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UNTERSUCHUNGEN

zu

CICERO'S PHILOSOPHISCHEN SCHRIFTEX

VON

RUDOLF HIRZEL

III. THEIL

ÄCAVEMICÄ PRIORÄ. TVSCULANAE BISPUTA TIONES

LEIPZIG

VEKLAG VON 8. IIIRZEL

1883.

Zcji .

Inhalt.

Seite

I. Die verschiedeyien Formen des Skepticismus 1

1. Ursprung der Skepsis 1

a) Ursprung der pyrrhonischen Skepsis .... 1

b) Ursprung der akademischen Skepsis .... 22

2. Die weitere Entwicklung der Skepsis ... 39

a* Die Entwicklung der pyrrhonischen Skepsis . . 39

a) Die Entwicklung der akademischen Skepsis . . 149

II. Die Academica priora 251

1. Lucullus' Vortrag 251

2. Ciceros Erwiderung 279

III. Die Tusculanen 342

1. Das erste Buch 342

2. Das zweite Buch 40()

3. Das dritte Buch 414

4. Das vierte Buch 456

5. Das fünfte Buch 468

6. Endergebniss 479

IV. Excitrs I und II 493—532

I. Die verschiedenen Formen des Skepticisuins.

Ursprung der Skepsis.

1. Ursprung der pyrrhonischen Skepsis.

Die beiden Formen, in denen der Skepticismus des Alterthums uns vorzüglich entgegentritt, sind der Pyrrhonis- luus und die akademische Skepsis. Beide Arten des Skepti- cismus sind weder als ebenbürtige Rivalen beständig neben einander hergegangen noch haben sie sich in der Weise ab- gelöst da5s die Entwicklung der einen vollständig abgelaufen war ehe die andere einsetzte: vielmehr haben sie nach der Gunst der Zeiten öfter gewechselt und ist im geistigen Leben bald mehr die eine bald mehr die andere hervorgetreten.^)

') Die skeptische Richtung, welche Pyrrhon zuerst eingeschlagen hatte, war die ältere. Schon mit Pyrrhons Schüler Timon verschwmdet dieselbe aber wieder von der Oberfläche der philosophischen Bewegung und räumt ihren Platz der akademischen Skepsis ein, die durch Timons Zeitgenossen Arkesilaos begründet worden war und theils durch ihn theils durch seine Nachfolger, namentlich Karneades, rasch zu Ansehen gelangte und zahlreiche Anhänger fand. Dem Pyrrho- nismus scheint besonders Chrysipps scharfe Polemik verderblich ge- worden zu sein. Wenigstens darf man diess aus Cicero de fin. II 43 vermuthen: hie ipse (Erillus) jam pridem est rejectus; post enim Chrysippum non sane est disputatum. Zunächst freilich gelten diese Worte nur von Herillos. Da es indessen vorher auch von Ariston und Pyrrhon heisst „jam pridem contra eos desitum est disputari'S und da beide um dieses Umstandes willen auch sonst mit Herillos zusammengestellt werden (^Cicero de fin. II 35. V 23. Tuscul. V 85.

Hirse 1, UntATRncbangen. HI. 1

2 Die verschiedenen Formen dos Skepticismns.

Das skeptische Bedürfiiiss der verschiedenen Zeiten konnte ebenso wohl durch die eine wie durch die andere befriedigt werden. Aber obgleich beide im wesentlichen dieselbe philo- sophische Richtung darstellen, so ist doch die Art wie sie sie darstellen bei beiden verschieden, und diese Verschieden- heit ist bemerkenswerth da sie auf den verschiedenen Ur- sprung beider Sekten zuiückführt. Letzteres, dass beide Richtungen des Skepticismus, mögen sie in ihren Enden zu- sammentrefifen, von anderen Anfängen ausgegangen sind, ist ein Umstand, der noch nicht, wie er as verdiente, beachtet

Acad. pr. 129 f. de oflF. I G), so wird es wohl auch derselbe Gegner gewesen sein, dessen Angriffen alle drei erlegen sind. Es scheint daher schon Karneades, auf den die an den angeführten ciceronischen Stellen gegebene Einthcilung der Philosophien zurückgeht, den Pyr- rhonismus als eine philosophische Richtung behandelt zw haben, die man nicht mehr zu berücksichtigen brauche. In Athen hörte die Schule, wie es scheint, auf zu existiren. Hierauf bezieht sich wohl die Nachricht, dass Timon keinen Nachfolger hatte (Diog. IX 115: rovrov Sidöo/og, wi; /ahv Mijvoöorog tfi^ai, ytyovev ovötlq, «AA« öih- XiTiEv f) dywyfj t-'ajg avzifV IlTo^.efnaing o KvQi^vaXoq drexTtjaaTo). Denn Andere wussteu allerdings Schüler Timons zu nennen, die die Verbindung in der Reihe der Schulhäupter zwischen ihm und Ptole- maios herstellten (Diog. nach den angeführten Worten: wg 6' ^Ititio- ßoTog (ftjai xal Storitov, Siijxovaav avrov JioaxovQlSi]g KvnQtog xcO NixoXoxog *Pr>rfio? xal EvfpQ(xvu}(} ^ekevxBvg JjQaiXog r' dno Tgom-

Sog EdtpQavoQog Sh öitjxovaev EvßovXog ÄXe^m'SQevg, ov

IlToXsfiaTog. Diese Reihe mit Zeller Illb 2, 1 und Illa 484, 1 für unvollständig zu halten ist kein Grund vorhanden sobald man nur die Zeit Ainesidems richtig bestimmt, vgl. Haas de philosophorum scepticorum successionibus S. 12 f. Wenn der letztere dagegen S. 11 und 23 Menodots Nachricht dahin erläutert, dass die pyrrhonische Schule nach Timon ihre Eigenthümlichkeit eingebüsst und von der akademischen sich nicht unterschieden habe, so lässt sich diess, wie schon Zcller III« 483, 2^ bemerkt hat, aus den Worten der Ueber- lieferung nicht herauslesen. Ein Theil der Pyrrhoneor scheint nach Timons Tode Athen verlassen und sich nach Alcxandrien gewandt

Urspnmg der pyrrhonischen Skepsis. H

nnd anerkannt worden ist. ^) Und doch sprechon überwie- gende Gründe dafür, dass die pyrrhonische Skepsis ebenso an Deraokrit angeknüpft hat wie die akademische an Sokrates. Schon die äusseren Verhältnisse, unter denen Pyrrhon lebte, empfehlen diese Annahme, da die einzige zuverlässige Ueberliefening des Alterthums ihn zu einem Schüler und Begleiter des Demokriteers Anaxarch macht; ^) und hiermit steht das Zeugniss eines seiner Schüler, dass er besonders gern, öfter als auf irgend einen Andern sich auf Demokrit

za haben. Hier setzte sich die Schule fort. Denn es ist doch sehr bemerkenswerth , dass Euphranors Schüler und Nachfolger Eubulos ein Alexandriner war, dass dessen Nachfolger Ptolemaios aus dem benachbarten Kyrene stammte (Diog. 115) und auch Ainesidem üi Alexandria wirkte (Aristokles bei Euseb. praep. ev. XIV 18, 22). In Alexandricn bildete sich die Lehre im Stillen weiter bis auf den ge- nannten Ainesidem der es verstand wieder die allgemeine Aufmerk- samkeit auf sie zu lenken (Aristokles a. a. 0.: firjSsvög ö' imatfßa- (pivxoi; avTcJv, ci? sl fiijöh iyivovro rh naQanav, ^X^^^ ^«^ nQwrjv iv ÄXe^avÖQfla xy xax^ Aiyvntov AivijalSijfjiog xiq avaC^wnvQS'iv tjo^axo Tov v^kov xovxov). In dieselbe Zeit fällt das Ende der akademischen Skepsis. Die Folge davon war, dass von nun an, in der philosophi- schen Bewegung der Kaiserzeit, der Skepticismus nur durch den Pyrrhonismus vertreten ist. Denn die einzige Ausnahme, die sich dagegen geltend machen lässt, die philosophische Stellung des Favo- rinns, kommt eben als einzige nicht in Betracht, zumal da sie pro- blematischer Natur ist (Haas a. a. 0. S. 81 ff. Zeller Illb 50 ff.).

') Zeller lU» 479 f. leitet die pyrrhonische und akademische Skepsis im Wesentlichen von denselben Ursachen ab, indem er in beiden vornehmlich eine Reaction gegen die gesteigerte Entwicklung der dogmatischen Philosophien sieht, wie sie in der Lehre des Piaton und Aristoteles, der Epikureer und Stoiker vorlag.

*) Diog. IX 61 (vgl. 63) beruft sich auf den mir sonst nicht be- kannten Abderiten Askanios. Dass derjenige der so nachdrücklich den Zusammenhang der pyrrhonischen Lehre mit Anaxarch hervor- hebt {rjxovat Ava^aQXOv ^vvaxokov^wv navxaxov .

o^fv yervaioTaza öoxti (pt?,oao(fifjaai, xtjg dxaxahmdaq xal knox^jq

1*

4 1)10 verschiedenen Formen des Skepticismus.

berufen habe,*) in vollem Einklang. Derselbe Anschluss an Demokrit ergibt sich aber auch, wenn wir die Art und Weise seiner Skepsis etwas näher betrachten. Wäre Pyrrhon, wie diess Zellers Ansicht ist (479. 481), durch frühe Anregungen, die er von der clisch-megarischen Dialektik und der kyni- schen Lehre empfing, auf die Bahn des Skepticismus geführt worden, dann raüsste auch seine Skepsis etwas vom Charakter jener Dialektik an sich tragen. Damit soll nicht gesagt sein, dass Pyrrhon nothwendig die einzelnen von Megarikern und Kynikern gebrauchten Argumente hätte wiederholen müssen; wohl aber ist es nothwendig, soll er anders etwas von ihnen gelernt haben, dass er ab und zu sich ihrer Methode be- diente. Nun besteht aber die Eigen thümlichkeit dieser Me- thode darin die Widersprüche nachzuweisen, mit denen ge-

elöog elaayaywv, wg kaxdriog 6 JißStjQlrTjg tprialv xtL Diog. a. a. 0.1, ein Landsmann des letzteren war wird freilich kaum ein Zufall sein. Die ganze Nachricht für eine Erfindung des abderitischen I^cal- l)atriotLsmus zu halten haben wir darum noch kein Recht und um so weniger als die andere Nachricht die aus Pyrrhon einen Schüler des Megarikers Bryson macht unglaubwürdig ist (Zeller III» 481, 1). In der Reihe der von Diogenes behandelten Philosophen erscheint Pyrrhon nach Anaxarchos; als einen Schüler des letzteren bezeichnen ihn Eusebios praep. ev. XIV 18, 20 und Galen bist. phil. 3 (Diels Doxogr. S. GOl). Vgl. dazu Numenios bei Euseb. XIV G, 3.

^) Diog. IX 67: aAAor xal ^PtXwv o Ä^tivalogt yvioQt/nog aviov yeyovwg, XXeysv wg Ifxifxvißo fxdkiota fisv .hjfWXQltov, eira 61 xa) *^Ofo}()ov xzl. Hierher gehört es auch, dass Pyrrhons Schüler Timon zwar Dcmokrits in allen Ehren gedenkt \J)iog. 40: ov ye xal Tlfiiov roviov ^Ttccivtaag tov rponov tx^i' ,yOiov Jtj/noxQitov xe 7ie()l<pQova, noifttra fiv^wv, Äfuflvoov Xecy/iva fierä nQ(itoiaiv a.vlyvo)v)y die me- garischen Skeptiker aber nicht minder heftig schmäht als die übrigen Philosophen (Diog. II 107: 6id ravra 6b xal negl a^xov [Eukleides] ravid tft^ai Ti/uwv, n(Joa7iaQaT(}wy(ov xal tovg Xoinovg StoxQanxovg' ,,.^AA* ov /üoi rovTwr if)>f6()vwv /is?.ei, ov66 yccQ ä?.Xov Ov6sv6^, ov *I*al6wvog* oatig ye* [Wachsmuth de Tim. S. 65], ov6^ iQt6dvTfco Evx).fl6ov, Meya()evatv og hiißalf Ivooav i^iofiov^').

Ursprnng der pyrrhonischen Skepsis. 5

wisse aus der sinnlichen Erfahrung gezogene Begriflfe wie namentlich der der Bewegung behaftet sind. Ein solches dialektisches Verfahren hat aber Pyrrhon allem Anschein n:ich nie eingeschlagen. Das dürfen wir daraus schliessen, dass in den zehn älteren Tropen der skeptischen Schule (Diog. 79 S, Sext. Emp. Pyrrh. hyp. I 36 flf.) sich keine Spur des- selben findet; denn wenn auch die Sammlung und Ordnung derselben, wie sich von selber versteht, nicht von Pyrrhon herrührt, so wird doch in derselben auch keines der Argu- mente fehlen, deren jener sich wirklich bedient hatte. Die Argumente dieser älteren Tropen sind aber durchweg solche, die auf einen in den Ei'fahrungen selber hervortretenden Widerstreit hinweisen und nicht auf einer dialektischen Er- örterung der Begriffe beruhen.*) Mehr Bedeutmig als dem

M Diese älteren Tropen sind folgende. Der erste weist auf die verschiedene Natur der Tbiere und ihrer Sinnesorgane hin und er- klärt hieraus dass sowohl die Thiere unter einander wie Thiere und Menschen von denselben Dingen verschiedene Eindrücke und Vor- stellungen empfangen. Der zweite gründet sich auf Verschiedenheiten der Individualität, wie sie unter den Menschen selber stattfinden und tbeils auf die Körperbeschaffenheit theils auf den erwählten Be- ruf sich beziehen. Der dritte geht auf die Unterschiede der Sinnes- organe unter einander und überhaupt der Mittel der sinnlichen Wahr- nehmung zurück und betont dass in jedem derselben das gleiche Ding in anderer Weise erscheint. Der vierte hebt hervor wie verschieden uns dieselben Dinge erscheinen je nach den Zuständen in denen wir uns zeitweilig befinden, ob wir krank oder gesund sind, schlafen oder wachen n. s. w. Der fünfte, der sich insbesondere gegen die mora- lischen Vorstellungen richtet, macht auf die Verschiedenheiten der Anschauung aufmerksam, die sich in der Verschiedenheit der Lebens- weise, der Gesetze, der religiösen Ideen, der Sitten und der philoso- phischen Ueberzeugung kund geben. Während in den bisher erwähn- ten Tropen die Skepsis auf die Beschaffenheit des betrachtenden Subjects gegründet wird, leitet sie sich in den folgenden von der Beschaffenheit der in Betracht kommenden Objecte ab. Der sechste beruft sich darauf, dass alle Dinge nur mit anderen wie Luft

6 Die verschiedenen Formen des Skepticismus

Vorgange der Kyniker und Megariker legt aber Zeller für die Entstehung des Skepticismus der kühnen Entwicklung der platonischen und aristotelischen Speculation bei sowie dem Hervortreten des stoischen und epikureischen Dogma- tismus. Wäre dicss der Ausgangspunkt der pyri'honischen Skepsis gewesen, dann müsstc es sich auch noch an den Gründen erkennen lassen mit denen dieselbe die Möglichkeit jeder Erkenntniss bestritt. Nun suchen die zehn Tropen der Aelteren vorzugsweise die Unzuverlässigkeit jeder aus den Sinnen abgeleiteten Erkenntniss zu erweisen: dadurch scheint also Zellers Behauptung bestätigt zu werden, dass die ungenügende Begründung des sensualistischen Dogmatis- mus der Stoiker und Epikureer die skeptische Dialektik herausgefordert habe. Da aber jede Berücksichtigung des nicht-sensualistischen Dogmatismus fehlt und kein Versuch gemacht wird die von Piaton und Aristoteles benutzten Quellen der Erkenntniss abzuschneiden,*) so wird hierdurch Zellers Ansicht widerlegt. Und nicht einmal so viel kann zugegeben

Licht u. s. w. verbunden zur Erscheinung kommen, keins für sich allein, daher auch keins rein und un vermischt erfasst werden kann; der siebente auf die Verschiedenheit der Lage, des Orts, der Abstände von andern Dingen, wodurch dasselbe bald gross bald klein bald eckig bald rund u. s. w. erscheint. Dass die Natur eines Dinges sich verschieden äussert je nach der Quantität und Qualität, die es ge- rade hat, und deshalb nicht erkannt werden kann, sagt der achte Tropos. Der neunte beruft sich auf den verschiedenen Eindruck den das Gleiche macht wenn es immerwährend und gewöhnlich und wenn es selten und fremdartig ist; der zehnte darauf dass jedes Ding nur relativ, in Beziehung auf ein anderes erkannt wird.

