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BRIEF

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Ueber

Schopenhauers Kritik

der Kant'schen Analytik.

Inaug-ural-Dissertation

zur

Erlangung der philosophischen Doktorwürde

vorgelegt

der philosophischen Fal(ultät zu Erlangen

am 17. Juli 1890

Wilh. Jos. Dotzer

aus Nürnberg.

1891.

Druck von | (Inihmck, NUrnberu;

Ueber

Schopenhauers Kritik

^ der Kant'schen Analytik.

Inaug-ural-Dissertation

zur

Erlangung der philosophischen Doktorwürde

vorgelegt

der philosophischen Fakultät zu Erlangen

am 17. Juli 1890

Wilh. Jos. Dotzer

aus Nürnberg.

1891.

Druck von J. Grohrock. Nürnberg.

Inhalt.

Seite

Einleitung

2. Schopenhauers vV'oUendung des Idealismus<. Metaphysik

und »Kritik des Vernunftvermögensr 4 7

3. Problem und Methode der »Kritik der reinen Vernunft^ . . . 4— 9

4. Gegeben«. *Von aussen gegeben«. »Das Ding an sich« . . 9-15

5 Subjektivität des Kausalitätsgesetzes, der Raumanschauung

und des ganzen V'orstellungsinhaltes« 15—16

6. .Scheu vor dem entschiedenen Idealismus« . .Widerspruch der

I. und 2. Auflage der Kritik d. r. V.< 16 -21

7. Der Gegenstand der Vorstellung. ^■ermischung der anschau-

lichen und abstrakten Erkenntnis« 21—28

8. Die Synthesis. Die Kategorien. Die Einbildungskraft . 28-30 9 Die reine Apperzeption. Transszendentales Subjekt Objekt 30 33

10. Schematismus der reinen Verstandesbegriffe 33-3*^

11. Anmerkung zn dem Kapitel vom transszendentalen Objekt. . 38—40

12. Intellektualanschauung und Kausalität bei Schopenhauer. Seine

Bestreitung des Kant'schen Beweises der Apriorität des

Kausalitätsbegriffes , .... 42-46

Berichtigung.

S. 10 Z. 3 stattt rationelle lies rationale. S. 16 Z. 10 statt cux lies crux. Z. 17 temini lies termini. S. 25 Z. 15 Continem lies Continuum S. 28 Z. II nach Erkermtniss ist ein , zu setzen. S. 36 Z 3 V. u. statt letztere lies letzteren. S. 41 Z. 2 V. u. statt Continea lies; Continua.

Ueber Schopenhauer's Kritik der Kant'schen Analytik.

Wenn die Philosophie ihrer einstigen Würde einer Königin der Wissenschaften im heutigen Zeitbewusstsein zum Teil ver- lustig gegangen ist, so hat sie darob weder die realistische Strömung der Gegenwart, noch die Ausbreitung der natur- wissenschaftlichen Einzelforschung ausschliesslich anzuklagen. Es war ihre morganatische Ehe mit einer nicht ebenbürtigen Genossin, der Metaphysik (im alten Sinne), die ihr das Miss- geschick zuzog, in verschiedenen Epochen eine gewisse, nicht unbedenkliche Analogie mit der längst überwundenen Alchymie zu verraten Und die Remedur ihres Hauptgebrechens schien eine unmögliche Leistung. Denn wenn selbst jene Wissens- zweige, die am stolzesten auf Anschauung und experimentelle Sicherheit pochen, der hypothetischen und speculativen Fer- mente nicht entraten können, woferne sie nicht, mit Verzicht- leistung auf die Einheitshestrebungen der menschlichen Ver- nunft, gänzlich dem Empirismus verfallen wollen, so ist die Philosophie ihrer ganzen Natur nach gehalten, den Ansprüchen gewisser Ideen gerecht zu werden, die dem Wesen der Ver- nunft völlig immanent sind, ohne den Beweis ihrer Wahrheit jemals aus der Erfahrung schöpfen zu können.

Aller Wahrheitseifer des Philosophen musste daher darauf gerichtet sein, jene unverlierbaren Ideen in einem Brennpunkte zu sammeln, der ihnen zwar nicht die auf die Möglichkeit der Erfahrung gegründete Sicherheit konstitutiver Grundsätze zu verleihen vermochte, aber sie doch als regulative Prinzipien tauglich machte, einerseits den teleologischen und systematischen Bedürfnissen der exakten Wissenschaften zu dienen, anderseits aber auch den ethischen Forderungen zu genügen und auf diese Weise der Philosophie ihre volle Würde zurückzuge- winnen.

Diese Erneuerung der Philosophie ist die That Kants. Aber er fand noch reicheren Gewinn auf seinem königlichen Wege. Es war ihm vergönnt, auch den mechanischen Prinzi-

pien der reinen Naturwissentschaft ihre metaphysische b>uh- struktion zu verleihen, die auf induktivem Wege crewonnenen mathemathisch-phvsikahschen Axiome der fjrössten Naturforscher, insbesondere Newtons und GaHleis, mit der Würde philosophi- scher Grundsätze zu bekleiden und so die synthetische Ein- heit der Erfahruna; aus ihrer Mötrlichkeit zu deduzieren. Es ei-oino- Kant in letzterer Hinsicht wie jenem Chemiker der, zur Rolle eines Adepten o:ezwuno:en. das Porzellan erfand. Kant in einer Periode doo;matischer Metaphysik lebend, fand, von innerm Drano;e zur Philosophie genöthigt, zwar nicht die Seelensubstanz, noch den Urgrund aller Dinge, aber das Wesen

der Erfahrung. ,. ., , •, j

Mit diesen Ergebnissen war die Metaphj'sik aus der tödtlichen Umarmung des Dogmatismus gerissen, zugleich aber die ältere Disciplin' dieses Namens für alle Zeiten unmöglich o-eworden, und die Bemühungen der nächsten Nachfolger, die von Kant der Philosophie gezogenen Schranken zu durch- brechen, können kaum mit der Einrede geschützt werden, dass man in ihren spekulativen Konstruktionen eben auch »regula- tive Prinzipien^, zu erblicken habe; denn die intellektuelle An- schauung, das Heraustreiben aller Substantialität aus der That- handlung des jcli, samt allen Versuchen der nächsten philo- sophisclien Reigenführer, die Kant'sche Philosophie zu ergänzen oder umzugestalten, tragen in ihren aus individueller Specu- lation erzeugten obersten Grundsätzen den Stempel des Dog- matismus an der Stime. .

Indessen konnte es nicht ausbleiben, dass die Kant sehe Lehre den vielfältigsten Deutungen und Anfechtungen begeg- nete, ein Uebelstand, den nicht die Schwierigkeit des Gegen Standes oder die > dunkle Sprache* allein verschuldet hat. Es dürfte bei Licht besehen eine und dieselbe Quelle sein, aus der die zahlreichen Klagen über Widersprüche, Antagonismus heterogener Denkprinzipien und die zahllose Menge kritischer Einzelangriffe der überwiegenden Anzahl nach herthessen. Man hat die kritische Selbstbeschränkung des Meisters nicht immer o-enügend geachtet und von ihm Aufschlüsse verlangt oder Konsequenzen seiner Lehre gezogen, die er der ganzen Natur seines Kritizismus gemäss abzulehnen bemüht war, wiewohl er bei der Instruktion des Problems, wie auch im Verlaufe der Darstellung nicht vermeiden konnte, gewisse problematische Begriife des populären Bewusstseins zu berühren.

Ich erinnere hier nur an das ^»affizierende Etwas«, an die Stelle, dass > Erscheinung doch Erscheinung von Etwas sein müsse«, an das >> etwaige" transszendentale Substratum äusserer Erscheinungen .. und ähnhche dogmatisch-spekulative Anklänge, denen Kant mit dem Hinweis auf das abgestochene Feld seiner Untensuchung, die Möglichkeit der Erfahrung, begegnet. Jch glaube, "dass man über dem transszendendalen Idealisten den "empirischen Realisten häufig übersieht. Schon Schulze und Beck-Aenesidemus wollen durch Entfernung des :*Dinges an

sich« die Kant'sche Lehre verbessern bezw. widerlegen. In neuerer Zeit klagt beispielsweise A. Lange (Geschichte des .Materialismus Bd. 2. S. 32), Kant habe den Gedanken, dass Sinnlichkeit und Verstand vielleicht aus einer gemeinsamen Wurzel entspringen, nicht für die wahre Lösung des transszen- dentalen Problems zu verwerten gewusst. Zu dieser Klage wäre indessen nur derjenige befugt, der diese gemeinsame Wurzel aufzuweisen im Stande wäre. Bis dies möglich sein wird, werden wir die bescheidene Zurückhaltung der Kritik d. r. V. achten müssen, die der Abwehr des Dogmatismus ihre Entstehung verdankt und sich selbst einen propädeutischen Charakter zuschreibt.

Ausserdem aber mag es selbst erleuchtetsten Geistern psvchologischer und phvsiologischer Richtung ihrem ganzen Hntwicklungsgang gemäss schwer, vielleicht unmöglich sein, sich mit dem Geiste der transszendentalen Methode völlig zu befreunden und \x>rurteil- und rückhaltlos in den Ideenkreis der- selben einzutreten. Dass die Dinge ihre Ansprüche ermässigen und sich um die Begriffe drehen sollen, mag dem von der empirischen Einzelforschung zu metaphysischen Problemen übergehenden Denker ein wenig svmpathisches Prinzip sein, welches bei allen Konsequenzen unverrückt im Auge zu be- halten, dem ursprünglichen Empiristen überaus schwer fallen muss.

Wenn ich nun hier mit einer auf die »Kritik der reinen \'emunft< sich beziehenden Arbeit hervortrete, so bedarf dies nicht bloss im Hinblick auf die Scliwierigkeit des L^ntemehmens, sondern auch auf die unmässig angewachsene Kantliteratur der Rechtfertigung, die sie nur in ihrer Gelegenheitsursache finden kann Mit dem Studium Kants beschäftigt fiel mir die Kritik Schopenhauers in die Hände und verdarb mir für einige Zeit die Freude an dem grossen Werke des kritischen Philosophen.

Trotz sozusagen instinktiver Ueberzeugung von der Un- haltbarkeit und Nichtigkeit der Angriffe des Gegners ver- mochte ich doch meinen Autor nicht gegen die in mir wach- gerufenen Zweifel und Bedenken zu verteidigen, ein Gefühl, dessen Peinlichkeit durch die leidenschaftliche, kein Mittel ver- schmähende Kampfesweise des genannten Censors noch erhöht wurde. Wenn ich nun durch fortgesetztes Studium meines Gegenstandes in dem Grade mächtig zu sein glaube, um eine Widerlegung mit Aussicht auf Erfolg wagen zu dürfen, so be- stimmt mich zu deren Veröffentlichung besonders auch eine praktische Erwägung.

Die Kritik Schopenhauers ist in der stillschweigenden oder eigentlich ziemlich unverhüllten Absicht verfasst, die Ver- ehrung, deren Kant geniesst, auf die Person seines Kritikers abzulenken.

Die Lobeserhebungen der Einleitung können uns in dieser Ueberzeugung nicht irre machen, denn die folgende Abhand-

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lung weiss so viel von heilloser Konfusion, Unklarheit und In- konsequenz des Kant'schen Systems zu berichten und ihre An- griffe mit solchem! Aufgebot sophistischer Eloquenz zu unter- stützen, dass der Neuling, der Kant etwa nur aus irgend welchem Kompendium kennt, vielleicht wohl gar ein Gefühl der Dank- barkeit für den unerschrockenen Kritiker emplindet, der ihn einer vermeintlich so abstrusen und unfruchtbaren Denkarbeit über- hebe.

Und da namentlich jüngere Denker und Studierende sich leicht den Eindrücken eines radikalen Stiles gefangen geben und so den Gewinn eines im höchsten Masse geistig fördern- den und klärenden Studiums einbüssen könnten, (denn es ist eine wissenschaftliche capitis diminutio, von Kant zu Schopen- hauer abzufallen), so möchte vielleicht die vorliegende Schrift dem einen oder andern Jünger der Philosophie, dem sie zufällig in die Hände kommt, nicht ohne Nutzen sein.

Manche Einwände Schopenhauers scheinen auch auf andere Schriftsteller eingewirkt zu haben, und überdies wird mir die Beschäftigung mit der in Rede stehenden Schrift Gelegenheit geben, mich über meine Kenntniss und Auffass- ung eines Philosophen auszuweisen, der ohne Erage die her- vorragendste Stellung in der Geschichte der neueren Philoso- phie bis zum heutigen Tage behauptet, und an dem keiner gleichgiltig vorübergehen kann, dem ^Philosophie am Herzen liegt«. ^{^'ifendun'"'de< Nach Schopenhauers eigenem Bekenntniss > Brief an J.

" ideaUsmus". Frauenstädt vom i"2. Juli 1852) soll seine ganze Darstellung Kritfk desVer'^ bloss die \'ollendung des Kant'schen Idealismus sein. Diese tiunftvermögens.Yoiiendung bezieht sich auf die Erkennbarkeit des »Dinges an sich<-, also auf die »Lösung des Welträtselsc und so kenn- zeichnet sich dieselbe als transszendentaler Realismus (empi- rischer Idealismus), mithin als vollständiger Gegensatz des Kant'schen Systems, das zugleich vollendet und vernichtet werden soll. Nur einzelne Bausteine des unter Schopenhauers Angriffen rettungslos zusammenbrechenden transszendentalen Idealismus, vornehmlich die transszendentale Aesthetik, (von Schopenhauer als glückliches Appercu bezeichnet ! ) und die Reduktion der Sinnendinge auf blosse Erscheinungen (Schopen- hauers »Welt als Vorstellungi j geniessen der Bevorzugung, dem dogmatischen Neubau eingefügt zu werden.

Der ausgesprochenen Tendenz dieser Metakritik gemäss müssen wir schon von vorneherein mit einiger Besorgniss an die letztere herantreten, denn der Kritiker spricht in eigener Sache : Kant und Schopenhauer können nicht zusammenbe- stehen. Ob die unter solchen Umständen doppelt nötige Be- hutsamkeit und Wahrheitsliebe dem Kritiker Kants innewohne, muss die folgende Erörterung lehren.

Vorläufig müssen wir schon die einleitenden Sätze mit einem Fragezeichen versehen.

S. 505 f. wird auf eine Stelle der Prolegomena 1) ver-']|;J;' wiesen, die von den Quellen der Metaphysik handelt und für ausgäbet letztere die Möglichkeit einer empirischen Grundlage in Ab- ^hauers^'^'lTif"' rede stellt. Daran knüpft Schopenhauer (a. a. O.i folgende Jv^."V«''!'i5'- Bemerkungen :

»Nun wird ohne Weiteres angenommen, dass die Lösung dieses Rätsels (sc. der Welt und unsers eigenen Daseins) nicht aus dem gründlichen Verständniss der Welt hervorgehen könne, sondern gesucht werden müsse in etwas von der Welt gänzlich Verschiedenem ; und dass von jener Lösung Alles aus- geschlossen werde müsse, wovon wir irgendwie unmittelbare Kenntniss, idenn das heisst mögliche Erfahrung, sowohl innere, wie äussere/ haben können ; dieselbe vielmehr nur in dem ge- sucht werden müsse, wozu wir bloss mittelbar, nämlich mittelst Schlüssen aus allgemeinen Sätzen gelangen können.«

Von diesen Annahmen ist nur der \'ordersatz der Mein- ung Kants entsprechend, die Nachsätze sind willkürlich im Sinne Schopenhauers ergänzt.

Die Lösung des Rätsels soll vielmehr gar nicht gesucht werden, weder auf dem Wege der Erfahrung, der nur zu Er- scheinungen führt, noch durch Vernunftschlüsse (oder geniale Intuition), da den Ideen der Vernunft kein Gegenstand ent- spreche und deren transszendentaler Gebrauch, eben weil er die Erfahrungswelt überfliegt, nur eine Logik des Scheines hervorbringe. Es ist auch zu beachten, dass unmittelbare Kenntniss und innere Erfahrung bei beiden Autoren einen ver- schiedenen Sinn haben. Kant versteht unter unmittelbarer Er- kenntniss die des Verstandes, genauer gesagt, die Erfahrung als »Produkt des Verstandes aus Materialien der Sinnlichkeit i, also das Mannigfaltige des äussern und innern Sinnes, das der S3'nthetischen Apperzeption objiziert ist. Dagegen bedeutet sie für Schopenhauer eine Quelle, aus der für ihn Erkenntnisse herfliessen, welche den blossen Erfahrungsgebrauch der Vernunft weit übersteigen, nämlich eine aus verändertem Gesichtspunkte erneuerte rationale Psychologie und Kosmologie. Das ver- misste Argument für die Abweisung der aposteriorischen Er- fahrung zur Konstituierung der Metaphysik (als Lösung des Welträtsels) dürfte sich aber in der Vorrede zur 2. Ausgabe der Kritik d. r. \'. auffinden lassen. Es scheine dem Verfasser unmöglich, heisst es dort im Hinblick auf die bisherigen Resul- tate der Metaphysik, eine Wissenschaft von derselben auf die Bahn zu bringen, da es niemals noch gelungen, die verschie- denen Mitarbeiter einhellig zu machen. Die neue Methode, mit der Kant an die ihm vor allen dringlich scheinenden Aufgaben der Metaphysik herantrat, um den Streit des Sensua- lismus und Idealismus zu schlichten, Hess die Gegenstände sich nach unserer Erkenntniss richten, wobei die Revolution der ganzen Denkarbeit darin bestand, dass in der Erkenntniss a priori den Objekten nichts beigelegt werden kann, als was das denkende Subjekt aus eigenen Mitteln in sie legt Und

die Erwägung, dass die Eigenschaften der Dinge nicht in unsere ^'orstellungskraft hinüberwandern können, ergab eine Analyse der ganzen Erkenntnis a priori in zwei ganz ungleichartige Elemente, das Mannigfaltige der Erscheinungen (als natura formaliter spectataj und das (gänzlich proble- matische) Ding an sich. Indem so der erste Teil der Meta- physik auf die Kritik der Erfahrung eingeschränkt wurde, endigte die Kritik des Vemunftvermögens, die an die Stelle des bisherigen dogmatischen Vernunftgebrauches trat, mit einem für die theoretische \'ernunft negativen Resultate, das nichts destoweniger für die praktische Vernunft seinen positiven Wert geltend machte und überdies 'einmal für alle- mal dem Skandal vorbeugte (oder hätte vorbeugen können !), in das sich unkritische Metaphysiker unausbleiblich verwickeln.« Dabei wird auf die verschiedenen durch die bisherigen A'er- suche der Metaphysik gezeitigten Richtungen des Materialismus, Skeptizismus und Idealismus (und die daraus herfliessenden Konsequenzen verwiesen,) als einen sicheren Beweis, dass eine Metaphysik als Wissenschaft bis dahin nicht existire, da weder über ihren Ausgangspunkt, noch über ihre Methode eine Einmütigkeit ihrer Anhänger erzielt worden sei, und sich noch niemals ein Fechter auch nur den kleinsten Platz habe erkämpfen können. ^ Der Grund dieses metaphysischen Unver- mögens sei darin zu erblicken, dass sich Metaphysik gänzlich über Erfahrungsbelehrung erhebe. >in eine Region des luft- leeren Raumes, darin die Vernunft durch ihre Begriffe einen leichtern Flug zu nehmen glaubt, als im Gebiete der Erfahr- ung, ohne zu bemerken, dass sie durch ihre Bemühungen keinen Weg gewinnt.«

Auf ganz anderem Pfade verkündet nun Schopenhauer, sich der Lösung des Rätsels genähert, der neuen Metaphysik Bahn gebrochen zu haben, nämlich aus dem A'erständnisse der Welt selbst, nicht aus »inhaltsleeren F'orment. Die Aufgabe der Metaphysik ist nicht, >die Erfahrung, in der die Welt da- steht, zu überfliegen, sondern sie von Grund aus zu verstehen,« ganz die Meinung Kants !i »indem Erfahrung, äussere und innere die Hauptquelle aller Erkenntniss ist Die Lösung des Welträtsels ist nur durch am rechten Punkt vollzogene An- knüpfung der äusseren Erfahrung an die innere und dadurch zu Stande gebrachte \'erbindung dieser zwei so heterogenen Erkenntnissquellen möglich. -

Nichts könnte uns erwartungsvoller und hotfnungsfreudiger stimmen, als die Verheissung, in der Analyse des Erfahrungs- bewusstseins die Elemente einer vernunftgemässen Deutung der Erscheinungswelt nachzuweisen.

