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—II

Barbard College Library

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SAMMLUNG WISSENSCHAFTLICHER COMMENTARE ZU GRIECHISCHEN UND RÖMISCHEN SCHRIFTSTELLERN

O

T. LUCRETIUS CARUS/

DE RERUM NATURA „BUCH Il

ERKLÄRT

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RICHARD HEINZE

9 LEIPZIG

RUCK UND VERLAG VON B. G. TEUBNER 1897

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D JUL 13 1838

ALLE RECHTE, EINSCHLIESSLICH DES ÜBERSETZUNGSREOHTS, VORBEHALTEN.

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VORWORT.

Die Eigenthümlichkeit der Aufgabe, die das Gedicht des Lucrez seinem Erklärer stellt, ist im Verhältniss des Dichters zu seinem Stoffe und des Stoffes zur Form begründet. Die Lehre, die Lucres verkündet, ist die eines Anderen, und dieser Andere war Nicht- römer; die Lehre, die eine wissenschaftliche That war und in wissen- schaftlicher Prosa dargestellt war, hat Lucrez zum Gedicht um- gestaltet.

Wer ein philosophisches Werk inhaltlich erklürt, das des Autors eigene Gedanken wiedergiebt, hat zunächst nur die Auf- gabe, Zusammenhang und Fortschritt der Argumentation zu er läutern, die Beziehung jedes einzelnen Theiles zum Ganzen des Werks, eventuell des philosophischen Systems ins Licht zu stellen. In welchem Verhältniss die Gedanken zu früher Gedachtem stehen, ist dann die weitere Frage, deren Beantwortung sich der tiefer ein- dringende Interpret nicht eniziehen kann. An den Erklürer des Lucrez, der eine fremde Lehre lehrt, tritt zwischen diesen beiden Forderungen die neue, dass jene fremde Lehre, soweit wir sie in originaler Fassung besitzen, durchweg zum Vergleich herangezogen werde; die Correctheit und Vollständigkeit der Darstellung ist zu prüfen, etwu sich ergebende Ungenauigkeiten und Lücken sind auf ihren Anlass hin zu untersuchen. Epikurs eigener Nachlass ist so trümmerhaft überliefert, dass er allein nicht ausreicht; auch die Schriften seiner Schüler sind zu verwerthen, Nachklängen epikuri- scher Lehre und Polemik ist auch bei Angehörigen anderer Schulen nachzugehen. In einzelnen, wenngleich seltenen Fällen wird sorg- fältige Interpretation vielleicht auch einen Schluss auf die Form ziehen lassen, in der die epikurische Lehre Lucrez vorlag: selb- ständige Zusätze, Auslassungen und Umgestaltungen werden sich erkennen lassen, und die Arbeitsweise des Dichters wird so in helleres Licht treten.

IV | VORWORT.

Hat man sich nun das Material das Lucrez bearbeitete, soweit es möglich ist, vergegenwärtigt, so wird man vor Allem die Schwierigkeiten sich klar zu machen suchen, die der Dichter zu überwinden hatte; der Erklärer hat zu zeigen, ob und mit welchen Mitteln sie gelöst sind. Es handelte sich zunächst um die

einer lateinischen Terminologie: Lucrez klagt selbst wiederholt über die Armut der Muttersprache, die ihm diese Auf- gabe erschwere. Inwieweit er sich hierin an seine Vorgänger an- gelehnt hat oder anlehnen konnte, wissen wir nicht: wir fragen, welche griechischen Kunstausdrücke den lateinischen entsprechen und inwieweit diese mit jenen sich wirklich decken, erwägen ferner, wenn dies nicht ganz der Fall ist, die Möglichkeiten, die dem Römer zu Gebote standen. Weit schwerer musste dem Dichter ein Anderes fallen: die dispositio carminum. Unzählige Einzelheiten waren zu behandeln, für so manche Lehre eine lange Reihe von Argumenten anzuführen. Die völlig kunstlose Aneinanderreihung, wie wir sie in seiner Vorlage voraussetzen dürfen, konnte dem Dichter nicht genügen. Er hat danach gestrebt, ein Ganzes zu schaffen, den Zusammenhang wenigstens in jedem der sechs Haupt- capitel seines Werkes zu wahren. Die Mittel, die er anwandte, sind ungleichen Werthes, bald mehr äusserlich, oft aber auch höchst geistreich und aus dem innersten Sinn der Dinge geschöpft. Der Interpret hat sie aufzuzeigen und so den Zusammenhang zu recon- struiren, der dem Geist des Dichters vorschwebte und den er zum Ausdruck zu bringen versuchte.

Wenn bei der Ueberwindung der ersten Schwierigkeit neben dem Philosophen der Sprachkünstler, bei der zweiten neben dem Philosophen der Dichter zu thun fand, so war es schliesslich eine vorzugsweise dichterische Aufgabe, den gegebenen Stoff, ohne irgend Wesentliches davon aufzuopfern, so im Geiste umzubilden, dass er zum poetischen Vorwurf werde und dass nicht versificirte Prosa, sondern ein Gedicht zu Stande komme. Der grösste Bewunderer Luerezischer Poesie wird nicht behaupten wollen, dass ihm das überall in gleicher Weise gelungen sei. Es giebt der Abschnitte genug, wo die Rede nur stockend und widerwillig fliesst, wo dem rein wissenschaftlichen. Inhalt das poetische Gewand aufgezwüngt erscheint. Aber für mein Gefühl wenigstens überwiegen die Stellen, wo der Dichter sein Ziel erreicht hat oder ihm nahe gekommen ist, wo der Leser fühlt, dass nicht bloss Gelerntes und Gedachtes, son- dern Angeschautes, Empfundenes, Erlebtes wiedergegeben wird, wo die Form mit Nothwendigkeit aus der poetischen Conception er-

VORWORT. Vc

wächst. Das im Einzelnen aufzuzeigen und neben dem Philosophen den Dichter zu seinem Rechte kommen zu lassen, ist schwer: aber versuchen muss es der Interpret, jenen Umbildungsprocess nachzu- denken und nachzufühlen; nur so wird er sich und Anderen die Mittel und Wege der künstlerischen Wirkung klar zu machen im Stande sein. |

Der vorliegende Commentar bemüht sich, die genannten Auf- gaben zunächst für ein Buch des Gedichts durchzuführen. Bei der Wahl gerade des dritten war es maassgebend, dass dies einerseits in sich fast völlig abgeschlossen ist, andererseits der Stoff dem Dichter eben hier die beste Gelegenheit bot, in allen Tönen, die er be- herrschte, zu reden. Ich darf hoffen, dass von der eingehenden Erklürung des Theiles auch auf das Ganze einiges Licht fallen wird. Die Form des Commentars bringt es mit sich, dass der Erklärer nicht alles, was er seinen Vorgängern verdankt, ausdrücklich als solehes bezeichnen kann, noch weniger alles, worin er mit Vor- gängern zusammengetroffen ist: doch habe ich mich bemüht, überall den zu nennen, der eine wichtigere Erkenntniss zuerst ausgesprochen hat. Dass ich überall, wo ich mich mit Lachmann im Widerspruch befand, auf seine Ansicht Bezug genommen habe, wird man als einen Ausdruck schuldiger. Dankbarkeit selbstverstündlich finden. Munros Verdienste auch um die Erklärung des Dichters sind an- erkannt: sein Werk würde seine bisherige Aufgabe, in das Studium des Dichters einzuführen, auch dann noch weiter erfüllen, wenn einmal ein Commentar in der Art, wie er mir vorschwebte, für das ganze Gedicht existirt. Auf welchem Wege ich glaube, über das von Munro Gebotene hinaus tiefer in das Verständniss eindringen zu können, brauche ich hier nicht auseinanderzusetzen: ein Ver- gleich meiner Arbeit mit der seinigen ergiebt das von selbst.

Die Gestaltung des Textes beruht auf den Grundlagen, die Lachmann für alle Zeiten geschaffen hat: Neben den beiden Ley- dener Handschriften, dem Oblongus (4) und dem Quadratus (B), braucht die italienische Ueberlieferung nur selten herangezogen zu werden; ich habe diese, wo sie in sich übereinstimmte, mit C be- zeichnet, den von Niccolo Niccoli geschriebenen Cod. Florentinus XXXV 30, die vertrauenswürdigste der italienischen Copieen von Poggios Handschrift, mit N da, wo anzunehmen ist, dass Ueber- lieferung, nicht Coniectur Niceolis vorliegt. Der Wiener Bruch- stücke war nur in einem Falle zu gedenken. Die Lesungen von A und B habe ich, nbgesehen von einigen offenbaren und belang- losen Flüchtigkeitsfehlern in B, vollständig wiedergegeben; in der

γι VORWORT.

Orthographie bin ich hie und da stillschweigend abgewichen. Wenn das Richtige von späterer Hand in 4 oder B eingetragen war, so habe ich der Kürze wegen nur diese (485), nicht aber die namen- losen Itali angeführt, die selbständig, möglicher Weise sogar früher, ebenfalls das Richtige gefunden haben. Die Verszählung ist die Laehmanns, d. h. die der Ueberlieferung.

Warmen Dank schulde ich Herrn Professor Kaibel: er hat

meine Arbeit von ihren ersten Anfängen bis zum Schluss durch reiche Ánregung und Belehrung wesentlich gefórdert.

R. Heinze.

T. LUCRETI CARI

DE RERUM NATURA LIBER TERTIUS.

E tenebris tantis tam clarum extollere lumen

qui primus potoisli inlustrans commoda uitae,

te sequor, o Oraiae gentis decus, inque iuis nune ficta pedum pono pressis uestigia signis,

5 non ita certandi cupidus quam propler amorem quod te imitari aueo: quid enim contendat hirundo cycnis, aut quidnam tremulis facere artubus haedi consimile in cursu possint et fortis equi uis? tu, pater, es rerum inuentor, tu pairia nobis

10 suppeditas praecepia, tuisque ex, inclute, chartis, floriferis ut apes in saltibus omnia libant,

. ommia nos itidem depascimur aurea dicia, aurea, perpetuas semper dignissima uita. nam simul ac ratio tua coepit uociferari

15 naturam rerum, diuma mente coorta, diffugiunt animi terrores, moenia mundi discedunt, totum uideo per inane geri res. apparet diuom sedesque quietae, quas neque coneutiunt uenti nec nubila nimbis

20 aspergunt neque nix acri concreta pruina cana cadens wiolat semperque innubilus aether integit, et large diffuso lumine rident: omnia suppeditat porro natura, neque ulla res animi pacem delibat tempore in ullo.

25 at contra nusquam apparent Acherusia templa,

1 E IKali): O A schedae Vindob,, fes ΒΝ 7 cycniis A 11 limant: verb. Av(ancius) 15 coortam A coartam B: verb. Orelli. 21 que ergänst Ii. 22 rident Lachm.: ridet ' Leeretius v. Hiasmum, 1

2 T. LUCRETI CARI DE RERUM NATURA

nec tellus obstat quin omnia dispiciantur, sub pedibus quaecumque infra per inane geruntur. his ibi me rebus quaedam diuina uoluptas percipit atque horror, quod sic natura tus ui 30 lam manifesta patens ex omni parte retectast. Et quoniam docui, cunctarum exordia rerum qualis sin et quam uariis distantia formis sponte sua uolitent aelerno percita motu, quoue modo possint res ex his quaeque creari, 35 . hasce secundum res animi natura uidetur slque animae claranda meis iam uersibus esse, et metus ille foras praeceps Acheruntis agendus, funditus humanam qui uitam turbat ab imo, omnia suffundens mortis nigrore, neque ullam 40 esse uoluptatem liquidam puramque relinquit. nam quod saepe homines morbos magis esse timendos infamemque ferunt uitam quam "Tartara leti, el se scire animi naturam sanguinis esse, aut eliam uenti, si fert ita forte uoluntas, nee prosum quicquam nostrae rationis egere, hine lice aduertas animum magis omnia laudis 47 inclari eausa, quam quod res ipsa probetur. extorres idem pairia longeque fugati conspeetu ex hominum, foedati crimine turpi, 50 ommibus aerumnis adfecti denique, uiuont, et quocumque tamen miseri uenere parentant et nigras mactant pecudes et manibus diuis inferias mittunt, multoque in rebus acerbis acrius aduertunt animos ad religionem. 65 quo magis in dubiis hominem spectare periclis conuenit aduersisque in rebus noscere qui si. nam uerae uoces tum demum pectore ab imo elicäuntur et eripitur persons *manare. denique auarities et honorum caeca cupido, quae miseros homines cogunt transcendere fines juris et interdum socios scelerum atque minisiros noctes aique dies nili praestante labore 28 ibi Pont(anus): ubi 39 signatura: verb. Av. 88 alterno A -na B: verb. Bentley) 89 suffundans: verb. It. 48 sciri anime B 46 ungen Bentl. A 47 causam: terb. I. 52 et nach pecudes fehit A

58 inferia: verb. B* 58 et erg. I. manare: manet res Ii., viell. mala re. 62 tabore: werd. D.

5

LIBER TERTIUS. 8

ad summas emergere opes, haec uolnera uitas non minimam partem mortis formidine aluntur.

65 turpis enim ferme contemptus et acris egestas semota ab dulei uites stabilique uidetur et quasi iam leti portas cunctarier ante: unde homines dum se falso terrore coacti effugisse uolunt longe longeque remosse,

70 sanguine ciuili rem conflant diuitiasque conduplicant auidi, caedem caede accumulantes, crudeles gaudent in tristi funere fratris, el consanguineum mensas odere timentque. consimili ratione ab eodem saepe timore

75 macerat inuidia: ante oculos illum esse potentem, illum aspectari, claro qui incedit honore, ipsi se in tenebris uolui caenoque queruntur. intereunt partim statuarum et nominis ergo. et saepe usque adeo, mortis formidine, uitae

80 percipit humanos odium lucisque uidendse, ut sibi consciscant maerenti pectore letum, obliti fontem curarum hunc esse timorem. hunc uexare pudorem, hunc uincula amicitisi rumpere et in summa pietatem euertere suadet:

85 nam iam saepe homines patriam carosque parentis prodiderunt uitare Acherusia templa petentes. nam ueluti pueri trepidant atque omnis caecis in tenebris metuunt, sic nos in luce timemus interdum, nilo quae sunt metuenda magis quam

90 quse pueri in tenebris pauitant finguntque futura. hunc igitur terrorem animi tenebrasque necessest non radii solis neque lucida tela diei discutiant, sed naturae species ratioque.

Primum animum dico, mentem quam saepe uocamus,

95 ἴῃ quo consilium uitae regimenque locatumst, esse hominis partem nilo minus ac manus et pes atque oculi partes animantis totius extant. sensum animi certa non esse in parte locatum, uerum habitum quendam uitalem corporis esse,

72 fratres: fratris Macrob. sat. VI 2,15 78 statum: verb. Fl. 81 con- iciscant: verb. Nicc(oh) 84 pietate: verb. I. 94 quem: quam Charis. p. 187 P. 95 vocatum: verb. Mar(ullus) nach 97 Lücke erkannt Ri.

15

4 T. LUCRETI CARI DE RERUM NATURA

100 harmoniam Grai quam dicunt, quod faciat nos uiuere cum sensu, nulla cum in parte siet mens; ut bona ssepe usletudo cum dicitur esse corporis, et non est tamen haec pars ulla ualentis; sic animi sensum non certa parte reponunt:

105 magno opere in quo mi diversi errare uidentur. saepe itaque in promptu corpus quod cernitur aegret, cum tamen ex alia laetamur parte latenti: et retro δὲ uti contra sit saepe uicissim, cum miser ex animo laetatur corpore toto;

110 non alio pacto quam si, pes cum dolet aegri, in nullo caput interea sit forte dolore. praeterea molli cum somno dedita membra effusumque iacet sine sensu corpus honustum, est aliud tamen in nobis quod tempore in illo

115 multimodis agitatur et omnis accipit in se laetitiae motus δὲ curas cordis inanis. nunc animam quoque ut in membris cognoscere possis esse, neque harmonia corpus senlire solere, principio fit uti detracto corpore multo

120 saepe tamen nobis in membris uita moretur: aique eadem rursum, cum corpors pauca caloris diffugere forasque per os est editus ser, deserit extemplo uenas aique ossa relinquit; noscere ut hinc possis non sequas omnis partis.

195 corpora habere neque ex aequo fulcire salutem, -

| sed magis haec, uenti quae sunt calidique uaporis semina, curare in membris ut uita moretur. est igitur calor ac uentus uitalis in ipso eorpore, qui nobis moribundos deserit artus.

150 quapropter quoniamst animi natura reperta atque animse quasi pars hominis, redde harmoniai nomen, ad organicos alto delatum Heliconi; siue aliunde ipsi porro traxere et in illam transtulerunt, proprio quae tum res nomine egebat.

1:6 quidquid id est, habeant: tu cetera percipe dicta,

Nunc animum atque animam dico coniuncta teneri inler se atque unam naturam conficere ex se, 100 taciat A tatiat B: verb. B* 106 Macrob, Gr. Lat. V p. 680, 4:

aegrum 108 ubi: verb. Lamb(in) 118 sentire Wak(efield): interire 181 har- monia: terb. ΒΞ 182 altu A saltu (corr. in salto) —* (. 186 id erg. It.

LIBER TERTIUS. | 5

sed caput esse quasi et dominari in corpore toto consilium, quod nos animum mentemque uocamus. 140 idque situm media regione in pectoris haeret. hic exultst enim pauor δὲ metus, hsec loca circum laetitiae mnlcent: hic ergo mens animusquest. cetera pars animae per tolum dissita corpus paret et ad numen mentis momenque mouetur. 145 idque sibi solum per se sapit: id sibi gaudet, cum neque res animam neque corpus commouel una. et quasi, cum caput aut oculus temptante dolore laeditur in nobis, non omni concruciamur corpore, sic animus nonnumquam laeditur ipse 150 laetitiaque uiget, cum cetera pars animai per membra atque artus nulla nouitate cietur: uerum ubi uementi magis est commola metu mens, consentire animam tolam per membra uidemus, sudoresque ita palloremque existere toto 155 corpore et infringi linguam uocemque aboriri, caligare oculos, sonere auris, succidere arius, denique concidere ex animi terrore uidemus. saepe homines; facile ut quiuis hinc noscere possit esse animam cum animo coniunctam, quae cum animi vi 160 percussast, exim corpus propellit et icit.

Haec eadem ratio naturam animi atque animai corpoream docet esse: ubi enim propellere membra, corripere ex somno corpus, mutareque uoltum atque hominem totum regere ac uersare uidetur,

166 quorum nil fieri sine tactu posse uidemus, nec tactum porro sine corpore, nonne fatendumst corporea natura animum constare animamque? praeterea pariter fungi cum corpore et uns consentire animum nobis in corpore cernis. 170 si minus offendit uitam uis horrida teli ossibus ac neruis disclusis intus adacis, attamen insequitur languor terraeque petitus suauis, et in terra mentis qui gignitur aestus interdumque quasi exsurgendi incerta uoluntas. 175 ergo corpoream naturam animi esse necessest, 145 id nach sapit erg. Wak. 161 nouitatei: verb. It. 154 itaque ni

lorem: verb. Nice. 159 ui fehlt: uis Nonius p. 124, verb. Jt. 110 offen verb. B* leti: verb. Mar. 172 insequetur: verb. A'B* 118 mentes: verb. Jt.

180

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196

T. LUCRETI CARI DE RERUM NATURA

corporeis quoniam telis ictuque laborat.

Is tibi nunc animus quali sit' corpore et unde constiterit pergam rationem reddere diclis. principio esse aio persuptilem atque minutis perquam corporibus factum constare. id ita esse hinc licet aduertas animum ut pernoscere possis. nil adeo fleri celeri ratione uidetur, quam sibi mens fleri proponit et inchoat ipsa: ocius ergo animus quam res se perciet ulla, ante oculos quorum in promptu natura uidetur: at quod mobile tanto operest, constare rutundis perquam seminibus debet perquamque minutis, momine uli paruo possint inpulssa moueri. namque mouetur aqua et tantillo momine flutat, quippe volubilibus paruisque creata figuris. at contra mellis constantior est natura et pigri latices magis et cunctantior actus: haeret enim inter se magis omnis maleriai copia, nimirum, quia non tam lenibus constat corporibus neque tam suptilibus atque rutundis. namque papaueris aura potest suspensa leuisque cogere ut ab summo tibi difflust altus aceruos, at conira lapidum conlectum *spicarumque noenu potest. igitur paruissima corpora proquam οὐ leuissima sunt, ita mobilitate fruuntur: ' at contra quae cumque magis cum pondere magno asperaque inueniuntur, eo stabilita magis sunt. nunc igitur quoniam est animi nature reperta mobilis egregie, perquam constare necessest corporibus paruis et leuibus atque rutundis. quae tibi cognitas res in multis, o bone, rebus utilis inuenietur et opportuna cluebit. haec quoque res etiam naturam dedicat eius, quam tenui constet textura, quamque loco se contineat paruo, si possit conglomerari, quod simul atque hominem leti secura quies esi indepia atque animi natura animaeque recessit, nil ibi libatum de toto corpore cernas

176 corporis: verb. B* 188 sibi Wak.: εἰ 194 constat vermute ich: extat

198 conlectum Muretus; coniectum spicarımque: caurus mouere Berma ipee eurus mouere Munro 208 est erp Mar. 210 se: verb. Nice. »

41δ

220

240

345

250,

LIBER TEBTIUB. 7

ad speciem, nil ad pondus: mors omnia praestat

uitalem praeter sensum calidumque usporem.

ergo animam totam perparuis esse necessest

seminibus nexam per uenas uiscera neruos,

quatenus, omnis ubi e toto iam corpore cessit,

exlima membrorum circumceaesura tamen se

incolumem praestat nec defit ponderis hilum.

quod genus est, Bacchi cum flos euanuit, aut cum

spiritus unguenti suavis diffugit in auras,

aut aliquo cum iam sucus de corpore cessit:

nilo oculis tamen esse minor res ipsa uidetur

propterea neque detractum de pondere quicquam,

nimirum, quia multas minutaque semina sucos

efficiunt et odorem in tolo corpore rerum.

quare eliam atque eliam mentis naturam animaeque

scire licet. perquam pauxillis esse creatam

seminibus, quoniam fugiens nil ponderis aufert. Nec tamen haec simplex nobis natura putandast.

tenuis enim quaedam moribundos deserit aura

mixta uapore, uapor porro irahit aera secum,

nec calor est quisquam, cui non sit mixtus ei aer:

rara quod eius enim constat natura, necessesi

aeris inter eum primordia multa moueri.

iam triplex animist igitur natura reperta:

nec tamen haec sat sunt ad sensum cuncta creandum,

nil horum quoniam recipit *mens posse creare

sensiferos motus, *qusedam que mente volutat.

quarta quoque his igitur quaedam natura necensenk

adtribustur: east omnino nominis expers;

qua neque mobilius quicquam neque tenuius extai

nec magis e paruis et leuibus ex elementis;

sensiferos motus quae didit prima per artus:

prima cietur enim, paruis perfecta figuris,

inde calor motus .et uenti caeca potestas

accipit, inde aer; inde omnia mobilitantur,

concutitur sanguis, tum uiscera persentiscuni

omnia, postremis datur ossibus alque medullis

siue uoluptas est siue est contrarius ardor.

322 unguente A -tes B: verb. Jt. 234 nilo N. Heins(ius): mil 282 temus:

verb. A! 236 inter eum AB multam queri; verb. 45 239 recepit: verb. A! 248 tenuis: verb. 249 tum sanguis viscera persentisiunt: eerb. R.

210

275

T. LUCRETI CARI DE RERUM NATURA

nec temere hue dolor usque potest penetrare neque acre

permanare malum, quin omnia perturbentur usque adeo ut uitae desit locus atque animai

diffugiant parles per caulas corporis ommis. sed plerumque fit in summo quasi corpore finis

"motibus: hanc ob rem uitam retinere ualemus.

Nune ea quo pacto inter sese mixia quibusque compta modis uigeant rationem reddere auentem abstrahit inuitum patrii sermonis egestas: sed tamen, ut potero summatim atiingere, tangam. inter enim cursant primordia primeipiorum molibus inter se, nil ut secernier unum possit nec spatio fleri diuisa potestas, sed quasi multae uis unius corporis eximmi quod genus in quouis animantum uiscere wolgo est odor et quidam color et sapor, et tamem ex lus omnibus est unum perfectum corporis zugmen; sic calor atque aer et uenti caeca potestas mixta creant unam naturam, οὐ mobilis illa uis, initum motus ab se quae diuidik ollis, sensifer unde oritur primum per uiscera motus. nam penitus prorsum latet haee natura subesique, nee magis hac infra quicquamsi in eorpore nosiro, atque anima est animae proporro tolius ipsa. quod genus in nostris membris et eorpore tote .. mixta latens animi uis est animaeque potesías, corporibus quia de paruis paucisque eresíasb, - sie tibi nominis haec expers uis, facta mumalis corporibus, latet atque animse quasi tolius ipsa proporrost anims et dominatur corpore tete. consimili ratione necessest uentus et aer et calor inter se uigeant commixia per arius, atque alis aliud subsit magis emmesíque, ut quiddam fieri uidestur ab omnibus umm, ne calor ac uentus seorsum seorsumque potestas aeris interemant sensum diduciaque soluamd est eliam calor ille animo, quem sumit, im ira eum feruescit et ex oculis micat acribus ardor;

354 ut erg. Lamb. animae: verb. B* 255 calnias: εἰγὰ. D* 257 reti-

nemus: terb. A! 266 niscere B: visere AC 297 color Lamb: ealor 2792 senai- ferer: verb. A* 9289 feruescat A -cet A* B: verb. B. acribus Lamb.: acrius

LIBER TERTIUS. 9

490 est οὐ frigida mulia, comes formidinis, aura, quae ciet horrorem membris et concitat arius; est eliam quoque pacati status aeris ille, pectore tranquillo qui δὲ uoltuque sereno. sed calidi plus est illis quibus acria corda 296 iracundaque mens facile efferuescit in ira; quo genere in primis uis est uiolenta leonum, pectora qui fremitu rumpunt plerumque gementes nec capere irarum fluetus in pectore possunt. at uentosa magis ceruorum frigida mens est soo et gelidas cilius per uiscera concitat auras, quae tremulum faciunt membris existere molum. at natura boum placido magis aere uiuit, nec nimis irai fax umquam subdita percit fumida, suffundens caecae caliginis umbram, 805 nec gelidis torpet telis perfixa pauoris, interutrasque * sitas ceruos saeuosque leones. Sic hominum genus esi: quamuis doctrina politos constituat pariter quosdam, tamen illa relinquit naturae cuiusque animi uestigia prima. 310 nec radicitus euelli mala posse putandumst, quin procliuius hic iras decurrat ad acris, ille metu cilius paulo temptetur, at ille tertius accipiat quaedam clementius aequo. inque alis rebus multis differre necessest 315 naturas hominum uarias moresque sequacis: quorum ego nunc nequeo caecas exponere causas - nec reperire figurarum tot nomins, quot suni principiis, unde haec oritur uariantia rerum. illud in his rebus uideo firmare potesse, 320 usque adeo naturarum uestigia linqui paruola, quae nequeat ratio depellere nobis, ut nil inpedist dignam dis degere uitam. Haec igitur natura tenetur corpore ab omni, ipsaque corporis est custos et causa salutis: 525 nam communibus inter se radicibus haerent, nec sine pernicie diuelli posse uidentur. 291 inconcitat: verb. A* B* 298 pertore: verb. A! fit qui: verb. Mar. 808 minus ira: verb. I. 804 fuamidas (-des B) effundens: verb. Jl. um- bram AN umbra B 805 uaporis: verb. Mar. 306 inter utrosque sitast u^

interutrasque sitast Brieger 309 natura: verb. Jt. 819 formare: verb 821 niqueat (iniqu- B): verb. A! nobis Lachm.: noctis; dictis Mar.

10 T. LUCRETI CARI DE RERUM NATURA

quod genus e thuris glaebis euellere odorem haud facilest, quin intereat natura quoque eius. sic animi atque animae naturam corpore toto

330 extrahere haut facilest, quin omnia dissoluantur. inplexis its principiis ab origine prima inter se fiunt consorti praedita uita, nec sibi quaeque sine alterius ui posse uidetur corporis atque animi seorsum sentire potestas,

335 sed communibus inter eas conflatur utrimque motibus accensus nobis per uiscera sensus. propterea corpus per se nec gignitur umquam nec crescit neque post mortem durare uidetur. non enim, ut umor aquse dimittit saepe uaporem,

340 qui datus est, neque ea causa conuellitur ipse, sed manet incolumis, non, inquam, sie animai discidium possunt artus perferre relicti, sed penitus pereunt conuolsi conque putrescunt. ex ineunte aeuo sic corporis atque animai

345 mutus uitalis discunt contagia motus, maternis eliam membris aluoque reposta, discidium αὐ nequeat fieri sine peste maloque;

: ut uideas, quoniam coniunctast causa salutis,

" coniunctam quoque naturam consistere eorum.

850 Quod super est, siquis corpus sentire refutat atque animam credit permixtam corpore toto

| suscipere hunc motum quem sensum nominitamus, uel manifestas res conira uerasque repugnat. quid sit enim corpus sentire quis adferet umquam,

355 si non ipsa palam quod res dedit ac docuit nos? ‘at dimissa anims corpus caret undique sensu.' perdit enim quod non proprium fuii eius in aeuo, multisque praeterea perdit cum expellitur aeuo.

Dicere porro oculos nullam rem cernere posse,

360 sed per eos animum ut foribus spectare reclusis, desiperest, contra cum sensus dicat eorum; sensus enim trahit atque acies detrudit ad ipsas,

| fulgida praesertim cum cernere saepe nequimus,

*234 . uitae: verb. Mar. 88δ eos: verb. Lachm. 881 propterea

vermute sch 846 reposto: verb. Av. 347 ut erg. Mar. 857 perdi:

L verb. A? idi parit ans d; itum expellitur aeuo quam. | 861 desiperest difficilest. dicat .: duoat

4

LIBER TERTIUS. 11.-

lumina luminibus quia nobis praepediuntur.

365 quod foribus non fit: neque enim, quia cernimus ipsi, ostia suscipiunt ullum reclusa laborem. praeterea si pro foribus sunt lumina nostra, iam magis exemptis oculis debere uidetur cernere res animus sublatis postibus ipsis.

310 Illud in his rebus nequaquam sumere possis, Democriti quod sancta uiri sententia ponit, corporis atque animi primordia, singula priuis adposita, alternis uariare ac neclere membra. nam cum multo sunt animse elementa minors

376 quam quibus e corpus nobis et uiscera constant, tum numero quoque concedunt et rara per arius dissita sunt, dumtaxat ut hoc promittere possis, quantula prima queant nobis iniecta ciere corpora sensiferos motus in corpore, tanta

880 interualla tenere exordia prima animai. nam neque pulueris interdum sentimus adhaesum corpore nec membris incussam sidere cretam, nec nebulam noctu neque aranei tenuia fila obuia sentimus, quando obretimur euntes,

386 nec supera caput eiusdem cecidisse uietam uestem, nec plumas auium papposque uolantis, qui nimia leuitate cadunt plerumque graustim, nec repentis itum cuiusuiscumque animantis sentimus, nec priua pedum uestigia quaeque,

390 corpore quae in nostro culices et cetera ponunt. usque adeo prius est in nobis multa ciendum, quam primordia sentiscant concussa animai semina corporibus nostris inmixta per arius, et quam sis interuallis tuditantia possint

395 concursare coire et dissultare uicissim.

Et magis est animus uitai claustra coercens et dominantior ad uitam quam uis animai. nam sine mente animoque nequit residere per arius lemporis exiguam partem pars ulla animai,

400 sed comes insequitur facile et discedit in auras

865 quia Lachm.: qua 872 primis: verb. Bentl. 875 e AB: et A* B*C 338 aranei Mar.: il tenulla: verb. Ij. 891 ciendo: verb. Av. 594 quam

vermute ich: his Lachm. s 400 ediscedit (derit Bj eim $e erg vb. A

-- .. * mn. ΄ “Φ

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405

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480

425

T. LUCRETI CARI DE RERUM NATURA

et gelidos artus in leli frigore linquit.

at manet in uita cui mens animusque remansit.

quamuis est circum caesis lacer undique membris,

truncus, adempta anima circum membrisque remota,

uiuit οὐ aetheriss uitalis suscipit auras:

si non omnimodis, δὲ magna parie animai

priuatus, tamen in uita cunctatur et haeret;

ut, lacerato oculo circum si pupula mansit

incolumis, stat cernundi uiuats potestas,

dum modo ne totum corrumpas luminis orbem

el circum caedas sciem solamque relinquas:

id quoque enim sine pernicie non fie eorum.

at si tantula pers oculi media illa peresast,

occidit extemplo lumen tenebraeque secuntur,

incolumis quamuis alioquist splendidus orbis.

hoc anims atque animus uincti sunt foedere semper. Nunc age, natiuos animantibus et mortalis

esse animos animasque leuis ut noscere possis,

conquisita diu duleique reperta labore

digna tua pergam disponere carmina uita.

tu fac utrumque uno subiungas nomine eorum

atque animam uerbi causa cum dicere pergam,

mortalem esse docens, animum quoque dicere credas,

quatenus est unum inter se coniunctaque res est. Principio quoniam tenuem constare minutis

corporibus docui multoque minoribus esse

principiis faciam quam liquidus umor aquai

aut nebula aut fumus nam longe mobilitate

praestat et a tenui causa magis icta mouetur,

quippe ubi imaginibus fumi nebulaeque mouetur:

quod genus in somnis sopiti ubi cernimus alte

exalare uaporem altaria ferreque fumum:

nam procul haec dubio nobis simulacra feruntur

nunc igitur quoniam quassatis undique uasis

diffluere umorem οὐ laticem discedere cernis,

et nebula ac fumus quoniam discedit in auras,

crede animam quoque diffundi multoque perire

408 circum J&: eretum 404 remot B -tus A: verb. ΒΞ 415 alioquist

Kanmengiesser: alioqui 417 mortalibus: verb. I. 421 nome: verb. B* 429 pre- stata: verb. 1t. 480 mouentur: verb. Mar. 481 alta: verb. Lachm. 488 1 verb. Lachm. 488 feruntur vermute ich: geruntur 437 crede JH: eo

LIBER TERTIUSB. | 18

ocius et citius dissolui in corpora prima, cum semel ex hominis membris ablata recessit.

440 quippe etenim corpus, quod uas quasi eonstilit eius, cum cohibere nequit conquassatum ex aliqua re ac rarefactum detracto sanguine uenis, aere qui credas posse hane cohiberier ullo, corpore qui nostro rarus magis incohibensquest?

445 Praeterea gigni pariter cum corpore et uns crescere sentimus pariterque senescere mentem. nam uelut infirmo pueri teneroque uagantur corpore, sic animi sequitur sententia tenuis: inde ubi robustis adoleuit uiribus aetas

450 consilium quoque maius et auctior est animi uis: post ubi iam ualidis quassatumst uiribus aeui corpus et obtusis ceciderunt uiribus artus, claudicat ingenium, delirat lingua, labat mens, omnia deficiunt atque uno tempore desunt.

455 ergo dissolui quoque conuenit omnem animai naturam, ceu fumus, in altas aeris auras; quandoquidem gigni pariter pariterque uidemus crescere et, ut docui, simul aeuo fessa fatisci.

Huc accedit uti uideamus, corpus ut ipsum

460 suscipere inmanis morbos durumque dolorem, sic animum curas acris luctumque metumque; quare participem leti quoque conuenit esse. quin eliam morbis in corporis auius errat saepe animus: dementit enim deliraque fatur,

465 interdumque graui lethargo fertur in altum aelernumque soporem oculis nutuque cadenti; unde neque exaudit uoces nec noscere voltus illorum potis est, ad uitam qui reuocantes circum stant lacrimis rorantes ora genasque.

470 quare animum quoque dissolui fateare necessest, quandoquidem penetrant in eum contagia morbi. nam dolor ac morbus leti fabricator uterquest,

473 multorum exitio perdocti quod sumus ante,

476 denique cur, hominem cum uini uis penetrauit

8. 9 bescit GO "auctor: urb. P n^ Pss labat erg. Tach ^ X on ig 458 ut erg. B* fatisci It.: faetis 462 particidem: verb. A* 470

0 fatere: verb. Jt. 472 polor: verb. Nícc. 474 510, 475 et pariter mentem sanari corpus inani, getilgt Lamb. 416 cur B': cor AB

$E

- " —- - . .

14 T. LUCRETI CARI DE RERUM NATURA

acris et in uenas discessit diditus ardor, consequitur grauitas membrorum, praepediuntur crura uacilanti, tardescit linguas, madet mens,

480 nant oculi, clamor singultus iurgis gliscunt, et iam cetera de genere hoc quaecumque secuntur, eur ea sunt, nisi quod uemens uiolentia uini conturbare animam consueuit corpore in ipso? δὲ quaecumque queunt conturbari inque pediri,

485 significant, paulo si durior insinuarit causa, fore ut pereant aeuo priusia futuro. quin eliam subito ui morbi saepe coactus ante oculos aliquis nostros, ut fulminis ictu, concidit οὐ spumas agit, ingemit et tremit artus,

490 desipit, extentat neruos, torquetur, anhelat inconstanter, et in iactando membra fatigat, nimirum, quia uis morbi disiracia per artus *turbat agens animam spumans in aequore salso

. uentorum ualidis feruescunt uiribus undae.

495 exprimitur porro gemitus, quia membra dolore adficiuntur, et omnino quod semina uocis eiciuntur et ore foras glomerata feruntur, qus quasi consuerunt et sunt munils uisi desipientis fit, quia uis animi aique snimai

500 conturbatur et, ut docui, diuisa seorsum disiectatur eodem illo distracta veneno. inde ubi iam morbi reflexit causa, reditque in latebras acer corrupti corporis umor, tum quasi uaccillans primum consurgit ei omnis

605 paulatim redit in sensus animamque recepiat. haec igitur tantis ubi morbis corpore in ipso iactentur miserisque modis distracta laborent, cur eadem credis sine corpore in aere aperto cum ualidis uentis aetatem degere posse?

510 et quoniam mentem sanari, corpus ui aegrum, cernimus οὐ flecti medicina posse uidemus,

id quoque praesagit mortalem uiuere mentem. addere enim partis aut ordine traiecere secumst aut aliquid prosum de summa detrahere hilum,

479 uacilisanti; verb. A? 489 cur ea Niee.: eurbe 492 qua: verb. R. 498 ist verdorben: viell. turbat, agens anima spumas, 497 eiciuntar 'viri doctissimi’ bei Lamb.: eliciuntar

515

525

LIBER TERTIUB. 15

commutare animum quicumque adoritur et infit aut aliam quamuis naturam flectere quaerit.

at neque transferri sibi pariis nee tribui uolt inmortale quod est quiequam neque defluere hilum: nam quodcumque suis mutatum finibus exit, continuo hoc mors est illius quod fuit ante.

ergo animus siue aegrescit, mortaha migna

mittit, uti docui, eeu flectitur a medicina,

ancipitique refutatu conuincere falsum.

Denique saepe hominem paulalim cernimus ire et membratim uitalem deperdere sensum: in pedibus primum digitos liuescere e$ unguis, inde pedes et crura mori, post inde per artus ire alios tractim gelidi uestigia leli; scinditur *atque animae haec quoniam natura nec uno tempore sincera existit, mortalis habendast. quod si forte putas ipsam se posse per arius introsum trahere et partis conducere in unum aique ideo cunctis sensum diducere membris, at locus ille tamen, quo copia tanta animai cogitur, in sensu debet maiore uideri; qui quoniam nusquamst, nimirum, ut diximus ante, dilaniata foras dispargitur, interit ergo. quin eliam si iam libest eoncedere falsum et dare posse animam glomerari im corpore eorum, lumina qui lincunt moribundi particulatim, mortalem iamen esse animam faleare necesse,

nec refert uirum peresi dispersas per auras

an coniracta suis e partibus obbrutescat,

quando hominem totum magis ac magis undique sensus deficit et uitae minus et minus undique restat.

Et quoniam mens. est homimis pars una, loco quae

fiza manet certo, uelut aures aique oculi sunt

atque alii sensus qui uitam eumque gubernant,

et ueluti manus atque oculus naresue seorsum

secreta ab nobis nequeunt sentire neque esse,

522 deocui: verb. B* 528 ratiomis: verb. Mar. 525 refotatur: verb. Mar.

651 animae Lamb.: animo 588 ante erg. Nice. 544 disperse: verb. B? 545 obrutescat: verb. Mar. 548 locoque: verb. Lachm.

16 T. LUCRETI CARI DE RERUM NATURA

sed tamen in paruo licuntur tempore tabe, sic animus per se non quii sine corpore et ipso 655 esse homine, illius quasi quod uas esse uidetur siue aliud quid uis potius coniunctius ei fingere, quandoquidem conexu corpus adhaeret. Denique corporis atque animi uiusta potestas inter se coniuncta ualent uitaque fruuntur: 560 nec sine corpore enim uitalis edere motus sola potest animi per se natura nec autem cassum anima corpus durare et sensibus uti. scilicet, auolsus radicibus ut nequit ullam dispicere ipse oculus rem seorsum corpore toto, 6565 sic anima aique animus per se nil posse uidetur. nimirum, quia per uenas οὐ uiscera mixtim, per neruos atque ossa, tenentur corpore ab. omni nec magnis interuallis primordia possunt libera dissultare, ideo conclusa mouentur 570 sensiferos motus, quos extra corpus in auras aeris haut possunt post mortem eiecta moueri propterea quia non simili ratione tenentur: corpus enim atque animans erit aer, δὶ cohibere in se animam aique in eos poterit concludere motus, 576 quos ante in neruis et in ipso ccrpore agebat. quare eliam aique etiam resoluto corporis omni tegmine et eiectis extra uitalibus auris dissolui sensus animi fateare necessest atque animam, quoniam coniunctast causs duobus. 580 Denique cum corpus nequeat perferre animai discidium, quin in teetro tabescat odore, quid dubitas quin ex imo penitusque coorta emanarit uti fumus diffusa animse uis, atque ideo tanta mutatum pulire ruina 585 conciderit corpus, penitus quia mota loco sunt fundamenta, foras manante anima usque per artus perque uiarum omnis flexus, in corpore qui suni,

558 liquuntur tabi Js. Vossius, licuntar tabe Creech: linguntur tali 555 ho- minem: terb. It. uas esse Nice.: vasse A vase B 564 oculus ipse: verb. IE. 566 per erg. Nice. mixti: verb. Nice. 571 movere: verb. Lamb. 573 ani- mam serit: verb. Lamb. si: sio A 574 in se animam Wak.: sese (esse B) anima 576 quare B*: quae 4 que B 578 fatiare: verb. A! 580 neque- aper: verb. B* 082 ex It: 683 anina eius: verb. Ji. 586 manante anima usque Lachw., anima emanante Wak.: manant animaeque

en uni... s [er

LIBER TERTIUS. 11

atque foramina? multimodis ut noscere possis dispertitam animae naturam exisse per arius

590 et prius esse sibi distractam corpore in ipso, quam prolapsa foras enaret in aeris auras. quin etiam finis dum uitae uertitur intra, saepe aliqua tamen e causa labefacta uidetur ire anima ac toto solui de corpore uelle,

59; et quasi supremo languescere tempore uoltus, molliaque exsangui cadere omnia corpore membra. quod genus est, animo male factum cum perhibetur sut animam liquisse; ubi jam trepidatur et omnes extremum cupiunt uitae reprehendere uinclum:

600 conquassatur enim tum mens animaeque potestas omnis, et haec ipso cum corpore conlabefiunt; ut grauior paulo possit dissoluere causa. quid dubitas tandem quin extra prodita corpus inbecilla foras, in aperio, legmime dempto,

605 non modo non omnem possit durare per aeuom, sed minimum quoduis nequeat consistere tempus? nec sibi enim quisquam moriens sentire uidetur ire foras animam incolumem de corpore toto, nec prius ad iugulum et supera succedere fauces,

610 uerum deficere in certa regione locatam; ut sensus alios in parli quemque sua scit dissolui. quod si inmortalis nostra foret mens, non tam se moriens dissolui conquereretur, sed magis ire foras uestemque relinquere, ut anguis.

615 Denique cur animi numquam mens consiliumque gignitur in capite aut pedibus manibusue, sed unis sedibus et certis regionibus omnibus haeret, si non certa loca ad nascendum reddita cuique sunt, et ubi quiequid poteit. durare creatum

620 aique. ita ; multimodis partitis artubus esse, membrorum ut numquam existat praeposterus ordo? usque adeo sequitur res rem, neque flamma creari fluminibus solitast neque in igni gignier algor.

694 uelle, Lachm.: omnia membra au 586 596 easangui: verb. B* corpore erg. Jt. 597 peribetur peri iberet A 019 inmor- tales: verb. A* B? 618 redita: verb. A* nach 619 Lücke, erkannt von Munro 620 ita It.: ta partitis Bernays: pertotis 688 solita neque insigni AB: solita est It., in igni B*

Lmoretius v. Harwzs. 4

πᾶσα α - -

18 T. LUCRETI CARI DE RERUM NATURA

Praeterea si inmortalis naturs animaist 625 et sentire potest secreta corpore noetro, quinque, ui opinor, eam faciundumst sensibus auctam: nec ratione alia nosmet proponere nobis possumus infernas animas Acherunte uagari. pictores itaque et scriptorum saecla priora 630 sie animas intro duxerunt sensibus auctas. at neque sorsum oculi neque nares nec manus ipsa esse polest animae, neque sorsum lingua neque sures: haud igitur per se possunt sentire neque esse. Et quoniam toto sentimus corpore inesse 635 uitalem sensum et totum esse animale uidemus, si subito medium celeri praeciderit ictu uis aliqua, ut sorsum partem secernat utramque, dispertita procul dubio quoque uis animai et discissa simul cum corpore dissicietur. €40 at quod scinditur et partis discedit in ullas, scilicet, aeternam sibi naturam abnuit esse. falciferos memorant currus sbscidere membra saepe ita de subito permixta caede calentis, ut tremere in terra uideatur ab artubus id quod 645 decidit abscisum, cum mens. tamen atque hominis uis mobilitate mali non quit sentire dolorem et simul in pugnae studio quod dedita mens est: corpore relicuo pugnam caedesque petessit, nec tenet amissam laeuam cum tegmine saepe 650 inter equos absiraxe rotas falcesque rapaces, nec cecidisse alius dextram, cum scandit ei instat. inde alius conatur adempto surgere crure, cum digitos agitat propter moribundus humi pes. et caput abscisum calido uiuenteque trunco 655 seruat humi uoltum uitalem oculosque patentis, donec reliquias animai reddidit omnes. quin etiam tibi si, lingua uibrante, micanti serpentis cauda procero corpore *utrumque sit libitum in multas partis discidere ferro, 660 omnia iam sorsum cernes ancisa recenti 624 mortalis: rerb. B* animaest: verb. I. 626 auctum: verb. B? 028 vacare A B vagare B*: verb. Lachm. 982 anima: verb. Pius 688 baud igitur Lachw.: auditum. 644 ab A*: ad 645 dicidit: verb. Jt. 650 rote:

verb. Nice 651 istat: verb. Jt. 057 micanti Lachm.: minunti AC, fehlt B 658 cauda 4*: caude utrumque: tiell. utramque

LIBER TERTIUS. 19

uolnere tortari et terram conspargere tabo, ipsam seque retro partem pelere ore priorem, uolneris ardenti ut morsu premat icta dolore. omnibus esse igitur totas dicemus in illis

665 particulis animas? at ea ralione sequetur unam animantem animas habuisse in corpore multas. ergo diuisast ea quae fuit una simul cum corpore; quapropter mortale utrumque putandumst, in multas quoniam partis disciditur aeque.

670 Praeterea si inmortalis natura animai constat et in corpus nascentibus insinustur, cur super ante actam aetatem meminisse nequimus nec uestigia gestarum rerum ulla tenemus? nam si tanto operest animi mutata potestas,

675 omnis ut actarum exciderit retinentia rerum, non, ut opinor, id ab leto iam longius errat; quapropter fateare necessest quae fuit ante interüsse, et quae nunc est nunc esse creatam.

Praeterea si iam perfecto corpore nobis

eso inferri solitast animi uiuata potestas tum cum gignimur et uitae cum limen inimus, haud ita conueniebat uti cum corpore et una cum membris uideatur in ipso sanguine cresse, sed uelut in caues per se sibi uiuere solam

685 conuenit, ut sensu corpus tamen affluat omne. quare eliam aique etiam neque originis esse putandumst expertis animas nec leti lege solutas. . nam neque tanto opere adnecti potuisse putandumst corporibus nostris extrinsecus insinuatas

690 quod fleri totum contra manifesta docet res: namque ita conexast per uenas uiscera neruos ossaque, uli dentes quoque sensu participentur; morbus ut indicat, et gelidai stringor aquai, et lapis oppressus subitis e frugibus asper

695 nec, lam contextae cum εἰπέ, exire uidentur incolumes posse et saluas exsoluere sese omnibus e neruis atque ossibus articulisque.

662 sequere: verb. I. 665 animas animas: rerb. A! 074 opere animis: verb. Mar. 676 longiter Charis. p. 183 Non. p. 115 680 solita animist: verb. Mar. 685 afluat B 691 uiscera per uenas: verb. B* 693 gelida: verb. I. aquae: verb. B

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T. LUCRETI CABI DE RERUM NATURA

quod si forte putas extrinsecus insinuatam

permanare animam nobis per membra solere,

tanto quique magis cum corpore fusa peribit:

quod permanat enim, dissoluitur, interit ergo:

disperlitur enim per caulas corporis omnis.

αὖ cibus, in membra atque artus cum diditur ommis,

disperit atque aliam naturam sufficit ex se,

sic anima atque animus, quamuis integra recens in

corpus euni, iamen in manando dissoluuntur,

dum quasi per caulas omnis diduntur in arius

particulae quibus haec animi natura creatur,

quae nunc in nostro dominatur corpore nata

ex illa quae tum periit partita per arius.

quapropier neque natali priuata uidetur

esse die natura animae nec funeris expers. Semina praeterea linquontur, necne, animsi

corpore in exanimo? quod si lincuntur et insunt,

haut erit ut merito inmortalis possit haberi,

partibus amissis quoniam libata recessit:

sin ita sincera e membris ablata profugit,

ut nullas partis in corpore liquerit ex se,

unde cadauera rancenti iam uiscere uermes

expirant, atque unde animantum copia tanta

exos et exsanguis tumidos perfluctuat artus? .

quod si forte animas extrinsecus insinuari _

uermibus et priuas in corpora posse uenire

credis nec reputas cur milia multa animarum

conueniant unde una recesserit, hoc tamen est ut

quaerendum uideatur et in discrimen agendum,

utrum tandem animse uenentur semina quaeque

uermiculorum ipsseque sibi fabricentur ubi sint,

an quasi corporibus perfectis insinuentur.

δὲ neque cur faciant ipsae qua reue laborent

dicere suppeditat. neque enim, sine corpore cum sunt,

sollicitae uolitant morbis alguque fameque:

corpus enim magis his uitiis adfine laborat,

et mala multis animus contage fungitur eius.

785 sed tamen his esto quamuis facere utile corpus

702 enim Ji.: ergo 705 quamvis est: verb. Mar. inerg. Mar. 710 tune:

verb. It. 717 sincera ex Faber: sinceris 718 ut 1: οὐ 719 uicere: verb. t.

125

ue, n B priuasi corpore A 733 sollicitatae A algu Nom.

MEER? vo τιν τούσδε αν er —— --

LIBER ΤΕΒΤΊΟΒ. 21

cum subeani: at qua possint uis nulla uidetur. haut igitur faciunt animae sibi corpora et arius. nec tamen est utqui perfeclis insinuentur corporibus: neque enim poterunt suptiliter esse 740 conexae, neque consensus contagia fient. Denique cur acris violentia triste leonum seminium sequitur, volpes dolus, οἱ fuga ceruis patribus datur et patrius pauor incitat artus, et iam celera de genere hoc cur omnis membris 745 ΟΣ ineunte aeuo generascunt ingenioque, si non, cería suo quias semine seminioque vis animi pariter crescit corpore quoque? quod si inmortalis foret et mutare soleret corpora, permixtis animantes moribus essent: 760 effugeret canis Hyrcano de semine saepe cornigeri incursum cerui, tremereique per auras aeris accipiter fugiens ueniente columba, desiperent homines, saperent fera saecla ferarum. illud enim falsa fertur ralione, quod aiunt 755 inmortalem animam mutato corpore fiecti: quod mutatur enim, dissoluitur, interit ergo. traiciuntur enim paries aique ordine migrant; quare dissolui quoque debent posse per artus, denique ut intereant uns corpore cunctae. 760 sin animas hominum dicent in corpora semper - ire humans, tamen quaeram cur e sapienti 162 siulta queat fieri, nec prudens sit puer ullus, 764 nec tam doctus equae pullus quam fortis equi uis. 765 scilicel, in tenero tenerascere corpore mentem confugient. quod si iam fit, fateare necessesi mortalem esse animam, quoniam mutata per artus tanto opere amittit uitam sensumque priorem. quoue modo poterit pariter corpore quoque 770 confirmata cupitum aetatis tangere florem uis animi, nisi erit consors in origine prima? quidue foras sibi uolt membris exire seneotis? an metuit concluss manere in corpore puiri,

786 qua Mar.: que 738 uiqui Munro: ut quicum 740 consensu: verb. Lachm. 148 ceruis ]t.: cernos 748 apaizius: verb. A! 747 quoque AC: toto B 760 sin Pont. Mar.: sic eorpore: verb. B! 7168 746 164 pau- lus: eerb. Nice. 765 mentes Non. p. 181

22 T. LUCRETI CARI DE RERUM NATURA

SUO wt scs TÀI

2 et domus aetatis spatio ne fessa uetusto u 7755 obruat? at non sunt immortali ulla pericla. e = Denique conubia ad Veneris partusque ferarum » 7, esse animas praesto deridiculum esse uidetur: exspectare immortalis mortalis membra innumero numero, certareque praeproperanter τι 780 inter se quae prima potissimaque insinuetur; ' si non forte ita sunt animarum foedera pacta, ut quae prima uolans aduenerit insinuetur prima, neque inter se contendant uiribus hilum. Denique in aethere non arbor, non aequore in alto 785 nubes esse queunt, nec pisces uiuere in aruis, nec cruor in lignis neque saxis sucus inesse. certum ac dispositumst ubi quicquid crescat et insit. sic animi natura nequit sine corpore oriri sola neque neruis et sanguine longius esse. 790 quod si posset enim, multo prius ipsa animi uis in capite aut umeris aut imis calcibus esse possel et innasci quauis in parte soleret, tandem in eodem homine atque in eodem uase manere. quod quoniam nostro quoque constat corpore certum, 795 dispositumque uidetur ubi esse et crescere possit sorsum anims stique animus, tanıo magis infitiandum totum posse extra corpus durare genique. quare, corpus ubi interiit, periise necessest :. confiteare animam distractam in corpore toto. : 800Ὁ quippe etenim mortale aelerno iungere et una : consentire putare et fungi mutua posse desiperest: quid enim diuersius esse putandumst aut magis inter se disiunctum discrepitansque, quam mortale quod est inmortali atque perenni 805 iunctum in concilio saeuas tolerare procellas? prseterea quaecumque manent aeterna necessest sut quia sunt solido cum corpore respuere ictus nec penetrare pati sibi quicquam quod quest artas dissociare intus partis, ut materiai Ä 810 corpora sunt quorum naturam ostendimus ante, ΙΝ aut ideo durare aetstem posse per omnem,

115 iammortali: eerb. A! oder A! 785 nubes V 129: nube 798 periset verb. I. 800 mortalem: verb. Jt. 804 peranni: verb. I. 805 saluas: ver: Mar. 807 ictus A: iectus 4338 809 partiis et materia: richtig V 354

LIBER TERTIUS. 23

plagarum quia sunt expertis sicut inanest, quod manet intactum neque ab ictu fungitur hilum, aut etiam quia nulla loci sit copia circum,

815 quo quasi res possint discedere dissoluique, sicuti summarum summast aelerna: neque extra quis locus est quo diffugiant, neque corpora sunt quae possint incidere et ualida dissoluere plaga. quod si forte ideo magis inmortalis habendast,

820 quod vitalibus ab rebus munita tenetur, aut quia non ueniunt omnino aliena salutis, aut quia quae ueniunt aliqua ratione recedunt pulsa prius quam quid noceant sentire queamus: praeter enim quam quod morbis cum corporis aegret,

825 aduenit id quod eam de rebus saepe futuris macerat inque metu male habet curisque fatigat, praeteritisque male admissis peccata remordent. adde furorem animi proprium atque obliuis rerum, adde quod in nigras lethargi mergitur undas.

830 Nil igitur mors est ad nos neque pertinet hilum, quandoquidem natura animi mortalis habetur. et uelut ante acto nil tempore sensimus aegri, ad confligendum uenientibus undique Poenis, omnia cum belli trepido concussa tumultu

835 horrida contremuere sub altis aetheris oris, in dubioque fuere uirorum ad regna cadendum omnibus humanis esset terraque marique, sic, ubi non erimus, cum corporis atque animai discidium fuerit, quibus e sumus uniter apü,

840 scilicet, haut nobis quiequam, qui non erimus tum, accidere omnino poterit sensumque mouere, non si lerra mari miscebitur et mare caelo. et si iam nostro sentit de corpore postquam distractast animi natura animaeque potestas,

845 nil tamen est ad nos, qui comptu coniugioque corporis atque animae consistimus uniter apti nec, si materiem nostram collegerit aetas post obitum rursumque redegerit ut sita nunc est,

816 extra V 361: exire A exira B 817 suntq.: richtig V 8032: 894 mor- bist: verb. Ar. aegrit: verb. Gif(anius) 826 maceret: verb. I. 829 addi: verb. A? 885 oris Gif.: auris A auras B 844 distractas: τεγὺ. B* 847 materiam AN, -em B

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24 T. LUCRETI CARI DE RERUM NATURA

aique ilerum nobis fuerint data lumina vitae,

850 pertineat quicquam tamen ad nos id quoque factum, interrupta semel cum sit repetentis nostri et nunc nil ad nos de nobis attinet, ante qui fuimus, neque iam de illis nos adficit angor. nam cum respicias inmensi temporis omne

855 praeteritum spatium, tum motus materiai multimodis quam sint, facile hoec adcredere possis, semina saepe in eodem, ut nune sunt, ordine posta

865 haec eadem, quibus e nunc nos sumus, ante fuisse:

858 nec memori tamen id quimus reprehendere mente: inter enim iectast uitai psusa, uageque

860 deerrarunt passim motus ab sensibus omnes. debet enim, misere si forte aegreque futurumst, ipse quoque esse in eo tum tempore, cui male possit accidere: id quoniam mors eximit, esseque probet illum cui possint incommoda conciliari,

ses scire licet nobis nil esse in morte timendum, nec miserum fieri qui non est posse, neque hilum differre an nullo fuerit iam tempore natus, mortalem uitam mors cum inmortalis ademit.

810 Proinde ubi se uideas hominem indignarier ipsum, post mortem fore ut aut putescat corpore posto aut flammis interfiat malisue ferarum, scire licet non sincerum sonere, atque subesse caecum aliquem cordi stimulum, quamuis neget ipse

875 credere se quemquam sibi sensum in morte futurum: non, ut opinor, enim dat quod promittit et unde, nec radicitus e uita se tollit et eicit, sed facit esse sui quiddam super inscius ipse. uiuos enim sibi cum proponit quisque futurum,

880 corpus uti uolucres lacerent in morte feraeque, ipse sui miseret: neque enim se diuidit illim, nec remouet satis a proiecto corpore et illum se fingit sensuque suo contaminat astans:

851 repetentia B repentia AC nostris: verb. Pius 852 et: οἱ, 853 fumus: verb. I. neque erg. Lachm. (nec Mar) adfgit: ve 856 multimodi: verb. It. 865 wm t m. 861 miserest: verb, 803 mors B*: mos B mox A prohibe: eerb. Lachm. 868 an nullo Jt.: Γ᾿ (getilgt A”) anullo A anullo anullo B 871 putes: verb. Av. 878 nosim AN nos sincerum B: eerb. B? 877 radicitius: verb. It. 880 iacerent, Nic. 881 illim A illum BN

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LIBER TERTIUS. 25

hinc indignatur se mortalem esse creatum, 885 nec uidet in uera nullum fore morte alium se, qui possit uiuos sibi se lugere peremptum, stansque iacentem se lacerari uriue dolere. nam si in morte malumst malis morsuque ferarum tractari, non invenio qui non sit acerbum 890 ignibus inpositum calidis torrescere flammis, aut in melle situm suffocari, aique rigere frigore, cum summo gelidi cubat aequore saxi, urgeriue superne obtritum pondere terrae. '[am iam non domus accipiet te laeta, neque uxor 895 optima nec dulces occurrent oscula nati praeripere et tacita pectus dulcedine tangent. non poteris factis florentibus esse tuisque praesidium. misero misere' aiunt 'omnia ademit una dies infesta tibi tot praemia uitae. 900 illud in his rebus non addunt: 'nec tibi earum iam desiderium rerum super insidet una quod bene si uideant animo dictisque sequantur, dissoluant animi magno. se angore metuque. "tu quidem ut es leto sopitus, sic eris aeui 905 quod super est cunctis priustus doloribus aegris: at nos horrifico cinefactum te prope busto insatiabiliter defleuimus, aeternumque nulla dies nobis merorem e pectore demet.' illud ab hoc igitur quaerendumst, quid sit amari 910 tanto opere, ad somnum si res redit atque quietem, cur quisquam aeterno possit tabescere luctu. hoc etiam faciunt ubi discubuere tenentque pocula saepe homines et inumbrant ora coronis, ex animo ut dicant "breuis hic est fructus homullis: 915 iam fuerit, neque post umquam reuocare licebit. tamquam in morte mali cum primis hoc sit eorum, quod sitis exurat miseros atque arida torrat, aut aliae cujus desiderium insideat rei. nec sibi enim quisquam tum se uitamque requirit, 920 cum pariter mens et corpus sopita quiescunt: 886 cui: verb. I. 887 se erg. It. dolore A -rem B: verb. I. 890 tor- reresecere: verb. Jt. 898 obrutum: verb. Pont. Mar. 894 iamiam Ji: amiam AN uimiam B 897 facti: verb. B* 902 quod Nice.: quo 906 cine-

factum Non. p. 93: cinemfactum 908 e B*: οἱ 910 si 43: ἃς 914 fluctus: verb. It. 917 torrat A* BN: torret A torres Lachm. 919 requiret: verb. Rt.

26 T. LUCRETI CARI DE RERUM NATURA

nam licet aeternum per nos sic esse soporem,

nec desiderium nostri nos adficit ullum:

el temen haud quaquam nosiros tunc illa per arius Jonge ab sensiferis primordia motibus errant,

925 cum correptus homo ex somno se colligat ipse. multo igitur mortem minus ad nos esse putandumst; si minus esse polest quam quod nil esse uidemus: maior enim (urba et disieetus materiai consequitur leto, nec quisquam expergitus extat,

930 frigida quem semel est uitai pausa secuta.

Denique si uocem rerum natura repente mittat et hoc alicui nostrum sic increpet ipsa: *quid tibi tanto operest, mortalis, quod nimis aegris luctibus indulges? quid mortem congemis ac fles?

935 nam si grata fuit tibi uita ante acta priorque, et non omnis pertusum congesta quasi in uas commoda perfluxere atque ingrata interiere, cur non ut plenus uitse conuius recedis aequo animogue capis securam, stulte, quielem?

940 sin ea quae fructus cumque es periere profusa, uitaque in offensas, cur amplius addere quaeris, rursum quod pereat male et ingratum occidat omne, non potius uitae finem facis alque laboris? nam tibi praeterea quod machiner inueniamque,

945 quod placeat, nil est: eadem sunt omnia semper. si tibi non annis corpus iam marcet et arius confecti languent, eadem tamen omnis restant, omnis si perges uiuendo uincere saecla, atque etiam polius, si numquam sis moriturus!

950 quid respondemus, nisi iustam intendere litem naturam οὐ ueram uerbis exponere causam?

956 grandior hic uero si jam seniorque queratur

952 aique obitum lamentetur miser amplius aequo,

958 non merito inclamet magis et uoce increpet acri? 'aufer abhinc lacrimas, balatro, et compesce querellas.

956 omnia perfunctus uitai praemia marces:

921 soporem AN praemo B 922 adigit: verb. Lamb. 925 colli Winkelmenn: colligit 928 turba et Goebel: turbae 985 si grata Nauger: εν gratis 941 oftensust Lamb., -δλεῖ 1 ueres 4 (und ı C 943 male B mali AN 948 iacis: verb. Av. 945 placet; : verb. Nice. 941 le l guente ... restat: verb. B* 950 nisi Mar.: 965 umgestellt Lach 954 balatro Heins. w. a.: baratre

LIBER TERTIUS. 21

sed quia semper sues quod abest, praesentia temnis, inperfecta tibi elapsast ingralaque uita, et necopinanti mors ad caput adstitit anie

960 quam satur sc plenus possis discedere rerum. nunc aliena tua tamen aetate omnia mitte aequo animoque, agedum, *magnis concede: necessest.’ iure, ut opinor, agat, iure increpet inciletque: cedit enim rerum nouitate extrusa uetustas

965 semper, et ex aliis aliud reparare necessest. nec quisquam in baratrum nee Tartara deditur atra: materies opus est, ut crescant postera saecla; quae tamen omnia te uita perfuncta sequentur: nec minus ergo antehac quam tu cecidere cadentque.

970 sic alid ex alio numquam desistet oriri, uitaque mancipio nulli datur, omnibus usu.

Respice item quam nil ad nos ante acta uetustas temporis aeterni fuerit, quam nascimur ante. hoc igitur speculum nobis natura futuri

976 temporis exponit post mortem denique nostram. numquid ibi horribile appsret, num triste uidetur quicquam, non omni sommo securius exstat? atque ea, nimirum, quaecumque Acherunte profundo prodita sunt esse, in uit& sunt omnia nobis.

980 nec miser inpendens magnum timet aere saxum Tantalus, ut famast, cassa formidine torpens: sed magis in uita diuom metus urget inanis mortalis, casumque timent quem cuique ferat fors. nec Tityon uolucres ineunt Ácherunte iacentem,

986 nec quod sub magno scrutentur peclore quicquam perpetuam aetatem possunt reperire profecto. quamlibet immani proiectu corporis exstet, qui non sola nouem dispessis iugera membris optineat, sed qui terrai totius orbem,

. 990 non tamen aeternum. poterit perferre dolorem

nec praebere cibum proprio de corpore semper.

sed Tityos nobis hie est, in amore iacentem

quem uolucres lacerant aique exest anxius angor

958 inperfecte: verb. H. 960 discere: verb. Nice. 962 Σ agedum Bi: agendum magnis: iam aliis Mar., dignis Lachm. 964 cedi: verb. B. 9606 dedit B 969 antehae vermute ich: ante haec 988 cumque B 985 quid; verb. Mar. 088 dispersis: verb. Turnebus 992 est B*: es

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28 T. LUCRETI CARI DE RERUM NATURA

aut alis quauis seindunt cuppedine curae. 995 Sisyphus in uita quoque nobis ante oculos est, qui pelere a populo fasces saeuasque secures imbibit, et semper uictus iristisque recedit. nam petere imperium, quod inanest nee datur umquam, aique in eo semper durum sufferre laborem, 1000 huc est aduerso nixantem trudere monte saxum, quod tamen e summo iam uertice rusum uoluitur ei plani raptim petit aequora campi demde animi ingratam naturam pascere semper, atque explere bonis rebus satiareque numquam 1006 quod faciunt nobis annorum tempora, circum eum redeunt fetusque ferunt uariosque lepores, nec tamen explemur uitai fructibus umquam hoe, ut opinor, id est, aeuo florente puellas quod memorant laticem periusum congerere in uas, 1010 quod tamen expleri nulla ratione potestur. Cerberus ei Furiae iam uero, et lucis egestas, Tartarus horriferos erucians faucibus aestus; qui neque suni usquam nec possunt esse profecio: sed metus in uita poenarum pro male faciis 1015 est insignibus insignis, scelerisque luella carcer et horribilis de saxo iactus deorsum verbera carnifices robur pix lammins taedae; quae tamen elsi absunt, δὲ mens, sibi conscia factis, praemetuens adhibet stimulos torquetque flagellis, 1020 nec videi interes qui terminus esse malorum possil nee quae sit poenarum denique finis, sitque eadem metuit magis haec ne in morie grauescant. hie Acherusia fit stultorum denique uita. Hoe eliam tibi tute interdum dicere possis: 1025 "lumina sis oculis etiam bonus Ancus reliquit, qui melior multis quam tu fuit, improbe, rebus. inde alü multi reges rerumque potentes oeeiderunt, magnis qui gentibus imperitarunt. ille quoque ipse, uiam qui quondam per mare magnum 1030 strauit iterque dedit legionibus ire per alium

994 cupedine AB turpedine 4C C cwpedine 2 B* cupp- Pont. 997 tristi que: verb. 999 px simi 001 e erg. Pont. Av 1009 cogere: verb. B* 1010 ulla: rero. rie iH funse: eerb. B* 1015 luells Lachm.:

leela 1016 deorsum Lamb.: eorum 1017 carnificis B lammin: Lochm.: iammina AB lamina B* 1019 torquet Heins., terret Lachm.: torre

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1085

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1065

LIBER TERTIUS. 29

ac pedibus salsas docuit super ire lacunas et contemsit equis insultans murmure ponti, lumine adempto animam moribundo corpore fudit. Scipiadas, belli fulmen, Carthaginis horror, ossa dedit terrae proinde ac famul infimus esset. adde repertores doctrinarum atque leporum, adde Heliconisdum comites; quorum unus Homerus sceptra potitus eadem aliis sopitus quietest. denique Democritus, postquam matura uetustas admonuit memores motus languescere mentis, sponte sua leto caput obuius optulit ipse, ipse Epicurus obit decurso lumine uitse, qui genus humanum ingenio superauit et omnis restincxit, stellas exortus ut setherius sol tu vero dubitabis et indignabere obire? mortua cui uitast prope iam uiuo atque uidenti, qui somno partem maiorem conteris aeui, et vigilans stertis nec somnia cernere cessas, sollicitamque geris cassa formidine mentem, nec reperire potes iibi quid sit saepe mali, cum ebrius urgeris multis miser undique curis aique animi incerto fiuitans errore uagaris.’

Si possent homines, proinde ac sentire uidentur pondus inesse animo, quod se grauitate fatiget, e quibus id fiat causis quoque noscere et unde tanta mali tamquam moles in pectore constet, haut ita uitam agerent, ut nunc plerumque uidemus quid sibi quisque uelit nescire, et quaerere semper commutare locum, quasi onus deponere possit: exit saepe foras magnis ex aedibus ille, esse domi quem pertaesumst, subitoque reuertit, quippe foris nilo melius qui sentiat esse. currit agens mannos ad uillam praecipitanter, auxilium tectis quasi ferre ardentibus instans: oscitat extemplo, tetigit cum limina uillae, aut abit in somnum grauis stque obliuia quaerit,

1081 lucunas AB lac- Β' 1033 insuitans: verb. B? 1088 fugit: verb. Pont. Mar. 1088 potius: verb. Ji. 1089 Democritus Bentl: Democritum 1042 obit Jt.: obiit 1044 restincxit: so A aetherius Lactant. inst. 111 17, 93:

Lamb.

serius

1050 potest ibi quod sit: verb. Lachm. 1052 animo: verb.

1061 domi per quem: verb. It. reuertit erg. Politian 1068 praecipiter: verb.

Nice.

1064 instas: verb. B*

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. T. LUCRETI CARI DE RERUM NATURA LIBER TERTIUS.

aut etiam properans urbem petit aique reuisit.

hoc se quisque modo fugitat, quem, scilicet, ut fit,

effugere haut polis est: ingratis haeret οἱ odit

propterea, morbi quia causam non tenet aeger;

quam bene si uideat, iam rebus quisque relictis

naturam primum studeat cognoscere rerum,

lemporis aeterni quoniam, non unius horae,

ambigitur status, in quo sit mortalibus omnis

aetas, post mortem quse restat cumque manendo. Denique tanto opere in dubiis trepidare periclis

quae mala nos subigit uitai tenta cupido?

certe equidem finis uitae mortalibus adstat,

nec deuitari lecum pote, quin obeamus.

praeterea uersamur ibidem atque insumus usque,

nec nous uiuendo procuditur ulla uoluptas: -

sed dum abest quod auemus, id exsuperare uidetur

cetera: post aliud, cum contigit illud, auemus,

et sitis aequa tenet uitai semper hiantis.

posteraque in dubiost fortunam quam uehat aetas,

quidue ferat nobis casus quiue exitus instet.

nec prorsum uitam ducendo demimus hilum

tempore de mortis nec delibare ualemus,

quo minus esse diu possimus forle perempti.

proinde licet quotuis uiuendo condere saecla:

mors seterns tamen nilo minus illa manebit,

nec minus ille diu iam non erit, ex hodierno

lumine qui finem uitai fecit, et ille,

mensibus atque annis qui multis occidit ante. '

1069 ingratius: verb. Lamb. 1078 aeterni temporis: verb. Pont. Mar.

1084 uita A -tae B: verb. It. hientis: verb. It. 1086 fortuna: verb. Rt. 1088 geliberare:, verb. Pont. Mar. 1089 possumus: verb. B* 1098 uita 4

ΟΟΜΜΗΕΝΤΊΤΑΗ.

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EINLEITUNG.

Lucrez hat den gewaltigen Stoff, den er bearbeiten wollte, in sechs Stücke getheilt, von denen wieder je zwei zusammen gehören: Buch I und II handelt von den Principien alles Seienden, Materie und Raum, sowie von der Zusammensetzung der sichtbaren Körper; Buch III und IV vom Menschen, Buch V und VI vom Weltgebäude und verschiedenen erklärungsbedürftigen Naturphänomenen. Die erste Hälfte des mittleren Haupttheiles, Buch III, ist ganz der Lehre von der Seele gewidmet. Es kann heute als feststehend gelten, dafs Lucrez, wie er das selbst wieder- holt versichert, die Lehre Epikurs völlig rein überliefert oder doch zu überliefern glaubt; im Einzelnen wird der Commentar für das vorliegende Buch den Nachweis zu führen haben, der sich jetzt mit Hülfe der Usenerschen Epicurea leichter und vollständiger geben läfst als dies noch Woltjer in seinem ausgezeichneten Buche Lucreii philosophis cum fontibus comparata thun konnte. Es empfiehlt sich aber, was wir von Epikurs Psychologie wissen, schon hier im Umrisse darzustellen, da eine zusammenhüngende Behandlung der Sache im Commentar nicht möglich ist, alles Einzelne aber nur aus dem Zusammenhange heraus richtig gewürdigt werden kann. Unsere Quellen fliessen hier spärlicher als auf anderen Gebieten des Systems, nicht durch Zufall, sondern weil psychologische Fragen in der Epikurischen Schule überhaupt wenig be- handelt worden sind. Epikur selbst hat sie natürlich in dem grossen Hauptwerke περὶ φύςεως nicht übergangen: aber es wird uns keine einzige hierher gehórigo Monographie von ihm oder seinen Schülern ge- nannt, und von keiner einzigen haben sich in den Herkulanischen Rollen Reste gefunden. Alle psychologischen Fragen rein theoretischer Natur galten für unwesentlich; das Augenmerk richtete sich fast ausschliesslich auf zwei Punkte: auf das Schicksal der Seele nach dem Tode und auf die Lehre von der Wahrnehmung. Diese war einmal für die Kanonik von grundlegender Bedeutung und hatte ausserdem die Aufgabe, gewisse furchterweckende Erscheinungen, z. B. Traumbilder, auf natürlichem Wege zu erklären. Aber auch hier sind die αἰςθητά viel wichtiger als die αἴεθηεις: Epikur handelt im Herodotbrief darüber, ohne noch der Seele mit einem Worte gedacht zu haben, und bei Lucrez werden die eigent- lich psychologischen Probleme der Wahrnehmung nur nebenbei und sehr flüchtig berührt (s. zu 370 ff) Dagegen musste die Frage nach dem jenseitigen Schicksal der Seele nothwendig auch zu eingehenderen Ex- örterungen über ihr Leben im Körper führen, und sehr zu bedauern ist es, dass uns von Philodems Büchern περὶ θανάτου nur das letzte erhalten

Lucretius v. Hurxss. 8

34 EINLEITUNG.

ist, in dem die physischen Probleme kaum mehr gestreift werden. Dass schliesslich auch ethische Fragen auf psychologische Grundlage ge- stellt worden sind, würden wir ohne Lucrez’ Andeutungen (288 ff.) gar nicht wissen, abwohl uns ja ethische Tractate der Schule genug erhalten sind: offenbar ist auch hier nur ganz gelegentlich der Versuch gemacht worden, mit der bis ins Einzelnste ausgearbeiteten má80c-Lehre der Stoa zu wetteifern.

Die sicherste Grundlage unserer Kenntniss ist der von Epikurs eigen Hand herrührende Abriss der Psychologie im Herodotbrief (bei Laertius Diogenes X 63 ff, p. 19, 15 Usener): er heischt vor Allem Erläuterung. Die Schwierigkeiten, die der Brief unserem Verständniss bietet, sind hier ge- ringer als in anderen Partien, aber immerhin grofs genug; die Schuld daran trägt nicht die Nachlässigkeit des Autors. Epikur hat mit grösster Sorg- falt geschrieben und jedes Wort reiflich erwogen, aber er hatte ein Publicum im Auge, dem seine Lehre bereits vertraut war, das durch den Brief nicht lernen, sondern an Gelerntes erinnert werden sollte. Eine erschöpfende Erklärung wird vielleicht durch Useners Glossarium er- möglicht werden: ich darf mich hier auf das Wesentlichste beschränken und lasse auch im Weiteren Alles bei Seite, was für das dritte Buch nicht in Betracht kommt: die Lehre von den Vorstellungsbildern, vom Schlaf und Traum u. s. f.

Diog. Laert. X 63: Μετὰ δὲ ταῦτα dei cuvopüv ἀναφέροντα ἐπὶ τὰς αἰεθήςεις καὶ τὰ πάθη (οὕτω γὰρ f βεβαιοτάτη nicnc Ecran), ὅτι f ψυχὴ εὦμά Ecrı λεπτομερὲς παρ᾽ ὅλον τὸ ἄθροιςμα παρεςπαρμένον, προςεμ- φερέετατον δὲ πνεύματι θερμοῦ τινα κρᾶειν ἔχοντι καὶ πῇ μὲν τούτῳ προςεμφερές, πῇ δὲ τούτῳ᾽ ἔετι δὲ τὸ μέρος (P) πολλὴν παραλλαγὴν εἰληφὸς τῇ λεπτομερείᾳ καὶ αὐτῶν τούτων, εὐμπαθὲς δὲ τούτῳ μᾶλλον καὶ τῷ λοιπῷ ἀθροίεματι (p. 19, 15—20, 4 Us.). “Hierauf mufs man er- kennen, indem man sich auf die Wahrnehmungen und Empfindungen bezieht (denn so wird die Beweisführung am Sichersten sein), dass die Seele ein fein- theiliger Körper ist, ausgesät durch die ganze Anhäufung [des Leibes), am Aehnlichsten einem Hauch, der eine Beimischung von Warmem bat, in einem Punkte jenem, im anderen diesem vergleichbar; sie ist aber ein Theil(?), der, an Feinheit selbst diese noch weit übertreffend, eben dadurch mit dem Rest der Anhäufung mehr mitempfindet.

Dass die Seele ein Körper, nicht etwas Unkörperliches ist, wird 8 61 noch besonders nachgewiesen. Dieser Körper ist also am ehesten vergleichbar πνεύματι θερμοῦ Tiva xpäcıv ἔχοντι, wie sehr genau statt πνεῦμα ἔνθερμον gesagt ist: die Eigenschaft der Wärme entsteht ja durch Beimischung von Würmeatomen. In dieser Wesensbestimmung trifft Epikur mit dem concurrirenden Materialismus der Stoa überein: deren Definition der Seele als πνεῦμα ἔνθερμον ist bekannt. Beiden gemeinsam wird auch der Ursprung dieser Lehre sein: die Seele als Princip des Lebens wird den beiden lebenserbaltenden Faetoren, Lebens- luft und Lebenswärme, angenäbert. In einem Punkte, sz. B. insofern sie dem Körper die Lebenswärme verleiht, ist sie dem θερμόν, im anderen, z B. indem sie ihm die Bewegung ermöglicht, dem πνεῦμα ähnlich,” Die Bestimmung ihres Wesens ist aber für Epikur damit nicht erschöpft: er sagt nicht πνεῦμά &crıv u. & w., sondern πνεύματι TIPOC-

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εμφερέετατον: nothwendig muss also nun gezeigt werden, wodurch sie sich vom warmen Hauche unterscheidet. Das enthält der in der Ueber- lieferung mit Ecrı ὃὲ τὸ μέρος beginnende Satztheil Es fragt sich, ob diese neus Bestimmung der ganzen Seele gilt, so dass sie als μέρος, nämlich des Körpers, bezeichnet würde, oder ob von einem μέρος der Seele die Rede ist. Ich neige der ersteren Auffassung zu. Mit dem μέρος λεπτομερέετατον neben πνεῦμα und θερμόν könnte nur der namenlose Bestandtheil der Seele gemeint sein, über den unten zu sprechen sein wird. Dieser Atomgruppe wird im Folgenden aber mit keinem Worte mehr gedacht, denn p. 21, 1 und 5 ist unter μέρος etwas ganz Anderes zu verstehen; wenn Epikur sie überhaupt erwähnte, so würde er das Wichtigste, dass sie nämlich der eigentliche Träger der Empfindung in der Seele ist, sicher nicht übergangen haben: man erfährt ja so gar nicht, zu welchem Ende dies μέρος überhaupt eingeführt wird. Ich glaube ferner nicht, dass Epikur die Bezeichnung μέρος hier ge- braucht haben würde. Gewiss kann in jedem ἄθροιςμα eine bestimmte Atommenge als μέρος im Gegensatz zum ὅλον bezeichnet werden; aber es würde hier das Missverständniss nahegelegt, als sei von Seelentheilen im Sinne Platons die Rede, und das bat Epikur, wie es scheint (s. zu v. 258), sorgfältig vermioden. Von der ganzen Seele dagegen kann hier sehr wohl gesagt sein, sie sei feintheiliger als das πνεῦμα θερμοῦ τινα κρᾶειν ἔχον, d.h. natürlich als der in der Natur sonst vorhandene und wahrnehmbere warme Hauch; wenn Epikur an anderen Stellen seiner Schriften gelehrt hat (Schol zu $ 61 fr. 311, & unten p. 39), die Seele bestehe aus sehr glatten und runden Atomen, πολλῷ τινι διαφερουςῶν τῶν τοῦ πυρός was sich zweifellos gegen Demokrit richtet —, so werden wir den Unterschied auch wesentlich in der Grösse der Atome suchen müssen. Ferner könnte die Seele hier sehr gut als μέρος τοῦ εὐματος oder ψυχικὸν μέρος bezeichnet sein auf die Herstellung der Worte verziehte ich —: such Lucrez legt auf diese Bestimmung Ge- wicht, sie ist das Erste, was er von der Seele auszusagen hat, III 94 ff. Von der ganzen Seele jedenfalls, nicht von einem ihrer Bestandtheile muss das gleich folgende cuunadec ausgesagt sein: die εὐυμπάθεια zwischen Leib und Seele ist Epikur so wichtig such unten L 18 zieht er zie heran —, dass man sie unbedingt erw&hnt zu finden erwartet. Dadurch (so hat Usener den Dativ τούτῳ erklärt), dass die Seele so ist, wird die cuprtóO€cia zwischen ihr und dem

Leibe erhBhi, d. h. sie können leichter gegenseitig an ihren Em- pfindımgen Theil nehmen. Das kann auf den ersten Blick befremden: man möchte meinen, je gröberer Natur die Seele sei, desto näher stehe sie dem Körper. Aber dem ist nicht so. Die Möglichkeit gemeinsamer Empfindung beruht auf engster Vereinigung: die Seele kann aber nur dadurch sich mit allen, auch den kleinsten Theilchen des Körpers ver- mischen, dass sie selbst so ausserordentlich feintheilig ist. In so fest- z.B, wie Knochen und Zähne, könnten grobe

Atome kaum eindringen. Auf das subtiliter conerum esse von Beele und K legi auch Lucrez grossen Wert, denn auf ihrer engen Verbindung beruht der XEdnfiuss, den die Seele auf den Körper hat: nonme vides eliem, quam agno pondere nobis sustineat corpus. lenwissima vis animai

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propterea. quia (am coniuncla atque. uniter apta. est? (V 556 ff) Das ist aber nur möglich, wenn die Seelenatome perquam minuli sint. So ist z. B. der Blitz penefralior als irdisches Feuer, weil er subtilis magis parvis constat figuris I 385. Andererseits wird die Seele, je feiner und demnach beweglicher ihre Atome sind, um so leichter auch von den leisesten Erschütterungen des Körpers in Mitleidenschaft gezogen. τοῦτο δὲ πᾶν αἱ δυνάμεις τῆς ψυχῆς δῆλον (rroroücı) καὶ τὰ ἂν καὶ P καὶ αἱ διανοήςεις καὶ ὧν crepópevoi θνήεκομεν 20, 4— 6).

‘Dies Ganze machen deutlich die Kräfte der Seele und ihre Em- pfindungen und ihre leichte Beweglichkeit und die Gedanken und das, durch dessen Entfernung wir sterben.’

Die alte Annahme einer Lücke nach δῆλον ist mir wahrscheinlicher als Useners Correctur διῆγον 'erhalten am Leben (imperf. dogmaticum)”: man erwartet einen Beweis für die vorhergehende Behauptung, und diesen giebt Epikur ἀναφέρων ἐπὶ τὰς alcOfceic καὶ τὰ πάθη, wie er es oben versprochen hatte. δυνάμεις, Kräfte oder Eigenschaften, ist die allgemeine Bezeichnung, die dann specialisirt wird: die πάθη der Seele z. B. bei körperlichen Erkrankungen beweisen ihre cuunddeıa mit dem Körper (Lucr. III 463 ff), ihre εὐκινηςίαι καὶ biavorjceic die Kleinheit ihrer Atome (III 182 ff), der Umstand aber, dass wir nur dann sterben, wenn Lebensluft und Wärme den Leib verlassen, ihre Verwandtschaft mit eben diesen Factoren (III 121 ff) So wird das ἄδηλον durch die Schlüsse aus deà φαινόμενα zum δῆλον.

καὶ μὴν καὶ ὅτι ἔχει ψυχὴ τῆς αἰεθήςειυς τὴν πλείετην αἰτίαν, δεῖ κατέχειν" (64) οὐ μὴν εἰλήφει ἂν ταύτην, εἰ μὴ ὑπὸ τοῦ λοιποῦ ἀθροίεματος ἐςτεγάζετό πως. τὸ δὲ λοιπὸν ἄθροιεμα παραςκευάςαν ἐκείνῃ τὴν αἰτίαν ταύτην μετείληφε καὶ αὐτὸ τοιούτου CUUTTWHATOC παρ᾽ ἐκείνης, οὐ μέντοι πάντων ὧν ἐκείνη κέκτηται" διὸ ἀπαλλαγείεης τῆς ψυχῆς οὐκ ἔχει τὴν αἴεθηςειν. (p. 20, 7—18.) |

"Ferner muss man festhalten, dass die Seele die wesentliche Ursache der Empfindung ist; sie würe das aber nicht geworden, wenn sie nicht vom übrigen Körper geschützt würde. Der übrige Körper aber, der jener dazu verholfen hat, zu dieser Ursache zu werden, hat auch seiner- seits Theil an solcher Eigenschaft erhalten, doch nicht an allem, was sie besitzt; weshalb er denn auch, wenn die Seele abgeschieden ist, die Empfindung nicht mehr hat.’

Am Zustandekommen der Empfindung hat die Seele zwar den wesentlichsten Antheil, denn von ihr, nicht vom Körper geht die Em- pfindung aus. Aber allein würde sie doch nicht dazu fähig sein: denn ohne schützende Hülle würde sie auseinander fliessen, wie Wasser aus einem zerbrochenen Gefäfs (Lucr. ΠῚ 484 ff). Diese Hülle ist für sie der Körper, dessen Atome in einander verflochten sind und also ohne äusseren Halt beisammenbleiben; vgl. p. 8, 3 ai δὲ (ἄτομοι) αὐτὸν τὸν παλμὸν (?) ἴεχουειν, ὅταν τύχωςει τῇ περιπλοκῇ κεκλιμέναι «ςτεγαζόμεναι παρὰ τῶν πλεκτικῶν. Der Körper seinerseits hat τοιούτου εὐμπτιύματος παρ᾽ ἐκείνης Antheil erhalten. Die Empfindung heisst hier mit vollem Rechte cüuntwua. Epikur unterscheidet (am Deutlichsten p. 22, 13 ff. 23, 13 ff) die Eigenschaften in cuyefnkóra (nur dies, nicht das Verbum

EINLEITUNG. 81

cuußaiveıv, ist terminus technicus) oder ἀΐδια παρακολουθοῦντα, die von der Natur des Dinges unzertrennlichen, und ςυμπτιύματα, die wechseln- den und zufülligen." Beim Menschen also, dem τοιουτονὶ μόρφωμα μετ᾽ ἐμψυχίας (fr. 310), gehört die Empfindung zu den εὐυμβεβηκότα, denn wenn sie aufgehört hat, ist das μόρφωμα kein Mensch mehr; der Leib dagegen hört nicht auf zu existiren wenigstens nicht sofort —, wenn ihm auch die Seele und damit die Empfindung genommen ist: diese ist also für ihn kein ἀίδιον παρακολουθοῦν. Mit der Empfindung hat aber der Körper nicht zugleich alle Eigenschaften der Seele erhalten: denn wenn dem ΕΟ wäre, so könnte er dann ja auch ohne Seele em- pfinden; er bedarf ja keines creyóZov, und das allein fehlte der Seele. Sondern der Quell der αἴςθηςις bleibt für ihn die Seele, und deshalb verliert er beide zugleich. Das wird im Folgenden weiter begründet:

οὐ γὰρ αὐτὸ ἐν ἑαυτῷ ταύτην ἐκέκτητο τὴν δύναμιν, ἀλλ᾽ ἕτερον ἅμα ευγτεγενημένον (so Usener, ἑτέρω ἅμα ευγγεγενημένω die Hdschr.) αὐτῷ παρεςκεύαζεν, διὰ τῆς ευντελεςθείεης περὶ αὐτὸ δυνάμεως κατὰ τὴν κίνηειν εὐμπτωμα αἰςεθητικὸν εὐθὺς ἀποτελοῦν ἑαυτῷ ἀπεδί- bou κατὰ τὴν ὁμούρηειν καὶ ευμπάθειαν καὶ ἐκείνψ, καθά περ εἶπον (p. 20, 13—18).

‘Denn er besitzt dies Vermögen nicht selbst in sich, sondern etwas Anderes, das mit ihm zugleich entstanden ist, verschafft es ihm, das, sobald es, kraft des bei ihm hergestellten Vermögens, in Bewegung eine Empfin- dungsthätigkeit bei sich vollendet, auch jenem Theil daran giebt gemäss ihrer Nachbarschaft und Empfindungsgleichheit, wie ich schon sagte."

Der Gegensatz zu οὐκ αὐτὸ ἐν ἑαυτῷ ἐκέκτητο kann nur sein 'son- dern es hat es von einem Anderen bekommen’, nicht “sondern es hat es einem Anderen gegeben’. Zudem würde Epikur, der hier die Worte so umsichtig wählt und jedes Wort genau abwügt, kaum sagen, die Seele habe vom Körper die δύναμις erhalten: sie verdankt ihm nur die αἰτία dazu. *Etwas anderes’, nicht, was man erwarten sollte, fj ψυχή, um den Gegen- satz zu αὐτό recht hervorzuheben. Die Seele ist mit dem Körper zu- gleich entstanden, denn der Same ist ψυχῆς καὶ cóparoc ἀπόςπαςμα fr. 329 (Lucr. III 331 u. 8.). Das Folgende ist nicht leicht verständlich. Σύμπτωμα αἰεθ. ἀποτελοῦν ἑαυτῷ (vgl. ser. inc. rt. θεῶν c. 17 Soott Fr. Herc. p. 250: τὸ μὲν παχυμερέετερον καὶ κινεῖν αἴεθηειν δυνάμενον ἀπο- τελεῖ, sc. αἴεθηειν oder εὐμπτωμα αἰεθητικόν) bedeutet wohl nicht das Zustandekommen der Empfindung als stehender Eigenschaft, sondern die Erweckung einer Empfindung im einzelnen Falle: dann führt also, nach- dem das Uebertragen der δύναμις von der Seele auf den Körper be- hauptet war, der Relativsatz aus, wie sich diese Uebertragung immerfort erneuert, so dass die Anwesenheit der Seele daru unbedingt erforderlich ist. Und zwar geschieht das ἀποτελεῖν der Empfindung κατὰ xivncıv, wenn die Seele durch ein von aussen Kommendes bewegt ist (die sensiferi motus bei Lucrez) und διὰ τῆς cuvreAecOe(cnc περὶ αὐτὸ ewc: beim Körper bleibt dagegen die Fähigkeit unvollkommen; er kann sie ja nicht

1) Vergebens hat man versucht, diese Scheidung Epikur trotz seiner aus- drücklichen A n abzusprechen; s. dagegen Natorp Forschungen s. d. Erkenntnisproblems p. 228 ff.

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selbständig verwerten. Möglich wird die Uebertragung durch die un- mittelbare Nachbarschaft, die conéusctio, die zur εὐμπάθεια führt: das war eben in εὐμπαθὲς δὲ τούτῳ μᾶλλον κτλ. angedeutet.

(65) διὸ. δὴ καὶ Evumdpxouca fj ψυχὴ οὐδέποτε ἄλλου τινὸς μέρους ἀπηλλαγμένου ἀναιςεθητήςει" ἀλλ᾽ ἂν καὶ ταύτης ξυναπόληται τοῦ creváZovroc λυθέντος εἴ θ᾽ ὅλου εἴ τε καὶ μέρους τινός, ἐάν περ διαμένῃ, ἕξει (so Usener für ὀξύ) τὴν αἴςθηειν᾽ τό δὲ λοιπὸν ABpoıcua διαμένον καὶ ὅλον καὶ μέρος (so Us. für κατὰ μέρος oder καὶ κατὰ μέρος) οὐκ ἔχει τὴν αἴεθηςιν ἐκείνου ἀπηλλαγμένου, ὅεον ποτὲ écrl τὸ cuv- τεῖνον τῶν ἀτόμων πλῆθος εἰς τὴν τῆς ψυχῆς φύειν (p. 20, 18— 21, 1).

"Deshalb wird auch die Seele, solange sie darin bleibt, nie em- pfindungslos sein, wenn ein anderer Theil abgetrennt ist; sondern, was auch selbst von ihr mit verloren gehen mag, wenn sich die Hülle ganz oder theilweise löst so lange sie selbst fortdauert, wird sie Empfindung haben. Die übrige Anhäufung dagegen hat, wenn sie auch ganz oder theilweise fortdauert, die Empfindung nicht, wenn die Atomenmenge, die zur Bildung der Seelennatur führt, so gross sie nun sein mag, entfernt ist.’