') Diesen Versuch machte erst Agrippa in seinen fünf neuen Tropen, deren Erläuterung bei Sext. Emp. Pyrrh. hyp. 1 170 folgender- maassen beginnt: ro n^ote^hv fjtot alo^rixov iativ jy votitör, bnolov 6* av y, 6ia7i€<p(6vi]tai' oi fiev yaQ xa aloi^riza fiova ipaalv eivat dlrjlHj Ol öh flava xa vofjxa, oi 6\ xiva filv alaO-ijxä xtvä 6h votixd-

Ursprung der pyrrhonischen Skepsis. 7

werden, dass die pyrrhonische Skepsis nur aus der Kritik der stoischen uud epikureischen Lehre erwachsen sei. Denn allein auf die Widerlegung dieser beiden Philosophien einen allgemeinen Zweifel an jeder philosophischen Erkenntniss zu gründen war wenigstens in Pyrrhons Zeit nicht möglich. Es ist diess aber nicht der einzige Punkt, der die Richtigkeit von Zellera Ansicht vorausgesetzt auffallend bleibt. Man sollte nämlich meinen, dass, wenn Pyrrhons Skepticismus durch die Betrachtung der zeitgenössischen Philosophien hervor- gerufen worden wäre, er vor allen Dingen auf die zwischen denselben hervortretende Meinungsverschiedenheit Gewicht legen würde. So verfuhren die akademischen Skeptiker^) und ebenso ein späterer Pyrrhoneer wie Agrippa, der an die Spitze seiner fünf neuen Tropen denjenigen stellte der auf die unter den Philosophen herrschende Verschiedenheit der Ansichten hinwies.^) In den zehn älteren Tropen da- gegen wird zwar auch dieser Grund zu Gmisten des Skepti- cismus geltend gemacht aber durchaus nicht so dass ihm eine grössere Bedeutung beigelegt zu werden scheint als den übrigen: denn weder steht er zu Anfang der Reihe noch bildet er überhaupt einen Tropos für sich allein son- dern wird nur anhangsweise erwähnt.^) Diese beiden Eigon-

*) Sext. Emp. adv. dogm. III 1 : slg aXlotglav vXtjv ifxßdvtsq ^^ol negl xbv Kkstrofjuxxov) xcd inl avyxtoQtjasi twv hzsQolioq doy/iart^o- ßivüfv noiovfisvoi xovg koyovg dßixQwg ißijxwav rrjv dvxL^Qi}Oiv.

*> Diog. 88: ol 6h nsgl ÄyQinnav rovtoig cikXovg nivxe {XQO- novg) TiQOoeiodyovoi, xov r* dnb tfjg öiatpwvlag xiL b fikv ovv dnt TtjQ Siatpwviag o av nQOtt^ ^t}tTjfia nagd xolg ipiXoooipoig tj xy ow- ti^eiff, TtkslaxT^g fidxrig xal xaQax^g nlijQeg dnoöstxvvei. Sext. Pyrrh. I 165.

■) Diog. 83: nifinxog b nagd xdg dycjydg xal xovg voßovg xal tag fivd-ixdg nloxeig xal xdg i^ixdg ovvB^ijxag xal öoyfxaxixdg vnoliqtpeig. Das Beispiel für eine solche Meinungsverschiedenheit ist: xal ol ßhv ngovoeZolhai {x^eovg ^yovvxai), ol 6* ov (Sext. Emp.

8 Die verschiedenen Formen des Skepticismus.

thümlichkeiten des älteren Pyrrhonismus, wie sie gegen die Ansicht sprechen wonach derselbe von der kynisch-megari- schen Dialektik und aus der Betrachtung der zeitgenössischen

Pyrrh. I 151X Dass die Meinungsverschiedenheit der Philosophen an sich und allein noch kein Grund der Skepsis für die älteren Pyr- rhoneer war sondern sie dieselbe zu diesem Zweck erst unter allge- meinere Gesichtspunkte stellten, zeigt sich besonders darin dass sie ihrer unter verschiedenen Tropen P^rwähuung thun, dem zweiten (Sext. Emp. Pyrrh. I 85 ff.) und fünften (a. a. 0. 151. Diog. a. a. 0.). Ja es macht den Eindruck als ob sie überhaupt erst nachträglich unter die Gründe der Skepsis aufgenommen worden wäre. Denn weder der eine noch der andere Ort an dem sie genannt wird ist vollkommen für sie passend. Was den zweiten Tropos betrifft, so ist darin von den körperlichen und geistigen Idiosynkrasien der einzelnen Menschen die Rede. Dass mit den daher rührenden Verschiedenheiten die der philosophischen Ueberzeugung nicht ohne Weiteres zusammengeworfen werden kann, liegt auf der Hand. Das sahen auch die Skeptiker ein und hoben deshalb besonders die Verschiedenheit der ethischen Ansichten hervor (Sext. Pyrrh. 1 85: ro dh ßiyiarov 6tTy/.ta Tijg xazu rriv Stavoiav twv dvB-(JW7Hov nokktjg xcd dnflQOV öiatfOQäq t) 6ia<fio- via Twv naga roTg Soyfxanxotg keyofitvwv negi te rwv ä),lü)v xal nBQl xov rlva ßhv a\Qeia&ai 7iQ0or]x^i ziva 6^ ixxXJveiv): denn da diese wesentlich auf der verschiedenen Auffassung des Lebensziels beruht, so lässt sie sich allenfalls mit derjenigen vergleichen, die sich in der verschiedenen Wahl des Berufs kund gibt (Diog. 81: xal o fxlv iaTQixrfQ, 6 Sl ysioQylag, dV.og 6h ifinoQiag oQbyBxai' xal Tovza ovg fxtv ßXdnzei ovq 61 ouptlfl). Aber auch diese Vergleichung ist nicht ganz zutreffend. Sie lässt nämlich ausser Acht dass die Verschiedenheit in der Wahl des Berufs von der Eigenthümlichkeit unserer Natur abhängen soll (der, zweite Tropos wird von Diog. 80 bezeichnet als b naQo. zag zwv dvO-QOjnwv ifvofig xal zag i6ioavyx()i- alag) und Insofern mit körperlichen Idiosynkrasien (wie die Demo- phons der im Schatten warm hatte, in der Sonne dagegen fror) ver- glichen werden kann, die philosophische Ueberzeugung aber, mag immerhin bei der Wahl derselben auch die individuelle Natur eine Rolle spielen (wovon indessen Sext. Pyrrh. I 87 f. nichts sagt), sich hauptsächlich auf Gründe stützt. Noch weniger aber an ihrer Stelle ist die Meinungsverschiedenheit der Philosophen im fünften Tropos.

Ursprung der pyrrhonischen Skepsis. 9

Philosophie abgeleitet werden soll, bestätigen auf der an- dern Seite die üeberlieferung die ihn an Demokrits Natur- philosophie anknüpft. Deun dass eine aus dieser Quelle fliessende Skepsis nicht auf dialektische Erörterungen ge-

Nachdem nämlich vorher von den unter den einzelnen Menschen be- stehenden Verschiedenheiten die Rede war, geht die Absicht dieses Tropos offenbar dahin auf Verschiedenheiten der Meinung hinzuwei- sen, die zwischen ganzen Staaten Stämmen und Völkern stattfinden. vBei Diog. 83 werden deshalb die Beispiele allein von Völkerschaften, den Persern Griechen Massageten u. s. w. entlehnt. Wenn Sext. Pyrrh. I 145. 150. 153. 155. 160 auch Einzelne als Beispiele anführt, so er- weckt diess den Verdacht späterer Ergänzung, da diese Einzelnen Philosophen von verschiedener ethischer Richtung sind und als solche in den Bereich des zweiten Tropos gehörten.) Diese Verschieden- heiten treten hervor in der Lebensweise {dywyij)^ in Gesetzen, reli- giösen Vorstellungen und Sitten {iB^vixal avv&ijxai Diog. f^i/ Sext. a. a. 0. 145). Sie sollen aber ausserdem hervortreten in den doy^xa- Tixat vnoXrixpfiq. Als Beispiele derselben werden angeführt die Ant- worten auf die Fragen ob ein oder mehrere Principien anzunehmen sind, ob die Seele unsterblich ist und ob es eine Vorsehung gibt (Sext. 151). Offenbar ist diese Verschiedenheit eine ganz andere als die vorher genannten, da sie einen Unterschied einzelner Menschen und nicht ganzer Staaten und Völker betrifft, und einen anderen allge- meinen Gesichtspunkt, unter dem sie sich mit den genannten ver- einigen Hesse, vermag ich nicht zu entdecken. Es scheint daher nichts übrig zu bleiben als die Annahme, dass diese Verschiedenheit hier erst nachträglich hinzugefügt worden ist. Man hatte das Be- dürfniss unter den Gründen der Skepsis auch den Streit der natur- philosophischen Lehren geltend zu machen. Im zweiten Tropos, in dem sich allenfalls die Ethik unterbringen Hess, war dafür nicht der geeignete Platz. Besser schien sich der fünfte dafür zu eignen, in dem schon ein Kapitel der Naturphilosophie, das der religiösen Vor- stellungen, Unterkunft gefunden hatte. Damit verband man also die Naturphilosophie: wobei man freilich das eigenthümliche Wesen des ganzen Tropos ausser Acht Hess und nicht bedachte dass Staaten und Völker zwar nach religiösen Vorstellungen sich scheiden, aber nicht nach den Antworten die in ihnen auf die Probleme der Natur- philosophie gegeben werden.

10 Di6 verschiedenen Formen des Skepticismus.

gründet sein konnte, versteht sich von selber. Aber auch dass in einer Skepsis dieser Art der Meinungsstreit der Philosophen noch nicht dieselbe Rolle wie später spielt ist begreiflich. Wir müssen nur bedenken was Agrippa und seine Genossen unter dem Meinungsstreit verstanden den sie an die Spitze der skeptischen Argumente stellten: nicht den Streit über beliebige Lehren sondern denjenigen der die Giimdlage aller Erkenntniss berührte und die Frage betraf ob die Wahrheit in den Sinneseindrücken gegeben sei oder durch das Denken gewonnen werde. ^) Gorade über diesen Punkt bestand aber unter den vorsokratischen Naturphilo- sophen keine tiefer gehende Meiimngsverschiedenheit: viel- mehr blieben alle, so sehr sie gegen die siimlichc Wahr- nehmung eifern mochten, doch thatsächlich von ihr abhängig,*) ganz abgesehen davon dass die Frage wie und wodurch wir etwas erkennen noch gar nicht bestimmt aufgestellt worden war und daher auch eine verschiedene Beantwortung der- selben durch verschiedene Philosophen nicht so hervorgetreten wäre um den Anlass zu skeptischen Zweifeln geben zu können.^) Aber nicht bloss durch das was ihnen fehlt sondern auch durch das was sie enthalten erinnern die älteren Tropen an

') Sext. £mp. Pyrrh. I 170: oti 6h nav xo t^rixovfievov flg xov- xovq dvdyeiv xovg xQonovg ivöi^^xai, Siä ßga^hütv vnoSsi^o^sv ov- X(og. xd TiQOxe&hv tjxoi alo&rjxov ioxiv tJ votjxov, bnoTov 6' av g öiansipfovfixat ' oi fihv yaQ xa alaB^xa fiova <paaiv eivai dXtj&ij, oi 61 fiova xa vorjxd, oi 6h xiva fihv aloS^xd xiva 6h vofjxd.

*) Für die Eleaten, die Vertheidiger der Vernunfterkenn tniss, ist in dieser Beziehung besonders charakteristisch was Aristoteles ^Met. I 5 p. 986^ 18) von Xenophanes sagt: elg xbv öXov ovgavhv dnoßkhpag xo %v slvai <pTjai xbv &€6v.

') Ebenso wenig konnte Demokrit nach dem Stande, den die Philosophie zu seiner Zeit einnahm, die Meinungsverschiedenheit der Philosophen Über ein ethisches Problem berücksichtigen, deren Sextos Emp. Pyrrh. I 85 ff. gedenkt.

Ursprung der pyrrhoDischen Skepsis. 11

Demokrit, da die Skepsis beider sich im Wesentlichen be- schränkt auf die Bestreitung der sinnlichen Wahrnehmung und des Anspruchs den diese erhebt das Wahre zu geben. Dass es ein Akt der Willkür ist, wenn wir unsere eigenen Empfindungen auf die Dinge ausser uns übertragen, sprechen am schärfsten die vier ersten Tropen aus. Dasselbe thut Demokrit in den Yon Sext. fjnp. adv. dogm. I 135 angeführten Worten: vofiqi yXvxi) xal voficp jiixqop, poficp d^sQuov roficp tp^vxQov, tfofio} IQOifi^) Beide weisen lun die Unzuverlässigkeit der Sinnes- eindrücke zu begründen auf die Verschiedenheit der Um- stände hin, in denen sich sei es das wahrnehmende Subject sei es das wahrgenommene Object befindet. Von den pyr- rhonischen Tropen kommen hierbei der vierte und siebente (nach Diogenes, nach Sextos ist es der fünfte) in Betracht, von Demokrit die bei Sext. a. a. 0. 136 erhaltenen Worte: ilUtlc; 6e riß fiiv iovrt ovdev drQExeg öwlsfiev, f/erajtljcrov dt xard rs odfiatog diad-iyriv^) xal rcop ijceioioprcov xal avTKSrrjQtCpvTcov, Auf die Verschiedenheit der menschlichen Bestrebungen berufen sich sowohl die Pyrrhoneer*) wie Demokrit,*) und zwar beide im Wesentlichen zu demselben

^) Auf diese Aeusserung berufen sich auch die Skeptiker bei Diog. 72. Vgl. auch Timons Verse bei Euseb. praep. ev. XIV 18, 15, in denen das verkehrte Treiben der Menschen abgeleitet wird ix na^iwv 66§rjg ts xal eixalrjg vo/iod'ijxijq.

^) Denn so ist statt öia^tjxijv mit Mullach Demoer. S. 262 zu schreiben.

*) Diog. 81: xal o fjihv iazQixtjq o 6h yewQyiag akXog d' ifino- (Mag dgtyetai' xal xavxa ovg fikv (ildnzsi, ovg 6s e^tpekeV oO-ev iipe- xikov. Sext. Pyrrh. I 86.

«) Demokrit im Briefe des Hippokrates (ed. Littr^ IX S. 364) sagt: TL 6b xbv ifiov, '^InnoxQaxBg, i/iifitpat yikwxa; ov yoiQ adxog xig TJjg I6hig dvolrjg, dXX' äkXog dXlov xaxayela, oi ßhv xwv /ibS^vovxwv, oxav avxol 6oxi(o<ji V7J<pBiv, ol 6h xwv iQ(ovxü}v, x^XsnwxiQijv vovaov vooei'vxeg avxoif ol 6h x<3v tiIbovxwv, aXkoi 6h xdiv nsQl ysütQyltjv

12 Die verschiedenen Formen des Skopticismus.

Zwecke. Denn die Pyrrlioneer leiten daraus die Nothwendig- keit der Ijtox^ ah; für Demokrit andererseits ist die Ver- schiedenheit der menschlichen Bestrehungen ein Zeichen ihrer Eitelkeit, auf die er die Forderung der draQa^lrj gründet; auf diese aber läuft auch die skeptische tjrox/) hinaus.^) Dagegen scheinen die Pyrrhoneer, indem sie die Wesenlosig- keit der moralischen Begriffe behaupten und zum Beweise unter Anderem sich auf die Verschiedenheit der mensch- lichen Gesetze berufen,*) mit Demokrit nicht übereinzu- stimmen, der es nicht imr überhaupt nicht verschmäht hat sittliche Vorschriften zu geben sondern insbesondere auch die Unterwerfung unter die Gesetze predigt. Beides scheint vorauszusetzen, dass er die Moral, die menschliche und bürgerliche, für etwas mehr hielt als ein blosses Produkt menschlichen Meinens und WoUens.^) Dass dieser Schein aber trügt, dass man sittliche Vorschriften, noch dazu die- selben Vorschriften wie Demokrit geben, dass man auch Gehorsam gegen die Gesetze fordern und dabei doch alle Sittlichkeit und alle Gesetze für menschliches Machwerk er- klären kann, beweisen eben die PyiThoneer. Denn das worin die einzehien Vorschriften Demokrits zusammenlaufen, die Gemüthsruhe (draga^b]) und Mässigung der Leidenschaften

daxo}.fj^h>ta)V' ov ovfiffwväovat yaQ ovve tatg rix^cci^ ovre toli; eg- yoig. In wie fern dieser Brief zur Kenntniss von Demokrits Ansich- ten benutzt werden darf, s. in meiner Abhandlung über Demokrits Schrift 716^1 Fv&vfiiric Hermes XIV 354 ff.

*) Diog. 107: T^Aoq ol oxenrixoL <paoi tj/v inox^v, y axiäq tqo- nov inaxokovd'Si rj dra^a^la, äg (paaiv dl xe nsQt Tl/ncjva xai Alvf- aiöfjfiov. Sext. Pyrrh. I 29.

*) Im fünften Tropos nach Diogenes, im zehnten nach Sextos.

^) Das entgegenstehende Zcugniss dos Epiphanios exp. fid. 1088 A, wonach Demokrit die Gesetze für eine schlechte Erfindung erklärt und gesagt habe, der Weise solle ihnen nicht gehorchen, kann als ein ganz unzuverlässiges nicht in Betracht kommen. Zeller I 833, 3.

Ursprung der pyrrhonischen Skepsis. 13

forderten sie ebenfalls*) und verlangten nicht minder dass man sich den Gesetzen unterworfen solle.*) Man wird daher die Möglichkeit nicht bestreiten können, dass auch Demokrit, wie energisch und streng er auch seine moralischen Lehren ausspricht, doch an die absolute Wahrheit und Geltung der- selben nicht geglaubt hat. Und diese Möglichkeit wird zur Wahi-scheinlichkeit, wenn wir bedenken dass Demokrit für das allein Wirkliche die Atome und das Leere erklärte: denn consequenter Weise musste er hiernach die moralischen Grundbegriffe des Guten und Bösen fiir subjectivo Vorstel- lungen und die verpflichtende Kraft, die wir ihnen beilegen, fiir einen blossen Schein halten.*) Wenn er trotzdem diese Welt des Scheins einer eingehenden Beachtung und ausführ- lichen Darstellung gewürdigt hat, so ist er darin nicht anders verfahren als Parmenides im zweiten Theile seines Gedichtes.

