen Schnarchlaut aus feinem Berfjted heraus. Denjelben aut gebrauchte er auch, um die Aufmerffamfeit auf fich zu lenfen, wenn er hungrig oder durstig war... Bei einer jonderbaren Lederei ertappte ich ihn eine Tages.” Er hatte „eine Flache mit einem von Militärärzten viel gebrauchtem DL” entforkt „und fchlürfte nun, feine Heine Zunge wohl 2 cm in den Flafchenhal3 hineinfchiebend, das DI... Sein Neft hatte er in einer Bigarrenfifte, in die er Watte, Zeugrejte und dergleichen hineingejchleppt Hatte.” \ Styans Hörnchen, 8. styani Thos., oben grau, unten gelblichiweiß, mit heller Schwanzjpise, wurde jowohl von Streyenberg al3 von dem Neijenden Filchner zwijchen Schanghai und Hanfau gefammelt. Auf dem Bogelmarft der alten Chinejenjtadt Schanghai entdecdte Kreyenberg eine große Menge jolcher Eichhörnchen im Käfig und erfuhr, daß die Chinejen diejes Tier jchon lange zähmen. „Sn ihren did wattierten Sleidern tragen eS Die Kinder mit fich herum und fpielen damit." Sreyenberg möchte jogar die Unterjchiede gegen da3 Chinahörnchen, S. chinensis Gray, auf diefe „Domejftifation” zurüdführen, zumal ihm vom Berliner Mujfeum der eingejchidte Balg anfangs als „eine neue, noch nicht be- jehriebene Eichhornform” bezeichnet worden war, „Die dem S. chinensis verwandt jet“. Das fünnte man fich Höchjtens als ein ähnliches Senn wie zwiichen Valmen- und Dreijtreifenhörnchen denfen. Ebenfalls aus der Gattung Sciurus mag ferner eine Gruppe nahe verwandter Hinter- indischer Eichhörnchen von braungrauer Grundfarbe und etwas verjchiedener Zeichnung hier Erwähnung finden, weil Thomas gelegentlich feiner Bearbeitung Humejher Sammlungen (‚‚Proc. Zool. Soc.‘, 1886) die Verwandtjchaft der verjchiedenen Arten und die Entjtehung einer aus der anderen jehr geijtreich erklärt, und weil in diefer Gruppe — der einzige Fall bei Säugetieren — eine Art Hochzeitskleid vorfommt. Schon Anderjon hatte e3 aug- gejprochen, daß man 8. pygerythrus Js. Geoffr., caniceps Gray, phayrei Blyth, blanfordi Blyth, griseimanus A. M.-E. faum als jelbjtändige Arten ftreng auseinanderhalten Fönne, und Thomas findet auf Grund von nicht weniger als 70 unterjuchten Stüden fünf ver- Ihiedene Zormen heraus, die aber in verjchiedenem Grade ineinander übergehen. BZiei- davon fommen in Nordtenafjerim vor, eine in Pegu und Oberburma, eine andere in Kam- bodjcha und Kotjhinchina und die fünfte in Südtenafferim und Nordmalaffa. Shre Be- ziehungen zueinander glaubt er nur durch die folgende Entftehungsgefchichte einigermaßen verjtändlich machen zu fönnen. Die Stammart, die im Mittelpunfte der jegigen Verbrei- tung borlam, mag wohl jo ausgejehen haben, wie das eigentliche Graufopfhörnden S. caniceps bon Nordtenajjerim im Sommer außerhalb der Fortpflanzungszeit heute noch ausjieht: oben gelbgrau gejprenfelt und unten rein grau, Hals- und Numpfjeiten mehr oder weniger gelb getönt. Der Kampf ums Dafein mit feiner Zuchtwahl nötigte dann zur reicherem Schmud, wenigjtens in der Fortpflanzungszeit, und dies wurde in den verjchiedenen Ber- breitungsbezirfen des Tieres auf verjchiedenen Wegen bemwerfitelligt. Die nordweitlichen Stüde au Burma und PBegu mwırden unten fattgelb: Gelbbauhhörnchen, 8. pyg- erythrus; die öftlichen in Kambodjcha uf. nahmen unten ein ftumpferes Gelb an mit mweiß- lichen Füßen: Graufußhörndhen, 8. griseimanus. Unter beiden aber treten gelegent- } fich, jedenfalls ducch Rücdjchlag, noch gewöhnliche, graubäuchige Stüdfe auf, 3. B. in Begu,. Laos. Sidiwärts, von Tavoy bis Malaffa, findet fich an Stelle des gelben Tones der Hals- und Rumpfjeiten ein fattes Orangerot, eine jehr hübjche Biere für das Tier: DOrange- Hörnchen (8. concolor Blyth). Dieje drei Formen verändern ihre Farbe nach der Jahreszeit Baumhpörnhen: Andifch- hinefiiche Arten. 939 nicht merflich. Dagegen hat bei der nächjten, die die Stammart von Nordtenafjerim in ihrer jegigen Form darftellt, eine ganz verjchiedene Art von Schmud Plab gegriffen, die nur während der Paarungszeit dauert: der Rüden wird dann brillant orangegelb, Seiten und Bauch bleiben ftumpfgrau: eigentliches Graufopfhörnchen, S. caniceps caniceps. Ferner, um die Sache noch zu verwideln, hat die noroweitliche gelbbäuchige Form, das Gelbbauchhörnchen, fich füdmwärts ausgebreitet und in das Gebiet de3 eigentlichen Graufopf- hörnchens übergegriffen. Da diejes aber jet mit einem hoch ausgebildeten Zarbenmechjel -_ nach der Jahreszeit ausgeftattet war, wurde jenes zu noch weiterer Entwidelung jeines eigenen Farbenjchmudes getrieben und erwarb einen dunfeln braunen Streifen zwischen dem oberen Grau und dem unteren Gelb, der e3 fo fchön ausfchmückt wie möglich. Das urjprüngliche graue Graufopfhörnchen ift fo, abgejehen von dem jchmudlofen Sommerfleide der typijchen Form, ganz ausgeftorben und durch feine verjchiedenartig gezierten Nachfommen erjeßt worden. Sn derjelben Arbeit wirft Thomas auch noch ein interejjantes Streiflicht auf Drei weitere hierhergehörige, hinterindifch-malatifche Eihhörnchenformen: Platanenhörnchen, S. notatus Bodd. (plantani; Taf. „Nagetiere XVIIL”, 3, bei ©. 533), Bindenhörncden, "8. vittatus Raffl., und Shwarzbindenhörnchen, 8. nigrovittatus Horsf., die ztivar als - Arten bejchrieben, aber faum auseinanderzuhalten find. Unjer Forjcher war erjtaunt, als er die Bälge geographifch ordnete, über das Vorwiegen und die Lebhaftigfeit der roten Farbe am Bauche bei den nordmalaiifchen Stüden im Vergleich mit den jüdlichen. Anderjeits fehlten wieder weiß- und gelbbäuchige Stücke in der Reihe vom Feitland im Gegenjaß zu denen aus Sumatra, Java und Borneo. Blauer Bauch fcheinttam häufigiten in der Gegend bon Kohore zu fein. Bei den Snfelftücden ift wieder das Rot, wenn es überhaupt da ift, in der Regel blafjer und dürftiger im Ton; häufig wird es erjegt Durch Gelb, Weiß oder, twie bei der Feitlandreihe, durc) Blau. Übrigens fann man noch andere nicht umgrenzbare Spiel- arten herausfinden, twie auch in jedem der gegebenen Gebiete jich Stüde finden, Die zu mehreren der verjchiedenen Formen gerechnet werden müßten; ebenjo find Übergänge durchaus nicht felten. NRotbäuchige Stüde haben in allen Fällen auch rote Schwanzjpibe, während dieje bei den weiß- und gelbbäuchigen geringelt ift wie der übrige Schwanz. Wenn man nach den Einflüffen fragt, die diefe jehr bemerkenswerten Abänderungen verurjachen, jo will e8 jcheinen, al3 ob e3 eine Eigentümlichfeit der Säugetiere wäre, gelegentlich zur Erzeugung rotgetönter Spielarten Hinzuneigen in ähnlich vegellofer Weije, tvie die Weiß- (inge und Schwärzlinge auftreten. Die auffallende Tatjache, daß alle die rotbäuchigen Stücke des Platanenhörnchens, aber nur diefe, rote Schwanzfpigen Haben, ijt an jich jchon ein Zeichen, daß das Rot aus einem Einfluß zu erklären it, der fich über den ganzen Störper des Tieres erjtrect, nicht nur eine Farbe, die aus Gründen der gejchlechtlichen oder allge- meinen Zuchtiwahl an einem einzelnen Körperteil auftritt. Yonden Weißlingen und Schwärz- lingen ijt e8 befannt, daß jie an manchen Orten fehr viel häufiger find als anderswo. Ebenjo jcheint num das, was wir Exrythrismus, Nötling, nennen, in gemiljen Gebieten eine jolche Ausdehnung zu erreichen, daß die roten Stüde in der Mehrheit jind. So beim Platanen- hörnchen und Verwandten; dabei treten aber immer noch folche nichtrote Rüdjchlagsformen auf, wie die blaubäuchigen Stücde, die man Schwarzbindenhörnchen genannt hat. Und dieje Exrgthrismustheorie, fügt Thomas noch Hinzu, gilt nicht nur für den vorliegenden Fall; e3 gibt vielmehr noch viele andere Beifpiele, bei welchen fich die rote Farbe aß Artmerimal äußert tritgerifch eriwiefen Hat: das Rot der gewöhnlich rot gezeichneten Arten verjchtwindet 536 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hörnchenartige. dann bei gewifjen Stüden auf unerflärliche Weife, während anderjeit3 wieder bei grauen Arten Fälle von roter Tönung durchaus nicht unbekannt find. Auf Weitjava erjegen fich, nach Shortridge, zwei hierhergehörige Arten in der Weife, daß S. nigrovittatus Horsf. in den Bergmwäldern, S. notatus Bodd. in den Kofospflanzungen der Ebene vorkommt. Hier wird legteres durcc Annagen der Kofosnußjchalen jehr jchädlich, und die Eingeborenen juchen e3 durch Blechfränze, die fie um die Stämme legen, bon ihren Palmen abzuhalten. Die Bindenhörnchen, die ihren Namen von einem hellen, gelben, meijt auch noch dunfel gejäumten Geitenjtreifen tragen, fünnen jchon deshalb hier nicht ganz übergangen werden, weil e8 neben Niejen- und Prevofthörnchen diejenigen unter den indiichen Arten ind, die am häufigiten lebend nach Europa gelangen. Zu der eigentlichen Gattung Sciurus Z. gehört auch unfer europätjches Eichhörnchen und die nächjtverwandten aftatiichen Arten. Das Eichhorn, Eihfäschen, Sciurus vulgaris Z., einer bon den wenigen Nagern, mit denen der Menjch fich befreundet hat, troß mancher unangenehmen Eigenjchaften ein gern gejehener Genojje im Zimmer, erjcheint fogar dem Dichter als eine anjprechende Geftalt. Dies fühlten jchon die Griechen Heraus, denen wir den Namen zu danken haben, welcher jest in der Wifjenschaft die Eichhörnchen bezeichnet. „Der mit vem Schwanze ih Schattende” bedeutet jener griechifche Name, und unmillfürlic) muß jeder, der die Bedeutung des Wortes Sciurus fennt, an das lebhafte Tierchen denfen, wie e3 feinen präch- tigen Federjchweif fich über®en Rüden jchlägt. Die Leibeslänge des Eichhorns beträgt etiva 25 cm, die Schwanzlänge 20 cm, vie Höhe am Widerrift 10 cm und das Gewicht des erwachjenen Tieres etwas über Y, ke. Der Pelz ändert im Sommer und im Winter, im Norden und im Süden vielfach ab, und außerdem gibt e8 noch zufällige Ausartungen. Jim Sommer ift die Färbung oben bräun- fichrot, an den Kopfjeiten grau gemifcht, auf der Unterfeite vom Kinn an weiß, im Winter oberjeit3 brauntot mit graumweißem Haar untermifcht, unterfeit3 weiß, in Sibirien und Noxd- europa aber häufig grau (Feh), ohne jede Spur von rotem Anflug, während der Sommerpelz dem unjeres Hörnchens ähnelt. Ähnliche Abänderungen bis ins Schwarze treten auch in den Gebirgen auf. Sehr felten find weiße oder gefledte Eichhörnchen, folche mit halb oder ganz weißem Schwanze und dergleichen. Arm allerjelteniten ift aber wohl die umgefehrte Ausartung, daß auch der Bauch rot ift. Karl Soffel beobachtete ein folches Eichhörnchen „in dem jehr ausgedehnten Waldbejtand des Gantkofels” (im Etfchtal, gegenüber Terlan). („gool. Beobachter”, 1909.) Der Schwanz ift fehr bufchig und zweizeilig, das Ohr ziert ein Büfchel Ianger Haare, die Fußjohlen find nadt. Das Eichhörnchen ift den Griechen und Spanien ebenfogut befannt wie den Sibiriern und Zappländern. Sein Berbreitungs- freis reicht durch ganz Europa und geht noch über den Ural hinweg durch das ganze füd- liche Sibirien bi3 zum Altai und nach Hinterafien. Einige Einfchränfungen gibt e3 aber doch. ©o fehlt das Tierchen, nad) Mojfifopies, „in Südungarn, in den herrlichen Foriten des Donaugebiete, auf weite Streden vollitändig”, und Satunin hebt in feiner gemeinverftänd- lichen Überficht „Über die Eichhörnchen des ruffiichen Reiches“ (‚Neue Baltiiche Waid- mannsblätter", 1907) „zum äußeren Umriß der geographifchen Verbreitung des Eichhorns“ hervor, „daß e3 in Kamtjchatka, im Kaufafus und in der Krim fehlt”. Auch in Srland, das ja zufolge feiner geographifchen Vergangenheit überhaupt eine eigenartige abweichende { 1 Eichhorn. 937 Tier- und Pflanzenbevölferung zeigt, ift das Eichhorn nicht Heimijch gemwejen, fondern erjt Anfang des 19. Jahrhunderts eingeführt worden. Das meijen Barringtons eingehende Unterfuchungen in den „‚Scientifie Proceedings“ der Royal Dublin Society, 1880, tiber- zeugend nach, und dort werden auch die zehn „Zentren“ aufgezählt, von denen aus das Tier jich über die Snjel verbreitet hat. Sn der alten irijchen Sprache und Literatur gibt e3 gar fein eigenes, unzmweideutiges Wort für das Eichhorn; der erite jachverjtändige Naturfundige des Landes, John Templeton, führt es in feinem „Katalog der irijchen Wirbeltiere” vom Anfang vorigen Jahrhunderts nicht auf, und noch in den jechziger Jahren hielt das iwijche DBauerhivolf die Heinen roten Bufchjchwänze für junge Füchje, deren unvermutete Stletter- fünfte das größte Staunen erregten. „Nachdem Büchner Arbeit (‚Über das Fehlen de3 Eichhörnchens im Kaufafus‘, 1889) erjchienen ift, wiljen wir, daß das Eichhorn in die Strim einfach deshalb nicht vom Kaufafus Hingelangte, weil es in leßterer Gegend fehlt... Jr Kanitichatfa fehlt es am mahrjcheinlichiten wohl deshalb, weil die Famtjchatfiiche Taiga (Hochtwald) von der ojtjibirischen durch Tundren getrennt it. Die Sitdgrenze wird durd) die jüdliche Grenze der Taiga beftimmt, d.h. durch jene Gebirge, welche die jibirischen Tief- ebenen bon dem innerafiatiichen Hochlande fcheiden, reicht aber im Djten viel weiter nad) Süden, da das Eichhorn auch in den Wäldern des nördlichen Teiles von China angetroffen wird." (Satunin.) Heute ift die Überzeugung wieder allgemein Durchgedrungen, daß man es auf diejem ungeheuren Verbreitungsgebiete mit einer ganzen Anzahl jehr wohl unterjchiedener Arten und Unterarten zu tun hat. Wo fo verjchiedene Kimatifche und andere Einflüffe auf ein Säugetier eintoirfen wie in England und Rußland, in Lappland und Griechenland, da müfjen fich verjchiedene geographifche Formen ausprägen, und die älteren Shitematifer hatten folche auch beim Eichhorn längst richtig erfannt. Der gröbften Zarbenabänderung zivar, der Ausartung ins Schwarze, Fanın man an fich feinen Wert für die Shyitematif bei- mefjen; doch glaubt man auch bei ihr an eine gewilje Einwirkung der äußeren Lebens- . umjtände des Tieres, da Schwarze Eichhörnchen erfahrungsmäßig im Gebirge — und des- halb auch im Nadelwalde — ungleich häufiger jind als in der Ebene und im Laubmwalde. Wir haben fie aljo wohl al eine Standortsvarietät aufzufaljen, die, von der Geographie unabhängig, in jedem geographijchen Gebiete an landjchaftlich oder fonjtwie geeigneten Stellen auftreten Fan. Allen Anfchein nach neigen aber die verjchtedenen geographijchen Formen des Eichhorn3 in berjchiedenem Grade zur Schwarzfärbung, und jo jpielt Dieje jchließlich Doch wieder auch in der Syjtematik eine Rolle. Wir Fönnen auf die jpeziellere Syitematif und Geographie der europätjch-ajtatijchen Formen unjeres Eichhörnchens, in die ganz neuerdings umfafjend auch der Amerikaner Gerrit Miller eingegriffen hat, hier natürlich nicht eingehen, jo intereffante Gejichtspunfte fie gerade in diefem Falle dem Foricher auch bieten mag für die Beeinflufjung eines Tieres durch feine Nahrung und jonftige Lebensumftände. ©o fragt fehon der deutjch-rufjiiche Naturforicher vd. Middendorff bei Betrachtung der grauen fibirifchen Eichhornformen: „Sit e3 in der Tat die ölige reichliche Nahrung an den Zimbernüfjen (von der Are oder Zirbel- fiefer), der wir diefe Dunfelung zur Laft legen dürfen? Gleichwie Singvögel (Dompfaffen und Gtiegliße) endlich einfarbig fchwarz werden, mern man fie mit öligem Gejäme ernährt?" Und der livländifche Beobachter dv. Lömwis bringt noch eine befondere Auffafjung in Die - Sache hinein, die, obwohl fonft in der Naturgefchichte des Eichhörnchens unerhört, doch jo bejtimmt ausgejprochen und belegt wird, daß wir fie Hier wenigjtens anführen möchten. 998 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Hörnchenartige. Gr behauptet, in feiner Heimat bereits auf dem Baume das Weibchen vom Männchen an der Farbe mit Sicherheit unterjcheiden zu Zönnen, weil namentlich im Winterfleide das Weib- chen heller grau gefärbt jet mit rötlichen Ohren und fuchsrotem Schwanz, da Männchen aber ein dunfleres, jchöneres Haarkleid mit jchwarzbraunen Ohren und langhuarigem, ihwärzlichem Schwanze trage („Zool. Garten“, 1879, 1880, 1884). — Wir fünnen nur furz mitteilen, daß Schon Kerr 1792 in feinem „Animal Kingdom“ von dem eigentlichen Sciurus vulgaris Z., dem Eichhörnchen Linnds, das fi), wie jo viele Linnefche Arten, nachträglich jeine Heimat auf Südnorwegen und Schweden bejchränfen lafjen muß, jchon mehrere Unterarten unterjchied, neben dem enalijchen und mitteleuropäiichen, von dem aber dc3 oftpreußifche auszunehmen ift, bejonders das nordijche (S. v. varius Kerr) aus Nord- fandinavien, Lappland, Nord- und Mittelrußland, Dftpreußen, Polen, Teilen von Ungarır und Weftjibirien, das im Winter mehr oder weniger vollitändig hellgrau wird, Rot nur an den Ohrpinjeln behält und jo zu dem rufjiich-afiatiichen, für Pelzhandel und -induftrie fo grundlegend wichtigen Seh überleitet. Auch unjer großer Foritzuolog Altum unterjchted chon dieje oftpreußijchen „Heinen, dicföpfigen, an Ohren und Schwanz auffallend langhaarigent Shenhoriter Eremplare... Sie jind das Teh oder Graumerf der geringjten Dualität.” Hier jchließt nun Satunin fait mit denjelben Worten an: „Die jchlechtejte Sorte Eichhornfelle bildet die jogenannte Syrjanfa aus dem ganzen Wologdaer Gouvernement, auch aus dem Dlonezer, Archangelichen, Wjatfafchen, VPermer und Kafaner Gouvernement. Die Farbe des Winterfelles ift Hellgrau mit Beimifchung einer geringen Nöte auf dem Kreuz. Se weiter mir nach Norden vorrüden und nad) Dften, defto bejjer wird die Syrjanfa... Ein gemeinjames Merkmal aller Transbaifal- Eichhörnchen bilden die jchiwarzen Füße, der Ihwarze Schwanz und das jehr dunfle Belzwerf.” Die vielen verjchiedenen Eichhörnchenjorten, die der rufjiiche Pelzyandel unterjcheidet, jind das denkbar lehrreichite Schulbeifpiel dafür, wie weit die Abänderung nach engerer Heimat und Ortlichfeit bei ein und demjelben Tiere gehen fan. Und der Velzhandel ijt dafür der allerunverdächtigjte Zeuge, weil ihn wahrhaftig feine fyftematifche Spikfindig- feit und Speziesmacherei, jondern einfach die triftige Rüdficht auf den Geldbeutel die Eihhörnchenfelle unterjcheiden gelehrt hat. Die Wifjenjichaft muß aber aus diefer Tat- jache ihre Folgerungen ziehen; denn „der Umftand, daß zwifchen allen Varietäten der Färbung der Eichhörnchen Übergänge exiftieren”, erklärt Satunin ganz unzweideutig, „darf heutigentages fein Hindernis bei der Aufftellung von geographifchen Raffen bilden. Im Gegenteil jehen mir jchon aus der Überficht der Eichhornfellforten, daß diefe Variationen nicht unordentlich durcheinandergemengt find, fondern daß jede Sorte einem beftimmten - ©ebiete entjpricht.”" Beim Verfuch, eine Erklärung zu geben oder menigjteng die äußeren - DBegleitumftände zu veranfchaulichen, ftüßt jich Satunin auf den deutfchen Sibirienreifenden Nadde. Die Erklärung fommt, wie oben nad) d. Schrend und Middendorff jchon an- gedeutet, auf den Wechjel im Wald-, hier bejonder3 im Nadelholzbeftande und mehr noch in der Luftfeuchtigkeit, hinaus. Auf den füdlichen Ausläufern des Sajangebirges herrjcht die Lärche vor, und das Winterfleid des Eichhowms ijt „hellgrau mit einer Beimifchung rötlihen Anfluges". Im „Tüdweftlichen Winkel des Baifalfees, two die Gegend bergiger und bejjer bewäfjert ift, und mo die Bergwälder von der Zeder (Zirbelfiefer) gebildet werden, werden die Eichhornfelle dunkler”. Am Dftufer des Baikalfees, in der Umgebung der Gelenga, herrjcht die Kiefer vor, „und zugleich verändert fich die Bahl der erbeuteten Eichhörnchen”; auch die Qualität finkt. Überfchreiten wir die Wajjericheive des Yeniljet mm ee be ER A EREIE EHR. R E E Z nn ee | Zr Eihhorn: Geographiiche Formen. Nefter. 939 und Amur, d. h. jteigen wir auf die Südausläufer des Jablonoi- und Stanotvoigebirges, jo begegnen mir wieder den Belztieren überhaupt und auch dem Eichhorn; alle zeichnen jich durch dunkle Färbung aus. „Bugleich fann nicht unbemerkt bleiben, daß diefe Gegend einerjeit3 bejjer bemwäjjert ijt al3 die an der Selenga, anderfeit3 hier in Mafje unter den Bäumen die Zirbelkiefer vorfommt.” Dagegen fallen in Daurien, „mo unter den Bäumen oft Lärche und Birke auftreten, .... auf je 100 Felle 15—20 mit ftarfer Nöte”. Im Bureja- gebirge und Ufjurigebiet „wieder dunkle Eichhörnchen”. Das Transkaufajiihe Eichhörnchen, Sciurus anomalus Güld., ift dadurch ala jelbjtändige Art gut abgegrenzt, „daß in der ganzen Ausdehnung des nördlichen Kaufafus und auf den Nordabhängen des Kaufajus feine Eichhörnchen vorfommen. Ebenfo fehlt das Eichhorn auch im Schtwarzmeerufergebiet im Riontal.... Sicher ijt das faufafifche Eichhorn bis jeßt nur im Buchenglirtel des Südabhanges des Djtteils des Gebirges und im Kleinen Kaufajus (Mejchi- und Handicha-Kamm) gefunden worden... Die Farbe der Oberfeite des Numpfes und der Hinterjeite der Hinterertremitäten ift graulichbraun; der Vorderteil des Kopfes, die Seiten und die Außenjeiten der Extremitäten rötlich fuchfig; die Unterfeite und die Snnenjeiten der Extremitäten hell fuchsrot. Der Schwanz ift oben grell brauntot, unten auf der Mittellinie graulich; Ohrpinjel fehlen; Krallen weiß." Farbenabänderungen nach der Sahreszeit fommen nicht vor. Io bei uns jich Bäume finden, und zumal io fich die Bäume zum Walde einen, fehlt das Eichhorn jicher nicht; aber e3 ijt nicht überall und auch nicht in allen Zahren gleich Häufig. Hochitämmige, trodene und jchattige Wälder bilden jeine bevorzugteiten Aufenthaltspläße; Näffe und Sommenjchein find ihm gleich zuwider. Während der Reife des Obftes und der Küfje bejucht es die Gärten des Dorfes, doch nur dann, wenn fich vom Walde aus eine Ver- bindung durch Feldhölzchen oder wenigjtens Gebüfche findet. Da, wo viele Fichten- und Kiefernzapfen reifen, jebt es jich feit und erbaut fich eine oder mehrere Wohnungen, gemöhn- lich in alten Krähenhoriten, die es fünftlich herrichtet. Zu fürzerem Aufenthalte benußt es verlajjene Eljtern-, Srähen- und Raubvogelhorfte, wie fie find; die Wohnungen aber, die zurtachtherberge, zum Schuße gegen üble Witterung und zum Wochenbett des Weibchens dienen, werden ganz neu erbaut, obtvohl oft aus den von Vögeln zufammengetragenen Stoffen. Höhlungen in Bäumen werden ebenfalls von ihm bejucht und unter Umftänden auch ausgebaut. Dadurch jtört und vertreibt e3 die höhlenbrütenden Vögel, die ohnehin in ihren Nijtgelegenheiten heutzutage jo bejchräntt find. Seydel, ein pafjionierter Eichhornjäger und -beobachter, fonnte fejtitellen, daß die Zahl der Höhlenbrüter, überhaupt der Vögel, ganz erheblich zunahm, als die Eichfaßen dezimiert wurden. So vermehrte fich die Hohltaube, die früher fajt gar nicht mehr vertreten war, erfreulichermweife ziemlich jtarf („Weidiwerf i. Wort u. Bild“, 15. Dftober 1909). Die freien Nefter ftehen gewöhnlich in einer Ziviejel dicht an dem Hauptitamme des Baumes; ihr Boden ift gebaut wie der eines größeren Bogelneites, oben aber dedt jie nach Art der Eljternnejter ein flaches, Fegelfürmiges Dad), dicht genug, um das Eindringen des Negens zu verhindern. Der Haupteingang ift abwärts gerichtet, gemöhn- ih nad) Morgen Hin; ein etwas Fleineres Fluchtloch befindet fich dicht am Stamm. Zartes Moos bildet im Inneren ringsum ein weiches Poljter. Der Außenteil bejteht aus dünneren und Ddideren Reijern, die durcheinander gejchränft wurden. Den fejten, mit Erde und Lehm ausgeflebten Boden eines verlajjenen Krähenneftes benugt das Hörnchen bejonders gern zur 540 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hörnchenartige. Grundlage des feinigen. Noch genaueren Einbfid in die Art und Weije, wie das Eichhorn feine Nefter baut und vertvendet, haben wir Durch weitfäliiche Torjcher erhalten. Schon Zandois fpricht in „Weftfalens Tierleben” von „einer aus feinen Gräjern berfertigten, Eunftvollen Schließklappe”, und Wemer unterjcheidet bier Nejtarten: 1) Zufluchtnefter oder Luftnefter (in den äußerften Zweigen der Birken, Eichen, Buchen ujw., aus Laub mit etwas Moospoljterung); 2) Nptnefter (feiter gebaut, aus Laub, Moos, Gras, in den Ajtgabeln der Fichten, Tannen, Eichen, zur Aufnahme der Jungen, wenn das Hauptneft nicht mehr ficher ift); 3) Hauptnefter (die Geburtsitätten der Zungen, immer in Aitgabeln, an den Stamm gejchmiegt, jo daß das Nejt nicht erjchüttert wird, wenn der Sturm duch die Ziveige fährt, oder in hohlen Bäumen oder jogar auf der Erde in Heide- fraut, überdeckt vom Ziveig einer Fichte); 4) Tangnefter mit einem großen Eingangsloch, Bmifchenwand und in diejer einer Klappe („Jahr: Ber. Zool. Sekt. Weitfäl. Prod. Verein f. Wiff. und Kumft“, 1903). Wemer fa) Ende Februar bei 3° Kälte gegen Abend das Eich- hörnchen platt auf dem Afte fiegen, an dejjen Außenende fich das Nejt befand. Zwei Gold- Hähnchen flogen hinein, das Eichhörnchen folgte, und man hörte ein kurzes Angitgejchrei. Am anderen Morgen früh fchoß Wemer das Eichhörnchen und unterfuchte das Neft: Diejes enthielt die Goldhähnchenfedern, und der Mageninhalt ftellte außer allen Zweifel, tvo Die Bögelchen geblieben waren. j Über das Hauptneft mit der Schließflappe liefert Meyer-Dffenbacd) noc) ergänzende Einzelangaben („Zool. Garten”, 1873 und 1874). „CS war jo jhön gebaut wie das Neft irgend- eine3 unferer nejtbauenden Vögel, und was mein größtes Erjtaunen erregte, war der zum Neite führende Eingang, der fo gut verjchloffen war, daß der junge Mann, ohne eine Ahnung zu Haben, daß e8 Junge enthielt, daS Nejt vom Baume heftig auf den Boden herabivarf, ohne daß die Jungen durch die Erfcehütterung im geringjten bejchädigt wurden. Das Weit hat eine ziemlich breite, nad) oben halbmondförmige Klappe, wie fie fein einziger unjerer nejtfünit- ferifchen Vögel baut.” Dieje „beiteht aus äußert zarten und feinen Hälmchen und DVlätt- chen von Waldgräfern, zwifchen denen nur jehr wenig Moos ift, und unterjcheidet fich da- durch fchon auf den erften Bliel von den übrigen Teilen des Neftes... Die Tiere müjjen mit den Krallen ihrer Pfoten diefen fonderbaren Eingang öffnen und wieder zuziehen.“ Das muntere Eichhörnchen ift unftreitig eine der Hauptzierden unjerer Wälder. "Bei ruhigen, heiterem Wetter bewegt e3 fich ununterbrochen, und zivar jopiel wie möglich auf den Bäumen, die ihm zu allen Zeiten Nahrung und Dbdach bieten. Manchmal jteigt e3 gemächlich an einem Stamme herab, läuft bis zu einem zweiten Baume und Flettert wieder an diejem empor; aber wenn e3 will, braucht e8 den Boden gar nicht zu berühren. Nur jehr wenig Säugetiere dürfte e8 geben, die immerwährend jo munter find und jo Furze Zeit auf ein und derjelben Stelle verharren, wie das Eichhörnchen bei leidlicher Witterung. DBe- jtändig geht e8 von Baum zu Baum, von Krone zu Krone, von Ziveig zu Zweig; jelbjt auf der Erde ijt eg nichts weniger als fremd und unbehende. Niemals läuft es im Schritt oder Trab, jondern immer hüpft es in größeren oder Heineren Sprüngen vorwärts, und zwar jo Ihhnell, daß ein Hund Mühe hat, es einzuholen, und ein Mann fchon nad) furzem Laufe feine Verfolgung aufgeben muß. Allein feine wahre Gemwandtheit zeigt jich doch erjt im Klettern. Mit unglaublicher Sicherheit und Schnelligkeit rıltjcht e3 an den Baumjtämmen empor, auch an den glättejten. Die langen, fcharfen Krallen an den fingerartigen Zehen leijten ihm dabei vortreffliche Dienjte. ES Häfelt fich in die Baumrinde ein, und zwar immer mit allen bier Füßen zugleich. Dann nimmt es einen neuen Anlauf zum Sprunge und fchießt weiter . EEE BE a ee N Eichhorn: Nefter. Freileben. Nahrung. 94l nach oben; aber ein Sprung folgt fo jchnell auf den anderen, daß das Emporjteigen in ununter> brochener Folge vor fich geht und ausfieht, al3 gleite daS Tier an dem Stamme in die Höhe. Gewöhnlich fteigt es, ohne abzufegen, bis in die Krone des Baumes, nicht jelten bis zum Wipfel empor; dort läuft e3 dann auf irgendeinem der wagerechten Afte hinaus und fpringt gewöhnlich nach der Spibe de3 Aites eines anderen Baumes hinüber, über Zroiichenräume bon 4-5 m, immer von oben nach unten. Wie notwendig ihm die ziveizeilig behaarte Fahne zum Springen ift, hat man durch graufame Berfuche erprobt, indem man gefangenen Eid)- Hörnchen den Schwanz abjchlug: man bemerkte dann, daß das verjtümmelte Gejchöpf nicht halb fo weit mehr fpringen konnte. Obgleich die Pfoten des Eichhorns nicht dasjelbe leijten fönnen wie die Affenhände, find fie doch immerhin noch wohl geeignet, daS Tier auch auf dem jchroanfendften Ziveige zu befejtigen, und e3 ift viel zu gejchict, al3 daß e3 jemals einen Fehliprung täte oder von einem Ajte, den e3 fich auserwählt, herabfiele. Sobald eS die äußerte Spibe des Ziveiges erreicht, faßt es fie jo fchnell und feit, daß daS Schmwanten des Zmweiges e3 nicht gefährdet, und läuft nun mit feiner anmutigen Gewandtheit äußerjt rajch wieder dem Stamme des zweiten Baumes zu. Auch das Schwimmen verjteht e3 vortreff- fich, obgleich e8 nicht gern ins Waffer geht. Um fo mehr ijt der Mut zu bewundern, mit dem diejer Baumfletterer im Notfalle fich auch ins Wajjer jtürzt, und die Gewandtheit, mit der er fich darin bewegt. Einige gutbelegte Einzelbeobachtungen mögen dies veranjchau- fichen. Zuchor3-Stettin berichtet („Dtjch. Jägerztg.", 1907): Ein Eichhörnchen hatte fic) „in die Straße meines Heimatftädtchens verirrt und wurde nun ... von der Straßenjugend hart verfolgt. Sn feiner Bedrängnis erfletterte e8 den Mait eine3 Bootes, das am Ufer des nahen Stujfes lag, jprang von der Spiße des Majtes in fühnem Sabe in die Zluten und Durch- Schwamm den an diejer Stelle rund 20 m breiten Fluß mit ganz erjtaunlicher Schnelligfeit und Gemandtheit, um am anderen Ufer in den Bäumen und Büjchen ... zu verjchtoi.iden.“ vb. Mojfifovics berichtet von einem fchwarzen Eichhörnchen, daS von dem Forftinjpeftor Starzykomjfi in Darda „mitten auf der fliegenden Drau” betroffen wurde, als es — atı- icheinend ganz freiwillig — vom linfen zum rechten Ufer, aljo von Ungarn nad) Slawonien hinüberfchwamm. „Das Tierchen jhrwamm vorzüglich und zeigte gar feine Ermüdung.” Bei’ feiner Beweglichkeit ift es erflärlich, daß das Eichhorn nicht fett wird. Seydel, der Schon genannte Spezialbeobachter, bemerkt dazu: „Wohl infolge der jehr bedeutenden Musfelanftrengung, die e3 hierbei und überhaupt bei feiner Lebensmweije entfalten muß, jet das Eichhorn nicht das geringjte Fett an; wenigitens habe ich bei ihm in allen Yahres- zeiten und den verjchiedenften Lebensaltern auch nicht die geringfte Spur davon gefunden.” Wenn das Hörnchen ich ungeftört weiß, fucht es bei feinen Streifereien bejtändig nach fung. Je nad) der Jahreszeit genieft es Früchte oder Sämereien, Sinofpen, Zweige, Scha- (en, Beeren, Körner und Pilze. Tannen-, Kiefern- und Fichtenfamen, Knojpen und junge Triebe bleiben wohl der Hauptteil feiner Nahrung. 3 beißt die Zapfen unjerer Nadel- Holzbäume am Gtiele ab, jeßt fich behäbig auf die Hinterläufe, erhebt den Zapfen mit den Borderfüßen zum Munde, dreht ihn ununterbrochen herum und beißt num mit feinen bor- trefflichen Zähnen ein Blättchen nad) dem anderen ab, bis der Kern zum Vorjchein fomımt, den e3 dann mit der Zunge aufnimmt und in den Mund führt. Bittere Kerne, wie 3. DB. Mandeln, find ihm Gift: zivei bittere Mandeln reichen Hin, um e3 umzubringen. Außer den Samen und Kernen frißt das Eichhorn Heidel- wie Vreijelbeerblätter und Schwämme, auch- Trüffeln. Das berichtet fchon Tjehudi, und neuerdings ift darüber eine ganze Literatur ‚angewachjen, zu der Helm-Dresden, Noll-Frankfurt a. M., Harttvig- Berlin, Liebe-Gera, 542 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hörnckhenartige. YAltum-Eberswalde mit Beobachtungen aus dem fächjifchen Vogtlande, vom Mittelrhein, au den Bergwäßdern Oftthüringens und dem Franfentvald, dem Berliner Tiergarten und der Mark Brandenburg beigetragen haben. Daraus ergibt jich, daß unjer Eichhörnchen nicht nur verjchiedene e&bare oder wenigitens unjchädliche Pilze frikt, die Hirfchtrüffel, den Steinpilz, den Speifetäubling, fondern auch an Giftpilzen ohne Schaden najcht, wie Dem roten Fliegen- pilz und dem noch fchärfer, pfefferiger jchmedenden Birkenreizfer; ferner: Daß es Die Pilze vielfach auf die Bäume fchleppt und fie da auf dürre, abgebrochene Zweige jpießt oder zwijchen Gabeläfte einflemmt zur größten Berwunderung des Unfundigen, der jich nicht er- flären fann, wie fie dahin fommen. Dasjelbe fand Radde in den Waldungen Süpojtjibiriens. Das Tierchen folgt dabei natürlich nur feinem ausgeprägten Sammeltriebe, Dem e3 mit den großen Hutpilzen namentlich nicht gut anders genügen fann. Aus Früchten macht es jic) nichts, fehält im Gegenteil das ganze Fleifch von Birnen und Apfeln ab, um zu den Kernen zu gelangen. Dagegen frißt e8 von den fruchtähnlich ausjehenden Gallen, nad) Altum 3. ©. der Pappelitielgalle, wirklich die Gallenmwände und nicht etiva die eingefchlojfenen Wolläufe, wie die Magenunterfuchung bewies. Das Gegenteil wird von den allen der Fichtentinden- fau3, die es an den Triebipigen öfter verbeißt, behauptet und tieder beitritten. Sicher ift, daß das Eichhörnchen die forjtichädlichen Injeften gelegentlich vertilgen hilft, und da es fich allem Anfcheine nach mitunter nur von jolchen nährt, jo Fan es zu Traßzeiten ausnahmsweife jogar nüßlich werden. ©o erlegte im Sahre 1902 der dantalige jächjische Forftafjejjor JZordan-Grogweigichen bei einem außerordentlich jtarfen und beängiti- _ genden Fraße der Fichtenblattiwejpe (Lyda hypotrophica) in den erzgebirgijchen Nevieren des Bärenfeljer Forjtbezivtd3 mehrere Eichhörnchen, deren Magen „vollgepfropft mar mit ausgejogenen Häuten der Blattwejpenraupen. Der Nager fchien alfo in jener Jahreszeit (Ende Auguft) nur von diefen Raupen fich zu nähren; denn ich fonnte troß eifrigen Suchen? andere Spetjerejte nicht feititellen”. Und der fünigliche Forjtaufjeher Hoberg, Forithaus Hardtburg, hatte „Gelegenheit, ein Eichhörnchen zu beobachten, das nacheinander bier vomt Wider jtark befallene Eichenfronen nach diejem Snjeft abjuchte, die gewidelten Blätter auf- tollte und die Raupen verzehrte... Sch fand im Magen und im Darımfanal nichts anderes als einen mit Taufenden von Naupenköpfchen Durchjegten Brei, woraus ich jchliegen Tonnte, daß das Tierchen wohl Tage lang feine andere Nahrung zu fich genommen hatte. Der Leib war auffallend die und der Balg fledig und unjchön." („Dtich. Zägerztg.”, 1908.) Ganz neuerdings it das Eichhorn Durch mehrere Mitteilungen mit vollem Namen genannter, glaub- würdiger Beobachter an unjere Jagdzeitungen auch al3 PBlünderer der Ameijenhaufen und Liebhaber der Ameijeneier, bejjer gejagt, -puppen, feitgejtellt worden. Man fieht mit dem Yagdglas, wie ihm die Speife mundet, wie es fich aber von Zeit zu Zeit aufrichten muß, um die ihm über den Kopf laufenden Ameijfen mit den Vorderläufen abzujtreifen. (Georg Brandenburg in „Deich. Zägerztg.”, 1912.) Leider ijt das Eichhorn ein großer Freund von Eiern, plündert alle Nejter, die e3 bei jenen ©treifereien auffindet, und verjchont ebenjotwenig junge Vögel, wagt fich jogar an alte: Lenz Hat einem Eichhorn eine alte Drofjel abgejagt, die nicht etwa lahm, fondern fo fräftig war, daß fie fogleich nach ihrer Befreiung mweit wegflog, und andere Beobachter haben den meijt als harmlos und unfchuldig angefehenen Nager als mordfüchhtigen Räuber fennen gelernt, der Fein Eleineres Wirbeltier verjchont: Schacht fand fogar einen Maulwurf im Nefte eines Eichhorn, und ein Beobachter T. erzählt in „Wild und Hund“, wie er einen Kampf zwischen Wiefel und Eichhorn mit angejehen hat, bei dem das Eichhorn dem Wiejel eine Ä wer 1 N KEN 2 An Ah ee a has nr Wr ht a DER PR er ul 1a Be et Du Is ri ka ar a a hi a A aan] Ed. an . Ulnn Eichhorn: Nahrung Nuben, Schaden). 543 joeben im Sprunge erhajchte Goldammer wenigjtens 5 Minuten lang abzujagen fuchte. Sn Garten de3 Nentners Erl in Wafjerburg am rn nahm ein Eichhörnchen vor den Augen einer Dachsbrade eine Eidechje vom Boden auf und verfchwand damit in den Ömweigen eines Baumes („Diich. Yägerztg.”, 1911). Altum widmet der forftlichen Bedeutung des Eichhörnchens beinahe 30 Seiten feines maßgebenden Werkes mit vielen Abbildungen von Fraßitüden und findet das Tier „als Nager jo vieljeitig und jo jchädlich, daß e8 in diefer Hinficht unter allen unferen einheimifchen Säugetieren, zumal da e8 außerdem ebenfo häufig als allgemein verbreitet bei uns auftritt, die erite Stelle einnimmt”. Das Eichhorn ift, von den Snfekten abgejehen, der jchlimmite Foritichädling von allen! Angefichts der „von feinem anderen Tiere erreichten Bielfeitigfeit jeiner Zerftörungen” einen Überblid zu geroinnen, muß Altum fchon „einzelne Rubriken“ einrichten: Baumjämereien, Baumfnofpen, Triebe, Rinde. „Ohne Zweifel bilden die Wald- jämereien, und ziwar die von harter Schale oder andermweitiger Härterer Hülle bededten Samen jeine eigentliche, urjprüngliche Nahrung. Wo dieje nicht vorhanden find, da fehlen auch die Eichhörnchen; two fie jich in ausreichender Menge finden, da werden fie vom exjten Anfang ihrer beginnenden Reife, ja oft jchon früher, fort und fort von unjerem Nager ge- zehntet. Db jie Yaub- oder Kadelhölzern angehören, ob jie nach unferem Urteil füß oder bitter jhmeden, jcheint fajt völlig’gleichgültig... So nährt es fich das ganze Sahır hindurch, jv- lange ihm diefe Sämereien geboten und zugänglich find. Übel fpielt es den Nadelholzzapfen mit, deren Schuppen e3 nach den Samen zernagt. Der Boden unter den Samenbäumen it dann oft völlig bedeckt mit diefen Schuppenftüden und den mehr oder weniger entblößten Spindeln.“ Ein Anblid, den jeder einigermaßen aufmerfjame Waldfpaziergänger fchon oft gehabt Hat. „Sn wahrhaft verwüftender Weife tritt das Eichhorn fo in allen unferen Fichten- tebieren auf, und auch die einzelnen Fichtenhorite, fogar die einzelnen Fichten in Parken und Anlagen weiß es zum bejagten Zivede aufzufinden... Fat die ganze Ernte liegt ftellen- mweije zerjchrotet am Boden. Von Norddeutjchland bi Oberbayern und Tirol habe ich dieje jeine Zerjtörung überall in gleicher Weife und Heftigfeit angetroffen. &3 geht dabei leider nur zu oft äußert verjchtenderijch zu Werke”, beißt nicht nur alte und reife Zapfen, fondern „auch die Halbrwüchligen oder doc) noch unreifen ab und mwirft fie entweder ohne weiteres als ungenießbar zu Boden, oder e8 macht nur geringe VBerfuche an irgendeiner Stelle, um fie dann hinabfallen zu lafjen”. Auch von Weimutöfieferzapfen vernichtet e3 in ähnlicher Weije eine Menge noch zu junger, gänzlich ungenießbarer, während e3 an den reifen gleich- fallß falt die ganze Spindel entblößt. Auf gruppenmeife zufammenftehenden Weimut3- tiefern bleibt meift nicht ein einziger Zapfen. Von der Tanne finden fich „Eichhornzapfen” jeltener; dagegen von der Gemeinen Kiefer wiederum in erftaunlicher Menge. Daß das Eich- horn nach den Zirbelfieferzapfen äußerft füftern ift, daß es ihnen zuliebe jogar weit wan- dert, ift befannt. „Wo bei uns in Gartenanlagen diejes alpine Nadelholz Zapfen reift, da bleibt, wenn überhaupt Eichhörnchen in der Nähe find, fein einziger verichont... Gfeicher- meife werden die winzigen Zapfen der Lärche und der fogenannten Blautanne (Abies alba) in größter Menge zerfrejlen. Bemerkenswert ift noch der Traf an den jehr kräftigen, harten Bapfen der Meerjtrandkiefer... Sch glaube nicht, daß das Eichhorn auch nur eine einzige Tadelholzart verjchont. Tagelang fieht man e3 bis zur Vernichtung aller oder doc) der beiten Zapfen in den Kronen oft nır weniger Bäume. Bei feiner Häufigkeit ift fo der ganze jamenreiche Waldesteil mit diefen Zerftörern befegt.” Auch die meiften Laubholz- lämereien werden vom Eichhörnchen im großen vernichtet. 044 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hörnchenartige. „Kaum find die Bucheln Halbreif, jo fit der Feind in der Krone, und bis in den Winter hinein fallen täglich Mafjen von Hüllen und Schalen zu Boden. Diejer bededt jich dann allmählich derartig mit folchen, daß e3 oft zweifelhaft jein Fan, ob noch irgendeine nenneng- werte Anzahl gefunder Samen den Boden erreicht... Ähnliches ift bei den Eicheln der Fall, obichon das Eichhorn im allgemeinen die Bucheln den Eicheln vorzuziehen jcheint. Sogar die Buche und Eichelfaaten werden nach längjt begonnener Keimung vom ihm ruiniert." Jin Gherswalder Forftgarten „Icharrte es die gelegten Eichen aus” und tat jogar an „jungen Eichenpflanzen, und zwar bei jolchen, die von der Frühjahrsjaat Herrührten, jelbit wenn jie ichon ihr volles Laub hatten, noch Anfang Juni” Schaden. „Wohl 8-10 Eichhörnchen zogen ich nach diejer Saat hin, gruben die Pflanzen vollitändig aus und bifjen aud) die Wurzeln ab, um fie zu verzehren... Die Eichhörnchen Kiefen juchend am Boden umber, jchienen auf den Rlägen nach den Eicheln zu riechen und begannen dann, fie auszujcharren und zu verzehren... Sn Buchen- und Tannenjaaten des Forjtbezirts Sonneberg (Thüringen) Fraßten die Eidh- Hörnchen den Samen mit den Vorderläufen aus den Nillen und verzehrten ihn. ES find ungefähr zwei Drittel der Saaten vernichtet worden... Nachdem die Vertilgung der Eic)- hörnchen amtlich) angeordnet war, find viele über dem Zerjtörungsmwerf gejchojjen worden. Im ganzen wurden vom September 1872 bis April 1875: 1143 Stüd exlegt...” Dieje an- icheinende „tarfe Vermehrung” war, nach Altum, „zum großen, vielleicht größten Teil im Sinne einer Einwanderung der Eichhörnchen nach den maftreichen Nevierteilen aus den umliegenden majtarmen Gegenden aufzufafjen.“ Triebfnofpen nimmt das Eichhorn „vor zugsweife oder vielleicht ausjchließlich von Nadelhölzern" und „zumeift in jehneereichen Wintern, wenn e3 Sowohl in den Baumfronen an Sämereien mangelt, al auch) am Boden die Herabgefallenen ihm unzugänglich find, jedoch auch nicht jelten noch im Frühling. DBe- fonder3 verbeißt e3 auf diefe Weife die jungen Hölzer etwa bis zum Alter von 20 Jahren. Am meiften leiden darunter die jungen Fichten, an denen nicht nur die Gipfelfnojpen Des Stammes, fondern zumeilen auch die der freilich jchtverer erreichbaren oberen Duirltriebe abgejchnitten werden. Diefe legte Bejchädigung hat um jo mehr zu bedeuten, al3 dDadurd) das fonst in der Regel leichte Emporwachjen eines Fräftigen jüngjten Quirltriebes in Die Richtung und al3 Fortfegung des Stammes jehr erjchwert oder unmöglich gemacht wird. Diejer Frevel ift aber fo häufig und allgemein, daß hier eine Aufzählung von einzelnen Be- obachtungen überflüffig erfcheint. Sch Habe manche Anpflanzungen gejehen, in denen auch nicht ein einziger Stamm jeine Endfnojpen behalten hatte.” So nagten 3. B. in den Wal- dungen des füdlichen Bayern die Eichhörnchen während des fchneereichen Winters 1908 die Gipfel und Endtriebe 6- bis 3Ojähriger Fichten ab. Auf diefe Weije find in der Holledau allein Hunderte von Tagewerfen Wald ruiniert worden. („Hubertus”.) - Weniger verbeift das Eichhörnchen in diejer Weife Tanne und Kiefer. Durch Abbeiken ganzer Triebe verurfacht das Eichhörnchen an der Fichte die fogenannten „Abjprünge”, denen, nach Altum, „aber mit Recht die Bezeichnung ‚Abbijje‘ beigelegt werden muß... Das Tierchen jchneidet die jüngjten Triebe, an denen fich die Knojpen der männlichen Blüten befinden, unterhalb des unteren Knofpengquirls, jelten oberhalb ab, begibt jich mit einem jolchen wieder auf einen fejteren Zweigfit zurüd, nagt die Kinofpen aus und läßt dann den Trieb zu Boden fallen. So häuft fich jchlieglich unter den betreffenden Bäumen eine jolche Menge diejer ‚Abiprünge‘ an, daf man fie oft zu großen Haufen zufammenharfen Fann, und zwar befondersdort, wo fich nur Heine Gruppen älterer Fichten oder einzelner Horfte befinden.” „Ss Foritfreoler”, jagt Altum, „erreicht das Eichhörnchen durch fein Rindenjchälen Eihhorn: Waldjchaden. 945 unjtreitig die größte Bedeutung. Auf diefe Weije greift es die größte Anzahl der Holzarten an, jchädigt in großartigjter und empfindlichjter Weife, zeigt die verfchiedenften Bejchädi- gungsarten und tritt darin jo überrafchend und unerwartet auf, daß der Forjtmann regel- mäßig durch jeinen Angriff überrumpelt wird. Ein äußerjt empfindlicher Schaden, der jich nad) jahrzehntelanger Erfahrung nicht erwarten ließ, liegt plößlich in großer Ausdehnung bor... Zunädjt ift e8 die Lärche, welche mit Borliebe vom Eichhorn teil3 auf größere Streden mehr oder weniger entrindet, teils jtellenmweije geringelt oder gepläßt (plaßiveije ge- jchält) wird”, und zwar trägt hier dem Mäufejchaden gegenüber „der Eichhornfraß jtet3 den Charakter des Plumpen, Rohen, Breiten an jich”; oft liegen „die groben Rindenfegen am Boden”. Am Helmjtedter Nevier war einjt „nur ein einziges Eichhörnchen der Täter, nad) dejjen Erlegung der Frevel aufhörte... Nach Nördlingers Bericht beißt das Eichhorn die Lärchenrinde in 3—8 cm langen, aber jchmalen Nindenjtreifen ab und läßt jie auf die Erde fallen, bis eine Stelle von der Größe einer jchmalen Hand entblößt it. Dann hängt es jich jo an den Stamm, daß es die entblößte Stelle abnagen oder ableden Fanır, wobei die jchlei- mige Holzfajer, die man auch in jenem Magen gefunden, als Nahrung dient... Außer der Lärche leidet bejonders jtarf auch die Kiefer durch das genannte Rindenfchälen... Spiral- ringelungen treten an der Lärche plump, unvollfommen, mit nur einem oder nicht einmal einem ganzen Umgang auf, oder es jind dieje Umgänge mannigfach unterbrochen oder un- ordentlich erweitert. 3 rührt dies wohl her von den zahlreichen, den arbeitenden Nager Dinderlichen Seitenzweigen. Dagegen hat man von der Sliefer jo regelmäßig ausgeführte, in 3, 4, 5, 6, 7 Umgängen fich um den Stamm ziehende Spiralichälungen aufgefunden, daß jolhe Stüde unabweisbar den Verdadht als von Menjchenhand hergeitellte Kunjt- produfte erregen, zumal wenn jich in eichhörnchenreichen Gegenden Jahrzehnte hindurch nie eine Spur von jolchem im höchjten Maße auffallenden Fraße gezeigt hat... An der Fichte ihält das Eichhörnchen im ganzen weniger gern." Den „Eolojjalen Rindenjchälungen am Nadelholze jtehen die an den Laubhölzern weit nach, fönnen aber in einzelnen Fällen empfind- . lich genug werden“. Dabei fehrt immer die Beobachtung wieder, „Daß das Eichhörnchen die Ninde mit den Nagezähnen ausjchneidet, jie dann faßt und von dem Baum abzuziehen jucht“. Sn Schottland jhägt man den Eichhornjchaden im Walde jo jchiwer ein, daß jich Dort ein Highland Squirrel Club, d. h. ein Verein zur VBertilgung des Eichhorns, gebildet hat. Auf dejjen letter Jahresverfammlung in Dingivall, über die „Field“ (26. Febr. 1910) berich- tet, wurde feitgeitellt, daß, obwohl über 7000 Eichhörnchen auf Beranlafjung des Vereins ge- tötet worden waren, ohne größere Anjtrengungen, die Schädlinge niederzuhalten, dieje ganz ungeheuren Forjtichaden anrichten würden. Auf einer Befigung in Roßfhire wurde gejchägt, daß der Eichhornjchaden während der legten AO Jahre 15 Prozent des Waldwertes betrug. Chlieflih noch eine ganz eigenartige Schwelgerei unferes vieljeitigen Frejjers! H. Löns fah im Hannöverjchen „Zoologijchen Garten, daß ein Eichhörnchen der Neihe nach die jtark blutenden Eichen bejuchte und fehr eifrig die blutenden Stellen, die mit dem be- fannten weißlichen Bilzgallert bedeckt waren, abledte”, und erfuhr vom Perjonal, „daß das Eichhörnchen das jeden Tag täte”. Das Benehmen der Infekten, die für gewöhnlich dieje „blutenden” Bäume angehen, „läßt darauf jchließen, daß der Baumfaft, der manchmal jo jtarf gärt, daß ein fingerdider Schaum”darauf fteht, beraufchende Eigenjchaft Hat. Auch die Eichfabe, die ich bei ihrem Sneipgelage beobachtete, benahım jich ungewöhnlich dumm- dreilt und ließ mich bis auf einen Schritt heranfommen”. Schon Altum zählt unter den Eichhornfchäden eine Nubrif „Vogelnefter” auf und Brehm, Tierleben. 4. Aufl. XI. Band. 35 546 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hötndenartige. brandimarkt darin das Tier al3 „Zerjtörer vieler Bruten unjerer nüßlichen oder doch an- genehmen Waldvögel”. Bei ihm lefen wir auch) jhon: „Bon Zeit zu Zeit muß Der Erijtenz der Eingvögel wegen im Berliner Tiergarten der Abjchuß der zahlreich vermehrten und beim Rubliftum allbeliebten Eichhörnchen angeordnet werden." Zulest gejchah Dies in den Sahren 1907 und 1908, und zwar laut Bericht der „Vofjiichen Zeitung”, weil die Eich- Hörnchen jelbft den Kampf mit den Fräftigen Ningeltauben aufnahmen, Sn dem Ebers- walder Stadtforft waren 1868: 100 Neftfaften für Stare aufgehängt worden, die bald alle bejegt waren, 1875 aber nur noch etiva 12—15! „Bei genauerer Unterjuchung ftellte fich heraus, daß die Fluglöcher faft fämtlicher Kajten an ihren Rändern fo jtarf ausgenagt waren, daß fie dem Eichhörnchen den Eingang gejtatteten. Die jehr deutlichen Züge der Nagezähne Iajjen über den Täter nicht den mindejten Zweifel auffommen. Das Eichhorn hat diefe fämtlichen Kaften und die Vogelbruten ruiniert.“ Ad. Padberg teilt in der „Algen. Forjt- und Sagdzeitung”, 1905, mit, daß in dem Schußbezirt Buchberg der Oberförfterei Kengenthin, einem der [chönften Reviere Preußens, feine einzige Vogelftimme zu hören war. Das Forftperjonal habe die Urfache den vielen Eichhörnchen zugejchtieben. Darauf ei ein Schußgeld aus dem Kulturfonds beivilligt worden. Snnerhalb eines Jahres wurden mehr al3 400 Eichhörnchen abgeliefert, und alsbald lebte und mebte e3 wieder von Drojjeln, Bucfinken, Blaurafen, Spechten, PBirolen und Laubvögeln. Wie Rechnungsrat Marquardt- Ludwigsburg aus alten Archiven nachweilt, hatte e3 „Schon im Sahre 1786 die Sägerei in Württemberg auf die Austottung des Eichhörndhens abgejehen..." Diejes alte Zeugnis Fann wieder einigermaßen irremachen an der heute ziemlich allgemein gültigen Anficht, daß erft in unjeren Tagen eine gemwifje Überhandnahme des Eihhorns eingetreten fei- infolge der Abnahme feiner jhlimmften Teinde, des Edel- marder3 und des Habichts, und anderjeit3 möchte man wohl aus diejer Abnahme allein nicht die neuerliche Zunahme des Schwarzipechtes erklären, wenn man bei Altum dem Eünden- vegijter des Eichhorn3 „die Shwahe Vermehrung derjenigen Höhlenbrüter, deren Flugloch le Ayya\zı aa an) Aehäl Ahuy N 2 RR - NE a u N a RE re für diefen Böferwicht ohne meiteres gangbar ijt, etwa Schwarzipecht, Grünfpecht, Blaurafe, . Hohltaube, auch Wiedehopf”, zugejchrieben findet. Das Gleichgewicht in der Natur bejteht roohl felten aus zwei einfachen Gegengewichten+ Sedenfalls liegen aber Beobachtungen vor, wo das Eichhorn Eier und Brut des Schwarzipechtes gefährdete. So bon Amtögerichtsrat Dirfjen aus dem Forftrevier Schwarzheide bei Neumedell in der Neumark („Dtich. Zägerztg.”, 1907). Auf der Jagd nach jungen Grünfpechten und anderen JZungbögeln hat Gutöbejiger TIemme das Eichhorn betroffen. Beim Raub an der Grünjpechthöhle in einer Lindenallee wurde e3 erwijcht. „Ein Pferdefnecht fonnte beobachten, wie das Eichhörnchen mit feiner Vorderpfote einen jungen Grünjpecht herauszog, mit ihm abbaumte und auf der Erde flüchtete." Cogar die Nefter der grogen Ningeltauben find vor dem Eichhorn nicht ficher. Hier der Befund in einem jolchen plößlich verlafjenen Nejte nad „St. Hubertus", 1899. C3 „enthielt drei tote Junge, in jener befannten Art zugrunde gerichtet, die den Nager als Täter fennzeichnet. Den Vögeln war die Hirnjchale Durchgenagt, und die Hirnmajje war verzehrt, genau jo, wie das Eichhorn die Nußjchale bearbeitet, um zum Kern zu gelangen. Außerdem war bei zweien der Vögel die Rüdendede gegen den Gteiß Hin zernagt, jedoch bon den jichtbaren Weichteilen nichts Herausgefrejjen. Ein zweites Taubenneft im nämlichen Stangenott lieferte den unmittelbaren Beweis, daß hier wirklich das Eichhörnchen im Spiel war. Ein folches wurde bei diefem Nejt gejchojien... Den Mageninhalt diejes lebteren fonnte man mit aller, Bejtimmtheit al3 von Sungtauben ftammend erkennen.“ &o mag ae N Fr Be rn Eihhorn: Neft- und andere NRäubereien. 947 B. Schufter nicht unrecht Haben, wenn er aus feiner oberrheinischen Erfahrung den einfachen Berhältnisfag aufitellt: „Je mehr Eichhörnchen, um jo weniger Waldtauben (im Taunus, in den Wäldern des Mainzer Bedens), und umgefehrt viel Tauben, wo fich verhältnismäßig wenig Hörnchen vorfinden (ftellenweije im Vogelsberg, in Wäldchen der Wetterau).“ Die mörderische Dreijtigkeit des Eichhorns geht aber noch weiter; baltiiche Jäger haben bei der Locjagd auf das Hajelduhn die Gemwißheit gewonnen, daß e3 jich auch an diejes heranmwagt. Als der Oberförfter Weyrich „im Hirfchpark zu Serbigal (Kıtrland) einen NRothirjch anpirjchte, lief in feiner nächjten Nähe ein Hafelduhn umher. Plößlic) faufte vom nächtten Baume durd) die Quft ein rotes Etwas herunter, dem Huhn direkt auf den Rüden. Ein wirres Durch- einander, Federn jtieben nach allen Seiten, und arg zerzauft jchrwirrt das Yajelduhn davon, während ein Eichhorn auf dem Plate zurücdbleibt. Dem anmwejenden Barkwächter war die Sache nicht neu, er hatte derartige Überfälle öfters beobachtet.” Wir find aber immer noch) nicht zu Ende! Ein Forjtmann berichtete der Zeitjchrift „Sefiederte Welt” im Jahre 1908 bon einem Eichhörnchen, das einen bräunlichen Gegenjtand im Zange trug und vor ihm auf- bäumte. Um Gemwißheit über die Beute zu erlangen, jchoß er das Eichhörnchen vom Baume herab und mußte zu feinem Crjtaunen gewahren, daß der braune Gegenjtand ein Yung- häschen von etiwva 12 cm Länge war. Wir verjuchen hier, die „Eichhornfrage” einen Schritt vorwärts zu bringen, die noch neuerdings jolchen lebhaften Widerhall in der Zagd- und jonftigen Brefje gefunden hat. Da wirden „Chrenrettungen” verjucht; als Entgegnung erfolgten aber nur um jo jchärfere Ber- dammungsurteile. Dazu bringt der Schwarzwälder Beobachter Wurm=-Teinach noch die interejjante Tatjache bei, daß „Marz in jeinen mit Wildbretrejten und Eierjchalen befüderten Würgefallen während der legten Jahre weit über 100 Eichhörnchen fing“. Zugleich vertritt er aber den einzig wirdigen Standpunkt des Kulturmenjchen von heute, durch den Diejer _ jich jeiner weitgediehenen Herrjchaft über die Natur wert erweilt: „daß die niedlichen, den - ohnedies mehr und mehr verödeten Wald jo angenehm belebenden ‚Tannenäffchen‘ feines- wegs ausgerottet werden jollen; denn aud) fie jind den natürlichen Bedingungen nach be- rechtigte Mitglieder der heimischen Sauna. Aber ihre Zahl joll in angemefjenen Schranfen gehalten werden, und — nun fommt eine entjcheidende Richtlinie für das Heute gebotene Ver- halten des Menjchen zur Tierwelt! — da der Menicd) die jtärferen Raubtiere jo ziemlich aus- gerottet hat, jo muß er nun jelbjt das urjprünglich natürliche Gleichgewicht zwifchen Naub- und Beutetieren mittel3 Blei und Eijen aufrechterhalten. Diefer Sat fcheint mir die menfchliche Berechtigung, ja Verpflichtung zur Jagd überhaupt in unferer Kulturepoche auszudrüden” („A8UD und Hund“, 1905). Ein wahrhaft weijes, gar nicht genug zu beherzigendes Wort! ©o wäre aljo in feiner Beziehung etwas einzumenden, vielmehr nur zu wünfchen, daß unjere Weidmänner e3 nicht unter ihrer Würde hielten, bei fich bietender Gelegenheit ebenjogqut ein Eichhorn zu erlegen wie anderes Sleinmwild. Freilich „Jo wie jede andere wirk- liche Jagd, erfordert auch die Jagd auf Eichhörnchen Übung und Vertrautfein mit den Gepflogenheiten des Tieres“, jagt Seydel, der jich zum Zägerjpezialiften auf den Kleinen Notrod ausgebildet hat und daher „bei der Jagd auf diejes Hleinjte Rotwild den wirklichen Genuß des Weidiwerfs empfinden fanm... Ein Kugelfchuß, der aus dem 30 m hohen Wipfel “ einer Kiefer tadellos ein Eichhorn herunterbringt, gewährt mir größere Befriedigung, als wenn ich einem Krummen mit der Schrotflinte den Garaus machen fan... Die wenigjten Eihhörnden, die ich erlegt habe, Habe ich mit Hilfe des Gefichtsfinnes entdedt; ich ‚hörte‘ fie. Die Übung entmwidelt das Gehör in hohem Maße. Wenn man oft fchon 70-80 Schritt 35* 548 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Hörnchenartige. am Standpunkt des Eichhörnchens vorüber ift, vewnimmt man, jelbjtverjtändfich nur bei vollftändiger Windftille, das Knabbern an den Stiefernzapfen, jelbit da3 leife Geräufch der fallenden, abgejchälten Schuppen. 