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Fletsch, Theodor

Ueber das Verhältnis s der politischen Theorie Locke's zu Montesquieu' s Lehre von der Thellung der Gewalten

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University of Toronto

http://www.archive.org/details/ueberdasverliltOOpiet

Heber das VerMMss der politisclien Theorie Locke's Vi MoDlespieu's Lehre von der Theilung der Gewalfen.

Inaugural-Dissertation

zur Erlangung der Doctorwürde

voQ (1er

Philosophischen Faciütät

der

Friedrich -WHhelms- Universität zu Berlin

genehmigt

uml

nebst den beigefügten Thesen

ölTentlifh m vertheidigen

von

Theodor Pietsch

aus Niederschwedeldorf in der Grafschaft Glatz.

Opponenten : ^„.^'^''^^^^'^^^T^ ~'-~<:'\

Jfcrr JJufjeji Hluhek, Dr. ,„.eJ., .^<^?) ^^^ ^ ^\

Herr Carl Schfieyder, or. med., //^ '.'^r(^, \i

Herr Leo Schnieher, can.iidat de$ hcih-fn sctn^ffy 2 ^ ^"'"'' 7

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Breslau.

Druck von Wilh. Gottl. Korn. 1887.

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vJ eher den Grad von Originalität, welcher für die von Montesquieu in dem bekannten 6. Kapitel des XI. Buches vom Geist der Gesetze entwickelte und in der Lehre von der Gewaltentheilung gipfelnde „constitutionelle" Staats- theorie in Anspruch zu nehmen sei, äusern sich noch die neuesten Darsteller der Geschichte der Staatswissenschaften in einer Weise, die dem wirklichen Thatbestande nicht zu entsprechen scheint. Allerdings hatte schon Carl Ernst Jarke in einer Abhandlung aus dem Jahre 1836 über „Die Ursprünge des modernen Constitutionalismus" (Vermischte Schriften Bd. III. p. 242 ff.) als den „Schöpfer der falschen Theorie vom englischen Staate" John Locke bezeichnet, und insbesondere „die nähere Entwickelung der absurden und unmöglichen Theorie von der Trennung und dem Gleich- gewicht der Gewalten'' als das Werk Locke's erklärt (a. a. 0. p. 245\ Jarcke gegenüber hat jedoch Robert von Mohl in seiner „Geschichte und Literatur der Staatswissenschaft" (I. Bd. p. 271 ff.) die „Eigenthümlichkeit und Selbständig- keit der Lehre Montesquieu's" auch inbezug auf das Prinzip der Gewaltentheilung betont und verteidigt. Mohl sagt, die Engländer seien sich gar wohl bewusst gewesen, eine eigen- thümliche Staatseinrichtung zu haben, aber die Ehre, den allgemeinen rechtsphilosophischen Gedanken dieser eigen-

thüm liehen Gestaltung herauszuschälen und ihn zu einem Grundsatze zu erheben, habe England einem Fremden, näm- lich Montesquieu, überlassen. In Uebereinstimmung mit Mo hl haben dann Bluntschli und Geyer die Originalität der Lehre Montesquieu 's hervorgehoben. Bluntschli sagt in der 3. Auflage seiner „Geschichte der Neueren Staats- wissenschaft" (1881), p. 307, Montesquieu habe das Prinzip der wünschbaren Trennung der drei Gewalten in den Per- sonen oder Körperschaften, denen sie anvertraut werden, zuerst mit Energie verkündet und dessen Erfüllung im Namen der politischen Freiheit gefordert. Und Geyer be- merkt in der 4. Auflage von von Holtzendorffs „Eucy- klopädie der Rechtswissenschaft" (1882), p. 21, zu einer eigentlichen „Theilung der Staatsgewalten" sei Locke nicht vorgeschritten, diese werde zum Angelpunkte des Staats- rechts erst erhoben von Montesquieu, dem „Vater des Kon- stitutionalismus". DenAnspruchLocke'sauf die Urheberschaft der Lehre von der Gewaltentheilung hat auch Harry Jannsen in einer auf Anregung Teichmüller's geschriebenen Ab- handlung (Montesquieu's Theorie von der Dreitheilung der Gewalten im Staate auf ihre Quelle zurückgeführt, Gotha 1878) unter Berufung auf Mo hl zurückgewiesen; von irgend einer Art der Speculation, die sich auch nur im mindesten mit der theoretischen Bestimmtheit und den wesentlich ganz neuen Kategorien Montesquieu's vergleichen Hesse, kann nach Ansicht Jannsen 's bei Locke noch weniger die Rede sein als bei Aristoteles.

Jannsen hat es seinerseits unternommen, den Locke bestrittenen Anspruch auf die „Urheberschaft der ersten und völlig präcisen Theorie von der Dreitheilung der Ge- walten, also des Constitutionalismus" „allein und ausschliess- lich" dem englischen Satiriker Swift zuzusprechen und die Montesquieu 'sehe Aufstellung dieser Theorie ihrem wesent-

Urlisten Inhalte nach als eine Eeproduction der selbstän- digen Gedanken Swift's nachzuweisen. Swift spricht in der That in seinem IHscoiirse of the Contesis and Dis-senswfhs heticeen the Nobles and tlie Commons in Athens and I^n?ne von t//ree pnivers, nämlich ki7ig, nobles, commons, und von der uothwendigen balance of poiver (The Works of the Jhv\ Jonathan Sivift, ed. Sheridan- Nicfiols, London 1801. vol. 11. p. 492/i'3.). Die Uebereinstimmung zwischen Swift und Mon- tesquieu ist aber nicht blos eine nur partielle, sondern auch y.iemlich äusserliche. Die three j^ou-ers bei Swift sind nicht die durch die Function bestimmten und charakterisirten trois ponioirs Moutesquieu's, sondern die rein thatsäch- lich nebeneinander stehenden T heile des Staates, das mo- narchische, das aristokratische und das demokratische Ele- ment, the one, the few, the mam/, in welche jedes freie Volk nach Ansicht Swift's bei Beginn des politischen Le'bens natürlicherweise zerfällt. Die trois ponroirs, welche Montes- quieu im Eingange des Kapitels De la Constitution d'Angle- terre auflföhrt, sind andere und werden erst nach Ausscheidung der puissance de jager in der zweiten Hälfte durch jene drei Elemente ersetzt. Dass es am besten sei, wenn die politische Macht nicht bei einem dieser drei Elemente ausschliesslich liege, sondern unter alle drei vertheilt sei, ist, nachdem schon Aristoteles eine Mischung der Regierangsformen empfohlen hatte, von Dicaearch und nach diesem von Cicero ausge- sprochen worden, und die Lehre von der Nothwendigkeit der Aufrechthaltung des Gleichgewichts unter diesen drei Theilen des Staates ist von Polybius in den uns erhaltenen Fragmenten des VI. Buches mit besonderer Bezugnahme auf Sparta und Rom ausführlich dargelegt. (Vgl. Dilthey, Einleitung in die Geisteswissenschaften, Bd. I p. 313.) Mon- tesquieu als Verfasser der Gonsidö-ations sur Jes causes de la grandeur et de la drcadence des Bomains hat diese Ausführun-