M Dass die PyrrhoDeer auch die Mässigung der Leidenschaften forderten, sich nicht mit der Forderung der Leidenschaftslosigkeit begnügten, zeigt Sextos Pyrrh. I 30: Sia rovro ovv iv fxlv rolq öo^a- atoig draQa^lav zilog eivai (pcc/uiev xov axenzDcov, iv 6h tolg xazr^- vuyxaafiivoiq fiSTQiond^eiav. Vgl. adv. dogm. V 150 ff. Schon 148 in den Worten iv 6h xoTq xar* aitoB-riaiv xal d?.6Yoig xiv/j/iaaiv eixd- i^ft ist gewiss statt elxa^ei herzustellen fier^id^ei, wie Bekker ver- muthet hat.

*) Sext. Pyrrh. I 17: dxolovO'OVfisv ydg rivi koyio xaxd xb tpai- vofifvov v7io6(ixvvvxi Tiuuv xb 'C,rjv TiQog xd 7idx()ia t^jy xal xovg vo- ßovg xal xdg dywydg xal xd olxeTa nd&rj. 231: ol xax^ avxijv (r^v vtav Xxa6rjfztav) xoafiflo9-ai Hyovxfg dv6gsg xw ni^avQß 7ipooxQ(5v- rai xaxd xbv ßiov, tj/nftg 6^ xoTg vofioig xal xolg ^d-sot xal xoZg (pvai- xoTg Tid^eotv hnofxevoi ßiov/uev d6o^dani}g. ad?, dogm. V 166: dvay- xa'^oiJ.evog {b oxenxtxog) vnb xvgdvvov xi xwv dmiyoQfVfjLiviov TCQdx- rtiv, xy xaxd xovg naxglovg vofiovg xal xd td// npokijipei xv/^bv xb fthv hkBixai xb 6h (pev^exat. Diog. 108: xal alQOVfif^d xi xaxd xr^v avvfjO^etav xal (pevyofxsv xal vofxoig /()(w//f ^a.

*) Er konnte nicht wie Heraklit (fr. 91 Byw.) sagen: XQiipovxai ndvxfg ol dvB-Qtonfioi vofioi vnb hvbg xov B-eiov.

14 T)ie verschiedenen Formen des Skepticismus.

Dass aber Demokrit jene Consequenz wirklich gezogen hat, dass er die Gesetze des menschlichen Handelns nicht für solche hielt die die Natur dem Menschen sondern die dieser sich selber gegeben habe, davon glaube ich eine Spur noch in den theilweise schon angeführten Worten zu erkennen: i'Oficp yXvxv xai i'Ofim jtixQov, voficp ß-SQfiov vofjo) tpi?;f(>oi% vofioj XQ^^V' ^^^?7 ^^ arofia xai xevov. Ich fürchte nicht mich einer falschen Auslegekunst schuldig zu machen,^) wenn ich behaupte dass, wer das Wort vofiog einmal in diesem Sinne gebraucht hat, damit immer nur den Begriff von etwas Conventionellem, von etwas dessen Geltung nur auf mensch- licher Vereinbarung und Gewöhnung beruht, verbunden haben kann. So haben die Meinung Demokrits auch die Pyrrhoneer gefasst, wenn sie den Gegensatz zwischen Satzung (vofiog) und Wahrheit (irs?}, aXrjd^sta) über die engen Grenzen hinaus, die ihm in dem angeführten Fragment gezogen sind, auf das Gebiet der sittlichen Vorstellungen übertrugen und damit die Behauptung, Pyrrhon habe sich an den Demokriteer Anaxarchos angeschlossen, begründen wollten.^) Und nicht bloss in der Skepsis auch in dem Ziel das sie derselben steckten gingen die Pyrrhoneer auf Demokrit zurück. Dieses Ziel war die draQa^la, Zeller hat freilich auch hierin eine Anlehnung an die Kyniker gesehen (S. 479, 2). Er beruft sich dafür auf solche Stellen, in denen Kyniker alle Dinge ausser der Tugend für gleichgiltig erklären und im Sinne

*) Ich bemerke diess wegen Zeller I 833, 3.

*) Diog. 61: odSlv yuQ e<paaxsv {IIv^Qmv) ovrs xaXhv ovre aia- XQ^y ovte dlxaiov ovr^ aSixov xai b/nolcjg inl navxwv firjöhv elvat Ty dlrjO^sla, v6fi(o 6h xai sd-st navxa xovq dvS^Qtonovg ngdtrsiv ov yaQ fiäXXov roSf r] xoöb slvai txaoxov. Mehr an diese Worte als an das angeführte Fragment Demokrits erinnert in der Form Cicero Acad. post. 44: opinionibus et institutis omnia teneri, nihil veritati relinqiü. Dieser Gedanke wird aber Demokrit zugeschrieben.

Ursprung der pyrrhoniscben Skepsis. 15

des Antisthenes die axvq)la als Lebonszicl hingestellt wird. Es genügt aber nicht bei dieser Uebereinstimmung stehen zu bleiben, die nur das Allgemeine der Lebensauffassung be- trifft, sondern es muss auch die bestimmtere Form die ihr gegeben ist und die Terminologie in der sie auftritt berück- sichtigt werden. Dass die Kyniker ihr Lebensideal diu'ch draga^la bezeichnet hätten, ist mir wenigstens nicht bekannt und selbst wenn es einmal so genannt wurde so ist doch unendlich häufiger der Name ajtad-sia. Auch auf das skep- tische Ideal werden beide Namen angewandt, das Verhältniss derselben aber ist, was die Häufigkeit der Anwendung be- trifft, hier gerade umgekehrt. Ja eine nähere Untersuchung wird kaum zu einem anderen Resultate fuhren als dass ataQa%ia die eigentliche und ursprüngliche Bezeichnung war und erst später und nur von Einzelnen dafür die von den Kynikem entlehnte ajtad-sia eingeführt wurde. ^) Dass aber

') In die draga^ia hatte das Ziel der Skepsis schon Timon ge- setzt nach Diog. 107 (S. 12, 1), ebenso A^inesidem. Darum ist auch bei Sextos Pyrrh. I 25 £f. nur von ihr und nie von der dnaS^sia die Rede. Dass die dtaga^la der Skeptiker von der kynischen dndO^eia oder Unempfindlichkeit wesentlich verschieden ist, zeigt deutlich Sext. Pyrrh. I 29, wo, nachdem an den Skeptiker die Forderung der dra- Qa^ia gestellt worden ist, hinzugefügt wird: ov fx^v dox^^ijtov ndvxy xov ax^nrixov slvai vo/nl^o/aev, aAA' ^ylela^al <pafifv vnb xwv xcct- Tjvayxaa/Ä^vtov xal yaQ ^lyovv note bfiokoyovfiev xal öixprjv xal rot- 0vr6T(ßO7id Tiva ndox^tv. dXXa xai ^v xovxoiq ol fjUiV löicÜTai öia- oaiq aw^yovxai TteQiardaeaiv, vno re zuiv nad^tav avrwv xal ovx flTTov vno Tov rag Ttegiardaeig tavtag xaxäq slvai <pvoei doxsTv. Dass gewisse Dinge Sx^ri(f^ seien behaupteten die Stoiker und woll- ten eben dadurch ihre dndiheia von der der Kyniker unterscheiden. Weder mit der stoischen noch mit der kynischen dnd&eta aber darf die skeptische verwechselt werden. Sonst könnte sie nicht mit der ftfTQioTidHeta verbunden werden, vgl. Sext. a. a. 0. 30: iv fihv roTg öo^aoToTg draga^lav tikog elval (pafifv rov oxennxov, iv Sh ToTg xaxtivayxaofikvotg fifXQiondB^fiav. adv. dogm. V 149 flf. (bes. 161 f. u.

16 Die verschiedenen Formen des Skopticismus.

Demokrit seinem Ideal den Namen der droQa^ia gegeben

1G6, welche Stellen sich gegen Stoiker und Kyniker zu richten schei- nen). Denn es käme diess, sobald unter der axaga^ia die stoische oder kynische dndS^eta verstanden würde, einer contradictio in ad- jecto gleich. (Dass beides sich nicht vereinigen lässt, hat auch Zeller eingesehen II 490; statt aber die dnd^sia aufzugeben nimmt er lieber an dass die Vorstellung der fier^tondB^fia erst der späteren Skepsis angehöre. Diess mag was den Namen betrifft richtig sein.) Nun könnte man sich freilich auf Sext. Pyrrh. III 235 berufen: iv fihv roig öoSccaroTg dnaS^ijg ßivsi (6 oxeniixoq), iv 6h roig xarrjvay- xecöfi^voiq fifXQiona^eL Diese Stelle ist aber darum nicht beweisend, weil hier dnaB^tiq genauer bestimmt wird; denn der Zusatz ^v roig öo^aaiolg deutet an, dass es nicht sowohl d^n leidenschaftslosen oder unempfindlichen als den bezeichnet der sich in seiner Meinung nicht irre machen lässt. Man kann daher aus dieser Stelle nicht schliessen, dass die Skeptiker um den Begriff der dzaga^ta auszudi'ücken sich gelegentlich auch des Wortes dnd^sia schlechthin, ohne nähere Be- stimmung bedient hätten. Dass aber bisweilen das Ziel der pyrrho- nischen Skepsis so bezeichnet wurde, lässt sich nicht leugnen. Wir lernen es aus Cicero Acad. pr. 130: huic (Aristoni) summum bonum est in bis rebus (in mediis] neutram in partem moveri, quae ddia- <poQla ab ipso dicitur; Pyrrho autem ea ne sentire quidem sapientem, quae dndd^fia nominatur. Dasselbe bestätigt Diog. 108, von dem wir aber gleichzeitig erfahren dass es nur Einige (rtv6^) waren die als Ziel der Skepsis die dnd&eia hinstellten. Wer diese „Einige" waren, können wir noch einigermaassen bestimmen. Timon und Ainesidem können es nicht gewesen sein, da, wie Diogenes kurz vorher bemerkt hat, ihrem Bericht zufolge das Ziel der Skepsis in der iito/Ji und der auf diese gegründeten dxaQa^la bestand. Es ist auch nicht wahr- scheinlich, dass es Skeptiker waren, da sonst diese abweichende Rich- tung von Sextos Empeirikos wohl einmal erwähnt worden wäre (z. B. Pyrrh. I 30: did rovvo ovv tv fxsv xolg öo^aaxolg dxctQa^Lav xskog eivai (pafjiev xov axentixov, iv de xotg xaxrivayxaa^bvoig jusxQioTid- d-siav. xtvhg de xiöv öoxIfjLiüv oxtnxixaiv TtQoaeO^xav xovxoig xal x^v iv xalg }^tjx^aeotv ino/fjv). Es sind also wohl solche gemeint, die über die skeptische Schule berichtet hatten; diese Annahme wird auch durch die Ausdrucksweise des Diogenes {xivhg 6h xal xrjv ditd- &fiav, clkXoi 6h xfjv n^aozi^xa xtkog elneiv <faai xovg axenxixovg)

Ursprung der pyrrhonischen Skepsis. 17

hatte, wird ausdrücklich überliefert und überdicss dadurch

nahe gelegt. Unter den Aelteren aber, die von der skeptischen Schule berichtet hatten, macht sich für uns besonders Antigonos von Karystos bemerklich, und beachtenswerth ist es dass seine Auffassung Pyrrhons von der Ainesidems sich nicht unwesentlich unterschied. Diogenes lässt ihn sagen (denn dem Zusammenhang nach gehört ihm wenigstens der Inhalt dieser Worte) 62: dxokovd-oq S' lyv (Pyrrhon) x(d TW ßlu}, firjdhv ixxQBitofiBvoq firiöh (fvkatxo^evoq, anavza vtpiaxa- ßtvoq, afjia^aq, el tvxoi, xal XQrjfjivovq xal xvvaq xal ölwq fiijSlv taiq alo^otaiv inixQBTcatv. awt^eod'ai fiivroi, xa^a (paaiv ol tisqI rbv KagvüTiov kvrlyovov, vnb rdiv yvio^lfitov naQaxoXovB-ovvrwv, Gegen diese Auffassung hatte sich Ainesidem erklärt wie das bei Diogenes Folgende zeigt: AlvealSrjßoq St (prjoi (piXoao<peTv /ahv avrbv xara xbv T^q iTioxfjq Xoyov, fitf fi^vxoi y* aiXQOOQaxwq ^xaaxa TtQaxxeiv. Es ist dieselbe Auffassung, die auch noch in den weiteren Mittheilungen des Antigonos bei Diog. 63 hervortritt: ael r* elvai iv xw avxw xa- xaaxrjficcxi, äax^ sl xal xiq avxbv xaxaXinoi fzexa^v Xtyovxa, ccvxw StancQulvetv xbv Xoyov, xaivoi xexivrjfiivov ovxa iv veoxTjxi. nokld- xiq, <pr]ol, xal dnsSrffjiei, /irjösvl TiQOfinwv, xal ovve^^ifißexo oioxioiv txvxEv. xal Tiox* Äva^aQxov elq xiXfia ifiTieoovxoq nagrik^ev ov ßoij- ^aaq' xivaiv rf' alxiwiihmv avxbq Ävd^aQX^*^ in^vei xb döidtpoQOv xal äatoQyov avxov. Der in diesen Zügen uns entgegentritt ist kei- neswegs der Weise nach dem Herzen Timons und Ainesidems, der sich vielmehr den herrschenden Anschauungen, Sitten und Gesetzen fügen sollte; der Pyrrhon des Antigonos ist gegen alle äusseren sinn- lichen Eindrücke unempfindlich, das vollendete Muster eines dnaS^q. Es findet also zwischen Ainesidem und Antigonos im Wesentlichen derselbe Unterschied statt wie zwischen Timon und Ainesidem einer- seits und den Ungenannten, die das Ziel der Skepsis in der dnd^na erblickten. Wir sind daher wohl berechtigt unter den „Einigen" an Antigonos oder doch an solche zu denken die in der Auffassung Pyrrhons mit ihm übereinstimmten. Das Verhalten Pyrrhons, wie es Antigonos schUderte, Hess sich mit keinem besseren Namen als dem der dnd&sia bezeichnen; der Ausdruck ist also in diesem Falle voll- kommen sachgemäss. Sonst liesse sich denken, dass ein der kyni- schen oder stoischen Schule angehöriger Berichterstatter, der es mit dem Wesen der dvaQa^la nicht zu genau nahm, dieselbe in die Sprache der eigenen Schule übersetzt und deshalb dnaH^eia genannt

nirzol, Untorftachnngon. III. 2

18 l^ie verschiedenen Formen des Skepticismus.

bestätigt dass denselben Namen auch die epikureische Schule

habe. Ich bemerke diess deshalb, weil in einer anderen auf Pyrrhon bezüglichen Darstellung dieser Fall wirklich eingetreten zu sein scheint. Bei Diogenes lesen wir nämlich 66 Folgendes: eiaeßiu;; dh xal ry döektpy avvsßlw fictla ovay, xaihd (pijatv ^Egatood-ivt],; iv rai negl nXovrov xal nsvlag, oxe xal avxoq (fiSQwv elg t^v ayogav ini- TiQaaxev ogvl^ia, el xv^oi, xal xoiQt^ta, xal inl xijq oixlaq ixd- {^at^Bv dStatpoQwg. Xiyexai 6h xal ökk<paxa Xovfir avxoq vn^ dSta- (poQiaq. xal x^^^l^^^ ^' vnhg xijq dSehpiJQy ^nXlaza (f* ^xaXelro, TiQoq xov inikaßofjtevov tlntlv €m$ ovx iv yvvalo) ^ inlSei^ig xrjg dSia- tpoQlag. Es ist auffallend dasa um das Verhalten Pyrrhons zu be- zeichnen hier der Name der dStatpogia festgehalten wird; das Auf- fallende liegt darin, dass diese Bezeichnung constant gewählt wird und nicht bloss einmal unter anderen, wie diess auch 63 geschehen war, und wird noch dadurch verstärkt dass Cicero Acad. pr. 130 die- selbe gebraucht gerade um ein von dem Pyrrhons verschiedenes Ver- halten als solches zu charakterisiren. Die Erklärung liegt darin dass die angeführten Worte auf Eratosthenes zurückgehen der wo nicht ein Anhänger doch ein Zuhörer Aristons war und daher leicht den Ausdruck d6ia(po(Jia sich angeeignet haben konnte. (Vgl. II S. 45, 1.) Das Wort dndd^sta fanden wir zur Bezeichnung des skeptischen Ideals auch von Cicero a. a. 0. angewandt. Aus der hinzugefügten Erläuterung (ea, nämlich die media, ue sentire quidem sapientem) sehen wir jetzt, dass diese Bezeichnungsweise auf Einen zurückgeht der in der Auffassung Pyrrhons mit Antigonos übereinstimmte. Was nun die Zuverlässigkeit von Antigenes' Bericht betrifft, um auch dar- über noch ein Wort zu sagen, so ist dieselbe in neuester Zeit sehr hoch gestellt worden. Wilamowitz Philol. Unters. IV S. 34 sagt: „wir sind berechtigt, alles was Antigonos erzählt, für historisch zu halten, cum grano salis natürlich bei Anekdoten, welche sich seiner eigenen zuverlässigen Erkundung zeitlich oder örtlich entziehen''. Ein solches Maass von Glaubwürdigkeit kann ich Antigonos nicht zugestehen. Nicht bloss streift seine Darstellung Pyrrhons nahe an die Caricatur. sie forderte auch den W'iderspruch Ainesidems heraus der doch was er über Pyrrhon berichtete nicht aus der Luft gegriffen haben wird. Schwerer als Ainesidems Zeugniss wiegt das Timons, der jedenfalls am besten über Pyrrhon unterrichtet sein musstc. Dass aber Timon in der Auffassung des skeptischen Ideals mit Aiuesidem auf einer