Hier ist zunächst völlig klar, dass die Seele selbst, als ein Körper- theil, den ἄλλα μέρη gegenübersteht. Es genügt, auf Diogenes v. Oinoanda zu verweisen, der fr. 31 Us. nachweist, dass für die Erhaltung des Lebens (und damit natürlich auch der Empfindung) die Seele weit wichtiger ist als der Körper: wenn auch, sagt er, der Körper durch Krankheit so abgenommen hat, dass er sozusagen nur noch aus Haut und Knochen besteht, ὅμως fj ψυχὴ παραμένουεα οὐκ ἐᾷ θνήςκειν τὸ ζῷον. καὶ οὐ τοῦτο μόνον τῆς ὑπεροχῆς cnueióv Ecrıv, ἀλλὰ καὶ χειρῶν ἀποκοπαί, πολλάκις δὲ ἀγκώνων ὅλων f) βάςεεων πυρὶ καὶ εἰδήρψ λῦςαι τὸ ζῆν οὐ δύνανται᾽ τοςοῦτον αὐτοῦ τὸ ψυχικὸν ἡμῶν βαειλεύει μέρος. Da die Seele παρ᾽ ὅλον τὸ ἄθροιςμα ausgestreut ist, gehen Stücke von ihr beim Verluste von Gliedmassen mit verloren: auch das schadet nichts. Ja es könnte das ganze creydZov sich auflösen, und die Seele würde doch Empfindung haben: vorausgesetzt, dass sie dann noch dauern könnte, was freilich, wie im Folgenden gezeigt wird, nicht der Fall ist. Es soll hier durch den Zusatz εἴ θ᾽ ὅλου εἴ τε καὶ μέρους vor Allem betont werden, dass der Körper weder als Ganzes noch in einzelnen Theilen irgend etwas zum eigentlichen Entstehen der Em- pfindung beiträgt: wenn die Seele ohne ihn zu dauern vermöchte, hätte sie Empfindung auch ohne ihn. Dann wird auch durch den Zusatz das folgende καὶ ὅλον καὶ μέρος schärfer hervorgehoben: der Körper mag unversehrt erhalten bleiben; er ist empfindungslos, sobald die nöthige An- zahl von Seelenatomen nicht mehr vorhanden ist Damit ist gesagt. dass ein διαμένειν der Seele unmóglich wird, wenn sie zu grosse Quan- titäten ihrer Atome verliert: davon, dass qualitative Unterschiede unter den Seelenatomen beständen, ist hier nicht die Rede, also auch nicht von einem bestimmten Seelentheile, dessen Entfernung vor anderen tödt- lich wirke.

καὶ μὴν καὶ Avouévou τοῦ ὅλου ἀθροίεματος fj ψυχὴ διαςπείρεται καὶ οὐκέτι ἔχει τὰς αὐτὰς δυνάμεις οὐδὲ κινεῖται, ὥςτε οὐδ᾽ αἴςθηειν κέκτηται. (66) οὐ γὰρ οἷόν τε νοεῖν τὸ αἰςθανόμενον μὴ (ὃν erg. Us.) ἐν τούτῳ τῷ cucrhparı καὶ ταῖς κινήςεςι ταύταις χριύμενον, ὅταν τὰ

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«τεγάζοντα καὶ περιέχοντα μὴ τοιαῦτα jj, ἐν οἷς νῦν oca ἔχει ταύτας τὰς κινήςεις (p. 21, 8—14). |

‘Ferner, wenn sich die ganze Anhäufung auflöst, so wird die Seele zerstreut und hat nicht mehr dieselben Kräfte und bewegt sich auch nicht mehr, so dass sie auch keine Empfindung besitzt. Denn es ist unmöglich, sich das Empfindende zu denken als nicht in diesem Gebilde seiend und als diese Bewegungen habend, wenn das Hüllende und Um- fassende nicht so ist wie das, worin es jetzt sich befindend diese Be- wegungen hat’.

Hier wird nur die Folgerung des früher Gesagten gezogen: die Seele, hiess es oben, würde nicht zur Empfindung gelangt sein, εἰ μὴ ὑπὸ τοῦ λοιποῦ ἀθροίεματος ἐςτεγάζετό πως. Fällt also dies «τεγάζον fort, so fällt auch die Empfindung fort, da die Seelenatome nicht mehr zu- sammenbleiben, sondern sich zerstreuen. Nach κινεῖται ergänzt Brieger. Epikurs Lehre von der Seele (Hallenser Progr. 1893) p. 15 vielleicht richtig τὰς αὐτὸς κινήςεις: hat Epikur nur κινεῖται geschrieben, so hat er damit die Bewegungen der Seele als solcher, im Gegensatz zur Be- wegung der einzelnen Atome gemeint: diese letztere hört natürlich nie auf. Im Folgenden weist Epikur noch ausdrücklich nach, dass die Seele ein Körper sei, da es ausser dem Leeren ein selbständig existirendes Unkörperliches nicht gebe, die Seele aber als activ und passiv Thätiges nichts Leeres sei. Ich brauche das hier nicht auszuschreiben (vgl. III 161 ff.).

Dem Zwecke des Briefes gemäss beschränkt sich Epikur auf das Allernothwendigste. Diese äussersten Umrisse seiner Psychologie werden nun von verschiedenen. Seiten her ergänzt; am Wesentlichsten natürlich durch Lucrez, doch stehen uns für einige Hauptpunkte auch anderweitige Zeugnisse zu Gebote. Zunächst berichtet ein Scholion zu 8 67 (fr. 311) über die Gestalt der Seelenatome λέγει ἐν ἄλλοις καὶ ἐξ ἀτόμων αὐτὴν ευγκεῖςθαι λειοτάτων καὶ ετρογγυλωτάτων, πολλῷ τινι διαφερουςῶν τῶν τοῦ πυρός, Als sehr glatt und rund hatte schon Demokrit die Seelenatome bezeichnet: aber er hatte sie schlechtweg mit denen des Feuers identi- fieirt (ἀπείρων γὰρ ὄντων cynuéruv καὶ ἀτόμων τὰ cpaipocibf) πῦρ καὶ ψυχὴν λέγει Aristot. de an. 404a 1); hierin konnte ihm Epikur nach dem Gesagten nicht folgen: Weiteres s. zu v. 186. Einen Fortschritt Demokrit gegenüber bezeichnet ferner die weitere Angabe des Scholions: xol τὸ μέν Tt ἄλογον αὐτῆς, τῷ λοιπῷ παρεςπάρθαι εὐματι᾿ τὸ δὲ λογικὸν ἐν TD θώρακι, ὧς δῆλον Ex τε τῶν φόβων καὶ τῆς χαρᾶς. Diese Bestimmung, die der Scholiast aus Epikurs eigenen Schriften anführt (λέγει ἐν —W ist in die doxographischen Zusammenstellungen aufgenommen worden (fr. 312): Aet. IV 4, 6 p. 390 D. (Plut. IV 4, 3) Δημόκριτος Ἐπίκουρος διμερῆ τὴν ψυχήν, τὸ μὲν λογικὸν Exoucav ἐν τῷ θώρακι xa&ibpupévov, τὸ δὲ ἄλογον καθ᾽ ὅλην τὴν εύγκριειν τοῦ εαὐματος διεεπαρμένον, und ders. IV 5, 6 p. 391 D. (Plut. IV 5, 2) Παρμενίδης καὶ Ἐπίκουρος (τὸ ἡγεμονικὸν εἶναι) ἐν ὅλῳ τῷ θώρακι, endlich Tertullian de an. c. 15 aus Soran sec in lota lorica pectoris, ut Epicurus (putes τὸ ἧγεμονικόν com cludi). Mit welchem Rechte Plutarch hier neben Epikur Demokrit stellt, ist sehr zweifelhaft. Er widerspricht sich scheinbar selbst, wenn er IV 5, 1 (p. 391 D.) sagt Πλάτων Δημόκριτος ἐν ὅλῃ τῇ κεφαλῇ scil. τὸ ἡγεμονικὸν εἶναι (ἐν ἐγκεφάλῳ Theodoret V 22). Die Angaben lassen sich

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zwar schlecht und recht vereinigen, wenn man sich auf die ps.-demo- kritische Schrift περὶ φύςιος ἀνθρώπου stützt, wo (fr. 6 u. 15 bei ten Brink Philol VIII p.414) das Gehirn φύλαξ διανοΐης, das Herz βαειλὶς ὀργῆς τιθηνός heisst; aber es ist beachtenswerth, dass in den parallelen Excerpten aus Soran bei Tertullian (p. 203 D.) und Pollux (p. 207 D.) Demokrits Name fehlt. Wenn ferner, wie Aristoteles aus- drücklich angiebt, Demokrit einen Unterschied zwischen νοῦς und ψυχή nicht anerkannte ᾿, so ist das die Consequens seiner Erkenntnistheorie, die zwischen Wahrnehmen und Denken keinen principiellen, sondern einen höchstens graduellen Unterschied kannte. Denken und Wahrnehmen hat in ihrer Verschiedenheit zuerst Alkmaion erkannt, die Folgerung auf ver- schiedene Seelentheile scheinen aber erst Spätere gezogen zu haben, und noch Platon teilt die Seele weder in νοῦς und ψυχή noch in λογιςτικόν und ἄλογον: Schüler von ihm haben vielleicht seine Lehre in dieser Richtung weitergebildet. Die sorgfältigere Scheidung der psyschischen Functionen war seit Platon und Aristoteles Gemeingut aller Philosophi- renden geworden: wie die Stos, nimmt also auch Epikur die Theilung der Seele in ein Vernünftiges (das nur dem Menschen, nicht den Thieren zukommt, s. zu v. 296 ff) und Unvernünftiges an; wie die Stoa schreibt er dem vernünftigen Seelentheile nicht nur das vernünftige Denken, sondern auch die Leidenschaften, Furcht und Freude zu; dies in schroffem Gegensats zu Platon und Aristoteles. Aus den körperlichen Empfindungen, die jene Gemüthsbewegungen begleiten, erschliesst er, wie das auch Stoiker thaten, den Sitz des Aoyıcrıxöv in der Brust: aber nicht nur beim λυπεῖςθαι, auch beim λογίζεςθαι soll unsere Empfindung auf die Brust als Ausgangsort. der geistigen Thätigkeit hinwe:sen: so berichtet, in Er- gänzung jenes Scholions, ein weiteres Fragment (318, V.H.? VII 17 col. 22 sq.). Ob nun und wodurch sich das λογικόν vom ἄλογον seiner physischen Beschaffenheit nach unterscheidet, darüber sagen unsere Quellen, auch Lucrez, kein Wort. Es ist immerhin möglich, dass Epikur gemeint hat, die Atome des λογικόν seien noch feiner als die der übrigen Seele?), wie ja wohl auch die Stoiker dem ἧγεμονικόν das feinste πνεῦμα zu- geschrieben haben”): von einem wesentlichen Unterschiede der Zusammen- setzung nach kann nicht die Rede sein.

Neben dieser Eintheilung der Seele nach ihren Functionen steht die Bestimmung ihrer physischen Beschaffenheit. Auch hierin thut Epikur einen grossen Schritt über Demokrit hinaus. Dieser hatte als Haupt- funetion der Seele die Bewegung betrachtet, und sie demgemäss aus den beweglichsten, den Feueratomen, bestehen lassen. Die Einseitigkeit dieser

hat schon Aristoteles getadelt: wenn die glatten runden Atome, fragt er, Ursache der Bewegung sind, bewirken dann dieselben

οὗ δὴ χρῆται τῷ νῷ ὡς dc δυνάμει τινὶ περὶ τὴν ἀλήθει ἀλλοφρονέων. τ die λέγει ψυχὴν καὶ νοῦν. . 2) Doch kann man das auch aus der Theorie von den Vorstellungsbildern, die mur den Geist treff en und "IV Ta) nicht mit vilige Rabatt esctiomen. est et mire mobilis 2m IV 148) nicht mit völliger Bicherhei

3) Bonhöffer ol. N. F. VIII p. 416.

EINLEITUNG. . 41

auch die Ruhe (de anima 106 b 22)? Und seiner einseitigen Bertiek- sichtigung der Bewegung stellt er die ebenso einseitige Berüicksi der Empfindung in der Psychologie des Empedokles u. A. (ebi. 408 b 25). Diese Mängel suchte Epikur zu vermeiden. Er scheint ausgegangen zu sein von der Betrachtung dessen ὧν crepönevor Ovfjcxo- μεν: das war, wie wir sahen, Wärme und Athem: daher der Seelenkörper προςεμφερέετατον πνεύματι θερμοῦ τινα xpüciv ἔχοντι. Wenn aber das πυρῶδες die Würme, das πνευματῶδες Athmung und Bewegung erzeugt, so fehlt noch etwas dem πνεῦμα Entgegenwirkendes, Ruhe Erzeugendes, wie Aristoteles verlangt hatte: das ist die Luft, die ohnehin in den Poren alles Seienden enthalten ist, und um so mehr, je weniger dicht die Atom- verbindung ist. Schliesslich erhob sich aber noch die Frage: wie kommt denn nun diese Atomverbindung, und zwar sie allein von allen, zum Empfindungsvermögen? Für den consequenten Materialisten war auch hierzu ein besonderer Stoff erforderlich; da aber keiner der uns bekannten Stoffe dabei in Frage kommen kann, that Epikur, was ihm allein übrig blieb: er erkannte zwar die Existenz dieses Stoffes an, verzichtete aber darauf, ihn zu benennen. Das ist die Lehre, wie sie uns Aetius IV 3, 11 p. 388}. (fr. 815) überliefert: Ἐπίκουρος (τὴν ψυχὴν) κρᾶμα ἐκ τεττά- puv, ἐκ ποιοῦ πυρώδους, ἐκ ποιοῦ depibbouc, ἐκ ποιοῦ πνευματικοῦ, ἐκ τετάρτου τινὸς ἀκατονομάςτον᾽ τοῦτο δ᾽ ἦν αὐτῷ τὸ αἰεθητικόν. ὧν τὸ μὲν πνεῦμα κίνηςιν, τὸν δὲ ἀέρα ἠρεμίαν, τὸ dE θερμὸν τὴν φαινομένην θερμότητα τοῦ cóparoc, τὸ δ᾽ ἀκατονόμαετον τὴν ἐν ἡμῖν ἐμποιεῖν alcöncıv ἐν οὐδενὶ γὰρ τῶν ὀνομαζομένων ετοιχείων εἶναι αἴςθηειν. Genau dasselbe lehrt Lucrez v. 231 ff., nur dass er die von Aetius genannten Functionen der drei ersten Bestandtheile nicht erwähnt. Von der vierten Substanz sagt er v.248 qua neque mobilius quicquam neque tenwius exstat, nec magis e parvis levibus ex elementis: dies die einzige Angabe über ihr Wesen, die uns überliefert ist.

Wird es auch nirgends ausdrücklich gesagt, so leuchtet doch ein, dass diese Auflösung der Seelenmischung in ihre Bestandtheile nicht das

zu thun hat mit der soeben besprochenen Scheidung der Seele

in zwei Theile. Beide Distinctionen gehen neben einander her. Man

Wendungen bei Lucres und Plutarch: genauere Betrachtung lehrt, dass auch bei ihnen der allein möglichen Auffassung nichts wider- spricht?) Ein xpüpu sus vier Stoffen kann zur zu Stande kommen, wenn die vier verschiedenen Atomgruppen sich völlig durchdringen: bei der Mischung nämlich lösen sich die Stoffe in ihre Atome auf und bilden dann aus sich einen neuen einheitlichen Körper, dem natürlich die Be-

1) So fasst das Verhältniss richtig Zeller III 1, ut Andere haben die beiden Gliederungen mit einander verquickt, indem sie der ψυχὴ den vierten Poll abeprachen und ihn entweder mit dem λογικὸν so x. B.

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sonderheiten der einzelnen Atome fortwirken (fr. 290). Es ist ganz un- denkbar, dass bei einer solchen Mischung eine Gruppe, die namenlose, isolirt von den anderen ihren Sondersitz behaupte. Das ist aber auch durch die Art, wie sich Epikur die Entstehung der Empfindung denkt, aus- geschlossen: der sensifer molus geht von der vierten Substanz aus und wird erst von ihr auf die anderen übertragen (Lucr. III 245 8): sie muss also von allen äusseren Einflüssen zuerst betroffen werden, also auch Epikur denkt sich ja all diese Dinge sehr concret an der Oberfläche des Körpers vertreten sein. Man hat zwar, um dem zu begegnen, einen doppelten sensifer motus sich ausgedacht, der von aussen nach innen führen soll, dort die Empfindung im Geiste erzeugen und sie dann erst wieder zurück an die betroffene Körperstelle lenken von dieser selt- samen Hypothese sagen unsere Quellen kein Wort. Vielmehr wird der ganzen Seele und dem ganzen Körper Empfindung zugeschrieben ohne jede Vermittelung des fireuovixöv: damit diese möglich ist, muss die vierte Substanz durch die ganze Seele, also auch durch den ganzen verbreitet sein. Lucrez betont zum Ueberflusse ausdrücklich, dass eine räumliche Scheidung der vier Atomgruppen nicht möglich sei (v. 264): aber man scheut sich nicht zu behaupten, er, dem doch die Quellen in ganz anderem Maasse zu Gebote standen als uns und der sie doch im Uebrigen mit eindringendem Verständnisse benutzt hat, er habe in dieser ganzen für die Seelenlehre so wichtigen Frage die Meinung Epikurs gröblich verkannt.

Die Angaben Epikurs über die Seelensubstanz im Herodotbrief stehen mit der hier behandelten nicht in Widerspruch, so dass man nicht ge- nöthigt ist, diese einem andern, spätern Zeitpunkie zuzuschreiben, in ihr eine Fortentwickelung der Lehre zu sehen. Denn Epikur beschränkt sich dort eben auf das Allernothwendigste: er nennt das πνεῦμα θερμοῦ τινα κρᾶειν ἔχον als das der Seele Aehnlichste: das Luftartige kann dabei, wie seine Schüler wussten, nicht fehlen, und die vierte Substanz erwähnt er nicht, da er die Empfindung überhaupt nur berührt, soweit das Ver- hältniss von Leib und Seele in Frage kommt. So nennt auch Lucrez v. 121 zunächst nur zwei Stoffe, aer oder ventus, die er hier gleichsetzt, und Wärme: erst v. 231 hören wir das Genauere. In ein und derselben Schrift ist das immerhin auffällig, und da der von den vier Substanzen handelnde Abschnitt auch sonst aus dem Rahmen des Ganzen heraus- zufallen scheint (s. Comm.), ist es naheliegend, hier einen Wechsel der Vorlage anzunehmen!): so erklärt es sich auch, dass das Verhältniss der beiden Gliederungen zu einander mit keinem Worte berührt wird, was sonst doch vielleicht geschehen wäre.

Es ist uns endlich noch eine Nachricht durch Plutarch (adv. Col. 20 fr. 814) überliefert, die zu Bedenken Anlass giebt. Er sagt von den Epikureern: μέχρι τῶν περὶ cópkxa τῆς ψυχῆς δυνάμεων, alc θερμότητα καὶ μαλακότητα καὶ τόνον παρέχει τῷ εὐματι, τὴν οὐείαν ευμπηγνύντες αὐτῆς ἔκ τινος θερμοῦ καὶ πνευματικοῦ καὶ ἀεριύδους οὐκ ἐξικνοῦνται πρὸς τὸ κυριώτατον ἀλλ᾽ Anayopevovcı τὸ γὰρ κρίνει καὶ μνημογεύει καὶ φιλεῖ καὶ μιςεῖ καὶ ὅλως τὸ φρόνιμον xal Aopicrixóv Ex τινός gneav

1) so Brieger δ. a. O.

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ἀκατονομάςτου ποιότητος ἐπιγίνεεθαι. Zunächst werden hier die körper- lichen Functionen von Wind und Luft anders angegeben als bei Aetius. Statt Bewegung und Ruhe steht hier Weichheit und Spannung, μαλακότης καὶ τόνος: die Luft ist offenbar Ursache der uaAaxórmc!), das πνεῦμα, wie bei den Stoikern, des τόνος. Das ist uns aber nur eine willkommene Er- günzung des von Aetius Berichteten: die Wirkung der einzelnen Atom- gruppen beschränkt sich nicht auf je eine einzige, sondern die ausserordent- lich mannigfachen Lebensäusserungen weisen darauf hin, dass innerhalb jeder Gruppe wieder zahlreiche verschiedenartige Untergruppen sich finden, die jede ihre besondere Wirkung ausüben. Das bestätigt auch Lucrez: von ihm hören wir, dass Feuer, Wind und Luft auch in den Gemüthsbewegungen ihre Kraft bethätigen (v.288ff.), ja dass alle Unterschiede der Charactere auf gewisse eigenartig gestaltete Seelenatome zurückgehen (814 ff). Anders steht es mit dem zweiten Theil des Plutarchischen Berichts. Die Thätigkeiten, die hier genannt werden, sind die specifischen Thätig- keiten des λογικόν, wie ja auch Plutarch selbst sagt, wenn er sie als τὸ φρόνιμον καὶ Aoyıcrıröv zusammenfasst. Nach Plutarch müsste man - annehmen, dass der vierte Stoff nur diese Thätigkeiten ausübt, und könnte so wieder darauf kommen, ihn mit dem Geiste zu identificiren. Aber der Bericht ist ja offenbar lückenhaft, denn das Wichtigste, das αἰςθάνε- (θαι, fehlt, ohne das auch ein λογίζεςθαι nicht möglich ist SBtände der Bericht allein, so hätten wir die Wahl, es entweder zu den περὶ cópxa τῆς ψυχῆς δυνάμεις zu rechnen, was wunderbar genug wäre, oder anzunehmen, dass Plutarch es bei der Aufzählung der übrigen geistigeren Thätigkeiten ausgelassen habe: unsere übrigen Berichte gestatten uns nur die zweite dieser Möglichkeiten. Im Uebrigen ist alles in Richtigkeit; nehmen wir z.B. von den Thätigkeiten des λογικόν das Wollen, dessen Entstehung uns Lucrez IV 877 beschreibt: es wird nur dadurch ermöglicht, dass den Geist Bilder, beispielsweise des Gehens, treffen, er also wahr- nimmt: das kann er nur vermöge des vierten Stoffes, also durch diesen ἐπιγίνεται, wenn auch indirect, der Wille.*)

Während Epikur sich in seinem Abriss damit begnfigt, einen einzigen Beweis für die Vergänglichkeit der Seele zu geben, widmet Lucrez diesem Nachweis den ganzen zweiten Hauptabschnitt, reichlich ein Drittel des

mit der vierten Substanz als Erzeugerin des Wahrnehmens, Denkens u. s. w. begnügt hätten: aber damit hätte Epikur zugleich auf die Localisirung des

gen äusserst unwahrscheinlich. Es ist übrigens leicht möglich, dass der Irrthum des Plutarch durch eine Reminiscenz an aristotelische Lehre, oder was man dafür ansah, hervorgerufen wurde; seine Worte stimmen auffällig mit Ciceros Bericht über Aristoteles überein: Tusc. 122 cogitare enim et idere et discere et docere εἰ invenire aliquid et meminisse et tam multa alia, amare odisse cupere timere angi laetari, horum quattuor generum (der Elemente) inesse o Pt

. Hi M. 89 p. 1108. 117.

quintum genus adhibet vacans nomine. 8. dar. Hirzel Rh.

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Buches. Alles Vorhergehende, abgesehen von dem einen Abschnitt über die Seelensubstanz, dient der Vorbereitung, der Rest des Buches ergänst den wissenschaftlichen Beweis durch Bekümpfung der instinctiven Todes- farcht: das Mittelstück ist recht eigentlich der Kern des Ganzen. Der Dichter hat auch ganz augenscheinlich darauf die grósste Mühe ver- wendet; nicht zufällig spricht er gerade am Eingang dieses Capitels (v. 419) von seinem dulcis labor. In wie weit er im Einzelnen seiner Vorlage folgt, lässt sich schwer sagen. Künstlerisch war seine Aufgabe hier schwerer wohl als irgend sonst. Es galt, eine lange Reihe von Argumenten vorzuführen, die doch in letztem Grunde auf ganz wenigen einfachen Sätzen ruhen: nur die grösste Mannigfaltigkeit und Lebhaftigkeit der Darstellung konnte einer sonst unvermeidlichen Ermüdung des Lesers vorbeugen. In wie weit das Lucrez gelungen ist, darüber mag man ver- schieden urtheilen; dass er es und wie er es angestrebt hat, bemüht sich der Commentar zu zeigen. Es wäre ihm ein Leichtes gewesen, die Argumente nach gewissen Gesichtspunkten zu gruppiren und eine ein- heitliche Composition zu schaffen, bei der jegliche Wiederholung vermieden worden wäre: aber mit vollem Rechte hat er von vorn herein darauf ver- zichtet, denn gerade durch die Wiederholung wollte er wirken, und nur der Fülle einzelner φαινόμενα, nicht wenigen abstracten Sätzen traute er volle Ueberzeugungskraft zu. So macht er aus der Noth eine Tugend und entsagt geflissentlich jeder auffälligen Gruppirung: mit einfachem praeterea oder denique lässt er ein Argument auf das andere folgen und erweckt so den Eindruck einer unabsehbar langen Reihe von Gründen, die schliesslich auch den Widerstrebenden überwinden sollen: nam leviter quamvis quod crebro tunditur ictu, cincitur in longo spatio lamen atque labasci. Man erkennt bei näherer Betrachtung, dass die Argumente in zwei Reihen zerfallen (zu 417): Lucrez deutet das nur leise an, um keinen Ruhepunkt in den gleichmässig gegen die Unsterblichkeitslehre geführten Schlägen eintreten zu lassen. Er bringt gelegentlich dasselbe Argument an zwei verschiedenen Stellen, aber in gänzlich veränderter Form, um den Eindruck zu erwecken, als sei es etwas Neues. Aber man irrt sehr, wenn man meint, die Argumente seien in völlig willkürlicher Anordnung oder vielmehr ohne jede Anordnung, wie sie sich gerade darboten, eins nach dem anderen hingeschrieben. Bei schärferem Zusehen entdeckt man, wie planvoll und überlegt der Dichter von einem zum anderen fortschreitet, wie er auch wohl, um jedes für sich wirken zu lassen, nahe Verwandtes absichtlich von einander trennt und neue, weniger auffällige Zusammenhänge herstellt: und man wird sich hüten, dem Dichter das Concept zu verbessern oder das Ganze als eine in völliger Unordnung überlieferte wüste Masse zu betrachten, in der man erst durch zahlreiche Umstellungen die nóthigen “Gesichtspunkte” hervortreten lassen müsse. Gerade in diesem Abschnitte hat man erklärlicher Weise den "Herausgeber" des unvollendeten Gedichtes eine besonders grosse Rolle spielen lassen. Man stellt sich, eine Hypothese Lachmanns erweiternd, vor, Lucrez habe neben dem unvollendeten ganzen Werke auf einzelnen Zetteln eine grosse Anzahl von Bruchstücken hinterlassen, ohne sie in den Zusammenhang einzufügen und dabei die nothwendigen Veränderungen des ursprünglichen Textes vorzunehmen; der Herausgeber habe sie dann einfach an Stellen

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eingeschoben, wo sie ihm gerade passend erschienen. Daraus leitet man sowohl die Berechtigung zu Umstellungen grösserer Parthien wie such dazu her, sich in anderen Füllen bei dem anscheinend mangelhaften Zu- sammenhang zu beruhigen: man schliesst einfach die betreffenden Stellen als extra carminis continuitatem scripla in Klammern ein. Merkwärdiger Weise hat man in den meisten der Fülle, wo sich Lachmann zu jener Annahme gedrängt sah, ihm neuerdings nicht mehr zugestimmt, dagegen eine Menge neuer, von Lachmann nicht bemerkter, zu entdecken gemeint. Ich glaube, mit der Zeit wird man auch hier eine andere Erklärung finden: im dritten Buche wenigstens sehe ich nirgends die Nothwendigkeit, auf die Thätigkeit des Herausgebers zu recurriren. Ein paar Mal ist ein einzelner Vers an falsche Stelle gerathen, natürlich durch Schuld der Ab- sehreiber; im Uebrigen bin ich überzeugt, dass in diesem Buche die Versfolge so wie sie uns überliefert ist von der Hand des Dichters selbst . herrührt. j

Lucrez hielt seine Aufgabe mit dem Nachweis, dass die Seele im Tode vergeht, noch nicht für abgeschlossen. Er wusste, dass es nicht genügt, um die Todesfurcht zu bannen, auf klar formulirte Gründe ein- zugehen, sondern dass weit wichtiger die Gefühle sind, die der Mensch gleichsam instinctiv mit dem Gedanken an den Tod verbindet; und so widmet er diesen dritten Haupttheil tröstendem und mahnendem Zuspruch, der auf alles eingeht, was den Tod gemeinhin furchtbar erscheinen lässt. Wenn Lucrez, wie ich annehme, eine zusammenhängende Lehrschrift oder Lehrvortrag περὶ pücewc seinem Werke zu Grunde gelegt hat, so kann man ziemlich bestimmt behaupten, dass diese ganzen letzten Betrachtungen nicht darin enthalten waren. Sie entnehmen ihr Material, wie sich im Einzelnen nachweisen lüsst, der Trostschriftenliteratur, die wie bekannt in allen philosophischen Schulen des Alterthums Pflege gefunden hat Wir besitzen eine solche sus der Epikureischen Schule in Philodems viertem Buche περὶ θανάτου; weit mehr Berührungen als mit dieser zeigt Lucrez z. B. mit dem wesentlich auf Krantor fussenden παραμυθητικός des Plutarch. Es würe denkbar, dass Lucrez eine derartige Schrift selb- ständig im Geiste Epikurs umgearbeitet habe; aber nichts hindert an- zunehmen, dass auch hier eine brauchbare Epikureische Vorlage existirte. Epikur selbst hat &hnliche Gedanken natürlich in Briefen und anderen Schriften häufig geäussert; wir wissen von einem περὶ τῆς ἩἩΤηςιάνακτος τελευτῆς an dessen Vater und Bruder gerichteten Trostbriefe (fr. 120), aber der einzige Gedanke, den Plutarch daraus citirt, findet sich bei Lucrez nicht, und eine bedentendere Rolle in Epikurs Schriftstellerei hat dieser und haben ähnliche Briefe von ihm sicher nicht gespielt. Ich glaube auch, Epikur hätte es für unter seiner Würde gehalten, die längst be- kannten und abgebrauchten Trostgründe, nach den Anforderungen seines Systems zurechtgestutzt und etwa um den oder jenen vermehrt, in einem für weitere Kreise berechneten παραμυθητικὸς λόγος vorzuführen: dieser Art müsste aber die von Lucrez benutzte Schrift gewesen sein. Der Ton, den Lucrez hier anschlägt, ist dem Gegenstand entsprechend ein ganz neuer, nicht mehr der streng wissenschaftliche des Lehrvortrags, sondern der mit den verschiedensten Kunstmitteln spielende der populären

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Moralpredigt der Diatribenstil, wie wir ihn zu nennen gewohnt sind,

Lucrez bleibt freilich auch hier, gemessen am Batiriker Horaz, der ernste ν Philosoph, der den Dingen auf den Grund geht; aber er scheut sich doch ) nicht (zu 978. 1053), über den unmittelbar vorliegenden Zweck hinaus- u blickend, Betrachtungen einzufügen, die dem Zwecke des ganzen grossen Werkes dienen, der Menschheit die Wege zu zeigen, auf denen man, von Furcht und Kummer befreit, zum wahren Glücke gelangt.

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COMMENTAR

1—30 Prooemium. ‘Du hast es zuerst vermocht, das Dunkel des Lebens zu erhellen: dir folge ich, nicht um mit dir zu wetteifern dazu bin ich zu,schwach —, sondern um dich nachsuahmen. Von dir rührt ja die Lehre her, die der Unsterblichkeit wert ist: denn sie ver- treibt die Schrecken, indem sie das Wesen der Dinge zeigt; sie lehrt, dass die Götter in seliger Ruhe leben, und dass die Unterwelt nicht ist, So die Natur in voller Klarheit enthüllt zu sehn, erfüllt mit höchstem Schauer des Entzückens.’

.Das Prooemium ist dem Preise Epikurs gewidmet, wie die Prooemien des ersten (v. 62f£, das Vorhergehende gilt dem ganzen Gedicht), fünften und sechsten Buches, indirect auch des zweiten; zum vierten hat der Dichter selbst keines geschrieben. Diese Gleichförmigkeit hat ihren guten Grund; der Rhapsode schickt jedem seiner Gesänge ein προοίμιον voraus, und wenn es zur Feier einer Gottheit geschieht, so wird jedes προοίμιον dieser Gottheit gelten, ohne dass die Zuhörer sich über Eintönigkeit be- klagten. So ist jeder Gesang des Lucrez ein Ganzes für sich, wenn auch der Schluss nur beim ersten ausdrücklich als solcher hervorgehoben ist (zu 1094), und jedes Mal von Neuem drängt es den Dichter zum Beginn den zu preisen, der ihm als Gott gilt mit besserem Rechte als Ceres und Bacchus. Viel auffallender ist es sicherlich, wenn Cicero seinen drei Büchern de officiis drei Prooemien gleichen Inhalts vorausgehen lässt, oder wenn Sallust, zweifellos mit vollem Bewusstsein, vor dem Jugurtha nur die Gedanken variiert, die er vor dem Catilina ausgesprochen hatte, Auf den speciellen Inhalt der Bücher haben diese Vorreden eben so wenig Bezug wie die Prooemien des Lucrez: auch das erklärt sich aus der historischen Entwickelung dieses Theiles des poetischen und prosaischen Vortrags. Formell aber gelten sie nicht als selbständige, den Gesängen vorausgeschickte Gedichte: deutlicher noch als in diesem Buche das et v. 31 beweist das die relativische Verknüpfung im fünften v. bb: cuius ego ingressus vestigia.

Ein Hymnus, wie man wohl gesagt hat, ist das Prooemium nicht; von dem Hymnus an Venus, der das Werk eröffnet, sind die laudes, wie Lucrez selbst sie V 3 nennt, sehr verschieden. Mag auch der Weise dem Gotte nahe stehen, τὸν ὕμνον τῷ θεῷ ἀπονέμειν δεῖ, τὸν δὲ ἔπαινον τοῖς ἀγαθοῖς ἀνθράςι hatte Epikur selbst gelehrt (Gnomol Paris. ed. Boissonade aneod. Ip. 122,6) Aber das Lob, das Epikurs Schüler ihrem Meister spendeten, streifte schon σὰ seinen Lebzeiten an Vergötterung, und die Wirkung seiner Persönlichkeit war so mächtig,

48 COMMENTAR

dass sie auch durch Jahrhunderte nicht abgeschwächt wurde. Man empfängt aus Lucrez' begeisterten Worten den Eindruck vollster Ueber- zeugung und unmittelbaren Herzensdranges; er wiederholt zwar dem Gedanken nach und auch in den einzelnen Bildern, was Andere vor ihm gesagt hatten, aber es ist doch ganz sein Eigenes, aus ihm selbst heraus entsprungen. 1 Epikur hat zuerst das Dunkel des Lebens zu erhellen vermocht, d. h. zunächst, er hat Erkenntniss gebracht (I 44 dara fuae possim praepandere lumina menti 1117 ia res accendent lumina rebus): eine altbekannte μεταφορὰ κατ᾽ ἀναλογίαν, *róv νοῦν θεὸς φῶς ἀνῆψεν ἐν τῇ ψυχῇ᾽: ἄμφω γὰρ δηλοῖ τι Arist. rhet. 1411b 12. Aber es ist hier mehr als bloss theoretische Erkenntniss. Mit ibr zugleich ist den Menschen Glück und Freude und Rettung von Qualen aller Art ge- geben. Das liegt in lume» oft, wie ja auch in φῶς. So sind die tenebrae des Geistes dem Luerez zugleich das Unglück des Lebens, II 15 qualibus in tenebris vilae quantisque periclis degitw hoc aevi quod- cumque est, V 11 fluctibus e tantis vitam tantisque tenebris in lam tranquillo et tam clara luce locavit. In diesem Sinne ist Epikur seinen Anhän

die Sonne des Lebens; so Kolotes in seinem von Usener (Epic. p. 145 adn.) hervorgezogenen Ausrof V. H? 1123 A πάρει, Tırav, τὰ ςκζότη máyvra (ἐκγ)δηζλῶν»λ. Epicurus, hoc enim vestrum. lumen. est sagt Cicero de fin. II 22, 70, der ebenso wie Plutareh in seiner Polemik gegen die Epikureer gern deren eigene Worte braucht. Die ganze Anschauung ist characteristisch für das unbedingie Zutranen der Epikureer zur völligen Klarheit und Sicherheit ihrer Erkenntniss (vgl. Cic. n. d. I 8, 18 tum Velleius fidenter sane, wi solent isti, nihil tam verens quom ne dubi- lare aliqua de re videretur, tamquam modo ex deorum concilio el ex Epi- curi intermundiis descendisset and Lauer. V 111 multo certa ratione magis quam Pylhia), vor allem auch zur Möglichkeit, das Wesen der Dinge ganz zu erkennen, wogegen der Skeptiker Cic. Acad. pr. II 39, 112 lehrt: latent ἰδία omnia crassis occullaia et circumfusa tenebris, μὲ nulla acies humani ingenii lanta sit quae penetrare in caelum, terram inirare possit.

extollere ἀνέχειν, Eurip. Med. 482 é&vécyov φάος «ὠτήριον wo. 2 Mit inlustrans bleibt L. im Bilde; vorhanden waren die commoda vitae ja schon, aber erst jetzt erkennt | man sie. So inlusirarc oft als Synonymon von patefacere, vgl. Diogenes v. Oinoanda fr. 40 Us. (Rh. M. 47 p. 454) ἐλευθέραν τὴν ἐν ταῖς ἀτόμοις κίνηειν εἶναι, ἣν Δημόκριτος μὲν οὐχ εὗρεν, Ἐπίκουρος δὲ εἰς φῶς ἤγαγεν. Das Gleiche wie L. rühmen von Epikur seine Anhänger häufig, εἶδε τἀγαθὸν μόνος ἐκεῖνος οἷόν ἐςτιν Damoxenos III p. 350K., μόνος μετ᾽ ἀληθείας τὰ καλὰ ἐγνυκίς Lukian Alex. 61. L. sagt commoda, nicht boma, mit gutem Grunde, so auch z. B.IV 1074 sed potius quae swmé sine poena commoda sumit, dagegen VI 26 erposuitque bommm summum quo lendimus omnes quid fore. Bo unterscheidet Epikur zwischen ἀγαθά und cupqQépovra; es genügt nicht, zu wissen, dass die Lust das höchste und in gewissem Sinne einzige Gut, der Schmerz das höchste Uebel ist: τῇ μέντοι ςυμμετρήςει καὶ εὐμφερόντων καὶ ἀευμφόρων βλέψει (fort. ἐπιβλέψει Us.) ταῦτα πάντα κρίνειν καθήκει (ep. III p. 63, 13), und das ευμφέρον, nicht das ἀγαθόν, ist das eigentliche Object der αἵρεεις (vgl. sent. sel. 81. 36. 37. fr. 442). Für den Stoiker dagegen steht das commodum προηγμέγον weit unter

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dem stets anzustrebenden ἀγαθόν, Sen. ep. 87, 86. 3 Graiae gentis decus: L. nennt Epikurs Namen hier eben so wenig wie in den übrigen Prooemien. Er steht der missbräuchlichen Umschreibung von Individual- namen, wie sie z. B. Juvenal betreibt, völlig fern; Sicilien, das er I 717 nicht nennt, sondern beschreibt, gehórt zu den Dingen qwae versw dicere non est, und so nennt er denn auch Epikur mit Namen da, wo es am Platze ist, III 1042: andere Personennamen gehen vorher (s. zu 1029). Aber der Personenname, der in so vieler tausend Leute Mund ist, hat etwas Triviales, Abgegriffenes; darum vermeidet man ihn im höchsten Stile gern und sucht nach einer Bezeichnung, die das Wesen des Menschen trifft, die voller das ausdrückt, was man bei dem Gedanken an ihn empfindet. Dazu dient hier vor Allem der Relativsatz, aber auch das Prädicat Graiae gentis decus. Man denke, um nur eines zu erwähnen, an das ἀνδρὸς ὃν οὐδ᾽ αἰνεῖν Toicı xaxoicı θέμις in Aristoteles’ Elegie. - Uebrigens braucht L. wie Virgil nur die Form Graius, als dem epischen Stil allein entsprechend, Horaz wechselt je nach Bedürfniss mit Graius und Graecus, Kiessling zu epp. II 1,28. Das einfache segui ist zu wenig, es wird ausgeführt durch isque fuis nunc ... pono; es ist ein vestigiis sequi, Schritt für Schritt geht er ihm nach, und zwar haftet er an den Spuren des Vorgängers, figit vestigia: Cic. pro Best. 5, 18 vestigia non pressa leviter ... sed fixa. Dem hohen Stil gemäss ist die Verschränkung der Worigruppen (wis pressis signis und ficia pedum vestigia, aber auch die alterthümlich ehrwürdige Form ficia (so auch Scaurus bei Diomed. I p. 377 confictus, Varro fictus, adfictus, deficlus r. τ. III 7,4, M 3, 2; 9, IIE 7, 7; so terius sat. 169 u. Plautus Stich. 745 nach Buecheler Rh. M. 45, 159, depultus auct. ad Her. IV 10, 15): L. sagt sonst nur fizus und adfizus. Im Folgenden ist gleich wieder non ila quam für ‘nicht sowohl sondern vielmehr” statt non tam quam singulär (etwas anders IV 1146 vitare non ita difficile est quam captum exire). "Sonst folgt wohl ein Feind dem anderen certandi cupidus auf dem Fusse: ich thue es aus Liebe': man sieht, wie die Metapher seqwor sich zum Bilde ausgestaltet hat. 6 Als imitari bezeichnet L. seine dichterische Thätigkeit mit einem in der römischen Poetik technischen Ausdruck; er verzichtet damit auf die Selbständigkeit im Stoffe, aber durchaus nicht auf die Selbständigkeit der Arbeit, die ihn im Gegentheil mit höchstem Stolze erfüllt; der amor Musarum, quo nunc instinctus mente vigenti acia Pieridum peragro loca nullius ante trita solo (I 924) steht neben dem amor Epicuri, der ihn nur in den Spuren des Meisters zu gehen heisst. quid emim contendat: Theokrit 5,136 οὐ θεμιτόν, Λάκων, ποτ᾽ ἀηδόνα xiccac épícbew οὐδ᾽ ἔποπας κύκνοιει. Die Schwäne als Μουςάων ὄρνιθες, ἀοιδότατοι πετεηνῶν (Kallim. Del. 252) haben die römischen Dichter von den Griechen überkommen, trotz der einheimischen rauci cycni (Virg. Aen. XI 458); cycmi melior camor ille gruum quam clamor L. IV 181 nach Antipater von Sidon A. P. II 47; cycnea mele II 506. An Stelle des schreienden Kranichs oder des krächzenden Raben oder gar der schnatternden Gans, die sonst gern dem Singschwan gegenübertritt, Steht hier aus einleuchtendem Grunde die zwitschernde Schwalbe: sie hat wenigstens nichts Lücherliches. Aber wenn sie in späterer Zeit sogar als Singvogel κατ᾽ ἐξοχήν erscheint (s. Buecheler zum pervig. Veneris p. 46), Lucretius v. TIRINSE. 4

δ᾽. COMMENTAR

so haben wir hier noch die Auffassung, von der aus Aristophanes ran. 93 das Euripideische xeAibóvwv μουςεῖον parodirt; ja vielleicht will L. damit seine φωνὴ βάρβαρος bescheidener Weise gegenüber der Stimme des Graius homo bezeichnen (s. d. Ausl. zu Aesch. Ag. 1050); der Abstand muss, wie der folgende Vergleich zeigt, sehr bedeutend gedacht sein. tremuli heissen die Glieder des Bóckchens, bei dem noch nichts Festigkeit gewonnen hat, iremulis cum vocibus haedi II 367, incipicnt haedi tremulum producere mentum Manil. V 108. Vgl. Ennius ann. 36 excila cum iremulis anus attulit artubus lumen. 9 pater ist nur als Anrede, nicht als Prädicat denkbar; sie kommt einem Gott, aber auch dem zu, in dessen potestas man sich fühlt, auf dessen paíria praecepia man also hört; rexque paterque hat Horaz den Maecen genannt (epp. 17, 37), pater Chrysippus sagt der Stoiker (sat. 13, 126), Ennius pater der Dichter (epp. 119, 1). Wie pater durch tw... suppeditas, so wird rerum inventor durch iuis ez chartis... depascimur erläutert. Lucrez giebt von sich aus die Worte oder carmina, die res hat Epikur gefunden. Damit wird er aber zugleich als εὑρέτης der Wahrheit bezeichnet, denn als Gegensatz zur res schwebt andererseits der täuschende Schein vor; pater veri heisst Epikur Petron. 132, und bei Cleomed. met. II 89, wenn auch ironisch, μόνος καὶ πρῶτος ἀνθρώπιυν τὴν ἀλήθειαν ἐξευρών, vgl. auch Cicero zu v. 14. Aus rerum inventor ergiebt sich ferner, in welchem Sinne der von Vielen vielfach gewendete uralte Vergleich des Dichters mit der Biene, des Gedichts mit dem Honig (musaeo contingere melle I 947) hier gemeint ist: wie die Biene den süssen Stoff aus den Blumen saugt und nur so ihr Gebilde schaffen kann, so schöpfte L. die res, deren natura er besingt, aus den charíae Epikurs. Dazu kommt aber ein weiterer Vergleichspunkt, der durch das betonte omnia hervorgehoben wird: die Biene saugt aus allen Blumen; ὡς ξουθόπτερος yelıcca ευνενέγκαιμ᾽ ἂν ἐκ πάντων γόους Eurip. Herakles 488, μέλιςςαι.. πάντα περικνίξαςθε Anth. Pal IX 226; so lässt sich aus allen den goldenen Worten Epikurs Wahrheit gewinnen. Bei dicía brauchte man hier an keine besondere Absicht des Dichters zu denken, aber es kehrt etwas auf- fallender wieder VI 24 veridicis igitur purgavit pectora dictis V 52 cum ... mulla ac divinitus ... dare dicía suerit: so wird man daran denken dürfen, dass für Epikurs Aussprüche φωναί die stehende Bezeichnung gewesen zu sein scheint; die κύριαι δόξαι gingen auch unter dem Titel "Emxoópou φωναί (Epic. p. 342, 12); Laertius sagt X 26 von seinen Schriften γέγραπται δὲ μαρτύριον ἔξωθεν ἐν αὐτοῖς οὐδέν, ἀλλ᾽ αὐτοῦ eicıv Ἐπικούρου φωναί, Epikur selbst (Spruchsammlung n. 41) μηδαμῇ λήγειν τὰς ἐκ τῆς ὀρθῆς φιλοςοφίας φωνὰς ἀφιέντας, wo Usener *Kern- sprüche” übersetzt; vgl. ferner ep. I p. 4, 7; 9,1. L. bezeichnet alle diese Aussprüche als aurea denn es ist wohl klar, dass er mit diesem Epitheton nicht einzelne aus der Zahl der minder werthvollen heraus- heben will —, und wiederholt in Homerischer Weise (Αἰθίοπας... Αἰθίοπας Tol δίχθα δεδαίαται) dies aurea, um es durch perpeiua semper dignissima vita zu ergänzen: wenn sie ewigen Lebens werth sind, so verdienen sie jetzt und allezeit wiederholt und wiedergegeben zu werden. semper verstärkt das perpeluus, wie V 325 semperque aeterna fucre. Beispiele dieser nur scheinbaren Abundans der Rede giebt Krätsch in seiner guten

VERS $—16. . B1

Arbeit de abundanti dicendi genere Lucreliano p.69 sq. 14 nam: ‘Dieses höchste Lob ist berechtigt, denn...” ratio würden wir hier mit “Philosophie” übersetzen, wie I 51 amimum adkibe veram ad rationem u.0., V 9 vitae rationem invenit. eam quae nunc appellater sapientia; aber auch griechisch würde man λόγος setzen. Von dieser ratio ist ausserordentlich kühn gesagt vociferari naturam: weit mehr als sonare, loqwi, crepare u.&. scheint vociferari transitivzem Gebrauch zu widerstreben. Trotzdem würde man sich über Objecte wie pawca, talia etc. nicht wundern; sie bezeichnen das, was man spricht, nafuram rerum dagegen hier das, worüber die ratio spricht. Man versteht aber so, was L. bezweckt: in Epikurs φωναί ist die nafwra so vollständig und unmittelbar enthalten, dass man sagen darf: sie sind die Natur; er giebt uns nicht Worte oder Gedanken über die Natur, sondern diese selbst. Weit schwächer, was L. I 731 von dem gleichfalls verehrten Empedokles sagt: carmina quin cliam divini pectoris eius vociferantur et exponunt praeclara reperta, μὲ vix humana videatur stirpe creatus. Das starke vociferari ist absichtlich gebraucht; je zuversichtlicher und sicherer der Redende ist, desto lauter spricht er; wenn gerade von Epikur so auf- , fallend häufig clamare (Cic. de fin. 1 18, 57; II 8, 23; 16, 51; V 31, 98; de nat. deor. I 31, 86; 34, 95) und βοᾶν (Athen. VII 280a vgl 2181 Hermarchos bei Ambros. epist. [class. I] LXIII 19 cf. Usener praef. p. XLIII) gebraucht wird, so mag das auf ihn selbst zurückgehen; sagt doch auch sein getreuer Anhänger Diogenes v. Oin. fr. 33 τὴν μὲν ἡδονὴν ἐρῶ καὶ γῦν καὶ del näcıv "ElAncıv ... μέγα ἐμβοῶν τῆς ἀρίετης διαγωγῆς ὑπάρχειν τέλος. Die beseligenden Wirkungen der Lehre treten ein, sobald die ratio nur begonnen hat zu sprechen: gilt doch vom gröfsten Theile der ganzen Lehre, was Epikur (Cic. de fin. 19, 30) von ihrem Hauptgrundsatze rühmt: segat opus esse ralione seque dispulatione . . .

tantum esse satis admonere; Alles leuchtet von selbst ein, sole ipso in- lustriora et clariora (ebd. I 21,71). Göttlich wird der Geist genannt, dem diese Lehre entsprungen ist. Das Beiwort besagt ja im Allgemeinen nicht mehr als decnecıoc, und wie trivial die Bezeichnung deus war, kann man z. B. aus der geschmacklosen Wendung Ciceros de or. II 179 sehen: dispositio argumentorum, in qua iu mihi semper deus videri soles. Aber dass L. hier nicht leichthin spricht, zeigt das Prooemium su B. V, deus ille fuit u.s. f. Es ist bekannt, dass auch hierin die Tradition der Schule fest stand, und dass Epikur selbst diese Ueberschwünglichkeiten, wenn er sie auch als ἐπιθυμήματα ἀφυειολόγητα, d.h. als dem Geiste seiner Lehre widersprechend erkannte, höchstens mit gutmütigem Spott zurückgewiesen hatte (s. Usener zu fr. 141 u. Wiener Stud. X p. 185). 16. Das Erste und Nothwendigste ist, dass der Geist von Furcht befreit werde; erst dann ist überhaupt ein Lebensgenuss möglich. Das einzige Mittel aber, um die (errores animi zu verscheuchen, ist die Philosophie und zwar die φυςιολογία: οὐκ ἦν τὸ φοβούμενον λύειν ὑπὲρ τῶν κυριω- τάτων μὴ κατειδότα τίς fj τοῦ εύμπαντος φύεις, ἀλλ᾽ ὑποπτευόμενόν τι κατὰ τοὺς μύθους sent. sel. XIL So wird diffugiunt. animi terrores erklärt: ‘die Mauern der Welt weichen aus einander, und im ganzen Raume seh’ ich die Dinge sich vollziehn.” Moenia mundi discedunt ist der poetische Ausdruck dafür, dass nichts den Blick des Geistes mehr hindert; noch

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52 COMMENTAR

&nschaulicher heisst es I 72 von Epikur exíra processit longe flammantia moenia mundi alque omne inmensum peragravit mente animogue (vgl. auch IL 1044 1f) Auch das geht wohl auf Epikurische Aussprüche zurfick; so lässt Cicero de n. d. 120, 45 den Velleius sagen dei operam mon desiderarelis si inmensam ei interminalam tin omnes partes magniludinem regionum viderelis, in quam se iniciens animus ci intendens ita late longe- que peregrinatur etc.; de fin. II 31, 102 eius qui innumerabilis mundos infinilasque regiones ... mente peragravisse (vgl. auch de nat. deor. 18,18 oben zu v. 1). Vor Allem verdient Beachtung, was der Bischof Dionysius ironisch behauptet (bei Euseb. praep. XIV 27, 8 fr. 364) τοῦ κόςμου προκύψας Ἐπίκουρος xal τὸν οὐράνιον ὑπερβὰς περίβολον... τοὺς ἐν τῷ κενῷ κατεῖδε θεοὺς καὶ τὴν πολλὴν αὐτῶν ἐμακάριςε τρυφήν. Da haben wir etwas den moenia mundi des L. Entsprechendes. Ohne Bild gesprochen, ist das nach L. in unserer Welt der Aether, V 458 primus se sustulit aether ignifer ...et late diffusus in omnis undique partis omnia sic acido complexu cetera. saepsit und II 1066 qualis hic (mundus) est, avido complexu quem tenet aether, daher flammantia moenia mundi 1 73; dasselbe bezeichnet der Epikureer bei Plut. de plac. philos. I 4 p. 389}. (fr. 308) als οὐρανός, nur dass sein Ausdruck περι- πλεκόμενα (rà εὠματα) δὲ ἀλλήλοις κατὰ τὴν περίκλαειν τὸν οὐρανὸν ἐγέννηςε auf eine feste Schranke schliessen lässt, wie sie Demokrit an- nahm: Aet. II 1, 2 p. 8336 D. Λεύκιππος καὶ Δημόκριτος χιτῶνα κύκλῳ xal ὑμένα Trepıreivoucı τῷ xócuuy διὰ τῶν ἀγκιςτροειδῶν ἀτόμων ευὐμπεπλεγ- μένον, und so, mit einem an L. moenia erinnernden Ausdruck, Parmenides ebd. 1 p. 835 τὸ περιέχον mäcac (τὰς crepávac) τείχους δίκην crepeóv ὑπάρχειν. Epikur selbst sagt (Aet. II 7, 3 fr. 308) ἐνίων μὲν κόεμων ἀραιὸν τὸ πέρας, ἐνίων δὲ πυκνόν, und wird seiner Gepflogenheit gemäss auch für unsere Welt beide Möglichkeiten offen gelassea haben (vgl. ep.1I 88). Alle Dinge bewegen sich im Raum, dem κενόν, ohne das eine Be- wegung überhaupt unmöglich wäre; innerhalb der Welt ist das inane mit Materie angefüllt, ausserhalb ist es inane vacuum. B. über den Begriff bei L. Hoerschelmanns vortreflliche quaestiones Lucrelianae alterae Lips. 1877. Durch das ganze inane also sieht man, nachdem die soenia mundi auseinander gewichen sind, res geri: I 328 corporibus caecis igitur natura gerit res; und so oft. Dabei sieht man die Götter in seliger Ruhe, gänzlich unbekümmert, also auch um uns nicht sorgend, sieht aber nicht die Unterwelt mit ihren Schrecken: da schwinden denn die beiden Hauptanlässe zur Furcht, die Epikur und die Seinigen immer wieder hervorheben. So behandelt L. gleich im Eingange des Gedichts ausführlich I 62— 101 die religio, 102—135 den timor mortis; II 44 religiones .. . mortisque timores u.s.f. Aehnlich wie L. hier, mit Hervor- hebung der supera und infera, spricht Epikur sent. XIII τῶν ἄνωθεν ὑπόπτων καθεςτώτων xal τῶν ὑπὸ γῆς xal ἁπλῶς τῶν ἐν τῷ ἀπείρῳ (totum per inane). Zum ganzen Satz vgl. endlich Cic. Tusc. I 21, 48 soleo saepe mirari nonnullorum insolentiam philosopkorum, qui naturae cogmi- tionem admirantur eiusque inventori et. principi gratias exultantes. agunt ewunque venerantur ut deum; liberatos enim se per cum dicunt gravissimis dominis, ierrore sempiterno εἰ diwno ac nocturno metu: auch hier ist aus Cieero auf Vorlagen des L. zu schliessen, 18 Zwischen den

--πα---“-Ὁ ------.Ἅ.“-:- ——— -....... —M

VERS 16-26. 53

einzelnen Welten ist leerer, oder genauer, an leeren Stellen reicher Raum, μετακόζμιον λέγομεν μεταξὺ xócuwv διάςτημα (Epic. ep. II p. 37): hier wohnen die Götter. L. nennt diese intermundia nie, sondern von den sedes sancíae nur, sie seien nicht in mundi partibus ullis (V 146), sondern mostris sedibus dissimiles. Mit positiven Angaben über die Natur der Götter ist er überhaupt sehr karg. Das ist ihm bei den eigenthümlichen Schwierigkeiten dieses Theiles der Epikurischen Lehre nicht zu verdenken; scheint doch Epikur selbst sich hier sehr zurückhaltend geäussert zu haben und erst die jüngere Schule nicht davor zurlück- gescheut zu sein, die Consequenzen des Systems auch hier bis ins Einzelne zu ziehen (Hirzel Unters. 1172). L. hilft sich hier, um die sedes- quielae (nisi quietum autem nihil beatum est Velleius b. Cicero n. d. I 20, 52) zu schildern, mit einem Homercitati: wo der Epikureer sich an eine landl&ufipe Vorstellung anlehnen kann, versäumt er es nie. Od. 6, 42 vom Olymp ὅθι aci θεῶν ἕδος ἀςφαλὲς αἰεὶ ἔμμεναι" οὔτ᾽ ἀνέμοιει τινάςςεται οὔτε ποτ᾽ ὄμβρῳ δεύεται οὔτε χιὼν ἐπιπίλναται, ἀλλὰ μαλ᾽ αἴθρη πέπταται ἀνέφελος, λευκὴ δ᾽ ἐπιδέδρομεν αἴγλη τῷ ἕνι τέρπονται μάκαρες θεοὶ ἥματα πάντα. Die Naturkräfte werden dem jüngeren Dichter ganz unwillkürlich zu handelnden Wesen, conculiunf adspergunt violat m fegit, und auch sonst drüngt es ihn zur Veranschaulichung; der Schnee heisst acri concrela pruina, ὕδατος πῆξιν λαμβάνοντος διά τινα ἰεχυρὰν yuxpa- ciac mepictacıv Epic. ep. II p. 49 (so concrescere bei L. in B. VI von den μετέωρα häufig), und fällt nicht nur, sondern cana cadens violat: so wird das Unerfreuliche seiner Wirkung ausgemalt. Andererseits besagt auch . large diffuso lumine rident mehr als das Griechische (dem es besser ent- spricht, wenn ridere von den sedes, nicht vom aether ausgesagt wird), vgl Il 1, 362 γέλαςςε δὲ müca περὶ χθὼν χαλκοῦ ὑπὸ crepormfjc Vor Allem aber heischt das homerische τέρπονται Erweiterung, da hierauf für L. der Hauptnachdruck liegt; dass v. 28f. den Göttern, nicht den schauenden Sterblichen gelten, bedarf nicht des Beweises. L. citirt ver- muthlich eine Epikurische φωνή, die uns direct nicht erhalten ist; wohl aber entspricht in der Zweitheilung genau, was der Epikureer bei Plut. de plac. I 7, 7 (p. 300D.) sagt: τὸ μακάριον xai ἄφθαρτον ζῷον, πεπλη- ρωμένον Te πᾶει τοῖς ἀγαθοῖς xal κακοῦ παντὸς ἄδεκτον (das Gleiche stand wohl bei Philod. m. θεῶν α΄ col. 2, Scott Fr. Herc. p. 208), und nach derselben Vorlage Cio. n. d. I 40, 111 suppedilatio bonorum nullo malorum interventu. Völlig bedürfnisslos sind ja die Götter nicht, aber wie den Menschen, als sie noch ὥς τε θεοὶ ἔζωον (Hes. opp. 112), Dike μυρία πάντα παρεῖχε (Arat. 113), so wird den Göttern alles ohne ihr Zuthun, durch ihre eigene natura, ἅπαντες γὰρ (ol θεοὶ) αὐτάρκως ἑαυτοῖς παρα- «κευαςτικοὶ τῆς τελειοτάτης ἡδονῆς eicıv (Philod. m. τῆς τῶν θεῶν δια- γωγῆς V. H.! VI fr. 10). 8.0 stört nichts der Götter Seelenfrieden, auch nicht die Sorge um die Welt und was in ihr ist: τὸ μακάριον καὶ φθαρτον οὔτε αὐτὸ πράγματα ἔχει οὔτε ἄλλῳ παρέχει sent. L

25 Dagegen sieht der alles durchdringende Geist nirgends die Acherusia iempla (so schon 1120 wohl aus den Annalen des Ennius, der auch in der Andromacha fr. 70 sagt Acherusia templa alta Orci), und weiss also, dass sie nicht existiren. Auch ὑπὸ vfjc (s. Epikur sent. XIII zu v. 17) sind sie nicht, wo Viele sie sich vorstellen; man

δ4 COMMENTAR

erinnere sich, dass noch Aristoteles meteor. 855b 32 die Angaben im Platons Phädon. über den Ort des Tartaros wissenschaftlich wi

Die Erde ist kein Hinderniss für den Blick des Geistes: wie weit man also auch die Acherusia templa unter uns in der Tiefe, ja ausserhalb unserer Welt sich denken mag, omnia dispiciuntur sub pedibus quaecunque infra per inane geruntur. Vgl. z. B. Chaleid. in Tim. c. 66 obiectu ferrae solum id hemisphaerium quod. superne fuerit videlur: alterum interim late sub australi polo, quem μέ ait poeta (georg. 1 243) Sub pedibus Styz aira videl. manesque profundi. Aus der ganzen Stelle hat wohl Prudentius die Anregung zu seiner Schilderung der Alles durchdringenden Kraft des Geistes Hamart. 867 ff. geschüpft, s. z. B. v. 905 obiacet interea tellus, mec visibus obstat. 28 ibi weist zurück auf simulac ... coepit vociferari. Bei diesen Enthüllungen erfüllt ihn göttliche Wonne; so erzählt E selbst im Brief an seine Mutter (Rh. M. 47 p. 427) von φάςματα οἷα τὴν διά- Becıv ἡμῶν icóOcov ποιεῖ καὶ οὐδὲ διὰ τὴν θνητότητα τῆς ἀφθάρτου καὶ μακαρίας φύςεως λειπομένους ἡμᾶς δείκνυει. Dazu horror, ehrfurchts-

voller Schauder wie in Götternähe; man citirt Stat. Theb. I 493 Jaefws- que per arius horror iii; auch da empfindet Adrastus das Waltem der Gottheit; so Liv. 116,6 cum perfusus horrore venerabundus adsiilissem bei der Erscheinung des Quirinus, horrendum silvis et religione parentum heisst eg Virg. Aen. VII 172 vom Tempel des Latinus. Also, wie Epikur an Kolotes schreibt (fr. 14) ὡς ςεβομένῳ coi τὰ τότε ὑφ᾽ ἡμῶν Àeyó- μενα προςέπεεεν.

81—93 Einleitung. “Nachdem ich tiber die Eigenschaften der Atome und ihrer Verbindungen gehandelt habe, muss ich nun die Natur der Seele aufhellen und die Todesfurcht vertreiben, die dem Menschen jede Lust trübt (81—40). Denn es behaupten zwar Manche, auch ohne unsere Philosophie allen Seelenaberglauben abgeschüttelt zu haben: kommen sie aber in Gefahr, so zeigt sich's, dass ihr Rühmen eitel Prahlerei war (41—58). Habsucht und Ehrgeiz, die Grundübel der menschlichen n Gesellschaft, werden vor Allem durch die Todesfurcht ge- nährt; manche nehmen sich selbst, aus Todesfurcht, das Leben; sie Met alle Bande der Scham und Pietät (59—86). Nur Naturbetrachtung vermag die Schrecken zu verscheuchen, die uns am hellen Tag erfüllen wie die Kinder in der Dunkelheit (87—93)’. 31 qwoniam docwi recapitulirt den Inhalt des zweiten Buches, wie dann IV 26 aíqwe anime quoniam docwi natura qwid esset den des dritten, vgl. V 59, VI 48. Der zweite Theil des Buches wurde II 333 angekündigt: nunc age, iam dem- ceps cunctarum exordia. rerum. qualia sint εἰ quam longe dislantia formis

; im ersten Theil war ihr aeternus molus beschrieben (volitent ... motu == II 1055); das ganze Buch handelte zugleich über die Entstehung der Atomverbindungen, quo modo possint res creari. Das Letztere wird hier besonders erwähnt und spomíe sua zu volitare hinzugesetzt, um am- zudeuten, dass damit zugleich der Glaube an die Eingriffe einer über irdischen Macht, also die QGötterfurcht, beseitigt werde: der zweite ferrer bleibt nun zu bekämpfen. exordia braucht L. nicht wie primordia als technischen Ausdruck für das Atom, sondern gleich 'Anfang", und dann in der Verbindung cunctarum exordia rerum, wo, wie Munro zu II 338 bemerkt, der Zusatz cwnciarum rerum das prima ersetzt; eimma]

"AME

VERS 35—41. δδ

auch exordia prima III 880. Die Atome sind verschieden an Grösse und Gestalt, ἀπερίληπτα ταῖς διαφοραῖς τῶν εχημάτων, und in ewiger Bewegung, κινοῦνται cuvexüc τὸν αἰῶνα, ohne Anstoss von aussen. 34 ne in der Doppelfrage, directer wie indirecter, bei L. wie bei Plautus (Langen Beitr. 96), auch bei Virgil (Wagner quaest. Verg. XXXVI 5)u. A, ohne disjunetive Kraft. 35 animus und anima werden gleich bei der ersten Erwähnung geschieden: s. darüber zu v. 94. 37 Die Todes furcht ist aus dem Leben zu vertreiben, foras agendus, und zwar prae- ceps, so dass sie keinen Widerstand zu leisten vermag, II 278 invitos coget procedere saepe praecipilesque rapi. Das liegt in der Redensari auch Liv. VIL24. 6. δ (hostes) supina valle praecipites egistis VIII 7, 8 (iuvenis) praeceps ad id ceriamen agitur. Viel häufiger bekanntlich prue- cipilem dare (s. Thielmann, das Verbum dare im Let. p. 116). Man hat, wie Philodem m. θεῶν eol 16. 19. 28 zeigt, in der Epikureischen Schule gestritten, ob die Todes- oder Götterfurcht verderblicher wirke; wenn L. hier Unglück und Frevel wesentlich auf die erstere zurück- führt, so entspricht das seinem nächsten Zwecke; aber auch I 107 ff ist ihm die Todesfurcht das Gefährlichere, ohne das auch dem Schrecken der religio leichter zu widerstehen wäre. Vgl. Torquatus bei Cie. de fin. I 15, 49 morlis mes omnis quielae vilae status. perturbatur. L' Bild turbare funditus ab imo ist wohl vom Wasser entlehnt, das durch Auf- rühren des Grundes getrübt wird; das wirkt auch weiter in colwplalem liquidam puramque “rein, wie ruhiges abgeklärtes Wasser’. Mortis nigrore suffundens (vgl. 304 suffundens caecae caliginis umbram VI 479 [nebulae] suffundunt sua caligime cadum): die Schwürze steigt von unten auf. Schwarze Farbe kommt Allem zu, was mit dem Tode in Beziehung steht, und so auch diesem selbst; mors atra sagt Horas, aber auch mare atrum vom aufgewühlten Meere. segue ullam voluptatem . . . relingwil giebt den zweiten Theil der zu v. 16 eitirten sent. sel XII: (cre οὐκ ἦν ἄνευ φυειολογίας ἀκεραίους τὰς ἡδονὰς ἀπολαμβάνειν.

41 L. wendet sich gegen Leute, die doch ἄνευ gucoloyiac an's Ziel gelangt zu sein behaupten. Die Epikurische Schule hat energisch den Standpunkt vertreten, dass ausser ihr kein Heil zu finden sei; Spuren davon finden sich z. B. in Comparettis Fragm. eth. c. I (Usener Epic. p. XLVII) τῶν εἰρημένζων πρὸς τοὺς ἄγνευ Qilocopí(ac ... τὰ πράξεις κατορθοῦεθαι «qácxovrac, vielleicht auch bei Philod. π. θεῶν e. I 5 Scott p. 207) und in dem von Körte edirten Tractat col V. VII Jahrbb. Suppl XVII p. 581 £.); vgl auch Seneca ep. 82,7 haec (cupi- ditates et timores) quidam pulant ipsos eliam sine philosophia repressisse; sed, cum securos aliquis casus expertus est, exprimitur sera confessio. Ins- besondere aber beschäftigt sich damit des Polystratos Schrift περὶ ἀλόγου xatappovijcewc “über unwissenschaftlichen Hochmuth" (ed. Gomperz Herm. XI p.399), deren Gedanken sich mannigfach mit dem von L. berühren. Auch er hält es für das Wichtigste (Fr. 9°) τὸν ἐκ τῆς ψυχῆς φόβον AOca xal τὴν ὑποψίαν. .. οὐκ fjv Tivechan ἄνεν τοῦ ἐξετάςαντα γνῶναι, ὅτι τὰ παρέχοντα τὴν ταραχήν ἐςτι Ψευδῆ. Diese Erkenntniss gewährt nur die ὀρθὴ quaoloyía: ἐκ yàp ταύτης μόνης τὸ θαρρεῖν βεβαίως καὶ ἀμεταπτώτως γίνεται (οο]. XXI"). Auch er führt Leute vor, die davon nichts wissen wollen nec nosirae rationis egere: "kal τὰρ ἐγὼ

δθ COMMENTAR

τοῦτ᾽ οἶθα καὶ τοῦτο βούλομαι xal τοῦτ᾽ οἴομαι δι᾿ οὗ ἐνεργῶ παρα- «κευάςαςθαι (col. I^ »ᾳ.). Aber es geht ihm wie den Prahlern bei L.: ὄψει τοὺς τὰ τοιαῦτα διαλεγομένους αὐτοὺς πρῶτον δειςιδαιμονοῦντας ἐπὶ τῶν ἔργων, κἄν τι θραςυνόμενοι ἀποτολμήςιυςιν κατὰ τὸν αὑτῶν λόγον πράξει, μεταμελείαις καὶ φόβοις ευνεχομένους (col. II^ sq.). Wie bei L. laudis causa, 80 hier ἄχρις τῆς πρὸς τὸν πληείον δοξοκοπίας, οὐχ ἕως καὶ τῆς αὑτῶν ἀταραξίας τοὺς λόγους ἐποιοῦντο (col. XII. Das alles steht der Gattung der mporperrrixol λόγοι nahe; und da Aehnliches von Epikureischer Seite gewiss oft gesagt worden ist, kann L. sehr wohl aus der von ihm benutzten Vorlage die Anregung zu seiner Auslassung geschöpft haben. ferunt mit acc. c. inf. und bestimmtem Subject scheint selten zu sein; Cic. de har. resp. 10,20 ez gigantibus illis quos poetae ferunt bellum dis inmortalibus intulisse. Hier liegt Etwas wie *ruhmredig behaupten’ darin, wie öfters in ferre mit blossem Accusativ: Liv. praef. 7 ea belli gloria est pop. R., wi cum suum ... parentem Martem . . . ferat, (am et hoc gentes humanae patiantur aequo. animo . . ., IV 45,77 ceríamen subito inter tribunos exorium: se quisque belli ducem poliorem ferre, XXI 41,7. utrum Hannibal hic sii aemulus itinerum Herculis, ut ipse fert; ganz gewöhnlich ist das ja bei prae se ferre. 42 Im Tartarus haust der Tod, daher T. leti: so hat das Virgil verstanden, wenn er georg. IV 481 domus aique intima leli Tarlara verbend; dabei braucht man sich lefwm nicht personificirt zu denken. 43 animae als Dativ, wie Lachmann wollte, ist gegen L.’ Gebrauch; die natura eines Dinges ist kein “Besitz”, wie er durch Aabere oder esse mit dat. ausge- drückt werden könnte. Dagegen ist nicht anzuführen II 817 non certis certa figuris est natura coloris oder 757 si nulla coloris. principiis est reddila natura, denn hier heisst das nicht ‘sie sind nicht Farbe’, sondern ‘sie haben keine Farbe’, I] 737 nullus cnim color est omnino materiai corporibus; und so auch I 682 si ardoris naturam cuncta tenerent. Dann ist aber auch animi hier besser überliefert; und ‘das Wesen der Seele ist das des Blutes’ kann nicht anders heissen als animi nalura sanguinis est (vgl. Woltjer, Jahrbb. 119, 784). Dabei wird man nicht an so fern abliegende Philosopheme wie die des Empedokles oder gar Kritias denken dürfen, wird auch bei venti nicht an die Stoa zu denken brauchen: L. hat Laien im Auge, die als Lebenselement das Blut oder den Athem ansehen. Beides liegt ja sehr nahe, δρέοντες ἀποςφαζομένους τοὺς ἀν- θρώπους καὶ τὸ αἷμα ῥέον ἐκ τοῦ εὐματος, τοῦτο νομίζουειν εἶναι τὴν ψυχὴν τῷ ἀνθριύπῳ Hippocr. de nat. hom. c. 6; noch die Stoa lässt ja die Seelen sich vom Blute nähren, und auch bei L. wird des Blutes Wichtig- keit für die Erhaltung des Lebens betont. Noch nüher lag das Andere: animum alii animam, μὲ fere nosiri. declarat nomen ... ipse autem animus ab anima dictus est Cic. Tusc. I 9, 19; da ist anima nichts Anderes als Hauch, πνεῦμα, ventus bei L.: die Gleichung animus ἄνεμος ist gewiss oft gesetzt worden. Dabei leitet diese Leute keine wissenschaftliche Ueberzeugung, sondern wie es ihnen gerade einfällt, si fert iia forte volunfas, sprechen sie von sangwis und anima. Daher hält denn ihre Ansicht auch nicht Stich: nur der Weise óyerameicruc πέπειςται (fr. 322) 45 non prorsum ganz und gar nicht‘, Madvig de fin. II 5,17, wie v. 1087 »ec prorsum . . demimus hilum fempore de mortis u. &.

VERS 41— 59. 57

48 Wenn die infamis οἷα, die sie mehr als den Tod zu fürchten vorgaben, wirklich da ist, wenn ein crimen (wrpe sie aus dem Vaterland vertreibt und selbst im Auslande aus den Kreisen der Menschen ver- bannt, kurz wenn Unglück aller Art über sie hereingebrochen ist vivont, sie bleiben am Leben (so VI 1207 meiuentes limina leli vive- bant ... et manibus sine nonnulli pedibusque manebant. in vita), und ob- wohl sie von der Materialität, also von der Vergünglichkeit der Seele überzeugt sein wollten, so handeln sie nun doch (famem 51) so, dass man sieht, sie sind im alten Aberglauben befangen: sie bringen Todten- opfer, parentant, glauben also an die Macht der Abgeschiedenen, und zwar thun sie es quocumque venere, während die paremíatio eigentlich nur am Grabe selbst stattfindet; die Bestandtheile der parentatio sind das Widderopfer, migras mactant pecudes, und die Weinspende, inferias mittunt. Ueberhaupt giebt das Unglück der religio, zu der auch der Glaube an die manes divi gehört, vor Allem Macht über den Menschen: deshalb erkennt man seinen Binn am ehesten in dubiis periclis adversis- que in rebus. 57 voz ist bei L. nie Ausspruch oder Aeusserung, wie sonst so häufig, sondern immer φωνή im physischen Sinne, Ton oder Stimme. So eignet es sich hier vorirefflich für die unwillkürlich ge- Busserlen Laute der Wahrheit, und dazu passt auch im folgenden Verse vortrefflich eliciwntur: “sie werden wider den Willen des Betroffenen her- vorgelockt aus der Tiefe der Brust’. In eiciuntur, was Ὁ. a. Lachmann schrieb, läge nichts von dieser Nötigung, sondern etwas von einer Heftig- keit des Aeusserns: die wäre ein überflüssiger, wenn nicht störender Zug im Bilde. εἰ eripitur, nicht deripitur (Brieger), schon aus metrischer Rücksicht; denn, wie Munro introd. p. 13 constatirt hat, lässt Lucrez Wortende nach der zweiten Thesis zwar bedingungslos zu, wenn die beiden ersten Füsse Daktylen sind, nach Daktylus und Spondeus oder zwei Spondeen dagegen nur, wenn ein einsilbiges Wort folgt. Die ein- zige Ausnahme III 527 et membratim vitales deperdere sensum hat ihren besonderen Grund, s. z. St. manet res mit allen Neueren zu schreiben, habe ich Bedenken getragen. Wenn die Maske abgerissen ist, so bleibt die wahre Gesinnung des Menschen zurück: dass man das einfach durch res bezeichnen könne, glaube ich nicht; es ist zu beachten, dass das Bild sehr deutlich als solches empfunden wurde, viel mehr als von uns. Ganz anders Beneca ep. 29, 18 non hominibus (lantum sed rebus persona demenda εἰ reddenda facies sua. Man könnte hier an mala re denken: ‘das Unglück reisst ihnen die Maske ab’.

59 Habsucht und Ehrgeiz, die Grundübel namentlich der Republik Rom, sind die beiden Laster, die vor Allem in römischen Moralschriften stets im Vordergrunde stehen; man erinnert sich vieler Stellen bei Cicero, Horaz, Seneca u. Anderen. Natürlich kämpft auch die griechische Philosophie dagegen: φιλοπλουτία, φιλοδοξία, φιληδονία sind die Cardinallaster der Stoa: das dritte tritt in Epikureischen Kreisen aus einleuchtenden Gründen zurück. Dass L. aber hier nicht aus philosophischen Compendien, sondern aus der Stimmung seiner Zeit geschöpft hat, fühlt man; den Beweis kann Sallust liefern, Catil 10 primo imperii, deinde pecuniae cupido crevit: ea quasi materies omnium malorum fuere. namque avaritia fidem probitatem celerasque artis bonas. subvortit; pro his superbiam

68 COMMENTAR

crudelitatem, deos neglegere omnia venalia habere edocuit. ambitio multos moríalis falsos fieri. subegit, aliud clausum in pectore aliud in lingua promptum habere, amicitias. $nimiciliasque non ex re sed ex commodo aestumare, magisque vollum quam ingenium bonum habere, 61 interdum socios scelerum steigert das Vorhergehende: man kann /imes iuris trans- scendere, ohne sich deshalb an Verbrechen zu betheiligen. scelus ist weit mehr als iniuria u. &; steigernd sagt Cic. de off. III 18, 75 (error) qui fons est fraudium maleficiorum scelerum omnium. minister häufig gerade im tüblen Sinn, als “Helfershelfer’ u. &; Cic. PhiL XII 7,17 in eius socios facinorum el ministros sum semper invectus; X112,29 qui eius crudelissimi et taeterrimi facinoris ministri socii. adiutores fuerunt; Liv. III 57, 3. ministro cubiculi sui; Juven. III 46 me nemo ministro fur erit. 62 praestante laborc: dies ewige Abmühen Tag und Nacht, das gerade Gegentheil der allein erstrebenswerthen quies, würde für den Epikureer schon genügen, um die Leidenschaften als colnera vitae er- scheinen zu lassen; so Torquatus Cic. de fin. I 18, 60 sero sentiunt frustra se aut pecuniae studuisse aut imperiis aut opibus aut gloriae; nullas enim consecunlur coluptates, quarum potiendi spe inflammat multos labores magnosque susceperant. praestante, d. h. sie suchen es Anderen an Anspannung der Kräfte zuvorzuthun; praestantia debent cea dici quae habent. aliquam comparationem Cic. 'Tusc. V 13, 38. 68 Die kühne Be- haubtung, dass die Hauptwurzel auch dieser Uebel die Todesfurcht sei, ist echt Epikureisch; vgl Porphyr. de abst. 154 im Epikureischen Zu- sammenhange (cf. fr. 456. 458. 461—466): εἴπερ δι᾽ ἡδονὴν ἅπτεται κρεωφατγίας, τὸν θάνατον φοβεῖται εὐθὺς γὰρ τῇ crepficer τῶν Bpw- τῶν ευνάπτει ἀορίετου τινὸς δεινοῦ παρουείαν, ἐξ ἧς θάνατος. παρὰ δὲ τὰς τοιαύτας καὶ τὰς ὁμογενεῖς αἰτίας καὶ fj τοῦ Ζῆν ἄπληςτος ὄρεξις γίγνεται καὶ πλούτων καὶ χρημάτων καὶ δόξης, wo auch die Ausführung zu dem bei L. Folgenden stimmt. 65 als turpis contemptus bezeichnen sie das, was dem Weisen ein glückliches λαθεῖν ist, und Armuth erscheint ihnen als acris egestas, ebenfalls thöricht, neque enim est umquam penuria parvi V 1119. Aber ihre Vorstellung einer dulcis vita ist eben irrig, und durch Streben nach Macht denken sie die stabilitas vilae zu ge- winnen: claros homines voluerunt se aique potentes, «t fundamento stabili fortuna maneret V 1120 nach sent. sel. VII ἔνδοξοι xai περίβλεπτοί τινες ἐβουλήθηςαν Tevecda τὴν ἐξ ἀνθρύπων ἀεφάλειαν οὕτω νομίζοντες περιποιήςεςθαι: und wie selten gelingt ihnen das in Wahrheit. Der Abstand der dulcis vita stabilisque vom Tode ist weit: aber contemptus und egesías sind von jener schon semoía und dem Tode näher, ja sie weilen schon vor den Pforten des Todes; wer bei ihnen angelangt ist, wird in Kürze dem Tode selbst verfallen. So erklärt sich, meine ich, cwncfarier einfacher und schöner, als wenn man es mit Lachmann und Munro als substantivirten Infinitiv == cunctatio fasst. Auf der gleichen Vorstellung beruht es ja, wenn Virgil cestibulum ante ipsum primisque in faucibus Orci Sorge und Leid und andere Quälgeister der Menschheit hausen lässt, darunter auch die fwrpis Egestas. leti portae wie I 1112 ianua leti (limen leti II 960): 'Aibao πύλαι. Schon Plaut. Bacch. 367 aperite propere ianuam hanc Orci. Zu remosse wollte Lachmann aus unde ein ea ergänzen; Vahlen hält cs dagegen (ind.lect. 81/89

VERS 59—79. t^ 59

p.14) mit Recht für wahrscheinlicher, dass die beiden Verben gleich- müssig mit unde zu verbinden sind, nach Analogie von Wendungen wie II 106 cetera dissiliunt longe longeque recursant, III 457 gigni pariter pariterque videmus crescere. Wenn er aber se zu effugisse als Subject, zu remosse als Object verstehen will, so scheint es mir näher zu liegen, vielmehr auch removere als Vb. intr. oder reflexivum aufzufassen: 80 brauchen wir auch III 881 nicht neque enim se dividit illim nec removet satis, a proiecto corpore, zu interpungiren und a proi. corp. als Erklärung zu illim zu fassen. L. hat so z. B.III 502 «bi iam morbi reflexit causa IV 1180 in pallam atque Acidensia Ciaque vertunt (auch. revertit als Prüs., zu III 1061) IV 334 redit et convertit codem; Anderes, wie furbare, volvere (freilich nur im Particip V 931) praecipitare ist ja ‚häufig. Man denke an movere ‘aufbrechen’ promovere "vom Fleck kommen’, und vgl. Elters reiche Zusammenstellung all dieser sprachlichen Erscheinungen Rh. M. 41,539, bes. 543. 70 conflant conduplicant malt, wie die —— caedem caede (VI 1237 cumulabat funere funus) das Massenhafte, immer sich Wiederholende: das Material für eine Behandlung der letzteren Figur in Landgrafs Aufsatz Archiv f. lat. Lex. V 1624 --- tristis in gewolltem Widerspruch zu gauden!. Und was ist der Erfolg? statt zur siabilis tita zu gelangen, zittern sie am Tisch der nächsten Verwandten für ihr Leben.

74 So quält, aus gleichem Grund, die Ehrgeizigen der Neid, invidus alterius macrescit rebus opimis Hor. epp. I 2, 57. Wie von invidia oder von macerat ein Acc. 6, inf. abhängen soll, sehe ich nicht: richtig hat man schon vor Lachmann alle folgenden Infinitive als Inhalt der qwestus gefasst. Der Satzeinschnitt nach dem zweiten Fusse wird durch die Elision überbrückt, ist aber auch sonst bei L. nicht unerhört, vgl. z. B. II 586 aique foramina? mullimodis wi noscere possis V 285 quo- cumque accidit. id licet hinc cognoscere possis: Fälle, in denen die Batz- pause noch bedeutender ist als hier. Der Ausgangspunkt der isvidia ist die Furcht, daher ab eodem timore, am nächsten stehend den besonders bei Livius häufigen Wendungen ab ira, ab odio aliquid facere; V 5,8 quis dubitet illos non a cupiditate solum wlciscendé sed etiam necessitate im- posita ... agrum nostrum invasuros. Aber L. Ausdruck ist lebendiger als ein blosses ab eodem timore invident. In Macht und Ansehen steht, wer in den Abzeichen seines Amtes einherschreiten kann: sie müssen das mit ansehen (amie oculos), während sie selbst, nach ihren thöricht übertriebenen Reden, im Dunkel leben, ja sich verachtet im Staube wülzen. Und das Ende ist, dass sie ihr Ziel eben so wenig erreichen wie jene Habgierigen: statt ihr Leben zu sichern, intereunt partim statuarum εἰ nominis ergo, während doch, wie Epikur lehrt (schol za sent. XXIX), crépavoi καὶ ἀνδριάντων ἀναθέςεις zu den ἐπιθυμίαι οὔτε φυεικαὶ οὔτε ἀναγκαῖαι gehören. 79 Manche tödten sich selbst aus Todesfurcht und rennen somit selbst in das, was sie flieben, hinein. Dahin zielende Aussprüche Epikurs hat Seneca ep. 24, 22 zusammengestellt: obiurgat Epicurus non minus eos qui morlem concupiscunt quam eos qui timent, ed ait 'ridiculum est currere ad mortem taedio vilae, cum genere vitae, «d currendum ad mortem esset effeceris'. Item alio loco dicit *'quid tam ridi- culum quam adpetere mortcm, cum vitam inquielam bibi feceris motu mortis". His adicias ct illud ciusdem ποίας licel: "tantam hominum. imprudentiam

-- 2 .

* ^" p m ἢν

60 COMMENTAR

esse, immo demenliam, οὐ quidam limore mortis cogantur ad morlem? (m. 496—498): vgl. ferner ep. III p. 61, 10 ἀλλ᾽ οἱ πολλοὶ τὸν θάνατον τὲ μὲν ὡς pépictov τῶν κακῶν φεύγουειν, ὁτὲ δὲ ὡς ἀνάπαυειν τῶν ἐν τῷ ζῆν (κακῶν αἱροῦνται, wie Usener dem Sinne nach gewiss richtig ergänzt. Die cwrae sind die Folge der cupiditates, καθόλου μὲν γὰρ ὧν οὐκ εἰεὶν ὀρέξεις πραγμάτων, περὶ τούτων οὐδὲ λῦπαι τίνονται (Diogenes v. Oin. fr. 3), die cupiditates aber, wie an den beiden wichtig- sten gezeigt ist, Folgen der Todesfurcht; also ist diese fons curarum. 83 Man hält in dem Satze meist suadet für verdorben und corrigirt fundo, clade, fraude, weil man meint, die Infinitive müssten noch von obliti abhängen, wie foniem esse. So sehr sich das von Seiten der Form zu empfehlen scheint, so sehr verbietet es der Inhalt. Wenn die Selbst- mürder bedüchten, dass ibr Lebensüberdruss nur die Folge ihrer Todes- furcht ist, so würden sie sich vielleicht von ihrem Beginnen abhalten lassen, denn seine Thorheit würde ihnen einleuchten. Aber was in aller Welt soll es ihnen nützen, wenn sie einsehen, dass die Todesfurcht es ist, die alle edleren Regungen im Menschen erstickt? Oder wie soll sie der Gedanke vom Selbstmord zurückhalten? Sie selbst können sich von der Todesfurcht und damit von den curae befreien; aber selbst wenn man zu diesen curae den Gram über die allgemeine Verderbtheit rechnen wollte was sehr unepikureisch gedacht wäre —, so würde jene Einsicht ihn nicht lindern. Es muss also beim suadet der Handschriften bleiben, das Munro mit Recht wiederbergestellt hat: nur dass auch er, wenn er annimmt, es sei ein Vers ausgefallen (etwa: qui miseros homines cogens scelus omne patrare), noch an der engen Verbindung dieses Satzes mit dem vorigen festh&lt. Die beiden haben aber gar nichts mit einander zu thun, sondern mit v. 88 beginnt etwas ganz Neues. Die Todesfurcht, hatte L. gesagt, nährt Leidenschaften, die zu Mühsal und Verbrechen aller Art, ja sogar zum Selbstmord führen: die Todesfurcht fährt er fort ist auch unmittelbar Schuld daran, dass sich alle Bande frommer Scheu lösen. Vezare pudorem (ante, pudor, quam te violo, aut μα iura resolvo Virg. Aen. IV 27; Cic. har. resp. 20, 43 iste deos hominesque, pudorem. pudicitiam ... violavit: vgl. SalL Cat. 5, 8 corrupti civitatis mores, quos .. . luzuria et avaritia vezabant) und rumpere amicitiae vincula (was für den Epikureer natürlich sehr schwer wiegt) kann vom Individuum eben so gut ausgesagt werden wie von der abstracten Macht der Furcht; pielatem everlere, wozu man als Subject allerdings lieber fmor sähe, schliesst sich an das Vorhergehende an; vgl Cic. pro Best. 1, 1 eos qwi omnia divina εἰ hwnana violarint vexarint perturbarint everterint ... alacres laetosque volilare. in summa zusammenfassend und steigernd zugleich: die Lexica und Hand Tursellinus III 264 geben Beispiele. suadet entspricht dem cogwumé v. 60, vgl. VI 1282 multaque res subita d pauperlas horrida suasit. Dass L. nach hunc esse timorem den neuen Satz wieder mit hwnc in ganz anderer Bedeutung beginnt, ist vielleicht nicht sehr geschickt; aber ein wirklicher Anstoss liegt nicht vor. Die partitio ‘dieser hier dieser hier zeigt, dass verare pudorem und vin- cula amicitiae rumpere für L. zwei verschiedene Vergehen sind, die er unter pietatem evertere zusammenfasst: sie sind offenbar als gegen ver- schiedene Personen sich richtend gedacht. Man kann wenigstens annähernd

VERS 79—94. 61

vergleichen Virg. georg. II 505 Aic petit excidiis urbem miserosque Penalis

. hic. siupet attonitus rosiris, hunc plausus hiantem corripwil, wobei zu beachten ist, dass Virgil bei diesem ganzen Passus offenbar I. vor Augen hat, wie gleich das Folgende deutlich zeigt: gaudent sanguine fratrum exsilioque domos εἰ dulcia limina mutant, vgl. auch 490 ff. Bergson's hic .. hic statt hunc .. hunc beseitigt zwar die oben erwähnte Ungeschicklichkeit, verschlechtert aber andererseits stark dureh Einführung der leeren Anaphora. 85 Wenn auch der epikureische Weise sich am Staatsleben nicht betheiligt und die Liebe zwischen Eltern und Kindern als angeborenes Gefühl nicht gelten lässt (fr. 527—529), so verabscheut. er doch das prodere patriam carosque parentis; an Epikur selbst wurde fj πρὸς τοὺς γονέας εὐχαριτία und πρὸς πατρίδα φιλία gewiss mit vollem Rechte gerühmt (Diog. Laert. X 10).

87 —93 Die drei letzten dieser Verse stehen schon I 146 ff, alle sieben auch in den Proömien von Buch IL (55 ff.) und VI (85 ff) 1, hat sich nicht gescheut, selbst längere Parthien wörtlich zu wiederholen, wenn sie ihm an einer anderen Stelle des Gedichtes ebenfalls taugtem (ε. zu 784 und 806); in diesem Falle aber ist die Wiederholung ein Kunstmittel, das dazu dient einen, oder wenn man will den leitenden Gedanken des ganzen Gedichts dem Leser einzuprägen (Aehnliches & zu 519): eine Um- dichtung oder Neudichtung hätte diese Absicht zu nichte gemacht. Natür- lich sorgt der Dichter in jedem Falle für passenden Zusammenhang: so ist hier v. 86 vitare Acherusia templa petenies nachdrücklich an den Schluss gestellt, um eine Ueberleitung zu gewinnen, und die Verse selbst schliessen die ganze Einleitung vortrefflich ab, indem sie gewissermaassen an die ersten Worte des Proömiums wieder anknüpfen und auf die Leuchte der Epikurischen Lehre, die matwrae species ratioque, als einzige Rettung aus den tenebrae des Lebens verweisen. caecis in tenebris gehört zu beiden Satzgliedern. Der Vergleich mit der dlosen Furcht der Kinder dient seit Alters her (vgl. Plat. Phaed. 77d) dazu, die leeren der Menge zu verspotten (s. z. B. Lucilius 400ff. Beneca ep. 4, 2; 24, 14; dial II 5, 2); L. hebt ihn durch die doppelte Anwendung vom femebrae (im eigentlichen und übertragenen Sinne) in eine nene Sphäre: am hellen Tageslicht ist doch der amimus von Dunkel umgeben. rad sols: der eigentliche Ausdruck wird durch den hin metaphorischen lucida tela diei auf das vorliegende Bild bezogen: denn wemm auch ähnliche Bezeichnungen der Sonnenstrahlen, entsprechend ἡλίου Bokel, sonst ohne besondere Absicht gebraucht sein mögen, so ist diese kier doch, wie Bernays zu 1146 bemerkt, gewählt, weil die ἔεδα sonst daza . dienen, wirkliche ierrores zu vertreiben. naturae species gucemc θεωρία ralioque φυςιολογία: das ist die Epikureische Bezeichnung für die wahre Philosophie überhaupt, s. Hirzel Unters. I 155 ff.

94—416 Erster Haupttheil: Die physische Beschaffenheit der Seele und ihr Verhältniss zum Körper.

94—135 ‘Der Geist ist ein Körperteil, wie Hände, Füfse, Angen. Man hat behauptet, die geistige Empfindung sei nicht an einen be- stimmten Theil geknüpft, sondern eine gewisse Verfassung des Körpers, Harmonie genannt, bewirke Leben und Empfindung: mit Unrecht, Dem die Regungen des Geistes sind, wie die Erfahrung lehrt, vom denen des

62 COMMENTAR

übrigen Körpers unabhängig (94—116). Auch eine Seele giebt es im Körper: denn unentbehrlich zum Leben ist uns nur ein ganz bestimmter Bestandtheil des Körpers, Wärme und Luft, nicht so andere Theile. Von der Harmonie also können wir im Weiteren absehen (117—135).’

Man begreift, dafs Epikur sich veranlafst sehen konnte, bevor er Aufschlüsse über das Wesen der Seele gab, deren selbstständige Existenz zu beweisen und die Meinung zu bekämpfen, als sei sie kein καθ᾽ ἑαυτὸ öv, sondern nur eine bestimmte Verfassung oder Resultante, gleichsam die Harmonie des Körpers. Diese Lehre geht auf die älteren Pythagoreer, vielleicht auf Philolaos, zurück: dessen Schüler (Plat. Phaed. p. 61d) Simmias trägt sie im Phaedon 85eff. vor und wird von Sokrates ein- gehend widerlegt. Aber noch Aristoteles spricht von ihren zahlreichen Anhängern (de an. 407b 28), und trotz seiner ausdrücklichen Polemik wandten sich ihr seine eigenen Schüler Aristoxenos (Cic. Tusc. I 10, 19 Lactant. inst. VII 13 de opif. c. 16) und (wenn auf Aetios IV 2, 7 Verlals ist) Dikaiarchos zu; auch Straton, der im Uebrigen abseits vom Peripatos andere Wege ging, sagt ὅτι ὡς ἁρμονία ἁρμονίας óEvrépa καὶ βαρυτέρα, οὕτω καὶ φυχὴ φυχῆς ὀξυτέρα καὶ vwdectepa (Olympiod. in Phaed. p. 142F.), und noch Alerander von Aphrodisias (de an. f. 127v.) verwahrt sich da- gegen, daís die aristotelische Seelenlehre in diesem Sinne gedeutet werde: es ist in der That leicht begreiflich, dass man den schwierigen und nur dem Eingeweihten verstündlichen Begriff der Entelechie durch einen allgemeiner zugünglichen zu ersetzen bestrebt war. Gegen die Peripatetiker seiner Zeit wird sich also Epikur in erster Linie gewendet haben. Lucrez folgt seiner Vorlage: gegen Zeitgenossen kann sich seine Polemik nicht richten, denn sowohl Peripatetiker als Pythagoreer gingen damals in der Psychologie andere Bahnen, und der Arzt Asklepiades, dessen Auffassung der Seele allerdings der hier abgelehnten nahe sieht, konnte für Lucrez nicht in Betracht kommen.

