HARVARD UNIVERSIEY. IIEB RAR NY OF THE MUSEUM OF COMPARATIVE ZOÖLOGY. 12,007. GIFT OF Dorada belle. Del \8,1902. N. \ Son 1% 1902 UNTERSUCHUNGEN ÜBER DAS PLIOZÄN UND DAS ÄLTESTE PLEISTOZÄN THÜRINGENS NÖRDLICH VOM THÜRINGER WALDE UND WESTLICH VON DER SAALE INAUGURAL-DISSERTATION ZUR ERLANGUNG DER PHILOSOPHISCHEN DOKTORWÜRDE WELCHE MIT GENEHMIGUNG DER HOHEN PHILOSOPHISCHEN FAKULTÄT DER VEREINIGTEN FRIEDRICHS-UNIVERSITÄT HALLE-WITTENBERG MITTWOCH, DEN 12. DEZEMBER 1900, MITTAGS 11 UHR ZUGLEICH MIT DEN ANGEHÄNGTEN THESEN ÖFFENTLICH VERTEIDIGEN WIRD EWALD WÜST AUS HALLE A.S. OPPONENTEN: HERR MEHLISS, CAND. MATH. ET RER. NAT. HERR GRIMM, STUD. MED. “ HALLE a.S. DRUCK VON EHRHARDT KARRAS 1900 enNATI Die vollständige Abhandlung, welche etwa 15 Druckbogen umfasst und im 23. Bande der Abhandlungen der Naturforschenden Gesellschaft zu Halle (E. Schweizerbarts Verlag in Stuttgart) erscheint, zerfällt in folgende Hauptabschnitte: Einleitung. A. Das Pliozän und das älteste Pleistozän in den ausserhalb der Verbreitungsgrenzen des nordischen Gesteinsmateriales gelegenen Teilen des Gebietes. B. Das Pliozän und das älteste Pleistozän in den innerhalb der Verbreitungsgrenzen des nordischen Gesteinsmateriales gelegenen Teilen des Gebietes. Zusammenfassung. Palaeontologischer Anhang, mit 9 Tafeln. Die vorliegende Arbeit durfte ich in dem Herrn Geheimen Regierungsrat Professor Dr. K. Freiherrn von FrırscH unterstellten mineralogischen Institute der Universität Halle a. S. ausführen. Meinem hochverehrten Lehrer und Chef, Herrn Geheimrat von Fritsch, bin ieh zu grösstem Danke verpflichtet für die Freundlichkeit, mit der er mir die Hilfsmittel des genannten Institutes sowie seiner Privatbibliothek zur Verfügung stellte und mit der er mich bei der Ausführung der vorliegenden Arbeit mit Rat und That unterstützte. 1 ’z Einleitung. Durch den glücklichen Fund von Zähnen des Mastodon arvernensis Oroiz. et Job. wurde K. von Fritsch (3)'!) im Jahre 1881 in den Stand gesetzt, nachzuweisen, dass die Walkerden und die damit wechsel- lagernden Flussablagerungen der Gegend von Rippersroda bei Plaue, welehe bereits 21 Jahre früher von HEEr und GiEBEL zum Pliozän gestellt worden waren,?) zweifellos pliozänen und zwar jungpliozänen Alters sind und damit den ersten vollständig sicheren Beweis für das Vorkommen pliozäner Ablagerungen in Thüringen zu erbringen. Seiner ersten Mitteilung liess K. von FrırschH (4) im Jahre 1885 eine ausführliche Beschreibung der pliozänen Ablagerungen der Gegend von Rippersroda und besonders der in denselben gefundenen Fossilien folgen. Seitdem ist bei der Aufnahme von geologischen Karten und bei sonstigen Untersuchungen auf das Vorkommen pliozäner Sedimente geachtet worden und es ist infolgedessen von verschiedenen Seiten wiederholt auf Ablagerungen aufmerksam gemacht worden, welche mit mehr oder weniger grosser Wahrscheinlichkeit als Pliozän be- trachtet werden konnten.?) In den diesbezüglichen Mitteilungen, welche !) Die Erklärung der Abkürzungen in den Zitaten findet sich am Ende der Arbeit. ?) Vgl. GIEBEL 1, 2 und K. von FRITScH 4 389, 390. ®) Da die Veröffentlichungen über das Pliozän — und über das älteste Pleisto- zän — des Gebietes meist nicht in innerem Zusammenhange mit einander stehen, verschiebe ich die eingehenden Referate über dieselben auf die betreffenden Ab- schnitte des speziellen geologischen Teiles der vorliegenden Arbeit. Auch gehe 6 EwALp Wüst, sich mehr auf gelegentliche lokale Beobachtungen als auf eine plan- mässige vergleichende Untersuchung grösserer Gebietsteile gründeten, tritt eine erklärliehe Unsicherheit hinsichtlich der Frage hervor, woran man das pliozäne Alter einer fluviatilen Ablagerung erkennen kann. Im Jahre 1894 gelang es P. MiıcHaer (1 8—11) für einige Ilm- kiese — darunter den Kies von Süssenborn, den PoHrıc (1 260) aus palaeontologischen Gründen für ein Aequivalent der fossilreichen Sande von Mosbach bei Wiesbaden erklärt hatte, die bis vor kurzem all- gemein in die zwischen die beiden bedeutendsten Eiszeiten fallende Interglazialzeit gestellt wurden — nachzuweisen, dass sie, obgleich noch innerhalb des Verbreitungsgebietes nordischen Gesteins- materiales gelegen, von solehem durchaus frei sind. MICHAEL bezeichnete diese Ablagerungen mit dem Ausdrucke „präglazial“, einem Ausdrucke, der insofern zutreffend ist, als die Ablagerungen zweifellos vor dem ersten Eindringen eines nordischen Inlandeises mit seinen Moränen und Schmelzwässern in das Gebiet abgelagert worden sind. Von nordischem Gesteinsmateriale freie Ablagerungen innerhalb der Verbreitungsgrenzen des nordischen Gesteinsmateriales waren aus anderen Randgebieten der nordischen Vereisungen wie dem König- reiche Sachsen!) und der Provinz Schlesien?) sehon länger bekannt und daselbst als „pliozän“ oder als „präglazial“ bezeiehnet worden, ohne dass indessen eine sichere und genauere Altersbestimmung der- selben in diesen Gegenden möglich gewesen wäre. Als Ablagerungen der eben bezeichneten Art im Jahre 1894 zum erstenmale in Thüringen nachgewiesen worden waren, war die Auf- nahme der Kartenblätter der geologischen Spezialkarte von Preussen und den Thüringischen Staaten in den nördlich vom Thüringer Walde und westlich von der Saale gelegenen Teilen Thüringens so gut wie vollendet, so dass die Gesichtspunkte, welche sieh aus den Beobachtungen MıcHAEr's für die Kartierung der Schottermassen Thüringens ergeben mussten, keine Verwendung für die Aufnahme der genannten Karten- ich in dieser Einleitung nicht auf diejenigen Arbeiten ein, welche in der Zeit erschienen sind, in der ich bereits mit der vorliegenden Arbeit beschäftigt war. ') Vgl. einen Teil der Erläuterungen zur geologischen Spezialkarte des Königreichs Sachsen. 2) Vgl. DATHE 1 267— 271. Das Pliozän und das älteste Pleistozän Thüringens. 7 blätter mehr finden konnten. Leider hatte man bei der Aufnahme der thüringischen Kartenblätter der genannten geologischen Spezialkarte zumeist auf eine Feststellung der petrographischen Zusammensetzung und eine Gliederung der Schottermassen keinen Wert gelegt und — wie ZIMMERMANN (4 /2) sagt — geglaubt „schon ein Uebriges gethan zu haben“, wenn man vorwiegend aus nordischem Gesteinsmateriale, vorwiegend aus Gesteinen des Thüringer Waldes bezw. des Harzes und vorwiegend aus Gesteinen der Thüringer Triasmulde bestehende Sehotter unterschieden hatte, sodass aus den Kartenblättern der ge- nannten Spezialkarte!) kein Urteil darüber zu gewinnen ist, welehe Verbreitung von nordischem Gesteinsmateriale freie Schotter innerhalb des thüringischen Verbreitungsgebietes nordischen Gesteinsmateriales besitzen. Ich habe mir nun in der vorliegenden Arbeit die Aufgabe ge- stellt, auf Grund einer kritischen Verwertung der bereits vorliegenden Beobachtungen, eines durch eine kursorische Begehung des ganzen Gebietes gewonnenen Ueberbliekes über die känozoischen Ablagerungen desselben und einer Reihe von Spezialuntersuchungen zu erörtern, in- wieweit in den nördlich vom Thüringer Walde und westlich von der Saale gelegenen Teilen Thüringens Ablagerungen vorkommen, welche in der Pliozänzeit und in den ältesten, der ersten Vereisung des Ge- bietes vorausgegangenen Abschnitten der Pleistozänzeit gebildet worden sind und inwieweit diese Ablagerungen auf verschiedene Zeitabsehnitte der Pliozänzeit und der ältesten Pleistozänzeit verteilt werden können. * * + Ich betrachte in der vorliegenden Arbeit als die Grenze zwischen der Pliozän- und der Pleistozänzeit — dem im nördlichen Mittel- europa fast allgemeinen Gebrauche folgend — den Beginn der I. Eiszeit !) Die — meist sehr alten — thüringischen Blätter dieser Karte gewähren überhaupt nur wenige Anhaltepunkte zu einer Beurteilung des sogenannten „Dilu- viums“ in Thüringen. Bezüglich einer Kritik der Behandlung des „Diluviums‘ auf diesen Kartenblättern kann ich auf die kürzlich von ZIMMERMANN 4 (11—13) gegebenen Ausführungen verweisen, welche darin gipfeln, dass zur Erkenntnis des thüringischen Diluviums „eine erneute Begehung des gesamten Gebietes unbedingt erforderlich“ ist, eine Auffassung, der ich mich durchaus anschliessen muss. 8 EwALD Wüst, im Sinne von GEIKIE (1), ohne indessen damit für die Richtigkeit oder Zweekmässigkeit dieser von mir lediglich der leichteren Verständigung wegen angenommenen Grenzbestimmung eintreten zu wollen.!) Zur Bezeichnung der einzelnen Abschnitte der Pleistozänzeit be- diene ich mich der Einteilung der Pleistozänzeit in Eis- und Interglazialzeiten. Die Eis- und Interglazialzeiten nummeriere ich nach GEIKIE (ll. Um Missverständnissen vorzubeugen, bemerke ich ausdrücklich, dass ich die Bezeiehnungen der in der vorliegenden Arbeit eitierten Autoren überall, wo nieht ausdrücklich etwas anderes bemerkt ist, in die GEIKIE’sehen Bezeichnungen übersetzt habe. Die Begriffe Eis- und Interglazialzeit fasse ich in kon- sequent historischem Sinne. Unter einer Eiszeit verstehe ich eine Periode mit einer bedeutenderen Gletscherentfaltung?) als die Gegen- wart sie aufweist, unter einer Interglazialzeit eine Periode mit einer Gletseherentfaltung, die der der Gegenwart gleich kommt oder geringer als diese ist. * Um lästige Wiederholungen zu vermeiden, schieke ich dem speziellen Teile der vorliegenden Arbeit einige allgemeinere Er- örterungen über einige der zur Gliederung und Altersbestimmung der behandelten Ablagerungen verwandten Methoden voraus. Die Gliederung und Altersbestimmung der pleistozänen und eines -Teiles der pliozänen Festlandsablagerungen wird durch die Periodizi- tät aller Erscheinungen, z. B. des Klimas, der Thalbildung,) der Gesteinsbildung und der Flora und Fauna, während der Zeit ihrer Ablagerung, d.h. die mehrfache Wiederholung gleicher oder ähnlicher klimatischer Verhältnisse, Vorgänge der Erosion und Akkumulation, Gesteine und Floren und Faunen während derselben, sehr erschwert. !) Zu einer Diskussion der Grenze zwischen Pliozän- und Pleistozänzeit liefert der Gegenstand der vorliegenden Arbeit kein geeignetes Material. ?) Auf der nördlichen Hemisphäre unseres Planeten. ®) Bezüglich der nur zu häufig übersehenen Periodizität der Thalbildung ver- weise ich auf PEncr’s Arbeit über diesen Gegenstand (PENCK 3) sowie auf die sehr anschauliche graphische Darstellung des Wechsels von Erosions- und Akkumulations- perioden während der lleistozänzeit, die LEON DU PASQUIER (1 126) gegeben hat, Das Pliozän und das älteste Pleistozän Thüringens. 9 Einzelne Ablagerungen aus der Pleistozänzeit — und auch aus einem Teile der Pliozänzeit — können daher nur selten unter alleiniger Verwertung ihrer Höhenlage, ihrer Gesteinsbeschaffenheit, ihrer Fossilein- schlüsse u. s. w. ihrem geologischen Alter nach genau und sieher be- stimmt werden; es kann vielmehr eine Altersbestimmung meistens lediglich auf die Lagerungsbeziehungen der Ablagerungen unter einander und besonders zu denjenigen Ablagerungen, welche in ihrer Erstreekung weithin verfolgt werden können und daher in erster Linie zum Ausgangspunkte für die Gliederung der pleistozänen Massen und die Parallelisierung derselben in verschiedenen Gegenden genommen werden, wie z. B. iiber ausgedehnte Landschaften ununterbrochen aus- gebreitete Grundmoränen oder in Thälern weithin verfolgbare Schotter- terrassen, gegründet werden. Die Lagerungsbeziehungen der pleistozänen Sedimente zu einander sind nun zwar in Gegenden, in denen diese Sedimente eine fast kon- tinuierliche Verbreitung und eine grosse Mächtigkeit erreichen, wie im norddeutschen Flachlande oder in der mittelrheinischen Tiefebene, verhältnissmässig leieht zu ermitteln. In Thüringen jedoch, wo die pleistozänen Massen meist eine wenig zusammenhängende Verbreitung und eine geringe Mächtigkeit zeigen, stellen sieh der Ermittelung der Lagerungsbeziehungen der einzelnen Ablagerungen zu einander grosse Sehwierigkeiten entgegen. Dazu kommt noch der Umstand, dass wir in Thüringen keine in ihrem Zusammenhange mit den Ablagerungen entfernterer Gebiete sicher verfolgbaren Ablagerungen, welche zu einem Ausgangspunkte für die Gliederung des thüringischen Pleistozäns dienen könnten, besitzen. Die Grundmoränen nordisehen Inlandeises, die sonst häufig zum Ausgangspunkte für Pleistozängliederungen geeignet sind, sind dazu in Thüringen nieht verwendbar, weil sie zweifellos zwei ver- schiedenen Eiszeiten — der II. und der III. Eiszeit — angehören, ') 1) Die Annahme von zwei durch eine lange Zwischenperiode getrennten Ver- eisungen der Gegend von Halle und des nördlichen Thüringens — in der II. und in der III. Eiszeit — ist nach den Ergebnissen der Untersuehungen von K. von FRITSCH (5 30—34, 6 bes. 33—36), die leider erst zum kleinen Teile veröffentlicht sind, un- abweisbar, obgleich die meisten Autoren im Anschlusse an KLOCKMANN (1) u. a. die Siidgrenze des Inlandeises der III. Eiszeit sehr viel weiter nach Norden verlegen. 