Ursprung der pyrrhonischen Skepsis. 19

festgehalten hatte. Bei aller Uebereinstimmung besteht in-

Seite stand, dass er die dna^eia keineswegs als solches gelten Hess, haben wir bereits gesehen. Zur Bestätigung dient dass er in seinem Python sich rühmte (oder es von Pyrrhon rühmte, wenn nämlich, wie Zeller 489, 4 meint, zu ^xßeßrixtvai in Gedanken üv^^aiva zu ergänzen ist) nichts wider die gewöhnliche Sitte gethan zu haben (Diog. 105: o9ev xal b Tlpumv iv Z(3 Ilvdwvl (prjOi jur) ^xßeßrjx^vai ttjv avvt)- Hiav). In Pyrrhon sah aber Timon das skeptische Ideal erfüllt (Ari- stokles bei Euseb. praep. ev. XIV 18, 4: Ti/i(ov toT^; fitv akkoig koi- ioQelzai Tiäot, Uv^^iova d* vfirfl fiovov), und seine Darstellung des- selben wird mit der Schilderung von Pyrrhons Leben um so weniger in Widerspruch getreten sein als sie wie es scheint in einer und derselben Schrift gegeben wurde (Diog. 67: xal 6 Tlfitov Sh diaoatpel rjyV StdO-foiy avtov iv olg TiQoq UvS-ojya öii^eiaiv). Insofern nun Antigonos anderes über Pyrrhon berichtet als Timon ist er keineswegs glaubwürdig und vielleicht durch einen Autor wie den Peripatetiker Hieronymos (Diog. 112) getäuscht worden. Zu den von einander ab- weichenden Berichten beider gehört auch dass Antigonos den Pyrrhon in die Einsamkeit gehen und menschlichen Verkehr meiden lässt (Diog. G3: ixTiateTv r' avtov xal igijfidl^siv anaviioq nox^ ijiKpatvofievov roTg oixoi). Aehnliches wird zwar auch von Timon erzählt (Diog. 112: b 6' oi'v <piXooo<pog xal (pi),6xi]7iog yv atpoöga xal löionQdyfKov, wg xal lAvTlyovog tfriot. ).6yog yovv eiTieTv ^IsQotvvfiov xbv ne^iTtatTjtixbv ^:r* avrov ,,(bg naQa roTg HxvB^aig xal oi ipevyovreg ro^svovoi xal oi SuoxovTsc, ovtoj räiv <pi},oa6(fwv ol fjtlv Snoxovreg S^rj^wai ravg fta^Tftdg, ol Ah (psvyovxeg xaS^dneQ xal b Tifiojv"; wenn dagegen 113 io den auf Timon bezüglichen Worten anovöd^wv 7i6(}l tb /j^ifia l^fjv Wilamowitz a a. 0. S. 43 herstellen will iQfjfidZsiv statt i^fjsfia ^ijv, so übersieht er, dass der Zusammenhang nicht den Begriff des ein- siedlerischen sondern den des ruhigen Lebens fordert). Er selber kann aber Pyrrhon nicht als einen Einsiedler geschildert haben, da er es gerade seinem Mitschüler Philon zum Vorwurf macht dass derselbe zurückgezogen von anderen Menschen für sich allein lebte und forschte, vgl. Diog. 69: b öh 4*lka}v nXfXaxa havxiä iSibXtyexo' ö&sv xal -7fp2 xovTov tfrjalv ovxatg'

t] xbv «>T* dv^QwTKov avToaxokov aVT0)M/.r]XtjV ovx ifji7tat,bfABvov ö6^?ig k^löiov xs <Plkajva (der Text nach Wachsmuth de Tim. S. 72).

2*

20 I^i^ verschiedenen Formen des Skepticismus.

desseu ein wichtiger Unterschied zwischen Demokrit und den Pyrrhoneern: die Pyrrhoneer suchten die Wahrheit, Demokrit glaubte sie gefunden zu haben in der Erkenntniss dass die Atome und das Leere das allein Wirkliche in den Dingen seien.*) Und dieser Unterschied hebt sich auch nicht in den Schülern Demokrits, in Metrodor und Anaxarchos, auf, die, wenn sie auch dem Skepticismus noch stärkeren Aus- druck gaben, doch keineswegs auf alle Erkenntniss verzichten wollten. Ist aber dadurch das Band zwischen Demokrit und Pyrrhon zerschnitten? Man wird diese Frage so lange nicht bejahen dürfen als man noch fortfährt Aristipp für einen Schüler des Sokrates zu halten: denn sowie Aristipp an sokratische Gedanken anknüpfte, diese aber zu Consecjuenzen entwickelte die das Wesen der sokratischen Ethik zerstörten, ebenso konnte auch Pyrrhon von skeptischen Aeusserungen Demokrits ausgehend zu Resultaten gelangen die mit dessen dogmatischer Grundanschauung in Widerspruch standen. Diese einseitige Auffassung der Lehre Demokrits musste dann noch befördert werden, wenn dieser vielleicht in einer Schrift seine dogmatische Grundüberzeugung ganz versteckt und nur den Skeptiker herausgekehrt hatte. Eine solche Schrift war aber, wie sich mit einer gewissen Wahrschein- lichkeit sagen lässt, die Schrift jrtQl ('cO'Vfili]^;. Einen An- lass sich in derselben über die Atomenlehre zu verbreiten hatte Demoki-it durchaus nicht, und ob es passend war in einer Schrift, die einen ganz populären Charakter trägt, sich mit einer blossen Andeutung darüber zu begnügen überlasse ich Jedem selber zu entscheiden. Wahrscheinlich wird er also ganz davon geschwiegen haben. Andererseits konnte er durch den Gegenstand seiner Schrift sehr wohl dazu ge-

M Dass auch die Skeptiker diesen Unterschied nicht verkann- ten, lehrt Sext. Pyrrh. I 213 ff. vgl. 147.

Ursprung der pyrrhonischen Skepsis. 21

fuhrt werden von der Unsicherheit des menschlichen Wissens zu reden und vor dem Streben danach zu warnen als vor etwas das der Seelenruhe nicht forderlich sei. Und wirklich predigt denn auch ein bei Stob. ecl. II 12 erhaltenes Frag- ment, dass man nicht begehren solle alles zu wissen damit man nicht die Erkenntniss von allem verliere.^) Dass aber Pyrrhon sich gerade an diese Schrift gehalten habe, sind wir darum berechtigt anzunehmen weil es Demokrits ethische Hauptschrift war, Pyrrhon aber vorzugsweise für die Ethik sich interessirte, und weil das Thema dieser Schrift die oxaQa^la und ihre Ursachen bildeten, also gerade diejenige Lehre die Pyrrhon sich von Demokrit angeeignet hatte. Unter diesen Umständen gewinnt noch eine grössere Bedeu- tung die Aehnlichkeit, die wir schon vorhin (S. 11,4) zwischen einem pyrrhonischen Tropos und Aeusserungen fanden die Demokrit in jener Schrift gethan hatte. Die hiernach wohl begründete Annahme, dass Pyrrhon an Demokrit angeknüpft habe, wird durch das Verhalten seiner Anhänger noch weiter bestätigt. Dieselben verleugnen den Ursprung ihrer Skepsis keineswegs. Dahin zielende Aeusserungen Timons sind uns schon früher (S. 4, 1) vorgekommen. Eben dahin führt aber auch ein bisher noch nicht beachteter Umstand, der Titel \on dessen Schrift ^IröaXfioL Denn dieses Wort, obgleich das damit zusammenhängende IvödXXeoO'ai sich häufiger fiadet, ist uns ausser in dem Titel von Timons Schrift nur noch in einem Briefe Demokrits erhalten, worin er an Hippo- krates schreibt (Hipp. IX S. 380 Littre): oxoaa yccQ IvöaX- HOlöL ötaXXaxrovra dva tov 7]iQa ütXa^u 7/fitag, a dij xo- Cfim %vvB(6Qaxai xal d(i8ty)tQVöfiiovra r^rsvxs, ravra voog

*) Mt^ navxa. inlataa&at TtQodv^so, ft^ ndvrtov dfia&f)g y^-v^. Andere ähnliche mehr oder minder sicher auf Demokrit zurückzufah- rende Aeusserungen noch bei Mullach fr. eth. 140 ff.

22 I^Je verschiedenen Formen des Skepticismus.

IfiOQ (pvOtv iQtvvrjCac arQtxiojq Iq (paoc, ff/ar/B^y fiaQTVQtq 61 Tovrecov ßlßXoi vjc ifioto yQag)etaai. Dass diese Worte sich an Demokrits Schriften anlehnen, sagt uns der Schluss- satz und wird überdiess durch Diogenes IX 47 bestätigt der als Titel einer demokritischen Schrift angibt jtsgl dfitiipi- Qvöfiiöiv, Demokrit also scheint sich in seinen Schriften öfter des Wortes tvöaXfiog bedient zu haben, und die Ver- muthung ist nicht zu kühn, dass Timon daher die Anregung zum Titel seiner Schrift empfing. Im Sinne Demokrits war endlich das Interesse das gerade die pyrrhonischc Schule immer an der Naturwissenschaft genonmien hat. Dieses In- teresse spricht sich schon darin aus dass Timon seinen Sohn in der Medizin sei es nun selber unterrichtete *) sei es durch Andere unterrichten Hess; noch mehr aber in der Neigung die im Laufe der Zeit die skeptische Schule gezeigt hat sich mit der der empirischen Aerzte zu verbinden (Bonnet De Galeni subfigur. emp. S. 13). Das Wichtige des ge- wonnenen Ergebnisses ist übrigens, wie sich noch zeigen wird, nicht sowohl dass die pyrrhonischc Skepsis gerade an Demo- krit als dass sie überhaupt an die vorsokratische Natur- philosophie angeknüpft und die von dieser eingeschlagene Richtung weiter verfolgt hat.

2. Ursprung der akademischen Skepsis.

Nur als ein Nebenzweig der pyrrhonischen pflegt die akademische Skepsis zu gelten. So urtheilto man schon im

') Diess ist jedenfalls die nächst liegende auch von Wachsmuth gebilligte Auffassung der Worte des Diogenes 109: tbv fxhv TiQsaflv- TSQOv Zdvd'Ov ixdkeas xal latfiixrjv iölöa^e xal 6td6oxov rov ßiov xatehne. Und wir haben keinen genügenden Grund sie in Zweifel zu ziehen (Zeller III» 4M Anm. Bonnet De Galeni subfigur. empir. S. 13).

Ursprung der akademischen Skepsis 28

Alterthum,^) und dieser Auffassung sind auch Neuere bei- getreten.*) Diese Ansicht scheint durch eine Vergleichung

') Diog. IV 33: «AA« xal zbv Uv^^iova xaxa rivag it,Tj).(6xei (Arkesilaos). Kai t^q Sialsxtixfjq eXx^to xal nJüv ^EQezQixdiv ijTiTeto h'yywv' oO^ev xal i?.iyeto in' avrov vn' ÄQlaxcDVoq'

IlQoad-e Tlkaxwv, oniS'fv IIv^^wv, ßiaaog JiodtoQog. xal b Tlfiüiv (Wachsmath fr. 16) in' avxov (pr^aiv ovxwg'

ty yap exo)v MsviStjjLiov vno oxiQvoiai jnokvßSov

d-evaexai ij Ilv^^wva xb näv xgiag rj Aioöwqov xal ötahmiiv avxbv noisl (fr. 17) leyovxa'

v/j^ofiai eig Uv^^mva xal fig axakibv Jioövdqov.

Eoseb. praep. ev. XIV 6, 3 f. : (bfukrjxdtg 6e IIv^^wvi (Arkesilaos)

ovxog /jUv örj evd^sv xaxaQXvO^slg, n).tjv x^g nQoaQTJaecjg, ivefisive Hv^^vi wQ xy navxüiv dvaiQtasi. Mvaaiag yovv xal 4*ik6/irjkog xal Tl/xwv ol axenxixol axsnxixbv aC'xbv nQoaovofxa'Qovaiv aloneQ xal avxol tjaav, dvaiQOvvxa xal avxbv xb dlr^S'hg xal xb iifsvSog xal xb m^vov. Aex^flg ovv av alxla{?) xwv nv(j^(avdü>v Uv^Qtoveiog, alSoi xov iQaaxov (des Krantor) vnifitive kiyeaS^ai lAxaörifiaixbg txt. Hv filv xolvvv Ilv^^ajveiog, nXriv xov 6v6/iaxog, ÄxaÖTifiaixbg S' ovx tjv nkr^v xov kpyeaS^at. Sext. Pyrrh. I 232: b fiivxot lAQxsallaog, ov rijg fjiinrjg kxaöij/ilag iXsyofxev slvat nQoaxdxrjv xal dgx^ybv, ndvv ßoi öoxel xolg üv^^tüvtloig xoivwveiv Xoyoig, wg fxiav slvai axsdbv Tj}v xax' avxbv dywytjv xal xijv tjfiexiQav. 234: st öh öel xal xolg nfQl avxov Xeyo/iivoig ntaxeveiv, tpaalv oxi xaxd fxlv xb nQox^iQov Hv^Qwvetog iipalvexo slvai, xaxd 6h rz/v dkfjO^eiav öoy/zaxtxbg tjv xal infl xwv kxal^v dnonsiQav iXdfißave 6id x^g dnogrjxixijg ei svfpvwg iXovoi nQog xtiv dvakr^tpiv xwv Dkaxaivtxdiv öoyfidxcjv, öo^ai avxbv anoQrixixbv slvat, xolg /livxotye evipviat xwv kxalQwv xd IlXdxwvog nageyxBtQslv sv&ev xal Äglaxwva slnelv negl avxov

nQoa^e Ilkdxwv, ont&ev nv()Qwv, fjtiaaog dioöwQog, 6id xb nQoaxQfjoO^at xy ötaXsxxixy xy xaxd xbv Jioöwqov.

^ Naeh Zeller III& 480 und 490 ist die pyrrhonische Skepsis erst in der Akademie sorgfältiger begründet und ausgeführt worden. Vgl. S. 495, 6. Noch weiter geht Leander Haas, wenn er De philos. seepticor. succession. S. 20 sagt: Qui hodie inter Scepticorum et Ar- ccsilai doctrinam vere aliquid Interesse dicunt, Sexto ipso melius rem se novisse fateantur oportet.

24 1^16 verschiedenen Formen des Skepticismus.

der skeptischen Theorien des Pyrrhon und Arkesilaos nur bestätigt zu werden. Beide gipfehi in der Forderung der Ijtox^' Dass aber beide nicht unabhängig hierauf gekommen sind, beweist der Name, den allem Anschein nach Pyrrhon zuerst aufgebracht und Arkesilaos von ihm entlehnt hat^) Beide skeptische Theorien begründeten aber auch diese For- derung zum Theil in derselben Weise, indem sie auf das Gleichgewicht der für und wider jede Ansicht sprechenden

^) Denn Pyrrhon war der ältere. Wenn also Arkesilaos den Namen der inoxy zuerst gegeben hätte, dann müsste Pyrrhon, da er doch diesen wichtigsten Begriff seiner Theorie nicht ohne eine be- stimmte Bezeichnung lassen konnte, sich dafür eines andern bedient haben. Welches dieser Name war, müsste dann die Ueberlieferung verschwiegen haben; denn die d<paala (Sext. Pyrrh. I 192 f.) wird doch kaum jemand dafür ausgeben wollen. Bei der Verehrung der Pyr- rhoneer für den Meistor ist es aber schwer denkbar, dass sie die von diesem für das Ideal gewählte Bezeichnung gänzlich hätten in Ver- gessenheit gerathen lassen. Ueberdiess würde auch der Name iipexti- xol nicht gerade zur Charakteristik der Pyrrhoneer verwandt worden sein (Diog. IX 70), wenn nicht diesen ursprünglich die ^noxii eigen gewesen wäre. Um so woniger kann ich Hill er Hieronymi Rhodil Pcri- patetici fragm. (in Satura Sauppio oblata) S. 87 beistimmen, wenn er die Meinung ausspricht dass die Schrift dieses Peripatetikers negl ^.Ttox^^ sich gegen Arkesilaos gerichtet habe. Ebenso gut kann sie sich gegen die Pyrrhoneer gerichtet haben, deren Gegner Hieronymos ebenfalls sein müsste und die er, wie das Witzwort über Timon (Diog. IX 112) zeigt, keineswegs unbeachtet gelassen hatte. Wahrscheinlich wird sich die Schrift daher gegen beide, pyrrhonische und akade- mische Skeptiker gerichtet haben. Dass Galen negl dglax. diSaox. c. 3 S. 47 k einmal erwähnt r^v vnb tuv TtQsaßvrbQwv kxa6tifiaix(5v fiaayofitvijv inox^jv, wird wohl niemand dafür geltend machen wollen dass die Epoche von den Akademikern eingeführt worden sei: denn abgesehen von der Möglichkeit dass Galen der wahre Sach- verhalt unbekannt war, so konnte er mit Fug und Recht von einer Einführung der Epoche seitens der Akademiker sprechen sobald er nur damit die Einführung in die Akademie meinte, nicht die in die Philosophie überhaupt.