94 primum animum: dem entspricht 117 nunc animam: L. argumentirt für Geist und Seele gesondert. Es kann auffallen, dafs er diese beiden Begriffe einführt, ohne sie zu definiren: er deutet nur die Hauptfunctionen des Geistes an v. 95 ἐμ quo consilium vilae regimenque locatum est, und der Seele in v. 118 neque harmonia corpus sentire solere, Weiteres über ihre Stellung zu einander und ihren Unterschied von einander ergiebt sich erst aus den folgenden Abschnitten. Dies scheinbar unmethodische Verfahren ist aber nicht etwa durch Nachlässigkeit oder künstlerische Rücksichten verschuldet, sondern nach Epikurischer Auffassung das allein Zulässige. Tollit definitiones, sagt Cicero de fin. I 7, 22 von Epikur, und negat definiri rem placere ebd. II 1, 4: insofern mit Recht, als Epikur es allerdings ablehnte, allgemein Bekanntes begrifflich zu definiren (fr. 258): ἀρκεῖν τὰρ τοὺς φυεικοὺς χωρεῖν κατὰ τοὺς τῶν πραγμάτων φθόγγους (fr. 257). So definirt denn z. B. Philodem nicht den Begriff τέχνη, son- dern wil nur kurz daran erinnern τέχνη τί λέγεται κατὰ τὴν ευνήθειαν (rhetor. II p. 37 Sudh. suppl, vgl. ebd. p. 38 Ecrı τοίνυν καὶ λέγεται τέχνη παρὰ τοῖς "EAAncıv). Lucrez hat hier die Epikurischen fermini λογικόν und ἄλογον (s. Einl. p. 89) wiederzugeben: genau entsprechende, pafsende Aus- drücke fanden sich nicht, namentlich hätte ἄλογον nur sehr umständlich übersetzt werden können. Also half sich Lucres mit den allgemein ge-

VERS 94—98. 63

br&uchlichen animus und anima, in manchem Betracht recht glücklich; denn wie Epikurs λογικόν ist der animus nicht nur Sitz des Intellecta, sondern auch des Willens und der Gefühle, der Leidenschaften und Wünsche; und wie das ἄλογον μέρος ist die anima das lebenspendende und leben- erhaltende Prinzip ohne Beziehung auf geistige Thütigkeit. Diese Be- deutungen haben die Worte in der Rede Aller: somit darf und mufs sich der Epikureer eine Definition ersparen. Die Übersetzung hat freilich auch grofse Übelstände, die Lucrez nicht verborgen geblieben sind: besser 815 dem Gegensatze des λογικόν und ἄλογον μέρος τῆς ψυχῆς würde animus und anima dem von νοῦς und ψυχή entsprechen ich glaube nicht, dafs dieser sich bei Epikur gefunden habe: nicht, weil unsere Quellen ihm nicht bieten (die sind zu dürftig, um einen Schlufs ex silentio zu gestatten), sondern weil'Epikur viel Gewicht auf die Einheitlichkeit seines seelischen Princips legt, während νοῦς und wuyf da, wo sie neben einander auftreten, in mehr oder minder schroffem Gegensatze stehen, &uch einem hóheren gemeinsamen Begriffe sich nicht unterordnen. Eben diese gemeinsame Bezeichnung fehlt aber auch Lucrez: dadurch wird er genöthigt, wo die ψυχή zu nennen ist, entweder animus und anima zu verbinden oder der Kürze zu Liebe auf Kosten strenger Genauigkeit unter einem Namen Beides zu umfassen: s. zu 148.421. Als Synonymon von animus führt Lucrez hier gleich mens ein; und beide gebraucht er in der That oft ohne Unterschied; aber eigentlich ist animus der weitere Begriff, mens auf die intellectuelle Seite des animus beschränkt, Cicero de rep. II 40, 67 ea quae late in animis hominum quaeque pars animi mens cocalur. Somit ist die copulative Verbindung mens animusque 142. 898. 402 ebenso. berechtigt wie die subordinirende animi mens consiliumque 615, mens animi vigilat IV 758 etc., während mentis animus unmöglich wäre. Dieselben Wendungen sind übrigens auch sonst geläufig, s. Krätsch a. a. O. p. 30. 95 drückt allgemeiner als das griechische ἡγεμονικόν (s. zu 188) aus, dafs der Geist die gesammte Lebensführung des Menschen beherrsche. . consilium steht 450 neben animi vis, 615 neben mens, auch Cicero braucht es oft in gleichem Sinne, z. B. de nat. deor. Π 6, 17 rationem dico et, si placet pluribus verbis, mentem, consilium, cogitationem, prudentiam. Am Nächsten steht ppóvncic, von Aristoteles rhet. 1366 b 20 definirt als ἀρετὴ διανοίας καθ᾽ ἣν εὖ βουλεύεεθαι δύνανται περὶ ἀγαθῶν καὶ κακῶν τῶν εἰρημέ- γῶν elc εὐδαιμονίαν. 96. hominis pars, μέρος τοῦ εὐματος ist die Seele nach Epikur, s. Einl p. 38. Ohne den Namen zu nennen, erwähnen diese Auffassung Alexander de an. f 145v. ἔτι εἰ εὦμα f ψυχή, πῶς μετέχει τὸ cüpa τῆς ψυχῆς: καὶ πῶς écriv ψυχὴ ἐν αὐτῷ; A yàp dic μέρος Écrat etc, und Jamblichos Tr. ψυχῆς bei Stob. ecl. Ip. 882W. oi δὲ... ὡς... μέρος τὴν ψυχήν qacv εἶναι ἐν ὅλῳ τῷ Zi. Das ist wichtig auch für die Sterblichkeit der Seele, s. 548ff. Und zwar ist der Geist nur hominis pare (zu 299), während die übrigen Körpertheile jedem animagı, beseelten Wesen, zukommen. Ein oder mehrere Verse, worin die Vertreter der bekämpften Lehre bezeichnet waren, sind ausgefallen. 98. 'Die geistige Empfindung sei an keinen bestimmten Theil gebunden' wie 104 ‘sie lokalisiren die geistige Empfindung nicht’ bezeichnet genauer als 101 nulla cum in parte siet mens das Gemeinte: denn pars bedeutet

[ d .-

64 COMMENTAR .

nicht eine 'Stelle des Körpers, sondern wie in esse hominis partem wirklich einen '"Theil' des Körpers, eben den animus in Lucrez’ Sinne: in diesem ist der sensus animi, wie im Auge der sensus videndi, wührend ihn die Gegner dem ganzen Körper zuschreiben. Viel ungenauer sagt z.B. Cicero Tusc. 122, 51 von ihnen: nullum omnino animum esse dixerunt, wo mindestens ein per se hinzuzufügen wäre. 99 “sondern das was uns leben und empfinden lasse” ganz unbestimmt, daher das Neutrum quod ‘sei ein habitus vitalis, ἕξις ζωτική, des Körpers’: so Sextus adv. math. VII 349 oi μὲν μηδέν φαεῖιν εἶναι αὐτὴν (sc. τὴν ψυχήν) παρὰ τὸ πῶς ἔχον εῶὦμα, καθάπερ Δικαίαρχος. Übrigens haben wohl weder Aristoxenos noch Dikaiarchos die Seele direct eine Harmonie ge- nannt: von diesem ist der Ausdruck in unseren besten Berichten über- haupt nicht, sondern nur in der knappen Angabe des Aetios IV 2, 7 (die Ausführung bei Nemesios kommt nicht in Betracht) überliefert; Aristoxenos aber hat nach Cicero wie nach Lactanz die Harmonie der Saiten nur zum Vergleich herangezogen, ebenso wie das bei Platon Simmias thut: 87b sagt Kebes ausdrücklich εἰκόνος γάρ τινος ὥςπερ Σιμμίας δέομαι. Aber freilich sieht dort schon Sokrates in seiner Wider- legung von dieser Einschränkung ab, und die gangbaren Handbücher vollends haben auf derartige Feinheiten nicht geachtet. 101 mulla cum in parie siet mens giebt zwar sachlich nichts Neues; aber die Negirung der selbständigen Existenz des Geistes ist ein so wesentlicher Bestandtheil der Lehre, dass L. ihn auch hier ausdrücklich hervorhebt, wo er die positive Seite der Lehre wiedergiebt. Auch wir würen im gleichen Falle wohl geneigt, ein betontes 'ohne einen für sich be- stehenden Geist” einzuschieben. Im Folgenden ferner würde an sich der mit μέ cum (ὡς ὅτε, so auch z.B. IV 57; cew si ὡς εἰ IV 617. VI 161) eingeleitete Vergleichssatz genügen, ohne das correspondirende sic ... reponuni; aber an jenen könnte die Ablehnung magno opere in quo etc. nicht unmittelbar anschliessen, und so wird denn die These der Gegner zum dritten Male angeführt. Durch diese Wieder- holungen wird der ganze Passus sehr schwerfülig und umständlich: es ist, als wäre die Darstellung des neuen Stoffes noch nicht recht in Fluss gekommen. Ein habitus des Körpers ist die Gesundheit: L. zieht das nur zur Veranschaulichung heran, während Aristoteles es im Eudemos (fr. 45 R.) und de an. 408 a 1 (ἁρμόζει δὲ μᾶλλον καθ᾽ ὑτιείας Akyeıv ἁρμονίαν ete.) als Argument benutzt: die Bezeichnung Harmonie passe auf körperliche Zustände, wie Gesundheit, Schönheit, Stärke, dürfe also nicht auf die Seele angewendet werden, die ein von jenen gänzlich Ver- schiedenes sei. ralere heisst bei L. nur hier "gesund sein’, sonst immer ‘vermögen’: valens und valetudo entsprechen sich wie animans und animus. 105 Der Zusatz diversi nähert das metaphorische errare, ähnlich wie sonst avius u. &, dem Bilde: ‘ihr Weg hat sich vom unseren abgezweigt, und sie gehen nun in die Irre”.

106 “Geist und Körper sind in ihren Empfindungen eben so unab- hängig von einander wie ein Körpertheil vom anderen’ also nimmt der Geist keine andere Stellung ein als jeder beliebige Körpertheil. L. kehrt nach Erwähnung der gegnerischen Ansicht zu seiner eigenen ein- gangs aufgestellten These zurück, um sie aus den paıvöneva zu be-

VERS 98—117. 65

weisen: daher ífagwe, wie so häufig nach Parentbesen u. &, z. B. II 660, das Wiedereinlenken in den Hauptgang der Darstellung bezeichnend. Es ist bemerkenswerth, dass der Epikureer die Lehre von der Seelenharmonie nicht, wie Platon und Aristoteles durch Eingehen auf den Standpunkt des Gegners, sondern indirect durch Erhärtung seiner eigenen Lehre widerlegt. prompiw quod cernilur, denn corpus ist der amimws ja auch, aber latens. Dass er der Sitz jener Freudeempfindungen ist, wird stillschweigend vorausgesetzt, s. zu 141. “Und umgekehrt geschieht's, dass andererseits wieder das Gegentheil stattfindet’ die umständliche Ausdrucksweise ist zum Teil durch die Neigung verschuldet, Satz- und Versende zusammenfallen zu lassen. 109 miser ez animo eine in der Umgangssprache häufige Verbindung, x. B. Plaut. Trin. 397, Ter. Eun. 225; miser kommt der Bedeutung krank nahe, wie es denn IV 1076 geradezu im Gegensatze zu sanus steht, Einen Zustand wie den hier gemeinten schildert Horaz epp. I 8, 7 mente minus validus quam corpore tolo wil audire velim, nil discere, quod levet aegrum. Der seltsame Ausdruck laetari corpore ist nur gebildet, um dem ex alia laetamur parte möglichst genau zu entsprechen. 110 pes cum dole nun nicht aeger (Bockemüller), was müssiger Zusatz wäre, sondern aegri: "wenn einer krank ist, so thut ihm auch nur etwa der Fuss weh, der Kopf kann dabei frei von Schmerzen sein‘. 112 “Wenn im Schlaf den Kórper die Empfindung verlassen hat, so empfindet doch in uns noch irgend etwas Freude und Sorge’ das muss, wie abermals ohne Weiteres vorausgesetzt wird, der Geist sein, der sich also auch hier als unab- hängig vom Körper erweist. Im Schlafe ziehen sich, wie L. IV 906 ff. beschreibt, die Seelenatome grósstentheils aus dem Körper zurück, so dass dieser nun sine sensu effusum iacet; da die Seele ihn nicht mehr trägt, ist er schwer, honustum, vgL 1066 abit in somnum gravis. Wäh- rend des Schlafes also sind nicht wir, wohl aber ist etwas in uns, d. b. der Geist, in Thätigkeit, zu dem Vorstellungsbilder mannigfacher Art dringen: “Träume erfreuen oder beunruhigen ihn’ darüber ausführlich IV 962. Aber wenn die Menschheit schon wachend im curis consumil inanibus aevom (V 1431), so sind die Sorgen des Schlafenden, durch inania simulacra (TV 994) hervorgerufen, erst recht nichtig: daher curas cordis inanis. Als ihr Sitz wird schon hier das Herz genannt, daraus dann ausdrücklich erst 141 der Sitz des animus erschlossen.

117 Das Leben ist nicht unterschiedslos an alle Körpertheile, son- dern ausschliesslich an gewisse Würme- und Luftatome gebunden; also da die Seele das ist, was dem Körper Leben und Empfindung ver- leiht giebt es auch eine Seele im Körper, in membris: nach den Harmonikern ist das Lebensprincip nicht im Körper enthalten, sondern nur ein gewisser Zustand des Körpers selbst. Bei corpus sentire liegt der Nachdruck auf corpus: bisher war nur von den Empfindungen des Geistes die Rede. Im Folgenden wird zwar nur vom Leben, nicht vom Empfinden gesprochen; aber doch ist senfire hier ganz am Platze, denn Leben und Empfinden sind von einander unzertrennlich: dimissa amima corpus caret undique sensu 356; die vifales molus 560 sind identisch mit den sensiferi motus 570; vgl. auch II 942 motus, quibus omniluentes accensi sensus animantein quamque tuentur und den Schluss der sogleich

Lecretius v. Hanrzs, 6

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66 :COMMENTAR

zu citirenden Lactanzstelle. Die beiden Sätze principio fit «li und aique cadem rursum gehören zusammen und bilden ein Argument; dies eine genügt, um die selbständige Existenz der Seele zu beweisen, aber es ist nur das vornehmste, durchschlagendste unter vielen, wie an- gedeutet wird durch principio. Dies steht allein, ohne durch deinde oder Ähnliches fortgesetzt zu werden, für ante ommia, ἀρχήν, wie auch II 938 (s. Lachmann) und V 92. Widerlegt wird durch die angeführten Thatsachen eine Behauptung, die Aristoxenos selbst als Consequenz seiner Lehre aufgestellt hatte: Lact. de opif 16, 15 sicut in fidibus cum ali- quid aut inierruptum aut relaxatum est, omnis canendi ralio turbatur. et solvilur, iia in corpore cum pars aliqua membrorum duzerit vilium, de sirui universa corruplisque omnibus alque turbatis occidere sensum eam- que moriem vocari. Wenn ferner 124 non aequas partis, 125 neque ex aequo die gleiche Bedeutung aller Kórpertheile für Leben und Tod nach- drücklich bestritten wird, so mag sich das auch gegen Dikaiarchos richten, der nach Cie. Tusc. I 10, 21 behauptete vim omnem cam qua vel agamus quid vel sentiamus in omnibus corporibus vivis aequabiliter esse fusam nec separabilem a corpore esse. Ähnlich wie L. hier, be- weist Diogenes von Oinoanda die ὑπεροχή der Seele über den Körper, s. Einleitung p. 38 und zu v. 396; vgl auch 402 und 682f 121 corpora Atome, pauca im Verhältniss zur Masse des übrigen Körpers, und im Gegensatz zu corpus mullum 119. Die Würmeatome entweichen aus dem Körper nach allen Seiten, diffugere, die Lebensluft wird aus- gehaucht, per os editwr. Dabei appellirt L. nur an das, was Jeden auch bei oberflächlicher Betrachtung die Wahrnehmung lehrt: in Wirklichkeit entweichen nach seiner Ansicht auch die luftartigen Seelenatome durch alle Poren des Körpers, nicht nur durch den Mund. Die Umstände, unter denen der Tod eintritt, belehren uns über das Wesen der Beele, v. 232; ὧν crepóuevot θνῴήςκομεν (Einl p.36) sind eben ihre Bestand- theile. Acr und venius, die, wie wir später hören, von einander verschieden sind, werden hier noch v. 122. 126 als gleichbedeutend gebraucht, Ennius ann. 149 venio quem perhibent Graium genus αἶγα lingua. venas atque ossa: es bleibt kein Restchen von Leben mehr im Körper, selbst aus dem Innersten der Glieder, den Knochen entweicht es. 126 sed magis == sed polius, wie v. 614. 982 u. o. 128. 129 recapituliren das Gesagte: der Nachdruck liegt auf vitalis, denn Wärme- und Luftatome kann auch jeder andere Körper enthalten; aber im Lebewesen sind diese vifales, bilden also die Seele, während die Gegner nur von einem habilus vitalis wissen wollen, ohne natürlich die Existenz von Körperwärme und Athem zu leugnen. Also ist auch eine Seele in ipso corpore: ipso hebt nur das in nachdrücklich hervor, wie auch v. 483. 506. 575. 590. Übrigens ist dasjenige, οὗ crepönevor θνήςκομεν, natürlich nicht die Seele allein, sondern auch der Geist: aber für diesen war der Beweis der Sonder- existenz ja schon vorher geführt.

130 Abschluss: ‘Da so der verlangte Beweis geführt ist, so lass den Ausdruck harmonia den Musikern, denen er gehört (redde): sie haben ihn ja aus der Hand der Musen vom hohen Helikon (καθ᾽ ὑψηλοῦ Ἑλικῶνος Arat. 216) empfangen, oder vielmehr, um ernsthaft zu reden, sie haben ihn selbst erst wieder (ipei porro) anderswoher entlehnt”

VERS 117—136. 61

nämlich vom Gefügtsein greifbarer Dinge “für einen Begriff ihrer Kunst, der keinen eigenen Namen hatte’. Warum der Zusatz sive egebat? Natürlich nicht, um eine zweite Möglichkeit wirklich neben die erste zu stellen (ἀλλὰ μὴν θεὸς μὲν οὐδεὶς εὑρετὴς ἐγένετο τῆς μον- εἰκῆς οὐδὲ παρέδωκε τοῖς ἀνθρώποις Philod. de mus. IV, 84 K); auch wohl nicht, weil dem Philosophen bei dem ersten poetischen Ausdruck das Gewissen schlägt; sondern Lucrez befolgt eine methodische Hegel Epikurs, die dieser mit an die Spitze seines systematischen Lehrabrisses stellt: ἀνάγκη τὸ πρῶτον ἐννόημα καθ᾽ Exacrov φθόγγον βλέπεεθαι: danach bezeichnet Diogenian (ed. Gercke p. 754) sich und seine Schul- genossen als oi διειληφότες τὰς ὑφ᾽ Éxacrov ὄνομα τεταγμένας évap- γεῖς διανοίας ἑαυτῶν, (vgl fr. 257, Cic. de fin. II 2, 6 Epicurum .. qui crebro dicat diligenter oportere exprimi quae vis subiecta sit vocibus). Die ἐθιεμοὶ τῶν λέξεων (Epic. v. φύςεως XXVIII, V. H.* VI 42 col. I* 12; 50 col. IX 24, Hermes 29 p. 8. 12) sind nämlich eine der häufig- sten Fehlerquellen, und nur Sorgfalt im Gebrauch der Worte kann da- vor bewahren: .. κατὰ τὰς λέξεις οὐκ ἔξω τῶν εἰθιςμένων λέξεων ἡμῶν χρωμένων οὐδὲ μετατιθέντων ὀνόματα ἐπὶ τῶν φανερῶν a. a. O. col V p. 9. Daher denn Epikur selbst in seinen Sehriften κέχρηται λέξει xupíq xarà τῶν πραγμάτων (Diog. X 18): I eifert ihm nach. Mit Recht hat man die Beachtung der proprietas verborum stets als eine der wesentlichsten Eigenschaften seiner Diction gerühmt, und wie er speciell auf dem Gebiete der Metapher ihr nachstrebt, wird noch oft hervorzuheben sein. Somit. steht auch hier der Gedanke Hinter- grunde, dass, da doch jede Übertragung eines Wortes auf fremdes Ge- biet schon an sich die Schärfe des Begriffs gefährde, eine zwiefache Übertragung doppelt misslich sei: Ähnliches scheint Epikur a. a. O. (p. 10 μεταφορᾶς ..... ἐπὶ τὰ ἄγνωςτα) ausgeführt zu haben. ad orgamicos ως Heliconi sieht einem Citat gleich; “Appovia als Kind der Musen Eurip. Med. 834. Bei organici ist nach dem oben Gesagten gar nicht vorzugs- weise an den Musiker Aristoxenos zu denken: die Weisung richtet sich an alle Vertreter jener Lehre. organici heissen die Musiker auch sonst, musici verbot der Vers. 135 habeant zu unterscheiden von sibi habeant: dies "mögen sie für sich behalten’, jenes ‘mögen sie ihren Willen haben’, kümmern wir uns nicht mehr um sie, sondern höre du die weitere Rede.

136—160 Ueber das Verhältniss von Geist und Seele zu einander. “Geist und Seele hängen eng zusammen und bilden eine einzige Wesen- heit. Die Führung hat der Geist, der in der Mitte der Brust wohnt (denn hier ist der Sitz der Furcht- und Freudenempfindung); die Seele, durch den ganzen Körper verbreitet, gehorcht dem Antrieb des Geistes. In gewissen Fällen bleibt die Empfindung auf diesen be- schränkt: in anderen theilt er sie der Seele mit, wie wir aus dem Ver- halten des Körpers sehen, der seinerseits den Anstoss vom der Seele empfangen bat.” Die Frage nach dem Sitz von Geist und Seele wird nebenbei erledigt: Hauptsache ist der Nachweis, dass beide in engem Zusammenhange stehn, wie das die Clausel des Abschnitts facile «f quivis hinc noscere possil esse animam cum animo coniunciam nochmals betont. Dieser Nachweis kann sich nur gegen Aristoteles richten, der bekannt- lich dem voüc eine von der übrigen Seele völlig verschiedene Wesenheit

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68 . COMMENTAR

zuschrieb, ihm auch jeden Zusammenhang mit dem körperlichen Sein absprach: ἀνάγκη ἄρα, ἐπεὶ πάντα νοεῖ, ἀμιγῆ εἶναι (τὸν νοῦν), ὥςπερ φηεὶν ᾿Αναξαγόρας (de an. 429 a 18), was auch ausgedrückt wird μηδενὶ μηδὲν ἔχει κοινόν (429b 23): daraus folgt ferner, dass keine Be- wegung von ihm ausgeht: οὐδὲ τὸ λογιςτικὸν καὶ καλούμενος νοῦς ἐςτὶν κινῶν (ebd. 432b 26; freilich bleibt Aristoteles hierin nicht consequent, s. Zeller II 2, 599). Was L. vorbringt, würde allerdings gegen Aristoteles insofern nichts beweisen, als dessen voüc ἀπαθής etwas vom epikurischen λογικόν günzlich Verschiedenes war. Für den Epikureer ist aber der hier geführte Nachweis deshalb sehr wichtig, weil mit der Erkenntniss der Einheitlichkeit von Geist und Seele zugleich der Ansicht der Boden entzogen ist, dass nach dem Tode zwar die Seele mit dem Körper vergehe, der Geist aber fortdauere: quatemus est unum inter se coniunctaque res est 424. coniuncta inter se sind auch Leib und Seele, da sie sonst nicht auf einander wirken könnten, s. zu 849; aber der Mensch, der aus ihnen besteht, würde wohl nicht, wie die Seele hier, als eine nalura, qUcic, bezeichnet werden können wenngleich die Grenzen dieser Bezeichnung schwer festzustellen sind. Die physische Gleichartigkeit ist damit nicht behauptet, 270 heisst es von vier ver- schiedenen Atomgruppen mizta creant unam maturam; doch verlautet auch nichts von einem physischen Unterschiede, s. Einleitang p. 40. 188 Der Geist dominatur κυριεύει, und zwar gehorcht ihm zunächst die Seele (144), dieser wieder der Leib, so dass er als ἡγεμονικὸν τῆς ψυχῆς auch tolo corpore herrscht. Wie von ihm, kann auch 709 von der ganzen Seele gesagt werden in nosiro dominatur corpore; s. ferner zu 281. Die Bezeichnung als quasi caput ist nicht eben glücklich: denn damit wird an die volksthümliche und von anderen Philosophen recipirte Anschauung erinnert, daís die leitende seelische Kraft im Haupte ihren Sitz hat, während dieser hier gleich als media regione in pectoris be- stimmt wird; d. h. im Herzen, das auch gelegentlich allein genannt wird (116 curas cordis inanis, II 269 initum motus a corde creari), und dessen Umgebung. Vgl. fr. 312 τὸ λογικὸν ἐν τῷ θιύρακι καθιρυμένον Aet. IV 4, 6, oder ἐν ὅλψ τῷ θώρακι IV 5, 5 ἐμ tota lorica pectoris Tertull. de an. 15. Und zwar ist es fest an diese Stelle des Körpers gebunden, situm haeret. xaOibpuuévov, 548 loco fixa manet certo, 617 certis regionibus haere, im Gegensatz zur Seele, die per totum dissila corpus (143) ist, καθ᾽ ὅλην τὴν εύγκριειν τοῦ εώματος διεεπαρμένον Aet. IV 4, 6. Erschlossen wird das aus den Beobachtungen über den Bitz von Furcht und Freude: Schol zu Ep. I, p. 21, 15 τὸ λογικὸν ἐν τῷ θώρακι, ὡς δῆλον Ex re τῶν φόβων καὶ τῆς χαρᾶς. Epikur und ihm folgend L. nimmt also ohne weiteren Beweis an, dass Furcht und Freude ihren Ausgangspunkt im animus haben, und schiebt stillschweigend die Platonische Annahme eines vom Aoyıcrıxöv verschiedenen θυμοειδές bei Seite: eine Willkür, die auch Chrysipp sich in derselben Sache erlaubte, wie ihm Galen de plac. Hippocr. et Plat. p. 293 5η. vorwirft. ezswltat ist von der Furcht auffallend gesagt. In Furcht und Freude 'hüpft' das Herz κραδίη μοι ἔξω «τηθέων éxOpipcxe Tl. 11, 95 und so wäre die Übertragung auf den animus eben so leicht verständlich wie in πηδῶν δ᾽ θυμὸς ἔνδοθεν μαντεύεται trag. ine., cf. Nauck p. 677.

VERS 136—145. 69

Aber von dieser Seite ist der weitere Übergang zum Hüpfen der Em- pfindungen selbst schwierig. Es wird vielmehr das Bild des ungefesselten Rosses zu Grunde liegen, wie bei Cicero Hortens. fr. 72 M. (Non. p. 300 sq.) inbecillis autem est pudoris magister timor, qui si quando poulum aberravit, statim spe impunitatis exsultat (wo weder animus noch libido zu ergänzen ist); vgl. Cicero de off. I 29, 102 qui appetitus lon- gius evagantur εἰ tamquam exsullantes sive cupiendo sive fugiendo non satis a ralione relinentur, ii sine dubio finem ei modum transeunt, wo das Bild durch Vergleich mit 8 90 noch deutlicher wird; auch Lucrez selbst II 263 nonne vides etiam patefactis tempore punclo carceribus non posse lamen prorumpere equorum. vim cupidam (am de subilo quam mens avet ipsa? 274 nam (um maleriem tolius corporis omnem perspicuumst nobis invilis ire rapique, donec eam refrenavit per membra voluntas. Somit ist im Prädicat exsulfat zugleich angedeutet, dafs pavor und metus ungezügelte Affecte sind: der Philosoph ist ihrer ledig. laetitiae mulcent steht dazu im glücklichen Gegensatze. Die Stellung der Präposition nach dem Substantiv, haec loca circum, ist von L. zuerst, wenn nicht überhaupt eingeführt, so doch in gröfserem Umfange angewendet worden, s. Degering, Beitr. z. hist. Syntax d. lat. Spr., p. 35; so erlaubt er sich zuerst, die Stellung Subst. Präp. Adj. auch bei zweisilbigen Präpositionen anzuwenden, 353 manifestas res contra verasque repugnat, VI 207 wmore sine ullo, und hat überhaupt für die Zwischenstellung bei adjectivischem oder genitivischem (regione in pectoris 140) Attribut grosse Vorliebe (Degering p. 38. 45): die Beweglichkeit der Sprache gewinnt sehr durch diese völlige Freiheit der Wortstellung. 143 cetera pars animae und 150 cetera pars animai ist ungenau ausgedrückt, denn der animws ist keine pars animai, aber ein Gesammtname fehlt, s. zu 94, und ein Miss- verständniss ist ausgeschlossen. 144 ad numen mentis momenque: die Zusammenstellung ist aus dem Griechischen übernommen, vgl z.B. Plu- tarch adv. Coloten c. 26 p. 1122c τὸ δ᾽ δρμητικὸν ἐγειρόμενον ὑπὸ τοῦ φανταςτικοῦ πρὸς τὰ οἰκεῖα πρακτικῶς κινεῖ τὸν ἄνθρωπον, οἷον ῥοπῆς ἐν τῷ ἡγεμονικῷ καὶ νεύεεως γινομένης. Jamblichus περὶ ψυχῆς Stob. ecl. I p. 382 oi δὲ... ευννεύςει καὶ ῥοπῇ πρὸς τὸ εὦμα ἐπικρατεῖ τοῦ cóparoc ἀποδιδόαςειν αὐτῆς τὴν ὁμοιότητα (τῆς χρήςεως τοῦ εὠματος). Das sonst seltene momen öfters bei L. für die bewegende Ursache: 188 smomine parvo inpulsa 189 aqua (antillo momine flutat: für Bewegung II 220 tanitum quod momen meatum dicere possis, VI 474 e salso momine ponti; dann bei Manilius, dem Dichter des Aetna, Arnobius, die alle stilistisch unter L.’ Einflusse stehn. momentum, das sonst der ῥοπή entspricht, hat L. nicht.

145 id greift auf v. 140 zurück. sibi solum per se sapit: die einzige Erwähnung derjenigen Thätigkeit, die allein nur der Geist aus- üben kann, des Aoyifecdaı. Man könnte erwarten, ihrer ausführlicher gedacht zu sehen; aber es kommt ja L. hier nicht sowohl darauf an, die Functionen des Geistes zu beschreiben, als sein Verhältniss zu Seele und Körper festzustellen: und dabei eignen sich die πάθη, Lust und Schmerz, weit besser zu Objecten der Demonstration als die Denk- thätigkeit, die sich der unmittelbaren Wahrnehmung entzieht. Epikur selbst hatte, wie fr. 313 (s. Einleitung p. 40) lehrt, behauptet, die

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70 | COMMENTAR

Empfindung beim λογίζεςθαι localisire auch diesen Vorgang in der Brust: L. lässt das, wohl als nicht ohne Weiteres einleuchtend, bei Seite. Die nachdrückliche Hervorhebung der völligen Selbständigkeit durch sibi solum per se passt aber nur zu sapit; nicht zu pavei, wie Tohte der Concinnität zu Liebe schreiben wollte. Der Geist sibi gaudet, freut sich für sich, während Seele und Leib zur selben Zeit unbewegt sind. Dies id sibi gaudet sollte nun durch ein id sibi melwuit ergänzt werden: dabei stellt sich als willkommenes Analogon die bei körperlichen Schmerzen gemachte Erfahrung ein, die ähnlich schon v. 110f. erwähnt wurde: nur dass dort die Unabhängigkeit eines Körpertheils vom andern zu betonen war, weil die Gleichstellung der Seele mit diesen erwiesen werden sollte, während hier das selbständige Empfinden eines Körperteils im Gegensatz zum ganzen übrigen Körper als Anslogon zum selbständigen Empfinden des Geistes gegenüber der Gesammtseele herangezogen wird. Der Vergleich liess sich bequem durchführen nur für das Gefühl des Schmerzes: aber er soll gelten auch für das Lust- gefühl, und deshalb wiederholt L. mit laetifiaque viget v. 150 das id sibi gaudet des v. 145. Durch die etwas ausführlichere Behandlung des auf den Geist beschränkten laedi wird die Brücke geschlagen zur eingehen- den Schilderung desjenigen Zustandes, wo die Bewegung auf Beele und Körper übergreift 152 ff; sie ist dem Dichter hier die Hauptsache, da sie allein dazu dient, die These des ganzen Abschnittes zu beweisen. 147 temptante dolore: temptare ist der stehende Ausdruck für den An- griff der Krankheit: V 345 nam cum res tantis morbis tantisque periclis temptarentur, VI 1250 quem neque morbus nec mors nec luctus templarct, dann übertragen auf den Schmerz hier (fempfante dolore als Versschluss auch bei Serenus Sammon. 26) und II 967 nullo primordia posse dolorc tempteri, und auf die als Krankheit aufgefasste Furcht III 312 ille suetu citius paulo temptctur; VI 1103 caeli novitate ct aquarum temptari, weil diese novifas Krankheiten erzeugt. 151 membra atque artus stellt L. häufig zusammen: arius sind dann die einzelnen Glieder, sembra der aus verschiedenen Theilen bestehende organisirte Körper; also VI 797 languenlia sembra per artus solvont “\ösen den Körper Glied für Glied auf”. novias hier als cor media ‘neu auftretendes Ereigniss’, so gleichbedeutend mit novae res V 173 vgl. 170; sonst gelegentlich, wie veubtepa, im übeln Sinne: II 970 entspricht movitate laborare dem dolore temptari 968; ähnlich IV 929 quibus haec rebus novitas confiat, εἰ unde perturbari anima et corpus languescere possit. 168 consentire Cuunäcyeıv: Cic. de n. d. 111 11,28 iste quasi consensus, quem ςυμπάθειαν Graeci vocant: 8. zu .349. Da der Körper nicht ohne die Seele empfindet, sind körper- liche Zeichen der Empfindung, wie sie 154ff. geschildert werden, zu- gleich Beweise für die cuunddeıa der Seele; ifa 154 giebt an, dass diese Erscheinungen die Folge des consentire animam sind. Die sechs von L. paarweis zusammengestellten Symptome heftiger Furcht erinnern einigermassen an die Symptome der Liebesleidenschaft in Sapphos Ode: quvüc οὐδὲν ἔτ᾽ εἴκει, ἀλλὰ καμ μὲν yAd.cca Eaye, λεπτὸν δ᾽ αὐτίκα χρῶ πῦρ ὑποδεδρόμακεν, Önndtecc δ᾽ οὐδὲν Öpnu’, ἐπιρρόμβειςι δ᾽ ἀκουαί. δὲ μ᾽ ἱδρὼς κακχέεται, τρόμος δὲ παῖςαν ἀγρεῖ, χλωροτέρα δὲ ποίας ἔμμι, τεθνάκην δ᾽ ὀλίγω. Die Berührung im Einzelnen ist

VERS 145—163. 11

aber nicht so nahe, dass man zu der Annahme genöthigt wäre, L. habe sich des Gedichtes erinnert, oder es etwa in seiner Vorlage cilirt ge- funden: Beides ist mir von vorn herein unwahrscheinlich. Die Schilde- rung bei L. enthält nichts, was ihn nicht einfache Beobachtung hätte lehren können: infringi linguam, das man aus Sappho erklären zu müssen glaubt, bedarf dessen nicht: von der Stimme wird infringi in mannig- facher Bedeutung häufig gebraucht, konnte also leicht auf die Zunge übertragen werden. Die letzten Verse recapituliren die ganze Ärgu- mentation und schliessen mit dem φαινόμενον, auf dem sie sich auf- baut; s. zu 216.

161—176 ‘Geist und Seele sind körperlicher Natur; denn erstens bewegen sie den Körper: Bewegung ist aber nur durch Berührung, Be- rührung nur zwischen Körpern möglich. Zweitens leiden sie mit dem Körper durch körperliche Einflüsse” Gleichförmigkeit der beiden Ar- gumente ist nach Möglichkeit vermieden: der íactws wird beim zweiten nicht ausdrücklich erwähnt. Der Abschnitt knüpft mit Aaec eadem ratio unmittelbar an die letzten Worte des Vorhergehenden (corpus propellii οἱ icit) an, deshalb wird auch propellere v. 162 wiederholt. Die sachlichen Voraussetzungen sind theils im ersten Abschnitte v. 94 ff, theils bereits im ersten Buche gegeben. Da gezeigt ist, dass die Seele selbständig existir, keine blosse Eigenschaft oder Zustand des Körpers, comiuncium oder eventum ist, so muss sie, wie I 418 nachgewiesen wurde, entweder zum inane oder zu den corpora gehören; ein Drittes giebt es nicht. Das unterscheidende Merkmal hat L. ebenda bereits festgestellt: 435 si lactus eril. quamvis levis exigtusque ... corporis augebii mumerum . sin intactile (ἀναφές) erit ... hoc id erit, vacuum quod inane —— Der íacius der Seele wird hier aus den beiden Thatsachen gefolgert, dass sie auf den Körper wirkt und unter seiner Einwirkung leidet, fungitur πάςχει: vgl. I 443 facere et fungi sine corpore nulla potest res. Negativ wendet den Beweis Epikur ep. I p. 21, 14 ἀλλὰ μὴν καὶ τόδε γε bei npockatavoeiv Ó τι τὸ ἀσώματον, τοῦ ὀνόματος ἐπὶ τοῦ καθ᾿ ἑαυτὸ νοηθέντος dv: καθ᾽ ἑαυτὸ δὲ οὐκ ἔςτι νοῆςαι τὸ ἀεώματον πλὴν τοῦ κενοῦ. τὸ δὲ κενὸν οὔτε ποιῆςαι οὔτε παθεῖν δύναται, ἀλλὰ xivncıv μόνον δι᾽ ἑαυτοῦ τοῖς cópac παρέχεται. ὥκθ᾽ οἷ λέγοντες ἀεώματον εἶναι τὴν ψυχὴν ματάζουςειν. οὐδὲν γὰρ ἂν ἐδύνατο ποιεῖν οὔτε Tácyeww, εἰ ἦν τοιαύτη᾽ νῦν δ᾽ ἐναργιῶς ἀμφότερα ταῦτα cup- βαίνει περὶ τὴν ψυχὴν τὰ ευμπτώματα. Das ist der vollständige Be- weis, wie er sich nach Epikurs Theorie geben lässt: L. vermeidet das umstündliche Zurückgreifen auf die im ersten Buche entwickelten Grund- sitze der Lehre und stellt dafür das Bild der wirkenden und leidenden Seele möglichst anschaulich vor Augen. 163 corripere ez somno cor- pus wie IV 1003 von schlafenden Hunden corpus de terra corripere in- stant, III 925 correptus homo ex somno se colligit ipse. Das bewirken der Geist und die im Körper noch zurückgebliebenen Seelentheile, denn dieser selbst ist ja im Schlaf ohne Empfindung, s. 118. In corripere liegt, wie in ‘sich aufraffen’, neben dem Begriff des Plótzlichen auch der der Anstrengung, die der Geist dabei aufwenden muss. Autare voliwn wird eigens erwähnt, weil dabei der unmittelbare Einfluss der seelischen Stimmung auf den Körper ganz besonders deutlich hervor-

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tritt; dann folgt abschliessend und zusammenfassend aique hominem tolum u. s. f.

169 nobis, nicht als ob der Geist mit uns empfände vielmehr wird auch zu consentire noch cwm corpore verstanden —, sondern weil der Vorgang uns betrifft; das hinzugefügte in corpore erweckt die Vorstellung der Zusammengehörigkeit von Geist und Körper und be- gründet gleichsam die ςυμπάθεια: “da ja der Geist im Körper ist, trifft ihn und den Körper das Gleiche”. Auch hier constatirt L. nicht ein- fach die Thatsache, sondern appellirt mit cermis an das Zeugniss der Sinne, wie 158 und 157 videmus, 164 videur, 165 wieder videmus: Epikur hatte gelehrt κατὰ τὰς alcOnceıc dei πάντα τηρεῖν ep. I p. 5, 7. 170 Der stärkste Beweis für die Abhängigkeit der Seele von körper- lichen Einflüssen ist es natürlich, wenn sie dadurch, dass Knochen und Sehnen verletzt werden, gezwungen wird, den Körper gänzlich zu ver- lassen, also rita offenditur: aber auch wenn nicht (si minus) dieser deut- lichste Beweis vorliegt, so lässt sich doch (at famen) erkennen, wie Verwundungen den Geist afficiren. 171 disclwsis: die Verletzung er- folgt so, dass die Waffe in die Poren des Körpers eindringt, diese er- weitert und so die Verbindung der Atome löst; s. zu 807 und vgl. I 222 vis .. quae res diverberet ictu aut intus. penetret per inania dissolvatque. Wie hier intus "hinein’ zu penetret gehört, wird man es an unserer Stelle am Besten mit adacta verbinden, das ohne diese nähere Bestimmung ein müssiger Zusatz wäre. Munro zieht es zu disclusis, wo ich es gern entbehre, und vergleicht zu adacía Virg. Aen. IX 431 sed viribus ensis adactus transabiit costas et candida pectora rumpit: aber da ist viribus adactus “kraftvoll geführt” ein wesentlicher Zug des Bildes, Vgl Aen. X 850 alte volnus adactun, XI 803 hasta ... virgineum alte bibit acta cruorem. 172 Wie aestus und voluntas, so sind auch lan-- guor und terrae petitus zunächst Functionen der Seele: weil sie den Körper nicht mehr tragen und aufrecht halten kann, erschlafft er und sinkt zu Boden. So in der Schilderung der Pest VI 1156 animi pror- sum (um vires lolius, omne languebat corpus, beim Schlaf IV 929 unde perturbari anima et corpus languescere possit. Der Zustand kommt einer Ohnmacht nahe und ist, wie diese, mit einem gewissen Wohlgefühle verbunden, suavis; Ähnliches erzählt Seneca ep. 77, 9 calda swbinde sub- fusa paulatim defecit, μὲ aiebat, non sine quadam voluptate, quam adferre solet lenis dissolutio non inexperia nobis, quos aliquando liquit animus. Wer weitere Belege wünscht, lese etwa Montaignes Bericht über seinen Sturz vom Pferde, Essais II 6; darin z B.: il me sembloit que ma vie ne me tenoil plus qu'au bout des levres; ie fermoy les yeulz pour ayder, ce me sembloit, à la powlser hors, ct prenoy plaisir à m’alanguir ct à me laisser aller. Sachlich ist also swavis was allein Bockemüller gegenüber zahlreichen Ánderungsversuchen vertheidigt hat durchaus zutreffend; an dieser Stelle dient es dazu, den Gegen- satz zwischen langwor und terrae petitus einerseits, aestus mentis und exsurgendi volumias andererseits schärfer hervorzuheben: das Schwanken zwischen entgegengesetzten Neigungen kennzeichnet eben mit die Affection des Geistes. Die zeitliche Aufeinanderfolge dieser Neigungen wird durch die ausdrückliche Angabe des in terra gigni hervorgehoben; aber

VERS 169—183. 19

diese Angabe ist doch in einen Nebensatz verwiesen, damit auch aesíws und voluntas Subjecte zu insequitur bleiben, also als directe Folge der körperlichen Verwundung erscheinen. 175 Die Clausel des Abschnitts bringt ausnahmsweise hier noch ein neues Moment in corporeis telis: wenn selbst behauptet werden sollte, fungi und auch parifer cum corpore fungi könne auch die unkörperliche Seele, so kann doch sicherlich durch Körper nur ein anderer Körper, nicht etwas Unkörperliches in Leidens- zustand versetzt werden.

177—230 Über Grösse und Gestalt der Seelenatome. Sie sind sehr klein, glatt und rund: das folgt aus der grossen Beweglichkeit des Geistes (182—207), sowie daraus, dass beim Abscheiden der Seele das Gewicht des Körpers nicht abnimmt (208—230). quali sit corpore οἵ unde constiterit, τίς &crıv fj φύεις αὐτοῦ (aeterno corpore I 242 ist gleich immortali natura 236) καὶ ἐκ τίνων cuvécrmke: die erste Frage wird durch die zweite erläutert, wie in der Antwort persuptilem esse durch perquam minutis corporibus constare. 178 pergam etc. “ich will im Folgenden auseinandersetzen’, so 428 animam cum dicere pergam nicht *wenn ich auch weiterhin . ^, sondern ‘wenn ich im Folgenden . "^, ebenso II 478 pergam conectere rem: im übertragenen Sinn wird pergere selten so gebraucht. 179 Dem persuptilis entspricht perquam mimdus: hier war die Zusammensetzung mit per, bei L. sonst sehr beliebt, nicht mög- lich. L. braucht perquam ausser in diesem Abschnitt (187. 204. 229) nur noch IV 169 perquam subito und V 594 perquam pauzillo minores; die Steigerungspartikeln admodum, valde, sane kennt er nicht; gelegent- lich vertreten egregie oder wire die Stelle. 181 hinc licet advertas animum wie 46; der Zusatz wi pernoscere possis dient wohl in erster Linie dazu, den Vers zu füllen: aber permoscere bezeichnet eine höhere Stufe der Erkenntniss als animum advertere, so dass μέ, nicht δέ hier

Der erste Beweis verläuft in strenger Schlussform: 1. nichts ist leichter beweglich als der Geist (182—185); 2. nun setzt aber grosse Beweglichkeit einer Masse voraus, dass sie aus kleinen, runden Körpern zusammengesetzt ist (186 202); 8. also muss auch der Geist aus solchen bestehen (203—205). 182 “Nichts Sichtbares geschieht so schnell, wie der Geist sich das Geschehen vorstellt und selbst die ersten Anstalten nur Verwirklichung der Vorstellung trifft. Die Schnellig- keit des Gedankens (Od. 7, 36 νέες ὑκεῖαι, docel πτερὸν ἠὲ νόημα, auch Epikur braucht Ödfters ἅμα νοήματι ‘gedankenschnell”) und danach auch des Geistes ist von Alters her und bei allen Völkern sprichwört- lich; gewöhnlich verbindet sich damit die Vorstellung, dass der Geist in unendlich kurzer Zeit unendlich grosse Räume durcheilt und an jeden beliebigen Punkt gelangen kann; Diog. Laert. I 35 Thales: τάχιςτον γοῦς, διὰ παντὸς γὰρ τρέχει. Cic. Tusc. I 198, 4 accedit μὲ eo facilius animus evadat ex hoc aé&re ... quod nihil est animo velocius; nulla est celeritas quae possit cum animi celeritate contendere; Varro 1. 1. VI 47 volo a volwntale dictum εἰ a volatu, quod animus ita est ut puncto tem- poris pervolet quo volt. Der Epikureer, der den Geist als fest in der Brust haftend kennt, kann hier, wo bildliche Ausdrucksweise nicht am Platze ist, jene Vorstellung nicht brauchen; so wird denn hier vielmehr

14 COMMENTAR

die Schnelligkeit der Vorstellung mit der der Ausführung verglichem, wie auch II 268 nonne vides eliam patefactis (cempore puncto. carceribus non posse iamen prorwmpere equorum vim cupidam (am de subito quam mens avet ipsa? Ehe der Geist eine Thätigkeit beginnt, inchoat, muss ihn erst ihr Bild getroffen haben, IV 883 neque enim faccre incipil ullam rem quisquam, quam mens providit quid velit. ante. “Sich vor- stellen’ heisst sibi proponere mit Acc. e. inf. auch 627 proponere mobis possumus animas vagari, 879 sibi cum proponit quisque futurum ... cor- pus wli volucres lacerent. Hier ist aus dem ni 182 ein aliqwid als Subject zu Aeri und Object zu inchoat zu entnehmen. 184 qwam res ulla, quorum: der Begriff res ist so verallgemeinert, dass er sich dem neutralen Pronomen nähert, «ila res also gleich quidquam steht; dazu ist dann wieder ein corwm hinzu zu denken, woran quorum anschliesst. Ähnliche Verbindungen bei Kühner Gramm. II 42, am auffallendsten wohl Cie. div. I 58, 119 earum rerum utrumque a corde proficisci. Anders zu erklären ist Cic. ad. fam. XVI 4, 2 ulla in re, quod ad valetudinem opus sit und Sall Tug. 41, 1 abundantia carum rerum quae prima mor- tales ducust.

186 at führt den Untersatz ein. Die Eigenschaften, ποιότητες, der Atome sind cxfiua, βάρος, μέγεθος xai Óca ἐξ ἀνάγκης ςχήματι mpoc- φυῆ écriv Epikur ep. I p. 14, 14. Dem cyfiua nach müssen leicht- bewegliche Atome rotunda sein (186. 205); vor Allem aber wird ihre geringe Grösse betont; aus dem μέγεθος in Verbindung mit dem cyfjpa ergiebt sich, da weitere Qualitätsunterschiede nicht vorhanden sind, um- mittelbar das βάρος, das L. daher auch nur gelegentlich erwähnt: 201 quaecumque magis cum pondere magno .. inveniuntur. Auch im zweiten Beweise, der recht eigentlich auf das geringe Gewicht der Seelenatome abzielt, wird nur von den perparca (216) und pauzilla semina ge- sprochen. Zu den ἐξ ἀνάγκης «ςχήματι προςφυῆ gehört bei völliger Kugelgestalt auch die Glätte: levia 194. 200. 205, während z. B. die Atome des Salzwassers zwar auch globosa, aber nicht sämmtlich lewis, sondern theilweis aspera sind, II 464 ff. Die lucrezischen i sind auch von Epikur überliefert: im Herodotbriefe spricht er von der λεπτομέρεια supüilitas der Beele (p. 20, 8; 19, 17); in dem vom Scholiasten p. 21, 15 angeführten heisst es (rhv ψυχὴν) ἐξ ἀτόμων ευὐγκεῖςεθαι λειοτάτων καὶ «τρογγυλωτάτων. Vgl. auch Philodem de morte col VIII (mit v. Arnims Ergänzungen Rh. M. 48, 363) λεπτο- μερὴς vàp ἅμα καὶ τελέως εὐκίνητος ψυχὴ κατ᾽ ἄρθρα τ᾽ οὔτ᾽ ἐκ μικροτάτων cuvecrmöta οὔτε λειοτάτων καὶ περιφερεςτάτων καθειργμένη. Den Zusammenhang zwischen der runden Gestalt und der Beweglichkeit hatte schon Demokrit gelehrt, Aristot. de an. 405a 9 (Δημόκριτος εἴρηκεν) ψυχὴν εἶναι ταὐτὸ καὶ νοῦν, τοῦτο δ᾽ εἶναι τῶν πριύτων καὶ ἀδιαιρέτων cupéáruv, κινητικὸν δὲ διὰ λεπτομέρειαν καὶ τὸ cxfiua- τῶν δὲ εχημάτων εὐκινητότατον τὸ «φαιροειδὲς λέτγει᾽ τοιοῦτον δὲ εἶναι τόν τε νοῦν καὶ τὸ πῦρ. So schliesst Epikur umgekehrt vom der runden Gestalt des stoischen Gottes auf seine Beweglichkeit: se wen posse intellegere, qualis sit volubilis εἰ rotundus deus Cic. de n. d. II 17, 46 (fr. 358). momen zu 144.

Die Verse 189—195 sehen Bockemüller und Brieger als einen

VERS 182—198. 15

früheren Versuch der Exemplification an, der durch den gelungeneren 196—202 habe ersetzt werden sollen. Bockemüller irrt aber zunächst, wenn er die figwrae 190 und corpora 195 als Wassertropfen und Honig- kugeln fasst: es sind natürlich auch hier die Atome von Wasser und Honig gemeint. So wird das Fortschreiten von einer Versgruppe zur andern klar und nichts kann entbehrt werden. Um den Zusammenhang von Beweglichkeit und Gestalt bei den Atomen der unsichtbaren Seele zu beweisen, exemplificirt L. zunächst auf die Atome sichtbarer Körper, des Wassers und des Honigs; sodann, weil diese Atome selbst wieder unsichtbar sind, auf sichtbare Bestandtheile Mohnkörner und Steine von Massen, die leichter oder schwerer beweglich sind. Ohne jenes vermittelnde Gleichniss würde das zweite nicht sofort als schl erkannt werden. Die Gestalt der Wasseratome wird auf demselben Wege II 451 veranschaulicht: illa quidem debent e levibus atque rulundis esse magis, fluvido quae corpore liquida constant. namque papaveris haustus item est facilis quasi aquarum, nec relinenlur enim inter se glome- ramina quaeque et procursus item proclive volubilis exstat. tantillo momine gehört auch zu movelur. 192 pigri magis neben dem Com- parativ cunclantior aus metrischer Nötigung, wie 152 vementi magis, da- gegen 201 magis cum pondere magno, weil es dem eo stabilita snagis sunt möglichst genau entsprechen soll Zu cunclantior vgl. die ganz ähnliche Beweisführung II 891 quamvis subilo per colum vina videmus perfiuere: ad contra tardum cunctatur olivom, aut quia, nimirum, maio- ribus est elementis, aut magis hasnatis inter se perque plicatis. Der Honig besteht zwar nach II 898 ebenfalls aus glatten, runden Atomen das ergiebt sich aus seinem Geschmack (vgl II 444 ff) —, aber doch nicht tam levibus neque tam suptilibus atque rutundis wie das Wasser (194 f.). 194 ‘Aus Etwas bestehen’, was hier gemeint sein muss, heisst cow- stare mit ex oder dem blossen Ablativ: das wird L. auch hier ge- schrieben haben, nicht ezsíat. Man kann ezstat levibus corporibus nicht vergleichen mit Wendungen wie II 393 maioribus est elementis, 445 haec magis hamatis (sc. principiis) inter sese csse necessest: eine Beschaffenheit der elementa oder principia eines Dinges kann wohl durch den Abl. qual. ausgedrückt werden, nicht aber der corpora, &us denen es besteht. Ganz anders V 498 inde mare, inde aer, inde aether ignifer ipse corporibus liquidis sunt omnia pura relicta. Die Corruptel erklärt sich leicht aus der öfters beobachteten Neigung der Abschreiber, das Verstummen des auslautenden 3 zu beseitigen.

' 196 aura suspensa mag sich an das häufig vom leisen Schritt ge- brauchte suspendere pedem, gradum anlehnen; sehr nahe steht Liv. I 34,8 aquila suspensis demissa leniter alis. \g1067 suspensis dentibus vom Hunde, der nicht fest zubeisst. 197 diffluat soll an flutat 189 erinnern. 198 spicarumque will Brieger (Burs. Jabresb. 1878, p. 1119) halten: die Ähren müssten, meint er, hier nothwendig erwähnt sein, da 'die Steine wohl durch ihr Gewicht, nicht aber durch Rauhheit einen Gegen- satz zu den Mohnkörnern bilden, während die durch ihre Grannen rauhen Ähren jenen glatten und runden Körnchen sehr passend entgegengestellt werden. Zunächst sind Steine, soweit sie nicht polirt sind, in der That rauh, lapis asper III 694, aspera saxa IV 147, asper vom Terrain heisst

16 COMMENTAR

ja geradezu ‘steinig’; während. ich andererseits nicht glaube, dass schlanke, biegsame Äbren je asperae genannt worden seien: jedenfalls würde ein Haufen von Ähren schwerlich als besonders stark in sich ge- festigt, stabilitus (202), bezeichnet werden können. Man braucht also gar nicht einmal Gewicht darauf zu legen, dafs der Mangel des Verbums hart (Munro) und die Vorstellung, dass eine aura levis keinen Stein- haufen umblasen kann, sehr nichtesagend wäre (Lachmann): die Ver- bindung von Steinen und Ähren ist hier an sich so anstössig, dass spicarumque für corrupt gelten mufs. Eine sichere Verbesserung wird sich kaum finden lassen: Munros ipse Eurus movere giebt den erforder- lichen Sinn. 199 progquam scheint nur L. für das sonst übliche prout zu brauchen: II 1137, VI 11 proquam posse. Von den Vergleichungs- sätzen der Prosa stehen am Nächsten z. B. Cicero de fin. V 20, 57 « quisque oplime nalus institutusque est, esse omnino nolit im vita oder wi quisque mit folgendem ita. Die Verse 199—205 recapituliren die Schluss- folge in bündiger Form. 206 Die Hervorhebung der Wichtigkeit des gewonnenen Resultats ist in Epikurs Stil; vgl. epp. I p. 31, 18 αὐτὰ ταῦτα ἐν μνήμῃ τιθέμενα εὐυνεχῶς βοηθήςει, p. 10, 18 χρήειμον δὴ καὶ τοῦτο κατα(ςχεῖν τὸ crorxeiov, vgl ep. ad Pyth. p. 55, 1 ταῦτα δὴ πάντα, ἸΤυθόκλεις, uvnuóveucov: κατὰ πολύ τε γὰρ τοῦ μύθου ἐκβήςῃ καὶ τὰ ὁμογενῆ τούτοις cuvopüv δυνήςῃ. Lucrez ähnlich I 331 quod fibi cognosse in multis erit «utile rebus. Die Gestalt der Seelenatome hat aber in der That nicht nur theoretisches Interesse: L. leitet aus ihr III 425 seinen ersten Beweis für die Vergänglichkeit der Seele ab. fibi gehört, wie I 331, zu wiilis und opportuna, nicht wie I 696 unde hic cognitus est ipsi quem nominat ignis τὰ cognita.

208—227 Der erste Beweis galt nur für den Geist: so ist ein zweiter erforderlich, der auch die Seele mit umfasst, ganz wie bei der Erörterung über die selbstündige Existenz der beiden 9484. Die Vor- gänge beim Tode geben, wie dort, das Hauptargument. 208 dedicare Synonym von decdarare I 367 gravius plus in se corporis esse dedicat cf. 865; ebenso noch I 422 corpus per se commumnis dedicat esse sem- sus; es scheint in dieser Bedeutung archaisch. 209 tenuis texiwra λεπτότης, die durch Kleinheit der zusammensetzenden Atome und ver- hältnissmässige Grösse der Intervalle erzeugt wird. Nur wenn das inane reichlich im Körper vorhanden ist, lässt er sich zusammendrüngen, com glomerari: v. 374 elementa animai .... rara per arlus dissila sunt. si possit "angenommen, sie könnte es’; die Hypothese, dass beim Sterbenden die Seele sich aus den Kórpertheilen zusammenziehe, wird v. 581 ff. wider- legt, dann aber versuchsweise wieder zugelassen, 540 si iam libeat com cedere falsum et dare posse animam glomerari in corpore. 211 Der Tod ist freilich eine sorgenfreie Ruhe, lefo sopitus 904 τι s. f; aber dieser Buhe giebt sich der Mensch nicht freiwillig hin, sondern sie packt ihn, simulatque est indepta, vgl. 930 frigida quem semel est vitai pausa secuta, IV 761 quem ... mors et terra polilast. 214 ad speciem: denn da Seelenatome natürlich auch an der Oberfläche des Körpers, der extima membrorum. circumcaesura 219 liegen, so müsste auch diese sich im Tode verändern, falls eben nicht die Seelenatome so klein wären. 216 Nach- dem mit ergo der Schluss gezogen ist, wird mit gwatemws 218 in echt

VERS 198—994. 1

lucrezianischer Weise nochmals das Argument eingeführt, wie sonst mit quoniam (II 520) oder quandogwidem (III 457); auch nach anderen Folgerungssätzen, mit quare (z. B. 228. 579), quapropter (669), igitw (I 262). Quaienus hat also hier, wie stets bei L. (II 927; III 424; IV 750), causale Bedeutung und ist nicht gleich quo fine, quousque, wie Woltjer Jahrb. 119 p. 783 will Nach der Theorie des Verrius τι. a, die Woltjer a. ἃ. Ὁ. bespricht, und die ein limitirendes quatenus von einem causalen quatinus (so z. B. Carm. Lat. Ep. I 420, 6) unterscheidet, würde also bei L. überall quatinus zu schreiben sein, was II 927 und IV 750 auch überliefert ist; aber nichts beweist, dass L. von dieser Theorie, die in der lebendigen Sprache wohl kaum eine Stütze hatte, schon gewusst oder gar sie befolgt habe. Übrigens wird an den genannten Stellen nicht etwa ein neues Argument gebracht, das die Schlussfolge- rung rechtfertigen soll, sondern eben der Umstand, aus dem gefolgert wurde, wird nochmals angeführt, meist mit einer neuen Wendung, aber z. B. III 457 fast mit den gleichen Worten. Es scheint, als empfände L. das Bedürfniss, den Abschnitt mit den φαινόμενα, nicht mit dem aus ihnen erklärten ἄδηλον, zu endigen, um so das feste Fundament seiner Darlegungen augenfällig hervortreten zu lassen. (íofam, d. h. animes und anima, während 218 omnis “ohne dass eine Quantität Atome zurück- geblieben wäre’. esse neram verbinde ich; zwar wäre esse perparvis seminibus zu verstehen, s. oben zu v. 194, aber der Zusatz neram ... nervos dann gänzlich überflüssig: man würde erwarten, dass die Ver- breitung der Seele durch alle Bestandtheile des Körpers dann auch im Vorhergehenden erwiesen wäre, was doch nicht der Fall ist. Wie die Seele hier sexa per venas heisst, so sagt L. 372 corporis aique animi primordia ... nectere membra, 557 conexu corpus adhaeret (animae), 691 conexa est per venas viscera nervos ossaque, 739 neque polerunt suptiliter esse conexae (animae per corpora); obwohl eine περιπλοκή zwi- schen den runden Seelen- und den sie haltenden Körperatomen (s. Epik. ep. I p. 8, 4) nicht stattfinden kann. Nectere ist also hier in weiterem Sinne von der engen Verbindung überhaupt gebraucht, wie Epikur (fr. 92) sogar von einer κενοῦ παρεμπλοκή spricht.

222 spirilus unguenti, ein gewählter Ausdruck wie auch Bacchi flos 221: das Parfum haucht süsse Düfte aus, vgl. II 848 nardi florem, nectar qui naribus halat, 850 olivi naturam nullam quae millat naribus auram. Das dritte Beispiel aber wäre unverständlich, wenn sucus hier ‘Saft’ bedeutete: L. war ein zu guter Beobachter, um zu behaupten, dass eine vertrocknete Frucht um nichts leichter sei als eine frische; sondern es kann nur der Geschmack gemeint sein, wie auch II 845, wo suco ieiuna “ohne Geschmack? heisst: 857 entspricht sapor. Der Be- deutungswechsel ist leicht verständlich, da der Saft einer Speise, die wir beim Kauen ausdrücken, die Geschmacksempfindung hervorruft, IV 615 ff. 224 ocwlis videtur deutet noch schärfer als cernas 213 und se prae- stat 220 an, dass die quantitative Veränderung der Körper zwar vor- handen, aber so gering ist, dass unsere Sinne sie nicht wahrnehmen können. Andere behaupteten, da nach dem Abscheiden der Seele das Gewicht des Körpers statt geringer vielmehr grösser würde, so sei die Seele unkörperlich: was Soranus bei Tertull. de an. 8 bestreitet,

18 COMMENTAR

226 An multa hat bereits Creech berechtigten Anstoss genommen; denn so klein die Atome auch sein mögen, bei genügend grosser Anzahl muss doch ibre Schwere ins Gewicht fallen; und von den Seelenatomen wenig- siens sagt L. 278. 376 ausdrücklich, es seien wenige. Ich glaube an ein Versehen des Dichters, da eine Änderung keine Wahrscheinlichkeit hat, so gut auch pauca in Gegensatz treten würde zu in loto corpore. 227 rerum, d. i. natürlich der Dinge, die Geruch oder Geschmack haben; es brauchen nicht ausschliesslich die 221— 223 aufgezählten zu sein. Vorhin (res ipsa) war an einen bestimmten Gegenstand gedacht, hier erweitert sich die Vorstellung; aber die Bingulare odorem und ἐμ ioo corpore neben rerum zeigen, dafs nicht Einzelerscheinungen, sondern Allgemeinheiten, Körpermasse und Eigenschaft, einander gegenüberstehen. 228 quare etiam alque etiam beliebt zur Einführung der Schlussclausel, II 337 v. 0.

281—322 Über die Bestandtheile des Seelencomplexes, die Art ihrer Verbindung und Wirkung.

281—257 'Die Atome, aus denen Geist und Seele bestehen, sind nicht gleichartig, sondern zerfallen in vier Hauptgruppen: Wind, Wärme, Luft, und eine vierte unbenannte Gattung kleinster und glattester Atome. Von diesen geht die Bewegung aus, auf der die Empfindung beruht: sie pflanzt sich fort auf die Atome von Wärme, Wind, Luft, dann in die Atome des Körpers: in das Blut, Fleisch, schliesslich sogar bis in's Mark der Knochen, was dann ernstliche Störungen des Organis- mus, ja den Tod zur Folge hat: aber der Schmerz dringt selten so weit’. Der ganze Abschnitt 281—322 steht im Zusammenhang des Buches merkwürdig isolirt da. Der vier Seelenbestandtheile wird im Folgenden mit keinem Worte mehr gedacht. Alles, was sonst im ersten Haupt- theile über das Wesen der Seele vorgetragen wird, dient mehr oder weniger ausschliesslich dazu, die folgenden Haupttheile vorzubereiten, den Grund zu legen, auf dem sich die Erkenntniss nil mors est ad nos auf- baut: von diesem Capitel hier führen dagegen keine Fäden zu jenem Kernsatze hinüber; es schliesst mit einem Ausblick auf ethische Probleme v. 319 ff. ab. L. hat es aber auch unterlassen, die hier vorgetragene Lehre zum Vorhergehenden in Beziehung zu setzen, und es somit zum Theile selbst verschuldet, wenn er missverstanden worden ist: es finden sich Angaben, die mit früher Gelehrtem theils wirklich unvereinbar sind, theils erst bei eindringenderer Betrachtung als vereinbar erkannt werden. Zwei Punkte kommen vor Allem in Frage: die Zusammensetzung der Seele aus vier verschiedenen Atomgruppen, und das Verhältniss dieser Einthei- lung zur Scheidung von Geist und Seele. Oben 122 und 126 waren aer und ventus offenbar identisch, hier werden sie streng geschieden; ja die Luft wird nicht zum Wind, sondern zur Wärme in nähere Beziehung gesetzt. —— Das ist eine Inconsequenz, die man in einer einheitlich concipirten Schrift nicht zu finden erwartet. Eher ist es erklürlich, dass die qwarfía matura oben gar nicht erwähnt wurde: dort handelte es sich ja nur um die Seele, so weit sie sinnlich wahrnehmbar ist: jene Substanz verbirgt sich aber den Sinnen durchaus, s. 277. 280. Ferner das Verhältniss zu animus und anima. L. äussert sich so, dass man auf den ersten Blick meinen könnte, die guarla natwra sei mit dem animus identisch. Oben[l4o

VERS 226—234. 19 wurden Furcht und Freude im animus localisirt, der nur bei besonders heftiger Erregung seine Empfindung der Seele und dem Körper mit- theile; hier wird behauptet, alle Empfindung entstehe zunächst in der quarta natura. Von ihr heisst es 281 dominatur corpore tolo: genau das Gleiche war 138 vom animus ausgesagt. Bei näherer Betrachtung sieht man aber, dass L. jene Identität zweifellos nicht anerkennt. Jener Widerspruch ist nur scheinbar: rein geistige Bewegungen, wie Furcht und Freude, entstehen eben im animus, und zwar, wie wir annehmen müssen, zunächst in den in ihm enthaltenen Atomen der quaría nalura; sinn- lichen Eindrücken ist dagegen zunächst die Seele ausgesetzt, da sie ja ihrer Image nach zunächst davon betroffen wird, und auch in ihr ist es die quarla natura, von der die Bewegung und also auch Empfindung aus- gebt. Der Geist haftet fest in der Brust, ist also räumlich von der Seele getrennt: die vier Atomgruppen dagegen können, wie L. ausdrück- lich (264) hervorhebt, räumlich nicht von einander geschieden werden, sie sind im Zustande innigster Vermischung. Schliesslich: L. sagt nichts von jener Identität: er würde das aber seiner ganzen Darstellungs- weise nach zweifellos thun, wenn er daran glaubte. Also muss auch das dominari corpore lolo, von zwei verschiedenen Dingen ausgesagt, in ver- schiedenem Sinne gemeint sein: s. zu 281. Ist man sich nun über LJ Auffassung der Sache klar, so kennt man auch die Epikurs: nichts nötigt uns anzunehmen, dass hier ein Missverständniss des Dichters vor- liege, 8. Einleitung p. 42. Auffallend bleibt freilich, dass L. des Ver- hältnisses der beiden Gliederungen zu einander mit keinem Worte ge- denkt. In Verbindung mit den vorher hervorgehobenen Anstössen legt das die Vermutung nahe, dass L. diesen ganzen Abschnitt einer anderen Schrift entnahm als seiner Hauptquelle: es verdient Beachtung, dass v. 323 an 230 ohne bemerkbare Lücke anschliessen würde.

Wenn L. es vers&umt hst, den Abschnitt zu dem vorhergehenden in unzweideutige Beziehung zu setzen, so mag dabei die Bchwierigkeit der Form mitgewirkt haben: er selbst klagt ja gerade hier (v. 260) über die patrii sermonis egestas. Sie tritt wohl gleich bei der Benennung der vier Atomgruppen zu Tage. Es ist nämlich nicht anzunehmen, dass die in der Seele enthaltene awra u.s. w. völlig gleichartig mit der gewÜhn- , lichen awra ist: sie ist nur dem Winde ähnlich, ihm zunächst zu ver- gleichen. Epikur sagt p. 19, 18 fj ψυχὴ écn ... προςεμφερέ- ετατον πνεύματι θερμοῦ τινα κρᾶειν ἔχοντι, nach Aetius IV 3, 11 (fr. 815) ist die Seele ein κρᾶμα ἐκ τεττάρων, ἐκ ποιοῦ πυρώδους, ἐκ ποιοῦ ἀερώδους, ἐκ ποιοῦ πνευματικοῦ, ἐκ τετάρτου τινὸς ἀκατονο- μάςτου: nachher darf er sich erlauben, ungeneuer von πνεῦμα, ἀήρ, θερμόν zu sprechen. L. sagt schlankweg awra miría vapore: da er Ad- jectiva, die dem πγευματικός ete. entsprechen, nicht bilden kann, ,muss er auf die feine Distinction verzichten. 234 Die Luft ist nicht, wie Wind und Wärme, sinnlich wahrnehmbar: so muss ihre Anwesenheit erst erschlossen werden. Es kann auffallen, dass sie mit der Wärme, nicht dem Winde verbunden auftritt, während doch die nahe Verwandt- schaft, wenn nicht Identität von Luft und Wind allgemein anerkanut ist, wie ja auch L. oben beide Namen für einen Begriff gebraucht, Wir werden so genöthigt, die Frage χὰ streifen, wie sich Epikur das Ver-

80 COMMENTAR

hältniss des Windes zur Luft dachte; ohne eine eindringende Erforschung der epikurischen Atomenlehre, die noch fehlt, wird man freilich hierin, wie in so vielen anderen Fragen, nicht ganz zum Ziele kommen können. Die verbreitetste Anschauung ist einfach die, dass Wind bewegte Luft ist: Anaximander ἄγεμον εἶναι ῥύειν ἀέρος Aet. III 7, 1, ebenso die Stoiker ebd. 2, ventus est fluens aer Sen. qu. nat. V 1, 1, quoniam ventus haud aliud intelligatur quam fluctus aeris Plin. n. h. II 114. Anders Aristoteles, der πνεῦμα und ἄνεμος als Ausdünstungen, &vaOupiáceic oder ἀναδόςεις, von Luft und Feuchtigkeit, aus denen sie entstehen können, dem Wesen nach unterscheidet. Ihm folgend scheint auch Epikur angenommen zu haben, dass Wind zwar durch Bewegung der Luft entsteht (L. VI 685 ventus enim fit ubi est agilando percitus aer, vgl. fr. 308 p. 216, 4 πνευματούμενος δὲ οὗτος [sc. ἀήρ] xarà τὴν xivncıv), dass aber hierbei eine Veränderung in der Lage der Atome zu einander eintritt, also ein neuer Körper entsteht die μεταβλητικὴ Kívncic ist ja nur ein bestimmtes εἶδος der μεταβατική fr. 291 —; so- mit ist das ein ganz anderer Vorgang, als wenn ruhiges Wasser zu be- wegtem wird; dabei findet keine μεταβολή statt. "Vgl. ep. II p. 48, 6 ἐκπνευματοῦν τὸν ἀέρα “die Luft zu Wind machen’. Das πνεῦμα kann dann wieder zu Feuer werden, κατὰ τὴν τοῦ πνεύματος ἐκπύρωειν ebd. p. 45, 15. Die Gestalt der Atome bleibt hierbei natürlich unverändert, und so würden die Windatome mit den Luftatomen zwar wesentlich gleichartig, Wesen und Wirkung der Körper aber doch völlig von ein- ander verschieden sein. Da nun Wind verwandelte Luft ist, so mag Epikur angenommen haben, dass der Wind keine Luft mehr enthält Näheres lässt sich darüber nicht sagen: der von L. I 271 ff geführte Nachweis, dass es venli corpora caeca gebe, bringt uns nicht weiter. Dagegen das Feuer führt Luft mit sich, wie jeder andere Körper: VI 1034 res omnes debent in corpore habere aera, quandoquidem varo. suni corpore εἰ aer omnibus est rebus circumdatus adpositusque.. Je mehr nun ein Körper rarus ist, d. h. je mehr inane er enthält, desto mehr wird er auch Luft mit sich führen: da also das Feuer, wie aus seiner Leichtigkeit und Expansionsfähigkeit geschlossen werden kann, jene Eigenschaft in hohem Grade besitst das deutet die Stellung des Adjectivs v. 235 an —, so mtissen die Luftetome in ihm und analog auch in dem vapor zahlreich sein (236); und so wird es kein noch so geringes Quantum von Wärme geben (nec calor est quisquam 234), das nicht Luft enthielte. Im Übrigen darf man das πυρῶδες der Seele nicht ohne Weiteres dem natürlichen Feuer gleichsetzen: wenn von diesem II 431 (vgl. 463) gesagt war, seine Atome müssten deníata oder acula sein, damit sie pungere corpus, conpungere semsus corporis könnten, so gilt das nicht vom vapor der Seele, der jene Wirkung nicht hat: das vorher über die Gestalt der Seelenatome Gesagte kann also bestehen bleiben. 285 enim gehört zum Hauptsatze, denn die incorrecte Aus- drucksweise quod enim ‘weil nämlich’ ist L. nicht zuzutrauen, s. Langen, Beiträge p. 271. 237 animus steht hier für die ganze Seele, eben so unanstössig wie 177.

288 In ομμοία liegt etwas Concessives: "obwohl wir mehrere Be- standtheile gefunden haben, so genügen sie doch alle zusammen noch

VERS 234—944. 81

nicht”. 289f: die Verse sind corrupt und noch nicht geheilt. Das überlieferte mens recipi könnte verstanden werden “der Geist nimmt an, d. h, billigt, hält für richtig: aber statt dessen müsste man, da der Geist ja doch häufig genug auch Falsches für richtig: "hält, mindestens erwarten ‘kann nicht billigen’, vgl. 1 628 quod quoniam ratio reclamat vera wegatqwe credere posse. animus; oder: “der Geist lässt (seiner Natur nach) nicht zu, duldet nicht an sich’, was keinen Sinn giebt. Lachmanns quem muthet dem L. zu, das Pronomen unnöthiger Weise unerhört schlecht gestellt zu haben, und nil recipit kann zudem nicht heissen “ie nullam harum rerum cadi, sondern nur nikil admittit oder in se recipit "macht sich anheischig’, wobei posse nicht stehen dürfte: das gilt auch gegen Góbels recipi se posse creare (quaest. Lucr. p. 24). Bernays recipit res haben Munro und Brieger aufgenommen, und Munro übersetzt ἴδε fach of the case does noi admit', aber recipere kann in dieser Bedeutung nur von dem gesagt werden, der an sich etwas geschehen lässt. Der Sinn der Stelle muss dieser sein: “die Verbindung der drei genannten Bestandtheile genügt nicht, um die Empfindung hervorzurufen, da jeder einzelne dazu nicht im Stande ist": τὸ ἀκατονόμαςτον τὴν ἐν ἡμῖν ἐμποιεῖν αἴςθηςειν᾽ ἐν οὐδενὶ γὰρ τῶν ὀνομαζομένων ετοιχείων εἶναι αἴςθηειν fr. 315. Was sich ferner in dem überlieferten qwaedamque mente volutat verbirgt, ist auch noch nicht . entdeckt. Munro schreibt εἰ homo quae mente volulat, “Ihe thoughts schich a man turns over and over in mind’ —: abgesehen von dem unglaub- lichen homo sind die Dinge, quae mente volutamus, bestimmte Gegen- stände, z. B. nihil umquam nisi sempiternum εἰ divinum animo volulare Cic. rep. I 17, 28, die natürlich nicht durch die Seelensubstanz erzeugt werden. Aber auch bei Munros Deutung ist die Ergänzung des ganz allgemein gesagten semsiferos solus, d. i. alcOncıv im weiteren Sinne der specifisch seelischen Thätigkeit, von der auch im Folgenden ausschliess- lich die Rede ist, durch das specielle “Gedanken? sehr unglücklich: man würde mindestens die πάθη genannt zu sehen erwarten. Der letzte Versuch nedum quae mente volstat (Giussani Riv. di 810]. XXIV 112) ist noch weniger gelungen: wie kann zu mente volwiat das Subject sens sein! Da ich mir eine wesentliche Ergänzung des vorher Gesagten nicht denken kann, vermuthe ich ein Versfüllsel etwa des Sinnes “wie man sich auch die Sache hin und her überlegen mag' finde aber keine genügende lateinische Fassung.

242 adiribuaniur nicht "zu ihnen noch hinzufügen’, denn in diesem Sinne wird adíribwere nicht == addere gebraucht, sondern "ihnen bei- gesellen, zur Begleitung geben’: dafür ist adtribuere üblich. 244 e parvis οἱ levibus ex elementis hat man mannigfach abgeändert, um die Wiederholung der Prüposition zu beseitigen, die anstössig schien, qwoniam in eisdem est levor et d ini Natürlich —8 einmaliges ez,

was man conjici - zu einem m. den einzelnen Begriff hervorheben- den εἰ (so Lachmann), das L. nur sehr selten verwendet, war hier Lucretius v. Hasuen, 0

82 COMMENTAR

keinerlei Veranlassung, und bei dem engen Zusammenhang zwischen Be- weglichkeit und Form der Atome ist auch die Vereinigung der Prädicate unter dem einen exsíat passender als der neue Satz sec est elementis (so Wakefield u. A.), worin man zudem das Subject wiederholt wünschte.

246 parvis perfecta figuris giebt den Grund an, weshalb sie zuerst bewegt wird; je nach der grölseren oder geringeren Beweglichkeit werden dann auch die übrigen Bestandtheile von Seele oder Körper früher oder später ergriffen, zuletzt das Festeste, die Knochen, und das durch sie geschützte Mark. Das kommt denn der volksthümlichen Anschauung nahe, wonach die stärksten Empfindungen bis ins Mark dringen; allgemein anerkannt ist ferner, wie gefährlich eine Verletzung des Rückenmarks ist; daher es bei den Medicinern geradezu alwv heisst. L. corrigirt gewisser- massen jene volksthümliche Anschauung, indem er hervorhebt, wie selten Empfindungen bis ins Mark dringen, und bestätigt die medicinische Lehre: mec femere huc dolor «sque potest penetrare etc. Die älteren Interpreten haben das ganz richtig verstanden: neuerdings fasst man seltsamerweise huc als «sque in quariawm illam naluram, von der doch jeder sensifer. motus ausgeht, die also durch jede erste leiseste Empfindung von voluptas und dolor berührt wird. acre malum wohl Krankheit. 258 quin omnia pertürbentur: vgl. II 968 dolor est, ubi materias corpora vi quadam per viscera viva per aríus sollicitata suis trepidant in sedibus inius. Der ordnungsmälsigen Bewegung, omnia mobilitaniur, steht die widernatürliche und darum verderbliche des perturbari gegenüber. Auch der Schlaf hindert die normalen Functionen des Organismus: conturbantur enim. posilurae principiorum corporis aique animi IV 943. "Vgl ferner zur Ergänzung unserer Schilderung II 944 ff. praeterea. quamvis animan- tem grandior ichus, quam patitur natura, repente adfligii εἰ omnis cor- poris aique. animi pergit. confundere sensus. dissolvontur enim positurae principiorum, οἱ penitus molus vitales impediuntur, donec materies, omnis concussa per arius, vitalis animae nodos a corpore solvit. dispersamque foras per caulas eiecit omnis. 254 animai partes ‘die Stücke der Seele’: denn beim Tode scinditur animae natura 531, sie entweicht nicht inco- lwnis 608. Die cawlae corporis (πόροι) auch v. 702; VI 889 (aves) dispergunt animas per caulas corporis omnis; IV 660 die caulae palati neben den foramina linguae; VI 492 die cawlae aetheris neben den spiracula mundi. Die Seele entweicht nicht allein, wie es die volksthüm- liche Anschauung auffasst, aus Mund und Nase (vgl zu v. 607), sondern aus allen ‘Poren’ des Körpers: 586 foras mananie anima wsqwe per arius perque viarum omnis flexus, in corpore qui sunt, atque foramina. Das hatte schon die alte Medicin gelehrt: bei der Schilderung des Todes am Schlusse der auf sehr alter Grundlage beruhenden (vgl. Ilberg, Griech. Stud. f. Herm. Lipsius p. 22 ff) Schrift περὶ ἑβδομάδων (Hippokr. VIII p. 672 Littré, == Aphor. VIII 12) heisst es ἀποπνεῖ ἀθροῦν τὸ πνεῦμα ToO θερμοῦ ... τὸ μὲν διὰ τῶν εαρκῶν, τὸ δὲ διὰ τῶν ἐν κεφαλῇ ἀναπνοῶν. Es ist anzunehmen, dafs Demokrit sich diese Lehre an- geeignet hatie, da wir sie bei Epikur finden; vgl Philod. de morte col. 8 ἐξίπταται (fh ψυχὴ) ζ(λελειμμένγων πόρων ἐν τῇ capxl πζλέονν A μζυρίωνν eol. 37 τῆς ψυχῆς ἑτοιμοτάτους πόρους εἷς ἐκπνοὴν ἐχούςης. Ten Brink Philol. VIII 423 sucht umgekehrt Benutzung des Demokrit in dem betr.

VERS 944—368. 83

Abschnitt aus m. ἑβδομάδων nachzuweisen, ohne überzeugende Argu- mente. 256 in summo quasi corpore “sozusagen’, denn nach der ge- gebenen Schilderung des Vorgangs verlaufen ja die sensiferi motus im Kórper nicht strict von aussen nach innen.

258—322 über Mischung und Wirkungen der vier Seelentheile.

258—261 “Die folgende Auseinandersetzung kann nur die Haupt- punkte berühren; die Armut der Muttersprache verbietet ein näheres Eingehen’. Der Dichter ist sich also bewufst, dass es ihm nicht gelingen kann, die epikurische Theorie befriedigend wiederzugeben (ab- Sirahit aventem), aber er will doch wenigstens versuchen, das Wichtigste anzudeuten. In der That bietet kaum ein Abschnitt des Gedichts dem tiefer eindringenden Verständniss grössere Schwierigkeiten; und auf die palrii sermonis egestas kommt L. unten 317 zurück: er verzichte auf weitere Ausführungen, da er nicht vermöge reperire figurarum tot nomina quot sunt principiis. Es ist das der einzige Fall in dem wir bestimmt wissen, dass L. die Ausführungen seiner Quelle stark gekürzt hat, und wir müssen ihm glauben, dass neben sachlichen Erwägungen (vgl. das oben über den ganzen Abschnitt Gesagte) sprachliche Schwierigkeiten ihn dazu zwangen: Munro sucht also vergebens (Introd. p. 11) die Äusserungen des Dichters über den auf ihm lastenden sprachlichen Zwang abzuschwüchen. 258 Dass inter durch die Cäsur getheilt wird, hat bereits L. Müller (de r. m.* 461) gesagt; das Gleiche würde für den Vers VI 1067, wie ihn Lachmann schreibt (quae numerare queam inter singillariter apta), gelten. Die von Müller beigebrachten Beispiele lassen sich vermehren: Silius V 497 pars trepidi celso in | ter tela cacw- mine pendent; Iuven. X 358 qui spatium | vitae extremum in | ter munera ponat (falls hier nicht er | tremum vorzuziehen ist; falsch jedenfalls Eskuche bei Friedländer p. 75). 269 compta bezeichnet mehr als mixta die geordnete, gesetzmässige Verbindung, Zusammenfügung; s. zu 845. 260 ‘aber, wenn ich's auch nicht wirklich erörtern kann, rationem reddere, so will ich's doch wenigstens (s. zu s τὰ 558), so gut ich's summarisch zu berühren vermag, berühren’. summalim attingere ist ein Begriff; zum Verbum des Hauptsatzes, tangam, hört jeder das Adverb noch hinzu. Darin, dass statt des üblichen elliptischen μέ potero der volle Satz steht, darf man keine besondere Absicht suchen: μὲ pofero, summatim tangam hätte genau das Gleiche besagt, aber den Vers nicht gefüllt. Das Object in fangam ist aus dem Satze quo pacto ... vigeant zu entnehmen.

262—287 über die Verbindung der Seelenbestandtheile unter ein- ander. ‘Die vier Atomgruppen sind nicht räumlich von einander ge- sondert, sondern unter einander gemischt; so bilden sie einen Körper, als dessen verschiedene Krüfte sie hervortreten, wie an den einzelnen Körpertheilen jedes Lebewesens Geruch, Farbe, Geschmack. Am meisten tritt wegen der Kleinheit ihrer Atome für die Sinneserkenntnis die vierte Substanz zurück, die sich zur Gesammtseele verhält, wie die gleich- falls dem Körper gegenüber zurücktretende Seele zu diesem. In Ahn- licher Weise, wie jene Substanz die drei anderen durchdringt, müssen diese unter einander gemischt sein, damit ein scheinbar Einheitliches entsteht; die Absonderung einer Atomgruppe von den übrigen würde die Existenz der Seele und somit das Zustandekommen der Empfindung

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84 COMMENTAR

unmöglich machen’. Offenbar liegt L. viel daran, das Missverständ- niss zu vermeiden, als seien die einzelnen Átomgruppen Theile der Seele, in dem Sinne, wie etwa Platon von solchen sprach, oder wie Epikur den animus τὸ λογιζόμενον μέρος τῆς ψυχῆς (fr. 318, so Diogenes v. Oin. fr. 32 τὸ λογικὸν μέρος καὶ τὸ ἄλογον), L. selbst das ἄλογον 142 ceiera pars animae nennt. Er vermeidet es ja auch, diese vier Bestandtheile paríes animae zu benennen (255 ist damit "etwas ganz Anderes gemeint) und verzichtet lieber auf eine Bezeichnung, die das Verhältniss des Theils zum Ganzen ausdrückt: Da nur die Vereinigung der verschiedenen Atomarten die Seele ausmacht, diese aber im ganzen Körper als Seele wirkt, so muss sie auch durch den ganzen Körper gleichmässig die ganze Mischung enthalten, locale Verschiedenheiten in der Zusammensetzung sind ausgeschlossen. Es steht danach mit der unsichtbaren Seele nicht anders, als mit den sichtbaren Körpern, die sämmtlich gleichfalls aus verschiedenen Atomgruppen bestehen, da kein Körper nur eine einzige Kraft oder Eigenschaft besitzt: II 582 convenit ... menle tenere nil esse, in promplu quorum nalura videlur, quod genere ez uno consisiai principiorum, nec quicquam quod non permizto semine | constet: ed quodcumque magis vis mullas possideb im se alque potestates (cf. 265), ila. plurima principiorum im sese. genera. ac varias docet esse figuras. Zur Veranschaulichung dient, ganz ähnlich wie bier, II 680 mula vides quibus ct color ei sapor una reddila suni cum odore ... haec igitur variis debent. constare figuris. L. bezeichnet die verschiedenen nalurae geradezu als vires der Seele (265. 270); so ist auch für Epikur die @ücıc eines Dinges mit seiner δύναμις iden- tisch (s. über die Begriffe Natorp, Forsch. z. Gesch. d. Erkenntniss- problems p. 131 ff. 230), und wie er eine Substanz als φύςις bezeichnet, kann er sie auch δύναμις nennen; ποιότης ἀκατονόμαςτος heisst in ganz gleicher Weise bei Plut. adv. Col. 20 fr. 314 die malura nominis expers. Ein der ποιότης genau entsprechendes Wort hat L. nicht.

262 primordia principiorum motibus: die principia können unmöglich elwas Anderes sein als die primordia, denn nach dem oben Gesagten ist ganz undenkbar, dass sie die vier genera principiorum bedeuteten: L. braucht den Plural des Wortes sehr oft, und immer dient es dazu, primordia in den obliquen Casus zu ersetzen, wie z. B. saecla den Plural von genus vertritt (Polle Jahrbb. 98, 758). Primordia u. principia be- sagen also hier genau dasselbe, und somit liegt keine sog. "Tautologie” vor, wie in aeris aurae, nidoris odores, sondern die Nebeneinanderstellung ist nicht anders zu beurtheilen, als wenn in ähnlichen Füllen dasselbe Wort wiederholt wird, um die reflexive Beziehung stark zu betonen. Betont soll aber hier werden, dass das inter se intercursare schon die nothwendige Folge der den Atomen als solchen eigenthümlichen Bewegung ist (vgl. Π 95 ff. u 5, oben zu v. 38), nicht erst einer von aussen heran- tretenden. 263 ndil .. . wm gehört nicht zusammen wie Liv. 41, 20, 7 Rhodiis ut nihil unum insigne, ila. omnis generis .. . dona. dedit, sondern unum proleptisch zu secermier, ‘so dass es dann allein für sich ist’ secernier wird durch spalio divisa erklärt: unterscheiden kann man sie wohl, aber nicht räumlich trennen. 265 Subject zu er/ant können ' nicht primordia sein, denn nicht die einzelnen Atome, nur die Atom-

VERS 262—366. 85

gruppen wirken als verschiedene Kräfte; aus nihil ist vielmehr ein omnia illa genera, 6 quibus constal anima zu entnehmen. mwlíae vis, vgl II 586 (oben eitirt); das sind nicht nur vier, die mit den vier hauptsüchlichen gemera identisch wären, sondern in jedem derselben giebt es wieder Unterabtheilungen, die besondere Kräfte repräsentiren, s. zu v. 314. In der Annahme verschiedener seelischer Kräfte trennt sich Ep. von Demokrit: Alex. Aphrod. de an. f. 128* τοῦ μὲν οὖν πλείους buvé- μεις τῆς ψυχῆς εἶναι καὶ μὴ τὴν αὐτὴν ταῖς μεταβολαῖς xal ἄλλοτε πρὸς ἄλλα τε καὶ δι᾽ ἄλλων ἐνεργείαις δοκεῖν πλείους εἶναι, ὧς Anpo- xpirw τε καὶ ἄλλοις rıciv δοκεῖ... Die eingehenden Untersuchungen -des Aristoteles über die δυνάμεις τῆς ψυχῆς mögen auf Ep. gewirkt haben: Aristoteles hält der demokritischen Lehre vor, es sei nicht zu begreifen, wie ein und dieselbe Substanz Entgegengesetztes, wie Bewegung und Ruhe, im Körper hervorbringen könne, de an. 406 b 22. Daher giebt denn Ep. die Einheitlichkeit auf und führt z. B. Bewegung und Ruhe auf die Verschiedenheit der Atome zurück, s. zu 288 und Einl p. 40. 266 viscus heisst bei L. nie Eingeweide', sondern immer ganz all- gemein das Fleisch des lebenden Kürpers (vgl Servius zu Aen. VI 253 viscera: non exia dicit sed carnes, nam viscera sunt quicquid inter ossa el cutem est): visceris et sanguinis V 908, ossa ... viscus .. . sanguis I 885, 08sa cruor venae calor umor viscera nervi II 669 u. s. £; caro überhaupt nur VI 967 und 969 neben coria, Fleisch, das gebraten oder im Wasser geweicht wird. Also auch hier viscus ein Fleischtheil am lebenden Körper: ein jedes solches viscus besitzt (würden wir sagen) verschiedene Geruch, Geschmack, dazu als Drittes sicher nicht calor, was überliefert ist, sondern color (Lamb.). Die Körperwärme wird ja eben durch Seelen- atome erzeugt, und es wäre widersinnig, ein und dasselbe, eben diese primordia caloris, auf beiden Seiten des Vergleichs vorzubringen; color, sapor und odor, die naturgemäss zu einander gehören, werden zusammen genannt auch in der Parallelstelle II 680 (oben citirt p. 84). Ich be- merke nebenbei, dass ich nicht sicher weiss, ob Epikur die Farhe ganz auf eine Linie mit Geruch und Geschmack hat stellen wollen: L. thut es jedenfalls. Ex his omnibus nun, d. h aus den drei genannten wie verschiedenen ungenannten ποιότητες, ist ein einziger und einheitlicher Theil des Kórpers geworden, die verschiedenen Substanzen sind so unter einander gemischt, dass sie sämmtlich nicht zu sondern sind. Vgl. II 668 quamvis animanie ex omnibus unam ossa cruor venae calor umor viscera nervi constituunt, quae sunt porro distantia longe; da sind nicht Atom- gruppen genannt, sondern Körper, die aus solchen zusammengesetzt sind und dann, wieder unter einander verbunden, ein Lebewesen bilden; sie alle sind corporis augmina, tragen etwas zum Ganzen des Organismus bei. Eine Substanz wie sie, una natura, ist auch die Seele, die Mischung der genannten Atomgruppen. Um das Bild als treffend zu empfinden, muss man sich die epikurische Anschauung gegenwärtig halten, wonach die ποιότητες, odor τι s. w., nicht am Körper haften, sondern im Körper als seine Bestandtheile sind. Áusserlich ganz ähnlich, aber auf anderer Anschauung beruhend, das Bild bei Alexander Aphrod. de an. f. 128”, wo er sich dagegen verwahrt, dass er die Seele, von deren μέρη er doch spreche, als theilbar auffasse: οὐ γὰρ εἰς διαιροῦμεν αὐτήν, dc ἐκ

86 COMMENTAR

τούτων xeyupicuévuv cuyxeutévny διαιροῦμεν, ἀλλὰ τῇ τῶν δυνάμεων ὧν ἔχει καταριθμήςει (quasi mullae. vis) καὶ τῇ τῶν διαφορῶν αὐτῶν εὑρέςει τὴν διαίρεειν αὐτῆς ποιούμεθα, ὡς ἂν εἰ τὸ μῆλόν τις διαιροίη εἴς τε εὐωδίαν καὶ εἰς εὔχροιαν καὶ εἰς εχῆμα καὶ eic χυμόν (vgl. dazu Themist. de an. I 5 p. 68 Sp.) Etwas anders, der epikurischen Auf- fassung näher kommend, wenden das Bild die Stoiker bei Jambl. Tt. ψυχῆς (Stob. ecl. I p. 868 W.): ὥςπερ τὸ μῆλον ἐν τῷ αὐτῷ εὐματι τὴν γλυκύτητα ἔχει καὶ τὴν εὐωδίαν, οὕτω καὶ τὸ ἡγεμονικὸν ἐν ταὐτῷ φανταςίαν, cuyxarädecıv, ὁρμήν, λόγον cuvelinpe L. (d. h. Epikur) hat das an sich weniger nahe liegende viscus gewählt, um die Geltung der Seele als pars corporis wieder zu betonen. 271 dividit, oben 245 didit: vgl τὰς διαδιδομένας (ὑπὸ τῆς ψυχῆς) τῷ εὐματι κινήεεις Philod. de ira col 8. Auf die Fleischtheile, viscera, geht dann von den gröberen Seelenatomen die Bewegung über: unde 272 ist auf ollis zu beziehen. Dagegen war 245 ganz correct von der quarla natura gesagt: sensiferos motus didit prima per aríws, d. h. zunächst auf die in den arius enthaltenen übrigen Seelenatome. |

273 Nam leitet die nähere Darlegung über die Art der Mischung ein. Zunächst wird die Sonderstellung der vierten Substanz nochmals energisch hervorgehoben und definirt. Sie ist durchaus ganz verborgen und versteckt: ist sie ja doch directer sinnlicher Wahrnehmung überhaupt nicht zugänglich, sondern nur durch einen Schluss gefunden. Subest hier und 284 darf man nicht etwa als Übersetzung von ὑπόκειται, ὕπεςτι ansehen im Sinne des Aristoteles und Späterer, denen das ὑποκείμενον die Substanz im Gegensatz zur Eigenschaft ist; schon deshalb nicht, weil im Folgenden die Proportion 'guaría: Seele == Seele: Körper’ auf- gestellt wird, die Seele aber keinesfalls als ὑποκείμενον des Körpers aufgefasst werden kann. Vielmehr ist swbesi lediglich ein sinnlicherer Ausdruck für das durch latet Ausgedrückte. 274 magis hac infra ist richtig überliefert, nicht in intra zu ändern. Man darf es zwar nicht vergleichen mit IV 111 primordia (antwm sunt infra nostros sensus, was Munro richtig erläutert durch II 138 a principiis ascendit motus εἰ exit paulatim ad nostros sensus: dabei stellt man sich ein gewisses Niveau vor, unterhalb dessen die Sinne nichts wahrnehmen. Hier dagegen isi infra esse nur eine neue, durch subest veranlasste Verdeutlichung des latet. 275 anima animae: wie die Seele dem Körper, so ist sie der Seele die Ursache von Bewegung und Empfindung. Den poetischen Ausdruck erläutern die folgenden Verse. Er mag sonst in anderem Sinne gang- bar gewesen sein; Meleager A. P. V 155 ἐντὸς ἐμῆς κραδίης τὴν εὔλαλον Ἡλιοδώραν ψυχὴν τῆς ψυχῆς αὐτὸς ἔπλαςςεν ἔρως, proporro “dient ohne Ausnahme der Subsumption gleichnamiger Begriffe unter einander (Polle, Jahrbb. 98, 1866, 756)’; die Seele hat ‘wieder’ ihre Seele. 276 #.: Äusserlich ist der Vergleichspunkt zwischen Seele und qwaría die Kleinheit der Atome im Verhältniss einerseits zum Körper, anderer- seits zur übrigen Seele; dadurch erklürt sich ihr Verborgensein. Ob die Atome der ἡμαγία natura auch verhältnissmässig gering an Zahl sind, wie die der Seele (278), bleibt dahingestell. 280 An quasi hat J. E. B. Mayor (bei Munro) Anstoss genommen, da 275 ohne diesen 'apologetischen' Zusatz dasselbe bereits gesagt sei. Aber ein bildlicher

VERS 966—287. 81

Ausdruck bleibt anima animae immer, und nur dies wird durch quasi angedeutet: mit der grösseren oder geringeren Bestimmtheit der Aussage hat der Zusats nichts zu thun. 281 dominatur corpore tolo: dasselbe war oben 138 vom Geist gesagt. Wenn es hier von der qwaría, also etwas ganz Anderem, wiederholt wird, so hat man die Wahl zwischen zwei Auffassungen. Entweder der Dichter weist ausdrücklich auf jene frühere Áusserung zurück und will dann sagen: dieselbe Rolle, die bei rein geistigen Emotionen der animus gegenüber der anima, und durch sie im Körper, spielt, hat bei aller Empfindung die qwaría gegenüber dem Best der Seelenatome, und durch sie im Körper, inne. Das scheint mir etwas gekünstelt, und ich neige der anderen Möglichkeit zu, dass die Übereinstimmung unbeabsichtigt ist; dann ist sie nicht eben geschickt, aber doch nicht unerklärlich. Wie die Seele in nostro dominatur corpore

(v. 709), so in der Seele wieder, und also im Ganzen des Menschen, die quarta. Dass sie herrscht, kann man freilich von ihr nicht ganz in dem Sinne sagen, wie vom Geist, insofern nicht ihr Wille die Hand] des Menschen bestimmt; aber domimari kann etwa τὸ κυριιίύτατον εἶναι bedeuten, “ist das Maassgebende, Wesentlichste’, *hat die höchste Geltung”, und das lässt sich allerdings von der safwura behaupten, der die Seele ihr eigentlichstes Wesen, die Empfindung, verdankt.

