iß tsi l'i- "L I E> RA R.Y OF THE U N I VERS ITY OF ILLINOIS 595.7 K25u BIOLOGY The person charging this material is re- sponsible for its return to the library from which it was withdrawn on or before the Lotest Date stamped below. Theft, mutilation, and underlining of books are reasons for discipiinary action and may result in dismissal from the University. UNIVERSITY OF ILLINOIS LIBRARY AT URBANA-CHAMPAIGN 5mi^ FEB 1 9 m < L161 — O-1096 Digitized by the Internet Archive in 2011 with funding from University of Illinois Urbana-Champaign http://www.archive.org/details/ueberdenunmittelOOkefe 1 '■ Ueber den unmittelbaren Nutzen der Insekten. Königl. Gerichtsamtmann Keferstein in Erfurt. %& utuiLiunniiii)iiii»f>iiiiiii'iiniiriiiminmmfmininmiininiiniii ^ Erfurt, in der Maring'schen Buchhandlung. 182 7. \ \ • X :\ i • s"ffty 7? Ueber den unmittelbaren Nutzen der Insekten. Eine Abhandlung in drei Abtheilungen Königl. Gerichtsamtmann Keferstein vorgelesen in der Akademie gemeinnütziger Wissenschaften zu Erfurt am t. April 1826. ^ I. V-/hne Zweifel gehören die Insehten zu denjenigen Thieren, die oft, zumal ihrer Kleinheit wegen, nicht beachtet werden, und dennoch für den mensch- lichen Haushalt von grofser Wichtigkeit sind. Nicht uninteressant dürfte es daher seyn, wenn in folgendem eine Uebersicht der unmittelbaren Vortheile, welche uns dieselben gewähren, vor Augen gelegt wird. Hierbei nun werde ich die Ordnung befolgen, dafs ich zuerst von dem Nutzen rede, welchen diese Thiere als Nahrungsmittel dem Menschengeschlechte bringen , dann von den mannigfachen Vortheilen , die sie sonst dem mensch- lichen Haushalt, namentlich als Kleidungsstoff, Färbematerial und Putz ge- währen, und endlich, in wie fern sie der leidenden Menschheit als Arznei- mittel helfen. Sollte diese geringe Arbeit eine günstige Aufnahme finden und Mancher vielleicht dadurch vermocht werden, der Insektenwelt eine grö'fsere Aufmerksamkeit zu schenken, so bin ich gern bereit, insofern es meine Berufs- geschäfte zulassen, über den Schaden, den diese Thiere anrichten und von den etwaigen Gegen - und Vorbauungsmitteln auf ähnliche Art zu sprechen. Kehren wir aber zu dem Nutzen zurück, welchen wir von den Insekten beziehen, so habe ich die Nahrungsmittel, welche wir von ihnen erhalten, als den ersten Gesichtspunkt aufgestellt. — 6 — Hier giebt zwar die Classe der Coleopteren oder der käferartigen Insekten nur sparsam als vollendetes Geschöpf, indem gewifs mir blos in dieser Rück- sicht die eingemachten Maikäfer (Melolontha vulgaris) bekannt sind, hingegen desto mehr als Larve, viele Nahrungsmittel, zumal in beiden Indien, her. Am bekanntesten ist wohl die Larve von Curculio palmarum Linnee (Ryncho- phorus Herbst) ')» die sich auf Palmbäumen im mittägigen Amerika aufhält, deren Mark sie verzehrt, 2 bis 3 Zoll lang und von der Dicke eines starken Fingers ist. Sie hat das Ansehen eines Stück gelben Fettes, welches in einem feinen Häutchen eingeschlossen ist und wird in einigen Ländern als eine aufser- ordentliche Leckerei verzehrt. Die Creolen auf Surinam nennen sie Kabisch- Worm. Labat und Firmin erzählen , dafs , wenn man den Baum gefällt hat, ' und sich des Stammes nicht bedienen will, verschiedene Einschnitte in der ganzen Länge desselben bis in den Kern gemacht werden, um dem Insekt den Zugang zu erleichtern, worauf man nach 6 Wochen den Baum spaltet und die Larven in grofser Menge in demselben findet, welche sich jedoch, wenn man länger wartet, verwandeln. Selbst die Franzosen und Holländer essen, wie Brookes, Charlevoix und Firmin versichern, diese Larven sehr gern, in- dem man sie an einem kleinen hölzernen Spiefs bratet, sie alsdann mit gerie- benem Brodte, Pfeffer und Muskatnüssen bestreuet, wodurch sie eine Rinde erhalten, und wenn sie völlig gebraten sind, mit Pomeranzensaft anrichtet. Die Larve von Prionus damicornis Fabric. , welche von der Dicke eines Fin- gers ist, wird in Surinam, in Amerika und in Westindien sowohl von Wei- fsen als Schwarzen gegessen, welche sie ausnehmen, waschen, rosten und sehr köstlich finden. Ja in Jamaika, wo man sie Macauco nennt, wird sie für die vornehmsten Tische gesucht 2). Ein ähnliches Thier wird auf der i) S. Herbst Käfer, Thcil 6. S. 5. Firmins Beschreibung von Surinam, aus dem Französischen, Berlin 1775- 8. S. 150. Bergius über die Leckereien, übers, von Sprengel und Forster , Halle 1791. Th. II. S. 34a sqq. Lesser. theologie des insectes, ed. Lyon, Tome II. S. 142. *) S. Fabric. u. Kirby Einloitung in die Entomologie übers. Stuttgard 1823. Bd. 1. S. 334. Insel Mauritius unter dem Namen Moutac zubereitet 3). Auf der Halbinsel Malacca wird nach Versicherung des Dr. König *) der Scarabaeus actaeon, einer unserer gröfsten Käfer, doch wahrscheinlich nur in der Larvengestalt, von den Einwohnern als Leckerbissen gegessen. Eben so afsen Tachard und seine Gefährten im Königreiche Siam gebratene Käfer, die sie sehr wohl- schmeckend fanden 5) und die in dem amerikanischen Bambusholze lebende Larve des Prionus cervicornis Fabr. wird für eine Leckerei gehalten 6). Nach den Berichten des Sir Thomas Stamford Raffles ") liefert zwar keine auf Java vorkommende Palmenart solche Würmer, die in den östlichen Gegenden In- diens und in Amerika gegessen werden, man findet aber ähnliche Würmer in verschiedenen Arten Rotan, Salak u. s. w., die von den Eingebornen und Chinesen, selbst von den Europäern als Leckerbissen gegessen werden. Sie heifsen Gendon und Würmer verschiedener Gattung, aber gleich geschätzt als Nahrungsmittel, findet man in Theka und andern Bäumen. Ja, wie Forskäl erzählt 8), haben die freien türkischen Weiber und die weifsen Sklavinnen in dem Tenebrio polychrestus das Vermögen fett zu machen, welches bei ih- nen als Schönheit gilt, gefunden, indem sie jeden Morgen und Abend drei Stück davon in Butter gekocht zugleich mit der Brühe essen. Die Botecudes, eine brasilianische Völkerschaft, suchen die in dem weiten Stamm des Bombax ventricosa und anderer Bombax - Arten sich findenden grofsen Insektenlarven auf, braten sie an einem hölzernen Spiefs, und verzehren sie begierig s). Nach des Sloane Bericht l0) essen die Neger in Afrika eine in dem Seiden- 3) S. 1. c. 4) Naturforscher, St. 25. S. 181. 5) S. Bergius 1. c. 6) S. Fabr. entom. System. 7) The history of Java, 2 Theile. 4. 1817. S. Isis, Achtes Heft. 1825. S. 806. 8) Descriptiones ammalium , quae in itinere orieiilali observavit Forskai, ed. Niebuhr, Havniae 1775. 4. S. 78. 9) Neu - Wied Reise nach Brasilien. Th. I. Cap. n. S. 551. >o) S. Bergius. — 8 — baumwollenbaum ( Bombax ) wohnende Larve , die sie Cotton - treeworm nen- nen, und welche gewifs die des Curculio palmarum oder eines ähnlichen Kä- fers ist, wie denn auch die Larve eines grofsen Cerambyx (Lamia tribulus Fabric.) aus Afrika gebracht und geröstet gegessen wird (Sloane Jamaica. Vol. II. S. 193- bei Smeathmann über Termit. S. 55. )• Schon zu der Alten Zeiten ") harn auf den Nachttisch der indischen Könige ein gedörrter, in einer Pflanze erzeugter siifs schmeckender Wurm und noch jetzt findet man in Ostindien, wie Wahl anführt ,2), die efsbare Larve des schon früher erwähnten Curculio palmarum. Ueberhaupt scheinen die Palmen und Bombax - Arten in ihrem Marke efsbare Käferlarven zu beherbergen, und wo diese Bäume in Asien, Afrika und Amerika vorkommen, da werden auch die darin wohnenden Käferlarven gespeist. Es sind dies aber besonders Curculio palmarum, Scarabaeus aetaeon, Prionus damicornis und cervicornis und Lamia tribulus. Unter diesen Larven haben wir gewifs auch den berühmten Cossus der Alten zu suchen. Nur gelegentlich erwähnt Plinius dieses Thieres, indem er, von den in Holz lebenden Würmern sprechend, zu erzählen fortfährt '3), dafs sie schon zum Luxus zu gereichen anfiengen, indem die grofsen in den Eichen für eine delikate Speise gehalten und mit Mehl gemästet würden. Den Plinianischen Nachrichten ist als einer oft mifsverstandenen Compilation gar nicht zu trauen, und man mufs Sich daher nicht so genau daran binden. Bisher ist es aber immer der Fall gewesen, und deswegen ist man schon auf die sonderbarsten Erklärungen gekommen. Bald glaubt man, dafs es die Larve des Hirschkäfers, Lucanus cervus oder Cerambyx heros gewesen sey •■*), bald gar die besonders in Weidenbäumen lebende Larve des Weidenbohrer oder ii) Hist. auim. 14. 13. 12) Erdbeschreibung von Ostindien. Band 2. Hamburg J807. S. 844. ij) Hist. nat. 17, 24. ed. Hard. 31. >4) Illiger Magazin, Bd. HI. S. 208. Klügeis Encyclopädie, I. und Roesel. X Cossus Ligniperda. Man hat jedoch hierbei übersehen, dafs einestheils diese Larven entweder nicht sehr häufig sich vorfinden, oder einen ätzenden Saft bei sich führen; dafs ferner namentlich Kopf und Füfse häutig und unge- niefsbar sind, und dafs anderntheils- der Geschmack der Larven sich meistens nach dem Gegenstande richtet, den sie als Nahrung in sich aufnehmen. Die Palmen und Bombax - Arten , in welchen efsbare Käferlarven hausen, haben ein zartes Mark, welches oft selbst als Nahrungsmittel dient, und es ist daher nicht zu verwundern , dafs die Bewohner desselben ebenfalls dazu gebraucht werden. Eine ganz andere Sache ist es mit unsern Eichen - und Weiden- bäumen, und ich glaube, dafs weder die innern Bestandteile derselben, noch die darin wohnenden Larven als Nahrungsmittel, geschweige denn als Lecker» bissen dienen können. Wir müssen daher den Plinianischen Cossus wo anders suchen, und wir finden ihn in dem nördlichen Afrika und in Kleinasien. Es versichert näm- lich Galen, der noch später als Plinius lebte, dafs Würmer, welche im Holze lebten, Vipern und mehrere Schlangenarten bei den Egyptern und andern Völkern gegessen würden 'S), „und keiner meiner "'Leser, so fährt er fort, „noch ich selbst, würde jemals das essen, was jene Völker verzehren." Weiter versichert der Kirchenvater Hieronymus in seiner Schrift wider den Jovianus, dafs in Pontus und Phrygien sich ein Wurm, der ^vkoCpxyog , finde; er wäre weifs, fett, habe einen schwärzlichen Kopf, entstehe im faulenden Holze und diene als Leckerbissen, was ebenfalls Caelius Rhodiginus erzählt l6). Also nicht in Rom und Italien, sondern am Pontus und in Egypten wurden diese Würmer verzehrt; dort giebt es aber auch Palmen und Bombax- Arten, und so ist offenbar eine der oben angeführten Käferlarven unter diesem Cossug zu verstehen. Die Römer, als Herrn dieser Länder, lernten sie kennen und •5 ) De alimentor. facultat. üb. seeund. cap. 3. de limacibus. ed. Basil. class. 2. S. 51. D. •6) Lib. 5. cap. 11. S. 178. - 10 — sie sind vielleicht als Delikatesse mitunter nach Rom geschickt und auf dem Transport mit Sagomehl gefüttert worden. Wie sich dieses aber auch verhalten mag, so ist man immer von dem Gesichtspunkte ausgegangen, dafs Plinius eine einheimische Larve gemeint haben müsse, und es sind mancherlei Vorschläge gemacht worden, die bei uns leben- den Käferlarven als Nahrung zu benutzen. So hat Rcaumur '") die in Mist- beeten, der Gerberlohe und sonstigen unreinen Orten vorkommende Larve des Nashornküfers oder Scarabaeus nasicornis dazu empfohlen, wogegen Kirbv ,3) meint, dafs die von Graswurzeln lebende Larve des Maikäfers, Melolontha vul- garis, sich besser dazu schicken würde, zumal da Puter und anderes Geflügel solche begierig fräfsen und dieses das beste Mittel wäre, der oft bedeutenden Verwüstung derselben Einhalt zu thun ; doch würde aus den oben angeführten Gründen an der Zweckmäfsigkeit dieses Nahrungsmittels zu zweifeln seyn. Wenn wir aber von den Coleopteren zu der Classe der Hemipteren über- gehen , so liefert diese namentlich in den Heuschrecken und Cicaden mannich- fache Nahrungsmittel. Wie verheerend auch die Heuschrecken für alle grü- nende Felder und Bäume sind, so geben sie doch vielen Völkern einen Haupt- »censtand ihrer Nahrung. Schon das Alterthum kannte sie in dieser Bezie- hung Nicht weit von den Strutheophagen und Elephantophagen in Aethiopien wohnen, so erzählt Agatharchides '9), die Acridophagen oder Heuschrecken- esser, ein Volk, kleiner als die übrigen Menschen, sehr hager, aber erstaun- lich schwarz. In den Frühlingstagen, wenn die lybischen Winde wehen, kommen eine zahllose Menge alles fressender Heuschrecken in ihr Land. In Ansehung der Kraft zu fliegen geben diese Thiere den Vögeln wenig nach, sind aber, was den Körper betrifft, länger gestreckt. Von diesen Thieren nährt sich nun dies Volk für beständig, indem es sie auch einmacht (rxpixwta 17) Nach Kirby und Spence Einleitung in die Entomologie, Stuttgard 1825. Bd. I. S. 334. >8) 1. c. ■9) De mari rubro, apud Photium pag. 736. de acridophagis. - 11 — kann räuchern, einmachen, einsalzen, trocknen bedeuten). Es werden aher die Heuschrecken mittelst Rauch, wodurch sie aus der Luft herabfallen, ge- fangen. Das Volk selbst ist schnellfiifsig, doch bringt es der Einzelne zu kei- nem höheren Alter, als zum 40sten Jahr, indem er bis zum letzten Augen- blicke sich dieser schlechten Nahrung bedient. Die dortigen Einwohner sterben jedoch auf eine schreckliche Art, denn sobald sie ihre Lebenszeit (das 40ste Jahr) erreicht haben, so entsteht auf ihrem Körper eine Art geflügelter Lause ( ) Hist. nat. G , 50. «) Adv. Jovin II. cap. 7. S. auch Bocharti Hieroz. IL 4. 7. «3) Lib. 16. cap. 4,. §. 12. (ed. Tsch. Tom. 6. S. 411. *4) In Acharnens. Act. 4. Scene 1. und Scene 7. »5) In convivio. *«) In dessen Episteln sagt ein Bauer: V^jadfiC 7\v flQl xxi 9), und Apostolius sähe rsrrtyes an einen Faden gereihet zu einem Gastmahl verkaufen >°); doch scheint er sie als keine sehr angenehme Speise zu betrachten und zu des Athenäus Zeiten waren sie bei den Griechen bereits ganz aus der Mode gekommen 4')> wie -wir denn heut zu Tage keine Spur mehr davon im jetzigen Griechenland treffen. Unter der Classe der Neuropteren liefern die weifsen Ameisen oder Ter- miten einen Ueberflufs von Nahrung. So wird nach Erzählung des Prinzen von Neu - Wied eine der gröfsten Ameisen , die beinahe einen Zoll Länge und einen unverhältnifsmäfsig dicken Leib hat, in manchen Gegenden von Minas- Geraes in Brasilien gegessen *>*)■, doch kann ich nicht sagen, ob diese Ameise eine wahre Ameise ist, oder zu den Termiten gehört, vermuthe aber das letzte. Eben so sagt Azara, dafs die Bewohner von Santa Fe in Südamerika geflügelte Ameisen (wahrscheinlich wohl Termiten), fangen, und ihren fetten Hinterleib in Pflaumenkuchen essen oder geröstet in Syrup legen 43). In dem spanischen Guiana werden die grofsen Ameisen (wahrscheinlich auch wohl Termiten), 38) Hist. an. 5, 24. 39) Hist. nat. 11 , a6. 4°) Proverb. Cent. 18. Nr. 52. 4«) Athenaeus deipnos. lib. IV. cap. 10. 4») Reise nach Brasilien. Th. I. cap. 3. S. 56. 43) Reisen in Sudamerika, übers, von Lindau. Band I. S. 107 — 123. — Auch zvt St. Paul in Brasilien werden-j wie Caldcleugh (Reisen in Südamerika, Weimar 1826. S. 34.) erzählt, die grofsen Ameisen gebraten gegessen. — 16 — Bacchiachen genannt! Die Indianer hennen die Zeit ihrer jährlichen Verwand- Iuna sehr genau, und wenn diese heranrückt, setzen sie sich um deren Lo- cher, fangen die Ameisen, sobald solche zum Vorschein kommen, und setzen sie in gewisse zu diesem Endzweck verfertigte Korbchen. Alle Ameisen krie- chen jetzt eine nach der andern aus ihren Höhlen und lassen blos ihre Eier zurück. Die langen scharfen Zähne, mit denen sie bewaffnet sind, würden Jedermann, nur nicht einen Indier, in Furcht setzen. Diese aber lassen sich dadurch gar nicht irre machen, sondern fahren mit ihren blutig gebissenen Händen fort , alle bis auf die letzte Ameise herauszuholen. Die Ursache dieser Nachstellung ist keine andere, als um die mit Mühe erlegten Ameisen als Leckerbissen zu verzehren. Man schneidet ihnen die Köpfe ab, bratet sie auf glühenden Scherben und ifst sie mit Wohlgefallen. Hauptsächlich wird der Bauch gelobt, der, wenn die Ameisen ihre Nester verlassen, so grofs als eine weifse Erbse und mit einer ölichten Materie angefüllt ist. Doch meint der Pater Gilii, dafs dies nur für die Wilden als Leckerbissen dienen könne **). In einigen Gegenden Ostindiens giebt man die Ameisenköniginnen den alten Männern zu essen um ihren Rücken zu stärken und die dortigen Einwohner kennen ebenfalls eine Methode, die geflügelten Insekten vor ihrer Auswande- min<* zu fangen. Sie machen nämlich zwei Höhlen in das Nest; die eine wi- der den Wind, die andere unterhalb des Windes. An der letzteren stellen sie einen Topf, mit seiner Oeffnung gegen das Loch gerichtet, hin, der in- wendi" vorher mit Bergera, einem aromatischen Gewächs, ausgerieben wor- den ist. Auf der Windseite wird ein starkes Feuer aus stinkenden Materialien gemacht, welches die Insekten in die Töpfe hineintreibt. So bekommt man eine °rofse Menge davon, wovon man mit Semmelmehl Pasteten bäckt, wel- che äufserst wohlfeil an die niedern Volksklassen verkauft werden. Doch er- zeugt der zu häufige Gebrauch dieses Nahrungsmittels öfters eine epidemische Kolik und Dysenterie, die in 2 oder 3 Stunden todtet *5). Gleichergestalt *i) Gilii, Guiana, übers. Hamburg 1785. 8. S. 197. 45) Smeathmann , über die Termiten. Aus dem Englischen. Göttingen 1789. 8. S. 53. — 17 — suchen sich die Afrikaner dieser Thiere bei ihrem Schwärmen zu bemächtigen, indem sie die, welche in das Wasser fallen, mit Calebassen auffangen, solche in grofsen Töpfen über ein mittelmäfsiges Feuer setzen und fleifsig, wie beim Kaffeerösten, umrühren. Sie werden ohne Sauce oder irgend einen andern Zusatz gespeist und wie Bonbons zu ganzen Händen voll in den Mund gesteckt. Sie sollen nährend und heilsam, auch süfser, aber nicht so sättigend als die Larven des Palmbohrers seyn *6). Auch den Hottentotten dienen sie als be- liebtes Nahrungsmittel und machen sie ordentlich fett; und Piso, de Laet und Markgrave führen sie als eine Art Gesundheitsspeise in verschiedenen Ge- genden von Südamerika auf ■*-)• Die Hindus glauben, dafs die weifslichen Termiten mit sehr nährenden Eigenschaften begabt wären und Hr. Broughton versichert, dafs sie zum Gebrauch für den kränklichen Surjee Rao, ersten Minister des Scindiah, eines Mahrattenfürsten , sehr gesucht und aufbewahrt würden ^). Gleichfalls erzählt Raffles (History of Java, s. Isis, Heft 8. 1823. S. 806.), dafs in einigen Distrikten von Java die weifsen Ameisen (oder Ter- miten) in ihren verschiedenen Zuständen eins von den gewöhnlichsten Nah- rungsmitteln ausmachten. Sie werden zu diesem Behufe auf verschiedene Arten gesammelt und allgemein auf den Märkten verkauft. Behufs des Einsammelns öffnet man entweder ihre grofsen Haufen und nimmt die Chrysaliden heraus, oder man lauert auf die Schwärme des vollkommenen Insektes und treibt sie in ein Becken oder einen Kübel mit etwas Wasser, worin sie gleich zu Grunde gehen. Ihr einheimischer Name ist aber Laron. Die Classe der Lepidopteren oder Schmetterlinge liefert nur wenige Nah- rungsmittel. Doch essen die Neger auf der Küste von Guinea, die, wie oben erwähnt, fast alles verzehren, auch Schmetterlingsraupen *») und diese wer- 46) L c S. 54. K) Bei Sraeathmann 1. c. und S. 55., nämlich Piso I. pag. V. S. 331, Markgrave hist. nat. 56. De Laet descriptio Atnericae, S. 533 und 397. 48) Bei Iürby. Einleit. Th. I. S. 34a. 49) S. Note 33. — 18 — den gleichfalls von Sparrmann unter den Leckerbissen der Tafel eines Busch- manns aufgeführt 5°). In Tunkin, Madagascar und China werden die Puppen der Seidenwürmer, wenn das Gespinnst abgewunden ist, auf die Tafel ge- schickt 5' ). Eben so geniefst man in China die Larven eines Abendfalters (Sphinx) und die Neuhollander essen die Raupen von einer sonderbaren neuen Art Motte, die nur des Abends hervor kommt, um ihrer Nahrung nachzu- gehen 52). Ob aber auch wir Europäer diesem löblichen Beispiele folgen und uns als passender Speise besonders der nachten Raupen bedienen sollen, die öfters häufige Verwüstungen anrichten, wie namentlich Noctua gamma und Bombyx graminis, so mochten wir uns dazu, trotz der Empfehlung von Kirby, wohl, nicht entschliefsen. So dürftig daher auch die Staubflagier hinsichtlich der Nahrungsmittel, wel- che sie uns darreichen, sind, um desto reichhaltiger ist die Ciasse der Hyme- nopteren. Wer sollte nicht wenigstens als Kind die angenehme Säure der ge- schlechtslosen Ameisen versucht haben, die, wenn man den Kopf vorher weg- geworfen hat, recht lieblich schmecken. Piso spricht von gelben Ameisen, Cupia genannt, die in Brasilien einheimisch sind und deren Bauch viele zur Nahrung benutzten, so wie eine gröfsere Art unter dem Namen Tama-joura; welche Nachricht Humbold bestätigt und erzählt, dafs die Ameisen von Mari- vatanes und Margueritanes mit Resin vermischt als Sauce gegessen würden. Eben so versichert Burchell (Reisen in das Innere von Südafrika, Weimar 1822, Th. 1. S. 333.), dafs Ameiseneier (wahrscheinlich wohl Termiteneier) von den Buschmännern häufig als Nahrung genossen würden =:>). Die auf mehrern Sal- beiarten, besonders auf Salvia pomifera, triloba und officinalis vorkommenden, durch gewisse Cynipsarten hervorgebrachten, galläpfelartigen Auswüchse, sind 5°) I. 20i. Bei Kirby I. S. 339. 51 ) S. Bergius über Leckereien , und Kirby S. 339. 5*) Kirby I. S. 339. 53) S. Kirby I. S. 341. Doch können diese Ameisen mit den Note 42, 43 und 44 als Termiten aufgeführten Insekten identisch seyn. - 19 - saftig wie Aepfel, werden in der Levante, ihres aromatisch - sauern Geschma- ckes wegen, zumal mit Zucker eingemacht, häufig gegessen, und machen einen wichtigen Handelsartikel von Scio nach Konstantinopel aus, wo sie or- dentlich zum Verkauf ausgestellt werden. Nach der Erzählung des Tourne- fort s-*) zeigt sich, wenn die Schöfslinge der Salvia cretica von Insekten ge- stochen werden, eine hartfleischige Geschwulst von 8 bis 9 Linien im Durch- messer, die fast rund, aschfarbig und pelzig ist und einen angenehmen Ge- schmack hat. Diese Geschwulst ist öfters, wie die Erdbeeren, mit einigen Blättern umgeben. Ihr Fleisch ist hart und bisweilen durchscheinend wie Gal- lerte. Es bilden sich aber diese Geschwülste durch die Nahrungssäfte, die sich bei Gelegenheit der durch den Insektenstich zerrifsnen Gefäfse an einen Ort concentrirt haben, und man findet ähnliche Auswüchse auch auf der in Can- dien vorkommenden gewöhnlichen Salbei (Salvia pomifera), wo sie unter dem Namen Salbeiäpfel verkauft werden. So sollen auch die Galläpfel von Gunder- mann (Gelechoma hederacea) in Frankreich gegessen worden seyn, doch Reau- mur, der sie versucht hat, zweifelt, dafs sie je unter gute Früchte gerechnet werden können (Kirby I. S. 342.). Aber am wichtigsten erscheint hier offenbar die Familie der Bienen , in- dem sie aufser ihren Produkten, Honig und Wachs, noch ihre eigenen Larven als Nahrungsmittel liefert. So- essen die Neger in Guiana eine Art kleiner schwarzer Bienen ss), und in Mexico haben die weifsen Würmer einer stachel- losen Bienenart einen den Mandeln ähnlichen Geschmack; sie werden gedörrt, in Salz getaucht und von den Einwohnern gern gegessen 56). Eben so dienen in Ceylon die Bienenwürmer an einigen Orten zur Speise *?), und nach Bory de St. Vincent (Naturgeschichte der mascarenischen Inseln, Weimar 1805. 8. 54) Voyage de Levant. Tome I. Pag. 31. (Amsterdam 1718.). 55) S. Bergius über Leckereien. 56) Hernandei, hist. nat. mex. üb. 9. cap. 21. S. 335. 57) Iinox, Ceylon, 25. Bei Kirby Bd. I. S. 341. 