QT6 COLUMBIA UNIVERSITY DEPARTMENT OF PHYSIOLOGY THE JOHN G. CURTIS LIBRARY tll:^V^riMl^ UNTERSUCHUNGEN AUS DEM PHYSIOLOGISCHEN INSTITUTE DER UNIVERSITÄT HEIDELBEßG. HERAUSGEGEBEN D\ W. KÜHNE, 0. Ö. PROFESSOR DER PHYSIOLOGIE UND DIRECTOR DES PHYSIOLOGISCHEN INSTITUTS. ZWEITER BAND. MIT 9 HOLZSCHNITTEN UND 10 LITHOGRAPfllRTEN TAFELN. -°Q8&- HEIDELBERG. CARL "WINTER'S UNIVERSITÄTSBUCHHANDLUNG. 1882. Alle Eechte vorbehalten. OTG 3t5 \l.2- Vergleicliend-pliysiologisclie Beiträge zur Keuntniss der YerdaiumgSYorgänge. Von C. Fr. W. Kriikenberg. (Hierzu Taf. 1.) Aus meiner früheren Mittheilung ^) ergibt sich, dass die Astacusleber wie die Drüsenschläuche von Periplaneta(Blatta) Orient alis und die Lebern vieler Mollusken mehreren Lei- stungen dienen als die Leber der höhern Vertebraten, Im Fol- genden sollen der Thatbestand dieser Verhältnisse eingehender be- handelt und die Differenzpunkte zwischen den früheren Unter- suchungen und Ansichten anderer Autoren klar gelegt werden. Was ich früher über die Ausführung meiner Versuche ge- sagt habe, gilt auch für die, welche dieser Arbeit zu Grunde liegen. Stets war ich bestrebt, die einzelnen Organe oder Organ- theile durch die Präparation möglichst frei von fremden Ad- härenzen zu erhalten, indem ich mehr Werth darauf legte, die zum Theil ausgezeichneten morphologischen Arbeiten der Zoologen für das Verständniss der Funktion verwerthbar zu machen, als mich lediglich mit dem Nachweise eines Enzymes in einem com- plicirt gebauten Organismus zu begnügen. Deshalb wurde auch die histologische Untersuchung nicht ganz ausser Acht gelassen,, welche besonders bei Insekten zu neuen Resultaten führte. Alle Versuchsthiere wurden vivisecirt, was mir nothwendig erschien, da sich bei vielen die Organe postmortal sehr bald ver- ändern. 1) Untersuchungen aus dem pliysiol Institute der Universität Heidel- berg. Bd. I. Heft 4. S. 327. Kühne, Untersuchungen. II. 1 2 C. Fr. W. Krukenberg: I. Die Verdauungsvorgänge bei einigen Cepha- lopoden und Pulmonaten. Bei Sepiola Eondeletii, Sepia officinalis und elegans, Eledone moschata fand ich, wenn der Digestionstractus frei von Nahriingsstoffen war, einen braungelben Verdauungssaft von mehr oder weniger alkalischer^) Beschaffenheit. Dieser enthielt ein kräftig wirkendes diastatisches Enzym und verdaute wäh- rend einer Stunde die hinzugefügte grosse Flocke rohen Fibrins in alkalischer Lösung (1 % COs Naa). Dieses Secret , welches sich so reichlich in dem Darmrohre angesammelt hatte, dass die Wände desselben prall gespannt waren, verhielt sich, was Farbe und Wirkung anbelangt, in allen Bezirken vom Anfang des Magens l3is zum Enddarme hin gleichartig. Es galt nun aufzufinden, aus welchem Organe dieses Secret stammte. Da war zuerst an die drüsigen Organe zu denken, welche als obere und untere Speicheldrüsen bekannt sind. Beide Gebilde sind aber, wie Versuche an Eledone, Loligo, Sepia und Sepiola mich lehrten, rein muciparer Natur und werden deshalb von mir künftig als obere und untere Pharynxschleim- drüsen bezeichnet werden. Für die Anschauung, dass diesen Drüsen nur die Bedeutung zukommt, die Nahrungsballen hin- reichend schlüpfrig zu machen, damit sie befähigt sind das den Kopfknorpel durchsetzende enge Speiserohr zu passiren, scheint mir auch noch der Befund zu sprechen, dass Loligo vulgaris, dessen Oesophagus unter den mir zugänglichen Cephalopoden 0 Clmide Bernard (Memoire sur le paiicreas. Comptes reudus. 1856. Supplement. T. I. p. 545) fand den Verdauungssaft sauer; es muss somit die Eeaction desselben Schwankungen unterliegen. Dasselbe gibt er an für Ostrea edulis, bei weldier ich das Lebersecret selten schwach sauer, meistens neutral fand. Die Vermischung des Verdauungssaftes mit Aem alkalischen Blute war bei meinen Versuchen durch längeres Abspülen der Organe vor Eröffnung des Verdauuugsrohres vermieden. Beiträge zur Kenntniss der Verdauuagsvorgänge. 3 an allen Stellen relativ der weiteste ist, die verliältnissmässig kleinsten Pharj'nxschleimdrüseu besitzt. Von grossem Interesse würde es sein zu erfahren, wie sich das Verhältniss bei Nautilus gestaltet, bei welchem nach Owen's Angabe ^) die obern Pharynx- schleimdrüsen nur in Spuren vorhanden sein, die untern ganz fehlen sollen. Nachdem der gut gereinigte Darm und insbesondere die Spiral- mägen — das Pancreas Bicharä Oioen'^s (Lectures on the com- par. Anat. of the invert. Anim. p. 300), und als solches von diesem Forscher den Appendices pyloricae der Fische verglichen, — einer grossen Anzahl von Cephalopoden mit negativem Ptesultate auf Enzyme untersucht waren, führte mich nach vielen vergebHchen Versuchen die Farbe der sogenannten Leber und besonders die Farbe ihres wässerigen Extractes auf den rechten Weg. Ich untersuchte den wässerigen, ClNa (0.5, 1.0, 2.0, 5.0, und 10.0 °/o) — , essigsaure-, salzsäurehaltigen Auszug auf eine nennenswerthe enzymatische Wirkung hin, aber alles mit negativem Erfolg. Nur von der Eledone moschata und Sepia elegans gelangten Glycerinextracte der Lebern mit mir in die Hei- math. Als ich dieselben hier abermals untersuchte, ergab sich, dass jetzt (nach etwa sechs Wochen) wenige Tropfen des Ex- tractes sowohl eine starke diastatische Wirkung besassen, als auch im Laufe kaum einer Stunde in neutraler wie in 1 ''/oiger Sodalösung rohes Fibrin fast vollständig (einen unbedeutenden Detritus hinterlassend) verdauten 2). Bei Zusatz von Salzsäure 1) Oiven, Mem. on the Nautilus, p. 23. Tafel 8. Fig. 7 g. 2) Claude Bernard (Recherches sur uiie nouvelle fonction du foie. Ann. des sc. nat. Troisieme serie. Zoologie. T. XIX. 1853. p. 331—335) constatirte schon früher das Vorkommen eines diastatischen, sowie eines fettzer- setzenden Fermentes in dem Verdauungssafte von Sepia, Limax, Ostrea edulis und Anodonta. Auch gelang ihm in diesen Fällen die Chlor- reaction. 4 C. Fr. W. Krukenberg: entstand zwar ein Niederschlag, welcher aber eine Verdauung in 0,1 °/o CIH nicht immer verhinderte und sich, wenn von den Glycerin- extracten nur geringe aber wirksame Mengen zugesetzt wurden, auch wieder vollständig löste. Die Wirkung bei neutraler und alkalischer Reaction sowie die in sauren Lösungen verlief bei 40*^ C. energischer als bei 20*^, 16° und 10° C, obgleich sie auch bei letzteren Temperaturen nicht fehlte. Es herrscht also in diesem Punkte eine vollständige Uebereinstimmung mit allen zur Zeit bekannten eiweissverdauenden Enzymen der verschiedensten Thierklassen. Ganz dieselben Enzyme fand ich im Lebersecrete resp. dem Leberextracte bei Arion rufus und ater, bei Limax cinereo- ater und agrestis. Bei den Limaeiden, Helix nemoralis und pomatia reagirte der Mageninhalt und das Lebersecret deutlich sauer, wie Th. Fr. W. Schlemm'^) bereits ausser für Helix und Limax noch für Limnaeus und Planorbis nach- wies. Auch Claude JBernard^) zeigte, dass bei Limax flavus der Verdauungssaft, welcher nach seiner Ansicht ^) aus Drüsenzotten des Magens (deshalb von ihm auch „Magensaft" genannt) stam- men sollte, saure Pteaction besitzt. Bei diesen Mollusken musste ebenfalls das Glycerin mit dem zerriebenen Lebergewebe längere Zeit in Berührung bleiben, um in irgend nennenswerther Weise mit Enzymen geschwängert zu werden. Wenn die Lebern sorg- fältig vom Darme abpräparirt waren, gelang hier zwar die ein- fachere Darstellung der enzymatischen Verdauungslösung mittelst der Selbstverdauungsmethode und bei Helix pomatia wie bei Mytilus edulis wurde von dieser Darstellungsweise auch ein ^) Th. Fr. W. Schlemm, De liepate ac bile Crustaceorum et Mollus- corum quorundam. Dissertatio. Berolini 1844. S. 34. ^) Claude Bernard, 1. c. 3) Claude Bernard, Le^ons de physiologie experimentale. T. IL 1856. p. 487-493. Beiträge zur Kemitniss der Verdauungsvorgänge. 5 ausgedehnter Gebrauch gemacht. Diese Extractionsmethode wird für die Lebern , welche neben peptischem auch tryptisches Enzym führen, aber nicht zu empfehlen sein; denn Versuche haben mir bewiesen, dass das tryptische Enzym in solchen Fällen sehr bald zersetzt wird, und dass zugleich auch das Pepsin sehr viel von seiner Wirkungsintensität einbüsst. Dieses Verhalten Hess sich wenigstens beiLumbricus terrestris, Limax cinereo- ater, Astacus und Periplaneta sicher feststellen. In solchen Fällen wird die WifticJi'sche Methode der Glycerinextraction zu bevorzugen sein. Wurde bei Mollusken (z. B. bei Helix), deren Leber zwar nur ein peptisches Enzym producirt, bei der wässerigen Extraction der Darminhalt nicht sorgfältig von den Lebern entfernt, so konnte nur ein sehr schwach wirkender oder selbst ein ganz unwirksamer Auszug erhalten werden. Diese Erscheinung wird wohl mit Recht auf eine Fällung der Enzyme durch entstehende Niederschläge, zu welchen die Secrete von Schleimdrüsen die Veranlassung geben, zurückzuführen sein. Die Schwierigkeit der Extraction zwang dazu, dass bei den Mollusken ein von den später bei den Articulaten zu beschreibenden verschiedener Gang der Untersuchung eingeschlagen wurde, wel- cher aber, wie ich hoffe, nicht weniger beweiskräftige Ergebnisse lieferte. Das Lebersecret ergiesst sich bei den Cephalopoden be- kanntlich zwischen den Falten des Spiralmagens hindurch in den Darmkanal. Drückt man den mit dem Secrete gefüllten Spiral- blindsack leicht zusammen, so bemerkt man, dass das Secret so- wohl in den Magen wie in den hintern Abschnitt des Digestions- tractus abfliesst. Eine ähnliche Einrichtung ist uns bei den Limaeiden, Heliciden etc. durch H. 31. Gartenaner^) be- kannt geworden. Ich sehe die Function des Spiralmagens der ') H. 31. Garteuauer, Uel)er den Darmkanal einiger einheimischen Gasteropoden. Jena 1875. S. 11 — 15 u. Fig. 3. 6 C. Fr. W. Krukenberg: Cephalopotlen lediglich darin, das Lebersecret in dem Ver- dauungsrohre dieser Thiere gleichniässig zu vertheilen, und er- achte ihn analog den Blindsäcken des Darmes bei den Stylom- matophoren. ^) Bei Loligo vulgaris sind in demselben zwar 1) Um "Wieclerliolungen zu vermeiden, sei gleich an dieser Stelle auf Folgendes aufmerksam gemacht. Es sind in der Literatur die Angaben nicht selten, dass bei Mollus- ken und Articulaten die Si)eicheldrüsen saure Secrete, theils im Interesse der Vertheidigung dieser Thiere oder Auflösung äusserer Gegenstände, theils zur Verdauung der aufgenommenen Nahrung absondern. Unter Anderem wurde diese Ansicht von /. Müller und Troschel für Dolium galea ausgesprochen, und manche Zoologen haben dasselbe von Pholadiden und Lithodomen, sowie von vielen Gastropoden (cf. de Luca und Panceri, Comptes rendus 1867. II, 577. 712) behauptet. Aus den vorliegenden Mittheilungen dieser Forscher scheint hervorzugehen, dass wir es hier mit dem Secrete vielleicht etwas nach vorn gerückter Lebern oder Leberabschnitte zu thun haben, da, nach meinen Untersuchungen zu schliessen, Speicheldrüsen den Mollusken vollständig fehlen. Die Sache kann nichts Auffallendes mehr haben, seitdem wir wissen, dass bei sehr vielen Mol- lusken und Articulaten das Lebersecret sauer und oft sehr sauer reagirt, dass dasselbe auch durch den Oesophagus nach aussen hin abgegeben wer- den kann (selbst bei Periplaneta orientalis). Jedenfalls dürfen diese Secrete bei Dolium, Cassis, Aplysia etc. nicht dem Magensafte höhe- rer Thiere und noch viel weniger dem Speichel derselben oder vieler Articulaten, sondern vorläufig nur dem Lebersecrete der daraufliin unter- suchten Mollusken vei'glichen werden. Unter dem äussern Kalkdeckel (epiphragma) der überwinternden He lix pomatia findet sich meist eine mehr oder weniger grosse Zahl prall ge- spannter Häute, welche aber nicht, wie es mir anfangs schien, beim Abwerfen des Kalkdeckels verflüssigt werden, sondern einfach erweichen. Diese Er- weichung scheint mir mit Hilfe des ausgeschiedenen sauren Lebersecretes zu geschehen, welches, wie Versuche mich lehren, dazu besonders geeignet ist, während (selbst warmes) Wasser diese oft sehr derben und widerstands- fähigen Membranen kaum nennenswerth geschmeidig macht. Besonders interessiren müssen uns die Leijäif/'schen Beobachtungen an Corethra plumicornis (Anatomisches und Histologisches über die Larve von Corethra plumicornis. Zeitschr. f w. Zool. 1851. Bd. III. S. 450), welche jetzt nicht mehr der von allen sonst Bekannten abweichenden Inter- Beiträge zur Kenntnisä der Verclauungsvorgänge. 7 Drüsen nachgewiesen, welche aber ebenso sicher wie das Runter ^)- SicholcV&che ') Pancreas, welches bei sehr vielen Cepha lopo- den nachgewiesen wurde, ^) nur eine Zusatzflüssigkeit für das Lebersecret liefern werden. ^) Dasselbe wird für die aus dem Verdauungstractus der Pulmonaten beschriebenen Drüsen zu gelten haben. Aehnliche Verhältnisse, wie die eben beschriebenen, welche einen Transport der Secrete aus hintern nach vorderen Bezirken des Verdauungsrohres ermöglichen, scheinen sich bei höheren Vertebraten, bei welchen immer mehr oralwärts von den Ver- dauungsräumen die enzymatischen Secrete sich ergiessen, nicht mehr zu finden. Es können selbst, wie die Versuche von Herrn SivieckJd '") lehren, beim Frosch Enzyme an Stellen secernirt werden, an welchen die Reaction der Speiseballen ihre Wirkung gewöhnlich ganz verhindert, so dass sie erst in einem nachfolgen- den Darmabschnitte ihre Verwendung finden. Die enzymatischen Wirkungen, welche ich mit dem Secrete der Leber und ihrem Glycerinextracte bei den Limaeiden,. He Heiden und Cephalopoden erhielt, führen zu der Annahme einer Existenz mehrerer die Eiweisssubstanzen verdauender En- zyme, von denen die Lebersecrete verschiedener Familien und Classen der Mollusken verschiedene Mengen in verschiedener pretation bedürfen, zu welcher Leydig griff. Auch bei der Larve dieses Zweiflügler s werden voraussichtlich die Verdauungsenzyme in Darm- drüsenzellen gebildet und erst nachträglich in den Pharynx hineiugeschafft, wie es bei Mollusken und Articulaten sonst die Regel sein dürfte. 1) Hunter, The Catalogue of the physiological series etc. Vol. I, p. 229. Nr. 775. 2) C. Th. von Siebold, Lehrbuch d. vergl. Anatomie der wirbellosen Thiere. 1848. S. 393. *) üeber Vorkommen dieser Drüse, cf. Siebold, 1. c. *) Cf. L^'nters. aus dem physiol. Institute der Universität Heidelberg. Bd. L Heft 4. S. 334. =) Pflüger' s Archiv, Band XVL Heft 3. S. 122. C. Fr. W. Ki-ukenberg; Mischung enthalten. Besonders wichtig sind in dieser Beziehung die Ergebnisse, wenn organische Säuren als Zusatzflüssigkeiten gewählt werden. Tabelle I. resumirt eine grosse Anzahl meiner Versuche, welche theils mit dem Glycerinextracte von Lebern theils mit dem natürlichen Lebersecrete angestellt wurden: mit enzymatischen Flüssigkeiten, deren Wirkungsintensität in milch- saurer Lösung keine erhebliche Differenzen aufwies. Tabelle L^) Zusatzflüssigkeit. % 0 ftgä .2» ^1 "03 0 sä «s "1 0 a, 0 <^ < g 3.3 0 3 a Ol r-1 02 Wasser (bei neutral. Reaction der Ver- dauungsflüssigk.) + . + 0 Salzsäure von 0,1 bis 0,20/0 + + 0 . , + + + Sodalösung von lo/o + + + + + + 0 0 0 Oxalsäurel. v. 0,4 "/o + . + + + 0 dito von 1 °/o . . + + + . + + 0 dito von 2 Vo • . . + . . 0 + 0 + + 0 "Weinsäurelösung v. 0,40/0 . + + + , + + dito von 10/0 . . + + + + , + dito von 20/0 . . + , + Essigsäurelösung v. 0,20/0 + + . + + + dito von 0,4 0/0 , . + 0 + ■f + dito von 10/0 . . + + 4- + dito von 20/0 . . + + Milcbsäurelösung v. 0,40/0 + + + + + dito von 1 0/0 . . + + + + + dito von 20/0 , . + + + + • + + 1) Die auf der Tabelle verzeichneten Resultate wurden mittelst der Se- crete und Leberauszüge von stets mehreren Individuen (Sepia elegans 6, Eledone moschata an 20, Helix po matia 50— 60, Limax 10 — 20) Beiträge zur Kenntniss der Verdauungsvorgänge. 9 Vergleicht man zuerst die für die Heliciden und Lim- naeus stagnalis gewonnenen Resultate mit denen, welche die Untersuchungen bei den übrigen Mollusken ergaben, so zeigt sich mit Evidenz, — da z. B. bei Helix das Secret in 1^/oiger Sodalösung, sowie bei neutraler Reaction unwirksam, ^) in sau- ren Lösungen (in 0,4 ^'/oiger Essigsäure, 2 "^/o Oxalsäure und in 0,1 — 0,2 ^'o Salzsäure), in welchen das sehr wohl bei alkalischer Zusatzflüssigkeit wirkende Lebersecret der Limaeiden nicht wirkte, hingegen sehr wirksam sich erwiesen, • — dass bei Lima- eiden und Cephalopoden mindestens zwei verschiedene eiweiss- verdauende Enzyme, ein tryptisches und ein peptisches ange- nommen werden müssen, wie ich das gleichfalls für einige Ar- ticulaten später zu beweisen versuchen werde. Während das Lebersecret der Heliciden und von Limnaäus stagnalis wenigstens im Winterschlafe ^) der Thiere des pankreatischen erhalten, so dass sie einigermassen als Durchsclmittswertlie gelten können. Die Versuche wurden, wenn es nöthig schien, mehrfach wiederholt und immer durch Controlversuche sicher gestellt. Die Einwirkung Hess ich hei dem als zweckmässig erkannten Salicylsäure- resp. Thymolzusatze drei Tage wäh- ren, und alle Lösungen, welche während dieser Zeit keine Wirkung er- kennen Hessen, sind durch eine Null hezeichnet. Eine specialisirte Angahe der Zeit, in welcher die Wirkung eintrat, hat für meine aus diesen Ver- suchen gezogenen Schlüsse keine Bedeutung und unterhlieb deshalb. 1) Es sei bemerkt, dass es ebenfalls misslang mit schwacher Milchsäure- oder Salzsäurelösung ein irgendwie wirksames tryptisches Enzym aus diesem Organe zu extrahiren. Ebenso wenig wie bei Helix gelang nach diesen Methoden die Extraction eines tryptischen Enzymes bei L i m n a? u s stagnalis undPaludina vivipara, ferner auch bei Mytilus und Ostrea edulis. -) Xach meinen Untersuchungen scheint es, dass die Verdauung der Wirbellosen im Winter mehr durch rein peptische Enzyme bewerk- stelligt wird. Ich darf behaupten, dass bei meinen Heliciden jede Spur eines tryptischen Fermentes fehlte, da grosse Mengen dieser Thiere zu meinen Versuchen verwendet wurden, während doch z. B. Fredericq ^nach Hoppe- Seij'ler''s Mittheilung in seiner physiologischen Chemie. H. Theil, S. 248) von einer Pancreasverdauung der Weinbergsschnecken spricht. 10 C. Fr. W. Krukenberg: Enzymes ganz baar ist, erweist sich das Lebersecret der Lima- eiden, besonders das von Limax ciuereo-ater und Arion ruf US reicher an dem tryptischen als an dem peptischen Enzym. Mit dem Leberglycerinextracte von Eledone mos ch ata erhält man nach meinen Versuchen entschieden eine stärkere fibrinver- dauende Wirkung in saurer als in alkalischer Lösung : eine That- sache, welche sich auch für viele Limaeiden constatiren liess und direkt die Annahme widerlegt, dass es sich hier lediglich um eine Pancreasverdauung handle. Zweitens ergibt sich aus dieser Tabelle, dass in saurer Lö- sung die enzymatische Wirkung des Lebersecretes unserer Ce- phalopoden und Limaeiden am stärksten in milchsaurer, weinsaurer und oxalsaurer, schwächer in essigsaurer und am schwächsten in salzsaurer Lösung ist, was zwar keineswegs be- weist, dass dieses Enzym mit dem Pepsin der höhern Verte- braten nicht identificirt werden darf. Zur Entscheidung der Frage, ob das tryptische Enzym der Mollusken das Trypsin Kühne's ist, bedarf es fortgesetzter Untersuchungen, da ich weder im Stande war unter den Verdauungsproducten bei alkalischer Lösung Leucin und Tyrosin aufzufinden, noch in unzweifelhafter Weise die Bromwasserreaction zu erhalten. Drittens lehrt aber unsere tabellarische Uebersicht, dass das peptisch wirkende Enzym vieler dieser Mollusken sich nicht ganz identisch mit dem verhält, welches bei Articulaten und Conchiferen von mir näher studirt wurde. Diese Versuche haben zu ferneren unerwarteten Ergebnissen Im Widerspruch zu meinen im August v. Js. gewonnenen Ergebnissen bei Cyprinus carpio und zu denen anderer Autoren bei Cyprinus tinca konnte ich auch vor Kurzem (Januar) aus der Darmmucosa des letztge- nannten Cyprinoiden ausser Trj'psin ein kräftig wirkendes Pepsin extra- hiren.' Es würde hiernach die Schlei he (im Winter?) in Betreff der Ver- theilung der eiweissverdauenden Enzyme im Digestionstractus den Ueber- gang bilden von dem Karpfen zu den Leuciscinen. Beiträge zur Kenntoiss der Verdauungsvorgänge. 11 geführt, welche in der Tabelle keinen Ausdruck finden konnten. Während wahres Pepsin, wie meine Untersuchungen mir zeigen, durch Digeriren mit einer 2°/oigen Oxalsäurelösung (drei Tage lang liess ich die Einwirkung sich vollziehen) ebensowenig etwa von seiner Wirksamkeit einbüsst, als wenn man statt der Oxal- säurelösung eine 0,1 ^'/oige Salzsäure oder 2 '^/oigeMilchsäure an- wendet, wird das peptische Enzym, welches, soweit meine Kenntnisse reichen, ziemlich rein in den Lebern von Mytilus edulis enthalten ist, nach kurzer Zeit (zwei bis drei Stunden genügen bei Anwendung einer 2''/oigen Oxalsäure hinlängHch, um eine in milchsaurer Lösung stark wirkende enzymatische Flüssigkeit unwirksam zu machen) auf das vollkommenste zer- stört. Diese merkwürdige Thatsache beweisen folgende meiner zahlreichen und unter sich in jeder Beziehung vollständig über- einstimmenden Versuche, welche mit einem in Salzsäure, Essig- säure, Weinsäure und Milchsäure fast gleich gut und sehr rasch wirkenden Mytilusleberglycerinextracte angestellt wurden. Folgende Gemische: 1) 5 gr. Enzymat. Glycerin- 3) 5 gr. Enzymat. Glycerin- extract, extract, 2,5 gr. 4^/oige Oxalsäure, 5 gr. 4'^/oige Oxalsäure, 2,5 gr. 0,2<'/oige Salzsäure, 10 gr. Flüssigkeit, 10 gr. Flüssigkeit, 2) 5 gr. Enzymat. Glycerin- 4) 5 gr. Enzymat. Glycerin- extract, extract, 2,5 gr. 4°/oige Oxalsäure, 5 gr. 0,2''/oige Salzsäure, 2,5 gr. Wasser, 10 gr. Flüssigkeit, 10 gr. Flüssigkeit, setzte ich sechs Stunden lang einer Temperatur von 40^ C. im Wasserbade aus. Die Flüssigkeiten wurden sodann durch Dialyse im fliessenden Wasser von den Säuren befreit und dar- auf mit Milchsäure, weil bei Zusatz dieser Säure mir die Wir- 12 C. Fr. W. Krukenberg: kung am raschesten einzutreten scheint, versetzt. Es zeigte sich in ganz evidenter Weise, dass die enzymatische Lösung, welche mit Salzsäure versetzt gewesen war, so gut wie nichts von ihrer ursprünglichen Wirksamkeit verloren hatte. Alle an- dern Gemische — wie durch Zusatz von Kalkwasser erkannt wurde, durch die Dialyse vollständig oxalsäurefrei geworden — waren absolut unwirksam, denn das Enzym war durch die Oxal- säure zerstört. Fernere Versuchsreihen lehrten, dass es für die Wirkung der Oxalsäure ganz gleichgültig ist, ob ausser ihr noch andere Säuren (wie Milchsäure, Essigsäure, Weinsäure, Salzsäure) vorhanden sind oder nicht. Die zur vollständigen Zerstörung dieses peptischen Enzyms erforderliche Zeit hängt lediglich von der Menge der vorhandenen Oxalsäure und des Enzyms ab. Ist wenig Oxalsäure vorhanden, die Lösung hingegen reich an Enzym, so lässt sich sehr wohl eine fibrinverdauende Wirkung des Mytilusleberglycerinextractes in der oxalsäurehaltigen Lösung erzielen, wie Tabelle II. lehrt. Während jedoch in einer Lösung von gleichem Enzymgehalt, welche mit Milchsäure, Salz- säure, Weinsäure oder Essigsäure versetzt ist, nur die Zunahme der Concentration resp. der Verbrauch des Enzymes der Fibrin- verdauung Einhalt thut, gelingt dieVerdauung des rohen Fibrins in der oxalsäurehaltigen enzymatischen Lösung nur in sehr beschränktem Maasse. Sehr bald ist in dieser die Wirkung ver- schwunden, um nie wiederzukehren, welcher Kunstgriffe man sich auch bedienen mag. Diesem peptischen Enzyme kommt auch die Eigenschaft zu in essigsaurer Lösung gekochtes Fibrin zu verdauen^). Nie trat bei meinen Versuchen diese Wirkung ein, wenn Salzsäure oder Milchsäure als Zusatzflüssigkeiten gewählt waren. Es ist dieses eine andere Eigenschaft, durch welche es sich von dem gleich zu besprechenden peptischen Enzyme, wel- 1) Xach meinen Versuchen wirkt 2''/oige Oxalsäurelösung rascher zer- störend auf das Trj^psin ein als 0,1*^/0 ige Salzsäure oder 2*'/oige Milchsäure. Beiträge zur Kenntniss der Verdauungsvorgänge. 13 ches sich bei Cephalopoden und Pulmonaten findet, unter- scheidet. Wesentlich abweichend von diesem fernerhin als Conchopepsin zu bezeichnenden Enzyme verhält sich jenes, welches unvermischt mit andern Enzymen sich bei Helix pomatia findet. Dieses wird ebensowenig, wie das Pepsin der Verteb raten, mit wel- chem es jedoch keineswegs identisch ist, von Oxalsäure zerstört. Vom Pepsin unterscheidet es sich dadurch, dass ihm, wie ich behaupten darf, vollkommen die Fähigkeit abgeht, gekochtes Fibrin zu peptonisiren, während rohes rasch verdaut wird. Bei Zusatz von organischen Säuren (und ganz besonders in verdünn- teren Lösungen derselben) wirkt es am energischsten, in Salz- säure langsamer. Gewöhnlich ist zwar eine sehr beträchtliche Verzögerung bei Salzsäurezusatz bemerkbar, welche aber auf den entstehenden Niederschlag zurückzuführen ist. Versuche — bei welchen dieser abfiltrirt, das Filtrat dialysirt und darauf in zwei Portionen getheilt wurde, deren eine mit Salzsäure angesäuert, während die andere mit Milchsäure, resp. Essigsäure, oder Oxal- säure versetzt wurde — beweisen, dass die Salzsäure sich bei weitem nicht so schlecht als Zusatzflüssigkeit eignet, als man viel- leicht nach oberflächlichen Untersuchungen annehmen möchte. Lösungen, in welchen bei Zusatz des euzymatischen Glycerinex- tractes kein Niederschlag sich bildete, wirkten sehr rasch fibrin- verdauend. Dieses Enzym wird von mir künftig Helicopepsin ge- nannt. Am sichersten kann man sich von der Verschiedenheit des Conchopepsin und Hehcopepsin durch folgende Versuche überzeugen: Etwa 5 gr. eines kräftig wirkenden Glycerinextractes der My tilus- und Helixlebern werden jede für sich in einem Probirgläschen mit 10 gr. einer 0,2°/oigen Salzsäure versetzt, bei deren Zusatz kein Niederschlag entstehen darf. Fügt man nun 5 gr. einer S'^/oigen Oxalsäurelösung, — wodurch man eine 2 °/o Oxalsäure enthaltende 14 C. Fr. W. Krukenberg: Flüssigkeit erhält, und welche sich auch bei dem Oxalsäurezusatz nicht getrübt hat, — hinzu, so zeigt sich nach kaum zehnstündiger Digestion der beiden Flüssigkeiten bei 40° C, dass die helicopeptische Lösung das hinzugefügte rohe Fibrin fast ebenso gut wie vor dem Oxalsäurezusatz verdaut , während die andere Flüssigkeit vollkommen unwirksam geworden ist. Diese Versuche wurden von mir wiederholt angestellt und lieferten stets die nämlichen unzweideutigen Resultate. Andere Versuche, zu welchen Herr Geh, Rath EiiJme mich anregte, haben dargethan, dass eine mehrstündige Digestion mit Soda (die enzymatische Flüssigkeit wurde dabei auf einen Gehalt von l°/o an diesem Salze gebracht) bei 40*^ C. sowohl das Pepsin und Helicopepsin, als auch das Conchopepsin gänzlich vernichtet. Das zeigte sich nicht nur, wenn die Alkalescenz der Flüssigkeit später durch Salzsäure übercompensirt wurde, sondern auch, wenn die Soda vor dem Säurezusatz durch Dialyse entfernt war. Die Eigenschaften dieser Enzyme entfernen sich soweit von denen des Trypsins, dass es unnöthig ist auf die Differenzpunkte, welche sich aus dem Vorigen leicht herausfinden lassen, auf- merksam zu machen. Kur sei erwähnt, dass Trypsin bei 40° C. nach längerer Einwirkung von Oxalsäure (0,4 — 2°/o) ebenso vollständig wie durch jede andere daraufhin untersuchte Säure zersetzt wird. Höchstens liesse sich eine Uebereinstimmung eines dieser Enzyme mit dem Digestin (TJmy\s Darmenzym) vermu- then, dessen Eigenschaften jedoch zu wenig sichergestellt sein dürften, um einen solchen Vergleich zu ermöglichen. ^) Das peptisch wirkende Enzym in den Lebern und in der Galle von Cephalopoden und Limaeiden verhält sich wie Helicopepsin. Die Frage, ob sich hier neben demselben noch etwas Conchopepsin findet, wird sich schwer entscheiden lassen. Das peptisch wir- *) In dem Glycerinextracte der Lebern von drei zur Untersuchung ver- wendeten Ostrea edulis vermisste ich das diastatische Enzym. Beiträge zur Kenntniss der Verdauungsvorgänge. 15 kende Enzym von Ostrea edulis scheint mir reines Conchopepsin zu sein; über das von Limnseus und Planorbis sind weitere Untersuchungen abzuwarten. Die Lebern (sowie deren enzymatisch wirkendes Secret), welche von Cephalopoden (Eledone, Sepia) und Pulmo- naten (Helix pomatia) auf das Vorkommen von diastatischem Enzym untersucht wurden, fand ich reich an diesem. Sie gleichen demnach auch in dieser Beziehung den Leberschläuchen von Astacus fluviatilis und Periplaneta orientalis, welche wie die Leber von Mytilus edulis^), die Darmdrüsen von Hydrophilus piceus, die sogenannten Chloragogenzellen von Lumbricus terrestris, reich an diastatischem Enzym sind. Andererseits aber unterscheiden sie sich dadurch von den Lebern der meisten Vertebraten. Der Zucker, welcher in allen Molluskenlebern meist in reichlicher Menge vorkommt, wurde aus den Secreten und Ex- tracten auf das vollständigste mittelst Dialyse im fliessenden Wasser entfernt und die Ptcsultate durch Controlversuche ge- stützt. Bei diesen Untersuchungen wurde stets die durch Dialyse zuckerfrei gemachte enzymatische Lösung in zwei Portionen ge- theilt, beiden gleiche Quantitäten Stärkekleister zugesetzt und in der einen das Enzym durch Kochen zerstört. Während nach ^'2 — 1 stündiger Digestion bei 40^ C. die gekochte Lösung sich vollständig zuckerfrei erwies, zeigte die Trommer' sehe Probe in der andern Portion einen grossen Zuckergehalt an. In derselben Weise wurden die sogenannten Speicheldrüsen nicht nur mehrerer Cephalopoden, sondern auch die von Arion rufus und Helix pomatia auf das Vorkommen des diastatischen ^) Beobachtungsfeliler können bei diesem Versuche schwerlich jemals unterlaufen, weil das gekochte Fibrin in dieser Flüssigkeit nicht aufquillt. Dasselbe zerfällt nach und nach in immer kleinere Stücke, welche zuletzt nur eine geringe Menge Detritus hinterlassen. 16 C. Fr. W. Krukenberg: Enzyms geprüft. Bei der Präparation dieser Organe war mit aller Sorgfalt darauf geachtet, dass das Verdauungsrohr unver- letzt erhalten blieb. Nie gelang es mir nur eine Spur von diastatischem Enzym in diesen Organen aufzufinden, so dass kaum ein Zweifel darüber bestehen kann, dass diese Drüsen mit Un- recht im functionellen Sinne „Speicheldrüsen" genannt werden. Die Kenntniss der vorgenannten eiweisszersetzenden Enzyme und des die Stärke saccharificirenden reicht nicht aus zum richtigen Verständnisse der Mo 11 u s k e n leber. Claude Bernard 0 beschreibt von Limax flavus einen so merkwürdigen und interessanten Mechanismus der Lebersecretion, dass ich mir nicht versagen kann, dessen Beschreibung, übersetzt, an dieser Stelle ein- zuschalten. „Wenn man den Magen- und Darminhalt von liimax flavus untersucht und zwar bei Thieren, welche lange gehungert haben, so kann man die Gegenwart einer sehr braunen Galle nachweisen, doch in derselben keine Spur von Zucker. Nehmen die Thiere aber dann Nahrung auf, so ergiesst sich ein saurer Magen- saft, welcher sich mit der Nahrung mischt und in welchem sich auch kein Zucker findet. Diesen Befund macht, man aber nur so lange, als die Verdauung währt, und sobald die Nahrung fast vollständig aus dem Magen in den Darm übergetreten ist, ergiesst sich aus dem Ductus choledochus nahe dem Pylorus eine farblose zuckerhaltige Flüssigkeit in den Magen. In demMaasse als die Absorption im Darm fortschreitet, vermehrt sich die Secretion dieser zuckerhaltigen Flüssigkeit in der Leber so sehr, dass der Magen bald von dem Secrete angefüllt und ausgedehnt wird. Die Secretion der zuckerhaltigen Flüssigkeit und der Erguss der- selben in den Magen erfolgt somit nach der sogenannten Magen- verdauung und fällt mit der Absorptionsperiode im Darme zeit- lich zusammen. Diese Flüssigkeit sammelt sich dann auch in 1) Cl. Bernard, Recherches sur une nouvelle fonction du foie. Ann. des scicnces nat. 3e serie, 1853, t. XIX, p. 332. Beiträge zur Kenntniss der Verdauuugsvorgänge. 17 dem nach dem Magen zu sich weit öffnenden Ductus choledochus und staut sich, nachdem der Magen ausgedehnt ist, in der Leber selbst an. So liommt auch in der Leber eine sehr beträchtliche und auffällige allgemeine Dilatation zu Stande. Bald aber ver- ringert sich der Umfang des Magens, des Ductus choledochus und der Leber in Folge der Absorption dieser Flüssigkeit. Diese Aufsaugung wird vorzugsweise im Magen erfolgen, wo das Secret sich besonders anzusammeln scheint, ohne in den Darm überzu- treten. Wenn die Absorption fast vollendet ist, secernirt die Leber eine andere Flüssigkeit, die sich in keiner Weise von der Galle unterscheidet. Das Secret , welches sich dann aus dem Ductus choledochus ergiesst, verarmt nach und nach immer mehr an Zucker, wird zugleich immer mehr gefärbt und ist zuletzt reine zuckerfreie Galle, wie man sie in dem Verdauungsrohre der nüchternen Limax findet. Dann verschwindet die Turgescenz der Leber und ihr Volum nimmt ab. Diese dunkle Galle, welche zuletzt secernirt wurde, scheint nicht merklich resorbirt zu wer- den; sie bleibt im Darme und man findet sie mehr oder weniger eingedickt und mit ihrer braunen Farbe noch bei der folgenden Verdauungsepoche." ^) Besonders wichtig dürfte an dieser Mit- theilung der Befund einer Zuckerbildung in der Leber sein, welcher mich veranlasst, für dieses Organ auch den Charakter der Leber höherer Vertebraten in Anspruch zu nehmen. Ferner folgt aus den Versuchen Claude BernarcVs an Limax flavus, 1) Nach den Angaben von F. Plateau (Reclierches sur les plienomenes de la digestion cliez les lusectes. Mem. de l'acad. royale de Belgique. T. XLI. Partie I., p. 53), dessen Schlüsse jedenfalls einer Rectification be- dürfen, findet sich vielleicht ein diesem ganz identischer Vorgang bei Hy- drophilus piceus. Ebenso leicht dürfte sich jetzt auch das Räthsel lösen, welches uns Leydiij (lieber Paludina vivipara. Z. f. w. Z. 1850, S. 169 Anm.) niittheilt. Leijdig fand nämlich bei zum Wintersclilaf sich an- schickenden Paludinen die Leber sehr verschieden gefärbt und verwerthet diesen Befund zu Gunsten seiner Ansicht, nach welcher „fetthaltige Zellen in gallenstoffhaltige unmittelbar übergehen" sollen. Kühne, Untersuchungen. II. 2 18 C. Fr. W. Kmkeiiberg : dass die Gallensecretion bei diesen Thieren keine stetige, wie bei den höheren Vertebraten ist. Sirodot^) will in den Lebern von Helix pomatia glyco- cholsaures Natrium nachgewiesen haben. Dieses ist die einzige mir bekannt gewordene Mittheilung über das Vorkommen eines specifischen Gallenstoffes bei Evertebraten. Um mich über den Werth dieser Angabe zu versichern, ex- trahirte ich die fein zerriebenen Lebern 46 grosser Exemplare von Helix pomatia mit kochendem Alkohol, filtrirte siedend- heiss den alkoholischen Auszug durch Thierkohle, um die Farb- stoffe zu entfernen, dampfte das Filtrat zur Trockne ein und nahm den Rückstand (mit eiiier in Wasser gelösten Probe dessel- ben gelang die Peffenkof er sehe Gallenreaction nicht) mit sehr wenig absolutem Alkohol auf. Dieses Extract wurde mit Aether im Ueberschuss versetzt. Der dabei entstehende Niederschlag war, wie die üblichen Reactionen bewiesen, vollständig frei von Gallensäuren. Nach der Strecker' sehen Methode wurde ebenfalls nur ein negatives Resultat erzielt. Die Ab^orptionsspectren der alkoholischen Auszüge von den Molluskenlebern, welche neben einigen andern vergleichsweise dargestellten Spectren die beigegebene Tafel veranschaulicht, Hessen es mir, zumal der bei Eledone m ose h ata gefundene schwache Streifen vor D mit dem als zweiter bezeichneten Streifen der Rindsgalle coincidirte, wünschenswerth erscheinen, auch auf die Gallen farbstoffe die Untersuchung auszudehnen. Bei diesen Untersuchungen wurde folgendermaassen verfahren: Die farbstoffreiche wässerige Lösung wurde mit Ammoniak und Chlorbarium versetzt und der entstandene stark gelb gefärbte Nieder- schlag mit essigsäurehaltigem Alkohol ausgezogen; die gefärbte Lösung eingedampft und mit natronhaltigem Wasser aufgenom- 1) Sirodot, Recherches sur les secretions chez les Insectes. Ann. des Sciences nat. Serie IV. T. X, p. 145. Beiträge zur Kenntniss der Verdauungsvorgänge. 19 men. Die Gmclin''sche Gallenfarbstoffreaction Hess sich mit dieser schwach gefärbten Lösung nicht erhalten. Auch darf schon aus der Thatsache, dass sich das Leberpigment der Mollusken leicht in reinem Wasser und in fetten Oelen löst^), fast unlöslich aber in Chloroform ist, seine Verschiedenheit von den typischen Gallen- farbstoflfen gefolgert werden^). Auch habe ich gefunden, dass bei Mytilus e d u 1 i s spectroskopisch ein und dasselbe Pigment Kiemen, Eierstöcke, Mantel wie Leber färbt, was zwar, wie sich gleich zeigen wird, nicht ohne Weiteres bew^eisen kann, dass diese Farbstoffe mit den echten Gallenpigmenten nicht identisch oder ihnen nicht functiouell gleich w^rthig sind. Seitdem es durch die Untersuchungen von Kühne, Jaffe, Maly und Hoppe-Seyler im höchsten Grade wahrscheinlich ge- worden ist, dass die Gallenfarbstoffe Abkömmlinge des Hämoglobins sind, dürfen wir jene mit grösserer Zuversicht auch wohl nur bei denjenigen Everte braten zu finden hoffen, in deren Geweben Hämoglobin nachzuweisen ist^). Ein solcher Nachweis würde für die Stoffwechselfrage von grosser Bedeutung sein und würde gleichzeitig eine weitere Uebereinstimmung zwischen den Lebern der Wirbellosen und der Yertebraten documentiren. Die ganze Entscheidung der Frage, ob man berechtigt ist, die Everte- bratenleber mit der der Wirbelthiere zu analogisiren, wird aber schwerlich an diesen Befund allein geknüpft werden können; ^) Nähere Angaben über den Farbstoff der Helixleber finden sich in der bereits citirten Abhandhing von T. F. W. Schlemm. -) Die Abwesenheit von BiUrubin und Biliverdin in der Ast acu sieber wurde bereits von T. F. W. Schlemm (1. c. p. 30) constatirt, welcher in derselben reichlich Cholestearin fand. Cf. auch F. Hoppe-Sci/Ier in PfJü- ger's Archiv, Bd. XIV. S. 399. ^) Nach den Angaben Ray Lanl-ester's sind günstigere Erfolge bei der Untersuchung des Leberextractes folgender Mollusken zu erwarten: Lim- npeus, Paludina, Planorbis, Littorina, Patella, Chiton, Aplysia, Solen legumen etc. 2* 20 C. Fr. W. Krukenberg: denn, wie sich aus folgendem kurzen Kesume der spectralanaly- tisclien Arbeiten über das Vorkommen des Hämoglobins und an- derer Farbstoffe im Thierreiche ergeben wird, ist weder die Hämoglobinbildung charakteristisch für das Blut, noch die Gal- lenfarbstoff bildung charakteristisch für die Leber. Seit den inte- ressanten Beobachtungen von NawrocU^), Ray LanJcester^), Moseleiß) u. A., welche die Gegenwart des Hämoglobins bei den verschiedensten Classen der Wirbellosen dargethan haben, hat bekanntlich das Hämoglobin aufgehört, ein typischer Stoff für die Vertebraten zu sein, und Kühnes Nachweis^) des beim Kanin- chen auf einzelne Muskeln im Vorkommen beschränkten Hämo- globins hat die Vorstellung von einer lediglich im Dienste der Blutathmung stehenden Bedeutung desselben wesentlich modi- ficirt. Durch die Bemühungen englischer Forscher steht uns heute eine grosse Anzahl von der Beobachtung Kühnes analogen Befunden zu Gebote, ohne dass es jedoch bisher geglückt wäre, das auf einzelne Organe beschränkte Vorkommen des Hämoglo- bins mit einer functionellen Bedeutung dieser Theile in Beziehung zu setzen. Ferner konnte der Blutfarbstoff in sehr verschiedenen Geweben (glatte und quergestreifte Musculatur, Nervengangiien [Aphrodite aculeata] etc.) aufgefunden werden, und zwar bei 1) NawrocU, Ceutralbl. f. d. medic. Wiss. 1867. S. 196. 2) JE/'. Bat/ LanTcester, Observation with the Spectroscope. Journ. of Anat. and Pliysiol. 1867. p. 114. — lieber das Vorkommen von Hämoglobin in den Muskeln der Mollusken etc. Pflüger''s Archiv, Jahrg. IV. 1871. S. 315. — A Contribution to the Knowledge of Haemoglobin. Proceedings of the Royal Society of London. Vol. XXI. 1873. p. 70. — On the Specti'oscopic Examination of Certain Animal Substances. Journal of Anat. and Physiol. Vol. IV. 1870. p. 119. 3) H. N. Moseley, On the Colouring Matters of Various x\nimals, and especially of Deep-sea. Qnarterly Journal of Microscopical Science. Vol. XVII, new ser. 1877. p. 1. *) W. Kulme, üeber den Farbstoff der Muskeln. Arch. f. path. Anat. Bd. XXXIII. 1865. S. 79. Beiträge zur Kenntniss der Yerdauungsvorgänge. 21 Thieren, deren Blut frei davon ist. Diese Untersuchungen wider- legen hinreichend die noch sehr verbreitete Ansicht, dass das Hämoglobin in seinem Vorkommen auf das Blut beschränkt sei. Was über die Befunde des Hämoglobins in den Geweben zu sagen war, lässt sich auch direct auf die Gallenfarbstoffe übertragen. Auch sie finden sich weder bei den Vertebraten in ihrem Vorkommen auf die Leber beschränkt^), noch werden sie diesem Typus der Thiere eigenthümlich sein. Nicht weniger wichtig als der Nachweis des Vorkommens echter Gallenfarbstoffe bei AVirbellosen dürfte die Entscheidung der Frage sein, ob die Farbstoffe mit ausgezeichneten Ab- sorptionsbändern, welche ich in den Lebern von Mollusken auf- fand, den Gallenfarbstoffen der Vertebraten in chemischer Be- Ziehung nahe stehn. Wie aus den Spectren auf Tafel I ersicht- lich ist, wird durch den Absorptionsstreifen vor C, dessen Lage und Breite bei den alkoholischen Leberextracten der verschiede- nen Mollusken zwar geringe Differenzen erkennen lässt, eine gewisse Uebereinstimmung der Molluskenlebern unter sich aus- gedrückt. Auch wird durch den Streifen vor E eine Ueberein- stimmung des Farbstoffes in der Eledone- und Helixleber an- gedeutet, obgleich der sehr wenig ausgeprägte Streifen vor D, welchen das alkoholische Extract der Eledoneleber erkennen liess, von mir in dem alkoholischen Auszuge der Lebern von Helix poraatia und der anderen Mollusken vollständig vermisst wurde. Eine Aehnlichkeit mit den Farbstoffen in der Galle des Rindes könnte nur in dem sehr schwachen Streifen vor D, welchen das alkoholische Extract der Leber von Eledone mo- schata aufweist, vermuthet werden. Auffallend bleibt die grosse Constanz der Pigmentirung, 1) cf. F. Hoppe-Sei/ler, Handb. d. physiol.- u. pathol.-chem. Analyse. IV. Aufl. 1875. S. 209. (III. Aufl. S. 180). — Physiologische Chemie. Th. IL 1878. S. 293. 22 C. Fr. W. KrukenlDerg: welche die Lebern sowie ihr Secret anch bei den Wirbellosen charakterisiren, und welche fast als ausschliessliches Motiv zur Bezeichnung dieser Organe führte. Nicht unwahrscheinlich dürfte die von den Zoologen gemachte Annahme sein, dass die Farb- stoffbildung in diesem Organe für die Wirbellosen von einer analogen Bedeutung ist, wie die der echten Gallenfarbstoffe für die y er teb raten. Dass die Evertebratenlebern auch durch ihren Zucker- reichthum den Lebern höherer Thiere gleichen, hat schon Claude Bernard bewiesen, während ihr Fettgehalt eingehender zu unter- suchen sein wird^). Alle Enzyme, welche im Verdauungsrohre der von mir unter- suchten Mollusken nachzuweisen sind, lassen sich, wie wir sehen, auch aus der Leber dieser Thiere extrahiren. Das künstliche Leberextract ist vollkommen identisch mit der Galle oder dem sogenannten Magensaft. Aus dem Mitgetheilten folgt ferner, dass die Leber dieser Thiere nicht nur alle die Functionen er- füllen kann, welche Speichel- und Magendrüsen, Pankreas und Leber der höhern Thiere in toto versehen, sondern auch dass sie ausschliesslich die Enzymbildung besorgt. Die Leber liefert alle Secrete in genügender Fülle, welche die Verdauung der Nahrung bei diesen Thieren irgendwie verlangt. Die Mollusken bedürfen keines Pankreas, keiner Speichel- und Magendrüsen ; denn alle Functionen dieser Organe sind in ihrer Leber vereinigt. Ob in diesem so vielseitigen Organe Alles (die verschiedenen Enzyme, das Fett, der Zucker, die Gallenfarbstoffe etc.) durch Colliquation ^) Von "Wichtigkeit für das Yerständniss der Leberfunction bei Mol- lusken scheinen mir auch die Untersuchungen von Sabatier (Sur un organ parachymateux d'un gros volume chez les Ampullaires, qui est situe entre le foie et l'organe de Bojanus. Eevue scientifique. Septieme annee. Serie IL Nr. 13. p. 301) zu sein, nach -welchen bei Ampullarien eine Drüse zu existiren scheint, welche theils Leber-, theils Nierenfunction versieht. Beiträge zur Kenntniss der Verdauungsvorgänge. 23 aus Einer Zelle hervorgehen kann, ob Traiissudation und zur Becherzellenbildung führende Quellung der Zellen periodisch ab- wechseln, oder ob Arbeitstheilung unter den Leberzellen herrscht, muss zur Zeit wohl als eine offene Frage angesehen werden^). Der kleine und grosse periodische Wechsel der Enzymproduction, die Verschiedenheiten unter den Lebersecreten bei nahe ver- wandten Thieren werden sichere Ausgangspuncte zur Lösung dieser Frage bieten. IL Ueber die Verdauung einiger Articulaten. 1) Astacus fluTiatilis Ronä. Das Astacuslebersecret enthält mindestens drei Enzyme, ein diastatisches, ein peptisches und ein tryptisches, denen nach Eoppe-Seyler's Angabe^) ein fettzersetzendes als viertes anzu- reihen wäre. Von der Gegenwart des diastatischen Enzymes in diesen Lebern kann man sich durch die üblichen Methoden leicht über- zeugen, doch ist es auch hier nöthig aus dem Magensafte wie dem Leberextracte auf die beschriebene Weise den Zucker vorher zu entfernen, wenn man zu beweiskräftigen Ergebnissen gelangen will. Dass neben dem tryptischen ein peptisches Enzym sich fin- det, lehrt die Extraction dieser Organe mit einer 2*'/oigen Milch- säure- oder 0,1 — 0,2*^/oigen Salzsäurelösung. Auf die zerkleinerten ') Xach Heinrich MecJcel (Mikrographie einiger Drüsenapparate der niederen Thiere. Midieres Archiv. 1846. S. 11 ii. 12) entsteht bei Lym- nseus stagnalis, Helix, PI anorbis, Anodonta, Dreissena, C'yclas Paludina, Ostrea etc. das Gallenfett in anderen Zellen als das Gallen- pigment. Leydiff (Ueber Paludina vivipara. Zeitschr. f. wiss. Zool. 1850 Bd. II. S. 169) hingegen glaubt sich dahin aussprechen zu müssen, „dass nicht Gallenfett und Gallenfarbstoti', jedes für sich in einze*lnen Zellen berei- tet wird, sondern dass die fetthaltigen Zellen durch Umwandlung ihres In- halts in gallenstoff haltige nnmittelbar übergehen." ^) Hoppe-Seyler, Unterschiede im ehem. Bau u. d.. Verdauung höherer u. niederer Thiere. PfUiger's Archiv, Bd. XIV. S. 398. 24 C. Fr. W. Krukenberg: Ast acu siebern liess ich in dem einen Falle erstere, in dem an- deren die letztere Lösung acht Stunden lang bei 38^ C. ein- wirken, während .zugleich ein zweckmässiger Zusatz von Salicyl- säure die Verdauungsflüssigkeit vor der Zersetzung durch niedere Organismen schützte. Die angedaute Masse wurde ausgepresst, filtrirt und in je zwei Portionen getheilt, von denen die eine mittelst Soda neutralisirt und auf einen Gehalt von 1 ^/o an diesem Salze gebracht wurde ; die andere Portion bheb unverändert. Die Flüssigkeiten, welche sauer (sei es durch Milchsäure oder Salzsäure) geblieben waren, hatten im Laufe von zwei Stunden die eingelegte Fibrinflocke bis auf einen unbedeutenden Ptückstand verdaut, wäh- rend die Portionen von alkalischer Pieaction selbst nach Tagen die Flocken unverändert Hessen. Mit gekochter Verdauungsflüssigkeit angestellte Controlversuche bestätigten den Befund, welcher meines Erachtens keine andere Deutung zulässt, als dass ebenfalls von der Lösung aufgenommenes tryptisches Enzym durch die Salz- säure in derselben Weise zerstört wurde, wie es wirkhches Tryp- sin wird. Die Wirkung in salzsaurer Lösung bleibt nur dann aus, wenn man den wässrigen Leberauszug oder das Secret mit Salz- säure versetzt, weil der entstehende Niederschlag viel oder alles Enzym mit niederreisst. Immer, auch wenn nur Eine Leber ex- trahirt wurde, erhielt ich eine, zwar oft erst nach längerer Zeit eintretende Wirkung,, in 0,1 — 0,2°/o Salzsäure, wenn das ange- gegebene Verfahren eingehalten wurde. Schon die einfache That- sache, dass das Lebersecret von Astacus sauer reagirt ^), hätte zur Aufsuchung des peptischen Enzymes führen sollen. Ist es 1) Die saure *Reaction des Secretes der Krebsleber wurde zuerst von T. 'F. W. Schlemm (1. c. S. 29) entdeckt, und Lindner (Nonnulla de hepate et bile evertebratorum. Dissertatio. Berolini 1844, S. 23) bestätigt diese Angabe, auf den Unterschied mit der Wirb elthi ergalle aufmerksam machend. Beiträge zur Kenntniss der Verdauungsvorgänge. 25 doch vollkommen unverständlich, wie ein Enzym im Dienste der Verdauung wirken kann, w'enn in dem Hauptverdauungsraume die Reaction seine Wirkungsfähigkeit verhindert oder wenigstens im hohen Grade beeinträchtigt. Zwar dürfte es nicht seltsamer er- scheinen und diesen Vorwurf in etwas abschwächen, dass zugleich in dem Lebersecrete von Astacus sich neben dem tryptischen, welches erst in einem nachfolgenden Verdauungsbezirke seine Ver- wendung finden könnte, ein peptisches Enzym vorhanden ist, das jenes nach nur einigermaassen lange währender Einwirkung voll- ständig zu zerstören vermag. Ferner ergibt sich schon daraus, dass die eiweissverdauende Wirkung des Krebslebersecretes sich in 0,5— 2 ^/oiger Milchsäurelösung fast ebenso rasch vollzieht als in l°/oiger Sodalösung oder bei ganz neutraler Reaction, dass dieses keine rein tryptische, sondern eine von der des Trypsins sehr verschiedene Wirkung ist. Das Trypsin, nach Kühne'?, Untersuchungen in schwachen Lösungen organischer Säuren auf Eiweissstoffe nicht ganz unwirksam ^), unterscheidet sich also da- durch von diesen Enzymen, dass es in alkalischen und neutralen Lösungen viel rapider wirkt als in schwach sauren ; auch wirkt Trypsin nie fibrinverdauend in einer 1 — 2 pr. m. CIH. Die Thatsache, dass das peptische Enzym durch längere Digestion bei 40^ C. mit Sodalösung, das tryptische hingegen durch längere Digestion mit Salzsäure bei derselben Temperatur zerstört wird, liefert die einfachste Methode zur Reindarstellung dieser beiden Enzyme. Die Zusatzflüssigkeiten lassen sich durch ^) Das Leberextract von Cypriniis tinca, von dem angenommen werden darf, dass es reines Trypsin enthält, wirkt nach meinen Versuchen ebenfalls fibrinverdauend in 1- und 2 "/oiger Milchsäui-e-, 0,4- und l^/oiger Essigsäure- lösung, während es sich unwirksam in l^/oiger Oxalsäure erweist. Auch das Leberextract von Leuciscus melanotus zeigte in 1 "/oiger Milch- säure fibriuverdauende Wirkung. Das Karpfen leberextract. durch Selbst- verdauung gewonnen, war unwirksam in 2°/oiger Essigsäure, 0,5- und P/o- iger Oxalsäure. 26 C. Fr. W. Krakenberg: Dialyse leicht entfernen. Mit so gereinigten enzymatischen Flüssig- keiten wurden meine Versuche (die verdauende Wirkung prüfte ich immer an rohem Fibrin) ausgeführt, deren Eesultate in Ta- belle II ihren Ausdruck finden. Es ergibt sich daraus, dass es mir nicht gelang, eine Verdauung in oxalsaurer Lösung herbei- zuführen, selbst wenn Glycerinextracte angewendet wurden, welche sich bei Oxalsäurezusatz nur massig trübten, oder wenn ich direct die Lebern mit oxalsaurer Lösung extrahirte. Gekochtes Fibrin liess sich weder in milchsaurer noch in salzsaurer Flüssigkeit ver- dauen. In diesen Eigenschaften gleicht somit daspeptische Enzym von Astacus dem Conchopepsin. Doch werden weitere Untersuchungen zu lehren haben, inwieweit diese Uebereinstimmungen mit den Eigenschaften des Conchopepsin und die Differenzen vom Pepsin der Vertebraten begründet sind, und ob sich deren Zahl durch andere Versuchsreihen nicht noch erheblich vermehren lässt. Der chemische Act der Verdauung vollzieht sich beim Fluss- krebs ausschliesslich im Magen; denn wenn der Speisebrei im Darme alkalisch wird, ist, wie ich mich vielfach überzeugte, das tryptische Enzym in demselben bereits vollständig zerstört. Die Entscheidung der Frage, ob das neben dem peptischen vorkommende tryptische Enzym wahres Trypsin ist, bleibt spätem Untersuchungen überlassen, da ich unter den Verdauungsproducten weder Leucin noch Tyrosin auffinden konnte. Der Körper, welcher die Bromwasserreaction veranlasst, bildet sich in reichlicher Menge. 2) Periplaneta (Blatta) orientalis L. nebst Bemerkuugen über die Function der sog. Kaumägen. Die Angaben von S. JBasch^) und Jottsset^), nach welchen die Speicheldrüsen der Blatta ein diastatisches Enzym ent- 1) S. BascJi, Unters, über das chylopoetische und uropoetische System der Blatta orientalis. Sitzimgsb. der Wiener Acad. Bd. XXXIII. 1858 Nr. 25. S. 234—260. 2) Jousset. Recherches sur les fonctions des glandes de l'appareil digestif des Insectes. Compt. rend. T. 82 p. 97. Beiträge zur Kenntniss der Verdauungsvorgänge. 27 halten, kann ich vollständig bestätigen. Ich bediente mich der- selben Methode, welche bei dem Nachweis dieses Enzynies in den Molluskenlebern Anwendung fand und an jener Stelle be- schrieben ist. Dasselbe Enzym Hess sich aus dem in den Speichel- reservoiren angesammelten schleimigen Secrete gewinnen. Es besteht somit keine Identität zwischen diesen Speicheldrüsen und den Pharynxsclileimdrüsen der Mollusken. Von eiweissverdauenden Enzymen sind diese Drüsen voll- kommen frei, wie schon Jousset hervorhob. Ich habe auch die Versuchsanordnung genau in der von Bascli beschriebenen Weise ^) getroffen ; natürlich mit demselben negativen Resultate. Der Magen ist auch bei diesem Articulaten ein Haupt- verdauungsraum, jedoch in etwas anderer Weise als beim Krebse. Er erhält wie bei Astacus das Secret der Leberschläuche aus erster Quelle und kann nicht lediglich als der Resorption dienend, wie Jousset will, angesehen werden. Der aus der stärkereichen Kost, durch die Einwirkung der aus den Speicheldrüsen und den Leberschläuchen (!) stammenden Diastase gebildete Zucker scheint auch mir, in Bestätigung der Angabe JousseVs^ in dem Magen ziemlich vollständig resorbirt zu werden ; denn der In- halt des sogenannten Chylusdarmes ist sehr arm an Zucker, ja der letztere kann selbst ganz in diesem Darmabschnitte fehlen. Dieser Befund deutet darauf hin, dass die saccharificirende Wir- kung der Secrete auf Stärke und die Resorption des Zuckers hier sehr rapide erfolgen und bereits zum Abschluss gelangt sind, wenn die Speiseballen in den Darm übergeführt werden. Die Eiweissstoffe werden in dem Magen, dessen Inhalt nur eine geringe Peptonreaction zeigt, sehr wenig verändert, obgleich die zu ihrer Transformirung nöthigen Enzyme an diesem Orte keineswegs fehlen. Dieses dürfte allein darin seine Begründung 1) S. BascTi, 1. c. S. 257. 28 C. Fr. W. Krukenberg: finden, dass die Nahrung nur kurze Zeit im Magen verweilt und in Folge dessen die Wirkung der peptonisirenden Enzyme ihr Anfangsstadium nicht überschreitet. Hat die Speise den complicirt gebauten Pylorialapparat, über welchen später Einiges zu sagen ist, passirt, so verliert sie mehr und mehr von ihrer sauren Beschaffenheit, sei es, weil die Säure gebunden, zersetzt, oder sei es, weil sie resorbirt wird. BascJis Angabe, der Inhalt des Chylusdarmes besitze immer alkalische oder neutrale, entschieden keine saure Keaction, fand ich stets bestätigt; aber ich glaube doch annehmen zu müssen, dass erst in diesem Abschnitte die Neutralisation, durch Diffusionsvor- gänge rasch um sich greifend, eintritt, weil das saure Secret der Blinddärme im Magen stets, auch w'enn der letztere reichlich Mehl enthält ^), unter normalen Umständen seine ursprüngliche Eeaction bewahrt. Meine Untersuchungen drängen zu der Annahme, dass das Secret der Blinddärme bei Blatt a sich nicht in den soge- nannten Chylusdarm ergiesst, wie es früher für selbstverständlich galt, sondern in den Magen. Einen, aber immerhin unbedeu- tenden Abfluss in den ersteren Abschnitt will ich zwar nicht in Ab- rede stellen. In der vortrefflichen Arbeit F. Graber's^) findet meine nothwendige Annahme eine unerwartete Stüt-ze, wenn schon die stomachalen Ausführungsgänge der Blinddärme erst noch nach- zuweisen sind. Graher fand nämlich, dass bei Decticus verrucivorus die Appendices pyloricae dadurch gebildet wer- den, dass sich zwischen die innere Chitin- und die äussere Muskelhaut eine ansehnliche Lage von Drüsenzellen einschiebt. Aus diesem Grunde sind nach Graher die Blinddärme auch 1) Ich fand in diesem Falle die Versuche von Plateau (1. c. p. 70 u. 71) nicht bestätigt. 2) V. Graher, Zur näheren Kenntniss des Proventriculus und der Ap- pendices ventriculares bei den Grillen und Laubheuschrecken, Sitzungsb, d. Wiener Acad. Bd. LIX. 1869. S. 4 u. 5 sowie Fig. 13. Beiträge zur Kenntniss der Verdaviungsvorgänge. 29 keine einfachen Aussackungen des Chylusmagens, sondern viel- leicht Ausstülpungen der Drüsenschicht desselben. Ob auch im Darme enzyraatische oder nur alkalische Secrete abgesondert werden, lässt sich schwer entscheiden, weil die Wir- kung der eiweissverdauenden Blinddarmenzyme erst in diesem Abschnitte ihren Höhepunkt erreicht und die Inhaltmassen somit keinen Anhaltspunkt geben, was von Enzymen zugeführt, resp. an Ort und Stelle selbst gebildet wurde. Auch auf histologische Befunde wird man sich hier wenig verlassen dürfen. Jedenfalls mischen sich im Darme dem Speisebreie keine Enzyme bei, mit denen er nicht schon in hinreichender Menge im Magen imprä- gnirt wäre. Was die Natur der die Eiweisssubstanzen peptonisirenden Enzyme in dem Secrete der Leberschläuche anbelangt, so sei auf das bei A s t a c u s Gesagte verwiesen ; denn von diesem Ab- weichendes könnte für B 1 a 1 1 a nicht angegeben werden, wenn man darauf keinen Werth legen würde, dass bei der Schabe ein wenig mehr peptisches als tryptisches Enzym sich findet, während bei Astacus vielleicht ein nahezu vollständiges Gleich- gewicht zwischen beiden Enzymen besteht. Keinen andern Unter- schied kenne ich in der verdauenden Wirkung auf Eiweissstoife zwischen den beiden Secreten, von welchen das eine (nämlich das bei der Blatta) nach den Angaben früherer Beobachter reines Pepsin und das andere (bei Astacus) Trypsin oder ein diesem ähnliches Enzym enthalten sollte. Auch darin stimmen die Secrete der Leberschläuche beider Articulaten überein, dass sie sehr reich an Diastase sind : denn keines.wegs fehlt diese in dem Auszuge und Secrete der Blinddärme von Blatta, wie Jousset meinte. Die poststomachalen, theils stark chitinösen (bei In s e c t e n), theils stark musculösen (Pylorialmägen vieler Verte braten) und dann bisweilen hornartig bekleideten (M u g i 1 i c e p h a 1 u s) 30 C. Fr. W. Krukenberg: Erweiterungen haben zu vielen Vermuthungen Anlass gegeben, welche alle meiner Ansicht nach wenig befriedigen. Man hat in diesen Gebilden zweckmässige Verschlusseinrichtungen, Kau- und Reibapparate gesehen, aber, wie ich glaube, ohne den Kern der Sache zu finden oder den Werth derselben einigermaassen er- schöpfend auszudrücken. Was die pylorialen Muskelbulben der höhern Thiere mit Ausnahme des Kaumagens der körnerfressenden Vögel, des- sen Function unzweifelhaft feststehen dürfte, anbelangt, so muss ich diese Bildungen als ursprünglich zum eigentlichen Darme gehörig auffassen ^). Sie haben nach Art einer Druckpresse zu Avirken; in einzelnen Fällen mögen sie nebenbei auch noch eine andere Function erfüllen. Sie stellen, wenn man so will, eine centrirte Darmmusculatur vor. Wie sich das Herz zu dem übrigen Gefässsystem verhält, so verhalten sich die sogenannten Pylorialffiägen zum Darme, und sie müssen als das Hauptpropul- sionsorgan für diesen Abschnitt des Digestionstractus gelten. Als solches pressen sie den meist sehr zähen Speisebrei aus dem Magen in das enge Darmlumen hinein. Besonders gilt dieses für den sogenannten Muskelmagen von Mugil, welcher seit Ctwier allgemein mit dem Kaumagen der körnerfressenden Vögel verglichen wird, zwar ohnedass dadurch das Verständniss für jenes Vorkommen erleichtert wäre. Stets fand ich den Verdauungstractus bei Mugil cephalus von Schlammmassen erfüllt, die im Munddarme nicht fester und widerstandsfähiger waren als im Mittel- und Enddarm, also einer weitern Zerkleinerung nicht bedurften. Eine solche wäre, wenn man mehr Gewicht auf den Schutz d^r Darmmucosa als auf eine erschöpfende Ausgewinnung des Aufgenommenen legen würde, ^) Nichts -würde so schlecht am Platze sein als ein hinter der vor- wiegend dem Yerdauungsacte dienenden Erweiterung angebrachter Kau- oder Reibapparat, welcher die Nahrungsstoffe der Einwirkung von Enzymen erst zugänglich machen soll. Beiträge zur Kenntuiss der Yerdauucgsvorgänge: 31 z. B. bei Spams bops viel angebrachter gewesen, dessen Darminhalt ich oft mit festen bis zwei Linien langen Fragmenten von Echinodermenstacheln durchspickt fand. Leider bin ich bei der Untersuchung der Munddarmschleimhaut von Mugil in Be- treff der secernirten Enzyme zu keinem entscheidenden Resul- tate gelangt. Sollte sich später ergeben, dass die Zellen der Vorderdarmschleimhaut dieses Fisches Enzyme secerniren, so wäre als Function für den Kaumagen von Mugil wohl eine innige Durcharbeitung des Schlammes mit dem enzymatischen Secrete zur gehörigen Ausgewinnung der in den Contenten sehr ver- theilten Nahrung anzunehmen; doch wird die wichtigere Function immer die sein, den zähen Schlamm in den engen Darmcanal hineinzupressen, wozu die geringe Entwicklung der eigentlichen Darmmusculatur nicht auszureichen scheint. Es ist dieses eine Einrichtung, welche im Antrum pyloricum der höheren Yerte- braten ihr Analogen findet, und der musculöse Bulbus von Mugil wäre demnach nicht dem Kaumagen der körnerfres- senden Vögel zu analogisiren, sondern dem Pylorialmagen einiger Ardeiden (Ardea, Ciconia) und Crocodile, dessen Function somit ebenfalls klar gestellt sein dürfte. « Kehren wir nach dieser zur Rechtfertigung des Folgen- den mir nothwendig erscheinenden Abschweifung zu dem so- genannten Proventriculus der Blatta zurück, so wird sich nichts von dem Gesagten mit seiner Einrichtung genügend in Einklang bringen lassen; denn seitdem feststeht, dass bei Blatta sich das enzymatische Secret in dem Oesophagus (der verglei- chenden Anatomen) ansammelt, dass in diesem Räume die Haupt- einwirkung der Diastase erfolgt, dass fast aller Zucker hier resorbirt wird, kann ein Zerkleinerungsapparat hinter dieser wohl entwickelten Verdauungsampulle nur von untergeordneter Bedeutung sein. Ebensowenig, wie ich in Abrede stelle, dass in geeigneter Weise zwischen die Falten und Chitinleisten dieses 32 C. Fr. W. Krukenberg: sogenannten Kaumagens gelangende grössere Speisereste eine Theilung erfahren können, bestreite ich, dass sein intestinaler Wulst einigermaassen ein Regurgitiren des Darminhaltes ver- hindert; aber seine Hauptfunction wird uns sicherlich erst dann verständlich werden, wenn wir die Einmündungsstelle des Blind- darmsecretes kennen, zu dessen vortheilhafter Vertheilung im Verdauungsrohre diese complicirte Einrichtung nothwendig er- scheint. Meiner Ansicht nach wird der sogenannte Kaumagen dieses und vielleicht aller Orthopteren functionell nur dem Spiral- magen der Cephalopoden und den Darmtaschen der Pulmo- naten verglichen werden dürfen. 3) Hydrophilus piceus L. Morphologisch als sehr verschieden erscheinende Drüsen- apparate bereiten bei den Vertebraten die Verdauungsenzyme. Während eine grosse Anzahl tubulöser Drüschen das Pepsin für die Magenverdaaung liefert, bildet eine meist einheitliche grosse Drüsenmasse (das Pankreas) die zur Verdauung im Darme erfor- derlichen Enzyme. Selbst die Production eines und desselben Enzyms kann nicht nur bei verschiedenen Vertebraten von verschiedenen Apparaten besorgt werden, sondern es kann auch ein und dasselbe Enzym bei ein und demselben Thiere in verschiedenen Organen entstehen. In der Classe der Fische^) kann das Trypsin directvon der Darmmucosa, welche in solchen Fällen gleichsam eine auseinandergelegte Drüse darstellt, secernirt werden; es kann in schwach entwickelten Ausstülpungen der Darmwand (Appendices pyloricae) entstehen und in solchen, welche sich vollkommen zu einheitlichen Drüsen- ') C. Fr. W. Krukenherg^i Vei;suche zur vergl. Pliysiol. d. Verdauung mit besonderer Berücksichtigung der -Verhältnisse bei den Fischen. Unters, a. d. phys. Inst, zu Heidelberg. Bd. I. S. 327 ff. Beiträge zur Kenntniss der Yerdauungsvorgänge. 33 massen im Laufe der Entwicklung umgeformt haben. Alle diese Möglichkeiten finden sich bei ein und demselben Thiere, bei S c 0 r p ?e n a , verwirklicht. An jeder beliebigen Stelle des Darmrohres können sich Drüsenschläuche ausbilden; der Grad ihrer Entwicklung wird vorwiegend abhängen von der Natur ihrer Enzyme, der Beschaffen- heit der zu verdauenden Nahrung und der Zeit, während welcher das Secret im Darmrohre seine Wirkung entfalten kann. Diese Hauptfactoren vernachlässigend hat man sich gewöhnt, auf Neben- sachen den Werth zu legen. Die Länge oder Kürze des Darra- kanales hat vorwiegend die vergleichenden Anatomen beschäftigt und zu Annahmen Veranlassung gegeben, welche weder consequent durchführbar noch irgendwie begründet sind. Erst wenn die Natur der secernirten Enzyme genügend bekannt, die Rhythmik der Contractionen der Darmmuskulatur und das qualitative wie quantitative Nahrungsbedürfniss der Thiere ergründet sein werden, ist man befähigt, derartigen morphologischen Befunden von nur untergeordneter physiologischer Bedeutung Rechnung zu tragen. Bisher trafen wir bei den Wirbellosen nur gesonderte secretorische Bezirke an, welche als compacte Drüsenmassen odef als weniger complicirte Schläuche auftreten. Bei Periplaneta Orientalis haben wenige Drüsenkörper des Mitteldarmes eine ausgiebigere Entwicklung erfahren, um an geeigneter Stelle vor- zugsweise die Secretion der Verdauungsenzyme zu besorgen. Bei Astacus fluviatilis ist diese Differenzirung noch weiter vorge- schritten und hat bei den Mollusken bereits den bedeutendsten Grad der Entwicklung erlangt. Faltenbildungen vergrössern hier meist die secernirende Oberfläche, eine grosse Zahl und über- mässige Längenentfaltung der einzelnen Schläuche entbehrlich machend. Bei Hydrophilus piceus sowie bei SquilJa üiantis sind die Verhältnisse wesentlich andere. Die secretorischen Apparate Kühne, Untersuchungen. 11. 3 34 C. Fr. W. Krukenberg: sind in der Wand des Mitteldarmes zerstreut; in keinem Bezirke haben sich einzelne dieser Drüsen vorwiegend entwickelt. So liefern bei Hydrophilus flaschenförmige Drüsenkörper, jüngst noch als Peritonealdrüsen aufgefasst, peripherisch von der Muscularis des Mitteldarmes gelegen und diese mit ihrem trichter- förmig sich verengenden Ansatzstücke durchbrechend, die Ver- dauungssecrete. Die Ausführungsgänge derselben treten der Länge und Quere nach winkelig gebogen durch die Darmwand hindurch und an ihrer intestinalen Mündungsstelle ist die chitinöse Intima, welche das Darmepithel bekleidet, unterbrochen. Das Darmepithel hingegen wird ausschliesslich die Resorption zu besorgen haben. Plateau'^) glaubt bewiesen zu haben, dass von den Zellen des Oesophagus ein diastatisch wirkendes Secret geliefert werde. Seitdem wir wissen, dass das Vorkommen von Secreten in einem Bezirke des Verdauungsrohres bei E v er teb raten durchaus keinen Anhaltspunkt für die Kenntniss des Ortes seiner Bildung und Ausscheidung abgibt, kann seine Beweisführung nicht mehr ge- nügen. Doch scheint mir eine Oesophagealsecretion nicht un- wahrscheinlich, weil auch hier die chitinöse Intima von den be- kannten knochenkörperähulichen Lumina durchbrochen wird. Ueber den Werth des Secretes und die Natur etwa vorhandener finzyme jedoch werden erst w^eitere Untersuchungen Aufschluss geben können. Das Secret der Mitteldarmdrüsen, welches ich in Ueberein- stimmung mit Plateau von unzweifelhaft alkalischer Beschaffen- heit finde, ist sehr reich an Diastase. Neben tryptischem enthält es ein peptisches Enzym ^j , welches in saurer Lösung gekochtes ■wie ungekochtes Fibrin verdaut und mit alkalischer Flüssigkeit 1) F. Plateau, 1. c. S. 50 ff. 2) Der Gelialt der Darmextracte an peptischem Enzym ist sehr unbe- deutend und wurde anfangs von mir (1. c. p. 337) ganz übersehen. Beiträge zur Kenntniss der Verdauungs Vorgänge. 35 längere Zeit bei 38'' C. digerirt, zersetzt wird. An tryptischera Enzym ist das Secret viel reicher als an peptischem , welches beim Verdauungsacte dieses Thieres überhaupt nur selten zur Wirkung kommen dürfte. Das peptische Enzym von Hydro- philus piceus scheint mir dasselbe zu sein, welches sich bei Astacus und Blatta findet. Die gelben Jlalpighi' sehen Gefässe sind, wie auch ich mich überzeugte, frei von bei der Verdauung wirksamen Enzymen. Diese Thatsache verbietet zwar sie den Crustaceenlebern und den Orthopterenblinddärmen als ganz analog zu erachten, schliesst jedoch keineswegs die Möglichkeit aus, dass sie eine Function — ich meine die Farbstoff bildung, welche die meisten Evertebratenlebern charakterisirt — , mag diese auch nur eine excretorische Bedeutung haben, mit den im Uebrigen als Leber fungirenden Mitteldarmdrüsen theilt. Der gegen Leydig erhobene Einwand, welcher sich auf die Insertion der gelben IlaljnghV sehen Gefässe bezieht, wäre zwar hinfällig geworden, seitdem ich zeigen konnte, dass bei den ^yirbellosen Secrete aus hinteren Ab- schnitten des Yerdauungsrohres in mehr oralwärts gelegene be- fördert werden können. Aus meinen Untersuchungen ergab sich, dass bei den Arti- culaten in derselben Weise wie bei Cephalopoden und Li- maciden das Lebersecret zwei eiweissverdauende Enzyme ent- hält, dass die Bildungsstätte derselben bei Astacus und Blatta eine wesentlich andere ist als z. B. bei Hydrophilus, und dass bei beiden erstgenannten Articulaten ihre Wirkung sich in sehr verschiedenen Abschnitten des Yerdauungsrohres äussert. Ferner liess sich aber als das wichtigste Ergebniss feststel- len, dass eines der beiden Enzyme für den Yerdauungsact fast vollständig nutzlos ist, und dieser merkwürdige Thätbestand for- dert nothwendig zu einer Erklärung auf. 3* 36 C. Fr. W. Krukenberg: Schon Flateau hat die Beweisführung angestrebt, dass die Keaction des Mageninhaltes bei Articulaten in erster Instanz von der aufgenommenen Nahrung abhängt. A priori hat Plateau s Annahme viel Bestechendes; sie könnte das Vorkommen der bei- den eiweissverdauenden Enzyme nach dem Utilitätsprincip in ungezwungenster Weise dadurch erklären, dass die Säuerung resp. Alkalescenz der Secrete bei den Articulaten nicht in der Art geregelt würde, um der aufgenommenen Nahrung immer eine bestimmte Reaction zu geben. Um sich aber unabhängig von dieser Unvollkommenheit zu stellen und eine Verdauung in allen Fällen zu ermöglichen, werden bei diesen Thieren gleich- zeitig ein in saurer und ein in alkalischer wie neutraler Lösung wirkendes Enzym der Speise im Magen beigemischt. Aber Plateati's Versuche sind nicht sehr glückhch gewählt, und ihr Ergebniss wird sicherlich nicht für alle Arten der Ar- ticulaten in gleicher Weise gelten können. Es scheint mir z. B. nach meinen und den Erfahrungen anderer Autoren sehr unwahrscheinlich zu sein, dass unter normalen Umständen ein so saures Secret, wie es die Astacus- und Blattalebern liefern, im Magen dieser Thiere durch die aufgenommene Nahrung nicht nur. neutralisirt, sondern sogar alkalisch gemacht wird, während ich für Cephalopoden und einige Lamellibranchiaten die Möglichkeit einer Alkalescirung gern zugestehe. Bei Astacus fluviatilis ist die functionelle Bedeutung des tryptischen Enzymes vollkommen unklar ^) ; es wird im Magen, 1) In der Classe der Fische, nämlich bei einigen Selachiern, findet ebenfalls die Auffassung einer für den Verdauungsact weniger bedeutungs- vollen Trypsinsecretion erhebliche Stützen; denn wie schon ie^/^i^/ (Beiträge zur mikroskopischen Anatomie und Entwicklungsgeschichte der Eochen u. Haie. Leipzig 1852. S. 90) wusste, alkalescirt z. B. bei Mustelus vulgaris die Galle erst über Zolleslänge hinter dem Anfangstheile des Spiraldarmes den sauren Speisebrei. Dasselbe wird von dem Pepsin haltenden Saft zu gelten haben, welcher bei Cyprinus tinca sich den alkalischen Darmcontenten beimischt. Beiträge zur Keantniss der Yerdauungsvorgänge. 37 dessen Inhalt nur von saurer Beschaffenheit gefunden werden konnte, bereits gänzHch zerstört, und der alkalische Darminhalt, an welchem es seine Wirkung äussern könnte, enthält absolut nichts mehr davon. Bei der Periplaneta Orientalis hingegen dürfte dem Pepsin eine untergeordnete Bedeutung zukommen, weil bei ihr die Eiweissverdauung besonders im sogenannten Cliylusdarme, also bei neutraler oder alkalischer Reaction ab- laufen wird. Ganz bedeutungslos wird das peptische Enzym bei Hydrophil US piceus sein, dessen Mittelclarmdrüsensecret von diesem auch nur geringe Mengen enthält. Einigermaassen durchsichtig wird durch diese Vergleiche we- nigstens die sehr ungleiche Vertheilung der eiweissverdaueuden Enzyme bei nahe verwandten Thieren. III. Die Verdauungssecrete und deren Bildungs- stätte bei Lumbricus terrestris L. Diese Untersuchungen über die Digestionsprocesse bei Lum- bricus terrestris wurden besonders durch E. Clcqmredes aus- gezeichnete Monographie ^) veranlasst. Der Anfangstheil des Verdauungstractus bis zum 10. oder 12. Segmente ist vollkommen frei von Enzymen; auch in dem soge- nannten Kaumagen, welchem kaum eine andere Bedeutung als die Fortbewegung der Darmcontenta zukommen dürfte, existirt nichts davon. In den etwa 6 ersten Segmenten findet im Ver- dauungsrohre eine reichliche Schleimsecretion stat, welche möglicher- weise an specifische Drüsen gebunden ist. Die Oesophageal- contenta fand ich bisweilen von deutlich saurer Beschaffenheit-), ^) Edouard Clajicirlde, Histologische Untersuchungen über den Regen- ■wurm (Lumbricus terrestris L.). Zeitschr. für -wiss. Zoologie. Bd. XIX) 1869. S. 563. 2) Nach Victor Hensen's (die Thätigkeit des Regenwurms für die Fruchtbarkeit des Erdbodens; Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. 28, 1877, S. 359) 38 C. Fr. W. KiTikenberg: und es wird deshalb eine Function des kalkigen Secretes der glandulae cesophageae Morren's darin zu suchen sein, die sauren Speiseballen durch Alkalisirung der tryptischen Darmverdauung zugänglich zu machen. Der alkalisch reagirende Darminhalt enthält neben Diastase ein kräftig wirkendes peptisches wie tryptisches Enzym, von welchen letzteres allein zur Wirkung kommt. Bei Lumbricus hat man ebenso wie bei Orthopteren und Coleopteren von Drüsen gesprochen, deren Secret sich in die Leibeshöhle ergiessen soll. Es ist mir zwar keineswegs gelungen über die Function der Chloragogenzellen (im Sinne Clapareäe's) die Gewissheit zu erhalten, welche ich anstrebte. Die Ansicht, welche 2Iorren ^) äusserte, scheint mir nach meinen Untersuchun- gen die bei Weitem annehmbarste zu sein; denn erstens fand ich die Chloragogenzellen (im Sinne Morreits) nach mehrstünd- licher Selbstverdauung nicht derart verändert, wie es von Enzym- drüsen zu erwarten gewesen wäre, und zweitens lässt sich durch Extractionsmethoden experimentell beweisen, dass nur der Darm mit seinen Anhängen die Verdauungssäfte liefert. Die Ansicht, nach welcher die mit starker Cuticula versehenen Darmepithe- lien neben der Resorption die Secretion besorgen, scheint mir nach den bekannten Verhältnissen bei Evertebraten viel ge- wagter als die Auffassung zu sein, welche von Morren vertreten wurde. ^) Er sieht die Leber (im Sinne 3Iorren's) als die eigent- interessanten Untersuchungen sclieint es mir -vralirsclieinlicli, dass die saure Besdiaffenheit der iSTahrung dieses Wurms eher von Humussäuren herrührt, als von der, die äusseren Zellhäute pflanzlicher Wurzelhaare (cf. C. Sachs, Handb. d. Experimentalphysiologie, 1865, S. 189j diuxhtränkenden Kohlen- säure. Auch Hensen hält die Meinung, dass der Regenwurm Wurzeln abnage, für ganz unbegründet (1. c. S. 361). ^J C. Jtlorren, descriptio structurae anatomic. et expositio bist. nat. Lumbrici vulgaris sive terrestris. 1826. p. 129. ^) Nicht unerwähnt darf die Ansicht Leydir/'s (über Phreorj-ctes Menke- Beiträge zur Kenntniss der Verdauungsvorgänge. 39 lieh enzymbildende Drüse an, deren intestinale Ausfülirungsgänge erst noch zu finden sind. Nach Clapareäe ist der drüsenzellige Belag des Darmes und der Gefässe functionell ein und dasselbe, weil der morphologische Charakter keine Unterschiede erkennen lässt. Dieser Schluss ist meiner Ansicht nach unberechtigt, weil nur experimentell über die Function von Drüsen entschieden werden kann. Bei Cephalopoden finden sich sehr ähnliche Verhältnisse. Das Himter- Siebold' sehe Pankreas gleicht oft so sehr den Venenanhängen, dass selbst Brandt (Medic. Zoologie. Bd. IL 1833. Tab. XXXII. Fig. 2, x) dieselben bei Sepia nicht zu unterscheiden vermochte, und auch LeucJcart bemerkt^), dass beide sich ausserordentlich ähnlich sehen. Wir wissen jetzt durch Kühne's Untersuchungen^), dass das Hunter-Siehold'' sehe Pankreas keine Enzymdrüse, sondern nur den Schleimdrüsen am Gallen- gange der höheren Thiere physiologisch zu vergleichen ist, während die Function der sogenannten Venenanhänge noch einer begründeten Deutung harrt. Als letzteren sehr analoge Bildungen dürften die Jforre«'schen Chloragogenzellen bei Lumbricus gelten, während die Lumbricidenleber mcht dem Oiven- oder Hunter- Siebold'scheu Pankreas, sondern den Cephalopodenlebern ver- glichen werden müsste. Dass die Typhlosolis, das Intestinum in intestino, wie WiTlis treff'end sagte, nur als eine Vergrösserung der resorbirenden Darm- oberfläche von Bedeutung und dem Spiralblatte im Selachier- darme vergleichbar ist, wird wohl als festgestellt zu betrachten sein. Das in alkalischer Lösung wirkende Enzym theilt die Eigen- anus; Archiv f. niikr. Anat., Bd. I, 1865, S. 273) bleiben, nach welcher bei Phreoryctes Menkeanus das mit braunkörniger, an Galleufarbstoff (?) erinnernde Darmepithel auch die Leberfunction versieht. 1) Leuckart und Frey, Lehrb. d. Anat. d. wirbellosen Thiere. Leipzig 1847, S. 386. 2) Unters, a. d. physiol. Institute zu Heidelberg. Band I. Heft 4. S. 334. 40 C. Fr. W. Krukenberg: Schaft durch Säuren unter angegebenen. Bedingungen zerstört zu werden, mit allen sonst bekannten tryptischen Enzymen, Es ver- daut rohes wie gekochtes Fibrin unter Bildung jenes das Ge- lingen der Bromwasserreaction bedingenden Körpers und von Peptonen. Das peptische, dessen Eigenschaften bei sauren Zu- satzflüssigkeiten auf Tafel II verzeichnet sind, zerstört sehr leicht das tryptische Enzym der Lumbricidenlebern; es ist deshalb beim Studium des Letzteren erforderUch, die Selbstverdauungs- methode in 1 *^/o iger thymohsirter Sodalösung vorzunehmen. Oxalsäure inhibirt nach meinen Versuchen die Wirkung des Lumbricuspepsins nicht; in concentrirteren (1 — 2°/o) Lösungen wird die Wirkung, abweichend von Pepsinlösungen y.ar' s^o-/fjV, aber sehr verlangsamt, so dass weitere Versuchsreihen über diesen Punct erforderlich sind. Tabelle IL Wirkung der eiweissverdauenden Enzyme einiger Wirbelloser verschiedenen Zusatzflüssigkeiten . bei u -ÖD > C £!D tD o p ■ ta . o ^ 9 ■ CD 2-ä tu ^ o> ^^ >:> r» o CO O s > w^ 'Ji ^ « s i^ 3^ Lumbricus • terrestris . + + + + + + + + + + + + + + + + Squilla mantis . . + 0 + 0 0 0 Astacus fluviatilis . + + + 0 0 Ü -j- + + + + + + + + + Periplaneta Orientalis . + + + 0 0 0 + + + + + + + + + + Hydrophil. piceus . . + 0 + 0 0 0 + + + + + + + + + + Mytilus edulis . . . 0 + 0 + + 0 + + + + + + + + + + Arion ater . + 0 + + + 0 + + + 0 + Helixnemo- ralis . . . + 0 + + + + + + Eledone moschata . + + + + + + + + + + + + + + + Beiträge zur Kenntniss der Yerdauungs Vorgänge. 41 rv. Das Vorkommen des diastatischen Enzymes in den Drüsen des Verdauungsapparates einiger einheimischer Süsswasserfische. Die umfassenden anatomischen Untersuchungen und geist- vollen Deductionen von P. Legonis^) bieten ein sicheres Funda- ment für die vergleichende Physiologie der Nutritionsprocesse bei den Fischen. Xur weil von den physiologischen Experimenta- toren der allerjüngsten Zeit diese werthvolle Stütze vernachlässigt wurde, liess sich die falsche frühere Vorstellung von der Leber vieler Fische durch eine andere nicht weniger verkehrte (aber, wie ich hoffe, nur sporadische) ersetzen. Alle physiologischen Versuche haben nur die Richtigkeit des Schlusses von Legoids bewiesen: nämlich dass bei einigen Teleostiern die sogenannte Leber die Pankreasfunction einschliesst, keineswegs, dass das, was früher als Leber bezeichnet wurde, ein reines Pankreas ist. ^) Die Untersuchungen älterer Autoren über das Fischpankreas wären wenig geeignet gewesen, die Piesultate zu erklären, welche die Experimente in der neuesten Zeit lieferten; denn zu ihrem Verstehen war die Kenntniss der Dissemination (diffusion franz. Aut.) des Pf{nkreas ein nothwendiges Erforderniss. Zwar muss ich nach meinen Beobachtungen behaupten, dass zur Zeit bei Fischen noch Manches für ein Pankreas ausgegeben wird, was sicherlich mit demselben nichts zn thun hat. Das gilt vorzüghch von den Fischen aus der Familie der Murseniden, 1) P. Legouis, Recherclies sur les tubes de Weber et sur le pancreas des poissons osseux. Aniiales des sciences nat. Zoologie. 1873. 5^ serie. T. XAII et T. XVIII. -) Ein inniges Durchdringen zweier morpliologiscli und vielleicht auch functionell verschiedener Drüsenkörper berichtete ebenfalls vor Kurzem J. Bermann (Ueber tubulöse Drüsen in den Speicheldrüsen. Centralbl. der med. Wiss. 1877. Xr. 50. S. 897) von der Glandula submaxillaris des Menschen und Kaninchens. 42 C. Fr. W. Krukenberg: bei welchen ich absohit nichts von tryptischen Enzymen nachweisen konnte. Die Ergänzung der morphologischen und physiologischen Daten wird aber, wie man wohl hoffen darf, auch auf diesem Gebiete bald Klarheit schaffen. Wir sind demnach in der Klasse der Fische mit unseren Untersuchungen weiter gelangt als bei den Articulaten und Mollusken. Bei den Fischen sind wir berechtigt in einem oberflächlich als einheitlich erscheinenden Drüsenorgane zwei Organe zu sehen, ein complicirt zusammengesetztes Secret aus zwei ver- schiedenen Quellen abzuleiten. Was als Leber bezeichnet wurde, ist Leber und Pankreas zugleich; es ist ein Hepatopankreas. Solche Schlüsse waren bei den Evertebraten noch nicht er- laubt; von deren Lebern wissen wir noch nicht, ob wir sie in mehrere Organe auflösen werden, ob ihr Secret aus functionell verschiedenen Zellen stammt! Meiner früheren Mittheilung über die eiweiss verdauenden Enzyme bei Fischen habe ich an dieser Stelle nur wenige Neues hinzuzufügen. Ich habe Perca fluviatilis genauer untersucht und finde, dass die Appendices pyloricae derselben nur eine Schleimabson- derung besorgen, wie bereits früher von mir vermuthungsweise ausgesprochen wurde. Die sogenannte Leber (Hepatopankreas) enthält reichlich pankreatische Elemente, welche stellenweise auch frei (das Pankreas Brochnann's) , von specifischer Leber- substanz unbedeckt, liegen. Die Magenschleimhaut secernirt reichlich Pepsin. Demnach fügen sich die Verhältnisse bei Perca fluviatilis vollständig dem für Leuciscus melanotus gegebenen Schema (cf. Fig. 8 in meiner früheren Arbeit). Nach demselben Typus verläuft die Secretbildung bei Co- bitis fossilis, während sich Barbus fluviatilis, bei welchem kein Pepsin nachweisbar war, den Cyprinen anreiht. Die Galle von Barbus fluviatilis wirkte bei 40*^ C. fibrinverdauend, Beiträge zur Kenntniss der Verdauungsvorgänge. 43 während mit der Leuciscusgalle bei keiner Temperatur eine Wirkung erzielt werden konnte. Auch die Galle von Cypriuus carpio ist vollkommen frei von tryptischen Enzymen. Die Differenzen, welche in dieser Beziehung die Galle nahe verwand- ter Fische aufweist, sind nur von morphologischer Bedeutung. Meine Befunde beweisen, dass beim Karpfen sich der pankrea- tische Saft der Galle erst dann beimischt, wenn diese die Gallen- blase verlassen hat, während eine Mischung beider Secrete bei Barbus fluviatilis und vielen anderen Fischen (z. B. Perca fluviatilis, Scorpaena) bereits in der Gallenblase stattfindet oder schon vor dem Eintritte in die Blase stattgefunden hat. Das diastatische Enzym wurde meiner früheren Mittheilung zu Folge in den Lebern der Elasmobranchier, deren Unter- suchung zwar wegen des grossen Fettgehaltes mit fast unüber- windlichen Schwierigkeiten zu kämpfen hat, von mir stets vermisst. Die Leber resp. das Hepatopankreas vieler Fische (beson- ders der Cypriniden) zeichnet sich, wie Claude Bernard fand, durch den grossen Reichthum an Zucker aus. Auch peptonfreie Auszüge lassen sich fast nie erhalten. Aus diesem Grunde ist es nöthig, die Extracte der Dialyse zu unterwerfen, weil ohne diese Vorsichtsmassregel das diastatische Enzym nicht nachweis- bar ist. Anfangs wurde diese Versuchsanordnung versäumt und die Zuckerproben direct mit den wässerigen Auszügen angestellt. Diese Versuche erscheinen mir jetzt sehr ungenau, und ich gebe deshalb im Folgenden nur die Resultate, welche mit vollkommen Zucker- und peptonfreien Extracten erhalten wurden. Die im Dialysor enthaltene Flüssigkeit wurde in zwei gleiche Portionen getheilt, in der einen das Enzym durch Kochen zerstört und beide mit gleichen Mengen von Stärkekleister versetzt. Nach 2— 3 -stündlicher Digestion bei 38*^ C. wurde die Zuckerprobe ausgeführt. 44 C. Fr. W. Krukenberg: Das cliastatische Enzym fehlte vollständig in den Appendices pyloricae von Perca fluviatilis. In der Mundschleimhaut eines jungen Karpfen, von Cobitis fossilis und Perca fluvia- tilis war es ebenfalls nicht nachweisbar. Nur sehr minimale Mengen fanden sich in dem Hepatopankreas bei Perca; mehr davon enthielten die Auszüge desselben Organes von Leuciscus melanotus, Cobitis fossilis, Cyprinus carpio und Tinea vulgaris. Die Frage, ob das in dem Hepatopankreas gefundene diastatische Enzym dem pankreatischen — oder dem Leberge- webe angehört, Hess sich nicht entscheiden; doch wird Ersteres zu vermuthen sein, wenn schon nach Joussefs Angabe^) Claude JBernard das diastatische Enzym in dem Pankreas (?) verschie- dener Fische vermisste. Meine in beschriebener Weise angestellten Versuche mit der Mundschleimhaut von Cyprinus tinca und Leuciscus mela- notus, zu denen eine Stelle in Trevircmiis' Biologie^) die Ver- anlassung gab, lieferten als Ptesultat, dass sich aus derselben ein kräftig wirkendes diastatisches Enzym durch Wasser extrahiren lässt. Es steht zu erwarten, dass die Zahl dieser Befunde durch fernere auf eine grössere Menge von Fischen ausgedehnte Ver- suche sich beträchtlich vermehren lassen wird. Auch sei darauf hingewiesen, dass die in der Gaumenschleimhaut eingebetteten Drüsenzellen, welche bei Cyprinus Carpio, Cobitis, Belone, Gasterosteus etc. schon lange bekannt sind, von Bathke als Speicheldrüsen gedeutet wurden. Die Ansicht dieses ausgezeich- neten Forschers ist ganz in Vergessenheit gerathen. Man hat mit Vorliebe den Werth des Speichels zu ergründen ver- sucht, indem man an grob anatomische Befunde anknüpfte und allgemein angab, dass Fischen wie Wassersäugethieren die ^) Jousset, 1. c, p. 99. Die Originalmittlieilung von Claude Bernard konnte von mir leider nicht aufgefunden werden. 2) Trevircmiis, Biologie 1814, Bd. IV, S. 325. Beiträge zur Kenntniss der Verclauungsvorgänge. 45 Speicheldrüsen vollständig fehlen. Aber allen Fischen fehlt wenigstens der Speichel mit seinem typischen Enzyme, wie sich zeigte, nicht, und von den Wasser Säugern wird der Beweis für das Fehlen desselben erst noch zu liefern sein. Ich muss mich dahin aussprechen, dass die Wichtigkeit» der Nutzen des Speichels in den meisten Fällen für uns zur Zeit nicht durchsichtiger ist als das Vorkommen zweier eiweiss- verdauender Enzyme. Erklärung der Abbildung. Tafel I. Die Leberauszüge von Wirbellosen sind selten einer spectroskopischea Untersuchung unterzogen. Genauere Beschreibungen und Zeichnungen der Spectra fehlen meines "Wissens davon ganz. Auf Tafel 1 habe ich die Spectren von den alkoholischen Auszügen einiger Mollusken lebern zu- sammengestellt, und ausserdem wurden, um einen Vergleich zu ermöglichen, noch die Spectra, welche ich mit Rinds galle erhielt, mit in die Tafel aufgenommen. Fig. 1. Sonnenspectrum. Fig. 2. Zwei Tage alte Rindsgalle (ziemlich concentrirte Lösung), um die Coüicidenz des Bandes vor D mit der des Spectrums 5 zu zeigen. Fig. 3. Alkoholisches Extract der Rindsgalle (sehr verdünnte Lösung). Die drei Bänder im Violett sind, so viel mir bekannt ist, bis- her unbeachtet geblieben. Fig. 4. Alkoholisches Extract der Rinds galle (concentrirtere Lösung). Die Streifen vor und hinter D sind bereits von Hei/tisius und Campbell {Pflüger's Archiv. Jahrg. IV. Tafel VIL Spectrum 10) aufgefunden. Der von diesen Autoren bei C gezeichnete dunkle Streifen konnte von mir nicht erkannt werden. Fig. 5. Alkoholisches Extract der Leber von Eledone moschata. I'ig. 6. Alkoholisches Extract der Leber von Helix pomatia. Fig. 7. Alkoholisches Extract der Leber von Limnseus stagnalis. Fig. 8. Alkoholisches Extract der Leber von Mvtilus edulis. -X- 46 W. Kühne: Beobachtungen über Dnictblindheit. ^'on W. Kulme. Im 16. Bande von Pflnger's Archiv (S. 409) beschreibt S. Exner einen Versuch über das Sehen mit gedrücktem Bulbus, aus welchem er Schlüsse auf chemische Processe und zur Kennt- niss der Eegeneration in der Xetzhaut zieht. Indem man die Grenze einer das ganze Sehfeld einnehmenden schwarz-weissen Fläche fixirt und dabei den Bulbus einem allmählich steigenden Drucke so lange unterwirft, bis nahezu alle Wahrnehmung schwin- det, sieht man ein in der schwarzen Hälfte des Grundes angebrachtes, jetzt erst durch Wegziehen eines schwarzen Papiers enthülltes, weisses Object zunächst deutlich auftauchen und nachträglich verschwinden. Die Erscheinung ist ausserordentlich schlagend, und ich bemerke sie auch dann noch, wenn ich das Auge so stark oder so lange drücke, dass es mir vor dem Wegziehen der genannten Bedeckung völlig erblindet und das ganze Sehfeld von einer schwarzvioletten Wolke eingenommen scheint. Von den Erfahrungen über den Sehpurpur und dessen plio- tochemische Zersetzung ausgehend, sucht Exner die Thatsache zu erklären, indem er sagt, die durch Blutverarmung um die Versorgung mit neuem Purpur oder ähnlichen „Seh Stoffen" gebrachte Netzhaut bewahre da, wo sie vom Lichte nicht ge- troffen wird, noch einen Vorrath jenes zum Sehen nöthigen i\Ia- terials; falle später Licht auf die zuvor verschonten Xetzhaut- stellen, so kämen die Sehstoffe zur Verwendung und Lichtem- pfindung sei die Folge. Beobachtungen über Druckblindheit. 47 Wiederliolungen und Abänderungen des Versuches, die Exncr in berechtigter Sorge um sein Auge unterliess, führen mich zu einer ab^Yeichenden Interpretation. Ersetzt man die schwarze Bedeckung durch einen Bogen weissen Papiers, den man nur soweit über die schwarze Hälfte des Grundes schiebt, dass ein schwarzer Streif in dem nun über- wiegend weissen Sehfelde übrig bleibt, und fixirt man diesen, wäh- rend das Auge gedrückt wird, so erhält man genau denselben Erfolg, d; h. das kleine weisse Object wird auf dem plötzlich enthüllten schwarzen Grunde von dem scheinbar bereits erblin- deten Auge noch in voller Deutlichkeit gesehen, bevor alle Wahr- nehmung aufhört. Hier wird die Netzhautstelle, auf die es an- kommt, dauernd vom hellsten Lichte getroffen und ihr Vorrath an Sehstoöen nach Exncr s Auffassung gerade so erschöpft, wie auf der Hälfte, welche in seinem Versuche nur dem weissen Theile des Sehfeldes entsprach, und doch sieht man das nachträglich vorgeführte Object anscheinend mit derselben Deutlichkeit. Ich bin der Meinung, dass es sich sowohl bei dem ursprüng- lichen, wie bei dem modificirten Versuche um eine im entschei- denden Augenblicke erfolgende Art der Erregung handelt, für welche auch das gedrückte und vermeintlich erblindete Auge aus bekannten Gründen noch taughch ist: während wir von den die Netzhaut gleichmässig und dauernd treffenden Erregungen nichts mehr bemerken, wenn die Erregbarkeit bis zu einem gewissen Grade durch den Druck oder die Blutarmuth gesunken ist, ge- langt der Zustand des Organs noch zur Wahrnehmung, wo starke Unterschiede der Erregung entstehen. Es ist derselbe Fall, wie beiEmpfindungsunterschieden überhaupt, welche sowohl räum- lich, wie zeitlich genommen, das kräftigste Mittel sind, um die centrale Reaction gegen peripherische Reize zu wecken. Das Experiment lässt sich daher auch in der Weise umdrehen, dass man die weisse Hälfte des Sehfeldes mit einem schwarzen Objecte 48 W. Kühne: versieht, dieses weiss bedeckt und hervortreten lässt, wenn das gedrückte Auge nichts mehr sieht: das Object wird dann deutlich auf einem eigenthümlich glänzenden hellen Grunde wahrgenommen. Es gab ein Mittel, die als ein neues Moment unwillkom- menen Empfindungsunterschiede für den gegenwärtigen Zweck unwesentlich werden zu lassen und ein Experiment anzustellen, welches den Exner'schen Versuch von allen Einwendungen ent- lastet. Man klebe 3 — 4 Ctm, vom Eande einer mattschwarzen Tafel parallel mit jenem und in derselben Entfernung von einan- der 2 weisse Quadrate von 2 — 3 Ctm. Seite, lege daneben ein weisses Blatt und bedecke die kleinen Quadrate so mit einem aus weissem und schwarzem Papier zusammengeklebten Bogen, dass dessen Grenze zwischen sie fällt. Das Sehfeld ist jetzt mit Ausnahme eines schwarzen Quadranten weiss. Fixirt man den Mittelpunkt mit dem gedrückten Bulbus, bis man glaubt voll- kommen erblindet zu sein, so tauchen die weissen Blättchen bei plötzlichem Wegziehen der schwarz-weissen Bedeckung beide auf, aber das, welches weiss verdeckt war, erscheint grau gegen das andere, das nun in hellstem Weiss unter der schwarzen Decke hervortritt. Es braucht kaum gesagt zu werden, dass die Beo- bachtung nur insofern Xeues enthält, als die genannten Helhg- keitsunterschiede beim Sehen mit gedrücktem Bulbus unvergleich- lich beträchtlicher ausfallen, als wenn man sich des normalen Auges und dessen Ermüdung durch langes Hinstarren bedient. Bei allen diesen Versuchen ist begreiflicher Weise die Wahl des richtigen Augenblickes, den man durch Uebung findet, zum Aufdecken des Objectes wichtig, denn das zu lange compri- mirte Auge sieht überhaupt nichts mehr, auch wenn vor der Probe gar kein Licht hineinfiel. Je heller das Object ist, desto länger hat der Druck zu dauern : man thut daher gut, die Be- leuchtung so schwach wie möglich zu nehmen. Um das Bild eines nahe gerückten Argandbrenners zum Schwinden zu bringen, Beobachtungen über Druckblindlieii. 49 bedurfte ich so langer Zeit, dass ich mich zur Wiederholung des Versuches nicht entschliessen mochte. Ich hatte dabei den Eindruck, als ob das Bild nach dem ersten Verlöschen in einem gewissen Rhythmus wieder auftauchte, aber ich vermag nicht zu sagen, wie weit es gelungen war, den Druck constant oder hin- reichend zu erhalten. Unter schwacher Beleuchtung halte ich die Beobachtungen dagegen für kaum gefährlich, denn ich bringe es im gänzlich verfinsterten Baume nach sehr kurzer Zeit dahin, absolut nichts mehr zu sehen, wenn Jemand die Thür hinter mir soweit öffnet, dass er alle um mich befindlichen Gegenstände oder ein weisses Blatt, das vor mir liegt, gerade scharf erkennt. Das Unternehmen Exuer^s, durch subjective am Menschen angestellte Beobachtungen die photochemische Hypothese des Sehens zu stützen, ist gewiss nur freudig zu begrüssen und ich würde um so weniger Veranlassung finden, der Auffassung seines Versuches fern zu bleiben, als ich denselben so umzugestalten vermochte, dass er den dagegen zu erhebenden Bedenken nicht mehr unterliegt. Die Thatsache aber, dass Steigerung des intra- oculären Druckes in ganz kurzer Zeit auch ohne Mitwirkung von Licht Blindheit erzeugt, spricht gegen die ausschliessliche Er- klärung der Erscheinungen durch Vorräthe von Sehstoifen, oder deren Verzehrung mittelst des Lichtes, und es scheinen mir die Deductionen Exner's darum nur insofern und im Allgemeinen das Richtige zu treffen, als sie überhaupt an chemische Vor- gänge in der Nervensubstanz anknüpfen. Wir können uns in der That nur so Vorstellungen über Störungen, welche Aende- rungen der Blutcirculation und der Ernährung an den nervösen Apparaten erzeugen, verschaffen, dass wir daran eine chemische Veränderlichkeit voraussetzen, welche zugleich die der Erregbar- keit und des Leitungsvermögens bedingt. Das Erblinden der Netzhaut nach Einschränkung oder Unter- brechung der Circulation im Auge ist zunächst nicht über- Kühne, Untersuchungen H. 4 50 W. Kühne: raschender, als Ohnmacht und Bewusstlosigkeit bei Hirnanaemie es sind, und da die Ketina ein Theil des Hirns ist, wie dieses gewebt aus Nervenzellen und -Fasern, so bedarf es besonderer Gründe, um ihr noch in anderem Sinne, als es für die genannten Elemente angenommen wird, Abhängigkeit von der Ernährung zuzuschreiben. Solche Gründe finden sich in der anatomischen Einrichtung ihres Sinnesepithels, der Stäbchen- und Pigment- schicht, und in der bei Warmblütern erwiesenen physiologischen Beziehung der Regeneration des Sehpurpurs zur Blutcirculation, aber welche'Gründe gibt es, anzunehmen, dass ausschliesslich der Vorrath lichtempfindlicher Stoffe oder der photochemisch wirksame Theil und nicht zugleich der leitende des ganzen Apparates unter der Combination von Licht und Druck auf das Auge leiden ? Exner meint, und ich könnte mich von neuen Grundlagen aus ihm bis soweit anschliessen, weil die Lichtwirkung das Erblinden des gedrückten Auges befördert oder beschleunigt, müsse man den Lichtempfänger allein für afficirt halten. Man darf darauf wohl antworten, weshalb denn wenige Secunden später ohne alles Licht die gleiche Störung auftritt und w^eshalb ein blutarmes Auge mit dem ver- meintlich ungelähmten Leitapparate nichts mehr sieht, obwohl ihm der einzige bekannte Stoff, auf welchen hin von hypothe- tischen Sehstoffen die Rede ist, d. h. der Sehpurjiur nachweis- lich in grosser Menge erhalten blieb. Ich bin zwar auch der Ansicht, dass die Nervenfaser sogar bei Warmblütern in hohem Grade unabhängig von der Ernährung durch Blut und Lymphe fungirt, aber ich möchte das Gleiche von den übrigen der Retina, ausser dem Sinnesepithel, zukom- menden Bestandtheilen, den Körnern und Ganglien nicht annehmen, trotz der Weitmaschigkeit ihres Gefässnetzes und der Erfahrung, dass es Netzhäute von Säugern (Pferd, Kaninchen) gibt, welche zum stark überwiegenden Theile gefässlos sind. Wie die Ernäh- rung der vorderen Schichten in den letzteren Ausnahmsfällen Beobachtungen über Druekbliiidheit. 51 geschieht, wissen wir nicht, aber am Menschen ist durch ärzt- liche Erfahrungen sichergestellt, dass Störungen des retinalen Kreislaufes schnell Erblindung bewirken, unter Umständen also, wo das Sinnesepithel, welches vermuthlich ganz auf den Chorioi- dalstrom angewiesen ist, wohl noch intact und nur der gangliöse Leitapparat beeinträchtigt ist. Bei Druck auf den Bulbus wird freilich auch die Chorioidea an Blut verarmen und in dem Sinnes- epithel der Antheil zu leiden beginnen, den ich als den Empfänger des chemischen Reizes im Gegensatze zu den Lichtempfängern oder den photochemisch zersetzlichen Stoffen (Sehstoffen, Sehregern) bezeichnen möchte. Seit dem Nachweise photochemischer Processe in der Retina sind in diesem Organe offenbar mindestens 2 etwa in der Weise verschiedene Arten chemischer Vorgänge anzunehmen, wie die, welche wir z. B. am Geschmacksorgane unbedenklich unterscheiden, indem wir eine oberflächhche Aetzung des Sinnesepithels nicht mit der ganzen darauf folgenden Kette chemischer Processe, welche für die Leitung im nervösen Geschmacksapparate in Be- tracht kommen, zusammenwerfen, und solches Unterscheiden wird nicht nur gefordert, weil das Sinnesorgan aus verschiedenen Gewe- ben besteht, sondern ist auch im einzelnen anatomischen Elemente, hier in der Epithelzelle, berechtigt und nothwendig. Will man nun heute entscheiden, welche der beiden Arten chemischer Vor- gänge am meisten auf den Ei'nährungsstrom angewiesen zuerst im gedrückten Bulbus unmöglich wird, und Wahrscheinlichkeiten gelten lassen, wie Exner es thut, so kann nur an Bekanntes angeknüpft und angenommen werden, dass nicht die erste, sondern die zweite Art mit der Circulation geändert wird, denn vom Sehpurpur ist die vollkommene Unabhängigkeit sowohl des Be- standes, wie der Zersetzung durch Licht, von allen sogenannten Lebensbedingungen, ja in gewissem Grade und innerhalb der hier in Betracht kommenden kurzen Zeit sogar die Regeneration ohne 52 W. Kühne: Blutzufuhr zum Retinaepitliel beim Säuger nachgewiesen. Ich habe mich auch zum Ueberflusse überzeugt, dass der Sehpurpur im Auge lebender Kaninchen durch Druck ohne Licht ^) in längerer Zeit nicht schwindet, und selbst bei Beleuchtungen von der In- tensität und Dauer, wie ich sie zu den Druckversuchen an meinem Auge benutzte, keine Veränderung erkennen lässt. Es heisst also den ,, Sehstoffen" ein wesentlich anderes Verhalten, als ihrem Modelle, zuschreiben, wenn man die Druckblindheit nicht auf Störungen des Leitapparates zurückführt. Darin, dass Exner die letztere Annahme ganz verwirft, liegt die Verschiedenheit seiner Auffassung von der meinigen, während er bezüglich des von der Ernährung unabhängigen Vorrathes an Sehstoffen scheinbar auf dem soeben erörterten Standpunkte steht. Es lag mir aber daran zu zeigen, dass die Uebereinstimmung nur scheinbar und den Thatsachen gegenüber gar nicht vorhan- den ist; nimmt man keine sich allmählich entwickelnde Lähmung des Leitapparates an, so bleibt das Erblinden ohne vorgängigen Lichtreiz entweder ganz unerklärt, oder man muss den höchsten Grad der Abhängigkeit des Vorrathes der Sehstoffe von der Ernährung annehmen, also das Gegentheil von Dem, was wahr- scheinlich gemacht werden sollte. So viel ich sehe, liegt in den Thatsachen nichts, was meiner Annahme widerspräche, da Alles, was beobachtet wird, gerade so verlaufen muss, wenn die im weitesten Sinne als Leitapparate aufzufassenden Theile der Netzhaut an Erregbarkeit einbüssen oder, anders ausgedrückt, in ihrer chemischen Integrität aus Mangel an Ersatz gestört werden. Diese Stücke des ganzen nervösen Sehapparates sind es eben, die analog allen Erfahrungen an der grauen Substanz anderer Orte nach Aufhebung des Er- ') Starker Druck erzeugt am Kaninclienauge colossale Pupillenverengung; beim Menschen sah ich öfter im Augenblicke des Erhlindens schwache Er- weiterung eintreten. Beobachtungen über Druckblindheit. 53 nähriingsstronies schnell den Dienst versagen und deren Paralyse ohne Frage beschleunigt wird, wenn in die kurze Frist, bis zu dem, an sicli erfolgenden vollständigen Verluste der Erregbarkeit, noch Reize fallen. Man wird vergeblich nach einer das Sehen in unserem Falle betreffenden Erscheinung suchen, welche nicht mit Umgehung der intraocularen Drucksteigerung durch ander- weitige Einflüsse auf den nervösen Apparat auch erzielt werden könnte. Wir erreichen dasselbe bei Ermüdung durch übertriebene Intensität oder zu lange Wirkung des Lichtes, dasselbe durch ausserordentlich schwache Belichtung; im ersten Falle wirkt die maximale Intensität, weil sie die Erregbarkeit stark herabsetzt, alsbald wie minimale, im letzteren ist der Effect demjenigen gleich, welchen mittlere Intensitäten am nahezu gelähmten Organe erzeugen. Starre ich im fast verfinsterten Zimmer auf einen schwarz- weissen Bogen, bis die Grenze verschwimmt, w'as sehr schnell geschieht, so brauche ich nur ein weisses Object auf der schwarzen Hälfte plötzlich aufzudecken, um durch den sehr deut- lichen Anblick an die Macht der Empfindungsunterschiede ge- mahnt zu werden, wie in dem Exncr'schen Versuche, und wenn ich eine in schwarze und weisse Sectoren getheilte, rotirende Scheibe aus dem Hellen, wo sie stark flimmert, in die Dämmerung versetze, sehe ich sie so homogen grau, wie Exncr es sehr rich- tig (1. c.) für die Betrachtung mit gedrücktem Bulbus auch be- schreibt. So kommt man also auf die verschiedenste Weise zu denselben Wahrnehmungen und muss sich fragen, welche es noch für den gedrückten Bulbus gebe, die den Leitapparat seiner Netz- haut intakt erscheinen lasse. Seit Bonders' erster Beobachtung über künstliche Druckblind- heit sind von M. Beich Versuche über dabei auftretende Aenderun- gen des Farbensehens angestellt (Klin. Monatsbl. f. Augenheilk. XII, S. 238). Da ich die Arbeit von Beich erst nachträglich kennen lernte, war ich in der Lage deren Angaben sehr unbefangen zu 54 W. Kühne: bestätigen. Auch mir vergiengen alle Farben nach vorherigem Uebergange in Weiss oder Grau und indem das Grün vor dem Roth weiss wurde. Es ist aus _Re^c/^'s Bemerkung (S. 250 1. c.) nicht klar zu entnehmen, ob er sich überall auch auf Spectral-. färben bezieht, und darum vielleicht die Mittheilung willkom.men, die ich hinzufügen kann, dass der Versuch mit dem Spectrum vorzüglich gelingt. Man braucht nur eine Farbe desselben ge- sondert durch ein Diaphragma auf ein Stückchen weissen Papiers von entsprechender Grösse, das auf eine schwarze Tafel geklebt ist, fallen zu lassen, um sie im Dunkelraum mit gedrücktem Bul- bus bei Grün und Roth durch Gelb schlagend, beim Blau an- scheinend direkt in lichtschwaches Weiss übergehen zu sehen. I^ekanntlich ist es nicht anders bei starker Dämpfung des Lich- tes, wenn man z. B. mit trübem Tageslichte und sehr engem Spalte arbeitet, wo man zuletzt wohl noch etwas wahrnimmt, aber jede Farbenempfindung aufhört, also Weiss gesehen wird. Vom ganzen Spectrum wird so schliesslich nur noch Gelbgrün als ein falber Streif ohne farbigen Charakter gesehen. Es ist unnöthig daran zu erinnern, dass Gemälde in tiefer Dämmerung farblos erscheinen, Aquarelle namenthch wie Lithographieen, bunte Teppiche wie Trauerstoffe, man kann aber dieselbe Veränderung im besten Lichte sehen, wenn man mit gepresstem Auge darauf blickt- Das von Reich zuerst bemerkte Auftreten eines dunklen Schattens im lichten Sehfelde am Fixirpunkt, womit die Druck- erscheinungen beginnen, schien darauf zu deuten, dass in der Retina zuerst die Zapfen der Fovea, dann vielleicht die Zapfen überhaupt vor den Stäbchen unter der Blutverarmung leiden und dass es ein Stadium geben werde, wo wir noch mit den be- züglich der Ernährung vielleicht selbständigeren Stäbchen sehen, also nach der M. SchuUse'&dien Hypothese wohl noch Licht, aber keine Farben mehr wahrzunehmen vermögen. Man kommt jedoch von dieser Auffassung zurück, wenn man beachtet, dass Beobachtungen über Druckblindheit. 55 der erwähnte Schatten nicht genau am Fixirpunkte, sondern etwas nach aussen davon im Sehfelde liegt, und dass es nicht die centralen zapfenreichen, sondern die peripheren, überwiegend Stäbchen führenden Netzhautstellen sind, wo die Farben nicht nur zuerst in Weiss übergehen, sondern, was wichtiger ist, über- haupt am schnellsten gänzlich verschwinden. Indess bleibt die Frage noch der Erledigung durch weitere Untersuchungen opfer- williger Augenbesitzer vorbehalten. Wie man sieht, führt auch die Ausdehnung der Druckver- suche auf die Farbenwahrnehmung zu keinen andern Resultaten, als zu den bereits von andern Forschern (Äuhert, Hering, Lan- dolt u. A.) mittelst Herabsetzung der objectiven Intensität, Ver- kleinerung der Bilder oder Verlegung derselben auf die Peri- pherie der Netzhaut erhaltenen. Stellt mau den Eingangs erwähnten modiiicirten Exner^ohQTL Versuch statt mit 2 weissen, mit 2 farbigen Objecten an, so fällt ein anscheinend höchst paradoxes Phänomen auf. Was ich darüber zu sagen habe, bezieht sich vorwiegend auf Objecto von rothem, wenig zum Purpur neigenden, nicht glänzenden Papier sehr gesättigter Färbung, aber ich zweifle kaum, dass es auch für andere Farben, mit welchen ich nur wenige Beobachtungen anstellte, gültig, obschou vielleicht minder schlagend befunden werde. Ich musste wegen der Warnungen, welche alle mit dem Gegenstande Vertrauten gegen Druckversuche erheben, von weiterer Verfolgung der Sache aijstehen. Das Phänomen ist dieses: im Augenblicke des Aufdeckens, das wie immer erst geschieht, wenn kein Licht mehr wahrge- nommen wird, erscheint das schwarz bedeckt gewesene, rothe Quadrat weiss, das weiss verhüllte und gleichzeitig aufgedeckte intensiv roth: eine Stelle der erblindenden Retina also, die kein Licht empfing, erweist sich schlechter farbenemptindlich, als eine zuvor intensiv belichtete. 56 W. Kühne: Dieser Unterschied fällt begreiflich weg, wenn die Bedeckung dasselbe Licht aussendet, wie das unterliegende Object; zieht man also im geeigneten Augenblicke ein roth-schwarzes Papier fort, so scheinen die beiden kleinen rothen Quadrate gleich, gelblich oder weiss. Anders ist es, wenn neben dem Schwarz Blau oder Grün benutzt werden, denn hier taucht die rothe Farbe des Objectes wieder zu der Zeit auf, wo das nebenstehende, schwarz verhüllt gewesene schon weiss aussieht. Lässt man in der Decke die Farben mit Weiss concurriren und wählt zunächst Roth, so wird nur das von dem letzteren befreite Object weiss, das andere richtig gesehen, während nach der Vorbereitung mit Weiss und Blau das von der farbigen Ueberlage befreite gelblich neben dem anderen normal roth gebliebenen gefunden wird. Gleichheit ist endhch wieder vor- handen nach dem Zu- und Aufdecken mit Weiss und der Com- plementärfarbe des Objects, also mit Grün. Hiernach sind Belichtungen der Netzhaut im gepressten Auge für die normale Reaction auf eine nachträglich gezeigte Farbe unter keinen Umständen nachtheilig, indifferent wie der Mangel des Lichtes selbst, wenn sie gleichfarbig sind; am förder- lichsten, wie das weisse Licht, die complementären ; etwas weniger zweckmässig und bemerkbare Zumischung ihrer Complementärfarbe hinterlassend, solche der übrigen Farben. Dies Alles scheint paradox, weil man nach dem modificirten Exner'schen Versuche hätte erwarten können, dass die für das erblindende Auge charakteristischen Wahrnehmungen (hier das Ab- blassen der Farben) um so deutlicher und früher erfolgen müssten, je mehr dasselbe während der Nachtheile, denen es während der Compression ausgesetzt ist, noch vom Lichte angestrengt wird. Aber es handelt sich auch in diesem Falle wieder um Wahr- nehmung von Empfindungsunterschieden, und die Entscheidung, ob man etwas Anderes als blos Licht oder Weiss sieht gelingt Ueber Druckblindheit. 57 uns am besten, wenn wir eine weniger zweifelhafte Empfin- dung daneben liaben oder am nändichen Orte unmittelbar vorher hatten. Ob Licht im Allgemeinen empfunden werde oder nicht, wird am leichtesten entschieden, wenn nach oder neben einander nicht (schwarz) empfindende Stellen mit den schwach belichteten verglichen werden, ob Farbe oder farbloser Licht- schimmer, wenn in derselben Weise farblose oder andersfarbige Wahrnehmungen zum Vergleiche da sind, jedenfalls besser, als wenn der Gegensatz mit Nicht-Licht vorwiegend zur Entscheidung über die Lichtempfindung an sich drängt und von deren weiterer Qualität absehen lässt. Zum Gegensatze füi- eine Farbe eignen sich, wie der Versuch lehrt, in bemerkenswerther Weise gleich gut Weiss und die complementäre, welche hier wieder recht als „Gegenfarbe'' {Hering) auftritt, insofern der ihrer Wirkung nach- folgende Process schon zur Empfindung der Farbe führt, die erkannt werden soll. Die immerhin noch günstige Wirkung anderer Farben dürfte darauf beruhen, dass sie bis zu einem gewissen, obschon geringeren Grade auch noch die erforderlichen Gegensätze darstellen und dass ihre Nachbilder, die später zu er- kennende Farbe freilich modificirend, zur farbigen Wahrnehmung beitragen. 58 C. Fr. W. Krukenberg: Heber die Stäbchenfarbe der Cephalopoden. Briefliche Mittheilung an den Herausgeber von C. Fr. W. Krukenber^. Triest, den 10. April 1878. K. k. Zoologische Station. Ihrem Wunsche entsprechend habe ich durch einige Ver- suche an lebenden Thieren und durch Behandlung der isohrten Retina mit verschiedenen Reagentien festzustellen versucht, ob die Cephalopoden Sehpurpur besitzen oder nicht. Mir standen hier als Versuchsthiere : Loligo vulgaris, Sepia officinalis, Eledone moschata und Sepiola Ronde- letii zur Verfügung, von denen nicht nur wegen der Grösse der Augen und der geringen Wölbung des Augenhintergrundes, son- dern vielmehr noch wegen der annähernd cubischen Form des Kopfes und der lateralen Stellung der Augen Loligo das bei Weitem beste Object zu derartigen Untersuchungen bildet. Daran habe ich auch die Untersuchungen anstellen können , zu deren Ausführung es des lebenden Thieres bedurfte. Um den Einfluss des Lichtes auf den Stäbchenpurpur zu prüfen, verfuhr ich folgendermassen: Von zwei lebenden grossen Loligo wurde jeder derart auf einer dunkeln Unterlage befestigt, dass das eine nach unten gerichtete Auge dunkel gehalten wurde, das andere den Strahlen der sehr wirksamen Mittagssonne 1—2 Stunden exponirt blieb. Das belichtete Auge wurde sodann an üeber die Stäbchenfarbe der Cephalopoden. 