Vielleicht war Kant voreilig gewesen und hatte das frucht- bare Bathos der Erfahrung zu früh verlassen oder vielmehr nicht weit genug verfolgt.

Aber die Aussicht auf diese »Vollendung des Idealismus« ist uns leider durch die in den voranstehenden Büchern nieder-

£jelegte Entwicklung des neuen Systems benommen, wir sind bereits belehrt, welche Bewandtniss es hat mit diesem gründ- lichen Verständniss der Welt und der > unmittelbaren <- Erfahrung.

Dieses unmittelbare Bewusstsein ist der Will e, und wie aus diesem »Appercu;; mittelst Anologieschlusses die Erkennt- niss des Wesens .der Welt gewonnen werden soll, während wir nur den Homunculus eine hvpostasierten Abstraktion in der Phiole gewahren, das dürfte im gegenwärtigen Zeitpunkte wenigen ernsten Denkern mehr als etwas anderes, denn ein geistreicher Einfall erscheinen.

Und somit sind wir auch bei einem Grundgebrechen dieser Metakritik angelangt, um dessentwillen eine flüchtige Gegenüberstellung der metaphysischen Methoden Kants und Schopenhauers geboten schien. Schopenhauer richtet seine An- gritlte zunächst gegen die Achterklärung des Dogmatismus und sucht sich die Bahn frei zu machen durch Abwürdigung der trans- szendentalen Logik. Sollte der dogmatische Vernunftgebrauch verteidigt und die Anknüpfung der Sinnenwelt an die intel- ligible vollzogen werden, so war zu beweisen, dass die \'er- nunftp ostula t e sich in \'ernunftobj ekte wirklich ver- wandeln lassen und somit der Grundgedanke der Kritik d. r. V. nicht stichhaltig sei oder die gegen die dogmatischen Meta- physiker geltend gemachten Argumente für Schopenhauer nicht zutrert'en. Wie wenig dies Bedenken durch Schopenhauers neue Metaphysik gehoben ist, haben wir oben angedeutet und glauben uns mit allen wirklich wissenschaftlichen Philosophen der Gegenwart im Einklang zu befinden. Schopenhauer ver- sucht aber anderseits auch zu diesem Zweck die transszenden- tale Logik an sich als schlechthin hinfällig darzustellen, ein Beginnen, dem unsere vorliegende Betrachtung gilt. mI^'T T

frt 7 ^ ^ o . . '^^ '^ Methode de

Vor allem wird zu diesem Behufe die ganze Tendenz und Kritik ,d. r. ' das Problem der Kritik d. r. V ignorirt.

Kant mag noch so nachdrücklich betonen, er wolle nicht untersuchen, wie Erfahrung entstehe, sondern woraus sie bestehe, dass er nicht den Einzelninhalt der Erfahrung, son- dern ihr Gesetz, die Form, untersuchen, die Prinzipien der Synthesis a priori in ihrem ganzen Umfange einsehen wolle (Kr. d. r. V. S. 44), so hindert das seinen Censor nicht im geringsten, zu erklären, man sei doch berechtigt, einige Auf- klärung zu erhalten über den Inhalt der Anschauungsformen, über die Art, wie die empirische Anschauung in unser Be- wusstsein kommt, wie die Erkenntniss dieser ganzen für uns so realen und wichtigen Welt in uns entsteht. (Schopen- hauer a. a. O. S. 5191.

Und doch könnte ein Blick auf die Vorrede der Prolego- mena die geschichtliche Stellung Kants und die \'eranlassung der transszendentalen Analytik in genügend hellem Lichte er- scheinen lassen, um einzusehen, dass der Autor, von der Untersuchung des Hume'schen Kausalitätsbegrifts ausgehend, den Sensualisten gegenüber die apriorischen Begriffe, gegen

Leibnitz den Geltungscharakter der Sinnlichkeit zu schützen zu seinem Probleme erhob.

Und das Ergebniss lautet: Erfahrung ist das Produkt des Verstandes aus Materialien der Sinnlichkeit. Letztere ist eine dem Denken ebenbürtige Quelle der Erkenntniss.

Die Formen der Sinnlichkeit sind a priori, und nur an ihnen lassen sich Gesetze, Bedingungen der Erfahrung erkennen.

Das Mannigfaltige der Erscheinungen kommt dieser Unter- suchung nur seinem aus ihm analysirten nichtsdestoweniger a priori erkannten!) gesetzlichen Inhalte nach in Betracht.

Dieser Inhalt ist die Form der Anschauung und des Denkens . Das Denken ist die Assoziation der Eindrücke.

Aber diese Assoziation wurzelt ihrerseits wieder in Ge- setzen, woraus die Regeln für Apprehension, Assoziation (und Reproduktion! des Mannigfaltigen herfliessen.

Wir nennen den Grund der Regel für die Assoziation, (bei der der Sensualist Halt macht i die Rekognition im Begriffe. Immer bleibt das ganze Erkenntnissgeschäft noch zufällig, wenn es nicht durch ein oberstes Gesetz verbürgt wird. Diese Bürgschaft leistet der oberste Grundsatz der Einheit der Er- fahrung, und eine höhere Gewährleistung gibt es weder, noch ist sie vonnöten.

Eine Untersuchung, die den Xaturmechanismus auf seine Gesetzlichkeit zu prüfen und die apriorischen und aposteriori- schen Elemente der Erfahrung auszuscheiden, den Rechtsstreit zwischen Empirismus und Rationalismus zu schlichten unter- nimmt, wird doch wohl von den qualitativen Unterschieden der \'orstellungen Abstand nehmen und sich auf deren quantita- tive und dynamische Prinzipien richten müssen.

Den Ansprüchen der Sinnlichkeit wird Kant in der tr. Aesthetik gerecht. Erkenntnisstheorie und physiologische Psy- chologie aber sind verschiedene Disciplinen. deren Grenzen ebensowenig verwischt werden dürfen, wie diejenigen der An- schauung und des reinen Denkens in dem clairobscur einer Intellektualanschauung neutralisiert werden sollen, wenn nicht 'heillose Konfusion- entstehen soll. Demgemäss trägt in der transszendentalen Analytik auch die Materie einen formalen Gharakter.

5 Die Materie ist nichts Anderes als eine blose Form, oder eine gewisse Vorstellungsart eines unbekannten Gegen- standes, durch diejenige Anschauung, welche man den äusseren Sinn nennt.« (Kr. d. r. \V. S. 3241.

Durch die erwähnte Ausstellung gibt sich Schopenhauer das fromme Ansehen, dem formalen Idealismus gegenüber das Recht der »Wirklichkeit« zu vertreten und auf dem sichern Boden der so wichtigen realen Welt zu wandeln.

Dass gerade er im Gegensatz zu Kanti der empirischen Realität gänzlich den Rücken wendet, um den 3 Genieschwung« ins Reich der mystisch-romantischen Speculation zu unternehmen,

9 -

darüber wollen wir uns durch seine phj'siologisch-psycholo- u^ischen Exkurse, die er bei Gelegenheit der Abhandlung über die >Intellektualität der empirischen Anschauung<v und den »\"erstandi unternimmt, nicht irre führen lassen, denn diese Erörterungen dienen nur zur Unterstützung seiner Hypothese vom allerzeugenden Willen und dessen Emanationen.

»Allein darüber .:, fährt Schopenhauer a. a. O. fort, i näm- lich über den Inhalt der Anschauungsformen und die Entstehung- des Mannigfaltigen derselben > »enthält die ganze Lehre Kants nichts weiter als den oft wiederholten nichtssagenden Aus- druck: »Das Empirische der Anschauung wird uns von Aussen gegeben«.

Was den Ausdruck »Gegeben« anbelangt, so werden wir alsbald auf denselben zurückkommen. Aber hier sind zwei Worte eingeschoben, deren sich Kant in diesem Zusammen- hang nicht bedient hat: »von Aussen.«

Und diese zwei Worte enthalten die Eälschung der Kant"- schen Lehre »in einer Xuss< .

Durch diesen Zusatz soll Kant zum empirischen Idealisten und transszendentalen Realisten gestempelt werden und das »Ding an sich« und seine -Einführung; eine positive und da- her falsche Deutung gewinnen, wodurch dann freilich für Schopenhauer der Weg zur »Vollendung der Kant'schen Phi- losophie« geöffnet wäre.

Der Ausdruck »von Aussen« wird von Kant gleich andern psychologischen Bezeichnungen im populären Sinne gebraucht, und erst im späteren Verlaufe der Darstellung nimmt der Autor Veranlassung, die gewöhnliche Auffassung im Sinne seiner Theorie zu berichtigen. Mit den Bezeichnungen »Gegenstand der \"orstellung«, »Gegeben« und manchen anderen machen wir dieselbe Erfahrung, und es entsteht daraus, dass die popu- läre und terminologische Wortbedeutung neben einander ge- braucht wird, manches Missverständnis, das aber zu beseitigen ist, wenn man auf den Zusammenhang achtet, in dem der Aus- druck gebraucht wird.

Schopenhauer aber verschmäht es nicht, diesen Umstand für sich zu benützen, um den Leser irre zu führen, wie sich später zeigen wird. Schlimmer noch ist das absichtlich her- beigeführte Missverständnis, das er durch Herausreissen von Sätzen aus dem Zusammenhang und willkürliche Zusätze wie den obigen erzielt.

Kant scheint auf derartige »Kritik« gefasst gewesen zu sein, wie der Schluss zur Vorrede in der 2. Auflage der Kr. d. r. V. iS. 341 beweist. Suchen wir nun zunäch.st uns den terminus »Gegeben« im Sinne Kants klar zu machen.

Fls hatte sich Kant in dem Dilemma zwischen Hume und "'■«•R'i'e» Leibnitz die Ueberzeugung eröffnet, die auch durch Fichtes und seiner übrigen nächsten Nachfolger Bemühungen bestätigt wurde, dass man weder von den Dingen, noch vom Intellekt

einseiticf ausgehend zu einer widerspruchstVeien Theorie der Erfahrung- gelangen könne.

Ueberdie.-i hatte die rationelle Psychologie ihm ihren dog- matisch-theologischen Charakter enthüllt.

Die F'olge davon war einerseits die Abwertung des Ich. das er für die ärmste Vorstellung unter allen erklärte. Ander- seits mussten auch die Dinge der verwirrenden Mannigfaltig- keit der Qualitäten entkleidet werden, wenn sie zu objectiver Realität gelangen sollten.

Die beiden in Correlation stehenden noch unbestimmtem Gegenstände der Erfahrung iSubject-Object mussten teils von ihren subjektiven, teils von ihren transszendenten Merkmalen gereinigt werden, wenn sie sich anders zu einem Ganzen der Erfahrung zusainmenschliessen sollten.

So räumte Kant der Sinnlichkeit einen dem Denken eben- bürtigen Geltungscharakter ein, Hess aber die Materie nur ihrem formalen Charakter nach an der Objektivität der Erfahrung und ihrem Zustandekommen teilnehmen. Denn wenn sich die Dinge um die BegriflFe drehen sollten, so waren doch nur ihre for- malen und daher gesetzmässigen Elemente in den objektiven Bestand der letzteren aufzunehmen.

Insoferne alle Flrfahrung mit den sinnlichen Erscheinungen anheben muss, also mit dem Mannigfaltigen, musste das letz- tere als »gegeben V. bezeichnet werden. Gegeben sein heisst aber auf Erfahrung bezogen sein

»Einen Gegenstand geben ist nichts Anderes, als dessen Vonstellungsart auf Erfahrung beziehen.« 'Kr. d. r. V. S. 154)

'Erfahrung ist ein empirisches Erkenntnis, d. i. ein Er- kenntnis, das durch Wahrnehmungen ein Objekt bestimmt. Sie ist also eine Svnthesis der Wahrnehmungen, die selbst nicht in der Wahrnehmung enthalten ist, sondern die synthe- tische Fänheit des Mannigfaltigen derselben in einem Bewusst- sein enthält, welche das Wesentliche einer Erkenntniss der Objekte der Sinne, d. i. der Erfahrung nicht blos der An- schauung oder Empfindung der Sinne ausmacht.« ibid. S. 770.;'

Diese Stelle hat eine Art programmatischen Charakters, und wir haben nur noch etwas näher das Verhältnis des ^Ge- gebenen ; und seine Beziehung zu den beiden apriorischen Bedingungen der Erfahrung, der reinen Sinnlichkeit und dem reinen Denken, zu beleuchten.

Das 'Gegebene« unterscheidet sich in Kants Theorie der Erfahrung (als reiner Xaturlehre) von der reinen Anschauung nur mehr wie der besondere Fall vom Gesetz. Aber das gegebene Mannigfaltige kommt a posteriori ins Bewusstsein, und Empfindung ist dasjenige, was eine Wirklichkeit im Raum und der Zeit bezeichnet.

Die reine Anschauung schreibt diesem Wirklichen die Be- dingungen vor, unter denen es ins Bewusstsein gelangen kann ; zugleich aber antizipiert das reine Denken eine Qualität der

II

Empfindung, in der ihre Realität und Objektivität verbürgt ist, nämlich, dass sie einen Grad besitzen müsse.

Mit dieser Qualität ist schlechterdings alles erschöpft, was an dem »Gegebenen« a priori zu erkennen ist.

Aber ohne diese Antizipation der Wahrnehmungen bliebe das ganze Erkenntnisgeschäft auf subjektivem Boden stehen, da Empfindung an sich gar keine objektive Vorstellung ist, und in ihr weder die Anschauung vom Raum, noch von der Zeit angetrofl^'en wird, tibid. S. 163.)

Von den Dingen aus ist Erfahrungserkenntnis unmöglich, da ihre Eigenschaften »nicht in unsere Vorstellungskraft hin- über wandern können«. Die Möglichkeit der Erfahrung liegt also in den apriorischen Elementen der letzteren und den da- raus hergeleiteten synthetischen Sätzen a priori, die auf das aktuell 'Gegebenet angewendet werden. Der Ausdruck ^ge- yeben« besagt also erstens, dass das Mannigfaltige der Er- scheinungen den ordnenden Prinzipien der Einheit des Bewusst- seins als Materie der Erfahrung zu Grunde liege, anderseits liegt darin der Verzicht darauf, die Affektionsquelle der Sinn- lichkeit aufzeigen zu wollen. Und demgemäss bedeutet das Gegebensein des Mannigfaltigen zweitens eine \"eränderung in der Beziehung der Empfindungen.

Anstatt auf eine ausserhalb des Bewusstseins stehende Ursache bezogen zu werden, setzen wir dieselben fals Vor- stellungen des äusseren Sinnes, die aber als solche doch dem innern Sinne oder dem empirischen Subjekte angehörem in Beziehung zu dem transszendentalen Subject, das die Einheit der Erfahrung und also diese selbst möglich macht, indem es alle Wahrnehmung in dem apriorischen Begriffe von einem Objekte überhaupt zusammenfasst und vereinigt.

»Gegeben sein», heisst auf Erfahrung bezogen sein. Der Grund der Erfahrung ist die Einheit des Bewusstseins oder die transszendentale Apperzeption, die alles Gegebene in einem Begriffe vom Objekte vereinigt.

Schon diese flüchtige Betrachtung muss uns die Einsicht eröffnen, dass der Zusatz »von aussen« zu dem terminus »ge- geben« von Kant gar nicht gemacht werden konnte. Aber das wahlhaft tendentiöse Missverständnis der Kant'schen Lehre ent- hüllt die nachfolgende Stelle, (S. 516 a. a O.), die ich mit einigen Kürzungen hier anführen muss.

>^lit der in der ersten Auflage der Kritik der reinen Ver- nunft so deutlich ausgesprochenen idealistischen Grundan- sicht steht die Art, wie Kant das -»Ding an sich« einführt, in unleugbarem Widerspruch, und ohne Zweifel ist dies der Hauptgrund, warum er in der zweiten Auflage die angegebene idealistische Hauptstelle supprimirte und sich geradezu gegen den Berkeley'schen Idealismus erklärte, wodurch er jedoch nur Inkonsequenzen in sein Werk brachte, ohne dem Haupt- i^ebrechen desselben abhelfen zu können.

»Dieses ist bekanntlich die Einführung- des Dinges an Täich auf die von ihm gewählte Weise .... Die Sache lässt sich mit sehr Wenigem deutlich machen. Kant gründet die Voraussetzung des Dings an sich auf einen Schluss nach dem Kausalgesetz, dass nämlich die empirische Anschauung, richtiger die Em pfindung in unsern Sinnesorganen, von der sie ausgeht, eine äussere Ursache haben müsse. Nim aber ist, nach seiner eigenen und richtigen Entdeckung, das Gesetz der Kausalität uns a priori bekannt, folglich eine Funktion unseres Intellekts, also subjectiven Ursprungs; ferner ist die Sinnes- empfindung selbst, auf welche wir hier das Kausalitätsgesetz anwenden, unleugbar s u b j e c t i v ; und endlich sogar der Raum, in welchen wir mittelst dieser Anwendung die Ursache der Empfindung als Object versetzen, (letzteres bekanntlich eine Hypothese Schopenhauers 1 1 ist eine a priori gegebene, folglich subjektive Form unseres Intellekts.

Mithin bleibt die ganze empirische Anschauung auf sub- jektivem Grund und Boden, als ein blosser X'organg in uns, und nichts von ihr gänzlich Verschiedenes, von ihr Unab- hängiges lässt sich als ein Ding an sich hineinbringen, oder als notwendige \'oraussetzung darthun« etc.