3* ~ 20 — S. 168.) essen auf Isle de France die Negerjungen die noch in den Zellen be- findlichen Larven der Vespa petiolata kurz vor ihrer Verwandlung. Doch ein hei weitem bekannteres und beliebteres Nahrungsmittel ist der Honig, ein Pro- dukt der Bienen, und es sey mir daher erlaubt, sowohl von diesem als von dem Wachs hier einiges zu sagen. Honigbringende Bienen findet man so ziem- lich in allen Climaten und sie erstrecken sich bis zum 60sten Grad nördlicher Breite. In Europa ist es wohl eine und dieselbe Art, Apis mellifica, welche als Hausbiene den Honig liefert, doch vertritt in einigen Strichen Siideuropa's Apis ligustica Spinolae deren Stelle, und höchst wahrscheinlich ist die soge- nannte wilde Biene mit der zahmen identisch. Es -kommen aber in verschie- denen Climaten auch verschiedene Bienenarten vor, welche Honig liefern und zum Theil gewissermafsen als Hausthiere gepflegt werden. So findet sich in Egypten Apis fasciata Linn. , in Madagascar Apis unicolor; in Indien zu Pon- dichery und in Bengalen Apis indica; am Senegal Apis adansonii Latr. gezähmt und es dürfte für unsere Oekonomen vielleicht nicht unwichtig seyn, wenn der Versuch gemacht würde, statt der gewöhnlichen Hausbienen andere jener stachellosen Bienenarten aus Ost - und Westindien einheimisch zu machen, wozu besonders Apis acraensis und laboriosa in Vorschlag gebracht sind 58). Unsere Hausbiene ist ein eigenthümliches Produkt der alten Welt und nament- lich in Amerika, und Neuholland erst eingeführt worden, wo sie sich jedoch schon erstaunlich vermehrt hat. Nicht alle Bienenarten sind so wie die unsri- gen mit Stachel und Giftblase versehen , und sowohl in Ost - als Westindien kommen mehrere Arten honigbereitender und stachelloser Bienen vor; ja Azara versichert, dafs von den vielen Bienenarten in Südamerika, wovon die gröfste doppelt so grofs als die spanischen, dagegen die kleinste kaum ein Viertel so grofs sey, keine einzige mit einem Stachel versehen wäre 59), vvas der Pater Gilii bestätigt, dagegen aber eine in Guiana vorkommende Wespenart, die von 58) S. Kirby I. S. 364. und Fabric. naturhistor. Vorlesungen, Kiel 1804. S. 324. 69) Reisen, Bd. I. S. 107 — 183. — 21 — den Indianern Paroca genannt wird, anführt, welche einen angenehmen, dem unsrigen an Farbe, Süfsigkeit und in der Gestalt der Waben vollkommen ähn- lichen Honig liefert, das Inseht aber einen empfindlichen Stachel führt 6o). Eben so verfertigen viele Bienenarten, zumal der heifseren Gegenden , keine sechseckigen Zellen, wie die unsern, sondern sie bereiten den Honig in klei- nen runden Wachsbeutelchen, was um desto nothwendiger ist, weil er häufig in einem flüssigen Zustande vorkommt; denn in diesen Beutelchen sah Pater. Gilii in Guiana theils einen wie Oel flüssigen Honig, theils eine gewisse gelblich- körnige Materie, wie Fischrogen (wahrscheinlich so genanntes Bienenbrod) 6l ). Dieser flüssige Honig scheint auch zu der Sage von dem Wunderlande „wo Milch und Honig fliefst" Veranlassung gegeben zu haben, wenn man nicht etwa in dem Manna die Erklärung suchen will. So erzählt Strabo, dafs in Hyrkanien von den Blättern Honig fliefsen soll, was ebenfalls in Mattiana, einer Gegend Mediens und zu Sancosiana und Anaxiana in Armenien der Fall wäre, doch bezweifelt er selbst die Wahrheit, weil Hyrkanien zu kalt sey fia). Forskai aber versichert, oft in den Wäldern Arabiens einen flüssigen Honig ge- funden zu haben, den die Einwohner Noub nennten 63), und Burchell, dafs der Honig, den die Bienen am Vorgebirge der guten Hoffnung in einem alten Wieselbau eingetragen hatten, ungewöhnlich flüssig, fast wie Wasser, ge- wesen sey (Reisen in das Innere von Südafrika, II. Bd. Weimar 1825. S. 105.). In dem Alterthume diente der Honig als Nahrungsmittel, und besonders gab er den Hauptstoff zu angenehmen kühlenden und berauschenden Getränken. Au- fser dem bekannten Meth, den ich mit Stillschweigen übergehen will, führt Paulus Aegineta 6j>) besonders hydromelon, ein Getränk aus Obst und Honig; hydrorosaton , aus Rosenwasser und Honig ; rhodomeli, aus Obstsaft, Rosen &>) Nachricht von Guiana. S. 213. und 214. 61 ) 1. c. S. 214. 62) Ed. Siebenkees. lib. 2. cap. i. (Tom. I. S, 195.) 63) Descriptiones animalium. pag, 22. «4) lib. 7. cap. 15. S, 316. — 22 — und Honig; opiphacomeli, aus Saft von herben Trauben und Honig und opo« meli, aus Wasser und Honig bestehend, auf. Noch jetzt macht, wie Azara versichert, der Honig ein Hauptnahrungsmittel der Indianer in Südamerika aus. Auch verdünnen sie ihn mit Wasser, lassen ihn gähren und verschaffen sich so ein berauschendes Getränk 65). Doch so wie den Alten bereits gesunder und schädlicher Honig bekannt war, so finden wir auch jetzt noch beide Arten, und die Ursache davon ist der Blumensaft, aus welchen die Bienen ihren Honig bereiten. So ist der von den Bienen in den hohlen Bäumen am Oronoko verfertigte Honig recht sehr gesund; und doch verschlingen ihn die Indianer in so grofser Menge, dafs sie oft schwere Fieber als Strafe ihrer Un- mäfsigkeit davon tragen, wogegen er unschädlich ist, wenn man ihn sparsam geniefst und als Getränk mit Wasser vermischt 66). Gleichfalls findet man in den dortigen Wäldern einen schwärzlichen Honig, der einen widrigen bittern Geschmack hat, von den Aerzten aber sehr geschätzt wird fi?) und Capitain Green erzählt, dafs auf der Insel Bourbon eine Bienenart vorkomme, welche einen Honig hervorbringt, der grün, von der Consistenz des Oels ist und mit der gewöhnlichen Süfsigkeit des Honigs eine gewisse Würzhaftigkeit verbindet. Er wird nach Ostindien geführt und steht dort hoch im Preise 68). Wem sollte nicht aus Xenophons Bückzug der Zehntausend bekannt seyn, dafs plötzlich viele durch den Genufs von giftigem Honig erkrankten und Strabo erzählt, dafs als drei Cohorten des Pompejus zu den oberhalb Colchis an dem Pontus auf dem rauhen Gebirge Skydises wohnenden Heptakometern kamen, diese Gefäfse mit schädlichem Honig hinsetzten ; nachdem die Pompejaner davon genos- sen hatten und erkrankt waren, wurden sie überfallen und erschlagen 6»). Es bereiten aber die Bienen diesen giftigen Honig, nach Tourneforts Versiche- 65) Reisen. Bd. I. S. 107 — 125. 66) Gilii, Guiana. S. 212. 67) 1. c. 68) Kirby's Einleitung. S. 364. 69) Strabo lib. 12. cap 3. §. 18. (ed. Tschucke. Tom. 5. S. 880- - 23 - rung , ans dem Honigsafte von Chamaerhododendros Pontica '° ). So ein nütz- liches Produkt aber der Honig auch ist, so sieht man doch noch gegenwärtig an vielen Orten keine zahmen Bienenstöcke, sondern man begnügt sich, Ho- nig und Wachs von den wilden Bienen einzusammeln, wie dies namentlich gröfstentheils in Ostindien der Fall seyn soll * ). Der im Alterthume berühmte attische Honig zeichnet sich gegenwartig noch immer aus, wie denn Attica sich wegen seines steinigen Bodens mehr zur Bienenzucht als zum Ackerbau eignet , so dafs das 45 Quadratmeilen haltende Gebiet von Attica , worauf man 12,000 Bienenkörbe rechnet, einen Gewinn von 114,000 Piastern jährlich davon zieht "), wo jedoch das Wachs auch mit gerechnet ist. Uebrigens sagt Azara von dem südamerikanischen Wachse, dafs es zwar von dunkler Farbe, aber weifser als das europäische sey 73), die Kunst es zu bleichen jedoch nicht be- kannt wäre, wogegen der Pater Gilii versichert, dafs das Wachs aller wilden Bienen in Guiana schwarz wäre, und aller Mühe dasselbe zu bleichen ohnge- achtet, es doch selten eine erträgliche Farbe bekomme, daher in den Missio- nen blos europäische Wachslichter gebraucht werden könnten 74). Auch stimmt Humbold im Ganzen mit ihm überein, indem er ebenfalls anführt, dafs das Wachs der amerikanischen Bienen schwerer zu bleichen, als das der europäi- schen sey, wobei er zugleich bemerkt, dafs das Wachs, welches aus der Ha- vannas ausgeführt würde, gröfstentheils von der dorthin gebrachten Apis melli- fica käme "5). So schätzbare Beiträge, wie wir eben gesehen haben, die Classe der Hymenopteren zu den Nahrungsmitteln des Menschengeschlechts liefert, so un- 70) Voyage. Tom. I. S. 124. 71) Wahl, Erdbeschreibung von Ostindien. Bd. II. S. 8f5- 72) Hermbstädts Museum des Wissensvviirdigsten aus der Naturwissenschaft. Berlin 1816. Band 7. Heft 4. S. 302. 73) Azara. Bd. I. S. 107 — 125. 7.1) Guiana. S. 214. 75) Versuch über das Königreich Neu- Spanien. Band 3. Buch 4. Cap. 10. S. 149. — 24 — bedeutend erscheint in dieser Hinsicht die der Dipteren oder Zweiflügler: denn die Larven der Musca putris, welche man häufig im Käse antrifft, ist das Einzige, was aus dieser Sippe hin und wieder in Europa als Leckerbissen ge- gessen wird. Dagegen sind die Chinesen, die, wie wir vorhin sahen, auch Seidenraupen und Bienenlarven essen , < uns hierin bei weitem voraus. Zu Can- ton giebt es nämlich eine Gesellschaft, die an der See einen Platz zugerichtet hat, wo verdorbenes Fleisch, faule Fische, weggeworfene Eingeweide u. s. w., was nur aufgetrieben werden kann , zusammen gelegt und in der Sonnenhitze ausgebreitet wird. In 3 bis 4 Tagen ist der Unrath mit Maden überzogen, welche abgestreift, in Seewasser gesäubert und zu Markte gebracht werden. Man röstet und verzehrt sie mit Reis und Gewürzen ~6). Es ist dies ohn- streitig die Larve unserer sogenannten Schmeisfliege , Musca carnaria oder vo- mitoria oder einer ähnlichen Art, und wenn wir uns zu diesem Nahrungs- mittel entschliefsen wollten, so würden die Schindanger leicht so eingerichtet werden können, dafs sie keine unbedeutende Ausbeute lieferten. Ueberhaupt ist es auffallend, dafs gerade die Larven der Fliegenarten fast gar nicht als Nahrungsmittel dienen, ohngeachtet sie den Vortheil haben, dafs sie fufslos sind, und daher einen hornartigen ungeniefsbaren Theil weniger besitzen. Was endlich die Classe der flügellosen Insekten betrifft, so werden auch hier die Käsemilben (Acarus siro) von den Liebhabern oft gern gegessen, ja, die den Menschen so oft quälenden Läuse dienen vielen Völkern ebenfalls als Nahrungsmittel. So erzählt schon Herodot V) von den Adyrmachiden , einem libyschen, zunächst an Egypten wohnenden Volke, dafs sie ihre Läuse, bevor sie sie wegwerfen, zerbissen. Heut zu Tage pflegen aber die Hottentotten und die Eingebornen der westlichen Küste von Afrika die Läuse, eine beliebte Speise, nicht nur selbst zu jagen, sondern sie brauchen auch ihre Weiber 76) Farmers Magazin, Heft II. 1S19; aus: Andrej ökonomische Neuigkeiten, Beilage No. 10. des igten Bandes. April 1820. 77) IV, iöS. — 25 — dazu, um solche auf ihrem buschigen Haarkopfe zu fangen ?8). Gleichfalls erzählt Azara "9), dafs die Charruels, ein indianischer Völkers tamm nördlich von Buenos -Ayres, auf ihrem Kopfe viel Ungeziefer hatten. Es suchten aber die Weiber dasselbe mit Vergnügen auf, um sich den Genuß zu verschaffen, es zuvor an die Spitze der ausgestreckten Zunge zu halten und dann zu zer- knicken und zu essen. Ueberhaupt liefern wohl die flügellosen Insekten die ' für uns ekelhaftesten Nahrungsmittel. So tsah Ilumbold die indianischen Kin- der IS Zoll lange und mehr als einen halben Zoll breite Tausendfüfse (Scolo- pendra) aus der Erde ziehen und verzehren, welche wahrscheinlich mit den Erdwürmern übereinkommen, von welchen Pater Gilii (Guiana, S. 504.) er- zählt, dafs sie sich in feuchten Gegenden finden und von den Priarois, einer Völkerschaft am Oronoco , gebraten und gegessen werden 8° ). Gleichfalls ver- sichert Turpin, dafs der Scolopendra morsitans von den Siamesen gebraten gegessen werde 8' ). In Ostindien wird ebenfalls der Kiefenfufs ( Monoculus polyphemus) gegessen und besonders soll der Eierstock davon ein gutes Gericht geben; und mit eben diesem Thiere füttert man in Nordamerika die Schwei- ne, doch essen es auch dort die Menschen 8a). Humbold erzählt, data als im Jahr 1245 die Mexikaner durch die kleinen Fürsten vort Xalcotan sehr ge- neckt wurden, sie sich auf eine Gruppe von kleinen Inseln auf dem südlich- sten Ende des Sees Tezcuco flüchteten, wo sie gezwungen waren, sich einzig von Wasserpflanzen, Insekten und einem problematischen kriechenden Thiere zu nähren, das sie Axolotl nennen und das Hr. Cuvier für die Lebensform eines unbekannten Salamanders ansieht «). Gleichfalls erzählt Hernandez, dafs 78) Kirby. I. S. 342. Auch- Burchell,. Reisen, in das Innere von Südafrika, aus dem Engl. Weimar 1825. S. 89. 79) Reisen etc. Th. II. S. g. 80) Reisen. II. 205. Bei Kirby I. S. 3441. 8') S. Bergius über LeckereieH. 8«) S. Bergius 1. c. 83) Humbold, Versuch über Neu - Spanien. Band n. Buch 3. Cap. 3. S. 33V 4 — 26 — s man zu gewissen Jahreszeiten eine Art Wasserfliege auf den mexikanischen Landseen fienge. Diese Insekten werden, so fährt er fort, zerstofsen und daraus Kugeln gebildet, welche man dörrt und das ganze Jahr hindurch auf den Märkten feil bietet. Sie werden mit Mais und Salpeter gekocht und sol- len eine sehr gute Nahrung geben. Die Eier der Insekten gleichen aber dem Mohnsaamen, schwimmen in unsäglicher Menge auf dem Wasser, werden gesammelt und in Kuchen gebacken, wo sie dann etwas ähnliches mit dem Fischrogen haben. Es werden aber diese Kuchen, wie bei uns der Käse ge- gessen. Eben so führt Hernandez eine efsbare wohlschmeckende Notonecta- Art, in Mexiko vorkommend, auf 84). Ja selbst die Spinnen liefern Beiträge zu unsern Nahrungsmitteln. Ich will nicht Beispiele einzelner Individuen anführen, welche, wovon nicht sel- tene Fälle vorkommen , in dem Genufs von Spinnen eine besondere Ergötz- lichkeit finden, sondern wir sehen bei Seba die Abbildung einer Spinne, wel- che die Afrikaner mit grofser Begierde verzehren 85). Eben so beschreibt La- billardiere eine Spinnenart, die daher auch Aranea edulis genannt wird 8S), und welche die Einwohner von Neu- Caledonien, einer Insel an der Ostseite von Neuholland, häufig und gern über dem Feuer geröstet zu essen pflegen. Diese machen auch einen Artikel in Sparrmanns Liste von den Leckerbissen der Buschmänner aus 87), und nach des Pater Gilii Versicherung gehören die efs- baren Spinnen zu den merkwürdigsten Bewohnern der Wälder am Oronoco. Er beschreibt sie aber folgendergestalt 88): Ihr Fell gleicht dem eines Maul- wurfs. Ihre Wohnungen sind Höhlen, die sie mit ihren Pfoten in die Erde graben; die Oeifnung derselben ist eine Palme weit und hat die Gestalt eines 84) S. Bergius über Leckereien. 85) Bei Bergius über Leckereien. 86) IUiger, Magazin der Insektenkunde. Band III. S. 212. 87) I., 201. Bei Kirby I. S. 345. 88) Guiana. S. 504,. m 27 — halben Blondes, woraus man auch die Gröfse des Thieres ersehen kann. Die Priarois, welche sie sehr gern essen, stechen sie mit einem Dorne, worauf sie sogleich aus ihrem Loche herausspringen und von den Wilden, die auf diesen Augenblick lauern, mit einem Messer festgehalten werden. Der Kopf wird abgeschnitten und weggeworfen, der übrige Theil des Körpers aber in grüne Blätter gewickelt, am Feuer gebraten und mit grofsem Appetit verzehrt. Die Tamachier nennen diese Spinnen Araya. Sie sollen so grofs als ein Manns- kopf, auch ganz rauh seyn und nach Versicherung der Wilden einen krebs- artigen Geschmack haben. Dies wäre denn das Verzeichnifs der bei verschiedenen Völkern in ver- schiedenen Erdzonen efsbaren Insekten ; auch hier liefern die Aequatorial-Gegen- den die meisten Beiträge, welche, je näher den Polen, um so dürftiger aus- fallen. Doch gewifs auch bei uns würden manche Insekten als Speise benutzt werden können, wenn wir uns entschliefsen wollten, den einmal eingewur- zelten Ekel gegen dergleichen Nahrungsmittel abzulegen. IL Wenn nun schon die Beiträge, welche die Insekten zu unsern Nahrungs- mitteln liefern, nicht unwichtig sind, so können sie doch auch weiter von betriebsamen Menschen auf das Mannichfachste benutzt werden. So fehlt es den Bewohnern von Laz, einem Flecken in Krain, an dem nöthigen Dünger für ihre Felder. Dort kommt aber auch in einem dasi°en Flusse die auch bei uns wohlbekannte Eintagsfliege (Ephemera vulgata Scopoli) in ungeheuren Massen vor. Diese sammeln die Bauern und führen sie als den besten Dünger auf ihre Aecker. Wenn nicht Ein Landmann mehr als zwanzi" 4* — 28 — Wagen voll dieser Thiere sammelt, so hat er eine schlechte Erndte gehal- ten ')• Um Paris giebt es bedeutende Anstalten, wohin die todten Pferde (die man jährlich zu 11,000 anschlägt) gebracht, und die zugleich als eine eigenthümliche Fliegen - oder YViirmerzucht benutzt werden. Ein Theil der Eingeweide wird nämlich 6 Zoll hoch (nicht höher) auf der Erde ausgelegt und mit etwas Stroh bedeckt. Es kommen grofse Schwärme von Fliegen herbei, die ihre Eier hineinlegen, worauf bald die ganze Masse zu einem Kaufen grofser Larven oder Maden wird , die man theils an die Fischer, theils zum Füttern der Fasanen verkauft (Neues und Nutzbares aus dem Gebiete der Haus - und Land wir thschaft, Nr. 32. [Nr. 10. des 2ten Bandes] Januar 1826. S. 157.). In Schweden pflegt man die Ameisen mit Roggen abzuziehen, nm dem schlechten Brand wein einen angenehmen Geschmack zu geben 2), und in Guiana braucht man die Nester einer besondern Ameisenart unter dem Namen Ameisenzunder als ein vorzügliches Mittel, das Blut zu stillen 3). Um das Gift der Pfeile, welcher sich die Fellatas, eine Nation nicht weit •vom Reiche Burnu in Afrika, bedienen, und die augenblicklich sonst den Tod bringen, unwirksam zu machen, gebraucht man einen kleinen Wurm, der zu Kongo und Baghermi Kodongo heilst, getrocknet und zu Pulver gerieben wird ''')• Das Gummi ammoniacum soll nach Jacksons Versicherung aus einer fenchelartigen Pflanze und durch Einschnitte hervorschwitzen, die ein Käfer mit einem grofsen Hörne in die Piinde macht s). Aus den grofsen Ameisen ihres Landes machen die Bewohner von Norwegen eine gute Art von Essig 6), und an manchen Orten Brasiliens pflegen die Damen die Köpfe des Herkules- 1 ) Scopol) , Entomol. Carniol. S. 264. = ) Kirby und Spence Einleitung. S. 34L. 3) HumboUl und Bonplaud., Reise in die Aeguatorial - Gegenden des neuen Continents. IV. Theil. 1823. S. 582. S. auch Kirby. S. 346. 4) Geograph. Ephemeriden, Band XIII. Stücli 1. 1824.. S. 137. .5) Kirby. S. 346. *3 Geograph. Ephemeriden, Band XIII. Stück 1. 1824,.' S. 57- — 29 — fcäfers (Scarabaeus Hercules) um den Hals gehängt als Putz zu tragen "). Zu gleichem Endzweck bedient man sich in China der Flügeldecken der köst- lichen ßuprestis vittata, und in einigen Gegenden Europa's der glänzenden violetten Schenkel von Scarabaeus stercorarius ( Kirby S. 348.)- Die Landleute der Provinz Mauli in Chili gebrauchen aber die dort vorkommende ganz gold- farbene Chrysomela maulica, die oval und nicht viel gröfser als eine Fliege ist, um, durch Zusammensetzung mehrerer, schöne Kreuze und aridere Galan- teriesachen zu verfertigen, die beständig ihren Glanz behalten (Molina, Natur- geschichte von Chili, S. 183.). Eben so findet sich in Colchagua, einer Pro- vinz Cliili's, eine Schnake von mittlerer Gröfse, die einen angenehmen Mo- schusgeruch hat, und deren sich die dortigen Bauermüdehen bedienen, um ihre Kleider zu parfiimiren 8). In Indien gebrauchen die Frauenzimmer auf ihren Abendspaziergängen Leuchtkäfer, in Gaze gewickelt, als Haar- schmuck 5 ) ; und eben diese Thiere dienen in Südamerika und Westindien den Eingebornen bei ihren Reisen als Laternen und in ihren Häusern als Lam- pen 10); doch bemerke ich hier beiläufig, dafs die bekannte, von der Gräfin Merian herstammende Erzählung von dem Leuchten des grofsen surinamischen Laternenträgers höchst wahrscheinlich nur eine fabelhafte Sage ist, da solches kein neuerer Naturforscher beobachten konnte. In einigen Gegenden Afrika's verfertigt ein Laufkäfer (Carabus saponarius Oliv.) eine Substanz, welcher sich die dortigen Bewohner als Seife bedienen "); und wie IMolina berichtet, findet sich in Chili auf den Zweigen des wilden Rosmarins eine zähe, weifse Substanz, welche in kleinen Kugeln in der Gröfse einer Nufs darauf herum sitzt, und diese Kugeln haben in ihrer Mitte ein klares OeL Diese Art Gallen dienen der Larve des Cynips rosmarini Chilensis ;) Neu-Wied, Reise nach Brasilien. Th. I. Cap. 8. S. 2.J.7. B) Molina, Naturgeschichte von. Chili. S. 188. ») Kirby. S. 348. «) 1. c. »>) Kirby. S. 347. — 30 — zum Aufenthalt, und jenes Oel ergiefst sich, durch die Verwundung des In- sektes veranlafst, ohne Zweifel aus dem Strauche "''). Den Nutzen, welchen uns die Bienen durch Bereitung des Wachses und Honigs gewahren, habe ich schon früher erwähnt, weshalb ich solches hier übergehe. Doch ähnliche Substanzen werden von andern Insehten producirt. So erhält man in Coquimbo, einer Provinz Chili's, aus der Chilca , einer Art Dürrwurzel (Conyca), ein Harz, welches das Produkt einer kleinen, nackten, rothen und ohngefähr 6 Linien langen Baupe ist. Die Baupen bereiten das- selbe im Frühlinge auf den Aesten der Chilca in grofser Menge; sie machen darauf aus einer Art weifsen süfsen Wachses eine Hülle, in welcher sie sich verschliefsen und endlich als ein gelblichter Nachtfalter ( Phalaena ceraria ) her- vorschlüpfen. Dieses Anfangs weifses Wachs wird nach und nach gelb, und endlich durch die eintretenden Nebel braun und bitter. Die Einwohner sam- mein es im Herbst, lassen es erst kochen und formen es dann in Kuchen. Mitunter wird auch ein anderes Baumharz damit vermischt, und vorzüglich dient es in grofser Menge den Schiffern zum Verpichen'123). In China wird auch Wachs von einem andern -Insekte erzeugt, welches nach der Beschreibung des Abbe Grossier eine Art Coccus zu seyn scheint. Mit demselben besetzen nämlich die Chinesen zwei Arten Bäume (Kan la chu und Choni la Chu), auf denen man es allein findet und wo es nachher bleibt. Hier bemerkt man ge- gen Winters Anfang kleine Höcker, welche bis zur Gröfse einer Wallnufs an- wachsen und die Nester oder vielmehr die Hüllen der Weibchen, mit Eiern angefüllt , sind. Sobald die Insekten diesen Eiern entschlüpfen , zerstreuen sie sich über die Blätter und durchbohren die Binde, unter die sie sich zurück- ziehen. Das Wachs, genannt Pe-la (weifs Wachs), fängt sich um die Mitte des luni zu zeigen an, indem man zuerst wenige Fäden bemerkt, die wie feine sanfte Wolle von der Kinde, rund um den Leib des Insekts entstehen. u b) Molina, Naturgeschichte von Chili. S. 187. i»a) Molina. S. 186. — 31 — Sie nehmen bis zur Lese, die vor den ersten Frösten im September Statt fin- det, zu. Das Wachs selbst kommt an den Hof, und wird für den Kaiser, die Prinzen und Haupt - Mandarine aufgehoben. Eine Unze davon zu einem Pfunde Oel gethan, liefert ein Wachs, das dem Bienenwachse wenig nachsteht. Auch wird es von den Aerzten gegen verschiedene Uebel angewendet, und die Chinesen essen, bevor sie öffentlich sprechen wollen, eine Unze davon, um standhaft zu bleiben und Ohnmächten zu verhüten (Grossiers China, I. 439.). Wahrscheinlich ist dieser wachsbereitende Coccus mit dem, weiter unten zu be- rührenden Ou-Poey-Tse identisch, oder doch nahe verwandt. Geomelli Car- reri nennt dies Wachsinsekt einen Wurm, der sich in das Mark gewisser Bäume einbohre und in verschiedenen Provinzen von Xantung in der gröfsten Vollkommenheit, und zwar in förmlichen Stücken, so viel Wachs producire, dafs es hinlänglichen Vorrath für das ganze Reich gebe (Southeys Thalaba, II. 166.). Dagegen versichert Sir George Staunton, dafs das Pe-la von einer Cicadenart, C. limbata, hervorgebracht werde, die im Larvenzustande auf einer Pflanze, wie Rainweide (privet), lebe und über den Stamm ein Pulver ausstreue, welches abgelesen werde und das Wachs bilde (Embassy to China, I. 400.)