10 EwWALD WÜst, und wir bei der zu wenig kontinuierlichen Verbreitung der Grund- moränen und der ausserordentlichen Seltenheit des Zusammenvorkommens von Grundmoränen der II. und der III. Eiszeit in einem Aufschlusse !) von den Grundmoränen Thüringens fast durchweg nicht wissen, ob sie der II. oder der III. Eiszeit angehören. Wohlausgeprägte, scharf gegen einander abgesetzte und weithin verfolgbare Schotterterrassen, wie sie z.B. im Alpengebiete zum Ausgangspunkte für die Gliederung der pleistozänen Sedimente gedient haben, lassen sich in Thüringen zur Zeit noch nicht erkennen und werden sich vielleicht aueh nie mit der wünschenswerten Schärfe er- kennen lassen, da die hydrographischen Verhältnisse in Thüringen — wie überhaupt in den meisten der am Nordrande der deutschen Mittel- gebirgslandschaft gelegenen Gegenden — während der bedeutenderen Eiszeiten sieh ungemein viel komplizierter gestalten mussten als in vielen anderen Gebieten wie z. B. den Alpenvorlanden. In diesen flossen nämlich die Flüsse und die Schmelzwässer des Gletschereises in gleicher Riehtung — oder waren sogar, wie in den allermeisten Fällen, identisch —, in Thüringen dagegen in einander fast genau entgegengesetzter Richtung, wozu noch kommt, dass zweimal Teile Thüringens von Inlandeismassen bedeckt wurden, die in einer der Flussrichtung entgegengesetzten Richtung sich heranbewegt hatten. Immerhin haben wir ein Mittel, um wenigstens in einem Teile unseres Gebietes wenigstens die vor und die nach dem ersten Eindringen nordischen Inlandeises in dasselbe gebildeten Ablagerungen mit Sicher- heit zu unterscheiden. Das nordische Inlandeis, welches nach dem gegenwärtigen Stande unserer Kenntnisse zum erstenmale in der II. Eis- zeit?) in unser Gebiet eindrang, brachte eine grosse Menge aus nörd- Der südlichste Punkt des Gebietes, für den eine Eisbedeckung sowohl in der II. wie in der III. Eiszeit sicher nachgewiesen ist, ist Zeuchfeld bei Freiburg a. U. (K. von FRITSCH 6 bes. 33—36). Die Moränennatur der zwei durch eine Schnecken- riethablagerung getrennten Geschiebemergel des Zeuchfelder Profiles ist — meines Erachtens mit Unrecht — von ZIMMERMANN (4 15, 5 180) angezweifelt worden. !) Innerhalb des Gebietes der vorliegenden Arbeit bis jetzt nur bei Zeuchfeld beobachtet. 2) Wieweit das nordische Inlandeis bezw. seine Schmelzwässer in der I. Eiszeit nach Süden vordrang, lässt sich noch nicht mit Sicherheit beurteilen. Der südlichste Das Pliozän und das älteste Pleistozän Thüringens. 11 licheren Gegenden entnommener Gesteine mit, welche sich zum grossen Teile leicht von den in Thüringen und seinen Randgebirgen vor- kommenden Gesteinen unterscheiden lassen. Diese ursprünglich in den Moränen und Schmelzwasserabsätzen zur Ablagerung gekommenen nordischen Gesteine gelangten bei der Aufbereitung und Zerstörung, welehe der grösste Teil der anfangs offenbar kontinuierlich oder fast kontinuierlich verbreiteten Ablagerungen des nordischen Eises und seiner Schmelzwässer erfuhr, auch in die von Gewässern, welche Ge- biete durchflossen, in denen hinreiehende Mengen von nordischem Gesteinsmateriale vorhanden waren, abgesetzten jüngeren Ablagerungen. In weleher Menge nordisches Gesteinsmaterial zu einer bestimmten Zeit in einer bestimmten Gegend vorhanden war, lässt sich nun natürlich nach der Menge, in der dasselbe heute in der betreffenden Gegend vorhanden ist, nieht sicher beurteilen, doch können wir mit Sicherheit annehmen, dass in allen Gegenden, in denen heute noch soviel nordisches Gesteins- material vorhanden ist, dass dasselbe regelmässig in die Ablagerungen der heutigen Gewässer der Gegend gelangt, in jedem der auf die erste Einführung von nordischem Gesteinsmateriale in dieselbe folgenden Zeitabsehnitte in solehen Mengen vorhanden war, dass es in die damals gebildeten fluviatilen Ablagerungen gelangen musste Wir können demnach in fast dem gesamten innerhalb der Verbreitungsgrenzen des nordischen Gesteinsmateriales gelegenen Teile des Gebietes die vor und die nach der ersten Vereisung!) des Gebietes gebildeten Ablagerungen nach dem Fehlen oder Vorhandensein von nordischem Gesteinsmateriale in denselben unterscheiden. Punkt, an dem Grundmoränen aus der I. Eiszeit nachgewiesen wurden, ist das See- bad bei Rüdersdorf bei Berlin, wo dieselben nach K. von FRITSCH (6 30, 31) noch die recht ansehnliche Mächtigkeit von 42,5 m besitzen. !) Der Beginn der I. Vereisung unseres Gebietes fällt nicht mit dem Beginne der II. Eiszeit zusammen. Als das nordische Inlandeis der II. Eiszeit sich in Nord- deutschland schon weit ausgebreitet hatte, lagerten zweifellos unsere thüringischen Flüsse beträchtliche Schottermassen ab, die noch frei von nordischem Gesteins- materiale waren, da das nordische Eis bezw. seine Schmelzwässer unser Gebiet noch nicht erreicht hatten. Es findet also ein erheblicher petrographischer Unterschied zwischen den vor und den während oder nach der I. Vereisung unseres Gebietes in demselben abgelagerten Sedimenten aus der II, Eiszeit statt, 12 EwaArp Wüst, Wie sieher und einfach aber auch diese Unterscheidung theoretisch ist, so unsicher und schwierig ist sie praktisch. Die Schwierigkeit der praktischen Unterscheidung der von nordischem Gesteinsmateriale freien Ablagerungen aus der Zeit vor der I. Vereisung des Gebietes und der nordisches Gesteinsmaterial führenden Ablagerungen aus der Zeit während und nach der I. Ver- eisung desselben beruht einmal darauf, dass wir in unserem Gebiete die Verbreitung des nordischen Gesteinsmateriales und die Mengen, in denen dasselbe in den einzelnen Gegenden an der Südgrenze seiner Verbreitung vorkommt, noch zu wenig kennen und sodann auf der Sehwierigkeit des Nachweises des Fehlens von nordischem Gesteins- materiale in den Ablagerungen. Der Verlauf der Grenzen des Vorkommens nordischer Ge- steine in Thüringen ist noch keineswegs genügend bekannt.!) Für unsere Zwecke kommt es aber weit mehr als auf die Kenntnis des Verlaufes dieser Grenzen auf die Grenzen eines häufigen Vorkommens nordischen Gesteinsmateriales (vgl. oben S. 11) an, die noch ungenügender bekannt sind als die des Vorkommens nordischen Gesteinsmateriales überhaupt. Die Blätter der geologischen Spezialkarte von Preussen und den Thüringischen Staaten geben nur wenige Anhaltepunkte in dieser Riehtung, da auf denselben Schmelzwasserabsätze gewöhnlich nicht von anderen Sanden und Kiesen getrennt sind und auf den sehr zahlreichen von E. E. SchmiD aufgenommenen Blättern nicht einmal die Grundmoränen des nordischen Inlandeises besonders ausgeschieden sind.?) !) Vgl. auch S. 17—18. ?) SCHMID gliederte die lehmigen Gebilde — von Anschwemmungen der heutigen Flüsse und Bäche abgesehen — in zwei Kategorieen: „ds“ — „Aelterer Lehm, Geschiebe-Lehm“. „da“ —= Jüngerer Lehm, Löss, Gerölle-Lehm, Gerölle“. Nach seinen eigenen Angaben in den Erläuterungen zu seinen Kartenblättern und nach meinen Wahrnehmungen in den von ihm kartierten Gebieten begriff SCHMID unter „ds“ ächten Geschiebelehm (also Grundmoränen des nordischen In- landeises), geröllführenden Lehm (also u. a. die häufig geröllreichen untersten Schichten von Lössablagerungen), Sandlöss‘ und echten Löss, unter „da“ u. a. echten Löss, dejektiven Löss, geröllführenden Lehm, Kies aus in nächster Nähe anstehenden Gesteinsarten und Verwitterungslehm. Vgl. auch Wüst 3 443. Vgl. ferner ZIMMER- MANN’S Ausführungen über SCHmIp’s „Geschiebelehm“: ZIMMERMANN 412 u. 5173, 179. Das Pliozän und das älteste Pleistozän Thüringens. 13 Der Nachweis des Fehlens von nordischem Gesteins- materiale in einer Ablagerung ist deshalb sehr schwer, weil es sehr viele Ablagerungen giebt, die verschwindend wenig nordisches Gesteins- material enthalten und daher leieht für Ablagerungen ohne solches ‚gehalten werden können.!) Ich führe einige Beispiele aus der Gegend von Naumburg an, welehe etwa 30 km nördlich von der Südgrenze des Vorkommens von nordischem Gesteinsmateriale im Saalethale gelegen ist und in der noch Grundmoränen und Schmelzwasserabsätze des nordischen Inland- eises vorkommen. Auf einer rezenten Kiesbank der Saale bei Grochlitz fand ich trotz eifrigen Suchens unter den allerdings recht schmutzigen Geröllen kein einziges nordisches. Bei der genaueren Untersuchung einer Probe feineren Kieses von dieser Kiesbank fand ich in dem 811 gr wiegenden im 4 mm-Siebe zurückgebliebenen Geröllmateriale an sicher nordischem Gesteinsmateriale nur einen nicht ganz 1 gr wiegenden Feuersteinsplitter. Die Kiesterrasse des rechten Saaleufers zwischen Naumburg und Grochlitz, deren spezielles geologisches Alter noch nicht sicher festgestellt ist, ist in der Nähe des Thüringer Felsenkellers durch zwei Kiesgruben gut aufgeschlossen. Trotz eifrigen Suchens vermochte ich kein nordisches Gerölle in situ zu bemerken. Die sorg- fältige Untersuchung des im 4 mm-Siebe zurückgebliebenen, 2129 gr wiegenden Teiles einer Probe aus einer dieser Kiesgruben ergab an zweifellos nordischem Gesteinsmateriale nur einen Feuersteinsplitter von nicht einmal 1 gr Gewicht.?) Kieslager mit so verschwindend wenig nordischem Materiale wie die eben erwähnten sind mir nur innerhalb der grösseren Thäler, wie !) In solchen kritischen Fällen führt meist die Untersuchung des gröberen Materials zu sichereren Ergebnissen als die des feineren Materials. ?) SCHMID (Naumburg 11) giebt aus der jetzt eingeebneten Kiesgrube am Georgenthor von Naumburg, die demselben Kiesterrain angehört wie die Gruben am Thüringer Felsenkeller, auch nordische Gerölle an. ZIMMERMANN (5 176—178), der das Kieslager kürzlich untersucht hat, hat in demselben kein nordisches Gerölle gefunden. Er nimmt an, dass die auf dem Kiesterrain liegenden nordischen Blöcke dem Kiese entstammen, was ich für äusserst unwahrscheinlich halte. Ich nehme vielmehr an, dass sie den Rückstand eines weggewaschenen Geschiebemergels darstellen. 