Ferner: »nur die Ableitung des Dinges an sich ist fehler- haft, nicht die Anerkennung eines Dinges an sich zur gegebenen Erscheinung«. (S. 516 '

Diese anderthalb Seiten der Schopenhauer'schen Kritik schütten eine solche Fülle unrichtiger und verwirrender Be- hauptungen über die Kritik d. r. V. aus, dass wir zu besserer Uebersicht sie ziffermässig ordnen müssen.

1 1 Die Sinnesemplindungen haben eine »äussere Ursache* nur im populären Sinn, die kritische F>wägung kennt dieses »von aussen; (das von Schopenhauer eingeschoben wird) nicht, dazwischen den Vorstellungen des innern und äussern Sinnes kein prinzipieller Unterschied besteht ; die Empfindungen gehören als \'orstellungen dem innern Sinn an. Die Empfin- dung ist das Anzeichen, dass etwas Wirkliches im Räume vor- handen sei.

Aber dieser Raum ist doch wieder nur in uns vorhanden!

In der transszendentalen Aesthetik wird die Materie als dasjenige bezeichnet, was der FImpfindung korrespondiert.

Daraus mag nun zunächst das Missverständnis entspringen, als komme ihr eine von der Wahrnehmung unabhängige transszen- dentale Realität zu, und als müsse sie, dem populären Bewussl- sein analog, als die Ursache der Empfindungen angesehen werden. Die naive Betrachtungsweise erblickt zunächst in den empirischen Gegenständen (der Materiei die Aftektionsquelle der Sinnlichkeit; und nach Schopenhauer soll nun Kant . die wirkende Grundursache der Erscheinungen dem »Ding an sich« zugeschrieben haben, d. h. demjenigen Etwas, das nach Abzug der sinnlichen Vorstellung noch etwa zurückbleibe.

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Diese gänzlich irrige Auffassung wird in der transszen- dentalen Aesthetik, im 4. Paralogismus und im Kapitel von den Xoumenen gründiicii widerlegt.

Allein wir wenden uns zunächst, das Ding an sich' für einen Augenblick bei Seite setzend, zu der Behauptung, da.ss die empirische Anschauung eine äussere Ursache haben müsse, um den Ausdruck "äussere Ursache- oder 'von aussen gegeben als einen im Sinne der Kritik d. r. \'. gänzlich gegenstands- losen zu beseitigen und mit ihm zugleich das atfizierende Etwas abzuweisen.

Wir .nehmen, (heisst es in der Betrachtung über die Summe der reinen Seelenlehre S. 326 die Erscheinungen einer unbekannten Ursache für die Ursache ausser uns. welches nichts als Verwirrung veranlassen kann.« Ferner, nachdem wir durch die tr. Aesthetik längst über die Idealität des Raumes belehrt sindi, heisst es im 4. Paralogismus S. 315: Die Vor- stellungen der Materie und körperlicher Dinge sind lediglich Erscheinungen, d. i. blosse Vorstellungsarten, die sicli jederzeit in uns befinden .... Der empirische Gegenstand heisst ein äusserer, wenn er im Räume und ein innerer, wenn er lediglich im Zeitverhältnisse vorgestellt wird : Raum und Zeit sind beide nur in uns anzutreffen. Und weiter S. 324. »Die Materie, deren Gemeinschaft mit der Seele so grosses Bedenken erregt, ist nichts Anderes als eine blosse Form oder eine gewisse \'orstellungsart eines unbekannten Gegenstandes durch diejenige Anschauung, welche man den äussern Sinn nennt.'

Damit verschwinden gleichzeitig die Gegensätze von (em- pirischem) Subjekt und Objekt und von innen und aussen. Das Aussensein der Dinge, bezw. das 'von aussen Kommen der Empfindungen wird in diesem Zusammenhange geradezu als Täuschung bezeichnet: S. 326 .... »nur dass die Gegenstände, deren Vorstellung wir äussere nennen, dieses Täuschende an sich haben, dass, da sie Gegenstände im Räume vorstellen, sie sich gleichsam von der Seele ablösen und ausser ihr zu schweben scheinen.'

Erwägen wir nun gewissenhaft den Inhalt der angeführten Stellen, so ergibt sich als unzweifelhafter Sinn der Kanfschen Lehre: a; dass dieses von aussen' für dieselbe keine Bedeutung habe; b) dass der Ausdruck 'Erscheinung- nicht seinen Ursprung in dem Hinweis auf das hinter der letzteren (der Erscheinung 1 stehende -etwaige transszendentale Substratum« habe, sondern bloss der Erwägung Ausdruck gibt, dass wir es überall bloss mit unseren \^orstellungen, nicht mit Dingen an sich zu thun haben.

Auf dem Standpunkt des empirischen Realismus müssen wir (wenn wir mit diesem Ernst machen wollen), die intelligible Welt und mit ihr das 'afilzierende Etwas' gänzlich abweisen ; letzteres ist für die P'rklärung des gesetzmässigen (apriorischen > Bestandes der Erfahrung gänzlich überflüssig, also ausserhalb

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des ganzen Problems und nichts weiter als der Ausdruck unwissenschaftlicher Neugier.

Wenn nun Schopenhauer versichert, nichts von der em- pirischen Anschauung gänzlich \'erschiedenes lasse sich als ein Ding an sich hineinbringen, so befindet er sich hierin völlige im Einklang mit Kant.

Aber die Behauptung, die äussere Ursache der Empfin- dungen« werde von diesem auf das 'Ding an sich< zurück- geführt und zwar mittelst eines Schlusses nach dem Kausali- tätsgesetz, setzt die gänzliche Unkenntnis des Lesers von dem Kapitel über die Noumena voraus.

Wenn auch Kant selbst mit dem Worte 'Erscheinung; auf das affizierende Etwas hinzudeuten und dies wieder in dem »Ding an sich» zu erblicken scheint, so muss uns doch die ge- naue Lektüre des Abschnitts von den Noumenen< diese Täusch- ung benehmen.

Etwas verfänglich freilich lautet die Stelle S. 231. »Denn wenn uns die Sinne etwas bloss \orstellen, wie es erscheint, so muss dieses Fltwas doch auch an sich selbst ein Ding und ein Gegenstand einer nichtsinnlichen Anschauung, d. i. des Verstandes sein, darin keine Sinnlichkeit angetroffen wird, und welche allein schlechthin objektive Realität hat, dadurch uns nämlich Gegenstände vorgestellt werden, wie sie sind, dahin- gegen im empirischen Gebrauche unseres ^'erstandes Dinge nur erkannt werden, wie sie erscheinen.«

Daraus scheint nun zu resultieren:

a) Mit Hinweglassung der sinnlichen Bedingung erkennt der Verstand vermittelst der ihm eigenen Denkformen (Kate- gorien) das Unbedingte oder das Ding an sich ;

b) Dieses Ding an sich muss nun natürlich auch die eigentliche LTrsache desjenigen sein, was seine (mit den Schlacken der Sinnlichkeit behaftete) Erscheinung ist.

>>Da aber Kausalität, Raumanschauung und Sinnesempfin- dung subjekti\' sind, folgert Schopenhauer weiter S. 51b, so- bleibt die ganze Erscheinung auf subjektivem Boden stehen, und nichts von ihr Unabhängiges lässt sich als ein Ding an sich hineinbringen oder als notwendige Voraussetzung dar- thun. Wirklich ist und bleibt die empirische Anschauung unsere blosse Vorstellung. . . Zum Wesen an sich dieser können wir nur auf dem ganz anderartigen von mir eingeschlag'enen Wege . . . gelangen. <

Wir sehen, es ist Schopenhauer um jeden Preis darum zu thun, Kant zum empirischen Idealisten zu stempeln, dem aber die richtige Ableitung des Dinges an sich« nicht gelungen sei, weshalb nun der Erfinder der H3pothese vom Willen als Ursache des Weltprozesses als \'ollender der Kant'schen Philo- sophie begrüsst werden müsse.

Indessen muss uns doch der weitere Fortgang der Aus- führungen über die Noumena belehren, dass nach Abzug der

sinnlichen Vorstellung von ' der Krscheinunff nicht der min- deste Rest also auch kein »Ding an sich* zurückbleibt.

Der Ausdruck > Erscheinuno« deutet nur auf die not- ■\vendioe Einschränkuno- unserer Erkenntniss (und unserer Wiss- begierde!) auf die Modifikation hin, in der unserer Sinnlich- keit Dinge gegeben sind.

Damit ist aber nichts Positives für den Begriff > Erschein- ung >; zugestanden ; das Gedankending, das sich der Verstand durch einen Schluss nach dem Kausalitätsgesetz bildet, bleibt für die Metaphysik der Erfahrung ein Hirngespinst, da die Sphäre des \'erstandes problematisch weiter reicht als die der Anschauung, ohne dass aber dem prächtigen Begriffe des ersteren noch ein Objekt entspricht.

Zur wirklichen Flrkenntnis ist das Zusammenwirken bei- der Erfahrungsbedingungen nötig, der Verstand allein kann meinen Gedanken von allen Bedingungen sinnlicher Anschau- ung befreien,« aber seinem Noumenon keine positive Bedeut- ung geben, ihm nicht zum Dasein verhelfen.

Die Dinge an sich sind die Gegenstände eines transszen- dentalen Scheines. Es deutet also das Wort sP^rscheinung« und sein Korrelat »Ding an sich« nur darauf hin, dass es eine logische ^'orschrift der Vernunft sei, vom Bedingten (Erschein- ung) zum Unbedingten aufzusteigen, keineswegs aber folgt daraus, dass einem solchen Vernunftpostulat, das die schema- tische Uebung des Verstandes bis zum Unbedingten fortzu- setzen gebietet, auch ein Gegenstand entspreche.

Welchen Wert nun die versuchte Annäherung an die Totalität der Bedingungen für das Naturerkennen und die ethischen Interessen habe, kommt für die Kritik der Erfahrung nicht in Betracht, noch weniger berechtigt dieser Teil der »transszendentalen Dialetik« zu dem Schluss, Kant habe das »Ding an sich« in die Erscheinung zu bringen versucht. Die Erfahrungswelt und die »intelligible« sind gänzlich disparate Gebiete.

2. Können wir nun weder die angebliche Ableitung des def Kl^uVa'iit'it" Dinges an sich, noch die vermeintliche Korrelation desselben gcsptzes, der zur gegebenen Erscheinung, noch das »von aussen Kommen« unTumi'des' eines »afflzierenden Etwas« als dem Ideengang der Kritik d. p"z<;",^'°""'- r. V. angehöng erklären, so müssen wir auch die behauptete Subjektivität der Kausal- und Raumform (im nämlichen Zu- -sammenhang S. 516 u.) als im offenen Widerstreit mit der Art, wie nach der tr. Anal3'tik die Objektivierung der Erschein- ungen sich vollzieht, erkennen, ja, nach Schopenhauer wären die termini a priori und subjekti\ geradezu synonyma !

Nun wissen wir aber, dass die Erfahrung (als Natur- wissenschaft) resp. die Theorie derselben, ausgeht von dem Unterschiede der Wahmehmungs- und Erfahrungsurteile, und dass durch die Apriorität der Denkformen, welche die Be- stimmungen des Gegebenen der sinnlichen Anschauung voll- iiiehen, objektive Erkenntnis zu Stande kömmt.

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Bezüglicli der Raumform sei auf eine Stelle der tr. Aesthe- tik verwiesen: »Es gibt aber ausser dem Räume keine andere subjektive und auf etwas Aeusseres bezogene Vorstellung, die a priori objektiv heissen könnte. < Die räumliche Anschauung ist die erste Stufe zur Objektivirung des Gegebenen.

Für die gewöhnliche Auffassung ist freilich Alles, was dem Intellekt entstammt, subjektiv, alles im Raum Befindliche Objekt der Vorstellung.

Aber die ausschliessenden Gegensätze \on Subjekt und Objekt zu beseitigen (die wahre cux metaphysicorum !'i und alle Objektivität aus der Kinheit des wissenschaftlichen Be- wusstseins herzuleiten, deren methodische S3mthese die apriori- schen Begritl^"e hervortreten lässt, das ist die Autgabe, die sich die Deduktion der reinen Verstandsbegriflfe« stellt. Man kann nun zwar gegen die letztere und den »Gegenstand der Vor- stellung' im Kant'schen Sinne polemisieren, es ist aber unstatt- haft, die besondere Bedeutung der ternimi eines Schriftstellers zu ignorieren und mit denselben den gewöhnlichen Wortsinn zu verbinden, wenn man sich zur Kritik des Autors anschickt.

Die Erörterung des von Schopenhauer heftig angegriffenen »Gegenstandes der Vorstellung' wird uns näher auf den hier berührten Streitpunkt eingehen lassen.

Wir wollen aber die Erörterung dieses Begriffes noch aufschieben, um den letzten der im angegebenen Zusammen- hang auftauchenden Beschwerdepunkte ins Auge zu fassen.

Wenn wir also auch zugeben, dass die Sinnesempfindung, auf die wir das Kausalitätsgesetz anwenden, unleugbar subjektiv ist, so sprechen wir doch lum das Programm der späteren Erörterung zu geben i in der schematisierten Kategorie den Grund und die Möglichkeit des Gegenstandes der Vorstellung an und bestreiten entschieden, dass »die ganze empirische An- schauung durchweg auf subjektivem Boden stehen bleibe.« „srh.u vov dem p;;^ jg^- vollkommcn glaubwürdig, dass der Zusatz zur 2.

entschiedenen . j j . 1 1 ' i

Idealismus «. AuHage, der eme neue W iderlegung des psychologischen Idea- <nV "und"?, lismus und einen strengen Beweis von der objektiven Reali- .\ufl.ige".' tat der äusseren Anschauung enthält, durch das .Miss Verständ- nis, Kants Lehre sei nur aufgefrischter Berkeley'scher Idealis- mus, veranlasst worden ist, wie Schopenhauer in seinem be- kannten Brief an Rosenkranz i teilweise abgedruckt in der Kehrbach'schen Ausgabe d. Kr. d. r. V. i vermutet, wenn wir auch nicht geneigt sind, Kant andere als wissenschaftliche Motive für diese Veränderung zuzuschreiben.

In der That musste ihm eine solche \'erwechslung eben- so widerwärtig erscheinen, als es, wenn ich mich dieses Bei- spiels bedienen darf, ohne Zweifel Luther bestürzt hätte, wenn man seine Auffassung der Abendmahlslehre mit der symbo- lischen Auslegung Zwingiis identifiziert hätte.

Wir verstehen wohl, was den Linwillen Schopenhauers gegen die 2. Auflage imd namentlich gegen die angefügte

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> Widerlegung des Idealismus« iKr. d. r. V. S. 2o8 ff; in so hohem Alasse erregt.

Mit der Kritik der Paralogismen und selbst dem 6. Ab- schnitt >über die Antinomie der reinen Vernunft« wäre Schopen- hauers System noch zur Not in Einklang zu bringen, wobei letzterer dann das Verdienst in Anspruch nähme, im 'Willen« das wahre transszendentale Objekt an Stelle des von Kant »falsch abgeleiteten» Dinges an sich substituiert zu haben. Mit dem erwähnten Zusatz aber muss für ihn jede Hoffnung schwinden, in Kant seinen minder glücklichen Vorgänger und einen Anhänger des »entschiedenen«, d. h. materialen Idealis- mus zu erblicken, der gleich Schopenhauer (samt Veden, Puranas und anderen interessanten Büchern) die Erkenntniss der wirklichen Welt für das »Gewebe der Maja« oder einen »hingeworfenen Strick, den der Wanderer für eine Schlange betrachtete, und wie die von Schopenhauer angezogenen Gleich- nisse heissen mögen, kurz für etwas völlig Trügerisclies be- trachtet, von dem »man weder sagen könne, dass es sei, noch dass es nicht sei«.

Die empirische Realität der Erscheinungen kommt in dieser »Widerlegung des Idealismus«: zum schärfsten Ausdruck, und wenn es nicht gelingt, die völlige Kongruenz des in diesem Zusatz Enthaltenen mit der Lehre der i. Auflage zu erweisen, so bleibt uns in der That nur die Alternative, das System als widersprechend im Ganzen zu erklären oder Kant jener senilen Schwäche zu zeihen, aus der Schopenhauer die angeblich widersprechenden Elemente der 2. Auflage herleiten will. Namentlich scheint letzterem die genannte zusätzliche Abhand- lung mit dem 6. Abschnitt von der >Antinomie der reinen Ver- nunft« in unlösbarem Widerspruche zu stehen. Wir glauben, die Stelle namhaft machen zu dürfen, die Schopenhauer hier besonders im Auge hat, nämlich S. 402 .... »Da der Raum schon eine Form derjenigen Anschauung ist, die wir die äussere nennen, und ohne Gegenstände in demselben es gar keine empirische Vorstellung geben würde: so können und müssen wir darin ausgedehnte Wesen als wirklich annehmen, und ebenso ist es auch mit der Zeit«.

Bis hieher ist die empirische Realität der Erscheinungen völlig gewahrt.

Aber die folgenden Zeilen können Bedenken erregen : »Jener Raum selbst aber, samt dieser Zeit, und zugleich mit beiden alle Erscheinungen, sind doch an sich selbst keine Dinge, sondern nichts als Vorstellungen und können gar nicht ausser unserm Gemüt existieren, und selbst ist die innere und sinnliche Anschauung unseres Gemüts, 'als Gegenstand des Bewusstseins , dessen Bestimmung durch die Succession ver- schiedener Zustände in der Zeit vorgestellt wird, auch nicht das eigentliche Selbst, so wie es an sich existiert, oder das transszendentale Subjekt, sondern nur eine Erscheinung, die der Sinnlichkeit dieses uns unbekannten Wesens gegeben worden".

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»»Erscheinungen nichts als Vorstellungen, die nicht ausser unserm Gemüt existieren können> «. hier scheint doch die Erscheinung ohne Rest in der \'orstellung aufzugehen, und es will wenig besagen, dass die \'orstellungen auch »wirklich, sind. (Einige Zeilen oberhalb heisst es dagegen, der trans- szendentale Idealismus erlaube, dass die Gegenstände äusserer Anschauung ebenso wie sie im Räume angeschauet werden, auch wirklich seien. Hier scheint doch ein Widerspruch zu obwalten, i Ein neuerer Autor Kuno Fischer i, der wiederholt Schopenhauer seine Bewunderung ausspricht, bezeichnet die Widerlegun;;: des Idealismus als die »schiefe Richtung, die Kant in der 2. Auflage der Kritik genommen habee. Aber wir fühlen uns schon durch die Gegenüberstellung obiger Citate aus dem 6. Abschnitt der Antinomien befremdet. Es möchte lehrreich sein, die Anmerkung K Fischers zu erwägen, i Gesch. d. neue- ren Philos. Bd. 3 S. 4301:

»Und die ganze Demonstration lief darauf hinaus, dass erst das Dasein der Dinge ausser uns die \\'ahrnehmung unserer selbst möglich macht Als ob im Geiste der Kritik die Dinge ausser uns etwas anderes sein könnten als die Dinge im Raum ; als ob der Raum etwas anderes wäre als unsere Vorstellung, also die Dinge ausser uns etwas anderes als unsere räunilichen Vorstellungen. Das ist keine Widerlegung BerkelcN-'s . . .< u. s. w.