- Künftigen Beobachtungen bleibt es überlassen, nähere Aufklärungen hierüber zu verbreiten. Doch scheint der Stauntonsche Bericht am unwahr- scheinlichsten, da er mit der Naturgeschichte der bis jetzt bekannten Cicaden- arten gerade im Widerspruch steht. Man kann vielmehr fast mit Gewißheit annehmen , dafs das Pe - la seine Entstehung einer Coccus - oder Aphis - Art zu verdanken hat, indem es Thatsache ist, dafs manche dieser Insekten eine wachsähnliche Substanz absondern. So wird in Indien eine dem Pe - la ähn- liche Substanz und mit den Eigenschaften des Bienenwachses versehen, von einer noch nicht beschriebenen Coccus - Art hervorgebracht , welche sich da- durch auszeichnet, dafs sie sich sogar einen kleinen Vorrath von Honig sam- melt. Dr. Anderson hat zuerst darauf aufmerksam gemacht, und diese Sub- stanz Weifs-Lack genannt; sie konnte in ziemlicher Menge und zu einem viel bilb'gern Preise als Bienenwachs aus der Gegend von Madras erhalten werden, — 32 — doch nach den Versuchen des Dr. Pearson soll es zum Kerzenziehen nicht brauchbar seyn (Phil. Trans. 1794. XXL). Gleichergestalt redet Azara (Voyage I. 164.) von einem festen, weifeen, dem Anscheine nach gleichförmig gemisch- ten Wachse, als dem Erzeugnisse eines Insektes aus derselben Familie, die man in Südamerika in der Form perlartiger Kiigelchen von den Zweigen des Quabi- ramy, eines kleinen 2 oder S Fufs hohen Strauches, sammelt l-h), vielleicht identisch mit der obberiihrten S. 29. durch den Cynips rosmarini Chil. producir- ten Substanz. — Das besonders als Arzeneimittel bekannte Manna galt allge- mein ledi°lich als ein hervorquellender und sich verdichtender Baumsaft, bis man erst in der neuern Zeit bemerkt hat, dafs auch Insekten dasselbe hervorbringen. Als die En°länder zu Neu- Süd- Wallis in Neuholland zuerst die blauen Berge überstie°en, sammelte Hr. Evans in dem Grase und den abgebrannten Feldern eine Menge des schönsten Mannas, womit die Gegend fleckenweise bedeckt war Dieses Manna zeigte sich bald als das Produkt einer eigenen Cicadenart fCicada mannaserens. ) , welche auf den hohen Eucalyptenbäumen lebte. Es ist aber solches theils trocken, theils zuckerartig und von dem feinsten Ge- "chmacke '3)- Höchst wahrscheinlich ist auch das im Morgenlande vorkom- mende Manna zum Theil ein Produkt von Insekten; das, was Italien, Sici- lien und Südfrankreich liefert, ist gröfstentheils der Saft von Eschen- und Lerchenbäumen. Eben so finden sich theils auf der Insel Syra, theils in meh- rern Gebenden von Kleinasien und Persien bei grofser Hitze auf den Blättern und Zweigen des Alhagi (Genista spontium spinosum foliis polygoni C."B.) kleine Tropfen Honig, welche sich zu Körnern verdicken, die so grofs wie die des Corianders sind und als Manna verkauft werden '^). Doch das Manna Per- «M Alles aus Kirby, Th. I. S. 35g scjq;. — S. auch über das Pe-la oder Weifs wachs: On authentic account of an Ambassy from the King of great Britain to the emperor of China etc. from the papers of the Earl of Macartney , by S. George Staun, ton. London 1797- Th. I. S. 353. 15) Geograph. Ephemeriden. XIX. Jahrgang, Mai 1816. S. 24. und Morgenblatt Nr. 231,. den 30. September 1817. U) Tournefort, Voyage. Tom. I. S. 124. Nach den neuesten Untersuchungen und Be- — 33 — sicns und Arabiens mufs noch anderswoher seinen Ursprung haben. Schon Avicenna '5") erwiedert auf die Frage, was ist Mel? „Ein unsichtbarer Thau, „der auf Blumen und andere Dinge herabfällt und den die Bienen ein- sammeln. Als Ausdünstung steigt er empor, reift in der Luft, verdichtet „sich während der Nacht und fällt nun als Hanig nieder. Nach Verhältnifs „des Korpers, auf den er fällt, ob es z. B. ein Stein oder ein Baum ist, „verändert sich seine Gestalt, und den Honig, der offenbar daliegt, sammeln „(als Manna) die Menschen, den andern die Bienen." Als Forskäl l6) nach dem griechischen Kloster Kaithu in der berühmten Gegend von Elim kam, berichtete ihm ein Mönch, dafs das Manna im Winter zugleich mit Kegen vom Himmel herabfalle und dafs es dasselbe wie das vom Himmel herab- gefallene Manna der Israeliten wäre. Da die Gegend an und für sich kahl und kaum mit einigen Kräutern bedeckt war, dagegen sich aber in der Nähe viele Palmengärten fanden, so leitet Forskai die Ursache des Manna-Regens daher; wogegen Thomas Hartwick in den Asiatic Researches die Beschreibung einer in Persien und Armenien gefundenen Substanz, Gez oder Manna genannt, und des Insekts (Käfers), welches sie erzeugt, nebst Abbildung liefert '"). So sehen wir also das Manna eines Theils als ein Produkt der Pflanzenwelt, wel- ches ausschwitzt und sich entweder verhärtet, oder durch Regen abgewaschen und durch die Luft hinweggeführt als Manna -Regen und Thau herabfällt, oder als ein Erzeugnifs von Insekten, Olivier beschreibt dreierlei verschiedene in Persien vorkommende Manna- arten : 1) Das schon erwähnte, auf den Blättern des Hedysarum Alhagi sich fin- dende Manna, welches Therenschabin genannt und als Brustmittel «e- obachtungen sollen Blattläuse dies Manna hervorbringen (s. Sprengel neueste Ent- deckungen in der Botanik). •5) Lib. 2. tract. 2. cap. 496. (L. 272.) Litt. M: de melle. «6) Descriptiones animalium pag. 22. 17) Asiatic Researches. Calcutta 1822. 4. Band 14. S. 182 — i,3G. - 34 - braucht wird, aber nicht abführend Ist. Obgleich der Alhagistrauch auf den Inseln Rhodus, Cypern und Creta, in Syrien, der arabischen Wüste und ganz Persien gefunden wird, so bringt er doch nur in den heifsesten Landschaften Arabiens und Persiens Manna hervor. 2) Eine Art Manna, die aus dem nördlichen Theile von Chorassan und aus der Tartarei kömmt, Scherher genannt wird, noch mehr Purgirkraft als die kalabrische besitzt, und wovon das sie producirende Gewächs unbe- kannt ist (Reise durch die Türkei etc. Th. 111. S. 288.). 3) Ein Manna, welches in Kurdistan und den nördlichen Gegenden von Persien gesammelt und Guiesen - Guebin genannt wird. Nach einigen Be- richten sollte diese Substanz vor Sonnenaufgang auf einem grofsen Baume j nach andern von einem Strauche, ähnlich dem, welcher das Traganth- gummi liefert, doch nach den meisten Berichten von einem Baume von mittlerer Gröfse oder einem grofsen Strauche, der in etwas der Eiche ähnelt, gesammelt werden. Daher vermuthet Olivier, dafs es mit den Substanzen, welche Strabo (lib. II. pag. 73. ed. Almenhoven), Diodor von Sicilien (Tom. II. pag. 21S. ed. Wesseling) und Quintus Curtius (6, 4.) beschreiben , identisch sey. Es werden aber hieraus zu Mossul, Bagdad und in den Städten Persiens kleine weifse Kuchen verfertigt, welche stark gezuckertem Mandelteig ährteln , vortrefflich schmecken und gar nicht abführend sind (Oliviers Reisen, Th. II. S. 588.). Einen andern nicht unbedeutenden Nutzen erzeugt den Bewohnern von Südeuropa, Kleinasien und Afrika durch die sogenannte Caprification ein klei- nes unscheinbares Insekt. Diesen Gegenden liefert nämlich der Feigenbaum ein Hauptnahrungsmittel durch seine Früchte, welche jedoch häufig vor der Reife abfallen. Um dies zu verhindern bedient man sich des folgenden Mittels. Man findet nämlich in dem wilden Feigenbaume oder Ficus sycomorus Persoon, ein kleines vierflügeliges Insekt, Cynips sycomori Fabr.; wenn die Früchte dieses wilden Feigenbaumes die Gröfse einer Nufs erlangt haben, so kriechen — 35 — diese Insekten durch das Auge in die Feigen, um daselbst ihre Eier zu legen* Untersucht man die Früchte wenige Augenblicke nachdem sie eingedrungen sind, so findet man sie die Feigen in verschiedenen Richtungen durchkreuzen. Die Feigen , worein keine Fliegen ihre Eier legen , bleiben in einem schwäch- lichen Zustande; ihre Saamen wachsen nicht, sie vertrocknen und fallen, ohne zu reifen , ab ; wogegen die andern im Gegentheile wachsen , und ihre Saamenkerne, die viel gröfser als die der kultivirten sind, füllen bald das Innere aus. Die Früchte des wilden Feigenbaumes hangt man nun an die zahmen Feigenbäume, damit die in den ersteren wohnenden Cynipse nach ihrem Ausschlüpfen in die Augen der kultivirten Feigen eindringen , und sie so vor dem Abfallen bewahren. Diese Methode, das Abfallen der Feigen zu verhüten, wird Caprificatior* genannt, und war schon im Alterthume wohl bekannt, wie denn ihrer bereits Theophrast '8) und Aristoteles '9) Erwähnung thun. Wie es nun eigentlich zugeht, dafs durch diese Cynipse das Abfallen der Feigen verhütet wird , darüber ist man noch nicht ganz im Klaren. Schon die Kirchenväter Basilius 20 ) und Ambrosius 21 ) und von den neuern Natur- forschern Linnee "), Pontedera 23) und Olivier waren der Meinung, dafs dies Insekt nur dazu diene, die weiblichen Feigen mit dem männlichen Saamen- staube zu befruchten ; wogegen das Gegentheil , und wie ich glaube mit sie- genden Gründen, Theophrast **), Bernard J=) und Link 26) dargethan haben.. •8) Hist. plant. 2, 9, •9) Hist. anim. 5 , 32. »0) Hexaemeron horail. 6. ai) Hexaemeron. Buch 3. cap. 13. ») Amoenitates Academicae. II. S. 41. sqq. »3) Anthologia. lib. IT. pag. 147. S. 54. 34) De causis plantarum. 2, 12. »5) Memoires pour servir a l'histoire naturelle de Ia Provence. Paris 1787. Tom. I. S. ioi. 2«) Bemerk, auf einer Reise d. Frankreich, Spanien u. Portugal. lüel 1808. Th. II. S. 200. 5* - 36 - Es ist daher die wahrscheinlichste Meinung , dafs durch die Bisse dieses In- sektes die Lebenskraft der Feigen einen erhohteren Reiz erhält, durch welchen das Abfallen verhütet und die Reife befördert wird. Eben so sonderbar ist es, dafs diese Caprification nur in gewissen Gegenden und bei einer bestimmten Lage zweckmäfsig angewendet wird. Schon Theophrast 2? ) äufsert sich hier- über, dafs das Verlieren der Früchte des Feigenbaumes in verschiedenen Län- dern verschieden wäre ; in Italien solle es nicht Statt finden ; eben so sey die Caprification in solchen Gegenden nicht nö'thig, die dein Nordwinde nicht zu- gekehrt wären und einen magern Boden hätten, wie zu Phalicos in Megaris und in einigen Landschaften Corinths. Ja es komme auch auf den Strich der Winde und die Natur der Feigenbäume an. Nordwind , besonders ein heftig wehender, trage mehr zum Abfallen der Früchte bei, als Südwind, und die frühreifenden Arten der Feigenbäume verlören ihre Früchte nicht so wie die, welche später ihre Pieife erlangten. — Bemerkenswert!! ist es, dafs man in Ita- lien, Frankreich, Spanien und einem Theile der Levante die Caprification nicht kennt; dagegen findet man sie in Malta, auf mehreren Inseln des Archipela- gus, in Griechenland, Egypten und Portugal. Olivier geht offenbar zu weit, wenn er die Caprification als ganz unnütz verwirft und in ihr nichts weiter als ein altes Vorurtheil findet -a). Eine Methode, die Jahrtausende schon Statt gefunden hat und praktisch geübt worden, ist gewifs nicht zu verwerfen; doch kommt es lediglich auf Lokalumstände an. Interessant ist übrigens die Beobachtung Bernards, dafs die caprificirten Feigenbäume zwar reichlichere, aber schlechtere Früchte hervorbrächten, als die andern 29), wogegen Link versichert, dafs durch die Caprification Feigen, die sich durch ihre Güte aus- zeichneten, erzeugt würden s°). *7 ) Hist. plant. 2 , 9. »0) Reise durch das türkische Reich etc. Herausgegeben von Sprengel. Weimar 1802. 8. Theil I. Abschnitt 7. S. 430. 19) Hist. natur. de la Provence. 3") Reise etc. Th. II. S. 200. — 37 — Doch gehen wir zu einem andern Produkt über, welches Tausende von Menschen ernährt, und ein Hauptgegenstand des Luxus nicht nur war, son- dern noch ist, nämlich die Seide. Wir gewinnen die Seide theils von Muscheln , theils von Insekten. Unter den Muscheln sind es besonders die Pinna -Arten oder Steckmuscheln, welche diesen Stoff als sogenannte Muschel- seide liefern. Nachdem sie oft mit Seifenwasser gewaschen und im Schatten getrocknet ist, wird die, welche zu feiner Arbeit dienen soll, kartätscht, mit der Spindel gesponnen und mit seidenen Fäden gemischt, dann aber zum Stricken von Westen, Strümpfen und Handschuhen benutzt. Die schönsten Stücke haben eine zimmtbraune , goldglänzende Farbe ; doch ist diese Seide sehr den Angriffen der Motten ausgesetzt. Besonders finden sich diese Mu- scheln an der neapolitanischen Küste, namentlich am Vorgebirge von St. Vito, ostlich von Tarent. Deshalb existiren auch , zumal in Italien , mehrere Fa- briken, wo dieses Product verarbeitet wird; doch war der Preis, wenigstens früher, nicht unbedeutend und es kosteten ein Paar Weiberhandschuhe in der ersten Hand 16 neapolitanische Carlins oder 3 fl. 10 Xr., ein Paar Strümpfe aber 3 bis 4 neapolitanische Dukaten 3' )• Unter den Insekten hat man theils die Arbeiten der Spinnen als Seide zu benutzen gesucht, theils das Gespinnst von Schmetterlingsraupen hierzu angewandt. Es überreichte nämlich im An- fange des ISten Jahrhunderts Hr. Bon, erster Präsident zu Montpellier, der Königl. Akademie der Wissenschaften daselbst Strümpfe und Frauenzimmer- handschuhe, die aus Spinnenfäden verfertigt waren. Reaumur, damit beauf- tragt, zu begutachten, ob es zweckmäfsig sey, die Spinneweben als Seide zu benutzen , stellte mehrere Versuche im Grofsen darüber an , woraus sich als Resultat ergab, dafs 90 Faden einer Spinne dazu gehören, um die Stärke eines Fadens des Seidenwurms hervorzubringen, und dafs erst 1800 Spinne- fäden eine gewöhnliche Nähseide bilden. Er fand es daher nicht zweck- ö> ) S. Carl Ulysses von Salis Marschlins, Reisen in verschiedene Provinzen des König- reichs Neapel. Zürich u. Leipz. 1795. 8. ; ferner: Naturforscher, St. 10. S. 1. u. folg, und St. 33. S. 173. — 38 — mäfsiff, die eigentlichen Spinneweben als Seide zu benutzen, sondern bei wei- tem vorteilhafter , hierzu die Säcke anzuwenden, womit die Spinnen ihre Eier umhüllen. Aber auch hier zeigte es sich, dafs die Spinneneier - Hülsen fünfmal feiner als die Cocons des Seidenwurms waren, und dafs man zwölf- mal mehr Spinnen bedurfte als Seidenwürmer, um eine gleiche Quantität Seide zu erhalten 3*). Wenn daher die Spinnenseide bei weitem theurer als die gewöhnliche zu stehen kam, so hat man es unterlassen, fernerweit die Spin- neweben als Seidensurrogat anzuwenden. Dagegen verfertigt in Paraguay eine Spinnenart runde orangenfarbige Cocons, die einen Zoll im Durchmesser hal- ten, und diese werden von den dortigen Einwohnern, besonders weil sich die Farbe gut hält, gesammelt, gesponnen und weiter benutzt (Azara, Reisen in Südamerika , aus dem Französischen von Lindau , Band I. S. 107 — 123. ). Die «ewöhnliche Seide liefern lediglich die Raupen von Schmetterlingen, vor- zü°lich aus der Gattung Bombyx Linnee, indem sie sich bei ihrer Verpuppung mit einer äufseren Hülle als Schutzmittel umgeben, welche aus Fäden besteht, die sie aus bestimmten dazu vorhandenen Organen hervorziehen. China, Indien, auch Persien und Armenien, sind die Länder der alten Welt wo die Benutzung der Seide seit den ältesten Zeiten einheimisch ge- wesen zu seyn scheint. Schon in den ältesten Sanskritfbüchern wird der Men- schen erwähnt, die sich mit Wartung der Seidenwürmer beschäftigten 33) und in China soll die Gemahlin des Kaisers Yaus, eines Nachfolgers von Cous, der ohngefähr 2357 Jahr vor Christi Geburt zur Regierung kam, den Weibern 'die rechte Art, die Seidenraupen zu ziehen, auch die Seide davon zu gewin- 35) S. Assembler publique de la Societe" Royale des Sciences tenue ä Montpellier 170g. Ferner: Curieuse Nachricht von einer neuen Seide, welche von Spinneweben zube- reitet wird, Leipzig 1711. 8. Endlich R^aumurs Gutachten darüber bei Lesser theo- logie des Insectes, ed. Lyonnet, Tome II. S. 154. Auch Hannoversches Magazin von 1781. Stück 56. S. 831 — 894. 33) Colebrook, in Asiatic Researches, V, 61. Bei Kirby Th. I. S. 566. — 39 — nen und zu verarbeiten, gelehrt haben M)$ Aufser dem auch jetzt bei uns vorkommenden Bombyx mori, dessen Zucht nicht nur in Asien, Afrika und Europa, sondern auch in Amerika verbreitet ist, benutzt man das Produkt mehrerer anderer Raupen zur Seidengewinnung. So halten sich in China auf dem Fagara - Baum , Eschen und Eichen und vielleicht noch andern Bäumen, gewisse seidenspinnende Raupen auf, die sich ohne irgend eine Aufsicht fort- pflanzen. Sie spinnen ihre Seide nicht zirkeiförmig , wie die gewöhnlichen Seidenwürmer, welche ihre Seide in Bälle bilden, sondern sie verfertigen lange glänzend - weifse Fäden , welche der Wind wegführt und die an Bäumen und Gebüschen hängen bleiben. Die Sinesen sammeln diese Faden und machen eine Art Zeug daraus, Namens Kien-ehecu, welches dem aus der gewöhn- lichen Seide bereiteten an Glanz nachsteht; beim ersten Anblick hält man es für grobes Wollenzeug und doch wird es in China sehr geschätzt und manch- mal theurer als der beste Atlas verkauft. Dieses Zeug ist dicht gewebt, reifst niemals, dauert sehr lange, wäscht sich wie Leinewand, und wenn es mit Sorgfalt bereitet worden, sieht man selten Flecken, selbst nicht Oelflecken, darin. Zweierlei Arten von Raupen produciren diese Seide ; die eine ist gröfser und schwärzer als eine gewöhnliche Seidenraupe, wird Tsouen-kien genannt und liefert eine röthlicht- graue Seide; die andere ist kleiner, heifst Tiao-kien und giebt eine schwärzere Seide 35). Ja es soll auch in China einen IMonats- Seidenwurm geben, der in 25 Tagen Gespinnste liefert und binnen 29 oder 31 Tagen sich fortpflanzen, auch bereits in Ostindien eingeführt seyn soll 36). 34) Reise nach Sina, im Namen der ostindischen Gesellschaft in den vereinigten Nieder- landen, in den Jahren 1655 — 57 von den Herren Peter de Goier und Jacob Weiser verricht, beschrieben von Johann Nevvhoff, herausgegeben von Hendrich Newhoff. Fol. Ohne Titel. S. 367. 35) S. oben angeführte Reise nach China in den Jahren 1655 — 57. S. 130 und 356. — Winterbotham , Ausführliche Darstellung von Sina; aus dem Englischen durch J. C. Fich. Erfurt 1798. Th. I. S. 366. — Memoires , concernant l'histoire des sciences fait des Chinois. Tome II. pag. 574 sqtj. 3«) Youngs Annais of Agriculture. Bd. XXIII. S. 235. BefKirby, Einleitung. Th. I. S. 368 in f. — 40 — In Japan benutzt man das Gespinnst von Noctua sericl Fabr. als Seide &*), und in Ostindien das von Bombyx militta (nach Kirby Attacus paphia Linn.) und von Phalaena cynthia Drury; auch wie Wahl anführt von Bombyx atlas Linn. 3?>'). Die Raupe des Bombyx militta wird auch der Tusseh - Seidenwurm genannt. Sie ist ohngefähr 4 Zoll lang, grün und findet sich häufig in Ben- galen und den angrenzenden Provinzen auf den Blättern von Rhamnus jujuba und Terminalia alata glabra Roxb. Ohngefähr im Oktober spinnt sie sich ein und kriecht im folgenden Juli als Schmetterling aus. Die eiförmige Puppe hän°t an einem Zweige vermittelst einer dicken festen Schnur und, um sie zum Abwickeln tüchtig zu machen, wird sie einige Stunden in eine Lauge von Pisan°asche und Wasser gelegt. Seit undenklichen Zeiten liefert sie den StolF zu einer groben dunkelfarbigen Seide, woraus ein höchst dauerhaftes Zeug ge- ltiacht wird. Eine Abart, Namens Larroo, liefert eine dunklere Seide und läfst sich auch vom Ei an aufziehen, indem blos die Männchen wegfliegen, die Weibchen aber den Baum, worauf die Raupe gelebt hat, nicht verlassen, wo°e<*en bei dem eigentlichen B. militta Männchen und Weibchen wegfliegen. Die Raupe der Phalaena Bombyx cynthia Drury, auch Arrindy- Seidenwurm genannt, ist nur in zwei Gegenden des innern Bengalens, Dinagepore und Run°pore einheimisch, wo sie von den Einwohnern auf ähnliche Art, wie die der B. militta gehegt wird. Sie ist 2§- bis 3 Zoll lang, von einer blals- meer°rünen Farbe und lebt auf den Blättern des Ricinus communis. Die Puppe ist ohngefähr 2 Zoll lang, weifs oder gelblich und an beiden Enden zugespitzt. Aus der Seide, die so zart ist, dafs sie sich nicht abwickeln läfst, sondern wie Baumwolle gesponnen werden mufs, wird ein grobes wei- fses, dem Aeufsern nach loses, aber äufserst dauerhaftes Zeug bereitet 38). 37a) S. Fabric. Entomologia systematica und die schwedischen Abhandlungen von 1781. S. der K. schwedischen Akademie der Wissenschaften neue Abhandlungen für d.- Jahr 1780. Leipzig, I. u. II. 1784.. III. u. IV. 1785. V. 1786. 8. Band II. S. 23g. 37b) Erdbeschreibung von Ostindien. Th. II. S. 847. 38) The Transactions of the Linnean - Society of London. Vol. 7. 1801,. Aufsatz IH. S. 55. — 41 — Gleichergestalt versichert Raffles sq), dafs auf der Insel Java die Puppe des Bom- byx atlas eine grobe Seide liefere, jedoch nicht eingesammelt würde, und dafs die, dort von den Niederländern früher eingeführte, Seidenraupen -Zucht sich unter den Einwohnern nicht verbreitet hätte. Die eigentliche Kultur der Seiden- raupe oder des B. mori scheint von Sina und dem angrenzenden Hinterindien ausgegangen zu seyn. Daher versichert Wahl, dafs in Ostindien, besonders auf der Halbinsel diesseit des Ganges , obgleich die Seiden - Insekten , namentlich auch B. mori, dort einheimisch, bis auf die Regierung Akbars doch die Zu- bereitung der Seide daselbst unbekannt gewesen sey und man solche aus China und den benachbarten Staaten erhalten habe 4°*). Jedoch schon den Griechen zu Alexander des Grofsen Zeiten und später den Römern, war die Seide, und dafs sie durch eine Raupe bereitet wurde wohl bekannt und an einem andern Orte 4oh) habe ich gezeigt, dafs die Bombycia des Aristoteles und die (Trjpmct der andern Schriftsteller einerlei sey, und nur Plinius zu dem Mifsverständ- nisse Anlafs gegeben habe, dafs der Aristotelische Bombyx als Seidenraupe auf der Insel Cos oder Ceos vorkäme, wozu vielleicht der Umstand Veranlassung gegeben hat, dafs unter dem Nachfolger des Kaisers Cous in China, wie oben angeführt, zuerst die Kunst, die Seide zu benutzen und die Seiden- raupen zu ziehen , erfunden worden seyn soll. Von Indien verbreitete sich die Seidenkultur nach Persien und Armenien, und ward unter dem Kaiser Justinian dem Grofsen zuerst in den asiatischen Provinzen des oströmischen Reiches eingeführt, so wie in der heutigen europäischen Türkei. Von Con- stantinopel aus brachte erst in der Mitte des zwölften Jahrhunderts Graf Roger die Seidenzucht nach Sicilien und Italien, von wo aus *sie unter Karl VIII. und Heinrich IV. nach Frankreich kam. Unser liebes deutsches Vaterland blieb Accounth of the Tusseh and Arrindy Silkworm of Bengal by W. Roxburgh. Eine Uebersetzung soll sich in Bancrofts Färbebuch , Bd. I. S. 14c. befinden. 39) The history of Java. 1817. Aus der Isis Heft 8. 1823. S. 789. 40a) Erdbeschreibung von Ostindien. Th. II. S. 848. 4ol>) S. Germar: Magazin der Entomologie. Halle 18*8. Band III. S. 8. 