fcr^ ^m*. »'I^ - fc ^ > . .w * üationÄonomiselieA- ^md ' statistischer Abb^andlungen .. des staatswi^seiischaftliclioii Seiiiiiiars ?ii Halle a. d. S. ' ^^^•. r»w ..w-^ • -••' .. .^v,-\ ;,^. ,\' s» "\ ^T* ^^ . , •.# lierausgegelien ^- ^^ V ^^i >> • * ,.^ %> Fünfter Band. Viertes Heft. JENA, VERLAG VON GUSTAV FISCHER. 1888. > . L Professor der Staatswissenschaften zu Halle. UNTERSUCHUNGEN ÜBER DEN GEGENWÄRTIGEN STAND DER AGRARSTATISTIK UND DEREN ENTWICKELÜNG SEIT DEM JAHRE 1868, UNTER BESONDERER BERÜCKSICH- TIGUNG DER LANDWIRTSCHAFTLICHEN PRODUKTIONSSTATISTffi. VON Dr. Tß AUG. MUE L L E K. GENERALSEKRETÄR DES DEUTSCHEN LAND WIRTSCHAFTSRATES. JENA, *^ VERLAG VON GUSTAV FISCHER. 1888. im Torisrort. Obgleich der Herr Verfasser schon seit längerer Zeit nicht mehr Mitglied des Seminars ist. haben wir doch geglaubt, die vor- liegende Arbeit in die Sammlung mit aufnehmen zu können, da das Thema noch im Seminare gestellt, die ganze Arbeit als die Fort- setzung und neue Auflage einer älteren Schrift des Herausgebers anzusehen ist und Teile derselben in dem Seminare zur Verhandlung gebracht sind. Gleichwohl ist der Verfasser natürlich durchaus selbständig vorgegangen und hat die Erfahrungen , zu denen ihm seine jetzige Stellung ausgedehnte Gelegenheit geboten hat, dabei ausgiebig verwertet. Leider ist der Druck der Abhandlung, die bereits vor einem Jahre abgeschlossen wurde, durch äufsere Umstände übermäfsig verzögert, so dafs die neueste Litteratur nicht mehr hat berücksichtigt werden können; dem Verfasser ist mithin daraus ein Vorwurf nicht zu machen. Namentlich konnten die Resultate der jüngsten Decennal-Enquete in Frankreich , welche im Laufe dieses Jahres erschienen sind, nicht mehr berücksichtigt werden, wenn auch auf die daselbst eingeschlagene Methode hingewiesen ist. Da in der neueren Zeit bedeutendere neuere Erhebungen nicht stattgefunden haben, so entspricht die Darstellung doch vollständig dem gegen- wärtigen Zustande der Agrarstatistik. Halle a. S., Juni 1888. Der Herausgeber. Litteratur-Angaben. Beides herausgegeben durch die Statist. Zen- tralkommission. Wien 1872 und 1881. An offiziellen statistischen Werken wurden benutzt : ') Deutschland. Die einzelnen Jahrgänge der Statistik des Deutschen Reiches und der Monatshefte zur Stat. d. D. R. ^Soweit die statistischen Quellenwerke der Einzelstaaten herangezogen wurden, ist dies in den dem Text angefügten Fufsnoten bemerkt.) Österreich. 1. Statist. Jahrbuch des k. k. Ackerbau-Ministeriums. Jahrgänge 1874—84. 2. Bevölkerung und Yiehstand der im Reichs- rate vertretenen Königreiche und Länder. Zählung am 31. Dezember 1869. 3. Österreichische Statistik. VI. Band 1880. Ungarn. Statistisches Jahrbuch für Ungarn. Herausgegeben durch das kgl. ungarische statistische Bureau. Budapest 1872—1884. Frankreich. 1. Recoltes des cereales et des pommes de terre de 1815 — 1876. Paris 1878. 2. Annuaire statistique de France. (Seit 1878.) 3. Bulletin du ministere de l'agriculture (seit 1882), insbesondere Bulletin 1883, enthaltend die Instructions generaux für die En- quete von 1882. 4. Statistique de la France. — Resultats generaux du denombrement de 1876. Paris 1878. England. 1. Agricultural returns of Grreat Britain with abstract return for the united kingdom. Jahrgänge von 1875 — 1884. 2. Statistical tables relating to the Home and foreign animals pre- pared by the agricultural departement privy Council office 1883. Irland. The agricultural statistics of Ireland. Presented to both houses of Parliament by command of Her Majesty. (Jahrgänge seit 1875.) Norwegen. Norges officielle Statistik. Udgiven i aaret 1880. No. 15. Statistik angaaende det Norske Jordbrug. Fornemmely i fermaars- perioden 1871—1875. ^) Die aulser offiziellen statistischen Werken benutzte Litteratur , insbesondere auch die Yerhandlungsberichte der statistischen Kongresse und die berücksichtigten statistischen Zeitschriften, ist in den dem Text beigefügten Noten besonders angemerkt. VIII Beides vom 16. Juli der Jahre 1866, 1871, 1876, 1881. Schweden. Bidrag tili Sweriges officiela Statistik. Jordbruck och Bokskappskätsel XIV. Hushallning-Saellskapens Beraettelser for ar 1878. Dänemark. Statistik Tabelvaerk. 1. Tabeller over Kreatur holdet i kongeriget Danmark. 2. Tabeller over Storrelsen af aet besaaede Areal og Udsaeden. Belgien. 1. Bulletin de la commission centrale de statistique. Tome XIV, Bruxelles 1881. 2. Statistique de la Belgique. — Agriculture. — Rencensement de 1880. Bruxelles 1885. — Ferner die Enquetewerke der Jahre 1856 und 1866. Niederlande. 1. Statistisch Jaarbock voor het Koningrijk der Nederlanden. 1858. 2. Resume statistique pour le royaume des Pays-bas 1850 — 1883. Publication de la societe de statistique des Pays-bas. No. 2. La Haye 1884. Italien. 1. Ministero di agricoltura, industria e commercio. Statistica del bestiame. 2. Annuario statistico Italiano. Jahrbuch seit 1876. Inhalt Seite Einleitung- _ l I. Das Gebiet und die Aufgabe der Agrarstatistik 5 II. Der gegenwärtige Stand der landwirtschaftlichen Produktionsstatistik*) 35 A. Die Statistik der Pro dukt ionsgrundlage 35 1. Allgemeine natürliche Bedingungen 36 2. Der Boden nach seiner Beschaffenheit 39 3. Der Boden nach seiner Benutzungsart 43 4. Zahl und Gröfse der Besitzungen und Wirtschaften 49 B. Die vStatistik des Produkt ionsau fwandes 56 1. Das in der Landwirtschaft verwendete Kapital 56 a) Grund- und Gebäudekapital 56 b) Das tote Inventar 63 c) Das lebende Inventar 65 2. Der Arbeitsaufwand 93 a) Die menschliche Arbeitskraft und Arbeitsaufwand .... 94 b) Die tierischen Arbeitskräfte 100 8. Der sonstige Produktionsaufwand 105 C. DieProduktionsresultate 109 1. Anbau und Ernte 109 2. Die tierische Produktion 136 III. Zusammenfassung, Kritik und Vorschläge 141 1. Stand der deutschen Produktionsstatistik gegenüber demjenigen der übrigen Kulturstaaten 141 2. Innerer Wert der produktionsstatistischen Erhebungen in ihrer Gesamtheit 150 3. Die Detailerhebungen über die Produktion in den landwirt- schaftlichen Enqueten in Baden, Hessen und Württemberg . . 164 4. Schlufsergebnisse 169 *) Unter vergleichender Berücksichtigung der statistischen Ermittelungen in Deutsch- land, Österreich-Ungarn, Frankreich, Grofsbritannien, Italien, Bel- gien, Niederlande, Dänemark, Schweden und Norwegen. Eine im Jahre 1867 von Prof. Dr. Conrad angestellte Unter- suchung über die landwirtschaftliche Produktionsstatistik ^) suchte durch eine vergleichende Zusammenstellung und kritische Erörterung der verschiedenen statistischen Arbeiten einer Anzahl Länder über die damaligen Leistungen der Agrarstatistik Aufklärung zu ver- schaffen. Das Resultat dieser Untersuchung war ein wenig befrie- digendes: ohne festen und gemeinsamen Plan standen die vereinzelten statistischen Ermittelungen da, des inneren Zusammenhanges mehr oder weniger entbehrend und infolge der Unzulänglichkeit der an- gewandten Erhebungsmethoden auch im einzelnen wenig geeignet, über den Zustand der Landwirtschaft hinreichende Kenntnis zu ver- schaffen und den Gang der Produktion zu erklären. — Es ist in- zwischen eine längere Periode verflossen, in welcher es nicht an An- strengungen gefehlt hat. in den einzelnen Ländern die Agrarstatistik zu einer besseren Entwickelung zu bringen; ja fast scheint es^ als ob man hier und dort zu viel Eifer gezeigt habe. Denn bei einem Studium der Fachzeitschriften und der Yerhandlungsberichte aus landwirtschaftlichen Interessentenkorporationen aus dieser Zeit stufst man nicht selten auf Aufserungen des Unmutes über ein Zuviel an Anforderungen statistischer Art. Nicht zwar in der neuesten Zeit. Da ist es im Gegenteil eine nur zu häufig gehörte Klage, dafs die Agrarstatistik nicht genug leiste, dafs sie über viele landwirtschaft- lichen Verhältnisse , deren Kenntnis gerade in gegenwärtiger Zeit erwünscht ist, noch völlig im Dunklen lasse. Ein Widerspruch liegt gleichwohl in diesen entgegengesetzten Anschauungen über den Zu- stand der Agrarstatistik nicht, und soweit ein solcher scheinbar ^) Die Statistik der landwirtschaftlichen Produktion. Kritik ihrer bisherigen Leistungen, sowie Vorschläge zu ihrer Förderung. Von Dr. J. Conrad. Jahrb. für Nationalök. und Statistik von Br. Hildebrand. Zehnter Band. V. 4. 321 ' 1 22 — 2 — vorhanden, löst er sich sofort bei näherem Eingehen auf die be- rührten Klagen. Es ist im wesentlichen der Vorwurf, welchen man der Agrarstatistik macht, der, dafs sie sich einseitig entwickelt habe, dafs sie eine Richtung, die der Produktionsstatistik, welche ledig- lich die Thatsachen und Vorgänge der landwirtschaftlichen Produk- tion ins Auge fafst , zu sehr kultiviert , die andre , welche die Beziehungen der Landwirtschaft zur Volkswirtschaft, im Gegensatz zu den rein landwirtschaftlichen Verhältnissen und der in ihr thätigen Bevölkerung zu erforschen bestrebt sein sollte, zu sehr vernach- lässigt habe. Die sozialpolitische Bedeutung des Grundbesitzes und die wirtschaftliche und soziale Lage der grundbesitzenden und land- bautreibenden Bevölkerung ist gegenwärtig der Gegenstand viel- facher Untersuchung, und da beide durch die jeweilige Verteilung des Grundbesitzes zum grofsen Teil bedingt sind, so richtet sich die Aufmerksamkeit auf alle jene Momente, welche auf die Ver- teilung und Bewegung des Grundbesitzes beeinflussend wirken oder doch Schlüsse auf die sich vollziehende Bewegung gestatten. Eben diese Momente sind es aber, denen die Statistik bisher eine ge- nügende Aufmerksamkeit nicht zugewendet hat. Es kommt hinzu, dafs man unter schwierigen Verhältnissen wirtschaftet, welche den Ertrag der landwirtschaftlichen Thätigkeit zu schmälern und un- günstige Erwerbs- und Besitzverhältnisse in der Landwirtschaft her- beizuführen drohen. Man verlangt schützende Mafsnahmen, aber Gesetzgebung und Verwaltung sehen sich von der Statistik auf den- jenigen Gebieten vorzugsweise im Stiche gelassen, auf denen sich diese Forderungen bewegen, Bodenwerte, Kauf- und Pachtpreise, Höhe der Arbeitslöhne, Höhe der eingegangenen Verbindlichkeiten, Belastung des Grundbesitzes mit Hypothekenschulden, Staats- und Kommunallasten . schliefslich der Besitzstand , die Verteilung des Grundbesitzes selbst sind wenig oder gar nicht gekannt. Einen Ersatz für die fehlenden oder ungenügenden statistischen Nachweise erhofft man durch die Anstellung von Enqueten.^) Diese sollen Kenntnis nicht nur über die gegenwärtige Lage der Landwirt- schaft, sondern auch über die derselben zu Grunde liegenden Ur- sachen und über das Zusammenwirken der letzteren zur Herbeiführung ^) Cfr. u. a. die Verhandlungen und Beschlüsse des Deutschen Landwirt- schaftsrats aus den Jahren 1882 — 85. Ebenso die Beschlüsse des preufs. Landes- Ök.-Kollegiums in denselben Jahren. Archiv des Deutschen Landwirtschaftsraths 1883. VII pag. 412 und 1884. II— VII pag. 319 u. ff. 322 — 3 — des gegenwärtigen Zustandes verschaffen. Die Aufgaben, welche solchen Enqueten gestellt werden, sind freilich andere, als man sie der Statistik würde stellen können, ^) und selbst wenn diese Statistik über alle jene Beziehungen des landwirtschaftlichen Gewerbes und Grundbesitzes sich verbreitet hätte, für welche man heute das Fehlen statistischer Nachweise beklagt, so würde man doch nicht Resultate erwarten dürfen, wie sie von den ad hoc angestellten Enqueten ge- liefert werden sollen. Immerhin weist aber die allgemein anerkannte Notwendigkeit, durch Enqueten über die verschiedenartigsten Ver- hältnisse des landwirtschaftlichen Gewerbes genauere Kenntnis zu gewinnen, darauf hin, dafs die Agrarstatistik noch nicht die genügende Ausbildung erfahren hat. Wenn man aber vielleicht mit Recht neue Anforderungen an die Agrarstatistik heute stellt, so fragt es sich doch, ob es zulässig ist, diese Forderung unter dem Hinweis eines ,, Zuviel*' auf dem besonderen Gebiet der Produktionsstatistik zu erheben; ja es fragt sich, ob nicht auch hier noch manche Forderungen gestellt werden müssen ? Aber dies zunächst dahingestellt, so kann man doch nicht verkennen, dafs auch für die Beurteilung der allgemeinen volkswirt- schaftlichen Verhältnisse die Kenntnis des Zustandes und der Ent- wickelung der landwirtschaftlichen Produktion unerläfslich ist. Denn die Gestaltung der ersteren hängt zum grofsen Teil von der Ge- staltung der landwirtschaftlichen Produktions- und Ertrags- verhältnisse ab , wie anderseits umgekehrt auch ein Eintlufs der allgemeinen volkswirtschaftlichen Verhältnisse auf den Gang der Produktion anzunehmen ist. Der Effekt der letzteren, der sich in der dauernden Rentabilität der landwirtschaftlichen Thätigkeit zeigen soll, bedingt im wesentlichen die Gestaltung der wirtschaftlichen Lage der landbautreibenden Bevölkerung und die landwirtschaftliche Produktionsstatistik, welche den Gang und den Stand der landwirt- schaftlichen Produktion verfolgt, bleibt daher nach wie vor von be- sonderer Wichtigkeit. Bei den vielfachen Anforderungen, die man an die Agrarstatistik neuerdings stellt, dürfte eine Untersuchung über den Stand ihrer jetzigen Leistungen nicht ohne Wert sein, auch wenn dieselbe sich zunächst im wesentlichen auf das vorzugsweise bisher bearbeitete Gebiet der Produktionsstatistik beschränkt. ^) Auf den Unterschied zwischen Enquete und Statistik ist in neuerer Zeit sehr häufig- hingewiesen ; so u. a. von Prof. v. Miaskowski „Über landwirtschaft- liche Enqueten." Jahrb. für Gesetzg. , Verwaltg. u. Yolksw. von Schraoller. III. Heft. 9. Jahrg. pag. 1882. 1* 323 22* — 4 — Der Umstand, dafs solche Untersuchungen vor 20 Jahren von berufenerer Seite als der unsrigen angestellt worden sind, dürfte erneute, nach derselben Richtung gewandte Bemühungen nicht über- flüssig erscheinen lassen. Denn es waren gerade diese Untersuchungen, welche die Mangelhaftigkeit der agrarstatistischen Leistungen in der damaligen Zeit feststellten, und wenn wir schon anführten, dafs vor- nehmlich in den letzten 20 Jahren auf eine gröfsere Ausdehnung der Agrarstatistik in den verschiedenen Ländern hingearbeitet worden sei, so wird man vielleicht erwarten können, heute durch gleichartige Untersuchungen zu einem anderen Resultate zu gelangen. Fassen wir insbesondere Deutschland ins Auge, so haben wir die bedeutsame Thatsache zu berücksichtigen, dafs landwirtschaftlich -statistische Er- hebungen seit Beginn der 70 er Jahre für das ganze Gebiet Deutsch- lands vorgenommen sind, wobei Einheit der leitenden Gesichtspunkte, des Zeitpunktes der Erhebungen, im allgemeinen auch der Erhebungs- methode gegenüber den früher vorhandenen , aufserordentlich ver- schiedenen Verfahrungsweisen , einen bedeutenden Fortschritt be- zeichnen. Ermittelungen des Anbaues, der landwirtschaftliclien Bodenbenutzung und der Ernteerträge, Viehzählungen, neuerdings auch eine landwirtschaftliche Betriebsstatistik, sind gemeinsam für ganz Deutschland geregelt, während derartige Erhebungen vordem nur in einzelnen deutschen Staaten, und in diesen verschieden nach Ausdehnung und Methode der Erhebung sich vollzogen. Auch in den österreichischen Staaten ist erst in den 70 er Jahren eine gröfsere Gemeinsamkeit und Vollständigkeit der statistischen Aufnahmen zwischen den verschiedenen dem Beichsrate angehörenden Kron- ländern erzielt worden. In anderen Staaten, in denen gröfsere Gesamterhebungen nur in längeren Zwischenperioden zu erfolgen pflegen (Belgien, Frankreich), haben solche gerade in den letzten Jahren stattgefunden. So wird ein Vergleich mit früheren Erhebungen im Hinblick auf die Entwickelung der Agrarstatistik im gegenwärtigen Zeitpunkte ein besonderes Interesse bieten. 324 I. Das Gebiet und die Aufgabe der Agrarstatistik, Wenn wir im Eingange von verschiedenen Gebieten der Agrar- statistik sprachen , so läfst sich zunächst die Frage erheben . ob überhaupt die Agrarstatistik ein inhaltlich völlig sicher abgegrenztes Gebiet hat und welches dies ist. Diese Frage drängt sich um so mehr auf, als die Litteratur eine sichere Antwort darauf keineswegs erteilt. Die Ansichten über das der Agrarstatistik zuzuweisende Gebiet und über die Begrenzung ihrer Aufgaben sind sehr abweichende, sowohl bei einzelnen volkswirtschaftlichen Schriftstellern wie bei den Ver- handlungen der verschiedenen Kongresse, auf denen teils Statistiker, teils Landwirte, oder auch beide gemeinsam, ihre Bemühungen auf eine zweckmäfsige Ausbildung der Agrarstatistik richteten. Solchen Bemühungen verdankt die landwirtschaftliche Statistik eine erhebliche Förderung, aber doch haben auch sie weder über die Aufgaben noch über die Methode der Landwirtschaftsstatistik Übereinstimmung der Ansichten gebracht. Sie haben nur erkennen lassen, dafs man heute mehr als früher die Notwendigkeit fühlt, über den Zustand eines der hervorragendsten Gewerbe der meisten Länder genaue Kenntnis zu erhalten. Die in früherer Zeit hin und wieder, für gewisse Verwaltungs- zwecke auch wohl in einer gewissen Regelmäfsigkeit angestellten Erhebungen über landwirtschaftliche Objekte konnten als eigentlich landwirtschaftlich- statistische Ermittelungen nicht gelten. Man dachte nicht etwa daran zu ermitteln, wieviel Arbeitstiere auf dem Lande gehalten würden . um daraus zu ermessen . ob die Be- arbeitung und Ausnutzung des Bodens eine rationelle und genügende 325 — 6 — sei. Zählungen der Tiere (namentlicli der Pferde) dienten vor- nehmlich nur militärischen Zwecken. Nicht ermittelte man die Summe der erzielten Ernteerträge, um sie in Beziehung zu setzen zu der Anbaufläche und um zu erfahren, ob das Resultat der land- wirtschaftlichen Arbeit eines Jahres den gegebenen natürlichen Unterlagen und den aufgewendeten Produktionskosten entspräche; es handelte sich nur darum, die Menge der verfügbaren Brotstoffe kennen zu lernen, um eventuell rechtzeitige Vorsorge gegen Teuerung und Mangel treffen zu können. Andre Ermittelungen dienten steuer- lichen Mafsnahmen oder bestimmten Yerwaltungszwecken zur Grund- lage. Langsam erst in der ersten Hälfte unsres Jahrhunderts, dann aber in sehr lebhafter Weise vom Beginn der fünfziger Jahre ab, entwickelt sich das Bedürfnis, die Lage der Landwirtschaft des eignen Landes in ihren Einzelheiten, wie auch diejenige der andren Länder genauer kennen zu lernen. Die gänzlich veränderten Ver- hältnisse, die Entwickelung des nationalen und internationalen Ver- kehrs, die Verdrängung der Naturalwirtschaft durch die Geld- wirtschaft, die Umgestaltung des landwirtschaftlichen Betriebes, teils infolge der umwälzenden agrarrechtlichen Neuschöpfungen, teils in- folge der immer mehr Boden gewinnenden wissenschaftlichen Er- kenntnis und Begründung des landwirtschaftlichen Gewerbes, alles dies liefs den Mangel einer genauen Kenntnis der Landwirtschaft lebhafter empfinden. Es genügte nun nicht mehr, die Jahresernten zu erfahren, man wollte auch frühzeitig allgemeine Kenntnis von den Aussichten auf die kommende Ernte gewinnen ; auch wollte man erfahren, ob Ertrag und Aufwand in einem angemessenen Verhältnis zu einander ständen. Nicht wieviel Pferde, Rindvieh u. s. w. in einem Lande gezählt wurden, sondern welcher Art sie seien, welchen Rassen sie angehörten, welchen Nutzungszwecken sie dienten, wie das Ver- hältnis der landwirtschaftlich benutzten zu den überhaupt vorhandenen Tieren sich stellte, suchte man festzustellen Und wieder nicht nur sollten die Tiere lediglich als Repräsentanten von Arbeitskraft und Kapital in Betracht gezogen werden, sondern auch als Produzenten : die tierische Produktion sollte nach Menge und Beschaffenheit er- mittelt werden. Auch genügte es nicht mehr, nur diese Ziffern der Produktion zu erhalten, sondern man wollte sie in Beziehung setzen zu den bewirtschafteten Flächen und zu den Einzelwirtschaften. Das Ganze der landwirtschaftlichen Produktion, das Zusammenwirken der einzelnen Faktoren, die Einwirkung vorhandener oder neu sich bil- dender rechtlicher und wirtschaftlicher Verhältnisse auf die Ge- 326 — 7 — staltung des landwirtschaftlichen Betriebes sollte erforscht und dar- gestellt werden. Begnügte man sich bis in die ersten Dezennien unsres Jahr- hunderts, durch die Statistik wohl einzelne Teile des landwirtschaft- lichen Betriebes zu erfassen, so zeitigten die letzten Jahrzehnte ein sehr lebhaftes Bestreben, eine umfassende landwirtschaftliche Statistik auf Grund eines sorgfältig entworfenen Planes zu gewinnen. Die Ansichten über das Mafs des zu Leistenden waren aber sehr ver- schieden. In seinen „Briefen zw^eier Landwirte" stellte Engel ^) einen solchen Plan auf. Zur genauen Beurteilung der Bedeutung und der jeweiligen Lage eines Produktionszweiges (hier also der Land- wirtschaft) wird gefordert die Kenntnis: 1. Der natürlichen Grundlagen, worauf er beruht. 2. Der Arbeit, die er erfordert, oder der Kräfte, welche in ihm thätig sind. 3. Des Kapitals, welches er erheischt, und zwar gesondert in Anlage- und Betriebskapital. 4. Des Absatzes, dessen die Produkte des betr. Zweiges fähig sind und sich erfreuen. Diese Statistik, deren vierter Punkt in der Hauptsache die Konsumtion darstellt, während die drei andern die Faktoren der Produktion bezeichnen, gipfelt zunächst darin, zu erfahren, wieviel Produkte als Subsistenzmittel den Konsumenten eines Staates zur Verfügung gestellt werden, ohne Zweifel eine der wichtigsten Auf- gaben, ^velche der Agrarstatistik vom Staate gestellt werden, aber nicht ihre einzige. Indem Engel die Produktionsfaktoren dem Pro- duktionsresultat gegenüberstellt, ist es auch ihm schon darum zu thun, nicht nur das Mafs der innerhalb eines Betriebsjahres von der Landwirtschaft gebotenen Konsumtibilien zu erfahren, sondern unter Klarlegung der einzelnen Faktoren die Kenntnis von ihrem Zu- sammenwirken zu erlangen und dadurch in den Stand gesetzt zu werden, zu beurteilen, ob die xA.ufgabe der Landwirtschaft, „nach- haltig höchste Verwertung*' des Bodens zu erzielen, gelöst wird. Nachhaltig höchste Verwertung des Bodens im Interesse einer „reichlichen und rationellen Ernährung*' der Bevölkerung ist für Engel das Ziel der Landwirtschaft eines Volkes, das aber nach seiner Ansicht nicht erreicht werden kann , ohne eine gute 1 a n d - ^) Briefe zweier Landwirte von Dr. Engel. In Mentzel und von Lengerkes landwirtschaftlichem Kalender 1865. 327 — 8 — wirtschaftliche Statistik. Auf die Erreichung des genannten Zieles soll die Ackerbau- Politik eines Staates gerichtet sein und für sie wieder soll dem Staate die Statistik dienen, wie dem Einzelwirt eine gute Buchführung, die letzterem die Handhabe bietet zur zweckmäfsigen Gestaltung seines Wirtschaftsbetriebes. Das Ziel dieser von Engel geforderten Statistik ist klar. Die Ermittelung des Reinertrages der landwirtschaftlichen Produktion und die Gewinnung der Möglichkeit, zu beurteilen, ob dieser Rein- ertrag entsprechend den gegebenen Produktionsgrundlagen und den aufgewendeten Produktionsmitteln, aber ohne Verletzung der not- wendigen Voraussetzung, welche an die Landwirtschaft gestellt wird, nämhch der Erzielung der dauernd höchsten Erträge, gewonnen wurde. Und Engel glaubt, dafs diese Statistik, indem sie nach Analogie der den Privatwirtschaften zu Grunde liegenden Buch- führung sich beschränkt, die Elemente der Reinertragsberechnung aufzuführen, den volkswirtschafthchen Bedürfnissen Genüge leiste. Man erfährt aber nicht, welche speziellen statistischen Nachweise von Engel erforderlich erachtet werden, um das gesteckte Ziel zu erreichen. Er zeigt zwar in den „zwei Briefen", auf welche Menge von Fragen man würde Antwort erhalten durch die beabsichtigte Statistik, und man könnte geneigt sein, daraus auf ein weit aus- gedehntes Netz von landwirtschaftlich-statistischen Erhebungen zu schliefsen. Aber gerade Engel ist es , der an andern Orten ^) stets auf die Gefahr eines Eingehens auf zu spezielle Detailermittelungen hinweist. Den Wert der Kenntnis der verschiedenen Produktions- zweige wohl hervorhebend, warnt er' vor der Aufstellung zu weit- gehender Programme; daran haben die internationalen Kongresse laboriert und „sie haben die Statistik dadurch um kein Jota ge- fördert''. -) — Zu weitgehende Programme müssen notwendig darauf liinauslaufen , dafs die Statistik sich mit Schätzungen und Kombi- nationen begnügt, die zu Trugschlüssen führen müssen. Die Agrar- statistik soll nun zwar „Hof bei Hof, Haus bei Haus" gemacht werden, soll sich aber darauf beschränken, nur solche Fragen zu stellen , welche zutreffend von dem Landwirt beantwortet werden können. — Aus dieser Voraussetzung ergibt sich für Engel not- wendig eine ziemlich enge Bescliränkung des Gebietes der Agrar- statistik. In seiner Denkschrift über die „Methoden der Volks- *) Zeitschrift des kgl. preufs. statistischen Bureaus. Jalirjy. 1868, pag. 144. ■-) Die Au%aV)en des Zählwerks im deutschen Reich am Ende des Jahres 1880. Von Dr. Engel. Berlin 1879. 328 - 9 — Zählung" ^) wurden die folgenden agrarstatistisclien Ermittelungen als notwendig bezeichnet: 1. Gröfse der Grundstücke nach Gröfsenklassen unterschieden. 2. Verwendung der Fläche (Acker, Wiese, Wald etc.). 3. Anbauverhältnis. 4. Landwirtschaftliche Produktion. 5. Viehhaltung im allgemeinen. 6. Viehhaltung getrennt nach den Besitzklassen. 7. Art des landw. Betriebes (ob Haupt- oder Nebengewerbe, Selbstbewirtschaftung oder Pacht). 8. Wert und Realverschuldiing des landw. Grundbesitzes. Für diese Statistik macht zwar Engel selbst nicht den An- spruch, dafs sie allen Bedürfnissen der landwirtschaftlichen Statistik genügen könne. Seine eignen AVünsche gehen weiter, wie dies schon der vorher berührte Plan zeigte, in welchem die Elemente einer Reinertragsberechnung im grofsen gefordert wurden, während hier z. B. das Kapital nur nach einer Richtung hin, die Arbeits- kraft gar nicht Berücksichtigung erfährt. Nicht die Bedürfnisse der Volkswissenschaft, welche eine um- fassende statistische Erforschung des betr. Produktionszweiges in allen seinen Einzelheiten und in Beziehung zu den übrigen Faktoren des wirthschaftlichen Lebens erfordert, um dadurch zur Erkenntnis der Bedingungen, des Wesens und der Entwickelung dieses Produktions- zweiges zu gelangen, auch nicht die Ansprüche der dem einzelnen Produktionszweige Angehörenden, welche, in ihren Zielen wechselnd, bald dem einen, bald dem andern Gebiete eine gröfsere Aufmerk- samkeit zugewendet wissen wollen, sind für Engel allein mafsgebend für die Bestimmung der den einzelnen Zweigen der Statistik zuzu- weisenden Aufgaben. Aus ihnen erkennt er wohl das Ziel der Sta- tistik, dessen möglichster Erreichung sie nachzustreben hat. Aber als " Statistiker sind ihm die engen Grenzen zu sehr bekannt, welche der Statistik gezogen sind, die Schwierigkeiten, die sich bei der prak- tischen Ausführung erheben und die nur allmählich sich überwinden lassen, die daher auch nur eine langsame weitere Ausbildung der Landwirtschaftsstatistik ermöglichen. So erklärt es sich, wenn auch 14 Jahre später-J Engel der landwirtschaftlichen Statistik nur un- wesentlich erweiterte Aufgaben zuweist. Neben den im Deutschen ') Zeitschr. des kgl. preuls. stat. Bureaus 1861. Heit 7, pag. 159 ff. -) Die Aufgaben des Zählwerkes im deutschen Keich. Berlin 1879. 329 — 10 — Eeicli angestellten Erhebungen über die Bodenbenutziing und die Ernteerträge verlangt er. in Verbindung mit den Volkszählungen, die Beantwortung weniger Fragen nach der Fläche des landwirt- schaftlich nutzbaren Landes der einzelnen Besitzungen, dem land- wirtschaftlichen Personal, den landwirtschaftlichen Nebengewerben, nach den in der Landwirtschaft verwendeten Kraft- und Arbeits- maschinen, nach der Versicherungssumme der Gebäude, Nutztiere, Vorräte und des Liventars. Tritt uns aus diesen Plänen überall das Bestreben hervor, nur das Notwendigste zunächst der Erforschung zu unterwerfen, so er- scheinen doch in derselben Zeit auch solche, die eine durchaus andre Ansicht erkennen lassen. So in Osterreich. Hier wurden in derselben Zeit, aus welcher der in den „zwei Briefen*' entwickelte Plan herrührt. Anstrengungen gemacht, eine Agrarstatistik zu be- gründen und auszubilden. Eine Anregung hierzu ging vom Mini- sterium für Handel und Volkswirtschaft aus. „Wenn das Ministerium die Aufgaben, die ihm auf dem Gebiete der Urproduktion und zu- nächst auf jenem des Landbaues und der Forstwirtschaft, gegeben sind, zeitgemäfs lösen soll, so genügt es ihm nicht, nur die Lei- stungen zu erkennen, welche auf dem bereits erreichten Standpunkte der volkswirtschaftlichen Entwickelung als Thatsachen vorliegen, sondern es mufs auch die Leistungsfähigkeit, sowie die Be- dingungen, unter welchen diese aus dem Bereich der Möglichkeit in jenes der Wirklichkeit übertritt, zu beurteilen vermögen. In diesen einleitenden Worten einer Denkschrift über die Grundzüge einer Agrikulturstatistik ^) wird dieser ein hohes Ziel gesteckt, welches zu er- reichen die Statistik notwendig auf ein weit umfassendes Gebiet ausge- dehnt werden mufs. Es ist auch hier beabsichtigt, zu ermitteln, ob und wo die Produktion nach Quantität und Qualität ihrem möglichst nachhaltigen Maximum näher und ferner stehe. Denn nur, wenn diese Beurteilung ermöglicht würde, — so wurde ausgeführt, — seien Regierung und Verwaltungsbehörden in die Lage gesetzt, auf die Erreichung der der Landwirtschaft eines Landes gestellten Aufgabe, möglichst nachhaltiges Maximum der Er- träge zu erzielen, EinÜufs auszuüben. — Man ist also genötigt, Grundlage und Koeffizienten der Produktion ebenso wie das Resultat der letzteren selbst zu erforschen, um sie in Gegenüberstellung zu einander darzustellen und es fra^jt sich nur, wie weit man hierbei *) Grrundzüge für eine Agrikulturstatistik des österreichischen Kaiserstaates. Eine Denkschrift im Auftrage des k. k. Ministeriums für Handel etc. AVien 1864. 330 — 11 — zu greifen beabsichtigt. Die Bedingungen der Produktion sind ver- schiedener Art; physischer, technischer, sozialer, politischer und kommerzieller Natur. Handelt es sich also darum, die ßodenproduk- tion zu erkennen und zugleich die Möglichkeit ihrer Beurteilung zu gewinnen nach allen sie bedingenden Verhältnissen, indem man den ursächlichen Zusammenhang und das Zusammenwirken aller näheren und entfernteren Faktoren zu ermitteln sucht, so dehnt sich dadurch das Gebiet der Agrarstatistik zu sehr weiten Grenzen aus. In der That schreckt die Denkschrift davor nicht zurück. Nach ihr soll die Agrarstatistik sich erstrecken auf: 1. Ausmafs und Verteilung der Kulturen. 2. Erträge. 3. Physische (natürliche) Ertragsbedingungen. 4. Technische Ertragsbedingungen (Wirtschaftsmethoden). 5. Politische und soziale Produktionsbedingungen. 6. Verkehrsverhältnisse. 7. Viehzucht. In diesen sieben Gruppen wird nun zunächst die Richtung der Agrarstatistik angegeben; über ihren vollen Umfang erfahren wir Näheres durch die Aufführung alles dessen, was innerhalb der sieben Gruppen berücksichtigt werden soll: 1. Die Ausmafse und die Verteilung der verschiedenen Kulturen, als Acker, Wiese, Garten, Wald u. s. w., sowie die w^eiteren Unterscheidungen der mannigfachen Ackerfrüchte, Wiesen- erzeugnisse, Holz, Wein, Obst. Gartenprodukte u. s. w., w^elche aus den verschiedenen Kulturen gewonnen werden. 2. Die Ernteerträge womöglich mehrerer bestimmter, nach ihren Witterungsverhältnissen bekannter Jahre, um mit möglichster Annäherung die durchschnittlichen Ernteerträge berechnen, zugleich aber den Eintlufs der lokalen Jahreswitterung auf die Erträge der einzelnen Gebietsabschnitte ermessen zu können. 3. Die natürlichen oder physischen Bedingungen der Produktion, also Charakter der orographischen Bodengestaltung und natürlichen Bewässerung , Elevation . Exposition gegen die Sonne, Bodengerüste, Bodendecke oder eigentlichen Kultur- boden, mit Vermeidung von zu weit gehenden Einteilungen, endlich klimatische und Witterungsverhältnisse nacli den für die Produktion wichtigen Gesichtspunkten. 331 — 12 — 4. Die technischen Bedingungen der Produktion : die Wirt- schaftsmethoden nach ihren Hauptgruppen als Dreifelder-, TVechsel- oder freie Wirtschaft auf den Ackern; Natur- und Kunstwiesen, berieselte oder überstauete, gedüngte oder ungedüngte AYiesen, überhaupt alle (!) Bedingungen eines rationellen Wirtschaftsbetriebes, d. i. eines solchen, ,,der, auf Gründe der Vernunft und Erfahrung ge- stützt, die dauernde Fruchtbarkeit der Felder sichert und verbürgt^ ^ 5. Die sozialen und politischen Bedingungen der Produktion, wie die Verhältnisse der Arbeiter, der Löhne, Kost, Teil- barkeit und Unteilbarkeit der Bauerngüter, die Besitz- kategorieen u. s. w. nach den sich im Untersuchungs-Gebiete darbietenden Zuständen. 6. Die Wege, auf welchen diese Erträge zum Verbrauch oder zur Ausfuhr kommen bis zu den Grenzen der eigentlichen Industriestatistik. 7. Alles, was hier zunächst mit Beziehung auf die Pflanzen- produktion gefordert wird in einer mutatis mutandis vorzu- nehmenden Anwendung auf die Tierproduktion; dabei handelt es sich vorzugsweise um a) die Zahl und Qualität des Viehstandes und dessen Wertkapital ; b) die Produktion aus demselben. — Man ging hier also von der Absicht aus, wirklich alle, die Produktion irgendwie beeinflussenden Faktoren klarzulegen, und die gegebenen Produktionsbedingungen in ihrer Gesamtheit in Betracht zu ziehen. Zwar man könnte diesem Plan den Vorwurf machen, dafs er noch keineswegs erschöpfend ist. Es würde leicht sein, noch eine grofse Zahl anderer, auf die landwirtschaftliche Produktion einflufsnehmender Faktoren zu benennen . so z. B. die Charakter- eigentümlichkeiten, die natürlichen Fähigkeiten der Bevölkerung, die man in der That an einer anderen Stelle auch in Betracht ge- zogen hat. Aber man hat sich, ohne dafs dazu eine prinzipielle Begründung gegeben wäre, auf eine Auswahl beschränkt, indem man eine Anzahl von Verhältnissen und Bedingungen herausgriff, die man wohl als die Produktion wesentlich beeinflussende betrachten mochte. Dieser Plan hat freilich auch unter dieser Beschränkung in Osterreich keineswegs allerseits Billigung erfahren. In einem 332 — 13 — Votum des Präsidenten der statistischen Zentralkommission ^) heifst es, dafs zwar in dem Plane dieser Statistik auf die Anforderungen der Wissenschaft nicht minder als auf das praktische Bedürfnis der Administration Rücksicht genommen sei. dafs sich darin auch eine genaue Kenntnis der landwirtschaftlichen Verhältnisse nicht ver- kennen lasse. Allein vom höchsten Standpunkt ausgehend umfasse das Projekt mehr als die hlofse Agrikulturstatistik. Es umfasse auch alle Bedingungen und Voraussetzungen, auf welche sich die Agrikulturstatistik stützen müsse, die aber gleichwohl in den eigentlichen Bereich der Statistik nicht gehörten. An einer andern Stelle wird bemerkt, dafs die „Ausmafse, die Verteilung der Kulturen und deren Erträge den eigentlichen Gegenstand der agrikulturstatistischen Forschung und Bearbeitung bildeten, während die Kenntnis bezw. die Nachweisung der darauf Eintiufs nehmenden Bedingungen als andern Disziplinen oder auch einem andern Zweige der Statistik angehörig betrachtet werden müfsten'^ Es kann zunächst dahingestellt bleiben, ob in dieser Ausführung die der landwirtschaftlichen Statistik zugewiesene Aufgabe nicht als eine zu eng begrenzte erscheint; sie bietet jedenfalls ein besonderes Interesse dadurch, dafs man aus ihr erfährt, v>'ie der Standpunkt des praktischen Statistikers (und dieser ist in dem über die Denkschrift abgegebenen Gutachten eingenommen) von demjenigen des Vertreters rein wissenschaftlicher Anschauungen und des Volkswirtes ein so grundverschiedener ist. Gehen die Wünsche des letzteren leicht über ein berechtigtes Mafs hinaus, weil er nicht in genügender Weise die in praktisch vorliegenden Verhältnissen bedingten Schwierigkeiten berücksichtigt, so läfst sich der Statistiker, vielleicht zu sehr, von seiner Kenntnis der entgegenstehenden Schwierigkeiten beeinflussen. Aber es sind auch andre Momente für den verschiedenen Stand- punkt beider mafsgebend. „AVährend der Volkswirt,"^ so heilst es in dem Gutachten, „sich zunächst und mit vollem Rechte mit dem beschäftigt, Avas werden soll und das Bestehende nur zum Ausgangspunkt benutzt, beschäftigt sich der Statistiker zunächst mit dem, was ist, und benutzt die hierauf einflursnehmenden Be- dingungen nur zur Haupterklärung des faktischen Bestandes. Thm erscheint daher als fernerliegend, was jenem die Hauptsache ist und er erachtet umgekehrt als ein Objekt von Wichtigkeit, was ') Denkschrift über die Agrikulturstatistik etc., wie schon an.sfeoreben. Das Votum der stat. Zentralkomniission ist in der Denkschrift gleichzeitior voröflentlirht. 333 — 14 — jener in zweite Linie stellt.'" — Von dieser Anschauung ausgehend, wurden die Ermittelung der physischen und natürlichen Ertrags- bedingungen als dem Gebiet der Agrikulturstatistik nicht angehörig bezeichnet, da die Statistik ,,die Kenntnis dieser Verhältnisse voraus- setzt und dieselbe zwar zu benutzen aber nicht zu beschaffen hat'*. Auch die technischen Produktionsbedingungen, die Wirtschafts- und Manipulationsmethoden werden als fernerliegend im oben angegebenen Sinne bezeichnet, während wieder die politischen und sozialen Pro- duktion sbedingungen (Nachweise über die Verteilung des Bodens nach dem Besitzstände, dessen Ausmafs für die einzelnen Kategorieen der Besitzer, politische und rechtliche Stellung des Besitzes) als Nachweise bezeichnet werden, die zwar für die Agrikulturstatistik im engeren Sinne ^) erst in zweiter Linie wichtig seien, die aber doch nicht unbeachtet bleiben könnten, weil sie die Grundlage zu dem jeweiligen faktischen Bestände der landwirtschaftlichen Pro- duktion bildeten. — AVie berechtigt die gegenüber dem Plane einer Agrikulturstatistik für den österreichischen Staat erhobenen Einwände waren, zeigten die bald nachher in zwei Gebietsteilen Ober- Österreichs angestellten Probeerhebungen, welche vollständig auf der Basis dieses Planes ausgeführt wurden. -) Diese Erhebungen sollten die Probe auf das Exempel geben. Aber obgleich man die Erhebung selbst als ein Meisterstück stati- stischer Aufnahmen bezeichnen kann, so ist doch gerade sie es ge- wesen, welche gezeigt hat, dafs eine vollständige Agrikulturstatistik nach eben diesem Muster für ein ganzes Land undurchfülirbar sei. Die Erhebung konnte ein Meisterstück werden, weil sie teils, und vornehmlich, durch den fachmännisch gebildeten Kommissar persön- lich angestellt wurde, teils die ausgeführten Ermittelungen unter seiner Kontrolle und fortdauernder persönlicher Anregung stattfanden. Dabei ging aber die Probeerhebung weit hinaus über das, was man als statistische Aufnahme zu bezeichnen berechtigt ist; neben den direkten Umfragen und Zählungen lief eine beständige Enquete durch Heranziehen des von Steuer-, Justiz- und Verwaltungsbehörden ge- sammelten Materials, durch ein eingehendes Studium der Archive der verschiedenen Ressorts. Und doch konnte man, trotz Benutzung aller zu Gebote stehenden Mittel, nicht einmal das erste Gebot der *) Dies „engere Gebiet" näher zu bezeichnen, unterläfst aber auch das Votum. ^) Statistik der Bodenproduktion von zwei Gebietsteilen 01)er-Üsterreichs. Ausgeführt von Dr. R. Lorenz. AVien 1867. 334 — 15 — Statistik, die Schätzung zu vermeiden, vollständig befolgen.*} Schliefslich hat die Arbeit selbst für die kleinen Gebiete sich über einen Zeitraum von zwei Jahren erstreckt, so dafs man annehmen mufste, dafs eine statistische Aufnahme für den österreichisclien Staat nach dem Muster dieser Probeerhebung viele Jahre würde in An- spruch nehmen. — Die österreichische Statistik hat denn aucli den Kreis ihrer Beobachtungen und Erhebungen in der Folge nicht auf alle in den Probeerhebungen berücksichtigten Verhältnisse und Be- ziehungen ausgedehnt, wenngleich ein Studium der neueren jigrar- statistischen Arbeiten Österreichs nicht verkennen läfst, dafs die Probeerhebungen, namentlich hinsichtlich der angewandten Erhebungs- methoden nicht ohne Einflufs geblieben sind. — Die Erkenntnis, dafs man in dem Plane einer Agrikulturstatistik für den österreichischen Staat zu weitgehende Anforderungen stellte, brach sich freilich nicht gleich in allen Ländern dieses Staates Bahn. — Je weniger ent- wickelt, ja oft erst in den notwendigsten Anfängen stehend, diese Länder eine Landwirtschaftsstatistik besafsen, mit um so sanguini- scheren Anschauungen bereitete man sich zu einem Aufschwung vor. So wurde noch nach den mit den Probeerhebungen gemachten Er- fahrungen von der Landwirtschaftsgesellschaft in Wien ein Programm aufgestellt und vom agrarischen Kongrefs angenommen . von dem gesagt wurde, dafs ,, dasselbe mit den in andern Werken und Ver- handlungen zu Tage getretenen Vorschlägen im wesentlichen über- einstimmte und durch vollständige Zusammenfassung aller einschlägigen Kapitel sich auszeichnete''. -) Li Wirklichkeit übertraf dies Projekt alle vorher gemachten Vorschläge sowohl in Bezug auf die Aus- dehnung des der Agrarstatistik zuzuweisenden Gebietes wie liin- sichtlich der Bestimmung, Auswahl und Detaillierung der einzelnen Aufgaben, freilich nicht zum Vorteil der Sache, wie schon daraus hervorgeht, dafs auch dieses -Projekt — eben nur Projekt geblieben ist. Man hatte alle Gebiete herangezogen, von denen man einen Einflufs auf die landwirtschaftliche Produktion überhaupt nur er- warten konnte, und die man gewifs auch zu berücksichtigen hat, ^) Die Unzulänglichkeit dieser Erhebungen, namentlich hinsichtlich der Be- rechnung des Reinertrages, hat Conrad betont und auch hervorgehoben, dafs Schätzung und willkürliche Annahmen diesen Erhebungen keineswegs fremd ge- blieben seien, a. a. 0. -) Verhandlungen des internationalen Kongresses der Land- und Forstwirte in Wien 1873. (In dem Bericht über diese Verhandlungen ist das Programm des Wiener agrarischen Kongresses von 1868 mitgeteilt.) 335 — 16 — wenn es sich um die Beschreibung der Landwirtschaft eines Landes handelt. Sie hat die Resultate aus den Gebieten der Me- teorologie, Hydrographie, der Geognosie, Geologie, Geographie heranzuziehen, hat die Flora und Fauna eines Landes zu berück- sichtigen, hat die Bevölkerungsstatistik und Ethnographie zu befragen, hat die politischen und sozialen Zustände . das Unterrichtswesen, Vereinswesen, öffentliches Recht, öffentliche Institute, Verkehrswesen, Handelsverhältnisse u. s. w. in Betracht zu ziehen — aber sie thut das , soweit diese Verhältnisse bekannt sind. In das Gebiet der Agrarstatistik gehört dies alles nicht. Nichts läfst in deutlicherer Weise die Unsicherheit, welche in der Bestimmung des der Agrarstatistik zuzuweisenden Gebietes herrscht, erkennen, als diese Gegenüberstellung der verschiedenen Programme von Engel und der in Osterreich gemachten Vorschläge. Man erkennt aus derselben leicht die grofse Verschiedenheit der Ansichten über das , was Aufgabe einer Agrarstatistik sein soll. Denn obgleich beide Bemühungen das gleiche Ziel verfolgen, als w-elches ausdrücklich bezeichnet wird, zu ermitteln, ob dauernd das Maximum der Erträge durch die Landwirtschaft eines Landes er- reicht wird, so weichen beide doch in der Begrenzung des Gebietes dieser Statistik aufserordentlich von einander ab. Der Beschränkung auf möglichst wenige , aber exakt anzustellende Ermittelungen bei Engel, steht die Ausdehnung auf eine Reihe für die landwirtschaft- liche Produktion selbst unerheblicher Momente in den österreichi- schen Projekten gegenüber, der Gewinnung eines auf das notwendigste beschränkten Systems agrarstatistischer Ermittelungen die Verall- gemeinerung derselben, welche kaum noch die Bezeichnung als Statistik der Landwirtschaft gerechtfertigt erscheinen läfst. AVährend Engel mehr darum zu thun ist, die agrarstatistischen Ermittelungen ihrer Intensität nach zu entwickeln, indem er die Erhebungen auf direkte, von sämtlichen, oder doch möglichst vielen Landwirten zu gewinnende Angaben zu basieren sucht, und indem er zu dem Zweck sich auf möglichst wenige Fragen beschränkt, gelit der österreichische Plan auf die extensive Entwickelung hinaus, bei welcher es für manche Teile der Statistik lediglich bei subjektiven Anschauungen und Vermutungen sein Bewenden behalten mufs. Schon das Pro- gramm, welches den Inhalt der genannten Denkschrift bildet, mehr aber noch das des Wiener Kongresses geht weit über den Rahmen einer Spezialstatistik . welches doch die Agrarstatistik sein soll, hinaus. Es ist eine Verirrung auf ihr völlig fremde Gebiete, bei 336 — 17 — welcher man sich fragen miifs, was denn üherhaupt für andere Zweige der Statistik noch übrig bleiben soll? — Man darf annehmen, dafs sich in diesen Programmen gewisser- mafsen die Extreme der Ansichten über die Begrenzung des Ge- bietes der Agrarstatistik kundgaben und wird geneigt sein, von den Verhandlungen der internationalen statistischen Kongresse einen Ausgleich derselben zu erwarten. Diese Er- wartung hat man in der That gehegt. Sollten diese Kongresse doch über die Aufgaben, Ziele und Methode der Statistik und ihrer ein- zelnen Zweige Klarheit und Übereinstimmung der Ansichten herbei- führen. Allein man darf im Hinblick auf die Agrarstatistik heute sagen , dafs die Kongresse diese Aufgabe nicht gelöst haben. Die Kritik hat gerade nach der Seite der Agrarstatistik die Arbeit der Kongresse als eine erfolglose bezeichnet. ^) In seinen Untersuchungen gelangte Conrad bei der Besprechung der Kongrefsbeschlüsse zu dem Resultat, dafs „jeder einheitliche Gedanke bei Aufstellung der Fragen fehlte ; dafs sie bald auf einzelne Details der Landwirtschaft selbst eingehen, ohne indessen erschöpfend zu sein, da die folgenden Kongresse gewöhnlich ergiebige Nachlese zu halten haben, dafs sie bald wieder einzelne Punkte der Agrarstatistik oder allgemeine volkswirtschaftliche Fragen berühren , ohne mit Konsequenz und Methode ein bestimmtes Ziel zu verfolgen'*. -) Diese Beurteilung fand statt in einer Zeit, wo die statistischen Kongresse noch in voller Blüte standen und grofse Erwartungen von ihnen gehegt wurden ; die seit dieser Zeit w^eitergeführten Verhandlungen gestatten eine andere und bessere Beurteilung auch heute nicht. Als Ziel und Aufgabe der landwirtschaftlichen Statistik hatte der Brüsseler Kongrefs (1853) hingestellt: ,.Thatsachen festzustellen, welche geeignet seien, eine vollständige Kenntnis de r B e d in g u ngen , Verfahrungs weisen und der Resultate des landwirt- schaftlichen Betriebes eines Landes zu geben." Allein es scheint in demselben Beschlüsse auch die Erkenntnis zum Ausdruck zu kommen, dafs man hiermit Ziele verfolge, die man, wenigstens vorläufig, nicht zu erreichen hoffen könnte ; man machte eine wesent- liche Einscliränkung und forderte nur die Beantwortung weniger. ^) Wir führten schon einen Ausspruch Engels über die Wirksamkeit der Kongresse vorher an (die Aufgaben des Zählwerks u. s. w.). Auch andere Statistiker haben zum Teil sehr abfällige Urteile gefällt, so u. a. Dr. Lorenz in den Ver- handlungen des Wiener Kongresses der Land- und Forstwirte 1873. -) a. a. O. pag. 85 tV. V. 4 2 — 18 — aber bestimmt aufgestellter Fragen beziiglicb der den einzelnen Kulturarten gewidmeten Fläche, des Ertrages jeder dieser Kulturen, der Art der Bewirtschaftung, des Wertes der Produkte, der land- wirtschaftlichen Arbeiter und der Arbeitstiere, obgleich man vorher die Forderung aufgestellt hatte, dafs man die Gesamtheit aller derjenigen Thatsachen ermitteln müsse, welche als wesentliche Ele- mente der Beurteilung der Bedingungen, Verfahrungsweisen und Resultate des landwirtschaftlichen Betriebes dienen könnten. Es bleibt dieser erste Beschlufs auch kennzeichnend für die ganzen später geführten Verhandlungen und gefafsten Beschlüsse. Es ist der ZAviespalt. in dem sich die theoretisch gebotenen Forderungen mit der praktisch gegebenen Möglichkeit der Ausführung befinden, welchen man als Signatur der auf die Agrarstatistik bezüglichen Beschlüsse bezeichnen darf. Dieser hindert, eine prinzipielle Ent- scheidung zu treffen, das Gebiet der Agrarstatistik klar und be- stimmt zu bezeichnen. Stets bleibt es bei einem Schwanken, welches durch die Verschiedenheit der Ansichten über das Mafs des prak- tisch Erreichbaren und des lediglich „Wünschbaren'' bedingt ist. Gerade dies erklärt es auch, wenn die einzelnen Beschlüsse wesent- lich durch den Stand der Agrarstatistik desjenigen Landes beein- fiufst erscheinen, in welchem jeweilig der Kongrefs tagte, sei es nun, dafs das betreffende Land einzelne Teile der Statistik schon in hervorragender Weise bearbeitet hatte, oder dafs die Bearbeitung bestimmter Gebiete in demselben als ein besonderes Bedürfnis em- pfunden wurde. Wir können die Beschlüsse der Kongresse von 1853 — 67. welche in Conrads Untersuchungen behandelt wurden und deren Fazit dieser in dem schon angeführten Urteil zog, hier übergehen, um nur die neueren Kongresse heranzuziehen. Der Florentiner Kongrefs hatte in abstrakt theoretischer Weise ein detailliertes System von Ermittelungen gefordert, welches dazu dienen sollte, den Reinertrag der pflanzlichen und tierischen Produktion zu ermessen , sehr be- zeichnend für ein Land, welches damals so gut wie gar keine Agrar- statistik besafs.^) In scharfen Kontrast hierzu tritt der Beschlufs des Kongresses zu Haag -) (1869). Hier entschliefst man sich über- ') Die Statistik und die Sozialwissenschaften von Emilio Morpurgo. Jena 1877. Deutsche Ausgabe pag. 236. '-) I ns haben nicht die Verbandlungen dieses Kongresses, sondern nur der Beschlufs (in „die internationale land- und forstwirtschaftliche Statistik, Denk- schrift von Dr. A. Meitzen. Berlin 1873") vorgelegen. 338 — 19 — haupt zu keinem Scliritt. der die weitere Ausbildung oder die Fest- stellung der Aufgaben der landwirtschaftlichen Statistik betroffen hätte: man begnügte sich, aus dem, was in den einzelnen Staaten an Ausweisen über die landwirtschaftlichen Produkte vorhanden war, eine Übersicht für eine Reihe von Jahren als wünschenswert zu erklären . wobei man es vermied , über Art und Weise der Er- langung der Daten, über die Art der Aufstellung der Nachweisungen und über den Umfang derselben irgend welche Anforderungen zu stellen. Lediglich der Wunsch wurde ausgedrückt, dafs die Nach- weisung dem Gewichte nach und nicht nach Hohlmafsen erfolge. In Petersburg wurde ganz von der Behandlung der Agrarstatistik abgesehen, dagegen beschäftigte man sich in eingehender Weise mit derselben in Budapest (1876) J) Hier verfolgte man den Zweck, die- jenigen Gebiete zu bezeichnen, für welche es wünschenswert gehalten wurde, durch Gleichförmigkeit der angestellten Ermittelungen, durch begrifflich übereinstimmende Bestimmung der Erhebungsgegenstände und durch Anwendung möglichst gleichartiger Erhebungsmethoden internationale Vergleichbarkeit herbeizuführen. Man war bemüht; eine internationale Statistik zu gewinnen und ging dabei von dem Gedanken aus, für diese Statistik nur gewisse Gebiete, ohne Eingehen auf zahlreiche Detailfragen, zu bestimmen, während man der „nationalen-* Statistik die Erhebung aller mit der land- wirtschaftlichen Produktion in Beziehung stehende Details zuwies. Der Kongrefs kam aber selbst hier nicht dazu , das Gebiet der internationalen Statistik klar zu bezeichnen. Man sprach nur die Ansicht aus, dafs in jedem Staate eine gleichartige Agrarstatistik (d'apres des regles uniformes) geschaffen werden sollte, weh'he der internationalen Statistik dienstbar zu machen sei. Diese letztere sollte sich zusammensetzen aus : 1. einer alle 10 Jahre wiederkehrenden Enquete; 2. aus Publikationen der statistischen Bureaus, die in kürzeren Zeitperioden erfolgen sollten. Über die ., regles uniformes'* (worunter man doch wohl die Er- hebungsmethode zu verstehen hat) enthielt man sich jeder näheren Bestimmung. Die Dezennalenquete sollte eine Beschreil)ung des Zustandes der Landwirtschaft eines jeden Staates liefern, wäh- rend die mindestens jährlichen Publikationen Daten aus der land- wirtschaftlichen Produktion l)ringen sollten und zwar: ') Verhandlungen des internationalen Kongresses zu Budapest 1876. 2 339 23* — 20 — 1. Preise der landwirtschaftliclien Produkte nach Markt- und Börsennotierungen, Zahl der wirklichen Verkäufe monatlich, in der Zeit von Juni bis November sogar wöchentlich zu veröffentlichen) ; 2. die Jahresrenten in absoluten Zahlen, womöglich unter An- gabe der Erhebungsmethoden; 3. die Transportpreise für einen Tonnenkilometer auf der Eisen- bahn und auf andern Transportwegen. (Diese Publikationen zu 2 und 3 sollten jährlich erfolgen.) Man erkennt leicht, dafs diese Jahrespublikationen weit entfernt sind, den Anforderungen zu genügen, die diejenigen stellen müssen, welche auf die Gestaltung der landwirtschaftlichen Produktions- verhältnisse Einflufs nehmen wollen und die dazu der Erkenntnis der Lage dieser Verhältnisse bedürfen. Es drückt sich in dem Budapester Beschlufs nur das Bestreben aus, einem in der letzten Zeit besonders dringend aufgetretenen Bedürfnis mehr als bisher entgegenzukommen, nämlich demjenigen, den Handel und Verkehr mit landwirtschaftlichen Produkten und seine Bedingungen in den verschiedenen Ländern zu übersehen. Wo aber bleibt diejenige Statistik, die, wie in Brüssel erkannt wurde, die „Bedingungen, die Verfahrungsweisen und die Eesultate des landwirtschaftlichen Be- triebes-' erkennen lassen soll? Soll die 10jährige Enquete diese Auf- gabe lösen, so mufste man doch erfahren, worauf diese sich zu er- strecken hätte. Der Kongrefsbeschlufs läfst darüber aber vollständig im Unklaren; man scheut sich, aus dem reichen Gebiet, dessen Erforschung durch streng statistische Mittel man anstreben sollte, zunächst ein engeres Gebiet auszusondern, und ist sich doch ander- seits bewufst, dafs man sich auf das ganze Gebiet nicht ausdehnen darf und kann. In den Verhandlungen selbst begegnen wir der dringenden Abmahnung, auf die Details, wie sie z. B. der Florentiner Kongrefs in reichster Auswahl als der statistischen Erforschung be- dürftig hinstellte, einzugehen.^) Andere wieder wollen diese Details erforscht haben, aber nur für die nationale Statistik, während sie die Gebiete der internationalen ' Statistik mehr oder weniger ein- geschränkt zu sehen wünschen.-) Allein auch darüber, wie weit die Aufgaben einer internationalen Statistik einzuschränken seien, ^) So u. a. Conrad in den Verhandl. des Budap. Kongr. 1876. -) Diese Forderung wurde besonders von dem Leiter des ungarischen stat. Bureaus, Kelety, vertreten. Ebendas. 340 — 21 — wird eine Übereinstimmung der Ansichten nicht erzielt. Die Vor- lagen, welche dafür gemacht werden,^) erfahren teils als zu weit- gehend, teils als zu unbestimmt in ihren einzelnen Forderungen, entschieden Bekämpfung. Den Traditionen der früheren Kongresse bleibt aber aucli dieser letzte treu, indem er ein bestimmtes Gebiet der Agrarstatistik , die Statistik der A g r a r v e r f a s s u n g . -) in den verschiedenen Ländern als notwendig in Angriff zu nehmendes bezeichnet und die Grundzüge einer solchen Statistik in seinem Be- schlüsse festsetzt. Dafs daneben auch ein Beschlufs gefafst wurde über die Ermittelung der durch massenhaft auftretende ver- heerende Insekten der Landwirtschaft und dem Weinbau ver- ursachten Beschädigungen . läfst nur erkennen , dafs auch dieser Kongrefs sich weit mehr von zufällig auftretenden oder als solchen erkannten Bedürfnissen leiten liefs. als dafs er unter Festhaltung bestimmter leitender Gesichtspunkte die Lösung der Aufgabe ver- folgte. Ziel und Wesen einer Agrarstatistik überhaupt zu bestimmen. Neben den internationalen statistischen Kongressen ver- suchte es ein andrer von Fachmännern (Landwirten) zusammen- gesetzter Kongrefs ^), der Agrarstatistik in dem System der all- gemeinen Statistik die ihr gebührende Stelle zu verschaffen. Dieser Kongrefs ging davon aus, „dafs die Agrarstatistik in den bisherigen statistischen Kongressen ihre richtige Vertretung und Würdi- gung nicht erfahren habe". — Allein der von Fachmännern zu- sammengesetzte Kongrefs hat kaum Veranlassung gegeben, über seine Bemühungen ein wesentlich anderes Urtheil zu fällen, wie über die der internationalen statistischen Kongresse. Von vornherein waren seine Bestrebungen einseitiger Natur. Es handelte sich nicht darum, die Aufgaben der Agrarstatistik an sich zu erörtern, sondern die- jenigen einer internationalen Statistik. Wenn man auch einen ge- wissen Fortschritt glaubte davon erwarten zu dürfen, dafs die Staaten sich entschlössen, für die internationale Statistik gleichmäfsig ge- wisse Gebiete zu bearbeiten, so bleibt es doch fraglich, ob es richtig gethan war, sich in, bis heute wenigstens, fruchtlosen Bemühungen ^) Der Beschlufsfassung war ein Beschlufs des internationalen Kongresses der Land- und Forstwirte (Wien 1873) vorgelegt, daneben ein Antrag von Xelety. -) Diese, gewifs sehr zeitgemäfse Forderung wurde von Conrad erhoben; gegen dieselbe an sich wenden wir uns nicht, sondern nur gegen das Verfahren der Kongresse. ^) Verhandlungen des internationalen Kongresses der Land- und Forstwirte in Wien. — 1873. 341 — 22 — über internationale Verständigungen zu versuchen, bevor man in die Lage gesetzt war, der Agrarstatistik eines Landes selbst, ihre Auf- gaben zuzuweisen. Auch heute noch ermangeln wir trotz der lang- jährigen Verhandlungen der Kongresse der Vergleichbarkeit der Re- sultate der verschiedenen Landesstatistiken. — Der Beschlufs, den dieser Kongrefs fafste, deckt sich im wesentlichen mit dem später vom Budapester Kongrefs genehmigten Beschlufs ^ ), nur sind hier einzelne Gebiete bestimmt bezeichnet worden, auf welche die ge- wünschte 10jährige Enquete sich ausdehnen sollte. Doch waren diese ausgewählten Gebiete keineswegs hinreichend, um über die Lage der Landwirtschaft eines Landes die nötigen Kenntnisse zu verschaffen. So vermifste man jede Erwähnung der Agrarverfassung, der Besitzverteilung, der Arbeiterverhältnisse wie auch der natür- lichen Produktionsgrundlagen, der Bodenverhältnisse der Länder u. s.w. Übersieht man die Leistungen der verschiedenen Kongresse, so- weit sie die Agrarstatistik betreffen , so gelangt man zu dem Re- sultat, dafs für diese wenig mehr daraus entsi^rungen ist, als dafs überhaupt eine i^nregung zur besseren Bearbeitung derselben gegeben wurde. Eine Beantwortung der von uns gestellten Frage, welches ist das Aufgabengebiet der Agrarstatistik , geben weder die Ver- handlungen noch die Beschlüsse der Kongresse. Li der ganzen Reihe der gemachten Vorschläge entgeht zunächst nicht der stete AVechsel zwischen den einzelnen Teilen der Agrarstatistik , welche man der Behandlung unterwirft, ohne sie zu einem einheitlichen Ganzen zusammenzufassen. Es fehlt ein leitender Gesichtspunkt, und, wenn ein solcher schon in dem ersten Brüsseler Kongrefs zu erkennen war , so mangelte es doch an dem weiteren Befolgen des- selben. Man erkennt ferner zwei sich entgegenstehende Anschauungen, die gleichwohl dasselbe Ziel im Auge haben. Man will eine Er- kenntnis des Zustandes der Landwirtschaft in ihren gesamten engeren Verhältnissen wie in ihrer Beziehung zum übrigen wirtschaftlichen Leben des Volkes. Aber während man auf der einen Seite die Stellung der Landwirtschaft in. der Volkswirtschaft dadurch zu er- kennen strebt, dafs man von der Erkenntnis der rein landwirtschaft- lichen Verhältnisse ausgeht , um erst nach und nach die einzelnen Beziehungen zum übrigen wirtschaftlichen Leben aufzudecken , um- fafst man auf der anderen Seite gleich das Ganze der volkswirt- *) AVir erwähnten schon vorher, dal's der Beschlufs des Wiener Kongresses der Land- und Forstwirte dem Budapester Kongrefs vorlag. 342 — 23 — schaftlichen Stellung der Landwirtschaft und will diese stets im Zusammenhang mit allen anderen volkswirtschaftlichen Faktoren zur Darstellung bringen. Damit erweitert sich die der Agrarstatistik gestellte Aufgabe so, dafs man in Gefahr kommt, das Wesen der Statistik selbst zu verkennen. Man gelangt zu der Forderung einer Zustandsschilderung (description agricole) , ohne gleiclizeitig an derjenigen festzuhalten, dafs diese Schilderung sich nur auf der Grundlage statistischer Ermittelungen (levee directe) auf- bauen soll. Und je mehr man sich von dieser Forderung entfernt, um so ausgedehnter wird das Gebiet der Agrarstatistik. Denn von einer solchen spricht man immer noch, selbst wenn man sich in der Sache so sehr davon entfernt, dafs man den gröfsten Teil der .,des- cription'^ auf subjektive Beobachtungen und Beurteilungen würde stützen müssen. Das läfst sich erkennen aus der Forderung der Kongresse, welche als das Schlufsresultat derselben betrachtet werden darf, nämlich: in 10 jähriger Wiederholung eine Enquete agri- c 0 1 e zu veranstalten , für welche allerdings noch , soweit sie nicht gleichzeitig auf den alljährlich zu veranstaltenden Ermittelungen basieren sollte, die Vornahme besonderer Erhebungen vorgeschrieben wurde ; in besonderer Deutlichkeit aber tritt dies in den in Öster- reich gemachten Vorschlägen zu Tage. — Demgegenüber gehen die gegenteiligen Bestrebungen dahin, aus dem Einzelnen heraus zu jener grofsen Verbreitung zu gelangen, welche man als letztes, aber schwer zu erreichendes Ziel betrachtet. Hier ist die Forderung mafsgebend. streng an statistische Ermittelungen sich zu halten. Diese haben aber nicht zu beginnen mit jenen Faktoren, die nur erklärend und mitbedingend für die Gestaltung der landwirtschaftlichen Verhältnisse eintreten, sondern sie haben sich zunächst an die landwirtschaft- lichen Thatsachen zu wenden. Mufs doch das, was erklärt werden soll, erst in seinem Bestände bekannt sein. So ergibt sich, ohne dafs das entferntere Ziel auch von dieser Seite aufser acht gelassen würde, für sie eine engere Begrenzung der Agrarstatistik, welche sie auf das eigentlich landwirtschaftliche Gebiet verweisen, und eine Verschiedenheit der Ansichten besteht nur darüber, was hierbei als unbedingt notwendige und was als weiterliegende Aufgabe betrachtet werden mufs. Folgen wir einer Definition Engels, so hat die Statistik als Hilfswissenschaft der sozialen Wissenschaften allgemein die Auf- 343 — 24 — gäbe, „das Leben des Volkes und Staates in seinen einzelnen Teilen zu beobachten, diese ziffermäfsig zu begreifen und in ihren ursäch- lichen Beziehungen zu analysieren". ^) Im Rahmen dieser allge- meinen Bestimmung erhält auch die Landwirtschaftsstatistik ihre Aufgabe zugewiesen. Die menschliche Gesellschaft ist Objekt der Statistik ; ihren Zustand in einer bestimmten Periode , aber auch ihre Entwickelung klarzulegen, ist die Statistik bemüht durch Massenbeobachtung und Aufzeichnung der beobachteten Erschei- nungen, durch Untersuchung des Zusammenhanges und durch Dar- legung der Wirkungen derselben. Unter diesen dem Gesellschaftsleben eignen Erscheinungen nehmen diejenigen, welche den wirtschaftlichen Zustand der menschlichen Gesellschaft bezeichnen , eine besondere Stellung ein, und hier wieder vornehmlich alles das, in dem sich der materielle Kulturzustand ausdrückt — die der Landwirtschaft, der Lidustrie und dem Handel angehörigen Erscheinungen. Diejenigen der Landwirtschaft zu beobachten , ihren ursächlichen Zusammen- hang zu ermitteln und den Grad ihres Einflusses auf die mensch- liche Gesellschaft zu bestimmen , erscheint somit im Bahmen der allgemeinen Statistik als besondere Aufgabe der Landwirtschafts- statistik. Wenn aber die Statistik als Wissenschaft sich das Ziel .setzt, eine Zustandsschilderung der menschlichen Gesellschaft und eine Darstellung ihrer Entwickelung zu geben , so ist sie als Disziplin, welche sich in der i^nstellung von Massenbeobachtungen zunächst praktisch bethätigen mufs, weit entfernt, dieses Ziel erreicht zu haben. Für die verschiedenen Zweige der Statistik gilt dies zwar in verschiedenem Grade ; während einzelne Zweige (so die Be- völkerungsstatistik) eine hohe Ausbildung erfahren haben , stehen andere noch in den Anfangsstadien ihrer Entwickelung — unter ihnen die Statistik der Landwirtschaft. Die Statistik als Wissenschaft sucht für sich ihre Ziele auf, sie stellt das Gebiet ihrer Aufgabe fest und sie ist hierin durch keine andere Grenze gebunden, als durch diejenige, welche menschlichem Forschen überhaupt gesetzt ist. Anders , sobald die Forderung praktischer Erreichung der von ihr gesteckten Ziele an sie heran- tritt. Dann sieht sie sich durch bald mehr, bald weniger weite Schranken gebunden ; Schwierigkeiten erheben sich, sobald die Massen- beobachtung der Erscheinungen ins Werk gesetzt werden soll und ') S. Engel. Zeitschr. des kgl. preufs. stat. Bureaus. 1871, pag. 188. 3U - 25 — ijiit dem Entgegentreten derselben engt sich das a,us theoretischen Erwägungen bestimmte und in der weitesten Ausdehnung gefafste Gebiet der Statistik immer mehr ein. Nun hat sich die Statistik auch keineswegs auf einer streng wissenschaftlichen Basis aufgebaut, vielmehr ist die wissenschaftliche Begründung derselben und die Auffindung ihrer Ziele dem rein empirischen Vorgehen erst gefolgt. So lial)en sich statistische Erhebungen herausgebildet, ohne jenen inneren Zusammenhang und jene Beziehung zu einem einheitlichen Ziel zu haben, wie die Wissenschaft es jetzt fordert. Jeder innere wie äufsere Zusammenhang fehlte; die einzelnen Erhebungen wurden ins Werk gesetzt, wie administrative oder sonstige Zwecke es gerade erforderlich machten, und erst allmählich begann man, diese einzelnen Erhebungen zu einander in Beziehung zu setzen, dieselben syste- matisch zusammenzufassen. So auch bildeten sich zunächst die ein- zelnen Zweige der Statistik für sich heraus, jeder sein gesondertes Gebiet behandelnd , um für die auf diesem sich abspielenden wirt- schaftlichen Vorgänge die Erklärung zu finden, Ursache und Wirkung der Einzelerscheinungen festzustellen. Die Unterordnung aller Zweige der Statistik unter einen gemeinsamen Gesichtspunkt, als den wir die Erkenntnis des Zustandes und der Entwickelung des gesamten wirtschaftlichen Lebens eines Volkes bezeichneten, ist die Forderung der Wissenschaft, die dann erst eine völlige Befrie- digung erfahren kann, wenn die einzelnen Zweige der Statistik für sich eine vollkommene Ausbildung erfahren haben. Aus einzelnen, auf die Landwirtschaft bezüglichen Erhebungen hat man sich, seit noch nicht sehr langer Zeit, bemüht, ein System land- wirtschaftlich statistischer Erhebungen zu gewinnen. Man suchte die Produktionsfaktoren ihrer Art und ihrem Umfange nach zu er- kennen und das Zusammenwirken dör einzelnen Faktoren zu be- obachten. Den Einzelursachen suchte man die Gesamtwirkung gegenüberzustellen, um daraus die Funktion und die Bedeutung der einzelnen Faktoren erkennen zu können. Aber es kann nicht das Ziel bleiben, lediglich den Vorgang der landwirtschaftlichen Produk- tion zu erkennen^ sondern auch die Bedeutung derselben, d. h. ihre Beziehungen zum gesamten wirtschaftlichen Leben eines Volkes mufs erfafst werden. Wir hoben hervor, dafs es in dieser Hinsicht Auf- gabe der Landwirtschaftsstatistik sei. solche Erhebungen anzustellen, dafs alle diejenigen Erscheinungen beobachtet, in ihrem ursächlichen Zusammenhang mit allen übrigen wirtschaftlichen Erscheinungen ermittelt und der Grad ihres Einflusses auf die menschliche Gesell- 345 — 26 — Schaft bestimmt werden könnten . welche der Landwirtschaft ange- hören. Daraus würde sich allerdings ein sehr weites Gebiet der Agrarstatistik ergeben, jenes Gebiet ungefähr, welches in dem Pro- gramm der österreichischen Landwirte bezeichnet war, und welches nicht mehr und nicht weniger beabsichtigte, als die gesamten Be- ziehungen der Landwirtschaft zum wirtschaftlichen Leben des Volkes mit einem Male klarzulegen, dieses aus der Entwickelung der Land- wirtschaft, und jene aus der Gestaltung der Gesamtwirtschaft zu erklären. Die Berücksichtigung des Zieles allein kann aber nicht mafs- gebend sein für die Bestimmung des Aufgabengebietes eines Zweiges der Statistik, sondern sie hat zu erfolgen unter gleichzeitiger Be- rücksichtigung der obwaltenden Umstände, unter denen die Statistik eine Lösung ihrer Aufgabe überhaupt anstreben kann. Ziffer mäfsige Erforschung der dem Kulturleben an- gehörenden Thatsachen, unter genauer begrifflicher Sonderung der- selben, ist die erste Forderung, welche an jede Statistik zu stellen ist; sie ist es, die auch zunächst das Gebiet der der Statistik an- gehörigen Arbeiten bezeichnet und diejenigen Grenzen bestimmt, innerhalb deren sich das Können der Statistik zu bethätigen ver- mag. Und da es sich um die ziffermäfsige Feststellung und Dar- stellung von Thatsachen handelt , ist das Können selbst wieder bedingt durch die Natur dieser Thatsachen selbst. Nur soweit die Natur der Objekte der Statistik ein ziffermäfsiges Erfassen zulassen, können sie überhaupt zum Gegenstand der Forschung gemacht werden, ja sie müssen, theoretisch betrachtet, absolut genau zu erfassen sein, während die Praxis von dieser Forderung in den meisten Fällen allerdings abstrahiert und mit relativ genauen Zahlen rechnet, womit aber prinzipiell von der Forderung der ziffermäfsigen Forschung noch nicht abgewichen wird. Ist somit in der Natur der Objekte selbst dem Können der Statistik eine Grenze gezogen, so ist damit noch nicht ausgesprochen, dafs die Statistik, sofern das Objekt sich als erforschbar im hier verstandenen Sinne erweist, auch ohne weiteres dasselbe zu erfassen vermöchte. Dies hindern wieder eine Reihe von anderen Umständen, deren Einflufs sich die Statistik nicht zu entziehen vermag, die vielmehr eine weitere Beschränkung ihres Forschungsgebietes verursachen. Zunächst bedarf die Statistik zur Lösung ihrer Aufgabe eines sehr komplizierten und kostspieligen Apparates und es hängt von der Art ihrer Organisation sowohl . wie von den zu Verfügung ge- 346 — 27 — stellten Mitteln ab. ob sie ihre Aufgabe in mehr oder minder weiter Ausdehnung zu lösen in den Stand gesetzt ist oder nicht, ob sie demnach auch alle diejenigen Objekte in den Bereich ihrer Unter- suchung zu ziehen vermag, deren Erforschung als wünschenswert betrachtet wird und die an und für sich der statistischen Ermitte- lung auch zigänglich sein würden. Die Möglichkeit, überhaupt eine der ihr gestellten Aufgaben zu lösen, ist bedingt dadurch, dafs der für die Statistik erforder- liche Api^arat staatlicher Natur ist. Aber eben diese staat- liche Natur trägt dazu bei, den Kreis der Wirksamkeit der Statistik selbst wieder zu beschränken und ihr die Richtung ihrer Thätigkeit in gewissem Sinne vorzuschreiben. — Eine weitere Einschränkung erfährt die Thätigkeit der Statistik dadurch, dafs sie gezwungen ist, sich zur Ermittelung der Thatsachen an die Bevölkerung, die Familie, den einzelnen Einwohner zu wenden. Denn nur in den seltensten Fällen liegen die Thatsachen so, dafs sie, wie aus einem Buch, abgelesen werden könnten. Es bedarf des Herantretens und Fragens beim einzelnen, der Einsichtnahme seiner Verhältnisse, die nicht selten als zwecklose Neugier oder gar unzulässiges Eindringen in die privaten Verhältnisse der Bevölkerung aufgefafst werden. Die Scheu, häufiger als dies unbedingt notwendig, diese Empfin- dungen in der Bevölkerung zu wecken, legt der Statistik wieder gewisse Beschränkungen auf. Es fallen die geschilderten Schwierig- keiten aber um so mehr ins Gewicht, als die Statistik in der Regel sich nicht mit der einmaligen Beobachtung und Erforschung der Thatsachen begnügen kann, sondern sie, um aus den ermittelten Thatsachen den ursächlichen Zusammenhang und den Grad der AVirkung der einzelnen Einfiüsse erkennen zu können, periodische Wiederholung der xlufnahmen fordern' mufs. Unter Berücksichtigung dieser Verhältnisse hat also die Statistik zu fragen, wie weit ihr Können geht und damit ihrem Gebiet all- gemein wie in den einzelnen Zweigen die äufseren Grenzen zu ziehen. Aber diese Grenzen sind nicht ein für allemal festgezogene. Nur das eine IMoment, die Natur des Objekts, erleidet in der Regel keine Veränderung und bleibt bestimmend für die Ausdehnung der Thätig- keit der Statistik; alle anderen sind variabel. Je nach der Wichtig- keit, welche der Staat der Statistik beilegt, werden die Mittel gröfsere. wird die Organisation und der ganze Apparat ein mehr oder weniger zweckmäfsig ausgestatteter sein ; je nach dem Verständnis, welchem die statistischen Arbeiten in den einzelnen Kreisen der Bevölkerung 347 — 28 — begegnen, werden die Sclnvierigkeiten wachsen oder abnehmen, und so kann das Gebiet der Statistik zwischen den verschiedenen Staaten ebensowohl, wie innerhalb desselben Staates zu verschiedenen Zeiten^ ein sehr voneinander abweichendes sein. Unter Berücksichtigung der ihrem Können gezogenen Schranken kann die Statistik nur bestimmen, welche besonderen Gebiete sie zu erforschen hat. Es ist sicher, dafs innerhalb dieser Schranken, die Bestimmung des Zieles und Inhaltes, der Aufgaben der Statistik derjenigen Wissenschaft zu überlassen ist, welcher vorzugsweise die Statistik als Hilfswissenschaft zu dienen hat. Die sozialen Wissen- schaften suchen in den von der Statistik erzielten Besultaten, indem sie dieselben mit den bisherigen Ergebnissen der wissenschaftlichen Forschung zusammenhalten, ebensogut die Beweise für die von ihnen verfochtenen Sätze wie neues Material zur Lösung ihrer Probleme. Indem der Statistiker nur im engen Anschlufs an die sozialen Wissenschaften an die Lösung der ihm gestellten Aufgaben heran- tritt, wirken in der That auch die von ihnen gestellten Forderungen, mittelbar wenigstens, bestimmend für ihn. Unmittelbar bestimmend sind aber diese Forderungen der Wissenschaft in der Regel nicht, vielmehr leitet sich die Entscheidung über die der Statistik zu stellenden Aufgaben im einzelnen als zeitlich und örtlich in ver- schiedenem Mafse sich aufdrängenden praktischen Bedürfnissen her. Aus solchen praktischen Bedürfnissen hervorgehend , hat die Statistik erst allmählich zu höheren, wissenschaftlichen Gesichtspunkten sich erheben können, hat sie zu dem sich heranbilden können, was sie im wesentlichen sein will , Dienerin und zugleich Führerin der sozialen Wissenschaften. Und dieser Prozefs vollzieht sich auch heute noch, wenn auch in modifizierter Form. Aus den sozialen AVissenschaften suchen sich zwar die Aufgaben der Statistik zu be- stimmen, al)er das Mafsgebende bleibt für die Anstellung statistischer Erhebungen das Auftreten praktischer Bedürfnisse, wobei nicht aus- geschlossen, in gewissem Sinne vielmehr bedingt ist, dafs dieselben sich mit den theoretischen teils decken, teils miteinander ver- knüi)fen nnd so durch die Statistik gleichmäfsig beide Befriedigung erfahren. Sind aber prakti sehe Bedürfnisse in erster Linie mafsgebend für die Vornahme statistischer Ermittelungen, so sind es vor allen anderen diejenigen des Staates. Nicht nur der Umstand, dafs die Massenbeol)achtungen , welche sich auf die Thatsachen in dem Kulturleben eines ganzen Volkes ausdehnen sollen , von einzelnen 348 — 29 — Personen nicht ausgehen können, dafs hierzu vielmehr ein vollständig organisierter Apparat notwendig ist, liat dazu geführt, dafs die Statistik im wesentlichen als amtliche oder staatliche Statistik arbeitet, sondern ebensosehr ist dies dadurch bedingt, dafs es ur- sprünglich überhaupt nur praktische Bedürfnisse der Staatsverwaltung waren, die Anforderungen statistischer Art stellten. Aber auch nur der Staat vermag diejenigen Veranstaltungen zu treffen, welche zur Anstellung ausgedehnter Erhebungen notwendig sind und er trifft sie, soweit er dabei seine eignen Zwecke verfolgt, die sich ihm aus dem Gesichtspunkt der Wohlfahrt der von ihm geleiteten Ge- sellschaft ergeben. Um die Wohlfahrt des Volkes zu fördern, mufs der Staat dieses selbst in seinem Zustande und Bedürfnissen kennen, mufs die Veränderungen, die sich in demselben fortdauernd voll- ziehen, verfolgen. Die Staatszwecke geben also die Richtung und das Mafs für die der Statistik zu stellenden Aufgaben und dies Mafs beschränkt sich durch den Umfang, in welchem der Staat auf das materielle und geistige Volksleben, auf die Gestaltung der ein- zelnen Erwerbszweige u. s. w. Einflufs zu nehmen genötigt oder ge- willt ist. Die Erkenntnis des Zustandes des Volkslebens in seinen einzelnen Teilen in Absicht der fördernden Einfiufsnahme auf seine Entwickelung ist ein Bedürfnis des Staates, welches durch die Sta- tistik befriedigt werden soll und zwar in dem durch die unmittelbar verfolgten praktischen Zwecke bedingten Mafse. Mit den von der Volkswissenschaft gestellten Anforderungen decken sich die staatlicherseits gestellten qualitativ, nicht aber quan- titativ. Denn während erstere genötigt ist, das Ganze der Be- ziehungen der einzelnen Teile des wirtschaftlichen Lebens zu ein- ander zu betrachten, und sie daher auch von der Statistik die Aus- dehnung auf alle jene Gebiete fordert; welche zur Erklärung der Lage und der sich vollziehenden Entwickelung des Wirtschaftslel)ens dienen können, beschränken sich die staatlichen Anforderungen darauf, diejenigen Thatsachen zu erforschen, deren Kenntnis sich unerläfslich erweist für die Vornahme gesetzgeberischer oder ad- ministrativer Mafsregeln. Nur soweit solche teils unmittelbar in Angriff genommen, teils für die Zukunft vorbereitet werden sollen, ist ein unmittelbares Interesse des Staates an der statistischen Er- mittelung vorhanden. Mit den vom privatwirtschaftlichen Standpunkt der Vertreter eines Erwerbszweiges gestellten Anforderungen decken sich die durcli Staatszwecke bedingten Forderungen nicht immer, weder qualitativ noch quantitativ. Dies kann nur dann der Fall 349 — 30 — sein , wenn die privatwirtschaftliclieii Forderungen auf richtiger volkswirtschaftlicher Erkenntnis beruhen , während von den staat- licherseits verfolgten Zielen unter allen Umständen angenommen wird, dafs sie durch volkswirtschaftlich richtige Erkenntnis und Be- gründung ihre Berechtigung darzuthun vermögen. Die Anwendung dieser allgemeinen Ausführung auf die Land- wirtschaftsstatistik führt uns zunächst das Verkehrte eines Vor- gehens vor Augen, welches von vornherein an einem festen Plan sich halten wollte, in welchem alle Beziehungen der Landwirtschaft zum wirtschaftlichen Leben des Volkes zur Geltung kommen sollten. Denn abgesehen davon, dafs man eine Anzahl von Erscheinungen mit hineinzuziehen suchte, deren Einflufs im Kulturleben zwar vorhanden ist, aber doch kaum gemessen werden kann und andere, deren Be- ziehung zur Landwirtschaft nur insofern vorhanden war, als sie sich in der Natur des Menschen überhaupt und somit auch des Land- wirtes, geltend machten, so übersah man einmal die der Statistik durch die berührten Umstände gezogenen Grenzen , zweitens die Frage, ob und welche praktischen Bedürfnisse des Staates vorhanden waren. Die Schwierigkeiten, welche bei den statistischen Aufnahmen zur Geltung kommen, sind bei der Agrarstatistik in mancher Be- ziehung in viel höherem Mafse vorhanden, als bei anderen Zweigen der Statistik, und nehmen naturgemäfs zu. je umfangreicher das Gebiet ist, welches man der Erforschung zu unterwerfen beabsichtigt. Vor allem ist es hier die Natur der Objekte und die Art ihrer Verbreitung, welche den Erhebungen Hindernisse ver- ursachen. Der Boden, das Substrat aller landwirtschaftlichen Thätig- keit, kann zwar unmittelbar angeschaut, aber quantitativ wie (juali- tativ doch nur nach Vornahme sehr umfangreicher Vorarbeiten er- mittelt und dargestellt werden. Seine horizontale Ausdehnung be- darf der Ausmessung, seine vertikale zu ermitteln, der Anstellung zahlreicher Boden])ohrungen. Die Bestimmung des Bodens nach seiner Beschaffenheit würde die Anstellung geognostischer wie agro- nomischer Untersuchungen unter Heranziehung der cliemischen und mechanischen Analyse bedürfen. Mit der Ausdehnung des Kultur- bodens über das ganze Land sind weiter die zahlreichen Betriebs- stätten ül)er dieses zerstreut und sie wieder sind unter sehr viele Besitzer verteilt. Gelingt es nun, sie nach Umfang und Verteilung zu erfassen, so entzieht sich das Mafs der Produktion der unmittel- baren Anschauung. Wollte man dasselbe aus dem Umfange der 3.50 — 31 — Kulturarten berechnen, so hindert dies zunächst die sehr ungleiche Verteilung derselben an den verschiedenen Erzeugungsstätten. — Es bedarf also auch hier der Ausmessung und der Ermittelung von Ort zu Ort. Sind aber diese Ermittelungen ausgeführt, so ist wieder ein Teil der erzeugten Produkte ziffermäfsig kaum erfafsbar, so be- sonders bei der tierischen Produktion. Schwieriger fast als auf anderen Gebieten erscheint auch die Erforschung im Hinblick auf diejenigen, an welche sich die Statistik zur Ermittelung der Thatsachen wenden mufs. Vielfaches Mifstrauen und geringes Verständnis sind zu überwinden: aber auch auf die Unmöglichkeit, Rede und Antwort zu stehen, trifft man. Denn keineswegs ist sich der Produzent in allen Fällen über die Faktoren seines Betriebes völlig klar. So vermag er häufig weder über Auf- wand noch über Ertrag andere Angaben zu machen, als solche ober- flächliche Schätzung und Mutmafsung. Gerade dies aber, dafs der Statistiker auf Schätzungen und annähernde Berechnungen hinge- wiesen wird, widerspricht dem Wesen der Statistik und zwingt die- selbe häufig genug, von der Erforschung bestimmter Gebiete ganz Abstand zu nehmen. Und wenn auch die Statistik auf dem Gebiete der Landwirtschaft in manchen Fällen der Schätzung nicht wird entbehren können, so kann sie dies doch nur dann, w^enn solche Faktoren für ihre Schätzung gegeben sind, die an sich mit Bestimmt- heit erfafst werden können, und gerade der Mangel an solchen ist es, dem die Statistik in der Landwirtschaft mehr begegnet als anderswo. Man wird, um die Aufgabe der Statistik im Hinblick auf die Landwirtschaft eines Landes bestimmen zu können . die Aufgabe der Landwirtschaft in der Volkswirtschaft in Betracht ziehen müssen. Wenn in der Volkswirtschaft als Kriterium jeder wirtschaft- lichen Thätigkeit ])etrachtet wird, dafs sie „Werte'' schafft, und wenn die Erzeugung von Werten im volkswirtschaftlichen Sinn nur dnnn stattfindet, wenn durch das Produkt ein über die aufgewendeten Kosten sich ergebendes ,,Mehr'^ erzielt wird, so mufs an die auf die Erzeugung landwirtschaftlicher Produkte gerichtete Thätigkeit die Anforderung gestellt werden , dafs auch sie in ihrer Gesamtheit Werte schaffe, dafs sie einen über das Mafs der aufgewendeten Produktionskosten hinausgehenden Ertrag gewähre. — Die im Grund und Boden eines Staates gegebene Güterquelle bietet sicli als vSub- strat derjenigen wirtschaftlichen Thätigkeit, welche in ihrer Gesamt- heit die Landwirtschaft ausmacht. Der Betrieb der Landwirtschaft 351 — 32 — tritt ein . um die von der Natur gebotene Güterquelle nutzbar zu machen, um durch Aufwand von Kapital und Arbeit Güter zu er- zeugen. Aber wie jede produktive Thätigkeit ist auch die landwirt- schaftliche wirtschaftlich nur dann berechtigt, wenn sie sich durch die Erzeugung eines über die aufgewendete Arbeit und Kosten hin- ausgehenden Ertrages bezahlt. Auf der anderen Seite liegt aber ein hohes Interesse des Staates, der Gesellschaft, vor, dafs die im Grund und Boden sich bietende Güterquelle stetige Ausnutzung erfahre. Nicht allein in der Möglichkeit, durch die landwirtschaftliche Thätigkeit Werte zu erzielen, ist die Bedeutung der Landwirt- schaft gegeben, sondern sie liegt auch in der besonderen Natur dieser durch sie geschaffenen Werte. Es sind jene Erzeugnisse pflanzlicher und tierischer Natur, durch die allein das erste und wichtigste Bedürfnis eines Volkes befriedigt werden kann, der Be- darf an Nahrungsmitteln. Zustand und Entwickelung eines Volkes sind von einer ausgiebigen Befriedigung dieses Bedürfnisses mit be- dingt; durch das Mafs der gebotenen Nahrungsmittel ward beides in hervorragender Weise beeinflufst. Im volksAvirtschaftlichen und staatlichen Interesse liegt es daher, dafs eine möglichst ausreichende Bereitstellung von Subsistenzmitteln erfolge, und dafs dazu auch in ausgedehntestem Mafse der eigne Grund und Boden eines Staates durch auf ihn verwendete Arbeits- und Kapitalsmengen dauernd herangezogen werde. An und für sich fällt nun diese Forderung mit derjenigen der Erzeugung w^irtschaft lieber Werte nicht zusammen. Von der Fürsorge für die Gesamtwohlfahrt des Volkes ausgehend, wird hier zunäclist nur die Menge der erzeugten Produkte ins Auge gefafst, ohne Rücksicht auf den bei der Erzeugung erzielten Überschufs. Produkte in der überhau2:)t erreichbaren flöhe aus dem Lande zu erzielen, und zwar unter der Bedingung der Dauer, ist eine Forderung, w^elche der Staat stellt, ohne dabei von vornherein auch durch die Frage mitberührt zu sein, ob der Landwirt mit mehr oder minder grofsem Gewinn für sich die Subsistenzmittel der Bevölkerung zu erbauen vermag. Der privatwirtschaftliche Stand- punkt des einzelnen Landwirtes ist freilich ein anderer. Er fafst den reinen Geldertrag ins Auge ; aber es ist mit Recht hervor- gehoben,^) dafs es sich bei Betrachtung des reinen Geldertrages um *) S. Hermann, Die Ernten im Kgr. Bayern, XV. Heft der Beitr. z. Statistik des Kgr. Bayern. München 1866, pag. 5. 