282 consimili ratione; die quarta ist also unter die übrigen genera gemischt, und zwar so, dass sie für die Wahrnehmung völlig zurücktritt; ebenso müssen die drei übrigen unter einander gemischt sein, und zwar so, dass sie alle hinter einander zurücktreten, wenn ich mich zunächst so ausdrücken darf: die Meinung des Dichters läfst sich schwer in Worte fassen. Nur die vierte Natur penitus prorsum late, verbirgt sich völlig hinter den anderen, so dass sie für die Sinne nie zu Tage tritt; diese anderen können sich natürlich nicht jedes ganz hinter dem anderen verstecken, und so ist es erforderlich, dass andererseits auch jedes der drei vor den beiden anderen bhervoriritt. Also: einerseits verbirgt sich jedes mehr als die anderem, andererseits tritt es auch wieder mehr hervor: alis aed subest magis cmineique. Nur so ist es möglich, dass aus allen geners zusammen eine Einheit entsteht (ab omnibus fi unum mixta crest wmam naturam 270), und als solche in die Erscheinung tritt (videler); wemm eins von den dreien sich ab- sonderte, würde ein Zustandekommen der Empfindung nicht mehr möglich sein. Man empfindet, wie L. mit dem Ausdruck ringt, um die Vollkommenheit der Mischung, das gegenseitige völlige Sich- durchdringen der vier Stoffe anschaulich zu machen. Wie können so disparate Stoffe überhaupt eine Einheit bilden? διαςπαςθήςεται 6p, ei μή τι Zcraı τὸ xwivov, wie Aristoteles de anima 416a 7 gegen die Zusammensetzung der Seele bei Empedokles einwendet. Das κωλύον ist nach Ep. eben die Enge der Verbindung, worin ein Atom das andere hält und vom anderen gehalten wird, die Wechselseitigkeit der Lage,

ad) nehmen an, dass hier schon auf die "ris ——— gezielt isi: mit Unrecht, wie sich gleich noch deutlicher zeigen wird.

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88 COMMENTAR

288—322 Ueber die Beziesungen der drei gröberen Bestandtheile zu Gemüthszustand und Charakter. “Wärme und Zorn, Wind und Furcht, Luft und Seelenruhe gehören zusammen; je nach dem Übergewicht der einen oder anderen Substanz neigen Thiere wie Menschen zu der einen oder anderen Gemüthsverfassung: diese Naturanlage kann durch Erziehung gemässigt, aber nie gänzlich ausgetilgt werden. Auch alle übrigen Charakterverschiedenheiten der Menschen gehen auf Verschiedenheit der seelischen Composition zurück: das kann ich nicht näher ausführen. Aber sicher bleibt, dass keinen Menschen seine natürliche Veranlagung hindern kann, völlig glücklich zu werden.” Ueber die Functionen der drei Seelenbestandtheile haben wir abgesehen von dieser Erörterung zwei nicht ganz übereinstimmende Zeugnisse (s. auch, namentlich über das zweite, Einleitung p. 42 f£) Aetius IV 8, 11 p. 388 D. (fr. 315): τὸ μὲν πνεῦμα κίνηειν, τὸν δ᾽ ἀέρα ἠρεμίαν, τὸ δὲ θερμὸν τὴν φαινο- μένην θερμότητα τοῦ cóparoc... ἐμποιεῖν. Plutarch adv. Col 20 p. 1118 d (fr. 314) von den Epikureern: μέχρι τῶν περὶ cópxac τῆς ψυχῆς δυνάμεων, αἷς θερμότητα καὶ μαλακότητα καὶ τόνον παρέχει τῷ εὥματι, τὴν οὐείαν ευμπηγνύντες αὐτῆς Ex τινος θερμοῦ καὶ πνευ- ματικοῦ καὶ ἀερίώδους οὐκ ἐξικνοῦνται πρὸς τὸ κυριώτατον ἀλλ᾽ ἀπα- τορεύουςει. τὸ yàp κρίνει καὶ μνημονεύει καὶ φιλεῖ καὶ μιςεῖ καὶ ὅλως τὸ φρόνιμον καὶ λογιςτικὸν ἔκ τινος φηςείν ἀκατονομάςτου ποιότητος ἐπιγίγνεεθαι. Diese Angaben sind die Grundlagen für das Verstündniss des vorliegenden Abschnittes. Danach sind die Wirkungen der einzelnen genera zunächst physiologische: sie bewirken die Körper- wärme, ferner Bewegung und Ruhe, Weichheit und Spannung. Bei L. hören wir davon nichts: die Wirkungen sind auf's Geistige ü die Körperwärme erscheint als Zorneshitze, Bewegung als Schauer der Furcht, Unbewegtheit als Ruhe des Gemüths. Halten wir damit zusammen, was L. 314 ff. über weitere seelische Eigenthümlichkeiten sagt, die sich aus der verschiedenen Gestalt der Seelenatome ableiteten, so erkennen wir, dass Epikur den kühnen Versuch gemacht hat, auf physischer Grundlage eine Characterologie aufzubauen, die vom Einfachsten zum Complicirtesten aufstieg. Von diesem Versuch wüssten wir ohne diese Lucrezverse nichts, und so gehören sie zu den wichtigsten des Buches: Usener hat ihnen mit Recht einen Platz in den Epicures eingerkumt (fr. 316). Es ist auffallend, dass L. über jene grundlegenden physiologischen Functionen der drei genera nichts sagt; beim calor war das vielleicht nicht nöthig, aber für venius und aer verstand es sich doch nicht ganz von selbst. Aber es war weder für den Haupizweck des Buches, noch für den speciellen des vorliegenden Abschnittes von Wichtigkeit: und so lässt es der Dichter bei Seite, der sich ja durch seine einleitenden Worte derartige Freiheit gewahrt hat. Er ist aber nicht für das Missverständniss verantwortlich, als seien die von ihm erwübnten Kräfte der genera die einzigen. Er schliesst es vielmehr von vorn herein durch das calor ille (auch 292 ille) aus: daneben giebt es also, muss man schliessen, noch andere Arten des calor. Dasselbe | besagt das den Abschnitt einleitende ctiam, das man seit Tanaquil Faber einmüthig in efenim ändert: auch grammatisch sehr bedenklich, denn die von L. sehr häufig gebrauchte Partikel ist bei ihm nur einmal in

VERS 388. 89

anderer Stellung als am Satzanfang überliefert, VI 912, und da dürfte nach Analogie von IV 327 und 575 eher etiam zu schreiben sein, als um- gekehrt hier und V 632 etenim (die Formel quippe ctemim spricht natür- lich nicht gegen das Gesagte) Sachlich ist hier die Aenderung noch bedenklicher: denn dass durch die folgenden Erörterungen die früheren nicht begründet werden sollen, ergiebt sich aus dem Inhalt; cfiam aber ist ganz am Platze: nachdem im Allgemeinen von dem in der Seele enthaltenen calor gesprochen ist, sagt L., es sei such, d. h. unter anderen, folgender specielle calor dabei Welche Rolle nun eigentlich die drei genera beim Zustandekommen von Zorn u.s. w. spiclen, wird man aus L.' Worten nicht mit Bestimmtheit entnehmen können, obwohl er sich bemüht, durch Wechsel des Ausdrucks Klarheit zu schaffen: calor quem sumit in ira aura comes formidinis slatus aeris .. pectore tranquillo qui fit. Soviel geht daraus hervor, dass die betr. Wärme u.s.f. die entsprechenden Gemüthszustände nicht erzeugt, dass sie vielmehr gewissermaassen aus ihnen hervorgeht, Begleiterscheinung ist. Die Affecte gehen, wie ganz übereinstimmend auch v. 141 ff. gelehrt wird, vom animus aus (amimus 288; mens 295; 299), ihr Ursprung liegt, wie nach dem oben Gesagten zu folgern ist, in der quaría: diese scheint dann im einzelnen Falle die entsprechenden Atomsorten in Anspruch zu nehmen, so dass dann diese ihrerseits die körperlichen Symptome hervor- bringen. Das liesse sich mit ein wenig Phantasie weiter veranschau- lichen: aber ich sehe viele Möglichkeiten und verzichte daher darauf, eine auszuführen.

Dass Zorn und Wärme, Furcht und Kälte zusammenhängen, war allgemein und von Alters her anerkannt. Andererseits hatte die alte Medicin, und ihr folgend Aristoteles, körperliche wie seelische Eigen- schaften aus der Mischung der verschiedenen Körperbestandtheile, nament- lich des Warmen und Kalten, hergeleitet. Erst Epikur, und wie es scheint er allein, hat den Schritt gethan, die xpäcıc der Seele, nicht des Körpers, als das für Temperament und Character des Menschen Massgebende hinzustellen; doch mag an die ‘trockene Seele” Heraklits erinnert werden. Die später namentlich von Medicinern reich entwickelte Temperamentenlehre (s. Siebeck Gesch. d. Psych. II 278 f, der aber p.280 über Lucrez unrichtig urtheilt) war damals noch in ihren ersten Anfängen. Ich setze zum Vergleich auch des sprachlichen Materials einen Passus Senecas her (de ira II 19), der aus stoischer Quelle stammt: opporiwnissima ad iracundiam fervidi animi natura esl. mam cum elementa sini. quatuor, ignis, aquae, aeris, lerrae, potestates pares his sunt, fervida, frigida, arida atque humida. εἰ locorum ilaque et animalium εἰ corporum εἰ morum varietates mixtura elementorum facit εἰ proinde in aliquos magis incumbunt ingenia, prout alicuius elementi maior vis abundavii. inde quasdam humidas vocamus aridasque regiones et calidas et frigidas. | eadem. animalium hominumque discrimina swf: refert. quanium quisque humidi in se calidique contineat. cuius in. illo elementi portio praevalebit, inde mores erunt. iracundos fervida anime natura faciet: est enim actuosus et pertinax ignis. frigidi mixtwa tisáé- dos facit: pigrum est enim coniractunque frigus. volunt ilaque quidane ex nostris iram in pectore moveri effervescente circa cor sangwise.

90 COMMENTAR

Das Weitere über Feuchtes und Trockenes geht seinen eigenen Weg. Auf gleichem Boden fusst die hermetische Schrift Stob. ecl. I p. 468 W.: e piv... κατὰ τὴν εὠματικὴν διάπηξιν πλεονάςειέ τὸ πῦρ, τὸ τηνι- καῦτα ψυχὴ θερμὴ τὴν φύειν ὑπάρχουςα καὶ ἕτερον θερμὸν προς- λαβοῦςα, ἐκπυρωδεςτέρα γενομένη, ποιεῖ τὸ ζῷον ἐνεργότερον καὶ θυμικόν, τὸ δὲ cüpa ὀξὺ καὶ εὐκίνητον. εἰ δὲ πλεονάζειεν ἀήρ, τὸ τηνικαῦτα καὶ κοῦφον καὶ πηδητικὸν καὶ ἀνέδραςτον γίνεται τὸ ζῷον καὶ ψυχῇ καὶ εὐματι. Dann über ὕδωρ (εὔρουν τε καὶ εὐφυὲς καὶ εὐπερίχυτον) und γεῶδες (ἀμβλεῖα ψυχήλ Man sieht, dass die Scheidung von ἀήρ und πνεῦμα für die Eigenthümlichkeit epikurischer Lehre sehr wesentlich ist.

288 Über etiam und ille ist oben gesprochen. quem sumit, wohl nach Analogie von arma sumere zu erklären. im ira cum fervesch gehört zusammen, nicht sumst in ira; das wäre kahl und die Ausführung im cum-Batze würde nachhinken, vgl 295 mens effervescit in ira. 289 ex oculis micat acribus ardor: acrius ist überliefert, was Brieger vergebens zu halten versucht. Man hätte dabei zu ergänzen quam non ira. Aber auch die beiden folgenden Symptome der Affecte sind keine Steigerung früherer Erscheinungen, sondern treten ganz neu auf: die betrefferden Atomgruppen wirken eben nur bei jenen Affecten, nicht fortdauernd. Ferner kann ez oculis micat ardor nicht vom natürlichen Glanz der Augen gesagt werden, sondern nur vom zormig erregten; flagrant ac micant oculi als signum. irascentis Ben. de ira I 1, 4; micant ardorem orbes Culex 222 vom wüthenden Cerberus; ora iwment ira, ... lumina .. igne ... micant. Ovid a. a. ΠῚ 503 sq.: ira ... emicat ex oculis met. VIII 356; sanguine εἰ igne micant oculi (vom calydonischen Eber) ebd. 284; igne micant oculi (Drache des Cadmus) ebd. III 88; oculos igne micantes (Schlange des Aesculap) ebd. XV 674; endlich, längst als Nachklang unserer Stelle erkannt, toloque ardentis ab ore scintillae absistunt, oculis micat acribus ignis Aen. XII 102 vom wuth- schnaubenden Turnus Vgl dann aspectugwe micat flammarum lumine forro Cul. 173 (Schlange); volium hostis ardore animi micantem ferre non potuit Liv. VI 13, 2; oculos sibi Romanorum ardere visos aiebant vesanos- que vollus εἰ furentia ora ebd. VII 33, 17. Bei Philodem περὶ ὀργῆς die Schilderung der Symptome nur fragmentarisch (Fr. I)... ἐν ταῖς ὀργαῖς ἔχει τοὺς ὀφθαλμούς, Ecrıv δ᾽ ὅτε καὶ ςτιλβηδόνας προιεμένους.

Das Epitheton acribus wie dann gleich acria oculi subito acriores Ben. de ira II 8, 2. 290 est, scil animo. die Einwirkung

heftiger Furcht, formido, auf den Körper schon oben v. 152ff. Die Schilderung der Symptome weicht hier und 300f. von der dort gegebenen ab; da die Wirkung der awra zunächst die xívncic ist (s ο.), so wird die im Körper erzeugte Bewegung betont: 300 f. citius concitat auras und iremulum molum; hier ciet horrore und concitat artus, das somit hier geeigneter ist als das von Wakefield und Tohte (Jahrbb. 117, 128) ver- langte concuiit, in dem das Moment des Bewegtseins nicht so deutlich hervortritt. "Vgl. v. 748 paror incitat arius. Das braucht nicht nur zur Flucht zu sein, sondern kann auf jede andere Bewegung, Zittern, Sch

Unruhe τ. 5. f. gehen. 292 pacati status aeris ille: pacatus Epitheton constans wie placidws 302, nicht anders als calidus bei vapor, ohne dafs

VERS 388—297. 91

an einen vorhergehenden bewegten Zustand zu denken ist, in dem der aer eben nicht mehr aer wäre. Stafus pacati acris kann also nicht heifsen: die Luft im Zustande der Ruhe, wie etwa Seneca (nach Demokrit) im Gegensatze zum ventus sagt quietum εἰ placidum aeris statum esse, cum in mullo inani pauca sint corpuscula quaest. nat. V 2. Es kann überhaupt von keinem eigenthümlichen Zustande der Luftgruppe die Rede sein, denn nicht die Veränderung, sondern nur das Hervortreten bestimmter Atomgruppen kommt in Frage. Ich kann also den Genetir nur epexegetisch fassen: wie 302 gesagt ist placido aere vivit, wo placido aere doch gewissermaassen eine Beschaffenheit ausdrückt, so hier status aeris der luftartige Zustand, ἕξις ἀεριύδης, status aerius. Dieser ist die Begleiterscheinung völliger Gemüthsruhe (pecus iranquillum: der animus ist ja im pecius), die sich in heiterem Gesichtsausdruck kund thut: auch hier wird, wie bei Zorn und Furcht, der Zustand des Geistes und dessen körperliches Symptom angegeben. 293 Das überlieferte fit qwi hält Munro mit unzureichenden Belegstellen, da dort, abgesehen von Anderem, überall metrischer Zwang vorlag.

294 sed Uebergang zu etwas Neuem, der Erklärung der Tempers- mente mit Hülfe thierischer Analogieen, über deren principielle Be- rechtigung zu v. 299. Als typische Beispiele dienen Löwe, Hirsch und Rindvieh, anschliefsend an die im Alterthum geläufige Anschauung, z.B. Aristot. hist. animal 488b 13 τὰ μὲν γάρ &crı πρᾷα καὶ δύεθυμα καὶ οὐκ ἐνοτατικά, οἷον βοῦς... τὰ δὲ φρόνιμα καὶ δειλά, οἷον ἔλαφος ... τὰ δὲ ἐλευθέρια καὶ ἀνδρεῖα καὶ εὐγενῆ, οἷον λέων; nur dass hier nicht der Lówe als Typus des θυμώδης καὶ ἐνετατικός erscheint (wie über- haupt nicht bei Aristot.) sondern das Wildschwein. Auch sonst (sz. B. in der pseudoaristotelischen Physiognomik) gilt in älterer Zeit der Löwe den Thierpsychologen als Repräsentant des ἀνδρεῖον, μεζαλόψυχον, kurz des menschlich-männlichen Ideals, der volksthümlichen Anschauung entsprechend, die sich in der Poesie widerspiegelt: die homerischen Helden sind dem Löwen vergleichbar an Kraft, Stolz, Trotz und Kampfesmutb. Aber wie er das gewaltigste Raubthier ist, so ist auch sein Zorn der furchtbarste, wenn er gereizt ist: ἐάλη τε χανών, περὶ b' ἀφρὸς ὀδόντας τίγνεται, ἐν δέ τέ ol κραδίῃ ετένει ἄλκιμον ἦτορ u. s. f. IL 20, 168. Aus solchen Schilderungen hat sich dann später die Vorstellung vom Jähsorn des Löwen entwickelt, für die m. W. Lucrez der älteste Zeuge ist; vgl. auch v. 741 acris violentia triste leonum seminium sequitur. Abhängig von unserer Stelle ist vielleicht Virgil Aen. VII 15 exaudiri gemitus iraeque leonum, davon Valerius Max. III 237 audit fremitus irasque leonum; ebenso klingt an Lucrez’ Verse, vgl mit V 862 (genus acre leomem ... tutatast virtus, volpes dolus ei fuga cervos), Seneca de ira II 16,1 an iracundia leones adiuvat, pavor cervos, accipitrem impelus, columbam fuga. Für Galen (s. Physiognom. ed. Fürster II 287, 14. 290, 10) wie für den Sophisten Adamantius (ib. I 849, 10) ist der Löwe θυμικός, nicht ὀργίλος; der anon. de physiognom. schildert ihn als saecum cum irritatur, quietum cum non impelhtur, vchemens cum cibo indiget, tranquillum cum satiatum est (ib. II 188); aber Boethius de consol IV 8 (ib. 255) sagt: irae im temperans fremit: leonis animum gestare credatur. 297 pectora. qwé

fremitu rumpunt u. d. F.: man vergleicht Virg. Aen. XII 526 nunc, nunc

92 COMMENTAR

fiuciuat ira inius, rumpunlur nescia vinci pectora, "petita rei imagine, wie Heyne zur Stelle gut bemerkt, ‘ab aqua effervescente ei aestuante: quae, dum vas eam nom capit, luctatur et adlaborat ut. erumpatur’: besser, als rum- puntur wörtlich zu verstehen. So ὀργῇ ὑπερζεῖν "überkochen'. Vgl. ferner L/. magnos irarum volvere flucius VI 74. Virg. Aen. XII 831 irarum (anos volvis sub pectore fluctus; von dem im Kessel erhitzlen Wasser ib. VII 466 nec iam se capit unda; volat vapor ater ad auras. Rumpi als Ausdruck für überstarken Affect oder seine Áusserung gehört der Vulgür- sprache an; pecora rumpuni (vgl. Cul. 182 spiritibus rumpit fauces) ist wie unser 'die Brust sprengen' weit edler, weil es ein machtvolles Thun bezeichnet. Zur Schilderung des Zornausbruches würde dies genügen: aber L. fügt, in neuem Bilde, auch die physiologische Motivirung hinzu: für das aufwallende calidum wird die Brust zu eng (nec capere ... flucius possent), es erzwingt sich also einen Ausgang, so dafs zugleich exprimitur gemilus ... quod semina vocis eiciuntur (v. 495). Ich kann also Lachmann nicht zugeben, daís v. 298 dem vorhergehenden putide subiectus sei.

299 cervorum mens: das ist nicht eigentlich zu verstehen, denn ein λογικόν wie der Mensch haben die Thiere nicht, sie sind im Gegensatze zum Menschen ἄλογα ζῷα, oder wie Philodem rr. θεῶν (Scott Fr. Here. p. 205 ff. schärfer sagt τὰ μὴ xpd)eva δόξαις Zia (col 13) im Gegensats zu τὰ χριύμενα (δόξαις) oder τὰ ὑπολήψεων δεκτικὰ Zia (ib. col 12): d. h. die geistige Verarbeitung der αἰςθήςεις findet bei ihnen nicht Statt. Vgl. Cicero de nat. deor. I 31, 87 numquam vidi, inquis (Epicure), animam ralionis consilique participem in ulla alia misi Aumana figura, ebd. 89. 98. Polystratus T. ἀλ. xarappov. (Hermes XI p. 404) διὰ τὸ μὴ κοινωνεῖν λογιςμοῦ (von den Thieren). Da nun der Ursprung der mensch-

lichen πάθη im λογικόν ist, können die thierschen πάθη ihnen nicht

völlig gleichstehen; sie werden aber analog sein, und da auch die thierische Seele aus den vier Atomgruppen (oder wenigstens analogen) besteht. lassen sich Vergleiche ausführen. So wird man nach den weniger vorhandenen Anhaltspunkten urtheilen müssen. Fr. 309 (Aetius V 26, 3 p. 438 D.) oi Zrunxoi δὲ xal Ἐπικούρειοι οὐκ ἔμψυχα (rà φυτά). τινὲ γὰρ (d. b. die Thiere) ψυχῆς ὁδρμητικῆς εἶναι καὶ ἐπιθυμητικῆς, τινὲ δὲ (d. b. die Menschen) καὶ λογικῆς. τὰ δὲ φυτὰ αὐτομάτως wc κινεῖ. εθαι, οὐ διὰ ψυχῆς. Das ist wohl in dieser Form eigentlich stoisch: Lehre (vgl Galen de plac. Hipp. p. 476): aber die epikurische mag ih: nahe gekommen sein und etwa gelautet haben, wie Beneca de ira I 8, die altstoische wiedergiebt: dicendum est feras ira carere e$ omnia praece hominem. nam cwm sit inimica rafomi, nusquam iamen nascilur, ^is wbi rations locus est. inpelus haben! ferae, rabiem, feritatem, incursum iram quidem non magis quam luxuriam . mula animalia humanis ad fectibus carent, habent aulem similes dis —— inpulrws. 80 sag' Philodem a. a. O. col 18, 16, jedem ζῷον komme die ὁρμή zu: abe er wagt darauf hin nicht den Thieren ohne Weiteres auch προόραςις un npocdoxia zuzuschreiben, sondern läfst die Möglichkeit des ἀνάλογόν Ju τούτοις offen (ib. 171) Vom Mittelpunkt des seelischen Dasein. das also κατ᾽ ἀναλογίαν als mens bezeichnet ist, geht, gans wi v. 152. geschildert war, die Bewegung zunächst auf die im ganse

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VERS 997—810. 93

Körper vertheilten Seelenatome (v. 800), vom diesem auf die Körper- atome (v. 301) über. 302 placido aere: über den Ablativ zu v. 292. 808 Die Hitze des Zorns in abermals neuer bildlicher

*Feuer anlegen’, Letzteres bei L. im eigentlichen Sinne VI 128! subdebant faces (dem Scheiterhaufen) wird sehr häufig bildlich gebraucht, so dafs Virgil es schon vermeidet; Aem. VII 456 in neue:

. Fassung airo lwmime fumanies firit swb pecore iacdas. Vom Zon

z B. Seneca de ira 1 7, 1 hnc flamma subdiia est; L. entwickelt da: Bild schön weiter: der Qualm der Kienfackel umwölkt den Zomigeı mit caeca caligo (IV 456 im socis caligime caecm u. &.), so dalı e

Beides möglich; umbram aber ist hier besser überliefert, und wenn auc L. sonst (III 39. V 482. VI 479) bei suffundere den Ablativ setz so ist zu beachten, dafs an diesen Stellen bereits eim anderes Obj« (z. B. omnia suffundens mortis nigrore ΠῚ 39) den Accusstiv in Ar spruch nimmt. 305 Der Contrast zum vorigen Bilde gewollt und : geflissentlich betont, dafs in torpel selbst das für die Furcht nach de früher Gesagten wesentliche Moment der Bewegung fallem gelassen is Das Wort umfafst in einziger Weise die Wirkung der Kälte, der Furcl und der lähmenden Verwundung. 306 imferuirasque silas: das vo Dichter Geschriebene kann ich nicht mit Sicherheit herstellen. Με wird ungern annehmen, das seltene, uns nur aus I. (II 518 u. δ.) b kannte interwtrasque (über die Form s. Bücheler Ist Decl p 63. Corse Ausspr. I 769) sei hier durch Verderbniss in Text gersthen; ab wenn man dann für sitas das nächstliegende sülast suff, m als von interuirasque abhängig statt des Acensalivs ceress und leon eher den Genitiv (wie nach interes etc.) erwarten. Der inm des Ver: ist nicht zweifelhaft.

307 sic hominum genus est ‘ebenso ist's beim Menschen’, durcha nicht zu vergleichen mit bequem-lässigen Ausdrücken, wie Cicero p Bose. Am. 30, 84 sic vila hominum est, et ad maleficium nemo conel sine spe aique emolumento accedere. politos pariter. : Polus sonst Teß mässig von der geistigen Bildung (doch vgl. sores pelire P. etron. e. 5); h ist auch die moralische Erziehung ein Werk der doctrina, der Belehru wie v. 821 der ratio, gemeint natürlich die safe Epicwi. In dem ΑἹ druck polire liegt wohl zugleich noch, dass die scheinbar hergestel Ausgleichung der Charaktere nur Eusserlich ist, michi m dringt 308 ia: da von den mwatwrae zwar, michi aber von 4 vesiigia prima schon gesprochen war, wird iis das gemeinsame Subj doctrina, das aus dem Nebensatze nicht herausgekoben war, wieder a nehmen, wie Cicero Acad. II 28, 74 Parmenides Xenophanes, τονὲ! bonis quamquam versibus, sed lamen illi versibus increpani eorum as gantiam qui οἷο. Vgl Kühner Gr. II 1, 456, 10. 309 nalurae natürhch Genitiv, wie 8320 nalwrarwum vestigia lequi. 310 Die.

Horaz, der Sat. I 8, 76 ff. das stoische Paradoxem von der Gleichheit

94 COMMENTAR

Fehler bekämpft (ἁμαρτήματα dvica elvat lehrt Epikur fr. 521 D. L. X 120), auch mit dem Satze excidi penilus vitium irae, cetera. item ne- queunt. stultis haerentia (1. L) auf epikurischem Boden steht. 311 pro- clivius ete.: der Zorn an sich ist kein malum, denn auch dem Weisen ist er nicht fremd, wie wir aus Philodem zur Genüge wissen, z. B. col 41 (p. 137 6.) εὐυςχεθήςεταί riciv ὀργαῖς coqóc: ja, es ist ver- werflich, in gewissen Fällen, wo es die Natur verlangt, nicht zu zürnen, quaedam clementius aequo accipere v. 818: Philod. ib. col. 38 (p. 126 G.): κακὸν ἐροῦμεν τὸ μὴ τὴν φυςεικὴν ὀργὴν ἀναδέχεεθαι κακῶς γὰρ ἀκούων καὶ πάςχων Ócnc οὐκ ὀργίζεται, πονηρίας πιςτὸν τεκμήριον φέρει, κατὰ τὸν Μένανδρον. Daher auch Ciceros Scherz de legg. I 7, 21 solent enim (die condiscipuli des Atticus), id quod virorum bonorum est, admodum irasci. Fehlerhaft aber sind erstens irae acres, zweitens das proclivius decurrere. Proclivius steht II 792 einfach für facilius, hier aber wohl mit besonderer Absicht; vgl Cicero Tusc. IV, 12, 27 (stoisch) μέ sunt alii ad alios morbos procliviores ... sic alii ad melum, alii ad aliam perturbationem. ex quo in aliis anzielas, unde anzüá, in alis iracundia dicilur, quae ab ira differt ... ergo el invidi εἰ malevoli εἰ timidi εἰ misericordes, quia proclivi ad eas perturbationes, non quia semper feruntur ... sed haec in bonis rebus, quod alii ad alia bona sunt aptiores, facilitas nominetur, in malis proclivitas, μὲ significet. lapsionem. Diese proclivitas heisst bei den Stoikern εὐκαταφορία (D. L. VII 115): wie sie, mag Epikur den Ausdruck von Aristoteles übernommen haben, der z. B. Eth. Nic. II 8, 1109 b 2 sagt (es handelt sich um die κακίαι) «κοπεῖν δὲ bei καὶ πρὸς αὐτοὶ εὐκατάφοροι écuév: ἄλλοι γὰρ πρὸς ἄλλα πεφύκαμεν. Proclivius hat den Lucrez zur Wahl des Compositums decurrere geführt, wie Cicero de rep. I 28, 44 Phalaris, cuius in simili- tudinem dominatus unius proclivi cursu es facile delabitur. 312 temp- telur zu v. 147. 313 clemens im Gegensatz zum Zorn: Cicero de fin. II 4, 12 etsi satis clemens sum in disputando, famen | interdum soleo subirasci. Über die Pflicht zum Zorn s. o. Dagegen kann die Furcht- losigkeit wohl nicht übertrieben werden, da die Austilgung des φόβος ja das Hauptstück der epikurischen Lehre ist. aequo: v. 952 lamentetur miser amplius aequo, IV 557 spatium .. longius aequo, 1244 concrelius aequo snillilur (semen). Andere Beispiele aus gleichzeitiger Latinität bei Wolfflin Archiv f. 1. L. VI 464.

814 inque alis rebus mullis etc.: Cic. de off. I 30, 109 innumera- biles aliae dissimilitudines sunt. naturae morumque, Die ἤθη sind natür- lich die Folge oder Begleiterscheinung der φύςεις, und schon Pius er- klärte sequacis als “qui sequuntur cuiusque naluram’; aber ich be- zweifle, ob es das besagen will: in sequaz liegt doch die zähe Neigung zum Folgen, die bei jener Bedeutung nicht betont zu werden brauchte. Wie II 48 melus hominum curaeque sequaces kann es auch hier heissen qui aegre homines deserunt, also recapituliren, was in den vorhergehen- den Versen gesagt war. 316 Cicero Arat. 234 quarwm ego nunc ne queo lorios evolvere cursus: die Übereinstimmung mag zufällig sein. caecus, was nicht gesehen wird, hier das epikureische ἄδηλον im Gegensatz zu den φαινόμενα, quae in promplu sunt; dagegen v. 247 und 269 renti cacca potesias (cf. 1277. 295 u. 8.) == ἀόρατος sinnlich

VERS 810—333. 95

gemeint. 317 sec begründet das Nichtkönnen. quot, d. h. zu- nächst figurae, in Folge dessen auch figurarum nomina. Wenn auch die figurae der einzelnen Átomgruppen im Ganzen und Grossen gleichfürmig sind, so giebt es doch eine grosse Anzahl feinerer Unterschiede, nach denen sich wieder Unterabtheilungen feststellen lassen. Nur je eine dieser Unterabtheilungen ist in ihrem Wesen und in ihrer Wirkung oben geschildert worden, freilich waren die nomina figurarum auch dort nicht angegeben. Die epikureische Vorlage des L. scheint also hier sehr in's Einzelne gegangen zu sein und sich nicht gescheut zu haben, aus den psychischen Dispositionen auf minutióse Formunterschiede der Atome zu schliessen, wie das in gröberen Zügen für die verschiedenen physi- schen Wirkungen der Elemente etc. L. selbst II 333 versucht hat 819 video firmare polesse ist überliefert, grammatisch unanstössig, vgl. IV 456 in noclis caligine caeca cernere censemus (scil. nos) solem, 470 mil scire (scil se) fatetur, V 890 (ven) siccare prius confidunt omnia posse (sciL se), und such dem Sinne nach besser als das abschwüchende vider, was nach Faber allgemein geschrieben wird: der Ausdruck des Zweifels in einer solch grundlegenden Frage widerspricht dem Geiste der Lehre und der Gewohnheit des Lucrez. Nicht zu vergleichen wäre mit eideor das vorsichtige ausim confirmare II 178, V 196: die Sätze sind ja hypothetisch. 321 Für das verdorbene soctis ist abzuweisen Lambins doctis; gerade bei den indocti soll ja die ratio wirken. Marulls dictis lässt sich vielleicht vertheidigen; aber dem Überlieferten näher steht Lachmanns nobis, grammatisch wie sachlich vortrefflich, der Dativ der Person ist gerade bei depellere häufig, und eben hier, wo der Dichter seinen Hörern eine beruhigende Versicherung giebt, schliesst er durch nobis sehr wirkungsvoll sich mit ihnen zusammen. 322 dignam dis vilam: dieselbe Verheissung, die Epikur dem Menoikeus am Schluss des Briefes giebt (p. 66 Us.): Zhceic . . . ὡς θεὸς ἐν ἀνθρώποις οὐδὲν γὰρ ἔοικε θνητῷ ζῴψ ζῶν ἄνθρωπος ἐν ἀθανάτοις ἀγαθοῖς. Er hatte ja selbst schon in jungen Jahren Ähnliches an sich erfahren: (φάςματα) περιγίνεται ἡμῖν, schreibt er (Inschr. v. Oin., fr. 10* p. 427), ... οἷα tiv διάθεειν ἡμῶν Ic6Beov ποιεῖ καὶ οὐδὲ διὰ τὴν θνητότητα τῆς ἀφθάρτου καὶ μακαρίας pücewc λειπομένους ἡμᾶς deixvucıv. ὅτε μὲν γὰρ ζῶμεν, ὁμοίως τοῖς θεοῖς χαίρομεν. Dass sich Epikur anheischig machte, καὶ τῷ Διὶ ὑπὲρ εὐδαιμονίας διαγωνίζεςθαι͵ hat Aufsehen er- regt, s. die Zeugnisse fr. 602: es war ernstlich gemeint, nicht poetische Phrase, wie etwa Theokrit 29, 7 χύταν μὲν θέλῃς, μακάροιειν Icav

ápépav.

323—349 Über die gegenseitige Abhängigkeit von Leib und Seele. ‘Leib und Seele erhalten sich gegenseitig und können ebenso wenig wie der Duft und die Körner des Weihrauches, ohne beide zu Grunde zu gehen, von einander getrennt werden. Sie leben von Anfang an gemeinsam, und keins kann ohne das andere Empfindung haben. Deshalb zerfällt auch der Körper, der nie für sich allein existirt hat, nach dem Abscheiden der Seele. So ist also ihr Leben von der Ent- stehung her unlöslich an einander gebunden, und darum kann auch cuunddera zwischen ihnen stattfinden. Die Feststellung des Gedanken- ganges macht Schwierigkeiten, weil L. in diesem Abschnitt zwei Sätze

96 COMMENTAR

verschmolzen hat, die zwar einander nahe verwandt, aber nicht identisch sind, nämlich 1. die materielle Existenz von Leib und Seele, 2. ihre Fähigkeit zu empfinden ist unlöslich verbunden. Für die Seele ist ja Zusammenbleiben == Leben und Leben == Empfinden, für den Körper gilt das Erstere nicht ohne Weiteres. Existiren und Empfinden wird getrennt z. B. v. 550 bei Körperteilen: secreta ab nobis nequeunt sentire neque esse; 562 durare el sensibus uti, Dazu kommt ferner, dass Lucrez das eine nothwendige Glied der Beweisführung, dass n&mlich die Seele auf den Körper angewiesen ist, hier möglichst bei Seite lässt, weil das ja das Thema seines zweiten 'Hauptstückes v. 411 ff. sein soll Äusserlich be- trachtet ist nun der erste der beiden genannten Sätze Hauptzweck des Abschnittes, denn die cawsa salutis, mit der er beginnt, kehrt in der Clausel v. 848 wieder: wodurch denn auch die einheitliche Conception des Ganzen bewiesen und der Versuch Briegers widerlegt wird, mit v. 836 zu schliessen und 337—349 als ein nachträglich

in den Zusammenhang nicht eingepasstes Stück auszusondern (über den Zusammenhang weiter zu v. 337). Aber Satz 2, der v. 383—336 ge- streift wird, ist deshalb auch seinerseits wesentlich, weil die folgenden Abschnitte, v. 350f£, daran anknüpfen: um zu diesen die Überleitung zu gewinnen, ist die Clausel in v. 348. 849 durch einen Rückweis aut jenen Satz erweitert, s. zu coniunctam 849. Epikur beschränkt sich im Herodotbrief darauf, Satz 2 auszuführen; nur von der Seele wird einmal das διαςπείρεςθαι erwähnt (p. 21, 8 Us.), dann aber gleich wieder auf die sensiferi motus eingegangen: wenn dieser Satz bewiesen war, verstand sich der andere von selbst, war überdies gleichgültig. Aber er hat sonst auch das materielle Zusammenhalten von Leib und Seele betont: Diogenes v. Oin. fr. 31 Us.: fj ψυχὴ τὸν ὅλον ἄνθρωπον διέ- Zwcev οὕτως xal ávrébnce δεςμουμένη, ὥςπερ τῶν ὀπῶν Ó βραχύτατος ἄπλατον γάλα. Die eine Seite der Behauptung bestreitet Posidonius bei Achilles Tatius isag. c. 13: ἀγνοεῖν τοὺς Ἐπικουρείους ἔφη, ὡς οὔτε cópara τὰς ψυχὰς ευνέχει, ἀλλ᾽ αἱ ψυχαὶ τὰ εὐματα womit natür- lich nicht gesagt ist, dass Epikur das Letztere geleugnet habe; nur gegen ihn kann sich ferner richten Alex. Aphrod. de an. f. 145" En ei f ψυχὴ λεπτομερές τι εὦμα oü0ca cuvexeı μὲν τὸ εὦμα αὐτή, πάλιν δὲ cuvé- χεται ὑπ᾽ αὐτοῦ, Ecraı καὶ τοῦτο τὸ παχυμερέςτατον εὦμα ψυχή, εἴγε τὸ ευνέχον ψυχή.

923 haec igitur matura schliesst nicht unmittelbar an die letzten Verse des vorausgehenden Stückes an, wo von nalura in ganz anderem Sinne die Rede war, sondern nimmt das haec natura von v. 231 wieder auf, so dass es auch ohne bemerkbare Lücke unmittelbar auf v. 230 folgen könnte. 324 custos: vitai claustra coercens v. 396. 325 kehrt V 554 wieder, von der Erde und der sie umgebenden Luft gesagt, s. zu v. 349. 326 sine pernicie kann nach der voraus- geschickten These nur heissen “ohne dass Beide, Körper und Seele, zu Grunde gehen’. Vgl. I 451 coniunctum est id quod nusquam sine perwi- ciali discidio potis est sciungi seque gregari; pondus uli saxist, calor ignis, liquor aquas: auch hier trifft die pernicies, wenn ich z. B. das Wasser gefrieren lasse, liquor und aqua. 80 wird auch das folgende Beispiel vom Weihrauch in diesem Sinne aufzufassen sein, obwohl es besser als

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VERS 252.--586. 91

Gegenstück zu dem v. 389 ff. Ausgeführten nur die Unmöglichkeit ver- anschaulichen würde, dass der Körper besteht, wenn die Seele vergeht. natura eius v. 328 geht streng genommen nur anf tAus, nicht auf odor, aber dieser gehört zum Wesen des (hus, und auch er verschwimmt in die Lüfte, wenn er seinen Kürper verlassen hat. So ist denn auch mit omnia v. 330 Körper und Seele gemeint. 8. ferner su v. 582. 328 haud facile est: nicht nur “nicht leicht”, sondern überhaupt unmög- lich, 8. zu 361. Die Sache selbst ist bekannt, olent quaedam non nisi usta, sicut tura murraeque Plin. n. h. XXI 18, 38 (cf. Theophr. de causis pl. VI 17, 8). 329 corpore toto: denn einzelne Theile des Körpers können ohne Gefahr für das Ganze entseelt sein. 331 sinplexis etc. greift über die Ausführung des negativen sec divelli posse videntur zurück auf die positive Erläuterung der These, des communibus inter se radicibus haerent, und bestimmt diese gemeinsamen Wurzeln näher: ihre Atome sind so eng verbunden, dass sie als in einander verschlungen (inplexa) bezeichnet werden können, vgl zu v. 216 animam nezam per venas viscera mervos. Diese Vereinigung datirt ab origine prima, denn die Seele ist cuyye- γενημένη mit dem Körper, wie Ep. ep. I p. 20, 14 Us. sagt und L. selbst im Weiteren noch oft betont, s. gleich v. 344—346. Bo entsteht denn eine vita consors, cf. v. 771 vis animé .. consors (cum corpore) in origine prima; wobei wohl an die juristische Bedeutung des Wortes zu denken ist (Munro) “in Gütergemeinschaft lebend’, z. B. von Miterben; übrigens schon bei Cicero ohne diese Beziehung häufig. Von der xoi- γωνία des Körpers und der Seele spricht auch Philod. de morte col. VIII (nach v. Arnim, Rh. M. 48, p. 366). 333 nec sibi quaeque ete.: der Begriff des consortium wird ausgeführt: sie haben gleichen Antheil (nicht nur am Leben, sondern auch) am Zustandekommen der Empfindung, die ohne Beider Zusammenwirken nicht möglich ist. So sagt Epikur ep. I p. 20, 7 καὶ μὴν καὶ ὅτι ἔχει ψυχὴ τῆς αἰεθήςεως τὴν πλείετην αἰτίαν, δεῖ κατέχειν" οὐ μὴν εἰλήφει ἂν ταύτην, εἰ μὴ ὑπὸ τοῦ λοιποῦ ἀθροίεματος ἐετεγάζετό πως. τὸ δὲ λοιπὸν ἄθροιςμα Trapackeväcav ἐκείνῃ τὴν αἰτίαν ταύτην μετείληφε καὶ αὐτὸ τοιούτου ευμπτιύματος παρ᾽ ἐκείνης, οὐ μέντοι πάντων ὧν ἐκείνη κέκτηται: vgl Einl p. 86. Nec sibi quaeque sine allerius vi ist aussergewöhnlich gesagt, aber das Gewollte konnte nicht wohl anders ausgedrückt werden. Es soll nicht die Behauptung negirt werden 'eins von Beiden, unbestimmt welches, kann allein, ohne Hülfe des Anderen empfinden’ das hiesse sec wira; auch soll nicht die Reciprocität wesentlich betont werden “ohne gegenseitige Hülfe können sie nicht empfinden’, was durch sec alfera geschähe; son- dern es wird bestritten, dass jedes von Beiden für sich empfände, für sich, ohne Hülfe des Anderen. Das würde annähernd auch mec utraque

haben (über uterque alterum etc. s. Thielmann Archiv VII 860), aber ohne Bezeichnung des Separirten, Isolirten, das in wec sibi quaeque liegt und dureh seorsum im folgenden Verse nochmals hervorgehoben wird. So ist quisque überall, wo es „für uterque" steht, durch den Sinn ge- fordert. 385 Die Gemeinsamkeit der Thätigkeit wird, entsprechend der starken Betonung des Gegentheils im Vorhergehenden, eindringlich hervorgehoben: communis, inter eas, utrimque. Die Empfindung glüht in uns wie eine Flamme, die immer von Neuem angefacht wird: das gleiche

Lueretius v. Hargun. 3

98 COMMENTAR

Bild schon II 943 accensi sensus, 959 amissos accendere sensus; aus- geführt IV 925 «ubi nulla lalens animai pars remanerel in membris, cinere wt multa latet obrutus ignis, unde reconflari sensus. per membra repente possel, μὲ ex igni caeco consurgere. flamma?

337 praelerea ist überliefert. Aber ein neues Argument wird im Folgenden nicht beigebracht. Neu ist freilich der Hinweis darauf, dass kein Körper je ohne Seele entsteht oder wächst: aber nicht darauf liegt der Nachdruck, sondern auf der Thatsache, dass nach dem Abscheiden der Seele auch der Körper nicht mehr dauert: nur das wird weiter aus- geführt und veranschaulicht. Das ist aber genau dasselbe, was schon vor- her v. 326 und 330, dort von Körper und Seele gemeinsam, gesagt war: es kann also nicht hier durch praeterea wie etwas Neues wieder eingeführt werden, ohne dass ein Stagniren des Gedankenfortschrittes eintritt, das L. nicht zuzutrauen ist. Mit propterea ist das vermieden. Nur die gemeinsame Tbütigkeit von Leib und Seele erhält beide: deshalb ent- steht oder wächst denn auch nie der Körper ohne Seele, und wenn sie geschieden ist, dauert er wenigstens nicht, sondern löst sich auf. So f&hrt auch Epikur nach den oben citirten S&tzen fort (p. 20, 12): διὸ ἀπαλλατγείεης τῆς ψυχῆς οὐκ ἔχει τὴν αἴςθηςιν (τὸ λοιπὸν ἄθροιςμα): nur dass er streng bei der αἴςθηςις bleibt, während L. zur These des

Abschnittes (s. o. die einleitenden Bemerkungen) zurückkehrt. praeterea ist .

statt proplerea auch II 760. VI 888 überliefert; IV 528 und VI 406 |

schwanken die Vossiani zwischen beiden. nec gignitur: s. zu 346.

339 Das Wasser entlässt, dimittit, die Wärme, ohne dass Gewalt nóthig : wäre und ein divelli Statt fände. Die Wärme ist eben nicht von Ursprung :

her mit dem Wasser verbunden, kein proprium (357) des Wassers, sondern hinzugetreten, qui daíus est 340 ἅτε ἐπείεακτος ὧν; vgl. VI 858 umorem calido donare vapore; 876 fit uli cuae semina cumque habet (aqua) ignis dimittat. convellere bezeichne; meist ‘etwas, das vorher in sich oder in Anderem befestigt war, mit Gewalt aus dieser festen Lage herausreissen' so dass sich ein Zusammenhang löst. Hier wird ein . Zusammenhang geleugnet, und zugleich zielt convcllitur auf das folgende arius pereunt convolsi, wo das Wort besonders gut am Platse ist; es liegt zu Grunde das Bild vom Bau, dessen Grundfesten aus einander gerissen werden, vgl su v. 584 tania mulalum putre. ruina conciderit corpus, penitus quia mota loca sunt fundamenta, und IV 505 convellere tota fundamenta quibus nixzatur vila salusque. 843 penitus gehört zu convolsi, s. 585. pereunt wird durch compulrescunt erklärt.

844 ex ineunte aevo greift zurück auf corpus per se mec gignitur umquam. Dies gemeinsame Aufwachsen ist der Grund, wesbalb eine Trennung verderblich sein muss: discidium wt nequeat fieri ete. Mit v. 347 könnte der Abschnitt schliessen, denn die These ist bewiesen. Es wird aber, offenbar um eine Überleitung zum Folgenden zu gewinnen, weiter gefolgert: 'da also die Bedingungen ihrer Existenz eng mit ein- ander verknüpft sind, so bilden sie eine nalura coniwncia. Dies com- iwncium esse war schon 186 und 159 von Geist und Seele ausgesagt es kann nicht einfach bedeuten “in Zusammenhang stehen, mit einande verbunden sein’ im Sinne des räumlichen Beieinanderseins, denn da: brauchte nach dem früher gelehrten weder bewiesen, noch zum vor

VERS 385—850. 99

liegenden Zwecke betont zu werden. Er muss vielmehr die Ueberseizung eines Terminus sein, der mehr besagt. Wir können ihn erschliessen aus dem wiederkehrenden Gebrauch des Worts in dem Abschnitt V 534 ff, der über die Stellung der Erde im Weltall handelt. Dort wird auf das Verhältniss von Seele. und Leib exemplificirt, ja unser Abschnitt geradezu citirt: die Erde, heisst es da, ist partibus acriis mundi caeloque revincia: nam communibus inter se radicibus haerent ex ineunte aevo com- iuncta (v. 344; 548 prima ab origine) atque. wuniter apta. smonne vides eliam, quam magno pondere vobis sustineat corpus tenuissima vis animai proplerea quia tam coniuncia alque uniter apta est? und 562 aer coniwe- tus terris εἰ nobis est animé vis. Lucrez spricht aber an dieser Stelle von einer Wechselwirkung von Erde und Luft, die sich daraus erkläre, dass die Welt gewissermaassen ein Organismus, die Erde eins seiner Glieder sei: eine Anschauung, die in sehr auffälliger Weise der stoischen nahekommt. Der stoische Ausdruck für jene Wechselwirkung ist nun bekanntlich cuunddera, und so wird also auch an unserer Stelle com- tunctus nichts Anderes sein als ευπαθής, was auch Epikur für das Ver- hältniss von Leib und Seele braucht; ep. I p. 20, 3 cuunaßtc τῷ λοιπῷ ἀθροίεματι, 17 xarà τὴν ὁμούρηειν καὶ cupmóOciav. Vgl Philod. de morte col VIII τὴν εὐμπάθειαν πρὸς τὸ cüpga τῆς ψυχῆς. Auf die Uebersetzung von cujumo60fc durch coniunctus ist L. nicht allein gekommen: Cicero müht sich mit der Wiedergabe des Ausdrucks häufig ab, offenbar ohne sich ganz zu genügen, denn er nennt mehrfach neben seiner tragung das griechische Wort (de div. II 14, 84; II 60, 124; 69, 142): neben consensus, concentus, copulatio, coagmentatio, cono continuatio, cognatio braucht auch er (a.d. a O.) coniunctio. So auch Manilius nach der Darlegung der εὐμπάθεια ID 105. quis. dubitet post haec. hominem coniungere caelo? Lucrez hatte das Wort bereits für etwas ganz Ver- schiedenes, das cußeßnxöc Epikurs, verwendet, 1449: gemeinsam ist nur in beiden Fällen die Folge: I 451 coniunctum est id quod musquam sime perniciali discidio polis est seiungi seque gregari, und das mag die Be- denken beseitigt haben, die der zwiefachen Verwendung des Terminus entgegentreten mussten. Danach werden wir auch die swíua comfagia v. 345 in gleichem Sinne, als annähernde Wiedergabe von cupmáOcu zu verstehen haben: so übersetzt auch Cicero de fato 3,5 und 4,7 mit coniagio naturae oder rerwm. corporis atque animai mulua contagia discunt statt des prosaischen corpus atque anima muluis coniagiis discunt. Die Seele ist im ersten Lebensstadium eben so unentwickelt wie dez Körper und wächst mit ihm, vgl. 445 ff. Sie tritt nicht etwa bei dez Geburt erst in den Körper diese pythagorisirende Anschauung wird später noch eingehend bekämpft —, sondern ist schon in embryonalem Zustande, maternis etiam membris alvoque reposta, mit ihm vereinigt: isí doch selbst der Same ψυχῆς καὶ εἰὐμματος ἀπόςπαςμα (Aet. V 3,5 p. 417 D. fr. 329), enthält also beider Bestandtheile.

850—358 Die Lehre, dass nur die Seele, nicht auch der Körpeı Empfindung habe, widerspricht oflenkundigen Thatsachen. Wenn de Körper nach dem Abscheiden der Seele nicht mehr empfindet, so folg daraus nur, dass die Empfindung nicht ihm als solchem allein gehörte’ Die Frage, ob auch dem Körper, d. b. den Sinnesorganen, oder nur de

19

100 COMMENTAR

Seele Empfindung zukomme, resp. dem belebenden Princip, das an Stelle der ψυχὴ tritt, diese Frage scheint bis auf Aristoteles kaum ernstlich erwogen worden zu sein; noch Theophrast läfst sie fast ganz aufser Acht; im Fr. de sensibus erwähnt er nur bei Kleidemos (38 p. 510 D.): μόνον τὰς ἀκοὰς αὐτὰς μὲν οὐδὲν κρίνειν, εἰς δὲ τὸν νοῦν διαπέμπειν, οὐχ ὥςπερ ᾿Αναξαγόρας ἀρχὴν ποιεῖ πάντων τὸν νοῦν (woraus nicht zu schliefsen, dafs Anax. sich ausdrücklich zur Sache geluísert habe), und von Diogenes, dafs er die bewulste Empfindung nicht in den Sinnesorganen, sondern erst ἐν τῷ περὶ τὸν ἐγκέφαλον ἀέρι, seinem belebenden Princip, zu Stande kommen liess: de sens. 42 ὅτι δὲ ἐντὸς ἀὴρ αἰεθάνεται μικρὸν ὧν μόριον τοῦ θεοῦ, εημεῖον εἶναι διότι πολλάκις πρὸς ἄλλα τὸν νοῦν ἔχοντες o00' δρῶμεν οὔτ᾽ ἀκούομεν. Platons Auffassung ergiebt sich z. B. aus Tim. 64b τὸ μὲν γὰρ κατὰ φύειν εὐκίνητον, ὅταν καὶ βραχὺ πάθος εἰς αὐτὸ ἐμπίπτῃ, διαδίδωςι κύκλῳ μόρια ἕτερα ἑτέροις ταὐτὸν ἀπεργαζόμενα, μέχριπερ ἂν ἐπὶ τὸ φρόνιμον ἐλθόντα ἐξατγείλῃ τοῦ Towjcavroc τὴν δύναμιν’ τὸ δ᾽ ἐναντίον ἑδραῖον ὃν κατ᾽ οὐδένα τε κύκλον ἰὸν πάςχει μόνον, ἄλλο δὲ οὐ κινεῖ τῶν πληςίον, ὥςτε οὐ διαδιδόντων μορίων μορίοις ἄλλων ἄλλοις τὸ πρῶτον πάθος ἐν αὐτοῖς ἀκίνητον εἰς τὸ πᾶν ζῷον γενόμενον ἀναίεθητον παρέςχε τὸ παθόν. Danach kommt also αἴζθηςις nur zu Stande, wenn das πάθος sich bis ‚zur Seele fortpflanzt, aber es scheint doch, als ob sie dann auch dem τόπος παθιύν zukäme Ebd. 67 ab heifst ihm φιυνή die Bewegung vom Ohr bis zur Seele, ἀκοή die durch die Seele verursachte Bewegung vom Kopf bis zur Leber. Auch Aristoteles hat sich nicht unzweideutig geäussert ein Beweis, dafs ihm die Frage als solche nicht vorlag. Er definirt gelegentlich (de somno 4544 9) die Sinnesempfindung als Kívncíc τις διὰ τοῦ cóparoc τῆς ψυχῆς; aber wenn er (probl. XI 33, 903 a 20) den Epicharmvers γοῦς ὁρᾷ ete. (über den zu v. 360) als Beleg für die Behauptung citirt, dass xwpıcdeica αἴςθηεις διανοίας καθάπερ ἀναίεθητον πόνον ἔχει so beweist das für unsere Frage nichts, und es finden sich Aeusserungen genug, die den Sitz des Gesichtssinnes z. B. schon in das Auge, nicht erst in das psychische Centralorgan zu verlegen scheinen; vgl de an. III 2, 426 68 ἑκάςτη μὲν οὖν αἴεθηςις τοῦ ὑποκειμένου αἰςεθητοῦ ἐςτιν, ὑπάρχουκα ἐν τῷ αἰεθητηρίψ fj αἰςθητήριον (vgl Bäumker, des Aristot. Lehre v. ἃ. &uíseren und inneren Sinnes- vermögen, Lpz. 1877 p. 78 ff, und Poppelreuter, zur Psychol. des Aristot. Theophr. Strato, Lpz. 1892). Über Demokrits Stellung wissen wir nichts bestimmtes: aber wir dürfen annehmen, dass er, wie dann Epikur, dem Körper Empfindung zuschrieb, da er als wesentliche Thätigkeit der Seele ja nicht die Empfindung, sondern die Bewegung ansah (Aristot. de an. 403 b 27 ff. etwa nur, weil er die Empfindung der Bewegung subsumirte?) Mit Entschiedenheit scheint sich zuerst Theophrasts Schüler Straton in dem von Lucrez bekämpften Sinne geäussert zu haben: Aet. IV 28, 3 p. 415 D.: Στράτων καὶ τὰ πάθη τῆς ψυχῆς καὶ τὰς αἰςθήςεις ἐν τῷ ἡγεμονικῷ, οὐκ ἐν τοῖς πεπονθόςι τόποις cuvícracóat, ausführlicher [Plut.] de lib. et aegr. c. 4 Στράτων φυεικὸς οὐ μόνον τὰς ἐπιθυμίας ἀλλὰ καὶ τὰς λύπας, οὐδὲ τοὺς φόβους xal τοὺς φθό- vouc καὶ τὰς ἐπιχαιρεκακίας, ἀλλὰ καὶ πόνους καὶ ὀδύνας xal ἀλγη- δόνας καὶ ὅλως πᾶεαν αἴεθηειν ἐν τῇ ψυχῇ ευνίεταςθαι φάμενος

VERS 850—853. 101

καὶ τῆς ψυχῆς τὰ τοιαῦτα πάντα εἶναι, μὴ τὸν πόδα πονούντων ἡμῶν ὅταν προςκρούεωμεν, μηδὲ τὴν κεραλὴν ὅταν κατάξωμεν, μὴ τὸν δάκτυλον ὅταν ἐκτέμωμεν᾽ ἀναίεθητα γὰρ τὰ λοιπὰ πλὴν τοῦ ἡγεμονικοῦ (das Str. von der ψυχή nicht wesentlich unterschied), πρὸς τῆς πληγῆς ὀξέως ἀναφερομένης τὴν αἴςθηειν ἀλγηδόνα καλοῦμεν. Aber auch die Stoa vertrat einen ähnlichen Standpunkt: Nemesius de nat. hom. 7 p. 175 M. ἀλλοιοῦται μὲν γὰρ τὰ αἰεθητήρια, διακρίνει δὲ τὴν ἀλλοίωειν fj αἴςθηεις (vgl Aet. IV 23, 1), und diese wird u. a. de- finirt als δύναμις ψυχῆς ἀντιληπτικὴ τῶν αἰςθητῶν (ebd.) Mit grofser Entschiedenheit sprach der Stoiker, dem Cicero Tusc. I 20, 46 folgt: nos enim ne munc quidem oculis cernimus ea quae videmus; meque est enim ullus sensus in corpore, sed, «ut non physici solum docent. verum eliam medici, qui ista aperta et patefacía viderunt, viae quasi quaedam sunt ad oculos ad auris ad naris a sede animi perforatae. | itaque saepe aut cogitatione aut aliqua vi morbi impedili apertis atque. integris. εἰ oculis εἰ auribus scc videmus sec sentimus, ut facile intellegi possit. ani- mum οἱ videre et audire, non eas partis quae quasi fenestrae sint animi, quibus lamen sentire nihil queat. mens, nisi id agat εἰ adsit. Als Lehre ‘der Meisten’ bekämpft dies noch Galen de plac. Hippocr. p. 641: οἴονται μὲν οὖν oi πλεῖςτοι xal διὰ τοῦ νεύρου τὴν ἀπὸ τῶν προςπιπτόντων ἀλλοίωςειν ἀναδιδομένην ἐπὶ τὸ τῆς ψυχῆς ἡγεμονικὸν εἰς διάγνωειν ἄγειν ἡμᾶς αὐτῶν. Von all diesen Gegnern scheint Lucrez wesent- lich die Stoa ins Auge zu fassen: auf sie passt am Besten das zu animam gesetzte permiriam corpore toto, denn als ὅλη dı’ ὅλου τοῦ cóparoc κεκραμένη gilt ja den Stoikern die ψυχή. Freilich braucht man nur von der materialistischen Fassung abzusehen, um auch die aristotelische Lehre darin wiederzufinden, s. z. B. de an. gener. 741a 10 ἀδύνατον δὲ npöcwrov χεῖρα cápxa εἶναι ἄλλο τι μόριον pi) ἐνούεης αἰεθητικῆς ψυχῆς: wie denn anzunehmen ist, dafs auch Straton sich durch den ganzen empfindenden Leib das αἰςθητικὸν πνεῦμα erstreckt dachte: Tertull. de an. 14 (Straton Aenesidemus Heraclitus) unitatem animae tuentur quae in totum corpus diffusa ... variis modis emicet (s. Poppel- renter a. a. O. p. 49£.). ᾿

850 quod superest, als Uebergangsformel namentlich im 5. u. 6. Buche, auch um wichtige Uebergänge zu markiren, öfters gebraucht (nicht etwa um Schlufsbemerkungen anzuknüpfen), schliefst hier eine Reihe von polemischen Erórterungen an, die zunächst zur Erhärtung der vorher . bewiesenen These von der cuprmóOcia des Körpers mit der Seele dienen. refulare heifst bei L. ‘widerlegen’, mit sächlichem Object (II 867. 246 (id) V 727 (astrologorum artem), vgl. III 525 refutatus “Widerlegung”. So auch hier: dafs die Widerlegung nach L'. Ansicht irrig ist, thut nichts zur Sache: der Ausdruck ist anschaulicher als negare, kommt ihm aber in der Bedeutung hier ganz nahe. Dadurch erklürt sich auch der Acc. c. Inf, der sonst bei dem Verbum nicht nachgewiesen ist. Also Lambins Conjectur renuíat überflüssig. 351 über permiriam corpore loto s. die einleitenden Bemerkungen oben. 352 mominitamus steht für nominamus, wie 1028 imperitarunt für imperarunt; so III 808 dis- crepitans, VI 1105 discrepilant. 868 manifestas res verasque: mani- festa sind die ἐναργῆ Epikurs, d. h. alles, was die αἰςθήςεις uns lehren;

102 COMMENTAR

all dies sind aber, weil ἐναργῆ, Thatsachen, res verae, wobei das Ad- jectiv den in res liegenden Begriff des Wirklichen nur nochmals hervor- hebt. Vgl. II 244 ne f'ingere motus obliquos videamur et id res vera refulel. namque hoc in promptu manifestumque esse videmus. III 523 usque adeo falsae rationi (ψευδὴς δόξα) vera videtur res occurrere. repugnat entgegen dem Gebot αἰςθήςει μηδὲ μιᾷ μάχεεθαι Plut. adv. Col. c. 5 fr. 250. 354 quid sit etc. ‘denn wer wird uns Rechenschaft darüber ablegen, was das Empfinden des Körpers sei, wenn es nicht das offenkundig durch die Thatsachen selbst Gegebene thut?' Die Thatsachen sind unsere Empfindungen: diese lehren uns, dafs der Körper oder ein Körpertheil Empfindungen hat, z. B. schmerzt und wir müssen es glauben, denn wir haben kein Kriterium, das diese alcOncic zu widerlegen vermöchte. Dem Sinne nach genau dasselbe, was L. IV 482 sagi: quid maiore fide porro quam sensus haberi debet? an ab sensu falso ratio orta valebit dicere eos contra, quae tota ab sensibus orta est? Man würde so auch an unserer Stelle eher quid (Nom.) als quis erwarten, aber das konnte leicht als Accusativ mifsverstanden werden. adfere: Munro vergleicht gut Cic. Tusc. I 29, 70 credo equidem in capite (esse animum), εἰ cur credam adferre possum. 8. ferner Cic. pro Caecina 34, 100 adferant velim, quibus lege aut rogatione civitas aut libertas erepta. sit. So 1, Öfters reddere == rationem reddere: I 566. II 179. V 197. 856 ipsa res wie oben res cera; II 1050 «fi docwi res ipsaqwe per se vociferatur. palam dare, durch docuit erläutert, vertritt das sonst, freilich nicht in guter Latinit&t (s. Thielmann, das Vb. dare im Lat, Lpz. 1882 p. 42) vorkommende palam facere (vgl. manifesta palam res indicat I 803). Reichhaltige Sammlungen für ähnlichen Wechsel in Thielmann’s Schrift, Beispiele aus L. stellt Munro zu IV 41 zusammen. 856 L. macht sich selbst im Sinne des Gegners den Einwurf, dafs der Körper ja nach dem Abscheiden der Seele nicht mehr empfinde woraus dann folge, dafs auch im Leben nicht er, sondern nur die Seele Empfindung gehabt habe. Solche Einwürfe werden öfters durch at eingeführt, I 803. 897 mit eingeschobenem imquis, VI 673 ohne solches: wie dort mit scilicet, wird hier die Widerlegung mit emim gegeben, das in. dieser Verwendung aus Cicero bekannt genug ist. So γάρ und ἀλλὰ váp. 857 'Jawohl; und zwar deshalb, weil er verliert, was bei Lebzeiten nicht sein wirklicher, eigenthümlicher Besitz war’, quod non proprium fuit eius in aevo: Epikur ep. I 64 p. 20, 12 διὸ ἀπαλλατείςης τῆς ψυχῆς οὐκ ἔχει τὴν alcöncıv. οὐ γὰρ αὐτὸ ἐν ἑαυτῷ ταύτην ἐκέκτητο τὴν δύναμιν, sondern sie ist ein ςύμπτωμα des Körpers (s. Einleitung p. 36), gehört also nicht zu seinem dauernden, unzerstórbaren Eigenthum. Solches: Eigentbum aber bezeichnet proprium esse ausdrücklicher noch als ἴδιον im Gegensatz zum vorübergehenden Besitz: z. B. Horaz sat. II 2, 138 nunc ager. Umbreni sub nomine, nuper Ofelli diclus, erit nulli proprius: weil, wenn nichts Anderes, so doch sicher der Tod ihn dem Besitzer nimmt. Terenz Andr. 959 ego dcorum vilam eapropter. sempiternam esse arbitror, quod voluptates eorum propriae sunt. Daher auch proprius öfters mit perpetuus Ὁ. Ä. verbunden auftritt, x. B. Cic. pro imp. 16, 48, post red. in sen. 4, 9. Der Gegensats zu proprium in einer A bei Plut. de lib. et aegr. c. 6, die ich hersetse, weil sie der epikurischen

VERS 262---860. 103

Anschauung nahe kommt: ὅπου γὰρ ἐπὶ τῶν ἀγγείων ἔργον ici διακρῖναι πότε τῇ περὶ αὐτὰ κακίᾳ τὸ ἐγκεχυμένον διέφθαρκε καὶ πάλιν πότε τῶν ὑγρῶν νοςηςάντιυν διαβέβρωται᾽ Fi πού τε τῆς ψυχῆς ἀναμεμιγμένης εἰς τὸ εὦμα καὶ κατὰ cüvkpaciv ἑνωτικὴν εὐυμπεφυκυΐας ἄπορόν Ecrıv ἐκκαθᾶραι τὴν διαφοράν. ὄρους ψυχῆς καὶ αὐματος ἐπιζητεῖς, οὖς fj φύεις ἀνεῖλεν, ἐκ δυοῖν μίαν τενέςθαι copılouevn; καὶ τῷ λόγῳψ παρενδῦναι ἀρχόμενος διαςτέλλεις κοινωνίαν οὐδενὶ λυτὴν οὐδὲ χωριςτὴν A μόνψ τῷ θανάτψ; ἐκεῖνος δὲ τὰ πρὸς ἄλληλα ευνδεθέντα διακόψας A ἀποκρίνας θάτερον ἐξελέγξει τὴν ἑκατέρου φύειν ὅςον εἶχεν ἀλλότριον. 358 Der Schluss des Verses, über liefert perditum expellitur aevo. quam, ist längst richtig hergestellt: perdit, quom expellitur aevo. Das Subject muss natürlich für perdit und expellitur das gleiche sein, nämlich corpus (und müsste das anch bei Munros Conjectur qwam expellitur anie: scil anima nach Munro) Aevo expelli vita expelli ganz unanstóssig; Cic. pro Mur. 16, 34 non ante quam illum vita expulit (freilich durch das vorhergehende ez omwé- bus oris ac notis sedibus hoste pulso vorbereitet); Arnobius δίδοτε ez pelere e vita und vila: 140 VIL 49. 44. Auch in dieser Verwendung entspricht αἰών: Il 24, 725 ἄνερ, ἀπ᾽ αἰῶνος νέος deo. mulla- que praeterea perdit (Lachmanns sulla ist sachlich wie sprachlich un- möglich, 8. Goebel observ. Lucretianae p. 31f.) kann nur heissen: “der Körper verliert ja auch ausserdem’, d. h. ausser der Empfindung, "beim Tode Vieles’. Der scheinbare Widerspruch zu v. 214 mors omnia praestal vitalem praeler sensum calidumque vaporem erklärt sich aus der Verschieden- heit des Zusammenhanges: dort war in omnia das sinnlich Wahrnehm- bare zusammengefasst, hier ist an alle δυνάμεις τῆς ψυχῆς gedacht: Denken, Bewegung u.s. f. Aber ungeschickt ist die Ausdrucksweise, denn der flüchtige Leser kann praeterea auf das vorliegende quod non proprium fuit eius beziehen statt auf das zurfückliegende semére. Man wird diese Unbequemlichkeit hinnehmen als veranlasst durch das Streben nach Kürze, das in diesem Abschnitt auch sonst (in 354f. 362. 864. 392 £^ die Klarheit beeinträchtigt. 359—369. “Unsere unmittelbare Empfindung spricht ferner. gegeı die Behauptung, dass nicht die Augen sähen, sondern der Geist durel sie. Zudem müsste man ja dann ohne Augen noch besser sehen können’ Mit der Frage, ob auch dem Körper Empfindung zukomme, häng! wie wir oben sahen, eng die andere zusammen, ob die bewusste Em pfindung in den Sinnesorganen oder erst in einem seelischen Centra organe zu Stande komme. Die Erörterung eines Specialfalls dies: Problems schliesst sich also hier ganz naturgemäss an. Nebenbei b merkt, ist dies rein psychologisch-physiologische Problem von de erkenntnisstheoretischen der Wahrnehmungszuverlässigkeit ganz verschi den. 360 ut foribus reclwsis: das Bild geht vielleicht auf Herakl zurück; Sext. Empir. VII 129 in einem (auf Aenesidem fussende s. Diels Dox. p. 210, v. Arnim Quellenunters. z. Philo p.87) Beric über Her: ἐν yàp toic ὕπνοις μυςάντων τῶν αἰςθητικῶν πόρων xu ζεται τῆς πρὸς τὸ περιέχον εὐμφυῖας ἕν ἡμῖν νοῦς... ἐν ! ἐγρηγορόει πάλιν διὰ τῶν αἰςθητικῶν πόρων ὥςπερ διά τινυν Θυρίδι προκύψας καὶ τῷ περιέχοντι ευμβαλὼν λογικὴν ἐνδύεται δύναμ

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. Während Heraklit selbst (s. ebd. 126) die von L. bekämpfte Lehre nicht getheilt hat, machten sich ihre späteren Vertreter das Bild zu Nutze; so der oben zu v. 850 citirte, von Cicero benutzte Stoiker und vielleicht, wenn auch in etwas anderem Sinne, Straton und Aenesidemos: Sext. Empir. VII 350 oi δὲ αὐτὴν (τὴν διάνοιαν) εἶναι τὰς αἰεθήεεις, καθάπερ διά τινων ὀπῶν τῶν αἰεθητηρίων προκύπτουςαν, ἧς cráceuc ἦρξε Crpárwv τε φνυεικὸς καὶ Alvncidnuoc. Vgl. ferner Philo fr. p. 615 Mang. (citirt von Diels ἃ. δ. O.) αἱ αἰεθήςεις θυρίειν ἐοίκαςι. διὰ γὰρ τούτων ὡςανεὶ θυρίδων ἐπειςέρχεται τῷ vip & κατάληψις τῶν αἰεθητῶν, καὶ πάλιν νοῦς ἐκκύπτει διὰ αὐτῶν. μέρος δέ ἐςτι τῶν θυρίδων, λέτω δὴ τῶν αἰεθήεεων, fj ὅρασις. Anon. physiognom. II p. 17 Förster: hos enim (scil. oculos) tamquam fores animae videri volunt: nam εἰ animam dicunt per oculos emicare ei solum hunc aditum esse per quem animus adiri atque snirospici possit. Die Worte des L. erinnern ferner an den bekannten, unter Epicharms Namen gehenden Spruch vóoc δρῇ καὶ νόος ἀκούει, τἄλλα κωφὰ xal τυφλά (p. 255 Lor.), der, wie er auch ursprünglich gemeint sein mag, Öfters in ähnlichem Zusammen- hange eitirt wird: so von Aristoteles probl XI 38 (s. o.); Plut. de sollert. anim. III 6 (Straton?) p. 961a. 361 Das überlieferte difficile est sucht Munro zu halten: es stehe für “ist unmöglich’, was dann wieder gleich ‘ist thöricht” wäre. Aber seine Parallelen genügen nicht, um diese doppelte Vertretung glaublich zu machen: haud facile est v. 328. 830 vertritt gewiss ein vorsichtig gesagtes neqwit, aber durch die stehende Adverb-Verbindung haud facile == οὐκ ἄν wird das erleichtert; V 526 quid in hoc mundo sit eorum ponere. certum difficile est ist wirklich von einer (wenn auch im Sinne Epikurs unüberwindlichen) Schwierigkeit die Rede, ebenso wie Livius VIII 40,3 nec facile est aut rem rei aut awcorem auctori praeferre: “man entschliesst sich schwer ... vor- zuziehen’. Ein dici nequit liesse sich verstehen: dann würde dici den Begriff des Berechtigten, Begründeten involviren: das geht aber bei difficile est nicht an. Ich bleibe also bei Lambins desipere .est, was in solchen Fällen der Gewohnheit des L. (III 880; V 165. 1048) wie dem Ton antiker und speciell epikurischer Polemik überhaupt entspricht, den wir ja aus Philodem zur Genüge kennen. ducat die Handschr.; man könnte anführen II 868 nec conira pugnant in prompiw cognila quae suni, sed magis ipsa manu ducunt εἰ credere. coguni; aber wenn die Metapher ‘zu etwas hinleiten' ganz ungezwungen und ohne Weiteres begreiflich ist (vgl. gleich den folgenden Vers), so scheint mir 'dagegen führen’ (nur das nämlich, nicht “anderweit führen” könnte c. ducere nach L. Sprachgebrauch heissen) zu weit hergeholt: Lambins confra ... dicat ziehe ich mit den Neueren (ausser Christ quaest Lucretianae p. 11) vor, vgl. IV 483 an ab sensu falso ralio orta valebit dicere eos conira, quae ἰοία ab sensibus oría esi? 362 Den Vers, an dem noch Munro und Brieger Anstoss nehmen, hat bereits Polle Philol XXVI p. 330 ganz richtig erklärt: ‘der Gesichtssinn' (genauer: unsere Empfindung während des Sehens) "weist unausweichlich an die Augen selbst als das fanctionirende Organ’, wobei dem Dichter ein bestimmtes Object zu trahit ebenso wenig vorschwebt wie II 869 ipsa mane ducunt ei credere cogunt und an unzähligen anderen Stellen. Das Folgende nennt einen

VERS 360—366. 105

der deutlichsten Fälle dieses trahi εἰ detrudi: wenn wir versuchen, in helles Licht zu sehen, müssen wir oft genug die Augen schliessen, da sie uns schmerzen: IV 304 splendor quicumque est acer aduril saepe oculos. Zum Ausdruck írahit vgl. Vol Herc* VII 17 col 28, wo es sich um Epikurs Versuch handelt, den Sitz des λογιζόμενον μέρος τῆς Ψυχῆς zu bestimmen (fr. 318): ... ποῦ μάλιςθ᾽ κείνηςις xol τὸ πάθος Eixeı" φανερῶς γὰρ ἐπὶ τὸν θώρακα fj δλκὴ τείνεται. 863 cum saepe nequimus ein eigenthümlich verkürzter Ausdruck für cum, ut saepe fil, nequimus. 364 wir können Glünzendes nicht ansehen, und zwar weil unsere Augen in ihren Functionen gehindert werden (praepedire häufig so von Körpertheilen, auch 478): also sind es die Augen, die sehen, nicht der Geist, wie durch den Gegensats der folgen- den Verse noch deutlicher wird. lwmina luminibus stellt Munro zu den pointelosen und lediglich um des Klanges willen gebildeten Wort- spielen, deren sich bei L. eine ganze Heihe finde. Gewiss hat sich auch L. in diesem Punkt von der nationalr&mischen Neigung nicht völlig freigemacht, ich rechne z. B. dahin das Spiel mit latitare I 875. 877; aber unter den dort von Munro aufgezählten beurtheile ich die meisten anders: die Wiederholung desselben Worts in verschiedenem Sinne ist theilweise ganz unbeabsichtigt (wie die von res ... rebus u. s. £.), theil- weise doch nicht nur auf äusserliche Wirkung berechnet: so zweifellos an unserer Stelle. Die wissenschaftliche Erklärung des Phänomens giebt L. IV 299 ff, hier eine mehr poetische, die doch auch wissenschaftliche Vertreter gebabt hat: das Licht des Auges wird durch ein das von aussen kommt, verdunkelt; vgl Galen, der de usu part. X, 3, III p. 775 ff. K. den gleichen Vorgang bespricht, p. 777 εἰ δ᾽ ὑπομένεις Tt καὶ φυεικώτερον ἀκοῦςαι, λύχνον καιόμενον τινα ἑτέραν φλόγα καταθεὶς ἐν ἡλίψ λαμπρῷ, μαραινομένην αὐτίκα θεάςῃᾳ καὶ μέν τε καὶ φλογὸς ἥςτινος οὖν μεγάλης εἰ πληείον θείης τὸν λύχνον, τινα ἑτέραν μικροτέραν, αὐτίκα εβέννυται, νικυμένης ἀεὶ καὶ διαφορου- μένης τῆς ἐλάττονος αὐγῆς ὑπὸ τῆς μείζονος. Das beruht auf der Auffassung des Auges als des ὄργανον αὐγοειδέετατόν Te καὶ ἡλιοει- bécratov, Galen ib. 1. III 10 p. 242 K. 365 quod foribus (Dat.) non fit, nämlich das praepediri, da sie selbst an der Thätigkeit des Behens gar nicht betheiligt sind (neque enim wilum suscipiunt laborem): denn wir sind es ja, die sehen, qwia (so Lachm.) cernimus ipsi. Qua (so Häschr.) kann 'insofern' nicht begründend, sondern nur einschrünkend bedeuten, wozu hier keinerlei Veranlassung ist, ebenso wenig wie zu einer localen Bestimmung ‘wo wir sehen’. Übrigens fasst L. in diesem Gegenargument, und mehr noch im Folgenden, das simile von den Oupí- ᾿ bec so derb an, wie es selten ein Bild verträgt: natürlich wollte, wer den Vergleich gemacht hat, nicht damit die Mitwirkung der Sinnes- organe leugnen, denn deren Afficirung (b. d. Stoikern ἀλλοιοῦεςθαι s. Nemes. oben 8. 101, πάθη Aet. IV 23, 1, bei Straton πληγή) isi selbstverständliche Voraussetzung der afcOnci. Freilich, wenn Posi donius wirklich wie Cicero Tusc. 130, 46 (s. 0.) gesprochen und den augenblicklichen Zweck zu Liebe die Sinnesorgane als hindernd die Wahrnehmung bezeichnet hat, so könnte er sich kaum darüber be klagen, mit den Lucrezischen Argumenten ad absurdum geführt zu werder

106 COMMENTAR

367 praeterea: über dies ineplissimum argumentum ereifert sich Lactanz de op. 8, der es so wiedergiebt ‘si mens per oculos videt, erulis et effossis oculis magis videret, quoniam evolsae cum postibus fores plus inferunt luminis quam δὲ fuerint obductae. Darin ist LJ postibus ipsis richtig paraphrasirt: als pars pro toto stehen die Pfosten für die ganze Thür, sonst sogar für die Thürflügel, Virg. Aen. II 480 postisque a cardine vellit aeratos, ib. 493 emoti. procumbunt cardine postes. Aber der Zusatz quam δὲ fwerimt obduciae kommt auf des Eifernden eigene Rechnung.

870—395 *Demokrits Ansicht, dass im menschlichen Leibe je ein Seelenatom sich zwischen je zwei Körperatome einschiebe, ist unhaltbar. Denn daraus, dass wir die Berührung durch winzige Körper nicht empfinden, folgt, dass diese nicht mehrere Seelenatome berührt haben: die Seelenatome mfssen also in verhältnissmässig grosser Entfernung von einander liegen, also auch an Zahl den Körperatomen nachstehen.’ Die hier bekämpfte Ansicht Demokrits ist uns sonst nicht über- liefert: aus anderen Quellen wissen wir nur, dass er die Seelenatome durch den ganzen Leib vertheilt sein liess (Aristot. de an. 409b 2 u. A.). Dass er die Mischung vom Seele und Leib eine Nebeneinanderstellung der Atome sein liess, ergab sich als Consequenz seines Systems; vgl. 372 singula privis adposita mit Alex. Aphr. de mixt. p. 214, 18B.: Δημό- κριτος μὲν οὖν ἡγούμενος τὴν λεγομένην xpäcıv γενέεθαι κατὰ παρά- Becıv cwudrwv, διαιρουμένων τῶν κιρναμένων elc μικρὰ καὶ τῇῷ παρ᾽ ἄλληλα θέεει τὴν μῖξιν ποιουμένυν. Die Veranlassung, von Demokrit abzuweichen, war für Epikur offenbar das φαινόμενον, das er hier als Argument für seine eigene Lehre anführt: die Thatsache, dass gewisse Eindrücke zu gering für unser Wahrnehmungsvermögen sind. Das wird hier nur für den Gefühlssinn ausgeführt, gilt aber natürlich ebenso gut für das Gesicht, s. IV 115 ff. L. behandelt die Frage etwas ausführlicher, weil sie ihm Gelegenheit giebt, im Sinne der eigenen Lehre über die Betheiligung der Seelen- und Körperatome beim Zu- standekommen der Wahrnehmung wenigstens andeutungsweise aufzuklären. Das steht in keinem engsten Zusammenhange mit dem unmittelbar Vorher- gehenden, wohl aber mit dem Abschnitt 323—349, und ist nur deshalb nicht gleich dort angefügt, weil sich noch nothwendiger dort die Verse 350 fl. anschlossen. Einen anderen, geeigneteren Platz für diese Erörterung gab es überhaupt nicht, denn das vierte Buch, an das man denken könnte, handelt περὶ αἰεθητῶν, nicht περὶ alcOfgceuc. Der Gedanken- gang ist wohl disponirt: 370—373 Ansicht Demokrits. 374—380 Gegen- these. 381—390 Beweis 391—395 Clausel, die aber nicht auf den Beginn des Abschnitts, sondern nur auf L.’ Gegenthese zurückgeht, sum Beweis, dass diese das Wesentliche ist.

870 Illud in his rebus: L. wendet diese Formel, die ich nur bei ihm finde, oft zur Einleitung und mit besonderer Vorliebe da an, wo er wie hier eine fremde Ansicht widerlegen (I 370. 1052. IV 822) oder einem Einwurf des Lesers zuvorkommen will (I 80. II 308. IV 898. V 247. 666. 1091. VI 1056; ausserdem nur noch II 216. 581. III 319. VI 1230). Das liegt einfach daran, dass in diesen Fällen die ihm sonst geläufigen Formeln nicht passien 371 kehrt V 622 wieder.

VERS 861—371. 107

Sancia sententia erinnert an Lucilius Valeri semientia dia (v. 1174), was Horas nachahmt mit sententia dia Catonis (sat. Y 2, 33) Die Verbindung Democrili-viri wäre ohne die prüdicative Bestimmung sanda nicht möglich. Man hat zwar dergleichen im Griechischen zu finden geglaubt, so z. B. Soph. Aias 817 δῶρον μὲν ἀνδρὸς "Extopoc verbunden, & Lobeck z St; aber da gehört ἀνδρὸς ξένων ἐμοὶ μάλιςτα pucndevroc zusammen, s. Kaibel Elektra p. 75, der auch die übrigen hierher gehörigen Stellen bespricht. Bei Lucrez ist sanctus ursprünglich als Attribut za vir gedacht, denn speciell Demokrits Ansicht über die Lage der Seelen- atome im Körper als sancta zu bezeichnen, konnte dem Dichter nicht beikommen. Aber von der Heiligkeit des Mannes fällt natürlich cin Abglanz auch auf jede seiner Áeusserungen, und so kann L., wie das Dichter gern thun, das eigentlich dem Genetiv zukommende Attribut zum regirenden Nomen stellen, I 81 impia rationis elementa, 119 gentis Italas hominum; Hor. od. III 1, 40 dolentem nec Phrygius lapis nec purpurarum sidere clarior delenit usus usus. 872 singula privis == singula. singulis. 373 adposita s. oben. aliernis variare: variare intr. häufig bei L. und immer als “verschieden sein’, entweder so, dass ein Gegenstand in ver- schiedenen Phasen verschieden auftritt, oder dass mehrere unter einander verschieden sind; ferner im part. präs. == varius, von

ständen, wie I 115 in coelu variantis acervi, *mannigfalüg'. Hier ist alternis (sc. vicibus) variant primordia sehr eigenthümlich gesagt für primordia allernant, eine Ausdrucksweise, die, soviel ich sehe, nicht nachgeahmt worden ist. Aber es ist begreiflich, wie variare von der Bedeutung des successiven Verschiedenseins, d. h. sich Veränderns, dazu kommen kann ein rBumliches Abwechseln, sich Ablösen zu bezeichnen. Transitiv Virg. Aen. IX 164 iuvenes variant vices ‘sie lösen sich ab’. ac neclere membra "und so die Verknüpfung des Körpers zu Stande komme’, alternis wirkt auch hierbei noch. Ueber nectere von Àtom- verbindungen gesagt s. zu 217.

374 Dass die Seelenatome kleiner seien als die des Körpers, hat Demokrit ebenfalls angenommen und es widerspricht auch nicht der von L. hier bekämpften Lehre; wenn es also der eigentlichen Gegen- behauptung numero concedunt vorausgeschickt wird, so soll es diese zu der Gesammtanschauung ergänzen, dass die Seele überhaupt quantitativ weit hinter dem Körper zurücksteht: ‘sie sind weniger zahlreich, wie sie ja auch viel kleiner sind Vgl. Diog. v. Oin. fr. 82 Us.: καὶ τὰς εἰ μὴ τὸν ἀριθμὸν Tcov τῶν ἀτόμων ἔχει τῷ cıbyarı (ἢ ψυχή) next τε τοῦ λογικοῦ τιθεμένη μέρους αὐτῆς καὶ τοῦ ἀλόγου κτλ. anima. elementa: wenn L. sich den Hiat erlaubt hat, statt elementa minor: animai zu schreiben und nach dem, was Leo Plaut. Forsch. 308 f 829 ausgeführt hat, wird man an der Möglichkeit nicht zweifeln so bewog ihn die Absicht, den Hauptbegriff anima, der im Gegensata zu Corpus und viscera steht, durch die Stellung hervorzuheben. 977 dumtazat zieht man seit Lachmann zum Vorhergehenden und inte: pungirt danach stark, m. E. mit Unrecht. Es könnte nur zu rara gehöre und soll da nach Munro ‘nur’, ‘so viel und nicht mehr" bedeuten: das tin es zwar häufig, aber einleuchtender Weise nur bei ganz bestimmte Begriffen wie Zahlen, nicht bei so vagen Angaben wie rarus. Ande

108 COMMENTAR

z. B. Hor. a. p. 23 denique sit quidvis, simplez dumtaxat εἰ unum, “nur wenigstens’, wobei eigentlich mehr erwartet wird: auch das passt hier nicht. Zudem würde der wí-Satz dann scheinbar die Folge des rara dumtarat angeben, was doch nicht der Fall ist. dwmíarat muss vielmehr diesen εὐ δῖ einleiten, der dann eine Erläuterung des Vorhergehenden mit beschränkender Nebenbedeutung giebt: 'rara, insofern als man be- haupten darf” Aehnlich II 128 dumtazat rerum magnarum parva potest. res exemplare dare: “das angeführte Beispiel ist nämlich insofern berechtigt, als...” dissita s. zu 143. promittere in der Bedeutung ‘versichern, bestimmt behaupten’, so dass man eine Gewähr dafür über- nimmt, auch 876 non dat quod promitiit, den Uebergang zur Bedeutung ‘versprechen’, wobei der Begriff des Zuktinftigen mit aufgenommen wird, I 411 hoc tibi .. possum promittere; ... lingua .. funde. 378 quantula prima: der Gedanke ‘so grols die kleinsten Körper sind, deren Empfindung in uns erweckt, so gross ist der Abstand der Seelenatome von einander’ verlangt zu quaniula nothwendig einen Zusatz, der die unterste Grenze der Grösse ausdrückt, also prima, nicht priva, wie Bentley und Lachmann auch hier wollten. Vgl. IV 112 minora

quae primum oculi coeplani non posse tueri. corpora ist möglichst weit von prima getrennt, um nicht corpora prima als einen Begriff, d. h. Atome (s. 161), verstehen zu lassen. Auch v. 380 ist exordia prima animai wohl richtig überliefert; exordia gebraucht L. zwar auch allein für Atome, aber nur in der Verbindung cunctarum exordia rerum (8. zu v. 81); prima exordia dagegen ist ein vollgültiger Ersatz für primordia, und die Hervorhebung der einzelnen Seelenatome für sich durch priva wäre hier überflüssig, fast störend.

881 Leichteste Kürper werden in vier Gruppen aufgeführt: Staub und Kreide haften am Körper, Nebel und Spinnenfäden begegnen uns in der Luft, Spinnweb, Federchen und Samenhärchen fallen von oben, Thierchen kriechen oder springen auf unserer Haut alles Einzelne mit voller Proprietät des Ausdrucks geschildert. inierdum: denn in grösseren Massen empfindet man auch den Staub am Körper. adhaesus auch IV 1242 V 842 VI 472 zum Ersatz von adhaesio, sonst wie es scheint von Niemandem gebraucht. Der Inhalt des Gedichte verlangt eine der lateinischen Sprache sonst fremde Fülle von Abstractis, die Form begünstigt vor Allem jene Bildungen auf -fws, -sus; so hat L. allein oder doch fast allein adactus, adauctus, commutatus, conciliatus, concussus, disieclus, eiectus, intactus (I 454 neben tactus), itus (sonst fast nur als Correlat zu ambitus, reditus u. 8), mactatus, opinatus, oppressus, proiectus, refutatus, subortus, summalus, transspectus: bei manchen davon ist es ganz klar, dass zunächst die Bildung auf -io dem Schriftsteller vorschwebte. 382 corpore kann nicht zu sentire gehören, sondern, wie membris zu incussam sidere, nur zu adhaesum: das Verbalsubstantiv hat die Kraft des Verbs behalten, analog den bekannten Beispielen obtempe- ralio legibus, domum itio. incussam cretam: das Anfliegen von zer- staubter Thonerde kann nicht wohl gemeint sein, incu! wäre dafür kein passender Ausdruck. Eher ist wohl mit Bockemüller an die stündige Verwendung der creía zum Schminken oder Pudern zu denken; so schildert Martial VIII 88 ein ganz besonders dünnes Goldplättchen: 15 wec vaga

VERS 311—391. 109

lam tenuis discurrit aranea tela ... crassior in facie velulae síal crda Fabullae. 388 Die Synizese aranei ist freilich einzig dastehend; aber L. braucht das Wort, da er araneas nicht schreiben konnte, und so wusste er sich zu helfen. Mir ist das wahrscheinlicher, als die Existenz einer Nebenform araniws, die L. Müller de r. m.? 297 annimmt, und von der wir sonst keine Spur haben. Der Ursprung des Wortes ist noch nicht mit Sicherheit eruirt; im Übrigen sagt Servius zu Georg. IV 246 mit Recht sciendum, maiores animal ipsum masculino genere appelak *hic araneus’, retia. vero quae faciunt feminino: die Spinne heisst aranca erst bei Catull (68, 49); araneum Spinnweb findet sich nicht vor Phaedrus (II 8, 23). 384 obretimur euntes vom Netze, das über unsern Weg gespannt ist; sind dagegen die Fäden morsch geworden, so fällt das Netz herunter, die Spinne legt gleichsam ihr altes Kleid ab. Als Spinnweb hat viefam vestem Serenus Sammonicus verstanden: v. 956 Bähr. si vero caput infestus conliserit clus, ex oleo necti vestis debebit arachnes (vgl. mit Plin. n. h. 29, 114 fracto capiti aranei tela ex oleo εἰ aceto inposita non nisi volnere sanato abscedit), und Donat zu Ter. Eun. v. 688: Lucretius araneae dizit vietam vestem, ἃ. e. putri mollitie ditam (vgl Prop. IH 6, 388 putris εἰ in vacuo tezelur aranea lodo) 387 Vgl. II 230 nam per aquas quaecumque cadunt aique aéra rarum, haec pro ponderibus casus celerare necessesi. Je leichter der Gegenstand ist, desto schwerer, d. h. langsamer, weniger gern fällt er (der Ausdruck gravatum ist der Antithese zu Liebe gewählt), plerumque, falls ihn nicht etwa ein Windstoss mit sich führt. Das leise Fallen hat zur Folge, dass er nur mit einem kleinen Theil seiner Oberfläche unsere Haut be- rührt und somit nicht genug Atome trifft, um eine Empfindung zu er- wecken. 388 itum zu 381. 389 priva vestigia: das Beispiel ist mit Bedacht als letztes aufgeführt; wir haben hóchstens eine Gesammt- empfindung, nicht aber erwecken die einzelnen Füsschen Einzelempfindungen: sie setzen zu wenig Atome in Bewegung, wie in der nun folgenden Clausel abschliessend erklärt wird. Vgl. IV 259 venius enim quoque paulatim cum verberat οἱ cum acre. fiuit. frigus, non privam quamque solemus particulam venti sentire el frigoris eius, sed magis wnorswm.