»Berkele)- wusste auch, dass alle unsere Objekte nur Vor- stellungen sind ; aber er hatte keine Ahnung davon, wie aus solchen Objekten jemals Erkenntnis werden könnte, darum ver- fiel seine Lehre dem Skeptizismus Humes > iK. Fischer a. a. O.)

Und die Stelle: AN'enn ich das denkende Subjekt weg- nehme, muss die ganze Körperwelt fallen«, hat Kant nach Schopenhauer in der 2. Auflage »supprimiert- aus Scheu vor dem entschiedenen Idealismus.

Es gilt nun hier zunächst, den Idealismus Schopenhauers und Berkeleys in kurzen Zügen gegen den transszendentalen Idealismus abzugrenzen.

Der Angelpunkt ist das transszendentale Objekt.

Füv den »entschiedenen Idealisten, ist letzteres 1 er nenne es Gottheit oder Wille oder wie immerj das wahrhaft Seiende, die wahre Realität, und da es nur eine wahre Realität geben kann, die Realität schlechthin ; und so schwierig es ist, bei den schwankenden Aussprüchen Schopenhauers einen Schluss auf seine wahre Ansicht über die Realität der Vorstellungswelt zu ziehen, so muss doch zugegeben werden, dass die Konsequenz des materialen Idealismus ides dogmatischen mindestens) die Sinnendinge in Schein verwandelt.

Was Berkeley anbelangt, so unterscheidet er sich von Kant nicht blos durch seine Unkenntnis der notwendigen und darum objektivierenden Erkenntnisformen, sondern durch die ganze Art seines Rationalismus. »Berkeley wusste auch, dass alle unsere Objekte nur Vorstellungen sind', sagt K. Fischer

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(a. a O.) Aber er wusste nicht, dass es nur eine und zwar empirisch reale Vorstellungswelt gibt, die durch die synthe- tische Einheit des wissenschaftlichen Bewusstseins garantiert wird. Für ihn gibt es so viele Welten, als es Geister gibt, denen Vorstellungen von Gegenständen durch sein transszen- dentales Subjekt zugeführt werden. Und die Vorstellungswelt ist daher für ihn iwie für Cartesiusi nur erschlossen, mittelbar vorhanden, weshalb er die Materie als widerspruchsvolles Er- zeugnis eines von aussen affizierenden Dinges an sich verwarf. P'ür Kant ist die Vorstellungswelt nicht mittelbar erschlossen. Der transszendentale Idealist räumt die Existenz der Materie ein, aber nicht als Ding an sich, sondern als Empfindungs- komplex, soweit es durch die apriorischen Anschauungsformen und die Kategorie der Realität (Antizipation der Wahrneh- mung), der anderen Erfahrungsbedingung, dem Denken zur Synthese der Erfahrung überliefert werden kann ; alle anderen Qualitäten der Materie (Farbe, Geruch etc.) bleiben subjektiv. Um diese objektive Realität der Materie zuzugestehen, braucht der transszendent. Idealist nicht aus dem Selbstbewusstsein hinauszugehen, denn seine Materie ist ihm in der Sinnlichkeit gegeben, sie ist der wahre Inhalt seines Ich, das Ich des Idea- listen ist ihm eine blosse \'erbindungsvorstellung; denn Ber- keley wurde zum Idealisten, indem er von der Materie als Affektionsursache ausging, sie als widerspruchsvoll verwerfen musste und dann dem Ich (der Verbindungsformel der Vor- stellungen i als Vorstellungswelt aufbürdete ; Cartesius, indem er die Gewissheit der Materie aus eben dieser Begleitungs- formel durch einen Schluss herleitete ; aber diese vermittelte Existenz blieb zweifelhaft.

Wir sehen also: Kant darf die Dinge im Raum unsere blosse \'orstellung nennen, ohne ihrer empirischen Realität das Mindeste zu rauben. Dem Idealisten steht hinter der Er- scheinung die wahre Realität, das affizierende Ding an sich, das durch Intellektualanschauung erkannt wird. Der kritische Idealist erklärt, gestützt auf die Form des innem Sinnes (das empirisch bestimmte Bewusstsein des eigenen Daseins), die intellektuale Anschauung des transszendentalen Objekts für Schein, den uns die kritiklose Anwendung der Kategorie der Kausalität vorspiegelt. Die Erscheinungen sind das wahrhaft Reale. Die Realität der Vorstellungen des äusseren Sinnes ist bewiesen :

ai Durch die Möglichkeit, mein Dasein in der Zeit zu bestimmen. Denn Zeitbestimmungen setzen etwas Beharrliches in der Wahrnehmung voraus. Das Beharrliche kann keine Intellektualanschauung sein. Denn in diesem Falle wären die Bestimmungsgründe des Daseins von demjenigen, was sie be- stimmen sollen, nicht verschieden. Das Beharrliche, in einer Intellektualanschauung gedacht, ist kein Beharr liches mehr, sondern die blosse Vorstellung eines Beharrlichen.

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b) Durch die Möglichkeit der i wissenschaftUchen ^ Er- fahrung überhaupt.

Schärfer als in der >Widerlegung des Idealismus < kann der Unterschied des materialen und kritischen Idealismus nicht mehr zum Bewusstsein gebracht werden; und wir sehen deut- Hch, dass die Bezeichnung »blosse Vorstellungi in der 6. An- tinomie, die wir als problematisch hinstellten, ihre sichere Deutung gewinnt. Wie mir scheint, findet dadurch auch der Einwand K. Fischers seine Erledigung. Wenn Kant für s e i n e n Begriflf der Materie betont, sie sei blosse Vorstellung, so wendet er sich als formaler Idealist gegen den Substanzbegriff der Sensualisten und Materialisten, wenn er für die Dinge im Raum empirische Realität fordert und sie als Bestimmungs- gründe unseres Daseins bezeichnet, so gilt seine Abwehr der Intellektualanschauung der empirischen Idealisten, die in der Kritik der Paralogismen bereits vorbereitet war und ihn den- noch nicht vor der Gleichstellung mit Berkeley geschützt hatte.

Die Materie ist also in und mit der Form der Anschauung gegeben, da jene, soweit sie objektivierbar ist. nichts anderes enthalten kann als diese, und dies bedeutet, um auf einen An- griff Schopenhauers zurückzugreifen, demnach nichts anderes als: Die Materie der Anschauung kann nicht als Emanation eines transszendentalen Objekts gelten, und sie wird in der reinen Anschauungsform einer gesetzmässigen Abstraktion unter- worfen, um zur Objektivierung tauglich zu werden.

Dennoch ist, von den Kategorien der Relation aus betrachtet, das transszendentale Objekt unvermeidlich. Dieser Antinomie begegnet Kant durch die Gleichsetzung des Wertes der Sinn- lichkeit mit dem des reinen Denkens, so dass durch die äs- thetische Erkenntnisbedingung das Postulat der Kausalität lals eines Objects ermangelnd hinfällig wird; denn Gedanken ohne Inhalt sind leer, und die Anschauung ist gegeben.

iWir begi'eifen nunmehr auch die Notwendigkeit der entschiedenen Trennung der Denk- und Anschauungsformen. Nur durch diese Abstraktion war der Schein des transszenden- talen Objekts zu überwinden . Diesen unzerstörbaren Schein, die inhaltsleere Vorstellung von einem transszendentalen Objekt, wusste Kant für die Metaphysik der Erfahrung unschädlich zu machen, indem er dem transszendentalen X die s^-nthetiscne Ein- heit der Apperzeption, den - schlechthin ersten und obersten Grundsatz der Erfahrung^ substituierte. Wer ihn tadelt, dass er nicht den letzten Rest des Unbegreiflichen aus den Bedingungen der Erfahrung zu entfernen wusste, der schwärmt für Icarus und seine Nachfolger und schlägt die Besonnenheit des Meisters gering an, der seine Schwingen nur im Bereiche der Erfahrung zu entfalten beschloss.

Die Kritik der rationalen Psychologie hatte Kant gestattet, die Intellektualanschauung abzuweisen, und da dies den Geg- nern noch nicht genügte, fügte er die Widerlegung des Ide- alismus< liinzu. die seinen Begritt" der Materie noch in höherem

Grade positiv bestimmt und unzweifelhaft erkennen lässt, dass der Ausdruck »blosse Vorstellung-« nur den schärfsten Gegen- satz zum »Ding an sich« hervorkehrt.

Denn nunmehr ist, im Gegensatz zu Berkeley, die Einheit aller ^'orstellungen, die im empirischen und transszendental be- stimmten Bewusstsein aller (wissenschaftlich) erkennenden Wesen vorhanden sind, als Materie anerkannt, und die empirische Realität derselben in der Kategorie der Realität und in der Thatsache der wissenschaftlichen Erfahrung geborgen, deren synthetisches Mittel die Kategorien der reinen Apperzeption bilden. Ohne äussere Wahrnehmungen könnte die Anschauung der Zeit nicht entstehen ; ohne die letztere die reine Apper- zeption den innern Sinn nicht transszendental atifizieren, um so den empirischen Anschauungsinhalt zur synthetischen Einheit einer objektiven Erscheinung zu verbinden. Wenn wir von der Extension eines raumerfüllenden Körpers, z. B. erwärmter Luft, sprechen, so wissen wir, dass ohne Verminderung der extensiven Grösse dieser Körper der intensiven Grösse nach ins Unendliche abnehmen kann, ohne den kleinsten Teil dieses von ihm erfüllten Raumes leer zu lassen. In diesem Bewusst- sein la priori I der ext en siv en und in te ns iven Grösse dieses Luftquantums stimmen die Vorstellungen der wissenschaftlich denkenden Individuen überein, und in ihr ist die Objektivität und Realität dieser Erscheinung gesichert; und wenn zehn Per- sonen die Einwirkung dieser erwärmten Luft auf ihre Nerven empfinden, so haben sie zwar ebensoviele Vorstellungen von einem Beharrlichen im Räume, aber dieses Beharrliche ist als Erscheinung eine blosse Bestimmung (Accidens), von der die Kategorie der Qualität die empirische Realität, die Kategorie der Substanz den Begriff der Beharrlichkeit, die Kategorie der Quantität dieEinheit der extensivenAnschauungprädiziert, indessen die hier unanwendbare Kategorie der Kausalität, die sich nur auf die dynamische Verbindung mexus) des notwendig zu einander gehörigen Gleichartigen erstreckt, uns hier den trügerischen, aber unabwendbaren Schein einer dynamischen Sj'nthesis ungleich- artiger Vorstellungen > Materie als Atfektionsursache des äusseren Sinnes I vorspiegelt, während wir doch, der Ursache der sinn- lichen Vorstellungen gänzlich unkundig, dieselben als gegeben anerkennen müssen. Wer nur auf das reine Verstandesurteil der Kausalität achtet und die Gleichberechtigung der Sinn- lichkeit, die das Objekt gibt, missachtet, dem wird die Er- scheinung zum Scheine, zur blossen Vorstellung im Sinne des „entschiedenen Idealismus". In der objektivierenden und realisierenden Wirksamkeit der reinen Begritfe ist die wissen- schaftliche Garantie der Materie enthalten, die ihrerseits als beharrliches Substrat der Anschauung den Zeitbegrifif möglich Gegenstand macht, den die transszendentale Spontaneität der reinen Apper-..vcrmbchung"d! zeption als Subjekt der Erkenntniss affiziert. ''"i'^'^l'^w^

T.J.,. . . , ""d abstrakten

Nachdem sich nunmehr bereits erwiesen hat, dass Erkenntnis." für Schopenhauer die ganze empirische Anschauung durch- ^s.'^ä'iT'ui'ff.)'

weg auf subjektivem Boden stehenbleibt, iS. 516 u.) so können wir nicht mehr erwarten, den > Gegenstand der Vorstellung« und den Objektsbegrift', wie er sich aus der transszendentalen Analytik ergibt, einer unbefangenen Würdigung unterzogen zu linden. Von nun an wird die Prüfung der Schopenhauer'schen Kritik eine immer misslichere Aufgabe. Es ist wenig erfreulich, den Spuren eines Schriftstellers zu folgen, gegen dessen redlichen Willen wir schwere Bedenken haben müssen ; und so wenig wir geneigt sind, in den unerhörten Ausdrücken dieses Kritikers zu sprechen, so lässt sich doch die Bemerkung nicht umgehen, . dass wir in allem, was die Kant'sche Terminologie betrifft und namentlich in den Ausführungen über die in obigen Titeln enthaltenen Elemente des Systems mit absichtlich herbeige- führten Missverständnissen und gröblicher Entstellung der tr. Analytik zu kämpfen haben. Rechnen wir noch dazu den Schwall von nichtigen Phrasen, die nur unter der Voraussetz- ung der gewöhnlichen populären Wortbedeutung, nicht aber der Kant'schen Terminologie Sinn gewinnen, so muss aller- dings eine Widerlegung dieser Kritik beinahe einem Kampfe mit Windmühlen gleichen, und dies mag der Grund sein, wa- rum dieselbe so selten einer Besprechung unterzogen wird, wiewohl doch wiederum der berühmt gewordene Name ihres Urhebers und das Interesse der Kant'schen Philosophie dies zu fordern scheint. Seltsam ist es jedenfalls auch, dass hier der \'orwurf mangelhafter Sonderung der anschaulichen und abstrakten Erkenntnissbedingungen erhoben wird, während neuere Schriftsteller über gewaltsames Auseinanderreissen der generellen Erkenntnissbedingungen Klage führen.

Indem wir die auf die obigen Titel bezüglichen Einreden ins Auge fassen, verzichten wir natürlich darauf, jede einzelne der sich förmlich überstürzenden Stachelreden zu beantworten, die einem gereizten Bienenschwärme gleich hervorschwärmen und den Leser augenscheinlich verblüffen sollen ; dies O und Ach ist eigentlich aus Einem Punkte zu kurieren; dennoch rechtfertigt und verlangt der Zweck vorliegender Schrift, wenigstens die gröbsten Auslegungsfehler_zu beleuchten. So an der Spitze den Vorwurf des ^ocoroi' il'si'öug, von Kant begangen durch den Satz : ... Durch die Rezeptivität

der Sinnlichkeit wird uns ein Gegenstand gegeben, durch die Spontaneität des \'erstandes wird er gedacht.« (Schopen- hauer a. a. O. S. 519 u. f. I Der gegebene Eindruck sei aber noch kein Gegenstand, sondern bloss Empfindung im Sinnes- organ, welche durch Anschauungs- und Verstandesformen in eine ^'orstellung umgewandelt werde, die nunmehr als Gegen- stand in Raum und Zeit dastehe.

Dies kömmt jedenfalls dem Sinn der Kant'schen Worte sehr nahe. Da man sich bei allem Gegebenen und über das- selbe gemeiniglich auch etwas zu denken pflegt, so dürfte ersteres wohl der Gegenstand des Denkens in allgemeinster Bedeut- ung sein. Nun wird uns dieser gänzlich unbestimmte Gegen-

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stand zunächst als »der Stotf, womit wir unser Gemüt besetzen«, in räumlicher Form gegeben. Und da wir die Eindrücke in zeitlicher Succession apprehendieren, so gelangen wir zu dem Begrit^' des empirisch, (d. h. lediglich durch Raum- und Zeit- form bestimmten) Gegenstandes, wobei indessen das ganze Erkenntnisgeschäft allerdings noch ^durchweg auf subjektivem Boden stehen bleibt.« \'ermöge der Anwendung der mathe- matischen und dynamischen Grundsätze der Erkenntniss, die in der filinheit der Apperzeption wurzeln, vollzieht sich die Einheit der äussern Anschauung und die objektive Zeit- bestimmung der Vorstellungen, welche die rezeptive Thätig- keit des innem Sinnes (i. e. der Form desselben nur im blossen und bestimmungslosen \'erhältnis des Nacheinander zu ordnen vermochte. Damit ist das Erkenntnissgeschäft ganz und gar \ollzogen, und die \'orstellung transszendental zur objektiven Vorstellung im strengen terminologischen Sinne der Kritik d. r. \'. bestimmt. Bezüglich dieses ---rpwroi' tffvSogi, scheint Schopenhauer offenbar die folgende Stelle der 2. Analogie (S. 1821 entgangen zu sein. >Man kann zwar alles und sogar jede \'orstellung, sofern man sich ihrer bewusst ist, ein Objekt nennen; allein, was dieses Wort bei Erscheinungen zu bedeuten habe, nicht insoferne sie (als Vorstellungen! Ob- jekte (sc. des Erkennens) sind, sondern nur ein Objekt be- zeichnen, ist von tieferer Untersuchung! . (Das ->bezeichnete<- Objekt ist das transszendentale, von dem in diesem Zusammen- hang noch zu sprechen ist.)

Eine \'orstellung mit Bewusstsein, die sich lediglich auf das Subjekt als die Modifikation seines Zustandes bezieht, nennt Kant Empfindung isensatioi, eine objektive Perzeption Erkenntniss icognitio'. (Kr. d. r. V. S. 2781

Der Eindruck oder die Empfindung muss doch wohl schon \'orstellung im allgemeinsten Sinne heissen, denn was nicht 7.um Bewusstsein kommt, hat für die Erkenntniss über- haupt keine Bedeutung, da es unmöglich von der Spontanei- tät bearbeitet und der Feinheit der Erfahrung eingegliedert d. h. objektiviert werden kann. Was Kant unter letzterer Bezeich- nung versteht, haben wir bereits angedeutet und werden noch weiter darauf einzugehen haben. Dass Schopenhauer, weiter- fahrend, das reine Denken aus seiner Erkenntnistheorie aus- schliesst und durch die bereits als unkritisch gekennzeich- nete Intellektualanschauung ersetzt, ist ein Fehler, den er mit anderen »entschiedenen« Idealisten gemein hat; wenn er ferner die Bildung der Begriffe an Stelle des Verstandes der Ver- nunft überträgt, so ist kein Grund vorhanden, über blosse Namen zu streiten, wiewohl wir den Kant'schen Vernunft- begriff "gegen seine Angriffe nachdrücklich zu verteidigen vermöchten. Doch müssen wir zur Vermeidung von Missver- ständnissen festhalten, dass Schopenhauer Vernunft oder Ver- m<')gen der Begriffe nennt, was bei Kant Verstand bedeutet; letzterer ist bei Schopenhauer ein Vermögen der (intellektu-

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alen) Anschauung. Welche »heillose Konfusion« er durch fortwährende Zugrundelegung seiner Terminologie und seiner Erfahrungshypothese hervorzurufen vermag, während er die Kant'sche Theorie zu erörtern vorgibt, mag jedermann leicht ennessen. Wir versprechen dem geneigten Leser, ihn nicht durch das ganze Gestrüppe dieser in unermüdhcher Redselig- keit sich wiederholenden Ausstellungen hindurchzuschleppen, müssen aber doch hier den Vorwurf der »heillosen Vermischung der intuitiven und abstrakten Erkenntniss« noch näher zu kennzeichnen suchen.

ilbid. S. 520) »Die Vernunft (bei Kant der »Verstände) hat den ganzen Inhalt ihres Denkens allein aus der Anschau- ung und der Vergleichung desselben mit andern Anschauungen und Begriffen." Dies ist genau und bündig die Lehre der Sen- sualisten und speziell Lockes über den Ursprung der Ideen (Begriffe). Wie die Vernunft dazu kommt oder es anstellt, solche Vergleichungen und Verallgemeinerungen zu gewinnen, welcher Hebel sie sich bedient, um abstrakte Begriffe aus dem Anschauungsinhalt herauszuziehen, darüber enthält das lange und denkwürdige Kapitel über die ^> Vernunft« (über die vierfache Wurzel des Satzes vom zureichenden Grunde § 34 Bd. I. S. 116) eigentlich neben vielen etwas burschikosen Redensarten nur die Angabe : sie lasse, Begriffe bildend, von den verschiedenen Eigenschaften der Dinge einiges fallen, während sie anderes behalte und es zu einem Begriffe verbinde, eine Belehrung, die eine fatale AehnUchkeit ifiit der witzigen Definition der Bildhauerkunst besitzt : man müsse einen Stein nehmen, und das Ueberflüssige weghauen. Aber freilich, wenn die \'emunft das nicht einmal könnte, wäre sie denn dann die Vernunft ? !