3 wird fehrtgemacht, und bald ijt der Unvorfichtige, der vorher mit feiner Arbeit innegehalten hatte, nun aber die Gefahr längjt vorüber glaubte, entvedt... Aus dem Ausjehen bzw. dem Grade des Bertrocnetjeins der heruntergefallenen Zapfenfchuppen fchließt der Kundige genau auf die Zeit der Anmwejenheit des Eichhorn3. Er verfolgt den Weg, den es genommen hat, und jieht an den immer frifcher werdenden Abfällen, daß er fich feinem Ziele nähert. Auch gibt e3 beliebte Athöhlen und Nejter, die immer mwie- der von zumandernden Eichhörnchen angenommen werden, jo daß aus derjelben Baumhöhle innerhalb fürzerer Zeit vier bis fünf Eichhörnchen Herausgeflopft werden fünnen. Man Fennt ihre Bäffe und weiß, mo fie fich zu den verjchiedenen Tageszeiten aufzuhalten pflegen. ch hätte fonft bei der immerhin nicht allzu großen Anzahl der hier vorhanden gemwejenen Cich- Hörnchen nicht folche Streden — die größte betrug 18 an einem Tage — machen können.” Bei der Jagd erprobte Seydel auch die erjftaunliche „Lebenszähigfeit der Eichhörnchen. Eine 9 mm-Slugel weidiwund hindert fie gar nicht, die Fühnften Luftiprünge zu machen und eine längere Verfolgung zu erfordern. Man bedenfe hierbei die Größe des Gejchojjes im Berhältnis zur Größe des Wildförpers: es wiirde ungefähr dasjelbe fein, al3 wenn der Bod eine fauftgroße Kcanonenfugel erhalten würde. Nichttödliche Berlegungen heilen beim Eich- horn rajch und leicht. Schwere Laufjplitterungen, der Berluft des ganzen Laufes, ja jelbjt Nitdgratverlegungen, wie ich in einem Falle erfahren Habe — die Verlegung ließ allerdings eine jtarfe Berhümmung zurüd — vermag die gefunde Natur des Eichhörnchens zu über- winden. Gelangt e3 mit vem Schuß jchwerfranf zur Erde, jo nimmt es mit der legten ihm zu Gebote jtehenden Kraft häufig in der Nähe gelegene Wurzellöcher oder Kaninchenbaue an. „uch die Eichhörnchen fammeln mit zunehmendem Alter Erfahrungen. Man mir : gleich beim Exbliden wiffen, ob man einen unerfahrenen Süngling oder einen alten, ge- riebenen Burjchen vor fich Hat. Erjtere baumen am Stamm auf, fegen ji) auf dem ertien Aftitumpf behaglich zurecht und beäugen neugierig den Störenfried, bis die Kugel ihren Beobachtungen ein Biel jeßt. Dder aber befinden fie jich Hoch oben im Wipfel außer ficherer Schußmeite, jo lafjen fie jich durch einige Schrecjchiffe bewegen, den jicheren Standort zu verlajjen und die naheliegende Schonung, in der fie fich ficherer glauben, anzunehmen, um nun ihrem Schicjal zu verfallen. Anders ein alter, erfahrener Eichfater. Er baumt in einem Zug bis in die oberjten Äfte und drückt fich dann platt an einen ftärkeren Zaden an, Yäßt fich auch durch nichtS don feiner ficheren Bofition verjagen... Sch erinnere mich bei diejer Ge- fegenheit an jolchen alten, fchlauen Burjchen, dem ich feine regelmäßige Flucht nach einem _ diefen, wagerechten Eichenafte jchon zu verfchiedenen Malen, aber immer vergeblich, durch eine Kugel abzufürzen bemüht gewejen war. Einmal nun ließ er feine Standarte etivas feitwärts über den Aft herabhängen.” Sehydel fchof ihm die Endhälfte ab. „Aber jelbjt in diefer für ihn doch wohl Höchit fchmerzhaften Situation” blieb er „auf jenen Poften gebannt, jo dap ich unverrichteter Dinge abziehen mußte. Einige Zeit fpäter habe ich ihn an diefer ... Stelle aber doch erwijcht; feine Spdentität war durch die halbe Fahne, die an der Trennungzitelle eine hajelnußgroße Berfnorpelung zeigte, zur Genüge nachgetviefen.” 9. Chr. Nußbaum veranlafjen feine perjönlichen Erfahrungen zu märmerem Enid für das Tier. „Alle Berfuche, die ich anftellte, gefangene Eichhörnchen zum Annehmen von Einhalt oder anderer animalischer Nahrung zu bewegen, feheiterten. In unferem Gtadt- walde, in dejjen Nähe ich wohne, den ich tägfich befuche, den ich feit meiner Snabenzeit zu Eihhorn: Jagd. Chrenrettung. Wintervorräte. Winterleben. 549 eingehenden Beobachtungen der Tier- und Pflanzenwelt ducchjtreift Habe, werden jährlich 200-300 Eichhörnchen abgeschoffen. Troß größter Mühe und troß des reichen Beobachtung3- materials ift e8 mir nie gelungen, einen Neftraub durch Eichhörnchen zu beobachten. Auch während der Brutzeit fah ich unfere lieben Sänger in größter Eintracht mit ignen leben. Nach- dem ich dann Eichhörnchen in der Boliere in ebendiejfer Eintracht mit Kleinen und Heinjten Vögeln hatte nijten jehen, jchien es mir angezeigt, eine öffentliche Aussprache zu veranlafjen.” Nufbaum Hat nämlich bei einem Architekten „Gardenier in Apeldoorn (Holland) mehrere Eichfägchenpaare nebjt ihren Jungen in einer Boliere zwischen einer großen Schar Feiner und Hleinfter Vögel, die fämtlich nifteten, einträchtig leben” jehen: eine Tatjache, die un- bedingt hier ihre Würdigung verdient! Wemer „möchte jedoch Feititellen, daß im Winter mwenigitens 50 Prozent der Nahrung des Eichhörnchen nicht pflanzlicher, jondern tierischer Natur ift”. Dies wird um fo ficherer zutreffen, je weniger das Tier Gelegenheit gehabt hat, pflanzliche Wintervorräte einzufammeln, und jo erklärt jich vielleicht jein Harmlojeres oder räuberifcheres Auftreten in berjchiedenen Gegenden und unter verichiedenen Umftänden. Sobald e3 reichliche Nahrung hat, trägt e$ Vorräte für jpätere, traurigere Zeiten ein. Sn den Spalten und Löchern hohler Bäume und Baummurzeln, in jelbitgegrabenen Löchern, unter Gebüfch und Steinen, in einem feiner Nefter und an anderen ähnlichen Orten legt es jeine Speicher an und fchleppt oft durch weite Streden die betreffenden Nüfje, Körner und Kerne nach folchen Pläben. Bon der Gefchielichkeit, mit der das Eichhorn vergrabene Nüjje in der rauhen Sahreszeit wieder aufzufinden weiß, hat Ludwig Schufter im Winter 1908 „an einem Fichtenbeftande des VBogelsberges ein lehrreiches Beijpiel gejehen. Hier hatte das Hörnchen unter etwa 4—5 cm hoher Schneedede und weiter unter einer I—2 cm dien Nadeljchicht fünf vergrabene Hajelnüfje, die in einigen nahe zufammenliegenden Srübchen verborgen lagen, bloßgejcharrt und verzehrt. Welcher Sinn das Eichhorn bei der Wiederauffindung der Nüfje geleitet hat, wird jchwer zu beantworten fein; vielleicht war es Gedächtnis, vielleicht, und das halte ich für das Wahrjcheinlichere, der Geruchjinn, der dem Tiere die Früchte auffinden half.“ Durch diejes VBorforgen für den Winter befunden die Eichhörnchen, wie außerordentlich empfindlich fie gegen die Einflüjfe der Witterung find. Falls die Sonne etwas wärmer jtrahlt alS gewöhnlich, halten fie ihr Mittagsichläfchen in ihrem Nejte und treiben fich dann bloß früh und abends im Walde umher; noch viel mehr aber jcheuen fie Regengüfje, Heftige Gemitter, Stürme und vor allem Schneegeftöber. Zhr VBorgefühl der fommenden Witte- rung läßt fich nicht verfennen. Schon einen halben Tag, bevor daS gefürchtete Wetter ein- tritt, zeigen fie Unruhe durch bejtändiges Umherjpringen auf den Bäumen und ein ganz eigentümliches Pfeifen und Klatjchen, das man fonft bloß bei größerer Erregung von ihnen bernimmt. Sobald die erjten Borboten des fchlechten Wetters jich zeigen, ziehen jie jich in ihre Neiter zurücd, oft mehrere in ein und dasjelbe, und lajjen, das Ausgangsloch an der Wetter- jeite jorgfältig verjtopfend und behaglich in fich zufammengerollt, das Wetter vorübertoben. Sn dem Falten Sibirien tritt nach dem regen Leben im Herbite eine mit dem vorjchreitenden Winter jich jteigernde Trägheit ein, die zu einem Winterjchlafe von Furzer Dauer ausarten fann. Die Hörnchen verlajjen ihr Nejt zuerjt nur wenige Stunden täglich, jpäter tagelang gar nicht mehr, und die fie verfolgenden Jäger müfjen, um ihrer anfichtig zu werden, mit dem Beile an hHohle Bäume anklopfen und fie erjt aufjcheuchen. Auch bei uns zulande Tiegen jte oft tagelang ruhig im Nefte; fchlieglich treibt fie der Hunger aber doch heraus und dann zu> näcdhjt ihren Borratsfammern zu, in denen jie Schäße für den Winter aufgejpeichert haben. 550 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Hörnchenartige. Ein jchlechter Hexbft hoird für fie gemöhnlich verderblich, weil fie in ihm die Winterborräte aufbrauchen. Folgt dann ein nur einigermaßen ftrenger Winter, jo bringt er einer Unzahl bon ihnen den Tod. Manche Speicher werden vergejjen, zu anderen verwehrt der hohe Schnee den Zugang, und jo fommt e3, daß die munteren Tiere geradezu verhungern. Hier liegt eins und dort eins tot im Nejte oder fällt entkräftet vom Baummipfel herunter, und Edel- maxder und Zobel haben e& noch leichter al3 jonit, ihre Hauptnahrung zu erlangen. Sr Buchen- und Eichenwäldern jind die Hörnchen immer no) am glüdlichiten dran; denn außer den an den Bäumen hängenden Bucheln und Eicheln, die fie abpflüden, graben fie jolche in Menge aus dem Schnee heraus und nähren jic dann recht gut. Daß das Eichhorn auch zur Tränfe geht, ilt beobachtet. Jm „Weidiwerf in Wort und Bild“, 1906, wird gejchildert, „wie ein Eichhörnchen aus einer Wafjerlache auf dem Wege tranf: eS ledfte das Wafjer mit ber Zunge wie eine abe". Nicht gerade unmittelbar zur Ernährung des Eichhörnchen, aber doch mittelbar, näm- (ich zu feiner Ernährungsfähigfeit, trägt die Gewohnheit bei, Knochen und abgemorfene Gemeihitangen zu benagen. Für diefe Neigung des Eichhorns, die e3 übrigens mit anderen. Nagern, 3. B. dem Stachelichwein, teilt, hat man nur die Erflärung, daß jte die notiwendige Abnubung der Nagezähne herbeiführen joll. &3 war eine alte „Erfahrung, daß abgeworfene Gemeihjtangen, welche längere Zeit im Walde am Boden liegen, jehr oft ftarf, ja bis zur gänzlichen Wertlojigfeit benagt werden”; aber den Täter ftellte erjt Altum feit. „Die Auf- färung brachte mir eine Zujendung ... aus Wejtpreußen: zwei in ganz derjelben Weije angenagte Beinfnochen eines, Schafes, hoch in den Borfenriken einer ‚Kiefer gefunden... Hier fonnte nur das Eichhörnchen der Urheber jein." Ferner: einem Forjtverivalter in der Nähe von Köln war „ein großer, jchwerer Jiindsfnocden, von dem Fleijch und Knorpel rein abgenagt waren, wie die Zahnfurchen deutlich zeigten, bon einer 40 m hohen Fichte fait auf den Kopf gefallen. Auf der äußeriten Spite eines wagerechten Aites jaß ein dem Knochen wehmütig nachjehendes Eichhorn.” Unter diefen Umfjtänden bezweifelt heute wohl niemand mehr, daf das Eichhorn auch die Abmwurfitangen benagt; eine unmittelbare Be- obachtung darüber fiegt aber anjcheinend nicht vor. Beitweife und ftellenweife bemerkt man eine bejondere Vermehrung der Eichhörnchen, die man nur durch Zuwanderung erklären Tann. So wird aus dem württembergijchen Ober- land berichtet, daß dort im Sommer und Herbjt 1904 das Eichhorn „in abnorm großer Zahl al und an Objt und Nüfjen jo namhaften Schaden anrichtete, daß ein Wbjchuß geboten Ya“, Eine verhältnismäßig rafche Durch wanderung großer Mengen von Eichhörnchen durd) das Revier Elend im Harz bezeugt Forjtmeifter Schöpfer aus dem Zahre 1907. Che man jich recht fchlüffig wurde zum Einfchreiten, waren die Tiere fchon wieder verjchwunden, nicht ohne fühlbaren Schaden getan zu Haben in der vielfeitigen Art, die das Eichhorn auszeich- net. Umgefehrt belegt ‚Field‘ durch eine ganze Reihe von Zujchriften das plögliche Ber- Ihtwinden des Eichhörnchens aus verjchiedenen Gegenden Englands, wo es jonjt häufig ift, im Jahre 1911. Zur Erklärung toird außer Nahrungsmangel noch Krankheit herangezogen, weil ich mehrere franf aufgefundene Stüce mit Bandwurm oder Räude behaftet erwiejen. ;m Norden, insbejondere in Sibirien, treten die Eichhörnchen alljährlich mehr oder weniger regelmäßige Wanderungen an, durchziehen dabei auch baumloje Streden, über- |hmwimmen reißende Flüffe und Ströme oder fteigen über Gebirge hintveg, deren Höhen jie jonjt meiden. Schon aus Livland fchildert d. Qoemis („Zool. Garten”, 1880): „Auffallend it in manchem Herbjte das geradezu mafjenhafte Auftreten des Eichhörnchen, jo 3. B. 1872. IN RHLINU DEIN OR HIRBRLNSERORT \OHLRER Vor AS HUREN EURER I IET ONE CT, Eichhorn: Benagen von Geweihabwürfen. Wanderungen. Stimme, ol - Damals drangen die Tierchen jogar in die Städte hinein; in Wolmar wurden viele Hörnchen in den Straßen erjchlagen, fie jagen auf Brunnen und Zäunen und erfüllten alle Baum- gärten.” Aus Sibirien hat Radde nach eigenen Beobachtungen ausführlich über Dieje Wande- rungen berichtet und damit die Lebenzfunde der Tiere wejentlich vervolljtändigt. Befremd- lich erjcheint e8 dem in den Gebirgen Südoftjibiriens fich aufhaltenden Beobachter, wenn - er im Spätherbite plöglih Eichhörnchen gemiljen Stellen, wo Zirbelfiefern mit gereiften Bapfen jtehen, zujtreben jieht; denn eine geringe Abweichung von dem einzujchlagenden Wege führt die Tiere entweder in die Didichte nahrungsarmer Tannenmwälder oder in die lichten Laubholzbejtände, wo die verwandten Erdhörndhen nicht viel für jie übriglafjen. „uf den ziemlich trodenen Sommer des Jahres 1857, welcher das Keifen der Birbel- nüjje begünjtigte, folgte ein feuchter Herbit, in welchem die Eichhörnchen in jo großer Anzahl zu gewijjen Talhöhen drängten, daß ich mit meinem Tungujen an einem Tage ihrer 87 er- legen fonnte. Sm Sahre 1858, dejjen Sommer feucht war, jo daß die Zirbelzapfen an Fäule litten, folgten den durchiwandernden Eichhörnchen im Herbite nur wenige, jo daß etwa 20 die Höchite Tagesbeute eines Schügen war. Und im Jahre 1852 wurden Gebirge am Sid- mejtwinfel des Baifals, welche bis dahin reich an Pelztieren waren, in jo bedeutendem Grade duch die ftattfindenden Auswanderungen entvölfert, daß die meilten Jäger nach) Süden ziehen mußten, um in bejjere Sagdgebiete zu gelangen Wenngleich die Eichhörnchen im Herbite ziemlich allgemein, oft in angejtrengten Märjchen, weite Streden zurüdlegen, trifft man doch jelten größere Mengen von ihnen dicht beifammen... C3 gehört zu den jeltenjten Er- eignijjen, daß fie, jich näher aneinander drängend, in großen Zügen in der einmal eingejchla- genen Richtung vordringen. . Dies gejchah im Herbite des Jahres 1847 bei Krasnojarff, mo . biele Taujende von ihnen durch den breiten Senijjeijtrom jcehwammen und in den Straßen ° der Stadt jelbit totgejchlagen wurden.” Nac) Raddes Beobachtungen Hält die wandernden Eichhörnchen weder Lahmdeit noch ein jchiver zu überwindendes Hindernis auf. Einige der von ihm unterjuchten Tiere hatten eiternde Wunden an den Füßen und wanderten doch; viele wurden [päter von ihm ertrunfen und im Amur treibend gejehen, da fie jelbjt bei Eisgang es noch unternehmen, über den breiten und reigenden Strom zu jegen. Solche Wanderungen der jibirifchen Eichhörnchen jind ganz und gar den Lemmingswanderungen zu vergleichen und gewiß auch in ähnlichen Urjachen begründet, nur daß fie nicht jo offenfundig ins Berderben führen. Zurücd fehrt aber auch) bon ihnen fein Stüd; die Majjen jterben und verderben, unbefannt wo, wie Die Lemminge. Die Stimme des Eihhörnchens ijt im Schred ein lautes „Dud, dud”, bei Wohlbehagen und bei gelindem Ürger ein merfwürdiges, nicht gut durch Silben auszudrüdendes Murten oder, wie Dietrich aus dem Windell und Lenz noch bejjer jagen, ein Murfjen. Bejondere Freude oder Erregung drüdt e8 durch Pfeifen aus. Sein Klagelaut ijt, nach Ludwig Schuiter, der ihn bon einem angejchofjenen hörte, „ein durchöringendes, mimmerndes Gejchtei, das jehr an das Schreien der Hafen in Todesangjt oder im Schmerz anflang”. Alle Sinne, zumal Geficht, Gehör und Geruch, find fcharf. Für die geiftige Begabung jprechen das gute Gedächtnis, welches das Tier bejist, und die Lijt und Verfchlagenheit, mit denen es jich feinen Feinden zu entziehen mweiß. Sn dem Edelmarder Hat das Eichhorn feinen furchtbariten Feind, und jeine neuerliche Vermehrung fchreibt man eben der Verminderung des Edelmarders zu. Dem Fuchje gelingt es nur jelten, ein Hörnchen zu erjchleichen; Habichten und großen Eulen entgeht diejes dadurch, daß e3, wenn ihm die Vögel zu Leibe wollen, rajch in Schraubenlinien um den 552 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hörncdhenartige. Stamm emporflettert. Während die Vögel im Fluge natürlich weit größere Bogen machen müfjen, erreicht e3 endlich doc) eine Höhlung, einen dichten Wipfel, two e3 fich |hüßen fann. Anders ijt e8, wenn e3 vor dem Edelmarder flüchten muß. Diejer mordfüchtige Oejell Elet- tert genau ebenjogut wie fein Opfer und verfolgt leßteres auf Schritt und Tritt, in Den Kronen der Bäume ebenjomwohl wie auf der Erde, Friecht ihm jogar in die Höhlungen, in die e3 flüchtet, oder in das dicwandige Nejt nach. Unter ängitlichem Klatihen und Pfeifen flieht das Eichhorn vor ihm her, der geivandte Räuber jagt hinter ihm drein, und beide überbieten fich förmlich in prachtvollen Sprüngen. Die einzige Möglichkeit der Nettung für das Eichhorn Kiegt in feiner Fähigkeit, ohne Schaden vom höchiten Wipfel der Bäume herab auf die Erde zu pringen und dann fchnell ein Stüd weiter fortzueilen, einen neuen Baum zu getvinnen und unter Umftänden das alte Spiel nochmals zu wiederholen. Man fieht es daher, wenn der Edelmarder es verfolgt, jo eifrig wie möglich nach der Höhe jtreben, und zwar regelmäßig in den erwähnten Schraubenlinien, bei denen ihm der Stamm doch mehr oder weniger zur Dedung dient. Der Edelmarder fimmt eifrig hinter ihm drein, und beide fteigen toirklich unglaublich fehnell zur Höchiten Krone empor. Yebt fcheint der Marder es bereit3 am Kragen zu Haben — da jpringt das Eichhörnchen in gewaltigem Bogenjabe von hohem Wipfel weg in die Luft, ftrecdt alle Ghiedmaßen mwagerecht von fich ab und jauft zum Boden nieder, fommt hier twohlbehalten an und eilt nun ängjtlich, fo rajch e3 Fanın, Davon, um womöglich ein bejjeres Verjted auszujuhhen. Das vermag ihm der Edelmarder doch nicht nachzutun. Defjenungeachtet fällt es ihm bald zur Beute, da er jo lange jagt, bis da3 Opfer aus Erjchöpfung fich ihm geradezu preisgibt. Aus dem Kreife Wolfenbüttel wird fogar berichtet, „wie eine abe einem Eichhörnchen nachgejtellt und es troß jeiner Gewandtheit im Slettern totgebijjen hat“ („Die Jagd“, 1912). Wenn in die Enge getrieben, fucht e3 aber auch, wie die allermeijten Tiere, ganz energijch jich jeiner Haut zu wehren, und hat dabei mitunter glänzenden Erfolg. ©o jchildert E. Abner bom oftpreußiichen Gute Dommelheim den fiegreichen Kampf eines halbzahmen, öfters von ihm gefütterten Eichhorns mit einer futterneidifchen Saatfrähe, der fich auf feinem Balfon abjpielte. „Schon jchien die Kträhe gewonnenes Spiel zu haben... Da plöglich ein Griff der zierlichen Pfötchen um den Hals des Vogels, dann ein Big mit den nadeljpigen Zäh- nen, und nach einigen Frampfhaften Flügelichlägen war die Strähe verendet." Ya jogar den Syäger nimmt das Eichhorn mitunter an! NAudolf Eder auf Schloß Enzesfeld a. d. Triefting Schoß einft auf ein prachtvolles fchtwarzes Eichhörnchen. Diejes aber fprang in einem mächtigen Sabe gegen fein Geficht. „Unmillfürlich wendete ich mich weg, jo daß die twütende Kabe fich nur an den Rodfragen einfrallen konnte. Mit großer Mühe gelang es mir, das fauchende Tier herunterzureißen. Nichtsdeftoweniger nahm es mich noch einmal an, bis es durch einen wohlgezielten Fußtritt verendete”. („Weidmannsheil“, 1912.) AI diefer Mut verläßt aber das Eichhörnchen anjcheinend einem ganz neu eingeführten Feinde gegenüber, der es im Heinen, in England, angeblich ähnlich jo zu verdrängen beginnt, wie dies im großen die Wanderratte mit der Hausratte bereits vollbracht hat: das graue nordamerifaniiche Eichhorn. Diefe viel weniger hübfche, aber größere und ftärfere Art hat man jowohl in dem einzigartigen Tierparadies Woburn Abbey des Herzogs von Bedford als im Londoner Zoologifchen Garten freigelafen, und fie hat fich rafch in die Umgebung ver- breitet, indem fie zugleich die heimische rote Art verfolgte und verdrängte. Deshalb hat der Herzog auf feinem Gebiete der Sache rafch und energijch ein Ende gemacht. In London und Umgebung geht die Ausbreitung und Einbürgerung der grauen Eichhörnchen auf Koften Eichhorn: Feinde (Graues Eichhorn). Schmaroger. Fortpflanzung. 998 der roten aber ungehindert weiter, twie „Country Life“ berichtet. Schon jind die roten aus dem Botanischen Garten von Klerv vollitändig verjchwunden, wo man.jie in den Buchen der abgelegeneren Teile früher viel jah. Dagegen laufen dort jeßt die grauen Eindringlinge preijt zwijchen den Blumenbeeten umher. Ym Negent’3 Park, der unmittelbaren Nach- barichaft des Zoologifchen Gartens, laufen fie Längjt zahlreich herum. Bon Schmarogern plagt das Eichhörnchen, nach Seydel, außer dem gewöhnlichen Holzbod, der jich mit Vorliebe Augenlider und Ohrmufcheln zum Si& erwählt, in erjter Linie eine Unzahl von Flöhen, die es jelbjt während des Frejjens oft zwingen, fich zu fragen. Zur Beruhigung jei aber mitgeteilt, daß der eigentliche EiHhörnchenfloh, ein länglicher, hellbräun- licher ©ejelle, jich beim Menjchen nicht wohl fühlt und möglichit bald fein Heil in der Flucht jucht, wenn e3 jich zu einem jolchen verirrt hat. Auch eine befondere Laus hat das Eichhorn, und zivar eine ganz neue, bon dem Spezialforjcher Fahrenholz-Hannover bejchriebene Öattung (Enderleinellus). Bon inneren Schmarogern fommt am häufigiten ein breitglied- tiger Bandwurm vor; dann aber auch ein Wurm von der Form und Größe eines mäßigen Gurfenferns. Diejen legteren Barajiten fand Sehdel einmal bei einem Gremplar in jolcher Menge, daß jümtliche Hohlräume des Körpers mit ihm angefüllt waren. Die landläufigen Angaben zur Fortpflanzung des Eichhorn zeigen wieder, mie weit wir noch von wirklicher Lebensfenntnis auch unjerer gemöhnlichiten Tiere entfernt find. Nicht im März erit Fanın die Begattung jtattfinden, wie überall gejchrieben jteht; denn man hat „mehrmals jchon Junge im Sanıtar und Februar bejtätigen fönnen, namentlich in gelin- den Wintern‘ („Deutjche Jägerztg.", 1907), und es jind „Eichhörnchen im Februar gejchofjen worden, die ein Sunges im Fange trugen” („Die Zagd“, 1907). Wemer mag daher jeine ©ründe haben, wenn erden erjten Wurf bisin den Januar oder gar Dezember vorrüdt. Seydel nimmtan, „daß günjtigenfalls im Jahre fünf Würfe von durchjchnittlich vier Jungen abgejeßt werden, was einer Nachfommenjchaft von 20 Stüd aus jedem Paare entjprechen würde, abgejehen davon, daß die Erjtlingswürfe jchon in demjelben Sabre jich ebenfalls fortpflanzen“. Sedenfalls jchreiten die älteren früher im Jahre zur Paarung als die jüngeren. Ein Weib- chen verfammelt um Ddieje Zeit oft zehn oder mehr Männchen um fich, und dieje bejtehen dann in Sachen der Xiebe blutige Kämpfe miteinander. Hat doch, nach Sehydel, das Cich- hörnchen das unerhörte Gejchlechtsverhältnis von 80 Prozent Männchen! Bier Wochen nad) der Paarung wirft das Weibchen in dem bejtgelegenen und am weichiten ausgefütterten Haupt- nejte 3—7 Junge, die ungefähr 15 Tage lang blind bleiben. Eine amerifanijche Eichhörnchen- liebhaberin, Frau Dr. Powers, die während ihres Berliner Aufenthaltes mit 45 Eichhörnchen ihre Liebhaberei ganz ins große trieb, Hatte fünf Weibchen mit Jungen: e8 waren immer fünf Stüd und weniger bis herunter zu einem. Die Tiere warfen zweimal im Jahre, der zweite Wurf erfolgte gegen den Monat Juni hin. Ein anderer Beobachter („Deutjche Jägerztg.“, 1907) kann „fejtitellen, daß die etwa dDaumengliederlangen Zungen fleijchfarben und bis auf einige zarte Schnurrhaare ganz Fahl find. Nach etwa 1, —2 Wochen find fie um das Doppelte in der Länge gewachjen. Inzmwijchen drängen jich auch Die mehr oder weniger rotbraunen Haare durd, die oft einen bläulichen Schimmer haben. Nach drei Wochen find fie jchon imjtande, bom Nejte aus auf die unmittelbar benachbarten fte fich Hinauszumagen; doc) ift die Be- mwegung noch Höchjt täppijch und unficher”, während „jie im Alter von 7—8 Wochen mit den Alten um die Wette Hettern fönnen. Den Jungen fehlen zunächjt noch die ‚Hörnchen‘. Nach Stau Dr. Powers haben fie die Gewohnheit — wie im Gefühl ihrer Unficherheit —, um fich bejjer feitzuhalten, 3. B. auf der Hand fitend, den Schwanz nad) unten einzufneifert. 904 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hörnchenartige. Nach Lenz niften die Weibchen auc) in Starfaften, die nahe am Walde auf Bäumen hängen und vorher ordentlich ausgepolitert und mit einem bequemen Cingange verjehen werden, indem die Mutter das enge Flugloch durch Nagen hinlänglich erweitert. „Che die Jungen geboren find, und während fie gefäugt werden”, jagt Lenz, „Ipielen die Alten kuftig und niedlich um das Neft herum. Schlüpfen die Jungen aus dem Nefte hervor, jo wird etiva 5 Tage lang, wenn das Wetter gut ift, gefpielt, gehujcht, genedt, gejagt, gemurfit, gequietjcht: dann ift plößlich die ganze Familie verjchwunden und in den benachbarten Fichtenmwald gezogen.” Bei Beunruhigung trägt die Alte ihre Jungen in ein anderes Weit, oft ziemlich weit weg und bollbringt dabei mitunter ganz gewaltige Kraftleiftungen. So beobachtete Dörffling bei Bad Nauheim eine Eichhornmutter, die mit einem ziemlich ausgemwachjenen, zur Kugel zufammengerollten Zungen im Maule ohne Schwierigfeit meterweite Säße von Baum zu Baum machte („DeutjcheZägerztg.", 1911). Nachdem die Jungen entmöhnt worden find, jchleppt ihnen die Mutter, vielleicht auch der Vater, noch einige Tage lang Nahrung zu; dann überläßt das Elternpaar die Nachfommenfchaft ihrem eigenen Schidjale und jchreitet zur zweiten Baarung. Die Jungen bleiben noch) eine Zeitlang zufammen und jpielen Hübjch miteinander. Sm Suni hat die Alte bereits zum zweitenmal Junge, gewöhnlich einige me- niger al3 das erjtemal; und wenn auch dieje jo weit jind, daß jte mit ihr herumjchweifen fönnen, Schlägt fie fich oft mit dem früheren Gehede zufammen, und man jieht jest die ganze Bande, manchmal 12—16 Stüd, in ein und demjelben Waldteile ihr Wejen treiben. Ausgezeichnet ijt die Reinlichfeit des Hörnchens: e8 ledt und pubt jich ohne Unterlaf. Weder feine noch feiner Jungen Lojung legt e8 im Nefte oder im Nachtlager, vielmehr immer unten am Stamme des Baumes ab. Aus diejem Grunde eignet fich das Eichhorn bejonders zum Halten im Zimmer. Man nimmt zu diefem Yiwede die Jungen aus, wenn jie halb er- wachjen jind, und füttert jie mit Milch und Semmel groß, bi man ihnen Kernnahrung reichen fann. Hat man eine jäugende Kate von gutmütigem Charakter, jo läßt man durch dDiefe das junge Hörnchen groß jäugen; es erhält durch jene eine Pflege, wie man jelbit fie ihm niemals gewähren fann. Sn der Jugend jind alle Hörnchen muntere, tuftige und durchaus harmloje Tierchen, die jich recht gern Hätjcheln und Schmeicheln lafjen. Sie erkennen ihren Pfleger und befunden ihm eine gemwilje Anhänglichkeit und Gelehrigfeit, indem fie dem Rufe folgen. Leider werden fajt alle, auch die zahmiten, mit zunehmendem Alter tüdifch. oder mwenigjtens bifjig, und zumal im Frühjahr, während der Heit der Paarung, ift ihnen nie recht zu trauen. Freies Umbher- laufen in Haus und Hof darf man ihnen in der Regel nicht gejtatten, weil fie alles mögliche bejchnuppern, unterfuchen, benagen und verjchleppen; man hält fie deshalb in einem Käfig, der innen mit Blech ausgejchlagen ift, damit er nicht allzu fchnell ein Opfer der Nagezähne werde. Bedingung für ihr Wohlbefinden ift, daß fie ihre Nagezähne an anderen Stoffen abjtumpfen können. Man gibt ihnen deshalb unter ihr Futter viele harte Dinge, namentlich Nüffe und Tannenzapfen oder auch Holzkugeln und Holzftüdchen; denn gerade die Art und eije, wie fie frejjen, gewährt das Hauptvergnügen, das die gefangenen überhaupt be- reiten. Bierlich ergreifen fie die ihnen vorgehaltene Nahrung mit den beiden Vorderhänden, juchen fich jchnell den ficherften Pla aus, een fich nieder, jchlagen den Schwanz über fich, jehen fich, während jie nagen, jchlau und munter um, pugen Maul und Schwanz nad) ge- haltener Mahlzeit und Hüpfen luftig und Hübfch in affenartigen Säten hin und her. Diejes muntere Treiben und die außerordentliche Reinlichkeit ftellen fie mit Recht zu den an- genehmiten Nagern, die man gefangen halten Fann. Di ar Eihhorn: Fortpflanzung. Gefangenleben. 999 „gu berwerfen find aber”, wie Hornung-Bielefeld jehr richtig ausführt („Zool. Garten”, 1901), „die Heinen Käjten mit Tretmühlen, die leider nur zu Häufig den fchmuden Burjchen zum Aufenthalt angemwiejen werden.” Das hat man auch im Nagetierhaufe des Berliner Zoologischen Gartens berücfichtigt und unferen Eichhörnchen einen großen Innen- und Außenkäfig hergerichtet, leßteren in Form eines überdtahteten Baumes, den Wald- tebentanfen bejchatten. Das Drehrad ift ebenfalls vorhanden in einigermaßen riefigem Maß- jtabe und Humaner, Hygienifcher Form fozufagen, fo daß mehrere Tierchen zugleich jich darin vergnügen, aber jederzeit durch Abjpringen auf ein fejtes Brett da3 Spiel beenden fünnen, jobald fie dejjen jatt find. E3 ift erjtaunlich und erfreulich, wie rafch fie das begreifen und danach Handeln lernen. — Einem jung aus dem Nejte genommenen Eichhörnchen gab Hornung „einen Heinen Sajten, der mit Werg warm ausgepoljtert war und in der Nähe des Herdes jeinen Stand hatte. Bei Milchnahrung und eingemweichtem Weißbrot gedieh es prächtig und trieb anfangs in der Küche fein Iuftiges Spiel. Näherte jich ihm eine PBerjon, jo Hetterte e8 gewandt am Zeuge empor und jchmiegte jich eng an den Körper an. Auc) als ‚Beter‘ bereits die Zünglingsjahre hinter jich Hatte, fonnten wir ihn im Garten umber- laufen lajjen, ohne befürchten zu müjjen, daß er fich auf- und davonmade. Ging ich - jpazieren, jo jtecite ich den Heinen Gejellen in meine Rocdtajche, und ohne Widermillen lief er jich dann bon einem Orte zum andern fragen." Später hielt ihn Hornung dann mit anderen erwächjen gefangenen jeinesgleichen in einer Voliere. „Die gleiche Boliere be- wohnten noch Zachtauben, Meerjchweinchen, Kaninchen. Nie fan e3 aber zu Streitigkeiten. Dft ftatteten auch die Eichhörnchen den Brutftätten der Lachtauben ihren Befuch ab, ohne - jich aber jemals an den Ciern oder Jungen, Die bisweilen noch jehr Hein waren, zu ber- greifen... Der Heine Peter fam beim Rufen feines Namens jelbit in der Dunkelheit jtetS aus jeinem Nachtquartier hervor; anfänglich ließ er dabei meift einige Zaute hören”, die vielleicht als Antivort, „vielleicht aber auch als Vorwurf für die Ruhejtörung gelten jollten!... Ein in der Nähe einquartierter Häher, der über einen hübjchen Spracdhjchag verfügte, ver- anlafte das Eichhörnchen Häufig dadurch, daß er den Namen ‚Peter‘ erjchallen ließ, fein molliges Nuheplägchen zıt verlafjen. Denn Peter folgte jtet3 willig dem Nufe des Vogels, aß einige Zeit geduldig harrend da und verjchwand jchlieglich murrend wieder in feinem Gemace.” Was Hornung beklagt: daß „bei Eichhörnchen, die man längere Zeit in ©e- fangenjchaft hält, Teile des Belzes kahl werden”, ift im Zoologijchen Garten eine leidige Erfahrung bei den verjchiedeniten Eichhornarten; namentlich die anfangs fo prächtigen ederjchweife muß der Pfleger nur zu oft früher oder fpäter unmutig zu fahlen Ratten- ichwänzen werden jehen. Zur Fortpflanzung fchreitet das Eichhörnchen in Gefangenjchaft nicht eben häufig; e3 wird wohl auch jeltener paarweife gehalten. Um fo erjtaunlicher ift die Angabe von Tiemann („Zool. Garten”, 1868), daß bei einem feiner Freunde ein Paar Eichhörnchen „in einem Sahre in fünf Würfen (!) 17 Zunge erzeugt und auch) großgezogen habe.” Auch in der Freiheit fan das Eichhörnchen jehr vertraut werden; das bemweiit fein Benehmen im Berliner Tiergarten und anderen öffentlichen Anlagen, wo e3 fich ungefährdet weiß. „Der Fall dürfte aber wohl einzig daftehen, daß die Eichhörnchen des Eichwaldes in Wörishofen jidhjo an die Kurgäjte dort gewöhnt Haben und jo zutraulich find, daß fie die Nüfje aus der Hand nehmen und am menjchlichen Körper wie an Baumjtämmen empor- Hlettern. ©o berichtet Ejjer-Godesberg im „Weidwerf in Wort und Bild“ und belegt feine Angabe durch allerliebite Augenblidsaufnahmen. Der Fall jteht aber doch nicht einzig da, 556 8. Drdnung: Nagetiere. Familie: Hörnchenartige. Sondern twird noch weit übertroffen durch das Erlebnis, daS Seeger-Franffurt a... und jeine Frau auf einer Landftraße bei Kiffingen Hatten („Zool. Garten“, 1906). Beide ließ ein offen- bar noch junges Eichhörnchen ruhig heranfommen, während ein altes beizeiten verjchtmand. Zwei ihm zugeworfene Kirjchen verzehrte eS, auf den Hinterbeinen jigend, mit jichtlichem Behagen; dabei jchälte e3 das Fleifch jo vorjichtig von dem Sterne ab, Daß jogar der Stiel an legterem haften blieb. Beides, Stern und Stiel, warf es nach beendeter Mahlzeit weg. „Durd) diefe Lederbifjen Hatten wir jedoch unfer Eichfägchen jo zutraulich gemacht, daß e3 jich uns wiederholt bis auf einen Schritt näherte” und Seeger e8 mehrmals, mit feinem Spazier- jtocfe abwehrend, von Verjuchen, am Node feiner Jrau emporzuflettern, abbringen mußte. Beim Weitergehen folgte e8 „auf der Erde laufend, wie ein Hund“, und ehe Frau Seeger e3 verhindern fonnte, „jaß es nun doch an ihrem Node, an dem emporklimmend es jich ruhig mit den Händen greifen fieß“. Aber nicht genug damit: faum war ein zweites Spaziergängerpaar Hinzugefommen, „als plößlich unjer Eichfässchen während der Unter- haltung von den Schultern meiner FZrau mit fühnem Sprung auf die der anderen Dame überjprang und fich nun auc) von Diejer bereitwilligit liebfojen und ftreicheln Tieß. Kurz, das Ende unjeres Heinen Erlebnijjes var, daß das Hörnchen ... von den hinzugefommenen Herrichaften für ihre Kinder mitgenommen wurde. Der Herr jtedte eS Furzerhand unter jeinen zugefnöpften Rod, und es jchien hiermit auch ganz einverjtanden; denn es verhielt ji) ganz ruhig und ftredte nur ab und zu einmal fein Köpfchen hervor, um fogleich wieder in jenem neuen Aufenthaltsorte zu verjchiwinden... Sch halte es für ausgejchlojjen, daß das Tierchen der Öefangenjchaft entjprungen war; denn... e3 war noch biel zu jung, um jelbjt nur Furze Beit allein in der Gefangenjchaft gelebt zu haben.” Man fann fich joldhe . Borfommnijje nur jo erklären, daß das Tierchen den Menjchen als folchen nicht erfennt — eine Annahme, die man nur zu oft ntachen muß, um fich über die Ürjache wunderlich er- iheinenden Benehmens bei Tieren Har zu werden. So hängt e3 gewiß auch zufammen, was der Stofholmer Tiergärtner Behm aus dem Sfanjen dort erzählt. Dort holen die Eich- hörnchen den Bären im Zwinger nicht nur die Nüfje unter der Schnauze weg, jondern jpringen dann auch noch auf ihren Rüden und nagen fie dort auf! Sunge Eichhörnchen find weit mehr Gefahren ausgejeßt als die alten; eben aus- gejchlüpfte Fann, wie ich aus eigener Erfahrung verjichern darf, fogar ein behender Men) Hetternd einholen. Wir juchten als Knaben folche Junge auf und ftiegen ihnen auf die Bäume nad), und mehr aß einmal wurde die Gleichgültigfeit, mit der fie uns nahefommen ließen, ihr Verderben. Sobald wir den Ait, auf dem fie jagen, erreichen fonnten, waren fie verloren. Bir jchüttelten den At mit Macht auf und nieder, und das erjchredte Hörnchen dachte ge> wöhnlich bloß daran, fich recht feit zu Halten, um nicht herabzuftürzen. Nun ging eS weiter und mweiter nach außen, immer jchüttelnd, bis wir mit vafchem Griffe das Tierchen fajjen fonnten. Auf einen Biß mehr oder weniger fam e8 ung damals nicht an, weil uns unjere gezähmten ohnehin genugjam mit jolchen begabten. Lebtere fing ich, wenn fie fich freigemacht hatten und entflohen waren, ftetS auf die gejchilderte Weife wieder ein. Nacd) Martenfon („Haarwild Nußlands”) „nimmt die Jagd und der Fang von Eich- hörnchen im Jagdgewerbe Ruflands eine der erjten Stellen ein: find doch in den lebten „sahren jährlich ducchichnittlich etiva 13 Millionen Bälge in den Handel gelangt! Sobald im Spätherbft, aljo im Dftober-November, die Eichhörnchen ihr Winterhaar zeigen, ziehen Eingeborene und Auffen aus ihren Dörfern in die Wälder, um Eichhörnchen zu jagen, was bjelkowatj genannt wird. Bumeijt vereinigt man fich zu Artells (Anteilsgenofjenschaften) Eichhorn: Vertrautheit. Fang. Pelznugung. — Grauhörnden. BBY} don 3—10 Mann, rüftet jich mit Prodiant, Hunden, Schneejchuhen, Schlingen und flein- falibrigen Büchjen nebjt Munition aus und zieht auf einige Wochen in die jchon vorher im Wulde errichteten Jagohütten. Die von den Hunden (Laifi) aufgejtöberten und verbellten Hörnchen werden von den Bäumen mit der jchwach geladenen Heinfalibrigen Büchje herab- geichofjen, und außerdem ftellt man allerlei Schlingen, Fanggeräte md Fallen auf, fo die Plaschka, eine Brügelfalle, mit einem Köder aus getrodnetem Fijchfleijch, Die zwischen zei Baumjtämmen eingeflemmt wird, oder den Tscherkan, eine armbruftartige Vorrichtung.” An der Lena leben die Bauern von Anfang März bi Mitte April ganz für den Eich- hornfang, und mancher ftellt dort über 1000 Fallen. Die Tungujen jchießen das Tier mit ftumpfen Pfeilen, um das Fell nicht Zu verderben, oder gebrauchen engläufige Büchjen mit Kugeln bon der Größe einer Erbje und töten das Hörnchen durch Schüjje in den Kopf. Bon den Fellen werden der graue Nidlen und der weiße Bauch, an dem man jederjeit3 einen Streifen Grau jtehen läßt, „sehrüden” und „sehwammen“, bejonders verarbeitet. Aus Rußland und Sibirien fommen in den mwejteuropäifchen Handel blog 2—3 Millionen Felle, die übrigen werden im Lande jelbit verbraucht oder gehen nach China. Außer den Vellen verwendet man die Schwänze bejonders zu „Boas“ und die Schwanzhaare zu guten Malerpinjeln. Die Bevölferung der thüringischen, Hübjch an der Saale gelegenen Stadt Weißenfels lebt zum Teil von der Fehzurichtung. Dort it die Kürfchnerei Haus- induftrie, und ihre Erzeugnijje jieht man in den Magazinjälen der Leipziger Großfirmen balfenmweife aufgefammelt, auf ganz eigentümliche Art: al3 wenn ein forgfältig eingepadfter Kronleuchter neben dem anderen von der Dede herabhinge! Neuerdings wird Feh auch „auf Bobel” braun gefärbt, umd diejes „Zobelfeh” joll in Nordamerika jehr beliebt fein. Feh- Ihwänze werden in allen erdenklichen Farbentönen eingefärbt und in Gemeinjchaft mit den verjchiedenen Belzjorten verarbeitet. Die Verarbeitung gejchieht ausschließlich in Leipzig, tvo Jich etiva zehn Spezialfabrifen damit bejchäftigen und jährlich zwifchen 5 und 10 Millionen Sehjchmweife verbrauchen. Das weiße, zarte, wohljchmedende Fleijch des Eihhörnchens mird von Sachfennern überall gern gegejjen; vor allem pflegen jehr jugendliche Schügen dieje erjte Jagdbeute mit bejonderem Hochgenuß zu verjpeien. Daß die fibiriichen Eingeborenen- und Bauernjäger, die zeitweije von Eichhornfleijch leben fünnten, dies wirklich tun, Hört man allerdings nicht. Die amerifanifschen Baumhörnchen, mit denen wir nicht nur die Hauptgattung Sciurus, die Eichhörnchen im engiten Sinne, fondern auch die ganze Unterfamilie der Eichhornartigen (Seiurinae) abjchließen, werden je&t in jech$ Untergattungen mit gegen 70 jelbjtändigen und gegen 60 Unterarten zerteilt. Eine ganz feine Auswahl muß hier genügen, die uns na- mentlich die wichtigjten nordamerifanifchen Arten vor Augen führen foll. Fast allen diejen amerikanischen Eichhörnchen wird ein joldher Wechjel in der Farbe nachgefagt, daß der Tier- gärtner oft verzweifeln muß, ein folches Tierchen je richtig bejchildern zu können, und e3 beim Tierhändler jchon mit einem gemwijjen Grauen anjieht. Das nordamerifanijsche Grauhörnchen der Dititaaten, Sciurus carolinensis @m., ging in den zoologijchen Gärten früher immer alS S. cinereus Schreb. und mar hier neben unjerem Eichhörnchen das Häufigite. Größer und robufter alS diejes, unterjcheidet e3 fich äußerlich chon durch Die hell eifengraue Farbe und die pinjellofen Ohren. Der breite, wunder- jchön zweizeilig behaarte Schwanz hat meihge) pisteYdaare, dig Kopfjeiten find bräunlich gefärbt. 998 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hörnchenartige. Das Grauhörncdhen fpielt in der Tierwelt der Vereinigten Staaten und in den Augen der Stadt- und Landbetwohner der Union diefelbe Rolle wie unfer rotes bei uns; nur ift e3 duch den Schießjport in vielen Gegenden der altkultivierten Nordojtjtaaten bereits jehr jelten geworden. Sn den Außenteilen der Städte und Drtjchaften, wo e3 nicht gejchojjen oder fonfttvie beläftigt werden darf, hat man daher heute die bejte Gelegenheit, fein Yeben und Wefen zu beobachten. Denn obwohl weniger flug al3 das Rothörnchen, merkt e3 doch tajch die Vorteile, die e3 in einem fultivierten Gemeinmwejen hat. Wo fie genügend gejchüßt werden, machen fich die Grauhörnchen ihre Wohnung auf alten Schattenbäumen, die hohe te Haben, oder in einer Höhlung des Stammes, die jie nac Bedarf erweitern. Hier leben fie, ziehen ihre Jungen groß und legen fich ihre Vorräte für den Winter an über rafjelnden Straßen und jummenden Drähten, vollfommen gleichgültig gegen den Lärm. Denn jie lieben die Bequemlichkeit, und draußen im Walde muß jo ein Grauhörnchen immerzu auf dem Boten jein, feine verborgenen Borräte vor den diebiichen ARothörnchen zu bewachen und den wilden Mäufen der Wälder, immer laujchen auf das Najcheln der Fußtritte des Fuchjes in den dürren Blättern oder den Schrei des Naubvogels in der Ferne. Denn die Notjchulterbuffarde find gefährliche Feinde, und die Stunden, die fie gewöhnlich der Jagd obliegen, entjprechen genau den Arbeitsjtunden der Grauhörnchen — von Sonnenaufgang bis 10 Uhr morgens und von 3 Uhr nachmittags bis gegen Sonnenuntergang. Der Bujjard lauert wie eine Slate auf die Gelegenheit, ein unglücliches, unachtfames Eichhorn zu greifen; iobald feine fcharfen Augen den Schimmer eine3 bufchigen Schweifes wahrnehmen, werden die langen Schwingen zujammengeflappt wie ein Fächer, und der Räuber jtößt herunter. Dder der noch hinterlijtigere Gänfehabicht und Coopershabicht mit ihren [chmäleren, jchlan= teren Flügeln und jachtartigem Bau jchiegen mit trügerijcher Gejfchiwindigfeit Durch das Unterholz dahin, gerade richtig im Zuge, Die eifrigen Ernteeinträger bei der Arbeit zu über- tajchen. Die grauen Eichhörnchen erfahren e3 auch, daß im Herbite der Menjch, der fich im Walde aufhält, ungleich dem Städter, eine Flinte trägt und gelegentlich ebenfalls Eichhörn- chen verzehrt. Anderjeits, wenn ihnen eine Heine Ermutigung zuteil wird, lernen die Grau- hörnchen bald, dir öfter Bejuche im Zimmer abzuftatten; du brauchit nur ein Fenfter für fie offen zu lajjen, das in Sprungmweite von ihrem Baumtvipfel liegt; einige Nüffe oder ein Stüd Kuchen werden jchnell ihre Scheu überwinden Helfen. Sogar da, two fie als gejebliches Wild gelten, verlieren jie während der Schonzeit im Frühling und Sommer viel von ihrer Men- ihenjcheu. Ihre Gewohnheiten ändern fich nur wenig, ob fie im tiefen Wald oder im Weichbild einer Stadt leben. Wenn jie eine pafjende Baumhöhle finden, erweitern fie fie nach Bedarf, da jie gern inmendig reichlich Blab haben, um fich bewegen zu können. Oft beziehen ein halbes Dußend und mehr Grauhörnchen diejelbe Höhlung, und obwohl die alten Männchen dazu neigen, unangenehm launifch und tyrannifch zu werden, jcheinen fich in der Höhle für gewöhnlich doch alle ganz gut zu vertragen. Das Grauhörnchen macht aber auch Nefter von Blättern in Ajtgabehn, meijt auf Buchen. E3 fchneidet dann die Blätter im Sommer von den Zivei- gen, wenn jie noch grün find, und baut fie in aufeinanderfolgenden Lagen jo auf einen Roft bon Zweigen auf, daß fie den Regen vollftändig abhalten, aber im Inneren nur Raum für einen oder zwei Bewohner lafjen. Die Grauhörnchen warnen einander vor Gefahr mit einem tiefen, vaub Freifchenden Bellen, das fi) am Schluß in ein weinerliches Anurren auszieht und bei jtiller Luft weithin hörbar und Eenntlich ift. Se nad) der Winterfälte hält Das Grauhörnchen auch einen Winterjchlaf twie unfer rotes. ) > + Grauhörnhen: Überhandnahme. Geiftiges Wefen. 999 Und tie unfer rotes nimmt auch das Grauhörnchen in den Barkfen und Gehölzen der amerifanifchen Städte mitunter fo überhand, dag man fich feiner entledigen muß. Aus New York wurde der Überfchuß nach London abgefchoben, wo man den Wunfch geäußert hatte, daß der überflüffige Eichhörnchenbeftand nicht getötet, fondern nur eingefangen und dem Londoner Boologishen Garten überjandt werde. Gegenwärtig tummeln fich die - amerikanischen Einwanderer bereits im Londoner 300 bis zum Negent’s Barf hin. Ein» zelne find ungemein zutraulich und Haben fich, wie es jchon in New Mork ihre Urt war, mit den täglichen Bejuchern der Promenadenanlagen fo vollfommen angefreundet, daß jte jic) aus der Hand füttern lafjen. Aber jchon zeigen fich auch die Schattenfeiten diejer Ein- führung. Ein Barkwärter jagte dem zu Bejuch anmejenden Leiter des Tiergartens zu Kairo, Kapt. ©. ©. Flower, daß die grauen Eichhörnchen durch Neftraub an den Singvögeln recht viel Schaden tun; aber da3 Publikum hat mehr Spaß an ihnen al3 an den Vögeln. Aufmerffame Wärter des Londoner Zoo fprechen aber die Grauhörnchen von der Anklage des Neftraubes frei, und ficher find 1908 dort eine ganze Menge Schwarzamjeln und Droj- jeln aufgefommen, anjcheinend fogar mehr als jonjt. Das mag indes vielleicht der reichlichen Fütterung der Grauhörnchen im Garten zu verdanfen fein (‚‚Field‘“‘, 1908). Auch in Wo- burn, der nur der Tierliebhaberet im denkbar größten Stile dienenden Befikung des Herzogs bon Bedford, vermehrte fich das amerikanische Grauhörnchen im großen und war bald eine ganz vertraute Ericheinung. ES machte jich zivar Feines Schadens an Gehölzen und PBflan- zungen fchuldig (‚Field“, 190%), wurde aber Doch wieder abgejchofjen, weil es zujehends da3 eingeborene rote verdrängte. Die bei unjerem roten Eichhorn neuerdings feitgejtellte große Überzahl der Männchen zeigte fich in England auch bei dem dort eingebürgerten ameri- fanifchen grauen. Cine ganz merkwürdige Tatjache! Bom Mute des Grauhörnchens werden zwei erjtaunliche Gejchichten erzählt. Cine aus dem Boologijchen Garten von New York. Dort liefen fich zwei Grauhörnchen durch Erdrüffe in einen Zwinger loden, den fünf noch ziemlich junge Bären bewohnten. „Die Bären ließen ein erjchredtes Pfeifen beim Anblid der beiden fremden Eindringlinge ber- nehmen und — flüchteten in die Ede ihres Käfigs. Darauf holten fich die Eichhörnchen Die Nüfje Stüd für Stüd aus dem Bärenzwinger und brachten fie draußen in Sicherheit." — Koch Heldenmütiger macht jich die zweite Gejchichte, die Zipperlen aus dem Boologijchen Garten in Cincinnati erzählt („Zool. Garten”, 1875). „Bei einer Fütterung wurde ein Graues Eichhörnchen in den Käfig einer über 5 Fuß langen Klapperjchlange gebracht, die auch jogleich, da jie iiber 6 Monate nichts gefrejjen Hatte, jich bereit zeigte, über das arme Hörn- chen herzufallen, und zum Anfang gewaltig Happerte. Das Hörnchen, erjchrect, jprang mit einem Sab auf die jich beivegende Stlapper zu, wahrscheinlich in feinem Eichhörnchenverjtand dieje als etwas Drohendes und Gefährliches anjehend, und bi fie bis auf zwei Klappern ab. Ein Sat rüdwärts brachte e3 aber nicht ganz aus dem Bereich der Schlange, die e8 in den Schenkel biß. Die Wunde blutete; aber das Hörnchen jchien nun entichlofjen, den gefähr- lichen Gegner zu vernichten... Mit einem Sate ftürzte e3 auf die Schlange zu und bif fie genau Hinter dem Kopf durch die Wirbeljäule, worauf die Schlange fich ftredte... Nach einigen Stunden hatte fie aufgehört zu leben, während das Hörnchen feinen Biß überlebte und heute noch munter it.“ Bon dem Pelziverk des Grauhörnchens macht man wenig Gebraud. ES werden nur fleine Roften an den Markt gebracht, obwohl das Tier fo-häufig ift; doch haben die Felle wenig Wert, da das Haar dünn und etwas grob ift. 560 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hörnchenartige. Über die Lebensweije der übrigen Arten, die jich über Merifo, Mittel- und Eüd- amerifa verbreiten, hier aber nur jo weit, wie der Urwald reicht, ijt wenig zu finden. Rom Goldbauhhhörnchen, Sciurus aureogaster F. Cuv. (5. variegatus), aus Dit- merifo mit der Unterart S. a. hypopyrrhus Wagl. (Taf. „Nagetiere XVIII”, 4, bei ©. 533) hat $. d. Fiicher wenigjtens das Gefangenleben gejchidert. Diejes jchöne Hörnchen hat in der Regel eine rotgelbe Unterjeite, worauf jeine Namen anjpielen; die Unterjeite fann aber bis in Weiß abändern, ebenfo wie die graue Oberjeite in Schwarz, und wenn itgendivo bei den amerikanischen Eichhörnchen, fo Haben wir hier die weitgehende Unbejtändigfeit in der Farbe, die die Namenbeftimmung fo jehr erjchwert. 5. d. Tiiher3 Goldbauchhörnchen er- wiejen jich al3 ausgejprochene Tagtiere und lagen für ihr Yeben gern lang ausgejtredt auf einem Afte im vollen Sonnenfchein. Auf der Erde bewegten fie jich ganz wie das euro- päifche Eichhörnchen, aber fie famen nur ungern aus dem Gezweige herab. Beim Trejjen nahmen jie oft eine eigentümliche Haltung an: hingen an den Hinterfüßen von einem Zeig herab und verzehrten jo ihr Futter, das fie ziwiichen den Vorderfügen hielten. v. Tjehudi bringt in feiner „Fauna Peruana“ einiges über das Freileben des Wechjel- eichhorns, S. variabilis Is. Geoffr., das in der Regel oben hell rotbraun, jehr fein jchwarz 'gejprenfelt ift, unten fcharf abgejegt weiß. „Zahlreiche Varietäten, bejonders in bezug auf die Färbung des Unterleibes”, jind aber Tjchudi vorgefommten, die den Namen des Tieres rechtfertigen. Die Xebensweije „timmt jo ziemlich mit der unferer europäijchen Art überein, weicht von derjelben aber vorzüglich darin ab, daß das peruänische Eichhörnchen jich nicht eigene Neiter baut, jondern in jchon vorhandenen Yöchern alter Baumjtämme nijtet, Seine Nahrung beiteht vorzüglich aus Palmfrüchten und aus Nüfjen, die den europätjchen jehr ähnlich, aber viel wohljchmedender find. &3 Tebt fait ausichlieglich in dem lichteren Gehölze am Rande der dichtejten Urwälder, jehr jelten trifft man es tiefer in den Wäldern; am häufig- iten fommt e3 in der Nähe der Plantagen vor, bejonders zur Zeit der Neife des Maijes, der während mehrerer Monate jeine ausjchliegliche Nahrung ausmacht. ES ift au) an Orten, tvo e3 vom Menjchen noch nie verfolgt wurde, jehr jcheu und nur jchiver zu erlegen, da es in den dichtbelaubten Bäumen immer ein op Alyl findet. Sehr jelten fommt e3 nf die Erde herunter, außer um den Durst zu ftillen.‘ Nur äußerlich den europäijchjibiriichen Formen jehr ähnlich, aber nach dem Schädelbau Bertreter einer bejonderen Untergattung ijt das Hudfonhörndhen, Rothörncdhen oder Chifaree der Amerifaner, Tamiasciurus hudsonieus Erzl. 63 lebt im Hudfonbaigebiete, Labrador, Kanada, Alaska und den nördlichiten Staaten der Union. Die Hauptfärbung it oben, von den regellojen Farbenänderungen abgejehen, ein jtunpfes Notbraun, mit grauen Tönen untermijcht, unten jtet3 weiß; im Winter hat e3 furze Ohrbitfchel. Bon unjerem Eich- horn unterjcheidet e8 fich aber auf den erjten Bi jchon dadurch, daß e3 Heiner und Furz- Ihmänziger it, und durch eine gewilje Diefföpfigfeit. Auch) ift der Schwanz verhältnismäßig dünn und furz behaart, die Beine find lang und dünn im Verhältnis zum Rumpf, und die ganze Gejtalt ijt nicht jo anmutig wie beim grauen oder Fuchseichhorn. in Didköpfchen Icheint eS in doppeltem Sinne zu fein. „Was ihm an Größe fehlt”, jagt Hornaday, „er jeßt e3 durch Mut und Lebhaftigkeit. - In den Neuenglanditaaten vertreibt e3 oft jämtliche graue Eichhörnchen aus einem Gehölz, wenn diefe fich unterfangen, mit ihm gemeinjam da [eben zu wollen.” Und dabei ift das graue viel größer und stärker! Gegen den Rat, das Rot: hörnchen als bösartiges Tier auszurotten, wendet jich aber Hornadat) mit Recht: „Die völlige Goldbauhhörnhen Wechjeleihhorn. NRothörnden. 561 Ausrottung einer Säugetier- oder Bogelart ift ein zweifelhaftes Experiment, auf das man jich ohne die jorgfältigiten Unterjuchungen nicht einlafjen jollte.” Ein jehr weijes Wort, das zu allen Zeiten und an allen Orten gebührende Nachachtung verdiente! Hart Merriam jchildert das Nothörnchen aus den Adirondadbergen bei New York als wenig jcheu vor dem Menjchen, das dreijtefte jeiner ganzen Sippe. E&3 ift immer auf dem Bojten von der Morgendämmerung bis zum Sonnenuntergang, manchmal, bejonders bei Monpjchein, jet e8 jeine Streifzüge durch die ganze Nacht fort, und wo e3 fich draußen findet, belebt e3 die Stille der Wälder durch fein fortwährendes Gejchnatter. Obwohl ein gewandter Slletterer, der jich in weiten Sprüngen von At zu Aft gefällt, jolche mit Grazie und Sicherheit ausführt, bringt e3 doch viel mehr Zeit auf der Erde zu als die anderen Baum- hörnchen, macht zumeilen jogar jein Nejt in Erdhöhlen. Darauf würde auch fein neuejter Untergattungsname Tamiasciurus pajjen, der joviel bedeutet wie erdhörnchenähnliches Baumbörnden. Alte Stämme und Stümpfe, Holzjtöße und Neijighaufen jind beliebte Unterjchlupfe, und wenn e3 fich jelbit einen unterivdiichen Bau gräbt, jo legt es ihn gewiß im jicherften Winfel an. Wie nach. feiner Verbreitung zu erwarten, ijt e& das härtejte der amerikanischen Eichhörnchen. &3 bewohnt nicht nur Gegenden, two man die Strenge des nordischen Winters bitter empfindet, fondern verichmäht auch den Winterjchlaf, bleibt viel- mehr jelbjt bei der größten Kälte munter. Wenn e3 über den Schnee läuft, verjinft e3 oft unter diejen, läuft außer Sicht ein Endchen weiter und jchüttelt, wieder auftauchend, den Schnee von Kopf und Körper, fegtjeinen Schwanz ab und hüpft dahin, jo leicht und offenbar jo wohlgemut, al3 wenn e3 vom Bad im riefelnden Bach am heißen Sommernachmittag fäme. Eben deshalb Hat e3 aber jeder gern, meinen Stone und Cram, wenn e3 auch mehr fleine Fehler und weniger Tugenden hat al3 anderes Waldgetier. E3 ijt zänkijch, lärmend und boshaft und mijcht jich immer in die Angelegenheiten anderer. Jim Winter macht e3 jich jörmlich ein Gejchäft daraus, feinen Nachbarn die Mundvorräte zu rauben, die fie fich zujammengetragen haben, obwohl es jelbjt jtetS mehr als jein notwendiges Teil beifeife gebracht Hat und eiferfüchtig bewacht. Jim Sommer plündert e3 die Bogelnejter auf den Bäumen und am Boden. Man trifft es ficher auf allen Landwegen zu jeder Jahreszeit; in den meijten Norditaaten find Rothörnchen jo gemein tie bei uns in Deutjchland Heute die Schmwarzdrojjeln. Andere Eichhörnchen lieben ein jorglojes Zigeunerleben in der warmen Sahreszeit und denken erjt an die Erntearbeit, wenn die Nüjfe reifen. Dagegen beginnen die emjigen Rothörnchen jchon früh im Zuli, wenn die Jungen noch gewartet und be- wacht werden müljen, die grünen Zapfen der Weißtanne zu Schneiden, und arbeiten von früh bis jpät, jte unter den Tannennadeln einzugraben, immer ein halbes Dutend an einer Stelle, um jie dann im Winter und erjten Frühjahr wieder Herauszuholen und den Samen im Ssineren aufzufnaden. Keine Schneemajje ann fie dann viel hindern, wenn e3 heißt, Die Stelle der vergrabenen Vorräte zu finden. Wenn die Zeit des Tannenzapfenfammelns vorüber it, reifen die Nüfje und Eicheln, und es gibt Falläpfel, die aufgelefen und in hohlen Bäumen gelagert werden; denn das Rothörnchen zieht ftreng feinen Zehnten von den Far- mern ein. Mit dem Korn übrigens wartet es lieber, bis diejes der Farmer jelbjt auf dem Speicher hat, two e3 das Eichhörnchen ohne viel Zeitverluft Haben fan. Die Hemlocdtannen halten ihren Samen den Winter über, und da vergeht fein Tag, ob Schnee oder Winter- jonnenjchein, daß man nicht die Nothörnchen von den Spiben der jchwanfenden Außen- ziveige abernten jieht im Verein mit den zwitjchernden Kreuzjchnäbeln und Hafengimpeln. Sm erjten Frühling find die Rothörnchen hübfch fleikig, den Zucerahorn anzuzapfen. Brehm, Tierleben. 4 Aufl. XI. Band. 36 562 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hörnchenartige. Sie Hettern zu den Wipfelfnofpen empor, wenn dieje im zunehmenden Sonnenjchein zu ichwellen beginnen, nagen napfförmige Vertiefungen in die Dberfeite eines Zmeiges und _ trinfen dann den Saft, der fie füllt; ein dugendmal am Tage fehren fie wieder zu der jüßen Grfriichung. Zugleich belauern fie die Bewegungen der Badenhörncden und grauen Eich- hörnchen in der Hoffnung, daß diefe ihnen gerade jest ein verborgenes Nußlager verraten. Sie find aber auch jederzeit tüchtige Fleifchfrefjer, obwohl, außer im Bogelneftraub, nichts we- niger als erfolgreiche Jäger. Aber fie folgen bejjeren Jägern, um aus deren Jagdglüd Nußen zu ziehen, und fchädigen den Trapper, indem fie ihm den Köder aus den Fallen ftehlen. Obwohl die Rothörnchen mit wenigen Ausnahmen in Gefangenjhaft nicht zahm merden, jind die meijten geradezu erpicht auf die Gejellichaft des Menjchen: ihr heller Stopf läßt fie jehr fchnell entjcheiden, wenn fie wirklich trauen fünnen. Den einfamen Holzhauer erfreut oft die Gefellichaft des Iuftigen Waldgeijtchens, das ihn jeden Morgen mit großem Gejchrei vom Holzitoß herab begrüßt und verjucht, ihm fein Frühftüd zu ftehlen, jpäter die zerftreuten Krumen auflieft oder mit dem Talg wegrennt, den der Holzhauer bei jic) Hat, um den Stiel feiner Art einzufetten. Die meiften Rothörnchen haben nicht genug mit einer Wohnung. Cie müjjen eine unterirdifche Höhle zwifchen Baummwurzeln für alle Fälle Haben und außerdem noch ent- weder ein Neft in den Zweigen oder in einem hohlen Baum oder beides. Wenn fie bon einem verlajjenen Krähen- oder Habichtnejt Bejis ergreifen Fönnen, jo überdachen fie e3 mit Moos, Rindenftreifen und Tannennadeln und haben ein behagliches Heim für jedes Wetter. Sn den meilten Tannengehölzen jind mehr folche Nejter von Rothörnchen bejebt als von den urjprünglichen Eigentümern. Ein andermal wieder richten fie eine Plattform von Zweigen in einer Wjtgabel oder am Stamme her, bauen darauf ihr Neft, geftügt durch Heine Äfte, aus feuchtem Moos und Zedernrinde und deden e3 mit Tannennadeln. Sie machen aud) Neiter von weichem Gras in hohlen Stämmen und Stümpfen oder in einem Holzitoß. Einzelne Nüfje Feilen fie mitunter in Zmweiggabeln und Nindenjpalten. Sehr viele Ähnlichkeiten im ganzen Leben und Weben mit unjerem Eichhorn; nur die eivig Frafeelerige Dreijtigfeit macht einen auffallenden Wejenszug aus, auc) in der Gefangen- ichaft. ©o ein frecher Knnicps wird nie den fütternden Pfleger heranfommen lafjen, ohne, während er ihm die Lederbijjen aus der Hand nimmt, ihn fortwährend erregt anzujchnattern und auf die Hand loszufahren. Neben den Hudfons- und Grauhörnchen gibt e3 in Nordamerika noch eine dritte Eich- horngruppe, die Fuhsihmwanz- oder Kagenhörnchen (Guerlinguetus Gray), die größten amerikanischen Baumhörnchen, die in vier Lofalformen den größten Teil der Vereinigten Staaten öjtlich des Feljengebirges bewohnen. Am längjten befannt jind die Sorm des oberen und mittleren Miffiffippi, G. niger rufiventer @eoffr. (S. ludovicianus), und die der Sidojt-Staaten und Floridas, G.n.niger L. (capistratus), die zuerjt nad) einem Schmwärz- ling bejchrieben wurde und daher ihren eigentlich ganz unpajjenden Namen trägt. Die nördliche Form ijt etivas Heiner al die füdliche, oben rotbraun mit Schwarz verwajchen, unten hellbraun. Die füdliche ijt jehr ähnlich in der Yarbe, hat aber immer rein weiße Naje und Ohren und ift Dadurd) aus allen amerifanifchen Eichhörnchen fofort Herauszufennen. Sonit ift die regelrechte Farbe oben:auf dem Kopfe jchtwarz, oben auf dem Rumpfe jchivärz- Kchbraun, unten heller braun, Schwanz dunkelbraun, fchtvarz gerändert. Abänderungen find auch bei diejer Eichhorngruppe an der Tagesordnung in jeder Schattierung bis zu Bechjichtwarz RothHörnhen, Fuhsihwanzhörndhen. Brafilhörndhen. 