6 — 42 — auch hierin am weitesten zurück, denn obschon der Dr. Andreas Liborius im Jahr 1599 zu Rothenburg an der Tauber interessante Bemerkungen über die Zucht der Seidenraupe machte, so kann sie doch erst seit den Bemühungen des Churfürsten Johann Philipp von Mainz, des Herzogs Friedrich von Wür- temberg und des Königs Friedrich des Einzigen von Preufsen als einheimisch angesehen werden Al). Wenn jetzt noch immer die Seide ein kostbarer Stoff ist, so war dieses doch noch bei weitem mehr in den frühern Zeiten der Fall. Die Griechen scheinen keine blofse Seide, sondern nur eine Halbseide gekannt und verarbeitet zu haben , und die Römer machten einen grofsen Unterschied zwischen haloserica , subserica und tramoserica ( wo der Aufzug Linnen, der Einschlag aber Seide ist). Als Cäsar nach der Besiegung des Pompejus mehrere prächtige Spiele gab, erzählt Dio Cassius ''-), um die ver- schwenderische Pracht, die dabei geherrscht hat, zu zeigen, dafs er, um die Zuschauer vor den Sonnenstrahlen zu schützen , seidene Decken über sie ausspannen liefs. Der Kaiser Heliogabalus war der erste Römer, der sich eines Kleides von haloserica bediente , da vorher nur dergleichen von subserica in Gebrauch gewesen waren (Lampridius in Heliogabalo, cap. 26.), und Mark Aurel verkaufte unter andern , um den erschöpften Schatz zu füllen , seine seidenen Kleider *>). Während der Kaiser Aurelian seiner Gemahlin abschlug, ein ganz seidenes Kleid zu kaufen (Flavius Vopiscus in Aureliano, cap. 45.), weil es zu kostbar sey, so erzählt Ammiariüs Marcellinus, dafs das sericum, dessen sich früher nur die Vornehmsten bedient hätten, zu seiner Zeit jeder ohne Unterschied trage +»). Doch auch selbst nach der Einführung der Sei- denkultur unter Justinian gehörten noch bis in die neueren Zeiten in dem nördlichen Europa seidene Stoffe zu den kostbarsten Gegenständen. So mufste Jacob L, während er König von Schottland war, von dem Earl of Mar ein 4') Lesser, theol. des inaect. ed. Lyonnet. Th. II. S. 156. 4*) Ljb. 44. S. 255. ' 43) Jul. Capitol. in Marc. Aurel. vita. cap. 17. 44) Lib. 25. gegen Ende. S. 277. — 43 — . Paar seidene Strümpfe borgen, um darin sich vor dem englischen Gesandten zeigen zu können, und verstärkte seine Bitte mit der dringlichen Angabe: „Ihr werdet doch nicht wollen, dafs euer König wie ein Lump vor dem „Fremden auftrete" •«)• Auch habe ich irgendwo, wenn ich nicht irre, gelesen, dafs als ein deutscher Fiirstf seine Prinzen auf Reisen schicken wollte, er die Landstände zusammen kommen liefs, damit sie ihm eine Summe Geld bewilligen möchten, um dafür den Prinzen seidene Strümpfe zu kaufen. Ob übrigens die Hebracer schon Seide gekannt haben, ist sehr ungewifs, denn was Luther durch gelbe Seide übersetzt **) und im Urtext ft^plO (Te- chelet) heifst, ist nach Gesenius Wörterbuch Purpur, auch wird es in der Septuaginta immer durch 'vxxivSos oder koxxos gegeben. Gegenwärtig liefern unter den europäischen Ländern Italien und Süd- frankreich wohl die meiste Seide, und sie wird auf folgende Art gewonnen: Gewöhnlich im April oder Mai kriechen die Räupchen des B. mori aus und verwandeln sich nach einer viermaligen Häutung in eine gelbbraune Puppe. Die gewöhnliche Nahrung der Raupen sind die Blätter des weifsen Maulbeer- baums, doch fressen sie auch die der schwarzen Maulbeere, und nach Mal- pighis Versicherung lassen sie sich ebenfalls, wenn gleich schwieriger, durch Salat -, Lorbeer -, Wein - und Ulmenblätter aufziehen. Es dauert aber der Raupenzustand einige Wochen, und die Puppe ist mit einer länglichrunden Hülse von dreifacher Anlage umgeben, in welcher sie frei liegt. Dieses eiför- mige Gehäuse oder Cocon wird dadurch hervorgebracht, dafs die Raupe, wenn sie sich zu der Puppenverwandlung anschickt, einen Faden spinnt und sich dabei immer wie ein lateinisches S oder wie ein halber Ring herumdrehet. Es ist daher dieser Cocon gleichsam eine Art Knaul von einem einzigen Faden gewunden, welcher eine Menge Zickzacks macht, woraus unterschiedene Schichten und somit die Dicke des ganzen Gewebes entsteht. 45) Rirby, Einleitung. Th. I. S. 365. 46) Chronica. Buch 2. Cap. 7 u. 14. Arno*. 3, 13. 6* — 44 — Ein sehr feines Lochelchen, welches die Oeffnung einer zarten Sprütze, dicht am Munde der Raupe, vorstellt, bildet den Faden. Die Seidenmaterie ist aber, ehe sie durch dasselbe geht, wie eine Art Gummi oder klebriger Saft anzusehen, der, in zwei grofsen Behältnissen enthalten, sich durch zwei feine und gleichlaufende Gänge in diese Sprützenöffnung ergiefst. Jeder Gang führt die Materie zu einem Faden herbei; in der gedachten Oeffnung aber verbinden sich beide Fäden zu einem. Nach Verlauf von einigen Wochen ent- wickelt sich der Schmetterling und durchbricht die Puppe nebst der sie um- gebenden Hülle. Er paart sich und legt zwischen 39S bis 516 Eier, welche bis zum nächsten Frühjahre aufgehoben werden. Doch versichert Malpighi, dafs es mitunter eine zweifache Erndte der Seide gebe. Nachdem nämlich gegen Ende Aprils die Piaupe den Eiern entschlüpft sey, so erzeuge der daraus ent- wickelte Schmetterling noch vor Anfang des Juli eine neue Nachkommenschaft, und die daraus sich entwickelnde Brut lege gegen Ende Augusts wiederum Eier, welche nun bis zum folgenden Frühjahre aufbewahrt würden. Gewöhnlich findet jedoch nur eine Erndte innerhalb Jahresfrist Statt. Jene Hülle nun, womit sich die Puppe als Schutzmittel umgiebt, liefert die Seide, und da sie aus einem einzigen langen vielfach verschlungenen Faden besteht, welchen der Schmetterling bei seinem Hervorschlüpfen durchlöchert, so tödtet man, um dieses zu verhindern, die Puppen, wovon man die Cocons als Seide benutzt, gewöhnlich, indem sie den glühenden Sonnenstrahlen ausgesetzt werden. Es enthält aber diese Hülse oder Cocon eine dreifache Anlage. Die äufsere besteht au3 groben durcheinander geschlungenen Faden , welche sich nicht gut abwin- den lassen; die zweite aus feineren Fäden und die dritte aus einer Art Gum- mi, mit welchem die Hülse inwendig verklebt ist. Aus der ersten Anlage ver- fertigt man die Floretseide; aus der zweiten die feine ächte Seide, und aus der dritten die Seidenwatte, ein flockiges Zeug, welches zum Verpacken fei- ner Zeuge genommen wird. Ein einziger vielfach umher geschlungener Faden bildet, wie erwähnt, ein solches Cocon, und nach Malpighis Versicherung ist er zuweilen , und zwar yor der zweiten Anlage , welche die eigentliche «* — 45 — Seide liefert, an 930 bononische Fufs lang. Besondere Maschinen sind erfun- den, um ihn abzuwinden, und da er einfach zu zart seyn würde, so wer- den gewöhnlich die Faden von acht Cocons dergestalt zusammen abgewunden, dafs sie einen einzigen bilden •*7)j 180 solcher Fäden übereinander gelegt, ge- ben erst die Breite einer Linie. Es wird, nun diese Seide mit mannigfachen andern Produkten; namentlich mit Baumwolle und Leinen verarbeitet, und es ist ein Vorzug der kultivirten Seide, dafs sie die verschiedenartigsten Farbe- Stoffe leicht annimmt, während sich die wilde ungleich schwieriger färben läfst, wobei jedoch der Abbe Brotier offenbar zu weit geht, wenn er be- hauptet, dafs sich die wilde Seide gar nicht färben liefse /»8). Während sich die Zucht des B. mori auch nach Amerika verbreitet hatte, so finden sich doch daselbst auch mehrere einheimische Insekten, deren Gespinnste als Seide theils schon früher benutzt worden sind, theils gebraucht werden können. So versichert Humbold *), dafs es in Neu -Spanien mehrere Gattungen ein- heimischer, Seide spinnender, den Entomologen aber noch unbekannter Piau- pen gebe. Von diesen Insekten kommt namentlich die Seide der Misteca, die schon zu Montezumas Zeit ein Handelsgegenstand war, und von der man noch jetzt in Oaxaca Taschentücher macht. Der Stoff ist rauh anzufühlen, wie die ostindischen Zeuge, welche aus der wilden Seide bereitet werden. Gleichfalls sieht man in der Provinz Michoacau und in den Gebirgen von Santa Bosa, nordwärts von Guanaxuato, an verschiedenen Baumgattungen, zumal an den Zweigen des Arbutus madrofio, ovalförmige Säcke hängen, welche den Nestern der Trupialen und Caziken ähnlich sind. Diese Säcke, welche Capullos de madrofio heifsen, sind das Werk einer Menge Raupen von einem Bombyx, die in Gesellschaft leben und zusammen spinnen. Jeder Capullo ist 47) S. Malpighi : Dissertatio de Bombyce. Londini 166g. 43) Memoires de litterature de l'Academie des Inscriptions et belies lettres. Tome 46. Paris 1793. 4. pag. 452 — 462. 49)' Ueber den politischen Zustand des Königreichs Neu - Spanien. Band HI. Buch 4. Cap. 10. S. 145 u. folg. — 46 — 18 bis 20 Centimeter lang und 10 breit. Es sind aber diese Nester von blen- dender Weifse und in Schichten gebildet, die man von einander trennen kann. Die innern Schichten sind die kleinsten und sehr transparent. Die Materie , aus der diese Säcke gebildet sind , gleicht dem chinesischen Papiere, und das Gewebe daran ist so dicht, dafs man die Fäden, welche quer über- einander gespannt sind, beinahe nicht erkennt. Auf die inneren Lagen dieser Säcke kann man ohne alle weitere Zubereitung schreiben, und es ist ein wah- res natürliches Papier, das die alten Mexikaner wohl zu benutzen verstanden, indem sie mehrere Lagen zusammenklebten und so einen weifsen glänzenden Pappdeckel gewannen. Auch bei den Mongolen und Chinesen ist die Kennt- nifs, aus der dort gewonnenen Seide Papier zu verfertigen, sehr alt; na- mentlich erwähnt Busbeck 5») dieses Seidenpapiers mit dem Zusätze, wie es so fein sey, dafs man es nur auf der einen Seite beschreiben könne, und auf der andern rein lassen müsse. Humbold beschreibt übrigens die erwähnten Raupen dts Bombyx madrono als 25 bis 28 Millimeter lang, behaart und von einer ins Schwarze spielenden Olivenfarbe. Wenn er dabei bemerkt, dafs diese Madronoseide bei allem ihren Glänze und Schönheit doch deshalb nicht würde gebraucht werden können , weil sie sich bei dem Durchkreuzen und Verwickeln der Fäden nicht abwickeln liefse, so konnte man diesen Uebelstand dadurch umgehen, wenn das Gespinnst wie Baumwolle gespon- nen würde. In Chili , erzählt Molina 5' ) , gebe es zwischen den Flüssen Rapel und Mataquito Seidenwürmer, den unsrigen ziemlich ähnlich, welche jedoch et- was kleinere Gespinnste verfertigten, die sich aber vortrefflich abhaspeln liefsen und eine sehr gute Seide lieferten. Gleichfalls findet man in Para, einer Provinz Brasiliens, die Phalaena atlas in Menge. Die Raupe lebt auf Pome- ranzenbäumen, der Cocon ist dreimal gröfser, als der des Bombyx mori und 50) Busbequii Epist. 4. p. m. 529, wo von den Bewohnern Cathays die Rede ist. 51 ) Naturgeschichte von Chili. S. 186. — 47 — die erzeugte Seide ist dunkelgelb. Doch wird sie leider noch nicht benutzt 5=). In den Phil. Trans. 53) ist ein in Amerika vorkommender Seidenwurm be- schrieben, dessen Gespinnst nicht nur schwerer und reichlicher an Seide ist, als das von der gemeinen Art, sondern auch so viel stärker, dafs 20 Stränge (threads) eine Unze mehr betragen. Don Louis Nee bemerkte am Psidium pomiferum und pyriferum ovale, 8 Zoll lange Raupennester von grauer Seide, welche die Einwohner von Chilpancingo , Tixtala u. s. w. zu Strümpfen und Halstüchern verarbeiten 5*), und nach Lozieres Versicherung kann man eine Menge sehr schöner glänzend weifser Seide von den Gespinnsten selbst der Schlupfwespen sammeln, welche die Larven einer Motte in Westindien zer- stören, die ÄiiE Indigo und Cassada leben 55). Auch ich habe aus Brasilien einen noch unbekannten Bombyx erhalten , dessen Cocon wegen seiner Weich- heit und Feine gewifs eine sehr schöne Seide geben dürfte. Es würde gewifs vom höchsten Interesse seyn, wenn ein Sachverständiger die verschiedenen Arten der aufsereuropäischen seidenspinnenden Piaupen genau untersuchte, in- dem es ohne Zweifel vortheilhaft wäre, die eine oder andere in Europa zu kultiviren. So hat man bis jetzt zwar eine Menge , jedoch nutzloser Ver- suche gemacht, aus bei uns einheimischen Raupen Seide zu gewinnen. Be- sonders sind hierzu vorgeschlagen B. pavonia major und minor, B. pityocampa und eine Tinea, wahrscheinlich evonyrnella. In Italien soll das Gespinnst des B. pavonia major L. als Seide benutzt werden , und über die Benutzung des Gespinnstes von B. pavonia minor hat ein gewisser Wenzel Heeger im Jahr 52) Ueberlieferungen aus der neuen Welt. Erstes Heft. Leipzig 1S18. S. 83. 53) Pullein 1759, 54. Bei Kirby Tli. I. S. 36g. — Auch versichert Caldcleugh (Reisen in Südamerika, Weimar 1826. S. 37.)) dafs man in Brasilien kürzlich eine Raupe entdeckt-habe , die einen guten Cocon spinne. — Ob diese übrigens mit der oben angeführten Seidenraupe vielleicht identisch oder davon verschieden ist, vermag ich nicht zu entscheiden. 5 1 ) Annais of Botany. IX. 104. Bei Kirby Th. I. S. 370. 55) American Phil. Trans. V, 325. Bei Kirby 1 c. - 48 - 1794 ein eigenes Buch geschrieben 5«). Die Raupen dieses auch Lei uns nicht selten vorkommenden Schmetterlings verfertigen nämlich, um die Puppe zu schützen, wie die Raupe des B. mori, ein seidenartiges Gespinnst. Hr. Hee- ger hat nun Mittel gefunden, viele Raupen dergestalt neben einander zu stel- len, dafs sie alle ein zusammenhängendes Gewebe verfertigen müssen, so dafs nach seiner Versicherung Stücke von 60 und noch mehr Ellen Länge und f bis 3 Ellen Breite entstehen. Es ist wie Seidenwatte, soll so dünn wie Sei- denschleier, dabei aber so fest wie Taffet seyn, sich gut färben und beson- ders zu Bändern vortheilhaft benutzen lassen. Hr. Heeger hatte in seinem Buche zugleich einen Aktien -Plan entworfen, um eine Fabrik solcher Seiden- zeuge zu errichten; doch glaube ich nicht, dafs es ihm gelungen seyn wird, weni°stens ist es mir völlig unbekannt, dafs sein Versuch im Grofsen ange- wendet und so in das praktische Leben gerufen worden wäre. Die Gespinnste sowohl der B. pavonia major als minor haben das^Gute, dafs sie sich auch selbst wenn der Schmetterling entschlüpft ist noch abhaspeln lassen, aber ich «laube nicht, dafs man sie vortheilhaft gebrauchen kann, indem sie immer nur ein sehr grobes Zeug liefern müssen, und wenn man ein solches pro- duciren wollte, so könnte man nach meinem Dafürhalten bei weitem vor- theilhafter die so häufig vorkommende B. neustria dazu anwenden. Latreille versichert zwar, dafs in Deutschland eine Seiden -Manufaktur errichtet sey, wo die Gespinnste der B. pavonia verarbeitet würden, was ihm Kirby und Spence nachgeschrieben haben 57); doch gründet sich seine Nachricht wohl nur auf jene Heegersche Schrift, und kann daher als wahr nicht angenom- men werden. 56) Biographie des neu entdeckten östreichischen Seidenwurmes, von Wenzel Heeger, Wien und Berchtelsdorf 1791.. 8- Doch ist es mir nur aus der Recension in der physikalisch -ökonomischen Bibliothek, Band 19. S. 340 u. folg. bekannt. Auch ist hierbei zu bemerken , dafs wenn gleich von B. pavonia minor die Rede ist , es dock wohl eher B. pavonia media seyn dürfte, da nach Anfuhrung des Verfassers die Raupe auf Schwarzdorn lebt. 57) Latr. Hist. nat. XXIV. 150. Bei Kirby Th. I. S. 369. — 49 — . Ein anderer Schmetterling, dessen Gespinnst als Seiden - Surrogat zu be- nutzen in Vorschlag gebracht worden, ist B. pityocampa 58). Die Raupe lebt besonders im südlichen Europa Gesellschaftsweise, wie B. processionnea, auf Pinus sylvestris, picea, abies und pinea, und die Seide davon soll zwar nach des Grafen Ginnani Versicherung sich nicht leicht färben , dabei aber sich so gut wie die gewöhnliche verarbeiten lassen , so dafs sie zwar keinen Glanz erhält, aber doch einen sehr starken Stoff liefert, wogegen Reaumur sie des- halb als unzweckmäfsig befunden hat, weil sie im warmen Wasser auflös- lich ist. Schon Kirby erwähnt, dafs er in seiner Jugend Fäden, die jedoch eher der Baumwolle als Seide geglichen , von einer Mottenlarve auf den Zweigen des Evonymus gefunden und abgewunden habe, die vielleicht als Seide be- nutzt werden könnten 59), und ganz neuerlich hat der berühmte Natur- forscher Franz von Paula Schrank eine Abhandlung über die Watte webenden Elsenraupen geliefert 6o). Auf dem Spindel - und Traubenkirschenbaum leben nämlich ein Paar sehr nahe verwandte Mottenarten , welche ein sehr lockeres Gewebe spinnen, dessen Fäden sich nach allen Richtungen durchschlagen und wodurch eine solche Raupengesellschaft den Stamm und die Zweige des Baumes, die sie bewohnt, nach und nach mit einem mehr oder minder dichten Filze oder Watte ähnlichen Gespinnste überzieht. Ist die Witterung dazu geeignet, so wird ein solches Gewebe sehr weifs und glänzend. Am Stamme des Baumes ist die Walte dünner und lockerer, als an den Zweigen, und Hr. Hebenstreit 58) S. Fabbroni, del Bombyce e del Bisso degli Antichi. 1782. Bei Fuefsli: Neues Ma- gazin der Entom. Bd. II. S. 281 u. folg. Ferner: Notice des insectes de In France reputes venimeux. Paris 1789- 8. S. 158. und Reaumur, hist. de» insectes. Tome second, premiere partie. 8. S. 190. 6») Kirby und Spence Einleitung etc. Th. I. S. 36g. 6c) S. Denkschriften der Königl. Akademie der Wissenschaften iu München für das Jahr 1816 bis 1817. Band VI. Aus den Göttingischen gelehrten Anzeigen, St. 197. 198. den 9. December 1824. S. 1975. — 50 — hat es dahin gebracht, dafs er die Raupen nicht nur im Freien, sondern auch in der Stube zwingt, ihre Arbeiten in mehr oder minderer Dichte um hölzerne oder papierne Walzen, die mit dem Safte der Elsenblätter oder auch des Spindelbaums bestrichen wurden, zu fertigen. Wahrscheinlich ist es die Raupe der Tinea evonymella, welche Schrank meint, und welche den Evonymus europaeus mit ihren Gespinnsten oft über- deckt. Doch möchte ich bezweifeln, ob es zweckmäßig sey, sie zur Seide- gewinnung zu benutzen. Das Gewebe, welches nämlich die Zweige der Pflanze bedeckt, besteht aus lauter unregelmäfsig verschlungenen Fäden, deren Einsammlung sehr schwierig und wahrscheinlich mehr Rostenaufwand ver- ursachen, als der Gewinn betragen würde. Die Raupen aber nach Heben- streits Versuchen künstlich zu zwingen, Gewebe zu verfertigen, dürfte eben- falls theurer zu stehen kommen, als ihr Produkt werth ist, welches immer der wahren Seide doch bei weitem nachsteht. Die Seidenmaterie der Raupen überhaupt, welche ein Gespinnst verfer- tigen, besteht aus einer Art Gummi, und man könnte vielleicht manche Raupenarten zur unmittelbaren Gewinnung dieses Gummi benutzen. So finden sich in der mexikanischen Provinz Yucatan auf den dortigen Bäumen röthliche Raupen, fast von der Gröfse der Seidenwürmer. Die Indianer sammeln sie und kochen sie in einem Kessel voll Wasser. Die auf der Oberfläche sich sammelnde fettige oder ölige Materie schöpfen sie sorgsam ab und thun sie in ein besonderes Gefäfs. In der Kälte verhärtet sich dieses Oel, jedoch braucht man es nur zu erwärmen, um es technisch anzuwenden. Es dient aber diese Masse als der dort gewöhnlichste Firnifs 6l ). So sollen auch , nach Kirby's Anführen , die Chinesen aus den Gummi - und Seiden - Organen der Insekten- larven einen feinen Firnifs erhalten , und das daraus verfertigen , was die 61) Memoires de Trevoux du Mois d'Octobre 1704. pag. 1818. Bei Reaumur hist. des insectes, Tome I. ire partie. Amsterdam. 8. S. 194. ** 51 — Angelfischer Indisch Gras nennen (Andersons recreations in Agriculture, II. 399. Bei Kirby T.h. I. S. 399.)» doch bin ich aufser Stande, darüber Auskunft zu geben , was dies sogenannte Indische Gras für eine Substanz ist und wie über- haupt jener Firnifs bereitet wird. Nach Strabo's Versicherung soll auch ein Insekt die Ursache seyn, wodurch der Styrax producirt wird. Auf den Höhen des Berges Taurus in Pisidien, so erzählt er 6*), ist eine Gegend, wo viel Styrax wächst ; es ist dies aber ein nicht sehr grofser, doch gerade wachsen- der Baum , von welchem die den Hornspitzen ähnlichen Styraxpfeile herkom- men ('■*(£>' 'ov xxi rx ffTvpxutvx 'xHovTiTfixrx, 'eoixorx roig HpxvB'ivoic). In den Stämmen dieser Bäume entsteht nämlich ein Holzwurm , welcher sich bis zur Oberfläche durch das Holz bohrt und dann einen der Kleie ähnlichen Holz- staub herauswirft, welcher sich an der Wurzel in einen Haufen ansammelt. Hierauf tröpfelt ein Saft hervor, der sich nach Art des Gummi leicht ver- härtet. Dieser Saft läuft nun theils bis zu der Wurzel herab, und vermischt sich mit dem hier gesammelten Holzstaube und der Erde, er müfste denn mehr oberhalb erhärten und rein bleiben; theils bleibt er aber am Stamme, an dem er herabläuft, hängen, verhärtet sich und bleibt rein. Den nicht reinen Saft vermischt man auch bisweilen mit Holzspänen und Erdstücken; so dafs er zwar wohlriechender als der reine ist, doch nicht so viel Kraft be- sitzt. Fast dasselbe, nur viel verworrener, erzählt Plinius 63). Nach ihm ist nämlich der Styraxbaum ähnlich der Quitte, und das ausschwitzende Harz schmeckt zuerst scharf und dann, angenehm nach, inwendig aber ähnelt es dem Rohre und ist voller Saft. Auf diesem sollen nun bei Aufgang des Hund- sterns kleine geflügelte Würmer sich einstellen, die ihn ausnagen, daher er anch klein gemacht zu Staub zerfällt (ob id in scobe sordescit). Heut zu Tage giebt es im Handel und Wandel vorzüglich zwei Arten von Styrax, flüs- - sigen und festen. Den flüssigen liefern mehrere Pflanzen, während der feste 6a) Lib. i». cap. 7. §. 3. (ed. TschucUe Tom. V. S. 197.). &j) Hist. nat. lib. 12. cap. 25. in f. 7* - 52 - von einem Baume, Styrax officinale, herkömmt. Obgleich dieser in Italien, Syrien und Judäa wachst, producirt er doch nur in den letzten zwei Län- dern den Styrax. Es kommt aber auch der feste Styrax wieder in zwei Gestaltungen, als Massen - Styrax und als Styrax calamites vor. Der erstere scheint aus den natürlichen Harzkörnern zu bestehen, während der letztere durch Kunst die ihm eigene kuchenähnliche Gestalt erlangt haben mag. Uebri- gens weifs kein neuerer Naturforscher etwas davon, dafs der Styrax oder ein ähnliches wohlriechendes Harz einem Insekte, wie es Strabo erzählt, seinen Ursprung verdankt, so dafs, wenn wir auch annehmen, der Styrax des Strabo wäre von dem unsrigen verschieden, das Räthsel dadurch immer nicht gelöst ist. Eher kann man annehmen, dafs Strabo, bei der genauen Kennt- nifs der Alten von Kleinasien, und bei seinen so in das Einzelne gehenden Angaben , Recht hat , und wir zu unserer Schande gestehen müssen , wie diese Beobachtung uns bis jetzt entgangen ist -*» So wichtig aber auch die Insekten durch die Produktton der Seide für den menschlichen Haushalt sind, so wird dies doch wohl durch die Färbemate- rialien , die sie uns liefern , noch übertroffen. Es sind aber besonders schwarze und rothe Farben, die wir von ihnen entnehmen. Schwarz be- reitet man hauptsächlich aus Galläpfeln, die auch das Hauptingredienz un- serer Dinte ausmachen, und Roth ziehen wir aus mehreren Coccus- Arten, wohin zumal der Gummi - Lak , Kermes , das Johannisblut und die Co- chenille gehören. Doch gewifs auch noch andere Farben könnte man von den Insekten gewinnen. So habe ich die Exkremente der Wolfsmilchraupe, Sphinx euphorbiae, mit einem Aufgusse von Weingeist längere Zeil stehen las- sen, und obgleich sie nicht völlig aufgelöst wurden, so lieferte doch dieser — 53 — Aufgufs eine sehr schone grüne Farbe. Linnee erzählt in seiner lappländi- schen Reise, dafs die Galläpfel von Aphis pini an den Spitzen der Fichten- nadeln zur Zeit der Reifheit bersten und ein pomeranzengelbes Pulver aus- streuen, was Flechen auf den Kleidern hinterläfst und wohl als Färbestoff ge- braucht werden könnte ' ). Eben so trägt in Indien Terminalia citrina , ein daselbst gemeiner Baum , eine Art von Galläpfeln , das Produkt eines Insektes, welche auf allen Märkten als eins der anwendbarsten Färbemittel verkauft wer* den und womit die Eingebornen ihr bestes und dauerhaftestes Gelb färben 2). Gleichfalls wird in Guinea und Surinam eine daselbst einheimische Milbenart, Trombidium tinctorium (Acarus Linn..), als Farbe gebraucht; Kirby bemerkt hierbei, ob unser Trombidium holosericeum, ausgezeichnet durch den blen- denden Schimmer seines Scharlachs und das schöne Sammtgewebe seines Pel- zes, nicht auch eine brauchbare Farbe liefern könne? 