352 - 33 - die ., Verteilung der liervorgehrachten , wirklich brauclibaren Dinge unter die einzelnen Klassen der Nation handelt'' und dafs hierbei sich ein Gegensatz der einzelnen Klassen herausbilden kannJ) Auch daraufist hingewiesen, dafs der Landwirt sich fragt, wieviel ihm nach Abzug aller Auslagen von dem gesamten Ertrage eines Jahres als Entgelt für die von ihm aufgewendete Arbeit, Kapital, Intelligenz u. s. w. als reiner Ertrag übrig bleibt, welcher Antheil, in Geld ge- messen, keineswegs immer an einen möglichst hohen Rohertrag ge- bunden ist. Denn wenn z. B. bei schlechter Ernte der Preis des Getreides steigt, so kann damit gleichzeitig der Reinertrag des Landwirts eine Vermehrung erfahren . während der übrige Teil der Bevölkerung ohne Zweifel unter solchen Verhältnissen leidet. Für den Landwirt kommt der Überschufs an Geld über die in Geld ge- messenen Auslagen unter allen Umständen in Frage und nur soweit sich der Erfolg seiner Thätigkeit dauernd, d. h. im Durchschnitt der Jahre, günstig stellt, hat er ein Interesse an der Bebauung des Landes. Dadurch gewannt aber auch die Frage nach dem Reinertrage für den Staat eine höhere Bedeutung. Denn ist die Ausbeutung des Landes davon abhängig, dafs dieselbe dem einzelnen Bebauer einen angemessenen Lohn seiner Aufwen- dungen bietet, und ist andererseits die dauernde Erzielung höchst möglicher Mengen von Produkten eine Forderung, die im Interesse der Wohlfahrt der Gesellschaft gestellt werden mufs, so fällt die volkswirtschaftliche und privatwirtschaftliche Forderung dahin zu- sammen^ dafs die Landwirtschaft dauernd die möglichst hoch st en Roherträge mit verhältnismäfsig geringstem Produktion sau fwande erziele. Ist dies die Aufgabe der Landwirtschaft, so wie des Staates, alle zur Lösung dieser Aufgabe dienenden Mafsnahmen ins Leben zu rufen und, sei es direkt kulturfördernd einzutreten und alles Kulturhindernde zu beseitigen, oder indirekt, soweit die Privat- initiative in Frage kommt, diese zu erleichtern und zu fördern. Die Beurteilung, w^o und in welchem Zeitpunkt hierzu die Notwendigkeit gekommen, soll für den Staat die Statistik ermöglichen, eine Auf- gabe, welche sie zu lösen hat, indem sie den Umfang, die Be- deutung und die Entwickelung der Landwirtschaft von dem Gesichtspunkt der dauernden Gewinnung des höchsten Ertrages zu erforschen sucht. ') Auch von Conrad hervorgehoLen. A. :i. 0., paof. 132. V 4 3 353 24: — 34 — Das Ziel der Agrarstatistik wurde aucli in den vorher schon besprochenen Programmen verfolgt. Aber wir sahen, dafs man dabei zuwenig zu unterscheiden suchte, was notwendig und was mög- lich sei zu erreichen. Gerade die Möglichkeit agrarstatistischer Ermittelungen, so fanden wir, ist eine durch Schwierigkeiten mancherlei Art eng begrenzte. Die Beachtung der vorhandenen Schwierigkeiten mufs zu dem Schlufs führen, dafs das Gebiet der Agrarstatistik zunächst nur ein beschränktes sein kann und dafs die Statistik eine Lösung der ihr gestellten Aufgabe weit mehr in der Beschränkung als in der Ausdehnung zu suchen hat. Dies um so mehr, wenn man daran festhält, dafs das Wesen der Statistik die zilfermäfsige Erforschung und Darstellung unter allen Umständen voraussetzt. Wie weit diese Beschränkung zu gehen hat. welche einzelnen Gebiete der agrarstatistischen Forschung unterworfen werden können, soll die Untersuchung über den gegenwärtigen Stand und die bisherigen Leistungen der Agrarstatistik erkennen lassen. Wenn wir uns dabei zunächst demjenigen Gebiet zuwenden, welches wir nach dem Vorgänge Conrads als das der landwirtschaft- lichen Produktionsstatistik bezeichneten , so erklärt sich dies genügend dadurch, dafs die Erforschung und Darlegung der Produktion doch unter allen Umständen den Mittelpunkt aller agrarstatistischen Bestrebungen bilden mufs. Soll die wirtschaftliche Bedeutung der Landwirtschaft und ihr Einflufs auf die gesamte Volkswirtschaft zur Darstellung gelangen, so mufs der Stand und Gang der Produktion zuvor bekannt sein. Wir haben zu untersuchen , wie weit hierüber die Agrarstatistik gegenwärtig schon Aufklärung zu geben vermag. — 364 II. Der gegenwärtige Stand der landwirtschaft- lichen Produktions-Statistik. A. Die Statistik der Protluktionsgrimdlage. Um den Stand der landwirtschaftlichen Produktion zu er- mitteln , hat die Statistik auszugehen von der Pr o d u k t i o n s - Grundlage, dem Boden. Auf diesem vollzieht sich die land- wirtschaftliche Thätigkeit und er bedingt, nach seiner Qualität. Lage u. s. w. die Art der letzteren, welche sich in dem Pro- dukt i o n s a u f av a n d , dem Aufwand an Kapital und A r h e i t ausdrückt. Das Zusammenwirken heider — der Produktionsgrundlage und des Produktionsaufwandes — ergibt die P r o d u k t i o n s r e s u 1 1 a t e. Die Ermittelung dieser drei Faktoren, welche, zunächst in ilirem absoluten Bestände und möglichst in ihren einzelnen Teilen er- forscht, demnächst unter dem Gresichtspunkt der Erziehung dauernd höchster Reinerträge ])etrachtet werden müssen, sollen erkenniMi lassen, welche Resultate überhaupt erzielt sind und wieweit si(' dem Aufwände einerseits, der Produktionsgrundlage und der ihr eigenen Produktionsfähigkeit andererseits entsprechen. Man kann zugeben, dafs mit der Beschränkung der Statistik auf diese Paktoren der Gang und die Entwickelung der Produktion und der Landwirtschaft eines Volkes nicht völlig erklärt zu werden vermag, dafs vielmehr zu ihrer Beurtheilung die Beachtung des ge- samten wirtschaftlichen Lebens stattfinden mufs. Denn nur unter Berücksichtigung des materiellen und geistigen Kulturzustandes, der Art und des Umfanges der Verkehrsmittel, des V^olkscharakters, 355 — 36 — der politischen und reclitliclien Stellung der Bevölkerung u. s. w. mag auch die volle Bedeutung der Landwirtschaft gewürdigt werden. Es ist daher auch erklärlich, wenn eine Beschreibung der Land- wirtschaft auf diese gesamten Beziehungen Bücksicht zu nehmen ge- zwungen ist. Gegenstand agrarstatistischer Ermittelung können diese Beziehungen, deren Einflufs sich zwar auf das gesamte wirt- schaftliche Leben des Volkes erstreckt, während das auf die Ent- wickelung der Landwirtschaft ausgeübte Mafs desselben nur ge- schätzt, nicht aber gemessen und ermittelt werden kann, nicht bilden. Zumal wenn es sich zunächst nur um die Ermittelung des Standes und des Ganges der Produktion handelt. Gegenüber denjenigen Faktoren, welche vorzugsweise bedingend für die Er- zeugung landwirtschaftlicher Produkte sind, treten die mehr mittelbar und zum Teil, wie schon bemerkt, in ihren Wirkungen kaum mefs- bar einen Einflufs übenden Verhältnisse an Wichtigkeit weit zurück. Kann daher eine Beschreibung der Landwirtschaft eines Volkes auch des Eingehens auf die allgemeinen Beziehungen der Land- wirtschaft und der landbautreibenden Bevölkerung zu dem ge- samten wirtschaftlichen Leben nicht wohl entraten, so fallen die hierzu nötigen Aufgaben der Statistik doch nicht unmittelbar in das Gebiet der Agrarstatistik. Diese hat vielmehr die Kenntnis dieser Beziehungen allgemein als vorhanden vorauszusetzen. Es existieren aber allgemeine natürliche Bedingungen, welche auf die landwirtschaftliche Thätigkeit einen vorwiegenden Einflufs ausüben und den Erfolg derselben nicht selten ausschliefslich be- dingen (orographische Lage, Wasserverhältnisse, Klima). Hier wird sich die Frage erheben, ob die Kenntnis dieser allgemeinen Be- dingungen durch die Agrarstatistik vermittelt werden müsse. 1. Allgemeine natürliche Bedingungen. Gehen wir auf die einfachen Vorgänge der landwirtschaftlichen Produktion zurück, so gruppiert sich die Statistik derselben in An- lehnung an die drei wirtschaftlichen Produktionsfaktoren — Natur, Kapital, Arbeit — aus deren Zusammenwirken als Effekt die Menge der erzeugten Produkte sich ergibt. Indem wir von der Natur aus- gingen, bezeichneten wir den Boden als die Produktionsgrundlage. Man würde aber, wenn man hieraus folgern wollte, dafs die Pro- duktionsstatistik sich bei der Heranziehung des Faktors „Natur^^ 356 — 37 — lediglich auf den Boden und seine Eigenschaften zu heschränken hahe , mit Recht einwerfen können , dafs daneben doch eine Reihe von allgemeinen natürlichen Bedingungen existieren, welche auf die landwirtscliaftliche Thätigkeit einen vorwiegenden Einflufs aus- üben. Man wird mit Reclit hinweisen auf die Oberflächengestaltung, die orographische Lage, die Wasserverhältnisse, das Klima, welche hierbei besonders in Betracht kommen, und es fragt sich, wie die Agrarstatistik sich zu der Notwendigkeit der Vermittelung der Kenntnis dieser allgemeinen natürlichen Bedingungen zu stellen hat? Ohne Zweifel ist die Möglichkeit und der Erfolg landwirtschaft- licher Thätigkeit durch die gegebenen natürlichen Anlagen und Eigentümlichkeiten einer Gegend bedingt. Auf dem Boden als Grundlage vollzieht sich die landwirtschaftliche Thätigkeit; aber die Möglichkeit und Grenze der Benutzung hängt neben der Qualität des Bodens von seiner Flächengestaltung, seiner Lage zu den vor- handenen Wasserläufen und der Natur dieser letzteren selbst, und von den jeweiligen klimatischen Verhältnissen ab. Nur wenn diese bekannt sind, ist es möglich, unter Berücksichtigung der natürlichen Beschaffenheit des Bodens seine Produktionsfähigkeit zu beurteilen. Weil der Einwirkung des Menschen entweder vollständig (klimatische Verhältnisse, orographische Lage) entzogen oder doch nur in geringem Mafse derselben zugänglich (Wasserverhältnisse) und daher im wesentlichen unveränderlich, genügt es aber, diese allgemeinen Bedingungen, unter denen sich die Produktion eines Landes zu vollziehen hat, einmal zu konstatieren. Kaum aber dürfte dies in das Gebiet der Aufgaben der Landwirtschaftsstatistik fallen Diese wird vielmehr in der Lage sein, hier mit einer schon ge- gebenen Kenntnis rechnen zu können. Kann doch kein Staatswesen einer allgemeinen Kenntnis des Landes entraten. und wird es, wenn diese erzielt werden soll, die erste Aufgabe sein, die Ausdehnung und orographische Beschaffenheit des Landes gleichzeitig mit den allgemeinen natürlichen Bedingungen, unter denen das Land sich dauernd befindet, kennen zu lernen. So sind es topographische, hydrographische, klimatologische Untersuchungen, denen die Er- forschung und Darstellung dieser allgemeinen Bedingungen zu über- lassen ist, die aber auch in der Regel in so genügendem Mafse schon vorhanden sind, dafs sie zu den Zwecken einer Beurteilung der Landwirtschaft eines Landes hinreichend genügen. Nur in einer Richtung könnte man eine ])esondere Aufgabe der Landwirtschaftsstatistik auch gegenüber den allgemeineren natür- 357 — 38 — liehen Bedingungen erkennen, nämlich soweit es sich um den Gang der Witterung handelt. Sind jene klimatischen Bedingungen, die man unter der ..klimatischen Lage*' einer Örtlichkeit zusammen- fafst. auch durch die allgemeinen klimatologischen Untersuchungen festgestellt, so wird daneben für die landwirtschaftliche Produktion der ..Gang der Witterung*' in einer bestimmten Periode von be- sonderer Bedeutung. Denn wie durch die klimatische Lage über- haupt die Produktion nach ihrer Art und Ausdehnung bedingt ist, so hängt die Produktion eines Jahres von dem Verlauf der Jahres- witterung ab. Statistische Ermittelungen über die Produktion eines Jahres müssen daher an der Hand der Aufzeichnungen über den Gang der Witterung beurteilt werden. Ob aber auch die Auf- zeichnung selbst Aufgabe der Agrarstatistik zu sein hat, mufs doch fraglich erscheinen. Schon deshalb . weil zur beständigen Beob- achtung der auftretenden Witterungserscheinungen es eines Xetzes von mit allen erforderlichen Apparaten ausgerüsteten Beobachtungs- stationen bedarf, welche nicht wohl in die Organisation der Agrar- statistik sich einfügen lassen. Wohl aber ist es geboten, gleich- zeitig mit der Publikation der Ertragsermittelungen Veröffent- lichungen über die durch die meteorologischen Beobachtungen ge- lieferten Aufzeichnungen erfolgen zu lassen, um den Einüufs der Jahres Witterung auf die Jahresernten ersichtlich zu machen. Vom Standpunkte der landwirtschaftlichen Produktionsstatistik hat man dazu an die Anstellung meteorologischer Beobachtungen und Auf- zeichnungen auch bestimmte Anforderungen zu stellen. Ein wesent- liches, an die meteorologischen Ermittelungen zu stellendes Er- fordernis ist, dafs Temperaturen. Niederschläge etc. nicht etAva nur in Ja h r e s m i 1 1 e 1 n dargestellt werden, sondern in solchen Zwischen- räumen , welche den Gang der Witterung während der einzelnen Vegetationsperioden zur Erscheinung zu bringen und deren Eintiufs auf die Vegetation sowohl wie auf die Vornahme landwirtschaft- licher Arbeiten zu beurteilen gestatten. Mit Recht wird gefordert,^) dafs in den betreffenden Publikationen (seien es graphische Dar- stellungen oder tabellarische Nach Weisungen) die Mittel wenigstens für 4 Jahreszeiten, daneben aber auch die Extreme der meteoro- logischen Erscheinungen, die Häufigkeit und Dauer ihres Ein- tretens (extreme Temperaturen , Dauer von Dürreperioden . Dauer und Mächtigkeit der Schneedecke etc.) zur Mitteilung gelangen. ') Lorenz. Die Bodenproduktion auf der Wiener Ausstellung vom Jahre 1873. Bd. I. pag. 20. 358 -^ 39 — Verfolgt man die statistischen Aufzeichnungen der verschiedenen Länder, so hemerkt man wohl, dafs in einzelnen Ländern wohl die hier gestellten Forderungen Berücksichtigung erfahren. Selten aher findet man eine geeignete Verbindung der Resultate meteorologischer Beobachtungen mit denjenigen agrarstatistischer Erhebungen. Uns ist dies in einer den Bedürfnissen entsprechenden Weise nur in der österreichischen Statistik^) begegnet, in welcher die ge- lieferten Übersichten über den Gang der Witterung gleichzeitig mit den 14tägig gelieferten Saatenstandsberichten zur Kontrole über die jährlichen Ernteberichte dienen. Von deutschen Staaten hat Sachsen in den Mitteilungen des Landeskulturrats -) diesen AV^eg gleichfalls seit einigen Jahren beschritten, während in den übrigen zwar meteoro- logische Beobachtungen angestellt werden, deren Ergebnisse aber in für die allgemeine Benutzung kaum zweckmäfsig angeordneten und auch wenig zugängigen tabellarischen IJbersichtswerken begraben bleiben. 2. Der Boden nach seiner Beschaffenheit. Der, aller landwirtschaftlichen Thätigkeit als Substrat dienende Boden ist zunächst seiner Beschaffenheit nach zu ermitteln. Diese beruht auf der Natur und Art der den Boden bildenden Be- standteile, ist aber auch durch andere Bedingungen, insbesondere durch die Wasserverhältnisse, beeinflufst. Nur nach den einen Boden zusammensetzenden Bestandteilen beurteilt . würde man die geognostische Beschaffenheit im Gegensatz zur agrono- mischen, welche auch die nicht lediglich durch die Bodenbestand- teile bedingte physikalische Eigenart mit in Betracht zieht, zu unter- suchen haben. Und es ist gewifs für die Beurteilung eines Bodens nicht ohne Wert, seine geognostische 'Abstammung zu kennen, ihn als Verwitterungsprodukt eines geognostisch für sich genau be- stimmten Bodengebildes aussprechen zu können. Li vielen Fällen wird die Ackerkrume der den Untergrund bildenden Fels- oder Bodenart entsprechen ; allein es decken sich keineswegs immer die Verwitterungsböden mit ihren Urgesteinen auch in räumlicher Be- grenzung, noch treffen die Verwitterungsböden derselben Urgesteine in ihrer Art, in ihrem chemischen Verlialten und den physikalischen Eigenschaften überein, vielmehr ist der Wechsel in Vegetationsböden ^) Statist. Jahrbuch des k. k. Ackerbauministeriums 1874. ') S. u. a. sächs. landw. Zeitschrift. Amtsblatt des Landeskulturrats und der landwirtschaftlichen Vereine im Kofr. Sachsen. 1886. Nr. 46 pag. 707 tf. 359 - 40 — ein so grofser und die Bodenbildung durch so viele EinHüsse ver- schiedener Art mitbedingt, dafs allein aus geognostischer Feststellung des Bodengewichtes ein Schlufs auf die agronomische Bedeutung des Bodens nicht möglich ist. Am wenigsten kann dies der Fall sein, wo der Boden angeschwemmt und in seinen Lagerungsverhält- nissen sowohl wie in seiner horizontalen Erstreckung aufserordent- liche Verschiedenheiten aufweist. Geognostische Untersuchungen und kartographische Darstellung dieser Verhältnisse sind daher für die Landwirtschaft irrelevant oder doch von entsprechend geringer Bedeutung, wenn solche nicht gleichzeitig mit der Untersuchung der agronomischen Beschaffenheit des Ober- und Untergrundes Hand in Hand geht. Rein geognostische Bodenaufnahmen und Kartirungen haben in den verschiedenen Staaten schon seit geraumer Zeit stattgefunden, sie haben sich aber im wesentlichen an die Landstriche mit ge- birgigem Charakter oder solchen, die für die Gewinnung von berg- männischen Produkten von Literesse waren, gehalten, während den Schwemmlandbildungen (Diluvium und Alluvium) entweder gar keine oder nur sehr geringe Beachtung zu teil wurde. ^) Solche Karten waren aber, abgesehen davon, dafs in ihnen nur geognostische Merk- male Berücksichtigung erfuhren, schon dadurch weder geeignet, zur Beurteilung der Landwirtschaft einer Gegend als Hilfsmittel zu dienen, noch irgend welchen praktischen Zwecken nutzbar gemacht zu werden, weil sie, als Landeskarten, einen sehr kleinen Mafsstab wählten, welcher nur die Aufführung der allgemeinen geologischen Gliederung gestattete. — Nicht wesentlich mehr erhellt aus solchen Karten, welche zwar ihrer Natur nach auch noch als geologische Karten aufzufassen sind, in denen aber durch Zusammenfassung ge- ') cf. Dr. H. Grüner: Landwirtscliaft und Geologie. Berlin. 1879. In Preul'sen war der erste Versuch einer genauem Erforschung des Schwemm- landes durch V. Bennigsen-Förder (geognostische Karte der Umgegend von Berlin 1843) gemacht. — Vollkommnere Karten sind die seit 1867 in AngriÜ" ge- noninienen geologischen Karten der Provinz Preul'sen (im Auftrage der kgl. physikal. ökon. Gesellschaft in Königsberg von D r. Berendt, später von Dr. Jen tz seh, bearbeitet). — Eine umfassende geologische Untersuchung und Kartierung erfolgte in den Niederlanden (gcol. Karte der Niederlande von Staring), worin zwar auch auf die agronomische Beschaffenheit des Bodens noch nicht Kücksicht genommen war, welches Werk aber dadurch von Interesse ist, dafs es zur Unterlage einer graphischen Darstellung der landw. V'erhältnisse in den Niederlanden benutzt wurde, (cf. Laudliouw-Kaitf van Nederland door Dr. W. G. H. Staring, Gravenhage 1869.) 360 — 41 — wisser für die Bodenkultur gleichwertiger Gebilde und durch Ausweisung der Hauptbodenarten des Schwemmlandes (Sand, Thon, Lehm, Löfs) gewissen agronomischen Gesichtspunkten Rechnung getragen wurde, Karten, die nicht auf besonderer geologisch-agronomischer Unter- suchung beruhten, sondern vielmehr Versuche darstellten, unter Benutzung vorhandener geologischer Karten und unter Heranziehung anderer, die agronomische Beschaffenheit andeutender Merkzeichen ein die landwirtschaftliche Bedeutung eines Landes charakterisieren- des Werk zu schaffen. Von einer Darstellung der Ackerkrume, des Vegetationsbodens mit ihren vielfachen Abstufungen und wechselnden Eigentümlichkeiten konnte bei diesen Karten keine Rede sein. ^) Landwirtschaftlich von Bedeutung und damit auch für agrarstatistische Zwecke benutzbar, wurden diese ganzen Bestre- bungen erst von dem Zeit2)unkte, wo man eine prinzipielle Verbin- dung geologischer Aufnahmen mit solchen über die agronomische Beschaffenheit des Bodens eintreten liefs. In Preufsen haben zuerst die zunächst nur probeweise unternommenen Versuche -) zu einem Vorgehen in dieser Richtung geführt. In der Erkenntnis des engen Zusammenhanges der Oberkrume mit dem Untergrunde und des grofsen Einflusses, den die Natur des letzteren auf die Produktivität des Ackerbodens auszuüben vermag, suchte man durch besondere geologisch -agronomische Karten gleichzeitig die geologische und agronomische Beschaffenheit des Landes zur Anschauung zu bringen. Nach mehrjährigen Verhandlungen einer besonders dazu eingesetzten Kommission und solchen des preufsischen Landes-Okonomie-Kolle- giums gelangte man zu einem befriedigenden Resultat. ^) In einem ^) Karten dieser Art sind: die Generalbodenkarte der im Reichsrat ver- tretenen Länder der österreichischen Monarchie: Mafsstab 1 : 2.150000. (Aus dem Atlas der Urproduction Österreichs von Dr. Lorenz von Lieburnau.) — Ferner: Meitzens Bodenkarte aus dem Atlas zu seinem Werke „der Boden und die Landwirtschaft des preufsischen Staates*'. -) Bodenkarten des Erd- oder Schwemmlandes und des Felslandes der Um- gegend von Halle von Major a. D. v. Ben nigsen-För der. Halle 1864 — 67. Herausgeg. 1876. Es waren dies die ersten geognostisch- agronomischen Auf- nahmen, welche die Anregung zu dem weiteren Vorgehen in Preufsen gaben. — Weiter sind zu erwähnen: ..Rüdersdorf u. Umgegend." Auf geognostischer Grund- lage agronomisch bearbeitet von Prof. Dr. A. Orth. Berlin 1877. sowie die: Ge- ognostisch-agronomische Karte der Feldmark Rittergut Friedrichsfelde bei Berlin, entw. und aufgen. von Prof. Dr. A. Ürth, Berlin 1875. ^) Geologische Karten von Preufsen und den thüringischen Ländern, heraus- gegeben durch das kgl. preufs. Ministerium der öffentlichen Arbeiten. — Es ist zu bemerken, dafs die landesgeologische Aufnahme sich bis jetzt nur auf einen 361 — 42 — Mafsstabe ausgefülut. der auch noch für die einzelne Besitzung die Verwertung der Karten gestattet, wird bei denselben zwar auch noch die geologische Bedeutung in den Vordergrund gestellt. Allein die agronomische Bescliaffenheit wird durch zahlreich angestellte Bohrungen, welche die Stärke der Acker-Ober- und Unterkrume, und Stärke und Art der unmittelbar unterliegenden Schichten des Untergrundes erkennen lassen, sowie durch die Unterscheidung nach, den Haui)tbodengattungen (Sand, Lehm, Thon. Kalk, Humus und deren Mischung als lehmiger Sand, sandiger Lehm, humoser lehmiger Sand u. s. w.) in genügender Weise charakterisiert. Auch die ge- wählte Art der kartographischen Darstellung, in dem für die geo- logische Beschaffenheit des Untergrundes bestimmte Farbenbezeich- nung, für die agronomische Beschaffenheit, für die Art und Stärke der für die Bodenkultur wichtigen Schichten, graphische Bezeichnung unter Anwendung bestimmter Zeichen und Zahlen gewälilt wurde, ist eine solche, dafs eine zweckmäfsige Benutzung des Werkes möglich ist. — Mag man, wie dies in verschiedenen Verhandlungen des Ökonomie-Kollegiums zu Tage trat, über die Art der Ausführung, über das Vorwiegen geologischer Gesiclitspunkte über nicht ganz zweckmäfsige, die agronomische Bedeutung der Karten abmindernde Unterscheidung und Bezeichnung der Bodenarten noch verschiedener Ansicht sein, so ist doch die Thatsache, dafs hiermit zum ersten j\Iale ein Werk geschaffen ist, welches eine hinlängliche Beurteilung der Qualität des Bodens gestattet, und welches, einmal für den ganzen Staat hergestellt, eine wichtige Grundlage und Handhabe bietet, die durch andere agrarstatistische Erhebungen festgestellten Thatsachen teils selbst zu erklären, teils in Verknüpfung mit ihnen den Entwickelungsgang der Landwirtschaft mit Erfolg zu beurtheilen, von grofser Bedeutung. Wenn auch nicht eine vollständige, so wird doch eine hinreichend genügende Kenntnis derjenigen ^Fomente, von denen Existenz und Gedeihen der landwirtschaftliclien Pflanzenpro- duktion zum grofsen Teil abhängt, erzielt. Für einzelne praktische Mafsnahmen der Landwirte gewälirt /.udeni die geologisch-agrono- mische Landesaufnahme und deren kartographische Publikationen ein Hilfsmittel, welchem unter der Voraussetzung, dafs jeweilig noch genauere, auf die physikalische und chemische Natur des Bodens kleinen Teil Preulsens hat erstrecken können, sowie dafs die Verbindun«,-- niit agrononüschen Intersuchungen sich zur Zeit um- auf i]\f> d^ni norddeutschen Schwemmlande angehörigen Sektionen erstreckt. 362 - 43 - und auf die Ertragsfälligkeit desselben mehr Rücksiclit nehmende Beobachtungen des Einzelnen stattfinden, eine hohe jiraktische Be- deutung nicht abzusprechen ist. Dafs man es vorgezogen hat, die agronomische Charakterisierung des Bodens bei der geologischen Landesaufnahme auf einzelne chemisch-physikalische Bestimmungen zu begründen, statt dieselbe nach einer ökonomisch-technischen Methode vorzunehmen, ist ein im Hinblick darauf, dafs dabei subjektive An- schauungen an Stelle objektiver Beurtheilungsmomente würden ge- treten sein, nur zu billigendes Vorgehen, ^j Wie bei den allgemeinen Produktionsbedingungen, so hat auch hinsichtlich der Feststellung der B o d e n q u a 1 i t ä t die Agrarstatistik nicht unmittelbar praktische Aufgaben zu lösen. Aber die stattge- fundenen Untersuchungen bilden eine wertvolle Ergänzung ihrer Arbeiten; sie hat dieselbe zu benutzen und wir werden an einer anderen Stelle sehen, wie gerade die Feststellung der agronomischen Beschaffenheit des Bodens für die agrarstatistischen Erhebungen von Bedeutung w^ird. 3. Der Boden nach seiner Benutzungsart. Einen allgemeinen Überblick über die landwirtschaftliche Pro- duktion eines Landes bietet die Kenntnis der Ausdehnung der ver- schiedenen Kulturarten. Läfst die Erforschung des Bodens nach seiner agronomischen Beschaffenheit ein Urteil über seine Be- nutzungsfähigkeit zu, so gewährt das weitere Eindringen in die thatsächlich gegebene Art der Benutzung die Möglichkeit der Beurteilung, ob die Benutzung des Landes der gegebenen Be- nutzungs- und Produktionsfähigkeit angepafst ist. ') Dafs der in Preufsen eingeschlagene Weg mit Erfolg auch anderswo beschritten wird, zeigen die landesgeologischen Aufnahmen im Kgr. Sachsen, wo unter Leitung des Prof. Credner eine gesonderte Publikation der gemeinsamen geologischen und agronomischen Aufnahmen erfolgen soll. — Eine bemerkens- werte Arbeit gleicher Art, welche namentlich eine besondere Berücksichtigung der agronomischen Verhältnisse erkennen läfst, ist in der „geologischen Karte der Umgegend von Strafsburg i. E. mit Berücksichtigung der agron. Verhältnisse" — Strafsburg 1883 (Mafsstab 1 : 25000) — gegeben. — Eine carte agronomique des environs de Paris, par M. Delesse (dress^e avec l'autorisation du ministre de la guerre sur la carte topographique de l'etat major) kann, auch abgesehen von anderen Mängeln, nicht den gleichen Anspruch auf Zweckmäfsigkeit erheben, wie diejenigen Preufsens, da sie lediglich den Obergrund (bis 0,30 m) berücksichtigt, den Unter- grund dagegen völlig aufser acht läfst. 363 — 44 — Auch bezüglich der Verteilung des Bodens nach den grofsen Kategorieen der Kultiirarten (Acker. AViese, Weide, Wald etc.) wird in der Regel die Agrarstatistik eines Landes in der Lage sein, mit schon gegebener Kenntnis rechnen zu können, so dafs an dieselben besondere Anforderungen nicht gestellt zu werden brauchen. Nicht zwar, weil diese Ermittelung nicht von Wert wäre für die Agrar- statistik ; wir wiesen auf den Wert dieser Kenntnis schon hin, die für die Beurteilung landwirtschaftlicher Produktionsverhältnisse ganz unerläfslich ist. AVill man einen Beurteilungsmafstab für die das Endglied der produktionsstatistischen Erhebungen bildenden Nachweise über die Produktionsresultate gewinnen, so mufs man in der Lage sein, den Produktionsmengen auch die Flächen, von denen produziert wurde, gegenüberstellen zu können. Dazu würde man sich begnügen können mit der Feststellung der Ausdehnung der der landwirtschaft- lichen Benutzung unterworfenen Flächen. Will man gleichzeitig aber auch die Möglichkeit gewinnen, die thatsächliche Art der Be- nutzung und die Flächenausdehnung der verschiedenen Kulturarten der durch die agronomisch-geognostischen Feststellungen gekenn- zeichneten Benutzungsfähigkeit vergleichend' gegenüber zu stellen, so ist die Beschränkung auf die rein landwirtschaft- lich benutzten Flächen auch für die Agrarstatistik eine zu enge. Sie hat neben Acker, Wiese und Weide auch die der Garten- kultur, dem Weinbau, der Forst nutzung unterworfenen Ländereien in Betracht zu ziehen und darf auch nicht unterlassen, die von Gewässern, Haus- und Hofräumen, Wegen und schliefslich von Od- und Unland eingenommenen Flächen den von den ver- schiedenen Kulturarten eingenommenen gegenüberzustellen. Die Agrarstatistik ist, so erwähnten wir, hierbei in der Regel von anderen Nachweisungen unterstützt und eigene Aufgaben sind ihr zum Teil ganz erspart. Die Ermittelung der verschiedenen Be- nutzungsarten des Ackers ist überall da ohne besondere Erhebung gestattet, wo zu steuerlichen Zwecken Katasterwerke zur Ausführung gelangt sind. Freilich handelt es sich nicht lediglich um eine ein- malige Feststellung, sondern, da iVw in Frage kommenden Ver- hältnisse in fortwährendem Flufs begrift'cn sind, da Ackerboden zu AViesen und umgekehrt, Waldland zu Acker und umf:cekehrt ver- wandelt wird, andere Teile des Landes der Kultur gänzlich entzogen, werden, (so durch Bebauung, Anlage neuer Verkehrswege etc.) so muTs eine in Zwischenräumen sich wiederholende Ermittelung der 364 — 45 — eingetretenen Umänderungen stattfinden. Auch diese wird aber dort unnötig sein, wo eine beständige Fortschreitung und Evidenzhaltung des Katasters vorgesehen ist, oder eine periodisch stattfindende Re- vision an deren Stelle tritt. Wo freilich Katasterwerke nicht vor- handen, würde der Agrarstatistik die Aufgabe zufallen, auch diese Verhältnisse zu erforschen. Ein Überblick über die betreffende Statistik der einzelnen Länder läfst dieselbe nicht gleichwertig erscheinen. So zunächst in Bezug auf die Unterscheidungen der einzelnen Benutzungsarten des Bodens. In Preufsen läfst nach den behufs Veranlagung zur Grundsteuer gemachten Nachweisen sich von der Gesamtfläche, die der Haus- und Hofräume sowie der Hausgärten , die des Acker- landes, der Gärten, Wiesen, Weiden, Holzungen, des Wassers, des Od- und Unlandes und der zu öifentlichen Zwecken dienenden er- traglosen Grundstücke aussondern. Auch in den übrigen deutschen Staaten lassen sich, soweit ähnliche Katasterwerke vorhanden, der- artige Ermittelungen vornehmen. Für Beurteilung der gesamten deutschen Verhältnisse mufste sich allerdings ein Mangel fühlbar machen, da einerseits die Kataster werke der einzelnen Staaten nicht auf gleicher Grundlage aufgebaut waren, namentlich auch bei der begrifflichen Bestimmung und Auseinanderhaltung der verschiedenen Kultur- und Benutzungsarten von verschiedenen Gesichtspunkten ausgingen und andererseits in manchen deutschen Staaten solche Katasternachweise überhaupt auch nicht vorhanden waren. Die für Deutschland ins Leben gerufene Statistik der Bodenbe- nutzung und des Anbaues hat diesem Mangel endgiltig abge- holfen. Diese Erhebung (soweit sie als Statistik des Anbaues der verschiedenen Fruchtarten in Betracht kommt, werden wir auf die- selbe später einzugehen haben) läfst gleichfalls gegenüber den land- wirtschaftlich benutzten Flächen (den Acker, Gärten. Wiesen- und Waldländereien) die von Forsten und Holzungen, Haus- und Hof- räumen, Od- und Unland, Wegeland und Gewässern eingenommenen Flächen erkennen. Wenn auch diese Erhebungen nicht auf Ver- messung beruhen, deren Ergebnisse sie nur dort, wo Vermessungen zu Katasterzwecken stattgefunden hatten, als Kontrole ihrer eigenen Resultate benutzen, dürfen gleichwohl dieselben als mindestens ebenso genaue bezeichnet werden, wie diejenigen, welche sich an die Angaben der Katasterwerke halten. Denn nicht, dafs diese auf Vermessung beruhen, ist immer bezeichnend auch für die Genauigkeit ihrer Angaben. Wir erwähnten schon, dafs es sich darum handele, 3G5 — 46 — eine stete Fortschreibung der Veränderungen vorzunehmen, um die faktischen Benutzungsarten der Flächen in einem bestimmten Zeit- punkt festzustellen. Wo dies nicht der Fall . wird eine nach Art der deutschen Erhebung über die Bodenbenutzung stattgefundene Ermittelung denselben Anspruch auf Vollständigkeit erheben können, wie solclie, die auf ältere Katasternachweisungen zurückgreifen müssen. — In Osterreich ') ist eine Sonderung des Ackerlandes, der Wiesen, Weiden, Gärten, Weinberge und der Waldungen demnach ohne Berücksichtigung des unproduktiven und öffentlichen Zwecken dienenden Landes, in Ungarn -) eine solche des Ackers, der Wiesen, Weiden, Waldungen, Rohrbestände und des unproduktiven Landes m()glich. Ob hier die für die Landesproduktion doch sehr erhebliche Weinkultur unter der Ackerkultur mit einbegriffen ist. vermochten wir nicht zu ermitteln, doch scheint die Annahme gestattet, zumal wenn man beachtet, dafs die, für die Produktion gewifs nicht die gleiche Wichtigkeit l)esitzenden Rohrbestände eine besondere Be- rücksiclitigung erfuhr. In Belgien") ist die etendue cadastrale der Totalfläche gegenübergestellt und von ersterer die gewöhnlichen Kulturen, Wälder und unproduktiven, dem Staat, den Kommunen und anderen Etablissements gehörigen Ländereien getrennt nach- gewiesen; die alle 10 Jahre stattfindende Erhebung über die Be- nutzung des Ackerlandes gestattet, eine genauere Trennung vorzu- iiphrnen. Schweden'^) stellt die Zahl der unites cadastrales auf dem Lande und in der Stadt der Ausdehnung des landwirt- schaftlich l)enutzten Bodens gegenüber und trennt letzteren nach der FHiche der bestellten Felder, der natürlichen Wiesen, und der AVälder fdas unproduktive oder zu öffentliclien Zwecken l)enutzte Land, die Haus- und Hofrjlume etc. ))leiben demnacli unberück- sichtigt). Die Statistik der Niederlande'') weist eine genauere Unter- scheidung der unbebauten Ländereien, der (Trewässcr und ^Foore, dor Deiche und Wege, anderer öffentlicher Ländereien, des pflug- ') J)i«' (lefinitivon Erfrclinisse der (Truiidsteuorropi^clunfj in (Jsterreirh von V. Inama-Sternejrg. Statist. iMonatssclirift X, Wien 1884. -) Statist. .Jahrl)uch für l-ngrarn. .lahrnfan^ 1875. Ano-alKii nach der im Jahrn 187<» vollendeten Kata.sterrektifikation. ■'') Statist, pfi'nerale. Bulletin d«; la coniniission centrale de statisque. Tome XIV. Bru.xelies 1881. Aus dem Bericht über die im Jahre 1880 vorzunehmende Enquete. *) HidrajT tili Swerip|-es officiela Statistik, .lordhruk och Bokskap]»skätsel. . ^') K^'sum«' statisticjue pour le Royaumc des Pays-has. 18.50—83. XJV. Publication de la societe de statistique de Pays-bas. Nr. 2. La Haye 1884. 366 — 47 — fähigen Landes, der Wiesen, Gärten, Obstgärten, Wälder auf, eine Nachweisung, welche wohl die gesamte Fläche vollständig umfafst. Frankreich ^) endlich trennt die ganze steuerpflichtige Fläche nach folgenden Unterscheidungen: 1. Ländereien erster Qualität fObst- gärten, Hanffelder, Gärten etc.). 2. Pflugfähiges Land und solches, welches wie dieses geschätzt ist (pflugfähiges Land, bepflanztes, be- bautes Land , Teiche , Kanäle , Baumschulen ^ Eisenbahnen etc. j. 3. Wiesen und Grasland. 4. Weinberge. 5. Wälder. 6. Heiden, Weide und andere nicht kultivierte Ländereien (auch wüste). 7. Kulturen, die sich unter die vorher aufgeführten Gruppen nicht einreihen lassen. Wenn somit, wie es scheint, in den verschiedenen Ländern Ausweise über die Verteilung der Flächen nach den allgemeinen Kategorieen ihrer Benutzungsart vorhanden sind, so ist damit noch nicht gesagt, dafs diese Ausweise auch den thatsächlichen Verhält- nissen überall entsprechen. Das hängt von dem Grad der Genauig- keit ab, der den einzelnen Erhebungen eigen ist, und wir führten schon an, dafs Idnreichende Genauigkeit nur da vorausgesetzt werden könne, wo die einmal stattgefundenen Vermessungen eine fortlaufende Ergänzung durch Nachtrag der eingetretenen Veränderungen er- fahren. Wo sich dies auf eine periodisch eintretende Revision be- schränkt, hat man in den in die Periode hineinfallenden Jahren nicht einmal immer mit annähernder Genauigkeit zu rechnen. Aber auch dort , wo die höchste Genauigkeit nach Art des Vermessungs- und Erhebungsverfallrens zu erwarten ist, ist eine Sicherheit, dafs der thatsächliche Zustand, wie er für die Beurteilung der landwirtschaft- lichen Produktionsverhältnisse bekannt sein mufs, ermittelt sei, nicht gegeben. Denn die Katasterverraessungen , von steuerflskalischen Gesiclitspunkten ausgehend, können in der begrifi'lichen Auseinander- haltung der einzelnen Benutzungsarten von derjenigen agrarstatisti- scher Erhebungen leicht abweichen. So ist es fraglich , ob unter Ackerland das immer gemeint ist, was der Benutzung durch Ackerbau in einem gegebenen Zeitpunkt thatsächlich unterliegt, oder ob solches, was dazu geeignet erscheint, und ob das „unproduktive" Land auch das nur umfafst, was im landwirtschaftlichen Sinne als solches auf- gefafst wird. Es ist bezeichnend hierfür, dafs bei der jüngst voll- endeten Kataster- und Grundsteuerregelung in Österreich -) sich eine ^) Bulletin du ministere de l'agriculture 1883. Instruktionen für die Enquete von 1882. -) Die definitiven Ergebnisse der Grundsteuerregelung von K. Ih. v. Inama- Sternegg. Statist. Monatsschrift X. Wien 1884 pag. 215 £f. 367 — 48 - sehr wesentliche Verschiebung in den Ziffern über die einzelnen Benutzungsarten des Bodens ergab. Österreich gewann 321 000 Joch produktiven Bodens, was wohl weniger auf einer thatsächlichen Um- wandlung früher unproduktiven Bodens in produktiven zurückgeführt werden kann, als vielmehr, neben einer genaueren Vermessung, auf eine schärfere Präzisierung des Begriffes ..unproduktiven*' Boden; Galizien gewann sogar 1 Mill. Joch Ackerland, Tirol über 1 Mill. Joch an Weiden und Waldungen. Es ist klar, dafs sich erhebliche Differenzen ergeben müssen, wenn man solche zu steuerlichen Zwecken vorgenommenen Ermittelungen zur Basis weiterer landwirtschaftlicher Erhebungen macht gegenüber solchen Erhebungen, die auf direkter Ermittelung der Acker- und Anbauüächen basieren. Bezeichnend ist das eben Gesagte aber auch dafür, dafs die Nachweisungen ver- schiedener Länder nicht ohne weiteres vergleichbar sind. Gleich- wohl müssen vom Standpunkt der landwirtschaftlichen Statistik aus auch die Katasternachweisungen als eine willkommene Ergänzung bezw. Grundlage betrachtet werden, um so mehr als sie bei ihren eigenen direkten Erhebungen selten in der Lage sein wird, wirkliche Vermessungen in Ausführung zu bringen und sie daher die Kataster- ausweise als Anhalt zur Kontrole gern benutzen wird, wie dies in der Statistik der Benutzung und des Anbaues des Bodens in Deutsch- land vorgesehen ist. In der Erkenntnis der natürlichen Bedingungen, unter welchen die an den Boden gebundene Thätigkeit sich vollziehen mufs und in der Feststellung der Ausdehnung, Beschaffenheit und Benutzungsart des Bodens erschöpft sich die Statistik der Produktionsgrundlage. Sahen wir, dafs die hierauf bezüg- lichen Daten zwar nicht in besonderer Vollständigkeit vorhanden waren (so namentlich hinsichtlich der Bodenbeschaffenheit), so waren doch in den meisten Ländern Anhaltspunkte genug gegeben, um die Beurteilung des ersten Faktors in der landwirtschaftlichen Produk- tion zu ermögliclien. Ln allgemeinen ist die Kenntnis der Länder im Hinblick auf die Bodenbeschaffenheit nur eine unvollkommene. Um so mehr sind die Anstrengungen, welche gemacht werden, auch diese Kenntnis in umfangreicherem Mafse zu gewinnen, anerkennend her- vorzuheben; Preufsen ist es, welches durch seine landesgeologischen Aufiialimen hier bahnbrechend vorgegangen ist. — Allgemeiner als die Kenntnis der Bodenbeschaffenheit ist die der Art seiner Be- nutzung in den verschiedenen Ländern. Allerdings sind die Nach- weisungen zum Teil älteren Datunjs und man kann es wohl als ein 3G8 — 49 — allgemein empfundenes Bedürfnis hinstellen, dafs die Revision der Katasternachweisungen auf Grund neuer Erhebungen stattfindet. In dieser Beziehung haben die in Ungarn und Osterreich in den letzten Jahren vorgenommenen Revisionen die Bedeutung derselben an den Tag gelegt. Im Allgemeinen hat die Agrarstatistik, so erkannten wir, in Bezug auf die Produktionsgrundlagen in der Regel mit schon gegebener Kenntnis zu rechnen und die Aufgabe, die ihr zufällt, besteht auf diesem Gebiete mehr darin, etwa vorhandene Lücken auszufüllen. Als ein Beispiel, in welcher Weise dies zu geschehen vermag , führten wir die Anbau- und Bodenbenutzungsstatistik des Deutschen Reiches an. Können wir mit diesen Ausführungen die Erörterung über die Statistik der Produktionsgrundlagen abschliefsen, so haben wir, be- vor wir uns zu der Statistik des Produktionsaufwandes wenden, noch einer anderen, mit der Produktionsstatistik als solcher nur in mittelbarer Beziehung stehenden Gruppe von agrarstatistischen Er- hebungen zu gedenken. Es sind dies die Ermittelungen über: 4. Zahl und Gröfse der Besitzungen und Wirtschaften. Genügt es den nächstliegenden Zwecken der Staatsgewalt, sich über die Gröfse der Produktion zu informieren, so hat sie darüber doch nicht die ferner liegenden, aber an Wichtigkeit nicht zurück- stehenden, aus dem Auge zu lassen. Es kommt darauf an, dafs die Produktion des Landes auch eine fortschreitende Entwicklung zeige, und die Agrarstatistik hat vor Allem auch diejenigen An- haltspunkte zu bieten, welche die Entwickelung der Produktion ver- folgen und beurteilen lassen. Wollte man sich begnügen, zu diesem Zweck auf die Feststellung der Produktionsverhältnisse für ein ganzes Land oder für gröfse Teile des Landes sich zu beschränken, so würde man kaum in der Lage sein, mehr als ganz obertlächliche Einblicke in die Entwickelung der Produktion zu erlangen. Man würde z. B. , wenn man die Produktionsresultate einer Reihe von Jahren in Beziehung setzen wollte zur Produkt ionsfähigk ei t des Landes, zu gar keinem Resultat gelangen, wenn man nicht die einzelnen in ihrer Art und Beschaffenheit verschieden ausgerüsteten Landesteile auseinander zu halten vermöchte, d. h. wenn wir ein- mal lediglich die Bodenbeschaffenheit in Betracht ziehen ; man würde zu Resultaten erst gelangen , wenn man in der Lage wäre, die Produktion und die bestimmten Bodenarten des betreffenden V. 4 ' 4 *• *• 3G9 2.5 — 50 — Laiidesteiles zu einander in Bezieliung zu setzen. Zum mindesten müfste man verlangen . dafs die Hauptbodenarten nach ihrer Aus- dehnung und ihren Eigentümlichkeiten für die kleineren Bezirke bekannt seien , wenn man Produktion und Produktionsfähigkeit in ihrem wechselseitigen Verhältnis zu einander feststellen wollte und dafs diese Möglichkeit gewonnen werden mufs . will der Staat auf seine Aufgal)e. kulturfördernd direkt oder indirekt zu wirken . nicht verzichten , ist im Grunde die letzte und wesentliche Forderung an die Agrarstatistik. Dafs die Produktion in ihrer Entwickelung nicht lediglich aus der Feststellung der Produktionsresultate sich beurteilen läfst, liegt auf der Hand. Man würde gewifs fehl gehen . wenn man in allen Fällen , in denen man eine Zunahme der Produktionsmengen zu konstatieren vermag, auch auf eine fortschreitende Entwickelung der Produktion würde schliefsen zu müssen glauben. Ein solcher Schlufs könnte nur dann berechtigt sein, wenn die Beachtung aller anderen, die Produktion beeinflussenden und die Gewinnung des in letzter Linie verfolgten Zieles, des höchsten Reinertrages, bedingenden Faktoren nicht gegen denselben streitet. Unter diesen Faktoren spielt gewifs die Hauptrolle die Natur und Beschaffenheit des Bodens; von Einflufs ist aber auch die Gröfse der Besitzung bezw. der Wirtschaft. Indem die Statistik auf die Ermittelung des Besitzstandes, der Zahl und Gröfse desselben eingeht, verfolgt sie allerdings ver- schiedene Zwecke gleichzeitig und vielleicht sind hierbei die Be- zieliungen zur Produktionsstatistik am wenigsten hervortretend. Mehr ist es die politische und soziale Bedeutung, die dem Grund- besitz innewohnt und die in der verschiedenen politischen und sozialen Stellung der Besitzer ihren Ausdruck gewinnt, die das Interesse auf die Feststellung der Zahl und Gröfse und meistens gleichzeitig damit auch der rechtlichen und politischen Stellung der Besitzeinheiten hinlenkt. Zwar ist in der That auch für die eigent- lichen Produktionsvorgänge die Gröfse des Besitzes keineswegs ohne Belang. Schon aus der Verteilung des Grundbesitzes in einem Lande erklärt sich manches im Stande und in der Bewegung der Produktion. Man braucht ja, ohne näher darauf einzugehen, nur auf die viel hervorgehobenen wirtschaftlichen Eigentümlichkeiten und Vorzüge der verschiedenen Gröfsenklassen hinzuweisen, wie auch auf die Kachteile, die beispielsweise einem ausgedehnten Latifundien- besitz mit Päclitcrwirtschaft auf der einen , einem zörs2)litterten 'MO — 51 — Zwerg- und Parzellenbesitz auf der anderen Seite anhaften. Inso- weit diese Vorteile und Nachteile sich in wirtschaftlicher Be- ziehung geltend machen, hat auch die Pro dukti ons Statistik die Gröfse der Besitzung wohl zu beachten. Aber eben der Hinweis auf die „wirtschaftlichen" Vorzüge und Nachteile der Gröfse der einzelnen Grundbesitzeinheit deutet darauf hin , dafs hier doch weniger das Moment des Besitzes in Frage kommt, als das- jenige, welches in der Gröfse der selbständigen Wirt- schaft zum Ausdruck gelangt. Hier gelangt eine bestimmte Summe von auf die Erzeugung landwirtschaftlicher Produkte ge- richteter Thätigkeit und ein bestimmter Aufwand an Kapital und Arbeit zur Wirkung, und je nachdem beide in ihrem Umfange wie in ihrer Art und Natur durch die verschiedene Gröfse der Wirt- schaft bedingt sind, läfst sich die Einwirkung der letzteren auf den Erfolg des „Wirtschaftssystems" beurteilen. Wohl darf in diesem Sinne in der jeweiligen Gröfse der AVirtschaft ein die Produktion beeinflussender Faktor erblickt werden, den auch die Produktions- statistik zu berücksichtigen hat. Nur soweit Zahl und Umfang der Besitzungen sich mit dem der Wirtschaften deckt, hat auch die Besitzstatistik diese engere Beziehung zur Statistik der land- wirtschaftlichen Produktion. Wir erwähnten schon, dafs die Statistik des Grundeigen- tums, insbesondere der Grundbesitz -Vertheilung und Benutzung anderen Zwecken zu dienen und auf eine Reihe von Fragen auf den verschiedenen Gebieten der Politik und Volkswirtschaft zu antworten hat, und wir erklärten dies durch den Hinweis auf die soziale und politische Bedeutung des Grundbesitzes. Es rechtfertigt derselbe Hinweis aber auch, — in Verbindung mit den vorherigen Aus- führungen — dafs wir bei unserer Untersuchung die Statistik des Grundeigentums, d. h. der Zahl und Gröfse, sowie der recht- lichen und politischen Natur der Besitzungen an dieser Stelle über- gehen und als zur Produktionsstatistik gehörig nur die Statistik der „selbständigen Wirtschaften" in Betracht ziehen. ^) ^) Wenn wir davon absehen, an dieser Stelle auf die statistischen Erhebungen über den Besitzstand einzugehen, so leitete uns gleichzeitig dabei der Wunsch, eine eingehendere Untersuchung über dieses Gebiet der Statistik zugleich mit einer Untersuchung über die Verschuldung und Belastung des Grundbesitzes für eine besondere Arbeit vorzubehalten. Im Allgemeinen nur glauben wir anführen zu sollen, dafs die Statistik des Grundeigentums, obwohl sie als eine der grundlegenden Teile jeder Agrarstatistik betrachtet werden mufs, doch eine 4* 371 — 52 — Mit Recht legen die neueren agrarstatistischen Ermittelungen einen AVert darauf. Zahl und Gröfse der selbständigen Wirt- schaften zu ermitteln. So gestattet die neueste belgische Auf- nahme ^) die Berechnung des direkt bewirtschafteten und des ge- pachteten Landes und hierbei wieder die Feststellung der zu den gewöhnlichen Kulturen und der zu Holzland verwendeten Flächen für jede Wirtschaft zu machen. Es werden die Wirtschaften nach ihren Gröfsenverhältnissen (in Stufen von ^/g ha, ^ o — 1. 1 — 2. 2 — 3 u. s. w. bis über 50 ha) ausgewiesen, wobei eine stete Trennung des selbst vom Besitzer bewirtschafteten (en faire valoir directe) und des vom Pächter (en location) bewirtschafteten Landes be- obachtet wird, so dafs sich die Wirtschaften, die lediglich im Besitz oder lediglich in Pacht oder zum Teil in Besitz, zum Teil in Pacht, bestehen, voneinander in den verschiedenen Gröfsenklassen trennen geradezu mangelhafte Berücksichtigung bisher erfahren hat. Man sieht sich in der Regel auf die Katasterwerke und die Grundbücher hingewiesen. Aber diese selbst haben meist, wenn sie auch das Material dafür völlig bieten würden, dennoch eine Bearbeitung nicht erfahren und reichen daher zur genauen Fest- stellung der Besitzverhältnisse nicht aus. AVo man freilich versucht hat, das bei Gelegenheit der Veranlagung zur Grundsteuer gewonnene Material gründlicher zu sichten und in übersichtlicher Gruppierung zusammenzustellen, hat man immerhin wertvolle Aufschlüsse erhalten. (So in Meitzen, „der Boden und die landwirt- schaftlichen Verhältnisse des preufsischen Staates".) Die neueste und in ihrer Art sehr vollkommene Verarbeitung bietet die Probeerhebung, welche unter Be- nutzung des bei der Revision der Gebäudesteuerveranlagung in Preufsen erhaltenen statistischen Materials für die Beg.-Bez. Aachen und Danzig vorgenommen wurde (siehe Statist, des Grundeigentums und der Gebäude in den Reg.-Bezirken Aachen und Danzig). Für einzelne deutsche Staaten liegen wertvolle Arbeiten vor: so bietet besonders Hildebrand's „Agrarstatistik von Thüringen" das Muster einer Untersuchung über die Grundbesitzverhältnisse. Auch in Oldenburg, Braun- schweig und Kgr. Sachsen sind die Nachweise über die Verteilung des Grund- besitzes verhältnifsmäfsig neueren Datums, während man in anderen deutschen Staaten, so insbesondere in Preufsen und Bayern, auf ältere, auf den Grund.steuer- katastern beruhende Nachweisungen angewiesen ist. Übrigens bietet auch in aufserdeutschen Ländern die Statistik des Grundeigentums die schwächste Seite. Eine direkte Erhebung über die Besitzverhältnisse hat u. W. nur in Böhmen Anfangs der sechziger Jahre und in England stattgefunden. (Returns of owneis of lands in England and Wales p, p. 1878. Dieselbe fand in Conrad's Jahrbüchern für Niit.-Ok. und Stat. eine eingehende Besprechung durch den Herausgeber der Jalir- bücher.) In den übrigen Ländern ist man gleichfalls, von wenigen Spezial- untersuchungen abgesehen, auf die zu Steuerzwecken ermittelten Daten an- gewiesen. — ') Statistique de la Belgique. Agriculture. Recensement generale de 1880. Bruxelles 1885. 372 — 53 — lasseil.- Man sucht also liier die Statistik der selbständigen Wirt- schaften mit derjenigen des Besitzstandes zu vereinigen, ein Be- streben, gegen das gewifs nichts einzuwenden ist, welches vielmehr geeignet ist, in Bezug auf die Bewirtschaftung des Landes wert- volle Aufschlüsse zu erstatten. Dagegen darf ein Mangel dieser Erhebungen nicht unerwähnt bleiben, welcher darin bestellt, dafs die belgische Statistik eine Ausscheidung des unin'oduktiven Landes unterläfst. Man sieht sich genötigt, um den Anteil des unproduk- tiven Landes an den Wirtschaften zu ermessen und auszuscheiden, die Statistik des Anbaues und der Bodenbenutzung heranzuziehen. Da aber die Anbaunachweise nur für die gesamte kultivierte Fläche und nicht für die nach ihren Gröfsenverhältnissen gruppierten Wirt- schaften gegeben sind, so kann auch die Ausscheidung des unkulti- vierten Landes nicht für die einzelnen Wirtschaftsgruppen gesondert, sondern nur für das gesamte kultivierte Areal erfolgen. — Auch in den Niederlanden ^) erfolgt eine Erhebung der Wirtschaften (hier entreprises agricoles genannt) unter Charakterisierung derselben nach der Art ihrer Bewirtschaftung durch Besitzer oder Pächter. Dagegen wird auch hier nicht der Versuch gemacht, die nur land- wirtschaftlich benutzten Flächen auszusondern, so dafs man es mit dem ganzen, Ackerland, Waldland und Ödland umschliefsenden Wirtschafts- komplex zu thun hat. Ebenso in Irland -) (wo übrigens die Flächen unter 1 acre unberücksichtigt bleiben) und England '^), wo die Tren- nung nach Klein- , Mittel- und Grofswirtschaften , bemessen nach ihrem Flächengehalt unter 50 acre, 50 — 300 acre und über 300 acre doch zu sehr generalisierend ist). Auch in Frankreich ^) wird die Wirtschaft lediglich nach ihrem Umfang in Betracht gezogen, ohne Rücksicht auf die landwirtschaftlich benutzten Flächen, dagegen wird hier wieder nach Pacht und Besitz gefragt. Für Ungarn und Österreich liegen besondere Nachweise nicht vor. — Für die ein- zelnen deutschen Staaten waren besondere agrarstatistische Er- hebungen über die landwirtschaftlich benutzte Fläche der Wirt- ^) Kesume statistique pour le royaume des Pays-bas. Publikation de la societe statistique des Pays-bas. No. 2. La Haye 1884. '-) The agrikultural statistics of Ireland for the year 1880. '^) Agricultural returns of Great Britain. 1884. ^) Bulletin du ministere de TagTiculture. 1883. Instructions generales. (Da die Resultate der neuesten Enquete in Frankreich, zur Zeit als diese Arbeit geschrieben und in Druck gegeben wurde, noch nicht publiziert waren, so sahen wir uns genötigt, uns in unseren Angaben an die für die Enquete gegebenen Instruktionen zu halten.) 373 — 54 — schaftskoiiiplexe , wie über deren Zahl und Umfang, nur vereinzelt geblieben. ') Die deutscbe Statistik babnte hierin einen wesentliclien Fortschritt an durch die im Jahre 1882 zur Ausführung gebrachte Statistik der landwirtschaftlichen Be trieb e,-) durch welche die deutsche Statistik in dieser Beziehung wenigstens eine bevorzugte Stellung unter allen anderen Staaten sich errang. Diese Erhebung fafste die von einer Haushaltung ausgehende Benutzung landwirtschaftlicher Flächen ins Auge. Indem für jeden Betrieb die als Acker-, Gartenland, Wiese, Weide (Fett- weide und kultivierte Weide), Obstgarten und Weinberg cultivierte Fläche getrennt von derjenigen des Holzlandes, der Hof- und Haus- räume, Ziergärten, Hutungen und unkultivierten Weiden, Gewässer, der AVege, des Od- und Unlandes aufgeführt wurde, erhielt man Einblick in die Ausdelmung der eigentlich landwirtschaftlichen Tbätigkeit, der dadurch an Wert noch gewann, dafs man die mit jedem Betriebe verbundene Nutzviehhaltung und die Benutzung von Maschinen sowie endlich die mit der Ausübung der Landwirtschaft noch verbundene Nebenerwerbsthätigkeit ermittelte. Gleichzeitig trennte man den in jedem einzelnen Betriebe bewirtschafteten Teil des selbstbesessenen und des gepachteten Areals, sodafs auch die Besitz- und Pachtverhältnisse aufgedeckt wurden. Mit Recht hat man diese Erhebungen als landwirtschaft- liche Betriebsstatistik bezeichnet; denn wenn irgend etwas geeignet ist, in die Art und Weise des landwirtschaftlichen Betriebes Einblick zu verschaffen, so sind es die auf die Wirtschaften zurück- gehenden Erhebungen, zu denen alle anderen in Beziehung gesetzt werden. Und dafs dies hier zum erstenmal geschieht, gibt dieser Statistik Deutschlands eine bevorzugte Stellung vor allen ähnlichen anderer Länder. Lidem die Wirtschaften nach einzelnen Gröfsenklassen getrennt sind, kann man für jede Gröfsenklasse die Art ihres Betriebes beurteilen nach der Art ihrer Nutzvielihaltung, ihrer Maschinen- lialtung und ihrer Verl)indung mit Forstwirtschaft, und man er- hält einen Einblick in die wirtschaftliche Lage der landwirtschaft- liclien Bevölkerung; und nicht nur dieser, sondern auch derjenigen Bevölkerung, welche ihrem eigentlichen Erwerbe in einem anderen ^) Auf die altern Arbeiten dieser Art wurde schon bei Konrad hingewiesen (a. a. 0.). Von Jüngern Arbeiten ist die im Jahre 1873 in Württemberg mit der Viehzählung verbundene Wirtschaftsstatistik zu erwähnen. ^) Monatsliefte der Statistik des Deutschen Reiches. Septen^berheft 1884 und Juliheft 1885. ^ 374 — 55 — Beruf nachgelieiid, dennoch iin landwirtschaftlicher Thätigkeit mit oder ohne Nutzviehhaltung sich beteiligt, sei es, indem sie am Grund- eigentum selbst teilnimmt, oder durch Pachtung sich dasselbe zu- gänglich macht. Allerdings entgehen auch diese Erhel)ungen den landwirtschaftlich-statistischen Aufnahmen fast stets, und mit Recht, begegnenden Vorwurf nicht, dafs ihre Resultate wenig zuverlässige seien. Hat man sich in diesem Falle auch von Schätzungen freige- lialten und auf die Angaben der Wirtschafter sich gestützt, so sind doch diese nicht immer kontrollierbar, oder auch selbst entweder auf Schätzungen beruhende oder teils absichtlich, teils unbewufst falsche. Für die Summe der Angaben in der Gemeinde oder anderen Be- zirken besafs man aber in den Katasterausweisen wie in den Ergeb- nissen der Aufnahme über die landwirtschaftliche Bodenbenutzung einen Anhalt zur Kontrole , deren Benutzung auch stattgefunden hat. ^) Die gesonderte Aufführung der ursprünglichen und der an der Hand der genannten Kontrolmittel rektifizierten Angaben ge- stattet ein Urteil über das Mafs der den Ermittelungen eigenen Fehlerhaftigkeit. — Wir unsererseits sehen in der einmaligen Durchführung dieser „Be- triebsstatistik" einen Fortschritt, der für die deutsche Agrarstatistik noch auf Jahre hinaus bezeichnend bleiben wird. Was andere Länder dagegen aufweisen, bietet wohl in der einen oder anderen Beziehung anerkennenswerte Leistungen, doch kann allgemein die Statistik der selbständigen Wirtschaften in diesen Ländern nur als unvollkommen bezeichnet werden. Wir sahen , dafs , während bei einzelnen Staaten man sich mit einer oberflächlichen Feststellung der Zahl und des Umfanges begnügte (England, Irland), man in anderen auf die eigentlichen Wirtschaftsverhältnisse näher einzugehen suchte. Vor Allem erforschte man das Verhältnis der Teilnahme an der Be- wirtschaftung durch den Besitzer und durch den Pächter (Niederlande, Frankreich, Belgien und Deutschland). Hinsichtlich der Ausscheidung der eigentlich landwirtschaftlich benutzten Fläche der Wirtschaften war in den verschiedenen Staaten ein verschieden tiefes Eindringen zu beobachten, insofern man entweder den ganzen Wirtschafts- komplex ohne Unterscheidung der einzelnen Teile desselben ermittelte (Frankreich, Niederlande), oder die Hauptkulturarten unterschied^ dabei aber doch nicht die landwirtschaftlich genutzte produktive Fläche für sich allein ausschied (Belgien), oder schliefslich eine *) Mit Ausnahme von Bayern, wo die Berichtigung- nicht stattfand. Monats- hefte zur Stat,, d. d. K. Jahrgang 1884. Heft IX, pag. 38. 375 — 56 — völlige Erfassung der einzelnen wirtschaftlich benutzten Teile nach der Verschiedenheit ihrer Benutzung zu erreichen bestrebt war (Deutschland). Hier auch gelangte man dazu, einzelne den Wirt- schaftsbetrieb charakterisierende Zweige des landwirtschaftlichen Be- triebes mit der Erhebung der Wirtschaftsbetriebe zugleich zu er- forschen, ein Unternehmen, welches uns veranlafste, die deutsche Betriebsstatistik vor ähnlichen Erhebungen anderer Staaten in erste Reihe zu stellen. Wir werden Gelegenheit finden, auf die eigentümlichen Vorzüge dieser Betriebsstatistik an anderen Orten noch zurückzukommen und den in der Ausführung derselben gelegenen Fortschritt auf dem Ge- biet der Agrarstatistik eingehender zu würdigen. B. Die Statistik des Produl ^ o 0) 'S O rr. CS ^ 0 CV. .3 3 cj (M ."2 -3 J ^ '2 NC "fcC :3 N 3 ^2 3 CO "3 0 2 i2 o ts i ,, ^ „— ^ ^i 1-3 ^ 3 3 , ^ ,— ^ '> , — ^ / — V m eo c; (2; es es ^ ►i 2. St X> 0 es x> CV. rv. c^ B ' ^■ \ « 3 ogtu: bürg rin. CO fcJC — '^ 3 .s 0 'S 5 N S O 5 *- *: — ^ eä CV.C» s- o; > :i « c ■* •-» " V >fshe eckl NC J 0 -c > 3 0-. 2 3 03 3 'w' M^ S 5^ 1> 3 cS '•" ,3 ^^ t- «^ . c! .o 3 !-i :3 ;; 3 O (M Dj -O ■-? H Ui C « r/ogtun\ den. 1 • 00 p - 53 5 •£ c: Ol bß .2 o 1 s fc- CS 'S .3 -u ü 3 ^" 2 ^ 'S 3 0 3 0 0- CO 1 'S Ui 3 .3 v^- ^ 1 u c3 — ^ "5 =* -C O s iC 'S « ec 3 k- "S "-' — jz ^. •■3 i; 's ^0 2 'S - ^ o n; s « s O -w o 5 >c 5 J2 -3 !^ rs 'S 0 .3 fcp ©» 3 |ii ;i. a-, Q -■>• ^- <>• 'a' ~f ^1 :3 :3 w «. ^ 5 Cl4 -s 3 t^ .3 cS ff>- 1— t ü ü Ol C-, CS < c ^- 3 «S I S 3 5:* -1-3 a> 3 Ol > 2 -=0 3 S3 p PL. 'S o >1 d ^ n: o 5 tri "3 'S" '3 3 5 ^ 3 ?3 'S 0. CK 0» .3 ::3 0 3 C CS c^'—: 'c>- T" " l" eis" i" ' c^. c^ •.-' X« ^ b. o ^ *^ -^^ Königreich Bayern. < nter 3 .lalire al forde 3 Jahre ni darüber alt ? o u '3 3 S O 3 x> 3 O 3 's 'S .. 4, .3 I^ tc 3 ü J '^ 'e? 3 3" 3 0' ü > -c tc ü 0 .2 .3 Jl 3 ^ 3 3 X X ü ^* U^ fiUl Ci > >2 ^ ^ t< 0 0 CO X oo ^ o M 3 .2 r ^•1 3 t^ tJC < ,2 U 1 S _ü "iß" CD i Königrei Preufsei '-^- 00 "3 ^ u ü 3 3 3" ü •- - bt 3 3 i: T Cß P> -3 y— s 0) 3 .3 - u '5^ 's 0 3 i3 "iS "^ V tc TS Ui 15 u 5 53 X) X 00 ü -r - tr-^ 3 C ^ 3 X 'X Ui k. 3 >3 J2 c2 _3 3 ■r. 2 ü 3 '0 IS 's i 3 w 0 «? ö 09 3 Reich vom öc o u o c .2 cc •3 e^- 3 O O '^ .3 ? 2 ■3 >- ^ c [y 3 1 ^ 3 TS 0 .2 -= "5 3 3 - < k. — 3 ?% 0 kT :^ OJ c s- TS u: ir. II 3 s ^ y — ^ Ä 'y 394 — 75 — nicht frei ist. Man ist dabei genötigt, jede Rücksicht auf die in- dividuelle Verschiedenheit ebensowohl wie auf die Eigentümlich- keiten der einzelnen Rassen anfser Acht zu lassen. Sucht man nun dieser Willkür zu entgehen, indem man, wie dies in der jüngsten Zählung in Osterreich geschieht, die Jungtiere „bis zum Beginn des Gebrauchsalters" von den älteren Tieren scheidet, so kann man doch auch dabei nicht erreichen, dafs eine Ungleichheit der Auf- fassung seitens derjenigen, welche die Antworten auf die gestellten Fragen zu erteilen haben, vermieden wird. Abgesehen davon, dafs zum Beispiel für alle zum Schlachten bestimmten Tiere ein sogenanntes Gebrauchsalter gar nicht bestimmt werden kann, da es häufig nur von der Konjunktur, von dem Eintritt einer , günstigen Verkehrs- gelegenheit abhängt, ob man ein Tier in diesem oder jenem Alter schlachtet, so sind doch Zweifel auch in anderer Beziehung möglich. Was hat man zum Beispiel als das Gebrauchsalter einerKalbin anzusehen? Stellt man die Bestimmung des Tieres als Zuchttier in den Vorder- grund, so kann man zweifelhaft sein, ob die Ingebrauchnahme mit der Geburt des ersten Kalbes beginnt oder mit dem Zeitpunkt, wo das weibliche Tier zum erstenmal belegt wird. Zielt man aber mehr auf die Milchnutzung, so wird man über die AVahl des Zeit- punktes nicht zweifelhaft sein. In einer Beziehung ist aber diese in Österreich beliebte Fragestellung mit noch gröfseren Mängeln verknüpft , als die der beliebigen Alterstrennung , insofern nämlich dabei die Vergleichbarkeit der statistischen Nachweise zwischen ver- schiedenen Ländern in Frage kommt. Für diese bietet jede be- stimmte Altersangabe einen sehr viel sicherern Anhaltspunkt als die sehr unbestimmte des beginnenden Gebrauchsalters. Man hat ferner zu beachten, dafs ein und dasselbe Tier sehr verschiedenen Nutzungszwecken zu dienen vermag: es werden Hengste lediglich zu Zuchtzwecken oder zu diesen und daneben zu landwirtschaftlicher Arbeit benutzt; Stuten dienen weitaus in den meisten Fällen nicht lediglich zur Zucht, sondern zu den ver- schiedensten Arbeitszwecken. Das Rindvieh im Gebrauchsalter kann als Milchtier, aber daneben auch, wie es vielfach geschieht, als Spannvieh benutzt werden u. s. w. Eine Agrarstatistik, von welcher man möglichst reichhaltige und umfassende Auskunft verlangt, müfste demnach alle verschiedenen Nutzungszwecke ins Auge fassen, welche sich an das einzelne Tier knüpfen. Untersuchen wir , wie weit die Statistik der verschiedenen Länder hierbei gegangen ist? Pferde. Für die Landwirtschaft w^ichtig ist vor Allem die 395 — 76 — Ausscheidung der landwirtschaftlich benutzten Pferde , wobei man fordern mufs, dafs kein Zweifel darüber bestehe, ob zu denselben die eigentlichen Zuchttiere eingerechnet sind oder nicht, was keines- wegs überall ersichtlich ist.^) Auch ist nicht überall die aus- schliefslich landwirtschaftliche Benutzung in Betracht gezogen, so dafs man nicht in den Stand gesetzt ist, über die durch Pferde geleistete landwirtschaftliche Arbeit sich ein allgemeines Urteil zu bilden. Die Statistik der Pferde läfst in Osterreich, Belgien, Schweden, Norwegen eine Ausscheidung der landwirtschaftlich benutzten Pferde überhaupt nicht zu, während dieselbe in Irland, England und Deutsch- land möglich ist. In den Niederlanden ermittelt man die überhaupt zur Arbeit benutzten Pferde, ohne darunter lediglich landwirt- schaftliche Arbeit zu verstehen, ebenso in Italien, wo man die von 4 — 14 Jahre alten und zur Arbeit benutzten Hengste , Wallachen und Stuten zählt. — Mit der Aufführung einer besonderen Rubrik der zu landwirtschaftlicher Arbeit benutzten Pferde ist allerdings auch noch nicht die Gewifsheit gegeben, über die in der Landwirt- schaft verwendete Arbeitskraft volle Auskunft zu erhalten ; dies um so weniger, wenn man die Ausscheidung erst von einer bestimmten Altersgrenze an eintreten läfst. Wenn z. B. in Italien die Aus- sonderung der Arbeitspferde nur für die über 4 Jahre alten Pferde stattfindet, so darf man sicher annehmen, dafs eine grofse Zahl von Arbeitspferden, die sich unter den unter 4 Jahre alten Tieren be- finden, nicht gezählt ist. Auch in Deutschland, wo die landwirt- schaftlich benutzten Pferde nur bei den über 3 Jahre alten Pferden ausgewiesen werden, bezeichnen die gefundenen Zahlen keineswegs den vollen Bestand an Arbeitspferden ; denn es ist bekannt, dafs in manchen Gegenden Pferde im Alter von 2 Vo, selbst von 2 Jahren zu leichten landwirtschaftlichen Arbeiten Verwendung linden. In dieser Art der Unterscheidung der Kategorien ist demnach eine Fehleniuelle gelegen, die nach zwei Richtungen wirkt, indem entweder ein gröfseres Gewicht auf die landwirtschaftliche Benutzung gelegt wird und so Pferde von jüngerem Alter als 3 Jahre unter die 3 Jahre alten gerechnet werden, so dafs die Zahl der der niedrigeren Altersklasse angehörigen Tiere als zu klein erscheint oder, indem ') Nur in England finden diese eine vr>llige Aussonderung, indem von den Pferden (used solely for purposes of agriculture) die zu Zuch tz w'ecken be- stimmten Pferde (unbroken and mares kept solely for breeding) getrennt sind. 39G — 77 — man sich stricte an die Altersunterscheidung hält, wodurch über das Mafs der Arbeitsleistung eine falsche Anschauung hervorgerufen werden mufs. Das volle Mafs der durch Pferde in der Landwirt- schaft geleisteten Arbeit würde man aber auch dann nicht gewinnen, wenn man die ausschliefslich zu landwirtschaftlicher Arbeit benutzten Tiere ermitteln wollte, da Pferde, zu anderen Zwecken bestimmt, doch auch vorübergehend in der Landwirtschaft beschäftigt werden, wie solche, die man als eigentlich landwirtschaftliche Arbeitspferde bezeichnen kann, nicht selten auch zu anderen Arbeiten herangezogen werden. Eine weitere Unterscheidung der Pferde findet hinsichtlich ihrer Bestimmung zu Zucht zwecken statt. Auch hier hängt die Ge- nauigkeit der Resultate von der begrifflichen Bestimmung der einzelnen Kategorien ab. Wenn man in England die lediglich zu Zuchtzwecken verwendeten Hengste und Stuten ermittelt, so ist damit ausgeschlossen, dafs man Aufschlufs über den vollen Umfang der Pferdezucht erhält. Werden doch gewifs zahlreiche weibliche Pferde, deren Hauptzw^eck die Benutzung zur Arbeit ist, dennoch auch zur Zucht mit benutzt. Bei Hengsten ist dies weniger von Gewicht, da die Zahl der als ,, Zuchthengste'^ bezeichneten Pferde sich annähernd mit der Zahl der überhaupt vorhandenen Hengste decken dürfte. Zudem reicht die Bedeutung der Kenntnifs der Hengstezahl für die Beurteilung der Landespferdezucht nicht an diejenige der zur Zucht benutzten weiblichen Tiere heran. Ein Überblick über die statistischen Arbeiten der verschiedenen Länder läfst auch hier wieder eine grofse Mannigfaltigkeit erkennen. Die Hengste werden ermittelt in Österreich, Ungarn, England, Niederlande, Dänemark, Belgien, Italien und Deutschland, aber nur in den beiden letztgenannten Ländern und in England unter der be- stimmten Bezeichnung als „Zuchthengste'*. InL'land wird auf die Zucht gar nicht geachtet, auch in Schweden und Norwegen werden Hengste nicht besonders gezählt. — Nach dem Alter sind die Hengste nur in Belgien (unter 3 und über 3 Jahre alt) und Italien (4 — 14 und über 14 Jahre alt) unterschieden. Eine für die Beurteilung der Zucht nicht unwesentliche Ermittelung ist diejenige nach der Zugehörigkeit zu verschiedenen Rassen, der wir nur in Belgien (race de pays und race etrangere ou croisee) und Dänemark (Voll])lut, Halbblut, Yorkshire, Landrasse und andere nicht bezeichnete — hier lediglich für die Hengste) begegnen, während in Ungarn eine vom Honvedministerium ausgeführte Zählung die Tiere „leichten und schweren Schlages' ' unterscheidet. 397 — 78 — Die Z u c h t s t u t e n werden als solche bestimmt bezeichnet in England (mares kept solely for breeding), den Niederlanden (juments poulinieres) und Italien. In anderen Staaten ist die Bezeichnung weiter gefafst, indem überhaupt alle weiblichen Pferde zusammen- gefafst und nur im Einzelnen dann die belegten oder mit Saugfohlen gehenden noch besonders getrennt werden. ^) Wieder andere Staaten lassen überhaupt die Stuten unerwähnt, und sofern eine Unterschei- dung der Pferde nach dem Geschlecht stattfindet, ist nur diejenige der Hengste berücksichtigt. Zu letzteren Staaten gehört Deutsch- land, in welchem die Zuchthengste, aber nicht die Stuten ermittelt werden. -) Überhaupt jede Unterscheidung fehlt in Schweden und Norwegen. Zu erwähnen ist schliefslich die besondere Ausscheidung der Wallachen in Belgien . Dänemark (hier besonders noch die zu Kriegszwecken bestimmten ermittelt). Österreich-Ungarn und Italien.^) eine Unterscheidung, die für die Agrarstatistik ziemlich zwecklos ist. Eine zureichende Beurteilung des Umfanges der Pferdezucht ist übrigens weder der Zahl der Hengste noch derjenigen der Stuten zu entnehmen. Erstere würde nur dann etwas besagen können, wenn man auch die Inanspruchnahme der Hengste zu Zuchtzwecken zu vepfolgen im Stande wäre, und die Zahl der Stuten ist deshalb unzulänglich, weil (mit Ausnahme Dänemarks) nicht die in dem Zählungsjahr zur Zucht verwendeten Tiere ermittelt werden. Wollte man sich zur besseren Beurteilung hierüber an die Zahl der im Zählungsjahre vorhandenen Saugfohlen halten, so würde dieselbe nur dann einen Anhalt geben, wenn damit die Zahlen über Ein- und Ausfuhr an solchen zusammengestellt würden. Zutreffender würde die Beurteilung sein, wenn die Frage nach den j ä h r 1 i c h o n Gelnirten gestellt würde, wie dies unseres Wissens zum ersten Mal in der deutschen Reichsstatistik vom Jahre 1883 geschehen ist. ^) In (Jsterreich zählt man die Stuten und trennt sie in „belegte oder mit Saugl'ohlen" und „andere". In Dänemark werden von den 6 — 11 Jahre alten Stuten diejenigen besonders ermittelt, welche in dem Zählungsjahr «geworfen haben oder werfen werden. Es ist nicht recht verständlich, weshalb man hierbei gerade diese Altersunterscheidung wählte. Eine gute Mutterstute wird häufig genug auch noch über das 11. Jahr hinaus benutzt. ') W\i Ausnahme Bayerns, wo bei den über 3 Jahre alten Pferden neben den für das ganze lieich vorgeschriebenen l'nterscheidungen auch iirich die nach dem Geschlecht (Hengsten, Stuten, Wallachen) getrofVen ist. ^) Italien ist das einzige Land, in welchem man auch die Gröfse der Pferde berücksichtigt. .398 — 79 — In dieser Zälilung wurde die Zahl der in dem der Zählung vorher- gehenden Jahre geborenen Füllen ermittelt; allein der Erfolg dieser Zählung ist vorläufig als ein ungenügender anzusehen . da erhebliche Zweifel an der Richtigkeit der Zahlen von den statistischen Behörden selbst gehegt werden. ^) Auf andere Zwecke, denen Pferde dienstbar gemacht werden und auf welche bei einzelnen Erhebungen früher Gewicht gelegt wurde — z. B. auf die Verwendung der Pferde zur Frachtfuhr- werkerei, als Luxuspferde, als Pferde zum persönlichen Gebrauch u. s. w. — geht die Statistik gegenwärtig nur noch vereinzelt ein. Wir ver- mögen darin nur einen Fortschritt zu erblicken. Jede Mehrung der Kombinationen- verschiedenartiger Ermittelungen ist nur geeignet, dem statistischen Bild Unklarheit und Verschwommenheit hinzuzu- fügen, während die Beschränkung auf das Unerläfslichste durch die gröfsere Genauigkeit, die dadurch erzielt wird, ihren Lohn findet. — Die besondere Ermittelung der zu militärischen Zwecken dienenden Pferde entspringt besonderen Bedürfnissen und steht nur in einem zufälligen Zusammenhang mit den agrarstatistischen Er- hebungen. Die Ermittelung selbst erfolgt durch Befragung der militärischen Behörden, und sie ist insofern auch von allgemeinem Wert, als dieselbe einmal den Aufschlufs üder den Gesamtreich- tum eines Landes an Pferdematerial vervollständigt und gleich- zeitig auf die Leistungsfähigkeit der Landespferdezucht dankenswerte Schlüsse gestattet. Rindvieh. Die Gebrauchsßihigkeit des Rindviehes wird mehr wie bei den Pferden durch das verschiedene Geschlecht bestimmt, daneben innerhalb der Geschlechtskategorien durch das Alter. Wir hoben schon vorher unsere Zweifel hervor . ob es wünschenswert sei. die Altersbegrenzung als Merkmal für die beginnende Gebrauchs- fähigkeit der Tiere zu benutzen. Es ist eben der Zeitpunkt des Eintrittes der Gebrauchsfähigkeit oder doch die Ingebrauchnahme nach den verschiedenen Ländern, den verschiedenen Rassen, Wirt- schaftsmethoden u. s. w. ein sehr verschiedener. Namentlich ist dies beim Rindvieh der Fall, worauf schon der Umstand, dafs man gewisse Rassen als besonders frühreife bezeichnet, genugsam hin- deutet. Auch darf nicht übersehen werden, dafs in jeder Alters- bestimmung als Merkmal für den Eintritt der Gebrauchslahigkeit eine gewisse Willkür herrscht, so wenn in Österreich bei der *) Monatsheft zur Statist, des Deutschen Reichs. Juniheft 1884, pag. 4. 399 — 80 — Zählung von 1869 das Rindvieh bis zum vollendeten dritten Jahr als Kälber betrachtet wurde, während es doch, wie anderwärts, auch dort nicht selten sein wird, dafs der Gebrauch des Tieres schon vor oder doch bald nach dem Beginn des dritten Jahres eintritt. Es dürfte deshalb die einfache, der Benutzungsart entsprechende Bezeichnung vorzuziehen sein. ^) Allgemein werden beim Rindvieh die Tiere, welche im Reife- zustand stehen, von den noch nicht reifen zu trennen gesucht, doch ist die Abgrenzung eine sehr verschiedene. In einzelnen Staaten wird das Jungvieh vom Gebrauchsvieh gesondert, ohne das erstere noch weiter zu unterscheiden, so in England, Schweden, Norwegen, Dänemark und Belgien, wo überall als Grenze das vollendete 2. Jahr angenommen wird. In anderen Staaten wird das Jungvieh noch be- sonders getrennt nach dem Alter, so in Irland (unter 1 Jahr und von 1 — 2 Jahre alt). Osterreich (unter 1 Jahr und von 1 Jahr bis zum Gebrauchsalter), Deutschland (Kälber bis 6 Wochen, von 6 Wochen bis 6 Monate, Jungvieh von 6 Monate bis 2 Jahre alt). -) Eine höhere Altersgrenze als 2 Jahre wurde vordem in Osterreich beachtet (Kälber bis zum vollendeten 3. Jahr) , w^elche Bestimmung in Ungarn beibehalten zu sein scheint, in dessen offiziellen Nach- weisen „Jungvieh" ohne nähere Bezeichnung erscheint. In Italien allein stellt man das unter 1 Jahr alte Vieh als „Jungvieh" den übrigen Tieren gegenüber, indem man Stier- und Kuhkälber unter 1 Jahr getrennt von Stieren, Ochsen und Kühen über 1 Jahr er- mittelt. In den Niederlanden und Frankreich ist endlich eine Unterscheidung nach dem Alter überhaupt nicht vorgenommen, sondern die allgemeine Bezeichnung „Kälber" im Gegensatz zu Stieren, Kühen u. s. w. gewählt. Eine Unterscheidung des Jungviehes nach dem Geschlecht, welche auf die spätere Gobrauchsbestimmung hindeutet, findet in verschiedenen Ländern statt, so in Belgien (Stier-, Ochsen-, Kuhkäll)er unter 2 .Tahre), Osterreich (Stiere, Kall)innen, Jungochsen) und in Italien (unter 1 Jahr alte Stier- und Kuhkälber). In Deutsciiland sonderte ') So forderte Conrad a. a. O. pag. 99 die Bezeichnung „Milchkühe" an- statt der Unterscheidung nach })estimmten Altersgrenzen. ^) Auf diese weitgehende Tlnterschcidung ])eim Juiigvieli wiesen wir schon bei der Besprechung der Ermittelung des Verkaufs wertes hin, für welche wir die getroffenen Unterscheidungen der deutschen Reichsstatistik geradezu als zweckwidrig betrachten müssen. Ein Bedürfnis für die.se Unterscheidung vermögen wir freilich auch in anderer Beziehung nicht herauszufinden. 400 — 81 — die Zählung von 1873 und 1883 bei den V,, bis 2 Jahre alten Jung- stieren die „zur Zucht benutzten" aus , doch machten einzelne Staaten von der Anheimgabe, noch besondere Erhebungen vorzu- nehmen, Gebrauch; so wurden in Baden vom Jungvieh ausgesondert die sprungfähigen Kalbinnen und Färsen , in Sachsen wurde die Trennung nach dem Geschlecht auf alle von 6 Wochen bis 6 Mo- nate alten Kälber ausgedehnt. Für die Ermittelung der Nutzungszwecke tritt beim Rindvieh die Bestimmung zur Milchnutzung in den Vordergrund. Man son- dert indessen das Milchvieh unter der speziellen Bezeichnung als „Milchkühe" nur in wenigen Ländern aus (so in England, Irland, Belgien und Niederlanden). In Deutschland, wo diese Bezeichnung von der Reichsstatistik nicht gewählt wurde, hat von den einzelnen Staaten nur Oldenburg die Milchkühe besonders ermittelt (Milch- kühe, andere Kühe und Quenen), in allen übrigen Staaten spricht man von Kühen allgemein. Rücksicht auf die Rindviehzucht wird insofern genommen, als die Zuchtstiere besonders getrennt werden, doch geschieht dies nicht überall in genauer Weise. Denn wenn ohne weitere Unter- scheidung nur die Stiere gezählt werden , so sind hierunter auch solche begriffen, die als Zuchtstiere überhaupt nie oder doch nicht mehr zur Verwendung gelangen, wodurch die Beurteilung der Rind- viehzucht, soweit eine solche überhaupt auf die Kenntnis der männ- lichen Zuchtstiere basiert werden kann , eine falsche werden mufs. Eine weitere Fehlerquelle ist darin gegeben, dafs die unter 2 Jahre alten Stiere, soweit sie zur Zucht schon benutzt werden, nicht überall ausgesondert sind. Letzteres geschieht nur in Deutschland, während aus der Statistik einzelner Länder sich nur erkennen läfst, wie viel den Jungstieren angehörige Stiere zur Zucht bestimmt sind. — Bei den altern Stieren wird über die besondere Bestimmung als „Zuchtstiere" Nachweisung gegeben in Deutschland und Italien, alle anderen Länder begnügen sich mit der Angabe der Zahl der Stiere überhaupt, welche von denjenigen der Ochsen und Kühe ge- trennt aufgeführt wird. Wir wiesen schon darauf hin, dafs man für die Beurteilung des ümfanges der Zucht aus diesen Daten eine genügende Grundlage nicht gewinnen könne. Auch aus der Zahl der jährlichen Geburten ergibt sich beim Rindvieh für die Beur- teilung der Nachzucht nicht ein so sicherer Anhalt, wie dies bei den Pferden der Fall sein kann, deshalb nicht, weil ein grofser Teil der geborenen Kälber bald nach der Geburt zur Schlachtbank ge- V- *• 401 6 27 — 82 — liefert wird. Wollte man die Zahl dieser aber bestimmen . so be- dürfte es dazu einer besondern Fragestellung, die mir in keinem der statistischen Nachweise begegnet ist. Wenn die deutsche Statistik eine Scheidung der Kälber in „unter 6 Wochen'' und „über 6 Wochen bis 6 Monate alt" vornimmt, um damit über „die Nach- zucht von Schlachtkälbern" Aufschlufs zu gewinnen, ') so ist nicht recht ersichtlich , wie dieser Zweck erreicht werden soll. Denn wenn unter den bis 6 Wochen alten Tieren sich ebensowohl die zur Aufzucht wie die zum Schlachten bestimmten Kälber befinden, so ist dies doch sicher auch bei den über 6 Wochen alten Kälbern der Fall. Es würde falsch sein, anzunehmen, dafs diese Tiere alle zur Aufzucht bestimmt seien; um über die Zahl der letzteren den ge- wünschten Aufschlufs zu erhalten, würde es der besonderen Be- fragung nach der Bestimmung des Kalbes (ob zur Aufzucht oder zum Schlachten) bedürfen. -) Was die Bestimmung des Rindviehs als Schlachtvieh be- trifft, so läfst sich gegenüber den Feststellungen Conrad's^) kaum ein Fortschritt in der Statistik konstatieren. Das „Mastvieh" wird nur in Ungarn und den Niederlanden als solches ermittelt. Es ist aber klar, dafs damit für die Beurteilung des zum Konsum gestellten Viehs kein hinreichend genauer Anhalt geboten wird. Sehr viel mageres Rindvieh kommt zur Schlachtbank ; auch die geschlachteten Kälber zählen in der Regel nicht zum Mastvieh und schliefslich ist dieser Begriff selbst ein sehr unbestimmter. Denn als Mast be- zeichnet man unter Umständen auch das Verfahren, ein als Milch- kuh verkauftes Stück Rindvieh zum Verkauf eine kurze Zeit lang „an- zufuttern" , ebenso wie die planmäfsig vorgenommene Ausmästung, wobei der Effekt selbstverständlich ein sehr verschiedener sein mufs. Audi die Rassenverschiedenheit mufs hierbei in Betracht ge- zogen werden. Zur Erlangung eines genügenden Anhaltes über den Verbrauch an Fleisch wird man auch hierin die von Conrad er- hobene Forderung, jedes geschlachtete Stück unter der Bezeichnung nach Art und Gewicht festzustellen , erheben müssen , wofür aber ') Monatshefte zur Stat. des Deutschen Reichs. .Tuniheft 1884 pag. 2, s. auch die früheren Bemerkungen aui" pag. 79 fi'. -') So ermittelte Dänemark im Jahre 1866 die im vorhergehenden Jahre auf- gezogenen Füllen, Kälber, Lämmer und Ferkel, wodurch ohne Zweifel über den Umfang der „Zuchf* besserer Aufschlufs gewonnen wird, als bei dem von der Keichsstatistik beobachteten Verfahren. •■') a. a. O. pag. 99 ff. 402 — 83 — nur in den mit Schlachthäusern versehenen gröfseren Städten die Möglichkeit gegeben ist. wenngleich damit auch nicht alles in diesen Städten zum Konsum gelangende Fleisch getroffen wird. Schafe. Die Viehzählungen sämtlicher hier in Betracht ge- zogener Länder erstrecken sich auch auf die Ermittelung der Schafe, wobei in der Art der ßubrizierung ebenfalls grofse Ver- schiedenheit herrscht. Die Gebrauchsbestimmung der Schafe ist zwar eine einfachere als beim Rindvieh und den Pferden ; ihre Be- nutzung findet statt als Woll- oder Fleischschafe. Alter und Ge- schlecht sind hierbei von geringerem Belang, dagegen ist die Rassen- bestimmung hier mehr als bei anderen Tieren von Wert, weil der Grad des Adels der Wolle ebenso durch die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Basse charakterisiert wird, wie die vorzugsweise Be- nutzung der Schafe als Fleischlieferant. Die Statistik verschiedener Länder sucht diesen Verhältnissen sich anzupassen, indem die Unterscheidung entweder die Zugehörigkeit der Tiere zu bestimmten Rassen und die Trennung der den edleren Rassen angehörigen Tiere von denjenigen der Landrasse ins Auge fafst, oder indem sie mehr allgemein die edlen , halbedlen und groben , auch wohl die grob- wolligen , feinwolligen und langwolligen Schafe trennt. Eine be- sondere Ermittelung der Fleischschafe ist nur in wenigen Staaten erfolgt. Überblicken wir die Statistik der verschiedenen Länder, so finden wir zunächst eine Anzahl, welche jede Unterscheidung ver- missen lassen und wo einfach die Zahl der vorhandenen Schafe er- mittelt wird (Schweden, Norwegen, Niederlande). In England wird nur nach dem verschiedenen Alter getrennt, ohne auf Geschlecht und Rasse, in Irland nach dem Alter und Geschlecht, ohne auf die Rasse einzugehen. Die gleiche Unterscheidung besteht in Belgien und eine ähnliche in Österreich (Schafmütter, Jungvieh unter 2 Jahren und Widder und Hammel über 2 Jahre). In Italien ist wieder nur die Unterscheidung nach dem Geschlecht getroffen, nicht aber diejenige nach Alter und Rasse. Dänemark ermittelt die Schafe unterschieden nach Alter nur bei den über 1 Jahre alten Tieren nach dem Geschlecht; hier treffen wir auch, aber nur für die männ- lichen Tiere, eine Unterscheidung nach der Rasse, und zwar unter- scheidet man: Merino oder andere spanische, feinwollige Rasse, Dishley und andere langwollige Rassen, Southdown und andere kurz- wollige Rassen, Landrasse und andere nicht genannte Rassen. Sehr allgemein ist die Unterscheidung in Ungarn (veredelte und gewölm- 403 — 84 — liehe Schafe), ohne innerhalb dieser Eubriken nach Alter und Ge- schlecht zu trennen, ebenso in Frankreich, wo Landrasse und ver- edelte Easse getrennt sind. Die deutsche Reichsstatistik schliefslich hat die Unterscheidung nach Grebrauchsbestimmung und Alter, nicht die nach Geschlecht, gewählt. Es wird die Zahl der unter 1 Jahre alten und der mehr als 1 Jahre alten Tiere ermittelt, und dieselben nach ihrer Zugehörigkeit zu den ,.feinen Wollschafen", „veredelten Fleischschafen" und „allen anderen Schafen" getrennt. Eine Ausscheidung der „Heidschnucken", welche im Jahre 1873 vorgenommen wurde, fand 1883 nicht mehr statt, dagegen ermittelte Württemberg noch besonders die „Bastardschafe'^, während in Baden nur nach Alter und Geschlecht gefragt wurde. Ein besonderer Wert kann den Rasseunterscheidungen heute dennoch nicht beigelegt werden. Denn abgesehen davon, dafs, wie Conrad schon hervorhob, der Grad des Adels der Wolle heute von geringerem Belang ist, da die Preise der verschiedenen Wollen mehr und mehr sich ausgleichen, so ist auch eine zutreffend genaue Auseinanderhaltung gar nicht zu erwarten. Nur in solchen Gegen- den, wo eine eigentliche Schafzucht mit bestimmten Züchtungszwecken stattfindet, kann man auf ein einigermafsen zutreffendes Resultat rechnen , (so in Deutschland vorzugsweise in den östlichen und nördlichen Teilen dessell)en). Überall sonst mufs man erwarten, dafs mit mehr oder weniger Willkür eine Zuteilung der Tiere zu den einzelnen Rubriken erfolgt. Es ist eine bezeichnende Thatsache, dafs bei der im Jahre 1873 vorgenommenen Zählung in Bayern ein grofser Bestand von „Heidschnucken'' nachgewiesen wurde, obwohl notorisch Heidschnucken dort gar nicht oder nur in verschwindend geringer Zahl vorhanden waren. Man liatte al)er geglaubt, die Rubrik ausfüllen zu müssen, und hatte die geringwertigen, auf Heide- und Moosweiden getriebenen Schafe dahin gezählt. Ahnliche Vorgänge müssen aber auch dort unausbleiblich sein, wo es in der Natur des landwirtschaftlichen Betriebes nicht gelegen ist, eine feinere Unter- scheidung zwischen den verschiedenen Rassetieren. Kreuzungen und Landrassen zu treffen. — Auch die Bezeichnung ., Fleischschafe'* oder „veredelte Fleischschafe" bietet keine Gewähr, dafs unter die- selbe Gleichwertiges gefafst werde. Es wird nicht fehlen, dafs, während von dem einen Besitzer hierhin die in ihrer Art als Fleisch- schafe charakterisierten, frühreifen und besonders mastfähigen Tiere gezählt werden, von einem andern alle zur Schlachtbank bestimmten oder zur Mast aufgestellten Tiere dahin gerechnet werden. — Im 404 — 85 — Allgemeinen reichen die sämtlichen Nachweisungen über die Schafe nur zu, um über die Zahl derselben insgesamt Aufschlufs zu geben ; nur in Bezug auf diese ist auch eine Yergleichbarkeit zwischen den einzelnen Nachweisungen vorhanden. Schweine. Weniger umständlich ist die bei der Ermittelung der Schweine getroffene Unterscheidung. Die meisten Staaten unter- scheiden überhaupt nicht, sondern zählen die Schweine insgemein (England, Schweden, Norwegen, Ungarn, Frankreich, Niederlande und Deutschland). Eine Unterscheidung nach dem Alter trifft Ir- land, Osterreich, Belgien und Dänemark ; nach dem Geschlecht wird gefragt in Italien und Dänemark, in welch' letzterem Staate auch allein eine Ermittelung der Hassen, aber nur für die männlichen Tiere erfolgt. Erwähnen wir schliefslich, dafs eine Zählung der Ziegen fast allgemein, eine solche des Geflügels in manchen Ländern (von deutschen Staaten in Baden und Württemberg) stattfindet, dafs auch die Zahl der Bienenstöcke sowie das Gewicht der Seidencocons (letzteres in Deutschland bei der letzten Zählung nicht mehrj zum Gegenstand statistischer Ermittelung gemacht werden, so gelangen wir zu dem Urteil, dafs dieser Teil der Statistik ein allgemein und ziemlich eingehend bearbeiteter ist. Wir sind, damit unsere Untersuchung über ihren ursprünglichen Zweck hinaus etwas erweiternd, auf die Yiehstatistik der einzelnen Staaten auch insofern näher eingegangen, als wir die Verschieden- heit der Erhebungsmethoden dabei berührten. Es ist dies zum Ver- ständnis der Bedeutung der einzelnen Viehzählungen und der Vieh- statistik allgemein nötig ; aufserdem ermöglicht ein solches Eingehen — welches übrigens doch nur die Hauptpunkte der angewendeten Me- thoden streifte — eine Beurteilung über die Entwickelung, welche die statistischen Aufnahmen über den Viehbestand in der von uns behandelten Periode genommen hat. Wir vermochten in dieser Hinsicht schon einzelne Momente hervorzuheben. So durften wir es als einen Fortschritt anerkennen, dafs einzelne Länder überhaupt sich entschlossen, Viehzählungen vorzunehmen (so England, welches bis 1867 und Italien, welches bis 1868 keine Viehzählung kannte). In Italien konnte gleichzeitig ein Schritt zur Vervollkommnung darin erkannt werden, dafs es seine Viehzählung (1881) zu einem be- stimmten Termine vornahm, während noch im Jahre 1868 eine Zäh- lung begonnen wurde , die ,,sich über mehrere Jahre erstreckte**. ') *) Statistica del ßestiame. Roma 1875. 405 — 86 — Ol) auch stets dort, wo zwischen den früheren und den neueren statistischen Nachweisungen eine Andemng in der Fragestellung sich findet, ein Fortschritt anzunehmen ist. läfst sich im Einzelnen wohl bezweifeln. Es ist immer zu beklagen . wenn damit die Yer- gleichbarkeit eine Beeinträchtigung erfährt, wenngleich diese Eück- sicht nicht in Betracht kommen darf, wenn es sich darum handelt, durch strengere begriffliche Bestimmung eine gröfsere Genauigkeit der Resultate zu erlangen. Aber gerade diese scheint uns weit mehr eine Beschränkung auf wenige, begrifflich genau bestimmte Kategorien zu gebieten, als eine immer mehr ins Detail gehende Spezialisierung. — Wir sind daher auch geneigt, überall dort, wo diese Be- schränkung sich wahrnehmen läfst, ein Zeichen der fortschreitenden Entwickelung zu erblicken. Die gröfste Verschiedenheit gegenüber den früheren Erhebungen hat ohne Zweifel Deutschland aufzuweisen. Wenn auch vor Einigung des Deutschen Reiches in der grofsen Mehrzahl der deutschen Staaten Aufnahmen über den Viehstand stattgefunden hatten, so bestand doch so vieles Unterscheidende zwischen diesen Aufnahmen . dafs die gemeinsame Durchführung derselben für das ganze Reich drin- gend erwünscht war. ^) Die bisherigen Aufnahmen unterschieden sich sowohl durch die Verscliiedenheit der Aufnahmejahre wie der speziellen Aufnahmetermine; die Wiederholung der Erhelmngen er- folgte in verschieden langen Perioden und die Art der Erhebung und Fragestellung war eine aufserordentlich mannigfaltige. Die Beseitigung dieser Mannigfaltigkeit bedeutet eine hervorragende Ver- l)esserung der Viehstatistik in Deutschland, der gegenüber die in den Einzelstaaten eingetretene Störung der Vergleichbarkeit um so weniger ins Gewicht fällt, als jeder derselben in der Lage ist. durch eine Erweiterung der Fragestellung auch die Vergleichbarkeit mit früheren im Wesentlichen zu erhalten. Auf die Verschiedenheit in der Anordnung der Viehzählungen in Osterreich wiesen wir schon hin. Für die übrigen Staaten be- sclu'änkten wir uns, wo Besonderheiten zu erwähnen waren, diese in vergleichender AVeise bei der Besprechung der einzelnen Teile vieh- statistischer Aufnahmen hervorzuheben , so zwar , dafs dabei stets diejenigen Momente hervorgehoben wurden, welche gleichzeitig als ein Zeichen fortschreitender Entwickelung betrachtet werden konnten. ^) Siehe die Übersicht auf pag. 72. 