14 EwALp Wüsrt, ausserhalb derselben auf den Hochflächen vorgekommen. Es ist klar, dass die Denudation des nordischen Gesteinsmateriales auf den Hoch- flächen nieht so sehnell und so gründlich erfolgt wie in den Thälern und dass daher Flüsse, welehe — in einer Periode der Akkumulation — ausserhalb der heutigen Thäler auf den jetzigen Hochflächen dahin- strömen, weit mehr Gelegenheit finden, nordisches Gesteinsmaterial auf- zunehmen, wie Flüsse, die in den Thälern fliessen. Ich glaube daher annehmen zu können, dass ausserhalb der Flussthäler auf den Hoch- flächen gelegene Schotter verhältnismässig leicht bemerkbare Mengen von nordischem Gesteinsmateriale enthalten, wenn sie nach der ersten Vereisung der Gegend abgelagert worden sind. Ich glaube demnach, dass man bei Plateauschottern mit etwas mehr Sicherheit wie bei Thal bezw. Terrassenschottern daraus, dass man trotz eifrigen Suchens kein nordisches Gesteinsmaterial gefunden hat, auf das wirkliche Fehlen von solchem schliessen kann. Der Gehalt eines Kieses an nordischem Gesteinsmateriale ist naturgemäss wesentlich schwieriger zu beurteilen, wenn Aufschlüsse fehlen, als wenn solehe vorhanden sind. Findet man in den Aeekern auf einem Kieslager unter einheimischen Geröllen auch nordische, so kann man daraus nicht schliessen, dass das Kieslager neben ein- heimischen auch nordische Gerölle enthalte, denn es bleiben bei der Abwaschung der nordisches Material enthaltenden Ablagerungen, welehe auf von nordischem Materiale freien Kiesen abgelagert worden sind, häufig zahlreiche nordische Gerölle übrig, die nun in den Aeckern mit den einheimischen Geröllen des Kieses vermischt liegen. Von dieser Erscheinung kann man sich fast an allen Stellen des Gebietes, an denen von nordischem Materiale freie Kiese sowohl in den Aeckern wie in Aufschlüssen untersucht werden können, überzeugen, in aus- gezeichneter Weise z. B. zwischen Buttstedt und Rastenberg, zwischen Kalbsrieth und Rossleben sowie bei Gross-Jena.!) !) Wenn auf geologischen Karten die Kiese nach ihrem Gehalte an nordischem Gesteinsmateriale — oder nach anderen petrographischen Momenten — gegliedert zur Darstellung gebracht werden sollen, so ist es in Ansehung der oben geschilderten Verhältnisse durchaus erforderlich, dass entweder durch eine Signatur auf der Karte selbst oder durch entsprechende Angaben in den etwa beizugebenden Er- läuterungen zur Karte zum Ausdrucke gebracht wird, bei welchen Kieslagern die Das Pliozän und das älteste Pleistozän Thüringens. 15 Für die Gliederung und Altersbestimmung pliozäner und pleisto- zäner Festlandsablagerungen haben neben den Lagerungsbeziehungen dieser Ablagerungen unter einander die in denselben zu beobaehtenden Verwitterungserscheinungen zunächst im Alpengebiete, dann in Südwestdeutsehland und schliesslich auch noch in versehiedenen anderen Gebieten eine hervorragende Bedeutung gewonnen, indem einmal aus dem Auftreten verwitterter Schiehten (sog. alter Verwitterungsdecken) in einer Schiehtenfolge von unverwitterten Schiehten auf Pausen in der Sedimentbildung an den betreffenden Stellen geschlossen wurde und sodann auch Beziehungen zwischen dem Grade der Verwitterung und dem geologischen Alter der Ablagerungen ermittelt wurden. !) Sogenannte alte Verwitterungsdecken sind zweifellos eine ebenso allgemein verbreitete wie für die Gliederung der pliozänen und pleistozänen Festlandsablagerungen wertvolle Erscheinung. Dass sie auch in Thüringen vorkommen, habe ich (Wüsr 1)?) kürzlich ge- zeigt und kurz darauf hat Keınnack (4) geologisch ausserordentlich wichtige alte Verwitterungsdecken aus Ostthüringen bekannt gemacht. Die Häufigkeit alter Verwitterungsdeeken scheint in vorwiegend kiesigen Ablagerungen — wie der Mehrzahl unserer pliozänen und ältesten pleistozänen Sedimente — weit geringer zu sein wie in lehmigen. Die anscheinend geringere Häufigkeit alter Verwitterungsdeeken in kiesigen Ablagerungen hängt zweifellos mindestens zum Teile damit zu- sammen, dass es — wie ich in dem Abschnitte über Saaleschotter ohne nordisches Gesteinsmaterial an mehreren Fällen aufzeige — vorkommt, Zuteilung zu einer der unterschiedenen Gruppen auf Beobachtungen in Aufschlüssen und bei welchen dieselbe auf Beobachtungen in den Aeckern beruht. 1) Vgl. PEnck 1 280 ff., SCHUMACHER 1, LEON DU PASQUIER 1, PENCK 5 u. 8. w. Ueber Verwitterungserscheinungen in pleistozänen Sedimenten sind auch die an- regenden Ausführungen von JENTZSCH (2) zu vergleichen, eines Autors, der bereits im Jahre 1884 (JENTzscH 1 496) auf die Verwendbarkeit von Verwitterungserscheinungen für die Gliederung der pleistozänen Ablagerungen des norddeutschen Flachlandes aufmerksam machte, ohne indessen seitens der norddeutschen Diluvialgeologen Beachtung zu finden. 2) Ich habe a. a. O. irrtümlich behauptet, alte Verwitterungsdecken seien in den nördlich vom Mainthale gelegenen Teilen Deutschlands noch nicht nachgewiesen worden, da mir leider der Nachweis einiger alter Verwitterungsdecken in Nord- deutschland durch JENTZSCH (2) unbekannt geblieben war. 16 EwALp Wüst, dass durch Entkalkung des feineren Materiales gebildete Kiesver- witterungsdecken durch nachträgliche Infiltration von Kalkkarbonat wieder kalkhaltig gemacht werden und daher leicht für unverwitterte Kieslagen gehalten werden können, während entsprechendes bei Lehm- verwitterungsdeeken nicht vorzukommen scheint. Was die Beziehungen zwischen dem geologischen Alter und dem Verwitterungsgrade der pliozänen und pleistozänen Festlandsab- lagerungen anbetrifft, so liegen aus zahlreichen Gegenden Angaben darüber vor, dass die älteren dieser Ablagerungen gewöhnlich stärker verwittert sind als die jüngeren. Im Alpengebiete und in Südwest- deutschland, denjenigen Gebieten, aus denen die genauesten ein- schlägigen Beobachtungen vorliegen, zeigen die pliozänen Schichten und die Deekenschotter (d. h. die Schotter aus der I. pleistozänen Eis- zeit) so starke Verwitterungserscheinungen, dass sie durch diese von Jüngeren Ablagerungen unterschieden werden können. Speziell für die noch stärker wie die Deckenschotter verwitterten pliozänen Schichten sind im Mainzer Becken und im Unter-Elsass nach F. KınKkELın (140 —53) bezw. L. van WERVERE (2 141) die Bleichung aller Bestand- teile, die Kaolinisierung der feldspäthigen Gemengteile sowie das vollständige Fehlen von Kalkkarbonat — namentlich jüngeren pleisto- zänen Sedimenten gegenüber — ungemein bezeiehnend. Die in den genannten Gebieten aus den Verwitterungserscheinungen abgenommenen Kriterien zur Unterscheidung von Pliozän und Deckenschotter unter- einander sowie von jüngeren Ablagerungen sind indessen nieht ohne weiteres in anderen Gebieten anwendbar. Speziell in dem in der vor- liegenden Arbeit in Betracht gezogenen Gebiete habe ich in Schottern, die ich infolge von anderweitigen Erwägungen glaube für Aequivalente der Deckenschotter halten zu müssen, überhaupt keine ungewöhnlich starken Verwitterungserscheinungen und in den durch ihre Fossilien als sicher pliozän gekennzeichneten Ablagerungen von Rippersroda wenigstens keine so starken Verwitterungserscheinungen,!) wie sie in den oben genannten Gegenden für pliozäne Schichten bezeichnend sind, !) Die Verwitterungserscheinungen des Rippersröder Pliozäns sind in dem Abschnitte über das Pliozän im Thalgebiete der Zahmen Gera eingehender be- schrieben. Das Pliozän und das älteste Pleistozän Thüringens. 17 wahrgenommen. Immerhin sind die im Rippersröder Pliozän wahr- genommenen Verwitterungserscheinungen') so viel bedeutender wie die stärksten in sicher pleistozänen Ablagerungen Thüringens beobachteten, dass ich glaube einen dem des Rippersröder Pliozäns gleichkommenden Verwitterungsgrad !) als ein Anzeichen für ein pliozänes Alter einer Ablagerung betrachten zu können. * ES In denjenigen Teilen des Gebietes, welehe ausserhalb der Verbreitungsgrenzen des nordischen Gesteinsmateriales liegen, sind die Anhaltepunkte zur Ausscheidung von Ablagerungen, die vor der I. Vereisung des Gebietes — in der II. Eiszeit — abgelagert worden sind, weit spärlicher als in den Teilen des Gebietes, in denen nordisches Gesteiusmaterial vorkommt, und zwar des- halb, weil in jenen Gebieten das in diesen für die Ausscheidung solcher Ablagerungen wichtigste Kriterium, das Fehlen nordischen Gesteins- materiales nicht verwendbar ist.2) Ein Nachweis des einstigen Zusammenhanges von innerhalb des Verbreitungsgebietes nordischer Gesteine gelegenen Ahlagerungen, als deren Bildungszeit ein vor der I. Vereisung des Gebietes gelegener Zeitraum zu betrachten ist, mit bestimmten ausserhalb des Verbreitungs- gebietes nordischer Gesteine gelegenen Ablagerungen, konnte bis jetzt noch nirgends mit voller Sicherheit erbracht werden.3) Es erscheint daher nieht unzweckmässig, die diesseits und jenseits der Verbreitungs- grenze des nordischen Gesteinsmateriales gelegenen Ablagerungen ge- sondert zu behandeln. Die genannte Verbreitungsgrenze ist nun zwar noch keineswegs vollständig bekannt, doch kommt dies für den hier verfolgten Zweck wenig in Betracht, da für denselben eine annähernde Scheidung der diesseits und jenseits dieser Grenze gelegenen Gebiets- teile ausreichend ist. Die Grenze des Vorkommens nordischen Gesteinsmateriales verläuft in dem in Betracht gezogenen Gebiete — !) Siehe Anm. S. 16. 2) Vgl. 8.10 —11. ®) Die Ursache dieser Erscheinung ist keine einheitliche, Vgl. darüber Abschnitt A; 5. 18 E. Wüst, Das Pliozän und das älteste Pleistozän Thüringens. ganz im allgemeinen gesprochen — von der Gegend zwischen Dingel- stedt und Mühlhausen nach dem Nordabfalle des Hörselberges hin, von da über Gotha und Erfurt — zwischen diesen beiden Orten nach Süden ausbiegend — und zwischen Weimar und Berka hindureh über Magdala nach der Gegend von Jena.!) Ganz isoliert, über 30 km süd- lich von der allgemeinen Südgrenze des nordischen Gesteinsmateriales kommen in der Gegend von Saalfeld nordische Gesteinstrümmer an nahe bei einander gelegenen beschränkten — übrigens wenig ge- schützten — Stellen vor.?) Für dieses merkwürdige Vorkommnis konnte bislang noch keine plausible Erklärung gegeben werden. ') Von neueren Darstellungen zeigt den Verlauf dieser ganzen Grenze — allerdings recht schematisch — nur REGEL’s geologische Karte von Thüringen (REGEL 11. T.]J). Detaillierter ist die Grenze vom Hörselberge bis zur Gegend von Weimar — in letzterer alierdings unrichtig — auf BEYSCHLAG’S geognostischer Uebersichtskarte des Thüringer Waldes (BEyscHLaAG 1) dargestellt. Für einen Teil der Grenze in der Gegend von Weimar liegen genauere neuere Angaben von MicHAEL (113) vor. — SCHMID (Cahla, 10) giebt noch für den Bereich des Blattes Cahla nordische Geschiebe an, während REGEL (a. a. O.) die Siidgrenze des nordischen Gesteinsmateriales nördlich von Jena durchzieht. Ueber den Verlauf der Grenze in den dem von mir in Betracht gezogenen Gebiete nächst benachbarten Gegenden gewährt REGEL’s oben erwähnte Karte den besten Ueberblick. ?) Vgl. darüber LIEBE und ZIMMERMANN, Saalfeld, 48 und GRIESMANN 111,12. A. Das Pliozän und das älteste Pleistozän in den ausserhalb der Verbreitungsgrenzen des nordischen Gesteinsmateriales gelegenen Teilen des Gebietes. Ich beginne zweckmässig mit einer Behandlung der wenigen mit Sicherheit oder grosser Wahrscheinliehkeit als Pliozän oder ältestes Pleistozän zu betrachtenden Ablagerungen, um sodann mehr summarisch die Verbreitung des Pliozäns und des ältesten Pleistozäns in den ausser- halb der Verbreitungsgrenzen des nordischen Gesteinsmateriales gelegenen Gebietsteilen zu diskutieren und zum Schlusse noch — anhangsweise — alte Flussverlegungen im Gebiete der heutigen Wipfra zu besprechen, welche für die Beurteilung der ehemaligen Beziehungen zwischen dem Ilm- und dem Geragebiete von Bedeutung sind. 1. Das Pliozän im Thalgebiete der Zahmen Gera. Im Bereiche des Blattes Plaue'!) finden sich zwischen dem Linden- berge, einer durch Liebenstein und Rippersroda gelegten Geraden und dem heutigen Thale der Zahmen Gera Walkerden in Wechsellagerung mit Thonen, Mergeln, Lehmen, Sanden, Kiesen, Braunkohlen und Schiefer- kohlen. Die in den Walkerden und Schieferkohlen gefundenen Fossilien, speziell die Reste von Mastodon arvernensis Oroiz. et Job., führten 1881 (K. von Fritsch 3) zu dem Nachweise des pliozänen Alters des Schiehten- komplexes, den K. von Fritsch (4) im Jahre 1885 eingehender beschrieb, wobei er auch die Geschichte der Erkenntnis des Rippersröder Pliozäns darlegte (4 389— 391). !) Die geologische Ausgabe dieses Blattes ist noch nicht erschienen. DE: 20 EwALp Wüsr, / Eine vollständige Bearbeitung der von Rippersroda vorliegenden Pflanzenreste!) steht noch aus. GIEBEL (1; vgl. auch K. von Frrtsch 4 389, 390) gab nach HErr’s Bestimmungen folgende Formen an: Corylus ventrosa Ludw. (Soll offenbar heissen C. inflata Ludw.) ©. bulbifera Ludw. (Soll offenbar heissen C. bulbiformis Ludw.) Magnolia cor Ludw. Oytisus reniculus Ludw. „Arten von Vites, Prunus, Fagus.