59 Ort und Stelle exstirpirt, geöttnet und in eine lO'^/oige Kochsalz- lösung gelegt. In dieser blieb es die 5 Minuten liegen, welche die Exstirpation und Präparation des dunkel gehaltenen Auges in Anspruch nahm. Diese wurde in einem verdunkelten Zim- mer bei Natronlicht ausgeführt, das Auge ebenfalls in eine 10"/oige Kochsalzlösung gebracht und mit dem wenige Schritte entfernten und dauernd stark belichteten andern Auge des Thieres ver- glichen. Die Farbe der Stäbchen beider Augen liess in den an- gestellten Versuchsreihen absolut keinen Unterschied erkennen, und es darf somit behauptet werden, dass der Stäbchenpurpur der Cephalopoden ebenso wenig lichtempfindlich ist, wie nach Ihren Untersuchungen derjenige von Astacus. Auch an Sepia wurde dieser Versuch ausgeführt und zwar mit dem nämlichen Erfolge. Eledone eignet sich schlecht zu den Belichtungsversuchen, weil die Pupille eng und die Augen nicht so frei an der Oberfläche liegen, wie bei den übrigen Cephalopoden. Eine andere Ver- suchsanordnung wird sich nicht leicht zur Entscheidung der Frage nach der Lichtempfindlichkeit des Stäbchenpurpurs der Cepha- lopoden am lebenden Tliiere treffen lassen; denn wie ich mich an einer grossen Anzahl von Thieren hinreichend überzeugen konnte, ist die Farbe nicht bei allen gleich intensiv, sondern unterliegt grossen individuellen Schwankungen. Bei einem wenige Stunden vorher im Aquarium abgestorbenen Exemplare von Sepiola war von der Stäbchenfarbe überhaupt nichts bemerk- bar. Dass diese Differenzen sich nicht auf Veränderungen post mortem zurückführen lassen, wird damit verbürgt, dass auch bei sofort geöffneten Augen die Intensität des Stäbchenpurpurs zu- weilen beträchtlich verschieden war, und dass andererseits seit mehreren Tagen abgestorbene Exemplare denselben in ausge- zeichneter Weise erkennen Hessen. Auch gelang es mir, in schwa- cher Kochsalzlösung (von etwa 2*^/0) den Stäbchenpurpur längere Zeit zu conserviren. 60 C. Fr. W. Krukeuberg: Durch die Güte* des Herrn Dr. Gräffe in den Besitz einer grossen Menge von Sepiola gelangt, liabe ich meine Versuche über die Einwirkung von Keagentien auf den Stäbchenpurpur der Cephalopoden vorzugsweise an dieser Art ausgeführt. Ich habe gefunden, dass der Stäbchenpurpur durch 2 pr. m. HCl, 5''/oige Essigsäure, 4";oige Oxalsäure, durch Lösungen von Kupfer- vitriol und Bleiacetat, sowie durch Alkohol zerstört wird, wäh- rend er sich in Kochsalzlösungen sehr verschiedener Concentration (2 — 30*^/0), in Lösungen von schwefelsaurem und phosphorsaurem Natrium, sowie in Benzol als haltbar erweist. Durch Einlegen in Chlorbariumlösung und Glycerin wird die Cephalopoden- Retina blass. Im Aetzammoniak wurde ein Lösungsmittel für den Purpur der Cephalopoden gefunden, mittelst dessen sich, wie ich hoffe, bald weitere Resultate gewinnen lassen. Diese Einwirkungen der Reagentien nahm ich, wie gesagt, an der herausgenommenen Retina vor; doch sei bemerkt, dass die Präparation derselben an frischen Augen nicht gut gelingt; es bedarf dazu einer vorhergegangenen 1- bis 2tägigen Maceration in Kochsalzlösung. Diese (ohne sichtlichen Einfluss der Concen- tration) eignet sich sehr gut zu diesem Zwecke, während ich Alaunlösungen, welche den Stäbchen purpur zwar auch unverän- dert lassen, hierzu ungeeignet fand. Beim Eintrocknen der Retina auf einem Uhrglase oder auf einem Porzellanschälchen nimmt die Farbe der Stäbchen bemerk- lich ab, ohne jedoch ganz zu verschwinden. Benetzen mit Koch- salzlösung stellt die ursprüngliche Intensität nicht wieder her. Der Stäbchenpurpur ist nicht nur sehr resistent dem Lichte gegenüber — wovon ich mich ausser am lebenden Thiere noch an der herausgenommenen Retina, welche mehrere Stunden in einer Kochsalzlösung dem Sonnenlichte exponirt, und durch das- selbe nicht bemerkbar verändert wurde, überzeugen konnte — , sondern er erträgt auch eine ziemlich hohe Temperatur. Beim üeber die Stäbchenfarbe der Cephalopoden. 61 Erwärmen der Retina in einer 30 "/oigen Kochsalzlösung auf 70*' C. büsst der Purpur kaum etwas von seiner Färbung ein, und nur längeres Erwärmen bei 100" C. bleicht die Retina all- mählich, aber vollständig. Zur Extraction des Stäbchenpurpurs ist es erforderlich die Retina zu isoliren, und diese dann mit Ammoniak zu behan- deln, weil im Cephalopoden äuge noch andere, ausserhalb der Retina gelegene, in Ammoniak mit rothgelber Farbe sich lösende Pigmente vorkommen, welche aber weder auf Zusatz von con- centrirter Salzsäure und starker Natronlauge noch durch Al- kohol wesentlich verändei't werden. Auch mittelst Kochsalzlösung lässt sich aus den Cephalopodenaugen ein stark gelbgefärbtes Pigment extrahiren. welches ebenso wenig licht- und wärmeem- pfindlich ist, wie der Stäbchenpurpur. Ich habe diesen gelben Farb- stoff spectroskopisch untersucht. Im Spectrum tritt mit zuneh- mender Concentration der Lösung eine im \ioletten Ende rasch bis b fortschreitende Verdunkelung auf, während die Verdunke- lung im rothen Ende nicht über B hinausgeht. Absorptionsbän- der fehlen vollständig. Nur dieses Pigment lässt sich, wie es scheint, durch Galle aus den Cephalopodenaugen gewinnen, während der Stäbchenpurpur in den mit Kochsalzlösung behan- delten Augen von derselben nicht gelöst wird. 62 W. Kühne: Erwiderung auf einen Angriff des Herrn Hoppe-Seyler. Von TT. Kühne. In seinem neuesten Artikel ,,über Gährungsprocesse(Zeitschr. f. physiol. Chem. Bd. IL Hft. 1)" sagt Hoppe-Seyler (S. 3 u. 4): „Neuerdings hat Kühne die Aufforderung ergehen lassen, gegen meine Unterscheidung aufzutreten, da er jedoch keinen irgend beachtenswerthen Grund hierzu anführt, halte ich es nicht für nöthig, etwas zu erwidern'\ Das Wort ,, Unterscheidung" bezieht sich hier auf die Annahme von Enzymen (löslichen Fermenten) in Gährungsorganismen und auf die Herleitung der Gahrungs- X-trocesse von diesen. Darauf zur Antwort: Ich habe niemals H.-S.'s Unter- scheidung zu begegnen aufgefordert, sondern seiner Termeii- gung ganzer Reihen verwickelter Lebensprocesse mit einzelnen wohl bekannten Enzymwirkungen, indem ich zeigte, dass Trypsin- wirkung und Bacterienfäulniss, die H.-S. zusammengeworfen, zwei grundverschiedene Dinge sind. Wenn H.-S. heute beginnt, solche Unterscheidungen zu machen, wo er es bisher nicht ge- than. so ist dies z. Th. ein Erfolg der Leetüre meiner ,, Erfah- rungen und Bemerkungen über Enzyme und Fermente" (Bd. II. dies. Unt. S. 291). von welchem man nur ebenso befriedigt sein kann, wie von IL-S.'.'i jetzigem Zugeständniss, dass er Ferment in der Hefe ,,nur den gänzlich unbekannten, durchaus hypothe- tischen Körper in der Hefe" (]. c. S. 2) nenne, der aus Zucker Erwiderung auf eiuen Angriff des Herrn Hoppe-Seyler. 63 Alkohol und Kohlensäure bildet. Man wird sich erinnern, dass ich es war, der ihm dies vorhielt und der Forschung die Frei- heit zu wahren suchte, einen solchen Körper anzunehmen oder nicht, indem ich es für unrecht erklärte, davon, wie von einer des Beweises nicht bedürfenden Sache zu reden, was H.-S. ge- than hatte. H.-S. sagt weiter: „ich halte die Hypothese, (solche Stofle aufzustellen, W. K.) für nothwendig, weil die Gährungen chemische Processe sind, die auch chemische Ursachen haben müssen, wenn physikalische Einflüsse zu ihrem Zustandekommen, wie in diesen Fällen, nicht genügen". Ob das Letztere erwiesen oder z. Zt. überhaupt erweisbar sei , mag unberührt bleiben , jedenfalls ist H.'S.''s jetzige Motivirung der Annahme ein Fortschritt, wiederum durch meine Ausführungen veranlasst, da er früher statt seines heutigen Grundes die angebliche Thatsache geltend gemacht hatte, dass Bacterien nicht nur im Allgemeinen ein Ferment (Enzym) enthielten, sondern Pankreatin (Trypsin), also einen durchaus nicht gänzlich unbekannten und keineswegs rein hypo- thetischen Körper. Denselben in den Bacterien aufzugeben, zwingen ihn meine Versuche. Da der Erfolg meiner Darlegungen ein so vollkommener ge- wesen ist und noch erfreulicher sein wird, wenn H.-S. oder Andere ihre Bemühungen nicht vergeblich fortsetzen, aus den hypothetischen Körpern thatsächliche zu machen, so bleibt es sachlich völlig gleichgültig, ob H.-S.^ der meine Gründe so sehr beachtete, dieselben ,,beachtenswerth" nennt oder nicht, und selbstverständlich, dass er nichts Sachliches erwidert. Wenn ich aber trotz der mir so günstigen Situation Herrn H.-S. erwidere, so wird der Leser dies sicher gerechtfertigt finden durch die an die schlimmsten Zeiten wissenschaftlicher Polemik erinnernden Aeusserungen, deren sich H.-S. in einer Anmerkung (1. c. S. 3) gegen mich schuldig macht. Im Texte sagt er ausserdem : „die 64 W. Kühne: Behauptung von Kühne, dass Bgcterien in mit Aether gesättigten wässrigen Flüssigkeiten leben könnten, ist ernster Beachtung nicht werth". Der nächste Tag wird ihn belehren, welche colos- sale Bacterienzucht man erhält, wenn man ein massig inficirtes Pankreas in mit Aether gesättigtem Wasser unter beliebigem Aetherüberschuss hinstellt. Ich würde den Schaden, den H.-S. ohne baldige und „ernste" Beachtung dieser Thatsache nehmen kann, bedauern, wenn wir nicht bereits wüssten, dass er Das nicht beachtenswerth nennt, was er soeben beachtet hat. In der genannten Anmerkung hält H.-S. meiner Aeusserung: ,,seit die Zersetzung der Albumine durch den Pankreassaft von mir erkannt worden*' u. s. w., die verdächtigende Bemerkung entgegen: „bekanntlich hat Corvisart die Pankreasverdauung zu- erst bestimmt aufgestellt". Bekanntlich ist aber Niemand mehr und stets ausdrücklich bestätigend für Corvisarfs Lehre einge- treten, als ich, zu einer Zeit, wo dieselbe gänzlich übergangen, oder nur von sehr Wenigen mit starken Einschränkungen zu- gegeben wurde, und habe ich noch gegen Hüfner hervor- heben müssen, dass Corvisart auch längst die Wirksamkeit der Alkoholfällung des Pankreasinfuses erwiesen. Aber Herrn E.-8. gefällt es, keinen Unterschied zwischen dem von mir mit Recht und Absicht gewählten Worte Zersetzung und dem von ihm ein- geschobenen „Verdauung" zu machen und nicht nur heute, sondern seit Jahren möglichst davon absehen zu wollen, dass ich eben zuerst den Beweis geliefert habe für die Albuminzersetzung oder — Spaltung bei dieser Verdauung, Er sagt (1. c), viel Leucin und Tyrosin mit Pankreas aus Eiweiss erhalten zu haben, sei das Einzige, was ich mit Recht für mich in Anspruch nehmen könne, aber er hätte hinzufügen können, dass dies lange Zeit überhaupt das Einzige war, was jene Zersetzung bewies. Dass Hüfner die Unterscheidung von Pankreaswirkung und Fäulniss durchgeführt habe, was H.-S. gleich darauf, wie es scheint, auch Erwiderung auf einen Augritf des Herrn Hoppe-Seyler. 05 gegen mich geltend machen will, ändert daran nichts, denn ich hatte vor Iliifner die Zersetzung bei 4 stündiger Digestion in saurer Lösung erhalten (Virchow's Arch. Bd. 39. S. 163), wo keine Spur von Fäulniss stattfand, und sehr bestimmt nicht Bacterien, sondern der Substanz des Pankreas die Wirkung zu- schreiben können. Unter solchen Umständen und indem er mir das Wort (Zersetzung) mit berechneter Al)sicht verdreht, (in Ver- dauung), erlaubt sich H.-S. meinem Satze die Bemerkung an- zufügen: ,, Alles ist unwahr", vielleicht in der Meinung, mit einer rohen Wendung eine andere Angelegenheit, die von mir berührt worden , rasch abthun zu können. Ich habe gesagt, die Herren Luhavin und Möhlenfeld hätten H.-S.'s Meinung, dass jede Ver- dauung die von mir erwiesene Eiweisszersetzung einschliesse, durch den Nachweis von Leucin und Tyrosin nach Pepsin Wirkung darthun müssen. H.-S. vermeidet ersichtlich eine Selbstständig- keit der Möhlenfeld' sehen Arbeit und dass ich hinsichtlich dieser das Richtige getroffen, zuzugeben, meint dagegen, die Untersuch- ungen von Lvharh} seien von mir grundlos als unsell)stständig verdächtigt. Ich kann natürlich nichts dagegen einwenden, wenn erklärt wird, Luhavin habe die Bildung von Leucin und Tyrosin bei der Magenverdauung ,, durchaus selbstständig gefunden", muss aber hervorheben, dass die Verantwortung dafür Herrn U.S., unter dessen Leitung die Arbeit, wie der Autor in der üblichen Weise anj Schlüsse sagt, ausgeführt worden, dennoch zufällt, da die so sehr betonte Selbstständigkeit bei einem Manne, der weder jemals vor noch nach seinem Besuche des Hoppe' ?>Q\\e\\ Labora- toriums den Jahresberichten Anlass zur Aufführung seines Namens gegeben, selbstverständlich keine absolute sein kann. Bei Herrn Möhlenfeld' s Untersuchung, für die H.-S. mit eintritt, bemerkt er, dass meine Befunde auf die Richtung seiner Arbeiten gar keinen Einfluss gehabt hätten. Es ist dies eine reine Unmög- lichkeit: Aeltere Angaben und die Analysen von Thinj hatten Küliue, Untersucliungun II. 5 66 W. Kühne: die Zusammensetzung der Peptone für gleich mit der der in Verdauung gegebenen Albumine erklärt, was neuerdings wieder von Maly gegen H.-S. und Mölüenfelä bestätigt worden und von H.-S. als richtig zugegeben zu sein scheint und es herrschte darum die Meinung, dass die Verdauung in einer nicht auf Zer- setzung beruhenden Umwandlungsweise bestehe, wie es ehedem (auch nach Ltihavin's Citat) Tiedemann und Gmelin gedacht hatten. Während man so die fragliche Zersetzung weder behaupten noch verneinen konnte, erschien meine Pankreasarbeit, aus der man sicherer erfuhr, als es bis heute selbst durch alle späteren Pepton an alysen auch nur angedeutet worden, dass es eine Ver- dauung gebe, bei welcher schon bekannte und höchst charakte- ristische Zersetzungsproducte der Albumine auftreten; — und Das soll gar keinen Einfluss auf die Pachtung von H.-S.^s viel späteren Arbeiten, die das gleiche Ziel verfolgten, gehabt haben? Niemand wird und kann das glauben! Wer der Sache näher steht, kann aus der Art freilich, wie H.-S. die an sich schon sehr unsicheren Befunde von Luhavin und Mölüenfelä in seinem Handbuche der physiol. u. pathol. ehem. Analyse vor den meinigen, von Jedermann bestätigten, in den Vordergrund stellt, entnehmen, dass es ihm nichts verschlägt, die frühere Entdeckung zuver- lässigerer Thatsachen ins Gefolge der späteren und zweifelhaften zu setzen, wird sich aber keineswegs damit überreden lassen, dass die früheren Beobachtungen die späteren nicht provocirt hätten; und wer die massenhafte Gewinnung des Leucins und Tyrosins bei der Pankreasverdauung erprobt hat, wird finden, dass H.-S. aus Mücken Elephanten macht, indem er die winzigen NQn Mölüenfelä bei der Pepsinverdauung erhaltenen Mengen Jener Körper daneben stellt. Soll ich noch hinzufügen, dass das Ca- sein nach H.-S.'s und Luhavin'?, eigenen Angaben kein einfaches Eiweiss ist, also hier gar nicht maassgebend war und dass Mölüenfelä das Auftreten des Tyrosins selbst nicht für sicher Erwiderung auf einen Angriff des Herrn Hoppe-Seyler. G7 erwiesen hält? So war die Sachlage und dennoch schrieb JI.-S. (a. a. 0., 4. Aufl., S. 248): „Nach den Untersuchungen von Ln- havin und MöUenfeld bilden sich bei der Einwirkung von Magen- saft auf Casein oder Fibrin Leucin und ein dem Tyrosin sehr ähnlicher, wohl damit identischer Körper, sowie dies Kühne auch bei der Verdauung des Fibrins durch die Pankreasdrüse gefun- den hatte". Indem ich gegen solche Darstellung protestire, verfolge ich keineswegs persönliches oder Autoreninteresse, sondern ein sachliches. Mag es noch so oft wiederholt werden, dass die Pepsinverdauung aus den in Verdauung gegebenen Albuminen Leucin und Tyrosin bilde, die Angabe ist und bleibt falsch und wenn H.-S. sich nicht dazu verstehen will, die von mir aufgedeckte Quelle des Irrthums zu prüfen, so fällt der von ihm be- liebten Darstellung z. Th. die Verantwortlichkeit für die heutige Verwirrung in der Verdauungslehre zu, welche das Pepsin zu einem Spaltungsmittel der Peptone wie das Trypsin macht. Dass damit Ei- w ei SS Spaltung bei der Pepsinbildiing durch Magenverdauung nicht geläugnet werde, habe ich an andrer Stelle bereits ausgeführt und iZ'.-zS'.'s voreilige Bemühungen, die Körper, aus deren Auftreten dies hervorgeht, zu discreditiren, werden meiner Freude keinen Abbruch thun, endlich das Verständniss für die von uns Allen verkannten Angaben Meissner's gefunden zu haben, denen so wenig gefehlt hat um die digestive Zersetzung der Albumine zu einer wohlbegründeten Thatsache zu machen. Was H.-S. sich im Uebrigen hinsichtlich meiner Arbeit zu sagen gestattet, veran- lasst mich nur für Leser, welche dieselbe nicht kennen, zu be- merken, dass wahrscheinlich auf sie bei der Aeusserung, meine Mittheilungen enthielten ausser Phrasen und fremden Ideen kaum etwas, gerechnet worden, da H.-S. den Platz schwerlich anzu- geben wüsste, wo dergl. zwischen der grossen Zahl meiner Ver- suche zu finden wäre. Endlich bekennt H.-S. sich auch zu einem Irrthume, den 5* 68 W. Kühne : Erwiderung auf einen Angriif des Herrn Hoppe-Seyler, ich ihm mit Recht vorgehalten und schliesst mit den Worten: „Ich bedaure mein Versehen um so mehr, als es sich nun zeigt, dass die betreifende Angabe von Kühne überhaupt nichts Be- merken swerthes enthielt und ich sie hätte ganz übergehen können". Ersichtlich kann Das nur zweierlei bedeuten: entweder war die Angelegenheit an sich nicht der Erwähnung werth und H.-S. berührte sie nur, weil er sie für eine Gelegenheit hielt mir zu widersprechen, oder die Thatsache (Verhinderung der Trypsin- verclauung durch sehr verdünnte Säuren) war zu besprechen und dann hätte er mich, der sie gefunden oder nach Banüewsky be- stätigte und erweiterte, nicht erwähnt. Es ist traurig, dass ein Schriftsteller Anlass nahm, solchen Einblick in seine Werkstatt zu gewähren ! Heidelberg, den 30. Mai 1878. W. Kühne: Beobachtungen an der frischen Netzhaut des Menschen. 69 Beobachtungen an der frischen Netzhaut des Menschen. Von W. Kühne. Durch die Güte der Herren Collegen 0. Becker und V. Czemy ist es mir möglich geworden die Netzhaut eines normalen mensch- lichen Auges im denkbar frischesten Zustande zu untersuchen. Die Gelegenheit fand sich bei der Exstirpation eines Epi- thelioms, welche die Entfernung des Bulbus nothwendig machte. Nach den von der Augenklinik erhaltenen Mittheilungen litt die 41jährige Patientin, Frau B. B. aus 0., seit 1^2 Jahren an einem ausgebreiteten Epitheliom der Lider des rechten Auges, das auch die Conjunctiva bulb., sowie den äusseren und unteren graden Muskel ergriffen hatte. Genaue Prüfung der Functionen war wegen der in Folge starker Infiltrationen entstandenen Ptosis des oberen Lides nicht möglich gewesen und nur so viel fest- gestellt, dass das Sehvermögen wenn nicht ganz, doch annähernd normal geblieben, da bei entsprechender Kopfhaltung und Re- position des Lides allerfeinste Schrift gelesen werden konnte. Das linke Auge ist hypermetropisch und hat eine Sehschärfe von *^/9— ^'e; auf dem sonst nomialen Hintergrunde sind die Chorio- idalgefässe grösstentheils sichtbar, was mit den dunkelblonden Haaren einigermassen im Widerspruch steht. Zwei Stunden vor der Operation brachte Patientin in völliger Dunkelheit zu. Die in 3 Minuten von Herrn Becher vollendete Enucleation geschah in der Chloroformnarkose vor Natronlicht, in massiger 70 W. Kühne: Entfernung von 2 Bunsenbrennern mit Schornstein, deren Flam- men mit je 2 an sehr feine Platindräthe angeschmolzenen Soda- perlen gelb erhalten wurden. Das mir sofort (15. Mai 10 Uhr 45 Min.) überreichte Auge wurde weiter bei derselben Beleuchtung präparirt, durch einen dem Aequator parallelen, ziemlich weit nach vorn gelegten Schnitt getheilt, die vordere Hälfte in Alaun von 4 pCt., die hintere nach dem Ausstürzen der grössten Menge des Glaskörpers in NaCl von ^/a pCt. gelegt. Nachdem die Papille mit dem Loch- eisen von der Retina gelöst worden, betrachteten wir den Augen- grund einige Secunden vor der leuchtenden Gasflamme, dann ebenso kurz an der nach einem Corridore hin wenig geöffneten Thür des Dunkelzimmers, wo durch nach Norden gewendete Fenster Licht des wolkenfreien blauen Himmels darauf fiel: es war uns nicht möglich, die Macula lutea oder die Fovea centralis auf dem gleichmässig hellbräunhchen (blass chocoladefarbenen) Grunde an irgend welcher abweichenden Farbennuance zu erkennen, obwohl uns der Verlauf der retinalen Blutgefässe nicht in Zweifel über den Ort jener Theile Hess. In der nächsten Umgebung der Papille, wo die Retina durch die Behandlung mit dem Locheisen ein wenig gekräuselt oder abgehoben war, sah man den Sehpur- pur durch einen leichten rosigen Schimmer angedeutet; auch bei möghchst schräger Beleuchtung war an den übrigen Theilen der Hohlschaale nichts als die genannte hell violet-braune, gleich- massige, wenig dunkle Farbe des epithehalen und chorio'idalen Pigments zu sehen. Ich durchschnitt jetzt den Augengrund etwas nach innen von der Papille, senkrecht zum Retinahorizonte, brachte das in- nere Stück mit der darin haftenden Netzhaut in ein mit schwacher Salzlösung gefülltes schwarzes Glas und löste von dem anderen grösseren Theile die Retina mit feinen Hakenpincetten unter Salzwasser vom Epithel ab, was wider Erwarten leicht gelang. Beobachtungen an der frischen Netzhaut des Menschen. 71 obwohl der rückständige Glaskörper untrennliar mit ihr verbun- den blieb. Aus diesem grossen Netzhautstücke wurde der die äussere Papillargrenze und die Macula enthaltende Theil mit einem Scheerensclmitte in Gestalt eines halbmondförmigen Lap- pens abgeschnitten und auf einer mit Salzlösung getränkten weissen Platte von unglasirtem Thon so ausgebreitet, dass sich der Glaskörper gegen die Unterlage sog, während die hintere Fläche nach oben lag. Diese zeigte, in gedämpftem Tageslichte besehen, die Macula von herrlich citrongelber Farbe, rings ditfus begrenzt, ungefähr im Ceutrum mit der völlig farblosen Fovea versehen, deren Anblick am Besten mit dem eines sehr kleineu, recht durchsichtigen Sagokörnchens zu vergleichen war. Im Umkreise des gelben Fleckes war der Sehpurpur durch einen schwach violetten Schimmer angedeutet. Nachdem sich mehrere Zeugen während der freilich sehr kurzen Belichtung von dem Sachverhalte überzeugt hatten, wurde das Präparat lichtdicht verschlossen und ein weiteres kleines Retinastück am Tageslichte besehen. Dasselbe war von sehr heller Purpur- oder Rosenfarbe und blich an dem jetzt etwas dreister zugelassenen dift'usen Tageslichte mit erstaunlicher Geschwindigkeit aus. Dabei war in keinem Stadium Gelb oder Chamois zu sehen, sondern nur Ueber- gehen durch blasses Lila zur vollkommenen Farblosigkeit. Dies Alles war das Werk weniger Minuten und geschah mit dem geringsten Zeitverluste, da wir die ganze Beobachtung nach einem, auch für den Fall einzelner (zum Glücke nicht eingetretener) Hindernisse vorher entworfenen Plane durchgeführt hatten. Die lichtdicht verwahrten Präparate wurden jetzt von der Augenklinik ins physiologische Listitut getragen, wo zunächst das die Fovea enthaltende Netzhautstück im Ueberviolet auf Fluores- cenz untersucht wurde. Untadelhafter Sonnenschein begünstigte die folgenden Be- obachtungen. 72 W. Kühne: Um an dem unersetzlichen Präparate mit möglichster Sicher- heit vorzugehen, war der Ort des übervioletten Focus des Helm- Jwlt^'&chen Quarzapparates so vor diffusem Lichte geschützt, dass man daselbst ausser fluorescirenden Substanzen nichts erkennen konnte. Dr. Ewald, welcher von der Form und Orientirung des Ketina- stückes auf der Thonplatte nichts wusste, fertigte nach dem in sehr reinem, durch zweimalige Brechung erhaltenen übervioletten Lichte gewonnenen Anblicke eine Skizze an und vermochte diese nicht nur im Contour richtig herzustellen, sondern auch die Stelle genau zu bezeichnen, wo sich die Fovea neben einem von der Papillengegend in den Rand der Macula ein wenig einspringen- den Risse befand. Ich selbst sah ebenfalls das ganze Retinastück schwach grünlichweiss, nach den Rändern hin etwas stärker leuch- tend, und eine der Fovea entsprechende dunklere, nicht scharf be- grenzte Lücke. Nachdem das Präparat zur Hälfte besonnt wor- den, war auf dieser Seite das Fluorescenzlicht unzweifelhaft heller geworden und die Grenze zur dunkel gehaltenen Hälfte beson- ders am Rande des Lappens gut anzugeben. Besonnung der Fovea änderte an deren Verhalten im Ueberviolet nichts. Nach Erledigung dieses Theiles der Untersuchung bemühte ich mich das Retinastück von der Thonplatte so auf ein Deck- glas zu ziehen, dass es sich mit der hinteren Fläche gegen das- selbe legte, was jedoch nicht ausführbar war, ohne Risse und Falten zu erzeugen. Dennoch glaubte ich, nach dem Ansehen mit blossem Auge die Macula tadellos erhalten, da ich die Mem- bran dort glatt ausgebreitet und die Fovea darin sehr kenntlich fand. Mikroskopisch untersucht, zeigte die Stelle indess zu meiner sehr unangenehmen Ueberraschung ein von lebhaft gelben Rändern umgebenes Loch, von schwach elliptischer Gestalt und etwa 0,2 mm. grösstem Durchmesser, in welches von allen Seiten die bekannten schlanken Zapfen radiär hineinragten. Ich habe freilich die Ueberzeugung, dass der Substanzverlust erst beim Beobachtungen an der frischen Netzhaut des Menschen. 73 Uebeitragen der weichen Membran von der Thonplattte, wo sie adhärirte, auf das Deckglas entstanden war, volle Sicherheit da- rüber vermochte ich nach Lage der Dinge jedoch nicht zu ge- winnen. Prof. Becker und Dr. KuJuit, welche das der Macula entsprechende Stück des Augengrundes behufs Untersuchung des hinter der Fovea liegenden Epithels zurückbehalten hatten, ver- sichern mich wohl, darin weder unmittelbar nach dem Wegneh- men der Netzhaut Fetzen der letzteren mit der Lupe gesehen, noch an den Pigmentpräparaten später Stäbchen- oder Zapfen- reste bemerkt zu haben; da man aber nicht wissen kann, ob solche nicht von der Salzlösung, worin die Präparationen vorge- nommen, weggeschwemmt worden, bleiben wiederholte Unter- suchungen über das optische Verhalten der frischen Fovea des Menschen wünschenswerth. Ausser dem übervioletten Lichte war zur Feststellung der Absorption und des Ausbleichens der frischen Präparate noch ein kleines, sehr lichtstarkes und reines objectives Sonnenspectrum vorbereitet, in welches das grössere Stück der Netzhaut sogleich ausgebreitet wurde. Es zeigte sich in Gelbgrün, Grün und Blau ausserordentlich schwache Absorption und als wir das Präparat an sehr schwachem Tageslichte auf der weissen Unterlage be- sahen, war von dem Sehpurpur überhaupt nur noch wenig zu erkennen. Ich muss dazu bemerken, dass dieses Stück in einer lichtdichten feuchten Kammer, mit dem Glaskörper auf einem Objectträger ruhend, wegen seiner grossen Beweglichkeit von mir selbst nach dem Laboratorium getragen worden, aber trotz seiner anscheinend guten Erhaltung, wenigstens nach dem Umlegen in Salzwasser auf eine weisse Platte, wie die mikroskopische Un- tersuchung nachträglich zeigte, den grössten Theil der Stäbchen- und Zapfeuaussengiieder verloren hatte. Licht hatte sicher nur auf dasselbe wirken können, als ich mich vor dem Transporte durch einen flüchtigen Blick in schwachem Tageslichte von der 74 W. Küline: wohl ausgeprägten, sehr zum Violet neigenden Färbung dieses Stückes überzeugt hatte. Immerhin hatte es jedoch so viel Farbe bewahrt, dass wir uns nach 5 Min. langer Einwirkung des Spec- trums von der Wirkung aller Strahlen mit Ausnahme der rothen überzeugen und nachträglich die bekannten Fluorescenzunter- schiede zwischen dem grösseren, ganz gebleichten und dem klei- neren, dem Roth exponirten und davon nicht veränderten An- theile, wenn auch schwach, erkennen konnten. Es blieb jetzt noch das nunmehr etwa eine Stunde alte Netzhautstück verfügbar, das wir mit dem inneren Theile des Augen grundes in seiner natürlichen Lage in Salzwasser verwahrt hatten. Dasselbe Hess sich mit Ausnahme einer kleinen Stelle, die mit einem bräunlichen Anfluge herauskam, sehr leicht vom Epithel abziehen und erschien bei gerade ausreichendem Tages- lichte betrachtet, nicht so violet, wie die ganz frische Retina, mehr rosenfarben. Im Spectrum zeigte es nahezu dieselbe Ab- sorption, wie purpurne Kaninchen- oder Froschretinae, so dass ich früher Berichtetem nur noch hinzuzufügen habe, dass uns das Maximum der Absorption vom Gelbgrün mehr ins Grün ge- rückt und die Verdunkelung im Violet noch schwächer erschien, als es für den Sehpurpur bisher festgestellt worden. Nach 7 Min. langer Belichtung war die Bleichung im Gelbgrün und im Grün vollendet, im Roth keine Äenderung zu sehen, im Blau, noch mehr im Violet äusserst schwache Lilafärbung zu erkennen. Die Fluorescenzunterschiede der gebleichten und der roth belichteten Strecken waren hier äusserst deutlich, das Leuchten der ersteren im Ueberviolet beträchtlich intensiver und grünlicher: ein Stück- chen des roth belichteten Antheiles ins Tageslicht gehalten wurde deutlich chamois und gelbhch, ehe es ganz ausblich. Die Netz- hautstelle, welcher Pigment anhaftete, mikroskopisch betrachtet, zeigte einen zusammenhängenden Belag von Epithelzellen, deren Grenzen nicht durch helle Rahmen (Kittleisten) bezeichnet, son- Beobachtungen an dov frischen Netzhaut des Menschen. 75 dern im Gegeutheil durch das bis an die Zellränder reichende dunkle Pigment verwischt erschienen. Im Allgemeinen waren die Epithelzellen arm an Pigment und dessen einzelne Theilchen nur von blassbrauner Färbung. Die Peripherie der Netzhaut am folgenden Tage aus der in Alaun gehärteten, vorderen Bulbushälfte im Zusammenhange mit der Ora serrata und der Zonula ciliaris hervorgehoben, zeigte den von mir schon früher bemerkten nach vorn gelegenen pur- purfreien Saum, an dieser durch den Alaun vielleicht etwas ge- schrumpften Retina aber schmäler, als ich ihn bisher gesehen, von höchstens 2 — 3 mm.,, auf einer Seite breiter, als auf der anderen. Da Bonders, der diese Asymmetrie zuerst bemerkte (Klin. Monatshft. f. Augenheilk. XV, S. 156), dieselbe hinsichtlich der engeren Begrenzung des Gesichtsfeldes auf der Temporal- seite (v. Gräfes Arch. XXIII, 2., S. 255) für bedeutungsvoll hält, so wurde die Herstellung unseres Präparates von Herrn Becker besonders überwacht und, nachdem wir uns an dem Bul- busstücke sorgfältig orientirt hatten, in der That gefunden, dass es die dem äusseren Retinarandc entsprechende Seite war, wo der Purpur am wenigsten nach vorn reichte. Ich habe die vorstehenden Befunde ausführlich mitgetheilt, um den Leser möglichst in Stand zu setzen, sich ein Urtheil da- rüber zu bilden und sich bei ähnlichen seltenen Gelegenheiten in zweckmässiger Weise auf derartige Beobachtungen einzurichten. Da mir nicht Alles so glückte, wie ich gehoftt hatte, kann ich mein Verfahren wieder in jeder Hinsicht empfehlen, noch mich über das Resultat anders, als unter einiger Reserve aussprechen. Was mir vor Allem wissenswerth und nur am lebensfrischen Auge des Menschen zu entscheiden schien, war das Verhalten der Fovea centralis. Horncr's Angaben (Klin. Monatsbl. f. Augen- heilk. XV, S. 157) über eine daran freilich nur in situ bemerkte kirschrothe, allmählich schwindende Färbung bestimmten haupt- 76 W. Kühne: sächlich den Plan der Untersuchung, Ich habe von jener Fär- bung nichts gesehen, obgleich das Präparat nicht frischer sein konnte, das Auge intra vitam lange im Dunkeln gehalten war und die ungewöhnlich schwache Pigmentirung des Epithels und der Chorioides der Wahrnehmung des in den Zapfen der Fovea vermutheten, möglicherweise ohne Licht, im Absterben vergäng- lichen Farbstoffes ganz besonders günstig hätte sein müssen. Geringeren Werth, als auf dieses negative Resultat, muss ich auf Alles das legen, was an der abgezogenen Fovea gesehen worden, und wenn ich dies ausdrücklich bemerke, wird es hoffentlich zu- gleich als Anregung aufgefasst, bei ähnlichen Untersuchungen keine Prüfung zu unterlassen, die zur vollen Sicherheit erforderlich ist. Ich bekenne, dass es mir vermuthlich nicht eingefallen wäre, die mir untadelhaft erschienene Macula nach den Fluorescenz- versuchen besonders auf etwaige Defecte zu prüfen und dass ich diese überhaupt nur fand, weil es mich anderweitig interessirte, eine frische Fovea vom Menschen mikroskopisch zu betrachten. Was in meinen Kräften stand, dem ' peinlichen Zustande, mit der besten subjectiven Ueberzeugung zurückhalten zu müssen, ein Ende zu machen, habe ich gethan, indem ich am 17. Mai die Augen eines mir gütigst von der Zoologischen Gesellschaft in Hamburg überlassenen lebenden Cebus Capucinus vornahm, aber ich bin für diese Affenspecies bis heute leider in Zweifel geblieben, ob sie überhaupt eine Macula lutea und Fovea centralis retinae besitzt. Das Thier wurde nach mehrstündigem Dunkelaufenthalte in der Chloroformnarkose geköpft und die Augen gerade so be- handelt, wie das menschliche. Ich fand ganz, wie in einem früheren Falle (Bd. I, S. 33) bei Macacus cynomolgus, die Netz- haut so fest mit dem Epithel verbunden, dass ich besser gethan hätte, den Versuch, sie im frischen Zustande zu lockern, abzu- brechen und das Material unter Aufgabe meiner nächsten Ab- sichten, erst nach Alaunhärtung zu verwerthen. Die Membran Beobachtungen an der frischen Netzbaut des Menschen. 77 zerriss derart in kleine Fetzen, dass ich eine Macnla, wie ge- sagt, gar nicht zu finden und nur im Allgemeinen die Anwesen- heit des Sehpurpurs und dessen von dem menschlichen nicht ab- weichendes Verhalten im Spectrum, sowie bezüglich der Fluores- cenz zu constatiren vermochte. Mit dem zweiten Auge, das ich erst nach einigem Liegen bearbeitete, war nichts Besseres zu er- reichen; die Hoffnung, Homere Vermuthungen am Affenauge prüfen zu können, bleibt darum sehr gering. Da diese Augen unter den nämlichen Vorbedingungen untersucht wurden, wie das des Menschen, so verdient die das Haften der Stäbchen-Zapfen- schicht am Epithel betreffende Differenz einige Beachtung. Unter den Befunden am menschlichen Auge erlaube ich mir noch die über die Farbe der Netzhaut vor und nach der Belichtung hervorzuheben. In dem von der Retina entblösstcn Augengrunde erschienen die beiden Schichten der Chorioides und des Epithels entschieden anders, als während der Bedeckung durch die noch lebenswarnie Retina: die zuerst blass chocoladefarbene, also auch Violet zeigende Fläche, bot später ein helles Gell)braun. Da die frische Retina kaum als trübes Medium anzusehen ist und alle Gründe fehlen, ihr die Fähigkeit zuzutrauen. Gelbbraun zu Violetbraun zu decken, wenn sie selbst farblos ist, so meine ich in der Erscheinung einen Beweis zu finden, dass man in schwach pigmentirten Augen wenigstens Andeutungen des Sehpurpurs in situ zu erkennen vermag. Nach dem Abheben der Netzhaut fiel am Sehpurpur 1) die stark violette Nuance, 2) das Ausbleichen ohne Umschlagen in Chamois oder Gelb auf; offenbar ist die erstere dem mensch- lichen Purpur immer eigen, ausgeprägter, als bei vielen Thieren, das letztere Folge der grösseren Lichtempfindlichkeit des Sehgelbs vor Ausbruch cadaveröser Processe, welche Anlass zu dessen Fixirung und Indolenz geben. Der einige Zeit in Salzwasser aufgehobene Netzhautautheil, dessen oben gedacht wurde, diente, 78 W. Kühne: wie man erselien haben wird, zum Gegenversuche, insofern da- ran selbst nach weisser Behchtung der Vorgang minder flüchtig und der Umschlag des ersten Bleichungsstadiums in das zweite vor der Totalbleiche an dem Auftreten gelber Nuancen bemerk- bar wurde. Braune Färbungen des Sehpurpurs, die von mehreren Ophthalmologen {Bonders u. A.) als dem Menschen eigenthümlich behauptet werden, zeigte unser Präparat nirgends. Um das Material vollständig auszunutzen wurden sowohl mit gebleichten, wie mit ungebleichten Antheilen der Netzhaut einige Beobachtungen über die von den Herren v. JBesold und Engel - liardt auf Fluorescenz gedeuteten Erscheinungen der Blutfarbe vor der Retina in monochroitischer Beleuchtung angestellt. Die Prüfung schien mir schon deshalb nothwendig, weil die im Blau und Violet angenommene Fluorescenz des Augengrundes, der Retina zwar zugeschrieben, aber aus Beobachtungen abgeleitet worden, welche ebenso gut die brechenden Medien oder die hinter der Retina befindlichen Gewebe des Auges als das Fluorescirende aufzufassen erlauben würden. Unser Verfahren bestand darin, die genannten Spectralfarben einzeln durch einen am Orte des ob- jectiven Spectrums aufgestellten zweiten Spalt treten zu lassen, die auf unglasirtem Thon ausgebreitete Netzhaut in das reine Licht zu halten und feine mit dünner Blutlösung gefüllte Glasröhrchen davor zu stellen. War die Blutlösung nicht zu verdünnt, so er- schien das Röhrchen anfänglich schwarz, nach längerem Hin- sehen im Blau gelbbraun, im Violet schmutzig braunröthlich und zwar, im Blau wenigstens, vor der blossen Thonplatte nicht an- ders, wie vor den Stellen, wo die letztere von dem Retinastücke bedeckt war. Wie mir scheint, beruht die Erscheinung nicht auf Fluorescenz, sondern auf Contrast, denn sie wurde erst deut- lich, wie erwähnt, durch längeres Hinsehen, am deutlichsten, wenn man Alles erst mit weissem Papier bedeckte, und nach einigem Fixiren des blauen Feldchens, das Object plötzlich aufdeckte. Beobachtungen an der frischen Netzhaut des Menschen. 79 Die gelbbraune Farbe steht hiermit in bester Uebereinstimmung, denn sie ist das Complementär, ^Yelches man an schwarzen Gegen- ständen auf blauem Grunde wahrnimmt. "Wäre Fluorescenz die Ursache ihres Auftretens, so begriffe man nicht, wie sie an Blut- röhrchen und Blutgefässen, die in gelbem Lichte schwarz aus- sehen, überhaupt kenntlich werden sollte und weshalb, wenn das erregte Licht, wie zu vermuthen, gemischter Natur wäre, nicht einfach das Roth des Blutes zum Vorschein kommt. In der That sahen schmale Streifen mattschwarzen Papiers vor die blau belichtete Netzhaut gehalten, ebenso gelbbraun aus, wie das Blut. Wurde der Versuch im spectralen Grün angestellt, so war der Con- trast minder deutlich, oder stellte sich später ein, aber ich finde für mein Auge, welches den Contrast von Grün und Purpur, wie das der meisten Menschen sonst am besten auffasst, dass es unter den Con- trastfarben, auf schwarzem Felde den Purpur am schwersten, das Gelb weitaus am leichtesten wahrnimmt. Ueber das Aussehen des Blutfarbstoffs vor der mit reinem Violet beleuchteten Netzhaut vermochte ich keine sichere Ueberzeugung zu gewinnen : es schienen mir die Piöhrchen wohl etwas anders, als vor der Thon- platte und ich kann nicht sagen, dass sie die erwartete schmutzig gelbgrüne Complementärfarbe zeigten. Geringe Fluorescenz der Retina in diesem Lichte bin ich darnach nicht in der Lage, ge- radezu in Abrede zu stellen. Die eben genannten Beobachtungen stimmen mit zahlreichen -Erfahrungen, die ich seit geraumer Zeit mit der Methode der Herren von Bezold und Enydliarät am pigmentirten Augengrunde und an der isolirten bluthaltigen Netzhaut des Schweines erworben, über- ein: ich muss den Nachweis der Retinafluorescenz durch blaues Licht bezweifeln und kann mich für das Violet nicht davon über- zeugen. Zur Erkennung der bekannten und unzweifelhaften Fluo- rescenz im Ultraviolet fand ich ausserdem die Blutgefässe oder vorgehaltene Blutlöoungen wenig geeignet, und es hat mich dies 80 W.Kühne: Beobaclitungen an der frischen Netzhaut des Menschen. um so weniger überrascht, weil man in gut gereinigtem Ueber- violet auch die purpurne Eigenfarbe der Netzhaut nicht zu erkennen vermag. Unumgänglich ist bei derartigen Versuchen übrigens vollkommene Abbiendung der nicht zur Verw^endung kommenden Theile des Spectrums, namentlich der rothen, da jede Fläche, auf die man projicirt, von sämmtlichen Farben genug nach allen Richtungen zerstreut, um benachbarte Pigmente so zu beleuchten, dass auch nicht davon absorbirbare Strahlen auf sie fallen. Schliesslich habe ich noch des Farbstoffes der Macula lutea zu gedenken , dessen vitale Existenz von Manchen, in missver- ständlicher Auffassung der Beobachtungen von ScJimidt-Rimpler, bezweifelt worden. Wir fanden die gelbe Färbung sofort nach dem Abziehen der Retina, also wenige Minuten nach Beendigung der Lebensverhältnisse so ausgeprägt, dass ich an der Pras- existenz nicht zweifle und die Auffassung theilen muss, nach welcher die Unsichtbarkeit in situ, bei grösster Durchsichtigkeit und Adhärenz der Netzhaut am Epithel, auf dem Verhalten aller Lackfarben auf dunklem Grunde beruht. Frithiof Holmgren: üebei* Sehpurpnr und Retinaströme. 81 Ueber Sehpiirpur und ßetinaströme. Aus den „Upsala Läkareförenings Förhandlingar" übersetzt und für diese „Untersuchungen" mitgetheilt von Frithiof Holmgren. Durch die interessanten Untersuchungen von KiUmc über die schnelle Bleichung und Regeneration des Sehpurpurs, sowie über die damit gewonnene Möglichkeit die optischen Bilder auf der Retina als Optogramme zu erhalten, wurde natürlich der Ge- danke an eine physiologische Bedeutung des Sehpurpurs geweckt und die Frage nahe gelegt, ob und bis zu welchem Grade we- sentlich der Sehpurpur beim Sehen betheiligt sei. Welcher Vor- stellung man sich in dieser Hinsicht auch zuneigen mochte, so blieb der Gegenstand einer experimentellen Prüfung zu unterziehen. Es war hierzu vor Allem nöthig über einen zuverlässigen obje'ctiven Ausdruck für die in der Retina stattfindenden und mit dem Sehen in wesentlichem Zusammenhange stehenden materiellen Vorgänge zu verfügen, eine Bedingung, welche wohl nur durch die von mir entdeckten Schwankungen des Retinastromes als er- füllt betrachtet werden konnte. Nach aller Erfahrung, welche du Bois-BeymonfV s glänzende Leistungen an die Hand gegeben, wird ein jeder Reizungsvorgang in den zum Nervensysteme ge- hörigen und damit im Zusammenhange stehenden Geweben, welche in dieser Beziehung bis jetzt untersucht worden, von einer Stro- messchwankung begleitet, welche in der Weise constant und charakteristisch auftritt, dass ihr Vorhandensein umgekehrt als zuverlässiges Zeichen für einen innerhalb des Organes stattfin- denden Reizungsvorgang aufgefasst werden kann. Durch den Kühne, Untersuchungen II. 6 82 Fritliiof Holmgren: Nachweis der Retinastromesschwankung wurde demnach eine bis dahin vorhandene Lücke ausgefüllt und das fehlende Zwischenglied gefunden, welches in der Reihe der Vorgänge das objective Licht auf der Retina oder die Aetherschwingungen als hervorrufende Ursache einerseits mit dem subjectiven Lichte oder der Empfin- dung im Gehirne als die schliessliche Wirkung andrerseits in Verbindung setzt. Wenn man es also für berechtigt erachten darf, in den Re- tinaströmen eine mit den zum Sehen gehörigen materiellen Vor- gängen im Auge wesentlich zusammenhängende Erscheinung an- zunehmen, so dürfte man auch mit Hilfe derselben die Beziehung des Sehpurpurs zu denselben Vorgängen prüfen können. Sollte der Sehpurpur von wesentlicher Bedeutung für das Sehen sein, so dürften dessen Bleichung und Regeneration mit den Schwan- kungen des Retinastromes parallel gehen, oder aber wenigstens die An- oder Abwesenheit des letzteren mit den ersteren zeitlich zusammenfallen. Könnte dagegen gezeigt werden , dass die Schwankungen des Retinastromes in einem Auge vorkommen, in welchem der Sehpurpur vollständig fehlt oder umgekehrt in einem Auge vermisst werden, welches normalen Sehpurpur besitzt, so dürfte man daraus schhessen können, dass dieser mit jenem und folglich auch mit dem Sehen in keinem wesentlichen Zusammen- hange stehe. Auf dieser Ueberlegung fusste mein Versuchsplan. I. Vom Retinastrome im purpurlosen Auge. Schon in meinem ersten Aufsatze (1865) über den Retina- strom habe ich hervorgehoben, wie man denselben und seine Schwankungen im Froschauge ziemlich lange beobachten kann, nachdem dasselbe aus dem Kopfe herauspräparirt und aus jeder Verbindung mit dem übrigen Körper gelöst worden ist und eben- so, nachdem es ziemlich lange dem Lichte ausgesetzt worden. Der Sehpurpur verschwindet aber bekanntlich unter den letztge- nannten Umständen ziemlich schnell, wenn es auch zugegeben Ueber Sehpurpur und Retinaströme. 83 werden muss, dass er sich namentlich im Froschauge ziemlicli lange erhält; im Kaninchenauge \Yenigstens wird er schneller ge- bleicht. Da im ausgeschnittenen Kaninchenauge indess auch der Retinastrom schnell schwindet, so musste an einem Auge beobachtet werden, welches noch mit dem lebenden Thiere in Verbindung blieb. Meine Untersuchungen sind theils am Froschauge, theils am Kaninchenauge ausgeführt. 1. Froschauge. Ein Auge wird einem eben getödteten Frosche aus dem Kopfe genommen und der Bulbus wie gewöhn- lich von allen anhängenden Muskelresten gesäubert. Das so hergerichtete Auge wird an einem sonnigen Orte mit der Pupille dem Lichte zugekehrt und um den Sehpurpur zu bleichen, in der Weise ^,'2 — 1 Stunde liegen gelassen. Wenn es nach Verlauf dieser Zeit auf die du Bois'sdien zur Wiedemawr sehen Bussole leitenden Thonelectroden in gewöhnlicher Weise aufgelegt wird, so lassen sich, man mag mit oder ohne Compensation arbeiten, die Schwankungen des Retinastromes beim Einfallen oder Abhal- ten des Lichtes deutlich beobachten. Die Erscheinungen treten in gewöhnlicher Weise auf, gleichviel ob man das ganze Auge dazu benützt unter Anlegen der einen Electrode auf die Horn- haut, der andern auf den hinteren Bulbusabschnitt, oder ob man von dem im Aequator gespaltenen Auge nur die hintere Hälfte verwendet und die eine Electrode auf die äussere, die andere auf die innere Seite derselben bringt. Hat man sich von der Gegenwart der Stromesschwankung überzeugt, so wird das Prä- parat zur Zeit, wo dieselben noch mit voller Deutlichkeit auftreten, schnell in 4procentige Alaunlösung geworfen und darin 2^2 Stun- den im Dunkeln aufbewahrt. Wird die Netzhaut nach Verlauf dieser Zeit bei Natronbeleuchtung herauspräparirt. so zeigt sie regelmässig keine Spur von Purpurfarbe. Ich schliesse daher, dass die Stromes- schw^ankung auch im purpurlosen Auge stattfindet. 2. Kaninchenauge. Ein Kaninchen wird mit dem Rücken 6* 84 FritMof Holmgren: nach aufwärts gekehrt aufgebunden und der Kopf mittelst eines von mir modificirten CsermaJc'' sehen Halters, welcher das Opera- tionsfeld in der Umgebung des Auges freilässt, befestigt. Der Versuch wird nach Curarevergiftung unter anhaltender künst- licher Athmung in folgender Weise ausgeführt. Zuerst wird die Lidspalte des einen Auges zugenäht, das Ohr darüber geschlagen und ebenfalls festgenäht. Dieses Auge ist also während des Versuches vor der Einwirkung des Lichtes hinreichend geschützt. Das andere Auge wird in der von mir gewöhnlich befolgten Weise hergerichtet, indem das obere Lid mit der Scheere und ein Theil des oberen Orbitalrandes mit der Knochenzange weggeschnitten werden. Dann wird die nach oben gekehrte Oberfläche des Bulbus von Muskeln und andern Geweben rein präparirt und an dieselbe so weit wie möglich nach hinten, gegen die Eintrittsstelle des N. opticus hin die eine Electrode angelegt, deren Thonspitze bis auf den kleinen sich anschmiegenden Theil mit einer isolirenden Hülle von Kautschuk überzogen ist. Es wird also in derselben Weise, welche ursprünglich von mir angegeben und seither immer von mir befolgt worden, verfahren, um den Retinastrom und dessen Schwankungen am Kaninchen zu demonstriren, und es zeigen sich dabei die gewöhnlichen und normalen Erscheinungen. Der Kopf wird nun schnell abgeschnitten und sofort in ein dunkles Zimmer gebracht, wo die beiden Augen vor dem Lichte einer Natronflamrae herausgenommen, im Aequator lialbirt und vom Glaskörper möglichst befreit, jedes für sich in 4procentige Alaunlösung gelegt Averden. Nach 24stündigem Aufenthalte da- rin im Dunkeln, werden die Retinae bei Natronlicht herausge- genomraen,' darauf im Tageslichte untersucht. Jetzt zeigt sich, dass die Netzhaut des während des Versuches verdeckt geblie- benen Auges normal purpurhaltig, die des andern dagegen, auf welchem die Stromesschwankungen beobachtet worden, auf der Aussenseite ganz purpurlos, also gebleicht ist. Dieses Verhalten Ueber Sehpurpur und Retiuaströme. 85 zeigt, dass die Schwankungen des Retinastroraes am purpuiiosen Kaninchenauge beobachtet werden kön- nen. Da die ganze Versuchsanordnung dieselbe gebheben, wie die, deren ich mich von jeher bediente, seit ich überhaupt die genannten Erscheinungen im Kaninchenauge nachgewiesen habe, so muss es ausserdem für wahrscheinUch gehalten werden, dass alle meine früheren Befunde sich auf purpurlose Augen bezogen. II. Vom Sehpurpur im stromlosen Auge. Um seine Optogramme zu erkennen und aufzuheben, hat Kühne die Retina in situ in dem halbirten und vom Glaskörper entleerten Auge in Alaunlösung von 4 p. Ct. gehärtet. In dieser Flüssigkeit hält sich der beim Einlegen noch nicht gebleichte Purpur im Dunkeln und wird dann erst in gewöhnlicher Weise, grade so, wie in dem lebenden, soeben herausgenommenen Auge durch die Einwirkung des Lichtes gebleicht. Wenn man ein in der genannten Weise bei Natronhcht im sonst verdunkelten Zimmer eben herauspräparirtes Auge vom Frosche oder Kaninchen 24 Stunden in der Alaunlösung vor dem Lichte geschützt aufbewahrt und dasselbe darauf zum Stromver- suche verwendet, so findet man, wie zu erwarten, daran keine Spur von Stromesschwankung auf Lichtwirkung. Der Sehpurpur ist zwar nach beendetem Versuche verschwunden und die Netz- haut vollkommen gebleicht; dass aber der Purpur zu Anfange des Versuches vorhanden war, kann in verschiedener Weise ge- zeigt werden. Ich habe mich in den einzelnen Fällen in folgen- der Weise davon überzeugt. 1. Man präparirt und behandelt gleichzeitig und in dersel- ben Weise die beiden Augen desselben Thieres; zum Stromver- suche wendet man nur das eine an und überzeugt sich nach- her, dass das andere seinen normalen Purpurgehalt besitzt. 2. Von demselben Auge, das zum Stromversuche dient, löst man vorher in der dunklen Kammer bei Natronlicht ein Stück- 86 Frithiof Holmgren: eben der Netzhaut ab und überzeugt sich nach dem Versuche, dass dasselbe purpurn ist. 3. Nach dem Versuche und nachdem man die Stromlosigkeit des Präparats constatirt hat, untersucht man die Stelle der Netzhaut, welche von der einen Electrode bedeckt, also vor dem Lichte geschützt war. Dieselbe zeigt dann auf ihrer Aussenseite normale Purpurfarbe. Fasst man das Hauptergebniss des jetzt Angeführten zusam- men, so findet man, dass die Schwankungen des ßetinastromes in keiner wesentlichen Beziehung stehen zu den Bleichungs- und Piegenerationserscheinungen des Sehpurpurs. W^ir ziehen daraus den Schluss, dass der Sehpurpur eine wesentliche Bedeutung für das Sehen hat. Die vorerwähnten Versuche waren schon ausgeführt und der Schluss daraus gezogen, ehe es mir durch Kühne's Schriften be- kannt geworden, dass der Sehpurpur gewissen Thieren fehlt, welchen man das Sehvermögen nicht absprechen kann, und dass derselbe auch im gelben Flecke des Menschen vermisst wird, also auf der Stelle der Netzhaut, welche sich vor allen anderen als die wichtigste und am meisten zum Sehen verwendete aus- zeichnet. Diese Erfahrungen verleihen nun unserem Satze eine Stütze, welche die Wahrheit desselben unzweifelhaft macht. Damit könnte meine gegenwärtige Aufgabe für zur Genüge gelöst erachtet werden. Wenn ich dessen ungeachtet noch etwas hinzufüge, so geschieht es, weil es sich um Versuche handelt, die mit dem Gegenstande eng verknüpft und an sich von hin- reichendem Interesse sind, um besonders erwähnt zu werden. m. Vom Sehpurpur und dem Retinastrome bei durchschnit- tenem Sehnerven. Im Zusammenhange mit älteren Untersuchungen über den Bewegungsmechanismus der Iris im herausgenommenen Frosch- auge, welche später von Edgren fortgesetzt worden, durchschnitt Ueber Sehpurpur und Retinaströme. 87 ich bei einigen Kaninchen den Sehnerven innerhalb der Schä- delhühle nach einer von mir erfundenen und l)eschriebenen Methode. Das Resultat fiel damals insofern negativ aus, als die Pupille nach dem Schnitte dauernd erweitert und unverän- derlich blieb. Ich Hess die Thiere um so lieber am Leben, als sie sich nach der Operation gesund und munter zeigten und sich den Functionen der Ernährung und P^ortpflanzung normal hingaben; ich bewahrte sie auf, um die Folgen des Schnittes nach längerer Zeit zu beobachten. Unter Anderem wollte ich auch wissen, wie es sich mit dem Sehpurpur und mit der Schwan- kung des Retinastromes in einem solchen Auge verhalte. Ich hatte mir vorgestellt, dass dasselbe ein besonders geeig- netes Präparat zur Entscheidung der Beziehungen des Retina- stromes zum Sehpurpur liefern werde. Diese Voraussetzung hat sich als fehlerhaft erwiesen, denn ein solches Auge giebt über jene Frage gar keinen Aufschluss: es verhält sich, insoweit dies meine Untersuchungsmethoden zu ermitteln gestatten, ganz wie ein normales, der Sehpurpur und der Retinastrom verhal- ten sich nach Trennung des Sehnerven ganz, wie vorher. Diese Erfahrung, welche ich habe mittheilen wollen, stützt sich auf Versuche an bhnden Kaninchen, welche die Opticus- durchschneidung länger als 2 Jahre überlebt hatten. Solche Thiere sind an ihrer, wie schon erwähnt, unbeweglichen und er- weiterten Pupille und bei näherer Betrachtung an einer Uneben- heit des Schädels am Orte, wo die später ausgefüllte Oeffnung im Knochen gemacht war, am besten wieder zu erkennen. Die- selben bieten übrigens ein vollkommen normales, namentlich am Auge sonst nicht abweichendes Aussehen dar. Bei einigem Nachdenken ist dies auch nicht besonders erstaunlich, denn das Auge dürfte v/ohl im Wesentlichen im Besitze seiner gewöhnlichen Ernährung bleiben, da die kleinen bei der Operation verletzten Gefässe aller Wahrscheinlichkeit nach einen höchst geringen 88 Fritliiof Holmgren: üeber Sehpurpur und Retinas tröme. Einfluss auf die Ernährung der Kaninchennetzhaut ausüben wer- den. Die Opticusfasern hinter dem Schnitte nach dem Gehirne zu fand ich degenerirt; wie es sich mit den vor dem Schnitte nach dem Auge hin gelegenen verhalte, habe ich noch nicht untersucht; dieselben dürften im normalen Zustande erhalten bleiben, ebenso die Retina selbst, weil dieses Organ ja weder seiner nor- malen Ernährung noch seinem gewöhnlichen Reize entzogen worden. Wie weit der Reizungsvorgang in centraler Richtung fortgeleitet wird, dürfte für das Wohlbefinden des Organs gleichgültig sein. Meine Versuche am operirten Auge sind bezüglich des Re- tinastromes von besonderem Interesse. Man hat hier nämlich ein Präparat zur Verfügung mit einer Iris, welche gegen Licht vollständig und sicher in Ruhe bleibt. Der störende Einfluss, welchen die Muskeln dieses Organs auf die Schwankungen des Retinastromes ausüben, ist somit beseitigt. Dessen ungeachtet zeigten sich auch jetzt und zwar regelmässig jene auf die ersten kurzen, in negativer Richtung gehenden Ausschläge zunächst langsamer folgenden positiven oder negativen Ausschläge, welche ich früher als hauptsächlich von den Irismuskeln herrührend an- gegeben habe. Diese nachfolgenden langsamen Bewegungen des Bussolenmagneten müssen also in Bezug auf ihre Ursache weiter studirt werden. Zu derartigen Untersuchungen haben wir hier jedenfalls ein passendes Präparat gefunden. Ich erinnere noch an die Aehnlichkeit, welche die Wirkung des Lichtes auf eine Retinastelle hat, mit der Einwirkung des Constanten Stromes auf eine Strecke eines gewöhnlichen Nerven: im ersten Augenblicke nach Schluss oder Oeifnung des Stromes constant eine kurze Schwankung des Nervenstromes in negativer Richtung und nachher eine weitere, langsamer auftretende Aen- derung des Stromes. Christineburg in Schweden, den 1. August 1878. W. Kühne: Fortgesetzte Unteräuchuncfen über die Retina. 89 Fortgesetzte Untersucliimgen über die Eetina und die Pigmente des Anges. Von >V. Kühne. (Hierzu Tafel Yll. u. VIII.) I. Zum Verhalten der Netzhaut des Menschen. Die Augen eines 41jälirigen Phthisikersboten mir Gelegenheit zu einer Beobachtung über anscheinend geringe Lichtempfind- liclikeit des menschlichen Sehpurpurs intra vitam. Der Patient war am 1. Juli Morgens 10 Uhr ziemlich plötzlich an acutem Lungenödem gestorben, nachdem er die Zeit der etwa 2stündigen Agonie in einem grossen Schlafsaale, der durch 2 Fenster Licht empfing, meist mit offenen Augen zugebracht hatte. Der im Allgemeinen etwas düstere Piaum war an dem genannten Tage wegen des sehr klaren Wetters freundlicher, als gewöhnlich; doch war das Licht nur von der Seite zu dem Sterbenden ge- drungen. Die Augen waren in derselben Beleuchtung ohne be- sondere Vorsicht herausgenommen, dann aber sofort in einem dunklen Eiskasten verpackt und versendet; ich untersuchte sie Abends 6 Uhr. Zum ersten Male sah ich hier nach Eröffnung im xlequator den Glaskörper vollständig ausschlüpfen und den Augengrund fast trocken, mit wenig spiegelnder Oberfläche zurückbleiben. Nach dem Ausbohren der Papille löste sich die Netzhaut mit grösster Leichtigkeit, ohne einzureissen, vom Epithel ab, so dass ich sie in dünner Salzlösung mit einer Porzellanplatte auffangen 90 W, Kühne: und kaum gefaltet darüber ausbreiten konnte. An's Tageslicht gebracht, sah sie hellrosenroth aus, wie iramer weniger gefärbt im Umkreise der Macula, deutlicher gegen den Aequator hin, wo die Farbe auch in Folge einigen Epithelpigments, das an mikro- skopisch besehenen Stückchen innerhalb der Stäbchen-Zapfenschicht zu erkennen war, etwas in's Braune ging; Epithelzellen waren dort nicht zu sehen. Die Macula war durch intensiv citrongelbe Färbung ausgezeichnet, die Fovea als kleine farblose Delle sehr deutlich zu erkennen, wie sie es heute in dem angetrockneten Präparate noch ist, wo man auch an dem wachsartigen Aussehen der Stelle und bei mikroskopischer Betrachtung in auffallendem Lichte die Ueberzeugung gewinnt, dass daselbst kein Substanz- verlust stattgefunden hat. Ich habe mich ausserdem durch Ab- schaben des der Macula entsprechenden Ortes am Augengrunde, gleich nach dem Abziehen der Netzhaut vergewissert, dass an demselben keine Zapfen und Stäbchen hängen geblieben waren. Der Purpur des Präparates blich alsbald am Lichte aus, doch dauerte die Zerstörung des Sehgelb ziemlich lange. Hätte man mir diese Ketina mit der Frage vorgelegt, ob sie vor dem Tode belichtet worden, so hätte ich nach meinen bisherigen Erfahrungen über das menschliche Auge, noch mehr nach Dem, was mir aus Versuchen am Kaninchenauge geläufig geworden, gesagt, sehr schwache Belichtung scheine das Auge getroffen zu haben, aber ich wäre nicht darauf gekommen, den nach der erhaltenen Beschreibung wirklich stattgefundenen Grad der Beleuchtung zu errathen, denn die Stäbchenfarbe war kaum blasser, als die einer Dunkelretina vom Menschen: sie war nur mehr rosa und weniger violet, als jene. Es liegt an der beschwerlichen Zugänglichkeit des Materials, dass wir bis heute so geringe Kenntniss von der Litensität und Dauer des Lichtes haben, deren das menschliche Auge bis zum Schwinden des Purpurs bedarf. Soweit die ophthalmologische Untersuchungen über die Retina und die Pigmente des Auges. Ol Literatur darüber Aufscliluss gibt, scheint es, dass uns in dieser Hinsicht noch starke Ueberraschungen bevorstehen, denn ich finde, um nur die Extreme zu nennen, einerseits die bekannte Angabe von Michel, nach welcher der Sehpurpur einem Dunkelauge gänzlich fehlte, andrerseits die noch weniger zu reimende Be- obachtung von H. Adler (Centralbl. f. d. Med. W. 1877, S. 244) über eine aus einer Wunde im Auge vorgefallene Netzhaut, deren Purpur durch intensivstes Licht nur sehr langsam, ja nach ^/4Stün- diger Besonnung nicht einmal vollständig gebleicht worden. Da die Kaninchennetzhaut sich von der menschlichen durch den Mangel an Gefässen unterscheidet, insofern sie solche nur in der Gegend der markhaltigen Opticusfasern besitzt, habe ich es nicht unterlassen einige optographische Versuche am lebenden Hunde vorzunehmen, dessen Netzhaut hinsichtlich der Blutversorgung der menschlichen ähnlicher ist. Dieselben haben mich indess überzeugt, dass der Purpur dem des Kaninchens an Licht- empfindlichkeit intra vitam nicht nachstehe, da die Zeit von 3 Minuten am atropinisirten Hundeauge genügte, um das Opto- gramm durch Ueberexposition noch gründlicher zu verwischen, als es beim Kaninchen unter demselben ziemlich intensiven Lichte geschehen war. Im Falle der Retinapurpur des Menschen sich wirklich lichtbeständiger erwiese, müssten wir unsere Regeneration der dem Auge der Thiere zukommenden für überlegen halten, denn die isolirte menschliche Netzhaut kann nach keiner zu- verlässigen Beobachtung für minder lichtempfindlich, als die der Säuger gelten. Nachdem ich an der hier beschriebenen Netzhaut wiederum die bisher ohne Ausnahme beim Menschen bemerkte Vertheilung der Purpurfärbung gesehen, welche in einer allmählichen Zu- nahme der Intensität von der Fovea nach dem Aequator besteht, kann ich nicht umhin, meine anfängliche Vermuthung, dass dies von irgend welchen örtlich verschieden verlaufenden Störungen 92 W. Kühne: der Regeneration während der Agone herrühre, aufzugeben, um dafür die viel einfachere und einleuchtendere Erklärung zu geben, welche aus der bekannten Vertheilung der Stäbchen und Zapfen unmittelbar hervorgeht. Je ärmer an Stäbchen und je reicher an Zapfen eine Netzhautstelle ist, desto weniger purpurfarben wird sie, weil nur die ersteren Sehpurpur enthalten, sein, und da die Zahl der purpurlosen Zapfen von der Fovea nach dem Aequator beim Menschen continuirhch abnimmt, während dafür Stäbchen auftreten, muss die Netzhaut offenbar vom Aequator nach rückwärts alle Uebergänge von der intensivsten Farbe bis zur Farblosigkeit der gänzlich stäbchenfreien, nur Zapfen führen- den Fovea darbieten. Wie schon erwähnt, entschlüpfte der Glaskörper der hinteren Augenhälfte sehr vollkommen. Dasselbe ereignete sich bei dem zweiten Auge, so dass die Netzhaut auch hier schon am Natron- lichte ungewöhnlich gut in situ zu betrachten war. Ich opferte daher einige weitere auf den Purpur bezügliche Beobachtungen und brachte den entleerten Augengrund an's Tageslicht. Hier wurde mir die Freude, Horner's Mittheilungen (vergl. ds. Hft. S. 75) über die Erkennbarkeit der Fovea centralis an ihrem natürlichen Orte sogleich zu bestätigen. Das Grübchen war mit ausserordentlicher Deutlichkeit als sehr kleines dunkelbraunes Pünktchen von etwa 0,2 mm. Durchmesser zu erkennen, und dass dieses nur die Fovea sein konnte, war, abgesehen von der Lage zur Papille in der von den Netzhautgefässen gelassenen Lücke, mit der Lupe schon innerhalb der Salzlösung, noch besser nach dem Ausgiessen der letzteren festzustellen, indem man die Vertiefung mit wallartiger Umgebung zweifellos erkannte. Der ganze übrige Grund des recht blonden, mit graugrüner fleckiger Iris versehenen Auges erschien chamoisbraun mit bemerkbarer Beimischung von Violet. An das Licht der Abendsonne in's Untersuchungen über die Ketina und die Pigmente des Auges. 93 Freie gebracht, ging die Farbe in reineres dem Zimmt.. ähnliches Braun über, wie ich denke, weil der Sehpurpur über dem mehr gelbbraunen Grunde ausblich. Dabei erfuhr das Aussehen der Fovea so wenig eine Veränderung, wie später durch gründliches Belichten mit einer Magnesiumflamme; als ich aber die Netzhaut des in's Salzwasser zurückgebrachten Auges abhob, verschwand das dunkle Pünktchen in dem Augenblicke, da sich die Gegend der Macula vom Epithel trennte und es trat an seiner Stelle die kleine farblose Delle in der jetzt erst zum Vorschein kom- menden intensiv gelben Umgebung auf. Es gelang mir dieses Präparat ebenfalls ohne Schädigung der Fovea auf Porzellan an- zutrocknen. Ob meine Beobachtung Honier's Angaben ganz entspricht, ist gegenwärtig nicht zu entscheiden: ich kann zunächst die Farbe der Fovea in situ nicht .,kirschroth" nennen, würde aber begreifen, wenn Jemand für das von mir gesehene Object den Ausdruck wählte, obschon ich glaube, dass ein Zeuge (dessen ich leider entbehrte), wenn er denselben gebraucht, ihn gegen Zweifel nicht aufrecht erhalten hätte. Die ganze Erscheinung stimmte durchaus mit den Abbildungen, welche mehrere Ophthalmologen von dem zuweilen am Orte der Fovea mit dem Augenspiegel gesehenen dunklen Fleckchen des Augenhintergrundes geben; da dieselben an einem erst S Stunden in Eis conservirten , dann etwa eine Stunde bei hoher Sommertemperatur untersuchten Auge bemerkbar geblieben und das Licht keinen Einfluss darauf hatte, so kann ich der Fovea keinen im Absterben oder durch Licht vergänglichen eigenen Farbstoff, den Horner's Mittheilungen ver- muthen Hessen, zuschreiben, sondern muss, weil das Grübchen nur im Augenblicke des Abhebens von der braunen Unterlage farblos wurde, die Annahme machen, dass die Fovea nur in Folge ihres Baues gegen das Epithel und die Chorioidea gesehen dunkel erscheint. Dass sie so nicht immer gesehen und von mir, trotz 94 W. Kühne: der Bekanntschaft mit Horncr'ä Angaben, jetzt zum ersten Male so gesehen worden , erklärt sich , denn die Erscheinung ist vermuthlich nur an Augen zu bemerken, deren Netzhaut falten- los am Epithel liegt und an der P^ovea nicht abgehoben ist, wie es in der Leiche ohne unser Zuthun meist geschieht, und viel- leicht nur an solchen Augen auffällig, deren Glaskörper voll- kommen abschlüpft. Das Letztere begegnete mir, wie erwähnt, jetzt am menschlichen Auge zum ersten Male; ausserdem habe ich seit den Veröffentlichungen Horner's nur das in der Mit- theilung S. 69 dieser Untersuchungen erwähnte, von Lebenden enu- cleirte Auge auf die Sichtbarkeit der Fovea in situ geprüft,\das wegen der weiteren damit in Aussicht genommenen Versuche nur sehr kurz betrachtet werden durfte. Jetzt, da ich die von Homer angeführte Erscheinung aus eigener Erfahrung einmal gesehen zu haben und zu kennen glaube, meine ich, dass sie mir auch früher nicht entgangen wäre, wenn der Glaskörper nicht das Hinderniss für die Betrachtung gebildet hätte. Eine gelegent- liche Mittheilung Herrn Homer'' s^ wie die von ihm untersuchten Augen sich in letzterer Beziehung verhielten, würde mit Dank aufgenommen. Wenn die Fovea centralis eine selbstständige Eigenfarbe, wie wir nun wissen, nicht besitzt, vielmehr in den natürlichen Ver- hältnissen farblos durchsichtig ist und dennoch dunkler gesehen wird, als ihre Umgebung, so liegt anscheinend nichts näher, als die sehr einfache Annahme, dass man durch ihre Zapfen hindurch nur den pigmentirten Hintergrund sehe und diesen dort besonders deutlich und am tiefsten gefärbt, weil die Ketina davor am dünnsten und durchsichtigsten ist. Unter gewissen Umständen mag die Erscheinung wirklich so zu Stande kommen, ich meine aber davor warnen zu sollen, es für alle Fälle vorauszusetzen, weil es dann unbegreiflich würde, weshalb die geübtesten Be- obachter mit dem Augenspiegel unter Verhältnissen, wo keins üntersuc-hungen über die Retina und die Pigmente des Auges. 95 der Hindernisse, das im geöffneten Auge den Anblick erschweren kann, vorhanden ist, die Fovea so oft nicht zu erkennen ver- mögen, oder sie wenigstens nicht als dunkles Pünktchen, sondern höchstens an den bekannten Randreflexen bemerken. Es ist mir aufgefallen, dass die Fovea im eröffneten Auge viel dunkler aussah, als der von der Netzhaut eutblösste Epithel- Chorioidalgrund, der nur helle Zimmtfarbe besass. Da ich der betreffenden Retinastücke noch für andere bald zu erwähnende Beobachtungen bedurfte, habe ich den nahe liegenden Versuch, das Gelb der Macula durch Zurücklegen der Netzhaut gegen das dunkle Epithel verschwinden zu lassen, was vermuthlich gelingen dürfte, und die Färbung der Fovea wiederkehren zu sehen, nicht angestellt, aber ich habe mich überzeugt, dass der Augengrund unter der Fovea in d i e s e m Falle sicher keiuen stärker pigmeutirten Fleck hatte. Wie durchsichtig die Retina im Leben und an frischen Augen sein mag, so stellt sie doch einen nicht völlig glasartigen Ueberzug, immer einen dünnen, weisslichen oder weisspurpurnen Schleier des Augengrundes vor, worin die Fovea mit ihren aus- schliesslich in Betracht kommenden Zapfen, bei dem fast voll- kommenen Mangel aller vorderen Schichten die durchsichtigste Stelle ist. Es handelt sich bei ihrer Sichtbarkeit in situ auch augenscheinlich nur um den eigentlichen Grund der Grube, denn das dunkle Pünktchen ist erheblich kleiner, als die nicht gelbe Stelle, welche man nach dem Abheben und auf weisser Unter- lage für die Fovea nimmt. Da die wallartig erhabene Umgebung der Macula lutea ferner (wie schon NohiU wusste) der dickste Theil der Netzhaut ist, was man an aufgetrockneten Präparaten sogar noch deutlich erkennt, so kann der dunkle Grund hinter der Fovea nicht nur auf grossem hellei'en Felde, sondern auch im Mittelpunkte einer besonders opaken d. h. weisslicheren Stelle durchscheinen: er könnte also durch Contrast unvergleichlich dunkler gesehen werden, als die ganze Fläche im eutblössten 96 W. Kühne: Zustande nach dem Abziehen der Retina aussieht. Es sind hier indess noch manche Umstände zu beachten, welche der fraglichen, in jeder Beziehung wichtigen Netzhautstelle das besondere Aus- sehen ertheilen können, so viele, dass man sich nicht wundern dürfte, wenn man dieselbe gelegenthch statt braun, roth und selbst in einem albinotischen Auge sichtbar fände. Es sei mir gestattet auf einige hierher gehörige Erfahrungen über den Durchgang des Lichtes durch Stäbchen und Zapfen, welche ich früher nur kurz und bei Erörterung anderer Fragen berührte, zurückzukommen. Taf. 7 und 8 sollen Das, was Bd. I, S. 235 darüber bereits angedeutet worden, bildlich be- legen. Fig. 1 und 2, Taf. 7 zeigen vollkommen glatt gegen hohl liegende Deckgläser geklebte frische Netzhäute vom Frosch und vom Salamander, in A von hinten, in B von vorn gesehen. (Einige hier zu übergehende, in anderer Hinsicht Interesse bie- tende Einzelheiten der Abbildungen sind in der Erklärung der Tafel am Schlüsse der Abhandlung nachzusehen.) In den An- sichten {A A) von vorn bemerkt man die aus den optischen Querschnitten der Innenglieder von Stäbchen und Zapfen ge- bildete Mosaik, worin die letzteren tief grau, lichtlos erscheinen. Dass diese Stücke, abgesehen von zufällig schief liegenden Stäbchen, die auch grau aussehen, den Zapfen angehören, er- hellt aus ihren, bei diesen Thieren im Vergleiche zu den Stäb- chen bekanntlich kleineren Querschnitten der Innenglieder und aus den besonders beim Salamander häufigen und auffälligeren Doppelzapfen, die man in Fig. 2, B an mehreren Stellen deut- lich herauserkennt. Es wird ausserdem belegt durch das oft zu findende Bild der gleichen Mosaik, welche beim Anblicke von hinten an solchen Froschnetzhäuten zum Vorschein kommt, die Pseudooptogramme besitzen, d. h. Stellen, an welchen die farbigen Stäbchenaussenglieder mit dem Epithel abgerissen und nur die Zapfen stehen geblieben sind. Da hindert nichts die Mosaik der Untersuchungen über die Retina und die Pigmente des Auges. 97 Stäbcheninnenglieder von rückwärts und die dazwischen befind- lichen kleineren Setzstücke als die etwas tiefer gelegenen Innen- glieder der noch vorhandenen Zapfenaussenglieder zu erkennen; doch sind in dieser Mosaik alle Stücke hell. In welcher Weise das Licht von unten auf ein solches Präparat nach dem Um- drehen desselben durch den Tisch des Mikroskops fallen möge, so sieht man von oben alle Zapfen dunkel und es ist nur ein äusserst kleines helleres, übrigens immer noch sehr lichtschwaches Pünktchen (auf das die Zeichnung verzichten musste) etwa im Centrum eines solchen Zapfenfeldes zu bemerken, das dem Lichte entspricht, welches gerade durch die Spitze des Zapfenaussen- gliedes nach vorn gelangt. Braunes Epithelpigment ist an dem Bilde, das von gänzlich pigmentfreien Netzhäuten jeder Zeit sicher zu erhalten ist, vollkommen unbetheiligt. Da man die abwechselnd hellen und dunklen Felder hier auch in Abwesen- heit der Stäbchenaussenglieder erblickt, während davon trotz vollkommener Erhaltung der eckigen Figuren nichts mehr zu sehen ist, wo man die Aussenglieder der Zapfen sammt denen der Stäbchen abgepinselt hat, so können die dunklen Felder nur auf dem optischen Verhalten der ersteren beruhen. Bekanntlich sind diese zwar nicht so stark lichtbrechend, wie die entsprechenden Theile der Stäbchen, aber von conischer Gestalt und hinreichend stärker lichtbrechend, als die sie in dem Präparate umgebende Flüssigkeit, um das Licht, das von rückwärts auf die Kegel- flächen fällt, zu reflectiren und demselben den Durchgang zu wehren. Wie mir scheint verdient dieses Verhalten in den Erörte- rungen über das Aussehen der Retina in situ, sei es am er- öffneten Auge oder im Leben bei Betrachtung mit dem Augen- spiegel, Beachtung. Wir können nicht zweifeln, dass man von vorn durch die Stäbchen hindurchblicken oder Licht wahr- nehmen kann, das hinter ihnen reflectirt worden, am Epithel, Kühne, Untersuchungen II. < 98 W. Kulme: an der Cliorioidea und deren Gefässen, endlich an der Sklera. Stark pigmentirte Augen, wie die des Frosches, zeigen darum ophthalmoskopisch keine rothe Leuchtfarbe, sondern erscheinen schiefergrau, wie es von ungewöhnlich pigmentreichen aber nor- malen menschlichen Augen auch beschrieben wird. Ob das Gleiche für die Zapfen gilt, ist dagegen sehr fraghch und bedarf ein- gehender Untersuchungen mit besonderer Berücksichtigung des Verhaltens der menschlichen Zapfen zum Lichte, überdies unter Beachtung der grossen Unterschiede, welche die Zapfen der Fovea darbieten. Es wird zunächst zu untersuchen sein, welche Diffe- renzen der Lichtbrechung zwischen der Substanz der Zapfen- aussenglieder und dem Protoplasma der Epithelzellen herrschen, um zu erfahren, ob jene Kegel in der Weise als Lichtfänger aufzufassen seien, dass sie das einmal von vorn eingetretene Licht nicht wieder zurückkehren lassen, wie es an isolirten Frosch- netzhäuten nicht zu bezweifeln ist. Trifft dies für die Netzhaut des Menschen im Leben zu, so müssen die Zapfen und zapfen- reiche Netzhautstellen dunkel und die letzteren dunkler aussehen, als zapfenarme, gleichviel ob Pigment dahinter liegt oder nicht. Li den vortrefflichen Abbildungen des ophthalmoskopischen Hand- atlas von E. V. Jceger finde ich auf Taf. IV., Fig. 28 in der That die Gegend der Macula eines albinotischen Auges durch einen dunkleren Schatten bezeichnet, v. Jceger bezieht denselben zwar auf Spuren von Pigment, aber ich finde in dem erläuternden Texte (1. c. S. 37), wo es heisst: „an dieser Stelle treten die einzelnen Pigmentpunkte deutlicher hervor, sind im Umkreise der Macula lutea weit von einander, im Bereiche des gelben Fleckens selbst aber dichter gestellt, und ertheilen hierdurch diesen Stellen eine schwach -gelbröthliche Färbung", eine Be- schreibung, welche der Vertheilung der Zapfen so genau entspricht, wie man es nur wünschen kann und keine weiteren Angaben, welche dem untersuchten Auge Pigment zuzuschreiben nöthigten. Untersuchungen über die Retina vind die Pigmente des Auges. 99 Es braucht kaum gesagt zu werden, dass die Coni unter allen Umständen vorzüglich geeignet sind, das auffallende Licht nach hinten zu lenken, denn was an der Innenfläche des Kegelmantels reflectirt wird, muss im Sinne der von Biiicl-e für die Stäbchen aufgestellten Lehre über den Gang solcher Strahlen, welche nicht parallel zur Axe einfallen, hier durch die Spitze des Kegels zum Epithel gelangen. Schreiben wir dagegen den Zapfenaussen- gliedern gleiche Lichtbrechung mit dem Epithelprotoi^lasma oder mit anderen Substanzen, welche sie im Leben umgeben können, zu, so fällt ihre Bedeutung als Lichtfänger allerdings fort, aber es wird ihnen nichts gegeben, was den Uebergang des in sie gelangten Lichtes zum Epithel erschwerte und nichts geändert bezüglich ihres Aussehens, das neben den Stallchen, wenigstens in pigmentirten Augen, immer noch dunkel sein müsste, da ihre Enden stets gegen Pigment gerichtet oder davon bedeckt sind, und niemals nach Art der längeren Stäbchen bis in den pigment- freien Hut der Epithelzellen hinaufragen. Für die Zapfen des Menschen käme hier möglicher Weise noch der von 31. Schnitte entdeckte Faserkorb an der Kuppel des Innengliedes in Betracht, den ich an frischen Präparaten immer schon kenntlich fand ; der- selbe macht indess nicht den Eindruck eines die Rückkehr ein- fallenden Lichtes besonders fördernden Gebildes. Wesentlich anders, als die Zapfen im Allgemeinen verhalten sich bekanntlich die der Fovea centralis: das längere schlanke Aussenglied erscheint nach den vorliegenden Beschreibungen, denen ich nach Beobachtungen frischer Objecte zustimme, zwar grösstentheils cylindrisch, am äusseren Ende jedoch eine Strecke weit deutlich verjüngt und schliesshch stumpf zugespitzt, also immerhin conisch. Leider ist über den Einsatz dieser Enden in die zugehörigen Pigmentzellen nichts bekannt und nur zu ver- muthen, dass sie nach Art von Stäbchen in die Epithelzellen hinaufragen, weiter, als es die gewöhnlichen Zapfen vermögen, über 100 W. Kühne: welchen die zwischengelagerten Stäbchen die Pigmentzelle unge- fähr wie einen Baldachin tragen. Erwägt man nun die Inconstanz der ophthalmoskopischen Sichtbarkeit der Fovea und, was ich für möglich halte, dass das Horner'schQ Phänomen am eröffneten Bulbus vielleicht auch unter den vorerwähnten günstigsten Bedingungen nicht immer vorhanden ist, dass ferner noch ein die Farbe und die Vergänghchkeit des Pünktchens betreffender Widerspruch zwischen Horner''s und meinen Angaben besteht, so kann man kaum umhin wechselnde Zustände in der Retina im Allgemeinen und am Orte ihres cen- tralen Grübchens anzunehmen. Es ist denkbar, dass Homer Blut der Chorio'idea durch die Grube schimmern sah, das sich verschob, als das kirschrothe Fleckchen schwand, und dass ich dieses nicht, aber Epithelpigment gesehen, welches sich nicht von der Stelle be- wegte. Dass die Gestalt der hier in Frage kommenden Zapfen, die überdies so viel weniger ausgeprägt conisch ist, genüge, um die Stelle dunkler als die nächste mindestens ungemein zapfen- reiche Umgebung hervortreten zu lassen, glaube ich deshalb nicht annehmen zu dürfen, weil die Erscheinung dann wenigstens im Augenspiegelbilde constant sein müsste und weil ein so scharfer Beobachter, wie v. Jceger im albinotischen Auge nichts davon be- merkte. Zum Verständnisse dieser, wie gewiss vieler anderer mit dem Augenspiegel zu beobachtenden Einzelheiten des Netzhautchagrins scheint mir vor Allem das Verhalten des Pigmentbreies in den Epithelzellen berücksichtigenswerth, dessen Bewegungen ausser- ordentlich verwickelt und zum Theil so beschaffen sind, dass die Eeflexion des in's Auge gelangenden Lichtes in oder hinter der Retina wesentlich davon betroffen wird. Einen ersten Einblick in dieses Gebiet gewährt die Unter- suchung frischer vom Epithel bedeckter Netzhäute des Frosches, wie man dieselben nach Belichtung ohne Umstände, aus Dunkel- Untersuchungeu über die Retina und die Pigmente des Auges. 101 äugen mehr gelegentlich erhält. Die Präparate zeigen in der Regel einen nicht ganz central gelegenen, oft halbmondför- migen, dunkelgrauen Fleck, ^3 — ^/3 der hinteren Bulbushälfte einnehmend, der sich vorzüglich und besser zur mikroskopischen Betrachtung eignet, als die übrigen zu stark pigmentirten Antheile der Membran. Fig. 1, 1 A, l JB stellen das Bild dreier Einstel- lungen einer belichteten und gebleichten, Fig. 2 einer roth be- lichteten, ungebleichten Netzhaut von der Epithelfläche betrachtet dar. An den beiden letzteren, der tiefsten Einstellung entprechen- den Figuren sieht man zwai- alle Stäbchen durchschimmern, in Fig. 2 selbst mit solcher Deutlichkeit, dass sich das Yerhältniss der grünen zu den purpurnen nach Zahl und Lage genau be- stimmen lässt, aber man bemerkt doch eine nicht unbeträchtliche Anzahl, deren Kuppen ganz oder theilweise vom schAvarzen Pig- mente bedeckt sind, sehr im Gegensatze zu dem Bilde, welches die Netzhäute von Dunkelfröschen darzubieten pflegen, wo die Kuppen fast sämmtlich pigmentfrei sind. Wird nun eine be- lichtete Retina mit der vorderen Fläche gegen das Deckglas gebracht, während das Licht von rückwärts durch das Epithel scheint, so erhält man das Bild von Fig. 3, nämlich die vorhin beschriebene Mosaik der Innenglieder, worin die den Zapfen zu- kommenden kleineren Felder selbstverständlich ohne Ausnahme dunkel sind, aber ausserdem auch manche grössere den Stäb- chen entsprechende Stücke tief schwarz, dunkelgrau oder hell- grau erscheinen, was nur aus der Umhüllung ihrer Kuppen mit Pigment erklärlich wird. Man braucht zur Gewinnung dieses Bildes und überhaupt zum Betrachten der Netzhaut von vorn sehr feine Deckgläser und Systeme mit weitem Focalabstande, da es sich darum handelt auf tief gelegene Theile der ziemlich dicken Membran einzustellen, eine Unbequemlichkeit, die sich noch vergrössert durch die Nöthigung ziemlich starker Yergrös- serungen, welche die Feinheit der Mosaik erfordert. Ich habe 102 W. Kühne: es darum sebr schwierig gefunden, das Bild mit dem Prisma treu zu copiren und mich mit der Fig. 3 begnügen müssen. Wer das Object selbst zur Hand nimmt, wird ausser diesem Muster noch zahlreichen anderen, häufig überraschend regelmässigen Anord- nungen der schwarzen, grauen und hellen Felder begegnen. Obschon ich nicht zweifle, dass die Bedeckung der Stäbchenkup- pen mit Pigment und das Wandern jener Körnchen in der ent- sprechenden Region des epithelialen Zellenleibes in derselben Weise regelmässig unter bestimmten Einflüssen vor sich gehen, wie dies von dem zwischen den Stäbchen auf- und absteigenden Pigraentnadeln nachgewiesen (vergl. Bd. L, S. 411—422) ist, so bin ich doch nicht in der Lage darüber weitere Angaben zu machen, als dass im Allgemeinen die Belichtung das Zudecken der Kuppen, Dunkelheit die Entblössung fördert. Im letzteren Falle scheint das die Stäbchenenden verlassende Pigment sich vorzugsweise an den Wänden des Hutes der Epithelzelzellen emporzuziehen. Da Belichtung besonders mit rothen Strahlen das Pigment in bedeutender Menge nach vorwärts zwischen die Stäbchen bis an die M. limitans ext. treibt, so dass der Zellen- hut sich förmlich entleert, ist es nur um so auffälliger, dass ein Theil zur Bedeckung der Stäbchenenden dort zurückgehalten wird. Meine Versuche dem Studium dieser Vorgänge grössere Sicherheit durch die optographische Methode zu geben, sind bis- her gescheitert, denn es ist mir weder beim Frosche noch bei dunkelhaarigen Kaninchen gelungen, Melanoptogramme, deren Herstellung ich gleichwohl für möglich halte, durch andauernde oder intensive Belichtung zu erzeugen. Dass die eben genannten Vorgänge das Aussehen des Augen- grundes beeinflussen, dürfte nicht bezweifelt werden und es ist daher zu erwarten, dass das Netzhautchagrin, soweit daran Stäb- chen betheiligt sind, innerhalb der normalen Verhältnisse viel- fachen Wandlungen unterliege. Für die Zapfen ist dagegen Untersuchungen übei* die Retina und die Pigmente des Auges. 103 nach den vorstehenden Erfahrungen eine grössere Constanz der Erscheinung wahrscheinlich, aber mit einer sehr wesentlichen die der Fovea betreffenden Einschränkung. Höchst wahrscheinlich sind die letzteren von wanderndem Pigmente umgeben, so dass die Grube das Licht bald absorbirt, bald zur Uvea und Sklera durchlässt : im ersteren Falle wird das von mir gesehene tief dunkelbraune Aussehen der Fovea constatirt werden, im anderen dort die hellere Blutfarbe zum Vorschein kommen , wenn die Pigmentirung der Uvea es zulässt. Da die in sehr kurzer Zeit aufgetrockneten Netzhäute der beiden für so gut wie frisch zu haltenden Augen am Orte der Fovea augenscheinlich keine Defecte besassen, habe ich sie zur Vervollständigung der immer noch lückenhaften Beobachtungen über Fluorescenz der menschlichen Zapfen benutzt. Indem die Membranen die Rückseite nach oben wendeten, zeigten sie die Foveae umgekehrt, nach vorn hin eingesunken. So in möglichst gereinigtes Ueberviolet des Sonnenspectrums gehalten, erwiesen sich beide Netzhäute, wie es nach der stattgefundenen Belichtung zu erwarten war, stark grünlich weiss fluorescirend, am Rande beträchtlich intensiver, als in der Macula lutea und deren näch- ster Umgebung, in der Macula aber noch hinreichend intensiv, um die beinahe ganz dunkle Stelle im Centrum, nämlich die Fovea an dem Unvermögen zur Fluorescenz wahrnehmen zu können. Man fand diese daher im Ueberviolet ungefähr so gut auf, wie im gemeinen Lichte durch Beachtung der Delle. Vollkommen dunkel blieb die Stelle übrigens schon desshalb nicht, weil die aus glasirtem Porzellan bestehende Unterlage nicht ganz frei von Fluorescenz war. Es verdient auch Erwähnung, dass der dunkle Fleck um etwas grösser erschien, als der Grund der Grube und im Durchmesser ungefähr dem Kreise entsprach, welcher fast farblos gegen das umgebende Gelb der Macula hervortrat. Hier- 104 W. Kühne: nach wird kaum mehr bezweifelt werden, dass die Zapfen der menschhchen Netzhaut der Fluorescenz entbehren , was ihrem Mangel an Sehpurpur und dem Ausbleiben der daraus durch Belichtung entstehenden, vorzugsweise kräftig fluorescirenden Stoffe (Sehweiss) zuzuschreiben sein dürfte. Um das Material möglichst vollkommen auszunützen, habe ich den an diesen Netzhäuten besonders intensiv gefärbten gel- ben Fleck noch auf Lichtempfindlichkeit geprüft. Ich bedeckte das getrocknete Präparat locker mit einem grossen Deckglase und fixirte dieses mit zwei schmalen Banden schwarzen Papiers, indem ich die letzteren auf das Glas und die Porzellanplatte klebte. Eine der Banden beschattete dabei etwa die Hälfte der Macula lutea. Zum Zwecke längerer Belichtung wurde das Präparat in eine grosse niedere Porzellanschaale mit ebenem Boden gelegt, welche ich durch Einsetzen in ein Zinkgefäss mit fliessendem Wasser kühl zu halten^ suchte, und mit einem berandeten, wasserdicht über- greifenden, fortwährend von kaltem Wasser überrieselten Glas- deckel versah. Während des sehr schlechten Wetters vom 3. bis zum 8. Juli war an der Netzhaut kaum eine Veränderung zu be- merken, nachdem aber am letzteren Tage die Sonne ungewöhn- lich günstig geschienen, fand ich nach dem Abheben des Deck- glases und der Streifen nur die dunkel gehaltene Hälfte der Macula noch kenntlich und der Belichtungsgrenze entsprechend scharf abgeschnitten. Der gelbe Farbstoff der Macula ist also auch empfindlich gegen Licht und wird durch dasselbe gebleicht. Ausserdem wurde noch eine andere merkwürdige Erscheinung beobachtet: die mit Blut massig gefüllten Gefässe waren an den belichteten Stellen merklich dunkler und grünlicher, als an den dunkel gehaltenen. Ich habe mich durch besondere Ver- suche überzeugt, dass das Licht auf den Gang der Hämoglo- binzersetzung in rasch getrocknetem Blute von wesentlichem Ein- Untersuchungen über die Ketiua und die Pigmente des Auges. 105 flusse ist. Zieht man nämlich mit einem in frisches Blut ge- tauchten Pinsel blasse Streifen auf eine Porzellantläche und ex- ponirt man das Plättchen, nachdem die Farbe schnell getrock- net, in derselben Weise, wie es eben von der Pietina berichtet worden, so findet man die während einiger Zeit gründlich be- sonnten Stellen scharf von den beschatteten geschieden, die ersteren grünlich, die letzteren röthlich. EndUch wurde die zweite noch disponible Retina zur Unter- suchung des Verhaltens ihres an einigen Stellen in genügender Menge vorhandenen braunen Epithelpigmentes gegen Licht (vergl. unten) verwendet. Ebenso zugerichtet, wie die andere und vom 10. bis 19. Juli dem oft unterbrochenen Sonnenlichte ausgesetzt, zeigt sie noch heute an einigen Stellen zwei der Beschattung entsprechende, scharf berandete, hell charaoisbräunliche Streifen auf blass strohgelbem Grunde zum Beweise, dass auch die dunklen Pigmentkörnchen des Retinaepithels vom Lichte gebleicht werden. Beide Netzhäute finde ich nach längerem Aufbewahren im trockenen Zustande über die ganze Fläche gelblicher, als anfäng- lich. Es bleibt zu untersuchen, ob dies ebenfalls eine Wirkung des Lichtes ist ^). II. Bemerkungen über die Farbstoffe der Vogelretina. Die Bd L S. 355 ausgesprochene Vermuthung, dass die drei von mir unterschiedenen Farbstoffe der Yogelretina in den bunten Oel tropfen der Zapfen nicht rein, sondern mehr oder minder mit 1) Nobili (Compt. rend. XIV. S. 823, Pogg. Ann. 56. S. 574) erklärte die menscliliche Retina für gelb und suchte daraus die intensivere Wirkung der gelben Strahlen auf unser Auge zu erkläi-en. Die Macula lutea sollte nach ihm nur deshalb zum Vorschein kommen, weil die Netzhaut dort am dicksten sei: falte man Stücke der K"etzhauti)eripherie, so sehe auch diese deutlich gelb aus. Da eine gründlich gebleichte Xetzhaut durch Falten nicht nennenswerth gelb wird, dürfte Nohili iler Erste gewesen sein, der eine Andeutung des Sehgelb bemerkte. 106 W. Kühne: einander gemischt vorkommen, glaube ich ausser durch die früher erwähnten Beobachtungen ScJmalbr/s noch durch einige gelegent- lich erworbene Erfahrungen befestigen zu können. Die Farbkugeln sind nämlich 1) wie bekannt, nicht bei allen Vögeln von völlig gleichem Aussehen, 2) nicht unter allen Um- ständen in derselben Eetina gleich beschaffen und 3) in verschie- denen Theilen der Netzhaut etwas verschieden; alle Unterschiede sind aber der Art, dass sie nur auf Aenderungen in der Mischung dreier überall identischer Farbstoffe weisen. Beim Huhn sind die Farben der einzelnen Kugeln um so reiner, je länger die Thiere im Dunkeln gehalten wurden: an Stelle der rubinrothen Kugeln fand ich solche von derselben aus- geprägten Purpurfarbe, wie sie das isolirte Ehodophan zeigt, die gelbgrünen Kugeln beträchtlich grünlicher, als gewöhnlich^ ähnlich dem gut gereinigten Chlorophan; die orangefarbenen Ku- geln zeigten sich dagegen nach 10 — 12tägigem Dunkelaufenthalte nicht geändert. Bei der Taube werden unter den gleichen Be- dingungen ähnliche Differenzen beobachtet, obschon die Purpur- farbe namentlich in der tiefer gerötheten Stelle weit weniger zur Geltung kommt. Dagegen werden die gelbgrünen Kugeln, wie beim Huhne, bedeutend grünlicher. Dasselbe gilt auch für im Lichte gehaltene Thiere hinsichtlich des vorderen Theiles der Netzhaut, welcher w^egen der von vorn nach hinten abgeflachten Gestalt des Bulbus dem Lichte Avenig zugänglich ist. Nach hinten und nach dem Pecten zu scheinen die Chlorophankugeln immer reicher an Xanthophan zu werden. Am meisten grünlich fand ich die Chlorophankugeln in der Netzhaut eines Papageies (Chrysotis Levaillanti?), etwas mehr zum Gelb neigend, jedoch erheblich grüner, als bei Taube und Huhn, bei einem jungen Thurmfalken. An der Netzhaut des letzteren bemerkte ich auch eine eigenthümliche Anordnung der verschiedenen Farbkugeln, die bei andern Vögeln zwar angedeutet. Untersuchungen über die Retina und die Pigmente des Auges. 107 aber viel weniger auffallend ist. Namentlich im centralen Theile der Retina findet sich dicht neben jeder rubinrothen Kugel eine kleinere, orangegefärbte, und nirgends eine dieser vereinzelt. Zwi- schen diesen Paaren liegen in grösserer Zahl die gelbgrünen und farblosen. An einer Stelle der Netzhaut, wo das Pigmentepithel in regelmässiger Anordnung erhalten geblieben, war das Bild noch auffallender, indem jedes roth-orange Paar dicht mit Pig- ment umhüllt erschien, während weite helle Höfe in der Pigment- zelle die mit gelbgrünen Kugeln versehenen Zapfen umgaben. Wenn die rubinrothen Kugeln nach längerem Dunkelaufent- halte purpurn, die gelblichen grüner werden, so konnte man schliessen, dass das Licht das purpurne Pihodophon in Xanthophan, dieses in Chlorophan verwandele, dass also die beiden letzteren Pigmente die Pieihe der Bleichungsproducte des ersteren dar- stellten. Ich fand indess für diese Auffassung keine thatsäch- lichen Anhaltspunkte, denn die Lösung des Rhodophans in Benzol wurde nach vieltägiger Belichtung einfach gebleicht ohne Aen. derung der Nuance, so dass sie auch im letzten Stadium noch blassrosa aussah. Die Xanthophanlösung in Aether wurde unter denselben Verhältnissen allerdings der Auflösung des Chlorophans in Aether oder in Petroläther ähnlicher, aber die Differenzen dieser beiden Farben verwischen sich überhaupt bei starker und gleichmässiger Verdünnung sehr. Dass die Xanthophankugeln bei dunkel und hell gehaltenen Vögeln keine Differenzen zeigen (auch ihre Zahl scheint sich nicht zu ändern), widerspricht end- lich jener Annahme am meisten. Wie gering die Lichtempfindlichkeit der die Zapfenkugeln färbenden Stofte sein mag, so verdient sie schon wegen des Vor- kommens dieser Pigmente im Sinnesepithel Interesse. Ich habe daher versucht, die Bleichung in monochromatischem Lichte zu verfolgen, und zu dem Zwecke höchst verdünnte Lösungen der drei von einander getrennten Farbstoffe in Reihen dünnwandiger 108 W. Kühne: Röhrchen einem guten Sonnenspectrum ausgesetzt. Mit Hülfe eines vortrefflich arbeitenden Heliostatenuhrwerkes habe ich viele Stunden lang an mehreren aufeinanderfolgenden guten Sonnen- tagen Licht gleicher Brechbarkeit auf den einzelnen Röhrchen zu erhalten vermocht, aber es ist mir nur beim Chlorophan geglückt, ganz geringes Abblassen im mittleren Theile des Spectrums zu erzielen. Nicht besser war der Erfolg an Flecken, die ich mit den Lösungen auf Papier hergestellt hatte. Ich musste mich desshalb an die schlechtere Methode, das Licht durch Absorption zu sondern, halten, und habe darauf immer je drei der Röhrchen unter rothen, grünen und blauen Gläsern continuirlich dem Tages- lichte ausgesetzt, wobei ich die Erwärmung durch die oft erwähnten Berieselungsvorrichtungen auszuschliessen bestrebt war. Nur unter blauer Bedeckung hatten diese Versuche, freilich nach mehr als 8- tägiger Besonnung Erfolg und zwar den, dass gerade, wie am unzer- legten Lichte zuerst das Chlorophan, dann das Xanthophan, am spätesten das Rhodophan erblich. Ebenso war die Reihefolge unter einer Schicht von Kupferoxydammoniak, wo der Versuch indess bis über die zweite AVoche hinaus fortgesetzt werden musste. Sicherlich sind dies keine Erfahrungen, welche den drei Farb- stoffen dasselbe Verhalten, Avie dem Sehpurpur und dem Sehgelb, welche letzteren von demjenigen Lichte, das sie am kräftigsten absorbiren, auch am schnellsten afficirt werden , zuzuschreiben gestatten. Obschon die Zapfenkugeln in jeder behebigen, dem Lichte ausgesetzten Vogelretina intensiv gefärbt gefunden werden und selbst ein längerer Aufenthalt der lebenden Thiere in blendendem Lichte daran nichts ändert, habe ich nicht versäumen wollen, den Erfolg ungewöhnlicher Blendung am Lebenden zu unter- suchen. Ich nahm desshalb Tauben durch einen Lanzenschnitt die Cornea fort, öffnete die Liusenkapsel , entfernte die Linse und legte einen für den Zweck in entsprechender Grösse con- Untersuchungen über die Eetina und die Pigmente des Auges. 109 struirten Lidhalter in die Pupille, so dass dieselbe ein weites viereckiges Loch darstellte. Vor der Operation ist es bequem, das dritte Lid wegzuschneiden und das Auge durch einen ebenfalls besonders angefertigten Lidhalter frei zu legen. Bei richtiger Ausführung ist das ganze Verfahren unblutig ^). In die jetzt nicht mehr zu verengende Pupille Hess ich Sonnenlicht fallen, und um dies länger durchführen zu können, benutzte ich den Heliostaten, während das Thier natürlich gut fixirt war. Ausser- dem fand ich es nöthig das vom Spiegel kommende Licht mit einer grösseren Linse auf dem Auge zu concentriren. Um keine ungebührliche Erhitzung aufkommen zu lassen waren einige Einstellungsproben zu machen, nach welchen ich es übrigens leicht dahin brachte, dass ein in der Pupille fixirtes kleines Ther- mometer trotz der blendenden Beleuchtung nicht über 40*^ C. an- zeigte. Ich habe mit dem nicht ohne Widerstreben auszuführen- den Versuche noch andere Zwecke verfolgt (vergl. unten), als die hier erörterten, und berühre jezt nur das die Zapfenkugeln betretfende Ergebniss. Es gelingt durch mehrstündige übermässige Blendung nicht, irgend welches Abblassen an den Farben der Zapfenkugeln zu erzeugen, und wenn überhaupt eine Veränderung an denselben bemerkt werden kann, so besteht sie in einer Verstärkung der Farbe. Nach einigen Wiederholungen des Experimentes halte ich mich von dem letzteren hinsichtlich der Chlorophankugeln überzeugt, denn ich habe diese niemals, und besonders nicht im ungeblendeten andern Auge von solcher Grösse und Farben- sättigung gesehen, wie nach 2 der beschriebenen Blendungen. In einem dieser Fälle waren ausserdem die Innenglieder der entsprechenden Zapfen, in der Art wie es sonst nur an den Pihodo- 1) Auf jede Berübrung der Cornea bemerkte ich zuckende starke Pu- pillenverenguiig. 110 W. Kühne: phanzapfen des rothen Fleckes bekannt ist, mit gelbgrünen Körnchen gefüllt. Dem entspricht auch das makroskopische Aussehen dieser Netzhäute, das ausserhalb des rothen Fleckes gesättigter in der Farbe und grünlicher ist, als gewöhnlich. Zeigt die herausgenommene Membran sich heller als sonst, was auch vorkommt, so liegt es daran, dass die Zapfen in grosser Zahl abreissen und im Augengrunde zurückbleiben; man findet diese dann nach dem Ausschaben des Epithels und entdeckt die entsprechenden Defecte an den helleren Netzhautstellen ohne Mühe mikroskopisch. Ohne behaupten zu wollen, dass das Licht für die Ent- stehung der fraglichen Farbstoffe unbedingt erforderlich sei, was schon durch M. ScJmltB-e's Beobachtungen über die Entstehung derselben vor dem Ausschlüpfen des Hühnchens aus dem Ei un- wahrscheinlich wird, glaube ich eine Betheiligung des Lichtes an dem Processe unter Umständen doch nicht ausschhessen zu können. Mit der weiteren Verfolgung dieser Frage beschäftigt, wünsche ich gegenwärtig mehr die andere Seite des Ergebnisses zu be- tonen, welche jedenfalls die Unmöglichkeit beweist, im leben- den Vogelauge Bleichung der Zapfenkugeln zu erzielen. Un? so auffallender war es mir daher, nachträglich Differenzen im Ver- halten der Farben des geblendeten und des andern Auges gegen Licht wahrzunehmen. Es waren von jeder Netzhaut 4 Stückchen * auf Milchglas angetrocknet, und zwar auf je eine Platte eins vom rothen Flecke und eins aus den helleren, jedoch möglichst central entnommenen Theilen. Da die Vogelnetzhaut nach dem Trocknen weit gesättigtere und gleichmässige Orangefärbung an- nimmt, so dass selbst der rothe Fleck nur an einem etwas tie- feren Orange kenntlich bleibt, so schwanden jetzt die von den feuchten Membranen genannten Unterschiede und dies blieb so auf 2 im Dunkeln aufbewahrten Plättchen. Als ich aber die beiden andern mit je 2 Präparaten vom Dunkel- und Hellauge Untersuchungen über die Retina und die Pigmente des Auges. 111 belegten 2 Tage gründlich besonnt hatte, waren die des Ersteren kaum verändert, die des Letzteren stark gebleicht, das vom rotlien Flecke entnommene hell orange, das andere fast farblos. Mein Vorhaben, die Farbstoffe der Vogelretina in grösserer Menge zu gewinnen, wurde durch einen Umstand vereitelt, den ich anderen Untersuchern nicht vorenthalten möchte. Als ich fast GOO Augen von Tauben und Hühnern innerhalb 3 Monaten gesammelt und jedesmal frisch zugerichtet in Alkohol gelegt hatte, bemühte ich mich 4 Monate später vergeblich, die Farb- stoffe daraus zu gewinnen. Der Alkohol hinterliess verdunstet eine gelblichbraune Masse, die Aether nur blass gelb färbte, und der Aether nahm aus den mit völlig hinreichenden Mengen Alkohol gut conservirten Augen nur wenig gelbliches Pigment auf. Da die rückständigen Netzhäute noch gelblich aussahen, habe ich sie mit Alkohol ausgekocht, aber weder dies noch Extraktion mit Chloroform, Benzol oder CS2 führte zum Ziele. In der Meinung, dass die Pigmente an irgend etwas fixirt worden, be- handelte ich Proben mit Säuren, mit Alkalien, auch unter Mit- wirkung von Alkohol oder Aether, ohne farbige Extracte erzielen zu können, endlich den ganzen Piest mit Trypsin, um die Albu- mine zu lösen. Weder die Verdauungslösung noch der Piück- stand gaben an Aether etwas Gefärbtes ab. Das gelbe Fett, w^elches die erste Aetherextraktion hinterlassen, verhielt sich auch beim Verseifen anders, als das der schnell verarbeiteten Augen, insofern beim Zugeben der Natronlauge zur heissen al- koholischen Lösung eine tief braunrothe Färbung auftrat. Da sämmtliche Präparate nur im Dunkeln gestanden hatten, so kann die allmähliche Zerstörung der Pigmente nicht mit dem Lichte zu- sammenhängen. Am Chlorophan und Xanthophan, das erstere in Petroläther, letzteres in Aether gelöst und nur mit etwas Seife verunreinigt, habe ich dieselbe unangenehme Erfahrung gemacht, dass die Farben (nach 5 — 6 Monaten) auch im Dunkeln 112 W. Kühne: vergehen. Die Lösungen des Khodophans in Benzol, welche ich heute noch besitze, sind dagegen unverändert. Im Ozonstrome ■werden die 3 Farbstoffe entfärbt, das Xanthophan am leichtesten, das Chlorophan zuletzt. III. Vom braunen Pigmente des Auges. Im 2. Hefte des I. Bandes von Foster\ Journal of Physio- logy habe ich kurz mitgetheilt, dass es mir gelungen sei, an dem bisher wohl allgemein für sehr stabil gehaltenen dunklen Pigmente des Ptetinaepithels Lichtempfindlichkeit nachzuweisen. Es war dies möglich gewesen besonders an Stückchen epithel- haltiger Vogelnetzhaut, welche ich einige Wochen mit einer thymolisirten Lösung von V^ pCt. Soda benetzt am Lichte auf- bewahrt hatte. Die ziemlich langen feinen Nadeln des Farb- stoffs waren erst gelb, dann farblos geworden und im letzteren Zustande, ohne Aenderung der Gestalt aufzuweisen, in der be- kannten Weise angeordnet in den wenig gequollenen Epithel- zellen sichtbar geblieben ; im Dunkeln blieb die Umwandlung aus. In der Fortsetzung dieser Beobachtungen war ich vor Allem bemüht, mit reinerem Materiale zu arbeiten. Man verschafft sich dasselbe, indem man mit dem Epithel ausgeschlüpfte Frosch- netzhäute frisch in Galle von 5 pCt. löst, filtrirt, die durchgehende Tinte absetzen lässt, abpipettirt, den Bodensatz wiederholt mit Wasser, endlich mit Alkohol und Aether wäscht. Wird ausser der ersten unumgänglichen, jede weitere Filtration vermieden, so ist der Verlust am geringsten und man erhält das Pigment sehr rein in Gestalt eines Satzes oder Anfluges. Anfänglich habe ich es vor der Aetherbehandlung noch mit verdünnter Soda ge- waschen und der Trypsinverdauung, der es widersteht, unter- worfen, doch halte ich dies nicht mehr für nöthig, weil den in der Galle suspendirten, durch das Filter gehenden Pigmenttheilchen niemals erkennbare ungelöste Stoffe beigemischt waren. Die des Untersuchvingen über die Retina und die Pigmente des Auges. 113 Epithels beraubten Augengründe habe ich zur Gewinnung des chorioidalen Pigmentes verwerthet, indem ich die schwarzen Mem- branen aus der Sklera herauspflückte und so lange mit Galle, später mit Wasser schüttelte, bis die Flüssigkeit nicht mehr von dunklen Körnchen getrübt wurde. Das Verfahren bedingt zwar bedeutenden Verlust, schützt aber vor jeder Verunreinigung mit Epithelpigment, das im Augengrunde nach dem Fortnehmen der Netzhaut zurückgeblieben sein könnte. Um die dunklen Körn- chen aus dem Chorioidalgewebe zu befreien, habe ich die schwarzen Flocken nach einmaligem Aufkochen in Wasser der Trypsinver- dauung unterworfen, das Unverdaute mit verdünnter Soda, mit Wasser, äusserst schwacher Essigsäure, nochmals mit Wasser, endlich mit Alkohol und Aether gewaschen, Alles mit Umgehung des Filters nur durch Absetzen, Decantiren und Bearbeitung mit capillaren Pipetten. Was ich so als Rückstand erhielt, stellte eine nur aus amorphen dunklen Körnchen bestehende Masse dar, zwischen welchen mikroskopisch nichts Anderes zu erkennen war. Im Gegensatze zum Epithelpigmente sah dieselbe schwärzer, weniger braun aus, doch ist es mir fraglich, ob chemische Ver- schiedenheiten die Ursache davon seien, obwohl ich bestätigen muss, dass nur das Epithelpigment krystallinische Bildungen aufweist, aus welchen dieses meder übrigens nicht ausschliesslich besteht. Im menschlichen Auge entspricht bekanntlich die Farbe sowohl des Epithels, als der Chorioidea immer gleichmässig dem blonden oder brünetten Habitus. Da die Experimente, welche ich vorhatte, sämmtlich auf längere Expositionszeit angelegt waren und der diesjährige Sommer durchaus keine Abkürzung der Belichtung versprach, wurden von vornherein Präparate der verschiedensten Art, in grosser Zahl, paarweise zum Verweilen im Hellen und Dunkeln hergerichtet. Eine Serie derselben unterschied sich nicht von gewöhnlichen, gut verschlossenen mikroskopischen Objecten und Kühne, Untersuchungen H. 8 114 W. Kühne: es dienten sowohl Asphalt, wie sog. Würzburger weisser lütt zum Verschlusse. Die möglichst ohne Luftblasen eingeschlossenen Zu- satzflüssigkeiten bestanden aus Wasser oder Kochsalz, Soda, Pott- asche von ^/2 pCt, Die 2. Serie bestand aus Milchglastäf eichen oder Stückchen Aquarellpapier, auf welche das Pigment in Bändern von verschiedener Dunkelheit mit dem Pinsel aufgemalt worden; dieselben wurden mit Streifen von rothem, farblosem und be- russtem Glase oder nach lockerer Bedeckung der ganzen Fläche mit einem dünnen Glase, mit aufgeklebten Streifen schwarzen Papiers stellenweise gedeckt. Das mit dieser 2. Serie erzielte Resultat war alsbald unzweifelhaft : die gemalten Streifen wurden hellbraun , gelb, zuletzt farblos, soweit das weisse Licht sie beschienen hatte, während die schwarz bedeckten Antheile nach Verlauf des ganzen Sommers noch völlig unverändert sind. Täfelchen, welche in der früher erwähnten Kühlvorrichtung behchtet worden, zeigen im Vergleiche zu anderen, von der Sonne zugleich erwärmten, keine Unterschiede, obschon die Behandlung noch die zweite Ungleichheit einschloss, dass die ersteren sich in ziemlich feuchter Atmosphäre, die letzteren unter Glocken mit SH2O4 befanden. Auf Papier gemaltes Pigment widerstand dem Lichte länger, blich aber end- lich auch vollkommen aus. Hinsichtlich der erforderlichen Licht- intensität kann nur angegeben werden, dass die dunkelsten Streifen Wochen und Monate bedürfen, hellgraue je nach dem Wetter 14 Tage bis 2 Tage. An einigen seltenen guten Tagen wurde die Wirkung auf den am zartesten gemalten Streifen schon nach 4—5 Stunden von Personen bezeichnet, die nicht wussten, wo die Bedeckung sich befunden hatte; ich kann mir darum denken, dass Jemand, der solche Versuche unter günstigeren Breiten, vielleicht noch in der reinen Atmosphäre beträchtlicher Höhen anzustellen das Glück hätte, diesem Pigmente recht erheb- liche Lichtempfindhchkeit zuschreiben würde. Was unter rothem Untersuclmngen über die Retina und die Pigmente des Auges. 115 Glase gelegen hatte, zeigte sich nicht ganz unverändert, wenigstens ist an einem während des ganzen Sommers cxponirten Plättchen, wo die rothe und schwarze Decke sich ohne jeden Zwischenraum berührten, indem ein zur Hälfte stark berusstes tiefrothes Glas übergelegt worden, die Grenze sehr deutlich und Was roth be- lichtet worden in ganzer Ausdehnung entschieden gelbbräunlich gegen die andere Hälfte der Fläche. Abwechselnd mit Chorioidal- und Epithelpigment gemalte Bänder, paarweise in gleicher Sätti- gung gehalten, zeigten in keinem Stadium der Belichtung Unter- schiede. Zu meiner Ueberraschung hielt die Ausbleichung in der Serie der feuchten Präparate mit der eben erwähnten nicht gleichen Schritt, ja es zeigte sich nur an einzelnen alkalischen Präparaten Uebergang der Körnchenfarbe zu Gelb oder stärkeres Abblassen. Ich schob dies anfänglich auf Unsicherheiten der Beobachtung, denn es ist in der That kaum möglich, sich zu vergewissern, ob von so kleinen Theilchen, wie sie dieser Brei in dünner Lage enthielt, einzelne braun, gelb oder farblos seien, aber wenn ich mir etwas dichtere Stellen ansah, die jeden- falls keine stärkere Pigmentschicht darstellten, als die einiger- massen dunkel gemalten Streifen der andern Serie und sie in den meisten Fällen nach derselben Belichtungszeit, welche jene ganz zu entfärben genügt hatte, noch braun fand, so musste ich mir sagen, dass irgend welche ausser dem Lichte zur Bleichung miterforderliche Bedingungen gefehlt hatten. Einige Versuche ergaben alsbald, dass es sich dabei um den atmosphärischen Sauerstoff handelt, ohne welchen (im luftleeren Kaume oder in CO2) das Pigment in der That vollkommen lichtbeständig ist. Dr. K. Mays, der die weitere Bearbeitung dieser Angelegenheit übernommen hat, wird darüber demnächst genauere Mittheihingen geben können. Sobald bei einem physiologische Beziehungen einschliessenden, 116 W. Kühne: chemischen Vorgange Oxydation in Frage kommt, liegt es nahe, den ausserhalb des Organismus zu constatirenden Verlauf nur für das schwache Abbild des innerhalb der Lebensverhältnisse stattfindenden Processes zu nehmen. Zahlreiche Fälle beweisen, wie weit wir davon entfernt sind, mehrere oxydative Lebens- vorgänge, an deren Existenz nicht zu zweifeln ist, künstlich mit den Mitteln des Organismus in gleichem Grade oder überhaupt nachzuahmen. Man durfte daher der beobachteten Lichtempfind- lichkeit des Epithelpigments für das unter dem gleichzeitigen Einflüsse bewegter und athmender Säfte sehende Auge grössere Bedeutung zutrauen, als die Geringfügigkeit des Vorganges an- fänglich vermuthen Hess. In dieser Ueberlegung untersuchte ich durch maximale Belichtung geblendete Augen verschiedener Thiere, des Kaninchens, der Taube und des Frosches. Das schon er- wähnte Verfahren war überall das nämliche: es wurde die Pu- pille nach Entfernung der Cornea und der Linse durch Sperr- dräthe (Lidhalter), die auch dem Froschauge passend leicht her- zustellen sind, weit geöffnet und mit Heliostat und Linse 2 — G Stunden so intensiv beleuchtet, als es ohne gefahrvolle Erwärmung möglich war. Frösche wurden dabei überrieselt und entweder mit Curare gelähmt, oder zur Vermeidung des für das Auge be- sonders zu beachtenden Oedems, gefesselt. Während der Blendung der Tauben und Kaninchen empfing ich den Eindruck, als ob eine beträchtliche Absonderung im Auge bestehe; auch war es niemals nöthig, für Verdunstung Ersatz zu leisten. Von der Retina wurde der maximal beleuchtete Antheil gesondert er- halten, indem ich das Centrum des Augengrundes mit dem Loch- eisen vollständig ausbohrte und das entsprechende Netzhautstück sammt dem Epithel später von der Uvea abhob. Zum Ver- gleiche dienten sowohl periphere vordere Netzhautabschnitte, wie Präparate aus dem andern Auge. Das die Farbkugeln der Vogelretina betreffende Resultat Untersuchungen über die Retina und die Pigmente des Auges. 117 dieser Versuche wurde bereits berichtet; Aehnliches ist über die gelben Fettkugeln des retinalen Epithels vom Frosche zu bemerken, die ich zu meiner Ueberraschung grade an der am meisten geblendeten Stelle von äusserst gesättigter Färbung und nur in dem schwächer beleuchteten Umkreise vielfach bis zur Farblosigkeit gebleicht fand. Ich vermuthe die Ursache dieses sonderbaren Verhaltens in dem Umstände, dass das braune Pig- ment um so vollständiger die hinteren Stäbchenkuppen deckt, je intensiver die Beleuchtung ist und jene farbigen Kugeln vor weiterer Belichtung schützt. Zum Beweise, dass das Froschauge wesentliche Lebenseigenschaften bei dem Versuche nicht einbüsst, kann ich anführen, dass sich der Sehpurpur in einem 4 Stunden auf die erwähnte Weise geblendeten Auge nach ebenso langem Dunkel- aufenthalte regenerirt fand. Ob und in welcher Weise das braune Pigment Aenderungen erlitten, ist schwer zu sagen: ich bin der Meinung, dass eine solche aus gewissen Ansichten der Präparate, die ich beschreiben will, hervorgehe. Ein blasseres oder gelblicheres Ansehen der Epithelflächen im Ganzen ist zunächst gänzlich ausgeschlossen, ich habe es niemals gesehen. Dagegen verdienen einige Eigen- thümlichkeiten der einzelnen Pigmentzellen Beachtung. Beim Frosche vermehrt sich erstens die Zahl der früher (Bd. I S. 287) be- schriebenen farblosen Klümpchen bisweilen in erstaunlichem Grade, so dass die Epithelien von hinten betrachtet, dieselben in dem nicht pigmeutirten Hute dicht zusammen gepackt und bis an den gelben Tropfen gedrängt zeigen; viele Zellen besitzen eine der Chorioidea zugewendete Zone, welche kaum etwas Anderes ent- hält. Ausserdem und mehr nach vorn zeigt der Zellenleib einen streifigen Inhalt, sieht struppig, wie aus wirr zusammengelegten, glänzenden, länglichen Stückchen bestehend, aus. Dieselbe Er- scheinung findet sich im Epithel des Kaninchens und der Taube, denen die farblosen Klüm-pchen fehlen und ist bei der letzteren 118 W. Kühne: am auffälligsten. Löst man das Epithel in Galle von 5 pCt. auf, so stiebt das Pigment auseinander, das Sehfeld bedeckt sich mit zerstreuten Kernen mid die Klümpchen des Froschpräparates gehen in Lösung. Zu dieser Zeit fällt es auf, dass Bruchstücke der Zellenleiber, die dem struppigen Antheile entsprechen, ent- weder für sich oder an einem Kerne haftend, noch umhertreiben und erst später zu Körnchenhaufen zerfallen. In dem ent- standenen Pigmentbrei braune und farblose oder gelbliche Körn- chen und Stückchen zu unterscheiden, fand ich unmöglich, aber Alles, was ich gesehen, drängt mir die Ueberzeugung auf, dass der zwischen der vorderen Pigmentlage und dem Kerne befind- liche Theil der Epithelzelle kleine, kantige, gebleichtem Pig- mente entsprechende Theilchen enthalte. Wer das retinale Epithel dunkel gehaltener Thiere sorgfältig untersucht hat, kennt zwar auch an diesem eine gewisse streifige Zeichnung, die dem pigmentarmen Antheile des Protoplasma oft eigenthümhch ist, ich muss mich aber grade, weil mir dieselbe bekannt ist um so be- stimmter darüber aussprechen, dass die Zellen der geblendeten Netzhaut eine besondere Art streifigen Inhaltes darbieten. In den nach vorn gerichteten Fortsätzen der Pigmentzellen habe ich bisher vergeblich nach ausgeblichenen Pigmentnadeln gesucht und bin darin auch bei der Taube, wo mir der Anblick nach den Er- fahrungen an ausserhalb des Organismus besonnten Objecten bekannt war, nicht glücklicher gewesen. Weitere Beobachtungen über die Frage nach der epithelialen Pigmentbleiche, im Leben mit dem beschriebenen Verfahren durchgeführt, dürften bessere Erfolge geben, wenn man Thiere fände mit ähnlich hellem Epithelpigmente, wie dem hochblonder menschlicher Augen, denn dieses fand ich im isolirten Zustande noch lichtempfindlicher, als innerhalb der getrockneten Netzhaut, (vergl. oben S. 105) ja von allem bis jetzt untersuchten Epithelpigment weitaus am schnellsten bleichend im Lichte. Untersuclinngen über die Retina und die Pigmente des Auges. 