Ursprung der akademischen Skepsis. 25

Gründe hinwiesen.^) Während so von der einen Seite die Au&ssung, welche in Arkesilaos nichts als einen selbstän- digen Anhänger Pyrrhons sieht, sich zu empfehlen scheint, unterliegt dieselbe auf der anderen Seite gewichtigen Be- denken. Denn wenn wirklich Arkesilaos nur die pyrrho- nische Skepsis in einer mehr entwickelten und ausgeführten Form vertrat, warum blieb er dann überhaupt in der Aka- demie und nannte sich nicht lieber gleich wie es der Wahr- heit entsprach einen Pyrrhoneer? *) Es ist daher angezeigt jene Auffassung in Bezug auf ihre Gründe näher zu prüfen. Dieselbe konnte sich auf Zeugnisse aus dem Alterthum be- rufen. Der Werth derselben sinkt aber bei schärferer Be- trachtung. Diogenes sagt, einige hätten Arkesilaos zu einem Anhänger Pyrrhons gemacht. An wen er dabei denkt, können wir wohl aus dem Folgenden schliessen, wo ausser einem Worte Aristons zwei Stellen aus Timon angeführt werden. Als Gewährsmänner derselben Auffassung nennt Eusebios drei Skeptiker, Mnaseas Philomelos und Timon. Endlich hat noch Sextos Empeirikos den Arkesilaos für einen Pyirho- neer erklärt. Man sieht, es sind durchweg parteiische Zeugen. Der älteste (denn dafür dürfen wir doch Timon ansehen) und die Mehrzahl sind Pyrrhoneer, die ein besonderes In-

^) Bekannt ist die Rolle, die die laoa^hfia in der Theorie der P}Trhoneer spielt (Diog. IX 73. Sext. Pyrrh. II 130. III 65). Von Arkesilaos sagt Eusebios XIY 4, 16: <pavai 71€qI andvzwv ^ntxsiv dfiv' elvai yaQ navta dxardktjTtva xal zovg sig exdrsQa koyovg loo- xQazelg dkhjXoig. Vgl. dazu Cicero Acad. post. 45: huic rationi qaod erat consentaneum faciebat (Arkesilaos), ut contra omnium sen- tentias disserens de sua plerosque deduceret, ut, cum in eadem re paria contrariis in partlbus momenta rationum inveniren- tar, facilius ab utraque parte adsensio sustineretur.

^ Dass er sich vor Krantor geschämt habe, wie wir bei Euse- bios a. a. 0. (S. 23, 1) lesen, ist eine Ausrede, der man die Ver- legenheit ansieht.

2(> Die verschiedenen Formen des Skepticismiis.

toresse daran hatten Arkesilaos des Plagiats am Pyrrhonis- mu8 zu beschuldigen; daneben erscheint Ariston, dessen Worte man ebenfalls nicht als ein historischas Zeugniss wird gelten lassen. Eine Nachricht aber, die auf solchen Zeugen beruht, ist nicht bloss ungenügend beglaubigt, sondern hat ganz das Ansehen einer tendenziösen Entstellung der Wahrheit Es fragt sich, ob die in der Lehre dos Pyrrhon und Arkesi- laos vorliegenden Thatsachen ihr eine bessere Stütze bieten. Dass in gewisser Hinsicht beide übereinstimmen, ist schon bemerkt worden; eine nähere Betrachtung lehrt aber auch, worin beide von einander abweichen. Beide stellen die For- derung der Ijioxrj' h\ der Begründung derselben jedoch gehen sie schon auseinander. Denn wenn sie auch im All- gemeinen darin übereinstimmen dass sie auf das Gleich- gewicht der für und wider jede Meinung sprechenden Gründe hinweisen, so ist doch die Art und Weise wie sie diess näher ausgeführt haben eine verschiedene gewesen. Während die älteren Pyrrhoneer, und wie wir daher annehmen dürfen auch Pyrrhon selber, rein empirisch verfuhren, hinwiesen auf die Widersprüche wie sie theils zwischen den Wahr- nehmungen der Sinne theils zwischen den Meinungen der Menschen stattfinden, so wie auf die jede Erkenntniss aus- schliessenden Bedingungen unter denen allein eine sinnliche Wahrnehmung zu Stande kommt, ging Arkesilaos mehr dia- lektisch zu Werke, indem er seine Skepsis ableitete aus einer Bestreitung derjenigen Erkenntniss die die Stoiker als solche anerkannten.^) Hierbei bestritt er nach Sext. adv.

') Dass er sich bei seiner Polemik auf die Stoiker beschränkte, müssen wir Sextos glauben, der adv. dogm. I 159 sagt: xavza xal o ÄQXBclXaoq- o öl KaQveaSriq ov fiovov xoiq atofixoU oIVm xal näot toTg JtQÖ avTov avxiöiexdaaevo ntQl rov xqittjqIov. Vermuthlich setzte er voraus dass, wenn eine Erkenntniss möglich sein sollte, sie nur auf dem Wege stattfinden könnte den die Stoiker in ihrer xa-

Ursprung der akademischen Skepsis. 27

dogm. I 153 zuerst die stoische Ansicht nach der die xaxa- hfpu; zwischen Wissen {Ijiiorri^rj) und Meinen (doga) in der Mitte steht und behauptete dass diese beiden mit der xara- Ifj^ig identisch und unter sich nur durch das Subject der xardZfjtpig verschieden seien, die in dem einen Falle die des Weisen in dem anderen die des Nicht-Weisen ist. Danach bewies er, dass eine xarakrmju;^ wie sie die Stoiker meinten d. i. die Zustimmung {avyxaxaB'BOK;) zur xaraXtjjtrixi] q>aV' taaUx in Wirklichkeit nicht existirt (avvjcaQxroc: ton). Der eine Grund hierfür ist, dass wir unsere Zustimmung nicht einer blossen Vorstellung {(pavraala) sondern nur einem ürtheil {Xoyoq, d^liofia) ertheilen. Der andere, dass eine solche Vorstellung, wie sie in der Definition der xaraXfjtpiq Yorausgesetzt wird, eine xaxaXijjirtxii (pavxaöla d. i. eine solche die die Bürgschaft der Wahrheit in sich trägt und nie täuschen kann (aXtjd^g q>avraola, oli'a ovx dr ytroito ^evd/ng), uns niemals zu Theil wird. Auf diesen zweiten Grund scheint Arkesilaos besondern Werth gelegt zu haben, da er ihn durch viele und mannichfache Argumente zu unterstützen sachte {cog 6id jtoXXojv xal jtoixlXojv ^laglörarcu). Wäre nun Arkesilaos ein Pyrrhoneer gewesen, so hätte er sich der in dieser Schule üblichen Argumente bedienen müssen; denn die xaraXTjjtrix^ (pavracla war eine durch die Sinne gege-

lakfitpiq (denn dass dieses Wort erst von Zenon an diesen bestimm- ten Begriff befestigt worden ist, zeigt Cicero Acad. pr. 145: tum cum plane conpresserat [sc. digitos] pugnumque fecerat [Zono], conprehen- sionem lllam esse dicebat, qua ex similitudine etiam nomen ei rei, qaod ante non fuerat, xaTd?.j]\piv inposuit) vorgezeichnet hatten. Hatte er sich in diesem Sinne ausgesprochen, dann ist nicht nur erklärt, wie er durch eine Widerlegung der Stoiker alle Philosophen für widerlegt halten konnte, sondern wird auch noch begreiflicher das freundschaftliche Yerhältniss, in dem er zu Kleanthes (Diog. YII 171. 173. Plut. de adul. et am. 11. Comparetti Pap. Herc. S. 26 f.), vielleicht auch zu Zenon (Comparetti a. a. 0.) stand.

28 ^ie verschiedenen Formen des Skepticismns.

bene Vorstellung und gegen die Zuverlässigkeit der sinnlichen Wahrnehmung richteten sich die meisten der älteren pyrrho- nischei) Tropen. Trotzdem hat er allem Anschein nach diess nicht gethan, da er wie wir aus Sextos' Worten sehen die xazaXfjjtrixrj (pavxaoia nicht angriff insofern sie auf der sinnlichen Wahrnehmung beruht sondern insofern es eine wahre Vorstellung sein soll die sich von joder falschen unter- scheidet Hiergegen Hessen sich die pyrrhonischen Argu- mente nicht verwenden, die um die Unzuverlässigkeit der Sinne darzuthun nicht die Gleichheit in deren Angaben son- dern im Gegentheil die Verschiedenheiten und Widersprüche hervorhoben. Arkesilaos wird daher in diesem Falle nicht anders verfahren sein als die späteren Akademiker die sich auf solche Erfahrungen beriefen wie die dass zwei Eier oder Zwillinge nicht unterschieden werden könnten (Sext. adv. dogm. I 402 ff.). Seine Methode war sonach eine wesentlich andere als die der älteren Pyrrhoneer. Aber nicht bloss die Methode sondern auch die dieser entsprechenden Ergeb- nisse der Forschung. Wer wie die älteren Pyrrhoneer vor- zugsweise darauf achtete, dass die gewöhnlichen Vorstellungen imd Wahrnehmungen sich widersprechen und verschieden sind je nach den Subjecten in denen und den Vorhältnissen unter denen sie sich bilden, musste wie es den Pyrrhoneem wirk- lich erging ^u dem Schlüsse kommen dass jene Vorstellungen und Wahrnehmungen nur subjectiven W^ei-th haben als That- sachen unseres Bewusstseins und Empfindens, über die wirk- liche Natur der Dinge ausser uns aber nichts aussagen.^) Wer dagegen wie Arkesilaos davon ausging, dass wir kein Kennzeichen haben um eine wahre Vorstellung von einer falschen zu unterscheiden, konnte nicht behaupten dass keine

') Vgl. zum Ueberfluss was bei Diog. IX 81 als Ansicht Pyrrhons bezeichnet wird: /xjjShv slvai xy dXij^siff, vofxm 6h xal ^S-fi Ttdvza Tovg äv&Qwnovg nQdxteiv' oi» ydg fAälkov xoöf rj xoöf fivat txaaxov.

Ursprung der akademischen Skepsis. 29

unserer Vorstellungen wahr sei sondern nur dass wir nicht mit Sicherheit sie als solche zu erkennen vemiögen. Das Dothwendigo Resultat seiner Skepsis ist daher genau aus- gedrüdd in den Worten navx^ Icxat axaraXrjjira (Sext. dogm. I 155). Denn diese Worte bedeuten nicht, dass nichts wahrgenommen werden könne, sondern nur, dass nichts so wahrgenommen werden könne wie es im Wesen der stoischen xardXfppig oder xaraXfjJtrixrj (patrtaola liegt d. h. so dass wir mit der Wahrnehmung zugleich gewiss sind das Wahre orgriffen zu haben. Der Unterschied zwischen den Pyrrho- aeeni und Arkesilaos besteht also darin, dass die Pyrrhoneer im Hinblick auf die zwischen den gewöhnlichen Vorstel- lungen stattfindenden Widersprüche leugneten es könne in ihnen die Wahrheit enthalten sein, Arkesilaos dagegen nur bestritt dass die möglicher Weise in den Vorstellungen ent- haltene Wahrheit jemals von uns erkannt werden könne. Hieraus erklärt sich, dass zwar die Pyrrhoneer, die nur die Wahrheit der gewöhnlichen vorhandenen Vorstellungen, aber nicht die Möglichkeit bestritten zu wahren Vorstellungen zu gelangen, zum unausgesetzten Suchen der Wahrheit auf- forderten, aber nicht Arkesilaos, der doch unmöglich dazu auffordern konnte eine Wahrheit zu suchen die wir vielleicht längst besitzen die wir aber in wissenschaftlicher Weise nie- mals zu erfassen vermögen.^) So unterscheidet Arkesilaos

*) Daher war ^tjrririxol ein charakteristischer Name der Pyr- rhoneer (Diog. IX 69 f. Sext. Pyrrh. I 7). Beide Richtungen des Skepticismus werden in der hier in Frage kommenden Beziehung unterschieden von Sextos Pyrrh. I 226: ol Sh dnö xfiq viag Äxaörj- fiiag, fi xal dxardhjTiTa e'ivai ndvxa <faai, ötatfigovoi xiov axenrt- xiöv Tawg fJtlv xar* avxo xo leyeiv ndvxa tivat dxaxdXtinxa ißiaßs- foiovvxat Y^Q ^^Q^ xovxov, b 6h oxemixög Ms/eaB'ai xal xaxakr]' tf^val xiva TiQoaSoxa), 6ia<phQovai 61 xxX. Hier ist zwar von der Denen Akademie, also zunächst nicht von Arkesilaos die Rede. In- dessen der Satz ndvxa tlvai dxaxdhfnta, in den hier der Unterschied

30 I^ie verschiedenen Formen des Skepticismns.

sich wesentlich von den Pyrrhoneern, nicht bloss in Bezog auf den Weg den er zur Skepsis eingeschlagen hat sondern auch was den Inhalt derselben betriflfL Während die Pyrrho- neer sich begnügten auf den Widerspruch einzelner Vor- stellungen unter einander aufmerksam zu machen, wies Ar- kesilaos auf die Widersprüche und Ungereimtheiten hin, an

der Akademie und des Pyrrhonismus gesetzt wird, bezeichnete das Resultat nicht bloss der Skepsis des Kameades sondern auch des Arkesilaos, wie wir aus Sext. dogm. I 155 sehen. Mit Sextos* Worten scheint in Widerspruch zu stehen (^Zeller 495, 6) die Behauptung des Arkesilaos (Cicero Acad. post. 45\ man könne nicht einmal das wissen dass man nichts wisse. Indessen ist diess doch nur Schein. Arke- silaos will mit jener Behauptung doch nur in besonders nachdrück- licher Weise aussprechen, dass ein Wissen überhaupt nicht möglich sei, also dasselbe was auch Sextos als die Ansicht der Akademie bezeichnet, und mehr als ein nachdrückliches Aussprechen liegt auch nicht in dem Staßsiiaiovvrai. Noch weniger wird durch jene Be- hauptung des Arkesilaos der Unterschied zwischen seiner und der pyrrhonischen Skepsis aufgehoben. Vielmehr wird derselbe darin mit aller Schroffheit festgehalten. Arkesilaos erklärt, dass man Nichts wissen könne (Cicero a. a. 0.: itaque Arcesilas negabat esse quic- quam quod sciri posset, nc illud quidem ipsum, quod Socrates sibi reliquisset; sie omnia latere ccnsebat in occulto, neque esse quic- quam quod cerni aut iutellegi possct\ die Pyrrhoneer dagegen leug- neten nur dass man etwas wisse aber nicht dass man etwas wissen könne, sie bestritten nur die Wirklichkeit nicht wie Arkesilaos die Möglichkeit des Wissens i^o dl axenTtxbq tidix^ai^ai xa\ xarakriif^ti- vcu Ttva TtQoaöoxa). Das Resultat der pyrrhonischen Skepsis ent- spricht eben genau ihrer Methode. Denn da dieselbe hauptsächlich in dem Aufzeigen von Verschiedenheiten und Widersprüchen bestand, dergleichen aber sich nur an vorhandenen wirklichen Vorstellungen aufzeigen Hessen, so konnte auch der hieraus gezogene Schluss nur für die bereits vorhandenen Vorstellungen gelten. Die Pyrrhoneer konnten daher nur schliessen, dass in keiner der vorhandenen Vor- stellungen das Wissen enthalten sei. (^Hierauf führt auch was Sextos Pyrrh. I 196 ff. über das Verhalten der Skeptiker sagt. Bes. vgl. 200: ovttxt öl tft(>6fAtl^a xal ötav /.tywfitv „.Tavra ioTtv dxccrcckr^Tita'''

Ursprung der akademischen Skepsis. 31

denen schon der BegrifiF der xardhpfnc: und xaraXrjjtrixrj (panacla leidet Ein solches Prüfen und Zergliedern der Begriffe aber ist ein dialektisches Verfahren. So erscheint das Verhältniss des Arkesilaos zu den Pyrrhoneem als das des Dialektikers zu den Empeirikern. ') Der Pyrrhonismus kann

xttl yaQ to Ttdvra o/ioiwi; i^rjyovfisS'a xal ro ifiol avvexSfxofjteS^a,

w; eivai to Xeyofifvov xoiovtov „ndyra oaa iiptodei^oa tdiv doy-

fiaiixüig <^rixovfif:Vü)V d6?}X(ov <faivexal fioi dxardkTjTita^^. rovro

ii iativ ov 6iajtt(iiuox'ßivov negl rov ta nagä joig doy/narixotq }^j]-

^oviava ifvosiog eivai roiavzijg wg elvai dxaidhjnta, «AA« to kavtov

iffi^ dnayytXkovTog, xa&' o, (ffjolr, vnoXafxßdvu} ilti «XC *'*'*'

ov6h xattkaßov ^xfivtov iyw 6tcc trjv tüiv dvtix€tfibV(ov laoaS-^vdav.

201: dtpiatatai o axentixbg wg UQog to nuQov tov ti^hivai tt rtZv

tfixovfiivajv ddijXcjv tj dvaiQtir.) Ebenso hängen auch bei Arkesilaos

HesQltat und Methode aufs Engste zusammen. Er suchte an einzelnen

lieispielen nachzuweisen, dass wir ein sicheres Merkmal des Wissens

nicht haben ; daraus ergab sich denn der allgemeine Schluss dass wir

l>ei keiner Vorstellung, also auch nicht bei einer etwa zukünftig in

(uisem Geist eintretenden sicher sein können ob sie ein Wissen ist

oder nicht. In diesem Zusammenhang gewinnt es Bedeutung, dass

%ach der Demokriteer Metrodoros nicht die Möglichkeit sondern nur

die Wirklichkeit des Wissens leugnete. Seine Worte waren ovöelg

^ifidiv ovölv oiöev, oi*rf' avto tovto noteißov ot'Aa/ifv ?/ ovx oiöof^Bv

(Zeller I 860, 2). Die Pyrrhonecr zeigten sich daher in dem Punkte,

in dem sie sich von Arkesilaos unterscheiden, als Fortsetzer der

demokritischen Richtung. Dass diejenige Unterscheidung zwischen

Akademikern und Pyrrhonecrn, wonach Beide dieselben Ansichten

die Einen behauptend die Andern zweifelnd vortrugen, eine äusserst

prekäre sei, kann man auch aus Sextos^ Worten herauslesen (vgl.

Zeller 4fJ5, 6) Pyrrh. hyp. I 233: Uyti (Arkesilaos) Ob dyaHd filv

fivai tag xatd fit (tag tnoydg. xaxd öh tag xata iub(}og aiyxata&tasig.