“ (Statt Vites soll es offen- bar Vitis oder Vitex heissen.) K. von FrıtscH (4 424—437, T. XXVI) besehrieb die Reste von folgenden Gewächsen, die „für die Schichten bezeiehnend erscheinen“: Chara Zoberbierü v. Fr. Picea Heisseana v. Fr. Phragmites cf. Oeningensis Al. Br. Corylus inflata Ludw. ?Salix Schorrü v. Fr. ?S. Zoberbierü v. Fr. Ledum cf. imnophilum Ung. Trapa Heeriü v. Fr. Von Tieren sind die folgenden Formen bekannt geworden: Helix sp. GIEBEL 2 155. Limnaeus sp. v. FrırscHh 4 423, 424; T. XXV, Fig. 12. Planorbis sp. „vom Typus des Pl. spirorbis“ GIEBEL 2 153. Pl. sp. GIEBEL 2 153. Valvata cf. naticina Mke. v. Frırscn 4 424. Paludina sp. GIEBEL 2 153. Anodonta sp. v. Fritsch 4 423; T.XXV, Fig. 11. Uyclas sp. GIEBEL 2 153. Elater sp. 1 Flügeldeeke. GIEBEL 2 153. Ardea lignitum Giebel. Distalfragment eines Femur. GIEBEL % 152; T. I, Fig®. ?Singvogel. Knochen. GIEBEL 2 152, 153. !) Von dem noch nicht bearbeiteten Materiale wird namentlich eine Anzahl von Früchten und Samen bestimmbar sein. Das Pliozän und das älteste Pleistozän Thüringens. 21 Nagethier. Rest eines Schneidezahnes. v. Frrrsch 4 423; T. XXV, Fig. 10. Hystricomys thuringiacus Giebel. Oberkieferfragment mit allen 4 Backenzähnen. GIEBEL 2% 148—151; T. 1, Fig. 3. Mastodon arvernensis Croiz. et Job. Baekenzahnbruchstücke. v. Fritsch 4 399—414; T. XXI; XXIV; XXV, Fig. 1—4. ? Rhinoceros. Fragment eines Metatarsale, „l Rückenwirbel“ und ein Stück „der innern vordern Eeke eines mittlen obern Baekzahns mit so markierter Schmelzwulst, dass man viel eher an Palaeotherium denken möchte“. GIEBEL 2 151. (Sollte etwa Ah. etruscus Fale., dessen Backen- zähne sich durch sehr starke Zingulumsentwieklung aus- zeichnen, vorgelegen haben? Wüsr). Cervus (Rusa) sp. M.1II und P.I mand. sowie Schädelbruch- stückehen. Von ALEXANDER FISCHER in Rippersroda 1899 dem Min. Inst. Hal. geschenkt. Beschreibung im palä- ontologischen Teile der vorliegenden Arbeit. Abb. T. VIII. Fig. 7, 8. ©. (Dama) Ernestü v. Fr. Geweih- und Schädelfragmente. v. Fritsch 4 414—421; T.XXV, Fig. 5—9. Vgl. auch den paläontologischen Teil der vorliegenden Arbeit. Bos sp. Verschiedene Knochenfragmente. v. Fritsch 4 421 — 422; T. XXVI, Fig. 1. Von den Rippersröder Pflanzenformen lässt sich — von einigen nur von GIEBEL angegebenen Formen abgesehen — nur eine einzige, !) Trapa Heeriü v. Fr., mit Sicherheit auf eine auch von einem anderen Fundorte bekannte Form beziehen. Von dieser Trapa Heerii v. Fr. ist indessen nur bekannt, dass sie bei Mealhada in Portugal mit .Klephas meridionalis Nesti zusammen gefunden wurde, einem Elephanten, welcher sowohl im Pliozän wie im I. Interglazial?) nachgewiesen worden ist. Von den Tieren kommen nur die Säugetiere®) in Betracht, 1) Betr. „Corylus inflata Ludw.“ vgl. K. von FRITSCH 4 427, 428. ?) Vgl. die Abschnitte über die Kiese von Süssenborn bezw. Wendelstein. ®) Ueber die im folgenden erwähnten Typen von Säugetierfaunen vergleiche z. B. die übersichtlichen Zusammenstellungen von DEPERET 2 264—268, 22 EwWALD Wüsrt, von denen die von GIEBEL angegebenen einer erneuten Untersuchung nieht unterzogen werden konnten, da der Verbleib der betreffenden Originale unbekannt ist (vgl. K. von Frırsch 4 390, 391). Mastodon arvernensis Oroiz. et Job. und Hirsche der Rusa-Gruppe kommen in Europa nieht in nachpliozänen Ablagerungen vor. Andererseits kommt keine einzige der Rippersröder Formen in vorpliozänen Schichten vor, auch nieht in den wohl als jüngstes Miozän zu betrachtenden, von vielen Autoren aber bereits zum Pliozän gestellten Schichten mit Faunen vom Eppelsheimer Typus.!) Dos, Rusa und Dama sind meines Wissens in den älteren pliozänen Faunen bis zu denen vom Typus der Fauna von Montpellier einschliesslich noch nicht gefunden worden. Dagegen sind alle von Rippersroda bekannten Säugetierformen bis auf Cervus (Dama) Ernestü v. Fr. auch Bestandteile der jungpliozänen Faunen vom Typus der Fauna von Asti, der Fauna des Arnothales, der unteren Fauna von Perrier u.s.w. Ein sicher pliozäner Erfund einer Dama- Form ist mir nicht bekannt, doch kommen verschiedene Formen dieser Gruppe im I. Interglazial?) vor; ja aus der der pliozänen Fauna des Arnothales noch ziemlich ähnlichen Fauna des I. Interglazials von Leffe?) wird von RÜTIMEYER (4 41) Cervus (Dama) dama Lin. angegeben. Ich glaube demnach, dass es nicht unwahrscheinlich ist, dass bereits in der jüngeren Pliozänzeit in Europa Damhirsch-Formen lebten und dass kein Grund vorliegt, in der Rippersröder Fauna etwas anderes als eine Fauna vom Typus der Fauna von Astiu.s. w. zu erblicken. In Deutsehland sind Reste von Faunen vom Typus der Fauna von Asti u.s. w. bis jetzt nur noch aus den Walkerden von Fulda, wo Mastodon arvernensis Oroiz. et Job. und M. borsoni Lart. gefunden !) Mit den Eppelsheimer Schichten hat HERMANN ÜREDNER (Z. B. 1 693) die Rippersröder Ablagerungen parallelisiert. 2) Hierher gehören wahrscheinlich auch die von französischen u. a. Autoren gemeinhin noch zum Pliozän gerechneten Faunen vom Typus der oberen Fauna von Perrier, die der Fauna des der I. Interglazialzeit angehörenden Forestbeds mindestens sehr nahe stehen. Vgl. ausführlicheres darüber in der Diskussion über die geo- logische Stellung des Kieslagers von Süssenborn. ®) Ueber die Fauna von Leffe vgl. den Abschnitt über die geologische Stellung des Kieslagers von Süssenborn, Das Pliozän und das älteste Pleistozän Thüringens. 23 worden sind,!) sowie ganz neuerdings aus oberpliozänen Sanden von Laubenheim südlich von Mainz, von wo W. von REICHENAU (1 53, 54) einen Molaren von Mastodon arvernensis Croiz. et Job. erhielt, mit Sieherheit nachgewiesen worden. K. von Frırsc#’s petrographischer Beschreibung des Rippersröder Pliozäns habe ich nur einige Beobachtungen über Verwitterungs- erseheinungen nachzutragen. Sämtliche Gesteinsarten des Rippersröder Pliozäns mit alleiniger Ausnahme der grauen konchylienführenden Mergel brausen mit Salz- säure nicht auf. Muschelkalkgerölle sind in den pliozänen Schottern der Gegend von Rippersroda mindestens äusserst selten; ich habe kein einziges Gerölle von Muschelkalk in sicher pliozänem Sehotter in situ gesehen. Da das Rippersröder Pliozän direkt auf Muschelkalk auf- lagert, kann man das fast völlige Fehlen von Kalkkarbonat in dem- selben wohl nur als Verwitterungserseheinung auffassen. Der Verwitterungsgrad der — überwiegend aus Porphyren be- stehenden — Gerölle der Rippersröder Pliozänschotter ist ein recht verschiedener. In einer von Herrn Ortsschultheiss SCHORR in Rippers- roda im Frühjahre 1899 in dem damals neu angelegten Walkerdeschachte am Thomasberge 0,5 m über der Walkerde und 24 m unter Tage ent- nommenen und mir freundlichst nach Halle geschiekten Kiesprobe von 50 kgr Gewicht fand ich selbst in den grössten — etwa faustgrossen — Porphyrgeröllen die Feldspäthe meist kaolinisiert; die Porphyrgerölle dieser Probe waren ferner meist von bleicher Färbung, die allerdings z. T. sicher die ursprüngliche war. Andererseits kommen aber selbst dicht unter der Erdoberfläche neben verwitterten Geröllen auch un- verwitterte vor, die so frisch aussehen, wie die von der gegenwärtigen Zahmen Gera angeschwemmten; so fand ich z. B. in einem Aufschlusse am Wege von Rippersroda nach Neusiss in mit Walkerden wechsel- lagernden Kiesen I—2 m unter der Erdoberfläche selbst kleine — etwa wallnussgrosse — durchaus frisch aussehende und lebhaft rot gefärbte Gerölle von Porphyren (und Rotliegend-Arkosen). Die geschilderten Verwitterungserscheinungen sind zwar stärker ’) Vgl. 0. SpevEr 1, 2. Die Reste des M. Borsoni Lart. wurden von H. v. MEYER (3 61—63) als M, virgatidens H, v, M, beschrieben, 24 EwALD Wüsrt, und tiefgreifender als die in den pleistozänen Sehiehten des Gebietes zu beobaehtenden, aber doch bei weitem nieht so stark wie die Ver- witterungserscheinungen, welehe das Pleistozän Südwestdeutschlands auszeichnen, !) von dem übrigens zweifelhaft ist, in wie weit es mit dem Rippersröder Pliozän völlig gleichalterig ist. Auf Grund der Untersuehungen von K. von FRITSCH wie eigener Untersuchungen stelle ich kurz die wichtigsten stratigraphischen und petrographisechen Eigenschaften des Rippersröder Pliozäns zusammen. Die durch ihre Fossileinschlüsse als Jungpliozän ge- kennzeiehneten Ablagerungen der Gegend von Rippersroda stellen Flussablagerungen dar, welehe in einem noch heute erkennbaren aber ausserhalb der heutigen Thäler gelegenen Thaleinsehnitte in — namentlich für fossilführende Fluss- ablagerungen — sehr hohem Niveau (1000—1100‘, 100— 200’ über der heutigen Thalsohle) liegen. Sie sind zum weitaus grössten Teile kalkfrei, obgleich sie inmitten einer Muschel- kalklandschaft dem Muschelkalke direkt auflagern und zeigen auch sonst tiefgreifende und starke Verwitterungs- erscheinungen, die allerdings nicht so bedeutend sind wie die in manchen anderen Gegenden an pliozänen Massen beobachteten. Wieviel von den fluviatilen Ablagerungen — Kiesen und unreinen Thonen — des Thalgebietes der Zahmen Gera dem- selben pliozänen Laufe der Zahmen Gera zuzurechnen sind, dem die Ablagerungen von Rippersroda angehören, ist schwer zu entscheiden, da Fossilien fehlen, da der Mangel an Aufschlüssen eine sichere petro- graphische Beurteilung der einzelnen Ablagerungen nieht zulässt und da selbst die Niveauverhältnisse keine sicheren Anhaltepunkte ge- währen, weil die in Betracht kommenden Gegenden zum Teile in aus- gedehntem Masse von Erdfällen betroffen worden sind, die durch Auslaugung von Röthgipsen bedingt sind, und ausserdem noch eine von K. von FrırscH (4 397, 398) bei Rippersroda nachgewiesene etwa nordsüdlich streichende und wahrseheinlieh bis in die Gegend zwischen Gera und Martinroda sich fortsetzende Verwerfung die Gegend durch- ) Vgl. Einleitung 8. 16. Das Pliozän und das älteste Pleistozän Thüringens. 25 setzt. K. von Frırsch hat auf der seiner zitierten Arbeit beigegebenen Karte eine ununterbrochene von oberhalb Arlesberg bis unterhalb Dos- dorf reichende Reihe von fluviatilen Gebilden — darunter Ablagerungen in der jetzigen Thalsohle — als Pliozän bezeichnet. BeyscunAG da- gegen rechnet auf seiner geognostischen Uebersichtskarte des Thüringer Waldes (1) nur die Walkerden, Thone, Sande und Braunkohlen der Gegend von Rippersroda zum Pliozän, alles übrige aber zum Pleistozän. Auf Grund der vorhandenen Karten und einiger Karten-Ein- tragungen, welehe mir Herr Geheimerat von Fritsch freundliehst zu benützen gestattete, stelle ich in der umstehenden Tabelle die Niveaus der über den jetzigen Thalsohlen gelegenen Ablagerungen des Thal- gebietes der Zahmen Gera und zum Vergleiche die Niveaus einiger Punkte der heutigen Sohle des Thales der Zahmen Gera zusammen. Mit K. von FrırscH halte ich es für möglich, ja wahrscheinlich, dass die in Spalte III aufgeführten, ausserhalb der heutigen Thäler gelegenen und bis über 275° über die heutigen Thalsohlen ansteigenden Ablagerungen!) — wenigstens zum grösseren Teile — demselben plio- zänen Flusslaufe angehören wie die Rippersröder Ablagerungen. Zu diesen letztgenannten sind in der Tabelle auch die niedrig gelegenen, bis zur heutigen Thalsohle herabreichenden Schotter zwischen Rippers- roda und Plaue gerechnet, die vielleicht der an der oben erwähnten Verwerfungsspalte abgesunkenen Scholle angehören, wodurch ihr z. T. auffällig niedriges Niveau erklärt werden könnte. Die niedriger ge- legenen Schotter innerhalb der heutigen Thäler (Spalte II) halte ich für Pleistozän. 