3). Ja Reaumur hat angegeben , wie sich aus dem Kothe der gemeinen Kleidermotte schöne Wasser- farben gewinnen liefsen. Um feines Roth, Gelb, Blau, Grün oder irgend eine andere Farbe oder Farbenschattirung zu erhalten, hat man nichts weiter zu thun , als die Larven mit Tüchern dieser Farbe zu füttern, und indem die Exkremente die Farbe in Schönheit unverändert behalten, lassen sie sich zugleich sehr leicht mit Wasser mischen 4). Doch kehren wir zu den Gall- äpfeln zurück , die theils als Färbematerial , theils , besonders wegen ihrer adstringirenden Kraft, bei der Gerberei und auch als Arzneimittel gebraucht werden. Vorzüglich ist es unter den Insekten die Gattung Cynips Linn., wo- von das Weibchen die Eier in besondere Theile gewisser Pflanzen legt, die da- durch anschwellen und zum Theil sonderbare Auswüchse bilden. Diese dienen der Larve so lange zum Aufenthalt, bis sie ihre Verwandlung überstanden hat • ) Lach. läpp. I. pag. »58. Bei Kirby und Spencc Einleit. Th. I. S. 358. *) Trans, of the Society of arts. B. XXIII. p. 411. Bei Kirby Th. I. S. 558. S) 1. c. *) Reaumur.. III, 95. Bei Kirby Th. I. S. 358 und 359. — 54 — und nun als vollkommenes Insekt hervorbricht. Im Allgemeinen kann man diese Auswüchse mit dem Namen Gallen belegen, und hier liefert die Eiche, die bei uns wenigstens wohl die meisten Insekten beherbergt, auch die meisten und verschiedenartigsten solcher Gallen, gewöhnlich Galläpfel genannt. Man findet aber dergleichen Galläpfel theils an dem Stamme , theils an den Eichen- - blattstielen und gröfseren Ribben, theils an dem Reiche oder der Eichel selbst, theils an den Blättern, und in jedem haust eine besondere Cynipsart, und jeder von diesen verschiedenen Galläpfeln hat seine eigenthümliche Grundform. In unsern Eichenwäldern finden wir die meisten und gröfsten Galläpfel in kugelicher Gestalt auf den Blättern als ein Produkt des Cynips quercus folii L., und obgleich solche gegenwärtig gar nicht benutzt werden , sondern wir uns lediglich der ungarischen oder levantischen Galläpfel bedienen, so versichert doch Linnee in seiner Fauna Suecica, dafs aus diesen Galläpfeln die Dinte bereitet würde 5 ). Zwar hat Linnee die Cynipsart , welche die levantischen Galläpfel hervorbringt, nicht gekannt, und es wäre möglich, dafs er die levantischen mit den einheimischen Galläpfeln für identisch gehalten und geglaubt hätte, dafs beide das Produkt eines und desselben Insektes seyen, doch bleibt es immer auffallend, dafs er dabei nicht bemerkt haben sollt*, wie lediglich die levantischen zur Dintebereitung benutzt würden. Es ist mir daher wahrscheinlicher, dafs zu Linnees Zeiten die einheimischen Gall- äpfel zu dem angegebenen Zwecke benutzt wurden, vielleicht auch noch gegenwärtig in Schweden benutzt werden, und ich hege die Ueberzeugung, dafs sie gewifs auch bei uns eben so gut Behufs der Dintebereitung be- nutzt werden könnten, nur dafs man vielleicht eine gröfsere Masse davon gebraucht. Heut zu Tage gebraucht man besonders zweierlei Arten von Galläpfeln als Färbematerial und in der Gerberei; die einen werden vorzugsweise Gall- äpfel, die andern Rnoppern genannt. Jene haben eine mehr runde, diese 5) Fauna Suecica, editio altera, Nr. 1521. Cynips quercus folii. — 55 — eine mehr eckige Gestalt. Die vorzugsweise so genannten Galläpfel, kommen auf einer, in ganz Rleinasien, vom Bosphorus bis Syrien, von den Küsten des Archipelagus bis zu den Grenzen von Persien verbreiteten Eichenart, der Quercus infectoria des Olivier, vor. Doch sollen nach Sestini's Versicherung die Gallapfel aus Kurdistan von Quercus phellos herkommen, obgleich dieser nach Persoon ein Bewohner Nordamerika^ ist, und zwar soll nicht der männ- liche , sondern nur der weibliche Baum , und zwar lediglich dann viel Gall- äpfel hervorbringen, wenn er wenig Früchte hat. (Viaggio da Constantinopoli a Bassora, fatto d'all abate Domenico Sestini. 1786. 4. ■*- Viaggio di ritorno da Bassora a Constantinopoli fatto d'all abate D. Sestini. 1788. 4. Im erstem Werk S. 161.). Der Stamm der gedachten Quercus infectoria ist krumm j sie erreicht selten die Höhe von 6 Fufs und zeigt sich häufiger unter der Gestalt eines Busches als eines Baumes. Die Galläpfel sind holzig, hart und schwer; gewöhnlich sind sie rund und voll Unebenheiten, die zum Theil spitz zu-, laufen. Sie finden sich aber auf den Stielen der kleinsten Zweige und er- reichen 4 bis 12 Linien im Durchmesser. Das Insekt, welches sie hervor- bringt, ist von Olivier zuerst unter dem Namen Diplolepis gallae tinctoriae beschrieben, hat einen gelben Leib, dunkele Fühler und einen glänzend brau- nen Rücken. Gewöhnlich werden die Galläpfel im Juli, wo sie am gröfsten und schwersten sind, und ehe noch das Insekt ausgekrochen ist, gesammelt. Sie sind dunkel von Farbe und heifsen im Orient Jerli, im Handel aber grüne, schwarze auch blaue Eichäpfel. Die bei der Lese' übersehenen Gall- äpfel werden später, wenn das Insekt schon ausgekrochen ist, gesammelt, sind leichter, von hellerer Farbe, heifsen daher auch weifse und sind von weit schlechterer Beschaffenheit. Obgleich man auf derselben Eiche noch verschiedene andere Gallen findet, so werden jdoch nur die berührten gesam- melt. Die Galläpfel aus der Gegend von Mossul und Tocat, und überhaupt aus der östlichen Gegend der Türkei sind weniger geschätzt, als die von Aleppo, Smyrna, Magnesia, Karahissar, Diarbekir und dem Innern von Anatolien; daher kostet auch der Centner von jenen in der Regel 2 bis 3 — 56 — Piaster weniger s). Sonderbar ist es, dafs nach Kirby's Versicherung die Gall- äpfel auch aus Ostindien bezogen würden 7)» wogegen Olivier erzählt, dals Galläpfel ein wichtiger Gegenstand, des Handels von Kleinasien nach Indien wären; indem sehr viel dahin geschickt würden 8), und ich glaube, dafs der letzteren Nachricht mehr als der ersteren zu trauen ist. Heut zu Tage werden in den deutschen Fabriken bei der Theuerung der levantischen Gall- äpfel, dergleichen vorzüglich aus Ungarn bezogen, die sich hauptsächlich durch eine weifsere Farbe unterscheiden. Obgleich sie nicht ganz so viel Färbe- stoff als die levantischen enthalten, so können sie doch eben so gut wie diese nebraucht werden und sind bedeutend wohlfeiler. Leider kennt man aber weder die Eiche, welche sie liefert, noch das Insekt, dem sie ihren Ursprung verdanken , da sie von Naturforschern noch nicht beobachtet sind ; vielleicht sind sie das Produkt der gemeinen Eichen, wo nur der Färbestoff durch das wärmere Klima mehr concentrirt worden ist. Ich schliefse dieses aus einem in der Loewe'schen physikalischen Zeitung enthaltenen Berichte, worin es heifst, dafs, obgleich es in Kroatien, Lyka und Bosnien viele Zwergeichen gebe, doch keine Knoppern, desto mehr Galläpfel aber sich auf denselben fänden. Diese Galläpfel lieferten jedoch keine so gute Dinte, als die von den gemeinen Eichen «). Wenn daher in den angegebenen Ländern die gemeine Eiche zur Dintebereitung brauchbare Galläpfel liefert, so dürften die jetzt im Handel vorkommenden, von dort sich herschreibenden, wahrscheinlich dergleichen seyn. Doch gehen wir zu den, den Galläpfeln ähnlichen, Knoppern über. Man findet sie auf der Quercus aegylops, die von den Griechen Vilani genannt wird, und auf der Westküste von Anatolien, auf den Inseln des Archipelagus, 6) Olivier, Reise. Th. I. S. 348 bis 350. 7) Einleit. Th. I. S. 349. 8) Olivier, Reise. Th. II. S. 739. 9) Loewe, physikalische Zeitung auf das Jahr 1784. 4- S. 55. — 57 — Corfu, Cephalonien und ganz Griechenland vorkommt. Sie ist kaum so grofs wie unsere Zirneiche, und die grofsen Kelche werden eben so wie die Gall- äpfel zum Farben benutzt ,r). Nach des Hrn. v. Burgsdorf Beobachtung ist es Cynips quercus calycis , der braun und oben mit blasseren Längsstreifen ver- sehen ist, welcher sein Ei in den Kelch legt und dadurch die Galle hervor- bringt "); wogegen ein Ungenannter in der physikalischen Zeitung versichert, dafs keineswegs der Kelch , sondern die milchige oder weiche Frucht gestochen würde. Nachdem dieses geschehen sey, ergösse sich der Saft, oder dehne sich vielmehr über den ganzen Kelch in stumpf - stacheliger Figur aus und, wenn die Frucht gleich grofs wäre, auch über diese, so dafs sie halb oder ganz, ja oftmals auch der Kelch davon eingeschlossen würde, wodurch denn dieser verdürbe und klein erhalten würde, doch ohne Verletzung '*). Wir beziehen die Knoppern nicht sowohl aus Kleinasien , als aus Ungarn , der Mol- dau, Wallachei und den benachbarten Gegenden. Das Jahr 1783 lieferte eine so ausgezeichnet reiche Erndte, dafs die JVIetze, die sonst 2 bis 5 Gulden kam, nur 4 bis 6 Groschen kostete. In Ungarn und den angeführten Län- dern scheint es auch nicht Quercus aegylops, sondern die gemeine oder Som- mereiche zu sevn, welche die Knoppern liefert 's) und nach des voraufge- Führten Hrn. v. Burgsdorf Versicherung kommt die Knopper und namentlich auch das sie hervorbringende Insekt in Deutschland , wenn gleich selten , vor, und wenn dieses mit den in Ungarn sich findenden identisch seyn dürfte, so ist es doch noch immer einer Frage unterworfen, ob die levantischen Knop- pern auch demselben Insekt ihren Ursprung verdanken, da man hierüber noch keine bestimmten Beobachtungen hat. Gleichfalls werden in Frankreich die Galläpfel oder Knoppern, welche Gascogne und die Provence liefern, benutzt, io) Olivier, Reisen. Th. I. S. 351. 11) Schriften der berlinischen naturforschenden Gesellschaft. IV, 1. Doch habe ich leider den Aufsatz nicht selbst gelesen, sondern kenne ihn blos aus Kecensionen. 1») Loewe, physikalische Zeitung auf das Jahr 17S4. S. 35. •j) 8. Loewe 1. c 8 — ■ 58 — doch stehen sie den levantischen bei weitem nach (s. Savary diction. de com- merce article, galle) und ich habe keine näheren Notizen weder über die Eiche noch das Insekt, welches sie hervorbringt, auffinden können. Was aber die Galläpfel in weiterer Bedeutung betrifft, so kannten sie zwar die Alten schon sehr wohl, so wie ihr Gebrauch besonders in der Me- dian bekannt war, doch wurden sie für Pflanzenauswüchse gehallen, in wel- chen sich nur bisweilen zufällig Fliegen fänden '■'»)• Erst in den neuern Zei- ten, und hauptsächlich durch P«.edi 's), ist die wahre Entstehung der Gallen bekannt geworden. Forskäl führt in seinen naturhistorischen Beobachtungen Egyptens drei Arten von Galläpfeln auf, die im Handel dort vorkommen, nämlich Gallae quercinae, Gallae tamaricis und Gallae indicae, und berichtet zugleich von den letztern, dafs sie verbrannt, pulverisirt und mit Wasser, worin Gummi auf- gelost sey, vermischt würden. Mit dieser Auflösung mahlten sich aber die .arabischen Weiber und besonders die Mädchen, schwarze Linien l5). Ob diese indischen Galläpfel wirklich aus Indien kommen , und welcher Pflanze, .und welchem Insekte sie ihren Ursprung verdanken, darüber ist nichts bekannt. Doch auch China hat seine eigenen Galläpfel. Es belegen nämlich die Chi- nesen die Nester einer auf den Blättern und Aesten des Baumes Yen-fau-tse lebenden Insektenart mit dem Namen Ou-poey-tse. Sie ähneln den Ulmen- gallen und sind so scharf und adstringent, dafs sie alle Arten von Galläpfeln übertreffen. Doch dunkel und verworren sind die Nachrichten darüber. Es sind nämlich diese Ou-poey-tse die Behältnisse, worin die erwähnten Insekten ihre Eier legen und mitunter so grofs als eine Faust, wo sie dann aber auch yon einem aufserordentlich grofsen Wurme hervorgebracht werden sollen. ]4) Theophrast hist. plant. 3, 6. und 3, 8. Cael. Rhodig. üb. 24. cap. 5. S. 919. (der die in den Eichen entstehenden Thierchen galbae nennt). Dioscorides lib. j. cap. 123. ■5) De insectis. Amstelodami 1671. 8. S. 235. sqq. •l6) Pescripjiones .animalium. pag. 22. — 59 — Gewöhnlich findet man sie jedoch von der Grö'fse einer Kastanie und von run- der oder länglicher Gestalt. Anfänglich haben sie eine dunkelgrüne Farbe, werden jedoch nach und nach gelb, und die Hülse, obgleich ziemlich fest, wird dann sehr spröde. Dasselbe Insekt, was diese Gallen hervorbringt, soll auch zugleich eine Art Wachs produciren. Die Bauern sammeln diese Ou-poey-tse, ehe noch das eingeschlossene Insekt ausgeschlüpft ist und tödten solches dadurch, dafs sie die Galläpfel eine Zeitlang in siedendes Wasser thun. Man gebraucht aber diese Ou-poey-tse, theils um dem Papiere, theils um der Seide, ehe sie verwebt wird, eine schöne schwarze Farbe zu geben. Gleichfalls schwärzen sich die chinesischen Gelehrten damit in ihrem Alter die Barte und in der Medicin werden sie sehr hoch gehalten '?). Endlich ge- hören noch hierher die Pistaciengallen, die schon Plinius gekannt zu haben scheint l8). Man findet nämlich auf allen Arten der Pistacien und zwar auf Pistacia vera, terebinthus, lentisci, chia vel cypria und auch atlantica nach Desfontaines , Gallen oder Bläschen, welche der Aphis pistaciae L. ihren Ur- sprung verdanken. Sie haben nach Verschiedenheit des Insekts auch verschie- dene Formen; so werden die schotenförmigen Bläschen durch Aphis varietas ramuli, die kugelichen durch Aphis varietas pedunculi, die wulstigen (en bourrelets) durch Aphis varietas folii hervorgebracht. Auch hat jede dieser Gallenarten wieder ihren eigenthümlichen Sitz an einem bestimmten Theile des Baumes; die schotenförmigen auf den äufsersten Enden der Aeste, wo die Blü- thenknospen entstehen, die kugelichen an den Blumenstengeln (pedoncules flo- raux), die wulstigen an den Blättern, und es werden diese Gallen zum Roth- färben, so wie auch im Orient zur Parfümirung des Mundes gebraucht '9). 17 ) Winterbothams ausführliche Darstellung von Sina und seinen zinsbaren Staaten , aus dem Englischen von J. C. Fick. Erfurt 1798. Th. I. S. 367. 18) Hist. nat. 13, 6. — Ed. Franz, cap. 12. 19) Journal complementaire du dictionnaire des Sciences medicales. Tome IX. Cahier 56. Juin 1821. a Paris 1821. Notizen über die Pistacien und Terpentinbäume und die Gallen oder Bläschen , welche die Baumlaus Aphis pistaciae L. auf ihnen erzeugt, 8* _ 60 — Wahrscheinlich ist diese, besonders in China und Persien vorkommende, Pi- staciengalle mit dem Gallapfel identisch, wovon Savary in seinem Dictionnaire de commerce (article, galle) erzählt, dafs es eine eigene röthliche Art in der Türkei von der Gröfse einer Haselnufs gebe und Bazgendge genannt würde. Man bediente sich aber derselben zur Versetzung der Cochenille. Auch läfst sich hierdurch jene bis jetzt problematisch gebliebene Anführung des Aelian am besten erklären. In Indien, so erzählt er nämlich -"), Werden Thiere er- zeugt von der Gröfse der xxvSctpoi und von rolher Farbe, die dem Zinnober- roth nahe kommt. Sie haben sehr lange Füfse und sind weich anzufiilden. Sie entstehen auf den Bäumen, die das ykexrpov hervorbringen und nähren sich von deren Früchten. Die Indier sammeln sie, drücken sie aus und fär- ben damit ihre Kleider purpurroth und was sie sonst damit färben wollen. Ein solches Kleid wird auch dem Perserkönige geschickt. Nach Aussage des Ctesias schätzen die Perser diese Kleider mehr, als die inländischen, und sie sind prächtiger und glänzender, als die berühmten sardianischen Kleider. Eigen ist es, dafs man, fast so weit die Geschichte reicht, sowohl in der alten als neuen Welt, Insekten und namentlich Coccus- Arten zum Piöth- färben gebraucht hat; so in China und Ostindien den Gummi -Lack, in Per- sien, Syrien, Kleinasien und Südeuropa den Kermes, in Nordeuropa das Johannisblut und in Amerika die Cochenille. Der Gummi -Lack, welcher besonders in den indischen Provinzen Bengalen und Pegu häufig vorkommt, von d'A . . . und Virey (aus den medicinischen Aunalen des Pierer und Choulant auf lS22- Heft I. S. 95. *o) De nat. anim. 3, 46. S. auch Ctesias in Indicis upud Photium pag. 70., wo es heilst : In Indien werden Thiere erzeugt, von der Gröfse der xcii/Sfxpoi und von rother Farbe. ' Sie haben sehr lange Fiifse und sind weich anzufühlen. Sie ent- stehen auf den Bäumen, die das TjXsKTpov hervorbringen und nähren sich von de- ren Früchten, denen sie auch eben so verderblich sind, wie.:in Griechenland die

t färben wollen, und diese Gewänder sind auch noch schöner, als die in'Persien gefärbten. <— Also höchst wahrscheinlich eine Coccus - oder Aphis - Art.' a — 61 — ist das Produkt einer Schildlaus, Coccus ficus Fabr., auch Coccus lacca ge- nannt. Die unter dem Namen Gummi -Lack bekannte Substanz Webt das Thier an die Zweige mehrerer Bäume, namentlich der Ficus indica und reli- giosa, Mimosa cinerea und Butia frondosa dergestalt fest, dafs dadurch Zel- len gebildet werden , worin sich die Eier befinden ; auch geben manche von diesen Bäumen, namentlich Plaso horti malabarici, schon an und für sich einen rothen Kleber. Kommt dieses Produkt in seinem natürlichen Zustande, noch unabgesondert von den Zweigen, woran es befestigt ist, zu uns, so wird es Zweig-Lack (Stick-lac) genannt; Körnerlack (Seed-lac) aber, wenn er abgesondert, gestofsen und der gröfsere Theil des Farbestoffes durch Wasser ausgezogen ist. Lumpenlack (Lump-lac) heifst er geschmolzen und in Ku- chen geformt, und Schelllack ( Shell -lac) geseihet und in durchsichtige Tafeln geformt. In ihrem Vaterlande wird diese Substanz sehr mannichfach benutzt. Man gebraucht sie namentlich zur Verfertigung von Halsschnur -Kugeln, Piingen und andern weiblichen Zierrathen. Mit Sand gemengt braucht man ihn als Schleifstein , und mit Lampen - oder Elfenbein - Schwarz ( Rufs oder Frank- furter Schwätze ), ( nachdem der Gummi - Lack zuvor in Wasser mit ein wenig Borax aufgelöst worden), entsteht' eine Dinte, die nicht leicht zerstörbar ist, wenn sie durch Wasserdampf getrocknet wird. Früher bediente man sich seiner hauptsächlich in der Mischung der Firnisse bei der japanischen Waare und zur Verfertigung von Siegellack , doch ist er jetzt bei weitem wichtiger geworden, seitdem man ihn als Stellvertreter der Cochenille beim Scharlach- farben anwendet. Roxburgh fand nämlich, dafs besonders die Eier den mei- sten FarEÄtoff enthalten, und dafs dieser im frischen Zustande in gröfserer Quantität exüstirt, als wenn sie getrocknet sind. Es wurden daher zu Cal- cutta durcjh Fällung des Färbestoffes aus dem Zweig -Lack aus einer Laugen- auflösung mittelst Alaun eine grofse Menge der Substanz, die Lac -Lake heifst, verfertigt und nach England geschickt, wo Anfangs der Verbrauch so beträcht- lich war, dafs in den drei Jahren vor 1810 der Absatz davon zu Färbemate- rialien einar halben Million Pfund, dem Gewichte nach, von Cochenille gleich — . 62 — kam. Gegenwärtig wird noch eine neue Zubereitung der Lackfarbe unter dem Namen Lac-dye aus Indien eingeführt, die an die Stelle des Lac -Lacke mit solchem Gewinn gesetzt ist, dafs die ostindische Gesellschaft in wenigen Mo- naten 14000 Pfund in dem Handel mit Scharlachtüchern, die mit dieser Farbe und Cochenille zusammen gefärbt worden, ohne dafs die Farbe schlechter war, gewonnen hat. Lange Zeit herrschte übrigens über die Naturgeschichte des Gummi -Lacks grofse Dunkelheit; Piajus hielt es für ein ausschwitzendes Harz, doch auf das Ansehen von Tachard und Tavernier gestützt, glaubten die meisten Natur- forscher : es wäre das Produkt einer Ameisen - oder Bienenart. Da traten Kerr und besonders Roxburgh auf, und lieferten in den Philosophical Trans- actions und den Asiatic researches die vollständige Naturgeschichte, welche durch neuere Beobachtungen nun ganz aufser Zweifel gesetzt ist 2I ). Uebri- "ens dürfte dieser Gummi -Lack identisch mit den eben angeführten Pistacien- gallen seyn. Wenn aber das Gummi -Lack als ein Produkt von China und Indien er- scheint, so benutzte doch auch das nördliche Europa mehrere ihm eigen- thümliche Coccus- Arten zum Rothfärben. Es wächst nämlich fast in ganz Europa auf sandigen und steinigen Feldern eine Pflanze, Scleranthus perennis. Wenn man zu Ende Mai und Anfang Juni deren Wurzel untersucht, so findet 41) S. Philos. Trans, for 17S1. Vol. 71. P. II. Nr. 24. (Aufsatz von Kerr). — Asiatic Researches von 1789 und 90. (wo Roxburghs Aufsatz befindlich). — Kirby etc. Th. I. S. 356. — Godofredi junioris observationes de gurami laccae aliiscjue ma- teriis , in dem Appendix ad Volumen tertium actorum physico - medioorum Acad. Caesar. Leopoldin. Carolinae naturae curiosorum in Germania, pag. .60 — 7S. — Turners Reise in Butan und Tibet , welche in : Harnisch , die wichtigsten neuern Land- und Seereisen, Th. 6. Leipzig 182+. s. Einleitung, angeführt ist. — Les- ser, theolog. des insectes. Tom. II. S. 165. Ferner: Journal complementaire du dictionnaire des sciences medicales, Tome X. Cahier 39. Septembre 1821. a Paris chez PanhouUe. 8. S. 378., worin ein Aufsatz von J. Virey, welcher die ausführ- liche Monographie des Gummi- Lack und die Resultate neuerer Forschungen über die Cochenille enthält. — Auch Reise der holländischen Gesandtschaft nach Sina in den Jahren 1655 — 1657. S. 356. — 63 — man, zumal in der Ukraine, Podolien, Masovien, Volhynien, Litthauen, Preufsen, Pommern, der Mark, Mecklenburg, auch wohl im Braunschwei- gischen, kleine sphärische, purpurfarbene Körner daran hängend, die aus einein zarten Iläutchen, das einen rothen Saft enthält, bestehen. Sie sitzen bald einzeln, bald in Menge, mitunter bis zu 40 beisammen, und man findet sie theils von der Gröfse eines Mohn - theils von der eines Pfefferkorns. Es sind dieses die Puppenhiilsen des Coccus radicum , und es schlüpfen , aus den kleinen, geflügelte Männchen, aus den gröfseren aber ungefliigeltie Weibchen, welche nach geschehener Begattung in die Erde kriechen , und unter Aus- schwitzen einer weifslichen Wolle sich in eine Masse von 50, ja bisweilen von 150 Eier, dem unbewaffneten Auge kaum sichtbar, auflösen, woraus nach Verlauf von etwa einer Woche im August die Larven hervorkriechen. Jene Bläschen oder Puppenhülsen werden nun um Johanni, kurz vor ihrer Verwand- lung dergestalt gesammelt, dafs die Ortsbewohner die Pflanzen mittelst beson- derer, kleiner Spaden ausheben. Man thut sie darauf in irdene Geschirre und trocknet sie beim Feuer langsam aus, wobei sie eine fettige, wenig Färbestoff enthaltende Materie ausschwitzen , und zugleich einen sehr durchdringenden, doch aber eben nicht widrigen , urinösen Geruch von sich geben. Sie werden sodann theils in Körnern, theils in Klumpen verkauft und zum Rothfärben gebraucht; weil aber die Einsammlungszeit dieser Insekten gewöhnlich Johanni ist, so wurden sie, zumal früherhin, gemeiniglich Johannisblut genannt. Ihre Benutzung steigt bis in die Zeiten des Alterthums hinauf. So ist es höchst wahrscheinlich, dafs die purpurn gefärbten linnenen Gewänder, von denen Tacitus erzählt, dafs sich dadurch die germanischen Weiber von den Männern hauptsächlich unterschieden -2 ) , mit diesem Coccus radicum gefärbt waren. In den Capitularien der fränkischen Könige werden die Johanniswürmer (vermi- cula) unter die herkömmlichen Dienstreichungen gezählt -3). Dem Stifte zu «) In Germania, cap. 17. *3) Heumanns Vorrede zu Tresenreuters Abhandlung rom Hopfen, §. 9. Bei Schrank Fauna boica. Bd. II. Abtheil. 