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Wenn hiemach eine Abhängigkeit Äjntesquieu's von Swift wenigstens in wesentlichen und eigeihümlichen Punkten nicht al^ vorhanden anerkannt werden knn, so ergicbt da- gegen eine genaue Untersuchung des Voiältnisses zwischen Montesquieu und Locke nicht die äbstäudigkeit und Eigeuthümlichkeit der Lehre Montesquiu's in der Weise, wie sie Mohl behauptet hat. Die Theor Montesquieu's, der von ihm „aus der eigenthömlichen o?lischen Staatseiu- richtung herausgeschälte und zum Gruncatz erhobene all- gemeine rcchtspliil(tsophische Gedanke" stJlt sich nach Mohl dar als eine Verbindung zweier verschitenen Lehren: der Lehre von der Tlieilunj:: der Staatsgew» in eine gesetz- gebende, ausführende und richterliche Gemlt. und der Lehre von der Mischung der drei Kegierungsf-nieu, des König- Geschlechterherrschaft und «r Volksregierung. e zu seiner Schöpfung ^ Montesquieu n. da schon Herodot nd ^s sie den Mittel- es Astoteles bilden, ich ^chiedene Thätig kannte, ^s Dionysius Miu^^^^^^^Kcw alten Vkht. Hugo G

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gen des Polybius gekannt; er citirt im 17. Kapitel des XI. Buches De TEq)nt des Loic eine Stelle aus denselben {De l'Esprü des Loix, Ausg. Amsterdam und Leipzig 1759, Bd. I. p. 295), und auch Swift kennt sie (vgl. a. a. Ü. p. 296). Wenn Jannsen zur Erhärtung seiner Ansicht, dass der eigentliche Urheber der von Montesquieu vorgetragenen Theorie Swift sei, darauf hinweist, dass bei Swift wie bei Montesquieu die Wahrung der staatsbürgerlichen Freiheit den Endzweck jener Vertheilung der Macht und des aufrecht- zuhaltenden Gleichgewichts der Gewalten bildet, so ist zu bemerken, dass schon Polybius als die Wirkung der von Lykurg vorgenommenen Machtvertheilung die Bewahrung der Freiheit bezeichnet, wenn auch nicht ganz genau in dem- selben Sinne: Toiyaoovv ourcog avaitöäuLvog nXeiöTOV ibv rjinelg Yaf.iEv xQOvov öiHfv/M^s Tolg ^a/.edaifinvioig t/;v e^.evO^sgiav. Aus Polybius hatauchdervonMontesquieucitirteAlgernon Sidney in seinen „Betrachtungen über die Regierungsformen" (übs. von Erhard, Leipzig 1793) den allgemeinen Gedanken der Gleichgewichtstheorie entnommen. Wie Polybius führt Sidney die lange Dauer der Gesetzgebuug Lykurgs auf die Vertheilung der Staatsgewalt und die Sicherung des Gleich- gewichts unter den staatlichen Elementen zurück (a. a 0. IL, pp. 1487, 1517, 1525,). Die zum Theil vorhandene Ueber- einstimmung zwischen Swift und Montesquieu könnte genügend durch die gemeinsame Benutzung des Polybius erklärt werden, bei dem sich auch das von Swift breit aus- geführte Bild von der W^age findet : . . . . üoTa zi]v növ i/MTzco- (.itvcov fisoida dia ro rnlg td-eoiv iftutveiv ravTrjV att yi'isoi^ai f.ieu(ü /.cd ßciQVTtQuv TfjTÖJvyeoöviiov Txono/.kioei /.al Qonij. (Pol. ed. HiUtsch, vol. II. p. 550.) Allenfalls könnte die Bemerkung Montesquieu's über den Gerichtsstand derPairs vor dem Ober- hause es einigermassen wahrscheinlich machen, dass ihm die Schrift vonSwift, die aus Anlass einer im Jahrel701 gegen vier

Pairs vor dem Unterhause erhobenen Anklage geschrieben wurde und gegen das von den Gemeinen in Anspruch ge- nommene Recht, Mitglieder des Oberhauses vor ihr Forum zu ziehen, gerichtet war, bekannt gewesen ist. Davon ab- gesehen, besteht ein wichtiger Unterschied zwischen Swift und Montesquieu darin, dass Swift die Befugnisse der drei Elemente zusammen als executive part oder auch civil administration bezeichnet im Gegensatz zu dem in der Ge- sammtheit des Volkes ruhenden wilimited power, während die Executive bei Montesquieu eine von den drei Gewalten darstellt.

"Wenn hiernach eine Abhängigkeit Montesquieu's von Swift wenigstens in wesentlichen und eigenthümlichen Punkten nicht als vorhanden anerkannt werden kann, so ergiebt da- gegen eine genaue Untersuchung des Verhältnisses zwischen Montesquieu und Locke nicht die Selbständigkeit und Eigenthümlichkeit der Lehre Montesquieu's in der Weise, wie sie Mohl behauptet hat. Die Theorie Montesquieu's, der von ihm „aus der eigenthümlichen englischen Staatsein- richtung herausgeschälte und zum Grundsatz erhobene all- gemeine rechtsphilosophische Gedanke" stellt sich nach Mohl dar als eine Verbindung zweier verschiedenen Lehren: der Lehre von der Theilung der Staatsgewalt in eine gesetz- gebende, ausführende und richterliche Gewalt, und der Lehre von der Mischung der drei Eegieruugsformen, des König- thums, der Geschlechterherrschaft und der Volksregieruug. Diese Bausteine zu seiner Schöpfung fand Montesquieu allerdings vor; Mohl erinnert daran, dass schon Herodot die drei Staatsformen unterschied, und dass sie den Mittel- punkt der politischen Erörterungen des Aristoteles bilden, dass Aristoteles ebenso wesentlich verschiedene Thätig- keiten in der Staatsleitung erkannte, dass Dionysius aus Halikarnass von mehreren Gewalten spricht, Hugo Gro-

tius die gesetzgebeude und die ausübende Gewalt einander entgegengestellt, und dass uanientlich Locke scharf zwischen Gesetzgebung und Ausführung unterscheidet. Aber waren sonach die Bausteine wohl da, so darf, sagt Mohl, doch Niemand Montesquieu die Verbindung derselben und ihre Verwendung zu einem ganz neuen Zwecke bestreiten. Die Eigenthümlichkeiten der Lehre Montesquieu's gegen- über seinen Vorgängern und insbesondere gegenüber Locke sind nach Mohl folgende:

1. Während Locke die Souveränetät des Volkes an die Spitze stellt, geht die Absicht Montesquieu's dahin, ein System des Rechtsschutzes gegen Will- kür des Inhabers der Staatsgewalt zu finden.

2. Während Montesquieu's Vorgänger, also auch Locke, die drei verschiedeneu Thätigkeiten der Staatsgewalt nur logisch analysirt hatten, I>ocke insbesondere die Gesetzgebung dem Volke vorbehalten, dieser dann aber wieder die Vollziehungsgewalt und deren Träger, das Königthum, untergeordnet hatte, ver- langt Montesquieu, dass jede der drei Thätigkeiten der Staatsgewalt an eine gänzlich verschiedene, physische oder moralische, Person übertragen, jede dieser Personen aber in ihrem Thätigkeitskreise völlig unabhängig von den beiden übrigen gestellt werde.

3. Auf diesen Organismus wendet Montesquieu die Ver- schiedenheit der Regierungsformen in der Weise an, dass er dem Königthum die ausübende, den Unter- thaneu die gesetzgebende Gewalt zu übertragen räth, bei letzterer dann wieder der Aristokratie die eine, der Demokratie die andere Abtheilung der dazu bestimmten Versammlung zutheilt.