2. Die Walkerde von Dienstedt. Da, wo — bei Dienstedt (Bl. Kranichfeld und Bl. Stadt-Remda) — das Ilmthal die sogenannte nördliche Remdaer Störungszone, d.h. den von Ammelstedt bei Rudolstadt in südost-nordwestlicher Richtung nach Elehleben bei Dienstedt verlaufenden Graben, durchschneidet, zeigt das Ilmthal auf seiner rechten Seite eine weite Ausbuchtung, welche im ') Die Schotter östlich von Gera, die ich nicht aus eigener Anschauung kenne, scheinen durch ihre Lage auf eine Zugehörigkeit zu einem alten Laufe der Trockenen Gera hinzuweisen. EWALD WÜsrt, 26 II, Schotter in den heutigen Thälern, über der Sohle derselben 19 Heutige Aue der Gera Il. Schotter ausserhalb der heutigen 'T'häler - bei Arlesberg . 1250‘ beiagera 2 22..217100% Zwischen Steinberg und Kirchberg . 12%0— 1050‘ bei Angelroda . 1000° beisplaue me ee 75 Zwischen Geschwendaer Bach und Zahmer Gera (Steinberg u. s. w.) Zwischen Trockener und Zahmer Gera, unterhalb Neusiss und Angelrodar 2 „20% in der Gegend von Rippersroda . (Gerölle) auf der Terrasse der Ehrenburg bei Plaue . . . 1400 — 1150‘ 1100 — 1000’ 1150 — 875° 1050° östlich von Gera \ 1250°[ Das Pliozän und das älteste Pleistozän Thüringens. 27 wesentlichen in einem Teile des erwähnten Grabens gelegen ist. Diese Ausbuchtung, deren Oberfläche nicht unter ein Niveau von 875 (25 über der benachbarten Thalsohle der heutigen Ilm) heruntersteigt, ist mit Ilmablagerungen erfüllt, welehe bis zu Niveaus von fast 1050' an- steigen. Die Ilmablagerungen bestehen in ihren hangenden Teilen aus — stark kalkhaltigen — zum Teile geröllführenden Lehmen sowie aus isolierten IIlmgeröllen, welche Reste von Kieslagern oder geröllführenden Lehmlagern darstellen, — alles Gebilden, die ich mit E. E. ScHmip (Kranichfeld) und K. von Frırsch (Stadt-Remda) für Pleistozän halte. Die liegenden Teile der Ilmablagerungen bestehen aus mit einander wechsellagernden Kiesen, Sanden, Thonen und Walkerden, Gesteinen, denen sich nestartige Vorkommnisse einer unreinen Braunkohle zu- gesellen. Diese — wenigstens im Bereiche des Blattes Stadt-Remda — unter den Resten von geröllführenden Ilmablagerungen zu Tage aus- streichenden Gebilde erreichen im Ausgehenden Niveaus von 920— 1015‘; mit ihrer Unterkante müssen sie nach den Eintragungen auf den Karten und den Profilangaben in den Erläuterungen dazu mindestens bis in ein Niveau von etwa 880’ herabreiehen. Die Walkerden und die mit denselben wechsellagernden Gebilde der Gegend von Dienstedt sind von K. von Frırsch und namentlich E. E. Schmip ausführlich be- schrieben worden und auf Grund stratigraphiseher und petrographischer Uebereinstimmung mit dem Rippersröder Pliozän für gleiehalt mit diesem erklärt worden.') Da bereits seit einer Reihe von Jahren der Walkerdeabbau bei Dienstedt eingestellt worden ist, so sind nur noch wenig günstige Auf- schlüsse anzutreffen, weshalb wesentliche neue Beobachtungen nicht gemacht werden können. Die Walkerden und alle Gesteine, die ich mit denselben in Wechsellagerung traf, brausen mit Salzsäure nicht auf, obgleich in der nächsten Nähe dieser Ablagerungen bedeutende Muschelkalkmassen anstehen. In der auf Bl. Kranichfeld angegebenen Kies- und Walkerdegrube traf ich in Wechsellagerung mit Walkerden einen feinen, etwas an die pliozänen Bleiehsande Südwestdeutschlands ı) Vgl. E. E. Schmip, Kranichfeld, 9—10, K. von Fritsch, Stadt-Remda, 42, 43 und besonders E. E. Schmp 3 672, wo die Ergebnisse der von SCHMID ausgeführten chemischen und mikroskopischen Untersuchung der Dienstedter wie auch der Rippersröder Walkerde am ausführlichsten mitgeteilt sind, 28 EwALpD Wüst, erinnernden Sand. Dieser helle oder ockergelbe Sand besteht aus Quarzkörnern, Quarzitbruchstückchen und daneben Porphyrstückehen und Feldspäthen, welche teils von bleieher Farbe, teils aber noch rötlich sind. Während E. E. Scumip von Fossilfunden keine Kenntnis erhalten hatte, erwähnt K. von Fritsch (Stadt-Remda, 42, 43) Holzreste und ein Bruehstück eines ofienbar Elephas meridionalis Nesti angehörenden Elephantenbaekenzahnes.!) Elephas meridionalis Nesti kommt sowohl in pliozänen Schichten wie im ersten Interglazial vor, weshalb aus dem erwähnten Funde nicht auf das Alter der Dienstedter Walkerden geschlossen werden kann. Der Umstand aber, dass die Walkerden und die damit wechsellagernden Schichten der Dienstedter Gegend 1. ebenso wie das Rippersröder Pliozän in einem für fossilführende Ablagerungen ziemlich hohen Niveau und ausserhalb eines heutigen Flussthales gelegen sind und 2. mit dem Rippersröder Pliozän petrographisch voll- ständig übereinstimmen und besonders wie der grösste Teil desselben trotz der Nähe bedeutender Massen von älteren stark kalkhaltigen Gesteinen kalkfrei sind, scheint mir in hohem Grade wahrscheinlich zu machen, dass die Walkerden u.s. w. von Dienstedt gleichen Alters mit dem Rippersröder Pliozän sind. Allerdings liegen die Walkerden u.s. w. von Dienstedt relativ niedriger als die pliozänen Ablagerungen der Gegend von Rippersroda. denn sie steigen nur bis 165’ über das Niveau der heutigen Ilmaue bei Dienstedt an, während sich diese bis zu 275° über das heutige Geraniveau bei Plaue erheben. Wir wissen aber weder, ob das Verhältnis der Niveaus der Ilm- und der Geraaue zu einander in der Pliozänzeit dasselbe war wie heute, noch ob sich nicht etwa die Schotter des Grabens, in dem das Dienstedter Pliozän liegt, noch in nachpliozäner Zeit gesenkt haben. !) Ueber den Verbleib der von K. von FriTscH erwähnten wie überhaupt der zu Dienstedt gefundenen Fossilien habe ich in der Gegend umfassende Nach- forschungen angestellt, aber nur festzustellen vermocht, dass sie dem letzten Besitzer derselben „abhanden gekommen“ sind. Das Pliozän und das älteste Pleistozän Thüringens. 29 3. Der Thon am Hohen Kreuze bei Stadt- Ilm. Westlich vom Gasthause zum Hohen Kreuz bei Stadt-Ilm wird durch den Dampfziegeleibesitzer MEISSNER in Stadt-Ilm ein in einem Niveau von etwa 1110’ dem oberen Muschelkalke auflagerndes Thon- lager abgebaut, welches ZIMMERMANN (Stadt - Ilm, 60 —62) ausführlich beschrieben hat. Ich habe ZınmerMAnn’s Beschreibung zunächst einige Angaben, die ich Herrn MEISSNER, dem Besitzer des Thonlagers, verdanke, hinzu- zufügen: Der Thon erreicht an einer Stelle mit 7”—8m seine maximale Mächtigkeit und wechselt bankweise in seiner Färbung, indem rötliche und graue Thonkomplexe mehrfach aufeinander folgen. Ferner sind noch Konkretionen zu erwähnen, welche Eisen- und Mangan-Reaktionen geben. Der Thon braust — bis auf die in demselben vorhandenen und von ZIMMERMANN beschriebenen lösskindelartigen Konkretionen von Kalkkarbonat — mit Salzsäure nicht auf,!) eine Thatsache, die um so auffälliger ist, als der Thon in einem Muschelkalkgebiete gelegen ist und direkt auf Muschelkalk aufliegt. Die von ZIMMERMANN be- schriebenen Konkretionen finden sich auffälliger Weise nur an einzelnen Stellen in den hangendsten Lagen des Thones. Es kann demnach das in den Konkretionen abgelagerte Kalkkarbonat nicht ursprünglich in dem ganzen Thone gleichmässig verteilt gewesen sein; es erscheint vielmehr als wahrscheinlich, dass aus einer im Hangenden des Thones einst vorhanden gewesenen kalkhaltigen Ablagerung in die obersten Lagen des Thones Kalkkarbonat infiltriert und in Konkretionen aus- geschieden wurde. Der Thon führt, obzwar nur sehr spärlich, Fossilien. ZIMMER- MANN (Stadt-Ilm 61) erwähnt neben unbestimmbaren Bruchstücken von Röhrenknochen Zähne von „Equus caballus“. Diese Zähne,?) welehe mir durch gefällige Vermittelung des Herrn Landesgeologen Dr. SCHROEDER von Herrn Geheimen Oberbergrat Dr. HAUCHECORNE (7) aus der Sammlung !) ZIMMERMANN (Stadt-Ilm, 61) erklärt ihn für „fast kalkfrei‘. 2) Beschreibung im paläontologischen Teile dieser Arbeit, Abb. T. VI. Fig. 4, 12, 13, 14. 30 EwALD WÜüsrt, der Kgl. Preussischen geologischen Landesanstalt dankenswertester Weise zur Bearbeitung nach Halle geschickt wurden, trage ich kein Bedenken auf Equus Stenonis Cocchi zu beziehen, eine Pferdeform, welche in den Pliozänschiehten mit Fauna vom Typus der Fauna von Asti u.s. w. häufig ist, aber auch im I. Interglazial!) noch vorkommt, in Jüngeren Schiehten hingegen nicht gefunden worden ist. Zu derselben Form gehören zwei Zahnfragmente,?2) die ich Herrn Kreisphysikus Dr. Sy in Stadt-Ilm verdanke und die ihrem Erhaltungszustande nach zweifellos aus dem Thonlager am Hohen Kreuze stammen. Trotz des liebenswürdigen Entgegenkommens des Herrn MEISSNER sowie wieder- holten eigenen Nachsuchens gelang es mir nicht, weitere Fossilreste aus dem Thone am Hohen Kreuze zu erhalten. Das Vorkommen von Zquus Stenonis Cocchi, einer nur bis zur II. Eiszeit in Europa lebenden Form, in dem Thone am Hohen Kreuze beweist, dass dieser vor der II. Eiszeit abgelagert worden ist. Eine absolute Gleichalterigkeit des Thones mit dem I. Interglazial von Süssenborn bei Weimar,?) mit dem er seiner Höhenlage nach wohl eben so gut gleichalterig sein könnte wie mit dem Pliozän von Dien- stedt — vgl. die untenstehende Tabelle! —, ist wohl als ausgeschlossen zu betrachten, weil der Thon eine Pferdeform enthält, die von denen des Süssenborner Kieses abweicht. Da der Thon am Hohen Kreuze ähnlich wie das Pliozän von Rippersroda und Dienstedt kalkfrei ist, obgleich er inmitten eines Muschelkalkgebietes Pliozäne und älteste pleistozäne Ablagerungen Heutige Ilmaue N N Differenz im Ilmgebiete bei Stadt-IIm 950° | Thon am Hohen Kreuze . . . 1110° 160° bei Dienstedt 850° | Walkerden u. s.w. bei Dienstedt 1015—880’ 160— 30° bei Cromsdorf 525° | Kies von Süssenborn. . . . . 725-625‘ 200—100° Grösste Differenz = 485’ Grösste Differenz = 425’ !) Z. B. im Forestbed, NEwToN 135, 36. 2) Beschreibung im paläontologischen Teile dieser Arbeit, Abb. T. VI. Fig. 3. ») Vgl. den Abschnitt über das Kieslager von Süssenborn. Das Pliozän und das älteste Pleistozän Thüringens. ol gelegen ist und direkt auf Muschelkalk auflagert, so kann man mit grösster Wahrscheinlichkeit annehmen, dass der- selbe pliozänen Alters ist, eine Annahme, welche ZIMMERMANN (Stadt-Ilm, 60—62) des hohen Niveaus der Ablagerung wegen — ob- zwar mit Bedenken — bereits ausgesprochen hat. 4. Die Ablagerungen in den Ziegeleigruben bei Bittstedt. E. E. SchmiD (Arnstadt, 24, 95) vermutet, dass der von ihm be- schriebene „reine bis mergelig -sandige“, aus geflammten abwechselnd roten und weissen Lamellen bestehende Thon, der sich nördlich von Bittstedt, rechts neben dem Fahrwege von da nach Holzhausen ober- halb des auf der Karte verzeichneten Feldhölzchens findet und seiner Meinung nach nicht als ein Verwitterungsprodukt des Untergrundes oder in der Nähe anstehender Gesteinsarten aufgefasst werden kann, oberpliozänen Alters sei, ohne indessen diese Vermutung näher zu begründen. Der von Scumip erwähnte Aufschluss oberhalb des Feldhölzehens ist jetzt sehr ungünstig, da hier kein Thon mehr gegraben wird. Da- gegen wird zur Zeit für den Bedarf der auf der Karte angegebenen Ziegelei Lehm in einer unmittelbar südlich an der Ziegelei, in dem Feldhölzehen gelegenen Grube gewonnen. Hier ist — von unten nach oben — aufgeschlossen: (1.) weissgrauer, ockergelb gefleckter, magerer Lehm, der im Wasser schnell zerfällt und plastisch wird und mit Salzsäure nicht braust, etwa 3 m mächtig; (2.) brauner, seltener graugrüner, bald mehr thoniger, bald mehr sandiger, mit Salzsäure nicht brausender Lehm mit teils lagenweise angeordneten, teils unregelmässig verteilten Brocken, Geröllen und Blöcken von