903 über den ganzen Klörper; aber Ohren und Naje find immer weiß. Die nördliche Form ift, nach Hornaday, die veränderlichite von allen: unter 50 Stüden wird e3 fchiwer, wenn nicht unmöglich fein, zwei ganz gleiche herauszufinden. Dft hat fie ein jchönes graues Haarfleid undJsieht aus wie ein echtes Grauhörnchen mit braunem Rüden und Kopf. Oft ift fie oben dunkelgrau und jchtwarz an Bauch und Sliedern — eine fremdartige Farberzujfammenftellung. Stone nennt die Fuchshörnchen große, jtarfe Burfchen, die ihr Wejen der Waldart anpajjen, in der jie leben. Jm Hartholz leben jie jehr ähnlich wie die Grauhörnchen im Som- mer, jorgen aber gewöhnlich weniger für die falte Sahreszeit vor; fie vermeiden lieber jolche Gegenden, wo längere Zeit tiefer Schnee liegt, und lafjen e8 darauf anfommen, daß jie von Tag zu Tag ihr Futter finden, indem jie im Fallaub nad) Eicheln und Nüfjen jcharren, und, wenn dieje fehlen, jo gut e8 geht, von Baumfnojpen leben. Bei rauhem Wetter bleiben jie eng beifammen zu Haufe in ihrer Baumhöhle und leiden lieber Hunger, al3 daß fie der Kälte Troß bieten. rn der milderen Zahreszeit juchen fie Wildobit, Beeren, Pilze und gehen in die Kornfelder, jobald die Ihren die milchige Neifeftufe erreicht ‘haben. Auf den Tannen des Eüidens bauen fie große Nefter aus Spanifchem Moos (Tillandsia) in den Wipfeln, und in dieje bringen fie die abgebiljenen Zapfen, genau wie die Rothörnchen es auf den Weiß- tannen des Nordens machen, indem jie auf ähnliche Weife die Zapfenjchuppen abbeigen, um zu dem Samen zu gelangen: Die zerftreuten Schuppen am Fuß ihres Neftbaumes ver- taten fie oft dem Eichhornjäger. Sr den Laubmwäldern bauen die Fuchshörnchen Nefter aus trodenem Laub: ein großes Bündel, das oft jehr auffallend gelb ausjieht. Ein andermal leben jie in Baumhöhlen und nehmen trodenes Gras und Streifen weicher Rinde zur Aus- Heidung ihres Lagers. Ein ausgewachjenes Fuchshörnchen Hat nad) jeiner Größe und Stärfe wahrjcheinlich wenig von den Raubvögeln zu fürchten; gleichwohl mag der Rotjchtwanzbuffard gelegentlich einen Angriff wagen oder der Öänjehabicht, mern er durch einen ungewöhnlich Harten Winter nad) Süden getrieben wird. Die jhlimmiten Feinde des Fuchshörnchens find ohne Zweifel der Rotluchs, der Graufuchs und der Wajchbär. Vom Menjchen werden die Fuchshörnchen viel gejagt für die Küche, weil jie etwas wiegen und gut jchmeden; aber e3 gehört ein ge- ichieter Pirjchjäger dazu, um viele zu erlangen. - Das Brajilhörncdhen, Guerlinguetus aestuans Z., ijt oben rotbraun, die Kehle weißlichgrau, Bruft und Bauch rötlichgelb. CS liebt, nad) Snethlage-PBard, mehr dichtes Unterholz, auch) das Gejtrüpp verlajjener Pflanzungen, weniger den lichten Hochwald und tmagt fich auch nicht jo leicht auf die äußerjten Zmeigjpiten hinaus wie unjer Eichhorn; GC. Snethlage jah das Tier mehrfach), „um eineri Nebenbaum zu gewinnen, lieber auf die Erde herabjteigen und in langen Säten über den Boden flüchten”. Anfang Dezember jchoß ihr Träparator ein Weibchen mit Milch) im Gejäuge. Den landesüblichen Namen „Coatispuru“ verdankt Ddiejes Eichhörnchen feinen eigentümlichen Stimmlauten, „die mwirflih) an die jchrillenden Hohen Zanftöne der Coatis (Nafenbären) erinnern, aber viel leijer find”. Yon ihren Öefangenen im Soologischen Garten von Para Hat E. Snethlage diefe Laute aber nie gehört. Unter drei Käfiggenofjen fand ich ein Baar zufammen, das zweite Weibchen wurde jchlecht behandelt: eines Morgens fand man es „mit fchiweren Berlegungen, unter andern einer markjtüdgrogen Wunde an der Seite, wo Haut und Haar bis in das Fleijch abgefrejjen waren... Aber die Wımde jchloß fich nach unglaublich kurzer Zeit vollitändig, und nad) einigen Wochen fonnte man die Narbe äußerlich faum noch wahrnehmen.” — Sn Cofta Rica, 36* 564 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hörnchenartige. two eine von dem Berliner Syitematifer Beter3 unterjchtedene Unterart (G. ae. hoffmanni Ptrs.) vorfommt, ift diefe, nach dv. Franbius, jo zahlreich in den Kafaoplantagen, 5. B. im Matinatal, und tut da fo viel Schaden an den reifen Kafaofrüchten, daß es die wichtigite Rflicht des Aufjehers ift, täglich durch die Plantagen zu gehen und Eichhörnchen zu jchießen. TIroßdem werden eine große Menge Ktafaobohnen angebijjen und verfaufsunfähig gemacht; man nennt fie „Eichhörnchen-Kafao” und gibt fie den Arbeitern in Zahlung. * Die nach ihrer Kleinheit jo genannten Zwerghörnchen (Nannosciurinae), eine Feine Gruppe twinziger Baumhörnchen, hat Durch Foriytd Major Schävel- und Gebißunter- juchungen eine fo jelbjtändige Bedeutung im Syitem erlangt, daß fie von den übrigen Baum- hörnchen mweiter entfernt worden find als Ziejel und Murmeltiere und eine eigene Unter- familie bilden wie die Flughörnchen. Sie haben einen langen Kopf, zugleich aber eine breite Stirn, und außerdem it das Auge von einem faft vollftändigen Kinochenring umgeben. Die Badzähne find denen der Schlafmäuje auffallend ähnlich. Sechs Arten (Nannosciurus exilis Müll. Schl. u. a.) leben auf Malaffa, Sumatra, Savda, Borneo und den Philippinen und eine Art (Myosciurus minutus Du Chaillu) in Se (Gabun). Ein jehr niedliches Tierchen muß Whiteheads Zwerghörnden, N. whiteheadi 7T’hos., aus Nordborneo fein, das ohne Schwanz nur 8 cm lang ift, an den Ohren aber längere Binjel aus jchwarzen und weißen Haaren hat alS irgendein anderes Hörnchen. Die Farbe ift olivengrau gejprenfelt. Dieje Hochinterejjante Baumhörnchenform, die auch vor ihren nächjten Verwandten, den übrigen Zwerghörnchen, durch die mächtigen Ohrpinjel noch ganz bejonders ausgezeichnet ijt, Fam durch Whitehead zuerjt 1888 in das Britijche Mufeum, wo fie Dldfield Thomas natürlich alsbald entjprechend würdigte. Iho- mas bildet das Whiteheadhörnchen auch ab (‚„‚Proc. Zool. Soc.‘, 1889) und jtellt e8 mit den anderen neuen Arten vom Sina Balu (Berg in Borneo) jehr richtig alS Beweis dafür Hin, iwie weit wir noch von wirklicher Kenntnis der Heinen Säugetiere entfernt jind. Zugleich jtügen dieje Heinen Säugetierformen vom Sina Balu, vorm denen eine Art bisher nur vom mpdijchen Feitlande (Himalajagebirge), zwei von Sumatra und je eine von Java und Celebes befannt waren, die allgemeine Annahme, daß wir in der Hinterindijchen Snjelwelt die Re gelegenen Nejte eines verjunfenen Feitlandes vor uns haben. * syn einem gewiljen Gegenfage zu den Taghörnchen ftehen die nächtlich lebenden Flug- hörnchen (Petauristinae), die legte Unterfamilie der Hörnchenartigen. Sie unterjcheiden jich von jenen Hauptjächlich dadurch, daß ihre Beine und Füße Durch eine breite „Flug- haut” verbunden find. Dieje ift aber nur ein Fallfchiem, der die Flughörnchen befähigt, mit Leichtigkeit fehr bedeutende Sprünge in fchiefer Richtung von oben nach unten auszu= führen, und bejteht aus einer derben Haut, die an den vorderen und hinteren Gliedmaßen und zu beiden Seiten des Leibes befeftigt und auf der Nücenfeite dicht, auf der Bauchjeite aber dinm und jpärlich behaart ift. Ein Mnöcherner Sporn an der Handiwurzel ftügt das vordere Ende der Flughaut noch befonders. Der Schtvanz dient als Fräftiges Steuerruder und ijt immer ftark, bei den verjchiedenen Arten jedoch nicht in derjelben Weije, bei der einen Gattung nämlich einfach bufchig, bei der anderen zweizeilig behaart. Hierzu fommen geringe Unterjchiede im Zahnbau. Die rundjchrwänzigen Flughörnchen zeichnen ji) durch Bwerghörndhen. — Taguan. 965 den eigentümlichen Bau ihrer Eleinen, abgerundeten und verjchmälerten Badzähne aus, während die Gattung mit zweizeiligem Schtwanze das Gebiß der echten Eichhörnchen bejist. Eine dritte Gattung mit nur einer Art hat wiederum anders gebaute Badzähne. Die Flug- hörnchen find über die nördliche Erbhälfte verbreitet und im Bergleich zu den übrigen Gat- tungen der Familie arm an Arten; immerhin haben fie es in Trouejjart3 Supplement auc) jchon auf 50 jelbjtändige Spezies gebracht. Der Taguan, Petaurista oral Tick. (Pteromys, petaurista), da3 größte Mitglied der ganzen Samilie, fommt in feinen Körperverhältnijien einer Hausfage fait gleich; jeine Leibeslänge beträgt an 60 cm, die des Schwanzes etiva ebenfoviel und die Höhe am Widerrifte 20 cm; ausgebreitet Hlaftert e3 60 cm. Der Leib ilt-gejtredt, ver Hals furz, der Kopf bechtniäihäßig fein und die Schnauze zugejpist. Die Ohren find funz und breit, jtehen aufrecht und laufen in eine Spige aus, die weit vortretenden Augen jind groß. Die Hinterbeine find deutlich länger als die Vorderbeine; jene haben 5, dieje 4 Zehen, die, mit Ausnahme der-mit plattem Nagel befleiveten Daumenmwarze, furze, Frumme und jpiige Krallen tragen. Die Flughaut beginnt an den VBorderbeinen, zieht jich an den Ceiten Des Leibes nach hinten und heftet jich an den Hinterbeinen an, von mo aus jie jich noch in einer Heinen Hautfalte gegen den Schwanz Hin verlängert. Jr der Ruhe wird fie an den Leib an- gezogen und tritt bloß da Iappenähnlich vor, two fie durch den jpornartigen Sinochen an der Handivurzel geftüßt wird. Der lange und jchlaffe Schwanz ift jehr did und bujchig behaart, der Pelz auf dem Körper und den Gliedmaßen dicht, Furz und anliegend, auf der Nüden- jeite rauher al3 auf der Unterjeite und am Schwanze; die Flughaut erjcheint wegen der furzen, feinen Häcchen an ihrem Rande wie mit Franjen bejegt. Hinter den Ohren verlän- gern fich einzelne Haare zu einem Busch, und auf der Wange jteht eine mit Borjten bejegte Warze. Die Schnurrhaare find mäßig lang, aber jteif. Wie bei allen nächtlich lebenden Tieren jtehen einige diefer Fühlhörner über den Augen, um das wichtige Sinneswerkzeug zu jhügen. Auf der Oberjeite des Kopfes, dem Rüden und an der Schwanzmurzel tird die Färbung des PVelzes, ein Gemifch von Grau und Schwarz, dadurch hervorgebracht, daß einzelne Haare ganz jchwarz, andere an der Spite weißgrau ausjehen; Die Seiten des Kopfes und der Streifen, der fi) vom Naden gegen die Vorderbeine zieht, jind entweder ebenjo gefärbt wie die Oberjeite oder rötlich fajtanienbraun; das Geficht ijt vorn jchwarz, das Ohr hellbraun und der Hauptbufch Hinter demjelben dunkelbraun. Auf der ganzen Unterjeite hat der Pelz eine jchmusig weißgraue Färbung, die in der Mitte des Leibes etwas heller wird. Die Flughaut it oben jchwarzbraun bis Fajtanienbraun, licht afchgrau gerandet, unterjeitS grau, etwas ins Gelbliche fallend. Die Beine find rötlich Fajtanienbraun over vötlichjehtvarz; der Schwanz ijt [chivarz. Die Heimat des Taguanz find alle Gebiete Dftindiens und Ceylons, wo ausgedehnte Waldungen vorkommen; dort Hauft er einzeln oder paarweife in den dichteiten Teilen und borzugsweije auf den Höchiten Bäumen. Bei Tage jchläft er in Höhlungen der Stämme, nachts Brmmt er hervor und EHettert und fpringt mit außerordentlicher Schnelligkeit, Ge- wandtheit und Sicherheit imden Baumfronen umher oder in jehr weiten Säben nach be- nachbarten Bäumen, immer von oben nach unten. Dabei breitet er jeine Füße wagerecht und jpannt Hierdurch die Flughaut zu einem weiten Fallihirm aus; erdon hat ihn Streden von 60 m durchmejjen jehen. Der Schwanz wird al3 Steuerruder benust und joll das Tier befähigen, durch plögliches Wenden die Richtung feines Fluges mitten im Sprunge 566 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hörnchenartige. zu verändern. Nach Sanderjon erivarten aber die Eingeborenen das Tier, das, einmal in der Luft, von feiner Richtung nicht mehr abweichen fann, am Endpunfte der Ducchjchwebten Linie und töten e3 mit einem Stocjchlage. Unter feinen Sinnen find Gehör und Geficht ziemlich ausgebildet, die übrigen aber weit unvollfommener entwidelt. Sn jeinem geijtigen Wejen unterjcheidet er fich wefentlich von den eigentlichen Eichhörnchen. Er Hat weit weniger Berftand und ift noch viel furchtfamer und jcheuer als jeine den Tag liebenden Ber- wandten. Das geringjte Geräufch erfüllt ihn mit Entjegen und bewegt ihn zur eiligjten Flucht. Dies macht man fich in ndien zunuge, indem man das Tier in mondhellen Nächten ichr gejchiet über Baumäfte jagt, auf denen jadartige Nebe derartig aufgeftellt jind, da fie, jobald das Tier hineinfährt, abfallen und durch Zugjtride an der Mindung sugejchnürt werden. &o erlangt man das fcheue Wild lebendig. Infolge der Schwierigkeit, den nur des Nachts und dazu im nern der Wälder er- icheinenden Taguan zu beobachten, fehlen genauere Nachrichten über jeine LVebensmeije. Serdon führt an, daß er fich von mancherlei Früchten jorwie von Knojpen, Schofjen und Borfe ernähre, Tiefell, daß er gelegentlich auch Kerbtiere nehme. Von einer verwandten, in China lebenden Art, P. alborufus A. M.-E., erzählt Swinhve. Kampferjammler hatten auf einem hohen, alten Baume ein großes Nejt bemerft und den Baum gefällt. Beim Niederjtürzen wurde das Neft weggejchleudert, und zwei große Flugeichhörnchen [prangen Heraus, um auf einem benachbarten Baume Zuflucht zu juchen. Jr dem umfangreichen, gegen Im im Durchmeffer Haltenden, aus dürren Zweigen errichteten, mit Gras ausgefütterten und mit einem feitlichen Eingange verjehenen Nejte fanden die Yeute ein lebendes Junges und be- mächtigten fich feiner. Nach Tiefell fchläft ver Taguan auc) in der Gefangenjchaft am Tage viel, wobei er entweder ganz zufammengefrünmt, den Kopf unter den Bauch gejchoben, jibt, oder mit geftredten Beinen und ausgebreiteter Flatterhaut auf dem Rüden liegt; lettere Stellung nimmt er vorzugsweije bei jchwüllen Vetter an. Des Nachts ift er beitändig in Bewegung, aber bei weiten nicht jo flinf wie die Eichhörnchen; fein Gang am Boden ift ein unjicherer Hüpfender Galopp, und jelbit an Stämmen wie im Gezweige zeigt er jich nicht jonderlich behende, fcheint vielmehr auch beim Stlettern Durch die faltig Hängende Flatterhaut nicht wenig behindert zu werden. Die Stimme it ein eintöniges Trommeln, aber jo leije, daß man jelbjt im Zimmer aufmerfam horchen muß, um e3 überhaupt zu vernehmet. Den japanifchen Vertreter der Gattung, Petaurista leucogenys Temm., erhielt v.Noret einmal auf einer jeiner Reifen im Sgnnern des Snjelceiches, „auf dem Kojama, io einer Der Ihönften und berühmteften Buddhiltentempel von ganz Japan jteht, alljeitig von großen Kryptomerien- und Ciathopithes-Waldungen, welche noch zum Haine des Tempels gehören, umgeben... Al ich es faufte, jaß es nach Eichhörnchenart munter im Käfige auf den Hinter- beinen, hatte den dichten, graubraunen, bufchigen Schwanz über Rüden und Kopf gelegt und jah ung mit den großen, dunfeln, fugeligen Augen fehr ruhig an. Die Vorderpfoten hielt e3 unter dem Kinn zufammen, und von da ab hingen in leichten Biegungen die innen licht behaarten Flughäute nieder. Aus feiner Ruhe aufgeftört, Froch es ziemlich langjam über dei Boden hin und fah in feinem grauen Pelze fehr unjerem grauen Eichhörnchen ähnlich, Über- haupt erinnert das Tier in feinen Bewegungen beim Freffen, Schlafenlegen, Pußen und dergleichen jehr an den genannten Samilienvertvandten. Nur feine bedeutende Größe (von der Najen- bi3 zur Schtwanzjpige 80,7 cm) und fein viel ruhigeres, fanfteres Benehmen unter- Iheiden das Tier auffällig. Die wenigen Tage, welche ich e3 am Leben erhielt, war das Tier nacht3 jtet3 munter, Eroch viel in dem engen Käfig umher, verfuchte abernie, fihdurchgunagen. = / Taguan. Zapanifches, Wolliges Flughörnchen. Flughörndeir. 967 Dagegen bverbarg e3 fich tagsüber im Stroh und fchlief... Von den borgelegten Zeigen nahm e3 nur etiva8 Cryptomeria ar, wovon ich auch unverdaute Refte im Magen fand. „Uber fein Sreileben wurde mir folgendes befannt. 3 lebt in Bergmwäldern, deren alte, ausgedehnte Beftände Hauptjächlich au3 Cryptomeria und Ciathopithes bejtehen, unter dem Namen Bantori (Nachtvogel) oder Nobufuma vereinzelt und führt eine nächt- liche Lebensweife. Nach Einbruch der Dunkelheit geht e3 feiner Nahrung nach und Hujcht eilig, mehr fliegend al3 fpringend, in weiten Säßen von Baum zu Baum. Tagsüber ver- birgt e3 fich in Löchern alter Bäume, worin e3 zufammengerollt jchläft... Syn der Ge- fangenjchaft war e3 janft und fauchte nur leife bei längerem Reizen mit einem Stödchen. Dagegen jprang e3 heftig gegen das Gitter, al3 ich mein Geficht ganz dicht daran brachte.” („Zool. Garten”, 1875.) . Sm Boologifchen Garten Hat nur London einige der groen Flughörnchenarten zeigen fönnen, bon lebender Einführung fonft in Europa ift nicht3 befannt. &3 muß eine Schwierig- feit in der Ernährung liegen; javanifche Pflanzer, die Hed zur Eingewöhnung der interejjan- ten Tiere anzuregen fuchte, Hagen allgemein, daß dieje nicht leben bleiben. Cine abweichende Form unter den großen Flughörnchen und eine der größten unter ihnen it das Wollige Flughörndhen, Eupetaurus cinereus T’hos., aus dent nordieitlichen Kajchmir (Gilgit), das vielleicht auch in Tibet vorfommt. Abweichend nicht nur im Gebiß durch die hohen Kronen und flachen, nicht gerippten Kauflächen der Badzähne, die ihm den Rang einer befonderen Gattung (Eupetaurus T’%os.) verjchafft Haben, jondern jeden- fall3 auch in der Lebensweife! Denn nach der Natur jeines Vaterlandes und jeinen Furzen, ftumpfen Stallen zu urteilen, fcheint e3 fich viel mehr auf Telfen al3 auf Bäumen zu be- wegen, und man könnte e daher wohl auch ganz pafjend Feljenflughörnchen nenneır. Sm allgemeinen dunfel graubraun gefärbt, oben mit leicht grünlichem, unten ajchgrauem Ton, mißt e3 im Körper nicht weniger al3 45 cm, wozu noch der ungewöhnlich bufchige Schwanz mit 60 cm fommt, ift alfo fchon ein recht ftattlicher Nager. Die mwollige Be- haarung erklärt fich durch das Klima feiner Heimat. — Zn den Sammlungen ift e3 natür- fi) ein jeltenes Stüd. Das erjte Fell brachte Lydeffer 1873 heim; aber ext 1888 erfannte Thomas an einem lebenden Eremplar die neue Art und Gattung. Die Heineren Flughörnchenarten mit breitem, zmweizeilig behaartem Schwanze (Öat- tung Seiuropterus F. Cw. [Pteromys]) teilen den füdoftajiatijchen Verbreitungstreis der großen Verwandten; jo fommt 8. sagitta Z. auf Weit-FJava befonders in den Stofos- pflanzungen vor und macht fein Neft dort in einer leeren Nuß oder zwijchen den Wedeln im Wipfel der Palme. Zugleich gehen diefe Kleineren Arten aber in den Norden nicht nur Aliens, fondern auch Europas und Amerifas. Bon ihnen bewohnt das Flughörnden, Ljutaga der Nujjen, Umfi oder Dmfe der ojtjibirifchen WVölferjchaften, Sciuropterus russicus Tiedem. (volans), den nördlichen Teil von Ofteuropa und fajt ganz Sibirien. Das Tier it bedeutend Heiner al3 unfer Eichhörnchen: fein Leib mißt bloß 16 cm, der Schwanz nur 10 cm oder mit den Haaren 13 cm, und das Gewicht eines erwachjenen Tiere3 über- jteigt jelten 180 g. Der dichte und mweichhaarige, feidig anzufühlende Pelz ijt im Sommer auf der Oberjeite fahlbraun, auf der Flughaut und der Außenfeite der Beine dunkler grau- braun, unten weiß und am Schwanze oben fahlgrau, unten licht roftfarbig. Alle Haare der Oberfeite find am Grunde fchwarzgrau und an der Spite merklich lichter, die der Unter- jeite dagegen einfarbig weiß. Im Winter verblaßt, verlängert und verdichtet fich der Pelz, 568 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hörnchenartige. und die Oberfeite nebjt dem Schwanze jieht alsdann filbergrau aus, Na die Haare ihre Wurzelfärbung nicht verändern. Das Flughörnchen bewohnt größere Birfenwälder oder gemijchte Waldungen, in denen Fichten, Föhren und Birken miteinander abwechjeln. Lebtere Bäume jcheinen ihm Lebens- bedirfnis zu fein, und hierauf deutet auch die Färbung feines Pelzes, die im ganzen ebenjo- jehr der Birkenrinde gleicht wie die Färbung unjere3 Hörnchens der Rinde der Föhren und Fichten. E3 wird immer feltener und ift jchon aus vielen Gegenden, in denen e3 früher recht häufig war, faft ganz verdrängt worden. m „gool. Garten“ (1886) berichtet dv. Loewis: „US auf einem Nachbargute ein Bauer die Spibe einer uralten, riefig großen Grähne (Rot- tanne) zu Brennholz zerfleinerte, fand er in einem ftattlichen, mit Moos ausgefütterten Keifignejte, das inmitten jehr Dichter Äfte angelegt war, ein offenbar durch den gewaltigen Niederfturz des Baumes getötetes Flughörnchen..." Conft traf vd. Loemwis die „fliegenden Eichhörnchen meist in Baumbhöhlen; das Bewohnen großer Nejter im Gezmweige alter Bäume iit Scheinbar feltener. Smmer fand jich diejes interejjante Tier aber nur in jehr alten Bejtänden urwaldartiger Wälder vor, und-zwar nach meinen Erfundigungen nicht in ausjchlieglichen Birfenmwäldern..., jondern mehr im Nadelholze oder wenigitens in gemilchtem Bejtande.” Unter „die wildlebenden Haartiere Livlands” („Zool. Garten”, 1880) rechnet d. Xoewis das Flughörnchen immer noch; aber es „it in den DOftjeepropinzen eine Seltenheit”, einen ejtnijchen Namen gibt e8 gar nicht dafür. „Sn Kurland Scheint das Flughörnchen jo gut wie ausgejtorben zu fein; im Novdojten der Provinz Eitland ift eg jedenfalls häufiger als in Livland. Mit dem Fortjchreiten der Waldfultur, dem Austotten hohler, überjtändiger Bäume ufw. geht das Ausjterben diejes merfwürdigen Tieres Hand in Hand; vielleicht jchon nach wenigen Jahrzehnten gehört das Flughörnchen zu den für Livlarıd gemwejenen Tierformen... ©ie jcheinen meilt das ganze Zahr Hindurch zu zweien zu Ieben und werden daher auch gewöhnlich zu ziweien erbeutet.“ Zuleßt hat wohl 1906 der Rigaer Präparator Stoll über „Die Berbreitung des Flug- hörncheng in den Dftjeeprodinzen” eine jehr reichhaltige Zufammenftellung aller im einzelnen belegbaren Vorkommen gemacht, die jich vom Fahre 1849 bis 1906 erjtrecdt („KRorrejpondenz- blatt des Naturforjchervereins zu Riga”, 1906). Hätte man alle die im Zwijchenraum von einigen Jahren immer wieder auftauchenden Exemplare leben lajjen, jo wäre heute wohl die Austottung des ebenjo interefjanten wie unfchädlichen Tierchens weniger zu befürchten, und wir müßten vielleicht auch etwas mehr über fein Freileben. Für diejes erhellt aus den Berichten, die Stoll zugingen, nur weniges, aber aus einer Erfahrung in Styrnian (Rofitten- Icher Kreis, Gouvdernement Witebjk) vom Jahre 1893 3. B. doch wieder die gar nicht genug zu beherzigende Tatjache, daß es heute meift die Entziehung der natürlichen Lebens- bedingungen durch den Menfchen ift, die ein Tier zum VBerfchwinden bringt. Sn der genannten Begend jollen nämlich die Flughörnchen „nad Ausfage des Bufchwächters in einem Nevier bon etiva 600 Depjätinen in einem Beftande von üralten, hohlen Linden und Tannen recht häufig anzutreffen gewejen fein. Im Sahre 1893 wurde der Beftand abgeholzt, und mit im jeien auch die Flughörnchen verfehiwunden.” Nach feinen Erfahrungen gibt „es der Ejpe vor allen anderen Bäumen den Vorzug: fie neigt jehr zur Höhlenbildung”, wird, „wohl ihres weichen Holzes wegen, von Spechten befonder3 gern zur Anlage ihrer Bruthöhlen benußt”, und diefe „bieten wieder dem Flughörnchen ein mwillfommenes Nachtquartier... Dazu fommt noch, daß fich das Flughörnchen im Winter vorzugsweife von Eipenfnofpen nährt, jo daß der Schlafbaum zugleich auch Nährbaum ift... Nächft der Ejpe gehört die Birke Europäifhes Flughörnden. 569 zu den Lieblingsbäumen des Flughörnchens; beide Bäume bieten durch die Hellfarbigfeit ihrer Rinde unferem filbergrauen Hörnchen vortrefflihen Schuß.“ Sn Rußland tritt das Flughörnchen häufiger auf, und in Sibirien ijt es, laut Nadde, an geeigneten Ortlichkeiten, d. h. da, wo Birke und Lärche vorfommen, nirgends jelten, läßt fich auch in der Nähe der Anfiedelungen fehen oder fommt jelbit bi3 in die Gärten hinein. Wie der Taguan lebt e3 einzeln oder paarweife, und zwar bejtändig auf Bäumen. Sn hohlen Stämmen oder in Nejtern, wie eine Hajelmaus zujammengerollt und den Schwanz um fich gejchlagen, verjchläft e3 den Tag. Mit Eintritt der Dämmerung fommt es hervor und beginnt num ein reges Leben. ES ijt in feinen Bewegungen ebenjo ge- twandt wie die Taghörnchen, Hettert vortrefflich, Ipringt behende von At zu Ajt und jegt mit Hilfe feiner ausgejpannten Flatterhaut über Entfernungen von 20—30 m. Um jolche Entfernungen zu durchmejjen, jteigt es bis zur hödhjiten Spite des Wipfels empor und jpringt von dort aus auf niedere jte der Bäume, die e3 fich auserwählt hat. Auf dem Boden ijt es ebenjo unbehilflich und unficher wie auf den Bäumen gewandt und jchnell. Sein Gang ift jchwanfend, und die weite Ylughaut, die faltig zu beiden Seiten des Leibes berabhängt, macht ihm beim Laufen viel zu jchaffen. Die Nahrung beiteht aus Nüfjfen und Baumjamen verjchiedener Art, Beeren, Stnojpen, Sprößlingen und Käschen der Birken; im Notfalle begnügt fich das Tier aber auch mit den jungen Trieben und Sinojpen der Fichten. Beim Frejjen fißt es, wie unjer Eichhörnchen, aufrecht und bringt das Futter mit den Vorderpfoten zum Munde. Überhaupt ähnelt es in jenen Eigenjchaften unjerem Eichfäschen, nur daß e3 ein Nachttier ijt. Sehr reinlich, wie die ganze Verwandtichaft, pußt es jich bejtändig und legt auch feinen Unrat blog am Boden ab. Mit Eintritt der Kälte verfällt es in einen unterbrochenen Winterjchlaf, indem es bei falten Tagen jchläft, bei milderen aber wenigitens ein paar Stunden umherläuft und Nahrung jucht. E3 hat fich dann gewöhnlich eines jeiner alten Nejter zurechtgemacht oder den Horit eines Vogel3 zur Schlafitätte hergerichtet. Sein eigenes Neit legt es in hohlen Bäumen an, jo hoch wie möglich über dem Boden. Die ganze Höhlung füllt e3 mit zartem Mooje oder mit Mulm aus, und mit denjelben Stoffen verwahrt und verjtopft e8 auch den Eingang. Nad) Stoll findet eine erjte Begattung bereits Ende Januar und ein erjter Wurf Ende Februar, Anfang März jtatt; eine zweite Begattung folgt im Mai und ein zweiter Wurf im Juni. Die 2—3 Jungen werden nadt und blind geboren und bleiben ziemlich lange Zeit unbehilfliih und pflegebedürftig im hohen Grade. Während des Tages hüllt jie die Mutter in ihre Flughaut ein, um fie zu erwärmen und zugleich bequem jfäugen zu können; bei ihren nächtlichen Ausgängen bededt jie die Brut forgjam mit Moos. Etwa 6 Tage nad) der Geburt brechen die Nagezähne hervor; doch erjt 10 Tage fpäter öffnen fich die bisher gejchloffenen Auglein, und dann beginnt auch das Haar zu jprofjen. Später nimmt die Alte ihre Nachfommenjchaft mit ji) in den Wald, fehrt aber noch lange Zeit zu demjelben Neite zurüd, um während des Tages dort Ruhe und Schuß zu juchen. Am Herbite bauen oft viele ein einziges großes Neit, in dem jie gemeinjchaftlich wohnen. Gefangene, die Loewis hielt, wurden ungewöhnlich rajch zahım und zutraulich, festen jich furchtlos auf den Arm, ließen fich gern jtreicheln und jahen dabei den Pfleger mit ihren - auffallend großen und jchönen, jchwarzen Nachtaugen vertrauenspoll an, fragen Hajelnüjje aus der Hand, verichmähten jedoch die ihnen gereichten Baumfnojpen verjchiedener Art gänzlich. „Anfangs“, Schreibt mir Qvemwis, „hatte ich jie in einem Drahtkäfig eingejpertt, jpäter ließ ich fie in einem Zimmer frei umherlaufen und Klettern. Als aber eines Tages 970 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hörnchenartige. mein Vater plößlich in das Zimmer trat, erjchraf das eine und warf jich, geblendet oder angezogen durch das im Ofen fla&ernde Feuer, mit ausgejpannter Flughaut vom Feniter aus in die Offnung des DOfens.“ Das Heinere Flughörnchen Japans, dort Momodori (d.h. ver Pfirfichvogel; Seiuro- pterus momoga Temm.), erhielt Nein, feinerzeit („Zool. Garten“, 1875) auf Nippon lebend, in Geftalt einer „Mutter mit jech8 Jungen, die man in einer hohlen Kryptomerie gefunden hatte”. — Bon den übrigen altweltlichen Arten diefer Gruppe mag eine der Hleinjten Er- wähnung finden, dag Zwergflughörnchen, Hylopetes spadiceus Blyth, von Urrafan und Kotichinchina, das nur 12—13 cm Rumpf- und nod) etivas weniger Schwanzlänge hat. Der Afiapan, das nordamerifanifche Flughörnchen, Glaucomys volans Z. (volucella), beinahe die Heinfte, einjchließlich des 10 cm langen Schwanzes nur 24 cm lange Art der Gat- tung, trägt ebenfalls einen überaus weichen und zarten Pelz und ift oberjeit3 gelbbräunlich- grau, an den Seiten des Haljes lichter, auf den Pfoten jilberweiß und an der ganzen Unter- jeite gelblichweiß, der Schwanz afchgrau mit bräunlichem Anfluge, die Flughaut jhwarz und weiß gerandet, da3 Auge jchwärzlichbraun. Das Tierchen lebt gejellig in den Wäldern des gemäßigten und warmen Nordamerifa, ganz in der Weije der Ljutaga, wird aber öfter als dieje gefangen und zu ung gebracht, hält die Gefangenjchaft bei entjprechender Pflege jahre- fang ohne erjichtlichen Nachteil aus und jchreitet im Käfig jelbit zur Fortpflanzung. Am Tage liegen dieje Flughörnchen, jo verborgen wie möglich, in fich zujammen- gefnäuelt in ihrem Käfige. Schlaftrunfen gejtatten jie dem Beobachter jede Maßnahme: jie lafjen jich in die Hand nehmen, drehen, wenden, bejichtigen, ohne von ihrem jcharfen GSebilje Gebrauch zu machen. Höchjitens einen Berjuch zum Entjchlüpfen wagen jie, und ihr jeidvenmweiches Fellchen ijt jo glatt und jchmiegjan, daß jie wie Duedjilber aus der Hand gleiten. Exjt ziemlich jpät nach Sonnenuntergang werden fie munter. Am oberen Rande des Schlaffäjtchens, das man ihnen als Erjas ihres Neftes nicht vorenthalten darf, wird das runde Köpfchen fichtbar, der Leib folgt, und bald jitt eines der Tierchen in anmutiger Eich- hornftellung, die Flatterhaut in janft gefhrwungener Linie Halb an den Leib gezogen, halb hängen lajjend, auf der jchmalen Kante feiner Lagerjtätte. Die Keinen, voll entfalteten Ohren jpielen mie die jchnurrenbejegte Naje oder die großen, dunfeln Augen, um Käfig und Umgebung zu prüfen. Wenn nichts Berdächtiges bemerkt wurde, gleitet das Flughörnchen wie ein Schatten zur Tiefe hinab, gleichviel.ob an jchiefer oder jenkrechter Fläche, immer mit dem Sopfe voran, ohne daß man ein Geräufch wahrnimmt oder die dur) die Flatter- haut größtenteils verdedten Gliedmaßen fich bewegen fieht. An der geflochtenen Dede des Ktäfigs, die Oberjeite nach unten gefehrt, rüdt e8 weiter, al3 ginge es in gebräuchlicher Stellung auf einer ebenen Fläche; über dünne Zeige feiltänzert e8 mit unübertrefflicher Sicherheit und Gejchidlichkeit in gleihmäßiger Eile dahin; über den Boden Hujcht es Ichneller als eine Maus; den ganzen Raum des Käfigs durchmißt es, die volle Breite der Slatterhaut entfaltend, in pfeilichnellem Sprunge und Hebt einen Augenblic jpäter, ohne auch nur einen Verjuch zur Herftellung des Gleichgewichtes gemacht zu haben, auf einer Sib- ftange, als jei e3 ein zum Ajte gehöriger Knorren. Währenddem nimmt e8 ein Brödchen, eine Nuß, ein Weizenkorn, einen Fleifchbiffen aus dem Futternapfe, trinkt, mehr jhlürfend als fedend, aus dem Trinfgefäße, wäjcht fich das Köpfchen mit Speichel, Fammt das Haar mit den Nägeln der Borderfühe, glättet e3 jodann mit den Trittflächen der Pfötchen und dreht und wendet, jtredt und beugt jich dabei, alS ob die Haut ein Sad wäre, indem der Leib nur loje jtedt. vllt .. ke Momodori. Zwergflughörndhen. Nijapan. 97] Nachdem Hunger und Durft einigermaßen geftillt und alle Teile de3 Pelzes gebührend geordnet worden find, regt fich die Luft zu freierer und jpielender Bewegung. Eine kurze Weile fitt das Flughörnchen wie überlegend auf ein und derjelben Stelle. Dann folgt ein Sprung mit voll ausgebreiteter Falldaut, quer durch die Weite des Käfigs. ‚Einen Augen- blick nur Hebt e3 an der entgegengejegten Wand; denn unmittelbar nach der Ankunft am Bielpunfte Hat e3 fich rücwärts geworfen, ift, einen Zweig, eine Sihftange benugend, zum Ausgangspunfte zurücgefehrt und ebenfo rajch irgendivo ander Hingeeilt. Auf und nieder, fopfoberft, fopfunterft, hin und her, oben an der Dede weg, unten auf dem Boden fort, an der einen Wand hinauf, an der anderen herab, durch das Schlaffäftchen, an dem Futter- napfe voriiber zum Trinkgejchier, aus diefem Winkel in jenen, laufend, rennend, jprin- gend, gleitend, fchtwebend, hängend, Hebend, jigend: jo wechjelt das unvergleichlich behende Ajjapan, Glaucomys volans L. 1a natürlicher Größe. Gejchöpf von Augenblid zu Augenblic, fo ftürmt es dahin, als ob e3 taufend Gelenke zugleich vegen fönne, al3 ob e3 nicht eine zu überwindende Schwere gäbe. &3 gehört eine länger mwährende und jehr jcharfe Beobachtung dazu, um dem fich bewegenden Flughörnchen über- haupt folgen, die einzelnen Bewegungen desjelben unterjcheiden und deuten zu fönnen, und wenn eine Gefellichaft diejer alle übrigen Kletterer beijchämenden Gejchöpfe Durcheinander vennt, [pringt und jchwebt, ift dies überhaupt ganz unmöglich. Überrafchend wirft nament- (ich die Zähheit des Wechjel von einer Bewegung zur anderen. Das Flughörnchen beendet auch das tollite Jagen jederzeit nach Ermefjen und Belieben, jo daß das Auge des Beobachters bei dem Verjuche, ihm zu folgen, noch) immer umherjchweift, während das Tier bereits wieder auf einen bleiftiftdünnen Zweige fit, als jei e3 nie in Bewegung gemejen. Unter fich Höchft verträglich, jcheinbar aud) harmlos gutmütig, überfallen die Flug- Hörnchen doch ohne weiteres jedes Heine Tier, insbefondere jeden Kleinen Bogel, und machen ihm ohne Gnade und Barmherzigkeit den Garaus. Angefichts einer Beute zeigen jie jich ebenjo mordgierig wie Raubtiere; ihre unbejchreibliche Gewandtheit und Mordluft mögen 572 8. Ordnung: Nagetiere. Familien: Hörnchenartige und Dornfhwanzhörnden. jie alfo verfchiedenem Kleingetiere jehr furchtbar machen. Auch vor gleichgroßen Säugetieren, anderen Nagern 3. B., befunden fie feine Zurcht. Der Eindringling in ihr Gehege wird zuerjt berochen, dann gefragt und gebifjen, mindejtens genedt und, wenn er nicht jehr wehr- haft ift, ficherlich vertrieben. Sm Nagetierhaufe des Berliner Gartens haben jich die amerikanischen Flughörnchen eine ausgehöhlte Kokosnuß jehr mäßiger Größe zum Schlafneit gewählt, und e8 macht einen ganz überrajchenden Eindrud, wenn jie eins nach dem anderen aus dem Heinen Loche Her- vorgejchreckt werden. Wie der Bli rennen fie dann am Drahtgitter in die Höhe und zeigen, oben hängend, jehr jchön die platte Körperform, die Durch Die verbreiterte Fallichiemhaut an den Seiten erzeugt toird, und die nicht minder auffallend breite, platte Schwanzbehaarung, die bei den weiten Schwebeiprüngen ganz jicher auch ihre Bedeutung hat. Das Freileben behandelt Stone mit einem gemwijjen Galgenhumor aus dem Bewußtjein heraus, daß man dieje Keinen Nachtgeijter draußen im Walde Faum wirklich belaufchen und beobachten fann. Über die Höhlennefter jagt er: „Sch habe gehört, daß man fchon an 40 Stüd aus derjelben Baumthöhle herausgetrieben hat. Yumeilen benugen fie eine natürliche Höhle; aber meijt fcheinen fie jich Doch ihre Behaufung jelbjt herzurichten. Gewöhnlich fuchen jie jich einen Kleineren trodenen Baum aus, dejjen Wipfel abgebrochen ift, mit weichem Holze, das bis ins Herz brödelt. Nahe der Spite nagen fie dahinein ein rundes Loch, gewöhnlich unter einem Stubben oder Alt, wobei fie vielleicht eine bereits fertige SpechtHöhle benuben. Obwohl fie zuweilen eine recht weite Höhlung brauchen, find doch felten Späne umher ge- jtreut.“ ©tone möchte das als ein Zeichen deuten, daß die Flughörnchen Hug genug find, die Spuren ihrer Arbeit zu verbergen. Derartige Injtinkte in Hoher Ausbildung finden fich ja mehr bei Nagern, 3. B. bei ven Badenhöriichen, ©. 517. Über die Sprünge des Flughörnchens fagt Merriam: „Die gewöhnliche Ortsbervegung it ein abwechjelndes Stlettern und Springen. Wenn es einen Baum erreicht hat, fteigt es zuerjt Daran empor, weil e8 unfähig ift, magerecht zu jchweben: e8 muß eine beträchtliche Höhe erreichen, ehe e8 den Sprung nach dem nächjten Baume wagen darf. Anftatt auf dieje Weife zu entfliehen, wenn e8 beunruhigt wird, rennt e3 oft in die allerhöchften Wipfelzweige des nächlten Baumes empor und verhält fich dort regungslos, zufammengeduct zu über- tajchend geringem Umfang, bis der Störenfried feiner Wege gegangen ift.” Naubvögeln gegenüber dürfte dies wohl das allerzwecmäßigjte Verhalten fein. Von älteren Beobach- tern jchildern Audubon und Bachmann fehr anjchaulich die Bewegungsmweije eines Trupps Flughörnchen, dem fie begegneten. „Zumeilen fah man eins aus den Wipfelzweigen einer alten Eiche hervorschiegen und mit weit ausgebreiteten Flughäuten und ausgejpreiztem Schtvanze fchief durch die Luft gleiten bis zum Fuße eine3 50 Ellen (etiva 45 m) entfernten Baumes. Aber in dem Augenblid, al3 wir erwarteten, daß es auf die Erde auffchlagen würde, drehte eS fich wieder aufwärts und endete an dem Baumftamm. Hier rannte e8 zum dipfel empor, ftürzte fich wiederum von den oberen Äften herab umd fegelte zurück zu dem Baum, den es eben verlafjen hatte. Mengen diefer Tierchen vereinigten fich zu folchen stunfttüden; e8 fonnten faum weniger als 200 fein. Schocweife fprangen fie zugleich aus jedem Baume heraus umd fehienen nichts anderes im Sinne zu haben, al3 einem vergnüg- lichen Spiele nachzugehen.” | Die Art und Weije des Zufammenvollens zum Schlafe Hat King an feinen Gefangenen genauer beobachtet. Diefe festen erft die Nafe auf den Boden und gingen dann vorwärts, toducch fie fich zugleich aufrollten, bis die Nafe zwifchen den Hinterbeinen herausjah. (4 Aljaupan. — Beecroft3 Dornfhwanzhörnden. 975 Schließlich wurde der Schwanz wagerecht um die Füße herumgejchlagen, jo daß Das ganze Tierchen einen runden Ball von weichem Fell bildete. * Die Dornjchtwanzhörnchen (Anomaluridae), die legte Kamilie der Eichhornförmigen, in der Gejantlänge jchwantend zmwijchen 50 und 30 cm, wovon der Schiwenz ein Drittel ein- nimmt, haben auch eineSlughaut oder, bejjer gejagt, Fallichirmhaut und Dadurch auf den erjten Blit eine große Ähnlichkeit mit den eigentlichen Flughörnchen; aber jchon durch die Art und Weife, wie diejfe Haut gejpannt toird, ergibt jich ein wejentlicher Unterjchied. Dies gejchieht nämlich nicht durch einen Sinochenjporn am Handgelenf, jondern durch einen Sinorpelitab am Ellbogen. Außerdem befigen die Dornschhivanzhörnchen an der Schwanzmwurzel auf der Unter- jeite eine ganz eigentümliche Vorrichtung, von der ihr deutjcher Name hergenommen ist: große, Dachziegelfürmige, jpißige Hornjchuppen, die in zwei abwechjelnden Längsteihen ftehen und das Tier beim Slettern nicht unmejentlich unterjtügen. Wenn e3 nach Flughörnchenart an einem Baume aufwärts rutjcht, um bon oben abzujchiveben, jo jtemmen jich diefe Schuppen mit ihrer freien Kante gegen die Rinde, jobald das Tier jeinen Schwanz an den Stamm anlegt. Natürlich würden aber dieje äußeren Merkmale dem ftrengen Spyjtematifer nicht ge- nügen, und jeien jie noch jo eigenartig; um im Shjtem eine befondere Yamilie zu begrün- den, werden entjprechende Bejonderheiten der inneren Sfelett-, Schädel- und Gebikbildung verlangt. Yunächjt Haben die Dornjchwanzhörnchen 16 Nippenpaare, gegen 12 oder 14 bei den Eichhornartigen; am Stirnbein fehlt der Hinteraugenhöhlenfortjag; Lüczähne find oben und unten jederjeits nur einer vorhanden, und die Badzähne find nicht Höderig, fondern mit queren Schmelzfalten verjehen. Die Heimat der Dornijhtwanzhörnchen bejchränft jich auf Afrika füdlich der Sahara; jie gehören zu den Charaftertieren diejes zoologijchen Afrifa und vertreten dort die eigent- - lichen Slughörncdhen, denen jie in der nächtlichen Xebensweife noch mehr als im allgemeinen Hußeren entiprechen. Die Hamilie enthielt von lebenden Angehörigen lange nur die eine Stammgattung Anomalurus, die eigentlichen Dornjchwanzhörnchen, die Waterhoufe jchon 1842 aufgeitellt hatte, und außerdem die fojjilen, tertiären Nagerformen der Pseudosciurinae und zweier ‘ meiterer Unterfamilien mit einer ganzen Reihe von Gattungen und Arten. 1894 und 1898 hat aber unjer Berliner Säugetierforjcher Matjchie noch die beiden neuen lebenden Gattungen Idiurus und Zenkerella Hinzugefügt, die er durch den ausgezeichneten Sammler Benfer aus Kamerun für das Berliner Mujeum erhalten hatte; diefe wurden dann zu einer neuen Unterfamilie der Slugbilche (Idiurinae) vereinigt und als folche den eigentlichen Dorn- Ihmwanzhörnchen (Unterfamilie Anomalurinae) gegenübergeftellt, die aber außer einer feinen fojjilen Gattung mit bloß einer Art (Leithia) nur die lebende Gattung Anomalurus enthalten. Die eigentlichen Dornihwanzhörnchen (Gattung Anomalurus Wtrh.) verbreiten. fich in zehn Arten mit einigen Unterarten von Weft- bis Oftafrifa und gehören daher auch beiderjeit8 zur Tierwelt unferer Kolonien. Das mweitaftifaniihe Beecrofts- oder Rotbäudhige Dornfhwanzhörnden, A. beeerofti Fras., it oben gelblichgrau, auf der Rücdenmitte rötlich vervajchen, unten helfxötlich, Schwanz dunkelbraun; zwifchen den Ohren hat e8 einen Heinen weißen Fled und an der Halsjeite ein helles Band. EI fommt auch in Kamerun vor, und mir finden e3 daher bei Bates („Mammals of Southern Cameroons“, „Proc. Zool. Soc.“, 1905) erwähnt. Die 574 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Dornfhwanzhörndhen. Eingeborenen behaupteten unter anderem, der „Avemba figui”, wie jie das Tier nannten, freffe „das Fleisch” der Bäume, d.h. die weiche Kambiumfchicht unter der Rinde. — Jm Kongogebiet lebt das Notrüdige Dornihwanzhörnden, A. erythronotus A. M.-E. Die Dornichwanzhörncdhen erklärt Bates für die ausjchlieglichiten Baumtiere, die e3 gibt. Gt fah niemals ein3 auf der Erde, und wenn eins verivundet auf den Boden herabfällt, ijt es hilflos und verfucht gar nicht, wegzulaufen. Dagegen fann das Tier an diden, glatten Baum- itämmen oder in hohlen Bäumen auf- und abwärts Hlettern, wo ein gemwöhnliches Eichhorn das nicht fünnte. Sn foldhen Fällen üben die Tiere eine budelnde Fortbewegung, tie eine Spannerraupe, und drüden die Scharfipigigen Schuppen an der Unterfeite des Schtwanzes zur Hilfe gegen den Baum. Sie müjjen außerdem fehr unterjtügt werden durch Die erjtaunlich icharfen und ftarf gerümmten Krallen. Nod) nad) dem Tode hängen dieje bejtändig irgendwo fejt, an anderen Bälgen, an dem Gefäß, worin fie liegen, „oder gar an meiner Hand, wenn ich jie anfafje, und fie halten fo feft, daß fie nicht leicht abzufchütteln find”. Bates jah die Dorn- ihwanzhörnchen niemals auf den dünnen Außenzmweigen der Bäume; jie müjjen aber doch da- hin gehen, wenn fie [pringen und von einem Baume zum andern Durd) die Luft fegeln wollen. Ferner gibt Büttifofer einiges über daS Leben des Beecrofts-Dornichwangzhörnchens nach Beobachtungen auf jeinen Forjchungsreijen in Liberia („Notes from the Leyden Museum“, 1887). „Auf dem nächtlichen Anjtand im Gebirge hörte ich in den Kronen der Waldbäume bald hier, bald dort ein chrilles Gezwitjcher, das ich ... früher immer den Nacht- affen (Galago3) zugejchrieben. Diejes Oezwiticher foll aber von den fliegenden Eichhörnchen herrühren, die von Baumfrüchten leben und in der Dunfelheit der Nacht von Baum zu Baum fliegen. ch fonnte fie, obwohl fie ji) oft gerade über meinem Kopfe befanden, nur jelten zu Geficht befommen. Am Du Dueah River, wo ich fie erhielt, ftellte e3 fich Heraus, daß jte den Tag über ji) an Baumftämmen fejtdrüden und dann wie ein Stüd alte Rinde ausjehen, jo daß es nur dem fcharfen Auge eines Eingeborenen möglich ift, fie zu entdeden. ; 63 wurde jedoch eins unjerer Eremplare vom Du Dueah River in einem hohlen, im Walde liegenden Baumfjtamm gefunden." Die oftafrifanifchen Dornschtwanzhörnchen feheinen — nad) Voffeler wenigitens in Deutih-Ditafrifa — „überall, wo fie vorkommen, entweder jehr jelten zu fein oder äußerft verjtedt zu leben. Eine der drei in Dftafrifa Heimijchen Arten (A. orientalis Pirs.), das Noftbäudhige Dornfhmwanzhörndhen, oben graubraun, unten roftfarbig, bewohnt die Höhen Dft- und Wetufambaras. Das außerordentlich feinhaarige, zarte Fell erhielt ich zuerft von der Plantage Monga bei Amani... Ein einziges Eremplar wurde vor Sahren (von Stuhlmann) aus Weftufambara nad) Deutjchland (an den Berliner Garten) gejchickt, Yangte aber jterbend an” (teil e3 für die Jahreszeit zu leicht und falt verpadt war). Snzwijchen hat man, nad) Hed, dort Fein wieder erhalten. * Die zweite Unterfamilie ift die der Flugbilche oder wir jagen wohl bejjer: Flug- Dilchartigen (Idiurinae), weil nur die eine ihrer beiden Gattungen wirklich eine Fallfchirm- haut Hat. Die Flugbilchartigen unterjcheiden fich von den eigentlichen Dornfchtwanzhörnchen dadurch, daß eben diejen gemeinfamen Dornfchtwanz die Hornjchuppen auf der Unterfeite nicht 615 zu einem Drittel, fondern Höchitens bis zu einem Fünftel der Gejamtlänge befleiden. Ein noc) auffallenderes äußeres Merkmal ift die Fnopfförmig vorfpringende Naje. Natürlich jehlen aber auch jonft im äußeren und inneren Leibesbau, Zahl und Geftaltung der Zußzehen Notrüdiges, Noftbäuchiges Dornjhwanzhörnkhen. — Flugbildartige. 978 nebft ihren Sohlenbalten, in Schädel- und Gebißverhältnijjen die nötigen Verfchiedenheiten nicht, um die Aufftellung zweier befonderer Gattungen und der befonderen Unterfamilie vollauf zu rechtfertigen. Matjchie Hat die ausführliche wiljenjchaftliche Bejchreibung der beiden Gattungen, die bis jeßt nur je eine bzw. zwei Arten enthalten, in den Sigungsberichten der Berliner „Sefelljchaft Naturforfchender Freunde” (1894 und 1898) niedergelegt. Der Flugbilch (Gattung Idiurus Mtsch., Stammart I. zenkeri Mtsch.) ift in der Gefchichte der Wifjenfchaft der ältere von beiden: Matjchie bejchrieb ihn im Jahre 1894 nach Notrüdiges Dornjdwanghbörnden, Anomalurus efythronotus A. M.-E. 1/4 natürlider Größe. dem erjten Eremplar, das Zenker ihm von der Saundeftation in Sidfamerun zujchidte, und benannteihn dem verdienftvollen Sammler zu Ehren. Das Tierchen ift nur fo groß wie eine Heine Hausmaus, oben ifabellbraun gefärbt, unten gelbgrau und dunkelgrau gemijcht, an der Flughaut mehr filbergrau, Oberfeite des Schwanzes jchrwärzlichgrau. Die Schnurthaare jind, wie bei manchen Heinen Nagern, halb fo lang wie der ganze Körper. Der Schädel ähnelt dem des Siebenfchläfers im Umtiffe, hat aber den eigentümlichen „itark borjpringenden, zu- fammengedrüdten, fchmalen Nafenteil”. Dienuffallendfte äußere Bejonderheit ift aber die Behaarung des Schwanzes, der „ohne Quafte ungefähr um die Hälfte länger als der Körper mit dem Kopf, mit der Quafte noc) einmal fo lang“ ift. Auf ihn nimmt Matjchie mit dem gewählten Gattungsnamen Bezug, der „mit eigentümlichem Schtwanze” bedeutet. Er Tagt jelbft darüber: „Was aber dem Tierchen eine ganz ausnahmsweife Stellung unter den Säuge- tieren verichafft, das ift die merfwürdige-Geftalt des riefig langen Schwanzes, der jehr 576 8. Ordnung: Nagetiere. Familie: Hörnchenartige. eigentlich gebildet ift. An der Schwanzwurzel jehen wir zunächit eine faltige Haut, hinter der 15 fchiefe Reihen von je drei bis vier Fleinen, rundlichen, faum 1 mm langen Hornplatten fich befinden, unter denen einzelne furze Borjten hervorragen. An den ändern der Unter- feite und in deren Mitte erhebt jich je ein Kamm bon wimperartigen Haaren. Die Oberjeite de3 Schwanzes trägt in dem furzen, weichen Pelz drei Reihen von jehr langen, aufvecht- jtehenden Haaren von der Wurzel bi! zu der jpindelfürmigen Schwanzquajte. Welchen Zweck diefer eigentümliche Apparat Hat, darüber wage ich Feinerlei Vermutung aufzuftellen; bis jeßt weiß man bon dem Leben des Tierchens noch nicht3." Die zweite Gattung (Zenkerella Misch., einzige Art Z. insignis Misch.) nennt man wohl am beiten Dornfhwangbildh, weil jie zwar feine Flughaut, wohl aber die Fenn- zeichnende Hornplattenbewehrung unter der Schwanzmwurzel hat, die ihr ihren Pla im Nagetierfyftem anmeift. Auch fie verdanken wir Zenfers Sammeleifer und Sammlerglüd, und Matjchie hat fich von feiten der Wifjenjchaft dafür noch erfenntlicher eriviejen, indem er diesmal durch den Gattungsnamen jelbjt den Sammler verewigt hat. Außer dem Mangel der Flughaut unterjcheidet den Dornfchwanzbilch von dem Flug- bilch auch noch die viel gleichmäßiger bujchige Behaarung des Schiwanzes, die faum bon der der Dornfchwanzhörnchen abweicht. Dafür hat der Dornjchiwanzbilch aber eine ganz eigen- tümliche „Straufe Schwarzer Borften iiber dem Fußgelen?”, „in einer jchntalen Binde jtehende, metalliich glänzende, lanzettförmig gejtaltete Borjten, welche die dichte Behaarung des Unterjchenfels gegen die mit anliegenden und jeidenartig glänzenden Haaren bededten Füße abjchließt”. Gefärbt ift das Tier unjcheinbar: „oben mäujegrau, unten reiner grau”; es erreicht aber eine etwas erheblichere Größe, wird „etivas größer als der gewöhnliche Sieben- ichläfer”. llber fein Leben fcheint man ebenfowenig zu mwiljen tvie über das des Flugbilche. Der Familie der Dornichwanzhörnchen im weiteren Sinne werden noch mehrere aus- gejtorbene Unterfamilien zugeteilt, die uns bis an den erdgejchichtlichen Anfang der Nage- tiere im alten Tertiär zurüdführen. &3 find die Pseudosciurinae, Trechomyinae und Theri- domyinae mit den Gattungen Pseudoseiurus, Sciuroides, Dipoides und anderen: alle aus vem Dligozän und Miozän Deutjchlands, der Schweiz und Franfreichs, und doch die nächiten Berimandten der lebenden rein afrifanifchen Dornjchwanzhörnchen im engeren Sinne. Aljo auch bei den Nagetieren wieder der Fall, dat lebende rein tropifche Tierformen Berwandte im Tertiär Mitteleuropas hatten! Zugleich ift aber auch die ganze alte Yamilie mit gemiljen urjprünglicheren, vermittelnden Merkmalen behaftet, die eine Verbindung ziijchen zei großen Nagetierjeftionen, den Stacheljchtweinförmigen und den Eichhörnchenförmigen (Hystricomorpha und Seiuromorpha), herjtellen. m übrigen läßt fich wenig Gemein- berjtänpliches über die Stammesgejchichte der Nagetiere jagen. Sie find im Eozän bereits da, al3 Urnager (Unterordnung Protoglires mit den Gattungen Plesiadapis aus der Alten und Mixodectes aus der Neuen Welt), unvdermittelt; denn auch die ähnlich bezahnten noro- amerifanijchen Tillodontia aus dem Eozän von Wyoming hält man heute nicht mehr für ihre Stammformen, fondern hat für fie eine eigene Säugetierordnung errichtet, die Eigen- tümlichfeiten der Huftiere, Nagetiere und Raubtiere in fich vereinigt. So fei hier nur noch- mals auf den bejonderen Entmwidelungsherd der Nager in Siidamerifa hingemwiejen, dev dort eine große, immer noch) andauernde Blüte der Stachelichweinförmigen hervorgerufen hat, während dieje font auf der Erde nur fpärlich vertreten find. = Neunte Ordnung: Hobben oder Flojjenfüher (Pinnipedia). Bearbeitet von Dr. Mar Hilzheimer. Nicht viele Säugetierordnungen find jo fcharf umrifjen und jo einheitlich gebaut wie die der Flofjenfüher. Wir brauchen nur an den Seehund zu denfen, und wir haben ein Bild der ganzen Ordnung vor uns. Dieje Übereinftimmung fommt bon der Gleichheit der Yebens- bedingungen. Das Lebenselement der Robben ijt das Wafjer. In ftrengjter Anpafjung daran erivarben die Mitglieder diefer Ordnung ihren Spindelförmigen Körper und bildeten jich ihre Gliedmaßen zu Floffen aus. Andere ins Wafler gegangene Säugetiere erfuhren ähnliche Umbildungen. Auch die Wale erwarben Flofjen, die äußerlich mit den Flojjen der Robben eine gemifje hnlichkeit haben, aber der ganz andere Bau zeigt, daß diefe Eigentümlichfeit beivemal unabhängig eriworben murde, daß es jich aljo nicht um etwas gemeinjant Ererbtes, Stammesverwandtichaft handelt, fonbern daß diefe Erwerbung eine Anpafiung an die gleichen Lebensbedingungen, eine Konvergenzerjcheinung darjtellt. Dieje Tlojjen, denen dieNtobben ihren wiljenschaftlichen Namen Pinnipedia verdanken, unterjcheiden die Tiere auf den erjten Blick von allen anderen Wirbeltieren. Zivar die Verfürzung der - beiden oberen Abjchnitte der Gliedmaßen und die Verlängerung bon Hand und Fuß teilen die Robben mit vielen wajjerbewohnenden Wirbeltieren, aber die Sorm der beiden lebten it ihnen eigentümlich. Der Hinterfuß wird zur breiten Flojfe dadurch, daß fich die erite und fünfte gehe verlängern und mit den anderen gleichlang, meijt jogar länger al3 dieje werden. An der Hand verlängert fich der Daumen ungemein. Er wird in den meiften Fällen der längjte Finger, von dem aus die anderen bis zum Heinen, welcher der Fürzeite ift, an Größe abnehmen (Abb., ©. 578). Stets ift eine Schwimmhaut Zwischen Fingern und Zehen ausgejpannt, welche die Finger an Ränge bedeutend überragen fan. Dagegen neigen die Krallen, obwohl bei den echten Seehunden noch gut entiwidelt, zur Nüdbildung. Für die jchnelle Bewegung im Waffer war e3 nötig, daß feine Körperteile vorjpringen und jo hemmend wirken. Bon diefem Gefichtspunft aus verjteht fich die jchon erwähnte Berfürzung der oberen Teile der Gliedmaßen, die eigentümliche Tage der Gejchlechtsteile, . die gemeinjam mit dem After in einer fchligförmigen Grube liegen, der furze, verhältni3- mäßig dide Hals, der ohne deutlichen Abjag in den fpindelfürmig-walzigen Leib übergeht, und der Verluft der äußeren Ohrmufchel, die nur bei einer Samilie erhalten blieb. Durch mächtige, unter der Haut liegende Fettmafjen ist die Abrundung der äußeren Körperform noch berjtärft. Vielleicht gehört Hierher auch die eigentümliche Stellung der hinteren Gliedmaßen, Brehm, Tierleben. 4. Aufl. XI. Band, 37 978 9. Ordnung: Robben. die längs de3 funzen Echwanzes nach hinten gedreht find, derart, Daß bei Bewegung Die Füße mit ihren Sohlenflächen gegeneinander jchlagen. Weitere Anpaffungen an das Wafjerleben finden wir in der Verjchließbarfeit der jchief geftellten Nafenlöcher und der äußeren Ohren. Fügen mir noch Hinzu, daß der Feine Fegel- fürmige Kopf ein tiefgefpaltenes Maul hat, dejjen Oberlippe mit fevernden ftarfen Borjten bejegt ift, daß die Augen auffallend groß und wenig gewölbt find, jo Haben wir wohl eine erichöpfende Bejchreibung der äußeren Körperform gegeben. Die Haare find meijt glatt anliegend, felten mähnenartig verlängert. Das Wollhaar- Heid ift gut entwidelt. Die Farbe ift voriviegend ein Gelbgrau, Häufig noch mit Marmorie- rung; jedoch gibt e3 auch einfarbige oder gefledte Robben. Auc das Gebiß fteht deutlich unter dem Einfluß der Anpafjung an das Wafjer. Da ein Kauen unter Wafjer faum möglic) ift und die Gliedmaßen wegen ihrer Form beim Grareifen der Nahrungstiere nicht verwendet werden. fünnen, find alle Zähne, mit Aus- nahme der unbedeutenden Schneidezähne, zum Kauen untaugliche Greiforgane geworden: - fugelige oder feitlich zufammengedrüdte, mit mehreren hintereinanderliegenden Baden Etelett de3 Seehunde3. bemwehrte Gebilde. E3 fand alfo im Gebiß eine Vereinfachung Statt, die einmal wieder zu einer Sleichartigfeit aller Badzähne führte, dann aber auch nebenher wieder einen Zahn mit einer Haupt- und einer vorderen und hinteren Nebenjpige hervorgehen ließ, wie er jich jonit nur bei jurafjiichen Säugetieren, den Triconodontidae, findet, und der wohl die Ausgang3- form für die höher jpezialifierten Zähne aller übrigen Säugetiere gewejen ijt. Eine fernere Eigentümlichkeit des Pinnipediergebifjes find die individuellen Schwan- fungen in der Zahnzahl. Einzelne, fonft der betreffenden Art zufommende Zähne Fönnen gelegentlich fehlen, häufiger treten überzählige auf. Ienn wir fchon in allen diejen Gigentümlichkeiten beginnende Rüdbildung erbliden fönnen, jo tritt uns folche doch bejonders beim Milchgebiß entgegen. Nur bei den Ohren- tobben und einigen echten Seehunden (Phoca vitulina) durchbrechen die Milchzähne das Bahnfleiich und fallen erjt nach der Geburt aus. Bei der Mehrzahl ift das nicht der Fall, je Fönnen dann vor dem Durchbruch vollftändig twieder aufgejaugt werden. Dieje Nücdbildung des Gebifjes hat natürlich auch) eine Rücdbildung der Kaumusfulatur im Gefolge und damit der Schädelteile, an die fie fich anheftet. Mit Ausnahme der Ohren- tobben fehlt den Nobben der Scheitelfamm und der obere Augenhöhlenfortjag. Damit in Bufammenhang fteht wohl auch die geringe Weite zwifchen den Augenhöhlen, wahrjcheinlich Allgemeines. 