»Der Teufel muss doch etwas sein, Wie gäb's denn sonst auch Teufel?« meint der Dogmatiker in Goethes Walpurgisnachtstraum.

Dagegen sind wir durch die Kant'sche Psychologie (in der Deduktion der reinen Verstandesbegriffe i belehrt, dass die Rekognition der Anschauungen im Begriffe das nach und nach Angeschaute und dann Reproduzierte in einer Vorstell- ung vereinigt. Alle Erkenntniss erfordert einen Begriff, der seiner Form nach etwas Allgemeines ist, und was zur Regel dient. Der Begriff vereinigt die notwendige Reproduktion des Mannigfaltigen zu einer synthetischen Einheit im Bewusst- sein. Ohne den Begriff" wäre die Zusammenfassung der Merkmale einer Erscheinung zu einem konkreten Ganzen, 1 Gegenstande !,) unmöglich. Diese Nothwendigkeit der Synthesis, die wir im Begriffe rekognoszieren, muss eine transszendentale Beding- ung haben. Diese ist die reine Apperzeption, deren besondere methodische Mittel zur Bildung der Begriffe lund also zur Synthese der Erfahrung und ihrer Gegenstände) die reinen Begriffe oder Kategorien sind, mittelst deren die empirischen oder abstrakten Begriffe zu Stande kommen. Dies in kürzester

Andeutung die Kant'sche Psychologie der Begriffsbildung, welche die Kritik bekämpfen, aber nicht ignorieren darf. Aber nach Schopenhauer hat Kant mian höre und staune!) aus Mangel an hinlänglichem Besinnen die Frage übergangen, was ein Begriff sei! S. 514 desgl. S. 511.1

Mit derselben Harmlosigkeit aber, in der Schopenhauer die Vernunft Begriffe bilden lässt, ohne sich das Wie? ernst- lich anfechten zu lassen, lässt er ai die Anschauungen schon durch sich selbst, auf eigenen Kredit, auch ohne die reali- sierende Kategorie Realität besitzen, >soweit sie dessen fähig sind», S 525 0.1 b' »sind Raum und Zeit und alles in ihnen Gegebene schon ursprünglich verbunden^ S 530- und ci ist endlich jede empirische Anschauung >s c hon Erfahrung.« 'S 527.1 Wir möchten da mit Horatio sagen, es brauche kein Geist vom Grabe aufzustehen, um uns dies zu melden. Und wir zweifeln auch nicht, dass die Schopenhauer'sche Erkenntnis- theorie den Vorzug der Einfachheit und angenehmen Leicht- fasslichkeit vor dem dunklen, verworrenen und unklaren A'ortrag« der Kant'schen Analytik voraus hat. Aber es muss doch bemerkt werden, dass Realität oder intensive Grösse das F'undament der extensiven Grösse und ein Moment der Objekti- vität und als solches das Thema des 2. Grundsatzes ist. und dass h und c das Problem der tr. Analytik darstellen, das Schopenhauer mit den Worten ist schon- und /sind schon« im strengen Wortsinn ontologisch löst.

Die \'ernunft also bildet nach Schopenhauer Begriffe, s wobei die anschauende Erkenntnis gänzlich verlassen wird.« Xun geht aber schon aus dem Wortsinn des Begreifens oder Zusammenfassens hervor, dass der Begriff das Mannig- faltige der Anscliauung zu einer gegenständlichen Vorstellung zusammenfasst. ;)So dient der Begriff vom Körper nach der Einheit des Mannigfaltigen, das durch ihn gedacht wird, unserer Erkenntnis äusserer Erscheinungen zur Regel.« (Kr. d. r. V. S. 1201. Da das Mannigfaltige der Eindrücke doch noch kern i>Continnum« ist, so muss im Intellekt die Bedingung enthalten sein, unter der das unverbundene Mannigfaltige zu einem Gegenstande sich zusammenschliesst. Diese Bedingung ist die tr. Apperzeption, und die Regel der kolligierenden Synthese ist der Begriff.

Die Funktionen der Stammbegriffe überlässt Schopenhauer (um ja originell zu erscheinen der \'emunft. Mag sie zu- sehen, wie sie mit ihrer Aufgabe fertig wird. Ausserdem muss die Anschauung den Rest der Arbeitslast übernehmen und alles schon rix und fertig in der Wahrnehmung darstellen. In der Kausalität endlich wird Anschauung und Denken ver- mischt. Aber erstaunlich ist doch wieder die Kühnheit, mit der dieser Autor die Kant'schen Lehren wieder zur Hinterthüre hereinbringt und sie mit Emphase zur Belehrung ihres eigenen Urhebers vorträgt, was ihm wahrscheinlich den Xamen eines

>Kantianers eing-etragen hat: in Wahrheit erkennt der auf- merksame Leser seine Erkenntnistheorie unschwer als eine Karikatur des Kant'schen Systems.

»Aber, fährt Schopenhauer fort iS. 520 1, Kant lässt die Anschauung verstandlos, rein sinnlich, ganz passiv sein und erst durch das Denken iKateoforiei einen Gegenstand aufgefasst werden, so bringt er das Denken in die An- schauung.»

Nein, so trennt er das Denken von der Anschauung. Letztere gibt das unverbundene Mannigfaltige, erstere ver- bindet das Gegebene zum Objekt.

>Dann ist wiederum der Gegenstand des Denkens ein einzelnes reales Objekt; wodurch das Denken seinen wesent- lichen Charakter der Allgemeinheit und Abstraktion einbüsst und statt allgemeiner Begriffe einzelne Dinge zum Objekt er- hält, wodurch er wieder das Anschauen in das Denken bringt.<

So vereinigt Kant das Denken wieder mit der Anschau- ung, mit dem es ja thatsächlich. im wirklichen Erkenntnispro- zesse verbunden ist, nachdem er in einem kritischen Abstrak- tionsverfahren die beiden Bedingungen der Erfahrung rück- sichtlich ihres Geltungswertes gesondert erwogen hat. In derselben Bedeutung einer theoretischen Abstraktion sind die sämtlichen Stellen aufzufassen, die Schopenhauer als Belege des »Ungeheuern Widerspruches, der durch die ganze tr. Logik geht«, auf S. 521 zur Schau bringt.

Das gänzliche ^lisverständnis des theoretischen Ab- straktionsverfahrens der tr. Logik verrät auch die angehängte Bemerkung: -Hieraus folgt, dass die anschauliche Welt für uns da wäre, auch wenn wir gar keinen Verstand hätten«, denn die Isolierung der Anschauung und des Denkens ist eine Abstraktion zu kritischem Behuf, und gerade die angeführten Stellen beweisen, wie sehr es Kant darum zu thun war, die Beiträge beider Erkenntnisbedingungen reinlich zu sondern und ihrer Vermischung in der ignava ratio einer Intellektual- anschauungi vorzubeugen.

Die auf S. 522 folgenden Stellen hinwiederum beziehen sich auf die Wiedervereinigung der zu kritischem Behufe isolierten Erkenntnissbedingungen. Die Kategorie ist nur der Begriff' von einem Objekt überhaupt, die Anschauung gibt den Inhalt des Objektes, das Zeitschema verbindet die ungleich- artigen Elemente, die Grundsätze stellen die Regeln für die Urteilskraft im einzelnen dar. Aber Schopenhauer findet in den S. 522 citirten Stellen einen schreienden Widerspruch gegen die Stellen der vorhergehenden S. 521, welche sich auf die abstrakte Kategorienlehre beziehen. Und doch ist schon auf S. 77 der Kritik d. r. V. zu lesen, dass es »ebenso noth- wendig sei, seine Begriffe sinnlich zu machen (d. h. ihnen den Gegenstand in der Anschauung beizufügen), als seine An- schauungen sich verständlich zu machen (d. i. sie unter Be-

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griffe zu bringen. /<- Die Kategorien gehen a priori auf Gegen- stände der Anschauung, denn >Gedanken ohne Inhalt sind leer, Anschauungen ohne Begriffe sind hHnd«.

Dass das Objekt ein Anschauhches ist (Schopenhauer ibid.) besser gesagt enthält, überhebt es doch nicht der Not- wendigkeit einer formalen Vereinigung seiner sinnlichen Ele- mente. Die Apperzeption als Anschauung i ibid. > nennt Kant die empirische ; ein Autor seines Ranges hat die Befugnis, einen neuen terminus für den Radikalbegrift' seines Systems aufzustellen, dessen Einführung ihm verdankt wird.

Höchst bedenklich aber für unseren Berichterstatter sind zwei offenbare »Irrungen«, die sich unter den Citaten einge- schlichen haben und den Sinn der fraglichen Stellen gänzlich zu Gunsten des Kritikers alterieren. Schopenhauer S. 522 Z. 8 bis II ist zu lesen: >S. 94; V. 126 sind die Kategorien Be- dingung der Erfahrung, es sei der Anschauung oder des Denkens, das in ihr angetroffen wird.« Die Stelle lautet bei Kant (in der Ausgabe von Kehrbach S iiOi: :; . . . Dass sie die Begriffe a priori 1 als Bedingungen a priori der Mög- lichkeit der Erfahrung erkannt werden müssen i es sei der An- schauung, die in ihr angetroffen wird, oder des Denkens.;«

Femer Schopenhauer iS. 522 Z. 22 23^ >V. S. 143 steht sogar als Ueberschrift, dass alle sinnliche Anschauung durch die Kategorien bedingt sei.«

Diese Ueberschrift, die der 2. Bearbeitung der Deduk- tion angehört, findet sich bei Kehrbach im III. Supplement S. 666 S 20, bei Kirch mann, der den Text der 2. Auflage zu gründe legt, S. 146; und lautet: »Alle sinnlichen Anschau- ungen stehen unter den Kategorien als Bedingungen, unter denen allein das Mannigfaltige derselben in ein Bewusstsein zusammenkommen kann«. Hier ist jede Bemerkung über- flüssig. Nur lässt sich beobachten, dass die Citate auf S. 522 und 23 I soweit sie nicht entstellt sind , das allgemeine Verhält- nis zwischen Kategorie, Anschauung und Apperzeption in un- willkürlich glücklicher Auswahl überblicken lassen.

Dass femer der Verstand die Natur allererst möglich macht, 'ibid. Z. 2 ff. v.' u.i das ist der berühmte kopemikan- ische Grundgedanke der Kritik d. r. \'., über den sich Kant in den Prolegomenen, der Vorrede zur 2. Ausgabe und dem 2. Abschnitt der Deduktion S. 126, mit hinlänglicher Deutlichkeit ausgesprochen hat. Gemäss der Einsicht, dass die Vernunft nur das einsieht, was sie nach ihrem Entwürfe hervorbringt, zwangen die Naturforscher die Natur mittelst des Experimentes auf ihre Fragen zu antworten. Und was der erste Demon- trator des gleichschenklichen Triangels, was Baco, Galilei, und Copemikus einsahen, dass sie nicht dem, was sie in Figuren und Körpern sahen, nachspüren, sondern das, was sie nach Begriffen a priori hineindachten, durch Construktion und Ex- periment darstellen müssten, die nämliche »Revolution der Denk- art« auf die Erkenntniss der Natur überhaupt angewendet, eröff-

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nete dem kritischen Idealisten die Einsicht, dass der Gegenstand Cals Objekt der Sinne i sich nach der Beschaffenheit unseres Erkenntnisvermögens richten müsse. Dieser Versuch brachte wenigstens die Kritik der Erfahrung < den ersten Teil der Metaphysik in den sicheren Gang einer Wissenschaft. Da die Xatur ein Inbegriff von Erscheinungen ist, kein Ding an sich, so kann die Einheit, der notwendige Zusammen- hang aller objektiven \'orstellungen , unter deren Voraussetz- ung sie allein Objekt aller möglichen Erfahrung oder Natur heissen kann, nirgend anderswo als im Radikalver- mögen aller unserer f^rkenntnis der transszendentalen Apper- zeption angetroffen werden. iKr. d. r. V. S. 1261. In diesem Sinne durfte Kant sagen, dass der Verstand die Natur allererst möglich mache. In der formalen Einheit liegt die Möglichkeit der Xatur wie ihrer einzelnen Objekte.

Um aber den Nebel zu zerstreuen, den Schopenhauer über das Wesen des Objektes gebreitet hat, ist es nötig, die Merkmale und Bedingungen des transszendental bestimmten Objektes zu überblicken, wodurch die Niclitigkeit seiner An- griffe am deutlichsten zu Tage treten wird. Als solche Be- dingungen erkennen wir:

a) Das Mannigfaltige der Sinne als Materie des Ob- jekts, b) Die Synthesis.

Die Synthesis. £)^ jjjg Sinnlichkeit das \'ermügen ist, Anschauungen

von einer bestimmten Art zu bekommen, so wird sie von Kant passiv oder eine Rezeptivität genannt. Aber sie ist nicht völlig passiv, wie Schopenhauer behauptet. In der räumlichen Neben- und zeitlichen Successionsordnung des gegebenen Mannigfaltigen ist sie, ihrer besondern Bestimmung und Art gemäss, nicht minder thätig wie der \'erstand. Aber nur im Verhältnis des Neben- und Nacheinander kann sie die Erschein- ungen in dem von ihr aff'izierten Subjekt aneinanderreihen. Verbindung <conjunctioi kann niemals durch Sinne entstehen, noch a priori in diesen enthalten sein Diesen Aktus der Spontaneität kann nur der \'erstand vollziehen. Die \'er.-^tandes- handlung, welche die Vorstellungselemente zu Objekten vereinigt, nennen wir die Synthesis des Mannigfaltigen. Diese Synthesis gibt also die Form des Objektes, des transszen- dental bestimmten Objektes der Erfahrung. Kant nennt die Art der Vereinigung des Mannigfaltigen transszendentale syn- thetische Einheit der Apperzeption, um zugleich auf die Wurzel derselben hinzuweisen, und es i.st deshalb ganz falsch, dass statt dieses Ausdrucks Vereinigung ganz allein hingereicht hätte«. 'Schopenhauer S. 5081 Nicht jede Vereinigimg ist objektive Synthesis.

Die Kategorien. ^j Die Katcgorieu. Alles Mannigfaltige, das in Einer

empirischen Anschauung gegeben ist, wird durch das Vermögen zu urteilen, die alleinige Funktion des Verstandes) vereinigt. Die Funktionen, in denen sich das Urteilen vollzieht, und die längst durch die logische Technik unter gewisse Titel gebracht

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worden sind lauf analytischem Wegei, sjtiben den Urteilen Ein- heit, (ein Geschäft, wovon die allijemeine Logik handelt i. iKr. d: r. V. S. 951.

Aber dieselbe Funktion, auf die reine Anschauung an- gewendet, gibt der blossen Synthesis a priori die Möglichkeit der Einheit des Mannigfaltigen der reinen Anschauung. Diese S\-nthesis, auf a posteriori gegebenes Mannigfaltiges angewendet, gibt diesem objektive Realität. Die Thatsache der letzteren liegt in der Empfindung, ihr Rechtsgrund aber in der Katego- rie. Die synthetische Einheit, die einzelne besondere Funktion des \'erstandes für sich betrachtet, heisst der reine Verstandes- begrifi" oder die Kategorie. Es muss demnach so viele reine Verstandesbegriffe oder Kategorien geben, als sich logische Funktionen des \'erstandes aus den Formen der Urteile analy- sieren lassen. Diese reine Synthesis des Verstandes nennen wir den Begriff von einem Objekt überhaupt oder können sie das formale Objekt nennen, (mit welcher Bezeichnung so- fort eine Reihe der Schopenhauer'schen Angriffe hinfällig würde).

c) Die blosse logische F"orm unserer Erfahrungserkennt-'^''^'^i."^^'f'"*" nis enthält den Ursprung von reinen Begriffen a priori, welche vor aller Erfahrung die synthetische Einheit oder die Form von Objekten 1 Objekte überhaupt von Kant genannt) anzeigen, welche allein eine empirische Erkenntnis von Objekten oder eine Zusammenfassung von Vorstellungselementen möglich macht. In der wirklichen Erfahrimg erscheinen die Verbindungen der Wahrnehmungen als Bilder im Vorstellungsvermögen. Was das Mannigfaltige in ein Bild bringt, ist die Einbildungskraft. Es ist das \'erdienst Kants, auf die letztere als ein notwendiges Ingrediens der Wahrnehmung hingewiesen zu haben. (Kr. d. r. V. S. 13O), während man bis dahin sie teils auf die Repro- duktion einschränkte, teils den Sinnen auch die Vereinigung der Wahrnehmungen zu Bildern zuschrieb. Die Assoziation der Vorstellungen muss aber eine Regel (einen objektiven Grund 1 haben, nach der die Auswahl in der Vergesellschaftung der- selben sich vollzieht. Diese Regel gibt der Verstand durch seine Kategorien (Funktionen 1 i'sie heisst die transszendentale Affi- nität der Erscheinungen und wurzelt in der reinen Apperzeption). Die blosse intellektuelle Verbindung von Vorstellungen über- haupt ihrer Möglichkeit nach-, die in den Kategorien gedacht wird, heisst synthesis intellectualis; aber als die Möglichkeit einer Synthesis des Mannigfaltigen der reinen Anschauung a priori heisst sie die figürliche (synthesis speciosa) oder die transszendentale Synthesis der Einbildungskraft. Der subjektiven Bedingung nach gehört die Einbildungskraft, da alle Anschauung sinnlich ist, auch zur Sinnlichkeit, und wir begegnen ihr bei analytischer Betrachtung der Erfahrungs- bedingungen unter dem Namen der empirischen Einbildungskraft.