891 ‘Es müssen schon viele Körperatome getroffen und dadurch bewegt werden, ehe zugleich auch zwei Seelenatome die Erschütterung der Körperatome bemerken, d. h. durch den Stoss getroffen werden, so dass sie sich an der Bewegung betheiligen, also die communes molus (385) zu Stande kommen, die Vorbedingung des sentiscere sind’. Das ist offenbar der Sinn der Verse, zuerst von Goebel (s. u.) richtig erkannt. Die Fassung ist nicht eben glücklich zu nennen: beim ersten Lesen wird man primordia animai verbinden, und erst nähere Ueberlegung lässt keinen Zweifel darüber, dass semina Subject, primordia Object ist; ferner ist die Beziehung von mulfa nicht klar; endlich, wenn prismordia im Gegensatz zu animai semina steht, erwartet man eine nähere Be- stimmung dazu. Liesse sich dem allen, wie man von Marull bis Lach- mann versucht habt, durch einfache Umstellung von v. 392, 398 abhelfen so nähme man das gern an; aber es geht nicht, denn semina muss au animai folgen, da (wie Goebel obs. Lucr. 1854, p. 40 zuerst gesagt hat die semina corporibus nostris inmixla per arius schlechterdings nur di

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Seelenatome sein können; man entgeht dem auch nicht, wenn man wie Brieger corporibus nostris in mizta schreibt (d. h. in corpore nostro snizta): solche Feinheit existirte nicht für antike Leser, und der Zusatz würe dann ausserdem ganz müssig. Von anderen aus der Umstellung folgenden Schwierigkeiten sehe ich ab. Die Stellung von primordia, das er auch zu mulis verstanden wissen will, sucht Munro zu I 15 durch Parallelen zu schützen: aber von den dort angeführten Constructionen ist keine vergleichbar; vor Allem nicht Relativsätze wie Hor. ep. 2, 87 quis non malarum quas amor curas habet haec inter obliviscilur. Man wird also besser mulia absolut fassen als 'Vieles'. sentiscant: dass die Atome der Seele empfinden, konnte L. im eigentlichen Sinne nicht sagen, denn sie sind und bleiben insensilia, wohl aber, mit einem Bilde, das sie die Erschütterung merken, d. h. selbst mit erschüttert werden. 894 Für quantis, das ganz sinnlos ist, haben Frühere íamtis, Lach- mann quam in his geschrieben; aber die intervalla sind so lange nicht genannt worden, dass eine Verweisung darauf mit kis mir bedenklich erscheint. Dem Sinne wie der Ueberlieferung nach liegt qwam sis, oder wenn man will qwaom swis näher; sis hat L. III 1025, freilich in einem Enniuseitat, aber einsilbiges swo auch I 1022 == V 420. “In ihren Intervallen’ gehört eng mit tudilantia zusammen. T'uditaniia vereinigt in sich die drei Momente des concwrsare, coire, dissullare: in diesen Formen verlaufen also die sensiferi motus, von denen im Vorhergehenden so oft die Rede war. Auffallend genug, dass wir das erst am Schluss des ganzen Abschnitts erfahren: aber die ganze Lehre von der alcOncac ist hier eben nicht data opera behandelt, sondern in die Erörterung über den Zusammenhang zwischen Leib und Seele verflochten, so gut es ging. Der sensifer motus unterscheidet sich in dieser Beschreibung nicht von der allgemeinen Bewe der Atome: ihr Zusammentreffen heisst concursus I 634. 685 u. 0. (concursio Cic. de fin. I 6, 17; 20), εύγκρουεις, ihr Zusammenbleiben coefus I 1026 u. ὅ. (cUvoboc), dessen Zusammenhang mit coire (II 568 u. ὅ.λ, ευμβαίνειν (fr. 284, 32, vgl. ευνελθεῖν und dcuve- Aeuctoc Inschr. v. Oin. fr. 20 Us), also noch deutlich empfunden wird; kommt dieser coeíus nicht zu Stande, so ist die Folge des Anpralls das ἀποπάλλεεθαι, dissilire (II 87) oder resultare (II 98 u. 6.). Über die Ausgestaltung der Lehre im Einzelnen, z. B. wie sich zur Eigenbewegung der Atome die durch Sinneseindrücke hervorgerufene verhält, oder wie die Seelenatome überhaupt sich treffen können, da doch nicht nur das inane sondern auch Körperatome dazwischen liegen darüber wissen wir nichts, nicht einmal, ob Epikur sich diese Frage selbst gestellt hat.

396—416 'Der Geist ist für die Erhaltung des Lebens wichtiger als die Seele; denn ohne den Geist vermag auch die Seele nicht mehr im Körper zu verweilen, während die Seele, wenn auch nicht ganz, so doch grossentheils mitsammt den entsprechenden Theilen des Körpers weg- genommen sein kann, ohne dass das Leben schwindet. So findet zwischen Geist und Seele das gleiche Verhältniss statt, wie im Auge zwischen Pupille und deren Umkreis: nur die Pupille ist für die Erhaltung der Sehkraft völlig unentbehrlich”. Dass dieser Abschnitt unmittelbar an v. 349 anschliesst, ohne Berücksichtigung der vv. 350—395, sah Lach- mann; aber seine Folgerung, dass L. also jene Verse später geschrieben

VERS 391—408. 111

und nicht für diese Stelle bestimmt habe, ist nicht zwingend Wir sahen, dass die Versgruppen 350 ff. eng an das Vorhergehende anschliessen und an dieser Stelle zwar entbehrt werden könnten, aber auch nirgend anderswo unterzubringen waren. Vom Gange der Hauptuntersuchung führen sie freilich ab, und zu ihr kehrt nun abbrechend zurück, aber ohne ausdrücklich darauf aufmerksam zu machen. Formeln wie «i redeam illuc unde abii wendet er nicht an, sondern überlässt es dem Leser, die 'Anmerkungen' oder Excurse sich aus dem Texte heraus zuheben. Serv. Dan. zu Aen. X 487: qwidam secundum Epicureos animam per tolum corpus. divisam esse volunt, εἰ exinde posse fieri wd quis ampulala parie corporis vivat: animum vero esse τὸ ἧτεμονικόν animae, sine quo vivere nom possumus kann ans L. genommen sein; die Lehre, dass das Leben wesentlich am Geiste hänge, ist als epikurisch sonst nicht überliefert. Diogenes v. Oin. (fr. 32 Us.) behauptet nur in Ausdrücken, die an die des L. erinnern, dass für die Erhaltung des Lebens die Seele weit wichtiger sei als der Körper: (αἰτίαν δὲ τοῦ ζῆν N) μὴ ζῆν διπλῆν fj ψυχὴ παρέχει τῇ quce. Wenn der Körper durch Krankheit völlig entkr&ftet ist, ὅμως fj ψυχὴ παραμένουςα οὐκ ἐᾷ θνήςεκειν τὸ ζῷον. καὶ οὐ τοῦτο δὲ μόνον τῆς ὑπεροχῆς enpeióv ἐςτιν, ἀλλὰ καὶ χειρῶν ἀποκοπαί, πολλάκις δὲ ἀγκώνων ὅλων A βάςεων πυρὶ καὶ cbfpu λῦςαι τὸ Ζῆν (vitai solvere claustra) οὐ δύνανται" τοςοῦτον αὐτοῦ τὸ ψυχικὸν ἡμῶν βαειλεύει μέρος (dominantior ad vitam). Askle- piades, der die von L. vorgetragene Lehre nicht anerkennt, legt doch in seiner Argumentation das Hauptgewicht auf das sapere: Tertull. de an. 15 Asclepiades. etiam illa argumentatione cectatur, quod pleraque. animalia ademplis eis partibus corporis, in quibus plurimum existimatur principale consistere, el. insuper vivant aliquatenus εἰ sapiant nihilominus, ul muscae et vespae et locustae, si capita decideris, μὲ caprae e$ tesiudines et anguillae, si corda detraxeris; itaque principale non esse, quod si fuissel, amissus cum suis sedibus vigor animae non perseveraret. Chalcidius in Tim. c. 216 überträgt diese Argumentation irrthümlich von Asklepiades auch auf Demokrit und Epikur. Das ganze Stück ist übrigens offenbar in wenig glücklicher Stunde geschrieben, .wie zahlreiche Unebenheiten, grössere und kleinere, beweisen; aber gerade, weil sie sich hier häufen, darf man sie nicht durch Textänderung oder Athetesen beseitigen wollen. 896 vitas claustra auch I 415, VI 1153, das Gegentheil von coer- cere ist I 415 resolvere: durch die geöffneten Thore entflieht das Leben. Für diese Auffassung des Bildes (im Gegensatz zu daustra == Boll- werk) spricht ausser coercere auch die Ergänzung dominanlior ad vitam: das Leben steht mehr in der Gewalt des animus. als der vis animas, die allein es nicht zu halten vermag. Vgl ritae vinclum 599; anima ct animus conclusa 569. 398 Selbst aus abgeschlagenen Gliedern, die doch nichts vom animus enthalten, entweichen die Seelenatome erst nach und nach, nicht auf einmal: s. v. 643 ff.; aber doch kann L. mit Recht hier ein residere, 'fest am Orte verweilen’, in Abrede stellen, da ja während des Entweichens alle Atome gleichzeitig in Bewegung kommen. 401 εἰ gelidos artus etc. bereitet den Gegensatz at mand in vila vor. 408 δ: membra bedeutet 403 genau dasselbe wie 404, nämlich den ge- gliederten Körper. Denn circum caedere. membra. kann nicht heisser

112 COMMENTAR

‘rings die membra abschneiden’, somderm mur ‘die sembra ringsum caedere, und zwar dadurch, dass ihmem Stücke abgeschnitten oder sonst Wunden beigebracht werden. In beiden Fällen wird den membra ein Theil der Seele entzogen, membris remosciur, da sie entweder mit den Körperstücken abgeschnitten wird oder aus den Wunden entweicht: cir- cum anima adimitur entspricht also genam dem circum membra caeduntur. Danach wird man íruscus auch nicht als Rumpf im Gegensatz zu den membra verstehen dürfen: der Wechsel des Subjects vom mane in vita 402 zu quamvis est wäre zudem hart und, wie mich dünkt, unlucrezia- nisch. Sondern truncus ist Adjectiv umd gehört zu vivit 405: es wird durch adempta ... remota ergänzt und erkl&ri. Nach Munro wären die membra 404 'das noch Übrigbleibende oder der truncus’, dagegen 403 das Abgeschnittene das ist nicht mur very Àarsh, sondern unmöglich. Brieger coniciert unnöthig und unschön edempia animae vi cum membris-

que remola, womit nur die ganze Seele gemeint sein könnte. 405 Die epische Formel aetheriae aurae, die Lachmann beanstandete, fand L. vermuthlich bereits geprägt vor: nach ihm brauchen sie Virgil, Ovid,

Martial: Munro vergleicht gut Sem. Here. Ost. 893 superest εἰ awras |

ille caelestes. irahit. Der Dichter I. darf gewiss von "himmlischen |

Lebenslüften' sprechen, ohne pedantiseh zu erwägen, dass nach epikurei- scher Lehre der aether keine Luft ewtkält; so lässt er I 250 den pater aether Regen herabsenden. Der Ausdruck ist gerade hier am Platze, wo das kahle vivió dichterisch veranschaulicht werden soll, während I 771, wo die Luft neben den drei andern Elementen genannt wird,

und IV 933, wo von der Beeinfmesumg des Körpers Aurch die ihn umgebenden Luftmassen die Rede ist, eeriec aurae vollauf genügten,

V 501 sogar allein möglich waren, da die Luft hier geradezu dem Aether gegenüber gestellt wird. Ähnliche Wendungen bei Epikur mögen übrigens zu dem Missverstándniss bei Pa.-Gzlen hist. phil. 24 geführt haben: Ἐπίκουρος τὸν ἐφελκόμενον ἔξισθεν ἀέρα διὰ τῆς εἰςπνοῆς τὴν ψυχὴν ὑπέλαβεν. 4067. Die beiden Verse sind ziemlich abrupt an- gefügt; es scheint, dass erst nachträglich, vielleicht nach der Ausführung des folgenden Vergleiches, dem Dichter die Einschränkung der Be- hauptung manel in vila cui mens animusque remansit nothwendig er- schienen ist. omnimodis, sonst bei L. "auf alle Weise’ (x. B. II 489) oder "in jedem Fall’ (s. B. I 683), sieht hier in offenbarem Gegensatse zu magna parie animai und kann also mur “durchaus, ganz’, scil. . anima privatus, verstanden werden. "Man darf zwar nicht die Ense Seele wegnehmen, so dass nur der Geist übrig bleibt; denn i

kann

noch zögern, aus dem Leben zu scheiden, im eia cuncari εἰ haererc? wobei nicht ausgeschlossen ist, dass dech moch später der Tod als in- directe Folge jenes Verlustes eintriti

409 υἱναία potestas als Versschluss auch 558. 680: hier mit be- sonderer Absicht dem Vergleich zu Liebe, da die Sehkraft das Leben des Auges ist. 410 Auch hier r drüagt sieh die i

Eiuschränkung sogleich auf. lwmimis erbis könnte natürlich, so wie orbis

so oft allein, das ganze Auge bedewiem, und so hat es wohl ein sehr

VERS 408—417. 113

eifriger Leser des L., der Verf. des Culex, verstanden, wenn er schrieb (222) sanguineique micant. ardorem luminis orbes. Aber hier hat L. offenbar den Kreis um die Pupille gemeint, für den er keine bessere Bezeichhung fand. lumen ist == oculus wie v. 364. Also 'nur darfst du nicht den ganzen Kreis zerstóren (wie man auch nicht die ganze Seele entfernen darf)’: das wird erklärt durch circum caedas, ‘A. h. rings um den Augapfel herum schneiden, so dass dieser allein übrig bleibt. Die Negation versteht sich natürlich auch zum zweiten und dritten Satzgliede et caedas und solamque relinquas: da Beides mit der Handlung des ersten identisch ist, konnte L. nicht mit sew fortfahren. So knüpft er IV 1275 das zweite Glied des negativen Satzes, da es eng mit dem ersten zusammengehürt, durch qwe an: ne complerentur crebro gravidaeque iacerent; et im gleichen Falle z. B. bei Quintil. insi or. ΠῚ 8, 70 haec adolescentes sibi scripla sciant, ne aliler quam dicturi suni exerceri velint. et ἐμ desuescendis morentur. 412 quoque, weil das folgende at si ... peresa est schon vorschwebt, übrigens auch durch si pupwla mansit incolumis vorbereitet ist. Die Beziehung von eorum ist freilich nicht ganz klar: aber schon Lachmann, dessen übrige Be denken gegen die Echtheit des Verses durch das zu v. 410f. Gesagte beseitigt sind, gab zu, dass ommis orbis pupulae und pupula ipsa gemeint sein könne. Das ist weit glaublicher als Briegers Deutung, L. habe eorum geschrieben parwm considerate, quasi v. 408 oculis non oculo ez start. L. mag sich mit eorum geholfen haben, weil die Sehkraft, di man eigentlich genannt zu sehen erwartet, nicht ohne Umständlichkeil zu bezeichnen war. 415 Das Augenlicht verlischt, ‘wenn auch de Umkreis sonst gänzlich unversehrt ist’. An alioqui hat Lachmann mi Unrecht Anstoss genommen: das Wort ist ja zweifellos alt, wenn wir auch zuerst bei Livius wiederfinden; und wenn es die Dichter (auss Horaz in den Sermonen) weiterhin verschmähen, so spricht das nich gegen die einmalige Verwendung durch Lucrez Das Fehlen des Ve bums ist freilich gegen L.’ Gepflogenheit; man kann schwanken, ob auc dies zu den Unvollkommenheiten des Abschnitts zu rechnen, oder « der Anstoss durch Kannengiesser's (Philol. XLIII, 536) einfache Ánderur alioquist zu beseitigen ist. 416 Der Schlussvers weist nicht wie übli direct auf die These des Abschnitts zurück: die Beweisführung hat aber auseinandersetzen müssen, in welcher Weise das Verweilen des Geist und der Seele im Körper, einzeln und zusammen, geordnet ist, und w dabei die Seele vom Geiste zwar abhängiger ist, als er von ihr, δὲ doch auch der Geist nicht völlig die Seele entbehren kann: das ist ἃ] ein foedus, das beide an einander fesselt. Der Begriff des foedus liegt hi besonders nahe, aber L. spricht auch regelmässig von foedera natur wo wir von Naturgesetzen reden; ihm ist das Weltall eben kein dui einmaligen Gesetzesact geordnetes Reich, sondern eine in unaufhörlic] Wechselwirkung aller Bestandtheile sich entwickelnde und fortpflanze: Verbindung. |

417—827 Zweiter Haupttheil: Geist und Seele vergeh im Tode.

417—424 Einleitende Verse. ‘Nun werde ich darthun, dass G und Seele geboren sind und sterben müssen: da sie zusammen ein We

Lucretius v. Human. 8

114 - COMMENTAR

ausmachen, kann ich sie beide mit einem der beiden Namen bezeichnen.’ nunc age hier als Übergangsformel, für den neuen Gegenstand frische Aufmerksamkeit des Lesers fordernd; im Nebensatz folgt eine Anrede, wie Cie. Cato M. 7, 24 eine Aufforderung: age, ut ista divina siudia omit- (amus, possum nominare ex agro Sabino rusticos Romanos; ohne der- artiges IV 673 nunc age, quo pacto naris adiectus odoris tangat agam. salicos et mortalis giebt, so gut das in dieser Kürze angeht, und ohne besonderen Nachdruck darauf zu legen, die beiden Hauptgesichtspunkte des ganzen Abschnitts. Die Sterblichkeit nachzuweisen ist freilich das einzig wesentliche Ziel, und damit ausschliesslich beschäftigen sich vv. 425—669; aber zum erschöpfenden Beweise ist es auch nöthig, die Lehre von der Präexistenz der Seele zu widerlegen, sie als naliva zu zeigen, und das geschieht v. 670— 789 (über 800—829 s. u). Die Beachtung dieser Zweitheilung des ganzen Capitels, von Bockemüller im Wesentlichen richtig erkannt, hätte vor mancher voreiligen Aenderung der überlieferten Reihenfolge der Versgruppen bewahren können. unimantibus: der weitere Begriff, weil sich der Nachweis auch mit auf Thiere bezieht, s. v. 657. 719. 741. 776. Das war erforderlich, um der Lehre von der Seelenwanderung zu begegnen. 418 levis: das Epitheton ist nicht bedeutungslos: die Seele ist leicht wie Lufthauch und Rauch, aurarum leves animae V 236, und verflüchtigt sich daher such wie diese: das wird ja gleich im ersten Argument ausgeführt 419 conquisita diu u. s. f. geht nicht etwa darauf, dass L. die zahl- reichen nun folgenden Argumente mühsam zusammengesucht habe; son- dern er hat die einzelnen Verse, carmina, um sie in Ordnung vorlegen zu können (disponere), suchen oder erfinden müssen (I 148 quaerentem diclis quibus e$ quo carmine demum ... (uae possim praepandere lumina senti): dulcis ist der labor des Dichters (γλυκύταται φροντίδες Pindar Ol. I 19), nicht des Materialsammlers. disponere: I 52 ımea dona tibi studio disposta fideli, V 629 id doceo, plurisque sequor disponere causas, II 644 quae bene εἰ eximie quamwis disposta ferantur ... sunt lamen a vera ralione repulsa. Die Worte lehren also nichts darüber, ob L. all seine Argumente in einer Schrift beisammen vorfand, oder sie sich erst selbst zusammen suchen musste. 420 digna (ua vita möchte ich trotz Lach- manns Widerspruch mit Wakefield als digna moribus (wis ac viriutibus erklären. Der Gedanke ist dann durchaus passend: die viríus des Memmius ist ja für L. der Ansporn zur Dichtung, I 140, ihrer muss | also das ihm gewidmete Werk würdig sein. Und wie vifa allein z.B. Hor. epp. I 10, 38 reges εἰ regum vita. praecurrere amicos für Lebens- glück steht, so kann es gewiss auch Lebensführung bedeuten, aus- gehend von Wendungen wie paneg. Pis. 5 hinc (ua me virtus rapit et miranda per omnes vita modos, 9 quid pleni numeroso consule fasti profuerint cui vita labat. Dass vita dann mur in bonam partem ver- standen wird, ist ja selbstverst&ndlich. Lachmanns cura ist jedenfalls nicht möglich, denn diese Sorge kann nicht nur die Mühe des Lesens sein; ganz anders Virg. ecl. 3, 61 illi (sciL lovi) mca carmina curae: also werden sie, ist der Gedanke, mir gelingen. Ähnliche Wendungen cul 10 wf tibi digna (wo poliantur carmina sensu, paneg. Pis. 214 quod si digna (wa minus est ea. pagina laude. 121 ‘Beides unter einem

VERS 411.- (95. 115

Namen begreifen’ heisst wirwmque eorum sub uno nomine iungere oder, was dasselbe ist, uno nomine subiungere: das ist hier gemeint, nicht ‘beide Namen unter einem begreifen’, μέν. nomen uni subi.

Der eine Name, anima oder animes, ist das Joch, unter dem beide Be- griffe gehen, dem sie subsummirt werden. Adjectiv und Verb kehren 424 wieder: die Sache (im Gegensatz zum Namen) ist etwas Einheit- liches (unum) und in sich verbunden (inter se coniuncta). Das subsian- tivische unum == una nalura ist nachdrücklicher als una. Vgl 136 animum aique animam dico coniuncta teneri inter se alque unam naluram conficere ex se; 186 μέ quiddam fieri. videatur αὖ omnibus unum. 422 pergam s. zu 178. 428 dicere: das Subject ergänzt sich ohne Weiteres aus dem Vorhergehenden. Uebrigens hat L. von der Freiheit, die er sich erst hier ausdrücklich wahrt, schon vorher gelegentlich Ge- brauch gemacht, s. zu v. 237; aber hier muss er es ausdrücklich her- vorheben, weil Gefahr vorhanden ist, dass z. B. seine für die Sterblich- keit der Seele gegebenen Beweise nicht als für den Geist verbindlich anerkannt werden: etwas Derartiges lag vorher fern.

425—444 Das erste Argument ist hergeleitet aus der physischen Beschaffenheit der Seele. ‘Die Seelenatome sind äusserst klein, kleiner selbst als die Atome so leicht beweglicher Dinge wie Wasser, Nebel oder Rauch. Nun zerfliessen aber die genannten Dinge leicht, wenn sie nicht durch etwas Festes zusammengehalten werden. Also wird die Seele, sobald sie den Körper verlassen hat, sich noch rascher in ihre Atome auflösen.” Dieser Syllogismus tritt bei L. nicht klar hervor: er führt die beiden ersten Glieder 425 und 434 gleichmälsig mit qwoniam ein und sollte diese beiden Vordersätze mindestens durch et verbinden: aber der Gedanke des ersten wird durch Ergänzungen, die sich dem Dichter aufdrängen, erweitert, bis die Form des Satzes gesprengt wird, so dass eine regelrechte Fortführung ' nicht mehr möglich ist und mit nu igitur quoniam neu begonnen werden muss. Dies starke Anakoluth (al: solches schon von Lambin ganz richtig beurtheilt) steht selbst bei L. der doch öfters in den lüssigen Stil des Lehrvortrags verfällt, einzij da; aber man darf es nicht durch Correctur beseitigen wollen, da sic die Entstehung recht wohl erklären lässt. ‘Da ich gezeigt habe, das die Seele aus ganz kleinen Atomen besteht” dies ist 179 ft. gi schehen —, ‘viel kleineren selbst als Wasser etc dies war zwi: a. a. O. implicite geschehen, aber nicht ausdrücklich; da nun L. a diese Exempel im Folgenden seinen Beweis gründen will, erscheint . ihm angemessen, jene Behauptung hier nochmals speciell zu rech fertigen: es geschieht durch eine Specialisirung der auch a. a. O. ve wendeten Thatsache der grofsen Beweglichkeit des Geistes: *de er ist viel beweglicher, d. h. lässt sich durch kleinere Ursachen bewege wird er doch im Schlafe selbst durch die Abbilder von Rauch u Nebel bewegt' —: damit wird freilich der erst in Buch IV entwickelt Theorie der eldwia, die sich von den Dingen loslósen, vorgegriff ausführlich kann diese natürlich hier nicht ἐν παρέργῳ dargek werden, aber wenigstens ein vorläufiger Hinweis ist erforderlich, ı die Bewegung des Geistes durch imagines überhaupt verständlich machen ‘denn ohne Zweifel sind es simwlacra des Rauchs u. =.

116 | COMMENTAR

die uns dann treffen’ (vgl. die etwas abweichende Erklärung des Ana- koluths von Brieger praef. p. XXII) Damit ist der Ausgangspunkt so weit verlassen, dass ein wirkliches Zurückkehren zu umständlich sein würde. Der begonnene Satz bleibt unvollendet, auch seine These wirkt nur stillschweigend weiter; es wird im Folgenden gar nicht mehr erwähnt, dass die Kleinheit der Atome schuld ist an dem Ausfliessen des Wassers aus dem geborstenen Gefässe und an dem Zerfliessen von Rauch und Nebel in der Luft, und dadurch wird das ganze Argument etwas unübersicht- lich und unklar. Zu seiner Ergänzung und Bestätigung dient dann ein anderes 440 mit qwippe etenim angeknüpftes Argument: ‘wenn der Körper nicht mehr dicht genug ist, um die Seele zu halten, wie könnte das die Luft thun?' Das berührt sich mit einem anderen in vv. 464 ff., dort freilich mit besonderer Rücksicht auf die Möglichkeit der Lebens- thätigkeit, eingehender behandelten Argument.

425 tenuen: dazu versteht man leicht animam, oder allgemeiner: die res, von der ich rede. 428 nam: damit wird nicht die Ursache der Erscheinung angegeben denn die Beweglichkeit ist gerade umgekehrt die Folge der Atomgestalt sondern nur die Behauptung (docwi) als berechtigt erwiesen: aus der Wirkung (mobilitas) wurde auf die Ursache (tenuitas) zurückgeschlossen. Thatsächlich richtig hätte L. also auch mit iam fortfahren können, wodurch Lachmann das Anakoluth beseitigen wollte: aber nach dem oben Gesagten ist für das Argument nicht die mobilitas, sondern die tenuitas das Wesentliche; und L. kann sich auch nicht für eines von Beiden auf die frühere Erörterung berufen, in der er Beides (oder keins von Beiden) bewiesen hat. 429 Die mobilitas besteht nicht darin, dass eine kleine Ursache sehr heftige Bewegung erzeugt, sondern darin, dass schon eine sehr kleine Ursache zur Bewegung ausreicht, 188 momine μέλ parvo possint inpulsa moveri. Also ist magis mit (emwi, nicht mit movelur zu verbinden. 430 ubi causaler Be- deutung sich annähernd, wie v. 162, anders im folgenden Verse. Dass die imagines, die sich von den Dingen loslösen, sehr fein und zart sind, wird im IV. Buche regelmässig hervorgehoben, z. B. 42. 63. 158, besonders 110ff. Als Beispiel werden aber hier nicht die Bilder gewählt quae percipiunt oculos. visumque lacessunt (IV 729), sondern die noch viel feineren (IV 726. 756), die nur den Geist berühren, also nur Vor- stellungs-, nicht Gesichtsbilder sind. Solche Vorstellungsbilder nehmen wir wachend eben so wohl auf wie schlafend (IV 757 1E): hier wird nur vom Schlaf gesprochen, weil das allgemeiner verständlich ist, 481 ‘So, wenn wir im Traum sehen, wie Altäre Opferdunst in die Lüfte hauchen und Rauch aufsteigen lassen: denn ohne Zweifel sind es Abbilder, die da zu uns gelangen.” quod genus ist durch die leichte Ellipse der Copula fast zur Conjunction geworden (so auch z. B. in der Rhet ad Her. häufig), ein quod genus cum von einem velut cum, οἱ cum (102) nicht wesentlich verschieden: II 194 quod genus e nostro cum missus corpore sangwis emicat. in somnis: von den Pluralformen des Worts hat L. nur diese, immer mit in (IV 34. 770. 789. 965. 972. 988. 1006. 1012. 1097. V 62. 885. 1171. 1181.); andere Pluralformen kommen nach Neue Formenl I 422 vor Catull (somnos 64, 331) über- haupt nicht vor. in sommis lässt sich bei L. überall “im Traum” übersetzen,

VERS 495—437. 117

und das ist auch sonst die regelmässige Anwendung: zu Ter. And. 490 si se illam in somnis quam illum amplecti maluit bemerkt Donat aus drücklich (aber wohl irrthümlich) per noctem ait und verweist auf die einzig zweifelhafte, aber auch ganz für sich zu beurtheilende Plautusstella, Merc. 225 miris modis di ludos faciunt hominibus mirisque exemplis somnia in somnis danunt (die übrigen Stellen bei Müller Plaut. Pros. 464). Bei L. wäre also höchstens somno sopiti, wie somno devincti IV 1097 sepulti V 975 (vgl. leto sopitus III 904, sopitus quiete 1038, castore sopita VI 794), nicht somnis sopili zu erwarten, was Lachmann wollte (guod genus est, somn. s.); zudem aber ist der Begriff des Träumens hier nicht zu entbehren. sopiti dient lediglich zur Veranschaulichung. alle „in die Höhe’ 1 in alias aeris auras 456; IV 801 alte... simulacra feruntur ‘aus der Höhe’. 432 vapor sonst bei L. ‘Wärme’, hier ‘Opferdunst”, xvica, 433 nam procul haec dubio nobis simulacra ' geruntur ist überlieferi: dafs geri nicht heifsen kann 'gebracht werden, herankommen', wulste Lambin und schrieb genuntur. IV 148 und 159 hat er das von den Ab- schreibern verkannte geni sicher mit Hecht wiederhergestellt: hier nicht, denn es kommt hier nicht auf das Entstehen der Bilder an, sondern darauf, dafs sie zu uns gelangen. Ich schreibe feruntur, was der ständige Ausdruck für die Bewegung der simulacra ist, und erkläre mir den Vers als stark zusammengedrüngten Ausdruck für procul dubio haec, quae nobis feruntur (i. e. animo nostro accidunt IV 881), simulacra sunt (non res ipsae). Damit ist freilich nur eindringlich das wiederholt, was

v. 430 gesagt war: aber mehr war hier auch nicht thunlich. Die Dunkel- belt der Fassung ist uns schon öfters bei derartigen kurzen Zus&tzen begegnet: sie wird übrigens auch durch die fast allgemein gebilligte Correctur Bentley's hénc für haec nicht gehoben.

435 Der doppelte Ausdruck difflwere umorem und laficem discedere malt das unaufhalisame Fliessen des Wassers; auch ist discedere ἀπιέ- vai mehr als diffluere, denn beim 'Auseinanderfliessen' könnte immer noch eine Art Zusammenhang gewahrt bleiben. Von der Seele werden dann gar drei Ausdrücke gebraucht: s.u. 436 fumus discedit in auras: der Vergleich der abgeschiedenen Seele mit dem verfliessenden Rauch auch v. 456. 598) geht auf Epikur zurück: Sext. adv. math. IX 73 * 337) καθ᾽ αὑτὰς διαμένουειν (αἱ ψυχαὶ) καὶ οὐχ, ὡς ἔλεγεν Ἐπί- κουρος, ἀπολυθεῖςαι τῶν εωμάτων καπνοῦ δίκην cxidvavren: und Augustin serm. CL (V 811 M.) Epicurei ... dicunt prius animam post mortem dissolvi quam corpus; adhuc, inquiunt, post efflalum spiritum manente cadavere el integris membrorum lineamentis aliquantum durantibus anima moz μὲ exierit, veluti fumus vento diverberata dissolvitur. Epikur wie Plato (Phäd. p. 381a μὴ ... [h ψυχὴ] εὐθὺς ἀπαλλαττομένη τοῦ εὠώματος, ὥςπερ πνεῦμα καπνὸς biackebacOeica οἴχηται διαπταμένη) war vorausgegangen Il. 23,100 (ψυχὴ) ᾧχετο ... ἠύτε καπνός. Bei Späteren dann sehr häufig; "Nebel und Rauch verbindet wie Lucrez auch Plut. de sera vind. p. 5600 τὰς ψυχὰς ἀπολλυμένας ... εὐθὺς ὥςπερ ὁμίχλας καπνοὺς ἀποπνεούςας τῶν εὠμάτων, wo epikorische Lehre gemeint ist. 437 diffundi perire dissolvi in corpora prima: die Häufung der Ausdrücke und die Genauigkeit des letzten ist gerade bei der ersten Erwähnung des Vorgangs begreiflich; dissolvi kehrt im

118 COMMENTAR

Folgenden am häufigsten wieder, da es die Thatsache schärfer bezeich als perire; so gebraucht auch Epikur mit Vorliebe διαλύεςθαι, das dem φθείρεεθαι εἰς τὸ μὴ ὄν entgegenstellt p. 5, 15; 7, 1, wie L. 12 dissolvere dem ad nilum interemere; vgl I 262 hawd igilur pem pereunt. quaecumque videniwur.

440 Der Gedanke ist mit v. 439 abgeschlossen: was mit qwi etením angeknüpft wird, dient nicht zur Begründung des unmittel Voraufgehenden, sondern bringt ein neues Argument, das gleichberecht neben dem letzten steht und auch mit praeterea hätte angefügt wen können. Ueber diesen Gebrauch von eenim (ebenso v. 800, sec e 607) s. Madvig zu de fin. I 1, 3; opusc. II 80. Die Bezeichnung Körpers als des Gef&íses der Seele ist hier durch den Vergleich | den vasa conquassata, aus deren Ritzen das Wasser fliesst, vorbereit sie kehrt III 798 (== V 137) und 553 wieder, hier aber mit dem Zus sive aliud quid vis polius coniunclius ei fingere: und in der That der Vergleich nur insofern zutreffend, als der Körper die f zusammen hält wie das Gefäss die Flüssigkeit, nicht zutreffend a insofern, als ja Körper und Seele mit einander vermischt sind. G ohne physische Beziehung Cicero Tusc. I 22, 52 corpus quidem δι vas est aut aliquod animi receptaculum: αὖ animo (uo quicquid agi id agitur a te. Aber als ernstlich zur Veranschaulichung des physisc Verhältnisses gemeint bekämpft es Alex. Aphr. de an. 1. mant. p. 115, Br. ἀλλ᾽ οὐδὲ ὡς ἐν ἀγγείῳ τῷ cipan εἴη ἂν fj ψυχή. εἴη ràp καὶ οὕτως οὐχ ὅλον ἔμψυχον τὸ cüpa. Mit der physiologischen wendung von ἀγτεῖον (z. B. Adern als Gefüss des Blutes, Knochen Markes) hat das Bild nichts zu thun. Gar nicht hierher zu ziehen : natürlich häufige Wendungen wie Seneca ad Marc. cons. 11, 3 guwid homo? quodlibei quassum vas ct qwolibet fragile iactatw. 441 « cohibere nequit: wozu das Object cam sich chne Weiteres ergänzt. 442 ac rarefactum detracto sangwine venis erklärt das bildliche « quassatum. Wenn Blut entströmt, so erschlaffen die Adern, die übri Bestandtheile des Körpers können sich also ausdehnen, rareflunt; aus. so erweiterten πόροι aber giebt der Körper mehr Nahrungsstof sich, als er aufnimmt: μέ multa remittant ei plus dispendi faciant σι vescitur actas II 1126; sure igitur pereunt, cum rarefacda fluendo : ebd. 1139. Auf eine ähnliche Behauptung Epikurs mag der Irrtl des Hippolytos philos. 22, 5 (fr. 340) zurückgehen: αἷμα: qàp αὖ (scil. τὰς ψυχὰς) εἶναι, οὗ ἐξελθόντος tpanevroc ἀπόλλυςθαι 6 τὸν ἄνθρωπον. 448 cohibere περιέχειν Epic. p. 21, 12, vgl. | corpus enim aique animans erit aér, si cohibere sese animam ... poi VI 106 (nubes) nequirent. cohibere nives gelidas et grandinis imbris (o einen gewissen Grad von Dichtigkeit) 444 Der Sinn des Ve muss klärlich sein “da doch die Luft weniger dicht ist als unser Körp das verdorbene incohibescit wird kaum neben rarus magis etwas ves lich Neues ausser dem Verbum enthalien; vielleicht incohibensque (Nencini Stud. Ital. III 215): die Bildung ist ebenso gut wie etwa

445—458 “Da die Seele mit dem Körper entsteht, zunimmt : im Alter abnimmt, so wird sie auch mit ihm vergehen.” Damit

VEBS 431—447. I

ginnt eine Reihe von Argumenten, die sich auf die εὐμπάθεια Y

Leib und Seele gründen: bis 525. Zuerst der Parallelismus des norms!

Lebens, dann die Afficirung der Seele durch Störungen des Körperlebe

Die Frage, wie sich die Zu- und Abnahme ‚der geistigen Kri schein

erklärt, worden zu sein, dass man annahm, die Seele wachse wie der Kör und mit Ihm zugleich, und wie die Kräfte des Körpers, so schwin auch die er Seele im Alter. Herodot lässt III 134 Atossa zu Dar sagen vOv p ἄν τι καὶ ἀποδέξαιο ἔργον, ἕως νέος elc fjuxinv: ı ξανομένῳ γὰρ τῷ εὐματι ευναύξονται καὶ al φρένες, τηράςκοντι εὐὐτηρδέκοικι καὶ ἐς τὰ πρήγματα πάντα ἀπαμβλύνονται, schon Ben! führte die Stelle und zwar mit dem Lemma Demokrit hier an. } eigentbümliche Theorie über das αὔξεςθαι der Seele entwickelt hippokrat Schrift περὶ διαίτης I c. 25 (VI p. 496 L.). Auch sp haben sich die Mediciner damit beschäftigt: Galen hat in seinem m einischen Commentar zu Plat. Timaios gelehrt, ὅτι αὐξανομένψ τῷ ματι εὐυναυξάνονται καὶ τῆς λογικῆς ψυχῆς αἱ δυνάμεις (Eustath. Od. Od 2 815), also geistiges Wachsthum mit dem körperlichen in Zusamr hang gebracht. Ja man nahm das Wachsen der Seele als. Thatsache bediente sich seiner als Argument für die Körperlichkeit der 8 Augustin de quant. an. c. 26 (I 1050M.): cur aelate μὲ corpus ΟἹ Ha αἱ anima vel crescat. vel. crescere. videatuw. quis. enim neget pc infanmdes ne bestiarum quidem nonnullarum asiuliae comparandos? autem dubii ülis crescentibus. etiam. ipsam in eis quodammodo cre Und dass man dabei an eine quantitative Veränderung Seele glaubte, zeigt Tertull de an. 37 amémam swbsiantia crescer: est, ne etiam decrescere substantia credatur atque ita et defe credatur. Darin ist also auch Lucrez Folgerung auf die Ver, lichkeit der Seele gezogen. Dass Epikur ein allmähliches quantit: Wachsen der Seele lehrte, war nur consequent: L. spricht von i Wachsen oder Zunehmen auch v. 681. 745. 793; das Gleich Tractat περὶ θεῶν (V.H? VI 6 cool. 7, Seott fragm. p. 249) ἐπεὶ yàp f ψυχὴ μεικρῷ cópan mapareivouca κατὰ τὴν ... (ουγναύξεται ...., und unter den μεταβολαί der Seele Philod. de morte col. 9 auf: καθάπερ ἐπὶ τῆς aü£fjcewc τῆς ἀπὸ παιδίων ἐπὶ τὴν ἀκμὴν καὶ τῆς ἁπάςης ἀπὸ τῶν ἄκρων φθίεεω τῆρας.

445 das gigni wird nur erwühnt, nicht ausgeführt, weil dam zweiten Argumentenreihe v. 668 ff. vorgegriffen würde. 447 i ‘noch nicht gefestigt”, I 259 nova proles artubus infirmis ... ludit. ı fw: das zielloee Umherschweifen hat mit der Schwäche des K nichts zu thun; aus dem Allgemeinbegriff “unstete Bewegung" hier der specielle *unsichere, schwankende Bewegung’ abgeleitet

hl

i

trag. fr. 151 R. arbores vento vagant (wenn das Non. p. 467 nicht ciat statt vacawi) Bo hat es wohl auch Prudentius aufgefass‘ e. Symm. II 318 ff. sich augenscheinlich an diese Stelle anlehnt:

repä, infirmus tilubat pueri gressusque animusque, sangwine x

120 COMMENTAR

lido fervet nervosa suventa, moz stabilita venit maluri roboris aelas dan» abweichend: ultima consiliis melior, sed viribus aegra, corpore succumba mentem purgata senecius. 448 sic sequitur: den schwankenden Be wegungen des Körpers “folgt” der Geist, d. h. er thut dasselbe wie jenem da auch er noch keine Festigkeit gewonnen hat. Vgl. Terenz Hec. 314 pueri inter sese quam pro levibus noxiis iras gerunt quapropter? quia enim qui eos gubernat animus eum. infirmum gerunt. 449 adolev. aetas: Liv. 14,8 cum primum adolevit aetas, sonst mit Zusätzen wi prima (Virg. Georg. II 362) oder matura (Aen. XII 438). Der robust vis des Körpers entspricht die aucíior vis des Geistes: diese Kräft. unterliegen im Kampfe gegen die validae vires der Zeit. robusta adolevit viribus und obíusis ceciderunt viribus klingen absichtlich an eir; ander an: die absteigende Linie verläuft parallel der aufsteigenden nur in umgekehrter Richtung. 451 quassatwm erinnert an das obe gebrauchte Bild vom Gefäss. 452 obiusis, das in übertragener Be deutung meist auf geistigem Gebiete (wozu auch die Sinne gehörer: gebraucht wird, hier von der Körperkraft, wie im folgenden Vers andere; seits claudicare vom Körper auf den Geist übertragen ist. cade» häufig von menschlichen Gliedmaassen, auch medicinisch ‘schwach werden noch kräftiger Hor. sat. II 3, 154 stomacho ruenti. 458 lingua “anirz . interpres’ VI 1147; Aristoteles probl. 875 32 ὅταν fj ψυχὴ πάθῃ τ cuurräcxer καὶ fj yAlıcca. Die dreifache Gliederung jedenfalls wah; scheinlicher, als dass mens auch Subjekt zu delirat war; 464 demen lil. enim deliraque fatur; 478 praepediuntur crura ..., tardescit lingu« madet mens. Lachmanns labat ist sehr glücklich; vgl. Celsus III 19 it mens in illis ( phreneticis) labat, in hoc (cardiaco) constat. Dann hätte wir auch hier Metapher vom Körperlichen aufs Geistige. Zu delird vgl. Arnob. II 7, der unter den unlösbaren Fragen aufsählt animus qe inmortalis a vobis ei deus esse narratur, cur in aegris aeger sit, in is fantibus stolidus, in senectute defessus delira ecfuttiat εἰ insana? 455 Der Vergleich mit der Auflösung des Körpers ist hier nicht zogen, um nicht späteren Erörterungen vorzugreifen: s. v. 556fl. -, cen fumus s. zu 486. 457 quandoquidem: über die Wiederholung de Arguments am Schluss des Abschnitts s. zu 216. Zu den Infinitive ist, wie fessa 458 zeigt, corpus εἰ amima als Subject zu verstehen. - 458 falisci, eigentlich ‘Risse bekommen’, ist in der übertragenen B. deutung ‘erschöpft werden’ nicht selten, von L. mit besonderer ΑἹ sicht gewählt, um an die Theorie vom rarefieri der durch Alter od« sonstige Einflüsse geschwächten Körper (s. IL 1118 ff. und zu 442) 2 erinnern.

459—525: Ueber die Theilnahme der Seele an den Störungen d. körperlichen Befindens. "Wie der Körper, so erleidet auch die See Schmerz (459—462) und Krankheit. Beides führt zum Tode (463 473 Ja in der Trunkenheit (476—486) wie bei der Epilepsie (487—50! sind die Störungen des ganzen Organismus die Folge seelischer Affe tionen: wenn diese im schützenden Körper möglich sind, wird ein For dauern der Seele ausserhalb des Körpers erst recht unmöglich sein. Au wenn Krankheiten der Seele geheilt werden, beweist das ihre Sterblic keit: denn Heilung ist Veränderung, Unsterbliches duldet aber keine Ve

VERS 441---61. |. 1901

änderung (510—525) Der Schluss von den Leiden der Seele auf ihre Vergänglichkeit ist ein stehendes Argument der Unsterblichkeits- leugner, das schon Platon zu kennen scheint, wenn er Rep. X p. 008 ἢ, behauptet, dass die Seele vergänglich wäre, nur wenn ihr eigen thümliches Übel (τὸ εύμφυτον κακόν) sie zerstörte: das sei aber für sie die Schlechtigkeit, wie für den Körper die Krankheit. Ohne Zweifel hat Epikur das Argument wieder aufgenommen, ebenso wie dann Panaitios: Cic. Tusc. 1 82, 79 nihil esse quod doleat, quia id aegrum esse quoque possil; quod awíem in morbum cadat, id etiam interilurum: dolere autem animos, ergo eliam interire. S. ferner Serv. zu Aen. VI 724: omae quod corrumpilur aeernum non est. si animus. insanil irascilur desiderat timet, care aeternitate, cui sunt ἰδία coniraria: nam passio aeternitatem. resolvit. Das wird dann (von spliistoischem Standpunkte aus?) widerlegt, s. zu v. 474.

459 corpus wi ipsum s. zu v. 128. 461 die curae acres als allgemeinster Ausdruck für seelisches Leiden stehen voran, luctus und metus, λύπη und φόβος, sind specielle Arten. So cuppedinis acres ... curae und (imores verbunden V 45, cuppedo und timor als curae zusammengefasst VI 25. 34; s. ferner zu 994. Diese rein seelischen Leiden werden ganz kurz abgehandelt und mit v. 462 nur ein vor läufiger Abschluss erzielt, da die principielle Begründung der Behauptung auch noch für das Nächste gilt und also erst 472 folgen kann; parti- cipem leti quoque, weil der dolor zum morbus, dieser zum Tode führt. 468 ff. die Beeinflussung des Geisteszustandes durch körperliche Krank- heiten. Dementia, delirium und lefhargus werden hier nur als Begleit- oder Folgeerscheinungen körperlicher Krankheiten betrachtet; vgl. Cel- sus III 18 εἰ febrium quidem curatio exposita est. . supersunt. vero. alii corporis affectus, qui Mic superveniunt: es werden dann insania, cardio ' cus, lefhargus behandelt. Lefhargus als accessionis (Fieberanfall) malun ders. III 20. Deliriem in Folge von Verwundung: Celsus V 26, 26 S. ferner Galen de loc. aff V, vol VIII p.829 K. παραφροεύναι pt οὖν γίγνονται κἀπὶ τῷ τῆς vacrpóc cróuam κακοπραγοῦντι καὶ δια καέει πυρετοῖς καὶ πλευρίτιειν καὶ περιπνευμονίαις.Ό. Dagegen heis: v. 828 der furor 'animi proprius, s. zur Stelle. avius errat. παρα φέρεται (scil. ἐκ τῆς ὁδοῦ), πλανᾶται: als μοχθηρά τις καὶ πλημμελὶὴ xivncıc der Seelenkräfte bezeichnet die napappocuvn Galen de symptor diff. vol. VII p. 60. 465 gravi lethargo: wobei sich t paene dormiendi necessitas (Cels. III 20) einstellt. Da hier die Störu der seelischen Functionen im lebenden Körper geschildert werden so kann altus aelernusque sopor nicht den Tod bedeuten, trotz aeterms soporem v. 921 und zahlreichen ähnlichen Wendungen (s. zur Stell. sondern es ist ein Schlaf, der so lange dauert, wie der Kranke noch le wie aeternus maeror v. 907 ein lebenslanger Kummer; Hor. epp. I 10, serviet. aeternum. ‘zeitlebens’; dass die Krankheit leicht tödlich wirkt, bekannt. 468 nutu cadenti ist sehr eigenthümlich gesagt: das Haı sinkt auf die Brust, er ist 'eingenickt' (nufare für schlafen O met. 1 717; vgl. summaque percutiens nutanti pectora mento ebd. XI 62 Die Vorstellungen capite cadenti und capite nutanti sind zu einer ne vereinigt. 467 unde negwe exaudit voces und ad vitam revocasstes :

122 COMMENTAR

versuchen den Kranken zu wecken, denn si confinens ei somnus est, wi:

que excitandus est (Celsus III 20). Dafür kannte man verschiedene

Mittel: ein sehr drastisches wendet der Arzt des gravi lefhargo oppressud _ bei Horaz sat. II 3, 145 ff. an. Dass der Kranke weder hört noch die : Umstehenden erkennt, ist für seinen Geisteszustand bezeichnend, und dazu mussten qui circumstant eingeführt werden; aber dabei packt den Dichter das rein Menschliche des Vorganges und er bringt das auch dem Leser nahe durch den Zusatz lacrimis rorantes ora genasque, der*

die innerliche Theilnahme der Umstehenden und diese somit als dem» Kranken nahe verwandt oder befreundet kennzeichnet. Solches Ver-. weilen findet sich bei L. häufig und in verschiedenster Form; es zeigt,-

wie nahe den Dichter der rerum natura menschliche Verhältnisse und* Empfindungen berühren, und zugleich, wie er Situationen wirklich sieht,: wenn er sie auch nur flüchtig streift. Man hat dabei nirgends, wie bei“ anderen Didaktikern so oft, das peinliche Gefühl, als suche er nach* Gelegenheiten, wo sich die trockene Materie durch Zusätze und Ab-* schweifungen, die eigentlich nicht zur Sache gehören, ein wenig schmack- - . haft herrichten lasse. Zu lacrimis rorantes ora genasque vgl. lacrimis - spargunt rorantibus ora genasque II 977: der hier besonders ausgedrückte: Thütigkeitsbegriff hat sich dort mit dem Zustandsbegriff in rorare ver-:. einigt; der Accusativ ora genasque ist also an beiden Stellen gleichartig. 471 penetrant, wie 476 penetravit und 485 si durior insinuarit causa,: | aus der Vorstellung heraus, dass das Eindringen eines fremden Körpers. in die infervalla einer Atomverbindung diese vernichtet, s. zu v. 171., contagia morbi heisst VI 1236 einfach die ‘Ansteckung’ hier miti besonderer Beziehung: die comíagia mwiwa des Leibes und der Seele,: die nach v. 345 Bedingung des Lebens sind, erzeugen auch Krankheit

und Tod. Vgl. 734 mala mulla animus contagibus fungitur eius (scil; corporis). 472 nam dolor ac morbus, gl. ausser den oben zu 459 angeführten Stellen Sextus adv. math. IX 70 πᾶν τὸ ἀλγοῦν θνητόν" écriv.. leti fabricator: Schmerz und Krankheit als langsam und plan-ı mässig schaffende Kräfte, deren Werk der Tod ist das Frappirendev des Bildes beruht darauf, dass die Thätigkeit, die sonst als zerstörende t, gedacht zu werden pflegt, hier als aufbauende erscheint; die Vorstellung des Todes, nicht die des Lebens, beherrscht den Gedanken. und der Tod, , nicht das Leben, steht dem Dichter als das Positive vor Augen, weil; er bewiesen werden soll Wenn aber Apuleius metam.: VI 32 sagt Mc suis saltem liberis manibus sortem sibi fabricare poterit, so ist das nur; eine geschmacklose, gesuchte Variante für mortem sibi parere; als Bei- spiel für Oden Schwulst bildet der auctor δὰ Her. IV 10, 15 poenite igilur istum, qui montis belli fabricatus est, campos sustulit. pacis. x 418 Die Erfahrung hat uns belehrt: nec ratione alia mortales essc vi demwr, infer nos nisi quod morbis aegrescimus isdem atque illi quos a vita 1 natura removit V 348. Ein Leser hat v. 510 an den Hand geschrieben, el quoniam mentem sanari corpus μὲ aegrum, um darauf hinzuweisen, ᾿ dass das Argument Giltigkeit behalte, auch wenn die Krankheit nicht zum Tode führt; so wie einer auf die Frage 761 die Antwort durch. Beischreiben von v. 746 gegeben hat; die Verse sind dann in den Text

gerathen. Dazu ist dann hier der Vers, zur Sinnlosigkeit entstellt, :

*

VERS 461---484. 123

nochmals wiederholt worden, εἰ pariter mentem sanari corpus inani: die Entstellung kann ich nicht erklüren.

476 Die Wirkungen des Weins auf Geist und Körper haben vie- fach zum Versuch der Erklärung gereizt: in Aristoteles’ Problemen füllen Óca περὶ olvorrocíav καὶ μέθην das ganze dritte Buch. Epikur hat die Frage im Symposion behandelt, s. p. 115 f. Us. Hier wird angenommen, dass der Wein zunächst auf die Seele und erst durch diese auf den Körper wirkt. penetravit s. zu 471. 477 in venas: vgl. VI 946 diditur in cenas cibus omnis (und II 1118 ff), nach der herrschenden Ansicht, dass Speise und Trank durch die Adern sich dem Körper einverleiben; 8. auch zu v. 442. Dass insbesondere aber der Wein die Adern an- schwellt, weiss man; sehr drastisch der Peripatetiker Lykon bei Rut Lupus 1. II p. 108 vom Trunkenbold cwius venae non sanguine sed vimo sunt repletae, wozu Ruhnken Paralleles anführt. ardor: dass der Wein von Natur feurig sei, ist die nächstliegende Anschauung; subtilere Philosophen hatten freilich aus gewissen seiner Wirkungen geschlossen, dass er im Gegentheil ψυκτικός von Natur sei, und Epikur hatte den Mittelweg eingeschlagen, ihn καθόλου weder θερμαντικός noch ψυκτικός zu nennen, τῆς δὲ τοιαύτης φύςεως καὶ τῆς οὕτω διακειμένης θερμαν- τικὸν τὸν τοςοῦτον, A τῆςδε τὸν τοςοῦτον εἶναι ψυκτικόν (fr. 59). Aber L. ist glücklicher Weise nicht pedantisch genug, um desshalb auf das anschauliche vini ardor zu verzichten. 478 gravitas membro- rum etc. ist die Folge der seelischen Störung ebenso wie langwor terrae- que petitus v. 172, denn die Seele sustinet. corpus V 557, sie bewegt den Leib beim Gehen (IV 887) und Springen (V 559). 479 vacil- lanti: vacillantes κραιπαλῶντες CGL. II. 208. tardescit lingua ein singul&rer Ausdruck, sehr bezeichnend: das balbufire des Trunkenen wird auf seine Ursache, die geringere Bewegungsfühigkeit der Zunge (Aristot. probl III 31, 875b 84 [ἡ γλῶττα τῶν μεθυόντων] δυςκινητοτέρα oóca οὐ δύναται ᾿διακριβοῦν) zurückgeführi. "Vgl Aristot. & ἃ. O. διὰ τί τῶν μεθυόντων f τλῶττα πταίει;. .ἢ διότι ἐν ταῖς μέθαις h ψυχὴ ςυμπαθὴς τενομένη πταίει; τῆς ψυχῆς οὖν τοῦτο παςχούςης εἰκὸς καὶ τὴν γλῶτταν ταὐτὸ näcxeıv ἀπ᾿ ἐκείνης τὰρ fj τοῦ λέγειν ἀρχή. madet mens, nant oculi, vgl. Ovid. fast. VI 673 vinis oculique animique

natabant. Vino madere, madidum esse Ὁ. Aehnliches wird meist vom ganzen Menschen gesagt; L. kann es ganz eigentlich vom Geiste behaupten, dessen Atome sich mit den Feuchtigkeitsatomen des Weines vermischen. Man mag an die αὔη ψυχή Heraklits denken; vgl. z. B. Clem. Alex. Paed. II 2 p. 184 P. οὕτω δ᾽ ἂν καὶ fj ψυχὴ ἡμῶν ὑπάρξαι καθαρὰ καὶ ξηρὰ καὶ φωτοειδής, αὐγὴ δὲ ψυχὴ ξηρὰ ᾿ςοφωτάτη καὶ äpiern, ταύτῃ δὲ καὶ ἐποπτική, οὐδέ ἐετι κάθυγρος ταῖς ἐκ τοῦ οἴνου

μιάςεειν νεφέλης δίκην «εωματοποιουμένη. 480 clamor, singultus, iurgia characterisiren aufs Kürzeste drei verschiedene Stadien oder Typen der Trunkenheit. Trimalchio z. B. durchläuft sie alle drei, Andere sind einseitiger. 481 Der an und für sich entbehrliche, ja störende Vers dient als bequemer Uebergang zur Wiederaufnahme der Frage cur ea sunt. 488 corpore im ipso s. zu 128. 484 conturbari inque pediri: cf. IV 921 sensus hic in nobis, quem cum sopor inpedit esse, tum sobis animam periurbatam esse pulandumst. Da jede verlurbaiio eine

124 COMMENTAR

Lockerung der Atomenverbindung ist, so ist durch die Wirkung dem Weines die Möglichkeit bewiesen, dass eine stärkere Ursache die Ver" bindung auch gänzlich lösen kann; was ewig ist, darf nichts in sic, eindringen lassen quod qweat arlas dissociare intus partis v. 808. insinuarit zu 471. 487—509 Epilepsie. Von den Symptomen der Krankheit führt I | v. 492 ff. mindestens drei auf Affectionen der Seele zurück; kein Zweifel, dass er auch bei den nicht näher erörterten Symptomen das Gleiche annahm, die Epilepsie also als eine ursprünglich seelische Erkrankung ansakı die den Körper stark in Mitleidenschaft zieht. Das wird durch die um. bekannte medicinische Theorie einigermaassen gerechtfertigt, obwohl meines Wissens nichts vorliegt, was sich mit der von L. befolgten gena. deckte. Die hippokratische Schrift περὶ ἱερῆς voUcou fasst die Kran heit als schleimige Affection des Gehirns (das freilich αἴτιος xal ἄλλων voUcuv τῶν μεγίετων ist e. 8), c. 11: ganz ähnlich aber die μανία bestimmt (c. 15), wie denn der Nachweis, dass die Vernun ihren Sitz im Gehirn habe, einen breiten Raum einnimmt. Und so klärt auch noch Galen die Epilepsie daraus, dass Feuchtigkeit die Weg des ψυχικὸν πνεῦμα im Gehirn verstopfe, und unterscheidet sie voj anderen Krämpfen τῇ βλάβῃ τῆς διανοίας καὶ τῶν olcOfcewv (de loc aff. III, vol. VIII p. 173); vgl. ferner Ps.-Gal. medicus XIV 789 cuvi: crataı περὶ τὰς ἀρχὰς τῶν ἀπὸ κεφαλῆς νεύρων, δι᾽ ὧν fj afcónac xox f| xivncic εἰς πᾶν τὸ ςὦμα διαδίδοται ... διὸ xatanintoucıv ol τῷ πάθε ἐχόμενοι, ἐμφραττομένων αὐτοῖς τῶν ὁδῶν τῆς τε —— καὶ τῆ. κινήςεως, ἀφρῶει δὲ διὰ τὸν κλόνον τῶν ὑγρῶν, dc γίνεται ἀπὸ Tot «παςμοῦ νεύρων. Sieht man nun alcóncic und xivncıc nicht als Func tionen der ἀπὸ κεφαλῆς veüpa, sondern der Seele an, so ergiebt sick sofort Lucrez Theorie: der corrupti corporis humor, von dem auch e (v. 503) die Krankheit ausgehen lässt, aficirt eben zunächst nicht meh! das Gehirn, sondern die Seele. Mit der Schilderung des L. halte zusammen Hippokr. L 1. c. 7 ἄφωνός τε γίνεται xal πνίτεται, xal ἀφρὸς ἐκ τοῦ cróuatoc ἐκρεῖ, xal οἱ ὀδόντες cuvnpelkac, xal oi xeipec ευςπῶνται, καὶ τὰ ὄμματα διαςτρέφονται, xal οὐδὲν qpovéovav, ἐνίοις δὲ καὶ ὑποχωρεῖ fj κόπρος κάτω (wobei das Hinfallen mer Weise fehlt) Darauf werden, ähnlich wie bei L., die einzelnen Symp, tome erklärt (z. B. ἄφωνος μέν ἐςτιν ὁκόταν... ἄφωνον xaßıcräc. καὶ ἄφρονα τὸν ἄνθρωπον), natürlich ohne Heranziehung der Seele, di« der Verfasser als selbständig existirend nicht anerkennt, sondern dara dass das φλέγμα den Zutritt der Luft zu den verschiedenen Körper, theilen absperre. Die genaue Beschreibung der mannigfachen Con, vulsionen des Körpers (tremit artus, extentat nercos, torquelur, in ia membra fatigat) mag auf eigener Beobachtung beruhen. Dem ingemi und anhelat inconstanter entspricht πνίγεται bei Hippokrates; in einer modernen Beschreibung der Epilepsie finde ich, “das Athmen ist be schleunigt, kurz, keuchend oder róchelnd; Patient &chst, schreit E stóhnt'. 489 spwmas agit übliche Verbindung, z. B. Ennius ann. v. 50 (vom einhersprengenden Rosse) spirit«s ez anima calida spwmas agi. albas, worin auch zum Folgenden die Erwähnung der anima Beach - verdient. 490 desipit scheint absichtlich zwischen die ——

VERS 484—492. 125

Symptome des fremere und ezíieníare gestellt, um anzudeuten, dass eine wesentliche Verschiedenheit der Symptome nicht obwaltet forqueri ist ohne nähere Bestimmung nur in übertragener Bedeutung üblich: hier ist, wie so oft bei L., die eigentliche mit einbegriffen.

492—494 Wie in der Hippokratischen Schrift (s. o.) folgt auf das Krankheitsbild die Erklärung der einzelnen Symptome. Die Herstellung des verdorbenen Verses 493 bietet grosse Schwierigkeiten, da die Meinung des Dichters nicht von vorn herein klar ist. Lachmann schrieb agens animam spumal, quasi: er wollte also in dem. Satze nur die Erklärung (ines Symptoms, des spumare, finden. Mit Unrecht, glaube ich; denn es wäre doch höchst auffällig, wenn das. für die Epilepsie bezeichnendste und auch von L am Ausführlichsten geschilderte, die Convulsion des Körpers und der Gliedmassen, in der Erklärung gänzlich übergangen würde. Es hat ferner gegen seine und frühere Auffassungen der Stelle Tohte (Jahrbb. 117, 1878, p. 130) richtig bemerkt, dass distracta per arius unmöglich von der vis morbi gesagt sein könne: sie ist es ja, die selbst distrahi. Tohte und Brieger (Burs. Jahresbericht 1879, p. 196) bezogen nun disfraca auf die Seele, was auch wirklich am Nächsten liegt: unten 499 vis animé aique animas conturbalur εἰ μὲ docui divisa seorsum disieclatur eodem illo distracta veneno, 507 distracta laborent, 590 animae naluram ... disiraciam corpore in ipso, 7199 animam distracam in corpore loto. Aber das führt, soviel ich sehe, zu keiner befriedigenden Lösung. Tohte sehrieb qwia οὐδέ morbi distracta per artus, turbat agens anima (Nominativ) spumas, dem Sinn nach leidlich, aber eine Singularität, wie die Längung des a vor sp, bei L. beispiellos, durch Conjectur ein- zuführen, ist mehr als bedenklich. Brieger nahm den Ausfall eines Verses an: qwia vi sorbé disiracia per arlus lum penilus disiectatur natura animai, twrbat (scil. homo) agens omimam, spumams ui Ῥαχὶα

ist der Wechsel des Subjects ebenso unerträglich wie die Wiederholung von anima unschón, und wenn man auch íwrbat homo “ἰδὲ in Ver- wirrung' sich gefallen lassen wo wollte, so "Ὁ vire der Ausdruck für die con- vulsivischen Zuckungen des Körpers doch recht schwach. Ich glaube

also davon abgehen zu müssen, disiracía auf die Seele zu beziehen, und sehe dann nur die Möglichkeit, die membra darunter zu verstehen. Membra, der Körper, disiracía per arius wäre kaum auffallender gesagt als ΥἹ 797 (u zu 151) lemguewfia membra per arius solcont Die Er- klärung schlösse dann unmittelbar an das Ende der vorhergehenden Schilderung an: is isclando membra fatiga, nimirum quia vis morbi membra distrahi ef turbat. Das ist bei L. die häufigste Verwendung von simirum quia, τ. B. 224 nilo minor res ipsa videlur, nimirum quia ... semina sucos efficiunt, 565 anima alique animus per se mil posse videtur, nimirum, quia ... tenentur corpore ab omni, II 937 nequeunt ullius corporis esse sensus ... Wimirum quia maleries disiecta tenctur. Ist dies richtig, so muss die vis morbi auch im Folgenden Subject bleiben, und da von ihr selbst das Schäumen nicht ansgesagt sein kann, werden wir auf die Correctur agens anima (Ablativ) spwmas, μέ geführt: die Kraft der Krankheit treibt aus der Seele, die natürlich in den sembra selbst iurbatw, Schaum heraus, wie in dem oben eitirten Enniusvers spiritus er anima calida spwmas agit albas der Athem Schaum hervortreibt

126 COMMENTAR

wenngleich da unter anima wohl nicht wirklich “Seele” zu verstehen ist. Dazu passt der folgende Vergleich wi in aequore salso . . . fervescunt vollkommen: die Seele wird mit dem Meer, die vis morbi mit den viribus ventorum verglichen. Das ist offenbar ebenfalls Ummodelung der geläufigen medicinischen Theorie, vgl. Galen comm. in Hippocr. aph., vol. XVII B 544 διττὴν &cpalécrepóv écti φάναι τὴν véveciv εἰναι (τοῦ ἀφροῦ), κατὰ μὲν τοὺς ς«φοδροὺς ἀνέμους ἐμπίπτοντας τῇ θαλάττῃ διὰ πληγὴν ἰςχυράν, ἐπὶ δὲ τῶν λεβήτων διὰ τὴν θερμαείαν.υ οὕτω δὲ κἂν τοῖς ζψων cuyacıv ἐν μὲν τοῖς ἐπιληπτικοῖς ς«παςμοῖς cuvrovia τῶν κινήτεων τὸν ἀφρὸν εἴωθε γεννᾶν, und vol XIV p. 739 (citirt zu 487) διὰ τὸν κλόνον τῶν ὑγρῶν.

495 erprimitur gemitus: die Atome der Stimme pressen wir sonst selbst aus dem Körper heraus, IV 547 voces cum corpore nostro exprimi- mus; hier werden sie durch die Kraft der Krankheit herausgetrieben so ist auch eiciuntur 497, nicht eliciuntur angemessen, vgl Epik. ep. I p. 14, 5 εὐθὺς τὴν γινομένην πληγὴν ἐν ἡμῖν ὅταν φωνὴν ἀφίωμεν, τοιαύτην ἔκθλιψιν (so Brieger; ἐκλίθην und ἐκλήθην codd.) ὄγκων τινὸς ῥεύματος πνευματιύδους ἀποτελεςτικὴν ἀποτελεῖεθαι. Dabei ist der Verstand, der sonst mit Hilfe von Zunge und Lippen die Laute arti- eulirt, nicht thätig: die creváZovrec gehören wie die βήςςοντες xai πταί- povrec zu denen, die φυςικῶς κινούμενοι Töne von sich geben, fr. 335. Deshalb sind die seméwa vocis auch glomerala, in ungeordneten Haufen, nicht figurata oder articulata IV 549f. Das Mechanische des Vorgangs wird durch v. 498 weiter erläutert: die semina cocis werden nicht mit Willen aus der Brust zum Munde hinausgeführt, sondern sie gehen nur gewissermaassen gewohnheitsmässig, also φυςεικῶς, nicht ἐπιςτημόνωυς, da wo ihnen der Weg gebahnt ist ubi illis sunt munita viai, wie vera viai 1 659 sirata viarum IV 415 u. &. Wieso der Schmerz mit den gemitus zusammenhängt, wird nicht klar: mit omnino scheint L. eine längere Erörterung darüber abzulehnen, um sich auf die Constatirung der Natur des Vorgangs selbst zu beschränken: “überhaupt, such wenn nicht körperlicher Schmerz damit zusammenhängt, entsteht der gemilus dadurch, dass Stimmatome ausgetrieben werden’. Bei der allgemeinen perturbatio des ganzen ἄθροιςμα, die in der Epilepsie eintritt, ist das ganz begreiflich. 500 Das conturbari, das v. 492f. erwähnt war (ut docui), wird durch divisa disiectatur distracta erläutert und dabei nachdrücklich eingeschärft, dass die Störung lediglich auf einer Trennung der Atome beruht, die vereinigt sein müssen, um zu functioniren; &hn- lich, wenngleich nicht so durchgreifend, ist "der Vorgang beim Schlaf, der uns ja auch der Besinnung beraubt: IV 944 fit uti pars animai distracta per arius non queat esse coniuncta. inler se neque molu mulsa fungi, inter enim. saepit codus nalura viasque: ergo sensus. abit mutatis motibus alte. eodem illo veneno, von dem ich oben gesprochen habe; d. i. die vis morbi. 502 morbi causa müssen nach VI 1090 ff. gewisse krankheitbringende Atome sein, die von aussen in den Körper ein« gedrungen sind, der dadurch corrumpitur: und zwar wird die 'Flüssigd keit" in ihm aus ihrer natürlichen Lage gedrängt; sie veranlasst nuni die weiteren Krankheitserscheinungen und heisst deshalb acer. So ent- steht z. B. Fieber, wenn die Galle zu sehr anschwillt (und also üben

VERS 493—510. 191

ihre Grenzen tritt), IV 664. Welche Flüssigkeit hier in Frage kommt, ob der Schl allein oder auch n je schwarze e „bei le Theorien wurden für die Epilepsie ve -- ."mit gutem Rechte unerörtert; wir dürfen ihm auch keinen VöFwurf daraus machen, dass er erst hier, am Schluss der Beschreibung, die Entstehung der Krankheit näher erklärt. / Als ein Mangel könnte es eher empfunden werden, dass nicht klar gesagt wird, in welcher ung der acer corrupti corporis humor zu den Störungen der Seele steht, ob er sie ver anlasst oder mit ihnen parallel geht: dass das Erstere richtig ist, ergiebt sich erst aus der E g des ganzen Zusammenhangs, s. zu 487. Es kam eben L. nur darauf an, die Leiden, denen die Seele in der sonst schützenden Hülle des Körpers ausgesetzt ist, an einem ausgeführten Krankheitsbilde zu veranschaulichen: was diesem Hauptzweck nicht dient, lässt er zurücktreten. 504 Zunächst stellt sich die xivncıc, dann die alcóncic wieder ein: damit ist dann die ganze Seele wiedergewonnen (animam receptat), die bei dem Schäumen u.s. w. offenbar den Körper theil- weise verlassen hatte, wie sie es auch im Schlafe thut. quasi vaccillans primum consurgit, er macht Anstalten, aufzustehen, vgl. 174 quasi exsur- gendi incerta voluntas, kann aber zunächst, primum, sich noch nicht fest auf den Füssen halten.

506 haec bezeichnet unbestimmt den Gegenstand der Erörterung, der dem Dichter vorschwebt, also Geist und Seele. in ipso s. zu 128. 507 iaclari ist in übertragener Bedeutung für ‘geplagt werden’ üblich: z. B. Hor. sat. Π 8, 21 mazima pars hominum morbo iactatur eodem. L. wendet es, wie er das zu thun liebt, so an, dass auch die ursprüngliche Bedeutung zu ihrem Bechte kommt vgl disiecatur v. 501 und somit gewissermaassen die translatio erläutert wird. miseris modis und ähnliche Verbindungen (miris "modis 11293, mullis modis oft) namentlich in der Umgangssprache beliebt, s. Lorenz, Einl zu Pseud. p. 57. distracía wird hier nochmals wiederholt, um das distrahi nach dem Tode um so glaublicher erscheinen zu lassen. 509 cum validis veniis: anima vento diverberata dissolvitur Augustins Epikureer, citirt zu v. 436. So wird hier im Ernst behauptet, was Platon nur im Scherz als Befürchtung der Unsterblichkeitsleugner hin- stellte, Phäd. p. 772 d ὅμιυς δέ μοι δοκεῖς... δεδιέναι τὸ τῶν παίδων, μὴ ὡς ἀληθῶς 6 ἄνεμος αὐτὴν Exßalvoucav ἐκ τοῦ εὐματος buipucg καὶ bixckebávvuciv, ἄλλως τε καὶ ὅταν τύχῃ τις μὴ ἐν νηνεμίᾳ, ἀλλ᾽ ἐν μεγάλῳ τινὶ πνεύματι ἀποθνήεκων. | 510—525 Gegen die letzten Argumente mag eingewendet worden sein, dass sie für die Sterblichkeit nichts bewiesen, da der Mensch an geistigen Erkrankungen ja nicht sterbe, sondern die Seele entweder lange Zeit, bis zum Tode, gestört bleibe, oder aber Heilung finde. L. lässt dies so wenig gelten, dass er selbst die Heilung als neues Argu- ment benutzt. mentem sanari ist nichts Anderes als mentem fiect medicina (das εἰ erklärend); dies flecti ist aber wie jede Veränderung nur auf dreierlei Art möglich: durch Hinzufügung, Wegnahme oder Um- stellung der Theile: all dies ist nicht zulässig, wenn die Seele unsterblich sein soll, denn jede Veränderung ist Untergang des Bestehenden. So führen bei Philo de aet. mundi c. 22 die Vertheidiger der ἀφθαρεία

128 COMMENTAR

vier Arten der φθορά, wie sie gleich statt Veränderung sagen, an: πρόεθεειν, ápaípeciv, μετάθεειν, ἀλλοίωςιν (entsprechend den vier Arten der κίνηεις Aristot. de an. 406 b 12 φορά, ἀλλοίωεις, φθίεις, aöEncıc), und weisen nach, dass auf das Weltall keine derselben zutreffe. Für den Epikureer sind μετάθεεις und ἀλλοίωεις identisch, die μεταβλητικὴ xívncic nur ein εἶδος τῆς μεταβατικῆς, fr. 291. So nennt Epikur ep. I, p. 15, netadeceıc, mpocóbouc, ἀφόδους neben einander; nach Lucrez II 769 wird das Meerwasser zu Schaum, wenn ordo principiis mulatus et addita demplaque quaedam. Man beachte die Variirung des Ausdrucks: addere tribui, traiecere transferri, detrahere defluere. Für hilum ohne Negation wird ausser dieser Stelle nur IV 515 angeführt: et libella aliqua si ex parti claudicat hilum, wo es sich wirklich um Haares oder Fadens Breite handelt. Hier dagegen schwebt dem Dichter schon die negative Fassung des Gedankens seque hilum v. 518 vor. 519. 520 Diesen Hauptsatz epikurischer Physik schärft L. öfters mit

den gleichen Worten ein: I670f. 792f. II 753f. Man wird eine Sen-

ientia Epikurs voraussetzen dürfen, die aber nicht erhalten ist: die Sache selbst wird öfters berührt, so steht ep. I p. 15, 2 ἄφθαρτα und rijv τοῦ μεταβάλλοντος φύειν οὐκ ἔχοντα gleich. Vgl. auch Philo a ἃ. O. δυὰς μὲν οὖν προςθέςει μονάδος elc τριάδα φθείρεται μηκέτι μένουςα δυάς etc. Die prosaische Fassung des Gedankens würde sein: “wenn etwas sich verändert, so bedeutet das (d. h. dieser Vorgang) den Untergang dessen, was vorher war’. Sehr viel eindrucksvoller nennt der Dichter das sich veründernde selbst den Tod des früheren, in unmittelbar verständlicher Metonymie. Das mufari wird nochmals veranschaulicht durch finibws suis exire, was einmal daran erinnert, dass alle Veränderung räumlich ist, und sodann die Vorstellung erweckt, dass allem Bestehenden von Natur feste Schranken seiner Existenz angewiesen sind; als Inbegriff de1 Naturerkenntniss wird öfters (I 76. 594. V 88. VI 65) genannt, zu wissen quid possit oriri, quid nequeat, finita potestas quanam sil ratione atque alte terminus haerens. 521 Also sind Krankheit wie Heilung Symp- tome, die den Tod verkündigen, mortalia signa: «npueiov θανατῶδες Hippokr. prognost. vol II p. 118 L., wofür L. VI1182 signa sortis Celsus II 6 indicia oder notae mortis sagt. Der Nachsatz meoríalia signa mittit ist zwischen die beiden disjunctiven Vordersätze gestellt: so wird recht augenfällig klar, dass er die Folge der einen wie der and Voraussetzung enthält. 522 mitiere: vgl. Caesar b. c. 1 71,3 Aframi anos conira multis rebus sui timoris signa misisse (wo nichts zu &ndern) 523 vera res s. zu 353. occurrere: der Dichter empfindet die ur sprüngliche Bedeutung so stark, dass ihm das Bild des Angreifende der zurückgeschlagen wird (VI 32 qwibus e portis occurri cuique deceret) lebhaft vor Augen steht, und er es weiterführt: auch die Flucht wire ihm abgeschnitten, wenn er sich dann zurückzieht. Nur dies kann woh, eunti hier heissen; vgl. gleich im Folgenden hominem paulatim cerninne, ire, 593 videlur ire anima ac tolo solvi de corpore velle, VI 564 protr taeque trabes inpendent ire paratae. Der falsa ratio von der Unsterbli keit wurde mit der res vera des aegrescere begegnet, dann die Ausfl der Heilung abgeschnitten (vgl den ἄφυκτος λόγος Aischin. 8, 17 Plat. Euthyd. 276 e): das ist die zweischneidige Widerlegung,

΄ ΄

VERS 510—531. 129

ferrum heisst VI 168 das Beil. L. wendet diese Form der Argumentatio in fast technisch exacter Weise an I 974 alleruirwn fatearis enim sumas- gue necesse est: quorum. utrumque libi effugium praecludit . . . nam sioe .. Site. .., vgl Quintil inst or. V 10,69 eliam ez dwobus, quorum necesse est alterum verum esse, eligendi adversario potestas, efficituwrque ut utrum. elegerit. noceat. (Cic. de inv. 1 29 genus. argumentandi per com- plexionem). Hier ist der Geist gewissermaassen vor das δίλημμα gestellt, ob er krank sein oder geheilt werden will refufatu zu 881. 526—633 Nachdem die Schicksale, denen die Seele bei Lebzeiten des Menschen unterworfen ist, betrachtet sind, folgen nun Argumente, die sich a) auf den Vorgang des Sterbens selbst (526—547. 580—614), b) auf die Existenzbedingungen der Seele nach dem Tode (548—679. 615—633) berufen. Die erste Reihe wird durch ein der zweiten an- gehöriges Stück (548—579) unterbrochen: über die Veranlassung 8. zu 548. Auch die vv. 592—606 scheinen auf den ersten Blick

nicht am gehörigen Orte zu stehen, aber man erkennt auch hier noch

den Grund der Einfügung: s. zu 592.

526—547 ‘Die Seele verlässt beim Tode den Körper nicht auf ein Mal, sondern stückweise, ist also nicht unzerstörbar. Denn die Annahme, dass sie sich aus den einzelnen Körpertheilen an einen Ort zusammenziehe und dann erst als Ganzes aus dem Körper scheide, ist unzulässig: übrigens würde auch, wenn sie zuträfe, die Vergänglichkeit der Seele nur bestätigt werden”. Dass die Seele nicht als Ganzes den Körper verlässt, sondern schon während des Abscheidens ihre Einheit aufgiebt, ἐν τῷ ἐκβαίνειν διαφορεῖται καὶ διαςκεδάννυται (fr. 337), ist auch der Kern der Erörterung 580 ff. Offenbar hat Epikur Gewicht darauf gelegt, weil hierbei noch aus wahrnehmbaren Vorgängen gefolgert werden kann, wührend für das Schicksal der Seele nach dem Tode nur mit Analogieschlüssen operirt werden kann. 526 ire su 524 eunti. 527 Der einzige Fall bei L., wo nach zwei Spondeen zu Anfang des Verses Wortende eintritt: membratim schreitet der Vers. Fahle Farbe, Empfindungslosigkeit und Kälte erscheinen vv. 529 ff. nach einander und erschöpfen das Bild des Todes inde bezeichnet mehr den ursächlichen Zusammenhang der Ereignisse, in post inde ist der zeitliche noch besonders ausgedrückt, wie in quid tum postea und ähnlichen Wendungen der Umgangssprache; anders VI 768 post hinc animas Acheruntis in oras ducere, wo hinc ganz räumlich zu verstehen ist; wieder anders V 1007 tum penuria deinde cibi languentia leto membra dabat, wo tum im Gegensatz zum folgenden nunc steht. 530 ire iractim ungefähr == trahi, worin hier der Begriff des Langsamen liegt, wie oft.in írahere. Daher tractim: lene CGL IV 186. Etwas anders VI 118 ire diverso motu radentes corpora traciim, d. i. ila μέ trahant. ef trahantur, ἑλκηδόν, von Wolken, die an einander vorbeiziehen. Ennius ann. 418 interea faz occidit oceanumque rubra lractim obruit acthra. 531 Eine Anknüpfung an das Vorhergehende, wie sie L. sonst mit dem einfachen af zu geben pflegt, kann kaum fehlen, und schon deshalb ist mir Munros scinditur iique unwahrscheinlich; aber afqwi, wie Marull u. A. schrieben, ist nicht anzunehmen: abgesehen von der Stellung, die sich sonst nie zu finden scheint, spricht dagegen, dass L. das Wort nie ge-

Lucretius v. πιπεν, 9

130 COMMENTAR

braucht (wie z. B. auch Varro nicht), so oft er auch bei seiner viel in Syllogismen sich bewegenden Darstellung Gelegenheit dazu hA ergo würde ganz am Platze sein; man müsste dann freilich annehm es sei ausgefallen und die Lücke beliebig ergänzt. Ferner wird x ungern die Erwähnung der bisher noch nicht genannten anima entbeka; die Lachmanns «sque adeo haec eliminiert, also wohl animae statt a zu lesen; endlich ist ein Hinweis auf den vorher geschilderten Vor. erwünscht, wozu das überlieferte haec ganz geeignet ist. Die Stell von quoniam hinter dem Verbum ist ganz singulär (I 362 officiumst quoniam ist doch nicht gleichwerthig) und nur dad einigermaassen gerechtfertigt, dass ein zweites Satzglied folgt. 532 Wie die Pflanze aus dem Erdboden (V 212) oder das Kind | dem Mutterleibe (IV 1228), so tritt die Seele aus dem Körper her exsistit: das ist weit anschaulicher als ein exit oder Aehnliches, wei der Leser mit dem Dichter den Vorgang gleichsam beobachtet: w

es natürlich völlig gleichgültig ist, dass man in Wirklichkeit die 5... nicht sieht. Genau so 589 von derselben Sache cooriri, das doch s«, ebenfalls ein Entstehen zu bezeichnen pflegt. iR

533—539 Zweifellos ist das von L. hier widerlegte Gegenargung wirklich gegen die aus dem allmählichen Erkalten des Leichnams , zogene Folgerung vorgebracht worden: von wem, weiss ich nicht. Reflex der Anschauung, dass die Seele sich noch im Körper zusamr., ziehe, um ihn dann auf ein Mal verlassen zu können, bei Plut. G p. 987 πολλῶν δὲ (θηρίων) θνῃςκόντων fj ἀλκὴ μετὰ τοῦ θυμοειὲ- ἀποχωρήςαςά που καὶ cuvaßporcdeica περὶ ἕν τι τοῦ εὐματος μό ἀνθίεταται τῷ κτείνοντι, καὶ πηδᾷ καὶ ἀτανακτεῖ, μέχρις ἂν dee πῦρ ἐγκαταςβεεθῇ παντάπαει καὶ ἀπόληται. 533 ipsam se p also freiwillig, um den Körper zu verlassen, wie die Schlange | Haut (s. 614), während doch die Seele offenbar widerwillig und | mechanischem Zwange gehorchend entweicht. Auch wenn ein Theil. Seele, wie es wirklich beim Schlaf geschieht, aus den Gliedern : Innere des Körpers zurücktritt, introrsum abdita cedit IV 945, ist. ein rein mechanischer Vorgang: conirusa magis concessi in a IV 918. Im Gegensatz zur Vereinigung, dem conducere, der Tk, steht die Trennung der Empfindung, d.h. der Seele, von den mem, das drückt diducere besser aus als das allgemein recipirte deducere. | 536 Da das gleiche Quantum von Seelenatomen immer das gl« Quantum von Empfindung ergeben muss, müsste an irgend einer £i des Körpers die Empfindung intensiver werden: das Nachlassen ders. im Schlaf erklärt sich ja hauptsächlich durch den Verlust von Se. atomen. 5837 sensus hier der Zustand der Empfindung, ähnlich . 504 omnis redit in sensus; vgl. Cicero Tusc. II 21, 49 lamentanfzz, volnere (verwundet). Bei Gemüthszustinden in c. AbL bekann häufiger. 539 dispargitur: λυομένου τοῦ ὅλου ἀθροίεματος fj v διαςπείρεται Epikur ep. I p. 21, 8 Us.

540 Wenn auch diese intensivere Empfindung bei der Annahm« Gegner nicht gefordert würde, so bliebe das Resultat doch das gle, denn dann verliert eben die Seele beim Zusammenziehen ihre e thümliche Fähigkeit, sie wird empfindungslos, obbrwiesci, was mit,

VERS 531—551. 131

Tod aufs Gleiche hinauskommt. Zu obbrwiescere vgl. Lactanz div. inst. VII 12 non enim anima corpore deficiente sed corpus anima decedente brutescit, quia sensum. omnem trahit secum. 542 lumina lincunt: die alliterirende Verbindnng stammt schon von Naevius Lycurg. v. 31 wbi bipedes volucres lino linquont hsnina (Il. 18, 11 λείψειν φάος ἠελίοιο); denn bei Ennius lwmina reliquit s. zu 1025, und Cicero de cons, div. 111,18 ritalia lumina liquit. 545 contracta suis partibus entspricht offenbar dem partis conducere in unum 534, so dass mit Munro die Theile der Seele zu verstehen sind: II 159 schreibt Munro mit Recht (primordia) suis e partibus una. Coniracta ist dann prägnant gesagt: 'zusammengezogen und nun aus den einzelnen Theilen eine zusammen- gedrängte Masse bildend? 546 quando causal, wie meist bei L, == quandoquidem: da die Thatsache feststeht, dass im ganzen Menschen Leben und Empfindung allmählich schwindet, so steht auch ein allmähliches Absterben der Seele fest, mag es nun so oder so zu erklären sein. hominem tolum, nicht etwa nur den Körper.

548—579. L. weisss noch mehr Argumente dafür, dass die Beele nicht als unversehrtes Ganzes den Leib verlässt: 580 ff. führt er sus, dass der Verfall des Leibes nach dem Tode auf völlige Zerrütiung des ganzen ἄθροιςμα schliessen lasse. Er hätte das gleich hier anschliessen können, und wäre so streng im Geleise fortgefahren; aber er zog es vor, da er, vielleicht in seiner Vorlage an späterer Stelle, zwei fand, die sich auf die εὐμπάθεια von Leib und Seele stützten, diese hier einzuschalten und durch diese Vorbereitung jenem anderen grösseres Gewicht zu geben. Dass er Zusammengehöriges damit auseinander riss, kümmerte ihn nicht; er stellte ja einen neuen, wenn auch weniger auf- fälligen Zusammenhang her. ‘Der Geist ist, wie die Sinneswerkzeuge, ein Organ des Körpers; wie jene, wird er also vom Körper getrennt nicht functioniren können (548—558). Ferner sind Seele und Körper überhaupt, um zu leben, auf einander angewiesen: nur das Gewebe des Körpers vermag die Seelenatome so dicht zusammenzuhalten, dass die Bewegungen ermöglicht werden, die Empfindung bewirken (559 —579)' Erst ein blosser Analogieschluss auf den (Geist als pars corporis von den übrigen paries; dann der allgemeine Satz von der gegenseitigen Abhängigkeit des Körpers und der Seele, für die Seele bekräftig durch die Erklärung, wieso der Körper ihr zum Functioniren unent behrlich ist.

548 hominis pars, wie v. 94 ff. bewiesen wurde. Durch dem Zusat una wird die Gleichberechtigung mit den übrigen Körpertheilen noe mehr hervorgehoben, == ung ez hominis parlibus. loco quae fix manet certo: hier drängt sich ein Gedanke ein, der v. 615 ff. als gm sondertes Argument ausgeführt wird. Er dient hier mit dazu, eine gewissen Anschluss an das Vorhergehende herzustellen: der Geist is wie jeder Körpertheil, nur an seiner ihm zugewiesenen Stelle im Stani zu functioniren; er kann sich also nicht mit der übrigen Seele irgendw glomerari, ohne unterzugehen. 550 sensus hier wie 562 sensibus * "Sinnesorgan', alcOnrfpiov, was L. propier egestatem patrii sermonis miel von alcencic unterscheiden kann. So auch xz. B. IV 525 pellere sSesssu zx τὸ αἰςθητήριον κινεῖν Epik. p. 14, 11. 551 et veluti sic anime

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132 COMMENTAR

dafs die Verknüpfung anakoluthisch aufzufassen ist, hat Brieger (Proleg p. XXII) gesehen: zu quoniam mens est... fehlt der Nachsatz. Ab Satsbau wie Gedanke würen unklar geworden, wenn nach dem zu Nebensaiz gehörigen Einschub reist ... sunt der Hauptsatz mit vels begonnen hätte: und doch wollte L. den Vergleich, der dort nachfolg musste, hier voranstellen, um nicht mit ihm, sondern nfit der zu beweisend. Behauptung abzuschliessen. So fährt also L. fort, als ob er begonnen hät mens esi hominis pars: dies Herausfallen aus der Construction ergab si: so natürlich, dass man es überhaupt nur bei sehr aufmerksamem Les: bemerkt. Lachmann entging der Anstoss nicht: er fasste die gan Satzreihe bis féngere 557 als zum Vordersatz gehörig, liess diesen Con plex durch quandoquidem ... adhaeret denique resümirt werden und b gann den Nachsatz mit corporis 558 ein Versuch, die strenge For zu retten, der dem Gedanken äusserste Gewalt anthut. Zum Inha vgl II 910 nequeant per se paries sentire necesse est: namque alio sens membrorum. respicit omnis, nec manus a nobis polis est secrela neque ul corporis omnino sensum pars sola tenere. Zum sentire wird aber bi ausdrücklich das esse gefügt, worauf es ja wesentlich ankommt. - in parvo lincuntur tempore tabi, wie Lachmann schrieb, ist unmöglic der Verwesung überlassen bleibt der Leib sofort beim Abscheiden d Seele, so dass der Zusatz im p. t. unerklärlich wäre: denn tabes in p. für labes quae intra breve tempus futura est ist ganz unlateinisch D Zusatz kann nur gemacht sein, weil etwas ausgesagt war, was nic] sofort nach dem Tode, aber doch im Verlaufe von kurzer Zeit (so parvo t. V 106, VI 818, brevi spatio II 78) eintritt: das besa, licuntur tabe; Ovid Met. II 807 (Aglaurus) lentaque miserrima tabe liquit Met. IX 174 caecaque medullis tabe liquefactis. Danach bestimmt sich aut die richtige Auffassung von íasen: es kann nicht zu parvo gehören = quamvis parvo, wie I 578 (famen ex aeterno tempore == ex tempore quas vis longo. Vielmehr möchte ich es hier durch Annahme einer Ellip erklären, wie sie bei ef (amem sehr häufig, mehrfach auch bei L. (s. Stellen bei Munro zu V 1177) vorkommt (zahlreiche Beispiele k Karsten Mnemos. n. s. XVIII 307 f£., dessen Auffassung ich aber nic theile): refertur particula ad facifum intellectum et concessionem. contra eius quod antea positum est, wie Madvig zu Cic. de fin. II 84 sagt.

ist wohl z. B. auch das blosse famen in der bekannten Aeusserung Cicea (ad Qu. fr. II 9, 3) über Lucrez' carmina zu erklären: multis lumini? ingenii, mullac tamen artis. Also hier: ‘sondern, wenn sie überhax noch zunächst weiter existiren, so fallen sie doch binnen Kurzem « Verwesung anheim’. 554 et ipso homine hinzugefügt, weil der Ge hominis, nicht corporis (im Sinne von 'Leib") pars ist. Aber es | gleichsam in Klammern zu denken; der Gedanke haftet bereits wie« am Gegensatz von Leib und Seele, wie das Folgende zeigt: denn + animi ist der Leib, nicht der Mensch. Das hatten wir bereits ΟἿ v. 440: hier ist aber nicht, wie dort, die Vorstellung einer Flüssigk. die durch das Gefüss zusammengehalten werden muss, wachgerufen, x deshalb empfindet der Dichter das Bild als unzulänglich: er möchte ,. enge Verbindung, cowiunciio, noch deutlicher veranschaulichen: das Gef verbindet sich nicht mit seinem Inhalt, während die Seele ja comerza ı

VERS 551—566. 133

per venas viscera nervos v. 691, also eine παρεμπλοκή vorhanden ist, s. zu 217.