579 ein neuer, im Wafjerleben begtündeter Erwerb, da die Sinochenbrücde im Alter Tchmäler wird umd jo die Augen mehr auf die Oberfläche des Kopfes rüden. Dffenbar erweitert dies alles den Sehfreis nach oben bei Tieren, die gern von unten ihre Beute fajjen. Das große Auge jelbjt mit feiner flachen Hornhaut und fugelfürmigen Linfe ift natürlich auch be- jonders3 an das Wajjerleben angepaßt. Der Hirnjchädel ijt zwar mehr oder weniger gewölbt, jtet3 aber-jtärfer von oben nach unten abgeflacht, alS dies bei den Landraubtieren der Yall ıjt. Auch dies ijt offenbar eine Anpajjung an das Wajjerleben und findet jich als Kton- vergenz ebenfalls bei anderen Wajjerfäugern, 3. B. dem Fijchotter. Vielleicht ift dieje Er- jcheinung auch eine Folge der Abnahme der Kaumusfulatur. Anpafjungen an das Wafjer, die die Flojjenfüßer mit den Walen und Sirenen teilen, find ferner die Didenzunahme der Wand der Trommelhöhle (nur bei den Ohrenrobben it fie Dünnmandig) und die mafjigen, ichweren Gehörfnöchelchen. Die Wirbeljäule erinnert an die der Naubtiere; die Halswirbel find deutlich gejchieden und mit jehr entwidelten Fortjägen verjehen. (14—)15 Wirbel bilden den Bruftteil, 5(— 6) den Lendenteil, 2—7, und zivar verwachjene, das Streuzbein, 8-15 endlich den Schwangteil. Schlüjjelbeine fehlen. Die Sinochen der Glieder zeichnen jich Durch große Kürze aus; Border- arm=- und Unterjchenfelfnochen bleiben jtet3 getrennt, Hand» und Fußmwurzeln find regel- mäßig gebildet, die Vorder- und Hinterzehen bei den einzelnen Gattungen verjchieden lang. Das veryältnismäßig gut entwidelte Gehirn Hat zahlreiche, ähnlich wie bei den Naubtieren angeoronete Windungen. Der Magen ijt einfach, fajt darmartig, der Blinddarn jehr furz. Die Gefäße zeigen in den mwundernekartigen Adergeflechten der Glieder jowie an der unteren Fläche der Wirbeljäule bejondere Eigentümlichfeiten; auch macht fich, wie bei anderen tauchenden Tieren, eine Erweiterung der unteren Hohlader bemerflich. Die Gebär- mutter ift zweihörnig. Die Anzahl der Zigen beträgt zwei oder vier. Die Robben verbreiten jich über alle Meere der Erde, haben ebenjomwohl im höheren Eden mie im Norden ihre Vertreter und finden fich jogar in großen Binnenjeen Ajiens, in die jie teils durch die Flüfje gefommen find, teils aber zurüdgeblieben fein mögen, als die Wajjerverbindung unterbrochen wurde. Zm Norden leben die meijten, im Süden die auffallenditen Arten. Gemöhnlich lieben jie die Nähe der Küften, und viele unternehmen . zeitweilig Wanderungen von einem Teile derjelben zum anderen, wie fie auch oft in den Slüjjen emporfteigen. Auf dem Lande Halten fie fich nur bei bejonderen Gelegenheiten auf, namentlich während der Fortpflanzungszeit und als Kleine Junge; denn ihre eigent- liche Wohnftätte ijt und bleibt das Wafjer. Dort erjcheinen fie als jehr unbehilfliche Tiere, hier bewegen fie fich mit der größten Leichtigkeit. Mühfam Himmen fie vom Strande aus an den Klippen oder an dem jchtwimmenden Eife empor und ftreden fich dort behaglich auf den fejten Boden, um jich zu jonnen; bei Gefahr flüchten fie jo rafch wie möglich wieder in die ihnen jo freundliche Tiefe des Meeres. Cie jehtwimmen und tauchen mit größter Meifterichaft. ES gilt ihnen gleich, ob ihr Leib mit der Oberjeite nach oben oder nad) unten liegt; jie beivegen jich jogar, wie ich nach eigenen Beobachtungen verbürgen Xann, rüdmärts. Jede Wendung und Drehung, jede Ort3veränderung überhaupt führen fie im Wajjer mit größter Gewandtheit aus. „Zur Bewunderung wird man hingerifjen”, jchreibt Haade, „wenn man Gelegenheit Hat, Robben beim Fijchfange genau zu beobachten. Su einem geräumigen Beden des Frankfurter Aguariums fieht man die Seehunde vom dun- fen Bejucherraume aus hinter Glas ihrer aus lebenden Fijchen bejtehenden Nahrung nachjagen. Man jtaunt über die Sicherheit und Schnelligkeit, mit der fie durch zivecfmäßiges, 37* 580 9. Sronung: Robben. genau abgemefjenes Drehen, Wenden und Biegen jeder einzelnen lojje, durch Ber- fängern und Verfürzen des Haljes jede Wendung des geängjtigt Durchs Waller jchiegen- den Fijches mitzumachen wifjen, der nach wenigen Augenbliden — hineingejogen, tie e3 scheint — in dem Maule des Seehundes verjchtwindet. Groß ift auch die Gejchiclichkeit, mit welcher unfere Seehunde, im Wafjer aufrechtitehend und nach dem futterjpendenden Wärter ausjchauend, durch fanftes Spiel der Hinterflofjen ji auf einer Stelle zu halten vermögen.” Auf dem Lande dagegen Humpeln auch diejenigen Arten, welche wirklich noch gehen, mühjelig dahin, während alle übrigen in Höchjt eigentümlicher, nur ihnen zufommender Weije fich forthelfen. Dies gejchieht fait ebenjo, wie manche Raupenarten fich bewegen. Der Seehund, der jich auf dem Lande von einer Stelle zur anderen begeben will, wirst jich auf die Bruft, Kümmt den Leib in einem Slagenbudel nach oben, jtemmt ich dann auf das Hinterteil, aljo etwa auf die Weichen, und trect hierauf rajch den Leib, wodurch er das Borderteil wieder vorwärts wirft. So kommt er durch abwechjelndes Aufitenmen Des Border- und Hinterleibes, durch Krümmen und Streden des ganzen Körpers verhältnis- mäßig noch immer rajch) bon der Stelle. Die Beine leijten dabei eigentlich gar feine Dienite: jie werden nur in Anjpruch genommen, wenn das Tier bergauf Eimmt. Auf ebenem Boden jtemmt e3 fie ziwar manchmal auf, immer aber fo leicht, daß die Hilfe, welche fie Leiten, eigentlich mehr eine fcheinbare al3 wirkliche ift. Sch habe die Spuren der Seehunde fehr genau unterjucht und gefunden, daß man auf große Streden Hin in dem reinen und weichen Sande feine Eindrüde der Borderfüße findet, was Doch der Fall fein müßte, wenn das Tier wirklich auf jenen FSlofjfen ginge. Manchmal legt der Seehund beide Nuder an den Leib und Humpelt ebenjo rajch vorwärts, alS wenn er jie gebrauchen wollte: furz, zum Gehen iind jeine Flojfenbeine nicht eingerichtet. Dagegen benußt fie das Tier, und zwar in jehr gejchicter Wetje, nach Art der Affen oder Kagen, um fich zu pußen, zu fraßen, zu glätten, auch wohl, um etwas mit ihnen feitzuhalten, 3. B. das Junge an die Bruft zu drücden. Alle Robben find im hohen Grade gejellig. Einzelne jieht man fajt nie. Se einjamer die Gegend, um jo zahlreichere Herden oder Yamilien bilden jich; je weniger der Menfch mit ihnen zujammenfommt, um jo behäbiger, ich möchte jagen gemütlicher, zeigen jich die in bewohnten Gegenden überaus jcheuen Gejchöpfe. Der Menjch ijt offenbar der furcht- barjte und biutdürftigite Seind der wehrlofen Wafjerbewohner; denn die wenigen Naub- tiere, Die ihnen gefährlich werden können, wie der Eisbär, der vorzugstweije die Heinereyt Arten bedroht, und der gefräßige, chnelle Mörderwal, der auch ftärfere anfällt, wüten weniger unter ihnen als der Beherrjcher der Erde, und jo erklärt e3 fich, daß man Robben nur da wirklich beobachten fann, two fie fern von dem Erzfeinde der Schöpfung fich aufhalten oder bon ihm gejchüßt werden. Die Lebensmweije der Nobben ijt eine nächtliche. Den Tag bringen fie am liebjten auf dem Lande zu, jchlafend und fich fonnend. Bon der Behendigfeit und Schnelligkeit, die fie in ihrem eigentlichen Elemente betätigen, bemerkt man am Lande nicht3; hier erjcheinen fie uns vielmehr al3 das vollendetjte Bild der Faulheit. Jede Störung ihrer bequemen Lage it ihnen höchjt verhaßt: manche Arten lafjen fich Faum zur Flucht bewegen. Mit Wonne dehnen und reden fie jich auf ihrem Lager und bieten bald den Nitden, bald die Seite, bald den Unterleib den freundlichen Strahlen der Sonne dar, fneifen die Augen zu, gähnen und gleichen überhaupt mehr toten Fleifchmafjen als lebenden Gejchöpfen; nur die regelmäßig jich öffnenden und fchliegenden Nafenlöcher geben Kumde von ihrem Leben. Zur Fort- pflanzungszeit vergejjen fie wochenlang das Frefjen; endlich treibt fie der Hunger aber doch Allgemeines. o8l auf und in das Meer, two fich ihr inziwiichen abgemagerter Leib bald wieder rundet, glättet und mit Fett auspolitert. Nach Haades Beobachtungen in Frankfurt fönnen Seehunde den Hunger wenigitens fechs Wochen lang aushalten. Ye älter Die Tiere werden, um jo fauler benehmen fie fich. Die Jungen find lebhafte, fpielluftige und fröhliche Gejchöpfe. Alle gehen, wenn fie jich gefährdet jehen, wie bemerkt, jehr eilig und jchnell in das Wafjer; fommt ihnen die Gefahr aber plößlich über den Hals, jo überfällt fie die Angjt und der Schred in fo hohem Grade, daß jie jeufzen und zittern und vergeblich alle möglichen Anftrengungen machen, um dem Berderben zu entrinnen. Gilt e3 dagegen, Weibchen und Junge zu ber- teidigen, jo befunden manche hohen Mut. Auf den einfamften Snjeln jind gemijje Arten jo gleichgültig gegen fremde Bejucher, daß fie diefe ruhig unter fich Herumgehen lafjen, ohne zu flüchten; fie werden aber jehr vorjichtig, wenn jie ven Menfchen, diejen Berverber der Tierwelt, exit fenmen gelernt haben. Unter ihren Sinnen ift das Gehör, troß der fehlenden over Doch Heinen Dhrmujcheln, borzüglich, Geficht wie Geruch Dagegen weniger entwidelt. Die Stimme bejteht in heijeren Zauten, die bald dem Gebell eines Hundes, bald dem Blöfen eines Kalbes oder dem Brüllen eines Nindes ähneln. Sede Nobbengefellichaft ift eine Familie. Das Männchen verbindet fich immer mit mehreren MBeibchen, und mancher diefer Seefultane hat einen Harem von etlichen Dußend Stlavdinnen. Blinde Eiferfucht gegen andere Bewerber feiner Art jteht hiermit im Ein- Hange. Sede Robbe fämpft der Weibchen halber auf Tod und Leben; doch bilden das dide Fell und die Fettlagen unter ihm den beiten Schild beider Kämpen gegen die Bijje und Niffe, Die fie in der Hibe des Gefechts fich gegenfeitig beibringen. Etwa 10—12 Monate nach der Paarung bringt das Weibchen ein, feltener zwei Junge zur Welt. Die Jungen der Arten, die das Säuglingskleid jchon im Mutterleibe abwerfen, gehen bald nach der Geburt ins Wafjer, die der anderen erjt nach dem erjten Haarmwechjel. Alte und Zunge halten treu zufammen, und die Mutter jhübt ihren Sprößling mit Aufopferung ihres Lebens gegen jede Gefahr. Nach Höchitens zwei Monaten find die jungen Jobben fo weit entiwidelt, daß fie entwöhnt werden können. Das Wachstum geht jchnell or fich; bereit3 nach Verlauf von drei Monaten haben die Zungen der Satteltobbe die halbe Größe der Mutter erreicht. Nach 2—6 Jahren find die Robben erwachjen, im Alter bon 25—40 Yahren abgelebt und greijenhaft geworden. Tierische Stoffe aller Art, zumeijt aber Fijche, Schal- und Struftentiere, bilden die Kahrung der Robben. Einzelne Arten jollen auch verjchiedenen Seevögeln, welche Die fleineren Flofjenfüßer nicht behelligen, oder jelbjt anderen Robben gefährlich werden. Jr Düfjeldorf hat man beobachtet, daß Seehunde plößlich alle Enten, mit denen fie eine Beit- lang friedlich einen Weiher bewohnten, unter Wafjer zogen und töteten. Um ihre Ber- dauung zu befördern, verjchluden einige Robben, wie die Vögel e3 tun, Steine. | Alle Robbenjagd ijt eine erbarmungslofe Schlächterei. Deshalb wird auch der Aus- drud „Jagd“ vermieden: man fpricht von Schlächteret und Schlägerei, nicht aber von edlem Weidierf. Alt und jung, groß und Klein, wird oder wurde doch ohne Unterjchied vertilgt. ©o ift e3 gefommen, daß fajt.alle Nobbenarten bereits jehr vermindert worden jind und einzelne ihrem volfftändigen Untergange entgegengehen. Bon den Herden, die im 18. Jahr- Hundert einfame Snfeln bedeften, find jest oft nur noch jchtwache Überbleibjel zu jehen. Tran und Felt, Zähne und Haut der Robben find gefucht. Das erklärt den Berfolgungseifer des Menjchen. Falt alleRobben lafjen fic) zähmen und zu allerhand Zirkusfunftftüden abrichten. 2 582 9. Drdnung: Robben. Familie: Ohrenrobben. Über die Stammesgejchichte der Seehunde tappen wir jajt völlig im dunfeln. Die ältejten Refte ftammen aus dem Miozän und lafjen jich ziwanglos in die lebenden Familien einordnen. Drei Ableitungsperjuche liegen vor. Matthew will jie auf die Pantolestidae, eozäne Snfektivoren (nach) anderen Artiodaftylen), zurüdführen, Wortman auf den Creodon- tiev Patriofelis und Weber auf die Bären oder vielmehr deren Vorfahren. Die lettere An- nahme hat wohl am meijten für fich und wird von ihrem Autor durch Anführung vieler anato- mijcher Übereinftimmungen gejtüßt, wie gleichen Bau der Trommelhöhle, der Najenmuscheln, des Darmfanal3 und anderes mehr. Hilzheimer fügt Dem noch zwei weitere gemeinjame Merkmale hinzu („Handbuch der Biologie”, Stuttgart 1912/13). Das eine ijt bejonders das zuerjt von ihm betonte biologiiche Moment, daß es hier wie dort Arten gibt (Macrorhinus), die während der Säugeperiode nicht3 frejjen; das zweite ijt die Kürze des Schwanzes bei den Nobben, die jich bei einem Wafjerjäugetier nur als ererbte Eigenjchaft denfen läßt. Bon den drei Familien der Robben, den Dtariiden oder Ohrenrobben, Phociden oder Seehunden und Odobeniden oder Walrojjen, zeigen die eriten die geringjte Anpajjung an das Wajjer: jie haben 3. B. noc) richtige Ohrmufcheln und können die Hinterfüße mit den noch unbehaarten Sohlen nac) vorn unter den Leib bringen. Diejelbe Fähigkeit haben die Walrojje auch; in dem völligen Schwunde der äußeren Ohrmufchel find je fortgejchrittener, in der geringeren Größe von Hand und Fuß wie im Bejis von drei unteren Schneide- zähnen primitiver al® die Dtariiden. Die vollftändigite Wafjeranpafjung zeigen die Thociden. Sie haben Feine Ohrmufchel mehr, der Fuß mit rings behaarter Sohle ift auch jortgejchrittener al3 bei den beiden vorhergehenden; aber in dem Bejig noch volljtändiger frallenartiger Nägel find jie primitiver als diefe. Bei diejer verjchiedenen Verteilung bon primitiven und fortgejchrittenen Merkmalen ift es natürlich nicht möglich, eine Familie von der anderen abzuleiten, wenngleich die Dtariiden und Phociden jchon durch den Verluft des mittleren unteren Schneidezahnes und durch andere gemeinjame Eigenjchaften eine größere Berwandtichaft untereinander zeigen. x Am mwenigjten von den Landraubtieren Haben fich die Ohrenrobben (Otariidae) entfernt. Sie haben, wie jchon erwähnt, noch äußere Ohrmufcheln, eine nadte Fußjohle, und der Hals ijt noch verhältnismäßig gut abgejegt. Am Schädel find noch ein oberer Augen- höhlenfortjaß und ein Scheitelfamm vorhanden. Das hängt natürlich mit dem verhältnis- mäßig kräftigen Gebiß und der gut entiwidelten Kaumusfulatur zufammen. Die Zahnformel mit I 7,05, P+M 2 (vgl. B3.X, ©. 18) ift noch ziemlich vollitändig. Auch das Milchgebiß ift noch gut enttoidelt umd wird erjt einige Monate nach) der Geburt gewechjelt. Die Hinterfüße können noch unter den Leib gebracht werden. Dem fteht gegen- über, daß ihre Gliedmaßen die ausgejprochenfte und längite Flofje unter den Robben tragen. Die Shwimmhaut überragt die Zehenfpige weit und ift, wenigjtens bei Otaria, durch Knorpel gejtügt. DD toir aber in diejen einzelftehenden, nicht durch Haut untereinander verbundenen Endlappen mit Weber und anderen eine Wafjeranpaffung zu jehen haben, oder, nach Reh („Die Gliedmaßen der Robben“ in „Senaifche Zeitjchrift”, 1893), eine Landanpafjung der Slojjen, die vor Einfinfen in Schnee bei den Tieren, die ja viel ans Land gehen, jhüßen joll, mag unentjchieden bleiben. Die Nägel find an der Hand faft gefchtvunden, am Fuß nur noc) an den drei mittleren Zehen vorhanden. Meift übertreffen die Männchen die Weib- hen bedeutend an Größe. Zur Fortpflanzungszeit finden um den Befit der Yeßteren nn Allgemeines. — Stellers Seelöme. 983 heftige Kämpfe ftatt. Dann fommen die Tiere an das Land. Sie find polygam und leben in Herden. Sehr merkwürdig ijt ihre Verbreitung. Sie jind vorwiegend antarktiich, d. h. jie leben um den Südpol auf einem Streifen, der ettva der „Weftwwindtrift” entjpricht. Nur wenige Arten finden fich nördlich des Nquatorz, und ziwar nur im Stillen Ozean: die beiden Seelöwen der Falifornischen Küfte und der Seebär des Beringmeeres.: Aber ihre Verbreitung ijt wichtig, weil fie uns heute noch den Weg zeigt, auf dem die Flofjenfüher den quator überqueren fonnten, ein interejjantes Problem, da jie ja im allgemeinen die Heigen Meere jcheuen, jich aber in den Fälteren fomwohl der nördlichen als der jüdlichen Halbfugel finden. An der ganzen „Weftküfte von Amerika ift das Meerwafjer auffallend falt, weil von Norden und Süden zivei falte Strömungen, der Kalifornijche und der Peruftrom, fortrwährend faltes Wajjer bis meit in die Tropen fügren. Gleichzeitig dringen in den Breiten der Rajjate jorwohl nördlich mie fürdlich des Hauator3 andauernd Falte Waffermafjen aus der Tiefe an die Oberfläche. Co fönnen hier fälteliebende Wafjertiere bis weit gegen den Aquator vordringen. Sn welchem Grade das möglic) ift, zeigt ung eben die Verbreitung der Ohrentobben. Während die Mähnenrobbe an der jüdamerifanijchen Dftküfte nur bis in die Gegend des La Plata nad) Norden geht, reicht ihr Verbreitungsgebiet an der Wejtküfte bis nach Peru, aljo fajt bi3 zum Aquator. Unter dem Aquator, felbft auf den Galapagosinfeln, finden wir dann Arctocephalus galapagoensis Brass. Nun fehlen allerdings an der mittelamerifanijchen Küfte Ohrenrobben, aber jchon in Kalifornien begegnen twir der befanntejten Art, dem See- löwen. ©o liegt der Ausbreitungsiweg Kar vor unjeren Augen. Hinzugefügt jei noch, daß in Afrifa etwa die Lüderigbucht der nördlichite Punkt ihres Verbreitungsgebietes ift. Der ftarfen Verfolgung halber, der die Ohrenrobben ihres Fleiiches und Fettes und vor allem ihres Felles wegen ausgejegt jind, ijt heute ihre Zahl jtarf vermindert und ihr Wohngebiet jehr eingeengt. Wir können, Burmeijter folgend, die Ohrenrobben je nad) dem Borhandenfein oder Fehlen von Unterivolle in zwei Gruppen einteilen: 1) Belzrobben oder Seebären, die Fur-seals des Pelzhandels, die Lieferanten des Sealjfins, die bipolar verbreitet jind. Arctocephalus ursinus L. (Callotaria), der Seebär, und einige weitere verwandte Arten, bewohnen den nördlichen Stillen Ozean. Arctocephalus australis Zimm., A. pusillus Schreb. und ihnen nahejtehende Formen leben vorwiegend im Süden, an den Hüften des füdlichen Südamerifa und Afrika, der Kerguelen und Neufjeelands. Eine hierhergehörige Form, A. townsendi Merriam, überjchreitet aller- dings den Aquator und findet jich an der falifornifchen Küfte. Die Verbreitung diejer alS Arctocephalus im engeren Sinne bezeichneten Untergattung bildet aljo ein Geitenjtüd zu der zu den Seehunden ge- hörigen Gattung Macrorhinus (vgl. ©. 622). 2) Haarrobben oder Seelümwen. hr Verbreitungsgebiet ift weit zerjtreuter alS das der vorhergehenden. An der Küfte des füdlihen Südamerika wohnt Otaria byronia Blainv. Jm nördlichen Stillen Ozean von der Beringjtraße nach) Süden bis Japan und Kalifornien lebt Eumetopias jubatus Schreb. An den Küjten de3 leßteren trifft er mit Eumetopias californianus Less. (Zalophus) zufammen, dem befanntejten Ver- treter der DOhrenrobben. Dejjen nächjter Verwandter, E. lobatus Gray (Zalophus), beivohnt die Meere um Südjapan, Auftralien und Neufeeland. Doc find beide Gruppen nicht fcharf getrennt, da Phocarctos hookeri Gray von der Snjel Auckland in der Jugend dichte Unteriwolle bejißt, die ihm im Alter fehlt. Die größte Ohrenrobbe ijt Steller3 Seelömwe, Eumetopias jubatus Schreb. (stellerı), eine ung jchon jeit Stellers Zeiten mwohlbefannte Art der Familie. Der männliche Seelöwe fann eine Länge von 4 m und einen Umfang von annähernd 3 m erreichen; ob Riejen von 5 m Länge und darüber vorkommen, ift durch fichere Mejjungen nicht erwiejen. Das durch- Ichnittlihe Gewicht gibt Elliott zu 600 kg an. Die Weibchen find bedeutend jchwächer, 584 9. Ordnung: Robben. Familie: Ohrenrobben. bleiben unter einer Yänge von 3m und überfteigen jelten ein Durchichnittägervicht von 200 kg. Sehr bezeichnend für das Tier ijt der gejtredte Kopf und Hals und jeine bei Erregung itolze und gebietende Haltung. Das Auge erjcheint groß und auSörudSpoll, aber nur, wenn das Tier erregt ilt; das Ohr ift zylindrijch, an der Wurzel in eine jcharfe Spige ausgezogen und mit furzen, feinen Haaren bededt. Auf der Oberlippe jtehen zwijchen 30 und4O biegjame, weiße oder gelblichweiße Schnurrborften, von denen einzelne bi5 45 cm Länge erreihen. Die Gliedmahen, welche die dreifache Tätigkeit der Beine, Füße und Flojjen vertreten müjjen, aber tro& igrer Entwidelung nod) immer weit mehr für Bewegung im Wafjer als für eine jolche auf dem Lande jich eignen, find größtenteils mit einer rauhförnigen Haut bededt, mährend der Leib in ein Furzes, hartes und glänzendes Haarfleid gehüllt ift. Die Färbung, de3 alten Männcens ändert vielfach ab, da man auf demjelben Feljen jehrvarze, nur hier und da infolge weißer Haarjpigen licht gejprenfelte oder rötlichhraune, dDüftergraue und licht- graue Stüde findet, aud) wohl in ein und derjelben Herde helle mit dunfeln Füßen, dunfel gefledte, graue mit dunfelm Halje und hellem Kopfe bemerkt. Das alte Weibchen ijt in der Kegel gleichmäßiger, und zwar gewöhnlich lichtbraun gefärbt; die Zungen endlich tragen ein ichieferfarbenes oder graufchtvarzes Gewand, das bei den Zährlingen in Nußbraim übergeht. Die Bermehrungs- oder Baarungspläge, die „Rooferies" der engliihen Sangjchiffer, two die Seelöwen regelmäßig alljährlich zu Taujenden oder in Fleineren Gejellihaften er-- icheinen, landen und Junge bringen, liegen, nach Elliott, Hauptjächlich zwilchen dem 53. und 57. Grade nördl. Br., und zwar jomohl auf dem Fejtlande von Amerifa und Ajien aß auc) auf den meijten innerhalb diejes Gürtel gelegenen Snjeln. Außerhalb des bezeichneten Gürtels, und zwar mweit entfernt im Süden, bejtehen verhältnismäßig unbedeutende Roo- _ feries bloß noch am Eingange des Hafens von San Franzisfo und weiter jidtwärts an einigen Stellen Niederfaliforniens und den davorliegenden Snjeln. Zedoc) jind nur die wenigjten bon den Tieren, die man in der Nähe von San Franzisfo jieht, Stellerjche Seelöwen, die meijten gehören zu einer naheverwandten Kobbenart (Eumetopias californianus Less.), werden aber gewöhnlich mit jenen zujammengemworfen; jie jind viel Heiner und bellen laut „uf, uf”, anjtatt jo zu brüllen wie die wenigen mit ihnen vermijchten Seelömwen. „Eine äußerjt breite und nicht minder ftaubige Straße”, jchreibt Finjch, „Führt durd) = öde, jpärlich bewachjene Dünen, deren Sand in fortiwährender Beiwegung ijt und die Luft — zumeilen nebelartig verhüllt, in etwa dreiviertel Stunden nad) dem ‚Klippenhaufe‘, einer hart am Felßgejtade des Stillen Weltmeeres belegenen Gajtwirtjchaft, welche einer der be- borzugten Ausflugsorte der Bewohner Sarı Franziskos ift. Schon von fernher dröhnt das Kaufchen der gemaltigen Brandung in das Ohr des dem Klippenhauje fich nahenden Be- juchers, zugleich aber auch ein abjonderliches Gebell, welches jich verftärkt und vervielfältigt, je näher man fommt. Durch diejes Gebell geleitet, benerft man auf drei Hohen fegelförmigen, faum mehr als 150 Schritt vom Ufer entfernten Klippen, deren unterer Teil hier und da jenfrecht aus dem Meere aufiteigt, und an denen die Brandung jich tojend bricht, reges Leber. Einige 60 ungeheure Seetiere lagern auf den größeren abjchüfjigen Feljen der Klippe in Gruppen bis zu 15 Stüd oder einzeln, in Spalten oder auf den jchmalen Felsgejimjen behag- Ich hingejtredt, gleichjam beherrjcht von einem oben auf der Spite thronenden, unter dem Namen ‚Ben Butler‘ allen Frisfoern mohlbefannten mächtigen Bullen. Zumeilen erhebt diejer jein Haupt, bläht den diden Halz gewaltig auf und läßt jein tiefes Bellen erjchallen, in welches nicht allein die jchiwächeren, feineren und höheren Stimmen aller übrigen Genojjen, jondern aud) das heijere Kreijchen der zahlreichen Mötwen oder das Krächzen der in langen Pr GSeelöwen: Treiben bei San Ftanzisko. 985 Reihen auf den Felsgejimjen und einzelnen Klippen und Spiten fitenden Scharben fowie der dumpfe Baßton brauner Pelifane ich einmijcht, deren Kotablagerungen gleich weih- getünchten langen Streifen von der dunfeln Feljenwand abjtechen. Gefejjelt durch das überrajchende Schaujpiel, beobachtet jelbjt der gleichgültigjte Bejucher längere Zeit die jo verjchiedenen Tiere und lernt dann zu jeiner Berwunderung erfennen, wie die anjcheinend jo plumpen und ungelenfen NRiejen die hHödhjten Spiten der Klippe erflimmen. Freilich geht dies langjam; doch mwiljen jie ihren langgejtredten Leib in eigentümlich jchlangenartiger Weije fort- und aufwärts zu winden und das Hinaufflettern durch die jeitlich ausgejtredten und ausgebreiteten Hinterbeine jo zu unterjtügen, daß fie ihr Ziel dennoc) erreichen. Jm BZujtande der Ruhe ähneln die Tiere riefigen dunfeln Nadtjchneden, liegen jedoch im Schlafe zuweilen aud) hundeartig zujammengerollt, die Schnauze dicht an den Bauch gelegt. Fit ichon die Beweglichfeit der jchveren Körpermaffe auf dem Lande überrajchend, jo entfalten dieje Robben jte doc) erjt im Wajjer vollitändig. Dft jieht man fie in das Meer jtürzen, indem jie ji) einfach an der janft abjteigenden Felswand herabgleiten lajjen oder von einer höheren ‚Sinne jpringend herabwerjen. Delphinartig treiben jie dann ihr Spiel in den Wellen, werfen jich bligjchnell herum, jo daß der Bauch nach oben fommt, jpringen zumeilen förmlich aus dem Lönijer heraus, jpielen miteinander, verfolgen jich, tauchen unter, beugen jich in die Tiefe oder über den Wajjerjpiegel und geben jich den Anjchein, als fämpften jie wütend mit- einander, obgleich in Wahrheit jolche Kämpfe nicht anderes jein dürften als eitel Schein und Spielerei, ebenjo wie die Beißereien auf dem Lande auch nicht viel auf jich haben. Erbojit jperren zwei von ihnen den gewaltigen Rachen auf, brüllen jich furchtbar an, als ob der ernitejte Kampf eingeleitet werden jollte, legen jich aber bald darauf friedlich wieder neben- einander nieder und beginnen jich vielleicht jogar gegenjeitig zu leden. Stundenlang fann man dem ewig wechjelnden Schaujpiele zujehen, und immer wird man etwas Neues be- obadhten und entdeden. - „Ganz anders verhielten jich Tiere der nämlichen Art auf den Farrallonesinjeln, den mächtigen Marfiteinert-an der Einfahrtjtrage nad) San Franzisfo, welche ich mit Kapitän Scammon an Bord des amerifanifchen Kriegsichiffes ‚Wyanda‘ ducchfuhr. An den füd- lichen, jeltjam aufgebauten Felsgejtaden gedachter Injeln jahen wir Herden von 50 und mehr diejer Robben, welche jich indes vorjorglich dahin zurüdzogen, wo die Brandung am ärgiten tofte. Hier lagen jie dDichtgedrängt, vom weißen Schaume der Wellen überjprist, unerreichbar al5 Jagdbeute, aber nicht für die Kugeln aus unjerer Standbüchje. Irog der bedeutenden Entfernung wurde ein Schuß unter die brüllende Schar gefandt und übte eine zauberhafte Wirkung aus: denn fait gleichzeitig jtürzte fich die gefamte Mafje in das Meer, und in den nächiten Stunden war die ganze untere Fläche des Zelfens wie abgefehrt. Erit viel jpäter jahen mir mit Hilfe des Glajez, wie die gejtörten Robben ihre Ruhepläge wieder aufjuchten. Der auffallende Unterjchied in dem Betragen diejer Tiere erflärt fich, wenn man weiß, daß jie hier, im Eingange der Bucht von San Franzisfo, vogelfrei find, während jie an den Klippen des gedachten Wirtshaufes unter dem Schuge des Staates jtehen und weder gejchofjen noch gefangen werden dürfen. Sie 'erfennen dieje Vorjorge wohl an und Iajjen e3 jich gern gefallen, ungejtört von ihrem furchtbarften Feinde und in behaglicher Ruhe ihr Treiben fundgebend, Neu- und Wißbegierigen zur Augenmweide zu dienen.“ Steller verdanken mir die erjte eingehende Lebensbejchreibung des Seelöwen. Weitere Mitteilungen haben wir durch Kogebue und 5. p. Wrangel, Scammon, Elliott und andere erhalten. Unter den zahlreichen Seetierarten der nordamerifanijchen Küfte des Stillen Ozeans 586 9. Ordnung: Robben. Familie: Ohrenrobben. verdient, nad) Scammons Anficht, feines mehr unfere Teilnahme als der Geelöwe; jelbjt der fin den Pelzhandel fo wertvolle Seebär fteht hinter ihm zurüd. Während Diejer bloß zu gewijjen Jahreszeiten an feinen Bermehrungsplägen, die meijt auf einfamen nein liegen, erjcheint und dann wieder jpurlos verjchiwindet, hält jich von den Seelömwen, auch nachdem ihre eigentliche Landzeit vorüber ift, wenigjtens ein Teil noch bejtändig an den Rooferies auf. Ir großer Anzahl vereinigen fie fd). aber doch nur während der Paarungszeit, die je nach den verjchiedenen Breitengraden früher oder jpäter, an der falifornijchen Stüfte bei- ipielsweife zwifchen die Monate Mai und Auguft, an der Küfte von Alaska dagegen zwijchen den Juni und Oftober fällt. Sn diefer Zeit bringen auc) die Weibchen ihre Jungen zur Welt und erziehen fie gemeinjchaftlich mit den Männchen, die fich in der Sorge um die Stleinen mit jenen vereinigen, fie berwachen und durch ihr Vorbild belehren, wie fie fich auf dem jo ver- ichieden geftalteten, bald zerflüfteten und feljenjtarrenden, bald jchlammigen, bald jandigen Ktüftenfaume zu benehmen, oder tie fie tauchend und Schwimmend den brandenden Wogen zu mwiderftehen haben. Anfänglich befunden die Jungen entjchiedene Abneigung gegen das Wafier; bald aber tummeln fie fich fpielend in diefem Elemente, und wenn die Landzeit vorüber ift, find fie jo vollfommen eingewöhnt, daß jte mit den Alten verjchwinden und den übrigen Teil des Jahres auf hohem Meere zubringen fünnen. Höchitens einige wenige von der zahlreichen Herde bleiben auf dem beliebten Plae zurüd und behaupten ihn bejtändig. Während der Fortpflanzungszeit nehmen die Seelöwwen, insbejondere Die Männchen, wenig oder gar feine Nahrung zu fi); nur die Weibchen verlajjen zumeilen ihre Lagerjtätte und ziehen zur Jagd aus, wagen jedoch nicht, fich weit von ihren Jungen zu entfernen. Daß der Seelöte lange Zeit ohne jegliche Nahrung leben Fann, ijt unzweifelhaft; denn an gefangenen Hat man beobachtet, daß jie während eines ganzen Monats nicht einen Bijjen zu jich nahmen und trogdem nicht die geringjte Unbehaglichkeit zu erkennen gaben, und die weiter unten zu jchidernde Zagdmweije, welche die Eingeborenen anwenden, bringt es mit jich, daß Tiere jedes Alters und Gejchlecht3 nicht nur wochenlang Hungern, jondern auch die größten An= jtrengungen ertragen müjjen, ohne dadurd) Schaden zu erleiden. Sm Anfange ihrer alljährlichen Berjammlungs- oder Landzeit zeigen jich die zu den gewohnten Nooferies zurüdfehrenden oder neu anfommenden Seelöwen wild und jcheu; mern jich aber auch die Weibchen am Strande, auf den Slippen und Feljen eingefunden haben, gebärden fie fich anders: denn nunmehr beginnen die Kämpfe der Männchen um die Herrjchaft über die Weibchen. Diejfe Kämpfe dauern oft tagelang und werden nicht früher beendigt, als bis einer von beiden Reden vollfommen exrjchöpft ift, entbrennen auch jofort wieder, jobald er neue Kräfte gefammelt hat. Erxft wenn beide gleichmäßig gejchmächt find, wenn der eine von dem Kampfplage flüchten mußte, oder wenn beide durch einen dritten, mit friichen Kräften über fie herfallenden vertrieben wurden, enden Streit und Hader; denn der endgültig befiegte jchleicht fich befümmert nach einem entlegenen Plage. Sn der Regel führt nur ein Männchen die Herrschaft über eine Herde; gleichwohl fann es vorkommen, daß man auch deren zwei auf ein und demjelben Felfen findet, wobei e3 dann freilich ohne herausforderndes Gebrüll und Heine Kämpfe nicht abgeht. Soweit Scammon beobachten konnte, bejteht zwijchen den verfchiedenen Sejchlechtern geringe Neigung. Nur die Weibchen befunden ihren Sprößlingen gegenüber eine gewijje Härtlichkeit, obwohl fie niemals anftehen, diejelben flüchtig zu verlaffen und fich in das Nafjer zu retten, wenn fie auf dem Lande überrascht werden. Die Jungen ihrerfeits find die miderjpenftigjten und unartigjten Heinen Gefchöpfe, die man fich denfen Kann, und betätigen Seelömwen: Verhalten der Gejchlechter und der Alten zu den Zungen. 987 ihre Untugenden namentlic) furz nach dem Erwachen aus ihrem fajt ununterbrochenen Sclafe. Dft jieht man, daß, wenn eine Mutter fich weigert, ihre Junges zu jäugen, ein Schwarm von anderen um die Gunjt jich jtreitet, Dies tun zu dürfen. Nach bejtimmter Ver- jicherung der Eingeborenen der St. Baulinjel fäugt die Seelömwin ein männliches, niemals aber ein meibliches Junge noch im zweiten Jahre feines Lebens, eine Anjicht, die wohl nur in der jo verjchiedenen Größe der beiden Gejchlechter ihre Erklärung findet. Mit dem Ende der Landzeit, die an der Falifornifchen Küjte ettva vier Monate währt, fehrt, wie erwähnt, die Mehrzahl der zahlreichen Herde, Männchen jowohl wie Weibchen, nach dem Meere zurück und ducchichvimmt e3 jet wieder jagend und fiichend nach allen Richtungen, da immer nur wenige imjtande jind, ich in der Nähe der Küjte genügend zu ernähren. Yijche, Weich- und Strebstiere jowie Wajfervögel verjchtedener Art bilden das tägliche Brot unferer Robben, die jedoch niemals verfäumen, einige Kiefel oder Heine Steine, einzelne bis zu 500 g an Gewicht, zu verjchlingen. Nach Scammons Angabe gebrauchen die Seelöwen eine bejondere „Lijt“, um fich der Seevögel zu bemächtigen; jie tauchen angejichts einer Mötmve tief in das Wafjer, jchwimmen unter den Wellen fort, erjcheinen borjichtig an einer anderen Stelle wieder an der Oberfläche, jtreden jedoch nur die Najen- jpige aus dem Wafjer heraus und bringen nun, wahrjcheinlich mit Hilfe ihrer Schnurrhaare, das Wajjer hier in eine drehende Bewegung, um die Aufmerfjamfeit der fliegenden Möme auf jich zu Ienfen. ‚Dieje glaubt irgendein Wafjertier zu jehen, jtürzt jich herunter, um es zu fangen, und ijt einen Augenblid jpäter von dem Seelöwen gepadt und unter das Wajjer gezogen, bald darauf auch zerrijjen und verjchlungen. Clliott, der die Seelöwwen vier Jahre lang auf den Pribylomwinjeln beobachtete, Hat dagegen niemals bemerft, daß die Tiere auf Geflügel jagten, obmwoHl fie jich im Meere zwilchen zahllojen umherjchwimmenden Seevögeln bewegten, die wiederum gar feine Furcht vor ihnen befundeten. Noch vor einigen Jahrzehnten wurden alljährlich allein an der Küfte von Ober- und Niederfalifornien jo viele Seelömen erlegt, dag man Taujende von Fäljern mit dem aus ihrem Fette gejchmolzenen Trane füllen fonnte. Die Anzahl der vernichteten Tiere ftieg ins Sabelhafte; denn man muß bedenken, Daß es zu den Seltenheiten gehörte, wenn während einer Jagd jo große Seelöwen erlegt wurden, daß das Fett von dreien oder vieren genügte, um ein Faß mit Tran zu füllen. Sinfolge der jehr merklichen Abnahme de3 gewinnbringenden Gejchöpfes erlegt man gegenwärtig hauptjächlih Männchen, und ziwar meift mit dem euer- gewehr, jeltener mit der Lanze. Da eine auf den plumpen Leib gerichtete Kugel in den meijten Fällen nur geringe Wirkung übt, jchießt man jtetS nach dem Kopfe und nimmt das Ohr zum Bielpuntte. Mit Keule und Lanze betreibt man die Jagd da, wo die Bejchaffenheit des Strandes gejtattet, die Tiere landeinmwärts zu treiben, was bei ihrer Öngjtlichfeit in der Negel Feine Mühe macht. Unmittelbar nach einer folchen Schlächterei beraubt man die erlegten Seelöwen ihrer Schnurrborften, Häutet fie jodann ab und jchält die Dicke, zwijchen Sell-und Muskel liegende Fettlage ab, um fie jpäter auf dem Schiffe in vieredige Heine Stüd- - chen zu zerjchneiden und auszufochen. Das Fell wurde in früheren Zeiten einfach meg- geworfen, bi3 man fand, daß e3 zur Zeimbereitung tauglich ijt und verhältnismäßig ebenjo großen Gewinn abwirft wie das Fett. Während der Europäer den Seelüwen jeines Fettes und jeiner Haut halber erlegt, berjorgt jich der Bewohner Masfas, der Meduten und PBribylomwinjeln durch die Jagd diejes Ceetieres mit Nahrung und mit den unentbehrlichjten Gegenjtänden jeines Haushalte2. Der Hauptlandungsplag der Seelömwen auf der ©t. Baulinfel ift die nordöftlichite Spite; 588 9. Drdnung: Robben. Familie: Ohrenrobben. zu diefem Plate ziehen die Eingeborenen während der Landzeit, um fich bei günftiger Ge- legenheit einen Fang zu jichern. Die Seelöwen find jehr jcheu, fiegen gewöhnlich Hart am. Wafjer und find fchwierig zu bejchleichen. Wenn der Mond jcheint, aber treibendes Gemölf ihn vielfach bededt und der Wind vom Lande weht, jo jchildert Elliott den Vorgang, ftehlen jich Fundige Eingeborene einer hinter dem anderen am Strande entlang, und zwar auf Händen und Füßen in folder Haltung, daß die wachenden Seelöwen jte in dem umnficheren Lichte für ihresgleichen anjehen. Glaubt man eine Herde vom Meere abgejchnitten zu haben, jo jpringen alle Jäger plößlich unter lautem Lärmen auf, Schreien, Eappern, feuern PBiftolen ab, entzinden Yeuerwerkskförper und juchen damit ihre erwählten Opfer landein- wärts zu fcheuchen. Diejenigen der Tiere, welche mit dem Kopfe jeewärt3 lagen, ftreben eiligit, das Wafjer zu erreichen, und lafjen fich nicht zurücdichreden, auch wenn ihnen die Säger entgegentreten wollten; fie gehen regelmäßig verloren. Diejenigen aber, welche mit dem Stopfe landmwärts lagen, flüchten auch in diejer Richtung und werden nun mit allen Schrecdmitteln unbarmherzig mweitergetrieben biS zu dem Lagerplage der Eingeborenen. Hier werden fie zunächit eingelappt, d. h. rings um den Trupp, der gewöhnlich 20—380, jelten 40 Tiere zählt, werden in Abjtänden von 3—6 m Stangen in die Exrde geftoßen, mit einigen Leinen verbunden und daran allerhand Zeugfeben gehängt. Dieje leichte Umfriediguug genügt vollitändig, um die gefangenen am Ausbrechen zu verhindern. Das Abjchneiden einzelner Trupps vom Wajjer, daS Treiben zum Lagerplab und das Einlappen wird nun manchmal, je nach Gunft des Wetters, zwei und drei Wochen lang fortgefebt, bis die Leute ihren vollen Yang, etva 200-300 Tiere, beifammen haben. Nun beginnt der Trieb, d.h. man zwingt die Seelömen, ihre Leiber jelbjt zu der Stelle zu fchaffen, wo man fie fchlachten will, bi3 zu der Drtichaft, die 11 englische Meilen entfernt liegt. Bei feuchter und Falter Witterung vermögen die gefangenen dieje Strede in 5—6 Tagen zurückzulegen, bei warmem und frodenem Wetter aber brauchen fie dazu zwei und dreiWochen, manchmal noch mehr Zeit. Beim Treiben werden allerhand Schrecdmittel angewendet, e3 wird gejchrien, ge- Ihofjen, geflappert, überhaupt auf alle mögliche Weije gelärmt, Tücher und Flaggen werden ge» Ihwenft. Da die jungen Seelöwen und die jchlanferen Weibchen fchneller vorwärtsfommen al3 die alten fetten Bullen, zieht fich die Karawane fehr in die Länge, und es ift jehr müh- Jam, die ermatteten und nicht felten recht grimmigen Nachzügler vorwärts zu Drängen. Unter- twegs fomımt man an einen See, und num wird der Wafjertveg benußt, um etiva 2 englische Meilen der ganzen Strede in fürzefter Zeit zu Durchmefjen. Die nach und nach am Ufer an- fommenden Geelöwen werden wieder eingelappt, bi3 auch die legten heran find; dann wird die ganze Herde in den See getrieben und legt nun, von ein paar Kähnen in Ordnung ge- halten, dicht am Ufer entlang fehywimmend, den Wafferweg in faum 20 Minuten zurücd, ©o jeltjam e3 flingt: feines der Tiere twagt auszubrechen und fich nach der Mitte des Sees zu retten. Damm geht e3 wieder mühjam über Land, noch durch ein paar Kleinere Seen, bis endlich die längft Hoffnungsvoll erwartete merftwindige Karawane an der Ortjchaft au- langt. est Holt man die Waffen herbei: Gewehre und Lanzen. Auch der beherztefte Ein- geborene wagt e3 nicht, alte Bullen mit der Lanze anzugreifen; das Unterfangen wäre zu gejährlich. Diefe werden daher zuerft aus unmittelbarer Nähe durch den Kopf gejchofjen, darauf Die Weibchen und Jungen mit ficherem Lanzenftoße duch das Herz getötet. Yon der Beute wird falt alles benußt: das Fleifch und Fett zur Nahrung, die Sehnen zum Nähen und Binden, die Häute zur Herftellung der leichten Kähne, die Eingeweide zur Anfertigung von ausgezeichneten mafjerdichten Überkleidern. Gelbft die langen, biegfamen Schnurrborften a I He Jagd auf Seelöwen. — Salifornifher Seelöme. 989 des Bartes werden jorgfältig gefammelt, denn fie find jehr begehrt und werden qut bezahlt don Chinejen, die jie unter anderem auch zum Neinigen der Opiumpfeifen verwenden. Nach) Elliott, dem toir in diefer Schilderung gefolgt find, bietet die Infel St. Paul, to alljährlich etwa 10—12000 Geelötwen landen, wegen ihrer Slüftenform befonders günstige Gelegenheit, dieje Jagdmweije anzumenden. Nicht jo die Nachbarinfel St. Georg, tvo überdies die Geelömen gegenmärtig jelten find. Unfer Gewährsmann hörte von den Bewohnern, daß noch zu Anfang des 19. Jahrhunderts etliche Hunderttaufend Seelöwen auf der Snfel gelandet jeien. Da jie aber wegen ungünftiger Strandverhältniffe kaum zu erbeuten waren, zudem die hochgejchäßten Seebären vom Landen abhielten, hätten die Altvorderen alle Mittel aufgeboten, die für fie nicht nußbaren oder richtiger nicht erlegbaren Seelömwen zu vertreiben, und zwar mit dem Erfolge, daß dieje fich mehr und mehr weggewöhnten, während an ihre Stelle allmählich die Seebären traten, die leichter zu erbeuten find und großen Gewinn bringen. An der Küfte Sibiriens, Kamtjchatfas und Sachalins betreibt man den Fang der Ohren- tobben tie den ihrer Verwandten wiederum in anderer Weife. Alle Buchten und Flüffe des nordafiatiichen Kiüftenlandes wimmeln während der Monate Juni bi3 September von Lachjen, welche in diejer Zeit des Laichens halber auffteigen, und ihnen folgen jagend die Nobbenarter nach. Um lebtere zu fangen, fperrt man gemwifje Stellen der Ströme und Baien durch weitmajchige Nebe, die wohl den Fifchen, nicht aber den Robben Durchgang gejtatten. Dieje verwiceln jich im Gemafche und erjticlen entweder in der Tiefe des Fluffes oder werden bon den herbeieilenden Fijchern getötet. So bilden fich in den verjchiedenen Gegenden des Berbreitungsgebietes unjeres Tieres mancherlei Jagdweifen aus; Feine einzige von allen aber würde den Beitand an Seelötwen mit völliger Vernichtung bedrohen, täte Der habjüchtige Europäer auch in diefem Falle e8 nicht allen übrigen Völferfchaften zuvor. Geelömwen halten ich leicht in Gefangenjchaft, Tafjen fich in hohem Grade zähmen und befunden, mern fie jung erbeutet wurden, fchließlich eine außerordentliche Zuneigung zu ihrem Wärter. Der gewöhnliche Seelötwe der zoologijchen Gärten ift aber nicht der eben bejprochene, jondern der ©. 583 erwähnte Kalifornifche Seelümwe, Eumetopias californianus Less. (Zalophus, Otaria, gillespii). Sein Hußeres bejchreibt Hed („Das Tierreich”) wie folgt: „Dies ijt der Kaliforniiche Ceelötwe, dejjen altes Männchen fich durch einen auffallenden Stirnbudel, vermöge jtarfer Ausbildung der Knochenleifte am Schädel ehr hoch gemölbten, gegen die Naje jteil abfallenden Dberfopf auszeichnet. Die überhaupt viel Heineren, nur den dritten Teil jo chweren Weibchen Haben dagegen jehr jchmale, flache und Kleine Köpfe, die im Verein mit den langen beweglichen Hälfen den Bewegungen der Tiere oft etivas Aal- oder Schlangenartiges geben. Die Farbe ift im Waffer jchwarz, beim Männchen am ganzen Körper, beim Weibchen auf der Unterfeite, an Bruft und Bauch etwas heller, rötlich. Bei längerem Aufenthalt auf dem Lande, während das furze Haarkleid immer ‚mehr abtrocnet, geht aber die dunfle Farbe allmählich in ein, man möchte jagen: ver- Iihojjenes, helles Braun oder mattes Lehmgelb über.” Über ihr Gefangenleben fowie ihre Fortpflanzung in der Gefangenschaft Hat Wun- derlich jehr gute Beobachtungen mitgeteilt („Zool. Garten”, 1890). Danach dauert die Brunft zwei Tage. Die Paarung findet im Waffer ftatt. Die Trächtigfeitszeit beträgt 342 bis 347 Tage. Die Wurfzeit fällt in den Juni oder Juli. Die Jungen, die mit offenen Augen geboren wurden, gingen in Köln am dritten Tage nach der Geburt ins Wafjer. Shr = 990 9. Ordnung: Robben. Familie: Ohrenrobben. Kleid glich ganz dem der Mutter. Sie nährten fic 7—8 Monate fang nur von der Milch der Mutter, nach einem Jahr hörte das Säugen ganz auf. Sie wechjelten in der zweiten Hälfte de3 Dezember ihr Haarkleid das erjtenal, und nun glichen jchon die jungen Männchen ganz den alten. Zur gleichen Zeit wechjelten auch die Alten das Haarkleid, und zwar nur dies eine Mal in jedem Sahre. — Das ©. 584 erwähnte Gebrüll lajjen aud) die gefangenen Seelöwen, und zwar jtändig, hören, jo daß jie jic dadurch recht unangenehm bemerfbar machen. Der Kölner Bulle jchrie derart, daß man ihn bei gutem Winde auf dem anderen Ufer des Aheins in Mülheim hören fonnte. Eine jehr lebensvolle Bejchreibung aus neuefter Zeit über einen füdlichen Vertreter der Seelöwen, die Mähnenrobbe, Otaria byronia Blainv., verdanfen wir dem Frhr. v. Schrend („Zool.Beob.”, 1912), der die Tiere in Freiheit in Patagonien beobachten fonnte. Die Färbung diejer Form it ein jtumpf gelber, ins Bräunliche jpielender Ton. Die nadten Slojjen find jchwarz. Nur bei den alten, bi 3 m lang und bis 16 Zentner jchwer werdenden Männchen verlängert jich das Nüdenhaar mähnenartig, den viel Heineren Weibchen fehlt die Mähne. Die Jungen haben einen gleihmäßig tiefichiwarzen, weichen Pelz. Das Auge zeigt ein merfiwürdiges Farbenjpiel, indem die Fris glänzend grün jchimmert, während die Bindehaut der inneren Augentinfel rot gefärbt it. Die Männchen, die Heftige Kämpfe um die Weibchen ausfechten, alS deren Folge jie alle tiefe, Haffende Wunden zeigten, lafjen die ganze Nacht ihr Kampfgebrüll ertönen, wie überhaupt die ganze Gejelljchaft jehr laut it. „se mehr wir uns der Stüfte näherten, dejto ohrenbetäubender wurde der Höllenlärn, dejto unerträglicher und dDurchdringender der Geruch, jo daß wir jchließlich nur noch ganz oberflächlich zu atmen wagten... Das von dem gewaltigen Chor ausgehende Konzert jpottet jeder Bejchreibung. Auf heijere Einatmungslaute folgen jedesmal tiefe, grollende Grundtöne. Die zahlreichen jungen Tiere medern täujdend wie Ziegen und blöfen genau wie Schafe.” Auch für diefe Art ift die Landzeit die Fortpflanzungszeit, während welcher die Jungen geboren werden und die Ulten zur Begattung jchreiten. Exjt jechs Wochen nad) der Geburt fönnen die Jungen in das Wafjer gehen. Solange find die Eltern gezwungen, am Lande zu bleiben und jic) vom eigenen Nejervefett zu ernähren. Frhr. dv. Schrend jand beim Ausweiden einer der ftärfiten Mähnentobbe den ganzen Verdauungstraft Ieer, nur zwei jtark abgejchliffene Steine von 300 und 450 g Gewicht im Magen. Auch dieje Robben werden oder wurden, bevor die argentinische Regierung fich der Tiere jchüend annahm, arg verfolgt und in graufamer Weife hingefchlachtet. Dabei fpielten jich, wie Schrend jchreibt, erjchütternde Szenen ab, da die alten Männchen Weibchen und Zunge mit großem Heldenmut verteidigen. Diefe füdliche Art fcheint Feine Jagd auf Seevögel zu machen, da fich zahlreiche Möwen zivifchen der Herde befinden. Bekannt ift die Mähnentobbe oder der Batagonifche Seelöme namentlich dadurch, daß längere Zeit ein Eremplar im Londoner Zoologijchen Garten Iebte. C3 war dorthin im Jahre 1866 durch einen englifchen Matrojen, Lecomte, gelangt, al3 exjte Ohrentobbe überhaupt, die lebend nach Europa gebracht tworden ift. Diejer alte Seemann Hatte als Robbenfchläger die Tiere fennen und dabei fo lieben gelernt, daß er wenigjtens verjuchen wollte, fie an die Gefangenschaft zugewöhnen und womöglich zu zähmen. Zu feiner Überrafchung gelang ihm beides weit beifer, al er felbjt geglaubt hatte. Anfänglich verlor er allerdings mehrere.von den eingefangenen Gtüden; einzelne aber blieben am Leben und wurden fo außerordentlich zahm, daß fich bald ein Mähnenrobbe. # Mähnenrobbe. 91 toirfliches Freundfchaftsverhältnis zwijchen dem Pfleger und feinen Schußbefohlenen heraus- bildete. Die Tiere lernten ihren Gebieter verjtehen, erwiejen ihm eine außerordentliche Anhänglichkeit, gehorchten jchließlich auf das Wort und Fießen fich Daher leicht zu verjchiedenen Kunftftückchen abrichten, die um jo größere Bewunderung erregen mußten, je weniger man dem anfcheinend fo plumpen Gefchöpfe die von ihm dabei entfaltete Beweglichkeit und Ge- lentigfeit zutrauen mochte. Snfolge der Teilnahme, die Lecomte mit feiner gezähmten Mähnenrobbe überall ertwecte, bejchloß er, fie in verjchiedenen Städten zur Schau zu ftellen, wurde aber leicht bewogen, fie an den Tiergarten in London abzutreten und hier fernerhin zu pflegen. Man errichtete ein weites und tiefes Beden mit einem injelähnlichen Gemäuer in der Witte, verband beides mit einem Stalle und geftattete Zecomte, zur Unterhaltung der Bejucher, nach Art der Tierbudenbefiger Vorftellungen zu geben. Mähnenrobbe und Pfleger ge- warnen bald die verdiente Anerfennung und zogen Taufende von Bejuchern au. Ic jelbit, obwohl eingenommen gegen alle derartigen Schauftellungen in Anftalten, die in erjter Reihe der Wifjenfchaft dienen jollen, wurde durch Lecomte, wenn auch nicht befehrt, jo*doch im höchjten Grade gefejjelt; denn ein ähnliches Verhältnis zwijchen Menjch und Nobbe hattexich bis dahin noch nicht gefehen. Beide verjtanden fich vollfommen; beide ichienen die gleiche Zuneigung zueinander zu Hegen; denn wenn man auch annehmen mußte, daß die Freundesliebe jeitens der Robbe ernjter gemeint var al3 von jeiten Lecomtes, er- hielt diefer den Zuschauer doch ftet3 in anmutender Täufchung, und die Umarmungen, die er jeinem Pflegling zuteil werden ließ, fchienen ebenjo innig, die Stüffe, welche er auf die rauhen Lippen des Seetieres drückte, ebenjo hei zu jein, al3 hätten fie einem geliebten Menjchen gegolten. Die Mähnentobbe tat, was Lecomte mit Huger Berüdfichtigung der Eigentümlichfeiten und des Wejens des Tieres befahl. ES handelte fich bei der von beiden gegebenen Borftellung für das Tier einzig und allein darum, einen Bijfen Futter zu ge- winnen; die Kunftleiftung der Nobbe bejchränkte jich aljo darauf, aus dem WLVajjer heraus- zugehen, das Land beziehentlich den injelähnlichen Ruheplak in der Mitte zu erreichen, über ein verhältnismäßig jchmales Brett wegzurutichen, den Schoß des Pflegers zu erklint- men, bon den Lippen des leßteren einen wirklich vorhandenen oder vorgejpiegelten Biljen zu nehmen und jchließlich mit jähen Sabe in das Wafjer zu [pringen, um ein in das Beden gemworjenes Fiichchen Herauszuholen; die Art und Weife aber, mie Dies gejchah, fiel nicht allein dem Laien, jondern auch dem gejchulten oder erfahrenen Naturforjcher auf. Ssede Bewegung des Tieres ijt gänzlich verjchieden von der eines Seehundes; denn die Mähnentobbe oder, wie ich annehmen darf, jede Ohrenrobbe überhaupt, Friecht nicht in Der Weife der Seehunde mühjelig auf dem Boden fort, jondern geht, auf ihre breiten Flojjen jich ftügend, in Höchjt abjonderlicher Weife dahin. Während fie im Liegen und im Schwimmen faft genau diejelbe Haltung annimmt wie der Seehund, diejen auch in der Fertigkeit, das Waffer zu beherrichen, in ihm blifchnell fortzufchießen, fich zu drehen und zu wenden, fopf- oberjt oder fopfunterjt auf und nieder zu fteigen, über die Oberfläche fich zu erheben oder unter ihr zu verjinfen, faum oder nicht überbietet, übertrifft fie ihn Doch im Stlettern wie im Gehen in außerordentlicher und Höchjt überrafchender Weife. Um vom Wafjer auf das er- Höhte Land zu fommen, wirft fie fich, alle vier breiten Flojjenfüge zu einem Fräftigen Vor- ftoße gleichzeitig beiwegend, förmlich |pringend über den Rand des Bedens weg, fällt aber nicht wie der Seehund auf den vorderen Teil der Bruft, jondern auf die im Handteil um- gefnidten Flojjen, wie ein Menfch auf die beiden inneren Handflächen fich jtügend, jchreitet, 592 9. Ordnung: Robben. Familie: Ohrentobben. eine Flojfe um die andere langjam ein wenig vormwärts jegend, hierauf aus, zieht den hinteren Teil ihres Leibes nach, hebt fich auf die in gleicher Weife wie die vorderen gejtellten Sinterbeine und twatjchelt num, diefe wie jene Freuzweije bewegend, fchneller, al3 man erwarten Fönnte, vorwärts, hält fich auf fchmalen Kanten mit vollfter Sicherheit feit, jchmiegt ihre Flojjen jeder Unebenheit des Bodens an und Hettert jo, ohne erjichtliche Anftrengung, an jehr fteilei Flächen empor, gelangt jonach auch mit Leichtigkeit in den Schoß de3 auf einem Stuhle jitenden Pfleger3 und ift imftande, ihren ganzen Leib derart auf die Hinterfühe zu jtügen, daß der vordere Teil eine viel größere Freiheit erlangt, al3 der Seehund fie jemals ausüben fann. Nur wenn fie auf ebenem Boden läuft, jieht jie de bei diejer Bewegung ftarf ge- krimmten Nücens halber unfchön, mindeftens abjonderlich aus; bei allen übrigen Be- megungen bilden die Umuifje ihres Leibes reichbemwegte, angenehm ins Auge fallende Linien. Das Tier vermag fich mit größter Leichtigkeit nach oben oder unten, nach der einen oder anderen Seite zu biegen und betätigt dabei eine folche Gelenfigfeit ver Wirbeljäule, mie man jie bei ven Seehunden nicht bemerft. Db ihre höheren Begabungen dem eben Gejchilderten entjprechen, lajje ich unent- ichieden, muß aber jagen, daß jie in dDiefer Beziehung ebenfalls einen jehr günftigen Eindrud bei mir Hinterlafjen hat. Der Stern des großen, jehr beweglichen Auges ijt nach den Beobachtungen Murie3 einer außerordentlichen Erweiterung und Berengerung fähig. ch habe jehr viele Seehunde und unter ihnen auch folche beobachtet, die von Schaujtellern ihrer großen Zahmbheit wegen umbergeführt und gezeigt wurden, unter ihnen allen aber meines Crinnerns feinen einzigen fennen gelernt, der mit Lecomtes Mähnenrobbe hätte verglichen werden Fönnen. Dieje var jo zahm, wie e8 ein urjprünglich freigeborenes Säuge- tier überhaupt werden fan; ihr Wärter durfte mit ihr beginnen, was er wollte: fie ließ jich alles gefallen, nicht allein ohne den geringjten Widerftand entgegenzufegen, jondern indem jie dabei ein in Erftaunen feßendes Verftändnis für die Vornahmen ihres Gebieter3 an den Tag legte. Sn der Willigfeit, auf alle Wünfche ihres Freundes einzugehen, erinnerte jte viel mehr an einen wohlgezogenen Hund als an eite Robbe. Man fonnte wirklich glauben, daß jie einzelne Worte oder Befehle ihres Vfleger3 verjtand und ihnen entjprechend handelte: jie antwortete auf eine Anjprache, näherte fich ihrem Gebieter, wenn jie gerufen ivurde, und führte auch verfchtedene andere Befehle vollfommen entjprechend aus, Hletterte auf Anfordern dem Manne auf den Schoß, näherte ihre Lippen den jeinigen, warf jic) auf den Rüden, zeigte ihr Gebiß, ihre Vorder- und Hinterflofjen ufiw., anjcheinend ohne ihren Gebieter jemals mißzuverjtehen. Alle dieje „Arbeiten” führte fie unverdrofjen zu jeder Tageszeit aus, ob- gleich e3 zumeilen vorfommen mochte, daß jie zehn- und mehrmals im Laufe des Tages genau dasjelbe tun, alfo ihrebehäbige Ruhe aufgeben mußte. Srgendein lederer Bijjen, inden meijten Fällen ein Stüdchen Filch, ftand ihr allerdings jedesmal in Ausficht; fie zeigte fich jedoch wohlgenährt und Feineswegs hungrig, fehien vielmehr das ihr gereichte Fijchchen nur als eine Belohnung anzufehen, die jich für geleiftete Arbeit von jelbjt verjtand. Lecomtes Begabung, mit dem Tiere umzugehen, iwar freilich ebenfo überrafchend wie die Leijtung der Mähnentobbe jelbft. Der alte Matrofe fannte feinen Pflegling genau, jah ihm etwaige Wünfche fozufagen an den Augen ab, behandelte ihn mit abfichtlicher Zärtftch- feit, täufchte hit nie und war ebenfo bedacht, ihn niemals zu iibermüden. So gewährten beide jedermann ein fejjelndes Schaufpiel, und die Mähnenrobbe wurde zu einem Zugftüde wie wenig andere Tiere des reichen Yondoner Gartens. ALS das wertvolle Tier nach einer Reihe von Jahren jtarb, hatte es fich die Gunft der Bejucher in fo hohem Grade erworben, u A A BE Geebär. 593 daß die Gejelljchaft e3 fi nötig fand, Lecomte nach den Falklandinjeln zu jenden, einzig und allein zu dem Zivede, um andere Ohrenrobben derjelben Art zu erwerben. Als Vertreter der PBelzrobben jei der Seebär oder die Bärenrobbe, Arctocephalus ursinus Z. (Callotaria), angeführt. Er jteht an Größe hinter dem Seelöwer zurücd, da felbit die größten Männchen von der Schnauzen- bi zur Schwanzjpige bloß 2—2,5 m mefjen und die Weibchen jelten mehr als die Hälfte diejes Mafes erreichen; jene werden bejtenfall3 an 200—250 kg, dieje nur 50—60 kg jchwer. Der Leib ijt zwar kräftig, aber doch jehr gejtreckt gebaut, der Kopf länger und jpiger als bei den Jobben insgemein, der Hals furz, aber deut- lich vom Rumpfe abgejeßt, der Schtvanz kurz und fpitig, das Maul ziemlich Klein, das Najen- loch jchligförmig, dr3 Auge jehr groß, dunkel und von lebhaftem Ausdrud, die Oberlippe mit einigen 20 jteifen, höchjtens 16 cm langen Schnurrboriten bejeßt; die Vorderfüße find flofjen- artig gejtaltet und mit einer weichen, äußerjt biegjamen, haarlojen, jchwarzen Haut befleidet, die hinteren jehr verbreitert und verlängert, da die fünf Zehen, von denen drei oben Nägel tragen, mindejtens 10 cm vor der äußeren Spibenfante endigen. Das am Halje und an der Borderjeite merklich, längs der Rüdenlinie einigermaßen verlängerte Fell beiteht aus nicht allzu jteifen wrannen und ungemein weichen und zarten, jeidenartigen Wollhaaren, twelche die Haut dicht befleiden. Seine Grumdfärbung ijt ein dunkles Braun, das bei einzelnen Stüden in Braunjchtvarz übergeht, auf dem Kopfe, Halje und dem vorderen Teile des Zeibes aber durch weißfpiige Haare gejprenfelt erjcheint und auf der Unter- und Innenfeite der Glieder jich lichtet. Die einzelnen Haare find an der Wurzel jchivarz, fodann rötlich gefärbt und zeigen vor der Spibe einen graulichen Ring. ltere Weibchen unterfcheiden fich von den Männchen ziemlich regelmäßig durch jilbergraue Färbung; jehr alte aber tragen ebenfall® ein auf Rüden und Seiten dunfelbraunes, jedoch überall mit weißen Haaren gejprenfeltes, unten rötlichbraunes Kleid. unge Tiere beiderlei Gejchlechts haben ein jilberfarbenes Fell, weil ihre Haare durchjchnittlich in lichte Spiten endigen. Aus den Wahrnehmungen aller Schiffer, welche die Seebären fennen, geht hervor, daß dieje einzig und allein zum Zmede der Fortpflanzung auf die verjchiedenen von ihnen regelmäßig bejuchten Snfeln oder Schären fommen, während der übrigen Monate aber au3- jchlieglich auf Hoher See leben und dabei jehr weite Wanderungen unternehmen. Gleich- tohl fehren jie, wie jahrelang fortgejegte Beobachtungen eriviefen haben, immer wieder zu den befannten NRooferies zurüd. Wenn ihre Yandzeit herannaht, bemerft man zuterft einige alte Männchen, die Kundjchafterdiente zu tun fcheinen. Shnen folgen dann allmählich die übrigen nad). Von den höchiten Stellen einzelner füdlicher Snfeln aus hat man, laut Scam- mon, beobachtet, daß jie bei ihrer Rüdfehr zum Lande, in ungemein zahfreiche Gejellichaften vereinigt, gemeinjchaftlich reifen und erjt an der Küjfte fich in verjchiedene Herden teilen. Bei der Wahl der von ihnen bejuchten Stellen verfahren fie mit großer Umficht, vielleicht exit, jeitvem jie durch Erfahrung die Notwendigkeit erfannt haben, fich vor ihrem fchlimmiften Teinde, dem Menjchen, jo viel wie möglich zu Schüten. Im allgemeinen juchen fie fich Eilande oder auf größeren Sneln jolche Küftenftreden auf, an denen die See mit befonderer Heftigfeit brandet, und ermwählen fich dann die unmittelbar über der höchiten Flutmarfe gelegenen, möglichjt wenig zugänglichen Felfen zu ihren zeitweiligen Wohnfigen. Jedes alte Männchen ehrt jo lange zu einer genau bejtimmten Stelle zurüd, als es jie zu behaupten vermag: Bryant wide von den Eingeborenen der Rribylomwinfeln verjichert, daß man auf der St. Paulinjel im Beringmeer einen an dem Fehlen einer Borderflojje leicht Tenntlichen Brehm, Tierleben. 