119 Schlusserörterungen. Seit unserer Bekanntschaft mit der directen Wirkung des Lichtes auf den Sehpurpur steht nunmehr eine ganze Reihe durcli Licht nachweisHch veränderlicher Retinabestandtheile und eine grössere Anzahl photochemischer Processe zur Verfügung, deren Bedeutung für das Sehen nicht abzuweisen ist. Als ich dem Farbstoffe der Stäbchen den Namen Sehpurpur gab, schloss ich die Hypothese daran, dass dei; Körper die Function habe, im Leben vom Lichte zersetzt zu werden und Producte zu liefern, welche als chemische Reize auf die Sehzellen wirken. Da Hypo- thesen das Mittel sind , mit dem man weiter arbeitet und keine einzige Thatsache bekannt ist, welche die eben genannte widerlegt, so finde ich um so weniger Grund, sie zu verlassen, als von anderer Seite bereits dem auch von mir empfundenen und ausgesprochenen Bedürfnisse nach Bearbeitung der Frage von einem entgegengesetzten Standpunkte genügt wird. Wenn es mir vergönnt war, thatsächlich zu erweisen, dass es ein Sehen ohne Sehpurpur gibt, indem ich die Abwesenheit des Purpurs in allen Zapfen und in den Stäbchen einzelner Thiere sowohl, wie das Sehen mit ausgeblichener Netzhaut darzuthun vermochte, so habe ich damit keineswegs Anlass gegeben, mir die Meinung zu- zuschreiben, dass der Purpur die ihm von der Hypothese zuge- schriebene Bedeutung nicht haben könne und noch weniger, dass er mit dem Sehen überhaupt nichts zu thun habe. Die photochemische Hypothese des Sehens fordert zweierlei: erstens durch Licht zersetzliche Körper und zweitens durch die Zersetzungsproducte erregbare Apparate. Die ersteren sind im Sehpurpur und anderen, von Exner sehr zweckmässig als Seh- stoffen bezeichneten Körpern gefunden, die letzteren werden in den Sehzellen vorausgesetzt. Nichts ist natürlicher, als dem Purpur in hervorragender Weise die Bedeutung eines Sehstoffes zuzuschreiben, da er unter allen bekannten Körpern, die wir 120 W. Kühne: dafür halten können, allein den hohen Grad von Lichtempfind- lichkeit besitzt, dessen die Geschwindigkeit des Sehactes und die Empfindlichkeit des Auges gegen geringe Lichtintensitäten zu bedürfen schien. Ich bin daher der Ansicht sehr zugethan, dass das Stäbchensehen ausgeruhter oder von massigem Lichte getroffener Augen vorwiegend auf dem Vergehen und Entstehen des Purpurs beruht. Weiter hat man zu fragen, ob das Stäb- chensehen noch fortbesteht, nachdem der Purpur verschwunden ist? Darüber kann ohne Weiteres weder das menschliche noch ein thierisches, ausserdem mit Zapfen und mit Zapf ensehen begabtes Auge entscheiden. Indess wurde die Frage zu verneinen gesucht, weil nächtliche Thiere, deren Zapfensehen man Grund hatte für schwach entwickelt zu halten, unter solchen Bedingungen, unter welchen der Sehpurpur schneller bleicht, als er wieder herge- stellt werden kann, schlecht oder nicht sehen. Welche Auf- klärung immer uns über das Sehen der Nachtthiere bevorstehen möge, so muss ich es für höchst wahrscheinlich halten, dass der Verlust des Sehpurpurs das Stäbchensehen noch nicht aufhebt, und dass im Stäbchenapparate allein schon mehrere Sehstoffe enthalten seien. Hierüber würde das Verhalten solcher Thiere, welche nur Stäbchen besitzen, entscheiden, nachdem sie den Purpur verloren haben. Wie es scheint, eignet sich dazu das Kaninchen. Es ist zwar in der mikroskopischen Anatomie Gegen- stand der Controverse, ob das Kaninchenauge Zapfen besitze, und ich selbst habe mich darüber bis jetzt nicht bestimmt zu entscheiden vermocht, aber ausser Zweifel ist es, dass etwa vor- handene Zapfen in ungewöhnlichem Grade gegen die Stäbchen zurücktreten müssen. Die Kaninchennetzhaut erscheint in der Aufsicht von rückwärts so homogen rosig, und es ist bei mikro- skopischer Betrachtung gut ausgebreiteter Präparate so unmög- lich, irgendwo farblose Unterbrechungen in dem gleichmässig rosenfarbenen Stäbchenmuster zu finden, deren man an sicher Untersuchungen über die Retina und die Pigmente des Auges. 121 zapfenhaltigen Netzhäuten immer leicht ansichtig ^Yird, dass ich dieses Auge in der Frage für entscheidend halten möchte. Oh Kaninchen sehen oder nicht, ist leicht festzustellen: mit vernähten Lidern oder verbundenen Augen sind sie so unge- schickt, dass man sie auch ohne Beachtung der Schutzmittel am Kopfe von andern unterscheiden würde. Etwas normaler be- nehmen sich einige Tage nach der Operation die nach Holm- grcn's Methode der intracraniellen Opticusdurchschneidung er- blindeten, doch erkennt man auch deren BUndheit ohne Mühe: sie rennen gejagt mit Vehemenz gegen eine Mauer, stürzen im Laufe in einen senkrecht abfallenden Schacht, und wenn man sie auf ein Brett von massigem Umfange setzt, das auf einem hohen Pfosten befestigt ist, so fallen sie gelegentlich, ohne Sprung, wie ein Sack herunter, was Alles sehenden Kaninchen nicht begegnet. Steht die Platte nur meterhoch, so springen normale Kaninchen nach einiger Umschau vorsichtig herunter; die blinden halten sich ängstlich tastend länger oben, und wenn sie herabkommen, so geschieht es mit ungeschicktem Fall. Legte ich von solcher Platte eine lange, schmale Latte bis in die Stallthür, so fanden die Thiere bald den Muth, sie als Brücke zu benutzen, während die blinden niemals Gebrauch von dem Mittel machten, das ihnen gedient haben würde, den Unbilden der Witterung zu entkom- men. Des Sehpurpurs beraubte Kaninchen zeigten von dieser Unbeholfenheit keine Spur; Coccnis war also im Rechte mit der Bemerkung, dass Verlust des Purpurs auch bei Kaninchen keine Blindheit bedinge. Um sicher zu gehen, habe ich die Thiere mit atropinisirten Augen auf einem hohen, schmalen Gestelle mit allseitig freier Umschau iu die Sonne gesetzt, von einem den totalen Verlust des Sehpurpurs constatirt, von einem anderen, dass es nach 25 Minuten Dunkelaufenthalt die ersten Anzeichen der Netzhautfärbung wieder gewann und mich überzeugt, dass beide zuvor bei den genannten Proben kein Benehmen darboten, 122 W. Kühne: das auf Verlust des Sehvermögens gedeutet hätte. Diese Erfah- rungen sind vollkommen in Uebereinstimmung mit Holmgrens Nachweis, dass ein gebleichtes Kaninchenauge auf Lichtreiz noch Schwankungen der Retinaströme zeigt (vgl. dieses Heft, S. 81 — 88). Ich schliesse daraus, dass der Stäbchenapparat ausser dem Seh- purpur noch über andere dauerhaftere Sehstoffe verfüge und denke, dass das Epithelpigment als einer davon aufzufassen sei. Wie gering die Lichtempfindlichkeit des braunen Pigmentes selbst im Leben sein mag, so scheint sie mir unter Voraussetzung besonders kräftig erregender Wirkung der Bleichungsproducte, die allmählich gelöst werden dürften, und einer gegen diese chemischen Reize hochgradigen Erregbarkeit der Sehzellen genügend, um die zum Sehen nöthige Reizung zu veranlassen. Nichts steht, um wieder daran zu erinnern, nach Dem, was Jedermann über die chemische Erregbarkeit der Riechzellen weiss, im Wege, die höch- sten Grade chemischer Veränderlichkeit auch dem Protoplasma der Sehzellen zuzuschreiben. Wir müssen uns bei einem Sinnes- organe von dieser Feinheit, das auf derartig minimale lebendige Kräfte reagirt, wie das Auge, an den Gedanken gewöhnen, dass auch nur verschwindend kleine Quantitäten chemischer Mittel nöthig sein werden, um bedeutende Wirkungen hervorzubringen. Beweise, dass viele andere Gewebe von solchen Spuren in colossalem Grade functionell geändert werden, liegen in Menge vor: man denke an die Wirkung mancher Gifte, an die Spuren der Santon- säure, die jeweils nur im Sehapparate enthalten sein mögen, und deren Effecte, an Darivin's, Beobachtungen über den Einfluss fast unglaublich geringer Ammoniakmengen auf das Protoplasma einiger Pflanzenzellen und man wird sich vielleicht immer noch zu geringe Vorstellungen von der chemischen Erregbarkeit des Sehzellen- leibes machen. Darum ist auch die vorerwähnte Annahme, dass ein Sehorgan, welches für Licht von sehr geringer Intensität ge- nügt, einen mindestens so hochlichtempfindlichen Sehstoff, wie den Untersuchungen über die Retina und die Pigmente des Auges. 123 Selipurpur enthalte, nicht unumgänglich, indem eine hochgradige Reactionsfähigkeit der von dem chemischen Sehreger zunächst betroffenen Einrichtung ihm auch erlauben würde, mit einem langsam durch das Licht zersetzlichen Stoife auszukommen. Unter Sehzellen sind hier im Allgemeinen nur die Stäbchen und Zapfen, im gegenwärtigen Falle die Stäbchen sammt dem Innen- gliede gemeint, denn die Epithelzellen dafür zu halten liegt trotz dem Nachweise darin befindlicher lichtempfindlicher Stoffe keine Veranlassung vor. Die Entwickelung der Pigmentzellen ist be- kanntlich eine so selbständige, und es schieben sich die sprossenden Aussenglieder des eigentlichen Sinnesepithels, d. h. der mit em- pfindenden Nerven zusammenhängenden Epithelien so deutlich in die weiche, vorher fertige Pigmentlage vor, dass an einen sog. organischen Zusammenhang der beiderartigen Gebilde nicht zu denken ist. Ausserdem gibt es gute physiologische Gründe, das Epithel für nicht direct am Sehacte betheiligt zu halten, da keine Erfahrung über das Unterscheidungsvermögen nahe zusammen- liegender Bildpunkte mit der zum Theil beträchtlichen Grösse der Epithelzellen zu reimen ist, während die schmalen Aussenglieder der Stäbchen und Zapfen solchen Anforderungen bekanntlich sehr gut entsprechen. Ich muss endlich bekennen, niemals haben ein- sehen zu können, wie man darauf verfallen mochte, Stäbchen und Epithelzelle für Doppelzellen zu halten, da man doch weiss, welche grosse Zahl von Stäbchenenden in einer Epithelzelle Platz findet. Wer dies Alles im Widerspruche mit der Entwicke- lung zu einer Zelle zusammenschweisst, oder an Copulation denkt, hätte passender die Bezeichnung Eiesenzelle gewählt. Wenn es eine Stelle an den Stäbchen gibt, die darnach aus- sieht, als ob sie einem Verbrauche unterliege, so ist es gewiss die äussere in der Pigmentzelle steckende Kuppe, die niemals so glatt abgeschnitten aussieht, wie 31. Schätze u. A. sie abbildeten; sondern sich geradezu wie angefressen oder benagt ausnimmt. 124 W. Kühne: Hier, wo das Stäbchen mit Pigmentnadeln gespickt ist und um so melir davon bedeckt wird, je intensiver und dauernder die Belichtung war, dürfte auch ein Angriffspunkt für Reize zu suchen sein. Vielleicht ist es indess nicht einmal nöthig, für alle Fälle die chemische Reizung an das Stäbchen zu verlegen, da der Sinn der scharfkantigen Nadelform des Pigmentes, welche an keinem Wirbelthierauge vermisst wird und wunderbarer Weise ganz vorwiegend den Theilchen zukommt, die nach vorn und in Contact mit den Stäbchen und Zapfen gerathen, auch ein me- chanischer sein könnte, insofern das Protoplasma mit solchem Reibmittel bewaffnet, durch seine Bewegungen mechanisch reizend zu wirken vermöchte. So bleibt auch für eine Auffassung Raum, w^elche eine photochemische Reizung in dasProtoplasma der Epithel- zellen verlegt, und dann nicht die Stäbchen, sondern die Matrix des Pigmentes für das chemisch gereizte erachtet, und an sehr be- kannte Dinge bei auf Licht mit Bewegung reagirenden Zellen, die bekanntlich ausnahmslos pigmentirt sind, anknüpft, ohne auf den physiologisch wohl begründeten Satz zu verzichten, dass nur Licht- Erregungen, welche Stäbchen oder Zapfen treffen, Lichtempfin- dung auslösen. In diesem Sinne könnte auch das Wandern des Pigmentes zwischen den Stäbchen nach vorn, indem es deren Cylindermäntel reibt, als Sehreiz aufzufassen sein; doch scheinen mir einige Gründe gegen die letztere Annahme zu sprechen und darauf hinzuweisen, dass dieser Vorgang für das Zutreten des Pigmentes zu den weniger nach rückwärts reichenden Zapfen grössere Bedeutung habe. So viel ich sehe, ist diese Hypothese einer mechanischen Stäbchenreizung in keinem Widerspruche mit unseren Kenntnissen vom Sehen, wenn man sie nicht auf den Anfang des Sehactes ausdehnt. Lässt man sie für die Nachwir- kungen zu, so bereitet ihr die Langsamkeit der Protoplasma- bewegungen kein Hinderniss. Ausser dem Sehpurpur wurde des braunen Pigmentes nur als eines der weiteren Sehstoffe des Untersuchungen über die Retina und die Pigmente des Auges. 125 Stäbchens gedacht, weil das Fehlen des Pigmentes bei den Al- binos und in dem sehr verbreiteten Tapetum noch andere anzu- nehmen nöthigt. Wie mit einem Tapetum gesehen werde, wissen wir nicht und an den Albinos bemerken wir nur, dass sie leicht geblendet sind, was rein optische Gründe haben kann, Albinotische Kaninchen nach Erweiterung der Pupillen mit Atropin an die Sonne gebracht (wo die Augen prachtvoll roth funkeln), bis der Sehpurpur geschwunden, betragen sich nach meinen Erfahrungen nicht wie blinde: die Hypothese erfordert da also noch weitere und zwar farblose Sehstoffe. Für das Tapetum der Räuber dürfte der sonderbare Filz erstaunlich feiner und weicher Krystalle im gleichen Sinne Beachtung finden. Pigmente im Auge sind etwas durch die ganze Thierreihe Verbreitetes, und bei den niedersten Thieren ist es häufig nur das Pigment gewesen, das zur Annahme und Auffindung der Seh- organe geführt hat. Es wird darum immer nützlich sein, das Verhalten der zahlreichen thierischen Pigmente zum Lichte fest- zustellen, nicht nur in Rücksicht auf das Sehen, sondern auch bezüglich der unverkennbaren Bedeutung farbiger Einschlüsse im Protoplasma für dessen vom Lichte beeinflusste Bewegung. Ueber das Letztere habe ich Untersuchungen begonnen, indem ich ge- reinigtes braunes Augenpigment theils direct mit Salamanderblut mischte, theils durch Injection in die Venen lebender Frösche an weisse Blutkörperchen verfütterte. Die etwas umständlichen Versuche, über welche ich zu anderer Gelegenheit hoffe ausführ- licher berichten zu können, haben einstweilen das Resultat er- geben, dass stark imprägnirte Zellen in hellem Lichte kuglig und bewegungslos werden und nur im Dunkeln oder bei sehr schwachem Lichte, sowie in gelber und rother Beleuchtung Fortsätze treiben oder Ortsveränderungen ausführen. Weisse Blutkörperchen mit wenig Pigment beladen schienen im Lichte dagegen beweglicher zu werden, während an den gewöhnlichen farblosen Zellen des 126 W. Kühne: Blutes gar kein Einfluss des weissen, rotlien, gelben, grünen oder blauen Lichtes zu bemerken war. Bezüglich der Lichtempfindlichkeit der Augenpigmente in der Thierreihe mögen hier einige gelegentlich gesammelte Er- fahrungen Platz finden. Bei keinem einzigen Wirbellosen wurde Sehpurpur gefunden und überhaupt keine am directen Sonnenlichte oder in diffuser Tageshelle schnell bleichende Farbe, w^as in vollkommener Ueber- einstimmung mit den Beobachtungen von Krukenherg (vergl. ds. Hft. S. 58) ist. Es steht dies zwar im Widerspruche mit der Auffassung, welche kürzlich die Beobachtungen von Chatin an Locusta viridissima erfahren haben, werindess das Original (Compt. rend. 25. Nro. 8 S. 447) liest, wird durchaus nicht den Ein- druck empfangen, als ob der Autor von einer lichtempfindlichen Farbe spreche. Chatin sagt ganz richtig, dass die Bündel der Sehstäbe von violetschwarzem Pigmente umhüllt seien und gibt ein Verfahren an, die Stäbe mit Alkalien einzeln zu erhalten, worauf man sie von hell lila, bald schwindender Farbe finde, aber er sagt nichts über Unterschiede der Erscheinung im Hellen und im Dunkeln und nicht, was Jeder leicht wird bestätigt finden, dass intensivstes Licht in einigen Stunden an den ohne Alkali behandelten Gruppen der Stäbe gar keine Veränderung des vio- letten Schimmers erzeugt. Es ist mir auch zweifelhaft geblieben, ob die feinen Stäbe selbst Farbe besitzen, da ich an solchen, die aus der dunklen Pigmenthülle losgelöst waren, nichts davon er- kennen konnte, obwohl ich die Präparation des Auges eines 24 Stunden im Dunkeln gehaltenen Thieres vor Natronlicht vorge- nommen hatte. Ein solches Präparat mit Sodalösung zerfasert gab eine violette Masse, die ich im Laufe eines sonnigen Vor- mittags im Hellen so wenig, wie im Dunkeln veränderlich fand. Ob der Sehpurpur den Wirbellosen ohne Ausnahme mangele, lässt sich begreiflich nicht voraussagen, um so weniger, als man Untersuchungen über die Retina und die Pigmente des Auges. 127 es nach Analogie des vereinzelten Vorkommens des Hämoglobins vielleicht ausnahmsweise erwarten könnte. Ich gestatte mir hier die Bemerkung, dass nichts eindringlicher den Werth experimen- teller Methoden vor der sogenannten reinen Beobachtung erweist, als die Geschichte des Sehpurpurs. AVer von der Erfahrung einer allgemein verbreiteten, auch bei den Wirbellosen identischen Netz- hautfärbung ausging, konnte ]nit Hülfe der letzteren Methode nur auf den Gedanken kommen, dass etw^as Anderes, als Licht, nämlich beschleunigtes Absterben u. dergl. die Ursache des Blei- chens einer herausgenommenen Wirbel thierretina sei, statt an das Licht zu denken, weim er zuvor die bedeutende Haltbarkeit der Farbe an Wirbellosen, wo sie bekanntlich von Krohi zu- erst gefunden worden, bemerkt hatte. Ein zerdrücktes Fliegenauge gibt einen carminrothen Fleck mit schwarzer Sprenkelung. Auf Porzellan ausgestrichen, ge- trocknet und einige Tage partiell besonnt, zeigen sich die dunkel gehaltenen Stellen noch von der Anfangsfarbe und stark unterschieden von den belichteten, aus denen das Roth mehr und mehr verschwindet. Längere Besonnung bleicht das rückblei- bende Braun weiter, jedoch auch in dünnen Schichten nicht voll- kommen. Entnimmt man dem Auge des Hummers etwas von dem zwischen den Sehstäben befindlichen schwarzen, zum Yiolet neigenden Pigmente und malt es in Streifen von verschiedener Deutlichkeit aus, so zeigen auch die blassesten nach monate- langer Besonnung keine Unterschiede gegen dunkel gehaltene Antheile. Die Farbe hat sich mir bis heute, ausser dem redu- cirten Hämoglobin, als die echteste von allen erwiesen. Ich be- wahre ein Milchglasplättchen auf, das damit in allen Abstufungen, vom unscheinbarsten Grau beginnend bemalt ist und nirgends Andeutungen des schwarzen Bandes erkennen lässt, welches sie während des ganzen Sommers unter einem nach Süden gelegenen 128 W. Kühne: Oberliclite bedeckt hatte; die Farbe bewahrt also auch die vio- lette Beimischung. Eine aus vielen Augen von Helix pomatia angetrocknete Eeihe zeigt starke Differenzen von dunkel- zu hellbraun, selbst gelb, je nach der vorgenommenen Bedeckung, nachdem sie 4 Wochen belichtet worden. Die Bleichung betrifft jedoch am meisten das diffus in einigem Abstände um die Augen verbreitete Pigment, während die eigentlichen Augenpunkte noch überall ganz dunkel sind. Im Anfange der Belichtung boten die letzteren in sofern Differenzen, als das schwache Violet, das man an den frischen oder wieder aufgeweichten Augen nach guter Zertheilung wahrnimmt, nur im Lichte ausfiel; später verlor sich dasselbe aber auch in den im Dunkeln trocken bewahrten Präparaten. Da das Crustaceenauge in den Stäben einen purpurnen, frei- lich sehr langsam am Lichte vergänglichen Farbstoff, ausser dem umhüllenden, überraschend echten enthält, so scheint irgend etwas durch Licht zu Bleichendes in jedem Auge vorzukommen. Die photochemische Hypothese des Sehens birgt, ich ver- kenne es nicht, eine Gefahr in sich, die hervorzuheben ist, um ihr im Fortgange der Bearbeitung Beachtung zu verschaffen : es können farbige Bestandtheile der Netzhaut, nur weil sie licht- empfindlich sind, für Sehstoffe genommen werden, während sie in Wahrheit als Absorptionsmittel Bedeutung und nur diese Function haben. An der gelben Farbe der menschlichen Macula haben wir bereits ein Beispiel: dieselbe ist von nicht geringer Lichtempfindlichkeit, aber wegen der ganz gleichmässigen Ver- breitung durch die verschiedenartigsten Gewebe der Netzhaut, und wegen ihrer Lage in den vorderen Schichten gewiss nicht zu den Sehstoffen zu rechnen. Verdient der Farbstoff, wie anzuneh- men, für das Sehen Beachtung, so geschieht es mit Kücksicht auf die Absorption, welche das Licht daran erleidet^ das nachher erst zum Perceptionsapparate gelangt. Dasselbe gilt nach einer Untersuchuugeu über die Retina und die Pigmente des Auges. 129 sehr verbreiteten Ueberzeugung von den verschiedenfarbigen Oelkugeln der Vogeh'etina, welche in so merkwürdiger Weise von der gcsannntcn Reihe eoniplenientärer Farben grade die Hälfte, und von jedem Paare das weniger l)rech1)are Glied dar- stellen. Eminent farbensinnigen Geschöpfen eigenthümlich und in der Klasse nach Schidf^e' sEntdeclimigcn am Eulenauge aus- nahmsweise zurücktretend, selbst fehlend, grade da, wo der Far- bensinn unnöthig" wird, muss man glauben, dass ihnen besondere Bedeutung für die Unterscheidung der Farben zukomme. Will man sich das Ideal dieses Vermögens vorstellen, so muss man, abgesehen davon, dass es Geschöpfe geben könnte, die das Spec- trum nach beiden Richtungen länger sähen, als wir, fordern, dass nicht allein kleine Veränderungen der Wellenlänge des objectiven Lichtes möglichst grosse Abstufungen der Empfindungsqualität erzeugen, sondern dass auch sehr grosse Intensitäten des mono- chromatischen Lichtes noch gesättigte Farbenempfindung auslösen, und dass endlich polychromatisches Licht innerhalb weiter Inten- sitätsgrenzen das Sinnesorgan so errege, dass möglicht viele und kleine Aenderungen in der Mischung herausempfunden werden. Wie schlecht das menschliche Auge dem entspricht, wissen wir aus dem leichten Uebergange gewisser Farben bei steigender Intensität zu Weiss : unsere Macula schützt uns nicht, intensiveres spectrales Violet weisslich zu sehen, obwohl sie kaum einen an- dern Sinn haben kann, als den der Absorption kurzwelligen Lichtes, und oft hal)e ich es erfahren, dass ich massig gefärbte Objecte in grellem Sonnenlichte, in welchem der Vogel gern verweilt und findet, was er sucht, trotz abgewandter Kopfstellung für voll- kommen farblos und gebleicht hielt, bis ein Schritt mit dem Gegenstande in den Schatten mich über die Farbe sogleich und schlagend belehrte. Um gegen solche Unvollkommenheiten Abhülfe zu schaffen, kann es kein besseres Mittel geben, als Dämpfung, und wenn ich auf die Intensität des farbigen Kühne, Untersuchungen II. 9 130 W. Kühne: Eindruckes nicht verzichten will, muss der Dämpfer farbig sein, aber für die auf die einzelnen objectiven Farben eingerichteten Perceptionsorgane verschiedenfarbig. Wir wir nur eine Stelle in der Netzhaut besitzen, welche unsere Zapfen einigermaassen vor übermässiger Einwirkung des im Allgemeinen chemisch wirksamsten kurzwelligen Lichtes schützeu, so ist nach SchuUises bekannter Entwickelung die Vogelnetzhaut mit einer Zahl solcher grossen Maculae ausgestattet mit dem weiteren Vorzuge jedoch, dass ausser dem Violet und Blau auch das Grün von einigen stark angedämpft wird, und je nach Bedürfniss an den einzelnen Fleckchen in verschiedenem Grade. Dies Alles ist für die Zwecke des Sehens der Vögel so verständlich, dass die Function der Farbstoffe als Absorbenten kaum in Frage zu stellen ist. Dieselbe schliesst jedoch ihre Bedeutung als Sehstoffe, welche damit combinirt sein könnte, nicht aus, ja man kann um so mehr auch an diese denken, weil die Farbkugeln in den Seh- zellen liegen. Der dem Sehpurpur gegenüber ausserordentlich geringe Grad von Lichtempfindlichkeit würde nach den beim schwarzen Pigmente ausgeführten, noch geringere Zersetzlichkeit in Betracht nehmenden Erörterungen, der Annahme kein Hinder- niss bereiten, aber die vorgenannten Blendungsversuche, welche eher Vermehrung, als Verminderung der Farbstoffe ergeben, scheinen anderer Auffassung das Wort zu reden. Ich habe jene Blendungen auch mit eingeschalteten blauen und grünen Gläsern vorgenommen und ungefähr dieselben Kesultate erzielt, wie mit weissem Lichte, sicherlich niemals Abblassen irgend einer der Zapfenfarben. Gleichwohl halte ich die Thatsache nicht für ent- scheidend, da der lebhafte Stoffwechsel des Vogels dem Gedanken Raum lässt, dass einer gesteigerten Zersetzung übermässige Re- stitution folge. Es gibt aber eine andere, der Auffassung unserer Pigmente als Sehstoffe ungünstige üeberlegung, indem man sich fragt, wozu das Vogelauge noch die grosse Zahl nicht mit farbi- üüteräuchuügün über die Retina und die Pigmente des Auges, lol gen Dämpfern versehener Zapfen habe. Soll diese weitaus über- wiegende Zahl ausschliesslich die Perccptionsorgane für das von den mit Farbkugeln versehenen Zapfen ausgeschlossene, anders- farbige Licht vorstellen, oder soll ihre Erregung zu denselben Empfindungsqualitäten führen, wie die der Stäbchen? Da die Vogelnetzhaut ausserdem noch Stäbchen besitzt, so ist es kaum glaublich, dass auch nur ein Theil dieser Zapfen keine Farben- zellen vorstelle, vielmehr ist anzunehmen, dass sie es seien, welche dem Vogel auch in der Dämmerung die Farben zu unterscheiden gestatten, wozu die andern schlecht taugen würden. In den Fett- pigmenten der Zapfenkugeln Sehstoffe voraussetzen, hiesse daher den Aussengliedern zwei Sehstoffe für einen Zweck zuschreiben, eine Annahme, die des Guten zu viel enthält. Es ist Nichts gegen die Annahme verschiedener farbloser Sehstoffe in den zur Vermittlung verschiedenfarbiger Empfindung dienenden, verschie- denen Zapfen einzuwenden, und. es wird deren gewiss in den be- treffenden Aussengliedern so viele geben, als Grundfarben zu zählen sind, aber es ist gegenwärtig kein Anlass weitere Compli- cationen zu schaffen, von denen die fernere Untersuchung Er- schwerung zu befürchten hätte. Erklärung der Abbildungen. Tafel 7. Fig. 1. Retina vom Frosche, A von liinten, B von vorn gesehen, Hartnack X. 3. Sehweite 18 cm. Mit dem Zeichenprisma copirt, indem l)ei sehr massigem Liclit erst die grünen Stäbchen schnell mit farbiger Kreide anfgenommen, später die inzwischen entfärbten purpurnen mit der Bleifeder eingetragen wurden. Das Präparat entspricht einem centralen Netzhauttheile. (In P'ig. 1 Ä und 2 Ä sind die vom Lithographen nach Art gewöhnlicher Kreisschatten an den Stäbchenkuppen ausgeführten Linien nicht der Natur und der Originalzeichnung getreu nachgebildet; dieselben sind in Wahrheit unregelmässiger und vielfach geknickt. 1 ^4, a purpurne, b grüne Stäbchen, die Zwischenräume pigmentfrei, aber sehr dunkel; Zapfen sind darin wegen der Einstellung auf das hintere 9* 132 W. Kühne: Stäbclienencle nicht zu sehen; die grünen Stäbchen ragen immer etwas weiter nach hinten, als die übrigen; d Stäbchen mit flachen, scheibenförmigen Auflagerungen, oder im Aufblättern begriffen, e hüglige myelinartige Körper. 11?,« purpurne Stäbchen, h kleine lichte Kreise, den Fäden der S'cZiwaZöe'schen, grünen {BoU) Stäbchen entsprechend, c Zapfen, ohne Fär- bung, aber im (von hinten) durchfallenden Lichte dunkel. Unter den grösseren dunklen Mosa'ikstücken entsprechen einige auch Stäbchen (links unten), deren Aussenglieder im Präparate schief stehen. Fig. 2. A und B, Retina von Salamandra maculosa. Vergrösserung und Bezeichnung wie in Fig. 1. Grüne Stäbchen und die denselben ent- sprechenden Kreise (b. Fig. 1) fehlen gänzlich, f f Doppelzapfeu. Tafel 8. Fig. 1. 1 J-, 1 J5, Retina mit dem Pigmentepithel eines besonnten Frosches von hinten betrachtet. Hartnaclc VIII. 3, 18 cm. 1) Einstellung auf die oberste Ebene. Die gelben Fettkugeln liegen tiefer und haben darum verwaschene Grenzen; a a glänzende, farblose, in Galle lösliche Klümpchen; b b Kerne. Zwischen den Epithelien sind keine hellen Kittleisten zu sehen. 1 J., tiefere, mittlere Einstellung auf die Höhe der meisten Fettkugeln. Die farblosen Klümpchen und die Kerne werden nicht mehr gesehen, da- gegen taucht viel schwarzes Pigment, besonders an den Rändern der Zellen auf. 1 B, tiefste Einstellung auf die Kuppen der Stäbchen; die Fettkugeln sind nur als diffuse gelbe Flecke zu erkennen. Das schwarze Pigment bedeckt manche Stäbchenenden ganz oder theilweise. Fig. 2. Retina mit Epithel von einem roth belichteten Frosche. Ver- grösserung wie in Fig. 1, tiefste Einstellung. Man sieht im Areale jeder Pigmentzelle ungefähr 1 grünes Stäbchen; dieselben erscheinen in solchen Objecten auffallend intensiv blaugrün. Fig. 3. Mit dem Pigmentepithel abgezogene Retina eines belichteten Frosches. Ansicht von vorn, a Zapfen, b hinten mit Pigment stark bedeckte Stäbchen. Die übrigen den Stäbchen angehörigen Figui'en sind dunkel- bis hellgrau, je nach der Anhäufung des Pigmentes unter ihren Enden, c ent- spricht den Schwalbe'schen Stäbchen, d blassgelbe, diffus begrenzte Flecke, von der Farbe der Fettkugeln des Epithels durchschimmernd. Fig. 4. Frisch isolirte Pigmentzellen der Froschretina, a a die farb- losen in Galle löslichen Klümpchen. b Kern. Fig. 5. Retina vom Dunkelfrosch bei schwächerer Vergrösserung von hinten gesehen ; Einstellung auf die Zapfen a, in dunklem, aber ganz pigment- freien Grunde. Fig. 6. Retina von einem zwei Stunden besonnten Frosche. Vergrös- serung wie in Fig. 5. Die gebleichten Stäbchen sind dicker, die Zapfen, wie es nach starker Belichtung und trotz Entfernung des Pigmentes häufig vorkommt, auch bei tiefer Einstellung nicht zu erkennen. Zur Geschichte des Hämoglobins dei- Muskeln. 133 Zur Geschichte des Hämoglobins der Muskeln. Das erhöhte Interesse, welches die Färhung der Muskeln seit den neuerdings bemerkten grossen physiologischen Unterschieden rother und weisser Muskeln erregt, macht es wünschenswerth, die aus einer Kette son- derbarer ]\Iissverstiinduisse entstandenen Zweifel an der von mir gefundenen Uebereinstimmung des Muskelfarbstoifes mit dem des Blutes zu beseitigen. Hatten Ranvier' s und E. Meyerh (Arch. f. Anat. u. Physiol. 1875, S. 217) Mittheilungen über die Bewegungsweise des rothen M. semitendinosus und des weissen M. adductor niagnus, oder des vastus int., noch Bedenken gelassen, so ist jetzt durch die Arbeit von Kronecker und Stirling (1. c. 1878, S. 1) festgestellt, dass der rothe Muskel bei geringerer Reizfrequenz in continuirlichen Tetanus übergeht,, als der weisse, dass seine Zuckung drei- mal länger dauert, langsamer ansteigt und abfällt, als die des weissen, und dass das Stadium der latenten Reizung des ersteren die des anderen um das 4fache übertrifft. Ranviefs Angabe, dass die Contraction des rothen Muskels sich derjenigen glatter Muskelfaserzellen annähere, ist damit sicher gestellt. Ohne auf die Frage eingehen zu AvoUen, ob diese Unterschiede für sämmtliche roth oder nicht gefärbten Muskeln gelten, was E. Meyer be- zweifelt, und ohne darauf eingehen zu können, ob die weiteren von Ranvier angeführten Unterschiede der Gefässversorgung, des Baues, des Reichthums und der Lage der Kerne, durchgreifend seien, was E. JMeyer ebenfalls ver- neint, wünsche ich nur der Beschaffenheit des Farbstoffes Anerkennung zu verschaffen, und überlasse es anderen Untersuchungen, festzustellen, ob die- selbe für die Contractionsweise der gefärbten Muskeln belangreich sei. Seit meiner Beobachtung der Beständigkeit der Farbenunterschiede in der Kaniucheurauskulatur, nach Entfernung des Blutes mittelst lujection sog. physiologischer XaCl-Lösuug, und dem Nachweise, dass nur die im Leben rothen Muskeln hämoglobinhaltige Extracte liefern {Vircliow''^ Arch. 33, S. 79), gehen ausser manchen bestätigenden, einige widersprechende Angaben darüber durch die physiologische Literatur, die ihrer Beharrlichkeit wegen nicht mehr zu umgehen sind. Brozeit hatte (P/Z« r/er's Arch. III., S. 361) unter Be- rufung auf eine Untersuchung von Prussalc eingewendet, dass die Ausspülung mit Salzwasser Auflösung der rothen Blutkörperchen und Uebergang des Hämoglobins aus den Gefässen in die Muskelsubstanz verursache. Da aber nur bestimmte, nicht alle Muskeln roth gefunden werden, sollten die Ver- hlutungskrämpfe auf jenen Uebergang Einfluss haben und nur die daran 134 W. Kühne: tlieilnelimenden Muskeln den Farbstoff aufnehmen. Ob jene Muskeln wh-k- lich nur oder vorzugsweise von den Krämpfen befallen werden, wurde nicht untersucht. Nach dieser Meinung wäre das rothe Fleisch im Leben weiss, und Brozeit zweifelt nicht, dass man es unter Vermeidung der Verblutungs- krämpfe durch Curare und künstliche Athmung am blutfreien Kaninchen überall so finden werde. Ausserdem wendet Brozeit ein, dass Gscheidlen grössere Unterschiede im Hämoglobingehalte des Fleisches gefunden habe, als er mit der wechselnden Zusammensetzung lebender Muskelsubstanz ver- einen könne. Einigermassen bestätigt endlich fand Brozeit seine Erwar- tungen, als es ihm nicht gelingen wollte, aus der Muskulatur eines nicht, wie er gewünscht hätte, mit Curare, sondern durch Aetherathmung beruhig- ten Kaninchens nach einer von ihm geübten Methode so viel Hämatin dar- zustellen, dass er es wägen konnte. Ich habe diese Angaben bisher auf sich beruhen lassen, weil ich die Bekanntschaft mit der auch im Leben vorhandenen Verschiedenfarbigkeit des Fleisches einzelner Thiere zu den allergewöhnUchsten Kenntnissen zählte, und weil ich glaubte, dass der Anblick eines in der Curarelähmung nach längerer künstlicher Respiration verbluteten Kaninchens, den sich Brozeit versagte, in jedem Laboratorium zu häufig sei, um Jemanden bei dem Ge- danken zu lassen, dass die constante Röthe ganz bestimmter, zum Theil mitten in weissem Fleische gelegener Muskeln irgend etwas mit Verblutungs- krämpfen zu schaffen habe. Dass Brozeit den rothen Muskeln noch irgend einen andern Farbstoff zuschreibe, vermag ich um so weniger zu erkennen, als der Autor den postmortalen üebergang des Hämoglobins aus den Ge- fässen in die Muskelsubstanz gerade aus der rothen Farbe folgert, und als er beiläufig gewiss bemerkte, was ebenfalls zu den verbreitetsten Erfahrungen gehört, dass die rothen Kaninchenmuskeln durch alle zur Extraction ge- eigneten Mittel vollkommen entfärbt werden, während im Extracte kein anderer Farbstoff, als das Hämoglobin enthalten ist. Wer rothes Fleisch gewaschen hat, weiss, wie es sich entfärbt und kennt aus der Untersuchung der Fleischflüssigkeit die nur vom Verhalten des Hämoglobins angezeigten Wege zur Entfärbung auch der letzteren. Dass das Fleisch mancher Thiere (Fische u. s. w.) noch von etwas Anderem gefärbt sein könne, braucht bei dieser Gelegenheit kaum gesagt zu werden, ebensowenig, dass manchen hämoglobinhaltigen Muskeln auch andersfarbiges Fett in kleinen Mengen zukomme; dass aber irgend ein anderer Stoff in beachtenswerther ]\Ienge, oder von identischem Aussehen mit dem des Fleisches, der sich nicht wie Hämoglobin verhielte, an der gemeinen Fleischfarbe betheiligt sei, wird Niemand behaupten dürfen. Da Brozeit'ä Erwägungen dennoch so viel Zustimmung, die mit Namen zu belegen ich gern vermeide, gefunden"- haben, wäre noch der Berufung auf PrussaVa Experimente über Diapedesis rother Blutkörperchen, unter dem Einflüsse des NaCl, sowie des so ersehnten Versuches am curarisirten Zur Geschichte des Hämoglobins der Muskeln. 1P)5 Kaninchen, zu gedenken. So viel ich seilen kann, heziehcn sich Frusscüc^ä Angahen (Wien, Akad. Stzsh. 1867, I. S. 12) nur auf überreichliche Mengen starker Lösungen, oder des festen Salzes; der daraus abgeleitete Einwand gegen den Gehrauch der nur »/a— 3/4 pCt. NaCl enthaltenden physiologischen Salzlösung ist also kaum ernsthaft zu nehmen. Ich habe indess auch Kanin- chen damit ausgespritzt, deren Muskeln sämmtlich durch Strychnin in Teta- nus versetzt waren, nnd in andern Fällen nach Vergiftung mit Curare, während der Injection, die Muskeln einer hinteren Extremität so lange mit Inductionsschlägen tetanisirt, als sie reagirten, und, wie zu erwarten, nicht gefunden, dass die weissen Muskeln darnach farbig, die rothen röther, oder reicher an Hämoglobin geworden wären. Endlich muss denn wohl noch ausdrücklich hinzugefügt werden, dass sich die Muskulatur eines mit Curare vergifteten, künstlich athmenden Kaninchens nach der Salzspülung gar nicht unterschied von derjenigen eines ohne Lähmung verbluteten und ausgespülten, und dass die wässrigen Extracte der rothen und weissen Muskeln in beiden Fällen dieselben Unterschiede zeigten. Um den Häraoglobingehalt des Fleisches festzustellen, ist es übrigens nicht einmal nöthig, das Blut vollkommener aus den Gefässen zu entfernen, als es beim Verbluten und Ausschneiden der Muskeln geschieht ; man kann die Salzwasserinjection ganz unterlassen und damit alle Einwände, zu denen Jemand noch Müsse fände, umgehen. Man halte zwei beliebige rothe und weisse Muskeln eines wie immer geschlachteten Kaninchens übereinander in's objective Spectrum und man wird nur an dem ersteren die Verdunklung zwischen D und E finden, die dem Blute eigenthümlich ist, in günstigen Fällen sogar die beiden Streifen des 0-Hämoglobin. Besser und von schla- gender Deuthchkeit erzielt man die gewohnten Absorptionsbänder, wenn man ein Spectroskop im verdunkelten Zimmer auf das Präparat richtet und ein Bündel intensiver Sonnenstrahlen unter geeignetem Winkel darauf fallen lässt. Man kann auch die Muskeln fein zerschneiden, oberflächlich abspülen und abpressen, auf eine mattschwarze Fläche ausbreiten, das Strahlenbündel darauf richten, und mit Hülfe einer Linse ein reelles verkleinertes Bild davon vor dem Spalt des Spectralapparates entwerfen, worauf man das Hämo- glohni-Spectrum so sieht, als ob eine Lösung des Blutfarbstoffs davor stände. Alles dies trifft nur bei den rothen, nicht bei den farblosen Muskeln zu, obwohl man in den Gefässen beider noch Blutkörperchen finden kann. Die Methode hat eben den Vortheil, Licht auf einmal zur Untersuchung zu bringen, das von einer grösseren Oberfläche aus sehr geringer Tiefe reflec- tirt worden, und kaum heeinflusst werden kann durch die wenigen sehr zerstreut und grösstentheils zu tief liegenden Körperchen des Blutes. Spannt man flache Muskeln vor dem Spalte des Apparates aus, so hat man die- selben bekannthch sehr zu berücksichtigen, weil immer nur ein schmaler Muskelstreif als Absorbent wirkt, bei dem eine mitlaufende bluthaltige Ca- pillare von grossem Einflüsse ist. Da Banvier in den rothen Muskeln kleine Capillaraneurismen bemerkte und der Gefässreichthum in diesen Muskeln 136 W. Kühne: Zm- Geschiclite des Hämoglobins der Muskeln. überhaupt grösser sein könnte, so dass darin mehr Blut und mehr Blut- hämoglohiu zurückbliebe, so ist auf das schöne Spectrum der zerhackten und mit dünner Salzlösung leicht abgespülten Muskeln, die ohne Frage ärmer au Blutkörperchen sind, als die nicht gewaschenen weissen, welche gleich- wohl gar keine Absorptionserscheinungen geben, besonderes Gewicht zu legen, und zu erwarten, dass es fernere Versuche, den Hämoglobingehalt der Muskeln für ein Kunstproduct auszugeben, verhüte. W. E. Literatur zu Herrn Holmgren's Mittheilung S. 8i. F. Holnigren: Om Synpurpurn och retinaströmmen. Ups. Läk. Förh. XIII. Heft 8. Derselbe: über Opticiisdurchschneidung, 1. c. XL S. 231. Derselbe: über Irisbewegungen, 1. c. XI. S. 476. J. G. Edgren: über Irisbewegung, 1. c. XI. S. 185. Zur Histologie der Nervenfaser und des Axencylinders. 137 Zur Histologie der Nervenfaser uiid des Axencylinders. Von Dr. Th. Rumpf, Assistenzarzt der electro-therapeut. Station in Heidelberg. Durch die methodische Verwendung der Verdauung zu histo- logischen Zwecken durch Ewald und Kühne'^), hauptsächUch auf Grund des von Kühne aus dem Pankreas dargestellten Enzyms, des Trypsins, sind unsere Kenntnisse der nervösen Gewebe um mehrere unerwartete und äusserst wichtige Resultate bereichert worden. Zunächst befestigten diese Untersuchungen wieder die An- nahme, dass die Hülle der Nervenprimitivfaser dem Bindegewebe zugehört, während innerhalb derselben noch ein weiteres epithe- liales Scheidensystem nachgewiesen wurde. Die genauere Er- kenntniss dieses letzteren gab zugleich in Betreff des Nerven- markes und seiner Hüllen wichtige Aufklärungen, und es ist diese letztere Thatsache um so erfreulicher, als erst mit der ge- naueren Einsicht in die bis jetzt vielfach so unklaren Markhüllen erwartet werden konnte, dass der wichtigste Theil der Faser, der Axencylinder der Untersuchung leichter zugänghch sein werde, als dieses seither der Fall gewesen. 1) Eioald und Kühne: lieber einen neuen Bestandtheil des Nerven- systems; Verhandlung, des naturhistor.-medicin. Vereins zu Heidelberg. Neue Folge, Bd. I, Hft. 5. Kühne, Untersuchungen II. 10 138 Th. Rumpf: Diesen wichtigen Errungenschaften durch die Verdauungs- methoden waren schon vorher einige auf anderem Wege erhal- tenen Resultate vorausgegangen, die ebenfalls unsere Kenntniss des Markes und seiner Struktur wesentlich förderten. So beschrieben Schmidt'^) und Lauf ermann ^} Einkerbungen der Markhülle, die von Strecke zu Strecke als eine Art Ein- schnitte schief zur Faseraxe verlaufen. Lantermann glaubt auf Grund seiner durch Osmiumbehandlung gewonnenen Präparate die Nervenfaser aus einzelnen Abtheilungen zusammengesetzt, die in der Art mit einander verbunden seien, dass das stumpfkegelförmig zulaufende Ende der einen Abthei- lung in eine entsprechende Aushöhlung der folgenden oder vor- ausgehenden passe, ohne dass diese Anordnung jedoch stets regel- mässig oder in gleicher Weise statthabe. Bestätigt und weiter ausgeführt wurden diese Angaben Lantermann's von Ktihnt^), der ausserdem die Meinung vertritt, dass auch an diesen Ein- kerbungen eine stärkere Diffussion in das Innere der Faser möglich sei, indem es ihm gelang, vermittelst der Argentum-ni- tricum-Lösung Fasern zur Beobachtung zu bringen, deren Axen- cylinder nicht allein an Stelle der Schnürringe Banvier's, welche dieser hauptsächlich für Diffussion und Stoffumtausch in Anspruch nimmt, sondern auch an Stellen, welche den in Rede stehenden Ein- schachtelungen des Markes entsprachen, stärker braun gefärbt waren. Auch Key und Betsius haben diese Einkerbungen der Mark- scheide vor Augen gehabt, und geben in ihrem grossen Werke Ab- bildungen davon. Doch halten sie dieselben für Kunstproducte, ebenso Eennig'^)^ der sie als Folge einer vorhandenen Neigung des Markes zur Spaltbarkeit betrachtet. Erwähnen muss ich noch, dass 1) Monthly, mikroskop. Journ. 1876. 2) Archiv für mikroskop. Anatomie, Bd. XIII. 2) Archiv für mikroskop. Anatomie, Bd. XIII. *) Die Einschnürung, u. Unterbrech. d. Markscheide. Diss. Königsbg., 77. Zur Histologie der Nervenfaser und des Axencylinders. 139 Lantermann ausserdem aus seinen Osmiumpräparaten den Schluss zog, dass das Nervenmark aus stäbchenförmigen Elementen aufge- baut sei, die geneigt in radiärer Richtung vom Axencylinder zum Neurilemm verlaufen sollten. Dieselbe Stäbchenstructur des Markes wurde von ilfc'. Carthy ^) beschrieben. Doch schlössen sich weder Kuhnt noch Key und Retsms'^) dieser Ansicht an; auch sie er- hielten ähnliche Bilder, wie Lantermann, konnten sich aber von der Prseexistenz dieser Stäbchen nicht überzeugen. Kuhnt führt aus, dass der optische Querschnitt der Stäbchen je nach der An- wendungsweise und Concentration der Osmiumsäure bald grösser, bald kleiner sei und glaubt, dass es sich nur um eine Färbung von postmortal entstehenden mehr oder weniger grossen Fett- kügelchen handle. Als einen weiteren Fortschritt in der Erkenntniss der so- genannten Markhüllen müssen wir ferner den bestimmten Nach- weis einer Axencylinderscheide durch Kuhnt bezeichnen. Aller- dings war schon RemaJc auf der Naturforscherversammlung zu Wiesbaden, als er seine Angaben über den Axencylinder, sein Primitivband, erweiterte, für die Existenz einer früher nur ge- ahnten Scheide des Axencylinders eingetreten. Hannover^ Mauth- ner^), Frommann^) traten ebenfalls für dieses Gebilde auf. Entscheidende Beweise für die Existenz der Scheide des Axencylinders brachte erst Kulint bei, indem es ihm gelang, durch Maceration von frischen Fasern in Salpetersäure Axencylinder darzustellen, an denen die Bruchenden sich dadurch auszeichneten; dass eine Membran um den herausragenden Axencylinder gefaltet ^) Quarterly. Journ. mikr. Sc. 1875. 2) Studien in der Anatomie d. Nervensystems u. d. Bindegewebes. s) Eecherches mikroslvop. sur le Systeme nerveux. Copenhague. *) Beiträge zur näheren Kenntniss d. morphol. Elemente d. Nerven- systems. Wien 1862. 5) Zur Silberfärbung des Axencylinders, Archiv für patholog. Anatom, und PhysioL, Bd. XXXI. 10* 140 Th. Rumpf: war. In einer spätem Mittheilung erweiterte er dann seine An- gaben über die Scheide des Axencylinders dahin, dass von ihr ausgehend und mit ihr verwachsen eine Membran zur Schwann' - sehen Scheide ziehe, die als Scheidewand zwischen je zwei Hohl- cylindern des Markes ausgespannt sei. Ob diese Zwischenmarkscheide KuJinfs die ganze Peripherie der Faser umfasst, geht aus der Mittheilung nicht deutlich hervor. Doch scheint die Ansicht, dass sie als Scheidewand der angeblich kegelförmig ineinander passenden Hohlcylinder des Markes aus- gespannt sei, für die Anschauung einer vollständig um die ganze Peripherie gehenden trennenden Membran zu sprechen. Die Einkerbungen der Markscheide wurden, wenn auch keines- wegs in dem von Kuhnt beschriebenen Detail von Boll^) be- stätigt, dem zur Zeit seiner erst vor Kurzem erschienenen Arbeit nur die ^Sc/wmc^^'schen Untersuchungen und die vorläufige Mit- theilung Lantermann'^, sowie die ersten Ausführungen von Ketj und Betdus vorlagen. BoU hält die Einkerbungen der Mark- scheide, wie Schmidt und Lantermann für wirklich vorhandene Gebilde und nicht für Kunstproducte. Aber es kann sich nach seiner Schilderung hier nicht um vollständig um die Peripherie gehende membranöse Unterbrechungen der Markscheide handeln, da es ihm gelang, an Nervenfasern, welche in destilhrtem Wasser zerzupft waren, Strömungen des Nervenmarks zu beobachten, das in zähflüssiger „schaumiger" Masse sich innerhalb der Scheiden ergoss, nirgends einen beträchtlichen Widerstand antraf, ja selbst an dem itawvier'schen Schnürring kein wesentliches Hinderniss fand, sondern sich wie eine flüssige Masse vor dem Ring auf- staute, dann aber in beschleunigtem Fluss durch das verengte Strombett desselben hindurchgetrieben wurde. 1) Ueber Zersetzungsbilder der markbalt. Nervenfaser, Arch. f. Anatom. 11. Physiol., 1877. Zur Histologie der Nervenfaser und des Axencylinders. 141 Leider hat Boll die theilweise länger als Jahresfrist früher erschienenen Arbeiten von Kuhnf, Eivdld und Kühne, Key und Betmts nicht mehr berücksichtigt. Nothwendiger Weise folgen hieraus einige Irrthümer, welche sich bei Berücksichtigung der früheren Arbeiten hätten vermeiden lassen. Auf einige Einzel- heiten in dieser Beziehung werde ich später noch zurückkommen müssen. Zu erwähnen bleibt mir hier nur noch, dass Boll wesent- lich aus theoretischen Betrachtungen auf das Vorhandensein der schon früher nachgewiesenen Axencylinderscheide schliesst. Eine allerdings wesentlich auf eigene Beobachtungen gestützte Zusammenstellung unserer Kenntnisse über die Nervenfaser bringt Banvier in seinen „LeQons sur l'hystologie du Systeme nerveux". Bis auf die Etvalcl-Kiihne' sehe Mittheilung über die Hornscheiden sind die hauptsächlichen neueren Arbeiten berücksichtigt. Bei der Menge des Stoffes ist es natürlich nicht möglich, an dieser Stelle ein Referat über jenes Buch zu geben; auf einzelne An- gaben werde ich jedoch später zurückkommen müssen. Ausführ- liche Berücksichtigung haben die Markhüllen gefunden, wobei Banvier Bilder erhielt, welche mit denen von Schmidf, Lanter- mann, Kulmt theilweise übereinstimmen. Allen diesen Bildern, die sich bei der Untersuchung der Structurverhältnisse des Marks auf verschiedenem Wege ergaben, lagen wohl zum grossen Theil einzelne Abschnitte der erst durch Ewald und Kühne in ihrem ganzen Zusammenhang nachgewie- senen Scheiden zu Grunde. Den beiden Forschern gelang es nämlich, durch eine Reihe neuer Untersuchungsmethoden innerhalb der Schivann'&zh&ü. Scheide ein neues Scheidensystem nachzuweisen, das aus zwei ineinander gesteckten Röhren besteht, von welchen die äussere das Mark gegen die Schivann'sche Scheide abschliesst, während die innere den Axencylinder umhüllt. Zwischen diesen beiden Scheiden, innerhalb deren sonach das eigentliche Mark gelagert ist, waren 142 Th. Eumpf: noch aus demselben Material bestehende Verbindungsglieder ausge- spannt, die, wie sich an Querschnitten von peripheren Nerven und den weissen Strängen des Rückenmarkes nachweisen Hess, von Strecke zu Strecke als eine Anzahl Balken von der Innern zur äussern Scheide zogen. In ihrem chemischen Verhalten zeigten diese Scheiden bei der Untersuchung vermittelst der VerdauuDgs- methoden eine grosse Aehnlichkeit mit verhornten Epithelien und Hornsubstanz überhaupt, wesshalb Etvald und Kühne die bei der Verdauung übrigbleibenden scheidenartigen Gerüste als Hornschei- den bezeichneten. Wie ich schon oben angeführt habe, war diese Einsicht in die Structur des Markes für die Untersuchung des Axencylinders von grosser Bedeutung. Speziell musste durch den sichern Nach- weis und die jetzt wesenthch erleichterte Unterscheidung der Axencylinderscheide der Axencylinder sicherer differenzirt werden können, als es bisher möglich war, und es schien auf Grund dieser Ergebnisse die Frage nicht ungerechtfertigt, ob alle die verschiedenen, als Axencyhnder beschriebenen Gebilde, die sich nicht nur durch ihre Structur, sondern auch durch ihren Breiten- durchmesser im Verhältniss zu den übrigen Theilen der Faser ganz wesentlich unterscheiden, in Wirklichkeit als gleichwerthige Gebilde, als der unter der Einwirkung von Reagentien nur mehr oder weniger veränderte Axencylinder betrachtet werden können. Es fiel diese Frage zum Theil zusammen mit dem Studium der chemischen Beschaffenheit des Axencylinders, über deren Be- deutung für unsere Kenntnisse der Function der Nervenfaser ich wohl nichts hinzuzufügen brauche. Dass der eigentlichen Untersuchung des Axencylinders Vor- arbeiten über das Mark und sein Verhältniss zum ^axencylinder vorausgehen mussten, ist selbstverständlich. Ich kann mich in der Wiedergabe dieser Untersuchungen kurz fassen, da Ausführliches darüber von Etvald und Kühne Zur Histologie der Nervenfaser und des Axencylinders. 143 demnächst erscheint, und werde daher auf jene Darstellungsme- thoden der Scheiden nur so weit eingehen, als es für die spätere Untersuchung des Axencylinders nothwendig ist. Dagegen kann ich einige andere Methoden zum Studium der Nervenfaser mit Inbegriff des Markes nicht ganz übergehen, da dieselben für die Untersuchung des Axencylinders ebenfalls in Betracht kommen. Ich werde daher erst in einem weiteren Tlieil zum Studium dieses Letzteren selbst übergehen. Der Nachtheil, dass einzelne Wiederholungen durch diese Trennung nicht immer umgangen werden können, dürfte dadurch aufgewogen werden, dass wir mit Rücksicht auf das Vorher- gehende im zweiten Theil die Scheiden mehr unbeachtet lassen können, und so für die Untersuchungsmethoden des Axencylinders eine gewisse Uebersicht gewinnen. Vorausschicken muss ich noch, dass im Folgenden haupt- sächlich der periphere markhaltige Nerv berücksichtigt wurde, wenn auch eine vergleichsweise Heranziehung der weissen Stränge des Rückenmarks hie und da nothwendig war. Benutzt wurde zum Studium meistens der Nervus ischiadicus von Rana esculenta. Doch wurden auch Nerven vom Kaninchen, Ochsen und Menschen zum Vergleich herangezogen, was an den betreifenden Stellen erwähnt wird. Zur Untersuchung der weissen Stränge diente das Rücken- mark vom Ochsen und Menschen. Die Scheiden des Markes. Auf die Behandlung der Nervenfasern mit Alkohol und Aether brauche ich nur insoweit einzugehen, als es zur Sicht- barmachung des Axencylinders in den Scheiden für spätere Unter- suchungen und zum Vergleich mit den Resultaten anderer später folgender Methoden nothwendig ist. 144 Th. Rumpf: Um mit diesen Reagentien die Fette des Markes zu ent- fernen, wurden Nerven nach 24stündigem Liegen in Alkohol in diesem auf dem Wasserbade erhitzt und 10 — 15 Minuten in Siedetemperatur erhalten. Nach der Abkühlang wurden sie in der Regel 24 Stunden mit Aether behandelt. Zur Untersuchung mit Hämatoxylin gefärbt, zeigte die Faser der Schwann' sehen. Scheide anhegend die beschriebene äussere weitmaschige Hülle und innerhalb dieser einen ziemhch schmalen blau gefärbten axialen Faden ohne Varikositäten und Verengun- gen von etwas körnigem Aussehen, der alle Biegungen und Krümmungen der Faser möglichst vermeidet und so bald der einen, bald der anderen Seite der äusseren Scheide anhegt. Einzelne Zwischenbalken lassen sich auch an diesem Präparat von der äusseren Scheide zum Axencylinder verfolgen. Eine Differenzirung der inneren Scheide ist bei dieser Me- thode nicht möglich, da wir in dem blau gefärbten Strang den Axencylinder sammt seiner Scheide vor uns haben. Der zwischen dem centralen Gebilde und der äusseren Scheide liegende Hohlraum, aus welchem das Mark entfernt ist, zeigt keine Unter- brechung seines Lumens. Auch an den Banvier'schen Schnür- ringen ist eine solche nicht vorhanden. Hier erleidet die äussere Scheide eine Einknickung, ohne dass jedoch eine vollstän- dige Abschliessung des Hohlraumes für das Mark daraus resultirt. Die Zwischenbalken erweisen sich auf Querschnitten als einzelne feinere Balken, von welchen von Strecke zu Strecke in der Regel drei von dem inneren Gebilde zu der äusseren Scheide ziehen. Durch Verdauung des Axencylinders lässt sich an dem inneren Gebilde die den Axencylinder umhüllende Scheide leicht dar- stellen, wie dieses von JEicalcl und Kühne genauer ausgeführt ist. Bei dieser Verdauung bleibt auch von der äusseren, das Mark gegen die Schwann'sche Scheide abschliessenden Hülle und den Zwischenbalken ein mehr oder minder grosser Theil er- Zur Histologie der Nervenfaser und des Axencylinders. 145 halten. Es widersteht dieser der Verdauung mit Pepsin und Tryp- sin in gleicher Weise, wie verhornte Epithelien und Hornsubstanz. Da Eivald und Kühne diese Frage noch ausführlich be- handeln, so kann ich davon abstehen, zu untersuchen, in wie weit die durch Alkohol und Aether oder durch einige andere Methoden sichtl)ar werdenden Scheiden ausschliesslich dem Horn- gewebe angehören. Selbstverständlich können wir den Namen Hornscheiden in seiner eigentlichen Bedeutung nur dem der Verdauung widerstehenden Eeste der Scheiden geben. Mit den wirkhchen Hornscheiden sind die durch Alkohol und Aether sichtbar gemachten somit in keiner Weise identisch; sie führen neben dem Horngerüst noch verdauliche Eiweissstoffe. Zur deutlichen Bezeichnung wird sich desshalb für die durch Alkohol und Aether, oder durch andere Methoden ohne Ver- dauung dargestellten Scheiden der Ausdruck Hörn führende Scheiden empfehlen. Es kann nicht meine Absicht sein, näher auf diesen Punkt einzugehen. Um irrthümliche Auffassungen zu vermeiden, glaubte ich jedoch die letztere Thatsache hervor- heben zu müssen. Das Wesentlichste für unsere Untersuchungen dürfte Das sein, dass sich durch diese Methode der Entmarkung der Axen- cylinder in engem Zusammenhang mit seiner Scheide im Innern der Faser nachweisen lässt. Diesen und den andern Darstellungsmethoden der Hörn führenden Scheiden von Eivald und Kulme durch Galle etc., kann ich zwei weitere hinzufügen. Die eine davon besteht in der Entfernung der Fette des Markes durch Chloroform, das schon Tizzoni^) in einer vorläufigen Mittheiluug empfohlen, ohne allerdings die genaueren Details seiner Methode anzugeben. Verschiedene Versuche, die ich mit dem Reagens anstellte, 1) Centralbl. für die med. Wissenschaft 1878, Nr. 13. Tizzoni glaubt, irrtbümliclier Weise durch Chloroform die Hornscheiden darzustellen. Aus 146 Th. Rumpf: lehrten Folgendes: Bei der Chloroformbehandluüg der Nerven in Zimmertemperatur gelingt es nicht, die Scheiden leer darzustellen. Der zurückbleibende, als krümliche Masse in den Scheiden sich darbietende Körper ist jedenfalls das in kaltem Chloroform un- lösliche Cerebrin. Da sich jedoch bei höherer Temperatur auch dieses löst, so war hiermit ein neues Mittel zur Darstellung der Scheiden gegeben. Die grosse, bis jetzt noch nicht erwähnte Schwierigkeit bei der Behandlung der Nerven mit Chloroform war nur die, dass dieses nur wenig Wasser aufnimmt und so nur sehr langsam in den Nerven eindringt. Man kann dieses Eindringen erleichtern, indem man die Fasern zuvor kurze Zeit durch Alkohol entwässert. Doch war es ja wünschenswert|i, bei der Behandlung mit Chloroform die Wirkung des Alkohols vollständig auszu- schliessen. Es geschah Dieses dadurch, dass gut zerzupfte Nerven zunächst einen Tag in kaltem Chloroform verblieben, das in Folge der Wasseraufnahme ein milchiges Aussehen annahm. Sodann wurden die Nerven in frischem Chloroform in eine Glasröhre ein- geschmolzen und darin im Wasserbade erhitzt. Ein 20—30 minu- tenlanges Verweilen in dem siedenden Wasser genügte zur Ent- markung vollständig. Nach der Abkühlung verblieb der Nerv noch 24 Stunden im Chloroform und wurde dann zum Auswaschen desselben in Wasser gelegt. Rascher erfolgte das Auswaschen durch Alkohol. Doch wurde aus dem schon angeführten Grund meist nur Wasser verwendet, wozu allerdings dann meist ein Tag nothwendig war. Die Untersuchung der gleichfalls mit Hämatoxylin gefärbten Fasern ergab nun : Innerhalb der Schivann^ sehen Scheide zeigt sich dieselbe maschige Scheide, wie sie sich bei der Behandlung mit dem oben Gesagten geht wohl zur Genüge hervor, dass wir die nur durch Chloroform sichtbar werdenden Scheiden eben so wenig als Hornscheiden auffassen dürfen, wie die nach der Alkohol-Aetherhehandlung hervortre- tenden und sicher schon lange vor den neueren, der Verdauungsmethode zu dankenden Aufschlüssen vielfach geseheneu Bildungen. Zur Histologie der Nervenfaser und des Axencylinders. 147 Alkohol und Aether dargeboten hatte. Wesentlich verschieden aber ist das Bild im Innern der Faser. Hier sieht man nicht den einen blaugefärbteu centralen Faden, wie er sich nach der Entmarkung mit Alkohol und Aether darbietet und den Axencylinder sammt seiner Scheide umfasst, sondern zwei Gebilde sind deutlich zu unterscheiden. In spiralförmigen Windungen verläuft ziemlich im Centrura der Faser ein blaugefärbtes gekörntes Gebilde, das durch einen deutlichen Zwischenraum getrennt, beiderseits von einem feinen Contour umhüllt wird, der in geringem Grade ge- färbt, den Biegungen und Krümmungen des Axencylinders nicht folgt, hie und da einzelne Verbindungsbalken zur äusseren Scheide erblicken lässt und jedenfalls die Axencylinderscheide ist. Es resultirt aus dieser Behandlung zwischen dem Axencylinder und seiner Scheide ein periaxialer Raum, etwa wie ihn Klcbs schon vor längerer Zeit als normales Gebilde in Anspruch genommen hat. Wir haben also in dem Chloroform ein Mittel, ohne Aether- und namentlich ohne Alkoholbehandkmg die beiden das Mark umhüllenden Scheiden sammt ihren Verbindungsstücken vollständig darzustellen. Durch nachfolgende Verdauung lassen sich dann aus diesen Hörn führenden Scheiden die eigentlichen Horn- scheiden leicht darstellen. Dasselbe ist auch bei der zweiten Methode der Fall, bei der Darstellung der Markscheiden durch destillirtes Wasser. Doch wird es zuvor nöthig sein, auf einige Einwirkungen des Wassers und ähnlicher Reagentien näher einzugehen. Schon seit Langem ist es bekannt, dass unter dem Einfluss von Wasser in der frischen, direct aus dem Frosch entnommenen und gut zerzupften Nervenfaser Veränderungen eintreten, die sich im Wesentlichen dadurch charakterisiren , dass ein Theil des Inhaltes der Faser und zwar, wie sich deutlich verfolgen lässt, das Nervenmark nach dem Schnittende strömt, austritt und hier, mehr oder weniger verändert, zu grossen Klumpen zusam- 148 Th. Eumpf: mengeballt, anklebt oder auch von der Faser losgerissen in der Präparatflüssigkeit umhertreibt. Wie schon oben erwähnt, hat BoTl diesen Yeränderungen der Nervenfaser eine grössere Aufmerksamkeit zugewendet. Er verfolgte dieselben unter der Einwirkung von destillirtem Wasser, in welchem auch die Strömungserscheinungen im Innern der Faser sich deutlicher übersehen lassen. BoU glaubt, dass das Nervenmark sich unter der Einwirkung von destillirtem Wasser in eine quellende, schäumende Masse verwandelt, die innerhalb der Schwann' ^Qh&n Scheide eingeschlossen und am Austreten gehindert, nach dem freien Ende der Faser einen Ausweg suche. Als wesentlich muss ich aus den BolV- schen Untersuchungen hervorheben, dass auch der Ranvier'&ohQ Ring für dieses strömende Mark kein Hinderniss war. Es fand allerdings an dem Schnürringe eine Stauung statt, wie sie bei dem verengten Strombett zu erwarten war; aber das Hin- durchströmen des Markes erfolgte im Uebrigen ungestört. Auch ein sonstiges Hinderniss im Verlaufe der Faser erwähnt BoU nicht. Dieselben Strömungserscheinungen des Markes schildert Ban- vier in seiner neuesten Arbeit. Er benutzte jedoch zur Hervor- rufung derselben gewöhnliches Wasser. Indessen stimmen die Angaben von BoU und Eanvier insofern nicht überein, als der Letztere ein Hindurchströmen des Nervenmarkes durch die Ein- schnürung nicht beobachtete. Ranvier gibt an, dass an der Ein- schnürung das strömende Nervenmark ein Hinderniss findet und bei intacter Schtvann'' scher Scheide diese ausdehne, aber nicht aus der Faser austrete. Auch BoU lässt die Schwann'' sehe Scheide das Nervenmark direct umhüllen. Gerade dieser Umstand, dass sowohl BoU als Ranvier in Un- kenntniss mit der das Mark nach aussen gegen die Schtvann'- sche Scheide abschliessenden äusseren Hülle glauben, dass das Zur Histologie der Nervenfaser und des Axencylinders. 149 Nervenmark direct durch die Seh ivann' sehe Scheide am Aus- treten verhindert sei, musste ein Wiederaufnehmen dieser Versuche auf Grund der neu entdeckten Umhüllungen wünschenswerth machen. Ausserdem aber kam die zwischen Boll und Banvier bestehende Differenz über die Durchgängigkeit der Banvier sehen Schnürriuge in Betracht, welche der Entdecker derselben in Ueber- einstimmung mit seiner Ansicht von einer engeren Verbindung des Axencylinders mit der Schwann'' sehen Scheide an dieser Stelle für ein Strömungshinderniss hält, und ferner musste sich daran die Frage anschliessen, ob diese Strömungserscheinungen nicht durch die in neuerer Zeit von den verschiedensten Forschern beschriebenen Unterbrechungen der Markscheide innerhalb zweier Banvier' sehen Schnürringe irgendwie beeinflusst würden. Was die Stellung der hornführenden Scheiden zu diesen Strömungs- erscheinungen betrifft, so brauche ich wohl kaum zu erwähnen, dass dieselben innerhalb der äusseren und inneren Scheide sich vollziehen müssen. Demgemäss war nach unseren Untersuchungen an dem Ban- vier'sehen Schnürring auch kein vollständiges Hinderniss für den Durchgang des Markes zu erwarten. Die äussere hornführende Scheide geht nach sämmtlichen Untersuchungen ununterbrochen durch die Schnürringe hindurch und erleidet nur entsprechend der Einknickung der Schivann'- schen Scheide ebenfalls eine Einknickung. Somit entsteht auch an dieser eine Einschnürung, während die Axencylinderscheide unverändert durch den Ring hindurchgeht. Durch diesen Ring resultirt allerdings eine Verengerung des Strombettes; indessen habe ich nie ein Präparat gesehen, an welchem eine vollständige Unterbrechung desselben, eine Einschnürung der äusseren Scheide bis auf die innere oder ein um die ganze Peripherie der Faser gehender Zusammenhang dieser beiden nachweisbar gewesen wäre. Diese Befunde Hessen für die Markströmungen zwar eine Ein- 150 Th. Eumpf: engung, jedoch kein vollständiges Hinderniss erwarten. Weitere Aufklärung aber mussten diese Veränderungen des Markes in Betreff der Einkerbungen der Markscheide innerhalb zweier Schnürringe geben. Innerhalb dieser sollte die Markscheide in eine Anzahl voll- ständig getrennter Faserglieder oder Hohlcylinder zerfallen, deren Grenze als wirkliche meist schräg von der Peripherie bis zum Axencylinder reichende Markunterbrechung die ganze Nervenfaser umfassen sollte. Ging nun die als Grenze dieser Hohlcylinder beschriebene Zwischenmarkscheide KuTmfs,, die nach Allem mit den Zwischen- balken der Hornscheide identisch zu sein scheint, um die ganze Peripherie der Faser von der Axencylinderscheide oder Innern hornführenden Scheide bis zur äusseren herum, so war ein Hindurchströmen des Nervenmarkes durch die Hohlcylinder un- möglich. Allerdings war Dieses aus unseren Befunden in keiner Weise zu erwarten. Darnach existiren Zwischenmarkscheiden als Verbindungs- glieder der beiden Scheiden nur als einzelne, von der äusseren zur inneren hornführenden Scheide ziehende Balken, deren man auf Querschnitten von den peripheren Nerven und den weissen Strängen des Rückenmarkes in der Eegel drei von ziemlicher Feinheit sieht, die ein Hinderniss für Strömungen innerhalb des Hohlraumes in keiner Weise abgeben können. Zerzupft man nun einen frischen, direct aus dem Frosch ge- nommenen Nerven auf dem Objectträger und setzt alsdann einen oder mehrere Tropfen destillirten H2O hinzu, so beobachtet man zunächst Veränderungen, die sich im Wesentlichen auf Verlust der Durchsichtigkeit und der Homogenität der einzelnen Faser beziehen. Wie es schon Boll beschreibt, werden aus den schmalen, stark lichtbrechenden Bändern breitere Gebilde, die langsam von der Peripherie her undurchsichtig werden und Bilder bieten, die Zur Histologie der Nervenfaser und des Axencylinders. 151 sich wohl am einfachsten durch Gerinnungs Vorgänge im Mark erklären lassen. Nach kurzer Zeit aber sieht man, wie sich aus dem freien Ende einzelner Nervenfasern unregelmässige Ballen ergiessen, die theils den Eindruck von geronnenen Schollen machen, theils den einer mehr flüssigen, eine Menge fester Körnchen ent- haltende Masse. Verfolgt man die Faser weiter, so sieht man innerhalb der- selben eine ziemlich gleichmässig nachrückende Strömung von beträchtlicher Geschwindigkeit, die im ganzen Verlaufe kein Hinderniss trifft und auch durch den Banvier' sehen Schnür- ring vielfach ohne Störung, allerdings wie durch ein verengtes Strombett sich ergiesst. Doch findet, indem nur kleinere Mengen der flüssigen Masse die Einschnürung durchströmen, vor derselben auch vielfach eine Stauung statt, wodurch unter dem Druck der nachrückenden Massen meist eine Ausbuchtung der Scheiden ent- steht. Noch interessanter ist das Bild, wenn ein grösserer, we- niger flüssiger Ballen plötzlich einen Theil des durchgängigen Ringes im Gesichtsfeld verlegt. An einem der ersten Banvier' sehen Schnürringe, den wir an solchem Präparat zu Gesicht bekamen, fand eine ziemliche Stauung statt. Hier war der grösste Theil des sichtbaren Ringes durch einen grösseren Ballen verschlossen; und nur an einer Stelle trieb eine Anzahl kleinerer Körnchen hindurch. Plötzlich ergoss sich darauf anscheinend unter dem Druck des nachrückenden Markes eine nicht unbeträchtliche theils anscheinend geronnene, theils noch flüssige Masse hindurch, die sich, auf der andern Seite der Einschnürung angekommen, nach beiden Seiten mit grosser Geschwindigkeit ausbreitete, die schon zusammengefallenen Scheiden wieder stärker ausdehnte und dann in mehr ruhigem Flusse dem offenen Ende der Faser zutrieb. Dieser Vorgang lässt sich an demselben Präparat oft an mehreren Schnürringen verfolgen. Später entleeren sich die vom Schnittende nicht zu weit entfernten Theile der Fasern immer mehr und es 152 Th. Eumpf: tritt jetzt ein anderes Bild in den Vordergrund. Die während des Strömens des Nervenmarkes nicht sehr deutliche Trennung der Nervenfaser in Markscheide und Axencylinder, sowie die Einkerbungen des Markes treten wieder deutlich hervor, aber an Stelle des zuvor keineswegs sehr breiten Axencyhnders be- findet sich jetzt ein centrales Gebilde, das mehr als die Hälfte der Nervenfaser einnehmend, eine homogene Struktur und einen vollständig gleichmässigen Breitendurchmesser aufweist. Umgeben ist dieses Gebilde zu beiden Seiten von jenen beträchtlich ver- schmälerten Hohlcylindern, deren Einschnitte nun mehr an ein- zelnen Stellen sich bis auf das centrale Gebilde selbst erstrecken, an andern jedoch noch durch einen deutlichen Zwischenraum von diesen getrennt zu sein scheinen. Hat man es günstig getroffen, so kann man oft sehen, wie sich innerhalb des trennenden Raumes zwischen dieser Einkerbung und dem centralen Gebilde noch einzelne Theile restirender schaumiger Masse ergiessen, die noch dazu öfters die innere Grenze der Einkerbung verwischen und so mehr unter oder über dieser hindurchzugehen scheinen. Mit dem Aufliören der Entleerung des Markes tritt an ein- zelnen Stellen die Scheidung der Nerven in die Markhüllen und den Axencylinder gut hervor. Neben dem kaum sichtbaren Contour der Schwann' sehen Scheide sieht man dann den zusammen- gefallenen Rest der Markscheiden mit ausserordentlicher Deut- lichkeit und an ihnen erkennt man als Grenze der schon er- wähnten Hohlcylinder jene Einkerbungen, die sich nach dieser Behandlung im Wesentlichen als schräg zur Axe der Faser ver- laufende Einschnitte darbieten und die Markhüllen bis zum Axen- cylinder vollständig zu unterbrechen scheinen. Dass diese Ein- kerbungen die ganze Peripherie der Faser umfassen, war jedoch an diesen Präparaten nicht zu constatiren, ja nicht einmal wahr- scheinlich. Meist bedarf es zur vollständigen Deutlichmachung und zur Verfolgung des Verlaufs derselben von der Peripherie Zur Histologie der Nervenfaser und des Axencylinders. 153 bis zum Centrum einer wechselnden Einstellung des Mikroskops, was wohl nur darauf bezogen werden kann, dass die Richtung dieser Einkerbung nicht in der Horizontalen liegt, sondern viel- fach schräg zu dieser verläuft. Ferner möchte ich erwähnen, dass zwei correspondirende Einkerbungen nur selten in gleicher Höhe lagen und es bei Untersuchung mit dem Immersionssystem vielfach vorkam, dass eine Einkerbung jeweils nur auf der einen Seite constatirt werden konnte und dass diese mit der Verstellung der Schraube unsichtbar wurde, während die gegenüberliegende hervortrat. Dieses ist so ziemlich das Bild, wie es sich in den entleerten Fasern darbietet, und das sich lange Zeit beobachten lässt. Ich kann mit Boll keineswegs übereinstimmen, der der Meinung ist, dass der veränderte Axencylinder zuletzt mit der veränderten Mark- scheide zusammenfliesst und verschmilzt, und wenn er Fasern vor Augen hatte, an denen eine homogene, zähflüssige Masse, schaumigen Aussehens, den alleinigen Inhalt der Scmvannsdien Scheide (wie er glaubt) auszumachen schien, so sind das ent- schieden solche gewesen, an welchen das Mark wegen der weiten Entfernung des Schnittendes der Faser sich nicht entleeren konnte. Die entleerten Fasern bieten mit ihrem verbreiterten Axen- cylinder und den verschmälerten Markhüllen ein ganz charakteri- stisches Bild, das sich ausserordentlich lange erhält; jedenfalls lässt sich eine weitere etwaige Veränderung der Faser wegen der Langsamkeit der Vorgänge unter dem Mikroskop nur schwer verfolgen; eine eigenthche Auflösung und Tropfenbildung am Axencylinder, wie sie Boll beschreibt, konnte ich nicht beobachten. Welche Schlussfolgerungen können wir nun aus diesen Vor- gängen innerhalb der Nervenfaser betreffs der Structur derselben ziehen? Dass im Niveau des Banvier'schen Schnürringes ein stär- kerer Widerstand sich dem fliessenden Mark entgegen stemmt. Kühne, Untersuchungen II. 11 154 , Th. Rumpf: (lass hier eine Verengerung des Strombettes stattfindet, hat schon 13oU hervorgehoben. Al)er das Strombett kann in keiner Weise unterbrochen sein, und es stimmt dieses auch vollständig mit den schon oben hervorgehobenen Ergebnissen unserer Unter- suchungen, nach denen an dem Schnürringe nur eine ringförmige Einschnürung der äussern hornführenden Scheide Statt hat. Ebensowenig kann aber eine Unterbrechung des Strombettes an den Einkerbungen des Markes zwischen den sogenannten Fasergliedern oder Hohlcylindern vorhanden sein. Dass diese Einkerbungen wenigstens insofern präformirten Structurdifferenzen ihre Entstehung verdanken, als hier Zwischenbalken der Mark- scheiden ausgespannt sind, scheint mir nicht zweifelhaft zu sein. Aber die Zwischenmarkscheiden scheinen auch nach diesen Unter- suchungen keineswegs die ganze Peripherie der Faser zu umfas- sen; ja es scheint, dass sie von dieser so wenig einnehmen, dass nicht einmal eine Verengerung des Strombettes, durch sie be- dingt, sich innerhalb der Faser bei den Strömungen des Markes kenntlich macht. Wie schon erwähnt, beziehen sich diese Beobachtungen auf Fasern, die in destillirtem Wasser zerzupft waren. Weniger in- tensiv sind die Erscheinungen bei Behandlung mit gewöhnlichem Wasser und vielleicht ist Dieses die Ursache, dass Ilanvier kein Hindurchströmen des Markes durch die Einschnürung beobachtet hat, wiewohl ich dieses allerdings mit dem sehr reinen Heidel- berger Leitungswasser stets zu beobachten Gelegenheit hatte. Anscheinend werden mit zunehmendem Salzgehalte der Reagen- tien die Strömungserscheinungen weniger intensiv und hören bald ganz auf. So lassen sich schon in V^^/o Kochsalzlösungen derartige Erscheinungen nicht mehr beobachten und nur an wenigen vereinzelten Fasern sieht man aus dem Schnittende ge- ringe Mengen Markes austreten. Dasselbe ist der Fall bei Be- handlung der Fasern mit Salzsäure von OjT'/o. Zur Histologie der Nervenfaser und des Axency linders. 155 Am intensivsten treten, soweit ich bis jetzt sehe, die Strö- mungserscheinungen bei Behandlung der Fasern mit drei Reagen- tien auf, bei Behandlung mit Kalilauge, von welcher ich eine 0,1 procentige benutzte, bei Behandlung mit Essigsäure, und zwar sowohl mit Eisessig als mit verdünnten Lösungen und bei Behandlung mit der MolcschoU'achen Essig-Alkoholmischung, auf welche ich später noch zurückkommen werde und die jedenfalls hauptsächlich durch ihren Essigsäuregehalt wirkt. Bei Behandlung der frischen Fasern mit Kalilauge und Essigsäure erfolgt die Entleerung der Scheiden mit solcher ausser- ordentlichen Schnelligkeit und die Strömungen treten so rasch auf, dass man sich mit dem Anfertigen des Präparats beeilen muss, sonst sieht man nur kolossale Mengen zusammengeballten, unregelmässig geformten Markes an dem Schnittende der Faser lagern, oder in der Präparatfiüssigkeit umhertreiben. — In der Erklärung dieser Erscheinungen stimme ich weder mit BoU noch mit Ranvier überein. JBoll hat diese Strömungserscheinungen des Nervenmarkes so aufgefasst, dass sich durch die beständig fortschreitende Wasseraufnahme der Aggregatzustand des zuvor allerdings zu concentrischen Schichten geronnenen Markes ändere, dass dasselbe zunächst zähflüssig, dann ganz leichtflüssig werde, und sich end- lich aus dem Schnittende ergiesse, w^ahrscheinlich, weil die Ein- dämmung in die verhältnissmässig festen Hüllen der weiteren Ausdehnung ein Hinderniss entgegen setze. Derselben Ansicht ist auch Banvier, nur dass diesem auch die Quellung des Axen- cylinders nicht entgangen ist; doch schreibt er derselben einen Einfluss auf die Strömungserscheinungen des Markes nicht zu. Gegen diese Meinungen, dass es sich bei den beschriebenen Vor- gängen nur um eine primäre Veränderung des Markes durch Wasseraufnahme handle, konnte ich schon bei meinen ersten Untersuchungen einige Bedenken nicht unterdrücken. Einerseits 11* 156 Th. Eumpf: schien mir die leicht zu machende Beobachtung, dass das aus der Faser ausgetretene Mark sich in der umgebenden Flüssig- keit kaum verändert, sondern nach dem Austritt alsbald mehr oder weniger erstarrt eine Zeitlang am Schnittende kleben bleibt, dann weggetrieben wird und unter dem Deckglas in Schollen umhertreibt, mehr für einen secundären Vorgang im Mark zu sprechen. Andererseits war ja am Axency linder sowohl bei der Behandlung mit reinem Wasser als mit Kalilauge und Essigsäure jene äusserst beträchtliche Quellung zu constatiren, die schon als eine Veranlassung zur Compression des Markes in seinen Scheiden und dem daraus resultirenden Austritt aus dem Schnitt- ende betrachtet werden konnte. Banvier glaubt, die Quellung des Axencylinders dafür nicht verantwortlich machen zu müssen, da die Scliiüami'sQhQ Scheide, die vielfach während der Strömungen zahlreiche Falten und auch Auftreibungen zeigt, Raum genug für Quellungsvorgänge in der Faser darbiete. Bei diesem oft zu constatirenden Verhalten der SchwanrC- schen Scheide hätte nun die Thatsache, dass das Mark überhaupt austritt, wunderbar erscheinen müssen. Die Entdeckung der äusseren, das Mark in ein engeres Strombett einschliessenden weniger elastischen Scheide musste diesen Vorgang erst verständ- lich machen. Wird durch eine Quellung des Axencylinders, die sich auch an entmarkten Fasern durch Kalilauge und Essigsäure nachweisen lässt, ein Druck ausgeübt, so muss, nachdem eine Dehnung der Scheiden nicht weiter mögüch, die Faser sich eines Theils ihres Inhaltes entledigen. Entschieden konnte übrigens diese Frage, ob es sich um einen nur primären oder secundären Vorgang im Mark handle, erst dadurch werden, dass eine Faser mit intaktem Mark und fehlendem Axencylinder der gleichen Untersuchung unterwor- fen wurde. Zur Histologie der Nervenfaser und des Axencylinders. 157 Es gelang mir dieses mit Hilfe einiger anderer später fol- gender Untersucliungsergebnisse durch die Lösliclikeit des Axen- cylinders in schwachen Kochsalzlösungen, die, wie ich sclion her- vorgehoben habe, das Mark nicht in sichtbarer "Weise beeinflussen. Durch Bestimmung der Gerinnungstemperatur des Axencylinders war ich auch in den Stand gesetzt, Fasern zu untersuchen, von welchen der Axencylinder in den einen gelöst, in den andern vorhanden war. Dabei waren die letzteren nur einer um wenige Grade höheren Temperatur ausgesetzt gewesen, als die ersteren. Indem ich nun die stärker erhitzte und ihres Axencylinders nicht beraubte Faser mit Zusatz von Kalilauge untersuchte, zeigten sieh dieselben Strömungserscheinungen des Markes, die ich zuvor als charakteristisch für die Behandlung mit Kalilauge geschildert habe. Mit ausserordentlicher Schnelligkeit ergossen sich grosse Mengen theils zusammengeballten, theils schaumigen Markes aus dem Schnittende der Faser. In den entleerten Scheiden zeigte sich dann der gequollene Axencylinder. Untersuchte ich jedoch die ihres Axencylinders beraubte Faser mit Zusatz von Kalilauge, so traten wohl gleichfalls hie und da geringe Strömungen inner- halb des Markes auf; doch erfolgten dieselben ausserordentlich langsam, und nur geringe Mengen Markes traten aus dem Schnittende der Faser aus. Der Anblick machte im Yerhältniss zu dem frühern Präparate den Eindruck, als fehle der grösste Theil der treibenden Kraft. Die Angabe von Boll und JRanvier, dass es sich nur um eine primäre Veränderung des Markes handelt, dürfte demnach dahin umzuändern sein, dass das Mark unter der Einwirkung der beschriebenen Reagentien zwar primäre Veränderungen ein- geht, dass jedoch die starken Strömungserscheinungen wesentlich der Veränderung des Axencylinders zugeschrieben werden müssen. Ich habe vorhin schon auf gewisse Bilder aufmerksam gemacht, welche sich nach Ablauf dieser stürmischen Vorgänge an der Faser 158 Th. Rumpf: darbieten. Eigentlich konnte erwartet werden, dass mit der Ent- leerung des Markes die Hüllen desselben, jedenfalls aber die äussern deutlich hervortreten würden. Indessen ist das nicht gleich der Fall. Erst wenn nach längerer Einwirkung eine weitere Verän- derung mit dem Axencylinder und vielleicht auch noch mit den Markresten vor sich gegangen ist, treten die Scheiden des- selben deutlich hervor. Untersucht man Nerven, die gut zerzupft 24 Stunden in destillirtem Wasser gelegen haben, so ist das Bild ein vollständig anderes, als das, welches sich bei directer und sogar langer Be- obachtung auf dem Objectträger dargeboten hat. Zunächst zeigt sich, dass das ausserordentlich breite centrale Gebilde, der ge- quollene Axencylinder nicht mehr wie früher vorhanden ist. Im Centrum der Faser befindet sich jetzt ein weit schmäleres, feine Längsstreifen zeigendes Gebilde. Dadurch ist der zuvor sehr schmale Hohlraum für das Mark beträchtlich verbreitert; derselbe ist hie und da ganz leer, an manchen Stellen auch mit feinen Körnchen erfüllt, die jedoch den Einblick in die Faser nicht verhindern, an andern Stellen sind noch grössere Schollen vorhanden, durch die selbstverständlich das centrale Gebilde ver- deckt wird. Der Hohlraum des Markes aber wird umschlossen von einer eigenen Hülle, die sich von der Schwann' sehen Scheide deutlich unterscheiden lässt und hier und da auch in grösseren Ausbuchtungen dieser von ihr getrennt ist. Diese Hülle zeigt ganz die gleiche netzförmige Zeichnung, wie sie nach der Entmarkung mit Alkohol und A e t h e r an der äussern Scheide sichtbar ist, mit dem einzigen Unterschied, dass die mit destillirtem Wasser be- handelten Fasern eine regelmässige re Zeichnung darbieten. Diese Darstellung der äussern Scheide dürfte um so wichtiger erscheinen, als der Verdacht nahe lag, dass jene maschige nach Behandlung mit siedendem Alkohol oder Chloroform hervor- Zur Histologie äer Nervenfaser und des Axencylinders. 159 tretende Zeichnung einer durch diese Reagentien oder die Siedetemperatur bedingten Schrumpfung ihre Entstehung ver- danke. Zwar hat Lantermann ohne vorhergehende Anwendung schrumpfender Reagentien auf ein netzförmiges Aussehen an Osmiumpräparaten aufmerksam gemacht, aber es ist sehr frag- lich, ob diese Zeichnung mit derjenigen der äussern Markscheide identisch ist. Die wesentlichste Einwirkung hat die Osmiumsäure auf das Nervenmark und zwar hauptsächlich auf die durch Aether extrahirbaren Stoffe, mit welchen sie eine schwarze homogene Masse bildet. Eine andere Wirkung der Osmiumsäure, auf die mich Herr Prof. Kühne aufmerksam machte (vergl. die folgende Abhandlung), tritt hauptsächlich bei ungenügender Menge des Reagens ein und ])etrifft den Axencylinder; es ist dazu eine minder concentrirte Lösung wünschenswerth, als sie gewöhnlich ge- bräuchlich ist. Benutzt man eine Lösung von 1,0 pro mille und untersucht frisch zerzupfte Fasern direct auf dem Objectträger, so tritt jene bekannte Färbung des Markes auf und einhergehend mit dieser werden dessen Einkerbungen sichtbar; dabei sieht man den Axencylinder als ein äusserst breites Gebilde in den gefärbten Markhüllen. Ist die vorhandene Menge des Reagens genügend, so lässt sich noch eine beträchtliche Quellung des Axencylinders verfolgen. Dabei treten auch hier an der Schnittfläche vereinzelte Ballen Nervenmarkes aus. Im Grossen und Ganzen bieten jedoch die Markhüllen ein anderes Bild, als bei den mit Wasser oder Kalilauge behandelten Fasern. Mit der Quellung des Axencylinders beginnen die Einker- bungen der Markscheide an Breite zuzunehmen; ohne dass eine Verbindung zwischen den einzelnen ,,Hohlcylindern" nachweisbar ist, sind dieselben durch breite Zwischenräume getrennt und der ko- 160 Th. Eumpf: lossal verbreiterte Axencjlinder macht nunmehr den Eindruck, als seien eine Anzahl mehr oder minder dicker Stulpen ihm aufge- streift i). Diese Bilder, welche unter günstigen Verhältnissen auch bei stärkeren Lösungen auftreten, nur dass hier meist die beträchtliche Verbreiterung des Axencyünders fehlt (Eanvier zeichnet solche Bilder), scheinen eigentlich darauf hinzuweisen, dass an den Ein- kerbungen eine wirkliche Unterbrechung der Markhüllen Statt hat, wenn nicht gerade eine Zerreissung an diesen Stellen die Trennung ermöglicht. Indessen zeigte die Untersuchung, dass weder das Letztere noch das Erstere der Fall ist. Zur Entscheidung werden solche Fasern, an welchen die durch breite Zwischenräume getrennten Stulpen dem Axencylinder aufgereiht erscheinen, nach gutem Ausspülen in Alkohol gelegt und dann entmarkt. Die Entm,arkung gelingt recht gut, sobald die Fasern nur kurze Zeit in Osmiumsäure gelegen und noch nicht jene intensiv dunkelbraune oder schwarze Farbe angenommen haben, wie sie nach längerer Einwirkung die Regel ist. Dahei wird der siedende Alkohol sehr wenig, der Aether jedoch ziem- lich dunkel gefärbt. Die Untersuchung der entmarkten Fasern zeigt nun ganz die- selben Scheiden, wie sie schon oben beschrieben sind ; keine nach den Osmiumbildern zu erwartende Spalte, kein Einschnitt unter- bricht diese, ein deutlicher Beweis, dass die Osmiumfärbung einzig den Inhalt der Scheiden betrifft, während diese ungefärbt und meist nicht sichtbar die einzelnen Stulpen mit einander verbinden. In diesen Befunden liegt wohl auch die Erklärung für einen Theil der Osmiumwirkung überhaupt. Dass sich die feste Ver- ^) Ausserorcleutlicli gut lassen sich diese Vorgänge aucli am N". iscliid. des Kaninchens verfolgen, wie ich gegenüber von iJe«n«^ erklären niuss, "welcher der Ansicht ist, dass die Lantermann' sehen Einkerbungen beim Kaninchen vollständig fehlen. Zur Histologie der Nervenfaser und des Axencylinders. IGl binduug der Säure mit den Stoffen des Markes bei grossen abso- luten Mengen oder bedeutender Concentration des Reagens auf ein kleineres A'olunien zurückzieht, kann wohl keinem Zweifel unterliegen. Dass damit gerade an den Stellen eine Trennung und Spaltung des Markes erfolgt, an welchen auch die Verbin- dung intra vitam eine geringere ist, kann uns nicht wundern. Solche Stellen bestehen aber sicher innerhalb der Faser und zwar dort, wo die Zwischenbalken der Scheiden von der inneren zur äusseren Scheide ziehen. Ebenso aber zieht sich die Osmium- verbindung in den meisten Präparaten von dem Banvier' sehen Schnürring zurück, der auf eine weite Strecke zu beiden Seiten markleer erscheint; und wenn sich auch nicht mit Bestimmtheit sagen lässt, dass das Mark durch jeden Eanvier'schen Schnürriug hindurchgeht, und nur unter der Wirkung des Reagens sich viel- fach aus dem engeren Strombett zurückzieht, so ist nach unseren Befunden die Möglichkeit des Hindurchgehens nicht ausgeschlossen, ja es bedarf nach denselben noch des Beweises, dass das Mark nicht hindurchgeht. Einige Worte muss ich noch der von Lantermann und Jfc'. Carthy angegebenen stäbchenförmigen Structur des i^ervenmarkes widmen. Die meisten Forscher haben sich schon dafür ausge- sprochen, dass es sich hierbei um Kunstproducte handelt, und die von Lantermann als Querschnitte von Stäbchen aufgefassten Gebilde nur gefärbten, an der Oberfläche des Markes sich aus- scheidenden Kügelchen, ihre Entstehung verdanken. War Dieses der Fall, so musste auch die ausserhalb der Faser entstehende Osmium Verbindung des Markes dieselben Bilder geben und das ist allerdings der Fall. Verdampft man das Aetherextract von Nerven und setzt der restirenden weissen Masse Osmiumsäure zu, so entsteht eine je nach der Menge des zugesetzten Reagens verschieden dunkle Masse, die auf dem Objectträger untersucht, eine grosse Menge 162 Th. Eumpf: einzelner, ziemlich regelmässiger Kugeln zeigt, die ganz dieselben Bilder geben, wie sie im Innern der Faser sichtbar sind und beim Zusammenliegen in plagues eine zuweilen überraschend regel- mässige fleckige Zeichnung mit kreisförmigen farblosen Durch- brechungen darbietet. Damit dürfte ein Theil dieser Bilder seine Erklärung finden. Ob jedoch nicht gleichzeitig die Zeichnung der äusseren Mark- scheide zu ähnlichen Bildern die Veranlassung zu sein vermag, will ich nicht entscheiden. Der Axencylinder. Die Sichtbarmachung des Axencylinders durch Alkohol oder Aether oder auch durch beide zusammen, ist seit den Unter- suchungen KöUiher's, ^) wohl ein häufig geübtes Verfahren. Und w^enn trotz dieser Behandlung die Structurverhältnisse des Markes den Forschern vollkommen entgangen sind, so hat das wohl wesentlich seinen Grund darin, dass zur vollständigen Entfernung der Fette eine sehr sorgfältige Behandlung nothwendig ist. Die leicht zurükbleibenden krümmlichen Körner, die auch Kolliker erwähnt, verwischen das Bild des äusseren Scheidennetzes und lassen ein sicheres Urtheil nicht zu. Das zweckmässigste Verfahren zur Entmarkung mit Alkohol und Aether habe ich schon oben angegeben. Die Untersuchung der so behandelten Faser zeigt innerhalb der weitmaschigen äus- seren Hörn führenden Scheide ein schmales centrales Gebilde, das alle Krümmungen und Biegungen der Faser möglichst ver- meidend, bald der einen, bald der andern Seite der äusseren Scheide nahe liegt. Dasselbe ist ein gleichmässiges feingranu- lirtes Gebilde ohne irgend nachweisbare fibrilläre Streifung. Wie 1) Mikroskopische Anatomie, Bd. 11, erste Hälfte. Zur Histologie der Nervenfaser und des Axencylinders. 1G3 schon oben erwähnt, ist eine den Axencylinder umhüllende Scheide bei dieser Behandlung nicht zu unterscheiden. Erst nach Ent- fernung des Axencylinders durch die Verdauung mit Trypsin wird, wie Ewald und Kühne angeben, die Axency linderscheide als leere Hülse sichtbar. Durch Behandlung mit siedendem Chloroform lässt sich, wie ich schon erwähnt habe, der Axencylinder durch einen Zwischen- raum von seiner Scheide getrennt , deutlich machen ; auch hier ist derselbe ein feingranulirtes nicht fibrillär aussehendes Ge- bilde, das in spiralförmigen Touren in der Faser verläuft. Welcher Differenz in der Wirkung dieser verschiedenen Rea- gentien die diiferenten Bilder ihre Entstehung verdanken, wage ich nicht zu entscheiden. Vielleicht ist der bei der Chloroform- behandlung entstehende periaxiale Raum noch mit Flüssigkeit gefüllt, die bei einer etwaigen Coagulation aus dem Axencylinder ausgetreten, sich mit dem Chloroform nicht mischte und so ein Zusammenziehen der Scheide um den Axencylinder unmöglich machte. Verschiedene später folgende Beobachtungen lassen wenigstens diese Entstehung als eine beachtenswerthe Möglich- keit erscheinen. Den Schluss, welcher aus diesem deutlichen Hervortreten des Axencylinders in Fette lösenden Reagentien resultirt, hat Köl- liker schon vor Jahren gezogen, dass der Axencylinder nicht den Fetten zugerechnet werden darf. Mit Berufung auf die Färbung des Axencylinders durch die Eiweissreagentien kam Kollilcer da- mals zu dem Resultat, dass der Axencylinder eine feste Protein- verbindung sei. Lehnicnm^) schloss sich dieser Ansicht von der Eiweiss- natur des Axencylinders an und seitdem ist diese Anschauung nicht mehr angefochten worden, wenn auch andere Forscher, wie 1) Lehrbuch der physiolog. Chemie, Leipzig 1853. 164 Tb. Eumpf: Kulme ^) und Waldeyer ^) demselben einen weich-elastischen, Fleisch!^) sogar einen flüssigen Zustand zuschreiben. A.m Besten lässt sich die Eiweissnatur des centralen Gebildes an dem entmarkten Nerven nachweisen; dabei ist aber immer noch die Einwirkung der verschiedensten Eiweissreagentien eine viel zu wenig intensive, um sichere Schlüsse zu gestatten. Von allen Untersuchungsflüssigkeiten kann ich nur das Millon''sche Reagens erwähnen, gegen welches sich der Axencylinder deutlich wie ein Eiweisskörper verhielt. Zu dieser Untersuchung wurde ein mit Alkohol und Aether entmarkter Nerv nach gutem Auswaschen in Wasser 24 Stunden in verdünnte 3EUon''sche Flüssigkeit gelegt und darauf gekocht. Während des Siedens wurde so lange von dem Reagens zugefügt, bis das Präparat dunkelroth geworden. Die Untersuchung ergab, dass die gesammten Scheiden sich unter Einwirkung des Reagens ge- färbt hatten und es Hess sich somit ein sicheres Urtheil über die Fär- bung des Axencylinders nur an solchen Fasern erhalten, an welchen er deutlich herausragte. An einzelnen Fasern war dies gut zu sehen. Während die Scheiden eine mehr blassrothe Farbe hatten und auch die Axencylinderscheide mit einem nach der äusseren Seite umgeschlagenen Ende, anscheinend einem Zwischenmarkbalken plötzlich endigte, jedenfalls um den Axencylinder nicht mehr nachweisbar war, ragte dieser als ziemlich dunkelroth gefärbter, regelmässiger und ziemlich breiter Faden hervor. Die übrigen Eiweissreactionen, so mit Salpetersäure und Kali- lauge, schwefelsaurem Kupferoxyd und Kalilauge, Schwefelsäure und Zucker sind für den Axencylinder viel zu w^enig intensiv. Färben sie auch den Nerven im Allgemeinen gut, so lassen doch ein- 1) Lehrbuch der physiolog. Chemie, Leipzig 186S. 2) Zeitschrift f. rat. Medicin, 3. K., Bd. XX, Heft 3. 3) Ueber die Beschaffenheit des Axencylinders. Beiträge z. Anatomie und Physiologie (Gratulationsschrift Carl Ludwig' s). Zur Histologie der Nervenfaser und des Axencylindei-s. 1G5 zelne Balken der Scheiden und ebenso der Axencylinder eine deutliche Färbung nicht erkennen. Doch dürfte die Färbung mit dem ^lillo naschen Reagens genügen, um dem Axencylinder Eiweisskörper zuzusprechen. An die Auffassung des Axencylinders als einer eiweissreichen Masse schliesst sich aber gleichzeitig die Frage an, ob das durch Alkohol und Aether und ebenso durch viele andere Reagentien sichtbar werdende centrale Gebilde nicht durch Coagulation aus dem ursprünglich breiteren Axencylinder entstanden ist. Henle und Merliel^) haben schon vor Jahren diese Frage aufgeworfen, als M. Schnitte in seiner bekannten Arbeit anscheinend fibrilläre Axencylinder zeichnete, die fast den grössten Theil der Faser einnahmen und seitdem sind noch immer Gebilde von sehr verschiedener Breite und verschiedenem Aussehen, bald ein dickes, die Faser nahezu ausfüllendes Band, bald ein schmaler, centraler Faden für vollkommen gleichwerthige Gebilde, für den Axen- cylinder, augesehen worden, während es doch keinem Zweifel unterliegen kann, dass viele dieser Gebilde erst unter der Ein- wirkung der verschiedensten Reagentien entstanden waren. So kommt es, dass über die eigentliche Breite des Axen- cylinders in der lebenden Nervenfaser eine Einigung unter den verschiedensten Forschern nicht erzielt ist, zumal ja am lebenden Nerven ein sichtbarer Axencylinder seither nicht nachgewiesen wurde. In den Flossen der Fische oder in der Schwimmhaut vom Frosch sieht man die einzelne Faser als deutlich doppelt- contourirtes Gebilde. Die Ranvier sehen Schnürringe erkennt man bei Beiden deutlich. Andeutungen von Einkerbungen, äusserst zart und keineswegs mit den Osmiumbildern zu vergleichen, Hessen sich nur in der Fischflosse erkennen. Durch die vielfachen Veränderungen des Markes werden ^) Ueber die sogenannte Bintlesubstanz d. Centralorgane, Zeitschrift f. rat. Medicin, Bd. XXXIV, Heft 1. 166 Th. Rumpf: direct nach dem Herausnehmen der Nerven diese Zeichnungen weit undeutlicher. Theils durch das Absterben der Faser, theils durch die angewendeten Untersuchungsflüssigkeiten entstehen nun jene so sehr verschiedenen Bilder. Wir haben schon oben die frische Nervenfaser unter der Einwirkung verschiedener Reagentien untersucht. Wir haben dabei jene Strömungserscheinungen des Nervenmarkes verfolgt, wie sie bei der Behandlung der Fasern mit Wasser seither bekannt waren und die wesentlich nur auf eine Wasseraufnahme und Quellung des Markes bezogen wurden, das in einem ringförmigen Strombett eingeengt, sich einen Aus- weg suche und so dem Schnittende der Faser zuströme. Ich habe dann gezeigt, dass dieselben Erscheinungen zum Theil noch weit intensiver bei der Einwirkung- mancher anderer Reagentien auftreten und bin auf Grund dieser Beobachtungen zu dem Schlüsse gekommen, dass diese Vorgänge nicht einzig durch eine primäre Veränderung des Nervenmarkes bedingt sind. Die Gründe, auf welche ich meine Anschauung stützte, sind im Wesentlichen folgende: 1. In allen Fasern, in welchen unter der Einwirkung ge- wisser Reagentien jene Strömungs- und Austrittserscheinungen des Nervenmarkes zur Beobachtung kommen, tritt mit der mehr und mehr erfolgenden Entleerung der Faser von Mark ein cen- trales Gebilde hervor, welches nahezu die gesammte Faser aus- füllt und zweifelsohne der gequollene Axencylinder ist. 2. Der grösste Theil dieser Reagentien, unter deren Ein- wirkung die Strömungserscheinungen des Markes deutlich werden, bewirken noch an dem mit Alkohol und Aether entmarkten Nerven eine beträchtliche Quellung des Axencylinders. 3. Es lässt sich aus gut zerzupften Fasern ohne wesent- liche Veränderung des Markes der Axencylinder entfernen. Die Untersuchung dieser Fasern (vergl. unten, Einwirkung verdünnter NaClLösungen) mit den betreffenden Reagentien zeigt zwar auch Zur Histologie der Nervenfaser und des Axencylinders. 1G7 geringe Veränderungen und hie und da auch Strömungen des Nervemnarks. Doch sind dieselben ausserordentlich un])edeutend gegenüber den Vorgängen in jenen Fasern, in welchen der Axen- cylinder vorhanden ist. Ich habe diese Gründe für meine Anschauung schon früher erwähnen zu müssen geglaul)t, obwohl die auf 2 und 3 bezüg- lichen Beol)achtungen erst in dem Nachfolgenden näher ausgeführt werden sollen. ♦ Diejenigen Reagentien, unter deren Einwirkung die Strömungs- erscheinungen des Markes am Deutlichsten auftraten, waren ausser destill. H2O, Essigsäure, Kalilauge und die starke Essiglösung von MolescJiott. Bei allen diesen tritt an der frischen Faser nach der Entleerung des Markes der Axencylinder als stark ge- quollenes Gebilde hervor. Weiter als bis zu diesem Punkte lassen sich die Veränderungen der Nervenfaser und insbesondere des Axency- linders in kurzer Zeit auf dem Objectträger nicht gut verfolgen. Um also die Veränderungen, welche der Axencylinder weiter erleidet, kennen zu lernen, müssen wir den Nerv längere Zeit der Einwirkung des Reagens überlassen. Bevor ich darüber Weiteres berichte, sind noch einige Worte den Veränderungen des Axen- cylinders an mit Alkohol und Aether entmarkten Nerven unter kurzer Einwirkung der besprochenen Reagentien zu widmen. Gar nicht wird der Axencylinder des Alkohol-Aether-Nerven von Wasser beeinflusst, sehr beträchtlich jedoch von Essigsäure und Kalilauge. Setzt man dem entmarkten und mit Hämatoxylin gefärbten Nerven einige Tropfen Kalilauge zu, und beeilt sich, denselben unter dem Mikroskope zu beobachten, so zeigt sich hier ein äusserst interessantes Bild. Man sieht, wie der eben noch sehr schmale Axencylinder anfängt sich auszudehnen, wie er, zu- nächst in der Länge wachsend zur Spirale wird und gleichzeitig beträchtlich an Breite zunimmt. Dieser Vorgang vollzieht sich 168 Tb. Knmpf: mit ausserordentlicher Schnelligkeit. Etwas langsamer, jedoch immer noch sehr rasch folgen die weiteren Veränderungen; lang- sam verschwinden nun die Bögen zwischen den Spiralen, bald hier, bald da wird der Axencylinder an einzelnen Stellen ungleich- massig breit, bald folgen die noch schmäleren Stellen nach und binnen einigen Secunden sehen wir an Stelle des eben noch in solcher Umwälzung begriffenen Gebildes eine gequollene Masse, die einen grossen Theil der Faser einnimmt, wenn sie auch nicht ganz den Breitendurchmesser des frischen so behandelten Axencylinders erreicht. Gleichzeitig mit diesem Wachsthum tritt eine ziemlich deutlich hervortretende Entfärbung des Axencylin- ders ein, der nach längerer Zeit jedoch noch als schwach blau ge- färbtes Gebilde zu erkennen ist. Weitere Vorgänge lassen sich daran nun nicht mehr verfolgen. Weder an herausragenden Axencylindern lässt sich eine stärkere Quellung und ein etwaiges Einschmelzen erkennen, noch werden seine Contouren innerhalb der Scheiden undeutlich oder verwischt. Ganz ähnliche Bilder bietet die Behandlung dieser entmark- ten Fasern mit Essigsäure. Ich habe mich zu diesen Beobachtungen sowohl des reinen Eisessigs, als verdünnterer Lösungen, hauptsäch- lich einer von 2'^'o bedient. Nur eine Differenz tritt bei der Behandlung mit Essigsäure gegen Kalilauge hervor, dass bei der ersteren der blau-violet gefärbte Axencylinder zunächst roth wird und dann seine Farbe ganz verliert. Doch lassen sich trotzdem die Quellungserscheinungen dabei auf das Deutlichste verfolgen. Auch an diesen Präparaten verändert sich nach einer gewissen Dauer der Einwirkung das Bild nicht mehr. Man sieht dann den gequollenen Axencylinder unverändert in der Faser und kein Anzeichen deutet mehr darauf hin, dass vor Kurzem ein so stür- mischer Process in ihrem Inhalte verlief. Aehnliche Veränderungen wie diese Lösungen von Essigsäure ruft auch die schon bei frischen Fasern benutzte 3IolescJiotf sehe Zur Histologie der Nervenfaser und des Axencylinder.s. 1G9 Lösung hervor, wahrscheinlich nur durch ihren Gehalt an Essig- säure bedingt. Verdünnte Kochsalzlösungen haben auf die entmarkte Faser keinen irgendwie nachweisbaren Einfluss. Die weitere Frage, welche sich den genannten direct zu be- obachtenden Veränderungen anschliesst, ist die, ob die Nervenfaser und speciell der Axencylinder unter der Einwirkung der erwähnten Keagentien noch weitere Veränderungen eingeht, die, längere Zeit in Anspruch nehmend, zunächst nicht zur Beobachtung gelangen. Hierüber konnte nur die Untersuchung Auskunft geben, nach- dem der Nerv stundenlang der Einwirkung grösserer Mengen des Reagens ausgesetzt war. Beginnen wir mit der Untersuchung des Nerven nach der längeren Einwirkung von destill. H2O. Um das Eindringen der jeweiligen Untersuchungsflüssigkeit zu erleichtern, habe ich es zweckmässig gefunden, den Nerven zunächst auf dem Objectträger in einigen Tropfen derselben zu zerzupfen, und dann erst ruhig in die Flüssigkeit einzulegen. Wird der frisch aus dem Frosch entnommene Nerv nach 24stündiger Einwirkung von H2O untersucht, so sieht man inner- halb der mehr oder weniger weiten ScJnvanif sehen Scheide eine Zeichnung, welche gegen die frische in diesem Reagens untersuchte Faser wesentlich contrastirt. Das breite centrale Gebilde, der gequollene Axencylinder ist vollständig verschwunden. An seiner Stelle sieht man, wie schon oben erwähnt, jenes schmale, feine Längsstreifen zeigende Band, welches sammt einigen körnigen oder scholligen Markresten in die jetzt sichtbar ge- wordene maschige äussere Markscheide eingeschlossen ist. Untersuchen wir nunmehr dieselben Fasern nach der Ent- markung mit Alkohol und Aether. Kühne, Untersuchungen II. 12 170 Th. Eumpf: Mit Hämatoxylin gefärbt zeigen die 24 Stunden mit H2O behandelten Fasern einen beträchtlichen Unterschied gegen die frisch mit Alkohol und Aether entmarkten. Der blauviolet ge- gefärbte centrale Faden der letzteren fehlt bei den ersteren vollständig. An seiner Stelle sieht man im Innern der Faser die kaum gefärbte Axencylinderscheide als äusserst feines Ge- bilde, dessen seitliche Contouren einen ungefärbten leeren Kaum einschliessen : Es ist also durch destillirtes H2O der Axen- cylinder gelöst worden. Wir haben die ersten Quellungser- scheinungen des frischen Axencylinders durch das Reagens auf dem Objectträger beobachtet; in dieser vollständigen Auf- lösung sehen wir das Endresultat des so stürmisch begonnenen Processes. Unterwerfen wir nun der gleichen Untersuchung einen Ner- ven, der zuerst durch Aether und Alkohol entmarkt war und nach der Entmarkung 24 Stunden der Einwirkung von destilhr- tem H2O ausgesetzt war. Hier sehen wir nach der Färbung den- selben schmalen gefärbten Axencylinder, wie ihn der Nerv darbie- tet, welcher nur mit Alkohol und Aether behandelt ist. In diesem verschiedenen Verhalten gegen H2O haben wir eine wesentliche Differenz zwischen dem frischen und dem mit Alkohol Aether behandelten Axencylinder. Wir haben uns oben in Folge der Färbung mit MiUon'SQhem Reagens der Ansicht an- geschlossen, dass wir in dem Axencylinder Eiweisskörper vor uns haben. Diese Ansicht musste die Frage nahe legen, ob der Axencylinder nach den verschiedenen Behandlungsmetho- den sich nicht insofern verschieden verhalte, dass wir in ihm bald eine lösliche Modification vor uns haben, bald eine unlösliche, oder ein durch Erhitzen oder Reagentien entstandenes unlösliches Coagulat. Das verschiedene Verhalten des frischen und des durch die Alkohol-Aetherbehandlung zuvor entmarkten Nerven gegen II2O scheint diese Ansicht vollständig zu bestätigen. Zur Histologie der Nervenfaser und des Axencylinders. 171 In der Behandlung mit siedendem Alkohol sind allein schon zwei Momente gegeben, die jedes für sich die Ursache der Coagulation von Albuminkörpern sein können. Eine weitere Bestätigung der Ansicht von der Entstehung eines unlöslichen Coagulates durch die von uns geübte Entmar- kung zeigte sich bei Untersuchung mit einem andern Reagens, dessen Wirkung auf den Axencylinder in neuerer Zeit Kühne ^) bei seinen Untersuchungen über den Sehpurpur wieder constatiren konnte. Es ist dieses die Galle, die ebenso, wie die Stäbchen der Retina, so auch frische Axencylinder löste. Doch geht die Auflösung des Letzteren keineswegs so rasch, wie diejenige der Stäbchen, und lässt sich nicht in gleicher Weise auf dem Object- träger verfolgen. Indessen löst 5— 10*^/0 Galle den Axencylinder des frischen Nerven innerhalb 24 Stunden. Der Axencylinder des mit Alkohol und Aether entmarkten Nerven wird jedoch durch 24stündiges Liegen in Galle in keiner Weise verändert. — Ebenso, wie diese beiden Reagentien er- weisen einige weitere die Differenz in der Löslichkeit zwischen dem Eiweisskörper des frischen und dem Coagulat des Alkohol- Aether-Nerven. Unter denjenigen Lösungen, welche am Schnellsten den fri- schen Nerven veränderten und jene Strömungen des Markes in ausserordentlich rascher und intensiver Weise hervorriefen, habe ich die Kalilauge genannt. Legen wir nun einen frischen Ner- ven, nachdem er gut zerzupft ist in Kalilauge von 0,1 "/o und 24 Stunden später nach gutem Auswaschen durch Wasser in Alkohol, so zeigt die Untersuchung nach der Entmarkung, dass auch in diesem der Axencylinder vollständig fehlt. ') W. Kühne, über den Sebpurpur, diese Untersucbungen I3d. I, Heft 1. 12* 172 Th. Rumpf: Wir haben somit in der Kalilauge von 0,1 ^jo ein weiteres Lösungsmittel für den frischen Axencylinder. Behandeln wir den mit Alkohol und Aether entmarkten Nerven in der gleichen Weise mit Kalilauge und untersuchen nach 24 Stunden, so finden wir ziemlich dasselbe Bild, wie wir es schon oben beschrieben haben. Wir sehen nach der Färbung im Innern der Faser eine stark gequollene Masse von deutlicher blauer Farbe, die mehr als die Hälfte der ganzen Faser einnimmt. Wir haben in diesem Verhalten gegen Kalilauge eine weitere Differenz zwischen dem frischen und dem coagulirten Axencylin- der. Das Coagulat wird durch Kalilauge in eine gequollene Masse verwandelt, die wir wohl als ein gallertiges Kalialbuminat auffassen müssen. Gelöst wird dasselbe jedoch im Gegensatz zu dem Axencylinder des frischen Nerven in 24 Stunden nicht. Etwas anders als die letzteren Reagentien wirkt Essigsäure. Hat ein frischer Nerv 24 Stunden in 2*^/o Essigsäure gelegen^ so ergibt die Untersuchung nach der Entmarkung und Färbung Folgendes : In der Faser zeigt sich ein centrales Gebilde von ziemlich gleichmässigem Umfang, das wiederum mehr als die Hälfte der Breite ausfüllt, durch Hämatoxylin blau gefärbt ist und die Zwischenbalken der Scheiden, sowie die äussere Hörn führende Scheide auf das Deutlichste erkennen lässt. Es ist also unter der 24 stündigen Einwirkung der Essigsäurelösung der Axencylinder nicht gelöst worden. Es ist aber auch der durch Essigsäure gequollene Axencylinder unter der Einwirkung des siedenden Alkohols und nachher des Aethers nicht beträchtlich geschrumpft. Ebensowenig wird der Axencylinder des Alkohol- Aether-Nerven durch Essigsäure gelöst. Die beiden gequollenen Gebilde unter- scheiden sich nur dadurch, dass der Axencylinder des zuvor ent- markten Nerven an Umfang demjenigen des frisch mit Essigsäure behandelten nachsteht, ein Umstand, den wir vielleicht darauf Zur Histologie der Nervenfaser und des Axeneylinders. 173 beziehen müssen, dass durch die Behandlung mit siedendem Alkohol die Axencylinderscheide einen Theil ihrer im frischen Nerven jedenfalls grossen Elasticität eingebüsst hat. In beiden aus dem Axencylinder hervorgegangenen Körpern haben wir wahrscheinlich Acidalbumine vor uns. Wenigstens scheint diese Ansicht in dem Verhalten gegen einige Reagentien «ine Stütze zu finden. Legen wir Nerven, die direct aus dem Frosch entnommen, 24 Stunden in Essigsäure gelegen hatten, nach gutem Ausspülen in eine concentrirte Kochsalzlösung und schreiten nach 24 stün- digem Liegen in dieser zur Entmarkung und Färbung, so sehen wir jetzt in der Faser an Stelle des gequollenen Gebildes einen stark geschrumpften Faden, wie er auch sonst durch die blosse Behandlung des Nerven mit siedendem Alkohol und Aether ent- steht. Es ist somit durch die concentrirte Kochsalzlösung die durch Essigsäure entstandene Masse gefällt, was unter der Behandlung mit siedendem Alkohol in keiner Weise geschah, ein Verhalten, welches vollständig mit dem seither bekannten der Acidalbumine sich in Uebereinstimmung befindet. Dieselbe Schrum- pfung erleidet der durch Essigsäure gequollene Axencylinder des Alkohol- Aether-Nerven unter der Einwirkung concentrirter Koch- salzlösungen. Noch ein anderes gleiches Verhalten, wie das des Acidalbumin's, lässt sich an dem durch Essigsäure veränderten Axencylinder nach- weisen. Legt man diesen 24 Stunden in eine Lösung von kohlen- saurem Natron und untersucht nach der Entmarkung, so sieht man in einem Theil der Fasern einen ebenfalls geschrumpften Axencylinder, in einem andern Tlieil hat aber schon der Process der Auflösung dieses Acidalbumins begonnen; hier fehlt der Axencylinder schon theilweise. Die gequollene Masse, welche unter der Einwirkung dei' 174 Th. Rumpf: kalten Essigsäure in der frischen Faser entstanden ist, kann je- doch noch auf anderem Wege, als durch Alkalien zur Lösung gebracht werden, und zwar durch längeres Kochen in Essigsäure. Schon Kolliker hat darauf aufmerksam gemacht. Nach ein halb stündigem Kochen in Essigsäure und nachfolgender Entmarkung zeigt der Nerv an Stelle des gequollenen Axencylinders die leere Axencylinderscheide. Ein Gleiches ist jedoch mit dem Eiweisscoagulat des schon zuvor entmarkten Nerven nicht der Fall. In diesem ist nach gleicher Behandlung die gequollene Masse noch nachweisbar. Salzsäure von 0,1 °,'o wirkt wenig intensiv und langsam auf den Nerven ein. Eine Quellung des Axencylinders lässt sich dabei nicht constatiren. Auch die Strömungserscheinungen des Markes treten bei ihrer Anwendung nicht auf. Doch sind nach 24 stündiger Einwirkung die Axencylinder der gut zerzupften Fasern gelöst; das Coagulat der Alkohol- Aether-Nerven wird von Salzsäure nicht wesentlich verändert. Eine nicht unbeträchtliche Veränderung ruft die von Mole- scJiott^) empfohlene Essigsäure -Alkohol-Mischung an der Nervenfaser hervor. Das Austreten eines Theils des Markes habe ich schon oben bei der Untersuchung der frischen Faser erwähnt. Bei längerer Einwirkung wird ein Theil des Markes jedenfalls auch gelöst. Hervorzuheben ist ausserdem die beträchtliche Quellung des Axencylinders, der als breites Band so deutlich hervortritt, dass man diese Mischung als Controlle für die übrigen Untersuchungen betreffs der Lösung des Axencylinders verwenden kann. Vielfach wurde sie desshalb bei den seitherigen, sowie auch den weiter folgenden Untersuchungen benutzt. 1) Bestehend aus: 1 Volum. Alkohol, absol. ; 1 Volum. Eisessig; 2 Volum. Wasser. Zur Histologie der Nervenfaser und des Axencylinders. 175 Von noch grösserer Bedeutung als die bisher gefundenen Lösungsmittel des frischen Axencylinders, wurde für uns ein an- deres Keagens, zu dessen Anwendung wir durcli die schon viel- fach hervorgehobene Aehnhchkeit des Axencylinders mit der so- genannten Muskeltibrille veranlasst wurden. Die Frage, ob unter den Eiweisskörpern des Axencylin- ders einer mit dem im Sarkolemraaschlauch vorkommenden Myosin identisch sei, kann wohl als eine der wichtigsten in der physiologischen Chemie betrachtet werden. Dieselbe führte zu der Untersuchung des Axencylinders in Kochsalzlösungen, welche nach Kühne in einer Concentration von 5— 10 °/'o Lösungs- mittel für das Myosin sind. Schon oben habe ich erwähnt, dass die Untersuchung der frischen Fasern mit verdünnten Kochsalzlö- sungen auf dem Objectträger ausser Gerinnungserscheinungen des Markes nichts Wesentliches zeigt. Unter der Einwirkung von stär- keren Kochsalzlösungen tritt eine nach der Concentration mehr oder weniger bedeutende Schrumpfung der Nervenfaser ein. Legen wir nun frische gut zerzupfte Nervenfasern in die verschiedensten Kochsalzlösungen, deren Salzgehalt von einem pCt. bis zur vollständigen Sättigung schwankt, und untersuchen nach dem Auswaschen in Wasser und der Entmarkung durch Alkohol und Aether, so sehen wir in allen diesen Fasern den Axencylin- der deutlich erhalten. Derselbe ist in den Kochsalzlösungen von stärkerer Concentration nicht unbeträchtlich geschrumpft; in den weniger starken lässt sich eine Differenz zwischen diesem und dem nur mit Alkohol und Aether behandelten nicht nachweisen. Da sich unter den NaCl-Lösungen auch solche von 5, 7^/2, 10 "^/o befaiy;len, so ist nach diesen Befunden eine Identität mit dem Myosin ausgeschlossen. Erst beim Uebergang zu verdünnteren Kochsalzlösungen un- ter einem pCt. zeigten sich die ersten Spuren einer Einwirkung auf den Axencylinder. Legt man frische, gut zerzupfte Nerven- 176 Th. Eumpf: fasern in eine Kochsalzlösung von 0,75 *^/o und schreitet nach 24- stündiger Einwirkung zur Entmarkung und Untersuchung ^ so zeigt in einer Eeihe von Fasern der Axencylinder ein Verhalten, das sich nur durch eine theilweise Auflösung erklären lässt. Man sieht, wie oft mitten in der Faser der massig dicke Axen- cylinder sich verdünnt und mit fein auslaufender Spitze endigt; dann folgt ein Stück, in welchem derselbe vollständig fehlt, bis nach einer mehr oder weniger langen Strecke ein gleich feines, oft auch kolbiges Ende wieder das Vorhandensein anzeigt. Dabei ist die Faser im übrigen normal. An andern Fasern ist der Schwund des Axencylinders mehr an dem Schnittende zu con- statiren. Doch enthält die grösste Anzahl der Nervenfasern ent- schieden noch deutlich einen Axencyhnder. Stärker ist schon die Einwirkung, welche der Nerv nach 48 stündigem Liegen in der ^ji^jo Kochsalzlösung erleidet: Hier überwiegt in den gut zerzupften Fasern die Anzahl solcher, in welchen der Axencylinder gelöst ist. Legt man solche Fasern, welche 48 Stunden in dieser Kochsalzlösung gelegen haben, ohne sie zu entmarken, in die 3IolescJtotfsch.e Lösung und untersucht nach längerem Liegen, so ist in dem grössten Theil der Fasern von dem breiten centralen Gebilde, wie es sich in frisch mit der Lösung behandelten darbietet. Nichts mehr zu sehen. Die Fasern sind wesentlich verschmälert, bieten dasselbe Bild, wie ich es schon bei der vorhergehenden Behandlung mit destillirtem Wasser erwähnt habe und enthalten eine grosse Menge feiner Körnchen ; hier und da haben sich auch jene schon bekannten Stulpen ge- bildet, die jedoch jetzt nur um die innere meist zusammenge- fallene Scheide gelagert sind. Vereinzelte Fasern enthalten auch noch den breiten Axencylinder. Es ist somit in einem grossen Theil der Fasern der Axencylinder gelöst. Noch rascher erfolgt das Verschwinden des Axencylinders in verdünnteren Lösungen. In ^l2^/o und ^/4*^/o Kochsalz- Zur Histologie der Nervenfaser und des Axencylinders. 