406 — 87 — Es erübrigt uns im Anschlufs daran noch auf einige Punkte einzu- gehen. Wenn wir die Erhebungen über den Viehstand im Hinblick auf ihre Vergleichbar keit zwischen den verschiedenen Ländern be- trachten, so zeigt unsere Untersuchung, dafs diese auch heute noch, trotz aller internationalen statistischen Kongresse, eine sehr mangel- hafte ist. Ein störendes Element bildet die von uns im Einzelnen nachgewiesene grofse ^Mannigfaltigkeit der Unterscheidungen. Allein man würde darüber hinwegsehen können, wenn wenigstens in Bezug auf die Gesamtzahl der Hauptviehgattungen die Vergleichung möglich wäre. Aber auch diese Möglichkeit ist nicht gegeben, teils, weil in den einzelnen Ländern nicht die Gesamtzahl der Tiere er- mittelt wurde (so wurden in England Schweine von Besitzern von weniger als 7« ^^re Land nicht gezählt ; auch in Frankreich scheinen nicht alle im Lande vorhandenen Tiere gezählt zu werden, wie aus der Bezeichnung derselben als animaux de ferme hervorgehen dürfte), teils weil die Zählung der Tiere zu sehr verschiedenen Terminen vorgenommen wurde. Die Bedeutung des zu wählenden Termins für das Resultat der Tierzählungen ist so häufig besprochen worden, ^) dafs wir uns dessen enthalten können; es genügt auf die thatsächlich bestehende Verschiedenheit hinzuweisen. Während die deutsche Reichsstatistik als Termin der Viehzählung den 10. Januar gewählt hat, ist dieser in Osterreich und Norwegen der 31. Dezember, in Italien der 14. Februar, in England und Irland der 5. Juni, in Dänemark der 5. Juli, in Belgien der 1. September. Auch die Verschiedenheit der Jahre der Erhebung beeinträchtigt die Vergleichbarkeit: Während in Deutschland die erste Zählung von 1873 datiert und wie es scheint in lOj ähriger Wiederholungsperiode fortgesetzt werden soll, datieren die Zählungen in Osterreich von 1869 und 1880; in Belgien, wo früher die Zählung in 10jährigen Perioden stattfand, und zwar stets im 6. Jahr der einzelnen Dezennien (18-16. 56, 66 hat die neueste Erhebung 1880 stattgefunden. Die letzte Zählung in England und Irland fand 1883 statt. In Dänemark fallen die Zählungen in fünf- jährigen Wiederholungsperioden in die Jahre 1 und 6 der einzelnen Dezennien, die Aufnahme aus Italien schliefslich datiert aus dem Jahre 1881. ^) U. a. in ausführlicher Weise in Hildebrand — Conrad's Jahrbüchern Bd. XVII. pag. 377 ff. „Die Yiehzählungsmethoden in den europäischen Staaten-^. 407 — 88 — Sind diese Verschiedenheiten demnach bei der Anstellung von Vergleichen wohl zu beachten, so mufs endlich auch die Frage nach der Art der Erhebung gestellt werden, von der im Wesentlichen der Grad der Genauigkeit der erzielten Resultate abhängt. Man mufs zugeben, dafs die Viehstatistik vor anderen agrarstatistischen Er- hebungen den Vorzug hat, genauer als diese sein zu können. Während bei der Ermittelung der meisten landwirtschaftlichen Thatsachen eine mehr oder minder zulängliche Schätzung an die Stelle wirklicher Zählung treten mmfs, ist bei der Erhebung des Viehstandes die Möglichkeit einer solchen gegeben. In einem ge- gebenen Zeitpunkt würden sich alle vorhandenen Tiere der ver- schiedenen Gattungen ebenso zählen lassen können, wie dies bei der Bevölkerungsstatistik in Bezug auf die einzelnen Individuen der Fall ist. Die Ausführbarkeit dieser Zählung hängt allerdings von den besonderen Verhältnissen eines Landes ab und ist bedingt durch die zur Anwendung gelangende Methode. Wie die Bevölkerungs- statistik, so kann auch die Viehstatistik von der gemeindeweisen Ermittelung zur Ermittelung durch Hauslisten bis zu derjenigen durch Haushaltungslisten vordringen. Jene erste Methode schliefst die Notwendigkeit einer Zählung nicht ein, sie ist vielmehr nicht selten eine reine Schätzungsmethode. Eine solche liegt sicher in den Niederlanden vor, deren Nachweise über das Vieh in völlig runden Zahlen erfolgen. Geht man dagegen zur Anwendung von Hauslisten, oder schliefslich zu derjenigen von HaushaltungsUsten über, so ist dies gleichbedeutend mit wirklichen Zählungen. Der Grad der erzielten Genauigkeit hängt dann (abgesehen von einer zweckmäfsigen Fragestellung) von der Gewissenhaftigkeit des die Ausfüllung der Listen vornehmenden Zählers und davon ab, dafs die Gelegenheit vorhanden ist und benutzt wird, die gemachten Angaben auf ihre Richtigkeit zu kontrolieren. Das Verfahren, welches in dieser Hinsicht beobachtet wird, ist, soweit dies aus den, den statistischen AVerken (leider nicht überall) beigefügten Er- läuterungen zu ersehen ist, auch gegenwärtig noch ein vielfach von- einander abweichendes. Eine Gleichartigkeit ist gerade hierbei aber auch am wenigsten zu erwarten. Denn das Zählungsverfaliren mufs sich, insbesondere bei den Viehzählungen, nach der Art der je- weiligen Organisation der Verwaltungs- und Staatsbehörden, nach der Art der Eigentumsverteilung und vornehmlich nach dem Bil- dungsstande der in Frage kommenden Bevölkerung sehr verschieden gestalten. Daher denn auch jede der verschiedenen Verfahrungs- 408 — 89 — weisen, wenn nur die Voraussetzungen für die Anwendung derselben richtig beurteilt wurden, die relativ beste sein und zu den sichersten Resultaten führen kann. Der Anspruch, „dafs die Anwendung der Haushaltungslisten vereint mit der Mitwirkung der Vieh- besitzer und Kommunen beim Zählungsgeschäft von allen Me- thoden die vollkommenste sei,'*^) kann nur in beschränktem Sinne als giltig angesehen werden. Es trifft eben auch nur da zu, wo für dieses Verfahren gerade die Voraussetzung gegeben ist. Wir glauben, dafs dies in Deutschland febenso in Belgien), wo man Haushaltungslisten anwendet, der Fall ist, dafs man hier allgemein jenen Stand der Kultur als vorhanden anzunehmen berechtigt ist, für welchen es zutrifft, ,,dafs dies Verfahren die gröfste Genauigkeit und Vollständigkeit der Daten sowie die möglichste Geschwindigkeit und Gleichzeitigkeit der Erhebungen bei dem geringsten Aufwände an Zeit und Geld"-) erreicht. Trotzdem dürfte, was das End- resultat anlangt, die Zählung anderer Staaten (so von Osterreich), wo man zu diesem Verfahren noch nicht vorgeschritten ist, deshalb nicht zurückstehen, weil man sich hier ebenfalls den gegebenen Vor- aussetzungen und Kulturbedingungen anzupassen sucht. Es' ist noch ein letztes Moment, welches bei der Beurteilung der Möglichkeit einer Vergleichung der Zählungen verschiedener Länder in Betracht zu ziehen ist, nämlich die Reduktion der Zahlen verschiedener Tiergattungen auf einen gemeinsamen Faktor. Es ist für die Darstellung der Beziehungen des Tier- bestandes zur Bevölkerung sowohl, wie im Hinblick auf die Fläche der Länder eine wesentliche Erleichterung, wenn eine Reduktion des Bestandes erfolgt. Es würde aber zu unzulässigen Folgerungen führen, wollte man bei einer Vergleichung die Reduktionsresultate der einzelnen statistischen Nachweise einfach übernehmen. Denn gemeinsam ist diesen Reduktionen nur die Beziehung auf denselben Reduktionsfaktor, das Rindvieh, und auch dafs man sich dabei ein- fach an die Stückzahl und nicht , was richtiger wäre , an die Ge- wichtsbestimmung hält. Dagegen weichen die Verhältniszahlen in erheblichem Mafse voneinander ab. Während in Deutschland 1 Stück Grofsvieh (Rindvieh) gleich gesetzt wird -/.j Pferde, l^/o Maultier und Esel, 10 Schafen, 12 Ziegen, 4 Schweinen, 10 Kälbern, sind die Verhältniszahlen in Frankreich: 1 Grofsvieh ^ -., Pferd, -., ^) Hildebrand's Jahrb. XVll. „Die Viehzählungsmethodeu etc." pag. 385 fi". 2) ibid. pag. 397. 409 — 90 — Maultier, 2 Esel, 10 Schafe, 7 Ziegen, 4 Schweinen; in Norwegen = 1/2 Pferd, 6 Schafen, 6 Ziegen, 2 Schweinen; in Dänemark = ■% Pferd, 1 Esel, 10 Schafe, 10 Ziegen, 4 Schweinen. In den ein- zelnen Ländern sind es also sehr verschiedene Verhältniszahlen, welche der Reduktion zu Grunde gelegt werden. Dennoch kann man die gewählten Verhältniszahlen nicht ohne Weiteres als falsche ansehen. So ist es sehr wohl erklärlich, wenn in Norwegen sich ganz andere Verhältniszahlen finden als in Deutschland, weil das norwegische Rindvieh in der That einen ganz anderen Typus dar- stellt, als das in Deutschland verbreitete; dagegen mufs man auf den Gedanken einer willkürlichen Bestimmung gelangen, wenn man z. B. sieht, dafs in Frankreich auf 1 Stück Grofsvieh -/g Maultiere und 2 Esel kommen, in Deutschland dagegen l^s Maultier und Esel, oder dafs in Deutschland 12 Ziegen gleichwertig einem Stück Grofsvieh gerechnet werden, in Frankreich dagegen 7, in Dänemark 10. Die Reduktion trägt aber nicht nur den Charakter des Will- kürlichen, sondern auch des Mechanischen an sich. Dies zeigt sich besonders dadurch, dafs man als Grofsvieh das Rindvieh schlecht- weg annahm, ohne dabei eine Unterscheidung zwischen den reifen und noch nicht ausgewachsenen Tieren zu machen (nur in Deutsch- land machte man eine Ausnahme, indem lU Kälber gleich 1 Grofs- vieh gesetzt wurden). Zu einigermafsen zutreffenden Resultaten würde man nur gelangen können, wenn man von dem durchschnitt- lichen Gewicht eines Rindviehs und dessen durchschittlichem Futter- verbrauch ausgehend, das Verhältnis der anderen Tiere ebenfalls nach dem Durchschnittsgewicht der einzelnen Kategorieen und nach dem für die Tiere derselben erforderlichen Aufwand an Futter- mitteln bestimmte. Von diesen Bestimmungsprinzipien ausgehend, gelangt von der Goltz *) dazu, als „Grofsvieh" ein ausgewachsenes Stück Rindvieh von 1000 Pfund anzunehmen und ihm gleichzusetzen je ein erwachsenes Pferd oder 2 Fohlen, je ein erwachsenes Stück Rindvieh oder 2 Stück Jungvieh oder 4 Kälber, je 10 über 2 Jahr alte oder 20 jüngere Schafe, je 4 erwachsene Schweine oder 10 Läufer- schweine. Diese Verhältniszahlen auf die deutsche Reichsstatistik über- tragen, würde zu wesentlich anderen, und wie wir glauben, wegen der der Berechnung innewohnenden ratio, zutreffenderen Resultaten führen. '-) *) Handbuch der landwirtschaftl. Betriebslehre von Dr. Th. von der Goltz. Berlin 1886. pag. 219. -) Die deutsche Reichsstatistik hat Ijci der Erhebung von. 1883 die Re- duktion unterlassen. 410 — 91 — Die Bedeutung, welche den Vielizählungen innewohnt, ist eine vielseitige. Auch dann , wenn solche Zählungen noch völlig den Charakter allgemeiner Verwaltungsmafsregeln tragen und einen spe- zifisch landwirtschaftlichen Charakter noch nicht erkennen lassen, wohnt denselben ein hoher volkswirtschaftlicher Wert inne. Als ein Glied rein landwirtschaftlicher Statistik, und geeignet, den Aufgaben der Landwirtschaft zu dienen, gewinnen diese Er- hebungen erst dann eine gröfsere Bedeutung, sobald sie gestatten, den landwirtschaftlich benutzten Teil des Viehbestandes für sich auszuscheiden und die hierfür erhaltenen Daten zu dem landwirtschaftlich benutzten Areal in Beziehung zu setzen. Nur dadurch kann für die Beurteilung des landwirtschaftlichen Betriebes und der Tierproduktion aus den Tierzahlen ein Mafsstab gewonnen werden. Es ist sehr unerheblich, zu wissen, wieviel Pferde auf ein Joch Ackerland entfallen (wie dies in Ungarn berechnet wurde), wenn unter denselben auch alle in Städten gehaltenen Pferde, Militärpferde, Luxuspferde u. s. w. einbegriffen sind. Für die Be- urteilung des Beichtumes eines Landes an Tieren mag die allge- meine Zählung genügen, für die landwirtschaftlichen Produktions- verhältnisse besagen dieselben nicht genug. Nur eine Ermittelung der in den einzelnen Landwirtschaftsbetrieben gehaltenen Tiere und eine Gegenüberstellung derselben zu den nach der Gröfse des land- wirtschaftlich benutzten Areals charakterisierten Wirtschaften ist für die Beurteilung der landwirtschaftlichen Betriebsverhältnisse mafs- gebend. Die einzige wirklich ausreichende Erhebung dieser Art hat bis jetzt nur in Deutschland stattgefunden, ^) welches sich dadurch eines besondern Fortschrittes auf dem Gebiet der Agrarstatistik rühmen darf. Über die landwirtschaftliche Nutzviehhaltung wurden durch diese Erhebung die wertvollsten Aufschlüsse erteilt. Jetzt erkannte man nicht nur die Stärke des in der Landwirtschaft über- haupt benutzten Viehstandes, sondern auch die Verteilung desselben auf die einzelnen Gröfsenklassen der Wirtschaften; die Erhebung bot gleichzeitig Einblick in die Verteilung der einzelnen Viehkate- gorien auf die verschiedenen Wirtschaftsbetriebsklassen. Wieviel Nutzvieh auf die Grofs-, Mittel- und Kleinbetriebe entfällt, wieviel ^) Die in 2 Grebietsteilen Oberösterreichs stattgefundenen und früher schon von Konrad behandelten Probeerhebungen sind hier aufser Acht gelassen. — Auch von einzelnen deutschen Staaten wurden früher schon Ermittelungen an- gestellt, welche die Vergleichung der einzelnen Nutzviehgattung zur bewirt- schafteten Fläche gestattete — so in Braunschweig 1872. 411 — 92 — Zuchtvieh, wieviel zur Aufzucht bestimmtes, wie viel zur Arbeit be- nutztes auf diesen Wirtschaften gehalten wurden, sind Fragen, die durch diese Erhebung ihre Beantwortung finden. Es ist eine Be- urteilung der Art, Gröfse und Benutzung des lebenden Inventars in einem Mafse ermöglicht, wie solche irgend eine der anderen Vieh- zählungen nicht gestattet. Diese Verbindung von Erhebungen über die landwirtschaft- lichen Arbeits- und Nutztiere mit anderen, den landwirtschaftlichen Betrieb charakterisierenden Ermittelungen . darf unbedenklich als ein Muster allen anderen Ländern vorgestellt werden. ^) Die Möglichkeit einer zutreffenden Berechnung des lebenden Inventars als Teil des landwirtschaftlichen Betriebs- kapitals ist allerdings auch mit dieser Erhebung noch nicht gegeben. Zu dieser Bestimmung müfste auch hier die Schätzung hinzutreten, aber diese würde zu sichereren Annäherungswerten gelangen lassen, als die auf Grund der allgemeinen Viehzählungen angenommenen Schätzungen, da ihr in der Ausscheidung des lediglich landwirt- schaftlichen Viehbestandes wenigstens ein ziemlich feststehender, nicht selbst auch durch Anwendung von Schätzungen bei seiner Er- mittelung zweifelhaft gebliebener Faktor sich bietet. Wenn bei der grofsen Verschiedenheit in den Aufnahmen früherer Zeit die deutschen Staaten nur vereinzelt sich in den agrar- statistischen Leistungenanderen Ländern an die Seite stellen konnten, so glauben wir jetzt zu dem Urteil berechtigt zu sein, dafs die deutschen Erhebungen über den Viehstand auf der Höhe der Zeit stehen. Ihre Mängel sind keine anderen, als sie der Viehstatistik allgemein heute noch eigen sind. Die besonderen, in einer land- wirtschaftlichen Betriebsstatistik zusammengefafsten Erhebungen be- zeichnen aber einen bestimmten Fortschritt in der Agrarstatistik, durch den ^gleichzeitig der Weg angedeutet wird, auf dem die Agrar- statistik u. E. weiter zu arbeiten hat. — Kehren wir nach diesen Ausführungen auf jenen Punkt zurück, den wir als das Ziel der gesamten agrarstatistischen Erhebungen -) Etwas Ähnliches versucht die nieder ländischeStatistik, indem sie den Viehstand auf die einzelne Wirtschaftsuiitemehmunp: bezieht. Diese wird aber nicht nach der Gröfse des Areals charakterisiert, vielmehr nach der Gröfse des ßfehaltenen Viehbestandes (nombre d'entreprises agricoles d'apres la quantite de b6t.ail) Man trennt dabei Betriebe, die sechs Kühe und darüber, die vier Pferde und darüber, 2 u. 3 Pferde oder nur I Pferd haben, s. Resüme statistique pour le Koyaume des Pays-bas 1850—1880. 412 — 93 — bezeichneten. — die Frage nämlich, ob dieselben die Möglichkeit einer Berechnung des landwirtschaftlichen Reinertrages gestatten ? Wir überblicken noch einmal die auf das gesamte Inventar bezüglichen Ermittelungen , und bemerken , dafs , soweit es sich um die Geldwertberechnung des in der Landwirtschaft zur Ver- wendung gelangenden toten und lebenden Inventars handelt, die Beurteilung der statistischen Arbeiten auch heute von derjenigen nicht wesentlich abweichen kann, zu welcher in seinen Untersuchungen Konrad gelangte. Namentlich soweit das tote Inventar in Betracht gezogen wurde, erkannten wir, dafs, wo überhaupt sich die Statistik damit befafste, sie auf mehr oder minder zulänglichen Schätzungen beruhte. Diese Ermittelungen erstreckten sich dabei nur auf einen kleinen Teil des toten Inventars, andere Teile völlig unberück- sichtigt lassend, für w^elche demnach nur eine allgemeine Schätzung eintreten könnte. Schliefslich waren es auch nur einzelne Staaten, deren Statistik überhaupt auf die Ermittelung von Teilen des toten Inventars einzugehen suchten. — Dem lebenden Inventar sahen wir dagegen eine allge- meinere Aufmerksamkeit zugewendet; doch konstatierten wir auch hier, dafs die bezüglichen Ermittelungen für eine Berechnung des landwirtschaftlichen Inventars nach seinem Kapit: Iswert nicht die Handhabe boten. Wenigstens war dies überall dort nicht der Fall, wo der der Landwirtschaft allein angehörige Teil des Viehbestandes nicht gesondert ausgewiesen war. Wo diese Trennung stattfand (so namentlich in der deutschen Betriebsstatistik), bietet sich aller- dings ein wertvolleres Material, welches man ohne allzugrofse Be- denken als Faktor einer Wertschätzung würde benutzen können, wenn der andere Faktor, der Durchschnittswert der den verschiedenen Kategorieen angehörenden Tiere , die Garantie in sich trüge , mehr als ein Produkt oberflächlicher, teilweise sogar auf falscher Grund- lage beruhender Schätzung zu sein, wovon wir uns indessen auch bei der von der deutschen Reichsstatistik vorgenommenen Wertermitte- lung nicht zu überzeugen vermögen. 2. Der Arbeitsaufwand. Neben dem Kapitalsaufwande ist zur Ermittelung des Rein- ertrages der Aufwand an Arbeitskraft in Betracht zu ziehen, eine Aufgabe, zu deren Lösung die Statistik einzelner Staaten zwar An- 413 — 94 — laufe genommen hat. ohne doch zu beachtenswerten Resultaten zu gelangen. Eine Statistik des Arbeitsaufwandes hat zu trennen zwischen menschlicher und tierischer Arbeitskraft. — a)Die menschliche Arbeitskraft und Arbeitsauf- wand. Die Ermittelung der in der Landwirtschaft eines Landes zur Verwendung gelangenden menschlichen Arbeit würde erfordern, dafs 1 . die Gesamtzahl der in der Landwirtschaft t h ä t i g e n Bevölkerung, 2. die Gesamtleistung dieser Bevölkerung zum Gegenstand der Forschung gemacht werde. Die unter 2 gestellte Aufgabe könnte wieder nur dadurch gelöst werden, dafs dabei die landwirtschaftlich thätige Bevölkerung erforscht w^ürde unter Tren- nung derselben in erwachsene und jugendliche Arbeiter und bei den Erwachsenen je nach dem Geschlecht, und dafs ferner die Leistung dieser einzelnen Kategorien ermittelt würde. Dabei würde man die ständig und die nur zeitweise beschäftigten Arbeiter zu berücksichtigen haben, um schliefslich die Leistung jeder dieser Klassen von Arbeitern festzustellen. Aber auch hierbei hätte man noch zu unterscheiden bei den ständigen Arbeitern nach der Art ihrer Haltung: das Gesinde, die kontraktlich gebundenen und die freien Tagelöhner. — Hinsichtlich des Mafses der geleisteten Arbeit würde man zu wählen haben, ob man die einzelnen Leistungen nach ihrer verschiedenen Natur ins Auge fassen, oder dieselbe allgemein durch die von jeder Arbeiterkategorie geleisteten Arbeitstage, oder durch die Höhe des an jede Kategorie im Laufe des Betriebsjahres gezahlten Tagelohnes zur Darstellung bringen wollte. Das hier stets berücksichtigte Ziel der Ermittelung des Beinertrages würde es in jedem Falle erforderlich machen, eine in Geldwert bemessene Summe des Arbeitsaufwandes zusammen mit dem übrigen Kapitals- uud sonstigen Aufwände dem Ertrage gegenüberzustellen. Versuche, über die Arbeitsverhältnisse Aufschlufs zu erlangen. sind schon früher gemacht, doch haben sie alle nur die Schwierig- keit eines Eindringens in dieselben erkennen lassen. Soweit man in einzelnen Ijändern (so in Frankreich, Belgien) dazu gelangte , eine Zahl der in der Landwirtschaft aufgewendeten Arbeitstage aufzu- stellen, zeigte Konrad, dafs dieselbe lediglich auf allgemeinen An- nahmen beruhte. Eine Statistik der landwirtschaftlichen Arbeiter hat die genaue Ermittelung der in der Landwirtschaft thätigen Bevölkerung zur 414 — 95 — Voraussetzung. Die Bevölkerungsstatistik einzelner Länder geht auf diese Ermittelung dort ein , wo gleichzeitig mit der Zählung eine Trennung der den verschiedenen Berufsarten angehörigen Bevölke- rung angenommen wird. Es ist dies aber nicht überall der Fall, und selbst wo eine genauere Ermittelung der Berufsarten stattfindet, reicht dieselbe noch nicht hin , um die gesamte in der Landwirt- schaft zur Verwendung gelangende Arbeitskraft daraus hinlänglich zu bestimmen. Eine der genauest unterscheidenden Erhebungen ist diejenige der Berufsstatistik im Deutschen Keich (5. Juni 1882); hier werden neben den in der Landwirtschaft Selbständigen und Geschäftsleitern, das höhere Verwaltungs personal, die in der Landwirtschaft beschäftigten Angehörigen der Selbständigen, die landwirtschaftlichen Knechte, Mägde und Gre hilf en, schliefslich die Tagelöhner ermittelt. Von den Selbständigen werden diejenigen selbständig die Landwirtschaft Be- treibenden ausgesondert, welche zugleich landwirtschaftliche Tagelöhnerei treiben, und auch für sie werden die mitthätigen Familienangehörigen, Knechte, Mägde und Gehilfen ermittelt. Da- mit wird ein grofser Teil der landwirtschaftlichen Arbeit erfafst, soweit man die Repräsentanten derselben betrachtet ; aber doch auch nicht die gesamte landwirtschaftliche Arbeit. Denn einmal ist zu beachten, dafs unter den selbständig die Landwirtschaft Betreiben- den eine grofse Zahl solcher sich befinden, die eigentlicli landwirt- schaftliche Arbeit nie verrichten . während ein anderer Teil (die klein- und mittelbäuerliche Bevölkerung) sich darunter befindet, welcher lediglich mit landwirtschaftlicher Arbeit befafst ist und dessen Gesamtleistung bei einer Ertragsberechnung nicht aufser Acht gelassen werden darf. Ferner wird ermittelt, dafs eine grofse Zahl der in der Landwirtschaft als Hauptberuf Selbständigen, der mitthätigen Angehörigen und der als Tagelöhner thätigen Personen, noch einen Nebenberuf betreiben, demnach also einen Teil der Arbeitskraft der Landwirtschaft entzieht. Über den jeweiligen An- teil der Arbeitskraft, welcher der Landwirtschaft gewidmet wird, ist aber ein Aufschlufs nicht erteilt, auch zu erteilen wohl kaum möglich. Auf der anderen Seite werden von den in anderen Berufsarten als ihrem Hauptberuf thätigen Personen eine Anzahl angeführt, welche die Landwirtschaft als Nebenberuf be- treiben, und auch hier bleibt es unbekannt, welches Mafs an Arbeit von diesem Teil der Bevölkerung der Landwirtschaft gewidmet wird. Wenn aber diese deutsche Berufsstatistik, bei der sichtlicli das 415 — 96 — Bestreben obwaltete, über die eigentlich landwirtschaftliche Thätig- keit und Arbeit Aufschlufs zu erhalten, die zu stellenden Ansprüche nur in mangelhafter Weise befriedigt, so finden wir dies noch mehr in anderen Staaten , bei denen dies Bestreben kaum in dem- selben Mafse vorhanden ist, bei denen die Ermittelung der ßerufs- arten vielmehr den Zweck verfolgt, nur eine Beurteilung der so- zialen Gliederung der Bevölkerung zu gewinnen. So begnügt sich die belgische Statistik mit der Ermittelung der Zahl der gewohn- heitsmäfsig mit landwirtschaftlichen Arbeiten beschäftigten Familien- glieder eines Besitzers oder Pächters, sowie der Diensboten und der ständigen Tagelöhner. Die grofse Masse flottierenden Ar- beite rpersonals, welches, aus einheimischen und fremden Per- sonen bestehend, in gewissen Perioden mehr, in anderen weniger in der Landwirtschaft Beschäftigung sucht und findet, berücksichtigt die neueste Erhebung nicht mehr. Eine Berechnung der auf 100 ha der kultivierten Fläche entfallenden landwirtschaftlichen Arbeiter, wie sie dennoch in der neuesten Statistik von Belgien sich findet, hat daher für die Beurteilung der thatsächlichen Arbeitsleistung gar keinen Wert, weil eben nur die ständigen Arbeiter in Betracht ge- zogen sind. Wenn man erkennt, dafs diese Zahlen in weiten Grenzen schwanken, zwischen 63 und 23 travailleurs und 43 und 5 domesti- ques, so erklären sich diese Differenzen nur dadurch, dafs die wan- dernden Arbeiter keine Berücksichtigung erfuhren. ') — Umfassender, wenngleich auch nicht genügend, um die Gesamtheit der landwirt- schaftlichen Arbeiter und der geleisteten Arbeit zu erfassen, geht die französische Statistik vor. -) Hier unterscheidet man zwischen den direkt thätigen Personen und den mit ihnen zusammenlebenden Familiengliedern ohne besonderen Beruf, eine Ausscheidung, wie sie sich ähnlich auch in der deutschen Berufsstatistik findet. Es wird ferner unterschieden zwischen Eigentümern, die ihr Gut selbst bewirtschaften , und Pächtern , Kolonen , Halbpächtern , für welche einzelne Klassen die Zahl der Angehörigen , der beschäftigten Be- amten und Arbeiter ermittelt wird. Dabei ist aber nicht darauf geachtet, dafs unter den von den Eigentümern beschäftigten Arbeitern sich selbst auch Eigentümer finden, wie auch eine Anzalil von Ko- lonen, Halbpächtern u. s. w., so dafs hier eine Doppelzählung nicht ') Stat. de la Belgique. Recensemont p^rnerale de 1880. Bruxelles 1885. pag. XCIX. -) Stat. de la France-Population. Resultats generaux du d^nombrement de 1876. Paris 1878. pag. XLVlTff. 416 — 97 — vermieden ist. Es entgeht ferner die Möglichkeit, zu beurteilen, wie weit kleine Eigentümer in ihren eignen Wirtschaften thätig sind, wie weit in fremden, ebenso wie diejenige, welche gestattet, die nur zeitweise in der Landwirtschaft beschäftigten Arbeiter zu erfassen. Die Berufsstatistik anderer Länder brauchen wir kaum weiter zu berühren , denn nirgendwo wird Besseres und Genaueres geleistet, als in den schon betrachteten Erhebungen, vielfach weniger. So ist die österreichische Statistik schon deshalb wenig geeignet, um über die in der Landwirtschaft verwendete Arbeit Aufschlufs zu geben, weil sie Land- und Forstwirtschaft nicht von einander trennt. Im Übrigen ist auch bei ihr die gebotene Unterscheidung zwischen Eigentümern, Angehörigen, Beamten, Arbeitern und Diener- schaft gemacht, dagegen hier unterlassen, die in der Landwirtschaft t h ä t i g e n Familienangehörigen auszusondern. Die Ermittelung der Zahl der Arbeiter, selbst deren voll- ständige Genauigkeit vorausgesetzt, würde gleichwohl noch nicht geeignet sein, über das Mafs der geleisteten Arbeit Klarheit zu geben. Dieses zu bestimmen, würde man mit der Zahl der Arbeiter die Zahl der Arbeitstage in jeder einzelnen Kategorie der ersteren zu kombinieren haben. Man hat dies Verfahren auch beobachtet, indem man die Arbeitstage mit zur Berechnung zog. Dafs es sich hierbei lediglich um Schätzungen handelte, die den Stempel der Willkürlichkeit zu deutlich an sich trügen, als dafs denselben irgend ein Wert beizumessen wäre, hob in seinen Untersuchungen Conrad schon hervor, ein Urteil, dessen Berechtigung auch bei denjenigen anerkannt zu sein scheint, welche auf derartige Schätzungen sich früher eingelassen hatten. So hat wenigstens die belgische Enquete von 1880 die Zahl der Arbeitstage, welche 1846 für die temporär in der Landwirtschaft beschäftigten Arbeiter festgestellt wurde, und aus welcher man durch Reduktion auf ein durchaus willkürlich an- genommenes Arbeitsquantum von 300 Arbeitstagen für einen Arbeiter die Zahl dieser Arbeiter sell)st zu bestimmen suchte, gänzlich fallen gelassen. ^) Wie weit die französische Statistik bei ihrer neuesten Enquete an der auch von ihr früher befolgten Methode, zur Schätzung der Arbeitsleistung bestimmte Mafszahlen zu supponieren, festgehalten hat, läfst sich, da die Resultate dieser Enquete noch nicht ver- öffentlicht sind, nicht feststellen. *) . . . Texactitude de ces renseignements iiyant paru tout douteuse. a. a. 0. pag. XCIX. 41 1 — 98 — Hält man übrigens eine Schätzung der Arbeitsleistung auf Grund willkürlich gewählter Angaben über die dem einzelnen Ar- beiter zuzusprechenden Arbeitstage für statthaft, so würde eine solche Statistik auch zur Erfüllung der in letzter Reihe gestellten Forde- rung vorschreiten können: zur Bemessung des Grundwertes der landwirtschaftlichen Arbeitsleistung. Für ein sol- ches Verfahren würde die Ermittelung des für landwirtschaftliche Arbeiter, für Knechte und Mägde gezahlten Lohnes, wie sie in einzelnen Ländern stattfindet, vielleicht den erforderlichen Anhalt bieten. Wir brauchen aber kaum auf eine solche Art der „Statistik" einzugehen. Denn abgesehen davon, dafs die Ermittelung der Tage- löhne (worauf wir später noch zurückkommen) zu Ausstellungen manchen xVnlafs bietet, würde man mit diesen Berechnungen noch mehr das Feld vager Schätzungen betreten müssen, als dies bei Be- messung der Arbeitsleistung nach einem angenommenen Arbeits- quantum schon geschah. Ein tieferes Eindringen in die landwirtschaftlichen Arbeiter- und Arbeitsverhältnisse und ein vollständiges Erfassen derselben ist durch deren eigentümliche Natur unserer Ansicht nach über- haupt ausgeschlossen. Wenigstens auf dem Wege allgemeiner sta- tistischer Erhebungen — weshalb man auch nicht sagen kann, dafs die Statistik in dieser Beziehung noch eine untergeordnete Stellung einnehme. Wo man überhaupt den Versuch gemacht hat, ein- gehender auch diese Verhältnisse zu erforschen, ist die Erfolglosig- keit eben eine durch die Natur dieser Verhältnisse bedingte. Man kann im Gegenteil anerkennen, dafs die Statistik auch hier gewisse Fortschritte aufzuweisen liat, und vornehmlich glauben wir dies von der deutschen Berufsstatistik behaupten zu können. Abgesehen von der, auch hier wieder als Fortschritt zu bezeichnenden Einheitlich- keit der Erhebungen für alle deutschen Staaten, ist die deutsche Statistik geeignet, über einzelne Kategorien der landwirtschaft- liclicn Arbeiter den überhaupt erreichbaren Aufschluls zu gewähren. Di«* Verteilung der in der Landwirtschaft thätigen Bevölkerung läfst sich hier besser als in einer der von anderen Staaten vorgenommenen Erhebungen erkennen. Diejenigen landwirtscliaftliclien Tagelöhner, die ihre ganze Arbeit der Landwirtschaft, als ihrem Hauptberuf, widmen, sind gezählt; die in der Landwirtschaft thätigen Angehörigen der Besitzer, Pächter u. s. w. erscheinen getrennt von den nicht thätigen; die Zahl der landwirtschaftlich thätigen Knechte, Mägde und Gehilfen ist gesondert von derjenigen der 418 — 99 — übrigen Dienstboten, eine Unterscheidung, die wir nur bei der deutschen Statistik antreffen, die aber gerade für die Beurteilung der land- wirtschaftlichen Arbeitsleistung von Wert ist. Rechnen wir dazu die Zahl der Beamten, Verwalter u. s. w. nebst ihren Angehörigen, sowie die Zahl der Besitzer und Pächter selbst und beachten wir weiter, dafs alle diese Kategorien eine Scheidung erfahren, je nach- dem sie Landwirtschaft ohne oder mit Nebenberuf betreiben, so er- füllt damit die deutsche Statistik die Forderung, zu welcher Conrad bei seiner Beurteilung der Statistik der landwirtschaftlichen Arbeits- verhältnisse gelangte, dafs man sich „auf die Bestimmung der aus- schliefslich von Landwirtschaft Lebenden" beschränken solle. Die deutsche Statistik ,, beschränkt"' sich freilich nicht darauf, was man ihr schliefslich nicht als Nachteil anrechnen kann, aber sie erfüllt die hier gestellte Forderung vollständig. — Die daneben laufende Ermittelung der noch einen Nebenberuf treibenden landwirtschaft- lichen Bevölkerung, sowie der als Nebenberuf Landwirtschaft trei- benden nicht landwirtschaftlichen Bevölkerung ist für die Beurteilung der wirtschaftlichen Verhältnisse des ganzen Volkes von grofsem Wert, sie läfst aber mit Sicherheit nicht zu, den Anteil zu be- stimmen, der jeweils der landwirtschaftlichen Thätigkeit zukommt. Aber auch hier wieder tritt die schon wiederholt erwähnte land- wirtschaftliche Betriebsstatistik ergänzend ein und gestattet, die Re- sultate der Berufsstatistik für die Beurteilung landwirtschaftlicher Verhältnisse fruchtbringender zu machen. Indem sie die Anzahl der selbständig Landwirtschaft Betreibenden ermittelt, welche aufser der Landwirtschaft eine oder mehrere Erwerbsthätigkeiten als Haupt- oder Nebenberuf ausüben, und indem die Zahl derselben ausgewiesen wird je für die einzelnen nach Gröfse getrennten Klassen von Wirt- schaftsbetrieben; indem ferner diese neben der Landwirtschaft be- triebenen Erwerbsthätigkeiten nach ihrer Art wie nach ihrem Um- fang charakterisiert werden, ist die Möglichkeit gewonnen , soweit sie überhaupt sich gewinnen läfst, jenen Anteil der landwirtschaft- lichen Thätigkeit zu bestimmen, welcher neben der Ausübung eines Nebenberufes hergeht und der durch die Ermittelungen der Berufs- statistik ^allein sich nicht ermessen liefs. Eine analoge Statistik ist uns in anderen Staaten nicht bekannt. — Wir wiederholen indefs, dafs für eine auf die Ermittelung des landwirtschaftlichen Rein- ertrages hinausgehende Produktionsstatistik auch diese Ermittelungen nur unter Anwendung von Annahmen und Schätzungen sich würden benutzen lassen. 7* 419 28* — 100 — b) Die tierischen Arbeitskräfte. Zur Ermittelung der in der Landwirtschaft zur Verwendung gelangenden tierischen Arbeitskräfte stehen die statistischen Nach- weise über den Viehbestand zu Gebote, auf welche wir hier wieder zurückzugreifen haben. Da bei denselben auf die verschiedenen Nutzungszwecke Rücksicht genommen war, so darf man erwarten, dafs auch die landwirtschaftliche Arbeitsnutzung Beachtung gefunden hat. Bei den Pferden ist aber eine Aussonderung der zu landwirt- schaftlichen Arbeiten benutzten von der Statistik nur weniger Staaten vorgenommen. So berücksichtigt England neben den Zuchtpferden lediglicli die zu landwirtschaftlichen Arbeiten benutzten Pferde ; Ir- land führt daneben auch die zu gewerblichen und Luxuszwecken dienenden Pferde auf. Li den Niederlanden werden von den über 3 Jahre alten Pferden die Arbeitspferde aufgeführt, ohne anzugeben, welcher Teil davon der landwirtschaftlichen Arbeit gewidmet ist. Italien sondert die zur Arbeit benutzten von den zu Zuchtzwecken bestimmten Hengsten und Stuten, und summiert die ersteren zu den Wallachen , ohne ebenfalls darunter lediglich landwirtschaftliche Arbeitspferde zu verstehen. In Österreich, Ungarn, Schweden, Nor- wegen und Dänemark finden sich gar keine näheren Angaben über die Bestimmung der Pferde. Auch in Belgien, in dessen früheren statistischen Ermittelungen die Bestimmung der Pferde berücksichtigt war, hat man bei der neuesten Enquete eine gleiche Ermittelung nicht mehr angestellt. Die deutsche Reichsstatistik schliefslich fragt l)ei den über 3 Jahre alten Pferden nach den ausschliefslich oder docli vorzugsweise zu landwirtschaftlichen Arbeiten benutzten, eine Fragestellung, die nach zwei Richtungen nicht ganz glücklich ge- wählt ist, da einmal in vielen Strichen Deutschlands nicht selten auch jüngere als 3 Jahre alte Tiere zu, namentlich leichteren, land- wirtschaftlichen Arbeiten benutzt werden, und zweitens die Befragung der Vorzugs weisen Benutzung den Beantwortern einen Spielraum gestattet, welcher die Quellen mancher unzutreffenden Antworten ])ihlcn mufs. Eben diese Fragestellung weist aber darauf hin, dafs die Ermittelung der zu landwirtschaftlichen Arbeiten benutzten Pferde, mit Rücksicht auf die von ihnen geleistete oder zu erwartende Ar- beitsleistung, nur eine unzureichende sein kann , da weder die zu landwirtschaftlichen Zwecken dienenden Tiere überall ausschliefs- lich zu solchen verwendet werden, noch auch die vorzugsweise anderen Zwecken dienenden, von der Ackerbestellung oder anderer landwirtschaftlicher Arbeit ganz ausgeschlossen sind. 420 101 Auch in dieser Beziehung nimmt die deutsche Betriebs- statistik von 1882 wieder eine hervorragende Stelle ein. Das Fragenschema derselben ist bezüglich der Ermittelung der Arbeits- tiere überhaupt das folgende : Anzahl der landwirtschaftlichen Betriebe mit Nutz- viehhaltung. Es halten insbesondere Es halten Vieh zur Grofsvieh : Ackerarbeit: Zahl der Betriebe (diese in Grröfsen- klassen geteilt). Pferde und Rindvieh. und zwar: Pferde aber kein Rindvieh. Rindvieh aber keine Pferde. Pferde oder Ochsen aber keine Kühe. nur Kühe. Gröfse des Nutzviehstandes. Pferde einschliefslich Fohlen zum Landwirtschaftsbetrieb, auch zur Zucht oder Aufzucht : (Gesamtzahl. davon dienen zur Ackerarbeit, Stiere und Ochsen ein- schliefslich Stier- und Ochsenkälber : davon dienen Gesamtzahl, zur Acker- arbeit. Kühe einschliefslich Kuhkälber: Gresamtzahl. davon dienen zur Acker- arbeit. Ist es schon an sich von besonderem Interesse, dafs bei dieser Statistik das Verhältnis des Nutzviehbestandes zur landwirtschaft- lichen Fläche nach Gröf senklassen der Betriebe ermittelt wurde, wodurch, wie in der Einleitung zu der betreffenden Publikation zu- treffend hervorgehoben wurde, „ein Mafsstab zur Vergleichung der Leistungen in dieser Beziehung gewonnen wird'*, so zeigt die Frage- stellung auf den ersten Blick, dafs man auch weitaus reichhaltigere und zutreffendere Resultate als bei allen vorherbezeichneten Er- mittelungen erwarten darf. Es wurden nur die Landwirtschafts- betriebe ins Auge gefafst und für diese festgestellt, wieviel von den in jedem Einzelbetrieb vorhandenen, zum landwirtschaftlichen Be- 421 — 102 — triebe gehaltenen Pferden zur Ackerarbeit dienen. Da hierbei die zur Zucht oder Aufzucht bestimmten Pferde ebenso ausgesondert bleiben wie die landwirtschaftlichen Zwecken überhaupt nicht dienen- den Pferde, so ist das gewonnene Material zur Beurteilung der auf- gewendeten Gespannarbeit ein sehr geeignetes. Zu einer genauen Be- messung der wirklichen Arbeitsleistung reichen allerdings auch diese Daten noch nicht aus. Die einleitenden Erörterungen heben schon hervor, dafs gleichzeitige Ermittelungen über die Qualität des landwirtschaftlichen Nutzviehes nicht hätten stattfinden können. Es kommen aber auch noch andere Bezie-hungen in Betracht — Arbeits- tage, tägliche Arbeitszeit, Art der Arbeit, natürliche Bodenverhält- nisse u. s. w. - welche alle der Statistik kaum zugänglich sind. Bei Rindvieh ist die Leistung an Gespannarbeit eine sehr verschiedene, je nach dem Geschlecht der Tiere sowohl wie nach der ortsüblichen Sitte des Gebrauches. Dem Geschlecht nach sind hinsichtlich der Gespannarbeit die Stiere und Ochsen von den Kühen zu unterscheiden, was, wie wir sahen, bei den Viehzählungen allge- mein geschah. Von den Stieren hat man diejenigen wieder aus- zusondern, welche lediglich zur Zucht benutzt werden. Aber auch von der dann verbleibenden Zahl der Stiere und Ochsen kann man noch nicht annehmen, dafs sie alle als Arbeitstiere zu gelten haben, da darunter noch die zur Mast aufgestellten Tiere sich befinden. — Die Statistik der verschiedenen Länder hat im Allgemeinen bisher wenig Wert auf eine genauere Ausmittelung der Arbeitstiere gelegt; so finden wir in England neben Milchkühen nur die Rubrik „anderes Rindvieh", ebenso in Irland. In Osterreich unterscheidet man von den im Gebrauchsalter stehenden Tieren die Stiere, Kühe und Ochsen, ohne auf eine Aussonderung der Zuchtstiere einerseits, des Mastviehes andererseits zu achten. Vollständiger ist dem gegenüber die Statistik in Ungarn, welche Stiere, Kühe, Zugochsen, Mast- vieh und Büffel trennt. In Italien, wo die gleiche Unterscheidung bei der Zählung von 1868 getroffen war (Ochsen zur Arbeit und zur Mast), hat man dieselbe 1881 fallen lassen und die Ochsen und Stiere von 1 Jahr an zusammen ausgewiesen. Schweden, Norwegen, Dänemark haben lediglich eine Rubrik für Ochsen , die Nieder- lande aucli eine solche nicht, docli wird hier neben Stieren, Kühen, Käll)ern das Mastvieh ermittelt. In Belgien, wo man früher die Zui^tiere nachwies, hat man bei der neuesten Enquete zwar von den Zuchtstieren und Kühen die nicht zur Zucht benutzten- Stiere und die Ochsen ausgesondert, aber unter dem besonderen Hinweis, dafs 422 — 103 — darunter auch das Mastvieh einhegriffen sei. Auch die deutsche Reichsstatistik (Viehzählungen) begnügt sich neben den Zuchtstieren nur die „sonstigen Stiere" und Ochsen zu ermitteln, ohne die Mast- tiere auszuscheiden. Von der Gespannleistung der Kühe stellte Conrad früher fest. dafs nur Belgien diese als Spanntiere in Betracht gezogen habe, ein Zustand, der insofern eine Änderung erfahren hat, als Belgien in seiner neuesten Enquete jene Berücksichtigung derselben unter- lassen hat, während Deutschland sowohl in seiner Viehzählung von 1873 wie besonders in der Betriebsstatistik von 1882 die Zahl der zu Spannarbeit verwendeten Kühe festzustellen suchte. ^) Ob es freilich gerechtfertigt war, die gesamte Spannfähigkeit der Vieh besitzenden Landwirtschaften in der Weise zu berechnen, wie dies auf Grund der Zählung von 1873 geschah, möchten wir bezweifeln. Man setzte mit sehr willkürlicher Bestimmung die Gesamtleistung von 2 Pferden gleich derjenigen von 3 Ochsen oder von 9 Kühen, wobei man hinsichtlich der Kühe in Betracht zog, dafs dieselben an sich sowohl eine geringere Leistungsfähigkeit besäfsen, wie auch deren Arbeit während der einzelnen Tage und, weil zumeist nur in kleinsten Wirtschaften benutzt, wegen der geringen Ausdehnung der zu bestellenden Flächen nur während eines kleinen Teiles des Jahres benötigt zu sein pflege. Gleichwohl sprach für die gewählten Be- duktionszahlen kein positiver Anhalt, und wurde mit Recht bei der Veröffentlichung der Zahlen darauf hingewiesen, dafs es sehr unge- wifs sei , ob man damit das wirkliche Verhältnis getroffen habe. -) Bei einer solchen Verwertung der Statistik würde es nur eines kleinen Schrittes bedurft haben, um sich auch über eine der be- rechneten Spannfähigkeit entsprechende Arbeitsleistung und über die Kosten derselben Rechenschaft abzulegen. Man hat sich mit Recht davon fern gehalten. Berechnungen solcher Art mögen ange- stellt werden von allen denjenigen, welche auf Grund der statistischen Ermittelungen ein Urteil über den Zustand der Landwirtschaft im Ganzen wie der einzelnen Teile des landwirtschaftlichen Betriebes bilden wollen. Ihnen mufs anheimgegeben werden , sich mit den vorhandenen Mängeln und Schwierigkeiten je nach ihrem Können abzufinden. Die von ihnen begangenen Irrtümer werden unter der Kontrole der Öffentlichkeit nicht unerkannt und ungerügt bleiben. 1) Bei der Zählung vom 10. Januar 1883 unterblieb eine gleiche Fragestellung. 2) Statist, d. Deutschen Reichs, ßd. 8. 2. IV, pag. 104. 423 — 104 — Die offizielle Statistik hat unseres Erachtens aber nicht den Beruf, eine derartige Verarbeitung vorzunehmen, sondern nur denjenigen, neben der sorgfältigen und übersichtlichen Zusammenstellung und Gruppierung der Thatsachen ersichtlich zu machen, wie weit dieselben als den wirklichen Verhältnissen entsprechende anzusehen sind, und wie weit und in welcher Beziehung an die Benutzung der Daten mit besonderen Kautelen herangetreten werden mufs. Zur Em- pfehlung offizieller statistischer Werke kann es keinesfalls dienen, wenn in denselben gleichzeitig die Handhabe geboten wird zu Vor- würfen über die Unzulänglichkeit oder Verkehrtheit ihrer Schlufs- foigerungen. — Uns drängt sich diese Bemerkung auf Angesichts der jüngsten belgischen Enquete, in welcher man. obgleich von einer Ausscheidung der landwirtschaftlichen Arbeitstiere gar nicht die Rede war und obgleich man zugestand, dafs man gar nicht in der Lage sei, weder den Wert des tierischen Düngers, noch den- jenigen der tierischen Arbeit zu bemessen, dennoch kein Bedenken trug, den Wert von beiden zusammen in der Höhe von 10 % des gesamten (geschätzten) Kapitalwertes der Tiere zu fixieren ! ^) Für die Beurteilung der durch Bindvieh geleisteten landwirt- schaftlichen Arbeit bietet, wie wir schon hervorhoben, die deutsche Betriebsstatistik von 1882 jedenfalls das bereiteste Material. Auch aus dem schon angeführten Fragenschema dürfte sich, ohne dafs es einer weiteren Erörterung bedürfte, ergeben, dafs diese Aufnahme gegenüber den bei den allgemeinen Zählungen gelegentlich gesonderten Nachweisen eine sehr viel bevorzugtere Stellung einnimmt. Unsere Untersuchung über den gegenwärtigen Stand der Sta- tistik der menschlichen und tierischen Arbeitskraft läfst schliefslich erkennen, dafs dieselbe sich auch heute noch zu einer zutrefi"enden Bemessung derselben als unzulänglich erweist. Die hierher von Conrad hervorgehobenen Umstände, welche es unmöglich erscheinen lassen, zu mehr als Annäherungswerten zu gelangen, treffen auch heute noch zu. Die Verschiedenheit der natürlichen, klimatischen und Bodenverhältnisse, ebenso wie die Verschiedenheit in den Wirt- schaftsmethoden und -Gebräuchen, schliefst eine Verallgemeinerung der in einzelnen Ländern oder Teilen desselben vielleicht genau er- mittelten Daten ebenso aus wie eine völlige Vergleichbarkeit der- selben. Zu einigermafsen befriedigenden Annäherungswerten wird ^) Statistique de la belgique. — A^iculture. — Recensement generale de 1880. Bruxelles 1885. Introduction CXVIII. 424 - 105 — man auch hier nur gehingen, wenn man die einzelnen hierher ge- hörigen Teile des landwirtschaftlichen Aufwandes für sich abzu- grenzen und zu erforschen strebt und dieselben auf Grund der Er- mittelung von Wirtschaft zu Wirtschaft zu erfassen sucht, wozu wir in dem von der deutschen Eeichsstatistik betretenen Wege der Ver- bindung solcher Ermittelungen mit der Betriebsstatistik den ersten Anfang erkennen. 3. Der sonstige Produktionsaufwand. Der allgemeine Wirtschaftsaufwand kommt neben dem für lebendes und totes Inventar gemachten bezw. aus dessen Verzinsung sich ergebenden Kapitalsaufwande in Betracht. Hierher ist auch der durch faktische Geld- oder Naturalienleistung gemessene Ar- beitsaufwand, den wir hinsichtlich der Arbeitsleistung vorher be- sprochen, zu rechnen. Tagelohn in Geld und Naturalien, Aufwand an Futter und Wartung für die Tiere, Saataufwand, Aufwand an Reparaturen für Gebäude, Inventar, Geräte, Ersatz der verbrauchten und eingegangenen Tiere, Versicherungsaufwand u. s. w. Es ist in- des kaum nötig, alle hierher gehörigen Teile in Betracht zu ziehen. Wie nur in seltenen Fällen der einzelne Landwirt im Stande ist, über die Fragen nach dem Wirtschaftsaufwande zutreffende Antwort zu erteilen, vielmehr sich auf allgemeine, der Wirklichkeit mehr oder minder sich nähernde Angaben beschränken mufs, so suchen wir auch vergebens in den agrarstatistischen Erhebungen über alle diese Verhältnisse Auskunft zu erlangen. Wo solche dennoch gegeben ist, erweist sich bei näherer Untersuchung . dafs wir es wieder mit vereinzelten allgemeinen Schätzungen zu thun haben. Es kann nur als ein Fortschritt bezeichnet werden, wenn solche Schätzungen, z. B. in der neuesten belgischen Enquete zum Teil unterblieben sind, auf welche in früheren Enqueten noch eingegangen wurde. Nur zwei der hier in Frage kommenden Aufwendungen finden in der Agrarstatistik einzelner Länder eine nähere Berücksichtigung: der Saataufwand und die Höhe des Tagelohns. Die Ermittelung der auf die Flächeneinheit verwendeten Saat- menge ist bei der Erhebung der Ernten in Frankreich, Schweden, Norwegen und Belgien vorgesehen. Es handelt sich hierbei aber um ziemlich allgemeine Schätzungen, bei denen weder auf Ver- schiedenheit des Saatgutes, noch auf Beschaffenheit des Bodens, Art der Aussaat (ob Breitsaat, Drillsaat u. s. w.) Rücksicht genommen wird, 425 — 106 — welche Umstände doch die Menge des aufzuwendenden Saatquantums bestimmen. AVie sehr gerade diese Angaben in Folge ihrer Entstehung aus allgemeinen Schätzungen fehlerhafte sein können, dafür scheint uns die neueste belgische Aufnahme einen Beleg zu bieten, in welcher die bezüglichen Daten aus den Jahren 1846 und 1880 vergleichend nebeneinander gestellt sind. ^) Wenn daraus hervorgeht, dafs im Jahre 1846 auf 1 ha an Saat aufgewendet wurde bei Weizen 1,84 hl, bei Roggen 1,68, Spelz 4,47. Hafer I.91, Gerste 2,88, Hirse 0,77 hl, dagegen 1880 bezw. 1,84, 1,74, 2,68, 2,82, 1,99 und 1,42 hl, so sind die darin gegebenen Differenzen, die sich zum Teil auf das doppelte belaufen, nur erklärlich durch die Annahme, dafs in dem einen oder in dem anderen Erhebungsjahr, wahrscheinlich aber in beiden, will- kürliche und falsche Angaben gemacht wurden. Denn eine Er- klärung dafür, dafs beim Spelz und Gerste die Saatmenge um nahezu 70 7o sich vermindert, bei Hafer und Hirse um 60 bezw. 70 ^y,, sich ver- mehrt habe, ist weder in den statistischen Nachweisen gegeben, noch auch aus dem ganzen Entwickelungsgang der Landwirtschaft zu folgern. — In anderen Staaten, so auch in Deutschland, hat die Statistik sich auf diese Ermittelungen nicht ausgedehnt, bei ihnen müfste man. um über den Saataufwand Aufschlufs zu erlangen, aus der meist bekannten Oberfläche der einzelnen Fruchtgattungen unter Zugrundelegung der ortsüblich bekannten Saatmengen gerade den Gesamtaufwand berechnen , womit man wahrscheinlich zu ebenso genauen (oder vielmehr ungenauen) Resultaten gelangen Avürde, wie dort, wo statistische Ermittelungen stattgefunden haben. Die Ermittelung des Aufwandes an Lohn in Geld und Naturalien ist durch die Statistik einzelner Länder zwar in Angriff genommen. Man sucht sich dabei über die Höhe der gezahlten Arbeits- löhne (Tagelohn und (jresindelohn) Kenntnis zu verschaffen, dabei die übrigen durch Gehälter und Entlohnungen an Wirtschaftsbeamte. Aufsichtspersonal u. s. w. gemachten Aufwendungen unberücksichtigt lassend. So erfolgt in Ungarn eine jährliche Veröffentlichung über die Höhe des Tagelohns, wobei weibliche und männliche Tagelöhner unterschieden werden, auch ermittelt wird, wie hoch der Lohn bei Zugabe von Kost und ebne Kost sich stellt. Ahnliche Nachweise werden in Belgien gegeben ; in Schweden wird neben der Höhe der Tagelohnsätze (höchster und niedrigster Sommer- und Winterlohn) auch der Jahreslohn eines Knechtes und einer Magd aufgeführt, für *) Statistique de la Belgique etc. ^26 — 107 — beide auch der Wert an Lohn und Kost zusammen geschätzt. Ahnlich wurde auch in Oldenburg ^) der in Städten und auf dem Lande an ständige und nichtständige Tagelöhner mit und ohne Kost gezahlte Lohn ermittelt. Indem man hier nach Jahreszeiten trennte . den Lohn auch für Männer, Frauen und Kinder gesondert aufführte : indem man ferner auch den für einzelne Arten landwirtschaftlicher Arbeiten gezahlten (Accord- und Tage-) Lohn ausmittelte , suchte man den wirklichen Verhältnissen möglichst nahe zu kommen. Keine der berührten Ermittelungen kann aber zu dem Resultat führen, den Aufwand an Lohn thatsächlich festzustellen. Denn abgesehen davon, dafs die in manchen Gegenden (so im östlichen und nördlichen Deutschland) übliche Naturallöhnung ganz aufser Acht blieb, genügt es nicht, zu wissen, was als höchster und als niedrigster Tagelohn gezahlt wird, sondern man müfste erfahren, wie lange der höchste, wie lange der niedrigste Lohn und gleichzeitig an wieviel Arbeiter er gezahlt wird. Eine einfache Korabination der ermittelten Tage- lohnsätze mit der Zahl der Tagelöhner kann ebenfalls nicht genügen, weil, wie wir sahen, die letztere durch die Statistik keineswegs so zutreffend bestimmt ist , dafs man annehmen könnte , mit solcher Kombination zu annähernd richtigen Resultaten zu gelangen.^) Ob ein von Frankreich bei seinen früheren Enqueten be- schrittener Weg, den pro Hektar der verschiedenen Fruchtgattungen gemachten Aufwand an Gespann und Arbeitstagen und dessen Geld- wert zu ermitteln, auch bei der neuesten Enquete wieder befolgt ist, ist uns nicht bekannt. An innerem Wert würde eine solche Be- rechnung der vorher berührten in nichts nachstehen , aber auch in nichts sie übertreffen. Auf Schätzungen sich aufbauend, stellten diese Nachweise in den frühem Enqueten nichts weiter dar, als das Resultat der subjektiven Beurteilung der Bestellungskosten durch die einzelnen Schätzungskommissare, die schon deshall) ohne Wert sein mufsten, weil die Höhe dieser Kosten nicht lediglich l)edingt ist durch den Aufwand an Arbeit, sondern durch eine grofse Zahl ^) Statist. Nachrichten über das Grofsherzogtum Oldenburg. Dreizehntes Heft 1872: „Der durchschnittliche Tagelohn für gewöhnliche Tagelohnarbeiten in den Jahren 1858-1870.« ^) Für Deutschland ist auf dem Wege der Privatstatistik sehr wertvolles Material der Arbeiterlohnverhältnisse verschafft durch die vom Kongrefs deutscher Ijandwirte eingesetzte Kommission zur Ermittelung der Lage der ländlichen Ar- beiter im Deutschen Reich, cf. von der Goltz : „Die Lage der ländl. Arbeiter etc." Berlin 1875. 427 — 108 — anderer in der Wirtschaft entstehenden Unkosten. So fand hei diesen Enqueten der Aufwand an Cerealien und sonstigen Futtermitteln für die Tiere keine Berücksichtigung, was doch nicht nur im Hinblick auf die Kostenberechnung der Bestellung von Wert gewesen sein würde. Es würde eine derartige Entwickelung ins Gewicht fallen, wenn es sich darum liandelte, die Menge der zur Befriedigung des menschlichen Bedarfes zur Verfügung bleibenden Konsumtibilien festzustellen. Es ist häufig genug hingewiesen darauf, dafs die agrar- statistischen Erhebungen nicht hinreichen, hierüber genügenden An- halt zu geben, dafs auch kaum die Agrarstatistik es ermöglichen könnte, so tief in die dabei in Frage kommenden Verhältnisse einzu- dringen, um jemals den erforderlichen Aufschlufs zu erlangen. Die Agrarstatistik der letzten 20 Jahre, die, soweit uns bekannt, in keinem Lande den Versuch gemacht hat, diesen Aufschlufs dennoch zu gewinnen, hat bisher diese Ansicht nur bestätigt. Wir können damit die Betrachtung der auf den gesamten Produktionsaufwand bezüglichen statistischen Ermittelungen schliefsen. Wir vermochten im Einzelnen festzustellen, dafs sich die agrarstatistischen Erhebungen dieser Art gegenüber dem Umfang vor 20 Jahren nicht unwesentlich erweitert haben, indem Erhebungen über den Produktionsaufwand auch in solchen Ländern zur Aus- führung gelangten , in denen früher solche nicht vorhanden waren. Wir vermochten zugleich aber auch eine gewisse Einschränkung zu konstatieren, die sich dahin geltend machte, dafs man die Erforschung solcher Verhältnisse, bei denen es sich lediglich um allgemeine Schätzungen handelte, unterliefs, und wir gaben unserer Ansicht Ausdruck, dafs in den meisten Fällen solche Einschränkung als Fortschritt zu bezeichnen sein dürfte. — Fafst man die Gesamt- heit des Kapitals- und Produktionsaufwandes ins Auge, so kann von einer vollständigen Bezifferung desselben auf Grund statistischer Erhebung in keinem Lande die Kede sein ; einzelne Teile desselben entziehen sich jeglichem näheren Eindringen, so dafs für sie immer nur eine Pauschalberechnung eintreten könnte. Am vollständigsten erschien die Statistik des lebenden Liventars, welche geeignet ist, über die wichtigsten Beziehungen der Landwirtschaft sehr wertvolle Aufschlüsse zu gestatten , ohne doch auch eine zuverlässige Be- zifferung weder hinsichtlich der Eigenschaft der Tiere als Kapital- bestandteil, noch als Repräsentant von Arbeitskraft, noch schliefslich als Lieferer verschiedener Nutzungsprodukte zuzulassen. . Für eine Berechnung des Ertrages würde man sich auch hier auf mehr oder 428 — 109 — weniger zulängliche Annahmen verwiesen sehen. Auf die Bedeutung dieser gesamten Erhebungen für die Aufstellung einer Berechnung des durch die Landwirtschaft erzielten Reinertrages werden wir in der Schlufsbetrachtung zurückzukommen haben. C. Die Produktionsresultate. Sollen die Erträge dem Aufwand gegenübergestellt werden, so sind, von weniger bedeutenden und mehr vereinzelt vorkommenden Nutzungen abgesehen, die Erträge aus dem Pflanzenbau und aus der Tierhaltung in Betracht zu ziehen. Die Statistik hat ihre Bemühungen auf die Ermittelung der Ernteresultate schon seit langer Zeit ausgedehnt, während die Tierproduktion erst in neuester Zeit mehr zum Gegenstand statistischer Forschung gemacht wurde. 1. Anbau und Ernte. Die Berichte über den Ausfall der Ernten, auch wenn sie in Form tabellarischer Zahlennachweise erfolgten, stellten früher ledig- lich das Resultat ganz allgemeiner Schätzungen dar, die um so weniger Vertrauen beanspruchen durften, als sie einer Basis in gleichzeitig angenommenen Erhebungen über die Anbaufläche in der Regel entbehrten. Erst seit letztere Erhebungen eine gröfsere Aus- dehnung und methodische Ausbildung erfuhren, gewannen die Ernte- schätzungen eine sicherere Grundlage. Die Resultate derselben dürfen freilich auch dann nur, wie unsere Ausführungen weiterhin ergeben werden, bis zu einem bestimmten Grade Vertrauen erwecken. Der Stand dieser statistischen Erhebungen über xlnbau und Ernte war nach Conrad's Untersuchungen ^) im Jahre 1868 der folgende : Erhebungen über Anbau und Ernten fanden statt in Frank- reich, Belgien, Schottland, Bayern, -) Württemberg, vorübergehend auch in England; in den Niederlanden und dem Grofsherzogtum Hessen war das Anbauverhältnis bekannt, aus welchem man unter Ermittelung des allgemeinen Durchschnittsertrages die Ge- samternte berechnete. In Preufsen und Sachsen war dasAnbau- 0 a. a. O. pag. 112. -) Die letzte Erhebung über den Anbau fand im Jahre 1863 statt und wurde erst durch die reichsstatistische Aufnahme im Jahre 1878 wiederholt. 429 — 110 — Verhältnis nicht bekannt, dort fanden aber Ernteerhebungen statt. In Italien, Österreich, Schweden, Norwegen war weder das Anbauverhältnis bekannt, noch fanden Ernteerhebungen statt, sondern es wurden nur Gesamtschätzungen der Ernte vorgenommen. — Diesem Stande der agrarstatistischen Arbeiten gegenüber lassen, schon wenn man lediglich die Ausdehnung in Betracht zieht, die heutigen nicht unerhebliche Fortschritte erkennen. Vor Allem finden wir lieute in allen deutschen Staaten in Folge der gemeinsamen An- stellung solcher Erhebungen Auskunft über Anbau und Ernte- erträge. Auch Österreich hat jährliche Angaben über die bestellten Flächen und die erzielten Resultate, Ungarn gibt gleichfalls Nach- weise über den Anbau , die faktisch abgeernteten Boden- flächen und die Ernteerträge. Frankreich hat neben den Dezennal- enqueten, die im Allgemeinen nach Art der früheren angestellt werden, jährliche Ermittelungen über Anbau und Ernte. England besitzt dagegen auch heute noch nur die Anbauermittelung, während Irland neben einer solchen eine Schätzung der Ernte nach Menge und Wert besitzt. In Schweden und Norwegen, welche vordem gar keine Nachweise über Anbau und Ernte hatten, sind solche jetzt vor- handen, in Dänemark nur für das Anbauverhältnis. Die Nieder- lande geben Auskunft über den Anbau der Hauptfruchtarten und die Erträge derselben. In Belgien ist die Ermittelung der Anbau- flächen, nicht aber diejenige der Ernteresultate mit der neuesten Enquete verbunden worden; über die Erträge geben besondere jähr- liche Erhebungen Auskunft. Schliefslich hat auch Italien seit 1876 eine Ermittelung des Anbaues und der Ernteerträge. So sehen wir gegenwärtig eine allgemeine Ausdehnung der Statistik auf die Verhältnisse des Anbaues und der Ernten in fast allen hier angezogenen Ländern. Wie weit aber die in den ver- schiedenen Ländern erlangte Kenntnis den thatsächlichen Verhält- nissen entspricht, läfst sich aus der einfachen Beobachtung, dafs die Statistik an die Ermittelung derselben überhaupt herangetreten ist, nicht erkennen. Es ist sicher, dafs in dieser Beziehung zwischen der Statistik der verschiedenen Länder sehr grofse Verschiedenheiten obwalten müssen. Denn es sind vorzugsweise die Erhebungen über Anbau und Ernte, die mancherlei Schwierigkeiten begegnen und nach der Natur der Erhebungsnl)jekte von vornherein zu dem Zweifel berechtigen, ob es gelungen ist, in auch nur annähernder Weise die wirklich vorliegenden Verhältnisse zu erfassen. Die Anbauflächen bieten sich zwar dem Beobachter zur Anschauung dar, aber es 430 — 111 — handelt sich nicht um die Gewinnung einer allgemeinen Anschauung über die Verteilung des Anbaues, sondern um diejenige bestimmter Flächenangaben, die, wenn nicht die Gröfse der Arbeit und der durch dieselbe erforderte Kostenaufwand dies verböten, mit Erfolg nur durch eine zu diesem Zweck angeordnete, mit Vermessung ver- bundene Spezialaufnahme sich erreichen liefse. Der Beobachter ist daher genötigt, auf solche Hilfsmittel sich zu beziehen, welche, wie dies in den Katasterwerken der Fall, die Flächen der allgemeinen Kulturarten zahlenmäfsig feststellen lassen. Das genügt aljer nicht, um das Anbauverhältnis eines bestimmten Jahres und für alle anore- bauten Kulturgewächse kennen zu lernen; es bedarf der weiteren Er- kundigung bei sachkundigen Leuten, bei dem einzelnen Landbebauer. Aber hier beginnen gerade die Schwierigkeiten. Man braucht noch gar nicht die Unlust des Landwirtes, einem Dritten Einblick in die Wirtschaftsverhältnisse zu gestatten, zumal wenn er hinter der Wifs- begierde dieses Dritten fiskalische Gespenster vermutet, heranzu- ziehen ; häufig genug ist für den einzelnen Bebauer die einfache Un- möglichkeit vorhanden, über die Verteilung seines Anbaues von den verschiedenen Fruchtarten Auskunft zu erteilen. Für die Hauptfrucht- arten ist dies meist seltener der Fall. Hier weifs der Landwirt, wenn nicht das Flächenmafs, so doch das Aussaatmafs zu beziffern. Schwieriger wird dies, wenn auf solche Kulturen eingegangen wird, die vielleicht nicht in regelmäfsigem Turnus oder nur in geringem Mafse angebaut werden. Treten dazu noch Erkundigungen über Vor- und Nachfrucht, Neben- oder Zwischenfrucht, so wachsen mit der komplizierten Fragestellung naturgemäfs die Schwierigkeiten und es kommt dann wesentlich auf die Qualität der Erhebungs- organe an, um trotzdem zu annähernd richtigen Resultaten zu ge- langen. Auch für die Ernteerhebungen liegen ähnliche Verhältnisse vor. Die Höhe der verschiedenen Erträge macht sich der kleinere Land- wirt fast durchweg, nicht selten auch der gröfsere, in Mafs- und Gewichtszahlen nicht besonders klar; auf eine direkt an ihn ge- richtete Anfrage nach der Höhe des Ertrages der einzelnen Frucht- gattungen im Ganzen wie auf die Flächeneinheit bezogen, wird häufiger die Antwort ausbleiben als erteilt werden. Leichter erfährt man, das wievielte Korn gedroschen wurde, eine Angabe, die keineswegs eine den wirklichen Ertrag hinreichend bezeichnende ist. Zudem werden auch diese Angaben nur für die Hauptfruchtarten einer jeden Gegend in genauerer Weise geliefert werden, während 431 — 112 — man über die relativ weniger wichtigen Fruchtarten sich selten voll- kommen Rechenschaft zu geben vermag. Solche Verhältnisse schliefsen es aus, eine direkte Ermittelung des Ernteertrages von Wirtschaft zu Wirtschaft vorzunehmen und mufs man sich begnügen, für einen bestimmten Bezirk über das Mafs der auf der Flächeneinheit jeder Kulturart erzielten Erträge genügend sichere Anhalte zu gewinnen, wobei man durch direkte Befragung, Probedrüsche, Probewägungen u. s. w. eine Kontrole über die einzelnen Angaben zu erhalten be- strebt sein mufs. Die so erhaltenen Angaben mit den ermittelten Flächen des Anbaues kombiniert, lieferte in der Regel in den ver- schiedenen Ländern die Grundlage der Ernteschätzungn, deren mehr oder minder grofse Glaubwürdigkeit somit von der bei der Gewin- nung der Schätzungsfaktoren angewendeten Sorgfalt abhängt. Unter Berücksichtigung des Voraufgeschickten wird eine kurze Angabe des Umfanges der in den einzelnen Ländern an- gestellten Erhebungen und des dabei beobachteten Er- hebungsverfahrens genügen, um ihren relativen AVer t zu kenn- zeichnen. England. Wir erwähnten schon, dafs England nur Anbau- erhebung, keine solche der Ernten anstellt. Die Ermittelung der Anbauer bezieht sich auf alle Getreidearten (corn crops) , auf die Hackfrüchte und Grünfutterarten (green crops), auf Klee, Futter- pflanzen und Gras, die in regelmäfsiger Rotation angebaut werden, auch auf ständige Weiden und Grasländereien, mit Ausnahme der Heide und des Berglandes, sowie schliefslich auf wenige Handels- gewächse. Das Brachland wird gleichfalls ermittelt. — Die Flächen werden in absoluter Zahl ermittelt. Die Erhebung geschieht durch die Beamten der Steuerbehörden, auf Grund von Tabellen, welche den Farmern zur Ausfüllung zugesandt werden. Wo solche Aus- füllung nicht stattfindet (und es wird in allen Veröffentlichungen darauf hingewiesen, dafs dieselbe von einer Anzahl von Farmern ver- weigert werde), sind Schätzungen vorgenommen. Irlands Anbauerhebuiig l)ezieht sich im Wesentlichen auf die gleichen Fruchtarton, doch werden Wiesen, Futterfelder, Brache u. s. w. nicht berücksichtigt. Es erweckt nicht gerade Vertrauen für die Sorgfältigkeit dieser Nachweisungen, wenn dieselben die an- gebauten Flächen des Jahres 1880 mit den Zahlen der Wertschätzung (valuation) des Jahres 1878 und der Bevölkerung des Jahres 1871 unmittelbar und aufeinander beziehend nel)eneinander stellen. — Der Ernteertrag für die ihrem Anbauverhältnis nach ermittelten 432 — 113 — Früchte beruht auf Schätzung (the estimated produce). — Die Nach- weise sind auf Grund von Informationen, welche durch praktische Landwirte den Beamten der königlichen und der städtischen Polizei ertheilt werden, in einzelnen kleinen Bezirken zusammengestellt. Wenn auch in den beigegebenen Erläuterungen darauf hingewiesen wird, dafs man zu einem gegen früher genaueren Eesultat (more accurate return) gelangt sei, so ist doch die häufige Wiederkehr der Ausdrücke estimated, valued, approximately etc. nicht geeignet, für diese Ermittelungen ein gröfseres Vertrauen zu erwecken, als für die anderer Länder. Ein nicht selten anzutreffender Irrtum ist es, dafs gerade Irlands Statistik eine besondere Stellung einnehme, weil die- selbe sich eines wirklichen Zählerpersonals bediene, woraus man auf ein Stattfinden sorgfältiger Individualumfrage und Aufnahme schliefsen zu dürfen glaubt. Es ist dies keineswegs der Fall; das Zähler- personal sind Beamte, welche nicht selbst etwa bei der Ermittelung der betreffenden Verhältnisse sich einer besonderen Fachkenntnis zu bedienen im Stande wären, sondern nichts weiter darstellen als die Einsammler der Nachrichten, wie sie von den Farmern ,,und anderen Personen" geliefert werden. Die weitere Zusammenstellung liegt allerdings einem besonderen Personal, welches die Bezeichnung als ,, Zähler" trägt, ob. Einer besonderen Erwähnung bedarf der Umstand, dafs in England und Irland die Vor- und Nachfrucht, Zwischen- frucht u. s. w. nicht berücksichtigt ist. Schweden. Es wird die Anbaufläche der Cerealien, Legu- minosen, Kartoffeln, der AVurzelfrüchte , des Flachs und Hanfs und anderer nicht unterschiedener Kulturen, ferner die der Futter- pflanzen und die Fläche der Brache ermittelt. — Bei der Ernte- ermittelung wird für Weizen und Roggen die Winter- und Sommer- frucht unterschieden, für Gras- und Futtergewächse sowohl der Ertrag an Grünfutter wie an Heu ausgewiesen, bei Flachs und Hanf Samen- und Bastertrag getrennt. Vor- und Nachfrucht werden auch hier nicht getrennt. — Die Erhebung angehend, so bestehen seit 1874 in Schweden zwei Ernteermittelungen, deren eine, die ältere, von den landwirtschaftlichen Vereinen, die andere von den Gouverneuren ausgeht. Die Zahlen der letzteren Erhebung sind geschätzt (les chiffres ont ete calcules). Es heifst von diesen Erhebungen, dafs diejenigen, welche ,,die höchsten Angaben enthalten, als die wahr- scheinlicheren angesehen werden können", weshalb aber, erfährt man nicht. In Norwegen wird Auskunft erteilt über die von den einzelnen V. 4. 433 8 — 114 — Fruchtarten eingenommenen Flächen, die Aussaat und den erzielten Ertrag. Es scheint, als ob hier lediglich nach der Menge der Aus- saat gefragt sei, woraus man die Anbaufläche berechnet hat. eine Annahme, die dadurch noch Gewifsheit erhält, dafs man zur Er- mittelung des Ertrages danach fragt, das wievielte Korn geerntet sei, welche Daten mit denen der Aussaat kombiniert, den Ertrag er- geben. Die Erhebungen erstrecken sich auf die Cerealien — wobei die zur Körner- und Grünfuttergewinnung bestimmten unterschieden werden, — auf einzelne Hülsenfrüchte, Kartoffeln, Wurzelgewächse und Gras. Auf Handelsgewächse wird nicht geachtet. Die Ernte- erträge werden in absoluten Zahlen und in solchen auf eine Mittel- ernte bezogen angegeben; der Wert des Gesamternteertrages auch nach mittleren Preisen berechnet. Dänemark besitzt eine in 5 jährigen Perioden sich wiederholende Anbauerhebung, bei welcher die besäete Fläche sowie die Menge der Aussaat für die Hauptgetreidearten . Hackfrüchte , Handelsge- wächse (diese im Ganzen) ausgewiesen wird. Besondere, den land- wirtschaftlichen Verhältnissen Dänemarks entsprechende Berück- sichtigung erfährt das zum Abweiden und das zur Klee- und Gras- heugewinnung besäete Ackerfeld neben den Wiesen und den zum Übertrieb und Abgrasen bestimmten Gemeinweiden. Neben der reinen Brache wird hier auch die halbe Brache ausgeschieden. Eine Statistik der Produktion ist uns nicht bekannt geworden. Die aus den Niederlanden gemachten Yeröffenthchungen be- ziehen sich auf die Hauptkulturarten. Neben den Getreidefrüchten, Kartoffel-, Handels- und Futtergewächsen werden die „künstlichen" Wiesen besonders aufgeführt, worauf bei den bisher betrachteten Erhebungen nicht besonders Rücksicht genommen wurde. Auch die Brachland ereien werden ermittelt. Die als Nachfrucht gebauten Fruchtarten sind hier berücksichtigt. Neben der Fläche wird auch die Produktion der verschiedenen Kulturgewächse aufgeführt, über die Art der Ermittelung derselben aber Auskunft nicht erteilt. Belgien nimmt in seinen Enqueten eine sehr genaue Erhebung der Anbauverhältnisse vor. Die Cerealien- und Mehlfrüchte, Legu- minosen, Industriegewächse, Wurzelgewächse, Futterpflanzen, werden nacli der Ausdehnung der Anbaufläche ermittelt. Danel)en wird die Erhebung auf andere, nicht besonders genannte Kulturen, Brach- ländereien, Brücher, nicht kultivierbare oder nicht regelmäfsig kulti- vierte Flächen, Gemüse-, Obst- und Weingärten, Bg-umschulen, Weidenpflanzungen u. s. w. gleichfalls ausgedehnt. Die gesamten 434 — 115 - Kulturen, ohne Übergehung eines, auch vielleicht nur geringfügigen Teiles derselben, werden ihrer verschiedenen Natur nach erfafst, und die gemeindeweise, durch Ausfüllung von Fragetabellen seitens jeden Besitzers erfolgende Ermittelung bietet die Gewähr, dafs diese Er- mittelung die überhaupt mögliche Genauigkeit besitzt, um so mehr, als durch Bezugnahme auf ein gutes Katasterwerk überall die Ge- legenheit zur Kontrole gegeben ist, deren häufige und sorgfältige Anstellung den Erhebungsorganen zur besondern Pflicht gemacht ist. — Um eine Beurteilung des Ganzen der Pflanzenproduktion zu er- halten , wird die Ausdehnung der als Nachfrucht gebauten Früchte der verschiedenen Fruchtarten gleichfalls ermittelt. Dagegen hat die neueste Enquete, wie wir schon hervorhoben, die Ermittelung der Ernteerträge unterlassen, weil „die verschiedensten Zahlenangaben früher gemacht worden seien." Man glaubte sich diese Erhebung, bei der man sich durch die Angaben der einzelnen Landwirte wenig genaue Resultate versprach, erlassen zu können, da jährliche, wie angenommen wird, genaue Ermittelungen durch die landwirtschaft- lichen Provinzialvereine stattfinden, welche „die nötigen Zahlen zur Schätzung der Bedeutung jeder Ernte" liefern. Weshalb aber diese Schätzung eine genauere sein soll, wie die früheren, ist nicht ganz verständlich, da doch beide auf den Angaben von Landwirten beruhen. Frankreich hat eine jährliche Ermittelung der besäeten Flächen und der erzielten Ernten, beruhend auf Berichten, welche durch die Präfekten mit Hilfe der kommunalen statistischen Kom- missionen eingezogen werden. Die alljährlich erfolgenden Veröffent- lichungen lassen den Herbstanbau, Sommeranbau, den Stand der Saaten, die vorläufigen Ernteresultate (evaluation approximative) und die definitiven Erträge erkennen. Während sich diese Erhebungen aber nur auf die Hauptfrachtarten beziehen, ist in den Dezennal- enqueten eine eingehende Erhebung aller überhaupt angebauten Früchte getroffen , dabei auch dem Anteil der Brache . der künst- lichen und natürlichen Wiesen, der Weiden u. s. w. entsprechende Rücksicht gewidmet. Abweichend von dem Verfahren in anderen Ländern werden die Ernteerträge durch Erfragung des Gesamtertrages der einzelnen Wirtschaften festgestellt. Indem die Gesamterträge aller Wirtschaften einer Gemeinde summiert und durch die Zahl der Gesamtfläche einer Kulturart in diese Summe dividiert wird, ergibt sich der mittlere Ertrag per Hektar der Fruchtart, welche Zahl dann für alle weiteren Operationen mafsgebend bleibt. — Eine Wert- 435 ^ 29* — 116 — Schätzung der Ernten in Geld nacli mittleren Preisen hat auch Frankreich. In Italien hat eine erste eigentliche Anbaustatistik im Jahre 1876 stattgefunden, ohne bisher wiederholt zu sein, wie man wohl daraus schliefsen mufs, dafs die neueren Publikationen stets dieselben Zahlen dieser erstmaligen Erhebung wiederbringen. Diese erstreckte sich auf Weizen, Mais, Reis, Roggen und Gerste (letztere wie es scheint im Gemenge), Hafer, Hülsenfrüchte, Kartoffeln. Hanf, Wein, Oliven, Kastanien und Waldung. Eine Aussonderung der feld- und der gartenmäfsigen Kultur ist nicht vorgenommen, auch nicht zwischen Vor-, Nach- und Zwischenfrucht unterschieden ; ebensowenig haben die Futterfelder, Wiesen, Brache u. s. w. Beachtung gefunden. — Über die Art der Erhebung ist in den statistischen Nachweisen Aus- kunft nicht erteilt. Die ungarische Statistik ist in ihrem agrarstatistischen Teile ebenfalls erst in den letzten 10 — 15 Jahren zur Ausbildung gelangt. Erst aus dieser Zeit rühren die Ermittelungen über den Anbau her, welche durch die im Jaln^e 1876 stattgefundene Katasterrektifikation eine gröfsere Sicherheit gewonnen haben. Es wird die Gröfse des Winter- und Sommeranbaues nach der Fläche für die verschiedenen Fruchtarten, auch die Fläche der natürlichen und künstlichen Wiesen, der Brache u. s. w. angegeben. — Die Ernteresultate werden nach Gesamtmenge ermittelt, wobei bis zum Jahre 1873 gleichzeitig die Ernte durch die Bezeichnung von schlecht bis ausgezeichnet (qualifiziert wurde. Seither werden auch die Erträge per Jahr ange- geben. Neben den allgemeinen Nachweisen über die Ernteerträge gehen solche über die faktisch abgeernteten Bodenflächen, wobei demnach die durch elementare und sonstige Schäden betroffene Fläche in Abzug gebracht ist. Man würde einen solchen Ausweis für durchaus zweckmäfsig halten müssen ; denn die in einem Jahre stattfindenden Ernteschäden alterieren in der That das Eruteresultat in nicht unerheblicher Weise und die Bezifferung des letzteren mufs, wenn nur auf Grundlage der Anbauflächen und eines Mittelertrages der Flächeneinheit berechnet, von dem faktischen Ernteresultat um so mehr abweichen, als auf eingetretene Verluste keine Rücksicht ge- nommen wird. Man kann daher das Vorgehen der ungarischen Statistik als ein zweckmäfsiges anerkennen, ohne doch auf den wirk- lichen Wert desselben allzuviel Gewicht legen zu dürfen. Denn indem diese Statistik die durch IJberschwemmung, Dürre, Frost, Hagel, Mäuse, Insekten und andere nicht genannte Einflüsse entstandenen 436 — 117 — Schäden zu ermessen suchte, mufste sie sich entweder auf vage Schätzungen begründen oder sich damit genügen lassen, nur die- jenigen Schäden zu ermittehi, welche als Totalschäden bezeichnet werden konnten. Letzteres ist geschehen und demnach alle die- jenigen Flächen, welche einen auch noch so geringen Ertrag ergeben (bis V2 Metze per Jahr), unter den produktiven später abgeernteten Boden gerechnet. Damit entfällt dann der Wert, welcher der Be- rücksichtigung der eingetretenen Verluste in Bezug auf das Ernte- resultat beigelegt werden dürfte, wenn es eben gelänge, diese Ver- luste voll zu erfassen. Dafs es sich dabei um nicht geringe Einbufsen handeln kann, zeigte die ungarische Statistik, welche unter der Be- schränkung auf die Totalschäden, im Jahre 1874 eine Gesamt- beschädigung von nahezu 6 % ^^^ bestellten Area konstatierte. — Über die Art der Ermittelung geben die ungarischen Publikationen ebenfalls keine Auskunft, was um so mehr auffällt, als der Leiter des ungarischen statistischen Bureaus es war, der bei Gelegenheit eines internationalen Kongresses das Unterlassen solcher Erläuterungen bei anderen Statistiken rügte. In Österreich datiert die Entwickelung der Agrarstatistik hauptsächlich seit 1868, in welchem Jahre in Osterreich ein Acker- bauministerium gegründet wurde, dessen amtliche Fachorgane die landwirtschaftlichen Vereine wurden. Mit Hilfe dieser fand eine allmähliche Begründung und Erweiterung der Landwirtschaftsstatistik in den einzelnen Kronländern statt. — Die Statistik des Anbaues knüpft an die Katasterangaben, aber unter jedesmaliger Richtig- stellung auf Grund der Ermittelungen der landwirtschaftlichen Vereine. In allmählicher Entwickelung, die früher nur summarisch ausge- wiesenen Kulturgattungen später in ihre einzelnen Arten trennend, die zuerst aus einzelnen Kronländern nur einlaufenden Angaben mehr und mehr aus der Gesamtheit derselben gewinnend, von früher häutigen Schätzungen zu positiven Nachweisen sich erhebend, steht diese Er- hebung hinsichtlich ihres Umfanges wenigstens derjenigen anderer Länder nicht nach. Für die einzelnen natürlichen Gebiete der Länder wird die Gesamtheit aller überhaupt zum Anbau gelangenden Früchte ins Auge gefafst. Neben den Hauptgetreidefrüchten, deren Anbau- fläche, Gesamtertrag und Ertrag per Hektar an Stroh und Körnern ausgewiesen wird, werden Flachs und Hanf (deren Ertrag in Samen und Bast), einzelne andere Handelspflanzen (Mohn, Safran, Knoblauch, Cichorie, Weberkarde summarisch), das feldmäfsig angebaute Gemüse, Kartoffeln, Futter- und Zuckerrüben, Kraut, Kürbis, Klee (dieser 437 — 118 — nach 1 und 2 Hieb, nach Samen- und Heuertrag) ermittelt. Dabei werden die einzelnen Kleearten getrennt (Rotklee, Luzerne — Espar- sette). Das Mengfutter, Grasheu von Eggärten und Wiesen, die Hopfen-, Oliven- und Weinernte, die Kern- und Steinobsternte? Nufsernte, werden ziffernmäfsig nachgewiesen. Die Unterscheidung nach erster und zweiter Frucht, nach Reinbau und Zwischenfrucht- bau wird streng durchzuführen versucht. Ob nun dieser Statistik auch dem inneren Wert nach diejenige Vollkommenheit, die man ihr hinsichtlich des Umfanges zusprechen kann, zukommt, will uns sowohl im Hinblick auf die getrofi'enen feineren Unterscheidungen der Kulturarten, wie insbesondere nach der Art der stattgefundenen Erhebung zweifelhaft bedünken. AVas die letztere anlangt, so wird dieselbe durch die einzelnen Landwirt- schaftsgesellschaften, und zwar teils durch deren Filialen oder Be- zirksvereine, teils durch direkt ausgesandte Organe vorgenommen. Eine Erhebung von Wirtschaft zu Wirtschaft ist dabei nicht vor- gesehen, sondern nur bezweckt für die einzelnen Bezirke zu mög- lichst zutreffenden Durchschnittszahlen zu gelangen, wobei den ein- zelnen Gesellschaften, wie es scheint bezüglich des Verfahrens freie Hand gegeben ist. Die in den Zentralausschufs gelangenden Be- richte finden hier ihre vorläufige, im Ackerbauministerium ihre end- giltige Redaktion und hierbei treten Manipulationen ein , welche kaum geeignet sind, der ganzen Ermittelung besonderes Zutrauen zu erwecken. Suppositionen, Berechnungen, Schätzungen und Ände- rungen werden vorgenommen , welche den Charakter des Willkür- lichen nicht immer verleugnen.