4. Aufl. XT. Band. 38 594 9. Ordnung: Robben. Familie: Ohrenrobben. : Im Bullen 17 Sahre nacheinander auf demjelben Blode beobachtet Habe. Elliott tritt diejer Be- hauptung entgegen. Ihm verficherten die Bervohner diejer ynjel bloß, daß fie drei Jahre lang einen alten Bullen zwar nicht genau auf demjelben Blode, aber doch in dejjen Nähe beobachtet hätten. Diefer war Fenntlich durch den Mangel einer Hinterflofje. Elliott wartete auf ihn im vierten Jahre, das Tier erjchien aber nicht. ES find, um dieje Frage zu entjcheiden, in zwei verjchiedenen Jahren beweiskräftige Berjuche angejtellt worden: e8 wurden je einer Anzahl an einer Stelle gelandeter Männchen die Ohren geftußt. Die derartig gefennzeich- neten Tiere fand man in den folgenden Jahren allenthalben auf der Snjel verjtreut an den verjchtedenften Landungspläßen twieder, wodurch ermiejen ijt, Daß die Tiere zwar die alten Nooferies wieder aufjuchen, nicht aber genau begrenzte und früher innegehabte Pläße. Nach den Beobachtungen Bryant3 dürfen fich junge, d. h. weniger als jech$ Sahre alte Männchen wenigitens bei Tage nicht auf das Land wagen und [chrwimmen Deshalb während der Zandzeit faft bejtändig längs der Kiüfte Hin und her, höchitens des Nachts verftohlen Yandend, um ein wenig zu jchlafen. Eine einzige Ausnahme von diejer Regel findet an jolchen Stellen ftatt, mo eine längere Küftenftrede zum Landaufenthalt gewählt wurde, teil hier ziwifchen den einzelnen zufammengehörigen Familien Berfehrswege frei bleiben, auf denen die jüngeren Bärentobben, unbeläftigt von den alten, fommen und gehen Dürfen, tie fie wollen, folange jte nicht feitlich abzumeichen verjuchen. Das Leben der Tiere während ihrer Landzeit verläuft etwa folgendermaßen. Uns- gefähr um Mitte April erjcheinen einige alte männliche Bärentobben in der Nähe der Sujeln, halten jich hier etiwa zwei oder drei Tage auf, wagen fic) auch wohl auf das Land und unter- juchen, vorjichtig Jchnüffelnd, die gewohnten Pläge. Fällt dieje Unterjuchung befriedigend aus, jo erflettern fie einen oder zwei Tage |päter.höhere Stellen und legen jich hier, Taujchend und jpähend, mit erhobenem Haupte nieder. Die Eingeborenen der St. Baulinjel, welche die Sitten und Gewohnheiten der Tiere genau fennen, vermeiden es, jich während diejer Zeit zu zeigen, vermeiden auch), wenn der Wind bon ihren Dörfern her nach der Geefüjte weht, jeden unnügen Lärm und löjchen jelbjt die Feuer aus, um den Kumdjchaftern feinen Anlak zum Argmwohn zu geben. Lebtere verjchwinden nach einiger Zeit; wenige Tage jpäter erjcheinen jedoch männliche Bärentobben in Heiner Anzahl, und zwar alte twie junge. Erjtere nehmen jofort ihre Pläge auf den Landunggftellen ein, hindern die Jungen an der Landung und zwingen fie, entweder im Wajjer felbjt oder an den bon ihnen nicht eingenom- menen Stellen der Jnjel Unterkunft zu fuchen. Sedes alte Männchen beanjprucht übrigens wenig mehr als etiva 25 Geviertmeter Raum, eben genug zum Schlaf- und Ruheplage für jich, und 10—15, manchmal auch nur 5, aber an den bejten Pläßen jogar bis 40 und 45 Weib- chen. Noch immer treffen tagtäglich andere Männchen ein, zivei-, drei-, vier- und fünfjährige annähernd in derjelben, jüngere in geringerer, ältere in größerer Anzahl. Lebtere bahnen ich zu einem ing Auge gefaßten Lagerplage mit um fo größerer Schtwierigfeit einen Weg, je mehr von den pafjenden Gtellen bereit3 von anderen in Befit genommen toorden find; denn jeder einzelne diefer Weibergebieter hält an feinem Stande feft und weicht nur der Gewalt. rgendimwelches Anrecht wird von feinem anerkannt; der zuleßt erfcheinende hat fi) demnac) zu begnügen oder um einen bejjeren Plab zu fämpfen. Gegen den 15. Juni Hin find alle Männchen verfammelt und alle pafjenden Pläte vergeben. Die alten Herren erwarten jegt offenbar die Ankunft der Weibchen. Lebtere erjcheinen zuerjt ebenfalls in Heiner Anzahl, im Verlaufe der Zeit jedoch in immer zunehmen» den Echaren, bis um die Mitte des Juli alle Landungspläge gefüllt oder überfüllt find. alas u _ Robben | 1. Seebären, Arctocephalus ursinus Z., auf den Pribylowinfeln. 5 593. — Mr. Poland-London phot. Mit Erlaubnis der Firma J. Z. Schütz-Wien veröffentlicht. IETTTITIIIETER { ‘. 4; N & h X F 2. Gemeiner Seehund, Phoca vitulina Z. 1/25 nat. Gr., s. S. 614. — W. S. Berridge, F. Z. S.- London phot. 3. Kegelrobbe, Halichoerus grypus Fabr. 1/30 nat. Gr., Ss. S. 613. — W.S. Berridge, F. Z. S.-London phot. r Seebär: Verhalten der Gejchlechter und Jungen. 595 Viele von den Weibchen jcheinen bei ihrer Ankunft den Wunfch zu hegen, fich mit einem bejtimmten Männchen zu vereinigen; denn fie Fetteru oft auf die äußeren Feljfen, um von ihnen aus die Landungspläge zu Überfchauen, laffen auch wohl ihren Lodruf vernehmen und laujchen, ob ihnen eine bekannte Stinmme Antwort gibt. Wenn dies nicht der Fall ift, wechjeln fie ven Plab, verfahren ebenfo twie früher und treiben dies fo lange fort, biS ein der im Wafjer Shrwimmenden jungen Männchen, eine Junggefellenrobbe, wie die Einge- borenen dieje nennen, jich ihnen nähert und fie, oft gegen ihren Willen, an das Land jagt. Lebteres gehört offenbar zu den Pflichten befagter Junggefellenrobben. Sie fchwimmen während des Tages längs der Sürfte auf und nieder, beobachten die anfommenden Weibchen und zivingen jie jchließlich, an der feljigen Küfte zu landen. Sobald die Weibchen dieje be- treten, nähert jich>das nächitliegende Männchen, läßt einen Laut vernehmen, der an das Gludjen einer Henne erinnert, und jucht, der neuangefommenen Genojjin freundlich zu- nidend und jie auch wohl liebfojend, allmählich ziwijchen fie und das Wajjer zu gelangen, jo daß jie nicht mehr zu entfliehen imjtande ift. Sobald dies dem Männchen gelungen it, ändert e3 fein Betragen volljtändig; denn anjtatt der Liebfofungen erfährt das Weibchen beherrjchenden Zwang: drohende Gebrummt fordert e3 auf, einen der noch freien Pläße im Harem de3'geftrengen Männchens einzunehmen. Sn diefer Weife verfährt jeder männliche Seebär, bis der legte Plab des von ihm behaupteten LYagergebietes bejegt it. Damit endet - jedoch jeine anjtrengende Arbeit nicht, weil die über ihm liegenden Bullen feine Rechte fort- während jchmälern, indem fie jeden günftigen Augenblid benußen, um ihm Weiber zu jtehlen. Dies gejchieht einfach jo, daß fie eins der Weibchen mit den Zähnen paden, e3 über die übrigen wegheben und, iwie die abe die Maus, nach dem eigenen Weiberzivinger jchleppen. Die über ihnen liegenden Männchen verfahren genau in derjelben Weije, und jo währt das Cinfangen und Stehlen der Weibchen fort, DiS endlich alle Bläße bejegt find. Nicht jelten geraten zwei Männchen eines Weibchens halber in den heftigiten Streit; zumeilen auc) gejchieht eS, daß beide gleichzeitig über den Gegenjtand ihrer Eiferfucht herfallen und ihn, wenn nicht in Stüde zerreißen, jo doc) gefährlich verwunden. Nachdem jedvweder Harem gefüllt ift, wandern die Männchen jelbitgefällig auf und nieder, um ihre Familie zu über- blieen, jchelten die Weibchen, welche fich drängen oder die übrigen ftören, und treiben wütend alle Eindringlinge davon. Diefe Überwachung bejchäftigt fie während der ganzen Zeit, die fie auf dem Lande zubringen. Biwvei oder drei Tage nad) der Landung gebiert jedes Weibchen ein einziges, in höchit eltenen Fällen vielleicht auch zwei Junge. Der Heine Seebär fommt, wie alle Robben, in jehr entwideltem Zujtande und mit offenen Augen zur Welt, mißt bei der Geburt etiva 35 cm umd wiegt 1,5—2 kg; er trägt ein von dem der alten verjchiedenes, aus ungemein weichen, kraujen Wollhaaren und ähnlichen Grannen bejtehendes Kleid von [chtwarzer Yär- bung, das er erjt gegen Ende der Landzeit mit dem der alten vertaufcht. An den erjten Wochen nach der Geburt verlaffen die Weibchen ihre Zungen höchitens auf Augenblide; Dann aber gehen fie längere Beit in das Meer, um Nahrung zu juchen. Bis dahin begleiten die Jungen ihre Mütter bei jeder Bewegung, welche diefe auf dem Lande ausführen, find aber während der eriten —6 Wochen, laut Elliott, gänzlich unfähig, zu jchwimmen, und ertrinfen rettungslos, wein fie infolge eines Zufalles ins Wafjer geraten. Dann erjt lernen jie allmählich und ungejchidt genug jchreimmen, indem fie es den alten nachzutun verjuchen, anfangs aber immer jchleunigjt wieder aus dem Meere an das Land Frabbeln. Mit der Zeit gewinnen jie Gelbjtvertrauen, wagen jich immer weiter hinaus und find jchlieglich bis Mitte 38* 596 9. Dronung: Robben. Familie: Ohrenrobben. Eeptember ganz getvandte Schwimmer geworden. Nun find fie auch jchon Hübjch gemwachjen, fett und rund, wiegen 14—18 kg und beginnen ihr Haar zu wechjeln, ein Vorgang, der auf den Pribylomwinfeln etwa mit dem 20. Dftober beendet ft. Sn welcher Regelmäßigfeit und Drdnung fich alle dieje Höchjt merfwinrdigen Borgänge auf den Pribylomwinfeln jahraus und jahrein vollziehen, hat Elliott jehr genau gejchildert. Die erjten alten Bullen erjcheinen Anfang Mai; fie fommen, ohne Furcht und ohne Mip- trauen zu zeigen, an das Land. Andere folgen, aber jie alle jind mit äußerft jeltenen Aus- nahmen mindejtens jech Jahre alt. Sie fampfen miteinander um die beiten Pläbe, die ge- meiniglich dem Meere am nächjten liegen, und fahren damit fort bis zum 10. oder 12. Juni, um tvelche Zeit der Grund und Boden der Nooferies nach vem Rechte des Stärferen ver- teilt ift. Nun beginnen die Weibchen auzufommen, etwa vom 12. bis zum 15. Juni in jehr Heinen Trupps, dann zahlreicher, und dom 23. oder 25. Juni an in erjtaunlicher Menge, jo daß alle Harems fchnell gefüllt werden. Bis zum 8. oder 10. Juli find alle angelangt. In der Zeit vom 10. bis zum 15. Juli werden die meilten Jungen geboren, die lebten aber \pätejtens in den erjten Tagen des Auguft. Alle Miütter Haben mindejtens das dritte Jahr zurüdgelegt; die Tragzeit umfaßt nahezu zwölf Monate. Da die neue Paarung faft unmittel- bar auf die Geburt der Jungen erfolgt, ift die Fortpflanzungszeit Anfang Auguft zu Ende; die alten Sultane beginnen ihre Pläbe und ihre bis dahin eiferfüchtig betwachten Weibchen zu verlajjen md fich, abgemagert und gejchtvächt, in das Meer zu begeben. Infolge ihres Ab- zuge3 löjt jich die bisher eingehaltene Ordnung in der Verteilung der gelandeten Tiere auf; alfe bewegen fich frei Durcheinander: Junge, Mütter und die minderjährigen Männchen, die Sunggejellen, die jich bis dahin in den Paarungsgründen nicht bliden laffen durften. Zu- gleich breiten ich die Tiere Tandeintwärts über einen Raum aus, der drei- und viermal fo groß ijt tie vorher; namentlich die neugeborenen Jungen ziehen fich aus vem Gewinmel zurüc und in große Herden zufammen. Am 8. bis 10. Auguft beginnen die ungen, die dem Wajjer ar nächjten jind, aus eigenem Antriebe jchrwimmen zu lernen, und bi3 zum 15. oder 20. Sep- tember find auch alle übrigen mit diefer Kunft vertraut. Bon Mitte September an herrfcht . in allen Rooferies ein vollfommenes Durcheinander von fommenden, gehenden, ruhenden und jich vergnügenden Tieren. Ihre Landzeit geht zu Ende, fie ziehen ab und verweilen wieder acht Monate lang im offenen Meere. Sn den legten Tagen des Dftober, fpäteftens in den erjten de3 November, nachdem der Haarwechjel vorüber ift, Haben die fünf und fechs Jahre alten Seebären die nein verlaffen; die jüngeren und die neugeborenen folgen ihnen all- nählich, obtwohl auch viele noch wochenlang fich an ihrem Geburt3orte Herumtreiben. Ende November find auch diefe abgezogen. Jmmerhin bleiben aber aus der ungeheuern Menge, auger den Hunderten von Toten, die, aus irgendwelcher Urfache geftorben, auf den Land- plägen herumliegen, noch immer Nachzügler zurüd, und von diefen hat man einzelite noc) 018 zum 12. Januar bemerkt. su diejen alljährlich regelmäßig wiederfehrenden Verfammlungen find noch zivei be- iondere Abteilungen zu umterjcheiden. Zunächt eine Kleinere, beftehend aus den alten Bullen, die bei ven Kämpfen jchtver verlegt und von ihren Plägen vertrieben worden find oder folche überhaupt nicht erringen fonnten. Cie rotten fich in Trupps zufammen und landen an unbejegten üftenftreden, two fie, abgejondert von den übrigen, migmutig und minrifch ihre Landzeit verbringen. Eolche von verwundeten umd vertriebenen Bullen befette Pläte nennt der Ceemannswig jehr treffend „Dofpitale”. Die andere Abteilung ift ungleich zahlreicher bejeßt und für die Zangleute am twichtigften. Sie wird von den minderjährigen Männchen, Geebär: Landzeit. Vernichtung. 997 den SJunggejellen, gebildet, Die auf den eigentlichen Baarungsgründen nicht geduldet werden und demzufolge bejtimmte freie Stellen der -Snfelfüften zu ihren Landungsplägen wählen oder, wo ihnen Berfehrswege Durch die Paarungsgründe offenjtehen, landeinmwärt3 von diejen Haufen. Dieje Junggefellen liegen in ungeheuern Scharen beieinander, und da fie durch feine Samilienbande behindert werden, gehen fie auch nad) Belieben ins Meer, um dort zu jagen und zu |pielen. Sie find die Meijterfchwimmer unter allen Robben. Am Lande ind jie derartig vertraut, daß Menjchen ruhig das Gemwimmel durchjchreiten fünnen, ohne Aufregung oder gar fopfloje Flucht Herborzurufen. ©o wird e3 begreiflich, daß es den Yang: leuten leicht gelingt, eine beliebige Aızahf von ihnen abzufondern und nad) ihrem Willen zu lenfen: denn eben diefe Junggejellen bilden Die Beutetiere, Die der Menfch um ihres hoch- geichägten Pelzes willen an die Schlachtpläße treibt und dort erjchlägt. Geines ausgezeichneten Yelles halber ift ver Seebär ein noch wertvolleres Jagdtier als die übrigen Mitglieder feiner Zamilie. Die Eingeborenen der von ihm bejuchten Jnjeln erlegen ihn allerdings auch feines Fleijches wegen, das für fie einen wichtigen Teil ihres Unterhaltes bildet und jelbft unter ven Europäern als [hmadhaft gilt. Auf den Pribylomw- injeln leben die Leute faft ausfchlieglich von Robbenfleifch und jind deshalb genötigt, wäh- rend des Lundaufenthaltes der Seebären und Seelömwen jich für das ganze Jahr zu verjorgeir. Solange gedachte Ohrenrobben auf dem Lande haufen, wird das Fleijch frifch erlegter Stüce verivendet, gleichzeitig aber aud) der nötige Vorrat für den Winter eingeheimft. Diez ge- ichieht einfach jo, daß man furz vor dem Wegzuge der Ohrenrobben noc) eine größere Menge erlegt und deren Fleijch entiweder trodnet, oder aber den ganzen Körper gefrieren läßt und jo während des Winters aufbewahrt. Aus dem Fett wird zwar ebenfalls, jedoch in jo ge= tinger Menge Tran gewonnen, daß lebterer nur al3 Nebennugung betrachtet werden fann. Den Hauptgewinn lieferte von jeher das Fell der jüngeren Tiere; man verfuhr jedoch bei der Erbeutung der Seebären ebenjo furzjichtig und jinnlos wie bei der yagd anderer Sce- tiere überhaupt und rottete binnen wenigen Jahrzehnten jo außerordentliche Mengen von jenen aus, daß einzelne früher von ihnen bevölferte Jnjeln allmählich ganz verödeten. Auch auf den Pribylomwinjeln betrieb man die Jagd jo rüdjichtlos, daß jchon im Anfange des 19. Jahrhunderts von jeiten der Nufjen bejondere Gejeße erlajjen werden mußten, um dem nicht zu entfchuldigenden Unfuge zu fteuern. Im SZahre 1803 häufte man auf Unalajchfa nicht weniger al3 800000 Zelle auf, von denen fieben Achtel verbrannt oder ins Waller geworfen wurden, weil man jie nicht zubereiten fonnie und den Preis nicht herabdrüden “ mollte. Infolge diejes underantwortlichen Verfahrens nahmen die Seebären im ganzen Beringmeere in bejorgniserregender Weije ab. Auf den Bribylowinfeln erbeutete man im Sahre 1811 nur noch den zehnten Teil der eben genannten Anzahl, im Jahre 1816 jogar nur 3000 Stüd. C3 war dies aber wohl nur ein Ausnahmefall, da die rufjiich-amerifanische Gejellichaft, die das Monopol des Seehundsfanges auf den Pribylomwinfeln hatte, 50000 Rob- ben jährlich fchlagen durfte; diefe Zahl wurde nach Abtretung des rufjischen Amerika an die Vereinigten Staaten und Übertragung des Monopol3 an die Masfa Commercial Company in San Franzisfo auf 100000 erhöht. Und zwar dursten nur junge Männchen getötet werden. Aber als 1890 die Northern Commercial Compand das Monopol erwarb, wurden im erjten Sahre nur 30000 Stüd, dann lange Zeit nur 7500 und erft feit einigen Jahren 15000 Stüd erbeutet, jo daß die Regierung der Vereinigten Staaten, die jeit 1910 den Seehundsfang als Selbitunternehmen betreibt, daraus einen NReingewirn von 450000 Dollar jährlich zieht, da das Fell einen Wert von etwa 30 Dollar hat. Dieje Zahlen zeigen jicher den jtarfen 598 9. Drdnung: Robben. Wamilie: Ohrenrobben. Niückgang der Beltände. Noch 1872/73 hatte Elliott nach jorgfältiger Schägung die Zahl der Geebären, die alljährlich ihre Landzeit auf den Pribylomwinfeln zubrachten, folgender- maßen angegeben: auf ©t. Paul lagerten in den eigentlichen Rooferies an alten Bullen, Weibchen und Neugeborenen 3030000 Stüd, auf St. Georg 163420. Dazu famen noch auf beiden Snjeln ettva 1500000 Sunggefellen. Jm ganzen waren alfo die beiden Snjeln all- jährlich von rund 4700000 Seebären befeßt. Troß der bejchränkten Anzahl, die jährlich erlegt werden durfte, ging der Beftand mit rajender Gejchwindigfeit weiter herunter. Hieran diirfte namentlich der Fang auf offener See die Schuld tragen. Eine in der „PBelzivaren- Zeitung” vom 28. Februar 1914 veröffentlichte Nachricht gibt die Gefamtherde auf nur 200000 Tiere an, unter denen fich 30000 junge Bullen befinden follen. Daher macht fich icht gerade in den Vereinigten Staaten eine jtarfe Beiwegung unter Führung von Elliott und Hornadad geltend, die den Sealfang auf den Pribylomwinjeln überhaupt für eine Reihe bon Fahren verbieten will. Um Sich der Seebären auf dem Lande zu bemächtigen, verfährt man in ähnlicher Weije tpie bei dem Schon befchriebenen Abfchneiden der Seelömwen. Nurift Dieyagd weniger chmwierig, denn Die Seebären find vertrauter und lenffamer, und die Jagd gilt nicht den älteften und jchwerften Tieren, jondern den minderjährigen Männchen, weil fie die beiten elle liefern. Geübte Leute fchleichen fich in günftigen Nächten ziwijchen die Raftpläe der Zunggejellen und das Meer und treiben auf ein gegebene3 Zeichen die ganze vom Wafjer abgejchnittene Gefell- Ichaft landeinmwärts. Darauf wird Heerjchau gehalten, um die jungen zivei- oder.dreijährigen Männchen von den älteren zu jondern. Lebteres gefchieht, indem man die Tiere in einem großen Bogen langjam vorwärts treibt und die alten, faulen, nach und nach zwifchen den Treibern durchichlüpfen läßt, die ermmählten jedoch an der Flucht verhindert. Jene wenden jic) augenblicklich wieder dem Meere zu, diefe werden langjam meitergetrieben, wobei 3—4 Männer genügen, um ebenjoviele Taujende von Seebären in Drdnung zu halten. Die Schlachtpläße Tiegen nicht weit ab, und da der Trieb in 1 Stunde bequem faft 1 km zurüd- legt, fann man fie binnen einigen Stunden am frühen Morgen erreichen. Beim Triebe inuß man mit größter Borficht zu Werke gehen: treibt man an heißen Tagen, jo fommt man mit den unbehilffichen Gefchöpfen nicht von der Stelle, weil fie immer wieder ermattet liegen bleiben, jich mit den Floffen Kühlung zuzufächeln fuchen und dabei wie Hunde mit geöffneten Rachen röchelıd atmen; treibt man zu heftig, jo wird das Fell verdorben, und zivar derartig, daß man, laut Elliott, von einem allzujehr angejtrengten, „überhitten” See- bär die Behaarung tatfächlich mittel3 eines Fingerdrudes ablöfen Fan. Auf dem Schlacht- plage angelangt, übergibt man die Herde dort verfanmelten Snaben, die das Entjliehen einzelner zu verhindern juchen und allen überhaupt Zeit geben, fich zu beruhigen und ab- ufühlen. Nun trennt man ihrer etwa 70—100 von der Herde, treibt fie jo weit ausein- ander, daß fie jich mit ihren Flofjenfüßen gegenfeitig nicht berühren, wählt die geeigneten aus und tötet jie mittel8 eines Schlages auf die Nafe; den nicht brauchbaren gejtattet man, nach dem Wafjer zurücdzufehtren. Damı beginnt man fofort mit der Abhäutung der exlegten. Die Felle werden unmittelbar nad) dem Abftreifen in die Salzhäufer gebracht und Hier in bieredigen Staften eingefalzen, fo daß die fleifchige Seite nad oben zu liegen fommt. Nach 30—40 Tagen nimmt man fie aus dem Salz, entfernt diejes, faltet die Häute jo zufammen, daß die Jleijchjeite nach innen fommt, beftreut fie mit frifchem Salz und verfchifft fie. Die delle der Seebären bilden die wertvoffite Warengattung im gefamten Belzhandel. Die beite Lualität Hiefern die auf den Pribylomwinfeln erbeuteten jogenannten „Wlasfafeals" des u ee ce, ee Tu > Aa AR: er BET, a Südafrifanifcher und Südamerilanijcher Seebär. 99 Handels, die feines, jehr dichtes rötliches Haar haben. Shre Zubereitung gejchieht faft aus- jchlieglich in England: um den Pelz von den harten, langen Oberhaaren zu befreien, werden die Felle monatelang in Gruben eingelegt, bis die Haarwurzeln jich gelodert haben und die Grannen mittels Mafchinen leicht entfernt werden fünnen. Nachdem num noch die zurück bleibende äußerit feine Grundwolle, die an Schönheit und Dauerhaftigfeit den beiten Samt meit übertrifft, dunfel Faftanienbraun gefärbt worden ift, wird das Fell unter dem Namen „Sealjfin” zu Überfleivern für Damen verarbeitet, die je nach Schönheit, Schnitt und Größe bi3 zu 1200 und jelbjt 1500 Mark Eoften. Bei der jtreng überwachten Weife de3 Fanges auf dem Lande wäre das Beitehen der Art Faum ernftlich gefährdet. Anders fteht es mit dem jeit den legten SZahrzehnten begonnenen Seehundsfang auf Hoher See. Unabläffig werden hierbei die jchwimmenden Herden mährend der neun Monate ihrer Wanderung verfolgt und tragende Weibchen, Sunge und Ute ohne Ausnahme erlegt. Allein im Jahre 1894 Hatten die amerifarijchen und fanadiichen Hochjeefänger 141000 Felle eingebracht, die fajt ausjchlieglich Weibchen angehörten. Hierbei ijt zu berücdjichtigen, daß alle nicht unmittelbar im Feuer getöteten Tiere, aljo mindejtens die doppelte Anzahl, verloren gegangen find. Noch jchlimmer ijt es, daß dieferrdochjeefängerei auch die jäugenden Weibchen, wenn fie zum Nahrungserwerb ins Wajjer gehen, zum Opfer fallen. 1905 wurden auf den Pribylomwinjeln allein 30000 ihrer Mütter beraubte und deshalb verhungerte Junge gefunden. Und es jcheint, als ob troß aller Bemühungen der beteiligten Mächte dem Unfug der Hochjeefängerei immer noc) nicht genügend gefteuert jei. Ganz ähnlich wie das Xeben der Seebären verläuft das der jüdlichen Belzrobben, deren Berbreitung bei der Überficht der Arten ©. 583 angegeben ift. Für und am wichtigiten ijt davon wohl der Südafrifanijche Seebär, Arctocephalus pusillus Schreb. (antarcticus), weil davon auch jährlich einige Stüde auf deutjchem Gebiet, nämlich in Südmeftafrifa, be- jonders in der Küderisbucht, gefangen werden. Auch) die Menge diejer urjprünglich jehr zahlreichen füdlichen Belzrobben ift durch rüd- lichtsloje Verfolgung jtarf zufammengejchmolzen. Für den Pelzhandel am bedeutenditen ijt noch die Sagd auf den Lobosinfeln (im Weiten von Peru), von mo jährlich 20000 Felle des Südamerifanijchen Seebären, Arctocephalus australis Zimm., in den Handel fommen. * Den Ohrenrobben jchliegen fich am nächiten die echten Seehunde (Phocidae), die Haarjeehunde oder Hair-seals des Rauchtvarenhandels, an. Sie unterjcheiden fich von jenen hauptjächlich durch weitere Anpajjungen an das Wafjer; deren vornehmite jind: das Fehlen eines äußeren Ohres, die Drehung der Hinterfüße längs des Schwanzes nach hinten, jo daß fie nicht mehr unter den Leib gebracht werden fönnen, die vollftändig behaarte Hand- und vußjohle, das Fehlen der oberen Augenhöhlenfortjäße und des Scheitelfammes am Schädel und die dDiewandige Ohrblafe. Hierher gehört auch die jtärfere Reduzierung des Gebijje, in dem nur noch fünf Badzähne im DOber- und Unterkiefer vorfommen und mindejtens ein Schneidezahn von der urjprünglichen Zahl vorhanden ift. Dagegen zeigen jich die See» Hunde im Bau der Heineren Flofjen mit ihren wohlentwidelten Krallen weniger an da3 Wafjer angepaßt, aljo primitiver als die Ohrenrobben. Wenn ein verwandtjchaftliches Ver- hältni3 mit den Ohrentobben bejteht — ein jolches ift mit Sicherheit zu vermuten —, jo tjt 600 9. Drdnung: Robben. Familie: Seehunde. da3 nur zwifchen ihnen und ausgeftorbenen, noch nicht jo hoch wie Die heutigen entwidelten Ohrenrobben der Fall. Der Wollpelz tritt ganz zurüd, wie dies ja auch bei den Seelöwen unter den Ohren- vobben it. Das Kleid bilden dichtitehende, niemals zu einer Mähne entmwidelte Haare. Viel weiter verbreitet als fämtliche übrigen Robben, bevölfern die Geehunde nicht allein die Meere der Erde, fondern auch große Binnenjeen, die mit jenen dur Flüjje in Verbindung ftehen oder in längft vergangener Zeit Teile von ihnen bildeten, wie z. B. den Baifal- und den Kafpifchen See. Sie bewohnen alle Gürtel der Erde, in bejonderer Häufig- feit aber doch die Falten, und treten namentlich im nördlichen Polarkreije in einer erheb- lichen Anzahl von Arten auf. Yon den Ohrenrobben unterjcheiden fie ich Hinfichtlich des Aufenthaltes darin, daß fie mehr oder weniger an die Küften gefejjelt jind. Nur wenige entfernen fich weit vom Lande; die meijten juchen unbelebte Stellen der Küjten auf und treiben fich hier bald im Wafjer, bald auf dem Lande umher. Jm allgemeinen fan man annehmen, dat das Land höchitens noch 30 Seemeilen entfernt ift, wenn man Seehunde bemerft. An manchen Küften find die vielfach verfolgten Tiere noch jehr Häufig und im allgemeinen nirgends felten, obwohl eine ftetige Abnahme fich nicht verfennen läßt. Sn ihrem Wejen ähneln fie den Ohrentobben, in ihren Bewegungen auf dem Lande unterjcheiden fie fich nicht unmefentlich von ihnen, weil je nicht imftande find, die Hinterfühe unter den Leib zu bringen. Sie müfjen jic) aljo rutjchend forthelfen. Nur im Wajjer zeigen jie fich jenen ebenbürtig und in ihrer vollen Beweglichkeit; denn fie [chwimmen und tauchen meijterhaft. Mit dei Vorderflojjen arbeitend, wie die Fijche mit ihren Flojjen, bewegen jie die beiden Hinterbeine bald gegeneinander, hierdurch das zwijchen ihnen gejammelte Wajjer ausjtogend und fi) jomit vorwärts treibend, bald aber jeitlich Hin und her [chiwingend, wodurch jie ungefähr die gleiche Wirkung erzielen. 3 gilt ihnen volljtändig gleich, ob jie jich nahe oder tief unter der Oberfläche bewegen. Sie durcheilen das Wafjer mit der Schnellig- feit eines Naubfifches und wälzen fich bligfchnell um fich jelbjt herum, find aud) imjtande, jolange es ihnen beliebt, auf ein und derjelben Stelle zu verweilen. Zu diejem Ende ziehen jie ihre Vorderflojjen dicht an den Leib, Frümmen diefen, jo daß der Hinterteil jenkrecht jteht, während Kopf und Oberkörper mwagerecht gerichtet jind, und verharren halbe Stunden lang in Ddiejer Xage, den Kopf zur Hälfte, den Rüden ein wenig über die Oberfläche des Wajjers erhoben. Wenn jte weite Streden zurüdlegen wollen, jchrwimmen fie mit großer Schnelligkeit geradeaus. Wollen fie jich unterhalten, jo bejchreiben jie Streije, [pringen dann und warın mit vollem Leibe aus dem Wajjer heraus, jagen und neden jich oder jpielen auch allein wie trunfen im Wafjer umher, fommen bald mit dem Bauche in die Höhe, jchieben jich auf dem Rüden fort, drehen und wenden fich, Eollern ich um und um und benehmen fic) überhaupt im höchjten Grade jonderbar, vergejjen fich auch Dabei nicht jelten jo vollitändig, daß ein gejchiter Jäger oder Fänger, ohne von ihnen bemerft zu werden, bis in die Wurf- weite einer Harpıme an fie heranfommen und fie erlegen fann. Sie fteigen in bedeutende Tiefen hinab und verweilen unter Umftänden geraume Zeit unter NWaljer, Feinesivegs aber jo lange, als von einzelnen behauptet worden it. Wenn fie nicht verfolgt werden, fommen fie ducchjchnittlich alle Minuten an die Oberfläche empor, um Luft zu jchöpfen. Nach meinen eigenen, mit der Uhr in der Hand angeftellten Beobachtungen atmen jie im Wafjer in Ziwifchenräumen von 15—125 Sekunden, auf dem Lande alle 9—8 Gefunden einmal. Nun mag e3 gejchehen, daß verfolgte Seehunde auch das Drei- und Bierfache der angegebenen Zeit unter Wafjer aushalten; in feinem Falle aber dürften , Allgemeines, 601 jie imjtande fein, halbe Stunden lang hier zuzubringen, wie.dies wiederholt behauptet und geglaubt worden ift. Auch Fabrieius, welcher die bei Grönland vorfommenden Seehunde jehr ausführlich bejchreibt, glaubt nicht, daß eine Nobbe länger als 7 Minuten unter Waffer verweilen fünne. Broron, der eigens zu dem Ztvede nach Grönland gereift ift, um die See- tiere zu beobachten, jebt als äußerte Zeit, die ein Seehund unter Waffer zubringen fann, 15 Dänuten feit, bemerft jedoch ausdrücklich, daß er regelmäßig nicht länger als 8 Minuten tauche. Meiner Anficht nach find felbft 15 Minuten zu hoch gegriffen. Die Beobachtung eines im Meere fich beivegenden und jagenden Seehundes ift fchtwierig und wird dies um - jo meh, je tiefer er taucht, und je längere Zeit er im Wafjer zubringt. Bei längerem Tauchen durcheilt er jagend weite Streden, erjcheint, wenn er in Eifer gerät, nur auf Augenblide an der Oberfläche, einzig und allein zu dem Ziwede, um Atem zu holen, jtredt dabei in den meilten Fällen auch bloß feine Najenfpise aus dem Wafjer und fann alfo jehr leicht iiber- jehen werden und zu Beobachtungsfehlern Anlaß geben. Die von mir gepflegten Gefangenen haben nach meinen vielfachen Beobachtungen nie mehr als 5—6 Minuten unter Wafjer zugebracht, und dies auch nur, wenn jie jchliefen. Die Seehunde jchlafen nämlich wirklich im Wajjer, wern auch möglicherweije bloß im jeichteren. Bermitteljt einiger Flojjen- ichläge fommeen fie von Zeit zu Zeit mit gejchlojjenen Augen bis zur Oberfläche empor, Ichöpfen Atem, jinfen hierauf wieder Bi auf den Grund hinab und wiederholen dies bei jedem Luftwechjel. Ihre Bewegungen hierbei jcheinen bemwußtlos zu.gefchehen. Daß fie auch auf der Oberfläche liegend fchlafen fönnen, geht aus fogleich zu ermähnenden Beob- achtungen hervor. Die Grönländer, welche die für fie unendlich wichtigen Tiere jehr genau tennen, haben jede Stellung der Seehunde im Wafjer mit einem bejonderen Ausdrude be- zeichnet, weil jie aus den verjchiedenen Stellungen jchliegen, ob fie einem jchroimmenden Geehunde nahefommen werden oder nicht. Wenn die Robbe einfach nach oben fteigt, um Luft zu jchöpfen, unbejorgt ift, biS zu den Vorderflojjen aus dem Meere herausfommt, jodann mit weit geöffneten Nafenlöchern Atem Holt und fich Iangfam wieder in das Waffer zurüdzieht, ohne daß diejes jich bewegt, ijt jie eine „Aufgerichtete”, während fie „Umjtürzende“ beißt, falls jie lärmend wieder in die Tiefe verjinkt; wenn fie der Filchjagd eifrig obliegt, mit emporgehobenem Kopfe über dem Wajjer jhrwimmt, gerade vor fich Hinfieht, jtöhnt, mit den Vorderflojjen arbeitet und mit großem Lärm taucht, ijt fie die „Plätjchernde” und fann leicht von dem Fänger überrumpelt werden, während die Aufgerichtete gewöhnlich zur „Laujchenden, Betrachtenden und Genaufehenden” wird, d. h. wenig Erfolg für die Jagd berjpricht. Dasjelbe ift dann der Fall, wenn jie unter Wafjer frißt, ihren Plab faum ver- ändert, jondern bloß die Najenjpite aus dem Wajjer jtredt, Luft nimmt und die Najenlöcher wieder jchließt, wogegen fie zu anderen Beiten, wenn jie bewegungslos auf dem Rüden liegt und den Kopf und die Füße zufammengebogen hat und ruht oder jchläft, den Fänger jo nahe an fich fommen läßt, daß man jie mit den Händen greifen fönnte. Unter folchen Umjtänden verurfacht fie nicht einmal lautes Geräufch, und e3 fanın gejchehen, daß jie, mie Brown erfuhr, von Dampfjchiffen überfahren mwird. Wallace Hat die jehr richtige, von Broton beftätigte und auch von mir geprüfte Beob- achtung gemacht, daß der Seehund nicht jelten mit regelmäßigen Unterbrechungen jchläft, indem er etiva 3 Minuten lang wacht und ebenjolange in Schlaf verjinft. „Ein an Bord unjeres Schiffes befindlicher junger- Seehund“, jo erzählt Brown, „welchen ich längere Zeit aufmerfjam beobachtete, jchien in der Tat in dem angegebenen Zeitraume abwechjelnd zu ichlafen und zu wachen. Störte man ihn, fo verjuchte er ich zu verteidigen, ließ man ihn 602 9. Ordnung: Robben. Familie: Seehunde. einige Minuten in Frieden, fo zog er feine Floffen dicht an den Leib, jchloß, nachdem er ein Weilchen fchläfrig geradeaus gejehen hatte, feine Augen und atmete eine oder zwei Minuten lang fo tief, daß man nicht an feinem Schlafe zweifeln Eonnte; plößlich aber öffnete er, auc) ohne irgendivie behelligt zu fein, die dunklen, glänzenden Augen wieder, jtredte den Hals aus, warf einen Blick in die Aunde, um fich zu überzeugen, ob noch alles in erwünschter Drdnung jei, fiel hierauf von neuem in Schlaf und verfuhr fodann wie vorher. Wenn See- hunde in größerer Anzahl auf dem Eife over am Strande liegen, übernehmen jtet3 einige von ihnen, und zwar gewöhnlich weibliche Stüde, die Wache; fie aber verfahren genau ebenjo mie unjer junger Seehund an Bord." Man Fann diejelbe Beobachtung an allen ©e- fangenen unferer Tiergärten anftellen, wenn man nur eine geraume Zeit an ihrem Beden verweilen und abwarten will, biS ringsum zeitweilig alles ruhig geworden ift; denn jeder Geehund verbringt den größten Teil des Tages fchlafend und gibt fich, wie alle übrigen Kobben, al3 Nachttier zu erkennen. Obgleich Die Seehunde tage- und wochenlang im Meere leben und alle ihre Gejchäfte im Waffer abmachen fönnen, begeben fie jich doch, wenn fie ruhen, fchlafen und fich jonnen wollen, gern an das Land. Dies gejchieht, wie jede Ortsveränderung außerhalb des Wafjerz, in anjcheinend mühjeliger Weife. Um zu gehen, erhebt jich der Seehund zuerjt auf feine Borderfüße und wirft den Leib ruckweije nach born, zieht hierauf die Vorderglieder ar, legt fich auf die Bruft, biegt den Rüden und fördert dadurch den Hinterteil, jtemmt diejen auf die Erde, wirft fi) wiederum nac) vorn und verfährt wie vorher, bewegt feinen Leib aljo in beftändigen Schlangenlinien. Drehungen gejchehen einzig und allein durch feitliche Bewegungen des Vorderleibes, und zwar mit Hilfe der Füße. Aus dem Wafjer wirft fich . das Tier mit einem einzigen ARud weit auf das Land heraus, indem e3 feine ausgebreiteten Hinterfüße heftig und rafch zufammenjchlägt. Bei einzelnen Arten bemerkt man die Ein- drüde der Borderfüße zu beiden Geiten der Bahn, welche der Seehund gerutjcht ift, als eine Ihmwacde Fährte, gewöhnlich vier Heine, fchief von vorn nac) Hinten und auswärts gerichtete Vunfte. Bei Angjt oder Gefahr pflegen alle Seehunde bejtändig Wafjer auszufpucden, viel- leicht um die Bahn zu glätten. So jchwerfällig der Gang erjcheint, jo rafch fürdert er: ein laufender Menjch muß fich faft anftrengen, wenn er einen auf dem Lande dDahingleitenden See- hund einholen will. Der Hintere Teil des Robbenförpers ift ebenfo beweglich wie der Hals. Der Seehund Fann fich jo drehen, daß er vorn auf dem Rüden und hinten auf der Unterfeite liegt, oder umgefehrt, und ift ebenfo imftande, den Kopf nach allen Seiten hin zu wenden. Ein am Lande ruhender Seehund gewährt das ausdrudsvollfte Bild ebenjo großer Jaulheit wie Behäbigfeit. Namentlich wenn die Sonne feheint, liegt er überaus behaglich und auf lange Zeit hin vollfommen regungslos am Strande. Es fieht aus, al3 wäre er viel zu faul, um auch nur eine einzige Fortbewegung auszuführen. Bald wendet er den Unterleib, bald den Rüden, bald die rechte, bald die linke Seite der Sonne zu, zieht die‘ Borderfloffen an oder läßt fie fchlaff vom Leibe herabhängen, fchlägt die Augen auf oder Ihließt fie wohlgefälfig, blinzelt oder ftarıt gedanfenlos ins Weite, öffnet nur zumeilen Die verjchliegbaren Hörgänge und Nafenlöcher und zeigt überhaupt feine andere Bewegung als die Durch da3 Atemholen bedingte. So Kann er ftundenlang TYiegen, abgeftumpft gegen äußere Eindrüde, gänzlich in feiner Fauldeit verfunfen. Jede Störung diefes ihm offenbar höchit wohltuenden Zuftandes ift ihm aufs tieffte verhaßt, und es muß arg fommen, ehe er jich wirklich bewegen läßt, eine andere Lage anzunehmen. ch habe Gefangene dur das Gitter ihres Behältniffes Hinducch mit Strohhalmen an der Nafe gefibelt und fie Allgemeines. 603 anderweitig beläjtigt, ohne fie aus der einmal gewählten Stellung vertreiben zu fönnen. Die Störung twar ihnen Höchjt unangenehm: fie fnumrten fehr ärgerlich, fchnappten hohl auch einmal nach dem Halme, blieben aber liegen. Anders ift e3 freilich, wenn fie wieder- holte Nedereien erfahren haben; dann flüchten fie gewöhnlich bald in das Wajfer, falls fie diejes als zu erjprießlichem Rüdzuge geeignet erkannt haben. Auf günftig gelegenen Klippen entjteht oft heftiger Streit um die beiten Pläge unter den Seehunden felbft. Der ftärfere wirft den fchiwächeren hinab, nur um fich jo bequem tie möglich reden und dehnen zu fönnen. In höheren Breiten wählen die Tiere, auch wenn fie nicht dazu gezwungen find, mit Vorliebe Eisichollen zu ihren Schlafplägen und verweilen hier, ruhig Hingeftredt, ebenfo- lange wie im Süden auf dem von der Sonne bejchienenen Strande. Die Möglichkeit, ftunden- lang auf einer jo Folten Fläche zu liegen, ohne allzuviel Wärme abzugeben oder gar ich zu erfälten, gewährt ihnen die ziwifchen Haut und Muskeln fich ausbreitende Specjchicht. Das Eis, auf dem Seehunde ftundenlang geruht haben, zeigt niemals einen von den Tieren hinterlajjenen Eindrud, wie e3 der Fall fein müßte, wenn die Robbe von ihrer bedeutenden inneren Wärme ettwas abgäbe, oder, mit anderen Worten, wenn fie Wärme auszuftrahlen vermöchte. Haut und Fettjchicht erweifen fich als fo fchlechte Wärmeleiter, daß die äußere Haut Faum einen höheren Wärmegrad zeigt als die umgebende Luft. Wenn nun aber die Robbe den Eintoirkungen der Kälte ohne irgendwie erfichtliche Bejchwerde oder Unbehag- lichfeit zu widerjtehen imjtande ift, zeigt fie jich doch Feineswegs unempfindlich dagegen, tie einfach daraus hervorgeht, daß fie die Wärme liebt und fich ihr, wie gefchildert, mit dem größten Behagen Hingibt. Um auch während des Winters, der in hohen Breiten weite Streden der See vollitändig mit Eis belegt, auf leßteres gelangen, beziehentlich die unter ihm Tiegende Wafjerjchicht ausbeuten zu Fönnen, hält jeder einzelne Seehund ein oder mehrere jogenannte Atemlöcher offen, und zivar tut er dies unzweifelhaft vom Beginne der Eisbildung an und ift im Verlaufe des Winters fortwährend bedacht, durch oft wieder- holtes Ein- und Ausichlüpfen feites Zufrieren bejagter Zöcher zu verhindern. Die Stimme der Seehunde ijt bald ein heiferes Gebell, bald ein Plärren; im BZorne Inurren fie ie die Hunde, während der Fortpflanzung jollen jie ein lautes Gebrüll ausftoßen. Bereits die Alten Haben die Seehunde als Hochbegabte Tiere gejchildert. Fhre Sinne jcheinen gut und ziemlich gleichmäßig enttwicdelt zu fein. Nafje und Ohren find verjchliegbar und erjcheinen im Leben bald als dreiedige, rundliche Löcher, bald nur als fchmale Niten. Die Najenlöcher werden bei jedem Atemzuge geöffnet, hierauf jofort wieder gefchlofjen und bleiben, auch wenn das Tier auf dem Lande ruht, bis zum nächjten Luftwechjel zufammen- gefniffen, die Ohren werden nur im Wafjer und jelbft hier nicht fortwährend zugeflappt. - Sn dem großen, wenig gewölbter Auge füllt die licht- bis dunfelbraune Negenbogenhaut fajt den ganzen von den Lidern freigelaffenen Raum; das Weiße fieht man felten. Der Stern ijt nicht rundlich oder länglich, jondern vierjtrahlig. E3 will mir fcheinen, als fei dies nur von Yabricius beobachtet, von den anderen Naturforfchern aber überjehen oder nicht - für möglid) gehalten worden, weil ich ausfchlieglich bei ihm Hiervon eine Andeutung ge- funden habe. Allerdings nimmt man dieje eigentümliche Bildung nur unter der günftigjten Beleuchtung wahr, und auch dann muß ınan das Auge jehr nahe vor fich haben. Hödjit- wahrjcheinlich gejtattet diefe Einrichtung jene außerordentliche innere Beweglichkeit des Auges, welche man bei Seehunden beobachtet hat, und befähigt fie dadurch, nicht allein in verjchiedenen Tiefen des Wafjers, jondern auch bei Tage und bei Nacht in annähernd gleicher Schärfe zu jeden. Wenn wir, und wohl mit Necht, da3 Geficht al3 den am Höcjiten 604 9. Ordnung: Robben. Fanilie: Seehunde. entticelten Sinn anfehen, dinfen wir wahrjcheinlich daS Gehör al3 dei ziweitbeiten be- trachten. m Verhältnis zur geringen Größe der äußeren Ohröffnung vernimmt der Seehund fcharf genug; jein Gehörsfinn ift jedoch nicht jo fein, daß ihm laute Klänge unan- genehm werden fönnten. Wie jchon die Alten twußten, fiebt er Mufif und Gefang; wie neuere Beobachter erfuhren, laufcht er mit Teilnahme Glodenflängen oder anderen lauten Tönen. Ebenjo wie die Alten nach feinem Bilde und feinem Auftreten und Erjcheinen fich ihre Tritonen und Sirenen fchufen, hat er, nicht aber der Delphin, die Arionjage ins Leben ge- rufen. Broron verjichert, oft gejehen zu haben, daß Seehimde ihre Köpfe aus dem Wajjer erhoben und aufmerfam laufchten, wenn die Matrofen beim Aufwinden des Anfers fangeı, und Bell erwähnt, daß fie in gleicher Weije jich angezogen fühlen, wenn fie Glodenflang vernehmen. Die Kirche zu Hoy auf den Orfneyinjeln liegt in der Nähe einer jchinalen, jandigen Bucht, die oft von Seehunden bejucht wird, wie e3 jcheint, aber nicht allein ihrer Lage, jondern auch der Kirchengloden halber eine bejondere Anziehungskraft auf fie äußert; denn oft Hat man beobachtet, daß die Tiere beim Geläute der Gloden geradesiwegs auf Die Küfte zujchwimmen, ihre Augen ftarı nach der Gegend richten, aus der ihnen die Gloden- töne zufommen, und auf dieje entzüdt und verwundert laujchen, jolange die Gloden ge- läuiet werden. &3 mag jein, daß ich mit dem Wohlgefallen an derartigen Klängen auch rege Neugier der Tiere paart; immerhin aber erjcheint ihr Beträgen auffallend und ex- mwähnenswert. Wo Seehunde vertraut find, lodt fie bei ruhigem Wetter auch Pfeifen und Klopfen am Bootsrande an die Oberfläche. Won der Schärfe der übrigen Sinne geben unjere Robben bei anderen Gelegenheiten Kunde. Obgleich ihre Naje bereits mehr zur Atmung ald zum Riechen dient, darf ihr Geruch doch al3 gut bezeichnet werden, da man mit Beitimmtheit beobachtet hat, daß fie beim Gichern auch durch Wittern über eine etwaige Gefahr fich zu vergemifjern juchen. Gejchmad ermweijen fie durch eine verftändige Auswahl in der Nahrung, und Gefühl befunden fie bei der leifejten Berührung, welche niemals fpurlos an ihnen vorübergeht. Über die geiftigen Fähigkeiten der Seehunde ein Urteil zu fällen, ift jeher. Daß fie gut begabt ind, unterliegt feinem Zweifel; dennoch zeigen jie fich oft jo vumm und un- gejchiedt, Daß man an ihnen irre werden möchte. Jr menfchenleeren Gegenden dreift, pflegen jte jich da, wo fie ihre fchlimmen Feinde Fennen gelernt haben, nur mit Höchjter Borficht zu benehmen. Sicher it, daß die Warnung Älterer bon den jüngeren beachtet und befolgt wird. Die Gefangenen befreunden fic) bald mit ihrem Wärter, und einzelne werden jehr zahm, hören auf den ihnen beigelegten Namen, fommen aus ihrem Wafjerbeden hervor- gerutjcht, nehmen Fiiche aus der Hand des Pfleger3 und beweifen ihm auch in anderer Hin- jicht Zutrauen und Anhänglichkeit. 63 jcheint, daß Seehunde gegen alle Tiere, die nicht sifche, VWeichtiere oder Krebje find, ziemlich gleichgültig find; doch dürfte man wohl irren, wenn man dies als einen Beweis ihrer Gutmütigfeit anfehen wollte. Hunden gegenüber benehmen fich die Gefangenen regel- mäßig heftig, fchnauben fie ärgerlich an oder fuchen fie durch Zufammenflappen der Zähne zu bericheuchen. Dabei betätigen fie feineswegs befonderen Mut, fondern eher grollende Surhtfamkeit, und wenn es ihnen irgendivie möglich ift, fuchen fie fich einer derartigen Begegnung zu entziehen. Die von mir gepflegten Seehunde waren immer aufs äußerte entrüftet, wenn ich junge Bären in demjelben Beden, das jene bewohnten, baden ließ: fie Ihjnaubten, Inurrten, Happten die Kinnladen zufammen und fchlugen zornig mit den Vorder- flofjen auf das Wafjer, gingen aber niemals zum Angriff über. Unter dem Wafjergeflügel Allgemeines. 605 kann man jie ziemlich unbejorgt umberjchwimmen fafjen; fie vergreifen fich wenigftens nicht an denjenigen Vögeln, die fie jelbjt nicht behelligen; höchitens beißen fie einmal zu, wenn ihnen in der Gefangenjchaft Vögel ihr Futter wegfrejjen wollen. Mit Gänfen, Enten und anderen Giebjchnäblern leben jie gewöhnlich im tiefjten Frieden. Gegen ihre Jungen find jie, wie alle Robben, fehr zärtlich. Mit ihnen treiben fie mancherlei, Spiele, verteidigen fie auch, wenn Gefahr droht, mutig, felbft gegen ftärfere Feinde. So vorjichtig jie im allgemeinen dem Menjchen ausweichen und fo ängjtlich fie, wenn fie üble Erfahrungen gejammelt Haben, dem Jäger zu entrinnen trachten, jo hat man doch beobachtet, daß fie, jelbit Hart bedrängt, bei ihren Jungen zurücbleiben und deren Gejchie teilen. Anderjeit3 verjichert man gejehen zu haben, wie fie unter Umftänden das unge mit einem Ährer vorderen Flojjenfüße paden, e3 fejt an die Bruft drüden und es in diejer Weife jo eilig wie möglich dent Wajfer zufchleppen. Se nach der Gegend, in der die Seehunde leben, fällt die Paarungszeit in: verjchiedene Monate. Sn unjerer nördlichen Erdhälfte findet jie im Sommer oder Herbit ftatt, in den jüdlichen Gegenden ziwijchen April und Yıntt. Die alten Männchen jollen dann jehr erregt jein, heftig untereinander jtreiten und für nichts anderes als für ihre Leidenjchaft Sinn haben. Ebeityo heftig ift auch ihre Eiferfucht. Wer ihre grunzenden und brülfenden Töne nachzumachen verjteht, lodt fie jicher zu ji) heran. „Mit einem SJagdgenojjen”, erzählt Schilling, „traf ich auf einem Kleinen, einjamen Eilande 10—12 brülfende und grungzende paarungsluftige Seehunde an. Bei unferer Landung begaben fie fich, gegen ihre fonjtige Gewohnheit, nur läjlig in das Wajjer, und ich war fast verjucht, zu glauben, in ihnen eine ganz andere Art von Tieren vor mir zu haben. Wir befchlojjen, auf diefe Seehunde anzu- jtehen, und gruben uns zu diefem Ende im Sande eine Bertiefung aus. Kaum war unjer Boot etwa 500 Schritt weit gejegelt, da erjchtenen in geringer Entfernung im Wajfer die jämtlichen Seehunde wieder, laujchten neugierig mit jcheinbarem Wohlgefallen den von uns nachgeahmten Tönen, richteten fich faft bis zur halben Körperhöhe über die Waffer- oberfläche empor und näherten jich, merkwürdig genug, in diefen Körperftellungen dent Ufer der Jnjel immer mehr. AS toir nun die höheren, fchwächeren Töne nachahmten, welche gewöhnlich die Männchen hören lafjen, Famen die viel größeren Weibchen zuerit an das Land gefrochen und nahten jich bald darauf unjerem Lager, den Lodtönen folgend, obgleich fie unjere hervorragenden Köpfe gewißlich jehen fonnten. Wir fuchten uns jeder einen Seehund aus, legten auf ihn an und entluden unjere Gewehre zu gleicher Zeit; jeder _jah auch, als der Bulverdampf fich verzogen hatte, den ermählten Seehund regungslos vor jich liegen. Aber die übrigen, welche jäntlich gelandet waren, gebärdeten fich, al3 wären fie gleichfalls von unjeren Schüfjen getroffen worden. Wir hätten, wären wir ruhiger und mehr vorbereitet gemwejen, jehr gut noch unjere beiden übrigen Schüfje auf die nicht ge- troffenen abfeuern fünnen. Crjt al3 wir aufjprangen, fam Bewegung in diefe wie vom Bis getroffenen Körper.” - Ungefähr 11 Monate nad) der Paarung, in der Regel in den Monaten Mai, Juni oder Suli, wirft das Weibchen eins, jeltener zwei Junge auf öden, unbewohnten Snjeln, am fiebjten an fandigen Stellen des Strandes, in Höhlen, font auch auf Felsblöden und end- (ich auf Eisfeldern. Die Jungen fommen in vollfommen ausgebildeten Zuftande zur Welt, ind aber bei manchen Arten mit einem dichten, weißen, zarten Pelze bedecdt, der jie am - Schwimmen und noch mehr am Tauchen hindert, jedoch bald mit dem glatt anliegenden und fteifen Sugendfleide vertaufcht wird. Bis zu Diejer Zeit bleiben die Weibchen auf dent 606 Y9. Ordnung: Robben. Familie: Seehunde. Sande bei den Jungen. Bei anderen Arten werden die Jungen mit dem Seid der Alten geboren und find dann gleich imftande zu [choimmen. Gelegentlich eines Befuches bei einem Tierhändler jah ich einen weiblichen SeehunD, deffen Umfang zu frohen Hoffnungen berechtigte. Dbgleich nun diejes Tier Durch zivei Wunden, die es beim Einfangen erhalten hatte, entjtellt und als Schauftüd wertlos mar, beichloß ich doch, e3 zu Kaufen, mweil ich annehmen durfte, Gelegenheit zu mir wichtigen Beobachtungen zu finden. So viel ich wußte, hatten trächtige Seehunde jchon wiederholt in der Gefangenschaft geboren; die Jungen waren aber immer jofort nach ihrer Geburt geftorben. Ich follte glücticher fein, vielleicht nur deshalb, weil ich der trächtigen Gee- himdin einen Heinen Teich zum Aufenthalt3orte anmweijen fonnte. Die Geburt des wohlausgetragenen Jungen erfolgte am 30. Juni in früher Diorgen- ftunde; denn der Wärter, welchem ich den Seehund iii Pflege gegeben hatte, jah bei jeiner Ankunft am Morgen das Zunge bereits neben der Alten im Wajjer jpielen. Auf dem Lande fand ich Da3 ganze Zugendkleid des Neugeborenen, einen nicht unbedeutenden Haufen feidenteicher, furzer, aber gewellter Haare, die jäntlich auf einer Stelle von geringem Um- fange lagen und bereits im Mutterleibe abgeftreift worden zu jein |chienen. Das unge hatte feine Spur des Wollfleides mehr an fich; feine Färbung ähnelte vollitändig der feiner Mutter, nur waren die einzelnen Farben frischer und glängender. Die Augen jchauten Far und munter in die Welt. Selbft die Bewegungen des jungen Weltbürgers waren jchon gänz- lich die feiner Eltern: im Waffer genau ebenfo meijterhaft, auf dem Lande ebenjo ungejchidt. Das Tierchen fchien in den erften Stunden feines Lebens außerhalb des Mutterleibes be- reits alle Fertigkeiten feines Gejchlechtes fi) angeeignet zu Haben, jhwanım auf Dem Bauche wie auf dem Rüden, tauchte leicht und lange, gebärdete fich mit einem Worte Durchaus wie ein Altes. Aber e8 war auch als ein merkwürdig ausgebildete und auffallend großes Tier zur Welt gefommen. Noch am Tage feiner Geburt gelang e3 ung, den Kleinen, bereits wehr- haften Gefellen zu wiegen und zu mejjen: das Getwicht betrug 8,75 kg, die Länge 85 cm. 63 war im höchften Grade anziehend, die beiden Tiere zu beobachten. Die Alte jchien fichtlich erfreut über ihren Sprößling zu fein und offenbarte in jeder Hinficht die größte Zärtlichkeit, wogegen das Junge, altklug, feine Mutter zu verjtehen jchien. Bereit3 in den. eriten Tagen fpielte diefe in täppischer Weife mit ihm, zuerjt im Wafjer, päter auch auf dem Lande. Beide rutjchten mehrmals auf das Land hinauf; die Alte Tud dazu das Junge durch ein heiferes Gebrüll ein oder berührte e3 janft mit ihren Vorderflofjen. Beim Spielen wurde die gegenfeitige Anhänglichfeit jedermann erjichtlich. Bon Zeit zu Zeit tauchten beide Köpfe im Wafjer auf, dicht nebeneinander; dann berührten fie fich mit den Schnauzen, al3 wollten fie fi füffen. Die Alte ließ daS Junge ftet3 vorausfchhwimmen und folgte ihm bei jeder Bewegung nach, trieb e3 auch wohl ab und zu Durch fanfte Schläge nad) der von ihr beabfichtigten Richtung Hin. Nur wenn 63 auf da3 Land gehen follte, gab jie den zu neh- menden Weg an. Schon abends faugte das Junge unter Hörbarem Schmaßen Fräftig au der Mutter, die fich zu diefem Zivede auf die Seite legte und durd) inurren den Säugling herbeirief. Später fam e3, fech$- bis zehnmal täglich, zu der Alten gefrochen, um jich Nahrung zu erbitten. m Wafjer faugte e3 nie; twenigftens habe ic) e3 nie gejehen. Überrafchend fchnell nahm das Junge an Größe und Umfang zu; auch feine Be- wegungen wurden mit jedem Tage freier, fühner, feine Teilnahme und fein Berjtändnis für die Umgebung größer. Ungefähr acht Tage nad) der Geburt nahm es auf dem Lande alle Seehumdzitellungen an: die behagliche, faule Lage auf den Seiten und auf dem Rüden, Allgemeines. 607 die gefrümmte, wobei es die Hinterfloffen gefaltet Hoch emporhob und mit ihnen fpielte, und Ähnliche mehr. Sn der dritten Woche feines Alters war e3 vollfommen zum Seehund geworden. Dem Wärter gegenüber zeigte e3 fich fcheu und ängftlich, und fo gelang e3 mir exit in der jechjten Woche feines Lebens, e3 zum zmweitenmal auf die Wage zu bringen. Um dieje Zeit hatte e3 gerade das Doppelte feines Gewichtes erlangt, obwohl e3 bis dahin nur gejaugt und noch Feine Fijchkoft zu fich genommen hatte. Zu meinem großen Bedauern verlor ich das muntere Tierchen in der achten Woche feines Lebens. ES war unmöglich, es an Fijchkoft zu gerwöhnen, und der Alten ging nach und vac) die Milch aus. Zwar verjuchte e3 fi) an den ihm borgeworfenen Fijchen; doch fchien ihm die Nahrung Schlecht zu befommen. ES magerte mehr und mehr ab und lag eines Morgens tot auf feinem Nuheplape. &3 jcheint, daß die Jungen eine Zeitlang von der Mutter angeleitet werden, bei den Arten mit Säuglingskfleid zunächjt nach dejjen Wechjel im Schwimmen, dann aber auc) allgemein im Erwerb ihrer Nahrung. Höchitwahricheinlich Frejjen die jungen Seehunde anfänglich Feine Fiiche, jondern nähren fich ausichließlich von Krebs- und anderen niederen Geetieren, namentlich auch von verjchiedenen Mufcheln, welche die alten ebenfalls nicht verfchmähen. Nach Brotwns Unter- juchungen leben in den grönländischen Gemäjjern fat alle dort vorfommmenden Seehunde bon jehr verjchiedenen Seetieren, je nachdem Die Jahreszeit die eine oder andere Urt ihrer Beute in größerer Menge bietet. Während der Sommermonate bilden allerlei Strebstiere, welche je&t die nördlichen Meere mit ihrer Menge erfülien, in3bejondere die überaus häufigen, vielartigen Garnelen, die bevorzugte Nahrung der Seehunde, und neben diejen Mollusfen, Geejterne uji., Doch jagen fie, und zu manchen Zeiten vielleicht überiviegend, auch auf Tiiche. Unter diejen wählen fie jich mit einer gemwiljfen Lederhaftigfeit, die ihrem Gejchmacde zur Ehre gereicht, möglichjt diejenigen Arten aus, die auch wir al3 vortreffliche Speije an- jehen. Sm manchen Gegenden beflagen fich die Fijcher über die Naubluft und Näfcherei der Geehunde, da dieje an Nachtangeln gefangene gejchäßte Filche, bejonders Lachje, bis auf den Kopf abfrejjen oder, wenn fie reiche Austwahl haben, von vielen bloß die lederjten Bilfen nehmen. Gefangene verzehren auch Flußfiiche, befonders wenn man ihnen jolche lebend reicht; erhalten fie außerdem noch Seefijche, jo fünnen fie viele Sahre lang aus- dauern. Eine Folge der Fiichnahrung ift, daß Seehunde von Eingeweidewürmern arg heim- gejucht werden und an den bon diejen Schmarogern herrührenden Zerjtörungen ihrer Ein- gemweide nicht allaujelten jterben. Nach Bromwns Beobachtungen nehmen fie im Meere danı und warn auch einen jchwimmenden Vogel weg. Sn dem Magen eines auf Südgeorgien getöteten Geeleoparden (Ogmorhinus leptonyx Blainv.) fand dv. d. Steinen zwei Feine Sturmvögel, „vie jih noch ohne Schwierigkeit al3 Pelecanoides urinatrix @m. erfennen tiegen, gewiß glänzende Beweisjtüde für die außerordentliche Gerwandtheit des Seeleoparden in der Kunft des Schwimmens und Tauchens". Wie alle Fiichfrejjer bedürfen Seehunde eine erjtaunliche Menge von Nahrung, wenn fie erwachjen jind, 4—5 kg File täglich, zeigen fid) aber auch dann noch immer hungrig oder doch geneigt, fofort nach gehaltener Mahlzeit annähernd diejelbe Menge von Futter noch einmal zu verjchlingen. Für die nordiichen Bölferjchaften find Die Seehunde die wichtigjten aller Tiere. Dem Grönländer ermöglichen die Robben das Leben; er nüßt jeden Teil ihres Leibes. Yedoc) auch wir Europäer mwiljen das glatte, jchöne, wajjerdichte Fell wohl zu jhägen und den Tran, ja jelbjt das Fleijch zu würdigen. Stein Wunder daher, daß die Seehunde eigentlich 608 9. Ordnung: Robben. Familie: Seehunde. in allen Meeren aufs eifrigjte verfolgt werden. Jagd und Yang find meijt dasjelbe; das Feuergewehr wenigitens wird jelten, auf Hoher See gar nicht angewandt, weil der getötete Seehund untergeht wie Blei. Anders it es an bejtimmten Lieblingsplägen der Tiere am Strande. An der Oftküfte der Injel Rügen befindet jich, wie Schilling erzählt, mehrere 100 Schritt von der äußerjten Spige des hohen Borlandes ein Haufen FYelsblöde, der bei gewöhnlichem Wafjerjtande mehr als 1 m über den Wajjerjpiegel emporragt. Auf diejer Klippe Tiegen oft 40—50 Geehunde, jind aber geivißigt genug, um ein Boot nicht an jich heranfommen zu lajjen. „Einer meiner Freunde”, erzählt Schilling, „welcher mir Gelegenheit verjchaffen tollte, dDiefe Tiere näher zu beobachten und zugleich zu jagen, ließ auf jenem Niff eine Tonne befejtigen und fie jo jtellen, daß ein Mann ohne Mühe darin fien fonnte. Nach Verlauf von einer Woche hatte man Gemwißheit erlangt, daß die Seehunde jich nicht mehr vor dent Anbli der ausgejegten Tonne jcheuten und wie zuvor das Riff bejuchten. Nun jegelten: toir, mit hinreichenden Xebensmitteln auf acht Tage verjehen, nach der unbewohnten Kite, erbauten uns dort eine Hütte und fuhren von hier aus nach dem Riff hinüber. Einer von uns Zägern faß beftändig in der Tonne verborgen, der andere hielt fich inztoifchen am Stande auf. Das Boot wurde immer weit entfernt. Der Anjtand war höchit anziehend, aber auch jehr eigentümlih. Man Fam fich in dem feinen NRaume des engen Faljes un- endlich verlajjen vor und hörte mit unheimlichen Gefühlen die Wogen der See rings um jich herum branden. Sch bedurfte einiger Zeit, um die notwendige Ruhe wiederzufinden. Dann aber traten neue, nie gejehene Erjcheinungen vor meine Augen. Sn einer Entfernung von ungefähr 400 Schritt tauchte aus dem Meer ein Seehund nach dem anderen mit dem Ktopfe über die Oberfläche auf. Zhre- Anzahl wuchs von Minute zu Minute, und alle nahmen die Richtung nach meinem Riffe. Anfangs befürchtete ich, daß fie beim Näherfommen vor meimen aus der Tonne hervorragenden Kopfe jich Scheuen und unjere Anftrengungen zu- nichte machen würden, und meine Furcht wuchs, als fie faft alle vor dem Steinhaufen jent- recht im Wafjer fich emporjtellten und mit ausgefiredtem Halje das Riff, die darauf be- jindfiche Tonne und mich mit großer Neugier zu betrachten jchienen. Doch wurde ich wegen meiner Befürchtung beruhigt, al3 ich bemerkte, daß fie bei ihrer beabjichtigten Landung jich gegenjeitig drängten und bijjen und bejonders die größeren fich anftrengten, jo jcehnell wie möglich auf das nahe Riff zu gelangen. Auch unter ihnen fchien das Necht des Stärferen - zu herrjchen; denn die größeren bijjen und ftießen die Eleineren, welche früher auf die flachen, bequemeren Steine gelangt waren, herunter, um leßtere jelbjt in Bejit zu nehmen. Unter abjcheulichem Gebrüll und Geblöfe nahm die Gejellfchaft nach und nach die vorderen größeren Sranitblöde ein. Jmmer neue Ankümmlinge Erochen noc) aus dem Wafjer heraus, wurden jedoch von den exfteren, welche fich bereit3 gelagert, nicht vorbeigelaffen und mußten fuchen, jeitwärts vom Niffe das Feite zu gewinnen. Deshalb fuchten fich einige in unmittelbarer Nähe meiner Tonne einen Naftplab. „Die Xage, in welcher ich mich befand, war äußert fonderbar. Jch war geztwungen, mich ruhig und ftill wie eine Bildfäule zu verhalten, wenn ich nich meiner außergewöhn- lichen Umgebung nicht verraten wollte. Das Schaufpiel war mir aber auch jo neu umd fo großartig, dab ich nicht imftande gewwejen wäre, mein bereit3 angelegte Gewehr auf ein ganz jicheres Ziel zu richten. Das Tofen des beivegten Meeres, das vielftimmige Gebrüll: der Tiere betäubte das Dhr, die große Anzahl der in unruhigen, Höchit eigentünmlichen Be- wegungen begriffenen größeren und Heineren Seehunde erfüllte das Auge mit Staunen... Allgemeines. 