TtlffV ei fifj Ätyoi tig oti tjfitig fihv xatd to <f>atvoßf-vov t^fiiv tavta

k^yofuv xal ov öiaßfßatwttxüig, txftvog iVt w^ nQog tt)v tfvatv, äate

xal dya^ov fihv t'ivai avtrjv Hyf-iv tt)v tn:<>/?/r, xaxbv 6t ttjy avy-

xatdi>€aiv.

') Die Arkesilaos zugeschriebenen tadelnden Aeusserungen über die Dialektik bei Stob. flor. 82, 4 und 10 schliessen nicht aus dass

32 I^ie venchiedenen Formen des Skepticismoft.

also nicht die alleinige, ja nicht einmal die vorzügliche Quelle seines Skepticismus gewesen sein. Einen Wink, wo wir diese Quelle zu suchen haben, gibt uns Arkesilaos' Verfahren selber. Besonders ausfuhrlich hatte derselbe zu beweisen versucht, dass eine falsche Vorstellung einer wahren zum Verwechseln ähnlich sein könne {ovösfiia rotavrrj «Jl/;^/)c (pai^aöla ev^i- öxtrat out ovx ar yii'oiro ^'tvdfjg, a)g öia xoZZfov xal jiotxiJLcor jtaQiOritrai. Sext. dogm. I 154). Wir dürfen daher annehmen, dass nur ein Theil seiner vielen und man- nichfaltigen Beweisgründe diejenigen sind, die die späteren Akademiker zu demselben Zwecke vorbrachten. Zu diesen gehörten aber auch o iyxexaXvftfitrog Xoyoi;^) und 6 öoh

er nicht trotzdem die Dialektik, soweit er sie brauchen konnte, sich zu Nutze machte. Vgl. dazu Zeller III* 495, 5. Bei Diog. IV 33 heisst es überdiess ausdrücklich xal Tfjg ötakexrixtjg eT^fro.

') Sext. dogm. I 410: xalovoi 6s '^t dnro r^jg !4xaSrjfu*ag\ tni ifatvofieva tovg axwtxovz, tTtl yaQ Tuiv ofioiwv /im* xara liOQffjv SiatffQovzcjv 6e xeera xb vnoxeifievoi' dfir}/€cy6v ^art StOQi%fn* r//V

xaxa).finxtxiiv *favxaalav ctnro r//^ ti'evSovg xal äxaxaXr]nxov

ivxev^tv yovv xal b iyxsxaXxufihvog awtaxfj Xoyog- iav yoQ ngo- xvtpavxog ÖQaxovxog ^ektofiev xt5 vnoxfipiivto imaxijvaty sig noXXtjv dzioQlav iuTteaovfie^a, xal ovx ^'^o/ifr leyeiv TtaxsQoy b ea^xog iaxi Aodxwv Xip nQOTSQOv TiQoxvtpavxt fj txfQog, noXXdii' ^vsoTcstQaiABvwv xvß avxw <fwkf(p ÖQaxovxfDV, ov xoivvv t/fi xi iSltofia ^ xaxakrfnxixti tfovxaola tl Statf^Qei xwv V'frJaJv rf xal dxaxahjnxcjv ipavxaoiwv. Mit diesen Worten ist es interessant zu vergleichen a. a. O. 252: hxtivoi {OL dnb xfjg oxoäg) fihv ydg <paatv oxi b ^x^^' t»)v xaxakfjnu- xr^v (pavxaalav xfyvtxdig nQoaßd}J,ei xy v:iova^ xwv ^^ayfidxatt* Sia- tpoQa, inelneQ xal elyj xi xoiovxoy iölwfia t) xoiavxrj *favxaola Tcaga xag d'jJMg (fovxaolag xa^Ti^Q oi xsQaaxai na^d xoig dXlovg o<fetg' ol 6a dnb xijg ]ixa6Tjfjuag xovvavxiov tpaal 6ivaa^ai xi xaxakriTtxixy (favxaaUi dnaQd)J.axxov ev(}e^i}asa&ai ti:ei6og. Dass die Stoiker von selber darauf gekommen sein sollten gewisse Vorstellungen mit einer bestimmten Art von Schlangen, den sogenannten Hornsch langen , zu vergleichen, wird man kaum annehmen wollen. Dagegen ist diese Vergleichung nicht mehr auffallend, sobald wir sie uns als die Ant-

•>o

Ursprung der akademischen Skepsis. ;^-

(^rj/$J) Da nun beide Schlussformeu ursprünglich den Megarikern eigenthümlich sind,*) so ist es wahrscheinlich, dass an die Dialektik dieser Philosophenschule die akade- mische sich ebenso angelehnt hat wie die stoische. Diese Verinuthung wird dadurch bestätigt, dass die pyrrhonischen Skeptiker und Ariston Arkesilaos aus seinem Anschluss an deu Megariker Diodoros einen Vorwurf machten.*) Ueber das Maass des Einflusses, den die Megariker auf Arkesilaos geübt haben, kann man streiten: es ist möglich dass er ihnen uur die einzelnen Argumente entlehnte; aber ausgeschlossen ist die Annahme nicht dass er auch in der Verwendung derselben zur Bestreitung der Stoiker sich an sie anschloss, da der Megariker Alexinos zu den heftigsten Gegnern Zenons gehörte (Zeller II 1 S. 212, 4). Wollte man auch dieser

wort auf den „verhüllten Schluss" {koyog iyxexakvfifjih'og) der Aka- demiker denken. Denn da in diesem einmal die Vorstellungen, inso- fern sie nicht von einander unterschieden werden können, mit Schlangen verglichen worden waren, so lag es nahe dem gegenüber auf Schlangen hinzuweisen, die allerdings von anderen leicht zu unterscheiden sind, und diese mit den xatakrjnnxal (pavraalai zusammenzustellen.

') Sext. dogm. I 415 ff.

*) Dem Eubulides werden beide zugeschrieben bei Diog. II 108. Den iyxexakvfxfjiivoq sollen Einige auf Diodoros zurückgeführt haben nach Diog. II 111. Nach Prantl Gesch. der Logik I 54, 94 würde Diog. VII 82 und Pers. sat. VI 78 Chrysipp als der Erfinder des Sorites bezeichnet. Doch wird an jener Stelle der Sorites nur unter den Bestandtheilen der stoischen Dialektik aufgezählt und von Persius wird derselbe in Worten, die sich an Chrysipp richten, tuus acervus genannt: woraus nur folgt dass die Stoiker, insbesondere Chrysipp, sich den Sorites angeeignet hatten.

*) Diog. IV 33. Auf die Pyrrhoneer geht wohl auch zurück Eoseb. praep. ev. XIV 6, 3, wo Arkesilaos bezeichnet wird als fit- Taax(i*v JioöwQOv ei^ tu nsnavov(}ytjfitva nii^ävia. {ni^ava Viger) xavxa xofixpd. Es ist zu beachten, dass der „verhüllte Schluss" bei Einigen als eine Erfindung Diodors galt, s. vor. Anmerkung.

Ilirxel, Untorjinchungen. HI. 3

34 I)ie verschiedenen Formen des Skepticismos.

Vcrmuthung die Frage entgegenhalten, warum Arkesilaos, wenn seine Skepsis ein Ausfluss der megarischen war, sich zu den Akademikern reclinete, so wäre die Antwort hierauf leicht gefunden. Sie liegt darin dass der gemeinschaftliche Boden der Megariker und Akademiker die Sokratik war und auf diesen Anfang die Akademie zurückzuführen das eigentliche Bestreben des Arkesilaos. Man hat diesen letzteren Umstand bisher nicht genug beachtet. Vielleicht nur deshalb nicht, weil man in der ganzen Entwicklung der Akademie nur die gerade Fortsetzung von Piatons Lehre sah, in dem Skeptiker und Dogmatiker ihr gemeinsames Haupt verehrt hätten. In der That erscheint unter den Autoritäten der skeptischen Akademie auch Piaton. So bei Cicero Acad. pr. 14*) und 74*) und Aciid. post. 46.^) Dass aber Arkesilaos' ganzes Bestreben dahin gegangen sei die platonische Lehre neu zu beleben, wird an keiner dieser Stellen gesagt; und würde auch an ihnen die akademische Skepsis auf Piaton zurück- geführt, so könnte diess doch von dem Standpunkt Philons

*) Lucullus, indem er sich an die anwesenden Vertreter der akademischen Skepsis Catulus und Cicero wendet, sagt: similiter tos, cum perturbare, ut illi rem publicam, sie vos philosophiam bene jam coustitutam velitis, Empedoclen, Anaxagoran, Democritum, Parmeni- den, Xenophanen, Platonem etiam et Soeraten profertis.

*) Auf Lucullus* Behauptung, dass Sokrates und Piaton den Skeptikern nicht beigezählt werden könnten, erwidert Cicero mit folgenden Worten: et ab iis ajebas removendum Soeraten et Platonem. cur? an de ullis certius possum dicere? vixisse cum iis equidem vi- deor: ita multi serroones perscripti sunt, e quibus dubitari non possit quin Socrati nihil sit visum sciri posse; excepit unum tautum „scire se nihil se scire'S nihil amplius. quid dicam de Piatone? qui certe tani multis libris haec persecutus non esset, nisi probavisset.

^) Hanc Academiam novam appcllant, quae mihi vetus videtur, si quidem Platonem ex ilia vetere numeramus, cujus in libris nihil adfirmatur et in utramque partem multa disseruntur, de omnIbus quaeritur, nihil certi dicitur.

Ursprung der akademischen Skepsis. H5

ms geschehen sein und wäre daher fiir Arkesilaos' Auffassung «iner Skepsis nicht beweisend. Hätten die skeptischen Aka- Icmiker vor Philon nichts weiter beabsichtigt als über die iltc Akademie des Speusipp und Xenokrates auf Piaton zu- ückzugreifen, so hätten sie niclit gegen ilin polemisiren liirfen. Dass sie diess aber thaten, lehren Lactantius' aus 3ioero de rep. geschöpfte Angaben, wonach Karneades licht bloss Aristoteles' sondern auch Piatons Ansicht über die lerechtigkeit bestritten hatte. ^) Diess ist allerdings nur line einzelne Spur aber eine sehr bedeutsame. Denn sie »igt uns, diiss Karneades es wagt gegen eine wichtige Lehre md gegen ein Hauptwerk des Stifters der Akademie zu )oIemisiren, und sie lehrt uns ausserdem, dass man in den Preisen der skeptischen Akademie nicht schon die dialogische ?onn an sich als Beweis des Skepticismus gelten Hess, be- •echtigt also zu der Vernmthung, dass man in denselben (reisen auch noch gegen andere Dialoge, wie z. B. gegen den ^haidon, allerlei einzuwenden fand. Man wird eben alle die- enigen Dialoge verworfen haben, die einen dogmatisirenden liarakter tragen; den Dialogen dagegen, in denen noch die okratische Weise des Gesprächs lebendig ist und die ohne in bestimmtes Ergebniss verlaufen, wird man die Zustim- lung nicht versagt haben. So liisst sich beides erklären as man von Arkesilaos berichtete: sowohl dass er Piaton

'> Cicero de rep. III 6, 9: Carneades autcm, ut Aristotelem re- lleret ac Platonem, justitiac patronos etc. 7^ 10 f.: plurimi quidem ilosophorum sed maxime Plato et Aristoteles de justitla multa cerunt adserentes et extollentcs eam Rumma laude virtutem quod am cuique tribuat etc. etc. nee immerito exstitit Carneades, homo mmo ingcnio et acumine, qui rcfclleret istonim orationem et justi- im quae fundamcntum stabile non habebat evcrteret, non quia vitu- randam esse jiistitiam scntiebat, sed ut illos defensores ejus osten- ret nihil certi, nihil firmi de justitia disputare.

3*

36 I^ie verschiedenen Formen des Skepticismus.

bewunderte 0 wie dass er der Erste war der in der Aka- demie von ihm abfiel.^) Hierin liegt eigentlich schon aus- gesprochen, dass Arkesilaos nicht an Piaton anknüpfte son- dern an Sokrates, auf den man damals, ähnlich wie heutzutage von verschiedenen Seiten auf Kant, zurückging. Mit dieser Ansicht steht auch die glaubwürdige Ueberlieferung im Ein- klang. Denn dass auf diejenige kein Verlass ist, die ihn zu einem Pyrrhoneer stempelt, ist schon bemerkt worden. Eine andere liegt vor bei Cicero mit. deor. I 11: haec in philosophia ratio contra omnia disserendi nuUamque rem aperte judicandi, profecta a Socrate, repetita ab Arcesila, confirmata a Carneade, usque ad nostram viguit actatem; de fin. II 2: is (Socrates) percontando atque interrogando elicere solebat eorum opinioues, quibuscum disserebat, ut ad ea, quae ei respondissent, si quid videretur, diceret. qui mos cum a posterioribus non esset retentus, Arcesilas eum revocavit instituitque ut ei, qui se audire vellent, non de se quaererent sed ipsi dicerent quid sentirent; quod cum dixissent, ille contra. Einen Grund die Zuverlässigkeit auch dieser Nachricht zu verdächtigen kenne ich nicht. Sie wird überdiess bestätigt durch Diog. IV 28.^) Hiernach nahm Arkesilaos zuerst in der Akademie die Gesprächs- methode wieder auf, und dass diess einen Anschluss an So- krates bedeutet hebt Cicero an der zweiten der angeführten Stellen ausdrücklich hervor. Vor Allem aber spricht für

M Diog. IV 32: iwxei <J// S-ar/idt^siv xat tov llkaiwva xal ta ßißUa txkXTijTO avtov.

*) Diog. IV 28: n(iwxo<; xov Xoyov ixlvr^af xov vno Tlkdxio- Yoq TtaQaÖeSofiivov xal inolrjat Si^ i(}wxf}aewg xal dnoxQlatfoq i^i- oxixwxeQov. Euseb. praep. ev. XIV 4, 16: üokefiaßva yd(} ipaai diaök^aa&ai ÄgxfolXaov, ov 6t) xaxbxsi koyog dtp^fxevov X(5v IlXd- xwvog 6oyf.idxij}Vy ^bviiv xiva xal wg tpaat ösvx^Qav ovoxf}aaa&at '4xa6i]fjilav.

') S. vor. Anm.

Ursprung der akademischen Skepsis. 37

diese üeberlieferung, dass ihre Richtigkeit vorausgesetzt nicht mehr auffallend ist was uns vorher so erscheinen musste. Es erklärt sich nun wie er Skeptiker sein, wie er die moga- rische Dialektik benutzen und doch sich einen Akademiker flennen konnte: denn einen Skeptiker sah er in Sokrates, von Sokrates leiteten sich die Mogariker ab und Sokratiker wollten auch Piaton und seine Anhänger sein. Mit der An- nahme, dass Arkesilaos nur das sokratische Philosophiren neu beleben wollte, erledigt sich endlich ein Bedenken, das bisher noch nicht zur Sprache gekommen ist und sich gleich- wohl gegen den Ursprung der akademischen Skepsis aus dem PyrrhonismuÄ geltend machen lässt. Wenn Arkesilaos ein- mal die pyrrhonische Skepsis sich aneignete, warum hat er dann nicht auch das mit derselben so eng verbundene ethische Prindp übernommen? Ueber die ethischen Ansichten des Arkesilaos lesen wir bei Sext. dogm. I 158 Folgendes: dXX^ ixel fitra rovxo s6si xal jteQl rfjg rov ßlov öie^ctyoyfjg ZffjTklv, Tfziq ov x^Q^^ xQirrjQlov jthg)X)xer anoölöodd-at, atp^ ov xal fj evöaifiovla, rovriöri ro rov ßlov reXog, i^Qtfjfit- rj/v tx^i TT/V jtloTiv, g)7jölv 6 ^iQxeölXaog ori 6 jibqI nav- rmv inixoiv xavovul rag aiQeöFig xal q)VYag xal xoivcög rag JtQa^sig rrp evXoym xara rovxo rs JtQOSQXofitvog ro xQirijQiov xaroQd-oiösi' rr}V fiev yaQ svöaifiovlav xBQiylvt- öd-ai öia rfjg q>Q0viqöEa>g , r/jv 6h ^qovtjOiv xivetöO-ai Iv Tolg xaroQd-oifiaöiv, ro öh xaxoQd^cona tlvai ojttQ JCQaxd-ev evXoyov sx^i rrjv djtoXoylav, 6 jrpoö^x^r ovv rm etXoycp xaroQd-coöei xal svdaifiovTJösi. Von der pyrrhonischen Ethik, die zum Maassstab unseres praktischen Verhaltens die Seelen- ruhe (draQa^ia) machte und die einzelnen HandlungeJi den herrschenden Sitten und Gesetzen unterwarf, ist hier keine Spur zu finden. Dagegen werden wir direct und indirect abermals an Sokrates erinnert: denn sokratisch ist es, dass als die Quelle der Glückseligkeit und des sittlichen Handelns

iiS I^ie verschiedenen Formen des Skepticismus.

die Vernunft {ffQovrjOig) bezeichnet wird,') und die Definition des xatoQd-fOfia hat in der stoischen des xa&Fjxop (Theil II S. 346 Anm.) ihr Vorbild, gehört also einer Ethik an die in letzter Hinsicht ebenfalls auf Sokrates zurückführt Die skeptische Richtung des Arkesilaos ist also nicht in dem ]klaasse der Akademie ursprünglich fremd, als sie es sein wüi'de wenn sie auf dem Boden des Pyrrhonismus gewachsen wäre. Sie ist auch nicht ganz plötzlich hervorgetreten son- dern wai- vorbereitet durch die Bestrebungen seiner nächsti'n Vorgänger, des Polemon Krantor und Krates, die dem ethisch- praktischen Theil der Philosophie ein vorwiegendes Interesse zuwandten und dadurch gegen die natuq)hilosophische und metaphysische Forschung gleichgiltig werden mussten.*)

Der verschiedene Ursprung der beiden Zweige der Skepsis bewährt sich auch in der weiteren Entwickelung derselben. Wie der Pyrrhonismus nur das Ergebniss der Zerstörung der Grundlagen ist, auf denen die alte Natuq)hilosophie beruhte, so erscheint auch sein weiterer Verlauf nur als ein fort- schreitender Auflösuugsprozess alles Dogmatischeu, das von der Alles zersetzenden Skepsis bis in seine letzten Winkel verfolgt wird. Arkesilaos hingegen, indem er an Sokrates anknüpfte, also den Philosophen, der gerade durch die Keime

') Mit der Bedeutung, die Arkesilaos der Vernunft für die Ethik beilegte, mag es zusammenhängen, dass er um das Wahrscheinliche zu bezeichnen noch nicht wie die späteren Akademiker sich des Wortes m^avov sondern des an Xoyoq erinnernden fx)joyov bediente. Den Späteren galten freilich beide Worte als synonyme (Augustin. acad. II 5, 12); dass aber Arkesilaos nur vom etXoyov, noch nicht vom md^avbv gesprochen hatte, ergibt sich aus einer genauen Er- wägung und Vergleichung von Sext. dogm. I 158 und 166 ff.