4. Die Kategorien Montesquieu's sind andere als die seiner Vorgänger.

Demgegenüber soll im Folgenden der Nachweis unter- nommen werden, dass der Grundgedanke und der Endzweck der „constitutionellen" Staatstheorie Monte squieu's ebenso wie seine Gewaltentheilungslehre in ihrer präcisesten Fassung und im gleichen Sinn in Locke's zweitem Treatise on Civil Government enthalten sind, dass Montesquieu seine all- gemeine Theorie wie seine Kategorien aus lyocke über- nommen hat, dass die vorkommenden Abweichungen ebenso wie manche Ungenauigkeiten, Unklarheiten und Widersprüche bei Montesquieu grösstentheils aus der wenig sorgfältigen Benutzung seiner Vorlage erwachsen sind, und dass auch die Verbindung der Gewaltentheilungslehre mit der Lehre von der Mischung der Regierungsformen keine wesentliche Differenz zwischen beiden bildet.

Die „Absicht", der „ganz neue Zweck" Montesquieu"s ist. mit Mohl's bereits angeführten Worten, ein System des Rechtsschutzes gegen Willkür des Inhabers der Staatsgewalt zu finden. Da dieser Zweck ein ganz neu-er sein soll, muss man schliessen, Mo hl habe an dieser Stelle angenommen, dass die Absicht Locke's eine andere gewesen sei, etwa die Souveränetät des Volkes nachzuweisen und zu sichern. Die Theorie der Volkssouveränetät findet sich jedoch auch bei Montesquieu, wenn auch nur angedeutet (vgl. E. d. L., L eh. 3. und XL eh. 6, Bd. 1. p. 13 f. und p. 263), und wenn Locke diese Theorie breit ausführt, so geschieht es eben zu dem Zweck, das willkürliche Regiment eines absoluten Machthabers als durch Entstehung und Zweck des Staates ausgeschlossen nachzuweisen. Mohl fasst übrigens an einer früheren Stelle (Gesch. u. L. d. St.-W. L p 231) die poli- tische Theorie Locke"s in folgender, ihn Montesquieu be- deutend näher bringenden Weise zusammen : „Die Staats- gewalt ist lediglich nur bestimmt zur Bewahrung der mensch- liehen rechtlichen Freiheit: ein Missbrauch derselben (der

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Staatsgewalt) soll nicht nur durch den ganzen Zweck der Vereinigung, sondern auch durch die Verabredung zweck- mässiger Einrichtungen verhütet werden. Unter diesen führt Locke, als der Erste, eine Theiluag der Gewalten an." Montesquieu selbst bezeichnet als das specifische Ziel, das „directe Object" der englischen Verfassung, wie er sie auffasst und deren „allgemeinen rechtsphilosophischen Gedanken" er „herausschält" und „zum Grundsatz erhebt", die „politische Freiheit." Diese liberte poliiique'M.on.tesquievL's entspricht genau dem Freedom of men under government^ dessen Sicherstellung Locke als Endzweck des Gesetzes erklärt :

The end of law is not to aholish or rcdrain, hiU to preserve and enlarge freedom. (Locke II. Tr. § 22.)

II y a aussi une nation dans le monde qui a pour

ohjet direci de sa Constitution la liherti politique (seil.

l'Angleterre, Montesq2cieu, Eipr. d. L. XI. ö.J

Das Wesen, den Inhalt und die Bedingungen dieser

„politischen Freiheit" bestimmen beide völlig in derselben

Weise. Folgendes sind die von Locke wie von Montesquieu

hervorgehobenen Kennzeichen derselben:

1. Die Verpflichtungen des Einzelnen gegenüber der bürger- lichen Gesellschaft sind genau bestimmt, feststehend und ihm bekannt, indem er nur den verfassungsmässig zustaude- gekommenen, für Alle giltigen Gesetzen unterworfen ist:

Freedom of men under government is to have a Standing rule lo live hy, common to every one of that Society, a?id ?nade hy the legislative power erected in it. (L. II. 22.)

Mais si les trihunaux Tie doivent pas ttre fixes, les jiige?nents doivent l'ttre ä un tel point quils ne soient jamais qu'un texte precis de la loi. Sils ^toient une opinion particulicre du fuge, on vivroit dans la sociitti,

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Sans savoir pr6cis6ment les engagements que Ton y con-

tracte ils sont reellement libres, p^iisqu'ils

ne sont sotimis qii ä la puissance de la loi. (Montesq. Espr. Bd. I. p. 262. 263.)

2. In allen nicht durch Verfassung und Gesetz geregelten Punkten ist der Bürger befugt, lediglich seinem eigenen Willen zu folgen ; er kann Alles thun, was die Gesetze nicht ausdrücklich verbieten, und er kann zu Nichts gezwungen werden, was diese nicht ausdrücklich gebieten:

(Freedom of men under government is . . . .) A liheiiy to follow my own will in all things where ihat (law) prescrihes not. (L. II. 22.)

ha liherlC' est le droit de faire tout ce que les loix permettent. (M. p. 255.). TJne Constitution peut ttre teile que personne ne sera contraint de faire les choses aux- quelles la loi ne l'ohlige pas, et a ne po int faire ce que la loi Uli permet. (M. p. 256.)

(Die kurz vorher von M. gegebene Detinition: Dans un Hat, c est ä dire, dans une socitti oii il y a des loix, la lihert^ ne peut consister qu ä pouvoir faire ce que Von doit vouloir, et ä n'ctre point contraint de faire ce que Ion ne doit pas vouloir, ist offenbar zu eng und der Liebhaberei Montesquieu's für gespreizt sentenziöse Antithesen zuzuschreiben.)

3. Entsprechend dem Vorhergehenden ist der Bürger nicht der "Willkür und den launischen, nicht vorherzusehen- den Einfällen eines Einzelnen als Inhabers der Staatsgewalt unterworfen:

. . . not io he suhject to the inconstant, uncertain, unknown arhitrary will oj another man, (L. II. 22.)

Si eile (la puissance de jugerj 6toit jointe ä la puis- sance Ugislatice^ le pouvoir sur la vie et la liherte des citoyens seroit arbitraire. (M. p. 260.)

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4. Der Bürger ist gegen Beeinträchtigungen und Gewalt- tliätigkeiteu seitens Anderer durch das Gesetz geschützt und erfreut sich des Gefühls der Sicherheit:

Where Ihere is no law, liiere is no frcedoni. For lihcrly is to he free from reslrainl and violence from otiter. which cannol he where there is no law. [h. II. 22.)

La liherle jmh'tiqne dans un ciloi/m e&t cette tran- quilliie desprit qui provienl de l opinion que chacun a de sa sfü-ete, et pour qiion ait cette lihertt, il faul que le gouvernement soit tel qu' un ciloyen ne puisse craindre un autre citoyen. (M. p. 258.)

5. Es müssen durch die Einrichtung des Staates Vor- kehrungen getroffen sein, um jeden Missbrauch der Staats- gewalt seitens ihres Inhabers und jede Ueberschreitung der ihm für die Zwecke der bürgerlichen Gesellschaft übertra- genen Befugnisse zu verhindern. Das hauptsächlichste Mittel dazu ist die Vertheilung der staatlichen Machtbefugnisse an verschiedene Personen oder Körperschaften, die sich gegen- seitig einschränken und einander das Gleichgewicht halten, die Theilung der Gewalten, das Kennzeichen der „gemässigten" Regierungsformen :

. . . in the heginninq of iJiings it was not all stränge ihat they [nien) should not mvcli trouhle tkemseli-fs to t/unk of melt/ods of resiraining any exorhi tances of those to whom they had given the authority over them andofhalancing the power of governmenthy placing several parts of it in different hands. (L. II. 107.) La lihertt' politique ne se trouve que dans les gou- vernements niodvrvs . . . Elle ny est qu^ lorsquon n ahusc pas du pouvoir . . . Pourqu'on ne puisse ahiiser du pouvoir, il faul que, par la disposition des choses, le potivoir arrC-te le pouvoir. (M. p. 25G.)