^) So legte man auf die Kenntnis der dem Gemüsebau gewidmeten Fläche besonderes Gewicht ,,weil dadurch in der Regel ein Beweis des intensiveren Betriebes gegeben werde*'. Wie aber geschah die Ermittelung? In Niederösterreich wurde das Gemüse auf dem Felde nach „ungefähren Schätzungen'* durch einen Fachmann auf Grund seiner „häufigen Bereisungen'^ und „Berührungen mit Landwirten'* berechnet! — Man widmete eine eigene Rubrik der „Zwischenfrucht'^ wie dies die Verhältnisse des Landwirtschaftsbetriebes in einzelnen österreichischen Ländern gewifs erforderlich machten, und wenn man dabei davon ausging, dafs man zwar die Erträge der teils in Reinbau, teils in Zwischen- ^) Die in folgendem zum Teil wörtlich aufgenommenen Bemerkungen sind den Erläuterungen zu den statistischen Übersichten entnommen, Statist. Jahrbuch des k. k. Ackerbauministeriums für 1874. Erstes Heft. 1. Lieferung. Wien 1875. dSK - 119 — kultur gebauten Früchte summieren könnte, nicht aber die Anbau- flächen, so war diese Überlegung gewifs richtig, wie auch, dafs man die der Zwischenkultur zuzuweisende Fläche nur schätzen oder be- rechnen könnte. Statt aber diese Schätzung nun dort vorzunehmen, wo man das Verhältnis der in Zwischenkultur gebauten Früchte und die von ihnen eingenommenen Flächen unmittelbar anschauen konnte, trug man kein Bedenken, überall, wo die Urerhebungen auf die Ermittelung dieser Verhältnisse nicht eingegangen war, die im Ministerium durch Berechnung gefundenen Zahlen aufzunehmen. Man nahm z. B. bei in Zwischenkultur angebauten Hülsenfrüchten und Mais an, dafs die Hauptfrucht (Mais) mit der Zwischenfrucht in demselben Verhältnis an der Fläche partizipiere, in welchem ihre Erträge zu einander standen. — Ahnliche Schätzungen fanden statt bei berebten Ackern, um die auf die Weinkultur und die betreffende Ackerkultur entfallende Fläche zu bestimmen, sowie bei mit Obst- bäumen, Oliven u. s. w. bestandenen Ackern, und wenn man auch das Unzutreffende solcher Schätzungen sich nicht verhehlte und die „anfangs geringe Exaktheit'^ wohl erkannte, so glaubte man durch , .fortgesetzte Erhebungen und Schätzungen auf jenen Grad der Verläfslichkeit zu kommen, welcher auch für die übrigen An- gaben der Erntestatistik genügen mufs^'. Der Grad der Verläfslich- keit konnte danach allerdings kein erheblich grofser sein, und zwar weniger noch als bei den Anbauflächen bei den über die Ernte- erträge gemachten Angaben. Hier werden die Suppositionen, Sub- stitutionen, und wie man die vorgenommenen Willkürlichkeiten sonst benennen mochte, als nicht zu vermeidende bezeichnet. So wurden in Südtirol und Istrien durch Autopsie die Minimalerträgnisse fest- gestellt „und diese überall substituiert, wo die Originalangaben der Gesellschaften hinter diesen Minimalerträgnissen zurückblieben*". Es kam aber auch vor, dafs Vertrauensleute nicht mehr rechtzeitig ver- fügbar waren; dann wurde (so in Istrien) „bei den Getreidearten und Kartoffeln die Annahme substituiert, dafs die Originalangaben nur auf jene Erträge sich bezögen, welche den verwendeten Samen übersteigen, welche Annahme nach in vertraulichem Wege erlangten Auskünften als höchst wahrscheinlich angenommen werden mufste^', und es wurde deshalb zu den angegebenen Jahreserträgen überall das Minimum des Saatbedarfs (dies womöglich aus irgend einer Betriebslehre bestimmt) addiert und der Ertrag daraus be- rechnet. — Statistische Ermittelung bleibt dies aber immer noch, selbst wenn man weiter aus den Erläuterungen folgendes liest : .,Bei 439 — 120 — Mais und Sago, wo wegen des geringfügigen Saraenbedarfs dadurch (sc. durch das eben angegebene Verfahren) wenig gewonnen wurde, mufste aufserdem ein öOprozentiger Zuschlag angenommen werden, um doch wenigstens annähernd auf die analogen Minimal- jahreserträge Südtirols zu kommen**. Warum man unter solchen Um- ständen aber sich noch die Mühe machte, durch die landwirtschaft- lichen Vereine Erhebungen anstellen zu lassen, ist kaum verständ- lich. Verstand man es doch viel besser, vom grünen Tisch aus zu dekretieren, was an Früchten in dem betreffenden Bezirke gebaut sein müsse I — Dafs damit, wie die den österreichischen Nachweisen beigefügten Erläuterungen an einer anderen Stelle ausführen . er- reicht werde. ..dafs die an eine Produktionsstatistik, welche den Charakter der Vertrauenswürdigkeit haben soll, unerläfslicli zu stellende Anforderung, dafs die Verwendung der ganzen Anbau- flächen nachgewiesen und dadurch die Überzeugung hergestellt werde, dafs die Ertragsangaben eine volle Basis haben und weder etwas Wesentliches verschweigen noch Erdichtetes enthalten** — müssen wir füglich bezweifeln. Die Vertrauenswürdigkeit einer statistischen Nachweisung gewinnt gewifs nicht durch die Wahrnehmung, dafs unter Umständen eine auf rein theoretischen Grundlagen beruhende Berechnung an die Stelle faktischer Ermittelung tritt. Eine Sta- tistik, welche unter offener Anerkennung der ihrem Forschen ge- botenen Schranken sich begnügt, das nachzuw^eisen, was sie erforschen kann, wird trotz der Lückenhaftigkeit ihrer Angaben jedenfalls in nicht geringerem Grade vertrauenswürdig sein als eine solche, die nach Art der österreichischen Statistik bemüht ist, jede Lücke auf die bezeichnete Weise auszufüllen. — Waren wir demnach in der Lage, der österreichischen Anbau- und Erntestatistik einzuräumen, dafs sie wohl hinsichtlich des Umfauges anderen ähnlichen Erhebungen nicht nachstehe, so glauben wir um so mehr unseren Zweifel an der Richtigkeit ihrer Daten Ausdruck geben zu müssen. Wir wollen indessen nicht unterlassen zu erwähnen, dafs in den jüngeren Publi- kationen die Erwähnung von Schätzungen und Suppositionen mehr und mehr zu fehlen beginnt. Die d e u t s c h e K e i c h s s t a t i s t i k hat durch die Einheitlich- keit der Erhebungen auch auf diesem Gebiete gegen den früheren Zust.Mud erheblich Besseres geschaffen. Wenn auch einzelne deutsche Staaten (so besonders Baden) eine Statistik der Ernten und des Anbaues besafsen. welche in ihrer Art als vorzügliche bezeichnet werden konnte, so waren doch andere Staaten ganz oder teilweise 440 — 121 — ohne Nachweise über den Anbau und die Ernten ; insbesondere ent- behrten Preufsen und Sachsen derStatistik des Anbaues ganz, in anderen, so in Bayern, waren Erhebungen über den Anbau seit einer Reihe von Jahren nicht wiederholt worden. Die Statistik der landwirtschaftlichen Bodenbenutzung in Deutschland ist, wie auch in anderen Ländern dies der Fall, nicht lediglich auf die all- jährlich im Anbau wechselnden Friichtarten beschränkt, sondern dehnt sich auf die gesamten landwirtschaftlichen Kulturen aus. Auf Ermittelungen in kleinen Bezirken (jiolitischen oder Kataster- gemeinden, Gemarkungen u. s. w.) beruhend und die etwa vor- handenen Kataster- und sonstigen Vermessungen als Anhalt und Kontrole des Erhebungsverfahrens benutzend, geben diese Erhebungen Auskunft über die Fläche der Acker- und Gartenländereien, der Wiesen, Weiden und Hutungen, der Weinberge, Forsten und Hol- zungen, der Haus- und Hofräume, des Wegehindes, der Gewässer u. s. w. Die Ermittelung der AnbauHiichen bezieht sich auf die Getreide- und Hülsenfrüchte, Hackfrüciite und Gemüse, Handels- gewächse, Futterpflanzen, Akerweide und Brache; von den einzelnen Fruchtarten wird der als Hauptfrucht oder Hauptnutzung des Jahres gebaute Teil von dem als Neben- oder Nachfrucht gebauten getrennt. — Die Ermittelung des Ernteertrages findet nls eine besondere Er- hebung alljährlicli statt, bezieht sich dann aber nur auf die Haupt- getreidearten, Hackfrüchte, einige Handelsgcwächsc und Futter- pflanzen. Dane))en gehen vorläulige und delinitive Ernteerhebungen auch in den Einzelstaaten noch fort, ebenso wie Berichte über die Ernteaussichten, Saatenstandsberichte u. s. w. Kür die weniger i)e- deutenden Kulturgewächse wurde eine Ermittelung des Ertrages bei der Anbauaufnahme des Jahres 1883 durchzuführen versucht, indem man njich (h^m Durchschnittsertrag in den seit der (ersten Anbau- erhebung verflossenen 5 Jahren fragte - ein Versuch, der, wie aus den Erläuterungen der preufsischen Statistik hervorgeht, von be- sonders gutem Firfolge nicht begleitet war. ') Die Art der Erhebung ist hinsichtlich (l(;s Anbaues ( mu vcMschiedene, wie denn überhaupt in dieser Beziehung den Einzelstaaten hei allen gemeinsamen Auf- nahmen ein ziemlich weiter S])ielrauni gelassen ist. Die Krhehung der Erträge vollzieht sich in der Weise, dafs auf (irund einer An- zahl von Spe/iuhüinif tc^lungen dv.v durchschnitlliclK^ Krtrag per Hektar von jrdr) i^'iuehtart in jcMhun Bezirk festgestellt und diese Ertrags- zahl mit i\{)V Ixikannten Anbaufläche multipliziert wird. *) Prüul'öiacho ötatiatik (amtl. (^nl Im werk), lid. LXXXl. paj^. XIX. — 122 — yergleicht man diese statistischen Erhebungen Deutschlands mit denjenigen anderer Länder, so darf man von vornherein konstatieren, dafs dieselben mindestens den gleichen Anspruch auf Exaktheit er- heben können, wie alle anderen ähnlichen Erhebungen ; zuzugeben ist auf der andern Seite, dafs sie hinsichtlich der erlangten Eesultate allerdings auch alleji denjenigen Zweifeln und Bedenken unterliegen, denen die Erhebung des Anbaues und der Ernten überhaupt be- gegnen müssen. Der Grad der zu erzielenden Genauigkeit hängt von ver- schiedenen Bedingungen ab: von der Art der Erhebungsorgane, dem Erhebungs verfahren, der genaueren begrifflichen Feststellung der Erhebungsobjekte und von der Natur dieser letzteren selbst. Als Erhebungsorgane treffen wir bei den meisten Ländern die Gemeinde- und Kreisbehörden an, welche in mehr oder weniger grofsem Umfange sich entweder der Hilfe der landwirtschaftlichen Vereine oder einzelner Landwirte oder aus solchen und anderen sachkundigen Männern gelnldeten Schätzungskommissionen bedienen. Die Unterschiede, welche hierin in den einzelnen Ländern obwalten, sind meist durch deren besondere Verhältnisse bedingt, für das Resultat der Erhebungen aber von geringer Bedeutung — es ist im Wesentlichen dasselbe Material, dem die Urerhebungen anvertraut sind, es sind auch im Wesentlichen dieselben Bedenken, welche gegen diese Wahl in den verschiedenen Ländern obwalten. Geringes Ver- ständnis für Bedeutung und Zweck der Aufnahmen, zuweilen sogar Widerwilligkeit oder doch Nachlässigkeit der Behörden einerseits, Mifs trauen andererseits seitens der Landwirte gegen die Erhebungen, welches um so stärker zu sein pflegt, je mehr dieselben in den Händen amtlicher Organe liegen, sind es, welche von vornherein die Ermittelung des faktischen Zustandes erschweren. Suchen die Behörden, durch andere Obliegenheiten schon belastet, sich mit der ihnen zugemuteten Arbeit nicht selten obenhin abzufinden, so treffen sie gerade dann, wenn sie die ihnen gestellte Aufgabe mit besonderer Sorgfalt zu lösen suchen, auf ein dadurch in verstärktem Mafse er- wecktes Mifstrauen der Landwirte, deren Furcht vor fiskalischen Malsnahmen fast in allen Ländern besonders hervorgehoben wird. Hierin bald eine Änderung zu erwarten, dürfte kaum gerechtfertigt sein, wenn man auch annehmen darf, dafs die häufige Wiederholung solcher Erhebungen und die dabei erfolgende Belehrung, wie ins- besondere die Wahrnehmung, dafs denselben fiskalische Absichten 442 — 123 — nicht zu Grunde liegen, mehr und mehr die Landwirte zur richtigen und ausgiehigen Beantwortung der gestellten Fragen veranlassen wird. Lediglich davon, dafs die Landwirte allgemeiner ein Verständ- nis für die Bedeutung der agrarstatistischen Erhebungen gewinnen, ist eine erhebliche Besserung zu erwarten. Ist dies erreicht, so ist die Wahl der erhebenden Organe nicht von besonderer Bedeutung, wenigstens dann, wenn das Erhebungs verfahren mehr in der Be- fragung der Landwirte als in der Vornahme von Schätzungen besteht. Wir können nicht unterlassen, hier eine Forderung zu berühren, welche zuweilen gestellt wird. Man verlangt im Hinblick darauf, dafs gerade bei agrarstatistischen Erhebungen besondere, in der Natur des Landbaues gelegene Schwierigkeiten vorliegen, welche es nicht gestatten, einfach Thatsachen als solche zu zählen, sondern es erforderlich machen, dafs die Erhebungsorgane auch mit einer ge- wissen Sachkenntnis in die Eigenart landwirtschaftlicher Verhältnisse einzudringen vermögen, die Anstellung fachlich geschulter Zähler. Ohne Zweifel würde den agrarstatistischen Erhebungen damit ein gröfserer Wert gegeben werden. Aber diese Forderung selbst birgt wieder nur eine der zahlreichen Schwierigkeiten in sich, mit denen man bei der Agrarstatistik zu rechnen hat. Denn wo sollte eine genügende Anzahl solclier Fachmänner gefunden werden, die als Zähler für Agrarstatistik fungiren könnten und wo, selbst wenn der- artige Funktionäre in genügender Zahl vorhanden wären, würde man erwarten dürfen, dafs Mittel zur Anstellung derselben bereit gestellt würden ? Fachkenntnis bei der Ermittelung agrarstatistischer Daten halten auch wir für höchst wünschenswert, aber wir glauben sie nur da suchen zu sollen, wo sie der Natur der Sache nach vor- handen sein mufs. Der Landwirt selbst mufs sich mehr und mehr in den Dienst der Statistik stellen, und erst wenn dies allgemein erreicht ist, werden die einzelnen Erhebungen diejenige Vollständig- keit und Genauigkeit erhalten, die heute noch vergeblich ange- strebt wird. Die Art des Erhebungs Verfahrens führten wir als zweites, den Grad der Genauigkeit bedingendes Moment an. Es müssen die erforschten Daten eine andere Bedeutung haben, je nachdem die- selben lediglich auf Grund von Schätzungen oder auf solchen und zum Teil auf Lidividualbefragung oder lediglich auf letzterer beruhen. Das Verfahren der reinen Schätzung schliefst von vornherein eine Genauigkeit der Daten aus. Sobald ein rein subjektives Beurteilungs- element den Erhebungen zu Grunde gelegt ist, müssen diese in ihren 443 — 124 — Resultaten durch die Verschiedenheit der urteilenden Personen he- einflufst sein, weshalb auch bei Schätzungen die Wahl des schätzenden Personals von grofser Bedeutung ist. Bekannt ist, wie gerade auf die Persönlichkeit der Schätzenden in Preufsen es zurückgeführt wurde, dafs die Ernteerträge als zu hoch normirt angesehen werden mufsten, sobald dieselben von Vertretern des Grofsgrundbesitzes an- gegeben wurden, während man in Württemberg die umgekehrte Er- fahrung machte, dafs die Angaben von kleinbäuerlichen Besitzern hinter der Wirklichkeit zurückblieben. Auf die Verschiedenheit der Resultate der Ernteermittelungen in Schweden, welche gleichzeitig von den landwirtschaftlichen Vereinen und von den Gouverneuren vorgenommen wurden, wiesen wir früher schon hin. Eine bezeichnende Bestätigung des oben Gesagten finden wir in einem auf Veranlassung des landwirtschaftlichen Provinzialvereins der Mark Brandenburg veranstalteten Versuch, neben die definitiven Ernteermittelungen der offiziellen Statistik eine solche auf Grund von durch eine grofse Zahl von Vertrauensmännern angestellten Ermittelungen zu stellen. Unter Berücksichtigung der Bodenverhältnisse, der klimatischen und sonstigen Bedingungen bildete man möglichst gleichartige Erhebungsbezirke, aus denen Vertrauensmänner (300 an der Zahl), den intelligentesten Kreisen der Landwirte angehörend, die Daten lieferten. Man fand bei der Erhebung der Vertrauensmänner im Herbst 1881 eine Winter- roggenernte von 7 434 353 Doppelzentner, während die definitive Ernteerhebung von 1882 eine solche von nur 4361 899 Doppelzentnern aufwies ; zwischen beiden Erhebungen bestand demnach eine Differenz von 70"/,^. Bei derselben Ermittelung ergab sich für die Kartoflel- ernte eine Differenz von 35 %. Es kann dahin gestellt bleiben, welche Ermittelungen dem faktischen Ergebnis mehr oder weniger nahe kommen , das Obwalten dieser Differenzen an sich bestätigt die Unzulänghchkeit der Ernteschätzungen überhaupt und zeigt gleich- zeitig den Einflufs der Qualität der schätzenden Personen. ^) Zu- treffendere Resultate können erwartet werden, wenn den Schätzungen die durch Individualbefragung in möglichst grofser Zahl, unter der *) So nimmt die preul's. Statistik an, dals die im Oktober ermittelten Ernte- übersichten, welche beständig gegenüber den späteren definitiven Resultaten die höheren Summen aufweisen, als Überschätzungen anzusehen sind, veranlafst durch die in den landw. Vereinen überwiegend vertretenen gröl'seren und rationeller wirtschaftenden Grundbesitzer, auf deren AVirtschaften im Allgemeinen höhere Erträge erzielt werden, cf, Preufs. Statistik (amtl. Quelleuwerk) Bd. LXXXI pag. LXIV. 444 -^ 125 — Voraussetzung freilich der Richtigkeit ihrer Angaben, enthaltenen Berichte zu Grrunde gelegt werden können. Das subjektive Be- urteilungselement schwindet damit ja auch noch nicht ganz, aber es wird in seinem Einflufs mehr und mehr eingeschränkt, je zahl- reicher und den thatsächlich gegebenen Verhältnissen entsprechender die auf Individualbefragung erlangten Berichte sind. Eine Erhebung lediglich auf Individualbefragung basieren zu können und sich jeglicher Schätzung zu entschlagen, weil man die Individualangaben für all- gemein zutreffende zu halten vermöchte , wird selbst dann wohl ein frommer Wunsch bleiben, wenn ein allgemeineres Verständnis für das Wesen und die Bedeutung statistischer Aufnahmen auch in die weiteren Kreise der Landwirte gedrungen sein wird. Auch darf man nicht übersehen, dafs selbst bei Angaben durch den Wirtschafter selbst man durchaus nicht sicher ist, auch in diesen nicht reines Schätzungsprodukt zu finden; denn eine überall bestätigte Erfahrung ist es . dafs der einzelne Wirtschafter in vielen . vielleicht in den meisten Fällen gar nicht im Stande ist, eine zutreffende Flächen- angabe zu machen, da ihm andere Beurteilungsanhalte (z. B. das Mafs der Aussaat) allein geläufig sind. — Die Erhebungen über die Anbauverhältnisse beruhen fast allgemein auf einer Verbindung von allgemeiner Schätzung mit Individual- befragung. Müssen nun die Resultate derselben, wie wir sahen, schon mehr oder minder erheblichen Zweifeln begegnen, so noch vielmehr diejenigen der Ernteerhebungen. Denn während bei der Anbau- erhebung die Möglichkeit gegeben ist, die Angaben teils durch Ver- gleichung mit vorhandenen Vermessungskarten, teils durch unmittel- bare Anschauung und Begehung der Flächen zu kontrolieren. basieren die Erntenachweise auf Faktoren , die selbst nur ein Produkt der Schätzung sind ; so .vor Allem die mittleren Hektar-Erträge. Mag diese auch auf zahlreichen Spezialermittelungen beruhen , in letzter Linie bleibt das Resultat der Bestimmung der Erträge doch ein zweifel- haftes, und demnach auch das Gesamtresultat, das Produkt aus Anbaufläche und Ertragsziffer der bebauten Flächeneinheit. Die Individualumfrage durch geeignete Personen führt übrigens auch insofern zu gröfserer Genauigkeit, als man genötigt ist, für die Er- träge absolute Zahlenangaben zu verlangen. Das früher fast allgemein, in einzelnen Staaten auch jetzt noch festgehaltene Verfahren , die Erträge in Zahlen einer Mittelernte, also in relativen Zahlen anzugeben, ohne dafs man doch in der Lage war, anzugeben, was eine Mittelernte sei, bot dem neueren Verfahren gegenüber ein noch 445 — 126 — viel unsichereres Resultat. In der Tliat, man begreift nicht recht, dafs man hier und da auch gegenwärtig noch mit dem Begriff einer „Mittelernte^* in der Statistik operieren kann, ein Begriff, der ebenso- wenig relativ wie absolut festzustellen ist. weil die Mittelernte etwas stets Avechselndes ist, ja sein mufs, wenn anders man in der Landwirtschaft den Anspruch auf fortschreitende Entwickelung er- heben will. Die Erfragung der Ernteerträge nacli absoluten Zahlen bedeutet zwar nicht, dafs man gegenwärtig schon in der Lage wäre, von der Ermittelung der ,, faktischen"' Ernte zu sprechen. Wo man dies thut, da ist es eine Fiktion, mit der man sich und andere zu täuschen sucht. Denn thatsächlich kann von einer Bezifferung der wirklichen Ernteerträge gar keine Rede sein. Auch abgesehen davon, dafs die Ermittelung auf Schätzung beruht, so werden Umstände, deren Einflufs auf das Resultat der Ernte von grofser Bedeutung sein kann, gar nicht berücksichtigt: so Änderungen im Anbau, die durch den Gang der Witterung veranlafst sein können, Vernichtungen der Saat durch elementare Ereignisse, Überschwemmungen, Hagel, Insektenfrafs u. s. w. Die Einschränkung, welche hierdurch die Be- deutung der Ernteerhebung erfaliren mufs, trifft schon zu, wenn selbst eine jährliche Ermittelung des Anbaues erfolgt, wie in Österreich und einzelnen deutschen Staaten, sie ist aber besonders dann zu beobachten, wenn Anbauermittelungen nur in längeren Zwischenräumen erfolgen (Deutschland, Dänemark 5 Jahre, Belgien 10 Jahre) und Vorkehrungen, alle inzwischen vorgenommenen Ände- rungen des Anbaues zu erfahren , nicht getroffen sind , was unseres Wissens in zuverlässiger Weise nirgendwo der Fall ist. Man bemüht sicli zwar, über die den angebauten Gewächsen zustofsenden Scliädi- gungen Auskunft zu gewinnen. Auf die ungarischen Ermittelungen der verschiedenen Erntebeschädigungen wiesen wir schon hin, waren aber auch gleichzeitig zu der Bemerkung veranlafst, dafs eben doch nicht viel gewonnen sei, da man nicht glauben könne, damit die that- sächliche Ernte zu erfassen, weil nur Totalscliäden in Betracht gezogen wurden. Auch die in anderen Ländern angestellten Ermittelungen über die Erntebeschädigungen (Frankreich , Deutschland) sind wohl ge- eignet, allgemeine Schlüsse auf den durch den Umlauf der Jahres- witterung wie durch das Eintreten elementarer Ereignisse auf die Ernten ausgeübten Einflufs zu gestatten, können aber für die Ernte- ermittelung selbst nicht benutzt werden, weil ül)er den Grad der eingetretenen Beschädigung keine Kenntnis verschafft, sondern 446 — 127 — lediglich das thatsächliche Eintreten desselben konstatiert wird. Es ist das festgestellte Ernteresultat kein faktisches, weder im ganzen betrachtet, noch in Bezug auf die einzelnen Fruchtarten. ^) Dazu gelangt man auch nicht, wenn, wie in Frankreich bei der Enquete, nicht die mittleren Erträge eines Hektar von vornherein ermittelt werden, sondern die Gesamterträge jeder Wirtschaft einer Gemeinde, aus welchen durch Division mxit den i^nbauzahlen sich erst der mittlere Ertrag ergibt. Denn dafs es den meisten Landwirten nicht möglich ist, ohne Weiteres das volle Mafs ihrer Erträge anzugeben, ist eine ebenso bekannte Thatsache, wie dafs in den meisten Fällen ihnen auch gar nicht daran gelegen ist, dies zu thun. Zudem finden auch die Ermittelungen in einem Zeitpunkt statt, wo der Landwirt seine thatsächlichen Erträge selbst noch gar nicht kennt, sondern auch nur in der Lage ist, dieselben zu schätzen. Ein drittes, den Wert der Erhebungen bedingendes Moment ist in der genauen begrifflichen Bestimmung d e r E r h e b u n g s - obj ekt e gegeben, worauf übrigens die Statistik der einzelnen Länder im Allgemeinen entsprechendes Gewicht legt. Wie nötig dies ist, zeigen u. a. die bei den deutschen Erhebungen vorgekommenen Ver- wechselungen von Menggetreide und Mischfrucht, die vorgekommen sind, obgleich diese Bezeichnungen noch erläutert waren durch die Hinzufügung, dafs unter Menggetreide ein Gemenge verschiedener Getreidearten (Cerealien), unter Mischfrucht ein solches einer Ge- treidefrucht mit einer Hülsenfrucht verstanden sei. Es ist kaum angängig, diese Verwechslungen allgemein auf ein nachlässiges Ver- halten der Erhebungsorgane zurükzuführen, vielmehr dürfte die Ursache darin zu suchen sein, dafs man in der begrifflichen Bestimmung nicht ganz glücklich gewesen ist. Li der That kennt man in gewissen Gegenden Deutschlands die oben berührte Trennung nicht, sondern versteht unter Mengkorn oder Mischfrucht ebensowohl ein Gemenge verschiedener Getreidearten, w4e ein solches von Getreide mit anderen Fruchtarten. Es mufs aber auf die Wahl der Bezeichnung um so mehr Gewicht gelegt werden, je mehr man sich bei den Erhebungen an den einzelnen Landwirt zu wenden beabsichtigt. — Bei den Anbauerhebungen ist die Wahl der Bezeichnung nicht schwer, soweit es sich um die Hauptgewächse handelt, schwieriger bei den Handels- ') EinzelneErhebungenüberErträgesolcherGewächse, welche der Besteuerung unterliegen, machen davon eine Ausnahme. So kann man die Erträge des Tabak- baues in Deutschland nicht als genau angegeben bezeichnen, annähernd auch die Erträge des Zuckerrübenbaues aus der Menge der versteuerten Rüben berechnen. 447 — 128 — gewachsen, die nicht selten provinziell verschiedene Bezeichnung tragen. Man wirft auch die Frage auf, oh man überhaupt alle Kulturgewächse sorgfältig trennen oder oh man nicht mehr ein summarisches Ver- fahren anwenden soll, wie dies in einzelnen Staaten geschehen, wo beispielsweise bei den Handelsgewächsen einzelne bedeutende be- sonders genannt waren, die Ermittelung aller anderen aber unter der Bezeichnung „andere Handelsgewächse" erfolgte, oder wo man Futter- und Zuckerrüben besonders erfragte, im Übrigen aber eine Rubrik „andere Wurzelgewächse" wählte. Ein solches Verfahren vermögen wir nicht gut zu heifsen. Wir sind der Ansicht, dafs man, selbst wenn man nur den Anbau ermitteln will, eine möglichst weitgehende Unterscheidung treffen soll. Denn die summarische Bezeichnung bietet jedenfalls mehr Anlafs zu Irrtümern, als wenn man ganz be- stimmte Bezeichnungen wählt. Zudem würde bei der summarischen Befragung manche Eigentümlichkeit der Anbauverhältnisse verborgen bleiben. Unter heutigen Verhältnissen ist das Festhalten am Herge- brachten nicht mehr von derjenigen Bedeutung wie vordem und namentlich im Hinblick auf den Anbau verschiedener Kulturgewächse vollzieht sich gegenwärtig viel häufiger ein Wechsel, als in früherer Zeit, so dafs gewisse Kulturen in Gegenden auftreten, die früher dort nie gekannt waren, andere verschwinden, die man als gewohn- heitsmäfsig angebaute dortselbst betrachten mochte. Handelt es sich aber gleichzeitig darum, auch eine Grundlage für die spätere Be- zifferung der Erträge zu gewinnen, so ist es selbstverständlich, dafs eine summarische Befragung nicht stattfinden darf. Die Forderung begrifflich genauer Bestimmung der Erhebungs- objekte bezieht sich auch auf die notwendige Unterscheidung der als Hauptfrucht oder als Neben-, Stoppel- oder Nachfrucht gebauten Fruchtarten, die keineswegs bei allen Aufnahmen der verschiedenen Länder erfolgte. Sie ist um so notwendiger, als gerade hier, wie wir glauben, die unzuverlässigsten Angaben gemacht werden, wie wir aus den für Osterreich in Bezug auf den Zwischenfruchtbau gemachten Bemerkungen schon betonten. Die bei der letzten Ermittelung der landwirtschaftlichen Bodenbenutzung in Preufsen gemachten Er- fahrungen lassen gleichfalls hinsichtlich dieser Unterscheidungen be- sondere Aufmerksamkeit als erforderlich erscheinen. ') *) So wird über die jüngste Erhebung des Anbaues in Preufsen gesagt, dafs die Angaben über Nebenfrucht nur sehr unvollständig waren und sich in Folge irriger Vorstellung vielfach an falscher Stelle fanden u. s. w. Preufs. Stat. Bd. LXXI. pag. XIX. 44b — 129 — Wir führten als letzten Umstand, welcher geeignet sei, die Genauigkeit der Erhebungen in Frage zu stellen, die Natur der Objekte selbst an. Hinsichtlich des Anbaues ist diese zwar nicht derart, dafs sie die Erhebung unmöglich machen könnte, da jede zum Anbau gelangende besondere Kultur sowohl als solche erkannt wie in ihrem Flächenmafs bestimmt zu werden vermag. Auch die Verteilung der verschiedenen Kulturarten kann unmittelbar durch Anschauung beurteilt werden. Für die Erhebung der Ernteerträge kommt es aber in Betracht, ob die Natur des Objektes ein völliges Erfassen desselben überhaupt gestattet. Zwar ist zuzugeben, dafs es schliefslich kein Objekt geben wird, bei dem eine ziffermäfsige Angabe völlig unmöglich sein würde; aber es handelt sich darum, ob der wirtschaftende Landwirt in der Lage ist, eine dahingestellte Frage zutreffend zu beantworten, wie es doch bei der Erforschung des Ertrages notwendig ist, und wir glauben, dafs die Unmöglichkeit sich häufig genug erweisen wird. Die Forderung, dafs die allgemeine Statistik nur das in Betracht ziehen soll, was im Allgemeinen der Landwirt selbst genau anzu- geben vermag, ist wiederholt gestellt, auch die Objekte bezeichnet worden, bei denen dieser Forderung kaum genügt wird. So hat Conrad in seinen Untersuchungen darauf hingewiesen, dafs eine zu- treffende Angabe über die Erträge an Stroh, Heu von Wiesen und Weiden, Futterkräutern und der verschiedenen Gemüsearten nicht erwartet werden könne, eine Ansicht, der man auch unter heutigen Ver- hältnissen noch beipflichten mufs. — Wenn man in Frankreich die Erträge an Stroh nicht nur von allen Getreidearten, sondern auch den Ertrag von Heu auf Wiesen der verschiedensten Art, auf Weiden. Hütungen, Nebennutzungen (z. B. Waldweide) u. s. w. in direkten Angaben von Masse und Gewicht fordert , so ist das eben nur ein Zeichen, dafs Statistik unter allen Umständen gemacht werden soll. Auch die deutsche Reichsstatistik hat sich unseres Erachtens nicht völlig von diesem Fehler frei gehalten. Wenn schon eine Statistik der Erträge durchgefülirt werden soll, so beschränke man sich auf die Hauptfrucht- arten und die Körner- (bezw. Knollen-) Erträge, unterlasse es aber, Fragen nach Erträgen zu stellen, über die gewifs jeder Landwirt, selbst bei gleichen Wirtschaftsverhältnissen, nur unbestimmte und abweichende Angaben zu machen im Stande ist. Selbst in Österreich, wo man doch, wie wir hervorhoben, bei der Statistik der Pflanzenproduktion nicht besonders bedenklich war hinsichtlich allgemeiner Annahmen, scheute man sich bis zum Jahre 1876 den Strohertrag zu ermitteln. V. 4. ^ 3U — 130 — Wenn man freilich dort glaubte, „dafs die Theorie die nötigen Anhaltspunkte biete, um die wahrscheinliche Strohernte approximativ zu berechnen, wenn nur die absoluten und relativen Kornernten be- kannt seien", so bleibt es fraglich, ob man damit nicht einen gröfseren Fehler begeht, als wenn man direkte Erhebung vornimmt. Einer auf theoretischen Anhaltspunkten beruhenden Berechnung besonderes Vertrauen entgegenzubringen, fällt um so schwerer, als die theore- tischen Anhaltspunkte, beispielsweise über das normale Verhältnis von Stroh zu Korn, in den landwirtschaftlichen Betriebslehren doch durch sehr abweichende Angaben bezeichnet werden. Es ist nicht ohne Interesse, hierbei auf Versuche hinweisen zu können, welche bestimmt waren, über die Zulässigkeit solcher tlieore- tischen Annahmen zu entscheiden. Im Jahre 1880 wurde von einem praktischen Landwirt daraufhingewiesen, dafs er einen sicheren Anhalt zur Überschlagung der ebea beendeten Ernte gewonnen zu haben glaube. ^) Derselbe verfuhr so, dafs er von den einzelnen Schlägen für eine Anzahl Fuder oder Mandeln des einzufahrenden Getreides das Gewicht durch Wägung bestimmte und daraus das Durch- schnittsgewicht des einzelnen Fuders berechnete. Dieses mit der Gesamtzahl der eingefahrenen Fuder multipliziert, ergab das Gesamt- gewicht der Ernte. Indem er nun weiter ein von ihm als Durch- schnittsverhältnis erkanntes Verhältnis des Körnergewichts zum Stroh- gewicht in Anwendung brachte, wobei er die Verhältniszahlen jeweilig insoweit modifizierte, als ihm dies durch den Verlauf der Jahres- witterung, starke Verunkrautung und sonstige das Ernteresultat be- einträchtigende Momente gerechtfertigt erschien,-') glaubte er einen zutreffenden Mafsstab für die Bezifferung der Korn- und Strohernten gefunden zu haben. Allein die auf seine Veranlassung in der Praxis angestellten Versuche*^) haben gezeigt, dafs die auf diese Weise angenommenen Schätzungen von dem wirklich crdroschenen Ertrage ') Rittergutsbesitzer Neuhaus auf Selchow brachte in einem am 13 Januar 1880 im Klub der Landwirte in Berlin orehaltenen Vortrage über seine dies- ])eziiglichen Erfahrungen Mittheilung. -) Es charakterisiert sich dies Verfahren als ein durchaus willkürliches, von dem füglich die Statistik nicht Gebrauch machen sollte. Es ist dies freilich nicht immer auch von Statistikern Ijeaclitet worden. So war es gleichfalls ein will- kürliches und kaum berechtigtes Verfahren, wenn Engel in den Erntenachweisen im Anfange die extremen Zahlen nach o])en und unten einfacli wegliefs, um aus den mittleren Zahlon d«^n Durchschnitt /.u berechnen, ein Verfahren, von dem er später selbst abging, indem er alle Zahlen zur Durfhschnittsl)eiechnung benutzte. •'') „Beiträge zur Kenntnis des (lewiilitsv ciliiiltnissts Aw Knvwcv zum Stroh — 131 — doch sehr erhebliche Abweichungen aufwiesen. So wurde bei Ver- suchen in der Provinz Brandenburg gegen die geschätzte Zahl bei Weizen bis zu 48 % mehr und bis zu 23 7o weniger geerntet als taxiert war, bei Roggen war die Differenz bis 38 bezw. 32 %, bei Gerste 12 bezw. 19 ^^, bei Hafer 19 bezw. 34 ^/o, ein Beweis, wie auch diese auf allgemein für zutreffend gehaltenen Angaben beruhenden Schätzungen sich von dem wirklichen Resultat in zum Teil aufser- ordentlichem Mafse entfernten. Während man als zutreffendes Ver- hältnis von Körnern zum Stroh bei Weizen 10 : 20 annahm, stellte sich dasselbe in den Grenzen von 10:10,21 bis 10:29,16, bei Roggen (Normalverhältnis angenommen 10:20) von 10:11,6 bis 10 : 39,6. War man auch geneigt, einen Teil dieser Differenzen den sehr ungünstigen Witterungsverhältnissen, vielleicht auch in einzelnen Fällen fehlerhaften Wägungen schuld zu geben , so gelangte man doch zu dem Resultat, dafs ,,es schwer sein dürfte, für gröfsere Be- zirke anwendbare Zahlen zu finden, welche man als unumstöfsliche Grundlage bei den alljährlich sich wiederholenden Ertragsberechnungen betrachten könnte'% ein Resultat, welches mit unserer vorher ge- äufserten Ansicht zusammentrifft. — Die über den Einflufs der Erhebungsorgane, des Erhebungsver- fahrens, der begrifflichen Feststellung der Objekte u. s. w. auf das Resultat der Erhebungen gemachten Ausführungen können im Allge- meinen auf das ganze Gebiet der Agrarstatistik Anwendung finden; wir haben sie an dieser Stelle eingefügt, weil im Besondern bei den Erhebungen über Anbau und Ernte der Einflufs der bezeichneten Momente ein hervorragender ist. Eine Unterscheidung ist aber auch hier zwischen der Anbauerhebung und derjenigen der Ernteerträge zu machen, insofern bei der Anbauerhebung die Möglichkeit einer genauen Aufnahme unzweifelhaft sehr viel mehr gegeben ist, als bei der Ernteerhebung. Dafs dies der Fall, ist unserer Ansicht nach um so wertvoller, als wir der Anbauerhebung für die AgrarstatistikeinevorwiegendeBedeutungbei messen; ja, wir glauben weiter gehen zu dürfen; wir betrachten die Er- hebung der Anbauflächen als eine unerläfslich not- wendige, diejenige der Ernteerträge als bis zu einem gewissen Grade überflüssige. Die Kenntnis der besäeten Fläche der einzelnen Fruchtarten ist für die Beurteilung des Standes und der Entwickelung der Land- bei gesundem Getreide" von Dr. Frh. von Canstein. Landbote (Wochenschrift für preufsische Landwirte etc.) am 28. Juni 1883. Beilage. 9* 451 30=* — 132 — Wirtschaft eine unerläfsliche ; durch die Bewegung, welche sich im Anbau der verschiedenen Kulturgewächse vollzieht, gibt sich leicht zu erkennen, ob die Landwirtschaft eines Landes mehr den Charakter einer intensiven Bewirtschaftung gewinnt, oder denjenigen einer ex- tensiven, zumal wenn man in der Lage ist, gleichzeitig die über die Viehhaltung gewonnenen Daten heranzuziehen. Würde man die Er- hebungen über beides, Anbau und Viehhaltung, auch zeitlich und örtlich mehr in einen gewissen Zusammenhang bringen, vielleicht indem nach Art der deutschen Betriebsstatistik mit derselben eine Erhebung über den Anbau ebenso verbunden würde wie diejenige über die Nutzviehhaltung, so würde man ein Material zur Beurteilung der Zustände in der Landwirtschaft gewinnen, welches dem heute gebotenen weit voranstehen würde. Voraussetzung ist allerdings, dafs die Erhebung über den Anbau derartig geschehe, dafs man nicht mit Schätzungen operiert, sondern mit möglichst genauen direkten Aufnahmen. Wie solche zu gewinnen, läfst sich zwar kaum allgemein bestimmen; das Verfahren wird nach den verschiedenen Gegenden ein sehr abweichendes sein können, wie z. B. in solchen Gegenden, in denen vorzugsweise Grofsgrundbesitz obwaltet und dieser fast allgemein nach derselben Methode Ijewirtschaftet wird, es viel leichter sein wird, zu zutreffenden Resultaten zu gelangen, als in Gegenden mit zerstückeltem Besitz und einem mehr freien Wirtschaftsbetriebe. Allgemein dürfte aber zu fordern sein, dafs bei der Anbauerhebung, entgegen dem Verfahren bei anderen agrar- statistischen Erhebungen, eine detaillierte Unterscheidung der Anbau- lläclien nach allen in Betracht zu ziehenden Kulturgewächsen erfolyt; denn vorzugsweise in der jjräzisen Unterscheidung und Fragestellung glauben wir hier ein Mittel zu erkennen, um zu gröfserer Sicherheit der Resultate zu gelangen. — Eine andere allgemeine Forderung dürfte bei der Wichtigkeit, die der Anbauerhebung beigelegt werden mufs, die sein, dafs die Kataster- und Flurkarten mit llücksicht auf die Erhebung der landwirtschaftlichen Bodenbenutzung eine sorg- fältige Bearbeitung, und wo solche notwendig, Ergänzung erfahren. AVerden schon jetzt doch die Angaben der vorhandenen Vermessungen zur Kontrole herangezogen. Es würde sich aber nicht nur darum handeln , dafs an den Kontrolstellen oder den einzelnen Sammel- stellen der Berichte die Möglichkeit solcher Kontrole gegeben sei, sondern die unmittelbar mit der Erhebung betrauten Organe müfsten in die Lage gesetzt sein, bei ihren Erhebungen an Ort und Stelle von solchen Karten Gebrauch machen zu könuLMi. \^ielleicht würde 45-2 — 133 — dies erst die Bearbeitung und Herstellung solcher Karten, welche auch noch die Beurteilung der Lage und Ausdehnung der einzelnen AVirtschaften bezw. Ackerstücke gestattete , erforderlich machen. Wir verkennen nicht, dafs die Erfüllung dieser Forderung an den Aufwand grofser Mühe und Mittel geknüpft ist; aber würde damit ein zu grofses Opfer verlangt sein? Wir glauben dies kaum, wo es sich um eine Erhebung handelt, ohne welche jede andere agrar- statistische Aufnahme eigentlich hinfällig sein würde. In der Er- mittelung des Anbaues erblicken wir das notwendigste Glied in der ganzen Beihe agrarstatistischer Aufnahmen, welche zur Beurteilung des Standes und der Entwickelung der Landwirtschaft erforderlich sind; ja wir glauben, dafs eine gute Anbaustatistik manche andere Erhebung überflüssig machen würde : so insbesondere die jähr- lichen Ernteerhebungen. Für eine Ermittelung der Erträge mufs die Anbaustatistik die notwendige Grundlage bilden; doch ist es fraglich, ob, wo eine solche vorhanden ist, auf dem Wege der Gesamterhebung auch eine Ermittelung der Gesamterträge stattfinden mufs. Zunächst darf wohl gesagt werden, dafs eine solche unnötig ist in solchen Jahren, wo eine Erhebung des Anbaues nicht erfolgt, weil eben dann beim Mangel einer zutreffenden Grundlage notwendig die Resultate einer solchen Erhebung unzutreffend sein müssen. Auf die Mängel, welche einer Erhebung der Ernteerträge an- haften, brauchen wir kaum weiter einzugehen. Wir haben sie teil- weise schon berührt. Auch entbehrt keine Veröffentlichung der Erntenachweise des Hinweises auf die Mangelhaftigkeit ihrer Daten. Auf Durchschnittsangabeu aufgebaut, welche die natürliche Ver- schiedenheit des Bodens kaum berücksichtigen. Angaben, die zudem auf absolute Richtigkeit kaum geprüft werden können, auf Grund von Anbauverhältnissen berechnet, die vielleicht 4. vielleicht 9 Jahre vorher zutreffend waren, je nachdem die Wiederholungsperiode der Anbauerhebung eine 5- oder 10jährige ist, auf alle den Ertrag be- einträchtigenden Momente (Witterung, elementare Ereignisse u. s. w.) nicht berücksichtigend, sind diese Ertragsdaten weit entfernt. An- spruch auf Zuverlässigkeit erheben zu können. Da fragen wir uns. liegt denn ein dringendes Literesse vor, solche jährliche Schätzungen zu erhalten? Man wird sagen, dafs für die Ermittelung des land- wirtschaftlichen Reinertrages der Rohertrag selbst doch in letzter Linie aufgestellt werden müsse. Das ist gewifs richtig ; aber dieser Ertrag ist geschätzt und nicht zutreffend und wir sind der Meinung, 453 — 134 — dafs man zu ebenso zutreffenden Annahmen auf Grund genauer Anbauerhebungen auch ohne besondere Gesamtschätzungen der Ernten gehingen kann. Zudem bedarf es hierzu nicht jährlicher Ermittelungen , sondern es würden solche genügen , welche sich in denselben Perioden wiederholen, wie dies bei den grundlegenden Anbauerhebungen der Fall ist. Schliefslich sahen wir auch, dafs für eine Bemessung des Reinertrages die Ge samt erb ebungen hinsichtlich vieler landwirtschaftlicher Produktionsverhältnisse uns im Stich liefsen. — Man wird weiter sagen, dafs ein Interesse des Staates vorliege und ein solches der Handelswelt : des Staates, der erfahren will, wieviel Subsistenzmittel im Ganzen, wieviel in den einzelnen Teilen des Landes erbaut sind; des Handels, dessen An- gehörige in den Ermittelungen der Ernteerträge eine Grundlage für ihre Berechnungen gewinnen wollen, was insofern auch der landbau- treibenden Bevölkerung zu gute kommen soll, als angenommen wird, dafs damit der Boden für eine wilde Spekulation entzogen werde. Beides ist aber kaum geeignet, für ein Festhalten an jährlichen Produktionsermitteluugen zu sprechen. Denn der Staat kommt unter heutigen Verhältnissen nicht in die Lage, direkt für die Be- schaffung und die Bereitstellung von Subsistenzmitteln einzutreten, und wo Notstände thatsächlich eintreten, da wartet er nicht erst auf das Eingehen der Ernteberichte, die für alle praktischen Zwecke doch zu spät kommen. ' Das Interesse des Staates geht dahin, zu erfahren, ob überhaupt der Grund und Boden in möglichst höchstem Mafse zur Produktion herangezogen werde, und das erkennt er aus einer guten Statistik des Anbaues weit mehr als aus den wenig zuverlässigen Nachweisen über die Ernteerträge. — Und der Handel? Nun, auch für ihn sind die Nachweise der definitiven Ernteresultate völlig bedeutungslos. Sie werden in einer Zeit bekannt, wo der Getreidehandel eines Jahres und die Getreidespekulation desselben sich längst vollzogen hat, ja wo letztere sich schon mit den zu er- wartenden Erträgen des nächsten Jahres beschäftigt. Für den Handel sind selbst die vorläufigen Erntenachrichten mehr oder weniger bedeutungslos; wir ha])en noch nicht erfahren, dafs der Ge- treidehändler mit besonderer Spannung diesen Nachrichten entgegen sähe. Das Material zu seinen Berechnungen beschafit er sich viel- mehr auf privatem Wege, wozu die heutigen Verkehrseinrichtuiigen ihm die Möglichkeit bieten. Die Spekulation aber entbehrt lieber der annähernd sicheren Nachrichten. AVas sollen für sie auch vodäufige oder definitive Nachrichten über zu er- 454 — 135 — wartende oder erzielte Ertrüge ? Sieht man doch, dafs schon in den Monaten Mai und Juni die Preise für Oktober und November für alle Produkte spekuliert werden, in einer Zeit, wo von beiden Nach- richten noch keine erschienen ist. Wenn etwas für den Handel als Basis benutzt wird, so sind es die Saatenstandsberichte, welche eben wegen der ihnen eigenen Unsicherheit der Spekulation ein günstiges Material bieten. Den Nutzen jährlicher Ernteermittelungen vermögen wir nicht zu erkennen, es sei denn, dafs sie ein wissenschaftliches und für die Wissenschaft dann doch lediglich historisches Interesse beanspruchen können. Ob das genügt, sie zu rechtfertigen, bezweifeln wir umso- mehr, als einmal die Verwendung als historisches Material doch Bedenken erregt, weil die Daten thatsächlich nicht zutreffen, und als andererseits für landwirtschaftlich - wissenschaftliche Zwecke sich in Einzelbeobachtungen und Versuchen ein zweckmäfsigeres Material bietet, als die durch die allgemeinen Ernteerhebungen ge- gebenen Zahlenangaben, welche nach der Art ihrer Gewinnung weder für eine bestimmte Gegend noch für einen bestimmten Boden irgendwie bezeichnend sind. Den Wert genauer Ermittelungen über Erträge in der Land- wirtschaft wollen wir damit nicht verkennen, und dürfen dies um so weniger, als wir doch stets an dem der Agrarstatistik gesteckten Ziel festhalten, die Beurteilung zu ermöglichen, ob und unter welchen Verhältnissen der höchste Beinertrag erzielt werde. Nur bezweifeln wir den Wert der jährlichen Gesamterhebungen und halten deshalb auch die dafür aufgewendeten Mühen und Kosten, die mit dem End- ergebnis nicht im richtigen Verhältnis stehen, für falsch angewendet. Wir möchten sie lieber zu einer gründlichen Ausbildung der Anbau- statistik verwendet sehen, die, wie wir hervorhoben, wir für ebenso nützlich wie wünschenswert erachten. — Was dagegen an die Stelle der Gesamterhebungen über die Ernteerträge zu treten habe , ist eine Frage, die wir hier nur mit dem Hinweis auf die an Conrad ^) gestellte Forderung der Sp ezialerhebungen beantworten, ein näheres Eingehen darauf für eine andere Stelle uns vorbehaltend. — Die Untersuchung über die Anbau- und Ernteerhebungen er- gab, dafs dieselben in den meisten Ländern gegenwärtig stattfinden. W^enn auch in verschiedenem Mafs auf die Anbauverhältnisse ein- gehend und nicht überall die Gesamtflächen und alle angebauten 1) a. a. O. pag. 122 ff. 455 — 136 — Kulturgewächse umfassend, waren doch die Erhebungen derart, dafs man über die Verteilung des Anbaues der Hauptfrüchte überall ein ziemlich zutreffendes Bild gewinnen konnte. Den Anspruch, in ihren tabellarischen Nachweisen wirklich die thatsächlichen Anbauverhält- nisse in ziffermäfsig genauer Weise zum Ausdruck zu bringen, er- heben die Aufnahmen über den Anbau wohl in keinem Staate. Vor den Erhebungen über die Ernte n stehen sie in dieser Be- ziehung gleichwohl weit voran. Denn diese Erhebungen — heute auch in allen Staaten durchgeführt — sind nichts weiter als mehr oder weniger genaue Schätzungen. Übrigens mufs hervorgehoben werden . dafs auf einzelnen Gebieten auch die Ermittelung der Pflanzenproduktion zu genauen Resultaten führt. Da ist es aber nicht die Agrarstatistik, welche diese erzielt, vielmehr liegt die Ver- anlassung dazu in den zu Steuer zwecken erforderlichen Mafs- nahmen. In Deutschland wird z. B. für Tabak und Zucker- rübe n ein genauer Nachweis der Produktion durcli die Versteuerung dieser Produkte erzielt. Anlangend die Erhebungen in Deutschland, so fanden wir, dafs mit der Verallgemeinerung dieser Erhebungen auf alle deutschen Staaten ein grofser Fortschritt trotz der auch ihnen anhaftenden Mängel gegeben war. Man wird durchaus richtig urteilen, wenn man sich der bei Veröffentlichung der letzten deutschen Erhebung gemachten Bemerkung ^) anschliefst, „dafs die in Deutsch- land durchgeführte Anbauermittelung an Zuverlässigkeit der Ergeb- nisse denen von entsprechenden Erhebungen in irgend einem anderen Staat mindestens nicht nachstehe'^ Richtig ist aber auch, und ge- wifs nicht nur für Deutschland, sondern auch für alle anderen Länder zutreffend, was von den Resultaten dieser Erhebungen für Preufsen gesagt wurde, ") „dafs dieselben auf unbedingte Zuverlässigkeit keinen Anspruch erheben könnten, dafs im Grofsen und Ganzen die ge- samte Erhebung nur auf Schätzungen beruhe". — 2. Die tierische Produktion. Die Statistik der tierischen Produktion begegnet dem eben angeführten Vorwurf in noch höherem Mafse. Schon der Umstand, dafs die Statistik der meisten Staaten sich auf dies Gebiet bisher nicht gewagt hat, scheint die vorliegenden Schwierigkeiten anzudeuten ^) Monatshefte der Stat. d. Deutschen Reichs. Heft 1. 1885 pag. 11. 2) Preufs. Statistik. LXXXI pujr. XIX. 456 — 137 — und diejenigen Erhebungen, welche thatsächlich stattgefunden haben, lassen eine solche Zurückhaltung nur zu sehr gerechtfertigt erscheinen. Wir wiesen auch bei Erwähnung der bei Veranstaltung der Vieh- zählungen vereinzelt angestellten Bemühungen, durch Ermittelung des Lebendgewichtes, der Zahl der Masttiere, des Aufwuchses an jungen Tieren u. s. w. eine Beurteilung über die zum Konsum ge- stellten, in den Tieren selbst sich darbietenden Produkte zu ermög- lichen, auf die Unzulänglichkeit solcher Ermittelungen schon hin. Den Versuch, zu einer allmählichen Ausbildung der Tier- produktionsstatistik zu gelangen, hat vorzugsweise die öster- reichische Statistik gemacht. In Österreich^) finden wir Nachweise über die gemolkene Milch von Kühen, Ziegen und Schafen, sowie über denjenigen Teil der nicht zum unmittelbaren Konsum gelangten Milch , welcher zu Butter und Käse (aus süfser und aus saurer Milch, und Molken) verwendet wird. Ferner werden Nach- weise über Wolle, Honig, Wachs und Seiden cocons gegeben. Die AVoUerträge sind gesondert angegeben nach den verschiedenen Rassen. Ebenso ist das Lebendgewicht von Rindvieh unter Sonderung der Tiere in 19 Rassen und Schläge ausgewiesen — allerdings nur für Ostgalizien. Auch die übrigen Ermittelungen sind nicht gemeinsam für alle Kronländer durchgeführt, sondern nur in einzelnen derselben. Untersuchen wir nun die Erhebung der Milch und Milchprodukte."-) Die Grundlage der im Jahre 1874 angestellten Ermittelungen bildete die offizielle Viehzählung von 1869. Zwar wufste man wohl, dafs inzwischen in den Viehbeständen zum Teil recht bedeutende Ver- schiebungen stattgefunden hatten, nur vereinzelte Länder versuchten aber, diesen Veränderungen durch eine besondere Erhebung (meist durch die landwirtschaftlichen Vereine) Rechnung zu tragen; die anderen begnügten sich mit den offiziellen Daten, obgleich dort, wo man besondere Erhebungen anstellen liefs, sich doch nicht uner- hebliche Differenzen (in Vorarlberg 8 ^ o) ergeben hatten. — Es hatte die offizielle Statistik eine Unterscheidung des Geschlechtes und des Alters der Tiere nicht gemacht — es mufsten deshalb die „betreffenden Schätzungen'^ durch lokal- und sachkundige Männer gemacht werden; hierbei wurde dann auch geschätzt, ein wie grofser Teil der Ziegen und Schafe überhaupt gemolken wurden. Auch hier sagte man sich, „es hätte wegen der Schwierigkeit der Erhebung ^) Statist. Jahrbuch des k. k. Ackerbauministeriums. Jahrgang 1874 u. ff. 2) Stat. Jahrbuch von 1874. 2. Heft pag. 10 ff. 457 — 138 — der Schaf- und Ziegenniilchproduktion am besten davon Umstand genommen werden können , zumal das Gesamtresultat der Milch- erzeugung des Landes dadurch nur unbedeutend beeinflafst würde, indes — so heifst es weiter — hätte dies nicht geschehen können, ohne dadurch dem ganzen Werke den Charakter der „Gründlich- keit und der kritischen Behandlung*' zu benehmen'^ — Bezüglich der Art und Weise der Erhebung war den landwirtschaft- lichen Vereinen völlig freie Hand gelassen, das Verfahren war demnach ein sehr verschiedenes. Jedenfalls sehr eigenartig war das in Ost- galizien angewendete, wo man die Produktion an Butter und Käse aus derKonsumtion berechnete,^) unter der Annahme, dafs die Konsumtion samt dem Überschufs der Ausfuhr über die Einfuhr der Gesamtproduktion gleich sein müfste ! — Für die Ermittelung der Milchproduktion suchte man durch Probemelken Anhalt zu gewinnen; man nahm an, dafs die Bäuerin oder Magd im Stande sei, zu beantworten, wenn die Kuh abgekalbt habe, wie lange sie gesäugt, wieviel Milch sie nach Abnahme des Kalbes gegeben, wie lange die Periode der gröfsten Milchergiebigkeit gedauert und wann die Kuh aufgehört habe Milch zu geben — Fragen, auf welche die Magd oder Bäuerin doch nur dann zutreffende Antwort geben könnten, wenn man voraussetzen dürfte, dafs sie genau Buch fülirten. — Auf Grund der erzielten Angaben, und unter der Voraussetzung, dafs die Kuh dauernd gesund war, glaubte man nun mit annähernder Sichorlieit (eine Fehlergrenze von 10 ^ ^ wurde für zulässig erachtet) die Milchergiebigkeit einer „Musterkuh^' berechnen zu können und es handelte sich nur darum, eine Anzahl passender Musterkühe für das Gebiet ausfindig zu machen, bei deren Wahl vorgeschrieben war, dafs namentlich auf ,, Verschiedenheit der Kassen, der Fütterungsmethoden und Perioden, der Altersunterschiede'" Rück- sicht genommen werden sollte. — Man kann gewifs zugeben, dafs hiermit ein Verfahren bezeichnet war, welches allen Anforderungen entsprach, ein Verfahren aber, welches zu seiner Ausführung einen durchaus intelligenten, praktisch und theoretisch gebildeten Landwirt erforderte; denn es handelte sich hierbei um Berechnungen, die im Allgemeinen selbst für die einzelne Wirtschaft heute noch als Probleme '-) Es Hegt diesem Verfahren uns^etahr dieselbe Anschauung zu Grunde, wie derjenigen, welcher wir in der französischen Statistik begegneten, wo man als „bonne rccolte moyenne" eine Ernte bezeichnete, die „non seulement suffiit a la consummation de l'annee agricole, mais encore laisse un disponible plus ou moins important." — Enquete Dccerabre 1862. Introcdution pag. IV. 458 — 139 — betrachtet werden müssen, zu deren Lösung wohl viele Versuche gemacht sind, ohne doch zu einer bewährten feststehenden Methode bisher geführt zu haben. Und nun denke man sich den galizischen Bauer im Verein mit der Bäuerin und der Magd mit der Lösung dieser Probleme befafst, und man wird den Wert dieser Berechnungen beurteilen können. — Aber man rechnete mit einer Fehlergrenze, die grofs genug war, um darunter auch völlig irrige Angaben ver- schwinden zu lassen, freilich auch grofs genug, um den ganzen AVert dieser „Statistik'' hinfällig erscheinen zu lassen. Wir können nicht unterlassen, hierbei auf eine von Engel gemachte sehr zutreffende Bemerkung hinzuweisen, in welcher er das Unzulässige der Schätzungen betont. ^) Engel fülirt aus, dafs, wenn man in Preufsen als Durch- schnittsleistung einer Kuh statt 10 Quart 97.2 Quart annehme, dies bei ca. 4 Millionen Kühen täglich einen Unterschied von 2 Millionen Quart bedeute und dafs, wenn man ferner schätze, dafs das Quart zu 1, ^li, ^/2, V4 Silbergroschen verwertet werde, man für das ganze Reich Summen erhalte, die untereinander so abweichend seien, dafs man mit den Differenzen die Grundsteuer der Landwirtschaft spielend bezahlen könne, während sie doch keineswegs leicht aufgebracht werde.'' — Auf solche Konsequenzen der willkürlichen Annahmen und Schätzungen wird man freilich diejenigen vergeblich hinweisen, welche kein Bedenken tragen, wo sich ihnen aus der Erfahrung selbst ermittelte Daten nicht bieten, solche aus ,. jedem beliebigen Werk über Viehzucht" zu entnehmen. — Gibt man aber selbst zu, dafs man bei der Bestimmung der Musterkühe alle Vorsicht habe obwalten lassen, so ist doch gerade die Ansicht, als ob man durch Auswahl sogenannter „typischer" Objekte berechtigt sei, auf sie Be- rechnungen für eine ganze Gegend zu basiren, eine verkehrte. Es ist dies in Österreich eine sehr beliebte Methode; sollte doch die in 2 Gebietsteilen Österreichs ausgeführte Probeerhebung auch nur das Muster bieten für die statistische Ermittelung und Darstellung gewisser typischer Bezirke, welche man als Grundlage für eine allgemeine Landesstatistik durch Verallgemeinerung der dort ge- fundenen Resultate zu benutzen gedachte. Es ist aber eine nicht zulässige Präsumtion, typische Bezirke bilden oder bestimmte Objekte als typische bezeichnen zu wollen, wenn man nicht vorher die Ver- hältnisse desjenigen Bezirkes genau kennt, für welche eben diese ^) Zeitschrift des kgl. preufs. statist. Bureaus. „Die landw. Statistik eine Zeit- frage". Jahrgang 1868 pag. 144 ff. 459 — 140 ^ Objekte als „Typen'^ zu gelten haben — was doch eine vorgängige statistische Erforschung des ganzen Gebietes voraussetzen lassen müfste. In eine weitere Kritik des ganzen Verfahrens bei der Ermittelung der Tierproduktion brauchen wir kaum einzutreten ; eine solche ergibt sich von selbst aus jeder der hier angezogenen Bemerkungen, Man kann das Verfahren nur als ein unzulässiges, der Bezeichnung als „statistisches^' holmsprechendes charakterisieren. Dafs man in die Verhältnisse der Tierproduktion einzudringen versucht, ist gewifs ein berechtigtes Streben; falsch aber ist es, zu prätendieren, dafs man auf diesem Wege etwas Anderes erreiche, als ziemlich vage Vermutungen. Gewifs nicht „ein AVerk, welches den Charakter der Glaubwürdigkeit'^ trägt. Als ein solches das Werk zu bezeichnen, kann nur dazu dienen, zu ganz falschen Schlufsfolgerungen zu ver- leiten, welche unterbleiben, wenn man sicher erfährt, dafs es sich nur um oberflächliche Schätzungen handelt. — Die in anderen Ländern vorgenommenen Erhebungen dieser Art dürften ein gröfseres Vertrauen als die hier besprochenen niclit beanspruchen können. In Frankreich erfolgen Nachweise über die produzierte Wolle und Talg unter gleichzeitiger Wertschätzung der- selben sowie über die Produktion der Seidenzucht. Die letztere, in Deutschland bei der ersten allgemeinen Zählung gleichfalls ermittelt, unterblieb im Jahre 1883 — ,,da man voraussetzen durfte, dafs sie ebenso unvollkommen wie bei der vorigen Zählung beantwortet werden würde''. In Norwegen ist eine Ermittelung der in Meiereien und Käsereien erzielten Resultate veröffentlicht, von der gesagt wird, dafs die Angaben nicht ganz vollständig gewesen seien. Schliefslich l)leibt zu erwähnen, dafs über die Produktion an Wolle insofern ziemlich vollständige Nachricht gewonnen wird, als durch die Handels- nacliricliten, Marktberichte u. s. w. eine Bezifferung derselben er- möglicht wird. Gegenstand agrarstatistischer Erhebungen ist — mit Ausnahme von Frankreich und einzelnen österreichischen Kronländern — die Ermittelung der Wollproduktion bisher nicht gewesen. Im Grofsen und Ganzen steht die Ermittelung der Tier- produktion noch auf demselben Stande, den Conrad in seinen Untersuchungen darlegte; nur insofern die allgemeinen Viehzählungen genauere und zuverlässigere geworden sind, hat man für die Schätzungen einen besseren Anhalt gewonnen. Positive Nachweise auf Grund von Gesamterhebungen für ein ganzes Land liegen nicht vor. — 460 III. Zusammenfassung, Kritik und Vorschläge. Wir haben mit dieser Betrachtung der Statistik der Ergeb- nisse der Produktion diejenige Übersicht gewonnen, welche uns ein Urteil über den Stand der Produktionsstatistik allgemein ge- stattet. Fassen wir zunächst — ohne dabei die Frage, inwieweit die Berechnung des durch die Landwirtschaft erzielten Boh- und Beinertrages möglich ist, zu beachten — den Stand der deutschen Agrar Statistik gegenüber demjenigen anderer Länder in das Auge. Welche Stellung nimmt die landwirtschaftliche Produktions- statistik in Deutschland gegenüber derjenigen anderer europäischen Länder ein? 1. Stand der deutschen Pro du ktionsstatistik gegenüber demjenigen der übrigen Kultur Staaten. Bei Gelegenheit der Verhandlungen auf dem Budapester inter- nationalen statistischen Kongrefs bemerkte der bekannte Leiter des ungarischen statistischen Bureaus, Kelety, dafs „die österreichische Agrikulturstatistik vielleicht die fortgeschrittenste sei, dafs aber auch Osterreich nicht in der Lage wäre, eine vollständige Statistik der Agrikultur zu bieten.^) Von der belgischen Statistik äufserte sich in einer Sitzung der statistischen Kommission zu Brüssel der Leiter der belgischen Statistik, M. A. Bonneberg, in folgender, von einem hohen Bewufstsein der Leistungen der belgischen Statistik kündenden ^) Verhandlungen des internationalen Kongresses zu Budapest 1876. Pro- gramm IV. pag. 14. Idees sur la statistique agricole. Memoire redigee par Charles Kelety. 461 — 142 — Weise: „Wir haben uns mit der Frage beschäftigt, zu erfahren, ob die über diese Materie im Auslande veröffentlichten Arbeiten, ob die durch die verschiedenen Kongresse gefafsten Beschlüsse, die in den letzten Jahren alles, was die Agrarstatistik anlangt, ein- gehend studiert haben, derart waren, um uns irgend eine Lücke in unseren früheren Arbeiten entdecken zu lassen, und, sei es in ihrem .Detail oder im Ensemble, den Gang, der in früheren Jahren eingeschlagen wurde, zu modifizieren. Das Resultat dieser Prüf ung is t, daf s wi r in diesen Arbeiten nichts gefunde n haben, was für unser Land zu e ntl ei hen nützlich wäre. "^) Dies ist mit klaren Worten die ßehauijtung, dafs die belgische Agrar- statistik unter den Arbeiten anderer Staaten zum mindesten in keiner Beziehung nachstehe — eine Behauptung, die übrigens in der Zeit, in welcher sie gemacht wurde, durchaus begründet erschien. In der That hat die belgische Statistik bisher als diejenige gegolten, die in ihrer Ausdehnung nuf die verschiedensten Gebiete der Wirtschaft, wie in ihrer homogenen Durchbildung der Methode den ersten Platz einnehme. Nicht mit dem gleichen Anspruch auf Anerkennung kann der Auss])ruch Kelety's auftreten. Nach den Proben österreichischer Statistik, die wir in unseren früheren Ausführungen besprachen, ist dieser Ausspruch Angesichts des thatsächlichen Standes der öster- reichischen Agrikulturstatistik ein etwas zu anspruchsvoller. Indes kommt es uns nicht zu, über die gröfsere oder geringere Berechtigung dieser Aussprüche zu streiten, — wir ziehen aus denselben nur die Folgerung für die deutsche Agrarstatistik. Sie zeigen, dafs man damals noch der deutschen Statistik, wie derjenigen aller anderen Länder eine inferiore Stellung zuwies. Unsere Frage geht dahin, ob dies auch heute noch berechtigt sei? Man kann gewifs nicht leugnen, dafs die Agrarstatistik in Deutsch- land bis zum Jahre 1870 im Argen gelegen, vielleicht so sehr wie in Osterreich, welches freilich jetzt die „fortgeschrittenste Agrikultur- statistik" zu besitzen sich rühmt. Nicht zwar trifft dies die einzelnen deutschen Staaten — im Gegenteil, von manchem wufste man auf statistischen Kongressen sehr Vorteilhaftes zu berichten, einzelne Ar- beiten wurden sogar als musterhafte hingestellt. Aber wenn man das ganze Deutschland betrachtet, dann konnte allerdings nicht viel des Rühmens sein. Überall Anläufe, hier und da anerkennenswerte ') Bulletill tlc la coniinissitui centrale de statistiijue. Tome XI\. J^iuxelles 1881. pag. 32 tV. 402 — 143 — Leistungen, aber doch nur auf einzelne Territorien beschränkt, und je kleiner diese, um so besser in der Kegel die Leistungen. In den gröfseren deutschen Staaten werden nur einzelne Zweige der Agri- kulturstatistik gepflegt, aber in jedem für sich nach besonderer Methode, unter Aufstellung eines besonderen Fragensystems, unter Festhaltung der landeseigentümlichen Mafseinheiten und -Benennungen. Daraus ein Ganzes für das Deutsche Reich zu gewinnen, durfte als Unmöglichkeit angesehen werden. Das gewifs mit Recht hochge- schätzte Werk von Viebahn vermochte doch nichts mehr als ein buntscheckiges Vielerlei zu bringen. Erklärlich; war doch die Entwickelung der Agrarstatistik eines jeden Einzelstaates eine eigen- artige, für sich abgeschlossene, und war man doch, trotz der An- regung, die die gemeinsame Statistik des Zollverbandes hätte geben können, weit entfernt, jene Einigung zu erzielen, deren Notwendigkeit und Erspriefslichkeit für die Arbeiten der Stfitistik auf den inter- nationalen Kongressen für die gesamte Statistik aller Kulturländer auch die Vertreter der deutschen Einzelstaatenstatistik so sehr zu rühmen wufsten. Eine deutsche Agrarstatistik beginnt erst vom Jahre 1873 — aber so kurz ihr Bestehen ist, so überraschend ist ilire Ent- wickelung, so hervorragend sind ihre Leistungen. Bei den Beratungen über die gemeinsam von den deutschen Staaten zu lösenden Aufgaben der Statistik wird die E n t - wickelun g der land w irtscha ftli clien Statistik als ein besonders dringendes Erfordernis bezeichnet. ') In grofser Klarheit werden die Aufgaben der Statistik auf diesem Ge- biete dargelegt; es werden die gröfseren, schwierigeren Auf- gaben für sich herausgeschält, und indem gezeigt wird, dafs in Deutschland nur wenige Staaten auf die Lösung derselben (Anbau- statistik der Hauptfrüchte, Mafs und Wert der Ernten, Zahl und Gröfse der vorhandenen Wirtschaften) sich gelegt haben, dafs aber die meisten anderen Kulturstaaten solche Erhebungen schon be- säfsen, wird durch die Auswahl der wichtigsten und schwierigsten Aufgaben zunächst ein Grundstock agrarstatistischer Arbeiten für das Reich ausgesondert. Ausdrücklich wird angenommen, dafs die Reichsstatistik sich auf alle diejenigen Gebiete, auf denen die land- ') Deutsche Reichs-Statistik ßd. I. 1871 pag. 102«'. Bericht betr. ülier- einstiminende Ermittelungen der landw. Bodenbenutzung und der Ernteerträge sowie der Yiehhaltunsf im Deutschen Reich. 21. Mai 1871. 463 — 144 — wirtschaftliche Statistik der Erweiterung fähig bleibe (Besitz- wechsel, Dismembrationen, Hypothekenbelastung, Kauf- und Pacht- preise, Lohnhöhe, Verwendung der Maschinen u. s. w.), sich aus- dehne. Gemeinsame Ermittelung der landwirtschaftlichen Boden benutzung, der Ernteerträge, und der Viehhaltung (letztere allerdings von vornherein auf das fernere Ziel einer land- wirtschaftlichen Wirtschaftsstatistik gerichtet), ^) bilden zunächst die Aufgaben der Agrarstatistik des Eeiches. Wir haben im Einzelnen schon gesehen, welche Lösung diese Aufgaben gefunden haben, haben auch gesehen, dafs man nicht stehen geblieben ist bei dem anfänglich angenommenen Umfange der Aufgaben der Beichsstatistik — die Durchführung der Be- triebsstatistik zeigte , dafs der Gedanke einer Weiterent- wickelung dieses Zweiges der Statistik auch gegenwärtig noch lebendige Kraft hat. Suchen wir nun die Stellung der deutschen Beichsstatistik zu derjenigen der übrigen Kulturländer zu fixieren, so wird dies am besten unter einer vergleichenden Heranziehung Belgiens, des Muster- landes der Statistik, geschehen können. Li vier, je in Zwischen- räumen von 10 zu 10 Jahren durchgeführten Enqueten hat dieses Land eine Darstellung der wirtschaftlichen Verhältnisse gewonnen, wie sie allerdings mustergiltig ist — weniger vielleicht wegen der Vollständigkeit und des Umfanges der Erhebungen, als wegen der Einheitlichkeit der in den verschiedenen Zeiträumen zur Anwendung gelangten Methode und der in Folge davon gegebenen Möglichkeit der Vergleichung der Besultate der letzten Enquete mit denjenigen aller früheren. In der That, in diesen fortlaufenden Enqueten birgt sich eine vollständige belgische Wirtschaftsgeschichte , welche Industrie, Handel und Landwirtschaft gleichmäfsig umfafst. Die belgische Statistik der Landwirtschaft zerfällt in folgende Teile : a) Stand der Haustiere ; b) Verteilung der Kulturen ; c) Holz- land und Wälder; d) iVusdehnung der steuerptlichtigen und bewirt- schafteten Länder; e) Zahl der Betriebe; f) ländliche Bevölkerung; g) Verschiedenes: Preise der Löhne, Kaufwert der Ländereien, Preise der Pachten, hauptsächlichste Maschinen, aufgewendete Saatmengen. ') Schon bei der ersten Erhebung über den Yiehstand im Deutschen Keich wurde den einzelnen Staaten anheimgegeben, die Viehzählung in Verbindung zu setzen mit einer Zählung der Wirtschal'tsbetriebe. Doch wurde von dieser An- heimgabe nur in einzelnen Staaten (so in Baden) Gebrauch gemacht 464 — 145 — Diesen von 10 zu 10 Jahren gegebenen Nachweisen ^) hat die deutsche Reichsstatistik folgende gegenüberzustellen: a) Eine Zählung des Viehbestandes im Jahre 1873, eine gleiche im Jahre 1883 und eine dritte, nur auf die landwirtschaftlich benutzten Tiere beschränkte Zählung in Verbindung mit der landwirtschaftlichen Betriebstatistik im Jahre 1882; b) Verteilung der Kulturen; diese wurde er- mittelt im Jahre 1878 und 1883, also in 5 jähriger Wiederholungs- periode; c) Holzland und Wälder; die Fläche derselben wird, abgesehen von der besonderen Erhebung auf dem Wege forststati- stischer Aufnahmen in den deutschen Einzelstaaten durch die Er- hebungen über die Bodenbenutzung im Deutschen Reich gleichfalls ermittelt ; d) die Ausdehnung der steuerpflichtigen Flächen ist in den Einzelstaaten in mehr oder weniger genauer Weise bekannt: über die bewirtschafteten Flächen hat die deutsche Betriebsstatistik in einer Weise Auskunft erteilt, wie sie seither durch die Statistik anderer Länder meist nicht erzielt worden ist und auch durch die belgische Statistik nicht übertroffen wird. Es trifft dies gleichfalls für e) Zahl der Betriebe zu. f) Die ländliche Bevölkerung ist in Deutschland durch eine be- sondere Berufsstatistik nach ihren einzelnen, sie darstellenden Bestandteilen genau ermittelt, während in Belgien die Nachweise über dieselben aus der allgemeinen Volkszählung herrühren. Wir haben an früherer Stelle schon die eigentümlichen Vorzüge dieser deutschen Zählung hervorgehoben. Was schliefslich die unter „Verschiedenes" zusamjnengefafsten Nachweise anlangt, so be- sitzen wir darüber, mit Ausnahme der Ermittelung der Maschinen, keine durch die Reichsstatistik ermittelten Daten. Aber diese Nachweise bilden auch bei der belgischen Statistik mehr ein An- hängsel von zweifelhaftem Wert, Nachrichten, die sich zum Teil auf einzelne allgemeine Erkundigungen stützen und die kaum einen be- sonderen Anspruch auf Zuverlässigkeit erheben. In den meisten deutschen Einzelstaaten vermag übrigens die Statistik Daten gleicher Art den belgischen gegenüberzustellen. lieber die Benutzung von Maschinen hat die deutsche Betriebsstatistik den belgischen mindestens gleich^vertige Daten geliefert. Die deutsche Statistik steht somit, wenigstens soweit die Q u a n - tität in Frage kommt, sicherlich der belgischen Statistik heute nicht mehr nach. Vielleicht sogar übertrifft sie dieselbe. Denn was von ') Es ist dabei zu beachten, dafs die letzte belgische Enquete 1880 erst nach einer Pause von 14 Jahren wiederholt wurde. V- *■ 406 ''' — 146 — der deutschen Anbaust atistik gesagt wurde, dafs ,, diese als die erste, welche überhaupt brauchbare Schätzungen über den Bodenanbau in Deutschland geliefert habe, zugleich schon als eine der besten, man darf sagen, die beste solcher bisher auf gröfseren Eeichsgebieten gemachten, beachtenswert sei'^ und dafs ,.die gleiche Statistik anderer Länder an Zuverlässigkeit unsere Statistik kaum erreichen könne'^ ^) trifft, insbesondere nach der Ausführung der deutschen Betriebsstatistik meist allgemein auf die landwirtschaftliche Statistik zu. Es hat auch Giltigkeit im Vergleich mit der Statistik Belgiens. Eine derartige, den Charakter einer Wirtschaftsstatistik tragende, d. h. die land- wirtschaftlichen Betriebe als Ganzes erfassende Erhel)ung, wie sie die Betriebsstatistik bietet, ist bisher nur in Deutschland ausgeführt; die deutsche Reichsstatistik darf sich rühmen, nicht nur den richtigen Weg für weitere agrarstatistische Arbeiten gefunden, sondern trotz der entgegenstehenden Schwierigkeiten auch mutig und daher mit Erfolg beschritten zu haben. Quantitativ sind also die Leistungen der deutschen Agrarstatistik denjenigen anderer Länder vollberechtigt an die Seite zu stellen. Kann man, so fragen wir, oder mufs man sie in Bezug auf ihre Qualität anders beurteilen? Auch zur Beantwortung dieser Frage dürfte der Vergleich mit der belgischen Statistik zweckmäfsig heranzuziehen sein. Es ist richtig, wenn Mons. Ronneberg sagt, „dafs jede Nation ihre Statistik im Hinblick auf die Natur ihrer Kulturen, auf ihr Klima und auf die Bedürfnisse, um die zu befriedigen es sich handelt einrichtet.-) Es ist deshalb, da dabei grofse Verschiedenheiten ob- walten können, ohne Weiteres ein Vergleich zwischen den statistischen Arbeiten und Leistungen verschiedener Länder nicht möglich. In beiden kann trotz Verschiedenheit der Methoden, trotz Abweichungen in den gegebenen natürlichen, wirtschaftlichen und politischen Ver- liältnissen ebensowohl ein gleichwertiges wie ein ungleichwertiges Resultat erzielt werden. Man niufs daher auf diese Verschiedenheiten besondere Rücksicht nehmen. Für eine Vergleiclmng zwischen Deutschland und Belgien- braucht man aber von vornherein ') Die Bodenkultur des Deutschen iieiches. Atlas der landw. Boden- henutzung nel)st Darstellung der Ff)rstfläche nach der Aufnahme vom Jahre 1878. Herausgegehen vom kaiserl, statist. An»t. Berlin 1881. Besprochen vom Geh. Keg.-Rat Dr. v. Scheel in den „Landwirtschaftl. Jahrhüchern", XTII. Bd., Heft 1, pag. 161. -) Bulletin de la commission centrale de statist iiiuo. 1\)me Xi\ . Bruxelles. 1883. pag. :V2\r. ir.c, — 147 — keine Einschränkungen zu machen. In beiden Ländern ist die an- gewandte Methode ziemlich übereinstimmend; in beiden die allge- meine Organisation der Statistik eine zentralisierte. Von einem Mittelpunkt aus erfolgt die Leitung und der endgiltige Abschlufs der Arbeit, die Art der Fragestellung ist eine fast übereinstimmende, die begriffliche Umschreibung der einzelnen Erhebungsobjekte ihrem Wesen nach dieselbe. Auch die Organe, an die man sich wendet und die Art und Weise, in welcher dies geschieht, sind die gleichen. Mittelst Fragebogen in tabellarischer Form wendet man sich an die Gemeindebehörden oder an die landwirtschaftlichen Vereine. In den kleineren politischen Bezirken erfolgt die vorläufige Zusammen- stellung, deren allmähliche weitere Verarbeitung je für das nächst gröfsere Verwaltungsgebiet durch dessen Behörde und schliefslich durch die statistische Zentralstelle erfolgt. Auch die Natur des Landes, des Klima's, die Art der Kultur ist eine so sehr verschiedene nicht, dafs man einen gröfseren Einflufs auf die Qualität der Statistik daraus erwarten könnte, ebensowenig, wie es statthaft sein würde, einen solchen Einflufs der gröfseren oder geringeren Intelligenz der landbautreibenden Bevölkerung beider Staaten zuzuschreiben. Die belgische Landwirtschaft ist zwar in früheren Jahren schon einmal allgemein der deutschen als Muster hingestellt worden, ob aber der belgische Landwirt eine gröfsere Genauigkeit und gröfsere Wahrheits- liebe in der Beantwortung der statistischen Fragebogen aufzuweisen vermag, bezweifeln wir billig. — Nur in einer Beziehung vermag man auch heute noch der belgischen Statistik einen Vorzug — nicht nur vor der deutschen Statistik, sondern vor der fast aller übrigen Kulturländer — einzuräumen, insofern nämlich durch lang- jährige Bemühungen man in Belgien dahin gelangt ist, das Land in sogenannte Districtes (oder regions) agricoles (agronomische Bezirke) einzuteilen und die statistischen Daten auf diese, auf Grund der ihnen eigentümlichen Produktionsfähigkeit abgegrenzten Be- zirke zu beziehen. In Deutschland ist man in einzelnen Staaten zu einem ähnlichen Vorgehen schon früher gelangt, Anläufe dazu sind in fast allen Ländern schon genommen. Aber der Erfolg ist bisher ein geringer. Speziell die deutsche Reichsstatistik hat bisher darauf verzichtet, eine Einteilung des Landes nach geologischen und agro- nomischen Gesichtspunkten vorzunehmen und, wenigstens für die Darstellung der statistischen Resultate, solche natürlichen Bezirke im Gegensatz zu den politischen zu Grunde zu legen. ^) ^lit ') Eine dahin ziehlende Anregung des Deutschen Landwirtschaftsrats hat 10* 407 31* — 148 - Recht vielleicht. Um zu einer wirklich befriedigenden Abgrenzung solcher natürlichen Bezirke oder Zonen zu gelangen^ bedarf es sicher langjähriger wissenschaftlicher Vorbereitungen. Es ist ja leicht, auf Grund gewisser natürlicherj klimatischer und orographischer Merk- male die verschiedenen Gegenden in Bezirke zu trennen; sicher aber ist es nicht leicht, sie so zu trennen, dafs man zu behaupten ver- möchte, nun Bezirke abgegrenzt zu haben, die in sich in Bezug auf die Produktionsfähigkeit ein völlig homogenes Gebiet darstellten. Wo aber seither solche Abgrenzungen stattgefunden haben, da sind es nur äufsere, in die Augen fallende Merkmale gewesen, die einen Unterschied der verschiedenen Gegenden wohl begründen: nur leider ist man niemals in der Lage, die Bedeutung dieses Unterschiedes so zu ermessen, dafs man damit einen Faktor gewönne, mit dem man bei der Beurteilung statistischer Nachweise zu operieren in der Lage wäre. Man hat sich dabei einer gewissen Willkür nicht immer enthalten. Das Land solcher statistischen Willkürlich- keiten ist nun einmal Osterreich. Auch hier hat man, da man doch gleich eine vollkommene Agrarstatistik besitzen wollte , das Land in „natürliche Gebiete'' geteilt, wobei man sich durch die natürlichen Produktionsbedingungen vornehmlich wollte leiten lassen. Dafs darunter die klimatischen Bedingungen eine sehr erhebliche Rolle spielten, entging auch den österreichischen Statistikern nicht; sie sagten , „dafs die Lage unter den Breitegraden zwar einen hervor- ragenden, ja den wichtigsten Platz unter den Produktions- bedingungen einnehme, doch gehörten dazu auch die Gestaltung des Bodens, namentlich dessen Elevation über die Meeresfläche und die von geognostischen Verhältnissen abhängige Beschaffenheit der Bodenunterlage; zum Teil wirkten auch Bevölkerungsverliältnisse, Verkehrsverhältnisse, welche allerdings in der Hauptsache F o 1 g e d e r s e 1 b e n seien, mit.'^ ' ) Man hat nun dies Alles berück- sichtigen wollen, dabei aber immer im Auge gehabt, dafs mögliclist die Landeseinheiten konserviert würden, und deshalb hat denn auch die Berücksichtigung des Klima's, des wichtigsten Faktors unter den Produktionsbedingungen", bei welcher man „eine Teilung des Landes nach den Breitegraden nicht ganz hätte ver- zunächst zu einem im Wesentlichoi ablehnenden Gutachten der Direktion des reichsstatistischen Amtes geführt, cf. Archiv des Deutsclien Landwirtschaftsrats 1883. pag. 300—332 u. 1884 pag. 31—34. ') Statistisches .lahrbuch des k, k. Ackfrltnuministeriuins 1875. I. Hett. 1, Lieferung. Wien lb7H. pag. 1. 4»;h — 149 — meiden können'^, eine ganz erhebliche Zurücksetzung erfahren. Dies ganze Verfahren ist eben ein unwissenschaftliches, der wohldurch- dachten Methode entbehrendes, ein willkürliches. Im Grunde ge- nommen reduziert sich die ganze Einteilung der Wirtschaftsgebiete (natürlichen Gebiete) in Osterreich auf eine Trennung des Alpen- und des Thalgebietes, und sie steht jedenfalls hinter derjenigen Belgiens zurück, wo man — freilich auch in einseitiger Weise — zur Grundlage der Unterscheidung der einzelnen Regionen die geo- gnostische Beschaffenheit und die daraus resultierende agronomische Verschiedenheit des Bodens wählte. Und zwar auf Grund lang- jähriger wissenschaftlicher Beobachtungen und Erfahrungen. Müssen wir in dem Fehlen einer solchen Abgrenzung natürlicher Gebiete in Deutschland nun auch einen gewissen Mangel zugestehen, so geschieht dies doch weniger in der Erkenntnis, dafs wirklich damit eine erhebliche Zurücksetzung der deutschen Statistik gegenüber derjenigen anderer Länder begründet sein könne. Dazu entbehren doch die verschiedenen Mafsnahmen anderer Staaten in dieser Be- ziehung noch zu sehr des Beweises ihrer Zweckmäfsigkeit. Allein es mufs hervorgehoben werden, dafs hier noch eine Aufgabe für die deutsche Statistik ihrer Lösung harrt. Denn, dafs es das Ziel der Agrarstatistik sein mufs, die Thatsachen der landwirtschaftlichen Produktion innerhalb solcher Gebiete zur Darstellung zu bringen, welche denselben Produktionsbedingungen unterliegen, und daher in Bezug auf ihre Produktionsfähigkeit dieselben Anhalts- punkte der Beurteilung bieten, darüber kann ein Zweifel kaum be- stehen. Es ist dies häufig genug und in den verschiedensten Ländern anerkannt worden. Auch die Leiter der deutschen Reichsstatistik haben das Wünschenswerte einer Bildung von Darstellungsbezirken nach Mafsgabe ihrer klimatischen, geologischen und orographischen Verhältnisse anerkannt.^) gleichzeitig aber haben sie auf die Schwierig- keit einer solchen Mafsnahme hingewiesen und eben dies berechtigt zu der Annahme, dafs, wenn erst die deutsche Reichsstatistik sich entschliefsen wird, an die Lösung dieser Aufgabe heranzutreten, sie auch eine solche Lösung finden wird, welche den beabsichtigten Zweck zu erreichen verspricht — Avas gegenwärtig bei keiner Statistik — auch der österreichischen und belgischen nicht - in ffenüprendem *) cf. Archiv des Deutschen Landwirtschaftsrats: Gutachten der Direktion des kaiserl. deutscheu statistischen Amtes zur Frage ,.der Bildung von Kultur- bezirken etc." Jahrgang 1884. pag. 31 fi". 469 — 15U — Mafse der Fall ist. Als eine der wichtigsten Verbesserungen hierzu erachten wir die vorherige genaue Aufnahme des Landes nach seiner geologisch-agronomischen Beschaffenheit; aus diesem Grunde legen wir dem Vorgehen der preufsischen geologischen Landesajistalt, welches wir im Beginn unserer Untersuchung berührten/) einen be- sonderen Wert bei. Wir gelangen zu dem Resultat, dafs ihrer Ausdehnung und ihrer Leistung nach die deutsche landwirtschaftliche Statistik in der Reihe der Staaten Europas in erster Linie steht ; sie erträgt jeden Vergleich selbst mit der Statistik derjenigen Staaten, in denen dieselbe bis dahin als mustergiltige hingestellt Avurde. Dies Resultat vergleichender Beurteilung hindert freilich nicht, dafs in Bezug auf den inneren Wert der landwirtschaftlichen Produk- tionsstatistik allgemein die Beurteilung eine andere und zwar minder günstige sein mufs. AVir verstehen dabei unter dem inneren Wert der landwirtschaftlichen Produktionsstatistik diejenige Bedeutung, welche die Gesamtheit der dabei in Betracht kommenden land- wirtschaftlich-statistischen Erhebungen gegenüber der denselben ge- stellten Aufgabe hat. 2. Innerer Wert der produktionsstatistischen Erhe- bungen in ihrer G e s a m t li e i t. Es ist wohl kein Zweifel, dafs jede der zahlreichen statistischen Arbeiten ihren Wert für sich zu beanspruchen hat, den man zu würdigen vermag, wenn man solche Arbeit zunächst allein für sich l)eurtcilt. Eine Erhebung über den Bestand des Viehs, über die Zald und Gröfse der Betriebe, über die Verteilung der Kulturarten u. s. w. kann nacli verschiedenen Richtungen für die Beurteilung der Wirtschaft eines Volkes auch dann von Wert sein, wenn man gar noch nicht in der Lage ist, diese einzelnen Arbeiten selbst zu einander in engere Beziehung zu setzen. Aber man kann auch darüber nicht zweifelhaft ])leiben, dafs die Statistik nur einen geringen Teil ihrer Aufgabe lösen würde, wenn sie auf einzelne, zusammen- lianglose statistische Arbeiten sich beschränken würde. Das Ziel bleibt doch, die Wirtschaft eines Volkes in ihrer Gesamtheit zu er- forschen, Ursachen nnd Wirkungen in den Thatsachen des wirt- schaftlichen Lebens zu ergründen und zur Erscheinung zu bringen. Wir hatten, in Übereinstinimiinc: mit anerkannten Autoritäten ') cf. pag. 38 ft'. 470 — 151 — iiuf dem Gebiete der Agrarstatistik, als Ziel und Aufgabe der land- wirtschaftlichen Produktionsstatistik erkannt, dafs sie die Faktoren der landwirtschaftlichen Produktion im Einzelnen festzustellen und in solchem Zusammenhang zur Darstellung zu bringen hätte, dafs man in die Lage gesetzt sei, den Erfolg der Produktionsthätigkeit eines Volkes auf diesem Gebiete zu beurteilen. Es sollte die land- wirtschaftliche Produktionsstatistik dahin gelangen, durch Ermitte- lung des Produktionsaufwandes und des Rohertrages der landwirt- schaftlichen Produktion erkennen zu lassen, welcher Reinertrag erzielt werde. Aber gleichzeitig sollte, durch Ermittelung der Pro- duktionsgrundlage und der dem Lande eigenen Produktionsfiihigkeit die Grundlage gewonnen werden zu einer Beurteilung, ob und wo der erzielte Reinertrag dieser Produktionsfähigkeit entspräche oder nicht entspräche. Gestatten die 1 andwirtsch aftl i ch - statistischen Aufnahmen der Gegenwart eine Berechnung des land- wirtschaftlichen Reinertrages eines Landes? — Denn zu einer ziffermäfsigen Bemessung desselben, nicht nur zu allge- meinen Schlüssen und Beurteilungen müfste die Statistik die Hand- habe bieten, wenn sie ihre Aufgabe völlig zu lösen im Stande ist. Wer in der Lage ist, die statistische Litteratur, namentlich auch des Auslandes häufiger zu benutzen, dem könnte es scheinen, als ob die hier gestellte Frage bereits in bejahendem Sinne beant- wortet wäre. Denn in der That begegnet man häufig genug solchen Berechnungen, die über den Roh- und Reinertrag eines bestimmten Produktionszweiges in ziffermäfsigen Angaben Aufschlufs geben sollen. Indessen läfst ein näheres Eingehen auf solche „Berech- nungen'' nur zu bald das Irrthümliche der eben ausgesprochenen An- nahme erkennen. Denn wxnn schon die zahlenmäfsige Angabe, welche ja immer für sich hat, dafs man derselben von vorherein ein gröfseres Vertrauen entgegenzubringen geneigt ist, als allgemeinen Betrachtungen und Schlufsfolgerungen , auch in diesem Falle für sich einzunehmen geeignet ist, so entgeht doch der Beobachtung nicht, dafs alle diese Berechnungen ein mehr oder weniger geschicktes Kombinieren, ein geistvolles Spiel mit Zahlen darstellen, die im Grunde genommen gar nicht einmal den Anspruch erheben wollen, von einem ernsthaften Leser ernsthaft genommen zu werden. Die statistische Speise, an sich nicht gerade verlockend, soll schmack- hafter gemacht werden. So stellt es sich uns wenigstens dar. wenn beispielsweise in einer Schilderung italienischer wirtschaftlicher 471 — 152 — Zustände 0 der Rohertrag der Ländereien genau nach Millionen Lires berechnet und „nach Abzug der Kosten der Kultur" der Reinertrag gleichfalls genau beziffert wird. Zwar heifst es dann — und man glaubt dieser Anmerkung gern - „ces chiffres ne sont pas tout ä fait exacts , mais ils donnent u n e i d e e a p p r o x i m a t i> e de l'importance des divers produits du pays!" Gewiss, eine annähernde l^QQ — nur verträgt sich die Erlangung annähernder Ideen über irgend welchen Zustand nicht recht mit dem Begriff der Statistik. Im Gegenteil, die Aufgabe derselben und ihre Fähigkeit, die ihr gestellte Aufgabe zu lösen, wird dadurch nur in Mifskredit gebracht. Denn — um bei dem herangezogenen Beispiel zu bleiben — mit welcher Leichtigkeit gehen diese Berechnungen über die gröfsten Differenzen, über die schwerwiegendsten Bedenken hinweg? Der Berechnung sind bezüglich der kultivierten Flächen Angaben Maestri's aus dem Jahre 1870 zu Grunde gelegt; aber kurz vorher wird dargethan, dafs diese Angaben von den offiziellen in sehr erheblichem Mafse abweichen, ohne über den Grund dieser Abweichung Auf- schlufs zu geben. Während Maestri eine Gesamtfläche von 28,164,194 ha annimmt, geben die offiziellen Daten diese auf 29,632,341 ha an — eine Differenz also von 1,468,147 ha, und während nach Maestri das kultivierte Land auf 11,573,422 ha sich bemessen soll, erscheint bei den offiziellen Daten eine Fläche von 11,099,911 ha — eine Difi'e- renz also von 473,511 ha. Zum Überflufs wird auch noch die An- gabe der allerneuesten Zählung angeführt, welche ein Gesamtareal von 29, 6( »0000 ha ausweist, also von beiden früheren Angaben ihrer- seits wieder abweicht. Nichtsdestoweniger erscheint der Rohertrag der Ländereien genau ausgerechnet. Und nun die Berechnung der Kosten — denn apres deductions des depenses de la culture le revenu net est evalue u. s. w. Welches diese Kosten sind, wie sie sich zusammensetzen, wird freilich nicht genau mitgeteilt; man operiert auch hier mit „approximativen" Annahmen. Kein Wunder denn, dafs man auf einen Reinertrag kommt, der gleich % des Roh- ertrages sich beziffert. Glückliches Land! Wenn deine Bebauer in dir nicht das Dorado aller landwirtschaftlichen Tliätigkoit erblicken — die Statistik würde an solcher Undankbarkeit nicht Schuld tragen. Wir finden ähnliche Berechnungen auch in der Statistik anderer Länder. So konnten wir in den voraufgegangenen Erörterungen schon *) l'Italie, 8CS finances et soii dcveloppement economique depuis l'unification du royauiiie 1859-1884, d'apres des documciits officiels par J. Sachs. Paris 1885. 472 — 153 — auf die belgische Statistik hinweisen; auch in der Beschreibung schwedischer und norwegischer Landwirtschaft, hier zwar nur unter Berechnung des Rohertages, sind uns solche begegnet. Um das Unsichere und Willkürliche solcher Berechnungen zu charakterisieren, genügt es, einen Teil der Erläuterungen zur belgischen Statistik hier anzuführen. Es heifst dort : „. . . d'autres evaluatious ont donne lieu ä des recherches nombreuses; il a fallu recourir ä differentes sources et quelquefois ä des calculs d'approximation. On peut difficilement apprecier ce que les tetes bouvines, les moutons et les porcs i^roduisent annuellement de viande pour la consommation. Une partie des animaux provenant de l'importation sont destines a l'ali- mentation , ainsi que les viandes venant de l'etranger; comine il n'existe d'abattoir que dans certaines localites importantes du pays, nous manquons de donnees precises pour etablir le nombre d'animaux livrees ä la boucherie; c'est le motif pour lequel nous n'avons pu indiquer meme approximativement la quantite de viande consommee annuellement en Belgique ... II n'est guere possible non jolus de determiner exactement la valeur du furnier produit par les animaux non plus que la valeur de leur travail. — C'est pourquoi nous avons cru apres avoir evalue la valeur des poulains et des veaux produits annuellement, devoir adopter comme valeur du revenu des animaux 10% d^i capital qu'ils repr esentent; bien que le Chiffre soit certainement, au dessous de la realite nous aimons mieux l'adopter que de nous referer a des evalations qui manciuent des bases precises . . ." ^) Berechnungen dieser Art können doch nicht die Frage bejahend beantworten lassen, die wir vorher ge- stellt hatten; ja man kann auf sie gewifs nicht einmal sich beziehen, wenn man sich anschickt, zu untersuchen, ob die landwirtschaftliche Produktionsstatistik im Stande ist, festzustellen, ob ein Reinertrag durch die landwirtschaftliche Thätigkeit eines Landes erzielt wird, und welcher dies sei gegenüber den aufgewendeten Kosten und dem gewonnenen Rohertrage. Dazu wird man ein anderes Verfahren anstellen müssen. Wir gehen zurück auf die Berechnung, wie sie in der Einzel- wirtschaft zu erfolgen hat, auf die Wirtschaftsbuchführung. ^) Statistique de la Belgique. Recensement de 1880. Agriculture. Tome XV. Introduction pag. CXVIII ft". Trotz der vielen Bedenken, die in Bezug auf die Berechnung im Einzelnen hervorgehoben wurden , hat man doch in einem resume generale den valeur moyenne de la production agricole de la Belgique berechnet ! -i73 — 154 — Welche Faktoren sind es, die in Rechnung gezogen werden niüssenj um für den Abschnitt eines Jahres (Ernte- oder Wirtschaftsjahres) den Abschlufs zu gewinnen ? Die Antwort ist einfach : sämtlichen Kosten und Aufwendungen sind die Gesamterträge und Einnahmen gegenüber zu stellen. Aber für die Einzelwirtschaft ist die Aus- führung einer solchen Aufstellung dennoch nicht so einfach und leicht zu lösen ; denn es ist schwer, einzelne Aufwenduugen ziffermäfsig zu bewerten und für gewisse Einnahmen aus der Wirt- schaft gleichfalls feste Werte in Rechnung zu stellen. Selbst die Buchführung der Einzelwirtschaft greift dann zu allgemeinen Pau- schalangaben, oder sie läft, unter der Annahme einer gegenseitigen Kompensation der zweifelhaften Aufwendungen und Einnahmen, diese einfach aus der Berechnung weg. Es sind dies streitige Punkte in der Lehre über die land- wirtschaftliche Buchführung, auf welche wir indes hier nicht einzugehen brauchen. Für uns soll diese ja nur den Anhalt zur Beurteilung jener „Staatsbuchführung'^, wie man die Statistik be- zeichnen könnte, bieten und dafür ist es ziemlich unerheblich, ob wir das eine oder das andere der in keinem Falle völlig unbestritten gebliebenen Buchführungsverfahren heranziehen. Es handelt sich darum, zu erfahren, ob die Gesamtkosten der Bewirtschaftung auf Grund der landwirtschaftlichen Produktionsstatistik festgestellt und ihnen die Gesamterträge gegenüber gestellt werden können, in ana- loger AVeise wie dies bei der Berechnung der Erträge aus der Einzel- wirtschaft geschieht. Für die landwirtschaftliche Ertragsberechnung würden — unter Voraussetzung eines gewöhnlichen landwirtschaft- lichen Betriebes, bei welchem Getreidebau mit Viehzucht- und Nut- zung verbunden ist — etwa folgende Faktoren zu beachten sein : A. Die Produktionskosten. 1. Unterhalt und Amortisation der Gebäude. 2. „ „ ,, des toten Inventars. 3. Kosten für die Erhaltung und den Ersatz des lebenden In- ventars. (Futtermittel , Heizung , Beleuchtung der Ställe, Verpflegung, AVartung, Tierarzt etc.) 4. Steuern und Abgaben. 5. Feuer-, Hagel-, Viehversicherung. H. Arbeitslöhne: a) in Geld b) in Natura. 474 — 155 — 7. event. aufgewendete Meliorationskosten (Verzinsung und Amortisation). 8. event. angekaufte Düngemittel. 9. Angekaufte Sämereien. 10. Verschiedene Anschaffungen, Nutzholz, Werkzeuge etc. 11. Aufwand für die Familie (inkl. der aus der Wirtschaft be- zogenen Naturalbezüge). B. Roherträge. 1. Einnahme aus dem Getreide-, Hackfrucht-, Futterbau und allen andern Kulturen (z. B. Wein- und Obstbau). 2. Einnahmen aus dem Viehstand : 1. Pferde event. bare Einnahmen aus Gespannleistung, so- dann Einnahmen aus der Aufzucht. 2. Rindvieh, a) Ochsen: Gespannleistung, Einnahmen aus dem Verkauf von Masttieren, b) Kühe: Einnahmen aus Milchproduktion, „ aus der Aufzucht, „ aus dem Verkauf an Kühen und Kälbern, „ event. aus dem eigenen Verbrauch solcher in der Wirtschaft. 3. Schafe, a) Wolle (event. auch Milch). b) Verkauf von zum Schlachten bestimmten Tieren, c) Verkauf von Zuchttieren. 4. Schweine. Verkauf (bezw. Selbstverbrauch) gemästeter Tiere. Verkauf von Zuchttieren und Ferkeln. 5. Geflügel. Verkauf von solchem, Einnahme und Verkauf von Eiern. 