Rhätsandstein, !) etwa 3—4 m mächtig. Meines Erachtens spricht nichts dagegen, dass beide Ablagerungen aus den Keupergesteinen der nächsten Umgebung und zwar — nament- lich (1) — im wesentlichen aus Rhätsandstein, der noch heute wenig über 250 m vom Aufschlusse entfernt auf der Höhe zwischen Bittstedt !) Der grösste Rhätsandsteinblock, den ich sah, mass etwa 55><50><25 cm. 32 EwALD Wüsr, und Holzhausen ansteht, gebildet worden sind. Dass Muschelkalk- stücke fehlen und dass beide Ablagerungen mit Salzsäure nicht brausen, ist bemerkenswert, da Muschelkalk in nächster Nähe ansteht. Die Oberkante der Grube liegt etwa bei 1050‘, doch ist auf das Niveau der Ablagerungen wenig Wert zu legen, da zweifellos ganz lokale Bildungen vorliegen. Die untere Schicht (1) zeigt eine Gesteinsbeschaffenheit, wie sie in Thüringen bei einer pleistozänen Ablagerung noch nie bemerkt worden ist. ScHMID erinnerte sein wohl mit dieser unteren Schicht zusammengehörender geflammter Lehm an oligozäne Ablagerungen aus der Gegend von Naumburg zur Rechten der Saale. Ob in der pleistozänen Zeit, innerhalb derer in den drei be- deutenderen Eiszeiten Thüringerwald -Gerölle auch über die ausserhalb der Flussthäler gelegenen Landstriche weit verbreitet wurden,!) an einer so tief gelegenen Stelle eine zweifellos unter Mitwirkung be- wegten — wenn auch vielleicht nur periodisch fliessenden — Wassers gebildete Ablagerung entstehen konnte, die völlig frei von Trümmern von Thüringerwald - Gesteinen ist, erscheint mir als zweifelhaft. Es erscheint mir daher nicht als unwahrscheinlich, dass die Bittstedter Lehme — wenigstens der petrographisch so eigen- artige untere Bittstedter Lehm — vorpleistozän sind. Der obere Bittstedter Lehm zeigt eine bei oligozänen Ablagerungen Thüringens nie beobachtete Gesteinsbeschaffenheit, der untere könnte aber wohl eben so gut wie Pliozän auch Oligozän sein. Fossilien sind nieht bemerkt worden und wohl auch kaum zu erwarten. 5. Diskussion über die weitere Verbreitung des Pliozäns und des ältesten Pieistozäns. Die beträchtlichen Massen von Thüringerwaldschottern, welche in den nördlichen Vorlanden des Thüringer Waldes — zum grossen Teile nieht in Thaleinschnitten oder in sehmäleren Streifen in der Nähe von Thälern, sondern vielmehr in flächenhafter Ausbreitung auf den Hochflächen — liegen, suchte zum erstenmale HEINRICH REDNER 1) Vgl. Abschnitt A; 5. Das Pliozän und das älteste Pleistozän Thüringens. 39 auf seiner geognostischen Karte des Thüringer Waldes (CREDNER 3) zur Darstellung zu bringen. Seiner Meinung nach fand die Ablagerung dieser Schotter vor der Eintiefung eines Thalnetzes „nahebei gleichzeitig mit der Verbreitung der nordischen Geschiebe“ statt (CREDNER % 79 ff.). Bei den Aufnahmen der Kgl. Preussischen geologischen Landesanstalt wurden die in Rede stehenden Sehotter bis zum Jahre 1885 als Diluvium kartiert und nicht näher beachtet. Seit aber K. von Frrrsch —- im Jahre 1885 — den Nachweis erbracht hatte, dass im Thalgebiete der Zahmen Gera Thüringerwaldschotter pliozänen Alters vorkommen und die Vermutung ausgesprochen hatte, dass auch viele anderen Schotter Thüringens pliozänen Alters sein möchten, wurden wiederholt hoch- gelegene Schotterablagerungen als pliozänen Alters verdächtig be- zeichnet.!) Es muss jedoch dem gegenüber betont werden, dass ein hohes Niveau allein noch keinen Grund für die Annahme pliozänen Alters abgiebt, wie wir aus der Betrachtung der gesamten Thüringer- waldschotter der ausserhalb der Verbreitungsgrenzen des nordischen Gesteinmateriales gelegenen Teile des Gebietes ersehen werden.?) Im Gebiete der Saale und Schwarza erheben sich Schotter- ablagerungen dieser Flüsse bis etwas über 500° über das Niveau der heutigen Flussauen; diese Schotter entfernen sich bis etwa 5 km von den entsprechenden heutigen Flussauen, liegen jedoch meistens nieht allzuweit von denselben entfernt. Zahlreiche aber wenig ausgedehnte Schotterlager liegen in der Nähe des Rinnethales, also zwischen dem Schwarza- und dem Ilmgebiete. Im Gebiete der Ilm und ihres be- deutendsten vom Thüringer Walde kommenden Zuflusses, der Wohlrose liegen am Nordrande des Thüringer Waldes sehr beträchtliche Sehotter- massen, die bis etwas über 250° über die heutige Thalsohle ansteigen, in flächenhafter Ausbreitung. Im Ilmthale unterhalb Angstedt sind ı) Vgl. z.B. K. von Fritsch, Stadt-Remda 43; LORETZ, Schwarzburg 55; ZIMMERMANN, Stadt-Ilm 62. ?) Für die folgende Darstellung der Verbreitung der Thüringerwaldschotter vergleiche die Karten von CREDNER (3), REGEL (11. Taf. I) und BryscHLac (1). Auf der Karte von BEYSCHLAG sind die vorwiegend aus Thüringerwaldmaterial bestehenden Schotter allerdings nicht besonders ausgeschieden, doch sind die Schotter der hier in Betracht kommenden Gebietsteile fast alle Thüringerwald- schotter. .) 34 EwALp Wüsrt, die Schotter auf die Flanken, Ausbuchtungen und Ränder des Thales beschränkt. Am meisten — bis fast 250‘ bezw. fast 200° — erheben sie sich südlich von Hettstedt und in der östlich von Dienstedt ge- legenen Ausbuchtung des Ilmthales — hier im Hangenden pliozäner Ablagerungen, vgl. S. 25 ff. — über das Niveau der heutigen Flussaue. Im Wipfragebiete liegen mehrere Partien von Thüringerwaldschottern, die sich bis etwa 175‘ über die heutige Thalsohle der Wipfra erheben.) Von sehr erheblicher Ausdehnung sind die — wie schon S. 19 ft. erwähnt — zum Teile sieher pliozänen Schotter im Gebiete der Trockenen, Zahmen und Wilden Gera. Sie sind in ihrer Verbreitung zumeist unabhängig vom Verlaufe der heutigen Thäler, über deren Sohlen sie sich bis etwa 275° erheben. Gänzlich ausserhalb der Nachbarschaft der heutigen bedeutenderen Wasserwege liegen die wenig ausgedehnten Thüringerwaldsehotter zwischen Crawinkel und Gossel und zwischen Siegelbach und Bittstedt sowie der beträchtliche Sehotterzug, der sich in Niveaus von 1200°‘—925‘ von der Gegend zwischen Ohrdruf und Wölfis nach der von Bittstedt hinzieht. Auch im Geragebiete unterhalb Arnstadt liegen noch mehrfach — zum Bei- spiele am Zettelberge bei Rehestedt — recht erhebliche von heutigen Thälern ziemlich weit entfernte Schottermassen. Am ausgedehntesten sind Lager von Thüringerwaldsehottern in dem dreieckigen Keuper- beeken zwischen Crawinkel, Sättelstedt und Gotha. Von hier aus nach NW, N und NO hin wird die Ausbreitung der Schotter geringer. Die im allgemeinen unverhältnismässig grosse — zum Teile flächenhafte — Ausdehnung und die von erheblicheren heutigen Wasserwegen und sogar zumeist von heute trockenen erheblicheren Thaleinschnitten sehr entfernte Lage der Schotter am Nordrande des Thüringer Waldes lässt die Annahme nicht zu, dass wir es hier im grossen und ganzen mit den Ablagerungen regulärer Flüsse, wie wir sie für die Pliozänzeit und die Interglazialzeiten voraussetzen müssen, zu thun haben. In Perioden, die im allgemeinen nicht niederschlags- reicher wie die Gegenwart gewesen sind, ist eine solehe auf grosse Erstreckung hin zu verfolgende flächenhafte Ausbreitung von Sehotter- massen, wie wir sie am Nordrande des Gebirges mehrfach wahrnehmen, ') Näheres über die Schotter des Wipfragebietes siehe S. 42—45. Das Pliozän und das älteste Pleistozän Thüringens. ah) höchst unwahrscheinlich. Dagegen bereitet die Vorstellung keine Schwierigkeiten, dass der grösste Teil der hochgelegenen in ihrer Verbreitung vom Verlaufe der heutigen Thäler unabhängigen Sehotter- massen am Nordrande des Thüringer Waldes in den beträchtlieheren pleistozänen Aufschüttungsperioden, die wir nach den in anderen Gebieten gemachten Beobachtungen annehmen müssen, also in der I., der III. und namentlich der II. Eiszeit angehäuft wurden, in Perioden also, in denen — wenigstens zeitweise — bedeutende Wassermassen dem zwar vielleicht gletscherfreien aber doch jedenfalls während eines grossen Teiles dieser Perioden mit perennierenden Schneemassen be- deckten Thüringer Walde!) entströmten.?) Ich bin also der Meinung, dass die in den nördlichen Vorlanden des Thüringer Waldes liegenden Thüringerwald- schotter in sehr verschiedenen pliozänen und pleistozänen Perioden, in ihrer Hauptmasse aber in den grössten pleisto- zänen Aufschüttungsperioden abgelagert worden sind. Ich nehme also an, dass mindestens ein sehr grosser Teil der in den nördlichen Vorlanden des Thüringer Waldes liegenden Thüringerwald- schotter die Aequivalente der nordischen Grundmoränen und Schmelz- wasserabsätze der weiter nördlich bezw. nordöstlich gelegenen Teile !) Wie unsicher die bisher vorliegenden Anzeichen einer selbständigen Ver- gletscherung des Thüringer Waldes — und des Frankenwaldes — sind, lehrt die Diskussion über diesen Gegenstand, die in der Februarsitzung des Jahres 1899 der deutschen geologischen Gesellschaft zwischen ZIMMERMANN, DATHE und SCHEIBE stattfand. Vgl. ZIMMERMANN 4 14—15, 19—21. — Eine perennierende Schneedecke auf den mitteldeutschen Gebirgen muss wohl mindestens für grosse Zeitabschnitte der bedeutenderen Eiszeiten angenommen werden, wenn nicht nach neueren Be- obachtungen aus dem südlicheren Deutschland überhaupt eine starke selbständige Vergletscherung der mitteldeutschen Gebirge anzunehmen ist. Eine solche peren- nierende Schneedecke nimmt sogar BLANCKENHORN (1576 ff.), ein Gegner der An- nahme ausgedehnter selbständiger mitteldeutscher Gletscher, an. 2) Sehr bemerkenswert ist der Umstand, dass auf der Südseite des Thüringer Waldes bei weitem nicht so beträchtliche Schottermassen wie auf der Nordseite desselben liegen. Das dürfte darauf beruhen, dass die vom Thüringer Walde nach Norden abfliessenden Gewässer während der bedeutendsten Eiszeiten eine Stauung durch das Inlandeis bezw. seine Schmelzwässer erfuhren, während die nach Süden abfliessenden Gewässer eine solche Stauung nicht erlitten. 3+ 36 EwALD Wüst, Thüringens darstellt, eine Annahme, die im allgemeinen mit der oben, S. 33, mitgeteilten Auffassung HEINRICH ÜREDNER’s übereinstimmt, von der ich indessen insofern abweiche, als ich annehme, dass einmal schon in vorpleistozäner Zeit Thalbildung stattfand und dass weiterhin in der pleistozänen Zeit die Aufschüttung der Thüringerwaldschotter durch Vorgänge der Thalaustiefung unterbrochen wurde. Eine Verteilung der Thüringerwaldschotter der nördlichen Vor- lande des Thüringer Waldes auf die einzelnen oben erwähnten Zeit- abschnitte ist indessen zur Zeit undurchführbar, ja wir haben gegen- wärtig überhaupt erst sehr wenige Anhaltepunkte zu einer Gliederung dieser Schottermassen überhaupt. Diese Anhaltepunkte sind zwiefacher Natur, stratigraphischer und petrographischer.!) Als stratigraphische Anhaltepunkte sind die Niveauverschieden- heiten zwischen den einzelnen Schottervorkommnissen anzu- sehen. Mehrere deutlich gegen einander abgesetzte Schotterterrassen, wie sie z. B. im Alpengebiete die Hauptgrundlage für eine Gliederung der Sehottermassen abgegeben haben, fehlen im grössten Teile des Gebietes. Nur?) im Bereiche des Schiefergebirges und im Saalethale finden sich deutliche Sehotterterrassen in verschiedenen Niveaus. Es sind hier jedoch die früher offenbar zusammenhängend gewesenen Sehotterterrassen durch nachträgliche Erosion in zum Teile weit von- einander entfernte Teilstücke zerrissen worden, so dass die Verfolgung der einzelnen Terrassen ungemein erschwert ist. Selbst an den Stellen des Saalethales, wo sich deutlich terrassierte Schottermassen von ziemlich beträchtlichen Höhen bis fast zur heutigen Thalsohle herab- ziehen, kann man bei dem herrschenden Mangel an Aufschlüssen nicht !) Paläontologische Anhaltepunkte fehlen fast ganz. Ein mir durch die Güte des Herrn Kreisphysikus Dr. Sy in Stadt-IIm zugekommener Pferdezahn, der beim Baue der Bahn von Arnstadt nach Stadt-Ilm in der Nähe des letzteren Ortes ge- funden wurde, gehört, wie es scheint, zu Equus Süssenbornensis Wüst nov. form. (siehe den paläontologischen Teil der Arbeit) und legt die Vermutung nahe, dass sich in der Gegend von Stadt-Ilm Aequivalente des — wie ich weiterhin zeige — dem I. Interglazial angehörenden Kieses von Süssenborn finden. Der spezielle Fund- ort des im paläontologischen Teile der Arbeit näher beschriebenen Stückes konnte leider nicht ermittelt werden. 