HARVARD UNIVERSITY. LIBRARY OF THE MUSEUM OF COMPARATIVE ZOÖLOGY. #176, 4789, 4790, 50,074 - Suhleombu 26, IE Uugqut 2, MIT. -£ Hr 6 Leben» . 3; BB ..+n? Der. I Mr 99 A rer Faye, Br; I 5 BH, SEE AN Se at. hen Den P Ba c> rn? at a an u ee er 2 EBD, e Er a a EL In ah rzr- Van 5 x 07 # Me _ LEBE: RN. 2 f a0 2 = 4 E70. > ern 2 VB ernarternn, rn Frktpn I x « a } i et ng IEE, 2 RAU “ 3 Prosramm >) h 7 Na =) | Königfigen Vrentfänte jw üelers, zu der am 27. und 28. September 18506 stattfindenden öffentlichen Prüfung alle Gönner und Sreunde der Anftalt, insbefondere die Eltern und Angehörigen fämmtliher Schüler ergebenst einladet der Director Dr. H. Loew, Prof. N Inhalt: 1) Eine naturwissenschaftliche Abhandlung, vom Direktor. 2) Schulnachrichten von Michaelis 1849 bis Michaelis 1850, von demselben. Meseritz, gedruckt bei F. W. Lorenz. 1850. 1 >>» 4 ER h un 2 sis nasnatsdane Bu ab BR De riet a Ba 2 ieh main, Bei LEER ni. 2 A iabelalh Mandy Kia D N : ; er n x wosil ki fe hi E \ Be RAN Ey Wim Bl ER 3 Brenz Yu “r “ ws, br: Ze \ k S N % v a "OR ® [3 ® he [.2.7 BEE W Pa D 4 5 4 Ba ee a } SR = Best: Yale gr „main TODE? AR: ii (4 ee er aa tr ea 1% rn AB N alte = 2 “ | l “ r “ jr v x n f} 5 Ar x Mt ” 1 r » en : \ a r 2 ‘= = = Sn ne rd Dr en re a meer 3 >) > ne Be > sa 71.58 a i' ER | | R , IaIe.r: IL x $- i i e, 3 AG2T 1 Be w n x an | &lwel Spk 26, 1871. Ueber den Bernstein und die Bernsteinfauna. Vom Prof. Dr. H. Loew, Direktor der Realschule in Meseritz, Mitglied der Kaiserlichen Societät der Naturforscher zu Moskau, der Senckenbergischen naturforschenden Gesellschaft zu Frankfurt a. M., der naturforschenden Gesellschaft in Danzig, der rheinischen naturforschenden Gesellschaft in Mainz , der naturforschenden Gesellschaft in Halle, des naturforschenden Vereines für Anhalt in Dessau, des entomolo- ischen Vereines in Stettin, des naturwissenschaftlichen Vereines des Harzes, der Gesellschaft ür Naturgeschichte in Dresden, des naturwissenschaftlichen Vereines der Provinz Posen u. s. w. Berlin, 12850. ö Bei E. S. Mittler & Sohn. Zimmerstr. 84. 85. A " nd ’ De u B. \ Fi Ser FE “4 Hat ut R Br er FEN re i Saint oe 7 syn FT 7 £ N - 3 pP if N " “ P Sr zus % [x if 2; ’ + ug aha F EN 4 iR 24 = - er aß: > : E y F N ng er f —_ 3 - 1.% Ra - \ AEE » 1 # y 2 e ® = Fi = w - . ? J Einleitung. ’ WWVie der Mensch gern nach der Geschichte seiner Vorfahren forscht, wie er immer wieder mit Vorliebe nach dem Stammbaume seiner Ahnen fragt, wie jedes Volk mit besonderer Neigung sich in die Zeiten versetzt, in welchen es einst aus den dunklen Hainen der Sage auf den lichteren Plan geschichtlicher Kämpfe und Entwickelungen trat, so forscht die Menschheit mit unermideter Begier in der von verilossenen und verschol- lenen Jahrtausenden sprechenden Runenschrift der sie umgebenden Natur; wissen möchte sie, wie vor ihrem Erwachen zum Selbstbewusstsein die äussern Bedingungen ihres Daseins gestellt waren; Kunde möchte sie haben, wie die Welt gestaltet war, in welcher sie ihren Kindheitsmorgen verträumte. Sie fragt nach den Bedingungen, welche ihr erstes Auftreten möglich machten, und mit unersättlicher Wissensbegier nach den Zuständen, welche ihnen vorangiengen. Den Bau der mütterlichen Erde durchforschend, findet sie überall Trümmer früherer Anordnung, überall Zeugniss gewaltiger Umwälzung; sie sucht diesen Trümmern und den Katastrophen, welche sie hinwarfen, Sprache, Antwort auf ihre Fragen abzugewinnen. Und jede erzählt ihr von einer Nacht zwischen zwei Schöpfungstagen, jede wird zu einem Einschnitte, zu einem Marksteine einer Erdgeschichte, deren Epochen verronnen sind, ehe sich die Werrlichkeit der Welt im ersten Menschenauge spiegelte, die zurückdeuten auf einen Embryonalzustand der Erde, zu welchem das bewaffnete Auge die Analogien in den unermesslichen \Veiten der Himmelsräume sucht. Aus den Trümmern der Bildungen des einen Schöpfungstages, welche der Ordnung des nächsten zu Bausteinen dienten, muss der zerstörte frühere Zustand reconstruirt werden; aus der Betrachtung ihrer neuen Lage, aus dem Vergleiche des Unveränderten nit dem Veränderten oder ganz Umgewandelten, muss auf die Art der wirkenden Kräfte geschlossen, muss ihre Grösse geschätzt, mıuss der Umfang ihrer Wirkungen ermessen werden. Das rückwärts gerichtete Auge des Geistes sieht Berg mit Ebene, Meer mit Land wechseln; aber wie auch der Kampf der streitenden Ce- walten, ihm scheinbar ordnungslos, durcheinandertosen möge, zwei Principien tönen wie zwei Schlachtrufe durch den wogenden Streit der Einzelkämpfe und ordnen ihn zum Ringen zweier Schlachtgeschwader. Das eine Prinzip über der Oberfläche schwebend, zerreibend und allmälig auflösend, verflackend und ebnend, der organischen Welt friedlich die Stätte bereitend, das Princip des an die Oberfläche gebundenen Flüssigen, das Reich der neptunischen Kräfte; das andere Prinzip von untenher sich mächtig empörend, plötzlich zertrümmernd und chemisch umändernd, Gebürge thürmend und Klüfte aufreissend, jedem organischen Leben todbringend und es begrabend, das Prinzip der in den Tiefen der Erde schlummeruden Gluthen, das Reich der plutonischen Kräfte. Jenes die Geschichte seiner Wirkungen schreibend, indem es ruhig Schicht auf Schicht, die jüngere auf die ältere, ablagert; dieses die Zeitfolge seiner Wirkungen durch Zerstörung, Umbildung, oder Verwerfung der früher entstandenen neptunischen Gebilde kundgebend. Jenes herischend an den Tagen der Schöpfung; 4 dieses regierend in ihren Nächten, kaum an einzelnen Punkten auch noch in den heutigen Schöpfungstag hineinwirkend, wie zu mahnen, dass auch auf ihn einst noch eine Nacht folgen könne. — Genauere Unter- suchung der einzelnen Formationen hat tausendfach Zeugniss abgelegt von diesen Kämpfen zwischen Gluthen und Fluthen und von den Schöpfungen organischer Wesen, welche in ihnen unterlegen sind. Man erkannte in denselben die Begräbnissstätten dieser früheren Schöpfungen, und aus dem dunkeln Schoosse ihrer Grüfte bevölkerten sich die Tage der Vorwelt, wie aus einer Noah’s Arche, jeder mit einer ihm eigenthümlichen Thierwelt; aus dem Schoosse der Tiefe sprosste jedem von ihnen eine eigenthümliche Pflanzenflor. Die. Ge- schichte des Erdkörpers verflocht sich mit einer Geschichte der organischen Natur, durch welche sie dem Menschen- geiste näher gerückt und von der sie selbst vielfältig beleuchtet wurde. Genaue Untersuchug der den verschiede- nen grossen Erdbildungsepochen angehörigen Thier- und Pflanzenreste bestätigte, dass sie durch Katastrophen getrennt gewesen sind, über welche für kein organisches Wesen eine Brücke geschlagen war; Todbrachtensie allem, was lebte auf Erden; alles, was nach ihnen gelebt hat, gehört einer neuern Schöpfung an. Aber auch inner- halb jener grossen Erdbildungsepochen zeigen sich Wandlungen im Bestande der organischen Wesen; Arten, welche in den untersten, also ältesten der einer Epoche angehörigen Schichten häufig waren, werden in den obern, jüngern Schichten eben derselben Epoche ‚seltener, oder verschwinden auch wohl plötzlich ganz; dagegen treten in den obern Schichten oft Arten auf, welche in den untern fehlten, wobei freilich nicht immer sicher zu entscheiden ist, ob die allgemeinen Bedingungen für organisches Leben auf der ganzen Erde solche Abänderungen erlitten, dass dadurch Arten, welche früher lebensfähig waren, dem nothwendigen Untergange geweiht und völlig neue Arten in das Dasein gerufen wurden, oder ob an einzelnen, mehr oder weniger aus- - gedehnten Oertlichkeiten durch auf sie beschränkte Veränderungen das Verschwinden früher dort vorhandener und das Ansiedeln vorher dort fehlender Arten bedingt wurde, ohne dass sich daraus auf das völlige Verschwin- den jener aus der Summe aller damals existirenden organischen Wesen schliessen liesse, noch auf das völlig neue Auftreten dieser. Wenn wir in der Geschichte der organisirten Geschöpfe des heutigen Welttages wohl das Aussterben einzelner Arten nachweisen können, aber auch nicht eine Thatsache anzuführen wissen, welche für die Entstehung neuer Arten während des Verlaufes desselben spräche; wenn wir selbst Arten, welche unter dem Einflusse der Kultur durch mancherlei Abänderungen aus dem Kreise der ihnen ursprünglich eigenthümlichen Bildungen heraustreten, mit ihrer typischen Bildung wie durch ein unsichtbares Band verbunden und ihr, nach Aufhebung der störenden Einflüsse, sicher wieder zufallen sehen, so berechtigt uns das doch gewiss nicht, anzunehmen, dass dies alles in frühern Schöpfungen ebenso gewesen sei. Allerdings bestätigt sich durch Erforschung der übriggebliebenen Reste urweltlicher, organischer Schöpfungen die Ansicht, dass keine Art durch allmälige Abänderung nach verschiedener Seite hin in zwei oder mehrere neue Arten gleichsam zerfallen könne und widerlegt gänzlich die einst ziemlich verbreitete Ansicht, dass aus je einer Species, dem Urthiere und der Urpflanze, sich durch die verschiedenen Epochen der Erdbildung hindurch bis auf den heu- tigen Tag alle dann und nun lebenden Thierarten, unter der Nöthigung äusserer, nach Zeit und Ort verschiedener Verhältnisse und Bedingungen, sich diesen anschmiegend, abgewandelt und entwickelt hätten. Wenn auch nachgewiesen ist, dass neue Epochen mit einer völlig erneuten Schöpfung aufeinander gefolgt sind, so lässt sich daraus doch keineswegs schliessen, ja nur vermuthen, dass während derselben die schaffende Kraft keine neuen Arten hervorgebracht habe, wie sie es jetzt nicht thut, oder, nach unsern spannelangen Erfahrungen, viel- leicht nur nicht zu thun scheint. Wie die Umwälzungen, welche die Geschichte des Erdkörpers und seiner Bewohner in Hauptabschnitte theilen, im Allgemeinen um so grossartiger waren, je früher sie stattfanden, so dass vielleicht nur die letzte, welche dem Morgen unseres Welttages voranging, nicht ganz allgemein zu nennen ist, so können füglich die Kräfte, welche nach solchen allgemeinen Zerstörungen organisches Leben vorbereiteten und hervorriefen, wirksamer als jetzt gewesen sein; ja es scheint die Grösse der Wirkung die Grösse der Gegenwirkung zu fordern und der Anfang des Kampfes der wechselnden Kräfte als heftiger vorausgesetzt werden zu müssen, wie die Sehwingungen des Pendels zuerst am grössten sind. Die Vorstellung hat also nichts Widernatürliches, dass in frühern Perioden die Entstehung neuer Arten auch im spätern Verlaufe derselben stattgefunden habe, während sie in der unsrigen nur im Anfange möglich gewesen zu sein scheint. — Die orga- nischen Wesen, welche die schaffende Kraft damals kervorrief, unterscheiden sich von denen, welche jetzt die Erde bewohnen, gar sehr und zwar um so mehr, je weiter die Epochen, denen sie angehören, in der Ver- „gangenheit zurückliegen. Ohne, dass diese Unterschiede hier in das Einzelne verfolgt werden können, lässt sich doch im Allgemeinen sagen, dass die Fauna und Flora der ältesten Epochen vorzugsweise solche Familien enthält, welche in der Jetztwelt kaum noch einzelne, oft an sehr beschränkte Lokalitäten gebundene Repräsen- 65) tanten haben, während in den darauf folgenden Epochen die Familien immer mehr Uebereinstimmung mit den jetzt lebenden zeigen und nur die Gattungen derselben zum grössten Theile noch von den jetzt vorhandenen abweichen, bis sich in den jüngst vergangenen Epochen auch dieser Unterschied in den Gattungen ausgleicht und zum blossen Artunterschiede herabstimmt, welcher zuletzt zwischen den Geschöpfen, welche der, unserer unmittelbar vorangehenden Schöpfung angehörten, und zwischen denen dieser selbst, oft fast verwischt ist. Kli- matische Unterschiede und Gegensätze, wie sie die jetzigen Bewohner der Erdoberfläche zeigen, dürfen für die frühesten Epochen sicherlich nicht angenommen werden, da alle Erfahrungen darauf hinweisen, dass in ihnen die Geschöpfe mit grosser Gleichmässigkeit über die ganze, oder doch über sehr grosse Theile der Erdoberfläche verbreitet waren; ihre Fauna und Flora kann demnach nur mit derjenigen der ganzen Erdoberfläche ver- gleichend zusammengestellt werden; deutet sie in mehrfacher Beziehung auf Erscheinungen des organischen Lebens, wie sie sich jetzt nur unter dem Einflusse des tropischen Klima’s entwickeln, so folgt daraus, dass die damals für die ganze Erde geltenden Lebensbedingungen mehr Aehnlichkeit mit denen, welche in unserer heissen Zone stattfinden, hatten, als mit denen der gemässigten oder kalten, also von einem höhern Wärme- grade vorgeschrieben waren. Mit einiger Bestimmtheit aber lässt sich annehmen, dass das Vorhandensein klimatischer Unterschiede nicht erst mit der jetzigen Ordnung der irdischen Dinge eingetreten ist, sondern dass es sich in den auf jene ersten folgenden Epochen allmälig geltend machte, wie der anfangs dominirende Ein- fluss der eigenen Erdwärme allmälig sank, und wie nach und nach für die Erde ein Gleichgewichtszustand zwischen Wärmeempfang und Wärmeabgabe eintrat, welcher die durch ihr Verhältniss zur Sonne bedingten Wärmeerscheinungen immer klarer hervortreten liess. Während jedes Glied jener frühesten organischen Schöpfungen als ihnen ohne örtliche Einschränkung angehörig betrachtet werden darf, ist bei denen späterer Schöpfungsperioden dies ganz gewiss nicht der Fall; wenn einst die Wissenschaft alle Zonen unseres Erdballes in dieser Beziehung gleichmässiger durchforscht haben wird, werden sich sicher auch für sie klimatische Unter- schiede in der Zusammensetzung ihrer Thier- und Pflanzenwelt deutlicher herausstellen, als dies bis jetzt bei der Beschränkung der gründlichern Forschungen auf verhältnissmässig doch nur beschränkte Gegenden der Erde hat der Fall sein können. Dass diese klimatischen Unterschiede hinsichtlich der geographischen Lage mit den jetzt vorhandenen nothwendig übereinstimmen: müssten, ist damit nicht gesagt; dass sie vermuthlich von geringerer Intensität als die gegenwärtigen sein werden, geht aus dem oben Bemerkten hervor. — Aber soviel neue Beobachtungen und Erfahrungen über die organischen Schöpfungen, welche auf der Erde einander gefolgt sind, die Wissenschaft auch von Tage zu Tage emporflördern ınag, nie wird sieim Stande sein, uns ein vollständiges Bild von dem, was jene Schöpfungen einst wirklich waren, zu geben. Allerdings gelingt es ihr, durch tiefes Studium des jetzt Tiebenden, aus einzelnen Fragmenten des Untergegangenen das Ganze, aus einigen Knochen das iebende Thier, aus einem Stücke Holz den ganzen Baum mit grosser Zuverlässigkeit zu reconstruiren, wenn nur die Verwandtschaft mit dem, was ihr jetzt die lebende Natur zeigt, nicht gar zu ent- fernt ist. Aber wie dürfte sie je darauf rechnen, auch nur die Mehrzahl der Bürger jener Zeiträume kennen zu lernen? Wie dürfte sie auch nur vermuthen, dass in jenen Epochen die einzelnen Klassen und: Ord- nungen in demselben Verhältnisse repräsentirt gewesen wären, in welchem fhre Ueberreste jetzt aufgefunden werden, um der Menschheit Zeugniss zu geben von Zeiten, die waren ehedenn sie war. Der flüchtigste Blick über die Reihe der jetzt lebenden Wesen zeigt uns ganze Ordnungen und Klassen von solcher Zart- heit der Bauart und solcher Zerbrechlichkeit, von solcher an das Zerfliessliche grenzenden Weichheit und so leichter Zersetzbarkeit. dass sicherlich von keiner ihrer Arten eine Spur übrig bleiben würde, wenn ihr Leben einer Katastrophe unterläge, welche denen, die früher schon die Weltordnung umgestaltet haben, gliche. Der Fisch und die Qualle, in gleichem Elemente und unter gleichen Bedingungen lebend, wie ver- schiedene Aussicht hätten sie, dass ihre Ueberreste in neue Sedimente eingehüllt und endlich versteinert, einer spätern Welt vom Leben der frühern zeugten ? Der Baum und der leicht zerfliessende Pilz neben ihm, _ wie verschieden die Wahrscheinlichkeit, dass nach langem Drang durch tobende, rollende, alles zertrüm- mernde Fluthen etwas von ihnen gerettet werde und übrig bleibe? — Welche nie ausfüllbare Lücken mögen auf solche Weise in dem Bilde entstanden sein, welches uns unsere Erfahrungen und Untersuchungen vom Leben in jenen Zeiträumen zeigen? Es bleibt diess unzweifelhaft, obgleich es allerdings richtig ist, dass auch auf dem Gebiete der Versteinerungskunde die bis zu mikroskopischer Kleinheit und Feinheit zugespitzten Beobachtungen nicht nur über das Grosse erst die gediegenste Auskunft gegeben, sondern auch viele vorweltliche Ueberreste kennen gelehrt haben, von deren Existenz man keine Ahnung hatte, als man blos versteinerte Knochen und Conchyliengehäuse zu beachten gewohnt war. Nene Zweige 6 sind dadurch in. neuer Zelt ‚der. Petrefaktenkunde, gewachsen und manche jener Lücken bereits auf überraschende Weise ausgefüllt worden. Es genügt in dieser Beziehung an ‘die Entdeckungen Eh- venberg's über fossile Infusorien und an das massenhafte Vorkommen ihrer manchfaltigen Arten zu erinnern. Eine andere jener Lücken, welche nieht zu den völlig unausfüllbaren gehört, sondern sich in Beziehung auf die Fauna gewisser zoologischer Perioden durch ein verhältnissmässig reichhaltiges Material füllen lassen wird, gehört der Klasse der Insekten. Die grosse Zartheit und. Hinfälligkeit der Mehrzahl .der- selben macbt es wohl erklärlich, dass sich aus mänchen Perioden gar keine, oder doch kaum nennenswerthe Reste derselben: erhalten haben; ihre verhältnissmässige Kleinheit, dass die frühere Zeit manches aus dieser Klasse unserer Untersuchung Erhaltene übersehen hat. Auch. die. chemische Beschaffenheit ihrer Körpertheile scheint dem eigentlichen Versteinerungsprozesse, welcher die organische Substanz durch eine höchst langsame und ruhige chemische Einwirkung auflöst und an ihre Stelle einen unorganischen Stoff niederschlägt, so dass die feinsten Einzelnheiten des innern Baues auch nach völligem Stoffwechsel noch wohl erkannt werden mögen, nicht eben günstig zu sein. Es mussten sich mithin die Umstände allerdings besonders günstig gruppiren, wenn von .der einer grossartigen Umwälzung unterliegenden Insektenwelt uns zahlreichere und der Untersuchung günstige Reste aufbewahrt bleiben sollten. Ein Fall dieser Art war es, wenn die sie einhüllende Masse lang- sam und ruhig abgelagert wurde und den später eintretenden Stoffwechsel so regulirte, dass er ihren Kohlen- sto übrig liess, sich also auf einen Verkohlungsprozess beschränkte, oder dass er erst später, nachdem die sie umgebende Masse zu völliger Erhärtung gelangt war, eintrat und dann auch ihren Kohlenstoff auflöste, ohne eine andere Substanz an seiner Stelle abzulagern, so dass zarte Abdrücke ihrer äusseren Formen entstanden; gewisse Süsswasserkalke bieten Fälle der Art in ausgezeichneter Weise dar. Aehnlich scheint eine besonders kohlenstoffreiche Umgebung (Stein- und Braunkohlen, bituminöse Kalke) gewirkt zu haben. Den beiweitem sünstigsten 'aller Fälle aber bietet der Bernstein dar, welcher durch sein klares Medium uns einen Blick in eine so reiche voriveltliche Insektenfauna thun lässt, wie sicherlich keine zweite aufgeschlossen werden wird. — Dass das Studium der vorweltlichen Insekten kaum erst begonnen worden ist, mag einen mehrfachen Grund haben. Der Mangel an vorliegenden 'Thatsachen ist schon seit längerer Zeit nicht. mehr so gross, dass ihm allein die Schuld dieser Verzögerung zugemessen werden könnte. Eine gewisse Abneigung Reste der Urivelt, welche nicht eigentlich petrifizirt, sondern nur mumifizirt sind, unter die sogenannten Versteinerungen aufzu- nehmen und mit ihnen von einem einheitlichen Gesichtspunkte aus zusammen zu fassen, mag einer dieser Gründe gewesen sein, welcher aber nur so lange stichhaltig erscheinen konnte, als sich die Versteinerungs- kunde noch nicht auf einen wahrhaft wissenschaftlichen. Standpunkt erhoben hatte. Ein anderer Grund mag viel länger fortgewirkt haben, eine Berücksichtigung. der fossilen Insekten bedingte nämlich nothwendig Ver- trautheit, und zwar eine ungewönlich gründliche Vertrautheit mit: dem weitläufigen und schwierigen Gebiete er Entomologie. Welche Studien hatte man nicht schon machen müssen, um von dem Rückenwirbel eines Säugthiers auf die Form seines Schädels, um von einem Zahne desselben auf die Gestalt seiner‘Füsse, um von einem Durchschnitte des: Zellen- und Gefässbaues eines Holzstückchens auf die Blüthen und Früchte, welche der Baum einst getragen haben muss, schliessen zu können. Und jetzt sollte man auf dem unabsehbar weit- läufigsten aller zoologischen Gebiete, auf dem der Entomologie dieselben Studien von vorn beginnen, da ohne sie eine gründliche Untersuchung unmöglich war; man sollte sich in den Stand setzen, aus einem Fühler oder Beine, aus dem Geäder eines Flügels oder der Skulptur einer Flügeldecke auf die Organisation des ganzen ‘Phieres zurückzuschliessen; um: diese Studien überhaupt nur beginnen zu können, musste man daran denken, das zahllose Pygmäenheer der jetzt lebenden Insekten aus allen Welttheilen um sich zu versammeln. Die, welche sich bis dahin mit Versteinerungen beschäftigt hatten, erschraken vor der Grösse dieser Aufgabe und erkannten von vorn herein, dass sie ihnen unlösbar sei, dass auch hier nur Theilung der Arbeit Hülfe gewäh- ren könne; dass Entomologen, welche einen guten Theil jener nothwendigen Vorstudien bereits hinter sich hätten, helfend eintreten müssen. Die immer befriedigenderen allgemeinen Resultate und die immer grössere wissenschaftliche Bedeutung, weiche die Petrefaktenkunde unterdessen gewann, bestimmten endlich namhafte Entomologen, ihren Studien diese Richtung zu geben, indem sie die Methode der vergleichenden Zoologie, welche mit so glänzendem Erfolge auf die höhern. Thierklassen angewendet ‚worden war, auf ihre weite Domäne übertrugen. Gerade wie die Entomologie überhaupt zur Hülfswissenschaft der Petrefaktenkunde, geworden ist, so bin ich selbst in eine wissenschaftliche Beziehung zur Bernsteinfauna gekommen. Ein werther Freund von nilir, der Dr. Berendt in Danzig, dessen Name in der litterarischen Welt längst rübmlich bekannt ist, hatte sich 7 die Erforschung des’ Vorkommens des Bernsteines und die Ergründung derjenigen. Aufschlüsse, welche seine Inelusa über die Thier- und Pflanzenwelt einer bestimmten geologischen ‚Periode versprachen, seit längerer Zeit zur wissenschaftlichen Lebensaufgabe gemacht, welche er, getragen von wissenschaftlichem und patriotischem Interesse, mit seltener Treue verfolgt hat. Bäld musste er