177 lösungen ist derselbe schon nach 24 Stunden vollständig ver- schwunden und ebenso in gewöhnlichem Wasser. Die Grenze der Lüslichkeit dürfte nach diesen Untersuchungen wohl zwischen 3/4 und einem 1 "/o NaCl liegen. Dass diese leichte Löslichkeit des Axencylinders in Lösungen von Kochsalz, deren Gehalt etwa demjenigen der normalen Körperllüssigkeiten entspricht, uns sehr in Erstaunen setzte, ist wohl begreiflich. Ich werde auf weitere Ergebnisse aus diesen Befunden alsbald eingehen. Zuvor möchte ich jedoch die Aufmerksamkeit auf eine Frage lenken, die sich an die Löslichkeit des frischen Axencylinders im Allgemeinen anschliesst. Dass aus diesem unter der Ein- wirkung von siedendem Alkohol eine unlösliche IModitication, ein Coagulat, entsteht, habe ich schon erwähnt und es musste sich daran die Frage anschliessen , bei welcher Temperatur dieses Unlöslichwerden vor sich geht, d. h. der Axencylinder ge- rinnt. Die Entscheidung dieser Frage war durch die erwiesenen Lösungsmittel für den Axencylinder ermöglicht. Einige Vorversuche hatten gelehrt, dass die Lösung des Axencylinders bei höheren Temperaturen bis zu 45*^ C. in H2O und den erwähnten KaCl-Lösungen schon innerhalb einer halben Stunde erfolgte. Wurde nun ein frischer Nerv direct in ^2 — ^/.i*'/o Kochsalz- lösung von 50^ C. eingelegt und die Flüssigkeit eine halbe Stunde auf derselben Temperatur erhalten, so ergab die Untersuchung nach dem Entmarken, dass der Axencylinder vollständig erhalten war und als schmales Band in der Faser verlief. Derselbe hatte sich auch während des Abkühlens und der weiteren Einwirkung des Reagens nicht mehr gelöst. Wurde an Stelle von Kochsalz- lösungen destillirtes Wasser benutzt, so war jedoch nach halb- stündiger Einwirkung einer Temperatur von 50*^ C. der Axen- 178 Th. Rumpf: cylinder nicht erhalten, sondern gelöst. In destillirtem Wasser erfolgte die Gerinnung des Axencylinders erst bei einer Tem- peratur von 52° C. Dabei wurde der geronnene Axeneylinder in keiner Weise von dem destillirten Wasser während des Ab- kühlensund durch längeres Liegen verändert. Die Gerinnungs- temperatur des Axencylinders liegt sonach zwischen 50° — 52° C. und differirt etwas nach den Untersuchungsflüssigkeiten. Ausser durch höhere Temperaturen entsteht das Axencylinder- coagulat aber auch durch einige Reagentien, die ich hier nur kurz anführe, da die Einzelheiten der Untersuchung uns zu weit führen würden. So entspricht der Axeneylinder von Nerven, die längere Zeit nur in kaltem Alkohol gelegen haben, vollständig dem un- löslichen Coagulat und ebenso wirken Chromsäure und die Müller'sche Flüssigkeit. Kehren wir nunmehr zu einigen Fragen zurück, die sich aus der Untersuchung des Axencylinders mit Kochsalzlösungen ergaben. Die leichte Löslichkeit des Axencylinders in Kochsalz- lösungen, deren Procentgehalt demjenigen normaler Körper- flüssigkeiten etwa gleich kam, musste entschieden auffallen. Es wurde desshalb sogleich der Versuch gemacht, wie sich der Axeneylinder zu der normalen Flüssigkeit selbst, zur Lymphe, verhalte. Aus einer Anzahl Curarefröschen wurde eine genügende Menge Lymphe gewonnen und die aus frisch getödteten Fröschen entnommenen Nerven in diese eingelegt. A priori war zu erwarten, dass sich der Axeneylinder der Nervenfaser in der normalen Körperflüssigkeit vollständig gut er- halten werde, zumal ein Nervenmuskelpräparat. wie vielfach con- statirt und leicht zu erweisen, in Lymphe viele Stunden erregbar bleibt. Dafür sprach ferner, dass sich am Nerven nach vielstün- Zur Histologie der Nervenfaser und des Axencylinders. 179 diger Einwiikung- der Lymphe noch deutlich das normale elec- tromotorische Verhalten nachweisen lässt. Doch gestaltete sich das Resultat anders, als wir erwartet hatten. Nach 24 Stunden wurde der erste Xerv aus der Lymphe entfernt und mit Alkohol und Aether entmarkt. Die Untersuchung ergab nach der Färbung mit Hämatoxylin eine beträchtliche Differenz gegen den frisch entmarkten. An Stelle des schmalen centralen Fadens fand sich in vielen Fasern dieselbe gequollene, unregelmässig begrenzte, centrale Masse, wie sie sich ähnlich nach der Einwirkung von Essigsäure an der frischen Faser dargeboten hatte. Dieselbe war unter der nach- träglichen Einwirkung von Alkohol und Aether sonach nicht geschrumpft. Doch fanden sich an diesem Präparat noch eine grosse Zahl Uebergangsstufen von dem anscheinend noch wenig veränderten Axencylinder bis zu den beschriebenen Formen. Nur in sehr wenigen vereinzelten Fasern liess sich an diesem, nur 24 Stunden der Einwirkung der Lymphe ausgesetzten Nerven ein Axencylinder oder ein Derivat desselben überhaupt nicht mehr nachweisen. An Nerven, welche nach 48 stündigem Liegen in Lymphe untersucht wurden, waren die Veränderungen schon weiter vor- geschritten. Es fanden sich an diesen schon mehr Fasern, welche den Axencylinder nicht mehr aufwiesen. Es waren allerdings noch Nerven mit etwas diffuserer Färbung und aufgequollenem centralem Inhalte vorhanden, die sich bei Untersuchung mit dem Immersionssystem von denselben Tags zuvor sichtbaren Gebilden nicht unterschieden. Doch überwogen bei diesen Nerven die an- scheinend leeren Scheiden schon bedeutend. Noch deutlicher traten diese Erscheinungen in denjenigen Nerven auf, die 72 Stunden (im Winter) in Lymphe gelegen hatten. Hier waren auch jene mehr diffus und schwach gefärbten, unregel- mässig verbreiterten centralen Massen nicht mehr nachweisbar: 180 Th. Eumpf: die inneren Scheiden machten hier den Eindruck vollständig leerer Hülsen. Dass diese Einwirkung der Lymphe auf den Axencylinder für uns mehr als überraschend war, brauche ich wohl nicht zu erwähnen. Der Umstand, dass ein Nerv in Verbindung mit seinem Muskel in Lymphe Stunden bis Tage lang seine Erreg- barkeit behält, hatte eine derartige Einwirkung keineswegs er- warten lassen. Diesem Erhaltenbleiben der Erregbarkeit des Nervmuskelpräparates in Lymphe entsprach aber noch eine wei- tere Thatsache. }3ekanntlich treten nach der Durchschneidung und Trennung eines Nerven von dem Centralorgan in dem peri- pheren Stück jene Degenerationsvorgänge ein, in Folge deren der Nerv im Laufe einer Reihe von Tagen faradisch und gal- vanisch unerregbar wird, während sich im Muskel selbst jene Veränderung der Erregbarkeit vollzieht, welche Erb als Entar- tungsreaction bezeichnet hat. Doch sind zum Ablauf der Dege- neration des Nerven beim Frosch stets einige Wochen nothwendig, während in den ersten 24 — 72 Stunden nach der Durch- schneidung eine Veränderung nur an der Schnittstelle nachweis- bar ist. 1^2iQh Engelmann'^) findet im Lauf der ersten Tage eine Degeneration der Faser bis zum nächsten i^anvzer'schen Schnür- ringe statt ; aber abgesehen von diesem minimalen Stücke ist der Nerv vollständig erregbar und zeigt, wie ich mich beim Frosch stets zu überzeugen Gelegenheit hatte, einen deutlichen Axen- cylinder. Allerdings lagen bei diesen einfachen Durchschneidungen die Verhältnisse insofern anders, als der Nerv hierbei noch mit sei- nem peripheren Endorgan, der Nervenendplatte im Muskel einer- seits und dem sensibeln Endorgan andererseits in Verbindung war. Dass dem einen von diesen, der Nervenendplatte, ein Theil 1) Pflilger's ArcLiv, Bd. XIII. Zur Histologie der Nervenfaser und des Axencylinders. 181 der Ernälirung der Nervenfaser zufällt, hat Kähne ^) schon vor längerer Zeit aus Versuchen mit Curare und Unterbindung der Muskelarterien geschlossen, eine Ansicht, die, wie ich '^) gezeigt habe, auch beim Menschen in dem Verhalten der Nerven bei der Mit- telform der Entartungsreaction ihre volle Bestätigung findet. Diese Erwägungen führten zu der Frage, wie sich der Axen- cylinder innerhalb des Körpers selbst verhält, wenn der Nerv nicht nur vom Centrum, sondern auch vom peripheren Endorgan getrennt ist. Es wurde desshalb bei einer Anzahl von Fröschen der N. ischiadicus doppelt durchschnitten und zwar in der Art, dass das obere Ende entweder nach dem Austritt aus dem Becken oder mit Eröffnung des Wirbelkanals in seinen Wurzeln durch- schnitten wurde, das untere Ende kurz vor dem Eintritt in die Unterschenkelrauskeln in der Kniekehle. Mit Belassen des Nerven in dem Körper wurden die Hautwunden möglichst gut genäht. Nach 24 Stunden wurde der erste Frosch getödtet und der Nerv mit Alkohol und Aether entmarkt, und nach je weiteren 24 Stunden die folgenden. Der erste Nerv, welcher 24 Stunden nach der doppelten Durchschneidung im Körper verblieben war, zeigte nach der Entmarkung und Färbung mit Hämatoxylin den- selben gequollenen Axencylinder, wie der in Lymphe ausserhalb des Körpers einen Tag behandelte. Am Stärksten ausgesprochen war diese Veränderung nicht zu weit vom Schnittende, weniger nach der Mitte des resecirten Stückes, wo sie allerdings ebenfalls nicht zu verkennen war. Dabei muss man sich selbstverständlich vor Verwechselung mit solchen Fasern hüten, die sich oberhalb der Kniekehle vom Nervus ischiadicus trennen und dem gemäss mit ') Arcliiv f. Anatomie, Physiologie etc., von Beichert nnd Du Bois- Beymond., Jahrg. 1860. -) Archiv f. Psychiatrie und Nervenkrankheiten, Bd. YIII, Heft 3. 182 Th. Rumpf: ihrem peripheren Endorgan noch in Verbindung sind. Nahe dem Schnittende der Faser war aber der Process schon weiter vorge- schritten. Es fanden sich hier schon Fasern, in welchen keine gequollene Masse die Axency linderscheide mehr ausfüllte. Nach 48 und 72 Stunden war in der grösseren Mehrzahl der Fasern der Axencylinder verschwunden. Hauptsächlich war Dieses der Fall, wenn das Präparat von dem obern oder untern Schnittende genommen wurde; mehr nach der Mitte eines langen resecirten Stückes waren noch mehr Keste des Axencylinders nach zwei und auch drei Tagen vorhanden. In kurzen 10—20 mm. langen Stücken eines Nerven liess sich nach 72 Stunden in der Regel keine Spur eines Axencylinders mehr nachweisen. Dass dieser Process nicht mit der einfachen Degeneration des Nerven verwechselt werden darf, bei welcher die Faser im Laufe von 2 — 3 Tagen etwa bis zum nächsten Fianvier'sohen Schnürring abstirbt, brauche ich wohl kaum hinzu- zufügen ^). Diese Löslichkeit des Axencylinders in Lymphe und im Kör- per selbst dürfte für unsere Auffassung von den Ernährungs- 1) Icli muss hier noch auf zwei Versuche aufmerksam Biachen, welche Hanvier kurz in seinen Legons erwähnt. Einmal durchschnitt er den N. ischiadicus doppelt und liess das resecirte Stück an seiner Stelle, und dann führte er das herausgeschnittene Stück in die Peritonealhöhle ein und liess es hier drei Tage. Aus dem Verhalten des Markes und der Kerne bei der Untersuchung glaubte Banvier schliessen zu müssen, dass der Process bei doppelter Durchschneidung mit demjenigen der einfachen Degeneration identisch sei. Diese Anschauung Banvier^s dürfte durch obige Versuche vollständig erledigt sein. Wenn ich im Text nicht näher darauf eingegangen bin, so geschah es einerseits desshalb, weil meine Arbeit in der jetzigen Fassung schon fast abgeschlossen war, als mir Banviefs Werk zugänglich wurde, andererseits, weil ich auf Grund der neuge- wonnenen Gesichtspunkte über den Axencylinder dazu geführt wurde, die Vorgänge bei der Degeneration der Nervenfasern einer er- neuten Prüfung zu unterziehen. Bei Mittheilung der Resultate dieser Untersuchung werde ich Gelegenheit nehmen, auf die Banvier'sche Anschau- ung zurückzukommen. Zur Histologie der Nervenfaser und des Axencylinders. 183 Vorgängen in den nervösen Leitungsbahnen von wesentlicher Bedeutung sein. Jedenfalls ist durch diesen Versuch die Annahme einer Selbstständigkeit des Axencylinders in Beziehung auf Er- nährung und Absterben ausgeschlossen. Wir müssen in Betreff einer ständigen Ernährung des Axencylinders somit hauptsächlich auf die Endorgane recurriren, und zwar sowohl auf die cen- tralen, als auf die peripheren. Sind auch unsere Kenntnisse der degenerativen Verände- rungen nach Nervendurchschneidungen noch in keiner Weise abgeschlossen, so steht doch soviel fest, dass das centrale Ende eines Nerven bis auf geringe Veränderungen an der Schnittfläche lange Zeit vollständig normal bleibt. Dass sich in späterer Zeit, wahrscheinlich in Folge des Nichtgebrauches, auch hier Verände- rungen einstellen, können wir als für unsere jetzigen Fragen unwesentlich übergehen. Jedenfalls aber beweist dieses Erhalten- bleiben des centralen Endes eines Nerven, in Verbindung mit unsern Resultaten, dass die Endorgane der Axencylinder in den Centralorganeu, die Ganglien des Rückenmarks zur Ernährung des Axencylinders ausreichen. Was das periphere Stück eines einfach durchschnittenen Nerven betrifft, so tritt hier jene be- kannte Degeneration ein ; aber bei diesen verhältnissmässig lang- sam verlaufenden Degenerationen bleibt der Axencylinder doch eine Reihe von Tagen erhalten. Und dem entsprechend Ijleibt auch der Nerv, wenigstens in seinem grössern Theil, eine Reihe von Tagen erregbar. Wenigstens lässt sich von den motorischen Fasern aus noch lange eine Zuckung im Muskel auslösen. In den sensibeln Fasern lässt sich die Leitung der Erregung selbstverständlich nicht nachweisen; aber auch deren Axencylinder bleibt erhalten. Somit müssen wir einen Theil der Ernährung der Axen- cylinder auch den peripheren Endorganen, an den Nervenendplatten in den Muskeln einerseits, und den sensibeln Endorganen andrer- seits zuschreiben. Da aber die Nerven trotz der Ernährung von 184 Th. Rumpf: dieser Seite her degeneriren, so fällt mit der Trennung von dem Centralorgan noch ein Einfluss fort, den wir entweder in einer gewissen Kegulation der Ernährung suchen können, oder indem wir annehmen, dass die Ernährung durch diese diejenige der peripheren Endorgane übertrifft und letztere daher nur eine ge- wisse Zeit die gesammte Arbeitslast übernehmen können. Allerdings kann diese Anschauung einer Ernährung der Nerven- fasern nicht als neu bezeichnet werden. Schon oben habe ich er- wähnt, dass Kühne aus experimentellen Untersuchungen zu dem- selben Resultat gekommen ist, und dass diese Resultate auch in der Neuropathologie volle Bestätigung finden. In neuester Zeit sind aber von Banvier^) die Ernährungs- vorgänge im Nerven anders aufgefasst worden. Banvier hat bekannthch an Silber-Präparaten zuerst den be- kannten Schnürring nachgewiesen. Er glaubte, dass an diesen Stellen das Mark vollständig fehle und fand diese Ansicht auch durch einige andere Reagentien, von welchen ich oben schon die Osmiumsäuren erwähnt habe, bestätigt. Da an diesen Schnür- ringen krystallo'ide Substanzen, wie Lösungen von Argentum nitricuhi u. s. w. leicht nach dem Innern der Faser diffundirten, so schloss Banvier, dass auch im lebenden Nerven hier eine Diffusion statthabe, und dass von hier aus die Ernährung des Axencylinders erfolge. Ich habe schon oben darauf hingewiesen, dass aus den Mark- unterbrechungen, wie sie in verschiedenen Reagentien hervortreten, das Vorhandensein dieser in der lebenden Faser noch keineswegs geschlossen werden darf. Noch ungerechtfertigter aber dürfte es sein, aus postmortalen Diffusionen, wie sie nicht nur an dem Schnürringe, sondern auch an andern markleeren Stellen auftreten, 1) Recherchcs sur l'histolog., Arch. d. Physiol., Tome IV, 1871—72; ferner: Le^ons sur l'histol. du Systeme nerveux, Paris 1878. Zur Histologie der Nervenfaser und des AxencyliiKlt'r,s, 185 auf solche in der lebenden Faser zu scliliessen und darauf eine Hypothese über die Ernährung des Axencylinders zu bauen. Die Thatsache, dass der Axencyhnder nach der Trennung von seinem centralen und peripheren Endorgan einem raschen Zerfall anheimfällt, beweist wohl vollständig, dass demselben eine Selbstständigkeit der Ernährung nicht zukommt. Bei der seitherigen Untersuchung habe ich von einer Frage fast ganz abgesehen, die seit M. SchtiUsrs bekannter Arbeit in der Histologie der Nervenfaser eine grosse Bedeutung erlangt hat. Sie betrifft die angeblich fibrilläre Structur des Axen- cylinders. Eine grosse Anzahl Forscher schloss sich dieser Ansicht über die Zusammensetzung des centralen Gebildes der Primitivfaser an; Andere sprachen sich dagegen aus. Doch fehlte eine Er- klärung für die Bilder, wie sie nach Argentum ni tri cum auftreten, vollständig, bis Kuhuf, nach dem sichern Nachweis der Axen- cylinderscheide die fibrilläre Zeichnung auf eine Faltenbildung und Färbung dieser zurückführte. Er führte für diese Anschau- ung einige wichtige Gründe an. Dass eine fibrilläre Streifung auch nach Auflösung des Axen- cylinders an der Scheide desselben hervortritt, habe ich schon oben beiläufig erwähnt. Nervenfasern, deren Axencylinder durch 24stündige Einwirkung von destillirtem Wasser gelöst sind, zeigen im Innern der Faser, an Stelle des anfänglich gequollenen Axen- cylinders, ein schmäleres Gebilde mit deutlichen Längsstreifen. Dieser Befund legte es nahe, Fasern, deren Axencylinder gelöst war, unter der Einwirkung von Argent. nitr. zu unter- suchen. Durch die Lösung im Körper nach der doppelten Durch- schneidung schien die Möglichkeit der Färbung wenigstens ebenso vorhanden, wie für andere frische Präparate. Kühne, Untersticliiingon II. 13 186 Zur Histologie der Nervenfaser und des Axencylinders. Zu diesem Zweck wurde der doppelt durchschnittene N. ischi- adicus eines Frosches nach 4tägigem Verbleiben in dem Körper, gut zerzupft, der Einwirkung von Arg. - nitr. - Lösung ausgesetzt und nach gutem Auswaschen dem Sonnenlicht exponirt. Nach längerer Einwirkung von absolutem Alkohol und Ein- betten in Canadabalsara zeigte das Präparat dieselbe Zeichnung, wie die frischen, ihren Axencylinder enthaltenden Fasern. Man sieht an den Schnürringen dieselben schwarzen Kreuze, wie sie Eanvier zuerst dargestellt hat; und von ihnen aus lässt sich deutlich der angebliche Axencylinder mit den abwechselnden dun- keln und hellen Querstreifen, hie und da auch mit fibrillären Längsstreifen in der ganzen Länge der Faser bis zum Schnitt- ende verfolgen. Die Färbung gelang mir stets gut, auch an Fasern, die nur drei Tage, oder auch längere Zeit, bis zu sechs Tagen im Körper verblieben waren. Dabei überzeugte ich mich durch Controlpräparate stets, dass der Axencylinder wirklich verschwunden war. Damit ist auf das Evidenteste bewiesen, dass der mit Ar- gentum nitricum seither deutlich gemachte centrale Theil der Faser unmöglich der Axencylinder sein kann, dass also alle aus der Behandlung mit dem Silberreagens entstandenen An- gaben über die Structur des Axencylinders, die fibrilläre Zu- sammensetzung einerseits, und die nervous Clements Schmidfs '), sowie die disques Grandrp'&^) andererseits, nur aus der Färbung anderer Gebilde entsprungene Irrthümer sind. Heidelberg, den 1. August 1878. Monthhj, microscop. journ. 1874, XII. Bulletin de l'acaclemie royal tle Belgique, T. XXV. Zur Histolooie der motorischen Nervenencliijunsr. 187 Zur Histologie der motorisclien Neryenendigiing. Von ^Y. Küliue. (Mit sieben Holzschnitten.) Durch die Arbeiten der letzten Jahre sind die vor geraumer Zeit von mir beschriebenen Formen der motorischen Nerven- endigung erfreulicher Weise soweit bestätigt, dass dieselben der experimentellen physiologischen Bearbeitung als Grundlage zu dienen beginnen. Es ist den Methoden des Yersilberns und Ver- goldens zu danken, dass die im Ueberleben und Absterben immer noch schwer erkennbaren Bilder der intramuskulären Nerven- verästolung heute allgemeiner bekannt geworden und dass es nur \Yenige mehr giebt, welche nicht den Hauptresultaten jener Untersuchungen zustimmten. Darnach giebt es zwei Arten oder Typen der Nervenendigung, die eine nur bei den Amphibien (vielleicht auch bei den Fischen, mit Ausnahme der Rochen) vorkommende, mit weniger verästelten aber verhältnissmässig lang gestreckten Axencylindern von nahezu unveränderlichem Querschnitte (auch blasse Terminalfasern, französisch: „tiges" oder „fibres päles" genannt), welche ich zuerst am Frosche beobachtete, die andere später von mir in den Nervenhügeln der Reptilien und Säuger gefundene, in Gestalt einer gelappten, durch vielfache Verästelung in sich zurückrankenden, stellenweise Anastomosen bildenden Platte. Die letztere ist in den ersten Minuten des Ueberlebens von so ausserordentlicher Durchsichtigkeit und von 13* 188 W. Kühne: ihrer Umgebung wenig verschiedenen Lichtbrechung, dass sie von Manchen ganz geleugnet, oder wegen des erst im Absterben deutlicheren Hervortretens für ein blosses cadaveröses Product genommen wurde, während man von anderer Seite zu verstehen gab, das Bild sei durch geronnenes in den Z)o«/ere'schen Hügel getretenes Nervenmark vorgetäuscht. Da meine ursprüngliche Angabe über die Veränderlichkeit und Zunahme der Lichtbrechung in der Platte nach dem Tode soeben wieder Bestätigung ge- funden und die Goldmethode inzwischen auch Diejenigen für die reale Existenz der Platte eingenommen hat, welche nach den Yersilberungsbildern noch Zweifel hatten, so darf wenigstens Dies für erledigt erachtet werden, dass nicht nur zwischen meinen Angaben über das ausschliessliche Vorkommen sog. blasser Ter- minalfasern bei den Amphibien und solchen Angaben, welche diese von mir gefundene Form intramuskulärer Axencylinder den Nervenhügeln der übrigen Thiere ebenfalls zuschrieben, keine Gemeinsamkeit besteht, sondern dass auch das Object in Wahr- heit Nichts davon zeigt. Der Unterschied zwischen meiner Dar- stellung der Platte im Nervenhügel und derjenigen, welche darin blasse Terminalfasern sah, ist grösser, als der zwischen einem entlaubten Weidenaste und dem Schaufelgeweihe des Damhirsches. Eine der Darstellungsweisen der motorischen Nervenendigung mittelst der Vergoldung, habe ich die Freude gehabt, unter meinen Augen entstehen zu sehen (vergl, Ä. Eivald. Pflüger''s Archiv Bd. XIL, S. 529), während ich durch die Güte des Verfassers der andern, die Vergoldung lehrenden Abhandlung {E. Fischer^ Arch. f. mikroskop. Anat., Bd. XIII, S. 365) Gelegenheit fand, auch die nach der Löivifsdien Methode erhaltenen Präparate, namentlich von Säugern und Vögeln zu sehen und mit den sehr getreuen Abbildungen des Autors zu vergleichen. Weniger be- kannt, als diese werthvollen Arbeiten, dürfte die neueste wieder mit der Silbermethode durchgeführte Untersuchung von Ciaccio Zur Histologie der motorischen Nervenerdigung. 189 (Mem. d. Accad. d. Sc. d. Inst. d. Bologna, Ser. IIL Tom. VIII, 17. Mag. 1877) geworden sein, welche an dem vermuthlich günstig- sten Objecte der Muskeln von Torpedo, wo Trinchese die Unter- suchung schon mit manchem Erfolge begonnen, zu genau den- selben, meine auf die Reptilien und Säuger bezüglichen Angaben bestätigenden Resultaten gelangt, wie vor 14 Jahren CohnJieim. Ich selbst kann behaupten, den Gegenstand seitdem niemals ver- lassen zu haben, und da mir die inzwischen erworbenen Er- fahrungen über die Hornscheiden der Nervenfasern eine Unter- suchung der freien Axencylinder in den Endigungen, oder deren Umformungen in den Muskeln, auf jenen verbreiteten Bestand- theil des Nervensystems zur Pflicht machten, so darf ich hoffen, dass einige daran anknüpfende Mittheilungen über die motorische Nervenendigung willkommen sind. Besitzen die intramuskulären Nerven Scheiden? Verdauungsversuche an Muskeln mit Nervenenden angestellt, zeigten vollkommene Zerstörbarkeit des ganzen marklosen intra- muskulären Antheiles; da die Methode jedoch den Eigenthümlich- keiten des Objectes wenig entsprach, habe ich mich noch eines zweiten Mittels bedient, das für die innere Hornscheide (Axen- cylinderscheide von Bemale und Kuhnt) vortreffliche Dienste leistete und sich für den vorliegenden Zweck leicht auf die Mus- keln ausdehnen Hess. Dasselbe besteht in der von JSIoleschott auch zur Isolirung von Axencylindern u. A. angegebenen Mischung von 1 Vol. Eisessig mit 1 Vol. Alkohol und 2 Vol. Wasser, welcher der Erfinder bereits nicht zu viel nachgerühmt hat. Es gelang mir leicht, von Nerven, die 8 — 14 Tage darin verweilt hatten, die Axencylinder auf so lange Strecken wohl erhalten zu isoUren, wie es Iloleschott angibt, ich fand aber, dass sie in der Regel bekleidet von der inneren Hornscheide, die sie nicht mehr ganz erfüllen, zum Vorschein kommen. Die Scheiden sind oft 190 W. Kühne: besetzt mit seitlichen Anhängen oder Stücken der Stulpen, welche den mit Mark gefüllten Abtheilungen der Nervenfaser entsprechen, die von Schmidt und Lantermann, Key und Betzius u. A. entdeckt und beschrieben worden. Da die in Fig. 1 gezeichneten Anhängsel weder durch Chloroform, noch auf dem Object- träger durch Trypsin- oder Pepsinverdauung ver- änderlich sind und durch Aetzkali von 5— lOpCt. ohne Erwärmen in einigen Stunden nicht aufgelöst werden, so ist die Verschiedenheit dieser Hüllen von Myelin-' oder Albuminstoffen des Markes und die Identität mit dem Neurokeratin der inneren Hornscheide und der anhaftenden Bruchstücke des Hornnetzes ausser Zweifel. Innerhalb seiner Hornscheide ist der Axencylinder nach blosser Behandlung mit MolescJiott'& Mischung als ein besonderer Strang gut zu erkennen. Beständen nun die motorischen Nervenplatten, oder die blassen Terminalfasern der Amphibien aus einem nervösen In- halte mit umgebender Hornscheide, so wäre ein ent- sprechendes, wenigstens stellenweise zwei Contouren zeigendes Bild im Nervenhügel, oder im Froschmuskel zu erwarten. Ich habe indess an den Muskeln der Eidechsen niemals etwas davon bemerken können, obschon es mir oft gelang, die freilich nach längerer Einwirkung ^^' ^' des Reagens sehr schmal gewordene Platte mit ihren Verästelungen über dem hellen Muskelinhalte und der ebenfalls recht durchsichtig gewordenen Plattensohle, deren Kerne stark ge- schrumpft waren, zu erblicken. Die Contouren erschienen überall einfach. Da sich die intramuskulären Nerven beim Frosche nicht anders verhielten, muss ich mit JEwalcl schliessen, dass die an Goldpräparaten der Frosch- und Eidechsenmuskeln zuweilen be- Zur Histologie der motorischen Nervenendigung. 191 merkten helleren Säume, welche die tief gefärbten Ausbreitungen des Axencylinders umgeben, nicht auf wirkliche Scheiden zu be- ziehen sind, sondern auf Ansammlungen eines formlosen, durch Gold nicht zu färbenden Materials, um die zusammengeschrumpften nervösen Antheile. Die genannten Bilder zeigten sich öfter an vergoldeten Endplatten der Eidechse, welche Herr Borel aus Neuchätel im hiesigen Laboratorium in grosser Zahl und Vol- lendung hergestellt hatte, aber wir haben uns auch an diesen Präparaten nicht überzeugen können, dass die äussere, zum Muskel oder zur Plattensohle gerichtete Grenze jemals bestimmt genug gewesen wäre, um auf eine häutige Umhüllung schliessen zu lassen. Allerdings halte ich die Frage damit nicht für erledigt, denn es liegt immer noch die sehr bestimmte Angabe über intra- muskuläre, sogar mit Kernen versehene Axencyhnderscheiden bei Torpedo von Trinchcse vor (Journ. de l'Anat. et de la Physiol. 1867, p. 485), über welche ich bei meiner Unbekanntschaft mit diesem Objecte kein Urtheil besitze. Was ich in den Jahren 1868 — 1871, gelegentlich eines Aufenthaltes in Holland, an frei- lich nie im genügend frischen Zustande erreichten Exemplaren von Raja zu sehen bekam, sprach eher für, als gegen die Rich- tigkeit von TrincJiese's Beobachtungen. Somit bleibt mir nur Sicherheit hinsichtlich des einen Umstandes, dass die motorischen Nerven nur soweit Hornscheiden besitzen, als deren Mark- scheide reicht und von dieser erwies ich bekanntlich früher, dass sie sich genau bis zum Durchtritte durch das Sarkolemm, oder die Hügelmembran, niemals weiter erstreckt, ein Umstand, dessen auch Ranvier (Legons: Syst. nerv. H, Paris 1878) in seiner sehr ausführlichen Schilderung dieser Verhältnisse gedenkt. Gestalt und Bau der Endplatten. Trotz der Pracht und Deutlichkeit gut gelungener Vergol- dungspräparate glaube ich warnen zu sollen, dieselben hinsieht- 192 W. Kühne: lieh der an der Platte zu constatirenden wichtigen Einzelheiten für ganz massgebend zu halten. Es mögen zwar manche nach GerlacJi's oder EivalcVs Verfahren gewonnenen Objecte die Platte in Gestalt und Grösse nahezu dem leidlich frischen Zustande entsprechend zur Anschauung bringen, die meisten thun es da- gegen sicher nicht, am Wenigsten die nach Löivifs Methode hergestellten, obgleich auch unter diesen Manches kaum zu be- mängelnde vorkommt. Fischer's Abbildungen (1. c. Taf. XXV, Fig. 11, AB C, Taf. XXVI, Fig. 12, 13) zeigen zum Theil deutlich, dass die Methode oft starke Einkerbungen und voll- kommene Abschnürungen ganzer Lappen erzeugt, und ich habe dieselbe Erscheinung nicht nur nach diesem, sondern auch nach jedem anderen Vergoldungsverfahren häufig in solchem Grade auftreten sehen, dass von der Platte Nichts im Nervenhügel kenntlich blieb, als eine Anzahl völlig voneinander getrennter, tief gefärbter Kugeln oder keulenförmiger Gebilde. Den intra- muskulären Axencyliudern der Amphibien fehlt bekanntlich nach der Vergoldung ebenfalls zuweilen das glattere Ansehen des frischen Zustandes und es treten daran dieselben unvollendeten oder totalen Abschnürungen, oft unter Vorstülpung seitlich an- haftender Knöpfchen auf. Können so unzweifelhaft continuirliche Gebilde, deren Zusammenhang Jeder zugibt, zerklüftet und ge- sprengt werden, so darf man sich nicht wundern, wenn die Me- thode hinsichthch der wichtigen Frage, ob die Platte Anasto- mosen besitzt, in vielen Fällen den Dienst versagt. Bei der Silbermethode sind jene Abschnürungen, die ganze Theile der Platte ersichtlich aus jeder Verbindung mit ihren Wurzeln lösen, bis jetzt weniger, meist erst nach späterer Misshandlung be- achtet, es ist daher natürlich, dass sie die Anastomosen fast immer, zum Mindesten viel häufiger zeigt, als es die Goldprä- parate ahnen lassen, und dass sämmtliche Forscher, die sich ihrer bedienten (Cohnheim, Ewald, Ciaccio)., dieselben beschreiben Zur Histologie der motorischen Nervenendigung. 193 und abbilden. Umgekehrt kann in der gelegentlichen Erhaltung der Anastomosen nach dem Vergolden nur ein starker Grund für ihre Prieexistenz gefunden werden, da man von einem Mittel, das natürliche Verbindungen trennt, nicht füglich annehmen kann, dass es neue anknüpfe; Niemand wird daher zweifeln, auf wessen Seite er zu treten habe, wenn die Goldmethode, wie es bei der Bearbeitung der motorischen Nervenendigung und der elektrischen Endplatten von Torpedo vorgekommen, dem einen Beobachter die Anastomosen zeigte, dem andern nicht. In vieljähriger Vertrautheit nnt dem Gegenstande bin ich nach Vergleichung der im Nervenhügel innerhalb aller Stadien des Ueberlebens auftretenden Figuren immer wieder zu der üeberzeugung gekommen, dass man die Endplatte im aller- frischesten Zustande bereits angedeutet findet, obschon ich mich vergeblich bemühen würde, den Anblick durch Zeichnungen ganz meinen Wünschen entsprechend wieder zu geben. Heute, wo nach den Goldpräparaten Niemand mehr an der Existenz der Platte zweifelt, scheint darauf vielleicht nicht viel mehr anzu- kommen, ich muss aber Gewicht darauf legen, weil die bekannter gewordeneu Bilder der durch vielerlei Einflüsse daraus entstan- denen Umwandlungen erst verständlich werden und den vollen Werth erlangen, wenn man die frische Platte kennt. Das beste Mittel, den allerfrischesten Zustand zu beobachten, scheint mir immer noch in der Verwendung überlebender Eidechsen- muskeln bei niederer Temperatur zu liegen, indem man zwischen Eisstücken schon im Leben abgekühlten Thieren die kaum mehr reagirenden und darum besonders glatt zu zerfasernden Muskeln entnimmt und nach dem Einlegen in ebenfalls gekühlte physio- logische Salzlösung durch alle Stadien der Wiedererwärmung und der rückkehrenden Reactionsfähigkeit untersucht. Die Platte er- scheint dann entweder, je nach der Unterlage, nicht contourirt, wie ausgespart, oder mit verwischten Umrissen versehen, und in 194 W. Kühne: der ersteren Weise begrenzt, wo die feinkörnige Sohle sie um- rahmt, in der letzteren, wo der gestreifte Muskelinhalt die Nach- barschaft bildet; es können also nur diejenigen Platten in ihrer ganzen Ausdehnung das Bild eines ausgesparten Musters geben, deren Ränder sämmtlich von Sohlensubstanz überragt werden, was der weniger häufige Fall ist. Ich habe einen solchen in Fig. 36 b, S. 159 des 5^nc^er'schen Handbuches abgebildet. In den meisten und gerade in solchen Fällen, welche wegen gerin- gerer Complication der von der Platte erzeugten labyrinthischen Zeichnung zur Orientirung den Vorzug verdienen, nimmt die Kerne führende, punktirte Sohle nicht die ganze untere Fläche der Platte ein, so dass dieselbe nur an einigen Stellen von dieser, an vielen anderen direct von Muskelsubstanz begrenzt wird. Folge davon ist das Auftreten von Contouren, wenn auch diffusen, die den zu unbelegter Muskelsubstanz gewendeten Rand eines Lappens in anderer Weise, als die übrigen von der Sohle überragten, und namentlich die Wurzeln der Platte an der zutretenden mark- haltigen Nervenfaser, wo die Sohle häufig fehlt oder zu schmal ist, leidlich scharf, die daraus entspringenden Lappen durch den Gegensatz noch verwaschener erscheinen lassen. Wo man das erstere sieht, kann ein breiter Lappen für eine schmale Faser, nicht breiter, als es dessen einer Contour ist, oder bei Beachtung auch des andern Randes für das Bild von zwei solchen am Ende einander zustrebenden Fasern, gehalten, wo das letztere vorliegt, ein kurzer und nicht selten natürlich auch massig ver- ästelter Stummel, für das ganze Nervenende genommen werden, der in Wirklichkeit nur die Wurzel eines sich reich entfaltenden Plattenlappens ist. Erwägt man hierzu, dass ein nicht körnig begrenzter Rand oft stellenweise wieder seitlich von Ausbuchtun- gen der Sohle überragt wird, so begreift man das thatsächlich zu beobachtende, anfänglich so räthselhafte Abbrechen und Wieder- auftauchen der genannten Contouren. Ich glaube, dass ich nie- Zur Histologie der motoiüschen Nervenendigung. 195 mals von diesen Bildern zur Erkenntniss der wirklichen Gestalt der Platte gelangt wäre, wenn ich nicht zeitig auf die selteneren, verhältnissmässig einfachen Formen (vergl. Taf. XIV, Fig. 4, Vircfiow's Archiv, Bd. XXIX) gestossen wäre, welche solche Muskelfasern darbieten, die kaum eine Prominenz am Orte des Nervenzutrittes und jene mehr langgestreckten Verästelungen einer massig gelappten Platte besitzen, und wenn ich nicht an den ver- vN'ickelteren die Entstehung der cadaverösen Veränderungen nach Form und Lichtbrechung verfolgt hätte. Indem ich die letztere Untersuchung wieder aufnehme, niuss ich vor Allem den Irrthum hervorheben, in den das Verkennen der oben erörterten Ueberlebensbilder führt. Wer die anscheinend kurzen und zu schmalen Contourzeichnungen für die der ganzen Platte nimmt, muss selbst dann noch, wenn er die im Laufe der Contouren fehlenden Stücke ergänzt, die Platte für weniger um- fangreich, hauptsächlich für viel schmäler halten, als sie ist. So sind die nach meinen Publicationen von Anderen veröffentlichten Bilder von Nervenhügeln entstanden, welche den darin vermeinten blassen Terminalfasern wohl die reichere, eigenartige, in sich zurückneigende Verästelung (franz.: „arborisation") im Sinne einer Zustimmung zu meiner Auffassung ertheilen, aber von der Ausbreitung in Lappen Nichts erkennen lassen. Ich kenne keine Nervenhügel mit so schmalem Geäste, bei so mächtiger Sohle, wie die von Frey (Handb. d. Histol., 5. Aufl., S. 348) als ausdrückliche Bestätigung meiner Angaben abgebildeten, aber ich verstehe, wie die Platte dazu gekommen, in der von Freij als „geweihförmige'^ Figur bezeichneten Weise dargestellt zu werden und zweifle kaum, dass der Autor, bei erneutem Eingehen auf den Gegenstand, zu weiterer Uebereinstimmung mit mir gelangen wird. Hält man die Verzweigungen der Platte im Ueberleben für schmäler, als sie sind, so kommt man zu der durch keine Be- obachtung zu unterstützenden Annahme, dass sie durch Absterben, 196 W. Kühne: ja selbst unter der Einwirkung von Goldsalzen, oder von ver- dünntem Alkohol, grösser, besonders breiter werden. Man ver- gleiche die Zeichnungen Ewald'?, (1. c. Taf. VII, Fig. 9 u. 10), Fischers und Ranvier^ (Leg. II, Taf. VII, Fig. 2) von ver- goldeten Endplatten, mit der vorgenannten, und selbst mit Banvier^s (1. c. Taf. VIII, Fig. 1) eigener Abbildung eines frischen Präparates, und man wird das Volumen der gehärteten Platten überall grösser finden, als das der frischen. Zur weiteren Erörterung der am motorischen Nervende be- achtenswerthen Einzelheiten möge die Abbildung, Fig. 2, eines ohne Reagentien hergestellten Präparates dienen. Dieselbe stellt vielleicht das beste und klarste Object dieser Art vor, das mir jemals zu Gesichte ge- kommen und ich kann be- haupten, dass keine Linie des Holzschnittes abweicht von der Copie, die ich davon mittelst des Zeichenprismas in der objectiven Weise anfertigte, dass ich die Bleifederspitze nur im Anfange des Nach- ziehens leidlich erkannte. Wenn man bei dieser Art zu zeichnen, die Linien nachträglich continuirlich und nach so verwickeltem Verlaufe glatt in sich zurückkehrend findet, empfängt man die grösste überhaupt erreichbare Sicherheit über die Treue der Copie, die ich übrigens in diesem Falle noch durch das Zeugniss meh- rerer com.petenter Beobachter verstärken konnte. Ich habe die Fig. 2. Zur Histologie der motorischen Nervenendigung. 197 Figur nach einer vollkommen isolirten Muskelfaser aus dem Ober- schenkel von Lacerta muralis mehrere Male hintereinander ge- zeichnet, zuerst so, dass ich das Bild aus den vorerwähnten un- vollkommenen Andeutungen zu construiren suchte. Doch blieben mir im ersten Stadium die Gestalten des in der Figur unteren Theiles der Platte, namentlich die dort befindliche Anastomose unklar und von dem kleinen rechts befindlichen Lappen sah ich fast Nichts. Der Holzschnitt entspricht dem etwa ^/2 Stunde nach Herstellung des Präparates sichtbar Gewordenen, woran ich die an einzelnen Stellen stärker in die Lappen einspringenden Ränder für den Ausdruck nicht mehr normaler Falten und Einkerbungen halte. Die ganze Zeichnung, verglichen mit den zuvor entworfenen, hat mich sehr entschieden überzeugt, dass die anfangs festzustel- lenden Grenzen jedes Lappens weiter von einander liegen, als die später schärfer hervortretenden, dass die Platte also im ge- wöhnlichen Absterben schon etwas schmäler wird. Von Einzelheiten des Bildes wäre Folgendes zu erwähnen: Die zutretende Nervenfaser auf dem Sarkolemm zeigt eine den Endbüschen der x\mphibien ähnliche Verzweigung in kurze mark- haltige Aeste, so dass die Platte aus 4 erkennbaren Wurzeln entspringt. Dies ist bekannthch bei Lacerta nicht immer der Fall, da sogar Platten mit einer einzigen Wurzel nicht selten sind. Doch unterliegt man darin leicht Täuschungen, denn ich habe Nervenhügel gesehen mit anscheinend zwei- bis dreiwurze- ligen Platten, wo man bei genauerer Betrachtung 7 — 9 sehr kurze und schmale markhaltige Aestchen, zum Theil erst aus nacheinander folgenden Theilungen hervorgegangen fand. An dem extramuskularen Nerven finden sich Kerne, Bindegewebskerne der Schtcann sehen Scheide und auf der Oberfläche des Hügels zwei ebensolche dessen in das Sarkolemm fortlaufender Memltran ange- hörig. Diese von W. Krause gefundenen und als Kerne der Binde- gewebsmembran bezeichneten Körper (franz.: „noyaux de Parbo- 198 W. Kühne: risation") kommen den Hügeln in sehr verscMedener An- zahl zu. Alle Theile der Endplatte entspringen aus schmäleren Wur- zeln, wie die Abbildung zeigt, von verschiedener Länge. Die Lappen der Platte bilden durch Kerben wieder mehrere kleinere, secundäre Läppchen und diese sind in ebenso auffallender Weise vielfach gegeneinander gerichtet, wie es die primären sogar ver- schiedener Wurzeln sind, so dass eine Aehnlichkeit mit Terrains entsteht, die früher mit einander verbunden, durch spätere Ge- walten getrennt worden. An drei Stellen sieht man Anastomosen der Lappen, von welchen die rechts befindliche, welche Lappen derselben Wurzel verbindet, als unecht, als ein Loch in der Platte bezeichnet werden könnte. Diese anscheinende Wieder- verbindung bereits getrennter Nervenfasern wird von Manchen als an Endschlingen erinnernd bezweifelt, oder für Täuschung durch Uebereinandergreifen erklärt. Ich zweifle nicht an dem Vorkommen des letzteren, da der Nervenhügel häufig hoch genug ist, um mehrstöckige Platten zuzulassen, aber ich finde auch da Stellen, wo auf den Brücken keine Linie zu sehen ist und kein Einstellungsversuch anschlägt, woraus Widersprüche gegen echte Anastomosen hervorgingen. Unter den Lappen der Platte liegen die bekannten Kerne des Nervenhügels (franz.: „noyaux fonda- mentaux"), umgeben von feinkörniger Substanz (Protoplasma), das schon an den frischesten Präparaten meist helle, die Kerne um- gebende Höfe einschliesst. Man sieht diese Sohle in dem in Fig. 2 dargestellten Falle nicht gleichmässig unter der Platte ver- breitet; sie liegt zum Theil unter den Lappen versteckt, zum Theil breitet sie sich daneben unter dem Sarkolemm weiter aus, aber niemals umwallt sie die Piänder der Lappen oder legt sich zwischen diese und die Hügelmembran. Es ist daher unrichtig, wenn gesagt wird, das Geäste sei in die genannte Masse ver- graben. Einzelne Lappen endlich entbehren derselben ganz und Zur Histologie der motoriscben Nervenendigung. 199 berühren den Mantel des contractilen Cylinders direct. Obwohl dies letztere nicht allen Endplatten der Reptilien eigentliünilich ist, verdient es Beachtung, denn es lehrt ebenso, wie das Vor- stehen oder Ueberragen der Sohlensubstanz, dass ihre Körn- chen nicht als optische Querschnitte der Fäserchen eines fein- sten Xervenrasens, mit dem die ganze untere Plattenfläche den Muskel berühren sollte, aufzufassen sind. Ich habe selbst früher auf die innigere Verbindung der Sohle mit der Platte, hingewiesen, welche die Kerne und deren Umgebung der Platte, nicht dem Muskel folgen lässt, wenn der Inhalt des Nervenhügels vom Muskelgerinnsel durch Serum abgehoben wird, und darin ein beachtenswerthes Factum gefunden; aber ich würde es be- dauern, wenn dies Anlass zur Aufstellung jenes Nervenrasens, die sich auch auf die elektrischen Platten von Torpedo erstreckte, und dort mit eigenthümlichen Moditicationen unter dem Namen eines besonderen „Structui'verhältnisses" bewahrt wird, gegeben haben sollte. Ueber die elien erwähnten Einzelheiten glaube ich mich heute mit um so grösserer Sicherheit aussprechen zu dürfen, weil ich ein ausgezeichnetes Mittel anzugeben vermag, mit dem es Jedem gelingen muss, dieselben zu constatiren. Es ist dies die von Dr. Mai/s mit vortreft'lichem Erfolge zum Studium der Sehnenzellen verwendete Lösung des Ferrosulfates. Eine Lösung von 1 pCt. Eisenvitriol, oder des für unsere Zwecke vorzuziehen- den Ammoniak-Doppelsalzes, dürfte das geeignetste Medium zur Untersuchung der Platten sein. Muskel, Platte und Nerv sterben darin ab, aber die sichtbaren Veränderungen verlaufen so all- mählich, und es bleiben, ähnlich wie bei den Sehnenzellen, die Kerne und deren Umgebung so lange von fast normalem Aus- sehen, dass man mit aller Müsse die in den folgenden Figuren 3—7 dargestellten, nach einander auftretenden Veränderungen betrachten kann. Man zerfasert die frischen Präparate gleich in 200 W. Kühne: einem Tropfen der jedesmal frisch bereiteten Eisenlösung, was weit besser gelingt, als in NaCI, oder Serum, und ist dann sicher in der nächsten Minute eines der dargestellten Bilder zu sehen. Die Platte wird zunächst ausserordentlich deutlich und dürfte in diesem ersten Stadium nach Gestalt und Ausdehnung wenig vom Lebenszustande abweichen. Fig. 3 wurde von einem solchen Objecte mit dem Zeichen- prisma copirt. Es stellt ein Profilbild von möglichster ßeinheit dar, das an den nicht allzu seltenen Nervenhügeln, deren län- gere Begrenzung fast durch eine gerade Linie zu bezeichnen ist, ^_^,_^=.^^^s;^^^^^^ ' auftritt. Die punktirte Linie stellt die übrigen, wie man sieht, ein läng- liches Viereck bi Idenden Grenzen der gesamm- ten Nervenendigung, nach dem Anblicke tie- l _J ferer Einstellungen dar. ^^8- ^- Dieses und viele ähn- liche von mir gesehene Bilder lassen in der unteren Plattenfläche radiär zum Muskel cy lind er gestellte Fortsätze, Lappen oder Zapfen vermuthen, welche wenigstens an ganz besohlten Exemplaren die physiologisch wünschenswerthe directe Berührung mit der con- tractilen Substanz vermitteln könnten. Die das Dach der Hügel- wölbung einnehmende Platte würde dann als eine auf den Cylinder- mantel des Muskels gelegte, von Streben oder Füssen erhobene, flache Kuppel anzusehen sein. Es wird indess auch an den besten Profilen kaum möglich sein, über diesen wichtigen Punkt zu ent- scheiden, da man auch Ausläufer am Eande eines Lappens, be- sonders solcher, die nicht bis zur Peripherie der Hügelbasis reichen, für solche Stützen halten kann. Querschnitte frischer, oder in verschiedener Weise gehärteter Muskelfasern, die darüber einst Zur Histologie der motorisclien Nerveiieiicligiiug. 201 entscheiden werden, von dem Zwecke genügender Klarlieit her- zustellen, wollte mir bis jetzt nicht glücken. Unzweifelhaft wird durch die Profilbilder nur, dass die Platte an der Wölbung des Hügels tlieilnimmt, und dass die Kerne und die Körnchen nur zum Muskel hin eine Fläche bilden, während sie im Uebrigen den Dachraum unter der AVölbung ausfüllen. In dem abgebildeten Präparate wird die Sohle nach 2 Richtungen von der Platte über- ragt; es trifft jedoch, wie Fig. 2 schliessen lässt und häufig genug an Profilen direct zu sehen ist, auch das Umgekehrte zu. Fig. 4 stellt eine Nervenendigung mit reichem labyrinthischen Geäste der Platte im Zustande der Anfangswirkung des Eisen- salzes dar. Die Sohle ist hier sehr entwickelt, aber es gibt immer noch einzelne Stellen an den Rändern der Platte, die nicht von ihr überragt werden. In der Mitte (oben besonders) finden sich etwas über einander greifende Lappen, die unter Umständen für Anastomosen zu halten wären. Echte Anastomosen zeigen die Lappen ausser- dem und man sieht es einem Theile der betreffenden Stellen an, dass sie reissen werden, wenn während weiterer Einwirkung des Reagens Schrumpfungen der Platte eintreten, was oft genug unter den Augen des Beobachters geschieht. Die sich dabei entwickeln- den Veränderungen der Platte sind der Reihe nach in Fig. 5, G, 7 dargestellt. Fig. 5 zeigt die nächst schwächste Wirkung an den jetzt entwickelten mehr keulenförmigen Bildungen der Lappen und an wenigen schon vollendeten Abschnürungen. Der Contour müsste etwas kräftiger sein, als er im Druck ausgeführt ist: er wird Küline, Untorsuclmngen II. 14 FiE 202 "VT. Kulme: (Fig. 6) doppelt, zur Zeit, wo das Keagens die Kerne zu trüben beginnt und schrumpfen macht. Endlich verliert der grösste Theil der Platte den Zusammenhang und das Bild wird wie Fig. 7. An diesen Zerfallsproducten der Lappen sollten die Con- touren auch überall doppelt gezeichnet sein; doch war dies im Fig. 5. Fig. 6. Holzschnitte nicht mit dem richtigen Effecte auszuführen. Die mit abgebildeten Veränderungen der markhaltigen Nervenfaser durch die Eisenlösuns sind hier ohne Interesse. Der frischeste Zustand, in dem wir die motorische Endplatte sehen können, stellt natürlich nicht den des Lebens selbst dar, denn wenn es auch an den dünnen Hautmuskeln der Schlangen ohne Verletzung und Zerfaserung gelingt, den Xervenhügel mit dem der Platte eigenthümlichen ISIuster zu sehen, während ein mecha- nischer Pieizversuch an dem zutretenden Kervenstämmchen durch die Zuckung Sicherheit gibt, dass darin noch erregbare Platten enthalten sind, so hat man sie noch nicht von den graden ge- sellen en Exemplaren. Gäbe es deren viele, so wäre man schon sicherer, aber es hegt in der Natur des Objectes, dass es wenige sind und dass oft nur eine auf einer hinlänghch oberflächlich ge- Zur Histologie der motorisclien Nervenendigung. 203 legenen Muskelfaser so ausgebreitet ist, um die nöthigen Einzelheiten daran wahrnehmen zu können. Es hat Herrn Borel, trotz grosser Mühe und Sorgfalt nicht gelingen wollen an aufgebundenen Schlangen, IMuskeln, die einerseits mit einem Hautlappen, anderer- seits mit dem Stamme des Thieres noch verbunden waren, durch ausgeschnittene Fenster so zur Anschauung zu bringen, dass man die Platten hätte untersuchen können, obwohl der hübsche An- blick des Blutlaufes im Muskel zuweilen erreicht wurde. Bei einzelnen Insekten kann man freilich die Xervenendigung inner- halb des unverletzten lebenden Thieres sehen und sich auch über- zeugen, wie die normale Muskelwelle von dort ihren Anfang nimmt, aber in diesen Nervenhügeln ist die eigentlich nervöse Endigung leider noch zu wenig bekannt. Das Ablaufen einer Muskelwelle von der Gegend des Nervenhügels her wird Jeder, der Eidechsen- muskeln vielfach untersucht hat, natürlich auch gesehen haben, ebenso das Durchgehen einer an irgend einem andern Punkte begonnenen \Yelle unter dem Nervenhügel her, aber wenn dies auch beweist, wie frisch und überlebend solche Präparate zur Anschauung kommen, so gilt es doch immer nur vom Muskel, nicht von seinem Nervenansatze. So bliebe denn im Augenblicke nichts übrig, als sicli mit den grade erreichbaren für frisch genommenen Zuständen zu be- gnügen, oder Mittel zu ersinnen, um den Lebenszustand im Körper so zu fixiren, dass keine weiteren Veränderungen der Platten- gestalt mehr zu befürchten ständen. Für Muskeln kennen wir aus der schönen Arbeit von Flögcl über Trombidium (Arch. f. mikrosk. Anatom. YHI., S. 69) ein solches Mittel in der OsOi, das eine Contractionswelle abzufangen und alle Zustände der be- ginnenden, maximalen und wieder erlöschenden Contraction dauernd vorzuführen vermag. Dasselbe ist auch von Banvicr zum Fixiren der Endplatten verwendet, indem es in die Muskulatur lebender Eidechsen eingespritzt wurde und in der That findet man an den 14* 204 W. Kühne: daniach liergerichteten Muskelfasern den Inhalt des Nervenhügels nicht anders, als an überlebend in OsOi gelegten, deren Verhalten ich schon vor langer Zeit (VircJwtü''s Arch. 29, S. 207) auch an Muskelquerschnitten beschrieben habe: die Platte zeigt sich nicht viel deutlicher und wenn überhaupt verändert, vielleicht um ein sehr Geringes geschrumpft, sicher nicht gequollen. Ganz ähnlich verhielt sich mit 2 Vol. Wasser verdünnter Alkohol, jenes von Eanvier zu vielen Zwecken vorgeschlagene und vorzüglich bewährte Keagens: es ändert die Platte, durchaus im Gegensatze zu Banvier's Darstellung (1. c. Taf. VIII, Fig. 1 u. 2), kaum und macht den Muskel in den meisten Fällen ohne wesentliche Aenderung seiner Durchsichtigkeit erstarren. Unmöglich bleiben nach allen diesen Erfahrungen natürlich Differenzen der leben- den und der noch als am frischesten zu bezeichnenden, ge- sehenen Platten nicht, ja es ist sogar wahrscheinlich, dass die ersteren breiter und von glatterer Berandung sind, als fast alle Bilder sie darstellen, denn ein kleiner in dieser Hinsicht be- merkenswerther Unterschied findet sich ohne Zweifel zwischen den besten Ansichten, die ein unzerfaserter ohne jeden Zusatz betrachteter Schlangenmuskel neben isolirten Fasern desselben Thieres darbieten. Soll ich meine Meinung darüber näher be- zeichnen, so würde sie lauten, dass ich mir die Platte im Leben reicher an Anastomosen und diese von breiteren Verbindungs- brücken hergestellt denke, als man sie später gewöhnlich findet, und dass ich nach dem factisch beobachteten Reissen solcher Verbindungen sehr geneigt bin, dieselbe Entstehungsursache für manche in den Lappen selbst zu findende Ausschnitte oder Löcher (unechte Anastomosen) anzunehmen. So würde die lebende Platte ihrem Namen noch mehr entsprechen und deren Typus durch ein Bild, dessen Erinnerung mir immer geblieben, wiedergegeben sein, welches ich früher nach einem abgestorbenen Präparate, wo besonders glückliche Umstände die gewöhnlichen Deforma- Zur Histologie der motorischen Nervenendigung. 205 tionen beschränkt hatten, erhielt (vergl. VircJioiv'a Arch. 29, Taf. XIV, Fig. 3). Bemerkenswerther Weise stellt jene Figur eine einwurzelige Xervenendplatte dar. Von grossem Werthe würde es sein, wenn sich erweisen Hesse, dass die Platte in der feineren Structur und im chemischen Baue vollkommen identisch mit dem Axencylinder der zutretenden markhaltigen Faser sei. Wenn es einstweilen keine Gründe gibt, das Gegentheil anzunehmen, so kann dies auch an der sehr ge- ringen Kenutuiss, die wir vom Axencylinder überhaupt haben, liegen. In dem Verhalten verdünnter (1 p. m.) OsOi zum Axen- cylinder und zur Platte findet sich ein Unterschied, der hier nicht zu übergehen ist : der erstere schwillt colossal, während das Volum der letzteren nahezu unverändert bleibt. Wo nur frische Nerven- fasern gehörig isolirt und angerissen jener Säure unterliegen, tritt der Axencylinder wie ein langer gespannter Darm, von der 3 — 4 fachen Dicke stärkster markhaltiger Fasern hervor, oft Schleifen bildend, deren Fortsetzung wieder in ein Mark und Scheiden führendes Stück einkehrt. Man sieht dieselbe Erscheinung auch, obschon seltener in stärkerer OsOi von 1 pCt., wie kaum zu be- zweifeln, nachdem ein Theil der Nervenfasern des Präparates die Säure durch Reduction so verbraucht, dass ein anderer verdünn- terer Lösung unterliegt. Die verdünnte Säure lässt auch das Mark in erstaunlicher Weise anquellen, so dass es überall in Gestalt dickwandiger Stulpen auf den Axencylinder gereiht erscheint, wo die ScJncann'sche und die äussere Horuscheide erst nach- gegeben haben oder gerissen sind. Die Schmidt-Lantermann^schen normalen Stulpen werden dabei immer deutlicher, indem sich ihre gegen einander gerichteten, ursprünglich schmalen Umfange endlich zu schrägen und gezähnelten Stutzflächen mächtiger Schwartenringe von grauer Farbe gestalten. In der Platte ist keine Spur solcher Veränderungen zu sehen, doch wird hieraus erst Weiteres zu schliessen sein, wenn der 206 W. Kühne: Versuch an hinräiigiicli durch seröse Ausscheidungen in todten- starren Muskelfasern isolirten Platten angestellt sein wird, so dass ihnen Raum zum Quellen bleiben würde. Fehlt diese letztere Bedingung, so ahnt man auch am Nerven nichts von der ge- nannten, den gewöhnlichen Annahmen über die Wirkung der OsOi so sehr widersprechenden Schwellung, von der ich mich auch nicht erinnern kann, irgendwo in der Literatur Andeutungen gefunden zu haben. Die jetzige Erfahrung fordert jedenfalls zur Vorsicht auf gegen die unterschiedslose Verwendung dünner OsOa zur Erhaltung normaler Gewebsformen und erheischt fernere Untersuchungen über das Verhalten markloser Nerven, die so häufig grade mit diesem Reagens behandelt werden. An den blassen Opticusfasern der Netzhaut des Kaninchens, denen die Quellung verhütende Hüllen fehlen, fand ich den alten Ruf der verdünnten Säure auch bewährt, insofern sie keine Quellung er- zeugte, aber es scheint mir darin nur eine besondere Mahnung zu liegen die Reaction weiter zu beachten (vergi. unten). Sieht man die Rissstellen der in OsO^ stark verdickten Axen- cylinder an, so findet man sie nicht von der Gestalt eines ab- gebrochenen oder ausgezogenen Gallertcylinders, sondern kurz abgestutzt, und mit einem Faltenkrönchen oder einem grad auf- sitzenden kurzen Schöpfe versehen, der sehr den Eindruck eines abgewürgten Häutchens macht und stark vermuthen lässt, dass der Axencylinder innerhalb seiner Hornscheide noch eine andere, ein sehr dehnbares glattes Häutchen besitze. Vielleicht sind da- rauf auch die nach dem Absterben an der Platte zum Vorschein kommenden doppelten Contouren (vergl. Fig. 6) zu beziehen. Dergleichen kann freilich ebenso in Folge der steigenden Licht- brechung des Plattenmaterials auftreten, aber es ist der Gedanke doch nicht abzuweisen, dass Gerinnungen, auf denen das letztere beruhen dürfte, ausserdem ein Zurückziehen des Inhaltes von jenem Häutchen bewirken. Zur Histologie der motorischen Nervenendigung. 207 Ich komme hiermit zur P'rage von der Natur der Todes- änderungen im Nerven überhaupt und kann nicht umhin, an meine hier wieder bestätigten älteren Erfahrungen über die sichtbaren Aenderungen der Nervenendplatte, die sich grade innerhalb der Zeit des Absterbens geltend machen, anzuknüpfen. Dieselben sagen knrz gefasst, dass vor dem Tode des Muskels und vor dessen Säuerung schon leichte, aber mit jeder wünschenswerthen Deut- lichkeit erkennbare Einziehungen, Kerben oder wie man es nun nennen will, in der Platte auftreten und dass deren optisches Ver- halten sich ändert. Dass dieses Alles auch, obschon langsamer, geschieht, wenn man den Muskel gar nicht zerfasert, sondern am Leibe absterben lässt oder dem Blutstrome entzieht, lehrt jede bis zur Reactionslosigkeit der motorischen Nerven abgestorbene Eidechse, deren Muskeln auf directen Reiz noch zucken, und ist an Kaninchenmuskeln, deren Arterien so lange unterbunden waren, dass sie Nervenreize nicht mehr beantworten, beim ersten Ver- gleiche mit schleunigst hergestellten Präparaten normaler Muskeln bemerkbar. Niemand kann bezweifeln, dass die Endplatten so behandelter Muskeln nur bis zu einem gewissen, Restitution zu- lassenden Grade, verändert sind, denn sie reagiren Avieder auf Nervenreiz nach erneuter Versorgung mit Blut: was man also an den Endplatten gesehen hatte, bezeichnete vermuthlich nicht den definitiven Tod oder einen unwiederbringlichen Verfall, son- dern einen Zustand, den man mit jedem Rechte als Lähmung be- zeichnen kann. Ich habe vor vielen Jahren, unter starker Reserve freilich, angegeben, die Platten von Laccrta würden nach reichlicher und länger dauernder Curarevergiftung in der Lähmung ebenso deut- lich, stark lichtbrechend und markirter in den Contouren, wie nach dem Absterben im Allgemeinen. Da inzwischen Niemand wieder eine einigermassen mit meinen Beschreibungen und x\b- bildungen übereinstimmende Darstellung der frischen Platte se- / 208 W. Kühne: geben hat und die heutige allgemeine Uebereinstimmung mit mir auf den Gold- und Silberpräparaten, bei Eanvier auch auf in verdünnten Alkohol gelegten fusst, welche sämmtlich bei dieser Angelegenheit nicht in Betracht kommen, so ist es selbst- verständlich, dass jene Angabe über das Curare noch der Be- stätigung durch Andere harrt, aber unverständlich, wie sie für widerlegt gehalten werden konnte und deshalb auch irrelevant, dass meine Keserven, dem Brauche entgegen, dabei keine Be- rücksichtigung gefunden (vergl. Monatsber. der Berliner Acad., 11. Nov. 1875, S. 720). Heute bin ich nun in der erfreulichen Lage, die frühere Zurückhaltung aufgeben zu können, denn man kann in der That unschwer nachweisen, dass das Curare, indem es die motorischen Nerven gründlich lähmt, dieselbe sichtbare Veränderung an den Platten hervorruft, wie das Absterben, aber unter Umständen, unter welchen jenes sonst nicht erfolgt. Ich bin dessen nach langer Erfahrung so sicher, dass ich mich an- heischig mache, an dem mikroskopischen Präparate binnen Kurzem zu entscheiden, ob es von einer seit 4 — 6 Stunden mit ^'2 Cub.- Cent. öprocentiger Curarelösung vergifteten Eidechse oder von einer zur nämlichen Zeit geköpften, des Rückenmarks beraubten, strangulirten oder verbluteten herrühre. Meine letzten bei hoher Sommertemperatur angestellten Versuche beziehen sich ausserdem auf Vergleichsobjecte, deren Nervenstämme wenigstens auf mecha- nische Reizung keine Zuckung mehr erzeugten. Indem ich ohne alle Kenntniss der verwendeten Thiere, deren Aussehen und Grösse bleibe, und dafür gesorgt ist, dass an den Muskeln weder in der Blutfülle noch mittelst der Erregbarkeit irgend etwas für die Vergiftung sonst Charakteristisches als Merkmal kenntlich wird, hin ich vollkommen sicher, die Curaremuskeln jedesmal heraus- zufinden. Will man das Examen bestehen und in der besten Weise an sich vornehmen lassen, dass nicht die enthäuteten Schen- kel oder ganze Muskeln, sondern von andrer Hand gefertigte Zur Histologie der motorischen Nervenendigung. 209 mikroskopische Objecte der Entscheidung dienen müssen, so ist bei der Assistenz ausser Geschicklichkeit auch guter Wille voraus- zusetzen, denn es ist natürlich nicht schwer, ein Muskelpräparat so zu drücken, oder auf andere Weise zu misshandeln, dass die Endplatten der gesundesten Muskeln maximal vergifteten ähnlich oder gleich werden. Wird dergleichen vermieden, so weiss ich unter den jenen Thieren entnommenen Objecten in etwa einer Stunde die Entscheidung zu treffen und nach dem überaus deut- lichen Hervortreten der Platten zu sagen, welche eine von den in der genannten Weise verschiedenartig abgetödteten Eidechsen vergiftet worden. Man hat dazu nur so lange zu suchen, bis ein auf der oberen Seite einer wohlerhaltenen Muskelfaser be- findlicher Nervenhügel in der Aufsicht, nicht im Profile, sichtbar wird. Erkennt man daran ohne Zusatz oder nach dem Einlegen in Serum oder dünne Salzlösung die Platte scharf genug, um sie gut zeichnen zu können, so hegt maximale Curarevergiftung vor. Dass einige Uebung und Erfahrung dazu gehöre, ist anzu- nehmen, denn der Neuling wird l)eim Begegnen einer groblinigen Platte nicht gleich mit beurtheilen, ob sie oder die ilu- unter- Uegende und darauf zurückwirkende Muskelsubstanz irgend welchen andern, dem Geübten kenntlichen Schaden in einem unvergifteten Präparate erlitten. ^lit besonderem Nachdrucke ist hinzuzufügen, dass diese Angaben sich nur auf starke, der Dosis und Zeit Jiach maximale Vergiftungen beziehen. Wiederholt habe ich mich auf die Probe stellen lassen mit schwächer oder kürzere Zeit vergifteten Thieren und dabei in der Regel Irrthümer begangen oder die Sache auf- geben müssen. Dennoch zweifle ich gar nicht, dass Alles ge- schehen war, um nicht nur die bekannteren Effecte der Vergiftung zu en-eichen, sondern auch genug um den totalen Erregbarkeits- verlust der intramuskulären Platte zu bewirken, was recht gründ- liche Vergiftung voraussetzt. 210 W. Kühne: Ein Zustand der Lähmung erzeugt durch Gerinnungen im Axencylinder, welche noch nicht sichtbar sind, ist ebenso wahr- scheinlich, wie es gewiss ist, dass fibrinöse Lösungen fest werden, ehe man es sieht und ich sehe am Baue der Axencylinder oder der Platten Nichts, was der Contraction und Verdichtung eines in deren Imbibitionsflüssigkeiten entstandenen Coagulates nicht eher hinderlich als fördernd sein müsste. Seit v. Fleischl (Fest- gabe f. C. Ludwig LL) die allgemeine Ueberzeugung von der Schrumpfungsfähigkeit des Axencylinders in den Mitteln, welche gewöhnlich zu seiner Darstellung benutzt worden, befestigte, in- dem er zeigte, dass Querschnitte von in OsO* gehärteten Nerven denselben dick, mit schmaler Markrinde umhüllt erkennen lassen, steht den angenommenen Gerinnungen wenig mehr im Wege. Wo nur ein Nerv endet oder entspringt, wird gefragt, ob der Axencylinder sich umwandle , etwas Anderes oder Neues werde und andere Lebenseigenschaften annehme. Dass es so in der Ganglienzelle und im Sinnesepithel sei, ist nicht zu be- zweifeln, aber um so beharrlicher wird die absolute Gleichheit aller leitenden Fasern, sei es markführender oder blasser voraus- gesetzt. Diese Auffassung dürfte der experimentellen Histologie in Zukunft schwerlich standhalten. Heute, da die Lehre vom gleichen Leitungsvermögen sensibler und motorischer Nerven auf sicherer Unterlage steht und, nachdem den Leitfasern Alles ge- nommen ist, w^as ihnen zum Schaden des grossen Satzes von den specifischen Energieen der Centralorgane aufgebürdet worden, hat es keine Gefahr mehr, an Unterschiede von Nerven zu erinnern. Dahin gehören die erschwerte Verheilung sensibler und motori- scher Stämme und alle die Einwände, die man dem Glücken solcher Versuche machen kann, vor Allem der, dass man nicht weiss, welcher Veränderung die widerspenstigen Fasern erst unter- liegen mussten, bis sie fähig geworden zu organisirter Verbindung. Zur Histologie der motorischen Nervenendigung. 211 Weiter muss ich das im Vorstehenden mitgetheilte, verschiedene Verhalten der marklosen Opticusfasern gegen dünne OsOi betonen, dem sich gewiss bald mancher andere blasse Nerv zugesellen wird und fragen, ob es denn so überaus wahrscheinlich sei, dass ein wäh- rend des ganzen Lebens mit Mark umkleideter Axencylinder, dessen Umhüllung für die Leitung vielleicht, für den Chemismus des Ner- ven gewiss nicht bedeutungslos ist, welcher ganz anderem Gebrauche unterliegt, als mancher sensible, fast continuirlich in Anspruch ge- nommene marklose, keine Unterschiede, wenigstens des chemischen Baues erwerbe? Und wenn Dem so ist, so wäre kein bindender Zwang vorhanden, die verästelten Lappen des Axencylinders für völhg gleich mit diesem zu halten und äu Bois-ReymoncV^ Hypo- these, dass das motorische Ende nach Art einer Drüse mittelst eines durchaus chemischen Actes auf den Muskel wirke, nicht voll- kommen zu verw^erfen. Einladend ist dieselbe nach unserer heutigen Kenntniss der Endplatte allerdings nicht und daher jede An- deutung, welche Incongruenzen zwischen elektrischen und motori- schen Endplatten beseitigen kann, willkommener, als die Versuche solche zu häufen. Immer wieder muss man hören von den Unterschieden des Grades im Verhalten elektrischer und motorischer Organe zum Curare,. als ob dieselben nicht bereits zwischen glatter und ge- streifter, der Glieder- und Herzmuskulatur, von diesem zu jenem Wirbelthiere , zwischen lauter motorischen Nerven existirten. Wer kann es \Yissen, wesshalb das Gift, das bei genügender Dosis und hinläugUchem Aufenthalte im Körper auch die sensiblen Ner- ven nicht verschont, die sog. willkührlich motorischen bei den Endplatten zuerst anpackt? Sind Ciaccio^ und Banvier'?, Beschrei- bungen der elektrischen Platte bei Torpedo (1. c. H., PI. V. Fig. 4 u. 7) richtig, woran ich nicht zweifle, so wüsste ich nicht, welcher wesentliche Unterschied des Baues zwischen dieser und der mo- torischen fast aller Wirbelthiere geltend zu machen wäre, denn 212 . W. Kühne: hier wie dort breitet sich der am Centrum erregte Nerv in Ge- stalt eines flachen und lappigen, auch Anastomosen bildenden, kernfreien Geästes aus. Wirkt Curare auf die elektrische Platte wirklich schwächer und langsamer, als auf die motorischen des Fisches, so ist zu untersuchen, ob das Curare nicht in der con- tractilen Substanz erst etwas vorfindet, das ihm die mächtigere Wirkung auf den angeschmiegten Nerven erleichtert, falls es sich nicht um viel gröbere, dem Zutritte des Giftes ungünstige Ein- richtungen handelt. Für die experimentelle Bearbeitung der Frage nach der Uebereinstimmung der Function der motorischen und elektrischen Platten dürften sich statt der Amphibien die Reptilien empfehlen, wo die morphologische Aehnlichkeit auch grössere der Function vermuthen lässt. Einige wesentliche gröbere Differenzen bleiben ausserdem zu berücksichtigen, vor Allem die Lage der motori- schen Platten, die nicht entfernt der regelmässigen Schichtung elektrischer gleicht. Wie dieselbe sei, ist freilich schwer zu be- stimmen, so lange keine Querschnitte zuverlässig ohne Verschie- bung gehärteter Muskeln und unverschobene Schnitte in genügen- der Zahl untersucht sind. Von gefrorenen Muskeln erhielt ich häufig Schnitte, welche die Nervenhügel und Platten, wie man sagen könnte, mit dem Rücken einander zugewendet zeigten, wäh- rend viele von Herrn Borel durch plattes Ausbreiten vorzugs- weise mittelst der Nerven zusammenhängender Muskelfasergruppen erhaltene Präparate, die vergoldeten Platten in grösserer Zahl nach derselben Seite gerichtet zeigen, so dass sie auf den paral- lelen Muskelfasern bei schrägem Verlaufe der Nervenstämmchen eine Art Treppe bilden. Wenn gesagt worden ist, die Entladungshypothesen machten den Durchtritt des Nerven durch das Sarkolemm oder durch die Hügel- membran unnöthig, so kann Das an dem Tage, an welchem jene Hypothesen Thatsache geworden, vielleicht in soweit Sinn gewinnen. Zur Histologie der motorischen Nervenendigung. 213 als es überhaupt Sinn hat, eine allgemein in der Natur verbreitete Einrichtung in einer Beziehung ül)eiflüssig zu finden. Die Platte nicht zum Muskel, sondern auf oder in das Sarkolemm verlegen, heisst indess den Nerven in einem Gewebe enden lassen, das gar nicht allen Muskeln zukommt und da das Sarkolemm Bindege- webe ist und an der Hügelmembran für besonders bindegewebig gelialten wird, so versteht man nicht, wesshalb das motorische Nervenende nirgends durch die Verschiedenartigkeiten dieses Ge- webes modificirt wird, vollends nicht, wie es dazu kommt, auf die Muskeln gelöthete Hügel zu bilden, wo es kein Sarkolemm und wenn überhaupt eines, wahrlich anderes Bindegewebe gibt, als ])ei den Vertebraten, die sich derselben Nervenhügel erfreuen. Boi/cre's denkwürdige, in unsern Tagen von Grecf vollauf bestätigt gefun- dene Entdeckung der Nerv-Muskelverbindung bei den Tardigraden, denke ich, hat lange vernehmlich genug in diesem Sinne ge- sprochen, und wenn es späteren physiologischen Vorstellungen von der Uebertragung des Nervenreizes auf den Muskel vorbe- halten blieb, das Ueberschreiten der Sarkolemraagrenze für den Nerven vorauszusetzen, so hätten dieselben ihren heuristischen Werth bewiesen, denn die Thatsache des Durchtrittes erfreut sich heute des Tages, den mir ein gewiegter Anatom einst, zur Zeit des allgemeinen Widerspruches prophezeite, an dem es heissen werde. Das habe man schon lange vorher gewusst. Welcher Art die Wirkung der motorischen Endplatte sich noch herausstellen möge, so weiss man doch, dass sie an der dünnsten Bindegewebsschicht entscheidenden Widerstand findet, da die Versuche von Sachs (Arch. f. Anat. u. Physiol. 1874, S. 57) gezeigt haben, dass eine Froschmuskelfaser auf Nervenreiz zucken kann, ohne ihre Nachbarn zu erregen. Wäre der Versuch am Reptil angestellt, so könnte man denken, dass es auf die Concavität der im Hügel gewölbten Platte oder auf die dazu in bestimmter Weise orientirte Sohle als nothwendiges Zwischenglied 214 W. Kühne: zur Uebertragmig der Erregung ankomme, am Frosche aber, dessen intramuskuläre Kervenverästelung aus drehrunden blassen Terminalfasern ohne jede Spur einer Sohle besteht, sieht man, dass nichts der Art Grund der eingeschränkten Wirkung sein kann, sondern dass es zwischenliegendes Sarkolemraa und feinstes Bindegewebe sein muss, was den Uebergang der Nervenerregung von einer Endigung auf zwei IMuskelfasern hindert. Welches Gewebe das Hinderniss sei, ist demnach bekannt und es wird daher das Durchtreten der Nerven auf die andere Seite der Schranke selbst dann nicht für unnöthig zu halten sein, wenn diese sich nicht als absolut bewähren sollte. Uebei' Regeneration des Sehpurpurs beim Säugethiere. 215 lieber ßegeueration des Selipiirpiirs beim Säiigetliiere. Ton W. C. Ayres und W. Kühne. "V" o 1' b e V i c h t von "W. Js^ ix h n e. Nachdem ich mit Herrn A. Eurdd in Uebereinstimmung mit den Andeutungen von Coccins die überraschende Thatsache gefunden hatte, dass das Auge des lebenden Kaninchens durch- schnittlich länger als 3 5 Minuten im Dunkeln verweilen muss, wenn vollkommen gebleichte Stellen der Netzhaut wieder normal ge- färbt werden sollen (vergl. Bd. I., S. 380 u. 381), schienen mir weitere Untersuchungen über den merkwürdigen Regenerations- process und zunächst erneuete Prüfungen einiger auf postmor- tale Fortsetzung desselben deutender früherer Beobachtungen er- forderlich. Beim Frosche war es so ausserordentlich einfach, den Be- weis für die im Ueberleben kaum verminderte Macht des Vor- ganges durch die vollkommene und fast in gleicher Zeit, wie im Leben, erfolgende Wiederfärbung der Retina des ausgeschnittenen Auges zu liefern, wenn die Ausbleichung am Lebenden vorgenom- men worden, dass an der thatsächhchen und bedeutenden rege- nerativen Wirkung des dem Ernährungsstrome entzogenen reti- nalen Epithehums nicht zu zweifeln war. Für das Säugerauge gab es dagegen nur zwei hierauf bezügliche Beobachtungen, von denen genauer nachzuweisen blieb, ob sie in ähnlichem Sinne zu 216 W. C. Ajres und W. Kühne: deuten seien. Die eine bestand in der langsameren Liclitbleiche eines (selbst dem albinotischen) Kaninchenauge sofort nach dem Tode entnommenen Stückes der Netzhaut mit Epithel, Chorioides und Sklera verglichen mit der eines vom Epithel abgezogenen Retinastückes, während die andere eine Zeitdifferenz zu Gunsten des weiter abgestorbenen Auges eines am abgeschlagenen Kopfe befindlichen Paares betraf, wenn man versuchte, in beiden unter möglichst gleicher Lichtintensität scharfe Optogramme herzu- stellen. Was da nach dem Tode beobachtet worden fiel indess mit den Verhältnissen der Totalbleiche des Froschauges nicht ganz zusammen, indem es sich nicht, wie dort, um etwas nach Zer- setzung des ganzen Stäbchenpurpurs Geschehendes, sondern nur um eine Gegenwirkung des Epithels während der photoche- mischen Umw^andlung und vor deren Vollendung handeln konnte. Da gute Gründe vorhanden waren, Rhodophylaxe und Rhodoge- nese für zwei verschiedene Processe zu halten, so blieb zu unter- suchen, ob das überlebende Säugerauge nur der ersteren oder beider fähig sei. Hierüber zu entscheiden, war um so nothwen- diger, als eine etwa existirende postmortale Rhodogenese manchen weiteren Arbeiten über Ausbleichung der Netzhaut grosse Schwie- rigkeiten bereitet und vor Allem jedem optographischen Versuche die bisher geübte Berücksichtigung der Zeit von der Exstirpation des Auges bis zur Abtödtung seiner Gewebe in der Härtungs- flüssigkeit auferlegt hätte. Der Gang unserer hier anknüpfenden Untersuchung war fol- gender : wir überzeugten uns zunächst, dass eine von allen Lebens- zuständen der Gewebe unabhängige Regeneration, derselben glück- licher Weise nicht störenden, schwachen Art, wie die von Etcald und mir am Frosche gefundene, auch in der Kaninchennetzhaut existire. Darauf wurde an isolirten Augen festgestellt, dass gleiches Licht in den ersten Minuten schwächer bleichend wirkt, als in wenig späterer Zeit nach dem Tode, dass also eine mit Ueber Regeneration des Sehpurpurs beim Säugethiere. 217 dem Absterben abnehmende Gegenwirkung besteht, während eine totaler Bleichung folgende Regeneration in der Ueberlebenszeit nicht constatirt werden konnte. Bei der Kürze dieser Zeit schien es gerathen nachzusehen, was geschehen würde, wenn die Bleichung im Leben vorgenommen und die ganze erste Ueberlebenszeit nur der möglichen postmortalen Regeneration gelassen worden ; und als sich auch jetzt keine solche ergab, das Experiment umzukehren, um den Gang der Regeneration unter den gewöhnlichen Lebensbedingungen kennen zu lernen, naclidem das Licht unter ähnlichen Verhältnissen wie im Tode gewirkt hatte. Wir belichteten dazu das Auge entweder während einer die Cir- culation hemmenden Pressung, oder zur Zeit einer Unterbindung sämmtlicher Arterien des Halses, und liessen das Blut in der gleich darauf folgenden Dunkelheit wieder zutreten. Dabei hatte uns der Gedanke geleitet, dass das Lebensoptogramm Ton dem des Ueberlebens durch die Möglichkeit der Entfernung der Blei- chungsproducte (Sehweiss) verschieden sei, und dass die Regene- ration bei normaler Erhaltung des Ernährungsstromes auf eine der Resorption beraubt gewesene Netzhaut hätte mächtiger wir- ken können. Wie man sehen wird hat das Verfahren die Vor- aussetzung nicht der Zweifel enthoben. Um die Einsicht in den Regenerationsprocess nach einer andern Richtung zu fördern, wurde der Einfluss übermässiger und länger dauernder Belichtung untersucht, wobei sich Unver- änderlichkeit der Regenerationszeit ergab, wenn die Bleichung einmal vollkommen geworden: dauernde Belichtung des andern Auges änderte daran nichts, ebenso wenig Unterbrechung der Leitung des Lichtreizes nach Durchschneidung der N. optici. Endlich haben wir die Frage nach dem secretorischen Cha- rakter der regenerirenden Thätigkeit des Retinaepithels in Angriff genommen, indem sowohl der Einfluss des N. trigeminus, wie des Sympathicus untersucht wurde, und da wir auf diesem Wege Kühne, Untersuchungen II, 15 218 W. C. Ayres und W. Kühne: keinen entscheidenden Thatsachen begegneten, zuletzt die Wir- kung zweier auf Secretionen wirkender Gifte geprüft, des Atropins und des Pilocarpins. Nachdem von dem ersteren schon im Laufe der vorangegangenen Arbeit kein verzögernder oder hemmender Einfluss bemerkt worden, wurden unsere in anderer Richtung vielfach getäuschten Erwartungen um so mehr durch die bedeu- tende Abkürzung der Regenerationszeit übertroffen, welche die Vergiftung mit dem bekanntlich die meisten Secretionen befördern- den Pilocarpin erzeugte. Der Leser wird aus diesem vorgreifenden Bericht entnehmen, dass wir eine grosse Reihe zum Theil vergeblich unternommener Experimente mitzutheilen haben. Es ist uns gegangen, wie es bei der ersten Bearbeitung eines neuen, in den Rahmen gewohnter Vorstellungen nicht einzuschliessenden Feldes zu gehen pflegt, aber wir sahen keinen Grund, Thatsächliches, von dem man nicht voraussagen kann, welche Förderung es Anderen, die damit fruchtba- rere Gedanken zu verbinden wissen, bringen könnte, zu unterdrücken, weil es über unsere Voraussetzungen nicht entschied, und halten die Mittheilung, wenn nicht aller, so doch vieler unserer Versuche schon desshalb für gerechtfertigt, weil es ohne grosse Opfer jeder Art auf andere Weise unmöglich wäre, die damit einmal erwor- bene Erfahrung einzuholen. Um Wiederholungen zu vermeiden, muss bezüglich der durch- gehends verwendeten optographischen Methode auf Bd. I, S. 232, 233, 374—383 verwiesen werden, wo die in dem Folgenden bei- behaltenen Einrichtungen und Versuchsweisen beschrieben sind. I. Autoregeneration. Die Säugernetzhaut besitzt dieselbe Autoregeneration (vergl. Bd. I, S. 249), wie die des Frosches. Man nehme aus einem Kaninchenauge die Retina unter ^/2pCt. NaCl-Lösung heraus, schneide sie, die Sehleiste kreuzend in 2 Hälften, lasse beide lieber Regeneration des Sehpurpurs beim Siiugethiei-e. 219 Stücke an der Sonne vollkommen bleichen, bewahre das eine 2 — 3 Stunden im Dunkeln und vergleiche die feucht gehaltenen Präparate: man wird das an's Licht zurückkehrende äusserst blassrosa, aber deutlich verschieden von dem anderen finden. Ebenso verhalten sich Netzhäute, die zuvor im Dunkeln einige Stunden in gesättigter NaCllüsung gelegen und in verdünnter aus- gewaschen worden; die Erscheinung ist hier sogar noch etwas mehr in die Augen fallend. Wie an der Froschretina lässt sich der Versuch alsbald, oder am folgenden Tage, unter Vertauschung der Präparate mit freilich schlechterem Erfolge wiederholen. Man kann hiernach nicht zweifeln, dass in der abgetödteten Pietina etwas, vermuthlich aus dem Epithel Stammendes, ein fertiges Secretionsproduct stecke, das die in den Stäbchen bleibenden photochemischeu Zersetzungsproducte wieder zurück in Purpur verwandelt: Bereitung und Abgabe dieses Körpers (Rhodophylin) fallen dem lebenden oder überlebenden Epithel zu, während die Wirkung der einmal fertig abgegebenen Substanz vollkommen unabhängig von sog. Lebensbedingungen ist. W^erden die Netzhäute durch ^/4- bis ^/2Stündiges Aussetzen der Kaninchen an die Sonne im Leben gebleicht und in diesem Zustande herausgenommen, so ist keine Spur von Autoregeueration daran zu bemerken. Wir hatten desshalb gehofft, im Leben ent- standene Optogramme, nachdem sie herausgenommen und vom Lichte zerstört worden, im Dunkeln wiederkehren zu sehen, indem die Autoregeneration nur die nachträglich geschwundenen Purpur- streifen, nicht die farblosen, im Leben entstandenen betreffen würde; dies wollte uns jedoch nicht glücken, vermuthlich weil die Stäbchen an den weichen, überdies in Salzwasser schwierig abzuhebenden Netzhäuten während der feuchten Aufl^ewahrung nicht sicher genug haften. Indess zeigte die Peripherie der Mem- branen das rückkehrende blasse Rosa immer besser, als die cen- trale Gegend, wo sich das Bildchen befunden hatte. Für das 15* 220 W. C. Ayres und W. Kühne: Folgende kommen die von Autoregeneration bewirkten Erschei- nungen nicht in Betracht, da wir weiterhin fast nur in Alaun gelegte Präparate, die derselben ganz entbehren, verwendeten. Ausserdem sind die Regenerationszeichen, von denen noch die Rede sein wird, unvergleichlich deutlicher, als die eben erwähnten. II. Postmortale Wirkung des Epithels. A. Im überlebenden Auge begegnet die Entfärbung des Sehpurpurs durch Licht Hindernissen, welche allmählich abnehmen. Versuch 1. Wir erweiterten einem Kaninchen beide Pupillen durch starke Atropinlösung (2 pCt. des Sulfates), tödteten es 1/2 Stunde später, nahmen die Augen mit grösster Eile aus dem Kopfe und exponirten eines (I) sogleich 1^/2 Min., öffneten es rasch und warfen es in Alaun. 5 Min. später, also etwa 6^2 bis 7 Min. nach dem Köpfen, wurde das zweite bis dahin im Dunkeln verwahrte Auge (II) eben so lange exponirt und weiter behandelt, wie das vorige. In Beiden fanden sich Optogramme, aber das erstere war rosiger, in den hellen Streifen beträchtlich farbiger, als in IL wo auch die Purpurfarbe der ganzen Fläche mehr zu Roth neigte. Die Pupillen waren trotz der Atropin- wirkung nach dem Herausnehmen der Augen eng; während der Exposition konnten keine Unterschiede des Pupillendurchmessers bemerkt werden. Versuch 2. Ebenso angestellt, wie der vorige, aber ohne Atropin. Die Pupillen verhielten sich nicht anders und die Diffe- renzen der Optogramme waren ungefähr die nämlichen. Versuch 3. Um zu sehen, wie lange diese Unterschiede sich geltend machen, wurden wiederum bei einem atropinisirten Kanin- chen die zu gleicher Zeit aus dem Kopfe genommenen Augen so verwendet, dass I .5 Min. nach dem Köpfen, II 5 Min. später, also 10 Min. nach dem Tode, zur Exposition kam. Dieselbe Üeber Regeueratiou des Selipnrpurs beim Säugetliiere. 221 dauerte wegen des schlechteren Lichtes 2\'2 Min. und ergab auf beiden Netzhäuten unterexponirte Bilder mit nicht völlig gebleich- ten hellen Streifen von nahezu übereinstimmender Färbung, sicher ohne jede Differenz zu Gunsten der Lichtwirkung des am spä- testen exponirten Auges. Auch hier waren die Pupillen eng und während der Versuchszeit unveränderlich geblieben. Die exstirpirten Augen gewährten den Vortheil, fast immer stark verengte und darum gleiche Pupillen zu besitzen; da wir es aber recht schwierig fanden sie richtig unter dem Objecte zu Orientiren und mancher Versuch fehlschlug, weil die Bilder nicht auf correspondirende Theile der Netzhaut gefallen und desshalb schlecht zu vergleichen waren, so experimentirten wir weiter an im Kopfe gelassenen Augen. Hier pflegt die Pupille erst weit zu bleiben und sich viel später zu verengen, gleichviel, ob Atropin verwendet worden, oder nicht; auch war sie nicht immer auf beiden Augen von gleichem Durchmesser. Um dem Uebelstande zu begegnen, wurde jedes Auge dicht auf der Cornea mit einem 3 mm. weiten Diaphragma belegt, so dass kaum noch Verschiedenheiten der Lichtintensität in den beiden Aufnahmen vorkommen konnten. Versuch 4. Der abgeschlagene Kopf eines nicht atropinisirten Thieres wird nach schleunigster Zerstörung des Gehirns mittels einer dicken Federfahne, mit Auge I 3 Min., 2 Min. später mit II ebenfalls 3 Min. exponirt, nachdem I inzwischen schnell exstir- pirt und in Alaun gelegt worden. Da der Himmel (wie bei Ver- such 1 und 2), wolkenfrei geblieben, so war für die Vergleich- barkeit der Optogramme wegen etwaiger Inconstanz der Licht- intensität nichts zu befürchten. I enthielt ein scharfes Opto- gramm, aber mit rosigen hellen Streifen, II ein vollkommenes Bild ohne jede Spur von Farbe in den letzteren. Versuch 5. Gleich nach Versuch 4 und wie dieser ausgeführt bei dauernd reinem Himmel. I wird 5 Min,, II 9 Min. nach 222 W. C. Ayres und W. Kühne: dem Köpfen 3 Min. lang exponirt. Beide Optogramme sind voll- kommen und ohne irgend welche Unterschiede. Diese Versuche dürften genügen, um den vorausgeschickten Satz zu erweisen; die gefundenen Hindernisse der Lichtbleiche sind darnach nicht gerade unerheblich, aber rasch vergänglich, jedenfalls 5 Min. nach dem Tode nicht mehr merklich. Nach der früher (Bd. I, S. 378) für das Kaninchen ge- fundenen, namentlich im Vergleiche zum Frosche ausserordent- lich geschwinden Entfärbung der Netzhaut, war es von Interesse, das lebende Auge in dieser Hinsicht mit dem überlebenden zu vergleichen. Versuch 6. Auge I eines atropinisirten lebenden Kaninchens wird mit einem Diaphragma von 3 mm. belegt, bei wolkenlosem Himmel 3\'2 Min. exponirt, darauf sogleich luxirt, mit einem Scheerenschnitte aus dem Kopfe genommen und sofort halbirt in Alaun gebracht. Inzwischen ist der Kopf abgeschlagen und mit Auge II sofort 3^2 Min. exponirt, welches ebenso schleunig in den Alaun gelangt. I enthält ein gerade vollkommenes Opto- gramm, II ein entschieden . überexponirtes mit zu breiten hellen Streifen und beträchtlich gelbrother Färbung der dunklen Partieen. Hieraus ergibt sich, dass die das Bleichen des Purpurs ver- zögernde Gegenwirkung im lebenden Auge ohne Frage mächtiger ist, als im überlebenden. B. liii ttberleljeudeu Auge ist ßegeneratioii des Selipnrpurs nach der Liclitwirkung nicht zu bemerken. Die ersten diese Frage betreffenden Versuche wurden wieder mit exstirpirten Augen angestellt, und da es darauf ankam, zwei ganz gleich behandelte zu gleicher Zeit zu exponiren, haben wir mit möghchster Eile zuweilen schon am Lebenden die luxirten Augen mit einem Schnitte isolirt und sofort in die zu ihrer Auf- nahme bestimmten, dicht neben einander unter dem Objecte be- festigten kleinen Holzbecher gebracht. Nach beendeter Exposition Ueb^ Regeneration des Selapurpurs beim Säugethiere. 223 wurde I schleunigst in Alaun abgetödtet, II 5 — 10 Min. im Dun- keln liegen gelassen und nach dieser, der etwa vorhandenen Regeneration gewährten Zeit, in das Alaunbad gebracht. Hier, wo begreitiich die äusserste Eile nötliig war, gelang es uns nur selten, die Augen nach Wunsch zu orientiren und die Sehaxen richtig zu stellen. Wir finden jedoch unter den besser gelungenen Versuchen keinen, der eine nachträgliche Regeneration hätte er- kennen lassen. Bessere Erfolge hofften wir von dem folgenden Verfahren zu erhalten: wir spalteten den abgetrennten Kopf der ganzen Länge nach, indem wir ein grösseres aufgesetztes Messer mit einem Hammerschlage durch den Schädel trieben, und brachten unmittelbar darauf die beiden Kopfhälften mit dem Scheitel einander zugewendet unter das Centrum des Objectes. Da die Augen nach dem Verfahren w'ährend gleichzeitiger Exposition keine beachtenswerthe Pupillendifferenz zeigten, so konnte von der Benutzung enger Diaphragmen abgesehen w^erden. In Versuch 7 dauerte die Exposition bei trübem Wetter 2 Min. I ward sofort, II 10 Min. später in Alaun gethan. Beide enthielten nur den Anfang eines Optogrammes, das merkwürdiger Weise nur ein nicht völlig ausgebleichtes Streifchen an S3'mme- trischen ziemlich central gelegenen Stellen der Sehleiste zeigte. Gab es eine Differenz, so war sie bezüglich der Ausbleichung zu Gunsten von II, also sicher der Annahme einer, wenn auch noch so schwachen nachträglichen Regeneration bei nicht einmal völlig erreichter Bleichung entgegen. Da ein anderer Versuch dieser Art bei bestem Lichte nach Exposition von 1 Min. gar keine Aenderung der Retinafarbe und keine Spur eines Bildes geliefert hatte, wurde Versuch 8 mit einer Verbesserung der Lage der Kopfhälften angestellt, indem man den Kieferrand etwas hob und die Augen auf diese Weise günstiger zum Objecto richtete. Die Exposition währte bei gutem ^24 \V. C. Ayi-es unci W. Kulme t ^ Lichte 2^2 Min. I wurde darauf sofort, II erst nach 10 Min. langem Liegen im Dunkeln, in Alaun gebracht. Wieder zeigte sich in beiden nur die sonderbare Andeutung eines Optogrammes durch hellere Fleckchen in der Sehleiste, die in I am deutlichsten waren, während die ganze übrige Fläche der Netzhaut so purpurn aussah, als wenn sie gar kein Licht erhalten hätte. Die Ursache dieser merkwürdigen Ergebnisse aufzuklären, bleibt weiterer Untersuchung vorbehalten; wir vermutheten sie in einer irgendwie von dem Gehirn ausgehenden Wirkung und sahen die Bleichung in der That ganz gut erfolgen, als wir das- selbe aus beiden Kopfhälften mit einem Spatel schnell entleert hatten. Versuch 9. Bei weniger gutem Lichte, als Versuch 8, Nach- mittags angestellt. Mit grösster Eile wird der Kopf getrennt, gespalten, das Gehirn entfernt, worauf beide Augen sofort 2\'2 Min. exponirt werden. I kommt direct, II erst 10 Min. später in Alaun. Beide Augen enthalten noch etwas unterexponirte, aber scharfe mit mehreren Streifen über die Sehleiste gehende Bilder, deren Unterschiede sehr gering und eher zu Gunsten stärkerer Bleichung im zweiten Auge sind. Die Pupillen schienen während der Exposition kaum verschieden und waren massig verengt. Da schon die Gegenwirkung, oder Rhodophylaxe, 5 Min. nach dem Tode sicher ganz erlischt und wohl vom Momente des Aufhörens der Circulation an fortwährend abnimmt, konnten die eben er- wähnten negativen Ergebnisse auch davon bedingt sein, dass die einer wirklichen Regeneration günstige und nöthige Periode an die Expositionszeit vergeben worden. Wir führten desshalb einige Aufnahmen im Leben aus, exstirpirten das Auge sofort und untersuchten, ob sich Unterschiede fänden, je nachdem es schleu- nigst abgetödtet, oder einige Zeit vor dem Einlegen in Alaun der Dunkelheit überlassen worden. Ueber Regeneration des Selipurpürs beim Öilugetliiere. 225 Versuch 10. Atropin. Auge I des Lebenden 1 Min, exponirt, unter einem schwarzen Tuche sogleich hixirt und mit einem Seh- nervenschnitte entfernt, worauf es sogleich halbirt in Alaun ge- stürzt wird. Inzwischen ist ein Wattepfropf in die kaum blutende Orbita gepresst und der Kaninchenkopf gewendet ; II wird darauf ebenfalls intra vitam 1 Min. exponirt und 10 Min. in dem sofort getrennten Kopfe gelassen, bevor es zur Härtung gelangt. Die erhaltenen Optogramme sind vollkommen und zeigen gar keine Unterschiede. In derselben Weise haben wir eine grössere Anzahl von Experimenten mit geringerer Expositionszeit (von 15 — 45 See.) angestellt, in der Hoffnung, postmortale Regeneration wenigstens dann zu finden, wenn die hellen Stellen nur angebleicht, nicht ganz entfärbt worden. Einzelne Fälle schienen auch in diesem Sinne verwerthbar, da uns aber andere, mit anscheinend um- gekehrtem Erfolge vorliegen, haben wir Grund, das Verfahren zur Entscheidung einer so subtilen Angelegenheit für unzureichend zu halten. Zum Theil liegt das gewiss an der Veränderlichkeit der Lichtintensität von einer Aufnahme zur andern, die trotz der geringen Zwischenzeit nur an wenigen Tagen nicht zu befürchten gewesen wäre, und um so mehr Berücksichtigung verdient, als der Augenschein darüber kaum belehrt. Wir bekennen, durch Nichts mehr überrascht worden zu sein, als durch die wider Er- warten geringe Expositionszeit, deren nicht atropinisirte, oder selbst mit engen Diaphragmen belegte Augen im Sommer be- durften, nachdem wir im Winter (vergl. Bd. I, S. 394) 7 — 10 Min. zu solchen Aufnahmen nöthig gefunden hatten. Aus allem Vorstehenden erhellt der für weitere Al^beiten er- freuliche Umstand, dass man bei keiner Art von Optogrammen nachträgliches Verwischen ohne Licht zu befürchten habe. 226 W. C. Ayres und W. Kühne: III. Regeneration im Leben. Frühere Erfahrungen hatten zu der Annahme geführt, dass Rhodophylaxe und Rhodogenese abgesehen von der Verschieden- artigkeit der Processe an sich, unter verschiedenen Bedingungen zur Geltung kämen. Die Hypothese war, um es kurz zu sagen, diese: beginnt das Licht Sehgelb und Sehweiss zu bilden, so wandelt etwas aus dem Epithel Kommendes (Rhodophylin) jene Körper wieder in Purpur um (Rhodophylaxe); die Bleichungs- producte werden aber auch aus den Stäbchen entfernt und sind in dem Augenblicke oder wenig später vollkommen entfernt, in welchem die Bleichung vollständig geworden. Was ^'etzt im Dunkeln erfolgt, ist Bereitung neuen Purpurs im Epithel, welcher in dem Maasse an die Stäbchen abgegeben wird, als er fertig wird (Rhodogenese). Der erstere Process verläuft bei massigem, anscheinend nicht bleichendem Lichte continuirlich, bei unvoll- kommener Bleichung schnell, der letztere, wenn jener ausge- schlossen, auch beim Säuger sehr langsam. Alle bisher gefundenen Thatsachen sind mit dieser Annahme und der Hypothese vom Schwinden des Sehweiss vereinbar, vor Allem die Unterschiede der Fluorescenz intre vitam und post mortem gebleichter Netz- häute. Wir haben versucht weitere sich einfügende Thatsachen zu finden, A. Druckversuche. In der Voraussetzung, dass die schneller verlaufende Rho- doj)liylaxe an Stelle der langsamen Rhodogenese trete, wenn man die Resorption der Bleichungsproducte während und kurz nach der Behchtung verhindert, wurde der Verlauf der Re- generation nach Exposition gepresster Augen verfolgt. Beim Menschen wird die Circulation des Blutes in der Netzhaut be- kanntlich schon durch massigen Druck unter gleichzeitigem Er- blinden gehemmt ; was dabei in der Uvea vorgeht, ist weniger bekannt. Ueber Regeneration des Sehpui"purs beim Säugethiere. 227 Am Kaninchen gelingt es leicht durch Eindrücken eines kantigen Instrumentes in die Orbita den Bulbus zu luxiren und so hervor- zudrängen, dass man einen Kautschukring umlegen und das Zu- rückspringen verhindern kann. Dabei trübt sich die Cornea in derselben sonderbaren Weise wie am todten Auge, wenn man es presst, und die Pupille verengt sich maximal. Wird mit dem Drucke nachgelassen, so klärt sich die Cornea augenblicklich, während die Pupille sich langsam wieder erweitert. Dass so be- deutender Druck im Auge alle Circulation aufhebe, ist kaum zu bezweifeln, doch haben wir es nicht festgestellt, weil es recht umständlich gewesen wäre und keine Aussicht war, ein so be- handeltes Auge zum Optographiren benutzen zu können. Wir mussten uns mit schwächerem Drucke begnügen, hinreichend die Pupille etwas zu verengen, und unschädlich für die Durchsichtig- keit der Cornea. Ob die Resorption im Auge damit unterdrückt, oder für unsere Zwecke genügend herabgesetzt worden, bleibt zu entscheiden. Nach unseren Beobachtungen verträgt das Kaninchenauge die genannte starke Pressung wiederholt und einige Minuten, ohne Inder Folge blind zu werden; wir konnten desshalb voraussetzen, dass der schwächerem Drucke folgende Zustand, auf den es ankam, nicht erheblich von dem normalen abweichen werde. Ein Vor- versuch, in dem wir auf gewöhnliche Weise das Optogramm her- stellten und innerhalb der nächsten halben Stunde einige Male je zwei Minuten lang den Bulbus stark pressten, ergab nach der 45 Minuten darauf erfolgten Eröffnung des Auges einen kaum noch bemerklichen Bildrest. Versuch 11. Atropin. I gedrückt, 1 Min. exponirt, aus der Orbita geknipst und sogleich in Alaun; II gedrückt, 1 Min. exponirt, im Dunkeln noch .5 Min. gedrückt erhalten und ebenso direct in Alaun gebracht. — I enthält ein prachtvolles Opto- gramm, dessen helle Streifen jedoch nicht ganz weiss, hellstroh- 2S8 W. C. Ayres und W. Kühne ; gelb sind; II zeigt nur den mittleren Streif ganz hell, die üb- rigen belichteten noch von rosiger Farbe. Es machte dies den Eindruck, als ob der Druck die Regeneration befördert habe; da das Folgende keinen Anhalt dafür bietet, ist anzunehmen, dass der Druck bei II zu stark ge^Yesen, so dass die Expositions- zeit in Folge der stärkeren Pupillenverengung nicht gereicht hatte. Versuch 12. Atropin, bestes Licht. I gedrückt, 45 See, expönirt, darauf sogleich in die Orbita zurücksinken gelassen. II 5 Min. später ebenfalls 45 See. während einer Pressung ex- pönirt und aus dem abgeschlagenen Kopfe sofort in Alaun ge- bracht. In beiden finden sich unvollendete Optogramme, die von einander nicht zu unterscheiden sind, obwohl I 5 Min. 45 See. Zeit zur Regeneration nach der Pressung gelassen worden. Versuch 13. Atropin, sehr gutes Licht. I gedrückt, 1^2 Min. expönirt, Druck aufgehoben. II 5 Min. später gedrückt, ebenso lange expönirt und sofort in Alaun. Beide Augen zeigen stark überexponirte Optogramme mit zu breiten hellen und zu schmalen dunklen Streifen, die in II schon gelblichroth sind. In I sind dagegen trotz der Ueberexposition starke Anfänge von Regeneration zu sehen, bei der die dunklen Streifen rein purpurn, die hellen kräftig rosafarben sind. Die Pupillen schienen während der Aufnahmen nicht verschieden und maassen am Schlüsse jeder Exposition, soweit es sich mit dem Cirkel bestimmen liess, 5 — 6 mm. Versuch 14. Atropin, gleichmässig weiss bewölkter Himmel, I gedrückt, 3 Min. expönirt; Pupille etwa 5 Mm. weit; Druck sogleich wieder aufgehoben. II 5 Min. später auch 3 Min. unter Druck expönirt. Das Thier wird sogleich getödtet, I zuerst, II nach 10 Min. langem Verweilen im Kopfe in Alaun gebracht. I zeigt ein gutes Optogramm, dessen helle Streifen aber gelb auf tief purpurnem Grunde stehen. In II ist die Zeichnung ebenso, aber die hellen Streifen sind nur äusserst schwach gelblich und der lieber Regeneration des Sehpurpurs heim Säugethiere. 229 dunkle Grund von mehr rein rother Farbe. Die Pupillenweite hatte hier ebenfalls etwa 5 mm. betragen. Versuch 15. Atropin, Licht etwa wie in Versuch 14. I Druck, Exposition 3 Min., II sofort darauf gedrückt, 3 Min. exponirt, weiter noch 5 Min. im Dunkeln gedrückt, darauf das Thier ge- tödtet. — II zeigt wieder ein nicht genügend exponirtes Bild, I ein stark verwischtes Optogramm auf sehr ausgeprägt purpur- farbenem Grunde. Ein Blick auf die letzten 3 Versuche macht eine Beförderung der Regeneration, nach Belichtung unter Störungen des Säfte- laufes im Auge, sehr wahrscheinlich, während sich (in Versuch 14) nichts der Art bei Fortsetzung des Druckes zeigt. Atropin wurde in allen Fällen angewendet, weil es bei den angewendeten Grössen des Druckes einigermassen der stärkeren Pupillenverengung und den Ungleichheiten derselben bei je 2 Aufnahmen zu begegnen schien. Indess wurde das Verfahren wegen der ihm anhaftenden unvermeidlichen Inconstanzen aufgegeben und zu einem anscheinend mehr versprechenden, dem der Unterbindung sämmtlicher Hals- gefässe übergegangen. B. Regeneration nach gelieuinitem Blntlanfe. Die Arterien des Halses wurden in der seit KtissmauVs und Tenners, Untersuchungen viel geübten Weise blossgelegt und unterbunden. Wir umwickelten den zuvor natürlich länger im Dunkeln gehaltenen und mit einer starken Atropineinträufelung versehenen Kaninchen den Kopf mit einer Augenbinde und über- zeugten uns zunächst von der vollständigen Absperrung des Blutes an den kurz nach Verschluss der Arterien erfolgenden Krämpfen. Die Art. subclavia, sin. -wurde immer zuerst und bleibend unter- bunden, darauf eine Fadenschlinge so unter der Wurzel der bei- den Carotiden und der rechten Art. subclavia angebracht, dass ein sanfter Zug den Zutritt des Blutes nach dem Kopfe vollkommen aufhob. Hinsichtlich des Operativen erlauben wir uns nur die 230 W. C. Ayres und W. Kühne: eine Bemerkung, dass man gut tliut etwaiges Fett am Eingange des Thorax nicht zu zerreissen, sondern mit Vorsicht im Zusammen- hange herauszuziehen, worauf ein Operationsfeld von höchster Eleganz entblösst wird, in welchem mau oft den Abgang der Art. vertebralis von der Art. subclavia sin. vortrefflich übersieht. Da die Fallsuchtkrämpfe und die von Kussmaul in seiner classi- schen Arbeit (Würzburger Verhandl, 1856 VI., S. 24) beschrie- benen Bewegungen des Auges und der Pupille jeden optographi- schen Versuch gestört oder ganz vereitelt hätten, lähmten wir die Thiere nach dem Vorversuche mit Curare und erhielten sie durch künstliche Respiration am Leben. Wie gut wir daran noch aus einem andern Grunde gethan, erfuhren wir nachträglich aus den Arbeiten von Sigm. Mayer (Sitzb. d. k. Akad. d. W^iss. Bd. LXXVII, Abth. III, Mai-Heft 1878), welche zeigen, dass man da- mit zugleich die Möglichkeit schafft den Kopf länger ansemisch zu halten, ohne das Leben der Thiere durch Lungencedem zu be- drohen. Gegen Ungleichheiten der Pupillen während der optogra- phischen Aufnahmen mit und ohne Hemmung des Kreislaufes schützte maximale Atropinwirkung, nach welcher kein Einfluss der Arte- rienunterbindung während der verwendeten Zeiten zu bemerken war. Die nach Wiedereröffnung des Blutstromes vorkommenden Bewegungen im Auge kamen für unsere Zwecke nicht in Betracht. Versuch 16. bei sehr gutem Lichte. I. 1 Min., wie gewöhn- lich exponirt, Kopf gewendet, Arterien geschlossen, IL 1 Min. später auch 1 Min. exponirt; im Dunkeln kehrt das Blut sogleich zu- rück. Das Thier wird 10 Min. später getödtet. I zeigt ein sehr gutes Optogramm und der demselben gegebenen Eegene- rationszeit von 11 Min., während deren es von Blut gespeist worden, entsprechende normale Anfänge rückkehrender Färbung, II zeigt ein der Zeichnung nach überexponirtes, der Farbe nach mindestens so stark wie I regenerirtes Bild, nach unserer Mei- nung deshalb überexponirt, weil das Licht an dem des Blutlaufes Ueber Regenoration des Selipurpurs beim Silugethiere. 231 beraubten Auge geringere Gegenwirkung (Rliodophylaxe) fand und stärker darauf gewirkt haben musste. Versuch 17. Schlechtes Licht. I mit Kreislauf 1 Min. cx- ponirt, 5 Minuten später Arterienligatur angezogen, ^/^ Min. da- rauf ^Yährend weiterer Erhaltung der Ligatur II 1 Min. exponirt; darauf werden die Arterien sogleich freigegeben und das Thier 5 Min. später getödtet. I zeigt gar keine Ausbleichung, II ein sehr scharfes, aber in den Farben schwach ausgeführtes, wie mit dunklerem Rosa und hellerem Gelblich-Iioth gemaltes Bild. Wahr- scheinlich hatte das mangelhafte Licht in dem normalen Auge trotz der ^Yeiten Pupille nur ein so schwaches, unterexponirtes Bild erzeugt, dass 10 Min. zu seiner regenerativen Ausmerzung genügten, während dasselbe Licht bei gleicher Pupillenweite an dem andern, wie man sagen könnte, nur überlebenden xVuge für ein vollkommenes Optogramm hingereicht hatte. Dies voraus- gesetzt, verdiente der in 5 Min. erreichte Grad von Regeneration volle Beachtung. Versuch 18. Schlechtes Licht. I wird vor der Curarewirkung 1 Min. exponirt, II 10 j\Iin. später, nach erfolgter Lähmung, Be- ginn der künstlichen Respiration und gleich nach dem Zuschnüren der Arterien, ebenfalls 1 Jlin. exponirt. Sofort darauf kehrt das Blut in den Kopf zurück; 5 Min. später wird der Kopf abge- trennt. I hat kein Optogramm, II ein nahezu vollkommenes, ohne eigentliche Zeichen von Regeneration. Versuch 19. Bestes Licht. I mit Circulation 45 See. II 7 Min. später ohne Circulation 45 See. exponirt. Tod 5 Min. darauf. In I findet sich ein prachtvolles Optogramm, an dem trotz der zur Regeneration gewährten 12 j\Iin. keine Regene- ration zu bemerken ist; 11 dagegen zeigt ein in der Zeich- nung zwar fast vollkommenes, in den Farben aber wie durch Regeneration abgestuftes Bild, da die hellen Streifen auf der Fläche strohgell), in der Sehleiste fast orange sind. Da II jeden- 232 W. C. Ayres und W. Kühne: falls kein schlechteres Anfaiigsbild gehabt haben konnte, als I, seine Zeichnung auch bereits auf Ueberexposition deutete, so ver- dienen die hier nach 5 Min. erschienenen Regenerationszeichen, deren I trotz der mehr, als doppelten dazu gewährten Zeit, ent- behrte, besonders hervorgehoben zu werden. Versuch 20. Massiges Licht. I mit Circulation 3 Min., II 5 Min. später ohne Circulation 3 Min. exponirt. Das übrige Verfahren war wie bisher. Tod 7 Min. nach der zweiten Expo- sition. I zeigt sehr breite helle Streifen von blasser Rosafarbe. (Regeneration von 12 Min.). Das Optogramm II liegt zum grossen Theile, wider die Absicht, im Papillentheile; doch sind die hellen Streifen in der Sehleiste sehr deutlich und im Ganzen zu breit (Ueberexposition). Dieselben sind nicht ganz farblos, aber ihre Farbe kann höchstens mit Berücksichtigung der Ueberexposition und der massigen Zeit von 7 Min. für eine vielleicht gesteigerte Regeneration sprechen. Versuch 21. Mittlere Helligkeit. I mit Circulation 1 Min., II 4 Min. später ohne Circulation ebenso lange exponirt. Die Ligatur war 30 See. vor der Exposition angezogen. Tod 7 Min. nach Exposition von II. Beide Augen enthalten vollkommene Optogramme, doch ist nur in II, das die kürzere Zeit dazu hatte, eine schwache Andeutung von Regeneration, die sich auch in die Sehleiste erstreckt, zu bemerken. Die vollkommene Abwesenheit dieser Zeichen in I nach 11 Min. deutet, wenn man bedenkt, dass die Ausbleichung grade vollkommen gewesen, auf eine ge- wisse Schädigung der Regeneration durch die zwischenfallende Blutstockung. Versuch 22. Gutes Licht. I mit Circulation 1 Min., II 3 Min. später 1 Min. ohne Circulation exponirt, nachdem der Kopf- kreislauf schon 2 Min. vorher unterdrückt worden, Tod 12 Min. später. Beide Optogramme sind wie überexponirt, aber nur I zeigt beginnende Regeneration. Ueber Regeneration des Sehpnrpnrs beim Säugethiere. 233 Versuch 23. An demselben Tage wie Versuch 21, ausnahms- weise Nachmittags angestellt. Ausser der Arterienligatur wird noch ein breites starkes Seidenband unter den Carotiden, den N.N. Vagi lind sympathici, sowie unter der Trachea zur Umschnürung des ganzen Halses umgelegt. I wird mit Circulation l\/2 Min. exponirt, 1 Min. später die Arterienligatur angezogen, nach einer weiteren Minute der Hals fest umschnürt und nach wieder 1 Min. H 1\'2 Min. exponirt. Gleich darauf wird das Halsband durchschnitten, dann die Arterienligatur losgelassen, und das Thier 10 Min. später ge- tödtet. Beide Bilder sind nahezu vollkommen und kaum verschieden; in n ist nur der mittelste helle Streifen etwas gelblicher, als in I. Versuch 24. Gutes Licht. I mit Circulation 1 Min. expo- nirt; 10 Min. später wird die gewöhnliche Arterienligatur ange- zogen, nach einer weiteren Minute H 1 Min. exponirt. Darauf wird das Blut wieder zugelassen und das Thier 20 Min. später getödtet. Die xVugen liefern beide noch vollkommen kenntliche, obwohl stark regenerirte Optograrnme. In H ist die ganze Netz- haut blasser, als in I, und im Bilde ohne Frage schwächer re- generirt während der 20 Min. Dunkelaufenthaltes, als in dem andern Auge, das über 30 Min. Regenerationszeit verfügte. Wir hal)en hiermit diese einigermaassen mühsame Ver- suchsreihe abgebrochen, da wir nicht hoffen konnten, entscheiden- dere Resultate damit zu erlangen. Manche derselben sprechen für Beförderung der Regeneration nach vorangegangener Bleichung ohne Blutlauf und ohne Resorption, aber es stehen ihnen, wie bei den Druckversuchen, auch widersprechende oder zweifelhafte Resultate gegenüber, so dass zu sicheren Schlüssen nicht zu ge- langen ist. Möglich und denkbar ist es, dass es weder mit der einen noch mit der andern Methode gelingt, die Bewegung der in den Stäbchen entstandenen Bleichungsproducte , nach irgend einem anderen in oder ausserhalb des Auges befindlichen Orte gänzlich zu verhindern. Kühne, Untersuchungen II. 16 234 W. C. Ayres und W. Küline: C. Tom Einflüsse des Beliclitiuig-sgrades auf die Regeneration. Genauer gesprochen, sollte hier der Einfluss der Inten- sität des Lichtes und der Dauer des Belichtens auf den zeitlichen Verlauf der Regeneration erörtert werden, aber es sind zwingende Gründe, die uns den weniger versprechenden Ausdruck wählen lassen. Am lebenden Auge wenigstens war einstweilen noch ganz auf ein Studium der Veränderlichkeit der Stäbchenfarbe unter wech- selnden, aber messbaren Lichtintensitäten zu verzichten und erst die andere Arbeit zu thun, den Einfluss des Bleichungsgrades auf die Zeit der Rückkehr des Sehpurpurs festzustellen. Was darüber gefunden worden, lässt sich kurz sagen: So lange der Purpur an einer Netzhautstelle noch nicht gänzlich geschwunden und so lange noch sichtbare Spuren von Sehgelb vorhanden sind, verläuft die Regeneration bedeutend schneller, als nach Totalbleiche, ist diese aber einmal erreicht, so ändert sich die Zeit (von 38—40 Min.) bis zur Wiederkehr der normalen Dunkelfärbung durch weiteres und intensives Belichten kaum mehr. Schwierigkeiten bietet nur das Stadium zwischen kaum erreichter und kaum über- schrittener Totalbleiche, weil die Beobachtung, die ja nicht ohne Licht zu machen ist, unsicher wird. Durch TrockenauflDewahrung fixirte Optogramme helfen dagegen nicht, weil auch die ganz ge- bleichte Netzhaut so conservirt etwas gelblich wird und es grade auf die letzten Spuren von erkennbarem Sehgelb ankommt. So können wir nur den allgemeinen Eindruck wiedergeben, den wir aus langer Erfahrung gewonnen und dieser spricht dafür, dass nach den genannten Grenzwirkungen ein deutlicher Einfluss fort- gesetzter Belichtung auf die Regenerationszeit wahrzunehmen ist, so dass z. B. ein kaum unterexponirtes Optogramm in 35 Min., ein wenig überexponirtes erst in 45 Min. vollständig von neuem Purpur verwischt wird, also ein recht beachtenswerther Unter- schied vorhanden ist. Länger als 45 Min. haben wir jedoch nach keiner Behchtung warten müssen, um ihre Spuren gänzlich Ueber Regeneration des Sehpurpurs beim Säugethiere. 235 getilgt zu linden, nicht einmal, nachdem das atropinisirte Auge stundenlang der Sonne ausgesetzt worden. Ganz gleichgiltig für die Regenerationszeit ist Belichtung des andern Auges, denn wir sahen vollkommene Optogramme in 38—42 Min. wie gewöhnlich schwinden, wenn wir nur das betreffende Auge lichtdicht verban- den und in das andere atropinisirte die Sonne mit einigen Unter- brechungen viele Minuten scheinen Hessen. D. Versuche über den Einflnss einiger Nerven auf die Regeneration. In Uebereinstimmung mit der Einflusslosigkeit des einen Auges auf die Rückkehr des Sehpurpurs im andern befinden sich die gleichen negativen nach Durchschneidung der N. optici ge- machten Erfahrungen. Dass die Operation ohne Einfluss auf den Sehpurpur und auf die Regeneration im Allgemeinen sei, ist aus den Mittheilungen Langendorffs (vergl. Bd. I, S. 372) für den Frosch, und besonders aus denen Hohngren's (Bd. 11, S. 87) für das Kaninchen mit Sicherheit zu entnehmen, da die von jenen Forschern operirten Thiere nach längerer Zeit, wie Holmgren berichtet, nach mehr als zwei Jahren noch Sehpurpur im Auge hatten und gewiss nicht ausschliesslich im Dunkeln ge- halten wurden. Die von uns nach Holmgren s sehr zweckmässiger Methode mittelst intracrannieller Durchschneidung beider N. optici operirten Kaninchen zeigten nach dem Aufenthalte in der Sonne unter freiem Himmel vollkommen gebleichte Netzhäute und als wir eines etwa eine Stunde darauf im Dunkeln gehalten hatten, war die Retina von der eines gewöhnlichen Dunkelauges nicht zu unterscheiden. Genauere, mit der optographischen Methode anzustellende Versuche dürften daher kaum andere als die an normalen Augen vorkommenden Bleichungs- und Regenerations- zeiten ergelien. In der Hoffnung unter den zum Auge gehenden Nerven einem die Regeneration fördernden zu begegnen, haben wir einige wenige Versuche mit dem N. sympathicus und dem N. trigeminus 16* 236 W. C. Ayres und W. Kühne: angestellt. An ersterem beschränkten wir uns auf Reizversuche, bis jetzt nur in der Absicht, nachzusehen, ob irgend eine auffäl- ligere Veränderung, namentlich Beschleunigung der Regeneration eintrete. Bei dem Einflüsse des Halssympathicus auf die Gefässe des Kopfes und des Auges ist fast vorauszusetzen, dass Durch- schneidung oder Reizung auf den von der Blutcirculation ab- hängigen Process Einfluss üben werden, was durch ausgedehntere Versuche festzustellen bleibt; da dies jedoch nicht in unserem gegenwärtigen Plane lag, führten wir nur die folgenden Ver- suche aus. Versuch 25. Helles Wetter. Auge I 2^2 Min., gleich darauf Auge II links ebenfalls 2^/2 Min. exponirt. Vorher war der linke Halssympathicus auf eine Fadenschlinge genommen; derselbe wird jetzt im Natronlichte abgebunden, durchschnitten und fünf Minuten lang mit allmählich verstärkten Inductionsschlägen so gereizt, dass die Pupille des entsprechenden Auges stark erweitert bleibt. Das Thier wird nach beendeter Reizung sogleich ge- tödtet. Beide Augen geben unterexponirte Bilder, die kaum von einander zu unterscheiden sind. Da das Kaninchen einige Zuckun- gen gemacht hatte, sind die Optogramme etwas verwaschen. Versuch 26 bei ebenfalls hellem Wetter, genau wie der vorige angestellt, liefert zwei untadelhafte Bilder mit noch schwach chamoisfarbenen hellen Streifen, ohne Unterschied zu Gunsten der Seite, auf welcher der Nerv gereizt worden. Da hiernach wohl von c[er Hoffnung, in dieser Nervenbahn erregende Fasern für das Retinaepithel zu finden, abzusehen war, wendeten wir uns zum N. trigeminus und durchschnitten den- selben in bekannter Weise im Schädel. Eins der operirten Thiere wurde gleich nach gelungener Operation etwa eine Stunde an die Sonne in's Freie gesetzt, dann eine Stunde in's Dunkle. Wir fanden die Netzhaut in beiden Augen so purpurn wie immer. Dass die Durchschneidung des Nerven nach Wunsch gelungen, lieber Regeneration des Sebpurpurs beim Säugetliieve. 