1. S. 148. — 64 — St. Emmeran in Regensburg muteten die in Baiern entlegenen Unterthanen jährlich eine gewisse Quantität des sogenannten Johannisblutes eindienen **). Ulysses Aldrovandus, der im Anfange des 17ten Jahrhunderts starb, erwähnt dieses rothfärbenden, in Polen und Deutschland vorkommenden Coccus radi- cum 25). Gleichfalls versichert Peter Pomet in seiner 1694 herausgekommenen Histoire des drogues, dafs sich in Frankreich häufig ein kleines, dunkelrothes Korn von der Gröfse eines Stecknadelknopfes an der Wurzel der Pimpinelle finde und von den Färbern unter dem Namen Korn - oder Wald - Cochenille gekauft würde -6). Auch Janus Cornarius erzählt in seiner 1557 herausgekom- menen Ausgabe des Dioscorides, dafs in Podolien die an den Wurzeln einer der Wcebreite ähnlichen Pflanze sich findenden Körner unter dem Namen Zscherbitz, gesammelt und dazu gebraucht würden, um Zeuge Scharlach- und Carmoisinroth zu färben ; es koste aber an dem Fundorte der fünfte Theil eines Pfundes 5 bis 6 Goldgulden -'). Der Gewinn dieses Produktes war zumal in Polen so bedeutend, dafs der König Sigismund im Jahr 1601 einen Zoll darauf legte, und die polnischen Edelleute, die in der Ukraine Ländereien besafsen, verpachteten die Einsammlung dieses Coccus mit vielem Vortheil an die Juden. Gegenwärtig wird dieses Johannisblut wohl nur noch in eini°en Gegenden Polens und der Ukraine, wo man es am häufigsten fin- det gesammelt und von den Landesbewohnern gebraucht, aber nicht mehr als Handelsartikel ausgeführt. Doch nicht blos der Scleranthus perennis liefert diesen Coccus, sondern auch bei andern Pflanzen, namentlich bei Hieracium pilosella, Arbutus uva ursi und Poterium sanguisorba findet man an den Wur- zeln diese oder eine verwandte, zum Rothfärben dienende Coccus -Art. Ja Mo- ses von Chorene, der im Anfange des fünften Jahrhunderts lebte, erwähnt in 24) Frisch, Insekten. Th. V. S. 6. S. auch Schrank 1. c. «5) De insectis. Hb. 5. cap. 1. S. 255. 26) Histoire des drogues, ä Paris 1694. Fol. Buch 5. S. 161. *7) In Dioscoridem. lib. 4. cap. 39. (apud Breynium cap. 8.). — 65 — seiner Geographie, dafs am Ararat ein Wurm an der Wurzel eines Grases vorkomme, der zum Rothfarben tauglich sey =«). Gewifs ist dieses auch eine hierher gehörige Goccus-Art; doch scheint die Kenntnifs des Insekts und die Benutzung verloren gegangen zu seyn, indem ich bei heinem neueren Schriftsteller etwas darüber habe auffinden können. Auch in der Revue ency- clopedique des Jahres 1825 kommt ein Artikel vor, wornach in der Ukraine ein neuer Strauch entdeckt war, der Würmer, die das beste Oarmoisin lie- ferten, ernähre. Das Pfund solle nicht mehr als 2 Rubel — 2 Francs — kosten, und so viel Farbe als § Pfund Cochenille geben -»). Doch ist dies wahrscheinlich nichts weiter, als eine neue Erwähnung des schon langst be- kannten vorerwähnten Coccus ratlicum, von dem übrigens Blanckaardt ver- sichert, dafs sich auf den Bermudisdien InseMn und in Nordkarolina ein ähn- licher Färbestoff finde 3"). Warum es übrigens bei der jetzigen Lage der Dinge nicht zweckmäfsig seyn dürfte , diesen Coccus radicum im Grofsen zu sammeln und als Farbematerial anzuwenden, darauf werde ich weiter unten zurückkommen 3' ) , und so will ich gleich zu dem nicht minder wichtig ge- wesenen Rermes übergehen. i 28) Geographica ad calc. hist. armen, ed. Whisbok. Lond. 1736. pag. 335 — 363. — Bei Sprengel, Geschichte der Botanik. 1317- Th. I. S. 185. »9) Revue encyclopedique , ä Paris. Fevrier 1825- PaS- 55°- 50) Schauplatz der Raupen etc. S. 167. jij Alle diese Nachrichten über Coccus radicum sind entnommen zumal aus: J. P. Brey- nii hist. nat. cocci radicum tinctorii, cum figur. coloratis. Gedani 1731. 4. — Philosophical transactions. Band 54 für das Jahr 1764. Art. 15. , nach dem Auszug in dem neuen Bremischen Magazin Band I. Stück 3. S. 599. — Schrank , fauna boica. — Frisch , Insekten , Th. V. S. 6. — Abhandlungen der schwedischen Akademie der Wissenschaften, Band III. Bei Fuefsli: Neues Magazin der Ento- mologie, Bd. II. S. 23 u. 24. S. auch Caelius Rhodiginus lib. 8. cap. n. (298. ): Est autem (Purpurae genus) ex vermiculo quem Poenorum lingua Carmen dicit: unde orficinis frequens carmesini nomen elatura. Habetur autem certis lo- cis carmesis, uti proditum eruditis est, ex herbae radice, quam saxifragam vocent, quaeque pimpinella sit vel ei pro- ximal — 66 — Schon den Griechen und Römern war er unter dem Namen xoytxos oder Coccus bekannt, und nach Plinius zog man dieses Produkt vorzüglich aus Ga- latien, Afrika, Pisidien, Sardinien, auch Spanien, welches den besten, Sar- dinien aber den schlechtesten lieferte 52). Da die Kenntnifs des alten tyri- schen Purpurs verloren gegangen war, und besonders durch die Herrschaft der Araber der Gebrauch des Coccus sich Weithin verbreitet hatte, so vertrat die- ser die Stelle des Purpurs und ward weltberühmt. Den Arabern hat er auch den Namen Kermes oder Chermes zu danken , was nach Salmasius nichts wei- ter als das corrumpirte lateinische Wort'- vermis ist '^), wogegen Chardin und Wahl versichern, dafs es entweder der einheimische Name dieses Insektes sey, oder dafs damit alle zum Piothfärben dienenden Substanzen belegt würden 34). Von diesem Worte Kermes ist auch unsere Carmoisinfarbe abzuleiten. Auch die Phönicier vor. Moses Zeiten sollen bereits diese Farbe unter dem Namen Tola oder Thola gekannt haben, und die Substanz, mit welcher die Vorhänge des Tabernakels dunkelroth gefärbt waren (Exodus, £ö. caet. ) dürfte ebenfalls nichts anderes als Kermes gewesen seyn » ). Es ist dieser Kermes eine beson- dere Coccus* Art, Coccus ilicis, der auf einer immergrünenden Zwergeiche (Quercus coccifera L. ), vorzüglich zwischen den Winkeln, welche die Zweige unter sich oder auch mit dem Laube machen, vorkommt. Diese Eiche heifst im Spanischen coscoxa, auch carrasca, welcher letztere Ausdruck von dem arabischen Worte yxquerlat, welches nachmals in escarlatta verwandelt wurde, herstammt; und sie findet sich in Südeuropa, Kleinasien, Nordafrika, Per- sien und Armenien. Im beginnenden Frühjahre zeigen sich an diesem Baum- strauche eine Menge kleiner Körper, die mehr oder weniger einer Muschel- schaale gleichen, unempfindlich und leblos scheinen. Im Monat März haben ■ 3-) Hist. nat. -16. , 8.; — ed. Hard. 12. und g. , 41. , — ed. Hard. 65. 33) Plinianae exercitationes. S. 190 — igj. et de homonymis hyles ialricae. pag. g2. 34) S. Naturforscher, Stücli 25. S, tio. und Wahl Erdbeschreibung von Ostindien. S. 768. 35) Kirby, Einleitung. Th. J. S. 551, «. w * se ihi;e vollkommene Gröfse .erreicht, und auf dem Rücken, zeigen, sich seiden- artige weifse Flocken. Die äufsere. Hülle wird immer fester und gegen Ende Mai findet man darunter bis auf 2000 Eier. Aus diesen schlüpfen die Insekten aus, welche sich noch einige Tage unter der Hülle aufhalten und sodann aus einer Oeffnung, die sich immer in dem Hintertheile.der Hülle befindet, her- vorkommen. Zweierlei Arten giebt es. davon; die eine ha^ die Farbe der Schlehen und legt rothe Eier; die andere ist seltener; schmutzig weifs und legt weifse Eier. Doch sind bei beiden die Männchen geflügelt, so wie sie auch zu gleichem Gebrauch dienen. Sobald sie die bedeckende mütterliche Hülle verlassen haben, verbreiten sie sich über den ganzen Baum und neh- men besonders aus den Blattern ihre Nahrung. Doch Ist ihr Umfang noch klein und in den Monaten Juni bis mit Oktober wachsen sie nur wenig. Im No- vember werden sie zwar bedeutend grö'fser, doch nur wenig dicker und die geflügelten im Verhältnifs sehr kleinen Männchen sieht man mit Bequemlichkeit auf ihrem Rücken herumspatzieren und einen Akt vollziehen, welcher wahr- scheinlich der der Begattung ist. Sobald die Blätter anfangen abzufallen, zie- hen sich die Weibchen auf die jungen Triebe zurück und entweder schon dann oder gewifs im Monat März, setzen sie sich vermittelst vier hellweifser runzlicher Strahlen, womit sie sich ankitten, fest. Von dem März an wach- sen sie nicht mehr in die Länge oder Breite, doch vermehrt sich ihre Höhe und im April erscheint die Zeit der Eierlegung; es kommen aber diese aus einer Oeffnung hervor, welche am Ende des Leibes unter zwei Hervorra°un- gen der Schaale, die einen 'SYinkel bilden, liegt. Zugleich zeigt sich unter- halb der äufsern Hülle, die nur dazu dient, die Eier zu bedecken, indem diese sonst von der atmosphärischen Luft ausgebrütet werden, eine seidenartige weiche, flockige, die Eier umhüllende Masse, worin diese locker liegen. Die 'ganze innere Masse lost sich in die Eier auf und man kann in dieser Zeit die Thiere von den Bäumen lostrennen, ohne dafs sie aufhören Eier zu pro- duciren , so lange nur noch etwas von ihrer Substanz übrig ist. Bevor diese Eier auskriechen, im April, werden sie mit der umgebenden Hülle einge- 9* — 68 — sammelt, wozu man sich blos der Nagel bedient, die man ausdrücklich ztf diesem Behuf wachsen läfst, und damit die in den gesammelten Eiern ent- haltenen Insehten nicht ausschlüpfen, werden sie mit Weinessig besprengt, wovon sie eine schmutzig - rothe Farbe erhalten. Gewöhnlich liefert jedes Jahr nur eine Lese, doch werden bisweilen als zweite Lese hauptsächlich die Thiere eingesammelt, die sich noch auf den Blattern befinden. Noch gegenwärtig wird in Griechenland , namentlich in der Gegend von Athen s6 ) und auf den sieben Inseln s?), der Kermes gesammelt, so wie auch nach Kotzebue's Ver- sicherung zu Maranda, ohnweit Tauris in Persien W), auch gewifs noch in vielen andern Gegenden von Kleinasien und Südeuropa, namentlich Spanien; obgleich die Konsumtion durch den Gebrauch der Cochenille und des Gummi- lacks so abgenommen hat, dafs er namentlich aus Portugal, wo er früher sehr häufig gesammelt wurde, gar nicht mehr ausgeführt wird 39). Sonst war der Kermes ein sehr wichtiger Handelsartikel und im Jahr 1550 schätzte man den Ertrag davon auf den steinigten Feldern des arelatischen Gebietes in Südfrankreich zu 11000 Dukaten '*"). Noch in der Mitte des vorigen Jahr- hunderts brachte er den Einwohnern von Xixona ohnweit Valencia in Spanien jährlich an 5000 Pfund Sterling ein ; mehr als 1000 Menschen beschäftigten sich mit der Einsammlung, und im Jahr 1758 wurden bei erwähntem Xixona 300 Arroben Kermes gesammelt und die Arrobe zu 24 Rthlr. verkauft. Er CTien° besonders nach der Barbarei, wo ihn zumal die Kaulleute von Tunis mit dem Kermes von Tetuan vermischten , um damit eine in der Levante sehr gangbare Mützenart zu färben. Auch soll sich die Farbe sehr gut halten und namentlich Holland damit gefärbte Tapeten, die über 200 Jahr alt sind, 36) Olivier, Reisen etc. Th. III. S. 395. 37) Dodwell, Reise durch Griechenland, übers, von Sichler. Bd. I. Abtheil. 1. S. 73 und 265. 38) Moritz v. Kotzebue Reise nach Persien. Weimar 1S19. 8. S. 90. 39) Linh, spanische Reise. Th. I. S. 271. «40) Peter Quiqueranus, de laudibus provinciae Lion. 2. pag. 357. — 69 — * aufweisen, welche trotz dem ihre schone Farbe völlig erhalten haben **), Bisher gab der Kermes, indem früher lediglich Alaun als Beitzmittel ange- wandt wurde, eine blutrothe Farbe, und die jetzige Scharlachfarbe erhielt man von der Cochenille. Doch hat neuerlich Dr. Bancroft gefunden, dafs wenn man bei dem Kermes, wie dies bei der Cochenille gebräuchlich ist, eine Zinnauflösung anwendet, dies eine eben so prächtige und vielleicht halt- barere Scharlachfarbe giebt *-). Was nun aber die Cochenille betrifft, so ist solche ebenfalls eine Coccus- Art und lediglich ein Produkt der neuen Welt und zwar Amerika's, obgleich der Verfasser des Artikels Cochenille in dem Dictionnaire des sciences naturelles, ich weifs nicht, worauf gestützt, behauptet, dafs solche ursprünglich in Afrika zu Hause zu seyn scheine. In Amerika nun und zumal in Mexiko ist deren Kenntnifs von sehr hohem Alter, und vor der Entdeckung Amerika's, namentlich im 12ten und loten Jahrhundert, soll ihre Kultur bei weitem mehr verbreitet gewesen seyn, als jetzt. Zweierlei Arten aber kennt man davon, die sogenannte zahme oder feine auch mehlichte Cochenille, Grana fina, und die wilde oder wollichte Cochenille , Grana sylvestre. Jene zeichnet sich theils durch ihre Gröfse, theils dadurch aus, dafs sie mehlicht und mit einem fei- nen Staube bedeckt ist, wogegen diese in so dichte Wolle gehüllt vorkommt, dafs man ihre Ringe nicht unterscheiden kann. Beide finden sich auf den sogenannten indischen Feigenbäumen, doch die feine auf einem noch unbe- schriebenen, dem Cactus coccinellifer ähnlichen Gewächse, welches nur kulti- virt vorkommen soll, während die wollichte Cochenille auch noch auf ver- schiedenen andern Cactusarten, wie C. coccinellifer, Tuna etc. lebt. Die feine ist lediglich, so wie der sie beherbergende Cactus, ein Produkt der Kultur, 4') Dillon, Travels trough Spain with a view to illustrate the natural History of that Kingdom. London 1780. 4,. (Aus dem Hannoverschen Magazin, Stück 37, den 7, „ Mai 1781. S. 577. und folg., und überhaupt meine noch ungedruckte Abhandlung über den KOKKOg der Alten. Auch Townsend, Reise durch Spanien in den Jahren 1786 und 1787, übersetzt von Volkmann. Leipzig. 2 Theile. S. 306. 4» ) Vol. I. pag. 404. Bei Kirby Th. I. S. 352. — 70 — und es ist ungewifs, oL sie eine ursprünglich eigene Art ist, oder -sich nur durch die Jahrhunderte lang dauernde Kultur nach dem jetzigen Typus gebildet hat; übrigens ist es wahrscheinlich, dafs man noch nicht einmal eine genaue Beschreibung von ihr hat, indem namentlich von Linnee, Ellis und Geer nur die wilde, unter dem Namen Coccus cacti coccinelliferi ,' gebannt und beschrie- ben ist, ja selbst Humbold sie nicht zu Gesicht bekommen zu haben scheint. Sie wird lediglich in den mexikanischen Provinzen Mixtacapan oder der Misteca und Huaxyacac oder Oaxaca gezogen, doch auch früher in der Intendantschaft de la Puebla in den Gegenden von Cholula, Huejotzingo und auf der Halbinsel Yucatan. Nur an einer einzigen Stelle, 7 Meilen vom Dorfe Mexapa in der Provinz Oaxaca sammelt man auf sehr hohen und dornigten wilden Opuntien die schönste feine Cochenille, ohne dafs man sich Mühe giebt, sie zu ver- mehren oder das Insekt selbst zu pflegen. Die Art der Kultur der Cochenille ist folgende: Beim Beginnen der regnigten Jahreszeit nehmen die Indianer, welche sich damit beschäftigen und Nopaleros genannt werden, die fleischigen Blätter der ungefähr 4 Fufs hohen Nopalbäume, die sie in regelmäfsigen Pflan- zungen kultiviren, nebst den darauf befindlichen Cochenillmüttern ab und be- wahren sie in ihren Wohnungen auf. Es bleiben aber diese Blätter, auch von der Pflanze getrennt, lange frisch und saftig, ohne zu vertrocknen, so dafs sie dem Insekt hinlängliche Nahrung geben. Nach Endigung der Regenzeit sind die Cochenillmütter so erwachsen, dafs sie auf dem Moment stehen, Junge zu erzeu°en. Die Indianer bereiten dann kleine Nesterchen aus einer Gattung von Tillandsia, Paxtle genannt, die sie auf den Blättern der Nopalbäume zwi- schen den dort befindlichen Stacheln befestigen, und in deren jedes 12 bis 14 Cochenillmütter gethan werden. Nach kurzer Zeit fangen sie an Junge zu produciren, .welches 13 bis 15 Tage lang dauert; doch ist es noch nicht ein- mal ausgemacht, ob sie Eier legend oder lebendig gebährend sind. Es ver- breiten sich aber diese Jungen bald über den ganzen Nopal , und sie halten sich am liebsten auf den saftreichsten Blättern auf der Sonnenseite und da, wo sie vor den heftigen Stürmen geschützt sind, auf. Auch bedeckt man in —.Ti- den kälteren Gegenden die erwähnten Nester mit Matten. Nachdem die . Jun- gen ausgeschlüpft sind, werden die Nester weggenommen, wo die Mütter, welche solche nicht verlassen, die erste, doch auch dürftigste Erndte liefern. Dieser folgen noch zwei, nämlich zuerst nach 3 his 4 Monaten, wo man die indefs herangewachsenen Jungen , indem man davon eine hinlängliche Anzahl zurückläfst , mittelst eines Pinsels abstreift; und dann nach einem abermaligen ' Verlauf von 3 bis 4 Monaten, wo die Nopalblätter, Behufs der Aufbewahrung, während der regnigten Jahreszeit abgepflückt und die überflüssigen Thiere da- durch, dafs man die Blätter abkratzt, gesammelt werden. Man hat ver- schiedene Arten die Cochenille zu tödten; theils thut man sie nämlich in Körbe, die erst in siedendes Wasser getaucht, und dann der Sonne ausgesetzt werden, um sie zu trocknen; theils sind besonders dazu errichtete Oefen vor- handen, worein man, wenn sie hinlänglich erhitzt sind, die Cochenille auf Matten legt; theils bedient man sich endlich zu diesem Endzwecke der Bleche, die man durch darunter gelegtes Feuer erhitzt. Von diesen mannichfachen Tö'dtungsmefhoden kommen auch die verschiedenen Arten von Cochenille, die man zu uns bringt. Es ist nämlich dieses Insekt, wie mehrere dahin gehörige, im Leben mit einem weifsen Staube bedeckt. Diejenige nun , welche in hei- fses Wasser getaucht wird, verliert denselben und erhält eine braunrothe Farbe, weshalb man sie renegrida nennt; die im Ofen- getödtete Cochenille aber ver- liert nicht diesen weifsen Staub und erhält dadurch , dafs das Weifse sich auf einem röthlichen Grunde befindet, eine aschgrau* gefleckte Farbe; daher heifst sie jaspidea; diejenige endlich, welche auf heifsem Blech getödtet wird, läuft Gefahr zu sehr erhitzt zu werden, und wird dadurch etwas schwärzlich; deshalb aber nigra benannt. Alle Cochenille verliert durch da& Trocknen an ihrem Gewichte, doch die von der ersten Lese am meisten- 4 Pfund von dieser geben getrocknet nur 1 Pfund; dagegen von den andern zwei Erndten schon 3 Pfund ein gleiches Gewicht liefern. Uebrigens ist im Handel die Co- chenille mit weifsem Staub die beliebteste, weil solche am wenigsten verfälscht werden kann. — 72 — Diese blos in Mexiko vorkommende feine Cochenille erfordert ein gleich- mäfsiges und kälteres Klima , wogegen die Wald - oder wollige Cochenille, von der wir durch Ellis und de Geer sehr genaue Beschreibungen haben, unter den verschiedenartigsten Klimaten in einer Höhe von 2900 Meters und wiederum unter einem brennend heifsen Himmel vorkommt. So findet man sie nicht nur in Mexiko, sondern namentlich auch auf St. Domingo, in Nord- amerika, besonders bei Charlestown, in Siidkarolina , ' Georgien und in meh- reren Gegenden Brasiliens, auch soll sie neuerlich nach Ostindien gebracht wor- den seyn, doch habe ich nicht in Erfahrung bringen können, ob ihre Kultur daselbst geglückt ist; ich zweifele aber daran, zumal da der dort einheimische Gummilack gegenwärtig so sehr in Aufnahme gekommen ist. In der neuesten Zeit sind Versuche gemacht, die Cochenille in Spanien zu kultiviren, und der Erfolg wird zeigen, ob sich das Klima von Europa dazu eignet. Doch auch mehrere andere, in Ostindien vorkommende Coccus- Arten sind als Coche- nille-Surrogat in -Vorschlag gebracht, und, Anderson hat sechs Arten, die auf Aira spicata, Phyllanthus emblica, Parietaria indica Linn.; Piobinia grandi- flora, Psidium quajava, Hibiscus Rosa sinensis, Vitis vinifera, Galega pro- strata, Robinia mitis und Solanum melongena vorkommen, zu diesem Behuf näher beobachtet und beschrieben ; ich habe aber nichts darüber finden kön- nen, ob dieser Vorschlag wirklich praktisch angewandt ist. Uebrigens ist die Cochenille -Zucht für Mexiko von grofser Wichtigkeit. So kommen nach Ver- sicherung des Hrn. v. Neufville von der feinen Cochenille jährlich an 700000 Pfund, und von der wolligen an 180000 Pfund nach Europa. Humbold giebt die jährlich aus Südamerika ausgeführte Menge an 32000 Arroben und zu 540000 Pfund Sterling an Werth an, wovon nach Bancrofts Berechnung Grofsbrittannien allein 750 Säcke oder für 375000 Pfund Sterling konsumirt. Selbst Persien bezieht, nach Pallas Versicherung, von Astrachan aus jährlich bis 1000 Pud Cochenille, das Pud zu 300 Rubel (Pallas, Bemerkungen auf einer Reise in die südlichen Statthalterschaften des russischen Reiches, Leipzi» 1799. Band I. S. 200.), wogegen es wieder, da Südrufsland keine Eichen- — 73 — Wälder hat, nach Rufsland an 3000 Pud Galläpfel, zu 12 Rubel das Pud, liefert. Bei diesem Ungeheuern Verbrauche wäre es allerdings sehr wünschenswerth, wenn einheimische Produkte, wie namentlich Coccus ilicis und radicum, wo- von besonders der erstere, wie oben gezeigt worden ist, eine eben so schone Scharlachfarbe, wie die Cochenille liefert, an deren Statt genommen würden. Doch die Erfahrung zeigt, dafs in den heifsen Klimaten alle eigenthiimlichen Farbestoffe sich in bei weitem mehr concentrirter Vollkommenheit, als in den kälteren, entwickeln. So enthalten unsere und die levantischen Galläpfel im Ganzen gleiche Bestandteile , doch letztere in bei weitem gröfserer Intensivi- tät; so dafs man lediglich dieselben gebraucht. Eben so haben Versuche be- wiesen, dafs erst 10 bis 12 Pfund Hermes so viel Färbestoff enthalten, als Ein Pfund Cochenille, so dafs diese, wenigstens bei den jetzigen Handelsverhält- nissen, immer, nach Maafsgabe der Güte, ein bei weitem wohlfeileres Färbe- material liefern wird, als die inländischen Produkte '»3). Was übrigens bei der Cochenille und den andern Coccus -Arten eigentlich das färbende Princip ist, darüber hat die Chemie, so viel mir bekannt, noch kein bestimmtes Resultat beliefert, und man weifs nur, dafs es in Wasser, Alkohol und Schwefel- äther auflöslich ist, denn wenn man die Cochenille mit siedendem Wasser behandelt, so erhält die Flüssigkeit eine Carmoisinfarbe, die in das Violette überseht, und zwei Hauptbestandteile zeigt: das färbende Princip und eine ungefärbte thierische Substanz. Doch wird uns die Zoochemie, die in neue- rer Zeit so bedeutende Fortschritte macht, auch hierüber nicht mehr lange in Un»ewifsheit lassen, und wahrscheinlich besteht es, in Verfolg der Odier'schen Versuche, in einem Oele ( Trommsdorffs Journal der Pharmacie, Band 8. Leipzig 1824. S. 233 — 253.). Die Cochenille wird aber theils zur Scharlach-, theils zur Carminfarbe gebraucht. Um der Wolle eine Scharlachfarbe zu ge- ben, bedient man sich einer sehr gesättigten Auflösung von Zinn, Weinstein 43) S. mein noch ungedruckter Aufsati iiler Cochenille und Kirhy, Th. I. S. 352 — 556. 