6. Alle übrigen Einnahmen. Würden dies die Faktoren einer annähernden Berechnung des Reinertrages sein, so müfste zur Beurteilung desselben in Bezug auf seine Angemessenheit gegenüber der der Produktion zu Grunde liegenden Kapitalwerten eine weitere Ermittelung sich auch noch auf den Kapitalwert des Grund und Bodens, der Gebäude, des toten und lebenden Inventars und die Höhe des umlaufenden Be- 475 — 156 — triebskapitals erstrecken. Wie dabei der ermittelte Reinertrag auf die einzelnen Teile des Gesamtkapitals zu verteilen sei, ist für den Zweck unserer Untersuchung wieder unerlieblicli. Die Ansichten über das zweckmäfsigste Verfahren sind auch hier verschieden ; es würde für unsere Zwecke genügen, wenn überhaupt eine der in An- wendung kommenden Verfahrungsweisen der Berechnung zu Grunde gelegt werden könnte. Schliefslich würde die Beurteilung der wirk- lich erzielten Erträge im Hinblick auf die Pro dukti ünsfällig- k e i t des Landes ein Resultat vergleichender Beobachtungen bilden müssen, deren Voraussetzung einerseits die genügend sichere Fest- stellung der Produktionsfähigkeit des Bodens, andererseits die Kennt- nis einer genügend grofsen Anzahl von Betriebsresultaten aus ein- zelnen Wirtschaften, die man für gewisse Gegenden als „typische" müfste ansehen dürfen, bilden würde. Überblickt man diese selbst nur lückenhafte Aufstellung und vergegenwärtigt sich dabei diejenigen Leistungen, welche die land- wirtschaftliche Produktionsstatistik dort, wo sie am vorgeschritten- sten ist, aufzuweisen vermag, so kann es nicht länger zweifelhaft bleiben, dafs zu einer wirklichen Berechnung der Erträge aus der Landwirtschaft eines Landes durch die Statistik kaum eine hin- reichende Grundlage gewährt wird. AVir können hier einfach auf die deutschen statistischen Arbeiten zurückgreifen, von denen wir feststellten, dafs sie mindestens auf gleicher Höhe ständen mit denjenigen der europäischen Kultur- staaten. Welche Möglichkeit bietet diese Statistik gegenüber den notwendig für eine Ertragsberechnung zu stellenden Anforderungen, eine solche Berechnung anzustellen? Die Ermittelung der Kosten dos Unterhaltes und der A m ortisation der Gebäude ist nicht möglich. Nur in einzelnen Staaten fanden wir eine Zählung derselben — wir führten als solche die preufsische, badische und bayerische Statistik der Gebäude an und wiesen insbesondere auf die Probeerhebung der Statistik des Grundeigentums und der Ge- bäude in den Reg. -Bez. Danzig und Aachen hin — allein auch diese reichten nicht hin, um eine Bezifferung des Wertes der Gebäude vorzunehmen - einmal nicht, weil keineswegs genügend streng die der Landwirtschaft dienenden Baulichkeiten ausgemittelt waren, dann aber, weil weder auf die verschiedene Gröfse noch auf die Bauart ein so tiefes Eingehen stattgefunden hatte, dafs man in der Lage gewesen wäre selbst unter Annahme von wahrscheinlichen AVertziffern eine Kapitalberechnung vorzunehmen. Als Aushilfs- 476 — 157 — mittel wiesen wir auf die Möglichkeit der Wertermittelung auf Grund der Feuerversiclierungssummen hin; allein auch hierfür müfste die genaue Aussonderung der landwirtschaftlichen Geljäude die Voraussetzung bilden, welche zur Zeit jedenfalls nur vereinzelt möglich ist. Auch für die Ermittelung der Kosten des Unterhaltes des toten Inventars bietet die Agrarstatistik nicht die ge- nügenden Unterlagen. Ermittelungen desselben haben ebenfalls nur vereinzelt stattgefunden, in Deutschland im Jahre 1882 zum ersten Mal. Aber wir sahen, dafs man sich hierbei auf eine Auswahl von Geräten und Maschinen beschränkte, wobei nicht sowohl die Rücksicht auf Ermittelung des in der Landwirtschaft zur Anwen- dung gelangten Inventars überhaupt mafsgebend war, als vielmehr die Absicht, zu erkennen, wieweit ein Fortschritt in dem landwirt- schaftlichen Betriebe — für welchen in der Benutzung der verschie- denartigen Maschinen wohl mit Recht ein wiclitiges Anzeichen er- blickt wurde — stattgefunden habe. Schon der Umstand, dafs es sich nur um einen Teil des Inventars hierbei handelte, genügt also, um festzustellen, dafs die Statistik eine Grundlage ebensowenig zur Bemessung des Wertes, wie zur Berechnung der Unterhaltskosten des landwirtschaftlichen toten Inventars bietet. Auch hier bliebe dem- nach nur der Ausweg der Einstellung eines Pausch(|uantums auf Grund der Eeuerversicherungssummen, die aber gleichfalls in ihrer Besonderheit für das landwirtschaftliche Inventar erst festzustellen w^ären. Schwieriger fast, als bei den voraufgegangenen Teilen des dem Betriebe der Landwirtschaft dienenden Kai)itals, stellt sich die Er- mittelung der Erhaltung und des Ersatzes des lebenden Inventars. Dieses im Ganzen als Kapital zu berechnen, würde, wenn man nicht allzugrofse Ansprüche auf Genauigkeit erhebt, auf Grund der allgemeinen Viehzählungen und der bei denselben statt- gehabten Ermittelungen des Kapitalwertes der einzelnen Tiergattungen vielleicht angängig sein. Auch in Deutschland haben solche Er- mittelungen stattgefunden und man würde die Bedenken, die wir im Einzelnen früher dagegen erhoben, wohl unterdrücken können, um zu einer annähernden Berechnung zu gelangen. Jeder Grundlage würde aber die Feststellung der Erhaltungskosten des lebenden Inven- tars und seines Ersatzes entbehren. Hierbei einfach gewisse Pauschal- summen einzustellen, würde sich doch durch den Umstand verbieten, dafs diese Kosten je nach Art des landwirtschaftlichen Betriebes 477 — 158 — selbst auf engbegrenzten Gebieten aufserord entlich verschiedene sind. Die Wirtschaftsmethode wie die Wirtschaftsrichtung stellt in dieser Beziehung sehr verschiedene Ansprüche ; auch die natürliche Verschiedenheit der verschiedenen Tierrassen würde ins Gewicht fallen und Abweichungen um ein Vielfaches dürften bei derselben Anzahl des gehaltenen Viehs einer Gattung nicht selten sein. Zu- dem bietet für eine Bemessung dieses Teiles der Kosten die Statistik nirgendwo einen Anhalt, da sie — mit Ausnahme sehr proble- matischer Bemühungen, z. B. bei französischen Enqueten — niemals mit Ernst sich auf dieses Gebiet gewagt hat. Für diesen Teil der Berechnung stände demnach einfach das in Osterreich beliebte Ver- fahren der „reinen Supposition" zur Verfügung. Für die Bemessung der Steuern und Abgaben würde ebenso wie für die Feststellung der Versicherungskosten wohl in allen Staaten das nötige Material vorhanden sein. Die Agrar- statistik könnte hierbei von dem gegebenen Material Gebrauch machen. Dagegen würde der folgende Teil, Ermittelung der aufgewendeten Arbeitslöhne , wieder den gröfsten Schwierig- keiten, ja zur Zeit wohl noch der Unmöglichkeit der Ausführung begegnen. Die Zahl der Arbeiter, welche in den verschiedenen Staaten ermittelt wird, bietet doch nur einen Anhalt. Die Zahl der Arbeitstage, die im Laufe eines Betriebsjahres der landwirt- schaftlichen Arbeit gewidmet werden, ist nicht gekannt, ebensowenig die Kosten dieser Arbeitstage. Auf Grund oberflächlich angestellter Lohnermittelungon — die zudem nur für einzelne Gebiete statt- gefunden haben — läfst sich gleichfalls eine Berechnung der Gesamt- arbeitslöhne nicht aufstellen. Denn erstens sind diese Löhne nur als ungefähre Angaben und in der Form von Maximal- und Mini- malangaben dargestellt; sodann ist es völlig unbekannt, an wie viele Personen die Lohnsätze der verschiedenen Höhe gezaldt sind und wie lange sie gezahlt worden sind. Ganz aufser Berechnung mufs die Naturallöbnung l)leiben, von der man wolil weifs, wie sie in den verscliiedenen Gegenden sich zu stellen pflegt, von der a])er wieder nicht bekannt ist, in welclier Ausdehnung sie die Stelle der Geld- löhnung vertritt, bezw. in wie vielen Betrieben und an wie viele Arbeiter sie entrichtet wird. Wo schliefslich ein kombiniertes System der Geld- und NaturaHöhnung stattfindet, und dies dürfte in Deutsch- land in der Mehrzahl der Betriebe der Fall sein — erhölien sich die angedeuteten Schwierigkeiten nocli besonders. Wir liefinden uns hier auf einem Gebiot. wo die allgemeine Landesstatistik kaum 478 — 159 — irgendwo den Versuch gemacht hat, zu einer wirklichen Erforschung der Verhältnisse durchzudringen. Die wenigen Angaben, die vorliegen, charakterisieren sich mehr als solche, die nebenbei gewonnen wurden, als allgemeine Angaben mehr zufälliger Art. Eine systematische Er- mittelung unter Beachtung der zahlreichen, durch lokale Eigentüm- lichkeiten und durch Besonderheiten der Betriebsweise wie der Lebenshaltung bedingten Verschiedenheiten, hat bisher in keinem Staate stattgefunden und die geringen Anhaltspunkte, welche durch die Berufszählungen und allgemeinen Angaben über Lohnhöhe ge- boten werden , sind eben in keiner Weise ausreichend, um für die Feststellung der gesamten Arbeitslöhne mehr als ein Resultat un- sicherster Konjekturalstatistik zu gewannen. Wir brauchen kaum noch auf die übrigen Teile der Produk- tionskostenrechnung einzugehen: Die Beträge der Melio- rationskosten, der aufgewendeten künstlichen Düngemittel, der zugekauften Sämereien, des für die Familien des Wirtschafters erforderlichen Aufwandes u. s. w. sind alle Gegenstand statistischer Ermittelung bisher nicht gewesen. Man würde hier lediglich darauf angewiesen sein, mit allgemeinen Annahmen zu rechnen, ohne dafs genügende Anhaltspunkte dafür gegeben wären, um zu beurteilen, ob man in der Wahl solcher Annahmen sicher gegangen ist. Es ergibt sich somit die völlige Unzulänglichkeit der landwirt- schaftlichen Produktionsstatistik für die Ermittelung der Höhe der Produktionskosten. Nicht minder unzulänglich bleiben die agrarstatistischen Arbeiten im Hinblick auf die Feststellung der erzielten Erträge. Nur e i n Gebiet ist soweit bearbeitet, dafs — wenn man von den Ungenauigkeiten und Mängeln, die wir früher hervorhoben, einmal absieht — man in der Lage wäre, eine annähernd befriedigende Aufstellung zu machen — das Gebiet des Anbaues und der Produktion aus den Hauptkultur arten; der Anbau der Getreidearten, der Handelsgewächse und Futterpflanzen ist hin- länglich sicher bestimmt. Auch ist man — allerdings nur für die in den einzelnen Ländern als solche betrachteten Hauptfrüchte — in der Lage, den jeweiligen Ertrag zu l)eziffern. Aber auch für die weniger wichtigen, in geringerer Ausdehnung gebauten Gewächse sind soweit genügende Anhaltspunkte gegeben — namentlich im Vergleich zu der Unzulänglichkeit der Angaben auf den übrigen Ge- bieten der Produktion — dafs man immerhin in der Lage sein würde , die Bezifferung der Ernteerträge auf Grund der agrarstatistischen Erhebungen als ausführbar zu bezeichnen. 479 — 160 — Wie aber steht es mit dem zweiten grofsen Gebiet landwirt- schaftlicher Produktion, dem Gebiete der Erzeugung tierischer Pro- dukte? Die Feststellung der Arbeitsleistung — sei es in dem landwirt- schaftlichen Betriebe, sei es im Dienste anderer — läfst sich auf Grund der allgemeinen Viehzählung nicht ausführen. Selbst die deutsche Betriebsstatistik, welche die Möglichkeit bietet, das land- wirtschaftliche Arbeitsvieh zu beziffern, gewährt doch dadurch noch nicht Aufschlufs über die thatsächlich geleistete Arbeit, da die Dauer der Verwendung zu Arbeitszwecken nicht ermittelt wurde. In ähnlicher Weise ergibt sich eine Unzulänglichkeit für die Feststellung der Ermittelung der Erträge aus der Tierhaltung. Die Aufzucht der Pferde kann zwar erkannt werden aus der Zahl der ermittelten Füllen, vorausgesetzt, dafs es möglich ist, die eingeführten Füllen davon auszusondern. Aber es würde schwierig sein, den aus der Aufzucht erzielten Ertrag in der Landwirtschaft festzustellen, da weder bekannt ist, wieviel von den aufgezogenen Füllen zum Verkauf gelangen, wieviel davon zur Arbeitsleistung in den eigenen Wirtschaften der Züchter bestimmt sind. Welche Erträge die Aufzucht bei der Rindviehhaltung gewähren, ist in gleicher Weise unbestimmt. Die Zählung der in einem ge- wissen Zeitpunkt vorhandenen Kälber gibt dafür kaum einen An- halt. Auch der Versuch, durch die Trennung der bis 6 Wochen und über 6 Wochen alten Kälber ein Urteil über die zum Schlachten bestimmten Kälber zu gewinnen, wie er in der letzten deutschen Viehzählung gemacht wurde, mufste als ein verfehlter bezeichnet werden. Nur die Ermittelung des thatsächlich im Laufe eines Jahres zur Schlachtbank geführten Viehs kann über diesen Teil des Ertrages Aufschlufs geben — aber es ist in keinem Lande die Möglichkeit geboten, eine solche Ermittelung vorzunehmen, oder doch hat eine solche , die Anspruch auf Zuverlässigkeit gewähren konnte, nirgendwo stattgefunden. Selbstverständlich gilt dies auch für aHes übrige zum Schlachten bestimmte Vieh (Schafe, Schweine etc.). Unsere Ausführungen über die Statistik der übrigen Zweige tie- rischer Produktion zeigten für die Feststellung der Erträge aus denselben einen noch viel ungünstigeren Zustand. Milch-, Butter-, Käseproduktion, Wollcrtrag u. s. w. zu bestimmen, hat die Statistik einzelner Länder wohl den Versuch gemacht — aber dafs dieser Versuch von Erfolg gekrönt worden sei , wagte man nicht einmal dort zu behaupten, wo man diesen Ermittelungen mit einem be- 4»0 - ]f)l — sonderen Eifer oblag — in Österreich — sah man sich doch ge- nötigt, nach Mafsgabe des menschlichen Konsums unter Zurechnung der Einfuhr und Abrechnung der Ausfuhr die Höhe der Produktion aus der Tierzucht zu berechnen! Dieser Weg würde freilich auch zur Bezifferung aller anderen Erträge offen stehen, doch kann er im Ernst für die Statistik nicht in Frage kommen. Die Erträge aus der Landwirtschaft in ihrer Ge- samtheit — von einzelnen Teilen, landwirtschaftlichen Industrien, Tabakbau, Zuckerrübenbau u. s. w. abgesehen, bei denen die Be- steuerung zur Feststellung des Ertrages die Handhabe bietet. — lassen sich auf Grund statistischer Erhebungen zur Zeit nicht feststellen, ebensowenig wie dies bei den Produktionkosten der Fall ist. Das Resultat einer Gegen- überstellung beider, die Feststellung des Reinertrages, entfällt damit von selbst, ebenso die Möglichkeit, diesen gegenüber dem Wert des zur Produktion dienenden Kapitals — selbst wenn dieser sich berechnen liefse — und gegenüber der Produktionsfähigkeit des Landes zu beurteilen. — Das Ergebnis unserer Untersuchung zeigt sich somit, trotz des bedeutenden Zeitraums, der inzwischen der Agrarstatistik zu ihrer fortschreitenden Entwickelung gegeben war. als übereinstimmend mit demjenigen, welches Conrad als dasjenige seiner Analyse der agrarstatistischen Leistungen verschiedener Länder festlegte. Er sj^rach es aus, dafs ., viele notwendige Fragen der Produktions- statistik nicht nur bis jetzt unbeantwortet blieben, sondern dafs auch überhaupt keine Aussicht vorhanden sei. nach der bisherigen Methode das nötige Material in befriedigender Weise zu ver- schaffen'^ Nach seiner Ansicht bot diese Statistik zu einer ge- nauen Berechnung des Reinertrages, wie sie vom Florentiner Kon- grefs im Jahre 1865 schon gefordert wurde, ,. nicht die geringste Aussicht'".^) Und in der That, die Entwickelung der Agrarstatistik. wie wir sie an der Hand der von uns besprochenen Arbeiten dar- legten, hat diese Prophezeiung — in leider nur zu hohem Mafse — bestätigt. Man wird nun freilich sagen, dafs es vielleicht falsch sei, von der Agrarstatistik überhaupt die Ermittelung des in der Landwirt- schaft erzielten Reinertrages — oder vielmehr, wie Conrad u. E. ^) a. a. 0. pag. 124. — lf>2 — zutreffend definierte, der mit dem geringsten Aufwände an Geld, Arbeit und Naturalien erzielten gröfsten Mengen an landwirtschaft- lichen Produkten — zu verlangen, oder, w^enn damit doch einmal die Aufgabe der landwirtschaftlichen Produktionsstatistik als zu- treffend erkannt sei, dafs sie dann den Weg hierzu verfehlt habe und es erforderlich sei, eine andere Methode hierfür aufzufinden. Über die erste Frage kann indessen ernsthaft eine Kontroverse niclit statthaben ; es ist die von uns bezeichnete Aufgabe der landwirt- schaftlichen Produktionsstatistik allgemein als solche anerkannt. Das Resultat, welches zur Zeit aus dem Stande und dem Erfolge der agrarstatistischen Leistungen für unsere Untersuchung sich ergibt, bestätigt nur die Richtigkeit der auch von Conrad in seiner oft er- wähnten Schrift wie auch nachmals bei den Verhandlungen des Budapester Congresses betonten Ansicht, dafs die allgemeinen statistischen Aufnahmen allein niemals das Ziel — eine Berechnung des landwirtschaftlichen Reinertrages — zu erreichen vermöchten. Dem widerstreitet schon die Thatsache. dafs es eine Reihe von Faktoren, welche bei der landwirtschaftlichen Produktion mitsi)rechen , gibt, die statistisch auf dem AVege allgemeiner Auf- nahme überhaupt nicht zu erfassen sind. Und dennoch würde es unerläfslich sein, dieselbe bei einer Ertragsberechnung mit in Be- tracht zu ziehen. Die allgemeinen statistischen Erhebungen finden in dieser Beziehung eine Beschränkung ihrer Wirksamkeit durch die unerläfsliche Forderung, dafs sie nur das ermitteln sollen, worüber es möglich ist, bei der Erhebung unmittel bar ge naue An- gaben zu erhalten. Diese Möglichkeit ist aber eine beschränkte und demnach auch das Feld, auf welchem allgemeine produktions- statistische Erhebungen sich bethätigen können, ein beschränktes. Gleichwohl berührt dies die Forderung, dafs die Produktionsstatistik zur Feststellung des Reinertrages zu gelangen suchen soll , nicht. Diese modifiziert sich nur insoweit^ als sie die Lösung dieser Auf- gabe nicht allein von den allgemeinen Erhebungen erwarten darf, sondern nach Hilfsmitteln umzuschauen gezwungen ist. Als solche Hilfsmittel hat Conrad früher die Detailerhe- bungen bezeichnet. Nach ihm sollte an der Seite der Gesamt- erhebungen, die sich auf einzelne wenige Gebiete zu beschränken, auf diesen aber gleichzeitig ihre Forschungen zu vertiefen hätten , eine Spezialerhel)ung treten, „lokale Detailaufnahmen aus einzelnen Wirtschaften, welche das Material bieten würden, das Resultat der Gesamterhe))ungen zu rektifizieren" — und, wie wir hinzufügen, zu 482 — 163 - ergänzen. Diese Aufgabe sollte gelöst werden, indem die Unter- suchung von dem kleinsten Untersuchungsobjekt, der einzelneu selbständigen Wirtschaft, ausgehen würde; denn hier „könne eine annähernde Gleichartigkeit der Bedingungen angenommen werden, hier träten Wirtschaftsaufwand und Ertrag, sowie sie sich gegenseitig bedingen , gegenüber, und nur durch die geeignete Zu- sammenstellung einer gröfseren Zahl einzelner Wirtschaften nach ihren Bedingungen und Resultaten würde es möglich sein, einen genauen Einblick in den wirtschaftlichen Vorgang, in die ökonomi- schen Gesetze zu erhalten, indem die Wirksamkeit der einzelnen AVirtschaftsfaktoren in verschiedenen Verhältnissen zur Erscheinung gebracht würden".^) Diese Forderung der Ausführung von Spezialerhebungen wurde in einer Weise begründet, die auch heute noch nach allen Richtungen zutreffend erscheint und uns eines weiteren Eingehens darauf ent- hebt. Für uns entsteht nur mehr die Frage, ob denn inzwischen auf dem Wege der Spezialerhebungen diejenigen Resultate gezeitigt wurden, welche Conrad von denselben erwartete, ob die Ergänzung gewonnen wurde, welche zur Vervollständigung der Resultate der allgemeinen Erfahrungen erforderlich sind. Man müfste diese Frage von vornherein verneinend beantworten, wenn man die Detailstatistik in dem Sinne auffassen würde, wie sie als Ergänzung der allgemeinen statistischen Gesamterhebungen Conrad ohne Zweifel ins Werk gesetzt wissen wollte. Denn eine Spezialerhebung, ausgeführt nach einer feststehenden Methode, durch ein Netz von lokalen statistischen Behörden, Vereinen oder Kom- missionen und ausgedehnt auf eine Anzahl von Wirtschaften ver- schiedenster Art, besteht in Deutschland ebensowenig wie in anderen Staaten. Nur vereinzelt und meist hervorgegangen aus litterarischen Arbeiten Privater, hin- und wieder auch von landwirtschaftlichen Vereinen, findet man Ermittelungen statistischer Art, die sich auf eine Einzelwirtschaft beziehen. Aber selbst, wenn solche Produkte litterarischer Thätigkeit häufiger vorlägen, als dies der Fall ist, so würden sie das nicht bieten, was hier als Spezialerhebung gefordert wurde. Was hier bezweckt war, war im Grunde genommen eine Ergänzung der allgemeinen statistischen Erhebungen durch eine Dezentralisation der Statistik. Indem den Gesamterhe- bungen ein gewisses beschränktes Gebiet zugewiesen wurde, erwartete ^) a. a. 0. pag. 128. 11* 483 32* — 164 — man gleichzeitig von der zusammenwirkenden Thätigkeit der lokalen statistischen Bureaus — um diese Bezeichnung anzuwenden — eine Befruchtung der durch die Gesamterliehungen gewonnenen Daten. Dies sezte aher einerseits das Vorliandensein zahlreicher statistischer Stellen, von denen diese Arbeiten auszugehen hätten, und eine gleich- mäfsige Verteilung derselben über das ganze Land, andererseits die Aufstellung eines Arbeitsplanes einer für die einzelnen Stellen mafsgebenden gemeinsamen Methode und derselben zu erteilenden Direktion voraus. Ein solches Netz statistischer Stationen hat sich aber in keinem deutschen Staate entwickelt, es fehlt daher auch die erwartete Ergänzung und Erweiterung der aus allgemeinen Erhe- bungen gewonnenen Materialien — im Gegenteil, es hat sich weit mehr die Ermittelung der statistischen Bureaus im Sinne der Zentrali- sierung vollzogen, vorzugsweise in Deutschland, wo die Schöpfung einer Reichsstatistik zu einer Zentralisation der hauptsächlichsten statistischen Arbeiten geführt hat. 3. Die Detail erb ebu ngen über die Produktion in den landwirtschaftlichen Enqueten in Baden. Hessen und Wü rttemberg. Spezialerhebungen im Sinne Conrad's haben in Deutschland seither völlig gefehlt. Erst in allerneuester Zeit sind in einzelnen deutschen Staaten Arbeiten zur Ausführung gelangt, welche, wenn auch nicht die vorher gekennzeichnete Organisation statistischer Spezialerhebungen , so doch etwas dem Ahnliches und in ihrer Wirkung für die landwirtschaftliche Produktionsstatistik sehr Er- spriefsliches bieten : „Die Enqueten üb er die Lage der Land- wirtschaft in einzelnen Staaten Deutschlands." In diesen bieten sich statistische Ermittelungen , die den Charakter der Detailstatistik tragen, denen ein gemeinsamer Plaji , eine allge- mein giltige Methode zu Grunde gelegt waren, die gleichzeitig und in entsprechender Verteilung über das ganze Land zur Ausführung gelangten, die schliefslich auch die Wirtschaften der verschiedenen Klassen in Kücksicht zogen , kurz eine statistische Arbeit, die in ihrem Wesen jedenfalls den bezeichneten Spezialerliebungen sehr nahe steht. Zwar handelt es sich nicht um das. was streng genommen als statistische Arbeit bezeichnet werden darf: denn es wird mit Recht der Unterschied zwischen Statistik und Enquete stets betont, 484 — 165 — er ist auch von uns im Beginn unserer Untersuchung berührt worden. Aber gerade für denjenigen Teil, der unserer Beurteilung hier unter- liegt, für die landwirtschaftliche Produktionsstatistik, können die Enqueten den Anspruch erheben, als eigentlich statistische Arbeiten betrachtet zu werden. Denn hier ist der Versuch gemacht worden, auf dem Wege zahlen- oder rechnungsmäfsiger Feststellung aller einzelnen Faktoren sowohl den Umfang, die Art und Richtung wie den Erfolg der landwirtschaftlichen Produktions- thätigkeit für die einzelnen Wirtschaften verschiedener Gröfsen- kategorien darzulegen. Es charakterisiert sich das eingeschlagene Verfahren als dasjenige eingehendster Detailstatistik. Der Teil der Enqueten, um den es sich dabei handelt, wird von den bei denselben angestellten Rentabilitätsberech- nungen gebildet. Im allgemeinen verfolgten die Enqueten den Zweck, Aufschlufs über die Lage des landwirtschaftlichen Ge- werbes in den betreffenden Ländern zu erlangen und man suchte dies durch Beachtung aller zur Gestaltung der Lage der Landwirt- schaft mitwirkenden Faktoren zu erreichen. Es ist selbstverständ- lich, dafs man dabei zu einem in Zahlen ausdrückbaren Ergebnis nicht kommen konnte ; vielmehr war das Resultat eine allgemeine Beschreibung, welche sich auf die Beobachtung der einzelnen zu- sammenwirkenden Faktoren in den Erhebungsgemeinden stützte, eine Beschreibung aber, in der die subjektive Anschauung des jeweiligen Erhebungsbeamten in mehr oder weniger hohem Mafse zum Aus- druck gelangen mufste. Aber neben dieser allgemeinen Zustands- schilderüng bildeten die über die Rentabilität angestellten Erhebungen gewissermafsen eine Verdichtung der gesamten Erhebungsarbeiten und boten einen konkreten, in Zahlen sich darstellenden Ausdruck für das Resultat der Gesamtwirkung aller Produktionsfaktoren in den einzelnen Wirtschaftsgruppen. Ob dieser Ausdruck überall als ein richtiger anzusehen ist. ob die Berechnungen auf einer stets sicheren, dem Zweifel nicht Raum lassenden Basis sich aufgebaut haben, kann hier völlig dahin gestellt bleiben. Selbst wenn man, wozu wir allerdings neigen , den abso- luten Wert der einzelnen Berechnungen wegen mannigfacher In- korrektheiten in der Berechnungsmethode, wie wegen der Willkür, mit der manche Posten eingesetzt sind, sehr niedrig schätzen mufs, so bleibt doch die Thatsache immer als ein Fortschritt zu bezeichnen, dafs man in diesen Enqueten einmal den Versuch gemacht, eine Ergänzung der allgemeinen Statistik zu gewinnen. Es war dies auch itib — 166 — der ausgesprochene Zweck der Erhebungen. „Man entschlofs sich" — so heifst es in dem Bericht über die badischen Enqueten — „zu einer Reihe von Erliebungen zu schreiten, welche geeignet schienen, in die damalige Lage der landwirtschaftlichen Bevölkerung Badens einen vollkommeneren Einblick zu gewähren, als ihn die seitherigen statistischen Ermittelungen und die regelmäfsig einkommenden Er- mittelungen der ßezirksbehörden zu liefern vermochten." Die wirt- schaftliche Lage der landwirtschaftlichen Bevölkerung ist aber be- dingt durch den Erfolg der landwirtschaftlichen Produktions- thätigkeit. Diesen zu beurteilen suchte man daher einen Über- blick über „die Rentabilitätsverhältnisse, als dem Ge- samtprodukt aller das landwirtschaftliche Gewerbe beeinflussenden Faktoren zu gewinnen". Und eben dieser Versuch ist es, der gleichzeitig als ein Versuch allgemeiner Detail- statistik im Gegensatz und als Ergänzung zu den allgemeinen Gesamterhebungen ein Novum in der deutschen Agrarstatistik bildet. Nach der Art, wie diese Berechnungen angestellt sind, ent- sprechen sie in der That zum Teil wenigstens den Forderungen Conrad's. Freilich auch nur zum Teil. Zunächst erfüllen sie die Hauptforderung, das Zurückgehen auf das kleinste Er- hebungsobjekt, die einzelne Wirtschaft. In dieser Be- ziehung gehen die Erhebungen der drei Staaten völlig gleichmäfsig vor; sie stellen sowohl Haushaltsberechnungen — diese, um die Höhe des Verbrauches bei den einzelnen Wirtschaftsgruppen festzu- stellen — wie Ertragsberechnungen für je eine Kleingütler- Wirtschaft, eine mittlere und eine gröfsere bäuerliche Wirt- schaft an. Diese Berechnungen erfüllen auch die zweite Forderung, die, nicht die einzelnen Thatsachen der landwirtschaftlichen Pro- duktion unabhängig zur Erscheinung zu bringen, sondern sie als (i anzes, in ihrem durch den Produktionszweck bestimmten Zusammenwirken und in ihren vielseitigen Beziehungen zu ein- ander zu erfassen. Auch einer dritten Forderung geniigen sie: die einzelnen Teile der Berechnungen stützen sich auf faktische, soweit möglich durch Anschreibung in den Wirtschaftsbüchern beglaubigte Angaben und begeben sich der sonst beliebten Annahme und Schätzung. Dies freilich nur zum Teil; denn hier zeigte sich viel- fach die Unmöglichkeit, auf Büclierausweise sich beziehen zu können, einfach, weil Buchführung überhaupt nicht vorhanden war. Je kleiner die Wirtschaft, um so häufiger zeigt sich der Mangel einer Buchführung, aber auch bis in die grofsbäuerlichen Wirtschaften 480 — 167 — hinein ist dies der Fall, und dieser Mangel nötigt den Erhebungs- beamten, sei es zur Befragung der einzelnen Wirtschafter und zur Benutzung der dadurch gewonnenen Angaben, sei es zur Annahme gewisser Ansätze in den Berechnungen, die sich lediglich auf die eigene Kenntnis der Verhältnisse stützen. Es ist dieser Punkt denn auch der schwächste in den gesamten Berechnungen, und ein auf- merksames Vergleichen der einzelnen Rechnungen unter einander zeigt, dafs einmal die Angaben der Wirtschafter wohl mit einem zu grofsen Vertrauen aufgenommen wurden, dafs andererseits in der landwirtschaftlichen Bevölkerung eine aufserordentliche Unbeholfen- heit besteht, sich über den Gang und Erfolg ihrer eigenen, das ganze " Leben hindurch ausgeübten Thätigkeit, über die Gröfse ihres \'erbrauchs und die Höhe ihrer Einkünfte zahlenmäfsig Rechen- schaft abzulegen. Einer vierten Forderung, der der möglichst zahlreichen und auf alle Teile des Landes ausgedehnten Anstellung solcher Erhebungen, durch deren Befriedigung die Detailaufnahmen den Charakter einer Ergänzung der Gesamterhebungen erst gewinnen und dadurch die Handhabe bieten, um die Resultate der Gesamterhebungen zu rekti- fizieren, um sie fruchtbringend zu benutzen, ist durch die Enqueten nicht genügt worden. Diese haben alle die Methode befolgt, au Stelle einer über das ganze Land und alle Gemeinden sich er- streckenden Gesamtenquete eine solche über eine Anzahl nach be- stimmten Gesichtspunkten ausgewählter Gemeinden anzustellen. Man präsumierte, dafs diese Gemeinden, sowohl in Bezug auf ihren all- gemeinen wirtschaftlichen Charakter wie nach der Art der Verteilung des Besitzes und nach der Natur des Wirtschaftsbetriebes als „typische" für gröfsere Bezirke des Landes gelten könnten , dafs demnach das Resultat der Erhebungen auch als ein für das ganze Land giltiges und zur Beurteilung der Avirtschaftlichen Lage der gesamten landwirtschaftlichen Bevölkerung des Landes hinreichendes anzusehen sei. Man kann über das Zulässige einer solchen An- nahme streiten, ja man kann es als den Gesetzen folgerichtigen Denkens und Handelns zuwiderlaufend betrachten, gewisse Ge- meinden eines Landes in wirtschaftlicher Beziehung als „typisch" für gröfsere Bezirke herauszugreifen und darzustellen in einem Augen- blick, wo man einen vorhandenen Mangel an Kenntnis über die wirtschaftliche Lage durch Anstellung von allgemeinen Erhebungen erst beseitigen will. Denn selbstverständlich erstreckt sich diese Unkenntnis doch auch auf die als „typisch" herausgegriffenen Ge- 487 — 168 — meinden. Man würde dies aber wohl mit Recht als allzu abstrakt geurteilt bezeichnen müssen. Denn thatsächlich ist die Kenntnis des Landes nach aufserordentlich vielen Richtungen hin doch vorhan- den, um genügende Anhaltspunkte für eine allgemeine Klassifizierung der einzelnen Teile des Landes nach ihrem wirtschaftlichen Charakter zu bieten. Steht man dazu — wie dies bei den drei Staaten der Fall war — vor der Unmöglichkeit der Ausdehnung der Erhebungen auf alle Teile des Landes, teils wegen der Unzuhänglichkeit der Geldmittel, teils wegen des Mangels an geeigneten Kräften , so ist das Verfahren der Beschränkung auf ,. typische'* Gemeinden sicher ein gerechtfertigtes. Die Frage bleibt dann nur, ob man diejenigen Gesichtspunkte richtig gewählt hat, welche der Auswahl der „ty- pischen'^ Gemeinden zu Grunde gelegt werden müssen, und ob man die letzteren in einer so grofsen Anzahl gewählt hat , dafs man in dieser eine wirkliche Berechtigung zur Verallgemeinerung der gewonnenen Erhebungsresultate auf das ganze Land finden kann. Es ist nicht unsere Aufgabe, diese Fragen im Hinblick auf den von den Enqueten verfolgten allgemeinen Zweck zu beurteilen. So- weit aber der spezielle Teil der Reinertragsberechnungen als eine Ergänzung der landwirtschaftlichen Produktionsstatistik in Betracht gezogen wird, scheint uns die Zahl der Gemeinden eine nicht ge- nügende zu sein. In Baden hat man 37 Gemeinden, in Hessen 25 und in Württemberg — wo allerdings die Erhebungen nur als ein Versuch betrachtet wurden — 7 Gemeinden des Landes der Enquete unterworfen. Mochte man dabei auch — wie dies der Bericht über die badische Enquete betont — die Verschieden- heit des landwirtschaftlichen Betriebes in genauester AVeise berück- sichtigen, so ist doch zu beachten , dafs selbst dort , wo dem all- gemeinen Charakter nach sich ein gleichmäfsiges Bild der Land- wirtschaft ergiebt — beispielsweise ein Betrieb mit vorwiegender Viehzucht, die sich auf dieselben Tiergattungen und Rassen und die Erzielung derselben Produkte beschränkt — im Einzelnen durch die Gestaltung und Beschaffenheit des Bodens, durch klimatische Ein- flüsse, durch wirtschaftliche Bedingungen verschiedener Art, ja selbst durch Verschiedenheit des Charakters der Bevölkerung sich noch zahlreiche Unterschiede zeigen müssen. Wenn aber die Gesamt- erhebungen sich auf alle politischen Gemeinden erstrecken, so kann von Detailerhebungen, die eine Ergänzung derselben bieten sollen — eine solche nicht erwartet werden bei einer Beschränkung auf einen sehr kleinen Bruclitcil de]- vorhandenen Gemeinden, der 4«8 — 169 - das Auftreten zahlreicher, nicht unbedeutender Verschiedenheiten noch gestattet. Dafs freilich auch dieser Versuch schon ein aufserordentliches Hilfsmittel zur Beurteilung der gesamten wirtschaftlichen Lage ebensowohl wie des Erfolges der Produktion bietet, kann nicht über- sehen werden. Aber dasselbe ist nur von vorübergehendem Werte, und hiermit kommen wir zu der letzten Forderung, welche an die Detail- erhebungen zu stellen sein würde, um diesen dauernden Wert zu ver- leihen und den beabsichtigten Zweck zu erreichen — nämlich die For- derung der regelmäfsigen Wiederholung solcher Erhebungen. Der Wert der statistischen Daten liegt nicht in ihren absoluten Nach- weisen, sondern in der durch die wiederholte Gewinnung erzielten Möglichkeit der Vergleichung. Wie statistische Gesamterhebungen nur dann von dauerndem Werte sind, wenn durch periodische Wiederholung die Vergleichung der durch die jedesmalige Erhebung konstatierten Zustände ermöglicht wird, so würde der Erfolg einer systematischen Detailerhebung gleichfalls an die Forderung der periodischen Wieder- holung geknüpft sein. Würde vorausgesetzt werden dürfen, dafs die Enqueten, wie sie in Baden und Hessen zur Ausführung gelangten, eine solche Wiederholung erfahren würden, und würde man eine Ausdehnung solcher Erhebungen auf alle deutschen Staaten zu er- warten haben, so dürfte selbst in ihrer Beschränkung auf die ge- ringe Anzahl von Gemeinden darin ein Fortschritt erblickt werden, der die deutsche landwirtschaftliche Produktionsstatistik mit einem Male dem Ziel, eine wirkliche Statistik der landwirtschaftlichen Pro- duktion zu besitzen, in sehr erheblicher Weise näher rücken würde. Leider sind solche Erwartungen kaum berechtigt. Auch diese En- queten haben nur zu einem — als solchem nicht einmal beabsich- tigten — Versuch geführt, dessen Bedeutung nicht sowohl in den erzielten Kesultaten als vielmehr in der Thatsache seiner Ausführung liegt. Diese Thatsache birgt nur den Fingerzeig für ein weiteres Fort- schreiten auf dem Gebiete der Produktionsstatistik in sich, für welche demnach die Enqueten auch von besonderem Werte gewesen sind. 4. Schlufsergebnisse. Wir haben uns im Beginn unserer Untersuchung auf die nicht selten beobachtete Erfahrung bezogen, dafs unter der landwirt- schaftlichen Bevölkerung ein ziemlich deutlich zu Tage tretendei- Unwillen gegen das Mafs der ;ni sie gestellten Anforderungen sta- 489 — 170 — tistischer Art herrsche. Nun aber sehen wir, dafs in der land- wirtschaftlichen Produktionsstatistik man noch keineswegs bis zu dem Grade vorgeschritten ist, welcher diese statistischen Nachweise als verwertbar für ihren eigentlichen Zweck erkennen liefsen. Welchen Weg soll die Statistik nun einschlagen ? Liegt es nicht nahe, die Anforderungen zu erhöhen, noch häufigere Erhebungen über die einzelnen Faktoren der Produktion ins Werk zu setzen, ein noch tieferes Eindringen in die wirklichen Verhältnisse zu ver- suchen? Oder soll die landwirtschaftliche Produktionsstatistik ihre Unzulänglichkeit, diejenige Aufgabe, deren Lösung wir fordern, zur Lösung zu bringen, anerkennen und auf ein weiteres Bemühen ver- zichten? Verzichten vielleicht deshalb, weil sie die Schwerfällig- keit, das Unvermögen, das geringe Verständnis und den Unwillen der ländlichen Bevölkerung ilir gegenül)er wachsen sieht und ein auf die Dauer nicht besiegbares Hindernis darin erkennt? Ein Zusammenhang zwischen der Erfolglosigkeit der landwirt- schaftlichen Produktionsstatistik und der zunehmenden Abneigung landwirtschaftlicher Kreise gegen dieselbe ist sicher nicht zu ver- kennen. Schwieriger schon ist es, zu bestimmen, in welchem Ver- hältnis beide als Ursache oder als Wirkung sich geltend machen. Man wird vielleicht a priori geneigt sein, das Ursächliche in dem A'erhalten der Landwirte zu vermuten, und sicher nicht ganz mit Unrecht. Denn wenn die Genauigkeit der Daten, das Zutreffende der gesamten durch die Statistik aufgestellten Zahlenreihen ange- zweifelt wird, so ist ein Teil der Schuld ohne Zweifel auf die mangel- liaften, meist unbewufst, sicher aber auch oft bewufst falschen An- gaben aus den Kreisen der Landwirte selbst zurückzuführen. Gleich- wohl sind wir der Meinung, dafs der Hauptteil der Schuld nicht hier zu suchen sei. In der Statistik selbst, in der Art ihres Vor- gehens, in der Wald und Anordnung der Erhebungen, in dem Mangel eines für den nicht eingeweihten Beurteiler sich darbietenden Zu- sammenhanges der einzelnen Erhebungen und eines deutlich zu er- kennenden Zweckes der Gesamterhebungen liegt vielmehr die Ur- sache zu einer falschen Auffassung der Statistik und ihrer Aufgabe bei der ländlichen Bevölkerung. Der Erhebung über den Viehstand folgt in einem anderen Jahre die über den Anbau. Unabhängig von beiden geht die Ermittelung des Berufes und der Sonderstellung im Berufe bei der ländlichen Bevölkerung; dann wieder fordert man Nachweise über Ernte, nach- dem vielleicht ein viertel Jahr zuvor die Aussichten für die künftigen 4yu — 171 — Ernten Laben mitgeteilt werden müssen. In einem, keineswegs regel- mäfsigen Turnus wiederholen sich solche Nachfragen . jede stets für sich abgeschlossen auftretend. Andere fallen unerwartet dazwischen. Eine, in sich vieles zusammenfassende Statistik der Betriebe, der Nutzviehhaltung, der Maschinen, des Nachweises von Nebenl^eruf und Erwerb folgt anderen landwirtschaftlichen Aufnahmen . an die der Landmann sich schon gewöhnt hat. Nebenbei unterliegt der Landwirt besonderen, zu Steuerzwecken vorgenommenen Erhebungen, er unterliegt auch den allgemeinen, bevölkerungsstatistischen Auf- nahmen — kurz, ein ganzes Netz von Erhebungen, die immer neue Anforderungen in sich bergen, immer wiederholt den Landwirt zu einer Beschäftigung führen, die an und für sich demselben ungewöhnt, fremd, ja nicht selten zuwider ist, nämlich zu einem Nachdenken über für ihn in ihren Zielen nicht erkennbare Aufgaben und zu schriftlicher Beantwortung gestellter Fragen oder Aussagen positiver Angaben auf solche. Diese wiederholt an ihn herantretende Nötigung würde schliefslich dennoch auf Widerwillen nicht stofsen . wenn es immer gelänge, das Verständnis für die gestellten Aufgaben zu erwecken. Indessen liegt hier jedenfalls der gröfste Mangel vor. Denn einmal wohnt dieses Verständnis keineswegs denen immer bei, welche unmittelbar mit der Ausführung der Erhebung betraut sind, und noch weniger sind sie in der Lage, dies Verständnis, selbst wenn es ihnen eigen sein würde, dem Landwirt zu eröffnen. Es würde dies weniger schwierig sein, wenn von den Erhebungen ein unmittel- barer, praktischer Nutzen zu erwarten wäre. Dann würde auch der Landwirt, mit seinem durchaus offenen Sinn für praktisch Wert- volles, sich in das Verständnis der ihm gestellten Aufgaben hinein- finden. Spricht man ihm aber von der allgemein volkswirtschaft- lichen Notwendigkeit solcher Erhebungen, von der Wichtigkeit der- selben für die Erkenntnis und die Förderung des wirtschaftlichen Lebens, von ihrer Bedeutung für die Wissenschaft gar, nun. dann mangelt ihm nicht nur das Verständnis, sondern er ist auch — den pfiffig-mifstrauischen Charakter des Bauern hervorkehrend — ge- neigt, etwas ganz Anderes, für ihn eher Nachteiliges als Förder- sames hinter den Nachforschungen zu vermuten. Und man glaube nicht, dafs sich dies auf die Kreise der kleinen oder bäuerlichen Landwirte beschränkt; unter denen, die sich als Grofsbesitzer oder als Be Wirtschafter gröfserer Grundbesitzungen weit über diese Kreise erhaben dünken und deren Gesichtskreis ein gewifs sehr viel weiterer ist, bei denen im Allgemeinen auch ein hinreichendes Verständjiis 491 — 172 — für Aufgaben politischer und wirtschaftlicher Natur vorhanden ist, ist die Zahl derer, denen das Verständnis für die Aufgaben der Statistik mangelt, und die daher geneigt sind, ihr Geringschätzung oder Widerwillen entgegen zu tragen, keine geringe. Ist die Statistik nun in der Lage, einem solchen Zustande ent- gegenzuwirken, das Verständnis zu vermehren und dadurch indirekt zu einer besseren Lösung ihrer Aufgaben zu erlangen? Es scheinen uns hierfür besonders erschwerende und hindernde Momente gegeben zu sein: 1. Li der Häufigkeit der Erhebungen. 2. Li dem fehlenden Zusammenhang der einzelnen Erhebungen. 3. In dem Umstände, dafs die Resultate der Erhebungen den landwirtschaftlichen Kreisen als etwas i)raktiscli für ihre Zwecke Verwertbares nicht genügend nahe gebracht werden. Die Häufigkeit der Erhebungen haben wir vorher schon kurz berührt ; wir haben auch schon einmal im Laufe unserer Unter- suchung angedeutet, dafs eine Beschränkung der allgemeinen Ge- samterhebungen dazu dienen könne, die Lösung der Aufgabe der landwirtschaftlichen Produktionsstatistik eher erreichen zu lassen. Es vergeht in Deutschland kaum ein Jahr, in welchem nicht land- wirtschaftlicii-statistische Erhebungen irgend welcher Art seitens des Reiches stattfinden ; seitens der Einzelstaaten treten teils periodische, teils einmalige Erhebungen verschiedener Art hinzu ; schliefslich treten auch die landwirtschaftlichen Vertretungskörperschaften mit statistischen Anforderungen mancherlei Art an den Landwirt heran. In anderen Ländern ist dies nicht in dieser Häufigkeit der Fall. In Belgien sehen wir die Statistik den einmal eingeschlagenen Weg der in 10jährigen Perioden anzustellenden Enqueten mit Konsequenz verfolgen, und wenn auch vielleicht gewisse Erhebungen neben den Enqueten noch erfolgen, so erreicht das Mais derselben doch keines- wegs das Mafs des in Deutschland Geforderten. In Frankreich hat in den letzten 15 Jahren ein Zustand Platz gegriffen, der weit ent- fernt ist von einem sicheren, konsequenten Verfolgen eines festen Zieles. Es liegt dies in den politischen Zuständen, in dem häufigen Wechsel der Regierungen und in dem Bestreben jeder neuen Re- gierung andere und nach ihrer Ansicht jjessere W^ege zu verfolgen. Im allgemeinen verfolgt man aber auch hier noch den Modus der in längeren Zwischenräumen sich wiederholenden Encjueten. Die deutsche Statistik nimmt diesen Staaten gegenüber also eine andere Stellung ein. Sie erstreckt sich annähernd auf dieselben Gebiete der Forschung, aber sie zersplittert sich in eine grolse Zahl zeitlich verschiedener und rj2 — 173 — innerlich ohne Zusammenhang auftretender Erliehungen. Die Rück- wirkung dieses Verfahrens auf das Verständnis und die Neigung der landwirtschaftlichen Bevölkerung, sich statistischen Zwecken dienst- bar zu machen, berührten wir schon. Der fehlende Zusammenhang zwischen den einzelnen in geringerer oder stärkerer Häufigkeit sich wiederholenden Erhebungen ist das zweite erschwerende Moment. Unserer Ansicht nach ist es dasjenige, welches am meisten der Lösung der Aufgabe der Statistik entgegenwirkt. Dafs dieser Zusammenhang, wenigstens bis zu einem gewissen Grrade , vorhanden ist , dafs er vor allen Dingen von den Bearbeitern der statistischen Nachweise aufgefunden werden kann, ist wohl richtig; aber dies entgeht demjenigen, der zunächst das Material der Statistik zu liefern hat. Und gerade ihm, meinen wir, würde die Wahrnehmung dieses Zusammenhanges von vornherein eine weit deutlichere Erkenntnis des verfolgten Zieles verschaffen, sie würde das Verständnis dafür und damit gewifs auch das Interesse in weit höherem Mafse hervorrufen, als die vereinzelten, für sich abgegrenzten und vielleicht zu häufig wiederholten Ermittelungen. Damit wäre aber zweierlei gewonnen: einmal würde man durch Vereinigung der ver- schiedensten Erhebungen zu einer einzigen — denn eben eine solche würde auch den inneren Zusammenhang derselben erkennen lassen — mit einem Male Antwort auf viele Fragen erlangen, die man sonst erst durch wiederholte Erhebungen innerhalb eines gröfseren Zeit- raumes erforschen könnte, und zweitens würde — die Erweckung des gröfseren Interesses und Verständnisses vorausgesetzt — die Beantwortung selbst eine ausgiebigere und vielleicht den thatsäch- lichen Verhältnissen entsprechendere sein. Mit der im Jahre 1882 zum erstenmal ausgeführten deutschen Betriebsstatistik hat man einen vielversprechenden Anfang nach dieser Richtung hin gemacht. Bei dieser war der Zusammenhang der auf die verschiedenen Zweige sich erstreckenden Erhebungen gegeben, man fragte nach der Gröfse der bewirtschafteten Fläche^ nach ihrer Verteilung unter die Haupt- kulturarten, nach ihrer Eigenschaft als besessene oder erpachtete Fläche ; gleichzeitig ermittelte man die Gröfse des Nutzviehstandes, die Art und Benutzung desselben, und schliefslicli das Vorliandensein und die Art der Verbindung des landwirtschaftlichen Betriebes mit einem Nebenerwerbe. Sollte diese Verbindung sehr verschiedener, aber doch alle in einem inneren Zusammenhange stehender Fragen, nicht einem gröfseren Verständnis begegnet sein ; sollten sie nicht haben erkennen lassen, dafs man beabsichtigte, in das Wesen des 493 — 174 — landwirtschaftlichen Betriebes einzudringen, und sollte nicht gerade dadurch das Interesse geweckt worden sein, weil der Befragte selbst dadurch veranlafst wurde, sich über das Wesen seines Betriebes, über das Verhältnis der einzelnen Betriebsfaktoren in demselben eine Rechenschaft zu geben, die er, in diesem Zusammenhang, sich vielleicht nie abgelegt hat? Man wird ja keineswegs behaupten, dafs dieses gröfsere Verständnis schon durch die einmalige Aufstellung einer solchen Erhebung geweckt worden sei ; dafs es aber auf diesem Wege eher geweckt werden k ö n n e , dafs auch weit eher man dazu gelangen werde, dem Landwirte selbst einen praktischen Nutzen von dieser Statistik zu eröffnen, scheint uns einem Zweifel nicht zu unter- liegen. Wir kommen damit auf jenes dritte von uns als erschwerend bezeichnete Moment: das Bewufstsein oder doch die Annahme, dafs aus landwirtschaftlich statistischen Erhebungen sich ein praktischer Vorteil für den Landwirt selbst nicht ergebe. Hierin birgt sich allerdings eine Forderung, welche man sich scheuen mufs, ohne Weiteres zu erheben. Denn mit Recht kann man fragen, welche praktischen Vorteile der Landwirt denn überhaupt erwarten könne. Die Vorteile, die ihm erwachsen, liegen zwar auch unter Umständen auf dem Gebiet des praktisch Greifbaren. Sollen doch die statistischen Nachweise als Unterlage dienen für Mafsregeln der Wirtschafts- politik und der Verwaltung, Mafsregeln, die in ihren Wirkungen sich ja bis auf die einzelne Wirtschaft zu erstrecken vermögen. Thatsächlich sind aber doch diese praktischen Erfolge vorhanden- Untersucht man also, ob auch die Statistik und ihre Resultate dem einzelnen Landwirte so nahe gebracht werden können, dafs er un- mittelbar aus den statistischen Werken für sich und sein wirtschaft- liches Verlialten irgend welche Belehrung schöpfen könne, so wird man zugeben müssen, dafs dazu die Statistik bisher nicht die Hand- habe geboten hat. Wir wollen dahingestellt sein lassen, ob es eine grofse Zahl von Landwirten verstehen würde, in den Resultaten der Statistik mit Verständnis zu forschen ; vielleicht müfste ein solches Verständnis erst geweckt und verallgemeinert werden. Sicher ist jedenfalls, dafs die Statistik bisher dem Einzelnen nur fordernd ent- gegengetreten ist. Die Ergebnisse der Erhebungen werden in grofsen Sammelwerken niedergelegt, welche weder der grofsen Masse zugänglich sind , noch auch ihnen verständlich sein würden. Ver- arbeitungen in einer handlicheren Form finden zwar statt, beziehen 494 — 175 — sich dann aber nur auf die gröfseren politisclien Gebiete eines Landes, ohne auch die Ergebnisse gerade für diejenigen kleineren Kreise zur Erscheinung zu bringen , für welche es dem Landwirt wichtig wäre, die Daten ersehen zu können, um sie mit den ihm bekannten Thatsachen seines eigenen Betriebes in Vergleich stellen zu können. Einzelne Versuche, dem Landwirt die statistische Speise mundgerechter zu machen, sei es durch Vorträge in Vereinsversamm- lungen , sei es durch Publikation in den kleineren landwirtschaft- lichen Fachorganen, sind deshalb nicht von Belang, weil es sich eben nur um vereinzelte Bemühungen handelt, bei welchen zudem oft das Vermögen und Verständnis zu dem guten Willen in einen ziemlich starken Gegensatz tritt. Die Fruchtbarmachung statistischer Erhebungsresultate für die unmittelbaren Zwecke der Landwirtschaft steht jedenfalls weit hinter den bescheidensten Wünschen zurück. Sie ist aucli - wir gestehen dies gern — nicht in erster Linie in den Zwecken der Statistik einbegriffen; immerhin bildet sie doch ein entfernteres Ziel, dessen Erreichung man sollte nahe zu kommen suchen. Solange man freilich dabei verharrt, durch vereinzelte Aufnahmen über einzelne Teile der landwirtschaftlichen Produktion Aufklärung zu verschaffen, wird man diesen Zweck ebensowenig erreichen, wie man damit die eigentliche Auf- gabe der landwirtschaftlichen Statistik bisher erreicht hat noch u. A. n. in Zukunft erreichen wird, die Ermittelung nämlich, welches der durch die landwirtschaftliche Thätigkeit des Volkes erzielte Rein- ertrag sei und ob derselbe den gegebenen Produktionsbedingungen und den vorhandenen Produktionsmitteln und -Kräften entspreche. Und dennoch soll dies Ziel erstrebt werden, denn sonst würde die landwirtschaftliche Statistik als ein Teil der gesamten, das Leben und die Entwickelung eines Volkes erforschenden allgemeinen Sta- tistik zwecklos erscheinen. Welches aber ist der Weg. der hierzu führt? Wir erblicken ihn in einer gröfseren Berücksichtigung jener drei Momente , die wir als erschwerende bezeichneten und deren Bedeutung wir kurz hervorhoben. Unsere Forderung geht kurz da- hin: Beschränkung der allgemeinen Gesamterliebungen auf wenige, sicher zu erforschende Hauptteile der land- wirtschaftlichen Produktion; Wegfall der all zu häu- figen Wie der holung einzelner allgemeiner Erhebungen durch die Zusammenfassung der einzelnen zu einer in längeren Zwischenräumen anzustellenden Gesamt- erhebung, damit gleichzeitig Gewinnungeines inneren Zusammen- 495 — 176 — hanges zwischen den Erhebungen über die verschiedenen Zweige der Produktion ; Ergänzung der Gesamterhebung durch fort- laufendCj systematisch angeordneteDetailerhebungen, w^elche an den landwirtschaftlichen Einzelbetrieb an- knüpfend, dazu bestimmt sind, die Resultate der Gesamt- er liebungen für die allgemeineBenutzungzu befruchten und gleichzeitig dieselben zu Zwecken der praktischen Ver- wertung in den engeren landwirtschaftlichen Kreisen geeignet zu machen. Die Forderung einer Beschränkung der statistischen Erhebungen ergab sich uns im Lauf unserer Untersuchung schon aus einer anderen Beobachtung. Wir fanden . dafs ihrer Natur nach sich manche Teile der landwirtschaftlichen Produktion der statistischen Ermittelung, wenigstens auf dem AVege der allgemeinen Erhebung, entzögen, ja wir erkannten, dafs die Objekte dieser Art die zahl- reicheren waren : die Grund- und Gebäudewerte, das tote Inventar, der Arbeitsaufwand. Dünger-, Futter, Saataufwand, die allgemeinen Betriebskosten und ihnen gegenüber, zu einem Teil wenigstens, die Menge der pflanzlichen und tierischen Erzeugnisse, waren bis dahin unbekannt geblieben. Im Wesentlichen beschränkte sich das, was wir als die Gesamtheit der produktionsstatistischen Nachweise in fast sämtlichen Staaten antrafen , auf mehr oder weniger voll- zählige Viehnachweisungen , auf die Feststellung der Anbauflächen und ihrer Verteilung auf die Kulturarten , und auf die Ermitte- lung der Ernteerträge , welche ein doch nur zweifelhaftes Re- sultat ergaben. Nur vereinzelt war die Zahl der Wirtschaften Gegenstand der Erforschung, und nur in einem einzigen Falle — in Deutschland — war man in der Lage, einzelne Teile der landwirt- schaftlichen Produktion unmittelbar zu den landwirtschaftlichen Betrieben in Beziehung zu setzen. Hat aber die Agrarstatistik so in einer langen Reihe von Jahren nur ein verhältnismäfsig geringes Feld ihrer Forschung unterwerfen können , so ist dies jedenfalls nicht einem ungenügenden Streben nach Vollkommenheit beizu- messen. Im Gegenteil , dieses Streben giebt sich in einer ganzen Reihe von Erscheinungen kund ; insbesondere zeugen die Kongrefs- verhandlungen der verschiedenen Jahre von einem grofsen Eifer. Der Erfolg hat denselben aber nicht entsprochen — wir meinen, weil er der Natur der Sache nach ausbleiben mufste. Als ein ver- fehltes Beginnen mufste man es bezeichnen, wenn die Produktions- statistik sich anschickte, mit einem Mal das ganze Gebiet der land- 4or, — 177 — wirtschaftlichen Produktion sich zugängig zu machen. Der Stoff war zu spröde, das Gehiet in seiner Gesamtheit nicht leicht zu- gängig. Da bedurfte es eines allmählichen, langsamen Vorgehens und einer Auswahl derjenigen Gebiete, auf welchen man sicher sein konnte, zu richtigen Resultaten zu gelangen. Fragt man uns, welche Auswahl dies sein soll, so haben wir darauf, wenigstens indirekt, schon die Antwort erteilt. Es können nur solche Erhebungen als allgemeine zur Ausführung gelangen , bei denen das Objekt der Zählung begrifflich sicher bestimmt ist, bei welchen die Eigenschaften , die man erfahren , zählen oder messen will, klar und offenkundig sich bieten, und bei denen derjenige, von dem die Angaben verlangt werden, überhaupt in der Lage ist, solche mit Sicherheit abzugeben. Auch die Voraussetzung ist noch zu stellen, das der Statistiker oder der Zähler in der Lage ist, die gemachten Angaben auf ihre Eichtigkeit hin zu prüfen. Diese indirekte Antwort genügt nun allerdings nicht; man hat vielmehr zu prüfen, auf welche Teile der landwirtschaftlichen Produktion diese Voraussetzungen zutreffen und wir sahen schon, dafs dies, soweit allgemeine statistische Erhebungen in Frage kommen, nur wenige Teile sind. In erster Linie können und sollen die landwirt- schaftlichen Betriebe nach ihrer Gröfse, nach der bewirtschafteten Fläche und nach der Art der Verteilung der letzteren unter die ver- schiedenen Kulturarten — Acker, Wiesen, Weide, Wald — ermittelt werden. Es kann ferner das Anbauverhältnis — d. h. die Art der Verteilung der Ackerfläche auf die einzelnen Fruchtarten — Ge- treidefrüchte, Handelsgewächse u. s. w. unter der besonderen Be- zeichnung der einzelnen Früchte — festgestellt werden. Die Er- mittelung des Viehstandes hat sich seit lange schon als durchführbar erwiesen; dagegen halten wir die Ermittelung der Erträge aus der Viehzucht und der Pflanzenproduktion für die allgemeine Statistik nicht ausführbar, wenigstens nicht, wenn man den Anspruch der Er- langung zuverlässiger Daten erhebt. Für die besonderen Zwecke, denen beispielsweise die Ernteerträge noch dienen sollen, sahen wir, dafs solche Erhebungen thatsächlich wertlos waren, so dafs man sie als regelmäfsige Gesamterhebungen wohl fallen lassen kann. Alan würde auf diese Weise zunächst einen Stock von Ermittelungen ge- winnen, welche sich ungefähr mit demjenigen decken, was die Be- triebsstatistik des Deutschen Reiches geliefert hat, nur dafs eine Er- weiterung durch die Hinzufügung der Erhebung des Anbaues statt- zufinden hätte. Wie bei dieser, so würde auch diese Grund - V. 4. 12 — 178 — erhebung. — um derselben eine besondere Bezeichnung zu geben — sich leicht erweitern lassen, indem man allmählich sich auf die Ermittelung der Arbeiterverhältnisse, des Arbeitsauf^Yandes, des all- gemeinen Kostenaufwandes und dergl. mehr würde ausdehnen können. Wir würden dies zunächst aber gar nicht für erforderlich erachten, sofern eine allgemeine Detailstatistik, worauf unsere Voraus- setzung allerdings hinzielt, als Ergänzung einträte. Man würde somit eine Beschränkung der Erhebungen schon hinsichtlich des Stoffes gewonnen haben. Eine solche in Bezug auf die Häufigkeit der Wiederholung würde sich daraus ergeben . dafs man diese Erhebungen in eine einzige Gesamterhebung vereinigte — wieder in ähnlicher Weise, wie dies bei der Betriebsstatistik der Fall gewesen ist. Dafs diesem Vorgehen technische Schwierigkeiten entgegenstehen sollten, können wir nicht annehmen. Im Gegenteil, die Zusammenfassung vieler bisher getrennter Erhebungen wird voraussichtlich die Arbeitslast ebenso wie die Kosten vermindern und wird Zeit gewinnen lassen zu einer beschleunigten Bear- l)eitung der gewonnenen Resultate, welche gegenwärtig durch die zahlreichen verschiedenen Erhebungen, die alle der Erledigung harren, liäufig genug eine unliebsame Verzögerung erfährt. Man vermeidet gleichzeitig durch diese Zusammenfassung der bis dahin einzeln aufgeführten Erhebungen die Erweckung einer Unlust beim „Produzenten der Statistik", die entgegengesetzten Falles sehr ge- eignet ist, auf das Resultat der erforderten Nachweise sehr ungünstig einzuwirken. Freilich ist dies wieder an die Voraussetzung ge- ])unden, dafs die Wiederkehr dieser einen Gesamterhebung nicht eine zu häufige sei — eine Forderung, die wir allerdings erheben. Man wird dagegen, sobald man mit der Unterdrückung der Ernte- nachweise sich einverstanden erklärt, auch nichts einwenden; denn alle anderen Nachweise sind auch bis jetzt schon nur in längeren Zwischenräumen eingefordert worden und bedingten nur insofern ein zu häufiges Herantreten an die landwirtschaftliche Bevölkerung, als die Erhe])ungen in sehr verschiedenen Jahren stattfanden, so dafs fast alljährlich, neben den Ernteerhebungen, auch noch andere land- wirtschaftlich-statistischer Art vorgenommen wurden. Die deutschen Viehzählungen sind in 10 jährigen Perioden er- folgt, die Erhebungen über den Anbau in 5jährigen Perioden; die landwirtschaftliche Betriebsstatistik ist erst einmal zur Ausführung gelangt, und ist es ungewifs, ob eine Wiederholung überhaupt statt- finden soll. Eine Statistik der Botriebe bedarf aber an sich einer 498 — 179 — so raschen Wiederholung nicht. Im grofscu und ganzen ändert sich das Verhältnis der Gröfse und Zahl der Betriebe nur in längeren Zwischen- räumen und auch in solchen unter unseren agrarrechtlichen Ver- hältnissen nur in geringem Umfange. Für eine Zusammenfassung der landwirtschaftlich statistischen Erhebungen . die sich ja im wesentlichen auf die Ermittelung der Betriebe, ihrer Gröfse und ihrer Flächenverteilung, den Viehstand und das Anbauverhältnis be- schränken würden, würde somit die Forderung einer Wiederholung in längeren — sagen wir 10jährigen Perioden — als völlig zweck- mäfsig erscheinen können. — Einen nicht unerheblichen Einwand würde man allerdings gegen diese Zusammenfassung erheben können : den, dafs damit die Ver- gleichbarkeit mit den früher gewonnenen Daten zerstört werde. Denn in der That läfst sich eine Statistik des Viehstandes und des An- baues nur unter der AVahl eines solchen Zeitpunktes vereinigen, in welchem über den Anbau schon verläfsliche Angaben gemacht werden können. Damit müfste man aber den bisher gewählten Zeit- punkt für die Erhebung des Viehbestandes (in Deutschland 10. Ja- nuar) fallen lassen , da in diesem Termin über den Anbau noch nicht die erforderlichen Angaben erhalten werden können. Allein es will uns bedünken, als ob damit etwas so Erhebliches gar nicht aufgegeben würde. Wenn man von der Ansicht ausgeht, dafs die Agrarstatistik. oder präziser, die landwirtschaftliche Produktionsstatistik, auf den bisher befolgten Wegen ihre Aufgabe nicht hat lösen können, dafs sie dazu andere Wege einzuschlagen hat, und wenn man zugiebt. dafs die Vereinigung der hauptsächlichsten landwirtschaftlich-stati- stischen Einzelerhebungen zu einer einzigen Gesamterhebuug hierzu den Weg bilden würde, dann kann man die Rücksicht auf die Ver- gleichbarkeit um so mehr fallen lassen, als diese, bei uns wenigstens, noch so jungen Datums ist, dafs man sie wirklich, wenn auch nicht ohne einen gewissen Verlust damit beklagen zu müssen, aufgeben kann. Der Vorteil wird jedenfalls gröfser sein als der erlittene Schaden. Die von uns vorgeschlagene Zusammenfassung w^ürde für die früher schon erhobene Forderung — Herbeiführung des in- neren Zusammenhanges — die Befriedigung von selbst mit sich führen. Durch Verbhidung mit der Erhebung der Betriebe ist Viehstand — auch Viehnutzung, soweit darauf die Statistik einzu- gehen vermag — und Anbau unmittelbar auf die landwirtschaftlichen Betriebe bezogen. Alle verschiedenen Angaben finden ihre gemein- same Beziehung zu dem Betriebe , zu welchem sie gehören , bezw. 12* 499 33* — 180 — zu der Betriebsgriippe . da der einzelne Betrieb auch bei diesen Nachweisen verschwinden mufs. Es ist damit jedenfalls ein solcher Zusammenhang erreicht, wie ihn die bisherigen vereinzelten Nach- weise nicht zu bieten vermochten und welcher, die Wiederholung der Gesamterhebungen in regelmäfsigen Perioden vorausgesetzt, nach vielen Richtungen die ursächlichen Beziehungen zwischen den einzelnen Produktionsfaktoren würde aufzudecken gestatten. Es bleibt uns zum Schlufs zu betrachten , wie trotz dieser Beschränkung man dem der Produktionsstatistik gestellten Ziele dennoch näher kommen könne. Unsere Ansicht deuteten wir an, indem wir forderten, .,dafs eine Ergänzung der geschilderten Ge- samterhebung durch fortlaufende, systematisch angeordnete Detail- erhebungen gewonnen würde, welche an den landwirtschaftlichen Einzelbetrieb anknüpfend , dazu bestimmt sein sollten . die Resul- tate der Gesamterhebungen für die allgemeine Benutzung zu be- fruchten und gleichzeitig dieselbe zu Zwecken der praktischen Verwertung in den engeren landwirtschaftlichen Kreisen geeignet zu machen'^ Wir möchten zur näheren Erläuterung dieser For- derung nochmals den Ausspruch Engels anknüpfen , „dafs dem Staate die Statistik dienen soll, wie dem Einzelwirt eine gute Buch- führung*^ Sind beide — Statistik und Buchführung — in ihrem Wesen verwandt, so müssen beide auch unmittelbar miteinander in Verbindung gebracht werden können. Die Buchführung des Einzel- wirtes soll dazu dienen, den Wirt erkennen zu lassen, ob er den- jenigen höchsten Ertrag erreicht hat, welclier nach Mafsgabe seiner Betriebsmittel, seiner Aufwendungen und der Produktionsfähigkeit seines Besitzes erwartet werden darf. Nichts anderes will die Pro- duktionsstatistik für den Staat, für den gesamten Grund und Boden und die darauf verwandten Kosten und Arbeit feststellen. Wir sahen, dafs ihr dies nicht gelingt, einfach, weil sich eine Reihe von Faktoren dem Erfassen durch die Statistik entzieht, und eben darum gelangten wir zu dem Schlufs. dafs die allgemeine Statistik einer Ergänzung bedürfe , welche durch Gewinnung der Nachweise aus zahlreichen Einzelbetrieben die Erklärung für die Zahlenreihen der allgemeinen Statistik geben würde. Diese in ihren Zielen mit der unsrigen übereinstimmende For- derung war schon früher von Conrad gestellt. Seine Ansicht war, dafs sich eine Anzahl über das Land verbreiteter statistischer Bureaus bilden sollten, private Vereinigungen, landwirtschaftliche Vereinigungen u. s. w., welche sich die Aufgabe stellen müssten, die Detailerhebungen 500 — 181 — über eine grofse Anzahl von Betrieben zur Ausführung zu bringen. Es war — wenn auch nicht ausgesproclien — damit eine Dezentrali- sation der Statistik gewollt, eine Verzweigung in zalilreiche einzelne Stellen mit wenigen Beamten, von welch letzteren aber die Annahme gehegt wurde, dafs sie mit den wirtschaftlichen Verhältnissen ihres kleineren Bezirkes eine besondere Vertrautheit sich angeeignet liaben müfsten. Eine solche Dezentralisation — wie sie auch im Einzelnen gedacht sein möge — würde ohne Zweifel nach vielen Richtungen hin auch auf die Arbeiten der Statistik günstig wirken. Aber in Bezug auf die Detailerhebungen würde lediglich eine Dezentralisation auch kaum zu Resultaten gelangen , die sich wesentlich von den- jenigen der allgemeinen Erhebungen unterscheiden würden. Denn wie sollte dies erreicht werden ? Der Beamte der kleineren Zentral- stelle vermag ebensowenig wie der Leiter einer gröfseren zentrali- sierten Anstalt selbst sich mit den Erhebungen zu befassen ; er kann nicht den einzelnen Betrieb aufsuchen, dort die nötigen Nachforschungen anstellen und Eintragungen machen. Auch er ist angewiesen auf das Mittel der Fragebogen, die er durch dritte beantworten, sammeln, vielleicht auch zusammenstellen läfst. Dadurch wird jedenfalls nicht das gewonnen, was wir unter den Detailerhebungen verstehen, eine Darstellung der gesamten Ergebnisse des Betriebes während des B e trieb sj ahr es. Nur dies, für eine mögliclist grofse Anzahl von Betrieben der verschiedensten Art, könnte die Ergänzung der allgemeinen Statistik bieten. Es ist also lediglich mit der Dezentralisation der Statistik nicht gethan. Sie mag der Anfang zur Erzielung besserer Resultate sein, und sie ist notwendig gewifs auch für die allgemeinen Gesamt- erhebungen; für den Zweck der Anstellung von Detailerhebungen handelt es sich aber um die Durchführung eines neuen Er- hebungsverfahrens: Es mufs die landwirtschaftliche Buchführung in den Dienst der Statistik gestellt werden. In den in Baden, Hessen und Württemberg ausgeführten Enqueten ist diese Methode zum erstenmal zur Anwendung gelangt ; vielleicht nicht mit besonders gutem Erfolg — immerhin doch mit einem ge- wissen Erfolge, während die Detailerhebungen, wie sie Conrad for- derte , doch bisher nur ein Wunsch geblieben sind. Man hat sich der Buchführung des Einzelwirtes bedient, um daraus die Anhalts- punkte zu gewinnen für eine Berechnung der durch den qu. Betrieb gewährten Rentabilität. Nicht der Erfolg, der Versuch ist hier für 601 — 182 - uns das Mafsgebende. Warum soll mau nicht den einzelnen Land- wirt, der doch unter allen Umständen die geforderten Angaben liefern mufs, derart in den Dienst der Statistik stellen können, dafs er durch seine Buchführung ein völliges Bild seines Betriebes giebt? Zunächst freilich wird dies an der Thatsache scheitern, dafs der Landwirt zu wenig Buch führt. Aber sollte die Statistik da dem Landwirt nicht entgegenkommen können; sollte sie nicht, wie sie bei Gelegenheit der Anstellung jeder einzelnen Erhebung grofse Fragebogen mit Erläuterungen, Tabellen u. s. w. herausgiebt, ein Verfahren finden, welches in einfachster Weise dem Landwirt An- leitung zu einer einfachen , den Anforderungen des gewöhnlichen Betriebes entsprechenden Buchführung giebt? Wir denken uns die Dezentralisation der Statistik etwa im Sinne Meitzen's durchgeführt: eine Anzahl kleinerer Bureaus, vielleicht in den Kreisstädten. Der Leiter derselben, ein mit den wirtschaftlichen, insbesondere auch den landwirtschaftlichen Verhältnissen vertrauter Mann, ist in der Lage, die Kreisangesessenen persönlich kennen zu lernen , die landwirt- schaftlichen Vereine zu besuchen, zu belehren, Aufklärung zu ver- schaffen. Ihm müfste es ein Leichtes sein, eine Verbindung der Statistik mit der Buchführung des Einzelnen herbeizuführen. Voraus- setzung würde nur die zweckmäfsige Anlage eines „Buches" sein, in welche der Landwirt seine Buchführung einträgt. Unsere tech- nischen Hilfsmittel gestatten es, dieselben so herzustellen, dafs durch eine einmalige Anschreibung gleich eine doppelte Aufzeichnung er- folgt, so dafs am Schlüsse des Jahres das Buch getrennt und die eine Aufzeichnung dem Landwirt zu seiner Benutzung verbleibt, die andere dem statistischen Bureau zur weiteren Verwertung überwiesen wird. Es ist natürlich, dafs solche Buchführung nur so zur weiteren Verwendung gelangen dürfte, dafs Name des Gutes und des Besitzers dabei völlig wegfällt. Die Anleitung zur Buchführung an sich würde schon eine segens- reiche That sein. Aber wir erkennen an , dafs die Statistik ohne weiteres kaum zu einer solchen veranlafst sein könnte. Da sie aber dieser Buchführung sich als Mittel zum Zweck bedienen kann, so mufs ihr auch daran gelegen sein, das Mittel in ihre Gewalt zu be- kommen. Dafs dies geschehen kann, wenn auch nur langsam, scheint uns einem Zweifel nicht zu begegnen. Einmal spricht dafür der relative Erfolg der Enqueten in den süd- und mitteldeutschen Staaten. Die einzelnen Wirtschafter haben sich nicht gescheut, soweit sie dazu in der Lage waren , die nötigen Angaben zu machen und, so- so 2 — 183 — weit überhaupt eine Buchführung vorlag, Einblick in dieselbe zu gewähren. Es spricht dafür aucli das bekannte Vorgehen einzelner landwirtschaftlicher Zentralvereine , welche durch Aussetzung von Prämien für die beste Buchführung die betr. Betriebsleiter anzu- spornen suchen und diesen Zweck auch bis zu einem gewissen Grade erreichen. Denken wir uns, dafs seitens der statistischen Bureaus eine leicht verständliche Anleitung mit völlig vorgedrucktem Tabellen- schema zur Verteilung gelangte, dafs unter Umständen auch sie vielleicht durch Vermittelung der landw. Vereine für die vollstän- digsten Ausfüllungen Prämien aussetzen würde, wozu ihnen die Mittel ja durch die Ersparung einer grofsen Zahl der bisherigen Gesamterhebungen zufliefsen würden, so meinen wir, dafs jedes Bureau in der Lage sein würde, für je eine Anzahl von Betrieben ihres Be- zirkes die genauen Nachweisungen über den Gang des Betriebes zu erhalten. Das aber ist es, was erforderlich ist, um die Angaben der Gesamterhebungen verständlich zu machen, um unter Benutzung der Spezialnach weise für das gesamte Gebiet des Staates Sclilufs- folgerungen auf den Gang, die Entwickelung und den Erfolg der landwirtschaftlichen Produktion zu ziehen. Gegenwärtig ist dies trotz aller Erhebungen nicht möglich. Vielleicht würde ein Versuch in vorgedachter Richtung zeigen, dafs diese Art der Detailerhebung die Statistik fördern und, nicht nur durch die Anleitung zur Buchführung, sondern auch durch die nachherige Bereitstellung einer auf die eingegan- genen Nachweise sich stützenden gemeinverständlichen Darlegung, die Statistik dem Landwirt als etwas für ihn praktisch Verwertbares darstellen würde. Wir sind uns wohl bewufst, dafs wir hiermit einen Weg an- deuten, vor dessen Beschreitung man zunächst eine gewisse Scheu tragen wird. Man wird vielleicht von beiden Seiten in einem solchen Verfahren noch mehr als in anderen statistischen Erhebungen ein unbefugtes Eindringen in die privaten Verhältnisse erblicken. Aber dieser Einwand ist leicht durch die Bemerkung zurückzuweisen, dafs ja niemand zu einer Bereitstellung seiner Wirtschaftsanschreibung gezwungen werden soll. Es ist selbstverständlich, dafs man bei dem von uns gemachten Vorschlage nur auf ein freiwilliges Erbieten der Landwirte rechnen darf. Aber wir zweifeln auch nicht, dafs, die vorgängige Belehrung der Landwirte vorausgesetzt, sich sehr viele finden würden, welche dies Mittel, der Statistik zu dienen, gern er- greifen, weil sie darin gleichzeitig ein ]\Iittel erkennen würden, über ihren eigenen Betrieb zu gröfserer Klarheit zu gelangen. 5U3 — 184 — Wir unterlassen es, unseren Vorschlag des Näheren auszuführen ; es war uns darum zu thun , gegenüber der Thatsache . dafs weder die allgemeinen Erhebungen noch die als Ergänzung dazu geforderten Detailerhebungen bisher das Ziel der landwirtschaftlichen Produktions- statistik haben erreichen lassen, einen Weg aufzusuchen, auf dem man dazu gelangen würde. Wir glauben diesen Weg in der Be- schränkung und Zusammenfassung der allgemeinen Erhebungen und in der Anbahnung einer Detailstatistik nach unserem Vorschlage zu erblicken. Irren wir nicht, so ist die Erkenntnis der Notwendigkeit einer Beschränkung und Zusammenfassung schon in der offiziellen Statistik zum Ausdruck gekommen : wir glauben in der Anstellung der deutschen Betriebsstatistik den Beginn von solchen statistischen Erhebungen erblicken zu dürfen, wie wir sie als allein förderlich für die Produktionsstatistik erachten. Für eine Detailstatistik nach unserem Vorschlage haben aber die Enqueten die ersten einleitenden Schritte gethan. Die Enqueten haben unter diesem Gesichtspunkt noch nicht eine besondere Beachtung und Würdigung erfahren. Wir glauben aber, dafs, wenn man das Ziel der Produktionsstatistik mit Ernst zu erreichen sich erst bestreben wird, man dann auf das Vor- gehen der Enqueten zurückkommen und vielleicht auch in unserem Vorschlage ein geeignetes Mittel erkennen wird, diesem Ziele immer näher zu kommen. Eine Statistik der landwirtschaftlichen Produk- tion, d. h. eine solche, die Wesen und Entwickelung der Produktion ])is in ihre kleinsten Faktoren hinein würde zur Darstellung bringen, kann nur durch ein enges Hand in Handgehen der Statistik mit dem Landwirt selbst erzielt werden. Gleichzeitig aber — und hiermit kommen wir zum Schlüsse noch einmal auf die in der Einleitung berührte Veranlassung zu unserer Untersuchung zurück — würde die Beschränkung in den produktionsstatistischen Arbeiten Raum schaffen für die Entfaltung einer gröfseren Thätigkeit der Statistik nach jener Richtung hin, welche nicht sowohl den landwirtschaftlichen Betrieb und seine Re- sultate, als vielmehr die, damit zwar in Verbindung stehenden und teilweise sogar durch Art und Erfolg des Betriebes bedingten Ver- hältnisse des Grund])esitzes und des Standes der Grundbesitzer nach ihren agrarrechtlichen und sozialpolitischen Beziehungen ins Auge fafst. i»-ÄSxao-.. G. Pätz'sche Bachdr. (Lippert & Co.), Naumburg a. S. 504 Staatswissenscliaftliche Studien. In Verbindung mit Prof. Dr. Böhm von Bawerk in Innsbruck. Prof. Dr. Gnstav Colin in Gröttingen, Prof. Dr. Eheherg in Erlanoren. Hofrat Prof. Dr. Helferieh in München. Hofrat Prof. Dr. von Inama-Sternegg in Wien. Greh.-Rat Prof. Dr. Laspeyres in Giefsen, Prof. Dr. I^iexis in Göttingen, Prof. Dr. Carl Meng^er iu AVien, Prof. Dr. von Mia.skowski in Breslau. Prof. Dr. J. Neuniann in Tübin-ren, Prof. Dr. Paasche in Marburg. Prof. Dr. Pierstorif in Jena. Geh. -Rat Prof. Dr. Röscher in Leipzig, Holrat Prüf. Dr. Schanz in Würzburg, Prof. Dr. von Schöiiberg in Tübingen, Prof. Dr. Stieda in Rostock. Prof. Dr. Umpfenbach in Königsberg, Geh.-Rat Prof. Dr. Ad. Wagner in Berlin h erausgegeb en von Dr. Ludwig Elster, Professor an der Universität Breslau. 3. Band, 2. Heft. Otto Kiibiier, Die Methode der letzten franzö- siselien Bodenbe Katasterproblem. siselien Bodenbewertuiig. Ein Beitrag zum Jena, Verlag von Oustav Fischer. 1889. Die Methode der letzten französischen BodenbeAA ertung. Ein Beitrag zum Katasterproblem. Von Otto Köbner. -»•^* -* Jena, Verlag von Grustav Fischer. 1889. Die nachfolgende Abhandlung ist hervorgegangen aus dem sta- tistischen Seminar der k. k. Universität zu Wien. Vorgelegt von Hofrat Prof. Dr. von Inama-St er n egg. Den Manen der Mutter. Es sei mir gestattet an dieser Stelle herzlichsten Dank meinem hochverehrten Lehrer. Herrn Hof rat Prof. Dr. v. Inama-Sternegg, Präsidenten der k. k, statistischen Centralkommission, auszusprechen. Die nachfolgende Abhandlung habe ich auf seine Anregung hin in Angriff genommen . und für die Beschaffung der Materialien von Herrn v. Foville in Paris hat er in liebenswürdigster Weise Sorge getragen. Wien, im März 1889. Otto Köbner. Nach der letzten amtlichen Erhebung beträgt in Frankreich die Grundsteuer - Hauptsumme : im niedrigstbesteuerten Departement 0.95 ^/o — im höchstbesteuerten 7,21 'Vo, im niedrigstbesteuerten Arron- dissement 0,74% — i^i höchstbesteuerten 9,47%. im niedrigstbe- steuerten Kanton 1,00% — ini böchstbesteuerten 15.57 "^O' endlich in der niedrigstbesteuerten Gemeinde (Coti-Chiavari auf Korsika ')) 0,19 % — in der höchstbesteuerten (Archiac im Departement Charante- Inferieure) 30,03%. Die eine Kommune ist also nach einem 158 mal so hohen Steuer- fufs belastet als die andere ! Noch weit ärger ist das, zifFermäfsig leider nicht ermittelte, Mifsverhältnis zwischen den einzelnen Steuerzahlern, da die Kon- tingente der einzelnen Gemeinden innerhalb dieser wieder nach einem ganz veralteten und darum ungerechten Mafsstabe repartiert werden. Dabei haben sich aber die mafsgebenden franzrisischen Kreise nicht etwa auf den Standpunkt jener Theorie gestellt, welche die Grund- steuer als eine unveränderliche Reallast jedes Grundstückes auffafst und Ungerechtigkeiten in der Verteilung dadurch ausgeglichen glaubt, dafs die heutigen Besitzer schon im Kaufpreise die kapitalisierte Steuer berücksichtigt hätten. Vielmehr erkeimen alle Parteien in Frankreich das Unhaltbare des heutigen Zustandes an, seit einem Jahrhundert arbeiten Regierung und Volksvertretung? wie die Wissen- schaft an der Grundsteuerfrage, es sind statistische Vorarbeiten ge- macht worden, wie sie in mancher Hinsicht kein anderes Land auf- zuweisen hat, es sind mindestens 200 Millionen Fr. für Kataster- und andere Bodenbewertungsarbeiten verausgabt worden, für Arbeiten, ') S. Bulletin de statistique et de legisl. comparee (Ministere des finances) 1883, XIV, S. 40. — Sieht man selbst von den Zahlen für Korsika ab, weil hier vielleicht besondere Rücksichten vorliegen, so ist der niedrigste Departemental- steuerfufs (Aude) 2,50 "<,. der niedrigste Kommunalsteuerfufs (Mont. St. Michel, Dep. Manche) 0,47 "„. Staatswissenachaftl. Studien. III. „e 1 5 — 2 — die gar keinen anderen Zweck als den einer gerechten Grundsteuer- verteilung verfolgten. Die wenigen angeführten Zahlen werden genügen, um das Auf- sehen verständlich zu machen, welches in Frankreich die „Neue Bewertung des Ertrages der nicht überbauten Grundstücke" ^) hervor- gerufen hat, eine summarische Erhebung, von der man die wenigstens annähernde Ausgleichung der Ungerechtigkeiten erhofft, an deren Beseitigung durch das schwerfällige Rieseninstrument des Katasters man, arg enttäuscht, zu verzweifeln scheint. Aber aus eben diesem Grunde verdient über Frankreich hinaus die vorliegende Bewertung die Aufmerksamkeit nicht nur der Wissen- schaft, sondern auch der Praktiker. Allenthalben werden mehr und mehr Zweifel laut, ob die Verläfslichkeit des Katasters den grofsen Opfern an Zeit und Geld entspreche, welche er überall erfordert hat. Gerade auf die französische Entwickelung wird in erster Linie von den Gegnern des Katasters auch in der deutschen Wissenschaft hingewiesen. Diese französische Entwickelung aber führte , man möchte sagen mit zwingender Logik, zu dem vorliegenden anders- gearteten Versuche, der in seinen Vorzügen wie seinen Fehlern der wertstatistiscben Methode manche Lehre bietet. Die Erhe])ung, obgleich im Urmaterial bereits aus den Jahren 1879 — 81 stammend, ist noch von aktuellem Interesse insofern, als ihre praktischen Konsequenzen nach heftigen Delmtten nur auf- geschoben sind und der Verwirklichung harren. Zudem ist soeben erst eine Revision eines Teiles der Bewertung aus dem Jahre 1884 erschienen. -) *) Nouvelle Evaluation du revenu foncier des proprietes non bäties de la France, i'aite par l'administration des contrilmtions directes en execution de Tartide 1er de la loi du 9 aoat 1879. — Paris 1883 401 pg. Methodoloßfisch am wichtigsten : Annexes ii la circulaire du 7. nov. 1879 N, 583. Vgl. Annales du Srnat de 1884, Bd. 1, Sitzungen v. 24. u. 26. Januar. Auszüge etc. im Bulletin de statistique et de legislatiun comparee (ministere des finances) v. August und November 1879, Bd. VI pg. 70 u, 317; Februar — Juli 1883, Bd. Xnr pa. 129. 283, 419, 576 685; Dezember 1883, hd. XIV pg. 35; September 1884, Bd. XVI ])g. 273. über den Begriflf „proprietes non baties", richtiger zu übersetzen „nicht gebaute Besitzungen", s. unten S. 27. •) S. Bulletin 1888, Dezember, Bd. XXIV S. 684: „La valeur du sol par arrondissement 1851, 1879 et 1884". 66 — 3 — I. Die Entwickelung der Bodenbewertungsmethoden in Frankreich. Das Ergänzungsverhältnis zwischen Kataster und summarischer Erhebung. 1. Sowohl die Vorzüge als noch vielmehr die Mängel der vor- liegenden Bewertung sind nur aus ihrer Vorgeschichte verständlich, aus den praktischen steuerfiskalischen Bedürfnissen . denen sie ihr Dasein dankt, aus ihrem Verhältnis zu verwandten vorher- gehenden und gleichzeitigen Arbeiten. Und wie ihre objektiven Eigenschaften . so sind in noch viel höherem Grade alle die sub- jektiven Urteile und Verurteilungen, die man in Frankreich über die Erhebung ausgesprochen hat . allein erklärlich aus den ver- schiedenen und widersprechenden Erwartungen, welche man über ihre praktische Verwendbarkeit hegt. Suchen wir darum zunächst aus der verwirrenden Mannigfaltigkeit der bisherigen französischen Bodenbewei'tungs-Oi3erationen diejenigen leitenden volkswirtschaft- lichen^ finanzpolitischen und besonders wertstatistischen Ent- wickelungspunkte in gedrängtester Darstellung blofszulegen. welche als organische Vorbedingung der vorliegenden Erhebung erscheinen. ^) 0 Vgl. besonders den etwas kritiklosen, aber an Quellenstellen reichen Ar- tikel „Cadastre" v. Ed. Arnon in Leon Says ,,Dictionnaire des finances, 6 t. u. 71. fasc. S. 742 fg. Paris 1886. — Hock, Die Finanzvervvaltung Frankreichs. Stutt- gart 1857. — Kaufmann, Die Finanzen Frankreichs. Leipz. 1882. — Wagner, Über direkte Steuern, in Schönbergs Hdb. d. Pol. Ök. 2. Aufl. 1885. III S. 175 fg. — Desselben Verf. Finanzwissenschaft, III. Teil: Spez. Steuerlehre, 3. Heft: Die franz. Best, seit 1789. Greschichtl. Übers. Direkte-, Verkehrs- und Erbschafts- best. (Enregistrement u. Stempelwesen). Leipz. 1888. Der Abschnitt über die Grundsteuer (S. 434 fg.) berücksichtigt — zuerst in der deutschen Litteratur — auch die letzte ßodenbewertung, soweit dieselbe im Bulletin des Fin. erschienen (s. ob. Anm. zu S. 2), vornehmlich natürlich nach der finanzpolit. Seite, Wagner hält auch nach dieser Erhebung an . der Verurteilung des ganzen modernen ßoden- bewertungs- und Bodenbesteurungssystems fest. ,,Die Kritik triff't die Aufgabe selbst, das ,, ,,Grundsteuer- und das Katastrierungsproblem'"' als solches*' (a. a. 0. S. 452). Wir haben die Grundfrage nach der Zweckmässigkeit des Ertrags- steuersystems absichtlich überhauj)t nicht berührt. Für uns war die Methode der vorliegenden Bewertung im Zusammenhange mit den Methoden auf anderen Gebieten der Wertstatistik, welche im W^iener Seminar behandelt wurden, ursprünglich von rein theoretisch-statistischem Interesse (auf dies Interesse der Daten verweist auch Wagner a. a. 0. S. 440, 446). Auch sonst liegt es auf der Hand, welch aufserordentliche Wichtigkeit eine möglichst vollkommene öfient- 1* 67 5* ^ 4 — Die Frage eines Landeskatasters stand auf der Tagesordnung, als 1789 die Generalstaaten berufen wurden. Aus diesem Jahre liegt ein ungemein interessantes Projekt eines „Cadastre perpetuel" von Babeuf vor.^) Es ist bekannt, dafs die Nationalversammlung mit den andern Steuern auch die alten Grundsteuern (taille. vingtieme) abschaffte, dafs sie nicht lange mit den Assignaten auskam, dafs sie recht rasch die Notwendigkeit neuer Steuern einsah. Da, scheint es, drang die physiok ratische Theorie in ihrem h e rv orr age n den Vertr e ter Dupont de Nemours durch, aber, ohne sich dessen klar I) e w u f s t zu sein, schon modifiziert durch Smith 'sehe Anschauungen.-) lich-rechthche Feststellung des Wertes von Grrund und Boden (Kataster) für Theorie und Praxis, für öffentliche und private Interessen, für Verwaltuno- und Rechtsprechung hat. Wagner selbst ])etont die Nützlichkeit des Bodenkatasters als Grundlaire auch jeder andersgearteten direkten Besteuerung der ländlichen Bevölkerung (Personal- und Einkommen-, ev. auch Vermögenssteuer. S. bei Schönberg III S. 249). Endlich spricht er selbst die Ansicht aus: „Trotz aller dargelegten Mängel wird die einmal bestehende (irrundsteuer beizubehalten sein" (ebenda S. 248;. Darum glauben wir, selbst wenn wir die Frage nach der Zweck- mäfsigkeit direker Bodenbestenerung ganz auf sich beruhen lassen, sagen zu dürfen: Bei allen Mängeln beansprucht die Methode der vorlieg^enden Erhebung durch wichtige, freilich noch recht unklar hervortretende, doch in ihren Konsequenzen fruchtbare Refornigedanki'u ein mehr als blofs historisches Interesse. — ') Das äufserst seltene Buch, für dessen Benutzung ich Herrn Prof. Anton Menger in Wien zu Dank verpflichtet bin, betitelt sich : Cadastre perpetuel , ou Demonstration des j)rocedes convenables a la for- mation de cet important Ouvrage, pour assurer les principes de l'Assiette et de Repartition justes et permanentes et de la Perception facile d'une Contri- bution ITnique, tant sur les Professions Territoriales, que sur les Revenus Personnels; avec l'exposö de la Methode d'Arpentage de M. Andifi'red par son nouvel Instrument, dif (4 ra])h om etre-T r igo n om etr i que; niethode infini- ment plus accelerative et plus süre etc. Dedie a l'Assemblee Nationale. — Das Buch, in welchem übrigens noch keinerlei sozialistische Gedanken zu finden, will durch den Kataster das ganze Steuerproblem lösen. Es stellt einen „cadastre reel" u. einen „cadastre personnel" auf für die beiden nach ihm allein gerechten Steuern: „contr. personnelle" und „c. reelle" (pg. 7). Weiterhin aber (pg. 127) wird er- klärt, dals im Grunde jeder Büger nach seiner Konsumtion an der Realsteuer teilnehme ; seine Auffassung ist, wie der Titel sagt, schliefslich doch die von der „contribution unique". Zu?- Erklärung dieser nicht sehr klaren Anschauungen s. d. folg. Anmerk. '-) Es ist viel über den Einflufs der physiokratischen Theorie auf die Anfänge der revolutionären Steuergesetzgebung gestritten worden — nur um die Anfänge handelt es sich, bald folgte eine Fülle anderer Auflagen, in denen niemand ein System wird sehen wollen. Unter Hinweis auf jene Theorie wurde oft, nament- G8 Unter Beibehaltung des physiokratischen Begriffs der ..einzigen Steuer'^ wurde die Grundsteuer (23. Nov. — 1. Dez. 1790) in Ver- bindung mit der Personal-Mobiliarsteuer (13. Jan. — 18. Febr. 1791) beschlossen. Die Grundsteuer, als die bei weitem wichtigere Abgabe, wurde für den Augenblick auf 240 Mill. Fr. festgesetzt und sollte unter die einzelnen Landesteile entsprechend kontingentiert werden. Zu der Summe von 240 Mill. aber kam man nach den einen, ^) indem man den Reinertrag der überbauten und nicht überbauten Grund- stücke Frankreichs auf 1440 Mill. Fr. veranschlagte und davon '/^ einhob, nach andern,-) indem man jenen Ertrag auf 1200 Mill. schätzte und V5 forderte. Jedenfalls war jene Schätzung des Boden- wertes eine höchst summarische. Aufser dieser Schätzung war aber noch eine zweite zu machen, um eine Grundlage für die Verteilung der Steuer auf die einzelnen Landesteile zu gewinnen. Da man keinerlei statistische Daten hierfür hatte und das Geld rasch brauchte (das Gesetz v. 1. XII. 1790 galt schon für den 1. I. 1791), so half lieh von französischen Schriftstellern, behauptet, dafs die Steuer auf den Grund- besitz als letzte und eigentliche Quelle aller Erträge, ursprünglich als alleinige beabsichtigt worden sei. Dagegen bestreitet Kaufmann (a. a, O. S. 161 u. 195) jeden Einflufs der Theorie und weist auf den fast gleichzeitigen Beschlufs der Personal- Mobiliarsteuer hin. Ihm gegenüber betont "Wagner (Finanzwiss. III, S. 378 u. 382) mit Recht den physiokratischen Einflufs; er ist der Ansicht, dafs ursprünglich 1 direkte Haupt- und 1 direkte Nebensteuer beabsichtigt gewesen seien. Doch möchten wir die damals mafsgebenden Anschauungen nicht mehr eigentlich physiokratische nennen. Wir erkennen in Babeufs Schrift den inter- essanten, noch halb unbewufsten Übergang der volkswirtschaftlichen Ansichten, der uns in der nationalökonomischen, französischen Litteratur jener Zeit mehr- fach entgegentritt und auch in den Köpfen der Gesetzgeber vor sich gegangen sein mag : Smithsche Gedanken gewannen schon Einflufs, während man noch streng an der Nomenklatur der Physiokraten festhielt : man sprach noch von der Grundsteuer als ,,contribution unique", während man nicht mehr Grund und Boden allein, sondern auch Arbeit und Kapital als selbständige Produktionsfaktoren be- steuerte. ') U. a. Parieu im Senat (a. a. (3. S. 139 f.). 2) U. a. Kaufmann a. a. Ü. S. 188 Anm. — Die Dififerenz erklärt sich vielleicht durch eine Verwechslung der urspr. zu jenen 240 Mill. geforderten 25 Centimes additioneis (vgl. Labuze im Senat, a. a. 0. S. 188 fg.). 1200 Mill. Fr. gibt Lavoisier an , der neben anderen zu einer Schätzung aufgefordert wurde und, zur Eile gedrängt, die „Resultats extraits dun ouvrage intitule „„De la richesse territoriale du Royaume de France"", ouvrage dont la redaction n'est point encore achevee" übergab. Die kleine, auf streng physiokratischem Boden stehende Schrift ist höchst geistreich, dabei sich ihrer durch die Lage der da- maligen Statistik bedingten Ungenauigkeiten sehr wohl bewufst. 