2) Vgl. dazu ReEgeı. 11. 294. Das Pliozän und das älteste Pleistozän Thüringens. 37 sieher beurteilen, ob die einzelnen Terrassen verschiedenen Auf- sehüttungen entsprechen oder ob sie durch nachträgliche Erosions- wirkungen aus einer einzigen Aufschüttungsmasse herausgebildet worden sind.!) Es ist indessen wohl zu erwarten, dass die heute noch nieht Hösbaren Fragen in Zukunft gelöst werden können, wenn dureh jahrelanges Wahrnehmen der sich nach und nach bietenden Aufschlüsse genug stratigraphische, petrographische und möglicher Weise auch paläontologische Anhaltepunkte für eine Gliederung der Sehotterterrassen des Saalethales zusammengebracht sein werden. Dureh Kombination der Ergebnisse detaillierter petrographischer Untersuehungen der einzelnen Schotterlager werden sich zweifellos wiehtige Anhaltepunkte für eine Gliederung der Schottermassen ge- winnen lassen, doch erfordern solehe Untersuchungen in der für den vorliegenden Zweck wünschenswerten Genauigkeit eine ausserordentlich genaue Kenntnis der sehr mannigfachen Gesteine des Thüringer Waldes sowie des Franken Waldes und des Fichtelgebirges. Bis jetzt liegt in dieser Riehtung nur eine bereits für Gliederungszwecke verwertbare — und bereits verwertete — Beobachtung aus dem hier in Betracht kommenden Teile des Gebietes vor. Es unterschieden nämlich LIEBE und ZIMMERMANN (Ziegenrück 34—35 und Saalfeld 48—50) im Be- reiche der Blätter Ziegenrück und Saalfeld zweierlei diluviale Schotter, (1.) ältere, 350— 400‘ über dem heutigen Saaleniveau gelegene, denen Gerölle aus dem Fichtelgebirge abgehen, ?) (2.) jüngere, in verschieden hoch gelegenen Terrassen zwischen 30 und 300° über der heutigen Thalsohle der Saale gelegene, die auch Gerölle aus dem Fichtelgebirge enthalten. !) Begeht man zum Beispiele das Kiesterrain, welches sich von der Zweite bei Beutelsdorf (Bl. Rudolstadt) von einem Niveau von 712’ bis unter 500‘, bis fast in das Niveau der heutigen Saaleaue herabzieht, so bemerkt man mehrere deutlich gegen einander abgesetzte Terrassen, wohl 3 Hauptterrassen, kann aber bei dem gänzlichen Mangel an Aufschlüssen nicht beurteilen, welche Terrassen lediglich durch Erosion herausgebildet sind und welche andererseits zu verschiedenen Zeiten erfolgten Aufschüttungen ihre Entstehung verdanken. 2) Diese Schotter finden nach GRIESMANN (113, 14) ihre Fortsetzung in Schotterresten auf der linken Seite der Saale zwischen Schwarza und Orlamünde (Bl. Schwarzburg, Stadt-Remda, Rudolstadt und Orlamünde). 38 EwALD Wüsrt, Von den mit lössartigen Gebilden innig verknüpften Sehottern der niedrigsten Terrasse abgesehen lässt sich indessen das Alter der Sehotter der beiden von LiıEBE und ZIMMERMANN unterschiedenen Gruppen nicht näher bestimmen. Die älteren Schotter (1.), die auf einen Fluss hinweisen, der, obsehon — wenigstens teilweise — im Bereiche der Blätter Ziegenrück und Saalfeld ähnlich wie die heutige Saale verlaufend, doch ein wesentlich anderes Quellgebiet wie diese besessen haben muss, halten die genannten Autoren — aus nicht er- siehtliehen Gründen — für mindestens nicht älter wie die Ablagerungen aus der 1. Eiszeit. In einer Anzahl von Schottern vermisste ich einen Gehalt von kohlensaurem Kalke, eine Erscheinung, wie sie für pliozäne Sedi- mente des Gebietes besonders bezeichnend ist.!) Diese Schotter liegen indessen durchweg so, dass es nieht als ganz sicher betrachtet werden kann, dass sie zur Zeit ihrer Ablagerung nennenswerte Quantitäten von Kalkkarbonat enthielten, und es kann infolgedessen aus dem Fehlen des kohlensauren Kalkes in denselben nieht auf ein pliozänes Alter derselben geschlossen werden. In dem Keuperbeeken zwischen Crawinkel, Sättelstädt und Gotha können die Sehotter auch zur Zeit ihrer Ablagerung keine irgendwie erheblichen Mengen von Kalkkarbonat enthalten haben, da das Gebiet, aus dem dieselben herstammen, zum grössten Teile in nennenswertem Masse kalkhaltiger Gesteine entbehrt. Auffallender ist das Fehlen des Kalkkarbonates in dem auf Muschelkalk auflagernden Sehotterzuge, der sich von der Gegend zwischen Ohrdruf und Wölfis nach Bittstedt hinzieht. Dieser Schotterzug scheint indessen nach den Porphyren, aus denen er fast ausschliesslich besteht, zu urteilen aus dem Ohragebiete zu stammen und hatte wohl — namentlich wenn man in Betracht zieht, dass zur Zeit seiner Ablagerung ein grosser Teil des Muschelkalksattels zwischen dem Keuperbeeken zwischen Crawinkel, Sättelstädt und Gotha und der Störungszone Gotha-Arnstadt noch von Keuperschichten überdeckt gewesen sein kann — nicht soviel Gelegenheit Kohlensauren Kalk aufzunehmen, wie es bei einer oberflächliehen Betrachtung der geo- logischen Karten scheinen könnte. Auch im Wipfragebiete traf ich — 1) Vgl. 8. 16—17, 23—24, u. Ss. w. BL Das Pliozän und das älteste Pleistozän Thüringens. By im Bettelholze bei Görbitzhausen — kalkfreie (oder mindestens sehr kalkarme) Quarzporphyrkiese, deren mangelnder Kalkgehalt, falls meine S. 44 ff. vorgetragenen Vermutungen über die Herkunft dieser Sehotter riehtig sind, sich ebenfalls aus örtlichen Verhältnissen er- klären lässt. Die Kiese des Bettelholzes liegen !) übrigens 160—185‘ tiefer als der wahrscheinlich pliozäne Thon am Hohen Kreuze (vgl. S. 29 ff.), von dem sie in der Luftlinie nur wenig mehr als 2 km entfernt liegen. Wenn man eine gewisse Analogie mit den Niveaus und den Lagerungsverhältnissen sicher pliozäner Gebilde für aus- reichend zur Annahme eines pliozänen Alters hält, kann man mit ZIMMERMANN (1 und besonders 2 LI—LII) die von diesem Autor be- schriebenen in Niveaus von 1310—1100' ausserhalb heutiger Thäler gelegenen und mehrfach von heutigen Thalrinnen durchfurchten Schotter- lager der Gegend nördlich von Gräfenroda und der zwischen Crawinkel, Wölfis und Gossel für pliozänen Alters verdächtig halten. Ehe indessen genaueres über diese Schotter bekannt ist, kann man ebenso gut annehmen, dass sie aus einer der bedeutenderen pleistozänen Eiszeiten stammen. In der Nähe des Gebirges, wo das Gefälle der Flüsse noch be- deutend ist, ist es natürlich überhaupt misslich, bei nicht ganz nahe bei einander gelegenen fluviatilen Ablagerungen, Schlüsse auf Zusammen- gehörigkeit zu einem Wasserlaufe bezw. einem Systeme von Wasser- läufen auf scheinbare Analogieen in den Niveauverhältnissen zu gründen. In der Nähe der Grenzen der Verbreitung des nordischen Gesteinsmateriales ist dagegen das Gefälle der Thüringer Flüsse schon so gering, dass es hier eher möglich ist, aus den Niveauverhältnissen auf die Zusammengehörigkeit fluviatiler Ablagerungen zu einem Wasserlaufe zu schliessen. Es wäre nun sehr wertvoll, wenn man durch vergleichende Betrachtung der Niveauverhält- nisse und der petrographischen Zusammensetzung die ausser- halb der Grenzen der Verbreitung des nordischen Gesteins- materiales gelegenen Flussablagerungen finden könnte, welehe mit bestimmten innerhalb jener Grenzen gelegenen, ihrem Alter nach sicher bestimmten Flussablagerungen zu !) Allerdings in einem gesunkenen Gebiete. 40 EWALD WÜsr, einem Flusslaufe zusammen gehören. Das ist aber bis jetzt in keinem Falle mit Sicherheit möglich gewesen. Die Ursachen dafür sind verschiedenartig. Im Saalethale und an seinen Rändern fehlen in der Nähe der Südgrenze der nordischen Gesteine auf einer Strecke von etwa 30 km — von der Gegend von Cahla bis zu der von Cam- burg — höher gelegene Schotterlager fast gänzlich, während wir zur Zeit nieht im stande sind bei 30 km von einander entfernten Fluss- ablagerungen aus den Niveauverhältnissen abzunehmen, ob dieselben einem Flusslaufe angehört haben können. Eine ähnliche Lücke finden wir in der Verbreitung der höher gelegenen Schotterlager im Ilm- gebiete, wo solche auf eine Strecke von gegen 20 km — von der Gegend von Dienstedt bis zu der von Buchfart — nahezu vollständig fehlen. Im Geragebiete ist eine solehe Lücke in der Nähe der Grenze des Vorkommens nordischer Gesteine nieht vorhanden; es sind aber hier die alten hydrographischen Verhältnisse, wie die Lage und die verschiedenartige petrographische Beschaffenheit der zahlreichen hier vorhandenen Schottervorkommnisse beweisen, derart verwiekelte, dass hier eine Verfolgung des einstigen Zusammenhanges unausführbar ist, so lange eine eingehende petrographische Untersuchung der einzelnen Sehotterlager fehlt. Aehnlicher Natur sind die Schwierigkeiten, welche sich einer Verfolgung des ehemaligen Zusammenhanges der Sehotter in der Gegend zwischen Gotha und Tonna entgegenstellen. Seit HEINRICH ÜREDNER (1 380—381, 2 80) einen Zug von Thüringerwald- schottern von Schönau über Gotha nach Ballstedt und Tonna nach- gewiesen hatte, und Kayser (Greussen, Kindelbrück) und SPEYER (Gräfentonna, Gebesee) einen mehr oder weniger unterbrochenen Zug von Thüringerwaldsehottern mit untergeordnetem nordischen Gesteins- materiale von der Gegend von Tonna bis zu der von Griefstedt (Blatt Kindelbrück) kartiert hatten, lag es nahe anzunehmen, es liege hier ein einheitlicher Sehotterzug vor, der ausserhalb der Grenzen der Ver- breitung des nordischen Gesteinsmateriales keine nordischen Geschiebe enthalte, innerhalb dieser Grenzen aber solche führe. Da aber einer- seits das Vorkommen von Thüringerwaldsehottern mit nordischen Geröllen zwischen Gotha und Tonna sichergestellt ist,!) andererseits 1) Vgl. z. B. HEINR. CREDNER 2 80, Das Pliozän und das älteste Pleistozän Thüringens. 41 aber nach meinen Untersuchungen (vgl. den Abschnitt B; II; 1) der von KAysEr und SPEYER kartierte Thüringerwaldschotterzug zwischen Tonna und Griefstedt keine nordischen Gesteinstrümmer enthält, ist es klar, dass zwischen Gotha und Tonna wenigstens zweierlei Sehotter liegen — oder doch wenigstens gelegen haben —, die einen mit nordischem Gesteinsmateriale, die anderen, die den Anfang des Tonna- Griefstedter Sehotterzuges bilden würden, ohne solehes. Die Schwierig- keiten, welehe die Trennung dieser beiden Schotterzüge darbietet, sind ausserordentlich gross, da — von dem Fehlen von Aufschlüssen in vielen der Schotter abgesehen — das nordische Gesteinsmaterial in den solehes überhaupt enthaltenden Sehottern der Gegend häufig so überaus spärlich?!) ist, dass es selbst in guten Aufschlüssen schwierig ist, dasselbe aufzufinden. Wenn es nun auch so gut wie sicher ist, dass sich der Tonna-Griefstedter Schotterzug, der zweifellos vor dem Höhepunkte der II. Eiszeit abgelagert worden ist (vgl. den Abschnitt B; I; 3), rückwärts in die Gegend von Gotha und wohl noch weiter nach dem Thüringer Walde zu fortsetzt, so sind wir doch zur Zeit ausser stande, anzugeben, welche südlieh von der Gegend von Tonna gelegenen Sehotter als seine Fortsetzungen zu betrachten sind. Uebrigens gestalten sich die Verhältnisse dadurch noch komplizierter, dass auch abseits von dem hauptsächlichen Thüringerwaldschotterzuge von Schönau über Gotha und Ballstedt nach Tonna noch Thüringerwaldschotter liegen. ?) 