237 hatten am Lebenden schon die Probe auf Unempfindhchkeit des Auges und der entsprechenden Gesichtshälfte, sowie die Enge der Pupille erwiesen und winde bei der Section bestätigt ge- funden. Versuch 27, Ein Kaninchen wird nach Durchschneidung des N. trigeminus und nach Feststellung des Empfindungsverlustes, eine Stunde im Dunkeln gehalten, darauf in das Auge der ope- rirten (linken) Seite etwas Atropin getropft. 10 Minuten später ■wird dieses Auge I 3 Min., gleich darauf das andere II ebenso lange exponirt ; nach weiteren 37 Minuten wird das Thier ge- tödtet. In I findet sich keine Andeutung des Bildes, in II die letzte Spur desselben durch zwei brandrothe Streifchen in der Sehleiste angedeutet. Während der Exposition schienen die Pupillen der beiden Augen nicht verschieden. Die Section ergab vollständige Durchschneidung des Nerven. Hieraus ergibt sich, dass Trigeminusdurchschneidung keine Verzögerung der Piegene- ration bewirkt. E. Eiiifluss des Atropius und des Pilocarpins auf die Regeueration. Schon die ersten Erfahrungen Ul)er die Langsamkeit der Regeneration beim Säugethiere hatten den Verdacht erweckt, dass dem zu fast allen optogi'aphischen \'ersuchen verwendeten Atropin eine Schuld daran zuzuschreiben sei, und den Einen von uns vor langer Zeit veranlasst, gelegentlich vergleichende Be- obachtungen über die Rückkehr des Purpurs im normalen und im atropinisirten Auge anzustellen. Es konnte indess selbst nach wiederholten Einträufelungen von 2^2 pCt. Atropinsulfat enthaltenden Lösungen niemals eine verzögernde Wirkung be- merkt werden. Da Kaninchen, abgesehen von der Affection der Iris, gegen das Gift schwach reagiren, blieb der Einfluss stärkerer Allgemeinvergiftungen zu untersuchen , schon um damit dem Probleme des secretorischen Charakters der Thätigkeit des reti- nalen Epithels näher zu treten. Unleugbare Aehnlichkeit mit 238 W. C. Ayres und W. Kühne: secretorischen Processen besitzt die Epithelfunction sclion inso- fern, als doch offenbar etwas von den Epithelzellen an die Seh- zellen abgegeben, also auch ausgeschieden werden muss, wenn die ersteren die letzteren zu färben vermögen und als ein solcher Vorgang, bei Epithelien vorwiegend, den Absonderungen zu- gerechnet wird. Die im Allgemeinen hemmende oder lähmende Wirkung des Atropins auf absonderndes Epithel ist bekannt; das Gift konnte also möglicher Weise auch störend auf »die Regene- ration wirken. Den indolenten Kaninchen haben wir es in Dosen von ^,'2 — 4 ccm. der 2 ^2 pCt, des Sulfates enthaltenden Lösung durch subcutane oder in die Pleura gerichtete Einspritzungen einver- leibt, ohne indess irgend welchen Einfluss auf die fraglichen Vorgänge im Auge constatiren zu können. Versuch 28 zur Controle ohne Atropin ausgeführt. I 3 Min., 11 36 Min. später 3- Min. exponirt. 40 Min. nach Beendigung der ersten Exposition wird das Thier getödtet, I zeigt keine Spur eines Bildes, II als Controle ein vollkommenes Optogramm. Versuch 29. Unmittelbar nach dem vorigen Versuche wird von einem seit einer Stunde mit 4 ccm. der Atropinlösung ver- gifteten Kaninchen Auge I 3 Min., II 20 Min. später eben so lange exponirt. 40 Min. nach der ersten Exposition kommen beide Augen in Alaun. I zeigt keine Spur eines Optogramms, II eines, dessen Piandtheile schon etwas verwischt sind, während in zwei centraler gelegenen hellen und sehr deutlich begrenzten Streifen deutliche Rosafärbung beginnt. Das Licht schien an dem Versuchstage recht constant. Versuch 30. Vergiftung mit 2 ccm. Atropinlösung. ^/2 Stunde später I 2 Min., 11 38 Min. später auch 2 Min. exponirt. Tod sofort nach der zweiten Aufnahme. I zeigt die letzte Spur des Bildes noch an einem Fleckchen auf der Sehleiste, II ein voll- kommenes Optogramm. Ueber Regeneration des Sehpurpurs beim Säugethiere. 239 Ist (las regenerirende Epithel ein sccretorischer Apparat, so muss man hiernach sagen, dass er nicht zu den vom Atropin leidenden gehöre. Es bleibt indess sehr wünschenswerth , den Einfluss des Giftes bei anderen demselben mehr unterliegenden Thieren zu prüfen. Nach diesen zur Lösung der vorliegenden Frage vergeblich unternommenen Bemühungen ist es um so erfreulicher, ein Gift nennen zu können, das die Regenerationszeit bedeutend abkürzt und von dem zugleich die energischste anregende Wirkung auf fast alle Secretionen bekannt ist. Es ist dies das Pilocarpin des Extractes der .Taborandi-Blätter. Versuch 31. Einem Kaninchen werden 2 ccm. einer ^'2 proc. Lösung des krystallinischen Pilocarp. muriat. (bezogen von 3IerJ: in Darmstadt) ni die rechte Pleura gespritzt, worauf alsbald starker Speichelfluss erfolgt. 10 Min. später wird Auge I 3 Min., nach weiteren 10 Min. II eben so lange exponirt. Das Thier verendet darauf mit weiten Pupillen. In beiden klugen finden sich schöne Optogramme, von welchen das zuletzt entstandene vollkommen, das erstere in den belichteten Streifen von heller Rosafarbe ist. Versuch 32. Vergiftung mit 2 ccm. unter die Ptückenhaut injicirter Lösung, worauf sofort Speichel- und Thränenfluss erfolgt. Die Pupillen sind während des Belichtens etwas weiter, als normal ; I wird sofort 3 Min., II eben so lange nach 10 Min. exponirt, darauf das Thier sogleich getödtet. Die Bilder sind beide stark überexponirt mit zu breiten hellen Streifen, aber in dem von I, das nur 13 Min. langer Ptegeneration überlassen, sind die belich- teten Theile kräftig rosafarben. Versuch 33. Wie der vorige angestellt. I 1^2 Min., II 18\'2 Min. später 1\'2 Min. exponirt. I kommt darauf sofort, II nach 20 Min. langem Liegen im abgetrennten Kopfe in Alaun. In II findet sich, vermuthlich weil das Thier gezuckt hatte, ein verwaschener heller Fleck, während in I noch die letzte Spur 240 W. C. Ayres u. W. Kühne : Ueber Regener. d. Sehpurp. b. Säugeth. c des Optograrams an 3 schwächer gefärbten Flecken in der Seh- leiste zu erkennen ist. Versuch 34. Ausgeführt wie der vorige, doch beträgt die Zeit zwischen den Aufnahmen nur 10 Min. Im zweiten Auge ohne Regenerationszeit findet sich ein fast vollkommenes, ein wenig unterexponirtes Optogramm, während im ersten Auge Strei- fen nur noch in der Sehleiste zu sehen sind. Wo sich Gelegenheit fand, haben wir normalen Augen, in denen vollkommene, oder sehr wenig unterexponirte Optogramme entstanden waren, die Zeiten von 12—22 Min. zur Regeneration gegeben, aber niemals auch nur annähernd so vorgeschrittene Verwischung der Bilder mit neugebildetem Purpur gesehen, wie in den mitgetheilten, unter dem Einflüsse des Pilocarpin aus- geführten Versuchen und es findet sich in den gesammten in unserm Besitze befindlichen Notizen über normale Regenerations- zeit keine einzige Angabe von so rapidem Verlaufe des Vorgangs. In der Herabsetzung der Regenerationszeit durch das Secre- tionen so mächtig erregende Pilocarpin auf weniger als die Hälfte, liegt offenbar ein Hinweis auf secretorische Leistungen des retina- len Epithels, welchen weiter zu benutzen unsere nächste Aufgabe sein wird. Entoptische Wahrnehmung der Macula lutea und des Sehpurpurs. 241 leber die eutoptisclie Walirneliinimg der Macula lutea uud des Selipurpurs. Von Dr. August Ewald. (Hierzu Tafel IX.) Das Vorkommen verhältnissmässig so gesättigter Farben, wie des Sebpurpurs und der gelben Farbe der Macula lutea in der Retina des Menschen, Hessen es auffallend erscheinen, dass entoptisch von denselben bis jetzt fast niemals etwas wahrge- nommen worden war: denn so viele Methoden auch bekannt wurden zur entoptischen Demonstration der Macula lutea und der Fovea centralis, so waren doch die Bilder derselben fast immer nur auf Differenzen in der Helligkeit beschränkt. Da für die subjective ^yahruehmung der INIacula lutea, deren Pigment sich in den inneren Schichten der Retina befindet, die gleichen Verhältnisse vorliegen, wie für die PurJänje sehe Ader- figur, so versuchte ich zunächst die für die Hervorbringung dieser seither bekannten Methoden, jedoch ohne Erfolg. Weder bei der Beleuchtung mit schräg durch die Pupille einfallendem Kerzenlichte, noch bei Durchleuchtung der Sclerotica mit durch Linsen concentrirtera Lampenlichte, war in dem orangeroth ge- färbten Gesichtsfelde um den Fixationspunkt eine Farbendifterenz mit der Umgebung, etwa ein mehr in's Gelbe spielender Fleck zu bemerken, obgleich dabei die Gegend der Fovea durch den Mangel an Gefässen leicht zu erkennen Nvar. Ebensowenig gelang 242 August Ewald: es, die Farbe der Macula durch diejenige Methode zu sehen, welche die feinsten Capillarverästelungen am Besten zur Wahr- nehmung bringt, indem man durch eine feine etwa 1 □ mm. grosse Oeffnung nach einer gleichmässig von Tageslicht erleuchteten Fläche hinsieht, während man die kleine Oeffnuug in kreisförmigen Bewegungen dicht vor dem Auge herumführt. Man sieht dann die feinsten Capillarschlingen bis dicht an den Fixationspunkt herangehen, dort nur eine ganz kleine Stelle freilassend; man sieht auf's deutlichste darin eine feinste musivische Zeichnung, die jedenfalls Ausdruck der Zapfenmosaik ist, jedoch auch bei dieser Methode keine Andeutung von gelber Farbe, obgleich hier- bei die Gefässfigur auf eine von weissem Tageslichte erhellte Fläche projicirt wird. Auch wenn das Auge längere Zeit im Dunkeln verweilt hatte, gelang der Versuch nicht. Gleich resul- tatlos, in Beziehung auf Wahrnehmung der Farbe blieben die Versuche mit intermittirendem Lichte, die sonst die Macula und Fovea centralis sehr leicht entoptisch erkennen lassen. Heimholt s gibt (Handbuch der Physiol. Optik, § 25) an, dass man, wenn man durch ein blaues Glas plötzlich nach einer weissen Fläche sieht, oder nach dem blauen Abendhimmel blickt, die Macula lutea als dunklere Stelle sieht, und erklärt dies aus einer Absorption des blauen Lichtes durch das gelbe Pigment der Macula. Es war dies ein weiterer Grund zur Annahme, dass man bei geeigneter Versuchsanordnung die Macula gelb sehen müsse. Endlich erinnerte ich mich, häufig morgens beim Erwachen beim ersten Aufschlagen der Augen, die schwarze Gefässfigur, auf den grauen Grund meiner Zimmerdecke projicirt, wahrge- nommen zu haben, und ich versuchte mehrmals vergebens beim Erwachen schnell genug zum Bewusstsein zu kommen, um mir über die eventuelle entoptische Sichtbarkeit der Macula Rechen- schaft geben zu können. Es gelang mir bald sehr leicht die EDtoptische WahrnehmuDg der Macula lutea und des Sehpurpurs. 243 schwarze Aderfigur sehen zu lernen, die ich nun jeden Morgen mit grosser Deutlichkeit einige Secunden lang an meiner Zimmer- decke wahrnehme, dagegen konnte ich während mehrerer Tage keine Helligkeits- oder Farbendifferenz am Fixationspunkte be- merken. Endlich sah ich eines Morgens auf's deutlichste einen gelben Flecken in der Gegend des Fixationspunktes, der aber nach höchstens 1 — 2 Secunden wieder verschwunden war. So kurz die Beobachtung dauerte, so war ich doch sicher mich nicht getäuscht zu haben. Um nun mit grösserer Ruhe den Versuch wiederholen zu können, zu dessen Zustandekommen es offenbar nothwendige Bedingung ist, dass das Auge sehr lange, wie bei dieser Beobachtung während der ganzen Nacht, ausgeruht hatte, so musste der Versuch so angestellt werden, dass ich nach dem Erwachen zu vollständigem Bewusstsein kommen konnte, ehe Licht in die Augen eingefallen war. Zu diesem Zwecke liess ich mich in der Art wecken, dass mir mein Diener, während ich Morgens noch in tiefem Schlafe lag, ein dichtes schwarzes Tuch über den Kopf warf. Durch diese Procedur wachte ich auf, war aber vor eindringendem Lichte geschützt. Nachdem ich unter dem Tuche vollständig munter geworden, verschluss ich die Augen durch die dicht aufgelegten Hände und liess das Tuch entfernen. Richtete ich sie nun gegen die Zimmerdecke und öffnete, durch rasches Wegziehen der Hand und wieder Bedecken das eine Auge für einen Moment, so sah ich auf's deutlichste die Adertigur, schwarz auf hellem Grunde, hauptsächlich die grossen Gefäss- stämme, die in weitem Bogen oben und unten die Macula um- kreisen. In der Mitte dieses Gefässkranzes, sah ich jedesmal einen gelben, etwas dunkleren Fleck, der die Gegend des Fixa- tionspunktes einnahm und seiner Grösse nach, auf der Retina einem Flecke von etwa 1,5 mm. Durchmesser entsprechen musste. Da der intensiver gefärbte Theil der Macula von den Meisten etwa zu 1,5 — 2,0 mm, Durchmesser angegeben wird, so scheint 244 August Ewald: mir kein Zweifel zu sein, dass das beschriebene entoptische Bild der Ausdruck der Macula lutea ist. Seit 14 Tagen habe ich diesen Versuch täglich wiederholt und jedesmal mit beiden Augen, den gelben Flecken durch momentanes Oeffnen des Auges, mit- unter 5 — 6 mal hintereinander, freilich mit allmählich abnehmen- der Deutlichkeit, beobachten können. Bei diesen Versuchen ist noch eine andere Erscheinung von nicht geringerem Interesse zu beobachten. Um den gelben Flecken herum sieht man jedesmal einen grösseren rosenfarbenen Hof, der aussen etwa bis zum blinden Fleck und oben und unten bis nahe an die grösseren Gefässstämme reicht. Derselbe ist am gesättigtsten in der Nähe des gelben Fleckens und geht an der Peripherie allmählich in die weisse Farbe der Zimmerdecke über. Je besser das Auge ausgeruht ist, um so intensiver in der Färbung und um so grösser erscheint der rosafarbene Hof. Bei den best gelungenen Versuchen musste er meiner Schätzung nach einer Retiuagrösse von etwa 5—5^/2 mm. Durchmesser entsprechen. Diese Erscheinung ist noch schwerer wahrzunehmen und noch flüchtiger als die Beobachtung der Macula lutea, denn letztere ist noch gut entoptisch gelb sichtbar, wenn der Hof schon ver- schwunden ist. Nur das absolut ausgeruhte Auge ist im Stande die Beobachtung anzustellen; denn, wenn man während des Tages, nachdem also mehrere Stunden das Tageslicht in gewöhnlicher Weise auf die Retina eingewirkt hatte, das Auge, selbst eine ganze Stunde lang, bedeckt hält, so ist doch noch keine Spur der Piosenfarbe zu bemerken. Ist jedoch das Auge die Nacht hindurch gründlich ausgeruht, und hat man am Morgen nur so lange Licht einfallen lassen, bis die Macula lutea und der Hof verschwunden sind, also nur wenige Secunden lang, so genügt ein erneutes Ausruhen von etwa 20 Min., um die Erscheinung wieder in voller Deutlichkeit wahrnehmen zu können. Aehnliche Beobachtungen, denen woiil die gleiche entoptische Entoptiscbe Walirnehmung der Macula lutea und des Sehpurpurs. 245 Ursache zu Grunde lag, scheinen schon früher gemacht worden zu sem. So gibt Tait (Edinburgh Proceedings 18(i9 — 70. VII. pag. 605 — 607) an, dass ihm Nvährend eines Unwohlseins jedes- mal beim Erwachen das Licht der Lampe etwa 1 Secunde lang tief roth erschien. Er fand darin eine Stütze der Young' sehen Theorie, indem er glaubte, dass die Nervenfasern der Ketina am Schlafe theilnähmen, dass aber die grün- und violet-empfindenden Fasern ihre Function etwas später wieder erhielten, als die roth- emplindenden. Diese Erklärung kann aber für die Erscheinung des rosenfarbenen Hofes nicht richtig sein, denn sonst müsste auch an Stelle des gelben Fleckens zuerst Roth empfunden werden, was nicht der Fall ist. Auch von BoU (Archiv f. Anat. u. Physiol. 1877. I. Pag. 20. Anmerkung) wurde auf eine rothe Färbung des Gesichtsfeldes und eine rostfarbene, der Macula entsprechende Stelle bei ausge- ruhtem Auge aufmerksam gemacht, und als subjective Wahr- nehmung des Sehpurpurs aufgefasst. Das entoptische Bild des vollkommen ausgeruhten Auges (Taf. IX), auf die oben beschriebene Weise zur Wahrnehmung gebracht, entspricht auch so vollständig dem Aussehen der cen- tralen Parthieen einer ganz frisch exstirpirten, noch purpurlialtigen menschlichen Retina, dass der Gedanke nahe liegt, in dem rosen- farbenen Hof um den gelben Flecken den en top tischen Aus- druck des Sehpurpurs zu sehen. Man musste freilich daran denken, diese Erscheinung mit Horner's Beobachtung (Klin. Monatsbl. f. Augenheilk. XV, S. 157) in Zusammenhang zu bringen, der beim Betrachten des Augenhintergrundes eines frisch exstirpirten menschlichen Auges an Stelle der Fovea eine sehr schnell verschwindende Röthe zu bemerken glaubte. Allein dies kann die Erscheinung nicht erklären, da selbst die ganze Macula lutea, auch mit ihren helleren diffusen Rändern niemals eine solche Ausdehnung besitzt, wie der rosenfarbene Hof. Ausser- 24:6 August Ewald: dem konnte bei keinem der von Kühne bis jetzt untersuchten, möglichst gut conservirten menschlichen Augen, selbst an den Tollkommen normalen, frisch bei Xatronlicht exstirpirten nicht, eine rothe Färbung der Fovea constatirt werden, im Gegentheil, es hob sich dieselbe immer ungeröthet, deuthch von der Umge- bung ab. Das einzige Moment, welches ausser dem Sehpurpur zur Er- klärung des rosenfarbenen Hofes heranzuziehen ist, liegt darin, dass möglicher Weise die Farbe des Blutes der Retinal- oder Choroidealgefässe entoptisch wahrgenommen werden kann, Dass die Absorption in den Gefässen der Eetina die Erscheinung be- dinge, halte ich für unwahrscheinlich, denn die grösseren Gefässe, deren Blutschichte dick genug ist, um roth erscheinen zu können, zeigen sich entoptisch immer als schwarze ästige Figuren, und die Absorption in den Capillaren könnte höchstens eine hell- röthliche gelbe Färbung hervorrufen, während die Farbe des Hofes deutlich rosenroth ist. Da ich mich jedoch bei der kurzen Dauer der Beobachtungszeit in der Nuance der Farbe getäuscht haben könnte, obgleich ich dies nicht glaube, so stellte ich noch folgenden Versuch an. War der rosenfarbene Hof durch Ab- sorption im Hämoglobin der Netzhaut bedingt, so mussten, wenn man während der Zeit seiner Sichtbarkeit durch einen Spectral- apparat sah, die beiden Absorptionsbänder des Hämoglobins wahr- genommen werden können, da Lösungen von Hämoglobin, deren Färbung die Sättigung der Piosenfarbe des Hofes bei Weitem nicht erreichten, die Streifen noch auf das Deutlichste zeigten. Unter den oben angeführten Cautelen geweckt, konnte ich in- dessen selbst bei mehrfacher Wiederholung des Versuches keine Andeutung von AbsorptioDSstreifen im Spectrum, welches natür- lich so lichtschwach als möglich genommen war, erkennen. Es bleibt mithin nur noch das Choroidealblut , welches ausser dem Sehpui-pur in Frage kommen kann, denn das oph- Entoptische Wahrnehmung der Macula lutea und des Sehpurpurs. 247 thalmoskopisclie Bild des Augenhintergrundcs zeigt, dass, selbst bei ziemlich stark pigmentirten Augen, rothes Licht von der Choroidea in's Auge reHectirt wird. Man könnte die Erscheinung desshalb auch auf solches reflectirtes und im Bulbus zerstreutes Licht zurückführen, oder auf solches,, welches durch Sclera und Choroidea eingedrungen wäre. Ich suchte bis jetzt vergebens darüber zu einer sicheren Entscheidung zu kommen ; denn dass der rosenfarbene Hof nur vom vollkommen ausgeruhten Auge gesehen werden kann, lässt einerseits die Erklärung zu. dass nur vollständig regenerir- ter Sehpurpur ausreicht, um entoptisch wahrgenommen werden zu können; andererseits kann mau aber auch sagen, dass nur eine vollkommen aus geruhte Netzhaut farbenempfindlich genug ist, um so schwache Eeize wahrzunehmen. Diese letztere Erklärung passt natürlich ebenso für das Eoth der Choroideal- gefässe, wie für den Sehpurpur. Da indessen das entoptische Bild so vollständig dem Aussehen der frischen Retina gleicht, und für meine Empfindung der Hof entschieden hell purpurfar- big und nicht blutroth erscheint, so möchte ich mich mehr der Annahme zuneigen, dass die Ei-scheinung auf die entoptische "Wahrnehmung des Sehpurpurs zurückzuführen sei, obgleich mir ein bestimmter Nachweis bis jetzt nicht möglich war. Dass nicht das ganze Gesichtsfeld in der Rosenfarbe erscheint, hängt wohl mit der geringeren Farbenempfindhchkeit der peri- pheren Netzhautstellen, besonders für rothes Licht zusammen. Etwas abweichend war die Erscheinung in zwei Fällen, als ich mit nicht vollkommen ausgeruhten Augen den Versuch an- stellte, oder nicht schnell genug zum Bewusstsein gekommen war. Das eine Mal war der Hof nicht gleichmässig rosenfarben. son- dern mit blassgrüuen Flecken durchsetzt ; das andere Mal er- schien der ganze Hof in hellgrüner Farbe. Ob es sich dabei um complementäre Nachbilder des rosenfarbenen Hofes handelte, 248 A. Ewald : Entopt, Wahrnehmung d. Macula lutea u. des Sehpurpurs. vermag ich nach den vereinzelten Beobachtungen nicht zu ent- scheiden. Die Abbildung Tal IX kann natürlich nur den Anspruch eines Schema's machen, doch ist dieselbe möglichst treu aus dem Gedächtniss gezeichnet. Sie soll das entoptische Bild des voll- kommen ausgeruhten rechten Auges darstellen. Notiz über die Wirkmio- des Silbernitnits auf die Nervenfaser. 241) Notiz über die Wirkung des Silbernitrats auf die Nervenfaser. Von L. V. Morocliowetz. (Hierzu Tafel X.) Unter den vielen des Verständnisses noch entbehrenden Er- scheinungen an den Nervenfasern stehen die durch Silbersalze er- zeugten an erster Stelle. Eine Querstreifung von solcher Deut- lichkeit, wie sie Frommann {Virchoiv^ Arch., Bd. 31, S. 151) an den Fasern des Rückenmarks entdeckte und Grandry an peripherischen markhaltigen Nerven sah, hätte, sollte man denken, die Bahn zu eingehender Erkenntniss der Structur des Axen- cylinders eröffnen müssen, wenn ihr Structurdifferenzen desselben zu Grunde lagen. Indess sind fast Alle, die sich seitdem mit der Nervenversilberung beschäftigt haben, von keiner Auffassung ent- fernter geblieben, als von der Graudrifs (Bull. d. l'Acad. r. d. Belgique 18G8, 2. Ser. XXV.), welche die Silberstreifung zum Belege für einen Schichtenbau aus nervous Clements genommen. Ebenso ist es mir bei einigen Versuchen über die Silberreaction an peripherischen und centralen Nerven gegangen: ich kam zu dem Schlüsse, dass die Streifung vornehmlich den nächsten Hüllen oder Umgebungen des Axencylinders angehöre und bin in Zweifel, ob die an marklosen Fasern zu erhaltende für gleichwerthig zu halten sei. Während der Wechsel heller und dunkler Stellen an den Kühne, Untersucliungen II. 17 250 L. V. Morochowetz: marklüsen Fasern bis jetzt recht regellos gefunden wurde und die ganze Methode dort überhaupt häufig weniger anschlägt, ist Nichts leichter, als die Gewinnung guter und mit regelmässigen Zeich- nungen versehener Bilder bei den peripherischen raarkführenden Nerven. Man erhält an den Schnürringen das von Ranvier be- schriebene Kreuz und von diesem ausgehend nach beiden Rich- tungen hin dunkelbraune und hellbraune bis gelbliche Querstreifen auf dem Axencylinder. Häufig verschiebt sich dieser mitsammt den Streifen in den Hüllen der Art, dass die Stelle, welche vor- her in der Einschnürung lag, sammt den nächsten, meist dichter gestreiften Strecken über oder unter die Einschnürung der Schivann'scheia. Scheide geräth. In solchen Fällen wird ein Stück aus dem Querbalken im Kreuze mitgeführt, d. h. eine Scheibe herausgenommen, da das Kreuz selbst nur eine scheibenförmige Platte mit durchgesteckter Axe ist. Fig. 1 und 2, Taf. X stellen unveränderte, Fig. 5, 7, 8 verschobene Kreuze vom Hunde und Kaninchen nach Einwirkung von ^k pCt. Silberlösung dar. Auf Fig. 5 und 7 sieht man trotz der Verschiebung noch den Querbalken, welcher der ringförmigen Grenze zweier Abschnitte der Schwann' sehen Scheide entspricht, die ich geneigt bin, nach den von Kep und Retdus und von Ewald und Kühne gegebenen Aufklärungen über die Bindegewebsstellung dieser Hülle für eine der häufigen silbergefärbten Kittlinien zu nehmen. Fast immer fand ich die innere Masse des Querbalkens aus mächtigeren tief geschwärzten Ablagerungen bestehend (Fig. 1, 6, 7, 10, 11, 12) und die Gestalt derselben häufig so, dass ich sie für Niederschläge halten muss, die den Raum erfüllen, welchen die Markmassen um den Axencylinder freilassen. Die Form dieser Lücke ist im Allgemeinen kegelförmig, die Grösse schon an frischen Fasern verschieden, vollends an den mit Silbersalzen behandelten, wo das Mark verändert ist und sich von den Schnür- ringen zurückziehen kann. Fig. 6, 10, 11 stellen die mit re- Notiz über die Wirkung des Silbe rnitrats auf die Nervenfaser. 251 ducirtcn Silberverbinclungen angefüllten Kegel dar. In Fig. 6 hat sich die Masse auf dem durchtretenden Axencylinder ver- schoben, in Fig. 12, wo sich der Kegel in einen längeren schwarzen Cylinder fortsetzt, nur wenig aus dem Schnürringe gelockert. Wenn die innere Scheibe des queren Kreuzbalkens nicht dem Axencylinder, sondern einer periaxialen Masse angehört, so ist zu erwarten, dass sie gelegentlich in Gestalt einer durch- bohrten Platte sichtbar werde. Das Object von Fig. 3 (vom Kaninchen) liess mir darüber schon keinen Zweifel, obwohl die Färbung hier unvollkommen war, das von Fig. 4 aber zeigte solche Scheiben mit hellem kreisförmigem Centrum evident. Es ist natürlich, dass dieses hübsche Bild nur wahrgenommen wird, wo der Querbalken schmal und auf keiner Seite mit kegel- förmigen Auflagerungen versehen ist, da es eines kaum zu er- wartenden Zufalles bedürfte, um durch eine längere schwarze Masse in der Richtung der farblosen Axe blicken zu können. Wie die Kegel an den Schnürringen dicker sind, als der Axencylinder jemals nach Silberbehandlung, auch wenn er sich nicht eigentlich färbt, ist, so sind es auch die sämmtlichen dunk- leren Querbänder auf allen übrigen Strecken. Alle Beobachter stimmen darin nach Beschreibung und Abbildung überein. Man müsste also dem Axencylinder nicht nur in chemischer Beziehung, sondern auch nach Gestalt und Durchmesser einen Schichtenbau, der auf eine mit tiefen Riefen versehene Stange hinauskommen würde, zuschreiben, wenn das Silberbild seine Structur bezeichnete. Allem Anscheine nach dringt die Silberlösung, wie Banvier hervorhob, am leichtesten an den Schnürringen in den Nerven ein und in dem Grade schwerer und bereits mehr verändert, oder durch Verbrauch verdünnt zu einem Punkte der Axe, je weiter dieser von der Einschnürung entfernt ist, oder je mehr er sich in der Mitte zwischen 2 Ringen befindet. Dies kann die Ursache der schwächeren und unregelmässigeren Färbung und 17* 252 L. V. Morochowetz : Streif ung an solchen Orten sein. Ich habe daher versucht dem Reagens durch Zerreissen der Scluvann' sehen. Scheide andere Wege zu bahnen und fand, dass es leicht gelingt, wenn man die Nerven in der Silberlösung gleich tüchtig zerfasert. So sind Fig. 12, 13, 14, 16 erhalten, die keinen Zweifel mehr darüber lassen, dass um den Axencylinder gelegte ringförmige Räume, oder Kreiscanäle vorkommen, in denen mit Silber zu schwärzende Stoffe liegen. Unter Umständen scheinen dieselben den Axen- cylinder auf längere Strecken auch continuirlich überziehen zu können, (vergl. Fig. 12 und 13), so dass derselbe nicht gestreift, sondern einfach schwarz oder braun wird und mit solcher Färbung zwischen den breiteren dunklen Streifen auftritt (Fig. 12). Um den Platz für die erwähnten Kreiscanäle zu finden, bleibt nichts übrig, als die Markscheide, oder periaxiale Räume in dieser, welche Klehs (VircJiow's Arch. Bd. 32, S. 179) schon angenommen, in Anspruch zu nehmen. Dieselben wären indess nicht als Cylindermäntel aufzufassen, sondern, wie gesagt, als übereinandergeschichtete Ringe, wobei ich selbstverständlich nur die Zustände bei der jeweiligen Reagenswirkung, nicht die normalen im Lebenden in's Auge fasse. Immerhin aber wäre es von In- teresse Andeutungen zu finden, die mindestens zeigen könnten, dass bei den Veränderungen des Markes durch Gerinnung oder Fällung so regelmässig angeordnete Schichten verschiedener chemischer Zusammensetzung nach der Axe hin auftreten, wie die vom Silber bezeichneten. Ich habe desshalb Nerven mit x^lkohol oder Aether, auch mit beiden behandelt oder schnell und kurz auf 100° C. erhitzt und darauf der Silberwirkung unterworfen, aber es ist mir darnach niemals gelungen etwas von der Streifen- wirkung zu erzielen. Die grössten Schwierigkeiten stellen sich dem Verständnisse der Silberbilder an Nerven des Rückenmarkes entgegen, falls es sich um marklose Fasern der grauen Substanz handelt. Von der Notiz über die Wirkung des Silbernitrats auf die Nervenfaser. 253 weissen Substanz der Hinterstränge des Kalbes erhielt ich das Präparat von Fig. 16 durch Zerzupfen, das sich den Erfahrungen an peripherischen Nerven gut anreiht. Fig. 24 und 25 stellen marklose, aber mit Scheiden versehene Fasern dar, wo die Streifung auf Runzelungen der Oberfläche beruht und entsprechend regellos ist. Abgesehen von den eleganten Bildern an Fasern der grauen Substanz, die durch Frommann so bekannt geworden, möchte ich aber auch auf Bilder, wie die in Fig. 17 — 23 dar- gestellten aufmerksam machen, wo nur ein Theil der Streifen umgelegten Bändern (22a.a) entspricht, ein anderer Runzeln oder queren Falten (20), während mir eine dritte Art (23a) den Ein- druck durchgehender Scheibchen macht, die vielleicht auf Risse der Faser und auf den Anblick gegen die Rissfläche zurückzu- führen sind. Erklärung der Taf. X. Mit \'3 pCt. Silbernitrat behandelte Nerven. Sämmtliche Figuren sind mit dem Zeiclieuprisma aufgenommen, Fig. 12, 16, 17 — 25 mitiZariwaefc's ImmersionssysteraX, die übrigen mit Syst. VIII. Fig. 1 — 12 vom Kaninchen und vom Hunde, Fig. 13, 14, 15 vom Schweine, Fig. 16 aus den weissen hinteren Strängen des Eückenmarks vom lialbe, Fig. 17 — 25 aus dessen grauer Substanz. Fig. 12, 13, 14, 16 stellen vor und während der Silberwu-kung zer- rissene Fasern dar. 254 ' W. Kühne: Zur Abwehr einiger Irrthümer über das Verhalten des Sehpurpnrs. Die Art der Beachtung, welche eine Veröffentlichung von Valentin {Molescliotfs Unters. Bd. XII, S. 31) in der referirenden Presse findet, bringt mich in die Verlegenheit einige Widersprüche des Verf. gegen meine Be- funde über die Farbe der Netzhaut zu erörtern. Als ich seine Mittheilung las, hatte ich keinen dringenderen Wunsch, als den, niemals genöthigt zu werden, auf Anderes, als auf das Unanfechtbare, das sie ohne Zweifel ent- hält, einzugehen. Ohne mein Verschulden ist es anders gekommen, indem mir die Pflicht auferlegt wird der unerwarteten Verbreitung von Valentin's Irrthümern zu steuern. Ich behaupte und bin es zu demonstriren immer bereit, dass eine Netzhaut ohne Licht tagelang purpurfarben bleibt, ja dass eine ganz ver- faulte Netzhaut, ebenso eine von Bacterien wimmelnde, mit einer dicken Schimmelkappe bedeckte Lösung des Sehpurpurs ihre Farbe bewahrt. Nach Valentin kommt es nur ausnahmsweise vor, dass man an einer Froschnetz- haut am folgenden Tage noch einen schwachen Eest der Färbung erkennt. Hätte er gesagt, die Farbe des ganzen Objectes werde weisslicher, so wäre dagegen nichts zu sagen, obgleich es irrelevant für den Purpur ist, dass seine Sättigung auf der im Absterben getrübten Unterlage geringer wird. Valentin sagt, er habe die Froschretina zwischen Objectträger und Deckglas aufbewahrt, ohne hinzuzufügen, ob er sie feucht hielt. Unterliess er das letztere, so musste er sie nach 24 Stunden angetrocknet finden, was ihre Farbe freilich nicht aufhebt, sie jedoch in eine theils durchsichtigere, theils Luft führende rissige Masse verwandelt, deren Farbe erst durch Aufweichen wieder so gut sichtbar wird wie zuvor. Dies ist meine Erklärung der Sache ; wer sie gesucht findet, kommt nicht ohne die unfreundlichere Annahme aus, dass Valentin das Licht nicht ordentlich abgehalten habe. Soviel über die Froschretina. Milder fällt die Erklärung der Angaben über den Purpur des Kaninchenauges aus, denn was dieselben über Bleichung oder Erhaltung des Purpurs berichten, wurzelt zumeist einfach in der un- zulässigen Methode, die Netzhautfarbe in situ beim Hineinsehen in den Grund des eröffneten und von hinten beleuchteten Auges oder durch die Sklera im Lichte, das durch die Cornea eingefallen, beurtheilen zu wollen. Ich habe längst bewiesen, dass man in dieser Weise die Netzhautfarbe nicht sehen kann, da Niemand, dem ich ein albinotisches Kaninchenauge so zeige, mir sagen kann, ob es ein Optogramm enthält oder nicht, was zugleich die Prüfung einschliesst, wie viel oder wie wenig von dem Stäbchenpurpur auf diffusem blutrothem Grunde überhaupt zu sehen ist. Manche Bemerkungen Valentin's über das Schwinden der Netzhautfarbe beziehen sich daher gar nicht auf diese, sondern auf die des Blutes der Uvea und dessen Fortrücken Zur Abweln- einiger Irrtliümer über das Verhalten des Selipurpurs. 255 aus den Gefässen, andere, bei denen zugleich die Wirkung von Reagentien der verschiedensten Art in Betracht kommt, auf das Opakwerden sowohl der Retina, wie des Gewebes der Aderhaut. Es würde zu weit führen hier alle Einzelfälle durchzugehen, da jeder Bearbeiter des Gegenstandes sich alsbald überzeugen wird, dass er mit solchen Beobachtungsweisen von einem Irrthum in den andern fällt. Nach Valentin soll die Netzhautfarbe bei — 6 und — 13'^ C. in einigen Minuten vollkommen zerstört werden, aber er sagt nicht ob ihm die weiss gefrorenen oder die wieder aufgethauten Netzhäute farblos erschienen. Es würde mir eine Freude sein das erstere annehmen zu dürfen, da ich mir allenfalls denken kann, dass Jemand das helle Rosa der erstarrten Mem- branen für ßleichung nehme, wenn er es unterlägst die im Duukeln wieder aufgethauten, deren Farbe unverändert wiederkehrt, zu besehen. Das Frieren und Thauen muss besonders, wenn es plötzlich und wieder- holt geschieht, mechanische Veränderungen an der Retina erzeugen und diese Ueberlegung ist es vielleicht, die Valentin um so weniger Anstoss an seiner Beobachtung nehmen Hess, als vor ihm nicht nur der gleiche Er- folg von dem Gefrierversuche, sondern sogar von blosser mechanischer Ge- walt behauptet worden. Von der erstaunlichen Eigenschaft der Netzhaut durch Druck entfärbt zu werden, las man zuerst in dem Berichte eines italienischen Militairarztes über Netzhautfarben, später leider in deutscher Sprache in einer ernsthaften wissenschaftlichen Zeitschrift: zwischen zwei Glas- platten zerdrückt sollte eine Retina farblos werden. Nichts kann unzweifel- hafter sein; aber hat man jemals gehört, dass Einer sich bei dem Wunder aufgehalten, wenn ein Farbetropfen oder ein Klümpchen gefärbter Gelatine so dünn zu drücken war, bis man die Farbe nicht mehr sah? Genau so steht es um die Retina, deren Fai"be natürlich wiederkehrt, wenn man sie wieder zusammenschabt. Wer die Lichtempfindlichkeit der isolirten Netz- haut nicht kannte, konnte mit dem Versuche vielleicht schwer zu Stande kommen, aber von Jemandem, der jenen Schlüssel zur Photochemie der Netz- haut selbständig auch gefunden zu haben vorgab, begreift man nicht, wie ihm der nächste aller Einfälle entging: die Netzhaut im Dunkeln zu quetschen, wieder zusammen zu häufeln und dann am Lichte zu besehen. Das konnte man auch ohne die von mii- für diese Zwecke gelehrte Natronbeleuchtung recht gut ausführen. Da es nicht geschehen ist, muss also jener „unaus- sprechhche" Versuch wirklich und ausdrücklich zu Grabe getragen werden. Der Sehpurpur soll nach Valentin im lebenden Auge besonders bei monochromatischem Lichte auch ophthalmoskopisch zu erkennen sein. Ich wünschte sehr, dass es so sei und hätte um so lieber Beweise dafür ge- funden, als eigene Versuche mich noch nicht aus dem Dilemma brachten, den Sehpurpur für ophthalmoskopisch unzugänglich oder mein Geschick für unzulänglich zu halten. Valentin sieht mit dem Augenspiegel (1. c. z. B. S. 62) dreierlei: 1. das Leuchten des Sehloches (Pupille), 2. der Blutgefässe, 3. des Augengrundes zwischen den Blutgefässen, Nro. 1 darf ihm nicht 256 Zur Abwehr einiger Irrthümer über das Yerbalten des Sehpurpurs. geraubt werden, denn er versichert alle 3 Phänomene hei einem und dem- selben möglichst einfarbigen Lichte in verschiedener Farbe sehen zu können, z. B. bei grünem, 1. sehr rein weiss, 2. schwarz bis tief schwarzroth, 3. weiss bis weissgrünlich. Um kein Misstrauen zu wecken, bin ich genöthigt Valentin's anknüi^fenden Schluss (S. 63) wörtlich wieder zu geben. Er lautet: „Das scJnvarze Ansehen der Blutgefässe hei einer einfardigen nicht rothen Beleuchtung erldärt sich dadurch, dass hier, ide hei jedem andern rothen Körjyer, keine rotJien Strahlen siirüclcgetvoo'fen loerden. Zeichnete sich die grüne Flamme des schioefelsauren Kupferoxyd-Ammonialis dadurch aus, dass das Sehloch in sehr reinem Weiss leuchtete, so folgt, dass unter den grünen Linien, ivelche dieser Körper im Spectrum zeigt, eine oder mehrere einem Grün entsprechen, das genau die Ergänzungsfarhe des Netzhautroth des ÄlhinoTcaninchens bildet. Das S. 35 erioähnte grüne Glas leistete ähn- liches, ivenn auch unvollständiger. Das vorherrschende Weiss, ivelches die gelbe und die andern Arten grüner Flammen lieferten, deutet an, dass Fr- gänzungsfarhen genug für solche Beleuchtungsarten im Innern des Auges vorhanden sind und dann die Hauptmasse der Netzhaut ihre Farbe nach- drücMieher geltend machen hann." — Wesshalb Valentin, um grünes Licht zu erhalten, gerade die Kupfer- flamme nahm, die ausser grünen sogar schAvächere rothe, gelbe und hellere blaue Linien gibt, versteht man nicht, ebensowenig, wesshalb er sich dazu nicht, wie alle Welt, des Chlorkupfers bediente; welche Meinung er indess von seinem Kuj)feriichte haben mochte, so bleibt der Sinn seines Denkganges der nämliche und dieser befreit uns nicht von der Befürchtung, dass der Verf. den Sehpurpur für selbstleuchtend halten müsse (vergl. auch 1. c. S. 35). — Ich habe die Froschnetzhaut in BecquereV^ Phosphoroskop unter- sucht und in keinem noch so intensiven, auch in keinem monochromatischen Lichte daran Phosphorescenz, die man der Fluorescenz wegen vielleicht hätte erwarten dürfen, bemerken können. Nach den angeführten Proben der FaZenim'schen Arbeit kann ich nicht weiter gehen und muss es den Fachgenossen überlassen selbständig zu entscheiden, was von des Verf. Angaben zu halten sei, dass der Seh- purpur in 0,H,C02,C0 der Keihe nach langsamer vom Lichte afficirt werde, ob es richtig sei, dass NaCl von 10 pCt. den Sehpurpur zerstöre, eine gesättigte Lösung nicht, ob es ein guter Griff gewesen ganze Netzhäute kräftiger Elektrolyse auszusetzen, wenn man weiss, dass Säuren und Alkalien die Farbe zerstören und daraus zu schliessen, dass erregter Sauerstoff die Ursache sei, seit ich zeigte, dass Ozon nichts über den Sehpui-pur vermag, und hinzufügen kann, dass weder die Netzhaut noch eine Purpurcholat- lösung in Berührung mit dem von Hoppe-Seyler für solche Zwecke ver- wendeten Palladiumwasserstoff jemals entfärbt werden. Der Leser möge endlich urtheilen, ob es recht war, die Kritik dieser Mittheilungen eines Autors, dessen redliches Bemühen seit einem halben Jahrhundert bekannt ist, zu provociren. W. K. Notiz über die Netzhaut der Eule. 257 Notiz über die Netzhaut der Eule. Trotz vieler Bemühungen habe ich es so schwer gefunden lebende Eulen in genügender Anzahl für manche wichtige Versuche, die sich damit anstellen Hessen, zu erlangen, dass ich es für zweckmässig halte, über Be- obachtungen, die mir am Eulenauge anzustellen möglich geworden, von Zeit zu Zeit etwa in der Weise zu berichten, wie es gewöhnlich mit den auf das menschliche, verhältnissmässig leichter zu erlangende Auge bezüglichen geschieht. Zwei junge Waldkäuze (Syrnium aluco) von mittlerer Grösse und ge- ringer Abweichung im Gefieder benützte ich, um eigene und fremde frühere Beobachtungen über das Eulenauge zu controliren und die Netzhäute nach längerem Dunkel- und Hellaufeuthalte zu vergleichen. Ich liess das eine Exemplar, vom 1. — 16. Sept., in unserem vortrefflichen Dunkelzimmer, das andere in einem nach oben und an den Wetterseiten mit Glas gedeckten Drahtkäfige an einem zuweilen auch directem Sonnenscheine zugänglichen Platze im Freien halten. Die Lichtscheu des letzteren war nur im Anfange auffallend ; später sah man es fast immer mit weitgeöffneten Augen oft selbst der Sonne zugekehi't sitzen, nachdem es derselben in den ersten Tagen sehr beharrlich den Rücken gewiesen und bei jeder grösseren Helligkeit die Lider geschlossen hatte. Die schwer zu sehende von einer sehr dunklen L'is umrahmte Pupille wurde niemals auffallend eng, was die Lichtscheu im Allgemeinen schon einigermassen erklärlich macht. Wie viel die Eule im hellen Lichte zu sehen vermochte, war schwer zu beurtheilen, da sie sich zuweilen ohne erkennbaren Anlass wild geberdete, andererseits von den sich oft zahlreich um den Käfig versammelnden und lärmenden kleineu Vögeln gar keine Notiz zu nehmen schien. Am 17. Sept. liess ich das Thier Morgens 8 Uhr in's Dunkle setzen und machte mich eine Stunde darauf an die Untersuchung der Netzhaut. Dieselbe wurde so prächtig purpurn gefunden, wie die des andern gänzlich im Dunkeln gehaltenen Tags zuvor untersuchten: die Regeneration war in den langen Stäbchen augenscheinhch bis an die Grenze der Innenglieder hin vorgeschritten, und ich glaube daher kaum, dass der Process wesentHch langsamer verlaufen werde, als beim Säugethiere. 1) Die bemerkenswertheste Differenz fand sich im Epithel der Netzhaut der beiden Thiere. Dasselbe enthiek (was ich früher [Bd. I, S. 27] nicht gesehen hatte), Fetttropfen in reichlicher Menge, bei dem dunkel gehaltenen in den meisten Zellen von bedeutendem, den Zellenhut fast ausfüllendem Umfange und sehr blasser, kaum strohgelber Farbe, bei dem hell gehaltenen ausschliesslich in Gestalt kleiner und kleinster Tröpfchen von überall intensiv citrongelber Farbe, deren meist 4—10 dicht zusammen lagen. Ich hatte diese Bildungen in den Augen der lange dunkel gehahenen Eule zuerst 258 • W. Kühne: ganz vermisst, als ich aber am folgenden Tage die in Salzwasser liegen ge- bliebenen Augengründe noch einmal sorgfältig durchmusterte, fand ich darin, und wie es schien an den mehr peripherisch gelegenen Theilen, auch einzelne solcher aus kleinen und intensiver gefärbten Fettkügelchen bestehende Häufchen. Der Unterschied bestand demnach darin, dass nur dem lange vor Licht geschützten Auge die grossen blassen Fetttropfen zukamen. 2) Fanden sich nur bei dem hell gehaltenen Thiere ausser den tiefgelben Tröpfchen, zahlreiche farblose Klümpchen, die durch ihre knollige Gestalt und nach der Lichtbrechung sogleich an die beim Frosche vorkommenden ähnlichen Gebilde erinnerten, von denen sie nur in der etwa 1/4 — i/e davon betragenden Grösse abwichen. In Galle von 5 pCt. zeigten sie auch die- selbe Löslichkeit. Im Auge der andern Eule konnte davon nur nach langem Suchen etwas in sehr wenigen Zellen gefunden werden. 3) Enthielten die sämmtlich mit langen pigmenttragenden Fortsätzen versehenen, beim Ablösen jedoch gar nicht an der Ketina adhärirenden Zellen nur in den länger belichteten Augen jene glänzende strlippige Zone in der Höhe des Zellenleibes, wo die dunklen Pigmentstäbchen beginnen. Meine Annahme; dass die braunen Pigmentnadeln auch im lebenden Epithel vom Lichte erblassen, dürfte in diesem Objecte noch am ersten zu erweisen sein und ich muss bekennen, dass der Anblick dieses Epithels meine Meinung, dass man das gebleichte Pigment in situ sehe, erhebhch befestigt hat. Bei der Probe mit Galle fand ich es aber auch hier unmöglich zu einer festen Ueberzeugung zu kommen, nachdem das Zellprotoplasma ganz gelöst und sein Inhalt gleichmässig ausgestreut war, da die lebhafte Molecularbewegung scharfe Einstellungen auf einzelne farblos scheinende Stäbchen unmöghch machte. Nach der Entfärbung des Sehpurpurs, die weder schneller noch lang- samer als bei andern Thieren am Lichte zu erfolgen schien, fand ich in allen vier Netzhäuten Zapfen sowohl mit farblosen, wie mit blass grünlich- gelben grösseren und mit ^j^—^js davon messenden kleineren, ziemlich intensiv gelben Kügelchen. Die ersteren erschienen bei dem Dunkelthiere so wenig gefärbt, dass man sich erst in den Anblick einleben musste, um die schwache Färbung zu erkennen, die letzteren so, dass ihre Farbe wenigstens nicht zu übersehen war. Unzweifelhaft intensiver waren beide Farben bei dem hellgehaltenen Thiere, auch schien die Anzahl der grösseren blass grünlich- gelben bedeutender, besonders wenn man von den Augen der beiden Thiere nur die centralen Antheile der Netzhäute verglich. Immerhin waren die Differenzen jedoch nicht gross genug, um nicht auch für individuelle ge- halten werden zu können. Wie beschwerlich es sein mag, so wird man also künftig versuchen müssen zwei Augen einer Eule zu vergleichen, deren eines lichtdicht verschlossen worden. Schwach roth gefärbte Zapfenkugeln, die ich früher bei einem, wie ich bemerken muss, älteren Exemplare derselben Species fand, habe ich an diesen beiden vergeblich gesucht. Notiz über die Netzhaut der Eule. 259 Makroskopisch war an den Netzhäuten auch nach dem Trocknen, das zweifelhaft gefärbte Vogelnetzhäute immer überraschend intensiv orange werden lässt, keinerlei Färbung zu erkennen und es verschwand in ihnen auch das Sehgelb am Lichte ziemlich rasch. Nur ein im Dunkeln einige Stunden feucht aufbcM'ahrtes und abgestorbenes Netzhautstückchen zeigte die früher von mir bemerkte längere Haltbarkeit des Seligclb am Lichte, nachdem die Purinu-farbe, wie gewöhnlich schnell bis soweit verwandelt war. Die ora serrata retinae fand ich im Eulenauge ausserordentlich weit nach hinten liegend, nur wenige Mm. in den hohen Knochenring der Sklera hineinragend. In der Hoffnung von Vogelaugen, deren Stäbchen wie die der Eulen Purpur besitzen, weitere Aufschlüsse über das Verhalten der retinalen Pig- mente zum Lichte zu gewinnen, habe ich noch zwei zufällig erhaltene Bussarde (Buteo vulgaris) zu ähnlichen Beobachtungen benutzt. Meine Voraussetzung dass wol allen Raubvögeln Sehpurpur zukomme, bewährte sich, denn ich fand die Netzhaut ebenso wie früher die des Falken im Allgemeinen von schwacher, an einigen Stellen von etwas intensiverer streitiger Purpurfarbe, die am Lichte, wie gewöhnlich, erblich. Alle Theile der Netzhaut erschienen darauf sehr schwach oder zweifelhaft gefärbt, obwohl darin mikroskopisch überall farbige Kugeln zu erkennen waren. Die Retina des einen 10 Tage im Dunkeln gehaltenen Bussards zeigte ausser ziemhch vielen farblosen, rothe, orange und gelbgrüne Zapfenkugeln von massiger Intensität der Farbe, das Epithel ausser schwarzem Pigment, keine farbigen Bestandtheile, keine Fetttropfen, aber im hinteren Theile der Zellen massenhaft eingelagerte farblose Klümpchen, die sich in Galle lösten. Im Uebrigen war das Protoplasma dieser Zellen nicht sehr glänzend, sehr feinkörnig und nicht streifig. Bei dem 11 Tage im hellsten Lichte gehaltenen Thiere, das am fol- genden Tage nach vierstündigem Verweilen im Dunkeln untersucht wurde, fanden sich die rothen Zapfeukugeln so intensiv gefärbt, dass einige fast schwarz oder rothbraun aussahen und die kleineren orangen, meist unmittel- bar daneben gelegenen ebenfalls sehr intensiv gefärbt. Dagegen fehlten gelbgrüne Kugeln gänzlich, aber ebenso die farblosen, denn was überhaupt ausser den orange und rothen an Zapfenkugeln zu sehen war, war von zwar blasser, aber entschieden kenntlicher bläulichgrüner Färbung, die auch an einzelnen losgelösten Zapfen, wo von Täuschungen durch Contrast nicht die Rede sein konnte, ganz deutlich hervortrat. Die Zahl dieser Kugeln war begreiflich sehr gross. Auch das Epithel dieser Netzhaut war von dem des dunkel gehaltenen Bussards sehr verschieden: es enthielt keine Spur der dort gefundenen farblosen in Galle löslichen Klümpchen und war im pigmentfreien Theile sehr glänzend, streifig, etwa wie von Bacterien vollgepfropft aussehend, so dass man noch mehr, als bei der Eule, auf den Gedanken kommen musste, ausgebleichte Pigmentnadeln vor sich zu haben. W. K. Zur Verdauunw bei den Krebsen. 2G1 Zur Verdammg bei den Krebsen. Von C. Fr. W. Krukenlberg. In einer frühern Abhandlung^) ist von mir gezeigt, dass bei Astacus fluviatilis und ebenso bei noch andern Arthropoden der Leberauszug wie das natürliche Lebersecret zwei eiweissver- dauende Enzyme enthält. Der Beweis wurde dadurch geliefert, dass ich das tryptische Enzym durch das peptische in saurer, das peptische durch Digestion in einer 2procentigen Sodalösung 1) Vergleichend pliysiol. Beiträge zur Kenntniss der Verdauuugsvor- gänge. Unters, a. d. physiol. Inst. d. Univ. Heidelberg. Band II, S. 23. Die Versuchsanordnung ist in dieser Arbeit, sowie in meiner ersten Mittheilung „Versuche z. vergl. Physiologie etc." (Unters, a. d. physiol. Inst, d. Univ. Heidelberg. Bd. I, S. 328) ausführlicher beschrieben, so dass hier nur darauf hingewiesen zu werden braucht, dass nicht nur die mit wenigen Fibrinflocken angestellten Verdauungsversuche durch gleichzeitig angestellte Versuche mit den gekochten enzymatischen Auszügen controlirt wurden, sondern dass Controlversuche auch bei Her Verdauung grösserer Fibrin- mengen niemals unterblieben; denn es unterliegt, wovon auch ich mich wiederholt überzeugen konnte, eine grössere Fibrinmasse in salzsaurer Lö- sung bei Zusatz von gelösten organischen Substanzen viel eher dem Zer- falle, als eine einzelne Flocke. Die Einwirkung liess ich wie früher bei den fibrinverdauenden Versuchen 1—2 Tage, bei den gekochte Stärke saccharilicirenden 2—3 Stunden währen. In der grossen Mehrzahl der Fälle trat ein Erfolg bei der Fibrinverdauung aber weit früher (1/2 — 1 Stunde) ein, so dass ein die enzymatische Wirkung erheblich verzögernder Salicylsäure — resp. Thymolzusatz nicht erforderlich war. Zum Nachweis der Diastase dienten wässrige — Avie Glycerinauszüge, welche direct und nach vorherge- gangener Dialyse zu den Versuchen Verwendung fanden. Dass auch diese Versuche mittelst gleich zubereiteter gekochter Auszüge der Controle unter- worfen wurden, braucht kaum erwähnt zu werden. Eine Temperatur von 38—40" C. erwies sich in allen daraufhin unter- suchten Fällen als die geeignetste, und sie wurde desshalb allgemein ein- gehalten. Küline, Untersuchungen II. 18 262 C. Fr. W. Krukenberg: bei 38° C— 40° C. vollständig zu zerstören vermochte. Der Be- weis, dass sich bei einigen Crustaceen in dem Auszuge und dem Secrete der Leber mindestens zwei eiweissverdauende (ein peptisches und ein tryptisches) Enzyme finden, lässt sich aber auch rein vergleichend physiologisch führen. Bei Eriphia spinifrons und Squilla mantis konnte weder durch Ansäuern des Leberglycerinauszuges mit Salzsäure, noch durch Extraction der Lebern dieser Krebse mit 0,2 pro- centiger HCl eine peptische Wirkung auf rohes oder gekochtes Fibrin erzielt werden; in einer Flüssigkeit von 2 pCt. Sodagehalt, wurde aber vom natürlichen Verdauungssafte sowie von dem wässerigen — und Glycerinauszuge der Leber rohes und ge- kochtes Fibrin sehr bald verdaut. Demnach ist die enzymatische Wirkung des rein tryptisch wirkenden Lebersecretes bei diesen Arten eine wesentlich andere als die des Verdauungssaftes von Astacus fluviatilis. Während bei Eriphia spinifrons und Squilla mantis das peptische Enzym ausfällt, tritt bei Homarus vulgaris merkwürdiger Weise das tryptische sehr zurück. In einer Lösung von 0.2 pCt. HCl wirkte, das Leberglycerinextract und der im Magen angesammelte Verdauungssaft in wenigen Minuten verdauend auf rohes (selbst nach 3 Tagen, aber nicht auf ge- kochtes) Fibrin, während dieselbe Menge des Leberglycerin- auszuges erst nach etwa 20 Stunden^) eine gleich grosse Flocke rohen Fibrins in 2 procentiger nicht thymolisirter Sodalösung ver- daut hatte. Auch der natürliche Verdauungssaft, welcher wie das Lebergewebe eine schwach saure Reaction besass, wirkte, auf einen Gehalt an 2 pCt. Soda gebracht, im Laufe von 12 Stunden auf rohes Fibrin nicht verdauend ein. Der Mageninhalt 1) Fäulnisserscheinuiigen waren durchaus nicht wahrzunehmen, und der Controlversuch Hess keine Veränderung des Fibrins erkennen. Zur Verdauung bei den Krebsen. 263 zeigte eine kräftig peptische Wirkung auf rohes Fibrin in 0.2 proc. Salzsäure, 2 und 4 procentiger Essigsäure, 1 — 4procentiger Wein- säure und 1—4 procentiger Milchsäure. In Oxalsäurelösungen von 1 — 4 pCt. fehlte die fibrin verdauende Eigenschaft und sie stellte sich auch dann nicht ein, wenn nach 12stündiger Diges- tion der oxalsäurehaltigen Verdauungsflüssigkeit bei 38*^ C. die Oxalsäure durch Dialyse im fliessenden Wasser entfernt und durch HCl (die Verdauungsflüssigkeit wurde auf 0.2 pCt. CIH gebracht) resp. durch Soda ersetzt wurde. Bei Zusatz von Borsäurelösungen (0.5, 1.0, 2.0 und 4.0 pCt.) fehlte ebenfalls die eiweissverdau- ende Wirkung; diese Hess sich aber leicht erhalten — selbst nach zweitägiger Digestion einer 4 pCt. Borsäure-haltigen Verdauungs- flüssigkeit — wenn ausserdem Milchsäure, Salzsäure, Essigsäure oder W^einsäure zugesetzt wurden. Die Verdauung des gekochten Fibrins in irgend einer der erwähnten Säuren (bei einem Procent- gehalte von 0.5, 1.0, 2.0 und 4.0) misslang mir stets. Um eine ungefähre Vorstellung von der Energie dieses Pep- sins und der Quantität desselben in der Hummerleber zu geben, sei folgender Versuch erwähnt. Einem halben Liter 0.2 procentiger HCl wurde bei einer Constanten Erwärmung von 40*^ C. so lange rohes, mit der Hand stark ausgepresstes Fibrin zugesetzt, bis die entstandene Gallerte so widerstandsfähig geworden war, dass ein unter dem spitzesten Winkel in dieselbe eingesteckter Glasstab nicht mehr dem Gesetze der Schwere folgte; der Glycerinauszug (10 Gramm) von etwa ^/i6 Hummerleber wurde hinzugefügt, und nach kaum einer halben Stunde gelang es nicht mehr den in senkrechter Stel- lung gehaltenen Glasstab in der stark verdauten Masse zu fixiren. Nach zwei Stunden war alles Fibrin vollständig verdaut, und die wässrige Beschaffenheit der Verdauungsflüssigkeit Hess nichts von der frühern GaUerte und den grossen Mengen des Fibrins vermuthen, welche sie jetzt im verdauten Zustande ent- 264 C. Fr. W. Krukenberg: hielt. Gleiche 10 gr. desselben Glycerinauszuges, welcher in so kurzer Zeit grosse Quantitäten von rohem Fibrin in lösliche Substanzen übergeführt hatte, waren nicht im Stande binnen 50 Stunden nur Eine Flocke gekochten Fibrins in 0.2 procentiger Salzsäure peptisch zu verändern. Wohl Niemand, der diese Ver- suche anstellen wird, kann im Zweifel sein, dass das Pepsin des Hummers (und ebenso verhalten sich nach meinen Untersuch- ungen die in 0.2 procentiger HCl wirksamen Enzyme aller bis jetzt untersuchten Gliederfüsser) von dem echten Pepsin wesent- lich verschieden ist; denn Mengen des letztern, welche so rapide rohes Fibrin verdauen, vermögen in kurzer Zeit auch des ge- kochten Herr zu werden. Durch seine Unwirksamkeit in Oxalsäure — (0.5 — 4.0 pCt.) haltigen Lösungen, durch die reichliche Bildung von Peptonen unterscheidet sich das Homaropepsin — wie das in 0.2 pro- centiger Salzsäure rohes Fibrin verdauende Pepsin der Arthro- poden fernerhin heissen mag — von dem Helicopepsin, durch die Unfähigkeit gekochtes Fibrin in 2 procentiger Essigsäure in eine lösliche Form zu bringen vom Conchopepsin, und durch seine vollständige Wirkungslosigkeit dem gekochten Fibrin gegenüber in Lösungen andrer organischer Säuren von dem in meiner fol- genden Arbeit gekennzeichneten Pepsin der Myxomyceten. Die mittelst des Homaropepsins verdaute Masse einer hin- reichend grossen Quantität rohen Fibrins wurde mit NaOH neu- tralisirt, und der zähe Niederschlag abfiltrirt, um aus dem Fil- trate durch Dialyse die Peptone zu erhalten. Dieselben hatten sich reichlich gebildet ; denn das Dialysat nahm auf Zusatz von NaOH und SOiCu eine röthhche Färbung an und färbte sich beim Erwärmen mit dem Millon'sdien Pieagens intensiv roth. In dem Schlauche aus vegetabihschem Pergamentpapier, welcher zur Dialyse diente, war durch den Austritt des Kochsalzes ein Eiweiss- körper unlöslich geworden. Dieser wurde auf einem Filter ge- Zur Verdauung bei den Krebsen. 265 sammelt, in Wasser oder öprocentiger Kochsalzlösung bei 100*^ C. gelöst und das Filtrat abgekühlt. Es entstand ein weisser Nieder- schlag, der beim abermaligen Erwärmen verschwand und beim Ab- kühlen wieder auftrat. In der wässrigen Lösung dieses Eiweisskör- pers entstand durch Essigsäure und Ferrocyankalium eine weisse Fällung und auf Zusatz von NaOH und SO4CU röthete sie sich in der Kälte wie die Peptone. Einige Tropfen NOjH riefen in der Kälte einen weissen Niederschlag hervor, welcher beim Erwärmen verschwand, beim Abkühlen abermals auftrat und durch Erwärmen wieder in Lösung gebracht werden konnte. Durch diese Ver- suche ist die Gegenwart der Hemialbumose unter den Verdauungs- producten hinreichend festgestellt. Auch aus dem Neutralisations- präcipitate der Verdauungsflüssigkeit, weldies hauptsächlich aus Antialbumose bestehen dürfte, liess sich noch eine erhebliche Quan- tität von Hemialbumose durch Auskochen mit einer 5 proceu- tigen Kochsalzlösung gewinnen. Die Reaction der Speiseballen — am intestinalen Ende des Pylorus noch deutlich sauer — geht beim Hummer während der Wanderung durch den Darm allmählich in eine alkalische über, ohne dass sich aus den Contenten in irgend einem Darmabschnitte ein wässriger oder 2 pCt. Soda haltiger Auszug mit tryptischer Wirkung auf rohes Fibrin gewinnen Hesse. Auch von dem Pep- sin waren in den Darmcontenten, welche sowohl mit Glycerin, wie ■ mit 0.2procentiger HCl extrahirt wurden, nur Spuren nachweisbar. Bei Nephrops norvegicus, welcher zwar nicht wie die übrigen Krebs arten lebend, aber lebensfrisch zur Verfügung stand, liess sich weder durch Extraction des Lel)ergewebes mit 2proc. Sodalösung oder Glycerin ein tryptisches Enzym ge- winnen, noch wirkte der auf einen Gehalt an 2 pCt. Soda gebrachte natürliche Verdauungssaft auf rohes oder gekochtes Fibrin bei 38" C. nach mehreren Tagen verdauend ein. Bei diesem Krebse scheint somit das tryptische Enzym vollständig zu fehlen. Pepsin 266 C. Fr. W. Kmkenberg: enthalten die Extracte der Leber und der Verdauungssaft reich- lich, und die Wirkungen auf Fibrin in verschiedenen Säure- lösungen weichen von denen des Pepsin beim Hummer nicht ab. Das peptische Enzym lässt sich noch aus den Contenten im Endabschnitte des Darmes durch Extraction mit Wasser ge- winnen, während ein tryptisches Enzym auch in diesem Ab- schnitte des Verdauungsrohres, wo eine alkalische Reaction herrscht, aus den Darmcontenten nicht zu erhalten war. Im Uebrigen scheint ein tryptisches Enzym bei den Arthropoden selten zu fehlen; bei den Mollusken hingegen muss dieses Verhalten, wo- rüber weitere Mittheilungen folgen werden, als Regel gelten. Der Verdauungssaft und die Leberauszüge von Maja verru- cosa und squinado, Palinurus vulgaris und Carcinus maenas enthalten sowohl ein tryptisches wie ein peptisches Enzym, welche bei allen diesen Arten sich in Lösungen von 2 pCt. Soda, 0.2 pCt. HCl, 0.5-4 pCt. Essigsäure, 0.5— 4.0pCt. Oxalsäure, 0.5 — 4.0pCt. Weinsäure, und von 0.5— 4pCt. Milch- säure gleich verhalten. In wässriger und 2proc. Sodalösung wird rohes wie gekochtes Fibrin regelmässig sehr bald verdaut und in den sauren Lösungen (ausgenommen die Oxalsäure haltigen Flüssigkeiten, in welchen eine Verdauung nicht zu erzielen war), welche durch entstehende Niederschläge meist stark getrübt sind, bleibt die peptonisirende Wirkung auf rohes Fibrin selten aus. In Ungewissheit bin ich z. Z. noch über die Eigenschaft des pep tischen Enzymes in dem Verdauungssafte der Crustaceen dem gekochten Fibrin gegenüber. In meinen früheren Arbeiten ist dieser Punkt fast gar nicht näher erörtert, weil ich es für rathsam erachtete, mich vorerst nach solchen Krebs arten um- zusehen, bei denen weniger Enzyme in dem Verdauungssafte ver- gesellschaftet vorkommen als beim Flusskrebs. Es lässt sich jetzt nur soviel positiv feststellen, dass die Fähigkeit gekochtes Fibrin in essigsaurer (am besten eignet sich zu diesen Versuchen Zur Verdauung bei den Krebsen. 2G7 eine 2proc. Lösung) zu peptonisiren, keine Eigenschaft des pep- tischen Enzymes ist, welches Fibrin in 0,1— 0.2proc. HCl ver- daut; denn, wie ich bereits angab, fehlt den Essigsäure-haltigen Auszügen der Nephrops- und Homarusleber, sowie den mit Essigsäure versetzten Verdauungssäften dieser Krebse eine en- zymatische Wirkung auf gekochtes Fibrin, welche beim Fluss- krebs ^) und bei Coleopteren, deren Verdauungssaft fast nur ein tryptisch die Eiweissstoffe veränderndes Enzym enthält (z. B. von Hydrophil US piceus), oft sehr rapide eintritt. Die Frage, ob die Wirkung auf gekochtes Fibrin in essig- saurer Lösung dem Arthropodentrypsin eigenthümlich ist, oder ob sie durch ein drittes eiweissverdauendes Enzym bedingt wird, kann erst dann erfolgreich in Angriff genommen werden, wenn eine hinreichend grosse Anzahl von Arthropoden in dieser Hinsicht untersucht sein wird. Ein zweiter Punkt, welcher jetzt als klargestellt gelten kann, ist die unsichere Wirkung auf gekochtes Fibrin in schwachen Lösungen organischer Säuren (0.5 pCt.), ausgenommen in Oxal- säure. Auch diese Eigenschaft scheint an das tryptische Enzym der Arthropoden gebunden zu sein; denn die Extracte der Nephrops- und Homaruslebern verdauen selbst rohes Fibrin in Lösungen von 0.5 pCt. Weinsäure, Essigsäure oder Milchsäure sehr laugsam und sind den gekochten Eiweisssubstanzen (Fibrin und coagulirtes Eierweiss) gegenüber in diesen Flüssigkeiten ganz unwirksam, während in Lösungen von höheren Concentrations- graden rohes Fibrin in 1—2 Stunden unter Bildung von Pep- tonen verdaut wird. 1) In Folge eines Irrthumes bei der Abschrift steht in meiner Ab- handhing „Versuche zur vergl. Physiol. der Verdauung etc.", Unters, aus dem physiol. Institute der Univ. Heidelberg. Bd. I. S. 331. Zeile 8 von oben „wie gekochtes Fibrin" statt „sowie in 2proc. Essigsäure auch ge- kochtes Fibrin". 268 C. Fr. W. Krukenberg: Eine sichere Wirkung in einer 2- und 4proc. Oxalsäure- lösung ^) konnte ich ebenso wenig mittelst der Lebergljxerin- extracte bei irgend einem dieser Krebse als durch die directe Extraction der Lebern der in dieser Hinsicht untersuchten Arten (Astacus fluviatilis, Homarus vulgaris, Palinurus vul- garis, Maja verrucosa und Carcinus maenas) erhalten. Es besteht in diesem Punkte eine vollständige Uebereinstimmung mit den Leberauszügen einiger anderer von mir untersuchten Arthropoden (Periplaueta Orientalis, Hydrophilus piceus, Carabus auratus, Melolontha vulgaris). Das tryptische Enzym aller von mir untersuchten Arthro- poden bildet aus den Eiweissstoffen neben Peptonen in reichlicher Menge den durch Bromwasser sich röthenden Körper; Leucin und Tyrosin waren unter den Verdauungspro ducten aber nicht nachweisbar. Was die Reaction des Lebergewebes und des Verdauungs- saftes bei diesen Krebsen anbelangt, so fand ich bei Maja squinado in den sechs untersuchten Fällen die der Leber so gut wie neutral, die des Magensaftes und der Contenta des An- fangstheiles vom Darme neutral oder schwach alkalisch. Bei der histologischen Untersuchung erwies sich der Darm von Maja squinado reich an Drüsen, welche nicht wie bei Hydrophilus piceus ausserhalb der Muscularis befindlich und diese mit ihren Ausführungsgängen durchbrechen, sondern direct unter der Mu- cosa liegen. Ihnen wird, Vv^enn schon der Verlauf der Ausführungs- gänge nicht genügend erkannt werden konnte, eine Enzymsecretion kaum abzusprechen sein, da sich ein rohes und gekochtes Fibrin in 2proc. Sodalösung sehr bald tryptisch veränderndes und ein in 0.2proc. HCl-Lösung rohes Fibrin im Laufe von zwei Stunden ^) Eine verdauende Wirkung auf rohes Fibrin in schwacher Oxal- säurelösung (0.5— 1.0 pCt.) erhielt ich nur bei Carcinus maenas und Maja squinado. Zur Verdauung bei den Krebsen. 269 verdauendes peptisches Enzym aus dem wohl gereinigten Darme mit Glycerin extrahiren Hess. Der Inhalt des Enddarmes besass stets eine alkalische Beschaffenheit. Bei Carcinus maenas war der Verdauuugssaft alkahsch; das Lebergewebe reagirte alkalisch bis sehr schwach sauer. Bei den etwa 30 Exem- plaren, die mir von diesen Krebsen zur Verfügung standen, schwankte die Farbe der Leber von schwefelgelb und orange bis zum lehmfarbigen. Diese Differenzen Hessen sich weder mit der Grösse, dem Geschlecht der Thiere und der Fär- bung des Chitinpanzers, noch mit der wechselnden Reaction des Lebergewebes in eine Beziehung bringen. Da auch dieser Krebs vivisecirt wurde, so können diese Farbenunterschiede der Lebern auch auf keine postmortale Veränderung zurückgeführt werden. Der Verdauungssaft im Magen von Maja verrucosa reagirte bald neutral, bald sauer, lieber die Reaction der Leber und ihres Secretes fehlen mir bei Palinurus vulgaris die Er- fahrungen ; doch verdient wohl erwähnt zu werden, dass aus den Contenten im Darme bei diesem Krebse (abweichend von den Befunden bei Astacus fluviatilis) sowohl ein tryptisches Enzym durch 2proc. Sodalösung als ein peptisches durch 0.2 pCt. HCl zu extrahiren war. Bei Palinurus vulgaris kann demnach noch im Darme verdaut werden, während beim Flusskrebs nur in dem sogenannten Magen die eiweisshaltige Kost enzymatisch verändert wird. Dass diese Enzyme nicht nothwendig aus der Leber stammen, sondern theilweise auch von Darmdrüsenzellen, wie bei Maja squinado, secernirt werden konnten, zeigt die mikroskopische Untersuchung. Ln Zottengewebe sind meist gruppenweise angeordnete Drüsenacini eingebettet, welche sich trichterförmig in die auf dem Rücken der Zotten mündenden Aus- führungsgänge fortsetzen. Macht schon der histologische Befund eine secretorische Function dieser Drüsenorgane wahrscheinlich, so lieferte das Experiment den endgiltigen Beweis, dass auch in 270 C. Fr, W. Krukenberg: der Darmwand eine Secretproduction stattfindet. Aus dem im fliessenden Wasser gewaschenen Darme erhielt ich einen Glycerin- auszug, der neben einer diastatischen Wirkung auch die Eigen- schaft besass, rohes Fibrin in 2proc. Sodalösung und in 0.2proc. HCl zu verdauen. Demnach können diese Drüsen wohl mit den Mitteldarmdrüsen von Hydrophilus piceus functionell verglichen und die Verdauungsvorgänge bei Pali- nurus vulgaris und Maja squinado als Bindeglied zwischen der Hydrophilus- und Astacus Verdauung angesehen werden. Bemerkenswerth ist ferner die dicke chitinöse Intima, welche den Darm der Languste bekleidet. Oft erkennt man an ihr noch den Aufbau aus einzelnen Zellen, und es scheint mir die Möglichkeit nicht ausgeschlossen zu sein, dass nur die inter- cellularen Räume der Intima eine Resorption ermöglichen. Das alkoholische Extract der Palinuru sieber zeigt bei einer Verdunkelung der Enden des Spectrums bis vor B und etwas vor E ein ziemlich dunkeles Absorptionsband von dem etwa ^,'4 hinter und ^ji vor C liegen. Andere Absorptionsstreifen waren im alkoholischen Auszuge der Palinuruslebern nicht aufzu- finden. Bei Maja squinado finden sich bekanntlich am Anfangs- theile des Darmes einige von der Leber gesonderte Blindsäcke ^). Mit dem Glycerinextracte der „coecums pyloriques" erhielt ich eine fibrinverdauende Wirkung sowohl in 0.2 pCt. HCl (peptische Wir- kung), als auch in 2proc. Sodalösung (tryptische Wirkung). Die Trommer'' sehe Zuckerprobe gelang aber mit der gekochten Stärkeflüssigkeit nach einer dreistündigen Einwirkung dieses Gly- cerinauszuges ebensowenig, wie nach Digestion der Stärke mit dem Glycerinextracte der „coecums posterieurs", welches letztere nur in dieser Beziehung untersucht werden konnte. 1) Cf. M. Milne - Edwards. Histoire naturelle des Crustaces. PI. IV. Fiff. 1. m und n. Zur Verdauung bei den Krebsen. 271 Ich werde später, in Bestätigung einer Angabe Claude Ber- nards ausführlicher darlegen können, dass in dem Hepatopan- kreas und dem Pankreas der Fische eine nothwendige Coexistenz, wie sie auf Grund eines geringen Erfahrungsmateriales mir An- fangs wahrscheinlich war, zwischen dem diastatischen und trypti- schen Enzyme nicht besteht. Bei den Krebsen bietet sich die- selbe Gelegenheit zu voreiligen Vermuthungen ; denn weder mit dem wässrigen wie mit dem Glycerinextracte der Lebern von Homa- rus und Nephrops, sowie mit dem natürlichen Verdauungs- safte des ersteren daraufhin allein untersuchten Krebses konnte ich eine diastatische Wirkung auf gekochte Stärke erzielen. Alle von mir auf Diastase^) geprüften Lebern der übrigen Krebsar- ten, bei welchen sich auch ein tryptisches Enzym im Leberge- webe und Verdauungssafte findet, vermögen die Stärke diastatisch zu verändern. Doch findet sich bei diesen Arten die Diastase nicht so reichlich vor wie bei Astacus fluviatilis. Als besonders arm an diesem Enzyme erwies sich das wässrige und das Gly- cerinextract aus der Leber von Palinurus vulgaris. Wie in der Classe der Fische^) ein oder das andre eiweiss- verdauende Enzym bei einigen Arten (viele Cypriniden einer- seits, einige Muraeniden andrerseits) ausfällt, so auch bei den Krebsen. Sehr viele Mollusken (z. B. Helix pomatia und nemoralis, Fissurella costaria, Cassidaria echi- nophora, Doris tuberculata, Murex brandaris und trunculus, Haliotis tuberculata; Mytilus edulis, Pinna squamosa, Mactra stultorum var. alba, Lithodomus lithophagus etc. etc.) entbehren vollkommen das tryptische ^) Sowohl die Trommer^sche wie die Böttcher'' sehe Zuckeri^robe ergaben für Xephrops und Homarus die Abwesenheit des diastatischen Enzy- mes in dem nicht der Dialyse unterworfenen Leberglycerinauszuge. 2) Vers. z. vergl. Physiol. d. Verdauung mit bes. Berücksichtigung der Verd. b. d. Fischen. Unters, a. d. physiol. Institut der Univ. Heidelberg. Band I, 327. 272 C. Fr. W. Krukenberg: Enzym, vielen Würmern (z, B. Hermione hystrix, Aphro- dite aculeata, Siphonostoma diplochaitos) fehlt das pep- tische Enzym, und in keinem Typus der Thiere fügt sich der Ver- dauungsmodus einem einheitlichen Schema. Die Wirkungsfähigkeit der Arthropodenenzyme auf rohes Fibrin bei verschiedenen Zusatzflüssigkeiten. (Die dem Kreuze beigesetzten Sternchen bedeuten, dass in der Lösung nicht nur die Verdauung von rohem, sondern auch von gekochtem Fibrin gelang. Wo der Stern fehlt, blieb die Wirkung auf gekochtes Fibrin binnen zwei Tagen aus oder war wenigstens zweifelhaft.) > o 3 c^ £0 O 03 • '55 1' 1^ 1^ 1^' •7h . s Squilla mantis . . + * 0 + * 0 0 • Nephrops norvegicus 0 + 0 0 0 0 + + + + + . + + 0 Astacus fiuviatilis . +* + +* 0 0 + + + +* + * + * + + + + Homarus Spu- vulgaris . . + 0 0 0 + + + + + + + + + 0 Palinurus vulgaris. . +* + + * 0 0 0 + + + +* + * +* + + + + Maja squinado . +* + + * + Spur. 0 +* + -L. +* + * + * + * + + + Maja verrucosa . +* + +* 0 0 0 + + + + + + + + Eriphia spinifrons . +* 0 + * • Carcinus maenas . . +* + + * + + + + +* + * + * + ■■'• + + + Periplaneta Orientalis . +* + + * 0 0 0 + + + + + * + + + + + Carabus auratus . . +* + + * 0 0 0 + + + + + + + + + + Hydrophilus 1 piceus . . . +* 0 + '- 0 0 0 + + + +* + * + * + + + + Melolontha vulgaris . . +* 0 + * 0 0 0 • 4- + Geotrupes sylvaticus . +* 0 + * • • + • + lieber ein peptisches Enzym im Plasmodium der Myxomyceten. 273 Ueber ein peptisches Enzym im Plasmodium der Myxomyceten und im Eidotter vom Huline. Von C. Fr. W. Krukeuberg. Die Befunde von nur peptisch die Eiweisssubstanzeu ver- ändernden Enzymen bei vielen Mollusken und Cölenteraten widerlegen ohne Weiteres die Richtigkeit der jüngst mehrfach ausgesprochenen Vermuthung, es möchte die Verdauung bei Wirbel- losen durch tryptische Enzyme sich vollziehen. Es hat sich ge- zeigt, dass z. B. im Körpergewebe der Spongien nur ein auf die Eiweisskörper peptisch wirkendes Enzym vorkommt und dieser Befund führte mich zu den Versuchsreihen, welche im Folgenden niedergelegt sind. Eine Basis für die functionelle Deutung der Resultate, welche von mir bei den Schwämmen gefunden sind, konnte sich nur aus der Untersuchung der einfachsten organischen Wesen gewinnen lassen. Ich wählte zu meinen Versuchen das Plasmodium von Aethalium septicum, welches Herr Geh.-Rath Kühne, wie er mir gütigst mittheilte, bereits mit negativem Erfolge auf Diastase und Trypsin untersucht hatte. Eine Portion des gelben rahmartigen Plasmodiums, mit Vor- sicht rein von dem Substrate (Lohe) abgehoben, wurde 2 — 3 Tage in einem enghalsigen, verschlossenen Gefässe mit Glycerin extra- hirt und daraus ein Filtrat erhalten, welches weder gekochte Stärke bei 38 "^ C. in Zucker umwandelte, noch mit Wasser oder 274 C. Fr. W. Krukenberg: 2proc. Sodalösung versetzt, rohes oder gekochtes Fibrin bei 24 und 38 ° C. verdaute. Der Glycerinauszug besass aber eine stark peptische Wirkung auf Eiweisssubstanzen, welche sich in salz- saurer, (0.1 und0.2pCt.), milchsaurer (0.5, 1.0, 2.0 und4.0pCt.), weinsaurer (0.5, 1.0, 2.0 und 4.0 pCt.) und essigsaurer (0.5, 1.0, 2.0 und 4.0 pCt.) Lösung kundgab^). Aber nicht nur rohes, sondern auch gekochtes Fibrin wird von dem Plasmodiumpepsin in diesen Säuren, falls die Concentration derselben nicht zu schwach ist^), verdaut, und zwar bedarf es zu seiner Umwandlung bei geeigneter Temperatur, kaum mehr, als einer l^/smal so langen Einwirkung, welche die des rohen in Anspruch nimmt. Die Rapidität der Wirkung auf rohes Fibrin steht hinter der des Arthropoden- pepsins nicht zurück, und der beim Hummer beschriebene^) Versuch kann ebenso prägnant mit dem Plasmodiumpepsin an- gestellt werden. Die rasche Veränderung, welche gekochtes Fibrin durch dieses Pepsin erfährt, findet aber unter den bis jetzt unter- suchten peptischen Enzymen aller Evertebratenclassen kein ein- ziges Analogon. Dem Homaropepsin kommt höchstens eine sehr minimale Wirkungsfähigkeit auf gekochte Eiweisskörper zu, das Conchopepsin der Mytilus edulis vermag nur in essigsaurer Lösung dasselbe langsam peptisch zu verändern, und das peptische Enzym von Haliotis tuberculata besitzt ausserdem nur noch eine schwache Einwirkung auf gekochtes Fibrin in Lösungen or- ganischer Säuren von sehr geringer Concentration (0.5proc. Wein- säure), in welchen das Pepsin von Aethalium auf gekochtes ^) Alle diese Ergebnisse wurden durch in gleicher Weise zubereitete Gemische, in welchen das Pepsin durch Kochen zerstört war, sichergestellt. 2) Gekochtes Fibrin wurde verdaut in 0.1— O.Sproc. HCl, 1.0— 4.0proc. Weinsäure, 1.0— 4.0proc. Milchsäure, 0.5— 4.0proc. Essigsäure. Die Ein- wirkung verlief sehr schwach, oder blieb während drei Tagen ganz aus in 0.5 proc. Weinsäure und 0.5proc. Milchsäure. 3) Zur Verdauung bei den Krebsen. Unters, a. d. physiol. Inst. d. Univ. Heidelberg, Bd. H, S. 263. lieber ein peptisclies Enzym im Plasmodium der Myxomyceten. 275 Fibrin so gut wie uiiNvirksam ist. Den peptischen Enzymen der Cölente raten und Echinodermen geht meinen Untersuchun- gen gemäss die Fähigkeit, in HCl oder organischen Säuren ge- kochtes Fibrin zu verdauen, vollständig ab. Von dem ächten Pepsin^) unterscheidet sich das Pepsin der Myxomyceten aber dadurch, dass es wie das Horaaropepsin und Conchopepsin in 3 — 4proc. Oxalsäure unwirksam ist. Dass das Myxomyceten- pepsin durch Oxalsäure wirklich zerstört werden kann, und das seine Wirkung in 3— 4proc. Lösungen dieser Säure nicht nur latent geworden, oder, wie es bei Gegenwart von Thymol- und. Salicylsäure in den Salzsäurelösungen dieses Enzymes z. B. der Fall zu sein scheint, sehr verzögert ist, wird schon folgende meiner Versuchsreihen lehren. Dieselbe, von Controlversuchen (theils mit den gekochten Flüssigkeiten, theils nur mit den Zusatzflüssigkeiten angestellt, wie es mir für den speciellen Fall am zweckmässigsten schien) begleitet, wurde ausgeführt bei einer constanten Tempe- ratur von 38*^ C, und die zur Verdauung verwendeten Fibrin- flocken hatten alle die gleiche Länge (etwa von einem Zoll) und möglichst dieselbe Dicke und Festigkeit. (S. Tabelle folgende Seite.) Aus diesen Versuchen ergibt sich, dass ein Zusatz von Sali- cylsäure (bei einem Gehalte von 0.1 pCt. der Verdauungsflüssigkeit an dieser Säure) die Wirkung des Plasmodiumpepsins verzögert, das Enzym aber nach zweitägiger Einwirkung nicht zerstört, denn nach dem Entfernen derselben durch Dialyse zeigt sich keine Differenz zwischen den Lösungen, welche mit Salicylsäure versetzt und welche davon frei gewesen waren. Auch in einer reinen O.lproc. Salicylsäurelösung wurde rohes Fibrin durch das ') In 3— 4proc. Oxalsäurelösungen, welche sehr geringe Mengen ächten Pepsins enthalten, wird nach meinen Untersuchungen die "Wirkung auf Fibrin zwar auch sehr viel später bemerkbar, als in Oxalsäurelösungen von 0,5 oder 1.0 pCt.; aber die Einwirkung war in den concentrirtern Lösungen nur verlangsamt; nie bbeb sie ganz aus, wenn eine Verdauung in 0.5 oder l.Oproc. Oxalsäure eingetreten war. 276 C. Fr. W. Kmkenbercj: Einfluss der die enzymatisclie Wirkung"^) verzögernden Stoffe auf das Plasmodiumpepsin. (r bedeutet in der Tabelle i olies, g gekochtes Fibrin •) 'S ü Zusammen- setzung des pri- i mären Verdau- lungsgemisches. Beschaffenheit des primären Verdauungs- gcmisclics. Wirkungs- fähigkeit des primären Ver- dauungsge- misches. Zusammen- setzung des secnndären Verdau- ungsge- misches. Wirkungs- fähigkeit des secun dar en Ver- dauungsge- misches. Bemer- kungen. 1 1 '5 gr. Enzymat. Glycerinextract 15 gr. 0.2''/oige HCl. klar. r nach 1 Stunde verdaut, g nach 2—3 Stunden ver- daut. 10 gr. dialy- sirte primä- re Verdau- ungsflüs- sigkeit. lOgr. 0.40/oige HCl. r nach 3 Stun- den verdaut. g nach 20 Stun- den verdaut. 2 5 gr. Enz. Gly- cerinextract, 1 10 gr. 0.20/oige Salicylsäure, 5 gr. 0.40/oige HCl. klar. r nach 2 Stun- den verdaut, g nach 5—6 Stunden ver- daut. dito. dito. 3 5 gr. Enz. Gly- cerinextr., 5 gr. Wasser, : 10 gr. 0.27oige Salicylsäure. i trübe. r nach 12 Stun- den verdaut, g nach 48 Stun- den nicht ver- daut. dito. dito. 4 5 gr. Enz. Gly- i cerinextr., ^ 0.5 gr. lO'Voige alkoholische Thymollösung, 15 gr. 0.20/oige HCl. klar. r nach 2 Stun- den verdaut, g nach 12 Stun- den angedaut und nach 36 Stunden voll- ständ. verdaut. dito. r nach 3 Stun- den verdaut, g nach 20 Stun- den stark ange- daut und nach 35 Stunden voll- stäud. verdaut. Durch den Ge- ruch waren in d. dialj^sirten Flüssigkeit noch Spui'en von Thymol zu erkennen. 1) Nach einer 50 stündigen Digestion bei 38^ C. der als „primäre" bezeichneten Verdauungsgemische wurden die Säuren resp. das Thymol durch eine 24 stündige Dialyse im fliessenden Wasser zu entfernen versucht und 10 gr. der so von den Zusatzstoffen vollständig oder theilweise (Thymol) befreiten Flüssigkeit („secundäres Verdauungsgemisch") mit derselben Menge einer 0.4procentigen HCl versetzt. Die Angabe der Stunden ist nur eine an- nähernde; denn da die Wirkungsenergie von vielen Factoren abhängig ist, welche als Fehlerquellen nicht zu eliminiren waren, so sah ich vornherein davon ab, die Beobachtungen stündlich vorzunehmen. Ich beobachtete die Wirkung in den ersten 10 Stunden von 2-3, später im Laufe von 6-12 Stunden. War die Fibrinflocke durch Auflösung der weniger resistenten Theile mehr zerfallen als verdaut, so bediente ich mich in obiger Uebersicht der Bezeich- nung „angedaut". Ueber ein peptisches Enzym im Plasmodium der Myxomyceten. 277 22 ii Zusammen- setzung des pri- mären Verdau- ungsgemiscbes. iJ 3 "3 ' 53 -ai*- "Wirkungs- fähigkeit des primären Ver- dauungsge- misches. Zusammen- setzung des secundären Verdau- ungsge- misches. Wirkungs- fälligkeit des secundären Ver- dauungsge- misches. Bemer- kungen. 5 15 gr. Euz. Gly- cerinextr., ■2. gr. 10" oige alkoh. Tbymol- lösung, 13 gr. 0.20,'oige HCl. sehr trübe. r nach einigen Stunden ver- daut, g nach 48 Stun- den stark an- gedaut. 10 gr. dialy- sirte primä- re Verdau- ungsflüs- sigkeit. lOgr. 0.4»;oige HCl. r nach 24 Stun- den verdaut, g nach 48 Stun- den fast voll- kommen ver- daut. Das Thymol war durch die Dialyse nicht vollkommen entfernt ; da- her die ver- zögerte Wirkung. 6 5 gr. Enz. Glj'- cerinextr., 5 gr. 4o,oige Borsäurelösung 10 gr. 0.2>ige HCl. klar. r nach 2 Stun- den verdaut, g nach 5 Stun- den verdaut. dito. r nach 3 Stun- den verdaut, g nach 20 Stun- den verdaut. 7 5 gr. Enz. Gly- cerinextr., 3.2 gr. 4<';oige Oxalsäure- lösung, 12 gr. Wasser. wenig trübe. r nach 4 Stun- den verdaut, g nach 24 Stun- den angedaut. dito. r nach 6 Stund, stark angedaut, nach 24 St. voll- ständ. verdaut, g nach 24 Stun- den bis auf einen geringen Rest verdaut. Wie durch Zu- satz v.Kalkw. erkannt wur- de , war die Lösung durch Dialj'se voll- st, oxalsäure- frei geword. 8 5 gr. Enz. Gly- cerinextr., 3.2 gr. 4 /oige Oxalsäure- lösung, 12 gr. 0.2'';oige HCl. wenig trübe. r nach 4 Stun- den verdaut, g nach 24 Stun- den fast ganz verdaut. dito. r nach 24 Stun- den vollständig verdaut, g nach 24 Stun- den angedaut. dito. 9 5 gr. Enz. Gly- cerinextr., 7.5 gr. 4°oige Oxalsäure- lösung, 7.5 gr. o.2°;oige HCl. trübe. r nach 12 Stun- den ziemlich vollständig verdaut, g nach 50 Stun- den nicht be- merkbar ver- ändert. dito. r nach 24 Stun- den verdaut, g nach 50 Stun- den noch un- verdaut. dito. 10 5 gr. Enz. Gly- cerinextr., 15 gr. 40/oige Oxalsäure- lösung. trübe. r und g nach 50 Stunden sichtlich un- verändert. dito. r nach 24 Stun- den verdaut, g nach 50 Stun- den unverdaut. dito. Plasmodiumpepsin verdaut. Das Thymol wird wahrscheinlich ebenso wie die SalicylScäure wirken, und die verlangsamte Wirkung nach vorhergegangener Dialyse wird wohl vorzugsweise auf den dialy- tisch nicht entfernten Rest des Thymols zu beziehen sein, wenn schon der Alkohol, in dem das Thymol gelöst war, für sich etwas verzögernd auf den Verdauungsvorgang einwirken muss. Kühne, Untersnchungen U. 19 278 C. Fr. W. KrukenlDerg: In Borsäurelösungen (0.5 bis 4.0 pCt.), ohne Zusatz einer andern Säure, war das Plasmodiumpepsin unwirksam; die Borsäure, als solche, verzögert die Wirkung desselben kaum, in einer salz- säurehaltigen Iproc. Borsäurelösung wird die eintretende geringe Verzögerung auf die höhere Concentration des Verdauungsge- misches zurückgeführt werden müssen. In einer O.öproc. reinen Oxalsäurelösung verdaut das Plasmodiumpepsin rohes wie ge- kochtes Fibrin, wennschon die Wirkung auf letzteres sehr verlangsamt ist; diese Verzögerung wird durch einen Salzsäure- gehalt von 0.1 — 0.2pCt. nicht beseitigt, doch etwas gemindert. In einer 1- oder 2 proc. Oxalsäurelösung ist das Plasmo- diumpepsin dem Fibrin gegenüber nicht ganz unwirksam; doch bedarf es dazu noch wirksamerer Lösungen, als die, welche zu dieser Versuchsreihe verwendet wurden. Nie gelang es mir aber mittelst des G-lycerinauszuges eine Wirkung in einer 4 proc. Oxalsäure zu erzielen, und aus den Versuchen auf vorstehender Tabelle ergibt sich schon genügend, dass in Oxalsäurelösungen von stärkerer Concentration (über IpCt.) die Wirkung des Plas- modiumpepsins nicht nur verlangsamt ist, sondern dass das Enzym selbst zerstört wird. So lassen sich nur die Resultate mit den secundären Verdauungsgemischen, welche durch Dialyse oxalsäure- frei erhalten wurden, erklären. Nach einer achttägigen Digestion von 5 grm. Plasmodiumgiycerin mit 10 grm. 4 proc. Oxalsäure bei 38^ C. erwies sich ebenfalls das Verdauungsgemisch, nachdem auf dialytischem Wege die Oxalsäure entfernt und die Verdauungs- flüssigkeit auf einen Gehalt an 0.1 pCt. HCl gebracht war, dem Fibrin gegenüber als unwirksam, während die gleiche mit 10 grm. 0.2 proc. HCl versetzte Menge des Glycerinextractes durch dieselbe Behandlung keineswegs ihre Wirksamkeit verloren hatte. Hiernach kann das Pepsin von Aethalium, wie das Concho- pepsin, durch Oxalsäure vernichtet werden; aber der zerstörende Einfluss der Oxalsäure macht sich entschieden viel allmählicher Ueber ein peptisches Enzym im Plasmodium der Myxomyceten. 279 geltend, als bei dem Conchopepsin. Bei geringer Concentration der Oxalsäurelösung oder bei einem grossen Enzymgehalte der Verdauungsflüssigkeit ermöglicht die Oxalsäure jedoch die Wirk- samkeit des Plasmodiumpepsins und des Conchopepsins, wie jede andere von mir daraufhin untersuchte organische Säure. Unter den Verdauungsproducten, in welche das Plasmodium- pepsin rohes Fibrin in einer 0.2proc. HCl umwandelte, Hessen sich nach den angegebenen Methoden und Reactionen Peptone und Hemialbumose nachweisen; letztere hatte sich so reichlich gebildet, dass sie noch aus dem zähen Neutralisationspräcipitate, welches wohl vorwiegend aus Antialbumose bestand, durch Aus- kochen mit einer 5 proc. Kochsalzlösung gewonnen werden konnte. Die Wirkung des Plasmodiumpepsins verläuft bei 38 und 40 '^ C. energischer, als bei 20 und 12" C. ^). Auf rohes Fibrin ist keine grosse Verschiedenheit der Wirkungsenergie zwischen 40 und 20" C. zu constatiren, wohl aber zeigt sich dieselbe bei 12" C. erheblich geschwächt. Das gekochte Fibrin, welches bei so energisch wirkenden Enzymen stets zu derartigen Versuchen vorzugsweise verwendet werden sollte, wurde bei 38" C, aber uigpöich rascher verdaut, als bei 20" C, und erst nach fast dret Tagen war bei einer Temperatur von 12" C. die Verdauung bis zu dem Punkte vorgeschritten, welcher bei 38" C. in wenigen Stunden erreicht wurde. Die Wiffich''sche Methode der Glycerinextraction ist nicht die einzige, mittelst welcher sich das Pepsin aus Aethalium gewinnen lässt; mit HCl kann man dieses Enzym auch direct aus dem Plasmodium extrahiren. Das Plasmodium wird zu diesem Zwecke mit einer 0.2 proc. HCl verrieben und nach einigen Stun- ^) Die Versuclie Murden ausgeführt mit Yerdauungsgemischen, welche aus 4 grm. Plasmodiumglycerin und 10 grm. 0.4proc. HCl bestanden. 10* 280 C. Fr. W. Krukenberg: den auf's Filter gebracht. Das Filtrat zeigt sich wegen des im Plasmodium enthaltenen kohlensauren Kalkes meist neutral, und ein Zusatz der gleichen Quantität 0.4proc. HCl bringt die Lösung auf den frühern Säuregrad zurück. Die so erhaltene enzymatische Flüssigkeit steht in ihrer Wirksamkeit kaum hinter der des Glycerinextractes zurück. Auch durch die directe Be- handlung des Plasmodiums mit 4proc. Essigsäure, Milchsäure und Weinsäure lässt sich das Pepsin in Lösung bringen. Eine Extraction des Plasmodiums mit 4proc. Oxalsäure, von der ein grosser Theil sofort an Kalk gebunden wurde, ergab aber auch hier nur wechselnde Resultate. Dass ich von der Methode der directen Extraction keinen ausgedehnteren Gebrauch gemacht habe, sondern meist mit den Glycerinauszügen operirte, findet in dem grossen Gehalte des Plasmodiums an Calciumcarbonat seine Begründung. Dieser er- schwert die Anfertigung der Lösungen von bestimmtem Säure- grade ungemein, welcher Unsicherheit man durch die Glycerin- extraction, deren anderweitige Nachtheile durch die positiven Erfolge der directen Extraction vollständig beseitigt sein dürften, glücklich enthoben ist. Wurde das Fett, die Extractivstoffe etc. durch Alkohol und Aether vor der Extraction mit Glycerin oder Säuren sorgfältig entfernt, so erhielt ich aus dem weissen Plasmodiumpulver zwar ebenfalls eine verdauende Flüssigkeit, doch weniger wirksam, als die aus dem frischen Aethalium durch Ausziehen mit Glycerin oder Säuren gewonnene. Die Vermuthung, es möchte der Alkohol grössere Mengen des Enzymes ausziehen, hat sich aber nicht als richtig bewährt. Der Alkohol, mit dem ein grosses Quantum frischen Plasmodiums übergössen und mehrere Tage extrahirt war, hinterliess, als er bei 30 '^ C. bis 34 '^ C. eingedampft wurde, einen Rückstand, aus welchem durch directes Ausziehen mit 0.2proc. HCl, 4proc. Essigsäure oder Glycerin, peptisch sehr lieber ein peptisches Enzym im Plasmodium der Myxomyceten. 281 wenig wirksame Lösungen^) zu erhalten waren. Möglich ist es, dass ein Theil des Enzyms unter gewissen Verhältnissen durch den Alkohol unlöslich gemacht oder zerstört werden kann. Ver- setzte ich den Salzsäureauszug des frischen Plasmodiums bei neutraler Reaction mit Alkohol, so entstand ein reichlicher Nie- derschlag, welcher sich sehr bald absetzte und auf einem Filter gesammelt wurde. Er löste sich zum grössern Theile leicht in 0.2proc. HCl und Glycerin. Diese Lösungen hatten eine starke peptische Wirksamkeit und nennenswerthe Mengen schienen mir durch die Behandlung mit Alkohol nicht verloren gegangen zu sein. Eine zweistündige Erwärmung von 65*^ C. macht die wirk- samsten Lösungen des Aethaliumpepsins unwirksam. Eine ein- tägige Digestion bei 40 '^ C. in 2proc. Sodalösung zerstört gleich- falls das Enzym, während es einer achttägigen Einwirkung^) von Trj'psin in neutraler Lösung bei 39 — 40° C. widersteht. Von dem Aethalium, welches sich noch frisch auf der Eichenlohe befand, hatten einige Portionen stellenweise weniger eine Orangefarbe, sondern erschienen mehr schwefelgelb und waren an der Oberfläche bisweilen von dunkelrothen Zügen durch- setzt. Um zu entscheiden, welches von beiden, das orangefarbige, oder das mehr schwefelgelbe Aethalium, das meiste Pepsin ent- 1) Es bedurfte im günstigsten Falle einer Zeit von 20 Stunden, bis eine Flocke rohen Fibrins in 0.2proc. HCl verdaut war. Diese sehr geringen Mengen des vom Alkohol aufgenommenen Enzymes erklären nicht annähernd die geringe Wirksamkeit des Glycerin- oder Salzsäureauszuges von dem vorher mit Alkohol behandelten Plasmodium. 2) Während dieser Zeit erhielt sich das weder mit Thymol, noch mit Salicylsäure (Spuren von Salicylsäure, welche von der Trypsingewinnung durch Selbstverdauung herrührten waren freilich noch vorhanden) versetzte Enzymgemisch merkwürdig fäulnissfrei und neutral. Das Trypsin hatte trotz der langen Digestion kaum etwas von seiner Wirksamkeit eingebüsst ; wenige Minuten genügten, um in dieser Flüssigkeit Fibrin tryptisch (auch auf Zu- satz von Soda trat diese rapide Wirkung ein) unter Bildung des durch die Bromwasserreaction indicirten Körpers zu verdauen. 282 C. Fr. W. Krukenberg: halte, wurden von jedem 25 grm. in je einem verschlossenen Gefässe mit 100 grm. 0.2proc. HCl übergössen und andere 25 grm. von beiden Plasmodiumsorten, jede für sich mit 50 grm. Glycerin, ebenso . der Extraction überlassen. Nach drei Tagen wurden die Auszüge filtrirt und von jedem 10 grm. mit der gleichen Menge einer 0.4proc. HCl versetzt. Es zeigte sich kein Unterschied in der Wirkungsenergie zwischen den Auszügen, welche aus dem schwefelgelben und dem orangefarbigen Aetha- lium dargestellt waren, und in beiden dürften somit dieselben Mengen von Pepsin enthalten sein. Bei ungünstigen Witterungs- verhältnissen wird das Plasmodium von Aethalium nicht selten tief dunkelgrün, und in diesem veränderten Zustande ist sein Pepsingehalt, wie eine der soeben mitgetheilten analoge Versuchs- reihe ergab, nur ein sehr geringer. Die Frage, ob dem Pepsin eine functionelle Bedeutung für das Myxomycetenplasmodium zukommt, konnte durch Reactio- nen bisher nicht entschieden werden. Ich finde weder die frische noch die eben abgestorbene, weder die junge noch die üppig wuchernde Masse von deutlich saurer Reaction , sondern stets alkalisch oder neutral; ein relativ bedeutender Säuregrad ist aber erforderlich, um das Pepsin wirkungsfähig zu machen. Ob Kohlensäureentbindungen eine Wirkung ermöghchen können, wird näher zu untersuchen sein. Rohes Fibrin in, auf oder unter den kräftig vegetirenden Plasmodiumrahm gebracht, war nach vier Tagen noch unverändert; jede Andeutung einer eingetretenen peptischen Verdauung fehlte. Der grosse Fettgehalt des Myxomycetenplasmodiums führte mich dazu, das Plasmodiumpepsin auf eine etwa vorhandene Lös- lichkeit in fetten Oelen zu prüfen. Das Plasmodium wurde successive mit kleinen Portionen von vorher zum Sieden erhitztem und darauf abgekühltem Mandelöl verrieben und nach zwei Tagen auf ein krauses Filter gebracht. Aus dem Filtrate wurde mit Ueber ein peptisches Enzym im Plasmodium der Myxomyceten. 283 Gummi arabicum unter Zusatz einer 0.2 procentigen Salzsäure eine Emulsion bereitet, welche bei einer constanten Temperatur von 38° C. nach drei Tagen keine Einwirkung auf rohes oder gekochtes Fibrin äusserte. Durch directe Behandlung des vorher mit Oel ausgezogenen Plasmodiums mit 0.2 procentiger HCl Hess sich noch eine sehr energische Wirkung nicht nur auf rohes, sondern auch auf gekochtes Fibrin erzielen, Falls das Pepsin unter Umständen, indem sich z. B. local Säuren bilden könnten, im Plasmodium wirkungsfähig werden kann, mag die Durchtränkung mit Oel das letztere in nicht geringem Grade vor einer Selbstverdauung schützen. Aus dem frischen Eigelb vom Huhne lässt sich weder durch Glycerin, noch durch die wässrige Extraction auf directem Wege oder aus der mit Alkohol und Aether entfetteten rein weiss ge- wordenen Dottermasse ein gekochte Stärke saccharificirendes oder rohes Fibrin in alkalischer und neutraler Lösung verdauendes Enzym gewinnen. Der Glycerinauszug enthält nur ein Pepsin, in seinen Eigenschaften, wie es scheint, abweichend von dem echten Pepsin, dem Plasmodium-, Concho- und Helicopepsin, sich nähernd dem Homaropepsin, doch auch mit diesem kaum identisch. Schwierig ist es, dasselbe in grösserer Menge zu erhalten, da eine directe Extraction, welche stets sehr trübe, durch Fil- tration ohne Beseitigung des Enzyms nicht zu klärende Lösungen liefert, nur zu negativen oder wenigstens zu zweifelhaften Resul- taten führt. Klare Lösungen lassen sich zwar aus dem mit Alkohol und Aether behandelten Dotter durch Extraction mit Glycerin oder 0.2 procentiger HCl leicht gewinnen, doch sind auch diese so wenig wirksam, dass ich zur Feststellung einiger Eigenschaften lediglich auf die directe Extraction des Dotters mit Glycerin angewiesen blieb. Auf Zusatz von 0.4 procentiger HCl zum gleichen Volumen des Dotterglycerinauszuges entsteht 284 C. Fr. W. Krukenberg: keine Trübung, und die im Dotterglycerin meist vorhandene wird durch den Säurezusatz beseitigt. In diesem Verdauungsgemische wird rohes Fibrin bei 38—40° C. in wenigen Stunden verdaut, gekochtes zeigte sich aber noch nach drei Tagen unverändert. Bei der Anwendung von organischen Säuren als Zusatzflüssigkeiten erhielt ich folgende Resultate, welche durch Controlversuche ge- stützt wurden. In Essigsäurelösungen von 0.5, 1.0, 2.0 und 4.0 pCt., in Milchsäure- und Weinsäurelösungen von gleicher Concentration, sowie in 0.5 und einprocentiger Oxalsäure wurde rohes Fibrin von dem Dotterpepsin im Laufe von 5 — 6 Stunden verdaut. In einer 4 proc. Oxalsäure enthaltenden Verdauungs- flüssigkeit erwies sich das Dotterpepsin nach drei Tagen als vollkommen unwirksam auf rohes Fibrin. Der Nachweis einer Zerstörung dieses Enzyms durch eine vierprocentige Oxalsäure hat z, Z. mit grossen Schwierigkeiten zu kämpfen, weil die Oxal- säure zweckmässig nur dialytisch, in Gemeinschaft mit den die Eiweissstoffe in Lösung haltenden Salzen zu entfernen ist. Die stark getrübte dialysirte Flüssigkeit war durch Säure- (0.4 pCt. HCl) und Salzzusatz nicht wieder vollständig zu klären und eignete sich in Folge dessen wenig zu weiteren Verdauungsver- suchen. Ich möchte desshalb nicht auf den negativen Befund einer enzymati sehen Wirkung hin, welchen ich mit diesem secun- dären Verdauungsgemische erhalten habe, die Zerstörbarkeit des Dotterpepsins durch Oxalsäure entschieden wissen. Während die Verdauung von gekochtem Fibrin mir mittelst des Dotterglycerinauszuges in keiner der angegebenen organischen Säuren und in 0.1 — 0.2 procentiger Salzsäure gelang, werden grosse Portionen rohen Fibrins auch von diesem peptischen En- zyme sehr bald verdaut. 10 grm. Dotterglycerin einem halben Liter steifer Fibringallerte zugesetzt, führen bei 40*^ C. sehr bald die Verflüssigung der Masse und im Laufe von 10 Stunden die vollständige Verdauung des Fibrins herbei. Unter den Ver- üeber ein pepfcisches Enzym im Plasmodium der Myxomyceten. 285 dauungsproducten finden sich regelmässig Peptome ; sehr beträcht- lich ist der in der verdauten Masse entstehende Neutralisations- niederschlag. Da grössere Mengen Fibrins in salzsaurer Lösung auf Zusatz von gekochtem Dotterextracte sich verhältnissmässig schnell verflüssigen, so ist es durchaus nothwendig, die Ergeb- nisse, welche mit den ungekochten peptisch wirkenden Dotter- glycerinauszügen erhalten werden, durch entsprechende Begleit- versuche, in welchen das Enzym durch Kochen zerstört wurde, zu controliren. Ich habe Versuchsreihen in dieser Weise wieder- holt ausgeführt und das Resultat mit den ungekochten Dotter- auszügen ist ein so auffälhges und so verschieden von dem der Versuche, bei welchen das Enzym zerstört wurde, dass Niemand im Zweifel sein kann, welches von beiden die ungekochte und welches die gekochte Probe ist. Bei Anwendung weniger Fibrin- flocken tritt eine Verflüssigung auf Zusatz des gekochten Dotter- extractes nicht leicht ein; doch' habe ich auch diese Versuche durch analoge Controlversuche zu stützen für nöthig befunden und sie bei den angegebenen Daten nie versäumt. Die Wirkung des Dotterpepsins verläuft bei 38—40" C. un- gleich energischer als bei 20*^ C, und bei 12.5° C. wurde die Fibrinflocke in drei Tagen nicht sichtlich mehr verändert. Salicylsäure und Thymol (den salzsauren Verdauungsge- mischen zugesetzt) verzögern die Wirkung sehr erheblich. In einer Flüssigkeit, welche neben 0.2 pCt. HCl 0.1 pCt. Salicyl- säure enthielt, war die Fibrinverdauung erst nach zwei Tagen bemerkbar, und in reiner 0.2 procentiger Salicylsäure blieb sie während fünf Tage ganz aus. Ebenso wurde die Fibrinflocke in einer schwach thymolisirten Lösung (bei einem Gehalte von 0.2 pCt. an Thymol) erst in zwei Tagen verdaut, bei einem Thymol- gehalt von ein pCt. zeigte sie sich aber noch nach fünf Tagen unverändert. Ein Piückblick auf die Wirkungen, welche das Dotterpepsin 286 C. Fr. W. Krukenberg: üeber ein peptisclies Enzym etc. äusserte, lässt es zwar nicht unmöglich erscheinen, dass es sich hier um geringe Mengen echten Pepsins handelt. Diese Mög- lichkeit ist um so weniger von der Hand zu weisen, seitdem ich mich durch Versuche überzeugen konnte, dass echtes Pepsin (aus Schweinemagen dargestellt) in einer 2—4 procentigen Oxalsäurelösung langsamer auf rohes Fibrin wirkt als in einer Flüssigkeit, welche nur 0.5 oder l*^/o von dieser Säure enthält. Unsere Extractionsmethoden sind jedoch zu unvollkommen, als dass irgendwie Aussicht vorhanden wäre, grössere Mengen des Enzyms von den störenden Eiweisssubstanzen zu reinigen und concentrirtere enzymatische Lösungen, als sie die directe Glycerinextraction liefert, herzustellen. Bis zum Gelingen der Darstellung einer concentrirteren Enzymlösung, kann die echte Pepsinnatur dieses Enzymes jedoch nur als eine Möghchkeit gel- ten, wenn schon diese Möglichkeit, wie ich annehmen muss, zu- gleich recht gross ist. Anhaltspunkte für eine functionelle Bedeutung des peptischen Enzymes im Eidotter Hessen sich hier ebensowenig gewinnen, als bei dem Myxomycetenplasmodium. Mangan ohne nachweisbare Mengen von Eisen in Concretionen. 287 Mangan ohne nachweisbare Mengen von Eisen in den Concretionen ans dem Bojanns'schen Organe von Pinna sqnaniosa. Gm. Von C. Fr. W. Krukenberg. In dem weitmaschigen Gewebe der Bojamis'schen Drüse von Pinna squamosa finden sich schwarze Concretionen von wechsehider Grösse und schaligem Baue, nicht unähnlich den Corpora amylacea und den Concrementen im Leuchtorgane der Lampyriden. Es lassen sich dieselben durch Auspinseln des Gewebes leicht- isoliren und durch wiederholtes Schlämmen von den beigemengten Gewebsfragmenten vollständig reinigen. Schon ScUossberger ^) hat eine qualitative Analyse dieser Concretionen von Pinna nobilis ausgeführt, und seine Angaben über die Löslichkeit und über das Verhalten derselben höheren Temperaturen gegenüber sind auch für die analogen Gebilde von Pinna squam osa -) zutreffend. Die elementare Zusammensetzung weicht von seinen Befunden aber bedeutend ab. Um dieselbe zu ermitteln, behandelte ich die Concremente aus den J?o/amQhQVi Schnürringe gehen und mit dem eigentlichen Degenerations- processe nichts zu thun haben. Engelmann fasst ihn als ein von diesem zu trennendes und nur durch die Durchschneidung bedingtes Absterben der sogenannten, durch den Schnürring an- geblich begrenzten Nervenzelle auf. Derselben Ansicht, dass es sich bei diesen kurz nach der Durchschneidung auftretenden Ver- änderungen nicht um den eigentlichen Degenerationsprocess handle, ist Colasanti^). Er glaubt den Vorgang als „traumatische Ver- änderung der Nervenstrecken" bezeichnen zu müssen, während Koryhatt-Dasskiewics^) denselben als entzündliche Degene- .ration der nachfolgenden paralytischen gegenüber stellt. Die Beobachtungen von Engelmann und Colasanti beziehen 1) Med. Centralblatt 1878, Nr. 13. '') Fflüger'a Archiv. Bd. XIII. • «) Archiv f. Anat. u. Physiol. 1878, III u. IV. *) Ueber die Degeneration und Regeneration der markhaltigen Nerven. Diss. Strassburg 1878. Zuv Degeneration durchschnittener Nerven. 309 sich wesentlich auf das Nervenmark und ^Yurden nach 1 — 3 Tagen gemacht; Konjhatt-DaszMewics hat auch die einige Stunden nach der Operation auftretenden Erscheinungen untersucht und hier eine Quellung des Nervenmarkes sowohl als des Axency- linders gefunden. Der hiervon zu trennende eigentliche Degene- rationsprocess soll im ganzen Verlaufe der abgetrennten Faser unabhängig von der Entfernung vom Centrum gleichzeitig an- heben. Einen Unterschied zwischen sensibeln und motorischen Fasern will Colasanti nicht bemerkt haben. Zu seinen Versuchen be- nutzte er das Meerschweinchen. Von andern Forschern wurde hauptsächlich der Frosch verwendet. Von den Säugern unter- scheidet sich dieser wesentlich dadurch, dass der degenerative Process bei ihm viel langsamer verläuft und zum vollständigen Ablauf meist \yochen bedarf. Doch lassen sich eine Reihe von Erscheinungen bei ihm auf das treffhchste verfolgen. Wir beginnen desshalb mit den Degenerationserscheinun- geu am Frosch. Am einfachsten wird der Nervus ischiadicus benutzt, den man leicht am Oberschenkel aufsuchen kann. Um die Ein- mischung von etwaigen Piegenerationsvorgängen zu vermeiden, wurde von den meisten Forschern ein kleines wenige Millimeter langes Stück des Nerven gleichzeitig herausgeschnitten, ein Ver- fahren, das ich für gewöhnlich ebenfalls befolgte. Doch über- zeugte ich mich, dass auch bei einfachen Durchschneidungen ohne gleichzeitige Resection der Process in den ersten Tagen wenigstens ganz der gleiche ist. Nimmt man 24 Stunden nach der Durchschneidung den peripheren Stumpf heraus und unter- sucht entweder in NaCl-Lösungen , oder nach der Färbung mit Osmiumsäure, so zeigt sich an dem Präparate Folgendes: Direct am Schnittende sieht man die Fasern vielfach von Massen zusammengeballten Markes umgeben, das in unregel- Kühne, UntersiicliuDgen II. 21 310 Th. Rumpf: massigem Ballen theils dem Schnittende anklebt, theils die Lücken zwischeo einzelnen Fasern ausfüllt. Vielfach lässt sich der Ur- sprung desselben insofern nachweisen, als ein directer Zusammen- hang des äusseren Markes mit dem noch in der Faser befind- lichen vorhanden ist. Direct am Schnittende enthalten näm- lich die Fasern noch deutlich sichtbares Mark. Doch ist diese anscheinend den normalen Inhalt aufweisende Strecke sehr kurz und geht allmählich in eine solche über, in der das Mark mehr oder weniger vollständig zu fehlen scheint. Diese Partie findet in der Kegel an dem nächsten Schnürringe ihre Grenze, ohne dass dieses jedoch immer der Fall ist. An Osmiumpräparaten folgt auf ein kleineres gefärbtes Stück der Faser ein solches, das fast gar nicht gefärbt mit feinen Körn- chen angefüllt ist. An dem nächsten Schnürringe beginnt in der Regel wieder das normal gefärbte Mark; doch habe ich auch eine nicht unbeträchtliche Zahl Fasern constatiren können , an welchen die scharfe Grenze zwischen zwei Schnürringen, an- scheinend an einer Einkerbung ihren Sitz hatte. Dabei war der der Schnittstelle nächste Schnürring entweder bei grosser Ent- fernung nicht erreicht, oder bei grösserer Nähe überschritten. Der Axency linder ist an diesen Präparaten nicht zu sehen. Um ihn sichtbar zu machen, bedarf es der Entmarkung mit Al- kohol und Aether. Mit Hämatoxylin gefärbt zeigt sich an dem Präparate nun Folgendes: An Stelle des schmalen Axencylinders, wie er sonst unter der Behandlung mit Alkohol und Aether hervortritt, bietet sich jetzt in der dem Schnittende nahe liegenden Strecke ein im Allgemeinen ziemlich verbreiteter Axency linder dar. Derselbe zeigt seine beträchtlichste Vergrösserung nicht zu weit von dem Schnittende, wo er mit einer meist kolbigen Anschwellung endigt, so dass ein nach dem Schnittende gelegenes Stück der Faser einen Axencylinder überhaupt nicht mehr enthält. Nach Zur Degeneration durchschnittener Nerven. 311 dem peripheren Ende zu nimmt die Quellung des Axencylinders langsam ab, ist jedoch an dem nächsten Schnürringe und darüber hinaus meist noch nachweisbar. Welche Erklärung haben wir für diese Bilder? Zur Erklärung der Quellung des Axencylinders genügt es wohl an die Resultate meiner^) früheren Untersuchungen zu erinnern. Ich habe nachgewiesen, dass der Axencylinder nach der Trennung von seinen centralen und peripheren Endapparaten unter der Einwirkung der Lymphe quillt und nach kurzer Zeit der Resorption anheimfällt. Bei unsern jetzigen Versuchen haben wir nur eine einfache Trennung von dem centralen Endurgan bewirkt. Aber für die Quellung eines kleinen Stückes und die Resorption eines noch kleineren an der Schnittstelle gelegenen und so der Einwirkung der Lymphe am meisten ausgesetzten hat auch die einfache Durchschneidung genügt. Wie aber verhält sich das Mark zu diesem Vorgange? Ich habe schon an anderer Stelle die mit Strömungserscheiuungen innerhalb der Faser verlaufenden Quellungsvorgänge des Markes und das Austreten dieses aus dem Schnittende geschildert. Die damaligen Untersuchungsflüssigkeiten waren Wasser, Kalilauge und Essigsäure. Hinzufügen muss ich noch, dass ähnliche Er- scheinungen, wenn auch viel langsamer unter der Einwirkung von Lymphe auftreten. Die gleichzeitige Quellung des Axencylinders trägt vielleicht auch einen Theil der Veranlassung dieses Vorgangs, wobei das Mark, wie auch Konjhatt-Dassldeivics angibt, in der Nähe der Schnittfläche den Eindruck einer gequollenen Masse macht, wie sich am Besten an Präparaten nach kürzerer Einwirkung von Lymphe nachweisen lässt. 1) Diese LFntersuchung. Bd. II, Heft 1. 21* 312 Th. Eumpf: Wird nun der Faserinhalt durch Quellung einem stärkeren Druck ausgesetzt (die nicht zu elastischen hornführenden Scheiden ertragen, wie sich leicht in destillirtem Wasser verfolgen lässt, nicht die gleiche Ausdehnung wie die Schivann' sehe Scheide), so muss eine Strömung nach den Stellen des geringeren Wider- standes das Resultat sein, wobei dann zu berücksichtigen ist, dass mit zunehmender Entfernung von der Schnittfläche ein Punkt erreicht werden muss, an welchem Druck und Reibungs- widerstand nahezu in's Gleichgewicht kommen. Dass dabei natür- lich jedes grössere Hemmniss, und als solches müssen wir doch jedenfalls einen Schnürring bezeichnen, leicht die Grenze sein kann, ist selbstverständlich. Ausserdem kommt aber nocK hinzu, dass die Veränderung des Axencylinders und Markes unter der Einwirkung der Lymphe sich zunächst doch nur an den der Schnittstelle nahe liegenden Partieen geltend macht und ein weiterer Theil der Faser mit intactem Axencylinder auch jene Veränderung des Markes nicht darbietet. Zu erklären bleibt hierbei nur noch, wesshalb nahe an der Schnittstelle jene hier und da ziemlich beträchtlichen Markreste in der Faser zurückgeblieben sind. Die Erklärung für diese Er- scheinung haben wir wohl wesentlich in dem durch die Entleerung gewonnenen Piaume und in den durch Gerinnung des Markes am Schnittende sich mehrenden Austrittsschwierigkeiten zu suchen. Vielleicht sind auch die stärkere Quellung und Ptesorption des Axencylinders am Schnittende dafür von P)edeutung. Für die 24 Stunden nach der Durchschneidung an dem peripheren Stücke eines Nerven sich darbietenden Bilder haben wir demnach eine einfache Erklärung in der zersetzenden Wirkung der Lymphe. 48 und 72 Stunden nach der Durchschneidung sehen wir an Osmiumpräparaten eine wesentliche Differenz gegen die früheren Bilder nur in dem Verhalten des Markes an der Schnittstelle. Zur Degeneration durchvSchnittener Nerven. 313 Theils zeigt es besonders im Innern der Faser nicht mehr jene intensive Farbe, wie sie der Wirkung des Osmiums auf die Stoffe des Markes sonst eigenthümlich ist, theils ist es auch im Ganzen vermindert, ein Umstand, den wir mit Wahrscheinhchkeit jenen jetzt in grösserer Zahl vorhandenen Zellen zuschreiben müssen, die sogar in das Innere der Faser eindringend den Markdetritus aufnehmen und weiter transportiren. An den entmarkten Fasern lässt sich zu dieser Zeit das Fehlen des Axencylinders schon weiter in die Faser hinein verfolgen. Doch geht der Schwund ausserordenthch langsam. Das kolbig gequollene Ende zeigt sich dem nächsten Schnürringe etwas näher, ist jedoch weit entfernt ihn erreicht zu haben. Dagegen beschränkt sich die leichte Aufquellung des Axencylinders am dritten Tage nicht mehr auf die vom ersten oder zweiten Schnürringe begrenzte Partie, sondern geht schon tiefer in die Faser hinein, ohne sich jedoch deutlich zu begrenzen. Sie kann in keiner Weise als mächtig in die Augen fallende Quellung bezeichnet werden, ist vielmehr an einzelnen Stellen nur durch leichte Varicositäten nachweisbar und verliert sich langsam in die normale Strecke. Ziemlich die gleichen Bilder wie in dem peripheren Stücke finden sich in den ersten Tagen nach der Durchschneidung in dem centralen. Auch hier entleert sich das Mark aus dem der Schnittfläche angrenzenden Theile, auch hier findet eine Quellung des Axencylinders statt; doch betrifft die letztere nur das dem Schnittende zunächst liegende Stück und selten erstreckt sie sich in deutlicher Weise über den nächsten Schnürring, Dieser Quel- iung folgt ebenfalls eine Auflösung ; doch geht auch sie nur selten weit in die Faser hinein. Nach 3 und 4 Tagen sieht man schon manche Fasern, an welchen zwar ein kleines Stück des Axencylinders im Innern fehlt, aber das nach der Schnittfläche gerichtete Ende desselben zeigt hier vielfach keine kolbige Anschwellung, sondern ein voll- 314 Th. Rumpf: ständig normales Verhalten. Es beruht dieses höchst wahrschein- lich darauf, dass das stärker gequollene Anfangsstück schon gelöst ist, während die weitere nur in geringem Grade von der Lymphe afficirte Partie unter dem Einflüsse der Centralorgane wieder zum normalen Verhalten zurückgekehrt ist. Dieser Rückkehr zum normalen Verhalten schliessen sich dann bald Regenerationsvor- gänge an, von welchen hier abzusehen ist. Im peripheren Stücke gehen nun im Laufe mehrerer Tage jene Veränderungen vor sich, die in letzter Zeit als die eigenthche Degeneration von den eben beschriebenen Vorgängen gesondert wurden. Wesentlich zeigen sich diese am Marke, dessen Einkerbungen zunächst deutlicher und breiter werden; dann tritt eine geringere Färbung mit Osmiumsäure ein und endlich folgt eine Bildung von unregelmässigen Tropfen und Schollen im Mark. Indessen ist beim Frosch dazu ausserordenthch viel Zeit nothwen- dig. Auch der Axencylinder verändert sich sehr langsam. Zwar nähert sich das Ende desselben durch Resorption immer mehr dem Schnürringe; doch verläuft dieser Vorgang mit sehr geringer Schnelligkeit. 7 und 8 Tage nach der Durchschneidung sieht man noch \ielfach den Axencylinder in das zwischen Schnittstelle und erstem Schnürringe gelegene Schaltstück der Faser hinein- ragen; derselbe ist allerdings in massigem Grade gequollen und hie und da auch nicht ganz regelmässig verbreitert, beides in der Regel über eine weite Strecke des Nerven hinaus. In diesem Verhalten zeigt sich ein beträchtlicher Gegensatz gegen die von mir geschilderten Vorgänge bei der doppelten Durchschneidung des Nerven, die Banvier für identisch mit derjenigen bei der Degeneration hält. Banvier schildert in seinen „Legons" einige Versuche, wie ich sie ohne Kenntniss des Banvier' sehen Werkes und von andern Gesichtspunkten ausgehend ebenfalls gemacht habe. Er schneidet einmal ein Stück aus dem Nervus ischiadicus Zvir Degeneration dm-chschnittener Nerven. 