*) Gegen die gewöhnliche Ansicht, die in Arkesilaos einen Pyr- rhoneer sieht, hatte schon Geffcrs de Arcesila S. 15 f. geltend ge- macht dass durch sie der Zusammenhang in der Entwickelung der akademischen PhUosophie zerrissen würde.

EiitwickcluDg der pyrrhonischen Skepsis. 39

DOS künftigen neuen Dogmatismus die er legte Epoche ge- acht hat, pflanzte eben dadurch der akademischen Skepsis m vom herein die Neigung zum Dogmatisiren ein, eine 3igung, die sich leise schon bei ihm selber in der Ethik gte, stärker aber bei seinen Nachfolgern hervortrat. So m es dass während die pyrrhonische Skepsis mit der ab- latcn Negation endete, die akademische schliesslich Frieder einen Dogmatismus umschlug. Diess muss jetzt noch ins (izelne verfolgt werden.

II. Die weitere Entwiekelangr der Skepsis.

1. Entwickelung der pyrrhonischen Skepsis.

Schon in den Anfängen des Pyrrhonismus scheinen sehen den Bekennern desselben Verschiedenheiten hervor- retcn zu sein. So weist uns Tiraon auf einen solchen jensatz hin, wenn er Eurylochos als den heftigsten Feind

Sophisten bezeichnet^) und in Philon den einsam grü- Qden Denker schildert.*) Indessen sind diess doch nur •schiedenheiten des äusseren Verhaltens, keine die die ire betreffen. Tiefer würde, wenn sie wirklich bestanden te, eine andere einschneiden, die Diogenes 68 berührt.

*) Diog. IX 69: tjv ovv noXefjmozaxoq xoTq aoipiaxciiq, ihq xal wv tpi^alv. Dazu Wachsmuth fr. 62. Was diesen Worten bei ^eues vorausgeht, ist im Geiste des Antigonos, wovon man sich ht durch Yergleichung seiner Berichte über Pyrrhou (Diog. 621T. 66, zii welcher letzteren Stelle Euseb. XIV 18, 19 zu vergleichen überzeugen kann. Man mag es daher auf ihn zurückführen, wenn 1 ein so unsicheres Kritcrion gelten lassen will.

*) Diog. IX 69: <*) Öe *l»lk<jjv xa nltlaxa Bccvxip (Cobet, oi Wachs- ii fr. 63) ötfk&yexo' öO^ev xctl thqI xovxov <ft]alv ovxatq' rj xbv dn^ dv^QWTnov avxooxokov ccvxo),akfjxtjv oix ifijiai^ofievov do^i}^ kQlöwv xt *PU(ova.

40 I^i^ verschiedenen Formen des Skepticismus.

Er sagt nämlich, niemand weiter als Numenios berichte, dass Pyrrhon auch dogmatisirt hahe;M diesen Numenios aber müssen wir für denselben halten, den er 102 mit Timon, Ainesidem und Nausiphanes als Genossen Pyrrhons nennt*) Es ist nun kaum glaublich, dass Numenios, wenn er wirk- lich ein Anhänger Pyrrhons war, zwar diesen für einen pai*- tiellen Dogmatiker erklärt habe, selber aber ein voUkommner Skeptiker geblieben sei. Wir sind daher zu dem Schlüsse genöthigt, dass Numenios nach sich selber seinen Lehrer beurtheilt und, wie er selber theilweise Dogmatiker war, diess auch von Pyrrhon behauptet habe.*"*) So hat man in der That auch in neuerer Zeit die Berichte des Diogenes verstanden.*) In diesem Fall aber haben wir allen Grund ihre Zuverlässigkeit zu bezweifeln. Allerdings würde die-

*) Movog 6h Nov/nfjviOy; xa\ öoyftccTiaai <pTjah' avT6%\

^) AvTog filv yaQ o IJv^tQOJV ovSh' nntlinfv, oi fUvroi (Jin'rfS^stq artov TlfioDV xal AlvtjaiSr^f wg xal Novfirjviog xal Navatffm'r/g xa) nXloi TOiovTot.

^) Zwei Fälle lassen sich allerdings denken, unter denen Nu- menios ein voUkommner Skeptiker bleiben und doch von Pyrrhon das behaupten konnte was ihn Diogenes behaupten lässt. Der eine ist, dass Numenios das Dogmatisiren Pyrrhons in eine frühere Zeit ver- legte die der Periode seines Skepticismus vorausging, dass also die Bemerkung historischer Natur ist und sich auf Pyrrhons philoso- phische Entwickelung bezieht, nicht aber eine eigenthümliche Auf- fassung der fertigen Lehre Pyrrhons enthält. Der andere, dass Soyfia- r/aat nicht im strengen Sinne zu nehmen ist, wie ja Diogenes auch ß9 von einem Quasi-Dogma («tto tov olov öoyfiaxoq^ der Pyrrhoneer spricht. Doch liegen diese beiden Möglichkeiten so fern, dass sie schon deshalb hier nicht weiter berücksichtigt zu werden brauchen.

*) Leander Haas de philos. sceptic. succ. S. 71 sagt mit Be- ziehung auf Numenios: ad quem si rcferenda sunt illa, quae tradit Diogenes IX 68, solum Numenium esse auctorem statuisse Pyrrho- nem praecepta. eum non in sincera scepticorum doctrina mansisse apparct. Wilamowitz Antigonos von Karystos (Philol. Unters. V^

Entwickelung der pyrrhonischen Skepsis. 41

selbe durch den denkbar besten Zeugen bestätigt werden, wenn wir Wilamowitz glauben wollten, der (Antigonos von Karystos S. 32, 8) in einem von Timon gebrauchten Verse eine Anspielung auf Numenios' Dogmatismus fand. Dio- genes berichtet 119 von Timon: öm^ex^g t' IjtiXtytiv elm- hi jtQog Tovg rag alöd^tjötig fier^ ijttfiaQTVQOvrrog rov vov ifXQhovrag

SvvfiXd-ov axxayäg tb xai t^ovfirfVtog,

Dass diese beiden Namen nicht die Eigennamen zweier be- rühmten Gauner sondern Vogelnamen sind, die appellativisch zur Bezeichnung von Spitzbuben gebraucht wurden, hatte schon Menage bemerkt. Der Witz ist auch so vollkommen klar, erschien aber vielleicht ursprünglich noch zierlicher, wenn der Vers etwa der Anfang einer Fabel war. Dagegen meint Wilamowitz, dass den Witz erst die Beziehung auf Numenios gebe. Niich meiner Ansicht wird dadurch der Witz überladen und bricht zusammen: denn wenn vovfitjpiog auf den Philosophen gleichen Namens anspielen soll, so for- dern wir dass eine ähnliche Beziehung auch in (irrcr/äg liege. Die Beziehung auf Numenios ist aber auch darum unzu- lässig, weil nach Diogenes' Angabe Timon den Vers gegen die gebraucht haben soll die das Kriterion in einer Ver- bindung der Sinne und der Vernunft erblickten. Damit ist aber die Mehrzahl der Philosophen gemeint. Numenios würde also, wenn die Vermuthung von Wilamowitz richtig wäre, nicht ein partieller Dogmatikor, wie ich vorhin als möglich angenommen hatte, sondern ein Dogmatikor gewöhn- lichen Schlages gewesen sein. Wie ein solcher aber über-

S. 32, S) verbindet mit Diogenes' Notiz über Numenios seine Deu- ttmg eines von Timon häufig gebrauchten Verses (Diog. 114) und kommt so zu folgendem Schluss: ,,er (Numenios) wird also eine Wahr- heit zugegeben haben, wenn Wahrnehmung und Verstand stimmten."

42 I^ic verschiedenen Formen des Skcpticismus.

liaupt noch als Pyrrhoiieer gelten und mit Timon und Ainesi- demos in eine Reihe gestellt werden konnte, weiss iqh nicht So hat sich Timons angebliches Zougniss für Numenios' Dog- matismus als Schein erwiesen. Was übrig bleibt, der Bericht des Diogenes, reicht nicht aus uns den Glauben an eine Sache zu geben die an sich höchst unglaubwürdig ist. Denn wie weit auch immer in der Auffassung der Persönlichkeit und Lehre des Meistors die unmittelbaren Schüler auseinan- der gehen mögen, diese Verschiedenheit kann doch nie den eigentlichen Kern betreffen, wie denn auch in den mannich- faltigen Formen der Sokratik noch die Züge desselben Ur- bildes erkennbar sind. Es wäre daher ein Fall ganz uner- hörter Art, wenn ein unmittelbarer Schüler Pyrrhons diesen zu einem Dogmatiker gestempelt hätte, während doch Grund und Wesen des Pyrrhonismus gerade der Gegensatz gegen alle dogmatische Philosophie war. Jedenfalls müsstc die Autorität, der wir diess glauben sollten, eine bessere sein als die des Diogenes ist, die hier obenein noch dadurch ge- schmälert wird dass seine Berichte unter sich nicht im Ein- klang stehen. Nach dem einen derselben soll Numenios den Pyrrhon für einen Dogmatiker erklärt und, wie wir daraus schliessen müssten, selber ein Dogmatiker gewesen sein, nach dem andern gehörte er zu den Genossen Pyrrhons und zwar gerade zu denjenigen, gegen die sich die Angriffe der Dog- matiker richteten.') Der Widerspruch erscheint noch greller, wenn wir sehen ^) dass den genannten Genossen Pyrrhons von

') Diog. 102 fährt nach den früher i^S. 40, 2) angeführten Worten fort: olg dvriXbyovztq oi AoyjLicctixol tfaoiv avtovq xarala/nßcivfax^ai xal öoyfxaxlj^eiv' iv w ya() öoxovai 6ie)Jy/Fiv xara),afißavovtar xctl yaQ iv T(j} (xvt(p x()aTvvovai xal öoyfiaxl^ovai. xal yaQ otf tpaal fiTjösv oQl^Siv xal navxl Xoyw Xoyov uvTixHoO-ai, adrä zavta xal oQi'C^ovzaL xal Soyfjiatl^ovat xt?..

*) Diog. a. a. 0.

Entwickclung der pyrrhonischen Skepsis. 43

Seiten ihrer Gegner hauptsächlich die Inconsequenz vorge- worfen wurde mit der sie reine Skeptiker sein wollten, in Wahrheit aher sich von einem gewissen Dogmatismus nicht frei halten konnten. Dieser Vorwurf dos Dogmatismus konnte doch unmögUch gegen Numenios erhohen werden, wenn der- selbe den Dogmatismus aus freien Stücken zugegeben hatte. Der Bericht des Diogenes leidet aber auch noch an einem an- dern Uebelstande. Zu den Verthoidigern der pyrrhonischen Lehre, und zwar gerade insofern dieselbe Skepticismus ist, wird nämlich auch Nausiphanes gerechnet; wenigstens wird er als einer der Genossen Pyrrhons genannt, deren Lehre von den Dogmatikern bestritten wurde. Nun war Nausiphanes allerdings ein Zuhörer Pyrrhons und ein Verehrer,*) aber keineswegs ein Schüler, der auf die Worte dos Meisters schwor:*) vielmehr wird uns ausdrücklich gesagt, dass er nur für die Ethik sein Vorbild bei Pyrrhon fand, im Uebrigen aber es vorzog seinen eigenen Weg zu gehen, und zu diesem Verhalten stimmt auch der Umstand dass er der Lehrer eines Dogmatikers wie Epikur war. Nausiphanes konnte daher unmöglich unter den Verfechtern des Pyrrhonismus in erster Linie genannt werden, wie doch bei Diogenes ge- schieht. AuflFallend ist ferner in Diogenes' Bericht, worauf schon Zeller III 1 S. 483, 1 hingewiesen hatte, dass zwischen Timon und Nausiphanes d. h. unmittelbaren Schülern Pyrrhons Ainesidem genannt wird, der doch füglich von dem bald darauf (106) genannten nicht vei*8chiedon sein kann, also der einer viel späteren Zeit angehörende Skeptiker sein muss; auflFalleiid ist schon, dass derselbe überhaupt zu den „Genossen" (övv/id-ttg) Pyrrhons gezählt wird. Endlich, scheint

') Diog. 64: o&tv xal Navai<pdvi]v tJötj vsavlaxov ovxa Ot^Qa- ^vat, tfpaaxe yoiv yheaO^ai Sslv trjg filv ötaO'taeioq xT]q riv^Qo)- vflov, Twv öl koyeov xwv kavxov. Vgl. 69.

*;) Diog. 64 (s. vor. Anmkg.).

44 C)ie verschiedenen Formen des Skepttcismos.

es, hat noch Niemand daran Anstoss genommen, dass nach Nennung des Nausiphanes die Reihe der Genossen Pyrrhons abgeschlossen wird mit einem x«i iiXjioi roiovrtoi. Man sollte dafür xal aXkoi rtrlg erwarten, da roiovroi sich nicht rechtfertigen lässt: denn auf Timon u. s. w. kann es nicht bezogen werden, da diese Namen nicht der Ausdruck einer Qualität sind, und auf övr/J^ftc nur dann, wenn wir eine plumpe Tautologie annehmen wollen. Für alle diese Mängel möchte ich nicht Diogenes verantwortlich machen, sondern gkube, dass derselbe nur geschrieben hatte: avroQ fiev yaQ 6 üvQQcor ovdlr ojtthjrti*, oi [ifiToi övj^/jB'fiQ avrov' oli^ dtrnXtyovTsg oi doyfiftrtxol <pn6iv avrovg xrX. So gut wie die Dogmatiker konnten auch die Genossen Pyrrhons un- genannt bleiben, und erst ein Interpolator hat vermuthlich die in den ausgeschiedenen Worten enthaltenen Beispiele hinzugefügt. Numenios zu nennen wurde er durch Diog. 68 veranlasst. Diese Worte (ftorog rft NovfitjrioQ xai öoyfia- xiöai <f>t}6\r avTov) an sich betrachtet beweisen nun nicht mehr, dass Numenios ein unmittelbarer Schüler Pvrrhons war. Sie lassen vielmehr die Möglichkeit oflfen an irgend einen Andern dieses Namens zu denken, der so wenig als der kurz vorher genannte Poseidonios gerade ein Pyrrhoneer zu sein braucht Nichts hindert uns überdiess das Natürliche zu thun und an den bekanntesten dieses Namens zu denken, den Neupythagoreer Numenios. In den erhaltenen Frag- menten seiner Schriften kommt derselbe allerdings nur ein- mal (Euseb. praep. cv. XIV 6, 3 f.) und nur beiläufig aus Anlass des Arkesilaos auf Pyrrhon zu sprechen und findet hier gerade die vollkommene Skepsis (// Jtaitfov dralgeöcg) für ihn charakteristisch. Aber ebenso urtheilt er an dieser Stelle auch über Arkesilaos. Und doch macht er diesem anderwärts einen Vorwurf daraus dass er von der Wahrheit seiner eigenen Lehre überzeugt gewesen sei d. h. er gibt

Entwickelung der pyrrhonischeu Skepsis. 45

ihm einen gewissen Dogmatismus Schuld.^) Denselben Vor- wurf könnte er also auch an einer andern Stelle seiner zalilreichen Schriften (Thedinga de Numenio S. 5) gegen PyiThon erhoben haben, so gut wie diess Aristokles nach Euseb. XIV 18 und überhaupt die Dogmatiker nach Diog. 102 gethau hatten. Nur scheinbar steht damit nicht im Ein- klang, dass nach Diogenes Numenios der Einzige war, der Pyrrhon für einen Dogmatiker erklärte. Denn der Unterschied könnte der gewesen sein, dass die Uebrigen die Behauptung des Dogmatismus als Ergebniss einer Prüfung und zum Zweck der Widerlegung der pyrrhonischeu Lehre aussprachen, Nu- menios dagegen sie nicht weiter begründet und ihr mehr die Form eines historischen Referats gegeben hatte.