1) Vgl. z. B. BORNEMANN sen. 2 XXXVII—XXXVIII. — Sehr gut kann man sich von den erwähnten Schwierigkeiten durch eine Begehung der sich wenig über die heutige Thalsohle erhebenden Terrasse von Thüringerwaldschotter, die sich auf dem rechten Nesseufer von Goldbach nach Wangenheim hinzieht und durch zahlreiche Kiesgruben aufgeschlossen ist (Bl. Henningsleben; geologische Ausgabe noch nicht erschienen), überzeugen. Bei Goldbach findet man nur selten ein nordisches Gerölle im Kiese, bei Wangenheim dagegen sind nordische Feuersteine wenigstens so häufig, dass sie bald in die Augen fallen. In einem wenig höheren Niveau, auf der Anhöhe zwischen Goldbach und Wangenheim sah ich kein nordisches Gerölle in situ; ich fand vielmehr nur einen Feuerstein auf einem ausgeworfenen Kieshaufen. Man kann bei der sehr verschiedenen Häufigkeit des nordischen Ge- steinsmateriales im Zweifel sein, ob zwischen Goldbach und Wangenheim eine ein- heitliche Kiesablagerung vorliegt. 2) Vgl. über die Thüringerwaldschotter der in Rede stehenden Gegenden von den Karten abgesehen: BAUER 1, Ohrdruf und Gotha; BORNEMANN sen. 1, 2; 42 EwALp Wüsr, 6. Alte Flussverlegungen im Gebiete der heutigen Wipfra. Ueber die Schotter des zwischen dem Ilm- und dem Geragebiete gelegenen Gebietes der Wipfra, eines rechten Zu- flusses der Gera, verdanken wir ZIMMERMANN (3 LII—LIN und Stadt- Ilm 65—66) interessante Beobachtungen, auf die ieh hier, obgleich diese Schotter ihrem geologischen Alter nach noch nicht sicher be- stimmt werden können, deshalb eingehen muss, weil sie für die Be- urteilung von ehemaligen Beziehungen zwischen Ilm- und Geragebiet von grösster Wichtigkeit sind. ZIMMERMANN wies einen in Niveaus von 925—1050' gelegenen, von NW nach SO verlaufenden, allerdings durch erhebliche Lücken unterbrochenen Sehotterzug von Oberndorf bei Arnstadt (Käfernburg und höchste Erhebung des Hains) über Dannheim und Branchewinde nach Willingen nach, dessen Gerölle (ganz vorwiegend Quarzporphyre, daneben Braunkohlenquarzite und verkieselter Zechstein) sämtlich auf das Quellgebiet der Gera hinweisen, während Gerölle aus dem Quell- gebiete der Ilm und ihrer Zuflüsse (Langenbergquarzite und Glimmer- porphyrite) fehlen.) Aus dem Vorkommen dieser Schotter in Verbindung mit dem Umstande, dass der heutige Lauf der Wipfra ganz dem Triasgebiete angehört, schliesst ZIMMERMANN, dass die Gera einst das heutige Wipfrathal von Dannheim bis Willingen durchfloss. „Nördlich vom Tännreisig bei Niederwillingen — fährt ZIMMERMANN 3 LIlI fort — kommen diese Gerasehotter .... örtlich den diluvialen Ilmsehottern nahe, und das alte Gerathal tritt in Verbindung mit einer seitlichen Aus- BORNEMANN jun. 1, 2; HEINRICH CREDNER 1, 2; E. Weiss 1 sowie die zusammen- fassende Darstellung von REGEL 1 1303, 304. — Die Angabe Ponuıq’s (1 260), bei „Gotha ete.“ seien die Ablagerungen der unteren, hauptsächlich aus nordischem Materiale bestehenden Abteilung der „Trogontherienstufe“ von den eigentlichen, vorwiegend aus Thüringerwaldmaterial bestehenden ‚„Trogontherienschottern“ d. h. der oberen Abteilung der ‚Trogontherienstufe“ überlagert, erscheint mir einer näheren Aufklärung bedürftig, zumal meines Wissens bei Gotha keine Fossilien der „Trogontherienschotter‘“ PoHLıg’s gefunden worden sind. 1) ZIMMERMANN, Stadt-Ilm 65. — Bei ZIMMERMANN 3LLIII hiess es, es kämen „sehr selten quarzfreie Porphyre und Glimmerporphyrite“ vor. Das Pliozän und das älteste Pleistozän Thüringens. 45 breitung des heutigen Ilmthales, aber auffälliger Weise lässt sich unter- halb dieser Stelle im diluvialen Ilmsehotter keine bemerkenswerte Beimisehung von Geraschotter nachweisen, so dass man wohl anzu- nehmen hat, der Abfluss der alten Gera habe durch das heutige mittlere und untere Wipfrathal stattgefunden, denn es finden sich dem Lehm auf der linken Thalseite überall eingestreut kleine Porphyrbröckehen, und zwischen Elxleben und Kirchheim (Bl. Osthausen) bilden Quarz- porphyrgerölle zusammen mit Buntsandstein- und Muschelkalkbrocken unter dem Lehm ein zusammenhängendes Schotterlager in etwa 50 Fuss Höhe über dem heutigen Flussniveau“. In den Erläuterungen zu Bl. Stadt-Ilm, 66, nimmt ZIMMERMANN jedoch an, „dass die Urgera von Arnstadt aus über Dannheim und Branchewinde nach Görbitzhausen und Roda und sogar noch über Nieder-Wil- lingen hinausgeflossen sei und dort sich wohl, obwohl es nieht mehr direet nachweisbar ist, mit der Urilm ver- einigt habe“. MicHAEL (1 9, 10) scheint geneigt zu sein, einzelne Quarzporphyr- gerölle des Kieslagers von Süssenborn auf das Quellgebiet der Gera zurückzuführen und ihr Vorkommen im heutigen Ilmgebiete bei Süssen- born — und auch weiter oberhalb — durch ZimMERMANN’s Annahme einer ehemaligen Einmündung der Gera in die Ilm bei Stadt-Ilm zu erklären. Ich vermag mich nun ZIMMERMANN’S Ansicht, dass die gesamte Gera einst von Arnstadt nach Stadt-Ilm zu geflossen sei, nicht anzu- schliessen. Es ist meines Erachtens von vorne herein unwahrscheinlich, dass die Gera an der Stelle des heutigen Arnstadt, wo sie aus den härteren Muschelkalkgesteinen in die weicheren Keupergesteine ein- tritt, die Richtung ihres bisherigen Laufes verlassen und in einem Winkel von etwa 60° nach SO umgebogen sein soll.‘) Ferner sollte man, ZIMMERMANN’S Annahme als richtig voraussetzend, in den „Gera- schottern“ des Wipfrathales Muschelkalkgerölle in grösserer Anzahl erwarten, da doch die Gera von Gera bis Arnstadt, also auf eine !) Die von ZIMMERMANN angenommene Veränderung der Richtung des Gera- laufes könnte allerdings vielleicht durch eine Fortdauer von tektonischen Vorgängen in dem Arnstadt-Stadt-Ilmer Teilstücke der Gotha-Saalfelder Störungszone er- klärt werden. 44 EwALD WÜüst, Strecke von 15 km Länge fast ausschliesslich durch Muschelkalkgebiet geflossen sein muss; Muschelkalkgerölle sind aber — wenigstens in dem Kiese im Bettelholze bei Görbitzhausen, der dureh mehrere Kies- gruben aufgeschlossen ist und daher näher beurteilt werden kann — mindestens sehr selten und auch das feinere klastische Material ent- behrt eines Gehaltes an Kalkkarbonat.!) Der Feinsand des Bettelholz-Kieses besteht zum grössten Teile aus farblosen, gerundeten Quarzkörnern, die man am ehesten geneigt ist, aus dem Buntsandstein des oberen Wipfragebietes herzuleiten. In der That glaube ich annehmen zu können, dass der Bettelholz-Kies — und die übrigen Kiese des Wipfrathales, soweit sie mit dem Bettelholz-Kiese petrographisch übereinstimmen — von einer alten Wipfra abgelagert worden sind, einer Wipfra allerdings, welche insofern von der heutigen Wipfra abwich, als sie mit ihren Quellbächen in das Porphyrgebiet des Thüringer Waldes hineinreichte. Hinsichtlich der Art, in der dies letztere geschah, legen orographische Verhältnisse eine Vermutung nahe. Zwischen Martinroda und Heyda (Bl. Plaue; geologische Aus- gabe noch nieht erschienen) zieht sich ein tiefes Thal hin, dessen Breite in keinem rechten Verhältnisse zu der Grösse der dasselbe heute durchfliessenden Gewässer (der Titterwind nach der Trockenen Gera, der Heydaer Bach nach der Wipfra hin) steht. In diesem Thale liegt nur etwas über 50° über das Niveau der Geraniederung bei Martinroda und etwa ebensoviel über das der Wipfraniederung in der Breite von Heyda sich erhebend die Wasserscheide zwischen Trockener Gera und Wipfra. Die Troekene Gera fliesst unmittelbar unterhalb Martinroda durch ein enges und tiefes Thal, welches sehr wohl später ausgenagt sein kann als das breite Thal von Martinroda nach Heyda. Ziehen wir alle diese Umstände in Betracht, so muss es als sehr wahrschein- lich erscheinen, dass die Trockene Gera vor der Durehnagung der Thalenge von Martinroda, ihrer bisherigen ostnordöstlichen Riehtung treu bleibend, nach Heyda zu in das heute von der Wipfra durch- flossene Thal sich ergoss und damit die Ablagerung von Quarzporphyr- !) Ich muss die Möglichkeit betonen, dass der Bettelholz-Kies ursprünglich Kalkkarbonat enthalten, dieses aber durch lange andauernde Verwitterung ver- loren hat. Das Pliozän und das älteste Pleistozän Thüringens. 45 schottern zwisehen Willingen und Dannheim ermöglichte. Die Be- schaffenheit der im Bettelholze gefundenen Porphyre scheint mir dieser Annahme in keiner Weise zu widersprechen. Bei der geringen Anzahl von Quarzporphyrgeröllen, welche bis- her im Ilmgebiete konstatiert wurde, erscheint es mir keineswegs als sicher, dass die alte Wipfra bezw. Trockene Gera jemals der Ilm tributär wurde. Das spärliche Vorkommen von Quarzporphyrgeröllen im Ilmgebiete erklärt sich vielleicht eher durch geringfügige Ver- legungen der Wasserscheide zwischen Ilm und Gera im Porpbyrgebiete des Thüringer Waldes. Mir erscheint es als wahrscheinlich, dass die alte Wipfra bezw. Trockene Gera zunächst von Willingen nach Arn- stadt floss, sich aber ihren Abfluss nach der Gera mit Schottermassen verstopfte und sich darauf ihr heutiges Bett von Görbitzhausen über Elxleben nach Eischleben austiefte. Wie ich bereits andeutete, lässt sich zur Zeit über das Alter der versehiedenen Kiese im Wipfragebiete noch nichts bestimmtes sagen. In den von Löss überlagerten, neben Quarzporphyren auch viel triadisches Gesteinsmaterial führenden Kiesen zwischen Elxleben und Kirchheim fand ich einige Fossilreste, die indessen für eine Alters- bestimmung ihrer Fundschiehten keine Anhaltepunkte gewähren. Wenn auch die Flussverlegungen, welche im heutigen Wipfra- gebiete stattgefunden haben, noch keineswegs als genügend aufgeklärt betrachtet werden können, so glaube ich doch gezeigt zu haben, dass ZIMMERMANN’S Hypothese einer ehemaligen Einmündung der gesamten Gera in die Ilm aus verschiedenen Gründen un- wahrscheinlich und zur Erklärung der im Wipfragebiete beobachteten Verhältnisse keineswegs erforderlich ist und sich daher keinesfalls dazu eignet, als Ausgangspunkt für eine Beurteilung der Altersbeziehungen zwischen den Sehottern des Ilmgebietes und denen des Geragebietes zu dienen. Currieulum vitae. Natus sum Ewaldus Wüst a. d. III. Kal. Oet. a. MDCCCLXXV, Halis Saxonum, patre Alberto, professore extraordinario universitatis Halensis eum Vitebergensi eonsociatae, matre Guilelma e gente Wüst, quibus superstitibus gaudeo. Fidei addietus sum evangelicae. Primis litterarum elementis Halis Saxonum imbutus Halis Saxonum (gymnasium eivicum), Sangerhusae, Arnstadiae gymnasia frequentavi. Arnstadiae auspiceiis reetoris Kroschel optime de me meriti maturitatis testimonio instruetus a vere anni MDCCCXCV per undeeim semestria primum Halis, deinde Argentorato, tum iterum Halis rerum naturalium inprimis geologiearum studio me dedi. Vere anni MDCCCIC assistens instituti mineralogiei Halensis faetus sum, quo munere ad hune diem fungor. Collegiis interfui magistrorum academieorum E. W. Benecke, Bruhns, Doederlein, Dorn, Eisler, baronis de Fritsch, Grenacher, Haym, Kraus, de Liszt, Luedecke, Riehl, Roux, A. Schenck, Aug. Sehulz, Schwalbe, Herm. Schwarz, eomitis de Solms-Laubach, Tornquist, Vaihinger, Volhard. Exereitationibus eolloquiisque suis ut interessem, benigne permiserunt E. W. Benecke, Bruhns, Buecking, Doederlein, Fittig, baro de Fritsch, Grenacher, Klebs, Kraus, Luedecke, Riehl, A. Schenck, Aug. Schulz, eomes de Solms-Laubach, Vaihinger. Exeursiones mihi facere lieut cum E. W. Benecke, Bruhns, Doederlein, barone de Fritsch, Aug. Schulz, Tornquist, praeterea cum E. Schumacher Alsatiae-Lotharingiae geologo publieo, euius ex subtili doctrina et extra excursiones fruetum percepi. Magistris meis pro eruditione ab eis accepta et pro benevolentia, qua erga me usi sunt, gratias ago gratumque animum semper servabo. Thesen. © Die ältesten Anzeichen für das Vorhandensein des Menschen in Europa fallen in die I. Interglazialzeit, also noch vor die Zeit der bedeutendsten Vereisung des Kontinents. 1. Die Annahme, die Kohlenflötze seien ganz überwiegend fossile Waldmoore, ist nicht haltbar. IE DoEDERLEIN’s Annahme vererbter Entwieklungstendenzen (Biolog. Centralbl., Bd. VII, S. 394 ff.) erklärt ungezwungen zahlreiche sonst nicht oder nur schwer erklärbare Erscheinungen. Druck von Ehrhardt Karras, Halle a | 1 ggg 3 2044 107 358 5