fühlen, dass diese Aufgabe für eines Mannes, auch für des rüstigsten, Schultern zu schwer war und dass eine genügende Lösung derselben neben. seiner ‚aus- gebreiteten ärztlichen Praxis ausser den Grenzen der Möglichkeit lag. Dies Gefühl scheint in ihm lebhalter geworden zu sein, nachdem er hier und dort Beistand gesucht und doch nur. spärliche und unsichere Auskunft gefunden hatte, ganz besonders aber nach der im Jahr 1830 erfolgten Ilerausgabe eines Heftchens über „die Insekten im Bernsteine,‘“ welches ihn weniger als alle andern befriedigte, so dass er ihm kein zweites folgen liess. Wohl hätte er damals die ganze‘ Arbeit manchmal: gern in eines andern Hand gelegt; aber da er Niemanden fand, „dem die Sache wie ihm am Herzen gelegen hätte,‘ behielt er sie in der seinigen, wo sie in der besten war, da es in der That nur darauf ankam, die Arbeit zweckmässig zu vertheilen und das Zusammenwirken verschiedener Kräfte mit treuer Ausdauer ‘auf ein gemeinsames Ziel hinzuleiten. . Im An- fange der vierziger Jahre reifte in ihm der Entschluss, das reichhaltige, von ihm zusammengebrachte Material an Verschiedene zu wissenschaftlicher Bearbeitung zu vertheilen und das so entstehende Gesammtwerk. auf seine Kosten herauszugeben. Er hatte das ‘besondere Glück, ‘für die Bearbeitung der vegetabilischen Ein- schlüsse den Herrn Professor Göppert zu gewinnen, welcher bereits bedeutende Vorarbeiten auf diesem Felde der Beobachtung gemacht hatte, und sich so einer glänzenden Erledigung dieses Theiles der Untersuchung zu versichern. Da von Säugethier- und Vögelresten im’ Bernsteine nur einzelne Spuren, Haare und Federn, vor- kommen, ülle Nachrichten über in ihm eingesehlossene Fische und Amphibien sich aber als auf Täuschung beruhend ausgewiesen haben, die Beobachtung’ über in ihm eingeschlossene Schnecken: zu den ganz vereinzelten gehören, bleiben im Grunde nur die Klasse der Insekten und (der Arachniden als zahlreicher repräsentirt übrig. Während zur Bearbeitung der letztern die Kraft emes einzelnen wohl ausreicht, liess sich auf den ersten Blick erkennen, dass dies bei den überaus zahlreich repräsentirten Insekten unmöglich der Fall sein würde, dass hier vielmehr eine Vertheilung der einzelnen Ordnungen an besondere, mit ihnen bereits näher vertraute Ar- beiter nöthig sei. Der Herr Forstrath Koch in Regensburg übernabm die Untersuchung der flügellosen Insekten, Herr Professor Germar in Malle die ‚der Orthopteren und Hemipteren; die. Untersuchung der Neuropteren nahm Herr Professor Pictet in Genf über sich, aus dessen Bänden sie später in die des Herrn Dr. Hagen in Königsberg überging. Ich wurde im Jahre 1843 von meinem verehrten Freunde Berendt zur Bearbeitung der Dipteren aufgefordert, welche ich, dazu mit den Schätzen seiner Sammlung ausgerüstet, gern übernahm, Für die Ordnungen der Hymenopteren, Coleopteren und Lepidopteren Arbeiter zu finden, gelang leider nicht. Die erste Frucht dieses Zusammenarbeitens vieler, das der, welcher es hervorgerufen hatte, stets mit Eifer und wahrer Hingebung förderte, war das erste Heft des; grossen Berendt’schen Bernsteinwerkes, welches nach manchen Verzögerungen im Jahre 1845 erschien. Berendt selbst legte in ihm die Resultate, welehe er über das Vorkommen des Bernsteines, so wie über die Art und Zeit seines Entstehens. gewonnen hatte nieder und stellte die allgemeinern Ergebnisse, welche die gemeinschaftliche Untersuchung der Bern- steinfauna bis dahin geliefert hatte, übersichtlich dar; Göppert theilte in ihm seine erfolgreichen Unter- suchungen über die Baumart, welche den Bernstein erzeugt hat, und über die sonst in ihm, so wie über die mit ihm zugleich vorkommenden Pflanzenreste mit. Die Bearbeitung der einzelnen Insektenordnungen konnte damit nicht Schritt halten, theils wegen des immer neu zuströmenden Materiales, theils wegen der vielfachen Schwierigkeiten des Gegenstandes, theils auch weil dazu keine Vorarbeiten vorlagen, wie Göpperts gediegene Untersuchungen über den Bernsteinbaum waren, Der mir übertragene Theil der Arbeit hat mich seit dem Jahre 1843, also während eines Zeitraunnes von 7 Jahren fast ununterbrochen beschäftigt. Die gleich anfangs mir vom Dr. Berendt zur Bearbeitung übergebene Sammlıng Dipteren einschliessender Bernsteine zählte bereits über 700 Stück, von denen freilich gar viele, als zur Bearbeitung unbrauchbar, zurückgesendet werden mtssten. Ausser gar manchem Interessanten und Wichtigen, was ich durch Kauf erhielt, oder was mir noch später aus Berendt’s Händ zukam, flossen mir bald von vielen Seiten die reichlichsten Beiträge zu, von welchen ich nur die der ökonomisch-physikalischen Gesellschaft in Königsberg, der Herrn Doctoren Klins- mann und Hein in Danzig, des Herrn Oberlehrer Menge ebendaselbst, des Herrn Rechtsanwalt Ehrhardt in Swinemünde, so wie des Herrn Dr. Thomas in Königsberg als die umfangreichsten und wichtigsten hier mit aufrichtigstem Danke nennen will. Es sind so in den letzten 7 Jahren Tausende von Bernsteinstücken durch meine Hände gegangen und weit über 10,009 Exemplare in Bernstein eingeschlossener Dipteren von mir 8 untersucht worden. Jetzt endlich ist die Arbeit soweit gediehen, dass es nur noch der Anlegung einer letzten Hand bedarf, um sie dem Stich und Druck zu übergeben. Leider sind die Augen geschlossen, denen ihre Vollendung vor allen Freude machen sollte. Berendt, welcher einen so bedeutenden Theil seines Lebens der Förderung dieses grossen Werkes über den Bernstein gewidmet hatte, hat nicht die Freude gehabt, mehr als die Vollendung des ersten Tleftes desselben zu erleben. Nach längeren Leiden wurde er im Anfange dieses Jahres seiner trauernden Familie, dem grossen Kreise ihn hochschätzender und innig verehrender Freunde, so wie der Wissenschaft altzufrühe entrissen. — Die zweite Abtheilung des grossen Werkes, welches die Bear- beitung der Crustaceen, Myriapoden, Arachniden und der ungeflügelten Insekten vom Herrn Forstrathe Koch in Regensburg enthalten wird, war schon vor dem Tode des Verewigten der Vollendung nahe und wird wohl dem- nächst erscheinen. Meine Arbeit über die Dipteren sollte die dritte oder vierte Abtheilung desselben bilden. Durch den Tod des geehrten Freundes ist von Neuem Unsicherheit und Zweifel über die Zeit und Art ihrer schon se lange hinaus verzögerten Herausgabe gekommen. Dieser Umstand bestimmt mich, durch einen vorläufigen Bericht eine allgemeine Rechenschaft über das Resultat meiner Untersuchungen abzulegen, welche ich namentlich denjenigen ver- ehrten Männern schuldig zu sein glaube, welche mir aus ihren Sammlungen werthvolles Material auf so lange Zeit mit grösster Liberalität zur Benutzung überlassen haben. Vorher werde ich nothwendig einen Blick auf den Ursprung und das Vorkommen des Bernsteins werfen müssen, worüber ausführlichere Kunde in der ersten Ab- theilung des Berendt’schen Bernsteinwerkes zu finden ist. Hätte ich die Freude, den Dr. Berendt noch unter den Lebenden zu wissen, so würde ich mich schwerlich zu einer vorläufigen Mittheilung !von Art der- gegenwärtigen entschlossen haben; ich würde mich für verpflichtet gehalten haben, alle Resultate zuerst in dem Werke, welches seinen Namen ruhmvoll auf die Nachwelt bringen sollte, bekannt zu machen. Da ich auch jetzt noch nicht als vollkommen entschieden ansehen kann, ob meine Arbeit einen Theil des von ihm unter- nommenen Werkes bilden, oder ob sie selbstständig erscheinen werde, so fühle ich mich auch jetzt noch verpflichtet, diesen Rechenschaftsbericht so einzurichten, dass er dem Interesse des nachfolgenden 'grössern Werkes nichts vergiebt, wozu übrigens der geringe dieser Gelegenheitsschrift gestattete Raum auch ohne dies die Nöthigung in sich trägt. — So weitläufig, mühsam und zeitraubend meine Untersuchungen auch gewesen sind, so weiss ich doch recht gut, dass sie nur einen matten Strahl auf einen kleinen abgelegenen Winkel urweltlicher Existenz werfen. Beziehen sie sich doch nur auf die Fauaa einer Epoche, welche der unsrigen so nahe liegt, dass die erhaltenen Resultate unmöglich als für die ganze Fauna jener Zeit gewonnen angesehen werden können, sondern vielmehr als nur für eine klimatisch-lokale Bestimmung und Beschränkung derselben gültig betrachtet werden müssen. Und von dem Gebiete jener Lokalfauna umfassen meine Untersuchungen wiederum nur eine Klasse, und von dieser einen Klasse nur eine einzige Ordnung! Mögen die, welche stets schnell zu allgemeinen Resultaten gelangen möchten, daraus erkennen, wie mühsam die Natur- wissenschaft durch sorgsame Einzeluntersuchungen dieselben von allen Seiten allmälig vorbereiten muss. Ich tröste mich über das sehr besehränkte Ziel dieser Arbeit jahrelangen Fleisses mit dem Gedanken, dass die Petrefaktenkunde einen steilen Pfad zu erklimmen hat, auf dem jeder Stein umgewendet und beschaut sein will, ehe sie zu der freien Höhe gelangt, wo sieh ihr nicht mehr wie bisher nur einzelne freiere Blicke, son- dern eine weite Um- und Aussicht über das ganze durehforschte Gebiet aufthut. Einen jener Steine habe ich aufgehoben. Die Naturwissenschaft aber hat, und das kann nicht oft genug gesagt werden, vor allen andern Wissenschaften dies voraus, dass wegen der Einheit ihres Zieles die auf das Einzelnste und Kleinste gerichtete wissenschaftliche Untersuchung sich ihres Verhältnisses zum Ganzen stets bewusst bleibt und durch dieses Be- wusstsein gehoben und geadelt wird: Was der Eine scheinbar Unbedeutendes hier entdeckte, was der Andere dort mit einseitigem Fleisse erforschte, es rückt in der Naturwissenschaft eines zum andern, nicht künstlich und gemacht, sondern von selbst sich schickend und fügend, zu immer klarerem Selbstbewusstwerden der Na- tur iin Menschengeiste, zu des Makrokosmos immer reinerer Spiegelung im Mikrokosmos. Meseritz, den 4ten September 1850. H. Loew. Die Entstehung und das Vorkommen des Bernsteins. Mass der Bernstein ein Baumharz sei, haben schon die Alten behauptet und jetzt zweifelt wohl seit lange Niemand, welcher die Natur desselben nur einigermaassen kennt, daran. Hätte in dieser Beziehung ja noch ein Zweifel stattfinden können, so würde er durch die Untersuchungen, welche Göppert über den Ursprung desselben angestellt hat, völlig niedergeschlagen worden sein; Bernsteinstücke, wo Harz und Holz sich noch in einer Verbindung befanden, welche unwiderleglich bewies, dass man hier das Holz desjenigen Baumes vor sich habe, welcher einst das Bernsteinharz aussonderte, gaben den gewünschten Aufschluss; es liess sich dieses Holz als einer eigenthümlichen Pinusart angehörig mit voller Sicherheit erkennen, welcher Göppert den Namen Pinites suceinifer beilegte. — So bestinmt und unwiderleglich das schöne Resultat dieser Untersuchung auch ist, drängen sich doch mancherlei damit zusammenhängende und noch nicht genügend beantwortete Fragen auf. War jene das Bernsteinharz aussondernde Pinusart mit einer derjenigen Arten dieser Gattung einerlei, deren Reste zugleich mit dem Bernsteine, oder in der Nähe desselben gefunden wurden? Stammt der Bernstein von einem oder stammt er von ver- schiedenen Bäumen her? Hat sich dieses Harz in der Erde nachträglich in seinen Eigenschaften merklich verändert, oder trug es die Eigenschaften, welche es von andern Baumharzen unter- scheiden, von vorn herein an sich@ — Alle diese Fragen sind gar schwierig zu beantworten und für jetzt überhaupt zur Beantwortung wohl noch nieht ganz reif. Die schon von Vielen gemachte Be- merkung,, dass der Bernstein mehr Aehnlichkeit mit einigen derjenigen Harzarten habe, welche gegenwärtig von Laubholzbäumen abgesondert werden, als mit den Harzen der jezt lebenden Nadelhölzer, hat viel Richtiges. Unter den allgemein bekannten Harzen der Jetztwelt ist wehl der Kopal dasjenige, welches mit dem Bernstein in vielfacher Beziehung die grösste Aehn- lichkeit hat, welche soweit geht, dass durch dieselbe Gelehrte und Sammler mehr als einmal getäuscht worden sind und Kopal für Bernstein angesehen haben. Leider ist Kopal, ganz ab- gesehen von der Namensverwechselung mit Anime bei englisehen Schriftstellern, ein Collectiv- name, welcher auf Harze der verschiedensten Bäume einander sehr entfernter Weltgegenden 10 angewendet wird; alle aber sind Laubhölzer und die gewöhnlichsten Kopal-Sorten ein Produkt verschiedener IHymenaca-Arten. Trotz dieser Achnlichkeit, welche gross genug ist, um zu einem sorgsamen Vergleiche der im Bernstein eingeschlossenen Insekten mit denen, welche der Kopal umhüllt, aufzufordern, hat der Bernstein doch wieder andere Eigenthümlichkeiten, welche lebhaft an Eigenschaften gewisser Pinusharze erinnern. Höchst charakteristisch ist der eigen- thümliche, angenehme Geruch, welchen angezündeter Bernstein verbreitet. Ich bin in Kleinasien an denselben oft auf das lebhafteste erinnert worden, wenn bei starker Hitze das Harz der dortigen Pinuswälder seinen aromatischen Geruch ausströmte, welcher, so sehr er an den:des Bernsteines mahnt, diesen doch an Feinheit bei weitem übertrifft. Die Pinusart dieser duftenden Wälder, welche in Kleinasien weit verbreitet ist, zeichnet sich schon von fern durch die prächtig sammtgrüne Färbung ihrer Belaubung aus; sie steht Pinus Pallasiana Lamb. am nächsten, besonders auch in der Grösse, Gestalt und dem Baue ihrer Zapfen und ist meines Wissens zuerst im botanischen Anhange zur ersten Fellows’ischen Reise nach Lycien als Pinus Lycia beschrieben worden; der Hauptunterschied zwischen ihr und jener Art besteht darin, dass die Linien, welche von der warzenförmigen Erhabenheit' auf dem’ Ende jeder Zapfenschuppe nach unten laufen, bei ihr ausgeprägter sind, als bei Pinus Pallasian.. Ob dieses Merkmal hinreichend sei sie von dieser zu trennen, will ich unentschieden lassen. Das Vorkommen von Pinus Pallasiana auf Korsika, in Kalabrien, in der Krimm und auf dem Kaukasus würde einer Vereinigung beider das Wort reden. Gern gäbeich Auskunft, ob diese Fichtenart auch im innern Baue dem Pinites succinifer so nahe steht, ‘wieder Geruch ihres Harzes dem des Bernsteines; leider ‘hat sich der Bediente, welchen ich auf dem letzten Theile meiner kleinasiatischen Reise hatte, keineswegs von gelehrten Gedanken leiten lassen, 'als er viele Hölzer‘, welche ich zu späterer Untersuchung ein- gesammelt und mit mir genommen hatte, für etwas völlig Nutzloses ansah, wenn sie nicht ihre Bestimmung im Feuer erfüllten. So ist der‘ Ast, welchen ich von Pinus Lycia heimbringen wollte und meine Hoffnung, über den innern Bau dieser Art: eine Auskunft geben zu können, in Rauch aufgegangen. Unvergesslich aber bleibt mir der Eindruck, welchen ich mehrmals erhielt, wenn ich in der Kühle schöner Herbstabende vom Rande des Gebürges das Zielvdes Tagerittes tief unten im Thale vor mir liegen sah, und der leise Weihrauchduft mit dem Holze dieses Baumes genährter Feuer schon hoch oben auf der Höhe; wo noch kein Laut des belebten Ortes zu: mir hinaufdrang , mich festlich begrüsste. Bechtfertigen diese Thatsachen nicht den: Gedanken, dass die Bernsteinfichte der Iycischen Fichte nahe verwandt gewesen sein könne? Unter den vorwelt- lichen Pinusarten, welche Herr Professor Göppert in dem Berendt’schen Bernsteinwerke. cha- rakterisirt, ist eine, Pinites Thomasianns, deren Zapfen in den preussischen und rheinischen Braunkohlenlagern vorkommen; sie ähneln denen von Pinus Pallasiana sehr, noch mehr denen von Pinus Lycia, besonders in der Gestalt‘ des Endes der Zapfenschuppen und der Form der Samen, sind aber viel eylindrischer, also spezifisch auf das allerentschiedenste verschieden. ‚Der Gedanke, dass diese Zapfen dem Bernsteinbaume angehört haben könnten, hat mich schon. oft sehr angesprochen. In ihrem Vorkommen liegt nichts, ‘was einer solchen Vermuthung widerspräche. Herr Professor Göppert hält sie dadurch für vollständig widerlegt, dass diese Zapfen noch ein weissliches ‘Harz enthalten, welches aber beim Anzünden eben so wenig wie die Schuppen, oder die Theile der Axe selbst, den charakteristischen bernsteinähnlichen, sondern nur ‚den gewöhnli- chen, davon leicht: zu unterscheidenden Geruch des bituminösen Holzes ‘oder der Braunkohle ver- breitet, Ich muss bekennen, dass mir dieser Beweis gegen die Statthafligkeit einer solchen 11 Vermuthung keineswegs ausreichend erscheint. Wollte man schliessen, dass diese Zapfen über- haupt keiner Pinusart angehört haben können, weil sie bei dem Verbrennen nicht den Geruch frischen Pinusholzes, sondern den davon sehr verschiedenen Geruch der Braunkohle verbreiten, so würde man einen auf flacher Hand liegenden Fehlschluss machen, da sie offenbar chemischen Ver- änderungen unterworfen gewesen sind, von deren die spezifischen Eigenschaften nivellirenden Einflusse der gleiche Geruch, welchen bei dem Verbrennen nicht nur alle die Braunkohle ge- wöhnlich bildenden Pinusarten, sondern sogar Nadel- und Laubhölzer von sich geben, und der sich in der That mehr nach allgemeinen Eigenthümlichkeiten des Kohlenlagers als nach dem spe- zifischen Unterschiede der Baumart modifizirt, hinreichendes Zeugniss ablegt. Hat nun aber der isolirt in Sand oder Thon eingeschlossene Bernstein ‚nicht oflenbar unter einer ganz andern che- mischen Constellation gestanden, als die verhältnissmässig sehr kleinen Harzpartikeln, welche in einem solchen Zapfen unter die Holzmassen u.s. w. eines Braunkohlenlagers gelangt sind? Dass beide chemisch unverändert durch die Jahrtausende hindurch in unsere Hand gelangt seien, wird Niemand behaupten wollen, dem die langsamen, aber sichern Wirkungen auch der schwächsten chemischen Spannungen nicht unbekannt sind. Da sie sich nun aber auf verschiedenem che- mischen Wege befanden, mussten sie auch an verschiedenem Endziel anlangen, mochten sie ursprünglich identisch sein oder nicht; es kann also ihr verschiedenes Verhalten bei dem Ver- brennen gewiss nicht als schlagender Beweis gegen ihre ursprüngliche Identität gelten. Herr Dr. Berendt spricht sich mit Bestimmtheit für die Ansicht aus, dass der Bernstein Jahrtausende lang ohne jede chemische Veränderung im Schoosse der Erde geruht habe. Dass ich diese Ansicht nicht theilen kann, geht schon aus dem vorher Gesagten hervor. Ich will aber über diesen Punkt noch einige Worte hinzufügen, da die Entscheidung desselben auf die Wahl des Gesichtspunktes für die Beurtheilung einiger andern Fragen wesentlichen Einfluss hat. Dass der Bernstein einst bei seinem Ausfliessen, wenigstens in der Regel, sehr dünnflüssig ge- wesen sein muss, geht aus der Art wie die zartesten Insekten, oft ohne die geringste Verklebung ihrer feinen Behaarung darin eingeschlossen sind, unwiderleglich hervor. Man hat also den voll- ständigsten Grund anzunehmen, dass er ein in einem flüchtigen Oele aufgelöstes Harz, mit einem Worte ein natürlicher Balsam gewesen sei. Wie leicht ein solcher Balsam durch Verflüchtigung des Oeles, besonders an seiner Oberfläche erhärtet und stärker verharzt, ist bekannt; dass dies auch bei dem Bernsteine in ausgezeichneter Weise der Fall gewesen sei, lehren die gar häufigen stengeligen und übereinander geflossenen Stücke desselben. Wie schwer ein solches flüchtiges Oel aus seiner Vereinigung mit Harz dürch Verdunstung gänzlich ausgetrieben werden kann, ist ebenfalls zur Genüge bekannt. Wäre der Bernstein wirklich nur den ersten austrocknenden Ein- flüssen der Atmosphäre ausgesetzt gewesen, dann in die Erde gerathen und fortan chemisch unverändert geblieben, so würde man in ihm eine überwiegende, aber je nach der kürzern oder längern Einwirkung, welche die Luft auf ihn zur Zeit seines Ausflusses gehabt hätte, sehr verschie- dene Menge eines in ätherischen Oelen löslichen Harzes und Reste des Ocles, welches dieses Harz einst gelöst hatte, finden; grössere Massen namentlich, welche sich am Wurzelstocke der Bäume ausschieden, müssten einen viel grösseren Verhältnisstheil dieses Oeles zeigen, als kleine faden- oder stengelförmige Stücke, welche der Luft einst lange ausgesetzt waren. Dem entspricht aber die Erfahrung durchaus in keiner Beziehung: allerdings findet man im Bernsteime ein flüchtiges Oel und ein in diesem aufiösliches Harz, aber ausser der Bernsteinsäure und einigen andern Stoffen, noch eine verhältnissmässig sehr grosse Menge‘ des sogenannten Berusteinbitumens, 12 welches in flüchtigen Oelen unlöslich ist. Wäre der Bernstein im Laufe der Zeit nicht chemisch verändert worden, hätte er mithin gleich ursprünglich eine solche Menge dieses Stoffes enthalten, so hätte er unmöglich denjenigen Grad der Flüssigkeit haben können, welchen er doch augen- scheinlich besessen hat. Wollte man annehmen, dass dieser Flüssigkeitszustand trotz der Unlös- lichkeit des Bernsteinbitumens durch eine , ganz überwiegende Menge des flüchtigen Oeles her- vorgebracht worden sei, so würde daraus ein bedeutendes Schwinden des Bernsteines bei dem Verharzen durch Verdunstung des flüchtigen Oeles mit Nothwendigkeit folgen; dass ein solches Schwinden aber nicht stattgefunden hat, zeigen viele der sogenannten geflossenen Bernsteinstücke auf das Entschiedenste und widerlegen so diese Annahme. Es scheint mir also mit Nothwen- digkeit gefolgert werden zu müssen, dass der Bernstein im Laufe der Zeit chemischen Aende- rungen unterlegen ist. Man weiss nun, dass Warze durch starke Säuren, namentlich durch Schwefelsäure, Veränderungen erleiden, welche sie dem Bernsteine in chemischer Beziehung ähnlicher machen. Ferner weiss man, welche bedeutende Rolle die Schwefelsäure bei den lang- samen, ich möchte sagen säkulären, chemischen Prozessen, welche in der Erde selbst stattfinden, spielt, besonders wenn sie sich auf organische Stoffe beziehen. Es liegt deshalb wohl die Ver- muthung nahe und kann als eine wahrscheinliche bezeichnet werden, dass die chemischen Ver- änderungen, welche der Bernstein nothwendig erlitten haben muss, durch sie hervorgebracht worden sind. Dass die grosse Langsamkeit dieses Prozesses nicht durch die geringe Menge der etwa vorhandenen Schwefelsäure, sondern durch die Natur des durch sie umzuändernden Stoffes bedingt gewesen sein würde, ist an sich klar. Es kann schon deshalb kein Gewicht darauf gelegt werden, wenn Berendt als ein Gegenargument gegen die allmälige chemische Umänderung des Bernsteines in der Erde, den Umstand anführt, dass er sich in den Samländischen Uferbergen in der Nähe vitriolhaltiger Quellen ganz von derselben Beschaffenheit finde, wie an andern Orten; überdiess beruht sein Urtheil über gleiche Beschaffenheit auf keiner chemischen Analyse, sondern nur auf der Ansicht äusserlicher Merkmale, welche über einen um einige Hun- derttheile grössern Gehalt an Bitumen oder an flüchtigem Oele und in ihm löslichem Harze Aus- kunft zu geben in keiner Weise geeignet sind. Sieht man die aus dem Bernsteine durch Aether ausziehbare Mischung eines ätherischen Oeles und eines Harzes als einen Rest des Balsames an, als welcher der Bernstein einst aus dem Bernsteinbaume ausfloss, so erscheint der chemische Prozess, welchem er nach obiger Annahme unterlegen, allerdings als noch nicht vollendet, und da von einzelnen, freilich nur selten vorkommenden Bernsteinstücken bis gegen 20 Prozent in Aether gelöst werden können, während von andern kaum über 8°’ Prozent aufgelöst werden, auch als ein nicht in allen Fällen gleich weit fortgeschrittener. Es zeigt sich hier durchaus dieselbe Erschei- nung, welche die absolut reine Darstellung vieler organischen Stoffe so schwierig, mancher fast unmöglich macht; ich möchte sie bildlich mit derjenigen vergleichen, welche ein durch ‚seinen eigenen Rost vor weiterer Zerstörung geschütztes Metall darbietet, nur dass hier nicht ‚eine äussere Umhüllung, sondern das abnehmende Prozentverhältniss des in der ganzen Masse gleich- mässig vertheilten zu zersetzenden Stoffes dasjenige ist, was zunehmenden Widerstand leistet. Zu allen diesen Schlüssen, welche so entschieden für die Annahme sprechen, dass der Bernstein während seines Aufenthaltes in der Erde eine bestimmte chemische Veränderung erfahren habe, kömmt noch manche andere Beobachtung, welche ganz geeignet ist, diese Vermuthung zu bestä- tigen. Schon der unvergleichliche Bernsteinkenner Aycke, und auch Berendt, machte die feine aber ganz richtige Erfahrung, dass der Bernstein gewisser Fundorte kleine, wenig auffallende 13 Eigenthümlichkeiten zeigt, durch welche er sich von dem anderer Fundorte unterscheidet, so z. B. der pommersche von dem preussischen; Berendt sucht diesen Unterschied ziemlich unnatürlich aus einem Unterschiede, welchen klimatische Einflüsse in der Absonderung des Baumes hervorge- bracht haben jkönnten, zu erklären, während er sonst doch von einer weitern Verbreitung des- selben nicht gern etwas wissen will, sondern ihn mit Vorliebe auf sein so genanntes Bernstein- land beschränkt. Würde er wohl geneigt sein, den Unterschied zwischen dem samländischen und dem an der frischen Nehrung ausgeworfenen Bernsteine, welchen er anerkennt, eben so zu er- klären? Ist es nicht natürlicher anzunehmen, dass diese Unterschiede von kleinen, durch die verschiedene Lagerstätte bedingten Modifikationen des chemischen Prozesses herrühren ? Endlich zeigen die Inclusa des Bernsteines chemische Veränderungen, welche oft sichtbar in die Masse des Bernsteines selbst übergegriffen haben. Und sonst sollte er gar keine chemischen Verän- derungen erlitten haben? Der Hauptgrund und beinahe der einzige, welchen Berendt für diese seine Meinung anführt, ist der, „dass Harze, wenn sie sich in der Erde befinden, wenig verändert werden sollen und dass seit Jahrtausenden im Boden der norddeutschen Ebene befindliche Kopal- stücke nur wenig verändert seien.