Aber als Spontaneität, die Sinnlichkeit a priori zu be- stimmen (Wirkung des Verstandes auf die Sinnlichkeit 1 ist sie eine Synthesis, die von der tr. Apperzeption ausgeht. Man

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würde indessen gründlich fehlgehen, wenn man in der Einbil- dungskraft ein besonderes s Seelenvermögen < erblicken wollte. Insüferne in der empirisch wirkenden Synthesis der Einbil- dungskraft eine transszendentale Regel sich erkennen lässt, wird diese Synthesis a priori /die Summe der schemati- sierten Kategorien! figürliche Einbildungskraft genannt, welche isoliert betrachtet synthesis intellectualis oder auch »reiner Verstand' heisst. Die Klage über Häufung der termini iS. 529 Schopenhauer! hat für den Kenner des Systems keinen Sinn; letztere sind lediglich Bezeichnungen für die unleugbaren Vor- gänge und ^'ereinigungspunkte des Bewusstseins, in denen sich der Erkenntnisprozess vollzieht, die aber sämtlich den beiden Stämmen der menschlichen Erkenntnis angehören, als deren Wurzel die Einheit der reinen Apperzeption gelten muss, wenn überhaupt Erfahrung möglich sein soll, >da sich keine Wissen= Schaft der reinen \'ernunft oder der Natur unseres denkenden Wesens i auf die Bahn bringen lässt, die alle Beimischung der Erfahrung ausschlüge-.. Die Thatsache der Erfahrung steht fest, ihre Rechtsgiltigkeit beweist der Philosoph. üm^-nlnsszen- "^ ' I"dem wir auf analytischem Wege einen Ueberblick

<ifiit.iies sub- der Kant'schen Ps3chologie zu geben suchten, der allein uns .iet- jet. jj^ ^^^ Stand setzen kann, Schopenhauers redselige Angriffe auf den ObjektbegriiT der Kritik d. r. V. zu würdigen, glauben wir die Befugnisse eines Berichterstatters nicht überschritten zu haben, denn ohne den Gliederbau des Systems in seinem Zu- sammenhang zu überblicken, ist es unmöglich, den Bedenken Schopenhauers zu entgegnen, da von diesem das Mögliche ge- leistet worden ist, um die Einsicht in das Svstem zu verdun- keln, die Begriffe desselben zu entstellen und den Leser zu venvirren. Bei unserer analysierenden Skizze sind wir nun- mehr bei dem obersten Prinzipium alles Vernunftgebrauches, der synthetischen Einheit der Apperzeption, angelangt, dem Centralbegriff des ganzen Systems, nach Schopenhauer S. 535 >ein sehr wunderliches Ding, sehr wunderlich dargestellt< .

>Das Ich denke muss alle meine Vorstellungen begleiten können. Muss können. Dies ist eine problematisch-apodik- tische Enuntiation; zu deutsch ein Satz, der mit der einen Hand nimmt, was er mit der andern gibt«. (Schopenhauer a. a. O.) Dies )Muss Können, enthält aber nicht das mindeste Rätsel, und nichts ist leichter, als hier den Nachsatz zu er- gänzen: wenn objektive Erkenntnis zu stände kom- men soll. >Dieses Bewusstsein (dass das, was wir denken dasselbe sei, was wir einen Augenblick vorher dachten, 1 kann oft nur schwach sein, so dass wir es nur in der Wirkung, nicht auch in dem Aktus isc. des Vorstellens selbst, d. i. nur mittel- bar mit der Erzeugung der Vorstellungen verknüpfen, aber unerachtet dieser Unterschiede muss doch immer ein Bewusst- sein angetroffen werden, wenn ihm gleich die hervorstehende Klarheit mangelt. (Kr. d. r. V. S. 118. 1

Die Möglichkeit, alles Mannigfaltige der Anschauung in

einem Bewusstsein zu vereinisjen, nennt Kant die reine Apper- zeption, und da diese \'ereiniguny; ein Aktus der Spontaneität ist, so kann sie nicht der Sinnlichkeit beigemessen werden. Die letztere als Inbegriff aller Vorstellunoen heisst die empi- rische Apperzeption. Hier scheint der \'erdacht der Einführung eines neuen Seelenvermogens wieder nahe gerückt zu sein. Denn wenn das reine Ich die Kategorien ausstrahlt, so scheinen wir auf den Bahnen der rationalen Psychologie zu wandeln. Die Art aber, wie das transszendentale Ich entsteht, muss dies Bedenken abwehren. Das Denken (Selbstbewusstsehi) entsteht an der Anschauung. Das Mannigfaltige der Vorstellungen ist an sich zerstreut und ohne Beziehung auf die Identität des Subjekts. Diese Beziehung wird durch den Akt der Synthesis hergestellt, die eine Vorstellung zu der andern hinzusetzt. Also entsteht auch die reine Begleitungsvorstellung »Ich<^ erst in und mit der Synthesis.

Die Kategorien sind also nicht etwa ebensoviele Elemente oder Eigenschaften des reinen Ich, sondern die methodischen Einheiten der Synthesis a priori. Diese Synthesis a priori aber ist gegeben, d.h. wir können ihren Ursprung ebensowenig namhaft machen als den unserer Vorstellungen, des empirischen »Ich«, und wir sehen, dass das transszendentale Subjekt für uns = X ist, gleich dem transszendentalen Objekt, von dem noch zu sprechen ist. Erkenntnis ist die bestimmte Beziehung ge- gebener Vorstellungen auf ein Objekt. Das Objekt aber ist der Einheitsgrund unserer Vorstellungen. Dieser Grund kann aber nicht wieder eine sinnliche Vorstellung sein. Daher ist das wahre Objekt unser \'orstellungen uns gänzlich unbekannt, es ist das, in dessen Begriff' das Mannigfaltige einer gegebenen Anschauung vereinigt ist. Also entspringt die Beziehung unserer Vorstellungen auf einen Gegenstand lediglich der Einheit des Bewusstseins, die die \'ereinigung derselben und den Begriff des Gegenstandes hervorbringt.

Nun entspringt aber die Täuschung des >von aussen« Affiziertwerdens der Sinne, der Herkunft der Empfindungen, derselben Quelle, aus der die Kategorien bezw. die Synthesis a priori hertliesst, einem unbekannten Etwas ■=. X, und es ist speziell die Kategorie der Kausalität, die uns mit dem Scheine der von einem transszendentalen Objekt ausgehenden Affektions- ursache täuscht, also die Forderung eines transszendentalen Objekts erzeugt, geradeso wie die Spontaneität der Synthesis uns mit einer vermeintlichen reinen Seelenlehre als Wissen- schaft schmeichelt, indessen wir doch nichts haben als ein Mannigfaltiges der Anschauung und eine Möglichkeit der Syn- thesis, deren Ursachen uns gleich unbekannt sind. Da wir aber doch so viel wissen, dass die Anheftung dieser Synthesis an ein transszendentales S ubj ekt und die Herleitung des Mannigfaltigen von einem transszendentalen Objekt zwar Täuschungen, aber notwendig erzeugte Täuschungen sind, hervorgerufen von dem Einheitsbestreben unserer Vernunft,

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welche die Reihe der aufsteigenden Bedingungen, die in der Kategorie gedacht wird, bis zum schlechthin Unbedingten hin- auszuführen strebt, so können wir das transszendentale Subjekt und das transszendentale Objekt einander unbedingt gleichsetzen. Es ist thatsächlich ein und derselbe Begritif, den uns die Kate- gorie der Kausalität entstehen lässt. indem sie sich über das Gebiet der Anschauungen hinaus in der Richtung auf das Unbedingte und die Totalität in der Reihe der Bedingungen geltend zu machen strebt, als tr. Subjekt und Objekt unserer \'orstellungen.

Bezüglich des transszendentalen Objekts sei nochmals zu- sammenfassend wiederholt : Erscheinungen sind \'orstellungen, die unter Bedingungen der sinnlichen Anschauung stehen. Der Kausalitätsbegriff ncitigt uns, zu den Erscheinungen über die Anschauung hinaus) einen korrespondierenden Gegenstand als Ursache zu suchen.

Weil aber die Vorstellungen des äusseren Sinnes von der Raumform affiziert sind und alle Erfahrung mit den äussern Anschauungen anhebt, dergestalt, dass die empirische Bestim- mung unseres Daseins nur durch die äussern Vorstellungen möglich wird Kr. d. r \' S. 2091, so beziehen wir diese unbe- kannte Ursache unserer Sinnesaftektionen fälschlich zunächst auf die Gegenstände im Raum und im weitern Fortspinnen der Kausalreihe auf ein nicht mehr anschaubares Objekt das aber ein völliges Unding, für unsere Erkenntnis gar nichts ist. Kr. d. r. V. S. 119).

Wir finden aber doch, dass dieser völlig inhaltsleere Gedanke von der Beziehung aller Erkenntnis auf ihren Gegen- stand nicht bloss notwendig erzeugt ist, sondern auch eine Notwendigkeit selbst erzeugt, indem er an Stelle einer bloss zufälligen Assoziation unserer \'orstellungen die Notwendigkeit einer Vereinigung derselben a priori mit sich führt; denn indem sich unsere \'orstellungen auf einen Gegenstand beziehen sollen, müssen sie auch unter einander übereinstimmen, d. h. diejenige Einheit haben, die den Begriff" von einem Gegenstande ausmacht. ibib. S. 119. Mithin ist durch den transszenden- talen Gegenstand, das ^eigentliche Objekt der Vorstellung^^ nichts anderes gedacht, als die formale Einheit des Bewusst- seins in der Bestimmung des Mannigfaltigen der Anschauung.

Das transszendentale Objekt ist die \'orstellung der Er- scheinungen unter dem Begriff' eines Gegenstandes überhaupt. Der Begriff" von einem Objekt überhaupt oder die Form des Objekts ist die Kategorie. So konnte Kant mit Hilfe seiner grundlegenden Untersuchungen über das empirische und intel- lektuale Ich, das transszendentale Subjekt und Objekt, endlich die Kluft überbrücken, welche als schroffe Trennung von Sub- jekt und Objekt der Erkenntnistheorie bis dahin unüberwind- liche Schwierigkeiten bereitet hatte.

Wir glauben aber nunmehr, den Kant'schen Gegenstand der Vorstellung 1 das transszendentale Objekt : genügend beleuchtet

zu haben, um uns des Eingehens auf seine ( Schopenhauers i einzelnen Angriffe überheben zu dürfen. Kant geht von der populären X'orstellung des äussern Objekts aus, steigert den Begriff bis zur transszendentalen Bedeutung und zeigt uns den Ursprung desselben in der formalen Einheit des Bewusstseins. Schopenhauer aber »glaubt« , es stecke dahinter die Annahme eines »absoluten Objekts«. Und bald darauf belehrt er Kant, dass der Gegenstand allemal nur für die Anschauung da sei und in ihr. S. 524. Hat denn Kant von dem transszenden- talen Gegenstand (=: X!i jemals das Dasein behauptet?!

Die ganze Lehre von der reinen Apperzeption fertigt Schopenhauer mit einigen Phrasen ab, von denen wir oben bereits eine zum besten gegeben haben. >Und was ist der Sinn dieses so auf der Spitze balancierenden Satzes fährt er fort: >Dass alles \'orstellen ein Denken sei?^ Das ist nicht, und es wäre heillos; es gäbe sodann nichts als abstrakte Be- griffe« etc. (S. 535.1

Kant nennt sonst auch das »Ich denke« die Verbindungs- formel unseres Bewusstseins, von der man nicht einmal sagen könne, dass sie ein Begriff sei ! Dennoch erwägt sein Gegner, ob dadurch gesagt sein wolle, dass alles \'orstellen ein Denken sei, während Kant nur wenige Zeilen später sagt: Diejenige Vorstellung, die vor allem Denken gegeben ist, heisst Anschauung. Schliesslich erledigt er den ganzen Begriff (den focus des Kant'schen Systems!), dem seine sonst so weit- läufige Kritik volle 27 Zeilen widmet, mit einer Metapher und einer materialistischen Phrase.

Und weil die 2. Bearbeitung der Deduktion hauptsächlich auf die synthetische Einlieit der Apperzeption gerichtet ist, und die Widerlegung des Idealismus- in der 2. Auflage ebenfalls das empirische und transszendentale Ich aufs schärfste hervor- hebt, (wiewohl in voller Uebereinstimmung mit der I. Ausgabei, darum muss die 2. Ausgabe der Kritik der r. V. mit einer Flut unerhörter Schmähreden überschüttet werden, weil nunmehr die Aussicht gänzlich verschlossen ist, in Kant den Vorläufer und Wegbereiter des Messias Schopenhauer namhaft zu machen.

Ci Die Wiedervereinigung der im Abstraktionsverfahren Schematismus isolierten Erkenntnisbedingungen vollzieht sich in der Lehre '^" '/"'™ Y"-

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vom Schematismus der reinen V erstandesbegriffe. Auch dieser schwierigen Doktrin widmet Schopenhauer eine »Widerlegung«, die an Einfachheit nichts zu wünschen lässt, aber leider das Ziel gänzlich verfehlt. Er rühmt sich, hier besonders lichtvoll die Entstehung der Kant'schen Irrtümer nachgewiesen zu haben und gibt einen psychologischen Fingerzeig für die Entstehung der empirischen Schemata. Für reine Begriffe a priori aber falle der Zweck solcher Schemata gänzlich weg, weil sie noch gar keinen Inhalt haben, der Anschauung »von innen« entgegenkommen.

Es ist sonnenklar: wenn die Vernunft» Begriffe aus den Anschauungen herausziehen kann, ohne dass der Theorie ihre

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Methode viel Kopfzerbrechen zu machen braucht, so kann sie auch, in der Beo^riffsfinsternis wandelnd, »dann und wann nach gl. schopcn- jp,- leitenden Wand greifen«, um nicht ins Stolpern zu geraten. s. 533 f. Freilich behauptet Kant, dass jeder empirisch beobachtete Er- kenntnisvorgang eine transszendentale Bedingung haben müsse, und seine Kritik der Erfahrung ist der Analysis dieser Erfahr- ungsbedingungen ausschliesslich gewidmet. Aber unserem Censor macht dies wenig Bedenken. »Absichtliches Verfahren, der zum \'oraus gefasste Entschluss, Analogien aufzufinden, Vorliebe für architektonische Symmetrie, die hier die Sache so- gar ans Komische heranführt«, und ähnliche Redensarten bilden das ganze Rüstzeug, mit dem dieser unerschrockene Kämpfer zu Felde zieht.

Die Erklärung der empirischen Schemata als blosser Hilfs- mittel unserer Schwäche kann man ganz wohl gelten lassen, da ja eine alltägliche Erfahrung lehrt, dass wir im Denken und Sprechen von Zeit zu Zeit gleichsam die Umrisse der Gegen- stände der reproduktiven Einbildungskraft durch die letztere herbeirufen, um das Denken in abgezogenen Begriffen in einem bequemen und sicheren Gang zu erhalten. Dieser psycho- logische Vorgang hat nicht die mindeste Schwierigkeit der Erklärung, da die abgezogenen Begriffe ihrer Entstehung nach mit den anschaulichen Vorstellungen homogen sind, und das Schema der letzteren sich bloss durch den Grad der Deutlich- keit von jenen unterscheidet.

Aber bei reinen Begriffen a priori, »als welche noch gar keinen (materialen) Inhalt haben«, »fällt dergleichen nicht nur weg«, sondern ist dergleichen überhaupt unmöglich, weil sie nicht nur keinen empirischen Inhalt haben, sondern auch keinen je bekommen können, da ihre Funktion nicht darin "be- steht, aus der Anschauung einen Inhalt »erst zu empfangen«, sondern das Vehikel für die Möglichkeit der Bildung empi- rischer oder abstrakter Begriffe zu bilden. Die letzteren be- kommen iliren Inhalt aus der Anschauung, aber ihre formale Möglichkeit a priori wurzelt in den Stammbegriften. Reine Stammbegriffe sind aber im Vergleiche mit der sinnlichen An- schauung ganz ungleichartig, mit dieser an sich betrachtet in gar keinem Zusammenhang.

Da nun aber Anschauung und reiner Begritf zur Ent- stehung der Erfahrung zusammenwirken, das Denken die An- schauung ergreifen soll, so müssen die Bedingungen vorhanden sein, unter denen die Kategorien nicht mehr als «Begrifte von Objekten überhaupt«, sondern als Regeln für die transszenden- tale Urteilskraft erscheinen, welche in den synthetischen Ur- teilen a priori iden Grundsätzen des reinen Verstandes i wirk- sam sind. Denn diese synthetischen Grundsätze sind die Gesetze der Erfahrung, d. h. der Anwendung der Kategorien auf den empirischen Anschauungsinhalt in Raum und Zeit in notwendigen und allgemein giltigen Urteilen.

Darum ist zu erweisen, wie die der Anschauung ungleich-

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artige Kategorie auf Erscheinungen anwendbar wird. Dass eine solche Anwendbarkeit bestehen müsse, geht unzweifelhaft aus der Natur der Kategorien hervor. Denn diese sind die S3-n- thetischen Einheiten der reinen Apperzeption, deren Thatsache, d. h. der Einheit des wissenschaftlichen Denkens nur der sinn- loseste Skeptizismus bestreiten darf lUnd soviele Einheiten in den F"unktionen der Urteile von der Logik ausgezeichnet sind, soviele reine Denkelemente der Erfahrung müssen als metaphysische Faktoren derselben gelten).

Der Philosoph also hat zwar nicht die Thatsache der Er- fahrung, wohl aber ihre Rechtmässigkeit zu beweisen. Solange die Erfahrungsbedingungen gesondert erwogen wurden, konnte von der Schematisierung der Kategorien Abstand genommen werden, (weshalb nach Schopenhauer Kant »mit einem Sprung von der Aesthetik zur Logik kam.«.) In den Grundsätzen aber sind die Kategorien in ihrer Richtung auf die sinnlichen Er- fahrungsbedingungen wirksam als methodische Mittel der reinen Apperzeption, darum musste vorher die Wiedervereinigung der getrennten Erfahrungsformen erklärt werden.

Damit dies möglich sei, muss eine synthetische Funktion sich namhaft machen lassen, die sinnlich und inlellektual zu- gleich ist Als solche ist uns bereits die Einbildungskraft be- kannt. Ihre Synth esis des Mannigfaltigen einer An- schauung überhaupt ist der Verstand; aber insoferne die Einbildungskraft auch die Synthesis des Mannigfaltigen der sinnlichen Anschauung a priori zu bethätigen vermag, ward sie figürliche Synthesis genannt. Aber die produktive Einbildungskraft gibt nur die allgemeine Möglichkeit der Ver- einigung, die besondern sj-nthetischen Einheiten derselben, die Kategorien, müssen ihre Versinnlichung im Einzelnen erfahren ; dieses V'erfahren der reinen Einbildungskraft, ( »eine verborgene Kunst in den Tiefen der menschlichen Seele, deren wahre Handgriffe wir der Natur schwerlich jemals abraten und sie unverdeckt vor Augen legen werden«;, nennen wir den Schema- tismus der reinen Verstandesbegrifl'e.