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Where ihe legislatioe and exeviUive power are in distinct hands, as they are in all moderated and well framcd governments . . . (L. IT. 159.)

Dans la plupart des royaumes de XEurope^ le gou- veniement est moddrö, parce que le prince qui a les deux Premiers pouvoirs, laisse ä ses sujets Xexercicc du troisieme. (M. p. 2()0.) Kann nach den angeführten Parallelstelleii kein Zweifel darüber bestehen, dass Montesquieu die Bezeichnung der liierte poUtiqur. als des ohjet direct der englischen, von ihm zum Vorbikl für andere erhobenen Verfassung, deren Interpretation in allgemeiner Fassung ja auch der Gegen- stand der Locke'schen Abhandlung ist, die nähere Be- stimmung des Inhaltes dieser politischen Freiheit und die Auffassung der Theilung der Staatsgewalt als des besten und hauptsächlichsten Mittels zur Sicherung dieser Freiheit direct von Locke entnommen hat, so ist des weiteren auch iubezug auf die Feststellung der begrifflich. zu unterscheiden- den und sachlich zu trennenden (Sewaiten, die Art der Theilung und das Verhältniss der einzelnen Gewalten zu einander die Uebereiustimmung zwischen beiden in allem Wesentlichen nicht zu verkennen Dass Locke begriftlich nicht blos zwei Gewalten, die gesetzgebende und die ausübende, unterschie- den hat, zeigt schon die Ueberschrift des 12. Kapitels seiner Abhandlung: Of the Legislative, Excecutive^ aud Federative Power of ihe ComwonweaUh. Diese drei Gewalten Locke's sind identisch mit den von Montesquieu im Eingange des hier in Rede stehenden Abschnittes aufgezählten trois sorles de pouvoir, die in jedem Staate vorhanden seien, lapuissance legis- lative, la puissancc excailrice des ckuses qui d^pendent du droit civil ^ und la puissance ex6cutrice des choses qui döpendeni du droit des gens. Wenn Locke gewöhnlich nur von Legislative und Executive Power spricht, so hat dies seineu Grund darin, dass

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Executive und Federative Fower trotz ihrer realen Verschie- denheit, thoufjh they he really dütinci in theniselvcs, aus prak- tischen Gründen meist in einer Hand vereinigt sind. (II, 147.) Terminologisch allerdings besteht ein Unterschied insofern, als Montesquieu für den Federative Power Locke's, tke power of war and peace, leagues and alliances, and all the transaclions with all persans and communities wiihout the Com- monwealth, der seiner puissance exicuirice des choses qui d^pendent du droit des gens entspricht denn durch diese il (le prince ou le magistratj fait la paix ou la guerre, cnvoie ou reroit des amhassades. 6tahlit la süret6^ prövient les invasions die Bezeichnung iniissance ex^cutrice im engeren Sinne vorgezogen hat, während er umgekehrt für die puissance ex6cutrice des choses qui d^pendent du droit civil, den Exe- cutive Power Locke's, comprehending the execution of the municipal latcs of the society within itself. den Namen puissance de juger bestimmt hat. Bei der Constituirung dieser puissance de juger war für Montesquieu wahr- scheinlich die eigenthümliche, unabhängige Stellung der obersten französischen Gerichtsbehörden seiner Zeit, der Parlamente, bestimmend, deren einem, dem Parlamente von Bordeaux, er bekanntlich als Präsident zehn Jahre lang vor- gestanden hatte. Allerdings wollte er die Eechtspflege nicht solchen aus berufsmässigen Richtern bestehenden permanen- ten Behörden, sondern periodisch zusammentretenden Ge- schworenen-Gerichten anvertraut wissen. Im übrigen ist die Montesquieu'sche Terminologie wahrscheinlich doch auch auf Locke zurückzuführen, der wiederholt von laws, judgrs und execution spricht; wenn er auch die Bezeichnung exe- cution nicht in dem Sinne der puissance exöcutrice des choses qui d^pendent du droit des gcns gebraucht, so fasst er doch die Anwendung der Machtmittel des Staates zur Durch- führung der Gesetze und der ßichtersprüche und die Abwehr

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äusserer Feinde in einer Weise zusammen, welche für die missbräuchliche Anwendung des Terminus puissance exA- cutrice''- hei Montesquieu wohl den Anlass gegeben haben kann. So sagt Locke II. lOl: Wlwcve)- has the legislative or siipretne poiver oj any commoniceaWi, is hound to govcni hy estahlished standing laws, . . . by indifferent and upj-ight jud- ges, . . . and to employ the force of the Community at home only in the execution of stich laics, or abroad to prevent or redress foreign wjuries and secure the Community from inroad and Invasion. Ferner . . . in the State of Natur e there are many things wanting. Firstly, There wants an established, settled^ known law., . . Secondly . . . a hioirn and indifferent jiidge . . . Thirdly, there often ivnnts poiver to back and support the sentence when right and to give it due execution. (L. II 124). Und: Political poiver . . . I take to he a right of making laws, with penalties of death, and consequently all less penalties for the regulating and preserving of property. and of employing the force of tlie Community in the executivn of such laws, and in the defence of the Commonwealth from foreign injury. (L. II. 3.) Am deutlichsten zeigt sich die Abhängigkeit Montesquieu's von Locke auch in terminologischer Hin- sicht darin, dass er trotz seiner Beschränkung der puissance ex^xutrice auf das internationale Gebiet den Ausdruck meist in dem Locke'schen, Verwaltung und Rechtspflege ein- schliessenden Sinne gebraucht, woraus dann, zumal da er seine besondere puissance de juger beibehält, wiederholt lo- gische Fehler, Widersprüche, üngenauigkeiten und Unklar- heiten sich ergeben. So, wenn Montesquieu unmittelbar nach der Definirung seiner drei Gewalten die Nothwendig- keit der Trennung von Legislative und Executive damit be- gründet, dass bei der Verbindung beider in einer Hand zu befürchten stehe, der gemeinsame Inhaber beider Gewalten werde tyrannische Gesetze erlassen, um sie dann tyrannisch

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durchzuführen. Die der puissance executrice zugeschriebenen Befugnisse, Krieg zu führen, Frieden zu schliessen, Gesandte zu schicken oder zu empfangen u. s. w., haben doch, wie schon ein anonymer Commeutator des Esprit des Loix in der Ausgabe Leipzig und Amsterdam 1759 zu dieser Stelle bemerkt, mit der tyrannischen Ausführung tyrannischer Ge- setze, die sich nur auf Bürger des eigenen Staates erstrecken kann, absolut nichts zu thun. An einer anderen Stelle be- zeichnet Montesquieu die puissance Ugislatice als die volonte giinerale de l'Mat und die puissance executrice als die €X(^cution de cette volonte göiirale, unterscheidet dann aber von der ex^cution de la voJonK' gihierale die puissance de juger und bemerkt, diese allein von den dreien habe es mit Privat- personen zu thun! Wie hier, ist die Executive auch da im Locke'schen Sinne gemeint, wo ihr Montesquieu das Recht bestreitet, Bürger, die Caution stellen wollen, zu verhaften. Ebenso ist die puissance excciUrice Montesquieu's überall da mit dem Executive Power Locke's identisch, wo Montes- quieu die puissance de juger (\^qui\ est cn quelque fa^on nulle, p. 204) ausscheidet und an die Stelle der im Ein- gange des Kapitels aufgezählten und definirten Gewalten die drei^estandtheile des englischen Parliament im vollen Sinne, King. Lords und Coinmons our old legislative of king, lords and commons (L. 11. 223.) einsetzt, wobei er den beiden nunmehr zu besonderen Gewalten erhobenen Abtheilungen der Legislative den Monarchen als Inhaber der Executive gegenüberstellt.