“ Dass jener Umwandlungsprozess seiner ganzen Natur nach nur ein höchst langsamer sein konnte, ist schon oben gesagt; waren die Kopalstücke auch nur wenig verändert, so beweist dies doch für eine Veränderung und nicht gegen eine solche; end- lich ist die Berufung auf diese Kopalstücke überhaupt sehr misslich, und zwar erstens, weil Ko- pal leider kein bestimmtes Harz bezeichnet; zweitens, weil nicht vollständig erwiesen ist, dass diese Stücke wirklich mit einem der Harze lebender Bäume, welche unter dem Namen Kopal zu- sammengefasst werden, identisch sind; drittens, weil in Bezug auf keines genügend erwiesen ist, dass es wirklich einer vorweltlichen Periode angehöre. Wenn, wie Herr Berendt sagt, 90 Prozent (eine viel zu hohe Angabe) unlösliches Bitumen allerdings beweisen, dass Reagentien wenig über ihn vermögen, so beweisen sie doch keineswegs, dass sie nichts über ihn vermocht haben, sondern, wie oben nachgewiesen worden ist, gerade das Gegentheil. Wer wollte denn schliessen, dass, weil die Asche nicht brennen kann, auch das Molz unbrennbar gewesen sein müsse. Mit der Ueberzeugung die Wahrscheinlichkeit einer spätern chemischen Veränderung des Bernsteinharzes nachgewieser zu haben, wende ich mich zur Besprechung der Frage, ob das Harz, welches wir unter dem Namen des Bernsteines begreifen seinen Ursprung wohl einer ein- zigen Pflanzenspezies verdanke, oder ob mehrern. Dass Bäume sehr verschiedener Art äusserst ähnliche Harze aussondern können beweisen die unter dem Namen Kopal zusammengefassten Harze leider nur zu sehr. Die Untersuchung der in ihnen eingeschlossenen Insekten ist gerade deshall so schwer zu einem bestimmten Ziele zu führen, weil eine Unterscheidung der Sorten verschie- denes Ursprungs kaum möglich ist. Der Bernstein zeigt in Beziehung auf Durchsichtigkeit, Farbe, Härte, spezifisches Gewicht, ‘elektrisches Verhalten und chemische Zusammensetzung Unterschiede, weiche eben so gross und noch grösser sind als diejenigen, welche die von ein- ander verschiedensten Kopalstücke zeigen, wobei freilich einige Vorbehalte hinsichtlich der Stücke zu machen sind, welche man schon bearbeitet erhält, da diese gar wohl ein oder der andern künstlichen Behandlung unterlegen haben und deshalb in ihren Eigenschaften abgeändert sein können. Die Möglichkeit, dass der Bernstein von verschiedenen Bäumen herstammen könne, kann von diesem Standpunkte aus nicht geleugnet werden. Aueh wenn die Unterschiede der ver- schiedenen Bernsteinsorten noch viel geringer wären, würde das nicht gerade dagegen sprechen, 14 da ziemlich verschiedene organische Stoffe bei gleichen chemischen Einwirkungen oft sehr ähnliche Produkte geben. Zugleich muss freilich gesagt werden, dass noch keine Thhatsache bekannt ge- worden ist, welche mit irgend einer Bestimmtheit auf die Nothwendigkeit der Annahme eines verschiedenen Ursprunges des Bernsteines hindeutete. Stücke, welche Bernstein und Holz noch in ihrer natürlichen Verbindung zeigen, sind die leider nur zu seltenen Schlüssel; wer- den nach und nach mehr derselben aufgefunden und zeigen sie alle den Pinites suceinifer als den Bernsteinerzeuger, so wird sein Ursprung von dieser einzigen Baumart höchst wahrscheinlich. Auch eine zweckmässige Beobachtung der im Bernsteine enthaltenen Insekten kann, wenn auch keine definitive Entscheidung, so doch eine grosse Wahrscheinlichkeit für ein oder die andere Ansicht geben. Wäre der Bernstein von zwei wesentlich verschiedenen Baumarten ausgesondert worden, so müssten sich die in ein und demselben Stücke eingeschlossenen Arten für beide Harze verschieden gruppiren; man würde die Untersuchung besonders an Arten solcher Insektengattungen knüpfen müssen, welche mit grosser Bestimmtheit an eine Pflanzenspezies gebunden sind und diese nicht leicht verlassen, wie unter den Käfern Hylesinus und Bostrichus, unter den Dipteren be- sonders Cecidomyia, deren Arten im Bernstein eben nicht selten sind. Um solche Untersuchungen „weckmässig anstellen zu können, ist es aber nöthig, dass grössere Bernsteinstücke, welche In- sekten verschiedener Art enthalten, ja ganz gelassen werden. Sehr häufig pflegen Sammler nichts Eiligeres zu thun zu haben, als die Bernsteinstücke, welche mehrere verschiedene Objekte einschliessen, zu zersägen, um jedes einzelne bequemer untersuchen und leichter in die systema- tische Reihenfolge der Sammlung einordnen zu können; sie thun dadurch dem Werthe ihrer Samm- lung selbst den grössten Schaden; der Einschluss verschiedener Arten in ein und demselben Bern- steinstücke ist keineswegs blos geeignet über die Frage, ob der Bernstein von einer oder ob er von verschiedenen Baumarten herstamme, einigen Aufschluss zu geben, sondern kann auch zur l,ösung manches andern noch dunklen Problems führen; es dürfte z. B. nicht allzuschwer sein, mit Hülfe solcher Stücke eine sehr bestimmte Ansicht darüber zu gewinnen, ob die auf einer der reichhaltigeren Lagerstellen des Bernsteins befindlichen Stücke aus ein und derselben engbegrenz- ten Gegend, oder ob sie aus schr verschiedenen Gegenden herstammen. Die Entscheidung hier- über würde aber nicht ohne den bedeutendsten Einfluss auf die Beantwortung anderer Fragen, wie 2. B. über die Grösse des Gebietes der durch die Bernsteineinschlüsse repräsentirten Lokalfauna, über die Art wie der Bernstein in die Lagerungsverhältnisse gelangt sein mag, in denen wir ihn jetzt finden, selbst über die geologische Zeit, zu welcher er dahin gelangt, sein. Um mit einiger Bestimmtheit auf die Fragen antworten zu können, in welcher geologischen Epoche der oder die den Bernstein aussondernden Bäume gelebt haben und wenn die Ereignisse, welche dieser Vegetation den Untergang gebracht, eingetreten seien, ist es durchaus nöthig diese Fragen selbst zuerst dadurch zu vereinfachen, dass man sie auf den Bernstein der nord- deutschen Ebene beschränkt. Das Vorkommen von Bernstein in Sieilien und an manchen andern Orten ist theils ein so vereinzeltes, theils ein in geologischer Beziehung so wenig gründlich er- mitteltes, dass eine gleichzeitige Berücksichtigung desselben das Resultat der Untersuchung nur trüben könnte. Von vielen dieser sogenannten Bernsteine ist es überdiess vollkommen ungewiss, ob sie in ihren Eigenschaften unserm norddeutschen Bernsteine so nahe stehen, dass sie diesen Namen verdienen; wo diess erwiesener Maassen der Fall ist, kann nach dem, was schon vorher über die chemischen Veränderungen, welche dem Bernsteine seine jetzige Beschaffenheit gegeben haben müssen, und über die Möglichkeit eines verschiedenen Ursprunges unseres Bernsteines gesagt 15 wordenist, die grosse Möglichkeit eines von dem.des letztern verschiedenen. Ursprungs gar nicht abgeleugnet‘ werden, sie wird unter ‚Berücksichtigung der verhältnissmässig späten Epoche, wel- cher-der Bernstein angehört, für. einige jener: Vorkommen zur ‚Wahrscheinlichkeit. — Schon eine ganz oberflächliche Betrachtung: der Verhältnisse, unter -welchen sich. der ‚Bernstein. im, Boden der norddeutschen Ebene findet, zeigt, dass die-Lagerstätte desselben; keine primitive ist; ‚ich meine, dass. er nicht da lagert, wo die ihn aussondernden ‚Bäume ‚standen... Sollte er mit; diesen zugleich bedeckt: werden: sein, ohne: hinweggeführt: zu ‘werden, ‚so: müsste ‚das: in einem. sehr ruhigen Was- ser geschehen sein, denn jede einigermaassen erhebliche ‚Strömung hätte ihn bei seinem geringen spezifischen Gewichte, welches, das des Wassers nur um einige: Hunderttheile übertrifft und auch vor seinen: Veränderimgen in der Erde nicht: um erheblich mehr übertroffen haben kann, nothwendig, fortgespült und von den Bäumen, welchen er: seinen ‚Ursprung ‘verdankt, ‚getrennt. Freilich muss man voraussetzen, dass das spezifische Gewicht dieser noch geringer 'als das des Bernsteins ge- wesen sei; das bildet aber gar keinen Einwwf gegen jene Folgerung,.da die durch die Gestalt und Grösse bedingten Hindernisse der. Fortschafflung eben auch in Betracht gezogen werden müs- sen: »Wäre eran dem Orte seiner Entstehung überdeckt worden, ‚so ‚könnte ‚er sich unmöglich so häufig unter Geschieben finden, welche nur von stärker bewegten. Wasser fortgeschaflt sein können; er müsste sich vorzugsweise im "Thon, Letten oder feinerem Sande finden, ‚und die Spuren der in ihrer natürlichen Stellung. mit ihm zugleich begrabenen Bernsteinbäume, könnten’ nicht fehlen. “Diese fehlen aber gänzlich und sein gewöhnliches Vorkommen ist das in gröberem Sande, zuweilen unter ziemlich ansehnlichem Kies, nicht selten zugleich mit abgerundeten Holzstücken ; nur gegen die Ostsee hin wird sein Vorkommen in thonigen, überhaupt in Schichten von feinem oder feinstem ‚Korn häufiger, was weiter unten seine ‚sehr. natürliche Erklärung finden wird. —- Schon diese 'Thatsachen reichen hin, der Annahme, dass der Bernstein: durch bewegtes Wasser von seiner Geburtsstätte fortgeführt und durch ‘dasselbe: in seine jetzigen: Lagerungsverhältnisse sekonmen sei, die. allergrösste Wahrscheinlichkeit, ja ‚Gewissheit zu geben. Es bleibt, noch zu entscheiden, ob die Bewegung des Wassers: die brandende eines sturmbewegten, Wellen schla- senden Meeres, oder eine strömende gewesen sein 'müsse; Vor der Entscheidung - hierüber und vor der Anknüpfung von Folgerungen über die Richtung, in: welcher und. über. die Zeit, zu welcher der Bernstein seiner Heimath entführt worden ist, wird es gut sein, einer Hauptlagerstätte des- selben noch eine besondere Betrachtung zw widmen. Ich meine den‘Grund der Ostsee. —. Es ist einevallbekannte Thatsache, dass die: Ostsee nach jedem heftigern, 'gegen die Küste gerichteten Sturme vorzugsweise anı Samländischen Strande, demnächst an dem. der frischen Nehrung einen Gürtel leichterer‘ vegetabilischer Substanzen 'zurücklässt ‘und mit ‚diesem zugleich ihr ‚kostbares Geschenk, den Bernstein, am reichlichsten vor allen :an der Samländischen Westküste. Seit Jahr- hunderten hat sich die Menge des’ von ihr ausgeworfenen Bernsteins nicht merklich: vermindert und “aller Wahrscheinlichkeit ‘nach ‘dürfte "aueh in den nächsten Jahrhunderten keine wesentliche Ver- minderung dieses „Strandseegens* ‚eintreten.‘ Es’ fragt sich, an welcher Stelle ihres Schoosses sie diesen reichen Schatz "birgt, ‘unter welchen Verhältnissen er sich, dort findet, und welche Schlüsse’ sich über die Art, auf’ welehe er‘ in vorweltlicher Zeit dorthin gelangt sein möge, daran knüpfen lassen. — Berendt verlegt‘ diese reiche Fundgrube des Bernsteines in den südöstlichen Theil des Ostseebeckens, etwa unterveine Breite von 55 Grad und unter eine Länge von 37—38 Grad, und zwar aus folgenden Gründen: 1) weil unter ailen baltischen Küsten«die. dieser Gegend am nächsten liegenden, also Samlands Weststrand, und: demnächst die, Nordküste ‚der frischen 16 Nehrung von jeher den meisten Bernstein empfingen und noch empfangen; weil Seestürme aus dieser Gegeml, also für Samland aus West und Westnordwest und für die frische Nehrung aus Nordost ihn am reichlichsten bringen, und weil Linien aus den Hauptfundorten beider Küsten, in der Richtung der günstigsten Stürme seewärts verlängert, dort zusammentreflen; 2) weil der an bei- den Küsten an das Land geworfene Bernstein eine zwar geringe, aber feststehende Abweichung in seinen äussern Charakteren zeigt; 3) weil die strahlenförmige Verbreitung des Bernsteines im weitern südlichen Halbkreise ganz entscheidend auf diesen Ausgangspunkt hindeutet. — Ich muss bekennen, dass ich diese Argumentation völlig unbegreiflich finde. Alle Hauptmomente, auf welche es bei Entscheidung der vorliegenden Frage ankommt, sind geradezu ausser aller Acht gelassen. Die wohlbekannten physikalischen Erscheinungen der ‘Wellenbewegung und die berechenbaren Modifikationen, welche ihnen durch die bekannte Gestalt des dortigen Seebodens vorgeschrieben werden, dürfen doch gewiss nicht so völlig unberücksichtigt bleiben. Der Schluss, dass die Hauptlagerstätte des Bernsteines da zu suchen sei, wo die Richtungen der für die reichlichst empfangenden Küstenpunkte günstigsten Stürme convergiren, spricht der Physik Hohn und würde nur Geltung haben, wenn sich der Bernstein dort auf der Oberfläche des Meeres befände und vom Winde selbst getrieben würde. Wie der zweite der Berendt’schen Gründe diese Conver- gententheorie unterstützen soll, ist nicht einzusehen, da er derselben geradezu widerspricht. In- dem Herr Berendt den dritten Grund anführt, vermengt er, wie an vielen andern Stellen sei- nes Werkes, zwei von einander vollkommen geschieden zu haltende Dinge, nämlich die Lage- rungsverhältnisse, in welche der Bernstein bei der Katastrophe gerieth, welche dem Leben des Bernsteinbaumes ein Ende machte, und diejenigen Lagerungsverhältnisse, in welche ihn postdilı- vianische Ereignisse durch eine Umlagerung brachten, so wie es noch heute im grossartigsten Maassstabe die Wellenbewegung der Ostsee thut. Offenbar hat die Nähe, in welcher er letztere Erscheinung hatte, seinen Blick getrübt und ihn jedes Vorkommen des Bernsteines im Hinterlande als dem des von dem Meere ausgeworfenen Bernsteines analog ansehen lassen, während doch die Beobachtungen einer solchen Ansicht auf das Bestimmteste widersprechen, indem sich der Bern- stein dort sehr oft in tertiären Schichten findet, welche von jedem Eingriffe postdiluvianischer Er- eignisse verschont geblieben sind. Damit ist keineswegs gesagt, dass sich der Bernstein nicht oft auch im Alluvium finde; die meist lockere und leicht zerstörbare Beschaffenheit der Tertiärbil- dungen, welche die weite 'norddeutsche Ebene bedecken, und das oft sehr flache Vorkommen des Bernsteines in denselben erklären das zur vollen Genüge; dass die Ereignisse, welche in post- diluvianischer Zeit die erratischen Blöcke und später die Kalksteingeschiebe in der Richtung von Norden nach Süden herbeiführten, noch tiefere Eingriffe in die tertiären Bildungen gemacht und gewiss vielfältig das Lagerungsverhältniss des Bernsteines in einer Weise verändert haben, welche der Wirkung entspricht, welche die Ostsee jetzt in Beziehung hierauf ausübt, ist nicht zu be- zweifeln; nimmt man, wie jetzt ja allgemein geschieht, an, dass die erratischen Blöcke durch sie tragendes Eis herbeigeführt worden seien, so versteht sich aus dem spezifischen Gewichte des Eises weiter von selbst, dass die Wirkungen dieser nördlichen Fluthen sogar weit über die Stel- len hinausgereicht haben können und werden, wo die letzten der mit einem so grossen Theile ihrer Masse unter dem Wasser befindlichen Eisberge endlich gestrandet sind und die Steine, mit welchen sie beladen waren, als Denkmale ihres Schiffbruches zurückgelassen haben. Nächst jener Verwechselung und Vermischung muss gegen das dritte der Berendt’schen Argumente auch noch erinnert werden, dass „die strahlenförmige Verbreitung in einem weitern südlichen 17 Halbkreise“ nur ein Trugbild ist, welches ihm seine Lieblingsidee, die des in der Ostsee versun: kenen Bernsteinlandes, vorspiegelt; in der Wirklichkeit zeigt sich durchaus nichts, was den Aus- druck „srahlenförmige Verbreitung‘ rechtfertigen könnte. Er findet sich über eine grosse Land- strecke, welche man zur Noth halbkreisförmig nennen mag, völlig unregelmässig verbreitet, in Nestern und in ohne bemerkbare Regel auf- und absteigenden, oft unterbrochenen, nicht selten in gleicher oder fast gleicher Richtung übereinander liegenden Adern oder Schnuren. Aber wenn auch sein Vorkommen wirklich ein von jenem Punkte der Ostsee strahlenförmig auslaufendes wäre, so würde selbst das nicht für Herrn Berendt’s Ansicht sprechen; in strahlenförmiger An- ordnung kann das von einem Gebürgsstocke nach allen Seiten hin ablaufende Wasser Gegenstände einer bestimmten Art wohl ablagern, nimmer aber ein brandendes Meer; die von einem solchen ausgeworfenen Stoffe müssen vielmehr nothwendig im Ganzen in unter einander parallelen, dem Küstenzuge entsprechenden Gürteln geordret sein. Wollte man aber eine grosse von Norden hereinbrechende Fluth annehmen, so stritte die nach Norden hin zunehmende Menge des Bernsteins doch gar zu sehr gegen alle Gesetze der Hydrodynamik. Und warum sollte, wenn man mit Herrn Berendt annehmen wollte, dass der Bernstein durch die Bewegung des Meeres einst von jenem Punkte bis weit nach Polen und Schlesien gelangt sei, er heute bei Südstürmen nicht eben so gut an die Schwedische Küste geführt werden, wo doch ein ausgeworfenes Stück Bernstein zu den sehr grossen Seltenheiten gehört. Man sieht aus alledem wohl, dass Herrn Berendt’s Ansicht, gegen die sich noch viel Schlagenderes einwenden lässt, jeder Begründung entbehrt und dass er nur durch seine Lieblingsidee von einem versunkenen Bernsteinlande auf sie geführt worden ist. Ich muss von diesem versunkenen Bernstein-Insellande, welches mir beinahe wie das bekannte Paradies in Preussen vorkömmt, noch ausführlicher sprechen und die Unstatthaftigkeit seiner An- nabme erweisen, da die Ansicht über das Gebiet der durch die Bernsteineinschlüsse repräsentirten Fauna, wenn man die Berendt’sche Ansicht adoptirte, ganz anders ausfallen würde, als meiner Meinung nach richtig ist. — Herr Berendt will, dass in jener Gegend der Ostsee, vielleicht auch in grösserer Ausdehnung, sich einst ein Inselland erhoben habe; auf diesem sollen die Bern- steinbäume vegetirt und sich da nach und nach ungeheure Massen Bernstein angehäuft haben ; dann soll dies Inselland versunken und so dort ein gewaltiger Schatz von Bernstein niedergelegt worden sein, dessen Lagerung also eine in dem erklärten Sinne primitive sein würde; aus dieser reichen Vorrathskammer soll nun seit Menschengedenken das sturmbewegte Meer den benachbarten Küsten Samlands und der frischen Nehrung seine Gaben, wie aus einem unerschöpflichen Füllhorn spenden. — Das klingt ganz gut, aber prüfen wir näher, ob es sich als mehr denn eine Phan- tasie ausweisst. Da der Bernstein nach dieser Vorstellung an Ort und Stelle geblieben sein soll, so muss man anuchmen, dass die Versenkung des Bernsteinlandes ganz allmälig geschehen sei, möge sie nun eine einmalige, oder eine mit immer erneuter Erhebung über die Wasserfläche wech- selnde gewesen sein; dann müssten aber mit dem Bernsteine zugleich die Bernsteinbäume versun- ken sein, es müsste sich mithin der Bernstein auf dem Grunde der Ostsee an der von Herrn Dr. Berendt bezeichneten Stelle in einem Braunkohlenlager oder etwas dem Achnlichen finden. Welchen Anblick müsste die Ostsee wohl bieten, wenn sie vom Sturme bewegt und dies Braun- kohlenlager aufwühlend sich des in ihm lagernden Bernsteines bemächtigte, wie es doch nach jener Vorstellung der Fall sein müsste. Wer hat je von etwas der Art gehört? Sand zeigt die Sonde in jener Gegend der Ostsee, Sand und immer wieder Sand. Nimmt man, den so eben be- sührten und alle frühern Widersprüche bei Seite lassend, eine einmalige ruhige Versenkung des 15 Bernsteinlandes unter das Meer, an,.so (ist! nicht zu begreifen, wie dort solche, Harzmassen: sich angesammelt haben sollten; man sehe doch nur unsere einheimischen .oder. andere Nadelholzwälder und suche die grossen