558 Wie von selbst ergiebt sich aus den letzten Worten die Er- wügung, dass die Natur dieses conezus an sich schon die Ver gänglichkeit der Seele bedinge: der Grund zu dem Argument war v. 823 ff. gelegt: aber dort war der Hauptgesichtspunkt die Erhaltung des Körpers durch die Seele, die andere Seite des Verhältnisses war ge flissentlich im Hintergrund gelassen. Im Einzelnen finden sich natürlich mit jenem Abschnitte zahlreiche Berührungen, die ich nicht einzeln an- merke. 559 coniuncla Neutrum, weil corpus aique animus wie be- grifflich so auch grammatisch wirken. 560 vitalis edere motus nicht zu vergleichen mit II 443 varios quae possint edere (== hervorrufen) sensus oder 816 variis formis variantes edere tactus, sondern mit II 810 summa (amen summa videatur stare quiete, praeler quam siquid proprio dat corpore motus == sich bewegt; Livius XLIV 9, 6 cum alios decursu edidissent snotus. 8. zu v. 355. 561 In mec autem tritt die gegen- überstellende Bedeutung von autem ‘andererseits’ recht deutlich hervor. 563 seilicet e. q. s.: der Gedankengang erforderte eigentlich, dass hier nicht wieder auf ein einzelnes Organ exemplificirt, sondern der ganze Körper zum Vergleich berangezogen würde. Aber L. greift auf das im Vorhergehenden angewandte Beispiel zurück, weil es anschaulicher ist, dass das Auge einer sehützenden Umgebung, der «ςτεγάζοντα καὶ περιέχοντα, Augenhöble u.s. w. bedarf, als dass der ganze Körper in seiner Existenz durch die Seele geschützt wird. avolsus radicibus: vgl 325 communibus inter se radicibus haerent (corpus. εἰ anima). 564 seorsum corpore loto: L. braucht seorsum häufig, aber überall sonst ohne Zusatz: die Verbindung mit a ist in der gleichzeitigen Litteratur häufig; der blosse Ablativ scheint sich nur hier zu finden: die separative Kraft des Casus wird also dabei sehr stark empfunden. So wechselt L. auch bei procul mit dem blossen Ablativ und a. 566 nimirum: wieder erhalten wir ganz beiläufig ein wichtigesStückder Lehre vom Zustandekommen der Empfindung, die, wie schon früher bemerkt, nicht im Zusammenhang dargestellt wird. Genau so, nur weniger eingehend, bei Gelegenheit des Sterblichkeitsbeweises Epikur, ep. I p. 21, 8 (s. Einleitung p. 38) καὶ μὴν καὶ Auouévou τοῦ ὅλου ἀθροίεματος ψυχὴ διαςπείρεται καὶ οὐκέτι ἔχει τὰς αὐτὰς δυνάμεις οὐδὲ κινεῖται, ὥςτε οὐδ᾽ αἴεθηειν κέκτηται. οὐ γὰρ οἷόν τε νοεῖν τὸ αἰςθανόμενον μὴ ἐν τούτῳψ τῷ ευςτήματι καὶ ταῖς κινήςεςει ταύταις χριύμενον, ὅταν τὰ «ετεγζάζοντα καὶ περιέχοντα μὴ τοιαῦτα ἧ, ἐν οἷς νῦν οὖςα ἔχει ταύτας τὰς xivfáceic. quia lencntur ... nec... possunt primordia dissultare: die Stellung des Subjects im zweiten disjunctiven Satztheil eine Form des ἀπὸ κοινοῦ, die sich naturgemäss aus der Stellung des Subjects am Schluss der ganzen Periode entwickelt, wobei der negierende Satz als Ergänzung des positiven Satzgliedes eingeschoben erscheint: quia tenentur (nec possunt .dissultare) primordia. miztim taucht erst sehr spät wieder auf; den reichlichen Gebrauch der Adverbia auf -im, von denen in klassischer Zeit viele ab- gekommen sind (s. die Zusammenstellungen von L. Meyer K. Z. VI 301 ff. Corssen Krit. Beitr. p. 288 ff.), hat L. mit den archaischen Schriftstellern gemein; so 524 ff. kurz nach einander die freilich allgemeiner üblichen

184 COMMENTAR | paulatim, membratim, tractim, particulatim; ἅπαξ λεγόμενα des L. odi! ausserdem nur ganz vereinzelt gebraucht adumbralim, gravatim, ratim, filatim, propritim, éuxlim. per venas ete. wird man lieber mizfim als zu tenentur ziehen; das Adverb wird noch als Verbalf empfunden, 288 commirta per artus. 569 conclusa im Gegensatz , libera: gegen diese Auffassung polemisirt noch Porphyrios sentent. intellig. duc. 29 τὸ ἀςώματον ἂν ἐν cópari καταςχεθῇ, οὐ ευγκλ εθῆναι δεῖ, ὡς ἐν ζωγρείῳ θηρία" ευτκλεῖςεαι γὰρ αὐτὸ οὐδὲν οὔ δύναται καὶ περιλαβεῖν ςῶμα᾽ οὐδ᾽ ὡς Acxöc ὑγρόν τι ἕλκει A πνε 612 ff. wiederholen in anderer Form den Gedanken von 440 ff: axa dort soll die Seele durch die Luft, nicht durch sich selbst gehalten werden, was sie ja auch lebend nicht thut: also ist hier s anima 574 ganz unmöglich und Wakefields in se animam das Richtig in cos molus giebt die Wirkung des concludere an, analog di d: häufigen Wendungen in orbem, in frontem u. & Schon weil conclude: hier vom περιέχον gesagt, ganz offenbar an das vom περιεχόμενον 54 . gebrauchte conclwsa erinnern soll, ist Faber's Coniectur in eo pote " concludere motus, wo das Wort in ganz anderem Sinne gebraucht wi! zu verwerfen. Zwar scheut sich sonst L. vor solchem Bedeutungswech: nicht, s. mutare 755f1.; aber hier ist der Ausdruck condudere f περιέχειν, wie die Gegensätze libera 569, eiecta 571.577 zeigen, » besonderer Sorgfalt gewählt. 575 in nervis deutet nur die einzeln oben 566 f. genannten Bestandtheile des ganzen Körpers gegenüber ^ ipso corpore an. 576 resoluto corporis omni tegmine τοῦ «ςτεγάζοντ-: λυθέντος Epik. ep. Ip. 21, 8. 577 eiectis ist, wiederholt aus 571, x die Veränderung gegentiber dem conclusum esse recht nachdrücklich” h vorzuheben; statt der Seele sind die vifales awrae (s. zu 407), = eigentlich nur den Athem bezeichnen, genannt: dadurch wird recht = schaulich, wie die Seelenatome in der freien Luft verschwimmen. 579 quoniam coniunda est causa duobus vgl. 848 quoniam coniuncta causa salwíis: auch hier sind trots der voraufgehenden sensus ama atque animam Leib und Seele gemeint; der Schluss wiederholt « Anfangs constatirte inter se coniuncta valent.

580—591 Unmittelbar an die letzten Worte anschliessend folgt neues Árgument die Erwügung, dass der Untergang des von der Se verlassenen Körpers sich nur durch eine gewaltige Erschütterung « Grundfesten des ganzen Organismus erklären lasse, indem die Seele « Leib durch alle seine Gänge und Poren verlassen und dabei den = sammenhang der Körperatome gelockert habe. Also ist sie nicht Ganzes, sondern stückweis geschieden: damit ist L. zu der v. 547 v lassenen Gedankenreihe zurückgekehrt. Schon II 944 ff. war geler dass der Tod erfolgt, wenn ein widernatürlich heftiger Stoss Körper c Seele treffe: dissolvonfur enim posilurae principiorum ei penitus mo vitalis inpediuntur, donec maleries, omnis concussa per artus, vitalis ani»: nodos a corpore soltit dispersamque foras per caulas eicit omnis. die Natur dieses Vorgangs erfahren wir hier Näheres. Nimmt man dass die Seele als Ganses und auf einem einzigen Wege, etwa du, die Kehle, den Leib verlässt, so würden dessen Atome nur wenig ihrer Lage erschüttert werden, und das ἄθροιςμα könnte in seiner |

VERS 566—593. | 135

herigen Verfassung bestehen bleiben. Da das aber nicht der Fall ist, muss die Seele sich aus allen Poren einen Ausgang gesucht habe s. zu v. 255 —, wobei denn die Körperatome aus ihren Verbindungen gelöst worden sind. 589 ex imo .. penitusque cooría ... wi fumus diffusa: vgl. IV 90 praeterea omnis odor, fumus, vapor, atque aliae res consimiles, ideo diffusa e rcbus abundant, ex allo quia dum veniunt intrinsecus (so Lachmann für exirinsecus) orlae scinduntur per iter feum sec reca viarum ostia sunt qua contendant exire coortae (über cooria s. ferner zu 532) IV 698: der Geruch vergeht leicht disiractus in aeris auras, ex alio primum quia viz emillitur ex re: nam penilus fluere alque recedere rebus odores significat, quod fracta magis redolere videntur omnia, quod contrita, quod igni conlabefacta. Der Vergleich mit dem Bauch ist also hier weittragender als oben v. 428 ff: wie die Entziehung der Rauchatome aus dem Holze (I 871) dessen Vernichtung mit sich bringt, so die Entziehung der Seelenatome die Vernichtung des Leibes: und wie der Rauch vergeht, weil er durch alle foramina des Holzes a ist, so die Seele. Von hier aus fällt auch erst das rechte Licht auf den oben v. 327 verwendeten Vergleich mit dem brennenden Weihrauch. 584 atque ideo umschreibt und erläutert das Vorhergehende. pwire: II 1144 moenia mundi expugnata dabunt labem pulrisque ruinas; hier zugleich im übertragenen wie im eigentlichen Sinne; so auch conciderit: vgl IV 505 convellere tota fundamenta quibus mizatur vila salusque: non modo enim ralio ruat omnis, vila quoque ipsa concidat e. q. s. Das Bild auch bei Epikur fr. 61 p. 117, 30 καθόλου μὲν γὰρ ἐξ ἕδρας τὰ cvo- para μεθιςτάναι ... τὸν ἄκρατον. ἂν δὲ οὕτως ἔχοντα τὸν ὄγκον ἡμῶν γαλήνη μὴ παραλάβῃ καὶ ὕπνος ἀλλ᾽ ἕτεραι διὰ τῶν ἀφροδιείων xıyhceic, ἐκθλιβομένων καὶ μοχλευομένων τῶν μάλιετα cuvbeiv καὶ κολλᾶν τὸ εὧμα πεφυκότων, κίνδυνός ἐετιν ἀνάςτατον τίνεςθαι τὸν ὄγκον ὥςπερ οἶκον ἐκ θεμελίων κινούμενον. 587 viarum omnis flexus: IV 98 per iter flezum (oben zu 581), wo die Erklärung hinzugefügt ist. 588 muläi- modis ut noscere possis leitet die Clausel ein, entsprechend dem häufigeren quare eliam alque eliam. 590 Bevor noch die aeris aurae die Atome der Seele zerstreuen können, ist diese schon von selbst, durch innere Ein- flüsse, noch im Körper drin, distracta: die Zusätze sibi und corpore im ipso betonen das. 591 prolapsa enaret schliesst sich schön zum Bilde der entschwebenden Seele zusammen; sowohl labi wie sare mit ihren Compositis werden von Dichtern gern gebraucht, um den ruhigen Flug zu veranschaulichen.

592—606 'Ja sogar, wenn die Seele die Grenzen des Lebens nicht verlässt, wird ihr Bau oft so stark erschüttert, dass sie der gänzlichen Trennung vom Körper nahe zu sein scheint: so bei der Ohnmacht, wo der Körper mit ihr zusammenbricht: wenig mehr, und sie wäre ganz aufgelöst. Wie sollte sie also nach dem Tode ohne die schützende Hülle des Körpers Bestand haben können?’ Die Thatsache, dass schon zu Lebzeiten des Menschen die Seele im Körper tiefgreifenden Störungen ausgesetzt ist, hat L. oben v. 459 ff. bereits in mannigfacher Wendung als Argument verwerthet. Er konnte sie hier wieder vorbringen und zwar in jede der beiden sich durchkreuzenden Reihen einfügen, d. h. entweder folgern: ‘also wird sie, wenn der Tod erfolgt, erst recht in

186 . COMMENTAR

ihren Grundfesten erschüttert sein, also distrahi", oder: 'also wird sie n dem Tode erst recht nicht im Stande sein, für sich weiter zu exist Νὰ L. schlägt einen Mittelweg ein: er schliesst das Argument an den weis für die Zerstückelung der Seele während des Sterbens an und tont diesen Zusammenhang, indem er mit labefacta 593, conquasse- 600, ipso cum corpore conlabefiunt 601 in dem vorhin ausgeführten Bj bleibt und erwähnt, wie auch der Körper gleichzeitig die rwina erlei« aber dann biegt er mit der Clausel quid dubitas tandem 603 in | andere Auffassung ein vorübergehend nur, denn 607 mec sibi ea kehrt zur ersteren zurück. Ein derartiges Abbiegen vom stren Wege oder Hineinspielen verwandter Gedanken fanden wir mehrfach, zu 440. 548): man durfte deswegen nicht die Verse 592— 606 von Stelle rücken wollen, zumal da sie sowohl nach 575 (Munro) wie n 579 (Christ) andere Zusammenhänge zerreissen.

592 finis vilae dum verlitur intra: eine Steigerung gegen das hergehende, wie quim efiam angiebt; vorhin wurde geschildert, wie Seele finibus vilae exit, jetzt ein Zustand, in dem sie zwar ihre male Lage, aber doch noch nicht die Grenzen verlassen hat, die Leben vom Tode scheiden. Die Anknüpfung würde weder nach noch nach 579 am Platze sein. 594 Sie scheint im Begriffe zu : velle, wie IV 518 sam rucre ut quaedam videantur velle zu ge 8. 526 —, d. h. (ac) sich vom ganzen Körper zu lösen, wozu an einzelnen Theilen wohl bereits den Anfang gemacht hat. Und ; die Seele, so zeigt auch der Körper Symptome, die denen des Ta nahekommen, quasi supremo tempore: Blässe und Hinfälligkeit. cac membra erinnert an conciderit corpus 585; die Glieder sind mollia, wie standsunfähig wie auch im Schlaf: gewissermassen eine Vorstufe für . labescere 581. 596 Den Gegensatz der Glieder zum Rumpfe her-- zuheben, hat hier keinen rechten Sinn: so wird nicht írwnco cav, (Lachmann), sondern ommia corpore membra die richtige Ergänzung =| Vgl. 154 palloremque cxistere tolo corpore, wobei natürlich ebensowe; wie hier Nacktheit vorausgesetzt wird; ferner Ovid Met. III 39 sano que relinquit corpus ei attonitos. subitus tremor occupat artus. Der Κακ erscheint blutleer, auch darin dem Leichnam defracto sangwine venis - ähnlich. Man könnte erwarten, als besonders geeignetes Beispiel oft mit dem Tode verglichenen Schlaf verwendet zu finden, bei dem Seele ja wirklich zertheilt wird, da ein Theil von ihr den Körper - lässt. In der That scheinen Epikureer den Schlaf als Argument für Sterblichkeit der Seele herangezogen zu haben: Philodem περὶ ® ἀτωτῆς V. H.! VI eol. 12, Scott frg. Hercul. p. 168 bei der Erörterung Frage, ob die Götter schlafen: ἄτοπον μὲν γὰρ εἶναι δοκεῖ προχείρ" διὰ τὸ μετακόςμηειν νεανικὴν ἐν ταῖς τοιαύταις xatacräcecı τίνες: περὶ τὰ ζῷα καὶ πολλὴν ἔχουςαν θανάτῳ προςεμφέρειαν᾽ δι᾽ ἣν aix καὶ περὶ τοῦ φθίρεεθαι τὴν ψυχὴν οὐκ ἀπίθανος ευντίθεται λόγος μεταβαίνων ἀπὸ τοῦ .. πίπτειν ... Aber dazu müsste L. einer späte Erörterung vorgreifen, was er möglichst vermeidet. Somit wählt als Beispiel die Ohnmacht und beruft sich dabei, wie er es liebt, | die im Volksmunde geläufigen Ausdrücke. 597 awimo male fac. und animam liquisse sind gleichbedeutend: Plaut. Mil 1331 animo s».

|

VERS 593—609. 181

faciumst huic repente miserae, 1346 animus hanc modo hic reliquerat von der fingirten Ohnmacht der Philocomasium. L. variirt mit animus und anima, um Beides als afficirt hinzustellen, obwohl man regelmässig awi- mus linguit λιποθυμῶ sagt, da anima nicht das Bewusstsein bedeutet. 598 Die ängstliche Geschäftigkeit der Hülfeleistenden wird durch das unpersönliche irepidatur vortrefflich bezeichnet: sie empfinden, wie schon die von ihnen gebrauchten Ausdrücke lehren, die Gefahr, in der die Seele schwebt, und möchten gern etwas thun, cwpiumt, um das letzte Band, das den Ohnmächtigen noch im Leben hält und das auch bereits zu zerreissen droht, zu fassen, reprehendere, vgl VI 568 vis mullo refrenet res neque ab exilio possit reprehendere euntis.' 600 conquassa- tur enim begründet die Einführung des Beispiels quod genus est. 602 gracior paulo causa vgl 485 paulo si durior insinuarit- causa fore ut pereant aevo privata futuro. 608 prodita mit dem Neben- begriff der Verlassenheit, Hülflosigkeit, der dann im folgenden Verse kunstvoll gesteigert wird. 605 possit: hier ist wieder der Begriff der anima allein eingetreten, während oben haec... conlabefiunt Geist und Seele umfasst. omnem per acvom εἰς πάντα τὸν αἰῶνα oder δι᾿ αἰῶνος.

607—614. "Niemand hat beim Sterben die Empfindung, dass die Seele auf einmal und als Ganzes scheidet, allmählich in die Kehle, dann den Schlund aufsteigt und so durch Mund und Nase entweicht; sondern Jeder empfindet das allmähliche Absterben der einzelnen Körpertheile. Das würde nicht der Fall sein, wäre die Seele unsterblich”. Als letztes Argument dieser Reihe noch ein Appell an die untrügliche afconcic, die jeden Sterbenden lehrt, dass seine Seele nicht unversehrt den Leib verlässt, sondern in der Auflösung begriffen ist. Begründet wird durch neque enim nicht gerade das unmittelbar Vorhergehende, sondern die ganze bereits mannigfach erhärtete These, die v. 589 ff. nochmals formulirt war, s. über dies entm zu 440; den Anfang hatte die Berufung auf die Wahrnehmungen des Zuschauers (cernimus 526) gemacht, den Schluss bildet die Wahrnehmung des Sterbenden selbst. Dass der vom Dichter beabsichtigte Anschluss dieser Verse an 591 durch die später gedichteten und von ihm nicht hier eingefügten 592—606 zerrissen sei (Brieger), ist nicht zu erweisen; man müsste denn annehme-, dass enim durchaus nur das unmittelbar Voraufgebende begründen könne, was, wie gesagt, nicht der Fall ist. Dagegen würde ich Anstoss daran nehmen, wenn nach Wegfall der vv. 592—606 un- mittelbar auf das Resumé mullimodis wt noscere possis ein neuer sodes: noscendi durch neque enim eingeführt werden sollte. An der überlieferten Versfolge ist also in diesem ganzen Abschnitt nichts zu ändern 608 incolumem: dies Gefühl könnte nach L.’ Auffassung nicht quälend oder schmerzhaft sein: also wäre die Erscheinung der Todesangst nich: zu erklären. 609 nach der volksthümlichen Anschauung, die L. hie bekämpft, steigt die Seele des Sterbenden empor ins Antlitz (s. Crusiu Unters. z. Herod. p. 54), also zunächst in die Kehle, dann höher hinau über den Schlund supera fauces —, wie L. halb ironisch die Vor stellung ausmalt: zuletzt schwebt sie auf den Lippen oder Nasenflügelz Petron. 62 mihi animam in naso esse, Meleager A. P. V 197 βαιὸν ἔχει

138 COMMENTAR

τό τε λειφθέν, Ἔρως, ἐπὶ xeikecı πνεῦμα u. Α. m. supera als Pri auch VI 561 supera lerram. 610 Statt dass man bei unge vollem Bewusstsein die Seele allmählich aufsteigen fühlte und « dem Momente des Todes die Empfindung auf einmal schwände man vielmehr an einzelnen Stellen des Körpers für sich das £ der Seele 528ff. war das ausgeführt —, genau so, wie ma dass Auge oder Ohr, jedes an seiner Stelle, in parti quemque sw mehr functionirt. 613 Die Todesangst wird poetisch so gedeut die Seele ihre allmähliche Auflösung bejammere: man hat ohne an die ψυχὴ ὃν πότμον Yoödwca Homers zu denken. non tam magis (== sed potius) mit leichtem Anakoluth, wodurch das zwei glied selbständiger wird, wie bei Cic. de fin. 11, 1 quidam auf tam id reprehendunt, si remissius agatur, sed tantum studium multam operam ponendam in eo non arbilrantur. 614 ire fora klagen würde sie darüber, sondern im Gegentheil sich freuen:

gänzt jeder leicht, vgl. z. B. Liv. XLV 20,9 orantes ne nova

crimina plus obesse Rhodiis aequum censerent quam. antiqua men, prodesse, wie Weissenborn richtig erklärt. ω anguis: IV lubrica serpens exuit in spinis vestem. Vermuthlich war das 1 Anhängern der Unsterblichkeitslehre gebraucht worden. Der ] Gewand der Seele übrigens eine sehr geläufige Vorstellung, ar schon Plat. Phad. 87b 91d.

615—628 “Der Geist wobnt im Körper nie anderwo als ar festen Sitz in der Brust: das kann nur darauf beruhen, das Dinge von Natur der Ort angewiesen ist, wo es zu exisliren Wie käme es auch sonst, dass am menschlichen Körper, der äusserst vieltheilig ist, alle Glieder ststs sich in der gleichen zeigen? Bo verlangt es das unumstössliche Naturgesets'. schnitt berührt sich inhaltlich nahe mit den vv. 785—799, selbe Argument ausgeführter enthalten. Aber die Form ist, mit Absicht, so verschieden wie möglich, der Gedanke an ein also völlig ausgeschlossen. Vielmehr hat auch hier (s. zu 59 und dieselbe Thatsache des Seelenlebens zwiefach als Argument 785 ff. wird das Hauptgewicht darauf gelegt, dass die Entste Seele ohne Körper, also ihre Prüexistenz, nicht denkbar sei: hie es sich, wenn auch eine ausdrückliche Angabe fehlt, doch ganzen Zusammenhang wesentlich um die Unmöglichkeit de existenz Die Folgerung des Arguments wird nicht ausdrüc zogen: das weicht ab von der stehenden Gepflogenheit des L. und seine besonderen Gründe, s. zu 785ff. Aber ein ernstlicher wird dadurch nicht herbeigeführt, denn es wird ja auch ohne . Leser den Schluss ziehen: wenn jedem Ding ein bestimmter gewiesen ist, wbi possit durare, so wird der Geist eben ausse Körpers nicht dauern können. Der Abschnitt setzt die v. ! lassene Gedankenreihe fort: er enthält im Grunde nur di gemeinerung des v. 558ff. gebrachten Arguments. 617 I omnibus unmittelbar nach regionibus hielt noch Lachmann für c aber das Missverständniss, als gehöre beides zusammen, ist ja sc unis ausgeschlossen. 618 ad nascendum und wbi ... pos

"ung der X- handelt Aach dem "4r Post- lich ge- 1f hat wohl "«Missstand !Y3ies jeder $ Ort an- "irhalb des 580 ver- Be Verall- en Dativ ἥν nmöglich: bon durch ! igit stehen

VERS 609—629. 139

sich grammatisch gleich, oder besser vielleicht: cería loca ist vor wbi

quidquid wiederholt zu denken. cuique und quidquid bezeichnet alles

Existirende; in den beiden folgenden Versen dagegen ist, wie arlubus

und membrorum zeigen, vom Körper und seinen Gliedern die Hede.

Also kann unmöglich esse 620 von possit 619 abhängig sein: nicht dem

Körper, sondern seinen einzelnen Theilen ist ja ein fester Platz zugetheilt.

Ich nehme daher mit Munro nach 619 den Ausfall eines oder mehrerer

Verse an. Der Gedanke des ersten Satzes ist mit durare creatum ab-

geschlossen: den des folgenden festzustellen, ist ausser durch die Lücke

noch durch die Corruptel perfotis 620 erschwert. Aber der Umstand,

dass die Glieder immer in derselben Ordnung auftreten, muss sicher als

Folge des vorher und nachher constatirten Naturgesetzes, und somit

wohl als neuer Beleg dafür hingestellt gewesen sein: dann hat viel-

leicht Bernays mit partitis das Richtige getroffen, und der Gedanke würe zu ergünzen, wie ich es oben versucht habe. 621 Manil II 764 effluat in canum rerum praeposterus ordo. 622 sequitur res rem "ist Eins an das Andere gebunden’, =. B. die Wärme an das Feuer, die Kühle an das Wasser; also auch Geist und Seele an den Körper. Vgl. II 255 ex infinito ne causam causa scequatw. 623 fluminibus ... in igni, die Präposition nur zum zweiten der sich entsprechenden Substantive gesetzt, wie 786 nec cruor in lignis neque saxis. sucus inesse nur zum ersten. flumina empfahl sich durch den Anklang an flamma. Olympiodor in Phüd. p. 48 F. verwendet dasselbe Argument wie L., οὐδὲ γὰρ τὸ πῦρ θερμότητα ἐπάγον wuEedic écrit δεκτικόν, aber um das Gegentheil zu beweisen, dass nämlich die Seele nicht empfindungslos werden, also nicht sterben könne,

624—633 “Eine weitere Existenzbedingung für die abgeschiedenen Seelen wäre der Besitz der Sinnesorgane, und in der That pflegt man ihnen diesen zuzuschreiben; aber ohne den Rest des Körpers kann die Seele auch nicht Augen, Nase u.s. f. haben.” Das Argument beruht au: der Identificirung von Sein und Empfinden, die uns schon öfters be gegnete. Bekämpft wurde es bereits durch Posidonius, den Cicero Tusc I 22, 50 ausschreibt: sed plurimi conira nituntur animosque quasi capit damnatos morte muliant, neque aliud. est quicquam cur incredibilis is avi morum videatur. aeternitas, nisi quod nequeunt. qualis animus sit cacan corpore intellegere εἰ cogitatione comprehendere. Die von L. aufgestellt Forderung der fünf Sinne bestritt natürlich Posidonius: seinen Auswe; dass auch im Körper der Geist, nicht die Augen sähen, hat L. bere: 361 ff. widerlegt. Vgl. Tusc. I 16, 37 gegen die Anschauung, dass di irdische Leben nach dem Tode eben so fortgesetzt werde: animos eni per se ipsos viventis non poterant mente complecti: formam aliquam fig ramque quaerebant. inde Homeri tota Necyia (scriptorum saecla prioı Lucrez) ... has famen imagines logui volunt, quod fieri sec sine ling: nec sine palato nec sine faucium, laterum, pulmonum vi εἰ figura pote nihil enim animo videre poterant: ad oculos omnia referebant. 626 opinor ironisch: für den gesunden Menschenverstand ist ein semfire oh sensus undenkbar. 627 proponere zu 183. 629 pictores τ. Polygnot; unter den scripfores sind nicht nur die Verfasser der za! reichen Νεκυῖαι zu verstehen; man erinnert sich z. B. des heraklitisck

140 COMMENTAR

ψυχαὶ ὀςμῶνται καθ᾽ Ἅιδην (fr. 38B.) Vgl. Demosth. c. Aristogit. I 52 μεθ᾽ ὧν Ζώγραφοι τοὺς ἀςεβεῖς ἐν “Λιδου γτράφουειν, Plaut. Capt. 998 vidi cgo multa saepe picla quae. Acherunti fierent. cruciamenta, Cic. Tusc. I 6, 11 hacc poetarum et pictorum porlenta. saecla priora von Ur- alters her, wohl mit dem Nebengedanken, dass die gleichzeitigen Ver- treter der Unsterblichkeitslehre sich dieser Folgerung vergebens zu entziehen suchen. 631 at neque sorsum beruft sich nicht sowohl auf die Thatsache, dass manus atque oculus naresve seorsum secreta a nobis nequeunt sentire neque esse (551, vgl. II 910), sondern wil den Gegnern die lächerliche und Jedem sofort als thöricht ein- leuchtende Annahme unterschieben, dass die Seelen zwar keinen Körper besässen, wohl aber die einzelnen Organe gesondert an sich trügen. 633 haud igitur eine glänzende Verbesserung Lachmanns; L. konnte weder auditum für sonilum sagen, noch so geschmacklos sein, zu aures sentire noch auditu hinzuzufügen. possunt: trotz anima 632, weil durch die Verse 627ff. die Vorstellung einer Mehrzahl von Seelen ge- . weckt worden ist.

684—669 'Da die Seele durch den ganzen Körper verbreitet ist, so muss ein rascher Streich, der den Körper mitten durchhaut, auch die Seele theilen: Theilbares ist aber nicht unsterblich (684—641). Die Beobachtung bestätigt das: wenn in der Schlacht einzelne Körpertheile abgeschlagen werden, so bewahren sowohl diese wie der Rest des Körpers Empfindung, also Seele (642—656). Ja, man kann sogar z. B. eine Schlange in viele Stücke zerhauen, deren Jedes fortfährt, Lebensäusse- rungen zu zeigen: da das Thier aber nur eine Seele gehabt. haben kann, so ist diese in viele Theile zerschnitten, demnach eben so gut wie der gleichzeitig zerschnittene Körper sterblich” Das Argument berührt sich zwar einigermaassen mit der Reihe 526—547 u. s. f., insofern auch dort von einem scindi der Seele die Rede war: aber dort wurde nur der Vorgang des Sterbens ins Auge gefasst, während hier auch die Ab- irennung eines Theiles der lebenden Seele in Frage kommt. Deshalb ist der Abschnitt nicht in jene Reihe eingefügt, sondern an den Schluss der ganzen ersten Gruppe von Argumenten gestellt. Das Argument kennt Olympiodor, der in Phaed. p. 98 F. sagt, zur Annahme, dass die Seele χωριζομένη διαςκεδάννυται habe f, διὰ παντὸς τοῦ εὐματος δίηξις μεριετοῦ ὄντος geführt. Auch schloss man aus der Theilbarkeit der Seele auf ihre Körperlichkeit (s. auch zu 657): deshalb leugnet jene Voraussetzung z. B. Claudianus Mamertus de statu an. 118 sed forsitan dicis: illa pars animae, quae in scribentis digitis est, movelur, et reliqua non movelur. hoc illi porro. contendunt. qui animam partilem putant ... inquiramus igitur, dissicine in paries animus queat. II 3 secari. omne corpus in parles polest . .. modo tu videris ulrumnam, cum cuiuslibet animantis una sit anima, dividi haec eadem possit, ut iterum quolalibet purs animae anima sit, sicut quotfalibe! pars corporis corpus est. quod quia sunorum neminem reor posse dicere ... Faustus berührt die Frage in dem Briefe, gegen den Claudianus sein Buch schreibt, nicht: aber die Lehre von der partilis ania mag damals andere Vertreter gehabt haben; von den corporalibus nosiri saeculi Epicurcis aut Cynicis spricht Claud. II 9, und als Epikureer sollen offenbar die sowmnwlli nostrates verdächtigt

VERS 639—644. 141

werden h gegen die sich der heftige Ausfall im vorhergehenden Capitel richtet.

686 Die Theilung muss rasch erfolgen, damit die Annahme aus- geschlossen ist, dass während derselben die Seele sich aus der einen Hälfte in die andere hinüberziehe; daher subilo und celeri icfu; auch in praeciderit liegt der Begriff des Jähen, Unvorbereiteten. 638 dispertifa el discissa dissicielur eine Fülle des Ausdrucks, wie oben v. 435 ff, um den Begriff des “auseinander” einruschürfen. dissiciefur nicht dis- tacietur, sondern == dis-secabitur, wie in der oben citirten Claudianstelle dissici durch secari wieder aufgenommen wird; s Ribbeck frgm. com. p. XV; dagegen I 650 acrior ardor enim conductis partibus esset, langwi- dior porro disiectis disque supatis. 642 falciferos currus (so auch V 1301) übersetzt ἅρματα δρεπανηφόρα, sonst falcati. memorant sehr gewissenhaft, denn L. kennt sie nicht &us eigener Anschauung. Gegen die Römer hatte sie Antiochus in der Schlacht bei Magnesia verwendet, bei welcher Gelegenheit sie Livius XXXVII 41 ausführlich beschreibt, da sie im Kampfe eine wichtige Rolle spielten: die Schlacht hatte auch Ennius besungen, und an seine Schilderung mag L. denken; Wendungen wie permixta caede calentis, pugnam caedesque petessit, scandit et instat haben echt epischen Klang; s. ferner zu 654. Aber auch Mithridates führte noch Sichelwagen, Appian b. Mithr. 6. 18. abscidere membra: wirk- lich scheint zu solchen Beobachtungen die furchtbare Wirkung der Sicheln eher Anlass gegeben zu haben als die anderer Waffen; s. Appian & a O. καὶ τοῖς Βιθυνοῖς τὰ δρεπανηφόρα ἅρματα ἐμπίπτοντα μετὰ ῥύμης διέκοπτε καὶ διέτεμνε τοὺς μὲν ἀθρόως εἰς δύο, τοὺς δ᾽ ἐς μέρη πολλά, τό TE τιγνόμενον ἐξέπληττε τὴν crparıdv τοῦ Νικομήδους, ὅτε ἴδοιεν ἡμιτόμους ἄνδρας ἔτι ἐμπνόους A ἐς πολλὰ διερριμέ- vouc, A τῶν δρεπάνων ἀπηρτημένους. Curtius Rufus IV 57 amputata virorum membra hund. iacebant, et quia calidis adhuc volneribus aberat dolor, trunci quoque et debiles arma non omittebant, donec mulio sanguine effuso exanimati procumberent. 648 permixta caede calentis: auf den Menschen bezogen müsste es mindestens calenfi heissen. Es ist vielmehr, wie V 1813 von den wüthenden Schlachtlówen, so hier von den Streitwagen gesagt, deren rasende Fahrt und damit zugleich die mobilitas mali so veranschaulicht wird; mefaque fervidis evilata rolis Horaz. caede permixta: Blut und Fleischtheile hafteten an ihnen, wie dort au den Löwen, Virg. Aen. XI 634 permixti caede virorum semianimes volvontur equi und Catull 64, 359 cuius (Scamandri) iter caesis angurlans corporum acervis alta tepefaciet permizta flumina caede klingen an, ohne genau dasselbe zu besagen. 644 (íremere cideatwr, zum Beweise, dass noch Seelentheile, reliquiae animai 656, darin ent- halten sind: so auch 653 digilos agitat pes und am Deutlichsten 654 ff. vom Haupte. Dagegen ist der grösste Theil der Seele, vor Allem der Geist im Körper verblieben, wie dessen ohne Störung fortgesetzte Thätig-

1) 'innezam visceribus animam corporis claustris neluds et contineri decer- nit’ man könnte denken, Lucrez sei gemeint; aber es wird nur der Satz des Faustus p. 11, 3 Eng. wiederholt: (anima) inserta membris et inligata visceri- bus .. . tenetur inclusa.

149 | COMMENTAR

keit zeigt. Die mobilitas mali ist so gross, dass der Geist, ja au Seele und Körper, kurz hominis vis nicht einmal den Schme empfindet: um so viel weniger wird sich also aus dem abgehauene Körpertheil die Seele haben zurückziehen können. Zur Schnelligkeit d Vorgangs kommt aber als weiterer Grund die Eingenommenheit d Geistes, denn animus cetera perdit. praeter quam quibus est in rebud deditus ipse IV 814. Die Anknüpfung des neuen Grundes mit ef sim wie IV 1275 ne complereniur crebro .. εἰ simul ipsa viris Venus « concinnior essei. Asyndetisch folgt dann die Schilderung der Thatsacher auf denen die Bebauptungen über den animus beruhen, ähnlich wi v. 1060 exit saepe foras magnis ex aedibus ille, 648 petessit: Subjec ist der Mann, dessen Bild natürlich bei der ganzen Schilderung den Dichter lebendig vor Augen steht; petessit drückt weniger die Wiedes holung, als die Energie des Strebens aus. 650 rotas falcesque: die den Rädern befestigten Sicheln. 653 moribundus: da er Seele ha. lebt er, aber er ist im Sterben begriffen, da die Seele ohne Geir nirgends lange verweilen kann. 654 capwt abscisum: vgl. Ennius any fr. 462 oscitat in campis caput a cervice revolsum, semianimesque mica, oculi lucemque requirunt.

657 quin eliam führt zum Schluss einen besonders schlagend Beweis ein, der den Verfechtern der Unkörperlichkeit und Unsterblic keit der Seele viel zu schaffen gemacht hat. Schon Aristoteles wies ( an. 411b 19, 413b 16) auf die Thatsache hin, dass wie bei Pflanze, so auch bei den ἔντομα Zia nach der Zerstückelung die einzeln«* Theile noch fortleben; er folgerte aher daraus nur, dass die nieder« Seelentheile nicht τόπῳψ ywpıcra seien. Bei Augustin de quar an. c. 62 führt Evodius als letztes Argument gegen die Unkörperlichke: , an, er erinnere sich quantum pueri mirare soleremus palpitantes lacertaree caudas ampulalas a cetero corpore; quem molum sine anima fieré vae | modo mihi persuadere possum, neque quo pacto fiat μὲ nullum sit anim, spatium, quando praecidi etiam cum corpore potest, intellego. August selbst erinnert sich, wie man kürzlich einen longus vermiculus mit de Schreibgriffel in viele Stücke zertheilt habe, die sich alle bewegte. atque unum ipsorum stilo tactum contorquebat se ad doloris locun. D Thatsache, meint er, sei freilich sehr schwer mit der Unkürperlichke der Seele zu vereinigen, und es gehóre ein reifer Geist dazu, um ; begreifen quod a quibusdam doctissimis viris dicilur animam per ipsam μωΐο modo, sed tamen per corpus posse partiri (c. 68 extr.). - lingua, cauda, corpore, je mit einem Attribut: lingua vibrat (wie Vir- Aen. II 211, Culex 166, Ov. Met. III 34, Stat. Theb. V 509, Silius V | 222), cauda micat der Schwanz ist keine Waffe, mit der sie drohe - ‘ninari’ könnte; corpus procerum, der Leib ist zum Angriff gestrecl vgl Ovid Met. III 78 longa trabe rectior exstat Silius VI 227 rapid | que resolvens coniorlos orbes derecto corpore totam extendit moles So erwähnt auch Virg. Georg. III 422 Kopf, Leib und Schwans d | Schlange: iamque fuga timidum caput abdidit alte, cum medü nexus e iremaeque agmina caudae solvontur. 658 serpentis utrumque == ulramg- partem, wie es Wakefield wollte, würde Niemand verstanden haben, ab sachlich halte ich es für richtig. Qwim efiam schliesst nämlich offenb ,

VERS 644—910. 143

eng an die Verse 634—641 an, in Form (si si) wie Inhalt: beide Abschnitte stammen höchst wahrscheinlich aus L’ Vorlage, nicht so 642—656, die, wie ich vermuthe, nachträglich eingelegt sind, wobei eine Abänderung des bereits Vorhandenen L. nicht nöthig erschien. Bei dieser Annahme würde der ursprüngliche Zusammenhang gewesen sein: 1. wenn du einen Körper in zwei Theile theilst... 2. ja sogar, wenn du dann die beiden Theile einer Schlange wieder in viele zertheilsi serpentis utramque in multas partis. Brieger-Giussani's Conjectur frus- cum für wíirwmque ist zunächst sehr verlockend, aber der Rumpf könnte nur im Gegensatz zu colla und cauda stehen, und es soll nicht er allein, sondern die ganze Schlange zerstückelt werden: eine pars prior (662) wird immer bleiben, auch wenn der Hals dabei nicht geschont worden ist. 660 Die Theile thun dasselbe, was die ganze lebende Schlange nach einer Verwundung, ancisa, thun würde, sie winden sich und eitern: saxa spargens (abo möge Atreus am Felsen hängen, wünscht Thyestes bei Ennius tr. fr. 414; die Schlangen bei Virg. Aen. III 29 terram tabo maculant. 663 «wt premat um zu beissen (IV 1109 pressantes dentibus ora Ovid Met. V 537 septem grana presserat ore. suo X 704 dente premunt domilo Cybeleia frena leones vgl. oris pressus Cie. de or. III 12, 43), nämlich sich selbst, wie aus dem vorhergehenden se petere zu ent- nehmen ist: dadurch wird bekanntlich der Schmerz gelindert. Object könnte auch an sich recht wohl dolorem sein, wie Lachmann wollte, aber icta wäre obne den Zusatz ardemii dolore matt und müssig. 667 ergo: die Annahme, dass viele Seelen in dem einen Körper gewesen seien, braucht nur ausgesprochen zu werden, um sogleich als gänzlich absurd und un- annehmbar einzuleuchten: so kann denn aus ihr direet die Folgerung gezogen werden, dass die eine Seele getheilt worden ist.

670—678. “Wenn die Seele unsterblich wäre und bei der Geburt in den Körper einträte, warum hat sie dann keine Erinnerung mehr an ihre Vergangenheit? Liegt das aber daran, dass sie eine grosse Ver- änderung durchgemacht hat, so spricht auch dies für ihre Sterblichkeit”. Hiermit beginnt die zweite Argumentenreihe, die sich in erster Linie gegen die Präexistenz der Seele wendet. L. deutet durch nichts an, dass er zu etwas Neuem übergehe: ihm ist die Pr&existenz nothwendige Voraussetzung der Unsterblichkeit: neben immortalis nafwra animai cow- stai steht als völlig gleichwerthig ef in corpus nascentibus insinuatur. Ein Beweis wird gar nicht für nöthig gehalten: nicht nur nach den Voraussetzungen des epikurischen Systems ist ohne Weiteres klar, dass nicht entstanden sein darf, was unvergänglich sein soll In der That sind in der Vorstellung der Alten von jeher und immer Präexistens und Un- sterblichkeit verbunden gewesen, bei Orphikern und Pythagoreern, Platon und Aristoteles, Posidonius und Varro. So kann denn z. B. Platon die ἀνάμνηςις als Unsterblichkeitsbeweis verwenden: sie wäre unmöglich εἰ μὴ ἦν που ἡμῶν fj ψυχὴ πρὶν ἐν τῷδε τῷ ἀνθριυπίνιψῳ εἴδει γενέεθαι ὥςτε καὶ ταύτῃ ἀθάνατόν τι ἔοικεν fy ψυχὴ εἶναι (Phaed. p. 72e), und andererseits L. hier mit der ἀγάμγηεις zugleich die Un- sterblichkeit leugnen. Schon Aristoteles sah sich genöthigt zu erklären, warum wir trots der Prüexistenz des voüc keine Erinnerung an das frühere Dasein haben (de an. 430a 23), und noch Aeneas von Gaza

144 COMMENTAR :

(Theophr. p. 17 Boiss.) lässt gegen die Unsterblichkeit den Euxitheos eiz wenden εἰ προβεβίωκεν t ψυχή, ἐμέμνητο ἂν ἀνεμιμνήςκετο. ... εἶτ τοῦ μὲν δημιουργοῦ καὶ τοῦ νοητοῦ κάλλους ἀναμιμνύκκεται, ὅθεν μακρά τινα χρόνον ἀπέετη᾽ τοῦ δὲ προτέρου βίου καὶ ἐπιτηδευμάτων κι παθημάτων καὶ πατρίδος καὶ γονέων παντελῶς ἐπιλέληςται͵ ὅθεν χθὲ μετῳκίζετο.

671 im corpus nascentibus insinualur und extrinsecus insinuari 68! 698. 722 (vgl. 679 perfecto corpore mobis inferri, 105 recens in corps eunt) geben das θύραθεν ἐπεικιέναι (Aristot. de gen. an. 736 b 28) ode θύραθεν eickpivecGat (Aet. plae. IV 5, 11 p. 392 D.) der Vorlage wieder. - 672 super ante actam aetate meminisse kann ebensowohl bedeuten “übe das bisher verflossene Leben hinaus eine Erinnerung haben’ (super = supera, vgl V 826 cur supera beilum Thebanum et funera Troiae no alias al quoque res cecinere poelae; dann wäre anie acta aetas wie οἱ ante acia priorque 985 das bisherige Leben; aetas ante acta I 233 die bisher verflossene Zeit), wie “auch noch das vorige Leben in Erinnerun

haben’ (super == insuper, einem eliam, wie oft bei L., nahekommenc ' dann ist anie aca aelas wie vita prior 1885. das Leben vor dei jetzigen; 832 ante acto lempore vor unserer Geburt; so πρότερος βίο oder fj προβιοτή). Nach dem Zusammenhang ist hier allein die zwei Deutung möglich: die Bezeichnung des gegenwärtigen Lebens als 'di bisher verflossene’ wäre hier durchaus unangebracht, wo. der Gedani an die Fortsetzung dieses Lebens ganz fern liegt, und dem ante a. αἱ mem. entspricht klärlich gestarum (actarum 675) rerum vestigia tener dazu 677 quae fuit ante im Gegensatz zu quae nunc est. 674 Di Gegner wird dies Vergessen aus der Veränderung der Seele erklären, di beim Eintritt in den Körper erfolgt. Plato Phaed. p. 75e λαβόντι πρὶν τενέεθαι TIrvöpevor ἀπωλέεαμεν (τὰς ἐπιςτήμαο); vgl. das Plutareh bei Olympiodor in Phaed. p. 129 ὅτι ἐν τῇ πρώτῃ Yeveceı cpodporäm μεταβολή écriv- αὕτη δὲ ἐκπλήςςει τὴν μνήμην, καὶ Tapdı Touca λήθην ἐμποιεῖ. Gegen ähnliche Annahmen zu Gunsten der Seelei wanderung wird 7541f. der schon öfters benutzte Grundsatz ins Fel geführt, dass Unsterbliches überhaupt keine Veränderung zulasse; hit etwas anders: eine Veränderung, die so gewaltig ist, dass jede Spur va Erinnerung dabei erlischt, ist vom Tode kaum zu unterscheiden. - 675 Für μνήμη waren memoria und recordatio ausgeschlossen, refinenti hat L. vielleicht selbst gebildet in Anlehnung an den Gebrauch vo tenere 618. 676 longius ist, wie hier, auch v. 789 und V 138 übe liefert; longiler, was man dafür einsetzt, m. W. nur im Citat dies Stelle bei Nonius p. 515 M. (Iongiter pro longe) und Charisius p. 18 (longiter). Der Comparativ “nieht gar weit ist nicht anzutastei vgl Plaut. Trin. 721 video caculam militarem me futurum. haud. longi ‘in nicht gar langer Zeit”. longius errat eine schöne Umbildung d trivialen Bedensart lomge esse oder abesse: das Ziel ist der Tod, w. das Ziel nicht erreicht, irrt umher. So auch 924 longe ab sensifer primordia motibus erras 860 deerrarunt passim molus ab sensibus, - 678 esse creatam, und also ebenfalls vergehen wird. -

679—112 ‘Wenn der Körper beim Eintritt der Seele schon ferti wäre, so wäre das gemeinsame Wachsthum von Körper und Seele nic!

VERS 610---688. 145

denkbar: diese müsste vielmehr wie in einer Höhle für sich leben, und dabei doch der ganze Körper Empfindung besitzen. Also ist die Seele geboren und sterblich: denn käme sie von aussen in den Körper, so könnte sie nicht eng mit ihm verbunden sein (und doch lehrt im Gegen- theil die Beobachtung, dass nicht nur die Weichtheile, sondern auch die Knochen, ja selbst die Zähne Empfindung haben); und da sie so mit dem Körper gemischt ist, kann sie ihn nicht als Ganzes verlassen (679—697). Wollte man aber annehmen, die Seele verbreite sich beim Eintritt durch den ganzen Körper, so würde sie ja eben dabei unter- gehen, wie die Speise, die sich durch den Körper zertheilt (698—712)'. 679 Nach der Lehre des θύραθεν eicxpivechar erfolgt die Beseelung erst bei der Geburt, wo also der Körper bereits fertig ist, perfecto corpore. Vgl. Ennius (dessen Seelenwanderungsglauben L. I 117 ff. berührt) ann. v. 10ff ova parire solet. genus pinnis condecoratum, non animam: e post inde venil divinitus pullis ipsa anima. Dabei bleibt, wie L. hier ausführt, die Vermischung mit dem schon fertigen Körper unerklärt: auch Aristoteles liess seinen von aussen eingetretenen Geist ἀμιγής sein. 680 animi: oben v. 495 ff., wo vom Wachsthum der Seele die Rede war, wurde mens, nicht anima genannt, vgl auch 747 vis animi pariter crescit cum corpore toto, hier wäre vielleicht anima passender gewesen, da 685 von der Empfindung des ganzen Körpers die Rede ist. 682 haud da conveniebat scil. eam inferri, ut (nunc) videatur cresse. ἴω. verbindet convenit “es schickt sich’ stets mit Infinitiv. Sie dürfte nicht mit dem Körper heranwachsen dass sie es thut, war 445 ff dargelegt und nicht in ipso sanguine: wieder, wie schon 442, eine Spur der Vorstellung von dem nahen Zusammenhang der Seele mit dem Blute; da die Speise, die dem Körper Wachsthum verleiht, zunächst durch die Adern sich ver- breitet, so wird auch die Seele zunächst im Blute genährt und wächst dort. 685 convenit: Übergang vom irrealen ins nahe hypothetische Verhültniss; sie muss ganz unabhängig vom Körper und dessen Wachs- thum für sich leben, und zwar so, dass dennoch u. s. w., μέ tamen: dass der ganze Körper, nicht nur eine bestimmte Stelle Empfindung habe, wurde öfters betont. affluat: d. i. adfluat, nicht wie Dombart, Jahrbb. 1877 p. 341 meinte, afluat: s. Joh. Stöcklein, Untersuchungen zur Bedeutungs- lehre, 1894, p. 814 686 Die Unmöglichkeit, dass bei völliger Ab- geschlossenheit der Seele doch der Körper empfinden könne, muss nach allem Vorangegangenen so unmittelbar einleuchten, dass hier ebenso wie vorhin v. 667 ein ausdrücklicher Hinweis darauf geradezu pedantisch wäre: also kann sogleich die Folgerung gezogen werden. origo und letum, interiisse und creatam esse 618, natalis dies und funus 712, natiowus und mortalis 417, compta und distracta IV 27 eine kunstvoll varüirte Zusammenstellung. 687 leti lege: in gleichem Sinne V 58 mec validas valeant aevi rescindere leges; hier giebt es kein foedus (s. zu 416), sondern alles Gewordene muss sich unter das harte Gesetz des Todes beugen. 688 nam: dieser Fall ist nicht den zu 216 besprochenen beizusählen, wo nach der Schlussfolgerung der Beweispunkt nochmals angeführt wird: denn wenigstens des zweiten Arguments nec... exire videntur posse ist noch mit keiner Silbe gedacht worden. Sondern es wird hier mit name, wie sonst häufig mit enim, etwas Neues, freilich mit dem Vorhergehenden

Lucretius v. HEIRZB. 10

146 COMMENTAR

eng zusammenhüngendes angeschlossen. Die Betonung des gemeinsamen Lebens von Körper und Seele hat nämlich die Vorstellung der räum- lichen Vermischung beider hervorgerufen: auch diese wäre beim Eintritt der Seele nach der Geburt unmöglich. Diese Vorstellung verlangt durch eine weitere Ausführung veranschaulicht zu werden: so wird 691 paren- thetisch ein neuer Satz namque ita conexa est eingefügt, und darnach erst wird der begonnene disiunctive Satz mit mec, fam contextae cum sini 695 zu Ende geführt Einen ganz ähnlichen Einschub hatten wir 428: dort aber hatte er das Gefüge des Satzes gesprengt, das hier erhalten bleibt. Lachmanns an sich unwahrscheinliche Umstellung der vv. 690—694 hinter 685 ist danach nicht nur überflüssig, sondern ver- wischt den Gedankengang und hat ausserdem zur Folge, dass v. 685 entweder mit Lachmann und Brieger corrigirt oder mit Bernays und Munro getilgt werden muss. (anto opere: ἴω. spricht von etwas Be- kanntem, was nicht hindert,. dass eine nähere Darlegung dann doch noch wünschenswerth erscheint. 690 Vielmehr ist das gerade Gegen- . theil des non potuisse offenbare Thatsache; contra fieri ist wie contra evenire, accidere u. &. verbreitet; vgl. contra csse 108. Eine merkwürdige Variation des Verses, die aber dasselbe besagt, ist IV 1088 quod fieri totum conira nalura repugnat: repugnat erklärt Munro hier richtig als conira- dicens affirmat. manifesta docet res Versschluss I 893. II 565. VI 139. 249. 692 ossa vgl. 250 postremis datur ossibus atque medullis. 693 morbus für morbi dolor, VI 657 aut alium quemvis morbi per membra dolorem: obturgescit enim. subito pes, arripit acer. saepe dolor dentes. Die Mediciner sprechen freilich stets nur vom dolor dentium: schreibt man aber deshalb mit Lachmann hier morsus, so hätte L. gerade das durch- schlagendste Indicium für seine These weggelassen stringor wird als üm. λεγ. geführt; stringere für das Wirken der Kälte ist bekannt. 694 opprimere darauf drücken, hier “darauf beissen’, s. zu 668: das Wort hat sonst in der Regel die speciellere Bedeutung des Zusammen- oder Niederdrückens, aber vgl. 1851 wam quid in oppressu calido durabit eorum, μὲ mortem effugiat, ldi sub dentibus ipsis? Danach würde man i^ [frugibus erwarten; aber das darauf Beissen ist zugleich ein Herausbeissen aus dem Brode, deshalb e. De hätte dies “heraus aus’ nicht wiedergegeben: darum schrieb L. nicht swbifo de, sondern subilis (sc. dentibus) e. So erklärt jetzt auch Nencini Riv. di fil. 1896 p. 308. Der Begriff des Raschen, Plótzlichen ist erforderlich, weil bei langsam vorsichtigem Kauen ja der Schmerz vermieden wird. 695 mec ezire incolumes: nachtrüglich wird hier die Ursache der Erscheinung angegeben, die auf Grund der Beobachtung bereits mehrfach verwerthet war, dass nämlich die Seele nicht als Ganzes den Leib verlässt. exire et exsolvere se mervis, wie 1811 vita omnibus e nervis atque ossibus. exsolvatur, dagegen 1932 animum nodis exsolvere, wo der Vorgang nicht so deut- lich als ein räumlicher vorgestellt wird; da dies bei exsolvere meist der Fall ist, ist such der blosse Ablativ dabei die Regel. Vgl v. 1060 exit magnis ex aedibus mit 519 swis mulalum finibus exit.

698 Die Seele kann, wenn sie von aussen kommt, den Körper nicht durchdringen, ohne sich dabei aufzulösen. Die Seelenatome sind mit denen des Körpers vermischt: wäre diese Mischung aber so ent-

VERS 688—708. 141

standen, dass eins zum andern hinzugethan wäre, wie etwa Wasser zum Wein, so hätte das nach Epikurs xpäcıc-Lehre doch nur geschehen können, οὐκ αὐτῶν τῶν μιγνυμένων εωμάτων «ςψζομένων ἐν τῇ διαιρέςει, ἀλλ᾽ ἀναλυομένων εἰς τὰ croixeia. καὶ τὰς ἀτόμους, ἐξ ὧν Exacrov αὐτῶν εὐυγκείμενόν πιυς τὸ μὲν οἶνος ἦν τὸ δὲ ὕδωρ τὸ δὲ μέλι τὸ δ᾽ ἄλλο τι. Die Mischung kommt also φθορᾷ τε xol yevéca τινῶν zu Stande: fj γὰρ εἰς τὰ «τοιχεῖα ἀνάλυςεις ἑκάςτου καὶ fi ἐκ τῶν croixciuv cóvOecic αὐτῶν τὸ μὲν Tévecc, τὸ δὲ φθορά (fr. 290, Alex. Aphrod. de mixt. p. 214 Br). 700 tanto quique magis: ebenso V 338. 343 quod si forte... credis .. tanto quique magis victus faleare necessest, ursprünglich, wie Lachmann zu VI 459 (vicina cacumina caelo quam sint quoque magis tanto magis edita fumant) richtig erklärt "um je so viel mehr, hier aber nur ein verstärktes íawío magis. "Wenn die Seele sich bei der Geburt durch den Körper verbreitet, so wird sie um so mehr dann, beim Tode, ausgegossen fusa (1038 animam mori- bundo corpore fudit) zugleich mit dem Körper untergehn: denn schon jenes permanare war ein Untergehen.' Man könnte daran denken, cum corpore fusa als confusa corpore zu verstehen “bei der Vermischung mit dem Körper’, weil sonst immer nur von diesem perire die Rede ist: aber dagegen spricht schon die Analogie von 758 quare dissolei quoque debent posse per arlus, denique wi inlereant una cum corpore cunctae. L. Gedanke, der nicht ganz klar hervortritt ist wohl: “wenn der Gegner annimmt, dass die Seele permanat (also, wie L. interpretirt, perit), so ist es ja doch mit der Unsterblichkeit nichts, und es liegt viel näher anzunehmen, dass die Seele nicht erst beim Eintritt in den neuen Leib, sondern schon beim Verlassen des alten vergeht” Dass dissolvi und perire identisch ist, versteht sich; aber vielleicht wird nicht Jeder zugeben, dass das permanare gleich dem dissolvi ist; deshalb wird 702 dispertitur enim per caulas corporis omnis hinzugefügt: dass dies ohne ein dissolvi nicht möglich ist, leuchtet ein. Genau so 756 gwod mulatur enim, dissolvitur, interit ergo: traiciuntur enim partes atque ordine migrant; da wird die Identität von mutari und dissolos begründet. Lachmann schrieb dispertitus und bezog es auf den cibws; aber seine Begründung de anima enim hoc dicetur infra "dum quasi per caulas? rechnet nicht mit der Häufigkeit solcher Wiederholungen bei L., und gegen L. Gepflogenheit wäre es, dem vergleichenden μέ ein so grofses Stück des Satzes vorausgehen zu lassen. 703 Die Speise vergeht, da sie sich ja in Bestandtheile des Körpers, die Empfindung haben, verwandelt, II 879 omnes natura cibos in corpora viva vertit; sie ergänzt das, was der Körper verliert (vgl. II 1128 fluere atque recedere corpora rebus multa ... sed plura accedere debent), aliam naturam sufficit ex se. in membra aique arius omnis, und zwar, wie die Seele, per caulas corporis: je mehr sich die Speise vertheilt, desto nahrhafter ist sie: daher rühmt der epikurisch gebildete Koch des Damoxenos (Athen. III p. 102 d, III p. 350 Kock) παρὰ δ᾽ ἐμοὶ τρέφει τὸ προςφερόμενον βρῶμα καὶ λεπτύνεται ὀρθῶς TE διαπνεῖ. τοιγαροῦν εἰς τοὺς πόρους χυμὸδε δμαλῶς πανταχοῦ ευνίεταται. Als Beleg dafür qwam raro corpore siet res, wird VI 946 angeführt diditur in cenas cibus omnis, auget. alstqwe corporis ertremas quoque partis unguiculosque, Gegen die Zulässigkeit 105

148 COMMENTAR

des Vergleichs wendet sich übrigens noch Ammonios (Ὁ) nach Nemes. de nat. hom. p. 129 sq. M.: ἐπὶ μὲν yàp τῶν cwudrwv fj ἕνωεις ἀλλοίιυειν τῶν εὐνιόντων πάντως ἐργάζεται, ἐπειδήπερ eic ἄλλα cópara pera- βάλλεται, dic τὰ croixeia elc τὰ ευγκρίματα, καὶ al τροφαὶ εἰς αἷμα, τὸ δὲ αἷμα εἷς εάρκα καὶ τὰ λοιπὰ μόρια τοῦ εὐματος. ἐπὶ δὲ τῶν νοητῶν Évucic μὲν γίνεται, ἀλλοίωεις δὲ οὐ παρακολουθεῖ ... καὶ fj ψυχὴ ζωὴ οὖςα, εἰ ἐν τῇ κράςει μετεβάλλετο, ἠλλοιώθη ἂν καὶ οὐκέτι ἂν ἦν Ζιυή (vgl. Priscian. solut. p. 50 sq. Byw.). 708 quibus haec animi natura creatur entspricht dem aliam naturam sufficit ex se oben. Also: es kommt doch auf ein nasci der Seele hinaus, und dazu muss etwas Anderes, nämlich eine frühere Seele, vergangen sein gemäss der Bedingung alles Werdens: »atalis dies und funus sind unzertrennlich.

713—740 ‘Bleiben im Leichnam Reste der Seele zurück? Wenn ja, so ist sie zertheilt, also sterblich (718—716); wenn nein, woher ent- stehen im verwesenden Körper die unzähligen neuen Lebewesen? Nimmt man an, dass Seelen in sie von aussen eintreten, und stófst sich auch . daran nicht, dass tausende dahin kommen, wo vorher eine war, so hat man nur die Wahl, ob sich die Seelen die Körper selbst bilden, oder erst in die fertigen eintreten (717—729). Das Erstere ist undenkbar: denn weder haben die Seelen irgend welche Veranlassung, sich Kórper zu bilden, noch die Fähigkeit dazu (730—737). Das Zweite ist unmöglich, da (wie früher eingehend nachgewiesen) die enge Verbindung der Seele mit dem Körper dann nicht entstehen könnte (738—740)' Von den beiden Theilen des Hauptdilemmas richtet sich nur der zweite (717—740) gegen die Prüexistenz: da auf ihm aber das grüfste Gewicht liegt, der erste dagegen ganz kurz erledigt wird, steht das Stück mit vollem Recht in dieser Gruppe von Argumenten. 713 Die Frage war von Demokrit bejaht worden, der sich darauf berief, dass Haare und Nägel des Leichnams zunächst noch weiter wachsen (Tertull. de an. 51), τοῦ πλείονος (θερμοῦ xai αἰςεθητικοῦ) διαπνεομένου (Aet. IV 4,7 p. 890D.).

Ueber diese Lehre war eine Controverse zwischen Épikur und Demokriteern ^ -

entstanden: Cic. Tusc. I 84, 82 (fr. 17) fac enim sic animum interire wt corpus: num igitur aliquis dolor aut omnino post morlem sensus in corpore est? nemo id quidem dicit, etsi Democritum insimulat Epicurus, Democriti negant. Lucrez unterlässt es, sich selbst ausdrücklich für eine der beiden von ihm genannten Möglichkeiten zu entscheiden: nach 898 sine menfe animoque nequit. residere per arius. lemporis exiguam partem pars ulla animai musste er seine Frage verneinen. praeterea hier ganz ausnahmsweise nicht an erster Stelle, dem Versrhythmus zu Liebe. 715 haud erit wi: vgl unten 725 hoc est «t quaerendum videatur, 188 est ulqui insinuentur, V 126 non est ut. putetur, V 978 non eral μὲ fieri. possel. 1716 partibus amissis, was also der v. 515 fl. aufgestellten Forderung widerspricht. 717 sinceris membris ist un- möglich von der Seele zu verstehen, als Gegensatz zu parlibus amissis: weder hat L. von membra der Seele gesprochen es ist die stehende Bezeichnung des Körpers und L. gebraucht es in übertragener Bedeutung nur vom mundus (mazima mundi membra V 248. 380), den er ja auch sonst mit einem Organismus vergleicht —, noch kann ablaía wohl absolut gesagt sein; vgl 439 cwm semed ex hominis membris ablata recessit.

VERS 703—7929. 149

Andererseits hätte es keinerlei Sinn, im Gegensatz zu rancenli viscere 719 hier die Unversehrtheit des Körpers zu betonen, denn dass der lebendige Leib nicht verwest war, versteht sich von selbst. Man könnte das Ueberlieferte höchstens so erklären, dass die sembra sincera sein müssen, wenn die Seele überhaupt als Ganzes entweichen soll, wührend bei einer Zerstückelung des Körpers ja auch die Seele mit getheilt wird. Ich ziehe dieser künstlichen Interpretation Fabers Conjectur sincera e vor; vgl 531 nec uno tempore sincera cexistil; dasselbe was 608. 696 incolumis heisst. sincera steht im Gegensatz zu libata, wie ia ut nullas partis liquerit zu partibus amissis. 718 nullas parlis ex se für nullas ex suis partibus, da das Ganze ja dasselbe ist, wie all seine Theile zusammen. 719 Die Würmer, die im Leichnam entstehen, gehören zu den in der antiken Zoologie viel behandelten ζῷα αὐτομάτως oder χωρὶς μίξεως γινόμενα, deren Sextus hypot. I 41 viele Classen aufzählt. Wie L. selbst sich ihre Entstehung denkt, sagt er hier nicht: aber er muss sich den Vorgang analog der Entstehung von Würmern aus feuchter Erde gedacht haben, die er II 871 (vgl. 898. 928. V 797) als Beweis für die Verwandlung der insensilia in animalia anführt (vgl. Lactanz div. inst. VII 7 Democritus vermiculorum modo pulavii homines. ceffusos esse de terra nullo auctore. nullaque ratione). Auf Epikureer kann also gehen, was Jambl. περὶ ψυχῆς, Stob. ecl. I p. 376 W. berichtet (oi περὶ Δημόκριτον καὶ Ἐπίκουρον sind vorher erwähnt): oi δὲ xarà μεταβολὴν ἐξ ἑνὸς ζῴου φθειρομένου πολλὰ ζῷα καὶ πολλὰς Zwäc παράγοντες... τὸ ἀπέραντον πλῆθος τῶν φυχῶν ἐπινοοῦειν ἐν τῷ ἀεὶ πλεῖον τίγνεεθα. Möglich, dass Demokrit die Entstehung der Thiere aus den im Körper zurückbleibenden Seelenresten erklärt hatte. Als Beispiel für den Kreislauf von Leben und Tod die Entstehung von Lebewesen im toten Körper olov εὐλῶν xal τῶν τοιούτων θηρίων bei Olympiod. in Phaed. p. 112, vgl. p. 178 Finckh. 720 vermes exspirant statt der Seele, wie II 354 das geopferte Kalb einen Blutstrom ‘aus haucht’, sanguinis exspirans calidum de pectore flumen. 121 exos οἷ exsanguis U. 8. f. dient nur zur Veranschanlichung; vgl. Arnobius IV 8 si exos genus humanum celui. quidam vermiculi nasceremur und vu 17 fervescere vermibus οἱ fluctuare.

723 privas in corpora jede für sich in ihren Körper, wozu auch noch ertrinsecus gehört. 724 cur milia mulla animarum: ganz ühn- lich widerlegt bei Aeneas Gaz. Theophr. p. 17 Boiss. Euxitheos die Pr&- existenzlehre, indem er fragt, wie sich dabei die Entstehung der Bienen im todten Ochsen erklären lasse: ἄρ᾽ οὖν fj μία ψυχὴ κερματιςθεῖςκα elc τὰς μυρίας bieckébacrat, ἃς ευλλέξας βοῦς μόνος κατεῖχεν, A τὰς πολλὰς ἐκείνη προςκαλεςαμένη τὰς τῶν μελιττῶν ἀγέλας cuvéracce; ταῦτά μοι καταγέλαςτα διαφαίγεται. 727 wie 709 ironisirt L. die gegnerische Auffassung durch Ausführung des Einzelnen: die Seelen müssten jedes wurmbildende Atom einzeln einfangen und sich daraus dann ihren Aufenthaltsort, ubi sinf, zimmern. Es ist kaum anzunehmen, dass diese Ansicht wirklich je vertreten worden ist: trotzdem wird sie von L. wie im Ernste wiederlegt. 729 quasi kann hier nicht dazu dienen, einen Ausdruck abzuschwächen oder zu entschuldigen; ein Bild liegt ja nicht vor, und ähnliche Wendungen sind schon wiederholt (679. 689.

150 ᾿ COMMENTAR

698) dagewesen. Vielmehr scheint quasi einem “etwa” an Bedeutung nahe zu kommen; so auch 814 quia nulla loci sil copia circum quo quasi res possint discedere. 180 cur faciant: von den metaphysischen Ursachen der Wiedergeburt, wie sie die Vertreter der Lehre annahmen, sieht L. ganz ab; von seinem Standpunkte aus sind sie garnicht dis- eutirbar. Der Grund, weshalb die Seelen sich Körper suchen, könnte nur physischer Natur sein; nicht eine jenseitige Macht, sondern nur die Rücksicht auf das wtile (785) könnte sie veranlassen, sich einen Leib zu bauen. wfile würde es ihnen aber nur erscheinen, wenn sie damit einem Zustand der Unlust zu entgehen hofften: φυακῶς καὶ ἀδιδάκτως τὸ Lov φεύγει μὲν τὴν ἀλγηδόνα, bubxer δὲ τὴν fjbovüv fr. 398. Es ist aber nicht abzusehen, wodurch sie belästigt werden sollten, qua re laborent (vgl. laborat 738): morbi, algus und fames werden dann als labores aufgezählt: 731 suppeditat hat ganz die Kraft eines un- persönlichen Verbs wie licet angenommen; daher davon abhängig der Infinitiv dicere, der nicht als substantivirt aufgefasst zu werden braucht. ^ 788 corpus adfine: κατὰ τὴν ὁμούρηειν Epik. ep. I p. 20,17. Alle Unlust beruht in letzter Linie auf körperlichen Leiden, daher alle Lust. auf der Abwesenheit derselben, χαρᾶς ἀρχὴ ἁπάεης fj τῆς εαρκὸς εὐςτά-- θεια nach Plut. c. Epic. 5 fr. 600; sec gaudere quemquam | nisi. propter- corpus nec dolere Cic. de fin. II 80, 98 fr. 430. So auch, wenngleich in anderem Sinne, die stoische Lehre bei Berv. Aen. VI 724 animus per se nihil patitur, sed laborat ez corporis coniunctione ... quamdiu est ine corpore, palitur eius contagiones. Vgl. ferner Philod. de morte col VIIN τὴν εὐυμπάθειαν πρὸς τὸ εὦμα τῆς ψυχῆς, εἰ καὶ τὰ πολλὰ w(ócov» μετ᾽ ὀχλήςεως αἰτία... 736 cwm subeant, sie bilden den Körper, während sie gleichzeitig sich in ihn schiniegen, sie bilden ihn

hängigen Satzes gedacht. 738 Die zweite Möglichkeit kann nach de

Ausführungen 679 ff, auf die der Prosaiker hier verweisen würde, kur| abgelehnt werden: ἐυμπάθεια (679—685) und εὐμπλοκή (688—694

könnten dann nicht stattfinden. confagia wird dureh den Genitiv cosi sensus näher bestimmt: ‘gegenseitige Berührung, die zu gemeinsamer Em} pfindung führt.

741—775. "Geistige Eigenschaften bleiben (ebemso wie körperliche" in den einzelnen Gattungen constant und vererbem sich von eine" Generation auf die andere, und zwar zeigt sich diese Aehnlichkeit voi' Beginn des Lebens an: das ist nur so zu erklären, dass der Geist ar demselben Zeugungsact wie der Körper hervorgeht und mit diesem g.' meinsam heranwächst: vertauschten die unsterbliehen Seelen einen Körp: mit dem andern, so müssten in einer Gattung ganz verschiedene Ind" viduen auftreten (741—753). Die Annahme, dass die Beele sich unt. dem Einflusse:des Körpers verändere, ist mit ihrer Unsterblichkeit u: vereinbar (154—159). Vertauschen aber die Seelen ihrem Körper imm - mur mit einem solchen der gleichen Gattung, so bleibt doch die anfün'

VERS 729—741. 161

liche Schwäche des Geistes unerklärlich (760— 764): denn auch dabei ist nicht zuzugeben, dass die Seele sich nach ihrem Körper veründere (765—768). Ferner ist nur bei der Annahme gemeinsamer Ent- stehung die gemeinsame Weiterentwickelung von Geist und Körper bis zur Vollreife zu erklären (769—771), und nur durch die Annahme gemeinsamen Verfalls (also auch gemeinsamer Entstehung) das Scheiden der Seele aus dem gealterten Körper, wozu eine unsterbliche Seele keine Veranlassung hätte, da ihr auch im verfallenden Körper keine Gefahren drohen (772—775)’. Die Thatsache, dass Geist und Körper gemein- sam entstehen, heranwacbsen und verfallen, war schon vv. 445 fl. ver- werthet: dort wurde aber der Schluss daraus gezogen, dass auch ihr endliches Schicksal das gleiche sein werde. Hier wird dieselbe Thatsache, wenn auch in gänzlich abweichender Form, als Beweis gegen die Präexistenz der Seele benutzt. Und während dort das gigni pariter nur behauptet und dann nicht weiter betont worden war, liegt hier dem Zusammenhang entsprechend darauf das Hauptgewicht, und der Beweis dafür wird aus- führlich gegeben. Dabei tritt die Seelenwanderungslehre auf, ohne als besondere Ansicht Einzelner eingeführt zu werden: sie wird als Bestand- theil des Unsterblichkeitsglaubens empfunden. Das ist beim antiken Schriftsteller nicht zu verwundern: Nemesius sagt nicht ganz mit Un- recht (p. 115 M.) κοινῇ μὲν οὖν πάντες Ἕλληνες ol τὴν ψυχὴν ἀθά- γατον ἀποφηνάμενοι τὴν μετενειυμάτωςειν δογματίζουειν. Bekämpft hat die Lehre auch Diogenes v. Oin. in seinem Abriss des epikurischen Systems, fr. 37 f. Us. p. 452f.

141 Dass Rasseeigenschaften wie violentia und pavor auf der Zu- sammensetzung der Seele beruhen, war 288 ff. gezeigt; seminiwm die aus gleichem Samen erzeugte Gattung, IV 1005 εἰ quo quaeque magis sunt aspera seminiorum (am magis in somnis eadem saevire necessust. Fast dasselbe ist saeclum: vgl. V 862 principio genus acre leomem sacvaque saecla tutatast virtus, volpes dolus εἰ fuga cervos. Da ist fuga besser am Platze als hier, wo L. das Bedürfniss empfindet, noch die Eigen- schaft, die zur Flucht antreibt, den pator, hinzuzufügen. Vgl. Virg. Aen. IX 719 inmisitque fugam Teucris atrumque timorem nach IL 9, 1 ᾿Αχαιοὺς θεςπεείη ἔχε φύζα, φόβου xpuóevtoc Eraipn. Die einfache Correctur cervis (für cerros), durch die jeder grammatische Anstoss schwindet, könnte man nur verschmähen, wenn man annimmt, durch v. 748 werde die Antwort auf die Frage im Sinne des Dichters gegeben, dadurch also den folgenden Erörterungen vorgegriffen (denn Lachmanns Einfall, den Vers einem lrrisor des Dichters zuzuschreiben und dari == monstrari, patrius pavor. incitat == imitantur pavorem patrum zu fassen, war eine seltsame Verirrung, der man nicht hätte folgen sollen). Das ist aber nicht der Fall: der Vers besagt nur, was II 664 ausgedrückt ist sefimest parentum naturam (vgl. auch IV 1214 primordia ... quae patribus patres tradunt ab stirpe. profecta); dass sich die Eigenschaften von den Eltern auf die Kinder vererben, ist eine Thatsache, die auch die An- hänger der Seelenwanderung nicht leugnen können, die sie aber auf ihre Weise erklären; und nur diese Thatsache soll hier oonstatirt werden: die fuga geht von den Eltern auf die Kinder über, und dieselbe Furcht die jene hatten, der pafriws pavor, jagt auch diese. Unvorsichtig ge-

152 COMMENTAR

wählt ist also höchstens der Ausdruck daíur, weil er genau genommen den Boden der Thatsachen verlässt und in die Auffassung, die der Dichter vertritt, bereits hineinspielt: aber ein Missverständniss war trotz- deın kaum zu befürchten. Vgl. die skeptische Bekämpfung der Astro- logie bei Cic. de div. II 45, 94 quid? quod non intellegunt. seminum vim, quae ad gignendum procreandumque plurimum calet, funditus tolli, medi- ocris error cst? quis enim non vide et formas el mores et plerosque status ac molus effingere a parentibus liberos? quod non contingeret, si haec non vis εἰ nalura. gignentium efficeret, sed temperatio lunae caelique woderatio. 744 All’ diese Eigenschaften entwickeln sich nicht etwa im Geiste für sich allein, sondern membris ingeniogue, die ja coniuncta sind; und zwar zeigen sie sich ex ineunte aevo (vgl. 344), wie besonders betont wird: denn träten sie erst später hervor, so könnte man sie auf den Einfluss der Umgebung, auf Erziehung u. s. w. zurückführen. 746 Dass jedes Ding nur aus seinem ihm bestimmten Bamen erwachsen kann, betont L. öfters, nachdem er es I 159 ff. ausführlich dargelegt hat, um den Satz mil posse creari de milo zu erhärten; 169 seminibus quia cerlis quaeque creantur. L. dachte wohl hier an jene Ausführung, wenn er den Vers begann wie I 176 si non, cerla suo quia lempore semina rerum cum confluxzerunt, patefil. quodcumque creatur. Man würde auch hier das Adjectiv eher bei semine erwarten, wie I 169 (s. o.) II 707 omnia quando seminibus certis. cería generice creata conservare. genus crescenlia posse videmus, IV 1225 wilo magis haec de semine cerio fiunt. Auch ist der blosse Ablativ bei crescit auffällig (I 189 omnia quando paulatim crescunt ut. par est semine cerlo crescere ist sehr unsicher) und mit II 1114 terreno corpore lerra crescit nicht zu vergleichen; man müsste creata aus crescit heraushören. Beide Anstösse werden beseitigt, wenn man mit ceria die Ablative swo scmine seminioque verbindet. 749 vgl Horaz od. IV 4, 29 fortes crcantur fortibus et bonis: est in iuvencis, est in equis palrum virtus, neque. inbellem feroces. progenerant aquilae columbam. 753 desiperen! saperent s. zu 299.

754 quod aiunt: diesen Ausweg erwähnt Alex. Aphrod. de anima f. 128”: die Behauptung, der Mensch unterscheide sich von Fröschen u. a. μὴ τῇ τῆς ψυχῆς δυνάμει ἀλλὰ ὀργανικῷ τινι cópam sei nicht ver- schieden τῆς ὑπό τινῶν λεγομένης pereuyuydiceuc ... fj αὐτὴ μὲν γὰρ ἐν πᾶςι τοῖς ἐμψύχοις ἔεται ψυχή, κατὰ δὲ τὰς τῶν cwudrwv διαφορὰς διαφόρως ἐνεργήςει, κἀκεῖνοι λέγουειν. Bei einer ähnlichen Aporie schlägt den gleichen Ausweg ein der (stoisch-platonische) Gewährsmann des Servius zu Aen. VI 724: non esse in animis dissimilitudinem sed in corporibus quac prowt fuerint. vel vicacia vel torpentia, ita. εἰ animos faciunt ... cum ad corpus venerit (mens) non nalura sua utitur, sed ex cius qualitate sutatur. Er macht sich auch fast denselben Einwurf wie L.: occurit illud: omne quod corrumpitur aeternum non est. si animus insanit irascitur desiderat timet, caret acternitate, cui sunt ista. contraria: nam passio aeternitatem resolvit. 166 fl. Ahnlich wie 517 ff. und 701 ff, aber doch dem Zusammenhang entsprechend etwas anders gewendet. Bei der statio findet eine Dislocirung der Theile Statt; also werden sich diese auch beim Eintritt in den Körper auflösen können, und wenn dann nicht sämmtlich, so doch jedenfalls mit dem Körper zugleich ver-

VERS 741—712. 153

gehen. mwlalur nimmt das fleci des vorhergehenden Verses wieder auf (vgl 515. 516 cowwware flectere), ohne Rücksicht darauf, dass es eben in anderm Sinne, als 'vertauschen' gebraucht war. 760 sin führt einen neuen Ausweg der Gegner ein, wie z. B. I 770 sin ila forte pulas. Brieger will das überlieferte sic halten; es zeige, dass vorher Verse ausgefallen seien, die den durch v. 764 geforderten Hinweis auf die übrigen Classen von Lebewesen enthalten haben müssten. Aber die Gegner werden zu dieser Áusdehnung ihrer Lehre gar keine Veranlassung gehabt haben, während sie L. recht wohl als nothwendige Consequens durch v. 764 andeuten konnte. Vgl. Gregor v. Nyssa de an. p. 2818 (ed. Paris. 1638, p. 102 Krab.) τινὲς μὲν γὰρ ὑβρίζουςι τῇ κοινότητι τὸ ἀνθρώπινον, τὴν αὐτὴν ἀνὰ μέρος ἀνθρώπου τε xai ἀλόγου ψυχὴν διοριζόμενοι Yirvecdan, μετενδυομένην τὰ cipara καὶ πρὸς τὸ Apecxov ἀεὶ μεταβαίνουςαν, πτηνὸν ἔνυδρον χερεαῖόν τι ζῷον γινομένην μετὰ τὸν ἄνθρωπον, καὶ πάλιν ἀπὸ τούτυν πρὸς τὴν ἀνθριυπίνην ἐπ- ανιέναι φύειν’ ἕτεροι δὲ (Emped.) καὶ μέχρι τῶν θάμνων τὸν τοιοῦτον λῆρον éxrelvovav .... τοῖς δὲ τοῦτο δοκεῖ μόνον τὸ ἐξ ἀνθρώ- που ἕτερον ἄνθρωπον ἀεὶ μεταλαμβάνειν, καὶ διὰ τῶν αὐτῶν πάντοτε τὸν ἀνθριύπινον διεξάγεςθαι βίον, νῦν μὲν ἐν τούτοις, πάλιν δὲ ἐν ἑτέροις τῶν αὐτῶν ψυχῶν εἷς τὸ διηνεκὲς γινομένων. Wer diese zuletzt Erwähnten sind, weiss ich nicht. --- 762 nec prudens οἷα. erläutert das Vorhergehende; prudens “mit einer auf Erfahrung begrün- deten Umsicht und Einsicht begabt” ist hier bezeichnender als sfullus; puerorum aetas. improvida I 939. Daran wird dann in der oben an- gedeuteten Absicht eine Analogie aus dem Thierischen angeschlossen: sec tam doctus equae e. 4. s. 765 Dagegen könnte wieder, wie schon oben, behauptet werden, dass die Seele xarà τὰς τῶν cwudrwv διαφορὰς διαφόρως ἐνεργήςει (Alex. Aphr. zu v. 754); confugient tenerascere für illuc confugient ut dicant ten.; nicht ganz so kühn Cicero Verr. III 83, 191 an... illuc confugies, vecturae difficullate adductos ternos denarios dare maluisse, im Grunde nicht verschieden von milio me venturum aliquem qui dicat me v., oder adducor rem ita esse == eo addwcor «t credam rem ita esse; defendo me fecisse == in defensione dico m. f. 167 mutata (anto opere == 774; das Argument inhaltlich dem dortigen gleich, aber hier eigenartig pointirt: cifam amittere ist gleich mori, mag es nun ‘ein’ Leben, wie hier priorem, oder 'das' Leben sein. 770 ce- pilum aetatis tangere florem «x V 847; vgl. I 564 aevi contingere florem, die ersehnte Blüthe berühren, d. h. zu ihr gelangen; Virg. Aen. VI 828 si lumina vitae attigerint. Durch den Zusatz cupilum wird flos aetatis als ein erstrebtes und erstrebenswerthes Ziel hingestellt, und somit auch die Vorstellung wachgerufen, dass sich der Erreichung des Ziels ein Hinderniss in den Weg stellen könne. Im Übrigen ist das Bild ja eines der meistverwendeten, auch im Griechischen, z. B. Solon (Bergk II p. 50) fiBnc ἐρατοῖςειν ἐπ᾿ ἄνθεει. 771 consors in origine prima verweist auf die Auseinandersetzung 831 ff. zurück: ab origine prima fiunt consorté praedita. vita. 772 Als Bubject zu quid sibi vult den Infinitiv exire scil vim animi zu fassen, ist grammatisch nicht unbedenklich (Munros Übersetzung whal means it by passing out ist jedenfalls incorrect) Zu- dem lautet die Frage besser "warum entschliesst sich die Seele, den Leib

154 COMMENTAR

zu verlassen’ als "was hat es zu bedeuten, dass sie verlässt’, denn es soll hervorgehoben werden, dass die Seele, die freiwillig in den Körper eintritt, ihn auch aus eigener Initiative wieder verlässt. Ich fasse also quid als adverbialen Accusativ. Die eigene Erklärung des Vorgangs unterdrückt L., um nicht lästiger Einförmigkeit zu verfallen: nach dem Vorigen versteht es sich von selbst, dass der gemeinsame Verfall die Folge der gemeinsamen Entstehung ist. 774 Der Körper als Haus (vgl. das sehr häufige, auch von Demokrit gebrauchte cxíjvoc), wie bei Bion (Teles p. 10H.) καθάπερ ἐξ οἰκίας... οὕτω καὶ ἐκ τοῦ cuparíou ἐξοικίζομαι. Seneca. ep. 30, 2 «ubi (in senili corpore) tamquam in putri aedificio omnis iunctuwa discluditur . . . circumspiciendum est quomodo exeas. aelatis spalio fessa vetusto: II 1174 spatio aetatis defessa ve- lusto; aetatis spatium == aelas, dann sogar spatium allein: V 827 mulier spatio defessa vetusto.

776—188 “Dass bei Zeugung und Geburt unzählige Seelen warten und um den Vortritt mit einander kämpfen sollen, ist eine ganz lächerliche Vor- - stellung; oder haben etwa gar die Seelen unter einander abgemacht, dass, wer zuerst anlangt, das Vorrecht auf den betreffenden Körper hat? Unter ähnlichen absurden Consequenzen der Seelenwanderungslehre führt Gregor v. Nyssa de an. p. 235 b (112 Krab.) an τὸ olecdaı τὴν ψυχὴν τὰς cuvödouc τῶν ἐν cuZuyla Ζώντων περιεργάζεεθαι τὰς Aoxelac ἐπι-- τηρεῖν, ἵνα τοῖς φυομένοις εὐμαεῖιν εἰεκριθῶειν: die Uebereinstimmung mit L. ist frappant, aber die weitere Ausführung weicht von L. ab. Dass! die bekämpfte Ansicht wirklich je aufgestellt worden sei, ist kaum glaublich, | aber nahe kommt ihr doch die Vorstellung gewisser Platoniker, die Porphyr.. πῶς ἐμψ. τὰ ἔμβρυα XI 2 (p. 48 Kalb.) bekämpft: οὔτ᾽ οὖν ἀναγκαζο. μένη αὐτοκίνητος ψυχὴ εἴςειειν εἰς τὰ εώματα οὔτ᾽ ἔτι μᾶλλον ἐπι 1 τηροῦςεα τὸ cröpa καὶ τὰς ῥῖνας, καταγέλαςτα δὴ ταῦτα καὶ; λέγων dv τις αἰεχύνοιτο, ἐφ᾽ οἷς τινες τῶν Πλατωνικῶν ceuvüvovrai* ... 8 οὔθ᾽ ὥςπερ ὄρνεον διὰ θυρίδος εἰς οἰκίαν, οὕτως ἵπταται διὰ. «τόματος ῥινῶν fj ψυχὴ διὰ τοῦ ἀέρος πετομένη Vgl. ferner- Hermipp. de astrol p. 60 K.-V. gegen die Seelenwanderung: navränacıwt ἄτοπον qácxev πανταχῇ περιιέναι ZnroUcac οἴκηειν (τὰς ψυχάς), ὁπότ μῖξις ἐν ζῴοις γένοιτο. --- 776 conubia Veneris sind die cóvobot τῶνυξ ἐν cuZuyig Zuvrwv, conubium bei Dichtern und späteren Prosaikern für concubitus: das wird hier durch den Zusatz Veneris noch verdeutlich (Munro führt an Ovid am. II 7, 21 quis Veneris famulae conubia libea inire ... cedit), denn Venus waltet nicht über der Ehe, sondern übe der geschlechtlichen Liebe (sogar IV 1268 riris Venus wi concimni esset == concubitus). Und zwar nicht nur der Menschen, sondern alle Lebendigen: aber wenn auch Spätere coniugium, maritus u A. (ver nubunt aliles Perv. Ven. 2) unbedenklich von Thieren brauchen, wi doch L. unter conubia nur menschliche verstanden haben. conubia Veneri und paríws ferarum ergänzen sich also zu den Gesammtbegriffen ' gattung und Geburt von Menschen und Thieren’; wo ein conubium sta gefunden hat, warten die Seelen auf den partus. ferae hier fü; armenta feraeque (II 921), colucres armenta feraeque et. pecudes et aqua (IV 1197) als Vertreter des ganzen Thiergeschlechte, wie IV 686. I 25: hinc alitur. porro nosirum genus. atque ferarum (vgl. u. a. II 598, Polla

VERS 172—181. 155

de artis voc. Lucr. p. 45). 778 Asyndetisch wird an praesto esse angefügt exspectare cerlareque, um die Lächerlichkeit der Vorstellung augenscheinlich zu machen. Sie streiten mit einander, weil sonst, wie Gregor a. a. Ὁ. die Situation ausmalt, dowoc ἐν τῷ μέεψ καὶ ἀλῆτις ψυχὴ περιπλανήςεται, τῶν μὲν οὐρανίων ἀπορρυεῖςα, εὐματος δέ, ἂν οὕτω τύχῃ, πρὸς ὑποδοχὴν ἀμοιρήςαςα, und zwar praeproperanter, mit komischer Hast. 788 neque viribus contendant, sondern höchstens celeritate. Auch hier wieder kann sich der Dichter jede kritische Be- mer ersparen. 184—805 'In der Natur sehen wir Alles an einen bestimmten Ort gebunden: so kann auch die Seele nicht ausserhalb des Körpers ent- stehen oder bestehen. Wäre das möglich, so würde viel eher noch der Geist an beliebigen Stellen des Körpers sich finden, wobei er doch noch in demselben Gefässe bliebe. Da nun selbst im Körper wieder der Seele und dem Geist bestimmte Orte angewiesen sind, so können sie noch viel weniger ausserhalb des Körpers existiren (784— 797). Also muss, wenn der Körper vergangen ist, auch die Seele, die schon vorher im Körper aufgelöst war, vergangen sein. Es ist nämlich überhaupt widersinnig, eine gemeinsame Existenz und Wirksamkeit von Sterblichem und Unsterb- lichem anzunehmen: denn es giebt doch nichts, was so von Grund aus von einander verschieden wäre: und das sollte gemeinsam den Stürmen des Lebens Trotz bieten? (798—805)’. Der Grundgedanke des Arguments war bereits früher in anderem Zusammenhange verwerthet: s. zu v. 615. Ueber die Anfügung der letzten Verse zu 798. Die Verse 784—797 hat L. im 5. Buche (128ff.) wiederholt, wobei er nur Anfang 58 statt denique) und Schluss (formamque animalem statt durare genique) ab- zuändern brauchte. Sie liefern ihm dort ein vortreffliches Argument gegen die Beseeltheit der Himmelskörper und sind so ganz an ihrem Platze: aber man erkennt doch, dass sie von bier dorthin ü sind, nicht umgekehrt: denn wenn V 126 gesagt war, der Geist könne nicht cum quovis corpore sein, so durfte strenggenommen 132 nicht schlechthin sine corpore, ohne den Zusatz "den ihr bestimmten’ gesagt werden; und wenn auch 141 sehr geschickt ergänzt wird extra corpus formamque animalem, so empfindet man doch, dass erira corpus ursprüng- lich als Gegensatz zu in corpore gedacht war. Die Ueberlieferung der Verse deckt sich (abgesehen von den gleichberechtigten Varianten im ersten Verse aequore im alto und aeqwore salso) in beiden Büchern vollständig: es ist schon aus diesem Grunde sehr bedenklich, sie ab- zuändern (Lachm. 789 longiter, 790 quid si posset, Madvig advers. crit. II 24 798 iam, dun .. . maneret). |

785 pisces in arvis: vielleicht mit Rücksicht auf die fabwla pisces posse vivere sub terra et effodi, non capi (Sen. qu. nat. III 17), s. darüber Theophrast bei Athen. VIII p. 331. 332a und Polyb. 34, 10; auch als prodi- gium: Liv. XLII 2, 5 in Gallico agro quo inducerdur aratrum sub exsistem- libus globis pisces cmersisse; Iuven. 13, 65 mirandis sub aratro piscibus invenlis. Dann könnte auch im folgenden Verse an das häufig als prodigisems gemeldete Weinen, Schwitzen, Bluten von Götterbildern gedacht sein. 787 crescat et insit mit Umkehrang der natürlichen Folge wie unten 797 dwurare genique, VI 527 celcra quae. seorsum crescunt. soorsumgeue

156 COMMENTAB

creantur. 189 longius s. zu 676. 790 Die Verbindung qwod enim hat Lachmann mit Recht für incorrect erklärt, und doch ist es nicht möglich, enim zum Hauptsatze zu ziehen: denn wenn es auch an erster. Stelle VI 1277 wiederkehrt (was Lachmann mit Unrecht leugnet), so wird es sich doch als Betheuerungspartikel, die es hier sein müsste, . im Nachsatze nicht rechtfertigen lassen ganz abgesehen davon, dass L. diesen Gebrauch sonst überhaupt nicht kennt. Madvig a. a. O. hält quod si posset enim, ohne doch auf die entgegenstehenden Bedenken einzugehen: analoge Fälle werden also auch ihm nicht bekannt gewesen sein. Trotzdem schliesse ich mich ihm an. Die relativische Anknüpfung ist bei L. bereits so überaus häufig, dass er sie nur noch schwach als solche empfunden haben mag und sich also nicht scheute, sie auch da anzuwenden, wo er, wie hier, auf die ausdrückliche Betonung des causalen Verhältnisses durch enim nicht verzichten wollte; vgl. Varro r. r. I1 4, 8 ul volutentur in luto; quae enim illorum requies, ut lacatio hominum. Munros Versuch, der Construction durch eine Parenthese (posset emim sullo prius) aufzuhelfen und den Nachsatz mit soleret beginnen zu lassen, ist sachlich wie sprachlich (Trennung von si und possci/) gänzlich ver- unglückt. 792 “Der Geist würde... sein können, und demnach auch wirklich an beliebigem Orte entstehen’: dieser nothwendige Fort- schritt des Gedankens wird verwischt, wenn auch innasci noch dem posse untergeordnet und von soleret getrennt wird. An innasci quavis in parie schliesst sich dann eng an fandem— manere: ‘würde doch dabei wenigstens .. . bleiben. Tandem in codem gehört zusammen; dabei kommt íandem einem saltem oder (amen an Bedeutung nahe, könnte aber auch als bloss hervorhebend gemeint sein: den Uebergang von dieser Anwendung zu jener (jüngeren, s. Langen Beitr. p. 88 ff.) illustrirt z. B. Terenz Eun. 1055 perfice hoc precibus pretio, «t haeream in parte aliqua. tandem. apud Thaidem; vgl. dann Titinn. fr. 58 R. sin forma odio sum, landem at moribus placeam viro. in eodem homine natürlich nicht “im selben Menschen’, sondern “in demselben, nämlich im Menschen’, was durch in eodem vase völlig klar wird. Ein Ortswechsel im gleichen Organismus wäre noch eher möglich, als ein Aufenthalt ganz ausserhalb | dieses Organismus, 797 fotum extra corpus. 194 quod quoniam findet | sich nur hier bei L., ist aber sonst nicht ungewöhnlich cerfwm ac dispositumst 187 ist hier mit Nachdruck erweitert zu constat certum dis- j videtur

798—805 Nachdem in den vorhergehenden Versen, dem Zusammen- | hang gemäss, ebenso wie 677. 686. 711. mit peinlicher Gewissenhaftig- keit das Entstehen neben dem Bestehen genannt war (crescat εἰ imsif, | oriri ncque esse, esse el inmasci, esse et crescere, durare genique), überrascht | es hier, lediglich den Schluss auf das periisse gezogen zu sehen, zumal da v. 796 f. als Clause] völlig ausgereicht hätte. Es überrascht ferner disira- | c«m in corpore tolo, wovon seit v. 614 nicht mehr die Rede war. Daran. schliesst dann mit qwippe etenim ein Hinweis auf den starken Gegensatz | zwischen Bterblichem und Unsterblichem, der ein Zusammenwirken un- möglich mache: auch dies fällt an dieser Stelle auf, wenn auch nicht wegen der Ánknüpfung mit cfenim: denn das braucht nicht das unmittel-. bar Vorhergehende zu begründen. Die erwähnten Anstösse würden aber,

4d

VERS 181---800. 161

beseitigt oder doch sehr gemildert, wenn die vv. 798—805 hinter 623 stünden. Da wird mit vollem Recht nur vom Untergang der Seele ge- sprochen, und vom distrahi war unmittelbar vorher die Rede; da fehlte die Clausel, die hier vom Ueberfluss ist; da war der allgemeine Satz aufgestellt seguitur res rem, und das Zusammenbestehen von unvereinbaren Gegensätzen als unmöglich bezeichnet: den Paaren ‘Flamme und Wasser, ‘Feuer und Kälte’ schliesst sich als drittes “Ewiges und Vergängliches’ ungezwungen an. Ich will aber nun nicht etwa die Verse dorthin stellen, sondern bin im Gegentheil der Ansicht, dass sie L. zwar zu- nächst in jenem Zusammenhange geschrieben, dann aber selbst hierher gestellt bat. Der Grund liegt auf der Hand: das Argument beruht nicht, wie alle bisher vorgebrachten, auf Thatsachen oder der thatsächlichen Unmöglichkeit von Consequenzen, die sich aus dem Unsterblichkeitsdogma ergeben, sondern auf der allgemeinen Erwägung, dass morlale und ader- sum nicht gemeinsam wirken können: es eignete sich also dazu, den Uebergang zu dem ganz auf principiellen Erwägungen fussenden ab- schliessenden Capitel 806—829 zu bilden; da nun das Argument, zu dem es den Abschluss bildete (615—623), in nur wenig veränderter Form 784 ff. wiederkehrte, enstschloss sich L. zu jener Umstellung, ohne der geringen Missstände zu achten, die sich daraus ergaben. 799 disir. in c. t. vgl. 590 disiractam corpore in ipso. Zur Hervorhebung des Ganzen ist hier kein Grund abzusehen; eher noch, wenn die Verse nach 623 stünden, da dort bei der Beweisführung selbst nur der Qeist genannt war, während aus dem allgemeinen Saize segwilur res rem auf die ganze Seele geschlossen werden konnte, 800 iungere, consentire, fungi mutua eine erschöpfende Bezeichnung für den Begriff des cuunadeiv; zum letzten Ausdruck vgl 168 parifer fungi cum corpore εἰ «ma consem- lire animum nobis in corpore cermis; IV 946 pars (animae) ... won queat esse coniuncia inter se neque motu mulua fungi, II 76 inter se mortales sutua vicont. Den drei Synonymis entsprechen drei entgegen- gesetzte: diversius aut magis inter se disiunctwun discrepitansque: inter se ist nur zum mittleren Gliede gesetzt, wirkt aber auch vorwärts und rückwärts. Von einander verschieden sind nun im Grunde nur die beiden Wesenheiten, man würde also als Fortsetzung nur erwartsn quam mortale et immortale, oder mit leichter Aenderung der Construction quam mortale immortali. Dazu kommt aber noch der Vers iunctum in concilio saevas tolerare procellas, der in mehrfacher Hinsicht höchst auffällig ist. Damit ist nämlich der ursprüngliche Gedanke “was ist mehr von einander ver- schieden?', fallen gelassen und es hat sich der weitere untergeschobem *was ist unwahrscheinlicher, als dass so verschiedene Dinge gemein- sam . .?*; und zweitens ist nun nicht mehr von gemeinsamer und wechsel- seitiger Thätigkeit, sondern ein ganz neu auftauchender Gedanke von gemeinsamem Ertragen der Lebensstürme die Rede. Diese spielen nun zwar nicht im Vorhergehenden, wohl aber im Folgenden eine Rolle: an die Behauptung, dass auch das angebliche immortale den saerae pro- cellae ausgesetzt ist, schliesst die methodische Untersuchung über deren Möglichkeit ungezwungen an. Die Richtigkeit also meiner Vermuthung über den Ursprung der vv. 798 ff. vorausgesetzt, ist wohl die weitere nicht zu kühn, dass der Abschnitt ursprünglich mit 804 schloss und 805

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erst bei der Umstellung hinzugefügt wurde: damit würde sich das selt- same Abbiegen in Form und Gedanken hinreichend erklären, ohne dass man mit Brieger eine Lücke nach 804 anzunehmen brauchte. Zu mortale quod est vgl 11079 nec quod inane autem est wlli subsistere debet: auch hier dient die Umschreibung statt des einfachen mortale zur Hervorhebung des Begriffs 805 conciliwn sonst regelmässig von der Vereinigung der Atome, durch die ein εὔγκριμα entsteht: so ist auch hier die innigste Verbindung gemeint, wie sie erforderlich ist, um gemein- sam saeras tolerare procellas. .