315 einer Ratte heraus und führt es in die Peritonealhöhle desselben Thieres ein und dann lässt er ein ausgeschnittenes, also von seinem cen- tralen und peripheren Endorgan getrenntes Stück des N, ischiadicus der Ratte,-t;les Meerschweinchens, des Kaninchens an seiner normalen Stelle. Die Untersuchung nach drei, vier, fünf und sechs Tagen führte ihn zu dem Resultate, dass die nach der doppelten Durch- schneidung auftretenden Erscheinungen und der sogenannte Degene- rationsprocess in dem peripheren Stücke eines durchschnittenen Nerven vollständig identisch sind. Ich habe schon in meiner früheren Arbeit, auf Versuche am Frosch gestützt darauf hingewiesen, dass diese Ansicht Ban- vier's auf einem Irrthum beruht, und dass eine wesentliche Diffe- renz zwischen beiden A^'orgängen in dem Verhalten des Axen- cylinders vorhanden ist. Da ich aber den eigenthchen Degene- rationserscheinungen in der Darstellung meiner früheren Arbeit nur eine sehr oberflächliche Beachtung schenken konnte, so ist hier auf diesen Punkt weiter einzugehen. Wenn man einen doppelt durchschnittenen und 3 — 4 Tage an seinem Platz verbliebenen Nerven mit Osmiumsäure untersucht,, so machen allerdings die beiden Schnittflächen vollständig den Eindruck, als handle es sich um eine von beiden Seiten ausgehende Degeneration. Man sieht, wie in gleicher "Weise ein Theil des Markes nach dem Schnittende geströmt ist, wo es theilweise nocli an dem Ende der Fasern anklebt und ferner, wie an ähnlich scharfer Grenze, meist an dem Schnürringe wieder, das anscheinend normale Mark beginnt. Soweit gleicht also der Process dem der einfachen Degene- ration vollständig. Anders aber gestaltet sich das Bild nach der Entmarkung und Färbung. Hier fehlt in dem doppelt durch- schnittenen Stücke des Nerven der Axencylinder vollständig. Die Erklärung für diese Erscheinung habe ich schon früher gegeben und brauche hier nur kurz darauf einzugehen. 316 Th. Eumpf: Unter der Einwirkung der Lymphe ist der Axencylinder zunächst jene Aenderung eingegangen, die ihn nach der Ent- markung mit Alkohol und Aether gegenüber dem sonst sichtbar werdenden schmalen centralen Faden als eine beträchtlich ge- quollene Masse erscheinen Hess und diese Masse ist im Lauf weniger Tage der vollständigen Resorption anheimgefallen. Gegenüber diesem Bilde bei der doppelten Durchschneidung zeigt das periphere Stück eines nur vom Centrum getrennten Nerven eine wesentliche Differenz. Hier tritt direct an dem Schnittende zwar gleichfalls eine Quellung des Axencylinders auf, der eine stückweise Resorption folgt; aber nach drei, vier und mehr Tagen ist sogar in dem zwischen Schnittfläche und nächstem Schnürringe gelegeneu Schaltstücke des Nerven der Axencylinder noch theilweise erhalten, und fehlt vollends nicht im weiteren Ver- laufe. Die Schlussfolgerungen, die sich aus diesem Verhalten ergeben, habe ich schon früher gezogen. Es resultirt daraus mit Bestimmtheit, dass die Ernährung des Axencylinders wesentlich von den centralen sowohl als von peripheren Endorganen erfolgt, und dass die Annahme einer Selbständigkeit des Axencylinders in Beziehung auf seine Ernährung, wie sie von Ranvier und nach ihm von Engelmann aufgestellt ist, in keiner Weise möglich ist. Da aber in dem peripheren Stücke eines durchschnittenen Nerven ausser den ersten der Lymphe anheimgefallenen Strecken des Axencylinders bald noch weitere folgen, so genügt das periphere Endorgan zur Erhaltung des Axencylinders nicht vollständig. Doch erfolgt die Veränderung desselben bald weniger von der Schnittfläche, als von der Flanke aus, und dehnt sich über weitere Strecken aus. Dabei muss vor allem der Umstand auffallen, dass die Quellung ausserordentlich langsam erfolgt. Wenn der Axencylinder schon 4—5 Tage nach der Durchschneidung über ein grosses mehrere Millimeter umfassendes Stück geringgradige Aufquellung zeigt und Zur Degeneration durchsclinittener Nerven. 317 tlieses Bild sich mehrere Tage lang trotz der weitern Lymph- einwirkung ziemlich unverändert erhält, so dass wir am siebenten, achten, neunten Tage dieselben Stellen vielleicht in geringem Grade mehr gequollen treffen, so beweist dieses, dass die der Zerstörung durch die Lymphe entgegenwirkenden Factoren, näm- lich die Ernährungsströmungen von den Endorganen, sich zu einer Zeit noch geltend machen, in w^elcher der Axencylinder schon eine ziemlich bedeutende, höchst- wahrscheinlich chemische Veränderung erlitten hat. Damit tritt aber zugleich die Frage auf, ob diese jedenfalls ver- änderten Partien des Axencylinders, die also für Er- nährungsströmungen von Seiten der Endorgane noch durchgängig sind, in ihren sonstigen Eigenschaften noch mit dem Axencylinder gleichgestellt werden können, das heisst, ob sie erregungsfähig resp. leistungsfähig sind. Was die Erregungsfähigkeit betrifft, so wissen wir, dass degenerirende Nerven langsam schwerer erregbar und dann voll- ständig unerregbar werden. Ob aber die Erregbarkeit schon zu einer Zeit verschwunden ist, in der der Axencylinder zwar schon verändert, jedoch in seiner Continuität noch erhalten ist, wissen wir nicht. Eanvier glaubt die bei der Degeneration auftretende Dis- continuität für die Unerregbarkeit verantwortlich machen zu müssen und schiebt den ersteren Vorgang dem Protoplasma der Kerne zu, das wuchernd den vollständig passiven Axencylinder durch- schneide. Er hat dabei entschieden Bilder vor Augen gehabt, an welchen der Axencylinder stellenweise fehlte. Es unterliegt wohl keinem Zweifel, dass hier einzelne Strecken resorbirt waren, während andere vielleicht durch die schwierigere Zugänglichkeit der Lymphe der Resorption noch entgangen waren, Bilder, wie ich sie schon in meiner früheren Arbeit bei der Wirkung der Kochsalzlösungen geschildert habe. 318 Th. Rumpf: Die Ursache für diese Conti nuifätsunterbrechung des Axen- cylinders müssen wir demnach in einem andern Processe, als Banvier suchen; aber die Ursache für die Unerregbarkeit könnte entschieden in einer Discontinuität des Axencylinders gelegen sein, wenn nicht die Unerregbarkeit schon vorhanden ist, bevor die eigentliche Kesorption des Axencylinders beginnt. Und das Letztere scheint allerdings der Fall zu sein. An peripheren Stücken des N. ischiadicus liess sich 14 Tage nach der Durchschneidung die vollständige Unerregbarkeit des Nerven nachweisen, während der Axencylinder noch vollständig vorhanden, allerdings beträchtlich verbreitert war. Die Muskeln selbst waren faradisch gut erregbar. Eine Discontinuität des Axencylinders liess sich dabei in keiner Weise constatiren. Dieselben Kesultate ergab die Untersuchung 16 Tage nach der Durchschneidung, so dass wir es zuvor durchaus mit keiner schon nicht mehr ernährten, oder Ernährungsströme nicht mehr leitenden Masse zu thun hatten. Die Schlussfolgerungen, die wir aus diesem Verhalten ziehen können, dürften für die Pathologie nicht ohne Bedeutung sein. Gibt es Zustände des Axencylinders, in denen er zwar ernährende Strömungen passiren lässt, aber andere Eigenschaften, die Erreg- barkeit, vielleicht auch Leitungsfähigkeit eingebüsst hat, so haben wir hier ein Analogen mit einzelnen Erscheinungen in der Neuro- pathologie. Es gibt eine ganze Keihe von Lähmungen, bei welchen in den Nerven eine Unfähigkeit für die motorische Leitung vor- handen ist, ohne dass eine Spur von trophischen Störungen daraus resultirt. Man hat sich seither damit geholfen, besondere trophische Nerven mit stärkerer Resistenzfähigkeit gegen schädliche Einflüsse anzunehmen. Das Vorkommen solcher Veränderungen des Axen- cylinders dürfte derartige Zustände vielleicht einfacher erklären. Untersuchen wir nun, wie der Process der Degeneration in der nächsten Zeit weiter verläuft. Wie schon erwähnt, zeigt sich Zur Degeneration durchschnittener Nerven. 319 an einzelnen Stellen eine Discontinuität des Axencylinders. Dieselbe beginnt in der Regel am Ende der dritten oder im Anfange der vierten Woche. Aber auch die einzelnen Reste fallen nach kurzer Zeit der Resorption anheim und der Axencylinder schwindet in den mehr und mehr degenerirenden Partien vollständig. Mit dem Verschwinden des Axencylinders geht auch das noch vor- handene Mark jene degenerativen Veränderungen ein, die schon zur Genüge beschrieben sind. Bestätigen möchte ich nur die Angaben von Banvier , dass ausser der Vermehrung des Bindegewebes und der Kerne sich in den degenerirten Partien eine grosse Anzahl zelliger Elemente einfindet, die das ausgetretene Mark gleichsam aufzehren und an Osmiumpräparaten einen Inhalt von leichtbraun gefärbten Mark- tröpfchen aufweisen. Ausser diesen Gebilden tritt aber bei der Degeneration noch ein anderer Bestandtheil der Nervenfaser hervor und zwar sind dies die eigentlichen noch innerhalb der Schiva ml sehen Scheide gelegenen Umhüllungen des Markes. Schon oben habe ich erwähnt, dass Ewald und Kühne bei der Degeneration einzelne Partien dieser von ihnen entdeckten Umhüllungen des Markes, der Hornscheiden, nachweisen konnten. Und allerdings bleiben dieselben in der ersten Zeit der Degeneration während des Schwundes des Axen- cylinders und des Zerfalls des Markes vollständig intact. Durch Entmarken mit siedendem Alkohol und Aether lassen sich beim Frosche die hornführenden Scheiden noch in ihrem ganzen Zu- sammenhange und anscheinend unverändert nachweisen, wenn der Axencylinder schon geschwunden ist und von dem Marke nur noch körnige Reste den Inhalt der Faser ausmachen. Später zerfallen auch diese Scheiden; zunächst scheinen sie sich zu trüben und dann in schollige oder körnige Gebilde zu zerfallen. Dieser Process scheint in den peripheren Nerven vom Frosch noch rascher zu verlaufen, als im Rückenmarke des Menschen, 320 Th. Rumpf: wo Schultse und ich ^) 8 Wochen nach den Erscheinungen der Degeneration in den erkrankten Partien noch das wenig veränderte, höchstens etwas zerklüftete Horngerüst nachweisen konnten. Die degenerativen Veränderungen nach Nervendurch- schneidungen verlaufen beim Säugethiere ausserordentlich viel rascher, als beim Frosch. Auch bei ihnen treten, me Colasanti wenigstens am N. ischiadicus des Meerschweinchens beobachtete, zunächst jene sogenannten traumatischen Veränderungen an der Schnittfläche ein, die wir wohl auch hier einer raschen Einwirkung der leicht eindringenden Lymphe zuschreiben müssen. Diese Ver- änderungen zeigen sich hier schon nach 24 Stunden in voller Ausbildung und etwa nach 72 Stunden folgen nach Colasanti die eigentlichen degenerativen Vorgänge. Beim Kaninchen bieten sich im Allgemeinen die gleichen Bilder. Auch hier zeigt der durchschnittene Kerv nach 24 Stunden jene vielfach bis zum nächsten Schnürringe gehende Veränderung. Derselbe Process wie beim Frosch hat ohne Zweifel das Aus- treten eines Theiles des Nervenmarkes aus dem Schnittende hervor- gerufen, das man auch hier in grossen Ballen an den Fasern ankleben sieht. Doch zeigt sich insofern eine Differenz gegen den Frosch, als das Mark bis zu einer bestimmten Grenze nicht vollständig ausgetreten ist, sondern die dem Schnittende zunächst liegenden Partien sich wesentlich durch einen geringeren Gehalt an Mark auszeichnen. Vielfach folgt dann auch eine markleere Strecke, die durch eine ziemlich scharfe Grenze gegen das normale Bild contrastirt. Doch ist diese Grenze beim Kaninchen oft nicht so scharf, wie beim Frosche und ferner liegt sie vielleicht noch häu- figer an einer Einkerbung als an dem Schnürringe, Es kommen hier indess entschieden Differenzen vor, die wohl hauptsäch- ') Centralbl. f. d. med. Wiss. 1878. No. 37. Zur Degeneration durchschnittener Nerven. 321 lieh auf dem verschiedenen Reichthume der Thiere an Lymphe beruhen. Dasselbe Bild wie das periphere Stück bietet im Allgemeinen das centrale. In beiden zeigt sich ausserdem nach der Entmarkung dieselbe Quellung des Axencylinders in der Nähe der Schnittstelle wie beim Frosch. Die Resorption dieser gequollenen Partien verläuft in den ersten Tagen beim Kaninchen fast ebenso langsam wie beim Frosch. In dem peripheren Stücke ist nach 2 Tagen nur ein minimales Stück zwischen Schnittfläche und nächstem Schnürringe verschwunden. Auch in dem centralen Stücke erfolgt die Auflösung eines Theiles des gequollenen Axencylinders. Es handelt sich auch hier jedenfalls um einen Process des Absterbens und nicht um eine Hypertrophie, die gleichsam der Regeneration vorausgeht, wie dieses Banvier ^) glaubt und wie es auch einige andere Forscher -) nach ihren Ausdrücken bei ähnlichen Befunden anzunehmen scheinen. Jedenfalls geht aber dieser Process der Quellung und Re- sorption in den ersten zwei Tagen nach der Durchschneidung im centralen sowohl als im peripheren Stücke ausserordentlich langsam vor sich. Dem gegenüberbietet ein doppelt durchschnittenes Stück des N. ischiadicus nach zwei Tagen ein ganz anderes Bild. Hier fehlt in einer grossen Anzahl der Fasern der Axen- cylinder vollständig; in andern zeigt sich durchgehends jene bekannte beträchtliche Verbreiterung des centralen Gebildes und in den dritten sieht man die Uebergangsformen von den ^) Banvier „Le^ons sur etc." Tome IL pag. 41. ■^) Der Ausdruck : Hypertrophie des Axencylinders ist keineswegs selten : meist sind es Schilderungen acut entzündlicher Processe, hei welchen er sich findet. Von den seitherigen Forschern ist vielleicht Friedr. Schnitze ( Virclioiv's Archiv Bd. 73) der einzige, der diese in ihrem Volumen vergrösserten Axeu- cylinder als Uehergangsstufen zum Zerfall auffasst. 322 . Th. Rumpf: zweiten zu den ersten; in diesen ist jene Discontinuität des Axency linders vorhanden, die sich auch hier nur dadurch er- klären lässt, dass einzelne der Lymphe leicht zugängliche Theile schon resorbirt sind, während andere Reste derselben noch wider- standen haben. Sonach dürfte die Gültigkeit unserer schon aus den Er- gebnissen am Froschnerven gezogenen Schlussfolgerungen auch für die Säugethiere erwiesen sein. Was das weitere Fortschreiten der Degeneration am durch- schnittenen Nerven betrifft, so liegt die wesentlichste Differenz zwischen Frosch und Kaninchen in der zum Ablauf der Er- scheinungen nöthigen Zeit. Beim Kaninchen ist durchschnittlich schon am vierten Tage der Nerv unerregbar und erfolgt auch die Resorption des Axencylinders um diese Zeit. Einen Unterschied zwischen einzelnen Fasern, der auf eine differirende Degeneration der motorischen und sensiblen Fasern bezogen werden könnte, habe ich weder beim Kaninchen noch beim Frosch constatiren können. Doch möchte ich noch darauf aufmerksam machen, dass man sich bei allen Untersuchungen vor jenen keineswegs zu selten vorkommenden Fasern zu hüten hat, die den Eindruck von degenerirten machen, ohne dass ihre Degeneration irgend etwas mit der Durchschneidung zu thun hat. Kuhnt^) hat schon auf das Vorkommen dieser Fasern in ganz normalen Nerven aufmerksam gemacht und Sigmund Mayer ^) hat neuerdings in einer ausführlichen Arbeit das Auftreten der- selben verfolgt. Ausser diesen degenerirenden Fasern finden sich auch Bilder, die, wie ich im Anschlüsse an Kulint und Mayer glaube, keine andere Deutung als die beginnender Regenerations- processe zulassen, worüber weitere sorgfältige Untersuchungen gewiss bald entscheiden würden. 1) Archiv f. mikrosk. Anat. Bd. XIII. 2) Sitz.-Ber. d. Kais. Acad. d. Wiss. III. Abth. Jahrg. 1878. Zur Degeneration durchschnittener Nerven. 323 Mich halten jetzt leider äussere Verhältnisse von der Fort- setzung dieser Arbeiten ab. Wenn ich aber trotz vieler Lücken die seitherigen Ergebnisse veröffentliche, so mag die Wichtigkeit des Gegenstandes mich entschuldigen. Heidelberg, den 2. October 1878. 324 K. Mays: Uelber das braune Pigment des Auges. Yon Dr. Karl Mays. Im Anschlüsse an die von Kühne ^) gemachte Beobachtung, dass das braune Pigment des Auges, welches bekanntermassen sich gegen chemische Reagentien so dauerhaft zeigt, durch das Licht in verhältnissmässig kurzer Zeit gebleicht werde, unter der Voraussetzung, dass eine weitere Bedingung erfüllt ist, nämlich die Anwesenheit von Sauerstoff, habe ich eine Reihe von Versuchen angestellt, welche diese Angabe unter verschiedenen Bedingungen zu bestätigen im Stande sind. Da aber der Einfluss des Lichtes sich nicht nur auf die Bleichung des Pigmentes erstreckt, sondern durch dasselbe auch andere chemische Vorgänge, nämlich die Lö- sung des Pigmentes in gewissen Flüssigkeiten, beeinflusst werden, so mussten die Untersuchungen auch auf diesen Punkt ausgedehnt werden. Zur Reindarstellung des Pigmentes bediente ich mich eines Materiales, welches im hiesigen physiologischen Institute gelegent- lich anderer Untersuchungen gesammelt war. Es bestand in den Augen von einigen hundert Hühnern, die durch einen Aequatorial- schnitt gespalten, mit Alkohol und Aether vollständig erschöpft und unter Aether aufbewahrt waren. Wenn es sich darum han- delt, einen schwer angreifbaren Körper aus einem thierischen 0 Untersuchungen des physiol. Instituts der Universität Heidelberg. Bd. II, Heft I, p. 112 ff. lieber das braune Pigment des Auges. 325 Gewebe zu trennen, so gibt es wohl kein einfacheres und siche- reres Mittel als die Ueberführung der Gewebebestandtheile in lösliche Substanzen mittels der Verdauung. Diese wurde auch zu der Darstellung des Pigmentes angewandt und zwar die rascher und energischer wirkende Pankreasverdauung ; es war daljei nur in Betracht zu ziehen, dass derselben auch die collagenen Bestand- theile zugänglich gemacht wurden, und dies wurde durch Kochen der Augen mit Wasser erreicht; zugleich wurde hierdurch der noch in den Augen zurückgebliebene Aether entfernt. Das Verdauungsgemisch wurde mit 0,2 pCt. Salicylsäure bereitet, um die Fäulniss zu verhindern. Nach 24 Stunden war fast alles gelöst, nur einige in der Sclera vorgekommene Verknöcherungen hatten in dieser Zeit der Verdauung soweit widerstanden, dass sie wenigstens noch als zusammenhängende Gebilde sich vorfanden. Dieser Umstand machte es jedoch leicht, sie vom Pigmente zu trennen, welches durch Gaze abfiltrirt wurde. Um möglichst den Verlust an Pigment und jede Verunreinigung zu verhüten, wurde dasselbe von nun an nie auf ein Filter gebracht, sondern immer in einer Pteihe von Tellern absitzen gelassen, 'was gewöhnlich in einigen Tagen vollständig erzielt wurde. Auf diese Weise wurden zunächst die gelösten Verdauungsproducte abgegossen und das Pigment einige Male mit Wasser gewaschen. Die einzigen Sub- stanzen, mit denen es nun noch verunreinigt sein konnte, waren Nukleine und Neurokeratin; das letztere musste jedoch schon entfernt sein und zwar auf mechanischem Wege, einmal durch das Filtriren durch Gaze, sodann bei dem Waschen mit Wasser. Dass bei diesen Proceduren das haftende Flocken bildende Neuro- keratin zurückbleibt, steht mit den sonstigen Erfahrungen über seine Beschaffenheit, die im hiesigen Laboratorium gemacht sind, im Einklänge und wurde ausserdem durch die mikroscopische Unter- suchung bestätigt, indem in dem gereinigten Pigmente keinerlei Beimischungen zu erkennen waren, die von dieser Substanz hätten Kühne, Untersuchungen 11. 22 326 K. Mays: herrühren können. Zur Entfernung der Nukleine wurde verdünnte Natronlösung angewandt. Dieselbe blieb einige Tage auf dem Pig- mente stehen und wurde dann mit ihm aufgekocht. Beim Stehen sowohl als heim Kochen färbte sich die Natronlösung braun. Diese wurde nun abgegossen, das Pigment in grosse Cy linder gebracht und diese mit Wasser aufgefüllt. Da es sich ziemhch rasch zu Boden setzte, konnte auf diese Weise eine sehr ausgiebige Auswaschung vorgenommen werden. Dieselbe wurde so lange fortgesetzt, bis die Flüssigkeit nicht mehr alkalisch reagirte. Nachdem als letztes Waschwasser noch einige Male destillirtes angewandt war, und endlich nacheinander Alkohol und Aether, wurde das Pigment getrocknet. Mit so gereinigtem Pigmente wurden die meisten der nach- folgenden Versuche angestellt; wo dies nicht der Fall war, wird es ausdrücklich bemerkt werden. Ich werde zunächst die Lös- lichkeitsverhältnisse des Pigmentes besprechen: Kein che- misches Pieagens ist bis jetzt bekannt, welches das Pigment sofort zersetzte oder auflöste. Concentrirte Säuren und Alkahen bedürfen längerer Zeit oder des Erhitzens, um dies zu bewerkstelligen. Bei längerem Kochen färbt das Pigment concentrirte Schwefel- säure schwarzbraun, concentrirte Natronlauge und Salpetersäure mehr gelbbraun. In beiden Fällen gelingt es jedoch auch nach längerem Kochen nicht, einigermassen grössere Mengen des Pig- mentes zu lösen, sondern es bleibt immer viel davon ungelöst und scheinbar unverändert. Hinsichtlich der Farbe dieser Lö- sungen kann ich Bosoiv^) nicht beipflichten, der dieselbe als „dunkelkirschroth" bezeichnet, ich habe sie immer braun gefunden, eine andere Angabe Bosow's dagegen kann ich bestätigen, näm- lich die, dass das Pigment sehr leicht in verdünnten Alkalien löslich wird, nachdem es längere Zeit der Einwirkung verdünnter 1) GrcBfe's Archiv Bd. IX. Abth. III. Ueber das braune Pigment des Auges. 327 Salpetersäure ausgesetzt worden; es wird dabei heller, mehr in's Gelbe gehend und die Säure nimmt eine ganz leicht gelbe Farbe an, nur kann ich auch hier die von Fiosoic angegebene Farbe Dicht bestätigen; denn auch diese Lösungen fand ich braun und nicht „schön violet-roth", wie Bosow sie findet. Nachdem eine Einwirkung des Lichtes auf das braune Pigment bekannt war, musste man auch bei dieser Veränderung desselben an eine solche denken, da Bosoiv natürlicherweise nicht angab, ob er die Ein- wirkung im Lichte oder im Dunkeln von Statten gehen liess. Ich hielt desshalb einen Theil des mit Salpetersäure übergossenen Pigmentes im Dunkeln, während ich einen andern der Sonne ex- ponirte, aber die Veränderungen des Pigmentes sowie die seiner Löslichkeit in Alkalien waren in beiden Fällen ganz die gleichen. Zur Lösung des so behandelten Pigmentes eignen sich verdünnte Lösungen der AetzalkaUen, der kohlensauern Alkalien und des Ammoniaks und zwar geht sie so leicht von Statten, dass es ge- nügt, neben einen Tropfen Wassers, in welchem solches Pigment suspendirt ist, einen Tropfen Ammoniak zu bringen, ohne dass er mit dem ersteren zusammenfliesst, um schon durch die von dem Wassertropfen absorbirten Ammoniakdämpfe das Pigment vollständig in Lösung zu bringen. Einen rothbraunen Nieder- schlag konnte ich aus diesen Lösungen nicht erhalten, wie ihn Bosow mit Säuren bekommen hat, wohl aber aus alkalischen Lösungen, die auf anderem Wege gewonnen waren und auf die ich später zu sprechen kommen werde. Wenn in den eben geschilderten Versuchen die Wirkung der verdünnten Salpetersäure allein zugeschrieben werden muss, so gibt es doch auch Fälle, in welchen die Löslichkeit des Pigmentes vom Lichte beeinflusst wird. Am deutlichsten ist dies, wenn es von vorn herein in alkalischen Flüssigkeiten sich befindet; dass dem so ist, geht aus dem folgenden Parallelversuche hervor: von dem isolirt dargestellten Pigmente wurden kleine Mengen auf zwei 22* 328 K. Mays: Teller gebracht und mit einer Iprocentigen Pottaschelösung über- gössen. Der eine Teller wurde im Dunkeln gehalten, der andere der Sonne exponirt. Nach wenigen Tagen hatte sich die Flüssig- keit in dem letzteren braun gefärbt, während in dem ersteren auch nach monatelangem Stehen nicht die geringste Färbung der Flüssigkeit zu bemerken war. Ich muss hier zurückkehren zu einer Angabe, die ich bei der Darstellung des Pigmentes gemacht habe: die verdünnte Natronlösung hatte dort etwas von dem Pig- mente in Lösung gebracht; es wäre nun möglich, dass auch hier eine Einwirkung des Lichtes vorgelegen hätte, vor dessen Zu- gang ich, ehe ich seine Wirkung kannte, das Pigment nicht ab- sichtlich schützte; freilich muss ich hinzufügen, dass es sicher nur in beschränktem Maasse Zutritt hatte, da ich die Teller, in denen es sich absetzte, bedeckt zu halten pflegte. Vielleicht wirkten hier noch andere, mir bis jetzt unbekannt gebliebene Einflüsse auf die Löslichkeit des Pigmentes, über die ich noch bemüht sein werde, mir Rechenschaft zu geben. Jedenfalls ist ausser dem Lichte noch ein anderer Factor von Einfluss auf die Löslichkeit des Pigmentes, nämlich die Wärme; denn es konnte gezeigt werden, dass diese auch bei Abschluss des Lichtes bei längerer Einwirkung das Pigment in schwachen Alkahen etwas löslich macht. Eine Probe wurde nämlich mit einer 1 procentigen Sodalösung in ein Glasröhrchen eingeschmolzen und 6 Stunden lang im Dunkeln im Wasserbade erhitzt; die Flüssigkeit zeigte sich schliesslich braun gefärbt, obwohl auch hier der grössere Theil des Pigmentes ungelöst blieb. Da sich also gezeigt hatte, dass die Wärme einen solchen Einfluss hat, so musste auch untersucht werden, ob nicht auch bei dem dem Lichte exponirten Pigmente die Erwärmung die Lösung zu Stande gebracht habe. Zu dem Ende wurde ein anderer in der gleichen Weise wie oben herge- richteter Teller in die Sonne gestellt, jedoch ihre Wärmewirkung durch fortwährende Berieselung mit kaltem W^asser möglichst Ueber das braune Pigment des Auges. 329 abzuhalten gesucht; da jedoch die Flüssigkeit in derselben Zeit sich braun färbte, so durfte auch dem Lichte allein eine Ein- wirkung auf die Löslichkeit des Pigmentes zugeschrieben werden. Aus solchen Lösungen in schwachen Alkalien, die sich nicht unter dem Einflüsse der Salpetersäure gebildet hatten, gelang es mir, das Pigment durch Neutralisation mit Schwefelsäure als einen braunen, sehr zarten, flockigen Niederschlag auszufällen. Mikro- skopisch bestand derselbe aus hellbraunen amorphen Flocken, in denen einzelne, sehr scharf contourirte dunkelbraune Körnchen eingebettet waren, die vollkommen den amorphen Körnchen des natürlichen Pigmentes glichen. Dieser Niederschlag trat jedoch nicht immer gleich, sondern manchmal erst nach längerer Zeit, ja erst nach Tagen ein. Ich habe für diese Inconstanzen bis jetzt noch keine Erklärung gefunden, muss aber erwähnen, dass vielleicht auf ähnlichen die oben genannte Differenz zwischen Bosoiv und mir hij:isichtlich des mit Hülfe der Salpetersäure in Alkalien gelösten Pigmentes beruht. Da die Wirkung der letzteren wohl in ihren oxydirenden Eigenschaften zu suchen war und da ferner schon von Kühne gezeigt worden , dass der Sauerstoff einen* wesentlichen Antheil hatte bei einer anderen Veränderung des Pigmentes, der Bleichung, so war zu fragen, ob nicht ähnliche Vorgänge bei seiner Löslich- keit in Betracht kämen. Um hierüber Aufschluss zu erhalten, wurde einmal noch ein anderes Oxydationsmittel angewandt, näm- lich der active Sauerstoft" und sodann wurde auf der andern Seite geprüft, wie sich die Löslichkeitsverhältnisse gestalteten bei Ab- haltung des atmosphärischen Sauerstoffs. "Was die Wirkung des Ozons betrifft, so habe ich hinsichtlich der Löslichkeit bis jetzt nur negative Resultate erhalten. Die Versuche wurden in der Weise angestellt, dass etwas Pigment in wenig Wasser suspendirt und in zwei kleine Probirröhrchen ver- theilt wurde; beide wurden im Dunkeln gehalten und auf den 330 K. Mays: Boden des einen ein continuirlicher Ozonstrora geleitet, der die geringe Menge Flüssigkeit in Blasen aufpeitschte, so dass eine möglichst energische Wirkung zu erwarten war. Nach halb- stündigem Durchleiten jedoch war in beiden Röhrchen nicht der geringste Unterschied wahrzunehmen. Aber auch im grellen Sonnenhchte blieb der Versuch, in ganz derselben Weise und die gleiche Zeit hindurch angestellt, erfolglos. Das Wasser war nun wohl nicht die geeignetste Flüssigkeit und es wurde desshalb eine andere gewählt, von der bekannt geworden war, dass sie unter Umständen Pigment zur Lösung bringt, nämlich eine alkalische. Auch dieser Versuch wurde wieder im grellen Sonnenscheine mit zwei Röhrchen ausgeführt, in welchen das Pigment in ^/2 pCt. Pottaschelösung suspendirt war. Nach Ablauf einer halben Stunde hatte das Licht allein noch nicht ausgereicht, um die Flüssigkeit zu färben, aber auch mit Hülfe des Ozonstromes war nicht die geringste Lösung zu erzielen. Bessere Resultate gab die andere Hälfte dieser Versuchsreihe, die mit Ausschluss des Sauerstoffs angestellt wurde. Zunächst wurde hier der Einfluss der Wärme geprüft. Die Flüssigkeiten wurden mit dem suspendirten Pigmente zum Vergleiche einmal mit und einmal ohne Luft eingeschlossen ; für das letztere eignete sich folgendes einfaches Verfahren: ich brachte die Proben in unten zugeschmolzene Glasröhrchen, diese wurden dann am andern Ende in ein nahezu capillares Rohr ausgezogen und die Flüssig- keiten hierauf zum Kochen erhitzt. Wenn so lange gekocht worden war, dass man annehmen konnte, dass alle Luft verdrängt war, so wurde das capillare Rohr, während ihm der Dampf entströmte, rasch zugeschmolzen, was in den meisten Fällen sehr leicht gelang. Die Flüssigkeiten, die gewählt wurden, waren Wasser und Iprocnt, Sodalösung. Dass in letzterer bei dieser Procedur nichts in Lösung ging, scheint daran zu liegen, dass hierfür doch immer längeres Kochen erforderlich ist. Die Erhitzung im Wasserbade geschah Ueber das braune Pigment des Auges. 331 im Dunkeln von Morgens 10 Uhr bis Abends 5 Uhr. Bei der Herausnahme war in sämmtlichen Röhrchen noch ziemhch viel Pigment suspendirt und kein grosser Unterschied zu bemerken; nach dem Absitzen jedoch stellte sich ein sehr bedeutender heraus. Das Wasser, das mit Luft eingeschlossen war, war leicht gelb- braun geworden, die Sodalösung hatte sich intensiv braun gefärbt; in den Röhrchen jedoch, in denen sich keine Luft befand, waren die Flüssigkeiten vollständig farblos geblieben. Auch für den Einfluss des Lichtes konnte bezüglich der Löslichkeit ein Unter- schied constatirt werden, je nachdem Sauerstoff zugegen war oder nicht, indem Wasser, welches mit Luft in einem Glasröhrchen eingeschmolzen war, nach mehrtägiger Exposition eine leichtgelbe Farbe angenommen hatte, die in einem andern Röhrchen, welches luftleer gemacht war, ausblieb. Nur bei einer \/2proc. Sodalösung fiel die Sache etwas anders aus. Ich habe diesen Versuch später noch einmal zu erwähnen, da er eigentlich in einer andern Ab- sicht angestellt war; die Luft war hier nicht durch Auskochen, sondern durch Einleiten von Kohlensäure vertrieben, und hier hatte sich die Lösung am Lichte auch schwach bernsteingelb gefärbt. Leider konnte ich den Versuch wegen eingetretener schlechter Witterung nicht noch einmal wiederholen, was nöthig gewesen wäre, da man hier Bedenken tragen muss, ob der Sauer- stoff vollständig entfernt war; ein kleiner Rest könnte die aller- dings geringe Färbung der Flüssigkeit erklären. Soweit reichen meine bisherigen Beobachtungen über die Löslichkeit des Pigmentes und ich gehe nun über zu der näheren Ausführung der schon von Kühne gemachten Angaben über dessen Bleichung. Zunächst habe ich noch einiges über die Bleichung des trockenen braunen Pigmentes beizufügen. Es war von Interesse zu wissen, ob die Wirkung des Lichtes auf das Pigment verschiedener Thiere eine verschiedene sei, namentlich, ob nicht das Pigment derjenigen Thiere, die auf schwächere Lichtreize angewiesen sind, also der 332 K. Mays: Nachttliiere, einen höheren Grad von Lichtempfindhchkeit besitzt. Am 29. August hatte ich zur Vergieichung Pigment vom Huhn und vom Frosch in verschiedenen Dicken auf Milchglasplatten aufgetragen und zum Theil durch Streifen schwarzen Papiers gegen die Einwirkung des Lichtes geschützt. Das Pigment des Huhns war das gleiche, welches für die bisherigen Versuche an- gewandt wurde, vom Frosche gab mir Herr Geh. Eath Kühne etwas reines Retinalpigment , welches er in der von ihm ge- schilderten Weise mit Gallelösung erhalten hatte. Das Auftragen auf die Glasplatte geschah mit etwas verdünnter Gummilösung. Die Exposition fand unter einem nach Süden gelegenen Oberlichte statt. Als ich mir am 16. September die Präparate zum ersten- mal wieder ansah, schien an den vom Papier freigelassenen Stellen noch so wenig Bleichung eingetreten zu sein, dass ich die Papierstreifen noch nicht abnahm. An diesem Tage stand mir ein Eulenauge zu Gebote, von dem ich etwas Pigment an dem- selben Orte dem Lichte exponirte. Dasselbe wurde mit einem weichen Pinsel aus dem frischen Auge aufgenommen, mit verdünnter Gummilösung auf eine Milchglasplatte aufgetragen und ebenfalls zum Theil mit schwarzem Papier verdeckt. Am 22. October wurden alle drei Präparate geöffnet und ergaben folgenden Befund: Bei dem Pigment vom Frosch und vom Huhn zeigte sich kein erkennbarer Unterschied. Bei beiden war überhaupt die Differenz zwischen den belichteten und nicht belichteten Stellen eine sehr geringe. Man konnte nicht einmal mit Bestimmtheit eine scharfe Grenze angeben, welche den Rändern des Papierstreifens hätte entsprechen müssen, nur die nicht belichteten Theile der mittel- stark aufgetragenen Streifen waren etwas heller. Dies Resultat erklärt sich aus dem meist trüben Wetter während der Expositions- zeit. Trotz dessen war das Resultat an dem Pigmente des Eulen- auges ein viel besseres. Einmal stellte sich die vom Papiere bedeckte Stelle als ein scharfes dunkles Band dar, welches auch üebei' das braune Pigment des Auges. 333 bis in die am dicksten aufgetragenen Lagen zu verfolgen war, sodann hatte das belichtete Pigment im Gegensatz zu dem violett- braunen Aussehen des nichtbelichteten eine mehr braungelbe Nu- ance. Wenn man bedenkt, dassdas Eulenaugenpigment an demselben Orte wie das der andern Thiere nur kürzere Zeit dem Lichte exponirt war, so wird man nach diesem Befunde berechtigt sein, demselben eine grössere Lichtempfindlichkeit zuzuschreiben. Eine weitere Versuchsreihe schloss sich an die von Kühne gemachte Beobachtung au, dass bei dem Pigment in den feuchten Präparaten, zu denen der atmosphärische Sauerstoff keinen oder wenigstens sehr beschränkten Zugang hatte, die Bleichung sehr unbedeutend ausfiel; es musste also zunächst untersucht werden, wie sich das Pigment in verschiedenen Flüssigkeiten bei Anwesen- heit von Luft gegen die Sonne verhielt. Zu dem Ende wurde das Pigment mit ^2 pCt. Kochsalzlösung, 0,2 pCt. Salicylsäure, Natronlauge und 1 pCt. Sodalösung in Glasröhrchen eingeschmolzen; dabei wurde so wenig Flüssigkeit genommen, dass das meiste an der Wandung haftete und so dem Zutritte der Luft eine grosse Oberfläche geboten war. Die alkalischen Lösungen wurden ausser- dem im Wasserbade solange erhitzt, bis sie eine braune Farbe angenommen hatten. Nach zweimonatlicher Exposition wurden die Piöhrchen mit gleichen, im Dunkeln gehaltenen verglichen, wobei sich bedeutende Unterschiede herausstellten. Von den letz- teren hatte nämlich keines die geringsten Veränderungen erlitten, während die exponirten solche, allerdings in verschiedenem Grade aufzuweisen hatten. Am wenigsten zeigte sich das Salicylsäure- präparat verändert; die Flüssigkeit war hellbraun, so dass etwas unter dem Einflüsse des Lichtes in Lösung gegangen sein musste, an dem suspendirten Pigmente war keine deutliche Aenderung wahrzunehmen; in der Kochsalzlösung und in der Natronlauge dagegen war der Unterschied gegen die nicht belichteten Präparate ein sehr bedeutender, indem in beiden die suspendirten Theilchen 334 K. Mays: vollständig gebleicht waren, während die Flüssigkeiten noch eine schwach gelbe Farbe hatten. In der Sodalösung war die Ver- änderung nicht so auffallend ; die Lösung war hellbraun geworden und die Pigmenttheilchen nicht vollständig gebleicht, wenn auch sehr deutlich abgeblasst. Ich muss dieses Resultat auf die Klein- heit des angewandten Röhrchens beziehen, in welchem offenbar nicht hinreichend Sauerstoff vorhanden war, um die völlige Bleichung zu bewerkstelligen, da eine solche erzielt wurde, als ich zu einem zweiten Versuche ein weiteres Rohr anwandte, in welchem sogar die Flüssigkeit ganz farblos wurde. Es scheint übrigens im All- gemeinen einmal gelöstes Pigment etwas schwerer zu bleichen als Pigment in Substanz. Wie in der eben mitgetheilten Versuchs- reihe die Kochsalzlösung und die Natronlauge noch schwach gelb gefärbt waren, während die Pigmentkörnchen vollständig weiss geworden waren, so hatten auch in jenen Tellern, die mit ^/2 pCt. Pottaschelösung der Sonne exponirt waren und in denen, wie jetzt leicht verständlich sein wird, die oben erwähnte weitere Ver- änderung in einem allmäligen Abblassen bestand, Wochen nicht genügt, um die Lösung vollständig zu entfärben. Da zu Anfange bei diesem Versuche zu erwarten war, dass sich immer neue Mengen von dem Pigment lösten und eine etwa eingetretene Bleichung der Lösung verdeckten, so goss ich am 4. Tage, zu welcher Zeit ungefähr dieselbe am dunkelsten war, die Lösung von einem der Teller ab, filtrirte sie und schloss einen Theil davon mit einer gehörigen Menge Luft in ein Glasrohr ein. Dem Lichte exponirt blich sie allmälig ab, behielt aber doch nach zwei Monaten noch eine hellgelbe Farbe. Nachdem oben gezeigt worden, dass die Bleichung des Pig- mentes auch im feuchten Zustande von Statten gehe, falls Luft zugegen ist, so dass auch hier oxydative Processe anzunehmen waren, war hier ebenfalls zu untersuchen, was durch kräftige Oxydationsmittel erzielt werden konnte und es wurde desshalb lieber das braune Pigment des Auges. 335 wieder das Ozon gewählt. Ich habe schon oben erwähnt, dass an dem in Wasser oder ^.'2 pCt. Pottasche suspendirten Pigmente weder im Dunkeln noch im Hellen eine Veränderung wahrzunehmen war, und dies gilt auch hinsichtlich der Bleichung, bei alkalischer Pigmentlüsung jedoch verhielt sich die Sache anders. Schon bei der Einwirkung des Ozons im Dunkeln war nach 1 '/-jstündigem Durchleiten ein allerdings geringes, aber doch deutliches Abblassen der Farbe zu erkennen, im grellen Sonnenscheine aber war die Einwirkung des Ozonstromes in derselben Zeit eine sehr erhebliche. Ich benutzte zu dem Versuche die an der Sonne entstandene und filtrirte ^/oprocentige Pottaschelösung, mit der ich 3 kleine Probir- röhrchen anfüllte ; durch eines wurde an der Sonne ein Ozonstrom geleitet, das zweite ohne Ozon dem Lichte exponirt und das dritte im Dunkeln gehalten. Nach Beendigung des Versuchs war zwischen den beiden letzten noch kein Unterschied wahrzunehmen, in dem ersten dagegen w^ar schon nach einer Stunde die Farbe bis auf ein ganz leichtes Gelb geschwunden, nun aber schien ein Still- stand eingetreten und die vollständige Entfärbung der Flüssigkeit konnte nicht erzielt werden. Es blieb schliesslich noch zu untersuchen, ob beim völligen Entziehen des Sauerstoffs die Bleichung auch vollständig ausbliebe, und dies ist in der That der Fall. Ich hatte eine Serie von Glasröhrchen zwei Monate lang der Sonne exponirt, die zum Theil Luft enthielten, während diese aus andern durch Auskochen oder Durchleiten von Kohlensäure verdrängt war. Ich habe zwei dieser y Präparate gelegentlich erwähnt, das eine war die mit Luft ein- geschlossene Sodalösung, bei der Pigment sowohl als Lösung voll- ständig gebleicht waren, das andere jene Sodalösung, in welcher trotz dem Einleiten von Kohlensäure etwas von dem Pigment in Lösung gegangen war und der Flüssigkeit eine bernsteingelbe Farbe ertheilt hatte ; hier muss darauf aufmerksam gemacht wer- den, dass die Bernsteinfarbe der Flüssigkeit sow^ohl wie die Farbe 336 K. Mays: des Pigmentes nach so langer Zeit vollständig erhalten waren; ebensowenig war in dem Sodapräparate, welches luftleer einge- schlossen war, die geringste Bleichung zu bemerken. Etwas ge- ringer fiel die Bleichung desjenigen Pigmentes aus, welches in Wasser suspendirt war. Allerdings war auch hier zwischen dem luftführenden Röhrchen einerseits und dem luftleeren oder mit Kohlensäure gefüllten andererseits ein sehr bedeutender Unter- schied wahrzunehmen; die beiden letzteren sahen nach der Be- lichtung noch genau so aus wie vorher ; die Flüssigkeit war ganz farblos und das Pigment durchaus unverändert geblieben ; in dem luft- führenden hatte das Wasser eine ganz leicht gelbliche Farbe angenom- men, das Pigment aber war, wenn auch nicht vollständig gebleicht, so doch in den grösseren Partikelchen hellbraun, in den kleineren hellgelb geworden. Endlich wurde auch von jener Pigmentlösung, welche in V^pCt. Pottasche an der Sonne entstanden war, in ein Röhrchen eingeschlossen, aus dem die Luft durch Kohlensäure verdrängt war und auch auf diese war der weitere Einfluss der Sonne machtlos geblieben. Da der Einfluss des Lichtes in Gemeinschaft mit dem Sauer- stoff auf das braune Pigment des Auges als ein so auffälliger erkannt war, lag es nahe, auch andere Farbstoffe, denen man einen Werth für den Sehact beizulegen berechtigt ist, in ähn- licher Weise zu untersuchen. Ich habe begonnen dies für die farbigen Kugeln der Zapfen der Vogelretina auszuführen und hatte die Freude, gleich beim ersten Versuche einen solchen Ein- fluss constatiren zu können. Eine Taubenretina wurde heraus- präparirt und in Streifen zerschnitten, derart, dass jeder Streifen eine gelbe und eine rothe Hälfte hatte ; dieselben wurden sodann auf Deckgläschen ausgebreitet und antrocknen gelassen. Diese Deckgläschen wurden nun auf einem Wattepolster in Glasröhrchen eingeschoben, von denen das eine sofort, das andere erst nach dem Durchleiten eines kräftigen Kohlensäurestromes zugeschmolzen Ueber das braune Pigment des Auges. 337 worden und beide hierauf dem Lichte exponirt. Schon nach zwei Tagen war die mit Luft eingeschlossene Retina in ihren gelben sowohl als ihren rothen Partien fast vollständig entfärbt, während an der in Kohlensäure befindlichen keine Spur von Bleichung wahrgenommen werden konnte. Ich hoffe in einer späteren Mittheilung noch weitere Angaben über diesen Gegen- stand, sowie auch über das braune Pigment des Auges geben zu können. 338 C. Fr. W. Krukenberg: Ueber die Enzyinbildung in den Geweben und Gefässen der Evertebraten. Von C. Fr. W. Krukeuberg. Eine einheitliche oder diffuse Drüsenmasse besorgt bei Ar- thropoden, Mollusken und Würmern die Production aller erforderlichen Verdauungsenzyme und versieht ausserdem vielleicht auch eine excretorische Thätigkeit ^)'. Alle Modificationen, welche die Verdauungsvorgänge in dem Thierreiche erfahren können, Hessen sich voraussichtlich auf diese Functionscombination zurück- führen. Ich vermuthete, dass die Summe der Leistungen jenes enzym- bildenden Organes, der sogenannten Leber, welche in einigen Klassen der Mollusken und Arthropoden am bedeutendsten zu sein schien, bei niederen Thierformen durch den Ausfall dieser oder jener Function sich vermindere, dass sie bei höhern Typen auf mehrere Organe sich vertheile. Schon verhältnissmässig hoch organisirten Formen ^) schienen nothwendige Verdauungsenzyme vollständig zu fehlen, und die Vermuthung lag nicht fern, dass bei diesen Thieren zur Zeit unbekannte Verhältnisse chemischer oder physikalischer Art die Enzyme entbehrhch machen. Die iVusdehnung meiner Versuche auf weitere Arten und Classen der Wirbellosen hat aber wider Erwarten zu dem Er- 1) Vergleichend physiologische Beiträge zur Kenntniss der Verdauungs- vorgänge. Unters, a. d. physiol. Inst. d. Univ. Heidelberg, Bd. II. S. 1— ;i5. -) Versuche zur vergleichenden Physiologie der Verdauung etc. Unters, a. d. physiol. Inst. d. Univ. Heidelberg. Band I. S. 337. Enzymbildung in den Geweben und Gefässen der Evertebraten. 339 gebnisse geführt, dass die Enzyme auch sehr niedrig organisirten Lebewesen nicht nothwendig fehlen, während eine Ausscheidung enzymatischer Secrete im Dienste der Verdauung bei vielen Evertebraten allerdings nicht nachzuAveisen ist. Die fundamentale Frage, ob die enzymatischen Verdauungs- vorgänge bei den hohem Thieren auf das Verdauungsrohr in ihrem Vorkommen beschränkt sind, oder ob auch in den Körper- geweben selbst die resorbirten Stoffe eine weitere Spaltung durch Enzyme erfahren, ist erst durch Kühne'^ Untersuchungen ^) ihrer Lösung entgegen geführt. Während schon früher BrncJce Pepsin in Muskeln und Harn nachweisen konnte, ergaben Kühne's zahl- reiche Versuche, dass das Pepsin wie das diastatische Enzym sich keineswegs nur in dem Verdauungsapparate finden, dass das Trypsin aber in den Körpergeweben und Körpersäften ausserhalb des Darmes vermisst wird. Nach diesen Befunden wird die An- nahme berechtigt erscheinen , dass bei den höhern Vertebraten- formen, wo das Blut, die Lymphe und die Gewebssäfte eine al- kalische Reaction besitzen, die enzymatischen Verdauungsvorgänge an Eiweissstotfen wenigstens unter normalen Verhältnissen auf den Darmtractus in ihrem Vorkommen beschränkt sind. In dem Gewebe der Spongien findet sich wie bei Aethalium septicum -) ein peptisches Enzym, aber von wesentlich andern Eigenschaften als das der Myxomyceten. Es kamen Sube- rites domuncula, Chondrosia reniformis, Geodia gigas und Hircinia variabilis zur Untersuchung ^) ; die Glycerinaus- züge zeigten bei allen Arten in Lösungen der verschiedenen Säu- ^) W. Küh)ie, lieber die Verbreitung einiger Enzyme im Tbierkörper. Verhandl. d. naturb.-niedic. Vereins zu Heidelberg. N. F. Band II. Heft 1. ^) Ueber ein peptiscbes Enzym im Plasmodium der Myxomyceten und im Eidotter vom Huhne. Untersuchungen a. d. physiol. Institute zu Heidel- berg. Band II. Heft 3. S. 273. ^) Ueber die Ausführung meiner Versuche sei Folgendes bemerkt : Das Untersuchungsmaterial wurde von mir selbst im März und April d. J. 340 C. Fr. W. Kmkenberg: ren ein gleiches Verhalten, welches aus der zugehörigen Tafel ersichtlich ist. Gekochtes Fibrin liess sich aber durch das Schwammpepsin nicht verdauen, und die Rapidität der Wirkung auf rohes macht es zweifelhaft, ob dieses negative Resultat nur auf einen geringen Enzymgehalt des Schwammgewebes zurück- zuführen ist. Die Oxalsäure, in schwachen Lösungen, wie jede andre der versuchten Säuren, die verdauende Wirkung des Schwamm- pepsins ermöglichend, wirkt bei stärkerer Concentration (2— 4pCt.) in Triest zubereitet und theils in Glycerin, tlieils in absolutem Alkohol, welcher anfangs mehreremale erneuert wurde, aufbewahrt. Die Versuche mit den Verdauungssäften wurden in Triest angestellt; die Versuche mit den Organauszügeu und die mikroskopischen Beobachtungen, welche nur den Zweck verfolgten, die An- oder Abwesenheit von Drüsen darzuthun, an den mitgebrachten Alkoholpräparaten im physiologischen Institute zu Heidelberg. Controlversuche, ausgeführt mit den gekochten Extracten und der nämlichen Zusatzflüssigkeit, begleiteten sowohl die fibrinverdauenden als die die Stärke saccharificirenden Versuche. Nur einige Bestimmungen , bei denen Weinsäure als Zusatz diente, konnten wegen Mangel au Material nicht in dieser Weise controlirt werden ; doch dürften hierdurch die Resul- tate kaum beeinflusst Averden. Die Versuche über die Fibrinverdauung wurden bei einer Temperatur von 36 — 40° C. ausgeführt. Die Digestion währte nur (in den im Text be- sonders angegebenen Fällen) ausnahmsweise länger als 48 Stunden; für ge- wöhnlich genügten , wenn überhaupt eine fibrinverdauende Wirkung des Organauszuges vorhanden war, wenige Stunden, um ein positives Resultat zu erzielen. Zu den Versuchen, welche über das Vorkommen von Diastase ent- scheiden sollten, dienten die durch Dialyse gereinigten Auszüge ; doch braucht kaum bemerkt zu werden, dass vorher mit den directen, nicht der Dialyse unterworfenen Auszügen experimentirt, und das Ergebniss für entscheidend angesehen wurde, wenn dasselbe ein constantes war, und der Controlversuch dessen Richtigkeit ausser Frage stellte. Die diastasische Wirkung wurde an gekochter Stärke nach einer 2— 3 stündigen Digestion bei 38— 40° C. und die Saccharification durch die Trommer' sehe, bei einem negativen Ergebnisse ausserdem noch mit der Böttcher''s,chen Probe geprüft. Alle im Text referirten Versuche wurden mehrfach von mir ausgeführt, oft mit verschiedenen Extracten (Glycerin-, wässeriger-, Säureauszug) und mit den Organen von verschietienen Individuen. Das gilt besonders von den untersuchten Echinodermen , welche mir in grosser Menge zur Ver- fügung standen. Enzymbildung in den Geweben und Gefössen der Evertebraten. 341 der Lösung zerstörend auf das Enzym. Die zur Erhärtung dieses Satzes angestellten Versuchsreihen sind dieselben, welche bei dem Conchopepsin zu dem gleichen Resultate führten^), und auf welche ich wohl verweisen darf. Ein diastatisches Enzym-) konnte ich in den durch Dialyse im fliessenden Wasser von den die Zucker- probe sehr beeinträchtigenden Pigmenten und Peptonen befreiten Glycerinauszügen des Spongiengewebes bei Hi rein ia variabi- lis ^) und Choudrosia reuiformis nachweisen , während ein solches bei Suberites dolmuncula vermisst wurde. Presste ich die Schwämme mit der Hand stark aus, sodass ich erwarten durfte, den Inhalt der sogenannten Gastrovascular- räume ziemlich vollständig ausgedrückt zu haben, so bekam ich eine neutrale Flüssigkeit, welche sicli beim Kochen und auf Zu- ^) Vergleicliend-pliysiolog. Beiträge z. Kenntniss der Verdauungsvor- gänge. Unters, a. d. physiol. Institut d. Univ. Heidelberg. Bd. II. S. 11 ff, -) Das Vorkommen der Diastase neben Pepsin und selbst, wie es am prägnantesten beim Flusskrebs zu demonstriren ist, in sauren Secreten veranlasste micb, auch einige Versuche darüber anzustellen, ob das diasta- tische Enzym in diesem Voi'kommen eine gewisse Immunität gegen ver- dünnte Säuren besitzt, in welchen die Diastase des Speichels und des Pan- kreas auf gekochte Stärke unwirksam ist. Diese Versuche habe ich ausser mit dem Glycerinauszuge von Hirciuia variabilis noch mit dem wässe- rigen Extracte der Leber vonAstacus fluviatilis ausgeführt und mich überzeugt, dass sich auch die Diastase dieser Thiere in 0.1 pCt. HCl als vollkommen unwirksam erweist; in dem zwar auch constant deutlich sauren Lebersecrete vermag sie beim Krebse aber sehr wohl gekochte Stärke in wenigen Minuten zu saccharificiren. In Milchsäurelösungen von 0.5 — 2 pCt., in Weinsäure von 1 pCt. und in Essigsäure von 0.5 pCt. hatte weder das diastatische Enzym von Hircinia variabilis noch das aus der Asta- cusleber seine Wirkung auf gekochte Stärke eingebüsst. 3) Nicht ohne Interesse dürfte die ausgezeichnete Fluorescenz sein, welche das Glycerinextract von Hircinia variabilis besonders im grünen Lichte zeigt. Im Spectrum dieses Auszuges erscheint (bei einer Verdunk- lung bis dicht vor a und am violetten Ende schwach zunehmend von F bis G) dicht hinter D ein tief dunkles Absorptionsband. Ein schwächer markirter Streifen findet sich unmittelbar vor F. Mit zunehmender Concentration der Lösung erfolgt vom violetten Ende her eine Verdunklung des Spectrums bis D, während die Absorptionsgrenze vor a constant bleibt. Kühne, Untersuchungen II. 23 342 C. Fr. W. Krukenberg: Satz von Salzsäure oder Essigsäure nicht trübte. Kalilauge rief in derselben einen weissen Niederschlag hervor, welcher sich beim Glühen nicht schwärzte und also nur aus anorganischen Stoffen bestand. Ebensowenig gelang mir mittelst Natronlauge und Kupfer- vitriol die Pepton- oderEiweissreaction, und eine eiweissverdauende Wirkung in 0.1 procentiger HCl, 2 procentiger Essigsäure oder 2procentiger Sodalösung war gleichfalls nicht zu erzielen. Es verhielt sich der Presssaft aus den Schwämmen wie Meer- wasser, und alle Versuche, einen experimentellen Anhalt für die Production von Verdauungssäften zu gewinnen, blieben bei den Spongien ebenso erfolglos wie bei den Actinien, Acalephen und Alcyonien. Unter anderm habe ich mit einer feinen Pi- pette den flüssigen Inhalt des cölenterischen Raumes einer lebenden Aurelia aurita gesammelt und finde denselben wie den 2pro- centigen Soda- oder O.lprocentigen HCl- Auszug eines Ballens von Filtrirpapier, welcher in diesem Räume etwa 40 Stunden verweilt hatte, nach 4 Tagen ohne jede eiweissverdauende Wirkung, so- wohl in saurer (0.1 procentiger HCl, 2 procentiger Essigsäure) als in alkalischer (2 procentiger Soda-)Lösung. Auch in den Gastro- vascularraum einer lebenden, grossen Aurelia aurita gebrachtes rohes Fibrin war nach 24 Stunden noch sichtlich unverändert. Die meinen Resultaten scheinbar widersprechenden Angaben, denen zu Folge Fische wie Crustaceen von mehr als Zolllänge, trotzdem sie zum Theil aus der Mundöffnung hervorragten, bis auf das Skelet in den Magensäcken der Cölenteraten vollstän- dig verdaut waren ^), finden in einer eingetretenen Selbstverdauung 1) Derartige Beobachtungen können für eine Production von Verdau- ungssecreten selbstverständlich nichts beweisen, weil die Organismen, welche man von den Cölenteraten aufgenommen sah, in ihrem Körper selbst reichlich Verdauungsenzyme enthalten, mittelst deren ihre Leibessubstanz ebenso vollständig als durch secundär hinzugemischte verdaut werden kann. Cf. z. B. Bronn (Klassen und Ordnungen des Thierreiches. Bd. II. 1860. S. 106) über Physalia. Enzymbildung in den Geweben und Gefässen der Evertebraten. 343 des Aufgenommenen ihre Erklärung, und die oft constatirte Thatsaclie, dass Quallen von andern Quallenarten gefressen werden, wird auf Resorption beruhen und nicht die Folge einer enzymatischen Verdauung sein. In Erwägung der Thatsachen, dass z. B. bei Rhizostomum Cuvieri die Mundöffnung nur in der Jugend vorhanden, später zugewachsen ist, und dann die Aufnahme der Nahrung durch Saugröhren , ähnlich wie bei den Acineten erfolgt, dass die weite Mundötfnung bei anderen Cö- lente raten und der Wasserstrora, welcher die cölenterischen Räume der Spongien durchspidt, eine ausgiebigere Secretproduc- tion sehr wenig nutzbringend erscheinen lassen, wird die Mög- lichkeit am meisten für sich haben, auf w^elche mich Herr Geh. Rath Kühne aufmerksam machte, dass viele Cölenteraten auf die Enzyme ihrer Beute angewiesen sind, und dass mittelst dieser vorzugsweise die Verflüssigung der Nahrung in den cölenteri- schen Räumen dieser Thiere erfolgt. Das Körpergewebe ist aber wenigstens bei einigen Arten unter den höheren Cölenteraten nicht weniger mit Enzymen geschwängert, als das der Spongien. So finde ich z. B. bei Anthea viridis einen bemerkenswer- then Enzymgehalt in den verschiedensten Organen, und merk- würdigerweise sind die enzymatischen Eigenschaften der Auszüge von den Septen und Tentakeln andere, als die des Auszuges von den halskrausenartigen Geschlechtsdrüsen. Das Glycerinextract von den Septen des cölenterischen Raumes besass keine eiweiss- verdauende Wirkung in neutraler wässriger und 2 procentiger Soda- lösung; wohl aber wirkte es in 1 — 2 Stunden auf rohes Fibrin in 0.1-0.2 pCt. HCl, 1 — 4 pCt. Weinsäure und 0.5-4.0 pCt. Milchsäure verdauend ein ; ein negatives Resultat ergab sich zwar auch in den Oxalsäure- (0.5—4 pCt.) und Essigsäure- (1 pCt.) haltigen Lösungen. Ebenso unwirksam in alkalischer und neu- traler Flüssigkeit erwies sich das Enzym der Tentakeln, welches nicht weniger rasch in 0.2 procentiger HCl rohes Fibrin verdaute. 23* 344 C. Fr. W. Krukenberg: Unter den Verdauungsproducten befanden sich reichlich Peptone, nachweisbar in dem Dialysate durch das 3Iillon'sche Reagens sowie durch Natronlauge und Kupfervitriol, und in der verdauten Flüssigkeit entstand ein starker Neutralisationsniederschlag. Die Geschlechtsdrüsen von Anthea enthielten, wie analoge Verdauungsversuche mit den Glycerinauszügen ergaben, von En- zymen dieser Art nichts ; sie enthielten aber ein tryptisches En- zym, welches rohes (kein gekochtes) Fibrin unter Bildung von Peptonen in einer 2procentigen Sodalösung und in Wasser bei neutraler Reaction in etwa 4 Stunden verdaute. Diastase war bei Anthea in keinem dieser Auszüge auch ohne vorhergegangene Dialyse durch eine saccharificirende Wirkung auf gekochte Stärke nachzuweisen. Bei Alcyonium palmatum gelang die Extraction von ei- weissverdauenden oder gekochte Stärke diastatisch verändernden Enzymen durch eine Behandlung des lebenden Gewebes aus dem Cönenchym wie einer grossen Anzahl aus dem gemeinsamen Stamme herausgedrückter Einzelpolypen mit Säure (0.2 pCt. HCl), Soda- lösung (2pCt.), Wasser oder Glyceriu nicht. Der Presssaft aus den Geweben (auf einen Gehalt von 2 pCt. Essigsäure, 0.2 pCt. Soda gebracht) war ebenfalls in saurer und alkalischer Lösung dem rohen Fibrin gegenüber unwirksam. Allen Vermuthungen über eine functionelle Bedeutung dieser Enzyme in den Geweben der Cölenteraten fehlt eine sichere Grundlage. Meine Untersuchungen beweisen zur Zeit nur, dass die Enzymproduction bei diesem Evertebratentypus keineswegs in der Weise localisirt und der Darmverdauung nutzbar gemacht ist, wie bei Arthropoden und Mollusken. Zwischen den letztge- nannten Typen der Wirbellosen und den Cölenteraten bilden die Verhältnisse, welche ich bei den Echinodermen antreffe, ein ausgezeichnetes Bindeghed. Bei Synapta digitata, an deren Darm ebenfalls Enzymbilclung in eleu Geweben und Gefässen der Evertebraten. 34 5 Baur ^) keine Drüsen bemerken konnte, gelang mir weder durch die wässerige noch durch die Glycerinextraction die Gewinnung eines in saurer oder alkalischer Lösung rohes Fibrin verdauenden En- zymes. Diastase war durch die saccharificirende Wirkung auf gekochte Stärke in dem durch Dialyse gereinigten Darmglycerin- auszuge nachzuweisen. Der flüssige und neutrale Darminhalt von Holothuria tubu- losa verdaute grosse Mengen rohen Fibrins unter Bildung von Peptonen in wenigen Stunden. Merkwürdig ist es desshalb, dass mir eine Enzymgewinnung aus dem gereinigten Darme der Ho- lothuria nicht gelang, obgleich zur Glycerinextraction der ganze Darm von 7 grossen Exemplaren Verwendung fand. Weder in Essigsäure, Weinsäure und Salzsäure verschiedener Concentra- tioneu noch in 2procentiger Sodalösung Hess sich eine Wirkung auf rohes Fibrin bei 20 — 40*^ C. erkennen, und diastatisch wurde gekochte Stärke durch den Glycerinauszug nicht verändert. Die mikroskopische Untersuchung von Schnitten aus dem Anfangs-, Mittel- und Endtheile des Darmes lieferte gleichfalls keine Be- weise für das Vorhandensein secretorischer Organe in dem Darm- rohre. Ebenso führten alle Versuche, aus den Poli'schen Blasen, den Cuvier sehen Organen, den Wasserlungen, dem Blute der Holothuria Enzyme zu extrahiren, nur zu negativen Resultaten, und es muss desshalb zweifelhaft erscheinen, ob das tryptische Enzym im Darminhalte der Holothuria aus der aufgenommenen Nahrung stammt, oder ob die Enzymbildung langsam und die Aus- scheidung der Secrete so rasch erfolgt, dass in den secretorischen Bezirken nur höchst geringe Mengen davon vorhanden sind, oder ob bei einer bedeutenderen enzymatischen Secretproduction die Enzyme aus den Geweben durch die angewandten Extractions- mittel nicht in Lösung zu bringen sind. Letzterer Ueberlegung ^j Ä. Baur, Beiträge z. Xaturgeschichte der Synapta digitata. Erste Abhandlung. Zur Anatomie der Synapta digitata. Dresden 1854, S. 27, 346 C. Fr. W. Ki-ukenberg : stehen erhebliche Bedenken entgegen, welche sich bei nahe ver- wandten Arten (Cucumaria Planci) offenbaren. Aber auch bei Holothuria tubulosa findet sich in einem extraintestinalen Organe reichlich Pepsin. Die linke Hälfte der Wasserlungen wird bekannthch bei den Aspidochiroten von einem Biutgefäss- netz innig umsponnen, und das Glycerinextract dieses Geflechtes enthält ein peptisches, kein in 2procentiger Sodalösung Eiweiss- stoffe verdauendes tryptisches Enzym und keine Diastase. Das peptische Enzym verdaut rohes Fibrin in 0.2 pCt. HCl, 0.4 — 4 pCt. Milchsäure, 0.5— 2 pCt. Essigsäure, 4 pCt. Weinsäure und ist auch nicht ganz unwirksam in O.Sprocentiger Oxalsäure; in 4procentiger Oxalsäurelösung wurde das Fibrin aber nicht mehr peptisch verändert ^). Im Verlaufe einer Stunde wurde rohes Fibrin in 0.2procentiger HCl regelmässig verdaut. Dass dieses Pepsin nicht von dem Darme aus resorbirt wor- den ist, wird damit verbürgt, dass das ganze Darmrohr stets enzymfrei gefunden wurde. Die Blutgefässe müssen an dieser Stelle drüsige Elemente enthalten, welche die Enzymproduction selbst besorgen. Das Glycerinextract und der Inhalt der Darm- gefässe von Holothuria tubulosa besitzt in sauren (0.2 pCt. HCl, 2 pCt. Essigsäure) Lösungen keine verdauende Wirkung auf rohes Fibrin; die Enzyme gelangen demnach aus den Blutgefäss- drüsen auf secretorischem Wege nicht in das schleimige Blut. Die functionelle Bedeutung des peptischen Enzymes in dem Ge- flechte, welches bei der Holothuria die Blutgefässe mit der einen Wasserlunge bilden, ist ebenso unverständlich wie das Vor- kommen des Pepsins im Körpergewebe der Spongien und Cö- 1) Diese Verhältnisse sclion ahnend, bemerkt C. Semper (Eeisen im Archipel der Pliilippinen. Zweiter Theil. Bd. I. Holothurieu. 1863, S. 101) Folgendes: „Besondere drüsige, der Leber etc. zu vergleichende Organe fehlen den Holothurien gänzlich: dagegen treten die "Wassergefässe sowohl wie die Blutgefässe in eigenthümliche Yei'bindung mit bestimmten Theilen des Darmes. Enzymbildung in den Geweben und Gefässen der Evertebratcn. 347 len geraten. Ich hatte während meines Triestiner Aufenthalts versäumt, die Reaction des Bkites bei den Holothurien zu prüfen. Herr Dr. E. Grceffe, welchem ich in so vielfacher Weise zum Danke verpflichtet bin, hat die Güte gehabt, dieselbe fest- zustellen. Er findet sie einer briefhchen Mittheilung nach bei Holothuria tubulosa meist neutral, doch scheint das Blut unter Umständen auch eine schwach saure Beschaffenheit an- nehmen zu können, und dadurch würde die Bedingung erfüllt sein, welche das peptische Enzym wirkungsfähig werden lässt. Während bei Holothuria tubulosa kein den Mollusken- und Arthropodenlebern functionell gleich werthiges Organ nach- zuweisen war, ist ein solches bei Cucumaria Planci in den vordem, dunkelgelben, langen Darmanhängen gegeben. Das Glycerin- extract dieser Schläuche verdaute rohes (kein gekochtes) Fibrin in neutraler, alkalischer (2procentiger Sodalösung) und saurer (0.2procentiger HCl, 0. 5 procentiger Oxalsäure, 1.0 — 4.0procentiger Weinsäure und 0.5 — 4.0 procentiger Essigsäure) Lösung bei 40 '^ C. im Laufe von 2 — 3 Stunden. Aus den Wasserlangen, den FoW- schen Blasen und den C«v«er'schen Organen konnten auch bei Cucumaria durch Glycerinextraction keine enzymatische Flüssig- keiten erhalten werden; weder gelang mit diesen Auszügen die Saccharificirung gekochter Stärke, noch die Verdauung rohen Fibrins in saurer oder alkalischer Lösung. Die dottergelben Darmanhänge der Cucumaria finden ein vollständiges Analogen in den Lebern der Asteriden. Der wässrige — wie der Glycerinauszug aus den Seesternlebern, den so- genannten Radialanhängen des Darmes, übte eine peptische und tryptische Wirkung auf rohes Fibrin aus und saccharificirte wie das Glycerinextract der Cucumariaiebern gekochte Stärke. Meine Untersuchungen wurden ausgeführt an Astropecten aurantiacus und an Asteracanthion glacialis. Aus den Lebern beider Seesterne ließen sich dieselben Enzyme gewinnen. 348 C. Fr, W. Krukenberg: welche bei verschiedenen Zusatzflüssigkeiten die gleichen Eigen- schaften äusserten. Ich erhielt eine fibrinverdauende Wirkung in thymolisirter 2procentiger Soda- und in thymolisirter neutraler, wässriger Lösung (tryptisches Enzym), in 0.5— 4.0procentiger Weinsäure (in der 4procentigen und 1 procentigen Lösung var das Fibrin bereits nach einer halben Stunde verdaut, während die Verdauung in O.öprocentiger Weinsäure einige Stunden er- forderte), 0.5 — 4.0procentiger Milchsäure, 0.2procentiger HCl und in 1 — 4procentiger Essigsäure, während die Wirkung in O.öpro- centiger Essigsäure und 0.5 — l.Oprocentiger Oxalsäure äusserst gering war. In der thymolisirten Sodalösung wurde von dem tryp- tischen Enzyme unter Bildung von Peptonen auch gekochtes Fibrin verdaut: eine Eigenschaft, welche meinen Untersuch- ungen zufolge dem Molluskentrypsin fehlt. Eine Verdau- ung von gekochtem Fibrin bei Säurezusatz liess sich nicht er- zielen. Trotzdem bei den See Sternen wohlentwickelte Drüsen- massen alle für die Verdauung nothwendigen Enzyme liefern, ist die Localisation der Enzymbildung doch auch hier keine voll- ständige. Das Glycerinextract wie der wässrige Auszug der so- genannten Tiedemann' sehen Körperchen enthalten dasselbe pep- tische Enzym wie die Asteridenlebern, während das tryptische in diesen Drüsen fehlt. Die Möglichkeit, dass das in diesen Drüsen nachweisbare Pepsin vom Magen aus resorbirt wurde, ist meiner Ansicht nach durch das. Fehlen des tryptischen Enzymes in den Tiedemann' sehen Körperchen ausgeschlossen. Durch die alkalische Leibesflüssigkeit würde das Pepsin sicherlich auch viel eher zerstört worden sein als das tryptische Enzym, an welchem das Lebersecret der Aster i den viel reicher ist als an Pepsin. Sehr reich an Diastase waren die Tiedemann sehen Körperchen von Astropecten aurantiacus; sie konnte in dem Glycerin- auszuge von nur vier dieser Drüschen nach der mehrfach von EnzymbilcUiug in den Geweben und Gefässen der Evertebraten. 349 mir beschriebenen ^) Metliode leicht nachgewiesen werden. Aus dem in fliessendem Wassei" längere Zeit ausgewaschenen Darme von Astropecten war ebenfalls durch Glycerin ein peptisches Enzym zu gewinnen, welches in Milchsäure (0.5 — 4 pCt.), Weinsäure (1 — 4 pCt.), Essigsäure (0.5—2 pCt.) und in 0.2procentiger Salz- säure Flocken rohen Fibrins in wenigen Stunden vollständig ver- daute. Der Beweis für das Vorkommen zweier eiweissverdauender Enzyme (eines tryptischen und eines peptischen) in den Asteriden- lebern wurde in derselben Weise geführt, wie für die Lebern von Astacus fluviatilis, den Cephalopoden und Limaeiden. Auch dieses Pepsin wird durch eine eintägige Digestion mit einer 0.2procentigen Sodalösung zerstört und ebenso das tryp- tische durch Digestion mit einer 0.2procentigen HCl. Entfernt man die Zusatzflüssigkeiten nach genügender Einwirkung auf dia- lytischem Wege, so ei'hält man enzymatische Lösungen, frei von peptischen Eigenschaften in 0.2procentiger HCl und in organischen Säuren von höherer Concentration resp. tryptisch unwirksame Flüssigkeiten ohne fibrinverdauende Eigenschaften in 2procentiger Soda oder bei neutraler Reaction. Von den Echiniden gelangten Toxopneustes lividus ^) und brevispinosus lebend und in hinreichender Menge zur Unter- suchung. Der im Darme angesammelte Verdauungssaft, ohne aus- geprägte saure oder alkalische Reaction, verdaute rohes Fibrin in alkalischer (2 pCt. Soda) und saurer (0.2 pCt. HCl) Lösung in 2 — 3 Stunden. Mittelst der Darmglycerinauszüge beider Toxo- pneustesarten wurden die Eigenschaften bei Zusatz von or- ganischen Säuren ermittelt, welche wesentlich mit denen des pep- 1) 1. c. S. 43. ^) Der alkalische Auszug des intensiv rotli gefärbten Darmes von Toxopneustes lividus zeigt bei einer Verdunkelung der Enden des Spectrums bis vor a resp. bis zwischen E und D einen deutlichen Ab- sorptionsstreifen dicht hinter a, der Lage nach identisch mit dem des al- koholischen Extractes von Comatula mediterranea. 350 C. Fr. W. Krukenberg: tischen Enzymes bei den Asteriden übereinstimmen und in der Tabelle verzeichnet sind. Diastase war in den Darmglycerinaus- zügen beider Arten nachweisbar. Bei den Echiniden dürfte somit die Existenz einer Darm- secretion nachgewiesen sein, da das Glycerinextract stets von wohl gereinigten Därmen angefertigt wurde, und die Eigenschaften desselben die nämlichen sind als die des natürlichen Verdauungs- saftes. Dieses Ergebniss ohne Weiteres auf die Holothurien, deren Darmgewebe von mir enzymfrei gefunden wurde, zu über- tragen, muss als unzulässig gelten ; weitere ausgedehnte Versuchs- reihen mit dem Darme der Holothurien lassen die erkannten Verhältnisse bei den Echiniden aber sehr wünschenswerth er- scheinen. Ist nach den mitgetheilten Ergebnissen eine nachträgliche Verdauung des Resorbirten in den Gefäßdrüsen und andern extra- intestinalen Organen bei den niedern Evertebraten nicht ganz unmöglich, so fehlt bei den Würmern, Arthropoden und Mol- lusken jeder experimentelle Nachweis einer weitern enzymatischen Veränderung des Aufgenommenen, speciell der Eiweisssubstanzen, ausserhalb des Verdauungsapparates. Bei einigen Vertretern der verschiedenen höheren Everte- bratenklassen ^) findet sich aber eine Einrichtung des Verdauungs- apparates so seltsam und abweichend von allem sonst Bekannten, dass sie hier nicht unerörtert gelassen werden darf. Es sind dies Erweiterungen der Lebergänge, beträchtlich genug, um den Chymus aus dem Darmrohre in sie eintreten zu lassen. Doch werden da, wo die Gallensecretion eine stetige ist, oder wo 1) Darnianhäiige dieser Art finden sich unter den Würmern z. B. bei Planarien und Trematoden; bei den Aeolidiern unter den Mollus- ken, und bei den Araneinen und Pycnogoniden unter den Arthro- poden (cf. F. Plateau, Recherches sur la structure de l'appareil digestif et sur les phenonienes de la digestion chez les Araneides dipneumones. Bruxelles. 1877. p. 98). Enzyuibildung in den Geweben und Gefässen der Evertebniten. 351 Sphincteren den Lebergaug am intestinalen Ende verschliessen können, dem Eintreten von Nahrungsstoft'en unüberwindliche Schwierigkeiten erwachsen. Die letzteren Factoren sind in der umfangreichen Literatur über den Phlebenterisnius nicht genügend berücksichtigt, und es ist desshalb eine kurze Auseinandersetzung dieser Verhältnisse hier erforderlich. Lässt sich nachweisen, dass der Speisebrei in die erweiterten Lebergänge eintritt, dass in ihnen noch verdaut und resorbirt wird, dann bediene ich mich der Bezeichnung: Canales hepato- intestinales ^). Diese Gebilde deuten wohl am sichersten auf eine gegenseitige functionelle Beziehung zwischen der Darm- und Ge- fässentfaltung hin. Dass in die Darmanhänge der xVeolidier Nahrung gelangt, dass in ihnen wie im Darmrohre verdaut wird, ist durch die Beobachtungen von H. Jlilne-Edwaräs, Quatrefages, Hancock und EmUefoii, Alder und NorcJmann, Bergh u. A. festgestellt. Dass bei den Wirbellosen, welchen diese Einrichtung zukommt, das Körperparenchym mehr im Chylus als in einer dem Blute ähnlicheren Flüssigkeit gebadet wird, dass die Circuiation der Nahrungssäfte der Resorption gegenüber zurücktreten muss, er- gibt sich aus den anatomischen Befunden von selbst, und dass in diese Blindsäcke enzymatische Secrete ergossen werden, ist mir durch die Extraction eines peptischen Enzymes aus diesen Or- ganen einiger unbestimmbarer Aeolisarten in Triest nachzu- weisen gelungen. Die abgelösten Papillen (cf. B. Bergh, Mala- kolog. Unters., L Hälfte 1870 — 1875, S. 5) wurden mit Glycerin verrieben und so ein P'iltrat erhalten, welches in 2procentiger Essigsäure. 1- und 4 procentiger Milchsäure, ü.2procentiger Salz- -j Die Bezeichnungen: canaux gastro-bepatiques und appareil gastro- vasculaire, welche H. Mibie-Edwards vorgeschlagen hat, drücken, wie sich aus dem Folgenden ergeben wird , die Functionen dieser Gebilde nicht richtig aus. 352 C. Fr. W. Krukenberg: säure und in 4procentiger Weinsäure rohes Fibrin unter Bildung von Peptonen in 2 — 3 Stunden verdaute; in 2procentiger Soda- lösung war dieser Auszug nach zwei Tagen ohne fibrinverdauende Eigenschaften, und gekochte Stärke wurde während drei Stunden bei 40" C. von ihm nicht in Zucker verwandelt. Der Hepato-Intestinalapparat der Aeolidier erinnert äusser- lich sehr an die cölenterischen Räume der Acalephen und an die Leberblasen der Aphroditen, mit welchen er nicht selten functionell verglichen ist. Berechtigt ist dieser Vergleich ohne eine experimentelle Begründung nicht ; meine Versuche, die ersten, welche in dieser Hinsicht angestellt wurden, führen vielmehr zu ganz anderen Schlussfolgerungen. Es sei zuerst darauf hingewiesen, dass ein Magen, wie er bei den Vertebraten existirt, d. h. ein Verdauungsraum, welcher seine specifischen Enzyme besitzt (mögen dieselben von mehr oralwärts gelegenen Bezirken^) oder von eigenen Magendrüsen geliefert werden), bei den Wirbellosen nicht nachgewiesen ist. Alle Forscher, welche über diesen Punkt experimentelle Er- fahrungen gesammelt haben, sind von der Piichtigkeit dieses Satzes überzeugt. Was die vergleichenden Anatomen bei Mol- lusken, Arthropoden und Würmern „Mägen" nennen, sind einfache Darmerweiterungen und kein triftiger Grund ist jemals vorgebracht^), welcher diese Bezeichnung rechtfertigen könnte. Es scheint nach meinen Untersuchungen ein wesentlich functioneller Unterschied zwischen den Verdauungsräumen der höhern Everte- ') Cf. H. von Swiegicki , Untersucliung über die Bildung und Aus- scheidung des Pepsins bei den Batrachiern. Pflüger''s Archiv. Band XIII. S. 444. 2) Nach Keferstein (Bronn, Klassen und Ordnungen des Thierreichs. Band III. 2. Abtheilung 1862—1866. S. 9, 54) ist für die Bezeichnung einer Darmerweiterung — wie sie besonders bei den Mollusken in sehr wechselnden Formen nicht nur bei nahestehenden Arten, sondern auch bei ein und derselben Species (Pleurobranchus) vorkommen — als Magen Enzymbildung in den Geweben und Gefässen der Evertebraten. 353 braten und den cölenterischen Räumen der Cölenteraten zu bestehen. Bei den ersteren findet unzweifelhaft die Verdauung mittelst selbst producirter, enzymatischer Secrete statt, was sich für die Cölenteraten keineswegs behaupten lässt, weil die in dieser Hinsicht- angestellten Versuchsreihen nur zu negativen Er- gebnissen führten ^). Findet aber kein Secreterguss in die cölen- terischen Räume statt, so wird man die mehr der Resorption und Irrigation des Kürpergewebes dienenden Ramificationen der- selben kaum den Hepato-Intestinalcanälen der Ae elidier ver- gleichen können. Bevor der Beweis für eine Enzymsecretion bei den Cölenteraten nicht erbracht ist, wird man desshalb zweck- mässig auf diesen Vergleich verzichten. Die Canales hepato-intestinales der Aeolidier sind also, wie sich aus dem Vorhergehenden ergibt, gefässartige Er- weiterungen der verdauenden Cavität selbst ; in sie gelangen en- zymatische Secrete, in ihnen wird verdaut, in ihnen wird sicher- lich auch resorbirt. Ganz abweichend davon sind die Verhält- nisse bei den Aphroditen^). In den sog. verzweigten Cöcal- die Mündungsstelle der Gallengäuge massgebend. Da das Lebersecret sich aber sowohl oral- wie anahvärts im Darmrohre vertheilt, und mittelst des- selben, soviel bekannt ist, die Verdauung ausschliesslich erfolgt, bietet auch die Insertion der Galleugänge keinen Anhalt für diese rein functionelle Bezeichnung. ^) Cf. auch G. H. Leives^ Xaturstudien am Seestrande. Berlin. 1859. S. 206 ff. ^) Siebold, Milne Edicards und Gegenbaur halten in ihren anatomischen Handbüchern die Auffassung fest, welche auch Ehlers (die Borstenwürmer, Leipzig 1864—1868, S. 26) adoptirt zu haben scheint, dass die Cöcalanhänge der Aphrodite einfache Aussackungen des Darmrohres darstellen, in welchen verdaut und resorbirt wird. Die Beobachtungen, welche iliese An- sicht stützen, sind nicht beweiskräftig genug, da eine aus technischen Gründen nothwendige Präparationsmethode: die Anhänge von ihrem blinden und nicht von dem intestinalen Ende aus zu öffnen, dabei wahrscheinlich unterlassen wurde. Der zähe Darminhalt haftet sehr fest am Metalle der einzuführenden Instrumente und führt in Folge dessen leicht zu falschen Beobachtungen. Ich fand bei allen untersuchten Aphroditen und Her- 354 C. Fr. W. Krukenberg: anhäDgen dieser Borstenwürmer wird nicht verdaut; in ihnen erfolgt keine Resorption von Verdauungsproducten, sondern diese ,, Leberblasen" dienen lediglich der Secretion, der Aufbewahrung und Ableitung des Secretes. Sie sind nicht analog den Blind- säcken am Darmkanale der Hirudinen, vielleicht aber der sog. „grünen Drüse" der Siphonostomen. Der in den Leberblasen von Hermione hystrix und Aphrodite aculeata enthaltene Verdauungssaft verdaut in thy- molisirter alkalischer (2procentiger Sodalösung) und neutraler wässriger Flüssigkeit rohes und gekochtes Fibrin im Laufe von ^/2 — 2 Stunden. Es finden sich unter den Verdauungsproducten Peptone und sehr reichlich bilden sich durch Neutrahsation fäll- bare Eiweisskörper. Ein Liter steifer Fibringallerte wurde in wenigen Stunden verdaut, ohne dass unter den Verdauungspro- ducten Tyrosin und Leucin nachweisbar waren, und auch die Bromwasserreaction gelang mit der verdauten Masse nie. Da das Arthropodentrypsin, welches vielleicht echtes Trypsin ist und nicht energischer auf die Eiweissstoffe wirkt wie das tryp- mionen die Cöcalanhänge stets gefüllt mit dem dunkelgrünen Yerdauungs- safte, der bei gefülltem und leerem Darme gleich gefärbt war und nie feste Theile aus dem Darminhalte erkennen liess. Wäre es Chymus, welcher sich in den I.eberblasen angesammelt hatte, wie Th. Williams (Report on the British Annelida. Report of the British Association. London 1852, S. 237) glaubt, so müssen sich nothwendig Unterschiede in der Färbung dieses Inhalts, der aufgenommenen Nahrung entsprechend, geltend machen. Das ist aber nicht der Fall, wie ich mich an vielen Exemplaren von Aphrodite aculeata überzeugen konnte, und zu kühn ist der Glaube, dass der fast farblose Chymus des Darmes beim Eintritt in die Cöcalan- hänge grün wird. Der Inhalt der Leberblasen bei den Aphroditen hat ferner dieselben physikalischen und enzymatischen Eigenschaften wie das Secret der „grünen Drüse" von Siphonostoma diplochaitos, welche schwerlich Jemand als ein Chymusreservoir ansprechen würde. Auch ist es unverständlich, wie die constante und meist pralle Spannung der Leber- blasen bei Aphrodite einen Eintritt des Speisebreies in die Lebergänge ermöglichen soll, und ausserdem scheint noch ein Sphincter die intestinale Mündung periodisch zu verschliessen, worauf schon 3Iihie Edwards (Legons sur la Physiologie et l'anatomie comparee. T. V. p. 433, Note 1) hinwies. Enzym bildung in den Geweben und Gefässen der Evei-tebraten. 355 tische Enzym der \Y ärmer, bei Eiu Wirkung auf nur ^Yenige FibrinÜocken schon nachweisbare Mengen des die Bromwasser- reaction hervorrufenden Körpers bildet, so ist kaum daran zu zweifeln, dass das Trypsin der Würmer von dem der Arthro- poden wesentlich verschieden ist^). Viele Eigenschaften theilt es zwar mit dem echten Trypsin. So wirkt es z. B. bei 40*^ C. energischer als bei 22 und 12.5'^ C; es wird durch mehrstündige Digestion mit 0.2procentiger Salzsäure zerstört und ist in neu- traler Lösung unfähig, selbst nach tagelanger Einwirkung das Pepsin unwirksam zu machen. Dieses tryptische Enzym möge fernerhin „Isotrypsin- heissen; es ist vielleicht dasselbe, welches ich in den Asteridenleberu nachweisen konnte und auch ver- 1) Bei Liimbriciis terres tris, aus welchen die Enzyme durch Verreiben des ganzen Thieres mit Glycerin gewonnen wurden, geUing mir zwar einmal mit der in 2procentiger Sodalösung verdauten Fibrinmasse die Bromwasserreaction. Da diese Beobachtung sich mit den Resultaten, welche die reinen Secrete der B o r s t e n w ü r ui e r lieferten, in Widerspruch be- fand, so habe ich die Versuche mit verschiedenen Lumbr icusarten wieder- holt, und es ergab sich, dass auch dastr^-ptische Enzym der Lumbr leiden kein Yerdauungsproduct bildet, welches durch die Bromwasserreaction er- kannt wird. Ich veimuthe, dass in dem einen Ausnahmefalle den Darm- contenten von Lumbricus eingebettete kleine Arthropoden, welche mit der Erde vielleicht zufällig aufgenommen waren, die Ursache für die Bil- dung des durch die Bromwasserreaction indicirten Körpers abgaben. Durch meine jüngst auf Helgoland mit dem Verdauungssafte von Arenicola piscatorum angestellten Verdauungsversuche ist die Gegen- wart von Isotryijsin in der Verdauungstiüssigkeit dieses tubicolen Wurmes ebenfalls bewiesen ; rohes wie gekochtes Fibrin wurde bei alkalischer Reac- tion des Verdanungsgemisches (2procentige Sodalösung diente als Zusatz- flüssigkeit) davon bei SS" C. in einer halben Stunde verdaut, ohne dass sich unter den Verdauungsproducten die durch die Bromwasserreaction gekenn- zeichnete Substanz gebildet hatte. Der Darmsaft von Arenicola, welcher eine deutlich alkalische Reaction besitzt, enthält ausser Isotrypsin aber auch noch ein peptisches Enzym; denn er ist fähig in 0.2procentiger HCl rohes Fibrin unter Bildung von Peptonen in etwa zwei Stunden zu verdauen. Gleichfalls reich ist derselbe an Diastase, welche bei einer constanten Tem- peratur von 38" C. im Laufe von einer halben Stunde aus Stärkekleister eine erhebliche Menge Zuckers gebildet hatte. 356 C. Fr. W. Krukenberg: schieden von dem tryptischen Enzyme der Mollusken, welches eine Wirkungsfähigkeit auf gekochtes Fibrin nicht zu besitzen scheint. In schwachen Lösungen organischer Säuren ist das Isotrypsin gleichfalls nicht unwirksam; in O.Sprocentiger Weinsäure, 0.5- und Iprocentiger Milchsäure, sowie in O.Sprocentiger Essigsäure Hess sich rohes Fibrin sehr gut verdauen. Wurde der Verdauungs- saft aus den Leberblasen durch Auswaschen sorgfältig entfernt, so Hessen sich aus denselben durch Extraction mit Glycerin oder 2procentiger Sodalösung tryptisch wirksame Flüssigkeiten erhalten ; jedoch von viel geringerer Wirkungsenergie als sie das natürliche Secret besass. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass die Secret- bildung in den Drüsen dieser Anhänge sehr langsam, aber stetig geschieht, und dass aus diesem Grunde eine so complicirte Einrichtung des Secretreservoirs für die Aphroditen von Nutzen ist. W^urde der Verdauungssaft dieser Chaetopoden auf einen Gehalt von 0.1 pCt, HCl oder 4 pCt. Essigsäure gebracht, so wirkte er während mehrerer Tage nicht fibrinverdauend, wodurch die Abwesenheit des peptischen Enzymes in demselben dargethan sein dürfte. An Diastase, welche in bekannter Weise nachge- wiesen wurde, w^ar der Verdauungssaft reich. Aus den Darm- contenten erhielt ich durch die wässrige Extraction neben Diastase dasselbe tryptische Enzym, welches in den Leberblasen aufge- funden wurde, während Pepsin auch in diesen Auszügen fehlte. Aus dem gereinigten Darmrohre, und insbesondere aus dem öso- phagealen Abschnitte desselben Messen sich bei Aphrodite aculeata durch Behandlung mit Glycerin, 0.2procentiger HCl, 2procentiger Sodalösung oder Wasser keine diastatisch, tryptisch oder peptisch wirkende Auszüge gewinnen. Unrichtig ist also die Vermuthung von Williams (1. c. S. 237), dass bei Aphro- dite aculeata Zotten des Oesophagus Verdauungssäfte hefern. Enzymbildung in den Geweben und Gefässen der Evertebraten. 357 Bereits früher^) wurde von mir mitgetlieilt, dass sich aus dem Darmtractus von Hirudo officinalis keine enzymatische Auszüge gewinnen lassen. Wie bekannt finden sich aber beim Blutegel in der Nähe der Kiefer becherförmige Drüsen, und es war die Möghchkeit nicht ausgeschlossen, dass diese Verdauungs- säfte lieferten. Zur Entscheidung dieser Frage verrieb ich den mit diesen Drüsen ausgestatteten Vorderdarmtheil von acht leben- den Blutegeln mit Glycerin und prüfte nach sechstägiger Ein- wirkung den Glycerinauszug auf Enzyme. Es erwies sich das Ex- tract in einer Lösung von 2 pCt. Essigsäure, 1 — 2 pCt. Milch- säure und 0.1 pCt. Salzsäure, sowie in 2procentiger Sodalösung nach Tagen als vollkommen unwirksam auf rohes Fibrin, und auch der wässrige Auszug dieses Darmabschnittes von sechs Blut- egeln besass keine eiweissverdauende Wirkung. Der Verdauungs- modus bei diesem sonst so hoch organisirten Wurme erinnert demnach mehr an die rein endosmotischen Vorgänge bei den Cestoden und andern parasitischen Formen (Trematoden, Acan- thocephalen etc.) als an die mit Hilfe kräftiger Enzyme sich vollziehende Verdauung der Aphroditen. Beide Würmer sind zwar oft aus rein morphologischen Gründen in dieser Hinsicht verglichen und zusammengestellt. Das grüne Secret der oberhalb des Vorderdarmes gelegenen Drüse bei Siphonostoma diplochaitos enthält dieselben En- zyme (Isotrypsin und Diastase) wie der Verdauungssaft von Aphrodite aculeata und Hermione hystrix. Die Ein- mündungssteile in den Darm ist mir unbekannt geblieben; auch bin ich im Ungewissen darüber, ob das Secret mit seiner ur- sprünglichen grünen Farbe in die Verdauungsampulle gelangt, wenn schon die Ansicht allgemein verbreitet ist, dass der Drüsen- gang neben den Ausgangsöffnungen der sog. Speicheldrüsen in ') Versuche z. vergl. Physiologie der Verdauung etc. Unters, a. d. physiol. Inst. d. Univ. Heidelberg. Band I. S. 337. Kühne, Untersuchungen U. 24= 358 C. Fr. W. Krukenberg: den Oesophagus mündet. Die Befunde, welche mich in diesem Punkte ungewiss machen, sind folgende: Das Secret der Drüse war bei allen von mir untersuchten (über hundert) Exemplaren intensiv grün gefärbt, während der Vorderdarm eine intensiv orange und der flüssige Inhalt desselben constant eine rosa Fär- bung zeigte. Weder gemischt mit dem Secrete der sog. Speichel- drüsen, noch auf Zusatz von Säuren oder Alkalien schlägt die Farbe des Secrets der grünen Drüse in eine röthliche um, wie sie der flüssige Vorderdarminhalt besitzt. Bei Zusatz von 0.2pro- centiger HCl und einstündiger Digestion bei 40^ C. setzt sich hingegen aus dem flüssigen Vorderdarminhalte ein intensiv roth gefärbter Niederschlag ab, welcher sich in der alkoholischen Lö- sung spectroskopisch wie der Farbstofl" des Vorderdarmes verhält. Indem ich die Frage offen lasse, wie diese seltsame Farbenver- änderung des Secretes zu erklären ist, in welchen Abschnitt des Verdauungsrohres sich das Secret der grünen Drüse ergiesst, möchte ich nur noch bemerken, dass im Mitteldarme die Farbe des Secretes eine grüne ist und dass der röthliche Verdauungs- saft im Vorderdarme dieselben Enzyme enthält wie das Secret der grünen Drüse ^). In beiden enzyraatischen Flüssigkeiten wird das tryp tische Enzym durch längere Digestion mit 0.2 pCt. HCl vollständig zerstört. Das farblose Secret der sog. Speichel- drüsen 2) finde ich frei von Diastase und von allen in alkalischen (2 pCt. Soda) oder sauren (0.2 pCt. HCl; 0.5, 1.0 und 4.0 pCt. Milchsäure, 2 pCt. Essigsäure) Lösungen rohes Fibrin verdauenden Enzymen. In der Familie der Lumbriciden deutet das Vorkommen 1) Cf. Bathlce, Schriften der naturf. Gesellscb. zu Danzig, Bd. III. Heft 2. 1847. S. 87. Tab. V. Fig. 5 etc. 2) Keines der Secrete bei Siphonostoma zeigte eine saure Keaction, sondern alle sind neutral oder schwach alkalisch. Der wässrige Auszug der alkalischen Contenta des Endtheils vom Darme wirkt, wenn schon schwach, fibrinverdauend. Enzymbildung in den Geweben und Gefässen der Evertebraten. 359 der Cliloragogenzellen am Darm und Rückeiigefäss auf eine echte Blutverdauung hin. Die von mir anfangs gehegte Vermuthung: in dem Blute der Lumbriciden Enzyme aufzufinden, hat sich aber nicht bewahrheitet. Aus den Blutcavernen in den vorderen Segmenten lässt sich besonders bei den grossen südeuropäischen Lumbricusarten leicht eine grössere Menge Blut gewinnen. Ich fand das Blut in diesen Räumen, sowie das aus dem Piückenge- fässe durch Einstich gewonnene stets ohne diastatische Einwirkung auf gekochte Stärke bei 40^ C. und ohne fibrinverdauende Eigen- schaften bei saurer (0.1-und 0.2procentiger HCl, 0.5 — 4.0procen- tiger Milchsäure, Essigsäure oder Weinsäure), oder alkalischer (2procentiger Sodalösung) Reaction; auch verdaute es mit wenig Wasser verdünnt kein Fibrin. Versuche^), ausgeführt mit dem Blute von Helix pomatia, Mactra stultorum, Area Noae und Astacus fluviatilis lieferten ebenfalls negative Resultate. Bei den Würmern, den Mollusken und Arthropoden scheint demnach die Enzymbildung auf die Drüsen des Darmes beschränkt zu sein-), und nur die Darm Verdauung erfährt in diesen bezüglich der Verdauungsvorgänge viel Uebereinstimmendes bietenden Typen im Phiebenterismus eine eigenthümliche Modification. Wenn man in den höhern Evertebratenclassen bei den pa- rasitischen Formen den Verdauungsapparat zurückgebildet findet, 1) Das Blut dieser Thiere -wurde in reichlicher Menge erhalten: bei Helix pomatia durch Anschneiden des Fusses, bei den Acephalen durch Anschneiden des Schliessmuskels und beim Krebse durch Al)trennung des letzten Schwanzsegmentes. Man gewinnt mittelst dieser Methoden kein ganz reines Blut (cf. Voit. Anhaltspunkte für die Physiologie der Perlmuschel. Z. f. w. Z. Bd. X. 1860 S. 470—498), doch sind die Verunreinigungen des- selben für diese Versuche ohne Bedeutung. -) Meine Untersuchungen beschränken sich nicht nur auf das Blut, sondern es wurden auch bei den Mollusken viele der Excretion nnd der Geschlechtsfunction dienende Drüsen mit negativem Resultat auf Enzyme geprüft. Auf diese Versuche werde ich an anderer Stelle ausführlicher ein- gehen. Aus der sog. „grünen Drüse" von Astacus fluviatilis konnte ich zwar oft durch Glycerinextraction peptisch wirksame Lösungen erhalten. 24* 360 C. Fr. W. Kmkenberg : und wenn man hier die Producte vermisst, mit deren Hilfe es dem Organismus leicht gehngt, das aufgenommene Nährmaterial zu bewältigen, dann sind die Gründe leicht zu errathen, welche diese Thatsachen verständlich machen. Werden aber bei Thieren, welche man für unmittelbare Vorläufer der Vertebraten oder selbst für rückgebildete Wirbelthiere ansieht, Verhältnisse angetroffen, welche viel unvollkommener als beispielsweise die bei den Aste- riden sind, so fehlt uns, ohne das Aufgeben der systematischen Stellung dieser Thiere, jede Erklärung. In einer solchen Lage befinden wir uns bei den Ascidien. Nach Huxley^) wird bei Phallusia, Cynthia und andern Tunicaten die Leber durch „ein System von feinen Köhrchen dargestellt, welche sich am Darme erzeugen und schliesslich zu einem Gange sammeln, der in den Magen mündet". Bei einigen Cynthien soll sich nach demselben Forscher „eine folliculäre Leber von gewöhnlichem Charakter finden, die mit mehreren Ausführungsgängen in den Magen mündet". Es ist mir nicht möglich gewesen, durch Extraction mit Glycerin, Wasser, Säuren (0.2 pCt. HCl, 2 pCt. Essigsäure) und Alkahen (2 pCt. Soda) die Uebereinstimmung dieser Apparate mit den enzymbildenden Lebern der Evertebraten festzustellen. Wie aus der Tabelle er- sichtlich ist, gelang mir die Verdauung rohen Fibrins mittelst der Extracte des Verdauungsapparates von Cynthia micro- cosmus und Phallusia mentula bei verschiedenen Zu- satzflüssigkeiten nicht. Jedenfalls wird die Production eiweiss- verdauender Enzyme, wenn überhaupt vorhanden, bei diesen Ascidien eine sehr geringe sein ; denn der gesammte Diges- tionstractus einer grossen Anzahl von Cynthien und Phallusien mit Glycerin verrieben, lieferte nur unwirksame Auszüge. Das Darmrohr von Ciona canina enthält Diastase, welche im Darm- 1) Th. Huxley , Grundzüge der Anatomie der wirbellosen Thiere. Deutsch von J. W. Spenfjel. Leipzig, 1878. S. 534. Enzymbiidung in den Geweben und Gefässen der Evei'tebi'aten. 3G1 canale bei Phallusia mentula aber nur in Spuren von mir nacligewiesen werden konnte. Aus den dem Darme angehefteten gelben (C y n t h i a m i c r o c o s m u s) oder bräunlichen (Phallusia m e n t u 1 a) Drüsen, deren Bedeutung als Harnorgane — durch den von Kupffer (Zur Entwicklung der einfachen Ascidien. Arch. f. mikr. Anat. Band VIII, S. 379) und Lacazc-Butliicrs (Les Ascidies simples des cotes de la France. Archives de Zoologie experimentale 1874) gelieferten Nachweis des Harnsäurevorkom- mens — erkannt ist, erhielt ich weder durch Extraction mit Wasser noch mit Glycerin auf gekochte Stärke diastatisch, auf rohes Fibrin peptisch (0.2 pCt. HCl, 2 pCt. Essigsäure, 1 pCt. Milchsäure) oder tryptisch (2 pCt. Soda) wirkende Lösungen. Bei C i 0 n a c a n i n a gelang mir in einem Falle der Nach- weis eines tryptischen Enzymes in dem Darme (und seinen Conten- ten), dessen Vorkommen von der Krebsnahrung abzuleiten sein wird, zumal, wie ich in einer andern Arbeit zeigen werde, tryptische Enzyme bei Mollusken und den tiefer stehenden Evertebraten- formen nicht häufig sind und, ohne mit peptischen im Vorkommen vergesellschaftet zu sein, kaum aufzutreten pflegen. Der Verdauungsmodus wird vermuthlich bei vielen Asci- dien derselbe wie bei einer grossen Anzahl von Cölente raten sein. Die Eiweissverdauung wird bei den von mir untersuchten Arten vorzugsweise mittelst der Enzyme erfolgen, welche die Beute mit sich führt, und so werden wir uns vor einem Factum befinden, welches als eine Degradationserscheinung nicht verständ- lich zu machen ist. So entwickelt sich erst ganz allmählich die Darmverdauung, eine der wichtigsten Functionen für die Existenz der höhern Thiere. Bei den niedern Formen ist das Körpergewebe gleichmässiger mit Enzymen imprägnirt, erst bei den höhern Typen wird die Enzym- production in ausgiebigerem Grade dem Verdauungsgescliäfte nutz- 362 C. Fr. W. Krukenberg : bar gemacht. Ein und dasselbe Organ bildet bei den höher organisirten Everteb raten alle für den Verdauungsact er- forderlichen Enzyme, und soviel wir wissen, besorgen nur in einigen Classen der Arthropoden anatomisch verschiedene Drüsenorgane die Enzymproduction im Interesse der Darmver- dauung. Wirkung der Eyertelbratenenzyme auf rohes Fibrin bei yerschiedenen Zusatzflüssigkeiten. (Wurde in der Lösung gleichfalls gekochtes Fibrin verdaut, so ist dieses durch 'den vom Kreuze oben rechts stehenden Stern angedeutet. Fehlt der Stern, so gelang mir die Verdauung des gekochten Fibrins in unzweifelhafter Weise nicht). ci > ^ o Essigsäure Milchsäure Weinsäure Oxalsäure d» O (TD o o Sä CT ö 1-2 0.5 0.5 OCI ^■^ d 0.5 o/o o/o 4 0/0 «/o 1 % 4 o/o 0/0 1 »/o 4 o/ü 0.5 0/,, 1 o/o 4 o/o Aethalium septicum 0 0 _^-> +* + * +=^ + * _4_* +* + +* +* + * + * 0 0 Suberites domuncula 0 0 + + + + + -f schw. + + + + 0 0 Chondrosia renifor- mis 0 0 + + + + + + + -1- +- + sciiwacli 0 0 + Hircinia variabilis . 0 0 + + -L. + + + + + + + ^- + 0 ■ + Anthea viridis (Glyce- rinextraet der Septen (les_ cölenterischen Raumes) . . 0 0 + 0 + . + + + + + 0 0 0 0 Anthea viridis (Glyce- riuextract der Tentakeln) . 0 0 + . + + , 0 Anthea viridis (Glycc- rinextract der Geselilechts- drtisen) + + 0 + . 0 Alcyouium palniatum 0 0 0 ö 0 0 0 b 0 , 6 , 0 Ciona canina (Gljce- ' rinextract des gesamniten Ver- dauungstractus) .... + + 0 + • . -f Phallusia mentula (Glycerinextract des gesamni- ten Yerdauungstraetus) . . 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 . 0 Spur. Cynthia microcos- mus (Glycerinextract d. ge- sammten Vcrdannngstractus) . 0 0 0 0 0 0 0 0 0 + Holothuria tubulosa (Darmglycerincxtract) . . 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 . 0 , Holotliuria tubulosa 0 (Glycerinextract des Gefäss- gcflechtcs) 0 0 + + + + + + + + + + schwach 0 0 Enzymbildung in den Geweben und Gefässeu der Evertebraten. oG3 ci o CO o M SP ü a ö Essigsäure Milchsäure Weinsäure Oxalsäure CO a 1—2 0.5 0.5 C°/o X ■t°/o 0/ 0 1 "/o i X Ol 0 1 °/o 4% 0.50/0 1 °/o4»/o Cucumaria I'lanci (LeberglyceriEausziig) . . + + + + + + . + + + 0 + Toxopneustes lividiis (Dannglycerinextract) . . + + + schwach + + + + 0 -h Toxopneustes brevi- spinosus (Dariuglycerinevtr.) + -h + . + + + Astropectenaurantia- cus (Leberglycerinextract) . + * + '' + schwach + + + 4- + + + + + schw. 0 4- Astropecten auran- tiacus (GlyeeriBaiisziig der Tieäemaitn'sfkn Rör- perchen) 0 0 + + + + + + Astropecten aurantia- cus (Darniglycerinextract) . 0 0 + schwach + -1- + + + + + . 0 0 Asteracanthion gla- cialis (Leberglyccrinextr.) +* +'■' + + + + + + + + + + + schw. 0 + AeoUdier (Glycerinextract der Papillen) .... 0 + + + + + . 0 Siphouostoma diplo- chaitos (Yerdauungssaft) . +■■'■' +* 0 schwach 0 + + 0 + . 0 + Hermione hystrix (Verdauungssaft) . . , +* +" 0 . , . + Aphrodite aculeata sehr (Verdauungssaft) . . +* +* 0 ge- ring + schwach • -f Die in dieser Arbeit niedergelegten Untersuchungen lassen sich in folgenden Sätzen kurz zusammenfassen: 1) Selbst bei sehr wenig organisirten Wesen (Myxomy- ceten und Poriferen) finden sich verdauende Enzyme, eine functionelle Bedeutung derselben ist aber nicht nachgewiesen. 2) Das peptische Enzym ist bei den niedern Thieren viel verbreiteter im Vorkommen als das tryptische, und nur bei den Würmern und Arthropoden scheint nach den vorliegenden Untersuchungen das letztere constanter als das erstere zu sein. 3) Der Annahme von enzymatisclien Yerclaiiungssecreteu bei den Cölente raten fehlt jeder experimentelle Anhalt. Meine Ergebnisse deuten auf die Abwesenheit einer irgendwie be- deutenden enzymatischen Secretproduction hin. 364 C. Fr. W. Krukenberg: 4) Die Verdauungsvorgänge der von mir untersucMen As- cidien sind unvollkommener als die mancher Ecliinodermen und nähern sich mehr den Verhältnissen bei den Acalephen. 5) Die Enzymbildung ist bei vielen Echinodermen nicht vollständig localisirt. Es ist die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dass bei ihnen die resorbirten Stoffe noch extraintestinal enzy- matisch verändert werden. 6) Die Tiedemann'' sehen Körperchen von Astropecten au- rantiacus sind enzym- (Pepsin und Diastase) bildende Organe und können den pepsinbildenden Drüsen im Wasser- und Blutgefäss- geÜeclit der Holothuria tubulosa analogisirt werden. 7) Die Asteridenlebern sind vollkommen analog den Lebern der Arthropoden und Mollusken. Keine Analogie besteht zwischen diesen Organen und den "Wasserlungen oder den Cuvier- schen Organen der Holothurien. Den Asteridenlebern ana- loge Gebilde sind von mir bei Cucumaria Planci nachgewiesen, und functionell gleichwerthige Drüsen finden sich auch im Darme von Toxopneustes lividus und brevispinos'us. 8) Bei Würmern, Arthropoden und Mollusken ist, so- weit meine Untersuchungen reichen, die Production eiweissver- dauender Enzyme vollständiger als bei den Cölenteraten und Echinodermen localisirt und der Darmverdauung dienstbar gemacht. 9) Das tryptische Enzym der Würmer (Aphrodite, Her- mione, Siphonostoma, Arenicola, Lumbriciden), von mir Isotrypsin genannt, unterscheidet sich von dem Trypsin der Vertebraten, Arthropoden und Mollusken und ist vielleicht mit dem der Aster i den identisch. 10) Die Leberblasen der Aphroditen, die Verzweigungen der cölenterischen Räume der Cölenteraten und die Canales hepato- intestinales der Aeolidier dürfen zur Zeit nicht für functionell gleichwerthig gelten. Enzymbildung in den Geweben und Gelassen der Evertebraten. 8G5 11) Bei Aphrodite aculeata werden die Verdauungssäfte von Drüsenzellen in den Leberblasen gebildet, nicht von Zotten des Oesophagus. 12) Bei keinem Wirbellosen ist ein dem Magen der Verte- braten functionell vergleichbarer Darmabschnitt nachgewiesen; stets wurden kropfartige Darmerweiterungen als Mägen bezeichnet. 566 C. Fr. W. Krukenberg; Naclitrag zu den Untersuclumgeii über die ErnälirungSYorgänge bei Cölenteraten und Ecliinodermen. Von C. Fr. W. Krukenl)erg. Bereits 1851 berichtete H. HoJlard^), dass die schleimige Masse, welche constant die Wandungen des cölenterischen Raumes bei den Actinien befeuchtet, weder während der Verdauung noch bei leerem Organe die geringste Andeutung einer sauren oder alkalischen Reaction erkennen lasse. Seine Versuche wurden später von G. H. Lewes^) an Anthea cereus und crassicornis und von Coucli^) an Actinien wiederholt und seine Ergebnisse bestätigt. x\uch haben bereits Leives und Couch unabhängig und übereinstimmend gefunden, dass kleine Stückchen von Fisch- fieisch in dem cölenterischen Räume der Actinien nicht verdaut werden. Das Gewicht der Fleischstückchen vor und nach dem Verweilen im Thiere wurde von Couch genau bestimmt; den ge- fundenen Gewichtsverlust bezieht er auf ein Auspressen der im Fleische vorhandenen Flüssigkeit und weist die Annahme einer Verdauung bei den Actinien zurück. Von Leices ist auch der bekannte Ficatimur'' sehe Versuch, zwar, wie es die Umstände be- ^) H. Hollard, Monographie auatornique du genre Actinia. Ann. des Sciences nat. 1851. 3" Serie. T. XV. S. 276. H. Hollard, Etudes zoologiques sur le genre Actinia. Kev. et Mag. de Zoologie. 1854. 2^ Serie. T. VI. S. 286. 2) G. H. Lewes, Naturstudien am Seestrande. Uebersetzt von J. Frese. Berlin. 1859. S. 198 ff. 3) Couch, ibid. S. 208. Ernährungsvorgänge bei Cölenteraten und Echinodermen. oG7 dingten, in etwas modificirter Form, an den Actinien ausgeführt. Um sich nämlich von der Gegenwart einer auflösenden Flüssig- keit in dem Darme dieser Thiere zu überzeugen, füllte er Fleiscli- stückchen in eine beiderseits offene, etwa V^ Zoll lange Feder- spule, welche er ausserdem noch mit sechs breiten seitlichen Einschnitten versehen hatte, und brachte diese den Thieren bei. Er bemerkte bei einer Spule , wo das Fleisch an beiden Enden ein wenig hervorsah, eine Aufweichung an den hervorstehenden Ecken des Fleischstückchens, welche einer Verdauung glich; allein unter dem Mikroskope fand er die Muskelfasern nicht im mindesten zersetzt, und die Querstreifen der einzelnen Fasern genau so in ihrer Lage wie an jeder andern Stelle, sodass die Aufweichung sich als eine rein mechanische erwies. Diese schönen Untersuchungen sind in den folgenden zwanzig Jahren kaum wiederholt, nicht vervollständigt. Es schien mir nöthig, sie mit einer homogeneren, leichter verdaulichen Substanz als es der Muskel ist, anzustellen, und durch eine zu diesem Zwecke unternommene Eeise nach Helgoland ist es mir möglich gewesen, diese Untersuchungen mit dem leicht verdaulichen Fibrin theil- weise zu wiederholen und zu erweitern^). Wird der Actin ia mesembryanthemum eine Flocke rohen Fibrins in den vorderen Abschnitt des cölenterischen Raumes („Magenraum" der Autoren) gebracht, so verweilt sie oft nur kurze Zeit an diesem Platze; die Tentakeln, die Contractionen der Körperwand befördern sie weiter in das Innere des Thieres. Sie bleibt zusammengeballt, bisweilen viele Stunden in dem tiefer gelegenen Nahrungsbehälter liegen, und eine Anstrengung des 1) Meine Untersuchungen waren bereits abgeschlossen, die in dieser Abhandlung niedergelegten Resultate bereits gewonnen, als Herr Professor Dr. Hilgendorf mich bei unserm Zusammentreffen auf Helgoland auf die erwähnten älteren Arbeiten aufmerksam machte. Um so erwünschter dürften desshalb meine Bestätigungen jener Angaben sein, da die Ergebnisse meiner Beobachtungen durch sie in keiner Weise beeinflusst wurden. 368 C. Fr. W. Krukenberg: Thieres, den Fibrinpfropf, mag dieser in dem vorderen oder in dem hinteren Theile des Darmrolires sich befinden, auszustossen, wird anfangs nicht bemerkt, obgleich der Tentalfelkranz sich wieder geöffnet hat, und jede Andeutung eines Unbehagens fehlt. Am folgenden, mitunter auch erst am dritten Tage findet man, dass der Fibrinpfropf ausgestossen ist. Dieser zeigt sich immer so gut wie unverändert, an den Rändern zwar meist ein wenig aufgequollen, und nur ein eigenthümlicher, sehr schwach ätzender Geschmack des eben ausgestossenen Ballens verräth, dass ihm ein Secret beigemischt wurde, welches aber auch an sehr empfind- lichem, blauem oder rothem Lackmuspapiere keine Farbenver- änderung hervorruft. Nahm ich das Fibrin nach längerem Ver- weilen (12 — 24 Stunden) in dem Darmrohre aus den Actinien heraus und verrieb mehrere dieser Flocken mit Glycerin, so konnte ich (nach etwa 14tägiger Extraction) mit diesem Auszuge weder eine Wirkung in 0.1 procentiger HCl-, noch in 2procentiger Sodalösung auf rohes Fibrin bei 38° C. nach zweitägiger Ein- wirkung erzielen, und auch eine diastatische Wirkung auf ge- kochte Stärke bei gleicher Temperatur und zweistündiger Dige- stion fehlte diesem Auszuge. Ohne tief greifende Verletzungen liess sich das Fibrin nicht länger als zwei Tage in dem cölen- terischen Räume der Actinien aufbewahren; denn es wurde nach ^2 — 2 Tagen, wie auch CoucJi mittheilt, regelmässig aus- geworfen. Ich verzichtete desshalb darauf, weitere Modificationen der Versuche an dieser Species vorzunehmen ; ich war gleich den erwähnten Experimentatoren hinreichend überzeugt, dass die aus- gehungerten Actinien kein Mittel unversucht gelassen hatten, sich diese eiweissreiche Kost anzueignen. Bei Exemplaren, welche zu diesen Versuchen vorher noch nicht verwandt waren, genügte es schon, die Fibrinflocke an die Tentakeln zu legen, von welchen sie dann in den Nahrungsraum hinuntergeschoben wurde. Fast nie gelang mir aber diese Fütterungsmethode mehrere Male bei Ernährungsvorgiinge bei Cölenteraten und Echinodermen. 8G9 ein und demselben Thiere; es schien jetzt Erfahrungen über die Unverdaulichkeit des Futters gesammelt zu haben. In dem cölenterischen Räume der von mir in dieser Hinsicht untersuchten Medusen (Chrysaora hyoscella, Cyanea capil- lata, Aurelia aurita, Rhizostomum Cuvieri und einer andren der Chrysaora ähnlichen, mir nicht sicher bekannten Art) ist die Veränderung, welche das eingeführte rohe Fibrin erfährt, die gleiche wie bei den Actinieii. Durch täglichen Wechsel des Meerwassers konnte ich die schönen, grossen Exemplare dieser Medusen, welche mir der Schiffer Hilmar LueJirs verschafft hatte, in unveränderter Lebensenergie acht Tage und länger in kleinen Holzbottichen erhalten und so die Thatsache feststellen, dass binnen fünf Tagen eine etwa zolllange Fibrinflocke in dem sog. Magen- oder Gastrovascularraum bei keiner dieser Arten eine Andeutung von eingetretener Verdauung erkennen lässt. Die Ränder der Flocke waren stellenweise ein wenig aufgequollen, wie es rohes Fibrin unter verschiedenen Umständen bisweilen thut; aber weder war an den herausgenommenen Flocken eine deut- liche Alkalescenz oder Säuerung mittelst Lackmuspapier zu con- statiren, noch besass der Glycerinauszug derselben eine Wirkung auf rohes Fibrin in 1 pCt. Milchsäure, 0.1 pCt. Salzsäure oder in 2 pCt. Sodalösung. Um nichts unversucht zu lassen, bemühte ich mich auch durch Injectionen von Substanzen, welche die Secretproduction erfahrungsgemäss wenigstens bei höhern Thierformen anregen oder verstärken, auf die Zellen der Darmwand bei den Medusen zu wirken. Ich injicirte mit Hülfe der Pravas'schen Spritze einer Cyanea capillata 0.9 mgr. Pilocarpin, welches mir das physiologische Institut bereitwilligst zu diesem Zwecke nach Helgo- land mitgegeben hatte, einer Chrysaora die dreifache Menge dieser Substanz, einer andern 0.36 gr. eines concentrirten alko- holischen Auszuges (Chavicin- und Piperin- haltig) von schwär- 370 C. Fr. W. Krukenberg: zen Pfefferkörnern und einer dritten 14 mgr. Sublimat. Einen siclitlichen Erfolg der Pilocarpininjection konnte ich wedes in einer Veränderung der Contractionen an der Subumbrella, noch in einer Einwirkung auf das im cölenterischen Räume befindliche Fibrin bemerken, so dass auch diese Bemühungen keinen An- haltspunct für eine Production von enzymatischen Verdauungs- «ecreten lieferten. Ueber die Erscheinungen, welche nach den Injectionen von Sublimat und Pfefferharz eintraten, werde ich an andrer Stelle ausführlicher berichten; hier sei nur bemerkt, dass ihre Wirkung sich an dem Fibrin ebensowenig wie die des Pilo- carpins offenbarte. Auch stark gepfeffertes Fibrin wurde in den Nahrungsräumen keiner Medusenart (Aurelia, Chrysaora und Verwandte, Rhizostomum) in vier Tagen enzymatisch verändert. Meine früheren Untersuchungen hatten ergeben, dass bei einigen Cölenteraten das Körpergewebe deutlich nachweisbare Mengen von Pepsin enthält; ich bin bisher den Nachweis schul- dig gebheben, ob dieses im lebenden Thiere wirkungsfähig werden kann oder nicht. Versuche hatten bei Aethalium sep- ticum ein negatives Ergebniss zur Folge gehabt, und nur mit geringen Erwartungen unternahm ich desshalb diesen entsprechende Versuche bei den Cölenteraten. Ich bediente mich zu diesen Versuchen etwa 2 — 3 Zoll langer Fibrinflocken, welche ich 4—5 Tage vorher vom Schlachthause frisch erhalten und, sogleich in reinstes Glycerin gelegt, nach Helgoland mitgenommen hatte. Diese zog ich mittelst einer Nadel dicht unter der Epidermis oder den tiefer liegenden Schichten durch die Actinien hindurch und trennte die so operirten Thiere von den übrigen. Wohl 20 — 30 Actinien wurden in dieser Weise hergerichtet, und das Resultat, welches mit grosser Constanz eintrat, war für mich ein überraschendes. Im Verlauf von 8 bis 14 Stunden war das Stück des Fibrinfadens, welches mit dem Körpergewebe der Actinien sich in Berührung befunden hatte, Ernäbruugsvorgänge bei Cülenteraten und Echinodermen. '611 regelmässig verschwunden, und die Section lehrte, dass es auch resorbirt war, denn nichts ^Yar davon in der künstlich geschaffenen Rinne wahrzunehmen. Die beiden aus dem Körper hervorstehen- den Enden der Flocke befanden sich im Wasser. Bei Cyanea capillata und einer andern mir nicht bekann- ten Meduse bedurfte es zur Auflösung des in Richtung der Hauptaxe des Thiers durch die Scheibe hindurchgezogenen Fibrin- fadens ungefähr der gleichen Zeit^), während ich bei Chrysaora hyoscella keine so sichere Resultate erzielen konnte. In der Kähe der Randtentakeln durch die Scheibe gezogenes Fibrin wurde bei Chrysaora nach drei Tragen überhaupt nicht sicht- lich verändert. Auch bei Lucernaria auricula zog ich Fibrin- 1) In auffallender Uebereiustinimung mit der von mir gemacliteu Zeit- angabe über den Eintritt der Fibrinverdauung im Gewebe der Actinica und Medusen befindet sieb eine Mittheilung von Fritz Müller (die Magen- fäden der Quallen. Z. f. wiss. Zool. Bd. IX. 1858. S. 542). Er sah, dass ein Stück vom Hintertheile eines Alpheus und Muskeln aus einer Krabben- scheere, welche er mit den, einer lebenden Tamoya hoplonema ent- nommenen „Magenfädengruppen" bedeckt und mit ein wenig reinem See- wasser übergössen hatte, in 10—12 Stunden vollständig resp. fast ganz zu einer trüben Flüssigkeit gelöst waren, während entsprechende Stücke der Krebstheile in reinem Seewasser sich während dieser Zeit nicht merklich verändert zeigten. Hierdurch glaubt er den Beweis für eine Production von Yerdauungssecreten in den „Magenfäden" geliefert zu haben. Ich möchte dagegen geltend machen, dass eine trj-ptische Wirkung, wie sie bei dieser Versuchsanordnung zur Verdauung des Muskels erforderlich ist, schon an sich bei den Medusen mir bedenklich erscheint, da ich mich an einer ziem- lich grossen Anzahl von Arten überzeugen konnte, dass das Körpergewebe der Medusen regelmässig nur ein peptisch wirkendes Enzym enthielt. Würde sich bei Tamoya in der That Trj-psin nachweisen lassen, so wäre das un- zweifelhaft ein Ausnahmefall, der eingehender untersucht werden müsste. Für die Annahme eines hinreichend sauren peptisch wirkenden Secretes müssten aber nicht weniger stringente Beweise beigebracht werden, weil dessen Existenz nicht weniger merkwürdig wäre. Vorausgesetzt, dass Fritz MiäUfs Versuchsresultat nicht die Folge von eingetretener Fäulniss oder einer Beimischung von Arthropodensecreten ist, kann es nur meine Ver- suche, nach denen Zellen des Körpergewebes selbst eine verdauende Fähig- keit besitzen, bestätigen und nicht die Existenz von Verdauungssecreten bei dieser Medusenart beweisen. 