Harzmassen anf, welche sich da. gesammelt haben. Man wird sie vergeb- lich suchen. - Gern mag ‚die Möglichkeit: zugegeben werden, dass’ der -Bernsteinbaum einst viel mehr Harz aussonderte.als die jetzt lebenden Arten. derselben Gattung; das aber darf doch nicht vergessen werden, dass damals: dieselben physikalischen Gesetze regierten: wie 'heute,: dass Harze da- mals wie jetzt in Berührung mit-Licht und Luft einer verhältnissmässig schnellen ‚Zerstörung ausgesetzt waren, dass sich deshalb damals wie jetzt in einen: Walde, und wenn er Jahrtausende gestanden hätte, keine so gewaltigen Harzmassen sammeln konnten. Ueberdies war der. Wald, in welchem die Bernstein- bäume standen, kein reiner, sondern.ein aus Laubholz ,. dem Bernsteinbaume und: andern Nadelhölzern gemischter Wald; in. ihm befanden sich viel stehende, und doch wohl auch fliessende, süsse Wasser. Die Einschlüsse des Bernsteines beweisen, dass mit ‚dem Bernsteinbaume vereinigt Bäume, welche 7. B: den Gattungen Populus, Alnus, Carpinus u. s. w. angehört zu’ haben: scheinen, wuchsen, wie das vom Herrn Professor: Göppert :bewiesen worden ist; eine ‘der -häufigsten Bernstein- Einschlüsse, das sternförmige Haar, welches nach ebendessen schönen Nachweisungen einer Eichen- art, Quereites Meyerianus, angehört, ‚lehrt, dass diese im Bernsteinwalde überaus. häufig, ja wahr- scheinlich der herrschende Baum desselben war; die Anwesenheit von viel stehendem Wasser wird durch die Häufigkeit gewisser Insekten (z. B. -Chironomus, Tanypus u. s:.w,)ı bewiesen, deren Larven nur im stehenden ‚Wasser leben. Bei: einer solchen ‚Beschaffenheit ‘des Waldes wird aber die Schwierigkeit noch grösser, sich 'eine Anhäufung einer solchen Quantität Bernstein, während des Lebens desselben: vorzustellen. Um diese Schwierigkeit zu. umgehen, deutet: Herr Berendt darauf hin, dass sich‘ der Bernstein wohl grösstentheils aus dem Wurzelstocke des Baumes; aus- geschieden ‘haben und: so, gleich unter die Erde ‘gelangt sein möge, Müsste sich denn ‚aber nicht, wenn diese Aushülfsannahme richtig wäre, im Bernstein wenigstens zuweilen ein Steinchen, Sand oder Erde, oder doch wenigstens eine Baumwurzel finden. Von’ alledem hat sich bis jetzt, nicht eine Spur gezeigt; die grosse Häufigkeit eingeschlossener Insekten, ‚des oben erwähnten Stern- haares u! s. w. ‚beweist dagegen zur ‚Genüge, dass er, ganz überwiegend yon ‚den über der Erde befindlichen T'heilen des Baumes ausgesondert worden ist; selbst die. Stücke,’ welche die aller- grösste Verunreinigung- zeigen, ‚lassen nur. zu Mulm zerfallenes Holz, oft Raupenkoth und Achnliches erkennen, deuten also auf einen Ursprung im Innern hohler Bäume. — Wollte, man, weil eine ein- fache Versenkung ‘des Bernsteinwaldes zu viel Unwahrscheinlichkeit. hat, ein wiederholtes Versinken und damit wechselndes Wiederauftauchen annehmen und voraussetzen, dass in;den Zwischenzeiten der Bernsteinwald sich immer wieder. erneut und zu seinen. vorhandenen Schätzen neue hinzugefügt habe ; so: würde damit kaum irgend eine jener Unwahrscheinliehkeiten gehoben ‚werden, sondern es würden vielmehr noch manche neue dazukommen; namentlich würde, sehr schwer zu begreifen sein, wie solch. eine Reihe aufeinander folgender Erhebungen «und Versenkungen. ohne ‚heftige Bewe- zungen‘ des: Wassers vorübergegangen: sein ‚könnten, ‚welche notliwendig eine Fortschaffung des Bernsteines‘ bewirkt: haben müssten. - Allenfalls ‚könnte man ‚meinen, dass ‚bei jeder Versenkung der Bernsteinwald eine. Decke von Erde oder Sand erhalten ‚habe: und dass diese die, Verschwem- mung des Bernsteins 'verhindert habe. Würde aber eine’ solche Bedeckung damals zur Zeit so grosser Katastrophen; wie. die Inundirungen einer ganzen Landstrecke waren, bei der grössern Gewalt des Wassexs nicht: offenbar weniger Widerstand ‚geleistet haben, als heute? Müssten nicht auf dem Meeresgrunde dann abwechselnd -bernsteinführende ‚und bernsteinleere, Schieinen 19 lagern und müsste sich das nicht durch grosse Perioden einer reichern oder ärmern Ausbeute am Strande kund geben? — Eine Hypothese, welche. nach allen Seiten hin in solche Reihen von Wider- sprüchen und Unwahrscheinlichkeiten. führt, kann unmöglich richtig sein, dadurch fällt sie aber ganz, dass, wenn man selbst über diese Unwahrscheinlichkeiten und Widersprüche wegsähe und mit Herrn Berendt die einstige Existenz des Bernsteinwaldes in jenen Gegenden, die Versenkung desselben unter das Meer, und den dort angehäuften Bernsteinvorrath annähme, sich durchaus nicht begreifen lässt, wie er durch die. Wellenbewegung des Meeres von da nach der Samländischen Küste und an den Strand der frischen Nehrung gelangen sollte.. Das Meer ist an der von Ilerrn Berendt als Hauptvorrathskammer ‚des Bernsteins bezeichneten ‚Stelle etwa 40 bis 50 Faden tief, ringsum: nirgends erheblich tiefer. In solcher Tiefe ist aber die, stärkste Wellenbewegung des; Meeres so gut wie ohne hebende Kraft und wirkt höchstens noch hin- und herschiebend; nimmer- mehr wird da der Grund des Meeres, und .bestünde er aus dem feinsten Sande, in einer Weise aufgewühlt, wie Herr Berendt voraussetzt. Ein Stück Bernstein, dort auf, dem Boden des Meeres auch nur einen Fuss hoch mit Sande bedeckt, dürfte lange auf die Erlösung durch die Welle zu warten haben. Und wenn der Meeresboden dort aufgewühlt und der Bernstein ihm entführt würde, wo bliebe denn der Sand oder die Erde, in der er. da lagerte?. Sollten sie mit an die Küste ge- bracht werden, so müsste diese eine Zunahme ‚zeigen, während sie eine vollständig erwiesene Abnahme zeigt; sollten sie an tiefere Stellen des Meeres geführt werden, warum denn der Bern- stein nur nach jenen Richtungen hin? Und vor allem giebt es ja in jener, Gegend des Meeres keine erheblich tiefern Stellen. Soll also der vom Bernstein leergewaschene Sand an Ort und Stelle bleiben? So wäre ja durch die bernsteinleere. Schicht dem Meere. das Herausfördern von Bernstein aus tiefern Schichten wieder unmöglich gemacht. Ich habe der Berendt’schen Hypothese eine viel ausführlichere Betrachtung und Widerlegung gewidmet als ich anfänglich wollte. Es war nöthig, da das Berendt’sche Werk das beiweitem be- deutendste von allen ist, welche je über den Bernstein erschienen. sind; da ferner die Ansicht eines Mannes, der sich wie er, sein ganzes Leben lang mit diesem Gegenstande beschäftigt hat, ein natürliches und wohlbegründetes Gewicht hat, und da die ‚von mir bestrittene Ansicht. in der That schon von mehreren Seiten mit grossem Beifall aufgenommen worden ist. Jch wende mich nach diesem Excurs zu der Aufgabe, welche ich mir gestellt hatte, zurück. Ich wollte meine An- sicht über Ort und Art der Fundgrube darlegen, aus welcher das Meer den Bernstein, welcher an den Küsten Samlands und. der frischen Nehrung ausgeworfen wird, emporfördert. Ich werde meiner Untersuchung nur einfache, und wie es. mir scheint, völlig unleugbare Thatsachen zu Grunde legen. — Von grösster Wichtigkeit für meine Betrachtung. ist die bekannte, Configuration. des dortigen Seebodens. An der ganzen Samländischen Westküste und an der Nordküste der frischen Nehrung nimmt die Tiefe des Meeres vom Ufer aus zuerst bis etwa 18 bis 24 Faden ziemlich all- mälig zu, dann aber vertieft es sich plötzlich zu 40 bis 50 Faden; diese ungefähre Tiefe behält es dann in grosser Ausdehuung bei und vertieft sich nur im Centrum .desjenigen Halbkreises, welchen die Küste von Pillau bis gegen Putzig hin bildet, bis zu. 60 Faden. — Es ist eine be- kannte physikalische Thatsache, dass die Bewegung ‘der Meereswellen nur bis in eine verhältniss- mässig geringe Tiefe reicht und dass namentlich der vertikale, also aufwühlende und hebende Theil ihrer Kraft schon in mässiger Tiefe ganz verschwindet, so dass dort nur der. horizontale Theil derselben übrig bleibt, welcher. keine andere als eine hin- und herschiebende Bewegung hervorbringen kann. Einen Beweis dafür liefert das ungestörte Leben auch‘ der zarlesten See- 20 thiere in der Tiefe des Meeres, während die Oberfläche desselben vom Sturme heftig bewegt wird; einen andern geben Seegewächse, welche an nur etwas tiefern Stellen von der heftigsten Wellenbewegung nicht vom Boden losgerissen werden; einen dritten, die Beständigkeit der oft nicht weit von einander sehr verschiedenen Meerestiefen auch bei sehr lockerem Grunde; so liegt 4. B. die grosse Bank von Neufundland weniger tief oder kaum so tief unter der Meeresoberfläche als die mittleren Gegenden jener Ostseebucht, aber es ist nie ein Aufwühlen derselben durch die Wellenbewegung des at!antischen Ozeans, welche die der Ostsee an Mächtigkeit doch weit über- trilft, bemerkt worden. Es ist also durchaus nicht anzunehmen, dass das Meer in der tiefen Gegend des oben beschriebenen, von der samländischen Westküste, der frischen Nehrung u. s. w. begrenz- ten halbkreisförmigen Meeresbeckens den Grund aufwühle und so in ihm etwa enthaltenen Bern- stein empor befördere. Es lässt sich zuversichtlich behaupten, dass wenige Zolle Sand ein dort liegendes Bernsteinstück vor dem Ergriffienwerden durch die Wellenbewegung des Meeres voll- kommen schützen würden. Man wird die Vorstellung von der Ruhe, welche in grösserer Tiefe des Meeres herrscht, während oben Wind und Welle toben, gerechtfertigt finden, wenn man nur die bekannten physikalischen Gesetze berücksichtigt, die Erfahrungen ruhig beurtheilt und sie sich nicht einer vorgefassten Meinung zu Liebe zurecht rückt, wenn man vor allem die Erscheinungen, welche nur an der Küste selbst stattfinden können, nicht mit denen, welche auf dem Grunde des offenen Meeres ihre Stelle haben, oder gar mit denen, welche besonders auf flachem Grunde von Ebbe und Fluth bedingt sind, verwechselt. Von einer Wirkung der Ebbe und Fluth kann in der Gegend der Ostsee, von welcher es sich hier handelt, gar nicht die Rede sein, da sie daselbst nicht mehr wahrnehmbar ist. Vielleicht aber wäre es'möglich, dass Nebenumstände doch gerade dort eine grössere Veränderlichkeit des Meeresbodens bedingten. Ich kenne keinen Nebenumstand; .. welcher‘ so wirken könnte, ausser särkern Meeresströmungen, besonders wenn sie von veränder- licher Richtung sind und über sehr uncbenen Meeresboden hingehen. Wenn man sich hütet Er- scheinungen, wie sie auf flachem Meeresgrunde und in der Nähe der Mündungen stets neue Nieder- schläge zuführender Flüsse stattfinden und die gar nicht hierher gehören, in Gedanken damit zu vermengen, so wird man zugeben müssen, dass in jener Gegend keine Meeresströmungen, welche eine solehe Wirkung haben könnten, ‘vorhanden sind.‘ Ein faktischer Beweis endlich, dass solche Auswühlungen und Dislocirungen in jener Gegend nicht stattfinden, ist die grosse Beständigkeit der Meerestiefe an den einzelnen Stellen: — Endlich muss freilich noch bedacht werden, dass die Wellenbewegung selbst und zwar durch die Conliguration des Meeresbodens so modifizirt werden kann, dass sie in grösserer Tiefe als ausserdem umordnend in denselben eingreift. Die Kraftjedes von der Wellenbewegung ergriffenen Wassertheilchens wirkt in der Richtung, in welcher sich die Welle fortbewegt, also in einer zur Welle selbst senkrechten Ebene. Findet sich num auf dem Meeresboden in der Richtung der Welle, also senkrecht zu ihrer Fortschrittsbewegung und zu- gleich zu ihrer Richtung, in welcher überhaupt die Kraft aller in die Wellenbewegung gezogenen Wassertheile wirkt, eine ‘plötzliche Ansteigung, so leidet an derselben die Wellenbewegung eine Modifikation; ist sie gegen diese Erhebung hin, also vom tiefern gegen den flachern Meeresgrund gerichtet, so setzt sich die horizontal wirkende Kraft derjenigen bewegten Wassertheile, welche tiefer als der nun plötzlich flacher werdende Boden liegen, nothwendig zum grossen Theile in eine mehr vertikal wirkende, hebende um, und es muss’mithin ein Eingriff in die Böschung, mit wel- cher sich der Meeresboden erhebt, entstehen, welcher um so grösser ist, je mehr die vorliegenden tiefern Theile des Meeres von der Wellenbewegung ergriffen waren; je grössere Steilheit die 21 Böschung hat und’ aus je lockerern Massen sie besteht, zu welchem aber jede Ursache aufhört, wenn die Wellenbewegung bei abnehmender Kraft aneh in dem tiefern Theile des Meeres keine merklich unter seinen flachern Theil hinabreichende Ausdehnung mehr hat. Bei einer Wellen- bewegung, welche kaum oder nicht ganz bis zur Tiefe des obersten Theiles der unterseeischen Böschung hinabreicht, ist ein Angriff derselben überhaupt nicht möglich. Eben so kann er nicht stattfinden, wenn die Bewegung der Wellen von dem flachern Theile des Meeres nach seinem tiefern Theile hin gerichtet ist, selbst dann nicht, wenn ‘die die Wellenbewegung erregende Kraft des Windes an sich gross genug ist, das Meer bis zu einer grössern Tiefe aufzuregen, als die seines flachern Theiles ist; unter solchen Umständen wird der nothwendige Erfolg der sein, dass in dem tiefern Theile des Meeres , welcher von der Richtung des von der Landseite herkommen- den Windes zuerst getroffen wird, mehr Ruhe herrscht, als ohne Vorliegen eines flachern T'heiles dort herrschen "würde und dass sich erst weiterhin die Wellenbewegung mehr in die Tiefe aus- breitet. Der tiefere Theil des öfter erwähnten halbkreisförmigen Meerbusens bietet in der Gestalt seines Bodens nichts dar, was zu jener umlagernden Thätigkeit Veranlassung geben kömnte; er steigt nirgends von einem nech 'Tiefern schnell auf, noch viel weniger ist eine terrassenförmige Erhebung an irgend einer Stelle vorhanden; er befindet sich vielmehr für den 'grössern südlichen Theil der Windrose in dem zweiten der obigen Fälle, welcher Ruhe auf dem Grunde desselben noch viel mehr sichert. — Nach diesen Herleitungen halte ich es für völlig entschieden, dass das Meer die Bernsteinauswürflinge nicht aus dem Boden jener tiefern See hervorholt, ja keine herauf- holen könnte, wenn auch der Meeresboden dort noch so voll davon wäre. Es wird nun darauf ankommen, mit grösserer Wahrscheinlichkeit eine Stelle im Meere zu bezeichnen, von welcher dessen Bewegungen den Bernstein an die. Küste führen‘ können. ‘Den sichern Fingerzeig zur riehtigen Auffindung derselben giebt uns das, was vorher über die Abänderung der Wellen- bewegung des Meeres gesagt worden ist, welche nothwendig eintreten muss, wenn die Bewegungs- richtung von einer grössern nach einer geringern Meerestiefe hin gerichtet ist. In der That bietet der flachere Gürtel, welcher sich längs der ganzen Küste jener grossen Bucht, deren Ufer so bernsteinreich sind, hinzieht, mit seiner ziemlich schnellen Böschung nach der tiefern Gegend des Meeres hin, alle Bedingungen dar, unter denen bei gegen ihn kin gerichteter Wellenbewegung ein Angriff seiner Böschuug nothwendig erfolgen muss. Ehe ich auf eine genauere Untersuchung hier- über eingehe, will ich nur im Voraus bemerken, dass der Angriff im Allgemeinen in den Gegenden der Küste am stärksten sein muss, welche von der Windrichtung senkrecht getroffen werden; dass er in den bezeichneten Gegenden nur stattfinden kann, wenn der Wind stark genug ist, die Wasser bis unter die Tiefe des flachen Gürtels in Bewegung zu setzen; dass die Menge des aus- geworfenen Bernsteines, abgesehen von geringfügigern Nebenumständen, eine Funktion der Grösse des Angriffs und des Bernsteinreichthums der angegriffenen Stelle des Meeresbodens, und zwar dem Produkte dieser beiden Grössen proportional ist; endlich, dass unmittelbar an der Küste selbst, wo diese nicht &anz flach in das Meer läuft, eine zweite einem ähnlichen Angriffe aus- gesetzte Stelle zu suchen ist, welche nicht unberücksichtigt’ bleiben darf, wenn die Untersuchnng erschöpfend sein soll. — Da die Verhältnisse an der frischen Nehrung denen an der samländischen Küste zwar sehr ähnlich sind, aber doch einige nicht zu" vernachlässigende Abweichungen zeigen, so will ich die Betrachtung beider getrennt halten und zunächst nur von ersteren sprechen. — Die samländische Westküste läuft ungefähr von Norden nach Süden, nur ihr südliches Ende mehr in südsüdwestlicher Richtung; denselben Zug hat der Abfall vom flachern zum tiefern Meeres- ” 22 boden; daraus folgt, dass die vom Westwinde und demnächst vom’ Westnordwestwinde erregte Wellenbewegung ihn am stärksten angreifen muss, da sie senkrecht gegen seinen Verlauf ge- richtet ist. Aber Stürme aus West und demnächst aus Westnordwest sind gerade auch diejenigen, welche Samlands Strand am reichlichsten mit Bernstein verschen. Als einen nicht unwichtigen Umstand sehe ich den an, dass bei minder ‚starkem Wellengang der Strand arm bleibt und dann erst reichere Ausbeute giebt, wenn ein stärkerer Sturm das Meer ‘bewegt hat. Es lässt sich nämlich daraus schliessen, dass eine Erregung des Meeres bis in eine nicht unbeträchtliche Tiefe nöthig ist, um die Fundgrube des Bernsteins aufzuschliessen. . Ist diese aber da, wo ich sie suchen zu mässen glaube, »d. h. in einer Tiefe von durchschnittlich 18 Faden oder mehr, so gehört dazu in der That auch schon ein starker Sturm. ‚Ferner lässt sich aus dem Umstande, dass eben nur stärkere Stürme reichlich Bernstein liefern, ein Schluss auf das Verhältniss machen, in welchem die Menge des; aus jener untermeerischen Böschung herstammenden Bernsteines zu derjenigen steht, welche die Wellen etwa aus den Mas- sen des von ihnen unmittelbar angegriffenen Ufers auf den Strand werfen. Wo das Meer ganz flach in den Strand ausläuft, ist ein Angriff desselben kaum möglich oder doch jedenfalls sehr ge- ringfügig. Ganz anders ist es da, wo sich die Ufer steiler aus dem Meere erheben, und dies ist an vielen Punkten der samländischen Küste der Fall, welche dabei nirgends dem Meere. durch festes Gestein einen Widerstand bietet. Die Welle des Meeres unterwäscht, wie dort die An- schauung an schr vielen Stellen lehrt, ‚das Ufer, dies stürzt endlich nach und die See gewinnt so dem Lande nach und nach ein immer ‚grösseres Gebiet ab. Wie gross die Summe dieser ein- zelnen Angriffe im Laufe längerer Zeit endlich wird, lehren wohlbeglaubigte historische Nachrichten. Ich erinnere nur an die uralte Kirche zu St. Adalbert, welche einst eine Meile vom Meere, jetzt in dessen Nähe steht. Dass auf solche Weise sehr bedeutende Erdmassen dem Meere anheimfal- Jen und der Gewalt der Weilen preisgegeben werden, steht fest; dass diese Massen Bernstein enthalten, ist eine durch die Beobachtung festgestellte Thatsache. : Doch ist dieser Bernsteinge- halt in der That nicht gross genug, als dass man mit Wahrscheinlichkeit annehmen dürfte, dass alle der dort von der Ostsee ausgeworfene Bernstein aus ihnen herstamme. Ueberdies sind ge- rade die dem Angriffe des Meeres wegen ihrer Gestalt besonders ausgesetzten Stellen der Küste nothwendig zugleich diejenigen, welche der Wellenbewegung die wenigst günstige Gelegenheit zur Auswerfung des Bernsteins bieten. Man wird also zu der Annahme genöthigt, dass die Mas- sen, welche das Meer dem Ufer unmittelbar abringt, zunächst der nivellirenden Thätigkeit anheim- fallen, welche es auf seinem dem Ufer nähern, flachern Grunde ausübt, und mithin auf demselben ausgebreitet werden. Bei stärkerer Bewegung des Meeres mag auch aus diesen Trümmern des Ufers manches Stück Bernstein mit auf den Strand getragen werden; die übrigen ‚schwerern Be- standtheile desselben werden allmälig nothwendig immer tiefern Gegenden des Meeres zugeführt werden und zuletzt bis zu der Gegend gelangen, wo der Meeresgrund plötzlicher nach der Tiefe fällt. Wir haben uns also in dem ganzen flachern Meeresgürtel, welcher die Küste säumt, den Grund mit mehr oder weniger bernsteinfrei gewaschenen, von der zerstörten Küste herstammenden Massen bedeckt zu denken. Bedenken wir nun aber ferner, dass ein kräftiger Angriff des Meeres auf die Küste stets nur in seinem Niveau, nie wenigstens erheblich unter diesem erfolgen kann, und kombiniren wir damit die historisch beglaubigten Zerstörungen, welche die samländische Küste erlitten hat, so werden wir zu der Folgerung geführt, dass die Bodenschichten Samlands, welche tiefer als der Spiegel des Meeres liegen, jenem Küstenangriffe des Meeres nicht mit er- 23 - legen sein können und sich mithin unter dem Spiegel desselben forterstrecken müssen. Das Fal- len der über ihnen lagernden und an den steilen Stellen der samländischen Küste ausgehenden Schichten ist ein schwaches, und wie schon die aus ihnen austretenden Quellen beweisen, ein gegen das Meer hin gerichtetes; man darf also wohl schliessen, dass auch jene tiefern Schichten in dieser Beziehung ein gleiches Verhalten zeigen werden. Diese Bemerkungen führen aber zu der Annahme, dass der die Küste gürtende flache Theil des Meeresbodens aus nicht zerstörten Straten des frühern Landes bestehe, bedeckt von denjenigen mehr oder weniger ausgewaschenen Massen, welche einst über dem Niveau des Meeres anstanden und jetzt noch nicht über den oft erwähnten Abhang in seine tiefern Theile geführt sind. Dass ein grosser Theil letzterer Massen sich jetzt im Meere nicht mehr an der Stelle befinden kann, wo er vor seiner Zertrümmerung als Theil des Landes befindlich war, lehrt die einfache Betrachtung, dass ja sonst das Meer, welches da ist, wo früher Land war, sie unmöglich bergen könnte. Dass sie zum Theil den ebenbezeich- neten Weg gegangen sind, lässt sich mit Bestimmtheit aus der Art der Meeresbewegungen, welche dort stattfinden müssen, herleiten. Gelangte aber Alles, was von dem flachern Meeres- boden an der in fortwährender Zerstörung begriffenen samländischen Küste weggeführt wird, dort- hin, so würde daraus eine schnellere Verflachung der naheliegenden tiefern Stellen des Meeres folgen, für welche keine Erfahrung spricht. Wir werden uns mithin nach einer andern Ab- lagerungsstelle derselben umzusehen haben, was weiter unten geschehen soll. — Eine andere Vorsteliung, auf welche wir wie von selbst geführt werden, ist die, dass jene unterseeischen Schichten ihr unterseeisches Ausgehen in dem Abhange haben, in welchem das Meer vom Flachen zum Tiefen übergeht und dass sie hier an ihren Köpfen bei heftigem Sturme einem Angriffe aus- gesetzt sind, zu welchem das Meer auf ihrem Rücken wenig oder keine Gelegenheit findet. Diese Schichten aber halte ich für die Lagerstätte und Hauptfundgrube des Bernsteines, welchen das Meer auswirft. Die Wahrnehmung, Jass mehrere der im westlichen