Was nun die sachliche Trennung dieser zunächst be- grifflich geschiedenen Gewalten anlangt, so findet Mo hl die Eigenthümlichkeit Montesquieu's in drei Punkten: 1) Mon- tes(|uieu tlieilte jede der drei Gewalten, der begrifflichen Unterscheidung entsprechend, einer besonderen physischen oder moralischen Person zu, während seine Vorgänger, von

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denen Mohl Locke nicht ausnimmt, die Gewalten nur lo- gisch aualysirt hatten; 2) er brachte mit der Theilung der Gewalten die Unterscheidung von Monarchie, Aristokratie und Demokratie in Verbindung, indem er die Executive monarchisch gestaltet, die Legislative aber unter ein aristo- kratisches und ein demokratisches Element theilt; 3) er nahm für jede der drei Gewalten in ihrem Gebiete völlige Unabhängigkeit und Selbständigkeit gegenüber den beiden anderen in Anspruch, während Locke nicht eine Coordination, sondern eine Subordination in der AV eise lehrte, dass das König- thum als Träger der Vollziehungsgewalt der vom Volke be- stellten gesetzgebenden Gewalt untergeordnet sein sollte.

Wenn Mohl, der doch selbst Locke als den Ersten be- zeichnet, welcher eine Theilung der Gewalten gefordert habe, unter den Vorgängern Montesquieu's, welche die Gewalten nur logisch aualysirt haben sollen, Locke wirklich mitein- begriffen wissen will, so kann dies wohl nur den Sinn haben, dass Locke die sachliche Trennung nicht der logischen Unterscheidung parallel gestaltet habe, sondern beide sich habe kreuzen lassen. Aber dies findet, soweit die Bemer- kung zutrifft, auch bei Montesquieu statt. Allerdings ist das Verhältniss bei Locke einfacher als bei Montesquieu. Da aus praktischen Gründen der Federaiive Power mit dem Executive Power trotz der realen Verschiedenheit beider ge- wöhnlich in einer Hand vereinigt ist, so handelt es sich für Locke nur noch um die Trennung des Executive Tower im weiteren Sinne von dem Legislative Power. Dass diese beiden nicht in einer Hand vereinigt sein sollen, ist seine principielle Forderung. Dabei fasst er sowohl den Fall der völligen Trennung in den Personen wie den des Ineinauder- greifens ins Auge, beschäftigt sich aber eingehender nur mit dem letzteren, und zwar in der Weise, dass er einen Antheij des Trägers der Executive an der Gesetzgebung annimmt.

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Währeod aber Locke diesen Fall, dass der Träger der Exe- cutive has also a share in the legislative, nur als thatsächlich in some commonwealths, uämlich in England, vorkommend, bespricht (Kap. IB. und 19.), sagt Montesquieu, die cou- creten englischen Verhältnisse „zum Grundsatz erhebend", der Träger der Executive muss Antheil an der Gesetzgebung haben, nnd zwar, wie bei Locke, in der Form der Zu- stimmung und durch das Recht der Einberufung und Ent- lassung der Legislative im engeren Sinne. Hat Montesquieu hiernach Legislative und Executive in den Personen keines- wegs so völlig getrennt, wie man nach Mo hl annehmen müsste, so ist dies ebensowenig mit der puissance de juger gegenüber den beiden anderen Gewalten der Fall. Einer- seits spricht er dem Monarchen die Bestellung der Richter {Ja vraie fonction du prince [e^/] d'etahlir des juges. et non pas de juger lui-mrme, p. 282; XI. 11 ), andererseits einem Theile der Legislative, dem erblich aristokratischen Ober- hause, das Recht der Begnadigung und die Jurisdiction ge- gegenüber den Standesgenossen und in Staatsprocessen zu, im letzteren Falle die Erhebung der Anklage dem Unter- hause zuweisend.

Bei Verbindung des Prinzips der Gewaltentheilung mit dem der Mischung der drei Regierungsformen sah sich Montes- quieu genothigt, behufs Herstellung des Parallelismus einer- seits die pnissance de juger,, für die er unter den drei Regie- rungsformen kein geeignetes Correlat fand, aus der Zahl seiner pouvoirs als en quelquc faron nulle auszuscheiden, anderer- seits aber, zur Wiederherstellung der Dreizahl, die beiden Abtheilungen der Legislative als zwei selbstständige Gewalten zu behandeln, indem er das Oberhaus, ähnlich wie Polybius die spartanische Gerusia (vgl. o p. 6), als puissance )<''glante constituirte. Auch diese Formulirung der Constitution fondamrn- tale des englischen Staates fand Montesquieu im 19. Kapitel

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der Locke'schen Abhandlung vorgezeichnet. Hier bestimmt Locke, der bereits im 10. Kapitel die Form der Regierung als durch die Placirung des Lajishilwe Pouer bedingt erklärt hat (the jorm of (jovernmcnt depending upon ihe placing ihe siipreme power, which is ihe legislative . . . according as ihe poioer of mnking laxes is placed. such is the form of ilic coni- momvealth), den Grundriss der englischen Staatseiurichtung in folgender Weise:

Lei US suppose in dieser Art, wie beispielsweise einen einzelnen Fall setzend, bringi; Locke in seine abstract formulirteu Darlegungen die concreten eng- lischen Verhältnisse als deren eigentlichen Gegenstand herein ihe legislative placed in ihe concurrence of ihree distinci persons: First, a Single herediiary person having the constant supreme executive power, and iciih it ihe poicer of convoking and dissolring Ute oÜicr iico ivithin certain periods of Urne. Secondbj, an assemhly of herediiary nohiliiy. Thirdly, an assemhly of represen- iatives chosen, pro tempore, hy the people. Locke hebt hier die assembly of herediiary nohiliiy be- sonders hervor, obwohl seine Ausführungen sich nur auf das Verhältniss des Monarchen zu der Volksvertretung im Gan- zen beziehen. Er hat durch die an sich nicht erforder- liche besondere Hervorhebung das Bestehen einer an der Legislative letheiligten herediiary nuhilüy als wesentliche Eigenthümlichkeit der englischen Verfassung wenigstens an- gedeutet. Mnutesquieu hat die Nothwendigkeit, der Ari- stokratie als solcher einen bcsimderen Antheil an der poli- tischen Gewalt einzuräumen und ihr die Wahrung ihrer In- teressen durch die Errichtung eines erblichen Oberhauses zu ermöglichen, ausführlich motivirt und das corps des nohles als puissance roglanie charakterisirt. Die monarchische Ge- staltung der Executive, welche Montesquieu ausdrücklich

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als nothweDclig erklärt, paixe que ccttc pnriie du gouvcrnc- ■meiit, qui a presquf tonjoars besoin dune action nionientanie, est mieux adminütr^e par im que par plusicurs, wird bei Locke meist als thatsächlich bestehend vorausgesetzt; doch findet sich der von Montesquieu angegebene Grund auch bei Locke gestreift, indem derselbe in § 160 eine zahl- reiche Körperschaft als ioo dow for llw. dispakh requisile to execution bezeichnet.