372 C. Fr. W. Krukenberg: fäden derart durch den Körper hindurch, dass ein Theil des Fibrins in den cölenterischen Eaum hineinragte. Bei diesen Ver- suchen bemerkte ich aber an keiner Stelle des Fibrinfadens trotz mehrtägigen Verweilens an diesen Plätzen eine Veränderung, und dasselbe muss ich von den entsprechenden Versuchsreihen an Alcyonium digitatum berichten, sei es dass die Fibrinfäden, um das Fibrin mit dem Körpergewebe von möglichst vielen Ein- zelpolypen in Contact zu bringen, dicht an der Aussenfiäche des Polypenstammes hingeführt oder durch diesen in senkrechter Kichtung hindurchgezogen wurden. Zur Prüfung des Körpergewebes auf Enzyme bediente ich mich meist der Glycerinauszüge^); von Cyanea capillata und Actinia mesembryanthemum conservirte ich zu diesem Zwecke ausserdem noch mehrere Körpertheile in Alkohol. Diese Ver- suche wurden, wie alle früheren, im hiesigen physiologischen In- stitute ausgeführt. Es wurde dabei eine constante Temperatur von 38 — 40^ C. eingehalten. Die Versuche durch gekochte Proben controlirt, führten zu folgenden Ergebnissen: Die Glycerinextracte der weichern Partieen des Medusenkörpers (Mundtentakeln, Magenstiel, Subumbrella) von Chrysaora, Cyanea und Au- relia verdauten in (selbst mit Salicylsäure versetzter) 0.2procen- tiger HCl, 1 — 2proeentiger Milchsäure und in Weinsäurelösungen verschiedener Concentration rohes, kein gekochtes Fibrin, inner- halb 2 — 6 Stunden unter Bildung von Peptonen, deren Gegen- wart im Dialysate der verdauten Masse durch Natronlauge und Kupfervitriol in bekannter Weise nachgewiesen wurde. In Lö- sungen dieser organischen Säuren von ^'2 pCt. tritt die Wirkung immer erst viel später ein als in solchen von 1 pCt. Dieses Verhalten deutet schon auf den Mangel an tryptisch wirkenden ^) Die Gewebe wurden sorgfältig an der Aussenseite erst mit Brunnen- wasser, dann mit destillirtem Wasser abgewaschen und darauf mit dem Glycerin verrieben. Ernährungsvorgänge bei Cölenteraten und Echinodermen, 373 Enzymen hin, deren vollkommene Abwesenheit durch die Unwirk- samkeit der Glycerinextracte und der wässerigen Auszüge der erwähnten Alkohol-Conserven selbst rohem Fibrin gegenüber in 2procentiger Sodalösung oder neutraler Flüssigkeit im Körper- gewebe dieser Medusen arten verbürgt wird. Die dialysirten Glycerin- resp. die angeführten wässerigen Auszüge keiner Me- dusenart Hessen eine diastatische Wirkung auf gekochte Stärke nach zweistündiger Digestion bei 38'' C. erkennen ; Stärkekleister, mit den nicht der Dialyse unterworfenen Auszügen versetzt, lie- ferte bei Cyanea und Aurclia dasselbe negative Resultat, und nur bei Chrysaora könnten sich Spuren von Diastase finden. In gleicher Weise wurde der Pepsingehalt im Körpergewebe von Actiuia mesembryanthemum festgestellt. Ich bediente mich hier der Tentakeln und der mehr äusserlicli gelegenen, resistenteren Gewebstheile zur Untersuchung, während ich die Gebilde drüsiger Natur möglichst vollständig entfernte und nicht näher untersuchte. Es wirken die Glycerinauszüge wie die von den Medusen; die Rapidität der Wirkung war ebenfalls ziemlich die gleiche und auch in Salicylsäure- haltiger 0.2procentiger HCl war die Verdauung des rohen Fibrins in wenigen Stunden vollendet. Eine tryptische und diastatische Wirkung fehlte auch hier. Aehnlich verhielten sich die durch Verreiben der ganzen Thiere mit Glycerin erhaltenen Extracte von Tubularia coro- nata, Lucernaria auricula und von den aus dem Stamme von Alcyoniura digitatum herausgedrückten Einzelpolypen. Bei allen diesen Cölenteraten sah ich eine Wirkung auf rohes oder gekochtes Fibrin bei neutraler oder alkalischer (1 — 2 pCt. Soda) Reaction nach Tagen nicht eintreten, und von Diastase könnten nur bei Tubularia geringe Mengen vorhanden sein, wenn schon auch hier die dialysirten Extracte kaum eine diasta- tische Wirkung auf gekochte Stärke erkennen Hessen. Ein pep- tisches Enzym wird sich bei allen diesen Formen finden ; es war Kühne, Untersucliungon II. 25 374 C. Fr. W. Krukenberg : bei Tubularia an seiner nach 6 — 8 Stunden eintretenden, fibrin- verdauenden Wirkung in 0.2procentiger mit Salicylsäure versetzter HCl deutlich nachweisbar. Bei Alcyonium trat in reiner 0.2- procentiger HCl eine Fibrinverdauung nach etwa sechs Stunden ebenfalls ein, blieb aber bei Salicylsäurezusatz aus, und der Glycerinauszug von Lucernaria wirkte erst nach etwa 10 — 14 Stunden in reiner 0.2procentiger HCl auf rohes Fibrin verdauend ein. Peptone hatten sich bei allen diesen Verdauungsversuchen gebildet. Das Pepsin scheint demnach wirklich im Körpergewebe wenigstens einiger Cölente raten (Actinia, Cyanea) wirkungs- fähig werden zu können. Wie die nöthige Säure entsteht, ob diese in ausgiebigerem Masse überhaupt gebildet wird, darüber werden nur Injectionsversuche mit empfindlichen Farbstofflösungen entscheiden können. So grobe Versuche, wie ich sie mit Rea- genspapieren bereits angestellt habe, und welche resultatlos blei- ben, sind für die Entscheidung dieser Fragen bedeutungslos. Nur daran möchte ich erinnern, dass nach J. von Bustü7iy''s interessanter Beobachtung ^) auch die Osteoklasten sauer reagiren, und es dürfte demnach nicht ganz unwahrscheinlich sein, dass eine saure Reaction auch einige Zellen im Körpergewebe der Cölenteraten auszeichnet. Dass die nachgewiesene Verdauung des Fibrins in dem Körpergewebe von Cyanea, Actinia etc. nicht durch einen hypothetischen Darmsaft, dessen Nichtexistenz zur Genüge be- wiesen sein dürfte, hervorgerufen wird, ergibt sich daraus, dass, wenn ich bei Actinia die Fäden ganz dicht unter der äussern Körperdecke, wohin nie Inhaltsmassen des cölenterischen Raumes bei meinen Versuchen gelangen konnten, hindurchführte, auch in diesen Fällen das Fibrin regelmässig aufgelöst wurde. Ich 1) J. V, Ilustizhj, Unters, über Knoclienresorption und Rieseuzellen. Vircliow's Archiv, Bd. LIX., 1874. S. 223. Ernälirungsvorgänge bei Cölenteraten und Echinoclevmen, 375 bin auf Grund meiner Ergebnisse von der Existenz einer Ver- dauung im Körpergewebe einiger Cölenteraten nicht weniger überzeugt als von der Abwesenheit enzymatischer Verdauungs- secrete in den sog. Magen- und Gastrovascularräumen dieser Thiere. In wie weit jedoch diese Vorgänge im Körpergewebe selbst differenzirt und localisirt sind, darüber geben meine Unter- suchungen selbstverständlich keinen Aufschluss. Vielleicht könnten die der entodermalen Zellenlage direct anliegenden Stellen des Fibrins, was die von Leioes und mir be- obachtete theilweise Quellung der Flocken andeutet, eine wirk- liche Verdauung durch die Entodermzellen als solche erfahren. Eine Gewissheit ist über diesen Punkt schwer zu erlangen ; früher mitgetheilte Versuche, bei denen ich möglichst rein den Zellen- belag des cölenterischen Raumes bei Actin ia präparirte und mit negativem Erfolg auf ein peptisches und tryptisches Enzym prüfte, machen mir eine enzymatische Verdauung des Fibrins an den Berührungsflächen mit der Entodermis bei Actinia unwahr- scheinlich. In vollkommener Uebereiiistimmung mit den Ergebnissen sänmitlicher Forscher, welche sich ihre Ansichten über die Er- nährungsvorgänge der Cölenteraten nicht nach dem blossen Augenschein bildeten oder durch die beobachtete Verdauung einer reich enzymhaltigen Kost in den cölenterischen Räumen über den Verdauungsmodus entscheiden zu können glaubten, lehren meine Versuche, ausgeführt an Vertretern der verschiedensten Classen des Cölenteratentypus, dass eine Verdauung in dem Darme dieser Thiere mittelst enzymatischer Secrete nicht existirt. Alle die zahlreichen Angaben über die Verdauung von Krebsen, Mu- scheln und Fischen in den cölenterischen Räumen der Zoophyten, welche die Existenz von verdauenden Secreten darthun sollten, be- weisen nur die Richtigkeit der mir von Prof. Kulme ausgesprochenen Vermuthung, dass die Cölenteraten vorzugsweise auf die En- 25* 376 C. Fr. W. lü-ukenberg : zyme ihrer Beute ange^Yiesen sind, und dass nur mittelst dieser eine enzymatische Verdauung in den cölenterischen Räumen mög- lich ist. Der Organismus der Cölenteraten kennt nur eine Ernährung per resorptionem ; er ist nicht, befähigt, durch einen Verdauungssaft sich die enzymfreie, feste Kost selbst resorptions- fähig zu machen. Im Anschluss an meine frühern Mittheilungen über die Er- nährung bei den A sei dien sei bemerkt, dass mir mittelst des Glycerinauszuges der Nachweis eines peptischen (Wirkungslosig- keit auf rohes Fibrin in 0.2 pCt. HCl, 1 pCt. Milchsäure, 2 pCt. Essigsäure) und tryptischen (Wirkungslosigkeit in 2procentiger Sodalösung) Enzymes im Körpergewebe von Amaroecium au- reum nicht gelang. Die Thiere mussten ihrer Kleinheit wegen in toto mit Glycerin verrieben werden, und das Dialysat dieses Extractes äusserte während zwei Stunden nur eine geringe diasta- tische Wirkung auf gekochte Stärke. Durch die Stöcke hindurch- gezogene Fibrinfäden erfuhren nach 4—6 Tagen keine enzyma- tische Veränderung. Das Glycerinextract des Darmes^) von Echinus esculentus verhält sich ähnlich wie das von den untersuchten Toxopneus- tesarten. Es verdaute rohes Fibrin im Laufe von etwa 4—6 Stunden in 2procentiger Sodalösung; in 0.2procentiger HCl, 2pro- centiger Weinsäure, wie Iprocentiger Milchsäure wurde rohes Fibrin gleichfalls in wenigen Stunden verdaut. Der Verdauungs- saft von fast neutraler, jedenfalls nicht saurer Reaction zeigte dasselbe Verhalten, nur in ausgeprägterem Grade. Schon nach 1 — 2 Stunden war in 0.1— 0.2procentiger HCl und in thymo- 1) Nach Valentin (l'AnatoiBie du genre Echinus. Neuchätel, 1842. 4" Livraison des Monographies d'Echinodermes. Tab. VII, Fig. 126, 131 und 133) besitzen die Darmwandungen von Echinus ein ähnliches inne- res, ans Leberzellcn gebildetes Epithelium wie die Darmwände der Lum- bri einen. Ernalirungsvorgäiige bei Cölentoraten und Ecliinoclcnuen, 377 lisirter 1 — 2procentiger Sodalösung rohes Fibrin von ihm ver- daut. Das dialysirte Glycerinextract enthielt Diastase, Ebenfalls ergaben die Untersuchungen von Solaster pap- posus nichts, was von den Verhältnissen bei Astropecten aurantiacus und Asteracanthion glacialis abwiche. Der Glycerinauszug der Lebern erwies sich sehr reich an dem be- kannten trypsinähnlichen Enzyme, welches in etwa zwei Stunden rohes Fibrin ohne Bildung des durch die Bromwasserreaction ge- kennzeichneten Körpers verdaut, dessen Wirksamkeit durch Thymol nicht iiihibirt wird, und welches auch verhältnissmässig rasch gekochtes Fibrin unter Bildung von Peptonen in lösliche Sub- stanzen überführt. Reich ist das dialysirte Extract an Diastase, und auch ein peptisches Enzym befindet sich in ihm; diese En- zyme verhalten sich in ihren Eigenschaften vollkommen identisch mit denen, welche ich aus den Lebern von Astropecten und Asteracanthion beschrieben habe. Es ist bisher nicht näher untersucht, ob in die Lebergänge der Asteriden Speisebrei ge- langt (wie z. B. Bronn^) vermuthete) oder nicht, ob das Ver- halten bei den Asteriden mehr dem Verdauungsmodus der Aeolidier oder dem der Aphroditiden gleicht; ich behalte mir vor, durch Fütterungsversuche auch diese Frage demnächst ihrer Entscheidung näher zu führen. ') Bronn., Classen und Orcliuingen des Thierreiclis. Cd. II, 1860. S. 330. 378 W. Kühne: Notizen zur Anatomie und Physiologie der Netzhaut. llacnla lutea und Fovea centralis. Neue Gelegenheit Horner^s Bemerkungen üher das Aussehen der Fovea centralis in situ zu bestätigen, gewährten mir zwei am 5. Nov. aus be- währter Quelle, der ich abermals zu grossem Danke verpflichtet bin, em- pfangene Augen eines 51jährigen gelähmten Blödsinnigen. Derselbe war am 4. Nov. Mittags im verdunkelten Zimmer gestorben und die Section hatte Erscheinungen tertiärer Lues mit diffuser Hirnsclerose ergeben. Die Augen waren am Tageshchte exstirpirt, aber mit geringstem Zeitverluste in ein schwarzes Glas und in Eis verpackt worden. Als ich sie erhielt, war die Cornea von normaler Durchsichtigkeit. Eins der Augen vor Natronlicht eröffnet, zeigte die Eetina faltenlos, sehr leicht vom Epithel, vom Glaskörper dagegen nicht trennbar, am gewöhn- lichen Lichte rosa, mit der bekannten gegen den Aequator zunehmenden Färbung und einer äusserst intensiv grünlichgelben Macula, worin die Fovea ein sehr kleines, farbloses Pünktchen bildete ; die Stäbchen und Zapfen waren überall vollkommen erhalten und frei von Epithelpigment. Das andere am Tageslichte untersuchte Auge sah leuchtend roth aus, wenn man es mit der gesäuberten Sclera gegen das Licht gewendet durch die Cornea betrachtete. Wie die Iris von ungewöhnlich heller, wasserblauer Farbe war, so enthielten das Eetinaepithel und die Chorioides sehr wenig dunkles Pigment und einzelne Stellen des Hintergrundes waren so hell, dass man im er- öffneten Auge das leichte Kosa des noch erhaltenen Stäbchenpurpurs deutlich davor bemerken konnte. Selbst an den dunkleren Stellen machte sich der feine von Sehpurpur gefärbte Schleier geltend, denn es war gar nicht schwer, zwei aus der vorderen Hälfte des ersten, im gelben Lichte präparirten Auges geschnittene Stücke, denen die Ketina noch fest anlag, nach ge- höriger Belichtung des einen zu unterscheiden, indeni man dessen helle nuss- braune Farbe mit der mehr chocoladeähnlichen des dunkel gehaltenen verglich. In dem in Salzwasser liegenden Augengrunde war trotz der Bedeckung durch den auch hier unlösbar mit der Netzhaut verbundenen Glaskörper die Gegend des gelben Fleckes sofort zu erkennen und die Fovea centralis mit grösster Deutlichkeit sichtbar. Die erstere wurde durch stärker braune Pigmentirung bezeichnet, worin die Fovea als ein noch dunkleres, intensiv rothbrauues Pünktchen auffiel. Da sich die stärkere Pigmentirung hinter Notizen zur Anatomie und Physiologie der Netzhaut. 379 der Retina nicht ganz so Aveit in der Richtung zur l'apillc erstreckte, als das Gelb der Macula, soVar es ausserdem möglich, in dieser Gegend etwas von der letzteren charakteristischen Farbe in situ zu erkennen. Nachdem einige competentc Beobachter dem Befunde zugestimmt und wir uns über- zeugt hatten, dass das ungeschwächte Licht der Mittagssonne nichts an der Erscheinung änderte, hob ich die Netzhaut bis zum Papillenansatzc von der Unterlage empor; man sah darauf die ganze Macula lutea in der flottiren- den Membran mit gelber Farbe hervortreten und die Fovea, je nachdem Licht durchfallen konnte oder mittelst der dunkeln Hohlschale des Auges abgehalten wurde, dunkel oder hell zum Vorschein kommen. "Wiederholt gelang es hierauf die Netzhaut so vollkommen an ihren ursprünglichen Platz zurücksinken zu lassen, dass alle Theile der Macula, mit Ausnahme der er- Avähnten, sogleich als gelb erkannten Stelle, nicht mehr gelb, sondern braun erschienen und die Fovea so dunkelrothbraun, wie ursprünglich. Als die Retina später von der Papille abgeschnitten, gänzlich herausgenommen wor- den, erwies sie sich unversehrt und in der Fovea continuirlich mit kaum veränderten Zapfen besetzt. In dem von der Netzhaut befreiten Augengrunde blieb der dem gelben Flecke entsprechende Ort noch durch stärkere braune Pigmentirung kennt- lich, aber es war darin kein kleineres, etwa noch tiefer gefärbtes Pünktchen, das der Fovea entsprochen hätte, zu bemerken, und als ich das Epithel nach zweitägigem Liegen des Präparates in üfnHer'schcr Flüssigkeit in Gestalt eines gut zusammenhängenden, fast die ganze Unterlage der Macula dar- stellenden Plättchens von der Chorioides abhob, fand ich darin den Ort der Fovea wohl durch die nach einem entsprechenden Punkte hin immer kleiner werdenden Epithelzcllen, aber nicht durch zunehmendes oder tiefer gefärbtes Pigment bezeichnet. Sämmtliche, selbst die kleinsten Epithelzellen zeigten einen centralen, vom Kerne herrührenden hellen Fleck. Die von dem reti- nalen Epithel vollkommen befreite Chorioidea erwies sich überall ausser- ordentlich schwach oder kaum pigmentirt ; doch blieb auch an dieser die Gegend der Macula als ein diffuses etwas dunkleres Fleckchen kenntlich, in welchem ein noch dunkleres centrales Pünktchen wiederum nicht zu ent- decken war. Nach diesen Beobachtungen beruht die Unsichtbarkeit der Älaculafarbe in situ nur auf der ungünstigen Lage des durchsichtigen gelben Farbstoffs vor dem dunkeln Hintergrunde, denn wo der letztere weisslich genug ist, kommt das Gelb auch in der noch durchsichtigen, faltenlosen Netzhaut und vor dem Abheben zum Vorschein, während es im Uebrigen nach Belieben verschwindet, wenn sich dieselbe ungetrübte Retina wieder innig an das Pigmentlager schmiegt. So lange nicht nachgewiesen ist, dass eine aus dem lebenswarmen Auge schleunigst hervorgehobene Netzhaut der gelben Farbe im Umkreise der Fovea entbehrt, fehlt jeder Grund, während sie bei Alausa finta und Trigla hirundo tryptisch, aber nicht peptisch oder diastatisch wirksame Extracte lieferten. In den Pylorialanhängen von Bops vulgaris wurde Trypsin gefunden, das Pepsin vermisst. Obgleich diese Piesultate mittelst der Auszüge von den auf- geschnittenen und gut gereinigten Blinddärmen gewonnen, ihre eiweissverdauenden Eigenschaften durch Salicylsäure- resp. Thy- molzusatz nicht aufgehoben wurden, so sind diese Befunde an Zur Verdauung bei den Fischen. 391 sich, wie ich gern zugestehe, nicht beweiskräftig für eine Secret- production in den Pylorialanhängen. Aber die z. B. bei den Selachiern wohl constatirte Thatsache, dass sich pepsinbildende Zellen auch intestinal vom Pylorus finden, die unzweifelhaft sichere Existenz einer Trypsinbildung in der Darmmucosa vieler Teleo- stier (z, B. bei Cyprinus carpio), die gleiche Wirkung der Extracte von den Pylorialanhängen verschiedener Individuen und ihre Uebereinstinimung mit den Ergebnissen, welche mittelst der Mitteldarmauszüge erhalten wurden, gestatten die Annahme,dass diese Befunde von dem wirklichen Thatbestaude nicht erheblich abweichen. An der Hand dieser Beobachtungen dürfte deshalb die Frage berechtigter als je erscheinen, welches der Nutzen dieser selt- samen Gebilde ist. Ersetzen sie wirklich functionell ein wohl entwickeltes Pankreas, dienen sie mehr der Resorption als der Secretion, sind es unfertige Drüsen, welche sich von der Darm- wand nicht vollständig abgeschnürt haben, oder sind es vielleicht nur rudimentäre Gebilde, die letzten Anklänge an die z. B. für die Verdauungsvorgänge bei den Orthopteren so bedeutungs- vollen Appendices ventriculares ? Erst nach Erörterung des Pankreasvorkommens bei den Fischen und der Enzymbildung in den Zellen der Mucosa des Mitteldarmes werde ich auf diesen Gegenstand näher eingehen können, doch die zweite der hier aufgeworfenen Fragen möchte ich vorher erledigt sehen. Die Ansicht, nach welcher die Appendices pyloricae der Pie- sorption dienen, wozu sie durch ihre Lage ganz besonders ge- eignet sein sollen, stützt sich auf den Nachweis eines Flimmer- besatzes, welchen die dem Schlauchlumen zu liegenden Zellen oft erkennen lassen. So interessant diese Angaben histologisch sein mögen, ebenso wenig sind sie in ihrer gegenwärtigen Fas- sung physiologisch verwerthbar. Um als Grundlage für Schlüsse 392 C. Fr. W. Kmkenberg: auf eine functionelle Bedeutung dienen zu können, muss vor allem der Nachweis erbracht sein, in welcher Richtung sich die Flim- mern bewegen; ob die Flimmerung vorzugsweise nach innen oder nach aussen gerichtet ist. Ich habe versucht, darüber bei Scorpsena scrofa Gewissheit zu erlangen, indem ich feines Kohlenpulver auf die Innenfläche der den lebenden Fischen ent- nommenen und aufgeschnittenen Pylorialanhänge brachte. Ein sicheres Resultat konnte ich aber bei dieser Versuchsanordnung nicht erzielen. Ein Werth für die Resorption wird der Flim- merung in diesen Organen um so weniger beizumessen sein, als die Flimmerung gerade bei dem Fische, bei welchem ich enzyma- tische Secrete in den Pylorialanhängen vermisste (nämlich bei Perca fluviatilis), nach L. Edinger vollständig zu fehlen scheint. Im Uebrigen widerspricht dem Ausspruche desselben Autors : „Epithelzellen mit Flimmerbesatz wurden bislang noch nie aus einer Drüse des Verdauungstractus beschrieben", die Literatur; denn viele derartige Angaben sind gemacht. So bil- den z. B, nach Gegenhaur (Untersuchungen über Ptero- poden und Heteropoden. Leipzig 1855. S. 11) bei Cr es eis acicula mehrfache Zelllagen, von denen die innerste Cilien trägt, die Auskleidung des Blindsackes, welcher nach ihm und Huxley das Analogon der Leber ist, und ebenfalls glaubt Gegen- haur (ibid. S. 82) in einem Leberacinus von Pneumodermon Wimperbewegung beobachtet zu haben. Nach Cheeli {B. Wagner'^ Handwörterbuch der Physiologie. Band I. S. 492) flimmert die Innenfläche der Leberbläschen bei Arenicola piscatorum, nach 0. Schmidt (Handbuch der vergl. Anatomie 6. Aufl. 1872 S. 221) wimpert „die secernirende Epithelialschicht" der Leber bei Cyclas Cornea, und die Flimmerzellen in dem Leberblindsacke von Am- phioxus lanceolatus waren schon J. Müller und ReUius be- kannt. Sehr richtig bemerkt deshalb L. Schmarda (Zoologie. Band I. 1871. S. 36): „Flimmerepithelien fehlen an Theilen, Zur Verdauung bei den Fischen. 393 WO man sie vermutlien sollte und kommen an anderen vor, ^Y0 sie ül)erflüssig erscheinen, oder schwingen in einer dem postulirten Zweck entgegengesetzten Richtung." Das Mitteldarmrohr zeigt in der Classe der Fische nicht weniger functionelle Dififerenzen als die Appendices pyloricae. Im Allgemeinen ergibt sich aus meinen Versuchen, dass, falls sich aus den Pylorialanhängen Trypsin gewinnen lässt, dasselbe auch aus der Schleimhaut des Mitteldarmes zu erhalten ist. Die einzige bekannte Ausnahme von dieser Regel bildet Acipenser Sturio, dessen Pylorialdrüse ein trypsinbildendes Organ ist, während die Darmmucosa kein Trypsin enthält. Während der pepsinbildende Bezirk des Vorderdarmes in den Pylorialanhängen meist sein Ende findet, erreicht die trypsinbildende Zone des Mitteldarmes nicht immer die Appendices pyloricae (Sargus R 0 n d e 1 e t i i , U m b r i n a c i r r h o s a) . Weniger abhängig erweist sich die Function der Darmschleimhaut von der Secretbildung in den vom Darmrohre separirten Drüsen (Leber, Hepatopankreas, Pan- kreas), welche desshalb auch erst später besprochen werden soll. Trypsin, keine Diastase und kein Pepsin liess sich nach der Kühne' scheu. Selbstverdauungsmethode aus dem Mitteldarme von Umbrina cirrhosa, Sargus Rondeletii (z.war nur Spuren) vmd Pleuronectes platessa erhalten. Trypsin, aber kein Pepsin ^) aus dem Mitteldarme von Lophius piscatorius, Dentex vulgaris, Scorpsena scrofa, Crenilabrus pavo (Spuren), Gobius jozo (Spuren) und von G ob ins niger. Aus dem Mitteldarme von Trachinus draco, Alausa finta und Motella tricirrhata erhielt ich ebenfalls tryptisch wirksame Auszüge. Ohne diastatische und eiweissverdauende Wirkung er- wies sich der Darm von Ob lata melanura, Chrysophys aurata, Pagellus erythrinus, Sparus salpa und von 1) Untersucliungeu auf eine diastatisclie Wirkung unterblieben hier. 394 C. Fr. W. Krukenberg: Labrax lupus. Pepsin wie Trypsin fehlte im Mitteldarm von Uranoscopus scaber. Die Uebereinstimmung in dem Enzymgehalte der Mitteldarm- auszüge und der Auszüge von den Pylorialanhängen ist in Be- rücksichtigung der schwankenden Grenzen des pepsin- und trypsin- bildenden Gebietes eine so vollständige, dass durch diese Unter- suchungen der Beweis geliefert sein dürfte, dass die Schleimhaut der Appendices pyloricae nicht nur im feinern Bau, wie die mi- kroskopischen Studien besonders von L. Edinger lehren, sondern auch in ihrer Function der Darmmucosa gleicht. Durch den Nachweis einer tryptischen Wirkung des Leber- auszuges bei Perca fluviatilis war von mir^) dargethan, dass ein Hepatopankreas nicht auf die Familie der Cypriniden im Vorkommen beschränkt ist. Die Erwartung, dass eine innige Durchdringung des Lebergewebes mit pankreatischen Drüsenzel- len sich bei Fischen sehr verschiedener Familien finden möchte, hat sich bestätigt. So ist die Leber von Belone rostrata (Scomberesociden), Labrax lupus (Pereiden), Crenila- brus pavo (Labriden), Dentex vulgaris (Pristipomatiden), Trigla hirundo (Trigliden), Sargus Ptondeletii (Spari- den), Gobius Jozo und niger (Gobiide n) ein Hepatopan- kreas. Bei Labrax lupus, Dentex vulgaris, Gobius jozo und niger besitzt auch die Galle eine fibrinverdauende Wirkung bei alkalischer Reaction; Ausführungsgänge der im Lebergewebe eingesprengten Pankreasacini münden demnach bei diesen Arten in die Gallenblase oder in Gallengänge vor ihrem Eintritt in die Gallenblase. Die auch von mir früher getheilte Ansicht, dass bei den Fischen Diastase nur im Hepatopankreas, nicht im reinen Leber- gewebe sich finde, dass sie mit Trypsin vergesellschaftet an 0 Vergleichend physiolog. Beiträge etc. Unters, a. d. physiolog. Inst, d. Univ. Heidelberg. Bd. IL S. 42. Zur Verdauung bei den Fischen. 395 die pankreatischcn Drüschen in diesem Vorkommen gebunden sei, beruht auf unvollständiger Induction. Es verhält sich, wie fortgesetzte Untersuchungen mich lehrten, das Lebergewebe der Fische nicht immer wie das der in dieser Hinsicht untersuchten Säuger. Die Leber der Fische kann sehr wohl ein Hepatopan- kreas sein, d. h. ein tryptisches Secret liefern, ohne zugleich Diastase zu bilden (Dentex vulgaris, Labrax lupus, Belone vulgaris), und andrerseits kann das Lebergewebe reichlich Diastase enthalten, aber frei von Trypsin sein (Pleuronectes platessa, Merluccius vulgaris, Chrysophys aurata, Ura- n ose opus sc ab er), Li den Leberauszügen von Trachinus draco, Oblata melanura, Umbrina cirrhosa, Mullus barbatus, Scorpsena scrofa, Motella tricirrhata, Lo- phius piscatorius, Sparus salpa, Gobius niger und von Pagellus erythrinus gelang mir weder der Nachweis von Trypsin, noch von Diastase. Durch diese Untersuchungen muss ich den Beweis auch dafür geliefert erachten, dass das diastati- sche Enzym keineswegs ein allgemein constantes Product der Fischleber ist. Derselben Unabhängigkeit von einander im Vor- kommen beider Enzyme begegneten wir bereits bei der Secret- bildung in dem Darme und den Pylorialanhängen. So enthielt der Darm von Umbrina cirrhosa, Sargus Rondeletii (wenn auch nur Spuren) und von Pleuronectes platessa zwar Tryp- sin aber keine Diastase, und dasselbe liess sich feststellen für die Appendices pyloricae von Trigla hirundo und Alausa finta, während in den Pylorialanhängen von Dentex vulgaris, Mo- tella tricirrhata und Lophius piscatorius sich beide En- zyme vergesellschaftet finden. Die Leberauszüge einiger Fische (Sargus Rondeletii, Trigla hirundo, Crenilabrus pavo, Gobius jozo) besassen sowohl eine tryptische wie diastatische Wirkung. Treffend bemerkt Claude 'Bernard, dass die diastatische "Wir- 39G C. Fr. W. Krukenberg: kung nichts wesentliches für ein Pankreas ist; es werden sich noch weitere Beweise für die Richtigkeit dieser Auffassung bei- bringen lassen. Vom Darmrohre und der Leber separirte, im Mesenterium «ingebettete Pankreasdrüschen konnte ich durch die tryptische Wirkung der wässrigen Auszüge bei Trigla hirundo, Zeus faber, Crenilabrus pavo, Oblata m ela nur a (geringe Wirk- samkeit), Lophius piscatorius, Caranx trachurus und Sargus ßondeletii nachweisen, während die wässrigen Aus- züge des Mesenteriums von Pleuronectes platessa, Motella tricirrhata und Alausa finta keine tryptische Wirkung auf rohes Fibrin bei 38 — 40'' C. äusserten. Ich ziehe aus diesen ne- gativen Befunden nicht den Schluss, dass den genannten Fischen das Pankreas fehle ; denn weitere Untersuchungen an dem Pan- kreas der Selachier ergaben, dass bei diesen Fischen, wo eine ausgiebige Pepsinproduction im Vorderdarme stattfindet, das Pan- kreas erst im spätem Alter zu functioniren anfängt. So lässt sich wenigstens meines Erachtens nur die Thatsache deuten, dass die Auszüge des Pankreas von jungen Selachiern tryptisch un- wirksam, die von alten Thieren hingegen sehr wirksam sich er- weisen. Eine andre Deutung dieser Befunde scheint mir dadurch, dass einige der jungen Selachier (Rajiden, Squatina ange- lus) vivisecirt wurden, und trotzdem kein tryptischer Auszug er- halten werden konnte, ausgeschlossen zu sein. Es ist nicht un- wahrscheinhch, dass besonders bei den Fischen, welche sich in der Energie ihrer Pepsinproduction den Selachiern nähern, ähn- liche Verhältnisse obwalten; dass die peptische Verdauung im Jugendzustande ausreicht, die aufgenommene Kost resorptions- fähig zu machen, dass erst im spätem Alter dem gesteigerten Nahrungsbedürfnisse durch eine der peptischen nachfolgende tryp- tische Verdauung weiter entsprochen wird. Beiläufig sei be- merkt, dass ich kürzlich auf Helgoland an lebenden Embryonen von Zur Verdauung bei den Fischen. 397 Acanthias vulgaris, welche ich dem Uterus entnahm, fest- stellen konnte, dass die Schleimhaut des Magens schon dann reichlich Pepsin enthält, wenn der Dottersack noch sehr volumi- nös ist, und es noch längerer Zeit bedarf, bevor die Embryonen ausgetragen sind. In 0.2procentiger mit Salicylsäure versetzter HCl verdaute das Glycerinextract der embryonalen Mägen so- wohl rohes wie gekochtes Fibrin bei 40 ''C. in wenigen Minuten. Bei Scyllium canicula, von dem mir mehrere sehr grosse Exemplare zur Verfügung standen, hat das Pankreas post mortem eine milchweisse Farbe, und der ihm dicht anliegende fleischrothe Drüsenwulst enthält kein Trypsin. Aus beiden Organen Messen sich diastatisch wirksame Auszüge nicht gewinnen. Das diastatische Enzym vermisste ich gleichfalls im Pankreas von Acanthias vulgaris; in der Pylorusdrüse von Acipenser Sturio war es aber in sehr wirksamer Menge vorhanden. Trypsin war weder in der Galle von Squatina angelus, Torpedo marmorata und Raja clavata, noch in dem wässrigen Leberauszuge dieser und andrer Selachier nachzuweisen. In der Classe der Fische kann zwar die Säurebildung und die damit verbundene Pepsinproduction ausfallen, es kann auch das bei alkalischer und neutraler Pieaction wirkungsfähige Enzym (Trypsin) fehlen, aber nie besitzt der Darminhalt bis zum After hin eine saure Reaction, sondern früher oder später wird er im Mitteldarme durch die Galle alkalisirt. Anders wird es z. B. bei einigen Mollusken sein. Vollkommen unrichtig ist die Behauptung von Bahiiteau und Tapillon'^)^ dass „der pankreatische Saft der Rochen, wie alle andern Flüssigkeiten dieser Thiere eine constante saure Be- schaffenheit zeigt". Die Galle z. B. ist bei diesen Fischen stets 1) Babuteau et Papillon, Observations sur quelques liquides de l'orga- nisme des poissons, des crustaces et des ceplialopodes. Compt. read. LXXYII. 1873. p. 136. 398 C. Fr. W. Krukenberg: alkalisch, und aucli der Mitteldarminhalt besass bei zwei ver- schiedenen Raja arten, welche ich viviseciren konnte, eine ausge- prägte alkalische Reaction. Ich werde bald Gelegenheit haben, das Pankreas der Rochen auf die angeblich saure Beschaffen- heit nachzuuntersuchen. Ueberblicken wir jetzt die an etwa 50 verschiedenen Fisch- arten gewonnenen Resultate, so bieten dieselben trotz ihrer Un- vollkommenheit , welche schon durch die Schwierigkeiten der Untersuchung gegeben ist, wenigstens einen geringen Anhalt für eine einigermassen experimentell begründete Ansicht über die Function und den Werth der Pylorialanhänge. Den Fischen, deren Magendrüsen reichlich Pepsin enthalten, und welche dieses Enzym in bedeutender Menge auch wohl secerniren ■werden (Selachier), sowie den Arten, bei welchen das Pankreas zur grössern Ausbildung gelangt ist (Cypriniden), fehlen im All- gemeinen die Appendices pyloricae ^), oder sie sind bei ihnen nur schwach entwickelt (Lophius, Perca). Wie schon oft hervor- gehoben wurde, besteht eine durchgreifende Abhängigkeit zwi- schen ihrer Ausbildung und der eines Pankreas, insofern sich beide im Vorkommen gegenseitig ausschliessen, aber nicht. Die Länge des Darmes scheint auf ihre Ausbildung keinen Einfluss zu haben, und ihre Function wie der histologische Bau weichen von denen des Mitteldarmes nicht wesentlich ab. Nach diesen Ergebnissen wird den Pylorialanhängen eine grosse physiologische Bedeutung kaum zukommen. Ich glaube, dass ihr functioneller Werth nur darin. zu suchen ist, dass ihr Secret den Speisebrei bei seinem Eintritte in den Darm gleitbarer und compacter macht (Perca), dass sie entsprechend ihrer Aus- bildung und Secretionsenergie auch der enzymatischen Darmver- dauung dienen und in Folge dessen, besonders bei den Fischen, Eine Ausnahme macht Acipenser Sturio. Zur Verdauuni? bei deu Fischen. 8!)9 welchen ein Pankreas fehlt, eine weitere Verarbeitung des Darm- inhaltes bei alkalischer Reaction ermöglichen oder, da in diesen Fällen meist auch die Mucosa des Mitteldarmes selbst enzyma- tische Secrete liefert, durch ihre Secrete zur Ausgewinnung der Darmcontenta beitragen. Wie ich durch Fütterungsversuche mit Zinnober und Ultramarin gefärbter Kost bei Perca fluviatilis gezeigt habe^), ist der Abfluss des Chymus in dieselben nicht so bedeutend, dass man sie ausschliesslich als Resorptionsorgane auffassen kann. Ein tieferer Einblick in die functionelle Bedeutung dieser An- hänge, eine nähere Beziehung zwischen ihrer Ausbildung und der der übrigen secretorischen Bezirke lässt sich nur aus eingehen- den vergleichend physiologischen Untersuchungen gewinnen, welche sich nicht nur auf die Enzymsecretion , die Resorptionsvorgänge und das Nahrungsbedürfniss beschränken, sondern auch den all- gemeinen Stoffumsatz bei den Fischen klar zu legen vermögen. Die Verbreitung: der Verdaimugseiizjme in dem Darme und dessen Drüsen bei den Fischen. Selachier. Squalides. Vordcr- dann Appen- dices pylori- cae Mittel- darm -) Leber resp. Ilepato- pan- kreas Pan- kreas ** 1 ^ .e 1 J- 1 1 ■ S 1 -^ 1 £^ -S & Scj'llium canicula + + + + 0 0 0 0 + + + 0 0 0 0 ■? V 0 0 0 0 0 0 ö 4 Mustelus vulgaris .... — + Acauthias vulijaris + Squatina augelus (junges Explr.) . • 0 1) Versuche z. vergl. Physiologie der Verdauung etc. 1. c. S. 310. ■-) Als Mittcldarm hezeichne ich in Uebereinstiinmung mit den meisten ver- gleichenden Anatomen den Darmabschnitt vom Pylorus bis zum Enddarme. Wird der Mitteldarm, was vergleichend physiologisch i-ichtiger sein dürfte, erst von der 400 C. Fr. W. Krukenbei-flf : Rajicles. Vorder- darm Appen- dices pylori- cae Mittel- darm Leber resp. Hepato- pan- kreas Pan- kreas S iS, S «> a ß^ .1 -2 c2 S .2 Si Torpedo marmorata + 'o — - - + 4- + 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 + -f Eaja clavata „ miraletus ;, Scliultzii Trygon pastinaca + + 0 0 0 0 tranoiden. Acipenser Sturio . • • • |o|+|o|+|+|+i . l-fl 0-1 ? I 0 I . |on Teleostier. Pliysostomi. Anguilla aiiguilla . Conger vulgaris . . Clupea sardina . . Alausa finta . . . Esox lucius . . . Cyprinus carpio . . Tinea vulgaris . . Barbus fluviatilis . Leuciscus melanotus Cobitis fossilis . . Anacanthini. Merlnccius vulgaris 4- 0 0 4- + ö ö + + + + 0 0 0 6 0 + — Motella tricirrliata _ PJiombus maximus Pleuronectes platessa Belone vulgaris ....... + Mündung der Gallengänge an gereclinet, so ist der Mitteldarm wenigstens vieler Selachier frei von pepsin bildenden Zellen, da diese nur auf den Anfangstheil des- selben im Vorkonamen beschränkt sind. Auch Oegenhaur (Bemerkungen über den Vorderdarm niederer WirbelthJere. Morph. Jahrb. Bd. IV, Heft 2. 1878. S. 314—319) befürwortete jüngst, den Anfang des Mitteldarmes an die Mündung der Gallengänge zu verlegen. 1) Die S. 396 erörterten Verhältnisse bei den Selachiern nöthigen aber zu einer Nachuntersuchung an alten Thieren. 2) Als Versuchsobject diente nur ein kleines Exemplar, so dass es wünschens- werth ist, die Versuche an älteren Karpfen zu Aviederholen. 3) Cf. Vergl. physiol. Beiträge etc. 1. c. S. 10 Anm. Zur Verdauung bei den Fischen. 401 Acanthopteri. Vorder- (laini Appeii- clices pylori- cae Mittel- danii Loher- ies p. lleputo- luiii- kreas Pan- kreas Crenilabrus pavo. . l'erca tluviatilis . . Labrax lupus . . Dentex vulgaris . . MuUus barbatus Bops vulgaris . . Oblata melauura Sargus Eoudeletii . l'agellus erythrinus Cbrysopliys aurata Scorpcena scrofa . Trigla liirundo . . Ui'auoscopus scaber Trachinus draco Umbrina cirrliosa . Tliynnus vulgaris . Zeus i'aber . . . C'aranx tracliurus . Gobius uiger . . . Gobius jozo . . . Cepola rubescens . Mugil cepbalus . . Lophius piscatorius 0 0 + ! + ! + 0 0 + 0 0 + + + 0 + + Spur. ! -f 0 i 0 0 0 + ! + 0 i 0 + 1 0 0 0 Spur. + + iO 0 0 0 0 Spur. + 0 0 + + + + + + + Kühne, Untersuchungen II. 402 C. Fr. W. Krukenberg: lieber die Verdaimngsvorgänge bei den Cepha- lopoden, Gastropoden und Lamellibranchiaten. Von C. Fr. W. Krukenberg. Die Verclauungssecrete der Mollusken bieten meinen Unter- suchungen gemäss viel Uebereinstimmendes mit denen der Arthro- poden, wenn schon die eiweissverdauenden Enzyme bei beiden Typen nicht identisch sind. Bei den Arthropoden wie bei den Mollusken bildet die Leber resp. deren Analogon ein Secret, welches oft mehrere eiweissverdauende Enzyme und meist auch Diastase enthält. Während aber die über etwa zwanzig Species ausgedehnten Versuche bei den Arthropoden im Allgemeinen eine grössere Constanz des tryp tischen Enzymes erkennen Hessen, so deutete die zwar geringere Zahl von Beobachtungen bei den Mollusken auf eine grössere Constanz des peptischen hin. Spä- tere Untersuchungen, deren Ergebnisse ich schon früher^) theil- weise mitgetheilt habe, konnten diese Anschauung nur befestigen, und die Mannigfaltigkeit des Beobachtungsmateriales, welches Cephalopoden, Gastropoden und Lamellibranchiaten, Salz-, Süsswasser- und Landformen umfasst, berechtigt jetzt da- zu, diesen Satz als bewiesen anzusehen; zwar nicht in der Art, dass er die Existenz von Molluskenarten, welche ausschliesslich auf eine tryptische Verdauung der Eiweissstoffe angewiesen sind, in Abrede stellt, sondern indem er diese Fälle den übrigen, bei 1) Zur Verdauung bei den Krebsen. Unters, a. d. physiol. Inst. d. Univ. Heidelberg. Bd. IL S. 271. Verdauung der Cephalopoden, Gastropoden u. Lamellibranchiaten. 403 welchen sich ein peptisches oder ein peptisches und tryptisches Enzym im Leberseciete findet, gegenüber als Ausnahmen bezeichnet. Ausser dem natürlichen Verdauungssafte benutzte ich zu meinen Versuchen die Glycerinauszüge der Lebern. Die Einwirkung auf das Fibrin erfolgte bei einer constanten Temperatur von 38 — 40° C, und die dialysirten Extracte dienten in mitgetheilter Weise ^) zur Prüfung auf Diastase. Bei Thymol- resp. Salicylsäurezusatz wurden, wenn Vorversuche mit nicht so conservirten Proben eine Fibrinverdauung erkennen liessen, die Versuche ausgeführt, welche, durch Controlproben mit den gekochten und darauf al)- gekühlten enzymatischen Gemischen gestützt, nur in seltenen Fällen das Resultat der Vorprüfung modificirten. Die Verdauung der einzelnen Flocke im Pieagensglase, welches etwa 15 — 25 gr. Flüssigkeit enthielt, erfolgte innerhalb 1 — 8 Stunden; trat eine Wirkung erst später ein, ohne dass jedoch Anzeichen von einge- tretener Fäulniss vorhanden waren, oder blieb sie bei Salicylsäure — resp. Thymolzusatz aus, so ist dieses Verhalten in beige- gebener Tabelle statt durch das übliche Kreuz durch die Bezeich- nung schwach angedeutet, ohne dass ich damit diesen, zwar nur wenigen Fällen irgend eine Bedeutung beilege. Es bedürfen die in der Tabelle aufgeführten Daten kaum einer weitern Erläuterung und gestatten eine kürzere Auseinandersetzung meiner Versuche. TroscheVs Entdeckung der intensiv sauren Beschaffenheit des sog. Speichels von Doli um galea hat allgemein interessirt, und oft ist, seitdem man durch Baedeker dessen quantitative Zu- sammensetzung erfuhr, der Wunsch rege geworden, über seine Function und organischen Bestandtheile Näheres in Erfahrung zu bringen. Das Vorkommen ähnlicher „acidogener Drüsen" am Vorderdarme wurde später von S. de Liica und P. Pancerl bei *) Vergl. pliysiolog. Beiträge zur Keuntuiss der Verdauimgsvorgänge. Ibid. S. 15. 404 C. Fr. W. Krukenberg: mehreren anderen Gastropoclen gleichfalls nachgewiesen^); Be- merkenswerthes für die Aufklärung der Function dieses seltsamen Secretes wurde seitdem aber nicht geleistet. Mehr und mehr ge- wann der Vergleich mit dem sauren Lebersecrete vieler anderer Mollusken an Berechtigung, dessen Reaction durch die Ent- deckung eines peptischen Enzymes in ihm verständlich wurde. Ich hielt mich für berechtigt, die Bezeichnung dieser acidogenen Drüsen bei Dolium, Cassidaria etc., als Speicheldrüsen abzu- weisen, und, indem ich gleichfalls darauf verzichtete, nach einer Analogie bei den Verte braten zu suchen, verglich ich sie functionell mit den säurebildenden Lebern anderer Mollusken. Wie weit dieser Vergleich begründet, ob er nur physiologisch oder auch morphologisch berechtigt, ob er gaiiz oder nur theilweise giltig ist, liess ich unerörtert; denn nur eingehendere Unter- suchungen konnten darüber Belehrung geben. Versuche in dieser Richtung unternommen führten mich nun zu so unerwarteten und neuen Thatsachen, dass es hier wohl am Platze ist, auf dieselben näher einzugehen. Durfte es schon als sicher gelten, dass auch bei den Mollusken die En- zymbildung ausschliesslich einer diffus oder compact entwickelten Leber zufällt, so war doch keineswegs die Möglichkeit ausge- schlossen, dass die für eine pep tische Verdauung nothwendige Säureproduction von mehreren Organen besorgt wird, zumal bei verschiedenen Classen und Arten der Mollusken ausser der Leber noch andere Drüsen am Darme nachgewiesen waren, welche aus Unkenntniss der erst durch die vergleichend physiologische 1) Troschel fand im Darme von Dolium g a 1 e a Tang mit verschiedenen, von Saure noch nicht angegrilfenen Kalkresten und glaubte desshalb an- nehmen zu dürfen, dass das Secret der acidogenen Drüsen unter normalen Ver- hältnissen gar nicht in die tiefer gelegenen Abschnitte des Digestionstractus gelange, sondern als Vertheidigungsmittel anzusehen sei. Dieser Auffassung ist von de Luca und Panceri widersprochen, welche freie Schwefelsäure auch in den Darmampullen bei Dolium galea nachweisen konnten. Verdauung clor Ceplialopoclen, Gastrnpoden u. Lamellibrancliiaton. 405 Forschung erschlossenen Verliältnisse meist als Pankreas gedeutet waren. Die nicht immer wahrnehmbare saure Reaction des LebergewTbes konnte diese Vermuthung an sich zwar nicht be- kräftigen, da ich nach meinen und den Befunden anderer Autoren annehmen muss, dass die Säurebildung in den Lebern der Mollus- ken keine stetige^) ist. Die unteren Pharynxdrüsen ^) fand ich bei einer lebenden Eledone von fast neutraler, jedenfalls nicht saurer Pieaction, und die Vorderdarmdrüsen von Helix pomatia reagirten alka- lisch: es dienen diese Drüsen demnach unzweifelhaft einer ganz andern Function als die ähnlich gelagerten, acidogenen Drüsen von Dolium und Cassidaria. Wider Erwarten konnte ich aber eine constante saure Beschaffenheit an den Lebergangsdrüsen von Sepia officinalis und Eledone moschata nachweisen, an Drüsen, welche ich anfangs als reine Schleimdrüsen ansprechen zu müssen glaubte. Enzyme lassen sich, wie ich schon früher berichtete, und wovon icli mich später abermals überzeugte, aus diesen Drüsen ebensowenig wie aus dem sog. Pankreas von Doris tuberculata^) extrahiren, deren Lage auch dafür bürgt, dass ihr ^) Eine entschieden saure Beschafl'euheit des Lehergewebes fand ich ausser bei einigen P u 1 m o n a t e n constant nur bei H a 1 i o t i s t u b e r- c u 1 a t a. '^) M. Dietl (Uel)er Speicheldrüsen der Eledone moschata. .Sitzungsb. d. k. Ac. d. Wiss. in Wien. 1878, S. 58) berichtet, dass sich die obern und untern Pharynxdrüsen bei Eledone gegen Kupfersulfatlösung verschieden verhalten, und schliesst daraus, dass beide Drüsenpaare verschiedenen physio- logischen Functionen obliegen. Ich finde DietPs Angaben bestätigt, nnd sein Schluss wird um so berechtigter erscheinen, als auch bei Insecten (Apis, F 0 r m i c a) die beiden Yorderdarmdrüsenpaare verschieden func- tioniren. Nach P. Bert (Mem. de la Soc. des sc. phys. et nat. de Bordeaux. I. V. 1857. p. 115) secerniren die Speicheldrüsen von Sepia officinalis eine saure P'lüssigkeit, welche der Verdauung dienen soll. ^) ./. Älder and A. Hancocl; A Monograph of the British Nudibran- chiate Mollusca. London. 1845. PI. II, Fig. 1 i. 406 C. Fr. W. Krukenberg: Secret der Darmverdauung dient. Es ist eine höchst interessante Thatsache , dass bei einigen Mollusken die Säurebildung in anatomisch verschiedenen Organen geschieht, während hingegen eine Differenzirung in anatomisch verschiedene enzymbildende Drüsen nicht sicher nachgewiesen werden konnte. Mit grosser Spannung erwartete ich die Resultate, welche^) die Versuche über den Enzymgehalt der acidogenen Drüsen von Cassidaria echinophora liefern sollten. Musste ich mich, da mir Dolium galea nicht zur Verfügung stand, schon mit dieser kleinern Art begnügen, so durfte ich doch wohl annehmen, dass die Verhältnisse bei Dolium und den andern Arten in dieser Be- ziehung von denen bei Cassidaria nicht erheblich abweichen; denn das Secret der acidogenen Drüsen von Cassidaria ist kaum weniger sauer als das von Dolium, und die Drüsen be- sitzen eine beträchtliche Grösse. In kurzer Zeit hatte ich einen ziemlichen Vorrath dieser Schnecken zusammengebracht; ich präparirte sehr vorsichtig die Drüsen, ohne irgendwie das Darm- rohr zu verletzen, aus ihren Behältern, presste aus einem Theile derselben das saure Secret heraus, während ich einen anderen Theil in Glycerin conservirte. Einen Theil des Presssaftes ver- dünnte ich mit ein wenig Wasser, filtrirte und brachte alsdann in die stark saure Flüssigkeit eine Elocke rohen Fibrins; die- selbe war nach 30 Stunden noch unverdaut, und es schien somit ein peptisches Enzym in diesem Secrete zu fehlen. Ganz das- selbe negative Ergebniss hatten die Versuche mit den wässrigen 1) um Irrthüraern vorzubeugen, sei erwähnt, dass bei Cassidaria jede einzelne des sog. Speicheldrüsenpaares in zwei Abtheilungen zerfällt, von denen Troschel die vordere als eigentliches Absonderungsorgan, die hintere als Secretbehälter auffasste. Eine genaue Trennung war bei Cassidaria schwer ausführbar und schien mir, da beide Abtheilungen gleich sauer rea- girten, überdiess nutzlos zu sein, wesshalb beide Drüsentheile gemeinschaft- lich verarbeitet wurden. Verdauung der Cephalopoden, Gastropoden u. Lamellibraucliiaten. 407 Extracteii der Drüsen zur Folge, und auch Glycerin nahm nach dreiwöchentlicher Einwirkung aus den zerkleinerten Drüsen kein peptisches Enzym in sich auf. Wurde der Presssaft oder der wässrige Auszug der Drüsen durch Soda schwach alkalisirt, so zeigte er nach 24 Stunden keine verdauende Wirkung auf rohes Fibrin bei 40° C, und die Versuche mit dem Glycerinextracte lieferten ebenfalls keine Resultate, welche für die Gegenwart eines tryptischen Enzymes irgendwie sprechen könnten. Dass die Diastase in einem Secrete, dessen Gehalt an anorganischen Säuren einige Procente betragen soll, fehlt, stand zu erwarten, und der saure oder schwach alkalisirte Presssaft, sowie der schwach alka- lisirte Glycerin auszug der Drüsen waren auch thatsächlich bei 40 "^ C. auf gekochte Stärke nach zweistündiger Einwirkung voll- ständig unwirksam. Es lehren diese Versuche, dass die acidogenen Drüsen von Cassidaria keine Enzymdrüsen sind, dass sie mit den Lebern nur die Function der Säurebildung theilen und den acidogenen Drüsen am Gallengange der Cephalopoden viel- leicht vollkommen analoge Bildungen darstellen. Auch ihr Secret könnte dazu beitragen, die aufgenommene Nahrung der peptischen Verdauung zugänglich zu machen ; denn auch der Leberglycerin- auszug von Cassidaria enthält nur ein peptisch die Eiweiss- substanzen veränderndes Enzym. Die Säurebildung ist bei den Mollusken etwas ganz Allgemeines; sie hat an sich nichts Auffallendes mehr. Wunderbar ist hier nur der Säurereichthum und die grosse Quantität des Secretes, deren Deutung durch einen Nutzen bei der Verdauung nicht geliefert wird. Am Vorder- darme von Murex trunculus und brandaris vermisste ich die acidogenen Drüsen, obschon sie sich nach de Liica und Pcaiccri'^) auch bei diesen Arten finden sollen; die Drüsen, welche ich bei 1) S. de Luca et P. Panceri., Reclierches siir la salive et sur les br- ganes salivaires du Dolium galea. Comptes rendus. 1867. T. LXV, p. 712—715. 408 C. Fr. W." Krukenberg: den Mureciden an entsprechender Stelle fand, reagirten auf der Schnittfläche nicht sauer, sondern neutral oder schwach alkahsch. Unmittelbar hinter den acidogenen Drüsen am Munddarme der Cassidaria lagert ein zweites Drüsengebilde, von länglicher Form, compactem, fleischigem Aussehn und von nicht weniger räthselhafter Bedeutung. Nach seinem Entdecker führt es den Namen des Delle Chiaje' sehen Organes. Unter dem Mikroskope zeigt es einen spiralig gewundenen, lamellösen Bau und scheint zwei verschiedene Drüsenelemente zu enthalten, von denen die an der Aussenfläche vielleicht aber auch nur ein späteres Stadium der mehr central- wärts gelagerten darstellen. Ob das Delle Chiaje'sche Organ als eine Enzymdrüse dem Verdauungsgeschäfte dient, ist mir zweifel- haft geblieben. Es besitzt der Glycerinauszug desselben, welcher allein der Untersuchung unterworfen wurde, eine geringe peptische Wirkung auf rohes Fibrin. Die richtige Deutung dieses Befundes ist sehr unsicher, weil das Organ direct in das Darmlumen hinein- ragt, und in Folge dessen das peptische Enzym leicht aus dem Darmrohre resorbirt sein konnte. Die Untersuchung des Glyce- rinauszuges von dem analogen Gebilde bei Trochus zizyphinus ergab ein gleiches Resultat, und obschon die peptische Wirkung auf rohes Fibrin bei Salicylsäurezusatz innerhalb 4 — 6 Stunden bemerkbar wurde, so ist auch hier aus dem angegebenen Grunde die Deutung unsicher. Nur bei wenigen Mollusken fand ich im Lebergewebe ein tryptisches Enzym; so ausser bei Cephalopoden und Lima- eiden, bei Trochus zizyphinus, Pecten Jacobaeus, Pecten varius und glaber, Scrobicularia piperata, und auch bei Turbo rugosus dürfte es im Lebergewebe vorhanden sein, ob- gleich eine Wirkung auf rohes Fibrin erst nach etwa 10—12 Stunden in 2 procentiger Sodalösung ersichtlich war. Eine Fähig- keit, gekochtes Fibrin bei alkalischer Reaction zu verdauen, be- sass keiner dieser Leberglycerinauszüge. Der neutrale Verdau- Verdauung der Ceplialopoden, Gastropodeu u. Lamellibranchiaten. 409 migssaft aus dein Darme von Loligo vulgaris verdaute rolies Fibrin sowohl in thymolisirter 1 procentiger Sodalösung als in 0.1 procentiger Salzsäure und 2 procentiger Essigsäure während weniger Stunden. Er eignete sich sehr zur Beweisführung, dass zwei eiweissverdauende Enzyme in dem Verdauungssafte mancher Mollusken vergesellschaftet vorkommen. Wurde derselbe auf einen Gehalt an 0.2 pCt. HCl gebracht, 4—6 Stunden bei 40*^ C. digerirt, und dann durch Soda alkalisirt, so hatte er seine Fähig- keit, rohes Fibrin bei alkalischer Reaction zu verdauen, einge- büsst. Andrerseits gelang es meist in viel kürzerer Zeit, das peptische Enzym in dem auf einen Gehalt an 2 pCt. Soda ge- brachten Verdauungssafte durch Digestion bei gleicher Temperatur zu zerstören. Der Beweis wurde in dieser Weise für das Leber- secret der Limaeiden und der übrigen Cephalopoden früher nicht geliefert. Das damals von mir eingeschlagene Beweisverfahren durch Vergleich, welches später auch bei den Krebsen vortheil- hafte Anwendung fand, gewinnt jetzt gleichfalls durch die Summe des untersuchten Materials mehr an Bedeutung; denn die tabella- rische Uebersicht lehrt, dass den Leberauszügen der meisten darauf untersuchten Mollusken die Fähigkeit, rohes Fibrin bei alkalischer oder neutraler Reaction zu verdauen, auch nach mehre- ren Tagen vollständig fehlte. Die Auszüge enthielten nur ein oder vielleicht auch mehrere peptische Enzyme, deren Gesammteffect auf rohes Fibrin bei Zusatz verschiedener Säuren in der Tabelle verzeichnet ist und nicht näher interpretirt werden kann, da uns die Mittel fehlen, verschiedene peptisch wirkende Enzyme hinlänglich von einander zu sondern. Dass die in sauren Verdauungsgemischen erzielten Effecte nicht auf ein einziges peptisch wirkendes Enzym bezogen werden können, dürfte durch den Vergleich der mittelst der Leberauszüge von Haliotis tuberculata und den Pecte- niden erhaltenen Ergebnisse mit denen der übrigen Mollusken- lebern hinreichend klar werden. Die Eigenschaften der Lebergly- 410 C. Fr. W. Krukenberg: cerinextracte von den Pecteniden sind die des Concliopepsins der Mytiliis edulis; diese Uebereinstimraung documentirt sich durch die verdauende Wirkung auf gekochtes Fibrin bei Essigsäurezu- satz und durch die Zerstörbarkeit der enzymatischen Wirkung durch Oxalsäure. Das Glycerinextract der Lebern von Haliotis tuberculata weicht in seinen enzymatischen Eigenschaften von den Leber- secreten der übrigen Mollusken wesentlich ab; denn es besitzt die Fähigkeit, ausser in Essigsäure (4 pCt.) — auch in sehr schwachen Weinsäurelösungen (0.5 pCt.) gekochtes Fibrin lang- sam zu peptonisiren. Bei keinem andern Typus machen sich so grosse Schwankungen in der peptischen Wirkungsweise der Leber- auszüge verschiedener Arten bemerkbar als bei den Mollusken. Auch den Leberglycerinextracten von Turbo rugosus, Pectun- culus pilosus, Solen siliqua, Pholas dactylus und Mactra stultorum scheint eine Wirkung aufgekochtes Fibrin bei Zusatz verschiedener organischer Säuren nicht ganz zu fehlen; begnügen wir uns aber zur Zeit mit dem Nachweise einer peptischen Wirkung in diesen Molluskensecreten; denn unsere Extractionsmethoden sind zu unvollkommen, um tiefere Einblicke in diese jedenfalls nicht wenig complicirten Verhältnisse zu gestatten. Meine Versuche beschränkten sich nicht nur auf die Ver- dauung einzelner Fibrinflocken, sondern auch grössere Quantitäten in O.lprocentiger HCl gequollenen Fibrins unterwarf ich bei 40° C. der Einwirkung verschiedener Leberextracte. Die Ver- suche wurden in schon beschriebener Weise *) ausgeführt ; ein halbes Liter O.lprocentiger HCl, welchem soviel rohes, ausge- presstes Fibrin hinzugefügt war, dass eine steife Gallerte entstand, bildete eine Portion. Je eine der fünf Portionen versetzte ich mit etwa 8 — 10 gr. des Glycerinauszuges der Lebern von Doris ij Zur Verdauung bei den Krebsen, 1. c. S. 263. Verdauung der Cephalopoden, Gastropodeu u. Lamellibranchiaten. 411 tuberculata, Pecten JacobiTeus, Turbo rugosus, Pholas dactylus oder von Lithodomus lithophagus und sah im Laufe des Tages regelmässig die vollständige Auflösung der Masse zu Stande kommen. Die durch das Leberextract von Doris ver- daute Masse wurde dialysirt, und im Dialysate waren reichliche Mengen von Peptonen durch Natronlauge und Kupfervitriol, sowie durch das 3Iillonsche Reagens nachweisbar. Auch der Diastasegehalt der Lebern wechselt bei verschie- denen Arten. Die Versuche wurden mittelst der dialysirten Gly- cerinauszüge ausgeführt, und sie ergaben für die Lebern von Fissurella costaria, Turbo rugosus, Doriopsis limbata, Doris tuberculata und von Lithodomus lithophagus bei 40° C. innerhalb zwei bis drei Stunden nur eine zweifelhafte saccharificirende Wirkung auf gekochte Stärke. Versuche, welche mit den nicht der Dialyse unterworfenen Auszügen angestellt und durch entsprechende Begleitversuche mit den gekochten Proben controlirt wurden, Hessen zwar Spuren von Diastase auch in den Lebern dieser Arten erkennen; die Mengen derselben sind aber so gering, dass sie durch eine halbtägige Dialyse im fliessenden Wasser vollständig ausgewaschen werden. In den Lebern von Trochus zizyphinus, Murex brandaris und trunculus misslang der Nachweis von Diastase aber auch in den nicht dia- lysirten Auszügen. Alle übrigen daraufhin untersuchten Mollusken- lebern enthielten reichlich Diastase. Während sich in den meisten Fällen unschwer der Leber- auszug eines Arthropoden von dem eines Mollusken, Wurmes, Echinodermen oder eines Verteb raten durch seine enzyma- tische Wirkung auf die Eiweisskörper unterscheiden lässt, und die einzelnen Typen des Thierreichs auch in dieser Hinsicht eine ziemhch scharfe Trennung zu erkennen geben, so ist es unmög- lich, sowohl die Eigenschaften der eiweissverdauenden Enzyme der Mollusken von denen der Cölenteraten abzugrenzen, als 412 C. Fr. W. Krukenberg: auch für die einzelnen Classen des Molluskentypus charakte- ristische Unterschiede derselben nachzuweisen. Verschiedenheiten der bei Wirbelthieren und bei Wirbellosen sehr verbreiteten diastatischen Enzyme sind noch nicht aufgefunden. Das Glycerinextract der Vorderdarmschleimhaut von Turbo rugosus, welche ihrer Falten wegen von Souleyet ah Ersatz der Speicheldrüsen angesehen wurde, erwies sich frei von Diastase und besass keine fibrinverdauende Wirkung in 1 procentiger Soda- lösung; in 1 procentiger HCl wurde die Fibrinflocke während der Nacht verdaut, doch ist es mir wahrscheinlich, dass diese pep- tische Wirkung von geringen, aus dem Verdauungssafte im Darme resorbirten Enzymmengen herrührt. Bei Murex brandaris liegen in der Umgebung des Mund- darmes ausser den sog. Speicheldrüsen noch andere wohl ent- wickelte Drüsenmassen, vielleicht dem Delle Chiaj ersehen Organe der Cassidaria und anderer Arten vergleichbar. Auch in diesen finde ich weder ein diastatisches noch ein tryptisches (Unwirk- samkeit des Glycerinauszuges in 1 procentiger Sodalösung) Enzym. Frei von Pepsin, Trypsin und Diastase erwiesen sich ferner die Gefässdrüsen^) von Doris tuberculata, sowie der Purpursaft und das Glycerinextract des Drüsenfeldes, welches dieses Secret bei Aplysia depilans bildet. Ebenso wenig wie diese Gebilde darf das Bojanus''sche Organ von Spondylus gaederopus als Enzymdrüse bezeichnet werden, da in ihm gleichfalls ein pep- tisches, tryptisches und diastatisches Enzym fehlt. Die Concremente aus dem Bojanus'schen Organe von Pinna squamo sa enthalten keine Harnsäure; diese fand sich aber in Form lebhaft roth gefärbter Einzelkrystalle oder Krystallgruppen in den durch Alkohol conservirten Venenanhängen eines Cepha- lopoden. Die Literatur enthält eine grosse Zahl von Angaben ') J. Älder and A. Hancock, 1. c. PI. II, Fig. 1. s. s. Verdauung dei' Cephalopoden, Gastropoden u. Lamellibranchiaten. 413 über das Vorkommen von Harnsäure bei den Mollusken, von denen viele durch andere Experimentatoren später nicht bestätigt werden konnten; ich Iialte es deshalb für nothwendig, eine ver- grössertc, naturgetreue Copie ^) der Harnsäureformen aus den Venenanhängen eines Cephalopoden hier zu geben. Hariisilure aus den sog. Vencnanhilngen eines Cephalopoden (bei Hiirtuiirk IV. und Ocular 3). Ausser den Rosette nbildungen und den abgerundeten Ecken an den Einzelkrystallen bietet die Harnsäure in diesem Vor- kommen zwar nichts Typisches; denn die für die Harnsäure so sehr charakteristischen Wetzsteinformen fehlten in meinen Prä- paraten. Die Murexidprobe^) gelang in ausgezeichneter Weise, wovon sich ausser mir noch mehrere Herren überzeugten. Unter- sucht man die Venenanhänge von Sepia officinalis in ganz ') Die Coiitouren wurden mittelst des Oberhfsuser'' sehen Zeichnenpris- mas entworfen. 2) Die Murexidprobe wurde in bekannter Weise so ausgeführt, dass ich ein Körnchen des Inhaltes der Veneuanhänge auf einem Porzellanscherben mit einigen Tropfen Salpetersäure bei massiger Erwärmung verdampfte. Der für Harnsäure charakteristische rothe Verdampfungsrückstand nahm auf Zusatz eines Tropfens Natronlauge eine prachtvolle violette und auf Zusatz eines Tropfens Ammoniakflüssigkeit Purpurfärbung an. 414 C. Fr. W. Krukenberg: frischem Zustande, so findet man darin nach Harless^) auch Kugeln von strahliger Structur, getränkt mit einer röthlichen Flüssigkeit. Tritt dieser Farbstoff aus den Kugeln aus, so schiesst er in schönen, grossen Krystallen von Harnsäure an und die beim Austritt des Farbstoffs zurückbleibenden Gerüste bestehen aus kohlensaurem Kalk und einer Kieselverbindung. Auf ein anderes sonderbares Gebilde, welches sich bei mehreren Lamellibranchiaten und Cephalophoren findet, auf den Krystallstil konnte ich gleichfalls meine Untersuchungen ausdehnen. Es ist dies in den meisten Fällen ein durchsichtiger Gallertstab, welcher das Lumen eines (bei einigen Arten sehr entwickelten) Darmblindsackes oder, wenn dieser fehlt, das Darm- rolir selbst an manchen Stellen fast vollständig ausfüllt und so die Speisemassen zwingt, in möglichst naher Berührung mit den Darmwänden das Verdauungsrohr zu passiren. Erklärungen der Function dieses elastischen Darmpfropfes wurden oft versucht, und nur die bemerkenswerthesten derselben sind hier kurz zu- sammengestellt^). Eine ansehnliche Zahl von Krystallstilen, vor- 1) Harless, Ueber die Nieren der Sepia oder die sog. Venenanliänge. JErichsons Archiv für Naturg. Jahrg. XIII, Bd. I. 1847. S. 1 und Taf. I. 2) Nach PoU (Testacea utriusque Siciliae. I, b. 41), seinem Entdecker, dient der Krystallstil zum temporären Verschluss wenigstens einiger Leber- mündungen, um den Eintritt der Galle in den Magen zu beschränken. /. F. Meckel (System der vergl. Anat. Bd. I, S. 134 und Bd. IV, S. 168) hingegen ist es wahrscheinlicher, dass er eine Andeutung der Zunge der Cephalophoren, also mehr ein Kauwerkzeug darstellt. H. Milne Edwards (Legons sur la physiologie et l'anatomie comparee. T. V, p. 362) scheint er als Rührapparat zu functioniren, der die Speisen mit den Verdauungs- säften mischt. Leuckart (Lehrb. der Anat. der wirbellosen Thiere. 1847. 5. 478) verglich ihn mit der bei den Gastropoden so häufigen Magen- bewaffnung ; später (Vergl. Anatomie und Physiologie. 1855. S. 125) wurde von ihm jedoch diese Ansicht verworfen, und er vermuthete in dem Krystall- stile einen Reservestoffbehälter für bestimmte Substanzen ungefähr derart, wie ihn die Krebssteine vorstellen. Oscar Schmidt (Handb. der vergl. Anat. 6. Aufl. 1872, S. 218) neigte zu der Annahme, dass das ganze Product nichts Verdauung der Cephalopoden, Gastropoden u. Lamellibrancbiaten. 41 5 wiegend den Bohrmuscheln entnommen, wurde gut abgewaschen, fein zerhackt und mit soviel Glycerin Übergossen, dass sie eben davon bedeckt wurden. Nach dreiwöchentlicher Einwirkung zeigte das Glycerinextract in O.lprocentiger HCl nur eine geringe pep- tische Wirkung auf rohes Fibrin, welche aber um so mehr auf Spuren infiltrirten Euzymes aus dem Darmcanale bezogen werden miiss, als von vornherein zu vermuthen war, dass ein so lamellös gebautes Gebilde, wie es der Krystallstil darstellt, von den me- chanisch den Lamellen anhaftenden flüssigen oder festen Verun- reinigungen durch ein Abspülen der Oberfläche nicht zu befreien ist. Jedenfalls erweist sich durch diese Untersuchungen die Ansicht, welche in dem Krystallstile einen Enzymbehälter sieht , als un- richtig; denn an Enzymen fehlt es im Darme der Mollusken nicht (wenn sie nöthig sind, liefert sie die Leber in reichlicher Menge), und als Rührapparat wird der Krystallstil ebenso wenig einen Nutzen schaffen. Eine Bedeutung für das Resorptionsgeschäft wird ihm aber insofern zukommen, als er, wie ich schon anführte, den Chymus zwingt, in nahen Contact mit dem resorbirenden Epi- thelbelag des Darmes zu treten. Der Krystallstil erscheint hier- nach als Theilstück eines höchst seltsamen und interessanten Mechanismus, an welchen die Typhlosolis der Lumbriciden und ähnlich gelagerte Leisten bei anderen Würmern nur entfernt erinnern. Während sonst in dem Thierreiche einem gesteigerten Resorptionsbedürfnisse durch Faltenbildungen, durch blindsack- förmige Anhänge, durch rhythmische Contractionen der Darmmus- auderes sei, als ein zur Umhüllung des Gefressenen dienendes Darnisecret, wodurch die Contenten aufgelöst würden. Er gründete seine Ansicht darauf, dass der Krystallstil von einem oft his zum Verschwinden feinen Canale mit Darmcontentis, Bacillarien, Eilderthieren u. s. f., die auch zwischen den Schichten anzutreffen sind, durchsetzt ist. Nach Gegenbaur (Grundzüge der vergl. Anat. II. Aufl. 1870. S. 527) dürfte die ph}siologische Bedeutung dieses periodisch auftretenden und verschwindenden Gebildes vorzüglich in den Er- nährungsverhältnissen der betreffenden Individuen zu suchen sein. 416 C. Fr. W. Kvukenberg : culatur oder auch wohl durch eine Zunahme der Darmlänge ent- sprochen wird, gelangt der Organismus vieler Mollusken einfach dadurch zu demselben Resultate, dass ein elastischer Stemjjel aus todter Materie das Centrum des Darmrohres verschlicsst, und der Nahrung nur einen verzögerten Durchtritt an den peripheren Theilen gestattet. Ob hiermit die Function des Krystallstils erschöpfend ausgedrückt sein wird, erlaube ich mir nicht zu entscheiden. Wirlmngsfähigkeit der Yertlaiumgssäfte oder der Lelber- glyceriuauszttge einiger Mollusken auf rohes Fibrin und auf gekochte Stärke hei verschiedenen Zusatzflüssigkeiten. Lamellibranc hi at en. ÖD O o •Kl 1 bh S iß o a Ol ö l o Essigsäure von Milch- säure von Wein- säure von Oxal- säure von 0.5 o/o 1—2 0/0 4 0/0 0.5 0/0 1-2 4 o/o o/o 0.5 o/o 1-2 o/o 4 0/0 0.5 o/o 1-2 4 o/o o/o cS Ostrea edulis . . . Ostrea lamellosa . . Pecten Jacob ?eus . . Pecten varius . . . Pecten glaber . . . Spondylus gsederopus Lima inflata . . . Pinna squamosa . . Mytilus Gallo-provin- cialis Mytilus edulis . . . Lithodomus litbophagus Area Nose .... Pectunculus pilosus . Cardium edule . . . Cardium ciliare . . Venus gallina . . . Venus verrucosa . . Mactra stultorum var. alba Scrobicularia piperata Solen siliqua . . . Pholas dactylus . . 0 0 + + + 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 + 0 0 0 0 + + + 0 0 0 0 0 0 0 0 0 + 0 0 -1- -i- -f + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + sehw. + + + 4- + + + + + + + + + + + -j- + + + + + + + + + + + + + + 4- + -f + + + + + + + + + + + + + + + + -i- + + + + + + -f + + + + 4- + + + + + + -i- + + + + + + + + + + + + + -i- + + + + + + + + + + -i- + + + + + + + + + + + + + + + + + + 4- + 4- + + -i- + + + + + + + + + + + + -f 0 + -i- 0 + + 0 + + 0 + + 6 6 ö 0 0 0 0 + + + i- + + Spur. + + + + + + + Verdauung der Cephalopoden, Gastropoden u. Lamellibi-ancliiaten. 417 Gastropoden. Opistobrancliien. tc 2 it ^^1 = Essigsäure von Alilch- säiue von Wein- Säure von Oxal- säure von CS oc ^'^ ,, 03 "^ ~ 0.5 1-1 "■o o/o 4 n/o 0.5 o/o 1-2 0/0 4 0/0 0.5 0/0 1-2 0/0 4 0/0 0.5 1-2, 4 0/0 o/n 1 (1 „ .5 Aeolis (aus d.Xonlsee) 0 0 J- • , + , • • : • 1 • + Doris tuberculata . . 0 0 + • + . • • • -f- + ü Spur. Apiysia depilans . . Doriopsis limbata . . 0 0 0 + + 0 0 t -L Ö . . + + + +1+ schvr. -r 0 3chw. t 0 + Spur. Prosobraucliien. Fissurella costaria 0 0 + schff. + + + + + + + • 1 • 0 Spur. Haliotis tuberculata . 0 + + + + + + + + + + + Turbo rugosus . . . seliw. + + + -\- + + + + + + + 0 Spur. Trochus zizvpbinus . + 4- schw. + 0 0 Murex brandaris . . 0 -j_ 0 + + + + 4- + + 0 0 Murex trunculus . . 0 + + + + + -\- + 0 0 Cassidaria ecbiaopbora 0 0 + schw. + + + + -i- + + + 4- 0 + Paludina vivipara . . 0 + • Pulmonaten. Limnfeus stagnalis . Arion rufns .... Arion ater .... Liniax cinereo-ater . Liniax agrestis . . . Ilelix poinatia . . . Helix nemoralis . . (1 + + + 0 0 + 0 + 0 + + 0 + + 4- ■ + + + • + + + + + + + • 0 + + + 0 + + 0 + + + Cephalopoden. Sepia elegans . , Sepia ofticinalis Loligo vulgaris Sepiola Rondeletii Eledone moschata + + + + + + + + + + + + + -f- + + + + + _ + + + + + 6 Kühne, rntersuehungen II. 28 418 C. Fr. W. Krukenberg: Notizen zur Literatur über die vergleichende Phy- siologie der Nutritionsprocesse. Von C. Fr. W. Krukenberg. Vor Kurzem veröffentlichte Fredericq ^) Untersuchungen über die Ver- dauungsvorgänge bei Arion rufus, Mya arenaria, Mytilus edulis, Lumbricus terrestris und bei einigen andern Würmern; einzelne An- gaben macht er auch über den Enzymgehalt einiger Cölenteraten und über die enzymatische Beschaffenheit des Lebersecrets bei Asteracanthion rubens. Seine Erfahrungen sind für uns insofern interessant, als auch er die Ueberzeugung gewonnen hat, dass die Leber die Enzymproduction nicht nur bei Mollusken, sondern auch bei Lumbricus terrestris und Asteracanthion rubens versieht. Abweichend von meiner Auf- fassung zieht er vor, diese enzymbildende Drüse dem Pankreas 2) und nicht der Leber höherer Thiere zu vergleichen; ich möchte aus mehrfach ange- gebenen Gründen die Bezeichnung „Leber" beibehalten, was mir schon aus praktischen Gründen geboten erscheint. Fi'edericq's Ergebnisse unterscheiden sich nach des Autors Aussage bemerkenswerth genug von den meinigen, um ihn zu veranlassen, die Publication seiner Erfahrungen nicht länger zurückzuhalten. Alle Differenzen beruhen aber, soviel ich ersehe, fast aus- schliesslich auf dem Pepsingehalte der Secrete resp. Auszüge und finden in der von Fredericq angewandten Methode ihre Erklärung. Es scheint die auch von mir 3) früher eingehender erörterte Thatsache, dass ein peptisches Enzym (obgleich dasselbe bei Fällung aus seinen Lösungen durch Alkohol kaum etwas an "Wirksamkeit einzubüssen scheint) durch Alkoholbehandlung des Gewebes ungemein viel von seiner Wirksamkeit verliert, wenig bekannt zu sein. So lässt Hoppe-Seyler noch in der sechsten Auflage seines Hand- buchs der chemischen Analyse (1876, S. 266) das Pepsin nach der Wittich'- 1) L. Fredericq, Sur la digestion des albuminoides chez quelques luvertebres. Bulle- tins de l'Acad. roy. de Belgique. T. XLVI. 1878. - Sur l'organisation et la Physio- logie du Poulpe. Ibid. 2) „Enzymdrüse" würde wohl (in Fredericq's Sinne gedacht) die beste Bezeich- nung für dieses Organ sein. '■*) Ueber ein peptisches Enzym im Plasmodium der Myxomyceten u. s. w. Unters. a. d. phys. Inst, der Univ. Heidelberg. Bd. II, S. 280. Zur vergleichenden Physiologie der Nutritionsprocesse. 419 sehen ]\Iethode aus der gereinigten, in Alkohol gehärteten Magenschleimhaut darstellen. Das auffällige Verhalten des frischen, pepsinhaltigen Gewehes ist, wie Herr Geh.-Kath Kühne mir gütigst mhtheilte, vor einigen Jahren unter seiner Leitung von Dr. HefftUr aus St.-Petershurg eingehender unter- sucht, während es zwar auch frühern Forschern i) nicht ganz entgangen zu sein scheint. Der Pepsinverlust mag hei so pepsinhaltigen Organen, wie es die meist zur Pepsingewinnung verwendeten Mägen unsrer Hausthiere sind, weniger hervortreten ; hei der Darstellung dieses Enzymes aus den meist enzymärmern Organtheilen der Wirhelloseu fallen die durch die Behandlung der Gewehe mit Alkohol hervorgerufenen Verluste weit mehr in's Gewicht. Es mag genügen, nur daraufhinzuweisen, dass ich von Lumhricus t e r- restris Glycerinextracte erhielt, welche nicht erst (wie bei Fredericq^s Versuchen) in 36 oder 48 Stunden, sondern bereits nach 3—4 Stunden, ja in noch kürzerer Zeit rohes Fibrin verdauten. Temporäre oder individuelle Schwankungen kommen zwar hier, wie überall da vor, wo sich mehrere eiweiss- verdauende Enzyme vergesellschaftet finden. Als ich meine zahlreichen Ver- suchsreihen an Lumhricus abschloss, war ich überzeugt, dass es sich oft schwer entscheiden lässt, ob in dem erhaltenen Glycerinauszuge ein Plus von peptischem oder von isotryptischem Enzyme sich findet, nnd ich muss diese Auffassung trotz gegentheiliger Angabe fernerhin vertreten. Das Gesagte gilt in derselben "Weise wie für Lumhricus auch für die von Freclericq bei Asteracanthion rubens gewonnenen Ergeb- nisse. Dem Leberextracte dieses Seesterns wird unzweifelhaft auch eine viel energischere peptische Wirkung zukommen'-), als Fredericq annimmt. Bei A c t i n i a und bei den S p o n g i e n (?) hat er das peptische Enzym aus demselben Grunde nicht nachweisen können, und über grosse Mengen von Miessmu schein muss dieser Forscher bei seinen Untersuchungen verfügt haben, sonst würde es ihm unzweifelhaft auch hiei- entgangen sein ; denn ich erhielt, als ich bei Beginn meiner Studien über die Verdauungs- vorgänge der Mollusken die Extraction in der von Fredericq geübten "Weise vornahm, aus den Mytilu siebern nach Alkoholbehandlung stets Auszüge von sehr schwacher oder zweifelhafter "Wirkung. "Weder bei Mytilus edulis^*), welche ich von Ostende bezog, noch bei Mytilus edulis var: galloprovincialis aus der Adria erhielt ich eine sichere Wirkung bei alkalischer Eeaction; ich kenne jedoch keinen Grund, Spuren eines tryp- tischen Enzymes hei dieser Molluskeuart in Abrede zu stellen. Locale und individuelle Verschiedenheiten scheinen nicht ausgeschlossen zu sein, und leicht können beim Nachweis dieses Enzymes Zersetzungserscheinungen, ') Cf. Ebstein und Grützner in Pßiiger's .Archiv. Bd. VI, S. 13, welche ebenfalls die Methode der Alkoholbehandluug der Pylorusschleimhaiit bei ihren Versuchen aufgaben, „weil die daraus gewonnenen Auszüge überhaupt sehr wenig verdauten". -) Cf. Kntkenbery, Ueber die Enzyuibildung in deu Geweben und Gefässen der Evertebraten. 1. c. S. 348 ff. 3) Ich untersuchte sowohl den Verdauungssaft, als auch wässrige und Glycerin- Auszüge der Lebern. 28* 420 C. Fr. W. Kvukenberg: bewirkt clurcli niedre Organismen für einen Befund von tryptiscliem Enzyme ausgegeben werden. Was Fredericq's Mittbeilungen über Arion rufus anbelangt, so finde icb darin nicbts, was meinen Angaben widerspricbt. Wie aus der von mir gegebenen Tabelle^) ersichtlich ist, habe ich die eiweissverdauende Wirkung des Verdauungssaftes resp. des Leberglycerinauszuges von Arion rufus in 0.2 procentiger HCP) oder 2 procentiger Sodalösung nicht geprüft, und ich freue mich desshalb, wenigstens eine dieser Lücken durch Fredericq^s Versuche ausgemerzt zu sehen. Wie sich der Leberauszug gegen Salzsäure verhält, darüber besagen zwar auch Fredericq's Versuche nichts; denn zur Entscheidung dieser Frage muss man mit den Glycerinextracten der nicht vorher mit Alkohol behandelten Lebern operiren. Die Wirksamkeit des Leberglycerinauszuges von Arion rufus in 0.4 und 1 procentiger Weinsäure oder Essigsäure und in 0.4 bis 2 procentiger Milchsäure steht für mich ausser Frage. Es könnte, und das ist mir (schon seit längerer Zeit) gar nicht *unwahrscheinlich , das peptische Enzym bei einigen Limaeiden und vielleicht auch bei einigen Cephalopoden vollständig fehlen; die von mir constatirte Wirkung auf Zusatz organischer Säuren könnte auch eine Eigenschaft des tryptischen Enzymes sein. 3) Ein solcher Thatbestand würde meine Beweisführung, bei welcher die Limaeiden vergleichend behandelt sind, *) in keinem Punkte beeinflussen, muss aber durch eingehendere Unter- suchungen erst thatsächlicb festgestellt werden. Falls es überhaupt noch einer weitern Beweisführung bedürfte, dass bei vielen Würmern, Arthro- poden, Mollusken und Echinodermen das Lebersecret zwei eiweiss- verdauende Enzyme enthält, so ist dieselbe durch i^^'e^Zmcg's Versuchsresultate geliefert. Fredericq hat, unbekannt mit der von Hefftler eingehender stu- dirten Eigonthümlichkeit des pepsinbildenden Gewebes, das peptische Enzym durch Alkoholbehandlung meist ebenso vollständig zu zerstören vermocht, als ich durch Alkalibehandlung. ^) Gestützt auf zahlreiche, weitere Beobachtungen an vivisecirten Thieren vertrete ich wie früher die Ansicht, dass die Reaction des Darrainhaltes bei den Cephalopoden wechselt; zwar glaube auch ich aus früher er- örterten Gründen, dass eine saure Beschaffenheit desselben im Stadium der Verdauung das Normale ist.'') Die Reaction des Lebergewebes ist der 1) Vergleicliend pliysiol. Beiträge z. Kenntniss der Verdauungsvorgäuge. 1. c. S . 8. 2) Eine 0.1— 0.2 procentige HCl eignet sich toekanntermassen zu den Verdauungs- versuchen viel besser als eine 0.4— 1.2 procentige, welche Fredericq anwandte. 3) Kruicenberg, Vergleichend physiol. Beiträge etc. S. 25 Anmk. ^) Vergl. physiol. Beiträge etc., S. 9. ") Krukenberff, Vergl. physiol. Beiträge etc., S. 25. — , Zur Verdauung hei den Krehsen. ibid. S. 261. — , Ueber die Euzymbildung etc. S. 349. 0) Der Reaction des Verdauungssaftes kommt hier aber kaum die Bedeutung zu, welche ihr oft beigelegt ist. Cf. Krukenberg, Versuche z. vergl. Physiologie der Ver- dauung etc., ibid. Bd. I, 8. 330. Zur vergleichenden Physiologie der Nutritionsprocesse. 421 starken Pigmentiriing wegen besonders bei den Cephalopoden äusserst schwierig mit Sicherheit zu bestimmen. Auch verwechselt Fredericq *) die von mir in Uebereinstimmung mit E. H. Weber und P. Legouis ver- tretene Ansicht über die Leber einiger Fische mit meiner Auffassung der Molluskenleber, welche sich nicht mit Avenigen "Worten abthun lässt, sondern eine ausführlichere Erörterung verlangte '^). Obgleich meine Untersuchungen über die Verdauungsproducte viel eingehender als diejenigen von Fredericq sind, und ich z. B. der Hemi- albumose wegen nie direct mit der verdauten Masse, sondern stets mit dem Dialysate derselben die Peptonreaction vornahm, so habe ich mich zu dem Ausspruche Freder icq's^): „die durch die Enzyme der verschiedensten Evertebraten gebildeten Verdauungsproducte sind dieselben wie die durch die Yertebratenenzyme gebildeten" nie berechtigt geglaubt. Spätere Unter- suchungen haben dann auch gezeigt, dass die Fredericq' sehe Ansicht nicht die richtige ist. So hat z. B. Niemand unter den durch Evertebratenenzyme gebildeten Yerdauungsproducteu Tyrosin und Leucin mit Sicherheit nach- weisen können; Xiemandem gelaug es mit der durch Isotrypsin verdauten Masse die Bromwasserreaction zu erhalten und, wie ich glaube, hat jeder exacte Forscher das Recht, von Jemandem, der einen derartigen Ausspruch wagt, die quantitativ-analytischen Belege dafür zu verlangen, dass die Pep- tone und die bei der Verdauung durch die Evertebratenenzyme gebildeten Eiweisssubstanzeu mit denen, welche bei der Pepsin- und Tryj^sinverdauung entstehen, identisch sind. Auch in der andern von Fredericq angeregten Frage *), ob das tryptische oder das peptische Enzym in der Thierreihe ver- breiteter ist, müssen jetzt die Vermuthungen meinen experimentellen Be- weisen weichen. ^) Die längere Zeit schon in Aussicht gestellte •') Arbeit E. Luchhau^s ') ist ebenfalls vor Kurzem erschienen, und es findet darin die von mir ge- machte Angabe über die Wirksamkeit des Pepsins der Fische bei ver- schiedenen Temperaturen, welche sich im Widerspruch mit den Ergebnissen Hoppe- Seyler^s befand, eine für mich erfreuliche Bestätigung. Ich hatte früher *) darauf verzichtet, mich gegen die von Fiele und 3Iurisier gemach- ten Mittheiluugen auszusprechen, glaube aber jetzt, da dieselben durch Luchhau eine scheinbare Bestätigung erhalten, nicht länger warten zu dürfen, meine Versuchsresultate diesen entgegenzustellen. Zu meinen Untersuchun- ') Sur l'organisation et la Physiologie du Poulpe. S. 55. -) Krukeuberg, Vergl. ijhA'siol. Beiträge etc., S. lü— 23. 3) Sur la digestiou des albumiuoides etc., S. 16. ■>) Ibid. S. 16. °) lieber die Enzymbildung etc., S. 338— 365. — Nachtrag zu den Unters, über die Eruährungsvorgänge bei Cölenterateu u. Echinodermeu. ibid. S. 366—377. — Ueber ein peptisches Enzj-m im Plasmodium der Myxomyceten etc., 1. c. S. 273—286. •i) Centralbl. f. d. niedic. Wissenschatten. 1877. Nr. 28. S. 497. ">) Ueber die Magen- und Darmverdauung bei einigen Fischen. Inaugural- Dis- sertation. Königsberg. *) Versuche zur vergleichenden Physiologie etc. S. 331. 422 C. Fr. W. Krukenberg: gen dienten die Magenglycerinextracte vom Hecht und von Mustelus vulgaris, welche letztere wegen ihrer energischen Wirksamkeit mir zu diesen Versuchen besonders geeignet erschienen. Ich führte die Unter- suchungen an einem sehr kalten Wintermorgen, als das Thermometer unter jSTuU stand, in einem bedachten, sonst aber offnen Räume aus und erhielt die nämlichen Resultate wie Murisier und Luchhau. Aber ich versäumte nicht, wie es diese Autoren gethan zu haben scheinen, die nöthigen Con- trolversuche mit dem Glycerinauszuge des Schweinemagens nebenhergehn zu lassen. Der Vergleich der drei Proben lehrte auf's evidenteste, dass keine Verschiedenheiten zwischen dem Pepsin des Schweines und dem der Fische in dieser Hinsicht zu constatiren sind. Stets trat, wenn bei sehr niedriger Temperatur überhaupt eine Verdauung des Fibrins bemerk-, bar war, dieselbe zuerst in dem bei 40" C. wirksamsten Verdauungsgemisch ein, gleichgiltig, ob es vom Hai, dem Hechte oder dem Schweine stammte, und bei gleich niedriger Temperatur') verlief die in allen Fällen sehr ver- zögerte Fibrinverdauung in einer mit wenigen Tropfen äusserst kräftigen Pepsinglycerins vom Schweine versetzten Probe viel energischer als in den unter ganz gleichen Verhältnissen befindlichen Gläschen, welche mit weniger kräftigem, aber bei 40" C. doch sehr rasch wirkendem Pepsinglycerin vom Hecht oder Hai versetzt waren. Ich habe diese Versuche bis zu dem Punkte, wo sich Eisnadeln in den Verdauungsgemischen abschieden, variirt und stets gefunden, dass (einerlei, ob das Pepsinglycerin von Fischen oder vom Schweine stammte) bei diesen niedrigen Temperaturen die Wirkungen in allen drei Gläsern (natürlich ungemein verlangsamt) gleichsinnig mit denen verliefen, welche dieselben Gemische bei 40" C. äusserten. Desshalb behaupte ich auf das entschiedenste, dass Das, was für qualitative Differen- zen angesehen wurde, nur quantitative sind, und jeder, der bei diesen Ver- suchen nicht die Controlproben mit dem Pepsin des Schweinemagens ver- säumen wird, muss sich von diesem Thatbestande überzeugen können. Die von meinen Angaben über den Trypsingehalt der Karpfenleber abweichenden Ergebnisse Luchhau^s kann ich mir nur durch die Annahme erklären, dass er an sehr jungen Thieren operirte. Der Trypsingehalt des Hepatopankreas von zwei sehr grossen Karpfen war so bedeutend, dass der daraus durch Selbstverdauung gewonnene künstliche Verdauungssaft eine so rapide tryptische Wirkung besass, wie sie sich mit dem aus einem Säugerpankreas gewonnenen nicht kräftiger erhalten lässt. Luchhau rügt, dass ich in meiner Abhandlung nicht den Weg angegeben habe, auf dem beim Karpfen das pankreatische Ferment aus dem Hepatopankreas in den Darm gelangt; soviel ihm bekannt wäre, sei ein solcher nicht vor- handen. Ich durfte diese Auseinandersetzung unterlassen, weil die ge- ') Die in die Vcrdauungsgemische eingesenkten Thermometer zeigten das eine Mal eine Temperatur von 4" C, das andere Mal eine Temperatur von 2 " C. an. In anderen Fällen war dieselbe noch tiefer herahgesunken. Zur vergleichenden Physiologie der Nutritionsprocesse. 423 wünschten Ausführungsgänge hereits in der von mir citirten ') Arbeit E. H. Weber''?, beschrieben und abgebildet, in Legouis's ausführlichen Schriften'-') ferner weitläufig besprochen sind. Für Perca fluviatilis ist Brockmann^s bekannte Dissertation ausführlich genug, dass mir das Citat derselben ^) zu genügen schien. Zu meiner Abhandlung „lieber die Enzymbildung etc." sei bemerkt, dass die bezeichneten dottergelben Darmanhäuge bei Cucumaria Plauci, deren eingehendere anatomische Untersuchung ich auf der k. k. zoologischen Station zu Triest unterliess, weil ich keinen Enzymgehalt derselben erwar- ten durfte, nach den Bemühungen von Herrn Dr. Hubert Ludwig^ dem ich für seine gütige Belehrung zum wärmsten Danke veri)flichtet bin, die Ge- nitalschläuche sind. Aus der mir zugänglichen Literatur ei'hielt ich, als ich die Ergebnisse meiner Versuche zusammenstellte, über diese Schläuche nicht die gewünschte Auskunft und zog desshalb vor, dieselben kurz zu charak- terisiren. Schon deshalb habe ich in genannter Abhandlung den präciseren Namen „Geschlechtsdrüsen" vermeiden zu müssen geglaubt, weil es mir nicht mehr erinnerlich war, in wie weit ich diese vom Mesenterium und etwa vorhandenen Gefässen gereinigt hatte. Meine Untersuchungen über die Ernährungsvorgänge bei den Echinodermen und Cölente raten sind keineswegs abgeschlossen. Ich werde sie in kürzester Frist am Meere fort- setzen und behalte mir deshalb alle weiteren Angaben darüber vor. J) Versuche zur vergleichenden Physiologie etc. S. 332 Anm. 2) Cf. Krukenherg, Vergl.-physiologische Beiträge etc. S. 41. ä) Krukenberg, Versuche zur vergleichenden Physiologie etc. S. 339 Anm. 424 E. H. Chittenden; lieber die Entstehung von Hypoxanthin aus Eiweissstoffen. Von R. H. Chittenden. Ph. B. (aus New-Haven. Conn. U.-S. A.) Unter den aus den Albuminen durch künstliche Zersetzung erzeugten Körpern hat keiner in physiologischer, wie in chemischer Beziehung grösseres Interesse erregt, als das Hypoxanthin, welches Salomon unter den Producten der Einwirkung des Wassers oder der Fäulniss, sehr verdünnter Salzsäure, des Magen- und Pan- kreassaftes auf Blutfibrin entdeckte. Die Beobachtung war so wichtig und überraschend, dass ich gern der Aufforderung, des Herrn Prof. Kühne folgte, Salomon's schöne Versuche zu wieder- holen und wenn möglich in der Weise fortzusetzen, dass man erfuhr, ob die Eiweissstoffe selbst oder etwas ihnen Beigemischtes das Hypoxanthin lieferten. In dem von M. Foster herausge- gebenen Journal of Physiology (Vol. II, 1, S. 28) habe ich schon kurz über meine ersten im Heidelberger physiol. Institut über den Gegenstand angestellten Versuche berichtet und die Angaben Salomon s vollkommen bestätigen können^). Zum Nachweise des Hypoxanthins habe ich in allen Fällen die betreffenden Lösungen mit geringem Ueberschusse von Kupfer- acetat ^j-z Stunde gekocht, die entstandene Ausscheidung auf dem 1) Die seither auch durch Mali/?, Jahresberichte veröffentlichten Re- sultate aus der Dissertation von H. Krause (Berlin 1878) über denselben Gegenstand, waren Herrn Chittenden, der mir seine Untersuchungen im Feb- ruar 1879 übergab, noch nicht bekannt. W. K. lieber ciie Entstehung von Hypoxanthin aus Eiweissstoffen. 425 Filter mit heissem und kaltem Wasser gewaschen, vom Filter in wenig heisser HNO3 gelöst, diese Lösung mit NHiOH übersättigt und mit Silbernitrat gefällt. Einige Stunden später wurde der Silberniederschlag auf dem Filter gesammelt, ausgewaschen, in heissem Wasser suspendirt, mit SH2 zersetzt, das Schwefelsilber entfernt, das Filtrat zur Trockne verdunstet. Um etwaige Harn- säure zu beseitigen, wurde der Rückstand mit ganz verdünnter SH2O4 ausgezogen, die schwefelsaure Lösung mit NH4OH alka- lisch gemacht und zum zweiten Male mit Silbernitrat gefällt. Nach Neithmicr's Verfahren wurde die Silberfällung zur Trennung des Hypoxanthins vom Xanthin in einer kleinen Menge HNOs von 1,10 spec. Gew. heiss gelöst, worauf sich das Hypoxanthin- silbersalz nach kurzem Stehen als schön weisser Niederschlag ausschied, der unter dem Mikroskope die charakteristischen radiär angeordneten Nadelbündel zeigte. Um die Reactionen des Hypo- xanthins anzustellen, wurden die Krystalle mit H2O gewaschen, in heissem H2O suspendirt mit SH2 zersetzt, die vom Schwefel- silber abfiltrirte Lösung verdunstet und Proben der Substanz auf Porzellanscherben mit wenig HNO3 erhitzt, worauf ein gelber Rück- stand blieb, der mit einigen Tropfen Natronlauge erwärmt die bekannte rosenrothe bis violette Färbung annahm. Das mit der Kupferfällung beginnende Verfahren war in den meisten Fällen nöthig, weil ich viele an Chloriden reiche Lösungen zu unter- suchen hatte, welche nicht direct mit NH4OH und Silbernitrat zu behandeln waren. Wie ich hoffe, bürgen die folgenden Re- sultate für die Sicherheit der Methode. Nachdem ich mich überzeugt hatte, dass ungefaultes, mit kaltem Wasser, gelegentlich auch mit 3 pCt. NaCl-Lösung ge- waschenes, weisses Fibrin aus Ochsenblut weder an viel kochenden Alkohol, noch bei 15 Min. dauerndem Kochen mit Wasser Hypo- xanthin abgiebt, siedete ich eine nach dem Kochen und Aus- pressen 1000 grm. wiegende Fibrinmasse 12 Stunden mit 2 Lit. 426 R. H. Chittenden: H2O im Kolben mit Rückflusstrichter. Die Flüssigkeit lieferte darauf 20 mgrm. salpetersaures Hypoxanthin-Silberoxyd. Dieses Hypoxanthin hatte offenbar nicht in dem Fibrin prseexistirt, sondern war durch den Einfluss des siedenden Wassers, also durch einen Process, dessen zersetzende Wirkung auf Albumine bekannt ist, erst entstanden. Derselbe Versuch mit 439 grm. feuchtem, durch Kochen mit Wasser und wenig Essigsäure aus dem Weissen von 24 Hühner- eiern erhaltenen, coagulirten Albumin und 1500 C. C. H2O angestellt, lieferte gar kein Hypoxanthin. In der gesammten Mutterlauge des Eierweisscoagulates fand ich eine Spur von Xan- thinkörpern, die also Bestandtheile des Eies sind; doch war die Menge so gering, dass ich nur einige Krystalle der Silberverbin- dung und gerade genug zur Anstellung der Eeactionen gewann, ohne entscheiden zu können, ob Xanthin oder Hypoxanthin vor- liege. In Uebereinstimmung mit Salomon gaben mir 1500 grm. gewaschenen, aber ungekochten Fibrins nach viertägiger Digestion mit 2500 C. C. HCl von 0,2 pCt. bei 40° C. 30 mgrm. C5H4N4O. AgNOg, während ich von dem coaguhrten Albumin aus 24 Eiern nach 3— etägiger Digestion mit 2 Lit. derselben Säure nichts erhielt. Fibrin erst 12 Stunden mit Wasser gekocht, gab an dieses Hypoxanthin ab und darauf zum zweiten Male wieder Hy- poxanthin , als es mit verdünnter . HCl ebenso lange auf 40° C. erwärmt worden. Bei demselben Verfahren entstand aus coagu- lirtem Eiweiss kein Hypoxanthin. Um den Einfluss des Magensaftes zu prüfen, bediente ich mich des künstlich aus Schweinemagenschleimhaut durch Selbstverdauung gewonnenen Saftes. Derselbe bedurfte zuvor einer Reinigung durch Dialyse, da ich aus 100 grm. abpräparirter, feucht gewogener Schleimhaut nach der Selbstverdauung nicht weniger als 43 mgrm. C5H4N4O, AgNOs darstellen konnte. 3 — 4 Tage auf fließendem Ueber die Entstehung von Hypoxanthin aus Eiweissstoffen. 427 Wasser dialysirt war der Magensaft frei von Hypoxanthin und es bildete sich auch kein neues darin, wenn er auf den früheren Säuregrad gebracht, einige Tage bei 40" C. erhalten wurde. Zu meiner Ueberraschung gab diese mit HCl vortrefflich verdauende Pepsinlösung nur eine kleine Quantität Hypoxanthin , nachdem ich 1 Lit. der auf 0,4 pCt. HCl gebrachten Flüssigkeit 48 Stunden auf Fibrin hatte wirken lassen; doch wurde so viel der Silber- verbindung erhalten, dass der Nachweis gesichert war. Eine andere Quantität Fibrin, welche zuvor erst bei 12 stündigem Kochen mit H2O, darauf wieder nach mehrtägigem Digeriren mit HCl von 0,2 pCt. ziemlieh viel Hypoxanthin geliefert hatte, gab mit dia- lysirtem Magensafte noch eine dritte, obschon sehr geringe Quan- tität. Coagulirtes Albumin aus Eiern gab mit Pepsin und HCl verdaut keine Spur von Hypoxanthin. Wie die Magenschleimhaut liefert auch das Pankreas Hypo- xanthin in sehr beachtenswerther Menge: 20 grm. trocknen, mit Alkohol und Aether gut extrahirten Ochsenpankreas lieferten nach 24 stündiger Selbstverdauung in 200 Cc. Salicylsäure von 2 p. m. 22—25 mgrm. C5H4N40,AgN03. Es war nicht schwer diesen Bestandtheil sammt dem Leucin und Tyrosin aus dem Paukreasextracte durch Dialyse zu entfernen, falls ich Sorge trug, im Dialysor mit Essigsäure fortwährend schwach saure Reaction zu erhalten , und wenn die von vornherein gründlich ausgedaute Trypsinlösung dann schwach alkalisch gemacht unter Zusatz des Fäulniss verhütenden Thymols einige Tage für sich digerirt worden, so vermochte ich auch kein neu entstandenes Hypoxanthin darin nachzuweisen *). 1500 grm. ungekochten, aus- ') Ich habe die Abwesenheit und das Aufhören der Hypoxautliin- bildung hier sowohl, wie beim Magensafte stets so constatirt, dass ich je eine Hälfte der Verdauungsflüssigkeiten ohne Zusatz, gleiche Zeit und bei gleicher Temperatur neben der anderen mit den zu verdauenden Albuminen beschickten, weiter digerirte und hierauf von jeder die ganze Menge zur Untersuchung auf Xanthinkörper verwendete. 428 E. H. Chittenden: gepressten Fibrins in 500 Cc. dialysirter, 0,3 pCt. Soda enthal- tender Trypsinlösung, 3 Tage unter Zusatz von Thymol verdaut gaben 17 mgrm. salpetersaures Hypoxanthin-Silberoxyd. Ein anderes Mal erhielt ich aus etwa 2500 gr. feuchten Fibrins mit mehr Trypsinlösung 78 mgrm. der Silberverbindung, und als ich Fibrin, welches 1 Tag mit Wasser gekocht und darauf einige Tage mit verdünnter HCl digerirt worden, wobei es besonders im letzteren Falle schon viel Hypoxanthin geliefert hatte, mit dem genannten Trypsin verdaute, erhielt ich eine dritte, immer noch beträchtliche Quantität. Die Trypsinverdauung erzeugte auch aus coagulirtem Eier- weiss Hypoxanthin, und zwar lieferte das Coagulat aus 24 Eiern mit der dialysirten und passend verdünnten Trypsinlösung von 10 grm. Trockenpankreas, nach 48 stündiger, schwach alkalischer, unter Thymolzusatz durchgeführter Verdauung 8,5 mgrm. Silber- verbindung. Die Menge des Hypoxanthins liess sich durch vor- heriges 12 stündiges Kochen mit H2O und 6 tägiges Digeriren mit verdünnter HCl, wobei wieder kein Hypoxanthin erhalten wurde, steigern, denn ich erhielt aus solchem, ebenfalls von 24 Eiern gewonnenem Coagulate, durch die nämliche Trypsinverdau- ung 49,5 mgrm. Silberverbindung, entsprechend 22 mgrm. reinen Hypoxanthins. Die Trypsinverdauung erzeugt nach KüJme's Beobachtungen bekanntlich sowohl aus den anfänglich entstehenden pankrea- tischen Peptonen, wie aus den durch Magensaft dargestellten eine Reihe von Zersetzungsproducten, unter welchen besonders Tyrosin und Leucin sicher und als ausschliessliche Zersetzungs- producte nicht der Albumine, sondern der Peptone nachgewiesen sind. Da Sieden mit Wasser und Digestion mit verdünnter Säure auch Peptone erzeugen, so war zu untersuchen, ob das Hypoxan- thin nicht vornehmlich ein Zersetzungsproduct dieser sei, und bei jenen Behandlungen überhaupt erst in Folge davon, also in einer üeber dio Entstehung von Hypoxanthin aus Eiweissstoffen. 429 zweiten Phase des Processes sich bildete. Ich bereitete desshalb aus reinem mit Alliohol und Aether extrahirtem Fibrin durch Einwir- kung dialysirten Magensaftes eine bedeutende Quantität Magen- oder Amphopeptone, indem ich dieselben aus der neutralisirten Verdauungslösung durch Alkohol fällte und durch wiederholtes Lösen und Fällen etwas zu reinigen suchte. Mit sehr wirk- samen, dialysirten Trypsinlösungen, bei alkalischer Reaction gründ- lichst verdaut, lieferten jene Mengen uns gerade so viel salpeter- saures Hypoxanthin-Silberoxyd , dass ich dasselbe zersetzen und die Reaction damit anstellen konnte. Amphopepton giebt also jedenfalls nur Spuren von Hypoxanthin. Nach diesem Befunde habe ich die Spaltung des Fibrins durch SH2O4 untersucht. Als Material diente mir schneeweisses, leicht zerbröckelndes, mit Alkohol und Aether vollkommen extra- hirtes Fibrin. Vorversuch. 25 grm. trockenes Fibrin wurden im Kölbchen mit Rückflusskühler zwei Stunden mit 9 grm. concentrirter SH2O4 und 50 grm. H2O bei lOO*' C. erhalten, die erkaltete gallertige Masse stark mit H2Ü verdünnt, worauf das Ungelöste durch Fil- triren zu sammeln war. Die braune Masse des Antialbumids wurde hierauf vom Filter in Soda von 5 pCt. gelöst und durch Neutralisiren mit Essig- säure von Neuem gefällt. Wurde das sehr schwach saure Filtrat mit mehr Essigsäure versetzt, so entstand darin ein Niederschlag, dessen Verhalten ich nicht näher geprüft habe. Das einmal in Soda gelöste und wieder gefällte Antialbumid verhielt sich an- ders, als das ursprüngliche, denn es löste sich leicht in massig verdünnter Essigsäure, in HCl von 0,2 pCt., und in SH2O4 der Concentration, in welcher es entstanden war, aber nicht in stär- ker verdünnter. In der schwefelsauren Lösung des Fibrins fand sich die Hemi- albumose und Syntonin, welches letztere durch Neutralisiren mit 430 E. H. Chittenden: NaHO flockig niedergeschlagen wurde, während erstere durch Concentration des Filtrates und Fällung mit Alkohol als gummi- artige Masse mit K2SO4 verunreinigt zu erhalten war. Die da- bei übrig bleibende alkoholische Mischung gab mit Kupferacetat verarbeitet beträchtliche Mengen von Xanthinkörpern. Um die Hemialbumose rein zu erhalten, brauchte ich die Alkoholfällung nur mit Wasser zu kochen, und heiss zu filtriren, worauf der Körper sich beim Abkühlen rein weiss abschied. Hierauf ging ich zu einem Versuche mit grösseren Mengen, nämlich mit: 225 grm. trockenen Fibrins, 1800 C. C. H2O und 45 grm. concentrirter SH2O4 über, welche drei Stunden in einem grossen Wasserbade erhitzt wurden. Um das Antialbumid frei von Hemialbumose zu bekommen, wurde dasselbe nach dem Aus- waschen auf dem Filter, mit einem Liter sehr wirksamen Magen- saftes 24 Stunden verdaut, welches die Hemialbumose in Hemi- pepton verwandelte, während das Antialbumid ungelöst zurück- blieb. Ich habe das letztere, um recht sicher zu gehen, noch einer zweiten Magenverdauung unterworfen und endlich sehr gründ- lich ausgewaschen. Das gereinigte Albumid wurde in der gerade hinreichenden Menge verdünnter Soda aufgelöst und die filtrirte Lösung mit sehr wirksamer, völlig durch Dialyse gereinigter Trypsinlösung digerirt, wobei zunächst die merkwürdige, von Kühne erwähnte massenhafte Gerinnung auftrat. Was von dem Gerinnsel nach 36 Stunden nicht in Verdauung gegangen war, wurde abfiltrirt, von Neuem in Soda gelöst und durch neue Trypsinlösung schließ- lich in 48 Stunden zur Lösung gebracht. In der gesammten Verdauungslösung konnte Nichts gefunden werden als Antipepton, keine Spur von Hypoxanthin, und es waren daraus nach Ent- fernung des Kupfers mit SH2 keine Krystalle von Leucin oder Tyrosin zu gewinnen. Die concentrirte Masse nahm mit Gl- oder Bromwasser keine Färbung an. Ueber die Entstehung von Hypoxanthin aus Eiweissstoffen. 431 Hierauf wendete ich mich zur Untersuchung der aus dem Fibrin in die heisse Schwefelsäure übergegangenen Stoffe. Mit NaHO neutralisirt gab die Säure eine aus Syntonin und Hemi- albumose bestehende Fällung, während das Filtrat hiervon reich- lich neben K2 SO4 mit Alkohol zu fällende Hemialbumose und Peptone enthielt. Die von den letzteren abfiltrirte, alkoholische Flüssigkeit enthielt : Leucin, Tyrosin, Kalkoxalat, Xanthin und Hypoxanthin. Nach dem Verjagen des Alkohols schied Sieden mit Kupferacetat die Xanthinstoffe aus und ich erhielt aus dem Niederschlage durch die Silbermethode nicht weniger als 79,6 mgrm. reines Hypoxanthin und 49,2 mgrm. reines Xanthin. Aus der kupferhaltigen Flüssigkeit wurden nach Behandlung mit SH2 nur wenig Leucin und Tyrosin gewonnen, aber krystallinischer oxalsaurer Kalk in beträchtlicher Menge. Ich brauche nicht zu sagen, dass ich das Oxalat genauer untersuchte und kann mich bezüglich desselben auf SchüUenherger beziehen, der unter den Zersetzungsproducten des Albumins auch viel Oxalsäure fand. Die Hemialbumose, wie schon erwähnt, aus der Alkohol- fällung durch Auskochen und Wiederabkühlen gewonnen, wurde in äusserst verdünnter Soda gelöst, mit dialysirtem Trypsin be- handelt. Obwohl der Körper alsbald nicht mehr in der Lösung nachzuweisen war, habe ich selbst nach zweitägiger Digestion keine Spur von Hypoxanthin in derselben nachweisen können. Wirkung der HCl auf Fibrin bei 100" C. 225 grm. trocknes Fibrin, 1800 Cc. H2O, 50 grm. HCl von 1,60 spec. Gew. in einem grossen Kolben mit Rückflusskühler 3 Stunden bei 100" C. erhalten, bildeten erst eine gequollene, später eine braune, leimartige, flüssige Masse, welche nur durch starkes Verdünnen und Absetzen filtrirbar wurde. Mehr als die Hälfte des Fibrins schien gelöst zu sein und der Rückstand zum Theil aus Antialbumid zu bestehen. Aus dem klaren sauren 432 R. H. Chittenden: Filtrat erhielt ich durch Neutralisiren eine bedeutende Fällung (Syntonin), welche nur wenig Hemialbumose enthielt, die durch Kochen mit Wasser, noch besser durch heisse NaCl-lösung von 5 pCt. zu extrahiren war. Das neutrale Filtrat wurde eingedunstet, mit Alkohol ausgefällt und die alkohohsche Flüssigkeit in der schon angegebenen Weise auf Xanthinkörper untersucht ; dabei wurden erhalten 23,6 mgrm. Hypoxanthin, 17,9 mgrm. Xanthin. Die Alkoholfällung bestand vorzugsweise aus Peptonen und enthielt sehr wenig Hemialbumose. Wirkung von HNOs auf Fibrin bei 100° C. • 225 grm. trocknes Fibrin, 1800 Cc. H2O, 50 grm. HNO3 von 1,20 spec. Gew. bildeten zuerst eine beinahe feste Masse, die nach dreistündigem Erhitzen auf 100° C. braun wurde, aber so dick blieb, daß sie heiss mit viel Wasser verdünnt werden musste. Das klare saure Filtrat, das wieder wohl die Hälfte des Fibrins an Lösungsproducten enthielt, wurde durch Neutrahsiren fast gallertig; der Niederschlag war sehr reich an durch Kochen extrahirbarer Hemialbumose und enthielt ausserdem Syntonin. Wie früher wurde die neutralisirte, von der Fällung getrennte Lösung nach dem Eindunsten der Alkoholbehandlung unterwor- fen, welche außer Peptonen ebenfalls viel Hemialbumose ausfällte, während die alkoholische Flüssigkeit die Xanthinkörper lieferte. Aus den Silberverbindungen der letzteren gewann ich wie ge- wöhnlich durch Abkühlen der heiss bereiteten salpetersauren Lösung die Verbindung des Hypoxanthins, und nachträglich die des Xanthins durch Zusatz von NH4OH. Gefunden wurden: 32,4 mgrm. Hypoxanthin, 13,7 mgrm. Xanthin. Es scheint mir bemerkenswerth, dass SH2O4 und HNOs aus dem Fibrin besonders viel Hemialbumose erzeugen, während HCl, die keinen 0 enthält, sehr wenig von diesem Körper, der also vielleicht durch Oxydation entsteht, liefert. Zur Chemie der Descemet'schen Merabran. 433 Bezüglich der Xanthinkörper ergiebt sich, dass 225 grm. trocknen, reinsten Fibrins liefern : mit SH2O4 HNO3 HCl. Hypoxanthin 79,6 32,4 23,6 Xanthin 49,2 13,7 17,9. Zur Clieiiiie der Descemet'sclien Membran. Von H. F. A. Sasse, cand. med. ans Zaandam. Im Anschlüsse aii die von Chittcnden^) im hiesigen Labora- torium angestellten Beobachtungen über das chemische Verhalten des Sarkolemms und einiger verwandten Membranen habe ich das der Descemef sehen Membran in ähnlicher Weise untersucht. Daß die innere Basalmembran der Hornhaut sich beim Kochen und gegen Säuren anders verhalte , als die Substantia propria corneae und als das Bindegewebe im Allgemeinen, ist lange be- kannt; ausserdem zeigten Ewald und Kühne, dass die Membran, im Gegensätze zu allem leimgebenden Gewebe, durch Trypsin- verdauung gelöst wird. Ich habe besonders die letztere Reaction genauer studirt. Um die Erscheinungen während der Verdauung verfolgen zu können, legte ich Schnitte in Alkohol gehärteter Corneae vom Frosche, Kaninchen, Schweine und Binde in einen starken Trop- fen der genau nach Vorschrift bereiteten, 0,3 pCt. Soda enthal- tenden Trypsinlösung ^), die während der Digestion gewöhnlich i) Yergl. d. folgenden III. Bd. dsr. Unters. S. 171. 2) Yergl. diese Unters. Bd. I, S. 173, und Bd. HI, S. 222. Kühne, Untersuchungen II. 29 434 H. F. A. Sasse: mit keinem Deckglase bedeckt wurde , und untersuchte das Prä- parat in allen Stadien bis zum vollkommenen Verschwinden der Membran, das gewöhnlich nach 4 — 5 Stunden erfolgte. Hierbei fiel eine außerordentliche Verdickung der I) es cemef sehen Mem- bran um das 4— 6fache ihres Durchmessers auf, die der Auflö- sung immer voranging, während der freie Rand grosse wellen- förmige Biegungen aufwies, deren Grenzen sich mit zunehmender Auflösung allmählich verwischten. Ablösung der Membran in je- nem gequollenen Zustande oder in irgend einem Vorstadium der Verdauung wurde nicht beobachtet. Der ganze Vorgang muss als ein ausschliesslich digestiver angesehen werden, da das Object sich nach tagelangem Erwärmen in zuvor gekochter Trypsin- lösung, trotz erhaltener Alkalescenz derselben, gar nicht ver- änderte. Nach dem Schwinden der Descemet sehen Haut fiel mir an dem unveränderten Reste der Substantia pr. corn. eine ausser- ordentlich scharfe Begrenzung der Innenfläche auf, die den Ein- druck einer besonderen, vielleicht unter der Bescemefschen be- findlichen Membran machte. Um darüber Aufschluss zu gewin- nen, versetzte ich die Cornea durch einige Minuten dauerndes Sieden der Schnitte mit Wasser in den Zustand, in welchem sie selber für Trypsin löslich wird, und untersuchte die nach länge- rer gründlicher Verdauung bleibenden Reste. Wider Erwarten fand ich die Descemefsche Membran jetzt oft so resistent, dass sie zurückblieb, nachdem die Cornea bereits gelöst war, und dann nur sehr allmählich, nach 12 — 24 Stunden verschwand. Bei meinen ersten Versuchen lag dies, wie sich später herausstellte, an fehlerhafter Bereitung der Trypsinlösung , aber ich bin auch bei den besten Verdauungsflüssigkeiten zuweilen auf dasselbe Verhalten gestossen und muss nach sehr zahlreichen, Versuchen sagen, dass hier eine Inconstanz (vielleicht vom Lebensalter be- dingt, das, wie bekannt, beim Menschen Einfluss auf die Dicke Zur Chemie der Descemet'schen Membran." 435 der M. Descemetii hat) vorliege, da ich andererseits auch voll- ständiges Schwinden der Membran beobachtete. In den letzteren Fällen schien das Kochen dieselbe übrigens meist langsamer lös- lich gemacht zu haben; doch beobachtete ich auch Fälle, in de- nen sich die Verdauungszeit gar nicht verändert hatte. Dass die Cornea bald vor, bald nach der Descemcfschen Membran in Lösung ging, begreift sich hiernach. Trat das Letztere ein, so wurde die Cornea nach hinten wieder von auffallend scharfen Linien begrenzt gefunden, aber es gelang nicht, von den Schnit- ten Reste zu erhalten, an denen man die vermuthete Zwischen- membran hätte constatiren können. Wo die Desccmef sehe Haut nach dem Kochen verdaut wurde , fehlte das der ungekochten eigenthümliche Aufquellen, oder es entwickelte sich nur eine un- bedeutende Verdickung, wobei oft zahlreiche parallele, glatte Streifen darin sichtbar wurden. Um das Verhalten des frischen, nicht mit Alkohol behan- delten Objectes kennen zu lernen, habe ich sowohl ganze Horn- häute, wie abgezogene Fetzen der Bescemet'&chen Haut der Ver- dauung unterworfen. Die letzteren wurden leicht in 4—5 Stun- den verdaut, während man sich an den ersteren so viel später erst von dem Verluste der inneren Haut überzeugen konnte, dass mir ein die Verdauung erschwerender Einfluss des Haftens der Mem- bran gegen die Substanz der Cornea wahrscheinlich bleibt. Auch hier trat starke Quellung vor der Auflösung auf und wiederum wurde diese Erscheinung vermisst an vorher gekochten Präpara- ten. Meine Voraussetzung, von ganzen gekochten Hornhäuten nach vollendeter Verdauung das vorgenannte Zwischenlager als unlöslichen Rest zu erhalten, bewährte sich, denn ein solches blieb in der That in Gestalt eines faltigen, zarten und sehr trü- ben Häutchens zurück. Gleichwohl nehme ich. Anstand, dasselbe für eine besondere präexistirende Membran zu nehmen , denn nichts verbürgt bis jetzt, dass jener Rückstand nicht eine durch 29* 436 H. F. A. Sasse: Kochen unverdaulich oder sehr schwer verdaulich werdende, nach der Auflösung eines andern verdaulich bleibenden Antheiles, in eigenthümlicher Form zurückbleibende Substanz darstelle, welche vielleicht durch die ganze Dicke der M. Descemetii verbreitet vorkommt. Es wird um so schwerer sein hierüber zu ent- scheiden, als die gekochte Membran im Verlaufe der Verdauung nur allmählich zu dem genannten trüben Häutchen einzugehen scheint. Durch ^/2 — Istündiges Behandeln einer Froschcornea mit OsOi von 0,5 pCt. wurde die Descemff sehe Membran bedeutend resistenter gegen Trypsinverdauung, so dass die Auflösung besten- falls erst nach 12 — 24 Stunden erfolgte. Kochen der aus der Os04 genommenen und gewaschenen Präparate bewirkte constant leichte Verdaulichkeit des Cornealgewebes, während die Descemef- sche Membran noch resistenter, in vielen Fällen ganz unverdau- lich geworden zu sein schien. Aus diesem Verhalten der Descemet' sehen Membran geht hervor, dass die chemische Zusammensetzung derselben weder mit dem der leimgebenden Gewebe, noch mit dem des Sarkolemms und der von CMftenden (a. a. 0.) untersuchten Membranae propriae über- einstimmt. Ebenso verschieden fand ich die Membran vom ela- stischen Gewebe, da die Verdaulichkeit des letzteren durch Kochen mit Wasser niemals vermindert zu werden scheint und elastische Fasern (vom Oberschenkel des Kaninchens) obwohl durch Trypsin verdaulich, bei der von mir angewendeten Behandlung auf dem Objectträger nach 24 Stunden kaum verändert wurden. Das Sarkolemm wird nach Froriep's, Angabe durch längeres Kochen mit Salicylsäure von 1 pCt. aufgelöst. Ich habe die Versuche Froriep's wiederholt, indem ich Froschsartorien, mittelst der Sehnenenden gespannt, erst 3 Tage in eine alkoholische Lö- sung von 2\'2 pCt. Salicylsäure legte, dann 2 Stunden in einer wässrigen Lösung der Säure von IpCt. kochte und ich habe darauf Zur Chemie der Descemet'schen Membran. 437 den vollständigen Verlust des Sarkolemms bestätigen können. Durch Chittenden's Erfahrungen über die hierbei möglichen Täuschungen vorbereitet, habe ich nichts unterlassen, um diesen zu entgehen, und ich kann darum umsomehr für die Richtigkeit der J^>o;-<>^/schen Beobachtung eintreten. Wie vorauszusehen, war das Sehnen- und Zwischeubindegewebe der Muskeln bis auf die Zellen und elastischen Elemente aufgelöst, so dass die Muskel- fasern überaus leicht zu isoliren und auf die Erhaltung ihres Sarkolemms zu prüfen waren: ich habe nirgends eine Spur des letzteren gefunden und weder irgendwo die CMtteuäe)}' sehen Ringe, noch Fetzen oder andere Gebilde an den Sehnenenden be- merkt, die als Reste veränderten und geschrumpften Sarkolemms anzusehen gewesen wären. Auch in der Salicylsäurelösung, die vollkommen klar war, so lange sie warm blieb, fand sich nichts suspendirt. Wir haben es hier also mit einem eigenthümlichen Verhalten des Sarkolemms in kochender Salicylsäurelösung zu thun, das in der Gewebsanalyse vielleicht noch zu einem wichtigen Mittel wird ; doch bin ich weit entfernt dasselbe so kurzer Hand und in dem Sinne, wie Froriep es gethau, zu verwerthen, da ja grade der Fall vorliegt , dass Gewebe, erwiesenermassen nicht leinigebender Natur, in diesem einen Punkte mit der Bindegewebs- fibrille übereinstimmen, was selbstverständlich Differenzen in zahl- reichen anderen Reactionen und schliesslich in der chemischen Constitution der Gewebsbildner nicht ausschliesst. Natürlich habe ich auch die Descenief&che Membran genau in der bei den Mus- keln befolgten Weise mit Salicylsäure behandelt. Das Ergebniss war ein negatives: die Membran wurde nicht angegriffen, als ich Stücke derselben oder ganze Froschcorneae der Behandlung unterwarf. Uebrigens erwies sich dasselbe auch ohne sicht- baren Einfluss auf Fibrinflocken und Stückchen von geronnenem Eiweiss. Da die Trypsinverdauuug wesentlich auf Albumine und wohl 438 E. H. CHttenden: auf diesen nächst verwandte Substanzen wirkt, wurden noch einige der gebräuchlichen Farbenreactionen mit gut ausgewaschenen Stücken der Descemef sehen Membran versucht. Die sogenannte Xanthoproteinreaction ergab überaus kräftige orange, die MiUon'sche intensiv rothe Färbung, während Sehnengewebe, das mit Trypsin von albuminösen Bestandtheilen gereinigt worden, nur Andeutungen jener Farben zeigte. Mit Natronlauge getränkte Descemef sehe Membranen färbten sich auf Zusatz höchst ver- dünnter Kupferlösung schön lila. Heidelberg, den 1, October 1879. Beiträge zur Histocliemie des Sehepithels. Von R. H. Chittenden. Wird eine in NaCl von 0,5 pCt. suspendirte frische Retina des Frosches allmählich erwärmt, so sieht man sie bei 45^ C. schnell weiss und opak werden und beim mikroskopischen A.n- blicke stark getrübt. Die Trübung ist am stärksten in der vorderen breiten granulirten Schicht, sowie in den Aussen- und Innen- ghedern der Stäbchen und Zapfen, während sich die Ganglien- schicht etwas weniger, noch weniger die fibrilläreOpticusausbreitung, am wenigsten, vielleicht gar nicht, die inneren Körner getrübt er- weisen. Durch Zerfasern solcher Netzhäute erhält man, wegen der Erstarrung bestimmter Antheile des Gewebes, leichter und für viele Zwecke geeignetere Präparate von grosser Schärfe und Klar- heit, als nach den nahezu Alles erhärtenden Behandlungen mit Chromaten oder OsO^. Dasselbe gilt für das aus dem halbirten oder unversehrt erwärmten Bulbus entnommene Pigmentepithel, Beiträge zur Histochemie des Sehepithels. 439 dessen Zellen zwar kaum getrübt erscheinen, aber die bei der Untersuchung des frischen Objectes störende Weichheit verloren haben. Unterschiede zwischen lange belichteten und dunkel ge- haltenen Augen sind nur insofern zu bemerken, als das Epithel aus den ersteren mit der Netzhaut ausschlüpft, aus den letzteren nur, falls der Bulbus erst einige Zeit nach dem Tode erwärmt worden. Dagegen haftet das Epithel sehr fest an der Stäbchen- schicht dunkel gehaltener, auf 100° C. erhitzter Augen und die daraus durch Zerzupfen erhaltenen Epithelzellen zeigen sich mit langen, pigmentlosen Fortsätzen, welche bis an die M. limitans ext. reichen, besetzt. Ohne Zweifel beruht die Wärmestarre der Netzhaut auf Gerinnung von Eiweissstoffen, welche auch im Sehepithel ent- halten sein müssen. Hieran mag bezüglich des Deckepithels und der Innenglieder der Stäbchen und Zapfen überhaupt nie ge- zweifelt sein, wir sehen aber, dass es sich hier um Eiweissstotfe handelt, die bei niederer Temperatur gerinnen, und erfahren es ausserdem von den Aussengliedern der eigentlichen Sehzellen, deren chemischer Bau noch wenig bekannt ist. In Ueberein- stimmung mit dem Albumingehalte aller Theile des Sehepithels steht das bekannte Verhalten derselben gegen sämmtliche Eiweiss coagulirenden Mittel (Sublimat, Salpetersäure u. s. w.), worin auch die Stäbchenaussenglieder schrumpfen und trüb werden. Da die Netzhaut nach längerem Liegen bei gewöhnlicher Temperatur trübe wird, dürfte auf eine der Leichenstarre der Muskeln ähnliche Gerinnung darin zu schhessen sein, worauf übrigens schon die beim Absterben sich entwickelnde Unlöslich- keit des Sehpurpurs für Galle deutet. Ich habe es vortheilhaft gefunden, statt der natürlichen Erstarrung die künstliche und viel bedeutendere, jeden Augenblick bei 45*' C. zu erzielende, als Mittel zur weiteren Untersuchung zu verwenden. Wärmestarre Froschretinae mit Galle irgendwelcher Concen- 440 R. H. Chittenden: tration behandelt, geben trotz starker Erweichung niemals Seh- purpur an dieselbe ab; sie verhalten sich in diesem Punkte also wie einfach abgestorbene, und die mikroskopische Untersuchung lehrt, dass die Stäbchen auch in ganz anderer Weise von der Galle verändert werden, als im frischen oder überlebenden Zu- stande. Betropft man eine frische Froschretina mit Galle von 2^2 pCt., in welcher zur Verhütung der Fäulniss etwas Thymol ge- löst worden, so scheint die Membran in einigen Stunden nahezu vollständig zu verschwinden und es wird nur durch einen Kunst- griff möglich, die wirklich ungelöst bleibenden Antheile zu er- kennen. Ich fand es zweckmässig, die Masse etwa zehnfach mit Wasser zu verdünnen und in einem Becherglase so lange mit Alkohol zu versetzen, bis die ersten Eiweissfällungen entstanden, die ich darauf durch Absetzen in einem Spitzglase sammelte, durch Decantiren und mit der Pipette auffing, in wenig Wasser vertheilte und wieder zu Boden gehen liess. So ist man sicher, die in Galle unlöslichen Pieste sämmtlich zu erhalten und zu er- kennen. Ausser Ptadialfasern, spongiöser Substanz, und den Ge- fässen der M. hyaloi'dea fand ich vor Allem Reste der Stäbchen- aussenglieder in grosser Menge, aber dieselben waren zu feinen, gewundenen und runzligen Fäden zusammengegangen, die nur durch genaue, während der allmählichen Entstehung dieser For- men unter dem Mikroskope zu erwerbende Bekanntschaft mit dem Objecte, als Abkömmlinge der Stäbchenaussenglieder zu erkennen waren. Dieselben wurden nicht angegriffen durch Kalilauge von 2 pCt., nahmen mit OsO* keine Färbung an und wurden nur schwach gelb nach successiver Behandlung mit HNOs und NHs. Es handelte sich also um die reinen, allen Inhaltes beraubten Keratinhüllen der Stäbchen. Der gleiche Versuch mit wärmestarren Netzhäuten angestellt, ergab viel beträchtlichere Pteste der Stäbchen, von eigenthüm- Beiträge zur Histoctemie des Sehepithels. 