Küstenstriche Samlands liegenden Bodenschichten bernsteinführend sind, — die Beobachtung, dass die untern dieser Schichten mehr und schönern Bernstein enthalten als die obern, zusammengehalten mit dem nicht seltenen Vorkommen von Bernstein in Samlands Boden sehr tief unter Tage, geben der Vermu- thung, dass noch tiefer als der Meeresspiegel liegende Schichten reicher als die über ihnen lie- genden sein werden, an sich schon viel Wahrscheinlichkeit, und die Menge des ausgeworfenen Bernsteines wird, wenn nicht alle vorhergehenden Schlüsse unhaltbar sind, selbst zur besten Be- stätigung derselben. Wenn ich diese Schichten für tertiäre erklären zu müssen glaube , so wird das wohl von denen wenig Widerspruch finden, die bereits über dem Spiegel des Meeres vorkom- mende Schichten für tertiäre halten, da durchaus kein Umstand für das Vorkommen von ältern als tertiären Schichten in einer so geringen Tiefe spricht. — Giebt man meinen Ansichten Zu- stimmung, so ergiebt sich die Erklärung mancher der kleinen, eigenthümlichen Erscheinungen, welche bei Annahme der Berendt’schen Ansichten wie wunderliche Grillen eines Meergottes er- scheinen, auf das natürlichste: so z.B. die Erscheinung, dass einzelne Gegenden der Küste reicher als andere nahebenachbarte sind, dass diese bevorzugten Stellen nach längern Zeiträumen zuwei- len arm, ebenso ärmere plötzlich reich werden und es oft auf längere Zeitdauer bleiben. Es kann ja nicht anders sein, wenn anders.die untermeerischen, von der durch stärkere Stürme an- geregten Wellenbewegung angegriffenen Straten nicht etwa durchweg gleichen Gehalt an Bern- stein haben, was anzunehmen doch in der That so unnatürlich als möglich wäre. — Noch muss ich einer besondern Modifikation der entwickelten Erscheinungen gedenken, welche mich unmittel- 214 bar auf die Verhältnisse der frischen Nehrung führen wird. Wenn vorher stets allgemein gesagt ist, die Richtung der Wellenbewegung müsse senkrecht gegen die Böschung vom tiefern zum fla- chern Meeresboden hin gerichtet sein, um diese anzugreifen, so ist natürlich damit nur ‘gemeint, dass bei dieser Richtung der Angriff für eine gegebene Grösse der Wellenbewegung der möglich stärkste sei. Zugleich wird bei dieser Richtung der Bewegung ein Fortführen der schwerern Massen unmöglich, indem Alles, was nicht bis zur Höhe der Böschung gelangt, an dieser wieder herabsinken muss. Anders gestaltet sich die Erscheinung, wenn die Wellenbewegung unter einem schiefen Winkel gegen die Böschung gerichtet ist; es entsteht dann nämlich eine minderstarke Hebung und zugleich ein Treiben in der Richtuug der Böschung selbst. Nehmen wir die Rich- tung der samländischen Küste und der sie begleitenden unterseeischen Böschung als von Nord nach Süd gerichtet an, so werden Winde aus dem nordwestlichen Quadranten an der Böschung ein Treiben der Massen nach Süden, Winde aus dem südwestlichen Quadranten ein Treiben nach Norden veranlassen. Aus leicht begreiflichen Gründen, welche in der Gestalt des Meeres liegen, die den Winden aus dem nordwestlichen Quadranten ein. viel längeres Ausgreifen gestattet, als denen aus dem südwestlichen, muss das Treiben nach Süden sehr überwiegend sein. Da bei dem- selben die an der Böschung ausgeübte hebende Kraft viel geringer ist, als bei senkrecht gegen sie gerichtetem Winde, so ist es klar, dass der Bernstein mit den übrigen Massen, wenn auch seiner Beschaffenheit wegen wohl schneller als diese, denselben Weg zurücklegt. Ohne dass ich nöthig hätte, die Modifikationen, welche diese Erscheinungen durch die Krümmung der Küste leiden, noch weiter auseinander zu setzen, ist wohl begreiflich, wie Bernstein und bernsteinführende Massen von der samländischen Westküste nach der frischen Nehrung gelangen können, welche den Bern- stein entweder bei diesem Treiben aus den getriebenen Massen, oder auch aus dem sie selbst ümgürtenden Meeresboden, welchen ich für aus selchen Massen gebildet ansehe, erhalten mag. Die Richtung der für die Ausbeute am Strande der frischen Nehrung günstigsten Stürme ist eine etwa nordöstliche; dies weist mit Entschiedenheit darauf hin, dass sie am reichlichsten Bernstein aus den treibenden Massen von dem oben genauer bezeichneten Ursprunge erhält, keineswegs aus dem ihr vorliegenden flachern Meeresgrunde. Dafür scheinen mir auch die kleinen Unterschiede zu sprechen, welche den an der frischen Nehrung gefundenen Bernstein von dem an der samländischen Küste ausgeworfenen unterscheiden, da sie sich meimes Erachtens alle durch ein längeres und schärferes Herumwerfen im Meere ohne allen Zwang erklären lassen. Sche ich hierin richtig, so ist dies eine fernere Bestätigung der Vermuthung, dass der flachere Meeresgrund längs der frischen Nehrung nicht aus submarinen tertiären Schichten gebildet ist; wäre er von derselben Beschaffen- heit wie an der samländischen Küste, so müssten auch hier die senkrecht gegen den Strand ge- richteten Stürme die der Bernsteinausbeute günstigsten sein, was keineswegs der Fall ist. Von vielen andern Gründen, welche dafür sprechen, dass da nur ein vom Meere zusammengeführtes Geröll lagere, und die hier alle auseinanderzusetzen viel zu weitläufig wäre, will ich nur noch den einen bemerklich machen, dass die seit undenklichen Zeiten und noch immerfort durch Zer- trümmerung der samländischen Küste dem Meere zugeführten Massen nothwendig eine schnellere Verflachung der benachbarten tiefern Meeresstellen herbeiführen müssten, wenn sich nicht für sie hier eine sehr ausgebreitete Ablagerungsstelle fände. Fast zu weitläufig für den Zweck des gegenwärtigen Schriftchens, aber kaum ausführlich genug um die wesentlichsten Momente gründlich zu besprechen, habe ich über die nordische Hauptfund- grube des Bernsteins und über die, seine Umlagerung mit rastloser Unruhe bewirkende Thätigkeit 25 des Meeres gehandelt: — Mit der Hoffnung, meine Ansicht deutlich gemacht und der Beachtung empfohlen zu haben, wende ich mich nun zur Untersuchung der Ereignisse, welche das Leben der Bernsteinwälder zerstört und den Bernstein in die Lagerungsverhältnisse, in denen wir ihn jetzt finden, gebracht haben, welche ich von den, einer neuern Zeit angehörenden häufigen Umlage- rungsverhältnissen, wie sie auch jetzt noch das Meer hervorbringt, scharf unterscheide. Bernstein findet sich in einem sehr grossen Theile der norddeutschen Ebene, doch können füglich diejenigen Gegenden derselben, welche dem Flussgebiete der Oder, der Weichsel und des Pregel, sowie ein grosser Theil derjenigen, welche dem Flussgebiete des Memel angehören, als seine eigentliche Fundstätte bezeichnet werden. — Der Boden dieser ganzen weiten Gegend be- steht aus Sand und losem Geröll, Letten- und Mergellagern, aus Thonschichten und Braunkoh- lenlagern u. s. w. Keine dieser Bildungen hat eine weite Erstreckung, ein Umstand, welcher das Urtheil über Gleichzeitigkeit oder Zeitfolge von einander entfernter Vorkommen ausserordentlich erschwert und wohl schliessen lässt, dass in derjenigen Zeit, in welcher sie abgelagert wurden, grosse Veränderungen der Erdoberfläche mit gleichmässig über weite Gebiete verbreiteten Wir- kungen nicht mehr stattgefunden haben, sondern dass alle diese Erscheinungen bereits einen mehr lokalen Charakter angenommen hatten. Damit hängt die Ansicht zusammen, dass die Configuration der Erdoberfläche zur Zeit ihrer Bildung in den Hauptzügen mit der heutigen bereits überein- stimmte. — Die Beweise dafür, dass alle Bodengebilde der norddeutschen Ebene einer verhält- nissmässig neuen Zeit angehören, liegen so auf der Hand, dass man nie daran gezweifelt hat. Die Glieder der Kreideformation schliessen die sogenannten sekundären Bildungen; sie lassen sich in ziemlichem Zusammenhange rings um die Grenzen der grossen nordeuropäischen Ebene ver- folgen; und man muss mithin alle in dieser vorkommenden Bildungen für über der Kreide gelagert und für jünger als diese ansehen. Dass die Schichten der Kreideformation nicht an manchen Stel- len aus diesen jüngern Bildungen hervorragen können, dass sie nicht in vielen und wahrschein- lich sehr ausgedehnten Gegenden durch nach ihrer Bildung eingetretene Ereignisse zerstört sein können, ist damit nicht behauptet. — Die oben erwähnte Schwierigkeit, die verschiedenen Bo- dengebilde der norddeutschen Ebene nach geologischer Zusammengehörigkeit oder Zeitfolge zu beurtheilen und zu ordnen, ist Ursache gewesen, dass man über dieselben sehr lange im Unklaren geblieben ist und sie früher alle’ als Bildungen der jüngsten Zeit zusammengeworfen hat. Erst die Untersuchungen in entfernteren Gegenden, namentlich in denen von Paris und London, ha- ben zu der Erkenntniss- geführt, dass in Beziehung auf die Bildung derselben zwei aufeinander folgende Epochen zu unterscheiden sind, von denen man die erstere die Zeit der tertiären Bildungen genannt hat: Alle bisherigen Beobachtungen lehren, dass beide Epochen keineswegs durch eine so: scharf einschneidende Katastrophe getrennt gewesen sind, wie frühere Abschnitte der geologi- schen Zeitrechnung. Thier- und Pflanzenwelt der tertiären Zeit scheinen nicht, gleich frühern organischen Schöpfungen, wie mit einem Schlage vernichtet und begraben und in der darauf fol- genden neuen Zeit durch eine völlig neue Schöpfung ersetzt worden zu sein, sondern es scheinen sich allmälig immer mehr den jetzt lebenden Arten ähnliche, und endlich immer mehr von diesen Arten selbst, zwischen die schon früher existirenden Arten eingeschoben zu haben, während von die- sen mehr und immer mehr verschwunden sind, und zuletzt durch eine solche allmälige Wandelung der jetzige Bestand unserer Fauna und Flora übrig geblieben ist. Die bisherigen Untersuchungen scheinen zu beweisen, dass einzelne Spezies der ältesten tertiären Schiehten auch noch in jüngern - vorkommen, gleichzeitig mit Arten, von denen wieder einzelne sich mit andern in noch jüngern 26 Schichten in derselben Weise die Hand reichen, und so fort, herauf bis zu den allerjüngsten Schich- ten. Diese Wahrnehmung, welche freilich noch gar manche Lücken hat, auch nicht in allen Fällen völlig gesichert genannt werden kann, scheint einer 'Trennung der tertiären Formationen von denen der Neuzeit keineswegs das Wort zu reden. Und doch ist sie gerechtfertigt. Lässt sich auch nicht nachweisen, dass ein einziges grosses Ereigniss die tertiäre Welt zertrümmert und aus ihren Trümmern unsere Welt aufgebaut habe, so lässt sich doch nachweisen, dass eine schnelle Reihenfolge allerdings mehr lokaler, aber sich in ihrer Wirkung unterstützender und ergänzender Ereignisse einen umgestaltenden und zerstörenden Einfluss ausgeübt hat, welchem wenige Gegen- den der Erdoberfläche entgangen sind und welchem nur wenige Geschöpfe, sei es durch begünsti- genden Einfluss des Aufenthaltes und Wohnortes, sei es durch die Bedingungen der eigenen Organisation, Widerstand zu leisten im Stande gewesen sein mögen. Die tertiäre Zeit scheint im Ganzen den Charakter grosser Ruhe an sich getragen zu haben und so die Ablagerung einer langen Reihe aufeinander folgender Schichten in grossen geschlossenen Becken möglich gemacht zu haben, deren Studium den Hauptschlüssel zur Beurtheilung jener Zeit selbst bietet. Die erste Unterbrechung jener verhältnissmässigen Ruhe durch heftiger wirkende und tiefer eingreifende Erscheinungen scheint auch bald das Ende der tertiären Zeit herbeigeführt zu haben. Ueberall zeigen die zum Schlusse dieser Zeit abgelagerten Massen die Spuren mächtiger Wasserströmungen und umschliessen die Ueberreste derjenigen Geschöpfe, welche den Abend der tertiären Zeit wohl sahen, aber seinen Stürmen und Fluthen erlagen. Grossartige Erhebungen von verhältnismässig jugendlicher Zeit, wie sie z. B. in den Ländern um das Mittelmeerbecken vielfältig nachgewiesen sind, mögen damit in nächster Beziehung gestanden haben. Lassen sich solche doch kaum in aus- gredehnterem Maassstabe denken, ohne eine freiere Wirkung der Wärme, des Erdinnern auf die äussern Schichten derselben, sowie auf Wasserbedeckung und Atmosphäre anzunehmen, woraus dann die Grossartigkeit der atmosphärischen Niederschiäge und die Erscheinung jener von den Höhen strömenden Wasser folgen würde. Nicht ein einziger Umstand spricht meines Wissens dafür, dass die Fluthen, von welchen hier die Rede ist, Meereseinbrüchen geglichen hätten; nichts spricht dafür, dass sie, wie die auf sie folgenden, die norddeutsche Ebene von Neuem verwüsten- den Fluthen, von Nord nach Süden gerichtet gewesen seien. Alles zeugt vielmehr dafür, dass sie durch atmosphärische Niederschläge veranlasst und in ihrer Richtung durch die Oberflächen- gestalt des Landes bestimmt worden seien. Da diese Gestaltung aber zur Zeit derselben im Grossen und Ganzen mit derjenigen der heutigen Zeit übereinstimmte, so kann man sich die Rich- tung dieser Gewässer im Allgemeinen auch nicht anders denken, als so, wie sie sein würde, wenn sich dieselben heute wieder über die norddeutsche Ebene ergössen. Diesen Fluthen nun unterlag auch die Vegetation der Bernsteinwälder, und von ihnen wurde deren Produkt, der Bernstein, mit fortgeführt. Durch die Gewalt der strömenden Wasser wurde er in der Regel von den erzeu- genden Bäumen getrennt; diese mussten, da die von den Höhen zu den Tiefen fliessenden Wasser unmöglich überall sehr bedeutende Tiefe haben konnten, durch ihre Grösse und ihre Gestalt der Fortbewegung viel mehr Widerstand bieten, als er, und deshalb weit hinter ihm zurückbleiben. Nur unter besondern Umständen konnte an einzelnen Stellen der Bernstein mit ihnen zusammen begraben werden. Leichter als alle von den Fluthen bewegten mineralischen Stoffe, musste er ‚bei diesem öfter wiederholten Verschlämmungsprozesse ihnen allen vorauseilen; die Flussgebiete der- jenigen Gegenden aber, welche Bernstein enthalten, convergiren nach der Gegend hin, welche jetzt als die bernsteinreichste bekannt und viel genannt ist; dorthin mussten jene Fluthen nothwendig 27 gerichtet sein; dorthin mussten sie den meisten Bernstein tragen. Sein geringes spezifisches Ge- wieht rettete ihn in den Strömungen und Wirbeln der ihn forttragenden Fluthen vor der Zerrei- bung durch die schwerern, mehr auf dem Boden forttreibenden Massen; wo sich das über eine unebene Fläche hinwegbewegende Wasser zwischen Hügelketten staute, fand er wieder eine Ruhe- stätte und lagerte sich da in, nach der Beschaffenheit des Einschnittes, auf- und absteigende Schnüre; wo eine bernsteinführende Fluth allmälig sich ausbreitend verrann, wurde er mehr lager- artig abgesetzt; gerade diese letztere Art des Vorkommens in Sandschichten, welche mit Braun- kohlenlagern in der allernächsten Verbindung stehen, legt gewichtiges Zeugniss über die Zeit der Ereignisse, welche die Bernsteinwälder zerstörten, ab. Als reichstes Lager dieser Art aber sehe ich dasjenige an, aus dessen Schoosse das Meer die reichen Bernsteinschätze an die preussischen Küsten trägt. Die dort znsammenliegenden Bernsteine halte ich also für von schr verschiedener Ursprungsstätte dorthin geführt; die Wälder, in welchen die Bernsteinbäume standen, welche diese Harzmassen einst aussonderten, waren über den grössten Theil, wohl über die ganze norddeutsche Ebene und weiter verbreitet. Wie sich unsere Zeit selbst fast verfliessend an die tertiäre an- schliesst, so schliesst sich an die Vegetation der Bernsteinwälder durch Achnlichkeit ihrer Nadel- hölzer und ihrer Eichen die Flora an, welche den nördlichen Küstenländern des Mittelmeeres und Kleinasien eigen ist, von wo sie in etwa gleicher Breite noch viel weiter östlich reicht. Ich ge- winne so von dem Gebiete der Fauna, welche uns die Einschlüsse des Bernsteines repräsentiren, ein ziemlich bestimmtes, aber viel ausgedehnteres Bild, als die Annahme von Berendt’s Ansicht geben würde; mir erscheint sie als die Fauna einer sehr ausgebreiteten, gar verschiedene Bedin- gungen der Existenz darbietenden Landstrecke, nach seiner Ansicht würde sie als Fauna eines engbegrenzten Winkels der Erde erscheinen, Ihre genauere Untersuchung ist entschieden meiner Ansicht günstiger, als der Berendt’schen. Wären nach den Ereignissen, welche die Zerstörung der Bernsteinwälder herbeiführten, nicht eben so gewaltige und noch gewaltigere Ereignisse über dieselben Länderstrecken hingegangen, so wäre ein Urtheil über Zeit und Art jener erstern gewiss leicht gewesen. Aber die Fluthen, von denen bisher die Rede war, waren nicht die letzten, welche sich über sie ausbreiteten. Bald brachen mächtige Wasser, in ihren Wirkungen heftigen Meereseinbrüchen gleich, von Norden her in dieses Ländergebiet ein: Eis und Fluthen führten Gerölle und grosse Geschiebe nordischen Ur- sprungs über dieselben. Die letzten tertiären Schichten bestanden aus lockern Massen, welche sich durch Verwitterung und Zersetzung älterer Gesteine an der Atmosphäre gebildet hatten; während der weniger gestörten Ruhe der tertiären Zeit mögen sie schon zum Theil durch atmo- sphärische Niederschläge und fliessende Wasser mehr nach der Tiefe hingeführt worden sein; am Ende dieser Zeit wurden sie durch wolkenbruchartige Fluthen fortgeschwemmt und massenhaft übereinander gelagert. Ihre Lager aber wurden durch die Macht jener spätern Fluthen vielfältig zerstört und zerrissen, so dass meist die Grenze zwischen tertiärer und posttertiärer Zeit und Ab- lagerung schwer zu finden ist. Ber Bernstein, dem schon sein spezifisches Gewicht in den ter- tiären Schichten meist eine höhere Lage anwies, wurde in ihren Strudel gezogen und umgelagert. Diese grosse Umlagerung reichte so weit und weiter, als die nordischeu Geschiebe reichen. Doch auch in diesen neuen Lagerungsverhältnissen sollte er nicht ungestört bleiben; spätere Fluthen, vor allen wohl die. welche die nordischen Kalksteine herbeiführte, brachten darin manchfal- tige Veränderungen hervor. So kommt es, dass er häufiger in seinen Umlagerungs-, als in seinen eigentlichen Lagerungsverhältnissen gefunden wird. Je weiter nach Süden und von der 23 Ostsee ab, destoweniger tief hat die Umlagerung eingegriffen, je weiter nach der Ostsee hin, desto tiefer; eine Tiefe, welche oft durch grössere Mächtigkeit der über den Diluvialschichten gelager- ten Aluvien noch scheinbar vermehrt wird. — Die strömenden Wasser, und vor allen die Bewe- gung der Ostsee, bewirken noch heute vor unsern Augen eine solche Umlagerung. Aus den bei derselben beobachteten Erscheinungen lässt sich alles das erklären, was das Vorkommen des unter solchen Umlagerungsverhältnissen gefundenen Bernsteines zeigt; diese aber sind in der Nähe der Ostsee, wenigstens in den oberen Erdschichten, weit und breit die vorherrschenden. In den wei- ter von dort entlegenen Landestheilen werden dagegen die, ursprünglichen Lagerungsverhältnisse häufiger beobachtet, welche keinen Zweifel darüber zuzulassen scheinen, dass der Bernsteinwald der tertiären Zeit angehörte und dass sein Untergang mit dem Ende dieser Zeit zusammenfiel. Zur Bernsteinfauna. Nachdem durch die bisherigen Betrachtungen sowohl die geologische Zeit als der räumliche Umfang der Bernsteinfauna soviel als möglich bestimmt worden, wende ich mich näher zu dieser selbst. Meine eigenen genaueren Untersuchungen beziehen sich nur auf die Dipteren; hinsichtlich anderer Ordnungen und Klassen habe ich wohl manche gelegentliche Bemerkung gemacht, auf die ich aber keinen besondern Werth lege, ich will meine Mittheilung deshalb auch lediglich auf die von mir genauer untersuchte Ordnung beschränken. Jn dem Berendt’schen Bernsteinwerke sind die vorläufigen Resultate verwandter Untersuchungen übersichtlich zusammengestellt und leicht zu finden. Zugleich bemerke ich, dass meine Untersuchungen über die Bernsteindipteren an sich so ziemlich als geschlossen anzusehen sein dürften. Ich habe in der letzten Zeit mehrmals unter hundert neuen Individuen der von mir untersuchten Ordnung kaum eine mir noch unbekannte Art gefunden. Nach einer andern Seite hin beginnt meine Arbeit erst recht, nämlich nach der Seite einer ge- nauen und detaillirten Vergleichung der fossilen mit den lebenden Arten. Gerade da ist es oft recht schwer, das Verschiedene, was zu einer einzigen solchen vergleichenden Untersuchung nöthig ist, zusammenzubringen. Deshalb darf ich wohl hoffen, dass diejenigen, welche mir die Schätze ihrer Sammlungen mit solcher Liberalität zur Bearbeitung überlassen haben, mit eben derselben, mir auch noch die Beendigung dieser schwierigen und zeitraubenden, aber völlig unerlässlichen Unter- suchung gestatten werden. — Die Systematik werde ich, der Uebersichtlichkeit wegen, so viel als möglich vereinfachen und, wo es der behandelte Gegenstand fordert, hin und wieder diesen For- derungen anschmiegen. DIP TER RAY 1.) Tipularia nematocera, Mücken. Fam I. Culicina, Gelsen. Die Notizen, welche bisher über die Dipteren des Bernsteines gegeben worden sind, wissen bei all ihrer Unvollständigkeit viel von häufig im Bernsteine vorkommenden Stechmücken oder Gel- sen zu erzählen. Diese Angabe kann aber nur auf einer entomologischen Unkenntniss beruhen, da die Stechmücken im Bernsteine zu den allerseltensten Erscheinungen gehören. Bis vor kurzer Zeit glaubte ich, dass sie gar nicht darin vorkämen; ich bin aber nun endlich so glücklich gewesen, 29 ein Weibchen einer Stechmücke darin zu entdecken. Die Art gehört der Gattung Culex selbst an und ist von Culex pipiens und vielen der verwandten lebenden Arten schwer zu unterscheiden, was nicht Wunder nehmen kann, da alle diese Arten kaum nachweisbare Formunterschiede zeigen und Farbenunterschiede hier, wie bei fast allen im Bernstein eingeschlossenen Dipteren, völlig ver- schwunden sind. Aus den übrigen Gattungen der Culicina ist bisher im Bernstein noch kein Repräsentant auf- sefunden worden. — Im Kopal findet sich eine ückenart ganz aus derselben Verwandtschaft. Fam. 2. Tipularia culiciformia, gelsenförmige Mücken. Diese Familie gehört zu den im Bernstein besonders zahlreich repräsentirten, sowohl in Be- ziehung auf die Anzahl der Arten, als in Beziehung auf die Anzahl der Individuen einiger Arten. Die Larven mehrerer im Bernstein vorkommender Genera leben nur im stehenden Wasser; ihre Häufigkeit ist ein Beweis, dass dieses im Bernsteinwalde in Menge vorhanden gewesen ist. Eine der interessantesten Arten dieser Familie gehört der Gattung Mochlonyx an, welche ich