10 s Ä 74 — und Cochenille. Carmin aber wird dadurch bereitet, dafs man in siedendes Wasser nach und nach Kermes, Cochenille und eine dem Zimmt ahnliche Punde, die im Französischen Ecorce d'autour heifst, kochen läfst, und Alaun hinzufügt, worauf sich der Carmin niederschlagt, der demnach aus weitet nichts, als dem färbenden Princip und Alaun zu bestehen scheint •'")• III. V V ie bei fortschreitender Erfahrung und der sich immer mehr verbrei- tenden Kultur die Benutzung theils der Insekten selbst, theils ihrer Pro- dukte, besonders zu technischen Endzwecken sich bedeutend vermehrt hat, so hat sich dagegen ihr Gebrauch in der Medicin um so auffallender vermin- dert | und nur ein sehr geringer Thed derer, die sonst in keiner Pharmacopoe fehlen durften, wird noch jetzt zu diesem Zwecke benutzt. Aber in den Gegenden, wo das Arzneiwesen noch nicht so gut eingerichtet ist, wie bei uns, namentlich in mehreren Orten des Orients, liefert noch jetzt die In- sektenwelt einen Hauptbestandthejl der Arzneimittel und selbst das Alterthum benutzte sie bei weitem mehr, als es heut zu Tage geschieht. Führt doch Plinius folgende Insekten auf, die als Arzneimittel benutzt wurden: Scorpion, Araneen und Phalangien , Gryllus oder Taiirus ; Scolopcndra , Multipeda , Mille- peda, Centipeda, Oniscus oder Tyjus; Eruca; Troxallis; Phryganionj Ver- jnis terrenus; Vermis ex: arboribus; Apisj Buprestis; Pityocampae; Scara- baeus; Genus cantharidum; Cimex; Musca; Locusta; Attelabi; Formicae; Ricinus} Cicada; Blattaj Coccusj Papilioj Teredo; Seps millepeda, (H) JDictionnaire 4?s sciences naturelles. Tome IX. article Cochenille, Forskäl aber zählt zu den Insekten, die noch jetzt zu Cairo in der Materia medica berücksichtigt werden: Millepedes; Cantharides virides (ex India); Meloü fasciata; Coccionella (ex Europa); Coccus paphica (e Graecia); Cera alba; Gallae quercinae (e Syria et Graecia); Gallae tamar (tinctoriae) loco gall. quere. ' ). So wie der Mode alles unterworfen ist, so sieht man dieses auch bei Benutzung der verschiedenen Naturreiche in der Medicin. Wenn gleich die Pflanzenwelt von jeher die wichtigsten Arzneimittel geliefert hat und liefern wird, so gab es doch besonders am Ende des siebenzehnten und im Anfange des achtzehnten Jahrhunderts eine Zeit, wo ein grofser Theil der in den Phar- macopüen aufgestellten Arzneimittel von Insehten genommen seyn mufste, und fast jedes Insekt dazu benutzt werden konnte. Gegenwärtig scheinen die Mine- ralien die Insekten verdrängt zu haben und der gröfste Theil der neueren Arz- neimittel besteht aus mineralischen Ingredienzen. Welches zweckmäfsiger seyn dürfte , darüber kann ich nicht entscheiden und enthalte mich daher jeglichen Urtheils. Nur die Bemerkung glaube ich nicht übergehen zu dürfen, dafs, wenn wir die Wirkungen der Insekten auf den menschlichen Körper im All- gemeinen betrachten, darin fast alle übereinstimmen, dafs sie äufserlich mehr oder weniger als blasenziehende Mittel, innerlich aber besonders auf die Urin- werbzeuge und die Zeugungsorgane wirken. Ein Hauptprincip scheint daher dem Insektenreiche eigenthümlich zu seyn und nur theils mehr, theils weniger ausgebildet und hervorstechend sich zu zeigen. Worin dieses Hauptprincip be- stehen mag, darüber können wir kein ganz sicheres Urtheil fällen, indem namentlich die Insektenchemie noch in der Kindheit liegt, und nur in den neuesten Zeiten John und besonders die französischen Chemiker Bobiquet und Odier interessante Beobachtungen gemacht haben. Glaubte doch noch Forsten in seiner sonst sehr gehaltreichen Abhandlung über die Canthariden, wahr-; >) Descriptiones animalium, quae in itinere orientali observavit. pag. 14s. 10* — 76 — scheinlich durch die goldglänzend - grüne Farbe irre geführt, dafs sie Gold enthielten, und hat es sogar selbst heraus experimentirt -). Von den ange- führten Schriftstellern hat aber besonders Robiquet die spanischen Fliegen und Odier die hornartigen Theile der Insekten überhaupt , zumal die Flügel- decken der Maikäfer, der Crioceris mordigera und Scarabaeus nasicornis unter- sucht. Sie fanden als chemische Bestandtheile Eiweifs, einen in Wasser auf- löslichen Extraktivstoff, eine in Kali, aber nicht in Weingeist lösliche braune thierische Substanz, ein in Weingeist lösliches gefärbtes Oel ; eine besondere Materie, welche Odier Chitine nennt; endlich kohlen- und phosphorsauren Kalk, nebst phosphorsauren Eisen; auch, nach Robiquet, phosphorsauren Talk. Aufserdem ist jedoch wohl nicht zu läugnen, dals manche Insekten auch eigenthümliche Stoffe enthalten. So fand Orsini in dem dunkelgelben Saft, welchen ein Julus in der Gegend von Ascoli in Italien (Jülus foetidis- simus nach Bertoloni) von sich giebt, und der einen starken Geruch hat, Jode. (8, Trommsdorffs neues Journal der Pharmacie, Band 12. Stück 1. Leipzig 1825. S. 297.). Jene eigentümliche Materie, die Chitine, scheint nun das obberührte Hauptprincip der Insektenwelt zu se3_n. Sie findet sich auch in solcher Menge, dafs sie den vierten Theil der Flügeldecken an Gewicht be- trägt und die Basis aller hornartigen Theile der Insekten ausmacht 3*). Wahr- scheinlich ist es auch diese Chitine, welche Robiquet in glimmerartigen kry- stallinischen Blättchen herstellte, und die ausschliefslich das blasenziehende Frincip in sich enthielten. 2) Disquisitio medica cantharidum hist. nat. etc. exhibens. Editio altera. Argentorati 1776. 8. S. 43. 3») S. Robiquet, Versuche über die spanischen Fliegen, in den Amiales de Chimie. Tome L.XXII. Seite 502. und Folg. aus Trommsdorffs Journal der Pharmacie, Bnd. 20. Stück 2. Leipzig 1811. S. 227. — Ferner: Odier, sur la composition chi- mique des parties cornees des insectes , in den Memoires de la Societe d'histoire naturelle de Paris. Tome I. S. 29. Aus: Trommsdorff, neues Journal der Phar- macie. Achter Band. Leipzig 1824. S. 233 — 253. — 77 - Nach diesen Vorausschickungen wird es am zweckmäfsigsten seyn , die- jenigen Insekten, welche theils als Arzneimittel gebraucht wurden, theils noch gebraucht werden, speciell aufzuführen. Auch hier zeichnet sich die Classe der Coleopteren am meisten aus, von welchen wiederum die Canthariden, zumal als Zugpflaster, ein in allen Welt- theilen bekanntes Arzneimittel liefern. In Nordeuropa bedient man sich zu diesem Behuf der Lytta vesicatoria ; in Südeuropa , der Levante und Egypten der IMylabris fasciata oder tiimaculata Fabr. (Meloe fasciata Forskäl), in China und den benachbarten Gegenden IMylabris cichorei, so wie überhaupt mehrerer Arten der Gattung Mylabris, namentlich in Indien; in Amerika endlich der Lytta cinerea und vittata 3b ). Wie schon oben erwähnt, dürften wohl alte Insekten mehr oder weniger die blasenziehende Eigenschaft besitzen , nur dafs wir sie bei den Gattungen Mylabris und Lytta besonders concentrirt antreffen, weshalb auch diese vorzugsweise dazu benutzt werden. Die bei uns unter dem Namen spanische Fliegen bekannte Lytta vesicatoria wird sowohl äufser- lich als innerlich , bei letzterem Gebrauche zumal als Tinktur , angewandt, hat einen eigenthümlichen sehr durchdringenden Geruch und einen pechartigen Geschmack. Ihre Wirkung auf den menschlichen Körper ist mitunter so auf- fallend, dafs nach Geyers Versicherung ein Mensch, der unter einem. Baume, worauf Canthariden safsen, eingeschlafen war, davon ein Fieber bekam, und ein anderer, der nur eine lebendige spanische Fliege in die Hand nahm, Blut- 3* ) Nach den Beobachtungen von Chapmann , Gorham und Allenius kann die Lytta vittata sehr gut der Lytta vesicatoria substituirt werden, s. Pharmacopoea Batava cd. Niemann, editio secunda. Lipsiae 1824,. Vol. I. S. 524. und Vol. IL S. 301. Eben so soll auch Meloe niger nach Versicherung des Woodhause wirken (s. Phar- macopoea Batava, Vol. I. S. 334.). — Nach Kämpfers Versicherung giebt es in Japan ein Insektengeschlecht, Fan mio genannt, welches überaus kaustisch ist und daher für giftig gehalten wird. Diese befinden sich auf den Reisähren ; sie sind lang, schmal und kleiner als die spanischen Fliegen; von Farbe blau und gold- farbig, mit carmowinrothen Flecken und Strichen und deshalb von ganz vorzügli- cher Schönheit (s. Hannoversches Magazin, 98. Stück, den 6. Deebr. 1779. S. 1562. \ Wahrscheinlich auch eine Mylabris oder Lytta«. — 78 — harnen und Erectionen erhielt. Gleichergestalt erzählt Bayrius, dafs wenn Canthariden in Ameisenol aufgelöst würden und man damit den Daumen am Fufse bestreiche, dadurch eine grofse Geilheit bewirkt werden solle *). Man findet die Lytta vesicatoria besonders in Schweden, Deutschland, England, auch Spanien und Italien, gewifs auch in dem ganzen nördlichen Europa, und sie zeigen sich in den Monaten Juni oder Juli in gröfserer oder geringerer Menge, indem sie sich besonders auf Liguster und Eschen, doch auch auf andern Bäumen niederlassen und das, Laub verzehren, hier aber gewöhnlich so gefan- gen werden, dafs man unter den Bäumen Tücher ausbreitet, auf welche sie herabfallen, indem mit einem Stock an die Zweige und den Stamm geklopft wird. Der gewöhnlichen Sage nach sollen sie, wie die meisten andern In- sekten, einen Turnus von sieben Jahren haben, indem sie je das siebente Jahr sich besonders häufig zeigen. Ueber ihre Naturgeschichte, auch wo und wie sie in ihren früheren Ständen leben, darüber ist nichts bekannt, genug sie erscheinen plötzlich und unerwartet, mitunter in solchen Schwärmen, dafs sie eine ordentliche Wolke bilden — und eben so verschwinden sie wieder. Nach ihrer Einsammlung werden sie gewöhnlich getrocknet und so auf- gehoben; doch obgleich van Swieten versichert, dafs sie sich SO Jahre lang, ohne an Kraft zu verlieren , hielten , so dürfte es doch nicht zweckmäfsig seyn , sie länger als zwei Jahre aufzubewahren , zumal da sie , nach Forstens Beobachtungen, bei einer zu langen Conservation endlich in ein braunes Pulver zerfallen s). Die Benutzung der Canthariden überhaupt ist besonders im Orient 4) S. Forsten, disquis. de cantharidibus. — Ueberhaupt s. über Canthariden aufser Forsten nocb : Geyer, tract. de cantharidibus. Francofurti 1674. — G. Whit- acher, dissert. de cantharidibus. Lugd. Batav. 17x8. 4. — Ch. Fr. Jaeger et Ch. R. Kays er, dissert. de cantharidibus eorumque actione et usu. Tübing. 1769. 4. — J. C. Stockar a Neufern, diss. de usu cantharid. interno. Goet- ting. 17S1. 4. — J. Carton, de cantharidum usu et operatione. Edinb. 1776. 8. R u m p e 1 , de cantharidibus eorumque tarn interno quam externo in medicina usu. Erford. 1767. 4. 5) S. Forsten, disq. de canthar. — 79 — seit den ältesten Zeiten bekannt gewesen, und die Griechen und Römer wandten sie sowohl innerlich als äufserlich an. Es waren aber den Alten besonders zwei Arten von Canthariden bekannt, wovon die wirksamste als bunt mit schrägen, gelben Binden auf den Flügeln, die unwirksamere aber al& einfarbig beschrieben wird 6a). Plinius erwähnt jedoch noch einer dritten Art» die zwischen beiden in der Mitte stehe 61'). Da noch jetzt in Süditalien, Griechenland, der Levante und den übrigen Theilen des Orients Mylabris fasciata, cichorei und andere Mylabriden die Stelle unserer Lytta vesicatoria vertreten, und diese Insekten mit gelben Binden gezeichnet sind, so ist unter ihnen offenbar die wirksame Canthariden -Art des Dioscorides und Galen zu suchen, wogegen, wie ich an einem andern Orte 6c) gezeigt habe, die als nicht so wirksam und einfarbig angegebene, wahrscheinlich unsere Lytta vesi- catoria ist, und mit dem räthselhaften Geschöpfe des Buprestis, der immer in Gesellschaft der Canthariden angeführt wird, übereinstimmen dürfte. Aufser den eben erwähnten Canthariden, findet man hauptsächlich noch folgende Coleopteren als Arzneimittel angeführt 6d), als: 6a) Dioscorides de materia medica. II. 65, — Galenus de simpl. medic. facult. lib. li. pag. 261. 6b) Hist. nat. 29. 4. ed. Hard 30. 6c) In einem noch angedrückten Aufsatze, über den Buprestis der Alten.. 6»1) Alles besonders nach : a. J. G. Lehmann, dissertatio medica exhibens catalogum insectorum Coleopte- rorum medicatorum. Goettingae 1796. 4. b. Rosenblad, resp. flodin. diss. entomologiam medicam. sistens. Lond. 17S0. 4. c. Römer, von den in der Medicin gebräuchlichen Insekten. Zürich 1784. 8. d. J. C. Lüchow, specimen inaugurule physico- medicuin, quo insecta. medici- nalia juste recensentur. Rostochii 1799. 8. e. Fortsetzung der Abhandlung von der Materia medica des Hrn. St. Fr. Geof- froy. Sechster Theil, von den Thieren , aus dem Französ. Leipzig 1753. 8. f. Lesser, theologie des insectes, ed. Lyonnet. Tome 2. ä la Haye 1742. 3. pag. 183. sqq. g. Eman. Koenig, regnum animale. Coloniae Muratianae 1682. 4. S. 161. sqq., welche Schriften überhaupt diesem ganze» Abschnitte zu Gruude gelegt sind. — 80 — 1. Scarabaeus Melolontha oder Melolontha vulgaris, welcher, nachdem der Kopf abgerissen ist, in Honig eingelegt wird, und stimulirend, so wie auch auf die Blase wirkt. Auch hat ihn Dr. Hartmann als Mittel wider den Bifs von tollen Hunden empfohlen ?a), Was Lesser (theologie des insectes, ed. Lyonnet. Tome 2. pag. 190.) ebenfalls sagt und zugleich ver- sichert, dafs der Saft davon äufserlich auf Wunden getröpfelt würde; übri- gens bilde er ebenfalls ein Pflaster wider ansteckende Beulen und Geschwüre; sey ein Bestandtheil der Gegengifte und das Oel, worin er ertrankt sey, ver- trete das Scorpionöl. 2. Scarabaeus sticticus (Cetonia Fabr.), welcher nach Carradori beson- ders gegen Zahnweh gut seyn soll 7h). 3. Lucanus cervus. Innerlich wird er pulverisirt zu 4 bis 8 Gran in 3 oder 4 Unzen Parietaria - oder Saxifraga - Wasser genommen ; eben so auch das Oel, worin dieser Käfer und ein Scorpion gekocht ist. Es wird als ein urintreibendes und beruhigendes Mittel empfohlen. Um das Insekt aber zu pulverisiren , tödtet man es zuvor, indem man es in einem gläsernen wohl- verwahrten Gefäfse der Sonne aussetzt. Aeufserlich dient er zerquetscht, in einer gehörigen Salbe gekocht und aufgelegt, die Convulsionen und Schmerzen der Nerven zu stillen. Auch versichert Schröder, dafs das durch einen Aufgufs erhaltene Oel wider Ohrenschmerz und Taubheit dienen soll. Endlich werden die grofsen -Hörner desselben häufig, zumal in Fiebern, als Anmiete getragen »). 4. Coccinella septempunctata 9), bipunctata, sexpustulata und bissex- guttata, so wie Chrysomela populi, sanguinolenta und cerealis werden nach 7a) Dr. Hartmann, in Ephemer. Germ. ann. 1742. pag. 325. 7b) Carradori, Benini et Stagi, giornale fisico-medico. T. 3. 1794,. pag. 263. 8) S. auch: Lemery, dictionnaire ou traite universel des drogues simples. Roterd. 1727. 4. y,nd Dale , pharmacol. pag. 488 et 489. 9) S. Intelligenzblatt der allgem. Litteraturzeitung. 1798. Nr. 119. pag. 962., aus dem Journal der Erfindungen, Theorien und Widersprüche in der Natur- und Arzneiwis- senschaft. St. 145. pag. 135. — 81 — Carradori ,0), Curculio (Attelabus) bacchus, betulae und die Larven des in verschiedenen Carduus -Arten wohnenden Curculio (Attelabus) jaceae, aber nach Gerbi als besonders heilsam gegen Zahnschmerzen empfohlen "). Vor- züglich jedoch zeichnet sich in dieser Rücksicht der Curculio (Brachicerus) anti - odontalgicus des erwähnten Schriftstellers aus , dem auch Gerbi deshalb ein besonderes Buch gewidmet hat. Die Larve davon lebt in Oberitalien auf einer Pflanze, die Gerbi Carduus spinocissimus nennt. Fünfzehn Stück von diesen Larven, oder die eben erst vollendeten Insekten, zwischen den Fin- gern leise zerrieben , so dafs der Saft herauskommt , lindern , wenn man mit diesen Fingern den hohlen Zahn berührt, wenigstens in 8 bis 10 Minuten den Schmerz, und die Finger sollen noch ein Jahr lang diese Kraft behalten. Von 624 durch den Verfasser angestellten Versuchen gelangen 401 ; doch gesteht er selbst, dafs es mit auf die Ursachen des Zahnweh ankäme. Uebrigens ist es vielleicht dasselbe Thier, welches schon Pernetty in den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts als zahnschmerzstillendes Mittel erwähnt ,2). Auch ge- hören hierher noch Carabus ferrugineus und C. chrysocephalus (Rossi), welche nach Cipriani und Gerbi gegen dasselbe Uebel empfohlen werden, und wobei es bei dem letzteren hinreichend seyn soll, wenn man nur mit dem Finger, womit man vorher den Käfer angefafst gehabt, den schmerzenden Zahn be- rührt '3); so wie endlich der balsamisch duftende Carabus cupreus Fabr., wovon Luckow versichert, dafs als er die Finger, womit er das Insekt ge- rieben, an die schmerzenden Zähne gebracht hätte, das Uebel sogleich nach- gelassen habe. 5. Pimelia sulcata Linn. (Tenebrio polychrestus Forsk.) wird nach diesem Schriftsteller von den türkischen Aerzten gegen Ohrenschmerzen und i») Carradori, Zuccagni, Benini et Stagi giornale fisico -medico. Tora. I. 1794. pag. 9 et 10. Tom. III. pag. 265. i») Ranieri Gerbi, storia naturale di un nuovo insetto. Firenie 1794. 8. tt) Histoire d'un voyage aux isles malouines fait qn 1763 et 1764. Tom. II. pag. 234. . ►») S. Gerbi. pag. 17, und Cipriani in giornale fisico -medico. 1794. Vol. I. p. 6 — 9. 11 — 82 — wider den Scorpionstich gebraucht '*); indem man zum ersteren Behuf einige Tenebrionen mit Oel; zum letzteren Behuf aber eine halbe Viertelstunde lang in einem verschlossenen Gefäfse mit Wasser kocht, und von dem Oel 2 bis S Tropfen in das Ohr giefst, von dem Wasser aber 1 bis 2 Gläser austrinkt, überdem auch noch auf die Wunde einen zerschnittenen Tenebrio legt. 6. Cerambyx moschatus Fabr. Wahrscheinlich nur seines Mo- schusgeruches wegen als Arzneimittel empfohlen j übrigens soll er ähnlich wie .die Canthariden, nur schwächer, wirken, doch fehlen genaue Erfahrungen. 7. .Scarabaeus. stercorarius Linn., wird gepulvert wider das Auf- treten der Augen (Staphyloma) und Mastdarmbeschwerden gebraucht; das daraus gewonnene Oel aber löst auf, lindert und stärkt; auch bedient man sich desselben als flüchtige Salbe. 8. Meloe pr o.scarabaeus und majalis, Fabr., wovon der letztere .ein helles Oel bei dem Angreifen von sich giebt. Beide Insekten werden mehr innerlich .als äufserlich gebraucht, und wirken im Ganzen ähnlich den Cantha- riden. Man hat sie .als wurmtreibend, desgleichen als Mittel wider anste- ckende Fieber .und .Seuchen und besonders als heilsames Mittel wider die Hundswuth empfohlen, jn welcher Eigenschaft ebenfalls die Canthariden, zu- mal in Indien, noch jetzt angewendet werden 's,),- und wofür auch Trichius .">) Descriptiones animalium, guae in itinere orientali obseryavit Forsltal, ed. Niebulr. Hafniae 1775. pag. 79. •ä) ,S. .a. Eyn, nützliches und tröstliches Regiment wider die Pestilenz und giftiges pe- stilenzisch Fieber , die Schweifssucht genannt. Leipzig 152g. pag. 30. 82. b. Seile, neue Beiträge zur Natur - 'und Ärzheiwissenschaft. Berlin 1782. 8. P. I. pag. 5— .21. - , r :. . ,c. Ephem. nied. phys. 1681. Obs. 502. .d, Degner, in actio nat. curios. Norinib. 1742. 4. Vol. VI. pag. 326. ,e. Schäffer, Abbildung und Beschreibung des MaiwurmUäfers. Begensh. 1778. f. Dehne, über -den Maiwurm. 2 Bände. 8. ., g. Ivledicinisch -chirurgische Zeitung , den 12. September 1816. Nr. 74. S. 349. Nach Moncony's Bericht in seiner 1648 gemachten Reise geben die Griechen in «der Türkei den .von .tollen Hunden gebissenen Leuten Caatnarides oder spa- ■m 83, -**. octopunctatus Fabr. in Vorschlag gebracht ist. In Schweden braucht man den' Saft von Meloe majalis und proscarabaeus wider Rheumatismus, indem man die Glieder, die daran leiden, damit bestreicht (Pharmacopoea Batava, ed. Niemann , edit. secunda. Lipsiae 1824. Vol. II. S. 303.) Aufserdem versichert Fabr., dafs Scarabaeus molossus in China officinell sey; Hernandez aber er- zählt von dem Tleocuilin, einer in Neuspanien vorkommenden kleinen Cantha- riden-Art, die einen rothen Kopf und smaragdgrüne Brust habe, übrigens aber braun°elb sey, dafs sie auf den Aussatz oder Krätze geschmiert diese heilen solle, überhaupt aber auf der Haut ein gewisses Brennen verursache ,6). Auch gebrauchen nach demselben Schriftsteller die Mexikaner noch, jetzt ge- wisse, unserrh Hirsch - und Nashornkäfer ähnliche Käfer als Zaubermittel, damit sie der Gegenstand ihrer Liebe erhöre '")• Endlich versichert auch König, auf das Ansehn des Johnston gestützt, dafs der sogenannte Ohrwurm, Forficula auricularia Linn., ein sehr heilsames Mittel wider die Taubheit sey (Emanuel König regnum animale. Coloniae Munatianae 1682. 4. pag. 163.). Gehen wir aber in das Alterthum zurück, so findet man zwar die Be- nutzung mehrerer Coleopteren als Arzneimittel erwähnt. Was es aber für Käfer- Arten sind, läfst sich, aufser den bereits angeführten Canthariden und dem verwandten Buprestis jetzt nicht mehr genau bestimmen; genug, wir müssen uns damit begnügen, dafs es Käfer oder hartschaalige Insekten waren. Auch dürfte auf eine genauere Ausmittelung nichts Wesentliches ankom- men, da, wie oben gezeigt ist, Ein der Insekten weit eigenthümliches Haupt- princip besonders ihren Nutzen in der Medicin hervorbringt, und sich dieses nur theils mehr, theils weniger ausgebildet vorfindet. nische Fliegen zu essen, was ein Gegenmittel ist. (de Moncony's Beschrei- bung seiner Reise durch Asien etc. Aus dem Französ. Übersem toii Juncker. Leipzig und Augsburg 1697. 4.) 16) Franc. Fernande» ap. Hernandet hist. mex, S. 74,. •7) Hist. mex. S. 835. ., 11* — 84 — Es empfiehlt aber Galen für Ohrenschmerzen das Eintröpfeln von Oel, worin ein Scarabaeus oder xxv$xpo( gesotten ist '"). Dasselbe sagt Avicenna, bemerkt jedoch, dafs man den Scarabaeus vorher stofsen müsse 's), und Rases giebt den Rath, auf das Ansehn des Dioscorides gestützt, die Eingeweide des übelriechenden Scarabaeus zu diesem Behuf zu nehmen =0 ). Plinius erzählt von den Magiern, dafs sie Käfer mit zurückgebogenen Hörnern, wahrschein- lich Cerambyces, den Kranken um den Hals bänden 21)> und dafs die ge- zähnten grofsen Hörner der Scarabaeen (wohl von Lucanus cervus) als Amulet getragen würden 1J). Eben so soll der Anblich des smaragdgrünen Käfers so wohlthätig auf die Augen wirken, dafs diejenigen, welche ihn oft ansehen, ein besonders scharfes Gesicht erhalten , weshalb sich auch dessen zumal die Stein- schneider bedienen 2s). Doch wahrscheinlich war auch schon im Alterthum der Gebrauch von Meloe majalis Fabr. bekannt. Marcellus ( cap. 8. advers. ocu- lorum dolores, S. 275. in Henr. Steph. thesauro) empfiehlt nämlich wider Augen- schmerzen einen haarigen Scarabaeus, ähnlich dem wahren Scarabaeus, welcher sich in alten steinigen Hecken oder Heckengräben findet. Diese Thiere , fährt er fort, sind die Cutiones. Sie haben eine scheingelbe Farbe, sind haarig und glänzen wie Löwenhaar. Bevor man jedoch einen solchen Cutio aufhebt, mufs man ein Blatt, worauf sich ein Thautropfen befindet, in der Hand haben. Findet man nun einen Cutio, so ergreift man ihn mit dem Daumen und Zeigefinger (digitus medicinalis) und setzt ihn so auf das Blatt, dafs der «8) De theriaco ad Pisonem. cap. g, in f. ex ed. Basil. Class. 5. $. 187°. 19) Lib. 2. • tract. 2. Litt. S. (cap. 687. S. 311.) de scarabaeo (Ghanafes). 