441 liebem Glänze und theilweise noch soweit erhaltener Form, dass Andeutungen der Plättchenstructur kenntlich blieben. Mit OsOt färbten sich die Stäbchenreste erst nach langer Einwirkung gelb- lich bis hellbraun, während die sog. Xanthoproteinsäurereaction sehr deutlich ausfiel. Ich schliesse hieraus, dass die Stäbchen- aussenglieder in einer Keratinhülle, neben den durch 0s04 stark zu färbenden myelogenen Stoffen, auch einen Eiweisskörper ent- halten, der bei 45*^ C. gerinnt und nach dex Gerinnung für Galle unlöslich wird. Mehr Eiweiss wird als Rest erhalten aus ge- kochten Netzhäuten, die in Galle überhaupt nur wenig veränder- lich sind und deren Stäbchen darin unter geringer Volumverände- rung auch schwer von dem durch OsOi intensiver zu färbenden Antheile befreit werden. Durch Behandlung mit Alkohol vor dem Einlegen in Galle wird Aehnliches eizielt, nur mit dem Unterschiede, dass OsOt die Stäbchen begreiflich kaum färbt. In der Trypsinverdauung gab es ein Mittel aus. der wärme- starren, oder selbst gekochten Netzhaut die geronnenen Albumine der Sehzelleu zu entfernen, während umgekehrt die myelogenen Stoffe zurückbleiben mussten. Dieser Voraussetzung entsprachen die Reste der Stäbchen, welche ich nach Verdauung mit alka- lischer Trypsinlösung erhielt, wirklich, aber ich habe es nicht dahin bringen können, den sehr bedeutenden Rückstand myelogener, stark auf OsO^ reagirender Stoffe, der in den Stäbchenhüllen blieb und überall an die Plättchenstructur erinnerte, so frei von Albuminen zu erhalten, dass die Xanthoproteinsäurereaction in dem Grade schwächer ausfiel, als ich erwartet hatte. Wie es scheint, liegt dies an einer durch die Behüllung der Albumincoa- gulate mit den myelogenen Materien bedingten Verzögerung der Verdauung, denn als ich mit Alkohol extrahirte und ausserdem mit Wasser gekochte Netzhäute nach der Trypsinwirkung unter- suchte, fand ich von den Stäbchen nur die seit Kuhnfs Unter- suchungen bekannten Keratinhüllen, die sich mit NHO3 und NH3 442 R. H. Chittenden: ihrer geringen Masse entsprechend, schwach färbten. Am voll- kommensten habe ich mich von dem Umstände, dass hiernach nur Scheiden der Stäbchen übrig bleiben, an solchen Netzhäuten überzeugen können, die zunächst mit OsOa von 1 pCt. gründ- lich geschwärzt, dann mit Alkohol extrahirt, mit Wasser gewaschen und verdaut waren, denn hier fand ich manche Stäbchen, die an einem oder an beiden Enden noch geschwärzte Reste enthielten, während sich dieselben in ihren vollkommen entfärbten Antheilen als kaum gefaltete dünnwandige Röhrchen darstellten. Neben Albuminen enthalten die Stäbchenaussenglieder jene Materien, denen sie den eigenthümlichen Glanz und die starke Lichtbrechung verdanken und von welchen man seit 3Iax Sckult^e und Bud- neiü die auffallende Reaction gegen OsOi kennt. Letztere er- innert bekanntlich an die des Nervenmarkes, welche ebenfalls von nicht albuminösen, sondern von in Alkoholäther (aber auch in Galle) löslichen Stoffen herrührt. Man kann die fragliche Materie als den myelogenen Antheil bezeichnen und wenn das ganze Nervenmark Myelin heissen soll, so empfiehlt es sich nach dem Vorgange Kühne'' s das Stäbchenmark als „Myeloi'd" zu be- nennen, da dasselbe von jenem in der Os04-Reaction durch die mehr zum Grün, niemals zum Blau, wie beim Nervenmarke, neigende Färbung abweicht. Dass mit Galle extrahirte Stäbchen ebenso wie gleichbehandelte Nerven, auf OsO^ nicht mehr rea- giren, wurde vorhin erwähnt, und wir wissen jetzt auch, dass das Myeloid der Albumine beraubt werden kann, ohne aufzu- hören durch OsOi schnell und intensiv gefärbt zu werden. Ich muss hervorheben, dass das Myeloid auch in diesem, irgendwie hergestellten Zustande nicht die bläuliche Nuance des mit OsOa gefärbten Myelins annimmt. Ebenso wie den Nerven, wird den Stäbchen der 0s04 redu- cirende Antheil durch Aether und durch kalten Alkohol entzogen, und ich bemerkte, dass der letztere dazu weitaus am brauch- Beiträge zui' Histochemie des Sehepithels. 443 barsten ist, du es mir schon nach kurzer Einwirkung desselben gelang, nicht mehr zu schwärzende Stäbchenschichten zu gewin- nen. Mit Aether gelang dies erst nach tagelanger Einwirkung, obwohl die Stäbchen bald sehr verändert, in starkem Plättchen- zerfall und bedeutend auf Kosten der Dicke in die Länge gezogen erschienen. Ich habe nicht untersucht, ob die Wirkung beschleu- nigt werde durch vorheriges Trocknen der Netzhaut, weil das Verfahren zu schlechte mikroskopische Objecte versprach, aber ich habe mich überzeugt, dass Netzhäute, denen der Aether selber bereits das Wasser entzogen hatte, noch weit entfernt waren mit OsOi ungefärbte Stäbchen zu liefern. Fast ohne Einfluss fand ich in dieser Beziehung das Benzol, welches nach Kühne Cere- brin leicht auflöst, obwohl die Netzhäute darin so hart und brüchig geworden waren, dass ich auf das Eindringen des Mit- tels rechnen durfte. Nach längerem Verweilen in Benzol wurden die Präparate übrigens an sich schon schwach bräunlich. Das Stäbchenmyeloid gewinnt besonderes Interesse durch die von Ewald und Kühne in den Pigmentzellen der Pictina ge- fundenen farblosen Klümpchen, die den Reactionen nach, abge- sehen von der Unterscheidung vom Epithelfette, wofür sie bis dahin gegolten hatten, für Myeloidkörner gehalten werden mussten. Neuerdings hat Aiujclucci^) (ohne Angabe seiner Quelle) die Mittheilungen von Ewald und Kühne über das Verhalten dieser Körner wiederholt und, wie es scheint, auch durch eigene, frei- lich weniger ausgedehnte Beobachtungen bestätigt. Ich glaube einige weitere Uebereinstimmungen zwischen dem Myeloid der Epithelkörner oder Klümpchen und der Stäbchen vorbringen zu können. Vor Allem liegen diese in den Veränderungen der Lös- lichkeit der Körner für Galle durch Erwärmen auf 4.0*' und höhere Temperaturen, wovon ich mich um so leichter zu über- zeugen vermochte, als die wärmestarren Epithelzellen selber nicht 1) Arch. f. Anat. u. Pliysiol. Phvsiol. Abtli. 1878. S. 353. 444 W. C. Ayres: mehr von der Galle gelöst wurden, was die Beobachtung sehr erleichterte. An gedrückten Objecteu mit freien Myeloidkörnern war ebenfalls nichts von der merkwürdigen Auflösung in Galle zu sehen, welche das frische Object zeigt. Ferner gelang es mir die Körner nach der Coagulation sowohl mit Galle, wie mittelst Alkohol und Aether der OsOi-Reaction zu berauben, insofern die überhaupt langsamer, als Stäbchen im Allgemeinen, dunkel wer- denden Gebilde auch nach tagelangem Liegen in starkem Ueber- schusse der Säure nur gelb bis hellbräunlich wurden. Die Ex- traction hat hier länger als bei den Stäbchen zu dauern, da das Protoplasma, worin die Körner vergraben liegen, derselben Hindernisse zu bereiten scheint. Meine Bemühungen, die von dem myelogenen Antheile befreiten Albumine der Myelo'idkörner durch die Löslichkeit in Tr3^psin, oder durch andere Eiweissreac- tionen so nachzuweisen, wie es bei denen des Stäbchenmarkes geschehen war, scheiterten einestheils an der Schwierigkeit sich in dem Pigmentbreie, der nach der Zersprengung und Auflösung der Epithelzellen zurückblieb, sicher von der Abwesenheit der Körner, von welchen ich freilich nach der Verdauung nichts mehr vorfand, zu überzeugen, anderntheils an der Unmöglichkeit Eiweiss- reactionen an einem Objecte anzustellen, das nur ganz von Pro- toplasma umgeben vorkommt. Heidelberg, den i. October 1879. Zum chemisdien Yerlialten des Selipurpiirs. Von W. C. Ayres. Nach Kühne's Beobachtungen schlägt die Extraction des Sehpurpurs aus den Stäbchen fehl, wenn die Retina bis zur Trü- bung abgestorben ist, ein Umstand, der die Darstellung des Zum ehemisclien Verhalten des Sehpurpurs. 445 Farbstoffs aus Säugernetzhäuten, welche denselben in größerer Menge liefern könnten, in unangenehmer Weise erschwert. In der Vermuthung, dass der Purpur unlöslich werde durch einen der Leichenstarre ähnlichen Gerinnungsvorgang, habe ich versucht, das Absterben der Netzhautgewebe unter Umständen vor sich gehen zu lassen, die geeignet schienen, albuminöse Gerinnungen ent- weder zu verhüten oder entstandene Gerinnsel sogleich wieder in Lösung zu bringen. Nach bekannten Erfahrungen am Myosin der Muskeln em- pfahl sich NaCl-Lösung von 10 pCt. Froschnetzhäute, die ich frisch in die Salzlösung gebracht hatte, quollen alsbald zu einer schleimigen Masse auf, und diese fand ich nach tagelangem Stehen noch brauchbar zur E.xtraction des Purpurs mit Galle von 2,5 pCt., so dass ich prächtig gefärbte klare Filtrate gewann. Das- selbe glückte mit Kaninchennetzhäuten, welche 24 Stunden in der Salzlösung gelegen hatten. Die erhaltenen Purpurlösungen zeichneten sich durch beson- dere Klarheit und Haltbarkeit aus; doch fand ich, dass die Fäul- nissfähigkeit noch geringer wird, wenn man die gewöhnlichen Pur- purcholatlösungen mit einer gesättigten Salzlösung auf den vollen Gehalt von 10 pCt. XaCl bringt. Benzoesaures Natrium, das be- sonders Klebs als Desinficiens empfiehlt, gab ebenfalls gute Resultate, obschon es damit, wenigstens bei Zusätzen von 1 — 2 pCt., nicht gelang, die Fäulniss dauernd zu verhindern. Bei weiterem Suchen nach Methoden zur Entziehung des Sehpurpurs aus abgestorbenen Netzhäuten stiess ich auf ein un- erwartetes Verhalten des Farbstoffs. Als ich Ptetinae der Wirkung von Trypsin und Galle gleichzeitig unterwarf, vermisste ich nicht nur allen Uebergang der Farbe in die Lösung, sondern es wurde auch der ganze ungelöst gebliebene Piückstand farblos gefunden. Ich erwärmte nun eine fertige, klare Purpurlösung in Galle von 2,5 pCt. auf 35'^ C. und versetzte sie mit dem gleichen Volum einer 446 W. C. Ayres: 0,3 pCt.Soda enthaltenden Trypsinlösung, die ausserdem 2 pCt. Na- triumbenzoat enthielt. Schon nach einer halben Stunde fand ich die Lösung gelb und später etwa so blassgelb, wie die Trj^psinlösung an sich aus- sah; es war also aller Sehpurpur zersetzt. Die Versuche wurden vielfach variirt, die Trypsinlösung neutralisirt, mit und ohne Ben- zoatzusatz angewendet, die Concentration der Galle und das Ver- bal tniss zwischen Purpurlösung und Verdauungsflüssigkeit gewech- selt: aber immer beobachtete ich eine nur von der Menge des Trypsins zeithch abhängige Entfärbung, und dass dieselbe aus- schliesslich vom Trypsin und dessen digestiver Wirkung herrührte, bewies die tagelange Erhaltung der Farbe in erwärmten Control- proben, deren Trypsinzusatz vorher gekocht worden. Einmal in Galle aufgelöster Sehpurpur widersteht also der pankreatischen Trypsin Verdauung nicht. Diese Thatsache war um so weniger zu erwarten, als Kühne die vollkommene Erhaltung der Netzhautfarbe während der Tryp- sinverdauung festgestellt hatte. Ich habe mich wiederholt von dieser Unzerstörbarkeit des ungelösten Purpurs überzeugt und auch bemerkt, dass zuvor in NaCl von 10 pCt. schleimig gewordene Netzhäute, sowie in NHs^) gequellte in den wirksamsten pankreati- schen Verdauungsflüssigkeiten, nach tagelangem Erwärmen einen Bodensatz von unveränderter, lichtempfindlicher Purpurfarbe hin- terhessen, dem sich so lange nichts Missfarbenes beimischte, als der Benzoatzusatz die Fäulniss w^esentlich einschränkte. Da die nach Kühle's Angaben bereitete pankreatische Ver- ^) Ich benutze die Gelegenheit, um meine frühere Angabe, dass NHs- Zusatz die Bleichungszeit der Froschnetzhaut am Lichte bedeutend verlän- gere, zu berichtigen. Nach Beobachtungen von Herrn Ayres, denen ich beiwohnte, ist ein solcher Einfluss des NHs am Tageslichte sehr verschiede- ner Intensität nicht zu bemerken, wenn man genau vergleichend verfährt. W. K. Zum chemischen Verhalten des Sehpurpurs. 447 dauungsflüssigkeit nur Trypsiuwirkung und keine Wirkung auf Fette und Stärke zu besitzen pflegt, so war zunäclist nur an einen, der digestiven Eiweissspaltung ähnlichen, den Sehpurpur zersetzenden Vorgang zu denken; doch mag daran erinnert wer- den, dass das aus Ochsenpankreas dargestellte Trypsin, ebenso, wie das Laab des Magens Casein in neutraler Lösung coagulirt^). Gemischter Speichel vom Menschen, den ich ebenso unbeschadet von der Gegenwart der Galle auf Stärke wirksam fand, wie das Trypsin auf Fibrin, veränderte die Farbe der Sehpurpurlösung gar nicht. Meine Beobachtungen sind nicht ausgedehnt genug, um mir Erörterungen über die chemische Natur des Sehpurpurs zu ge- statten, welche nach dem Verhalten dieses Farbstoffes gegen ein Enzym, von dem man ausschliesslich Wirkungen auf Albumine oder diesen verwandte Körper kennt, nahe liegen würden. Ich darf mir aber erlauben noch an den merkwürdigen , auf eine chemische Verbindung des Sehpurpurs mit irgend einer anderen in den Stäbchen befindlichen Substanz deutenden Umstand zu erinnern, der in der Unzugänglichkeit der Netzhautfarbe für die Trypsinwirkung , vor der durch die Galle erzeugten Trennung des Farbstoffs von dem natürlichen Substrate liegt. Bemer- kenswerth ist endlich, dass intensivste Fäulniss, wie ich wieder- holt bestätigt fand , den Sehpurpur selbst bei 40*^ C, weder in der Retina, noch in der Cholatlösung, trotz der Zersetzlichkeit letzterer durch Trypsin, verändert. Heidelberg, im August 1879. ') Vgl. W. Kühne. Verhandl. cl. naturhist.-med. Vereins zu Heidelberg. Bd. I. Heft 4. 2. Mai 1876. 448 W. Kühne und A. Sli. Lea. Beobaclitungen über die Absonderimg des Pankreas'). Von W. Kühne und A. Sh. Lea. Mitgetheilt von W. Kühne. (Mit Taf. 2—6 und einem Holzschnitt.) Die folgende Darstellung einiger Erscheinungen an der leben- den Bauchspeicheldrüse bezieht sich auf Beobachtungen und Er- fahrungen einer langen, bis zum .Jahre 1868 zurückliegenden Zeit, seit welcher ich wiederholt den Versuch gemacht habe, ein möglichst vollständiges Bild dessen, was von den Vorgängen in einer lebenden Drüse des Säugethieres überhaupt sichtbar ist, zu gewinnen. Die Anregung zu diesen gelegenthch immer wieder aufgenommenen Versuchen darf ich auf Cl. JBernard's erste Dar- stellung des Kaninchenpankreas zurückführen, in welcher zum ersten Male das Aussehen lebensfrischer, wegen ihrer flachen und dünnen Ausbreitung der mikroskopischen Untersuchung vollkora- 1) Eine kurze Mittheilung dieser Untersuchungen wurde im October 1876 in den Verhandlungen des Naturhistorisch-Medicinischen Vereins zu Heidel- berg publicirt. Z. Th. durch die Rückkehr Herrn iea's nach Cambridge verzögerte sich die ausführlichere Publication, obwol die Tafeln schon 1878 gedruckt waren. In Folge dieser Verzögerung sind der 3. u. 4. Band der „Untersuchungen aus dem physiologischen Institute zu Heidelberg" erschie- nen, bevor das vorliegende Heft 4 des 2. Bandes vollendet war und die vor stehenden Arbeiten der Herren Krukenherg, Chittenden^ Sasse und Ayres seit lange durch Separatabzüge bekannt geworden, obgleich sie jetzt erst in die weitere Oeffentlichkeit treten. W. K. Beobaclitiingen über die Absondei'ung des Pankreas. 44!) men zugänglicher Drüseuläppchen und unberührter Secretions- zellen beschrieben wurde. 1856 ist Bernarcfs berühmtes „Memoire sur le pancreas" erschienen mit der AbbiUhmg jenes wichtigen Objectes auf Tat". 1 — 2, Fig. 6 und erst 1869 findet sich in der Dissertation von P. Langerhans ein Hinweis darauf. Heute ist es nach HeidenJiain's eingehenden physiologischen Arbeiten über das Pankreas und besonders nach der schönen Zusammenstellung derselben in dem \on L. Hermann herausgegebenen Handbuche der Physiologie unnöthig ein Wort über die Bedeutung der ersten ^erwa>Y?'schen Beobachtung hinzuzufügen. Cl. Bernard nährte auch die Hoffnung, es werde einmal gelingen, am Kaniuchen- pankreas die Secretion im Lebenden zu sehen. Es mag Schuld der Einrichtung unserer Mikroskope sein, daß derartige Beobachtungen so lange auf sich warten ließen. Nachdem ich vielfach vergeblich versucht hatte, das Kaninchen- pankreas bei genügender Vergrößerung zu untersuchen, glückte es Langerlmns, das des Triton, welches leichter zugänglich ist, mit erhaltener Blutcirculation zu betrachten; die Drüse war aber nicht in genügender Ausdehnung durchsichtig und schien über- haupt weniger geeignet, wol weil sie nicht so acuten Veränderungen unterliegt, wie die des Säugethiers. Erst als mir im Jahre 1868 ein größeres Mikroskop von Powell und Lealanä zur Verfügung stand, sah ich mich der Erfüllung des alten Wunsches nahe, Be- obachtungen am Mesenterium der Duodenalschlinge und dem darin liegenden Pankreas anzustellen und dieser Zeit entstammt ein großer Theil des Folgenden, sowie der von Herrn Lea und mir in den Verhandlungen des hiesigen naturhistorisch-medicinischen Vereins am 26. Oct. 1876 kurz mitgetheilten Befunde. Ich muß dies erwähnen, weil manches den Fachgenossen weit früher be- kannt geworden ist, was sie hier zum ersten Male eingehender mitgetheilt finden. Wenn man nach den Einrichtungen fragt, welche zu mikro- Kühne, Untersuchungen n. 30 450 W. Kühne und A. Sh. Lea: skopischen UntersuchuDgen am lebenden Säugethiere gedient haben, so vernimmt man aus Wort und Bild in der Regel, daß irgend ein recht unvollkommenes Gestell eines alten Mikroskops mit neueren Objectiven versehen an das meist sehr sinnreich und mit allem experimentellen Comfort unserer Tage umgebene und fixirte Object gebracht wurde und muß es dann erklärlich finden, daß unsere Vorgänger mit den ersten, heute mitleidig belächelten Mikroskopen grade Einiges beobachteten, was den jetzigen Instru- menten, besonders den mit solidester Tischeinrichtung versehenen, fast unzugänglich scheint. Diesen später entstandenen und em- pfundenen Schwierigkeiten, deren Ueberwindung einer früheren Zeit nicht zugetraut wurde, werden es die ausgezeichneten For- scher an der Wende des 17. Jahrhunderts zu danken haben, daß ihre Entdeckungen ganz m Vergessenheit geriethen. Sind doch die schönen Beobachtungen von W. Goivper'^) über den Blutlauf im Mesenterium der Katze und des Hundes so vollständig ver- gessen worden, daß 1856 B. Wagner^), 1870 JBuräon-Sanderson und Stricker^) die Erscheinung am Warmblüter zum ersten Male gesehen zu haben glaubten; höchstens wurde Leemoenhoek die Beobachtung am Fledermausflügel zuerkannt und 1875 mußten wir erleben, daß der mikroskopische Anblick des kreisenden Blutes in der Froschlunge, mit dem Malpighi 1686 die Lehre vom Kreis- laufe zuerst über jeden Zweifel erhoben hatte, für etwas neues gehalten wurde. Nichts hätte W. Cotvper vor 180 Jahren hin- dern können, das Kaninchenpankreas im Lebenszustande zu be- trachten, wenn es für ihn Interesse gehabt hätte. Was mich zuerst verhinderte, die Untersuchungen fortzu- setzen, war die Schwierigkeit, die freiliegende Darmschlinge ge- 1) Philos. Transact. XXIII. p. 1182. 2) Göttinger Nachr. 1856. S. 217. S. 226 berichtet Wagner auch über einen erfolglosen Versuch die Blutbewegung im Pankreas zu sehen. 8j Quart. Journ. of Micr. Sc. X S. 362. Beobachtungen über die Absonderung des Pankreas. 451 nügend vor Schädlichkeiten zu bewahren. Das Object mußte mit Salzlösung oder Serum angepinselt werden, wodurch das Instru- ment beschmutzt wurde, und der Abkühlung vorzubeugen, war schwierig. Ich ließ ein kleines Treibhaus bauen, welches das ganze Mikroskop mit dem Kaninchen aufnahm und aus dem nur das Ocular durch einen starken Tuchvorhang herausragte, durch welchen man mittelst zweier Handlöcher zum Objecte gelangte, während sich dasselbe in erwärmter und mit Wasserdampf gesät- tigter Luft befand. Das Verfahren erlaubte nur mit Immersions- systemen zu arbeiten und war sehr mühsam und unbequem. Erst durch die sinnreithe von Herrn CoUegen Tlioma für Untersuch- ungen am Frosche eingeführte Irrigation^) kam ich auf das Richtige, indem ich die fließende Salzlösung auf Bluttemperatur brachte. Herr Thoma hat das Verfahren und was es für dauernde Beobachtungen des Blutlaufes bei Säugethieren leistet, inzwischen so eingehend beschrieben, daß ich bezüglich dieses Punktes auf seine bekannte Arbeit^) verweisen darf. Die Einrichtung, deren ich mich mit Herrn Lca im Früh- jahre und im Sommer 1876 bediente, und welche dieser mit vielem Geschick und großer Ausdauer verwendete, war etwas einfacher. Wir haben das Kaninchen nicht mit Curare vergiftet und es selbst- ständig athmen lassen. Das Thier wurde zuweilen mit Chloral, später immer mit Aether narkotisirt unvollkommen iramobilisirt, da gelegentliche zuckende Bewegungen die Beobachtung nur kurz unterbrachen, selten dem Objecte schadeten. Damit das aufge- bundene Thier nicht erheblich abkühle, worüber ein Thermo- meter im Anus Aufschluß gab, wurde es ganz in Watte einge- packt mit Binden umwickelt, die nur das Operationsfeld frei ließen, was an sich schon stärkere Bewegungen verhinderte, da die Binde zugleich in vielen Gängen um das haltende Brett geschlungen 1) Virchoiv's Archiv Bd. 65. S. 36. 2) Virchoiü's Archiv Bd. 74. S. 360. 30* 452 W. Kühne und A. Sh. Lea: war. Taf. 2 zeigt die Einrichtung, an welche das Kaninchen gebracht wurde: a ist ein großes Wasserbad, worin 2 Flaschen mit physiologischer NaCl -Lösung erwärmt werden; die größere Jfano^^e'sche Flasche diente zum Nachfüllen und Vorwärmen der aus der kleineren Flasche durch einen Schlauch in das Röhrchen C hinübergeheberten Lösung. In C befand sich das die Tem- peratur der Flüssigkeit unmittelbar vor dem Abfließen auf das Object controlirende Thermometer. Sollte die Temperatur schnell geändert werden, so ließ man wärmere oder kältere Salzlösung aus dem großen Becherglase &, das ebenfalls in einem Wasser- bade stand, zufließen. Das Kaninchen ist auf einem vertical verstellbaren in beliebiger Neigung zu fixirenden Brette befestigt, das mittelst zweier Metallsäulen auf einem langen, schmalen guß- eisernen Fuße (f) ruht. Dieser Theil mit dem Thiere ist es, der kaum an andere Mikroskope gehörig heranzurücken ist, als an die größeren englischen Stative mit ihrem weit vorspringenden Tubusträger und dem vielfach beweglichen, weit durchbrochenen Tische. In der Abbildung sind das eigentliche Object (die Darm- schlinge) und der Objectträger fortgelassen, da die Details uner- kennbar geworden wären; man sieht von dem Objectträger nur 2 aufwärts gehende Stäbe durch einen Querbalken verbunden, nicht den daran befindlichen, der Tischebene parallelen, zur Licht- seite vorspringenden 10 mm breiten Glasstreifen, auf welchem das Mesenterium mit dem Pankreas ruhte, während der Darm zu beiden Seiten herabsank. Je nach Bedürfniß wurde der an den Kanten natürlich gut abgerundete Glasstreif an den Seiten mit Flügeln von Hartgummi versehen, um dem Darme mehr Stütze zu bieten. Für besondere Zwecke wurde ein anderer „Ob- jectstuhl" (vergl. den Holzschnitt) benutzt, der den ebengenannten erläutern hilft. Der untere Rahmen wird in den durch Schrau- ben nach allen Richtungen der Objectebene verstellbaren Tisch des Mikroskops befestigt, so daß man die Sitzplatte des Stuhles, Beobachtungen über die Absonderung des Pankreas. 453 ohne diesen oder das Object berühren zu müssen, durch die Tisch- schrauben bewegt. Das Uebrige ist bestimmt das Mesenterium zu halten und den beobachteten An - theil zwischen Electroden zu nehmen, zu wel- chem Zwecke die Stuhlbeine aus Glasstäben ge- macht sind, auf welchen Messing- röhrchen laufen, die mittelst der Messingbügel b h in die Platinstreifen p p übergehen. Mit Ausnahme des Glas- scheibchens g besteht das Uebrige aus Hartgummi, sowohl die Stuhlplatte mit den Seitenflügeln, wie das Mittelstück m. Zur Beleuchtung des Objectes diente eine in die Condeusatoröfinung ein- gesetzte, mit Cylinderblendungen versehene, leicht zu verlängernde Röhre, welche bis unmittelbar unter die Stuhlplatte reichte. Zuweilen wurde der Objectstuhl an seinem Querbalken nur mit 2 horizontal vorspringenden schmalen Leisten von Hartgummi versehen und das hohl daraufhängende Mesenterium nur oben mit dem Deckglase bedeckt, um an die untere nackte Fläche 2 an der Lichtröhre isolirt emporlaufende, federnde Drähtchen mit ab- gerundeten Enden bringen zu können, durch welche eine kleine Stelle des Pankreas electrischem Reize zu unterwerfen war, indem man die zuleitenden Köpfchen (am Knallgasgebläse entstandene Kügelchen der Platindrähte) einander über der Lichtöffnung stark näherte. Um die Berieselungsflüssigkeit aufzufangen und abzuleiten, 454 W. Kühne und A. Sh. Lea: wurde über die lichtzuleitende Röhre eine konische Blechröhre geschoben, die an einer Stelle ihres Umfanges wasserdicht mit einem aus Guttapercha geformten Trichter umgeben war, aus welchem das Salzwasser durch einen seithchen Ansatz mit Schlauch in den Trichter g abfloß. Der Guttaperchatrichter diente unter Umständen statt der Flügel an dem Objectstuhle zur Stütze des Darms und erhielt verschiedene Gestalt, je nach der am zweck- mäßigsten befundenen Stellung der Axe des Mikroskops zur Hori- zontalen. Es war unter Umständen angenehm, das Mesenterium vollkommen vertical hängend zu beobachten, während der Tubus horizontal stand, in welchem Falle eine Gasflamme an Stelle des Beleuchtungsspiegels trat. Auf Taf. 2 rechts sieht man noch eine Einrichtung zur In- jection resp. zur Messung des Absonderungsdruckes. Die U för- mige Röhre ä erweitert sich zu einem Gefäße für die Injections- masse, welches unten durch Quecksilber abgesperrt, oben mittelst eines durchbohrten Glaspfropfens verschlossen ist, an welchen sich die mit Hahn versehene, vorn schwach geknöpfte Canüle für den Ausführungsgang des Pankreas anschließt. Durch den Trichter e mit Schlauch und Klemme wird Quecksilber nachgefüllt, das die Injectionsmasse in die Drüse treibt. Fast ohne Ausnahme wurde das Object mit einem Deckglase belegt, gewöhnlich mit einem an 3 Seiten von einem sehr leichten Rahmen aus Hartgummi umgebenen, das von der Salzlösung nicht überfluthet werden konnte. Zu den Beobachtungen wurden Syst. 4, 5, 7, 8 und 9 ä Immersion von Hartnach und ^/4 von JPoivdl und Lettland, das sich ähnlich wie Syst. 5 besonders für stärkere Ocularvergrößerung eignete, verwendet. Ueber die Herrichtung des Objectes ist kaum mehr zu sagen, als daß man die Wunde nahezu unblutig rechts an der Grenze der Stamm- und Bauchmuskeln anzulegen und grade groß genug zu machen hat, um das Duodenum ohne Klemmung hervorbringen Beobachtungen über die Absonderung des Pankreas. 455 zu können. Praktisch ist es auch, die Wunde erst größer zu machen und durch Nähte zu verengern, nachdem das Duodenum ausgeschUipft ist. In allen Fällen wurde der Ausführungsgang mit einer Caniile versehen, aus welcher der Saft entweder frei abtropfte oder in einer horizontalen Glasröhre weiter Üoß, wenn das Manometer oder der Injectionsapparat nicht angelegt wurden. Die auf irgend eine Weise zu fixirende Canüle bereitet den Ver- suchen die meisten umstände, weil sie oft die Einstellung der- jenigen Strecken des Pankreas erschwert, welche die dünnsten und freiliegendsten sind; unter solchen Umständen den Gang un- angetastet zu lassen, damit das Secret in den Darm abfließe, ist nicht zu empfehlen , weil man in erster Linie Garantie für die bestehende Absonderung und gegen etwaigen Verschluß des Ganges durch Druck oder Faltungen braucht. Zur Controle der Abson- derung haben wir entweder das Fortschreiten in der horizontalen Glasröhre gemessen, oder die Intervalle zwischen dem Abfallen der Tropfen. Nicht fette, die Mittelgröße nicht ganz erreichende Kaninchen wurden als die geeignetsten verwendet. Bemerkungen zum Bau des Kaninchenpankreas. Ueber den Bau der Drüse ist zum Verständnisse des Späteren Einiges voranzuschicken. Schon aus Langerhans Erfahrungen wußte man, daß saubere und klare Bilder der Gänge und Lumina des Pankreas nur zu erhalten sind mit zähflüssigen Injectionen, wie Asphaltlack u. dergl., während Lösungen von Berliner Blau auch bei geringem Drucke sofort verworrene, z. Th. durch Extravasate verdeckte Präparate liefern. Wer die Drüse des Kaninchens injicirt hatte, in welchem Erfolg und Fortgang der Injection ohne Weiteres zu erkennen sind, konnte darum von der Darstellung Saviottis kaum über- rascht werden, welche die größeren Lumina oder Centralcanäle der Alveolen noch in zahlreiche intercelluläre Canäle und unter 456 W. Kühne und A. Sh. Lea: der Membrana propria gelegene Netze übergehen ließ, ähnlich den in der Gl. submaxillaris von Giannuzsi gefundenen. Die unter Brucheis Leitung ausgeführte Ai"beit von Latschenherger hob darauf mit Recht hervor, daß der Weg vom Drüsenlumen zur M. propria nicht in Gestalt von Canälen oder Röhren vorgebildet sei, sondern breite flache Spalträume darstelle, in welche die Injec- tionsmasse vielleicht erst unter ganz unphysiologischen Bedingungen eintrat. Von dieser Correktur abgesehen, haben die injicirbaren Räume jedoch an Interesse nicht verloren, und sie konnten es nicht, weil sie auch ohne Injection häufig sichtbar sind oder durch andere Mittel erkennbar werden; und wenn ihnen die Abwesen- heit besonderer Wandungen Abbruch thun sollte, so würde dieser Einwand auch die Centralcanäle, ja alle Drüsenlumina treffen, denen nur absondernde Zellen zur Grenze gegeben sind. Bekanntlich sind die Intercellularräume für vielerlei gehalten worden: 1. für bloße Spalten, wobei die Fr-age entsteht, welcher Art und welchen Ursprungs die Flüssigkeit sei, die sie enthalten ; 2. für Kittplatten und Kittleisten; 3. für Protoplasma oder massi- veres Material besonderer nicht secretorischer Zellen; 4. für Ner- ven. Wir haben es in erster Linie für nützlich erachtet, die An- oder Abwesenheit des Gebildes oder dessen Erkennbarkeit im Leben zu untersuchen, dann die Bedingungen unter welchen etwas Fremdes hinein oder an seine Stelle tritt, endlich welcher Art dessen eigene Substanz sei. An lebenden Pankreas sind die Grenzen der Secretionszellen zuweilen überall, in der Regel wenigstens an zahlreichen Läpp- chen mit großer Deutlichkeit, selbst durch doppelte Contouren bezeichnet, und mit Hülfe dieser Contouren in die Tiefe längs der ganzen Berührung zweier Zellen zu verfolgen, ebenso an der Oberfläche die Netze oft in Gestalt von doppeltcontourirten feinen Rahmen in Kerben zu erkennen, welche die zur Membrana propria gewendeten Basen der Zellen umziehen. Das ganze Bild kann Beobachtungen über die Absonderung des Pankreas. 457 aber auch fehlen, oder die Mehrzahl der Läppchen nichts davon aufweisen, eine wichtige Diiferenz, auf die wir zurückkommen. Da im lebenden oder lebensfrischen Pankreas die Hohlräume der fast schlauchartigen Alveolen oder die Drüsenlumina bis zu den Se- cretionszellen und bis an ihre oft leicht birnförmigen Enden zu ^verfolgen sind, bieten die Läppchen ein vortreffliches Object um das Eindringen einer Injectionsmasse direkt unter dem Mikroskope zu sehen und man sollte nicht versäumen, die Füllung in dieser Weise vorzunehmen, die am besten über deren Verlauf belehrt. Wir haben es oft ausgeführt, sowohl am Lebenden bei noch bestehender Blutcirculation, oder in situ nach Beendigung unserer Versuche und Verblutung des Thieres, wie an dem mit dem Duodenum im Mesenterium herausgenommenen Präparate. Auf die Injectionsmasse kommt wenig an, falls man die zähen oder rasch erstarrenden vermeidet. Wo kein Secretionsdruck zu über- winden ist, sieht man die Farbe bei kaum meßbarem Drucke schnell bis in die Enden der Lumina vortreten, dann sich mit Spitzen und Buckeln besetzen, die überall zwischen die Drüsen- zellen vorragen und an vielen Orten plötzlich birnförmige Kolben treiben, worauf alsbald Ausbreitung zu flachen, an die M. propria reichenden Platten erfolgt. An manchen Läppchen ergießt sich jetzt gleich ein bedeutendes Extravasat unter die Membran, Alles mit einem farbigen Mantel verhüllend, an anderen werden kleine farbige Kuppen zwischen den Zellen und der M. propria aufge- trieben. Man sucht daher eine weniger gefärbte Stelle auf und erhält nun den Anblick geordneter, alle Zellen an der Basis ein- rahmender Streifen, welche unmittelbar unter der M. propria ein zierliches Netz bilden, mit so viel polygonalen Maschen, als es Zellen giebt. Diesen Stellen entsprechende Schnitte aus gehärteten Alkoholpräparaten zeigen, daß die Rahmen dreieckigen Quer- schnitt haben. Es kommt also zu der Regelmäßigkeit des Netzes noch eine bestinnnte Gestalt seiner einzelnen Stücke und wenn 458 W. Kühne und A. Sh. Lea: dies dem Canalsysteme schon einigen selbständigen Charakter verleiht, so scheint ein solcher noch mehr hervorzutreten durch das Erscheinen des Netzes an Stellen, wo von Extravasaten nichts zu sehen ist, was an ganzen Läppchen und in der Weise vor- kommen kann, daß man sogar vergeblich nach Communicationen des peripherischen Netzes mit dem Centrallumen suchen wird. Hier entscheidet nur die Entstehung der Injection unter dem Auge: es füllt sich das Rahmenwerk in der That nicht selten von weni- gen Intercellularspalten, oft von den recht unregelmäßig geformten der sog. centroacinären Zellen aus und da sich die Spalten beim Abbruche der Injection nach der einen oder der anderen Seite ganz entleeren können, indem sich die Zellflächen wieder knapp zusammenlegen, wird zuweilen jede ehemalige Communication ver- wischt und ein Bild voller Räthseln steht vor uns. Auffallend ist nun Folgendes: wird ein Pankreas unter ge- ringstem Drucke mit leichtflüssiger Masse injicirt, so ist die Drüse alsbald in allen Gegenden mit makroskopisch erkennbaren Extravasaten durchsetzt, während andere Stellen garnicht oder sehr blaß gefärbt erscheinen. An den letzteren ist, häufig in unmittelbarer Nähe der schlimmsten Extravasate, nur der Axial- canal, dieser aber bis zum Ende gefüllt und selbst erneute In- jection mit Druckerhöhung ändert daran nichts oder erzeugt nur schwache Erweiterung des Canals, ohne wahrnehmbare Expansion des Läppchens nach außen. Da man die Injectionsmasse in rücken- der Bewegung sehen kann, weiß man, daß nicht die gewöhnliche Ursache verstärkter Extravasation in der Nachbarschaft den Fort- gang der Injection hemmt; und der Grund liegt wirklich anderswo, nämlich in der Beschaffenheit des Drüsenläppchens selbst. Das Kaninchenpankreas zeigt wie im Leben auch nach dem Tode 2 Formen der Läppchen, die einen mit glatter, die andern mit gekerbter Oberfläche. Zwischen beiden giebt es Uebergänge, obschon die Extreme unmittelbar nebeneinander auftreten können. Beobachtungen über die Absonderung des Pankreas. 459 Je glatter dei- Alveolus begrenzt ist. um so unvollkoinniener ist seine Zusammensetzung aus Zellen zu erkennen; nicht nur die Kerne sind verhüllt, sondern auch die Zellgrenzen von der M. propria bis zum Lumen verwischt, während die Läppchen mit gekerbter Obertläche, welcher die M. propria, obschon nicht voll- kommen folgt, nicht nur ^Yegen dieses ümstandes die Zellen gradezu abzuzählen gestatten, sondern auch wegen der deutlichen Grenzen, die zwischen denselben bis zum Axencanal sichtbar sind. Sucht man vor der Injection die eine oder die andere Form aus, so kann man voraussagen, wie weit die Masse zunächst vordringen wird, denn es sind die Alveolen mit gekerbter Oberfläche, in welchen plötzlich die Zellgrenzen von farbigen Streifen nachge- zogen werden. Will man die beiden Zustände der Läppchen mit Dingen bekannter Gestalt vergleichen, so würde die Verschieden- heit hervortreten etwa wie zwischen der Maulbeere und der läng- lichen Cornelkirsche. Die Differenz ist im Leben vorhanden und wir hoffen noch zeigen zu können unter welchen Umständen. Bemerkungen über die Blutgefäße des Pankreas. Ohne die Gefäßverbreitung im Pankreas eingehend darstellen zu wollen, müssen wir auf einige an der Drüse des Kaninchens besondei-s hervortretende Eigenthümlichkeiten aufmerksam machen. Manches ist ohne Kunstmittel an den bluterfüllten Gefäßen des Le- benden zu erkennen, vor Allem das eigenthümliche Zurückbleiben der Blutgefäße gegen die Vorsprünge der Drüse, oder das Heraus- ragen der Drüsenläppchen aus dem Bereiche der Gefäßveräste- lung, das an zahlreichen Stellen viele tausende absondernder Zellen allem näheren Verkehre mit dem Blut entzieht. Ausge- sprochene, aber keineswegs seltene Fälle dieser Art sind auf Taf. 4 zusammengestellt, wo nur die Grenzgefäße mit blauer Farbe ange- deutet sind. Obschon nicht so ausgeprägt, ist das Verhalten doch ähnlich überall, soweit der Rand der Drüse darauf zu unter- 460 W. Kühne und A. Sh. Lea: suchen ist und ein Zusammenfallen des liandes oder der Ober- fläche der Läppchen mit den Grenzen des Gefäßnetzes kann nur als Ausnahme bezeichnet werden. Der Fundus der Drüse pflegt nicht etwa in Ausdehnung einer Lage von Secretionszellen den gefäßlosen Rand darzustellen, sondern ganze Convolute von Läpp- chen und oft getheilte hammerförmige Endstücke sind es, welche die Krone des Gefäßbaumes überragen. Das Bild Fig. 7 auf Taf. 1 — 2 iu BernanVs Memoire, das eine natürliche Injectiou des (todten) Kaninchenpankreas mit der Begrenzung durch Blutgefäße dar- stellt, ist deshalb nicht als auf den Rand der Drüse eingestellt anzusehen: es ist ein Oberflächenbild, dessen Raudtheile bedeu- tend tiefer lagen. Aus der bekannteren Abbildung der Gefäßver- ästelung des Kaninchenpankreas in KöUiJcers Gewebelehre (5. Aufl. Fig. 316. S. 447) würde man eine richtige Vorstellung gewinnen, indem man den oberen Theil mit einem gekerbten Rahmen um- zöge, innerhalb dessen mindestens 2 — 6 Secretionszellen Platz fänden. Freilich schließt dieses ganze Verhalten nicht aus, daß nicht an einzelnen Stellen, namentlich in den tieferen Kerben des Drüsenrandes einzelne Gefäßschlingen ziemlich weit ins Mesen- terium vorspringen, wie es unsere Taf. 4 rechts in 3 Fällen dar- stellt; man glaube aber nicht, daß etwa Mesenterialgefäße ihrer- seits zu den Pankreasrändern vorgingen, denn das Mesenterium ist, wo es kein Fett enthält, in der Nähe der Drüse sehr wenig vascularisirt. Am deutlichsten wurde das, man möchte sagen, geflissentliche Ignoriren der Drüse seitens der Blutgefäße in einem Falle, der leider zu zeichnen versäumt wurde^ gesehen, wo sich fast rechtwinkhg (T förmig) auf eine zwischen 2 größeren Drüsen- lappen durch einen größeren Gang und Gefäßstämme hergestellten Brücke ein kleiner birnförmiger Alveolus aufgepflanzt fand, der nur an seinem kurzen Stile ein weitmaschiges Capillarnetz em- pfing, so daß der eigentliche Drüsenkörper gänzlich gefäßlos und ausschließlich auf die lymphatische Ernährung angewiesen blieb. Beobachtungen über die Absonderung des Pankreas. 461 Sähe man die gefäßlosen Pankreasläppchen am Lebenden nicht bei jeder Gelegenheit, so könnte vermuthet werden, daß die be- treffenden Gefäßgebiete durch locale Störungen blutleer und un- sichtbar geworden wären. Der Anblick ist aber derselbe in allen Injectionspräparaten und wir zweifeln deshalb gar nicht an der Bestätigung unseres Befundes, wo irgend sich solche Präparate finden, falls die Drüsensubstanz daran kenntlich ist. Die Gefäßverästelung des Pankreas weist eine zweite Eigen- thümlichkeit in Gestalt einer Art Glomeruli auf, welche unseres Wissens noch nicht beschrieben sind. Auch diese Bildungen sind in der natürlichen Füllung durch das circulirende Blut zu er- kennen, besser jedoch an Injectionspräparaten, weil sie selten an den Rändern der Drüse, mehr im Innern vorkommen, wo das lebende Object zu undurchsichtig wird, und weil sie überdies an Stellen auftreten, wo sich statt der durchsichtigeren Drüsen- zellen Haufen kleiner, trüberer Zellen befinden. Auf Taf. 3 hat der Zeichner versucht das Aussehen eines gut injicirten mit dem Mesenterium in Alkohol gelegten und in Canadabalsam aufge- hellten Pankreas bei mäßiger Vergrößerung wiederzugeben. Um die fraglichen Gebilde recht sinnfällig werden zu lassen, ist für den Anfang die Untersuchung mit schwachen Vergrößerungen zu empfehlen: man sieht dann zahlreiche Stellen des Gefäßbaumes ausgezeichnet durch merkwürdig weite kurze Capillaren, die z. Th. kaum distincte Figuren, höchstens ein kurzes S oder ähnliche Formen darstellen, außerdem Convolute in großer Zahl, welche den Namen Glomeruli vollkommen verdienen. Obgleich wir auf diese Bildungen zuerst am Lebenden stießen und dieselben auch an den sorgfältigst behandelten, soeben aus der Bauchhöhle ge- schlüpften Objecten zu sehen waren, konnten wir uns nach der ersten Injection mit gefärbter Masse des Mißtrauens nicht er- wehren, Kunstproducte durch übermäßige Ausdehnung der Gefäße erzeugt zu haben. Fast mit bloßem Auge und leicht mit der 462 W. Kühne und A. Sh. Lea: Lupe entdeckten wir die fraglichen Stellen an der frisch injicirten, noch nicht einmal durchsichtig geraachten Drüse als etwas so auffallendes, daß wir, wie gewöhnlich beim Erfassen einer auf- fälligen, zuvor nie erwähnten Erscheinung, an Täuschung denken mußten. Indeß traten die dunkler injicirten Stellen sogleich an einer bei nur 30 mm Hg Druck von der Aorta aus vorgenommenen Injection auf und dieselben kamen überhaupt um so deutlicher zum Vorschein, je weniger die Injection vorgeschritten war, da sich im Allgemeinen nächst den Arterien erst dieser Theil des peripheren Gefäßapparats füllte^). Dazu ergab die Untersuchung andrer Pankreas, vom Hunde und von der Katze, an Schnitt- proben ganz ähnliche Gebilde und übereinstimmend mit dem Ver- halten beim Kaninchen das ausschließliche Vorkommen der weiten Capillarschlingen und größerer, von solchen gebildeter Glomeruli nur im Bereiche von Haufen trüber kleinerer Zellen, die in jedem Pankreas (auch beim Affen und Menschen) vorhanden sind. In den compakteren Drüsen ist dies natürlich erst an Schnitten zu erkennen (vergl. Taf. 5. Fig. 4 u. 5) deren es zur genaueren Er- kennung der Umgebung der Glomeruli übrigens auch am Kanin- chen bedarf (Taf. 5. Fig. 1 u. 2). Herr Lea hat mit dem Mikrotom von den betreffenden Stellen Schnittserien hergestellt, welche die Figur der Glomeruli innerhalb jener Zellenhaufen ziemlich zu construiren gestatten und jedenfalls mit Sicherheit zeigen, daß nichts von den weiteren Capillaren außerhalb der Zellhaufen, im eigentlichen Pankreas oder in dessen lockeren Bindegewebe liegt. Die Glomeruli bestehen aus sehr weiten, stark gewundenen Piöhren capillaren Baues und gehen, wie es scheint, nur theilweise aus einzelnen Endarterien hervor, z. Th. aus kurzen capillaren ') Wir haben die Injection der Gefäße des Pankreas von der Aorta aus, nach Unterbindung dei'selben oberhalb der Nierenarterien, in der Regel mit 30— 40 mm Hg Druck begonnen und zur Füllung aller Capillaren und der Venen hei 60—80 mm Hg Druck beendet. Beobachtungen über die Absonderung des Pankreas. 463 Aesten dieser, von welchen letzteren sich oft mehrere zusammen in den Bezirk der weiteren Capillaren begeben. Ebenso diffus ist gewöhnlich der Austritt des Blutes zur venösen Seite, indem sowohl mehrfache Communicationen mit dem eigentlichen Capillarnetze des Pankreas, wie kürzere, weitere mit den nächsten Venen be- stehen. In Fig. 3. Taf. 5 haben wir versucht, diese Verhältnisse abzubilden : a a sind die Glomeruli, h h die feineren Capillarnetze des Drüsenkörpers. Schräg durch die Figur zieht eine größere Vene, welche eine schmälere Arterie verdeckte, aus welcher der obere und der mittlere Glomerulus gespeist werden. Der unterste Glonierulus erhält den Zufluß von dem Arterienaste rechts und giebt das Blut ebenso wie die beiden andern rechts von der Vene liegenden Glomeruli z. Th. direkt an diese ab. Die Glomeruli gehören nicht eigentlich dem Pankreas, son- dern der schon erwähnten Einlagerung von Zellenhaufen an, die in jedem Säugerpankreas reichlich vorkommen. Wir haben die- selben anfänglich auf die nach E. H. Weher von KöUiJcer (Mikro- skop. Anat. Bd. 2. S. 251) erwähnten Zellcomplexe bezogen; da diese aber in der Wand größerer Gänge liegen und als Drüsen mit Communication nach deren Lumen von Latsclienherger be- schrieben worden sind, so haben die hier zu beschreibenden „inter- tubulären Zellenhaufen" nichts damit zu thun. Dieselben finden sich durch das ganze Pankreas zerstreut und wenn sie auch nicht gerade an den peripherischsten Theilen auftreten, so kommen sie doch innerhalb so kleiner Läppchen vor, wo es keine gröberen Gänge mehr giebt. Beim Kaninchen haben sie sehr verschiedene Größe, von den kleinsten nur eine erweiterte Capillar- schlinge fassenden Ansammlungen etwas gestreckter unregelmäßiger Form beginnend bis zu den zahlreichen größeren von 1 — 2 mm Durchmesser, kugliger oder ellipsoider Gestalt. Makroskopisch sind sie im Lebenden als trübere Stellen, dem bloßen Auge etwa wie Sasfokörner erkennbar und eine Probe daraus mit der Lan- 4G4 W. Kühne und A. Sh. Lea: cette entnommen ergiebt sich zusammengesetzt aus zahlreichen großkernigen Zellen mit relativ schmaler kugliger Protoplasma- schale. An frischen entbluteten Objecten ist ein gesprenkeltes Aussehen des Kaninchenpankreas wol schon oft bemerkt worden, aber wir müssen ausdrücklich darauf aufmerksam machen, daß es hier vor der mikroskopischen Betrachtung leicht zu verwech- selnde Dinge giebt. Die Sprenkelung, um bei dem Namen zu bleiben, kann sehr ausgeprägt sein, indem die trüberen weiß- licheren Stellen zugleich recht deutlich abgegrenzt sind, aber diese Erscheinung ist keine constante und beruht darauf, daß Gruppen der gewöhnlichen Secretionszellen ungewöhnlich reich an Bernard'' sehen Körnchen sind. Das ist es, was Herr Reiäenhain^) im Sinne hatte und auf unsere „Zellenhaufen '^ bezog und es wird bei sehr vielen Drüsen so gefunden werden, wenn man die weiß- lichen Körner durchsucht. Zuweilen haben wir dabei übrigens noch ein Drittes gefunden, nämlich die Körner ganz zusammen- gesetzt aus sehr scharf berandeten, ungemein großkernigen, z. Th. polyedrischen, wenig succulenten glänzenden Zellen, wie wir ver- muthen, einer pathologischen Bildung. Vollkommen sicher sind die von uns gemeinten Zellhaufen herauszufinden an frisch von den Gefäßen aus injicirten Drüsen, wo jede an der Stelle eines Glomerulus herausgenommene Probe nur diese liefert. An Schnitten in Alkohol gehärteter Pankreas sind die Stellen sehr scharf gegen die eigentliche Drüse begrenzt und aus dicht gedrängten Zellen, die erheblich kleiner als die Drüsenzellen und meist polyedrisch gegeneinander abgedrückt sind, zusammengesetzt. Dazwischen treten hier und da spindelförmige mit Carmin zu färbende Figuren auf, wie nicht zu bezweifeln, Kernen an den Bälkchen eines zarten Bindegewebes angehörend, das innerhalb der Zellenhaufen Gerüste und Abtheilungen bildet. Wir haben uns viel bemüht einen et- ') riancl])uch der Physiol. Herausgeg. v. Hermann. V. S. 177. Beobachtungen über die Absonderung des Pankreas. 4G5 waigen Zusammenhang der Zellenhaufen mit den Hohlräumen des Pankreas und seiner Ausführungsgiinge durch Injectionen aller Art nachzuweisen, glauben aber um so weniger an die Zugehörigkeit der Haufen zum eigentlichen Drüsenapparate, da dieselben, obwol häufig genug durch die früher geschilderten Extravasate verdeckt, auch in unmittelbarer Nähe gut injicirter Drüsenläppchen frei von den eingeführten Farben gefunden wurden. Durch weitere Unter- suchung wird festzustellen sein, ob die Zellhaufen kleinsten Lymph- drüsen, was das wahrscheinlichste ist, entsprechen. Die Abbildungen auf Taf. 5 sind nach Alkoholpräparaten, die mit Hämatoxylin gefärbt worden, copirt, (Fig. 1 und 2 vom Kaninchen, Fig. 4 und 5 vom Hunde). An den in Balsam auf- gehellten Präparaten erweisen sich die Zellkerne häufig nicht kuglig, sondern von ovaler Form und die umgebenden Zellen- leiber immer bedeutend schwächer gefärbt, als die der Pankreas- zellen. Die größten intertubulären Zellhaufen wurden beim Affen (Macacus cynomolgus) gefunden (vergl. Taf. G. Fig. 2). Das ab- gebildete Präparat, mit Picrocarmin gefärbt, zeigt nur die Pan- kreaszellen gelblich, deren Kerne gelbroth tingirt, während die Zellen des fraglichen Haufens ungefärbt blieben, nachdem ihre Kerne reine Carmiufarbe angenommen hatten. Leider besaßen wir kein Affenpankreas mit injicirten Gefäßen. Frische mensch- liche Pankreas zu härten und zu untersuchen, fehlte bis jetzt die Gelegenheit; wir erkannten jedoch einmal einen circumscripten kleineren Zellhaufen zweifellos in einem guten mikroskopischen Präparate des menschlichen Pankreas, das in Wien käuflich er- standen war. Vorgänge im lebenden Pankreas. a.An den Blutgefäßen. An dem freigelegten Pankreas fesselt das schöne Schauspiel des Blutlaufes die Aufmerksamkeit so sehr, daß man sich an- derer Zwecke ernstlich erinnern muß, um nicht immer wieder zu Kühne, Untersuchungen II. 31 466 W. Kühne und A. Sh. Lea: den Erscheinungen an den Blutgefäßen abgelenkt zu werden. Es tritt hier etwas besonderes hinzu: der Blutlauf ist rascherem Wechsel als an den bekannteren Objecten und Beobachtungs- stellen unterworfen und man kann dieses Wechseln nicht sehen, ohne nicht sogleich an die von Cl. JBernard entdeckten Gefäß- phäuomene der Speicheldrüse und deren Beziehungen zu Nerven- reizen, sowie zur Absonderung und Ruhe der Drüsen denken zu müssen. Hatte doch auch Bernard lange. vor seinen Entdeckungen an der Gl. submaxillaris die außerordentlichen Verschiedenheiten der Blutfülle am Pankreas schon gefunden und als charakteri- stische, die Absonderung begleitende Zustände zu verwerthen ge- wußt. Kein Wunder also, daß man an dem zu ihrer Erkennung so überaus geeigneten Kaninchenpankreas zuerst förmlich auf diese Erscheinungen fällt, wo sie direkt und in größerer Aus- dehnung sichtbar werden. Bekannt ist das makroskopische Aus- sehen dieses Objectes schon lange durch die vortreffliche in Farben ausgeführte Taf. 7 — 8 in Bernard'' s Memoire, ebenso der Unter- schied der Färbung des ruhenden und des absondernden Hunde- pankreas durch Taf. 5—6; nur das mikroskopisch, im durchfal- lenden Lichte wahrgenommene Bild, das wir zu beschreiben haben, ist ^daher neu. Ueber die Ptöthe im Allgemeinen als Ausdruck erweiterter Gefäße, besonders der capillaren, giebt das unbewaffnete Auge Auf- schluß und entscheidet bereits über das wichtige Vorkommen localer Veränderungen dieser Art. Im Nothfalle mit der Lupe sind im bunten Wechsel locale Hyperämieen und Anämieen zu erkennen j wenn die betroffenen Aveolen groß genug sind. Das mikroskopische Bild wiederholt dies zunächst in w'eiterem Ausbau und in der überraschenden Weise, daß unmittelbar nebeneinander hyperämische und anämische Läppchen liegen, oft von einer ge- meinsamen Arterie gespeist, deren nächste Gabelung also schon mit Hülfe der Muskulatur und deren Innervation die Ursache der BeboachtuDgen über die Absonderung des Pankreas. 4G7 Differenzen in sich trägt. Es sind 2 Extreme, welche zur An- schauung konunen: 1. der langsamste Strom mit engen Arterien, Capillareu und Venen; 2. der beschleunigte mit Erweiterung aller Theile. Im ersteren giebt es zugleich große Unterschiede der Blutfarbe, am Hilus der Läppchen, falls Vene und Arterie frei genug liegen, so große, daß die Vene sogleich an der dunkleren Farbe und der venöse Strom an der geringeren Geschwindigkeit zu entdecken ist, erkennbar an dem Vorüberhuschen plasmareiche- rer oder weiße Blutkörperchen enthaltender Stromlücken, von denen man in den Arterien nichts deutliches sieht. Während dieses Zustandes treiben die Blutkörperchen in den verbindenden Capillaren, sehr häufig auf der hohen Kante stehend, in Gestalt kürzerer oder längerer Münzpakete vorbei, unterbrochen durch vereinzelte umhertummelnde Blutkörperchen in plasmareicheren Partieen, oder durch längere Reihen in allen Lagen vorüber- laufender rother Körper, endlich durch weiße Körperchen. Nur die letzteren veranlassen gelegentliche Stockungen, selten von längerer Dauer, theils durch Ankleben an den "Wänden und lang- sameres Rollen, theils weil sie zu groß sind, um schneller passiren zu können. Die Capillaren sind also bei langsamstem Blutlaufe und derjenigen Gefäß- (Arterien) Enge, welche unter normalen Verhältnissen gewiß selten überschritten wird, weit genug, um je einem Blutkörperchen bequem Platz zu bieten. Es kann nicht oft genug wiederholt werden, daß so Viele ein falsches Bild der capillaren Blutkörperströmung mit sich tragen, indem sie die be- kannteren Erscheinungen des Blutlaufes bei den Amphibien zum Muster nehmen und auf die Säuger und den Menschen übertragen. Zwischen diesen Thierclassen besteht in dieser Hinsicht ein fun- damentaler Unterschied: es giebt im Allgemeinen beim Säuger keine Wandreibung und keine Formänderung der rothen Blut- perkörchep, wie beim Frosche und die Obturation der Capillaren mit oder ohne Fortdauer der Plasmaströmung ist beim Säuger 31* 468 W. Kühne und A. Sh. Lea: selten oder von sehr kurzer Dauer. Wohl wäre es an der Zeit, diesen Umstand einmal besonders in's Auge zu fassen, der in Hinsicht auf den Stoffverkehr zwischen den geformten Bestand- theilen des Blutes und den Geweben des Interessanten genug bietet. Der Farbenunterschied des Blutes erstreckt sich bis in die Capillaren; wenigstens waren wir, wo die geringste Geschwindig- keit bestand, nicht im Zweifel, daß die den Venen nächsten Ca- pillaren weniger rothe, dunklere, mehr venöse Färbung hatten, als benachbarte dem arteriellen Ursprünge nähere. Selbst für die Beurtheilung der Blutfarbe in den größeren Gefäßen, ist das Deckglas durchaus nöthig und dasselbe darf nicht zu locker auf- liegen, während die Berieselung zugleich möglichst einzuschränken ist, denn ein so dünnes Object mit großer Oberfläche, wie unsere Drüse, wird begreiflich sowol aus der Luft, wie aus den in der Salzlösung enthaltenen oder im Strömen aufgenommenen Gasen reichlich 0 aufnehmen, so daß das Capillarblut kaum venös in die Venen gelangen kann. Im andern Extrem der Blutfüllung des Pankreas ist die Strö- mung in den Capillaren überall so beschleunigt, daß die zur Er- kennung der Säugerblutkörperchen erforderlichen Vergrößerungen dieselben nicht mehr einzeln erkennen lassen. Man sieht wol, auch ohne daß größere Lücken kommen, daß Das, was fließt nicht homogen ist, vermag aber nicht mehr, namentlich nichts über die Stellung der Blutkörperchen auszusagen. Farblose Rand- strömungen vermochten wir nicht mit Sicherheit zu constatiren, öfter jedoch langsameres Ptollen einzelner weißer Blutkörperchen. Die Breite der rothen Säulen steigerte sich jedenfalls genügend um zahlreichen Blutkörperchen in einem Querschnitte Platz zu bieten, und wenn man den Strom durch Drücken auf das Deck- glas verzögerte oder hemmte, sah man 3 — 4 Körperchen in den verschiedensten Lagen den Raum zwischen den beiden Röhren- Beobachtungen über die Absonderung des Pankreas. 469 contouren anfüllen. Dasselbe war in andern Fällen ohne künst- lich herbeigeführte Stockung zu sehen, wenn bei großer Capillar- weite die Strömung erheblich langsamer wurde, wie es garnicht selten geschah, offenbar indem die Vergrößerung des Gesammt- querschnittes der Strombahn nicht durch das vergrößerte Blutvolum der erweiterten Arterie compensirt wurde. Bei allen Beschleuni- gungen ist die Blutfarbe überall gleich, die der Vene wol so hell- roth, wie die der fließenden Säule in der benachbarten Arterie. Zugleich ist die den Pulsen entsprechende periodische Beschleuni- gung des Stromes neben sichtlichen klopfenden Erweiterungen und Streckungen gekrümmter Capillaren in allen Theilen fast störend bemerkbar. Unmittelbar nach Herrichtung des Objectes pflegt die Blut- strömung langsam zu sein, ja an vielen Stellen zu stocken, darauf Erweiterung mit starker Stromzunahme «inzutreten, welcher dann Verlangsamung folgt, die nun in verschiedener Weise durch Be- schleunigung unterbrochen wird. "Wir können dafür keine Regel aufstellen und müssen uns auf die nachfolgenden Versuchsproto- kolle berufen. Im Allgemeinen ist zu sagen, daß recht häufig die Erweiterung dauernd wird und alle jene bekannten Erschei- nungen der Extravasation flüssiger und geformter Blutbestand- theile nach sich zieht. An der Oberfläche unseres Präparats haben wir die letzteren selten ganz vermißt, sie aber nach glattem Ope- riren und vorsichtigster Bewachung des Objectes, an dem Theile des Gefäßapparats, auf den es ankam, nur sehr ausnahmsweise erfolgen sehen, nämlich nicht an den mesehteriellen, sondern an den Drüsengefäßen. Es ist dies ein wichtiger, glücklicher Weise aber bald zu beurtheilender Punkt, weil jede Extravasation inner- halb der Drüse oder zwischen ihren Läppchen die Blätter des Mesenteriums, namentlich bei jüngeren Thieren, deren wir uns vor- zugsweise bedienten, von einander drängt, so daß die Drüse in dem Transsudate zu flottiren beginnt. In diesem Zustande wird 470 W. Kühne und A. Sh. Lea: das Object für weitere Beobachtungen überhaupt unbrauchbar, weil erst starker und schädlicher Druck die nun heftig mit dem Blute pulsirenden Läppchen zur Ruhe zu bringen vermag. Pul- sirende Massenbewegungen der Drüse mit dem Mesenterium waren ohnedies die unangenehmste Zugabe, die wir in der Regel zu be- kämpfen hatten, und gegen welche es kein anderes Mittel gab, als gehöriges Ausspannen des zu beobachtenden Theiles über die Un- terlage und Belegung mit dem Deckglase. Beides darf natürlich nur so weit als gerade erforderhch getrieben werden: versieht man es darin, so leiden Circulation und Secretion. Da nicht allen Nachtheilen vollkommen vorzubeugen ist, so empfiehlt es sich, wo der Zweck es erlaubt, im Laufe eines Versuches neue Stellen des Pankreas aufzusuchen, oder in den Pausen das Deckglas fort- zunehmen und das Object zu entspannen. b. Yorgäuge an der Drüse. An der Drüsenmasse des lebenden Pankreas bemerkt man nach etwas längerer Betrachtung fast ausnahmslos, daß die Con- touren der Läppchen keine bleibenden sind, sondern wechselnde, an derselben Stelle bald gekerbt, bald glatt. Die Unterschiede sind schon erörtert; hier bleibt nur hinzuzufügen, daß auch die geschilderten Extreme mit allen Einzelheiten im Leben vor dem Beobachter sich entwickeln und daß jeder der Zustände an jedem Läppchen auftreten und wieder verschwinden oder einer dem andern folgen kann. Der Wechsel verläuft gewöhnlich langsam, so langsam, daß er wesentlich durch Anfang und Ende zu er- fassen ist, wie z. B. das Vorschreiten eines Uhrzeigers; doch haben wir die Bewegung zuweilen an ganzen Reihen der Zellen direkter aufzufassen vermocht, am häufigsten die Entstehung der Kerben, seltener die Rückkehr zum glatten Zustande, die er- hebhch langsamer verläuft. Auf Taf. 6 haben wir versucht den Unterschied darzustellen ; Fig. 1 ist die Abbildung eines Pankreas- Beobachtungen über die Absonderung dfs Pankreas, 471 läppchens, die wir imter vielen Skizzen auswählten, weil sie nahezu Alles zeigt, was uns an der Drüse zu sehen vergönnt war. Man sieht die charakteristische Gestalt des Capillarnetzes, dessen Blut- füllung durch rothen Druck angedeutet ist, dann das Vorspringen größerer Drüsenmassen aus dem Bereiche dieses Netzes, endlich nebeneinander gekerbte und glatte Läppchen, die Extreme be- sonders unten links und rechts. Im gekerbten Theile zeigt die Figur zugleich die oben geschilderten Spalträume zwischen den Zellflächen oder deren mehr minder scharfe Abgrenzung gegen- einander, ferner das nicht vollkommene Eindringen der M. propria in die Tiefe der Kerben und die deutlichere Streifung der peri- pherischen Zellzonen. Der sichtbare Wechsel dieser Zustände am bluternährten Pankreas verbürgt deren physiologische Natur und macht ihren Zusammenhang mit der Absonderungsthätigkeit und Ruhe der Drüse von vornherein wahrscheinlich. Seit Heidc)ihai)is schönen Arbeiten über die Speicheldrüsen, das Pankreas und über eine lange Reihe anderer Drüsen und seceruirender Schleimhäute ist kein Mangel an sicher festgestellten Verändernngen von Drüsenzellen durch die ihnen eigenthümliche Thätigkeit, aber viele derselben sind der Art, daß an ihre Con- statirung durch Beobachtungen am Lebenden nicht zu denken ist. Was an mit der Secretion verbundenen Veränderungen direkt zu verfolgen war, wurde an Wirbellosen oder am Frosche beobachtet, neuerdings z. B. von Stricker und S2nna und kommt im wesentlichen auf eine Gestaltveränderung der absondernden Zellen hinaus, also auf Aehnliches, wie die im Pankreas zu erkennenden Vorgänge, Einige der von HeidenJiain gefundenen Umwandlungen im Innern von Drüseuzellen, so das Vorrücken und Schwellen der Kerne, die Bildung trüber Massen an Stelle durchsichtiger würden jedoch wol direkt sichtbar sein, wenn man in die betreffenden Drüsen hinein- sehen könnte, wie in das Pankreas. An diesem giebt es nun in der That eine in diese Kategorie fallende Erscheinung und sie betrifft 472 W, Kühne und A. Sh. Lea: die Bern ard' sehen Körnchen, welche Bernard schon mit dem thä- tigen oder secretionsfähigen Zustande in Zusammenhang brachte, und deren quantitative Schwankungen Heidenhain in dieser Hin- sicht als bedeutungsvoll erkannte. Die Bernard''scheia. Körnchen befinden sich ganz vorwiegend im vorderen, inneren Antheile der Drüsenzellen, sind um so reich- licher und reichen um so weiter nach außen zur Kernzone, je länger die Läppchen im glatten Zustande verharren, während länger gekerbt bleibende Läppchen daran häufig sichtlich ver- armen. Zweierlei vermochten wir in dieser Hinsicht durch länger dauernde Beobachtungen zu erkennen: 1. die Körnchen beginnen dem centralen Lumen zunächst heller, durchscheinender, weniger lichtbrechend zu werden, so daß zwischen den dunkleren Körn- chen Stellen entstehen, welche kleinen Vacuolen gleichen; 2. sieht man von Zeit zu Zeit Körnchen von hinten her nachrücken. Wir haben letzteres freilich nur selten, aber mit aller Sicherheit con- statiren können, denn einzelne nahe vor dem Kerne gelegene Körnchen gehen deutlich ruckweise vorwärts und helfen die Dichte des vorderen Haufens wiederherstellen. Gewöhnlich muß dieser Vorgang langsam, schleichend erfolgen, insofern man eben das Rücken nicht sieht, aber der Haufen sich nach rückwärts lichtet, während vorn die Vacuolen verschwinden und der Körnchenhaufen hier nicht verarmt. Sicher meinen wir das schleichende Vorwandern erkannt zu haben an größeren Körnchen, welche im peripheren Theile der Zelle zwischen dem Kerne und der M. propria ganz vereinzelt auftreten. Diese sieht man während etwa halbstün- diger Beobachtung ihren Platz langsam ändern und neben dem Kerne vorbei zu den vorderen gelangen, wobei sie auch selber eine Veränderung erleiden, indem sie etwas kleiner werden. Junge Kaninchen, bei denen überhaupt nur in der Mehrzahl der Drüsen- zellen hinter dem Kerne Körnchen vorkommen, eignen sich für diese Beobachtung am besten. Beobachtungen über die Absonderung des Pankreas. 473 Bezüglich der Kerne der Secretionszellen ist es schwer be- stimmte Angaben zu machen: wir haben die Ueberzeugung ge- wonnen, daß das Volum derselben wechselt und daß sie um so weiter zur M. propria rücken, je größer sie sind, sich also um- gekehrt verhalten, wie die der meisten Drüsen nach Heidenliain u. A. An der frischen Drüse ist die große Mehrzahl nicht sichtbar oder kaum angedeutet und die erkennbareren sind die kleineren, welche die Zellzone, worin sie liegen, höchstens zu ^/U ausfüllen. Wir empfingen den Eindruck, als ob diese deutlicheren Kerne vorzugsweise in den gekerbten Läppchen zu sehen seien. In andern Fällen waren mehr Kerne zu sehen, dann aber in jeder Art der Läppchen und die meisten sehr groß, peripherer gelegen und doch die Zelle mit ihrem größten Durchmesser nahezu obturirend. Hinter dem Kerne zur Peripherie hin, zeigen auch die le- benden Zellen die schon von Pflüger bemerkte Streifung, nach Heidenhain vielleicht den Ausdruck eines feinen Canalsystems. Die Streifung ist an den gekerbten Läppchen immer am besten ausgeprägt und reicht bis zu der convexen peripheren Kuppe, zu welcher sich die in den glatten Läppchen fast ebene Basis der Zellen umformt. Die geschilderten Wechselzustände mit der Absonderung und Ruhe der secernirenden Zellen in Zusammenhang zu bringen, lag nahe. Wir haben auf vielfache Weise zu entscheiden ver- sucht, welcher Zustand dem der Thätigkeit entspreche und können nicht leugnen von vornherein eine bestimmte, schwer abzuwei- sende Meinung darüber gewonnen zu haben. Je besser genährt das Thier zur Verwendung kam , je schonender die Operation und Herrichtung des Objects ausgeführt waren, desto eher war nahezu überall auf den beschleunigten Blutlauf und auf das Aus- tropfen von Secret aus der Canüle zu rechnen, während sich gleichzeitig der größte Theil der zur Untersuchung geeigneten Drüsenränder- und Flächen im gekerbten Zustande befand. Dazu 474 W. Kühne ii. A. Sb. Lea: kam, dass sich durch die bekannten, Secretionen befördernden und hemmenden Gifte vorwiegend der eine oder der andere Zustand erzeugen ließ, durch Jaborandiextrakt der gekerbte, durch Atropin der glatte. Hätte man es beim Pankreas in der Hand, wie bei den Speicheldrüsen durch Reizung zutretender Nerven die Secretion anzuregen, so wäre unsere Frage bald entschieden. Wir haben an Stelle der unausführbaren Nervenreizung die direkte des Gewebes, oder durch Betasten mit den Electroden in der Drüse verlaufende Nerven zu treffen versucht. Der Erfolg war indeß höchst unsicher und der einzige, auf den einigermaßen zu rechnen war, ein unwillkommener, nämlich außerordentliche Verlang- samung, selbst Stillstand der Circulation. In einzelnen Fällen schien Reizung mit sehr schwachen, nicht tetanisirenden Induc- tionsschlägen unter geringster Spannweite der Electroden applicirt, glatte Läppchen ziemlich schnell in gekerbte zu verwandeln. Jedenfalls geschieht das Umgekehrte nicht, und zwar bei keiner Art der Reizung, wenigstens nicht in kürzerer Frist. Ein Mittel die Secretion zu bethätigen und den gekerbten Zustand in grösserer Ausdehnung hervorzurufen, bestand im In- jiciren anscheinend indifferenter Flüssigkeiten durch den Aus- führungsgang unter mäßigem, 20—30 mm Hg betragenden Druck. Wir haben dazu V^^/o NaCl-Lösung, defibrinirten fettreichen Chylus vom Hunde, Milch, geschlagenes Kaninchen- oder Hühner- blut verwendet und in der Regel die Injection bald verdrängt werden sehen durch reichlich abtropfenden Saft normaler tryp- tischer Beschaffenheit und den gekerbten Zustand entwickelt, selbst bei hungernden Thieren, wie im gleichen Falle durch Jaborandi. Diese Mittel führten zu einer direkten Controle der Secretion und zwar am Secretionsorte selbst. Chylus oder Vogel- blut sind so leicht in den Ausführungsgängen zu erkennen und schreiten so willig unter dem Auge bis in die centralen Lumina Beobachtungen über die Absonderung des Pankreas. 475 der Alveolen vor, ja noch über deren Grenze hinaus, dass man auch ihren Rückgang erkennen mußte, im Falle frisch abgesonderter Saft sich Platz zu machen suchen würde. In der That ist diese Umkehr mit aller Genauigkeit zu verfolgen. Man sucht ein Läpp- chen mit glatter Oberfläche aus, wenn möglich in einem größeren Haufen gleich beschaffener Läppchen, worin man die Centralkanäle berandet durch die dunklen Körnchen gut erkennt, und beginnt darauf die Injection mit Hülfe des kleinen Reservoirmanometers, nachdem dasselbe genügend angewärmt worden ist. Langt die Masse im Sehfelde an, so liest man den Lijectionsdruck ab, der in der Regel 2—3 cm Hg betragen mußte. Hierauf wird das Manometer abgenommen, um einen Antheil der Injection zurück- laufen zu lassen, der sich aus der Canüle sogleich entleert, wo- bei in der Regel keine Bewegungen an dem Theile entstehen, der schon bis in die Alveolen vorgedrungen ist, während die größeren Gänge starke rückgängige Strömung zeigen, die sich jedoch auch zunächst beruhigt. Nach wenigen Minuten pflegt darauf die Strömung in den Axencanälen der Läppchen, entweder continuirlich mit allmählicher Beschleunigung oder leise rückend, intermittirend in längeren Pausen zu erfolgen und voraus signalisirt durch das Auftreten von Kerben am Rande der Läppchen. Wir können demnach nicht zweifeln, daß die Entstehung des gekerbten Zu- standes dem secerhirenden der Drüsenzellen entspricht. Läßt die Veränderung auf sich warten, so erfolgt sie sicher auf Ein- spritzung von Jaborandiextract in eine Schenkel vene. Die Injectionen am Lebenden erfordern um so höheren Druck, je verbreiteter der gekerbte Zustand in der Drüse ist, und da die Injection diesen selber zu erzeugen vermag, so darf man sich nicht wundern, wenn auf eine erste Injection, die während vor- gängiger Drüsenruhe vollkommen ausreichend bei kaum meßbaren Drucke von Statten ging, ein zweiter Versuch nach 15 — 20 Min., während welcher sich aus der Canüle viel wieder entleerte, bis 476 W. Kühne und A. Sh. Lea: 30 mm Hg. Druck erfordert. Wo beide Zustände der Drüsen- läppchen in ziemlich gleicher Vertheilung vorhanden sind, dringt jedoch die Injectionsmasse nicht etwa zunächst nur in die Central- canäle der glatten Läppchen ein, sondern auch in einen großen Theil der gekerbten, woraus zu schließen ist, daß diese einmal entstandene Form die Secretion beträchtlich überdauert. So mag es denn auch kommen, daß immer eine Anzahl gekerbter Alveolen zu finden ist, deren künstliche Füllung während langer Zeit keine rückläufige Bewegung antritt. Daß letzteres in glatt bleibenden Alveolen überhaupt nicht geschieht, ist zum wichtigsten Belege ihrer Unthätigkeit besonders anzuführen. Im Zusammenhange mit der physiologischen Bedeutung der beiden Zellenformen des lebenden Pankreas gewinnt das Verhalten der Gefäße und des Blutlaufes im Umkreise der Alveolen be- sonderes Interesse. In dieser Hinsicht haben wir Eines constant gefunden, nämlich Beschleunigung des Stromes, wo die Abson- derung unzweifelhaft war, d. h. wo der gekerbte Zustand sich grade entwickelte oder wo Injectionsmasse sichtbar zurückgedrängt wurde. War die Beschleunigung im Beginne der Beobachtung nicht vorhanden, so stellte sie sich entweder vor dem Auftreten der ersten Kerben ein, oder sie entwickelte sich allmählich mit der Kerbung. Oft wurde die Erweiterung der Blutbahnen mit gleichzeitiger Drüsenthätigkeit localisirt und in unmittelbarer Nachbarschaft ruhender Läppchen mit schwachem Blutstrome gefunden, so daß man ein übersichtliches Bild sämmtlicher Drüsen- phänoraene vor sich hatte. Dagegen war Gefäßerweiterung an ruhenden glatten Läppchen ebenfalls häufig und anhaltend, ohne daß die Gestalt der Alveolen sich änderte und sowol Gefäßenge wie Erweiterung an den gekerbt verharrenden Läppchen, aus denen auch nach erneueter Injection nichts zurückfloß, zu beob- achten. Diese Thatsachen sind in Uebereinstimmung mit dem Verhalten der Gefäße an den Speicheldrüsen, wo der beschleunigte Beobachtungen übar die Absonderung des Pankreas. 477 Blutstrom bestehen kann, ohne Secretion, trotz vorhandener Se- cretionsfähigkeit, wie z. B. bei sehr schwacher Reizung der Chorda tympani oder nach Durchschneidung des N. sympathicus, sie lassen aber die Pankreassecretion von der Gefäßfülle abhängiger er- scheinen, als die der Speicheldrüsen, welche auch bei verengten Gefäßen z. B. auf Synipathicusreiz absondern können, was am Kaninchenpankreas nicht beobachtet wurde. Injicirt man das lebende Pankreas vom Ausführungsgange her, so geht die Masse in nicht wenigen gekerbten Läppchen sofort und unaufhaltsam über die Grenzen des Axenlumens hinaus, d. h. die Intercellularräume und die Rahmen oder Hohlkehlen unter der M. propria werden von ihr gefüllt. Wo dies nicht der Fall ist, genügt für die meisten Läppchen kurze Fortsetzung der Injection unter sehr geringer Drucksteigerung um die Masse auch dort auf die letzten Wege zu führen. Diese zunächst un- gern gesehenen Maximalinjectionen wurden zu einem unerhoft't günstigen Mittel um einige Details der pankreatischen Secretion zu untersuchen. Die Blutinjectionen erwiesen sich höchst ge- eignet, die Beschaffenheit des abgesonderten, fast noch an seinem Entstehungsorte befindlichen Pankreassaftes kennen zu lernen. Einzelne Blutkörperchen blieben gewöhnlich in den Alveolen liegen trotz constatirtem Abströmen des Saftes zum nächsten Gange, in andern Alveolen, namentlich da wo sich der eine oder der andere Zustand länger erhielt, auch größere Mengen. Diese Blutkörper- chen verwandelten sich alsbald in eine lackfarbene dunkelrothe Masse, nach Hühnerblutinjection die deutlich bleibenden Kerne einschließend: eine Veränderung, die nur der tryptischen Wirkung des Saftes zuzuschreiben ist, welche diesem also sofort nach dem Austritte aus der ihn bereitenden Zelle zukommt. Blutkörperchen sind ein so schlüpfriges, biegsames und elasti- sches Material, in so hohem Grade geeignet feine Poren zu durch- dringen, daß es nicht wundern kann, sie im Pankreas überall 478 W. Külnie und A. Sh. Lea: hin vordringen zu sehen, wohin künstliche Injectionsfarben ge- langen. In der That gingen die elliptischen Blutkörperchen des Huhns wie jede dünnflüssige Masse zwischen die Secretionszellen und in die Räume unter der M. propria, ja sie drangen sogar vielfach zwischen diese und die Grundfläche der Zellen, wo sie sich kuppeiförmige Räume schaff"ten, in denen ihrer 4 — 6 eng zu- sammen liegen blieben. Mit Staunen haben wir gesehen, wie die elliptischen Scheibchen einzeln zwischen je 2 Pankreaszellen durch- schlüpften, oft unter starker Verlängerung, und wie die Com- munication, die zum Centralcanal bestanden hatte, sich bis auf eine zarte Linie wieder verwischte. In andern Fällen blieben ein- zelne an dieser Stelle liegen, nach vorn und hinten durch die zusammenschließenden Zellflächen eingeschlossen, oder sie keilten sich nur mit einem Antheile ein, während der Rest mit dem Pankreassafte im Centrallumen in Berührung blieb. In letzterem Falle wurde das Körperchen bald undeuthch und es entstand ein birnförmiger blaßrother Hohlraum, dessen Spitze zum Drüsenlumen gerichtet war, wie es schien nun eine Auflösung des K^örperchens enthaltend. Konnte man hierüber in Zweifel sein, so war andrer- seits mit größter Sicherheit festzustellen, daß die einmal gänzlich zwischen den Zellflächen gefangenen und die bis zur M. propria gelangten Blutkörperchen garkeine Veränderung erlitten. Wir haben solche Objecto ganze Sommertage hindurch immer wieder beobachtet und die Blutkörperchen weder geschrumpft noch ge- quollen gefunden und auch dann nicht gelöst, wenn das Pankreas wieder reponirt worden war und gegen Abend nach dem Tödten des den Tag über freigegebenen Thieres untersucht wurde. Hier- nach ist es also sicher kein vollkommener, albuminolytisch wir- kender Pankreassaft, was sich am Orte der viel erörterten Inter- cellularspalten und zwischen den Drüsenzellen und der M. propria befindet, ja wahrscheinlich überhaupt kein Secret, ein vermuthlich für Drüsen aller Art zu beherzigender Umstand. Die Zellen sind Beobaclitungcu über die Absonderung des Pankreas. 479 (lemnacli nur befähigt durch ihre den Axialoanälen zugeNvendeten Fläche alle Bestandtheile ihres Secretes abzugeben. Am wahrscheinlichsten ist es wol, daß die fraglichen Räume flüssiges Material durch die M. propria empfangen, also Lymphe oder Antheile derselben, und wir können nicht umhin, einen Anhalt dafür in dem von Ztiler^) beobachteten Uebertreten von Indigcarmin aus dem Blute in solche Räume zu finden. Unter andern Drüsen fand ZcUer dies auch am Pankreas des Frosches, freilich unter gleichzeitiger Irrigation der Bauchhöhle mit stärkerer, Vji ^lo NaCl-Lösung, aber jedenfalls ohne sichtbare Veränderung der M. propria. Wir hatten uns bis heute über die Beschaffen- heit der hindringenden Flüssigkeit nicht ausgesprochen, und auch nicht gesagt, wie ZcUcr meint, daß die Räume zum Lymphgefäß- system gehörten, aber, daß die Flüssigkeit aus Lymphe zunächst stamme und ein Transsudat derselben sei, ist unsere Meinung, wie es im Grunde auch die Zeller's ist, obwol derselbe die Be- ziehung zum Blute mehr betont. Nirgends ist das Zwischentreten von Lymphe zwischen Blut und Drüse auffallender, als beim Pankreas, nirgends klarer, daß Blutbestandtheile zum Gewebe nur durch das Medium der Lymphe gelangen. Wenn man also die Quellen der im Drüseninnern angelangten Lösung im Blute sucht, so heißt es, sie in nächster Instanz doch in die Lymphe verlegen, da wir eben keinen andern Körpersaft als die Lymphe kennen, wo Secrete und intracellulare Flüssigkeiten nicht in Frage kommen. Es wäre müßig, jetzt in Speculationen über etwaige Betheiligung der Pankreaszellen an der Bildung der Intercellular- masse einzutreten und zu erörtern, ob sog. Kittsubstanz ein eigen- artiges Secret sei, das schwindet und wieder ersetzt wird u, dergl. Wir dürfen uns einstweilen mit dem Resultate begnügen, daß Das, was bis heute normaler Pankreassaft heißt, in der Drüse ') Virchoiv's Archiv. Bd. 73. S. 257. 480 W. Kühne und A. Sh. Lea: nicht weiter ^zurückreicht als bis zu den Zellgrenzen an den Axencanälen der Alveolen. Nicht unwichtig für die Frage nach der Transsudation durch Membranae propriae ist ein weiteres Phänomen, das wir gelegent- lich der Blutinjectionen in das Pankreas fanden. Wo das Blut zu rothem Lacke verwandelt in den Alveolen liegen blieb, nahmen die Drüsenzellen, wie zu erwarten, nichts vom Blutfarbstoffe auf und da unter der M. propria nur wol erhaltene Blutkörperchen lagen, schien es natürlich, daß kein Uebertritt von Hämoglobin in die lymphatischen Räume des Mesenteriums von den Alveolen aus erfolgte. Gleichwol fanden sich aber einige Zeit nach jeder Blutinjection an vielen Stellen zwischen den Läppchen und be- sonders an den gröberen Drüsengängen rothe Höfe im Binde- gewebe, von Hämoglobin gefärbt, obwol auch die Gangepithelien mitten in dieser Umgebung keine Blutfarbe angenommen hatten, und wenn man das injicirte Blut durch Verschluß der Canüle in der Drüse zurückhielt, so war das Pankreas mit Ausnahme der peripherischsten Läppchen nach 15—30 Min. fast überall in tief- rothe Mesenterialmassen eingeschlossen. Das Hämoglobin diffun- dirt also in gewissen Gegenden mit Leichtigkeit durch die Wan- dungen des Drüsenapparats und wir glaubten deshalb die M. propria bezüglich des Hämoglobins für höchst durchgängig halten zu müssen. Dem ist nicht so, falls man unter der Propria nur den Ueberzug der Alveolen versteht. Um darüber zu entscheiden, wurde durch Gefrieren oder durch Aether lackfarben gemachtes Kaninchenblut, dem der Aether im continuirlichen Vacuum wieder entzogen war, in derselben Weise, wie früher das nur geschlagene Blut in die lebende Drüse gebracht, wo es ebenso z. Th. in die Litercellurarräume und zwischen die Pankreaszellen und die Propria drang. Diesmal befand sich also freies Hämoglobin an der Binnen- fläche der Membran, nicht wie früher innerhalb der Blutkörper- chen enthaltenes. Dennoch blieb die Farbe an der Stelle liegen Beobachtungen über die Absonderung des Pankreas. 481 und es war im Umkreise der Läppchen nicht eher Färbung zu sehen, als bis dieselbe aus den Gängen und den compakteren, centralen gangreichen Theilen der Drüse allmählich hindringen konnte. Dagegen begannen die Gänge sich sofort mit starken, bald con- tluirenden rothen Höfen zu umgeben. Die Hämoglobinlösung dringt also sehr leicht nicht nur zwischen den Gangepithelien zu den Bindegewebsmassen, aus welchen die Gänge z. Th. bestehen, sondern auch durch diese weiter und zuerst durch deren Grund- membran, wenn ihnen eine solche als continuirliche Fortsetzung der Propria der Läppchen zukommt, die dann sehr verschieden von der Umhüllung der Alveolen sein müßte. VersuchsprotokoUe. 1. Vor der Operation 5 Cub. Cent. Chloralhydrat von 5pCt. subcutan, nach- dem die Darmschlinge am Mikroskop untergebracht ist, noch 5 CC. Chloral. Die Blutbewegung ist sofort sehr beschleunigt; die meisten Alveolen sind gekerbt. Die Beobachtung mußte abgebrochen werden, wegen zu hef- tigen Pulsirens des Präparats. 2. Aethernarkose. Gasbeleuchtung. Großes Kaninchen. Pankreas zu dick für ausgedehntere Beobachtungen. Anfang der Beobachtung 10 Uhr. Die meisten Läppchen sind gekerbt, die Zellen nur schwach mit Körn- chen gefüllt. Blutbewegung anfangs schwach, wird bald geschwinder, nimmt ab und erhält sich auf mittlerem Zustande. Um 12 Uhr sind die meisten Alveolen glattrandig. Erst um 2 Uhr 30 Min. Üießt etwas Saft aus der Canüle. Die Zellen zeigen sich mehr, manche sehr reichlich mit Körnchen gefüllt. Die Alveolen nehmen wieder gekerbte Ränder an. 3 Uhr Blutströmung allgemein sehr rasch. 3. Kleines Kaninchen. Aether. Anfang 12 Uhr 15. Min. Läppchen it. Kerbung kaum angedeutet, ebenso die Zellgrenzen. Fast in allen Zellen einzelne dunkle Körnchen in der äußeren Zone. — Läppchen b. letz- tere Körnchen sehr weit nach außen; freier Rand stark gekerbt. — Läppchen c. keine Körnchen im Basaltheile der Zellen; starke Ker- bung. — Läppchen d. wie c. — Läppchen e. ähnlich, Zellbegrenzung nicht ganz so deutlich wie in c und d. — Gefäße an den meisten Stellen weit. 2 Uhr. a. Nächste Gefäße eng, mit sehr langsamer Bewegung; Kühne, UntersuchuDgen II. 32 482 W. Kühue und A. Sh. Lea: Alveolen glatt geblieben; Körnchen der Zellbasen vielleicht etwas ver- mehrt. — b. Der ganze Rand glatt, alle Zellgrenzen verwischt. — d. Blutgefäße weit, Basal körn chen ganz verschwunden, Zellspitzen sehr arm an Körnchen; Ränder stark gekerbt, alle Zellgrenzen scharf. — e. ganz glatt, Zellgrenzen nicht zu sehen, Basalkörnchen bis zur Kern- zone vorgerückt. — Von 12 — 4 Uhr fielen von Zeit zu Zeit Secret- tropfen aus der Canüle. 4. Alle Läppchen glatt, enge Gefäße und langsamer Capillarstrom. Injec- tion von defibrinirtem Hühnerblut in den Ductus; Druck 30 mm Hg. Sofort überall stark beschleunigte Circulation. Die große Mehrzahl der Läppchen erhält in den nächsten 10 Min. stark gekerbte Ränder, alle Zellgrenzen werden deutlich. Yon 10 bis 12 Uhr 20 Min. wird an vielen Zellen Vorschreiten der Körnchen nach dem Centrallumen der Alveolen hin beobachtet. Blutige Flüssigkeit tropfte langsam aus der Canüle. Um 12 Uhr sind viele Läppchen frei von Vogelblutkörperchen, andere mit blaßrother Lackfarbe und vereinzelten Kernen gefüllt. 3 Uhr 30 Min. Blutbewegung sehr rasch; alle Läppchen gekerbt, mit einzeln sichtbaren Zellen. Die Körnchen haben stai'k abgenommen. Ln Mesen- terium in der ISTähe der Pankreasgänge große rothe Flecke. 5. Kaninchen seit 24 St. hungernd. Blutbewegung sehr rasch, wird nach 1/4 St. langsam. Läppchen überall anfänglich glatt, werden z. Th. gekerbt. Durch Zufall sinkt die Temperatur der Ueberrieselung auf 18" C, worauf die Circulation sehr abnimmt, nach einiger Zeit aber sehr rasch wird, trotz dauernder Abkühlung. 6. Kaninchen unmittelbar vor dem Versuche gefüttert. 10 Uhr 30 Min. alle Alveolen glatt, Zellgrenzen unsichtbar; Blutbewegung langsam. 11 Uhr 20 Min. beginnt die Circulation sich stark zu beschleunigen; Pankreassaft tropft. Die Läppchen nehmen mit wenigen Ausnahmen stark gekerbte Ränder an und die Zellgrenzen werden sehr deutlich, z. Th. durch doppelte Contouren. An manchen Stellen war in einigen Minuten das Vorrücken von Körnchen an die Stellen kleiner blasser, nahe der Zellspitze entstandener Vacuolen zu constatiren. 12 Uhr 50 Min. starb das Kaninchen. 7. 10 Uhr 40 Min. Circulation langsam und sehr regelmäßig; kleine Venen neben Arterien am Hilus einiger Läppchen sehr scharf durch die dunk- lere Farbe zu unterscheiden. Alle Läppchen glatt berandet, Zellen selten zu unterscheiden, sehr mäßige Erfüllung mit Körnchen. 11 Uhr 30 Min. Injection geschlagenen Hühnerblutes, von dem reichlich ein- fließt bei kaum meßbarem Druck. Die Blutbewegung wird schneller und schneller, bald maximal; kein Unterschied der Farbe zwischen Venen und Arterien. Das Vogelblut ist nur in einen Theil der AI- Beobachtungen über die Absonderung des Pankreas. 483 veolen eing^rangen und ■wird daselbst in kurzer Zeit lackfarben. Xach 15—20 Min. sind alle Alveolen stark gekerbt und der Blutlack nebst den Kernen der Blutkörperchen fließt ziemlich rasch zurück, während lackfarbene Flüssigkeit aus der Canüle tropft l)is 12 Uhr 30 Min. Die Körnchen sind jetzt überall in den Spitzen der Zellen zusammen- gedrängt, so daß eine helle Zone von ihnen bis zum Kern reicht. 8. Kleines Kaninchen. Alle Läppchen glatt, Zellen außerordentlich reich an Körnchen, auch viele verstreute Körnchen in den Zellbasen. Sehr lebhafte Blutbewegung, aber keine Veränderung in 4 Stunden zu be- merken, während welcher auch kein Tropfen aus der Canüle tritt. 9. Injection von Milch in den Ausführungsgang. Erscheinungen fast genau wie bei Vers. 7. Xach 4 Stunden wird die Drüse außerordentlich hyperämisch und flottirt irii ^lesenterium, worauf das Thier stirbt. 10. Bluthewegung rasch, nimmt noch bedeutend zu auf Injection von Vogel- blut in den Ductus. In den Alveolen werden die Blutkörperchen bald gelöst. Die vorher stark gekerbten Alveolen verharren in diesem Zu- stande, doch fließt das lackfarbene Blut aus den Alveolen nicht wieder ah und auch nur -wenig aus der Canüle aus. Kaninchen stirbt nach 3 Stunden. 11. Glascanüle mit Schlauch und Manometer mit Quecksilber gefüllt, erst nach vorgängiger Beobachtung der Drüse im Ductus befestigt. Gleich nachher beschleunigte Circulation und rasche Entwicklung glatter Läpp- chen zu gekerbten. Das Quecksilber steigt im Manometer auf 20 mm und verharrt auf diesem Punkte 4 Stunden. Während dieser Zeit bleiben alle Theile der Drüse stark gekerbt und die Körnchenhaufen werden bedeutend kleiner und dichter, zuletzt auf eine schmale, dem Centi'alcanale unmittelbar benachbarte Zone beschränkt. Im Basal- theile fast aller Zellen sind einzelne größere Körnchen aufgetreten. Die Blutcirculation bleibt beschleunigt. Beim Abnehmen des Mano- meters wird im Schlauche viel wirksamer Saft gefunden. Trotz des stark gekerbten Zustandes sind die Centrallumina der Alveolen sicht- lich ausgedehnt. Xach einer weiteren Stunde, während welcher kein Saft erschien, sind die meisten Alveolen glatt und die Blutbewegung ist verlangsamt. Die Körnchen der Zellbasen sind größtentheils ver- schwunden, die Haufen vor dem Kern anscheinend vergrößert. 12. Circulation langsam aber regelmäßig. In einem horizontal an die Canüle befestigten Glasrohre tritt von 11 Uhr 10 Min. bis 12 Uhr 30 Min. kein Saft auf. Alle Drüsenläppchen haben sich glattberandet erhalten, die Erfüllung mit Körnchen vorn ist sehr bedeutend. Circulation bleibt unverändert. 13. Blutbewegung ziemlich rasch, kleine Venen aber an der Farbe er- 32* 484 W. Kühne und A. Sh. Lea: kennbar. Ein Theil der Läppchen ist glatt beredet. An diesen wird electrischer Reiz probirt, mit Einzelschlägen oder tetanisirend, sehr schwach beginnend, zuletzt ziemlich stark. Der einzige Erfolg ist vorübergehender Stillstand des Blutes in den intrapolar liegenden Läpp- chen. Gekerbte Läppchen ändern sich ebensowenig. Bei starken Strömen werden die Zellbasen etwas trüb. 14. Rasche Blutströmung; die Mehrzahl der Läppchen stark gekerbt, da- runter einige vollkommen glatt; Pankreassaft tropft aus der Canüle. Die Drüse wird frei hängend oben mit dem Deckglase bedeckt, eine Stelle, worin sich glatte Läppchen befinden, eingestellt, worauf von unten freie Electroden mit Platinkügelchen in die Nähe des Läppchens gebracht werden. Etwa jede Secunde wird ein schwacher, an der Zunge grade fühlbarer Inductionsschlag zugeleitet: damit 1 Min. fortgefahren. An dem Alveolus sind die Zellgrenzen entschieden deutlicher geworden. In den nächsten 5 Min. keine Veränderung. Der Reiz wird wiederholt, etwa 30 Schläge nach minutenlanger Unterbrechung angewendet, worauf sich der gekerbte Zustand in den nächsten 10 Min. ausbildet. Andere nicht weit entfernte glatte Läppchen haben sich während dieser Zeit nicht verändert. An einem Läi)pchen wird derselbe Reiz tetanisirend ange- wendet und die Lage des Electroden oft gewechselt. Es ist garkein Er- folg zu bemerken. Bei verstärkter Reizung stockt im Umkreise des Läppchens die Circulation. 15. Kaninchen nach 24 stündigem Hunger. Die Drüse ist sehr schwach ge- rötliet, wird aber, obwol einstweilen unberührt, sichtlich allmählich röther, worauf sie unter dem Mikroskop stark erweiterte Gefäße zeigt. Die Läppchen, deren Zellen bis zur Kernzone weit auseinander liegende Körnchen enthalten, sind glatt und bleiben es von 12 Uhr bis 1 Uhr 15 Min., während andauernder Hyperämie. Um diese Zeit nehmen einige gekerbte Ränder an und die Secretion beginnt. Ein Tropfen fällt aus der Canüle um 1 Uhr 31, 1 Uhr 35, 1 Uhr 40, 1 Uhr 44, 1 Uhr 50, 1 Uhr 54, 1 Uhr 56, 2 Uhr, 2 Uhr 4, 2 Uhr 8 Min. Hierauf wird mit äußerster Vorsicht unter grade hinreichendem Druck (weniger als 20 mm Hg) geschlagenes Hühnerblut in den Gang gedrängt, bis dasselbe in mehreren glatten Alveolen erscheint. Ohne den Injections- apparat zu entfernen werden alle zugänglichen Stellen der Drüse ab- gesucht: fast alle glatten Alveolen sind gefüllt, aber kein einziges ge- kerbtes Läppchen. Endlich füllen sich aber auch diese bei 40 mm Druck und die Blutkörperchen schreiten darin fast überall zwischen die Zellen und bis zur M. propria vor. 16. Injection von Jaborandiextrakt in eine Vene erzeugt starken Speichel- fluß aber keine Veränderung in der schwachen Pankreassecretion. Als Beobachtungen über die Absonderung des Pankreas. 485 hierauf Milch in Gang geführt wurde, trat sogleich starke Beschleuni- gung und rasches Zurückfließen der Milch ein, während die Alveolen in ungewöhnlichkurzer Zeit sämmtlich in einen so stark gekerbten Zu- stand übergingen, daß die Zellen wie die zusammengedrängten Beeren einer Traube aussahen. 17. Kaninchen um 9 Uhr gefüttert, Pi-äparat um 11 Uhr 30 Min. herge- richtet. Die Drüse war arm an Körnchen und glattrandig. Bis 3 Uhr kein Secret, während verschiedene für die Drüse erfolglose electrische Reizversuche mit sehr mäßigen Strömen augestellt waren. 3 Uhr 40 Min. begann Secretion unter Kerbenbiklung an den Läppchen; um 4 Uhr dies überall sehr ausgeprägt. Zur Berieselungsflüssigkeit wurde jetzt VöpCt Atropinsulfat gefügt. Die Secretion stockte darauf in wenigen Minuten und alle Läppchen wurden nach und nach glatt unter Verlust der Zellgrenzen. Auf die mäßig beschleunigte Blutcirculation hatte das Atropin keinen Einfluß. Als nach vollkommener und allgemeiner Glättung der Läppchen wieder reine NaCl- Lösung zum Berieseln verwendet wurde, tropfte wieder Saft aus der Canüle und wurden die Läppchen größtentheils wieder gekerbt. Die Atropin-XaCl Mischung bei einem andern Kaninchen, dessen Pankreas gut absonderte, in den Ausführungsgang gebracht, hob die Secretion sofort dauernd auf und die gekerbten Läppchen der Drüse wurden glatt. 18. Kaninchen um 9 Uhr gefüttert. Operation und Präparation 1 Uhr 20 Min. Aus der Canüle fallen Tropfen, um 1 Uhr 27 Min. 1 Uhr 51 Min. 2 Uhr 15 Min. hört die Absonderung auf. 1 .. 31 „ 1 „ 55 „ Die Circulation wird jetzt laugsamer und 1 .. 36 ., 1 „ 56 ., die vorher fast sämmtlich gekerbten Läpp- 1 ,, 40 „ 1 ,, 59 „ eben werden glatt. 1 „ 44 „ 2 „ 3 „ Um 2 Uhr 40 Min. wird Jaborandiex- 1 „ 48 „ 2 .. 7 „ trakt in eine Schenkelvene eingespritzt, 2 „ 10 „ worauf die Secretion alsbald beginnt. Tropfen fallen : 2 Uhr 44 Min. 2 Uhr 59 Min. 3 Uhr 19 Min. 2 .. 47 ,, 3 ,. 2 „ 3 ,, 23 „ 2 „ 50 ,. 3 „ 7 „ 3 ,. 26 „ 2 „ 53 „ 3 ,. 11 „ 3 „ 30 „ 2 . 56 „ 3 „ 15 „ Die Drüsenläppchen waren jetzt alle wieder gekerbt und die Zell- grenzen sehr deutlich, während die Circulation wieder zugenommen hatte. Da der Abfluß stockte, wurde eine neue Dosis Jaborandi ge- geben: es fielen Tropfen um 486 Erklärung der Abbildungen. 3 Uhr 34 Min. Um 3 Ulir 58 Min starb das Thier 3 ., 37 ,, unter Krämpfen. Die Pankreaszellen 3 ., 40 „ schienen jetzt trüber geworden zu o ., 45 „ sein. 3 , 48 „ _ 3 „ 52 „ 19. Ziemlich großes Kaninchen. E,asche Blutströmung, Pankreasläppchen überall fast traubenförmig. Secrettropfen : 1 Uhr 20 Min. 1 Uhr 38 Min. Die Berieselung ^Yird auf 4'^C. ge- 1 „ 26 „ 1 1 ,, 28 „ 1 1 „ 29 , 1 1 „ 81 „ 1 1 „ 34 „ 1 1 « 36 „ 1 40 „ kühlt. Tropfen fallen weiter aus 42 „ der Canüle um 44 „ 1 Uhi- 53 Min. 45 „ 1 „ 54 „ 47 „ 1 „ 57 „ Blutbewegung 49 „ ^7) — J7 stark verlang- 2 ,, 3 ., samt. Die Berieselung Avird wieder auf 38'"-' C. gebracht, worauf die Blutbe- wegung bald wieder zunimmt und etwa jede 2 — 3 Min. ein Tropfen fällt. An der Drüsensubstauz war während der Abkühlung keine Ver- änderung bemerkbar und es zeigte sich auch, daß das Pankreas noch eine iibkühlung von 20 und von 10 Min. ertrug, während welcher die Absonderung freilich erlosch, ohne das Vermögen zu verlieren, bei spä- terem Erwärmen Avieder lebhaft zu secerniren. Erklärung der Abbildungen. Taf. 2. Einrichtung zur mikroskopischen Untersuchung des lebenden Kaninchen- panl:reas. Erklärung im Texte. Taf. 3. Dünner Lappen des Kaninchenpankreas, von der Aorta aus bei sehr geringem Drucke mit löslichem Berlinerblau injicirt. Sämmtliche Blutbahnen, Arterien, Capillaren und Venen sind gefüllt: an vielen Stellen glomerulus- artige Figuren. Taf. 4. Pankreas vom Kaninchen mit injicirten Capillaren, zur Demonstration der Gefäßarmuth vieler Drüsenlai^pen- und Ränder. Taf. 5. Fig. 1 und 2. Schnitte aus dem Pankreas vom Kaninchen mit inji- cirten Gefäßen. Alkoholhärtunff, Färbung mit Hämatoxvlin: in Canadabalsam. Erklärung der Abbildungen. 487 a. a. Intertubiiläre Zellbaiifen mit den weiten Capillaren der Gloraeruli. h. h. Drüsenzellen. Vergr, HartnacJc VIII, Oc. 3. Fig. 3, Injicirte Gefäße aus dem Pankreas des Kaninchens, a. a. Glo- meriili. b. b. Netze feiner Capillaren der Drüsenläi)i)chen. Fig. 4 u. 5. Wie Fig. 1 und 2 vom Hunde. Taf. 6. Fig. 1. Läppchen des lebenden Kauiuchenpankreas mit erhaltener Blutcirculation. Die Blutgefäße durch i'othen Druck bezeichnet. Starke Vergrößerung. Oben und Eechts bei a in Absonderung begriffene Alveolen, Unten und Links bei b ruhende Alveolen. Bei o alle Zellgrenzen deutlich, die Drüsenräuder und Oberflächen gekerbt, bei b die Ränder glatt, die Zellen etwas reicher an Körnchen, ihre Grenzen nur an wenigen Stellen sichtbar. Kerne der Zellen selten angedeutet (c). Fig. 2. Schnitt aus dem frisch in Alkohol gelegten Pankreas von Macacus cynomolgus. Das Bild zeigt einen der großen intertubulären Zellen- haufen, von Drüsenläppchen umgeben. Die Drüsenzellen mit gelblich tin- girtem , streifigem Protoplasma. Die gelbrothen Kerne der Pankreaszellen, im Präparate verwaschener, sind in der Figur zu scharf contourirt. Be- handlung mit Picrocarmin und Canadabalsam. Heidelberg, April 1882. 488 W. Kühne: Bemerkungen zu Herrn Hojpjoe-Seyhr^ Darstellung der Optochemie. Von W. Kulme. Im 4. Tlieile seiner „pliysiologisclien Chemie" hat Herr Hopipe-Seyler einige Excurse in die Nervenphj^siologie und eine Darstellung der Opto- chemie versucht, die von physiologischer Seite nicht mit Stillschweigen über- gangen werden können und mich auch in historischer Beziehung zu einigen Bemerkungen verpflichten. S. 685 der „physiologischen Chemie" heißt es: „Nichtsdestoweniger ist der Vorgang hei der Leitung im Nerven docli mit electrischer Spannungs- änderung verbunden. Dies ergaben die Untersuchungen von Hohngren, sowie von M'Kendriclc und Deivar über die JEinivirTcung des durch Licht von der Betina her erregten lebenden Sehnerven auf die Magnetnadel eines sehr empfindlichen Galvanometers. '''' AVeshalb der Verfasser an dieser Stelle den einzig entscheidenden Versuch von du Bois-Heymond ") am N. ischia- dicus des mit Strychnin vergifteten Frosches unterdrückt, der doch dadurch an Werth nicht verliert, daß er wenigstens 22 Jahre älter ist, als alle Kenntniß von Scliwankungen der Eetinaströme, ist unbegreiflich, wenn man nicht voraussetzen -will, daß Herr Roppe-Seyler den Versuch nicht gekannt habe. Xoch unbegreiflicher ist es, weshalb Herr JSoppe-Seyler den Eng- lischen Forschern '') einen Versuch zuschreibt , den sie nie gemacht haben, ja von dem sie nicht einmal reden und weshalb er sich auf den Schwedi- schen Physiologen beruft, der von dem Versuche nur sagte, daß er resultat- los gewesen und vermuthlich hoffnungslos sei "). Man müßte den N. opticus mit der Retina oder mit dem Bulbus verwechseln, um Herrn Hoppe- Segler^ s Verwechselung zu begreifen. a) Unters, über thier. Electr. II. 1. S. 512 u. f. 1849. h) Transact of the R. Soc. of Edinburgh. XXVII. S. 141 (1870), Journ. of Anat. a. Physiol. Nr. XII. S. 275. c) Upsala Läkareför. Förhandl. VI. S. 419— 455 (ISTl) u. Holmr/reii: diese Unters. III. S. 306 u. 307. S. 700 versucht Herr Hoppe-Seyler folgende Darstellung der Nerven- erregung durch Licht: „Die Wellenlänge des letzteren Icann nicht ivol anders Bemerkungen zu Herrn Hoppc-Seijler''s Darstellung etc. 480 percipirt irerdeii als durch einen der SchK'ingiinffsgesch'windifjkeit der auf daa Auge wirkenden Lichturt entsprechenden ]'}rregungsmodus im Organe, toelches die Uebertragung der Lichtbewegung auf den, Nerven ausführt. Der Nerveitstrom muß nach dieser Vorstellung selbst sehr schnelle Dichtighcits- schwanlcungen haben, dem steht aber nicht allein nichts entgegen, sondern es werden auch die Perceptionen der Wärmeschwingungen durch die sensiblen Endorgane in der Haut und die des Schalles im Ohr allein auf diesem Wege verständlich. Es sind dies jedoch vorläufig noch unproductive Hypothesen, da es noch an Methoden zur Prüfung ihrer Bichtigkeit fehlt.'''' Wenn man im letzten Satze das „vorlänfig noch" streicht, wird der Vordersatz sich allge- meiner Zustimmung erfreuen, der Nachsatz ebenso allgemein bestritten werden: denn die Prüfung ist ja längst vollzogen, so lange man Farben sah auf Reizung des Auges ohne Licht. Herr Hoppe-Seyler mahnt uns, nicht zu vergessen, daß die Lehre von den specilischen Sinnesenergieen und das Beste, was Th. Young, Joh. Mülle)-, Helmliolts auf diesem Felde schufen, für einen Theil der heutigen Generation noch verloren ist. Bei dem Verfasser einer „physiologischen Chemie" könnte dies allerdings überraschen, wenn man nicht wüßte, welchem Schicksale entscheidende Thatsachen da zu er- liegen pflegen, wo sie zur schneidigsten Waffe werden sollten. Liest man doch, schmerzlich überrascht, ich bekenne es, in iofzc's kürzlich posthum erschienenen „Grundzügen der Psychologie" (S. 13) zur Lehre von den spe- cifischen Energieen: „Nun kann schwerlich in dem gespannten Augapfel eine Beicegung der ponderabelen Theile durch Stoß geschehcft, ohne daß ein Theil derselben sich auch in Bewegungen des im Auge befmdlichen Aethers umsetzt und so eine Lichtbewegung erzeugt, die nun als adäquater Beiz auf den Sehnerven ebenso loirkt, als tvenn sie von außen käme.''' Wirkte nicht der Stoß auch auf den Stamm des Sehnei'ven, der durcli Licht nicht zu erregen ist, und wären diejenigen Aetherschwingungen, die der Stoß etwa zu erzeugen vermöchte, nicht nachweislich indifferent für die Ketina, so ließe sich Das noch hören, aber schwerlich würde damit die Kluft geschlossen, welche die Physiologie hier von dem unsterblichen Verfasser des „Mikrokos- mus" trennt, der einst iln-e Wege ging. Bezüglich der Entdeckung des Sehpurpurs und der chemischen Vor- gänge in der Retina hat Herr Hoppe-Seyler versucht, einen Mythus zu ge- stalten, der mit der Behauptung (1. c. S. 194) beginnt, Bali habe gefunden, daß „die rothen Stäbchen der Betina nach Entfernung aus dem Körper im Dunkeln ihre Farbe längere Zeit erhalten, am Lichte aber bald einbüßen". Dies ist unrichtig. Das habe ich gefunden") im Gegensatze zu BolV'), und von BoU wurde erst später ') zugegeben, daß die Stäbchenfarbe sich längere Zeit nach dem Tode im Dunkeln halte: eine durch mich veranlaßte Correktur seiner Angaben, nach denen das Erblassen der herausgenommenen Retina 490 W. Kühne: nicht dem Lichte, sondern dem Absterben^) zuzuschreiben war und eine Correktur, welche sich in 5 Publicationen von BolV), die der meinigen folgten, noch nicht findet, sondern erst in der letzten 6ten''). a) Zur Photocliemie der Netzhaut, erschienen 11. Jan. 1877 in Verhandl. d. Naturhist. Med. Vereins zu Heidelberg. 1877. S. 4?4 u. diese Unter- suchungen I. S. 1. h) Monatsber. d. k. Acad. zu Berlin. 21). Nov. 1876. Acad. d. Lineei. Z. Dcc. 1876. Atti I. S. 36. e) Arcli. f. Anat. u. Physiol. S. 4, das. 6. März, erschienen 13. Juli 1877. d) J. Lineei. S. 41. — i. Acad. z. Berlin. 11. Jan. — 3. Lineei. S. 73. — 4. Acad. z. Berlin. 19. Febr. 1877. Monatsber. S. 72. — 5. Centralbl. f. d. Med. Wissenschaft. 31. März. 1877. S. 230. Ferner sagt Herr Hoppe-Seyler (1. c. S. 694), Boll habe gefunden, daß „eine partiell erleuchtete Metina auch nur soiveit sie beleuchtet ist, erblaßt.'''' Herr Hoppe-Seyler könnte wissen, daß der Versuch, durch den Boll dies erkannt zu haben glaubte "), nicht ausführbar ist, und wenn ihm meine Er- örterungen *■) über das fragliche Froschoptogramm unzugänglich waren, so hätte er herausfinden können, was ich dem Leser zu finden überließ, daß von Erkennung scharfer localer Ausbleichung im Froschauge überhaupt nicht die Rede sein kann, falls man die Retina im Hellen präparirt, ein Verfahren, das Boll nach seiner Aussage in der Zeit, als er ein Optogramm erhalten zu haben meinte, anwendete. Ueberdies wurde die Retina nicht auf Pseudooptogramme untersucht, die bekanntlich im Froschauge sehr häufig sind und die Täuschung bestenfalls erklären könnten. a) Arch. f. Anat. u. Physiol. 1877. S. 9. b) Diese Unters. I. 8. 228—230. Weiter verbreitet Herr Hoppe-Seyler Unrichtiges, indem er meine Be- obachtungen über das Verhalten der Stäbchenfarbe gegen Reagentien denen BoW^ nachsetzt (1. c. S. 694). Diese Art der Untersuchung war es grade, die ich allein beginnen konnte , weil ich die Methode dazu geschaffen hatte "), d. h. das Arbeiten in unschädlicher Beleuchtung.. In der That liegen zwischen meinen und BolV?, ersten auf diesen Punkt bezüglichen Angaben 3 Monate der Datirung *'), mehr als 6 Monate der Veröffentlichung. a) Photochemie d. Netzhaut. S. 2. 1877. 5. Jan. b) Arch. f. Anat. u. Physiol 1877. 6. März. Herr Hoppe-Seyler schreibt auch die Entdeckung der Bewegungen des Fuscins in den Pigmentepithelien Boll zu, während ich dieselbe gefunden habe. Boll hielt das Haften und die Schwärzung der belichteten Retina für die Folge einer Erweichung der Netzhaut '') ; worauf ich zuerst auf die schon von Czerny verniutheten amöboiden Bewegungen der Epithelzellen wies und das Wandern, sowie die Abschichtung des P'uscins in der lebenden Netzhaut fand''). Boll erklärte darauf das Vorschreiten des Pigmentes aus einer Verlängerung der Ephhelbärle"), acceptirte aber in seinem letzten Autorreferat die Erklärung der Erscheinung durch die Wanderung der Bemerkungen zu Herrn Hoppe- Seyler"^ Darstellung etc. 491 Fuscianadeln''). Ich halte übrigens meine Auffassung erst durch die mit Herrn SeicaJl ') gemeinsam durchgeführte Untersuchung an dem Guanin- Pignientepithel von Abramis für ganz erwiesen. a) ilonatsber. d. k. Acad. zu Berlin. 19. Febr. 1877. S. 73, erschienen 1.'). Mai 1877. b) Diese Unters. I. S. 21 u. lOl, erschienen 1. :Mai 1877. c) Centralbl. für die Med. "VViss. y. Juni 1877. S. 4U8. Archiv f. Anat. u. Pliysiül. 1877. S. 28. d) Centralbl. f. d. Med. AViss. 29. Sept. 1877. S. 701. e) Diese Unters. III. S. 221. Herr Boppe-Seyler läßt BoU unglaublicher Weise auch die Regene- ration des Sehpurpurs durch das Retiuaepithel entdecken, was ich bekannt- lich allein beobachtete und bewies ^) , während sich in keiner von Boll's Publicationen irgend eine Thatsache oder Beobachtung findet, die auch nur eine Mitwirkung des Epithels bei diesem Vorgange andeutete, wahrschein- lich machte oder gar erwiese. a) Photochemie d. Netzhaut u. diese Unters. I. S. 7—9. Dali die Regeneration des Rhodopsins unabhängig von der Erhaltung des Sehnerven ist, soll nach Herrn Hoppe-Seyler (1. c. S. 698) CoJasanti, 1 Jahr später Ilolmgren gefunden haben: ich hatte lange vorher gezeigt, daß die Regeneration noch im exstirpirten Bulbus ") geschieht, dessen Seh- nerv doch durchschnitten ist. aj Vergl. Photocliemie der Netzhaut 1. c, wo auch Herr Ranvier, der mich das „pigment retinien" den Sehpurpur regeneriren läßt (Traite techui(£ue d'Histologie, f. 6. S. 070), das Gegentheil von seiner An- gabe finden wird. Endlich hat sich Herr Hoppe-Seyler (1. c. S. 697) mit Herrn Cahn (Inaug. -Dissert. Straßburg. 1881, S. 12) vereinigt, um die Myeloidkörner des Retinaepithels durch Anyelacci entdecken zu lassen, die viel früher von Eicdld und mir ") als etwas besonderes erkannt worden waren, nämlich als unlöslich in Alkohol und Aether, dagegen löslich in Galle und nach Art der Stäbchenaußenglieder erstaunlich quellbar und vergänglich in Aetznatron. Diese „farblosen Klümpchen" konnten also keine „entfärbte Fetttropfen" '') sein, welche Boll an ihrer Stelle angenommen hatte. Da die Herren Cahn und Hoppe-Seyler dies Alles recht gut wußten, als es ihnen gefiel, Herrn Angelucci, der es wagte, von den Körnern zu sagen, daß er sie „niemals beschrieben gefunden" ') habe, in seinem Plagiat zu unterstützen, so kann bei ihnen der Appell an die historische Wahrheit nichts nützen. Damit sie aber nicht aus der Yerwechselung gebleichter Fetttropfen mit Myeloidkörneru noch die Entdeckung der letzteren schmieden, will ich sie an die hübsche Geschichte erinnern, welche Liebig über die Entdeckung des Broms zu er- zählen liebte. Liebig hatte durch Einwirkung von Chlor auf Kreuznacher Mutterlaugen das Brom erhalten, aber weil er es nicht untersuchte und mit der Annahme, es habe sich Chlorjod gebildet, zufrieden war, nicht gemerkt, 492 W. Kühne: Bemerkungen etc. daß er vor einem neuen Elemente stand , wie er zu seiner Ueberraschung erfuhr, als Baiard, der umsichtiger gewesen war, auf demselben Wege das Brom wirklich entdeckte. Es liegt mir fern, eine Sache, die noch eine histologische Kleinigkeit ist, nur groß genug um mißgünstigen Darstellungen Stoff zu liefern, in Parallele mit Balard^s Entdeckung zu stellen: ich habe aber gern an die Geschichte des Broms erinnert, %veil unsere Unterhaltungs- presse unlängst Pariser Unverschämtheiten verbreitete, mit denen Baiard für seine Entdeckung gedankt wurde. Auf die unter der Leitung von Herrn Hoppe-Seyler ausgeführte Arbeit des Herrn Galm werde ich bei anderer Gelegenheit eingehen. Nach den eben gegebenen Proben ist es fast selbstverständlich, daß darin Dinge, die ich gefunden habe und bei Herrn Hoppe-Seyler bestätigt wurden, als neu mitgetheilt '') werden, z. B. die Gewinnung eines Körpers aus der Retina, der mit SH2O4 eine reducirende Substanz liefert, vermuthlich Cerebrin ^). a) Diese Unters. I. S. 287 (Nov. 1877.), ersclneue.n 20. Dec. 1877. b) Arcli. f. Anat. u. Physiol. 1877. S. 23. c) Arch. f. Anat. u. Pliys. Physiologische Abth. 1878. Mai 1878. S. 360. Zeile 3. d) 1. c. S. 7. e) Handb. der Physiol. Herausgegeben von L. Hermann. III. 1. S. 256. Heidelberg, April 1882. Inhaltsverzeichniss. 493 Inhaltsverzeichniss des zweiten Bandes. Seite. Vergleichend-physiologische Beiträge zur Kenntniss der Verdaunngs- vorgänge von C. Fr. W. Kriikenberg 1 I. Die Verdauungsvorgänge bei einigen Cephalopoden und Pul- monaten 2 II. Ueber die Verdauung einiger Articulaten 23 1. Astacus fluviatilis Eond 23 2. Periplaneta (Blatla) orientalis L. nebst Bemerkungen über die Function der sog. Kaumägen 26 3. Hydrophilus piceus L 82 IIT. Die Verdauungssecrete und deren Bildungsstätte liei Lumbricus terrestris L 37 IV. Das Vorkommen des diastatischen Enzymes in den Drüsen des Verdauungsapparates einiger einheimischer Süsswasserfische . . 41 Erklärung der Abbildung 45 Beobachtungen über Driickblindheil; von W. Kühne 46 Ueber die Stäbcbenfarbe der Cephalopoden. Briefliche Mittheihmg an den Herausgeber von C -Fr. W. Krukenberg 58 Erwiderung auf einen Angriff des Herrn Hoppe-Seyler von W. Kulme 62 Beobachtungen an der Irischen Netzhaut des Menschen von W. Kühne 69 Ueber Sehpurpur und Retinaströme. Aus den „Upsala Läkareförenings Förhandlingar" übersetzt und für diese „Untersuchungen" mit- getheilt von FrUJüof Hohngren 81 I. Vom Retinastrome im purpurlosen Auge 82 II. Vom Sehpurpur im stromlosen Auge 85 III. Vom Sehpurpur und dem Retinastrome bei durchschnittenem Seh- nerven 86 Fortgesetzte Untersuchungen über die Retina und die Pigmente des Auges von W. Kühne 89 I. Zum Verhalten der Netzhaut des Menschen 89 II. Bemerkungen über die Farbstoffe der Vogelretina 105 494 Inlialtsverzeicliniss. Seite. III. Vom braunen Pigmente des Auges 112 ScMusserörterungen 119 Erklärung der Abbildungen 131 Zur Geschichte des Hämoglobins der Muskeln von W. Kühne ... 133 Literatur zu Herrn Rohngren's Mittheilung auf S. 81 136 Zur Histologie der Nervenfaser und des Axencylinders von Dr. TJi. Bwnpf 137 Die Scheiden des Markes 143 Der Axencylinder 162 Zur Histologie der motorischen Nervenendigung von W. Kühne . . . 187 Besitzen die intramuskulären Nerven Scheiden? 189 Gestalt und I3au der Endplatten 191 Ueber Regeneration des Sehpurpurs beim Säugethiere von W. C. Ayres und W. Kühne 215 I. Autoregeneration 218 IL Postmortale Wirkung des Epithels 220 A. Im überlebenden Auge begegnet die Entfärbung des Sehpur- purs durch Licht Hindernissen, welche allmählich abnehmen 220 B. Im überlebenden Auge ist Regeneration des Sehpurpurs nach der Lichtwirkung nicht zu bemerken 222 ni. Ptegeneration im Leben 226 A. Druckversuche • 226 B. Regeneration nach gehemmtem Blutlaufe 229 C. Vom Einflüsse des Belichtungsgrades auf die Regeneration 234 D. Versuche über den Einfluss einiger Nerven auf die Regeneration 235 E. Einfluss des Atropins und des Pilocarpins auf die Regeneration 237 üeber die entoptische "Wahrnehmung der Macula lutea und des Seh- purpurs von Dr. August Ewald 241 Notiz über die Wirkung des Silbernitrats auf die Nervenfaser von L. V. Morochowetz 249 Erklärung der Taf. X 253 Zur Abwehr einiger Irrthümer über das Vei'halten des Sehpurpurs von W. Kühne 254 Notiz über die Netzhaut der Eule von W. Kühne 257 Zur Verdauung bei den Krebsen von C. Fr. W. Krukenberg .... 261 Ueber ein peptisches Enzym im Plasmodium der Myxomyceten und im Eidotter vom Huhne von C. Fr. W. Krulcenherg 273 Mangan ohne nachweisbare Mengen von Eisen in den Concretionen aus Inhaltsverzeicliniss. 495 Seite. dorn Bojoims'schen Organe von Pinna squaniosa. Gm. von C. Fr. W. Krukenherr/ 287 Zur Dünndarm Verdauung von Dr. med. A. Mas^off 290 Methoden zur Isolirung der Dünndarmenzyme 290 Resultate der Versuche 494 Zur Degeneration durclisclinittener Nerven von Dr. Tli. Hwnpf . . . 307 Ueber das hraune Pigment des Auges von Dr. Knrl Mays P>24 Ueher die Enzymhildung in den Geweben und Gefässen der P^vertebraten von C. Fr. W. Krul^cnherrj 338 Nachtrag zu den Untersuchungen über die Ernälirungsvorgänge bei Cölenteraten und Ecliinodermen von C. Fr. W. Krulcenberg . 366 Notizen zur Anatomie und Physiologie der Netzhaut von W. Kühne 378 Macula lutea und Fovea centralis 378 Netzhautpigmente der Raubvögel 380 Vorkommen der Schieiste 383 Zur Verdauung bei den Fischen von C. Fr. W. Krukenberg .... 385 Ueber die Verdauungsvorgänge bei den CephalopQden, Gastropoden und Lamellibranchiaten von C. Fr. W. Krukenberg 402 Notizen zur Literatur über die vergleichende Physiologie der Nutritions- processe von C. Fr. W. Krukenherg 418 Ueber die Entstehung von Hypoxanthin aus Eiweissstoffen von It. H. Chittenäen 424 Zur Chemie der Descemet'schen Membran von H. F. A. Sasse . . . 433 Beiträge zur Histochemie des Sehepithels von B. H. ChUtenden . . . 438 Zum chemischen A^erhalten des Sehpurpurs von W. C. Ayrea .... 444 Beobachtungen über die Absonderung des Pankreas von W. Kühve und A. SJi. Lea. Mitgetheilt von W. Kühne 448 Bemerkungen zum Bau des Kaninchenpankreas 455 Bemerkungen über die Blutgefässe des Pankreas 459 Vorgänge im lebenden Pankreas 465 a. An den Blutgefässen 465 b. Vorgänge an der Drüse 470 Versuchsprotokolle 481 Erklärung der Abbildungen 486 Bemerkungen zu Herrn Hoppe- Seijler''^ Darstellung der Optochemie von W. Kühne - 488 In Carl Winter' s Universitätsiuchhandliing in Seidelherg sind neu erschienen: Vergleichend-physiologische Vorträge Dr. C. Fr. W. Krukenberg. I. Die Bedeutung der vergleichenden Methode für die Biologie. gr. 8^ brosch. 1 M. 20 Pf. II. Grundzüge einer vergleichenden Physiologie der Verdauung. gr. 8^ brosch. 1 M. 60 Pf. Diese Vorträge werden die Hauptgrundzüge einer vergleichenden Physiologie in den einzelnen für die gesammte Biologie wichtigeren Ab- schnitten gemeinverständhch behandeln. In den Anmerkungen wird die Literatur möglichst vollständig angegeben werden, so daß der Biologe einerseits eine Anschauung von den Resultaten und Tendenzen der ver- gleichenden Physiologie erhält, und der Fachmann anderseits zugleich die Mittel, sich über den Stand der Kenntnisse in einem Specialfach in kürzester Frist informiren zu können. Die weiteren Hefte werden enthalten: Die Grundzüge einer ver- gleichenden Physiologie der Iferven nud Muskeln, der Circulations- und EespirationsYorgänge, der Bewegungserscheinnngen u. s. w. Jedes Heft ist einzeln käuflich. Mit dem letzten Heft wird ein Ge- sammttitel und Inhaltsverzeichniss geliefert. C. F. Wiuter'sche Buchdruckerei. AaBC D Eb F G 30 40 . 50 60 70 80 90 100 HO 120 130 140 150 llilllltllli;illlllllllllllllllllillllHlllllilllll|llllllllllllll|IIIHIIIIIIIIIIIIIIIIIIIlllllllllllllllH rrri^ ~7 AIkolu>lisc"h.es Extract der Rmdsgalle Alk. ExAraxt der RindsgaHe (coii.ceTitriTtere Xösuag.l fe\i } .1-.- ^W:\<>^.';:: t)..'-'^ s< -sv'.v' »\m%^v\m\\m-.m-Mv^»'^m».v.«.iim»:»^ AUcExtract der Xeber von. Eledone laosciata. fTTT jMk- Extract der Leber von Helix pomatia. T7 Alk. Extract der Xicber vor». Linmaeus sta^Tiaüs. ! i t . ^: ' Alk.Extract der I. elj er -vt>il Mytilus edulis. Bi.s<Ä».:asi : A , A >■ \^ S.XlJN- ,.A\>. ,,, \ . . >■■ ... S.S\VA ^^ukcnberfi- f eät . Caxl"\^nler's ■DnrrersitatsloucKhandhmeiHeidelberg. XiQuAns^ v'WafenjBT UrebeSpXeijE^. KiihriP. plivsiol ,l"iiter.siK-limi^fli . H Isjiliut', plivsiollhilt'Vfiwliim^^m. Carl AVhüCT's UniTerätäLsbudiUaiiäluiioiii Heidelberg. LilLAnslT.E.A.FiiiJü, LeipiiJ. phvsiol .UnlersitchunJ f ti Ban4HTafel3 -jnkf, Iicipn j. Carl Wluter's riih-ersiläUbucUiandlun^ in. Heidelberg" Kühn», plivsioMJnUrdurViL-.gen B^-.dnT»ftU. '^ürl 'Wi-nier's UTOversilatsbucUumiUunfemH'idellierg, Kiilme , phv »iol. Unitrsuclumgeii BandETaWS Carl Winter 's Uiiiversitätsbuditiaiulluiig in HeidiJlb«'^ Mime , plivsiul.ÜulersuduingeiL i'wudU.Tttld ü., Cat] WintPT's UidversitätsliucWiandlunö in fleiddberg Iäth,Anst.T.E.A.?iml«,leip:ig. Ku'niie, pnvsiui Lutfrsuchuiigpn L.i>. A.-.äivE A F.inkf L-ip-ig. CarlWinter's üniversiiatsbuchtiandlunl in Heidelberg. Kulinc, pliysinl, l'utersiiclmiii;>'ii " /O^, m lO^ Oi io / LiÜt.AnUv.E A Funkf, Leipzig. Carl Wint.H.r s UniversiUtalnrlihaniiluug in Hpidflber?. Kulme, pli\-sioI Unlersurhungen BiUid n Tafel 9. ith ^'.v. V E n. Funkt, Leipsg Carl Winter ' s üiu\-«r sitälsbuchaadlmig in Heidelberg . ^JA -' i^n ^1 «"•«WW..3 -ÄS.- JJUWdP»^ #»^ . . %*. sts:;8-«|=d^5=^''^'^^'^" ' 20. 41. 22. r. 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