in der entomologischen Zeitung. V. 121 auf Corethra velutina begründet habe; die Kenn- zeichen, wodurch sie sich von der Gattung Corethra unterscheidet, sind an der angeführten Stelle auseinander gesetzt. Die im Bernstein vorkommende Art ist unserem lebenden Mochlonyx veluti- nus so ähnlich, dass ich als Unterschied kaum etwas, ausser die grössere Stärke des zweiten Tastergliedes bei der fossilen Art anzuführen wüsste. Mochlonyx velutinus ist zugleich die ein- zige bisher bekannte lebende Art der Gattung; die zum Verwechseln grosse Achnlichkeit der im Bernstein eingeschlossenen Art mit ihr also doppelt auffallend. Von der Gattung Tanypus habe ich im Bernstein bisher 7 Arten gefunden. Bei dieser wie bei den beiden folgenden Gattungen ist es ganz überaus schwierig von einander ähnlichen, aber in verschiedenen Bernsteinstücken gefundenen Individuen verschiedenen Geschlechts zu entscheiden, ob sie ein und derselben, oder ob sie verschiedenen Arten angehören. Da der Fehler zwei Arten in eine zusammenzuwerfen grösser und verwirrender ist, als der, die Geschlechter einer Art, bis der Beweis für ihr Zusammengehören geführt ist, zu trennen, habe ich in diesen Gattungen die Vereinigung nur dann vornehmen dürfen, wenn über die Richtigkeit derselben jeder Zweifel geho- ben war. Durch die Belehrung, welche später erlangte Stücke, besonders solche, welche beide Geschlechter einer Art einschlossen,, gebracht haben, ist schon manche Vereinigung möglich ge- worden; indessen kann ich natürlich nicht dafür bürgen, dass nicht vielleicht in noch einigen Fäl- len die Geschlechter einer Art als zwei verschiedene Arten behandelt sind. Unter den im Bern- tein eingeschlossenen Tanypusarten findet sich eine von ziemlich ansehnlicher Grösse, senst zeigen sie in ihrer Organisation durchaus nichts Eigenthümliches oder von den bei uns, wie anderwärts lebenden Arten Abweichendes. — Da der Fühlerbau der Männchen oft nicht deutlich zu erkennen ist, so ist genau auf die Verschiedenheit zu achten, welche zwischen ihrem Flügelbau und dem der Gattung Chironomus stattfindet, da sie sonst mit den Männchen dieser gar leicht verwechselt werden. Allein von der Gattung Chironomus habe ich bereits über 40 Arten erkannt; sie sind schwierig zu unterscheiden und noch schwieriger genügend zu charakterisiren. Die Unterschiede in der Fühlerbildung bieten bei den Weibchen mehr Hülfe als bei den Männchen, doch sind auch bei diesen hin und wieder brauchbare Unterschiede vorhanden, so ist das lange letzte Fühlerglied bei manchen Arten am Ende spitz, bei einer kleinen nicht seltenen Art fast keulenförmig. Die 30 brauchbarsten Unterchiede giebt die Fussbildung; leider lässt sich nicht immer unterscheiden, ob Pulvillen vorhanden sind oder nicht und die für manche lebende Arten so charakteristische Behaa- ınng der Füsse wird für unsere fossilen Arten nicht nur zu einem unbrauchbaren, sondern geradezu zu einem trügerischen Merkmale, da Individuen derselben Art von sehr verschiedenem Grade der Enthaarung vorkommen und es in der Regel sehr schwer zu unterscheiden ist, ob die Unterschiede, welche sich dann zeigen, scheinbare oder wirkliche sind. Die Gattung Ceratopogon wird wegen der grossen Manchfaltigkeit, welche die ihr ange- hörigen Arten in ihrem Körperbaue zeigen, gegenwärtig mit Recht in mehrere Untergattungen ge- theilt, welche ich aber der leichtern Uebersicht wegen hier unbeachtet lassen will. Sie ge- hört zu den interessantesten der in der Bernsteinfauna ‘vorkommenden Gattungen, indem der von den lebenden Arten bekannte Reichthum an manchfaltigen Formen auch hier sich zeigt; eine durch ihre Grösse vor andern ausgezeichnete Art hat, wie viele lebende Arten, auf. der Unterseite der verdickten Hinterschenkel Dornen, weshalb ich sie Cerat. spiniger genannt habe; noch ausgezeich- neter ist Cerat. anomalicornis m., welcher, ausser dem eigenthümlichen Fühlerbau, sich noch durch die Dicke seiner unterwärts bedornten Hinterschenkel auszeichnet, worin er alle mir bekannten leben- den Arten übertrifft. Für die merkwürdigste aller Arten aber halte ich eine, welcher ich den Namen Cerat. clunipes beigelegt habe; es sind bei derselben an den Hinterbeinen Schenkel, Schienen und Fusswurzel gewaltig verdickt und mit langer, rauher Behaarung bedeckt, die Schenkel aber merkwürdiger Weise auf der Unterseite unbewehrt, die Schienen dagegen am Ende mit einem starken Dornenkranze bewehrt und die Fusswurzel unterseits mit kammförmig gestellten Borsten besetzt. An den Ceratopogonarten ist jeder Körpertheil so charakteristisch gebildet, dass Männchen und Weibchen, trotz aller Unterschiede in der Bildung der Fühler und Beine leicht als zusammengehörig erkannt werden. Ich habe im Bernstein bisher 26 Arten aufgefunden. Es wäre zur: Bestimmung derselben vielleicht förderlicher, die Gattung nach der meist leicht erkennbaren Anwesenheit und Abwesenheit der Pulvillen in zwei Untergattungen, welche Eupedilia und Ape- dilia genannt werden könnten, zu theilen, als die für die lebenden Arten entworfenen Untergat- tungen anzunehmen. Die scharf markirten Formen, welche die Arten dieser Gattung zeigen, machen sie besonders geeignet zu genauer Vergleichung mit lebenden Arten. Eine besonders srosse Aehnlichkeit einer der fossilen Arten mit einer der bei uns lebenden Arten ist mir bisher nicht aufgefallen; zum Vergleiche mit exotischen Arten fehlt in dieser Gattung, wie in allen, welche nur kleine Arten enthalten, auch in den grössten Museen bisher das nöthige Material noch gänzlich. Schliesslich will ich bemerken, dass nach meinen bisherigen Beobachtungen die. Familie der Tipularia euliciformia im Kopale viel sparsamer vertreten ist, als im Bernsteine. Fam. 3. Tipularia noctuaeformia. Mottenförmige Mücken. Ich habe von dieser schr interessanten Familie, welche unter ihren kleinen Arten manchen lästigen Blutsauger hat, im Bernsteine bisher 18 Arten aufgefunden, wobei ich freilich bekennen muss, dass in der Gattung Phalaenomyia vielleicht eine oder einige Arten zuviel gezählt sein mögen, weil ich von manchen kleineren Abweichungen im Schnitte der Flügel und in deren Ader- verlaufe nach dem mir bis jetzt vorliegenden Materiale nicht beurtheilen kann, ob sie blos. indi- vidueller, oder ob sie spezifischer Natur sind. Dagegen dürfte in der Gattung Psychoda noch mehr zu trennen sein, was aber bei der grossen Aehnlichkeit ihrer Arten wieder seine grossen Schwierigkeiten hat. — Im Allgemeinen lässt sich, trotz unserer verhältnissmässig ‚grossen 31 Unbekanntschaft mit den Arten heisserer Klimate doch als gewiss behaupten, dass die Manchfal- tigkeit der Formen mithin auch die Zahl der Gattungen dieser Familie nach dem Aecquator hin merklich zunimmt. Die im Bernstein vorkommenden Arten scheinen mir manchfaltiger als die bei uns einheimischen. Hinsichtlich der Umgrenzung der einzelnen Gattungen bedaure ich einen Man-- gel recht sehr. Es ist mir nämlich nicht möglich gewesen, das, was Herr Haliday über diese Gattung publizirt hat, mir zugänglich zu machen, so dass ich nicht völlig dafür stehen kann, dass nicht vieileicht ein oder die andere der von mir aufgestellten neuen Gattungen auf eine bereits früher von ihm publizirte zurückgeführt werden müsse. Die auch bei uns vorkommende Gattung Psychoda ist unter allen in der Bernsteinfauna’vor- handenen Gattungen dieser Familie die einzige mit perlschnurförmigen Fühlern und daran leicht zu erkennen. Unter den 6 mir bekanut gewordenen fossilen Arten zeichnet sich eine, welche ich wegen ihrer spitzen Flügel Ps. oxyptera genannt habe, dadurch sehr aus, dass die 3 letzten Füh- lerglieder viel kleiner als die vorhergehenden sind, Die neue Gattung Phalaenomyia begründe ich auf neun im Bernstein, zum Theik nicht selten, vorkommende Arten, von denen aber mehrere sehr schwer zu unterscheiden sind. Sie steht der Gattung Psychoda zwar nahe, unterscheidet sich aber leicht durch viel stumpfere Flü- gel und nicht perlschnurförmige Fühler; auch haben die Flügel eine nach der Spitze laufende Längsader weniger. Die im Ganzen nicht erheblichen Artunterschiede geben sich besonders im Laufe der Flügeladern und im Baue der Fühler kund. Eine hierher zu ziehende, lebende Art ist mir nicht bekannt. Die 2te neue Gattung, welche sich- von Psychoda besonders dadurch unterscheidet, dass jedes Fühlerglied zwei steife Sförmig gebogene Borsten trägt, habe ich bereits im 1sten "Theile meiner dipterologischen Beiträge unter dem Namen Diplonema bekannt gemacht. Der Bernstein enthält 2 Arten derselben, welche beide nicht gar selten sind. Ich nenne sie Diplonema longicornis und brevicornis, weil sie sich durch die verschiedene Länge der Fühler leicht unterscheiden lassen. — Die Gattung Diplonema findet sich auch im Kopal, und zwar in einer am angeführten Orte von mir Diplonema buceras benannten Art. Ich kann zwischen dieser Art und zwischen der Diplonema longicornis des Bernsteines durchaus keinen Unterschied sehen. In demselben Kopalstücke fand ich eine von mir an demselben Orte als Styringomyia pulchella beschriebene Art, weiche der einzigen im Bernsteine vorkommenden Styringomyia ebenfalls überaus ähnlich ist; dies interessante Zusam- mentreffen ist um so wichtiger, je weniger über die Natur des betreflenden Kopalstückes irgend ein Zweifel stattfinden kann; die ganzen chemischen und physikalischen Bigenschaften charakteri= siren es mit Sicherheit als Kopal, und wie um noch ein besonderes Zeugniss abzulegen, findet sich in demselben Stücke ein Exemplar einer dem Kopale eigenthünlichen und in ihm sehr käu- figen Mücke gegenwärtiger Familie, deren Beschreibung ebenfalls im 1sten Theile meiner dipte- rologischen Beiträge zu finden ist; ich habe sie Philaematus pungens genannt. Das Bernsteinstück, welches die Styringomyia enthält, ist wiederholt der sorgsamsten Prüfung unterworfen worden, so dass es mit vollster Gewissheit für ächten Bernstein erklärt werden kann. Diplonema longi- cornis aber findet sich in mehr als einem Falle mit andern im Bernsteine häufigen Arten in einem Stücke eingeschlossen. Die dritte neue Gattung gegenwärtiger Familie nenne ich Posthon: sie unterscheidet sich von Diplonema durch viel schlankern Bau aller Körpertheile und ihre ganz fadenformigen Fühler. Für die einzige Art, welche ich im Bernstein gefunden habe, wähle ich den Namen Posthon gracilis. 32 Fam. 4. Tipularia gallicola. Gallmücken. Die Haupteharaktere für die Arten dieser Familie müssen dem Flügeigeäder entnommen wer- den, da die Fühler dieser zarten Geschöpfe nur sehr selten vollständig erhalten sind. Sie ver- dienen übrigens als an specielle Pflanzen fest gebundene Arten eine ganz besondere Aufmerksamkeit. Die lebenden Arten der Gattung Cecidomyia habe ich im vierten Theile meiner dipterologischen Beiträge behandelt und eine Zerlegung derselben in die Untergattungen Hormomyia, Diplosis, Ce- cidomyia, Asphondylia, Dirhiza, Epidosis und Asynapta vorgeschlagen. Unter den 18 zum Theil sehr schwierig, zum Theil desto leichter zu bestimmenden Cecidomyiaarten finden sich Arten von allen diesen Untergattungen mit Ausnahme von Hormomyia und Asphondylia. — Asynapta ist ver- hältnissmässig reich, nämlich mit 3 Arten repräsentirt. Zu den ausgezeichnetsten Arten gehört eine der Gattung Epidosis angehörige, C. incompleta m., bei welcher die zweite Längsader schon weit vor der Flügelspitze plötzlich abbricht. Eine andere sehr kleine Art, welche ich €. minutis- sima nenne, zeichnet sich durch die grosse Unvollständigkeit des Flügelgeäders aus; die erste Längsader ist kurz aber deutlich, die zweite verliert sich gegen die Flügelspitze hin ganz, von der dritten ist kaum ein Wurzelrudiment vorhanden; ich bedaure sehr, die systematische Stellung nicht genauer ermitteln zu können, da mir. noch kein Exemplar derselben vorgekommen ist, bei welchem die Bildung der Fühler zu erkennen gewesen wäre. Ich muss hier eines sehr merkwürdigen Insektes gedenken, über dessen systematische Stel- lung ich noch heute im grössten Zweifel bin; es ist nur etwa 4 Linie lang, hat gewimperte, aber auf ihrer Fläche unbehaarte Flügel, perlschnurförmige Fühler mit 8 runden und einem ovalen End- gliede der Geisel, endlich Agliedrige Tarsen. Es ist schwer zu entscheiden, ob es zu den Dipteren, oder ob es nicht vielmehr zu den coccusartigen Insekten gehört. Oft hat es mir ge- schienen, als ob die von den Flügeln sehr abgerückte Stellung der grossen Schwinger für Letz- teres entschiede. Es erinnert aber andrerseits durch seinen ganzen Körperbau so sehr an die Gattung Heteropeza, dass ich es hier unter dem Namen Monodicrana terminalis aufführen zu müssen glaube. Die Gattung Campylomyza ist im Bernstein durch wenigstens 5 Arten vertreten, von de- nen ich aber nur 3 ganz sicher zu unterscheiden vermag, da das schwer zu untersuchende Flü- zelgeäder keine recht sichern Untersehiede geben will und die Fühler selten vollständig sind. Eine Art, welche ich Camp. monilifera genannt habe, zeichnet sich durch perlschnurförmige Füh- ler mit ungewöhnlich langgestielten Gliedern aus. Zur Gattung Zygoneura, oder, wenn man, wie ich im 4ten Hefte der dipterologischen Beiträge vorgeschlagen habe, diese mit den nahe verwandten, gegen Gebühr zersplitterten Gat- tungen vereinigen will, — zur Gattung Molobraca liefert die Bernsteinfauna nur eine einzige Art, welche der bei uns einheimischen Zygoneura oder Molobraea tenella sehr nahe steht. Fam. 5. Tipularia fungicola, Pilzmücken. Der Familie der Pilzmücken kommt an Zahl der Arten keine andere in der Bernsteinfauna gleich, noch weniger in der Anzahl der Individuen. Einzelne Arten sind so gemein, besonders einige: der kleinern Sciara-Arten, dass: ich zuweilen mehr als 40 Stück derselben Art in einem erössern Bernsteinstücke beobachtet habe. Die bisher für die lebenden Arten gebildeten Gattungen veichen für die Arten unserer fossilen Fauna nicht aus, theils weil sie auf Merkmale gegründet 33 sind, welche sich an den im Bernsteine eingeschlossenen Mücken nur mit grösster Schwierigkeit wahrnehmen lassen, theils weil auf wichtige Unterschiede im Flügelgeäder nicht die genügende Bedeutung gelegt und dieselben nicht allgemein genug aufgefasst sind. Dazu kommt noch der Umstand, dass die im Bernsteine eingeschlossenen Arten oft Abweichungen von unsern lebenden zeigen, welche die für diese begründeten Gattungen als nicht ganz genügend erscheinen lassen. So bin ich genöthigt die Pilamücken in etwas anderer Weise in Gattungen zu zerlegen, als das bisher geschehen ist. Ich darf nicht fürchten, dass meine Abgrenzung und Bestimmung der ein- zelnen Gattungen für die lebenden Arten minder brauchbar sein: werde, als die bisher übliche, da ich bei ihrer Festsetzung die lebenden und fossilen Arten, also jedesfalls ein erweitertes Gesichts- feld vor Augen gehabt habe. — Wegen der Abweichung von der gewöhnlichen Systematik und des grossen Umfanges gegenwärtiger, übrigens scharf geschlossener Familie dürfte es gut sein eine Uebersicht ihrer Gattungen hierher zu stellen, die etwa so gefasst werden kann: 1 der zweite Längsnerv entspringt aus der Flügelwurzel . . » 2. 2 2. 2 2 2 2 2 2 2 000 2 der zweite Bängsnerv entspringt aus dem ersten... en. NE 9 der zweite Längsnerv ist mit dem ersten durch eine @uerader verbunden . . 2.2222 .2..3 der zweite Längsnerv ist mit dem ersten durch zwei Q@ueradern verbunden. . ». 22.2.2007 3 der 4te Längsnerv doppelt oder doch bis nahe zur Wurzel zweitheilig . . ». 2 22 22.2... 4 denttiesHöngsnervählos gEzaBenıBaR, 128. HDEDE TINTE RD EN RIESE BERN Tara 226 4 der 4te Längsnerv bis gegen die Wurzel zweitheilig . -. . . » » 2 2 2.2.2... Seiara BEREIEWENORERHERUFISEGOBDERR- 1 20a HERER TESAIREOS ER A REIN OBERE, EI „ ( kein zum Vorderrande laufender Hülfsnerv .. . . . . 2 2.2.2 2.2.2 2... BHeterotricha 9 ) ein zum Vorderrande laufender Hülfsnerv . . 2»: 2 2 v2 vn 2 2. Dianepsia der Ilülfsnerv läuft zum Vorderrande . . . . TON NEL HERE SE NENA der Hülfsnerv läuft zur 1sten Längsader und ist khleilen ugekuree . 2.22.22 Mycetophila der/Hulisnerv@klait zum Vorderrander. ne TEN Sc ohTe der Hülfsnerv läuft zur Isten Längsadee . . . ». 2 22 22 22.202 220.0. Sciophila 8 EB PERISSHERVAGUIACHREE te NEN Ar. Om RL REN TR TEN IQ PicmHllanesnervinih cmemr Anger u. DRRATRRETHIIID POT ENDER ENDE BERERDE N SERARILO g LE LE WO A ee eeneeeee fence DE LOB ERIRIRLLESTHEHVE EINE EHER, TEEN BETRETEN ETTIDEEIL ETEU NERO Arelada 10 ster Längsnerv mit dem 2ten durch einen Q@uernerv verbunden. . . . . 2.2... Mycetobia (aleeHäuesserv. (entspringt aus-dem 2fen 12} MH 3219 0 EEE, UND NOT namen «IM 1 Fühler lang, fadenförmig Hubs. ae ee LT | Fühler pfriemen- oder fast pönselkriönnig; Glieder Kurz HR. ER AIR 10 Platyura Die Arten der Gattung Sciara sind eine wahre Qual für den, welcher die Bernsteinfauna genauer erforschen will; sie sind zahlreich, denn ich habe deren bereits 21 unterschieden, aber sie sind einander so ähnlich, dass ich davon kaum 12 ohne immer erneuerten Vergleich der ty- pischen Exemplare sicher zu unterscheiden im Stande bin. Ueberhaupt kann es kaum eine in al- len Körperformen eintönigere Gattung geben. Die Artunterschiede sind dabei so’ wenig markirte und man ist bei Beurtheilung derselben so leicht und so vielfältig optischen Täuschungen ausge- setzt, wie kaum bei noch einer andern Gattung, so dass man bei jedem Zuflusse von neuem Materiale immer wieder zu bessern und zu berichtigen findet; dieser Zufluss aber ist: um so reich- 34 ————— licher, aber auch um so langweiliger, je häufiger einige Arten sind. So habe ich’ von’einer durch etwas rauchbehaarte Fühler ausgezeichneten kleinen Art, welche ich deshalb‘ Sciara hirticornis nenne, schon viel über 300 Exemplare vor Augen gehabt. Unter allen ist keine einzige ausge- zeichnete Art. Ein Vergleich mit den bei uns lebenden Arten zeigt oft zwischen diesen und den fossilen kaum irgend einen Unterschied. Zu demselben Resultate kömnt man aber auch durch einen Vergleich derselben mit den im Kopal ebenfalls zahlreich auftretenden Arten dieser Gattung. Es sind auf solche Uebereinstimmungen bei dieser Gattung durchaus keine Schlüsse zu bauen. Sie scheint in allen Weltgegenden und seit je auf einen kleinen Kreis zahlreicher, aber sehr nahe verwandter Formen beschränkt zu sein. Von der Gattung Ieterotricha habe ich im Bernstein nur eine, durch untereinander- stehende längere und kürzere Behaarung der Flügelflächen ausgezeichnete Art, Heterotricha hirta, gefunden. Die Arten der Gattung Dianepsia ähneln manchen Leja-Arten sehr, gehören aber mit He- terotricha zur Unterfamilie der Sciarina. Mir sind aus dem Bernsteine nur 2 wenig ausgezeich- nete Arten bekannt. Lebende Arten, welche zur Gattung Dianepsia oder Heterotricha zu ziehen wären, sind mir bis jetzt nicht vorgekommen. Die Gattung Leja umfasst die Gattungen Leja und Boletina Staeg. und entspricht so ziemlich der Gattung Leja Meig., obgleich ich den Unterschied der Gattungen Leja und Mycetophila nicht mit letzterem auf die Anzahl der Punktaugen begründen durfte, da die grosse Schwierigkeit, welche die Beobachtung derselben bei den fossilen Arten bietet, die generische Stellung zu vieler Arten zweifelhaft gelassen haben würde. Die Arten lassen sich ziemlich ‚leicht unterscheiden; ich kenne deren 26, von ihnen 4 oder 5 nur erst nach schr mangelhaften Exemplaren. Zu den we- nigen besonders ausgezeichneten Arten gehört Leja interrupta, bei welcher der Vorderast des zwei- ten Längsnerven unterbrochen ist, und Leja platypus, bei welcher die Tarsen breitgedrückt sind. Eigentlich häufig scheint nur eine wenig ausgezeichnete Art, welche ich deshalb Leja frequens genannt habe, vorzukommen. Die Gattung Mycetophila bildet mit der Gattung Leja zusammen die Unterfamilie der Myce- tophilina. Ich fand bisher 23 Arten, von denen nur sehr wenige nicht ganz gesichert‘ sind, da die Artunterschiede auch in dieser Gattung nichts schwer Greifbares haben. Von den ausgezeich- neteren Arten nenne ich: M. leptocera mit schr schlanken Fühlern, M. macrostyla mit äusserst langem ‚Stiele der vordern Adergabel, M. pulvillata mit breitgedrücktem letzten Fussgliede und M, compressa mit von der Seite her zusammengedrückten Füssen. Aus der Gattung Sciobia und der ihr sehr nahestehenden Gattung Sciophila bilde ich die Unterfamilie der Sciophiliva. Die Arten beider Gattungen gehören zum "Theil zu den schwieriger festzustellenden, da nur ein sehr reiches Material darüber Auskunft geben kann, ob gewisse kleine Unterschiede im Flügelgeäder für spezifische Differenzen , oder nur für individuelle Abweichungen gelten müssen. In der Gattung Sciobia zähle ich 19 Arten, von denen aber 3 sich doch zuletzt vielleicht als Varietäten anderer ausweisen könnten. Zwei Arten, welche ich Seiobia quadrangularts und spinosa nenne, zeichnen sich durch die sehr starke Bedornung der Hinterschienen aus; Seiobia peduneularis ist an der Länge der zwischen den Queradern liegenden Zelle leicht zu erkennen. Unter den 15 Arten der Gattung Sciophila zeichnet sich Sciophila dilatata durch breitge- drückte Vordertarsen, Seiophila tenera durch ihre Kleinheit aus; es giebt ausser ihnen noch mehrere sehr leicht kenntliche Arten. 