806—829. “Was ewig ist, muss entweder gegen jede Einwirkung von aussen unempfindlich sein, wie die Atome, oder überhaupt keine Berührung zulassen, wie das Leere, oder keinen Raum um sich haben, wohin es sich auflösen und woher zerstörende Kräfte kommen könnten. Auch die Annahme, dass die Seele dank ihrer eigenthümlichen Constitution unangreifbar sei, ist falsch; sie leidet ja unter der Krankheit des Körpers und durch den Gedanken an Zukünftiges und Gegenwärtiges; dazu kommen noch andere seelische Krankheiten” Die Verse 806—818,

in denen die Möglichkeiten ewiger Dauer aufgezählt werden, kehren

V 8511f. fast wortgetreu unter den. Argumenten für die Vergänglichkeit der Welt wieder, und es leidet keinen Zweifel, dass sie in diesem Zu- sammenhange, nicht ursprünglich für unsere Stelle, gedichtet worden sind. Während dort v. 364 ff. ganz correct nachgewiesen wird, dass auf die Welt keine der drei Möglichkeiten zutrifft, wird hier still- schweigend als selbstverständlich angenommen, dass die Seele weder solida noch inanis noch der summa summarum gleich sei, und es wird nur im Anschluss daran eine Behauptung widerlegt, die höchstens zur ersten Möglichkeit in Beziehung gesetzt werden kann, wahrscheinlich aber als ganz selbständig gedacht ist. Ferner hat es dort sehr guten Sinn, als dritte Möglichkeit das Fehlen «eines Raumes ausserhalb auf- zustellen, denn zu den Beweisen für die Unzerstörbarkeit des Weltalls gehörte, dass ἐκτὸς οὐδέν ἐςτι τοῦ κόςμου, πάντων εἰς τὴν ευμπλή- ρώςειν αὐτοῦ ευνερανιεθέντων (Philo de aet. mundi p. 611 M.): betreffs der Seele liegt der Gedanke an jene Möglichkeit ganz fern. Also hat entweder L. selbst die Verse nachträglich aus dem 5. Buche hier eingefügt; oder sie sind von einem 'lecfor philosophus’ hier als Parallel- stelle beigeschrieben gewesen und fälschlich in den Text gerathen, dem- nach zu streichen: so Lachmann (dem ausser Giussani-Brieger Alle ge- folgt sind). Etwas Aehnliches ist I 44 ff. zweifellos geschehen (vgl. auch zu 475), die Möglichkeit an sich auch hier zuzugeben, da vv. 819 ff, auch wenn sie unmittelbar an 805 anschlössen, verständlich sein würden, die beanstandeten Verse also auf den ersten Blick entbehrlich scheinen. Aber sie sind doch unentbehrlich. Die vv. 819—829 beweisen aus den Krankheiten des Geistes seine Sterblichkeit: das war v. 459 ff. be- reits so ausführlich geschehen, dass hier blosse Andeutungen genügen. Warum diese Wiederholung? Warum hier, nach allen gegen die Pr&- existenz gerichteten Argumenten wieder eins, das lediglich den Untergang - im Auge hat, also in die frübere Reihe gehört? Warum geht hier L. plötzlich auf den Standpunkt des Gegners ein, was er sonst nur thut, wenn er Einwände gegen seine eigenen Argumente zurückweist? Diese

VERS 800—816. 159

Fragen sind nur zu beantworten, wenn wir vv. 806—818 halten. Als L. Buch 5 schrieb, fand er in seiner Vorlage den erschöpfenden Nach- weis, dass die Welt nicht unvergänglich sein könne, weil ihr alle Be- dingungen der Ewigkeit fehlen. Das musste auch für die Seele zu- treffen; und so entschloss sich L., den zahlreichen im 3. Buch gegebenen Argumenten noch dies neue, methodisch höchst bedeutsame hinzuzufügen. Die gegebene Stelle dafür war der Schluss: nach der langen Reihe von Einzelbeweisen war ein letzter umfassender, der auf den allgemeinen Begriff der Ewigkeit sich berief, sehr wohl am Platze. Dabei erliess er sich und dem Leser die Feststellang der Thatsache, dass die Seele weder ganz von Leerem frei noch selbst das Leere sei, noch den ganzen Raum des Alls ausfülle, und beschränkte sieh darauf, einen Einwand gegen die Gültigkeit des allgemeinen Satzes für die Seele zurückzuweisen. 807 respuere ictus nec. penetrare pati sibi quicquam: vgl. Philo a. ἃ. O. p. 610 &rac δὲ τοῖς φθορὰν ἐνδεχομένοις αἰτίαι διτταὶ τῆς ἀπωλείας" hi μὲν ἐντός, fj δὲ ἐκτὸς mpoünóxewrat. Dieselbe Unter- scheidung hat L. hier, nur dass bei ihm alle zerstörenden Kräfte, z. B. auch Krankheiten, von aussen kommen: aber die einen wirken durch Stoss oder Schlag, die andern dringen ein und wirken dann von innen (intus 809) auflösend; vgl I 528 haec (die Atome) seque dissolvi plagis extrinsecus icta possunt, sec porro penitus penetrata reteszi . nam meque conlidi sine imami posse videlur quicquam wec framgi sec findi ..., nec capere umorem neque item manabile frigus nec penetralem ignem, 222 vis ... quae res diverberel icu aut intus penetret per inania dissolvatque. respuere: TI 888 lumen. per cormum transit, at. imber respuitur ‘prallt ab’; respuentes ictus von Diamanten Plin. n. h. 37, 57. 808 penetrare sonst stets mit Angabe des Wohin (in, ad, per ete.) oder mit Object, das hier durch sibi pati ersetzt wird. 814 sit ist hier und V 859 überliefert und nicht mit Lachmann in fif abzu- ändern, denn der Satz qwia nulla loci sit copia circum steht mit den vorhergehenden qwia swnt solido cum corpore und plagarum quia sunt experlia nicht auf gleicher Stufe: dort sind feststehende Eigenschaften der betreffenden Gegenstünde angegeben, daher der Indicativ; hier handelt es sich um etwas ausserhalb des Gegenstandes Befindliches, die loci copia, die für ihn nur gegebenen Falls, wenn ihn nämlich eine plaga trifft, in Betracht käme, daher der Conjunctiv: si accipiamt plagam, iamen locus non sit quo possint discedere. Im Folgenden meque extra quis locws ... séque corpora suni werden dann wieder thatsächliche Angaben gemacht, ebenso wie VI 827 posterius fi uli ... sit quoque vita comenda, propterea quod magna mali fit copia circum. 816 summarum sunm, in Buch 5 folgt v. 868 hanc rerum summam, unsere Welt, als Gegensatz zur summa der Welten, dem All Dessen Unveränderlichkeit und Ewig- ^ keit ist nachgewiesen II 308 nec rerum summam commutare «lla potest vis: nam neque quo possit genus ullum materiai effugere ex omni quicquams est, neque in omne seorsum unde coorla queat nova vis inrumpere οἱ omnem naturam rerum mutare et vertere molus. In ganz ähnlicher Weise wird hier die aeternitas des Alls nochmals begründet: dass kein Auseinandergehem möglich ist, genügt nicht, denn dadurch wäre z. B. ein comlidi nicht ausgeschlossen; aber hierzu wären fremde Körper erforderlich, und auch

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die kónnen nicht vorhanden sein, παρὰ yàp τὸ πᾶν οὐδέν écnv, ἂν εἰεελθὸν eic αὐτὸ τὴν μεταβολὴν ποιήςαι Epik. ep. I p. 6, 3. 817 diffugiant steht neben dissilians V 362 gleichberechtigt, wie oben in alto neben salso; vgl. effugere 1 305 (oben citirt); I 1094 ne moenia mundi diffugiant subito magnum per inane soluta. Dasselbe Wort war öfters von der vergehenden Seele gebraucht (122. 255. vgl. 222), ist also hier besser am Platze als dissiliant. Als Subject wird man nicht summae, sondern allgemein res zu denken haben.

819 Dass von den drei angeführten Müglichkeiten ewiger Dauer auf die Seele keine zutrifft, ist ohne Weiteres klar, und der Dichter darf sich also den Beweis, ja sogar die Behauptung ersparen: nicht so im 5. Buch, denn der dritte der genannten Fälle war ja wirklich für die Welt in Anspruch genommen worden, und so werden denn dort be- greiflicher Weise auch die beiden ersten mit kurzen Worten berührt. Hier dagegen schliesst L. sofort eine Widerlegung derer an, die für die Beele eine Ausnahmestellung beanspruchen und behaupten, obwohl sie . weder solida, noch inane, noch summa summarum, sei, eigne ihr doch kraft ihrer eigenthümlichen Natur Unzerstörbarkeit: ‘wenn sie aber, nicht sus einem der genannten Gründe, sondern vielmehr (magis) deshalb unsterblich sein soll ...' Die anima wird nicht genannt: das ist hier noch auffallender als 425 quoniam tenuem constare minulis corporibus docui; aber sie steht ja fortwährend zur Erörterung und beherrscht die Gedanken des Dichters wie des Lesers, so dass jedes Missverstündniss ausgeschlossen ist. Ich glaube nicht, dass man dieser fehlenden Er- wähnung wegen den Ausfall von Versen anzunehmen hat, in denen doch nichts gestanden haben könnte, was zu sagen der Mühe werth gewesen wäre. Die neue Begründung der Unsterblichkeit ist nun, dass sie durch ihre Lebenskraft, das Lebenspendende in ihr so wäre etwa res vilales zu übersetzen —, geschützt und gehalten werde: das wird dann nach zwei Seiten hin erläutert durch awí quia ... aut quia. Vilales res ist gleich vitalia; vgl. II 575 nunc hic nunc ilic superant. vitalia rerum ct superantur ilem; vilales aurae, motus Ὁ. &. oft bei L. Hier ist der Ausdruck absichtlich ganz allgemein gehalten, da& sich das Wesen dieser res vitales nicht näher angeben lässt. Schreibt man statt dessen, wie es seit Lambin allgemein geschieht, jefalibus ab rebus, so erhält man gar nichts Neues: denn lefalibus ab rebus ist auch z. B. das inane geschützt, wie überhaupt alles Unvergüngliche. Als schützende Kräfte werden die res vitales sehr lebendig gedacht, daher ab statt des blossen Ablativs. Sehr sonderbar ist der Einfall Munros: it may perhaps be a question schether the “vilalibus αὖ rebus" of mss. was not used by Lucr. in (he sense of “letalibus’ «with contempluous allusion to the usc of *vitalia' as an euphemism for *mortualia'. 821 “entweder giebt es überhaupt nichts, was die Lebenskraft angreifen könnte, oder es wird jeder An- griff rechtzeitig zurückgeschlagen' Man kann vielleicht an den von Plato Rep. X 608d geführten Beweis denken, der darauf hinausgeht, dass, da die Seele durch das ihr eigenthümliche Uebel, die Schlechtig- keit, nicht zerstört werde, sie überhaupt von zerstörenden Kräften nichts zu befürchten habe. 824 1. führt eine Ansicht, die er zu bekämpfen gedenkt, häufig wie hier si habendast mit einem realen Bedingungssatse ein:

VERS 816—828. 161

streng logischer Weise kann dann die Widerlegung nur so gegeben werden, dass eine andere anerkannte Thatsache 818 mit dieser Bedingung unver- einbar hingestellt wird; so geschieht es z.B. 1 654 cur lam variae res possent essc, ez uno si-sunt igni creatae? II 924 quod. si forte démitiumt, quid opus fuit adiribui? 324 si nulla fuit origo, cur cecinere poetae IV 387 quod si quatiunt, cur non qualiunt. Anders, wenn die Ein- führungsformel quod si forte aliquis pwtat u. ἃ. lautet: dann wird ent- weder einfach die Irrigkeit der Ansicht constatirt (errat u. s. w, 1391. II 80. 225. III 350), oder eine ähnlich abweisende Wendung ge- braucht (II 931 huic satis erit planum facere), oder die aus der Bedingung sich ergebende Folgerung genannt, (I 665 quod si forte alia credumt ratione polesse ignis in coelu stingui mulareque corpus, scilicet occidel ad nilum, ni mirum, funditus ardor omnis; 110. 916. II 560. III 538 at tamen debet. 698. V 343 tanto quique magis victus fateare necessest). Da nun hier eine solche Formel fehlt, konnte auch die Abweisung nicht lauten, wie sie Marull ergänzte scilicet a vera longe ratione remotumst; und vollends unlogisch hätte L. seine eigene Ansicht als die aus der supponirten falschen Hypothese sich ergebende Folgerung hingestellt, wenn er nach Lachmanns Ergänzung geschrieben hätte mulla famen tangunt animum mala, mulla pericla. Diese misslungenen Ergänzungen zeigen aber recht deutlich, wie schwierig für L. die correcte Fortsetzung der einmal begonnenen Construction war, da er nicht einen Widerspruch der These mit einer anderen Thatsache aufdecken, sondern das gerade Gegentheil der These behaupten wollte. Er liess also die begonnene Periode unvollendet und fuhr fort, als ob er nicht quod si forte haben- dast, sondern at non habendast gesagt hätte: ähnliche Freiheiten fanden wir bereits mehrfach (s. zu v. 429. 551). 825 Statt passivischer oder reflexiver Wendung maceralur oder se macerat wählt L. das absonder- liche advenit id quod. macerat, um auf quia non veniunt aliena salulis xu antworten. 827 praeteritis male admissis: aus den häufigen Ver- bindungen admittere scelus, flagitium wird auch admittere allein wie unser ‘etwas begeben’ in malam partem verstanden, admáéssa die Vergehen; hier durch ein Adverb verdeutlicht wie V 1228 timor ne quid. ob ad- missum foede diclumve superbe; “wenn solche male admissa auch schon in der Vergangenheit liegen, so quälen sie doch noch den Geist’: peccata nimmt lediglich das Nomen des Abl abs. wieder auf. Remordere von Gewissensbissen bei L. auch IV 1135 conscius ipse animus se forte re- mordet desidiose agere aetatem. Das Wort ist sehr selten, und in dieser speciellen Bedeutung kenne ich es aus der classischen Latinität sonst nicht (wohl aber mordere, Cic. Tusc. IV 20, 45 melius est conscientia morderi, Mart. XII 84 si citare velis acerba quaedam et tristes animi cavere morsus); Forcellini citirt Pelag. ep. ad Demetriad. 4 quid est quod conscientia remordemur: jedenfalls beweist die Uebereinstimmung der romanischen Sprachen, dass jene eingeengte Bedeutung die regelmässige, in der gewöhnlichen Sprache wohl ausschliessliche war. Ueber den Begriff der “Reue” bei Epikur zu v. 1018.

828 Mit adde führt L. meist ganz kurze ergänzende Zusätze ein, I 847 adde quod inbecilla nimis primordia fingit; IV 1121 adde qwod absumunt viris pereunique labore, adde quod alterius. sub nutu. degitur

Lucretius v. Hzrwsg. 11

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aetas; VI 330 adde quod c parvis et levibus est elementis, 611 addc vagos émbris ... adde suos fontis (dagegen weiterführend ist huc accedit wi, 1192. 215 u. 6.) So werden auch hier noch ganz kurz drei geistige Affectionen aufgezählt, auf die nach der eingebenden Erörterung v. 459 ff. nicht mehr näher einzugehen ist, die aber die zweite der vorher ge- nannten Annahmer als irrig erweisen: denn wenn auch die durch körper- liche Krankheit hervorgerufenen Leiden der Seele mit jener wieder ver- schwinden und Furcht, Sorge, Reue als im Grunde unschädlich betrachtet werden sollte, pulsa prius quam quid noceami sentire queamus, so ist das bei specifisch geistigen Erkrankungen sicher nicht angängig. Zunächst furor, animé proprius genannt im Gegensatz zu snorbis cum corporis acgret, weil er allein von den geistigen Erkrankungen ohne Begleitung von Fieber auftritt, z B. Galen vol. XVII A 159 (comment. in Hippocr. epid. I lib. II) μανίας (Ἵππ. καλεῖ) τὰς ἄνευ πυρετοῦ παραφροεύνας, Cael. Aurel chron. I 5 est autem (furor sive insania quam Graeci μανίαν cocant) alienatio tardans sime febribus, quo a phrenilicis discernitur. . Danach wird man auch unter oblivia rerum nicht die Begleiterscheinung einer anderen Krankheit zu verstehen haben (wie z. B. der Pest, VI 1213 atque etiam quosdam cepere oblivia rerum cunctarum), sondern ein specifisch geistiges Leiden; Archigenes hatte ein eigenes Buch geschrieben ἔνθα διδάςκει μνήμης βεβλαμμένης &váxrnciv, Galen de loc. aff. III vol. VIII p.148. 829 lethargus war bereits 465 ff. behandelt; in dem schönen Bilde der nigrae undae wirkt die Vorstellung des flumen Lethaewm mit. 830—1094 Dritter Haupttheil: θάνατος οὐδὲν πρὸς ἡμᾶς. 830—869 'Da also die Seele sterblich ist, so geht uns der Tod nichts an: wie wir in vergangenen Zeiten, als der punische Krieg die ganze Welt bewegte, kein Uebel empfunden haben, so werden wir nichta empfinden, wenn sich Leib und Seele getrennt haben, wir, die wir danm eben nicht mehr sein werden (830—842) Angenommen selbst, die Seele empfindet nach dem Tode, so empfinden wir doch nicht, die wix Leib und Seele sind. Und selbst wenn die Atome, aus denen wir jetzt bestehen, sich in Zukunft genau so wieder zusammenfiriden sollten, würde uns das nichts angehen: ebensowenig, wle wir jetzt eine Empfindung vo früberem Dasein haben. Es ist nämlich ganz glaublich, dass diesel Atomverbindung schon öfters dagewesen ist: aber in der Zwischenzei hat es keine Empfindung gegeben, und so ist der Zusammenhang unter brochen (848—862). Ein Leiden ist nicht denkbar ohne eine Perso die leidet: da der Tod nun das verhindert, haben wir im Tode nicht; zu fürchten: wenn einer gestorben ist, ist's so gut, als wäre er nie ge. boren (863—869)’. Hiermit beginnt L., die practischen Folgerungen. zu ziehen, auf die es ihm bei der ganzen Seelenlehre wesentlich an kommt, wie er das im Vorwort selbst ausgesprochen hat. Dieser erst Abschnitt ist eine Ausführung der an zweiter Stelle in die Κύριαι δόξα. aufgenommenen Sentenz Epikurs: θάνατος οὐδὲν πρὸς ἡμᾶς" τὸ τὰ διαλυθὲν ἀναιςθητεῖ' τὸ δ᾽ ἀναιεθητοῦν οὐδὲν πρὸς ἡμᾶς, deren Ein gangsworte Cic. de fin. II 31, 100 übersetzt wie L., mortem sikil a nos pcrünere. Den lucrezischen Gedankengang finden wir annähern genau wieder in dem aus epikurischen Quellen geflossenen Satze de Axiochos p. 3865 d ὡς οὖν ἐπὶ τῆς Δράκοντος Κλειεθένους πολιτεία

VERS 858---888. 163

οὐδὲν περὶ «ἃ κακὸν Av’ ἀρχὴν γὰρ οὐκ ἧς, περὶ ὃν ἂν ἦν᾽ οὕτως οὐδὲ μετὰ τὴν τελευτὴν γενήςεται᾽ εὖ γὰρ οὐκ ἔςει, περὶ ὃν ἔσται. Den Sinn des Relativsatzes περὶ ὃν ἔςται geben die vv. 868 .--- 869 wieder, vor denen ein Excurs eingeschoben ist, s. za v. 843 und 862. Be- merkenswerth ist, dass wir bei L. einen scheinbar zwingenden, in Wahr- heit aber nur rhetorisch wirkungsvollen Schluss Epikurs nicht finden, ep. III p. 61, 6 6 θάνατος οὐδὲν πρὸς fyiüc, ἐπειδή περ ὅταν ἡμεῖς . μὲν ὦμεν, θάνατος οὐ πάρεςτιν" ὅταν δ᾽ θάνατος παρῇ, τόθ᾽ ἡμεῖς οὐκ écuév: οὔτε οὖν πρὸς τοὺς Lüvrac ἐςτὶν οὔτε πρὸς τοὺς τε- τελευτηκότας, ἐπειδή περ περὶ οὖς μὲν οὐκ ἔςτιν, ol δ᾽ οὐκέτι elcdv. 831 Natura animé mortalis habetur anders als 532 mortalis haben-

dast, 819 inmortalis habendast, aber auch nicht zu vergleichen mit I 758 quid a vero iam distet habebis, wo habere tenere im Sinne von erfasst haben, wissen: sondern habeiwur ein verstärktes est, wie Sallust Cat 1 virtus clara aeternaque habetur, lug. 89 habebantur fidelissimi "erwiesen sich, waren treu’. 883 Der hannibalische Krieg als grösstes Ereigniss der römischen Geschichte ist als Beispiel hier weit besser geeignet, als in der oben citirten Axiochosstelle die Zeiten des Drakon und Kleisthenes: ‘selbst von dieser heftigsten Erschütterung haben wir nichts verspürt”. Dem Gegenstand entsprechend erhebt sich hier die Sprache zu epischem Schwung, im Stile hoher Poesie z. B. die Verschránkung omnia cum belli trepido concussa tumuliu horrida contremuere (vgl. Enn. ann. 811 Africa terribili tremit horrida terra tumullu) und in dubio fuere wtro- rum ... cadendum esset. omnibus humanis für in dubio fuere omnes homines etc.; aetheris oris: Ennius sat. v. 3 liquidas pilatasque aetheris oras, häufig bei L. Die Verse (oder ihr Vorbild?) haben grossen Ein- druck gemacht, wie zahlreiche, längst aufgewiesene Nachklänge bei Späteren beweisen: Cul 84 Graecia cum limit venientis undique Persas. Lucan. Phars. I 304 non secus ingenti bellorum Homa iumultu conculitur, quam si Poenus transscenderit Alpes Hannibal. Arnob. VII 50 Hansi- balem illum Poenum ... sub quo anceps et dubia res Romana contremeit, e magnitudo írepidavit; Liv. XXIX 17, 6 in discrimine est »unc kuma- num omne genus, ulrum vos am Carthaginienses principes lerrarwm videat. 837 omnes humani, 'alles, was menschliches Antlitz trügt", erweckt die Vorstellung des Allumfassenden viel mehr als ommes homines ; ähnlich Varro Marcop. sat. 289 nafura humanis omnia sunt. paria "allem, was Theil hat am Begriffe Mensch’. Nachdrücklich hervorgehoben werden sollte der Begriff auch v. 79 morüis formidine vilae percipit humanos odiem: da kann es aber nur in dem Sinne sein "Wesen, die doch an der menschlichen Vernunft Theil haben’. 838 Wenn Körper und Seele getrennt sind, werden wir nicht mehr sein, denn die Persönlich- keit besteht aus beiden innig verbundenen Wesenheiten. Das ist epiku- rische Lehre: Plut. adv. Col. 20 fr. 314 τὸ ἐξ ἀμφοῖν... cóparoc τοιοῦδε καὶ ψυχῆς, ἄνθρωπός écriv. Sextus hyp. III 229 ond δὲ xai dc εἴπερ εὐυνεςτήκαμεν ἐκ ψυχῆς xal cóparoc (so auch Philod. π. ar. e. 22, 26), 6 δὲ θάνατος bidiucic écri ψυχῆς καὶ cóparoc, ὅτε μὲν ἡμεῖς écuév, οὐκ ἔςτιν 6 θάνατος, οὐ γὰρ διαλυόμεθα, ὅτε δὲ θάνα- toc Écnv, οὐκ ἐςμὲν ἡμεῖς τῷ γὰρ μηκέτι τὴν cócraav. εἶναι τῆς ψυχῆς καὶ τοῦ cóparoc οὐδὲ ἡμεῖς ἐεμέν. Epikur hat diese Gleich-

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werthigkeit von Körper und Seele für die ‘Individualität’ des Menschen betont im Gegensatz zu der spiritualistischen Lehre, die das Wesen des Menschen allein im Geiste sah, z B. Plat legg. XII 959 τελευ- τηςάντων Adrecdaı καλῶς εἴδωλα εἶναι τὰ τῶν νεκρῶν «εώματα, τὸν δὲ ὄντα ἡμῶν ἕκαςτον ὄντιως ἀθάνατον, ψυχὴν ἐπονομαζόμενον, παρὰ θεοὺς ἄλλους ἀπιέναι. 840 haud quidquam accidere omnino poterit sensumqwe movere: das ist absichtlich möglichst allgemein aus- gedrückt “es giebt für uns überhaupt kein Ereigniss mehr’, da der allgemeine Satz mors nil ad nos erst begründet, und zwar durch die Leugnung jeder alcOncic begründet wird, sowohl der Lust wie des Schmerzes: vgl. Epikur ep. III p. 60, 15 μηδὲν πρὸς ἧμᾶς εἶναι τὸν θάνατον’ ἐπεὶ πᾶν ἀζαθὸν καὶ κακὸν ἐν αἰςθήςει' crépncic. δὲ écrlv αἰεθήεεως θάνατος. Erst v. 861 wird dann speciell das misere aegreque esse hervorgehoben. Danach wäre auch besser v. 832 das aegrum unerwühnt geblieben: es ergab sich nur zu unmittelbar aus dem gewählten Beispiel. 842 terra mari miscebitur; griechisches Sprich- wort οὐρανὸν εὐυνάπτειν, καὶ τῇ 6óÀaccav ἀναμιγνύναι: ἐπὶ Tüv «φόδρα ὀργιζομένων ἀμφότερα [Diogen.] Vind. II 14, und im selben Sinne öfters bei lateinischen Autoren, auch bei Juvenal II 25 qwis cae- lum terris non misceat ei mare caelo, wobei der Anklang an L. zufällig sein wird. Hier natürlich nicht in jenem sprichwörtlichen Sinne, son- dern == ‘und wenn die ganze Welt einstürzt'. Dabei mügen die (auch Cicero de fin. III 19, 64 bekannten) Verse ἐμοῦ θανόντος γαῖα μιχθήτω πυρὶ, οὐδὲν μέλει por, τἀμὰ τὰρ καλῶς ἔχει (F. Tr. Gr. adesp. 513) vorgeschwebt haben.

843 posiquasm nosiro de corpore distracla est, wie animae naluram corpore toto exirahere 329: auffallend ist dieser Gebrauch von distrahi, das sonst in diesem Buche regelmässig die Auflösung der Seele be- zeichnet; aber ebenso ist wohl IV 28 distracta als Gegensatz zu cum corpore compía zu fassen. So sagt Philodem de morte col IX τοὺς ἀποςπαςμοὺς τῆς ψυχῆς ἀπὸ τοῦ cóparoc, der epikurische Freund Senecas ep. 30, 14 in ipsa distractione animae corporisque, ebd. son du- bitare autem se quin. .. anima ... mec. magna vi distrahercur a cor- pore. Auch de bei distrahere ist ungewöhnlich (vgl. I 1017 dispulsa suo de coetu maleria copia); aber man hätte nicht daran denken dürfen sentire (Empfindung haben!) de n. c. zusammenzufassen; Wendungen wie Caes. b. G. V 32, 1 ex nocturno fremilu vigiliisque de profectione eorum senserunt sind etwas ganz Verschiedenes. Lachmann interpungirt nach corpore: wie er die Stelle verstanden wissen will, weiss ich nicht. 845 comptw coniugioque consistimus: wie soust durch Wiederholung von dis- den Begriff der Trennung, so verstärkt L. hier durch das drei- malige cum die Vorstellung engster Zusammengehörigkeit, compius identificirt Lachmann zu II 1061 mit co&mpfio, wie eine der strengen Formen römischer Ehe hiess, indem er, wenn ich ihn recht verstehe, leugnet, dass in coémptio der Begriff des Kaufens enthalten sei: 'complws εἰ conemplio a coniungendo dicuntur'. Das trifft kaum zu, da bei der co&mplio, und nur bei ihr, ja doch wirklich ein Kauf, wenn auch kein gegenseitiger Statt fand, und die Bezeichnung damit zusammenhüngen muss, In den Compositis comere und compius hat dagegen emere diese

VERS 858—851. | 165

Bedeutung des Kaufens natürlich nicht, also comptus Vereinigung. Das wird durch coniugium ergünzi: da discidium, xu dem es in Gegen- satz tritt, oft gleich divortium, Ehescheidung, ist, wird man auch conm- iugium als Ehe, also bildlich fassen dürfen, ohne die allgemeine, sonst meines Wissens nicht nachweisbare Bedeutung 'Vereinigung' einführen zu müssen; aber der Zusammenhang mit coniungere (349 comiunciam naluram consistere eorum u. δ.) wird dabei gefühlt, V 1012 mulier con- iuncta viro concessit. )

847 Mit si ias sentit hatte sich L. vorübergehend auf den falschen Standpunkt der Gegner gestellt, ohne das wie 540 si iam libeat con- cedere falsum ausdrücklich zu sagen; auffallend genug, denn L. traut seiner eigenen Lehre unéndlich viel mehr Überzeugungskraft zu als Cicero (um von dem skeptischen Sokrates der Apologie zu schweigen), der im 1. Buche der Tusculanen genau so wie der Verfasser des Axiochos Trostgründe für beide Fülle, der Sterblichkeit wie der Unsterb- lichkeit vereinigt. Es kam L. wohl darauf an, den Satz τῷ μηκέτι τὴν cócraciv. εἶναι τῆς ψυχῆς καὶ τοῦ εὐματος οὐδὲ ἡμεῖς ἐςμέν nach- drücklich einzuprägen. Mit mec δὲ maferiem nostram collegerit. aetas. post obitum tritt er wieder auf den Boden der eigenen Schule: Justinus de resurrect. c. 6 (fr. 2832) κατὰ τὸν Ἐπίκουρον δὲ τῶν ἀτόμων ἀφθάρ- τῶν οὐςῶν καὶ τοῦ κενοῦ παρὰ τὴν ποιὰν τάξιν καὶ θέειν τῶν ἀτό- μὼν ευντεθειμένων γίνεται τά τε ἄλλα ευγκρίματα καὶ τὸ cüpa, χρόνψ δὲ διαλυόμενον διαλύεται πάλιν εἰς τὰς ἀτόμους, ἐξ ὧν καὶ ἐγένετο. τούτων μενουεῶν ἀφθάρτων οὐδὲν ἀδύνατόν éctiv ευνελθουςῶν πάλιν καὶ τὴν αὐτὴν τάξιν καὶ θέειν λαβουςῶν ποιῆςαι πρότερον ἐγεγόνει ἐξ αὐτῶν cópga καὶ ὅμοιον ὥςπερ εἴ τις ψηφοθέτης ἐκ ψηφίδων ποιήςει ζῴου μορφήν, ἔπειτα τούτων ὑπὸ χρόνου διαλυθέντων ὑπ᾽ αὐτοῦ τοῦ ποιήεαντος τὰς αὐτὰς ἔχων ψήφους, ἐςκορπιςμένας ευναγα- γιύν, οὐκ ἀδυνατήςει εὐλλέξας αὐτὰς καὶ διαθεὶς ὁμοίως ποιῆςαι τὸ αὐτὸ εἶδος τοῦ ζῴου. Ja aus den Grundsätzen der epikurischen Lehre, die L. 854 ff. anführt, ergiebt sich für den Epikureer nicht nur die Mög- lichkeit, sondern die Nothwendigkeit derartig wiederholter Bildungen: οὐδὲν ξένον ἐν τῷ παντὶ ἀποτελεῖται παρὰ τὸν ἤδη γεγενημένον χρόνον ἄπειρον fr. 266 (Plut. stromat. fr. 8. Dox. p. 581). Die Zeit, adas, ist in schönem Bilde gedacht, wie sie die zerstreuten Theile und Theilchen mühsam aufsucht, sammelt und wieder zusammenfügt: das ist der poetische Ausdruck für ein rein zufälliges, nur im Hinblick auf die Unendlichkeit der Zukunft 'nothwendig' eintretendes Ereigniss. 849 Wenn dieselbe Atommasse, materies, in derselben Anordnung wiederkehrt, so ist voll- kommene Identität vorhanden, also wird dann uns, die wir jetzt leben, das Lebenslicht wiedergegeben sein, und doch geht das uns jetzt Lebende nichts an. V. 852 sind so zwei ‘wir’ unterschieden, qui swnc sumus und ante qui fuimus. 851 rcpetentia “Erinnerung” hat auch Arnobius II 26, 28, offenbar aus dieser L.-Stelle; repetere ist ja für “in Gedanken wiederholen, sich erinnern’ ganz üblich; vgl reprehendere 858. Streng logisch ist es nun gewiss nicht, zu sagen, 'die Wiedererinnerung an uns ist unterbrochen’, und deshalb wollte Lachmann refinentia schreiben; aber es ist wohl zu begreifen, wie beim Dichter der Gedanke inferrupfa est retinentia noslri mit dem anderen rcpcfenfia nostri non iam est zu einem,

166 ᾿ COMMENTAR

interrupla cst. repctentia nostri, verschmolz. 852 Da hier der Gedanke nicht weiter geführt, sondern nur ergünzt oder begründet wird, kann εἰ nicht zur Verknüpfung der Sätze dienen; ef nunc kenne ich aber nur in der Bedeutung “auch jetzt noch’, == etiamnunc, die es hier nicht haben kann. Mit μὲ würde dagegen sehr passend unser jetziger Zustand mit dem der Wiedergeborenen parallelisirt. mil de nobis, de partitiv ge- meint, wäre eine ganz unerhörte Verbindung, für die Wendungen wie cetera de genere hoc durchaus keine zutreffende Analogie sind. Sondern der Gebrauch von de ist im Grunde derselbe wie im folgenden neque iam de ills nos adfici angor und etwa vergleichbar mit de beim un- persönlichen sihi curae cst, Cic. ad fam. X 1, 1 mihi maximae curae est non de mea quidem vita (vgl. Hofmann-Andresen zu X 24, 2). 854 Für die Zukunft war die Wiedergeburt nur als Möglichkeit in Betracht ge- zogen, und es bedurfte also nicht des Beweises, dass diese Möglichkeit wirklich vorhanden sei; jetzt ist aber unser Verhältniss zu unseren Vor- läufern als Argument angeführt, und es wird mit Bestimmtheit von nos, qui fuimus gesprochen. Dagegen könnte leichtlich eingewendet werden: ‘wir empfinden jetzt nichts von einem früheren Dasein, weil wir zufällig noch nicht gewesen sind; aber wer bürgt uns dafür, dass wir nicht sein werden, und dass dann die Nachwirkungen unseres jetzigen Daseins ein- treten?’ Deshalb erfordert das qui fuimus eine Rechtfertigung, die 854—858 gegeben wird. Vgl dazu die oben citirte Justinstelle. 856 adcredere 'zu dem Glauben gelangen’, ad wie in addwbitare, ada- mare u. &. 858 reprehendere: es ist uns verloren gegangen, und wir können es mit dem erinnernden Geiste nicht wieder fassen (599 extre- mum vilae reprehendere veinclum), weil eben die repefentia nostri unter- brochen ist, wie die beiden folgenden Verse weiter ausführen: die Atome waren ja freilich während der vilai pausa in Bewegung, aber diese motus waren, da die Seelenatome nicht in corpore conclusa gehalten wurden, keine sensiferi, vgl. 924 longe ab sensiferis primordia motibus errant. 861 Schritt für Schritt ist L. vom geraden Wege der Erörterung weiter abgeführt worden: vom Nichtsein nach dem Tode zu dem neuen zukünftigen Sein, das doch ausser Zusammenhang mit uns steht; von da zu der Zusammenhangslosigkeit unseres jetzigen Daseins mit etwaigen früheren. Wenn er nun mit debet enim fortfährt, so dient das nicht etwa zur Begründung des zuletzt Gesagten: das wird vielmehr völlig ignorirt, denn während eben noch von einem neuen Sein die Rede war, wird hier wieder das völlige Nicht-Sein betont: es wird nicht behauptet, wenn sich auch unsere Atome wieder vereinigen, so werden wir das nicht sein, sondern ganz allgemein: der Tod vernichtet das Sein, auf ihn folgt das Nicht-Sein. Aber bei der ganzen voraufgehenden Dar- legung hat doch innerlich der Gedanke dominirt, dass wir im Tode nichts zu fürchten haben, nil mors est ad nos: und an diesen wird nun, ungeachtet des gelockerten äusseren Zusammenhangs, wieder angeknüpft. Wir haben also hier eine Wiederholung der öfters beobachteten Compositions- art; auch z.B. 607 wurde durch enim nicht das unmittelbar Vorauf- gehende, sondern die ganze These des Abschnittes begründet, s. zu 440. Zudem ist hier die Abschweifung weit weniger umfangreich und entfernt sich weniger vom Gange der Hauptuntersuchung als das z. B. 350—895

VERS 851—879. 161

der Fall war. Die Annahme, dass L. Zusätze xu (vorläufig bereits abgeschlossenen) Partieen des Gedichts gemacht habe, ohne sie in den Zusammenhang cinzupassen, und dass diese nun, vom Herausgeber ein- geschoben, den unvollendeten Zustand des Ganzen bezeugten, diese An- nahme könnte hier vielleicht noch am ehesten, für die Verse 848— 860, Glauben beanspruchen; denn es ist nicht zu leugnen, dass Vers 861 auf 842 ohne bemerkbare Lücke folgen würde, wührend er an 860 nicht unmittelbar anschliesst. Aber es ist doch wohl zweifellos, dass L. die Verse, wenn er sie später gedichtet hat, nicht etwa ohne Rücksicht auf das bereits Vorhandene, sondern gensu für die Stelle gedichtet hat, an der sie jetzt stehen, denn Vers 843 sind inhaltlich wie formell (s. B. Beziehung von wnifer apti 846 auf 839) die tadellose Fortsetzung des Vorhergehenden: man müsste also dem Dichter die seltsame Arbeitsweise zutrauen, dass er (nicht in einem, sondern, nach den Vertretern dieser Anschauung, in sehr zahlreichen Fällen) bei seinen Zu- sätzen zwar den Anschluss nach oben beachtet, den nach unten aber zunächst völlig vernachlässigt habe, um dann später all diese Vernachlässigungen wieder gut zu machen. Ich meinerseits halte das für viel weniger wabrscheinlich, als die Erklärungen, die ich in diesem und ähnlichen Fällen versucht habe. Und schliesslich, wer an der einfachen Fort- führung mit enim 861 Anstoss nimmt, frage sich doch, wie denn nun L. bei der in Aussicht genommenen Ueberarbeitung den Anstoss hätte beseitigen sollen, Er hätte höchstens den Vers nil igilur mors est ad nos neque pertinet hilum in dieser oder anderer Form wiederholen können: verbessert hätte er damit nach meinem Gefühle nichts. Der Gedanke ebenso bei Seneca ep. 36, 7: mors nullum habet incommodum: esse enim debet aljquis, cuius sit incommodum. 867 neque hilum differre: es ist so gut, als wäre er überhaupt noch nie geboren gewesen. Eine ganz ähnliche Construction von an Livius XXXVI 17, 10 condidit se intra rupes ..., iMra penitus relraclis castris: quod quantum interest ud timorem ostendendum, an muris alicuius urbis obsidendum sese incluserit? wo ebenfalls, wie Weissenborn richtig erklärt, der dem am ... sese incle- serit entsprechende Fragesatz wíirum inira fauces retracta casira habeat aus dem Vorhergehenden zu ergänzen ist; desgl Liv. XLIV 25,11 mihi inicresse, an Pellae pecunia esset. So wird hier verstanden das nicht gesagte uirum iam aliquo tempore nalus fuerit; gestorben sein und nie gewesen sein kommt auf eins hinaus. 869 morlalem vilam mors immortalis (mors aeterna 1091): vgl. Amphis b. Athen. VIII 336 c q 238 K-) θνητὸς 6 βίος, ὀλίγος οὐπὶ γῇ xpóvoc θάνατος δ᾽ θάνατός écrv, ἂν ἅπαξ τις ἀποθάνῃ.

870—893 ‘Wer sich beklagt, dass nach seinem Tode sein Leichnam verwesen, verbrennen oder von Thieren zerfleischt werden wird, mit dem steht's noch nicht ganz richtig, mag er auch selbst behaupten, an eine Empfindung im Tode nicht zu glauben: ohne es zu wissen, sieht er den Leichnam noch als sich selbst an und bedenkt nicht, dass, wenn er gestorben ist, kein zweites Ich Schmerz empfindet, wenn der Körper zerfleischt oder verbrannt wird (870—887). Denn wenn es ein Uebel ist, von wilden Thieren zerfleischt zu werden, so ist Verbrennung oder jede andere Art der Bestattung kein geringeres (888—893)' Hier

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168 - COMMENTAR

sind zwei, im Grande verschiedene τόποι nicht ganz ungezwungen ver- einigt, s. xu 888. 870 Das indignari bezeichnet nicht sowohl Furcht vor dem Schmerz denn der Betreffende behauptet ja von der Empfindungslosigkeit des todten Körpers überzeugt zu sein —, sondern ein Auflehnen gegen das, was ihm unwürdig erscheint, 884 hinc indignatur se mortalem esse creatum, 1045 tw vero dubitabis εἰ indignabere obire; Sulpicius (Cic. epp. IV 5, 4) hew nos hommmculi indignamur si quis nosirum interiit. Etwa ἀγανακτεῖν. Vgl. Kiessling zu Hor. epp. II 2, 207 mortis formidine εἰ ira. L. behauptet aber, unbewusst wirke doch die Furcht vor dem Schmerze; ganz ebenso Sokrates im Axiochos 365 0: ἀντίεχει δὲ δέος τι, ποικίλως περιαμύττον τὸν νοῦν, el creph- couai τοῦδε τοῦ φωτὸς καὶ τῶν ἀγαθῶν, ἀειδὴς δὲ καὶ ἄπυςτος ὁποί- ποτε xelcoua εηπόμενος, εἰς εὐλὰς καὶ κνιύύδαλα μεταβάλλων. cuv- ἅπτεις γάρ, ᾿Αξίοχε, παρὰ τὴν Avemmcraclav ἀνεπιλογίετως τῇ ἀναι- cOncíg αἴεθηειν, καὶ ςεαυτῷ ὑπεναντία καὶ ποιεῖς καὶ λέτεις, οὐκ ἐπιλογιζόμενος ὅτι ἅμα μὲν ὀδύρει τὴν ἀναιςθηείαν, ἅμα δὲ ἀλγεῖς ἐπὶ εήψεει καὶ crephceı τῶν ἀγαθῶν. indignari se ipsum: statt etwa zu sagen suam vicem indignari (Liv. II 81, 11), wird die Person selbst genannt, weil eben in der Identificirung der Person mit dem Leichnam schon der Irrthum liegt; daher ist auch in pwíescat und interfiat “er” als Subject beibehalten. Unten 880 tritt dann corpus wi Iacereni in Gegensatz zu ipse swi misere. 873 non sincerum sonere: das Bild vom Thongefüss, das durch Anklopfen (xwdwviZeıv, te ipsum concute Hor. sat. 1 3, 35) auf seine Unversehrtheit geprüft wird, seit Plato (The&t. p. 179 διακρούοντα εἴτε ὑγιὲς εἴτε cadpdv φθέγγεται) sehr beliebt: sincerum (Ennius fr. trag. 106 nam segue irati neque. blandi quicquam sincere sonunt) wegen des Doppelsinns “unversehrt” und 'auf- richtig” hier besonders geeignet. 876 non dat id quod promittit scil. nullum sensum in morte esse, εἰ id unde promittit sciL posi discidium corporis εἰ animae kominem non iam esse qui possit sentire oder (denn der folgende Vers erklärt dies unde) mortuum radicilus e vila sub- latum csse. Unde vertritt in der gebräuchlichen Weise ein Relativ- pronomen mit Prüposition, Sall Jug. 14, 22 tibi immaluro et «nde minime decuit vita erepta cst. Mit Wendungen, wie sie Bentley zu Horaz sat. II 2, 31 (unde datum sentis lupus hic Tiberinus an alio captus hict?) zusammenstellt, hat die vorliegende nichts gemein. Dare *wirk- lich zugeben’ als Gegensatz zu promitlere wie sonst facere wu. & 877 Mit se cicit ist CLE I 97, 12 inmodice ne quis vilae sco( pulis hae>reat, cum sit paratus portus eiac(ulant)ibus, qui nos excipiat ad quiet(em perpe)uam kaum zu vergleichen; vielmehr ist wohl (olli d cicit, beides durch radicitus bestimmt, als tv διὰ δυοῦν zu fassen: 'so schwer ist es, sich als nichtseiend zu denken’.

879 Wenn sich einem das Bild des zerfleischten Körpers vor die Seele stellt (proponi! s. zu 188), so bemitleidet er (irrthümlicher Weise) sich selbst, denn er vermag es nicht, seine Persönlichkeit von dem Leichnam zu trennen. Die dem diridere zu Grunde liegende räumliche Vorstellung drängt zur weiteren Veranschaulichung: ‘er entfernt sich nicht weit genug vom hingestreckten Körper’ (removet zu 69); daraus ergiebt sich für illum se fingit die bildliche Umschreibung 'er tritt heram (ad-

VERS 870—891. 169

sans), so dass er ihn berühren (comíaminare conlingere C G L IV 42, contingere. allaminure ebd. 86) und ihm so Theil an seiner Empfindung geben kann’, vgl. VI 1188 croci contacta colore II 501 purpura Thessalico concharum lacia colore, III 896 pectus dulcedine fangen Damit ist denn ganz klar gemacht, dass jenem indignari eine Verdoppelung des eigenen Ich zu Grunde liegt, während es doch in vera snorte nicht, wie im Phantasiebilde, neben dem todten Ich, dem iacens, noch ein zweites lebendes, síams (887), geben wird. Vgl. Plat. Phaed. 115c οὐ πείθυ Κρίτωνα, ὡς émb εἰμι οὗτος Σωκράτης νυνὶ διαλεγόμενος καὶ διατάττων ἕκαςτον τῶν λεγομένων, ἀλλ᾽ οἴεταί με ἑκεῖνον εἶναι, ὃν ὄψεται ὀλίγον ὕςτερον νεκρόν, καὶ épuwrQ δή, πῶς μὲ θάπτῃ, wo freilich unter dem wahren Ich die Seele verstanden wird. 888 Bisher ist unterschiedslos von den verschiedenen Arten des körperlichen Vergehens gesprochen worden (wie in der oben citirten Axiochosstelle); das wird durch mam gerechtfertigt, und dabei kurz der Werth, der gemeinhin auf fórmliche Bestattung gelegt wird, als eingebildet dargethan, in einer der Popular- philosophie sehr gel&ufipen Form: τί Ocobópw μέλει πότερον ὑπὲρ γῆς ὑπὸ τῆς εήπεται (Plut. an. vitios, ad infel suff. p. 499 d) und Theodoros’ Schüler Bion bei Teles p. 23H. εἰ δὲ μὴ κρυφθείης, ἀλλὰ ἄταφος ῥιφθείης, τί τὸ bucyepéc; τί διαφέρει ὑπὸ πυρὸς xaraxav- θῆναι ὑπὸ κυνὸς καταβρωθῆναι f) ἐπάνω τῆς τῆς ὄντα ὑπὸ κοράκων h κατορυχθέντα ὑπὸ «κωλήκων; Mit weitschweifiger Gelehrsamkeit be- handelte dann den τόπος Chrysipp (vgl Cic. Tuse. I 48 ff) andere Stoiker folgten ihm; von gesuchter Trivialität die Declamation bei Petron c. 115. Dass Epikureer auf demselben Standpunkt gegenüber den Bestattungsriten stehen, ist selbstverstündlich: Ep. verneint die Frage el εοφὸς ἀνὴρ ταφῆς φροντιεῖ (fr. 578); vgl. Philodem de morte c. 32 τὸ δ᾽ ὑπ᾽ ἰχθύων καταβρωθῆναι χεῖρον ... οὐδὲν ἔχει τοῦ τῇ κεκρυμ- μένον ὑπ᾽ εὐλῶν καὶ ε«κωλήκων A κείμενον ἐπὶ γῆς ὑπὸ πυρός, ὅταν ve μήτ᾽ ἐκείνυν μήτε τούτων αἴςθηεις τῷ λειψάνῳ. L. sich die Banalität des ὅταν μὴ αἴςθηεις j, indem er Worte wählt, die eine alcOncic voraussetzen suffocari, rigere, urgeri —: dadurch leuchtet die Absurdität der Vorstellung ohne Weiteres ein. 889 tradare *hin- und herzerren’ sehr anschaulich von den Thieren, die sich die Beute streitig machen. 891 Von der Verbrennung, die zunächst allein in Frage kam, werden durch au? drei weitere Arten der Bestattung ge- schieden: .. swffocari alque rigere ... urgerive. in melle situm: Honig oder Wachs zur Einbalsamirung des Leichnams namentlich im Orient gebräuchlich (Herod. I 189. Xenoph. Hell V 8, 19. Ioseph. b.L I 9, 1. Stat. εἶν. III 2, 117. Cic. Tusc. I 45, 108. Plin. n. h. VII 35. XXII 108 sellis natura lalis est μὲ pulrescere corpora non sinat), nach Varro (sat. 81 B. ut selle servarent) auch von Demokrit empfohlen. 892 summo cubat aeqwore saxi: von Begrübnissarten (denn nur eine solche, nicht die expositio der Leiche, kann gemeint sein) die wir kennen, kann hier wohl nur das Beisetzen in steinernen Grabkammern, ohne Sarg, in Frage kommen; in summo ist freilich auch so noch nicht ganz richtig, da man darunter doch die Felsoberfläche verstehen sollte: aber es wird schon an den Gegensatz des Liegens auf den Steinbetten zu dem Begrabensein in der Erde, der inkumalio, gedacht. aequor die gleich-

110 . COMMENTAR

mässig ebene Fläche, IV 107 spccwlorum cz acquorc, Ennius ann. 140 per aequora campi. 893 urgeri ponderc terrae gemahnt an die unausrottbare Vorstellung, dass der Todte die Last der auf ihn geh&uften Erde em- pfinde, die Vorstellung, die in dem Wunsche sit tibi terra levie ihren Ausdruck findet.

894—911 'Auch das bange Mitleid mit Verstorbenen und die übermüssige Trauer der Hinterbliebenen werden durch klare und überzeugte Einsicht in das Wesen des Todes gelindert' Die Einführung von Áeusserungen eines fingirten Gegners in directer Rede gehört zu den wirksamsten Kunstmitteln des Diatribenstils. L. wendet sie in eigen- thümlieher Form an, dem Inhalt seiner Diatribe entsprechend. Es sind keine Gründe mehr zu widerlegen, kein Gegner ist mehr zu überzeugen; die Wissenschaft hat mit ni} mors est ad nos ihr letztes Wort gesprochen. Aber die Trauer am offenen Grabe weicht nicht vor Argumenten: hier hilft nur Zuspruch und Trost. So lässt uns denn L. die Todtenklage selbst mit anhören und zeigt, dass die feste Ueberzeugung vom Auf- hören der alcOncic im Tode geeignet sei, auch Mitleid und Trauer zu lindern. 894 domus accipiet te laeta wird ausgemalt durch neqwe uxor neque occurrent nali, wobei aber als Prädicat zu uxor noch mehr accipiet als occurret! hinzuzudenken ist. «xor optima und dulces mati sind stehende Verbindungen; an L. dachte Virgil Georg. II 523 dulces pendent circum oscula nati, casta. pudicitiam servat. domus; Aen. I 502 Latonae tacitum pertemplant gaudia pectus vielleicht ebenso, wie L. hier, an Tl. 18, 556 βαειλεὺς δ᾽ ἐν τοῖει εἰωπᾷ ... ἑςτήκει ... γηθόευνος xfip. tungent s. zu 883. Den Infinitiv beim Verbum der Bewegung (occurrent ... praeripere) hat L. nur an dieser einen Stelle. 897 factis florentibus esse wohl dasselbe, was Cic. or. I 1,1 ausdrückt Aomoribus rerum - gestarum gloria florere; vgl. V 828 quo tot facta virum toliens cecidere nee usquam acternis famae monimentis insita florent. Zum Gebrauch des Ablativs vgl IV 392 adsiduo suni omnia molw 1171 esto quanto vis oris honore V 1279 floretque reperbun laudibus οἱ miro est ... honore. Der metaphorische Gebrauch von florere, der ja überhaupt weite Grenzen hat (Nägelsbach Stil." 442), ist bei L. besonders ausgebreitet, x. B. IV 450 florentia lumina flammis, V 1164 nunc in magnis florent sacra. rebus locisque, V 1442 mare velivolis florebat puppibus (πέλαγος ἀνθοῦν vé- xpoic Aesch. Ag. 645); Serv. zu Aen. VII 804 (florentes aere catervas) Ennius et Lucretius florere dicunt omne quod nitidum est. tuisque prae- sidiwm: für den Verstorbenen gilt ja auch hier nec iam desiderat; weniger leicht kann Philodem dem Lebenden über seine Sorge um das Loos der Zurückbleibenden hinweghelfen, denn (col 25) τὸ καταλείπειν γονεῖς παῖδας γαμετὴν A τινας ἄλλους τῶν ἐπιτηδείων, ἐν ευμφοραῖς écoué£vouc διὰ τὴν καταςτροφὴν ἡμῶν A καὶ τῶν ἀναγκαίων ἐλλείψον- τας, ἔχει μὲν ἀμέλει φυεικώτατον δηγμὸν καὶ δακρύων προέεεις ἐγείρει τῷ νοῦν ἔχοντι μόνον A nálicra. 898 omnia unus: die Anti- these ergiebt sich leicht aus dem Gedanken; vgl. Cornel. Severus b. Sen. suas. 6 quid favor aut coctus, pleni quid honoribus anni profuerant? sacris ex- culta quid artibus aetas? abstulit una dies aevi decus. CIL. X 2488 abstulit haec «unus iot lanitaque munera. nobis. perfidus. infelix. horrificusque dies. 899 pracmia vilae bezeichnet Alles, was das Leben auszeichnet und glück-

VERS 892—906. 171

lich macht, τελευτήςαντι ευναναιρεῖται πάντα bi div dv nc εὐδαι- μονήςειεν Lykurgos 60; so auch 956 vilai pracmia, V 1450 praemia, delicias quoque vilae; 5 qui talia nobis ... praemia liquit, uns beglückt hat; vgl Cic. Tusc. V 7,20 Xerxes refertus omnibus praemiis donisque fortunae; Plin. n. h. XIV 137 (vinum constat) tanta. dulcedine, ut magna pars non aliud vitae praemium intellegat; Hor. sat. I 5, 35 insani prac- mia scribae die Auszeichnungen, Amtsabzeichen des zum Aedilen avancirten scriba. Zum Gedanken vgl. die crépncic τῶν ἀγαθῶν τοῦ ζῆν Axioch.369 d, illud angit vel potius excruciat, discessus ab omnibus iis quae sunt. bona in vita Cic. Tusc. I 34, 83. 902 ‘Wenn sie davon sich wirklich innerlich überzeugten’ dictisque sequantur: man könnte das vielleicht auffassen ‘und dieser Ueberzeugung in Worten Ausdruck güben, statt

sich in unbegründeten Klagen zu ergehen’; vgl. Epikurs Vorschrift (Sprach- sammlung n. 41) μηδαμῇ λήγειν τὰς ἐκ τῆς ὀρθῆς qilocoopíac φωνὰς ἀφιέντας "nimmer aufhören, die Kernsprüche aus der wahren Philosophie sich vorzusagen' (Usener Wiener Stud. 10, 189) Aber um Gram und Furcht zu vertreiben, genügt doch das bee videre animo: daa Qwväc ἀφιέναι soll ja nur dazu dienen, die Ueberzeugung zu festigen. Ich fasse also dictis sequi analog zu vestigiis sequi Liv. IX 45, 16 u. 0.; "es nicht nur sagen (addere), sondern fest davon überzeugt sein, also den durch die Worte vorgezeichneten Weg verfolgen. 903 dissolvant se angore: dem liegt die Vorstellung zu Grunde, dass der Mensch an die Furcht gefesselt war, während sonst L. regelmässig Furcht u. s. w. als im Menschen wohnend ansieht, doch vgl. auch II 46 vacuum pectus curaque solutum 19 cura semolus metuque. Ueber angor zu 998.

904 'Andere wieder preisen zwar den Gestorbenen glücklich, geben sich aber selbst ausschweifender Trauer hin’. Dass der Standpunkt dessen, der hier redet, ein von dem vorigen verschiedener ist, ergiebt sich aus den Worten: jede besondere Einführung wäre schwerfällig und vom Uebel 906 cinefactum in cinerem dissolutum, figuratio μὲ tepefachwn εἰ labefactum Non. p. 98, der als Beleg diesen Vers anführt. Lachmann bestritt die Erklärung: ‘cinefactus non est is qui cinis faclus est, quem latine licebat dicere cinificatum ..., sed prope cinefactus est qui iam prope cineris colorem e adspectum nanctus est’. Die Abschwächung des cinefactus durch prope wäre höchst unpoetisch, und in Verbindung mit bustum kann bei dem Wort an nichts Anderes gedacht werden, als an die Verbrennung der Leiche; es ist aber auch gar nicht abzusehen, warum das zu Grunde liegende Verbum, *cinerere oder *cinere (Deecke, Facere und fieri in der Composition mit anderen Verben, p. 22), nicht ‘zu Asche werden’, cinefieri also “zu Asche gemacht werden” bedeutet. haben sol. prope ‘nahe bei’: dass sie dabei standen und mit eigenen Augen saben, wie der theure Leib zu Asche wurde, hat den Schmerz verstärkt: die Klage am Scheiterhaufen oder Grab wird ja von den Dichtern immer wieder als besonders herzzerreissend geschildert; man denke an die eingangs der Andria erzählte Scene, oder vgl. Tib. I 1, 61 flebis εἰ arsuro positum me Delia lecto; II 4, 46 ardentem flebitur ante rogum; Stat. silv. II 1, 31 iuxta busta profusis matribus; IH 8,8 quis inexpleto rumpentem pectora questu complexwnque rogos incum- bentemque favillis aspiciens; 40 similis gemeui proiectus ad ignis;

172 COMMENTAR

V 3,241 seiungere malrem iam gelidis nequeo buslis. horrificus dies in der zu 898 citirten Inschrift der Todestag. 907 insatiabiliter wohl von L. gebildet: wie bei Hor. epp. I 14,7 fratrem macrenlis, rapto de fralre dolentis insolabiliter (s. Kiessl. z. St.) ist die lange Wortform in bestimmter malender Absicht gewählt. So reden die Grabschriften, fletus in perpeluo miserae reliquisti dolore C. L. E. I 537, hunc miseri in- gemucre parentes. perculsi longo luctu iristitiaque perenni 526, ac tribus est dala nunc requies ... mihi soli cura. relicta est vitaque cum gemilu 544 (mit Buechelers Ergänzungen); καὶ μέν, πάντειμε, γόων ἀπάτερθεν laveıc, μοχθηρὸν μερόπων ἐκπρολιποῦςα Blov: cóc δὲ πόεις δύετλητα πανημέριος τολυπεύςεει, Öccwv ἀέναον δάκρυον ἐκπροχέων e. 4. 8. Kaibel 562 (Romae) 909 Die Frage will nicht Schmerz und Trauer überhaupt als unberechtigt hinstellen, vielmehr τοῖς ávai- poücı λύπας xai δάκρυα καὶ «ετεναγμοὺς ἐπὶ ταῖς τῶν φίλων τελευ- ταῖς μάχονται καὶ λέγουςει τὴν εἰς τὸ ἀπαθὲς xadecrücav ἀλυπίαν ἀφ᾽ ἑτέρου κακοῦ μείζονος ὑπάρχειν, ὠμότητος A δοξοκοπίας ἀκράτου καὶ λύπης, διὸ πάςχειν τι βέλτιον εἶναι καὶ λυπεῖεθαι καὶ νὴ Δία λιπαί- veıv τοὺς ὀφθαλμοὺς καὶ τήκεεθαι, wie Ep. selbst τ. a. in seiner Trost- schrift an Dositheos gesagt hat (Plut. c. Ep. c. 20 fr. 120): er be- hauptete ja such λυπήςεςθαι τὸν cop6v (Diog. Laert. X 119 fr. 597). Wohl aber geht ein actermus maeror über das Maass des Natürlichen hinaus; und da mag der Gedanke, den der Leidtragende ja selbst aus- gesprochen hat, rem ad somnum et quietem. rediisse, lindernd wirken. So hält wohl auch Philodem (de mort. c. 17) beim Tode von Jünglingen den Gedanken für tröstlich, dass sie πολλὰ cuvamoicovrat τῶν ἐν τῷ ζῆν κακῶν. Es genügt hier der blosse Hinweis auf die eigene Aeusserung des Klagenden: sehr überflüssig und widersinnig aber würe es, ihm den eingehenden Beweis seiner Auffassung eris privalus dolo- ribus zu liefern und die vv. 919 ---980 gleich hier anzuschliessen; die dazwischen liegenden vv. 912—918 sind also an dieser Stelle unent- behrlich. |

912—930 'Auch beim Becher gedenken Viele der Kürze des Lebens- genusses, der einmal vergangen niemals wiederkehren werde. Als ob man im Tode Verlangen nach Trank oder sonst irgend etwas empfände. Verlangt man doch selbst im Schlafe nach nichts: wie viel weniger im Tode, von dem es kein Erwachen giebt”. 'Geniesse dein Leben: bald wird Alles dahin sein’ die Mahnung ist zu allen Zeiten in unzähligen Wendungen wiederholt worden. Zwei Gelegenheiten vor Allem sind dazu geeignet, sie einzuschürfen: die Entbehrung jedes Genusses im Tode, aus der heraus die Grabschrift den Lebenden mahnt; und die Fülle des Genusses, «bi discubuere tenentque pocula homines: da liess man sich ja geflissentlich durch Skelette und skelettgeschmückte Becher an den Tod erinnern und Mahnungen su raschem Genusse zurufen, Mahnungen, die alle im Grunde auf ein ζῶν! ‘solange du lebst!” hinauslaufen. Der Genuss- mensch, der sich Epikureer dünkt, mag so denken und sprechen: der echte Schüler Epikurs geniesst das Leben als Leben, ohne des Gedankens an den Tod zur Aufstachelung der Lust zu bedürfen. Aber immerhin hätte, vom Standpunkte eines consequenten Hedonismus aus, der Gedanke an die Entbehrungen des Todes einen gewissen practischen Werth, wenn

VERS 906—918. 173

er zu ausgiebigerem Genusse des Lebens führte; das kann L. hier nicht brauchen, und so hört er denn von den Reden der Bechernden nicht die Mahnung zur Fróhlichkeit, sondern nur die melancholische Betrachtung über die Kürze des Genusses, die sich mit dem Gedanken an die künftige Entbehrung verbindet: auch hier mitten im Geniessen Todesfurcht, meqwe ullam esse voluptatem liquidas puramque relinquit. 918 saepe steht im Nebensatze, bezieht sich aber auf's Ganze, wie 1050 mec reperire potes libi quid sit saepe sali II 85 nam cum cila saepe obvia conflizere, fit wt diversa repente dissiliant IV 33 eadem nobis vigilantibus mentes terrificant alque in somnis, cum saepe figuras contuimur; vgl. auch III 363. inumbrant: cxıdZeıv umbrare von Blumen und Kränzen wie auch von Haar und Bart häufig, II 627 ningunique rosarum floribus wmbrantes matrem comilumque catervas; ora, wie Stat. Theb. I 108 centum illi (Tisiphonae) stantes umbrabant ora cerastae: in ähnlichen Verbindungen pflegen sonst fempora genannt zu werden (beim Bart genae), also das, was bedeckt wird; hier muss an den Schatten gedacht sein, der vom Kranz aufs Antlitz fällt: denn statt caput ist ora nicht gesagt worden. Aber der Kranz braucht ja auch nicht auf dem Scheitel zu sitzen; Tib. I 7,45 frons redimite corymbis; Anakr. fr. 54 ἐπὶ δ᾽ ὀφρύειν celi- vuv crepavíckouc θέμενοι. Den Becherrand zu bekrünzen, scheint in Rom nicht Sitte gewesen zu sein. 914 ex animo mit voller Ueber- zeugung: es ist nicht nur leicht hingeworfene Redensart, die zum Trinken locken soll, sondern die Furcht vorm Tode haftet in ihnen. homullus wie Sulpicius (zu v. 870) nos homunculi, Petron. c. 84 nos miseros! quam lotus homuncio nil est; C. G. L. II 227 ἀνθρωπάριον (aus der stoischen Popularlitteratar bekannt) homullus homuncio. 915 iam fuerit, Futurum des Perf. Prüs. 916 Aoc mali (1050 tibi quid sit mali, 909 quid sit

amari tanto opere) cum primis eorum (molis) sit: cum primis ist also -

noch durchaus nicht zum Adverb erstarrt. Vgl. Sen. ep. 99, 4 hoc habet inter reliqua mali dolor isle. 917 Die Form torro neben torreo ist zwar sonst m. W. nicht überliefert, aber das gleiche Schwanken ist so häufig (vgl Lindsay lat. langu. p. 476 Iob le présent p..371 u ὅλ dass ihre Möglichkeit anzuerkennen ist; L. gebraucht auch fwlgere neben fulgere, densare neben densere. Lachmann schrieb forres: für die Existenz der Form neben dem Mascul. forris giebt die gelegentliche Ueberlieferung in Glossaren keine Gewähr: C. G. L. II 237 ἀπόκαυμα ustilatio torres, aber torris δαλός Prise. 1169 (und C. G. L. Π 199) und baAóc: ξύλου ἀπόκαυμα Et. M., so dass dort forris in der üblichen Bedeutung == fustis adustus in foco (C. G. L. IV 185. 575. V 249) gemeint sein wird; C. G. L. IV 397 torres: lignum perustum vel siccum. Auch C. G. L. V 249 terris (Var. forris): titio wstio liegt dieselbe Glosse vor. Die Zusammen- stellung der Verben wie V 901 flamma quidem cum corpora fuloa leonum tam soleat. torrere alque were; das Adjectiv arida nur beim zweiten Gliede, weil die Trockenheit nur dörrt, nicht brennt. 918 insideat steht mit sif, nicht mit exwrat parallel.

918 Die letzte allgemeine Behauptung leitet über zum Vergleich des Todes mit dem Schlafe, womit der Abschnitt schliesst: der Ver- gleich ergänzt zugleich das gegenüber der ersten und zweiten vox popw- laris v. 900 u. 909 Bemerkte. Da íamquam insideat verstanden wird

. * s. » - . un D . . .

174 COMMENTAR

als af non insidet, kann. sogleich mit mec enim requirit. fortgefahren werden; se vitamque umfasst alle alias res. Der Vergleich von Schlaf und Tod in gleicher Absicht verwendet von Plat. apol. p. 40 c εἴ γε μηδεμία afcóncíc Ecrıv, ἀλλ᾽ olov ὕπνος, ἐπειδάν τις καθεύδιυν μηδ᾽ ὄναρ μηδὲν ὁρᾷ, θαυμάςιον κέρδος ἂν εἴη θάνατος: denn wenige Tage und Nüchte im Leben sind glücklicher als eine traumlose Nacht. Also würe der Tod ein Gewinn: xal γὰρ οὐδὲν πλείων πᾶς χρόνος φαίνεται οὕτω δὴ εἶναι A μία νύξ. Dann, wohl gemeinsam auf Krantor zurück- gehend, Cic. Tusc. I 38, 72 habes somnum imaginem mortis eamque cotlidie induis: εἰ dubitas quin sensus in morte nullus. sit, cum in eius simulacro videas esse nullum sensum und Plut. cons. ad. Ap. c. 12 εἰ γὰρ δὴ ὕπνος τίς ἐετιν θάνατος καὶ περὶ τοὺς καθεύδοντας μηδέν Ecrı κακόν, δῆλον ὡς οὐδὲ περὶ τοὺς τετελευτηκότας εἴη ἄν τι κακόν. ἀλλα μήν τε ὅτι ἥδιςτος βαθύτατος τί δεῖ καὶ λέγειν. L. verstärkt aber die Beweis- kraft des Bildes, indem er einerseits die Aehnlichkeit des physischen Vorgangs Verstreuung der Seelenatome hervorhebt, andererseits zeigt, dass der disiecius materiae im Tode noch weit vollständiger ist

᾿ als im Schlafe. 919 Aus dem Folgenden ergiebt sich unzweifelhaft,

dass hier vom Schlafe, nicht vom Tode die Rede ist: der ist so sehr καςίγνητος θανάτοιο, dass dem Schlafenden sogar die vita abgesprochen werden kann, denn ihm mangelt wie dem Todten der sensus (IV 949), senlire und vivere aber ist eins (zu 118). Sehr glücklich ist das hier insofern nicht, als der Leser eben erst aus dem Folgenden sieht, dass er 920 sopita quiescunt in eigentlichem Sinne zu fassen hat: unertrüglich würde dieser Missstand, wenn die Verse unmittelbar auf 910. 911 folgten, wo somnus aíque quies die Ruhe des Todes bedeutet. 920 pariter mens εἰ corpus: auch der Geist muss ruhen, damit er nicht, wie v. 112 ff. geschildert war, curas inanis empfinde: L. denkt also, wie Plato in der Apologie (s. o.), an den festesten, traumlosen Schlaf. 921 Wir em- pfinden dann so wenig ein Bedürfniss nach Veründerung unserer Lage, dass unseretwegen der Schlaf so wie er ist, sic, ewig dauern, dass also der somnus collidianus zum somnus aeternus werden dürfte. Dies der unzählig oft in verschiedenen Variationen wiederholte Euphemismus für den Tod; anon. P. L. M. III p. 270 Bähr. Nymphius aeterno. devinctus membra sopore und C.L. E. I 481 Aic iacet aetermo devinchus membra sopore; Hor. c. 124, 5 perpetuus sopor; Orell. inscr. 1192 Somno aeternal. C. Mairini Valenti Philosophi Epicur ... Matrimia coniugi infelicissim. etc. etc. 922 licet per nos verlangt noch eine Erklärung: der Vers klingt absicht- lich an 918 an. 924 errant zu v. 861; vgl. die physische Erklärung des Schlafs IV 929 ff.; 949 ergo sensus 'abit mulatis snotibus

925 cum ... colligat (so Winkelmann Beitr. z. Krk des L. p. 21) be- gründet die "vorhergehende Behauptung; der Indicativ colligi wäre nur auf sehr künstliche Weise zu erklären. 928 Zu íurba und disiectus vgl. IV 943 conturbantur enim posilurae pr dh corporis aique animé 957 plurima tum se corpora conlurbant; 959 δέ... coniectus ... animas altior alque foras eiectus largior et divisior ier se ac distraclior actus: um den Begriff des 'auseinander' möglichst kurz wiederzugeben, ist hier disiecdus gebildet. Das überlieferte (urba materine könnte als materia conturbata verstanden werden wie I 1113 Aac se turba foras dabit omnia |

VERS 918—981. 115

materiai: das conlurbari ginge dem disici voraus. Die Fassung aber, turbae disiectus maleriai, wäre wegen der beiden Genitive sehr unschön; ich ziehe daher Goebel's turba εἰ disiectus (quaest. Lucr. p. 29) vor. 929 nec quisquam expergitus exstat “es giebt Niemanden, der erweckt worden wäre” (expergitus ab alio excitatus: quem solemus dicere experge- factum Festus p. 80), und somit kann es einen Solchen auch nicht geben noch gegeben haben, was auch darüber gefabelt wird: expergiscitur würde nur die triviale Thatsache constatiren. 930 secuia est “erreicht hat’, s zu 211; Ov. Met. Π 611 corpus inmane animae frigus lelale secutum est. Durch das vorhergehende consequi wird hier die Verwendung des V. simplex im Sinne des Compositums erleichtert; in anderer Weise Cie. Tusc. II 12, 28 (Epicurus dicet) in ipso dedecore mali nihil esse, misi sequantur dolores. quis igitur Epicurum sequitur dolor, cum hoc ipsum dicit, summum malum esse dolorem, quo dedecus maius a philosopho nullum

931—971 "Wenn die Natur in eigener Person uns die Thorheit vor Augen führte, die darin liegt, den Tod zu beklagen denn wer das Leben genossen hat, mag befriedigt von hinnen gehen; wer nicht zu geniessen verstanden hat, wird es in Ewigkeit nicht lernen —, so müssten wir ihr Recht geben (931—951). Wenn aber gar ein Greis sein Lebens- ende bejammerte, würde sie ihn mit vollstem Rechte schelten: er hat mit dem Leben noch nicht abgeschlossen, weil er es nicht zu nutzen verstanden hat: nun muss er Platz machen. Denn kommende Ge- schlechter verlangen ihr Recht; eins entsteht immer aus dem andern, und Niemandem gehört das Leben zu eigen (952—971)'. Unter den Mitteln, durch die der Diatribenstil philosophische Erörterungen belebt, steht in erster Linie der Kunsigriff, statt über abstracte Begriffe zu reden, diese selbst redend auftreten zu lassen: nicht so, dass die perso- nifieirten Wesen mit mythologischen Personen oder unter einander ver- handeln, wie im Mythus des Prodikos oder auf Kebes’ Gemälde, sondern, der derben gegenständlichen Art und Absicht der Diatribe entsprechend so, dass jene Wesen in’s gegenwärtige Leben hinein, dem Menschen gegenübertreten, auch nicht im hohen Stile einer göttlichen Erscheinung, sondern im Umgangstone wie ein Mensch zum andern reden. Die übliche Einleitungsformel für solche Reden ist εἰ φωνὴν λάβοι τὸ δεῖνα, Beispiele s. bei Nauck mel. Gr-R. IV 363, Norden in Varr. sat. Men. Jahrb. Suppl XVIII 344. Die Art, wie bei L. die Natura spricht, erinnert zumeist an Bions bekannte Prosopopoiie der Πενία, Teles p. 3, 15 εἰ λάβοι φωνὴν πράγματα, ὃν τρόπον xal ἡμεῖς, καὶ δύ- γαιτο δικαιολογεῖςθαι, οὐκ ἂν εἴποι... καὶ Πενία ἂν εἴποι πρὸς τὸν ἐγκαλοῦντα "τί μοι μάχῃ; μὴ καλοῦ δι᾿ ἐμὲ ςτερίςκῃ; μὴ cuoppo-

εύνης; μὴ δικαιοςύνης; μὴ ἀνδρείας; ἀλλὰ μὴ τῶν ἀναγκαίων ἐνδεὴς ci; u. s. f. Damit ist nicht gesagt, dass L. Bion selbst kannte, wohl

aber wird der Kreis der stilistischen Vorbilder, an die er sich hier an- lehnt, genau dadurch bestimmt. Es ist mir zweifelhaft, ob Epikur selbst, der sonst ebenso wenig wie z. B. Metrodor einzelne Wendungen der Dia- tribe verschmähte (s. Usener Epic. ind. s. v. Bio), sich je in dieser Ausdehnung im Diatribenstil bewegt hat. In der poetischen Auffassung der $ücic freilich als lebendiger Macht war er L. vorausgegangen: mit

116. COMMENTAR

Recht fasste Bernays (Theophr. über die Frömmigkeit p. 146) so seim Spruch (fr. 469) χάρις τᾷ μακαρίᾳ Φύςει, ὅτι τὰ ἀναγκαῖα ἐποίης e εὐπόριςτα, τὰ δὲ ducnöpicta οὐκ ἀναγκαῖα. Und bei Lucrez ist " nicht als willkürlich gewähltes Kunstmittel zu betrachten, wenn ib hier die Natur zur mahnenden, strafenden Meisterin des Mensche geschlechts wird: hinter den unwandelbaren, todten Gesetzen, die εἶ Materie erhalten und bewegen, sucht sein tief poetisches Gefühl ei lebendige Kraft, und an zahlreichen Stellen seines Gedichtes, wo er c schaffende oder zerstórende Thätigkeit der Natur schildert, meint msg vom verborgenen Wirken einer persönlichen Allmacht reden zu hören, So überrascht es denn nicht, wenn die Natur hier selbst das Wort «4. greift, nachdem die thörichten Menschlein gesprochen haben: der Ze punkt ihres Auftretens konnte nicht besser gewählt sein. Seneca m an L. gedacht haben, wenn er ep. 22, 15 schrieb: peiores morimur quc nascimur. nosirum isiud, non nalurac vilium est. illa nobiscum qu debet εἰ dicere 'quid hoc est? sine cupiditatibus vos genui, sine timoriba sine superstilione, sine perfidia ceterisque pestibus. quales intrastis ezitr für die spätere Verbreitung der Form zeugt es, wenn selbst ein Th. dorus Priscianus (eupor. faen. I 2) noch schreibt: interea dum hi (mede infer se luctantur alque aeger fatiscit, pro pudore wonne videlur natura ἐς rerum haec dicere: “0 frustra ingratum mortalium genus, occiditur aeg non moritur, ei misi fragilitas i

932 hoc das im Folgenden genannte morlem congemere Ὁ. 8. w.,

mit folgenden Worten. 933 quid tibi esi == quid habes; dazu tr- noch verstärkend (aw/o opere, wie mit esse auch die Adverbien 8c parum abunde affatim u. a. verbunden werden. Im abhängigen Sa. verlangt der Sinn durchaus den Indicativ, denn quid libi est quod e- spricht ganz dem folgenden quid congemis; die gleichzeitige Prosa se such in solchem Falle gewohnheitsgemäss meist den Conjunctiv, d. vgl =. B. Cie. Verr. IV 70, 43 quid erat quod Calidius Romae quere lur ... Si emeras, quid. erat quod. confirmabat. mortalis: die Anr- zeigt schon, wie unberechtigt die Klage über den Tod ist, der rz Wesen des Menschen gehört. qwod nimis aegris luctibus indulges κα

. 952 si lamentetur amplius aequo: selbst hier wird nur das Uebermaass λύπη verworfen, und im Folgenden von den Menschen nur verlangt, c. sie aequo amimo scheiden, nicht μέγα προςπτύςαντες τῷ ζῆν noch u καλοῦ παίωνος, wie Metrodor (fr. 49 Κὶ von sich und den Sei - rühmt. 935 graía: Gegensatz 937 ingrata interiere, 958 ingrata « anders 1008 animi ingratam naluram. si kann hier kaum entbe werden: da das nam bereits auf cur non recedis hinweist, kann hypothetische Satz nicht als Behauptung ausgesprochen werden, wie je sonst häufig geschieht, bei L. IV 1164 balba loqui non quit: tQ» λίζει. 936 pertusum in vas congesta perfluxere: dabei wird schon an . v. 1008 vorgebrachte Deutung des Wasserschöpfens im Hades geda- sein, laticem pertusum congerere in vas 1009; aber das Bild ist a ' ohnedies verständlich und ohne jene Nebenbeziehung verwendet, *

1) Darüber bat mit feinem Empfinden Sellar in dem meisterhaften Luc E capitel seiner Roman poeta of the Kepublic (1868 p. 273 ff.) gesprochen. ^ *

VERS 981—941. 11 Plaut, Pseud. 101 non pluris refert quam si imbrem in cribrum ingeres, wohl auch 357 in periussum ingerimus dicia doliwn; εἰς τὸν πίθον φέρουςει τὸν τετρημένον von der Hadesstrafe Philetairos FCA II p. 235K. Vgl. Sen. ep. 99, 5 adquiescamus cis quae iam hausimus, si modo non | perforato animo hauriebamus εἰ transmillente quidquid acceperat; ep. 22, | 17 non enim apud nos pars cius (vitae) ulla subsedit: transmissa cd et effluxit. 988 plenus vilae conviva und 960 satur ac plenus dis dere rerum: das Gastmahl als Bild des Lebens hat in ähnlichem Bin» unseres Wissens zuerst Bion verwendet, andeutungsweise erhalten bei Teles p. 11 H. οὐχ ὑπομένω (wenn der Körper untauglich geworden is) ἀλλ᾽ ὥςπερ ἐκ cupmocíou ἀπαλλάττομαι οὐδὲν ducxepalvwv, οὕτω ἐκ τοῦ βίου, ὅταν ὥρα jj: zahlreiche Spätere haben dann den Vergleich in mannigfacher Weise ausgeführt; mit Bezug auf freiwilligen Tod, wie Bion, such Epikur, Cic. Tusc. V 46, 118 (fr. 499) miki quidem in vita servanda videtur illa lex, quae in Graecorum conviciis obtinetur “aut bibat", inquit, ‘aut abeat", εἰ recte. aut enim fruatur. aliquis pariter cum aliis voluptate polandi, aut, ne sobrius in violentiam vinulentorum incidal, ante discedat ... haec eadem quae Epicurus totidem verbis dicit. Hiero- nymus; und so namentlich dann Stoiker. Anders hier L.: der Scheidende sol] in dankbarer Stimmung, wie ein gesättigter Gast, auf das Genossene zurückblicken ich finde diese Wendung vor L. nicht, von ihm hat sie wohl Horaz, sat. I 1, 117 «£ raro qui se virisse beatum dicat εἰ exaco contentus tempore vitae cedat wii conviva satur, reperire queamus (wieder anders ep. II 2, 213/ff: man soll rechtzeitig von den Genüssen des Lebens abstehen, ne polum largius aequo rideat εἰ pulse lasciva. de-

. cenlius aetas, erinnernd an Plut. cons. ad Ap. 84, p. 120b rmpoawe-

qoírnce τοῦ βίου καθάπερ ἐκ cuunocov, πρὶν εἴς τινα παροινίαν

ἐμπεςεῖν τὴν τῷ μακρῷ γήρᾳ παρεπομένην). Uebrigens bringt L. das

Bild, das gewiss allgemein bekannt war, nur andeutungsweise, wie unten

v. 971 den Gemeinplatz von κτῆςις und yxpfjcic, und hebt ihn über das Triviale durch eine wohl ihm eigene Pointe in vilae conriva, wc conviva in Doppelsinn zu verstehen ist, wie L. das liebt er denkt ofi

an die Grundbedeutung der Worte —; vgl. Cic. Cato 18, 45 bene maiore:

nostri accubilionem epularem amicorum, quia vitae coniunctioncm haberet conciviwn nominarunt. plenus: Sen. ep. 98, 15 ipse (senex) vilae plemu est, cui adici wihil desiderat sua causa, sed eorum quibus wtilis est μεετός entsinne ich mich in gleichem Sinne gelesen zu haben, wg Metrodor fr. 59 οὐ μακαριεῖς τὸν γέροντα καθ᾽ Ócov γηράςκων reum: ἀλλ᾽ el τοῖς ἀγαθοῖς ευὐμπεπλήρωται. 939 capis quieteim, wie ma. nach dem Mahle sich zur Ruhe begiebt; die Rnhe ist secura, währen die Fortsetzung des Genusses immer die Furcht vor Stórung in sic schliesst: stultus ist der Betreffende, weil er diese sccwrifas nicht = schützen weiss. 940 profundere wie ἐκχεῖν im Sinne von 'verschwenden' häufig, dah. gern mit perdere verbunden, Ter. ad. 184 profundat perdat pereat; C pro Quinct. 12, AO quis (am perditus ac profusus nepos fuisset; epp». fam. V 5,3 quae ego si non profundere ac perdere videbor, see viribus sustinebo; sin autem ingrata esse sentiam ...; hier bleibt " damit im Bilde des eas periwsum. 941 Ob L. offensa oder offe-se.

Lueretius v. Harz. . 18

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schrieb, lässt sich nicht mit Sicherheit entscheiden: in offensa scheint da offendisse, “angestossen haben’, meist noch deutlich gefühlt zu werdei Cie. ad Att. IX 24 2 negas tu dubitare quin magna in offensa sim apw. Atticum; Quint. inst. IV 2, 39 se minus gratiae praecipiendo recta quaa offensae reprehendendo prava mereamur; offensus (im nicht übertragene Sinne II 223. 438, IV 359, VI 333) würde (s. zu 381) dem offems: der Prosa entsprechen und also hier vielleicht besser am Platze seim vgl repulsa repulsio, deprensa deprehensio; Cic. ad fam. XIII 23, mihi maiori offensioni sunt. quam delectationi possessiunculae meae; Tua IV 10, 23 quae habent vitiosam offensionem atque fastidium, den vocfjuar- krankhaften Neigungen, gegenüber gestellt (rà xarà προςκοπὴν div μενα Stob. ecl. II p. 98 W.). 943 vitae finem facis: dabei ist eben. wenig wie v. 1093 qui finem vitai fecit an freiwilligen Tod gedack- dagegen Ben. ep. 70, 5 nihil existimat (sapiens) sua referre, faciat fina an accipiat. 944 “Denn ausser den bisherigen Genüssen kann ich « nichts verschaffen, was deinen Beifall finden könnte: es bleibt imm, ‚dasselbe. Und bist du auch noch in den Jahren der Genussfähigk-. und erwartest von der Zukunft etwas, so wird's doch immer 8556 "bleiben, magst du auch in alle Ewigkeit weiter leben.' Derselbe €: danke bei Philodem de morte c. 19 δ᾽ ἄφρων οὔτ᾽ ἀξιόλογον 6-a λήψετ᾽ ἀγαθόν, ἂν xal τὸν Τιθωνοῦ διαγένηται χρόνον die Volle dung der Lust ist nicht an lange Dauer gebunden, c. 12 χρόνῳ "wr μετροῦντες τἀγαθὰ οὐδὲν μέγα περιποιηςόμενοι φαίνονται, also νυν: der Verständige οὐδ᾽ αὐτὸ (τὸ ἐνδεχόμενον ἀγαθὸν) ἐπὶ πλέον ποθεΐῃ« οὐδὲ τὸν χρόνον ὡς mpocOfjcovra αὐτῷ μεῖζον ἀγαθόν (Porphyr. abstin. c. 54 fr. 458): so folgt denn, dass der Weise, wie Epikur sel sagt (ep. III p. 61, 15) ὥςπερ εἰτίων οὐ τὸ πλεῖον πάντως ἀλλὰ ἥδιον αἱρεῖται, οὕτω καὶ χρόνον οὐ τὸν μήκιςτον ἀλλὰ τὸν fibi καρπίζεται. 945 eadem sunt omnia semper: so tröstet bei Sen. ep. 7 7 der Stoiker den Sterbenden: cogila quam diw iam idem facias: cib: somnus, libido: per hunc circulum curritur; vgl. die Stimmung «. Lebensmüden ep. 24, 26 omnia sic transeunt ui revertantur; nihil νι | facio, nihil novi video: fit aliquando et huius rei nausea. 948 vive» N vincere überleben, Serv. δὰ Aen. XI 160 [vivendo vici mea fata] id supervixi: veleres enim vivendo vincere. dicebant supervivere, μὲ "mi. virum volwens vivendo saecula vincit (Georg. II 295); vgl. Plaut. Epid. 1 quia licibumst eam (uxorem) libi vivendo vincere. Nach Analogie I 202 (homines qui possent) mulia vivendo vitalia vincere saecla, III 1C licet. quotvis vivendo condere saecla. muss hier saeclum die Generation Menschen oder denn das kommt auf eins hinaus die einer Gene tion zugemessene Lebenszeit bedeuten. Dann ist also ommia sa. supervivere ein stark hyperbolischer Ausdruck für 'steinalt werden’, a doch ein Ausdruck für eine reale Annahme: daher das Futurum pe. (s. zu 422). Dagegen verlässt die Annahme, dass der mortalis unst.. . lich sein könne, gänzlich den Boden der Thatsachen; daher si nung» sis moriturus. 950 quid respondemus? so folgt bei Bion auf die Rede Armut ἄν ἔχοις ἀντειπεῖν, und nach einer in ähnliche Form gekleid. Prosopopoiie bei Horaz (sat, I 2, 68 Auic si muttonis verbis ... die : haec animus "quid vis tibi?" wu. s. 1.) quid respondere? Der Indie .

VERS 941—986. 119

Präs. quid respondemus (Ritschl bei Goebel quaest. p. 29 sq. wollte qvid respondebis, vorher schon Lambin respondeamus oder responderimus) ist an sich unanstössig; 'Lalini cum semet ipsos aut inter se interrogent qui faciendum sit, saepe, quemadmodwn nos εἰ Germani in familiari sermon tamquam de re quae iam fiat indicativo modo praesentis temporis wlunlur Madvig op. II 40, z.B. Atticus bei Cie, ad Att. XVI 7, 4 nam se Phaedro mostro esses, expedita cxcusatio esset; nunc quid. respondesma? Trotzdem würde man hier wohl nach dem Vordersatze si millat den Conjunctiv erwarten, wie unten 968 iure agat, iure increpet incileique (vgl Pacuvius trag. fr. 1830 si quis hac me oratione incilet, quid respor deam?): aber über der langen Rede der Natura ist das Vorhergehende längst vergessen. infendere litem, wie actionem, accusationem, crimen, einen Process anstrengen: das hat "nichts mit der infentio (Gaius IV 41 intentio est ea pars formulae qua actor desiderium suum. concludit), dem eigentlichen Anspruch des Klägers auf eine bestimmte Leistung des An- geklagten, zu thun. In ähnlichem Bilde z. B. Cic. de or. I 10, 42 cum universi (philosophi) in te impetum fecissent, (um singulae familiae litem libi intenderent; in gleichem Falle sagt Bion a. ἃ. O. δικαιολογεῖεθαι. iusta wird aber hier eigenthümlicher Weise eine lis genannt, in der das Recht auf Seiten des Klügers ist; der Gegensatz würde etwa calummiosa sein. veram cxponere causam bleibt im Kreis der Gerichtssprache; die ‘wahre Sache’ ist die, auf deren Seiten Recht und Wahrheit ist; Cie. off. III 10, 43 (lantum (iudex) dabit amicitiae μὲ veram amici causam esse malit; de imp. Pomp. 17, 53 si plus apud porum, Romanum auctoritas ὑμα quam ipsius p. R. salus et vera causa. valuisset.