69 — 6 — man sich, indem man jene Summe auf die einzelnen Departements nach dem Verhältnisse verteilte, in welchem diese bisher Steuern ge- zahlt hatten, und zwar die Summe aller direkten wie indirekten. So sah das erste Surrogat einer Bodenbewertung aus. Doch zweifelte kein Mensch damals, dafs dieses plumpe Umlageverfahren nur ein Provisorium sei — thatsächlich dauerte das Provisorium recht lange. — Schon in demselben Finanzgesetz von 1790 hiefs es ausdrücklich, die Steuer solle ,,par egalite proportioneile" (Art. 1), solle nach dem „revenu net", dem Reinerträge (Art. 2), solle nach dem Durchschnittsertrage (Art. 3) einer Reihe von Jahren bemessen werden. Man beriet fast zur seihen Zeit über einen Kataster, von dem man die endgültige gerechte Verteilung erwartete, man gründete ein besonderes Katasterbüreau unter einem sehr tüchtigen Leiter (de Prouy), dessen Instruktion von der x\kademie der Wissenschaften gebilligt wurde; es wurden der Assemblee Constituante, der Legisla- tive, der Convention nationale, es wurden dem Direktorium Entwürfe vorgelegt — keiner wurde in jenen unruhigen Zeiten verwirklicht. Unter dem Konsulate wurden die allgemeinen Klagen zu arg. Man ordnete 1801 (22. Januar) eine Revision an. indem man von jedem Grundeigentümer Selbsteinschätzung verlangte. — Das Ver- fahren ergab ganz ungenügende Resultate. Da ging man zur amtlichen Schätzung zurück. Eine eigens eingesetzte Kommission erkannte, dafs nur ein Parzellenkataster die Ausgleichung schaffen könne. Doch man scheute Kosten und Dauer eines solchen und beantragte einen cadastre general par masses de culture, d. h. einen Kataster, welcher ohne Rücksicht auf den einzelnen Besitzer Umfang und Ertrag der verschiedenen Kultur-Klassen des Bodens einer jeden Kommune angeben sollte. ^) In diesem Umstände (aber nur in diesem) gleicht jener Massen- kataster den späteren summarischen Erhebungen, auch der vorliegenden. Für die Zwecke der Praxis zeigte sich das Ding ganz un- brauclibar. A))er noch entschlofs man sich nicht zum Parzellen- kataster überzugehen, sondern wählte ein Mittelding, einen so- genannten „cadastre demiparcellaire", Halb-Parzellenkataster. -) Es heifst, dafs die höheren Beamten pekuniäre Opfer aus eigner Tasche brachten. •*) Dem vStaate kostete die Geschichte bis ') Über die noch vereinfachte Weise, in welcher dieser Massenkataster an- fänglich (1802) dekretiert wurde, s, Dictionnaire des fin. S. 746. ^) Vorl. darüber Dictionnaire des fin. S. 747. ""') S. ebenda. — 7 — 1806 über 20 Mill. Fr. und die verlorene Arbeit von 5 Jahren — die Klagen wurden nicht geringer. Im Jahre 1807 endlich ging man zum Parzellenkataster über. In dem Gesetze aus diesem Jahre heifst es: „Messungen veranstalten über eine Ausdehnung von mehr als 7901 DMyriameter (Frankreich hatte damals seine gröfste Aus- dehnung) , mehr als 100 Mill. Parzellen , für jede Kommune einen Plan in Atlasblättern feststellen, wo diese 100 Mill. Parzellen ein- getragen sind, sie alle nach dem Fruchtbarkeitsgrad des Bodens klassifizieren, den steuerbaren Ertrag einer jeden einschätzen; dann unter dem Namen jedes Eigentümers die zerstreuten Parzellen ver- einigen , die ihm gehören ; durch Vereinigung ihrer Erträgnisse sein Gesamteinkommen bestimmen und von diesem eine Eintragung machen, welche von da an die unveränderliche Grundlage seiner Steuer sein wird, was ihn von all den Einflüssen befreien wird, über welche er so lange sich zu beklagen hatte; das ist der Zweck dieser Operation.'' Im Jahre 1811 erschien die berühmte „Methodische Sammlung der Gesetze, Dekrete, Keglements, Instruktionen und Entscheidungen über den Kataster Frankreichs'' in 1144 Artikeln — man hat sie mit Recht als ,,un vrai code cadastraP' bezeichnet. Sie ist in die meisten europäischen Sprachen übersetzt, einzelne ihrer Bestimmungen sind wörtlich in der Steuergesetzgebung anderer Länder rezipiert worden. Für Frankreich gelten noch heute mit einigen noch zu erwähnenden Änderungen ihre Regeln, gilt noch heut fast überall ihre Schöpfung, das riesige Katasterwerk von 1808—1850. Unter der trefflichen Leitung Delambres, des ständigen Sekretärs der Akademie der AVissenschaften, wurde eigens ein sehr starkes Korps von Geometern geschult, es wurden die Werkzeuge verfeinert. Man hatte 3 Arten von Geometern 1. Klasse, entsprechend den 3 technischen Hauptarbeiten (travaux de l'art) : der Abgrenzung der Kommunen (delimination) , der Triangulierung, endlich der Auf- stellung des Planes (lever du plan) aller Parzellen. Die Arbeiten geschahen unter strenger und vielfacher Kontrolle, unter thätiger Mitwirkung der Grundbesitzer, welche über die Zwecke der Operation aufgeklärt wurden. Die zweite grofse Gruppe von Operationen (die ökonomischen) zerfiel in 5 Verrichtungen: Zuerst geschah die Klassifikation, d. h. die abstrakte Einteilung jeder Kulturart einer jeden Gemeinde in mehrere Klassen, ..gemäfs 71 — 8 — den verschiedenen Graden von Fruchtbarkeit des Terrains und Wert des Ertrages''. Es gab höchstens 5, in jeder Gemeinde natürlich anders abgegrenzte Bonitätsklassen für jede Kulturart landwirtschaft- lichen Bodens. ^) Für jede Klasse wurden '2 Muster-Parzellen als Typen gewählt, eine bessere (type superieur) und eine geringere (type inferieur). Für Gebäude, die damals gleichzeitig im Kataster auf- genommen w^urden, war die Operation verwickelter. Für uns ist von Wichtigkeit nur, dafs der Gebäudeboden in die erste Ackerklasse jeder Gemeinde gerechnet wmrde. Es folgte die Feststellung des Reinertrages einer jeden Bonitäts- klasse pro Hektar. Diese Oj^eration. die für uns wichtigste des ganzen Verfahrens, erfolgte nach den Grundsätzen eines Gesetzes von 1798^) (November), dessen wichtigste Artikel (56-57) folgende für den Praktiker recht brauchbar scheinende Fassung haben: ,,Zur Schätzung des steuerbaren Ertrages urbarer Ländereien sollen sich die Rei)artiteurs zunächst über die Natur der Pro- *) Kaufmann (a. a. O. S. 176) sagt: „Nach dem Ideal hätte man für den ganzen Staat nur ein einziges Kriterium für jede Qualitätsklasse des Bodens an- nehmen müssen, so z. B., dafs man alle Acker, welche netto 200 Fr. aufbringen, in die erste Klasse, diejenigen, welche etwa 175 Fr. aufbringen, in die zweite, solche, welche nur einen Ertrag von 150 Fr. haben, in die 3. Klasse schätzte u. s. w." — Wenn nun aber in einer Gemeinde alle Acker mehr als 2^)0 Fr. aufbringen, in einer anderen alle weniger als 150 Fr.? Wenn die besten Acker einer Ge- birgsgemeinde noch weit hinter der geringsten einer entfernten Kommune in fruchtbarster Gegend und mit vorzüglichen Verkehrsverhältnissen zurückstehen? Um alle Acker des Landes in ein Klassensystem zu bringen, müfste man eine sehr grofse Anzahl von Klassen machen. Es liegt doch nur eine rein formelle Verschiedenheit vor, und derselbe Zweck wird erreicht, wenn in jeder Gemeinde eine kleine Anzahl von Klassen gebildet wird innerhalb der Grenzen, in welchen der Werth aller Acker der betr. Gemeinde sich bewegt. Die Nummer jeder Klasse hat nur die Bedeutung einer Ordnungsnummer. AVenn jede Klasse klar durch einen Geldbetrag bezeichnet wird, so ist der Verg^leich zwischen den ver- schiedenen Klassen der verschiedenen Gemeinden behufs Repartition von deren Steuerkontingenten sehr einfach. Wenn nur eben ein einheitliches Kriterium für die Abschätzung in Geld vorliegt! — Es ist ein Mifsverständnis, dafs im Gesetze von 1807 und im ,.recueil methodique" für das ganze Land ein einheitliches Kriterium der Klassifikation beabsichtigt, ein solches dann auf je 1 Departement, weiter auf 1 Kanton, schliefslich auf 1 Gemeinde beschränkt wurde, und dafs dadurch der Kataster unbrauchbar zur Steuerrepartition zwischen den ver- schiedenen Gemeinden geworden ist. Die Gründe hierfür liegen anderswo (siehe unten S. 12 f. u. S. 9 f.); die Grundgedanken der Klassifikation sind dieselben geblieben (vprl. I>ict. des Fin. S. 755). -) Ähnliche Bestimmungen schon im Gesetz von 1790, s. o. S. 6. 72 — 9 — (lukte . die jene liefern können . Gewifsheit verschaffen . wie Weizen, Roggen. Flachs, Hanf, öl- und farbstoffhaltige Pflanzen etc. Dann sollen sie den Wert des Bruttoertrages im Durchschnittsjahre berechnen, indem sie dieses aus den 15 vorhergehenden Jahren mit Weglassung der zwei besten und zwei schlechtesten bilden. Wenn der jährliche Durchschnittsbruttoertrag bestimmt ist, ziehen die Repartiteure von ihm die Kosten für Kultur, Saat, Ernte und Unterhaltung ab. Der Rest soll als steuerbarer Reinertrag gelten und als solcher in die „etats de section" eingetragen werden." Hier ist mit aller Schärfe ausgesprochen, dafs die Reinertrags- ziffer in direkter Weise berechnet werden soll. Wir haben es 1. mit einer absoluten Wertziffer für jede Parzelle, 2. mit einem Pro du ktio ns werte zu thun. Beides wurde berechnet in den vor 1821 katastrierten Gemeinden. Da wurde aber aus noch zu erwähnenden Gründen gesetzlich be- stimmt, dafs der Kataster hinfort nur noch als Repartitionsinstrument innerhalb jeder einzelnen Gemeinde zu dienen habe, dafs zwischen den verschiedenen Gemeinden und gröfseren Bezirken die Steuer nach einem andern Mafsstabe zu kontingentieren sei. ^) Damit wurde es überflüssig, die absolut richtigen Ziffern für den Bodenwert einer Kommune und ihrer ein- zelnen Besitzungen zu gewinnen. Es genügte, wenn nur innerhalb einer jeden Gemeinde die einzelnen Kultur- und Bonitätsklassen proportional ihrem Reinertrag bewertet wurden. Mit diesem für die ganze weitere Entwickelung ent- scheidenden Übergange von absoluten zu relativen Ziffern fand zugleich der Übergang von der Feststellung des Pro- duktionswertes zu einer weit laxeren Wertbemessung statt. Anstatt der sehr schwierigen und verwickelten „direkten" Bestimmung des Reinertrages schätzte man jetzt nach Kauf- und Pachtakten, nach den eignen Erfahrungen der Schätzenden, endlich nach einem Wertmesser, welcher als „notoriete publique", also „öfl'entliche Meinung" bezeichnet wird, die sicher höchst wertvoll zur Korrektur, zur Heranziehung accidenteller Faktoren im einzelnen Fall — neben ') S. unten S. 12 f. und S. 17 f. — 10 — den in der Regel allein in Rechnung gezogenen konstanten — . allein doch ganz ungenügend als Basis exakter Schätzungen ist. In der That fielen die Schätzungen allgemein viel zu niedrig aus; aber man begnügte sich, wenn sie innerhalb einer Kommune proportional zu niedrig waren. Im Grunde hätten die Leute ohne jeden Schaden für sich und mit grofsem Nutzen für die Wert-Statistik ehrlich sein können, die proportionale Unehrlichkeit nützte ihnen ja gar nicht — aber sie hatten noch aus der Zeit vor 1821 das Vorurteil, den Gesammt-Boden- Ertrag ihrer Kommune als möglichst niedrig darstellen zu wollen. Während bis dahin staatliche Sachverständige, die nicht in der betreffenden Kommune ansässig sein durften, die Schätzung vor- genommen hatten, wurde das jetzt überflüssig, es traten an ihre Stelle einheimische classificateurs. — Die dritte Operation nach der Classification und der Feststellung des Reinertrages pro Hektar der einzelnen Klassen ist das classement, d. h. die konkrete Einreihung jeder einzelnen Parzelle in eine der Bonitätsklassen der betreffenden Kulturart und damit Feststellung ihres Reinertrages, Grofse Parzellen können stückweise in ver- schiedene Klassen eingereiht werden. — Die vierte Operation besteht in den ,,ventilations'' , den .,Ver- kehrsakten-Durchsichtungen'^ Bezüglich derselben sei an dieser Stelle nur bemerkt, dafs man unter ihnen das Verfahren versteht, nach welchem der Reinertrag einer Anzahl von Besitzungen nach wirklichen Pachtakten (baux r^els). wenn solche fehlen, nach fictiven Pachtverträgen (baux fictifs) , deren Preise von den classificateurs angegeben werden, endlich nach Kaufakten (actes de vente) berechnet wird. Von der Pachtsumme werden die Unterhaltungskosten der Gebäude, der Wert ev. Mobilien etc. abgezogen. ~ Der so ge- fundene Reinertrag wird mit dem provisorischen Katasterertrag der betreffenden Grundstücke nach der direkten Bewertung verglichen. Die Operation sollte zur Kontrolle der letzteren dienen. Aber wie wir sahen, beruhte seit 1821 die direkte Schätzung selbst schon in Ausschlag gebender W^eise auf der Kenntnis aus Verkehrsakten. Es gescliah jetzt bei der Kontrolle offiziell, was bei der direkten Bewertung thatsächlich meist geschehen zu sein scheint: man nahm zum Mafsstabe den Verkehrswert. Dafs dieser durchaus mafsgebend war, kommt auch darin zum Ausdruck, dafs bei empfindlichen Differenzen zwischen den Ergebnissen der Akten- Durchsichtungen und denen der direkten Schätzung die Operationen 74 — 11 — der letzteren berichtigt wurden, d. h. die Feststellung des Rein- ertrages pro Hektar jeder Bonitätsklasse und das classement der einzelnen Parzellen. Wenn hier von Differenzen die Rede ist, so müssen wir natürlich wieder nicht an Differenzen in den absoluten Ziffern, sondern an Differenzen in der Proportionalität denken. Waren nämlich die aus den durchsichteten Akten sich ergebenden Ertragsziffern in allen Kulturarten und Bonitätsklassen proportional höher als die Zahlen für die betreffenden Parzellen nach der direkten Schätzung, so mufste diese als gut gelten ! Die letzte Katasteroperation bestand in einem weitläuligen Instanzenzuge für Reklamationen, nachdem schon bei den ver- schiedenen technischen und ökonomischen Bewertungsoperationen selbst die Grundbesitzer thätigen Anteil genommen. Die Interessen derselben waren ausgezeichnet geschützt. Um so schlimmer ist es mit Reklamationen auf Grund von Veränderungen^ die nach Vollendung des Katasters eintraten, bestellt. Berücksichtigt werden nur Kulturveränderungen, die infolge aufser- ordentlicher Naturereignisse nötig geworden sind. Alle freiwilligen Änderungen gehen den Kataster bis heute nichts an. Nach dem augenblicklichen Stande der Gesetzgebung werden noch heute in einer im ersten Jahrzehnt unseres Jahrhunderts katastrierten Ge- meinde alle Flächen als wüst aufgeführt, die in den 80 Jahren seitdem urbar gemacht worden sind.^) Das einzige, was zur Fortführung der Kataster matrikeln regel- mäfsig geschieht, ist die Registrierung des ßesitzwechsels. Diese Schreibarbeit kostet dem Staate jährlich fast 600 000 Fr. Auch sie ist nicht ohne Interesse für den Statistiker; sie zeigt, dafs in Frankreich jährlich die Zahl der Erwerber gröfser ist als diejenige der den Besitz Aufgebenden ; daraus erkennt man die fortschreitende Zersplitterung des Grundbesitzes. 2. Um noch mit dem wenigen bekannt zu werden, was seit Napoleons Katasterkodex für Erhaltung und Erneuerung des Katasters ge- schehen ist, müssen wir auf einen Augenblick zur äufseren Kataster- geschichte zurückkehren. ^) Es wurde 1874 ein Gesetz (Lanel) angenommen, welches das änderte, aber dasselbe blieb ohne Folgen und wurde 1876 wieder abgeschafft auf Antrag Says, der es durch seine weitergehenden Vorschläge ersetzen wollte — es sind bisher Vorschläge geblieben (s. u. S. 16 f.). 75 — 12 — Der Kataster wurde mit zweijähriger Unterbrechung durch die Freiheitskriege (1814—16) im territorialen Frankreich 180S - 50 aus- geführt. Später folgte Korsika, das heute fertig sein dürfte. *) Von den 1860 zu Frankreich gekommenen Departements (Meer- alpen. Savoyen, Hochsavoyen) haben die beiden letzteren ihren Ka- taster noch nicht beendet. Derselbe besteht in einem Teil der Kolonieen. Die Kosten des Parzellenkatasters bis 1850 — ohne die er- wähnten 20 Mill. für den verunglückten Massenkataster — für das kontinentale Frankreich (d. h. das 1850 noch zu demselben gehörige Gebiet, nicht die 1815 wieder abgetretenen Teile) gibt Arnoux nach allen Reduktionen, u. E. eher zu niedrig als zu hoch, auf 160 Mill. Fr. an. Als man 1807 das Riesenwerk beschlofs, wollte man, den Ideen von 1790 folgend, im Kataster ein Instrument haben, durch welches die Grundsteuer gleichzeitig Quotitäts- und Repartitionssteuer würde. Bei einem solchen Ideale einer Steuerverteilung hätte man einfach auszurechnen brauchen, wieviel Prozente von dem im Kataster summierten Gesamtbodenertrage des Landes der Staatsbedarf aus- machte, den man durch die Grundsteuer decken wollte. Dann wäre es für Staatskasse wie Steuerzahler gleich geblieben, ob man entweder jenen Prozentsatz jedem einzelnen Grundbesitzer vom Erträgnis seines Bodens abverlangt hätte (Quotitätssteuer), oder ob man die Gesamtsumme der Steuer auf die Departements, weiter auf Arrondisscments, Kantone, Kommunen, endlich auf die Einzelnen repartiert hätte. Aber die Erfahrung lehrte die Unbrauchbarkeit des Katasters als allgemeinen Repartitionsinstrumentes. Man beschränkte sich 1813 darauf, ihn zur Repartition des Departementalkontingentes zwischen den einzelnen Kantonen des betreffenden Departements zu verwenden. Im folgenden Jahre wurde nur noch das Steuerkontingent eines jeden Kantons innerhall) desselben auf die einzelnen Gemeinden nach dem Kataster verteilt. Im Jahre 1821 (31. Juli) endlicli rrreichte diese Entwickelung ihren Abschlufs in einem Gesetze, nach welchem der Kataster nur noch zur Steuerverteilung innerhalb einer jeden Gemeinde dienen sollte. Die Bestimmung des Gesamtkontingentes jeder Kommune aus dem des Arrondisscments, dieses wieder aus demjenigen des be- ') An» 1. I. 1884 fehlten noch 22 Kommunen. S. Dictionnaire des finances S. 766. — 13 — treffenden Departements, endlich die Feststellung der Departemental- kontingente sollte nach einer noch zu erörternden, ganz ver- schiedenen Bewertung des Bodenertrages erfolgen. Wir haben gesehen , welche Folge diese ausschliefsliche Auf- fassung des Katasters als Repartitionsmafsstabes innerhalb jeder Ge- meinde auf die statistischen Operationen durch den Übergang von absoluten zu relativen Zahlen, ') weiterhin mittelbar durch den Über- gang vom Produktions- zum Verkehrs werte übte. Eine weitere wichtige Folge hatte jenes Gesetz von 1821. welches den Kataster als eine ausschliefslich die Gemeinden, nicht den Staat angehende Sache erklärte, dadurch, dafs jetzt der Staat auch nicht mehr die Kosten desselben trug; er unterstützte nur einzelne bedürftige Departements bzw. Gemeinden aus einem Fonds, welcher noch heute besteht. Im übrigen zahlten die Departements, sie brachten die Kosten durch Zuschläge (Centimes additioneis) zur Grundsteuer auf. Trotz dieser selbst zu tragenden Kosten trieb die ünvollkommen- heit der älteren Katasterarbeiten in den 40 er Jahren eine Reihe von Departementalräten dazu, in einer grofsen Anzahl von Gemeinden Erneuerungsarbeiten vornehmen zu lassen. Da entschied auf die Beschwerde eines nach einer solchen Neukatastrierung in seiner Grundsteuer Gesteigerten der Staatsrat im Jahre 1848: im Gesetze von 1807 liege das Prinzip der fixite des evaluations cadastrales, der fiskalischen Unveränderlichkeit des Bodenertrages. Damit würde der Kataster jedes andere als historische Interesse für die Preis- und Wertstatistik verlieren. Aber dieser kommen die wirtschaftlichen Bedürfnisse der Praxis zu Hilfe. Diese duldeten jenen absurden Zustand nicht. Es kam 1850 (7. August) ein neues Gesetz zustande, nach welchem die Kommunen, deren Kataster mindestens 30 Jahre alt war, auf eigne Kosten sich einen neuen machen lassen durften. Das Gesetz besteht, obwohl seine Abschaffung sehr häufig be- antragt wurde, noch heute. — Da die Departementalräte aber zum Zwecke der Katastererneuerung nicht mehr spezielle Zuschlag- centimes erheben dürfen , die .Gemeinden selbst zu einer so kost- *) Für 1879 gab der Kataster den Reinertrao^ des steuerbaren Bodens von Frankreich noch immer auf 805035008 Fr. an, während derselbe nach der vor- liegenden Erhebung 2645505 565 Fr. betrug. In den einzelnen Kulturarten und lokalen Bezirken ist das Mifsverhältnis natürlich noch gröiser. — 14 — spieligen Unternehmung meist nicht die Mittel haben, so sind die Revisionen seitdem sehr spärlich geworden. Von den 1850 katastrierten 35\/o tausend Gemeinden haben 1851 — 1885 eine Erneuerung vorgenommen: 328! Die übrigen zahlen noch heute ihre Steuern nach einer Wertmessung, die 40 — 80 Jahre alt ist. So würde, wie ein Senator richtig bemerkte, die Erneuerung des französischen Katasters etwa 3600 Jahre erfordern. In den Verhandlungen über jenes Gesetz von 1850 wurde freilich ausdrücklich eine staatliche Neuregelung vorbehalten. Seitdem wie schon vor jener Zeit haben ungezählte Spezialkommissionen über die Frage beraten, ungezählte Entwürfe wurden in den verschiedenen Stadien der Gesetzgebung angenommen — keiner gelangte zur Voll- endung. Die Restauration wie das Julikönigtum , die zweite Republik wie der dritte Napoleon haben die Frage aufgeworfen , keine von diesen Regierungen erlebte ihre Lösung, sie fiel der dritten Republik als lastende Erbschaft zu; heute stehen wir vor zahlreichen und widersprechenden Projekten ,,verba, non res*" ruft Leroy-Beaulieu. den das französische Grundsteuersystem zu den bitteren, von Reignie im Senate angeführten Worten hingerissen hat: ,,La France est le pays des esprits timides qui craignent hi responsabilit^ et le travail.^' Stets hat die Scheu vor den riesigen Kosten einer durch- greifenden Neuordnung diese vereitelt — im Verein mit der Scheu des jedesmaHgen Regimes vor den politischen Folgen einer stärkeren Belastung der durch lange Jahre Bevorzugten in dem einflufsreichen Grund))esitzerstande. Wenn bis lieute die öffentliche Unzufriedenheit in dieser Frage nicht einen noch stärkeren Ausdruck gefunden hat, so ist das wahrscheinlich zwei Umständen zuzuschreiben. Einmal hat nämlicli die Regierung die Ungerechtigkeiten in der Verteilung durch eine Verminderung der Gesamtsteuerlast weniger lülilbar zu machen gesucht, hat auch einzelnen besonders beschwerten Departements wiederholt Erleichterungen gewährt — mit welchem Erfolge für eine gleichmäfsige Verteilung, darüber reden die ein- gangs angeführten Zalilen ! So sehr die Lage der Landwirtschaft zu einer Minderung ihrer Steuerlast berechtigen mochte und lieute vielleicht mehr als je mag — der in Frankreich bisher btvschrittene [uud, wie wir sehen werden, neuerdings wieder geplante) Weg führt nicht zu einem er- strebenswerten Ziele. — Während der Bodenreinertrag Frankreichs — 15 — von 1790—1874 von 1440 oder 1200 Mill. auf 3959 Mill. stieg.') ist die Grundsteuerhauptsumme in derselben Zeit von 240 Mill. auf nicht ganz 168 Mill. gesunken. Und dieses Sinken ist ein noch viel stärkeres für die eigentliche Grundsteuer (contribution fonciere des proprietes non bäties) allein ; denn in jenen Zahlen steckt der leider nicht isolierte Anteil der Gebäudesteuer (contribution fonciere des proprietes bäties), die sich in Folge zahlreicher Neubauten stark vermehrt hat. — Von 1790 — 1879 ist der Steuerfufs der eigent- lichen Grundsteuerhauptsumme von 20^/^ oder 16,67% (^- ^- S* ^^-^ auf 4,49% gesunken. Im Budgetvoranschlag für 1889 ist die „Grundsteuerhauptsumme'' für den Boden allein (c. fonciere des proprietes non bäties. seit 1883 von der Gebäudesteuer, c. fonciere des proprietes, bäties getrennt, s. S. 17) festgesetzt mit 118 553 000 Fr. — unter Gesamteinnahmen von 3 011392 675 Fr. im Ordinarium. Aufserhalb des Ordinarium sind allerdings Zuschlag -Centimes aller Art mit 133170 952 Fr. veranschlagt.-) Davon für Rechnung der Departements 68 854890 Fr., für die der Gemeinde 61840 373 Fr., endlich für Fonds zur Deckung von Steuerausfällen, Anfertigung der Steuerrollen etc. 2475 689 Fr. Der andere Grund, weshalb die französischen Grundbesitzer noch immer mit verhältnismäfsiger Ruhe der veralteten Bewertung und ungerechten Besteuerung von Grund und Boden zuschauen, scheint uns in der Zersplitterung des Gi;undbesitzes und der dadurch bedingten Geringfügigkeit jeder einzelnen Steuerquote zu liegen: nach einer Aufstellung aus 1858 — seither ist die Zerstückelung fortgeschritten — betrugen die Hauptsteuer und die Zuschlag- centimes zusammen unter 13 Millionen Steuerquoten: weniger als 5 Fr. bei 50,97 % „ 20 Fr. „ 79,63% „ 100 Fr. „ 96,32% „ 1000 Fr. „ 99,88%. — Von den mannigfachen Bestrebungen für Neuordnung des Katasterwesens sei ein Entwurf des Finanzministers Lacave-Laplague von 1846 erwähnt, nach welchem der Kataster erneuert und auf dem ^) S. Kaufmann a. a. O. S. 188. Da für die ältere Zeit der Ertrag des Bodens selbst von dem der Gebäude nicht zu trennen ist, so wird die vorlieoende Erhebung zum Vergleiche erst brauchbar werden, wenn ihre im Gange befind- liche Ergänzung, die nouvelle eval. des poprietes bäties (s. u. S. 75), vollendet sein wird. 2) S. Bulletin de stat. et de 16gisl. comp. (Min. des fin.) 1888 Juli Bd. XXIV S. 5. 79 — 16 — laufenden erhalten werden sollte, um für Verwaltung und Recht- sprechung ein wertvolles Hilfsmittel zu liefern. Der französische Kataster hat Fragen des Eigentums grundsätzlich umgangen, die Abgrenzung der Parzellen geschah nur nach der „jouissancepresente", d. h. dem augenblicklichen Besitz. ^) Seither suchte man bei verschiedenen Gelegenheiten -) die in anderen Staaten längst bestehende Gestaltung des Katasters an einem Grundbuche und seine Benutzung zur Hypothekenregistrierung durchzusetzen. Solche Bestrebungen wurden u. a. laut anläfslich der ver- schiedenen grofsen Agrikulturenqueten, besonders derjenigen der 60 er Jahre. Diese Enqueten berühren sich natürlich vielfach einerseits mit dem Kataster, anderseits mit Bodenwert-Erhebungen wie der vor- liegenden. Sie sind aber ihrem Zweck wie ihrer Methode nach wesentlich von diesen verschieden, und wir erwähnen sie hier nur, um vor der oft gemachten Verwechselung zu warnen.'^) Ein Niederschlag der erwähnten Bestrebungen für eine Neu- gestaltung des Katasters, welclie besonders lebhaft seit 1871 infolge der vermehrten Staatsbedürfnisse auftraten und zu verschiedenen Resolutionen in den Kammern führten, war das Gesetz, richtiger die Sammlung von Gesetzen, welche der damalige Finanzminister Leon Say 1876 (23. März) dem Parlamente vorlegte. Der Entwurf erkennt die Unhaltbarkeit des bestehenden Zu- standes an, meidet aber ängstlich alle durchgreifenden Änderungen als unthiinlich, er ist der verkörperte Oportunismus. Sein wesent- lichster Inhalt ist — mit Beiseitelassung zahlreicher spezieller Änderungen — folgender: Der Kataster soll auch weiterhin nur zur Repartition innerhalb jeder Gemeinde dienen. Da der Staat nicht über die Mittel zu seiner Erhaltung und Erneuerung in ganz Frankreich verfügt, auch die verschiedenen Landesteile je nach der gröfseren oder geringeren Zersplitterung und Beweglichkeit des Grundbesitzes ein sehr ver- ') Dies übersieht Hock, welcher, im übrigen ein arger ZweiHer am Werte des Katasters, doch von „einem holien "Werte desselben zur Feststellung der Eigentumsverhältnisse" spricht (s. Hock a. a. (). S. 140). -) Dies noch nicht folgerichtig im Projekt von 1840, aber in der Ober- kommission von 1868 und seitdem mehrfach. ') Die letzte dieser Agrikulturenqueten fand 1882 statt und wurde 1887 ver- öflentlicht, s. darüber in Conrads Jahrbücheru 1888 N. F. Bd. 17 S. 231 f. — 17 — scliiedenes Interesse an jenen Operationen haben, so bleiben dieselben den Departementalräten überbissen. — Gesetz geworden ist bis heute nur eine der zahlreichen Einzelbe- stimmungen des Entwurfs, dafs nämlich die Grebäudesteuer von der Grundsteuer losgelöst ^) und die Gebäude in eine besondere Kataster- matrikel übertragen werden sollen. Am 1. Januar 1883 war diese Operation durchgeführt. Zugleich mit diesen Vorschlägen über den Kataster brachte Say 1876 (23. März) und zum zweiten Male 1879 (29. Maij einen Entwurf ein, welcher am 9. August dieses Jahres Gesetz wurde: es Avurde ein aufserordentlicher Kredit von 1 000 000 Fr. für die „Neue Schätzung des Reinertrages der nicht überbauten Grundstücke" er- öffnet, deren Ergebnisse uns vorliegen. 3. Eine statistische Operation wie diese ist scharf vom Kataster zu trennen. Sie ist ihrer Idee nach etwas Ver- schiedenes, sie ist den heutigen konkreten Katasterver- hältnissen in Frankreich nach etwas Entgegengesetztes. Beide Operationen stehen im Ergänzungsverhältnis, die Bedeutung der einen beginnt dort, wo die der andern aufhört. Der Kataster stellt heute, und wird dies auch nach Says Projekt thun, den Bodenwert innerhalb jeder Kommune dar, in Zahlen, die thatsächlich gar keine, offiziell nur relative, d. h. proportionale Richtigkeit haben. Der Kataster betraclitet, wenn wir uns so aus- drücken dürfen, die Kommune nur von innen, die vorliegende Er- hebung sie nur von aussen: sie fafst die Kommunen als Ganzes auf, ihre einzelnen Bestandteile sind ihr gleichgültig. -) Sie berechnet den Reinertrag einer jeden Kulturart für jede Gemeinde, durch Addition den für jeden Kanton, weiterden für jedes Arrondissement, für jedes Departement, schliefslich den für ganz Frankreich. Nach diesen Reinerträgen soll dann eine Verteilung der Steuer auf die einzelnen Departements, Arrondissements, Kommunen statt- finden. Die neue Erhebung dient also zur Repartition in den 1) S. unten S. 27. 2) Kaufmann (a. a. O. S. 177—181 u. 186) zählt die Vorgängerinnen der vor- liegenden Erhebung und deren eigene Vorbereitung (die Ergebnisse lagen beim Erscheinen des Buches, 1882, noch nicht vor) ohne weiteres zu den Kataster. Operationen. Er vermifst deshalb in den summarischen Erhebungen die Berück- sichtigung der einzelnen Steuerobjekte. — Q Staatswissenschaftl. Studien. HI. g. * 6 — 18 — 3 ersten Graden, der Kataster im 4.. nämlich auf die einzelnen Steuerzahler, ^j Der Grund dieser Doppelfunktion liegt auf der Hand : für die individuelle Steuerverteilung braucht man eine fein nuancierende, individuelle Verhältnisse berücksichtigende Bewertung, wie sie nur ein Kataster liefern kann. Gerade jene Eigenschaften aber machen diesen leiclit unfäliig zum Instrumente der Repartition über gröfsere Gebiete. Seine Herstellung dauert hier viel zu lange , zwischen Beginn und Vollendung liegen meist Jahrzehnte und mit ihnen be- deutende Kulturfortscliritte etc. Die zuletzt katastrierten Landes- teile werden benachteiligt.-) Je mehr man diesen Übelstand durch möglichst gleichzeitige Inangriffnahme des Katasters in allen Landes- teilen heben will, desto kostspieliger wird derselbe durch das er- forderliche gröfsere Personal. — Aufser den ungeheuren Kosten ist dann auch an sich die Langwierigkeit der Operationen störend, wenn es sich um ein sofortiges Geldbedürfnis des Staates oder um dringende Abstellung von argen Ungerechtigkeiten in der Verteilung handelt. Alle diese Mängel fehlen bei einer Boden Werterhebung, welche nur gröfsere Wirtschaftsgebiete einander vergleicht; sie arbeitet billiger, rascher und darum gleichmäfsiger. ^) *) Dieses System wurde schon von Lamoio^non de Malesherbes in einer Re- montrance au roi du 6 mai 1775 vorgeschlagen (s. Dict. des Fin. S. 749). — Wagner (bei Schönberg III S. 247; Finanzwiss. III S. 446) hat den Wert des Katasters als Repartitionsinstrumentes innerhalb jeder Gemeinde als Welleicht am fraglichsten bezeichnet. Allerdings können bei der Bewertung des ein- zelnen Gutes nicht so leicht wie bei der eines gröfseren Gebietes etwaige bei der individuellen Schätzung untergelaufene Fehler sich kompensieren. Doch sind bei der genauen gegenseitigen Kenntnis und Kontrolle der Grundbesitzer, deren Wichtigkeit auch Wagner betont (s. bei Schönberg III S. 245 u. 249), innerhalb eines so kleinen und einheitlichen wirtschaftlichen Gebietes Abweichungen von der wenn auch nicht absolut, so doch proportional richtigen Schätzung weniger zu fürchten als bei der Vergleichung lokal getrennter Bezirke — namentlich bei Bewertung durch Einheimische und starker Beteiligung der Genieindekasse an der Grundsteuer (s. S. 19). ^) Beispiel dafür ist der ältere österreichische Kataster: NiedenJsterreich 1835, Böhmen 1853 — 59. — Im Gegensatz dazu befolgt der preufsische Kataster, der billig und vor allem rasch hergestellt wurde (18H1 — 65), ein mehr summarisches Verfahren, meidet miJglichst eine spezielle Reinertragsberechnung und schätzt mehr nach allgemeinen „Erwägungen" (vgl. Wagner bei Schönberg III S. 242 f.) — Beim französischen Kataster mufsten ganz besonders die maimigfachen polit. Unruhen jener langen Zeit die Gewinnung normaler Verkehrswerte erschweren (vgl. Wagner, Fin. III S. 451). ^) Wie die vorliegende Erhebung den Kataster also nicht übertiüssig macht, 82 — 19 — Von Nutzen wären derartige Erhebungen namentlich für die Revisionen eines Katasters : diese sind Grundbedingung für den dauernden' Wert desselben, aber sehr scliwierig, wenn er jedesmal von Grund auf verändert werden mufs, und deshalb fast überall ver- nachlässigt. — Nach regelmäfsigen summarischen Be- wertungen könnte der Ausgleich der Steuerkontingente zwischen den verschiedenen, ungleich s^ch entwickeln- den Wirtschaftsgebieten eines Staates eintreten. Solche Erhebungen müfsten für das ganze Land ein- heitlich von staatlichen Beamten besorgt werden. Im Innern der einzelnen Gemeinde dagegen sollten die Bodenbewertung (Individualkataster) und die Repar- tition des Grundsteuerkontingentes den mit den ört- lichen Verhältnissen vertrauten Organen der Selbst- verwaltung überlassen werden. In den verschiedenen Gemeinden kann zu sehr verschiedenen Zeiten das Be- dürfnis einer Revision sich geltend macheu. Doch soll der Staat eine Maximalperiode festsetzen, innerhalb deren eine solche überall vorgenommen werden mufs. Im übrigen wäre das Gemeinde budget durch starke Beteiligung am Ertrage der Grundsteuer wirksam für deren möglichst rationelle Aufbringung zu inter- es sier en. — Zu allen diesem sind Ansätze in Frankreich vorhanden. That- sächlich aber ist mit dieser Doppelfunktion von Kataster und summarischer Erhebung bisher nie auch nur ein ernstlicher Versuch gemacht worden ^) : Auf der einen Seite dient der französische Ka- so wäre sie auch gar nicht mögHch gewesen ohne die Voraussetzung eines, wenn auch noch so mangelhaften Katasters. Diesen nimmt sie, wie wir sehen werden, als Ausgangspunkt. Darum kommt ihr Grundgedanke eben besonders für Kataster- revisionen in Betracht. — Vgl. zur „Reform der Grundsteuer" die Vorschläge Wagners (b. Schönberg III S. 248 f.), von obigem etwas abweichend, doch auch eine Art Doppelsystem für die Steuerverteilung innerhalb jeder Gemeinde und zwischen den verschiedenen Gemeinden enthaltend. Über eine Modifikation des obigen Systems s. unten 8. 72. — Des näheren auf die steuerpolitische Seite der ßodenbewertung einzugehen, lag, wie vorausgeschickt, nicht in der Absicht dieser Arheit. — ') Das Fiasko der französischen Grundbesteuerung scheint uns darum nichts gegen die Brauchbarkeit jenes Gedankens zu beweisen. Wir glauben nicht, dafs man schon sagen kann: ,,Die Geschichte dieser französischen Steuer hat den Beweis geliefert, dafs auch das richtig gestellte Grundsteuerproblem schlechter- dings nur sehr mangelhaft gelöst werden kann'" (Wagner. Fin. III S. 436). o* 83 6* — 20 — taster jetzt in Wirklichkeit auch nicht zur Repartition innerhalb der Gemeinde, da ja die einzelnen Steuerquoten von Jahr zu Jahr unverändert bleiben. Andrerseits werden wir sogleich sehen, dafs man sich an eine metliodisch richtige, streng durchgeführte Revision der Departemental- bezw. Gemeindekontingente bis heute nie ge- wagt hat, so schätzenswerte statistische Vorarbeiten auch vorliegen. Die vorliegende Erliebung ist nicht die erste dieser Art in Frankreich. Brauchte man doch schon früher einen Repartitions- mafsstab für die ersten Grade. Wir erwähnten die erste rohe Steuergrundlage von 1790. Sie gehört nur ihrem Zweck, nicht ihrer Methode nach an diese Stelle — wenn man bei ihr überhaupt von einer Methode reden darf. Wir erwähnten . dafs man später eine Zeit laug den Plan hegte , den Kataster auch als Repartitionsinstrument zwischen den Bezirken verschiedenen Grades zu benutzen. Als im Jahre 1821 das erwähnte Gesetz davon endgültig abstand, bestimmte dasselbe, dafs die Kon- tingente von den Departements bis hinab zu den Kommunen nach den Ergebnissen einer 1818 — 21 vorgenommenen Erhebung berichtigt werden sollten. Diese Erhebung ruhte auf dreierlei Material : dem Kataster, so- weit er damals fertiggestellt war, auf Pachtverträgen, auf Kaufakten. ^) 1. Man rektifizierte den Katastervertrag in schon katastrierten Kantonen nach Pachtverträgen, dividierte ihn dann durch die Haupt- steuersumme des betreffenden Kantons und multiplizierte mit dem Quotienten die Steuersumme des ganzen betreffenden Arrondissements. War in einem Arrondissement noch kein Kanton katastriert, so be- reclinete man den Reinertrag jenes nach dem Durchschnitt der übrigen. 2. Berechnete man aus Pachtpreisen der Jalire 1797 — 1809 den Reinertrag der l)etrelfenden Grundstücke durch Subtraktion der Kosten für Unterhaltung und Reparaturen der Häuser, Werkstätten und landwirtschaftlichen Gel)äude, der Zinsen für Vieh und Vor- schüsse des Besitzers an den Pächter und überhaupt aller Ausgaben, die das Einkommen des Pächters vermindern. Diesen Reinertrag dividierte man dann durch die Grundsteuerhauptsumme der be- treffenden Güter und multi])lizierte mit dem Quotienten abermals die Grundsteuerhauptsumme des ganzen Arrondissements. 3. Berechnete man den Reinertrag von Grundstücken aus Kauf- akten nach dem gewöhnlichen Zinsfufse. den damals in Grund und ») S. Vandal im Bulletin v. 1879 VI S. 112. 84 — 21 — Boden angelegtes Kapital brachte. Mit diesem Reinertrag verfuhr man ebenso wie unter 1. und 2. und erhielt so eine dritte Rein- ertragsziffer für jedes Arrondisseinent. Aus allen 3 Ziffern wurde der Durchschnitt gezogen und als wahres Reineinkommen des Arrondissements betrachtet. Man nahm also die Steuer zur Grundlage der Proi^ortion bei einer Erhebung, welche selbst erst eine proi^ortionale Steuer schaffen sollte ! Die durch diesen Zirkelschlufs gewonnenen Ergebnisse wurden übrigens nur in sehr beschränktem Mafse dazu verwandt, die am ärgsten überlasteten Departements zu erleichtern. Seit dieser ganz ungenügenden Revision aber ist der Mafsstab der Repartition unter den Departements unverändert, die späteren Bewertungen sind bisher überhaupt ohne praktische Folgen geblieben! Die zweite hier zu erwähnende Erhebung wurde im Jahre 1850 durch eben jenes Gesetz (7. August), welches das Katasterwesen regelte, verordnet und 1851—54 durchgeführt. Ihre Methode war unvergleichlich genauer, verwickelter als die von 1821, sie enthielt zahlreiche Kontrollmittel. Es ist im wesentlichen schon dieselbe Methode Avie die der vorliegenden Erhebung, und wir werden sie bei dieser eingehender zu untersuchen haben. ^) Wir können in diesen historischen Ausführungen um so eher über sie hinAveggehen , als sie ohne jede praktische Folge blieb. Ihre Ergebnisse scheinen sogar als eine Art Staatsgeheimnis ge- golten zu haben. ^) ^) Ausgezeichnet ist die Erhebung von 1851 vor der von 1879 durch einen vorausgeschickten Generalbericht, welcher bei der neuen Arbeit leider ganz fehlt. Derselbe ist von Vandal, dem damaligen Direktor der direkten Steuern, in dieser Eigenschaft Leiter der Erhebung, an den Finanzminister gerichtet und erfafst scharf alle einschlägigen praktischen wie theoretischen Fragen. — Diese Erhebung von 1851 umfafste übrigens „projDrietes non bäties" wie „proprietes baties", trennte aber scharf alle Ergebnisse (auch die gewonnenen Prozentzahlen etc.) für beide Iramobilienarten und bietet so die Möglichkeit interessanter Vergleiche mit der neuen Bewertung. ^) Sie lagerten in 85 grofsen Foliobänden im Finanzministerium und sind 1871 mit dem Gebäude verbrannt. Ein glücklicher Zufall rottete den 86. Band, welcher die übrigen, je ein Departement umfassenden, rekapitulierte. Sein wesent- licher Inhalt wurde teils wortgetreu, teils im Auszuge als eine Art Vorbereitung für die neue Erhebung im Jahrgange 1879 des Bulletin de statistique veröÖ'entlicht. Vgl. L'enquete de 1851 sur les revenus territoriaux de la France continentale im Bulletin 1879, August — Oktober, Bd. VI S. HO. 185, 248. 85 — 22 — II. Die sogenannte ,, direkte Bewertung'' in der neuen Erhebung. Deren Stellung zum Produktions- und zum Verkehrswerte. 1. Die dritte Erhebung ist die vorliegende . welche . wie erwähnt, 1876 und 1879 ebenfalls gleichzeitig mit einem umfangreichen Plane zur Neuordnung des Katasterwesens beantragt wurde. Ihre Arbeiten währten vom Ende 1879 bis Ende 1881. Die Ergebnisse wurden dann von der Zentralverwaltung revidiert, zu- sammengefafst und in den Nummern des Bulletin de statistique et de Legislation comparee vom Februar-Juli 1883 in 38 Tabellen dar- gestellt. Eine ausführliche Veröffentlichung wurde im Juni 1883 den Kammern und Generalräten in dem ., blauen Bande*' — so hiefs der Foliant bald in den Couloirs der Kammern — übergeben. ^) Derselbe enthält formvollendet 87 grofse Tabellen.^) Diese Tabellen sind aber nichts als Kombinationen der ver- schiedenen Kolonnen der wenigen Formulare, welche mit der Haupt- instruktion den Beamten im November 1879 übermittelt wurden (s. oben Anm. 1 zu S. 2), und deren zwei wichtigste wir hier angehängt haben (s. u. S. 76 — 77). Deren Verständnis, und nur deren Verständnis klärt über die zahlreichen fraglichen Punkte der grofsen Publikation auf. Über jene grofse Publikation ist in Frankreich viel geschrieben und gesprochen worden, über diese bescheidenen paar Blätter, welche für die Beamten selbst bestimmt waren, wie es scheint, gar nichts. — *) Sowohl die Veröfifentlichung im Bulletin als die des blauen Bandes fand vor der Abgabe des Gutachtens der Departeraeutalräte sowie vor dem Schlufs- urteil der eigens (durch Dekret v. 12. VI. 84) einberufenen Kontrollkommission statt. Die Kritik der Greneralräte (Herbstsession 1883 und Frühjahrssession 1884) war im allgemeinen günstig. Doch ergab sich nach den neuen Angaben einiger derselben ein Durchschnittssteuerfufs von 4,68% oregenüber 4.49% nach Schätzung der Erhebung. (8. Senatsverh. 1884, 1 S. 163 und Bulletin 1884, XVI S. 274 Anm.) Die Kontrollkommission, welche im Juni - Juli 1884 unter dem Vorsitz des Finanzministers tagte, drückte im wesentlichen ihre Zufriedenheit mit der Arbeit aus. Es langen ihr Ergänzungsberichte der Direktoren der direkten Steuern von Ende 1883 über die Veränderungen in den Bodenerträgen seit 1879 vor. 1884 fand eine Revision (aller Operationen?) der Bewertung statt, deren Ergebnisse jedoch nur betreffs des durchschnittlichen Kaufwertes jedes Arrondissements per Hektar im Dezemberhefte 1888 des Bulletin veröffentlicht wurden. S. darüber unten S. 60. -) Später wurden die Ergebnisse der Erhebung noch in einem (uns nicht bekannt gewordenen) Atlas dargestellt. 86 — 23 — Die beiden so verschieden gestalteten Drucksachen stehen zu einander als Methode und materielles Ergebnis. Einige Ausführungen zur Erklärung und Kritik der Methode der Erhebung knüpfen sich darum am leichtesten an das Haupt-Formular. Es heifst ,,Tableau des ßodenbestandes und der Erträgnisse der nicht überbauten ^) Besitzungen der Kommune X.". Dasselbe Formular diente aber nicht nur für die auf 1 Gemeinde bezüglichen Angaben, sondern auch für die folgenden Zusammenfassungen über den betreffenden Kanton, das Arrondissement, das Departement. Endlich war es, wie gesagt, grundlegend für die Veröffentlichungen bezüglich ganz Frankreich. Das Formular besteht aus den Tableaus A — D. Von diesen betitelt sich A: ,, Allgemeine statistische Angaben'". Nach unserm Sprachgebrauch hiefse es ,, Allgemeine nicht-statistische Angaben^', da es sich um nicht in Zahlen darstellbare allgemeine Verhältnisse handelt. Sie betreffen: 1. Lage und Topographie, 2. physische und kulturelle Bodenbeschaffenheit, 3. Art des Betriebes, 4. Handel und Industrie, 5. Kommunikationsmittel, Märkte und Absatzwege, 6. Wohlstand der Bevölkerung. Diese Angaben , welche vor keiner Preis- oder Wertstatistik fehlen sollten, sind unentbehrlich für das Verständnis der auf einen bestimmten Bezirk bezüglichen Zahlen. Sie haben jedenfalls auch bei der Kritik dieser Zahlen in den verschiedenen Stadien der Ver- waltung entscheidende Berücksichtigung gefunden. Unmittelbar aber haben sie in den blauen Band, welcher durchaus in der Zahlen- sprache redet, -) keine Aufnahme gefunden. Das Tableau A enthält noch die Berechnung der Zahl der Grrundbe- sitzer aus derjenigen der Grundsteuerquoten — eine Aufstellung, welche unmittelbar mehr die Bevölkerungs- als die Preisstatistik angeht. Das letzte der erwähnten Tableaus (D) betitelt sich : „Zusammen- fassung und Schlüsse" und enthält über die vorhergehenden hinaus nur die Berechnung einiger Proportionen. •') Es bleiben somit für unsere Betrachtung nur die ])eiden liier angehängten Tableaux B und C. Sie entsprechen den 2 Haupt- ^) richtiger der nicht gebauten Besitzungen, s. unten S. 27. 2) Mit Ausnahme natürlich der sehr beachtenswerten Kolonne „Bemerkungen" eines jeden Tableaus. 3) S. unten S. 59 f. 87 — 24 — teilen unserer Erhebung : B umfafst die Operationen . welche sich auf die sogenannte , .direkte Bewertung^' beziehen, C enthält die „Übersicht der Durchsichtungen von Verkehrsakten (ventilations) oder Kontrolle (justification) der direkten Bewertung'^ Auch wir wollen unsere Darstellung in diese beiden Hauptteile zerlegen. Wir wollen die beiden Gruppen von Operationen und ihr Verhältnis zu einander beleuchten und untersuchen, ob wir es wirk- lich mit 2 selbständigen Gruppen zu thun haben , wie der blaue Band und wie es seine Kritiker anzunehmen scheinen. Die beiden Tableaus werden erläutert durch die vorgedruckte, seinerzeit im Bulletin de stat. (1879. VI S. 317 f.) wiedergegebene Instruktion. ^) Auszüge aus andern bezüglichen Instruktionen gibt die Ein- leitung des blauen Bandes. 2. Zunächst ein paar Worte über das Personal der Arbeiten. An der ganzen Erhebung hat. ausgenommen vielleicht bei den letzten zusammenfassenden Rechnungen , kein Statistiker von Beruf mitge- wirkt. Sie wurde, wie schon ihr Vorbild 1851, ausgeführt von der Generaldirektion der direkten Steuern, wie sie ja der Grundsteuer- frage ihr Dasein dankt. Diese Generaldirektion steht (wie die 5 andern finanziellen Generaldirektionen Frankreichs) offiziell nicht in Abhängigkeit vom Finanzministerium, obwohl thatsächlich die Ver- bindung naturgemäfs eine sehr enge ist. "^) Von der Zentraldirektion ressortieren 86 Direktoren in den Departements. Dies waren die Leiter der Erhebung. Sie haben ihre ünterbeamten instruiert und durch stete Verbindung und Korrespondenz einerseits mit diesen , anderseits mit den Direktoren der Nachbar- departements und mit der Zentralverwaltung die Einheitlichkeit der Arbeiten gesichert. Sie haben deren Ergebnisse korrigiert, haben dieselben für jeden Kanton, jedes Arrondissement, schliefslich für ihr ganzes Departement zusammengefafst und der letzteren Zusammen- fassung eine genaue Darstellung und Kritik der Arbeit beigefügt. ^) Unter den Direktoren stehen die nicht viel zahlreicheren In- spektoren, endlich die eigentlichen Schöpfer der Arbeit, die Kon- ') vom 20. September 79 ; weiterhin einfach als „Instruktion" angeführt. -) Betretfs der Organisation etc. der in Betracht kommenden Behörden s. Kaufmann a. a. 0. S. 60, 74 f., 88 f. 3) Instruktion §§ 20—23. Aufserdem Zirkulare v. 16. IV. 81 und 7. XL 79. S. blauer Band S. 20-21. 88 — 25 — trolleure. Diese dienen sonst zur Veranlagung zu den direkten Steuern neben den einheimischen Repartiteuren. Aus der Zahl der Kontrolleure, etwa 1000, wurden die fähigsten ausgewählt, es scheinen — Genaues ist nirgends angegeben — etwa 650—700 mitgewirkt zu haben. ^) Der Kontrolleur machte die Arbeiten nacheinander in den ver- schiedenen Gemeinden des ihm zugewiesenen Bezirkes. Er begann in der Kommune, welche er am besten kannte und welche die meisten Elemente einer guten Schätzung bot. -) Jeden Monat wurde eine Feststellung des Standes der Arbeit jedes Kontrolleurs vor- genommen. ■^) Die Bezahlung scheint nach einer Art Stücklohn- system vor sich gegangen zu sein, indem für jede bewertete Kommune eine Vergütung gewährt wurde. ^) Aus diesen den regelmäfsigen Beamten gezahlten aufserordent- lichen Zulagen und den Kosten für Schreib- und Drucksachen scheint der ganze Aufwand der Erhebung bestanden zu haben. Nur s^ erklärt sich ihre grofse Billigkeit. '") Dafür, dafs jenes Stücklohnsystem nicht die Kontrolleure zur Oberflächlichkeit verleitete, sorgte die Überwachung der Inspektoren, weiter auch der Direktoren. Die Inspektoren hatten die Kontrolleure oft bei ihrer Arbeit aufzusuchen, in möglichst vielen Kommunen die vom Direktor vor- geschriebenen Berichtigungen an Ort und Stelle anzubringen, ins- besondere auch die Akten-Durchsichtungen (ventilations) zu revidieren. Um die Einheitlichkeit der Arbeit zu sichern, wohnten sie den Operationen eines jeden Kontrolleurs in den ersten beiden von ihnen geschätzten Kommunen bei. *^) ^) Der blaue Band (S. 20) gibt „assistance" des Inspektors in 1327 Kommunen an. Der Inspektor assistierte bei jedem Kontrolleur 2 mal. 2) Instruktion § 5. •'') Formulare dafür in den erwähnten annexes. *) Formulare dafür gleichfalls in den annexes. — Ein ähnliches System herrscht bei der Erhebung des Werts der Bauten ; s. Senatsverh. 1884. I. (de Reignies Berechnung). — Eine genaue Kostenberechnung für die vorliegende Bewertung haben wir nirgends gefunden. ^) Eine Überschreitung des Kredites von 1 Mill. Fr. erwähnt keiner der sonst recht scharfen Kritiker im Senate. ^) Instruktion §§ 18—19; vgl. blauen Band S. 20: Sie besichtigten die ganze Ar- beit an Ort und Stelle in 3956 Gemeinden Sie revidierten die Aktendurchsicht in . . 4132 „ Sie assistierten der Arbeit in 1327 „ 9415 Gemeinden. 89 — 26 — Aufserdem fand zu Beginn der Operationen eine Versammlung der Kontrolleure jedes Departements im Hauptorte desselben statt, der Direktor klärte dieselben über die Arbeit auf, und es fand unter ihm und dem Inspektor eine gemeinschaftliche Bewertung durch alle Kontrolleure in 2 Gemeinden statt. ') Welches also auch der Grad der absoluten Richtigkeit der vorliegenden Zahlen sein möge — für ihre relative Richtigkeit, für die Proportionalität der Angaben in Bezug auf die einzelnen Be- zirke liegen genügende Garantieen vor. -) Aufser den Beamten der Direktion der direkten Steuern wirkten bei der Enquete, doch nur durch Auskünfte an die Kontrolleure, mit: die percei^teurs. d. h. die vom Finanzministerium selbst ressortieren- den Lokaleinnehmer der Steuern und die von der ..Generaldirektion der Einregistrierung, der Domänen und des Stempels'^ abhängigen receveurs de l'enregistrement; es sind dies Beamte, welche mit der Einziehung der Besitzwechsel- und ähnlichen Gebühren bei der ob- ligatorischen Einregistrierung gerichtlicher wie aufsergerichtlicher Akte beauftragt sind. Diese Beamten wie die Kontrolleure hatten eine genaue Kenntnis der lokalen Verhältnisse. Man nutzte so die Vorteile eines Systems der Dezentralisation, aber man korrigierte dessen Fehler durch streng zentralistische Kontrollen. Über die Thätigkeit der verschiedenen Beamtenklassen im ein- zelnen wird bei den einzelnen Operationen die Rede sein. Wir verstehen jetzt die zusammenfassenden Überschriften, welche das an- g<>hängte Tableau B über Gruppen von Kolonnen setzt: Arbeit des Kontrolleurs. — dos Inspektors, — des Direktors. •^) 3. Wir kommen zu der Frage nach dem Gegenstande der Erhebung. Darüber gibt Kolonne 1 des Tableau B Auskunft, welche die Über- schrift trägt: ,, Natur der Besitzungen, gruppiert nach Kategorieen'*. Klar und ausreichend wird das Objekt der Erhebung allerdings nirgends festgelegt. Es ist nur aus der skizzierten bisherigen Geschichte der Boden- ') Instruktion 55 20. ') Die Instruktion (i^ 26) warnt rlarum aucli oindrinpfüchst vor älteren, in einzelnen Departements ausgeführten Schätzunffsarbeiten. Höchstens sollten deren Angaben gelegentlich zu Rate gezogen werden, doch nie ohne Berichtigung nach den Regeln der neuen Erhebung. ^) Dies ist auch die Einteilung der Instruktion vom 20. IX. 79. 90 — 27 — be Wertung und aus der Grundsteuerverfassung Frankreichs zu ver- stehen. Geradezu irreleitend ist der Titel der Arbeit: „Nouvelle eva- luation du reveiiu foncier des proprietes non bäties'S ..Neu- bewertung des Bodenertrages der nicht überbauten Besitzungen", richtiger „der nicht g e bauten Besitzungen" — denn da ..propriete bätie" im heutigen finanzwissenschaftlichen Sprachgebrauche das ,, Gebaute", d. h. das Gebäude selbst bezeichnet (= batiment), so umfassen ..proprietes non bäties" den ganzen, überbauten und nicht überbauten, Boden. — Die Erhebung liefert aber nicht die nach diesem Titel zu erwartenden volkswirtschaftlichen AVerte beider Arten von Grundstücken. Wir sehen mit Erstaunen, dafs eine der Kategorieen der er- wähnten Kolonne^) sich betitelt: ,, Urbare Ländereien und Terrains, welche wie die urbaren geschätzt werden" und dafs unter den letzteren obenan der Boden von Gebäuden figuriert! Und die Instruktion'-) verordnet ausdrücklich, dafs der Boden überbauter Grundstücke immer auf dem Fufse der besten urbaren Ländereien der betreffenden Gemeinde bewertet werden solle. Wir müssen demnach ,, proprietes non bäties" genau übersetzen : „Nicht überbaute (d. h. landwirtschaftliche) Grundstücke und solche, welche wie die landwirtschaftlichen bewertet werden". Diese Auf- fassung, welche zu handgreiflichen Geschmacklosigkeiten führt, hat ihren Ursprung natürlich in keinerlei theoretischen Anschauung, sondern in der französischen Steuerverfassung: nach dieser werden die Häuser aufser zu andern Steuern auch für ihre Bodenfläche nach jenem Mafsstabe zu einer Abgabe herangezogen. In der älteren Zeit war die Gebäudesteuer von der Grundsteuer (in unserem Sinne) ja budgetmäfsig überhaupt nicht getrennt, das geschah erst durcli er- wähntes Says Gesetz, bis 1883, also noch zur Zeit der vorliegenden Erhebung, gab es gar keinen besonderen Gebäudekataster. •^) Der alte Kataster und die neue, noch immer auf seinen Grund- lagen ruhende Bewertung wollen — ihrer Idee nach — finanziell nicht den wirklichen Wert des Häuserbodens erfassen. Sie gehen von steuerfiskalischen Gesichtspunkten aus, und unter diesen war ^) Kategorie 2. ') § 6- 3) Doch findet sich der Häuserboden in den Katastermatrikehi gesondert vom Ackerboden verzeichnet, wenn auch gleich diesem bewertet, s. oben S. 8 u. unten S. 29. 91 — 28 — gar keine solche Erfassung notwendig, da ja das Steuerobjekt von einer andern Seite her bewertet und wenigstens annähernd propor- tional einem Werte besteuert wird.^) Vom bodenwertstatistischen Standpunkt aus erscheinen solche Angaben natürlich als unbrauchbar. Will die Statistik eine von fiskalischen Gesichtspunkten geleitete Erhebung wie die vorliegende benutzen, so mufs sie stets jene Gesichtspunkte berücksichtigen: wir haben nicht den Wert des heutigen Bodens von Frankreich vor uns, sondern den Wert dieses Bodens unter der Voraussetzung, dafs er ganz der Landwirtschaft diente. Diese Auffassung führt, bemerkten wir, zu Geschmacklosigkeiten. Nehmen wir das Seine-Departement, welches bekanntlich nur Paris und einen schmalen Gürtel landwirtschaftlichen Terrains umfafst. Man denke sicli den Pariser Grundbesitzer seinen Acker bestellend ! — Die Erhebung begeht aber u. E. diese Geschmacklosigkeit eigent- lich nur offiziell. Nur offiziell rechnet sie aus . wie viel wohl der Nettoertrag des Getreidebaus in Paris wäre; denn u. E. rechnet sie überhaupt nur offiziell Produktionswerte aus. Tliatsäcblich überwiegt, wie wir schon hier vorausschicken wollen, in der ganzen Methode der Erhebung durchaus die Feststellung von Verkehrswerten. Damit wird jene Geschmacklosigkeit aber eine fast rein formelle: für das materielle Schlufsergebnis selbst ist es ja fast gleichgültig, in welche Gruppen man die thatsächlich im Verkehr erzielten Werte der verschiedenen Terrainarten zusammengestellt hat. Die Namen dieser Gruppen sind nur Chriffren, man könnte sie fast ebenso gut durch Ziffern ersetzen. Im Produktionswerte können die Acker von ganz Frankreich mit denen des Seine-Departements konkurrieren, nur die Transport- mebrkosten fallen jenen zur Last. Im Verkehrswert hingegen gibt es keine Konkurrenz, die Konjunktur hat dem Pariser Grundbesitzer ein Monopol verliehen. Mag auf einzelnen Parzellen an der Peri- pberie von Paris lieiite Getreide gel)aut werden oder was immer sonst — diese Parzellen baben ihren Wert als Baustellen. Einst wird auch ibr Produktionswert sich nach der Produktion von Mieten bestimmen — schon heute rechnet der Verkehrswert ausschliefslich danach. Einst werden die Linien von Produktions- und Verkehrs- wert dieser Grundstücke zwar nicht zusammenfallen, aber doch im ') Besteueruiifr nach Miotwert, aufserdem Thür- und Fenstersteuer, s. Wajrner bei Schönberg, 111 S. 231, 256. Fin. 111 8. 448. 92 — 29 — grofsen und ganzen parallel laufen — lieute würden sie, streng dar- gestellt, fast unabhängig voneinander zu verlaufen scheinen. Wir haben hier einen interessanten Beleg der weitgehenden Konsequenzen der verschiedenen AVertauffassungen für die Statistik. Nur aus der angestellten Erwägung erscheint es erklärlich, dafs die Ziffern der Bewertung für den Bodenwert des Seine-Departements hinter andern Schätzungen weit weniger zurückbleiben, als man von vornherein glauben könnte : der blaue Band (Tableau 1 2) gibt die Wertziffer von 7 335 045 205 Fr. an. davon für die genannte Kultur- klasse der Äcker etc. allein 7 266 355 379 Fr., während nach einer 1883 dem Munizipalrat vorgelegten Schätzung der Boden von Paris einen Kapitalwert von mindestens 10 Milliarden darstellen würde.*) Gibt so in der Grrofsstadt der Boden von Gebäuden und der- jenige, welcher zu solchen bestimmt ist, da er in der erwähnten Kulturklasse das erdrückende Übergewicht hat — gegen den Grund- gedanken der Erhebung — den Ausschlag, so ist das natürlich nicht der Fall in Gemeinden, von deren Boden die Gebäude nur einen verschwindenden Bruchteil einnehmen, und wo die Bauthätigkeit auf den Verkehrswert des Bodens wenig Einflufs gewinnt. Hier mufs auch in den Ergebnissen der Bewertung die volle Willkürlichkeit der Ein- reihung des Häuserbodens in die Klasse „Ackerboden" zu Tage treten. In der genannten Kulturklasse, der gröfsten und wichtigsten unter den 7, welche die Erhebung unterscheidet, figurieren noch „Sümpfe, Pflanzungen (terres plantees), Wasserflächen, Kanäle, Baumschulen, Eisenbahnen etc." Im Kataster sind diese Kulturarten grofsenteils einzeln ver- zeichnet ; die neue Erhebung hat die sehr detaillierten Gruppen des- selben zu 7 „Kategorien'' zusammengefafst. Die genannte Kategorie nimmt in der Anordnung der Erhel)ung die 2. Stelle ein. Die vor- hergehende ist betitelt „Terrains hervorragender Beschaffenheit" und umfafst Obstgärten, Hanfgärten, Gärten. Die 3. umfafst die „Wiesen*- (,.Wiesen und gepflanzte Wiesen etc."), die folgende (4.) die Wein- gärten, dann (5.) Holzungen (Wald, Weidengebüsch etc.), darauf (6.) Heide, Weide und anderes ungebautes Land (Ödland etc.), end- *) S. Foville La France economique (Paris 1887) S. 75. — Die Elemente dieser Schätzung sind uns unbekannt; vermutlich umfafst dieselbe aber zum Unterschied von der vorlieo^enden Bewertung auch den Boden der öflentlicht-n Gebäude sowie der Strafsen und Plätze — was in der Grofsstadt von schwer- wiegendem Einflufs. — Über das Verfahren der vorliegenden Erhebung in diesem Punkte s. unten S. 31 f. 93 — 30 — lieh (7.) die ,, Kulturen, welche in die obige Aufzählung sich nicht einreihen lassen''. Bezüglich des Ödlandes gehen die damalige französische fiskalische und eine richtige wertstatistische Auffassung wieder weit auseinander : eine richtige Werterfassung müfste auch die Benutzung unfruchtbaren Bodens zu industriellen und kommerziellen Zwecken (Lagerplätzen etc.) berücksichtigen. ^) Die vereinfachte Klassifikation der Erhebung enthält ungefähr die gleiche Kulturenzahl wie die meisten europäischen Kataster. -) Von diesen kennt der preufsische 6 Klassen: Ackerland. Gärten (inkl. Wein), Weiden, Holzungen, Wasserflächen, Ödland; der öster- reichische 8 Kulturklassen: Äcker, Wiesen, Gärten, Weingärten, Hutweiden, Alpen, Wald, Seeen — Sümpfe — Teiche; aufserdem Parifikationsland, d. i. Land, welches der Urproduktion durch eine andere Benutzung entzogen ist, wie Kalk-, Kies-, Mergel-, Torf-, Thongruben, Privatwege, Steinbrüche, gewisse Bergwerksflächen und vieles melir; endlich 10. unproduktives Land. Die neue Bewertung unterscheidet aber nicht, was alle Kataster thun. Bonitätsklassen innerhalb der einzelnen Kulturart, •^) d. h. sie unterscheidet dieselben nicht in der Anordnung der Ergebnisse, sie stellt für jede Kulturart jeder Gemeinde nur 1 Ertragsziffer und 1 Ertragsdurchschnitt per Hektar auf; bei der Berechnung dieser Ziflern aber ist natürlich auf die Verteilung und das Wertverhältnis *) Unter Says Reformvorschlägen von 1876 fand sich auch ein dahin gehender bezüglich der Besteuerung, s. dictionnaire des fin. S. 762. Zum ersten Male im Budgetvoranschlag für 1885 sind derartige Terrains besteuert: 1. nach ihrer Ober- fläche, auf demselben Fufs wie die Nachbargrundstücke; 2. nach ihrem Mietwert mit Abzug der Schätzung für die Überfläche. Für den Kataster gilt eine (auch in der vorlieg. Erhebung befolgte?) Bestimmung, wonach für Ödland ein Ertrag und eine Steuer von mindestens 50, bezw. 10 Cent, per Hektar angesetzt werden müssen (s. Wagner, Fin. II 1 S. 450.) Say hatte auch betr. der Bewertung der Salinen etc., die jetzt nur eine feste Abgabe entrichten, Anträge gestellt. — Wie diese, e})enso wie Bergwerksflächen etc. („Parifikationsland'') in der vorliegenden Erhebung bewertet sind (unter den „verschiedenen Kulturen"?), ist nicht zu er- kennen. — Die Bergwerke unterliegen der Grundsteuer in der Höhe der an- grenzenden rirundstücke, aufserdem aber noch den „redevances sur les mines" welche 10 Fr. pro Quadratkilometer der Oberfläche und 5*^^, des Reingewinnes betragen. Diese Steuer ist für 1889 im Ordinarium mit 2 500000 Fr. angesetzt (Bulletin 1888, XXVI S. 8; vgl. Kaufmann a. a. O. S. 255. Wagner, Fin. III S. 492 f.) -) die aber verständigerweise den Häuserboden nicht umfassen (s. Wagner ])ei Schönberg III S. 231 f.). '') der preufsische und österreichische unterscheiden 8. der französische 5 (s. oben S. 8). 94 — 31 — der verschiedenen Bonitätsklassen innerhalb einer Kulturart Rück- sicht genommen worden. ^) Die Erhebung umfafst in den genannten 7 Kategorieen nicht alle Bodenarten, sondern, wieder ihrem praktischen Zwecke folgend, nur die steuerbaren. Der Gesamtumfang der von ihr bewerteten Terrains beläuft sich auf 50 035159 ha, während die Oberfläche Frankreichs nach den neuesten Berechnungen 53 Mill. ha übersteigt. -) Der ältere Katasterauszug, '^j der noch nicht Korsika, Savoyen, Hochsavoyen und Meeralpen, dagegen noch Elsafs-Lothringen umfafste, *) gab, bei einer Gesamt-Summe von 52 153 150 ha, für die steuerbaren Terrains 49 389 570 ha, für die steuerfreien 2 763 580 ha an. Doch ist jene Gesamtsumme zu niedrig, da die Katastergeometer angewiesen waren , absolut unproduktive und schwer zugängliche Terrains wie Gletscher, Felsen, Dünen etc. auszulassen.^) Diese Auslassungen berühren die Flächen-, kaum aber die Ertragsziifern *^) Frankreichs. Letztere werden aber bedeutend von der Wirklichkeit entfernt durch die Auslassung der katastrierten , aber steuerfreien Terrains. Es sind dies 1. öffentliche Wege, Strafsen , Plätze und Promenaden, 2. Flüsse, Seeen, Bäche, 3. Staatswälder und die als ^) Instruktion § 6. -) Nach den Angaben des russischen Grenerals Strelbitzky 53350000 ha. Diese Ziffer empfiehlt, bis genaue neue Messungen vorliegen werden, Foville (a. a. O. 8. 1) — Uimel gibt nach der Annaire statistique de France von 1879 an: 52857 199. ^) S. Dictionnaire des finances S. 770. ■*) Auch 1879 war der Kataster noch nicht in allen Departements fertiggestellt (s. oben S. 12). — Bei Vergleichen mit den Katasterangaben benutzte die vor- liegende Erhebung in den Kantonen von Savoyen und Hochsavoyen, wo die Grrundsteuer noch nach sardischem Kataster festgestellt wurde, die „wirklichen Ausdehnungen'' [?] im Augenblick der Vereinigung dieser Territorien mit Frank- reich. In den noch nicht katastrierten Kantonen Korsikas konstruierte man die betr. Angaben nach den entsprechenden Dokumenten („detaillierte Matrikeln" [y]) durch Vergleich mit der Lage der katastrierten Kantone. — l'brigens erstreckte sich auch die Erhebung von 1851 nicht auf Korsika; Savoyen, Hochsavoyen, Meeralpen gehörten noch nicht zu Frankreich; anderseits waren bei Vergleichen mit der neuen Erhebung die Angaben für Elsafs-Lothringen abzuziehen. — s. Bemerk, zu Tabl. 22 des blauen Bds. ■^) S. Foville a. a. O. S. 1. ^) Wenn man nicht diese Terrains als Produktionsfaktoren der „Fremden- iudustrie" bewerten will, welche in ihren mannigfachen Verzweigungen heute ent- schieden eine volkswirtschaftliche Berücksichtigung verdient — ihr Einflufs zeigt sich stets in den Verkehrswerten der benachbarten Gegend. 95 — 32 — „(lomaines improductifs" bezeichneten Flächen. ^) 4. Kirchhöfe und Boden von Pfarrhäusern, Kirchen und öffentlichen Gebäuden (bäti- ments d'utilite publique), 5. andere nicht steuerbare Objekte. -) Alle diese Bodenkategorieen sind in den vorliegenden Angaben nicht vertreten. Foville meint, dafs bei Berücksichtigung auch dieser Flächen der Kapitalwert des französischen Bodens 1879 , den die Erhebung auf 91583 966 075 Fr. geschätzt hat, von 100 Milliarden nicht weit entfernt gewesen sein dürfte. (? !) ^) Die vorliegende Erhebung spricht nicht von „contenance" und „revenu net" schlechthin, sondern von „contenance imposable" und „revenu net imposable" — allerdings die einzige Andeutung des Sachverhaltes. — Wir werden jetzt den eleganten Titel der Erhebung „nouvelle evaluation du revenu foncier des proprietes non bäties" weniger elegant, aber korrekter übersetzen : „Neubewertung des Ertrages des grundsteuerpflichtigen landwirtschaft- lichen Bodens und desjenigen, der wie landwirtschaft- licher geschätzt wird." — In den folgenden Kolonnen des angehängten Tableau B. finden wir die „Ergebnisse des Katasters". Der Direktor hat nämlich als Vorbereitungsarbeit ^) für jede Gemeinde nach dem Stand der Katastermatrikeln vom 1. Januar 1879 Umfang und Ertrag jeder Kulturart, sowie Ertragsdurchschnitt per Hektar derselben festgestellt.'*) Wie aber oben angeführt, ent- sprechen jene Angaben über den Umfang der einzelnen Kulturen den heutigen Verhältnissen nicht, und die Ertragsziffern des Katasters haben sell)st offiziell nur eine relative, thatsächlich gar keine Richtigkeit. Man nahm den Kataster zum Ausgangspunkte, um durch Er- fassung der seit demselben vorgekommenen Veränderungen die heutige Verteilung der Kulturen zu erfassen. Der Kontrolleur schätzte in jeder (Tcmeinde die seit dem Kataster vorgekommenen Kulturveränderungen und trug die ihm gemachten Mitteilungen wie seine eignen Wnlinielimungen in die folgende Kolonne (7) des an- ') Die letzteren haben jedenfalls keine irgend erhebliehe Bedeutung. — Die gan/.e Gruppe 3 stand im alten Katasterauszug mit 1 047 68.5 ha verzeichnet, davon ca. 1 Million ha StaatsvvaUUmgen (s. Foville a. a. (). S. 162). -) Im alten Katasterauszug auch nur 159459 ha. =») S. Foville a. a. O. S. 67. Vgl. dagegen die soeben veröttentlichte Verminderung des Kapitalwertes, welche sich bei der Revision der Erhebung 1884 herausstellte! (unten S. 60 f.). *) Vgl. Instruktion § 2. "•) S. Tabl. B Kol. 2-6. 96 — 33 — gehängten Tableaus ein , indem er annähernd (approximativementj Zuwachs und Abnahme jeder Kulturart in Zahlen festzulegen suchte.^) Aus diesen Abweichungen von den Katasterangaben wurde die gegenwärtige Ausdehnung der einzelnen Kulturnrten berechnet (Kol. 8). Da nur Veränderungen innerhalb des als steuerbar katastrierten Bodens berücksichtigt wurden, so mufste die Summe aller Kulturen natürlich für jede Gemeinde die alte bleiben. Darum bestimmte die Instruktion (§ 6) auch ausdrücklich, dafs Anschwemmungen seit dem Kataster, welche noch keine Grundsteuerquote trügen, nicht in Rechnung gezogen werden sollten. -) Darauf wurde der „Katasterertrag, wie er der gegenwärtigen Ausdehnung jeder Kulturart entspricht", berechnet — wieder so, dafs die Summe dieser Erträge gleich der Summe der Erträge aller Kategorieen in ihrem Katasterbestande bleiben mufste. ^j Das alles gehört noch nicht zur eigentliclien Bewertungsarbeit; das Interesse der Preis- und Wertstatistik beginnt erst bei den jetzt ^) Diese Operation der Erhebung hat wegen ihrer Schwierigkeiten als ganz besonders unzuverlässig de ßeigne, der überstrenge Kritiker der Arbeit im Senat, angegrifien. -) Für ganz Frankreich beträgt die steuerbare Ausdehnung: Kulturart. Nach den Katasterma- trikeln (Stand V. 1879) Nach der neuen Erhebung In Prozenten des Gesammtbodens Ka- i Erhe- taster j bung Veränderungen . ha ha % o/o ha 1. Gärten etc. 668 515 695 929 1,3 1,4 + 27 414 2. Acker etc. 25 452 452 26 173 657 50,9 52,3 + 721 205 3. Wiesen 4 804 440 4 998 280 9,6 10,0 + 193 840 4. Weinberge 2 109 250 2 320 533 4,2 4,6 + 211 283 5. Holzungen 8 144 718 8 397131 16.3 16.8 + 252 413 6. Heide etc. 8 108 306 6 746 800 16,2 13,5 — 1 361 506 7. Andere Kulturen 747 478 702 829 1.5 lA — 44 649 Summe 50 035 159 50035 159 100,0 100,0 — vgl. Tabl. 1 u. 22 des blauen Bandes, in Prozentzahlen umgerechnet von Gimel, De la nouvelle evaluation etc. — Conference faite a la Sorbonne le 23. I. 84. — Journal de la Societe de statistique de Paris 1884 S. 299 ff". ^) Nach der Instruktion (§ 6) wurde der alte Katasterertrag der veränderten Hektare einfach auf die Linie ihrer neuen Kulturart übertragen damit stimmen jedoch die Rechnungen des Muster-Tableau nicht ganz. Jedenfalls kann von einer Proportionalität zwischen den einzelnen Kulturen innerhalb der Gemeinde auch bei diesem „Katasterertrag" keine Rede sein I Staatawissenschaftl. Studien. IIL q„ '^ 7 — 34 — folgenden Kolonnen, welche vom Reinertrag (Kol. 10 — 13) und Kauf- wert (Kol. 14 — 15) handeln. Bevor sich die Kontrolleure in die einzelnen Kommunen begaben, informierten sie sich über Kaufwert, Mietwert und Verzinsung von Anlagen in nicht überbautem Grund und Boden aus dem ..statistischen Register''. Unter diesem sind wohl die (nach Zirkular von 1846 ver- besserten) Listen der bureaux de l'enregistrement verstanden. Die genaue Einregistrierung findet in Frankreich, wo bekanntlich sehr hohe Besitzwechselgebühren erhoben werden^ bei allen gerichtlichen und aufsergerichtlichen Akten (Käufen, Verpachtungen, Erbschaften, Mitgiften etc.) statt. ^) Über dieselben Punkte holten sich die Kontrolleure auch bei den percepteurs und den receveurs de l'enregistrement Auskunft. Die Hauptarbeit aber machten sie an Ort und Stelle. Der betreffende Passus der Instruktion (§ (3) lautet : „Der Kontrolleur wird die öffentliche Meinung (la notoriete publique) befragen, er wird nach den Pachtverträgen, nach dem Preise bei Versteigerungen von Holzschlägen, nach dem Kaufwerte und nach allen anderen Elementen den wahren Ertrag des Grundbesitzes (des biens-fonds) berechnen."' ') s. Kaufmann a. a. U. S. 281f. Wagner, Fin. III S. 502 f § 4 der Instruktion spricht von dem Register als „etabliert durch Zirkular vom 28. 111. 46." — Gimol (a. a. 0. S. 301) erwähnt ein Zirkular vom Dezember 1846, nach welchem neben die Auszüge aus Besitzübergangsakten, aus Pacht- verträgen und aus den Verkäufen von Holzschlägen der Katasterertrag der betr. Grundstücke gestellt werden sollte. Diese Bestimmung scheint aber vielfach in Vergessenheit geraten zu sein. 8ay beantragte sie 1876 (in der erwähnten Samm- lung von Reformplänen) von neuem. Bei der wiederholten Vorlage dieser Ke- formanträge wurde aber die Bestimmung weggelassen (s, Dictionnaire des finances S. 762.) Eine unmittelbare Benutzung der Vermögensübertragungssteuern zur Be- rechnung des Nationalvermögens versuchten Foville, Jja fortune de la France, Journal de la (soc. de statistique de Paris 1883 S. 406 f., und (für Immobilien und Mobilien getrennt) Fournier de Flaix, L'accroissement de la richesse sociale dcpuis 1789 en France, en Angleterre et en d'autres Etats im 25. Anniversaire derselben Gesellschaft (Paris 1886) S. 38 f. — Vgl. Ferd. Schmid, Das Problem der Messung des Volksvermögens auf Grundlage der Vermögensübertragungs- steuer mit spezieller Rücksichtnahme auf Frankreich (Wiener Statist. Monats- schrift 1887 S. 600 f.), über die Schwächen jener Versuche. — Dieselben haben übrigens eine Art Vorläufer in der oft erwähnten Erhebung von 1851, wo Vandal (als Kuriosum höchstens als Kontrolle der ganz anders gewonnenen Ergebnisse) den Gesamtwert des Grundbesitzes von Frankreich auf die einzelnen Departe- ments proportional dem Ertrage der Erbschaftssteuern einer Anzahl von Jahren verteilte. 98 — 35 — Weiterhin (Ende v. § 6) ist noch gesagt, dafs er es ähnlich in betreff des Kaufwertes machen soll. Die Motive in dem Entwürfe des Gesetzes, welches einen Kredit für die neue Erhebung eröffnete, ^j und der für diese leider fehlende Generalbericht der analogen Erhebung von 1851 belehren uns noch, wie die Kontrolleure „der öffentlichen Meinung'^ ihre Geheimnisse entlockt haben. Sie fragten die „lokalen Autoritäten'^, die Maires, die Steuer-Repartiteure , die Notare und die aufgeklärtesten Land- wirte (les propri^taires et les cultivateurs les plus eclaires) über die Bodenproduktion, die Kulturkosten, den Pachtwert (valeur locative) der verschiedenen Arten von Grundgütern. Die Kontrolleure be- richtigten diese Angaben auf dem Terrain selbst und vervoll- ständigten dieselben durch steten Vergleich mit den Nachbar- gemeinden. So schätzten sie für jede Kultur einen mittleren Reinertrag (Kol. 10) und Kaufwert (Kol. 14) per Hektar, multiplizierten beide Gröfsen mit der gegenwärtigen Ausdehnung der Kultur und erhielten so die Ziffern für Reinertrag und Kaufwert jeder Kultur, jeder Ge- meinde (Kol. 12 u. 15). 2) Aber die beiden Kolonnen für den Reinertrag (Kol. 10 u. 12) tragen noch die Überschrift ,,nach der provisorischen Schätzung''. Neben ihnen stehen Kolonnen (11 u. 13) mit dem im übrigen gleichen Titel, aber dem Vermerk ,,nach der berichtigten Schätzung". Wie wurde die „direkte Schätzung^' berichtigt ? Der Kontrolleur berechnete die Proportion zwischen den Ziffern seiner Schätzung und denen des Kataster -Ertrages — nach der obigen Erläuterung des „revenu cadastral'* ein Vergleich ohne genau sich deckendes tertium comparationis ! Dann schritt man zu den Aktendurchsichtungen , w^elche uns noch beschäftigen werden, und verglich die aus den ventilierten Akten herausgerechneten Reinerträge mit den Katastererträgen der betr. Grundstücke. War die Proportion annähernd gleich der zuerst berechneten, und waren die ventilierten Akten in normalem Zustande, so galt die ,, direkte Bewertung" als richtig. Nehmen wir aber den Fall, das Verhältnis der ..direkten Schätzung'' zum ^) S. im blauen Bande S. 16 f. -) Dabei wurde, wie oben bemerkt, Verteilung und Wertverhältnis der ein- zelnen Bonitätsklassen in Rechnunsf orezogen. Bei der Feststelluns^ dieser wurde auf Naturereignisse und grofse Agrikulturarbeiten seit dem Kataster Rücksicht genommen. (Instruktion § 6.) 3* 99 — 36 — Katasterertrage hätte sich =3:1 gestellt, hingegen der aus den ventilierten Akten berechnete Reinertrag verhielte sich zum Kataster- ertrag derselben Grundstücke = 4: 1 ; dann folgerte man einfach, dafs die direkte Schätzung um ^a zu niedrig sei, und erhöhte die- selbe, bzw. in einem umgekehrten Falle erniedrigte man sie! Ergaben die Aktendurchsichtungen Differenzen, aus denen zu ersehen, dafs die verschiedenen Kulturarten nicht proportional geschätzt waren, so konnte der Kontrolleur den Hektarsdurchschnitt „in verschiedenen Beziehungen" ändern. ,,Er könnte sogar/' heifst es bezeichnend in der Instruktion , ^) „wenn die ventilierten Akten sich in anormalen Bedingungen befinden, sich an seine (direkten) Schätzungen halten.** In jedem Falle mufste er die Gründe, welche ihn bewogen, seine provisorischen Schätzungen aufrecht zu erhalten oder zu modifizieren, sich an das Ergebnis der Aktendurchsichtungen zu halten oder davon zu entfernen, in einer besonderen Kolonne (2) des zusammenfassenden Schlufstableaus (D) darlegen. Ähnlich besitzt übrigens das Tableau ß eine Kolonne (16), in welche der Kontrolleur kurze Bemerkungen und Erklärungen betreffs seiner „direkten Schätzung'^ des Ertrages und Kaufwertes einzutragen hatte. Damit sind wir im wesentlichen mit der sogenannten ,, direkten Schätzung?" fertig. Die noch folgenden Kolonnen des angehängten Tableaus (Kol. 17 — 22) enthalten die Änderungen und die Be- gründung der Änderungen, welche Inspektor und Direktor an der Schätzung des Kontrolleurs vornahmen. Die Methode der Bewertung bleibt dabei natürlich die gleiche.^) Dann füllte der Direktor noch die Kolonne (23) für die Grund- steuer aus und machte schliefslich in den beiden letzten Kolonnen (24—25) eine Rechnung, welche gewissermafsen die Umkehrung zu der erwähnten Rechnung (Kol. 9) über den ,. Katasterertrag ent- sprechend der heutigen Ausdehnung jeder Kultur^* bildet. Man multi]}lizierte nämlich die neuen Ziffern für Reinertrag und Kauf- wert pro Hektar jeder Kulturart mit der Zahl der Hektare der- selben nach dem Kataster. Bei der vorhin genannten Rechnung hatte man die alte Ertrags- ziffer (jedes Hektars), aber die neue Ausdehnung (jeder Kulturart) *) Instruktion § 8. ') S. § 9. ') Der so berichtigte Reinertrag betrug für ganz Frankreich; 100 — 37 — genommen. Jetzt nahm man die neue Ertragsziffer, aber die alte Ausdehnung. Man wollte vermutlich Zalilen erhalten, welche erkennen lassen, ein wie grofser Anteil der AVertsteigerung des Bodens auf eine Veränderung in der Kultur , und ein wie grofser auf die Erhöhung des Wertes der (fingiert) gleichgebliebenen Kulturen zurückzuführen sei. Der erstere Anteil ist auch durch die Differenz der eben er- wähnten Angaben mit denen für den heutigen Bodenbestand dar- gestellt. Der letztere Anteil aber tritt nicht zu Tage, da man ja nicht die ganze Wertdifferenz zwischen der Kataster-Zeit und heute kennt — denn der Kataster gibt uns ja nicht absolute Wertziffern aus jener Zeit. Die ganze Rechnung wurde übrigens nur .,zur Belehrung" (ä titre de renseignement) gemacht und ist im blauen Bande auch im letzten Abschnitt, betitelt ,, verschiedene Belehrungen'', angehängt. Solche Berechnungen können ja auf die eine oder andere Frage ev. rasch Auskunft erteilen. Doch ist nicht ohne Grund von fran- zösischer Seite — irren wir nicht, im Senat — bemerkt worden, Kulturart. 1879 Nach der Bewertung v. im ganzen ' pro Hektar 1851 pro Hektar Fr. Fr. 1 c. Fr. 1 c. 1. Gärten etc 115 569 201 166 06 119 61 2. Acker etc 1 485 097 569 56 74 42 49 3. Wiesen 483 159 306 96 67 72 60 4. Weinberge 301 545 815 129 95 69 38 5. Holzungen 6. Heide etc 188 910 406 41275 038 22 6 50 12 20 18 4 64 7. andere Kulturen .... 29 948 230 42 61 49 i 10 Summe bzw. Durchschnitte 2 645 505 565 52 i 87 38 , 04 Davon für die Departements Meeralpen , Savoyen , Hoch- savoyen und Korsika (s. oben Anmerk. 4 zu Seite 31) . . 57 129 930 Für die übrigen Departements 2 588 375 635 in diesen 1851 1 824 186 249 ' Ertragssteigerung vgl. blauen Band, Tbl. 1, 6, 7, 30, 32. 764189 386 = 41,89 %, — Mit den Katasterangaben ist ein Ver- gleich unmöglich, da dieselben, wie ausgeführt, in jeder Gemeinde nach einer verschiedenen, willkürlichen Proportion reduziert sind. — Die Kaufwert-Ziffern s. unten S. 60. 101 — 38 — dafs der blaue Band etwas zu viele Tafeln enthalte. Wer sich mit den Grrundlagen einer solchen Erhebung vertraut gemacht hat. dem wird allerdings die Masse der daraus auf rein rechnerischem Wege gewonnenen Kombinationen weder imponieren, noch wird sie ihn ver- wirren; die Masse der Leser aber wird auf diese Weise leicht irregeführt. Sehen wir von diesen Rechnungsarbeiten ab und suchen wir die eigentliche Methode der geschilderten ., direkten Bewertung^' in ihrem Wesen zu erfassen, namentlich aber in ihrem Verhältnis zu dem andern Abschnitte der Arbeit, zu den ,.Verkehrsakten-Durch- sichtungen^', welche uns von der Instruktion, vom blauen Bande und seinen Kritikern als eine zweite Methode der Bewertung be- zeichnet werden und als solche freilich eine vortreffliche Kontrolle der ersten gebildet hätten. Die vorangehende Information im ..statistischen Register^' über Kaufwert, Mietwert und Verzinsung war doch nichts als die Durch- sichtung eines Auszuges aus Verkehrsakten — also eine , .Ventilation" in der eigentlichen Bedeutung des Wortes. Die Erkundigung beim receveur de l'enregistrement konnte sich gleichfalls nur auf die einregistrierten Besitzwechselakte er- strecken — also wieder Kenntnis aus „ventilations". Der percepteur ferner, der Steuereinheber, kannte doch nur die alten, denkbar unrichtigsten Grundlagen der Grundsteuerver- teilung. Konnte er dennoch ungefähre Angaben über das that- sächliche Einkommen der Leute machen, so war das vielleicht für den Kontrolleur ein Anhaltspunkt, von irgend einer ernsten Methode der Wertbestimmung kann natürlich hier nicht die Rede sein. Wir kommen zur Hauptarbeit, der Erkundigung an Ort und Stelle. Da waren zunächst der maire und die Steuerrepartiteure, welche als solche in ähnlicher Lage waren wie die percepteurs — allerdings aber in der Regel selbst zu den angesehensten Grund- l)esitzern gehörten und in dieser Eigenschaft Auskunft geben konnten. (S. darüber unten.) Dann die Notare : diese haben ihre Kenntnis über den Boden- wert gewifs nicht aus Befassung mit den Produktionsverhältnissen, sondern aus den Verkehrsakten, welche durch ihre Hände gegangen sind, also wieder aus einer Art ,,ventilations^*. Anders stand es mit den „aufgeklärten Landwirten", welche in der That etwas über den Produktionswert sagen konnten. Man fragte sie wie die andern ,.lokalen Autoritäten" über die Bodenprodukte, die Kultur- kosten und den Pachtwert (valeur locative) der verschiedenen 102 — 39 — Arten von Grundgütern. Also auch hier ist Verkehrswert durchaus mit Produktions wert vermengt. Und psychologisch erscheint es uns wahrscheinlich, d;ifs die Leute viel eher das Einkommen, welches ein Grundbesitzer aus seinem Boden zog. nach den ihnen bekannten Pachtpreisen beurteilten, als dafs sie die schwierigen und ver- wickelten Rechnungen über die Differenz von Bruttoertrag und Kulturkosten , Berücksichtigung aufserordentlicher persönlicher Thätigkeit wie besonderer Kapitals-Investierungen gemacht hätten. Doch geben wir zu, dafs hier der Produktionswert immerhin , wenn auch unklar, eine Rolle gespielt haben kann. Das scheint aber auch der einzige Augenblick gewesen zu sein, wo davon die Rede sein konnte. Der Kontrolleur sollte ja, so heifst es in der ange- führten wichtigsten Stelle der Instruktion ausdrücklich , nicht nur die „notoriete publique^' fragen, sondern auch ,,nach den Pachtver- trägen , nach dem Preise bei Versteigerungen von Holzschlägen, nach dem Kaufwerte und nach allen andern Elementen" ^) rechnen — alles „ventilations^', nur ohne genau vorgeschriebene Formularien. Nehmen wir aber den Fall, bei diesem erdrückenden Über- gewicht der „ventilations'*, der Verkehrswertauffassung, hätte doch noch ein bifschen Produktionswert Einflufs auf die Konstatierung der Durchschnittserträge geübt. Aber dann waren ja das nur ,,provi- sorische'^ Schätzungen, dieselben wurden, wie wir gehört haben, einfach nach den Ergebnissen der (offiziellen) ventilations ,, rek- tifiziert" ^) — auf das offizielle Ergebnis der Erhebung hatte jenes bifschen Produktionswert gar keinen Einflufs! 5. Die ganze ., direkte Bewertung'' gründet sich in ihren ent- scheidenden Punkten durchaus auf „ventilations", und zwar in doppelter Weise, einmal auf , .ventilations'* im weiteren Sinne, auf nicht formelle Kenntnisnahme von Verkehrsakten und auf Schlüsse aus denselben seitens der Kontrolleure selbst und seitens der be- fragten Autoritäten; zweitens aber auf eine Korrektur aus den formellen ,, ventilations''. "Wir begegneten der nämlichen Erscheinung schon beim Kataster *) Darunter sind wohl die unten angeführten Pachtverträge auf Teilung der Erträge, Sachverständigen-Schätzungen etc. zu verstehen. ") Wurden sie trotz anscheinenden Widerspruches mit dem Ergebnis der Akten-Durchsichtungen unverändert gelassen, so geschah dies in der Annahme, dafs das korrekte Ergebnis der letzteren sie bestätigen würde. 103 — 40 — seit 1821 : auch da spricht man von 2 Operationen, von einer ,,evalu- ation^' und von „ventilations^', von denen letztere offiziell nur als Kontrolle bezeichnet werden. ^) Offiziell galt eben für den Kataster und galt ausdrücklich auch für die vorliegende Erhebung als Grund- lage jenes Gesetz von 1798 und seine weiteren Ausführungen im Katasterkodex von 1811, welche sich streng auf den Standpunkt des Produktionswertes stellen. -) Offiziell stellt die vorliegende ,, direkte Bewertung^" im ,, Reinertrag'' noch immer die Differenz von Bruttoertrag und Kulturkosten dar, thatsächlich bedeutet jener Begriff auch in diesem Teile der Erhebung die Rente, welche der Eigentümer des Bodens vom Pächter bezieht. Sei es auf Grund volkswirtschaftlicher Anschauungen, sei es nur auf Grund des Beharrungsvermögens der * Vorschriften des vorigen Jahrhunderts fingiert man im ersten Teil der Erhebung noch immer Produktions- werte, obwohl man es auch hier durchaus mit Ver- kehrswerten zu thun hat, und zwar, wie wir schon hier vorausschicken wollen, in ausschlaggebender Weise mit Pachtwerten. Dafs dies nirgends klar ausgesprochen, dafs noch immer jene Fiktion aufrechterhalten wird, daraus erwächst der Erhebung ein Vorwurf. Die Thatsache selbst, die Verkehrswert-Auffassung, scheint uns durchaus nicht eine Verurteilung der Arbeit zu rechtfertigen. Das Problem: ,, Produktionswert oder Verkehrswert?" erscheint uns für die Bodenwert-Statistik noch nicht spruchreif, in dieser allgemeinen Fragestellung viel- leicht überhaupt nicht zu entscheiden. Auch der Ver- kehrswert hat in der Praxis Vertreter (badischer Kataster). Gerade neuerdings hat der Verkehrswert-Kataster trotz seiner anerkannten Mängel und Schwierigkeiten wieder Beachtung gefunden gegenüber den übergrofsen Enttäuschungen der Ertragskataster. ^) ') S. oben 8. 