609 Endlich erjah ich mir einen der größten Seehunde zu meinem Ziele, und der qut gerichtete Schuß auf die Seite jeines Kopfes traf mein Wild fo ficher und tödlich, daß das Kind des Meeres feine Kraft mehr bejaß, von feinem Lager fich herabzufchtingen. Den zweiten Schuß empfing jein Nachbar, welcher ebenfalls nach wenigen Zudungen leblos auf feinem Steine liegen blieb. „Die übrigen Seehunde gerieten erjt nach dem zweiten Schujje in eine allgemeine, haftige Bewegung und glitten hierauf mit großer Behendigfeit in das nahe Wafjer: der erjte Knall jchien fie nur in Erjtaunen gejeßt zu haben. Während das herbeigerufene Boot jich aufmachte, um mich und meine Beute abzuholen, hatte ich Zeit, Betrachtungen über das Betragen der geflüchteten Seehunde anzujtellen. Sie jebten ihre Flucht nicht eben meit fort, jondern famen in einer Entfernung von wenigen Hundert Schritt oftmals über der Oberfläche zum Vorfchein, näherten fich dem Niffe fogar, jo daß es jchien, al3 ob fie dort ivieder landen mollten. Die endliche Annäherung des Fahrzeuges verjcheuchte fie jedoch, und jie zogen jich weiter in die See hinaus.” Manchmal gelingt e3, laut Schilling, auch vom Schiffe aus nach Seehunden zu feuern, wenn man in einem feinen Boote mit halbem Winde lautlos an die auf Steinen fchlafenden Tiere herex:jegelt. Eine andere, namentlich an der Nordjee gebräuchliche Jagdweije rechnet mit der großen Neugierde des begehrten Wildes, das jich leicht täufchen läßt. Man jchleicht jich an die Stellen, wo Seehunde gern liegen, legt jich platt nieder und macht num, wenn die Tiere auftauchen, allerhand Mätchen: man nict mit dem Sopfe, jchlägt mit den Beinen . freuzmweije aus, jchnellt jich platt-ausgeftrecdt vor und zurüd. Diejes für den Zujchauer allerdings Hochfomijche Treiben verfehlt jeine Wirkung nicht; die auftauchenden Tiere nähern jich, Fommen dicht ans Land und fünnen nun von dem im Anfchlage Tiegenden Schüßen erlegt werden. Bei anhaltendem Frojtiwetter it auch die Jagd auf dem Eije zuweilen er- giebig, niemals aber zuverläjjig und jtet3 gefährlich. Wenn felbit die Stromitellen der Djtjee zugeftoren jind, Halten die Seehunde hier Fünjtliche Löcher im Eife offen, um Durch Dieje mit der äußeren Luft in Verbindung zu bleiben und durch jie hindurch auf das Eis zur Friechen und dort zu jchlafen. Seder Seehund bildet fich gewöhnlich eine folche Dffnung, manchmal aber auch einige zu jeinem alleinigen Gebrauch. An diefe Wuhnen jchleicht man nachts mit Silzjchuhen heran, um das Geräusch der Schritte zu dämpfen, muß aber jorgfältig auf Wind und Wetter achten und jtet3 auf feiner Hut jein. An der Shmwediichen Djftjeefüjte wird die Jagd regelmäßiger und häufiger, gewöhnlich aber nur mit der Harpune, jeltener mit der Büchje betrieben. Einzelne jchivedische Seehunds- jäger richten jich Hunde ab, welche auf dem Eije die Robben aufjpitren und fie jo lange be- Ichäftigen, bis ihre Herren herbeifommen. Auf den Farderinjeln jagt man hauptjächlich während der Zeit, in welcher die Seehunde mit ihren Jungen auf dem Lande verweilen. Man nennt die Drte, an denen die Tiere gebären, den Later und die Jagdmonate dem- entjprechend die Yaterzeit. Solch) eine Zagd bejchreibt Graba. „Als wir in die Bucht famen, wurden mir jogleich von unzähligen Seehunden umringt, welche uns mil neugierig empor- geredten Köpfen anjtarrten. Kein Schuß fiel, damit die auf den Klippen jchlafenden nicht gewect würden. Wir jtiegen aus und fchlichen ung einem Klumpen von Seehunden an, in dem man nicht unterjcheiden fonnte, wo Kopf oder Schwanz der einzelnen Tiere jet. Sobald e3 fnallte, mälzte fich die glibernde Mafje in die See. Nun bejtiegen wir unjere Fahrzeuge wieder und fuhren langjam in die Bucht hinein. Die ganze Schar der Seehunde, bejtimmt über 50 an der Zahl, folgte ung, voller Neugier, zu jehen, mas in dem Boote vorgehe. Brehm, Tierleben. 4. Aufl XI. Ban. 39 610 9. Ordnung: Nobben. Familie: Seehunde. Bald tauchten fie unter, bald auf; kam einer zufällig ganz dicht bei dem Boote auf, und man erhob das Gewehr zum Schuffe, fo beeilte er fich mit großem Geplätfcher, wieder unter die Oberfläche des Wafjers zu fommen. Sobald ein Schuß fiel, verfchwanden alle Köpfe, famen aber jogleich wieder dicht bei uns empor. C&3 wurden alte, zweijährige und einjährige Meerhunde erlegt. „ach Beobachtungen von alters her darf man nie über die Hälfte der auf dem Later befindlichen Tiere, bejonders aber nicht alle Männchen, erjchlagen. Sind drei Männchen auf dent Later, jo Fann man den größten und Heinjten töten; den, welcher in der Mitte jteht, muß man am Leben lajjen. Bon den Weibchen, ‚Apner‘ genannt, erlegt man die jettejten; neugeborene Junge und deren Mütter bleiben am Leben. Sn den Later, wo man eine Leuchte braucht, blendet und verwirrt der unvermutete Anblid des Lichtes die See- hunde, in den Latern Hingegen, deren Offnungen das Tageslicht nicht gänzlich verdeden, jehen die Seehunde bejjer als die Leute, und dann hört man bei der Ankunft des Boote3 ein jtarfes Brüllen und Brummen. Der größte Brimmil (mahrjcheinlich Brummen), melcher deswegen auch ‚Latu-Berjar“ (Verteidiger Des Later) genannt wird, erhebt jich jogleich, will den Leuten den Eingang verivehren und jpringt dor ihnen mit geöffnetem Rachen auf den - Klippen vor- und rüchwärts. Da der Seehund Höher fteht und den erjten Mann überragt, jo glüdt e3 diejem jelten, ihn zu erjchlagen, falls er nicht zurücipringt und jenem zur Geite oder in ven Rüden fommt. Das richtigjte ift, wenn der Vordermann dem Seehunde die erhobene Keule entgegenhält, follte diefer ihm auch die Vordertaben auf die Schultern legen; mährenddejjen achtet der Latu-Berjar nicht auf den Hintermann, welcher ihm den Schlag gibt. Kann der Seehund den Schlag mit dem Maule auffangen, fo ift fein Menjch fo jtark, ihm die Keule zu entreigen oder zu entwinden. Wird der Latu-VBerjar mehrere Male ge- troffen und entlommt dennoch, jo verläßt er diefen Later und begibt jich nach-anderen _ Höhlen, welches die Urjache fein foll, daß jo viele Later jebt verlaffen find. Handfefte Leute - jagen, daß fie ebenfo gern gegen einen erbojten Stier angehen wollen wie gegen einen Latu- Verjar, bejonders wenn der zweite Mann dem erjten nicht jchnell genug folgen fann. Mittel- große Seehunde jcheinen Nebenbuhler des Latu-Verjar zu fein, welche, wenn fie gejchont _ werden, den Later bejtimmt wieder bejuchen, ja jogar fremde Weibchen mit fich bringen. sit das Junge jo groß, daß die Mutter e3 bei dem Lärme, welchen die Ankunft des Bootes berurjacht, in die See ftoßen fann, jo tut fie e8 und fucht mit ihm zu entfommen. St dies nicht der Fall, jo bleibt fie bei vem Jungen oder Tehrt Doch gleich zu demfelben zurück, falls jie es auch im erjten Augenblide verlaffen haben follte, jo daß man die Jungen befühlen Tann, ob jie fett find, ohne daß fie von der Stelle wiche, e3 fei denn, daß man fie durch Ge- Ihrei und Lärm mwegjchrede.” Unter allen Völkern fcheinen die Grönländer diejenigen zu fein, welche-nicht nur am gejchieteften Geehumde zu jagen verftehen, fondern ihre Beute auch am mannigfaltigjten zu beriwenden mwiljen. „Die Grönländer”, jagt Fabricius, „find große Meifter darin, die Ruder leicht und nett zu gebrauchen, fo daß man faum einen Laut davon hört. Wenn nun ein Ceehund auftaucht, fo gibt man auf fein Gebaren acht, um daraus auf die Art, ihn an- zugreifen, zu jchließen. Sft er ficher, fo ftrebt man aus aller Macht danad), jo nahe wie möglich zu kommen, um nicht fehlzumwerfen. Das einzige, was hierbei zu beachten, it, daß meder die Bewegung des Ruders noch das Fortfchiegen des Bootes bedeutenden Lärm verurfachen; denn dies wide den Seehund in feiner Ruhe ftören. Indefjen gehört hierzunicht wenig Behendigfeit und Übung, teil3 Anwendung langer und tiefer Nuderjchläge, teils auch, Allgemeines. 611 indem man das Boot mit dem Slörper jelbit fortbemwegt, und viele find hierin jo ausgelernt, daß fie den Seehund an die Seite des Bootes befommen fünnen, ohne daß er es merkt. Sit er dagegen einer von den borjichtigen, twelcher fich umfieht, jo verurfacht e3 größere Schwierig- feiten; doc) verliert man nicht alle Hoffnungen, fondern gibt acht, wenn er untertaucht, und eilt dann vorwärts. Wenn der Kopf dagegen über dem Wajjer ift, hält man fich ftille und bitckt jich nieder oder legt jich aufs Boot zurüd, um für etwas Totes, auf dem Wafjer Trei- bendes gehalten zu werden. Plätjchert der Seehund im Wafjer, und befindet er fich bei jeinem Spiele in Berwirrung, in welcher er zumeilen den Fänger anfieht, jo pfeift diejer mit dem Munde, um ihn noc) jicherer zu machen. Gollte er gleichwohl untertauchen, ehe man ihn in Wurfweite hatte, jo gibt man acht darauf, wohin ex feinen Lauf richtet, verändert etwas den Ort end fieht jich bejtändig nach der Stelle um, wo er wieder auffommt, und jo fort. Wenn man dann endlich in rechte Nähe gefommen it, wirft man die Harpune nach ihm, und die Leine folgt mit. Da die Harpune Widerhafen Hat, jo zeigt e3 fich gleich, ob der Seehund getroffen ift over nicht; denn diejer Fann im erjten Falle nicht leicht Dadonfommen, jondern muß mehr und mehr von dem Geile ausziehen. Hier ift nun feine Heit zu verlieren; der Sänger muß im Gegenteil, wenn er den Geehund ge- teoffen fieht, jogleich die (ebenfall3 an der Leine befeftigte) Blafe aus dem Boote werfen; denn diejes wirde jonjt, wenn die Leine abgelaufen wäre, von dem Seehunde mit Gewalt angezogen und leicht umgeivorfen werden fünnen. Dies find die beiden Urjachen, warum ein Grönländer oft jein Leben verliert; denn jchleppt der Seehund ihn erjt mit fich fort, und it fein anderer Fänger in der Nähe, der ihm zu Hilfe fommen fann, jo gibt es jelten Rettung für ihn. Wird er aber Hingegen die Blaje gut 1oS, jo ift die größte Gefahr vorbei. Doch trifft man zumeilen einen Seehund an, welcher jo mutig ift, daß er jich gegen das dünne, aus Tellen gemachte Boot wendet und ein Loch hineinbeißt, wodurch der Fänger in Gefahr gerät, zu finfen. Man fann dies daher in vieler Hinficht einen gefährlichen Fang nennen, zu dent jich auch viele Grönländer nicht ohne Bedenfen erdreijten. „Schleppt aber der getroffene Seehund die Blafe, welche er jelten unter das Wajjer - zu ziehen vermag, mit jich fort, jo gibt man acht, wohin ich die Blaje wendet, folgt dahin nach und jucht ven Geehund mit Yanzen vollends zu töten; denn die Lanzen haben feine Viperhafen, jondern gleiten aus der Wunde aus und Shwimmen auf dem Wajjer, jooft man jie auf den Seehund wirft. Durch dieje häufigen Wunden und durch das Fortjchleppen der großen, mit Luft gefüllten Blafe wird er abgemattet. Wenn man ihm dann endlich . ganz nahe fommt, gibt man ihm den le&ten, tödlichen Schlag mit der geballten Fauft über die Naje, wodurch er betäubt wird, fticht ihn, wenn es nötig fein follte, auch wohl mit dem Jangmefjer tot. Num bereitet man ihn vor, um ihn nach Haufe fchleppen zu fünnen. Erjt verjtopft man alle Wunden mit, Holzpfröpfchen, damit das Blut nicht verloren gehen joll; jodann bläft man ihm Luft zwifchen Haut und Fleisch, damit er defto bejjer oben jchwimmt. Sit der Geehund nur Kein, jo legt man ihn Hinten aufs Boot, nachdem man ihn ungefähr in der Gegend des Kabels mit einer Heinen Blaje verjehen Hat, an der er oben jchwimmen muß, wenn er ettva herabfallen jollte. Sit er aber groß, jo muß man ihn im Wafjer an der Geite des Boote herfchleppen Iafjen und eine fo große Blaje an ihm befeftigt haben, dat; man ihn ohne Gefahr von jich lafjen Fönnte, wenn fich etiva noch ein Seehund zeigen jollte. Tängt man mehrere, jo werden dieje an die vorigen befeftigt, und ein glücklicher Fänger fann 4—5 Geehumde auf einmal nach Haufe jchleppen.” "Alle Seehunde find ungemein zählebig und bleiben nur dann auf dem Blake Tiegen, 39* 612 9. Drdnung: Robben. Yamilie: Seehunde. wenn eine Kugel in das Innere des Gehirns eindringt oder das Herz trifft. Außer dem Menfchen haben die Seehunde einen Feind in dem jehr getwandten Schwertiwal, vor dem alle leineren Robben in höchiter Angjt flüchten. Gejagt von dem gefräßigen Ungeheuer, ipringen fie in rafch fich folgenden Säben hoch über das Waljer empor, menden alle Schwinm- und Taucherfünfte an, verfuchen Heine Meerengen und feichte Stellen zu gewinnen, eilen auf das Land und überwinden in ihrer Todesangft jelbjt die Furcht vor dem Menjchen. Auch) der Eisbär verfolgt fie unabläfjig und weiß jich ihrer vecht gejchielt zu bemächtigen. Jungen Seehunden werden auch wohl große Raubfijche gefährlich. Die nordiichen Bölferfchaften verbrauchen den ganzen Seehund, nicht bloß Tran und Fell, wie wir, und außerdem noch das Fleijch, wie die Schweden und Noriveger. Die Öe- därme werden gegeljen oder, nachdem fie vorher Höchjt mühjelig gereinigt und geglättet worden find, zu Fenftern, Slleidern und VBorhängen benußt. DBejonders hoch jehägt man ein aus ihnen zufammengeflidtes Obergewand, den Kapijad der Grönländer, meil e3 ganz ausgezeichnet wafjerdicht ift. Das mit Seewafjer vermifchte Blut wird gekocht und als Suppe oder, nachdem man e3 frieren ließ, al3 Lederei genojjen, auch nach dem Kochen in rumde Kugeln geformt, an der Sonne getrocknet und für Zeiten der Not aufbervahrt. Die Rippen dienen als Spreizjtäbe für die Felle oder werden zu Nägeln verarbeitet; die Schulter- blätter gebraucht man al3 Spaten; aus den Sehnen verfertigt man Zwirn ujm. Fell, Tran und Fleifch bilden jedoch auch für die Grönländer den Hauptgewinn, den die Seehunds- jagd abwirft. Die Felle jtehen, weil fie zu Stleidungsitüden, in3bejondere zu Frauenhofen, verwendet werden, im hohen Norden in jo großem Werte, daß man, laut Vroron, einer jungen Grönländerin fein angenehmeres Gejchenf al3 ein Seehundgfell verehren fann. „Ebenfo tie der europätfche Pyramus feiner Thisbe Juwelen und Schmudjachen bietet, bringt der nicht minder zärtliche Bingatod in Grönland der Geliebten die Früchte jeiner Jagd in dem eisumftarrten Fjorde in Geftalt eines Geehundes dar, welcher auch in den dänischen Niederlaffungen mit 3—4 Nigsdalern oder 7—I Mark unjeres Geldes bezahlt wird. Der hauptjächlichite Grund, welcher jegel- und ruderfundige Grönländerinnen beiog, mit Oraah die denfwindige Reife längs der öftlichen Küfte von Grönland zu unternehmen, war die Hoffnung, einige Seehundsfelle aus den Höchjten Breiten zu gewinnen.” Das leifch, das feiner dunfeln Färbung und feines wilden Gejchmacdes halber dem deutjchen Gaumen nicht behagt, gilt jchon den Schweden al3 jchmadhaft und wird von allen nordi- ihen Bölferichaften ebenfo gern gegejjen wie das ihrer wenigen Haustiere. Nur die Leber berichmäht man hier und da, weil man ihr giftige Eigenfchaften zujchreibt, die jie in Wirk fichfeit nicht befitt.. Aus dem Sped endlich focht man einen jehr guten, leichtflüjjigen Tran, der zumeilen mehr einbringt als Fell und Fleisch zufammengenonmen. Nach der Zahl der Schneidezähne unterjcheiden twir drei Unterfamilien: a) Die echten Seehunde (Phocinae) mit den Schneidezähnen 2. Die Verbreitung diefer Unterfamilie it zirfumpolar mit einigen Vertretern in den europäifch-afiatifchen Scen. Phoca L., mit mehrjpigigen (3—5 ©piten) Badzähnen; Halichoerus Nilss., mit einjpikigen Badzähnen; Erignathus Gi, dejjen erjter Singer Heiner ift al3 der dritte. Die Bartrobbe, E. barbatus Fabr., des nördlichen Polarmeerz, nit bis über 3 m Länge die größte Art der Unterfamilie, Hat fi) mehrmals auch im Armelfanal gezeigt. b) Die Blajenrobben (Cystophorinae) mit der Schneidezahnformel 2 und Heinen, einjpisigen Bad- zähnen. ° Zehen 1 und 5 jtark verlängert. Hußere Nafe ausdehnungsfähig. Die zivei Sehen jind arktiich und antarktijch. Cystophora Nüss. Männchen mit zwijchen Auge und Najenjpige blajig auftreibbarer Aofr Küften Nordamerikas und Europas bis Frankreich). E | | 3 Allgemeines. — Ktegelrobbe, r 613 Macrorhinus F. Cuv. Naje de3 Männchens zu einem Nüjjel verlängert. Antarktich, aber auch an der Falifornifchen Süfte. Die Möncdygrobben (Monachinae) mit Schneidezahnformel 3. Am meijten vem Wafjer angepaßt, die Nägel rudimentär oder fehlend. Erjte und fünfte Zehe ftarf verlängert. Hauptjächlich antarktifch, jedoch) mit der Gattung Monachus Flem. bi3 ins Mittelmeer und zur Küfte von Florida reichend. Die jpora- dijche Verbreitung diejer Gattung ift jehr interefjant, indem ihre drei Arten die Nordpafjat-Trift des Stillen und des AUtlantifchen Ogean3 bewohnen, nämlidy M. schauinslandi Misch. die Injel Layjan, M. tropicalis Gray die Küften zwifchen Weftindien und Yucatan und die Müncdhsrobbe, der Gee- nıönch, M. albiventer Bodd. (monachus; Taf. „Robben II”, 1, bei ©. 622), Madeira, die Kanarischen Snjeln und das Mittelmeer, wo fie bis zum Schwarzen Meer vorgedrungen ift. Dieje ziemlich einfarbig graufchwarze, unterjeit3 weiße Robbe war jchon Xrijtoteles bekannt, ift aber jeßt ein recht feitenes Tier. Die zweite Gattung, Ogmorhinus Pers. (Seeleopard), mit den drei Untergattungen Leptonychotes Gill, Lobodon Gray und Ommatophoca Gray, ift rein antarktijc). (- =— Bon den drei Unterfamilien der Seehunde fommen an den deutjchen Küften nur die _ Phocinae vor. Den drei hier regelmäßig lebenden Arten: der Stegelvobbe, Halichoerus grypus Fabr., dem Gemeinen Seehund, Phoca vitulina Z., und der Ningeltobbe, Phoca hispida Schreb., hat Nehring eine jehr Schöne Abhandlung gewidmet („Mitt. d. Sekt. F. Küften- u. Hochjeefijcherei”, 1887, Nr. 2, 3u. 4). WS gelegentlicher Jrrgaft fommt an die Nordjeefüite Die Satteltobbe oder der Mondfledige Seehund, Phoca groenlandica Fabr. 63 tjt vielleicht gut, die unterjcheidenden Merkmale in Form einer kurzen Bejchreibung zujammengefaßt zu geben, wobei zu bemerken ift, daß nur Die Schädel jichere Unterjcheidungs- merfmale bieten. Das Haarkleid it nad) Alter und Sndivivduen jehr verjchteden. Sr der folgenden diagnoftiichen Behandlung ift nur das leid typiicher Stüde berüchichtigt. Cs it dabei bejonders Schäffs Werk über „Die mwildlebenden Säugetiere Deutjchlands" zu- grunde gelegt. 1) Die Kegeltobbe, Halichoerus grypus Fabr. (Taf. „Robben I", 3, bei ©. 59). Badzähne einjpigig. Sehr langer Gefichtsjchädel, länger als bei allen anderen. Die Farbe ijt vorwiegend Grau (Gräsjäl der Schweden, Grey Seal der Engländer), mit unregelmäßigen rundlichen dunfeln Fledfen und heller Unterjeite. Bei allen folgenden (Gattung Phoca L.) find die Badzähne mehrjpibig. 2) Der Gemeine Seehund, PhocavitulinaZ. Najenbeine jehr breit, Yänge zur Breite wie 3:1, verjüngen ih etwa von der Mitte an nach Hinten. Zmijchenfiefer berührt die Najenbeine nur-mit einer Spike. Hinterer Gaumenausschnitt ift ein jpiger Winkel. Färbung: auf gelblihem oder graugelblidem Grunde zahlreiche rundliche Flede von geringem Umfang, Baud) faft oder ganz ungefledt. 3) Die Ringelrobbe, Phoca hispida Schreb. Najenbeine etiva fünfmal fo lang als breit, jehr [hmal und erjt im legten Drittel zugejpigt. Ziwifchenkiefer legen fi) auf mehrere Zentimeter neben die Najenbeine. Hinterer Gaumenausjchnitt in Form eines rechten Winkel. Färbung: ringförmige helle Flede auf dunfelm $runde (daher Ph. annellata Nilss. und der deutjche Name). 4) Die Sattelrobbe, Phoca groenlandica Fabr. Hinterrand des Gaumens quer abgejtußt oder offener, ıie ipiger Winkel. Färbung: weiß mit fattel- oder mondfürmigem fchwarzen Fled, der etiva von den Schultern bis zum Schwanz reicht, und [chwarzem Geficht. Am Vorderfuß ift die zweite Zehe die längite. Da das Leben der Seehunde bei den verjchiedenen Arten ziemlich gleichfürmig verläuft und wir dies jchon in großen Zügen gejchildert Haben, jo jeien hier noch einige Angaben über die. oben aufgezählten, uns bejonders angehenden Formen gemacht, wobei außer den erwähnten Autoren bejonders das vorzügliche Werk von Collett: „„Norges Pattedyr“ zu- grunde gelegt fei. - - Die Slegeltobbe, Halichoerus grypus Fabr., ijt wie am Schädel jo auch im Leben bejonders duch die Form des Kopfes ausgezeichnet, an dem die Länge der Schnauze bejonders in die Augen fällt. Die Tiere erinnern dadurch etivas an einen langjchnauzigen 614 9. Ordnung: Robben. Familie: Seehunde. Kagdhund. Bei alten Männchen dagegen jind die Lippen did und muljtig, jo daß dieje von den DOftjeefiichern geradezu als „Mopshunde” bezeichnet werden. Die Kegelcobbe ijt der größte Seehund der deutjchen Meere. Die Männchen jollen eine Länge bis zu 3m erreichen und 400—500 Pfund jchiwer werden, doch find jolche Niejenjtüde jeltene Ausnahmen. 2,60 m dürfte die Durchjchnittslänge ausgewachjener Tiere fein bei einem Gewicht von 350—400 Pfund. Die Weibchen find durchweg Fleiner und erreichen ein Gewicht von 200—250 Pfund. Die neugeborenen Sungen jind etiva 1—1,10 m lang. Bei ausgewachjenen Tieren fann die Spedichicht unter der Haut jehr die werden und bis zu 50 Liter Tran liefern. Bei einer von Nehring unterjuchten männ- lichen Stegeltobbe, die 365 Pfund wog, betrug das Gewicht des Spedes 91 Pfund. Die Specdjchicht, aus der 40 Liter Tran gewonnen wurden, hatte eine Dice von durchichnittlich 5cm. Ein anderes Männchen joll gar 60 Liter Tran geliefert haben. Sm Pelzhandel jpielt das Fell der Stegelrobbe feine große Rolle. Die Farbe ijt bei erivachjenen Männchen grau mit jchwarzen Fleden und wird bei alten Tieren fajt ganz jchwarz. Der Bauch ift heller. Die Weibchen jind einfarbig hellgrau. Das Säuglingskleid beiteht aus einem langen, gefräujelten Wollhaar von gelblichweißer Farbe. E3 wird etiwa ‘—10 Tage getragen, während welcher Zeit die Jungen nicht ins Wajjer gehen. Dann macht e3 allmählich dem Furzen, jtraffen Seehundsfleid Plab. Die Farbe diejes Jugend- fleideg ijt jehr veränderlich, zeigt aber jchon die charafteriftiiche graue Farbe. Die Stegelrobbe ijt eine nordatlantische Küftenform, die Hauptjächlich die Küften und Snjeln Europas, etwa vom Kanal aus nördlich, bervohnt und um Skandinavien herum bis nad) Nomwaja Semlja geht. Auf Jeland und an der nordamerifanischen Küjte findet fie jich jeltener. Übrigens tritt fie auch in der Nordjee nicht zahlreich auf. Sie liebt bejonderz die Ditjee, wo jie jtellenmeije, 3. B. in der Umgebung Rügens, der häufigite Seehund ift. Entjprechend diejer Verbreitung ijt auch die Wurfzeit verjchieden. Sie fällt an der normwegijchen Kite in die Monate September bis Anfang Dezember, in der Dftjee Ende Februar di3 Anfang März. Im Frankfurter Zoologifchen arten warf einträchtig angefommenes Weib- henam 2. Januar. Die Stegelvobben verfammeln fich in großen Mengen, 500—600 Stüd, an den Wurfplägen. Bald nach der Geburt des etwa 1 m langen einzigen Jungen erfolgt Die Paarung, die im Wafler ftattfindet. Die Trächtigfeitsdauer währt 111, Monate. Wie bei allen Seehunden werden auch bei den Kegeltobben, die polygam find, Heftige Kämpfe um die Weibchen ausgefochten. Mit 3—4 Sahren werden die Männchen fortpflanzungsfähig. Die Nahrung der Kegelvobben befteht Hauptfächlich in FZifchen, wodurd) fie der Zijcherei ebenjo jchädlich werden wie der Gemeine Seehund. Wie diejer, holt auch die Kegelrobbe die Filche gern aus den Fanggeräten der Fijcher. Und da fie bis zu 10 Minuten unter Wafjer bleiben und bis zu 100 m tief tauchen Fann, verjchont fie auch die Tiefenangeln nicht. Der Gemeine Seehund, Phoca vitulina Z. (Taf. „Robben I“, 2, bei ©. 595), tft die am beiten befannte Art, wenn fie auch leicht mit anderen verwechjelt toirb, Husneivarhfene Männchen werden biS zu 2m lang. Zhr Gewicht foll 100—150 Pfund betragen, wovon etwa 12—18 Liter Tran gewonnen werden. Die Weibchen find etivas Heiner. Der Kopf mit jener furzen Gefichtspartie und der feinen Schnauze hat etwas Kabenähnliches. Die Farbe ijt jeht wechjend. Am häufigiten ift eine gelblichgraue Grundfarbe, die durch braune oder, Ihwarze Flede von rundlicher Gejtalt unregelmäßig verziert ift. Am Bauch ftehen nur einige feine Slede. Seht bezeichnend ift ein heller Ring von unbejtimmter-Begrenzung, der das Gemeiner Seehund. Ningelrobbe. 615 Auge einfaßt. Das neugeborene Junge hat jchon das ftraffe Haarkleid der Alten. E3 fann auch bald nach der Geburt ins Waller gehen und jchtuimmen. Die Jungen, 1, jeltener 2, werden im Juni oder Juli nach einer Trächtigfeits- dauer bon etiva 11!/, Monaten geworfen. Die nächite Paarungszeit, während welcher die Männchen um den Bejit der Weibchen heftige Kämpfe ausführen, folgt bald darauf. Die ungen mwechjeln in der Regel jchon vor der Geburt das Wollhaarkleid und jehen dann gleich nac) der Geburt aus wie die Alten. Sie find auch fofort imftande, ins Waffer zu gehen. Sie . werden etiva 2 Monate von der Mutter gefäugt, die jich für die Jungen fehr bejorgt zeigt. Dieje Seehunde jind ausgejprochene Stüftentiere, die jich am Tiebjten in Buchten und bor Slußmündungen herumtreiben und nur jelten in die offene See hinausgehen. Dagegen jteigen jie oft hexh) in die Flüfje hinauf. ©o ift, nach Trouefjart, einmal während de3 ftrengen Winters 1879 ein Paar bei Orleans gefangen worden. Collett berichtet, daß der Seehund im Tana-Elf bis 300 km weit dem Zuge der Lachje folge. Aber er bleibt nie lange im Süßmajjer. Geehunde bewohnen alle nordatlantijchen Küften und Snjeln, in Europa von land bis Portugal, in Amerika Grönland bis zum 73. Grad nördl. Br., Labrador, die Dapisitraße bis Neiv Serjey. m nördlichen Stillen Ozean werden jie durch drei rahejtehende Arten er- jest. In der Nordfee ift Ph. vitulina an unferer Küfte die häufigfte Art; ebenfo twoHl auch im wejtlichen Teil der Dftfee. Dagegen ijt jie in deren öjtlichen Gebieten verhältnismäßig jelten und jcheint im Bottnijchen Meerbufen überhaupt nicht vorzufommen. E&3 find gejellige Tiere, die jich an ihnen zujagenden PBläßen, two jie ungejtört find, . im Frühjahr bis zu 100 Stüd anfammeln können. Allerdings kämpfen fie, wenn fie ans Land gehen, um die günftigften Pläße, find fie aber zur Ruhe gefommen, fo fiegen fie friedlich dicht nebeneinander. Um vor unliebjamen Überrajchungen ficher zu fein, ftellen fie Wachen aus, die bei Gefahr Schreie ausjtoßen. Geruch und Gehör find gut entiwidelt. Unjere Seehumde leben von allerhand Fijchen, und fo ijt der Schade, den jte im der ijcheret anrichten, jehr groß. Sie holen die Lachje von der Angel, die Schelffiiche aus der Keuje, die Dorjche aus den Neben und zeritüren dabei die Fanggeräte. Ziffermäßig ijt der angerichtete Schade jchiver auszudrüden. Jmmerhin jchägt Eollett für Norwegen allein den der Lachsfischerei angerichteten Schaden jährlich mit % Million Kronen doch höher als den Nuten, den die Filcher haben. &3 fommen jährlich etwa 15— 20000 Felle in den Handel, deren Wert von 3 bis 6 Mark das Stüd jchwanft. Sie dienen zur eg bon Schultornijtern, Tajchen ujmw., oder e3 wird Leder daraus gemacht. Die Ringelrobbe, Phoca hispida Schreb. (Pusa), ijt der Gejtalt nach dem gewöhn- - fichen Seehund jehr ähnlich. Höchitens ijt der Kopf etivas Feiner, die Schnauze etwas jpiger, die Borderfloffe etivas breiter und der Schwanz etwas länger. Ph. hispida ijt die Heinjte aller Robben. Erwachjene Männchen werden höchitens 1,0 m, Weibchen 1,45 m lang. Nehring verzeichnet, daß ein 1,53 m langes, vollitändig ausgewacjenes Männchen, das bei Misdroy erlegt war, 391, kg wog und 8 Liter Tran lieferte, wogegen ein 1,25 m langes Weibchen nur 58 Pfund wog, wovon 18 Pfund auf den Sped famen. Nicht jelten jcheinen bei ihnen Zmwergeremplare vorzufommen, die, nach Collett, nur 60 em lang werden und den norwegijchen Namen „Troldsael“ führen. Sehr bezeichnend für die Art ift der eigertartige Geruch, den fie ausjtrömt. Hm verdankt fie auch ihren zweiten mwijjenjchaft- lihen Namen, Ph. foetida, den ihr Fabrictus gab. v* 616 9. Ordnung: Robben. Familie: Seehunne. Die Farbe ift außerordentlich wechjeind, fcheint aber zur Ausbildung von Lofalformen zu neigen. Wenn die hellen Ningflede auf der dunfeln Oberjeite, nach denen das Tier jeinen deutjchen Namen erhielt, deutlich ausgebildet jind, ijt die Art daran leicht zu er- fennen. Aber Häufig und namentlich bei jungen Stüden find fie nur ungenügend entiwidelt, bejonders in der Jugend. Übrigens trägt aud) die Ringeltobbe, wie die legeltobbe, aber abweichend vom Gemeinen Geehund, längere Zeit, etiva 25—30 Tage, ein weiches, weißes Haarfleid. Dieje weißen Säuglingsfleider, die etiva 40—50 cm lang jind, bilden einen ge- ichägten HandelSartifel, von dem Grönland allein, nad) Braß, jährlich 30—40000, Nord- amerifa 10— 20.000 Tiefert. Lie bei allen Seehunden ijt auch bei der Ningeltobbe die Zahl der Jungen gewöhnlich eins, doch Fommen gerade bei ihr nicht allzujelten zwei vor. Ya jogar Drillinge find be- obachtet worden. Die Trächtigkeit jcheint 11 Monate zu dauern. Die Jungen werden in Schneehöhlen geboren, die Hanbjch, nach einer Mitteilung Matjchies („Sitber. Gef. Naturf. Freunde”, 1913), folgendermaßen jchildert: „Das alte Weibchen ftellt zwifchen dem Eije und der Schneedede darauf offene Pläge von mehreren Metern Durchmefjer her, die in langen Gängen nach dem Atemloche führen, das durch das ftarfe Eis geht, oft fenkrecht, oft ein wenig jchräg. Häufig befinden fich jolche Brutpläße im rauhen Eije; wir fanden jie aber auch inmitten weiter völlig ebener Flächen, mweitab vom Lande. Nichts verrät jie als der Hohle Klang, wenn man auf den Hohlräumen fteht. Dieje felbit find alfo, nicht viel breiter oder richtiger höher als das alte Tier. Hier wird das Junge geboren und ge- jäugt. Hat es das zweite Kleid befommen, geht e3 ins Wafjer und fommt heraus aufs Ei3." Die Wurfzeit fällt in die erjten Monate des Zahres, ijt aber je nach den Gegenden ver- jhieden, und zivar bei den Nafjen, die binnenländiiche Gemwäjjer bewohnen, am zeitigiten: im Kajpiichen Meere im Januar, im Bottnijchen Meerbujen Ende Februar bis Ende März, an der norwegijchen Hüfte Mitte März bis Mitte April, an den fibiriichen Küften April bis Mat, bei Spisbergen Mai oder Anfang Juni, in Grönland April bis Mat. Mit der Aufzählung der genannten Orte ift Schon ein Teil der geographijchen Verbreitung der Ningelrobbe gegeben. Die Verbreitung dedt fich zum Teil mit der von Phoca vitulina, reicht aber nicht ganz fo weit nach Weften wie diefe. Dafür geht fie weiter nach Dften. . Beide Arten treten gewijjermaßen im äußerften Often und Weften ihres Gebietes vifariierend füreinander auf. ©o wird Phoca vitulina in den öftlichen Teilen der Dftjee immer feltener, je weiter man nad) Djten fommt, und hört im Bottnifchen Meerbufen ganz auf. Umgekehrt wird die Ringelrobbe in der Dftjee nach Often zu häufiger und lebt fchlieglich im Bottnijchen Meer- bujen allein. Ebenjo bevölfert fie die Küften Sibirienz, tvo der Gemeine Seehumd ganz fehlt. Sehr eigentümlich aber ift ihr Vorkommen in Binnenjeen, die heute weitab von der Meeresküfte liegen. So findet fie fi im Uraljee und im Kafpiichen Meer. Wenn fie hier aud) eine Lofalcajje gebildet hat, die al Kafpifcher Seehund, Phoca hispida caspica Gm., von der eigentlichen Ringeltobbe abgetrennt ift, jo kann doch die enge Zufammengehörigkeit beider nicht zweifelhaft fein. Dasjelbe gilt von der al3 Phoca hispida sibirica @m. bezeichneten Ningelrobbe de3 Baikaljees. Diejes Vorfommen von ausgefprochenen Meerestieren in - Binnenfeen, jo weit von jedem See entfernt, müßte uns berivunderlich und unerflärlich erjcheinen, wenn uns die Erdgefchichte nicht lehrte, daß einft bon Norden her das Eisnieer bis in jene Gegenden veichte. Dejjen damals jo weit nad) Süden vorgefchobene Küjten twurden natürlich ebenjo von Ningeltobben bewohnt, wie das noch heute, nur weiter im Norden, der Fall ift. Als nun das Land anfing, fich Iangjam zu heben, da wurden jene Kaipiicher Seehund. Ningelvobbe und ihre Verwandten. Gattelrobbe. 617 Geen, die wohl urjprünglich Buchten, Fjorde in jenen gewaltigen Nordmeeren waren, bon der Verbindung mit diefen abgejchnitten.. Was von der Tierwelt fich nicht rechtzeitig zuriick ‚gezogen hatte, Fonnte nun nicht mehr in das Meer gelangen. Das Meer twich weiter und weiter zurüc, und die Tierwelt in jenen Seen ging entweder zugrunde, oder paßte fich, tie unjere Ningeltobbe, als „Nelikt” an die veränderten Verhältniffe an. Aber nicht nur hier, jondern noch meiter im Norden ließ; es folche Nelikte in Binnenfeen zurück. So beherbergen die finnischen Binnenfeen, bejonders der Ladoga- und Dnegafee, Ningelcobben, die auf Grund geringer Unterjchiede als Phoca hispida ladogensis Nordguist von der Stammart abgetrennt worden find, ebenjo wie die des Saima und benachbarter Seen al3 Ph. h. saimen- sis Nordquist. Übrigens fcheint gerade unfere Ningeltobbe felbft bei nur geringer Siolie- rung zur Bildung von Lofalcafjen zu neigen. Co ift aud) die Oftjeeform, bei der die Ning- bildung in der Zeichnung am ausgejprochenften ift, al$ Phoca hispida annellata Nilss., die des Ochotjfiichen Meerbufens als Ph. h. gichigensis Allen bejchrieben worden. Wahr- jcheinlich hängt Ddiefe durch Siolierung zu erflärende Nafjenbildung aufs engfte mit den Gewohnheiten der Tiere zufammten, die die Küfte beinahe noch mehr lieben und das offene Meer noch mehr jheuen als der Gemeine Seehund. Während die eben bejprochenen drei Seehundsarten regelmäßige Bewohner unjerer Küfte find, fommt die vierte, die Sattelrobbe, Phoca groenlandica Fabr. (Pagophoca), nur als gelegentlicher Srrgaft einmal zu uns in die Nordjee. nm März 1896 drang ein Weib- chen diejer Art die Elbe aufwärts, in die Mulde hinein und wurde fchließlich bei Dejjau ge- fangen. Dieje3 allerdings trächtige Tier hatte das für eine Sattelrobbe außerordentlich hohe Gewicht von 320 Pfund bei einer Länge von 1,90 m, während fonft als Durchfchnitts- gericht eines ausgetwachjenen Männchens 230 Pfund angegeben werden, wovon 100 Pfund auf Fell und Sped kommen. Die eigentliche Heimat find die erftiichen Meere nördlich des 67. Grades; von hier verirren ich diefe Robben nur gelegentlich einmal nach Schottland, in die Nordfee oder den Armelfanal, two 1903 ein Stück gefangen wırde. Im Gegenfaß zu den bisher erwähnten Seehunden meidet Ph. groenlandica da3 Land und hält fich aus- jchlteßlich auf dem Eije auf, wo auch die Jungen geboren werden. Die Wurfzeit ift nach der Ortlichkeit verfchieden, mweftlich von Spitbergen Ende Februar bi Mitte März, öftlich davon etwa 20—30 Tage jpäter. Die Trächtigfeit dauert etiva 11 Monate. Die Tiere find im Gegenjat zu anderen Seehunden monogam. Unmittelbar nach der Paarung beginnt der Pelzwechjel der Alten, der einen Monat, ettva bis Ende Mai, in Anspruch nimmt. Erwachjene Männchen find gelblich- oder graumeiß und leicht Fenntlich an dem jchtwar- zen Gejicht und dem großen mondförmigen fehwarzen Gattelflek auf dem Nüden. Den Beibchen und den Jungen fehlt diefe auffallende Zeichnung. Die vorherrschende Färbung des Weibchens it ein düjteres Gelblichweiß oder Strohgelb, das auf dem Rüden bis zum Lohfarbenen dunfelt, aber bald mehr ins Kötliche, bald mehr ins Bläuliche, felbjt ins Dunfelgraue fpielt und auf der Unterjeite diejelbe Färbung wie beim Männchen zeigt; bon der leierfürmigen Rüdenzeichnung bemerkt man nichts, höchjtens finden jich an ihrer Stelle einzelne eifürmige dunkle Tlede in verjchiedener Anzahl und Größe, die von dem gelblich- oder rötlichhraunen Grunde fich abheben. Die Jungen find von der Geburt bis zum Alter von 7 Wochen fchneeweiß und mit einem feinen, dichten Wollpelz bedeckt. Mit einem Jahr treten zahlreiche fchtvarze Flede auf hellgrauem Grunde auf, die im zweiten Jahre größer find. Erxjt im dritten Jahre zeigt fich die charakteriftiiche Färbung. 24 618 9. Ordnung: Robben. Familie: Seehunde. Die Jungen liefern die als „Whitecoat“ in den Handel fommenden Felle. Die Erbeu- tung, tie überhaupt die Yebensweije der Sattelrobben jchildert Braß in jeinem Werf „Aus dem Reiche der Pelze” wie folgt: „Die Tiere leben in großen Scharen im offenen Meere, wo jie große Wanderungen antreten, im Sommer nad) dem Norden, im Winter nach dem Süden. Mitte März erklettern fie die treibenden Eisjchollen oder das PBadeis, wo von Ende März bis Mitte April die Zungen geboren werden, während die Männchen jeßt wieder das offene Meer aufjuchen. Das ijt das Zeichen für die große Schlächteret. „Bon St. Zohn, Neufundland, geht eine ziemlich zahlreiche Flotte von Sangdampfern nach der PBadeisgrenze, und auch) von Greenod, Dundee und PBeterhead in Großbritannien fommen Sangdampfer nach der Baffinsbai.” Sobald das PBadeis erreicht ift, werden Die Mannfchaften gelandet, jeder mit einem fchtweren nippel oder langgeftielten Holzyammer und einem fcharfen Meffer bewaffnet. Die einige Wochen alten Jungen werden in der toheiten Weije erjchlagen, ebenjo eine Menge der Weibchen und älteren Jungen. Ein Teil der Mannfchaft jtreift, jobald eine genügende Anzahl getötet it, ven Kadavern das Fell mit der anfitenden Fettjchicht ab, die dann zum Boote gejchleift und an Bord gejchafft werden. Sr der nur wenige Wochen dauernden Fangzeit in jedem Jahre werden auf Dieje Weije zmwijchen 200000 und 500000 Geehunde getötet. Snfolge ihres nördlichen Wohngebietes find die Sattelrobben gezwungen, Wande- rungen mit dem borrüdenden und rücgehenden iS auszuführen. Dieje gehen jo regel- mäßig vor fich, daß die Norweger, nach Collett, „Winterjeehunde" und „Nufjenjfeehunde”, je nach der Zeit ihres Erjcheinens und ihrer Herkunft, unterfcheiden. Die erjteren bringen regelmäßig den Winter an den normwegijchen Küften zu. Sie fommen von Spitbergen und ziehen im Frühjahr wieder nach Norden ab. Im April oder Mai fommen dann neue Echwärme aus dem Weißen Meere, die „NRufjfenjfeehunde”. Dieje langen in abgemagertem, jene in fettem Zuftande an. Bei bejonders ungünftiger Witterung können fich diefe Einwanderer gewaltig vermeh- ven. Collett verzeichnet die Winter 1901/2 und 1902/3 als folche Seehundsjahre, wo, gleich- zeitig mit der Gattelrobbe, Weißivale und Ningeltobben in ungeheurer Zahl in den nord- norwegischen Gemäljern erjchienen. Der Wert des Fanges allein in den Monaten % yarıar bi3 März 1903 wird auf 50000 Kronen (= 56000 Mark) angegeben. Ähnliche Wanderungen find auch von der grönländifchen Kite befannt. Die Sattel- vobbe verläßt dieje zweimal im Laufe de3 Jahres, das erftemal im März, daS ziweitemal im Sul, wandert bis in die nördlichiten Teile der Davisftrage und erfcheint im Mat wieder i in, jehr abgemagertem Zuftande, treibt e3 wie zuvor, teilt eine neue Wanderung an und fehet im September zurüd, um den Winter an der grönländifchen Küfte zu verbringen. Die FSrühlingswanderung entführt in der Regel fämtliche Stücke, wogegen bei der Herbitwande- rung einzelne von ihnen zurüdzubleiben pflegen, ohne daß man dafür einen Grund anzu- geben vermöchte. Wie weit hinauf nach Norden die wandernden Tiere fich wenden, weiß man nicht, ebenfowwenig wie e8 bis jegt hat gelingen wollen, die tieferen Urfachen der. Wan- derungen zu ergründen. Einzelne Schiffer haben fie mitten im Meere in zahlreichen Scharen dahinjchiwimmen fehen, eine ziemlich gerade Linie bildend, die eilfertig in gleicher Richtung ji meiterbemwegte, andere fie gänzlich unerwartet an Küftenteilen oder auf Eisfeldern ge- froffen, Die fie jonjt nicht zu befuchen pflegen. Die Wanderungen ändern mannigfaltig ab, je nach der herrjchenden Wärme der Jahreszeit, in der fie ftattfinden, dürften alfo durch jene menigitens teilmeije bejtimmt werden, ebenjo wie das zeitweilige Auftreten geiviljer er i RN - PN \ SR TER 2 ; eh an NIS = Zn a r I 5 KyPrL En ae Dr er PR KOT. L Fe: Sattelrobbe: Lebenzweije. 619 Geetiere, die ihnen zur Nahrung dienen, Einfluß ausüben mag. Für lebteres jcheint zu jprechen, daß die Sattelrobben, wie jchon bemerft, das erjtemal in außerordentlich magerem Zuftande anfommen, wogegen jie beim zweiten Erjcheinen im September feijter jind als je: jie haben Sich alfo offenbar in der Zivifchenzeit reicher Beute erfreut und gemäjtet. Vielleicht „hängen auch ihre Wanderungen mit der Fortpflanzungszeit zufammen. Um dieje Zeit gerade jammeln fte fich auf einzelnen Eisfeldern zu jenen ungeheuern Scharen, die jelbjt die an Mafjen gewöhnten Robbenjchläger in Erjtaunen verjegen. Nachdem die Weibchen pajjende Eisfelder ausgejucht, geworfen und jich wieder gepaart Haben, werden fie von den Männchen verlafjen. Dieje treiben fich anfänglich längs der Eisränder im Meere umber, fommen dem Beobachter aber bald aus dem Auge, weil fie allmählich von hier verjchwinden und fich unbekannten Gegenden zumenden. Nac) Angabe Bromnz joll das Weibchen in der Regel 1, nicht jelten aber 2 Junge, nac) Berficherung erfahrener Robben- ichläger zuweilen jogar deren 3 zur Welt bringen; leßteres ijt jedoch jehr unwahrscheinlich und wird fih, wenn überhaupt begründet, möglicherweije auf einen Beobachtungsfehler zurückführen und dadurch erklären lajjen, daß ein und dasjelbe Weibchen mehrere vermaiite Sungtobben bemutterte. Die Jungen werden ebenjo wie die Verwandten in jehr ent- mwiefeltem Buftande geboren und find die niedlichiten und hübfcheften Mitglieder ihrer Familie. hr exjtes weißes Jugendfleid mwetteifert an Reinheit der Zarbe mit dem fledenlojen Schnee der höheren Breiten, nimmt aber bald eine wundervolle gelbliche Färbung an, welche ihın jedod) leiver ebenfalls nicht lange bleibt. Wie jo viele andere Seehunde, jind die jungen - Gatteltobben in den erjten Tagen ihres Lebens jehr Hilflos und vollfommen unfähig, in das Wafjer zu gehen, liegen deshalb faugend und fchlafend auf dem jchneebededten Bacdeije und genießen durch) ihr Kleid denjelben Schuß wie andere Schneetiere, indem jie den Augen ihrer Feinde ‚entrüct werden. Shre Mütter behandeln jte mit größter Zärtlichkeit, vertei- digen fie auch mutig gegen die Seehundsjäger, welche gerade derartige Junge eifrig ver- folgen. Der Fellmechjel beginnt nach 14 Tagen und dauert 3—4 Wochen. Dann erhalten jie ein gefledtes und gejprenfeltes Jugendfleid, twelches die Robbenjchläger veranlagt hat, jie mit Hafen zu vergleichen und jo zu nennen. Sm ihm juchen fie zuerjt das Wafjer auf. m Laufe des erjten Sommers ändert jich das zweite Zugendkleid wiederum, injofern die Grund- färbung in ein dunkles Blau auf dem Rüden und ein jchönes Silberweiß auf Bruft und Bauc) übergeht. In diefer Tracht werden jie von den Grönländern „Agleftof" genannt. Der nächjite Wechjel des Stleides nähert Diejes nunmehr der Alterstracht, welche die Sattelrobbe im dritten oder, wie andere wollen, im vierten bis fünften Sahre anlegt. Obmwohl Ddiefe Robbe in Sitten und Gewohnheiten ihren Verwandten jehr ähnelt, unterjcheidet fie fich Doch in mehr als einer Hinficht und namentlich Durch ihre Bewegungen von ihnen. hr Gang ift, wie gefangene des Londoner Tiergartens gelehrt haben, gemijjer- maßen ein Mittelding zwijchen dem Watjcheln der Ohrenrobbe und dem Bauchkriechen de3 Geehundes, da fie, objchon in, vielen Fällen ebenfalls nach Art des leßteren jich fürdernd, beim Gehen regelmäßig die Borderflofjen zu Hilfe nimmt und als Gehfüße benugt. ihre - Bewegungen im Wafjer zeichnen fich durch eine überrafchende Schnelligkeit und bejondere Gemwandtheit, vor allem aber durch rafjch nacheinander wiederholte Sprünge aus, welche ihren ganzen Körper über das Waffer fchleudern und die Seeleute berechtigen, fie „Springer“ zu nennen. Newton glaubt, daß man die von Zeit zu Zeit immer wieder auftauchenden Berichte über riejenhafte Seejchlangen, welche Schiffer mit Beftimmtheit gejehen Haben wollen, mohl auf jie zurüdführen dürfe. Wie bereits oben bemerkt, ordnen jich die 620 9. Ordnung: Robben. Familie: Seehunde. Sejelffchaften, denen man auf hohem Meere begegnet, fajt regelmäßig in einer geraden Linie, indem eine Gatteltobbe hinter der anderen herjchwimmt und alle einem Leittiere folgen. Kenn num das legtere, wie eS gern zu tun pflegt, jich einmal um fich jelbjt dreht oder einen Luftjprung ausführt, der e8 über die Oberfläche des Wafjers toirst, verfahren alle übrigen, wenn fie an derjelben Stelle angefommen find, genau in gleicher Weife. Der Gedanfe an. die Geejchlange drängte fich Nervton mit unmwiderjtehlicher Gewalt auf, fo oft er Sattel- robben dahinschhoimmten jah, und es jchten ihm durchaus begreiflich, daß ein gegen alle Jomantik nicht jo wie er abgejtumpfter Beobachter fejt überzeugt fein könne, in der bor jeinen Augen dahinziehenden Schlangenlinie das vielbejprochene fabelhafte Ungeheuer des Meeres zu erfennen. Durch diejes jpielende Treiben und feine wundervolle Beweglichkeit fennzeichnet ji) der „Springer”, bejtimmter noch als durd) feinen eiförmigen Kopf, in jeder Entfernung vor anderen Bermandten. Ceine höheren Begabungen jtehen mit denen des Seehundes annähernd auf gleicher Stufe: fo wenigjtens läßt das Betragen der freilebenden iwie der gefangenen fchließen. > Yus der Unterfamilie der Blajenrobben (Cystophorinae) [hildern wir zunächjt die Gattung der Mübenrobben (Cystophora Nülss.). Die Klappmübe der Nobbenjchläger, Bladdernose oder Bladder der Engländer, Kifnebb der Finnen, Apjor oder Yatte- nuorgo und Dado der Lappen, Neiterjoaf und Klakortaf der Grönländer, Cystophora cristata Eral., ijt eine der größten Robben des Eismeere3, vor allem Fenntlich an einem Haut- ja, der fich von der Naje an über die ganze Schnauzendede und den größten Teil des Ober- fopfes erjtrect und willkürlich mit Luft gefüllt oder entleert werden Fann, in erjterem Falle eine Blaje von 25 cm Länge und 20 cm Höhe bildet und dann wie eine über den Vorderfopf gezogene Müße ausjieht, zugeklappt aber ich einem Sliele vergleichen läßt, der die Naje in zwei Teile jcheidet. Nur das erwachjene Männchen, und zwar erjt vom dritten Fahre ab, verfügt über die Blaje. Der Kopf ijt groß, die Schnauze did und ftumpf, der Leib den anderer Robben durchaus ähnlich gebaut, auch das vordere Flojjenpaar, in dem die Zehen von der eriten an an Länge abnehmen und deshalb Scharf abgejett erjcheinen, wenig von dem der Verwandten verjchieden, das Hintere, fünflappige außen merklich verlängert, in der Mitte bedeutend verkürzt, das vordere Baar mit jtarf gekrümmten, fpißigen, unten aus- gehöhlten, das Hintere mit geraden, ftumpfen und feitlich zufammengedrüdten Nägeln be- wehrt, der Schwanz breit und Furz. Alte und Junge tragen ein verjchiedenes, die beiden Sefchlechter ein übereinjtimmendes, aus langen, etwas aufrecht ftehenden Grannen- und diden, pelzigen Wollhaaren gebildetes Kleid, das in der Negel auf der oberen Seite dunfel nußbraun oder jchivarz gefärbt und mit größeren oder Heineren, runden oder eifürmigen aleden von noch tieferer Farbe gezeichnet, unten aber dunfelgrau oder roftig filberfarben gefärbt und fledenfos ift; Kopf und Floffen find dunkler al der übrige Leib; die von der Mübe bedecte Stelle des Kopfes und die Flofjen Haben gewöhnlich diefelbe Färbung wie die dunkel Flede des Telles. Ausgemwachjene Männchen erreichen eine Länge von 2,3 bis 2,5 m; die Weibchen, denen die Hautblaje fehlt, bleiben merklich Hinter diefen Maßen zurück. Das Wohngebiet der Klappmüte ift das Eismeer und der Atlantifche Ozean von Grön- land und Spißbergen bis nach) Nordamerifa und Europa, wo fie gelegentlich fogar bi3 Eng- land und Frankreich nach Süden fommt. Diefe Robbe ift nirgends häufig. An den Küften Srönlands trifft man fie Hauptfächlich in der Nähe großer Eisfelder an, die ihr überhaudt weit öfter als das Land zum Auhe- und Schlafplage dienen. Hier bevorzugt fie gewijie Klappmübe. 621 läge und erjcheint auf ihnen regelmäßiger als anderswo. Aucd) fie unternimmt Wande- rungen, die fie weit von den Küften entfernen und bis in Die nördlichiten Teile des Eismeere3 führen, wird Daher an ihren gewöhnlichen und befannten Aufenthaltsorten nur zu getijjen Beiten des Jahres beobachtet. Jr Grönland trifft jie mit Beginn des Aprils ein und vermweilt bier bi3 Ende Juni oder Anfang Juli, um jich zu hären, ihr Junges zu werfen und Diejes jo weit zu erziehen, daß e3 den älteren auf ihrer Wanderung folgen fann, wahrjcheinlich auch, um fich wiederum zu paaren, tworauf jie ihre Wanderung nac) Norden antritt. Vom Gep- tember bis zum März begegnet man ihr häufig in der Davisjtraße und der Baffinzbai; hierauf wandert jie jüdlich, und im Juli Fehrt jie einzeln wieder zurüd. Hl, % & HART au Klappmüte, Cystophora eristata Erxl. 1/25 natürlicher Größe, Nach übereinjtimmenden Angaben verjchiedener Berichterjtatter it die Mübenrobbe einer der mutigjten und fampfluftigiten aller Seehunde, ihre Jagd deshalb nicht immer un- gefährlich. Bromn bezeichnet jie al3 den Löwen der nördlichen Meere, der das Neich der Bolargemwäljer nur mit dem mächtigen Waltoß teilt. Zivar macht die Klappmübe, wenn jie auf dem Eije lagert und behaglicher Ruhe jich Hingibt, den Eindrud einer jtumpfen Gleich- gültigfeit gegen alle äußeren Berhältnijje und jchaut mit ihren großen jchwarzen Augen ziemlich geijtlos ins Weite, greift auch ungereizt fein anderes Wejen an, gerät jedoch leicht in lebhafte Erregung und ift dann zum Widerftande geneigt. Anftatt bei Ankunft des Robben- Ihlägers zu fliehen, erwartet jie die drohende Gefahr, indem fie jich nach dem Mittelpunfte der bon ihr aufgejuchten Eisjcholle begibt, bläjt ihren Hautjad auf, jchnaubt wie ein wütender Stier und verfucht, fich des andringenden Gegners, fo gut e3 gehen will, zu erivehren. Ge- fährlicher als ein jolches Zujammentreffen auf dem Eije ijt die Jagd, wie je von Heinen Booten aus betrieben twird, weil die angetworfene Mübentobbe fich nicht allzu felten auf das Boot ftürzt und den darin igenden Mann zu beißen fucht. Aus diefem Grunde wagen e3 622 9. Ordnung: Robben. Familie: Seehunde. nur die erfahrenften grönländifchen Nobbenfchläger, fie im Kajak, dem befannten leichten SagdFahne, anzugreifen, und man zieht e3 im allgemeinen bor, fie auf Dem Eije aufzufuchen und die ettva zur Wehr fich ftellenden durch einen Kugeljchuß in den Kopf zu töten. Wie unter allen Seehunden finden auch unter den männlichen Mütenrobben während der Paarungzzeit die heftigjten Kämpfe ftatt. Unter lautem Gebrüll, da3 bei ruhigem Wetter weithin vernommen werden foll, die Hautblafe mit Luft gefüllt, greifen fich die eifer- füchtigen Männchen gegenfeitig an und bringen fich oft feht Iange und verhältnismäßig tiefe, faum jemals aber wirklich gefährliche Wunden bei. Während diejer Kämpfe behaupten die appmügen ftet3 ein befonderes Gebiet, da fie die Gejelljchaft ihrer Verwandten über- haupt nicht zu lieben fcheinen, namentlich mit der viel häufigeren C©atteltobbe bloß in jehr jeltenen Fälfen zufammen gefunden werden. Über die Dauer der Trächtigfeit finde ich Feine Angabe und fann deshalb, auf die Angabe von Fabrieius mich ftügend, nur jagen, daß das Weibchen im April 1, in feltenen Fällen 2 Junge gebiert, die in einem mwollartigen ugend- Fleide zur Welt fommen, das braun ift mit weißen Haarjpigen. Shre elle bilden als „Blaumänner” ein wichtiges Handelsobjelt. Jn Laufe des erjten Jahres wird diejes Kleid mit dem zweiten vertaufcht, das anfänglich grau gusjieht, allmählich aber eine immer tiefere Färbung annimmt; im zweiten oder dritten Jahre geht das Kleid nach und nad) in das der Alten über, indem die Karben immer mehr Dunkeln und die rundlichen oder eiförmigen lede herbortreten. Sy Grönland oder im Norden überhaupt nubt man die Müßenrobbe in derjelben Weife tie ihre Verwandten; ihr Fang jteht jedoch hinter der Jagd anderer Robben mejentlich zurüc, da man in den dänischen Niederlafjungen Grönlands, jelbjt wo die meijten erbeutet werden, faum mehr als jährlich 2000 oder 3000 Stück erlegt. Die Kenntnis der zweiten Oattung der Blajenrobben, der Elefantenrobben (Macro- rhinus F. Cuv.), verjchaffte uns zuerft Dampier im Anfang des 18. Jahrhundert2. it Sicherheit Fönnen wir nur zwei Arten annehmen, die Südliche Elefanten- robbe (Macrorhinus leoninus Z.) und die Nördliche (M. angustirostris Gl), welche Haupt- jächlich durch Schädelmerfmale unterschieden find. Db die füdliche Art weiter in Lofal- formen zerfällt, ift heute nicht mit Sicherheit zu jagen. Cine von Xydeffer (Proc. Zool. Soe.“, 1909) auf Grund von Schädelmerfmalen verfuchte Trennung in Unterarten ift nach Lönnbergs Unterfuchungen (ebendort, 1910) al3 gejcheitert anzufjehen. Das Verbreitungsgebiet der füdlichen Art war ehemals gewaltig. M. leoninus be- wohnte alle Snfeln und Küsten zwijchen dent 35. und 68. Grad fütdl. Breite. Sie fand fich an der Südjpige Amerikas und den vorliegenden Injeln, auf der Robinfoninjel Juan Fernandez und an den füdlichen chilenischen Küften, hoo fie vereinzelt noch vor fünf Sahrzehnten bemerkt wurde, ebenjo auf Neujeeland, Tasmanien und vielen anderen in diefen Breiten liegenden Snjehn, ift aber an den meiften diefer. nordwärts vorgefchobenen Drtlichfeiten bereit3 ganz oder doch nahezu ausgerottet oder exrjcheint dort bloß noch fo ’felten und unregelmäßig, daß - jich ihre Verfolgung nicht mehr lohnt. Auch wo fie jet noch in ihrem bejchränfteren Ver- breitungsgebiete Tandet: auf den Snjeln Kerguelen, Sidgeorgien, Heard und vielleicht Crozet, erjheint fie in einer gegen früher faum noch nennenswerter Anzahl. „Gegen- wärtig”, jchreibt St. d.d. Steinen von Südgeorgien fchon anfangs der 1880er Jahre, „ünnte ein Nobbenjchläger fein fchlechteres Unternehmen ausfinnen, als jich zur Elefantenjagd in unjere NRoyalbai zu begeben.“ Robben Il. 1. Mönchsrobbe, Monachus albiventer Bodd. !/25 nat. Gr., Ss. S. 613. — W. S. Berridge, F. Z. S.-Losıdon phot. 2. Walroßkopf. S. 630. — Aufn. aus C. Hagenbecks Tierpark, Stellingen - Hamburg. stris Gill, Weibchen. 1/30 nat. Gr., s. S. 623. — Aufgen. in Guadalupe 1911 von C. H. Townsend-New York. 4. Elefantenrobbe, Macrorhinus angustirostris Gill, Männchen. 1/40 nat. Gr., s.S. 623. — Aufgen. in Guadalupe 1911 von C. H. Townsend-New York. Beide Aufnahmen werden hier mit Erlaubnis der „New York Zoological Society“ veröffentlicht. SL ee * “ © . - Elefantenrobbe. 