20) Continens lib. 21. (simplic. medicam. de scarabaeo. cap. 500.). *•) Hist. nat. 30., ii.; — ed. Hard. 30. «*) 1. c. 30., 15. ;— ed. Hard. 47. Gleichfalls trugen die alten Egyptier Scarabäen- Geminen als Amulete (s. Bellermann über Scarabäen - Gemmen ) , und noch heut zu Tage werden in Afrika Käfer (wahrscheinlich Scarabaeus sacer), denen Flügeldecken, Kopf und Flügel abgerissen sind, an einer ledernen Schnur als Halsband resp. Amu- let getragen (s. Cuillaud, Voyage ä Meroe et au fleuve blanc. Vol. II. pag. 406.). »3) Plin. hist. nat. 2g. cap. ult. — ed. Hard, 38. — Marcellus Empir. cap. 8. — 85 ~. Thautropfen seinen Urin auffängt, denn sobald man ihn angreift, beschmutzt er sich. Dieser Urin nun, mit dem Thau vermischt, wird mittelst eines Instruments auf die Augenlieder gebracht. — Unter diesem Cutio ist gewifs eine Meloe-Art und wohl Meloe majalis zu verstehen. Wenden wir uns aber von den Coleopteren zu der Classe der Hemipte- ren, so sollen diese, nach Geoffroy, namentlich die Grillen, Heuschrecken und Cicaden, viel flüchtiges Salz und Oel enthalten. Die Grillen und Cicaden, zumal Acheta dotnestica und campestris Fabr., so wie Cicada orni Linn. (Tet- tigonia Fabr.), werden für ein eröffnendes und ein solches Mittel gehalten, welches für die Kolik und Blasenkrankheiten dienlich ist. Für die Kolik läfst man 3 bis 6 Stück trocknen, vermischt sie mit eben so viel Pfefferkörnern, stöfst es zu Pulver und macht daraus einen kleinen Bolus, den man in Oblaten nehmen läfst. Auch werden sie, auf dem Rost gebraten, in Blasenkrank- heiten gegessen. Die Asche ist urintreibend, und 6 bis 12 Gran in einem Bolus oder als Trank genommen , dienen , um Sand und Gries abzuführen. Gleichergestalt bedient man sich ihrer auch, um schwache Augen zu stärken, zu welchem Behuf der Saft ausgedrückt und in die Augen getröpfelt wird. Endlich sollen sie auch wider geschwollene Drüsen heilsam seyn 2>). Uebrigens wurden auch schon von den Alten die Tsrrtyee oder Cicaden als Mittel wider Kolik und Steinbeschwerden empfohlen und eben so bildeten sie den Haupt- •4) S. Fortsetzung der Materia medica des Hrn. Geoffroy. Band 6.' Abschnitt a. S. 370 — 401 u. S. 159 — +71. — Lesser, theologie des insectes, ed. Lyonnet. Tome II. S. 133, — Eman. Hoenig, regnutri animale. Coloniae Munatianae io'Sj. 4. P- 16*. Hierbei ist zu bemerken, dafs nach der erwähnten Fortsetzung der Materia me- dica des Geoffroy hauptsächlich zwei verschiedene Arten, Cicada oiücinalis und Gryl- lus officinalis, angeführt werden. Letztere kommt nach der Beschreibung mit der Acheta dome'tica und campestris überein ; dagegen fehlt von der Cicada officinalis eine nähere Beschreibung, und es wird nur gesagt, dafs sie zwar nicht in Deutsch- land und England, wohl aber und zwar häufig in Italien und dem mittäglichen Frank- reich, zumal auf den Eschen, welche das calabrische Manna lieferten, vorkäme, weshalb unter ihr wohl Cicada orui Linn. und Pleheja scopoli zu verstehen seyn dürfte. — 86 — bestandtheil eines in grofsem Ruf stehenden Gegengiftes 55). Sonderbar ist auch die Erzählung des Dr. Konig, welcher versichert, dafs man in Afrika die bei uns sogenannten Heirachen (zu den Linnee'schen Cicaden gehörig) in eisernen Vogelbauern ernähre, und sie theuer bezahle, weil ihr Gesang einen gelinden Schlaf verschaffe 2Ö); doch erscheint mir diese Nachricht, zumal wegen der eisernen Vogelbauer, mehr als Mährchen denn Wahrheit. Was die Heuschrecken anbetrifft, so führt zwar Geoffroy namentlich Gryllus viridissimus und verrucivorus Linn. als Arzneimittel auf, sagt jedoch zu°leich, dafs ihr Gebrauch sehr eingeschränkt sey, und scheint sie nicht selbst angewandt, sondern blos den Alten nachgeschrieben zu haben ^). Hier ▼ersichert nun Dioscorides, dafs das Räuchern mit axpiisg als Mittel wider Blasenschmerzen, besonders bei Weibern, gebraucht, und die ziemlich grofsen fliioellosen , welche 'xaipxxoi oder 'ovo* genannt würden, frisch getrocknet und mit Wein getrunken wider den Scorpionstich heilsam wären ^). Dasselbe erwähnen ebenfalls Avicenna und Rases, nur führt .noch ersterer an, dafs ein Trank, wozu man getrocknete Myrthen und 12 Gran Heuschrecken nähme, wider die Wassersucht diene 2»). Auch erzählt Halyabas, dafs die langen Locustae um den Hals gehängt, als Mittel wider das viertägige Fieber ge- braucht würden 3"). Eben so ist gewifs auch der Gryllus des Plinius hierher »5) Dioscorides de materia med. II. 56. — Paulus Aegineta. lib. 3. cap. 45. de calculo S. 116. A. — Idem lib. 7. litt. f. S. 300. A. — Idem lib. 7. S. 318. B. Nicol. Myrepsius de antidotis. sect. 1. cap. 430. (S. 4^. in Henr. Stephani thesaur. ) — Galenus, de simpl. medic. facult. lib. 11. (S. 260.). »6) S. D. Emanuel Koenig in ephemerid. Gerraan. Decur. 2. ann. 4. pag. 84. *1) Fortsetzung der Materia medica des Geoffroy. S. 472 — 433. «J) De materia medica. II. 57. Dasselbe sagt Paulus Aegineta lib. 7. cap. 3. litt. «. S. 26g. «$) Avicenna lib.. 2. tract. 2. cap. 396. (S. 253.). — Rasis continens lib. 21. (jimpl. med. ) de locusta. cap. 202. pag. 428. A. 50) In regali dispositione lib. 2. practicae Nr. 519. cap. 52. de utilitate membrorum animalium (S. 104 v), wenn nicht hier eine Verwechslung mit Lucanus ceryus, wo- Ton oben geredet worden, Statt findet? — 87 — zu ziehen, wovon er erzählt, dafs er rückwärts gehe, die Erde durchbohre, in der Nacht zirpe und, mit der anhiebenden Erde herausgegraben, wider Ohrenzwang diene 5' ) , von den Griechen aber tryxallis genannt werde und eine flügellose locusta sey 3=). Wahrscheinlich ist eine Acheta, vielleicht cam- pestris darunter zu verstehen und Rases berichtet, dafs man die Locusten, welche Grylli genannt würden, nachdem zuvor die Flügel und langen Beine ausgerissen wären, etwas geröstet, getrocknet, gestofsen , mit Most als Mit- tel wider den Scorpionstich trinke «). Endlich führt noch Plinius die Asche der Tro.xaliden , welche ebenfalls zu den Heuschrecken oder Gryllen gehören, mit Honig gemischt, als Heilmittel auf 34), Einen eigenen Gebrauch machen die Landleute in Schweden von dem Gryllus verrucivorus Linn. , der daher auch seinen Namen erhalten hat. Man benutzt ihn nämlich, um Warzen zu vertreiben, zu welchem Behuf irian ihn an die Warze bringt, die er auf- teilst und eine Flüssigkeit in die Wunde fliefsen läfst, worauf die Warze all- mählig schwindet i5); doch scheint auch Avicenna hiervon Kenntnifs gehabt zu haben, indem er anführt, dafs die Füfse der Heuschrecken (Gierat) die Warzen auszögen, und sie auch darnach genannt würden 3fi). Aufser den Heuschrecken - und Cicadenartigen Insekten sind auch unsere gewöhnlichen Bettwanzen, Cimex lectularius Linn., zu manchem Gebrauche ■ ■ -5») Hist. nat. 29 , 5. — ed. Hard 39. 31) Hist. nat 30., 6. — ed. Hard 16. — S. auch h. n. 30., 12. — ed. Hard' 52.: , igni sacro medetur aesypum cum pomphotyge et rosaceo, ricinj sanguis, vermes terreni ex aceto illiti , Gryllus contritus in manibus. Quo genere praestat ut cjui id fccerit antequam incipiat vitiuni : toto eo anno careat. Oportet autem cum ferro cum terra cavernae suae tolli. — Auch soll der Gryllus nach Plinius (Buch 30.) wider den Kröpf dienen. 53) S. die Stelle des Rases bei Note 2g. j4) H. «. 30., 12. — ed. Hard 44. 35) S. Linnee, fauna Suecica, editio altera: Gryllus verrucivorus. j6) Avicenna..ilib. 2. tract. 2. cap. 396. S. 253. de locustis (Gierat) locustae: electio: Ex eis sunt meliores grossae, quae alas non habent. Decoratio: Pedes cor um era- dicant verrucas, secundum quod dicitur. Membra 1111 triraea t i etc. — 88 — empfohlen. Sie sollen ebenfalls, nach Geoffroy, viel flüchtiges Salz und Oel enthalten, und werden hauptsächlich bei Unterbleibung des Urins dazu ge- braucht, dafs man sie lebendig in die Harnröhre bringt, wo sie ein Kitzeln erregen und den Schliefsmuskel der Blase dahin bringen , dafs er erschlafft. Auch versichert Schröder, dafs er drei gestofsene Wanzen mit gutem Erfolge habe geben lassen, um die Nachgeburt und Leibesfrucht abzuführen 3;). Der Sonderbarkeit wegen erlaube ich mir, hierbei eine Behauptung des Cardanus zu berühren, wornach die Carthäusermönche deshalb von den Wan- zen nicht geplagt würden, weil sie kein Fleisch äfsen. Scaliger hat sich jedoch die Mühe genommen, dies weitläuftig zu widerlegen und auszuführen, dal* der Grund lediglich in ihrer Reinlichkeit zu suchen sey. Was aber die Benutzung der Wanzen in der Medicin betrifft, so war diese im Alterthum sehr bedeutend. Dioscorides versichert, dafs 7 dieser Thiere in ausgehöhlte Bohnen eingeschlossen und so verschlungen, ein gutes Präservativmittel wider das viertägige Fieber wären; ohne Bohnen eingenom- men, dienten sie wider den Bifs von giftigen Schlangen; als Räucherungs- mittel würden sie bei Mutterbeschwerden angewandt; mit Wein oder Essig getrunken, lösten sie die Blutigel, die sich an den Schlund angehängt; end- lich brauchte man sie, um das Uriniren zu erleichtern, indem sie gepulvert in die Harnröhre gebracht würden 38). in denselben Eigenschaften werden sie aber ebenfalls von Galen, Paul von Aegina, Avicenna und Rases angeführt 39). Endlich berichtet noch Plinius, dafs die wilden Cimices (Cimices agrestes), die i 37) Geoffroy, Fortsetzung etc. S. 401 — 414. — Lesser — und König. 13) Dioscor. de materia med. II. 33. 3«) Galenus, de simplic. medic. facultat. lib. 11. (S. 261.) — Paulus Aegineta. lik 7. in litt. Jt. S. 284- B. — Avicenna. lib. 2. tract. 2. litt. F. (S. 235.). Er nennt sie Tesefisis und sagt, dafs sie ähnlich dem alcorat wäre. — Rasis continens. lib. 22. (simplic. medicam.) cap. 12. sect. 537. de eimieibus (S. 453. S. auch über die Heil- kräfte der cimices Marcellus empir. cap. 17 et 2S. — Plin. Valer. 3, 7 et q. Serenu« «aP- 57- — Golumella, de re rust. 6. 18. Vegetiu», mulomedicina 5. 4. cd. Bij>. S. 181. — 89 — auf der Malva entständen, zu Asche gebrannt und mit Rosenöl gemischt in die Ohren als heilsames Mittel getröpfelt würden 4°). Zu der Classe der Hemipteren gehört aber auch noch der Coccus, und zwar sowohl Coccus ilicis, als Coccus cacti und Coccus ficus Fabr. oder Coc- cus lacca. Nach Versicherung des Dr. Euth dient Coccus cacti gepulvert und mit Wein eingegeben wider Strangurie, Steinkolik und Masern *' ). Lyonnet führt aber den Coccus ilicis als herzstärkend an <>-) und vom Coccus lacca wird behauptet, dafs er urinlreibend, schweifserregend und blutreinigend sey -'3). Als eines der bekanntesten Arzeneimittel erscheint jedoch besonders im Alterthume der Coccus ilicis, zumal da er hauptsächlich ein Produkt von Süd- europa und Rleinasien ist. Nach des Plinius Versicherung hat er dieselben Eigenschaften, wie die Galläpfel, und dient nicht nur äufserlich als Pflaster gegen Hautausschläge und Geschwüre, sondern auch, in Wein aufgelöst, ge- gen Ohren- und Zahnweh und soll den Beischlaf befördern '&). Dioscorides und Paul von Aegina empfehlen ihn wegen seiner zusammenziehenden Eigen- schaft, weshalb sie ihn besonders bei Verwundungen mit Essig auf die Wunde zu legen rathen 4s). Auch Rases erwähnt der eben angeführten, arzeneilichen Kräfte und führt dabei noch an, dafs er gestofsen mit säuerlichem Syrup ge- nommen, gut für die Nieren sey #>). Gehen wir aber von der Classe der Hemipteren zu der der Lepidopteren über, so liefert diese gewifs den dürftigsten Beitrag zu den Arzneimitteln, 4») Hist. nat. 29, 4. in princ. — ed. Hard. 17. 41 ) S. Blanckaardt , Schauplatz der Raupen , Würmer etc. Aus dem Niederländischen. Leipzig 1690. 8. S. 166. 4t) Lesser, theologie des insectes, ed. Lyonnet. Tome 2. S. 193. 45) S. Lemery, in den M^moires de l'academie des sciences , anniSe 1710. Fortsetzung von Geoffroy's Materia medica. Th. 6. S. 415 — 458. 44) Hist. nat. 24, 4. 45) Dioscorides, materia med. 4, 43. — Paulus Aegineta lib. 7. in litt. x. S. 283. B. 4«) Continens lib. 22. simplic. medic. cap. 1. Sectio 306. (S. 436.) de vermibus tinctoriii. 12 — 90 — indem wir fast lediglich die Raupe des Seidenschmetterlings (Bomb, mori) und ihr Produkt, die rohe Seide, zu diesem Behuf angewendet sehen. Die Sei- denwürmer sollen nach Geoffroy viel Wasser und Oel, aber wenig flüchtiges Salz enthalten. Ein neuerer Chemiker, Chaussier, wollte in ihnen eine neue Säure, die er Acidum bombycinum nannte, gefunden haben; doch bald zeigte es sich, dafs es nichts anderes als Ameisensäure war. Sie sollen getrocknet und gepulvert auf den glatt geschorenen Kopf gelegt, ein gutes Mittel wider den Schwindel seyn, und aus der rohen Seide bereitete man die sonst sehr bewährten englischen Tropfen (Guttae anglicanae). Gleichergestalt wird kar- moisinroth gefärbte, rohe Seide zur Mäfsigung der allzustarken monatlichen Rei- nigung, zur Stillung der Blutreinigung bei Rindbetterinnen und zur Verhinde- rung der unzeitigen Geburt sehr empfohlen, zu welchem Behuf 15 bis 20 Gran .Klein geschnittener Seide in einem weichen Ei oder in einem Glas mit Wasser gemischten Wein Morgens und Abends genommen werden ^). Doch sollen .auch die Raupen überhaupt, verbrannt, gepulvert und mit Tabak genommen, das Nasenbluten stopfen 4S). Die Alten kannten die Arzneikräfte des B. mori nicht, und man findet nur häufig die pityocampae oder pinnorum erucae, fast immer in Verbindung mit den Canthariden und Buprestis, als giftige Thiere aufgeführt, und es werden besonders viel, Mittel angegeben, um die bösen Wirkungen, wenn man sie getrunken hat, zu verhindern '<9). — Auch versichert Dioscorides, dafs die Raupen, welche auf Gemüspflanzen 47) S. Fortsetzung von Geoffroy's Materia medica. Band 6. S. 257 — 297. — Lessei-, theol. des iusect. Tome 2. S. 185. — D. Bautzmann in Ephemer. German. Dec. 3. Aimi. 9. pag. 41 S. 48) Lesser, theol. des insect. Tome 2. pag. 185. - 49) Plin. hist. nat. 28, 9. — ed. Hard 55. Idem 25, 2. ed. Hard 30. — Paulus Aegi- rnjta liJfti ?• li t. TT. S. 294,. — Idem lab. 5. cap. 33. S. 199. — Dioscorides de materia med. lib. 2. cap. 55. ed. Matthioli. Paulus Aegineta lib. 7. cap. 3. lit. ir. S. 204. — Actuarius de meth. med. lib. 5. S. 284.. ex ed. Henrici , welcher als Folgen, wenn Jemand eine TtTVaTiU/lTTTl verschlungen hat, anfuhrt: dafs Schmerz in dem Munde, Entzündung des Magens und Schneiden der Eingeweide entständen; übrigens wurden, dieselben Gegenmittel, wie bei den Canthariden angewendet. — •Ä. öl'; — . entständen, also wohl die von Pap. brassicae, rapae und napi, mit Oel be- schmiert wider den Bifs der giftigen Thiere sicherten s° ). Endlich erwähnt Plinius noch des Papilio, welcher der Flamme nachgeht, als eines giftigen Thieres s< ). Wahrscheinlich ist unter diesem Papilio überhaupt ein Inseht, welches des Abends nach dem Lichte fliegt, zu verstehen, so dafs man diesen Ausdruck nicht auf eine specielle Art beschränken bann. Schwieriger ist die Auslegung der obenerwähnten pityocampae oder pinnorum erucae. Da jede weitere Nachricht fehlt, so hat man sich an die wörtliche Uebersetzung ge- halten, und will darunter eine Fichtenraupe, und zwar namentlich die des Bomb, pityocampae verstehen. Wie erwähnt, fehlt jede etwaige nähere Be- schreibung, indem Dioscorides nur in der angeführten Stelle berichtet, wie man sie dergestalt aufbewahre, dafs sie auf einem Siebe über glühender Asche gelinde geröstet würden; und da von ihrem Gebrauche in der Medicin sich in dem Mittelalter jede Spur verloren hat, so wird es immer zweckmäfsiger seyn, der wörtlichen Uebersetzung zu folgen, so sonderbar es auch ist, dafs sie stets in Begleitung von Käfern, den Canthariden und Buprestis, als damit verwandten Thieren , angeführt werden — als sich nutzlosen Hypothesen zu überlassen, zumal es leicht möglich ist, dafs das Alterthum sich ihrer in der Medicin wirklich bediente, der Gebrauch aber in dem Zeitverlaufe allmählig vergessen wurde. So eine geringe Ausbeute aber die Classe der Lepidopteren auch liefert, so ist die der Neuropteren doch noch viel unbedeutender. Gegenwärtig wird wohl keins der dahin gehörigen Insekten als Arznei- mittel mehr anerkannt, und von den Alten sagt nur Plinius, dafs Ziegenmilch Galenus de simplic. medicam. facult. lib. 11. S. 261. „auch die Raupen, welche auf „Fichten entstehen und mit Recht ■jrirvoxxflirM genannt werden, haben solche Eigen- „ Schäften , wie die Canthariden und Bupresten. " 50) Mat. med. 2, 6+. — ex ed. Matthioli 58. 5> ) Hist. nat. 28, 10. in f. — ex ed. Hard 45. 12* X — 92 — ein Mittel wider alles Gift wäre, auch wenn man ephemerum zu sich ge* nommen habe ^). Ungewifs ist es jedoch, ob unter diesem ephemerum das Insekt gleiches Namens , unsere jetzige Eintagsfliege , oder die Pflanze ephemerum zu verstehen ist, welche Plinius ebenfalls an andern Orten er- wähnt, zumal kein anderer Schriftsteller die giftigen Eigenschaften des ephe- merum als Insektes berührt, gleichwohl Plinius in der angeführten Stelle dieses Wort bei Nennung anderer Insekten mit anführt. In einer andern Stelle des Plinius lesen wir aber, dafs von dem Philosophen Chrysippus ein angebundener phryganion als Mittel wider das viertägige Fieber empfohlen worden , jedoch habe weder Chrysippus selbst dieses Thier beschrieben, noch hätte er einen an- dern Schriftsteller gefunden , von dem es erwähnt wäre 53 ). Wenn daher Plinius nicht einmal gewufst hat, was der phryganion für ein Thier sey, so können wir heut zu Tage nochTTPniger etwas darüber sagen, nur das sey mir erlaubt anzuführen, dafs Bellonius wohl der erste war, der unter dem Na- men phryganion die Larven der Linnee'schen Gattung Phryganea beschrie- ben hat. Doch verlassen wir die Neuropteren, und gehen zu der in arzeneilicher Hinsicht weit wichtigeren Classe der Hymenopteren über. Hier sind die Galläpfel, zumal die der Eiche, als ein Produkt der Cy- nipse, besonders der Diplolepis gallae tinctoriae Oliv., als ein vorzüglich gutes, Fieber vertreibendes Mittel empfohlen 54). Sie waren auch bereits den Alten besonders wegen ihrer adstringirenden Eigenschaft bekannt und Dioscorides wen- det sie gestofsen bei Fleischgewächsen, Schwären im Munde etc., auch gegen Zahnweh an, indem man sie in den hohlen Zahn bringt; zu Kohle gebrannt, sollen sie mit Wein oder Essig die Blutung verhindern; ein Dekokt 5*) Hist. nat. 28, io. in f. — ed. Hard 45. 53) Hist. uat. 50, 12. — ed. Hard 30. 5») Lesser, ed. Lyonn. Tome 2. pag. 18g. 62) Ulysses Aldrovandus de insectis aniraalibus. Francof. x6t8. Fol. lib. 1. cap. 6. S. 92. — 95 — nannt wird. Man gebraucht aber sowohl das ganze Inseht, als auch die Eier und die Erde, woraus sie ihre Wohnungen erbauen. Vorzüglich ist es For- mica rufa Linn. , welche man benutzt, doch auch die andern Ameisen -Arten, wo jedoch diejenigen, welche zumal in Nadelholzwäldern leben, den auf den Wiesen vorkommenden vorgezogen werden. Innerlich gebraucht man den sogenannten Ameisenspiritus bei Krankheiten des Hauptes, als Schlag, Schwindel, Lahmung etc., doch ist er zugleich urin- treibend und wirkt auf die Zeugungstheile. Aeufserlich wendet man das Oel an, welches besonders auf die geflügelten Ameisen gegossen und dann mit den Insek- ten 40 Tage lang den Sonnenstrahlen ausgesetzt wird. Dieses Oel vertreibt die Blähungen und macht zur Zeugung geschickt, indem man den Theil zwischen den Geburtsgliedern und dem Mastdarm damit reibt. Auch werden sowohl gestofsene Ameiseneier als Ameisenöl, letzteres mit Regenwurmspiritus gemischt, wider die Taubheit empfohlen. Bei Hüftweh, Lähmung, Zittern, Quet- schungen etc. bedient man sich einer aus Ameisen - und Regenwurmspiritus verfertigten flüssigen Salbe, und die Ameisennester in Wasser gekocht soll man als stärkendes Bad nehmen können 63). Im Alterthume sind jedoch die Ameisen wenig zu diesem Endzwecke be- nutzt worden, wenigstens habe ich sie bei keinem Arzte angeführt gefunden, und nur Plinius spricht in einigen Stellen von ihrem Gebrauche in der Medicin, wobei er namentlich auch der Ameiseneier mit zerstofsenen Fliegen als Arzenei- mittel erwähnt 64). WTenn wir mit den Ameisen die Classe der Hymenopteren beschliefsen, und uns zu den Dipteren wenden , so werden die gemeinen Stubenfliegen als ein beruhigendes, abführendes und den Haarwuchs beförderndes Mittel em- pfohlen. Gleichfalls soll das damit destillirte Wasser wider Augenübel helfen. 63) S. Fortsetzung von Geoffroys mat. med. Bd. 6. S. 415 — 450. — Lesser, ed. I.y-onn. Tome 2. pag. 193. — Koenig, regnum animale. pag. 164. — Lüchow, specialem iuaugurale, quo insecta medicin. juste recensentur. Rostochii 1739. 8. &S) Hist. nat. 30, 14. ed. Hard 46. — 50, 3. — 96 — Auch Mücken und Schnacken sollen , wenn man damit den kahlen Scheitel reibt, die Haare wieder hervortreiben ; fünf Mücken wurden bei einer hartnäckigen Verstopfung als eine gute Purganz gebraucht, und die sogenannten rothen Mücken sollen ein vortreffliches Mittel wider die fallende Sucht seyn; endlich betrachtet man sie auch als sehr gut bei dem Bifs von giftigen Spinnen 6s). Unter den Alten habe ich schon gesagt, dafs Plinius Ameiseneier mit zerstofsenen Fliegen empfehle. Auch führt er den frisch abgerissenen Fliegen- kopf und das Blut derselben als Arzneimittel auf 6r<). Halyabas gebraucht sie wider Augenschmerzen, auch das Ausgehen der Augenbraunen, und verbrannt mit Honig gemischt als ein Haarwuchs förderndes Mittel G"). Höchst sonder- bar ist jedoch die Methode, nach welcher Marcellus die Fliegen wider böse Au°en angewendet wissen will. Man soll nämlich mit der Finken Hand eine Flice fangen, während des Fangens den Namen desjenigen, dem man helfen will, aussprechen, dann die noch lebende Fliege in Leinwand binden und sie an den Hals des Kranken, jedoch rückwärts und ohne um zu sehen, hängen 6&). Was endlich die Classe der flügellosen Insekten betrifft, so liefert diese zu der Materia medica eine ziemlich grofse Ausbeute. Wir wollen den Anfang 1. Mit der gewöhnlichen Menschenlaus, Pediculus humanus, machen, welche eröffnend und fiebervertreibend wirken, auch wider die Gelbsucht heil- sam seyn soll. Man nimmt zu dem Ende 5 bis 6 Stück in einem weichen Eie. Doch bemerkt Hannäus, dafs man hiermit vorsichtig seyn müsse, in- dem die Anwendung dieses Mittels einem Knaben den Tod gebracht habe, bei dessen Leichenöffnung in dem Magen eine ganze Menge Läuse angetroffen wor- den wären (Hannaeus Vol. III. Art. Haffin. Obs. 90. Bei Lesser ed. Lyonnet. 65) S. Lesser, ed. Lyonnet. Tome 2. pag. 189. — Koenig, regnum animale. pag. 162. 66) Hist. nat. 29, 6. — ed. Hard 3+.' 67) In regali dispositione. lib. 2. practicae Nr. 519. cap. 52. de utilitate meiubrorum animalium. S. 104'. 68) Marcellus, de medicam. cap. 8. S. 26g. in Henr. Stephani thesaur. — 97 — Tome 2. p. 186. Note 20.)« Aeufserlich gebraucht man sie bei unterdrücktem Urin, zumal bei neugebornen Kindern, indem zu diesem Endzwecke eine lebendige Laus in die Harnröhre gebracht wird, welche durch ihr Kitzeln verursacht, dafs der Schliefsmuskel erschlafft und den Urin fahren läfst. Auch erwähnt König eines Falles , wornach eine Mutter ihren Kindern , die einen Ueberflufs an Saften gehabt und immer an katharralischen Beschwerden gelitten hätten, lebendige Läuse auf den Kopf gesetzt habe, wodurch sie gesund ge- worden wären 6s). Im Alterthum wurden übrigens die Läuse in der Medicin nicht gebraucht, sondern man findet lediglich viele Mittel, um sie zu vertreiben, angegeben. 2. Die Hundszeche oder Hundelaus, Acarus ricinus Linn. Zu Pulver gebrannt und auf den Kopf gestreut soll sie bewirken, dafs die Haare ausfallen. Innerlich aber gebraucht man sie bei der Rose und den Krankheiten der Galle "°). Von den Alten versichert Plinius, auf das Ansehn des Osthanes sich stützend, dafs wenn die Schaamtheile der Weiber mit dem Blute eines Ricinus, der von einem wilden schwarzen Ochsen genommen sey, bestrichen würden, sie einen Widerwillen wider den Beischlaf bekamen 7I)- Auch führt derselbe Schriftsteller w-eiter an, dafs besonders die Magier dieses Thier sehr geschätzt hätten; wenn man ihn aber aus dem linken Ohre eines Hundes nähme und als Amulet trage, so stille er alle Schmerzen "a). 3. Der sogenannte Kellerwurm, Oniscus asellus Linn., wird noch jetzt gebraucht, und innerlich als ein eröffnendes, auflösendes und urintreibendes Mittel empfohlen, zu dessen Ende das Insekt in Substanz oder gestofsen mit vveifsem Wein genommen wird. Aeufserlich gebraucht man diese Thiere zer- *9) S. Fortsetzung des Geoffroy Mat. med. Bd. 6. S. 499 — 521. — Koenig, regmim animale. pag. 164. — Lesser, ed. Lyonnet. Tome 2. pag. 186. ;«) Lesser, ed. Lyonnet. Tome 2. pag. 187. 71) Hist. nat. 28, 19. gegen Ende.; ed. Hard 77. 7») Hist. nat. 30, 10. ed. Hard aj. 13 _ < — 98 — quetscht als Umschlag bei bösem Halse. Gleichfalls sollen sie, mit Honig versetzt, die Geschwüre erweichen, und das Oel, worein man Rellerwürmer gethan hat, wird als flüssige Salbe bei der güldenen Ader empfohlen. Auch versichert König, dafs sie überhaupt in allen Krankheiten der Nieren, Lunge und Leber wohlthätig wirkten 73). 4. Der Vielfufs, wahrscheinlich Julus terrestris Linn. , soll mit Wein getrunken ein gutes Mittel wider Gelbsucht und Urinverhaltung seyn. Bei den Alten werden unter den Worten: ovo?,