10. *) S. oben S. 8 f. — Nach diesen Bestimmungen wird der Begriff „Steuer- barer Reinertrag" in den „Allgemeinen Regeln betr. die Bewertung" in der Ein- leitung des blauen Bandes (Abschnitt IV) definiert. '') Vgl. Wagner bei Schönberg III S. 241. — Ebenso werden in der „Finanz- wissenschaft", nach wiederholter Hervorhebung der Bedenken gegen den Ver- kehrswert-Kataster, doch auch die Mängel des Reinertragskataster-Systeras, nament- lich bei der starken Parzellierung des französischen Bodens betont (s. a. a. 0.. III S. 446). Es heifst dort schliefslich (a. a. 0. S. 451): „Fraglicher ist es, ob man nicht allgemeiner als erste Grundlage der Abschätzung Verkehrswerte, Kauf und Pachtpreise, statt der doch nur durch eine rohe Veranschlagung erlangten 104 — 41 — Wenn ein ins Detail gehender Kataster diesen Weg beschreiten darf, so ist derselbe um vieles mehr einer summarischen Erhebung er- laubt. Vielleicht ist dieser Weg sogar der einzig mögliche tür eine solche, welche, wie es scheint, nur zu wählen hat zwischen einer fein ausgearbeiteten, zahlreichen Kontrollen unterworfenen Untersuchung der Yerkehrswerte auf der einen Seite und einer, bei der Kürze der Zeit und derartig geringer Anzahl des Personals etc. sicher höchst oberflächlichen Eeinertragsberechnungauf der andern. Auch für die- jenigen, welche theoretisch durchaus auf dem Standpunkte des Pro- duktionswertes stehen, ^) mufs in solchem Falle die praktische Ent- scheidung mindestens zweifelhaft sein. Es ist zu berücksichtigen, dafs die vorliegende Erhebung auf den Wert der einzelnen Grundstücke gar nicht eingeht^ sondern und aucli nur so erlangbaren Ertragswerte hätte bestimmen können und sollen" ; darauf aber wird auf die wohl noch gröfseren Schwierigkeiten hingewiesen, welche die G-ewinnung normaler, von lokalen und temporären Einflüssen freier Verkehrs- werte in einem so grofsen Staatsgebiete, zumal in den unruhigen Jahrzehnten, welche dem französischen Katasterwerk voraufgingen, und in welche dasselbe teilweise noch hineinfiel, hätten im "Wege stehen müssen. — Es ist interessant, zu verfolgen, wie trotz dieser Schwierigkeiten der französische Kataster, wie wir oben dargelegt haben, dazu gedrängt wurde, den Schwerpunkt auf Verkehrswert- Feststellungen zu legen. — Wagner (Finanzwiss. III S. 446) bezeichnet mit Recht auch den Parzellar- anstatt des Gutskatasters, der freilich (bei der Produktionsbewertung) direkt kaum herzustellen wäre, als besonders ungenau angesichts der starken Parzel- lierung des französischen Bodens. — Doch auch diesem Mifsstande könnte eine Verkehrswert-Feststellung in gewissem Sinne begegnen : Im Kauf- und Pacht- preise drückt sich der spezifische Wert einer Parzelle für einen bestimmten Wirts chafter und eine bestimmt e Wirtschaftseinheit, das betr. Gut, aus. (Vgl. besonders über den Einflufs der Gröfse des Gutes unten S. 45 ; über das Verfahren des französischen Katasters s. Anra, 2 zu S. 46), Übrigens könnte jeder, wie immer sonst angelegte, Kataster bei der Einreihung in die Bonit ätsklassen neben den natürlichen auch die wirtschaftlichen Ertragsbedingungen einer Parzelle in Rechnung ziehen. Aber durch eine Berücksichtigung solcher subjektiver Wert- faktoren würden die Katasterangaben irreführend indem Augen- blicke, wo ein neues Wirtschaftssubjekt oder eine neue Wirt- schaftseinheit die Parzelle übernimmt (z. B. bei Erbteilungen, s. unten S. 42). — Die vorliegende Erhebung übrigens, welche bei ihren Massen-Schätzungen ihrer Aufgabe nach alle individuellen Elemente vermeiden mufste, suchte jene Wertfaktoren natürlich in den Durchsichtuno;en der Verkehrsakten mög-lichst zu eliminieren. ') Vgl. Roschmann-Hörburg, Der Bodenwert Österreichs (Wien 1885) S. 4 f. 105 — 42 — nur Massen-Schätzungen macht, und dafs deshalb die von den Gegnern des Verkehrswertes gefürchteten individuellen Einflüsse in den Ver- kehrsakten, soweit sie bei der „Ventilation'* nicht genügend eliminiert sein sollten, sich häufig kompensieren. Aus demselben Grunde ist auch die beim Verkehrswert-Kataster so schwierige Beschaffung der nötigen Anzahl von Verkehrsakten aus einer nicht zu langen Periode leichter^ da man nicht für so zahh'eiche detaillierte Ab- teilungen und Unterabteilungen Material braucht. In diesem Punkte wird es natürlich auf die Verkehrsverhältnisse des ])etr. Landes an- kommen, auf die Häufigkeit des Besitzwechsels, auf die Rolle, welche Verpachtungen spielen, auf die Bestimmungen, welche bez. der amt- lichen Aufzeichnungen über diese Rechtsgeschäfte gelten. In Frank- reich lagen die Verhältnisse für die Verkelirswert-Erhebung be- sonders günstig durch das, von den hohen Besitzwechselgebühren veranlafste, System genauer Einregistrierung aller Verkehrsakte. Vor allem aber ist die dritte grofse Schwierigkeit des Verkehrs- Katasters, die Zugrundelegung eines richtigen Zinsfufses zur Be- rechnung des Reinertrages aus dem „Werte'' bei der vorliegenden Erhebung vermieden, da dieselbe in ausschlaggebender Weise sich auf Pachtpreise, nicht auf Kaufpreise stützt. — Jedenfalls dürfen wir nie die Möglichkeit, sogar AVahrschein- lichkeit einer Differenz zwischen dem unkor rigierte n Verkehrs- werte und dem Produktionswerte im einzelnen Fall aufser acht lassen. Durch Nichtunterscheidung beider Begriffe, durch willkür- liche Gleichsetzung des im einzelnen Falle gezahlten Kaufpreises mit dem Produktionswerte hat die Grundrentenlehre der klassischen Nationalökonomie auch in praktischen Fragen viel Unheil gestiftet. ^) Dem gegenüber hat Brentano mit Recht gelobt, dafs neuere Gesetz- gebungen wenigstens für Er])teilungen den Produktionswert zu Grunde gelegt haben. Jener Fehler könnte aber auch bei einer Verkehrs- wert-Feststellung vermieden werden, welche die abirrenden Momente gehörig eliminiert.-) Die Entscheidung zwischen beiden Methoden mufs schliefslich der we r ts tati s ti sehe n *) S. Brentano, Die klassische Nationalökonomie (Leipzig 1888) S. 17. -) Über diese mannigfachen Momente und ihre Behandlung vgl. den folg. Abschnitt über die „ventilations", namentlich bez. der von Brentano hervor- gehobenen Differenz zwischen Verkehrs- und Produktionswert, welche dadurch entsteht, dals der Pächter häufig über den Reinertrag des Bodens hinaus einen Teil seines Verdienstes aus der eignen Arbeit dem Grundbesitzer in der Pacht- rente überlälst, s. unten S. 46, 50 f. u. 56. lOG — 43 - Technik überlassen bleiben. In Frankreich sah sich diese, wie wir nachgewiesen haben, trotz der entgegenstehenden theore- tischen Vorstellungen und formellen Vorschriften, also aus rein praktischen Erwägungen, dazu gedrängt, den Verkehrswert dem allzu schwer zu erfassenden Produktionswert vorzuziehen. — Eine von volkswirtschaftlich richtigen Gesichtspunkten aus modi- fizierte Verkehrswert-Feststellung scheint uns auch geeignet, eine Verbindung zwischen der AVertstatistik und der neuen subjektiven Werttheorie (Jevons, C. Menger, v. Böhm-Bawerk u. A.) herzustellen. Zwischen dieser individuell -psychologischen Auf- fassung des Wertes und der sozial-statistischen ist u. E. nur oberflächlich ein Widerspruch vorhanden. Zur Andeutung des Verhältnisses mag der Vergleich mit dem andern Gebiete der Statistik dienen, auf welchem man seit Jahrzehnten (bisher leider für die Praxis ohne Erfolg!) an einer Auseinander- setzung über einen ähnlichen anscheinenden AViderspruch mit der Individualpsychologie arbeitet: die sozial-pathologische Auffassung der Delikte durch die Kriminalstatistik ist (oder wäre) auch für die individualisierende Strafrechtstheorie und -politik von gröfster Wich- tigkeit. Dem „mittleren Menschen" hier entspricht aber der „mittlere Wert" in der Preis- und Wertstatistik . . . Wir können das Grundproblem : Produktions- oder Verkehrs- wert in seinen weit in das Gebiet der Spekulation sich ziehenden Kreisen hier, wo es sich um eine referierende Darstellung handelt, nicht verfolgen. Auf einzelne Punkte der Verkehrs wert- Erfassung, auf welche die Erfahrung der vorliegenden Bewertung ein paar in- teressante Schlaglichter wirft, insbesondere aber auf die eigenartige Bedeutung des von ihr vertretenen ,, Pachtwertes*" werden wir noch bei dem zweiten, eigenartigen und methodologisch ungleich inter- essanteren Teile der Erhebung einzugehen Gelegenheit finden. Die Frage selbst: Produktions- oder Verkehrswert? erscheint um so mehr diskutabel, wenn wir vor einer so feinen und geist- reichen Erfassung des Verkehrswertes stehen, als sie dieser zweite Teil, die ,,ventilations'^, bieten. 107 — 44 — III. Die Verkehrsakten-Durchsichtungen fventilations). Kaufwert und Pachtwert. 1. Zum Leitfaden diene wieder das angehängte Mustertableau (C) für eine Kommune. Es führt die Aufschrift: „Übersicht der Akten- durchsichtungen oder Berichtigung der neuen Bewertung des Rein- ertrages der nicht überbauten Grundstücke." Zunächst wieder, was man eigentlich ventiliert hat. Man nahm Durchsichtungen von 527 867 Akten vor, ^) welche einen Gebiets- umfang von 9 608 041 ha und einen Reinertrag von 563 234809 Fr. umfassen — also nach Ausdehnung fast ^5? nach dem Ertrag fast '/^ des ganzen bewerteten Bodens Frank- reichs. Diese stattlichen Ziffern gewinnen an Bedeutung durch die Sorgsamkeit, mit welcher man die zu ventilierenden Akten aus- wählte. Sie stammen alle aus dem vorangehenden Jahrzehnt (1869 — 78). Da man den Wert nicht überbauten Bodens (und den des über- bauten gleich diesem fingiert) erfassen wollte, so benutzte man natürlich in erster Linie Verkehrsverträge, welche nicht überbaute Besitzungen betrafen. Weil aber sehr oft Häuser zugleich verkauft oder verpachtet werden, so verordnete man. aus diesen ,, gemischten Besitzungen'" (proprietes mixtes) nur solche zu wählen . bei denen mindestens die Hälfte des Preises für den nicht überbauten Teil (portion non bätie) gezahlt war. Da also die obengenannten Zahlen aus den ventilations bereits nach Abzug der Häuserarea der Güter gewonnen sind, so betrafen die ventilierten Akten thatsächlich einen noch höheren Bruchteil des französischen Bodens. Es waltete bei den ventihitions die gröfste Einheitlichkeit: wir erwähnten auch bereits , dafs den Inspektoren ganz besonders die Überwachung dieses Teils der Arbeit zur Pflicht gemacht wurde. -) Waren Ventilationen der geeigneten Aktenstücke zu irgendwelchem anderen Zwecke bereits nach den bestehenden Instruktionen vor- genommen worden, so durften die Ergebnisse zwar benutzt werden, *) Die Zahl der durchsichteten Aktenstücke betrug 532402 — zu einer „Ven- tilation" aber wurden bisweilen mehrere Akten vereinigt. 2) Instr. V. 9. XI. 79, s. blauer Band S. 20. 108 45 — miifsten aber vom Kontrolleur mit gröfster Sorgfalt durchgesehen, selbst erneuert werden, wenn irgend eine Ungenauigkeit anzu- nehmen war. Weitgehende Berücksiclitigung bei der Würdigung der Er- gebnisse der Bewertung verdient schliefslich der Umstand, dafs man als Minimalgrenze der zu ventilierenden Akten Preise von 300 Fr. bei Pachtverträgen, von 5000 Fr. bei Verkäufen nahm. Methodologisch erscheint das darum berechtigt, weil unter jener Grenze, wie stets bei Detailpreisen, am stärksten störende Neben- ursachen einwirken. Doch wird der in der Erhebung berechnete Durchschnitt da- durch etwas unter den Durchschnitt aller gezahlten Preise gedrückt, da unter jener Grenze, wie bei allen Detailpreisen, am teuersten be- zahlt wird. Gerade die vorliegende Enquete wie auch ihre Vorgängerin 18 51 haben wieder die alte Beob- achtung belegt, dafs die Pachtpreise für eine be- stimmte Ertragsgröfse im umgekehrten Verhältnis zur Gröfse der ganzen Pachtsumme stehen: Der „Nettopreis'' für die Reinertragsgröfse, welche 1 Fr. Grund- steuerhauptsumme entspricht, betrug von für Pachtverträge 1879. 1851. Fr. c. Fr. c. unter 500 Fr. 23 44 16 90 501—1000 „ 22 64 15 94 1001 2000 „ 21 59 15 52 2001 3000 ,, 21 14 14 76 3001 5000 „ 20 46 14 56 5001 10000 „ 19 81 14 45 0001 Fr. u. darüber 19 89 14 22 Durchschnitt 21 27 15 25 ') Der Mafsstab der Grundsteuer ist zwar, wie schon oben ange- deutet und wie noch auszuführen sein wird, ein ungenauer ; aber im grofsen und ganzen steht dieselbe doch einigermafsen in Proportion zum Reinerträge. Nicht zufällig weist unsere Skala ein stetiges Sinken (nur eine kleine Abweichung auf der letzten Stufe), und wies die Bewertung von 1851 das gleiche Ergebnis auf. — Auch die badische Enquete von 1883 zeigte ja wieder, dafs bei Ver- pachtungen, mehr noch bei Verkäufen im kleinen Preise gezahlt ^) Vgl. den blauen Band Tbl. 65 und das Bulletin 1879 VI S. 125. 109 — 46 — werden, die. wie Brentano ^) sagt. ..vom Standpunkte der Kapitalisten betrachtet, aufser allem Verhältnis zum Bodenertrag stehen''. Mit Hecht ist daher das Tableau C geneigt, bei der Feststellung eines ,, normalen" Pachtpreises aus den einzelnen durch sichteten Pachtverträgen bei Gütern mit Grofsbetrieb (en grande tenue) eine Mo- difikation im Sinne einer Erhöhung des gezahlten Preises, umgekehrt bei kleinen Gütern eine Er- niedrigung der Pachtsumme eintreten zu lassen.-) Das nämliche Tableau (65) des blauen Bandes, welches die Pachtverträge nach der Höhe der Pachtsumme gruppiert, zeigt aber die zweite bedeutsame Thatsache, dafs der Pachtpreis für eine be- stimmte Flächengröfse mit der steigenden Pachtsumme steigt: Der Pachtpreis pro 1 Hektar betrug für Pachtverträge Fr. c. von unter 500 Fr. 501 — 1000 ., 1001-2000 ., 2001 -3000 ,. 3001 — 5000 ,, 5001-10000 ,, 10001 u. darüber Durchschnitt 55 57 56 60 63 68 74 67 16 83 28 96 02 61 60 67 •■') *) Brentano a, a. 0. S. 16: „Die Pächter suchen nämlich beim Pachten nicht eine rentierende Kapitalanlage, sondern lediglich die Verwertung- ihrer während eines Teils des Jahres unfreiwillig feiernden Arbeitskraft. Da sie in dem Pacht- schilling einen Teil des so verdienten Arbeitslohnes dem Verpächter ablassen, so ist das, was ihnen bleibt, freilich nur gering. Aber immer können sie damit besser als ohne das leben, und sie erlangen damit die selbständige und unabhängige Existenz, nach der sie begehren. Und bekanntlich beherrscht diese Erwägung noch weit mehr den Ankauf von Grundstücken durch kleine Leute." — — „Ja im Lande des Grofsgrundbesitzes, in Norddeutschland,'' heifst es an eben der angefüiirten Stelle, „konnte man neuerdings die Beobachtung macheu, wie angesichts der schlechten landwirtschaftlichen Konjunktur Rittergüter undgröfsere Bauerngüter bei Subhastationen nur sinkende Preise erzielten, während gleichzeitig für kleine Bauerngüter und einzelne Grundstücke steigende Preise gezahlt wurden." -) Vgl. Kol. 11 u. 12 des angehängten Tbl. C. — Auch der Kataster fingiert in Frankreich bei der Bewertung der Parzelle Zugehörigkeit zu einem Gute mitt- lerer Gröfse; für seinen Zweck, d. h. für die Individualbewertung, entsteht da- «lurch natürlich eine Unrichtigkeit. ^) Diese Zahl ist naturgemäfs viel höher, als der durch die „direkte Ue- no — 47 — Die Divergenz der beiden Reihen scheint nur da- durch zu erklären, dafs in Frankreich mit kleinerem Betrieb auch der Ertrag derselben Bodeneinheit ge- ringer wird, die Intensität der Landwirtschaft ab- nimmt, vielleicht nur unterhalb einer gewissen Grenze des Gutsumfanges, unter welche die Zersplitterung des französischen Bodens doch vorgeschritten zu sein scheint — entgegen der in Prankreich selbst herr- schenden Ansicht, 2. Wir kommen zur Hauptfrage: welche Arten von Verkehrsakten hat man ventiliert? Es w^aren nicht Verkaufsakten in erster Linie, diese wurden nur im äufsersten Falle und mit äufserster Vorsicht zur Kontrolle herangezogen. ^) Dadurch unterscheidet die vorliegende Bewertung, welche wir eine ,, Verkehrs wert-Feststellung" nannten, sich scharf von den wertstatistischen Arbeiten, auf welche dieser Name gewöhn- lich angewandt wird. Die neue Erhebung geht dagegen durchaus von den Pachtver- trägen aus. Neben diesen wurden gerichtliche Versteigerungen von Holzschlägen benutzt (adindications de coupes de bois). -) Aus Tableau 45 des blauen Bandes läfst sich berechnen, dafs der aus diesen beiden Aktenarten ermittelte Reinertrag 77,84 '^'o ^^s ge- sammten aus den ,,ventilations'* gewonnenen betragen hat. Nur wenn die Pachtverträge fehlerhaft oder in ungenügender Zahl waren, griff man zurück auf Verkaufsakten und , .mündliche Pachterklärungen" (declarations de locations verbales). ^) Wertung" ermittelte Durchschnittsreinertrag pro Hektar (52.87 Fr.), da in den Pachtverträgen die unfruchtbaren Terrains keine grofse Rolle spielen, besonders weil man die Abmachungen über die kleinsten Beträge weggelassen hat. Vgl. Gimel a. a. 0. S. 316. ') Vgl. Labuze im Senat, Annales 1884. 1 S. 164. -) Diese Verkehrsakte, obgleich auch „ventes de coupes de bois" genannt, gehören ihrem ganzen Charakter nach (einmaliges Nutzungsrecht des Xehmers) zu den Pachtverträgen. ^) Diese, welche in Frankreich eine grofse Rolle zu spielen scheinen, sind nur verständlich durch die oft erwähnten Besitzwechsel-Gebührenbestimmungen: man verlangt bei der dort üblichen Pacht auf 3, 6 und 9 Jahre „ä la volonte du preneur" die Abgabe ('o"o Jahrespachtsumme) stets für die 9 Jahre auf einmal. 111 — 48 — Waren nicht genügend Akten zur Durchsichtung in einer Ge- meinde vorhanden, so schätzte man — wie es in § 10 der Instruktion heifst — „die Reinerträge einiger genau bekannter Güter^-' und sah dieselben „als wirkliche Pachtpreise-' an (comme prix de ferme veritables): z. B. man berechnete die Naturallieferungen, welche, wie bekannt, der Eigentümer eines auf Teilung des Ertrages ver- pachteten Gutes („cultive ä portion de fruits'O erhielt, nach den Markt- preisen. Oder man kannte den Bruttoertrag eines Eigenwirtes und berechnete einen fiktiven Pachtpreis, indem man sagte: in der be- treffenden Gemeinde verpachtet man gewöhnlich für die Hälfte, ein Drittel etc. des Bruttoertrages. So wenig derlei Angaben genaue Ziffern über den Pachtpreis lieferten, so wenig waren sie freilich auf der andern Seite korrekte Produktionsertrags -Berechnungen. In ähnlicher Weise wurden an Stelle mangelnder Kaufpreisangaben verwandt: Sachverständigenschätzung bei einer Teilung oder Angebot bzw. Nachfrage bei einem beabsichtigten Kauf oder Verkauf. Obwohl auch hier eine sorgsame Durchsichtung, eine Kon- statierung und Elimination aller zufälligen Einflüsse vorausging, wie wir sie noch des näheren kennzeichnen werden, so ist doch der Wert derartiger Daten für die Preisstatistik ein recht zweifelhafter. Es ist darum mit Anerkennung zu begrüfsen, dafs die vorliegende Arbeit die ,.ventilations'' dieser Art als , .unvollkommen berichtigte" (in- completement iustifiees) getrennt von den übrigen veröffentlicht hat. Das Tableau C gibt nämlich in seinen letzten Kolonnen (13—24) eine „Klassifikation der Akten-Durchsichtungen'" : Klasse I enthält, wie bemerkt, nur „wirkliche Pachtverträge und Verkäufe von Holz- schlägen"; Klasse II, die Aushilfsklasse, zerfällt in die 3 ange- gebenen Unterabteilungen : a) mündliche Pachterklärungen, b) Verkäufe, c) Fruchtteilungs-Pachtverträge, fiktive Pachtverträge etc. Die Verkaufs- und ähnlichen Akten bilden an Zahl noch nicht die Hälfte dieser Klasse, welche im ganzen doch nur 22,16 % i .5 ex a . Kategorie «3 _ S 3 . gruppiert nach Kategorieen. er in der Matrikel zeichneten Kultur aller Kulturen, di 1 Kategorie bilden 2 3 'C 3 'S g S — . 'S -t 1? - ^ c s sc ugenblickliche Au jeder Kategor itasterertrag" entsp genblicklichen Au jvisor. Schätzung. richtigte Schätz. ich der provieo- chen Schätzung. a 'S . .a bc ü e u S O N »'S .a 1 .Sä w Vi es M o » 111 '■ 'S t4 S "^ © a b TS •<-n OD a < Mi fk ä.s 3 Kl . F4. «2 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 1 11. 12. 13. 14. 15. 16. C Übersicht der Akten-Durchsichtungen (ventiiations) oder Berichtigung * d pq 'S b pq© S® CO ^ •^ 03 a ^— ® 'S :, — CD S ^ - 'S >- X "1 c a " . g « c a ^^ "■ o '^ ji ■— © 2^ ^< s tja CD a © es 0 SS N O M -5 ü ^ HH 'S t: 3 ~ ~ s P5 ~ - ~ CD 5 © ^ © > -= — — ^ »V. Ä "f ^ ..cieJ 4J .3 h ^ ® ä — ^ pq a c £: e S © - '" es ti^ *• 3 3 =* rt^ 3 08 it © . 2 ® - lii ® ? - 3 -i 00 5 3 - © . ^ IC u » 3 I ?• ~ i c =11 3 « 'S 3 ^W a 3 St 2 3 ü .St: o .' ^1 ©-ü bo © .S a •< s CQ o d u © 3'3 -^d *. o •^s c © -d 03 Q) *< d o 1© «M l> 3 . d-M £. ** bc © Sd «'S © eg kl el CO'*' d S 3 d d 'o .a« 3 Ü 10. Modifikationen, welche man an den Nettopachtpreisen vornehmen niüfste, um sie auf den nor- malen Pachtfufs zu bringen. 00 © u a o " © "Ö g«l •gs P >.p 3 « 3 u CO tN ffl •;; © •— d 3 _a.H5 3 a.'3 -3a s * n. ©ja d OD 00 © «'S 'S Wl i- 3 w d 3 s o z >-, et > — ^ © 3 2.5 5 ^ tCTJ .3 c a 3 Ä 'n Sa*' 12. 140 — 77 nicht überbauten Grundstücke der Gemeinde X. Arbeit ( ies Direktors. X X 3 2 1 o X « i 3 3 ij Berich- tigungen ung der au der 8 vorzu- Stuerbarer Reinertrag Kaufwert O^ 1 t~ 1 00 K 1 i-l o m OB 35 ..Zur Belehrung", Anwendung d. Wertziffem 5 5 ^ § :a ^ 5 2 s * 1 5 9 " .. 3 ^ 'H ^ ^ a und - i a :3 ^ ^ „• o l^c des Direktors auf die Aus- ^ '"5 2 Z .3 ^ » .2 B Vorschläge 6C O C « ffi 3 = C3 s3 dehnungen nach d.|Katas- 1 5 *- ^r.itä '. 0 O ii 'O 'S ■S.2-Ö ter (Kol. 3). T - "^ - ;! S S . des Inspektors, a |i "5 ^ "3 5 Vi o P4 w »4 1 s 'S O M Qruudsteue (Verhältn er CS u »4 (1 ö o '3 3 » s ^ " o 3 'S - W 3 . ^* « .= sc O ^ N S 3 " = 352 § - 3 3 -2 3 s 3 ä ^ 1 . cS ^ 17. 18. 19. 20. 21. 22. 1 23. 24. ; 25. • der neuen Schätzung des Reinertrages der nicht überbauten Grundstücke. Klassifikation der Durchsichtungen. ■3 CS o ^ 1 I. Wirkliche Pacht- II. Mündliche Pacht- 3 i=i verträge u. Verkäufe y""^ 3 — ; 9 von Holzschlägen. erklärungen, Verpachtungen CO = S , auf Teilung des Ertrages, Ver- käufe, Sachverständigen- C3 "od = t: ? iil 3 ffi u 3 fi d o -ö u ■u u 93 3 schätzungen, fiktive Pachtver- träge und andere unvoll- ^ C OD W 11 ti) 3 3 3 TS CO 3 « m J • eS i 'S 2 a 3 OD *> 3 o3 •2 <9 3 a> m 'S a 3 M <2> kommen berichtigte Ertragsschätzungen. Bemerkungen. Q r-i ö o > i— t lU 00 erhältnis des Reinertrages nach tungen : 1. zum Ertrage nach dem 2. zur Grundsteuer-Haupts 3. zu den Kaufpreisen = „ Zahl u 3 P a . '^ 3 il CS CD Ü •ä es Ph u T3 ä* ^ > ^a h a SS u » o 3 3 J2 ^ =* 3 a 2 2 |-|S 2 » 3 Sil "i a =32ä a O O CS '^ta 11 Ö >'r^ i4 a S 'S 13. 14. 15. [ 16. 17. 18. ! 19. ' 20. 1 21. : Il 22. 23. i 24. 1 25. :d in 141 G. Pätz'sche Buchdr. (Lippert & Co.), Naumburg a/S. Inhaltsübersicht. Seite Einleitung 1 I. Die Entwickelung der Bodenbewertungsmethoden in Frankreich. Das Erganzungs Verhältnis zwischen Kataster und summarischer Erhebung. 1. Der Kataster 3 2. ßeformversuche H 3. Die summarischen Erhebungen 17 II. Die sogenannte „direkte Bewertung" in der neuen Erhebung. Deren Stellung zum Produktions- und zum Verkehrswerte. 1. Materialien 22 2. Das Personal der Erhebung 24 3. Ihr Objekt 26 4. Die Methode der sogenannten „direkten Bewertung" 33 5. Produktionswert und Verkehrswert 39 III. Die Verkehrsakten-Durchsichtungen (ventilations). Kaufwert und Pacht- wert. 1. Die Objekte der Durchsichtungen 44 2. Kaufvertrag und Pachtvertrag 47 3. „Nettopachtpreis" 51 4. „Normalpachtfufs" 56 5. Vergleichungsmafsstab und Kontrolle 58 6. Art der Ergebnisse der Bewertung 66 IV. Die praktische Verwendbarkeit der Erhebung und ihre bisherige Nicht- Verwendung 70 Anhang: Formulare 76 i Staatswisseiiscliaftliclie Studien. In Verbiridunj]^ mit o Greh.-Rat Prof. Dr. Baumstark in Greifswald, Prof. Dr. Böhm von Bawerk in Innsbruck, Prof. Dr. Gustav Colin in Göttingen. Prof. Dr. Eheberg in Erlangen. Hofrat Prof. Dr. Helferich in München. Hofrat Prof. Dr. von Inama-Sternegg in AVien, Geh. -Rat Prof. Dr. Laspeyres in Giefsen. Prof. Dr. Lexis in Göttingen, Prof. Dr. Carl 31enger in Wien, Prof. Dr. von 3Iiaskowski in Breslau, Prof. Dr. j. Neumann in Tübingen, Prof. Dr. Paasche in Marburg. Prof. Dr. Pierstorff in Jena, Geh. -Rat Prof. Dr. Röscher in Leipzig. Hofrat Prof. Dr. Schanz in Würz- burg, Prof. Dr. von Schönberg in Tübingen. Prof. Dr. Stieda in Rostock, Prof. Dr. Umpfenbach in Königsberg, Geh. -Rat Prof. Dr. Ad. Wagner in Berlin herausgegeben von Dr. Ludwig* Elster, Professor an der Universität Breslau. 2. Band, 6. Heft. Dr. C. von Seelliorst, Der Roggen als Wertmafs für landwirtschaftliche Berechnungen. Jena, Verlag von Grustav Fischer. 1888. Der Roggen als Wertmafs für landwirtschaftliehe Berechnungen von Di Conrad von SeeUiorst. Jena, Verlag von Gustav Fischer. 1888. Die nachstehende Abhandlung wurde als Doktor-Dissertation der philosophischen Fakultät der Universität Jena unterbreitet. Vorgelegt von Prof. Dr. Freiherr von der Goltz. Bei allen Yölkern wird als Tauschmittel im Verkehr der Menschen untereinander, bei Kauf und Verkauf von Produkten der Natur und der menschlichen Arbeit, als Entgelt für geleistete Arbeit das Geld gebraucht. Dies ist bei den Kulturvölkern aus den Edelmetallen, Gold und Silber, hergestellt, ferner aus Kupfer, Nickel und Papier. Diese letzteren Materialien werden vom Staate und von der Gesell- schaft als Hilfsmittel des Verkehrs zum Ersatz des unter Umständen nicht so brauchbaren Goldes und Silbers angewendet. Sie repräsen- tieren, sobald sie zur Münze geschlagen oder zum Papiergeld ge- macht sind, einen bestimmten Gold- oder Silberwert, welcher, wenn effektiv auch nicht vorhanden, in normalen Zeiten stets allgemein anerkannt wird. Nun lehrt die Geschichte, dafs sich Gold- und Silbergeld und dem- gemäfs auch ihre Ersatzmittel nicht nur ihrem nominalen AVert nach geändert haben, sondern dafs auch ihr realer, nach dem wirklichen Gehalt von Gold und Silber bestimmte Wert in der Folge der Zeiten ein verschiedener gewesen ist. Es ist eine oft ausgesprochene, allgemein bekannte Wahrheit, die sich statistisch nachweisen läfst, dafs die Zeiten teurer geworden sind. Das heifst: Man kann mit derselben Menge Geld heute nicht mehr dieselbe Menge von Be- dürfnissen befriedigen, wie früher. Da die Hauptbedürfnisse des Menschen, vor allen Dingen die Gegenstände der täglichen Nahrung, unter sich den Wert relativ wenig geändert haben, ihr Wert mit dem des Geldes verglichen aber heute ein wesentlich anderer ist als früher, so kann man wohl an- nehmen, dafs nicht sie im Wert sich geändert haben, sondern dafs das Geld dies gethan hat. Im Laufe der Zeiten ist der Wert des Geldes zwar nicht gleichmäfsig, im grofsen und ganzen aber stetig StaatswissenschaftL Studien. II. ^. .-, - 1 42 — 2 — gefallen ; denn dieselbe Menge der Hauptbedürfnisse, also besonders des Nahrungsbedürfnisses, ist im Geldpreise gestiegen. Diese Veränderung des Wertes des Geldes kann unter Um- ständen sehr eingreifend in das Leben des Einzelnen, der Familien und der Gemeinwesen sein. Eine feste, in Geld ausgedrückte Grund- rente wird für den Berechtigten mit der Zeit an Wert verlieren. Dies kann bei langen Pachtzeiten, noch mehr aber bei Erbpacht einschneidend wirken. Ebenso kann bei Verpfändungen zu einem bestimmten Geldpreis im Lauf der Zeit der Wert des Pfandes ein ganz anderer geworden sein, was sehr wichtig sowohl für den Pfand- nehmer wie für den Pfandleiher ist. So wird das hier und da bei Pachtung übernommene eiserne Inventar, wenn auch materiell das- selbe, nach Ablauf der Pachtzeit einen anderen Geldwert haben können. Aber nicht nur zu verschiedenen Zeiten, sondern auch zu gleicher Zeit an verschiedenen Orten finden wir den Geldwert verschieden. Man wird gleichzeitig an verscliiedenen Orten nicht mit derselben Geldmenge dieselbe Menge von Bedürfnissen befriedigen können. Wir nennen deshalb den einen Ort teuer, den anderen billig, je nachdem die Kaufkraft des Geldes in denselben geringer oder gröfser ist. Dieselbe Geldmenge hat daher nicht denselben realen Wert an verschiedenen Orten zu gleicher Zeit. Dies zu wissen ist unter vielen Verhältnissen sehr wichtig; so für jemand, der ein bestimmtes Geldeinkommen hat, dessen realer Wert je nach der Wahl seines Wohnorts sehr verschieden ist. Bei seinen Offizieren, Beamten und Soldaten sucht der Staat diese Ver- schiedenheit des Wertes des Geldes dadurch einigermafsen auszu- gleichen, dafs er die Höhe des Service, des Wohnungsgeldzuschusses, des Verpflegungszuschusses verschieden hoch den örtlichen Preis- verhältnissen entsprechend bemifst. Auch als Mafsstab für die Höhe des Arbeitslohns zu gleicher Zeit an verschiedenen Orten ist das Geld nicht zu gebrauchen, wie schon aus dem eben Gesagten hervorgeht. Bei gleicher Höhe des Geldlohns wird der Lohnempfänger, je nach den Preisverhältnissen seines Aufenthaltsorts, seine Bedürfnisse in einem mehr oder weniger ausgiebigen Mafse befriedigen können. Dagegen kann eine ver- schiedene Lohnhöhe an verschiedenen Orten denselben realen Wert haben. Wenn somit die Schwankung des Geldwerts eine allgemeine direkte volkswirtschaftliche Bedeutung hat, so ist sie auch in hohem 636 I — 3 — Mafse zu beachten, wenn man aus der Geschichte der Volkswirt- schaft Lehren für die Gegenwart und Zukunft ziehen will. Es ist nicht nur interessant, sondern auch wichtig, festzustellen, in welchem Verhältnis die Grundrente in den verschiedenen Zeiten zu dem realen Wert des Grund und Bodens gestanden hat. Ferner ob der reale Arbeitslohn im grofsen und ganzen ein gleichmäfsiger, oder ein im Verlauf der Zeiten steigender oder fallender gewesen ist. Aus dieser Feststellung würde sich dann von selbst ergeben, ob die Lage der Arbeiter sich wirklich verschlechtert hat, wie ab und zu behauptet wird, ob vielleicht das Gegenteil der Fall gewesen, oder ob das eherne Lohngesetz ein richtiges ist. .Wenn sich schon im allgemeinen wirtschaftlichen Leben der Mangel eines festen, unveränderlichen Wertmafses fühlbar macht, so ist dies im besonderen in noch erhöhtem Mafse in der Landwirt- schaft der Fall. Gerade für den Landwirt ist es erwünscht, ein festes Mafs zu haben, denn zunächst ist die Kenntnis des realen Werts der Grundrente , der realen Höhe des Arbeitslohnes , des realen Werts des bei Pachtung event. mit übernommenen eisernen Inventars für ihn nötig. Aber auch bei landwirtschaftlichen Veranschlagungen allerlei Art, bei Produktionsberechnungen scheint die Einführung eines festen, unveränderlichen Wertmafses sehr nützlich. Hat man mittels eines solchen einmal die Höhe der einzelnen Produktions- faktoren festgestellt, so läfst sich durch Vergleich des idealen Mafses mit dem jedesmaligen Geldpreis desselben leicht das jedesmalige Geldresultat des in Frage kommenden Produktionszweiges feststellen, ohne dafs es dazu einer besonderen detaillierten Geldrechnung be- darf. Dies scheint besonders wichtig bei Vergleich der Rentabilität der verschiedenen Produktionszweige. Legt man bei Produktionsberechnungen und Anschlägen ein- fach das Geld zu Grunde, so wird man bei Durchführung derselben auf eine grofse Schwierigkeit stofsen. Zwei wesentliche Produkte des landwirtschaftlichen Betriebes und Faktoren bei der Berech- nung der Rentabilität der einzelnen Betriebszweige — die marktlosen Futtermittel und der Stallmist — besitzen im allgemeinen keinen Markt- preis. Wenn aber ein solcher vorhanden, ist er bei gleicher mittlerer Qualität dieser Produkte ein sehr schwankender. Einen Marktpreis kann man also bei Berechnungen nicht zu Grunde legen. Nun ist es ja möglich und auf die eine oder andere Art mehr oder weniger richtig, den jedesmaligen Geldpreis dieser Produkte durch Rechnung festzustellen. Dieser wird aber nach dem Wert des Geldes und der . r.' 1* 637 i2* — 4 — übrigen bei diesen Rechnungen in Betracht zu ziehenden Produkte örtlich und zeitlich verschieden sein. Ist es nun aber möglich den realen Wert der marktlosen Futtermittel und des Stallmistes durch ein festes, unveränderliches Wertsmafs auszudrücken, dasselbe, welches wir als Grundlage zur Berechnung der Höhe der Arbeitslöhne und der Grundrente anstreben, so wird die Mehrzahl der landwirtschaft- lichen Berechnungen und Anschläge sehr erleichtert werden. Die Resultate dieser in Geld auszudrücken, wird, wenn man den jedes- maligen Geldpreis dieses Wertsmafses kennt, verhältnismäfsig leicht und einfach sein. Die Erkenntnis der Mängel des Geldes als TVertsmafs ist schon lange bei den National -Ökonomen und Landwirten eingetreten. Mannigfach sind die Versuche, ein besseres Wertsmafs zu ermitteln und einzuführen. Natürlich hat man dabei nicht an die Verdrängung des gemünzten Geldes gedacht, sondern man suchte nur nach einem Wertsmafs, welches in den oben angeführten Fällen, in denen das Metallgeld keinen sichern Mafsstab bietet, dieses ergänzt und ersetzt. Ein solches als Wertsmafsstab brauchbares Gut wird folgenden Anforderungen genügen müssen: 1. Es mufs allgemein bekannt und benutzt, überhaupt ein wich- tiger Faktor im wirtschaftlichen Leben sein. 2. Sein Wert mufs leicht erkennbar und ein gleichbleibender sein. Es mufs zu allen Zeiten und für alle Menschen einen gleichen Gebrauchswert haben. 3. Es mufs derartig beschaffen sein, dafs die abzuschätzenden Güter in einem inneren Abhängigkeitsverhältnis zu ihm stellen. Auf die Erfüllung dieser Bedingungen sind die bisher vorge- schlagenen Wertsmafse zu untersuchen. Adam Smith glaubte, dafs die menschliche Arbeit das geeig- netste Wertsmafs sei. Er wollte deshalb den Wert eines Gutes nach der Menge menschlicher Arbeit, welche für dasselbe einge- tauscht werden könne, bemessen.^) Ihm folgte Ricardo, der aber den Wert eines Gutes nicht nach der Menge der Arbeit, welche für dasselbe eingetauscht werden könne, abgeschätzt haben will, son- ') Siehe Adam Smith : „Untersuchuup^eii über das Wesen und die Ursachen des Volkswohlstandes". Deutsch von F. Stöpel. Berlin 1878. Bd. I, Buch 5: „Der Wert einer Ware ist gleich dem Quantum Arbeit, welches zu kaufen oder über welches zu verfügen sie gestattet." 638 — 5 — dem nach der Arbeit, welche ein Gut enthält oder zu erzeugen kostet. -) Die Arbeit erfüllt zwar nach beiden Ansichten die erste der aufgestellten Bedingungen, nach der Ricardoschen Auffassung auch die dritte , welche nach der Smithschen Auffassung nicht erfüllt wird. Die zweite an ein Preismafs zu stellende Anforderung erfüllt aber die Arbeit weder in der einen noch in der anderen Auffassung, denn ihr Wert ist kein gleichbleibender. Es verändert sich der- selbe je nach den übrigen Produktionsbedingungen, die in gleichem Mafse den AVert des Produktes beeinflussen. Aufserdem ist der Begriff „Arbeit" kein feststehender. Die Arbeitsleistungen auf den verschiedenen Schaffensgebieten lassen sich nicht auf einen Nenner bringen, ja nicht einmal annähernd gegeneinander abschätzen. Smith hat deshalb den Begriff „Arbeit" beschränkt und die Durchschnitts- arbeit des ländlichen Arbeiters, welcher unter einfacheren wirtschaft- lichen Verhältnissen steht, als Wertsmesser vorgeschlagen. Er ist aber auch so kein brauchbarer. Es bleiben die durch die anderen Produktionsfaktoren, besonders die äufsere Natur hervorgerufenen Verschiedenheiten bestehen. Smith führt gegen die Arbeit als Wert- mafs ferner selbst an, dafs alle Waren häufiger gegeneinander als gegen Arbeit vertauscht und damit verglichen werden, dafs es daher naturgemäfser, ihren Tauschwert nach der Quantität einer anderen Ware zu schätzen, als nach der Arbeit, welche sie kaufen kann. Er stellt deshalb in zweiter Linie die Menge von Lebensmitteln, welche der gewöhnliche ländliche Arbeiter bei unangestrengter Arbeit verdient, als Wertsmafs auf, und da das Getreide die Hauptbrotfrucht, so will er den Wert eines Gutes nach der Menge Getreide, welche für dasselbe eingetauscht werden kann, bemessen. Er sagt darüber a. a. 0. Bd. I p. 48: „Gleiche Quantitäten Arbeit werden in ent- fernten Epochen mit annähernd gleichen Quantitäten Getreides, der Hauptnahrung der Arbeiter, weit weniger aber mit gleichen Quan- titäten Goldes oder Silbers oder auch aller anderen Waren erkauft. Gleiche Quantitäten Getreide werden also in verschiedenen Zeiten denselben Sachwert haben oder den Besitzer befähigen , annähernd ^) David Ricardo: „Grundsätze der Volkswirtschaft und der Besteuerungr". Deutsch von F. Baumstark. Leipzig 1837. Bd. I, Hauptstück I, Abteilung I: „Der "Wert eines Gutes oder die Menge eines anderen Gutes, gegen welche man das- selbe vertauscht, richtet sich nach der verhältnismäfsigen Menge von Arbeit, welche zu seiner Hervorbringung erforderlich ist, und nicht nach der gröfseren oder geringeren Vergütung, welche für diese Arbeit gegeben wurde." 639 — 6 — dieselbe Quantität Arbeit anderer Leute damit zu erkaufen oder darüber zu verfügen. Sie werden es, sage ich. eher thun, als gleiche Quantitäten fast aller anderen Waren, denn genau thun es selbst die gleichen Getreidequantitäten nicht. Die Subsistenzmittel des Arbeiters oder der wirkliche Preis der Arbeit ist, wie ich später zeigen werde, sehr verschieden unter verschiedenen Umständen: reichlicher bemessen in einer zur Wohlhabenheit fortschreitenden als in einer stillstehenden Gesellschaft, und reichlicher bemessen in einer stillstehenden als in einer rückwärtsgehenden. Alle anderen Waren werden jedoch zu einer gewissen Zeit eine grössere oder kleinere Quantität Arbeit verkaufen, je nach der Quantität von Lebensmitteln, welche sie zu dieser Zeit kaufen können. Eine in Getreide ausbedungene Rente ist daher nur d-en Veränderungen in der Arbeitsmenge unterworfen , die eine bestimmte Getreide- quantität kaufen kann. Eine in irgend einer anderen Ware aus- bedungene Rente ist dagegen nicht nur den Veränderungen der mit einer gewissen Getreidequantität erkauften Arbeitsmenge, son- dern auch den Veränderungen der mit einer bestimmten Quantität jener Ware erkauften Menge Getreide ausgesetzt." Das Getreide würde den an ein Wertsmafs zu stellenden Be- dingungen im allgemeinen entsprechen. Das wird auch von einer grofsen Zahl der auf A. Smith folgenden Nationalökonomen an- erkannt. ^) Diejenigen unter den Nationalökonomen, welche dem Wert des Getreides auch für gröisere Zeiträume nicht die genügende Konstanz zuerkennen, wollen es wenigstens als einen und zwar als Hauptfaktor bei Festsetzung des Normalwertsmafses anwenden.*) Dieses selbst wollen sie aus der Kombination der Preise der wichtigsten Ge- brauchsgüter und ihrer relativen Gebrauchsmenge ermitteln.^) Je mehr Güter dabei in Betracht gezogen würden , um so vollkom- mener würde der Wertsmafsstab sein. Da aber die Schwierigkeit der Feststellung mit der Zahl der berücksichtigten Güter wächst, so wird man bei Ausführung solcher Rechnungen sich auf die not- wendigsten Gebrauchsgüter beschränken müssen, obgleich man dabei an Genauigkeit das einbüfst, was man an Einfachheit gewinnt. ') Rau: Politische Ökonomie. II. Aull. Leipzig und Heidelberg 1855. I § 184. *) Fr. B. V. Herrmann: Staatswirtschaftl. Untersuchungen. München 1832. IV, 2 p. 96 ff. u. 135. — Röscher: Grundlagen der Nationalökonomie. Stutt- gart 1880 (15. Aufl.) § 129. ^) Hildebrands Jahrbücher 1871. E. Laspeyres, Held u. Drobisch. 640 — 7 — Die Menge der Bedürfnisse des gewöhnlichen ländlichen Ar- beiters ist eine sehr geringe. Nimmt man nun an, dafs sie in ihrer Gesamtheit ein unveränderliches Wertsmafs bilden, weil sie für den Arbeiter stets denselben Wert haben, so wird man durch Er- mittelung ihres jedesmaligen Geldpreises und durch den Vergleich dieser den wechselnden Wert des Geldes festzustellen vermögen. Allerdings bleibt dabei unberücksichtigt, dafs der Bedürfniskreis des Arbeiters sich erfahrungsgemäfs ändert. Doch findet diese Änderung beim landwirtschaftlichen Arbeiter so allmählich und langsam statt, dafs eine Berücksichtigung derselben bei solchen Rechnungen wohl aufser Acht bleiben kann, ohne dafs dadurch ein gröfserer Fehler entsteht. Solange es nun aber keine ausführlichere, längere Zeit durch- geführte Statistik über die Gröfse und den Geldpreis der einzelnen Gebrauchsgegenstände gibt, ist die Festsetzung eines solchen Normal- preismafses für den Einzelnen zeitraubend, schwierig, ja oft nicht durchführbar. Für praktische Zwecke kann es sich deshalb nur darum handeln, ein einzelnes Gut zu suchen, welches den an ein Wertsmafs zu stellenden Anforderungen soviel wie möglich genügt. Ein Suchen nach einem auf der ganzen Erde gültigen unwandel- baren Wertsmafs wird erfolglos sein. Das liegt in der Natur der Sache. Je nach Sitte und Kultur ist die Wertschätzung der ein- zelnen Güter von selten der Menschen, sind die Bedürfnisse dieser verschieden. Auch für ein einzelnes Land wird solches Gut nicht zu finden sein, denn es müfste nicht nur den oben an ein Wertsmafs gestellten Bedingungen genügen, sondern aufserdem noch in seiner Menge mit der steigenden oder fallenden Zahl der Bevölkerung stets gleichen Schritt halten und von selten dieser stets der gleichen Nachfrage unterliegen. Findet sich nun aber ein einzelnes Gut, welches dem ideellen Normalwertsmafs annähernd entspricht, so wird man den Vorteil der Einfachheit voranstellend den Nachteil der geringeren Genauigkeit, gegenüber dem aus der Kombination der notwendigsten Gebrauchs- güter zu berechnenden Wertsmafs, in den Kauf nehmen. Wie schon erwähnt, scheint das von Adam Smith als Preismafs empfohlene Getreide den an ein solches zu machenden Anforderungen im allgemeinen zu genügen. Smith versteht unter Getreide die Hauptbrotfrucht eines jeden Landes. Diese ist für England der W^eizen, für uns in Deutschland 641 — 8 — der Roggen, für andere Gegenden der Mais^ der Reis, die Hirse u. s, w. Für unsere deutschen Verhältnisse wäre also nach dem Gedanken- gange von A. Smith der Roggen das brauchbarste Normalwertsmafs. Bei genauerer Prüfung darauf, ob er für diese die einzelnen oben an ein Wertsmafs gestellten Anforderungen erfüllt, ergibt sich, dafs dies der Fall ist. - 1. Der Roggen ist allgemein bekannt und benutzt. Zunächst ist er das verbreitetste und seit vielen Jahrhunderten bei uns all- gemein gebrauchte menschliche Nahrungsmittel. Dann wurde er aber in früheren Zeiten häufig, in manclien Gegenden Deutschlands besonders dort, wo der Transport zum Verkaufsort teuer und schwierig, noch heute als Futtermittel für Zug- und Nutzvieh be- nutzt. Er wird aus diesen Gründen überall und meist als Haupt- frucht angebaut, so dafs die von ihm eingenommene Fläche 22 ^/^ von dem gesamten als Acker benutzten Areal in Anspruch nimmt. Wenn man nun auch heute nicht mehr sagen kann, wie noch im Anfang dieses Jahrhunderts, besonders aber noch vor Einführung des Kartoffelbaues, dafs unsere ganze Landwirtschaft auf den Anbau von Roggen basiert ist, so zeigt doch der hohe Prozentsatz des mit Roggen angebauten Ackerlandes, dafs diese Frucht noch immer eine sehr grofse Bedeutung für die Landwirtschaft hat. 2. Der Wert des Normalmafses soll leicht erkennbar und ein gleichbleibender sein. Der Roggen erfüllt auch diese Bedingung. Seine Quantität läfst sich leicht durch Mafs oder Gewicht ermitteln, und ebenso leicht wird seine Qualität durch das Verhältnis beider zu einander festgestellt. Diese Anforderungen erfüllen überhaupt die Körnerfrüchte besser als alle anderen landwirtschaftlichen oder Industrieprodukte. Nur das gemünzte Metall übertrifft dieselben und ebenso den Roggen in dieser Hinsicht bedeutend, hat aber dafür den Nachteil^ dafs sein Wert, wie bekannt, kein gleichbleibender ist. Der Wert des Roggens mufs dagegen annähernd ein gleicher bleiben, da er das hauptsächlichste Nahrungsmittel bei uns ist, für welches immer ungefähr die gleiche Nachfrage bestehen wird. Denn es ist aus Gründen allgemein wirtschaftlicher Natur, vor allen Dingen deshalb, weil sich weite Landstrecken bei uns besonders zum Anbau des Roggens eignen, ja geradezu auf diesen angewiesen sind, nicht anzunehmen, dafs der Roggen in seiner Stellung als Hauptbrotfrucht bei uns in absehbarer Zeit, etwa durch den seiner Zusammensetzung nach vorzüglicheren Weizen, verdrängt wird. 642 I — 9 — Überdies steht der Roggen bei uns im Durchschnitt längerer Zeitperioden in einem ziemlich konstanten Verhältnis zum Preise der anderen als menschliche Nahrungsmittel etwa brauchbaren oder gebrauchten Produkte des Ackerbaues und der Viehzucht. Es stehen mir als Beleg für diese Annahme allgemeine statistische Preisnotierungen zunächst für die Cerealien zwar nur seit 181G und auch nur für das Königreich Preufsen alten Bestandes zu Gebote. Aber die für einzelne Orte gemachten Angaben aus älterer Zeit ergeben, wie aus dem Folgenden ersichtlich ist, Verliältniszahlen, welche den für das Königreich Preufsen alten Bestandes aus den Durchschnittspreisen von 1816 — 1884 ermittelten sehr ähnlich sind. Man wird deshalb wohl nicht fehlgehen , wenn man die einzelnen Angaben für die betreffende Zeit verallgemeinert. Nach der von Block im III. Bd. seiner Mitteilungen p. 7 — 11 aufgeführten Tabelle verhielten sich die Preise von Roggen, Weizen, Gerste und Hafer im Durchschnitt der Jahre von 1630—1829 in Liegnitz wie 100 : 132,9 : 82,9 : 77,4. ^) Nach Conrad verhielten sich die Preise dieser Produkte im 230 jährigen Durchschnitt von 1651—1880 in Berlin wie 100 : 133,0 : 96,5 : 95,1. ') Die von Block und Conrad angeführten Zahlen haben ja nur lokale Gültigkeit und fallen zum grofsen Teil in eine Zeit, in welcher ein Ausgleich der Preise durch weitere Länderstrecken nicht möglich, da die Verkehrsverhältnisse zu unentwickelt waren. Interessant ist es aber, dafs man bei einer Kombination der eben angeführten fast genau dieselben Verhältniszahlen erhält, wie sie sich aus dem Durchschnitt der Preise in Preufsen alten Be- standes von 1816 — 1884 ergeben. Es betragen nämlich: die ersteren 100 133 89,7 86,2 die letzteren 100 130 90.3 88. Die für kürzere Zeiträume ermittelten Durchschnitte ergeben abweichende Verhältniszahlen. Auf dem Liegnitzer Markt verhielten sich die Preise ^) ^) Die Blockschen Angaben sind auf Zentner reduziert, die resp. Schefifel- gewichte von Weizen, Roggen, Gerste und Hafer zu 86, 80, 70 und 50 Zollpfund angenommen, ') In Schönbergs Handbuch der politischen Ökonomie. 2. Aufl. Bd. II, p. 238. *) Umgerechnet nach den Tabellen p. 5 — 11 in A. Blocks Mitteilungen Bd. III. Breslau 1834. S. Anm. 6. 648 — 10 — von Roggen, Weizen, Gerste und Hafer von 1630— 1649 = 100 162 92,4 78,4 „ 1650—1699 = 100 146,5 89,6 73,0 „ 1700—1749 = 100 142,6 86,2 74,7 „ 1750—1799 -= 100 117,4 82,9 79,5 „ 1800—1829 = 100 124,7 90,i 86,1 Auf dem Berliner Markt waren die entsprechenden Zahlen®) von Roggen, Weizen , Gerste and Hafer von 1651-1700 = 100 139,5 102,3 99,1 „ 1701—1750 = 100 135,1 84,3 83,4 „ 1751—1800 == 100 123,5 106,8 95,1 „ 1801—1850 -= 100 136,6 93,5 100,4 ., 1851—1880 = 100 130,7 95,1 96,1 Das Verhältnis der Durchschnittspreise in Preufsen a. B. war^^) von Roggen, Weizen , Gerste und Hafer ■ von 1816— 1820 = 100 137,i 86.4 85,5 „ 1821—1830 = 100 136,09 86,io 89,46 „ 1831—1840 = 100 133,92 87,79 88,76 „ 1841 — 1850 = 100 133,02 88,25 84,60 „ 1851 — 1860 = 100 124,65 88,56 84,91 „ 1861 — 1870 = 100 128,75 92,06 88,40 „ 1871—1880 = 100 . 129,22 96,01 91,78 „ 1881 — 1884 = 100 121,38 93.75 90,38 Aus den von Block für Liegnitz und von Conrad für Berlin gegebenen Zahlenreihen ergibt sich, dafs die Preise, wenn sie von ihrem durchschnittlichen Verhältnis zu einander abgewichen sind, sich immer wieder diesem nähern. Bei den für Preufsen a. B. angeführten, die Jahre von 1816 — 1884 umfassenden Zahlenreihen ist das anders. Hier findet diese Schwankung nur bei AVeizen und Hafer statt, während der Preis der Gerste mit dem des Roggens verglichen von Jahrzehnt zu Jahrzehnt regelmäfsig höher wird. *^) Der Grund dieser Erscheinung liegt in der vermehrten *) Conrad a. a. O. in Schönbergs Handbuch. '^) Nach Hansen: „Untersuchungen über den Preis des Getreides". Jena, Gast. Fischer. 1887. p. 14. Für 1816—1820 ergänzt nach der von Conrad in Schönbergs Handbuch a. a. O. p. 237 gegebeneu Preistabelle. '*) Auf den Durchschnitt der letzten 4 Jahre drückt das aufsergewöhnlich niedrige Preisverhältnis der Gerste zum Roggen im Jahre 1881, welches durch die hohen Roggenfireise in diesem Jahre, eine Folge der schlechten Roggenernte, hervorgerufen ist. Es war 1881 dagegen 1882 1883 1884 1885 = 82,2 : 100 = 95,7 : 100 = 99,3 : 100 = 102 : 100 = 100 : 100. 644 — 11 — Nachfrage nach Gerste infolge der sehr bedeutenden Steigerung ihres Verbrauchs zur Bierbrauerei. Aber diese Preissteigerung der Gerste über ihr mittleres Wertsverhältnis zum Roggen ist nicht so bedeutend, dafs dadurch die oben aufgestellte Annahme von der durchschnittlichen Parallelität der Preise der Cerealien aufgehoben würde. Auch würde es nicht richtig sein zu schliefsen . dafs diese Erhöhung der Gerstenpreise über das erfahrungsmäfsige Mittel von Dauer sein mufs. Es ist vielmehr anzunehmen, dafs früher oder später ein Ausgleich eintreten wird, weil der vermehrten Nachfrage schliefslich ein vermehrtes Angebot von guter braufäbiger AVare folgen wird. Wir finden ja auch in den 50jährigen Durchschnitten der Berliner Relativzahlen, dafs die Gerste zweimal das durch- schnittliche Preisverhältnis weit überschritten hat. Das Preisverhältnis der Cerealien ist in diesem Jahrzehnt freilich ein ganz anderes, doch schien mir dasselbe aus den in der Schlufs- betrachtung näher auszuführenden Gründen die allgemeinen Er- fahrungszahlen nicht umzustofsen. Über die Parallelität der Preise von Roggen auf der einen und von Kartoffeln und den Produkten der Viehzucht auf der anderen Seite stehen mir nur die folgenden aus den Jahren 1816 — 1885 für Preufsen a. B. ermittelten Angaben zu Gebote. ^-) Es verhielten sich die Durchschnittspreise für Roggen 1 Ztr. Kartoff. l^.Rindfl. 1/^. Butter 1 /(^. Schweinefl. 1 Ztr. = 100 von 1816-1820 100 24,1 4,3 9.6 5,1 „ 1821-1830 100 28,6 5,3 11,7 6,3 „ 1831 — 1840 100 26,2 5,1 10,9 6,1 „ 1841 1850 100 28,1 4,6 9,9 6,0 ,, 1851—1860 100 29,5 4,3 9.1 5,5 „ 1861 — 1870 100 28,5 5,5 11.5 6,6 „ 1871 — 1880 100 31,0 6,5 13,2 7,2 „ 1881 — 1885 100 32,9 9,1 14,0 9,0 „ 1816—1885 100 28,9 5,4 11,1 6.4 Von den aus dem Zeitraum von 1816 — 1885 ermittelten mittleren Verhältniszahlen kommen ja in den einzelnen Jahrzehnten Ab- weichungen nach beiden Seiten vor. Diese Abweichungen führen '^) Diese Tabelle ist entnommen der Taxationslehre von v. d. Goltz (siehe dort p. 156) und von mir für die Jahre 187J — 1885 und für Schweinefleisch nach der oben angeführten Tabelle von Conrad (siehe Schönbergs Handbuch Bd. II, p. 238) und nach der Zeitschrift des preufs. statistischen Bureaus (1886) ergänzt. 645 — 12 — aber notwendigerweise zu einer Veränderung der Produktion, wodurch ein Zurückgehen der Preise auf das durch schnittli che Verhältnis her- vorgerufen wird. Denn die Produkte der Viehzucht sind ja schliefslich ebenso gut wie die des Ackerbaues Bodenerzeugnisse, da alle für die Viehzucht gebrauchten Futtermittel unmittelbare Produkte des Bodens sind oder aus der Verarbeitung dieser gewonnen werden. Der Land- wirt hat es also bis zu einem gewissen Grade in der Hand, durch Einschränkung des Ackerbaues und Ausdehnung der Viehzucht resp. umgekehrt, dem zeitweiligen Preisstand der Produkte entsprechend, den für ihn zur Zeit vorteilhafteren Zweig der Wirtschaft zu be- treiben. x\ber diese Anpassung des Betriebes an die Preise selbst wird der Anlafs zu einer erneuten Umgestaltung des Preisverhält- nisses, und zwar, da die Umänderungen der Betriebe nur allmählich erfolgen können, zunächst im entgegengesetzten Sinne werden. Auf diese Weise wird ein fortwährendes langsames Pendeln der Preis- verhältniszahlen nach beiden Seiten eines aus einer langen Reihe von Jahren berechneten Mittels stattfinden müssen. '^^) Vor dem Weizen, der ja in gewissen Teilen Deutschlands die Stelle dos Roggens als Brotfrucht vertritt, hat dieser als Preismafs den Vorzug, dafs er in einer bedeutend geringeren Varietätenzahl gebaut wird, und den ferneren, dafs die Roggenvarietäten auch weniger in der Zusammensetzung voneinander abweichen als die Weizen- varietäten. Aufserdem zeigt auch die einzelne Roggensorte nicht so grofse durch Standort, AVitterung und Kultur bewirkte Ab- weichungen von der mittleren Zusammensetzung als die einzelne AVeizensorte. ^^)^^') Der immerhin auch beim Roggen bedeutende Unterschied in der Zusammensetzung bedingt es, dafs derselbe als ein in sich festes '•'') Siehe v. d. Goltz : Taxationslehre p. 162 ff. ") J. Conrad : Ao^rarstatistische Untersuchungen in Hildebrands Jahrbüchern 1871 p. 22.5 ff. „Das Gewicht des AVeizens variiert in weit höherem Grade als das des Roggens. Für Dezember 18H4 finden wir z. B. bei dem an der Danziger Börse verkauften "Weizen den Unterschied des höchsten und niedrigsten Gewichts auf 24 //, für den Rofrgen auf 9 //. anj^egeben. Deshalb sind auch die Preise je nach der (Qualität weit gröfsoren Differenzen unterworfen. Meistens beträgt die- selbe für den Weizen pro 2000 //. 1.5— 20Thlr., bei RojSfgen pro 2000 //. gewöhn- lich nur 5— 10 Tlilr. Es ist daher leichter, für den Roggen als für den Weizen einen angemessenen Durchschnitt zu finden." "*) Nach Dr. Guido Krafft variiert das Scheffelgewicht des Winterweizen von 78-97 //. , das des Winterroggen von 73—88//. Siehe Menzel und Lengerke's landw. Kalender. 646 — 13 — Wertsmafs nicht anzusehen ist. AVir müssen mit Durchschnittszalilen rechnen. Ferner ist es denkbar, dafs wir durch Züchtung besserer Arten und allgemeinere Intensivierung der Kultur mit der Zeit durchweg gehaltreichere Körner und dadurch andere Mittelzahlen erhalten. Doch könnte dies ja bei Wertsbestimmungen in Betracht gezogen werden. Mit einer Verbesserung der Qualität geht erfahrungs- gemäfs eine Vergröfserung des Gewichts parallel, so dafs wir durch Bestimmung des Volumengewichts einen Mafsstab für die Bestimmung der Qualitäts- und damit gleichzeitig der Wertsänderung erhalten würden. 3. Der dritten Anforderung, dafs das Wertsmafs ein derartiges sein soll, dafs die abzuschätzenden Güter in einem inneren Abhängig- keitsverhältnis zu ihm stehen, wird ebenfalls durch den Roggen ent- sprochen. Es war schon oben ausgeführt, dafs die anderen Produkte der Landwirtschaft in einem festen Wertsverhältnis zu dem Roggen stehen , wenn man die Durchschnittspreise längerer Perioden zum Vergleich nimmt. Von dem Geldpreis dieser hängt aber wieder in erster Linie die Höhe des Arbeitslohnes ab, und der Arbeitslohn ist schliefslich ein wichtiger Faktor bei der Bestimmung des Preises der meisten Gebrauchsgüter. Es stehen diese also in einem inneren Abhängigkeitsverhältnis zum Werte des Roggens. Je mehr allerdings die Handarbeit durch die Maschinenarbeit ersetzt wird, je höher aufserdem der Preis des zu verarbeitenden Rohproduktes ist, je geringeren Einflufs hat der Arbeitslohn auf die Preisgestaltung des betreffenden Gutes. Bei den Produkten der einfachen Handwerker- arbeit kann man dagegen dem Arbeitslohn und damit dem Roggen- preis einen mafsgebenden Einflufs auf die Höhe der Preisbestimmung derselben einräumen. Im Roggen haben wir also ein Gut, welches den von uns an ein Wertsmafs gestellten Anforderungen im allgemeinen entspricht. Er ist als solches speziell für landwirtschaftliche Berechnungen zu- erst von Albrecht Thaer vorgeschlagen und angewendet. Seinem Beispiel folgend haben Koppe und Albrecht Block den Roggen als Wertsmafs angenommen. Besonders der letztere hat in seinen „Mit- teilungen landwirtschaftlicher Erfahrungen u. s. w." allen Rechnungen, die auf dem Gebiet der Landwirtschaft vorkommen , lediglich den Roggen als AVertsmafs untergelegt. Ebenso verwendet von Thünen zu den Berechnungen im isolierten Staat den Roggen als Wertsmafs. Er sagt darül)er Seite 27: „Berechnungen, wo das Geld zum Mafs- stab dient, können aber nur für einen Standpunkt und für einen 647 — 14 — gewissen Getreidepreis zutreffend sein, und das Resultat ändert sich mit der leisesten Änderung des Getreidepreises. . . . Wir müssen, um allgemeine Formeln zu entwerfen, den Roggen selbst zum Mafs- stab nehmen, insoweit Ausgabe und Einnahme damit' im Verhältnis stehen und sich dadurch messen lassen." Nach Thünen kann nun der Rohertrag, da ein festes Preisverhältnis der verschiedenen Ge- treidearten untereinander und zwischen Roggen und animalischen Produkten besteht, ganz im Roggen angegeben werden. Von den Produktionskosten könne die Aussaat ganz auf Roggen reduziert werden. Die Bestellungs-, Ernte- und allgemeinen Kulturkosten be- stehen zum Teil geradezu aus Korn, zum Teil würden sie durch Korn und Geld zusammen bezahlt. Ein dritter Teil der Ausgaben sei von dem Getreidepreise aber ganz und gar unabhängig. Dieser müsse deshalb ganz in Geld ausgedrückt bleiben. Thünen sagt: „Welcher Anteil der ganzen Ausgabe in Geld und wieviel davon durch Korn zu bezahlen und auszudrücken ist — dies mufs not- wendig für jedes Land, für jede Provinz verschieden sein." Nachdem der Roggen dann längere Zeit als Wertsmafs ver- nachlässigt war, ist er neuerdings besonders von v. d. Goltz als Unterlage für die Wertsbestimmung der marktlosen Futtermittel und des Stallmistes benutzt worden. Es soll nun in dem Folgenden meine Aufgabe sein zu unter- suchen , ob und inwieweit der Roggen noch heute für landwirt- scliaftliche Berechnungen als Preismafs anwendbar ist. Ich werde das hierbei in Betracht zu ziehende Material in den nachstehend aufgeführten Abteilungen behandeln. I. Bestimmung der Wertshöhe der marktlosen Futtermittel und des Stallmistes. Daran wird sich eine Betrachtung schliefsen, ob der Roggen- preis nicht einen Anhalt zur Bestimmung resp. Beurteilung des Preises der künstlichen Dünge- und Futtermittel liefert. II. Bestimmung der Kosten der menschlichen Arbeitskräfte. III. Bestimmung der Kosten der tierischen Arbeitskräfte. IV. Bestimmung der Höhe der Grundrente. V. Folgerungen aus I— IV für die Praxis des landwirtschaft- schaftlichen Betriebes. 648 — 15 — I. Bestimmung der Wertshöhe der marktlosen Futtermittel und des Stallmistes. Bei jedem genaueren landwirtschaftlichen Voranschlag und zu jeder Rentabilitätsberechnung sowohl über die beiden Hauptzweige jeden Gutsbetriel)es, Ackerbau und Viehzucht, im Ganzen wie auch von Teilen derselben, bei der Berechnung der Unkosten, welche eine Arbeiterfamilie, welche die Haltung des Zugviehs verursacht, stofsen wir auf die Schwierigkeit: Wie hoch sind bei der Berechnung die marktlosen Futtermittel anzusetzen und welchen Geldwert hat der Stallmist? Die älteren landwirtschaftlichen Schriftsteller, so Thaer und Koppe, vermeiden die Schwierigkeit der Geldberechnung zum Teil, indem sie einfach das Stroh gegen den Dünger aufrechnen. Dies hat ja eine gewisse Berechtigung , da Stroh- und Düngererzeugung für gewöhnlich nicht Hauptzweck des Ackerbaues und der Viehzucht sind, der Ackerbau aber im allgemeinen nicht ohne Misterzeugung und die Viehzucht meist nicht ohne das beim Anbau von Körner- früchten miterzeugte Stroh denkbar ist. Ferner geht das Stroh ja alles in den Mist über, und erfahrungsgemäfs erzeugt strohiger Mist auch wieder besonders Stroh und weniger Körner. Nun wird aber bei jeder rationellen Viehhaltung, sei es von Zug- oder von Nutzvieh, nicht nur das Stroh verwendet, sondern auch Körner, Kleie, Ölkuchen u. s. w., dann Wiesenheu und die verschiedenen auf dem Acker erzeugten Futtergewächse gefüttert. Hierbei ist noch ganz davon abgesehen , dafs in der Viehhaltung öfter Streu- materialien verwendet w^erden , welche keine landwirtschaftlichen Produkte sind, wie Torfstreu, Waldstreu und andere. Da ein grofser Teil der gefütterten Stoffe im Mist wieder- erscheint, so ist es klar, dafs derselbe nicht einfach gegen das Stroh gerechnet werden kann, sondern dafs die gefütterten Stoffe ebenfalls zu veranschlagen sind. Daraus folgt nun schliefslich, dafs man den Wert des Mistes nicht lediglich gegen den Wert des Strohes rechnen kann. Um aus diesem Kreise herauszukommen, ist es nötig, dafs man spezielle Wertsermittelungen sowohl für den Mist als für die markt- losen Futtermittel anstellt. Einen festen, allgemein gültigen Markt- preis haben beide nicht. Der Mist ist in der überwiegenden Mehr- zahl der Fälle ein Produkt, welches der Landwirt selbst gebraucht, 649 — 16 — deshalb nicht veräufsern kann. Ferner ist er sehr wenig transport- fähig, d. h. die Transportkosten würden schon auf geringe Entfernung seinen Wert übersteigen. Es wird also ein Zukauf von Mist nur in der Nähe der Städte . welche denselben nicht selbst verwenden, möglich sein. Hier wird die Gröfse der Nachfrage nach dem Stall- mist bezw. die Entfernung, bis zu welcher derselbe abgesetzt werden mufs, wenn die Stadt ihn los sein will, mafsgebend für die Markt- preisbestimmung sein. Der Landwirt seinerseits kann natürlich nur einen Preis dafür zahlen, welcher plus den ungefähren Transport- kosten vom Erzeugungs- bis zum Verwendungsort dem von ihm er- mittelten Gebrauchsw^ert annähernd entspricht. Der wirklich gezahlte Marktpreis wird also sehr verschieden sein. Die bei Weitem überwiegende Mehrzahl der Güter, die nicht in der Nähe von Stallmist erzeugenden Städten liegen, ist aber gar nicht in der Lage, solchen zu kaufen, wenn auch das Bedürfnis oder der Wunsch nach Zukauf von Mist vorhanden wäre. Für diese gibt es also auch nicht einen Marktpreis des Stallmistes. Ebenso verhält es sich mit den marktlosen Futtermitteln. Die Mehrzahl derselben hat ja auch einen Marktpreis, der aber aus folgenden Gründen für das Allgemeine absolut nicht mafsgebend sein kann. Der Landwirt baut im grofsen und ganzen die marktlosen Futtermittel für seine Wirtschaft. Nur unter ganz bestimmten wirt- schaftlichen Verhältnissen wird er dieselben verkaufen wollen und der hohen Transportkosten wegen verkaufen können. Es wird dies ebenfalls meist nur in der Nähe der Städte der Fall sein, aus denen dann die für die Wirtschaft erforderlichen Ersatzmittel, auf die nur unter ganz besonderen Verhältnissen , z. B. bei der Rimpauschen Moordammkultur, zu verzichten ist, leicht beschafft werden können. Weil also nur ein ganz kleiner Teil dieser Produkte einen w^irk- lichen Marktpreis hat und die grofse Masse absolut unverkäuflich ist, resp. wo sie angeboten würde, nur einen verschwindenden Preis er- zielen könnte, weil die Nachfrage zu gering ist, so folgt, dafs von einem allgemeinen Markt])reis für diese Produkte nicht gesprochen werden kann. Es erübrigt also nur den Geldpreis des Stalldüngers sowohl wie der marktlosen Futtermittel durch Rechnung zu bestimmen. Dies kann gescliehen entweder durch Ermittelung der Produktionskosten oder durch Feststellnng des Gebrauchswerts dieser Produkte. Die Wertsermittelung nach den Produktionskosten würde eine C50 — 17 — verfehlte sein, weil man bei einer solchen gewissermafsen davon aus- gehen müfste, dafs der Zweck der Viehhaltung die Dungerzeugung und der Zweck des Ackerbaues die Futtergewächserzeugung sei. Letzteres könnte ja unter Umständen, wenn auch nie in der All- gemeinheit richtig sein. Dann stöfst man aber immer auf die Klippe, dafs man bei der Produktionskostenberechuung des Stallmistes den Wert der marktlosen Futtermittel und bei der Produktionskosten- berechnung dieser den Wert des Stallmistes als bekannt annehmen mufs. Auf diesem Wege ist also zu keinem Resultat zu kommen. Bei der Ermittelung des Gebrauchswerts dieser Produkte, welcher sich durch die Höhe ihrer Verwertung in der Wirtschaft ergibt, würde man in denselben circulus vitiosus kommen. Denn wenn man aus den Ergebnissen der Viehhaltung ermitteln will , wie hoch sich die marktlosen Futtermittel verwertet haben, fehlt zur Durchführung der Rechnung der Wert des Mistes, der doch auch ein Produkt der Viehhaltung ist. Und will man aus der Ackerrechnung ermitteln, wie hoch sich der Mist verwertet hat, dann mufs man wieder den Wert der marktlosen Futtermittel als bekannt annehmen. Aufser- dem werden aber sowohl der Ackerbau wie die Viehzucht von einer so grofsen Menge anderer Faktoren beeinflufst, dafs, wenn man auch einen Weg fände aus diesem Zirkel herauszukommen, das Resultat der Rechnung oft ein absurdes sein würde, da man bei derselben zu minus -Werten sowohl für den Stallmist als für die marktlosen Futter- mittel kommen könnte. Die landwirtschaftliche Litteratur weist eine Menge von Arbeiten auf, welche sich mit der Ermittelung des Werths der marktlosen Futtermittel und des Stallmistes beschäftigen. Das Journal für Land- wirtschaft 1884 Heft 1 und 2 bringt einen von Dr. Liebscher in Jena verfafsten Aufsatz „Über die Wertschätzung der in der Landwirt- schaft erzeugten und wieder verbrauchten Produkte", in dem sich eine sehr übersichtliche Zusammenstellung der verschiedenen bisher hierbei eingeschlagenen Verfahren befindet, welchen der Autor eine neue, von ihm ersonnene Methode hinzufügt. Ich mufs hier von einer Aufzählung und Kritik der einzelnen Methoden absehen und bemerke nur, dafs die grofse Zahl neuer Vorschläge uns zeigt, dafs etwas absolut Gutes nicht besteht. Es kommt deshalb nur darauf an, das relativ Beste herauszufinden und anzuwenden. Das ist meines Er- achtens die Bewertung der erwähnten Produkte nach ihren Bestand- teilen, soweit sie einen Marktpreis haben in der Weise, wie sie V. d. Goltz vorschlägt und durchführt. Ich beschränke mich darauf, Staats wissenschaftl. Studien. II. ,^>^ 2 43 — 18 — diese Methode kurz auseinanderzusetzen, jedoch, indem ich bei der Futtermittel-Bewertung dieselbe mit der von Kühn aufgestellten ver- gleiche. Kühn verfährt methodisch ebenso wie Goltz, basiert seine Kechnung aber anders wie dieser. a) Wertsermittelung der marktlosen Futtermittel. Das Wertvolle der marktlosen Futtermittel, wie überhaupt aller Futtermittel, besteht in ihrem Gehalt an Stickstoff, Fett und Kohle- hydraten. Der Preis dieser Stoffe in den marktgängigen Waren kann uns nun einen Anhalt für die Preisbestimmung der marktlosen Futtermittel bieten. Kühn nimmt als Ausgangspunkt zu einer solchen Berechnung den Marktpreis des Heues. Von der Goltz hält die I^Iethode der Kühnschen Vergleichung für richtig, aber den Ausgangspunkt für einen fehlerhaften, weil das Heu keinen allgemeinen Marktpreis habe. Er nimmt deshalb als Ausgangspunkt zur AVertbemessung der marktlosen Futtermittel den Roggen, welcher sich auch deshalb dazu besonders eignet, weil derselbe in der That häufig gefüttert wird. Nach dem Preis des Roggens bestimmt Goltz den Preis einer Nährstoffeinheit desselben, indem er das verdauliche Protein mit 6, das verdauliche Fett mit 4 multipliziert, zu den verdaulichen Kohle- hydraten addiert und mit der Summe in den Preis des Roggens dividiert. Auf Nährstoffeinheiten führt er nun die verschiedenen marktlosen Futtermittel zurück und bestimmt dann den Geldpreis derselben durch Multiplikation der erhaltenen Summe von Nährstoff- einheiten mit dem ermittelten Preis der Nährstoffeinheit des Roggens abzüglich 40 Prozent derselben oder der Summe. So hoch veran- schlagt nämlich Goltz den Minderwert der marktlosen Futter- mittel gegenüber den marktgängigen Produkten, weil dieselben nur zur tierischen Ernährung dienen, weil der Landwirt sie, wenn er auch wollte, meist nicht oder doch nicht zu dem am nächsten Markt- ort durchschnittlich gezahlten Preis verkaufen kann, weil sie ferner von beschränkter Haltbarkeit oder doch durch die Aufbewahrung an Wert verlieren und schliefslich, weil sie wegen ihres gröfseren Volumens und weil das Auf- und Ahladen derselben zeitraubender und kostspieliger, mehr Transportkosten verursachen als die Markt- früchte. ^®) ^«) Siehe v. d. Goltz: „Taxationslehre" II, 1, 2, 3. Kühn setzt p. 204 Anra. „Der zweckmäfsigfsten Ernährung des Rindviehs" 8. Aufl. den Preis der einzelnen Nährbestandteile im Verhältnis von 6 : 2,5 : 1, 652 — 19 — Um das Verfahren von v. d. Goltz besser zu veranschaulichen, soll in Folgendem die Preisbestimmung des Heues bei einem mittleren Roggenpreis von 7 Mark durchgeführt werden. Es enthält 1 Ztr. Roggen: 9,9 €i. verdauliches Protein x 6 = 59,4 Nährstoffeinheiten 1,6 U. „ Fett X 4 = 6,4 „ 65,4^. „ stickstofffr. Extraktst. = 65,4 „ Summe =132,2 „ Der Preis einer Nährstoffeinheit des Roggens beträgt daher ^^^ =5,33 Pf. 131,2 Nach Abzug der erwähnten 40 % mit 2,13 Pf. erhält man den Preis der Nährstoffeinheit der marktlosen Futtermittel = 3,2 Pf. Es enthält 1 Ztr. Heu mittelguter Beschaffenheit : 5,4 // verdauliches Protein x 6 = 32,4 Nährstoffeinheiten 1,0 ^. „ Fett X 4 = 4,0 „ 41,0^. „ stickstofffr. Extraktst. = 41,0 „ Summe = 77,4 „ Man erhält nun den Geldpreis des Heues entweder durch Mul- tiplikation von 77,4 und 5,33 und Subtraktion von 40 % der erhaltenen Summe 77,4 X 5,33 Pf. = 4,125 M. — 40 % = 1,650 = 2,475 M. oder durch Multiplikation von 77,4 X 3,2 Pf. = 2,476 M. In dem Anhang seiner Untersuchungen über den Preis des Ge- treides ^"^j „Das Preisverhältnis zwischen Heu und Roggen" weist Hansen nach, dafs die Annahme von v. d. Goltz, dafs der Geldwert der Nährstoffeinheit der marktlosen Futtermittel, also auch des Heues um 40 ^o geringer anzuschlagen ist, als der aus dem Markt- preis der Marktfrüchte ermittelte Preis der Nährstoffeinheit der- selben, insofern auch mit der Praxis übereinstimmt, als im grofsen Durchschnitt in Deutschland das Heu wirklich um fast so viel ge- ringer bezahlt wird, als sonst seinem Nährstoffgehalt im Vergleich mit dem Nährstoffgehalt des Roggens entsprechen würde. Im preufsischen Staat a. B. wurde nämlich im Durchschnitt der Jahre 1821 — 1880 die Nährstoffeinheit im Roggen mit 5, 19 Pf., im Heu mit 3,29 Pf., im letzteren also um 36,4 % geringer als im ersteren bezahlt. E. "Wolff im landw. Kalender von Menzel und Lengerke 1886 p. 77 von 5:5:1 fest. Ich halte die von v. d. Goltz angewendeten Zahlen aus den von demselben a. a. 0. p. 31 — 32 ausgeführten Gründen für richtiger. *'') Staatswissenschaftl. Studien von Dr. L. Elster I. Bd. 2. Heft. 653 2* 43* — 20 — Es scheint demnach auf den ersten Blick, als wenn Kühn Recht hat und man praktisch ganz richtig verfährt, wenn man den Markt- preis des Heues zum Ausgangspunkt für die Wertsermittelung der marktlosen Früchte annimmt. Doch es scheint nur so. Denn der mittlere Marktpreis des Heues schwankt lokal bedeutend mehr als der mittlere Roggenpreis, und zwar aus dem Grunde, weil das Heu bedeutend weniger transportfähig ist als der Roggen, und Angebot und Nachfrage deshalb mehr auf lokalen Ausgleich angewiesen sind. Als Beleg hierfür bringe ich die folgende kleine Zusammen- stellung, zu welcher die Daten der Zeitschrift des Kgl. Pr. Sta- tistischen Bureaus Jahrgang 1886 entnommen sind. Marktort. Provinz. Durchschnittl. Marktpreis pro Doppelzentner Heu in Mark im Jahr 1885. Koblenz Rheinpreufsen 5,04 Goch 5? 8,87 Aschersleben Sachsen 4,71 VV eifsenfels ?7 8,03 Schwiebus Brandenburg 3,28 Fürstenwalde n 5,89 Lauban Schlesien 4,90 Königshütte » 6,58 Wollte man den verschiedenen Marktpreis des Heues als Grund- lage zur Wertsbestimmung des Heues und der übrigen marktlosen Produkte nehmen, so würde man oft selbst auf benachbarten Gütern dieselben Produkte, welche für die einzelnen Wirtschaften annähernd denselben Gebrauchswert haben, mit sehr verschiedenen Geldpreisen in Rechnung setzen müssen und dadurch selbst bei ganz ähnlichem Betrieb sehr verschiedene Zahlen für die Rentabilität des Acker- baues und der Viehzucht erhalten. Nimmt man dagegen, wie V. d. Goltz, zur Berechnung der Preishöhe der marktlosen Futter- mittel den aus einer längeren Reihe von Jahren ermittelten durch- schnittlichen Marktpreis des Roggens am nächsten Absatzorte als Grundhige, dann sind solche Abweichungen ausgeschlossen. Denn der Roggenpreis wird an benachbarten Orten nie solchen Unter- schieden unterliegen als der Heupreis. Der Landwirt ist darauf angewiesen, den Roggen zum Verkauf zu bringen, der Städter ihn zu kaufen. Und sollten Angebot und Nachfrage sich nicht im Gleich- gewicht befinden, der Preis also über sein ungefähres Mittel erhöht 664 — 21 — oder herabgedrückt werden können^ so wird wegen der relativ grofsen Transportfähigkeit des Roggens ein erhöhter Zuflufs von ferneren Orten oder eine Abführung nach denselben eintreten und dadurch sofort ein Ausgleich des Preises bewirkt werden. Durch Annahme des Roggenpreises als Ausgangspunkt der Rech- nung berücksichtigt man aber auch gleichzeitig die Schwankung des Gebrauchswertes des Heues. Im allgemeinen werden nämlich dort, wo der Roggen teuer ist, auch die Produkte der Viehzucht teuer sein und umgekehrt. Für diese Parallelität der Preise ist weiter oben der Nachweis geliefert. Nun wird man natürlich bei hohen Viehpreisen eine höhere Verwertung des Heues und überhaupt der marktlosen Futtermittel erzielen, als bei niedrigen. Es sind diese also in ihrer Wertshöhe auch wenigstens indirekt abhängig vom Roggenpreis. Ebenso wie der Gebrauchswert der marktlosen Futtermittel ver- schieden ist je nach der Preishöhe der durch Verfütterung derselben erzielten Produkte, ebenso wird die Verwertung der konzentrierten Futtermittel sich verschieden gestalten je nach dem Preise von Fleisch, Milch u. s. w. Der dadurch bedingte verschiedene Gebrauchswert derselben wird am besten zu ermitteln sein , wenn man den Preis der konzentrierten Futtermittel ebenfalls mit dem des Roggens in Beziehung bringt. Würde man nun aber die Nährstofi'einheit der konzentrierten Futtermittel ebenso hoch bezahlen müssen, wie in den Marktfrüchten, so würde man in den meisten Fällen besser thun diese zu füttern , da man dadurch ihren Transport zum Marktort und auch den Transport der konzentrierten Futtermittel vom Markt zum Ort ihres Gebrauchs sparen würde. Die konzentrierten Futter- mittel finden in der Landwirtschaft lediglich dieselbe Verwendung wie die marktlosen Produkte, da sie wie diese nur der tierischen Ernährung dienen. Es scheint deshalb richtig, bei ihrer Preisbewertung genau so zu verfahren, wie bei der der marktlosen Futtermittel, den Preis der Nährstoffeinheit also um 40% geringer zu rechnen als bei den Marktfrüchten, speziell beim Roggen. Nach dieser Rechnung wird der Händler dem Landwirt den Preis stellen müssen und können. Letzteres deshalb, weil die konzentrierten Futtermittel Nebenprodukte der verschiedensten Industrien sind, welche sonst gar nicht oder doch auf jeden Fall auf andere Weise nicht so nutzbringend zu ver- wenden sind. Der Fabrikant kann sie also nur an den Landwirt absetzen, und der Nutzen des Landwirts mufs es also sein, welcher den Maximalpreis bestimmt. 655 — 22 — Dies ist auch deshalb um so mehr der Fall, als die Konkurrenz der Fabrikanten untereinander, also das Angebot ein grofses ist. Über die Höhe der Preise der Handelsfuttermittel sind bis jetzt noch keine ein gröfseres Gebiet und einen gröfseren Zeitraum um- fassende Zusammenstellungen gemacht. Das Material, welches ich im Folgenden bringe, ist daher nur unvollständig. Es scheint aber doch hinreichend zu sein, um aus demselben allgemeinere Schlüsse ziehen zu können. T. Preise von Roggen und Futtermitteln in Hannover von 1875 bis 1887.18) Es kosteten 1 Ztr Roggen. 1 Ztr. Weizenkleie. 1 Ztr. Roggenkleie. im Jal ir Marktpr. 1875 = 100. Marktpr. 1875= = 100. Marktpr. 1875 =100. 1875 8,5 = = 100 5,0 (4,8) := 100 5,25 (n ^3) = 100 1876 9,0 = = 105,9 ^;ö ^ =^ 100 5,25 100 1877 9,2 = = 108,2 4.8 = 96 5,25 = 100 1878 7,55 = = 88.8 5,5 = 110 5,55 = 105,7 1879 7,45 = = 87.7 4,4 = 88 4,50 = 85,7 1883 7,55 = = 88,8 4,8 = 96 4,9 == 93,3 1884 7,55 = = 88,8 5,1 = 102 5,3 = 1010 1885 7,55 = = 88,8 4,6 (4,32) = 92 4,7 (4,55) = 89,5 1886 4,4 - = 88 4,6 = 87,7 1887 4,1 = 82 4,0 = 76,7 1875- -85 4,9 (4,6) 5,1 (4,82) Es kosteten 1 Ztr. Rapskuchen. 1 Ztr. Erdnufskuchen. im Jahr Marktpr, 1875 = 100. Marktpr. 1875 = 100. 1875 8,0 (777)=100 9 = 100 1876 8,0 -^ =100 9 = 100 1877 8,5 =106,1 9 = 100 1878 8,0 =100 8 = 88,8 1879 8,25 =103 8 = 88,8 1883 7,6 = 95 8,2 = 91,1 1884 7,1 = 88,8 7,9 = 87,7 1885 6,7 (7,02)= 83,8 7,4 (8,25)= 82,2 1886 6,6 = 82,5 6,8 = 75,5 1887 6,4 = 80 7,0 = 77,7 1875- -85 7,76 (7,43) 8,3 (8,72) ^^) Die Daten zu dieser Tabelle sind entnommen für 1875 — 79 den An- gaben der Handelskammer von Hannover, welche sich in Thiels „Landwirtschaft!. Jahrbüchern 1880" in dem Aufsatz von J. König : „Über Geldwertsberechnung der Futtermittel" befinden, und von 1883/87 den Veröfi'entlichungen der Futtermittel- händler der Provinz Hannover in der „Landwirtschaftl. Zeitung der Provinz Han- nover". Hieraus geht schon hervor, dafs die Zahlen nur Annäherungspreise dar- stellen. — Die eingeklammerten Zahlen enthalten den theoretisch (nach v. d. Goltz) berechnetenPreis. — Die Roggenpreise sind entnommen der „Zeitschrift des Kgl. Pr. Statist. Bureaus" (1875—88). 656 T-IOOt>lftT} ® JA o< a p. p O ClC tS3 tüD CO 00 00 -H« 5 . i=i Oco:ct*QO»Cco-H 005t>ccooo:oooo 05 o CO O 1^ ü CO CO "3 o > CO oa5oo»r5cct^iocsoooo o -^ »c' X) o^^c^TcD >c ö co'ot" oo:oot^oc>oto:oo:a;QOoo ^—1 1— ( ■-< Vi 3 o o o o o o QO QO GO «o .-I ec OS CO 00 GO 1^ -^ 00 05 :o O- o: Oi o; 00 Ol i> C<>^ l^ O O r :c t>" cc t> -^t 5^ CO Tf cd" o $-1 "^•^«D^S^-^CSt^OOCOCOO .•g o '*'~co~cD~ic"(M''t>"t>'"id~x"oo"ao'' OOiOiOiOOI>OOI>t>I>t>t^ PLH Xll il II II 1! II II II IN lU o o c^^ t^ "^ n3 fi-« '^ cd co" o y—t f— ( ,—1 ;3 -^w (M(MOiOiOOOOOOr>;Dio-^;c-^co-r^'!tT^io a 05_O^C0^O^T^ iO»OiC-*iC CD Vi ,C O CO~lO~r>-'"cO~2— 1 T-l .— 1 'S S£ II !! II II II II II II II II II II <4-i «1 in C^-^eOCDI>.C^CO(MOCD(>>C5Tt< Cg co" cm" --T ^^ oT (yf co~ ic" co" oT of ö^ of ec_i—iocoQOioococsc5 O edcc o"—"^' "^'t^" 00' co" cd 00:0000000001 Ol t>t*t>. 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T3 fl CO tc 0 0 <ä > 0 ^ fl 5 c3 l-fl VfN 0 ^ a es ^_ « 5 ■*^ -^ -tf • F^ r-i kC 'w~J :3 t. 0 0 ^ :;3 ■^ TS fl © ^ ü [y !ä O 0 3 ^ >^ e8 C c ^p cö =3 5;^ T3 r--< © »^ t. > ü © t. > > © T3 (3 C 0 © © '^ 1 tr tf B ^ G 3 < <'j: oltz für deutsche landwirtschaftliche Arbeiter gemachte Angabe scheint allgemeinere Gültigkeit zu haben. So gibt Ignaz Gruber ^-) in der „Haushaltung der arbeitenden Klassen" in Tab. XII an , dafs im Mittel die Nahrung 65 ^Jq der Gesamt- ausgabe der arbeitenden Klassen für sich in Anspruch nimmt. Dies Mittel ist aus den Budgets der Arbeiter der verschiedensten Berufs- arten und von verschiedenen Nationen — Deutschen, Österreichern, Franzosen und Belgiern — genommen. Da die Nahrungskosten nun in der Hauptsache direkt oder indirekt von der Höhe des Roggenpreises abhängen , mit diesem steigen oder fallen, so wird man den Teil der Einnahmen, welcher zu ihrer Bestreitung notwendig ist, als zusammenhängend mit dem Roggenpreis, auf diesen beziehen können. Die Abhängigkeit der Preise der übrigen zum Unterhalt einer Arbeiterfamilie absolut notwendigen Bedürfnisse — Wohnung, Klei- dung, Feuerung und Licht, Erziehungskosten für Kinder und Bei- träge für Alters-, Krankheits- und Invalidenkassen — werden sich zum grofsen Teil nicht oder doch nur unter ganz bestimmten Ver- hältnissen und nur im allgemeinen auf Roggen zurückführen lassen. Werden die ländlichen Arbeiterwohnungen mit eignem Material, wie dies sehr häufig der Fall ist , hergestellt , so werden die Her- stellungs- und damit die Nutzungskosten in der Hauptsache durch die Höhe des Tagelohns und dadurch wieder des Roggenpreises be- dingt; denn der Arbeitslohn beeinfiufst nicht nur die Höhe der direkten Baukosten, sondern auch die Zurichtungskosten des Ma- terials. selbe durchschnittlich auf Nahrung, oder die Nahrungsausgaben wachsen nicht parallel den Gesamtausgaben, sondern langsamer." ''') Von der Goltz: „Das Ausgabebudget der ländlichen Arbeiter im deutschen Reich." In der Concordia 1875. '-) Ignaz Gruber: „Die Haushaltung der arbeitenden Klassen." In den staatswissenschaftl. Studien von Dr. L. Elster. I. Bd., 4. Heft. 668 — 35 — In Gegenden, in welchen die Stoffe zu den Kleidern durch Handspinnerei und Handweberei der am Orte erzeugten Rohprodukte gewonnen werden, wird man ja annehmen können, dafs die Preise dieser in einem Abhängigkeitsverhältnis zum Tagelohn und dadurch auch wieder zum Roggenpreis stehen. Bei uns in Deutschland ist im allgemeinen die Handspinnerei und Handweberei durch Maschinen- arbeit gänzlich verdrängt. Es gibt ja allerdings noch Gegenden mit vorwiegender Hausindustrie. Diese sind aber durch die Kon- kurrenz der Fabriken genötigt zu Hungerlöhnen zu arbeiten, da ein Wechsel in der Beschäftigung aus den mannigfachsten Gründen sehr schwierig ist. Aufserdem wird das Spinnen und Weben mit der Hand noch häufig als Nebenbeschäftigung betrieben, bei welcher Zeit und Arbeit, die sonst nicht nutzbringend zu verwenden sind, geringer angeschlagen werden als bei der Hauptbeschäftigung. Die Produkte derselben werden dementsprechend billiger angeboten. Es ist also im allgemeinen nicht anzunehmen, dafs die Kosten der Kleidung in Beziehung zum Roggenpreis stehen. Der Lohn der Handwerker, Schneider und Schuhmacher wird allerdings mit dem ortsüblichen Tagelohn und dadurch mit dem Roggenpreis zusammen- hängen. Es ist aber schwer zu entscheiden, wieviel von den Kosten im gegebenen Fall auf den Handwerkslohn und wieviel auf das für die Arbeit verwendete Material entfallen. Auch der Preis des Holzes scheint in der neueren Zeit in einem gewissen konstanten Verhältnis zu dem des Roggens zu stehen, wie dies die folgenden Tabellen ^^) ergeben. Es kosteten im Durch- schnitt des preufsischen Staates 1 Ztr. Koggen in M. Der Festmeter Nutzholz in M. Der Pestmeter Brennholz in T^f Im Jahr Eichenholz Kiefernholz Fichtenholz Buchenholz Nadelholz 1820- -29 4,43=100 11,90 = =100 6,83=100 6,67=100 2,66=100 1,65=100 1830- -39 5,14=116 12,16= =102 7,06=103 7,69=115 2,63= 99 1,70=103 1840- -49 6,40=144 14,43= =121 9,11=133 9,33=140 3,40=128 2,25=136 1850- -59 8,16=184 16,95= =143 10,96=160 13,21=168 3,99=150 2,66=161 1860- -69 7,92=179 21,45= =180 13,44=197 14,24=213 4,81=181 3,40=206 1870- -74 8,85=200 25,81 = =217 14,99=212 15,83=237 5,31=200 3,52=213 1875- -79 7,89=178 26,77= =225 14,80=216 15,36=230 5,52=207 3,92=238 '') Die Preisangaben sind dem Aufsatz von Dr. ü. Eggert : „Die Bewegung der Holzpreise und Tagelohnsätze in den preufsischen Staatsforsten von 1800 — 1879" in der Zeitschrift des Kgl. Pr. Statistischen Bureaus 1883 entnommen. 669 ^* 44* — 36 — Es kostete in folgenden 3 Regierungsbezirken der Festmeter Brennholz Magdeburg Merseburg Koblenz Jahrgang Buchenholz Nadelholz Buchenholz Nadelholz Buchenholz Nadelholz 1820—29 5,09=100 3,05=100 4.4l=100 2,95=100 5,15=100 2,56=100 1880—39 4,77= 94 2,98= 98 5,21=118 3,22=109 4,45= 86 3,13=122 1840—49 5,41=106 3,47=114 6.07=138 3,95=134 5,42=105 3,83=150 1850-59 6,87=135 4,05=130 6,81=155 4,57=155 5,79=112 4,45=174 1860-69 7.84=154 4,66=153 8.00=181 5,18=175 6,36=123 4,72=184 1870—74 8,50=167 4,89=160 8,25=187 5.90=200 7.29=142 4,46=174 1875—79 8,53=168 5,41=178 8,04=182 5,72=194 8,00=135 4,94=173 Der Festmeter Nutzholz kostete im Regierungsbezirk Magdeburg Regierungsbezirk Merseburg Jahrgang Eichenholz Kiefernholz Eichenholz Kiefernholz Fichtenholz 1820—29 16,69=100 12,89=100 14,24=100 9,97=100 11,16=100 1830—39 17,18=102 9,37= 73 13,77= 97 10,11=101 8,92= 80 1840—49 19.16=114 12,23= 95 16,91=120 11,15=112 11,22=100 1850-59 21,64=128 13,97=109 20,34=143 15,12=151 12,10=108 1860-69 25,62=152 15,56=121 25,14=177 16,86=170 13,17=118 1870—74 30.08=178 16,99=132 28.62=202 19,75=198 14,67=132 1875—79 32,89=195 19,98=155 31,00=219 19,07=191 14,00=125 In früheren Jahrhunderten war das anders. ^*) Solange das Holz in einer solclien Menge vorhanden war, dafs eine leichte okkupierende Arbeit die geringe Nachfrage überflüssig befriedigte, solange vom Grund und Boden keine oder doch nur eine sehr geringe Rente ge- fordert wurde, waren die Holzpreise natürlich sehr gering. Je mehr aber die Nachfrage wuchs, und je mehr der Holzvorrat erschöpft resp. Grund und Boden zur Befriedigung anderer Bedürfnisse in Anspruch genommen wurde, je mehr mufste der Holzpreis wachsen. Schliefslich , als der regelmäfsige mühsame Weg der eigentlichen Produktion eingeschlagen werden mufste, als die Grundrente einen höheren Stand eingenommen hatte , mufste der Holzpreis sich in ein gewisses Verhältnis setzen zu den Preisen der anderen Boden- produkte, welche mit ähnlicher Mühe und Kosten gewonnen wurden. So finden wir auch nach den obigen Tabellen in jenen Regierungs- bezirken, in welchen die als Wald benutzte Bodenfläche in einem gewissen (natürlichen) Verhältnis zur Gesamtfläche steht und auf dieser einigermafsen gleichmäfsig verteilt ist, ein fast genaues Pa- rallelgehen der Holzpreise mit den Kornpreisen. In andern Be- zirken, in welchen dieser Ausgleich in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts noch nicht stattgefunden hatte oder heute noch nicht eingetreten ist, hat eine Parallelität der Holz- und Kornpreise in dem Mafse noch nicht stattfinden können. Das drückt sich in der '*) Siehe Röscher: „System der Volkswirtschaft" I § 131. 670 — 37 — Tabelle für den preufsischen Staat aus, nacli welcher die Steigerung des Holzpreises von 1820 — 1879 stärker gewesen ist als die Steigerung des Kornpreises. Sämtliche anderen Bedürfnisse, die oben genannt wurden, lassen sich absolut nicht auf Roggen zurückführen. Ebenso sind die kleinen Bedürfnisse, welche halb zum Unterhalt, halb zum Luxus zu rechnen sind, wie Tabak und Schnaps, nicht vom Roggenpreis abhängig. Es hat dieser gar keinen Einflufs auf ihre Preisbestimmung. Da aber der Roggen für % der Gesamtbedürfnisse eines Ar- beiters ein sehr gutes, für einen anderen Teil derselben ein unter Umständen auch recht brauchbares Wertsmafs gibt, so können wir ihn überhaupt als ein relativ gutes Wertsmafs für die reale Höhe des Arbeitslohns ansehen. In vielen Gegenden Deutschlands erhalten die ländlichen Ar- beiter einen Teil des Lohns in Naturalien. Dieser macht in einer grofsen Reihe von Fällen in Nord- und Ostdeutschland einen sehr bedeutenden Prozentsatz des Einkommens aus. Es beträgt derselbe, wenn man nur den Kaufwert der gereichten Naturalien, nicht den Einkommenswert, welcher durch Verarbeitung entsteht, rechnet :^^) Im Regier. Bezirk Grumbinnen Kreis Ragnit 75,6 % des Gesamteink. „ „ „ „ „ Gumbinnen 81,0 „ „ „ „ „ „ Königsberg „ Wehlau 74,2 „ „ „ „ „ „ „ „ Gerdauen 84,6—88 „ „ „ „ „ Danzig „ Stargardt 85,8 „ „ „ „ „ „ „ Karthaus 68,0 „ „ „ „ „ „ Marienwerder „ Schweiz 63,4 „ „ „ n » n « w Stuhm 71,6 „ „ „ „ „ „ Köslin „ Neustettin 69,5 „ „ „ » „ Bütow 89,2 „ „ „ Stettin „ Demmin 80,0 „ „ „ ßromberg „ Wirsitz 59,0 „ „ „ Posen „ Samter u. Bück 76,1 „ „ „ Potsdam „ Ruppin 71,8 „ „ „ „ „ Ostpriegnitz 72,4 „ „ „ Frankfurt „ Friedeberg 53,3 „ „ „ Breslau „ Namslau 65,4 Es sind hier allerdings die Naturalieneinnahmen, welche in freier Wohnung und freiem Brennmaterial bestehen, mitgerechnet. Dieser Teil ist aber im Vergleich mit den anderen Naturalemolumenten '^) Die Zahlen sind nach v. d. Goltz: „Die Lage der ländlichen Arbeiter im Deutschen Reich" berechnet. 671 — 38 — sehr gering, so dafs die Prozentzahlen für die Nahrung nicht sehr geändert werden. Überdies steht, wie wir sahen, der Miets- und der Brennmaterialienpreis im allgemeinen mit dem Roggenpreis in Relation. Es besteht also in vielen Gegenden Deutschlands ein Teil der Einnahmen der ländlichen Arbeiter direkt in Nahrungsmitteln und zwar beträgt dieser die Hälfte bis % der Gesamteinnahme. Für diese Gegenden scheint es an sich gerechtfertigt zu sein, diese auch direkt in dem Material, welches den Preis der Nahrungsmittel be- stimmt, auszudrücken. Bei Untersuchung der thatsächlichen Verhältnisse in Deutsch- land darauf, ob der Preis des Roggens einen bestimmenden Einflufs auf die Höhe des Lohns ausübt, ergibt sich folgendes :^^) Der höchste in Roggen ausgedrückte Tagelohn (23 ti) übertrifft den niedrigsten (10,8 //.) um 112,8%, der höchste Geldlohn dagegen den niedrigsten um 192 %. Die Abweichung des höchsten Distrikts- durchschnittspreises des Roggens vom niedrigsten im 10jährigen Durchschnitt von 1863—72 beträgt dabei 29,3%. Die höchsten Geldlohnsätze fallen nun zwar nicht absolut mit den höchsten Roggenpreisen zusammen. Dies ist aber doch im grofsen und ganzen der Fall. Daraus ergibt sich , dafs die Preise des Roggens doch einen gewissen Einflufs auf die Höhe des Lohns ausüben. Daneben üben aber die Verhältnisse von Angebot und Nachfrage, die natürliche Produktivität resp. Rentabilität des land- wirtschaftlichen Gewerbes und schliefslich die Lebensgewohnheiten und Ansprüche der Arbeiter einen oft nicht unbedeutenden Einflufs auf die Lohnhöhe aus. Diese thatsächlich bestehenden Verhältnisse strafen auch die Behauptungen Lügen, dafs der Lohn der Arbeiter sich nur wenig über das Existenzminimum erheben könne. Handelt es sich darum, die reale Höhe des Arbeitslohns festzu- stellen, sei es um sich über die materielle Lage der Arbeiter über- haupt klar zu werden, sei es, um dieselbe an verschiedenen Orten vergleichen zu können, wird man auf den Roggen als vergleichendes Wertsmafs nicht verzichten können. Ebenso mufs man auf ihn zurückgreifen, wenn man feststellen will, ob der reale Lohn sich im Lauf der Zeiten geändert hat. Letztere Untersuchung wird ergeben, **) Die folgenden Angaben sind entnommen v. d. Goltz : „Die Lage der ländlichen Arbeiter im Deutschen Reich p. 465—467 und Anlage I u. II zu den Tabellen 1. 