Den durchschlagendsten Unterschied zwischen Locke und Montesquieu findet Mohl darin, dass bei Locke ein Verhältniss der Subordination, bei Montesquieu ein Ver- hältuiss der Coordination der Gewalten stattfinde, indem Locke, das Prinzip der Volkssouveränetät an die Spitze stellend, dem Volke die Gesetzgebung vorbehalten, dieser aber die Vollziehuugsgewalt und deren Träger, das König- thum, untergeordnet habe, während Montesquieu seine Gewalten in ihren Gebieten völlig selbständig und unab- hängig nebeneinander gestellt habe. Da Montesquieu, wie hervorgehoben wurde, seine puissance de juger an späterer Stelle fallen lässt und die Dreizahl nur durch die Zweitheilung der legislativen Versammlung wiederge- winnt, so handelt es sich also auch bei ihm im Wesentlichen um das Verhältniss von Legislative und Executive. Wenn nun Locke zunächst „die Gesetzgebung dem Volke vorbe- halten" haben soll, so ist dies zum mindesten ungenau aus- gedrückt. Locke lehrt nirgends, dass die Gesetzgebung als solche Sache des Volkes sei, sondern nur, dass dieselbe aus- schliesslich aufgrund einer Bestallung seitens des Volkes bei Gründung des Staates und unter bestimmten Bedingungen geübt werden dürfe, und dass die Verbindlichkeit der Gesetze auf der aus dieser Bestallung präsumirten Zustimmung des Volkes beruhe, dass die Legislative in diesem Sinne den Willen der Gesammtheit kundgebe:

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The peoplc alone can ap'point the form of tlie Common- wealth, whicli IS hy constituting the legislative and ap- pointing in whose hands that shall he. And when the people have said, ., We tvill suhinit^ and he governcd hy laws made hy such men and in suchforms", nohody eise can say other men shall make laws for them, nor can they he hound hy any laws hiit such as are enacted hy those ichoni ihey have chosen and authorized to malce latus for them. (L. II. 141.)

. . . Nor can any edict of anyhody eise, in whal form soever conceived or hy what power soever backed, have ihe force and ohligation of a law tvhich has not ils sanc- iion from that legislative lohich the puhlic has appointed; for without ihis ihe law could not have that which is ahsoluiely necessary io its heing a law, the consent of the Society^ over whom nohody can have a power to make latus hut hy their oivn consent and hy authorily received from them. (L. II. 134.) Darüber, dass die gesetzgebende Gewalt einer vom Volke von Zeit zu Zeit zu wählenden Versammlung anvertraut wer- den müsse, ist zunächst noch nichts gesagt, und es wird dar- über principiell auch nichts ausgemacht. Locke setzt ver- schiedene Möglichkeiten: dass die gesetzgebende Gewalt einem Monarchen für sich, dass sie einer erblichen Körper- schaft, dass sie einer von Zeit zu Zeit gewählten Versamm- lung anvertraut werde (. . . ihe legislative, whetlicr placed in one or more, ivhcther it he alicays in heing or only hy intervnls I3ö), und er behandelt schliesslich als den in der englischen Verfassung verwirklichten Fall eingehend die Combination dieser drei Möglichkeiten: our old legislalire of king, lords and commons (213, 223). Aus praktischen Gründen ist in gut geordneten Staaten die gesetzgebende Gewalt in die Hände einer Mehrheit von Personen gelegt, welche, gehörig

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versammelt für sich alleio oder zusammeu mit audeieu die Gewalt haben, Gesetze zu geben:

Therefore in irell-ordered coininoniieaUhs .... the legislative power is pul into the Itands of dirers persans u'/io, diily assemhled. have hy thentselves, or jointhj with others, a power to make laws. (14o.) Von diesem Utilitätsstandpunkte aus sagt auch Mon- tesquieu:

. . . ce (jui di'pend de In pin'ssancc Icf/islative est sou- vent hiieux ordonnc par pluaieurs (jue par un seul . . Aber auch der Gedanke, dass die Gesetzgebung aufgrund der Bestallung seitens des Volkes geübt werde, in welchem Sinne allein, wie gezeigt, bei Locke „die Gesetzgebung dem Volke vorbehalten" ist, findet sich bei Montesquieu, wenn derselbe sagt:

Comme dans un etat libre tout liouime qui est censö avoir une ame libre doit rtre gouvernt par lui-vn-me: il faudroit <ji(c Ir poHple en corps eiU la puisaance h'-gis- lative; mais comme cela est impossihle dans les grands etats, et est siijet it beaiicoup d^inconvenients dans les pe- ius^ il faul que le peiiple fasse par ses represenians tout ce qu il ne peut faire pur lui-nn'me. (M. p. 263.) Ungenau im Ausdruck ist Mo hl auch, wenn er sagt, Locke habe die Vollziehuugsgewalt und deren Träger, das Küuigthum, der gesetzgebenden Gewalt untergeordnet. Der Sinn dieser Worte soll offenbar sein , dass der König unter dem Parlament stehe. Dies ist aber nicht der Sinn Locke's. Allerdings lehrt dieser, der Legislative Power sei the supremc po7ver of the cofnmonwea/th, und der Erecutive und Federative Poiver seien lediglich ministerial and subordinate to the legis- lative. (L n 153.) Beidieser Bestimmung aber handelt e.>j sich zunächst nur um ein rein abstractes Verhältuiss. Wer einem anderen Gesetze geben kann, so sagt Locke, muss notU-

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wendig" diesem übergeordnet sein, und da die Legislative nur dadurch Legislative der bürgerliclien Gesellschaft ist, dass sie Gesetze für alle Theile nud für jedes Glied der Ge- sellschaft zu erlassen hat, welche ihnen Regeln des Handelns vorschreiben und Gewalt zu ihrer Durchführung geben, wenn sie verletzt werden , so muss die legislative Gewalt noth- wendig die höchste sein und alle anderen Gewalten in irgend welchen Gliedern oder Theilen der Gesellschaft müssen von ihr abgeleitet und ihr untergeordnet sein. (IL 150.)

Da Locke gegenüber den absolutistischen, auf ein Willkür- regiment gerichteten Bestrebungen der Stuarts die Regierung nach verfassungsmässig erlassenen Gesetzen als die einzig dem Wesen und Endzweck des Staates entsprechende verficht, be- zeichnet er vielfach in einem weiteren Sinne mit dem Termi- nus Legislative Power die gesammte oberste Staatsgewalt, die Staatssouveränetät, und sagt demzufolge von dem Inhaber des Legislalice Poiver, dass er regiere nach Gesetzen, durch Richter und durch Anwendung der Machtmittel des Staates zur Durch- führung der Gesetze und zur Vertheidigung nach aussen:

Whoever has tlie legislative or sujjrenie power of any Commonwealth, in houncl io govern hy estahlislted standing laivs, jjromulgated and knoten to the people, and not hy extemporary decrees; hy indifferent and iipriglit judgcs, who are to decidc. controve.rsies hy those laws; and to cmploy the force of the Community al home only in thc execution of such laws, or ahroad to prevent or redress foreign injuries and secure thc Community front inroad and Invasion. (13L) Entsprechend seiner Theorie über den Ursprung und Zweck des Staates, nach welcher dieser gegründet wurde, um dem im Naturstande bestehenden Mangel eines festen und allgemeinen Massstabes für Recht und Unrecht abzu- helfen, Regeln und Richter für die unparteiische Entschei-

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düng der unter den Einzelnen vorkommenden Streitigkeiten zu schaffen nnd einen festabgegrenzten Raum für den freien und sicheren Genuss der persönlichen und sachlichen Güter {■pro2)criy i. e. Life, liheriies, estales; cf. L. IL 123) zu bieten, betont Locke immer und immer wieder die Bedeutung der Legis- lative für den Staat. Die Einsetzung der Legislative ist der erste und grundlegende Act der bürgerlichen Gesell- schaft (212), von der Placiruug der Legislative hängt die Form des Staates ab (132), die Legislative verbindet die Glieder eines Gemeinwesens zu einem in sich zusammen- hängenden lebenden Körper, sie ist die Seele, welche dem Gemeinwesen Form, Leben und Einheit giebt, und weun sie vernichtet oder aufgelöst wird, tritt auch für das Gemein- wesen Auflösung und Tod ein; denn das Wesen der bürger- lichen Gesellschaft besteht darin, einen Willen zu liaben, und dieser Wille wird eben durch die bei Begründung des Gemeinwesens von dem Volke eingesetzte Legislative reprä- sentirt (212). Darum ist denn auch die Executive da, wo sie von der Legislative in den Personen völlig getrennt ist. dieser in der Weise untergeordnet, dass die Legislative dem von ihr bestellten Träger der Executive sein Mandat jeder- zeit entziehen und ihn durch einen anderen ersetzen, sowie ihn auch im Falle des Missbrauchs der ihm übertragenen Gewalt bestrafen kann. (152. 153.)