623 Die Nördliche Elefantenrobbe, M. angustirostris Gl (Taf. „Robben II”, 3 u. 4), fam noch um die Mitte des vorigen Jahrhunderts in Menge auch an einer Stelle der nörd- lichen Halbfugel vor, und" zwar im Stillen Ozean, an der Falifornifchen Süfte zwifchen dem 24. und 38. Grade nördl. Breite, aljo bis jenjeit3 von San Franzisfo. Aber die unabläjjige Verfolgung hat nicht bloß bewirkt, daß die Tiere bald fehr unregelmäßig er- jchtenen und ihre Landungspläße ftetig mechjelten, jondern Hat auch ihre Anzahl rafch ver- tingert. Geit den jechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts wurden fie bereits jehr felten. Sie galten nahezu als ausgerottet, wenn auc, in den Jahren 1880—84 wieder größere Trupps und fpäter immer wieder einzelne Stüce beobachtet wurden, wie die 14 Stück, die Harris 1907 für Nothichild beforgte. Eine größere Herde von etwa 150 Stüd wurde dann im Sahre 1911 don einem NRegierungsichiff der Vereinigten Staaten von Nordamerifa an einer einfamen, unzugänglichen Stelle der Infel Guadalupe (bei Niederfalifornien) wieder entdect. Charles Haskins Tomnsend, der Direktor des New Yorker Aquariums, berichtet über dieje Tiere in einer durch zahlreiche Photographien nach dem Leben gejchmücdten Arbeit („Zoologica“, New York 1912); gleichzeitig werden Maßregeln zum Schuß diejer jonft dem Untergang gemweihten Art vorgejchlagen. Dieje Falifornifchen Clefantenrobben dürften Einwanderer aus dem Süden fein, die gerade an dem nördlichiten von ihnen erreichten Punkt am längften überlebten. Der Zu- jammenbhang jcheint heute noch Har hervorzugehen. Liydeffer teilt eine Notiz Rothichilds mit, wonac) die Clefantenrobben der Snjel San Juan an der chilenischen Küfte zur gleichen Art gehören, und ferner früher zwiichen San Juan und Guadalupe regelmäßige Wanderungen ftattfanden. Dampier traf die Tiere 1686 noch längs der ganzen merifanifchen Wejtfiite. Die Elefantenrobbe, Nüfjelrobbe oder der See-Slefant, von einzelnen Schif- fern auch wohl Meermwolf, von den Südfeeinfulanern Morunga genannt, ftimmt zwar binjichtlich der Gejtalt im allgemeinen mit den übrigen Robben überein, übertrifft aber alle an Größe: ihre Länge, die bon verfchtedenen Geefahrern und Robbenfchlägern noch merk lich überfchäßt worden zu fein fcheint, ift, laut Scammon, mwenigftens an der Falifornijchen Küfte, bis zu 6,7 m gemejjen worden, obgleich fie in den meiften Fällen nicht mehr al 5 m beträgt. Das Weibchen erreicht etwa die Hälfte der angegebenen Länge, aber nocd) nicht einmal ein Drittel des Gewichtes, das bei alten Männchen auf mehr al3 3000 kg gejchägt wird; 8. d. d. Steinen bejtimmte in neuerer Zeit auf Südgeorgien die-Länge des aus- gewachjenen Männchens zu Ducchjichnittlich 5 m, die de3 größten Weibchens zu reichlich 3 m. Der Kopf ift groß, breit und ettoag gejtredt, die Schnauze mäßig lang, ziemlich breit, nach born zu etwas verfchmälert und faft gerade abgeftußt, Die Dberlippe mit 35 —40 ftarfen, . bi3 15 em langen, dunfelbraunen, in jechs Reihen geordneten Schnurrborften bejet, das Auge verhältnismäßig groß, rund, Fugelig, vorftehend, das Augenlid wimperlos, der Augen- ‚brauenbogen jedoch mit 8 oder 10 borjtenähnlichen Haaren beffeidet, welche die Brauen vertreten, das außerordentlich Heine, in geringer Entfernung hinter und unterhalb des Auges ftehende Ohr eigentlich nur ein rundfiches Loch, das nicht einmal von einem Haut- jaume umgeben wird, die Naje endlich je nach dem Gefchlechte mwejentlich verjchieden. Während diejer bezeichnende Teil beim Weibchen Feine ungewöhnliche Bildung zeigt, ver- längert er jich beim Männchen zu einem Rüfjel, der am Mundwinfel beginnt und von hier aus etiwa 40 em fich vorjtredt, bei Erregung des Tieres aber faft um das Doppelte ver- längert werden fann. Der Rüffel zeigt im zufammengezogenen Zuftande drei Querfalten, 624 9. Ordnung: Robben. Familie: Seehunde. hängt bogig nach unten herab und trägt an jeiner Spite die dann nach unten jich öffnenden Nafenlöcher. Nach Tomnsend ijt der Nüfjel Durch und durch fleifchtg. Er fan alfo nicht, wie man früher annahm, aufgeblajen werden, jondern jeine Form wird nur durch die Muskulatur verändert, die3 allerdings in meitejtgehender Weile. Zunge Männchen Haben noch feinen Rüfjel. Der verhältnismäßig lange, aber dicfe Hals geht ohne merflichen Abjag in den mafjigen Leib über. Die Borderfüße jind nicht befonders lang, jedoch jehr ftarf und fräftig; unter den fünf durch Schwimmhäute untereinander verbundenen Zehen ift die Spnnenzehe fürzer als die zweite, längjte, von der ab die übrigen allmählich an Länge ab- nehmen; die jehr ftarfen und ziemlich langen fünfzehigen Hinterfüße teilen fich in zwei große und lange feitliche und drei Heinere und fürzere Mittellappen, bilden aljo, da der mitteljte diefer Zappen auch der Fürzejte ift, tief ausgejchnittene Ruder. An den VBorder- zehen jigen nicht jehr lange, aber jtarfe, jtumpfipisige Krallen, wogegen die Zehen der Hinterfühe feine Spur davon zeigen. Der Schwanz endlich ift wie bei den meijten Nobben jehr furz und jpigig. Die Färbung des ausjchlieglich aus Furzen, ftraffen, ziemlich jteifen und glänzenden, aber nicht glatt anliegenden Grannen bejtehenden Haarkleides ändert nicht allein je nach Alter und Gejchlecht, jondern auch nach der Jahreszeit ab. Unmittelbar nach der Härung herrjcht ein bläuliches Grau, ähnlich der Hautfärbung des Elefanten, vor; jpäter, wenn das Haar jeine volle Länge erreicht Hat, geht dDieje Färbung in Lichtbraun über. Die Unterjeite it immer heller al3 die obere, diejer jederzeit aber ähnlich gefärbt. Weibliche Tiere jehen oberjeit3 dunkel oivenbraun, an den Seiten gelbbraun, unten lichtgelb, junge im erjten Jahre oben dunfel, jeitlich hell jilbergrau, unten gelblichweiß aus; die Schnurren und die Bekleidung der Schwimmhäute Haben dunflere Färbung als die übrige Behaarung. Die Haare felbit haben eine jehr eigentümliche Form: fie jind flach und Haben die Geitalt eines gleichjchenkligen Dreieds, jo daß jie Pinguinfedern gleichen. Bei alten Männchen fallen die Haare an der Unterjeite des Haljes aus. Die Haut wird hier die, rijjig und borfig. Sn ihrer Zebensweije erinnert die Elefantenrobbe an die Seebären und Seelömwen. Auch fie unternimmt alljährlich Wanderungen in ihrem jüdlichen Verbreitungsgebiete; Franfe und Ichwache müjjen zurücbleiben, die gefunden reifen jäntlih. Ir PBatagonien fommen jte im September und Oftober, oft jchon im Juni, jcharenweije an und ziehen Ende Dezember tieder in jüdlicher Richtung ab; an der Stüfte Kalifornien hielten jte jich früher mehr oder weniger das ganze Jahr hindurch auf, ihre Yauptzeit aber umfaßte die Monate Februar bisZuni. Am Lande jelbjt bevorzugen fie jandige und Fiefige Streden, treiben jich aber auch im jüßen Wajjer umher. Aus der großen Mafje jondern ich Yamilien, die 2—5 Glieder zählen; fie hrifft man jtetS dicht nebeneinander gedrängt, gewöhnlich im Schlamme oder im Schilfe Ihlafend, an. Bei großer Hite fühlen fie fich, wie Scammon in Kalifornien beobachtete, durch feuchten Sand, in den fie fich einwühlen, und den fie auch mit den Vorderfüßen auf den Oberteil ihres Körpers werfen; manchmal ähneln fie mehr Erdhaufen als lebenden Tieren, erinnern aljo auch in diefer Hinficht an die Dihäuter. Aufdas Land gehen fie nur, um fich zu paaren, das Haar zu wwechjeln und Junge zu werfen. Und zwar gejchieht dies alles mit folcher NRegelmäßigteit, daß die Robbenjchläger danach unterjcheiden: the Pupping Cow Season (die Kühe fommen, um die ungen zu fegen), theBrown Cow Season (die Kühe fommen, um das Draune Haarkleid gegen das bläulich glänzende zu vertaufchen), the Bulls and Cow Season oder Paarungszeit und the March Bull Season (die Bullen fommen des Haartechjels wegen). Die Bewegungen der Elefantenrobben auf dem Lande find jehr unbeholfen und er- miüden die Tiere in hohem Grade. Um fich fortzubewegen, verfahren diefe Robben nach Art Clefantentobbe: Lebensweije. 625 der Seehunde, Krümmen und ftreden fich abmwechjelnd und werfen fich bald vorn, bald hinten auf. Wenn fie jehr fett find, jchlottert bei jeder ruckweifen Bewegung der Leib wie eine mit Gallerte angefüllte große Blaje. Nur eine furze Strecde arbeiten fie fich vorwärts, dann find fie ermüdet und müfjen fich ausruhen; dennoch rutichen fie in Kalifornien auf 5—10 m hohe Dünen hinauf und erreichen jelbjt über jehr unebenen Boden Hinmweg an 20 m über dem Meere gelegene Pläge. Bon unjerem Tiere in Sidgeorgien jagt K. d. d. Steinen: „Den Elefanten, der jich der Fräftigiten Beihilfe der platt aufgefegten Hände bedient, ftrengt jchon die geringjte Bewegung ungemein an; 3—4 Rude vorwärts, und die gallertartig er- zitternde Yettmafje ji in fich zufammen, ruht fich ein Weilchen aus und rutjcht ächzend meiter, eine tiefe und breite Spur im Siesgrunde zurüclafjfend. E3 ift fein Wunder, daß alte Rignarben mafjenhaft über den Körper zerjtreut find. m Wajjer freilich, 100 fie ziem- lich oberflächlich Schwimmen, tummeln jich die Tiere in freiejter Gemwandtheit, und e3 ilt ein anziehender Anblid, wenn folch ein Ungetüm, den mächtigen Kopf Hoch aufgerichtet, nach einem Landungsplage Umfchau Hält." Beharrlichkeit und Geduld erjegen die ihnen fehlende Behendigteit. Aus dem Meere aufjteigend, frabbeln fie mühjelig bis zur höchften Slutmarfe empor, ruhen hierauf aus, jchlafen wohl auch ein wenig, jeen dann aber ihren Weg weiter fort und jcheinen zulegt mit feinem Ruheplage mehr zufrieden zu fein. m Wafjer zeigen jie jich ganz anders. Sie Schwimmen und tauchen vortrefflich, führen rafche Wendungen aus, legen jich zum Schlafen ruhig auf die Wellen, Lafjen fich treiben und jagen eifrig und gejchict ihrer Nahrung, Hauptfächlich KRopffüßern und Fischen, nach. Tange und Steine verfchlingen auch fie. So fand Forfter in dem Magen einer Elefantentobbe zwölf runde Steine, jeder zivei Säujte groß, die jo jchwer mogen, daß er Fauim begreifen fonnte, wie die Magenmänpde die Lalt hatten aushalten fünnen. Die Sinnesfähigkeiten jollen wenig entwidelt jein. Aufden Lande jehen die Elefanten- robben deutlich nur in der Nähe; das Gehör ift jehr jchlecht; das Gefühl wird durch die Dicke Yettlage auf dem Körper abgejtumpft; auch der Geruch jcheint nicht befonders fein oder jcharf zu jein. E&3 jind träge, geiltesftumpfe Tiere, die nur jelten aus ihrer faulen Kuhe jich aufjtören lajjen. Man nennt jie janft und verträglich, weil man nie gejehen hat, daß jie, ungereizt, auf andere Tiere oder auf einen Menfchen losgegangen wären. Kleine Robben einer anderen Gattung oder friedlich badende Menjchen jchwimmen unbehelligt unter ihnen herum. Bernettty verjichert, daß jeine Matrojen auf ihnen wie auf Pferden geritten wären, und jie bei zu langjamem Gehen durch Mejjerjtiche zu Hurtigerem Gang angetrieben hätten. Ühnliches berichten die Gelehrten, die zur Beobachtung de3 VBenusdurchganges die Kerguelen erwählt hatten. Vier Schritt entfernt von zwei Elefantencobben ließ fich Weinef nieder, um die Tiere zu zeichnen, ohne daß dieje ihm die geringjte Aufmerkffamfeit gewidmet Hätten. Beide Robben fchienen feit zu jchlafen, und nur zumeilen hob die größere bon ihnen Die Slojjen, Kümmte jie gegen den Bauch, um fich zu Fragen oder auch, was am hübjcheiten ausjah, um eine Hand mit der anderen zu fchaben. Dabei jchraufte und puftete fie ununter- brochen, um ihr Wohlbehagen auszudrüden. Die jüngere Robbe ervachte, wandte den Kopf zur ©eite, erblidte jedenfalls etwas ganz Ungemwöhnliches, richtete wiederholt Halb ängitliche, halb verwunderte Blide auf den Fremdling, jchmiegte fich, Hilfe juchend, an die Mutter und fonnte die Ruhe nicht wiederfinden. Endlich erivachte auch das ältere Tier, fchaute unferen Gemährsmann ebenfalls fragend an, überlegte jedoch nicht lange, fondern wälzte fich langjam dem Meere zu. Am Abend desjelben Tages lag die Heinere Elefantenrobbe wiederum auf der alten Stelle, ließ fich, ohne vorher zu fliehen, ergreifen und als Neittier migbrauchen, 626 9. Drdönung: Robben. Familie: Seehunde. itrebte aber doch mit folcher Kraft dem Meere zu, dag zwei Leute nicht imjtande waren, jie feftzuhalten. Troßdem fuchte auch fie, nachdent jie daS Meer erreicht hatte, nicht das Weite, iondern verfolgte neugierigegutmütig die Störenfriede, folange fie Fonnte. „Gewöhnlich ftierten uns die Männchen”, jchildert K. d. d. Steinen da3 Gebaren der Tiere, „mit aufgejperrtem Rachen an, rührten fich aber nicht von der Stelle. Ein wundervoll fomijches Mienenfpiel ftand ihnen zu Gebote, wenn jie uns jo in dummem Staunen an- ftarıten und dabei unzufrieden die dien Najfenmwüljte auf und nieder runzelten — auch der Ihmarzgalligite Sypochonder würde fich beim Anblice der fchnurrigen Phyjiognomie be- jonders eines Frummnafigen alten ©ejellen eines jchmerzlichen Lächelns nicht haben er- - wehren fünnen.“ Die Brumjtzeit, Die im Süden etiva in die Monate September bis Februar fällt, auf Guadalupe aber, nach Totwnsend, Anfang März beginnt, bringt etwas Leben unter Die Tiere. Wiütend Fampfen die Männchen um die Weibchen, obgleich dieje in größerer Anzahl vor- handen find als jene. Unter eigentümlichem Grunzen und gurgelnden Lauten, den KRüjjel lang ausgejtredt, das Maul weit geöffnet, rüden die Kämpfer aufeinander lo3 und verjuchen nach Möglichkeit fich gegenjeitig zu verlegen. Unempfindlich gegen empfangene Wunden, auch wenn fie ein Muge verloren oder andere Berjtümmelungen erlitten haben jollten, jtreiten fie biS zur äußerjten Erfchöpfung. Die Wunden heilen übrigens jchnell, und nur jelten erliegt einer der Streiter den Ziweifämpfen. Alte Männchen find über und über mit Karben bededt: unter Taujenden findet man faum eins, dejjen Fell nicht ducch Bilje zerrifjen wäre. Die Weibchen jchauen jcheinbar teilnahmslos den Kämpfen zu und folgen dem Sieger ohne Widerjtreben in das Meer hinab, wojelbjt er jich durch Liebfojungen vollends die Gunft jeines Harems erwirbt. Etwas anders jchildert K. dv. d. Steinen derartige Vorgänge: „Den 10. Dezember 1882 bejuchten wir den Koßgletjcher. Seitlich von diejem war im Gebiete der alten Moräne ein hübjcher Heiner See, der nur wenige Schritte vom Meer entfernt ift, gerade eisfrei gervorden. An jeinem grünen Uferhange lagen neun Clefanten geringerer Größe, und eine Strede abjeit3 fonnte jich, die muntere Jugend nicht beachtend, ein altes Männchen. Unter den neum fonnte ich vier Männchen und zwei Weibchen unterjcheiden. Acht von ihnen, alle 1,5 —1,75 m lang, glaubte ich, wenigjtens die männlichen, auf ein Jahr Ihäßen zu jollen, das neunte, ein Männchen, hatte gut 2 m, fo daß ich ihm entjprechend ‚ein Alter von zwei Jahren gab. Zwei Tiere waren zweifellos jchon im Befiß ihres Sommer- pelzes; bei dem einen war diejer elefantengrau mit jchönem filberigen Glanze, bei dem anderen fajt löwenfarbig, bei beiden der Rüden dunkler als die Unterjeite. Die anderen, zivi- jchen Shmusigem Grau und Gelbbräunlich [hwanfend, erfchienen noch im Wechjel begriffen, und ihre Haut war in breiten Feten wie mit Moosboden bejett. Die Männchen rutjchten tiebevoll um die Weibchen herum, während fich diefe ziemlich Talt oder der Ruhe bedürftiger eriviejen. Bejonders einer der Liebhaber fchien auf ernftliche Abneigung zu ftoßen: mit der aufgejtülpten Hand berjuchte er vergeblich, immer wieder jchnaufend und ausruhend, jich an jeiner Erwählten emporzurichten und tätjchelte fie, vertraulich anflopfend, ohne fie aber günstig zu ftimmen, während feiner Erholungspaufen. Zwei andere begaben fich in den Moränenfee und durchjchwammen ihn Freuz und quer unter verliebtem Getändel.“ Zehn Monate nach der Paarung, die im Wajjer ftattfindet, gewöhnlich im Juli und Auguft, in Kalifornien, laut Scammon, der fcehon im Juni Junge fah, auch zu unbejtimmter Zeit, in Batagonien Anfang November, ettva einen Monat nad) Ankunft auf den Eilanden, erfolgt der Wurf der Jungen. Dieje, große, fchon 1,3—1,5 m lange und 40 kg jchiwere, ganz Elefantenrobbe: Lebensmweije. Jagd. 627 ichwarze Gefchöpfe, werden etiva acht Wochen lang von der Mutter gejäugt und jorgfältig gehütet. Während diejes Zeitraumes bleibt die ganze Zamilie auf dem Lande, ohne irgend etwas zu frejjen, Härt fich, das Weibchen und jüngere Tier früher al3 das alte Männchen, und bereitet ich jo auf die Baarungszeit und ihre Kämpfe vor. Schon nach acht Tagen jind die Säuglinge um 1m länger und um die Hälfte jchwerer geworden, nach 14 Tagen brechen die erften Zähne durch, nach vier Monaten ift das Gebiß vollftändig. Ze ftärker und feifter die Jungen werden, um jo mehr magern die Alten ab, welche nur von ihrem Fette zehren. Sn der jiebenten oder achten Woche ihres Alters werden die Jungen in das Meer geführt. Der ganze Haufe entfernt jich langjam vom Ufer und rudert täglich weiter und weiter in das Meer hinaus. Hier vermweilt er bi zur nächjten Paarung und tritt dann eine neue Neije an. Die Jungen folgen der Hauptmafje auf allen diefen Wanderungen, werden aber jchon nach wenigen Monaten von der Alten verjtogen. Am dritten Jahre ihres Lebens ent- midelt jich beim Männchen der Rüjjel; von diejer Zeit an wächjt es nur wenig in die Länge, um jo mehr aber in die Diele. Mit 20—25 Jahren foll das Tier in das Greijenalter ein- treten, und die Schiffer behaupten, daß man feins fände, das älter al3 30 Jahre märe. Der Menjch jtellt dem See-Clefanten überall nach, wo er ihn findet. Früher waren diefe Robben auf ihren mwijten Snjeln vor allen Feinden jicher; jeitvem aber der euro- päifche Robbenjchläger, ungefähr feit Anfang des vorigen Jahrhunderts, ihnen nachzieht, nehmen fie jehr jchnell ab. Die Fangjchiffer räumen rüdjichtSlos auf unter den wehrlojen Gejchöpfen. „Um 12 Uhr mittags“, berichtet Coreal, „ging ich mit 40 Mann ans Land. Wir umtingten die Meeriwölfe, und in einer halben Stunde hatten wir 400 von ihnen erjchlagen.“ Mortimers Leute töteten binnen acht Tagen an 1200 Elefantentobben, hätten aber leicht einige taujend erbeutet, wenn jie die Schlächterei fortgejeßt Haben würden. Dieje Angaben gelten für Jagden, die zu Anfang des vorigen Jahrhunderts angejtellt wurden; gegenmwärtig jind die Bejtände längjt derart zufammengejchmolzen, dag man jich mit viel geringerer Aus- beute begnügen muß. Um auf jicheren Erfolg rechnen zu fönnen, muß man die einjamen Snfeln an der jüdlichen Grenze des Berbreitungsgebietes aufjuchen und dort monates, ja jogar jahrelang verweilen. Die Ufer diejer vom Menfchen nicht bemohnten njeln, unter denen die Kerguelen al3 der wichtigite aller Fangpläße gelten, ftarren von mild zerbrochenen, teilmeije unter Wafjer verjtedten Feljenmajjen, welche die Landung erfchweren, auf weite Streden hin auch dem Kleinften Schiffe nirgends gejtatten, zwijchen ihnen mit Sicherheit zu anfern und die im Boote landenden Robbenjchläger jelbjt beim ruhigjten Wetter zwingen, in das Waffer zu fpringen und das Boot fejtzuhalten, damit e3 nicht gegen die Feljen ge- ichleudert werde. Eine wütende Brandung umtoft jederzeit die eijigen, feljenjtarrenden Küften und überfchüttet fie bei jeder Brife bis zu einer bedeutenden Höhe mit ihrem Schmwalle. Nicht umjonjt nannte Coof Kerguelen die Jnjel der Troftlojigkeit, und doch verdient Die Heardinfel noch mehr al3 jenes diefen Namen. Auf Kerguelen gibt e3 wenigjtens Häfen, in denen ein Schiff einlaufen Fann; vor der Heardinjel, einem jehr ergiebigen Jagdgebiete, muß das Schiff, das Nobbenjchläger ausjegt, gerüjtet jein, allen, auch den furchtbarften Stürmen auf der wildbemwegten See zu trogen. Das Schiff, welches die angemworbenen Fangleute an ihren Beftimmungsort bringt, wird jtet3 mit doppelter Bejagung verjehen und in der Regel begleitet von einem kleineren Fahrzeuge, das al3 Tender dient. Bei Ankunft bor der Snjel legt man e3 vor fchweren Anfern fejt, nimmt alle Segel ab, birgt jogar Die Nahen im Raume und bereitet jich jo gut wie möglich auch auf die jchwerjten Stürme vor. Nunmehr erjt läßt jich ein Teil der Mannjchaft an das Land jegen, um hier mit der Jagd zu 40* 628 9. Ordnung: Robben. Familien: Seehunde und Waltojje. beginnen. In erbärmlichen Hütten, deren Wände aus Iosgebrochenem Gejtein und deren Dächer aus übergebreiteten Segeln beftehen, hauft hier Die Mannjchaft mochen- und monate- (ang in Sturm und Negen, Froft und Schnee, harıt auf die anfommenden See-Elefanten, tötet fo viele von ihnen, wie fie Fann, fchlachtet fie aus, verpadt den Sped in Fäljer und wartet günstige Tage ab, um diefe im Schiffe zu bergen. Syn den meilten Fällen bleibt auch nach der Landungszeit der Rüffefobben noch ein Teil der Mannjchaft zurüd, mohlverjehen zwar mit allen notwendigen Bedürfnifjen zum Leben, aber doc) allen Unbilden der Witterung preisgegeben, um während des Winters die Jagd fortzujegen. Landen mehrere Schiffe Kobbenfchläger unter denjelben Bedingungen, jo grenzen fich die verichiedenen Gejellichaften beitimmte Teile de3 Eilandes ab und überwachen die ihnen zugejprochenen Streden mit dem- ielben Eifer wie ein Hochgebirgsjäger fein Gemögebiet, helfen fich jedoch in den meijten Fällen gegenfeitig beim Exlegen und Zerwirfen der innerhalb ihrer Grenzen gelandeten Tiere. Auf diejen entlegenen Eilanden liefert Die Zagd noch heutigestags leidlichen Ertrag, der freilich je nach den Jahren in weiten Grenzen fchwanfen kann. So wurden auf zwei Snjehr der Erozetgruppe im Jahre 1866 fait 2000, ein Jahr jpäter nur 346 Rüfjelobben erbeutet. Die meisten erlegte man in ven Monaten Oktober bi3 Januar, die wenigjten im Auguit. _ Zur Zagd der Gee-Clefanten bedient man fich jchverer Steulen und etiva 5 m langer Lanzen mit ftarfen, langen, vorn fpatelförmig verbreiterten, aber jcharfen Spiten. ©o aus- gerüftet und außerdem mit fchweren Hinterladern verjehen, verjucht man zwijchen die ge- Yandete Herde und das Waffer zu gelangen, verurjacht hierauf Durch Schreien, Schießen und jonftiges Lautgeben einen möglichjt tollen Lärm und bewegt fich, Gewehre, Seulen und Lanzen fchtoingend, langjam auf die Herde zu, die, erjchreckt durch daS ungemwohnte Getöje, fich in der Regel zurüczieht. ©ollte, wie e3 nicht jelten gejchieht, ein Männchen jich zur Wehr jegen oder durch die Linie zu brechen juchen, fo endet eine ihm in das Hirn gejagte Kugel jein Leben, oder eine in das Maul gejtoßene Lanze hält e3 auf und zwingt e3, fich auf den hinteren Teil feines Leibes niederzulafjen, worauf zwei Mann mit ihren jchweren eichenen Keulen herbeieilen und e3 durch wiederholte Schläge auf den Kopf betäuben oder töten. kachdem alle Fampfluftigen Männchen abgetan worden find, wendet man jich mit voller Macht der gefamten Herde zu. DasNiedermegeln ihrer Gefährten verurjacht jolchen Schreden unter den Tieren, daß fie alle Bejinnung verlieren und übereinander weg Hettern, rollen und taumeln, falls es ihnen fonjtwie unmöglich jcheint, ji) zu flüchten. Nach Scammons Verficherung gejchah e3 in Kalifornien, daß fie fich unter folchen Umftänden mafjenhaft aufeinander warfen und die unten liegenden buchjtäblich erjtidten. Unmittelbar nach der Niedermebelung beginnt das Abjpeden der Tiere. Mit einem fcharfen Mejjer wird das Fell längs der ganzen Oberjeite des Körpers aufgejhligt und joweit wie tunlich nach beiden Seiten hin abgeftreift, hierauf die zwifchen 2—18 cm dide Spedjchicht abgejchält und in größere Stücke bis zu 40 cm Länge und halb fopiel Breite zerjchnitten, jedes einzelne Stüd mit einem Loch verjehen und vorläufig mittels eines ftarfen Strides mit anderen zufanımen- gebunden. Nachdem man den oberen Teil abgeftreift hat, dreht man das Tier um und ver- fährt in gleicher Weife wie vorher, das Fell immer als Schlachtmulde benugend. Die ver- jchiedenen Spedbündel werden zufanmnengejchnürt, an ftarfe Taue befejtigt und jo nach dem Schiffe gejchleppt, wojelbjt man fie zerkleinert und in befonderen Kefjeln ausfocht, um einen Tran zu erhalten, welcher al Schmiermittel Höher als der von Walen gejhäßt wird. Das Ihtvarze, tranige, fait ungeniegbare Fleisch des Tieres hat wenig Wert, das Herz aber wird bon den Matrofen gern gegejjen und die Leber von diefen nicht eben verwöhnten Clefantenrobbe: Jagd. 629 Leuten jehr gejchäßt, obgleich ihr Genuß eine unübermindliche, mehrere Stunden anhaltende Schläfrigfeit verurfachen foll. Al3 wahrer Lederbijjen gilt die eingejalzgene Zunge. Das frische Fett gilt in den Augen der Schiffer als ein treffliches Heilmittel, und weil die Wunden, welche die Robben erleiden, erfahrungsgemäß jchnell vernarben, wenden es die Leute Hauptfächlich al3 Arznei gegen die Schnittwunden an. Die Furzhaarige, jteife Haut Fiefert vortreffliche Überzüge großer Koffer und ebenjo Pferde- und Kutjchgejchirre, wiirde aber noch viel ausgedehntere Verwendung finden, wenn die größten elle mmegen der vielen Narben nicht auch die jchlechtejten wären. Burmeijter3 Angabe, daß die Häute in Chile auch zu Baljas (Schlauchflößen) verwendet mwitrden, it durch Philippi widerlegt worden. Doc fommen Fleijch und Haut dem Sped gegenüber faum in Betracht. Der Sped von einem alten Tier fann einen recht hübjchen Ertrag liefern: nach Scammon er- gab in Kalifornien der von einem jehr jtarfen und jehr fetten Männchen von 5,5 m Länge 210 ©allonen (954 Liter) Tran. Die See-Elefanten werden die Erde nicht mehr lange beleben. Sie fünnen jich vor ihrem graufamen Feinde nicht einmal in die unzugänglichen Teile des Meeres zurücziehen wie die Wale: fie müfjen ausharren, bis das lette Stüd der Vertilgungsmwut des unerfätt- lichen Raubtieres, Menjch genannt, erlegen jein wird. Die eriten und bisher einzigen lebend zu ung gebrachten See-Elefanten, ein aus Süd- georgien ftammendes junges Pärchen, famen 1910 in Hagenbeds Tierpark zu Stellingen. Über ihr Gefangenleben berichtet Dscar de Beaur („Zool. Beob.“, 1911). Sie zeigten fich als ruhige, friedliebende Tiere, die fich gut mit Pinguinen vertrugen und ihren Wärter bald genau fennen lernten. Bemerkenswert ift ihr Vermögen, am Lande die ganze vordere Hälfte ihres Körpers frei in die Luft zu erheben und lange Zeit in diefer Stellung zu verharren. * Die dritte Familie der Ordnung, die Walrojje, Odobenidae (— Trichechidae), ftimmt mit den Ohrentobben Hinfichtlich der Beweglichkeit der Hinterbeine überein, die noch unter den Leib gebracht werden fünnen. Durch geringere Größe von Hand und Fuß erweijen jich die Waltojje als primitiver, durch das wie bei den Seehunden fehlende äußere Ohr als fortgejchrittener. Eine ganz eigenartige Entwidelungsrichtung aber nahm ihr Gebiß, indent jich die oberen Echzähne zu mächtigen Hauern ausbildeten, die beim Männchen bis zu 3 kg ichwer und 34 m lang werden fünnen, beim Weibchen etivas jchwächer find. Auch die im übrigen Gebiß fich bemerkbar machende Rüdbildung muß als ein jelbjtändiger Erwerb angejehen werden. Denn die urjprüngliche Zahl der Zähne ift für Flojjenfüßer jehr voll- ftändig, nämlich nach Winge: II, C7, P+M 335, wird aber im Alter reduziert auf I-,CZ,P+M;--, alfo 18 Zähne. Das Milchgebiß mit derjelben Zahnformel wie das Altersgebiß hat unter den Flofjenfüßern die vollftändigjte Zahl der Schneidezähne. Schon v. Baer wies 1835 nach, dab die Familie mit der einzigen Gattung Odobenus Briss. (Trichechus) zwei ganz getrennte Gebiete bewohnt. Auf Grund geringer Schädel- unterjchiede, größerer Breite des Gejichtsichädels, längerer und geraderer Stoßzähne, hat man das nordpazifische Waltoß, das an den Küften von Nordoitaften und Nordmwejtamerifa beheimatet ijt, al3 Odobenus obesus ZZ. von O. rosmarus Z. getrennt. Das lestere wohnt im nördlichen Polarmeer vom Senifjei über Notwaja Semlja, Spisbergen und Grönland bis zur Hudfonbai. Dffenbar ift aber fein Gebiet früher ausgedehnter gemejen. Nicht nur mar e3, wie pleiftozäne Rejte aus England, Belgien und Holland bemeijen, gleich jo vielen anderen 630 9. Drdnung: Robben. Familie: Walrofje. nordijchen Tieren während der Eiszeit weit nach Süden vorgedrungen, jondern e3 jcheint nach den Berichten des fchottijchen Gejchichtichteibers Hector Boethius noch im 15. Jahr- hundert regelmäßiger Gaft an dei fchottifchen Küjten gemwejen zu jein. Heute freilich zeigt jich dort nur jelten ein verirrter Befucher, tie in den Jahren 1817, 1825 und 1902. Selbit bis Seland ift, nach Troueffart, einmal (1897) ein Walroß gelangt. 1857 wurde e3 an der Küjte der Hebriden und Der Orfneyinfeln beobachtet. Häufiger fommt e3 noch an die norwegijche Küfte. Collett zählt aus diefem und dem vorigen Jahrhundert 17 jichere Fälle davon auf, Darunter natürlich auch die Schon öfter erwähnten Seehundsjahre 1902 und 1903. Auch die pazifische Form ift ftark zurücdgedrängt. Soll fie doch bis Mitte des vorigen Jahrhunderts noch zahlveich bei den Aleuten vorgefommen fein, to fie jich heute nicht mehr findet. Das Waltoß oder Morfe, Seahorje der englischen, Rosmar der noriwegijchen Nobbenichläger, Morsf der Lappen, Amwuf der Grönländer, Diud der Sibirier, erreicht eine Länge bis zu 414 m bei einem Umfang bis zu 3m und einem Gewicht, das bi3 1000 kg geichäßt wird. Das Gewicht der frischen Haut eines bejonders großen Bullen betrug, nach Die Hanfen, 500 kg. Wie bei den Seehunden ijt der langgeftredte Leib in der Mitte am dieiten, jpitt fich jedoch von Hier an nicht jo ftarf nach Hinten zu wie bei anderen Robben. Aus diefem mächtigen Leibe ragen die Gliedmaßen wie große Lappen nad) außen und unten hervor, jo daß jomwohl das Eilbogen- als das Kniegelenk zu erkennen ijt. Alle Füße haben fünf Zehen und dieje Furze, jtumpfe Krallen, die hinter jeder Yehenjpibe liegen. Der Schwanz erjcheint al3 ein unbedeutender Hautlappen. Allein nicht der Leib, jondern der verhältnismäßig Keine, runde und durch zivei Fugelig aufgetriebene Zahnhöhlen am Ober- fiefer unförmlich verdidte Kopf Tennzeichnet das Waltoß. Die Schnauze ift jehr kurz, breit und ftumpf, die Oberlippe fleifchig, nach den Seiten zu bogig, die untere Lippe dagegen mwulitig. Zu beiden Geiten der Schnauze ftehen in DQuerreihen von jchiwanfender Anzahl runde, abgeflachte, Hornige, von vorn nach rückwärts an Länge zunehmende Schnurrborften, bon denen die ftärkiten Rabenfederfieldide und bis 10 cm Länge haben; ihre Zahl mag etliche Hundert betragen (Taf. „Robben II“, 2, bei ©. 622). Sie bilden einen dichten, jtarfen Schnurbart, Freuzen und deden fich vielfach und jtellen vor der engen Mund- jpalte eine Art Sieb dar, durch dejjen enge Ziwilchenräume bei der Nahrungsaufnahme das Futter gleiten muß. Die Najenlöcher find Halbmondfürmig, die weit zurücliegenden Augen Hein, glänzend, Durch vorragende Liver gejchügt. Die Ohren, denen jede äußere Warjchel fehlt, Kiegen weit Hinten am Kopfe. Das Weibchen trägt vier Ziten in den Weichen. Die falt gänzlich nadte, jehr dide Haut it nicht allein faltig, fondern förmlich Fnorrig, zeigt oft auch ausjagähnliche Erhöhungen, die vielleicht nichts anderes find alS Narben, Herrührend von Kämpfen zwijchen zwei Wal- tojjen jelbjt oder jolchen mit dem Eisbären, ihrem Hauptfeinde, oder endlich von Schrant- men, welche jcharfe Eisfanten eingerigt haben. Ein mehr oder minder lebhaftes Lederbraun it die vorherrjchende Färbung der Alten wie der Jungen, obwohl man bei erfteren nicht jelten bemerkt, daß das Braun einigermaßen in Grau übergeht. Nach Brown Unter- juchungen vieler Waltofje beiderlei Gefchlechts und aller Altersjtufen gleicht das Weibchen dem Männchen und das Junge beiden Alten. Die Haut des Walrojjes ift aber nicht immer nadt. Wie Sofolomwsfy mitteilte („Siuungsber. Gef. naturf. Freunde”, Berlin 1908), hatten drei im Dftober in Hagenbeds Tierpark gefommene Tiere ein volles Haarkleid, begannen Anfang November e8 zu verlieren, waren etiva 11, Monat nadt und befamen danach wieder ein neues Haarkleid, daS gegen März vollendet war und fich im Juli und Augujt am Walroß. Zur Walrof: Ältere Bejchreibungen. 631 bollftändigiten zeigte. Das Fehlen des Haarkleides gerade im Winter hängt wohl damit zu> jammten, daß die Tiere dann unumterbrochen im Waffer find. Dagegen jind jie Ausgang des Sommers, während der Brunftzeit, viel auf Dem Lande, aljo der Kälte in befonders ftarfem Mahe ausgejebt. Nach demjelben Gewährsmann ift das Jugendfleid Durch längere Be- haarung und lichtere, leuchtend rotbraume Yarbe von dem der Alten verjchieden. Wir Tennen das Waltoß jeit Jahrhunderten durch Bild und Wort, aber freilich weder in feiner wahren Gejtalt noch hinfichtlich feiner Yebensweife. Die alten Bilder, mit denen uns Gesner, DlauS Magnus, Martens und Buffon beglücdt haben, jind entweder Aus- geburten einer mehr als lebhaften Einbildungskraft oder erbärmliche Darftellungen zufanımen- gedorrter Häute. Einzelne diefer Abbildungen, namentlich daS „Seeroß" und die „See- fuh” Gesners, das „ungeheuerliche Schwein des deutjchen Meeres" von Dlaus Magnus, ind wahrhaft ergögliche Erzeugnijje, und jelbjt die offenbar nach getrocneten Häuten gezeichneten Abbildungen, ja jogar das in Buffons Werk befindliche Bild ermöglichen faum eine Borjtellung von dem Tiere. Gleichwohl findet jich jchon lange Zeit vor Buffon. und Martens eine von Hejjel nach dem Leben gezeichnete, im Sahre 1613 veröffentlichte Abbildung, die unter Berücdjichtigung der damaligen Berhältnijje wenig oder nichts zu wünschen übrigläßt. ; Den Bildern entiprechen die Bejchreibungen der älteren Berichteritatter, die ebenfalls weit zurüceichen. Bereits Albertus Magnus gibt eine mit vielen Sagen und Märchen ge- würzte Bejchreibung, der Dlaus Magnus 30 Jahre jpäter faum noch etwas hinzuzufügen weiß. Der erjtere jagt, daß in den nordischen Meeren ein großer Walfischelefant lebe, der 2—3 Fuß lange, nach unten gerichtete Hauzähne habe, mit denen er jich an die Feljen hänge, um jich emporzuhelfen, und die er auch zum Kampfe zu benugen wijje. Die Fijcher nähern jich dem jchlafenden Tiere, löfen am Schwanze das Fell vom Sped ab, jteden ein Seil duch, binden diefes an einen Felsblocd und werfen nun mit Steinen nach dem Tiere. Wenn es entfliehen will, zieht eg das Fell über Schnauze und Kopf, läßt e3 liegen und jtürzt ins Meer, two e3 jedoch bald jchrwach und halb leblos gefunden wird. Aus feinem Leder ver- fertigt man Riemen, welche auf dem Marfte zu Köln beftändig zu verfaufen find. Dlaus Magnus gibt vem Waltoß bereits den noch Heute gültigen Namen „Mors" und erzählt, daß e3 mittel3 feiner Zähne auf die Gipfel der Feljen wie auf einer Leiter emporjteige und jich bon der Höhe wieder ins Meer wälze, falls es nicht, vom Schlafe ütberrafcht, an den Feljen hängen bleibe. Ein Bifchof von Drontheim ließ den Kopf eines Walcofjes einjalzen und jandte ihn im Sahre 1520 an den Papit Leo X. na) Nom. Diejer Kopf wurde in Straßburg ab- gebildet, und der alte Gesner hat nach ihm eine ziemlich richtige Bejchreibung geliefert. Snzwijchen gaben auch ein Ruffe und der Freiherr von Herberitein, der zu Anfang des 16. Sahrhunderts Faiferlicher Gejandter in Moskau war, eine leibliche Bejchreibung. Sie er- wähnen 3. B®. fehon, daß die Walroßherden Wachen ausftellen, daß die Tiere ihrer Zähne wegen verfolgt werden, und daß aus diefen Zähnen die Türken, Tataven und Aufjen ge- ihäßgte Degen- und Dolchhefte verfertigen. Endlich liefert Martens aus Hamburg, der Ende de3 17. Jahrhunderts das Walcoß im Eismeere felbft zu fehen befam, einen guten und aus- führlichen Bericht, und von nun an mehren fich die Bejchreibungen und vervolljtändigt jich unjere Kenntnis des Tieres durch die genauen Schilderungen der Lebenstweije und der Jagd- arten, die wir Scoresby, Coof, Parıy, Kane, Brown, Scammon, Elliott, Nordenjtiölo, unjeren deutjchen Nordpolfahrern und Fangjchiffern verdanten. Vor wenigen Sahrzehnten traf man das Walroß innerhalb des umjchriebenen 632 9. Ordnung: Robben. Zamilie: Walcoffe. Berbreitungsgebietes wenigftens hier und da noch in jehr bedeutender Anzahl, zumeilen in Herden von vielen Taufenden, deren Gewicht nach Verjicherung der Robbenjchläger und Säger große, font Hoch über das Wafjer hervorragende Treibeismafjen bis zur Oberfläche des legteren herabdrüdte; gegenwärtig fieht man nur unter günftigen Umftänden dann und warn Hunderte auf ein und derjelben Gtelle verjammelt. Noch vor einem Menjchenalter gehörte das Waltoß zu den zahlreichiten Trantieren Spigbergens; allmählich ift e3 aber auch dort feltener geworden, obwohl Kifenthal und A. Walter im günftigen Sommer 1889 namentlich an der Dftjeite recht viele, jogar mehrere Hundert auf einer Stelle gejehen haben. An der Bäreninjel waren ‚diefe Robben vor mehr denn zwei Jahrhunderten jo mafjenhaft vorhanden, daß manchmal an einem Tage bis an 1000 Stüd erbeutet werden fonnten; zu Anfang des vorigen Jahrhunderts vermochte ein Schiffer dort wenigjtens während einer ganzen Fangzeit 500—700 Stüd zu erlangen. Sebt fommen fie dajelbit faum mehr bor. Auc an den füdlichen Streden der Weftküfte von Nomaja Semlja find fie jest im Sommer jchon recht felten, auf der Dftjeite dagegen noch häufig. Sm allgemeinen darf man das Walroß als entjchiedenen Küftenbewohner („Litorale Treibeisform”, fagt Collett treffend) anjehen, der foviel wie möglich die hohe See meidet und, ganz gegen die Art der Robben insgemein, nur jelten ausgedehntere Reifen unternimmt. Alle Walfänger wifjen, daß fie fich in nächjter Nähe des Landes oder Eijes befinden, wenn jie Waltofje jehen oder im Nebel ihre gleichjam mwarnenden Stimmen vernehmen; denn die Crfahrung hat fie belehrt, daß die Tiere wenigjtens die Grenze des um die Snjeln gelagerten feiten oder angetriebenen Padeijes nicht zu überjchreiten pflegen. Nach Brown: Anficht zieht das Walroß Höchitens von einem feiner Weidegründe zum anderen und zeigt ji) einzig und allein deshalb während der einen Jahreszeit hier, während der anderen dort. Unter Umftänden entjchließt e3 fich aber doch auch zu weitergehenden Wanderungen. So beob- achtete James MäacBain an der Pondsbucht (Baffinbat) unermeßliche Herden, welche Die- jelbe Straße zogen wie ihnen wenige Tage borausgegangene Nord- oder Grönlandiwale und entjchieden auf der Reife begriffen waren. Viele Stunden lang jchwammen fie vorüber, Zaujende nac) Taujenden, ohne zu rajten, ohne Nahrung zu nehmen, alle in derjelben Nich- tung, dem Eingang des Lancafterjundes zuftrebend. Wenige Tage jpäter war nicht ein ein- zige3 mehr zu jehen, ebenjomwenig wie man vorher ein3 bemerkt oder auch nur ein Anzeichen jeiner Gegenwart wahrgenommen hatte. Der erjte Eindrud, den das Waltoß auf den Menfchen macht, ift fein günftiger. Die ältejten Seefahrer wie unfere heutigen Schiffer und Neifenden finden e3 gleich abfchredend und Häßlih. Unfere Nordpolfahrer jagen, daß, wenn irgendeinem Tiere der Name „Unz- geheuer” gebühre, diejes Tier da3 Walroß fein müfje, ebenfo was fein Ausjehen als was jeine Dämonifche Stimme und fein unangenehmes Wejen anlange. Schon der alte Martens, auf den die Waltofje offenbar eine ftarfe Wirkung hervorgebracht haben, gibt ein im all- gemeinen richtiges Yebensbild von ihnen. „Sie liegen”, jagt er, „auf dem Eife, unflätig wie Seehunde in großer Menge und brüllen exrfchröclich. Sie fchlaffen, daß fie fchnarchen, nicht allein auff den Eisfeldern, fondern auch im Wafjer, da man fie mannigmahl vor todt anfiehet. Sie jeynd beherkte Thiere, ftehen einander bei bi im Tode, und wenn einer ver- mundet mwird, wie wohl die Menfchen in den Slupen das Befte thun mit fchlagen, ftechen und hauen, tauchen die Wal-Roffe unter Waffer bei den Shtupen, und fchlagen mit den langen Zähnen unter Wafer Löcher darein, die anderen ungejcheuet fchwimmen hart auff die Slupen, und ftehen mit dem halben Leib aus dem Wafjer, und wollen zu den Stupen ein. id) 4 « ’ DT REN IR on Ming, sr 4 A EN, JEDDA EEE HATTE EICH f N ” I Yr Fe Walrof: Lebensweije. 633 ©o jie brüllen, und die Menjchen e3 ihnen wieder aljo nachmachen, daß jie wie Ochjen brülfen, mil einer vor dem anderen der erjte unter Wafjer fein, und fönnen Menge halber einander nicht weichen, deftwegen fie fich untereinander beifjen, daß fie biuten, und Happern mit den Zähnen, andere wollen den gefangenen Wall-Noß bei der Stupen entjeßen, und mil einer vor dem anderen der erjte dabei jeyn, da geht e3 wieder an ein Beilen, Klappern der Zähne und jchröcliches Brülfen, und weichen auch nicht, weil einer lebet, und jo man ihnen umb der Menge weichen muß, folgen fie den Slupen nach, bis man fie aus dem Geficht ver- lieret, weil wegen der Menge fie nicht jo hart fchrwimmen fünnen, und einer den anderen hindert, daß fie zit den Shtupen nicht gelangen fönnen, wie wirs erfahren vor dem Weihegat in Spitöbergen, da te Sich je länger je mehr verfarmmelten, und die Slupen rinmend machten, daß mir ihnen weichen mußten, fie folgten ung fo lange, als wir fie fehen fonnten.” &o kurz die Schilverung des alten Geefahrers ift, jo trefflich fennzeichnet fie das Walcoß. Kein ein- ziger von den fpäteren Berichterjtattern mwiderjpricht Martens, und alle, auch die beiten Beobachter, wijjen ihm verhältnismäßig wenig hinzuzufügen. Das Leben der Morfe fcheint ein jehr einfürmiges zu jein, vielleicht jchon aus dem Grunde, weil die Erbeutung ihrer Kahrung ihnen weniger Mühe verurjacht und weniger Zeit foftet als anderen Robben. Syn furze Worte zufammengefaßt, läßt fich über ihr Tun und Treiben im Laufe des Tages und Sahres etwa folgendes jagen: Se nach der Beichaffenheit der Küfte vereinigen fich mehr oder minder zahlreiche Ge- jellichaften der Tiere, und zivar jollen die erwachjenen in gejonderten Herden leben, aljo die Männchen mit ihresgleichen, die Weibchen mit ihren fäugenden Jungen fich vereinigen. Ein - einziges Eisfloß trägt, wie unjere Nordpolfahrer jagen, oft 20 und mehr Walrofje. Yhre dunfeln Leiber lagern dicht nebeneinander, wobei der Kopf, der langen Zähne wegen, zur Ceite geneigt ijt oder auf dem Leibe des Nachbar ruht: „jo pflegen fie, von dem monate- langen Anblide der Sonne oder dem raufchenden Einerlei der Brandung gelangweilt, den größten Teil ihres Dajeins zu verjchlafen". Nicht allzufelten begegnet man einer Gejellichaft, die jich auf einem jchwimmenden Eisfelde gelagert hat und mit demjelben gemächlich treibt, anjcheinend ohne fich viel um die Nichtung der Reife zu fümmern. Unter den jchlafenden Walrojjen hält jtets mindejtens eins Wache und erweckt bei Wahrnehmung einer Gefahr die übrigen Durch Ausitoßen feiner Fräftigen Stimme, laut Scammon, nötigenfalls auch durch einen gelinden Stoß mit den Hauzähnen, worauf die ganze Gejfellichaft jich entiweder zur Slucht oder zur Verteidigung rüjtet. Da, wo das Waltoß den Menfchen noch nicht fennen gelernt hat, erregt ein fremdes Schiff Faum die Aufmerffamfeit der Wache oder der Herde überhaupt, und nicht einmal ein Kanonenjchuß ftört fie, weil alle an das Knallen gewöhnt ind in den nördlichen Meeren, two das Eis unter donnerähnlichem Getöje oft auf weite Etreden Hin birjt. Auch fommt es wohl vor, daß ein ihnen geltender Schuß fie nicht aus ihrer Ruhe jchrect; jchwerlich aber dürfte die Angabe einzelner Berichteritatter richtig fein, daß die Tiere, jelbjt wenn fie verwundet wurden, nur überrascht fich umjehen und bald darauf wieder zur Ruhe niederlegen jollen. Allerdings lajjen fie jich, wenn jie einmal auf dem Lande oder dem Eije liegen und jchlafen, ungern jtören, und es fann nach dem, was bon anderen Aobben befannt geworden ijt, nicht überrajchen, daß jte fich zeitweilig tirflich tage- oder wochenlang nicht von der Stelle rühren: die Mehrzahl der Nordpolfahrer, Wal- fänger und Robbenjchläger ftimmt jedoch darin überein, daß die Waltojje eine ernjtere Be- belligung jederzeit mit ebenjoviel Mut wie Nachdrud von ich abzumeijen juchen. Sinfichtlich ihrer Bewegungen fcheinen fie am meijten mit den Obrenrobben 634 9. Ordnung: Robben. Familie: Walrofje. iibereinzuftimmen. Auf den Lande fördert ich das Walroß fchwerfällig und ungefchidt, aber doch noch gehend, nicht Friechend, indem e3 die Füße gleichzeitig übers Streuz bewegt und fich nur darin von anderen, ebenjo gehenden Tieren unterjcheidet, daß es am Vorderfuße die Zehen, am Hinterfuße aber die Ferje nach vorn richtet. Beim Erflettern jteiler Eishlöde joll e3 ftetS feine beiden langen Edzähne zu Hilfe nehmen, mit ihnen in Stlüfte und Spalten jich einhafen, den jchweren Leib nachziehen, hierauf den Hals von neuem ausftreden und jo fortfahren, bis eS die gewünjchte Yagerftelle erflommen hat. AlS notwendige Hilfsmittel zum Gehen fann man bejagte Zähne jedoch) faum betrachten, da die nicht minder jchiverleibigen DOhren- und Rüfjelrobben auch ohne jolche ähnliche Wege zurüdlegen und ebenjogut wie jenes Höhen von 10—15 m und darüber erflimmen, um hier im Strahle der Sonne jich zu reden und zu dehnen. Eher noch halte ich es für wahrjcheinlich, daß das Walroß jich mit Hilfe der Hauzähne einen Weg Durch das Treibeis bahnıt und jene Dabei zumeilen ausbricht oder Doch jtark bejchädigt; aber auch einer jolchen Ausnugung der Zähne fcheint eine Angabe unjerer Noropolfahrer zu mwiderjprechen. Dieje heben wohl die außerordentliche Kraft des Tieres hervor und behaupten, auf ihre Beobachtungen gejtüst, daß e3, von unten aufjtoßend, bis 15 cm Dides Eis zu zertrümmern vermöge, gedenfen jedoch der Mithilfe der Zähne bei jolhem Unternehmen mit feiner Silbe. &3 ift nicht unmwahrjcheinlich, daß das Tier fich Durch derartige Straftanjtrengungen auch die Atemlöcher bildet, die eS ebenjogut wie die anderen Nobben benugt und offen hält: Brown mwenigjtens bemerkte im Eife um dieje Löcher herum mehr jtrahlenförmig auslaufende Sprünge, als man bei den Atenlöchern der übrigen Robben wahrzunehmen pflegt. Dagegen benubt e3 die Hauzähne ficherlich zum Aufwühlen des Srundes, wenn es nach) Nahrung jucht, und wendet jte auch bei der Verteidigung an, wobei e3 jogar manchmal mit ihnen die Planfen eines Boote durchichlägt. Bom Lande ins Wajjer begibt ich das Walrof, indem es über abjihhüfjige Stellen gleitend rutjcht, oder indem e3 jich, wie andere Robben auch, mit einem Sprunge in die Fluten jtürzt. Hier nun Ihmwinmt es nach Art feiner ganzen Verwandtjchaft ebenfo rajch und behende dahin, wie es jic) auf dem Lande oder Eife langjam fördert, taucht in beträchtliche Tiefen hinab und ift imjtande, ficherlich mehrere Minuten unter Wafjer zu verweilen. Im Schwimmen überbietet das Tier jedes Nuderboot und betätigt dabei auch eine faum ermattende Ausdauer. Die Stimme gleicht bald dem Blöfen einer Kuh, bald dem tiefen, rauhen Bellen eines Hundes, geht aber im Zorn in ein fürmliches Gebrill über. Während der Baarungzzeit vernimmt man die Stimme jo weit, daß Kapitän Coof und feine Leute bei Nacht und Nebel daducd immer auf die Nähe der Küfte aufmerffam gemacht wurden und das Schiff vor einem Zu- jammenftog mit dem Eife behüten fonnten. Über daS geiftige Wejen der Waltofje läßt fich nach den bis jeßt vorliegenden Beobad)- tungen jchwer ein Urteil fällen. Bon der Schärfe ihrer Sinne jagt Pechuel-Loejche: „Das Sejicht ijt jchlecht, daS Gehör jchon mweit befjer, aber ausgezeichnet enttwidelt ift ihr Gerudg- jinn, denn fie wittern den Menfchen unter günftigen Umständen mindeften3 auf mehrere Hundert Schritt, wenn nicht noch weiter; man muß deshalb, toill man fie bejchleichen, jehr jorgfältig auf den Wind achten.” So gleichgültig fic das Walroß beim erjten Zufammen- treffen mit dem Menschen zeigt, jo bald ändert e3, infolge gefammelter Erfahrungen, fein Be- fragen, und jo tatkräftig tritt e8 alsdann dem Gebieter der Erde entgegen. Unter den hervorragenden Eigenfchaften ift nicht allein die allen Robben eigene Neugier, fondern auch ein für Slofjenfüßer ungewöhnlicher Mut zu verzeichnen. Bon jener Furcht, welche die tiejenhaften See-Elefanten bejchleicht, wenn ihr gefährlichiter Feind, der Menjch, fich ihnen Waltof: Verhalten untereinander. Nahrung. 635 gegenüberjtelft, mijjen die Walrofje nichts, nehmen e3 vielmehr ohne Befinnen auch mit wohl- bewaffneten Leuten auf. Wie mit ihren Feinden fümpfen jie auch unter jich auf das hef- tigjte, jedoch nur während der Baarungszeit, die in die legten Sommermonate, Ende Sep- tember und Anfang Oktober, zu fallen pflegt. Dann treffen Männchen und Weibchen zu- jammen, und es finden gewaltige Anfammlungen auf dem Lande ftatt, tvo fich die Paarung vollzieht. Um dieje Zeit brülfen und toben die Männchen nicht allein zu jeder Stunde de3 Tages, jondern greifen fich auch gegenfeitig an und reißen mit den Zähnen fo tiefe Schrant- men in das Tell des Gegners, daß fie zumeilen einen faum weniger abjchredenden An- blie gewähren als andere infolge ihrer Zweitämpfe zerfette Robben. Nach ungefähr zwölfmonatiger Tragzeit bringt das Weibchen fein einziges Junge zur - Welt und gibt jich demfelben nunmehr mit treuefter Pflege Hin, forgt in aufopfernder Weije für feine Ernährung und Erziehung und verteidigt eS bei Gefahren mit allem Mut und Sngrimm, dejjen jein Gejchlecht fähig ift. Solange wie möglich jucht e3 fich und fein Kind allerdings der & fahr zu entziehen, padt, wenn es eine jolche wahrnimmt, dag Kleine mit der Borderjlojje und jtürzt jich mit ihm ins Meer, nimmt e3 hier auf den Rüden, um e3 in diejer Weije beitmöglichjt zu jichern, und tritt nunmehr jedem Feinde mit Todesverachtung gegen- über. Das Kleine hängt innig an feiner Mutter und verläßt fie auch im Tode nicht. Tötet man das Junge, jo hat man auf den zähejten Widerjtand und grimmige Wut feitens der Alten zu rechnen. Gelbjt wenn eine Herde weiblicher Walrofje in die Flucht gejchlagen werden jollte, tauchen die Mütter von Zeit zu Zeit unter Gebrüll aus der Tiefe auf, jchwim- men nach ihren getöteten, auf den Wellen treibenden Jungen Hin, erfajjen fie und ver- Ihmwinden mit ihnen unter dem Wafjer. Erlegt man eine mit ihrem Sprößling getrennt bon der Herde jchwimmende Walrogmutter, jo ergibt fich das Junge widerjtandstos feinen Teinden, Fan fich wenigftens nicht entjchliegen, die Alte zu verlajjen. Kapitän Williams, ein alter, wohlerfahrener Walfänger und NRobbenjchläger, tötete ein meibliches Walroß und ichleppte es am Boote dem an 4 km entfernten Schiffe zu. Das Junge folgte dem Leich- name bis zum Fahrzeuge und gab fich, al3 man die Beute an Bord bringen wollte, die größte Miühe, auch dahin zu gelangen. Als man ihm eine Schlinge um den Leib gelegt und es ebenfalls an Bord gebracht hatte, watjchelte es augenblicklich auf feine tote Mutter zu, erHletterte deren Rüden und veriweilte hier, biS man e3 ziwang, fich wiederum ins Meer zu jtürzen. Aber auch jebt noch blieb es, laut flagend über den Berluft feiner Erzeugerin, in der Nähe des Schiffes. Die Nahrung ift eine jehr gemijchte. Sie bejteht vorwiegend aus Srujtazeen (Sclero- erangon), Mufjcheln (Saxicava, Mya, Cardium), ©ephyreen (Priapulus caudatus) und an- deren niederen Tieren, die fich im Schlamme und am Fuße des Eifes anfiedeln. Diefe Nahrungstiere werden hier mit Hilfe der Stoßzähne Iosgelöft, mit den Schnurrboriten zujammengefegt und eingejchlürft, wobei die leßteren al3 Saugapparat dienen, wie Sofo- lomwsfy jchreibt. Dieje von manchen bezmeifelte Angabe Sofolowsfys jcheint Durch Die älteren Beobachtungen Mar Schmidts („Zool. Garten‘, 1885) bejtätigt zu werden. Dort heißt es über die Nahrungsaufnahme des Walrofies: „ES nimmt fein Futter nicht in Der Weije auf, daß e8 dasjelbe mit den Lippen ergreift oder mit dem Maule aufjchnappt, jon= dern dasjelbe mit einem Quftjtrom einzieht, wobei ein jchlürfender Ton entjteht." Wurden ihm die Nahrungsbroden in einem Kübel gereicht, jo „war namentlich jehr deutlich zu be- merfen, mie e3 jich bemühte, durch Hin- und Herichieben mit der Schnauze jedes Stüd in eine geeignete Zage vor die Mauljpalte zu bringen, und wie e$ dann dasjelbe mit einem 636 9. Ordnung: Robben. Familie: Waltofje. ichnaßgenden Tone einjog. Wenn es im Wajjer war, drüdte es nicht jelten den Schnurrbart an die najje Wand des Bedens und jchlürfte dann die Flüfligkeit ein, oder e3 machte der- artige VBerjuche auf dem Boden feines eben entleerten Behälters. Auffallend ijt, wie genau jich hierbei der Schnurrbart der Fläche anpaßt." Während ihrer Wanderungen oder wenn Sonst Mangel an ihrer gewohnten Nahrung eintritt, nehmen die Waltofje auch Fijche, ja jie follen fich fogar an Weißtvale und Seehunde machen. Lebtere Angabe wurde neuer- dings von Hanjch beftätigt. („Sibber. Gejellich. Naturf. Freunde“, 1913.) Für die Hochnordiichen Bölferjchaften, zumal für die Esfimos, Hat das Walroß ebenjo große Bedeutung wie die Seehunde, und nicht felten zieht die Unmöglichkeit, wegen zu- nehmender Bereifung der Hüfte des Tieres habhaft zu werden, den Untergang der arnı- jeligen Leute oder doch Hungersnot nad) fich. Die Jagd auf Waltojje bleibt jelbjt für den wohldewaffneten Europäer ein nicht immer gefahrlojes Unternehmen. Die Mitglieder der zweiten deutichen Nordpolfahrt Hatten Gelegenheit, jich zu überzeugen, daß Walcojje unter jungem, noch mürbem Eije genau beobachten, die Richtung und Entfernung jehr wohl ab- zumefjen verjtehen. Bei der Schlittenreife nach der Claveringinjel wurden die Nordfahrer in dem bon ihnen entdedten Tiroler Fjord durch einige Walcojje, welche wiederholt Dicht vor ihnen Durch das EiS brachen, nicht allein erjchrecdt, jondern in haftige Flucht getrieben. „jeder Berjuch, jich zu verteidigen”, jchreibt Bayer, „wäre jinnlos gewejen. Aber die Wal- role Schwammen ebenjo rajch unter dem Eife nach, brachen neben uns durch dasjelbe und trugen offenbar Verlangen, in unferer Gefellichaft zu [ehmwimmen, — eine Zumutung, die ebenjo fomijch und ungerechtfertigt wie unheimlich war, und die jie uns durch ihre Halb grunzende, Halb pujtende Sprache vergeblich anempfahlen. Wir zerjtreuten uns möglichit und liefen eiligjt über den verdichteten Eisjchlamm, Durch welchen der Stod überall jtieß, indem mir Die lichteren, mutmaßlich verläßlicheren PBartien aufjuchten, verfolgt von dem Naufchen und PBraffeln der Durchbrechenden Ungeheuer. Wer verjanf, fonnte unmöglich herausgezogen werden. Zum Glücd befreite uns endlich eine Dede alten Eijes von Der Zudringlichfeit unjerer Verfolger.“ Um Strande oder auf einem Eisfelde gelagerte Waltofje jind allerdings wenig zu fürchten, weil ihre Unbehilflichfeit erfolgreiche Angriffe verwehrt, aber im Waffer zeigen fie ihre volle Gemandtheit und Stärke. Unglüdsfälle bei der Jagd im Wafjer find nicht felten: alte Robbenjchläger oder Nordfahrer wilfen von folchen wie von der Reizbarkeit und Rad)- jucht der Walcofje genug zu erzählen. Gelegentlich greifen diefe mutigen und unerjchrodenen Nobben jogar ohne alle Veranlafjung an und zwingen die Schiffer zu unfreitwilligen Kämpfen. Bon unjeren Nordpolfahrern geben hiervon Bayer und Copeland eine ebenjo lebendige wie anjchaulicde Schilderung: „Exrblidt ein folches Ungeheuer ein Boot, jo erhebt es fich verwundert über die Wafjerfläche, beginnt jofort den Lärmruf, ein ftoßweije fortgejebtes Bellen, und jchhoimmt fo rafch wie möglich auf das Fahrzeug zu. Seine Nufe loden andere herbei, wecen die Schläfer, an welche mit dem Boote anzuftoßen jorgfältig vermieden wird, und in Furzer Beit zieht dem Fleinen Fahrzeuge eine Menge diejer Kolofje tobend und mit jheinbarem oder wirffichem Grimme nad. 3 mag fein, daß die Tiere dabei nur bon Neugierde geleitet werden; allein die Form, in welcher fie diefe zum Ausdrude bringen, wäre dann recht unglücklich gewählt, und e3 liegt der Verdacht fehr nahe, daß fie das Boot, um e3 gründlich fennen zu lernen, umftürzen wollen. Man muß alfo zur Kampfbereitjchaft |hreiten, zumal man bald die Überzeugung getwinnt, ihnen auch durch dag fchnelljte Rudern bon fünf Mann nicht entkommen zu fünnen. Die brüllende, fprigende und tauchende — Walrof: Jagd. 637 Walrofherde ift nunmehr wenige Schritte vom Boote entfernt. C3 fallen die erjten Schüfje, und diefer Augenblid entflammt ihre Wut. Ein milder Kampf beginnt, in welchem die einen den greulichen Sphinzen mit Irten auf die Bruftfloffen fchlagen, weil fie mit ihnen das Boot umzumerfen und zu zertriimmern drohen, die anderen fich mit Spießen verteidigen oder mit der Schneide der Nuder Hiebe auf die riefigen Dicjchädel führen oder endlich fchwer berdauliche Pillen in den weit aufgejperrten Abgrund der ununterbrochen brüllenden Rachen jenden. Ein mwiüftes Gejchrei erfüllt die Luft; Boot und Verteidiger fümpfen mit dem Gleich- gemwichte; das Yafjer jchäumt und gelangt in heftige Bewegung; neue Ungeheuer tauchen plöglicd empor oder fchrwimmten heran; andere finfen, tödlich getroffen und die Wafjerfläche mit ihrem Blute färbend, in die Tiefe. Die drohende Gefahr, Daß das Boot durch die Wucht eines mit den Zähnen über die Bordivand fchlagenden Waltofjes umgerifjen oder fchiwer be- jhädigt werde, vermag oft nur tödliche Verwundung des Anführers diefer ebenfo tapferen tie ausdauernden Tiere zu bejchwören. Der Schuß in den Rachen ift in folchen Fällen der einzig anmwendbare; denn der Kopf erjcheint mit Ausnahme der Augenhöhlen unverleglich, und Berwundungen am Körper find fait wirkungslos. Dft laffen die Tiere, durch irgend- einen Umjtand erjchredt, plößlich vom Ktanıpfe ab, tauchen jprigend unter und erft in einiger Entfernung wieder empor, wenden die häßlichen Köpfe zurück und erfüllen dann die Luft abermals mit ihrem NRachegeheul.