35° Die 5 nun noch folgenden Gattungen vereinige ich zu einer Unterfamilie, der ich den Namen Platyurina beilege; das Gemeinsame liegt besonders im Laufe der zweiten Längsader. — Die Gat- tung Diadocidia ist bereits von Ruthe aufgestellt worden. Die einzige fossile Art, welche Diadocidia parallela heissen mag, ist der bei uns lebenden Diadocidia flavicans nahe genug ver- wandt, um mit ihr in einer Gattung zu stehen. Dass die Gattung Macroneura auct. mit Diadocidia einerlei ist, habe ich schom an einem andern Orte (Ent. Zeitung VIII. 66) nachgewiesen. Die neue Gattung Aclada errichte ich für 2 Arten, welche sich durch schlankern Körperbau und das Vorhandensein eines Hülfsnervs von den Arten der Gattung Diadocidia wesentlich unter- scheiden. Die 5 fossilen Arten der Gattung Mycetobia stimmen weder mit den jetzt lebenden Arten dieser Gattung noch untereinander im Flügelgeäder recht vollständig überein, indem die Hülfsader bald da ist, bald, wie bei Mycetobia defectiva, fehlt, auch der Vorderast der zweiten Längsader bald kurz, bald lang ist; man könnte die Gattung vielleicht nach letzterem Unterschiede in zwei Unter- gattungen auflösen. Die Gattung Macrocera fand ich im Bernstein durch 6 Arten repräsentirt. Sie schliesst sich der Gattung Platyura sehr eng an und unterscheidet sich von ihr nur durch die viel schlankere Füh- lergeisel. Man thut gut, sie in 2 Gruppen zu zerlegen. Die erste dieser beiden Gruppen ent- spricht durch grössere Schlankheit der Fühler mehr den lebenden Macrocera - Arten; die dritte Längsader entspringt aus der Vereinigungsstelle der zweiten Längsader und der Querader. Die zweite Gruppe steht manchen Platyura - Arten sehr nahe und stimmt mit ihnen auch im Flügel- seäder überein, indem die dritte Längsader jenseit der Querader aus der zweiten Längsader entpringt. Von der Gattung Platyura kenne ich bis jetzt 16 Arten; sie bieten meist leicht wahrnehm- bare Formunterschiede dar, die so gross sind, dass diese Gattung wohl bald einer Zerlegung zu unterziehen sein wird. Die Zahl der Fühlerglieder steigt von 14 bei der kleinen Platyura Ehr- hardti m. bis auf 17; die Schienen sind am Ende bald mit einem, bald mit zwei Sporen bewehrt; auch das Flügelgeäder zeigt einige nicht unwichtige Unterschiede; so läuft z.B. bei Platyura con- juneta m. der Vorderast der zweiten Längsader nicht, wie bei allen andern Arten, nach dem Flügelrande, sondern nach der ersten Längsader. Fam. 6. Tipularia terricola, Schnaken. Es ist dies eine an manchfaltigen Formen reiche Familie. Die für die lebenden Arten übliche Systematik leidet noch an manchen Mängeln und ist für die fossilen Arten nicht anwendbar, da hier Unterschiede im Fühler- und Flügelbau als Gattungsunterschiede behandelt werden müssen, wenn man zu Sicherheit und Leichtigkeit der Bestimmungen gelangen will. Am wenigsten brauch- bar für meinen Zweck sind die grossen Gattungen Limnobia und Limnophila, welche ich deshalb in kleinere zu zerlegen gezwungen gewesen bin, was um so mehr gerechtfertigt erscheinen wird, je schwächer sie begründet sind. Beruht doch der Unterschied beider genau genommen nur auf der verschiedenen Bildung einer Flügelader, während andere viel grössere Unterschiede nicht nur im Baue der Flügel, sondern in dem des ganzen Körpers in jeder der beiden Gattungen vorhanden sind, aber bei jener Trennung völlig unberücksichtigt gelassen werden. Die jetzt übliche Spaltung der Gattung Tipula in die Untergattungen Tipula und Pachyrhina lässt sich kaum für die lebenden Arten, wo doch der Färbungsunterschied unterstützend dazukönmt, festhalten: für die fossilen Ar- 36 - —— ten muss diese Trennung völlig aufgegeben werden. — Ehe ich über die einzelnen Gattungen berichten kann, muss ich wenigstens eine Uebersicht derselben geben, da unter ihnen 11 neue befindlich sind; ich hoffe, dass diese Uebersicht ag wird, sie auch ohne eine ausführlichere Charakteristik kenntlich zu machen. 2 > oO n 13 14 noch letztes Tasterglied viel länger als die vorhergehenden zusammen, fadenförmig . . . an. letztes Tasterglied nicht so lang als die vorhergehenden zusammen oder kaum etwas, länger ec Sesubelte Dinssadern vorhanden... >04 la une ne ee ipaila alle Teansungern.eintach ee neo. 0 un EB hun ern ee ve REEL [5 Rüsselllinzer als Kopfund /Uhorax Zusammen a 5.7.00. 2.0.2, 2-2 a a re Rtssel’kuuzer als.densKopf 2.74 m ee ee. ori Toxorhina Macrochile Ruissel’dünn.. Daster Kurz, 7. sun. 0 a ae an Kusselftdick, ‚Taster lang, 0% urn se SE N SENT EEE WE. Fühlergeisel fadenförmig, Geiselglieder eylindrisch . . » » » 2 2 2 2 2 0 20% Geiselalteder nichtzcylindrisch an. 7. ra ES ER ER eier) Diskoidalzelle vorhanden, 8%. .: 7 vun San url Be 7 VER LE Fee are ER Diskoidalzelle fehlt [0 sn | Trichocera Cylindrotoma letzter Bim»sadensverkungts ner Rn letzte-angsadelagewolntiele m .n ae We een Anisomera Dixa enerlängsader zerahelt 7 u. a ZIyOL EANSSAdETnnTesaDelem ne. wer ee N ne a RE EeNg oe RR, alle: Bänssaderngeintachu.. se este 00 lol hen we ae re ee ea Sr die Längsadern zum Theil gegabelt. . . . . 2. 2.2... nur. die2tesliinesaderssegabell, 20222 nee Se an are a Se DS il die zweite und 4te Längsader gesabet . . nn. die 1ste und 2te Längsader durch keine Querader verbunden . . . » 2» 2 22. 2... ..B Erioptera Trichoneura die verbindende Querader senkrecht . -. . . ..! 2. üre- vierbindenden@uerader Schieb 2 27 . Rum en N Er Geiselglieder fast von gleicher Gestalt, Vorderast der 2ten Längsader nach der Flügelspitze hin gerichtet Calobamon Geiselglieder nach der Spitze hin viel dünner, Vorderast der 2ten Längsader schief nach dem Vorderrande gerichtet iste und 2te Längsader durch keine Querader verbunden . lste und 2te Längsader durch eine Querader verbunden Geiselglieder unten viel dicker, oben viel schlanker Geiselglieder von gleicher Dicke . . ... 2.2... Hunleralosliedtie en. ee Fühler 14gliedrig . r . . . eine Querader zwischen der Isten und 2ten Längsader } keine @uerader zwischen der Isten und 2ten Tänksader Haploneura Critoneura Tanymera Tanysphyra Styringomy Ataracta Allarithmia. | die Iste und 2te Längsader durch eine Querader verbunden . . . 2.2. ... 2fg 0, "> 3), een 12 { \ | 15 ia 17 Die Arten der Gattungen Tipula gehören zu den seltneren Erscheinungen im Bernsteine, seltener finden sich zu der überhaupt schwierigen Bestimmung brauchbare Stücke. Die 37 Männchen kommen viel häufiger vor als die Weibchen; von letztern habe ich noch kein gut erhal- tenes Stück gesehen. Die meisten Arten zeichnen sich durch geringe Grösse aus; so messen Ti- pula brevirostris und eucera nur 3 Linien, andere ‘Arten nicht viel mehr. Von den 16 bis jetzt aufgefundenen Arten werden sich kaum 11 bis 12 sicher stellen lassen; auch darunter sind einige nur in defekten Exemplaren vorliegende, wie z. B. die durch ihre zolllange Grösse ausgezeichnete Tipula Goliath m. — Gut erhaltene Exemplare der Gattung Tipula, besonders weiblichen Ge- schlechts, gehören zu den Dingen, auf welche der Sammler sein Auge ganz besonders zu richten hat. Von der interessanten Gattung Rhamphidia scheinen im Bernstein wenigstens 4 Arten vor- zukommen, von denen ich 2 sehr genau charakterisiren kann. Die grössere, Rhamphidia pulchra, unterscheidet sich von der viel kleinern Rhamphidia minuta durch längern Rüssel und längere Ta- ster; übrigens zeigen beide grosse Uebereinstimnung: Die durch den merkwürdig langen, fadenförmigen Rüssel ausgezeichnete Gattung Toxorhina kenne ich in 3, an der verschiedenen Länge des Rüssels leicht zu unterscheidenden Arten, welche ich Toxorhina longirostris, pulchella und brevipalpa genannt habe. Es hat die Gattung Toxorhina mit der Gattung Aporosa Macg. die allergrösste Aehnlichkeit, so dass ich vermuthe, dass beide zusammenfallen werden. Herr Macquart beschreibt in seinen Dipt. exot.I. 1. zwei Arten von der Insel Bourbon und von den kanarischen Inseln; andere kommen in Westindien vor. Seine Abbil- dung des Rüsselbaues würde eine Vereinigung beider Gattungen nicht zulassen, ‚wenn sie richtig wäre, seine Beschreibung zeigt aber zur Genüge, dass sie völlig verfehlt ist. Die äusserst kur- „en Agliedrigen Taster sitzen bei Toxorhina ganz am Ende des Rüssels. Die ausgezeichnete Gattung Macrochile steht in naher Verwandtschaft mit Ptychoptera; sie zeichnet, sich durch eigenthümlichen Flügelbau, einen langen, gewaltig dicken Rüssel, lange Taster und Fühler, wie sie die Gattung Cylindrotoma hat, aus. Die einzige Art derselben, Macrochile spectrum, gehört zu den allerseltensten Erscheinungen der Bernsteinfauna. Die Gattung Cylindrotoma enthält 4 leicht und sicher zu unterscheidende Arten: Cylindro- toma Suceini, longicornis, longipes und brevicornis.- Von zwei andern Arten habe ich noch keine Exemplare mit vollständigen Fühlern oder Flügeln erhalten können. Die beiden Arten der Gattung Trichocera, welche ich bisher im Bernstein aufgefunden habe, gleichen unsern einheimischen Arten schr und unterscheiden sich nur durch ziemlich geringfügige Abweichungen im Flügelgeäder. Ein einziges sehr defektes Individuum repräsentirt die Gattung Anisomera. Ich habe diese Art Anisomera Suceini genannt. — Sammler müssen auf die gegenwärtige und auf die unmit- telbar vorhergehende Gattung besonders aufmerksam sein. Von der Gattung Dixa vermag ich nur 4 Arten sicher zu charakterisiren. Die Artunter- schiede sind schwierig und die Exemplare dieser Gattung im Bernsteine selten. Die Gattung Erioptera zählt viel Arten, auch sind Individuen der einzelnen Arten nicht gar selten, desto seltener aber brauchbar. Die Unterscheidung der Arten wird durch die Veränderlich- keit des Flügelgeäders sehr erschwert; von 14 Arten, welche ich früher unterscheiden zu können glaubte, halte ich jetzt nur noch 8 für sicher begründet. Die kleine Gattung Trichoneura ist auf Kosten der Gattung Limnophila Macq. gebildet; sie zeichnet sich durch die Behaarung aller Flügeladern aus, Trichoneura vulgaris ist eine der sehr gewöhnlichen Erscheinungen des Bernsteins, besonders im männlichen Geschlecht. Nach den mir 38 bis jetzt vorliegenden Thatsachen muss ich noch 3 andere Arten unterscheiden; vielleicht erweisen sie sich künftig nur als ausgezeichnete Varietäten vor Trichoneura vulgaris. Die Gattung Calobamon zählt nur eine, noch dazu sehr seltene Art. Die durch ihr einfaches Flügelgeäder ausgezeichnete Gattung Haploneura zählt 4 sehr fest unterschiedene fossile Arten. Bruchstücke von andern kommen vor, lassen aber keine Charakte- risirung ZU. Die beiden Arten der, der vorigen Gattung nahe stehenden, Gattung Critoneura gehören zu den Seltenheiten. Ich habe von Critoneura longipes nur 1 Weibchen, von Critoneura pentago- nalis nur 1 Männchen gesehen. Der Bernstein scheint 4 Arten der Gattung Tanymera zu enthalten; drei kann ich mit Be- stimmtheit unterscheiden, aber nur zwei genügend charakterisiren, da bei dem einzigen Exemplare der 3ten Art die Fühler zu unvollständig sind. Die schöne, schlanke Tanysphyra gracilis ist die einzige, aber durchaus nicht seltene Art der Gattung Tanysphyra. Zu den in mehr als einer Beziehung interessanten Gattungen gehört die durch Flügelbau und die eigenthümliche gabelförmige Gestalt der männlichen Haltzange ausgezeichnete Gattung Sty- ringomyia. Ich habe schon oben bei der Gattung Diplonema bemerkt, dass im Kopal eine von mir als Styringomyia venusta beschriebene Art vorkömmt, welche von der im Bernstein vorkom- menden Styringomyia gracilis kaum recht sicher zu unterscheiden ist. Ich kenne von der Bern- steinart nur ein Männchen, von der Kopalart nur ein Weibchen; im Flügelgeäder ist allerdings ein Unterschied vorhanden; es müssen erst von beiden Arten mehr Exemplare gefunden werden, ehe sich beurtheilen lässt, ob er constant ist. Die Gattung Ataracta zählt ziemlich viel Arten, von denen ich bis jetzt 8 mit Sicherheit unterscheiden kann. Die Gattung Allarithmia zeichnet sich durch nur JOgliedrige Fühler aus. Die einzige Art derselben, Allarithmia palpata, ist mir nur in einem einzigen Exemplare zu Gesicht gekommen: sie &ehört jedenfalls zu den grossen Seltenheiten. - Fam. 7. Tipularia floricola. Fliegenartige Mücken. Wenn man diese Familie auch nur in der gewöhnlichen Umgrenzung annimmt, umfasst sie schon Vieles, was wegen grosser Verschiedenheit der Organisation eigentlich getrennt werden sollte. Mich nöthigt die Rücksicht auf Uebersichtlickeit auch noch die Gattung Simulia und zwei andere Gattungen, zu denen unter den jetzt lebenden Insekten nichts Analoges bekannt ist, in sie aufzunehmen. Die letztern beiden Gattungen, welche ich Electra und Chrysothemis nenne, bilden einen wahren Uebergang von der Abtheilung der Diptera nematocera zur Abtheilung der Dip- tera brachycera; der ganze Körperbau scheint ihnen mehr ihre Stellung bei letztern anzuweisen, der Fühlerbau weist sie zu erstern. Von der Gattung Simulia glaube ich 6 Arten unterscheiden zu können: 4 Arten sind un- zweifelhaft festgestellt. Von der Gattung Dilophus ist mir nur ein einziges Weibchen vorgekommen, welches in der Stellung der dicken Dornen auf dem Thorax von allen bei uns einheimischen Arten abweicht. Ich nenne die Art Dilophus priscus. 39 Von der Gattung Scatopse unterscheide ich 3 Arten. Alle 3 stimmen im Flügelgeäder mehr überein, als es Arten dieser Gattung sonst zu thun pflegen, so dass der Verdacht nahe liegt, dass hier die Trenpung auf einem Irrthume beruhen möge. Nach nochmaliger genauster Prüfung des mir vorliegenden Materiales, muss ich doch, wenigstens für jetzt, bei der Trennung stehen bleiben, da ich Unterschiede in der Bildung der Fühler und Beine sehe, welche durch keine Uebergänge vermittelt sind. Die beiden von mir unterschiedenen Arten der Gattung Plecia kommen im Bernstein nicht eben selten vor. Es ist;mir sehr wahrscheinlich, dass unter den meist nicht recht gut bestinm- baren Stücken dieser Gattung noch einige andere Arten enthalten sein werden. Von der Gattung Rhyphus unterscheide ich 4 Arten, über die Unterschiede einer Sten bin ich sehr zweifelhaft. Es ist merkwürdig genug, dass von dieser Gattung zuweilen Exemplare vorkommen, bei denen die Spuren der dunkeln Flügelzeichnung noch völlig deutlich erhalten sind. Sie weichen in ihren Körperformen von unsern einheimischen Arten nicht wesentlich ab. Die Gattuug Electra mit 13-gliedrigen und die Gattung Chrysothemis mit 23-gliedrigen Fühlern stehen in ihrem ganzen Körperbaue, namentlich auch im Verlaufe der Flügeladern, den Xylophaginen so nahe, dass sie trotz ihres abweichenden Fühlerbaues ganz gut bei denselben ste- hen könnten. Sie gehören zu den grössten Seltenheiten der Bernsteinfauna; sowohl von Electra formosa, als von Chrysothemis speciosa habe ich nur erst ein einziges Exemplar gesehen. Die Gattung Bibio scheint auffallender Weise im Bernsteine ganz und gar zu fehlen. Sect. HH. BDiptera brachyeera. Fliegen. SubdivisioA. ENTOMOCERA. Ich rechne zu dieser Unterabtheilung alle diejenigen Dipteren, bei welchen das Ste Fühlerglied entweder geringelt oder mit endständiger Borste oder mit eben solchem Griffel versehen ist; auch gehören einige Gattungen, bei welchen das letzte Fühlerglied weder Griffel noch Borste hat, hierher. Ich weiss recht gut, was sich dagegen einwenden lässt, für die fossilen Dipteren ist diese Ein- theilung aber völlig ausreichend und zugleich die, einfachste. Fam. S. Xylophagina. Ein schöner, grosser Xylophagus, den ich X. Mengeanus nenne, gehört zu den interessan- testen Stücken. Eine andere Art dieser Gattung ist nicht aufgefunden. Eine zweite Gattung, welche der Gattung Rüppelia ziemlich nahe steht, glaube ich trotz des etwas abweichenden Flügelgeäders zu der Familie der Xylophaginen rechnen zu dürfen. Ich lege ihr den Namen Bolbomyia bei und unterscheide 2 Arten. Charakteristisch ist die Bildung _der Fühler, deren drittes Glied aus 4 oder 5 Abschnitten besteht, von welchen der erste viel grösser und geschwollen ist. Mehr Zweifel habe ich wegen einer dritten Gattung, die ich kaum wo anders, als in gegen- wärliger Familie unterzubringen weiss. Leider steht mir nur ein einziges Exemplar zu Gebote, welchem die Spitzenhälfte beider Flügel fehlt. Der ganze Habitus würde es zu den Bombyliariern verweisen; auch scheint die Rüsselbildung ihm diesen Platz anzuweisen. "Die dreizähligen Pulvillen lassen aber eine solche systematische Stellung nicht zu. Die Fühler sind von höchst eigenthüm- licher Bildung; ihr 3tes Glied ist nämlich kurzeylindrisch, gar nicht geringelt und überall behaart; die Vermuthung, dass vielleicht eine Fühlerbildung, ähnlich wie bei der vorhergehenden Gattung vorhanden gewesen, die folgenden Ringel des letzten Gliedes aber verloren gegangen seien, will der Augenschein nicht bestätigen. Ich nenne dies merkwürdige Insckt Habrosoma antiqua. 40 Fam. 9. Tabanidea. Von dieser ganzen Familie habe ich im Bernstein nur ein einziges Individuum der Gattung Silvius gefunden. Ich nenne ihn Silvius laticornis. Die Existenz der Tabaniden kann als ein Beweis der gleichzeitigen Existenz von Säugthieren angesehen werden, auf welche die blutsau- genden Weibchen derselben angewiesen sind. Fam 10. Acanthomerina. Auch aus dieser Familie ist mir nur ein einziges Individuum vorgekommen. Als ich es ken- nen lernte, wusste ich es in keine der bekannten Gattungen unterzubringen. Vor etwa einem Jahre erhielt ich in einer Sendung ostsibirischer Insekten eine Art derselben neuen Gattung, welcher ich den Namen Arthropeas sibirica gegeben habe. Es ist in all und jeder Beziehung der Ar- thropeas nana im Bernsteine ganz überaus ähnlich, nur merklich grösser. Fam. 11. Xylotoma. Aus dieser Familie ist mir nur die Gattung Thereua, diese aber in 3 Arten vorgekonmen; eine derselben zeichnet sich durch dicken Hinterleib aus, weshalb ich sie Th. pinguis nenne. Die bei- den andern Arten haben zwar viel Aehnlichkeit, scheinen sich aber doch gut zu unterscheiden ; eine derselben gehört der Untergattung Psilocephala an, während die andere eine ächte Thereua zu sein scheint, Fam. 12. Bombyliaria. Auch von dieser Familie kenne ich nur eine einzige Art; sie gehört-der durch ihre Fühlerbil- dung sehr ausgezeichneten Gattung Corsomyza an, deren bisher bekannte lebende Arten sämmt- lich aus dem südlichen Afrika stammen. Die fossile Corsomyza crassirostris weicht in nichts We- sentlichem von den jetzt lebenden Arten, welche ich gesehen habe, ab. Fam. 13. Asilica. Wiederum eine sehr sparsam repräsentirte Familie. Wie sich bei den 4 vorhergehenden ihr seltenes Vorkommen im Bernsteine durch die Lebensweise erklären lässt, so hier durch die bedeu- tende Körperkraft dieser starken Räuber. Die Gattung Asilus zählt zwei Arten, Asilus angustifrons und trichurus; eine Ste Art liegt nur in einem völlig unbrauchbaren Exemplare vor. Von der Gattung Dasypogon kenne ich gar nur eine Art, welche der Untergattung Holo- pogon angehört; ich habe sie Das. pilipes genannt. Von allen Arten dieser Familie habe ich nur je ein Exemplar gesehen. Fam. 14. Leptidea. Von der Familie der Leptiden kommen die Gattungen Leptis und Atherix in zahlreichen und oft sehr schön conservirten Exemplaren vor. Nichtsdestoweniger ist ihre Bestimmung eine wahre Plage. Die Veränderlichkeit des Flügelgeäders und der Körpergrösse macht es sehr schwer, ein bestimmtes Resultat zu erlangen; überdiess wird die Untersuchung nicht durch die Anwesen- heit erheblicher Formdifferenzen unterstützt. Ich kann von der Gattung Leptis nur 5, von der Gattung Atherix gar nur 4 Arten recht sicher unterscheiden, obgleich ich fest überzeugt bin, dass wenigstens die doppelte Artenzahl vorhanden ist. 41 Fam. 15. Hybotina. Die Hybotinen sind, wie unter den bei uns lebenden, so auch unter den fossilen Arten viel seltener als die Tachydromiden und Empiden. Alle 3 Familien sind kaum ganz scharf von einander zu son- dern. Für die fossilen Dipteren sind die vom Baue des Rüssels, der Gestalt des Kopfes und des Thorax u. s. w. hergenommenen Merkmale, durch welche man sie gewöhnlich zu trennen pflegt, unbrauchbar. Ich stelle deshalb hier diejenigen Gattungen zu den Hybotinen, bei welchen die hin- hintere der beiden Wurzelzellen des Flügels länger als die vordere ist, zu den Empiden dagegen alle diejenigen, bei denen die hintere höchstens so lang oder kürzer als die vordere ist, so dass die hintere Grenze beider fast in einer Flucht liegt. Diese Art beide Familien zu unterscheiden hat den Vortheil der Schärfe und Einfachheit für sich. Die Gattung Brachystoma wird dadurch zu den Hybotinen, Leptopeza und die im Bernsteine nicht vorkommende Gattung Ocydromia dage- gen zu den Empiden verwiesen. Von der Gattung Hybos selbst kommen im Bernstein 2, von Brachystoma eine der Bra- chyst. vesiculesa sehr nahestehenden Art, welche ich Brachyst. spinulosa genannt habe, vor. Fam. 16. Empidea, Die Familie der Empiden tritt im Bernstein ziemlich artenreich auf; ich konnte bis jetzt schon 53 Arten unterscheiden; keine dieser Arten ist häufig, die Mehrzahl sind selten. Sie ist wegen ihres grossen Reichthumes an manchfaltigen Formen interessant, und ihre Arten sind leicht und sicher zu unterscheiden. Aber eben wegen dieser Formmanchfäaltigkeit wollen sich nicht alle Ar- in die bisher aufgestellten Genera einreihen lassen, so dass ich mich genöthigt gesehen habe, 5 neue Gattungen zu errichten, welche zusammen aber nur 10 Arten umfassen. Es würde die Cha- rakterisirung derselben hier zu weit führen,. ich will deshalb nur erwähnen, dass eine derselben, mit 2 Arten, der Gattung Hilara sehr nahe steht, welche ich bis jetzt im Bernsteine noch nicht aufgefunden habe. — Von den bereits bekannten Gattungen zählt Leptopeza 3 Arten, unter de- nen sich Leptopeza clavipes durch keulenförmige Hinterschienen auszeichnet. — Von der Gattung Rhamphomyia habe ich 21 Arten beobachtet; von ihnen zeichnen sich ans: Rhamph. ungulina durch gewaltig grosse Klauen und Pulvillen, Rhamph. distans durch voneinander entfernte Augen des Männchens, Rhamph. crinitärsis durch den verlängerten und langbehaarteu Metatarsus der Hin- terbeine; auch findet sich eine ganze Reihe von Arten; wie z. B. Rhamph. ptilopa, pteropa, anti- pedalis, formosa, remitarsis u. s. w., bei denen die Weibchen gefiederte Beine haben. — Von der Gattung Empis kenne ich 16 Arten, darunter ebenfalls ziemlich viele, deren Weibchen gefiederte Beine haben; Empis pulvillata zeichnet sich durch die Grösse der Klauenpolster aus. — Die unter den lebenden Dipteren so seltene Gattung Gloma zählt im Bernsteine 3 Arten, von denen nur Gloma hirta das letzte Fühlerglied von der rundlichen Gestalt, wie die jetzt lebende Gloma fuseipennis hat; bei Gloma acuticornis und palpata m. dagegen ist es erheblich spitzer. Fam. 17. Tachydromidea, » Fast ganz das, was ich von voriger Familie gesagt habe, gilt auch von gegenwärtiger, nur dass bei dieser die Arten zum Theil weniger leicht zu unterscheiden sind. Sie lässt sich ziemlich gut in die Gattungen Hemerodromia, Tachypeza, 'Tachydromia und Drapetis zerlegen, wenn man die Anwesenheit der Diskoidalzelle als Hauptmerkmale der Gattung Hemerodromia ansieht. — Die Gattung Hemerodromia zählt 3 einander sehr nahestehende Arten; in der Gattung Tachy- 42 peza habe ich 5 und in der Gattung Tachydromia 7 Arten bemerkt. Von der Gattung Dra- petis kam mir nur eine Art: vor, — Von besonderer Auszeichnung einzelner Arten- wüsste ich nichts anzuführen; auch ist die Abweichung von den bei uns lebenden Arten in keiner Beziehung auflallend. SubdivisioB.. HAPLOCERA. Fam. 18. Pipunculina. Aus dieser Familie habe ich nichts als ein einziges Männchen