So einfach, wie Schopenhauer die empirischen Schemata erklärt, ist es, wie obige Einschaltung beweist, doch auch mit diesen nicht bewendet. Denn auch das empirische Schema ist nicht so fast flüchtige Anschauung, sondern Regel der Be- stimmung der Anschauung gemäss einem allgemeinen Begriffe (nicht einer allgemeinen Anschauung) und bedeutet eine Methode der Synthesis zur Herstellung der Ein- heit der Gestalten im Räume. Die Einbildungskraft bringt die Anschauungselemente im Räume der erwähnten Regel ge- mäss zur Einheit von Bildern.

Aus reinen Begriffen aber, die sich gar nicht einmal direkt auf das .Mannigfaltige des Raumes beziehen, sondern zur Ver- einigung des letzteren der Vermittelung der Zeit ' im successiven Fortgang der S^^nthesis i bedürfen, kann sie keine Bilder schaffen, wohl aber vermag sie diese reinen Begriffe zu schematisieren.

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Denn die Zeit als Form des inneren Sinnes, welche alle Vor- stellungen des inneren und äusseren Sinnes umfasst, steht offen- bar unter allen Erkenntnisbedingungen gewissermassen als vorgeschobenster Posten des empirischen Subjekts) dem intel- lektualen Subjekt am nächsten.

Die Kategorie enthält reine synthetische Einheit eines Mannigfaltigen überhaupt. Die Zeit ist in jeder Anschauung eines Alannigfaltigen enthalten. Mithin muss sich jene \"erknüpf- ung eines Mann igfa It igen überhaupt auf die Zeu richten Die Kategorien sind demnach in ihrer \'erknüpfung mit der Zeitform: transszendentale Zeitbestimmungen. Eine transszen- dentale loder objektive Zeitbestimmung, für deren Möglich- keit die Einheit oder Objektivität des Bewusstseins garantiert , ist mit der Kategorie gleichartig. Aber da sie die Bestimmung einer Form der Anschauung enthält, so ist sie auch mit d^r Sinn- lichkeit bereits verknüpft und ihr in dieser Hinsicht gleichartig Daher wird die produktive Einbildungskraft die Erkenntnis- bedingungen vermittelst der apriorischen Zeitbestimmung ver- einigen können, und die Kategorien als Einheiten der Ein- bildungskraft werden auf Erscheinungen anwendbar werden, wenn sie unter das Schema der transszendentalen Zeitbestim- mungen subsumiert werden, d. h. schematisiert werden können, in welchem Falle sie eben nichts weiter sind, als diese Zeit- bestimmungen a priori selbst.

Als Schema aber bezeichnen wir im erkenntnistheoreti- schen Sinne ein Produkt der Einbildungskraft, das sich isoliert gar nicht vorstellen lässt, da es kein Bild, sondern die blosse Einheit eines Bildes zum Gegenstande hat ; denn die Synthesis der Einbildungskraft produziert ja nicht das Bild, sondern die Einheit des Bildes, das Schema an sich ist demnach etwas gänz- lich Unvorstellbares, nämlich das allgemeine Verfahren der Einbildungskraft, aus Elementen einer räumlichen oder zeit- lichen Anschauung ein Bild zu schaffen, das Schema bedeutet eine Regel derSjnthesis, seine eigentliche Natur ist weniger sinnlicher als methodischer und begrifflicher Natur. Man denke an das Schema der Grösse, die Zahl! Wer könnte sich den sinnlichen Begritf einer grösseren Zahl jemals zur völligen Deutlichkeit bringen, fo oft er auch mit diesen Mono- grammen der Embildungskraft operieren mag ! Auch mit den empirischen Schematen hat es diese Bewandtnis, dass sie nicht so fast Umrisse vorstellen, als die Methode der Einbildungs- kraft, einem Begriffe sein Bild zu verschaffen. Nur tritt beim Verweilen der Einbildungskraft auf dem zu versinnlichenden Begriffe rasch an Stelle der von ihr zu Umrissen vereinigten Anschauungselemente das Bild, indessen die eilige Verknüpfung der Begriffe im fortschreitenden Denken dem letztern hie und da die Umrisse der Gegenstände zugesellt, die man im- popu- lären Sinne Schemata nennt; die letztere hat Schopenhauers Kantkritik im Auge. Das Schema eines reinen Begriffes aber kann nie in ein Bild ijebracht werden, da es nicht auf exten-

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si\e Grössen, sondern auf die Form aller Vorstellungen über- haupt, die Zeit, sich bezieht.

Die allgemeine Bedingung der empirischen Apperzep- tion, die Succession der Apperzeptionsakte, wird durch die Einheit der reinen Apperzeption objektiv bestimmt, und die Art, wie jedes der einzelnen Bestimmungsmittel der letzteren mit den empirischen Zeitbestimmungen sich gesetzmässig ver- knüpft, um die letzteren objekti\- zu machen, heisst das transszendentale Schema.

Der Inbegritf der schematisierten Kategorien aber ist die produktive Kinbildungskraft, in der sich also die Vereinigung der Erkenntnisbedingungen in ihrer allgemeinsten Form unter der Bezeichnung der figürlichen Einbildungskraft isynthesis speciosa; namhaft machen lässt.

Wir begreifen nunmehr auch, wie das in Rede stehende Kapitel von jeher »als höchst dunkeK berühmt sein konnte. Es war die obschwebende populäre Wortbedeutung des Schemas, als eines Umrisses oder nicht ausgeführten Bildes, auf die der Schwerpunkt gelegt wurde, indessen die transszendentale Kritik, die nicht von den Dingen, sondern von der S y ntb. esis aus- geht, die Methode des \'erstandes i als Einbildungskraft) in seiner Richtung auf das Mannigfaltige der Sinnlichkeit in Betracht zieht. \'on diesem Gesichtspunkt aus ändert sich auch der Begriff des empirischen Schemas, den wir anfänglich im popu- lären Sinne gelten Hessen. Genau gesagt: das empirische Schema in vulgärer Bedeutung bezeichnet die der flüchtigen \'orstellung vorschwebenden mehr oder minder deutlichen Um- risse eines Gegenstandes, wie sie die reproduktive Einbildungs- kraft herbeiruft; im transszendentalen Sinne die Methode der Einbildungskraft, einem empirischen Begriffe (z. B. vom Baume/ sein Bild zu verschaffen, wobei denn nun allerdings in Ab- wesenheit des Gegenstandes jederzeit ein mehr oder minder bestimmtes individuelles Bild von der 'reproduktivem Phan- tasie gestaltet wird. Aber ohne diese schematisierende Thätig- keit des \'erstandes könnte kein Bild zu stände kommen, weder in Gegenwart des Gegenstandes, noch in dessen Abwesenheit in der Erinnerung. Jeder empirische Begriff" hat etwas der Anschauung Gleichartiges an sich, nämlich als Begriff" von einem räumlich Ausgedehnten das geometrische Element. iTeller und Zirkel, Kant S. 142.1 Aber das rein Begriff'liche, näm- lich die Regel der Synthesis für die Zusammenfassung, ist doch der Anschauung ungleichartig. Da nun alle Vereinigung durch die Kategorien vor sich geht, st) muss natürlich, wenn einem Begriffe sein Bild verschafft werden soll, die schematisierte Kategorie thätig sein. Die Schematisierung der Kategorie be- zieht sich auf die Zeitform, und sie ist nichts anderes als die Regel für die succesive Apprehension des Mannigfaltigen. f^Wlr sehen also, dass die Zeit gewissermassen schon den Raum mit einbezieht ; die Zeit selbst erzeugt sich in der Syn-

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thesis des Mannigfaltigen einer äussern Anschauung und ist daher der Kategorie und der Erscheinung verwandt .

Isoliert aber lässt sich auch das Schema eines empirischen Begriffes niemals darlegen oder auch nur vorstellen, so wenig als das Schema eines reinen Begriffes einer bildlichen Ver- zeichnung fähig ist; denn so viel muss uns klar sein, dass diese beiden Arten von Schematen sich nur etwa wie Theorie und Praxis- unterscheiden, in welch letzterer die erstere jederzeit latent ist. Das Schema ist also nicht als psj-chologisches Gebilde hier aufzufassen, sondern als methodisches Mittel der reinen Apper- zeption, den reinen Begriffen Beziehung auf Anschauungen zu verschaffen. \'on der psychologischen Illustration der Ent- stehung der Erfahrung ausgehend, lässt sich das Verständnis dieses Kapitels nicht erreichen.

Anmerkung zu dem Kapitel Yom transszendentalen Objekt.

Ich muss nun aber zugeben, dass die von mir vertretene Ansicht über den Gegenstand der Vorstellung oder das trans- szendentale Objekt, das mit dem Ding an sich« in gar keiner Verwandtschaft steht), nicht die herrschende ist. Die Mehr- zahl der Ausleger dürfte folgender Ansicht huldigen: »Ausser- halb der individuellen Vorstellung existieren nach Kant a^ die problematischen! Dinge an sich; b die Erscheinungen selbst (^als Ursache möglicher Vorstellungen, diesen gegenüber also als relative »Dinge an sich« i. Sie bestehen sowohl vor als nach meiner Wahrnehmung.«

Nach Abzug der apriorischen Denk- und Anschauungs- formen bliebe also als Rest die Empfindung übrig. Diese bildet den eigentlichen Stein des Anstosses. Die Empfindung ist das an der Erscheinung, was auch im intellektuellen Sinn >von aussen« kommen muss. Empfindungen gelten an der Erschein- ung als das eigentliche Reale, als die Anzeichen wirklicher Dinge. Wenn ich von der Empfindung alle Verhältnisvorstell- ungen wegdenke, so bleibt ein unausgedehntes Etsvas von problematischen, wahrscheinlich analogen Eigenschaften und Beziehungen übrig, das nun offenbar die intelligible Ursache der Empfindung sein muss. So die verbreitete Auffassung. Diese Interpretation scheint mir der Meinung Kants nicht zu entsprechen. An der Hand derselben verwickelt man Kant in unlösbare Widersprüche, welche sich beseitigen lassen, wenn man das transszendentale Objekt nicht mit dem ;Ding an sich« verwechselt und die Begriffe Empfindung, Realität und Ding an sich nicht über die Erfahrungsgrenze hinausverfolgt.

Schon ein rein persönlicher Grund müsste uns die ge- wöhnliche Auffassung zweifelhaft machen. Sollte dem grössten deutschen Denker beharrlich die Logik des gemeinen Ver- standes entschlüpft sein, so dass er den Angelpunkt seines Systems, das transszendentale Objekt, sich nicht zur völligen

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Deutlichkeit gebracht hätte? Daraus ergäben sich denn frei- lich die Konsequenzen, dass die Erscheinungen bald Ursachen der Vorstellungen, bald blosse \'orstelIungen wären, und die Erscheinungen gehören dann bald dem Ding an sich an als dessen uns unter den Massgaben der Sinnlichkeit und unseres Denkens erkennbare Hälfte, bald »sind sie insgesammt in mir«, sind ■»blosse Vorstellungen, die, wenn sie nicht in uns (in der Wahrnehmung: gegeben sind, überall nirgend J angetroifen werden.«

In Kürze: i. Die Flrscheinung ist nichts als blosse \'orstellung oder Wahrnehmung, nicht etwa ein relatives Ding an sich lals Correlat eines absoluten Objekts i. >Uns ist wirklich nichts gegeben als die Wahrnehmung und der empi- rische Fortschritt zu anderer Wahrnehmung.« Was ist aber nun das »Ding« als Inbegriff aller Vorstellungen von ihm? Wenn 5 Wesen einen Baum vorstellen, so sind doch nicht 5 Bäume vorhanden? Das »Ding« ist der transszendentale Gegen- stand, d. h. die dem Gattungsbewusstsein notwendige Einheit aller \'orstellungen vom Gegenstande. Aber ist das nicht »radikaler Idealismus?« Diesem Einwand be- gegnet die Erwägung, dass wir von »Dingen« gar nichts wissen, noch au^maciien können, Dinge können nicht in unsere Vorstel lungskraft hinüberwandern, wir kennen nur unsere Begriffe, Dinge sind und bleiben Dinge an sich, wir kennen nur unsere Vor- stellungen und die Notwendigkeit ihrer Verknüpfung. Daher stammt der »Kopernikanische Gedanke^ , die Dinge sich um die Begriffe drehen zu lassen, und ich glaube, dass die gewöhn- liche Auffassung in den Fehler verfällt, den Grundgedanken der Kritik d. r. V. erst feierlich zu verkündigen und dann die ■»Dinge« wieder zur Hinterthüre hereinzulassen, um das System wieder zu verwirren, selbstverständlich bona tidej. Kant selbst hat diesen Fehler gewiss nicht begangen. Er ist Rationalist, und wer nicht dem gewöhnlichen Realismus huldigt, darf ihn weder für einen Idealisten, noch für einen Skeptiker erklären.

Aber nun meldet neuerdings die Empfindung ihre An- sprüche an. Empfindungen sind doch spezifisch andere Vor- stellungen als blosse Gedanken, Empfindungen kündigen doch wenigstens Dinge an, von denen sie ausgehen. Zugegeben, dass sie nicht »von aussen« kommen, im gewöhnlichen Sinn, von einem transszendentalen Gegenstande müssen sie doch herrühren. Auch das ist abzuweisen. Aftizierende Gegen- stände oder Dinge gibt es nicht für uns, die Aft'ektion von innen ist ebenso abzuweisen, wie die »von aussen«, es gibt nur Vorstellungen, deren Ursache uns gänzlich unbekannt ist ; dje Empfindung aber ist nicht das Reale in der Erscheinung, son- dern die Hindeutung auf etwas Reales. Denn die Empfindung ist ganz und gar nicht geeignet, wissenschaftliche Erfahrung I Erfahrungseinheit I möglich zu machen. Nur was der reine Verstand a priori von ihr ausmachen kann, nämlich, dass in jeder Erscheinung das Reale einen Grad haben müsse, der bis

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ins Unendliche abnehmen kann, ohne dass das Zero ein- träte 12. Grundsatz!, das ist das .wissenschaftliche Fundament der Erfahrung, auf welches die jeweilige Empfindung nur hin- deutet, das wir nur bei Gelegenheit der Empfindung uns zum Bewusstsein bringen. In der Einheit der E r f a h r u n g ist ihre Objektivität, in der Kategorie der Qualität ihre Realität geborgen und beschlossen.

Es ergibt sich also folgende Gleichung : das Mannigfal- tige verhält sich zum transszendentalen Obj ekt wie die Empfindung zur Kategorie der Qualität.

Kant wollte eine Kritik der Erfahrung geben, d. h. ihre Bestandstücke untersuchen. Dabei sah er sich gezwungen, auch den Inhalt gewissermassen in seine Form aufzulösen. Vom Inhalt an sich behauptet er. dass er sich der Erf;ihrungskntik entziehe. Warum ziehen wir ihn hartnäckig für das zur \'er- antwortung, was er zu beantworten sich gar nicht vermass. und was doch auch kein anderer besser weiss?

2. Das transszendentale Objekt darf nicht mit dem Ding an sich identifiziert werden. Xach Abzug der sinnlichen \'or- stellung bleibt kein Ding an sich als verborgener Kern der Erscheinung zurück. »Das Ding an sich ist von der Erschein- ung der Gattung nach verschieden, also die \'orstellung eines ganz andern Objekts, als welches die F^rscheinung enthält.« Kuno Fischer, Gesch. d. neuern Philos. 3. Bd S 439-'

Warum wir \ orstellungen haben, ist uns gänzlich unbe- kannt. Sie an ein -Ding an sich« anzuheften, ist schon des- halb unstatthaft, weil uns der Kausalitätsbegriff gar nicht ein- mal bis zu einem problematischen Ding an sich führt. Denn Kausalität gilt nur im Bereich des Xaturmechanismus. Erinnern wir uns, dass sie eigentlich ein blosses Zeitschema ist, die notwendige Succession zweier \'orstellungen in der Zeit. Mithin ist auch die blosse Ueberleitung zu einem ausserzeit- lichen Etwas ein leeres Gedankenspiel, folglieh eine falsche Anwendung der Kausalitätsverknüpfung.

Und diese Verwechselung des tr. Objektes mit dem 5 Ding an sich«, vor der Kant so eindringlich waint, sollte ihm selbst nicht einmal, sondern so und so oft begegnet sein? Man suche doch die scheinbar widersprechenden Stellen im Sinne der hier erörterten Auffassung ^d. h. nicht allzuwörtlich 1 zu kommen- tieren. Ich bin überzeugt, dass dann die Widersprüche ver- schwinden. —

Wem aber die Einheit der Erfahrung oder das transszen- dentale Objekt nicht dinglich oder wirklich genug sind, wer absolut wissen will, woher wir Vorstellungen haben, dem ist mit einem blossen Kritiker wie Kant offenbar nichts gedient, der muss neuerdings an die spekulativen Philosophen, an Fichte und seine Nachfolger adressiert werden. Je nach seiner beson- deren Geistesrichtung liegen ihm deren spekulative oberste Grundsätze zur Auswahl vor.

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Wir haben uns nunmehr bemüht, vom »gegebenen« Man- nigfaltigen beginnend, die Voraussetzungen des transszendental bestimmten Gegenstandes der Erfahrung zu erläutern, die trans- szendentale Analytik mit Rücksicht auf die beiden Auflagen, deren Uebereinstimmung sich wiederholt ergab, zu überblicken und die besondere Bedeutung der Grundbegriffe klarzustellen. Schopenhauers Angriffe konnten wir teils einer besondern Würdigung unterziehen, teils muss das Fehlerhafte, ja Nichtige seiner ganzen Angriffsweise dem Leser, falls der Zweck vor- liegender Schrift nicht gänzlich verfehlt ist, nunmehr so klar geworden sein, dass eine Widerlegung der zahlreichen Ausstel- lungen im einzelnen unterbleiben darf Falsche Interpretation der termini und die Unterschiebung eines der »Kritik der reinen Vernunft« in ihrem i. Theile gänzlich fremden Problems sind die Hebel, die das Kant'sche System aus den Angeln treiben sollen, und eine höchst zweideutige Dialektik ist dazu ange- than, den minder geübten Leser irrezuführen oder zu verblüffen. Wenn Schopenhauer beispielsweise behauptet, nach Kant gebe es von den Objekten bloss Begriffe, er hingegen sage, Objekte seien zunächst für die Anschauung da, Begriffe seien allemal Abstraktionen aus dieser Anschauung, so fühlt man sich versucht, die Antwort aus des Kritikers polemischem Wortschatz hervorzuholen.