“ - Daß dieje Schilderung in Feiner Weife übertrieben ift, wird durch verjchiedene Zeug- nijje anderer glaubmwürdiger Berichterjtatter verbürgt. „Das Walroß”, jagt Scoresby, „it ein unerjchtodenes Tier. Ein Boot, mwelches fich ihm nähert, betrachtet e8 neugierig, aber nicht furchtfam. Nicht immer kann der Fang im Waffer ohne Gefahr ausgeführt werden. Der Angriff auf ein einziges zieht gewöhnlich alle übrigen zur Verteidigung herbei. In folchen Fällen verjammeln fie jich rund um daS Boot, von welchem der Angriff gefchah, Durchbohren jeine Blanfen mit ihren Hauzähnen, heben fich bisweilen, mern man auch noch jo nachdrüclich wipderjteht, bis auf den Rand des Bootes empor und drohen Diefes umzumerfen. Die befte Ver- teidigung in joldher Gefahr ijt Seejand, welchen man den wütenden Tieren in die Augen wirft; er nötigt fie gewiß, fich zu entfernen, während man die Büchje oft veraeblich gebraucht." Der Anblid der mwütenden Seetiere ijt Höchjt feltfam und manchmal furchterregend. hr jteifer Hals verwehrt es ihnen, fich mit Leichtigkeit umzufchauen; aber die Beweglichkeit ihrer Augen erjegt diejen Mangel, und fie verdrehen Iebtere jo arg, daß ihr Blid dadurd) . etwas ungemein Abjchredendes erhält. Auch Brown, dejjen Angaben durchaus verläßlich ericheinen, bejtätigt die vorjtehenden Berichte. „Einjt”, jagt er, „befand ich mich felbft in einem Boote, von welchem aus ein einzeln auf einem Eishlode jchlafendes Waltoß harpu= niert wurde. Unmittelbar darauf tauchte e3 in die Tiefe hinab, aber auch jofort wieder auf und ftieß, ungeachtet unjerer Abwehr mit Lanzen, Arten und Büchfen, feine Zähne wütend in Die Seite de3 Bootes, jo daß wir nichts Eiligeres zu tun Hatten, als die Wurfjpießleine zu fappen, und von Glüd jagen fonnten, daß wir imftande waren, ung auf dasjelbe Eisjtücd zu retten, welches das Walcoß eben verlajjen hatte. Zu unferem Heile war das Tier groß- mütig genug, uns nicht weiter zu verfolgen, fondern entfernte fich unmillig grungend, die in jeiner blutenden ©eite jtedende Harpumne nebjt ver Wal-Leine mit fich jchleppend.” Auch Zamont hat derartige Kämpfe bejtanden. Unjere Nordpolfahrer fügen ihrer Schilderung nod) einige Belege hinzu. So entging eins ihrer Boote nur mit Mühe und Not der Zer- trümmerung durch Waltojje; jo wurde ein anderes, dem es, vor einer verfolgenden Herde flüchtend, gelang, nach dem Strande einer Snfel zu entfommen, dajelbit, objehon nur für 638 9. Ordnung: Robben. Familie: Walrojje. furze Zeit, förmlich belagert. „Se länger man unter diejen Tieren lebt, um jo mehr gewöhnt man e3 fich ab, fie in ihrem Elemente, dem Wafjer, jelbit anzugreifen, e3 jei denn, daß irgend- ein zivingender Umftand, Nahrungs- oder Olmangel, dies erheifchte.” Auch ift e3 unter allen Umjtänden ratjam, bei Bootfahrten fich ausreichend mit Schießbedarf zu verjehen, um jich gegen derartige Angriffe jichern zu Fönnen. Nach Vechuel-Loejche wäre e3 aber ganz falfch, anzunehmen, daß derartige Kämpfe fortwährend zu bejtehen jeten; jte jind viel mehr al3 Ausriahme denn al? Regel zu betrachten. Häufig genug mag auch das allerdings ziemlich ungejchlachte Treiben des Tieres als eine Bedrohung aufgefaßt werden, während e3 tatjächlich durchaus harmlos it. Walrojje find jehr neugierig und gar nicht jelten geben fie, ganz jo wie Flußpferde in Afrika, in größerer Anzahl einem Boote auf weite Streden das ©eleite, wobei jte dann prujtend und grunzend oftmals in unmittelbarjter Nähe auftauchen, jich wohl auch hoch aus dem Wafjer erheben und die Leute im Fahrzeuge anglogen. An winditillen Tagen und bei einer zwijchen dem Eije jpiegelglatten See tft diejes Schaufpiel, wobei man die Tiere in aller Muße beobachten fan, im höchjten ©rade anziehend, bei didem Wetter und bewegter See auch überrajchend, weil alle Bewegungen dann heftiger jind und die Begleiter oft recht jäh und unerimartet aus dem Wafjer fahren; aber es fällt doch feinem ein, der mit dem nordijchen Tierleben vertraut it, ein jolches Begegnis ohne weiteres für einen gefährlichen Angriff zu halten. Der erfahrene Tangjchiffer oder Weidmann urteilt über derartige Vorgänge oft ganz anders als der, welcher nicht Jäger ift. Die Tiere Haben vielmehr ihr Vergnügen daran, dem Boote nachzu- ziehen, die fremden Eindringlinge zu muftern, und denfen gar nicht daran, ihnen etwas zuleide zu tun; etwas ganz anderes ilt e8 wieder, wenn ein angejchofjenes oder harpuniertes Walrof ic) wehrt. Nordenjhiöld betätigt dieje Auffaljung: „Oejelligfeit und Neugierde jcheinen Hauptcharakterzüge der Walrofje zu fein. Dieje ihre Eigenjchaften Habe ich Gelegenheit gehabt zu beobachten, als ich einjt an einem ftillen, herrlichen nordiichen Sommertage über da3 jpiegelblanfe, mit Treibeis betreute Meer mitten zwijchen einer bedeutenden Herde diejer Tiere hHindurchfuhr. Ein Teil derjelben folgte dem Boote ein langes Stüd in aller Sriedlichkeit, dann und warn einen grunzenden Laut von fich gebend; andere jchrwammen ganz nahe an das Boot heran und erhoben fich hoch aus dem Wafjer, um die Fremdlinge in Augenjchein zu nehmen, und wieder andere lagen fo dicht gepadt auf dem Treibeije, daß diejes bis an den Nand im Wafjer verjenft lag." Ferner werden beim Betriebe der Jagd häufig mehrere Walrojje nacheinander von ein und demjelben Boote aus harpuniert und ihleppen e3 hinter fich her, ohne eine Gegenmwehr zu verjuchen, jelbjt wenn fie dann der Keihe nach aus größter Nähe mit Lanze und Büchje getötet werden. Eine Gefahr tritt dann ein, wenn die Harpunierten Tiere richt alle in der nämlichen Richtung ziehen, jondern wenn eins oder daS andere jeitlich davon abweicht, weil dann das Boot durd) die Leine zum Kentern gebracht werden fan; um dies zu verhüten, muß man wohl fogar die Leine fappen, wenn das ausbrechende Tier noch nicht ermattet und befonders ftarf ift. Da jomwohl das bloß verwundete als auch daS durch einen Lanzenftoß in3 Herz oder Durch eine Kugel ins Gehirn unmittelbar getötete Waltoß fogleich verjinft und unrettbar verloren geht, it e8 fogar die Hauptaufgabe, erjt zu harpunieren, damit man e3 auf alle Fälle zunächft an der Leine hat. Dabei ereignet e3 fich dem auch, daß eines oder das andere Tier feinen Verfolgern zu Teibe geht, wie e3 auch Küfenthal und U. Walter bei Spitbergen erlebten: ein gereiztes Waltob jchlug feine Hauzähne durch die Bootswand und durch das Seitenbrett einer dicht daneben ftehenden Kijte, richtete aber feinen weiteren Schaden an. Die genannten $ Walroß: Jagd. 6539 Gemwährsmänner find übrigens der Anficht, daß vorwiegend die jungen, übermütigen Wal- toßbullen zur Gegenmwehr neigen. Wenn man die erhoffte Beute auf Eisichollen fchlafend überrajcht, werden im legten Augenblide der Annäherung die Riemen eingenommen, die Boote geräufchlos angelegt, und die Yäger betreten die Scholle im Rüden der Tiere. Kaum erblidt eins davon die Feinde, jo richtet eS den Kopf in die Höhe, wedt alle anderen auf, und die ganze Herde drängt nun, die yungen mitjchtebend, unaufhaltiam gerade vor zum Schollenrande und jtürzt fopfüber in das Wafjer. Nuswieje Zeit bleibt den Jägern, Lanze und Büchje zu gebrauchen. Gelingt ihnen der Überfall derartig, daß fie gleich eine größere Anzahl der dem Wafjer am nächiten liegenden und zugleich die VBerfehrsbahn bejeßt haltenden Tiere töten, jo verjperren deren Leiber den weiter zurückliegenden den Weg zur Flucht. Unter folhen Umftänden mag eine Shlächterei in großem Maßjtabe ftattfinden und ungewöhnlich reiche Beute erlangt werben, wenn die vom Wajjer abgejchnittene Herde zahlreich ift. Ebenjo wiedie Europäer jagen Csfimos und andere Eingeborene der hochnordijchen Länder, die gewohnt find, das Feuergewehr zu führen; in mwejentlich verjchiedener WVeije diejenigen, welche noch heutigestags der Sitte ihrer Bäter getreu geblieben jind. Wie Kane erzäglt, greifen die Esfinos das Walroß im Wafjer und auf dem Eije an. Sn erjterem Falle nähern jie jich ihm joviel wie möglich, indem fie, während e3 taucht, rajch herbeirudern, während es jchiwimmt, ich Dagegen verjteden, um den günftigen Augenblid abzumarten, idm beim neuen Emporfommen die Harpune in den Leib zu werfen. Die Berwundeten tauchen jofort unter; der Säger jchlägt jchnell einen mit Eijen bejchlagenen Bilod in das Eis und bindet die Leine an diejem feit. Das Tier tobt und mwütet, bis e3 endlich ermattet und dann durch Lanzenitiche getötet werden fan. Nach Godman fuchen diefe mutigen Säger im Hoch- jommer eine auf Eisichollen jchlafende Herde in lijtiger Weije zu bejchleichen, indem fie jich zuerjt auf ein anderes Heineres Eisjtüct begeben, an diefem ihre Boote befejtigen und nun ihr Eriftallenes Floß an die Herde heranzubringen juchen. Glüdlih am Plate angefom- men, ermwählt jich jeder einzelne oder je zivei von ihnen nach Verabredung eine bejtimmte Beute, und aller Harpınen durchjaujen in ein und demjelben Augenblide die Luft. Die ge- troffenen Waltojje jtürzen jofort ins Wafjer und verjuchen zu entrinnen, werden aber durch die Speerleinen fejtgehalten und ermatten um fo eher, je größere Anftrengungen es jie fojtet, das Eiöfloß der Jäger, an das die Leinen befejtigt wurden, mit ich fortzufchleppen; die Säger jelbjt warten die Ermattung jener in ihren Booten ab, nähern jich im rechten Augenblide und machen ihnen mit ihren Lanzen den Garaus. AJm Beringmeere, an der nördlichen Küfte der Halbinjel Masfa, fuchen die Eingeborenen die Waltojje auf, bemühen ji), die belagerten Tiere zu umgehen und ftürzen plößlich unter heftigem ©ejchrei, mit Spiefen und fchweren Ürten bewaffnet, auf fie los, in der Hoffnung, fie derart zu erjchreden, daß fie ihren Weg landeinmwärts nehmen. Sn diefem Falle ijt die Jagd ergiebig, wogegen jie vereitelt wird, wenn es einem Waltofje gelingt, die Zägerlinie zu durchbrechen; denn hierauf ftürzen alle übrigen dem Führer nach und bergen fich in den ficheren Fluten. Übrigens - jagt auch Elliott ausdrüdlich, daß die Eingeborenen, die an den Küften und Snjeln des Bering- meeres und der Beringjtraße den Yang der Tiere betreiben, die Jagd zu Wajjer nicht für bejonder3 gefährlich Halten: „jte jprechen niemals von mirkficher Gefahr”. Mit ihren leichten Jellfähnen verfolgen fie da3 Tier, Harpunieren e3, lafjen fich von ihm jchleppen, bis e3 er- mattet, und töternes Darauf mit der Lanze. Na) alledem miüjfen mir annehmen, daß gejagte Walrojje nicht unter allen 640 9. Ordnung: Robben. Familie: Walrojje. ‘ Umjtänden, fondern daß bloß einzelne Tiere fich gelegentlich zur Wehr jegen und jolches viel- Yeicht in gemiljen Gebieten häufiger al in anderen tun. Abgejehen vom Menfchen, hat das Waltoß auch noch von anderen Feinden zu leiden oder wird mwenigftenz von folchen arg gepeinigt. Cfimos wie Fangjchiffer behaupten, daß e3 mit dem Eisbären fchwere Känıpfe zu bejtehen habe, indem diejer nicht allein Die Jungen bedrohe, fondern auch dann und warn ein altes überfalle. Brorwn Hat niemals ettvas von folchen Kämpfen gejehen und glaubt berechtigt zu jein, die meijten Beobachtungen hierüber in das Gebiet der Fabel verweifen zu dürfen, obwohl er ihre Nichtigkeit nicht ganz in Abrede stellen will. Scammon beftätigt die Angaben der Noroländer. Er weiß auch noch von einem anderen Feinde, und zwar von einem Wale, dem gierigen Mörder- oder Schwerttval, zu erzählen, der den jungen Walroffen womöglich noch gefährlicher werden joll, obgleich er nur im freien Wafjer jagt. Bei feinem Exjcheinen joll die Walrogmutter ihr Junges jofort auf den Rüden nehmen und fo eifig wie möglich auf einer diefen Eizfcholle Rettung fuchen, ihr Vorhaben jedoch nicht immer ausführen können, weil der Räuber, noch ehe fie die fichere Scholle erreicht, plößlich in die Tiefe tauche und mit folcher Kraft von unten herauf gegen ihren Bauch) jtoße, dab das Junge vom Rüden herabgejchleudert und einen Augenblid jpäter ergriffen merde. Wahrfcheinlich fpielen Kleine lausartige Schmaroger dem mwüften Ungeheuer des Nordens viel ärger mit al3 Eisbär und Schwertiwal zufammengenommen. Nach Bromwns Beobachtung jegt fich die eine Art diefer Tiere an der Wurzel der Schnurrborften, die andere auf dem übrigen Körper fejt, und beide peinigen das Walroß derart, daß es zumeilen wie in Ver- zweiflung bald vom Eife in das Wafjer jpringt, bald wieder vom Wafjer heraus auf das Eis ffettert, heftig brüllt und taumelnde oder rollende Bewegungen ausführt, die Darauf Hin- deuten, daß es fich bemüht, die läjtigen Schmaroter abzuftreifen. AS Brown einmal längere Zeit eine in diefer Weife jich gebärdende Herde der ungeschlachten Tiere beobachtet hatte, erjchien bald darauf ein Flug von Steinjchmägern auf der von jenen verlafjenen Stelle und begann eifrig etwas aufzulefen. Hierdurch aufmerfjam geworden, begab fich auch unjer Gemwährsmann auf das Eisfloß und fand dajelbit eine Menge der erwähnten Schmaroger, die von den Waltofjen glücklich abgejchüttelt worden waren. Dbgleich fein jelbjtbewußtes und reigbares Wejen das Walroß durchaus nicht geeignet ericheinen läßt, mit dem Menjchen in ein freundliches Verhältnis zu treten, zeigten jich Doch die Jungen, die man gefangen hielt, fajt ebenjo leitjam wie andere Robben. Gefangene Walcofje find troß der wenig geeigneten Pflege, welche ihnen auf dem Schiffe zuteil'werden fonnte, wiederholt nach Europa, namentlich nach) Norwegen und England, gebracht worden: das erite erweislich im Jahre 1608 von Welden. „Am 12. Zuli”, jo erzählt er, „nahmen mir zwei junge lebende Walcoffe, ein Männchen und ein Weibchen, an Bord. Das Weibchen jtarb, bevor wir England erreichten; das Männchen Hingegen lebte ungefähr 10 Wochen. Am 20. August famen mir in London an und brachten unfer lebendes Walroß an den Hof, wojelbjt der König und viele hHochehrbare Leute eg-mit um jo größerer Bewunderung be- trachteten, al vorher noch niemals ein derartiges Tier lebend in England gejehen worden war. Nicht lange Zeit darauf wurde e3 frank und ftarb. So auffallend die Gejtalt diejes Tieres ift, ebenfo auffallend ift auch feine Gelehrigfeit und feine Luft, ettva3 zu lernen, wie wir Davon uns oft überzeugt haben.” Bereit3 4 Jahre darauf, 1612, wurde ein junges VBalrog nad) Holland gebracht, das dritte aber exit 217 Fahre jpäter nach St. Petersburg; dann gelangten zwei in den Sahren 1853 und 1867 nach) England, eins wurde 1884 auc) in verjchiedenen Orten Deutjchlands gezeigt und andere wurden Yängere Zeit auf Schiffen Sch WE WLlTERTT| mir Walrof: Verhalten der Alten gegen die Jungen. Gefangenleben. 641 gehalten. Eins von diejen fonnte Bromn beobachten. Man hatte des Tieres Mutter auf dem Cife getötet und da3 Stleine, da e8 noch zu jung war, um das Waffer zu erreichen, ohne Schwierigfeit ergriffen. Seine Gefangennahme mußte wenige Stunden nach feiner Geburt erfolgt jein; gleichwohl Hatte e3 bereit3 eine Länge von ungefähr 1 m, und feine Hauzähne brachen jchon durch das Zahnfleifch. „ALS ich e3 zuerft jah”, jagt Broron, „lag e3 grunzend auf dem Ded und jaugte bald an einem Stüde von dem Fette feiner Mutter, bald an deren Selle, in der Gegend der Ziten. Man fütterte e3 mit Hafer, Mehlbrei und Erbfenfuppe, und e3 jchien bei Dejem außergewöhnlichen Futter auch zu gedeihen. Fische vermochte man ihm nicht zu verfchaffen; die einzige tierische Nahrung, die e3 erhielt, bejtand in Heinen Stüdchen ausgemäfjerten Rind- oder Salbfleifches oder auch frischen Bärenfleijches, welche Stoffe e3 bereitwillig annahm. E3 zeigte Gefallen und Miffallen an gemiffen Leuten und Dingen und erfor jich Freunde und Lieblinge, welche e3 ftetS wiedererfannte. Wenn man ein Beitungsblatt vor feinem Gefichte jchüttelte, erregte man e3 auf das Heftigite; denn e3 pflegte dann, jichtlich erztunt, das Maul weit geöffnet, dem Störenfriede über das ganze Ded nach- zifolgen. Wenn der ‚Fall‘ eines Wales ausgerufen wurde, rannte e3, fo eilig feine Schwer- fälligfeit e3 erlaubte, zuerjt in die Kajütte des Wundarztes, dann in die auf dem Duarterded gelegene des Kapitäns, anjcheinend um fich zu vergemiljern, daß beide munter jeien, und lief hierauf, fein ‚Amuf Amwuf“ grunzend, längere Zeit auf dem Ded umher; mußte das Schiff vom Eije geklärt werden, mas dadurch zu gejchehen pflegt, daß die gefamte Mannfchaft bald an die Wände des Steuerbords, bald an die des Badbord3 rennt, um jo daß Schiff in eine jchaufelnde Bewegung zu jegen, jo verfuchte e3, die Bewegungen der Mannjchaft nach- zuahmen, Durchmaß dabei jedoch jelten mehr als jeine eigene Leibeslänge. Sonjt lag e3 während des Tages meist behaglich in der Sonne, läfjig eine um die andere feiner Flofjen in die Luft jtredend, und fühlte jich in diejer Lage dem Anjchein nach außerordentlich wohl.” Snzwiichen find weitere Walrofje in die Gefangenschaft gelangt, fo die fünf, melche 1908 in Hagenbed3 Tierpark famen und an denen Sofolomwsty feine Beobachtungen machte. Aber trobdem zählt das Tier zu den jeltenjten Bewohnern unjerer Tiergärten. Benubt werden vom Waltoß die Zähne, die wie Elfenbein verwendet werden, Diejes aber an Güte lange nicht erreichen, ferner die Haut, aus der gute Treibriemen gemacht werden, und der Tran. Das Fleifch wird von Europäern Höchitens in der Not gegeffen. Srüher jollen im Jahre bis 30000 kg Waltoßzähne in den Handel gefommen fein, die einen Wert von 6—7 Mark für das Kilogramm darjtellen. Heute ift der Handel mit Walroß- zähmen jtark zurückgegangen. Brehm, Tierleben. 4. Aufl. XI. Band. 41 Abof 356. Acanthion 187. Acomys 377. — abyssinicus 379. — cahirinus 377. — spinosissimus 378. — wilsoni 378. Yeuchy 158. Ygleftof 619. Agouti 159. — paca 159. — taczanowskii 161. Agoutidae 152. Aguti 152. — Wzaras 157. — Gejhhwänzter 158. — Merifanijcher 158. Yauttartige 152. Alactaga 209. 212. — acontion 216. — saliens 212. 215. — suschkini 215. — tetradactylus 210. — williamsi 216. Alactagulus acontion 216. Alagdagen 212. Alafdaga 212. Mlimboh 1%. Allens Jack Rabbit 56. Alpenmaus 464. Alpenmurmeltier 464. Alpen-Pfeifhaje 14. Alpenjchneehaje 77. Alticola 307. Angorafaninchen 50. Angorameerjchweinchen 141. Anomaluridae 573. Anomalurinae 573. Anomaluroidea 207. Anomalurus 573. — beecrofti 573. — erythronotus 574. — orientalis 574. Aperea 146. Sachregifter Aperea, Cutlers 147. Aplodontia rufa 460. Aplodontidae 460. Apodemus 356. Arctocephalus antarcticus 599. — australis 583. 599. — galapagoensis 583. — pusillus 583. 599. — townsendi 583. — ursinus 583. 593. Arctomys 463. — caligatus 484. Arvicola 284. — amphibius 284. 285. — scherman 2835. — terrestris 284. 285. Arvicanthis 378. — abyssinieus 379. — barbarus 378. — — pulchellus 378. — dorsalis 379. — neumanni 379. — pumilio 379. Ascopharynx 380. — cervinus 380. Allapan 570. Atherura 176. — macroura 178. Atlantoxerus 523. — getulus 523. Aulacodus 194. Avemba figui 574. Apjor 620. Amuf 630. Badenhörnchen 516. — Öeitreiftes 516. Badenmäuje 377. Baktrermaus 364. Bambusratte 198. 246. Bärentobbe 593. Bartrobbe 612. Baftard-Chindilla 129. Bathyergidae 246. Bathyergus 246. — maritimus 246. Batomys 380. Baumhörnhen 525. Baummaus, Langihtvänzige 379. Baummausartige 381. Baumratte 355. Baumratten 193. Baumjchläfer 406. — Griedhijcher 407. — Tiroler 407. Baumftadhelichwein, Kanadijches ze Baumftadhelichweine 165. Baumftachler 166. — Wolliger 166. Baummolltatte 314. Baummwollihwänzchen 52. Berbermaus 378. Berghaje 124. Berglemming 258. Berapafa 161. Bergratte 312. Biber 422. Biberartige 422. Bibergeil 424. Biberhörnhen 460. Biberfaninchen 50. Biberratte 189. 394. Biberwiejen 426. Bil 396. 394. Bilhihtwanz 318. Bindenhörndhen 535. Birfenmaus 231. Birfenmäufe 231. Bilamratte 276. Black and tan 49. Bladder 620. Bladdernose 620. Blajenrobben 612. 620. Blaumänner 622. Bleßmull, Kapiicher 247. Blindmaus 241. Blindmausartige 241. x w. Pr er 2T z al Blue and tan 49. Bobat 477. Bolivia-Mofo 147. Borfenratten 390. Borftenferfel 194. Boritenhörnchen, afrifanische 50. — Rapijches 523 Borftenfaninchen 22. Brandmaus 357. 365. 371. — Afrikanische 379. Brajilhörnchen 562. _ Brillenjchläfer 414. = Buntmaus 39. Burunduf 516. Bujchratte 380. Button Mouse 231. California Jack Rabbit 56. _Callotaria ursina 5837 59. Capivara 136. Caprolagus hispidus 22. Capromyinae 189. Capromys 193. < : Fr s — fourmieri 193. — pilorides 193. Capybara 136. _Earpincho 136. Carpomys 380. EZ. aster- canadensis 455. — — carolinensis 456. — fiber 422. - Castoreum 424. Castoridae 422. Cavia cobaya 140. — cutleri 145. 147. - — porcellus 140. Caviidae 136. - Kayenneratte 197. Celaenomys 39. 398, Fe er — silaceus 393. Cercolabes 165. Cerodon 145. Chaetomys 171. Chifaree 560. ‚Chilotus 291. Chinahörnchen 534. Chinchilla ‚126. Chinchilla 126. — brevicaudata 126. -— laniger 126. 129. Ehindillas 126. Chionomys 294. hipmunf 517. Chiruromys 380. Chrotomys 39. Sadregifter. Coöndu villosus 166. Colobotis 505. — eversmanni 507. — fulvus 497. — mugosaricus 505. — musicus 506. — parryi 507. — richardsoni 507. — rufescens 505. Conilurus 380. — Eoftarica-Tapeti b3,, Cotton tail 52. Craseomys 311. Crateromys 379. — schadenbergi 379. Cricetinae 318. Cricetomys 376. — gambianus 376. Cricetulus 329. — phaeus 330. Cricetus 318. — auratus 328. — cricetus 318. — — canescens 327. — — nehringi 328. — — rufescens 328. — nehringi 328. — vulgaris 318. Crunomys 392. — fallax 392. — whiteheadi 392. ‚Ctenodactylidae 203. Ctenodactylus gundi 203, — massoni 203. Ctenomys 200. — magellanicus 201. — pundti 201. — torquatus 201. Euandır 169. Euandus 165. 3er Euiy) 166. Cuniculus 258. Cutia 152. Euy 144. Cynomys 489. — fulvus 497. — ludovicianus 489, — soeialis 489. Cystophora 612. 620. — cristata 620. Cystophorinae 612. 620. Dacdıratte 334. Dactylomys 198. Damara-Blekmull 248. Damararatte 355. Darlingsratte 354. Dasyprocta aguti 152. - — azarae 157. — capreolus 162. — fuliginosa 158. — mexicana 158. — prymnolopha 158. Degu 200. Dendromyinae 381. Dendromys nigrifrons 381. Dendromys pumilio 381. Didihrwanzmäufe 389. Zidihmwanzichläfer 415. Dierostonyx 258. 272. — hudsonius 272. 274. — torquatus 272. 273. Dinomyidae 162. Dinomys branickii 162. Dipodidae 208. Dipodomyinae 233. Dipodomys 233. — phillipsi 233. Dipoides 576. ‘ Dipus 210. 216. — aegyptius 216. — platyurus 216. — saliens 212. Diud 630. Dierboa 216. Dobrudichahamfter 328. Doliehotis 147. — patagonica 147. — salinicola 151. Doppelzähner 12. Dornihmanzbildh 576. Dornichwanzhörnchen 573. — Beecroft3 573. — Roftbäuchiges 574. — Rotbäudiges 573. — Rotrücdiges 574. Dreiftreifenhörnchen 532. Didirki 517. Dublinhafe 67. Dunfelmaus 393. Duplicidentata 12. Dyromys 406. — dryas 406. — nitedula 406. — — intermedius 407. — — wingei 407. Eastern Jack Rabbit 56. Ecehimyinae 196. Echimys 197. — armatus 197. Eichhorn 536. — NRordiiches 538. — Prevojts 533. Eichhörnchen 461. — Tranzfaufajiihes 539. — Eihhornförmige 421. Eichfäbchen 536. Einfachzähnige 125. Einitreifenratte 355. Elefantenrobbe 623. — Nördliche 622. 623. — Eüdliche 622. Elefantentobben 622. Eliomys 407. — quereinus 408. — nitela 408. — sardus 414. Eliurus 318. Ellobius 254. — lutescens 256. — talpinus 254. Eomys 232. Akr 643 644 Eosaccomys 377. — campestris 377. Eözapus 229. Epimys 333. — auricomis 354. — chrysophilus 354. — colonus 355. — coucha 355. — damarensis 355. — dolichurus 354. 355. — erythroleucus 359. — exulans maorium 354. — humiliatus 342. 354. — hypoxanthus 356. — mettada 354. — nigricauda 355. — norwegicus 341. — paeduleus 355. — rattus 335. — — alexandrinus 334. — — caledonicus 340. — — jacobiae 340. — — novae-zelandiae 340. — rufinus 355. — tullbergi 355. _ — univittatus 355. Epixerus ebii 526. Erdbohrer 247. — Eilbergrauer 248. Erdeihhörnden, Bunftiertes 523. Erohaje 212. Erdhörncden, 523. Erdmaus 29%. — Kurzohrige 291. Erdjtahelichiwein 176. Eremiomys lagurus 29. Erethizon 171. — couesi 175. — dorsatus 171. — epixanthus 171. 175. Erignathus 612. — barbatus 612. Eriomys 126. Erneb 123. Gjelhaje 55. — Allens 57. — Kalifornijcher 56. — Hftlicher 57. — Teranijcher 56. Eumetopias californianus 583. 584. 589. — gillespii 589. — jubatus 583. — lobatus 583. — stelleri 583. Eupetaurus cinereus 567. Eutamias asiaticus 516. — macrotus 521. — speciosus 521. Evotomys 309. — gapperi 311. — — ochraceus 311. — — rhoadsi 311. — glareolus 309. — hereynicus 309. Eversmann-Ziefel 507. Nordafrikanijches Sadıregifter. vahr-el-buh 19. Tarbenfaninchen 48. Fattenuorgo 620. eh 536. 538. Teldhaje 82. Teldhiipfmaus 229. Teldmaus 300. — Afrikanische 379. — "Sndiiche 375. — PBennfplvanijche 307. Teldmäufe, eigentliche 300. Teldratte, Weichhaarige 354. Seljenflughörnchen 567. Seljenhaje' 124. Teljen-Mofo 147. Serfeltatte 189. Teitlands-Feldmaus 300. Tettmaus 381. — Südafrifanifche 381. Fiber zibethicus 276. Sichtenmaus 291. Silchratte 317. Slaggenhörnchen 533. Tlorida-Waldratte 312. Slojjenfüßer 577. Slugbilch 575. Slugbilchartige 574. Alugbilche 574. Slughörnchen 564. 567. — Wolliges 567. Foldi-fölöt 244. Fornarina phillipsi 249. Sruchtratte 380. Suchsihmwanzhörnchen 562. Funambulus 531. — palmarum 531. — tristriatus 532. Funisciurus auriculatus 530. — congicus 530. — isabella 528. — lemniscatus 528. — pyrrhopus 529. Fur-seals 583. Gabelfrall-Lemming. 272. Gail 424. Gartenbilch 408. Gartenbilche 407. Gartenjchläfer 408. Gelbbauchhörnchen 530. 534. Gelbbauchmaus 364. Gelbhalsmaus 369. Gelbrücden-Aquti 153. Geomyidae 235. Geomys 238. — bursarius 238. — canadensis 238. — lutescens 236. Georhychus 247. — capensis 247. — damarensis 248, — zechi 248. _ Geosciurus 523. — capensis 523. Gerbillinae 382. Gerbillus 383. — gerbillus 385. Gerbillus indicus 383. Glaucomys volans 570. — volucella 570. Glis 396. — glis 396. — — caspieus 397. Goldbauchhhörnchen 560. Goldhamjter 328. Goldhafe 152. Goldmurmeltier 483. Goldratte 354. Golunda 379. Gopher 238. Graphiurus 414. — coupei 414. — erassicaudatus 415. — haedulus 415. — murinus 414. — nanus 414. — ocularis 414. — platyops 414. Gräsjäl 613. Graufußhörnden 528. 530. 534. Grauhamiter 329. Grauhörndhen 557. Graufopfhörnchen 534. 535. Graulemminge 292. Grau-Mara 151. Graurüden-Hamfter 327. Gray Rabbit 52. GSreifjichwanzmäufe 380. Greifjtachler 165. 169. Grey Seal 613. Ground-hog 484. Ground Squirrels 518. 519. Guerlinguetus 562. — aestuans 563. — — hoffmanni 564. — niger niger 562. — — rufiventer 562. _ Gundi 203. Guti 152. Haarrobben 583. Haarjeehunde 599. Hadee 517. Hair-seals 599. Halichoerus 612. . — grypus 613. Halsbandlemming 258. 273. Hamiter 318. — Eigentliche 318. Hamjtermaus 284. 379. Hamjterratte 376. Hapalotis 380. — cervinus 380. Häschen 212. Hafe, Arktijcher 63. — Teld- 82. — NRomero3 21. — Beränderlicher 60. — Beißer 63. Hajelmaus 415. — Große 408. Hafen 12. 19. — eigentliche 55. Hajenförmige 12. Hafenmaus, Cuvier3 130, Hajenmäufe 126. 130. Hausfaninchen 45. Hausmaus 356. Haustatte 333. 335. Havannafanindhen 50. Hebriden-Waldmaus 370. Heliosciurus 530. — gambianus 530. — rufobrachiatus 530, Hesperomyinae 313. Heterocephalus 249, — glaber 249. Heteromyidae 233. Himalaja-Saninchen 48. Himalaja-Stadhelichwein 187. Höhlenbaumhörnchen 530. Holländerfaninchen 48. Hörnhen, Styans 534. Hörnchenartige 460. Hudjonhörnchen 560. Hüpfmaus 228, Hutia-Conga 193. - Hydrochoerus 136. — capybara 136. Hydromyinae 392, Hydromys 394. — chrysogaster 394. Hylopetes spadiceus 570. Hystrieidae 176. Hystrix 178. . — africae-australis 184. — bengalensis 187. — ceristata 178. — hirsutirostris 185. — hodgsoni 137. — javanica 188. — leucura 185. 137. — longicauda 187. S Ichthyomys 317. — stolzmanni 317. Ictidomys franklini 510. — hoodi 511. — trideeimlineatus 511. ' Idiurinae 574. Idiurus 575. — zenkeri 575. Sgeltatte 197. Sgeltatten 197. Issiodoromys 208. Soondue 19. Jack Rabbit 52. 55. Jaculidae 208. Jaculinae 209. Jaculus 210. 216. — americanus 229, — jaculus 216. — sagitta 228. Selarang 532. Kahlratten 249. Kafortaf 620. Kamelhafe 212. Kammfinger 203. Kammfingerartige 203. Sadregifter. Kammratten 200. Kanadabiber 455. Känguruhmaus 234. — Drd3 234. — Nichardfong 235. Känguruhmäufe 234. Känguruhratten 234. Kaninchen, Amerifanijches 52. — Chinefifches 49. — Europäifches 23. — Polnifches 49. Kaninchenmaus 316. Kannabateomys amblyonyx 198. Kaphafe 124. Kabenhörnchen 562. Ktegeltobbe 613. Kerodon 145. — boliviensis 147, — rupestris 147. —- spixi 147. Kifnebb 620. Klappmüte 620. Klettermaus, Kleine 381. — Langjchwänzige 381. — Schwarzitirnige 381. Klip-haas 51. Knopfmaus 231. Königs-Riefenhörnchen 532. Kurzohr-Kaninhen 21. Lagidium 130. — cuvieri 130. — peruanum 130. Lagomorpha 12. Lagomys alpinus 14. — pusillus 13. Lagostomidae 126. Lagostomus trichodactylus 132, Lagurus 292. Lampe 82. Landmaus 393. Langihmwanzratte 354. Lanzenratten 196. 197. Lapin belier 50. Zary 531. Leggada 375. — buduga 375. — minutoides 375. Lemming 258. — Doppelfralliger 274. — Faliher 276. — Gemöhnlicher 258. — Gibiriicher 269. Lemminge, Eigentliche 258. Lemmingmaus, Saliche 311. — Cooperz 276. Lemmingmänje 276. Lemmingmull 252. Lemmus 258. — lagurus 292, — lemmus 258. — obensis 269. — schisticolor 271. — trimucronatus 272. Zeopardenziefel 511. Leporidae 12. 19. Zeporiden 20. 36. | Leptonychotes 613. | Lepus 55. — aegyptius 123, — americanus 60. — — virginianus 61. — aquilonius 120. — arcticus 63. — — bangsi 63. — campestris 59, —- capensis 124, — — ochropus 125. — caspius 121. — ceraspedotis 122, — cuniculus 23, — eyrensis 121. — darwini 25. 26. — dayanus 123. — europaeus 82, — — mediterraneus 121, — — occidentalis 121. — glacialis 63. — granatensis 121. — habessinicus 123. — isabellinus 123, — labradorius 63. — lehmanni 122, — lilfordi 121. — mediterraneus 121, — medius 120. — netscheri 21. — nigrieollis 123, — oiostolus 123. — pallipes 123. — peguensis 122. — ruficaudatus 123. — salae 124. — saxatilis 124, — siamensis 123. — somalensis 124, — tibetanus 122, — timidus 66. 82. 120. — — hibernicus 67. — — lutescens 67. — tolai 122, — variabilis 66. — varronis 77. — victoriae 125. — vizcacha 131. — yarkandensis 122, — zechi 125. Limacomys 381. Limnolagus 53. — aquaticus 53. — palustris 53. Ljutaga 567. Lobodon 613. Löffelmaus 331. — Veißjhmwänzige 331. Loncheres 197. ° Lopear Rabbit 50. Lophiomyinae 331. Lophiomys 331. — aethiopicus 331. — imhausi 331. Macrorhinus 613. 622. — angustirostris 622. 623. 646 Macrorhinus leoninus 622. Macrotolagus 55. — californicus 56. — callotis 55. — melanotis 56. — texensis 56. — texianus 56. Mähnenratten 331. Mähnenrobbe 590. Maillonis 414. Mallomys rothschildi 380. Manfei 464. Maoriratte 354. Mara 147. — Stleine 151. Warbetle 464. Marmota 463. — aurea 483. — baibacina 482, — bobak 477. — bungei 482. — caudata 483. — dichrous 483. — flaviventer 484. — marmota 464: — monax 484. — pruinosa 484. -— sibirica 482. Marmotella 464. Marmotta 464. Maulwurfsratten 246. Maus, Berdmores 371. Mausartige 250. Mäufe 332. 333. 356. Mäujebilche 415. Mausförmige 208. Mausjchläfer 414. Meerihweinchen 140. Meerjchweinchenartige 136. Dieerwolf 623. Megamys 135. Meriones shawi 385. Mesocricetus 328. — newtoni 328. — nigriculus 328. Mettadratte 354. Micromys 356. — agrarius 357. — minutus 372. Microtinae 253. Microtus 282. — agrestis 299, — arvalis 300. 306. — campestris 299. — nivalis 294. — oeconomus 298. — parvus 306. — pennsylvanicus 307. — ratticeps 296. — — stimmingi 296. — socialis 306. Minasratte 340. Misothermus 273. Miitbelleri 464. Mixodectes 576. Moco 147. Mohren-Aguti 158. Sadregiiter. Mofos 145. Momodori 570. Monachinae 613. Monachus 613. — albiventer 613. — monachus 613. — schauinslandi 613. — tropicalis 613. Mönchsrobbe 613. Möndysrobben 613. Morin-FJalma 212. Mor3 631. Morje 630. Morjt 630. Morümfi 517. Morunga 623. Mojaitihwanzmäufe 380. Mountain Hare 72. Mull-Lemming 254. Mull-Lemminge 254. Mullmaus, Gemöhnliche 252. Mullmäufe 252. Munf 464. Wurbentle 464. Muridae 250. Murinae 332. Murmeli 464. Murmeltier 464. — Eisgraues 484. — Gelbbäuchiges 484. — Langjhmwänziges 483. — Notes 483. Murmeltiere 463. Murmentli 464. Mus 333. 356. 362. — bactrianus 364. — barbarus 378. — decumanus 341. — gentilis 364. — minimus 375. — minutus 372. — muralis 364. — musculus 356. — — poschiavinus 363. — natalensis 355. — nitidulus 371. — pachycercus 364. — rattus 335. — setosus 340. — spicilegus 364. — spretus 364. — sylvaticus 357. — — arianus 371. — — hebridensis 370. — — hirtensis 369. — — islandicus 370. — — major 365. ° — — wintoni 369. 371. — wagneri 364. Muscardinus 415. — avellanarius 415. — — anglieus 415. — — speciosus 415. Musk-rat 276. Musquafh 276. Müsgenrobben 620. Mven 355. Mvök 526. Myocastor coypus 189. Myodes 258. — torquatus 273. Myomorpha 208. Myopotamus coypu 189. Myoprocta acouchy 158. Myoscalops 248. — argenteocinereus 248. Myosciurus minutus 564. Myotalpa 252. — aspalax 252. Myotalpinae 252. Myoxidae 394. Myoxinae 3%. Myoxus 396. — nitedula 406. Myrsilus 530. — aubinni 530. Mystromys 331. — albicaudatus 331. Nadtmulle 248, Nagetiere 1. Nannosciurinae 564. Nannosciurus exilis 564. — whiteheadi 564. Napaeozapus 231. — insignis 231. Najenhöruchen 531. Najenratten 391. Ndan 355. Nvefi 19. Neiterjvaf 620. Neofiber 283. — alleni 283. Neotoma 311. 312. — floridana 312. — pennsylvanica 312. Neotominae 312. Nesocia 375. — bengalensis 375: Nesolagus netscheri 21. Nesomyinae 317. Nesomys 311. 317. Newton Hamjter 328. Ningpohörnchen 533. Nitela 408. Nutria 189. Dado 620. DOblemming 269. Ochotona alpinus 14. — .daurieus 15. — erythrotis 16. — melanostomus 17. — princeps 18. — pusillus 13. — roylei 16. — rutilus 16. Ochotonidae 12. 13. Octodon 199. — degus 200. Octodontidae 188. Odobenidae 629. Odobenus 629. — obesus 629. — rosmarus 629. Odon 529, Ogmorhinus 613. — leptonyx 607. Dgotona 15. Obhrenratte 381. — Brants 381. Ohrenratten 381. Ohrentobben 582. ki Obrenziejel 516. Ölpalmenhörnchen 526. Omegodus 232. Omte 567. x Ommatophoca 613. Ondatra 276. Orangehörncdhen 534. Oryctolagus crassicaudatus 51. — — nyjikae 51. — cunfculus 23. ösen 528. Otaria byronia 58% 590. — californiana 589. Otariidae 582. Dtogono 15. Otomyinae 381. Otomys 331. — irroratus 381. — unisuleatus 382. Otospermophilus grammurus 516. Pachyuromys 389. — auricularis 389. — duprasi 389. Pagophoca groenlandica 617. Bafa 159. Bafarana 162. Balmenhörnchen 531. Paludicola 296. ‚ Panja 355. Pantolestidae 582. Paraxerus böhmi 527. — cepapi 528. — palliatus 527. — pauli 527. Passjuk 339. Patriofelis 582. Pectinator 204. Pedetes 204. — caffer 204. Pedetidae 204. Belzrobben 583. Berlziejel 503. Perodipus 234. — ordi 234. — richardsoni 235. Peromyscus 314. — leucopus 314. Beitratte, Indiiche 375. Petaurista alborufus 566. — leucogenys 566. — oral 565. — petaurista 565. Petauristinae 564. Petruschka 270. Sadiregiiter. Pfeifhafe, Sibirifcher 14. Pfeifhafen 12. 13. Pfeilfpringmaus 228, Pferdeipringer 212. — Eigentlicher 212. — Vierzehiger 210. Phenacomys 311. — celatus 311. — latimanus 311. Phloeomyinae 390. Phloeomys 390. — ceumingi 390. — schadenbergi 379. Phoca 612. 613. — annellata 613. — foetida 615. — groenlandica 613. 617. — hispida 613. 615. — — annellata 617. — — caspica 616. — — gichigensis 617. — — ladogensis 617. — — saimensis 617. — — sibirica 616. — vitulina 613. 614. Phocarctos hookeri 583. Phocidae 599. Phocinae 612. 613. Pied Lemming 274, Pinnipedia 577. Pinjelichwänze 414. Pitymys 291. — pinetorum 291. — subterraneus 291. Plagiodontia 193. Platacanthomyinae 39. Platacanthomys lasiurus 395. Platanenhörnden 535. Plattjchiwanzipringer 216. Platycercomys 216. Plesiadapis 576. Plesiaretomys 489. Pocket-Gopher 235. 238. Pogonomys 380. Polarhaje 63. Porquinho da India 144. Bortojanto-Ranindhen 25. Bräriehafe 59. Bräriehund 489. — BVeitlicher 490. Preä 147. Procapromys 193. Proöchimys 197. — cayennensis 197. Prometheomys 257. — schaposchnikowi 257. Prospalax priscus 242, Protoglires 576. Protoxerus stangeri 526. Protrogomorpha 422. Psammomys obesus 388, Pseudosciurinae 576. Pseudosciurus 576. Pteromys 567. — oral 565. Pusa hispida 615. Pygeretmus 216. 647 Duaftenftachler 176. — Arifanifcher 177. — Indifcher 178. Ratte, Hghptifche 334. Ratten 333. Nattenfönig 348. Nattentopf 296. Ratufa 532. — bicolor 532. — indica 532. NRauhfanindhen 22. Neh-Aguti 162. Reithrodon 316. — cuniculoides 317. Nempo 19. NRennmaus, ndilche 383. Rennmäufe 382. NReutmaus 284. Rhinosciurus 531. — insignis 531. — laticaudatus 531. Rhizomyinae 244. Rhizomys 244. — sumatrensis 246. Rhombomys 383. — opimus 383. — — giganteus 383. Rhynchomyinae 391. Rhynchomys 391. — soricoides 391. Kiejenhörnchen 532. — Gemöhnliches 532. — Rilfon3 526. Riejenfaninchen, Belgifches 49. Niejenratte, Schadenbergs 379. Riejenrennmaus 383. NRingelrobbe 613. 615. Robben 577. Rock Squirrels 518. Rodentia 1. Kohrratte 194. Romerolagus nelsoni 21. Roode haas 51. Nosmar 630. Roftbauchhörnden 533. Notarmhörnden 530. Nötelmaus 309. Rothafe 51. Rothörnden 560. Notrüdenmaus 311. Rotrüdenratte 355. Rotichenkelhörnchen, Kleines 529. — Großes 526. Rotihiwanzhörncdhen 527. NRundihmwanz-Bijamratte 283. Küfjelrobbe 623. Sabera 521. Saccomyidae 232. Saccostomus 377. Saint-Paul3-Hörndhen 527. Sandgräberartige 246. GSandmull 246. Sandrennmaug 388. GSania 197. ©atteltobbe 613. 617. 648 Scarturus tetradactylus 210. CScıharrmaus 232. Sıeden, Engliihe 49. Schedenlemming 274. Schermaus 284. Edilu 521. Schlafmausartige 394. 396. Echlingenzahn, Borjtiger 314. Cılingenzähner 313. Schneehaje, Sriicher 67. — Nordijcher 66. Schneemaus 2%. Echnellmühler, Glänzender 246. Schopf-Aguti 158. Ehmarzbindenhörnhen 535. Edhmwarzbrufthamiter 328. Chmimmtratte, Auftraliihe 39. Scirtetes jaculus 212. Sciuridae 460. Sciurinae 461. Sciuroides 576. Sciuromorpha 421. Sciuropterus 567. — momoga 570. — russicus 567. — sagitta 567. — volans 567. Sciurus 533. — anomalus 539. — aureogaster 560. — — hypopyrrhus 560. — blanfordi 534. — caniceps 534. — — caniceps 53. — capistratus 562. — carolinensis 557. — castaneoventris 533. — — ningpoensis 533. — chinensis 534. — cinereus 557. — concolor 534. — griseimanus 534. — ludovicianus 562. — nigrovittatus 535. — notatus 535. — phayrei 534. — plantani 535. — prevosti 533. — pygerythrus 534. — styani 534. — variabilis 560. — variegatus 560. — vittatus 535. — vulgaris 536. — — varius 538. Seahorse 630. Geebär 583. 593. — Eirdafrifanifcher 599. — Giüdamerifaniicher 599. Geebären 583. Gee-Elefant 623. Geehund, Gemeiner 613. 614. — Rajpiicher 616. — Mondflediger 613. Geehunde 599. 612. Geeleopard 607. 613. Geelöwe, Kalifornijcher 589. Sadıregiiter. Geelöwe, Ratagonijcher 590. — Etellers 583. Geelömwen 583. Seemönd) 613. Gemljanoi-Saez 212. Cibeje 19. Sieista 231. — subtilis 231. Sieistinae 231. Eiebenjchläfer 396. Sigmodon 311. 314. — hispidus 314. Sigmodontinae 313. Eilberfanindhen 49. Simplicidentata 125. GSingmäuje 359. Siphneus zokor 252. Eijel 498. Elapujch 244. Sminthinae 231. Sminthus vagus 231. Somali-Nadktmull 249. Spalacidae 241. Spalacinae 241. Spalacopus 203. Spalax 241. — ehrenbergi 242. — hungaricus 242. — microphthalmus 242, — typhlus 241. Spermophilus 497. Sphiggurus 165. Sphingurus 165. Spir-Mofo 147. Springhaje 204. Springhajenartige 204. Springmaus, Große 228. Springmäuje 209. Springnager 203. Springratte, Rehbraune 380. Springratten 380. Stadelbildh 33. Stahhelmäufe 377. Stadeltatte 176. Stadelichwein 178. — Bengaliiches 137. — Haarnajiges 185. — Sapdanijches 188. — Langjhwänziges 137. Stadhelichweine 164. 178. Steatomys 331. — pratensis 381. Strandgräber 246. Strandmaus, Brewers 309. Straudratten 199. Streifenhörndhen, Böhms 527. Gtreifenmaus 231. 378. Streifenmäufe 231. Etreifenziejel 511. Striemenmaus 379. Struppmeerjchweinden 141. Subungulata 136. Sumpfbiber 189. Sumpffaninden 53. Sumpfratte 314. Cujel 498. Euslit 498. Sylvilagus 51. — floridanus 52. — sylvatieus 52. Synaptomys 276. — cooperi 276. Synetheres 165. Tabafmaus 363. Tachyoryctes 246. — splendens 246. Taguan 565. TIalmeerjhweindhen 146. >, Tamias 516. x — striatus 517. , — — Iysteri 517. Tamiasciurus hudsonicus 560. Tanzmaus 360. Tapeti 53.- Tarbagan 484. Tajhenmäufe 233. QIajchennager 232. x Tajchentatte.238. 377. Tajchenratten 235. 238. Tajchenjpringer 233. ” Tajchenjpringmäuje 233. Teonoma 312. — cinerea 312. Texan Jack Rabbit 56. Theridomyinae 576. Thryonomys 194. — semipalmatus 19. — swinderianus 194. Tillodontia 576. Trechomyinae 576. Trichechidae 629. Trichechus 629. ZTrugratte 188. Trugratten 199. > Tschornaja kryssa 339. Tufotufo 200. 201. _ Tullbergratte 355. Tufchkantihid 212. Tya-Zelman 212. Typhlomys 3%. — cinereus 396. Umfi 567. Urnager 576. Uromys 380. Urjon 171. — Raliforniiher 175. Vandeleuria oleracea 379. Biscadha 132. Viscacia viscacia 132. Viscaciidae 126. Wagnermaus 364. Wahlbergsratte 355. Waldhüpfmaus 231. 3 Waldlemming 271. Waldmaus 357. 365. En Waldmurmeltier 484. ‚23 Waldratte, Vennjylvaniiche 312. ee Waldratten 312. 7 Waldmwühlmaus 309. = Waldwühlmäuje 309. - Vf Sa nn La t Br KEN, Ä a se a Rn; 25 ug” Waltoß 630. Waltojje 629. + MWanderratte 333. 341. eine 3. Waljerfaninchen 53. Wajjermäufe 392. MWajjerratte 284. MWafjerratten 284. Wajjerfchwein 136. Wechjeleichhorn 560. Weipfußmäufe 313. 314. Weipfußratte 355. Weißnafenratte 355. Weikichmanzratte 355. Beihie 187. Whitecoat 618. Widderfaninchen 50. Rildbachhmaus 392. Wollmaus 126. 129. 284. Wollratte 380. \ Woodchuck 484. Wühlmaus, Nordmeitliche 311. — Rattenföpfige 296. - BWühlmäufe 233. 282. 294. Wurfmäuje 241. wanz-Stadhelfgtvein 185. Sadregifter. Wurzelmaus 298. Wurzelratte, Große 246. — Indiiche 244. Wurzelratten 244. Wüftenmaus, Große 384. — Slleine 334. MWüftenfpringmaus3 216. Wüftenjpringmäufe 216. Xeromys 392. 393.. — myoides 393. Xerospermophilus 515. — mexicanus 516. — obsoletus 515. Xerus 521. — erythropus 522. — — leucoumbrinus 521. — rutilus 521. Zalophus californianus 583. 589. — lobatus 583. Zapodinae 228. Zapus 228. 229. — hudsonius 229. Zenkerella 576. 649 Zenkerella insignis 576. Biemnibifaf 244. Biejel 497. 498. — Falber 497. — fofjile 506. - Eh 510. — stennicott3 515. — Merifanijcher 516. — Mugofarijcher 505. — Barrys 507. — Nihardjons 507. — Rötlicher 505. Biejelhörndhen 522. — afrifanische 521. Biejelmaus, Geibe 497. Bofor 252. Bügelftrihhörndhen 530. Bmweifarb-Murmeltier 483. Bmergflughörnchen 570. Bmwerghörnden 564. — Vhiteheads 564. Bwerg-WMara 151. Bimwergmaus 372. — Afrikanische 375. Bwergpfeifhaje. 13. Bmeragjchläfer 414. Abbott 414. Ubner, EC. 552. Ucojta 127. Wan, 2. C. 47. Adams 483. AUgajliz 425. 458. Ahrend 349. Albertus Magnus 336. 357. 631. Albini, &. 474. 475. Allan 27. Allen 68. 171. 505. 506. Allton 158. Altum 28. 30. 96. 285. 286. 290. 298. 303. 304. 310. 367. 368. 399. 408. 409. 445. 538. 542. 543. 544. 545. 550. Ameghino 11. 135. Anderjon 123. 534. Andreas, Franz 42. Arijtoteles 25. 357. Arnim, d. 101. Attwater 57. Audubon 54. 171. 172. 173. 176. 230. 231. 234. 238. 240. 278. 279. 456. 518. 572. Autin 26. Autun, Bifchof von 336. Azara 138. 166. 167. 168. 169. Bachmann 54. 171. 238. 278. 572. Badermann 157. Bahr 351. Bailey, Bernon 239. 507. 509. 510. 511. 512. 514. 515. 516. Baird 276. Bafer 396. Balt 98. Bang 283. Baer, dv. 296. 629. Barrett-Hamilton 67. 68. 77. 364. 365. 369. 370. Barrington 537. Bartels, Wilhelm 326. 327. Barthels, U. 448. 449, DBary, de 363. Bates 355. 415. 528. 529. 573. 574. Bauer 441. 444. Baumann, Osfar 530. Antorenregifter Baumgart 334. 336. Bayley 307. Beaur, Oscar de 629. Bechitein 397. Bed-Friis, Graf 75. Bedmann, U. 24. Bedford, Herzog von 552. Behr 438. 442. Beijer, U. 87. Bell 604. Bemmelen, %. 3. van 21. Bennett 127. 129. Berger 41. 42. 113. Bielz 469. 477. Billard, ©. 413. Binner 440. Birfe 109. Biihoff 144. Bismard, U. d. 350. Blainville 343. Blanford 22. 123. 187. 333. 334. 354. 364. 375. 483. 531. 532. 539. Blafius 77. 120. 284. 287.289. 291. 294. 296. 299. 302. 318. 319. 455. 458. Bley, Frib 484. Blod 359. Blyth 122. 123. 396. Bodinus 154. 156. 183. Bogdanom 333. Böhm 125. 195. 248. 355. 379. 5221530: Böhmerle, €. 448. Bolau 424. 442, Bolle 30. Bollinger 114. Bonhute 122. 335. Bordherding 337. Borrer, W. 24. Borfer 181. Brandenburg, Georg 542. Bränder, U. 115. Brandes 174. 178. Brandt, 3. 3.185. 212. 216. 228. 482. 505. — 4. 9, — Sarl 103. Branicki 162. Bütom 87. 105. —n Braf, €. 48. 63. 282. 402. 455. 456. 502. 616. 618. Brauer 305. Brecher 433. Brehm, Chr. 2. 286. 287. Brian 179. Broca 36. — k Brown 601. 604. 607. 612. 619. 621. 630. 631. 632. 634. 636. 640. 641. Bruce 218. NE Bruhin 285.-515. Brühl, Graf B. 32. Bruner, Lawrence 514. Be: Bryant 593. 594. 2 Büchner 16. 122. 254. 292. 388. u. 483. 484. Buffon 152. 161. 179. 459. 631. Bujad 446. Bulger 279. _ Burg, ©. d. 338. Bürgi 114. Burmeifter 166. 168. 583. 629. Büttifofer 177. 195. 376. 377. 523. 526. 529. 574. Büttner, R. 1%. Buvry 203. 378. Cartmwright 171. Cafe, Villiam 176. Chapman 283. Cherpille, M. de 318. Clark 493. Codburn, E. ©. 341. Cod3 454. e Collett 258. 262. 263. 264. 266. 267. 451. 452. 453. 454. 613. 615. 618. 630. 632. Coof 627. 631. 632. Cooper, Bollin C. 509. Copeland 636. er Coreal 627. = = Cornely, 3. M. 150. Eoejiter 368. 403. 405. 406. 408. Coue3 57. 59. 60. 273. 507. Cram 18. 52. 60.61.62.174.229. 230. 234. 274. 275. 276. Zidzvee 307. 309. 311. 312. 314. 456. - Bun 457. 485. 486. 487. 488. 517. 618. 519. 520. 561. Gredner, Hermann 458. Cuenot 474. Euvier 124. 212. 252. 414. Ezernin-Morzin, Graf Rudolf 469. Dach, Ludwig 86. a 334. Dahına 445. 446. Dany 352. Dampier 623. Darwin 83. 133. 134. 148. 201. 202. Davis 230. 234. . Davijon 123. Deden, van der 355. Deders, Wilh. 349. Dehne 292. 347. 350. 388. Desmareft 152. 252. Dettmweiler 112. Derheimer, Karl 38. Diederich 434. Diezel 96. 102. 103” Dirfen 546. Dobtiich 282. - Döderlein 338. Dohrandt 70. Dörfrling 554. Drummond 19. - Dubois, Raphael 474. 475. Dugmore, X. Radelyffe 442. 457. Dujardin-Beaumeh 484. Dunbar 352. Divuzet 343. Dyche, 8. 2. 514. Dyfe, van 56. Editein 297. 407. Eder, Rudolf 552. Ehrenberg 121. 123. Eiffe 337. 385. 387. Efman 258. 260. 261. 262. 263. 264. 265. 266. 269. Elliot 354. 376. Elliott 584. 585. 587. 588. 589. 593. 595. 596. 598. 631. 639. Emin Rajcha 125. 196. 355. 376. 341. 349. 381. 414. 527.-580. Engih, Douglas 310. 369. 372. 7 Epenftein 476. Er! 543. Ernit, Ft. 23. Ermwig 349. Ejjer 555. Eversmann 256. 497. 505. 506. Eringer 428. Eymouth 441. Fabricius 601. 603. 610. 615. 622. Fahrenholz 553. Salz-Zein 150. 213. 214. 215. 499. 501. 503. 517. Tarmwid 366. Tatio 78. 338. 343. 357. 363. 370. 398. 408. 411. 447. 468. Autorenregifter. Tels, Comte de 151. Tilchner 533. 534. Sindeifen 91. 92. Sins 173. 270. 491. 492. 584. Silcher 355. 376. 377. — Ch. 349. — oh. d. 71. 366. 367. 488. 489. 5 60. Filher-Sigmwart 288. 338. 468. Tijhet 59. Tikinger 289. 359. 428. 448. Ülomwer 136. 311. 559. Foriter 625. Yortunn 361. Sranfe, €. 41. Frankius, d. 564. rend 231. 280. 456. 512. Trenberg, db. 412. 413. Frie 319. Sriedel 30. 144. 408. 416. 445. Sriedenthal 36. 50. 353. Triedrich 422. 423. 424. 430. 431. 432. 433. 434. 435. 436. 437. 438. 439. 441. 442. 445. 447. 448. 450. 452. 460. Trieje 447. Stich, Guftad 206. 207. Tuds 118. Fürjt 23. 109. Gadom 276. Galli-Balerio 295. Galvagni 401. Ganter 430. Garcilafjo 144. Gayet, M. E. 318. Sayot 37. Geijenheyner 338. Genthe, Franz 440. 441. 442. 448, Gesner 140. 333. 334. 631. Geyer 520. "Giebel 12. 231. 271. 460. Gillette, ©. B. 514. Sirtanner 467. 470. 471. 472. 473. Gloger 216. &oedefe 28. &odman 639. Göldi 136. 137.138. 140.144. 146. 147. 152. 153. 154. 157. 158. 159. 160. 161. 162. 163. 166. 167. 169. 1%8.:19. Golm 371. Goode 240. Gordon, Seton PB. 68. Göring 133. 134. 135. 149. Goes, Edmund 172. 174. 175. Gould 381. 39. Gourlay 340. ©rtaba 609. Graell3 470. Greve 69. 70. 76. 339. 449. 450. 455. Grill 74. Grote, 9. 185. Guntermann 349. Günther 385. 409. 651 Haade 2.117.128. 134. 139. 141. 184. 346. 361. 493. 496. 579. Haedel 25. Haeder 361. Hagenbed 174. 344. Hagmann 191. 481. Hahn, €. 25. Hall, %. 461. Handmann 421. Hanfe 41. Hanbich 616. 636. Harris 623. — 3. 9. Hartert 337. Hartig 367. Hartwig 131. 541. Hasbad) 47. 48. Haßfarl 462. Haft 116. Haym 214. Head, W. 514. Hearne 459. Hedt, €. 339. Hed 128. 134. 139. 145. 146. 147. 194. 202. 207. 211. 213. 215. 245. 246. 281. 282. 345. 389. 434. 451. 459. 478. 491. 567. 574. 589. Hector Boethius 630. Hehn, Viktor 357. Heined 420. Heintoth 93. 185. 188. 245. 369. 459. Heller 351. Helm, Fr. 409. 411. 541. Helms 342. Henneberg 217. 368. 372. 406. Henjel 140. 157. 160. 161. 166. 169. 198. 273. 481. Hemprich 123. Herberjtein, Frhr. dv. 631. Herbeville, d’ 151. Hering 305. Herfloß 499. 500. 501. 502. Hertiwig 362. Heifel 631. Heuglin 19. Hilzheimer 37. 120. 371. 582. Hippel, Karl dv. 447. Hoberg 542. Hocperffer 176. Hoffmann, Fulius 30. Homehyer, Eugen d. 305. Hormuzafi 478. Hornaday 52. 235. 277. 280. 312. 314. 316. 456. 457. 484. 485. 491. 518. 519. 521. 560. 598. Hornung 555. Horzfield 531. Horwarth 419. Hofjad, W.C. 340. 353. 375. 376. Houghton, Zohn N. 514. 90H 513. 515. Hudfon 132. 202. Hugi 296. Hunter, William N. 514. Huperz, TH. 47. 652 Hurft, €. €. 50. Huth 408. Stfon, B. C. 492. 49. — Samuel 510. Säle, de l’ 334. Silatjchenfo 352. Stwanoiw 353. Sädel 400. 410. 447. 465. 466. Säger, Gujtad 85. 99. 284. Safobi 498. Seitteles 339. Selsfi 162. Sentinf 21. 198. 415. Serdon 375. 566. Sejatas 217. Sohannejjen, Arel 269. Sohan-Dljen 267. Sohnjton 333. 334. Sordan 542. Kaffa 481. Kammerer, Paul 368. Kane 631. 639. Kappler 160. 170. Käjebier 438. 439. Keller, &. 447. Keller-Zichoffe 338. Kennicott 513. Kerner vd. Marilaun 503. sterr 538. Sterz 104. 105. Kenjerling 296. Sting 572. Kirchhoff, U. 337. Kilhi 361. Kleinjorgen, Frhr. d. 100. Kloß, Rudolf 107. 115. Snauthe 338. Sniejche 138. Kobell, vd. 465. Kobelt 13. 266. 318. 319. Koch) 259. 306. 359. Kocyan 232. 407. 469. Kolthoff 274. König 465. 506. — U. 74. 76. Köppen, TH. 449. 450. 455. Stoßebue 585. Krätli 408. Kraufe, U. H. 414. — €. 445. Kreyenberg 533. 534. Kriz 330. Kruhöffer 36. Krumbad), Thilo 6. 8. Küfenthal 632. 638. Kull, Albert 331. 332. Kunert 338. Kunßt 298. 2a Hontan 456. 459. Zamont 636. Zandau 117. Zandois 39. 119. 120. 181. 288. 376. 532. 569. Autorentregiiter. 290. 310. 335. 344. 359. 363. 540. Zangenhan, Dtto 325. Zangfavel 343. 465. 466. Lan, David €. 343. Las Cajes 345. Zatajte 218. 222. 223. 383. 387. 390. 419. Zaveleye, Emil de 47. Lamrom 272. Zeche 272. Lecomte 590. 591. 592. 5%. Zendenfeld, R. dv. 117. Lennep, van 361. Lenz 46. 89. 118. 303. 349. 367. 321.401. 54225512354: Zeudart 114. Zeunis 397. Zemis 493. Sichtenftein 206. 216. 228. Liebe, 481. 498. 541. Liefegang, R. 202. Siejtom, D. d. 455. Lignieres 114. Lindholm, W. U. 13. 14. Lindner, Fr. 338. Zinne 20.120.124. 171. 258.265. 398. Little, George 514. Livingjtone 528. Löffler 305. 351. Loir 26. Zomer 130. 192. Zönnberg 67. 68. 71. 74. 75. 116. 450. 622. Zöns, Com. 345. — Hermann 38. 115. 319. 397. 408. 416. 445. 545. — Rudolf 397. Lord, Z. 8. 59. Lorenzen 275. 2oemwis, D. d. 68. 69. 71. 74. 397. 449. 537. 550. 568. 569. Rund 340. Zunel 357. Zuther 110. 111. Qhdeffer 122. 136. 254. 299. 311. 313. 314. 331. 383. 394. 417.- 483. 567. 622. 623. MacBain, James 632. MacSillavıy 5. MacMafter 532. Macpherjon 72. 73. Magaud V’Aubujjon, M. 83. Mahlih, BP. 50. Maindron, Maurice 347. Major, Forjyth 22. 231. 232. 334. 461. 463. 525. 526. 564. Malmesbury, Lord 47. Manglı 474. Marquardt 546. Marichald v. Bachtenbrod 116. Marjhall, ©. U. 8. 415. 528. — @. 337. 339. 342. 344. 347. 353. 354. 358. 363. K. TH. 42. 43. 44. 77. 337. Martens 631. 632. — d. 498. Martenjon 69. 76. 270. 274. 556. Martial 118. Martius 263. Masfe 330. Matichie 26. 52. 116. 125. 248. 328. 355. 371. 375. 376. 377. 378. 379. 381. 414. 470. 523. 526. 527.:528. 530.573: 523. 576. 616. Mattherm 582. Mearns 171. Megnin 39. Mehely, v. 242. 298. 335. 469. Melsheimer 338. Mendel 50. 361. Menges 331. ‚Merk, M. 80. Merriam, Hart 19. 21. 171. 172. 228. 235. 236. 237. 314. 460. 492. 505. 506. 561. 572. Mertens 430. 433. 444. 449. Meier 337. Meyer 540. — U 9. 379. 390. 391. — €. 434. Meyerind dv. 424. 426. 439. Middendorff, vd. 269. 270. 273. 274. 537. 538. Millais, $. ©. 335. Miller, er 285. 292. 294. 311. 51:22 Milne-Edmwards 318. 328. 329. 331. 505. Mingaud, Galien 454. 455. Mojjijovics 30. 78. 232. 288. 298. 304. 319. 322. 339. 343. 371: 398. 399. 402. 407. 408. 448. 501. 503. 536. 541. Molina 127. 129. 131. Möllhaufen, Balduin 490. 491. Morgan 458. — Camillo 469. Mörz, Dito d. 92. Mortimer 627. Mosny 484. Müller, X. 418. — €. 26. — %. 18. — Ferdinand 322 — ©ebr. (VW. u. 8.) 34. 38. %. 97.. 98. 111. 284. 287. 289. 290. 291. 300. 304. 305. 322. 324. 365. 410. 417. — Rob. Hermann 456. — ©. 531. Murie 59. Mütel 183. Nathorit 274. Nathufius, Hermann d. 37. Natterer 198. Nehring 4. 13. 14. 23. 37. 84. 103. 140, 141. 142. 143.. 144. 187. 201. 215. 216. 242. 269. 272. 276. 296. 298. 319. 327. 328.‘ 329. 330. 407. 481. 506. 613. 614. 615. Nehrling 240. Neljon, E. W. 52. 53. Neticher 21. Neuendorf, 9. 46. 47. Neumann, Osfar 124. 355. 376. 379. Nemton 619. 620. — WUlfred 328. Nitoljty 333. Nilijon 67. Noad 125. Noll 359. 409. 411. 213, 541. Nordenflycht, v. 441. Nordenjtiöld 631. 638. Nofiilow 274. Nupbaum, H. Chr. 548. 549. Dailvie-Grant 335. Dlau3 Magnus 631. Dlt 114. Oppian 179. . Dsborn, Herbert 514. Dsgood, W. H. 492. Dtto, &. U. 38. 99. — 9. 29. 32. 33. 34. 41. 107. — N. 9. Dpiedo 19. Padberg, WU. dv. 546. _Ballas 15. 16. 120. 122. 212. 228. 232. 273. 274. 298. 333. 342. 371..372..455, Balmer 55. 56. 57. 59. - Barlet 154. Barry 273. 631. Bajchen, Beter 106. Bascolotti 92. Bader 636. — %. 465. PBechuel-Loeiche 345. 359. 426. 528. 634. 636. PBennant 35. Bernetty 625. Peters 162. 184. 248. 317. 355. 375. 377. 381. 394. 564. VBebholdt, A. 478. Pfeiffer 114. 285. Philipp der Orgpmütige 117. PBhilippi 629. Rhitirs, E. Lort 249. PBichot 150. 151. 454. Pictet 197. Plate 361. Reste 70. 74. 77. 244. 256. 260. 261. 262. 263. 264. 265. 266. 271. 272. 285. 292. 449. Rlinius 25. 179. 357. Roco 180. 341. 357. Rohlmann 485.486. 487. 488.513. Autorenregifter. Praun, oh. 448. Preble, E. U. 229. 510. Price 57. Pröpper, 2. 48. Prichewality 15. 122. 123. 294. 364. 383. 384. 483. PRurpus 175. 176. 312. Naebiger 352. NRabus 419. 421. Nadde 15.121. 212. 213. 339. 363. 365. 479. 480. 482. 518. 538. 542. 551. 569. Namwib 361. Neefer 335. 349. Kegel, 3. 337. Negnault 474. Neh 582. NRehfus 40. Neichenomw 527. Reimann 98. Kein 306. 570. Neindl, %. 447. Keif 141. 143. Nengger 142. 143. 146. 153. 154. 155. 160. 166. 169. 189. NReuvdens 398. 408. Kichardfon 278. 507. 512. 513. Nichthofen, Ferdinand v. 18. -Ridinger 84. Niehl 474. 475. Rogers 376. Römer, %. 337. Noreb, d. 566. Nörig 29. 37. 112. 297. 300. 305. _ 319,°399: Rosfiform 244. 256. Nothe 88. 89. 96. 105. 106. Nothichild, Walter dv. 380. 623. our 361 Rüppell 246. 248. Kütimeyer 447. Sädbom 272. Saint-Hilaire, Etienne Geoffroy 394. Sanderjon 566. Sanyal 340. Sarrazin 280. Sarudny 255. 256. 292. 293. 294. Satunin 121. 122. 185. 186. 187. 242. 256. 257. 285. 306, 328. 330: 3392363. 371. 397. 49. 506: 336.>537. 538: Scammon 585. 586. 587. 624. 626. 628. 629. 630. 633. 640. Schadt, H. 283. 290. 365. 373. 401. 406. 542. Schadenberg 379. 390. Schäff 23. 35. 42. 83. 91. 96. 102. 653 Schilling 352. 605. 608. 609. Sciött 337. Schlegel, 9. 20. 21. 531. Schmidt 332. — Mar 303. 635. — Döfar 481. Schmidtlein 216. 223. 227. Schmiedefnecht 397. Schöpfer 550. Schreber 84. 252. 255. Schreber-Wagner 270. 274. 341. Scheine 466. Scrend, Frhr. dv. 590. Scrend dv. Noging 133. 202. Screnf 270. 271. Schulg 101. Schufter, Ludwig 28. 32, 33. 38. 40. 420. 549. 551. — Wilhelm 325. 420. 547. Schmeinfurth 195. 196. Schwendfeld 498. Sclater, W.2. 125.185. 248, 3. je 354. 375. 377. 381. 414. 528. Scoresby 631. 636. Geeger 556. Geidler 322. Gemell, ©. ®. 509. Geydel 539. 541. 547. 548. 553. Shortridge 536. Giebenlijt 115. Simmonz,- Hermann ©. 60. Simons 180. Sfoglund, Peter 514. ©lade 228. Smit, %. 393. 483. Smith, U. 382. 389. 528. — Horace ©. 514. GSnethlage 137. 147. 153. 156. 157. 158. 159. 160. 162. 163. 164. 170. 197. 198. 563. Snidt, van der 49. Soffel, Karl 536. Sofolowjfy 630. 635. 641. Sommereyer, Hans 79. Spab, Paul 204. Siilantjeff 244. Starfe-Marpmann 49. Starzyfomwifi 541. Steinen, R. v. d. 607: 622. 623. 625. 626. Gteller 298. 585. Sternburg, d. 69. Sterndale 187. 376. 532. Stimmindg, Guftad 296. Stoll 568. 569. Stolzmann 161. Stone, Witmer 18. 52. 60. 61. 62. 63. 174. 229. 274.275. 276.277. 279. 291. 307. 308.. 309. 311. 312. 314. 315. 316. 456. 457. 485. 486. 487. 488. 517. 518. Voll 362. 103. 111. 403. 481. 613. 519. 520. 561. 563. 572. Bollof, $. %. 22. 23. Schalomw 416. Stöwer 46. Bolybius 25. Scharff 77. Strabo 25. _ Roppe 334. Schauer 468. 477. 478. 503. 504. | Strider, W. 444. 447, Böppig 200. | 505. Stroinigg 79. Pomers 553. Sceliha, dv. 9. Ströje 113. 114. 654 Etrupe 360. > Gtübel 141. Stuhlmann 125. 355. 530. Sturt 380. 381. Sudley 56. Gulzer 321. Sujchkin 455. Sperdrup 64. 65. Swartele 49. Swinhoe 123. 566. Syfes 185. Taczanowffi 162. Tartafomwify 352. Tegetmeder 26. TIemme 546. Temmind 19. Templeton, Sohn 537. Teuffel v. Birfenjee, Frhr. 111. Theobald 343. en 120. omas, Olofield 10. 12.144. 216. 249. 256. 314. 317. 334. 342. 364. 375. 379. 380. 381. 391. 392. 393. 526. 534. 535. 564. 567. Ihompjon, Seton 234. 235. Thott, Graf 75. 76. Tidell 566. Tiemann 502. 555. Zomngend, Charles Hasfins 623. 624. 626. Trouejjart 1. 15. 26. 51. 53. 77. 83.120.124. 185. 189. 194. 201. 204. 217. 233. 241. 250. 282. 318. 327. 328. 329. 331. 333. 340. 363. 371. 379. 415.460. 477. 529. 532. 285. 296. 311. 833. 565. 615. 630. Autorenregiiter. True 62. Trutat 470. Tichudi, 3. d. 77. 78. 79. 81. 128. 130. 160. 201. 419. 470. 541. 560. Tullberg 6. 12. 460. Uhlenhuth 50. 353. Bolbradht, R 2. Bofjeler, $ 248. 33. 527. 528. 574. Bried, de 335. Wacquant-Geozelles, Staat3 d. 110. 111. 301. Wagner, %oh. Andreas 121. 125. 146. 331. # Waldeyer 24. Walbon, C. B. 509. Wallace 601. Walte 358. Walter, U. 342. 631. 638. Waltisperger 338. Wasmuth 397. Waterhouje 573. Wamerjig 104. Weber 402. 413. — M. 2. 4. 5.°6. 136. 189. 194. 207. 311. 582. — © 9%. Weichert 90. Neidholz 218. == Meinef 625. Weinland 474. 475. Welden 640. Rellmann 397. Memer 540. 549. 553. Werner, Franz 389. Drud vom Bibliographijhen Snititut in Leipzig. 358 . 179. 181. 182. 183. Veiterholt-Öyfenberg, Graf Dtto zu 37. Mehrich 547. Whitehead 380. 392. 393. 564. Whhyte 51. Wie 116. Er a bon 160. 166; 171. en 397. 408. 416.417.420. Wiener 352. Wildungen, v. 20. 41. Willem3 246. Williams 635. Windell, Dietrich aus dem 34. 86. 88. 102. 103. 427. 551. Winge, 9. 4. 12. 189. 207. 231. 232. 629. Winton, de 121. 123. 355. 369. Riffmann 185. Wöber 85. 93. 105. Woldrich 330. 334. Wood 190. 492. Wormadd, Hugh 35. Wortmann 532. Wrangel, %. d. 585. Wroughton 532. Wunderlich 138. 589. Wurm 547. Wytlacil 466. 476. Zeh, Straf 523. Zell, Th. 38. 107. BZenfer 573. 575. 576. Bimmermann 398. 399. 401. 406. Bipperlen 559. Bittel 422. Zudors 541. gung 10. Zujicdlag 351. Del EAN NEN LAelh Pen x fÜ nn Ne Pr a tu nd ci 7 ne Alfred Edmund Tierleben m CALL NO: AUTHOR: Dpefs Not wanted 17 © air, TE rege une a