672 — 39 — ob das eherne Lohngesetz Lassalles, welches, wie wir sahen, zu gleicher Zeit keine Gültigkeit hat, diese doch im Verlauf gröfserer Zeitperioden behauptet, oder ob nicht im allgemeinen eine Ver- besserung der materiellen Lage der Arbeiter eingetreten ist. Die Angaben aus älterer Zeit über die Höhe des Tagelohns der Arbeiter überhaupt fliefsen sehr spärlich. Aus der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts zunächst finden wir in der landwirtschaftlichen Litteratur über die Höhe des ländlichen Arbeitslohns in Deutschland, und zwar in Roggen, folgende Angaben : Thaer: Grundsätze der rat. Lw. 1809 9 Z. ^. R. „ : Leitfaden z. allg. lw. G.-Lehre 1815 13,3 „ „ Schnee: Handbuch für Land- u. Hauswirtsch. 1819 13,3 „ „ Block: Mitteilung lw. Erfahrg. etc. 1834 13,5 „ „ Schweitzer: Kurzgefafster Leitfad. d. Lw. 1843 13,0 „ „ Kleemann: Encyklopädie lw. Berechnungen 1844 14,3 „ „ Da Thaer seine erste Angabe selber als zu niedrig bezeichnet, ist von dieser abzusehen. Die Gegenüberstellung der von den auf- geführten Schriftstellern ermittelten Durchschnittslöhne mit den von der Enquete ermittelten in Boggen ausgedrückten Lohnsätzen in den Landesteilen, für welche erstere gültig, ergibt folgende Tabelle : Thaer: Brandenburg 1815 13,3 Zollpf. 1872 16,7 Zollpf. Schnee: Braunschweig 1819 13,3 „ 1872 17,2 „ Block: Reg.Bez. Liegnitz 1834 13,5 „ 1872 12,1 „ Schweitzer: Kgr. Sachsen 1843 13,o „ 1872 17,5 „ Kleemann: Sondershausen 1844 14,3 „ 1872 17,2 „ Hiernach ist der Arbeitslohn in den von den genannten Schrift- stellern berücksichtigten Teilen Deutschlands fast allgemein um 20 bis 25 7o gestiegen. Nur in Nieder-Schlesien wäre nach dem Obigen der Lohn zurückgegangen. Es ist aber anzunehmen, dafs Block damals in seinen Angaben zu hoch gegriffen hat. Das ist daraus zu schliefsen, dafs die Kosten für die Gesindebeköstigung dort zu- genommen haben. Block gibt dieselben auf 28,7 Scheffel Roggen an. Nach der Enquete beliefen sie sich 1872 auf 37 Scheffel. Eine Verbesserung der Verpflegung des Gesindes wird aber nur dadurch eingetreten sein, dafs sich im allgemeinen, mithin auch bei den Tage- löhnern die Ansprüche an die Ernährung erhöht haben. Nehmen die Ausgaben für diese im Tagelöhnerbudget nun -/g der Gesamt- einnahmen in Anspruch, wie wir oben sahen, und machen diese zwei Drittel jetzt eine gröfsere Summe aus als früher, so wird auch der gesamte Lohn höher sein müssen als früher. Es kommt ferner hinzu, 673 - 40 — dafs der nicht zur Bestreitung der Nahrimgskosten verwendete Teil des Lohns insofern wertvoller geworden ist, als die aus ihm zu deckenden Bedürfnisse zum grofsen Teil infolge der Entwickelung der Industrie, des Transportwesens u. s. w. entweder absolut billiger geworden oder doch nicht in gleichem Mafse wie die Roggenpreise gestiegen sind. Schliefslich ist zu Gunsten der jetzigen materiellen Lage der ländlichen Arbeiter anzuführen, dafs die Anwendung der Akkordarbeit heute viel verbreiteter ist als in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts. Von der Goltz rechnet aus^ dafs „der Mehr- verdienst der Akkordarbeit, wenn diese während ^/^ aller Arbeits- tage stattfindet, den Roggenwert des durchschnittlichen Mannstage- lohns für das ganze Jahr mindestens um 2 //., in vielen Fällen noch um eine gröisere Anzahl von Pfunden steigert".^') Die Verbesserung der materiellen Lage der Arbeiter ist neben anderen Gründen darauf zurückzuführen, dafs die Arbeitsleistung im allgemeinen gestiegen ist und dafs naturgemäfs eine höhere Ar- beitsleistung einen höheren Lohn erfordert. Auf eine Steigerung der Arbeitsleistung kann man aus folgenden Gründen schliefsen. Erstens ist, wie für Schlesien ausgeführt wurde, wie es aber allgemein der Fall gewesen ist, die Ernährung eine bessere, und damit auch das körperliche Leistungsvermögen ein gröfseres geworden. Ferner ist die Intelligenz des Arbeiters gestiegen. Er versteht es jetzt mehr und mehr, durch Einführung besserer Geräte sich die Arbeit zu er- leichtern und trotzdem zugleich sein Arbeitsprodukt zu mehren. Schliefslich ist die Arbeitslust besonders dort, wo Akkordarbeit üb- lich, heute eine bedeutend gröfsere wie in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts , in welcher die Indolenz der ländlichen Bevölkerung infolge der Nachwirkung der früheren sozialen Verhältnisse noch eine sehr grofse war. Ahnlich wie in Deutschland sind auch in anderen Kulturstaaten im Laufe dieses Jahrhunderts die Löhne gestiegen. So fand Dr. G. L. Metzler bei seinen „Untersuchungen über den Einflufs der Ge- treidepreise auf die Brotpreise und dieser auf die Löhne" für Frank- reich und zwar für die Jahre von 1824—55 folgendes : •'^^) ,,1. Zwischen Getreide- und Brotpreisen an verschiedenen Orten zu gleicher Zeit findet ein Zusammenhang in der Weise statt, dafs durchschnittlich den niedrigsten Getreidepreisen eben solche Brot- ") „Die Lage der ländlichen Arbeiter im Deutschen Reich" p. 498. '^) In Dr. Ludwig Elsters „Staatswissenschaftlichen Studien" Bd. I Heft 5. 674 — 41 — preise entsprechen und mit steigenden Getreidepreisen auch ein Steigen der Brotpreise stattfindet, dafs also eine durchschnittliche Parallelität beider Preise vorhanden ist. 2. Zeitliche Unterschiede in den Getreidepreisen bedingen nur dann ebensolche in den Brotpreisen, wenn sie beträchtlich sind. Ge- ringe zeitliche Differenzen jener sind auf die Preisbewegung dieser ohne statistisch nachweisbaren Einflufs. Bei örtlichen Unterschieden in den Brotpreisen sind ähnliche in den Löhnen vorhanden. 3. Die Löhne befanden sich in dem zweiten Viertel dieses Jahr- hunderts in Frankreich in kontinuierlichem Steigen, das nur durch aufsergewöhnliche Verteuerung des Brotes in sehr geringem Mafse verstärkt, durch Fallen der Brotpreise aber nicht verringert wurde." Die Unhaltbarkeit des Lassalleschen Gesetzes ergibt sich auch durch Vergleich der materiellen Lage der Arbeiter in Deutschland heute und vor mehreren hundert Jahren. Im Laufe dieser sind ja durch die grofsen Kriege, welche unser Vaterland oder Teile des- selben durchzumachen gehabt hat, im ganzen Land oder in Teilen desselben grofse Schwankungen in der realen Lohnhöhe eingetreten. Im grofsen und ganzen ist dieselbe aber gestiegen. Dies weist J. Falke „Geschichtliche Statistik der Preise im Königreich Sachsen*' in Hildebrands Jahrbüchern 1871 für das Königreich Sachsen nach. Dort erwarb nach ihm der gewöhnliche Handwerker oder Tage- löhner im 16. Jahrhundert in 13 Tagen den durchschnittlichen Wert eines Dresdener Scheffel Roggen, 1871 in 6 Tagen. Im 15. Jahr- hundert war dagegen der Roggenverdienst des Tagelöhners fast ebenso hoch als 1871. Materiell steht sich der Arbeiter aber heute doch besser wie damals, weil er durch Einführung der Kartoffel als Nahrungsmittel seinen Lebensunterhalt billiger bestreiten kann als durch Roggenernährung. Dadurch wurde der zur Befriedigung der anderen Bedürfnisse übrig bleibende Teil des Lohnes vergröfsert. Aufserdem sind auch die Preise der meisten Gebrauchs- und Luxus- gegenstände in geringerem Mafse gestiegen als der Roggenpreis, und somit kann mit derselben Menge von Roggen jetzt eine gröfsere Menge von jenen angekauft werden als damals. ^^) Die angeführten Thatsachen illustrieren den Ausspruch von A. Smith: „Die reichliche Belohnung der Arbeit ist ebensowohl die *^) Kius in Hildebrands Jahrbüchern 1863. Siehe auch Thünen: „Der isolierte Staat Bd. 11 Abt. II p. 70. 675 — 42 — Wirkung des zunehmenden Reichtums , wie die Ursache der zu- nehmenden Volksmenge." **^) III. Bestimmung der Kosten der tierischen Arbeitskräfte. Nächst den menschlichen Arbeitskräften nehmen die tierischen Arbeitskräfte den gröfsten Teil des gesamten Produktionsaufwandes in Anspruch. Die Kosten dieser lassen sich, wenn die vorherigen Auseinandersetzungen richtig sind, auch auf Roggen zurückführen, denn es lassen sich ja die Futterkosten und der Stallmist, die beiden Faktoren, welche zusammen die Höhe der Kosten der tierischen Arbeit am meisten beeinflussen, am besten in Roggen ausdrücken. Ein absolut sicheres Wertsmafs wird ja der Roggen auch nicht sein, da zu den genannten Faktoren eine Menge anderer, welche sich nicht unbedingt auf Roggen zurückführen lassen, hinzukommen. So, wie wir sahen, die Kosten für Wartung und Pflege, ferner die Verzinsung und Amortisation des Anlage-, des Gebäude-, des Ge- schirr- und Gerätekapitals und die Kosten für Arzt und Arznei: [Die Verzinsung und Amortisation des Gerätekapitals schreibe ich mit V. d. Goltz dem Zugviehkonto zur Last, weil die Verteilung der durch dieselben entstehenden Kosten auf die verschiedenen land- wirtschaftlichen Produktionszweige sehr schwierig und umständlich und trotzdem genau nicht zu bewerkstelligen ist.*^)] Die Kosten für diese zusammen werden aber den bei weitem geringeren Teil der Gesamtkosten einnehmen. Aufserdem besteht zweifelsohne eine ge- wisse Einwirkung des Getreidepreises auch auf ihre Höhe. Betreffs der Ausgaben für Wartung und Pflege ist dies im vorigen Kapitel nachgewiesen. Ferner sind die auf das Gebäude- kapital entfallenden Kosten in demselben Sinne vom Roggenpreis abhängig wie die der ländlichen Arbeiterwohnungen, wofür der Nach- weis ebenfalls im vorigen Kapitel enthalten ist. Auch das Zugvieh- kapital ist bis zu einem gewisse Grade vom Roggenpreis abhängig, wie ein Vergleich der Preise für Pferde und Zugochsen in den Pro- vinzen mit niedrigem und mit hohem Kornpreis zeigt. Schliefslich wird auch der Aufwand für Gerät und Geschirr insoweit vom Roggen- *<>) A. Smith: Untersuchungen etc." Bd. I p. 112. *') V. d. Goltz: „Taxationslehre" IV, 2. 676 — 43 — preis abhängen, als dieser die Höhe des Handwerkslohns bestimmt. — Diese, wenn auch bedingte Einwirkung des Roggenpreises auf den Teil der Kosten, welche nicht direkt von ihm abhängig sind, mindert den Fehler, welcher entsteht, wenn man zur Vereinfachung der Rechnung die ganzen durch die Zugviehhaltung entstehenden Unkosten in Roggen ausdrückt. Das richtigste wäre ja allerdings eine Doppelrechnung: mit Roggen für Futter, Einstreu und Mist und mit Geld für die übrigen Positionen. Eine solche hätte aber den Übelstand einer grofsen Weitläufigkeit und den weiteren, dafs man wegen des verschiedenen Preises des Geldes an verschiedenen Orten und zu verschiedenen Zeiten sehr verschiedene Beträge erhielte, man also nicht einheit- liche Kostenrechnungen aufstellen könnte. Nur wenn wir den Roggen als Ausgangspunkt der Rechnung nehmen, können wir an verschiedenen Orten und zu verschiedenen Zeiten angestellte Rechnungen vergleichen. Zu solchen Vergleichen , wie sie zur Ermittelung der durch- schnittlichen Unterhaltungskosten des Zugviehs nötig sind , gehört aber naturgemäfs noch ein zweites. Die einzelnen den verschiedenen Rechnungen zu Grunde gelegten Tiere sind bald grofs bald klein. Um hier eine Einheitlichkeit zu erzielen, ist es nötig, dafs man bei Beurteilung des erforderlichen Aufwands die Gröfsenverhältnisse der einzelnen Tiere berücksichtigt. Dies geschieht am besten, indem man vom Lebendgewicht ausgeht. Die Kosten werden im allgemeinen diesem proportional sein, sich also auf den Zentner Lebendgewicht reduzieren lassen. Bei der Fütterung wird in der Praxis in der That so verfahren. Die Fütterungstabellen geben das für die betreffende Viehgattung im Durchschnitt oder im besonderen Fall nötige Futterquantum pro 1000 U Lebendgewicht an und bemerken dabei, dafs die Futter- ration im einzelnen Fall direkt proportional der Abweichung des Lebendgewichts zu bemessen ist. Mit andern Worten: die Futter- ration wird nach der Anzahl der Zentner Lebendgewicht bestimmt. Die Menge der Einstreu läfst sich auch annähernd direkt nach Zentner Lebendgewicht berechnen. Denn es ist klar, dafs diese mit dem Gewicht der Tiere wachsen mufs , wenn sie ihren Zweck, die Exkremente, welche ja mit der Gröfse des gereichten Futters zunehmen, aufzufangen und festzuhalten und dem Tiere gleichzeitig eine genügende weiche Lagerstatt zu bieten, erfüllen soll. Auch auf die Gröfse der Stallung und damit auf die Höhe der 677 — 44 — Yerzinsung und Amortisation des auf dieselbe zu rechnenden Kapi- tals wird die Gröfse der Tiere einen Einflufs ausüben. Allerdings wird man die Auslagen dafür nicht direkt auf den Zentner lebend zurückführen können. Der Fehler, der dadurch entsteht, dafs man es thut, wird aber so gering sein, dafs er der einfacheren und be- quemeren Rechnung wegen wohl gemacht werden darf. Dasselbe gilt für die Verzinsung des Zugvieh-, des Geschirr- und des Gerätekapitals und die Abnutzung resp. Unterhaltung derselben. Die Kosten für diese werden im allgemeinen mit dem Lebendge- wicht steigen. Schwerere Arbeitstiere sind im allgemeinen teurer als leichtere. Arbeitsochsen werden häufig nach ihrem Gewicht be- zahlt. Je schwerer die Tiere sind, je scliwerer und damit teurer wird auch das Geschirr und werden viele Geräte sein müssen. Aufserdem kommt in Betracht, dafs schwerere Tiere meist alle Ar- beiten zweispännig ausführen, also auf ein Tier mehr an Geräte- kapital entfällt, als wenn ein Teil der Arbeiten 3- oder 4 spännig gemacht wird. Die Gröfse des Gerätekapitals wird allerdings sehr nach dem Betriebssystem variieren. Die auf Verzinsung und Reparatur des- selben entfallenden Kosten werden aber nicht so grofs sein, dafs eine Abweichung vom Mittel eine gröfse Veränderung der Gesamt- kosten bewirken könnte. Man kann deshalb für allgemeine An- schläge mit Durchschnittszahlen rechnen und diese dann ebenso wie die Auslagen für Verzinsung und Abnutzung resp. Reparatur des Zugvieh- und Geschirrkapitals auf Zentner lebend zurückführen. Die Kosten des Hufbeschlags kommen hauptsächlich für Pferde, in selteneren Fällen und dann auch nur in geringerem Grade für Ochsen in Betracht. Dieselben lassen sich ebenfalls annähernd genau auf Zentner lebend zurückführen, denn mit der Gröfse der Tiere nimmt das Gewicht des verbrauchten Eisens und die Abnutzung desselben zu, während die nötige Beschlagsarbeit wohl dieselbe bleibt. Der Aufwand für Wartung und Pflege ist dagegen nicht vom Lebendgewicht abhängig. Das Gewicht des einzelnen Tieres beein- flufst dieselben fast gar nicht. Es ist hier die Zahl der zusammen arbeitenden Tiere mafsgebend. Nur insofern wird eine gewisse Ab- hängigkeit der Wartungskosten vom Lebendgewicht bestehen, als man nie mehr wie zwei schwere Pferde einem Knecht zur Wartung, Pflege und Arbeit übergeben wird, während häufig 3 oder 4 leichtere Pferde einem Knecht anvertraut werden , dafs mithin auf das ein- zelne schwere Pferd ein höherer Betrag an Wartungskosten entfällt 678 — 45 — als auf das leichtere. Ebenso wird man eine geringere Anzahl von schweren als von leichten Ochsen einem Fütterer zur Wartung über- geben. Dies ist aber nur von ganz nebensächlicher Bedeutung. Es ist also von einer Bestimmung der Kosten für Wartung des Zug- viehs nach dem Lebendgewicht abzusehen. Dies um so mehr, als auch der in Roggen ausgedrücke menschliche Arbeitslohn , wie im vorigen Kapitel ausgeführt wurde, örtlich und zeitlich nicht unbe- deutend variiert. Zur Ermittelung der jährlichen Unkosten eines Zugtiers wird man nach dem Vorhergehenden folgendermafsen verfahren müssen. Man multipliziert mit der Anzahl Zentner des Lebendgewichts die Summe der für Jahr und Zentner lebend festgestellten Unkosten mit Ausnahme der für Wartung und Pflege, welche, lokal und für das Jahr berechnet, dieser Summe zuzuzählen sind. Sämtliche Kosten sind in Roggen ausgedrückt. Zur Ermittelung der Geldkosten ist die erhaltene Totalsumme mit dem Durchschnittspreis des Zentner Roggen in der betreffenden Gegend zu multiplizieren. Dies Verfahren wird als richtig anzuerkennen sein, wenn die zu verschiedenen Zeiten und an verschiedenen Orten in der Praxis ermittelten Zahlen annähernd übereinstimmen. a. Ermittelung der Kosten der Zugpferdehaltung. Die Schwierigkeit des Vergleichs der Kostenberechnungen für die Zugpferdehaltung besteht darin, dafs wir meist bei denselben keine Angaben über das Gewicht der Pferde finden. So geben Thaer, Block und Kleemann dasselbe nicht an. Der Thaerschen Kostenberechnung ist nach der Angabe von A. Thaer-Giefsen ^-) ein ungefähr 9 Ztr. schweres Pferd zu Grunde gelegt. Den Angaben von Block und Kleemann wird man ohne grofsen Fehler das Ge- wicht zu Grunde legen können, welches sich aus dem verabreichten Futterquantum berechnen läfst. Es betragen die jährlichen Un- kosten für 1 Pferd: Nach V. d. Goltz :^^) 1. Für Futter 348,47 M. = 49,80 Ztr. Rogg. 2. „ Einstreu 25.55 .> = 3,65 ., ,, Latus 374,02 M. = 53,45 Ztr. Rogg. -»2) Thaer: „Grundsätze etc.« 1880 § 173 Anm. ") „Taxationslehre" S. 123. 679 — 46 — Transport 374,02 M. = 53,45 Ztr. Eogg. 3. „ Unterhaltung d. Geräte: a) IS^Io Abnutzung 43 7> 6,43 77 77 b) Hufbeschlag 20 ?? 2,86 7? 77 4. 10^0 Abnutzung d. Pferdekap. 35 V 5,00 jr 77 5. Generalkosten 20 >/• 2,86 71 77 6. Zinsen v.Betr.-Kap. : a) 67o d. steh. Kap. 36 ?7 5,14 7J 77 b) 7% d. uml. Kap. 14,50 V 2,07 ?? 77 Summe — 544,12 5J 77,81 ?? 77 Wartung u. Pflege 1/^ Knecht — 77,50 V : 11,07 ?J 77 Summe — 621,62 ?? 88,88 J? 77 ab Mist = 73,15 77 10,47 7? 77 bleiben Unkosten — 548,47 77 78,41 77 77 Nach Thaer:^^) 1. Für Futter 449 # = 40,41 Ztr.R. ^^) (42,65) 2. Zins. d. Ankaufskap. = 24 3. Jährliche Abnutzg. = 48 4. Halber Hufbeschlag = 14 5. Abnutzg. u. Reparat. V. Geschirr u. Werkz. =^ 90 6. V4 Knecht = 112,c 7. Tagelöhner bei zwei- spänniger Arbeit = 37,5 ,, Summe 1 — 5 = 625 ,, 1 — 7 = 775 Nach Block :^«) a) Verzinsungen : 1. vom Pferdekapital = 3,30 Ztr. R. 2. des Baukapitals = 1,94 „ 3. des Gerätekapitals = 1.41 ,, 77 Ä,1D 77 4,32 77 — 1,26 77 — 8,10 ,5 „ — 10,12 >5 ,, — 3.38 77 — 56,25 77 (58,39) 77 — 69,75 77 (71,80) Latus 6,65 Ztr. R. **) „Grundsätze" § 173. *^) Das Futter nach Nährstoffeinheiten nach v. d. Goltz umgerechnet beträgt 42,55 Ztr. R. *ö) „Mitteilungen« Bd. III Seite 7 § 32. 680 — 47 — Transport 6,65 Ztr. R. b) Jährliche Ernährung : 1. Futter = 41,94 „ *')(45,9l) 2. Einstreu = 2,54 „ (3,41) c) Instandhaltung und Unglück (Versichr.) : 1. des Pferdes = 6,60 2. der Stallung = 0,59 3. der Ackergeräte = 7,05 d) Hufbeschlag, Wagen- schm.; Stallbeleuchtg. = 2,80 Summe = 68,07 „ = (72,91) e) Wartg. u. Anspanng. = 17,i8 „ Summe = 85,25 „ = (90,09) ab Wert des Mistes = 6,oi „ bleiben Unkosten = 79,24 „ = (84,07) Nach Kleemann : *^) für schwere Pferde für leichte Pferde Abnutzung == 6,30 Ztr. = 5,04 Ztr. R. Zins. f. d. Pferdekap. = 1,89 „ = 1,51 ,, Instandhaltg. u. Ver- zins, der Geräte = 8,72 „ = 6,30 dito des Geschirrs = 2,57 „ = 2,31 Hufbeschlag = 2,io ,, = 1,26 Wagen- u. Geschirr- schmiere = 0,84 „ = 0,63 „ Beleucht., Salz, Arzt, Arznei = 0,84 „ = 0,84 „ Verzins, u. Amortis. des Stalles = 2,73 „ = 2,73 „ Ernährung = 58,84 „ = (58,75) = 44,20 „ = (44,05) Summe = 84,83 „ = 65,32 ,. Streu = 2,83 „ = (3,77) = 2,10 „ = (2,8) Summe = 87,66 „ = 67,42 ab Wert d. Mistes = 14,96 „ = 11,18 72,70 „ = 56,24 Wartung und Pflege = 24,90 „ = 19,54 bleiben Unkosten = 97,60 ,, = 75,78 *') Die eingeklammerte Zahl bedeutet den Roggenwert nach den Aquivalent- zahlen von v. d. Goltz berechnet. *8) „Encyklopädie'^ § 58. 681 — 48 — Es betragen die Unkosten der Pferdehaltung demnach mit Aus- nahme des Aufwands für Wartung und ungerechnet den Stallmist, der von den verschiedenen Autoren sehr verschieden bewertet wird, nach V. d. Goltz. Thaer Block Kleemann 77,81 Ztr. 58,39 Ztr. 72,91 Ztr. 8 7,86 f. schwere, 67,42 f. leichte Pferde. Es sind bei Thaer und Block die nach Goltz umgerechneten Futter- wertzablen angenommen. Nach dem gereichten Futter mufs das von Block zu Grunde gelegte Pferd auf 9 Ztr. lebend, die den Klee- mannschen Zahlen zu Grunde gelegten Pferde auf 11,2 resp. 8,3 lebend geschätzt werden Durch Division mit den resp. Zahlen erhält man die jährlichen Unkosten pro Zentner lebend. Diese betragen nach V. d. Goltz Thaer Block Kleemann 7,78 6,48 8,10 7,83 resp. 8,13 Ztr. R. Diese Zahlen lassen sich zu einer noch gröfseren Gleichmäfsig- keit bringen, wenn man untersucht, wodurch die Abweichungen hervor- gerufen sind. Zunächst nimmt v. d. Goltz das Futter etwas geringer an und zwar um 3 Ztr. pro Jahr, als es der Wolffschen Norm entspricht. Für den Zentner lebend erhöhen sich, wenn man dies berücksichtigt, die Kosten per Jahr um 30 U . Die Gesamtkosten betragen dann 8,08 Ztr., also fast genau soviel, wie Kleemann und Block an- geben. Die Tbaersche Zahl bleibt bedeutend hinter den übrigen zurück. Den Grund finden wir darin, dafs Thaer die Streu, die General- kosten und die Zinsen des Geschirr- und Gerätekapitals nicht rechnet und ferner nur den halben Hufbeschlag ansetzt. Setzt man die ent- sprechenden Zahlen, nach v. d. Goltz aber auf 9 Ztr. lebend be- rechnet, mit 3.30, 2,58, 5,0 und 1,26, Summe 12,14, in die Tbaersche Tabelle ein, so erhält man die jährlichen Unkosten in der Höhe von 70,53 Ztr. oder pro Zentner lebend 7,84 Ztr. Roggen. Es betragen somit die jährlichen Unkosten pro Ztr. lebend nach: V. d. Goltz Thaer Block Kleemann 8,08 7,84 8,10 7,83 resp. 8,13 Ztr. R. Diese Übereinstimmung ist sicher keine zufällige. Sie mufste nach den oben gemachten Betrachtungen vorhanden sein. Wir sind durch dieselbe berechtigt, die Unkostenberechnung der Pferdehaltung in Roggen und nach Zentner lebend in all den Fällen vorzunehmen, 6«2 — 49 — in welchen nicht ganz abnorme Verhältnisse der Pferdehaltung vor- liegen. Zu der folgenden Tabelle benutzte ich die Zahl v. d. Goltz', wie sie unter Erhöhung der Fütterung nach der Wolffschen Norm fest- gestellt ist. Den Wert des Mistes, der von derselben noch in Abzug zu bringen ist, ermittle ich, da ich von der von Goltz angegebenen Zahl wegen der erfolgten Erhöhung der Futterration absehen mufs und weil die Angaben der älteren Schriftsteller unzuverlässig und sehr auseinandergehend sind, unter Zugrundelegung der von Wolff für 1000 > = 7,86 5,04 11 1,26 0,94 j) — 0,42 = 0,42 jy 0,63 0,63 yy — 2,18 2,18 >? — 40,69 30,51 n — 56,16 42,24 >> = 21,12 17,15 y> — 77,28 59,39 >> — 16,35 12,26 >> — 60,93 47,13 yy »^) „Mitteilungen" Bd. III. S. 100, § 55. ") „Encyklopädie" § 63. 686 — 53 — Nährstoffe zu Grunde, dann erhöhen sich die von den älteren Schrift- stellern angegebenen Ernährungskosten. Thaer ^^) rechnet als durch- schnittliches Ochsenfutter per Tag 22 //. Heu, also per Jahr 8030 //. = 75,19 Zollzentner. Das sind nach Goltz 26,8 Ztr. Roggen per Jahr. Die von Block einer mittleren Ernährung untergelegten Futter- mittel -{- Streu haben nach den v. d. Goltzschen Äquivalentzahlen umgerechnet einen Roggenwert von 35,84 Ztr. Die Kleemannschen Ernährungsziffern erhöhen sich auf 49,oi Ztr. R. resp. 35,44 Ztr. R. Die jährlichen Kosten belaufen sich unter Einsetzung dieser Zahlen nach V. d. Goltz Thaer Block Kleemann auf 48.27 Ztr. 29,9 Ztr. 45,61 Ztr. 64,44 Ztr. resp. 47,17 Ztr. Auf einen Zentner lebend berechnet betragen die resp. Zahlen 4,83 Ztr. 3,0 Ztr. 5,07 Ztr. 5,37 Ztr. 5.24 Ztr. Die Zahl von Thaer kann nicht berücksichtigt werden, weil die von demselben aufgestellte Unkostenberechnung ganz unvollständig ist. Die anderen Zahlen stimmen, wenn auch nicht in dem Mafse, wie die bei der Pferdekostenberechnung ermittelten, doch so überein, dafs sie die Berechtigung der Unkostenberechnung nach Zentner lebend und nach Roggenwert beweisen. Die für den Werth des Stallmistes angegebenen Zahlen weisen auf Zentner lebend reduziert eine grofse Übereinstimmung auf. Es geben dafür an in Roggen V. d. Goltz ^^) Block '5«) Kleemann ^") im ganzen 13,73 Ztr. 12,43 Ztr. 16,35 u. 12.26 Ztr. pro Zentner leb. 1,37 „ 1.38 „ 1.36 u. 1.36 „ Diese Übereinstimmung ist so grofs, dafs wir die Mittelzahl von Goltz = 1,37 Ztr. als absolut richtig ansehen können. Für die Höhe der Unkosten pro Zentner und Jahr nehme ich die Angabe von Block als fast genau dem Mittel zwischen von der Goltz auf der einen und der Durchschnittszahl von Kleemann auf der andern Seite entsprechend an. Es betragen danach die jährlichen Kosten eines Zugochsen pro Zentner lebend 5,07—1,37 = 3,70 Zentner Roggen. Mit dieser Zahl als Grundlage sind die folgenden Tabellen berechnet. ^) „Grundsätze" § 174. «^i*) „Taxationslehre" IV, 2, S. 125. ^«) „Mitteüungen" Bd. II § 101. *') „Encyklopädie" § 62. 687 — 54 ^ Jährliche Unkosten excl. Wartung und Pflege. Gewicht 1 Ochsen in Ztr. Roggen in Geld bei einem Roggenpreis von in Zentner 6 M. 7 M. 8 M. 10 37 11 40,7 12 44,4 13 48,1 14 51,8 15 55,5 16 59,2 17 62,9 18 66,6 Tägliche Unkosten exkl. Wartung und Pflege. Gewicht des Ochsen pro Jahrestag pro Arbeitstag (225) in Ztr. 6 M. 7 M. 8 M. 6 M. 7 M. 8 M. 10 61 Pf. 71 Pf. 81 Pf. 99 Pf. 115 Pf. 131 Pf. 11 67 „ 78 „ 89 „ 109 „ 126 „ 144 „ 12 73 „ 85 „ 97 „ 119 „ 138 ,, 157 „ 13 79 „ 92 ,, 105 „ 128 ,, 149 „ 171 14 85 „ 99 „ 113 „ 138 „ 161 „ 184 15 91 „ 106 ,. 121 „ 158 „ 172 „ 197 6 M. 7 M. 8 222 y} 259 77 296 244,2 ,, 284,9 V 325,6 266,4 310,8 7? 355,2 288,6 336,7 V 384,8 310,8 362,6 V 414,4 330,0 388,5 ?7 444,0 355,2 414,4 77 473,6 377,4 ,. 440,3 77 502,2 399,6 >? 466,2 77 532,8 77 77 16 97 „ 113 „ 129 „ 157 „ 184 „ 211 „ 17 103 „ 120 „ 137 „ 167 „ 196 „ 224 „ 18 109 „ 128 „ 146 ,, 177 „ 207 „ 237 „ Für die aus der Wartung, Pflege und Anspannung der Ochsen ent- stehenden Unkosten gilt dasselbe, was für die entsprechende Posi- tion bei der Pferdeunkostenberechnung gesagt ist. Beispiel : Das Gespann Ochsen wird zur Arbeit einem Tagelöhner übergeben. Der Lohn desselben beträgt pro Tag 17,5 //. Roggen, also für 225 Tage 225 X 17,5 = 39,37 Ztr. Roggen. Auf einen Ochsen entfallen somit 39 37 — ^ — =19,68 Ztr. Roggen Führerkosten. Da der Führer nicht den ganzen Tag mit der Gespannarbeit beschäftigt ist, so ist ein Teil seines Lohnes nicht dem Gespann zur Last zu schreiben. Ich mache aber diesen Abzug nicht, sondern rechne diesen Teil des Führer- lohns gleich den Kosten für Wartung und Pflege, die ich nicht be- sonders in Anschlag bringe. Für einen Ochsen betragen mithin die Kosten für Führer, War- tung und Pflege 688 — 55 — in Roggen in Geld bei einem Roggenpreis von 6 M. 7 M. 8. M. per Jahr 19,68 Ztr. 118,48 M. 137,76 M. 157,44 M. „ Jahrestag 5,39 //. 0,323 „ 0,377 „ 0,431 „ „ Arbeitstag 8,75 //. 0,525 „ 0,612 „ 0,700 „ Die Gesamtunkosten für einen Ochsen von 15 Ztr. Gewicht betragen dann bei einem Roggenpreis von 7 M. per Jahr per Jahrestag per Arbeitstag in Rogg. in Greld in Rogg. in Geld in Rogg. in Geld Unkosten exkl. Anspan- nung und Wartung 55,5 Ztr. = 388,5 M. 15,21/?. 106 Pf. 24.7 tf. 172 Pf. Anspannung U.Wartung 19,68 „ = 137,76 „ 5,39 „ 37,7 „ 8,75 „ 61,2 „ Die Gesamtkosten für einenOchsen(15Ztr.) 75,18 „ =526,26 „ 20,60 „ 143,7 „ 83,54 „ 233,2 „*) Der Wert der für die durch die Zugviehhaltung entstehenden Unkosten aufgestellten Tabellen liegt auf der Hand. Mittels der- selben ist es im gegebenen Falle, bei Voranschlägen aller Art, Pro- duktionskosten- oder Reinertragsberechnungeii, leicht, den für die Zugviehhaltung nötigen Aufwand annähernd genau festzustellen. Die bisher in der Litteratur vorhandenen Unkostenberechnungen waren insofern schwieriger zu benutzen , als sowohl für die Pferde wie für die Ochsenhaltung nur Durchschnitts- resp. Begrenzungszahlen und dabei keine bestimmten Anhaltspunkte für die Einschaltung zwischen den letzteren gegeben waren. IV. Bestimmung der Höhe der Grundrente. Unter Grundrente verstehe ich das, was Thünen ^^) Gutsrente nennt. Dieselbe ist zusammengesetzt aus der Rente des Bodens und den Zinsen vom Wert der Gebäude, der Einzäunungen der Bäume und der anderen Gegenstände von Wert, die vom Boden ge- *) Die Kosten des Ochsenarbeitstags sind im Verhältnis zu den vorhin be- rechneten Kosten eines Pferdearbeitstags höher als die meisten übrigen Schrift- steller annehmen, weil das Gewicht des Ochsen zu 15 Ztr. , das des Pferdes nur zu 12 Ztr. angenommen ist. Bei einem Ochsengewicht von 12 Ztr. würden sich die Kosten eines Arbeitstags auf 199,2 Pf. belaufen. Diese Zahl würde zu den oben für den Pferdearbeitstag berechneten Kosten ungefähr in dem durchschnitt- angenommenen Verhältnis von 3 : 4 stehen. '^^) „Der isolierte Staat" Bd. I § 5a. 689 — 56 — trennt werden können. Sie ist wohl zu unterscheiden von der Land- rente. Diese besteht in dem, „was nach Abzug der Zinsen vom Wert der Gebäude, des Holzbestandes, der Einzäunungen und über- haupt aller Wertgegenstände, die vom Boden getrennt werden können, von den Gutseinkünften noch übrig bleibt und somit dem Boden an sich angehört". ''^) Die Gröfse der Grundrente wird bestimmt durch den Reinertrag des Grund und Bodens, der sich ungefähr im Pachtpreise ausdrückt. Der Reinertrag ist der aus dem Gutsbetriebe entstehende Gewinn, der sich aus dem in Geld umgesetzten Rohertrage nach Abzug sämtlicher Produktionskosten inkl. der Verzinsung und Amortisation des stehenden Betriebskapitals, der Verzinsung des umlaufenden Betriebskapitals, der Amortisation des fest mit dem Grund und Boden verbundenen Gebäude- und Meliorationskapitals und der Steuern ergibt. Wir wollen im Folgenden untersuchen, ob und wie weit der Preis des Roggens einen Einflufs auf die einzelnen die Höhe des Reinertrags bedingenden Faktoren ausübt und ob dieser Einflufs, wenn er vorhanden, grofs genug ist, um es gerechtfertigt erscheinen zu lassen, die Rente in Roggen anstatt in Geld auszudrücken. Zunächst ist es klar, dafs die Höhe des in Geld ausgedrückten Rohertrags von den Preisen der Produkte abhängen mufs. Erhalte ich das eine Mal, alle übrigen Bedingungen gleichgesetzt, den Ztr. Roggen mit 5 M., das andere Mal mit 7 M., und die anderen Pro- dukte diesen Preisen entsprechend bezahlt, so ist es klar, dafs die Grundrente direkt um die Preisdifferenz des Erlöses sämtlicher ver- käuflicher Produkte gestiegen sein mufs. Nach den oben gemachten Ausführungen steht der Preis der gewöhnlich erzeugten pflanzlichen und tierischen landwirtschaftlichen Produkte in einem festen Verhältnis zum Roggenpreis, und inso- fern scheint es richtig, die Grundrente oder doch wenigstens den Rohertrag in Roggen auszudrücken. Für Handelsgewächse besteht diese Beziehung zum Roggenpreis allerdings nicht, doch ist der Prozentsatz, welchen dieselben von der überhaupt angebauten Fläche im Deutschen Reich einnehmen, so gering, dafs sie bei allgemeinen Betrachtungen wohl aufser acht gelassen werden können. In Gegen- den, in denen der Anbau von Handelsgewächsen eine gröfsere Fläche in Ansprucli nimmt, wird die Gröfse des Geldrohertrages natürlich nicht in Beziehung zum Roggenpreise stehen. »») von Thünen: „Der isolierte Staat." Bd. I § 5a. 690 — 57 — Nun hängt die Gröfse des Geldrohertrages zunächst von der- jenigen des Naturalrohertrages ab, und dieser ist in erster Linie von der Bonität des Bodens in Gemeinschaft mit den klimatischen Ver- hältnissen abhängig. Von den verschiedenen landwirtschaftlichen Schriftstellern sind nun unter Berücksichtigung dieser beiden Um- stände Ertragsskalen angefertigt, welche einen Anhalt für die zu er- wartenden Durchschnittserträge geben. Unter Zugrundelegung dieser und des durchschnittlichen Preises der Produkte an Ort und Stelle resp. am nächsten Marktort ist es dann leicht, zeitlich den Geld- rohertrag festzustellen. Handelt es sich aber darum , diesen für längere Zeiträume zu bestimmen, so ist es besser, den gesamten Rohertrag wegen der Veränderlichkeit der Preise der landwirtschaft- lichen Produkte nicht in Geld, sondern in Roggen auszudrücken. Im bestimmten Falle ist die Umrechnung auf Geld leicht vorge- nommen. Der Preis der Produkte an Ort und Stelle wird einerseits durch die Marktpreise, anderseits durch die Transportkosten bestimmt. Letztere haben sich im Laufe der Zeiten durch Änderung der Transport- und Absatzverhältnisse ganz bedeutend geändert. Ge- rade hierdurch ist eine Änderung des Geldrohertrages vieler Güter eingetreten, wenn auch der Naturalrohertrag derselbe geblieben ist. Aufser von der Beschaffenheit des Bodens und des Klimas hängt aber die Höhe des Naturalrohertrags in nicht unbedeutendem Mafse von der Kapitalkraft und Intelligenz des Besitzers resp. des Wirt- schafters ab. Durch beide Faktoren ist besonders in den letzten 4 Dekaden der Rohertrag im allgemeinen und im einzelnen Fall sehr gesteigert. Die Gröfse dieser Steigerung ist in den einzelnen Wirt- schaften ebenso verschieden, wie die Gröfse der auf sie verwendeten Kapitalien und die Intelligenz des Wirtschafters verschieden ist. Zahlenmäfsig läfst sie sich deshalb nur im speziellen Fall und selbst hier nur sehr annähernd ausdrücken. Wie stark durch diese Faktoren der Rohertrag und damit auch der Reinertrag und die Rente gesteigert werden kann , ergibt sich besonders aus den staunenswerten Resultaten, welche die Rimpausche Moordammkultur und die Berliner Rieselfelder aufweisen. Ähnlich bedeutende Steigerungen des Natural- und Geldrohertrags und damit auch des Reinertrags und der Grundrente weisen die Ländereien des Oder-, Netze- und Warthebruchs nach ihrer vom Staate unter- , nommenen Entwässerung auf. Es ergiebt sich von selbst, dafs hier der Einflufs des Roggenpreises auf die Höhe des Geldrohertrags 691 — 58 — und damit der Rente ein nur sehr sekundärer gewesen ist. Ähnlich wird es sich in sehr vielen anderen Fällen verhalten, wenn auch die lediglich auf Kapital und Intelligenz zurückzuführende Quote der Grundrente nicht so leicht erkennbar und isolierbar ist. Es wird eine Steigerung der Erträge und damit der Rente eintreten können, durch die Einführung einer besseren Organisation des Betriebs, An- legung von technischen Nebengewerben, Meliorationen aller Art, als Entwässerung und Bewässerung, Mergelung, durch Anwendung von konzentrierten Futter- oder künstlichen Düngemitteln. Auswahl eines besseren Saatguts resp. Anwendung nur der vorzüglichsten und ertrag- reichsten Sorten u. s. w. Eine durch die genannten Verbesserungen bewirkte Steigerung der Erträge ist, wenn auch in verschiedenem Grade, im Laufe dieses Jahrhunderts in der deutschen Landwirtschaft eingetreten. Die Gröfse der Steigerung des Rohertrags ist aber in jedem einzelnen Falle verschieden und schwankt hin und her, je nach den die einzelne Wirtschaft bestimmenden Verhältnissen. Der Rohertrag kann dort, wo Kapital und Litelligenz fehlen, sogar weit unter das durchschnittliche Mafs sinken. Dieses ändert aber heute noch ebenso sehr, wie es bis jetzt geändert hat, bietet deshalb also keinen Anhalt zur Bestimmung der durchschnittlichen Roherträge auf längere Zeit hinaus. Die Rente wird aber, die übrigen Umstände gleich gesetzt, mit dem Rohertrage steigen und fallen. Das die Höhe der Rente Bestimmende sind nun aber neben den Roherträgen die Wirtschaftskosten. Auch diese sind je nach der Art der Wirtschaftsführung veränderlich. Sie stehen weder in einem bestimmten Abhängigkeitsverhältnis zum Rohertrag, noch läfst sich für ihre Höhe überhaupt eine Norm aufstellen. Den gröfsten Teil der Wirtschaftskosten macht der Lohn für die menschliche Arbeit aus. Dieser wird, wie wir oben sahen, am besten in Roggen ausgedrückt, hat sich aber im Laufe der Zeiten geändert. Die für dieselbe Menge von Arbeit aufgewendeten Kosten sind im Laufe der letzten Jahrhunderte , wenn auch mit Unter- brechungen, im ganzen nicht unerheblich gestiegen. Eine einheitliche Zahl für die Lolinhöhe läfst sich also nur lokal und dann auch nur für kürzere Zeitperioden feststellen. Nun ändert aber neben der Lohnhöhe vor allem die Menge der in der einzelnen Wirtschaft erfoiderlichen Arbeit, welche von der Art des jedesmaligen Betriebes abhängt. Es ist besonders aus diesem Grunde unmöglich , allgemeine feste Zahlen darüber aufzustellen, wie viel Arbeitskosten zur Erzielung einer bestimmten Menge land- 692 — 59 — wirtschaftlicher Produkte aufgewendet werden müssen. Unter ein- facheren wirtschaftlichen Verhältnissen, wie sie in früherer Zeit meist vorlagen, war dies wohl möglich. Es liefsen sich damals wenigstens für die einzelnen an ßodenbeschaflfenheit und wirtscbaftliclier Lage ähnlichen Gegenden solche Normen aufstellen. Heute wird dies nur noch in sehr beschränktem Mafse möglich sein. Nächst den Auslagen für die menschlichen Arbeitskräfte nehmen die durch die Zugviehhaltung entstehenden Unkosten den gröfsten Teil der Produktionskosten für sich in Anspruch. An und für sich war der Roggen ja ein sehr gutes Wertsmafs für die durch die Zug- viehhaltung entstehenden Ausgaben, soweit es sich um die Berechnung derselben pro Stück resp. pro Zentner lebend handelt. Wüfste man bestimmt, welche Anzahl von Zugtieren für die verschiedenen Wirt- schaftssysteme ein für allemal nötig wären, dann würden sich die Unkosten für die Zugviehhaltung direkt in Roggen berechnen und ausdrücken lassen. Es sind zwar von fast allen landwirtschaftlichen Schriftstellern Normen für die Gröfse der Zug Viehhaltung je nach der verschiedenen Intensivität der Betriebe aufgestellt. Diese geben aber alle keinen festen Anhalt, weil sie mehr oder weniger lokale Verhältnisse berücksichtigen und je nach diesen der Begriff: intensiv oder extensiv verschieden ist, auch im Lauf der Zeit sich lokal ge- ändert hat. Ferner erfordert die Verzinsung und Amortisation der Betriebs- kapitalien einen grofsen Teil des Produktionsaufwandes. Über die Gröfse dieser Kapitalien gibt es in der landwirtschaftlichen Litteratur zahlreiche Angaben , ebenso darüber , wie hoch die Verzinsung und Amortisation derselben zu rechnen ist. Es sind aber die Angaben über die Höhe der Betriebskapitalien für die verschiedenen Zeiten nicht gleichmäfsig — die erforderlichen Betriebskapitalien sind im allgemeinen mit der zunehmenden Intensivierung der Betriebe ge- wachsen, und damit haben sich auch die Ansichten über gröfsere oder geringere Litensivität eines Betriebssystems geändert — und ferner weichen dieselben auch örtlich voneinander ab. Die Höhe des Roggenpreises kann deshalb nur einen sehr relativen Einflüfs auf die Bestimmung der Höhe der Betriebskapitalien aus- üben. Der Preis der Gebäude und damit die denselben zuzuschreibende Amortisationsquote ist in all den Fällen , in denen sich die Her- stellungskosten in der Hauptsache nach der Höhe des Tagelohns richten, wie das so häufig auf dem Lande der Fall ist, wenn die Roh- 693 — 60 — materialien für die Gebäude sich auf dem betreffendenGute vorfinden, von dem Roggenpreis abhängig, da dieser die Höhe des Tagelohns bestimmt. Es ergibt sich aus dem Gesagten , dafs der Preis des Roggens einen wesentlichen Einflufs auf die Höhe einzelner der Faktoren , aus welchen sich die Grundrente ableitet, ausübt, mit anderen Worten, dafs die Grundrente, soweit sie von diesen bestimmt wird, je nach dem Preise des Roggens variabel ist. Diese hierdurch bewirkte Veränderlichkeit der Höhe der Grundrente wird aber auf- gehoben, wenn man sie in Roggen anstatt in Geld fixiert. Einige die Höhe der Grundrente beeinflussende Faktoren lassen sich aber in ihrer Wertshöhe weder in Geld noch in Roggen fest- setzen. So alle die durch Intelligenz, Thatkraft und Kapitalaufwand des Besitzers oder Wirtschafters erzielten Steigerungen der Erträge, besonders aber die durch Veränderungen der wirtschaftlichen Lage bewirkten Umänderungen in der ßetriebsorganisation. Bleiben bei solchen Änderungen der Rohertrag und die Produktionskosten un- verändert, oder ist durch die Änderung der wirtschaftlichen Lage keine Neuorganisation des Betriebes nötig, bleibt alles beim alten, dann wird sich die Steigerung der Rente direkt durch die Steigerung des Preises der Produkte, also des Roggens ausdrücken. Der Roggen ist also in solchen Fällen ein konstantes Wertsmafs, das Geld bietet ein solches nicht. Eine feste, in ihrer realen Höhe stets gleichbleibende Grund- rente existiert, wie aus dem Vorhergehenden hervorgeht, nicht. Es ist deshalb unmöglich, eine der Grundrente entsprechende Pachtsumme für längere Zeit zu fixieren. Da aber die Höhe des Roggenpreises in hohem Mafse die Höhe der Grundrente beeinflufst, so scheint es richtiger, diese überhaupt in Roggen als in Geld zu bemessen, aber in Geld nach dem durchschnittlichen Roggenpreise zu bezahlen. Der Fehler, welcher durch die eingangs dieser Arbeit festgestellte AVertsverminderung des Geldes entsteht, wird wenigstens, weil der Sachwert des Roggens im Laufe der Zeiten immer derselbe ist, aufgehoben. Dafs eine Festsetzung der Grundrente in Roggeneinheiten viel gerechter als eine solche in Geld ist, wurde schon lange anerkannt. So wurde schon anfangs des vorigen Jahrhunderts in Preufsen die Höhe der mannigfachen Renten und Abgaben, die ursprünglich in natura zu entrichten gewesen waren . nach den durchschnittlichen Marktpreisen berechnet. Friedrich Wilhelm L ®^j setzte nach diesen **) S. J. Conrad in „Conrads Jahrbüchern. Neue Folge" Bd. 15 p. 314. 694 — 61 — die Höhe der Domänenpachten fest. Adam Smith ^^) sagt darüber: „Die in Getreide ausbedungenen Renten haben ihren Wert weit besser bewahrt als die in Geld ausbedungenen, selbst wenn der Nennwert der Münze keine Änderung erlitten hätte. Durch eine Parlaments- akte aus dem 18. Regierungsjahre Elisabeths wurde verordnet, dafs der dritte Teil des Pachtzinses aller Universitätsgüter in Getreide ausbedungen werden solle , das entweder in natura oder nach dem Marktpreis zu entrichten sei. Das Geld, welches aus dieser Ge- treiderente einkommt, beträgt, obgleich ursprünglich nur ein Drittel des Ganzen, nach Dr. Blackstone gegenwärtig in der Regel beinahe das Doppelte der andern zwei Drittel." In Mecklenburg-Schwerin wird heute noch mit vollem Recht die Pacht der ritterschaftlichen Bauern nach der vom I.Januar 1862 datierten „Verordnung, betreffend die Regulierung der bäuerlichen Verhältnisse in den Gütern der Ritter- und Landschaft" unabänderlich in einem Kornkanon, der nach zwanzigjährigen Durclischnittspreisen in Geld bezahlt wird, festgesetzt. ^-) Die Idee, welche diesen Mafsnahmen zu Grunde lag, war ja, wie wir sahen, entschieden richtig. Die Durchführung derselben in Eng- land aber insofern fehlerhaft, als, wie es mir nach der vorerwähnten Angabe scheint, der Pachtzins von Jahr zu Jahr je nach dem Ge- treidepreise variabel war. In schlechten Erntejahren, in denen das Getreide teuer, wurde dadurch der Pächter doppelt getroffen. Ein- mal durch die schlechte Ernte, zweitens dadurch, dafs der Geldwert des Naturaldrittels der Pacht noch höher war als sonst. Bei solchen Festsetzungen mufste der Geldwert des Naturaldrittels natürlich nach Durchschnittspreisen bestimmt werden. Adam Smith betont auch gleich nach der angeführten Stelle, dafs der Wert einer Getreiderente sich zwar von Jahrhundert zu Jahrhundert viel weniger als der einer Geldrente ändere, dafür aber von Jahr zu Jahr um so mehr schwanke. Dies gilt auch heute noch, wenngleich dadurch, dafs das einzelne Land nicht mehr abgeschlossen ist, sondern an der Weltwirtschaft teilnimmt — und zwar je mehr dies geschieht — eine gröfsere Gleichmäfsigkeit in den Getreide- preisen eingetreten ist. ®') „Untersuchungen über das Wesen etc." Deutsch von F. Stöpel. ßd. I p. 47 ff. *'^) H. Paasche : „Die rechtliche und wirtschaftliche Lage des Bauernstandes in Mecklenburg-Schwerin" in den Schriften des Vereins für Sozialpolitik: „Die bäuerlichen Verhältnisse Deutschlands." 1883. 696 — 62 — Auch Albrecht Thaer ^^) will bei lange andauernden Pachten, besonders bei Erbpachten den Pachtpreis in Getreide festgesetzt und nach dem durchschnittlichen Getreidepreis einer längeren Reihe von Jahren, wobei abnorme Jahre nicht berücksichtigt werden, be- zahlt wissen. Eine Bezahlung in natura wäre nicht angezeigt, weil das Pachtquantum in dem einen Jahre von hohem . in dem andern von geringem Werte sein könne. Denn der Wert des Getreides ändere von einem Jahr zum anderen noch stärker als der des Geldes. In längeren Perioden dagegen halte er sich mit allen wahren Be- dürfnissen des Lebens im Gleichgewicht, weil durch ihn der Arbeits- preis im allgemeinen bestimmt werde. Unter den landwirtschaftlichen Schriftstellern, welche die Land- rente in Roggen — natürlich in Geld nach dem Durchschnittspreise bezahlt — festsetzen wollen, nimmt Block die erste Stelle ein. Er stellt sowohl die Rohertrags- als die Produktionskostenberechnung nach Roggeneinheiten und zwar in ganz mustergültiger Weise an. Er berücksichtigt auch dabei die nicht direkt abschätzbaren Werts- erhöhungen , geht aber hierin offenbar zu weit. Was Kapital und Intelligenz vermag, wieweit die Thätigkeit dieser Faktoren den Grundwert erhöhen und wieweit sie sich durch eine höhere Ver- zinsung der Betriebskapitalien bezahlen, läfst sich zahlenmäfsig nicht feststellen. Block verfährt bei Ermittelung des Reinertrags folgendermafsen : Er reduziert nach den von ihm durch die Erfahrung festge- stellten Aquivalentzahlen den ganzen Rohertrag auf Roggen. Dabei vermindert er aber den W^ert sämtlicher nicht direkt verkäuflicher Futter- und Einstreumittel, zu denen er auch die Kartoffeln rechnet, um 10 -'/o- Dies, weil bei der Ausnutzung der Futtermittel zum Er- zeugnis tierischer Produkte, von Zugleistung und von Dünger in den nfeisten Wirtschaften Verluste unvermeidlich wären. Zu den Ausgaben, die er ebenfalls sämtlich in Roggen aus- drückt, rechnet er: 1. Den erforderlichen Sameneinfall. 2. Die Ackerbestellungskosten inkl. Ernte und Düugerfuhren (bei einer bestimmten Entfernung). 3. Die Kosten der benötigten Spannarbeit exkl. der Feld- bestellung. 4. Handarbeitskosten für Gesinde und Tagelöhner. ") „Grundsätze" § 130. 696 — 63 — 5. Kosten der benötigten Wirtschaftsgebäude und deren kom- plette Instandhaltung [Verzinsung, Reparatur und Amortisation]. Er rechnet hier nur die Scheunen, Speicher. Schuppen- und Yor- ratsräume, deren Wert er •% des durchschnittlichen Werts der Ernte gleichsetzt. Die Kosten der Instandhaltung der Stallungen [im Wert von 125 7o ^es Wertes sämtlicher Futter- und Einstreumittel, welche Ackerbau und Wiesen jährlich liefern] und der Wohnung des Wirt- schafters, des Gesindes und der Tagelöhner läfst er hier fort, weil dieselben schon bei anderen Positionen mitgerechnet sind. 6. Veranschlagung der Gefahr und Unglücksfälle, ausgenommen des event. Feuerschadens für Ställe und Wohnungen und der Un- glücksfälle für Zug- und Nutzvieh, weil diese schon unter anderen Positionen berücksichtigt sind. 7. Administrationskosten. 8. Abgaben an Kirche und Schule. 9. Kommunalabgaben. 10. Königliche Steuern. ^*) Aus der Differenz der Einnahmen und Ausgaben findet Block den Wert derjenigen Rente, welche das Gut bei vollem Betriebe gewährt. Nun kann es sich aber darum handeln, den Gewinn, der durch Kapital und Intelligenz entsteht, auszuscheiden und die Rente zu ermitteln , welche Grund und Boden ohne Kultur und Dünc]^uncr geben würde. Block rechnet dazu von dem aus der Rente ermittelten Kapital wert noch jenes Betriebskapital ab, welches anzuwenden ist, um den Acker in solchen Zustand zu versetzen, dafs er die veran- schlagten Ernten zu bringen vermag. Von dem so ermittelten Kapital ist dann die landesübliche Verzinsung als Rente zu rechnen. Dies Betriebskapital würde sich nach Block im Monat Juni folgendermafsen zusammensetzen : **^) 1. Aus den Ackerbestellungskosten. 2. Aus dem Samenbedarf aller Art. 3. Aus dem fehlenden Ernteertrag im ersten Jahr. 4. Aus dem den Ackern fehlenden Dünger. 5. Aus den Abgaben, Steuern und Administrationskosten, da diese geleistet werden müssen, gleichviel ob der Acker eine Rente trägt oder nicht. «*) Block: „Mitteüungen u. s. w." Bd. III § 110. «5) „Mitteilungen" Bd. III § 110. 697 — 64 — 6. Aus den jährlichen Zinsen, welche das Grundstück tragen soll. Wäre dies von Block vorgeschlagene Verfahren allgemein durch- führbar, dann hätten wir die Möglichkeit, die einfache Grundrente isoliert von den Zinsen der Betriebskapitalien auszudrücken. Eine solche Isolierung der Grundrente ist aber nur möglich , wenn man durch langjährige ganz genaue Berechnung des Betriebserfolges in seinen einzelnen Zweigen bei gleichmäfsigem Betriebe sich über die Einwirkung der verschiedenen Betriebsfaktoren einen ganz genauen zahlenmäfsigen Aufschlufs zu verschaffen vermag. Auch Johann Heinrich von Thünen legt in seinem „Isolierten Staat" seiner Landrentenberechnung zum gröfsten Teil den Boggen als Preismafs unter, weil die Höhe der Landrente sich mit dem Getreidejireis ändert und er diese Änderung ausschliefsen will. Thünen nimmt ein festes Wertsverhältnis zwischen den Produkten des Ackerbaues untereinander und zwischen diesen und den Pro- dukten der Viehzucht an. Er rechnet danach den gesamten Roh- ertrag in Korn um. Die Ausgaben lassen sich nach ihm nicht gänzlich in Korn aus- drücken. Er sagt darüber Band I p. 7 ff. : „Von den Bestellungs-, Ernte- und allgemeinen Kulturskosten besteht ein Teil geradezu aus Korn, ein zweiter Teil aber wird durch Korn und Geld zusammen bezahlt. So richten sich z. B. der Tagelohn des gewöhnlichen Ar- beiters und die Arbeitspreise des Handweikers nicht ganz nach dem Kornpreise. Aber sie sind teurer in der Gegend, wo der Mittelpreis des Korns hoch ist, wohlfeiler, wo dieser niedrig ist. Diese Aus- gaben müssen also durch Boggen und Geld zugleich, und zwar in dem Mafse. als jedes in dem Preise der Arbeit enthalten ist, ausge- drückt werden. Der dritte und letzte Teil dieser Ausgaben ist von dem Getreidepreise ganz und gar unabhängig, z. B. Salz, alle Metalle, Tuch u. s. w, — Welcher Anteil der ganzen Ausgabe durch Geld und wieviel davon durch Korn zu bezahlen und auszudrücken sei — das mufs notwendig für jedes Land und für jede Provinz verschieden sein, je nachdem sie mehr oder weniger die verschiedenen nötigen Bedürfnisse selbst erzeugt." „Es ist also dieses Verhältnis für jeden einzelnen Ort zu ermitteln und gemäfs desselben zu rechnen." Thünen setzt dasselbe zu '"^.^ in Korn und ^4 in Geld fest und gibt danach folgendes Beispiel : **") Der Rohertrag beträgt 3930 Scheffel Korn. «•) „Der isoHerte Staat." S. 31. 698 — 65 — Die Produktionskosten belaufen sich auf 2220 Scheffel und 747 Thaler. Der Reinertrag also 1710 Scheffel minus 747 Thaler. Die Geldrente beträgt bei einem Preise des Scheffels Roggen von 2 Thaler 3420 — 747 = 2673 Thaler, IV2 „ 2565 — 747 -= 1818 „ 1 „ 1710 — 747 -= 963 „ V2 „ 855 — 747 = 108 „ Die Rente wird null, wenn 1710 Scheffel 747 Thaler kosten. Es ergibt sich aus obigen Zahlen, dafs die Rente in einem viel stärkeren Verhältnis als der Kornpreis ab und zu nimmt. Das Verfahren von Thünens ist für allgemeine Wirtschaftsanschläge nicht anwendbar, da es unmöglich ist, im voraus festzustellen, wie grofs der in Roggen und wie grofs der in Geld ausdrückbare Teil der Produktionskosten ist. Und wenn dies auch möglich wäre, so ist auch nach diesem Verfahren die Ermittelung und Festsetzung einer sich stets gleichbleibenden Grundrente unmöglich, da, wie schon erwähnt, die Faktoren Kapital und Intelligenz einen grofsen EinÜufs auf die Gestaltung dieser ausüben und zahlenmäfsig überhaupt gar nicht festzustellen sind, und weil ferner das Verhältnis des in Korn und des in Geld auszudrückenden Teiles des Rohertrags im Laufe der Zeiten sich ändern wird. Das Verfahren von Thünens ist ja an sich unanfechtbar und theoretisch entschieden auch dem von Block vorzuziehen. Aber selbst bei speziellen Ertragsveranschlagungen, denen eine sorgfältige Buchführung zu Grunde liegt, ist es sehr schwierig, die Höhe der nicht in Korn, sondern in Geld zu bemessenden Ausgaben festzustellen. Der hohe praktische Wert der Thünenschen Rechnung besteht darin, dafs wir aus derselben sehen, dafs die Rente in stärkerem Verhältnis steigen und fallen mufs als der Preis des Roggens selbst bei gleichbleibenden Roherträgen und Produktionskosten. Die Bestätigung der Regel finden wir, wenn wir bei Annahme, dafs Vs oder die Hälfte der Produktionskosten in Geld gezahlt werden müssen, ähnliche Reihen erhalten. Die Produktionskosten betragen, wenn man sie zu -/g in Roggen und ^/g in Geld annimmt, in dem Thünenschen Beispiel 2027 Scheffel Roggen und 996 Thaler. Es ist also die Laadrente = 3930 — 2027 Scheffel — 996 Tlialer = 1903 Scheffel -- 996 Thaler zu rechnen. Sie beläuft sich mithin bei einem Roggenpreis von 2 Thalern auf 3806 — 996 = 2810 Thaler, Vjo „ „ 2854 — 996 = 1860 „ Staats wissen schaftl. Studien. II. »qq O 46 — 66 — 1 Thalern auf 1903 — 996 = 907 Thaler, V2 „ „ 951 — 996 = — 45 Werden die Produktionskosten zur Hälfte in Geld bestritten, ergibt sich folgende Reihe. Bei einem Preis des Scheffels Roggen von 2 Thalern ist die Rente 1790 Thaler, Wir haben durch diese Rechnung einen Erklärungsgrund mehr für die Thatsache, dafs der Preis von Grund und Boden in weit stärkerem Mafse gestiegen ist wie der mittlere Roggenpreis. Die diese Thatsache konstatierenden Tabellen entlehne ich dem Aufsatz von J. Conrad über Landwirtschaft in Schönbergs Hand- buch der politischen Ökonomie.*^") Durchsclinittspreis der Hufe lOjähr ■ige Durchschnittspreise in Mecklenburg Schwerin des Roggens zu Rostock der Lehngüter der Allodialgüter 100 kg Jahrzehnt M. Verhältnis M. Verhältnis Jahrzehnt M. Verhältnis 1770- -1779 19 226 100 20 412 100 1771- -1780 8,72 100 1780- -1789 24 993 127,3 25 227 123,5 1781- -1790 9,44 108,3 1790- -1799 50 421 256,9 49 740 143,6 1791- -1800 11,95 137,6 1800- -1809 71016 361,8 67 608 331,7 1801- -1810 16,68 191,3 1810- -1819 41292 210.4 44 067 215,9 1811- -1820 12,19 139,9 1820- -1829 45 252 230,6 45 303 2219 1821- -1830 6,46 85,5 1830- -1839 56 136 286.0 63 635 311,7 1831- -1840 2,71 111,3 1840- -1849 90 492 461,0 93 315 457,1 1841- -18,50 11,64 133,5 1850- -1859 113216 576,9 118 696 581,5 1851- -1860 15,40 176,6 1860- -1869 152 341 776,2 180 441 884,0 1861- -1870 14,73 168,8 1870- -1878 133 046 677,4 158 254 775,2 1871- -1879 15,68 179,0 Durch Umrechnung dieser Angaben in Doppelzentner Roggen erhält man folgende Reihen: Durchschnittspreise in Ztr. Roggen pro Hufe Jahr der Lehngüter der Allodialgüter 1770—1779 2 205 = 100 1317=100 1780—1789 2 648 == 120 2 672=115 1790—1799 4 220=191 4 162 = 179 1800-1809 4 257 = 193 4 053 = 175 1810-1819 3 387 = 154 3 697 = 159 1820-1829 6 066 = 275 6 072 = 262 1830—1839 5 781=262 6 553 = 282 1840-1849 7 897 = 358 8 143 = 351 1850—1859 7 348 = 333 7 707 = 332 1860-1869 10 342 = 469 12 250 = 529 1870—1879 8 485 = 358 10 092 = 435 «') Bd. II p. 232. 700 — 67 — Ein Vergleich der von Conrad gelieferten Yerhältniszahlen des Geldpreises und dieser auf den JRoggengüterpreis bezüglichen Zahlen ergibt den Vorteil der Wertsbemessung des Grund und Boden in Roggen. Denn während die Geldpreise des Bodens um 577.4 resp. 675,2 ^/o gestiegen sind, haben sich die Roggenpreise desselben nur um 285 resp. 335 ^/q, also um die Hälfte der obigen Prozentzahlen geändert. Conrad<5^) gibt ferner die Preiszahlen der Pachtbeträge der Domänen für die einzelnen Provinzen Preufsens und den Staat im Ganzen pro ha exkl. Unland in Mark von 1849 — 1884 an. Ich gebe nur die Zahlen für den ganzen Staat wieder: Es betrug 1849 1864 1869 1879 1884 das Pachtgeld pro ha 13,9 M. 20,23 M. 26,41 M. 35,53 M. 38,30 M. 1849 = 100 100 „ 145,5 „ 190,o „ 256,3 „ 275,5 „ Zum Vergleich füge ich die Durchschnittspreise des Roggens aus den 7 Jahren, welche den von Conrad angeführten vorangegangen sind mit ihren Relativzahlen an. Es kostete 1841—48 1856—63 1861—68 1871—79 1876—83 1 Ztr. Roggen 6,17 M. 7,35 M. 7,89 M. 8,57 M. 8,11 M. 1841-48 = 100 100 „ 119 „ 128 „ 141 „ 131 „ Drückt man wieder die Pacht in Roggen aus , so erhält man wieder eine geringere Abweichung in den Prozentzahlen und damit den Beweis der gröfseren Brauchbarkeit des Roggens gegenüber dem Geld zur Preisbemessung des Werts ländlicher Grundstücke. Es betrug die Roggenpacht in ha i. Ztr. R. : 1849 1864 1869 1879 1884 2,24 2,75 3,35 4,15 4,72 Ztr. Roggen 1849=100 100 123 149 185 211 Während also der Pachtpreis der preufsischen Domänen in Geld von 1849 — 79 um 156 % stieg, betrug die Steigerung des- selben in Roggen ausgedrückt nur 85 %. Zieht man die für 1884 angegebenen Preise in Betracht, so ergibt sich eine Preissteigerung der Pacht von 175,54 % i^^ Geld oder 111 % in Korn in dem Zeitraum von 1849 — 84. Es ist nun stets die Erfahrung gemacht, dafs eine steigende Tendenz der Getreidepreise regelmäfsig von einer Steigerung der Kauf- und Pachtpreise der Landgüter begleitet wird, dafs aber ein Zurückgehen des Wertes der Landgüter nicht bei jedem Rückgang ö3) Schönbergs Handbuch." Bd. II § 232. 701 ^ 46* — 68 — in den Getreidepreisen, sondern nur dann stattfindet, wenn dieser Rückgang von längerer Dauer ist.^^) Hiermit erklärt sich auch das weitere Steigen der Güterpreise bei fallenden Kornpreisen im angezogenen Fall. Der Grund der Erscheinung ist darin zu suchen , dafs die Käufer resp. Pächter, welche bei fallenden Kornpreisen pachten oder kaufen wollen, meist von der durch die bisherige Erfahrung berechtigten Annahme aus- gehen , dafs der Preisrückgang nur ein vorübergehender sein wird und dafs sie durch baldiges um so gröfseres Steigen der Preise wieder werden entschädigt werden. Auf die Höhe der Bestimmung der Gutspreise hat aufserdem noch der landesübliche Zinsfufs einen bedeutenden Einflufs. Fällt dieser, dann werden die Preise der Güter steigen. Ein Gut, welches bei einem landesüblichen Zinsfufs von 5 % 1000 Ztr. Roggen Pacht oder Reinertrag gibt, repräsentiert einen Wert von 20000 Ztr. Roggen; bei einem Zinsfufs von 3 % dagegen den Wert von 33 333 Ztr. Roggen. Auf die Höhe der Pachten hat dies ja keinen Ein- flufs. Die Pacht wird lediglich nach dem Reinertrag bemessen. Bei Zusammenfassung des in diesem Kapitel Gesagten erhält man folgendes Resultat: 1. Eine Fixierung der Grundrente auf lange Zeit ist unmöglich. Dieselbe ändert sich mit der Zeit nicht nur in ihrer nominellen, son- dern auch in ihrer realen Höhe, a) weil die Erträge je nach dem Kapital und der Intelligenz des Wirtschafters sich stark ändern und zwar im grofsen und ganzen, ebenso wie diese zunehmen, b) weil der glückliche Erfolg mancher Verbesserungen, der höhere Ertrag verbesserter Wirtschaftssysteme und vielleicht nur die Ahnung einer noch höheren Vollkommenheit und eines den jetzi- gen weit übersteigenden Ertrages , dann aber auch die gröfsere Neigung und Applikation zum Landleben, die unter der gebildeteren Klasse entstanden ist.^^) den Kaufpreis über die dem Ertragswert entsprechende Höhe hat steigen lassen; c) weil die Rente nicht gleichmäfsig mit dem Wert der Pro- dukte, sondern stärker steigt, wie Thünen nachgewiesen hat. 2. Als Annäherungsverfahren zur Fixierung des realen Werts der Rente für lange Zeit wird der von Thünen eingeschlagene Weg, *») Neumann in „Schönbergs Handbuch" I, Yl § 2. Beiträge zur Statistik Mecklenburg-s. '<*) Thaer: „Grundsätze der rationellen Landwirtschaft." § 64. 702 — 69 — Roggen und Geld zu gleicher Zeit zu berücksichtigen, theoretisch am nächsten zum Ziele führen. Röscher ist derselben Ansicht. Er sagt darüber:'^) „Wollte man eine ewige Rente in der Art bedingen, dafs sie jeweilig in so viel Geld zu leisten wäre , wie eine gewisse Menge Korn durchschnittlich in den letzten drei Jahrzehnten ge- kostet hat, so würde der Sachwert der Leistung mit dem Steigen der Kultur im ganzen höher werden. Um etwas Gleichbleibendes zu erhalten, müfste man das Korn mindestens noch mit einem an- deren Hauptgute kombinieren, dessen innere Preisgründe sich davon unabhängig entwickelten: aber alles immer bezahlt in Gelde. Das edle Metall bietet in so vielen Rücksichten zum Getreide einen diametrischen Gegensatz (an Entbehrlichkeit, Frachtbarkeit. Dauer- haftigkeit etc.), dafs gerade diese beiden Güterklassen besonders gut einander kontrollieren können." In der Praxis ist aber die Durchführung dieser Doppelrechnung nur in den seltensten Fällen möglich aus den schon angeführten Gründen. Es erübrigt also zur annähernden Bestimmung des realen Werts der Grundrente nur: 3. Den Roggen als Grundlage der Rentenbestimmung zu nehmen, weil dadurch wenigstens alle die zur Bestimmung der Höhe der Rente dienenden Faktoren, welche durch Verminderung des Roggen- preises in ihrer Höhe sich ändern, berücksichtigt werden. Dieser Untersuchung könnte vorgeworfen werden , dafs sie die Zahlen, auf welche sie basiert ist, diejenigen, welche das feste Wertsverhältnis zwischen den einzelnen Nahrungsmitteln beweisen sollen, tendenziös gruppiert, vor allen Dingen die Preisverhältnisse des laufenden Jahrzehnts nicht berücksichtigt hat. und dafs deshalb die aus ihr gezogenen Folgerungen ungültig sind. Es kann ange- führt werden, dafs das Preisverhältnis der verschiedenen Getreide- arten untereinander ein anderes gewesen ist. So verhielt sich:^-) Im Jahr Weizen Roggen Gerste Hafer 100 100 100 100 Dafs ferner die Durchschnittspreise der Produkte des Ackerbaues 1883 127 1884 117 1885 115 1886 122 104 89 105 93 102 96 104 94 ^^) „Grrundlagen der Nationalökonomie" § 129. '2) J. Conrad: in „Conrad's Jahrbüchern" 1887. 703 — 70 — und der Viehzucht sich in ihrem gegenseitigen Wert geändert haben. Es verhielten sich die Preise der vier Halmfrüchte zusammen, der Durchschnittspreis von 1847 80 = 100 gesetzt: 1847— 80 1881,5 1885 1886 100 89.21 82,79 72,49 Dagegen die Preise von: Jahr Rindfleisch Kalbfleisch Hammelfleisch Schweinefleisch Butt«r 1851—80 100 100 100 100 100 1881—85 111.17 141.3 124.87 116.37 119.27 1885 111.07 142,75 121.33 116,37 115.63 1886 111.55 145.81 121,33 116,37 114.15 Während also bei den Getreidepreisen ein starkes Fallen in den letzten Jahren gegen den Durchschnitt der letzten drei Jahr- zehnte zu bemerken ist. sind die Produkte der Viehzucht in derselben Zeit gegen diesen Durchschnitt gestiegen. Dadurch ist natürlich eine recht beträchtliche Veränderung des gegenseitigen Preisver- hältnisses eingetreten. Der aus diesen Zahlen etwa abgeleitete Vorwurf trifft aber nicht zu. Es ist eingangs erwähnt worden . dafs das durchschnittliche Preisverhältnis der landwirtschaftlichen Produkte nicht in jedem Jahr das gleiche, von Jahr zu Jahr überhaupt in kürzeren Perioden gröfseren Schwankungen unterworfen ist, dafs es aber sich im Verlauf der Zeit immer wieder herstellt, ja dafs durch die Abweichung zugleich immer wieder der Antrieb zum Ausgleich gegeben ist. Denn es wird die Produktion ihren Vorteil darin finden, den Teil des Betriebs, dessen Produkte zur Zeit kostbarer, auf Kosten des andern Teils, dessen Produkte zeitlich weniger wertvoll sind . auszudehnen. Es wird sich dadurch das gegenseitige Preisverhältnis wieder ausgleichen. Dieser Ausgleichung des Preises wirkt allerdings zur Zeit ent- gegen, dafs wir in Deutschland auf eine nicht unbedeutende Einfuhr von Nahrungsmitteln angewiesen sind. Bis jetzt sind aber immer noch die Produkte des Ackerbaues viel leichter transportierbar als die Mehrzahl der Produkte der Viehzucht. Jene werden daher leichter eingeführt und zu einem verhältnismäfsig geringeren Preise auf dem heimischen Markt angeboten werden können , als diese. Dadurch werden die einheimischen Produkte des Ackerbaues natürlich mehr im Preise gedrückt als die der Viehzucht. Allmählich mufs aber ein Ausgleich eintreten, entweder dadurch, dafs der deutsche Landwirt seine Viehproduktion auf Kosten des 704 — 71 — schlechter verkäuflichen Korns ausdehnt, oder dafs es mit der Zeit dem Ausland möglich sein wird, durch technische Vervollkommnung der Transportvorrichtungen u. s. w. die Produkte der Viehzucht zu einem geringeren Preise anzubieten, oder durch beides. In der That ist seit dem Jahre 1883 auch ein Fallen der Fleisch- preise eingetreten. Die oben Seite 70 angeführten, von Conrad entlehnten Zahlen lassen ein solches allerdings nicht bemerken. Diese gelten aber nur für den Kleinhandel. Die Preise des Grofs- handels, die für die Landwirte allein mafsgebend, sind dagegen, wie die folgenden Angaben ergeben, zum Teil nicht unbeträchtlich gefallen. Es kosteten auf dem städtischen Viehhof zu Berlin in den Jahren 1882—87 durchschnittlich 100 Kilo in Mark:*) Jahr Rinder, Schweine, Kälber, Hammel, Fleischgewicht Gewicht mit Fleischgewicht Fleischgewicht Mittel für 20% Tara niedrigste Notiz Mittel aus den Sorte IIa. Notiz für IIa. für la. Preisen für la. 1882 97,94 = 100 108,23 = 100 108,12^=100 106,93 = 100 1883 101,70 = 103,9 103,47 = 95,6 101,28= 93,7 107,53 = 100.6 1884 98,17 = 100,2 92,31 = 85,3 94,58= 87,5 94,55= 88,5 1885 97,00= 99,0 99,31= 91,8 83,77 = 77,5 87,13= 81,5 1886 93,50= 95,5 94,23=- 87,1 86,50= 80,0 92,65= 86.6 1887 91,94= 93,7 87,19 = 80,6 83,58= 77,3 88,46= 82,9 So wird auch in der Weltwirtschaft schliefslich eine Fixierung der Verhältniszahlen des Preises der einzelnen Nahrungsmittel ein- treten. Denn da diese einzeln demselben Zweck dienen und sich gegenseitig vertreten können, so wird sich die Nachfrage nach den zur Zeit billigeren Nahrungsmitteln verstärken und nach den teurem verringern. Dadurch wird ein Steigen der Preise der ersteren und ein Fallen der Preise der letzteren bewirkt werden. Die Produktion wird der Änderung der Preise folgen. Sie wird aber, weil die dazu nötige Umgestaltung des Wirtschaftsbetriebes nur eine allmälilige sein kann , vor allem aber auch die Erkenntnis der Notwendigkeit derselben nur langsam eintreten wird , gewissermafsen den Preisen nachhinken. Dadurch wird bewirkt, dafs diese über das mittlere Verhältnis steigen resp. fallen werden , wodurch dann wieder der Anstofs zu einer entgegengesetzten Preisbewegung gegeben wird. — Die absolute Höhe des Preises im allgemeinen wird sich immer nach dem Thünenschen Gesetz bestimmen, welches besagt, dafs der Preis der Produkte auf dem Hauptmarkt sich durch die Herstellungskosten auf dem zur Befriedigung des Bedarfs desselben nötigen Lande und *) Veröffentlichungen des Kaiserl. Statistischen Amts über Schnittspreise wichtiger "Waren im Grofshandel für das Jahr 1888". .die Durch- 705 — 72 — die Transportkosten von diesem zum Konsumtionsort bestimmt. Als Hauptmarktort, als Zentrum der Thünenschen Kreise sind die Industriestaaten, zu denen neben England und Belgien Deutschland gehört, jetzt anzusehen. Da die Kreise, welche zur Befriedigung des Bedarfs dieser Staaten hinzugezogen werden müssen, von Jahr zu Jahr weiter werden, so müfste eigentlich der Preis der Produkte immer mehr steigen, wenn nicht dem die ganz beispiellose Vermin- derung der Transportkosten entgegenstände. Dieser Umstand, die geringe Höhe der Landrente und die vorzügliche technische Organi- sation der extensiv betriebenen Monstre -Wirtschaften des Auslands machen es möglich, dafs dieses das Getreide billiger auf dem hei- mischen Markt anbieten kann, als wir es bei dem jetzigen hohen Stand der Grundrente, welcher sich durch die hohen Kauf- und Pachtpreise der Landgüter ausdrückt, erzeugen können. Um für unser Getreide Absatz zu bekommen, müssen wir es daher billiger geben, als dem heutigen Stand der Grundrente entspricht, und da- durch wird naturgemäfs ein Herabgehen derselben, wenn alle übrigen Faktoren gleichgesetzt werden, bewirkt. Nach der andern oben angeführten Thünenschen Regel wird aber die Rente in noch stärkerem Mafse fallen müssen als die Getreide- preise. Die Umstände, welche ein Steigen der Rente bewirken können, werden nur in Ausnahmefällen so stark sein, dafs sie das durch das Fallen der Getreidepreise bewirkte Fallen der Rente paralysieren können. Momentan wird zwar noch durch Betreiben einer intensiven Viehzucht eine partielle Ausgleichung möglich sein. Es wird aber infolge der allgemeinen Bevorzugung der Produktion tierischer Er- zeugnisse das schon begonnene Zurückgehen der Preise derselben sich noch verstärken. In der Praxis finden wir aber noch in den letzten Jahren ein Steigen der Güter-Kauf- und Pachtpreise. Dieses ist nach dem oben Gesagten als eine gänzlich ungerechtfertigte Erscheinung und für wirtschaftlich falsch anzusehen, und mufs sich deshalb notwendiger- weise bestrafen. Die Güter sind im grofsen und ganzen schon seit ca. 15 Jahren und länger nicht mehr nach ihrem Ertragswert be- zahlt, sondern haben einen künstlichen hohen Preis dadurch be- kommen und behauptet, dafs die Käufer und Pächter teils auf eine andauernde Preissteigerung der landwirtschaftlichen Produkte in der Art, wie sie fast 50 Jahre hindurch stattgefunden hatte, hofften, teils glaubten , dafs die Steigerung der Rrträge , welche wir haupt- sächlich der jungen Wissenschaft der Agrikulturchemie verdanken, 706 — 73 — anhalten würde, und deshalb über den momentanen Wert bezahlten. Auf die Steigerung der Gutspreise hat ferner noch ohne Frage die so bedeutende Ausdehnung des Kredits, welche seit Anfang der siebziger Jahre eingetreten ist, und durch welche die Zahl der konkurrierenden Landwirte so sehr zugenommen hat. gewirkt. Die Preise der landwirtschaftlichen ßodenerzeugnisse sind nun in den letzten fünf Jahren rapid gefallen. Ich glaube nicht, dafs sie in absehbarer Zeit dauernd den früheren mittleren Standerreichen werden, vor allem aber nicht auf die Höhe kommen werden, auf welcher sie anfangs der siebziger Jahre und anfangs der achtziger Jahre standen. Das waren Ausnahmepreise , welche in der ersten an- geführten Zeit auf den wirtschaftlichen Aufschwung und die dadurch bewirkte allgemeine Steigerung der Preise und Anfang der achtziger Jahre auf Mifsernten zurückzuführen waren. Deshalb ist es so sehr falsch, dafs von vielen Seiten diese Preise als Normalpreise an- gesehen werden. Wir müssen uns daran gewöhnen, mit den niedrigen' Preisen zu rechnen, wie sie die letzten Jahre ergeben. Eine künstliche Stei- gerung derselben für längere Zeit und damit ein Halten der Grund- rente auf der jetzigen Höhe, fürchte ich, wird nicht möglich sein. Grofse wirtschaftliche Gesetze, wie das der Thünenschen Preisbildung, lassen sich in ihren Wirkungen wohl auf kurze Zeit abschwächen und in ihren Härten mildern; es wird aber nicht möglich sein, den Einflufs, den sie auf die Gestaltung des wirtschaftlichen Lebens aus- üben müssen, dauernd zurückzudrängen. So werden wir uns auch genötigt sehen anzuerkennen, dafs der Grund und Boden die Rente, welche er, nach den hohen Kauf- und Pachtpreisen zu urteilen, geben müfste, in Wirklichkeit nicht gibt, und zu folgern, dafs diese dem gegenwärtigen Stand der effektiven Rente angemessen zu reduzieren sind. Ein derartiges Abweichen der Kauf- und Pachtpreise von dem Ertragswert ist auf die Dauer unmöglich. Man hätte sich nicht über den realen Wert der Rente täuschen können, oder man hätte wenigstens stets einen sicheren Anhalt zur Beurteilung der Höhe derselben gehabt, wenn man sie in dem durch- schnittlichen, in Roggen ausgedrückten Reinertrag angegeben hätte. Man würde dadurch, dafs man den Roggen als das unveränderliche Preismafs angesehen und benutzt hätte, den Teil der Schwankung des Preises der Grundrente, welcher auf die Schwankung des Geld- preises der Produkte zurückzuführen ist, eliminiert haben. Es ist nun eine nicht unwichtige Frage, ob die Wertsverän- 707 — 74 — derungen auf selten der landwirtschaftlichen Produkte oder auf Seiten des Geldes stattgefunden hat. J. Conrad sucht aus den Hamhurger Warenpreisen, welche ein Zurückgehen der Preise fast sämtlicher zur Notierung gelangter Waren zeigen, nachzuweisen, dafs eine Verteuerung des Geldes statt- gefunden hat, welche durch Goldknappheit entstanden ist. Ich gebe die interessante Zusammenstellung desselben, welche die prozentuale Preisveränderung der einzelnen Gruppen der Waren nach den Durch- schnittspreisen unter Berücksichtigung der konsumierten Quantitäten nachweist, hier wieder: '-^j Warengattung 1871—80 1881—85 1885 1886 1881—85 1885 1886 gegenüber gegenüber gegenüber 1847—67=100 1847—80=100 1871—80=100 I. Kaffee, Kakao, Thee, Reis, Pfeffer, Zucker 122,73 78,64 60,32 65,12 72,23 55,40 59,82 II. Baumwolle, Seide .... 87,83 71,77 68,84 64,52 79,75 76,50 71,69 III. Salpeter, Fischthran, Palmöl 101,65 89,30 76,13 72,08 89,42 76,23 72,17 IV. Roheisen, Rohzink, Zinn, Kupfer, Blei 111,88 75,05 65,47 65,29 69,li 60,29 57,05 V. Steinkohlen 109,88 75,90 74,70 72,29 70,79 69,66 67,42 VI. Weizen, Roggen, Gerste, Hafer 112,51 89,21 82,79 72,49 87,33 81,05 70,79 Dr. Franz Kral dagegen glaubt in einer statistischen Arbeit über „Geldwert und Preisbewegung im Deutschen Reich 1871 — 84" '*) folgendes festgestellt zu haben: „Die Symptome eines Geldmangels sind bisher nicht merkbar geworden : a) Die Lohne sind bisher thatsächlich nicht gesunken. b) Die Preise der Sachgüter sind allerdings gefallen; die Ursache liegt jedoch auf Seiten der Sachgüter selbst. c) Der Diskont, der Preis für die Überlassung der Nutzung des Geldes, weist eine entschiedene Tendenz zum Sinken auf, läfst somit einen Geldmangel nicht erkennen." Das allgemeine Fallen der Preise der Sachgüter erklärt Kral auf Grund der Statistik folgendermafsen. Zunächst sind die Boden- produkte im Preise aus den Gründen, die auch von uns schon oben auseinandergesetzt sind, gefallen. Soweit diese die Rohstoffe für Industrie und Gewerbe liefern, mufsten die Erzeugnisse derselben ebenfalls billiger werden. Dazu kam noch, dafs die enorme Ent- '") „Conrads Jahrbücher Neue Folge" Bd. 15 Heft 4. '*) „Staatswissenschaftl. Studien" von Dr. L. Elster. Bd. I Heft 3. 708 — 75 — Wickelung der Technik die Produktionskosten verringerte, und scliliefs- lich der Preisrückgang, der durch den Konkurrenzkampf der In- dustrien der verschiedenen Länder auf dem Weltmarkte erfolgte. Nach Kral ist also nicht eine Verteuerung des Geldes, sondern eine Verbilligung der Ware eingetreten. Die Ware „Arbeit" ist bis jetzt diesem Fallen der Preise nicht gefolgt. Das ist dadurch erklärlich, dafs ihre Menge nicht wie die der Rohstoffe und Fabrikate in kurzer Zeit in beliebiger Weise vermehrbar ist, sondern dafs diese Vermehrung nur eine langsame, in bestimmter Gesetzmäfsigkeit erfolgende sein kann. Sie wird des- halb nicht so in ihrem Preise schwanken können als die anderen Waren, wenn auch schliefslich zwischen ihrem Preise und dem Preise der übrigen Waren ein gewisser Ausgleich stattfinden wird. Mir scheint es, dafs die Verbilligung der Waren auf dem Weltmarkt sowohl eine Folge der Massenproduktion und des Massenangebots als auch der Goldknappheit ist. Die Produktion in Ländern mit Silber- währung ist insofern in dem letzten Dezennium bevorzugt, als in dieser Zeit eine bedeutende Verschiebung des Preisverhältnisses von Gold und Silber auf dem Weltmarkt eingetreten ist. Das Gold ist teurer, das Silber billiger geworden. Deshalb kann jetzt mehr Ware, deren Produktion dieselbe Menge Silber erfordert hat, für dieselbe Goldmenge eingetauscht werden. Dieser niedrige Stand der Preise drückt am schwersten die Landwirtschnft. Wie lange wird dieser Druck dauern? Meiner An- sicht nach so lange, bis die Zahl der Konsumenten auf dem Welt- markt bedeutend gestiegen ist, d. h. so lange bis Amerika und die anderen uns jetzt die Nahrungsmittel in Menge zusendenden Länder bevölkerter geworden sind und die Einwohner der betreffenden Länder einen gröfseren Anspruch auf die Konsumtion der betreffenden Produkte machen. Dann wird dort die jetzt minimale Landrente steigen, und das Steigen wird im gleichen Sinne auf unsere einhei- mische Landrente zurückwirken. Auf ein Steigen der Silberpreise in absehbarer Zeit wage ich nicht zu hoffen. Das zur Beurteilung der Höhe der Grundrente geeignetste Wertsmafs , durch dessen Annahme wenigstens die durch die un- gleiche Höhe der Getreidepreise bewirkte Schwankung eliminiert würde, bildet der Roggen. Es ist schwer, sich in einen den alltäglichen Gebräuchen und Anschauungen fremden Wertsmesser hineinzudenken. Wir werden das aber thun müssen, wollen wir uns über den realen Wert der 7ü9 — 76 — Dinge, also hier der Grundrente, klar werden und die Irrtümer ver- meiden, welche durch Vergleich mit einem schwankenden Werts- mafs entstellen. Nur so werden wir uns auch, wie oben näher aus- geführt, über die wirtschaftliche Stellung der Arbeiter klar werden, was wir doch müssen. Denn erst die klare Erkenntnis der ihre materielle Lage beeinflussenden Umstände setzt uns in den Stand, diese im ganzen richtig zu beurteilen und event. Abänderungen in derselben eintreten zu lassen. Die vorzügliche Tauglichkeit des Roggens zur Bestimmung der Preise der marktlosen Futtermittel und als Regulator der Preis- bemessung des Stallmistes, wie sie v. d. Goltz eingeführt hat, ebenso zur Bestimmung der Unkosten der Zugviehhaltung und der Vorzug des Roggens zu diesen Rechnungen vor dem Geld, wird im Prinzip wohl wenig Anfechtung erfahren, wenn auch im einzelnen Meinungs- verschiedenheiten darüber bestehen können. IV, Anwendung von Kapitel I — IV in der landwirtschaftlichen Praxis. Es ist versucht worden, im Vorstehenden die Bedeutung, welche der Roggen als Wertsmafs für landwirtschaftliche Berechnungen hat, im allgemeinen klarzulegen. Es soll nun an einigen kurzen Beispielen gezeigt werden, wie sich die Anwendung des Roggens als Wertsmafs in der Praxis gestalten wird. Die menschliche Arbeit zunächst wird, wie gezeigt wurde, in Deutschland nicht überall mit derselben Menge von Roggen bezahlt. Der Roggenlohn weicht örtlich und zeitlich sogar nicht unbedeutend voneinander ab. Es war aber nicht zu verkennen, dafs der Preis des Roggens einen merklichen Einflufs auf die Lohnhöhe ausübt. Für die landwirtscliaftliche Praxis hat es nun eine gewisse Bedeu- tung sich zu vergegenwätigen , in welcher Art die Höhe des Tage- lohns die Hölie der Rentablität der einzelnen Betriebszweige und der Grundrente im gegebenen Fall beeinflufst. Der Lohn der ländlichen Arbeiter besteht, wie oben nach- gewiesen wurde, im ganzen Norden und Osten Deutschlands zur Hälfte bis zu ^1^ aus Naturalien. Auch in den übrigen Gegenden Deutschlands wird ein nicht unbedeutender Teil des Arbeitslohnes in Naturalien gezahlt (Drescherlohn, Kartoffelland). Diese teilweise 7iO — 77 — Naturallöhnung hat einen doppelten Nutzen. Bei gleicher Menge dieser bezahlt der Arbeitgeber bei steigenden Preisen der Naturalien zwar die Arbeit höher. Er kann es aber auch, weil das Produkt der Arbeit ein wertvolleres ist. Bei sinkenden Preisen und deshalb verminderten Geldeinnahmen seinerseits ist der Geldwert dieses Teils des Arbeitslohns auch geringer. Es vermindern sich also seine Produktionskosten und wirken dadurch, wenn auch nur in geringem Grade, dem Fallen des Geldwerts der Grundrente entgegen. Für den Arbeiter dagegen hat eine partielle Naturallöhnung den Vorteil, dafs sie ihn in dem Mafse, in welchem sie zur Befriedigung seiner Bedürfnisse an Nahrung ausreicht, von den wechselnden Preisen derselben unabhängig macht. Die Beziehung, welche zwischen dem Reinertrag und der Höhe der Kosten für menschliche Arbeit besteht, kommt, wenn man beide in Geld ausdrückt, nicht zum festen Ausdruck. Wohl ist dies aber der Fall, wenn man beide nach Roggen bemifst. Es wird sich dann bei Gleichsetzung der anderen Faktoren ein festes durchschnittliches Verhältnis beider finden lassen. Wertvoller als für die Kostenberechnung der menschlichen Arbeit ist der Roggen als Wertsmafs für die Wertsbemessung der marktlosen Futtermittel und des Stallmistes. Diese ist offenbar nicht zu umgehen. Gilt es den Reinertrag des Ackerbaues oder der Vieh- zucht besonders zu berechnen, sie in ihren Vorteilen gegenseitig abzuwägen, dann gebraucht man feste Wertszahlen für diese Pro- dukte. Das Resultat der Rechnung wird sehr verschieden ausfallen, je nach den Preisen, welche man für Stroh und Mist einsetzt. !Man würde zu sehr unklaren Bildern über den Erfolg des Betriebes kommen, würde man das übersehen. Wird z. B. auf das Debet der Viehzucht das Stroh mit 2 M., etwa dem durchschnittlichen Preis am nächsten Marktorte entsprechend, geschrieben, der Mist dagegen dem Viehkonto nur zu 30 Pf. zu dem Preis, zu welchem er aus der Stadt bezogen werden kann, zu gute geschrieben, so wird das Re- sultat der Viehzucht vielleicht ein sehr wenig günstiges zu sein scheinen. Setzt man dagegen das Stroh mit 1,40 M., den Stallmist mit 0,44 M. — Zahlen , welche dem nach v. d. Goltz berechneten Wert dieser Produkte bei einem mittleren Marktpreis des Roggens von 7 M. entsprechen — in die Rechnung ein, dann wird das Re- sultat der Viehzucht ganz anders lauten, ein bedeutend günstigeres sein. Das Umgekehrte wird beim Ackerbau der Fall sein. Im esteren Fall wird er vorteilhafter zu sein scheinen als im letzteren. 711 — 78 — Angenommen, eine Kuh produziere im Jahr 250 Ztr. Stallmist. Dieser zu 44 Pf. pro Ztr. gerechnet, hat einen Wert von 110 M., zu 30 Pf. nur den Wert von 75 M. Es würde der Nutzen einer Kuh im Jahr also um 35 M. geringer ausfallen. Das per Jahr für eine Kuh verwendete Futter- und Einstreustroh betrage 59 Ztr. Der Geldwert desselben würde im ersten Fall 100 M., im zweiten Fall 70 betragen. Die Berechnung des Strohs mit 2 M. würde also das Viehkonto mit 30 M. mehr belasten. Dünger und Mist zu- sammen würden im ersten Fall das Resultat des Nutzens einer Kuh um 65 M. gegen den zweiten Fall herunterdrücken. Rechnet man die Düngung eines Morgens zu 160 Ztr. Stall- mist, den Strohertrag zu 20 Ztr., so würde das Kredit des Acker- kontos bei Rechnung mit den ersteren Zahlen ein Saldo von 34,40 M. gegen die Rechnung mit den zweiten Zahlen ergeben, eine Summe, die sich zwar auf verschiedene Jahre verteilt, aber trotzdem sehr erheblich ist. Wollte man nun aus der Rechnung mit den ersteren Zahlen den Schlufs machen, dafs man den Ackerbau auf Kosten der Vieh- zucht vergröfsern müsse, und würde man danach verfahren, so würde man eine sehr falsche wirtschaftliche Mafsregel vornehmen, die sich, wie aus dem Resultat der Rechnung mit den zweiten Zahlen erhellt, schwer bestrafen würde. Es scheint ja auf den ersten Blick gerechtfertigt, dafs man die Produkte des Ackerbaues zu um so höheren Preisen der Viehhaltung zur Last schreibt, je höher der aus denselben gezogene Nutzen ist. Die marktgängigen und marktlosen Produkte müssen in den meisten Fällen zu gleicher Zeit in der Landwirtschaft erzeugt werden, ja ihre Erzeugung ist teilweise gar nicht voneinander zu trennen, wie dies beim Körnerbau der Fall ist. Hier werden stets Körner und Stroh zusammen geerntet. Dieser enge Zusammenhang illustriert am besten, was über Kih-ner und Futterbau im weiteren Sinne gilt. Im allgemeinen wird die Stroh- zur Kornernte in einem festen Ge- wichtsverhältnis stehen. Es ist nun anzunehmen , dafs ihr AVerts- verhältnis auch ein konstantes ist. Ändert sich der Wert des einen, so wird auch der Wert des andern in demselben Sinne variieren. Setzt man nun bei vorteilhaftem Preisstand der Viehprodukte und niedrigem der Marktfrüchte die marktlosen Futtermittel auch höher im Wert ein, dann würde dadurch ja die Gesamtnutzung aus dem Kornbau scheinbar erhöht. Es tritt aber eine doppelte Werts- verschiebung zwischen Korn- und Strohpreis ein. Einmal dadurch, 712 — 79 — dafs das Korn im Preis niedriger steht, dann dadurch, dafs das Stroh h-öher bezahlt wird, als dem Durchschnitt entspricht. Es kann also durch solche Rechnung das Preisverhältnis zwischen Korn und Stroh ein ganz abnormes werden. Das Verhältnis mufs aber ein festes sein. Setzt man die verfütterten Ackerprodukte mit den nach v. d. Goltz ermittelten Wertszahlen in die Rechnung ein, natürlich unter gleich^ zeitiger Berücksichtigung des Stallmistes, dann ergibt sich erst der wirk- liche Reinertrag der beiden Hauptproduktionszweige derLand Wirtschaft. Ebenso wird es sich mit der Berechnung des Preises des Mistes für landwirtschaftliche Berechnungen verhalten. Dieser ist auch mit dem Preis der verkäuflichen Ackerbauprodukte in ein festes Verhältnis zu bringen, wenn man nicht zu widersinnigen Resultaten kommen will. Es kann dies aber nur geschehen, indem man den Wert des Mistes in den Marktprodukten ausdrückt. So wird der für den Mist zu rechnende Preis mit dem der Marktprodukte auf und ab gehen, und dadurch wird man ein klares Bild über die Pro- duktivität der einzelnen Betriebsfaktoren erhalten. Den Preis der konzentrierten Futter- und der künstlichen Dünge- mittel wird man auch nur nach dem Roggenpreis bestimmen können. Beim Einkauf der ersteren wird man so verfahren, dafs man unter- sucht, wie teuer sich die Nährstoffeinheit der angebotenen Waren im Verhältnis zur Nährstoffeinheit im Roggen stellt und wird danach das am billigsten angebotene Futtermittel wählen, wenn man durch solche nicht ganz spezifische Wirkungen hervorrufen will. Allerdings wird man (unter Umständen) die Nährstofteinlieit auch dann teurer bezahlen, als es dem mittleren Verhältnis entspricht, wenn nur eine Proteinvermehrung nötig, die Vermehrung der Kohlehydrate gar nicht erwünscht und das betreffende Futtermittel sehr eiweifsreich ist. Eine genaue Kenntnis des Preises der marktlosen Futtermittel und des Stallmistes ist auch nötig zur Berechnung der Kosten für tierische Arbeitsleistung. Bei allen Voranschlägen und auch bei allen Rechnungen, welche durchschnittliche Verhältnisse betreffen, wird man ja am einfachsten verfahren, wenn man sich an die oben gegebenen Tabellen hält. Gilt es aber detaillierte Arbeitskostenberechnungen an- zustellen, dann wird man auch die Futtermittel und den Stallmist nach Geldwert veranschlagen und so in die Rechnung einstellen müssen. Die Bestimmung der Kosten der tierischen Arbeitskräfte wird, abgesehen von der Notwendigkeit zur Einstellung derselben in rein landwirtschaftlichen Berechnungen, in vielen Verhältnissen von Wert sein. Sie ist bei Anlegung von technischen Nebengewerben, 713 — 80 — welche Zugleistungen beanspruchen, bei Verkauf von Holz, Torf oder Ziegeleiprodukten nach der Stadt nicht zu umgehefl, wenn man sich über die Rentabilität dieser Geschäfte Klarheit verschaffen will. Häufig werden von kleineren Landwirten in der arbeitslosen Zeit "Wagen und Anspannung zu allen nur möglichen Arbeiten ver- mietet. In Waldgegenden wird meist von solchen die Holzabfuhr im Winter übernommen. Oder es werden von der Behörde zu mili- tärischen Zwecken Fuhren oder .Vorspann requiriert. In all diesen Fällen ist die richtige Preisbestimmung der tierischen Arbeitsleistung wichtig. Gerade hier zeigt sich die Bedeutung der Bestimmung des Preises nach dem Gewicht der Tiere, da- die Leistung derselben im allgemeinen proportional dem Gewicht sein wird. Je mehr die Tiere aber leisten, eine um so geringere Anzahl wird man gebrauchen, je mehr kann man deshalb auch für das einzelne Tier bezahlen. Der Roggen bietet ferner die geeignetste Unterlage zur Be- rechnung des Werts von Weideservituten . welche noch häufig bei uns vorkommen. Zunächst wird der Wert derselben ja in Heu fest- gestellt werden. Die Geldberechnung des Heuwerts ist aber nach den oben gemachten Ausführungen nur dann keine willkürliche, über- haupt nur nach einheitlichen festen Grundsätzen durchführbar, wenn man derselben den Roggen zu Grunde legt. Ebenso ist der reale Wert von Abgaben und Leistungen an Kirchen und Schulen, soweit dieselben aus marktlosen Produkten oder aus Spanndiensten bestehen , nur unter Zugrundelegung des Roggens festzustellen. Schliefslich ist der Roggen bei Taxen einzelner Grundstücke als Wertsmafs nicht zu entbehren. Er bildet die sicherste Unterlage zur Wertsbestimmung der auf dem Grundstück erzeugten marktlosen Produkte und des zur Düngung erforderlichen Stallmistes, sowie zur Kostenberechnung der nötigen tierischen Arbeitsleistung und damit zur Wertsbestimmung eines Teils des Rohertrags und der Haupt- menge der Produktionskosten. Aus diesen Beispi