der Gattung Pipunculus ge- sehen. Dieser Pipunculus Sucecini ‚steht keiner mir bekannten lebenden Art näher, als dem Pipun- culus auctus, dem er namentlich hinsichtlich des Flügelgeäders sehr gleicht. Fam. 19. Dolichopodea. Die Individuenanzahl der im Bernsteine vorkommenden Dolichopoden ist ganz ausserordentlich gross; sie stehen in dieser Beziehung hinter den Pilzmücken nicht sehr weit zurück, keine andere Familie aber nähert sich diesen beiden auch nur von fern. Hinsichtlich der Artenanzahl dürften sie etwa den Erdmücken gleich stehen, indem ich von den Dolichopoden bisher 68 Spezies zählte, Es ist dabei freilich zu bedenken, dass bei den Dolichopoden die Arten viel schwerer zu unterscheiden sind, so dass gar leicht die wahre Anzahl ihrer Arten sich noch höher stellen könnte. Die meisten Schwierigkeiten bieten die nur schr wenig leicht wahrnehmbare Unterschiede zeigenden Weibchen. Aber auch hinsichtlich der Männchen sind die Schwierigkeiten gross genug, da im Bernsteine nur sehr wenige Arten vorkommen, welche Auszeichnungen der Art, wie so viele lebende Spezies, haben. WUeberhaupt macht die Gesammtheit der im Bernsteine enthaltenen Dolichopoden einen et- was einförmigen Eindruck, welcher von dem unserer einheimischen Fauna merklich abweicht. Es ist nicht ganz leicht, in der Kürze einen klaren Ueberblick über sie zu geben, da die für die le- benden Arten errichteten Gattungen hier fast völlig unbrauchbar sind. Gerade die Merkmale, auf welche man sie begründet hat, lassen sich bei den fossilen Arten nur sehr schwer wahrnehmen; dies gilt selbst von der Stellung der Fühlerborste, welche indess eines der brauchbarsten Merk- male ist. Von der Gattung Dolichopus selbst kommen nur Arten aus der Verwandtschaft von Dol. nigrilamellatus u. s. w. vor; grössere Arten aus der Verwandtschaft des Dol. ungulatus feh- len dagegen ganz. ' Von der Gattung Rhaphium kommen'nur einige wenig ausgezeichnete Arten vor: reicher an Arten ist die Gattung Porphyrops. — Von der Gattung Psilopus fin- den sich wiederum nur etliche Arten. Die Gattung Medeterus im weitesten Sinne ist die am artenreichsten repräsentirte; von der Gattung Chrysotus kommen wenigstens viel Individuen vor, wenn sich auch nur: wenig Arten sicher unterscheiden lassen. — Eigenthümlichkeiten, welche bei den lebenden Arten bisher noch nicht beobachtet wurden, sind der dicke Rüssel einiger und die an der Spitze tief ausgeschnittenen Fühler anderer Arten. Fam. 20.. Syrphina, Man kann diese Familie keineswegs artenarnı nennen, aber zur Bestimmung recht brauchbare Stücke sind selten und auch diese wollen sich nicht recht gut in dievüblichen Gattungen einreihen lassen. Ueberhaupt bietet sie viel von der bei uns einheimischen Fauna Abweichendes. Die grösste im Bernstein vorkommende Art ist eine Volucella. Die meisten Arten gehören der Gat- tung Syrphus selbst an, welche freilich in weiterem Sinne, als bei’ den jetzt lebenden -Dipteren, zu 43 höhmieh ist, da sich die ihr am nächsten stehenden Gattungen bei diesen von ihr nicht unterschei- den lassen; die beiden grössten Arten scheinen Cheilosien zu sein, doch weichen sie von allen mir bekannten Arten dadurch sehr ab, dass die Spitzenquerader beinahe in die Flügelspitze mün- det, wodurch ihr Flügelgeäder dem der folgenden Familie sehr ähnlich‘ wird. Ziemlich charakte- vistisch für die Bernsteinfauna ist eine Reihe von Arten, welche in ihrem Körperbau der Gattung Ascia gleichen, aber bewehrte Hinterschenkel, wie die Gattung Sphegina, haben, zu welcher sie wohl am natürlichsten gestellt werden; einige von ihnen gleichen im Körperbaue ächten Syrphus- Arten. Zu den eigenthümlichen Formen, welche in gar keine der bisher errichteten Gattungen passen wollen, gehört ein Insekt, welches so ziemlich das Ansehen einer Xylota, aber ausser den bewehrten Hinterschenkeln auch stark bewehrte Vorderschenkel hat. Eine andere Art dieser Familie fordert schon wegen ihrer überaus dieken und kurzen Beine die Errichtung einer eigenen Gattung. Fam. 21. Myopina. Die Myopinen zählen nur eine, aber eine höchst merkwürdige Art, welche die Errichtung ei- ner neuen Gattung zu erfordern scheint; sie gleicht vielmehr einer Myopa als einem Conops, hat aber durchaus nicht die aufgeblasene Form des Kopfes der Myopa - Arten und einen ganz kurzen, dicken Rüssel, wie er übrigens auch in der Gattung Conops unter den lebenden Arten vorkömmt. Fam. 22. Muscaria. Ich begreife in dieser Familie die eigentlichen Muscarien, Sarcophaginen und 'Tachinarien, da eine einigermaassen gesicherte Unterscheidung derselben im Bernsteine "nicht möglich ist. Statt des grossen Reichthumes, den man erwarten sollte, zeigt der Bernstein eine ganz auffallende Ar- muth an Arten derselben. Die wenigen Individuen, welche vorkommen, sind selten so erhalten, dass eine genügende Bestimmung der Gattungsmerkmale, geschweige denn der Artmerkmale mög- lich wird. Ich zähle nur 12 bis 14 Arten, von denen kaum 5 bis 6 sicher charakterisirbar sind. Fam. 3. Anthomyina. Hierher muss ich nothgedrungen alle Fliegen mit dem Flügelbau der Anthomyia- Arten rech- nen, die in der Körpergestalt von dieser Gattung nicht wesentlich abweichen. Es versteht sich von selbst, dass dadurch manches keineswegs Zusammengehörige zusammengeworfen wird, aber das mir vorliegende Material lässt bis jetzt keine bessere Lösung zu, da von der Conservation der Individuen dieser Familie im Allgemeinen ganz dasselbe, wie von denen der vorigen, gilt, Auch von gegenwärliger zähle ich nicht mehr Arten, als von voriger. Fam, 23. Acalyptera. Ich nehme diese Familie in dem Umfange, wie Meigen im ten Theile seines Werkes die Acalypterae nimmt, schliesse aber von derselben alle die Gattungen aus, welche sich sehr durch abweichenden Körperbau auszeichnen. Von den 28 Arten, welche hierher gehören, sind nur we- nige der Gattung nach sicher bestimmbar. Die meisten gehören zu den höchst zweifelhaften Ob- jecten. Ich glaube die Gattungen Sapromyza, Helomyza, Ephydra, Drosophila und Chlorops mit, Sicherheit erkannt zu haben. — Diese und die beiden vorhergenannten Familien umfassen einen grossen und interessanten "Theil des Systemes; trotz der'Reichhaltigkeit des Materiales, welches 44 durch meine Hände gegangen ist, kann ich über dieselben nur dürftige Auskunft geben. Es er- klärt sich dies daraus, dass auf 200 Bernsteinfliegen schwerlich mehr als eine kommen wird, welche in den Kreis dieser 3 Familien gehört. Sammler werden sich ein besonderes Verdienst erwerben, wenn sie derselben ihre Aufmerksamkeit zuwenden. Fam. 24. Leptopodea. Von dieser leicht kenntlichen Familie habe ich 2 schöne Calobata- Arten aufgefunden, von denen die eine den grössten exotischen Arten an Körperlänge gleichkommt. Fam. 26. Trineura. Artenreich und ziemlich reich an Individuen schliesst diese Familie durch die Gattung Phora die Reihe der Bernsteindipteren. Ich unterscheide 11 Arten, von denen keine etwas von unsern einheimischen auffallend Abweichendes zeigt. Gedruckt bei F. W. Lorenz in Meseritz, Schulnachrichten. 1. Die Lehrverfassung, Es hat sich in ihr seit dem vorigen Schuljahre durchaus nichts Wesentliches geändert, so dass es erlaubt sein möge in Beziehung auf dieselbe auf das vorjährige Programm zu verweisen. Durch den Amtsantritt des Unterzeichneten sind zwar einige Veränderungen in der Besetzung einzelner Lehrgegenstände, aber keine im Lehrgange der Anstalt eingetreten; vom Anfange des niächsten Semesters an, wird dagegen eine wesent- liche Abänderung eintreten. — Der Unterricht im Singen und Zeichnen ist ebenfalls in der frühern Weise fortgeführt worden. — Auf den Turnunterricht, so erfreulich derselbe auch im Sommer gedeiht, wirkt die lange Unterbrechung im Winter sehr störend ein; zur Errichtung eines Turnschuppens, welcher diesem sehr fühlba- ren Uebelstande abhelfen würde, haben sich bis jetzt noch keine Mittel gefunden. — Für die Sicherheit der Badenden und für die Ertheilung von Schwimmunterricht ist durch Annahme eines erfahrenen Schwimmmeisters gesorgt worden; durch Bezahlung eines Theiles der für den öffentlichen Badeplatz zu entrichtenden Miethe ist den Schülern das Recht zur ausschliesslichen Benutzung desselben in der Abendstunde von 6 bis 7} Uhr er- worben worden, in welchem sie leider noch vielfach, zum Theil auf sehr unziemliche Weise, gestört worden sind. Obgleich die ganze Einrichtung in diesem Jahre allerdings noch manches Mangelhafte gehabt hat, so hat sie doch Sicherung gegen die Gefahren gewährt, welchen die Badenden ohne sie ausgesetzt gewesen sein wür- den; je grösser diese, besonders bei dem Baden in der sehr trügerischen Obra, sind, desto lebhafter muss der Wunsch sein, jenen sichernden Einrichtungen für die Folgezeit eine grössere Vollkommenheit geben zu können. Mit Recht darf diese Angelegenheit dem Wohlwollen der dabei so nahe betheiligten Eltern und An- gehörigen unserer Schüler empfohlen werden, durch welches ja schon so manches der Anstalt Erspriessliche gefördert worden ist. 2, Amtliche Verordnungen. Unter der Verordnungen der hohen vorgesetzten Behörden sind diejenigen von besonderem Interesse für die Zöglinge unserer Anstalt und für ihre Angehörigen, durch welche denjenigen Realschulen, welche eine hö- here Ausbildung, als andere Anstalten desselben Namens, gewähren, das Rec # Zeugnisse der Reife für den Ein- tritt in die Königliche Bauakademie zu ertheilen, beigelegt worden ist. Wir haben die freudige Genugthuung gehabt, durch einen Erlass des hohen vorgeordneten Ministerii vom 27. Mai d. J., unsere Anstalt unter die nicht grosse Anzahl derjenigen Realschulen aufgenommen zu sehen, welchen fortan dieses Recht zusteht. — Im engsten Zusammenhange mit dieser Berechtigung stehen die durch eine Verfügung des Königlichen Provinzial- Schulkollegii vom 5. Juni d. J. angeordneten 2jährigen, statt der bisher 1!jährigen Lehrkurse in den beiden obersten Klassen, eine Einrichtung, durch welche unsere Anstalt in vielfacher Beziehung gewinnen wird, welche aber auch wesentliche Abänderungen im Lehrziele der vorhergehenden Klassen nöthig macht. Wir haben fortan einen Sjährigen Lehrkursus; soll dieser nicht zu spät vollendet werden, so müssen die Schüler uns in einem Alter von 10 bis I2 Jahren anvertraut werden, was auch ganz gut möglich ist, da zur Aufnahme nur einige Feıtigkeit im Lesen, die Fähigkeit Diktirtes ohne zu grosse Unbehülflichkeit und ohne gar zu viel or- thographische Fehler nachzuschreiben, und Kenntniss der 4 Rechnungsarten mit unbenannten Zahlen gefordert wird. Leider handeln Eltern, welche uns ihre Söhne anvertrauen wollen, in dieser Beziehung häufig ganz und zar gegen ihr eigenes Interesse, indem sie die häusliche Vorbereitung oder den Besuch anderer Schulen weit über dieses Ziel hinaus fertdauern lassen. 3. Chronik. Das Schuljahr wurde am 15. Oktober, dem Geburtstage Sr. Majestät des Königs, welcher zugleich als Stiftungstag der Anstalt gefeiert wird, mit einem festlichen Actus eröffnet; die Festrede hielt Herr Oberlehrer Holzschuher. Der Oberlehrer Cärl Schültz, welcher seit 1335 an der Realschule ‚angestellt war und derselben durch seine bedeutenden Kenntnisse, namentlich in der französicheh Sprache, wesentliche Diehste geleistet hat, wurde im Dezember 1844 seiner amtlichen Thätigkeit enthoben. Körperliche Leiden, welche nicht ohne Einwirkung auf seine Geisteskräfte geblieben waren, führten im; Dezeinber 1818 einen Schlaganfluss herbei, wodurch er einige Monate lang des vollständigen Gebrauches der Sprache beraubt ward. Im Mai d. J. wiederholte sich der Schlaganfall und äusserte sich auch geistig so bedenklich, dass der Kranke in die Provinzial-Irrenheilanstalt nach Owinsk gebracht werden musste. Vom 1. April 1850 ab wurde er pensionirt. — Die Hoflnung auf seine Genesung schwand immer mehr, und am 13. August d. J. endete ein sanfter Tod seine langen und schweren Leiden. Am 15.April d.J. führte der Herr Schul- und Regierungsrath Lucas den jetzigen Director der Anstalt in ılas neue Amt ein. Am 1. Mai fand die Vereidigung des Lehrercollegiums auf die Verfassung statt. Am 30. Juni beehrte der Herr Oberpräsident v. Beurmann die Anstalt mit seinem Besuche und Hohe lem Unterrichte siimmtlicher Classen bei. Der Freude, ihn in den Räumen der Anstalt zu sehen, mischse sich die schmerzliche Voraussicht bei, dass es uns nicht vergönnt sein werde, ihn, dessen humanem Wohlwollen die Anstalt so ausserordentlich viel verdankt, wiederum hier zu begrüssen. Möge dieses Wohlwollen der Anstalt, welcher es fortan nicht mehr vergönht ist, durch das Band eines amtlichen Verhältmisses in näherer Beziehung zı demselben zu stehen, sv dauernd erhalten bleiben, wie das freue Andenken an die vielen und grossen Be- weise desselben in unser aller Herzen fortlebt. 4. Statistische Nachrichten. A. Sammlungen: Die Sammlungen der Anstalt sind theils aus den etatsmässigen Fonds, theils durch Geschenke nicht unan- sehnlich vermehrt worden. Die Bibliothek erhielt durch Ankauf die Fortsetzungen mehrerer Zeitschriften und grösserer Sammelwerke, wie Heeren u. ÜUckert Gesch. d. europ. Staaten, — Liebig, Poggendorf u. Wöhler Handwörterb. d reinen u. angewandten Chemie, — Dietrich Deutschlands Flora, u. s. w. — Ferner wurden angekauft: J. Grimm Gesch. d. deutschen Sprache, — J. Grimm deutsche Mythologie, — v. Raumer Geschichte d. Pä- dagogik, — Lasowiez Poln. Grammatik, — Lukaszewicz Gesch. d. poln. Schulwesens, u. a. m. An Geschenken gingen derseiben zu: I. Von «dem Königl. Provinzial-Schulkollegio zu Posen: Lange, die neue Zeit u. d. Geschichtsunterricht, — V elendlanscn über die Reorganisation der höhern Schulen. Von dem Herrn Freiherrn v. Schwartzenau auf Gross - Dammer: Torquato Tasso, la Gerusa- lemme liberta. 3. Von Frau v. Zychlinska zu Meseritz: Friedrich IL, Königs von Preussen hinterlassene Werke. 4. Vom Herrn Professor Dr. Bernd zu Bonn: 10 Werke, die er entweder selbstständig verfasst, oder au denen er wesentlich mitgearbeitet hat. Herr Professor Bernd hat durch diese Schenkung die innige Theilnahme dargethan, wit welcher er die Geschicke seiner Vaterstadt Meseritz und die Entwickelung des Schulwesens begleitet. Möge diese Pietät, welche wir mit grösstem Danke anerkennen. recht zahlreiche Nachfolger finden. Vom frühern Direktor der Anstalt, Herrn K erst, mehrere hier zurückgelassene Bücher, zusammen 37 Werke: Schulbücher und andere Schriften, meist mathemathischen oder naturwissenschaftlichen Inhalts. Yom Herrn Buchhändler Ferdinand Hirt in Breslau: Wachler. Passows IL eben, — Guhrauer, Frei- herr v. Leibnitz, Ambrosch, Studien, — Huschke, über d. Census ete., — v. Seidlitz, Leit- laden der CR — Kambly Elementar - Mathematik, 2ter Theil, — Bütiner Hülfstabellen, — N) 47 Wimmer neue Beitr. zur Flora v. Schlesien, — Wimmer Flora v. Schlesien, — Auras u. Gner- lich, deutsches Lesebuch, und mehrere andere Schulbücher seines Verlages. — Es sei ihm für diese und andere weiter unten zu erwähnende Gaben, im Namen der Anstalt der herzlichste Dank gesagt. 7. Von der Buchhandlung Mittler u. Sohn in Berlin: Ritschl, Flora der Provinz Posen. $, Vom Oberlehrer Zeller in Glogau, Separatdruck einer in Oken’s Isis erschienenen Arbeit desselben über die Phyciden. 9, Ven der Buchhandlung Bädecker in Essen: Elite des Classiques Irangais. publiee p. Dr. Schwalb. 10, Einen sehr dankenswerthen Zuwachs hat die Bibliothek durch 50 Werke geographischen, historischen und belletristischen Inhalts gehabt, welche ihr von dem hiesigen wissenschaftlichen Vereine überwiesen worden sind, dem sie auch in frühern Jahren für ähnliche Gaben zu danken gehabt hat. Die Schülerbibliothek ist durch den Ankauf von 47 Nummern vermehrt worden. Als Geschenk erhielt sie: vom Herrn Buchhändler Hirt in Breslau: Thekla v. Gumpert, Erzählungen aus der Kinder- welt. 10 Bde. Die Errichtung einer besondern Bibliothek zur Unterstützung ärmerer Schüler durch Darleihung von Schulbüchern ist ein Bedürfniss der Anstalt. Da dieselbe hierzu keine disponiblen Fonds besitzt, hat bis jetzt hierfür nur Vereinzeltes geschehen können. Die dankenswerthe Bereitwilligkeit der Herren Buchhändler Hirt und U. Kern in Breslau, von den bei uns eingeführten Schulbüchern ihres Verlages eine genügende Anzahl von Exemplaren zu diesem wohlthätigen Zwecke gratis liefern zu wollen, eröffnet uns die Aussicht auf eine Vervollständigung dieser Einrichtung. Jede wohlwollende Förderung derselben werden wir mit grossem Danke anerkennen. Die Ansckaffungen für das chemische Laboratorium sind aus den etatsmässigen Fonds bestritten worden. Das physikalische Kabinet hat eine wesentliche Bereicherung durch den Ankauf eines Theodoliten erhalten. Da vonder für dasselbe im Etat ausgesetzten Summe, bei dem Umfange des physikalischen Unterrichtes auf unserer Anstalt nach Abzug der Ausgaben für bei dem Experimentiren Verbrauchtes und für die unvermeidlichen klei- nen Reparaturen nur sehr wenig zu Neukäufen übrig bleibt, so hat in einer längern Reihe von Jahren für Hauptreparaturen nichts geschehen können. Es würde völlig unmöglich sein, aus den Mitteln der Anstalt die Wiederherstellung und nothwendige Ergänzung des Apparates in einer Weise, wie es das Interesse der Anstalt fordert, zu bewirken. Mit desto lebhafterer Freude und desto grösserem Danke haben wir am Schlusse dieses Schuljahres in der Bewilligung der dazu nöthigen Mittel einen Beweis der Fürsorge und des Wohlwollens eines hohen vorgesetzten Ministerii empfangen. Für eine angemessene Aufstellung der Mineraliensammlung ist durch Anschaffung von vorläufig einem neuen Schranke Bahn gebrochen. Sobald es die Mittel der Anstalt gestatten, soll auf diesem Wege weiter vorgeschritten werden. Mehrere Mineralien der Töplitzer Gegend und eine geognostische Karte derselben dankt sie einem ungenannten Geber. — Auch erhielt sie vom Herrn Apotheker Selle in Birnbaum, der auch die übrigen Theile der naturhistorischen Sammlung bedachte, einige Mineralien von Helgoland, Ich kann dieser wohlwollenden Geber nicht gedenken, ohne zugleich den Wunsch auszusprechen, dass uns freundliches Wohlwollen mehr Gaben dieser Art zuführen möge; derselbe bezieht sich namentlich auf merk- würdigere Naturalien unserer Provinz, welche vereinzelt gar wenig Werth haben, diesen aber gewinnen, wenn sie auf eine Stelle zusammengebracht, geordnet und tüchtig bearbeitet werden. Ich mache in dieser Beziehung besonders auch auf die Versteinerungen unserer Umgegend aufmerksam, von denen hier schon viel Interessan- tes zusammengebracht ist. Ich hoffe, dieselben in einem unserer nächsten Programme von einem meiner Col- legen bearbeitet zu sehen und wünsche von Herzen, dass eine mehrseitige Theilnahme ihm bis dahin recht reiches Material zuführen möge. Für die zoologische und botanische Sammlung hat im verflossenen Schulkahre aus den Mitteln der Anstalt nichts geschehen können. — Ganz besonderer Dank gebührt deshalb einem Geschenke von 10 Rihlr., welches der Herr Apotheker Selchow hierselbst.zu einer passenden Vermehrung der zoologischen Sammlung gemacht hat; es wird dafür Sorge getragen werden, dass die dadurch ermöglichte Vermehrung derselben, den Namen des gütigen Gebers in dauerndem Andenken erhält und zu gleicher Pietät auflord®t. | | | | |Gesang ...... a, Unterrichts- gegenstände. Relision.....- Mathematik 45 B. Allgemeiner Lehrplan, Lehrer, Frequenz. !Prakt. Rechnen... ..» ‚Physik as es 0s sun. Chemie u. Mineralogie Botanik u. Zoologie... Geschichte... Geographie ....... Vlatem euere... | Deutsch SE .o 0. Französisch .....:.. Polnisch 2.20% Bunehsch 712... Meichnen?: u. HM Schreiben. ......».0 ANIME Kade 5 Hahnrieder| 4 i 7 Lehrer Fechner > m Schüßert er NOEr Schäfer ” Superintendent Vater Probst Gogol S.-A.-C. v. Kurnatowski c,» Frequenz. Im Winter-Semester Im Sommer-Semester Stundenzahl in jeder Klasse. 1jnummvvilz lea 2 ae 121 9 — 91 8! 9 a 119 sl 3l al a al 18 3i— 190 7 elaaa Ping Sg 691 13} sp’s| zoo \al'3ı 4) Sl a]—ı8 ‚21332 [8 2 |la2l 2 8 —-.2].4| 61.6/18 In jeder Klasse Schüler. I Il TIL) AV] V ‚VI 157136121 11131 12,30 30 57142)30 7 197 201 Die mündliche Prüfung der Abiturienten wurde am 23. September unter dem Vorsitze des Herrn Schul- Es erhielten das Zeugniss der Reife: l) Gustav Bethke, 173 Jahr alt, 3 Jahr auf der Anstalt, 13 Jahr in Prima, geht zur Artillerie. 2) Andreas Friedrich Berthold Hahn, 203 Jahr alt, 74 Jahr auf der Anstalt, 2 Jahr in Prima, wird Thierarzt. 3) Franz Louis Hesselbarth, 204 Jahr alt, 74 Jahr auf der Realschule, 2 Jahr in Prima, widmet sich dem Baufache. 4) Benno Erdmann v. Heinitz, 18} Jahr alt, 34 Jahr auf der Anstalt, 14 Jahr in Prima, wird Militär. deffentliche Prüfung. Freitag, den 27. September, : von $ Uhr ab. Choral. SEXTA: Geographie, Lehrer Fechner, — Deutsch, Lehrer Schubert, — Declamation. QUINTA: Latein, Hülfslehrer v. Kurnatowski, — Rechnen, Lehrer Schubert, — Declamation. QUARTA: Naturgeschichte, Oberlehrer Holzschuher, — Latein, Lehrer Knorr, — Geschichte, Oberlehrer Kade, — Declamation. TERTIA: Deutsch, Oberlehrer Holzschuher, — Französisch, Lehrer Schäfer, — Mathematik, Oberlehrer Kade. Gesang. Sonnabend, den 28. September, von S Uhr an. SECUNDA: Physik, Direktor Loew, — Geschichte, Professor Gaebel, — Französische Rede. PRIMA: Mathematik, Oberlehrer Kade, — Physik, Oberlehrer Hahnrieder, — Valedietion des Abiturienten v. Heinitz, Antwort des Primaner Selle. Entlassung der Abiturienten durch den Director. Schlussgesang. Die Schüler bleiben nach dem Schlusse der öffentlichen Prüfung zur Censurvertheilung ımd Versetzung versammelt. — Benachrichtigung: Wiederbeginn des Unterrichts: Montag, den 14. Oktober früh 8 Uhr. — Prüfung der neu Aufzunehmenden:: Sonnabend, den 12. Oktober und Montag, den 14. Oktober. an beiden Tagen von Vormittags 9 Uhr an. er a and: mat r arg A 8 e Me! L "D “ gi mike - we he n ER ER Gabe HERE: Ar a ri Tor he ie DE ch e \ . io 27 | Rh 3 7 r gi PL: 2: TERPEeTTNG. 24 (ach u) net, ‚Altar ) E due \ urn! : IE; tamaklchit el ae HR AR = ER br N | Ei er. rer. 7 F a a \ N } ag in, Er | ri en \ahanle A ae a. u ER 2 0 ß rl 5 { 4 f uff y $ NT Te [Ka re ar eher a ah a9 vr h e - ? f Er En = nt; ‘ Base tule: 0 na a . i Ve n LEN: \ > NL a a - A Ye ide BE uni wen ai sah ml uni A ange ER AR r Yon: 1 IN sau Kia N va Ka NE a or Pi PR FTTErON } 2 x = \ s F - ’ e 13 *® », 2 " s 4 : i { w B Iv h = f E j Be x ' r SM 5 1 I E #