Diese völlige Trennung von Legislative und Executive ist aber nicht diejenige Regierungsforra, welche Locke als empfehlenswerth bezeichnet und im englischen Staate ver- wirklicht erblickt. Das Köuigthum ist ihm eben nicht blos oberster Träger der Executive, sondern es hat zugleich einen Antheil an der legislativen Gewalt. In seiner Eigenschaft als Träger der Executive allerdings ist der König von der allgemeinen Unterordnung unter die legislative Gewalt nicht ausgenommen (L. 11. 152), er ist in dieser Eigenschaft ledig-

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lieh Repräsentant des Gemeinwesens, belebt von dem Willen der bürgerlichen Gesellschaft, der in ihren Gesetzen ausge- sprochen ist, er hat so keinen Willen, keine Gewalt als die des Gesetzes, und wenn er diese Repräsentation, diesen öifent- lichen Willen aufgiebt und nach eigenem, persönlichem Wil- len handelt, so setzt er sich selbst ab und ist nur noch eine Privatperson. Aber da er zugleich einen Antheil an der Legislative hat, indem kein Gesetz ohne seine Zustimmung zustande kommen kann, so giebt es für ihn eine Unter- ordnung nur soweit, als er selbst durch Ertheilung seiner Zu- stimmung zum Erlass eines Gesetzes in sie willigt; er ist nicht einer von ihm völlig unterschiedenen legislativen Ge- walt untergeordnet und verantwortlich (52), sondern nur an das Gesetz gebunden. Auch wenn er aus seiner verfassungs- mässigen Stellung heraustritt, sich eine absolute Gewalt an- masst und dem Zweck des Gemeinwesens zuwiderhandelt, gibt es gegen ihn nur die ,, Berufung an den Himmel," die Revolution. Als Inhaber der obersten Executivgew^alt und als Mitinhaber der Legislativgewalt, ohne dessen freie Zu- stimmung kein Gesetz perfect wird, kann der König denn auch „in einem ganz zulässigen Sinne" (Jn a very iolerahle sense) als Souverän {supreme. 151) bezeichnet werden, wenn er auch nicht die gesammte höchste Gewalt, welches eben die gesetzgebende Gewalt ist, in sich allein besitzt, sondern sie mit anderen theilen muss, denen er aber doch nicht untergeordnet, sondern in legislativer Beziehung neben- und als Träger der Executive nach Vollendung der gesetz- geberischen Arbeit wie allen anderen übergeordnet ist. Von einer Unterordnung des Königs unter das Parlament ist also bei Locke so wenig die Rede wie bei Montesquieu, und wenn ersterer immer und immer wieder betont, dass der König nur nach verfassungsmässig zustandegekommenen Ge- setzen, nicht nach persönlichem Gutdünken zu regieren und

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uiir für die aufgrund dieser Gesetze erhobenen Forderungen Gehorsam zu beanspruchen! habe, so entspricht dies der Montesquieu 'sehen Forderung, dass der l^ürger nur dem Gesetz unterworfen sein soll. Dass das eigentliche Beschlies- sen der Gesetze Sache einer vom Volke auf bestimmte Zeit zu wählenden Vertretung sein soll, lehrt Locke, wie schon hervorgehoben, nicht als Prinzip, sondern er rechtfertigt diese nachher von Montesquieu allgemeiner gefasste Forderung damit, dass, wenn die Gesetzgebung ausschliesslich einer ein- zelnen Person oder einer permanenten Körperschaft anver- traut würde, bei diesen sich ein der Gesammtheit entgegen- stehendes und die Gesetze selbst wie ihre Ausführung beein- flussendes Sonderinteresse ausbilden würde, ein Uebelstand, der nach Locke's Meinung vermieden wird, wenn die Ge- setzgebung wenigstens zum Tlieil von einer Versammlung geübt wird, deren Mitglieder vom Volke nur für gewisse Perioden gewählt werden und nach Erledigung ihrer Auf- gabe den von ihnen beschlossenen Gesetzen ebenso wie alle anderen unterworfen sind. (L. II. LS8. 143.)

Besonders hervorgehoben wird dieser Grund von Locke auch bezüglich der Geldbewilligungen (l.'»8), und mau darf Wühl die gleiche Motivirung, welche Montesquieufür die ihm, Locke gegenüber, eigenthümliche Forderung, inbezug auf iinanzielle Vorlagen der erblichen Abtheiluug der Volksver- tretung nur ein beschränktes Beschliessungsrecht einzuräu- men, beibringt, lediglich als eine speciellere Anwendung des Locke'schen Gedankens ansehen:

. . . Hcnre it is a mislal^f lo tliink tlml tlie sujjreme <ir Ir(/t'sl(f/ire poicer of anif commonwmllh van du iclml il ici/I and i//sj)0\e of f/te cstatps oj ihc subjevts arhirarily or /akc any part of ihem at plcasure. This it not indch lo he feared in (jovernmenls irhere ihc legislaiire consists icJioUi/ or in pari in assemhlies which are rariahh\ nhose

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memhers upon ihc dissoluUon of ihe asae7rihl// are suhjecls under ihe common laws of tlieir couniry, equally icith die rest. Bui in governmenU ivhere the legislative is in one lasting assemhly, alwaya in heing, or in one man .»^ as in absolute monarcMes, tJiere is danger still, tliat tliey will iliink themselves to have a distinct interesi from the rest of the Community, and so will he apt to increase tlieir oum richcs and power hy taking wliat tlicy ttiink fit from tlie people. ( L 11. 138. cf. 143.)