952 grandior wird durch senior verstürkt: bei jenem denkt man nur an die Zahl der Jahre, bei diesem an den durch das Alter ge- schwächten Körper. Der Greis, der doch widerwillig aus dem Leben scheidet, vergeht sich gegen die foedera naturai, die das Folgende nennt: darum würde hier die Natura mit noch grösserem Rechte, magis merito, schelten: das tocem millere steigert sich zum inclamare, das blosse incre- pare zum voce acri increpare. 954 Das unwillige Geheiss 'weg rit den Thrünen' wird unerträglich matt, wenn man abhinc temporal * Zukunft' fasst, wie das noch Lachmann wollte. Freilich findet sich ab- hinc in localem Sinne erst wieder bei Augustin, s. Ploen A.f.LL.IV 118 ff. (denn Apulei flor. 16 ufi [liber] per omnes provincias eat, totogue abhisw orbe toloque abhinc tempore laudes benefacti (ui ... repraesentet ist nichi zu rechnen); aber dabei ist einmal zu berücksichtigen, dass das Wor: auf weiten Strecken der Litteratur überhaupt fehlt; und dann nötig! eben (wie Ploen 8. ἃ. O. richtig bemerkt) der Sinn der Stelle, jene Be deutung, die abkinc ja an sich gerade so gut wie hinc haben könnte, hie zu constatiren, ebenso wie wir Pacav. trag. v. 21 seque ad Iudos iam ised abhinc exerceant die Bedeutung “in Zukunft” zu constatiren haben, ob wohl sie sich erst bei Tertullian wiederfindet. Bestätigt wird hier x Allem noch abhinc 'von hier' durch die analogen Wendungen Plaut. me1 609 aufer hinc palpationes Poen. 1035 maledicta hinc aufer Pers. 79 turgium hinc. auferas Ter. Phorm. 857 quin {πε hinc pollicitationes aufe 956 perfunctus ohne den Nebensinn des "Überstehens', den das Wo: meist hat, aber auch ohne nach der Seite des 'Geniessens' zu neige

1:5

180 COMMENTAR

denn wahre ἡδονή haben die praemia vitac (zu v. 899) diesem nicht gebracht, da er statt sich an dem zu freuen, was er hat, immer das ersehnt, was nicht da ist: 1082 dum abest quod avemus, id exsuperare videtur cetera: post aliud, cum contigit illud, avanus. Schon unter Demokrits Namen geht die Sentenz (fr. 60 Nat.) ávofjuovec τῶν ἀπεόντων ὀρέ- yovraı, δὲ παρεόντα ἀμαλδύνουςι: das ist dann in der popular- philosophischen Litteratur viel variir worden (Norden in Varr. sat. p. 307), theils auf solche bezogen, die statt sich an dem nahe liegen- den Guten genügen zu lassen immer nach schwer Erreichbarem streben, theils, wie hier bei L., auf solche, die mit dem Erreichten nie zufrieden immer nach Mehr und Hóherem streben, dic ἕτερόν τινα βίον Biwcópevos, οὐ τὸν παρόντα, wie der Sophist Antiphon (fr. 127 BL) sagt. So bleibt ihnen das Leben unvollendet: male vivunt, qui semper vivere. incipiunt, sagte Epikur (fr. 498), weil, wie Seneca ep. 23, 10 erklärt, semper illis imperfecta vita est. Er fährt fort wie L.: son polest autein stare para- (us ad mortem, qui modo incipit vivere. id agendum est, ut satis vizerimus: : nemo hoc putat, qui orditur nunc mazime rilam. Dem Weisen kommt der Tod stets erwartet: Philod. de morte c. 37 τὸ τοίνυν cuvaprtóZecoo: θανάτου προςπίπτοντος, ὡς ἀπροςδοκήτου τινὸς καὶ παραδόξου cuvav- τῶντος, ἡμῖν μὲν οὐχί, γίνεται δὲ περὶ τοὺς πλείετους. Der Tod ad. sistit ad caput, wie im Märchen vom Gevatter Tod: man tritt an das Kopfende des lectus, wenn man mit dem Liegenden zu reden hat. Zu- gleich ist die Gefährdung des caput Gefährdung der Existenz, worauf die Wendung supra caput essc (s. d. Ausleger zu Sall Cat 54, 24; Liv. III 17, 2) für die dringendste Gefahr beruht; Tib. 1 8, 79 nescius ultorem post caput esse deum. 961 aliena (ua aetate omnia ille, nicht in dem Sinne, wie Teles epit. p. 6, 14 H. sagt γέρων γέγονας" μὴ ζήτει τὰ τοῦ νέου, sondern weil die Lebensgenüsse der Jugend, nicht dem sesez iam marcens gebühren: Ger hat Platz zu machen. Was zu concede hinzugefügt war, weiss ich nicht: es ist nicht einmal sicher, wenn auch das Wahrscheinlichste, dass die Personen genannt waren, denen gewichen werden soll: vgl. Eurip. Suppl 1109 μιςῶ δ᾽ Ócoi xph- Zovcıv ἐκτείνειν βίον... οὖς χρῆν, ἐπειδὰν μηδὲν delia τῆν, θανόντας ἔρρειν κἀκποδὼν εἶναι νέοις. Epikt. diss. IV 1, 106 (was ich auch des Folgenden wegen citire) ἔξελθε, ἀπαλλάγηθι ὡς εὐχάριετος, ὡς αἰδήμων᾽ δὸς ἄλλοις τόπον. δεῖ τενέοθαι καὶ ἄλλους, καθάπερ καὶ εὑ ἐγένου ... οὐκ éxcrcg τῶν ἀλλοτρίων; οὐ παραχωρήεεις τῷ xpeíccovi; Luc. dial mort. 6,1 οὐ τὰρ ἐχρῆν γέροντα ὄντα καὶ μηκέτι xprcacdaı τῷ πλούτψ αὐτὸν δυνάμενον ἀπελθεῖν τοῦ βίου παραχωρήςαντα τοῖς νέοις; Hor. epp. II 2, 218 vivere si recle nescis, decede peritis: lusisti satis, edisti salis alque bibisti: lempus abirc tibi est. Von dem für magnis hier Vorgeschlagenen agnus, Maccus, ad manis, mage sis, humanis, gnavis, gnatis, dignis, iam aliis ist das Meiste unmöglich, nichts überzeugend, das letzte noch das beste. Mit necesse est schliesst Natura eindrucksvoll ihre Rede: Klagen und Wider- streben hilft nichts, ὅταν finäc τὸ χρεὼν ἐξάγῃ (Metrod. fr. 49 K.); aber die nccessifas ist hier noch mehr, nämlich das Naturgesetz, das im Folgenden erläutert wird.

963 iure agere dasselbe wie oben sustam litem intendere: agere

VERS 966.--969. 181

stehender Ausdruck für das Vertreten einer Sache vor Gericht, iure agere hier ‘so die Sache vertreten, dass das Recht dabei auf Seite der Natara ist’, abweichend vom sonstigen Gebrauche: denn es steht sonst entweder im Gegensatze zu lege, rescriptis principum, armis agere (und so Cic. in Verr. II, II 24, 59 quod iure agere cum Epicrate nihil possent ... idcirco suum decretum pecunia esse templalum), oder bedeutet, dass die actio gesetzlich zulässig ist, so Cic. de domo 16,42 te cum plebe iurc agere poluisse ...; quod de me civi ila de re publica merito iulisses, funus te indixisse rei publicae, quod salvis auspiciis tulisses, iure cgisse dicebant. incilare kennen wir sonst nur durch Nonius (p. 124, 36) Citate aus Pacuvius, Attius und Lucilius sowie durch die Glossare (Loewe Prodr. 386); Nonius erklärt es als increpare vel inprobare, die Glossare geben ausserdem die Synonyme inclamare (-itare) und argwere. 964 Der grosse Kreislauf alles Seienden, der orbis rerum in se remean- ἔμ (Sen. epp. 36, 11), verlangt, dass etwas untergehe, damit Neues entstehen könne, denn ex milo mil fi. Der Gedanke ist tröstlich, dass unser Tod zu etwas nütze ist, und dass jenem ewigen Gesetze nicht nur wir, sondern alle vergangenen und zukünftigen Geschlechter unterstehen Plut. cons. ad Apoll 10 p. 106 e f φύεις ἐκ τῆς αὐτῆς ὕλης πάλαι μὲν τοὺς προγόνους ἡμῶν é&vécyev, εἶτα cuvexeic αὐτοῖς ἐγέννηςε τοὺς πατέρας, εἶθ᾽ ἡμᾶς, εἶτ᾽ ἄλλους ἐπ᾽ ἄλλοις ἀνακυκλήτει ---: Keinem ist das Leben zu dauerndem Besitz verliehen. Das Gesetz erstreckt sich auf alles Seiende: daher gleich im Anfang das allgemeine rerum novi- las und rerum vetustas. 966 Niemand geht völlig unter, denn neben dem nihil ex nilo gigni steht der Satz, «wi quicque in sua corpora rursum dissolvat natura neque ad nilum interemat res (I 215), also haud penitus pereunt. quaecumque videntur: quando alid. ex alio refici. natura, nec ullam rem gigni patitur, nisi morte adiwla aliena. Als Trostgrund kennt das auch Seneca ep. 36, 10, wenngleich etwas anders pointirt: si tania cupiditas te longioris aevi tenet, cogila mihil eorum quae ab oculis abeunt εἰ in rcrum naturam, ex qua prodierunt ac moz processura sunt, recow- duntur, consumi: desinunt ἰδία, non pereunt. Hier wird das völlige Nicht- sein als barafhrum et Tartara atra bezeichnet, schon mit dem Hinweis auf die volksthümlichen Vorstellungen vom Leben nach dem Tode, mit dem sich v. 978 ff. beschäftigen. Die Zusammenstellung (vgl I. 8,13 ῥίψω éc Τάρταρον ἠερόεντα, τῆλε μάλ᾽, ἧχι BáOwrov ὑπὸ χθονός ecrı βέρεθρον) auch Dionys. Hal. antiqu. IV 81 (von den geknechteten Plebejern) ταλαιπωρεῖν ... ἐν ταρτάροις xal βαράθροις δαπανωμένους.

969 haec non minus quam in ante cecidere oder, was ziemlich auf dasselbe hinauskommt haec nom minus (sc. quam te sequentur) ante quam lu (sc. cadis) ceciderunt müsste sich auf die postera saecla beziehen, und dann könnte nur, wie Munro denn auch erklärt, gemeint sein, "jene Geschlechter haben schon früher existirt und sind vergangen, wie du jetzt vergehst'. Das würde sich also auf die 854 ff. vorgetragene Lehre be- ziehen, wonach dieselben Atomcombinationen in der ewigen Zeit sich wiederholen: ich sehe aber keinerlei Anlass, hier an diese Lehre zu erinnern, wenigstens nicht in dieser Form, als Rückblick auf die Ver- gangenheit: etwas Anderes ist es, wenn Seneca ep. 36 nach den zu 966 citirten Worten fortführt: mors, quam pertimescimus ac recusamus,

1 - COMMENTAR

ἐμπέεγη ἐξ vilam, non eripil: veniet ilerum, qui nos in lucem reponat dies, quem mulli recusarent, nisi oblitos reduceret. Ferner ist die Anknüpfung mit ergo unberechtigt, die Bestimmtheit der Behauptung nach dem facile adcredere possis 856 auffallend. Dagegen ist mit anichac alles klar und einfach: da materies opus est μὲ crescant postera saecla, so sind Geschlechter vor dieser Zeit hingegangen, wie du jetzt, und werden nach dir hingehen: so entsteht immer eines aus dem andern.

971 Die Gedankenreihe wird abgeschlossen durch eine in möglichst knappe Form gedrängte Sentenz, die Gemeingut der tröstenden Popular- philosophie von ihren litterarischen Anfängen an ist: sie übernahm den Ge- danken bereits aus Alterem Sentenzengut. Zunächst wohl vom irdischen Gut gesagt, das seinen Besitzer wechselt (Eurip. Phoen. 555 oütot τὰ χρή- par’ ἴδια κέκτηνται βροτοί, τῶν θεῶν δ᾽ ἔχοντες ἐπιμελούμεθα. ὅταν tt χρήζως᾽, αὔτ᾽ ἀφαιροῦνται πάλιν, dann Bion Stob. flor. 105, 56 τὰ χρήματα τοῖς πλουςείοις f τύχη οὐ δεδιύρηκεν ἀλλὰ δεδάνεικεν und viele nach ihm), wird es dann auf das ganze Leben übertragen, das somit jenen unbeständigen Gütern gleichgestellt wird: Eurip. Suppl. 534 οὔτι γὰρ κεκτήμεθα ἡμέτερον αὐτὸ πλὴν ἐνοικῆςαι βίου, κἄπειτα τὴν θρέψαςαν αὐτὸ δεῖ λαβεῖν, und dann stehender τόπος der Consolationes (s. Buresch Leipz. Stud. X p. 104) Dabei bot sich von selbst der durch den Gleichklang wirkungsvolle Gegensatz von xrijcic und dar, der auch sonst viel Verwendung fand (Plat Euthyd. 280d. Teles epit. p. 27,12 H. u. o.): Lucilius macht das zur Hälfte mit, 447 cwm sciam mil esse in vita proprium mortali datwm, iom, qua tempestate. vico, χρῆσιν ad me recipio: ein sachlich und formell treffender Gegensatz zu dem so geeigneten proprius (zu 357) liess sich nicht finden (so dann auch Horaz sat. II 2, 183 ager .. erit nulli proprius, sed cedel in usum nunc mihi sunc fibi) Luerez griff in die Sphäre des Rechts; die Substantiva mancipium, die feierliche Eigenthumserwerbung und strengste Eigenthumsform, und wsws, Nutzniessung, deckten sich annähernd mit κτῆσις und Xpficic Gans ähnliche Uebertragung, wie Munro anmerkt,

cnim xpriceı μὲν dwus, xrfcev δὲ Aflici mostri; ergo frucius est tuus, mancipium illius. Darauf antwortet Cicero 30, 3 cuiws (Alii) quoniam proprium te esse scribis smancipio ed nexu, mowun auiem usu ei fructu, contentus isto sum. id est enim cuiusque propriuwum, quo quisque fruitur dique δίων. Um die unbeschränkte Nutzniessung zu bezeichnen,

ungen sie correct fruchus und wsus frucius (und so Ben. dial VI 10, 2): L. wählt den allgemeinen Ausdruck usus, natürlich ohne damit etwa den nudus usus zu meinen oder vorauszuseizen, , dass der Leser das als

sed commodavit. Andere wenden das Bild so, dass

als Capital auffassen, das uns nicht gehört, dessen Zinsen wir aber ge- niessen dürfen, Cie. Tuse. 1 39, 93 (natura ) dedit usuram vitae tamquam pecuniae nulla praestitwa die: so Spätere häufig. Dativ gefasst werden (οὐδεν Dativ V 101) Ablativ sehe ich keine Erklärung,

us“ wie in wswi esse: den denn usw accipere, wsw capere

\

VERS 969—972. 183

"durch den Gebrauch zu Eigen gewinnen’ ist natürlich nicht zu ver gleichen. Dann ist auch mancipio Dativ, das an sich ebenso gut Ablativ

sein könnte, da mancipium sowohl die Art der Besitzergreifung als den Besitz selbst bezeichnet.

972—1023 ‘Die Zeit vor unserer Geburt, in der wir nichts empfanden, ist der Spiegel, in dem wir die Zeit nach unserem Tode sehen können: da zeigt sich nichts, wovor wir uns zu fürchten hätten. Alles nämlich, was von der Unterwelt gefabelt wird, ist wahr für dies irdische Leben: hier erdulden Thoren die Strafen des Tantalus und der übrigen acheruntischen Büsser; hier rächen sich begangene Unthaten, sei es durch Entdeckung und Ahndung, sei es durch die Qualen des eigenen Gewissens’ Wenn L., wie es durchaus glaublich ist (s Einl

p. 45), im dritten Haupttheile des Buches einer epikureischen Trostschrift sich anschliesst, so ist er, glaube ich, in diesem Abschnitt von seiner Vorlage abgegangen: zu dieser Annahme bringt mich die Erwägung der äusseren und inneren Zusammenhänge Die Verse 972 ---977 wieder- holen nur, was oben vv. 832 ff. bereits viel ausführlicher gelehrt war; die Frage non ommi sommo securius exstat? kommt wieder auf den Vergleich von Schlaf und Tod zurück, der vv. 919 ff. erledigt zu sein schien. Aber das Ethos ist ein etwas anderes: die frühere Darlegung wandte sich an den Verstand und suchte das sil mors est ad nos za beweisen; hier wird, schon mit dem einleitenden respice, an das Gefühl appellirt, auf das auch die vorhergehenden Auslassungen zu wirken versuchten: der Angeredete soll sich recht lebhaft den Zustand nach dem Tode veranschaulichen, indem er sich das Gefühl zum Bewusstsein bringt, das er der Vergangenheit gegenüber hegt. Dem entspricht auch der Ton der eindringlichen Frage sumquid .. num... non. In nahem inneren Zusammenhang mit dem Voraufgehenden sieht das nicht; der ist mehr äusserlich durch die Erwähnung der nalura hineingebracht. Das Folgende 978 ff. schliesst ganz eng an: einem Einwand gegen die aus den Fragen zu entnehmende Negation wird dadurch zuvorgekommen, dass das horribile und triste des Todes, wie ihn das Volk sich denkt, als nicht vorhanden erwiesen wird. Zwischen 1023 und 1024 besteht keine engere Beziehung, wie sie das ciam 1024 anzudeuten scheint. Der Zusammenhang des Ganzen gewinnt vielmehr an Festigkeit, wenn man sich das ganze Stück 972— 1028 wegdenkt: an den tröstlichen Ausblick auf das Schicksal vergangener und zukünftiger Geschlechter schliesst mit Aoc etiam tibi (we interdum dicere possis der tröstliche Hinweis auf das Schicksal der Mächtigsten und Besten vortrefflich an. Ich würde daraus noch nicht den Schluss ziehen, dass das Stück nicht in L.’ Hauptvorlage gestanden habe, sondern anderswoher von ihm hinzu- gefügt sei; aber es kommt hinzu, dass der Inhalt mit dem Vorher- gehenden und Folgenden nicht völlig zu harmoniren scheint, Nicht als ob sich etwas fände, was epikurischer Lehre widerstreitet: im Gegentheil, echt epikurisch ist die Warnung vor dem divom melus inanis, dem petere ünpcrium, dem numquam. expleri, sowie die Erklärung der Gewissensangst als der Furcht vor Entdeckung und Strafe. Auch gebührt sicherlich dem Nachweis, dass die Hadesstrafen nicht zu fürchten seien, in der Trostschrift eine Stelle: Seneca cons. ad Marc. 19, 4 cogita nullis de-

** . rm.

184 | CONMENTAR

funclum mulis adfici, illa quae nobis inferos faciunt lerribiles, fabulam esse, nullas inminere mortuis lenebras mec. carcerem ncc flumina. igne flagranlia nec oblivionis amnem ncc (tribunalia εἰ reos οἱ in illa libertate tum laxa ullos iterum tyrannos. luserunt isla. poetae εἰ vanis nos agita- cere ierroribus. Epikur und seine Schüler (Diog. v. Oin. fr. 12a φοβοῦμαι yàp οὐδὲν διὰ τοὺς Τιτυοὺς καὶ τοὺς Ταντάλους, οὖς ἀνα- γράφουειν ἐν “Αἰδου τινές) haben gewiss die Furcht vor den Hades- schrecken bekämpft und mögen dabei selbst ins Einzelne gegangen und die physische Unmöglichkeit der einzelnen Vorstellungen gezeigt haben, wie das L. hier bei Tityos thut (s. zu 984): obwohl es mir nicht unwahr- scheinlich ist, dass Seneca nicht an bestimmte Aeusserungen Epikurs, sondern an eben diese Lucrezstelle dachte, wenn er ep. 24, 18 (fr. 341) schrieb non sum (am incplus ut Epicuream cantilenam hoc loco persequar et dicam vanos esse inferorum melus, nec Ixioncm rola volvi mec saxum umeris Sisyphi trudi in adcersum nec. ullius. viscera el renasci posse collidie εἰ carpi. nemo lam puer. est ul Cerberum timeat. εἰ tenebras. et larvalem habitum nudis ossibus cohaercntium die Abweichungen von L. fallen kaum in's Gewicht. Soweit läge also ein inhaltliches Bedenken nicht vor: wohl aber scheint mir die Art, wie L. hier die Hadesstrafen behandelt, in eine epikureische Trostschrift nicht hineinzupassen. Es ist von der Bekämpfung der Furcht ein weiter Schritt zur allegorischen Deutung der Strafen auf die selbstverschuldeten Leiden dieses Lebens, wie sie L. giebt. Bezeichnender Weise lässt er es unausgesprochen, in welchem Sinne er diese Deutung vornimmt. Es lassen sich da von vorn herein verschiedene Möglichkeiten denken: zunächst können die Unter- weltsstrafen als blosses Gleichniss aufgeführt werden, wie z. B. von Teles p. 25H. ὥςπερ Τάνταλος ἐν λίμνῃ Éctnkev ... οὕτως ἐνίων f ἀνελευθερία κτλ., und so das de te fabwla narratur des Horaz sat. I1,68sqq. Diese Form, der L. am Nächsten steht, ist dem moral- philosophischen Tractat wie der moralphilosophischen Dichtung, die von Lastern und Fehlern abschrecken will (s. auch zu 1003), gleich angemessen, nicht aber recht eigentlich dem Physiker Epikur, der, um mit dem Tode zu versöhnen, die Furchtvorstellungen der Menge be- kämpft: genau verstanden wird ja der Wahrheit jener Vorstellungen durch eine solche bildliche Verwendung keinerlei Abbruch gethan.!) Und wenn &uch, wie bekannt, Epikur seine Diction mit einzelnen Blumen des Diatribenstils zu schmücken nicht verschmäht hat, so vereinigt sich doch eine so durchgeführte Gleichnissrede, wie wir sie hier haben, nicht mit unserem sonstigen Bilde von epikurischer Schriftstellerei. Ganz anderen und höheren Werth kann solche Deutung von anderem Stand- punkte aus gewinnen: den nämlich, das die Dichter nicht, wie Ep. annahm, einfach lügen sondern dass sie eine versteckte, tiefere Wahrheit verkünden; und diese eigentlich allegorische Interpretation bat in diesem Falle besondere Bedeutung dann, wenn unter dem Hades

1) Wenn Lactans div. inst. VII 7 sagt Epicurus erravit, qui w id esse figmentum. putavit. εἰ illas inferorum s quae ferantur in esse vita inierpretatus est, so lehrt uns das nichts: denn bei dem bekannten Verhältniss

benvaters zu Lucrez ist es durchaus glaublich, dass hier einfach der Meister statt des Schülers genannt wird.

VERS 912--- 980. | 185

direct die Erde und das irdische Leben verstanden, nur die jenseitige Existenz als wirkliches Leben gefasst wird, wie das z. D. Posidonius that: auf diesem Boden ist die ausführliche neuplatonische Erklärung der Hadesmythen erwachsen, die Macrobius in somn. Scip. I 10 giebt, (s. dar. Norden in Varr. sat. Men. p. 331 ff), und die in der ganzen Tendenz wie im Einzelnen sich durchweg von L. unterscheidet: der dort erklärte Satz Ai ricont qui e corporum vinclis tamquam c carcere. ecola- cerunt: cesira cero quae dicitur csse. vila snors cst. steht in schroffstem Gegensatze zur epikurischen Weltanschauung.

974 Die Personification der Natura wirkt hier nach; sie hält uns den Spiegel vor, d. h. es ist in der Natur begründet, dass wir nach dem Tode in der gleichen Lage sind, wie vor der Geburt. Epikurei- sirend Plinius n. h. VII 55, 190 am Schluss einer Polemik gegen das Unsterblichkeitedogma: quanto facilius certiusque sibi quemque credere ac specimen securitatis antegenitali sumere. experimento. 975 denique ‘schliesslich’, nicht ganz so 759 denique intcreant una cum corpore cundae; hier deutet es, wie öfters bei Zeitbestimmungen, (ähnlich demum) an, dass das betreffende Ereigniss, hier also die völlige Ruhe, später eintritt als man erwarten sollte oder möchte; so 1021 quae sit pocnarum dcnique finis. Also: die sccurilas, die vor der Geburt unser war, wird uns im Leben nicht, sondern erst wieder nach dem Tode zu Theil. 980 Die ursprüngliche Fassung der Sage scheint gewesen zu sein, dass Tantalus durch die Furcht vor dem drohenden Felsblock ‚abgehalten wurde, nach Speise und Trank zu greifen, so dass er ewigen Hunger und Durst litt (s. Comparetti, Tantalus bei Pindar, Philol 32, 241 f.); so schon in der 'Arpeibüv κάθοδος (Athen, VII 261 b). Daraus ist dann der Ταντάλου λίθος sprichwörtlich geworden, und hinter ihm trat Hunger und Durst in den Erwähnungen der Sage bei griechischen Lyrikern und Tragikern völlig zurück. Im späteren Alterthum ist die Version der Odyssee populärer gewesen: aber wie Lucres kennt den Felsblock auch Cicero (Tusc. IV 16, 35. de fin. I 18, 60) und Virgil (Aen. VI 602, vgl Ribbeck Proleg. p. 62). Während jene andere Fassung als Allegorie des nimmer geniessenden Geizes geeignet war (Teles p. 25, 5 u. o.), tritt in dieser die ewige Furcht als das Wesentliche hervor: so L. darunter zweierlei, die nichtige Furcht vor den Göttern und vor den Schlägen des Schicksals: Beides geht ja leicht in einander über. Aehn- lich der Epikureer bei Cic. de fin. ἃ. a. O. accedi cam. mort, quae, quasi saxum Tantalo, semper impendel; und Tusc. a. a. O. ... is qui appropie quans aliquod malum metuit. exanimalusque pendet animi. quam vim mali significantes poetae. impendere apud. inferos. sazum Tantalo faciunt ... ea communis poena siulliliae est; omnibus enim, quorum mens ab- horret a ratione, semper aliqui talis terror impende. Als Bild des divom melus inanis, wie bei L., Tantalos bei Plut. de superstit. 11 p. 170f. aerc impendens saxum gehört natürlich zusammen; mit der Vor- stellung bei Euripides Or. 5 Τάνταλος κορυφῆς ὑπερτέλλοντα δειμαίνων πέτρον ἀέρι ποτᾶται hat die des L. keine nahe Verwandtschaft; der Zu- satz aere sol auf das Ungereimte des Mythus hinweisen. cussa wird die Furcht wohl deshalb genannt, weil der Stein doch nie füllt, wie die Furcht vor den Göttern inanis ist, weil diese Götter doch nie wirken;

186 COMMENTAR

andere billige Witze über den Mythus bei Lucian dial mort. 17. 983 Zu der Furcht vor den Göttern kommt die vor der Τύχη, während diese doch βραχέα εοφῷ ἐμπίπτει, τὰ δὲ μέτιςτα xal κυριώτατα Aoyicuóc διῴκηςε (sent. sel XVI), der Weise also οὐκ οἴεται ἀγαθὸν κακὸν ἐκ ταύτης πρὸς τὸ μακαρίως ζῆν ἀνθριύποις δίδοεθαι (ep. III p. 65,17) Daher denn Metrodors stolzes προκατείλημμαί ce, Τύχη (fr. 49 Κι). casus: auch hier wieder zieht L. neben der übertragenen die eigentliche Bedeutung des Wortes heran, ebenso wie bei exest 998, scindunt 994, sufferre laborem 999, explere 1004.

984 Die Bestrafung des Tityos im Acheron ist nicht möglich, denn die Vögel können nicht ewig sub magno pectore, δέρτρον Ecw δύνοντες Od. 11, 579, Nahrung finden: mag T. auch noch so gewaltig sein, er müsste dem Schmerz erliegen oder müsste aufgezehrt werden, nec wilius viscera et renasci posse colidie εἰ carpi sagt Seneca a. ἃ, O. Man denkt daran, dass in Polygnots Fresken T. dargestellt war οὐ κολαζόμενος ἔτι, ἀλλὰ ὑπὸ τοῦ cuvexyoüc τῆς τιμωρίας ἐς ἅπαν ἐξανηλιυμένος, ἀμυδρὸν καὶ οὐδὲ ὁλόκληρον εἴδωλον (Pausan. X 29, 8). Die inneren Widersprüche dieses und der verwandten Mythen betont auch der Stoiker bei Sext. adv. math. IX 68 εἰ μὲν yàp ἄψυχος ἦν 6 Tiruóc, πῶς oU- δεμίαν αἴεθηειν ἔχων ὑπὸ τιμωρίαν ἔπιπτεν; el δὲ εἶχε ψυχήν, πῶς τετελευτήκει; ... εἰ τὰρ (6 Távr.) μήποτε ὑγροῦ καὶ τροφῆς ἐγεύετο, πῶς διέμενεν ἀλλ᾽ οὐ «πάνει τῶν ἀναγκαίων διεφθείρετο; und mit ähnlich rationellen Gründen wandte sich der Epikureer Kolotes gegen den Mythus in Platons Staat, Procl in Hemp. p. 18 Pitra πῶς οὐ διεφθάρη τὸ εὖμα carév Ev Tocautaıc ἡμέραις τοῦ Ἦρός, καὶ ταῦτα ψυχῆς μὴ παρούεης; 987 Der Körper ist '"hingeworfen', den Vögeln zur Speise, wie ein Leichnam (882 a proiecto corpore VI 1155 perolent proiecta cadavera); nach dem homerischen ἐπ᾿ ἐννέα κεῖτο πέλεθρα steht nicht sowohl die ungeheure Grüsse des Körpers, als die ungeheure Ausdehnung des Raumes vor Augen, den er bedeckt (obtinet), daher immani proiectu corporis, nicht immané corpore. 992 Wir haben Tityos hier, d.h. in vifa, und zwar ist es der, quem volucres lacerant. Die fressenden Geier bieten sich ohne Weiteres als Bild nagender Sorgen, so bei Macrob. a. ἃ. O. der formenta conscientiae obnozia flagitio viscera interiora rimanlis; anthol lat 636 (de interno livore) 21 R. est ales Tityique voltur intus qui semper lacerat. comesique menie ähnlich wie Petron fr. 25 von Prometheus: qui vollur iecur intimum pererrat εἰ pectus. trahit intimasque fibras, non est quem lepidi vocant poetae, sed cordis mala, livor atque luxws. L. stellt neben Tantalus, den Typus des von Furcht Geplagten, Tityos, den Typus des Begehrlichen: yàp διὰ φόβον τις κακοδαιμονεῖ δι᾿ ἀόριετον καὶ κενὴν ἐπιθυμίαν Epikur fr. 485 (Porphyr. ad Marc. 29). Begierde, cupido ἐπιθυμία, erzeugt Kümmerniss, λύπη, cura aegritudo angor (zu 993); ὧν οὐκ εἰεὶν ὀρέξεις πραγμάτων, περὶ τούτων οὐδὲ λῦπαι γίγνονται sagt Diogenes v. Oin. fr. 8. 80 steht denn in den ethischen Fragmenten Epikurs und seiner Schüler unendlich oft dem φόβος die ἐπιθυμία (z. B. sent. sel. IX) oder die λύπη (Diog. v. Oin. fr. 15 B) oder Beides (ders. fr. 30) gegenüber; Cicero variirt de fin. I 12, 42 ff. zwischen (errores cupidifatesque, ocgritudo εἰ metus, libidines. εἰ formidines, cura. metusque, angor et metus. So denn auch Lucrez II 19

VERS 980—996. 181

cura semoltus meluque 48 melus hominum curacque sequaces V 45 quantae tum scindunt hominem cuppedinis acres. sollicitum curae, quantique perinde timores VI 25 finem siutuit cuppedinis atque timoris. Herausgehoben aus den cupidincs wird hier der amor, der dann im 4. Buche noch ausführ- liche Behandlung findet: Epikur definirte den ἔρως als cuvrovov ὄρεξιν ἀφροδιείων μετὰ οἴςτρου καὶ ἀδημονίας (fr. 483 Hermias in Plat Phaedr. p. 76). in amore iacentem, gefesselt in den Banden der Liebe, wie den Tityus Acherunte iacentem, zerfleischen ihn die Vögel und zerfrisst ihn die Seelenqual: die Parataxe ist unmittelbar verständlich und weit eindrucksvoller als exest angor, ut illum volucres lacerant oder vol. lac., id est exest angor. Dass so der bildliche und eigentliche Ausdruck für ein und dieselbe Sache durch afque verbunden sind, hat nichts Auffallendes: es ist einer der Fälle, in denen man von explicativer Bedeutung der Copulativpartikel redet. So wenn zu einem Individualnamen ein um- schreibender Zusatz tritt, der die Bedeutung des Gegenstandes für den vorliegenden Fall hervorhebt: Cie. in Verr. V 72,184 donum dignum Capitolio aique isla arce ommium nationum Catil. II 10, 23 qwo paco ἐπὶ Apenninum atque illas pruinas ac nives perferent? de domo 39, 108 hanc vero ἐμ Palatio atque in. pulcherrimo «urbis loco porticum esse palie- mini? pro Font. 14, 30 ad Apollinem Pyfhium aique ad oraculum orbis terrae vezandwn; ähnlich de fin. I 10, 34 ín liberos aique in sanguinem suum (am crudelem fuisse, s. Madvig z. St. Oder das zweite Glied dient

zur ausführlicheren Schilderung des ersten, vertritt also durchaus eine Apposition: Virg. Aen. IX 569 saxo alque ingenti fragmine | montis neben X, 127 sarum, haud partem exiguam montis; Aen. I 258 cernes urbem εἰ promissa. Lavini moenia. Oder ein allgemeinerer Ausdruck wird durch einen specielleren ersetzt: Cic. de imp. Pomp. 24, 69 quidquid hoc beneficio populi Homani atque hac potestate praetoria possem; oder ein Fremdwort dureh das Lateinische: de orat. II 67,270 Fannius ... Africanım ... Graeco verbo appellat elpwva; sed ... Socratem opinor in hac ironia. dissimulantiaque ... omnibus prae- siitisse. Noch anders Cic. pro Cluent. 1,8 memo est enim qui ... sine vestro ac sine (alium virorum subsidio possil resistere, wo mit (ales viri ebenfalls die Richter gemeint sind: “ich meine nicht euch gerade per- sönlich, sondern im Allgemeinen charaktervolle und einflussreiche Männer, wie ihr das seid. angor ist synonym von cura, oben 903 awgore meluque wie II 19 cura metuque; von den cwrae der Liebe handelt IV 1058 ff; 1060 successit frigida cura, 1067 curam dolorem, dazu 1184 surgit amari aliquid, quod in ipsis floribus angat. Vgl. Ciceros Schilderung der aegritudo λύπη: Tusc. III 13, 27 nam cum omnis per- lurbatio misera est, tum carnificina est aegritudo . . . (kabet) tabem, crucia- lum, afflictationem, foeditatem, lacerat, exest animwn planeque conficit. 994 scindunt, in dieser übertragenen. Bedeutung sehr selten, bleibt wie ezest im Bilde, danach V 45 s. o. Bo wird man, um das Bild nicht zu trüben, auch cwppedo nicht als das Werkzeug auffassen dürfen, dessen sich die curae bedienen, sondern (im) alia quavis cuppedine scil. iacentem verstehen ınüssen, anschliessend an in amore iacentem.

995 Zu den umfassenden Begriffen φόβος und λύπη treten noch als specielle menschliche Schwächen die ambitio und die Unersättlichkeit,

188 COMMENTAR

zu der auch die ataritia zu zählen ist: diese beiden Laster, die im Vor- wort allein hervorgehoben waren, werden hier in echt epikurischer Weise vom Standpunkt des Individualwohles betrachtet. Die Anstrengungen und Mühen, zu denen die Àomorwm cacca cupido (v. 59) zwingt, konnte jeder Römer täglich beobachten: so lag es nahe, gerade dies als Sisyphus- arbeit zu betrachten, zumal für den Epikureer, der gelernt hat, öffentliche Ehren wie öffentliche Wirksamkeit gering zu schätzen: V 1127 μέ satius mullo iam sil parere quietum quam regere imperio res celle. Daher heisst das imperium hier inane, wie bei Horaz die tituli (sat. II 8, 212) und die ambitio selbst (epp. II 2, 206); vgl. den epikureisirenden (Hirzel Unters. 1105) Sklaven bei Alexis II 306 K. (Athen. VIII 336 f) ἀρεταὶ δὲ πρε- cBeiai τε καὶ crparmmyiaı κόμποι κενὰ ψοφοῦντες ἀντ᾽ ὀνειράτων: κενός ein Lieblingswort Epikurs. imbibit pelere kehrt VI 72 wieder μέ ez ira poenas petere. inbibat (dewm vis) acris und findet sich ebenso con- struirt schon vorher Cie. pro Quinet, 6, 27 quod si facere nolit. atque. im- biberil cius modi rationibus illum ad suas condiciones perducere, wo keinerlei Veranlassung zu besonders gewählter Ausdrucksweise ist: es kann also nicht ganz ungebräuchlich gewesen sein, obwohl es sonst nur, von Späteren abgesehen, Cic. in Verr. a.p. 14, 42 (apinionem), Liv. II 47, 12; 58, 6 (beide Male mit blossem Acc.) belegt ist. Hier drückt es gut aus, wie der Strebende von seinem Streben ganz erfüllt ist. recedere häufig von einem abgeschlagenen Angriff; vgl such Hor. epp. 116,35 *pone, meum est’ inquit: pono (ristisque recedo. 1000 adverso nizantem irudere monte saxum übersetzt Homers cmperróuevoc xepciv Te nociv re λᾶαν ἄνω ὥθεςκε ποτὶ λόφον genauer als Culex 248 saxum procul adverso qui monle revolvil; nizans erinnert an 62 miti praestante labore ud summas emergere opes; das Folgende ἀλλ᾽ ὅτε μέλλοι ἄκρον ὑπερβαλέειν e summo iam verlice), τότ᾽ ἀποςτρέψαςκε (volvitur) κραταιίς᾽ αὖτις rusum) ἔπειτα mébovbe xuMvbero (pleni raptim. pelit aequore. campi) λᾶας ἀναιδής: auf die rhythmische Malerei hat L. verzichtet, im richtigen Gefühl, dass es sich nicht ziemt, Vollendetes nachzumachen. per aequora campi Ennius ann. 140. j z 1008 ingrata animi nalura wie Horaz sat. 12, 8 ἱνογαία ingluvie (nach Kallim. fr. 106 νειαίρην eic &yópicrov?), weil der animus undank- bar immer nach Neuem begehrt, nie expletwr satiaturque, vgl. satur. ac plenus rerum. v. 960. "Circum redire quid. sit non intellego" Lachmann: er schrieb, da er auch ein Objeet zu faciwmt vermisste, quod (weil) faciunt —viclusm. Genau genommen kann man allerdings nicht 'rings herum zurückkehren’, sondern nur ringsherum gehen und an einen be- stimmten Punkt zurückkehren. Jedes der Beiden wird dann auch einzeln von Gestirnen, Zeiten u. s w. gesagt, solis volvenlia lustra (V 931) wie solis redeuntibus annis (I 311, annus rediens Hor. sat. II 2, 88 u. o.). L. wollte aber hier Beides ausdrücken, und zwar so, dass es sowohl vom Kreislauf der Jahreszeiten wie von Personen gelten könnte, die in regel- mässiger Folge wiederkehrend etwas bringen: für die letzteren passt nicht, was Manil III 524 in gleichem Falle sagt, cuiusque sideris vices agerd redeuntis in orbem. Der Grieche hätte sich mit einem Doppelcompositum geholfen, περικαταλαβούςτης τῆς (pac "Theophr. de odor. 39: L. griff zu dem Ausweg, stati circumewnles redire einfach

VERS 995—1008. 189

circum redire zu sagen, was zwar kühn aber nicht misszuverstehen ist. Von Personen solite es gelten, sage ich; denn anni lempora sind ja nicht die ‘Jahre’, sondern die Ὧραι: di ese, nicht, wie Lachmann meinte, wir selbst oder unsere Genusssucht, faciunt nobis illud: pascunt mobis - animum (wobei freilich meist swwm zu verstehen, doch xz. B. Virg. Georg. II 285 non animum modo μὲ pascat prospectus) atque que "umquam explent satiantque; sie kehren zurück περιπλομένων ἐνιαυτῶν und bringen als πολυγηθέες jede ihre Erzeugnisse und erfreulichen Gaben, rarios fetus leporesque: Liberi lepos ist der Wein Plaut. Cure. 99. So wurden die Horen dargestellt: die eine bringt die Blumen des Frühlings (axi fempora conspergunt ciridantis floribus herbas II 82), andere den Ertrag des Feldes, des Obstgartens, der winterlichen Jagd: Φέρουςα heisst eine von ihnen Hygin. Fab. 183; sie alle dachte man sich allezeit als aero florente puellas. Aber trotz der Mannigfaltigkeit ihrer Gaben ersättigen sie uns nicht: so vermögen die blühenden Mädchen im Hades, von denen man erzählt, das lecke Fass nicht zu füllen. Das ist eine sehr überraschende Deutung des Mythus, und man wird ungern davon ab- gehen, in den Wasserirügerinnen wie in Tantalus, Tityos, Sisyphus Bilder der für ihren Unverstand büssenden Menschen zu sehn; aber die Worte des Dichters sind nicht anders zu verstehen. Man begreift erst so, warum L., statt wie Horaz (e. III 11, 26) und Tibull (I 3, 79) Danai puellas oder Danai prolem za nennen, nur von blühenden Mädchen spricht: der Name erweckte die Vorstellung von Schuld und Strafe, die hier nichts zu thun hat: wird doch auch ihr Thun einfach als laticem perfu- sum congerere in vas bezeichnet, ohne irgend eine Andeutung einer dabei erduldeten Qual. Kein Zweifel, dass L. hier einer griechischen Vorlage folgt: erst durch die Rückübersetzung von annorum tempora wird das Ganze verständlich. Daraus ergiebt sich aber eine Bestätigung dessen, was sich über die ursprüngliche Tendenz der ganzen Allegorie erkennen liess (s. o.): hätte sie in erster Linie bezweckt, die Furcht vor Hades- strafen zu bannen, so mussten auch die Danaiden als Büsserinnen auf- treten und gezeigt werden, dass wir lebend deren Strafe erdulden. Nun ist die allegorische Deutung der im Hades Wasserschöpfenden auf die dxölacroı und ἀνόητοι die älteste, die wir auf diesem ganzen Ge- biete kennen: schon Platon hat sie (Gorg. p. 4932), und Spätere sind ihm vielfach gefolgt (s. Norden a. a. O. p. 332); was bewog den Autor des Lucrez oder diesen selbst, hier seine eigenen Wege zu gehen? Die Allegorie liess sich so durchführen, dass als das Fass der animus dar- gestellt wurde, im Gegensatz zum Menschen, der ihm nicht Genüge thun kann. Aber dabei blieb störend die Mehrzahl der Danaiden neben dem einen Gefäss: uud bei Plato wird denn auch Jedem noch als Schöpf- gefüss ein durchlöchertes Sieb gegeben, das Bild der einzelnen Seele. Das haben Spätere nicht; und so wird z. B. auch bei Lukian dial mort. 11,4 der Vergleich anders gewendet: οὐ [ép εἶχον ἔνθα ἂν δέξαιντο τὰ τοιαῦτα παρ᾽ ἡμῶν (sagt Diogenes) διερρυηκότες ὑπὸ τρυφῆς, καθάπερ τὰ ςαπρὰ τῶν βαλλαντίων dre εἴ ποτε καὶ ἐμβάλοι τις ἐς αὐτοὺς coplav παρρηείαν ἀλήθειαν, ἐξέπιπτεν εὐθὺς καὶ διέρρει, τοῦ πυθμένος ςτέγειν οὐ δυναμένου, οἷόν τι πάςχουειν αἱ τοῦ Δαναοῦ αὗται παρθένοι elc τὸν τετρημένον πίθον ἐπαντλοῦςαι. Das Bestreben,

190 | COMMENTAR

eine dem Mythus sich eng anlehnende Deutung zu finden, lässt sich hier wie in der Fassung des L. nicht verkennen. Genau genommen fällt frei- lich so das Bild aus dem Rahmen der übrigen, und das wird L. nicht entgangen sein: aber er hat sicher recht gethan, daran keinen Anstoss zu nehmen. Im gleichen Sinne lässt sich dasselbe Gleichniss VI18 verstehen: omniaque illius (vasis) vilio corrumpier inlus quae conlata foris et commoda cumque venirent; partim quod fluzum perlusumque esse videbat ut nulla posset ralione explerier umquam ... Hier expleri nulla ralione potestur, wie 11045 dum suppleri summa queatur und bei passivischem Infinitiv im älteren Latein häufig.

1011 Die übrigen Schreckmittel der Unterwelt werden zusanımen- gefasst und gedeutet als Bilder irdischer Gewissensqualen oder Strafe für begangene Unthaten: Cerberus, an erster Stelle als Hüter des Ein- gangs genannt auch bei Cic. Tusc. I 5, 10 dic quaeso, num te illa terrent, triceps apud inferos Cerberus; die Furien entsprechend den épivóec, di θ᾽ ὑπὸ γαῖαν ἀνθρώπους rívuvrat, τίς x’ ἐπίορκον ópóccy (Tl. 19, 259), oder den Tloıval: λαμπάειν ἐπιμόνως πυρούμενοι ἸΠοινῶν sind die Uebel- thäter Axioch. 372a, und vielfach sonst. Dazu kommt lucis egestas: Lachmann nahm die alte Coniectur lwcis egenus Tartarus auf, quia lucis egestas sub lerra esse negari non debet. Dem Τάρταρος ἠερόεις (Il. 8, 13) wird freilich die Finsterniss gern und vornehmlich beigelegt; aber sie ist ein so wesentliches Schreckniss, dass sie mit gutem Rechte selbständig auftritt; Seneca ep. 24, 18 nemo (am puer est, μέ Cerberum timeat εἰ tenebras; dial. VI 19, 4 cogita .. . ἴα, quae nobis inferos faciunt terribiles, fabulam esse, nullas inminere morluis tenebras etc.; Axiochos fürchtet sich εἰ crepriconan τοῦδε τοῦ φωτός p. 365 c. Da Lucrez die Existenz der Acherusia templa (v. 25) überhaupt leugnet, kann er natürlich auch von der dort herrschenden Finsterniss nur diese ist j& doch gemeint behaupten, sie sei nirgends vorhanden. An die lucis egestas schliesst endlich sehr passend der Tartarus an, der Ort in der Unterwelt, wo die Sünder ihre Strafe verbüssen. Als Abgrund wird er von Alters her ge- dacht, und dabei ergiebt sich die Vorstellung des Schlundes von selbst, wie L. auch von den fauces Acinae (VI 689, I 724 faucibus eruptos serum vis μὲ vomat ignis) spricht; für die Aorriferi aestus finde ich nichts völlig Analoges; aber man denkt leicht an Dämpfe oder Dünste, aestus der loca Avema, wie sie L. VI 738, s. 816. 823f. 826. 830, beschreibt und physikalisch erklärt, um dem Aberglauben vorzubeugen, dass dort die ianua Orci (762) sich befinde; Virg. Aen. VI 240 vom Avernus: lalis sese halitus atris faucibus effundens supera ad convexa ferebat. Der Tartarus ist freilich in der Vorstellung, die wir bei L. vor- aussetzen müssen, von der ianua Orci sehr weit entfernt, aber man kann sich ja dort ähnliche pestilenzialische Lüfte denken. Aus älterer Zeit wüsste ich von annähernd Vergleichbarem nur das ctóptov μυκιύμενυν im Mythus der Republik (X 6156); in der, wie es scheint, sprichwört- lichen (Arnob. II 53 quemadmodum | dicitur) Redensart Orci fauces, die erst bei Apuleius (Met. VII 7 solus medüs O. f. evasi) auftritt, ist Orcus als Ungeheuer gedacht, vgl. Met. IV 20 faucibus ipsis hiantis Cerberi reluci«bat, Das Prüdicat zu den Subjecten Cerberus— Tartarus. fehlt, und statt des folgenden masculinen gwi würde man eher das Neutrum

VERS 1008—1018, 191

erwarten. Munro hilft sich mit Annahme einer Lücke nach v. 1011, in der das Verbum gestanden habe und vielleicht noch Cocytus, Acheron Rhadamantys oder Minos, jedenfalls aber Ixion erwähnt gewesen sei; das Letzte auf Grund von Servius zu Aen. VI 596, wo aber osfendü (p. 83, 8 Th. per rotam autem ostendit negotiatores qui semper tempestatibus turbi volcontur) im Gegensatz zu dicit esse (82, 22), dicit sigwi- ' ficari (88, 3), colt significari (83, T) sicher auf Virgil (so Bernays Rh. M. 1847 p. 584), nicht auf Lucrez geht, zumal die Deutung, die Servius giebt, ganz anderer Art ist als die lucrezianische. Dass Ixion bei L. fehlt, kann für das Alter seiner Vorlage sprechen, denn er ist bekannt. lich erst spät in die Unterwelt versetzt worden (unser ältester Zeuge Apollon. Rhod. III 62): jedenfalls wäre es sehr ungeschickt gewesen, ihn hier getrennt von den übrigen Büssern einzuführen. Aber auch ein Verbum ist nicht zu ergänzen: viel eindrucksvoller steht hier, durch iam vero wie nicht selten eingeführt, der blosse Nominativ im Sinne eines Ausrufs ‘und vollends Cerberus! So fasste das schon Marull, wenn er mit Àaec statt qwi fortfuhr; aber die Aenderung ist gar nicht nöthig; zum relativen Anschluss vergleicht Brieger gut II 342— 47: praeterea genus. humanum mutaeque natantes . .. quorum «unum quidois generatim sumere perge. Das Masc. wäre ohne die lucis egesías völlig correct und ist jetzt gesetzt, weil der persönlich gedachte Tartarus und seine aesíus den Gedanken vornehmlich beherrschen; bekannt ist Sall Jug. 49, ipei (milites) atque signa militaria obscurati. Lachmanns quid? ist jedenfalls unmöglich, da eine Behauptung, keine Frage folgt. profecto dient nicht zur objectiven Bekräftigung, ‘in Wahrheit’, sondern zur Angabe der eigenen festen Ueberzeugung (Seyffert zu Cic. Lael? p. 14), entspricht also dem sonst von L. in diesem Sinne gebrauchten μὲ opinor.

1014 Sondern bei Lebzeiten giebt es Furcht vor Strafe und Sühnung des Verbrechens; insignibus insignis ist hinzugefügt, nicht etwa um ge ringere Unthaten auszuschliessen, sondern um die Gerechtigkeit und Abgemessenheit der Strafe anzudeuten. Uebrigens wendet z. B. Cicero in den Reden insignis weit überwiegend von Dingen an, die sich in malam partem auszeichnen; insigmite ist fast ausschliesslich in diesem Sinne üblich (Brix zu Plaut. men. 1008). Als Apposition zu luella (ὅπ. λεγ.) werden die verschiedenen Straf- und Foltermittel aufgezählt, wie sie in Rom üblich waren: dass irgend Jemand diese in die Unterwelt verlegt habe (Dieterich Nekyia p. 140. 205.), ist mit keiner Silbe angedeutet. Dass zwischen den einzelnen Strafen die Henker erscheinen, braucht nicht aufzufallen; sie treten an Stelle peinigender Dämonen in der Unterwelt. Unter robur kann nur das Tullianum verstanden werden, da robwr hier- für der stehende Name ist, nie statt cculeus crux Ὁ, Ae. vorkommt; nach Sallusts Schilderung eignet es sich wohl als Gegenstück des Tartarus: incullu tenebris odore foeda alqwe terribilis eius facies est (Cat. 55). Pix (Plaut. capt. 596) lammina (Cic. Verr. V 168; Hor. epp. I 15, 86 Val Max. VI 8, 1) taedae (Iuv. I 155) beziehen sich auf Folterang durch Feuer: mit Fackeln werden die Verdammten von den Tloıval gebrannt Axioch. 372a. 1018 Wenn den Missethäter auch die Strafe nicht erreicht, so trägt er doch die Hölle in der Brust. Gerade die Furien sind sehr oft allegorisch gedeutet worden (s. Norden a. a. O.),

. . LI τ 4 . ' . . t e s [RS . " . Li . . . * . PC M ,.. , "£t " . “... «Φυ ZU * ^

192 * COMMENTAR

auffallender Weise findet sich, wie es scheint, nicht bei griechischen Auto sondern erst bei Cicero (pro S. Rosc. 24,67; parad. 2,18; de le I 14, 40) die Deutung auf die Gewissensqualen. Auch L. hat hier w vornehmlich an die Furien gedacht; adhibet stimulos (Cic. par. ἃ. ἃ. te conscientiae stimulant maleficiorum tuorum) gemahnt an die olcı Ἐρινύων (Eurip. Iph. T. 1456), flagella gehören zu ihren häufige Attributen. Furcht vor der Strafe ist es, nicht Reue über das gangene Unrecht, die nach Epikur den Frevler nicht ruhig werden ]& τοὺς γὰρ ἀδικοῦντας xal παρανομοῦντας ἀθλίως qaci xal repipót ζῆν τὸν πάντα χρόνον, ὅτι κἂν λαθεῖν δύνωνται, πίετιν περὶ τοῦ

θεῖν λαβεῖν ἀδύνατόν écrv: ὅθεν περὶ τοῦ μέλλοντος ἀεὶ φά ἐγκείμενος οὐκ ἐᾷ χαίρειν οὐδὲ θαρρεῖν ἐπὶ τοῖς παροῦει (Plut. c. Ep fr. 532, vgl. Philod. m. eöceß. fr. 49, 7 G.), auch V 1156 δ΄: etsi f enim divom genus. humanumque perpetuo. lamen id fore clam diffi. debet. Dabei ist ein Ende der Qual nicht abzusehen (meque wila ink finis curarum datur Attius fr. 577), im Gegentheil, man fürchtet

Verschärfung, aetermas quoniam poenas in morte timendumst (I 111).

- forrere, von Geisselhieben statt urere gesagt, würde man sich von irg

einem Manieristen gefallen lassen; nicht von Lucrez Zwischen te (Lachmann) und torquet kann man schwanken; ich ziehe dies vor, es dem adhibet stimulos besser entspricht und man überhaupt die St selbst, nicht den Schrecken vor ihr neben praemeluens genannt zu se wünscht. Vgl. Iuvenal XIII 192 cur (amen hos iu evasisse putes, « diri conscia facti mens habet attonitos et surdo verbere caedit occu. qualiente animo tortore flagellum. Für verbera torquere oder intorgs stellt Heinsius adv. p. 175 ff. zahlreiche Belege zusammen. 1028 _ lich wie bei sonstigen Beweisführungen wiederholt L. in der Clause These quaecumque Acherunie prodita sunt esse, in vila sunt omnia m. ‘kurz, hier, in diesem irdischen Dasein (hic wie 992), wird das ἴω. der Thoren ein Acherusisches", d. h. machen sie es sich zur Hölle stulti im technischen Sinne, ἄφρονες oder ἀνόητοι gegenüber den ccc in epikurischen Schriften sehr häufig, bei L. nur hier, vielleicht noch 1024— 1052. ‘Auch magst du dir vorhalten, dass so viel Grös und Bessere als du haben sterben müssen, Kónige und Kriegshe? Dichter und Denker: wie wolltest du murren, der du träumend und &ngstigend dein Leben nutzlos verbringst? Der Gedanke, dasm alle sterben müssen, v. 966 f., findet hier seine Fortsetzung in anderen, dass auch die Grössten und Besten nicht vom allgeme Schicksal befreit sind. Und zwar ist das von jeher so gewesen, m. in der grauen Vorzeit; als deren Repräsentanten nennt Horaz in lichem Zusammenhange epp. I 6, 27 Numa und Ancus, c. IV 7 Aeneas, Tullus und Ancus: L. wählt Ancus, um dabei einen bekar- Enniusvers citiren zu können, ann. 150 posiquam lumina sis oculis 7: Ancus reliquit; auf bonus liegt nur bei L. ein starker Nachd Über lumina reliquit τὰ v. 542. Zweifelhaft ist sis oculis; man « an einen Abl. instr. denken, denn er verlüsst das Licht, indem e, Augen schliesst; aber anders hat es Verrius verstanden: Fest. p, (sos) interdum pro swos ponebant, wt cum per dalivwm casum ; Ennius effert "postquam lumina etc Danach würden die Augen al.

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VERS 1018— 1082. 195 [i |

zunächst betroffene Theil genannt sein, der Dativ also generell gleich | artig sein z. B. mit Cato r. r. 5, 7 scabiem pecori et iumentis cao. | Ich halte diese Auffassung für richtig. 1026 So redet Achill Il. 21, 106 den Lykaon an: τίη ὀλοφύρεαι οὕτως; (vgl 1045) κάτθανε καὶ Te τροκλος, περ céo πολλὸν ἀμείνων. | improbe fügt L. hinzu, die Schelt rede 1046 ff. vorbereitend; und im Gegensatz zu bonus Ancus. 1028 Auch magnis qui gentibus imperitarunt mag ein Anklang an Enniu sein; so, als Citat, wird auch besser verständlich Hor. sat. I 68 sec quoi acus tibi malernus fuit atque paternus olii qui magnis legionibus imper: tarent: L. scheint da nicht zu Grunde zu liegen. Darauf wird dem 1029—1032 Xerxes nicht genannt, sondern bezeichnet: dass der Name nicht genannt wird, nicht genannt zu werden braucht, sondern zur Be - zeichnung die Angabe einer That genügt, bringt deutlich zum Bewusst sein, wie einzigartig in der Weltgeschichte diese That war: und doch musste er sterben! In L. Vorlage waren wohl die Verse citirt, die Plutarch zu gleichem Zwecke cons. ad Apoll 15 p. 110 anführt (vgl Bergk P. L. III p. 739) ποῦ yàp τὰ ceuvà κεῖνα, ποῦ bt Außdinc μέ- τας buváctnc Kpoicoc Ξέρξης βαρὺν ζεύξας θαλάςεςης αὐχέν᾽ "Enc ποντίας; ἅπαντες Ἅιδαν ἦλθον καὶ Λάθας δόμους. Aber der einfache Ausdruck genügte L. nicht, um die Macht des Mannes und die Grösse der That zu bezeichnen; von dem schlichten ciam siravit geht er weiter zu den Heerschaaren, die übers hohe Meer ziehen bei lagiones ist ebenso wenig wie im horazischen magnis legionibus imperitarent au schliesslich an Fussvolk zu denken —; dabei ist es denn vor Allem er- staunlich, dass selbst die Beiterei hinüberzog, und dieser zu Liebe wird zunächst auch das Fussvolk besonders genannt, pedibus docwit superire, das auch an sich bedeutungsvoll ist, denn via und iler hätte immerhin noch von der Schiffahrt gesagt werden können und in docw liegt, dass Xerxes der erste war, der Solches vermochte. Eine gewisse Ueberfülle des übrigens mit grosser Kunst variirten Ausdrucks ist vorhanden, abes sie ist beabsichtigt, um den Eindruck des Ungeheuerlichen, menschliches Maass Ueberschreitenden zu erwecken: ich kann Lachmann (der v. 1031 als Rest einer älteren Fassung einklammerte) nicht zugeben, dass si molesia ac prorsus intolerabilis sei. Wie man dieselbe Sache, ohne irgeni mehr zu sagen, schwülstig behandeln kann, zeigt Sidon. Apollis c. V 451 nec laniae Sesion iuncherus Abydo Xerzes classis erat, twmida cum slerneret undas ei pontum sub ponte daret, cum slagna superbo ürve pit temerala gradu. turmaeque frequentes. Hellespontiaco persallauere pes fundo. Bei Verbindungen wie iter dedit ire, dederaique comam diffem dere ventis Virg. Aen. 1 819, loricam ... donat habere viro V 260, ἐν δι liam et melun tradam ... ρογίαγε ventis Hor. c. I 16, 2 ist wrol ursprünglich der Infinitiv Object des regirenden Verbs, der Aecusmt Object des Infinitivs gewesen; an den genannten Stellen wird aber sch. das Subst. als Object, der Infinitiv als epexegetischer Zusatz Einen wesentlichen Unterschied zwischen den beiden von viam, iler dare “einen Weg freilassen’ und “einen Weg schaffe (Thielmann, das Verbum dare p. 57) kann ich nicht anerkenmem. . salsas lacunas (nec terrestria. de salsis exisse lacumis V 794) erinum, an das vom auct. ad Her. IV 50, 15 als Beispiel der figura suffiatm 1 Lucretius v. Humns. 18

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geführte nam qui perduellionibus vendilat palriam, non satis subpl dederil, si praeceps in Neptunias depulius erit. lacunas: der A stand der beiden Stellen von einander ist deutlich genug. insulia: ‘darüber hin sprengen’ und 'verhóhnen' in einem Wort, contemsit günzend. Nicht ganz so gelungen ist Cul 31 won perfossus Athos : mar 0 vincula ponto iacta ... won Hellespontus pedibus pulsat equorum. Den durchstochenen Athos als Gegensatz zum überbrücki Hellespont, ὅ-- πάντες θρυλοῦειν (Isokr. Pan. 80), hat L. verschmäht. 1033 lumine adempto ist Abl. des Zustandes, corpore moribundo eige: licher Ablativ wie V 812 sucum venis cogebat fundere apertis. Zu fu vgl. 700 cum corpore fusa peribit. 1034 Scipiadas: die kühne Bildung (von Scipio- statt von Scipio:

wird, wie Lachmann vermuthet, von Ennius herrühren (Aeacides δι 186. 187) und findet sich bereits Lucilius 1018sq. Cornelius Publ noster Scipiadas; dann epigr. Gr. 674 K. Σκιπιάδαι, gewiss nach lat nischem Vorbild. So L. Memmiadas I 26 == Menuni dara propago - Die Metapher belli fulmen, an sich übrigens naheliegend, ist von oder Ennius vielleicht dem Griechischen entlehnt, Wakefield verwies Lykophr. Alex. 482 Afjivioc. πρηςτὴρ Ἐνυοῦς (Aias), man denke aw an Kepauvóc als Beinamen. Nach L. dann Virg. Aen. VI 842 c Gracchi genus (relinquat), aut geminos, duo fulmina belli, Scipiadas, dem Libyae, danach Sil Pun. VII 106 em, «bi nunc Gracchi atque nunc sunt fulmina gentis Scipiadae (d. h. P. und Cn. Bcipio), auch 664 fulmen subitum Carthaginis Hannibal; und zweifellos in Erinnex- an Virgil Valer. Max. III 6, 1 über den entarteten Sohn des Africm bomi, quas tenebras e quo fulmine masci passi estis! (vorher inter fulgentissima cognomina. patris εἰ pairwi). Munro zieht aus dem Wie. kehren des Beiworts bei Cic. pro Balbo 15, 54 cwm duo fulmina 9m. imperii subito in Hispania Cn. εἰ P. Scipiones extincti. occidissent einer Münze der Scipionenfamilie, die auf dem Revers Iuppiter mit und Scepter trägt, den Schluss, dass die Scipionen ihren Namen εκηπτός und Aehnlichem in etymologischen Zusammenhang gebracht Der Gedanke ist ansprechend; aber die ersterwühnten Stellen fliessera aus einer Quelle, bei Cicero ist wahrscheinlich lwména zu schreibe Hirschfelder Jahrbb. 1871 p. 202), und die Münze beweist nichts: die Münsen der gems Cornelia (nicht nur der Scipionen) öfters lug, zeigen, so geht das eher auf die Beziehung, in der Scipio Afrä« maior zu dem Gotte stand, Liv. XXVI 19 und Mommsen röm. M p. 564. 1085 Auch hier Ennianische Beminiscens: Non. p. 1 - famul, famulus. Ennius lib. IX (ann. 316): mortalem summum fe repente reddidit, (ce) summo regno wl. famul infimus esset, wie L, auf Grund des Lucresverses mit Recht statt opfimus schrieb. Citat gewinnt an Beziehung, wenn bei Banius die Verse, wie "V p. LXVII mit grosser Wahrscheinlichkest vermuthet, vor der Bchlacy Zama an Scipio gerichtet wurden.

1036 adde s. zu 828. Die εὑρέται der lepores werden dene docirinae an die Seite gestellt: dies die Wissenschaft, d. b. Philos jenes umfasst Alles, was dem Leben Ammmth und Reiz verleiht, vgl n. h. XXXI 41, 88 sales appellantur, omnisque vilae lepos εἰ x

VERS 1082— 1042. 195

hilurilas laborumque requies non alio magis vocabulo consial. In de That steht sa} und lepos sehr häufig neben einander, vgl. auch IV 1154 Χαριτῶν μία, ἰοία merum sal. Zu diesen lepores gehören in erster Linie die Künste, vor allem die Poesie, daher Musaeo contingens cuncia lepore I 934, adernum da dictis, diva, leporem I 28: so werden denn die Heliconiadum comites noch besonders genannt; ἐγὼ Μούςῃςειν Ὀλυμπιά- deccıv ὀπηδός Hom. hymn. in Mere, 450, ὁπαδὸς θεοῦ häufig. Ueber sie herrscht Homer, der κοίρανος ὕμνων Μαιονίδης (Archias A. P. VII 213), scepira potitus: so sagt Ptolemaeus Euerg. II (Achilles vita Arati): ἀλλ’ ὅτε λεπτολόγος «κῆπτρον "Ἄρατος ἔχει, vgl. Statius silv. IV 7,5 von Pindar regnator lyricae cokortis. Unter den Philosophen wird Demo- krit besonders hervorgehoben, bis dann Epikur die ganze Reihe ab schliesst. Die Angaben über das Alter Demokrits schwanken zwischen 90 und 109 Jahren; für seinen freiwilligen Tod ist L. der älteste aus drückliche Zeuge, aber auch die Erzählung des Hermipp bei Diog. Laert. IX 43 hat eigentlich nur unter dieser Voraussetzung Sinn. Die Veran- lassung giebt Athen. II 46 e wie L an: Δημόκριτον... λότος ἔχει διὰ γῆρας (ὑπέργηρως bei Diog. Laert. a a. O.) ἐξάξαι αὑτὸν διεγνωκότα τοῦ ζῆν καὶ ὑφαιροῦντα τῆς τροφῆς καθ᾽ Exäcmv ἡμέραν, aber bei L dient die Art der Angabe zugleich zur Characterisirung Demokrits, der nur ein Leben voll ungeschwächter geistiger Kraft und Thätigkeit für lebenswerth gehalten habe: in welchem Gegensatz dazu steht der, qui somno purtem maiorem conleri aevi el vigilans. siertit. memores molus wohl zum Theil der fünffachen Allitteration zu Liebe; aber das Beiwort

Weise in noch höheren Ehren stand heut zu Tage; memoria ἰδὲ die Seele der Beredsamkeit (Quint. inst. IX 2, 1); durch sie ist Lucullus zum grossen Feldherrn geworden (Cie. Ace. pr. II 1, 2); der Dichter wird durch das Beiwort memor ausgezeichnet (Prop. III 34, 81; paneg. Mess. 17), kurz, memoria non modo philosophiam, sed omnem vilae usum omnesque aries una mazime continet (Cie. Ac. pr. II 7, 22). Wie aber den Demokrit sein Alter daran erinnern kann, dass sein Gedächtniss nachlässt, verstehe ich nicht, sehe auch nicht, dass ein Erklärer das ver standen hat. Mit Bentleys Verbesserung Democritus wird der Sinn vor trefflich: das Alter gebietet den smemores solus Einhalt. Man könnte auch an Democriti denken; nicht aber daran, Democritum so zu halten, dass man memores motus als sog. Ace. graecus auffasst, wie (remit artus 489 perculsi corda I 13 mentes movellas 261 percussi membra timore V 1223: der Unterschied leuchtet eim. 1041 Die abgeblasste Wen- dung morli se offerre wird durch den Zusatz obrius und die Einfügrang von capu wieder zum anschaulichen Bilde. ipse. ipse: die Wieder- holung natürlich nicht beabsichtigt. 1042 obit Perfect wie redifqwe 502, init IV 314, perit. 771; vgl. L. Mneller de r. m.’ p. 508. de curso lumine vilae (vgl. quo decursum prope iam siet II 962, spatiwm decurrere amoris IV 1196) hängt nicht, wie Lachmann annahm, mit dem Fackellauf zusammen. Die Metapher decwrrere vitam, vilae spafissee uni Aehnliches ist von der Rennbahn bergenommen, wie Cic. Cato m. 23, 8! ganz deutlich zeigt: si qui deus mihi largiatur μὲ ex hac adate repwe 18°

196 COMMENTAR

rascam ... valde recusem, nec vero velim quasi decurso spatio ad σα

.cercs a calce revocari. Bie ist aber schon in früher Zeit ganz

gebürgert (Plaut. Stich. 81 decurso actutis spatio, merc. 547 dece. spalio breve quod vilae relicuomst; Ter. ad. 859 ego vitam duram pra ium excurso spatio itio), so dass sie offenbar kaum mehr als Pm empfunden wurde; wie man also sagt finito lumine vilae (CLE I 473, kann man auch sagen decurso lumine vilae, und ebenso gut dccwe primaevae flore iuventae Orient. common. II 231. Epikur überragt « menschliche Geschlecht, divina mens 15; vor seinem Glanz erbleicht je. andere, wie die Sterne bei Sonnenaufgang: restingere also in andem- Sinne als Cic. or. 1, 5 nec vero Aristotelen in philosophia deterruit a bendo amplitudo Platonis, nec ipse Aristoteles admirabili quadam scie» εἰ copia ceterorum studia restinzit; sondern wie Meleager A. P. XII Mutcxoc Ecßecev ἐκλάμψας dcrépac ἠέλιος. Das Gleichniss ist gellicm siehe Geffcken zu Leonidas 21 (A. P. IX 24), wo ἔμπυρος ἠέλιος == aea rius sol, V 215 vu. 0.

.1045 Auch diese ganze Apostrophe wird man noch zum Sel

: gespräch ziehen müssen, als Ausführung des improbe 1026; aber

Grunde redet doch der Dichter zum grossen Haufen der Thoren. willst nicht sterben, und bist doch schon so gut wie todt’; mori ti»m quid porro? isla vita non mors est? Sen. ep. 77, 18; qui vero lat&a εἰ torpent sic in domo sunt quomodo in conditivo. horum licet in kom ipso nomen marmori inscribas: mortem suam anlecesserunt ebd. 60, 4, 4 so in vielfacher Variation, auch bei Epiktet, z. B. I 9, 19 νεκρὸς

παιδευτής, νεκροὶ δ᾽ ὑμεῖς. Das war auch zu Lucrez Zeit schon θρυλούμενον, sonst hätte es Sallust nicht, Cat. 2, 8 sed multi morte; dediti centri atque. somno, indocti incultique vitam sicuti. peregrince, iransiere; quibus profecto contra natwam corpus coluptati, anima 4 fui. eorum ego vitam morlemque iuxta aestimo. Auch die Fass vexpóc βίος (Julian VI p. 203c) mag schon vor L. da gewesen dazu dann noch die sprichwörtliche Eedensart vico atqwe videnti; ähnlichem Oxymoron wie Ter. eun. 73 vivos vidensque pereo. In Ausführung wird aus einleuchtenden Gründen nicht wie bei Sallust. dem materiellen Genusse gewidmetes Leben getadelt wer darin Befriedigung findet, ist ja nicht zu tadeln —, sondern einerseits torpere Senecas mit qui somno partem maiorem conteris aevi und υἱσ stertis; dieser geläufigen Redensart (s. Otto Spr. unter dormire) aber sofort ein neuer Sinn untergelegt: er schläft wachend, denn er = ja unaufhörlich Träume: das sind aber die von den vates somnia quae vilae rationes vertere possint. fortunasque (uas omnis tur timore 1 105. So ist sehr geschickt der Uebergang von der Nutzlo keit zur Genusslosigkeit des Lebens gefunden: und hierauf kam er wesentlich an, um hier am Schlusse nochmals ausführlicher zu zeigen, er Anfangs v. 38 andeutete, dass der metus Acheruntis funditus humess; vilam turbat ab imo. Denn die morbi causa (1070), die der Kra nicht kennt, ist ja nichts Anderes als die falsche Vorstellung vom . seits; ἔνιοι θνητῆς qUceuc διάλυςειν οὐκ εἰδότες ἄνθρωποι, Euveidiice τῆς ἐν τῷ Bip κακοπραγμοςύνης τὸν τῆς βιοτῆς χρόνον ἐν tapa: καὶ φόβοιει ταλαιπιυρέονςει͵ ψεύδεα περὶ τοῦ μετὰ τὴν τελευτὴν μι

VERS 1042—1088. ᾿ 191

πλαςτέοντες χρόνου Demokrit Stob. Flor. 120, 20. Wilamowits hat diesen Spruch in Beziehung gesetzt zu den Worten der Amme Eurip.

: Hippol. 191—197; so mag die vorhergehende Schilderung von Phaedr | unruhigem Zustande mit der im Folgenden von L. gegebenen verglichen : werden: τόδε cov: φέγγος λαμπρόν, δδ᾽ αἰθήρ, κα δὲ δόμων ἤδη | vocepäc δέμνια xoírnc: crurvöv δ᾽ ὀφρύων νέφος αὐξάνεται: δεῦρο γὰρ ἐλθεῖν πᾶν ἔπος ἦν cov τάχα δ᾽ ἐς θαλάμους «πεύεκεις τὸ πάλιν. ταχὺ γὰρ cpáAAg κοὐδένι χαίρεις, οὐδὲ c' ἀρέςκει τὸ παρόν, τὸ δ᾽ ἀπὸν φίλτερον fü. 1061 cbrius, d. h. des Verstandes beraubt: die ! Metapher ist im Griechischen in ebenso ausgedehntem oder ausgedehnterem Gebrauche als im Deutschen; im Lateinischen fehlt sie fast vollständig, denn .was man anzuführen pflegt und mehr kenne ich nicht —, damit hat es seine eigene Bewandtniss: Hor. c. I 37, 11 (regina) foriuna dulci cbria spielt auf Kleopratra's Zechgelage an (Kiessling); Cat. 45, 11 pucri cbrios ocellos, weil die Augen schwimmen wie in der Trunkenheit; Plin. n. h. XIV 148 exiguo tempore ante proelium Actiacum id volumen evomuit (Antonius), quo facile intellegatur ebrius iam sanguine civium οἱ lanto magis eum sitiens nämlich das Volumen de sua ebriefate; dann noch etwa Juv. IX 113 vinosus inebriet aurem. Also wird L. hier ein | μεθύων φόβῳ καὶ λύπῃ übersetzen. Dieser trunkene Zustand wird ge- schildert in v. 1052, wo Verbum, Particip, Substantiv und Adjectiv auf - dieselbe Vorstellung " hinarbeiten: er schweift umher, cagatur, und zwar fluitans, wie ein führer- und steuerloses Schiff (Kraetsch a. a. O. 74), vgl Cic. pro Best. 20, 46 in hanc reipublicae navem ereplis senalwi gubernaculis fluitantem in alto, Virg. Aen. V 867 cum pater amisso flui- tantem errare (navem) magistro sensit; das geschieht incerfo errore anime, in unsicherem Hin- und Herschwanken des Geistes, ohne Halt noch Ziel, IV 1077 fluctuat incertis erroribus ardor amantwn, Cic. de fin. V 6, 15 summum autem. bonum si ignoretur, vivendi rationem ignorari necesse est; ez quo lanus error consequitur, ut. quem. in porlum se recipiant. scire non possint; de off. II 2, 7 non enim sumus ii quorum vagelur animus errore nec habeat «umquam quid sequatwr. Vgl. zum ganzen Pacuv. tr. 302 triplici pertimefactus maerore. animi incerle errans. vagat, und, auch zum Folgenden, Ennius tr. 187 ofioso in otio animus nescit. quid vclit. hoc itidemest: enim neque domi nunc os nec militiae sumus; imus huc, hinc illuc: cum illuc ventum est, ire illinc lubel: incerte errat. animus, praeter propter vilam civitur; 360 animus aeger semper errat. Verwandt ist auch der in die epikurische Kunsteprache recipirte Gegensatz von xeı- μάζεςθαι und τγαληνιᾶν.

1053—1075 “Wenn die Menschen, die ja doch empfinden, dass sie etwas bedrückt, die Ursache davon wüssten, so würden sie nicht, wie jetzt, in steter Unruhe leben. Wer immer unschlüssig und nie zufriedex von einem Ort zum andern irrt, der flieht sich selbst: aber man kanı sich nicht entfliehen. Wüssten sie nun den Grund ihrer Krankheit, sx würden sie vor allen Dingen sich der Naturerkenntniss befleissigen handelt es sich doch dabei nicht um eine Stunde, sondern um de: Zustand, in dem wir nach dem Tode in alle Ewigkeit sein werden." Anknüpfend an die letzten Worte des Selbstgesprüchs wird als die de Menschen selbst unbekannte Ursache ihrer rast- und freudlosen Unrub

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die Todesfurcht bezeichnet: wenn sie bekämpft werden soll und diesem Zwecke dient ja, wie das ganze Buch, so insbesondere der dritte Haupttheil —, so muss sie zunächst erkannt und auch in ihren ver - borgenen Wirkungen enthüllt werden. So ist der Abschnitt nur schein- bar Abschweifung. L. lässt sich vielleicht durch seine Freude an der Schilderung rein menschlicher Verhältnisse verleiten, ausführlicher zu werden namentlich in der Schilderung des Rastlosen 1060 ff. als un- bedingt nöthig wäre. Dabei darf man aber nicht vergessen, dass der antiken Moralphilosophie die Aufzeigung der Symptome und Folgen eines seelischen Leidens als Vorbedingung einer wirksamen Bekämpfung ebenso wichtig erschien als der eigentliche λόγος θεραπευτικός, und dass auch die epikurische Schule sich darin von Stoikern und Peripatetikern nicht unterschied: man braucht nur daran zu denken, wie energisch Philodem im Vorwort zu περὶ ὀργῆς diese Methode (τὰ παρακολουθοῦντα κακὰ τιθέναι πρὸ ὀμμάτων) vertheidigt. Unter demselben Gesichtspunkt ist die ausführliche, an den Satirenstil streifende Schilderung der Liebes- leidenschaft im IV. Buch zu verstehen (καθάπερ καὶ ἐπὶ τῆς ἐρωτικῆς εἰώθαμεν ποιεῖν ἐπιθυμίας Philod. a.a. O. coL 7).

1053 Man sieht, sie empfinden die Last, denn sie handeln ja quasi onus deponere possint; in dieses Bild fügt sich sehr glücklich die, wie Munro mit zahlreichen Beispielen belegt, wegen der Allitteration beliebte Wendung soles mali (Eurip. κακῶν ἄλλας ὁδούς übersetzt Cic. Tusc. III 14, 29 mit aliquam molem mali) Seneea ep. 28, 2 quaeris quare te fuga ista non adiuvel? lecum fugis. onus animi deponcndwm est: non ante libi «llus placebit locus wohl im Anschluss an L., s. zu 1068. 1057 wl nunc plerwnque videmus scil. eos vilam agere: τὰ diesem vor- gestellten Infinitiv epexegetisch die anderen, nescire und quaerere, deren Subject aber nicht mehr eos, sondern, aus dem Nebensatz, quemque ist. quaerere. semper. commulare locum hat Bentlev mit Recht verbunden, fer möchte immer von einem Ort zum andern’, womit noch nicht gesagt ist, dass er es auch wirklich immer thut: die folgende Schilderung be- trifft ja nur einen speciellen Fall Wenn z. B. Horaz Romae rus optat, absentem. rusticus. wrbem tollit ad astra levis (sat. II 7, 28), so ist dies ein quaerere semper commulare locum, das vielleicht zum saepe commutare führt. Zwar gäbe quaerere semper quid sibi velit einen erträglichen Sinn, aber comemuiare locum ohne Angabe des wann oder wie oft reicht nicht sus. Ter. eun. 978 ubi satias fieri coepit, commuto locwn. 1060 magnis ex aedibus, wie bei Hor. sat. II 7,9 Priscus visit ἐμ - aequalis, ut aedibus ez magnis subito se conderet eto., er besitst auch Equipage und Landhaus, ist also reich: und doch nicht zufrieden. 1061 Klürlich sind zwei Vorgänge geschildert: er geht foras, und kehrt zurück, weil es foris nicht besser wird: 1062 gehürt also hierher, nicht wie Bergk wollte nach 1067. Dann fährt er aufs Land, und weiss auch dort nichts mit sich anzufangen: er schläft oder kehrt in die Stadt zurück. Dieses Bild der Unschlüssigkeit wird zerstört, wenn man mit Bergk swbilogue currit verbindet: v. 1061 ist also nothwendig ein Verbum zu ergänzen. Das revenlat einiger italienischer Handschriften und Drucke ist so offenbar Conjectur, dass man davon nicht ausgehen darf: revertit (Präsens. auch V 1153 afgue unde exortast, ad eum plerumque

VERS 1058—1068. 199

reverlit; Non. p. 476 rerortit. Poiuponius Muiali [80 R] cenam. quacritat ; si ewm emo vocal, revortit maestus ad swacnam sniscr) wird das Richtige sein. Revisit (Proll de formis ant. Luer. p. 44) ohne jeden Zusatz ist kaum annehmber: L. construirt es, wie auch Andere, mit ad (II 359 V 636) oder mit dem blossen Accus. (III 1067 IV 285. 393); absolut steht es freilich IV 1117 redit rabies eadem ct furor ille revisit: aber da ist es durch das vorhergehende redit eher gerechtfertigt. Rebitit (rebetit Nencini Stud. Ital III 218) möchte ich L. nicht zutrauen. 1064 quasi instans “wie einer, der eilt... Auf inslans folgt un- mittelbar in scharfem Gegensaize oscilat, das indicium vagi anim εἰ alucinantis Gell. IV 20: dann geht er entweder in die villa, aber nur um zu schlafen, abit in somnum: das ist auch ein Weggehen, ein Ver- such sich zu entfliehen, und zwar gravis nicht vor Müdigkeit, wie es sonst gravis somno u. K heisst, sondern weil ihn das onus animé gravi- lale fatigat: er sucht es im Schlaf zu vergessen oder er strebt eilends wieder stadtwürts, damit dort das Spiel von Neuem beginne. 1068 fugiat hat zuerst Madvig adv. crit. II 24 richtig gelesen: die Handschriften theilen zwar fugit af ab, aber das ist keine Ueber- lieferung; Seneca sagt de tr. an. 2,14 aliud ex alio ier suscipitur αἰ speclacula spectaculis mulantur; μὲ ait Lucretius: "hoc se quisque modo semper fugit". sed quid prodest, si non effugit? sequitur se ipse e urge gravissimus comes; aber das ist klärlich aus dem Gedächtniss citir. fugifare gebraucht L. neben fugere unterschiedslos, qwem scilicet: d. h. se fugit, scilicet ewm, quem meque effugit neque. effugere potest, oder μέ non effugit ita effugere. omnino nequit. Er kommt nicht vom Fleck, haeret (Hor. sat. II 7, 26 aut quia. non firmus rectum defendis e haeres, nequiquam caeno cupiens. evellere plantam), und wird hasserfüllt, gegen sich, das Leben, seine Umgebung, kurz vifae lucisque videndae odium cos percipit (80): odit absolut wie Hor. sat. II 1, 23 cum sibi quisque timet, quamquam est intacius, et. odi, wo auch der Gegenstand des Hasses aus dem Zusammenhang zu entnehmen ist, Und weshalb das Alles? Nur weil er die Natur seiner Krankheit nicht erkannt hat, aeger: dass er krank ist empfindet er. Wüsste er, dass er an Todesfurcht leidet, er würde Alles stehn und liegen lassen (rebus reliclis, oft in der Komödie u.a.) und sich dem gucioloyeiv bingeben: und zwar würde er das sicher thun und mit Recht thun, da die Ewig- keit in Frage steht; der Zustand, in dem wir die ganze Zeit sein werden oder, wie L. sich ausdrückt, in dem für uns die ganze Zeit sein wird, die nach unserem Tode noch übrig ist und uns nach unserem Tode erwartet. Statt resiat et mane (1091 sors aeterna ... manebit) oder resiat manens (nos) sagt L. in eigenthümlich kühner Wendung restat manendo; zu VI 333 in remorando haesitat bemerkt Munro richtig, dase in remorando ein Part. Präs. vertritt: IV 720 in remorando laedere ne possint ex ulla lumina parte, III 491 in iactando membra fatigat VI 148 dant in frangendo u.s. £, aber das Gleiche ist bekanntlich beim blossen Abl. Ger. der Fall, nicht nur in instrumentalem Sinne, Virg. Aen. II 6 quis talia fando ... temperet a lacrimis, dazu Wagner; Plaut. men. 882 lumbi sedendo oculi spectando (instr.) dolent, manendo (== dum maneo) medicum, dum se ez opere recipiat, dazu Brix.

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1076—1094 “Und warum zittern wir in Gefahren für unser Leben? Sterben inüssen wir doch einmal, und ob wir nun länger leben oder kürzer neue Genüsse vermag uns das Dasein doch nicht mehr za bieten und eben so wenig uns an den alten zu ersättigen; die Zukunft ist unsicher; und ewig bleibt der Tod und das Nichtsein, mögen wir auch noch so lange gelebt haben”. Wenn auch der Tod selbst keine Schrecken an sich hat, so kann doch noch die ritai cupido, φιλοζψία, ihn uns fürchten lassen: auch diesen Stachel muss die Consola'io noch beseitigen, um erschüpfend zu sein. Aber dieser τόπος liegt freilich am Weitesten vom Wege des L. ab, der es ja nicht mit dem Leben, sondern mit dem Tode zu thun hat; darum wird er so kurz wie móglich er- ledigt, gewissermaassen nur die Capitelüberschriften gegeben ist doch auch Manches schon vorher berührt worden. Erst der Gedanke an die Ewigkeit des Todes darf wieder etwas breiter ausgeführt werden. Eines aber fehlt bei L., was in der verwandten Litteratur sonst nie übergangen wird: der Gedanke, dass es eher ein Vortheil als ein Unglück sei, vom Leben erlöst zu werden, das doch vom Anfang bis zum Ende voller Kummer und Elend ist Ueber diesen Standpunkt ist der Epikureer dank der beglückenden Lehre seines Meisters erhaben. 1078 An certe equidem haben Avancius Lambin Lachmann Anstoss genommen und certa quidem geschrieben, die Neueren sind gefolgt. Grammatisch sehe ich dazu keine Nöthigung: wenn L. cquidem sonst nicht hat, so beweist das nichts, er hat auch cerie ausser an dieser Stelle nur IV 760; cerle cquidem ist eine in älterer Zeit häufige Verbindung, die auch Virgil noch anwendet Sachlich aber ist ccría quidem direct unepikurisch: fest bestimmt ist das Lebensende für keinen von uns. Ein Stoiker dar! wohl so reden: fixus est cuique terminus: manebit semper ubi positus est. sex illum ullerius diligentia aut gratia promovebit ... solvitur quod cuique promissum est; eunt via sua fala nec adicius quicquam nec ex promisso semel demuest frustra vola ac studia sunt: habebit quisque quantum illi dies primus adseripsi. und wie die Cantilena weiter lautet, Sen. ad Mare. 21, 5 sqq. Da heisst aber τῇ τῶν φυεικῶν εἱμαρμένῃ δουλεύειν (Epik- ep. Ill p. 65,18 und nichts verabscheut der Epikureer mehr. Er lehrt oóbeic écrw δύναται φυγεῖν θάνατον (1079) καὶ μὴν báctov, καθάπερ qnc Ἐπίκουρος (fr. 492), ἀπὸ τῆς πρώτης vevéceuc πρός τινα χρόνςε cucrávroc, ὥςτε πλήονα μὲν μὴ δύναςθαι βιῶςαι ἐλάττονα δὲ bóv« cdaı, τὴν ἀνάγκην τὴν κατὰ τὸν χρόνον τοῦτον οὐκ ἔςτιν imo: μεοολαβεῖν (Körte Metrodori fragmenta p. 581). D. h. die Zeit ist } stimmt, die eine gewisse Atomverbindung längstens dauern kann, de kann diese zZ

Ianten 'du musst doch zur bestimmten Zeit sterben’, sondern nur 8 kannst du doch nicht leben', woran dann vortrefflich als Weiteres schliesst, dass auch auf ein langes Leben kein grosser Werth za le ist adstat za 959.

1080—1084 Vgl 9444 957 ff.: im Ausdruck gewechselt, nur stehende Formel dum abest quod avemus kehrt wieder. Oben sp die Natar ‘ich kann dir nichts Neues mehr finden’, hier wird vom L

VERS 1076—1094. | 201

selbst gesagt, es schaffe keine neuen Genüsse; für die Metapher procudere gignere hat L. eine besondere Vorliebe, I 1115. V 850. 856. An Stelle des nie befriedigten Tischgastes tritt hier der immer Dürstende, vielleicht anklingend an ein beliebtes Gleichniss der Popularphilosophie, crescá indulgens sibi dirus hydrops Hor. e. II 2, 13. 1085 Und wer weiss, ob uns nicht bei-längerem Leben Unglück erwartet oder uns ein trauriger Ausgang bevorsteht ὄντων οὖν coi παμπόλλων παραδειγμάτων περὶ roó- τῶν ἐννοήθητι τὸν θάνατον οὐκ ὀλίγους ἀπαλλάττειν μεγάλων καὶ χαλεπῶν κακῶν, ὧν εἰ ἐπεβίωςαν πάντως ἂν ἐπειράθηςαν Plut. cons. ad Apoll. p. 114b. 1087 Thöricht endlich wäre der Gedanke ‘wenn wir das Leben noch hinausziehen, so verkürzen wir die Zeit des Todes, werden weniger lange todt sein Denn wie der Raum immer unendlich bleibt, so dass ibn selbst der Blitz nicht durchlaufen könnte mec prorsum facere wi rcstd sinus ire meando (I 1005), so bleibt auch die Zeit des Todes unendlich und wird nicht geringer durch unser Leben: mag man auch ein sacchem (zu 948) zum andern legen, condere, wie man Früchte und Vorräthe aufspeichert Mit der stehenden Wendung lusirwm condere (s. Mommsen St. R. II 332) hat dies saecla condere kaum etwas zu schaffen, denn dort ist unter lwstrum wohl stets das vom Censor dargebrachte Bühnopfer, das den Census beschliesst, nicht der fünfjührige Zeitraum verstanden worden. Ebenso wenig sind Redensarten zu vergleichen wie Virg. ecl. 9, 52 longos ... cantando condere soles: da ist condere, wie Conington richtig bemerkt, ‘begraben’, d. h. “untergehen lassen”. 1092 So wird, wer heute sein Leben geendigt hat (fnem ritae fecit zu 943), nicht kürzere Zeit nicht sein, als wer vor vielen Jahren dahingegangen ist: mit einer allge- meineren Sentenz, die zu weiterem Nachdenken anregt, entlässt der Dichter den Leser, wie auch am Schlusse von Buch II, IV und V; epilog- artig ist nur der Schluss von Buch I, und das ganze Werk endigt ohne irgend etwas Derartiges: jeder Zusatz würde den Eindruck, den das er- schütternde Gemälde der Pest dem Leser binterlässt, nur abgeschwücht haben.

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REGISTER.

Ablativ 75. 91. 152. 170. 171. 187. 194. 109.

: Abstracta 108.

Accusativ 122. 198.

Adverbia auf -im 133. Allegorie 184.

Anakolutho 115. 131. 138. 161. Aristoteles 64. 67. 87. 84. 143. Aristoxenos 62. 64. 66. Asklepiades 111.

Atome: ihre Eigenschaften 74. Auflösung der Körper 159. Augen als θυρίδες 108. Axiochos 162. 168.

Bestattungsriten 169. Biene 50,

Caesur 83. Claudianus Manmverius 140.

Danaiden 189.

Dativ 56. 135. 182. 192. Definitionen 62.

Demokrit 39. 82. 100. 106. 148. 1965. Dikaiarchos 68. 64.

Dilemma 128.

Empfindung: ihr Sitz 99; ihre Ent- stehung 109. 153.

Epallage 107.

Ennius bei L. 58. 141. 142. 145. 168. 192. 193. 194. 197. .

Epikur: von seinen Anhängern ver- ehrt 47. seine Aussprüche φωναί 50. Zuversichtlichkeit 51 und Aus- schliesslichkeit seiner Lehre 55. Sicherheit 48 und Klarbeit der Erkenntniss 51. Wahrnehmung als Kriterium 72. 103. Glückseligkeit des Philosophen 95. Anlagen des Menschen 94. Individualität 168. Wiedergeburt 165. Liebe 187. Trauer 172.176. Lust 178. Reue 19%. Furcht 52.55. Furcht u. Begierde 186. Zorn 94. Weltalld1. 8. ferner Geist, Götter, Seele, Todesfurcht, Veränderung.

E ie 124. —— 197. Ewigkeit der Welt 189.

Furcht: ibre Symptome 68. 70. 90. Furien 191.

Gastmahl als Bild des Lebens 177.

Geist: sein Sitz 687. Schnelligkeit 73. Analoges bei den Thieron 92. Wich- tigkeit für dio Erhaltung des Lebens 110. Erkrankungen 121. 163.

Gedüchtniss 195.

Genitiv 91. 178.

Götter 58.

Hadesstrufen 176. 185.

Harmonie s. Seele.

Heraklit 103. .

Hiat 107.

Homer bei L. 53. 138. 170. 186. 188. 193. lonig zur Einbalsumierung 169. Horen 189.

Individualnamen umschrieben 49. 198. Infinitiv 95. 150. 158. 170. 193. | Intermundien 58.

Interpolation 122.

Ixion 191.

Körper, Gefüss 118. 133. (iewanc 138. Haus der Seele 154. Er

nährung 147. Krankheit 126.

Macrobius 185. Metapher 61. Metrisches 57. 59. 129. Mischung 106. 147.

Natur personificirt 177. Nominativ 191.

Ohnmacht 72. 136.

REGISTER 203 Platon 100. 191. 127. 169. Tantalos 185 Praeexistenz 148. Temperamente 89. P itionen: Stellung 69. Wieder- Tityos 186. holung 81. Todesfurcht, Ursache der Leidenschaf- Prodigien 156. ten und Verbrechen 58. der Unruhe Prooemien 47. 197. des Selbstmords 59. Prosopopoiie 176. Trunkenheit 123. Prudentius 54. 119. U , In 101. 106 ebergangsformeln 101. 106. 111. 114. Rückenmark 82 161. e Unterwelt 58 ff. 190. Schlaf 186. 174. Schlange 142. Veränderung 80. 137. 168. Schw und Schwan 49 Verbalsubstantiva 108.

Seele als Blut oder Athem 56. al« Har- ‘monie 62. Unkörperlichkeit 71. Be- standtheile 40. 78. Kräfte 85. 88. trägt den Körper 65. Teilbarkeit 140. entweicht aus allen Poren 88. 137. S. und Geist 39. 62. S. und Körper schützen sich 84. 96 sind gleich- zeitig entstanden 97. 99. wachsen gemeinsam 119. S. und Rauch 117.

Seelenwanderung 145. 151. 154.

Seneca 184. 198.

Servins 111. 191. ichelwagen 141.

Stimme 196.

Stoa 92. 100. 121. 139. 160. 186.

187. amma und animus 62. 115. 137. anima animae 886. araneus 109.

«sper 15. atque erklärend 136. 187.

atqui 129.

Verba transitiva iniransitiv gebraucht 58. Vorstellungsbilder 116.

Wiederholungen bei L. 61. 155. 158. W. des Argumenta 76.

Wind 2 ortspiele 108.

Wortwahl 67.

Würmer, im Leichnam entstehend 149.

Xerxes 198.

Zusätze, nicht vom Herausgeber ein- gefügt 44. 167.

cawlae 82. cawsa 179. cinefo 171. circum 111. 188. clamo 51.

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ebrius 191. edo 188.

enim 80. 102. 137. 156. 166.

eo 138.

equidem 300. etenim 88. 118. 156. etiam 88.

REGISTEB.

inlustro 48. insignis is 191. insinuor 144. insulto 194. intendo 179. inter 88.

} 98.

novitas 10. numen momengue 09. φιο 181.

ods 199.

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profecto 191. seorsum 183. τς profundo 117. sequaz 94. 115. s À 186. sequor 171.

108. simul 143.

14. sincerus 148. 168, proprius 1. sch somnus (in somnis) 116. propterea und praeterea verlauscht 98. status 91.

76. stultus 199. prudens 183. exbdo 98.

subiungo 115. qua 108. sucus 11. quasi 86. 137. 149 suffundo 93.

71. suis einsilbig 110. quid 154. 191 suppeditat 150. quique 141. suspendo 15

91.

genus 116. tamen 132 quoniam . landem 156. tempto 10. rarefio 118. torqueo 192 ratıo 51. torres 173 recipio 81. torro 118. refuto 101. tracti 189. remordeo 161. traho 104. removeo 58. ja 165 unde 168. | res 57. 14. usus 182. Ι } 196. retinentia 144. 119 revertit Praesens 198. 64. reviso 199. . vario 107 robur 191. ventus 66 rumpo 91. vestis 109 vexo 60. 118. vinco vivendo 178. scelus 58. viscus 85. Seipiadas 194 vita 114. semper 50. vitales res 160. sensus 180. 131 vociferor δῖ. sentso 66. vox 517. 168. dıadbidunm 86. ἄδηλον " διαλύω 118. 30 alcónac tacwelpouo 180. αἰεθητήριον 131. c 84. αἰών 82. 108. δύναμι ἀλλότριος 108. ἔκθλιψις 126. 68. . ἕλκω 106 ἀνάμνηςις 148. 101 ἀνήρ 107. ἕντο 142, ord Dum 110. thc δὲ. 9. à 164. ἐπιθυμία 186. puovia 09. . ἄφρων 192. ἡγεμονικόν 68. 68, βάραθρον 181. θύραθεν 144

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xp&ac 147. κτῆςις χρῆεις 182.

λεπτομέρεια 74. λογικόν 63. λύπη 186. μαλακία 48, 1. μανία 168. μεθύω 197. μετακόςμια 53. γεκρός 190.

ὁπαδός 195.

REGISTER.

ῥοπὴ 69.

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andZw 173.

«τόμιον 190.

ευμβαίνυ 110.

εὐμπάθεια 70. 99. 160.

ευμπόειον 177.

εὖμπτιυμα 56. 102. pov 48.

ευνκλείω 184.

εύνκρουεις 110.

cóvoboc 110. 154.

τύχη 186.

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