Aber es wird sich zum Sclilusse noch in kurzen Worten klar machen lassen, dass wir auch das Lob, das er der »trans- szendentalen Aesthetik« spendet, nicht acceptieren können. Sein Raumbegriff ist ebensowenig mit dem Kant'schen identisch, als irgend einer der Begriffe der tr. Analytik von ihm treu wieder- gegeben ist. Und gerade dieser falsche Raumbegriff' gestattete ihm den Vorwurf, dass die »Logik« der Aesthetik nachgekünstelt sei. und verhalf ihm zur Einführung seiner Intellektualanschauung.

Nach Kant ist der Raum die blosse Möglichkeit des Neben- einander, ja seine Vorstellung ist ein blosses Schema. Darum ist zwischen Raum und Räumen extensiven Grossem zu unter- scheiden. Letztere kommen nur unter Voraussetzung der inten- siven und extensiven Synthesis a. und 2. Grundsatz) zu Stande, der Raum an sich ist 'ein blosses Hirngespinst. <> »Ich kann keine Linie vorstellen, ohne sie in Gedanken zu ziehen« und in der successiven Synthesis den (mathematischen) »Gegen- stand«- zu erzeugen. Im blossen Ziehen einer Linie sind also bereits Raum und Zeit impliziert, und dieser einfachste Gegen- stand der Vorstellung bedarf des Verstandes und der Katego- rien, während Raum und Zeit die blossen Vorbedingungen dar- stellen, unter denen der Kategorie das Mannigfaltige der Sinn- lichkeit dargereicht wird zum Behufe der Vereinigung zur syn- thetischen Einheit des Gegenstandes.

Für Schopenhauer aber sind Raum und Zeit schon Con- tinuna, und alles in ihnen Gegebene tritt schon verbunden auf und bedarf keiner hinzukommenden Verbindung des Mannig-

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faltigen. Der Raum, von seinem transszendentalen Objekt, dem Willen, wie aus der Pistole geschossen, hängt nun draussen vor unseren Augen als Continuum, und die Intellektualanschau- ung zeichnet Bilder von Dingen darauf ein. Wir sehen ein, dass für Kant die »tr. Aesthetik< nur ein vorbereitendes Ele- ment seiner Erfahrungstheorie bedeutet, und dass der Schwer- punkt der letzteren in der Synthesis liegt. Aber bei Schopen= hauer fasst der Verstand, 'eine Funktion des drei bis fünf Pfund into-uektuairin- y.jgo-gnden Gehirns!) die gegebene Empfindung als eine Wirk-

schauuiT^ und ^ / ■> o r^ ^ r^y

Kausalität bei u n g auf, die als solche notwendig eine Lrsache haben muss. Bd!'T's.''5rff. Zugleich nimmt er die »im Gehirn prädisponierte Form des Raumes zu Hilfe, um jene Wirkung ausserhalb des Organismus zu verlegen^ etc.

Sehen wir von der gröblich materialistischen .\utfassung ab, so erhellt noch Folgendes: Vor allem ist der Kant'sche Raum begriff, den Schopenhauer als dessen höchstes \'erdienst und als »glückliches Appercu* bezeichnet, nicht getroffen, denn die Projektion »nach aussen« trägt zur Objektivierung der räum- lichen Vorstellungen nichts bei, ist folglich bloss subjektiv und wird von Kant geradezu als Schein bezeichnet. Ferner:

Die Einbildungskraft verzeichnet allerdings die Gestalt der Grössen im Raum. Aber dabei kommt gar keine Kausalität ins Spiel, dazu ist ausser der Impression, mit der alle Erfahr- ung anhebt, lediglich die Synthesis der Einbildungskraft nötig, welche das gegebene .Mannigfaltige den Gesetzen der apriori- schen Raumform gemäss zur extensiven Grösse zusammen- fasst. V'on Kausalität, die das philosophische Prinzip der Mechanik, der Veränderungen in der Natur ist, ist in diesem Erkenntnisvorgang noch keine Spur zu entdecken.

Augenscheinlich ist doch nur von einem Erkenntnis- grund die Rede, wenn die Empfindung als Wirkung einer äusseren Ursache aufsjefasst wird, nicht von einem Re algrund, denn diese Auffassung des Intellekts ist ja falsch, mindestens bloss subjektiv, wie ja Schopenhauer selbst behauptet, da es äussere affizierende Gegenstände nicht gibt, ihre Annahme viel- mehr gerade die subjektive Raumform voraussetzt. Ein voll- ständiger Zirkel ! Dennoch soll alle Objektivierung in der Kau- salität liegen! Uebrigens besitzen wir längst räumliche Vor- stellungen, ehe wir dieselben als Wirkungen eines äusseren Gegenstandes auffassen. Letzteres ist bereits der erste Schritt zu einer wissenschaftlichen Theorie des Erkennens.

Wenn wir uns nun ebenfalls einmal gestatten dürfen, Schopenhauers »innerste Meinung zu erforschen«, so ergibt sich, dass er zwar den »entschiedenen Idealismus^ verficht, aber keinen Augenblick lang von der populären Auffassung sich loszuringen imstande ist. Darum kömmt ihm die empi- rische Anschauung >von aussen«, darum ist ihm »gegeben^ ein nichtssagender Ausdruck, ist ihm der Raum schon ein Conti- nuum li. e. etwas den Dingen Subsistierendes , darum hat er für die erzeugende Kraft der Synthesis und für den Gegenstand

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der Vorstellung kein Verständnis. Und darum endlich ist er empirischer Idealist, für den die Dino;e objektive Realität be- sitzen, »soweit sie ihrer fähiij sind«, womit wir wieder glück- lich beim Skeptizismus, dem Skandal der menschlichen Ver- nunft« angelangt sind.

Der psychologischen Illustration, die Schopenhauer an die Erörterung der Kausalität knüpft, wird niemand die Anerken- nung geschickter Kombination versagen, indessen sind seine Erklärungen des Einfach- und Aufrechtwahrnehmens der Ob- jekte durchaus nur geistreiche Hypothesen und in der physi- kalischen Theorie nicht anerkannt; am wenigsten ist seine Kausalitätshypothese eine zwingende Notwendigkeit für die Erklärung dieser Erscheinungen.

Was die ausführliche Darlegung der »Intellektualanschau- ungt und der » Kausalität« (Bd. i S. 80 f 1 gegen die Kritik des 4. Paralogismus und die Entstehung der empirischeti An- schauung nach Kant'scher Theorie vorbringt, ist durch die ge- pflogenen Erörterungen bereits entkräftet. Nur möge noch die Bemerkung Platz greifen, dass für Kant die blosse Sinnes- empfindung nicht schon Wahrnehmung bedeutet. (Schopen- hauer Bd. I S. 81 0.1 Vielmehr ist derselbe so weit davon entfernt, die blosse empirische Anschauung mit der Wahr- nehmung gleichzusetzen, dass er die letztere geradezu der Synthesis des ^'erstandes beilegt.

»Wenn ich also z. B. die empirische Anschauung eines Hauses . . zur Wah rn eh mung mache, so liegt mir die notwendige Einheit des Raumes und der äusseren sinnlichen Anschauung überhaupt zum Grunde, und ich zeichne gleich- sam seine Gestalt dieser synthetischen Einheit des Mannig- faltigen im Räume gemäss. Eben dieselbe synthetische Einheit aber, wenn ich von der Form des Raumes abstrahiere, hat im -Verstände ihren Sitz und ist die Kategorie der Synthesis des Gleichartigen in einer Anschauung überliaupt d. i. die Kategorie der Grösse, welcher also jene Syn- thesis der Apprehension d. i. die Wahrnehmung durchaus gemäss sein muss«. (Kr. d. r. V. S. 679.)

Die Deduktion der Kausalität, wie sie von Schopenhauer Bestreitung des versucht wird, musste des Vergleiches halber, und da er be-J;'JJ"^'|^'^^"^^^:_ ständig auf die Kausalität als ;^ Anschauungsform« und seinen orität des Kau- s einzig richtigen Beweis« derselben sich bezieht, herangezogen^ schopenhaue"" werden. ^'^- >' ^- *°- ^

Aus demselben Grunde haben wir noch seine Angriffe auf die Kant'sche Deduktion seiner 2. Analogie zu berücksichtigen. Die letztere stützt sich auf den »Gegenstand der Vorstellung«, der hier erst seine volle Illustration gewinnt. Schopenhauers »Bestreitungi erwähnt denselben nicht einmal.

Der letzte Abschnitt der 2. Analogie (von S. 190 u. an) erläutert das »Gesetz der Continuität«, das aus dem Grundsatz der intensiven Grösse des Realen entspringt. Auch daran geht

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der Kritiker vorüber. Ueberdies weiss er die empirischen und apriorischen Bedingungen der mechanischen Prozesse nicht zu sondern.

Betrachten wir kurz noch die einzelnen Einwürfe. An der Spitze steht die Erörterung des bekannten Kant'schen Bei- spieles der Apprehension der Teile eines Hauses und eines fahrenden Schiftes. Nach Schopenhauer sind beides Begeben- heiten! Zu seiner Argumentation ist zu bemerken:

Die Bewegung des Auges ist allerdings eine Begeben- heit; aber die steht hier nicht in Frage; auch die Apprehension des fahrenden Schiftes erfordert eine Augenbewegung, daher in letztem! Falle eben zwei Begebenheiten vorliegen ; aber nur die eine derselben kommt in Frage und ist causal zu be- stimmen. Wenn ein ungeübter Schuljunge seine Leseversuche mit dem Zeigefinger unterstützt, so wären nach Schopenhauer sogar, drei Begebenheiten zu constatieren. Aber weder die Teile des Hauses, noch die Schriftzeichen des Buches stehen unter einer Zeitbestimmung; die Bewegungen des Auges bezw. des Zeigefingers) müssen für sich erwogen und der Zeit nach objektiv bestimmt werden. Das physische Medium der Apprehen- sion kann doch den objektiven Charakter, der Vorstellung nicht bestimmen ! Die ganze Darstellung ist wieder grob materialistisch. Für Schopenhauer ist zu polemischen Zwecken jeder Stand- punkt annehmbar ; der Zweck muss die Mittel heiligen. Das vom Ufer aus fixierte Vorüberfahren des Schiftes kann einen Irrtum des Urteils erwecken, aber der empirische Schein ist jederzeit in allen sogen. Sinnestäuschungen ein F"ehlschuss der Urteilskraft, betrift't also nur den empirischen Gebrauch »sonst richtiger \'erstandesregeln<- und hat mit einer Erwägung aprio- rischer Erfahrungsbedingungen gar nichts zu schaffen.

Die ganze Ausführung S. 86 f. ist in ihrer kläglichen Sophistik ein Symptom des ausgebrochenen kritischen Bankerotts.

In der folgenden Stelle p. 87 u. f. ist der Umstand, dass Kant immer nur einen Causalnexus im Auge hat, durch den Hinweis auf sich durchkreuzende Causalverbindungen geschickt benützt, um Konfusion zu stiften. 5. >Ich muss bemerken, dass Erscheinungen sehr wohl a u f-

e inander folgen können, ohne auseinander zu er- folgen.«

Das wird von Kant auch nicht bestritten Aber die Ord- nung unter unseren ^'orstellungen von Begebenheiten wird doch ganz allein durch die im Gegenstande begründete Be- stimmung aller Zeitstellen der letztern erkannt.

Die ganze Begebenheit oder Veränderung Verknüpfung der wechselnden Bestimmungen der Substanz 1 ist hier der Gegenstand. Und da mir gewöhnliche Begebenheiten empirisch geläufig sind, so kann ich auch ihre gegenseitige Ordnung feststellen, sich trete vor die Hausthüre, ein fallender Ziegel triflt mich ; zwischen Ziegelfall und Heraustreten ist keine Causalverbindung.c Aber beides sind Begebenheiten und da-

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her der Zeit ihres Eintrittes nacii nicht bloss empirisch (sub- jektiv , sondern auch transszendental bestimmt, darum können sie bloss in jenem Zeitpunkte wahrjjenommen werden, in dem sie I objektiv: erfolgen. Die Not\vendio;keit, eine Wahrnehmung an einer bestimmten Zeitstelle zu machen, macht die Objekti- vität derselben als einer Succession) aus, und sie ist im trans- szendentalen Objekt begründet.

Die Töne der Musik als Schallwellen sind durch ihre Er- zeugungsursache kausal bestimmt. ~ Tag und Nacht sind ab- breviierte Bezeichnungen für eine Reihe von Beleuchtungs-Er- scheinungen, die vom jeweiligen Stande der Sonne bedingt sind. Auf einen bestimmten Beleuchtungsgrad + folgt der nächst- höhere bezw. niedrigere Auf die Dämmerung folgt der Sonnen- aufgang, nicht umgekehrt. Dass die Erde von der Sonne be- leuchtet wird, wusste die Welt schon vor Kopernikus.

Zu beanstanden ist auch die folgende Stelle, welche der Objekt. Realität das »blosse Phantasma'.- entgegenstellt. S. 88 u. Bloss subjektiv giltige Vorstellungen > Earbe, Geschmack etc. i sind noch keine »Phantasmen«. Wenn wir femer iS. 89 u.) den kausalen Zusammenhang einer uns im Resultate vorliegen- den Veränderung nicht erkennen, so liegt der Grund darin, dass dieselbe der Vergangenheit angehört, also das empirische Kriterium der Kausalität, die Zeitform, in der Apprehension der Wirkung, 'die nunmehr ein Zustand Geworden ist , nicht enthalten ist. In diesem Falle muss dasselbe durch die repro- duktive Einbildungskraft ergänzt werden. Wenn dies möglich ist, so ist damit auch die Rekonstruktion des Kausalnexus ge- geben (für die Imagination . Das Vorhandensein erratischer Blöcke in der deutschen Tiefebene konnte nur durch Verknüpf- ung des Phänomens mit der Gletscherperiode erklärt werden. Wir sehen : der Verstand schafft die Natur selbst, indem er in diesen Begriff' die von ihm selbst nach seinen Apperzeptions- gesetzen bestimmte Ordnung der Erscheinungen hineinbringt. Und wir sehen nun ein, wie Kant sagen durfte: »Aller Zu- wachs des empirischen Erkenntnisses und jeder Fortschritt der Wahrnehmung ist nichts, als eine Erweiterung der Bestimmung des Innern Sinns, d. i. ein Fortgang in der Zeit, die Gegen- stände mögen sein, welche sie wollen, Erscheinungen oder reine Anschauungen.' * (Für die dynamische Verknüpfung kommen Erscheinungen nur als materielle Punkte in Betracht.

Das blosse Folgen 'S. 90 1, idie Zeitform 1 kann für sich erwogen werden, iwie das in der tr. Aesthetik auch geschieht) aber nicht ohne Denken erkannt werden, da die Sinnlichkeit nichts denkt; letzteres behaupten >die Folge der Begeben- heiten in der Zeit kann allerdings empirisch erkannt werden« 1 heisst ja gerade *die Formen der Sinnlichkeit intellektuieren«. Dieser Vorwurf klingt sonderbar aus dem Munde eines Ver- fechters der >Intellektualanschauung.«

\'on gänzlicher Unklarheit aber zeugt die folgende Be- merkung S. 91 : »Wäre die angefochtene Behauptung richtig,

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so würden wir die Wirklichkeit der Succession bloss aus ihrer Notwendigkeit erkennen: Dies würde aber einen alle Reihen von Ursachen und Wirkungen zugleich umfassenden, also allwissenden \'erstand voraussetzen« u. s. w.

\Venn sich eine \'eränderung nicht in unserer Gegenwart durch das empirische Kriterium der Zeitfolge i Bewegung i kennt- lich macht, so ist es, wie im obigen Beispiel, nur dadurch mög- lich, den kausalnexus der vorliegenden Wirkung aufzufinden, dass sich etwa das empirische Kriterium die Zeitfolge;, dem objektiven Zeitgesetz der Verknüpfung von Ursache und Wirk- ung gemäss in der Imagination rekonstruieren lässt. Denn von den besondem einzelnen empirischen Successionen besitzt doch der Verstand a priori nicht die geringste Kenntnis. Also muss die \'ergleichung der äussern Umstände erst das empirische Kriterium 'der Zeitfolge ergeben, das aber transszendental be- stimmt ist. sobald wir einsehen, dass wir die in der Einbildungs- kraft vorgestellte Apprehension der successiven Wahrnehmungen nicht umkehren können ' oder könnten, wenn sie sich noch ein- mal in unserer Gegenwart vollzögen. Und hier will Schopen- hauer den offenbarsten Cirkel sehen!

Nicht Folgen und Wirkungsein sind identisch (p, 91. u.), sondern Erfolgen und Wirkung sein. Das Wort ^folgen« bezieht sich nur auf die sinnliche Bedingung der Kau- salität, die als das den Sinnen Bemerkbare das empirische Kri- terium derselben ist. Hume aber wird Kant gegenüber schwer- lich wieder Recht behalten, denn er leugnete das Erfolgen, während Kant jedes Folgen für ein Elrfolgen erklärt, also jenen Unterschied umgekehrt leugnet. Woraus eine Wirkung erfolgt, das ist natürlich a priori nicht allein zu erkennen, es muss Kenntnis der besonderen empirischen Umstände hinzukommen, denn „dass alle unsere Erkenntnis mit der 1 äussern Erfahrung anhebt, daran ist kein Zweifel".

Nicht weiter verfolgen wir die Kritik Schopenhauers.

Wenn es gelungen ist. die Fälschung der termini, das Missverständnis des Kant'schen Problems naclizuweisen und überdies die Methode des Kritikers zu kennzeichnen, der die Ausführungen des Autors in das .,Prokustesbett'' seiner eigenen Philosophie spannt, so hat diese Schrift ihrem Zweck genügt.

Ihr Resultat scheint ein rein negatives zu sein. Aber die geschickte und leicht irreführende Fechtart dieses Kritikers, der ein Meister im Verdunkeln ist, fordert zu einem eindringenden Studium Kants auf, was schon an sich als grosser Gewinn gelten muss. Es hiesse den Leser am Gängelbande führen wollen und würde diese Arbeit zu unbehaglicher Breite aus- dehnen, wenn ich die ganze umfangreiche Metakritik erörtern wollte. Bleibt doch die Angriffsweise des Gegners immer im Giund die nämliche! Vielleicht darf ich mir schmeicheln, der fortschreitenden Beurteilung einige Handhaben geliefert zu haben.

Uebrigens dürfen wir schwerlich glauben, die wahre Mei-

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nung Schüpenhauers vor uns zu haben. Abgesehen davon, dass ein so blendender Geist schwerlich so gänzlich irre gehen könnte, abgesehen von der sehr verdächtigen Entstellung einiger Citate und dem unredlichen Charakter der ganzen Darstellungs- weise, müsste uns beispielsweise schon die Thatsache bedenk- lich machen, dass Schopenhauer selbst in den ,, Antizipationen der Wahrnehmung"' eine fehlende Stelle ergänzt hat, während seine Kritik diesen Grundsatz gänzlich ignoriert. Wenn Red- lichkeit und Behutsamkeit im Schliessen die Kardinaltugenden des Philosophen sind, so wird niemand zweifelhaft sein, ob er bei Kant oder Schopenhauer seine Belehrung zu suchen habe.

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