Mais comme une puissance h&6ditaire pourroit elre induite ä siiivre ses int^rets particuUers et ii ouhlier ceu.r da peaple. il faul que dans les choses oii l on a un souverain intcrct ii la corrompre, ccmme dans les loix qui concernent la levde de l'argent, eile n ait de pari ii la Ugislation que par sa jaculti d'e^npvclier, et non par sa facnllc de statner. ;M. p 'IioQ.) Dass die im Verein mit dem Monarchen zur Ausübung der gesetzgebenden Gewalt berufenen Versammlungen nicht in Permanenz tagen sollen, fordert Locke wie Montesquieu. Beide sagen, dass dies einmal überflüssig sein würde und dass sich daraus andererseits allerlei Missstände entwickeln würden. Beide erklären, dass die Einberufung und Ent- lassung der legislativen Versammlung Sache des obersten Trägers der Executive ist, welcher am besten zu beurtheilen in der Lage ist, wann das Interesse des Staates das Zusam- mentreten und die Wirksamkeit der Legislative erheischt. Wie gewöhnlich, stellt Montesquieu auch in diesem Punkte seine Forderung absolut hin, während Locke verschiedene Möglichkeiten ins Auge fasst und sich aus praktischen Grün- den für die eine entscheidet. Da wo die Legislative ganz von der Executive geschieden ist, hat nach Locke die erstere das Recht, entweder zu dem von der Verfassung oder zu dem bei der letzten Vertagung von ihr selbst bestimmten

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Termin oder, wenn keine dieser beiden Arten von Fest- setzung vorliegt, wann es ihr beliebt, zusammenzutreten. Montesquieu dagegen erklärt es prinzipiell für unzulässig, dass die legislative Körperschaft über den Termin ihres Zusammentretens und die Dauer ihrer Verhandlungen selbst Bestimmung treffe. Doch hat Locke den Fall der völligen Tren- nung von Legislative und Executive nur als eine Möglichkeit gesetzt, um an derselben begrifflich die Superiorität der Le- gislative über die Executive in dem oben besprochenen Sinne zu demonstriren, und zu zeigen, dass, wenn wie in England die Einberufung und Entlassung der Legislative dem ober- sten Träger der Executive anvertraut ist, diese damit nicht über die Legislative gestellt wird, sondern nur ein im Sinne der Verfassung und zum Wohle des Ganzen zu übendes Vertrauensrecht besitzt. Locke weist darauf hin, dass es bei Einsetzung der Legislative nicht möglich war, alle die Fälle im Voraus zu übersehen, in denen die Wirksamkeit der Legislative nöthig oder wünschenswerth sein würde, und dass deshalb naturgemäss, soweit die Verfassung nicht be- stimmte Vorschriften enthält, der Executive die Entschei- dung hierüber zufiel, ebenso wie die Ausschreibung der von Zeit zu Zeit vorzunehmenden Wahlen. Locke lässt es un- entschieden, ob festbestimmte Sitzungsperioden oder völlig, freie Entscheidung des Monarchen oder ein gemischtes System vorzuziehen sei. Aber er betont, dass, wenn die Executive den Zusammentritt und die Wirksamkeit der Legislative, wie sie durch die Verfassung oder das Gemeinwohl gefordert werden, zu hindern unternimmt, für das Volk einer der Fälle eintritt, wo es berechtigt ist, Gewalt der Gewalt entgegen zu setzen, weil der Gebrauch von Gewalt ohne verfassungs- mässige Befugniss den Kriegszustand eintreten lässt (L. II. 155.)- Entsprechend sagt Montesquieu, wenn die Legisla- tive eine bedeutende Zeit hindurch nicht einberufen würde.

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dami gäbe es keine Freiheit mehr. Wenn Locke für die legislative Versammlung, abgesehen von der Freiheit der Wahlen, volle Freiheit der Verhandlungen und Beschlüsse, vorbehaltlich des Zustimmiingsrechtes des Monarchen, in An- spruch nimmt, so entspricht dem bei Montesquieu die Forderung, die Executive solle sich nicht in die Verhand- lungen einmischen, ja es sei, da sie das Vetorecht habe, nicht einmal nöthig, dass sie mit der Ausarbeitung und Ein- bringung der Vorlagen betraut sei (il riest pa^ vK-mc neccs- sairc quelle propose, Moniesq., E. Bd. I. p. 273).

Die vorstehenden Ausführungen haben neben äer in allen wesentlichen materiellen Punkten bestehenden üeber- einstimmung zwischen der „constitutionellen" Theorie Locke's und derjenigen Montesquieu's auch die in einzelnen Details vorhandenen Differenzen bereits erkennen lassen. Dieselben sind theils durch die persönliche Lebensstellung Montesquieu's, theils durch die Weiterentwickelung der englischen Ver- fassungsverhältnisse während der sechszig Jahre, die zwischen der Abfassung der Locke'schen Abhandlung und dem Er- scheinen des Montesquieu sehen Werkes liegen, bedingt. Ein tiefergreifeuder Unterschied, der ebenfalls schon an mehreren Stellen berührt wurde, besteht zwischen den beiden Verfassungstheoretikern inbezug auf Methode und Darstel- luugsweise, zwischen dem empirisch -historischeu Verfahren Locke"s und der rationalen Systematik Montesquieu's. Es ist indess nicht dieses Ortes, solchen Unterschied weiter zu verfolgen, ebenso wenig ist beabsichtigt, in eine Kritik des „constitutionellen Systems" einzutreten, die ja längst durch Theorie und Praxis zur Genüge geliefert worden ist. Auch das verschiedenartige Verhältniss der beiderseitigen Darstellungen zu dem historischen That-

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bestand des concreten englischen Staatswesens soll, ip nicht Eulen nach Athen zu tragen, unerörtert bleib Hier galt es nur, zu zeigen, dass die Autorschaft der „e stitutionellen" Staatstheorie in ihrem vollen Umfange ni<|t Montesquieu, sondern Locke zuzuschreiben ist. Etvs ganz Anderes ist es mit der historischen Wirkung. Die ■vi Locke gelieferte Theorie der „glorreichen Revolution" vp 1689 war ausserhalb Englands fast unbeachtet, jedenfa aber einflusslos geblieben. In der ihr sechszig Jahre späi" von Montesquieu gegebenen Darstellung hat sie siegreii die ganze civilisirte Welt erobert und das Leben der Staat i von Grund aus umgestaltet. Die von Montesquieu i Schluss des Kapitels De la Constitution d' Angleterre v( sichtigerweise ausgesprochene, wenn auch nicht ernst § meinte Verwahrung: Je ne prclends poinl par ravaler autres gouvernements, ni dire que cetie libertt^ politique extrr doive mortißer ceux qui neu onl quune moderne, hat nie verhindert, dass die in dem Kapitel enthaltene Theorie w eine Art politischen Evangeliums aufgenommen wurde ui als solches ihre Wirkung noch lange nicht verloren hat.

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Vita.

llieodorns Pietsch, Silesius, natus sum die XX mensis Novembris a. h. s. LV. patre Ignatio, matre Johanna, quos optima valetudiue frui magnopere gaudeo. Fidem profiteor ca- tholicam. Primis literarum elementis irabutus per septem annos gymuasium Glacense frequentavi. Maturitatis testimonio accepto auctumno a. h, s LXXIV numero civiuin üniversitatis Viadrinae Vratislaviensis legitime adscriptus sum, ubi per novem semestria studiis incubui pbilosophicis, philologicis, historicis, oeconomicis, Magistris glorior viris doctissimis Brentano. Dili/iei/. Ehenich, FreiiclenthaL Galle. Hertz. Junkmann. Ludwich, ah Miaskoicski. Neumann. Reifferscheid , Rossbach. Stenzler, Weinhold. Quibus Omnibus de me optime meritis gratias ago maximas, imprimis viro illustrissimo Dilthei/. qui clementissimis semper me consiliis adiuvare et augere voluit. Finitis studiis academicis per plures annos magistri domestici munere fuuctus sum. lüde ab auuo MDCLXXXIl acta diurua scribeus Vratislaviam liabitavi

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The.seii.

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Die von Kant für .jie Idealität des Baumes and der Zeit beigebrachten Argumente sind weder zusammen aoct

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Die von Kant für die Idealität des Raumes m, m Zeit beigebrachten Argumente sind weder zusammeiKii im Einzelnen beweisend. I

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Fletsch, Theodor

Ueber das Verhältnlss der politischen Theorie Locke's zu Montesquieu' s Lehre von der Thellung der Gewalten

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