Auf den skeptischen Dogmatiker oder besser den dog- matischen Skeptiker Numenios darf man sich also nicht

*) Eoseb. a. a. 0. 8, 2: toiyagovv dndywv (Karneades) rovg äk- Mvg avxoq tfisvev dvs^andzjjTog, o firj TiQoa^v rip ÄQxeaiXdat. ^Exel- voq yaQ neguQx^fjievog (^Wyttenbach für nsQiexo/asvog) ty (pa^fid^ei xovg avyxoQvßavxiitivtaq tka&ev bavTov nQwtov tSriTiazijxiog firj iG^tj- o^ai, neTieia^f-at d^ dlrjDij eivai, a kiyei öid zj/g ana^andvzoßv dvai- Qt-ahwg ;((>}7jueera;v. Dass der im Text bezeichnete Gedanke in diesen Worten liegt, ist wohl keinem Zweifel unterworfen. Ich glaube aber nicht, dass sie richtig überliefert sind. Denn ich weiss nicht was bedeuten soll „er habe es sich selbst eingeredet {i^rjnazfixcjg) dass er nicht mit den Sinnen erfasst habe aber doch überzeugt sei was er sage sei wahr^\ Vollkommen klar wäre Alles, wenn die Worte fifj yaS-ftod^ai, Tieneta^ai Ss gestrichen würden. Dann wäre der Ge- danke, er habe sich selber eingeredet Alles was er sage sei wahr, Qod sei so das ist die Meinung des Numenios , indem er etwas als wahr anerkannte, aus einem Skeptiker ein Dogmatiker geworden. Die getilgten Worte könnten ein Zusatz sein, durch den das aXa&ev kavzov i^rinazrjxwg dkrfBtj etvai erklärt werden sollte; der Sinn des- selben würde dann sein, er habe zwar nicht bemerkt (fit) ya^fjo^ai) dass er von dem was er sage überzeugt sei und so gegen seine eigene Lehre Verstösse, in Wirklichkeit aber sei diess doch der Fall ge- wesen sjitnüa^ai dt).

46 ^ie verschiedenen Formen des Skepticismus.

berufen, wenn es den Nachweis gilt dass die pyrrhonische Skepsis in ihren Anfängen positiver war als in der späteren Zeit. Wir brauchen ihn aber auch zu diesem Zwecke nicht. Denn der Hauptvertreter des älteren Pyrrhonismus, Timon, beweist uns, dasa derselbe noch mit Fäden an den Dogma- tismus geknüpft war die in späterer Zeit zerrissen wurden. In den 7j»rf«>l//ol las man nämlich folgende Verse:*)

/} ycLQ lycbv iQto äg fioi xaTag)alverai tlvai, fivd^op aXf]d'thiq oQd-or ixcor xavora,

mg ij Tov d-elov re ^vöig xal rdyixd^ov alei, cor looraTog ylrerai dt^ÖQ} ßiog.

Dass diese Verse dem Stifter der Schule ui den Mund ge- legt waren, dürfen wir als sicher betrachten *) und sie dalier für den echten Ausdruck der pyrrhonischen Lehre, wie die- selbe von Timon aufgefasst wurde, ansehen. Das Auffallende in diesen Versen ist, dass in ihnen eine Wahrheit nicht bloss überhaupt sondern als für uns vorhanden anerkannt wird, ob wir nun dXtjMt]g mit xavora oder was vernünftiger Weise jUlein möglich ist mit iivB^ov verbinden. So sehr aber die späteren Skeptiker das Suchen der Wahrheit forderten, so leugneten sie doch auf das Entschiedenste dass wir je- mals in den Besitz derselben kommen könnten.*) Nicht einmal die Lehre Pyrrhons konnten sie als wahr gelten lassen

M Sext. dogm. V 20.

^) Sextos a. a. 0. sagt es freilich nicht. Man vergleiche aber die bei Diog. 65 erhaltenen und wohl dem Anfang desselben Werkes an- gehörenden Verse:

TOVTO fWt, W nV(}(KOV, IflSlQSTai tjtOQ uxovGat,

TXMt; TioT* (Irtjp ff* (cyFn: i^iora //flf* f)ovyjTj^ /iwvt'Oi; tV dvfhQwnotoi O^eov TQoTioy Tjyeiwrtvoßv.

Offenbar gehören der Antwort auf diese Frage die von Sextos ange- führten Verse an.

^) Man vgl. z. B. Aincsidem bei Photios Bibl. c. 212.

Entwickelung der pyrrhonischen Skepsis. 47

und vermieden es eben deshalb, nm jeden Schein des Dog- matismus zu zerstören, sich Pyrrhonecr zu nennen.*) Nehmen wir nun auch an, dass es sich hier nur um einen sprach- lichen Ausdruck und eine Ungenauigkeit im Gebrauche des- selben handelt, so haben sich doch und das eben ist das Charakteristische die Späteren diese Ungenauigkeit nicht gestattet: was wir daraus schli essen müssen, dass bei Diog. 76 f., wo dergleichen unvermeidliche Fehler des Ausdrucks verzeichnet werden, gerade dieser grobe vergessen ist und ohne eine Entschuldigung bleibt die man doch anderen viel leichterer Art gegenüber für nöthig gehalten hat. Dasselbe ei-gibt sich aus der Polemik der Gegner: denn nirgends be- merken dieselben dass die Pyrrhonecr ausdrücklich von einer Wahrheit sprachen,*) und doch würden sie, die nach jedem Schein des Dogmatismus haschten, sich eine so deutliche Spur desselben kaum haben entgehen lassen. Die Stelle Timons dagegen, wenn sie vereinzelt war, mochten sie igno- riren oder was ebenfalls denkbar ist sich über dieselbe mit einer Auslegung hinweghelfen, wie sie von ihnen auch in anderen Fällen nicht verschmäht wurde. Ein solcher Fall liegt uns noch vor bei Sextos mathem. I 305 f. Hier wird Bezug genommen auf Verse Timons, in denen er Pyrrhon mit der Sonne verglichen hatte:

fiovvog d' dvd^Qojjtoiot ^600 TQOjtor ff/tfioveveig,

og jtsqI Jtäöav ikwv yalav iwaOTQtfperai, d^ixvvq tvTOQVOv ' ög)aiQag jtvQixavroQa xvxkor.

l)ie Grammatiker, sagt Sextos, werden diese Vergleichung ver- schieden erklären. Die einen werden darin eine Hindeutung

') Diog. 70 berichtet diess wenigstens von Theodosios. Dagegen vertheidigt die Bezeichnung der Skepsis als einer pyrrhonischen Sextos Pyrrh. I 7.

*) Vgl. Diog. 102 f. Aristokles bei Euseb XIV 18.

48 Die verschiedenen Formen des SkepticiBmiia.

auf den Rulimosglanz erblicken, der Pyrrhou umstr die anderen auf das Licht, das er durch seine Lehn Mensehen gespendut hatte. Diese zweite Erklärung i aber, wie Sextos bemerkt, Timon in einen Widerapruch wickeln: denn als Skeptiker durfte er nicht zugeben, l'yrrhon die Menschen durch seine Lehre erleuchtet da die Skepsis statt sie über die im Dunkeln lie{ Wahrheit aufzukilireii die Menschen nur noch tiefer i Finstemiss ^estossen hatte. Gerade diese Eigenschaf Skepsis ist nach Sextos das Mittel der Vergleicliung. Py ist wie die Snnue: d. h. diejenigen, die ihm folgen, ver ebenso das Licht der Wahrheit und Erkeiintuiss, wii welcher anhaltend in die Sonne schaut dadurch gehl wird.') Diese Erklärung kann aber nicht die richtige Man darf uns dos Recht anders als Sextos hierüber z theilen nicht deshalb absprechen, weil uns die Wort« als Bruchstück vorliegen, Sextos aber sie im Zusammenl gelesen habe. Denn käme der Zusammenhang für die

'1 Tiliwvöi Tt rot" 0iiß<r/ov tÖv Tfv/iQiava i,}.!!^ äntixä iv oii; ipTjol

/ioövoq i' ävftQinTioiai Stov r^önov iiyffiovivtii, oq Tiffil JiüoQf ^Ä(üc yalay ävaaiQiffTtti,

Sfixfvi; fiiröpi-oi; aipalpui TtvQixavio^a xvxXov, Av^ti fihv loU ypuiiiiiXTixoU xaru xifiiiv «vrü kiytiv xal äiä r^ tÖv ifiköaoipoy iTiiifävftav a/J.og it iniatijisd /iijnotf xat /t natiaSfly/daTa t^ axfJirtxä ßovi.^pucft vnv xov •Phaai tbv nv(i^iova Ifx^iviu, tfye b itiv "ihoi ^(wrtpov ft!/ ,9X(i\ ttjJ if'toti xaTttvyu^iuv Stiitfvaiv, h Si- IIv^pwv xal nQoä^Xo) XtitfitivTit tiäv TiQttyttatoiv (li; äSijXoTiita ntQiiatävai ßia^ixn Sl ovx oviat.; iytiv ipaivtxm riü ipiXoaoifioiipov im^äXkovtt ifUov Tffönov ^Tiixfty <p>]i}l xöv ni^^oivu xaS-öaor <üs o Sfi tiüi- äxgtliiöq fi^ avTiiv atevi^ofTiav oijieii; äfAaiifoi, otizio xal Tiiixiiq i.öyoi XII ii/g öiayolaq oti/ia ttüv iniiAfXtQXt^or ait^ työvToiv avyxfi, loaxf dxaxaXijTixsiv nf(>J ixaarov rtöv xaiä i TixIjV B^ovxriTU zi&iithvmv.

Entwickelang der pyrrhonischen Skepsis. 49

tige Aofiassung der Worte überhaupt in Betracht d. h. hatte Timon im Folgenden das Gleichniss irgendwie erläutert, so musste Sextos diess erwähnen und hätte, wenn Timons Er- läutening seine eigene Erklärung bestätigte, diesen Umstand sich sicher zu Nutze gemacht Die Mittel der Erklärung können daher nur in den fraglichen Worten selber gesucht werden. Ich weiss nicht, ob hiemach Sextos' Erklärung überhaupt noch einer Widerlegung bedarf. Denn in Timons Versen wird die Sonne als Führer und Leiter der Menschen bezeichnet (ß-aov rgojtov 7^sfiovsveig); das ist sie aber doch nicht insofern sie dieselben blendet und so des Gesichtes beraubt sondern insofern sie ihnen leuchtet und so den Weg zeigt Nur auf diese letztere Eigenschaft kann sich daher auch der Vers öeixvvg svtoqvov cq)alQag JtvQcxavtoQa xv- xXov beziehen. Dann besagen aber die Worte dass Pyrrhon der Führer der Menschen geworden ist durch das Licht das von ihm ausging und die bis dahin dunkelen Wege erhellte, und sprechen in der Form des Gleichnisses die Anerkennung einer von Pyrrhon geoflfenbarten Wahrheit aus. Sie haben insofern ein doppeltes Interesse. Einmal zeigen sie ver- glichen mit der Erklärung des Sextos, wie viel consequen- ter die Späteren den Skepticismus durchführten. Ausserdem aber bestätigen sie, dass „die Rede der Wahrheit" (fiv&oq (drid'dT^g) in dem vorher angeführten Fragment auf Pyr- rhons Lehre zu beziehen ist. Sie bestätigen diess um so mehr als beide Fragmente demselben Werke entnommen sind*) und hier nahe bei einander standen.*) Dass „die

') Dass auch das zweite Fragment aus den ^IvöaXfxol stammt, lehrt Diog. 65, der wenigstens den ersten Vers desselben daher an- führt.

*) Denn ich habe schon bemerkt, dass auf die von Diog. 65 angeführten und eine Frage enthaltenden Worte das erste Fragment ^ie Antwort gibt.

Hirzel, Untenaehaogen. HI. 4

50 ^ie verschiedenen Formen des Skepticismas.

Wahrheit" in Timons Augen nicht eine blosse Redensart ohne Inhalt und Bedeutung ist, beweisen die Folgen, die er selber aus der Anerkennung einer solchen für seine übrigen An- schauungen abgeleitet hat. Denn in dem schon angeführten Fragment lässt er Pyrrhon sagen, dass er bei der Mitthei- lung seiner Vorstellungen die Rede der Wahrheit als Richt- schnur nehmen werde:

7) yaQ lyayv iQhco oig (loi xara^alverai elvai, fivO^ov aXTjd^elrjg 6q9^6v ixcov xai>6va.

Diess kann doch nur bedeuten, dass er in seinen Vorstel- lungen eine Auswahl treffen und nur diejenigen mittheilen will die sich au der angegebenen Richtschnur bewähren.^) Es fragt sich, von was für Vorstellungen hier die Rede ist Fassen wir diese Verse, wofür doch alle Wahrscheinlichkeit spricht, als den Anfang der Antwort, welche Pyrrhon auf Timons Frage (S. 46, 2) gibt, so können diese Vorstellungen keine anderen sein als die welche den Inhalt von Pyrrhons ursprünglich folgendem Vortrage bildeten. „Ich will sagend ist der Sinn, „wie es sich mir zu verhalten scheint {piq fioi xaratpalverai elpai), nämlich mit dem was du mich fragst".

') Es könnte jemand auf den Gedanken kommen, dass darcb die Worte ^iv^ov sctl. die Vorstellungen nicht als solche bezeichnet werden sollen die der Wahrheit nahe kommen sondern als solche die der wahre Ausdruck der Ueberzeugung sind. Pyrrhon würde, wenn diese Erklärung richtig wäre, nur die Versicherung abgeben, dass er nach bestem Wissen und Gewissen die Wahrheit sagen und nicht lügen wolle. Nur bei flüchtiger Betrachtung kann indessen diese Erklärung befriedigen. Ein näheres Zusehen zeigt vielmehr, dass sie durch zwei Umstände ausgeschlossen wird : erstens weil der- selbe Gedanke schon in dem vorhergehenden tilg fioi xaraipaivtrai flvat zur Genüge ausgedrückt war, und dann weil Timon diesem Gedanken besser folgende Form gegeben haben würde:

Entwickelang der pyrrhonischen Skepsis. 51

Dass die Mittheilung von Vorstellungen den Hauptinhalt von Timons ganzem Werke ausmachte, bestätigt der Titel Yr- iidfioL Man hat demselben diese am nächsten liegende Deutung bisher wohl nur deshalb nicht gegeben, weil die menschlichen Vorstellungen an sich, und namentlich mit den Augen des Pyrrhoneers angesehen, zu werthlos schienen als dass sie es verdienten in einer eigenen Schrift aufgezeichnet und erörtert zu werden, i) Nun sind aber die Vorstellungen

^) Frühere Versuche den Titel zu erklären hat Wachsmuth S. 11 zurückgewiesen. Die Erklärung, die er selber gibt, ist in fol- genden Worten enthalten: Conicio ergo poetam incepisse a laudibus Pyrrhonis eumque interrogasse, quo tandem modo effecisset, ut omnibus capiditatibns et animi affectibus Yacuus semper aequo animo viveret, illnm deinde longiore disputatione exposuisse, qua ratione id posset quispiam n&ncisci, nempe ita ut non passus se decipi philosophorum ilkXoyov ao<pltjg omninmque cupiditatum IvdaXfioTg {ßext. Emp. adv. niAth. X 351) totum se daret scepticae sectae. Also weil in diesem Werke Timons die Vorstellungen kritisirt, als werthlos, ja schädlich nach- gewiesen wurden, darum soll es „Vorstellungen** betitelt worden sein? Mit demselben Recht hätte Kant die Kritik der reinen Vernunft auch »Dogmatische Philosophie** nennen können. Sollte der Titel des Wer- kes überhaupt von dem Gegenstand der darin angestellten Kritik hergenommen werden, dann hätte er ns^l IvdaXfiwv lauten müssen. Aber auch zugegeben dass IvSaX/xol der Titel sein könne weil es den Gegenstand der Kritik bezeichnet, so ist ja in Timons Werke nach Wachsmaths eigener Ansicht der Gegenstand der Kritik gar nicht der auf den der Titel hinweisen soll. Denn der Titel lässt auf eine Kritik der Vorstellungen schlechthin und überhaupt schliessen. Nach Wachs- math aber wurden einer Kritik nur diejenigen Vorstellungen unter- worfen, die durch falsche Lehre und durch Begierden und Leiden- Khaften in uns erregt werden und von denen wir uns frei machen ^llen. Es bleiben sonach ausser Spiel alle die Vorstellungen, deren ^h der Ansicht der Pyrrhoneer, die in diesem Falle auch die l'imons ist (diess ergibt sich aus dem Zusammenhang, in dem sein ^en dkXa td (paivofitvov ndvTrj a^ivei, ovnfQ av tk&^ von Sextos dogm. I 30 und von Diog. 105 angeführt wird), auch der Weise zum leben und Handeln nicht entbehren kann, also gerade der wichtigste

4*

52 l^ie verschiedenen Formen des Skepticismus.

gänzlich werthlos nur so lange wir sie lediglich nach ih Nutzen für das Erkennen schätzen; dagegen haben sie Rücksicht auf das menschliche Handeln betrachtet einen : hohen Werth, da sie für dasselbe unentbehrlich sind. Dj konnte ein Pyrrhoneer sie unter diesem Gesichtspunkt i wohl in einer besonderen Schrift zusammenfassen, ziunal schon Parmenides im zweiten Theil seines Gedichtes Piaton im Timaios es gewagt hatten zum Inhalt einer pl sophischen Darstellung zu machen was Gegenstand nicht vollen Wissens sondern imr des Wähnens oder Glaubens Dass nun wirklich unter diesem Gesichtspunkt die Vors lungen in Timons Schrift waren behandelt worden, zeigt von Sextos dogra. I 30 und von Diog. 105 aufbewahrte V d?.Xa re tpan^ofitror JcdvTTj öd^tvti, ovjceQ av tXO^j,

Theil unserer Vorstellungen. Und doch soll, wo der wichtigste f das Ganze den Namen hergeben? Die Wachsmuthsche Erklfi leidet endlich an demselben Fehler wie ihre Vorgängerinnen, sie gesucht ist. Denn der Titel ^Ivöctl^ol führt doch zunächst di an ein Werk zu denken, dessen Inhalt in einer Reihe von Voi lungen besteht. Diese Vermuthung wird durch den ersten der Pyi in den Mund gelegten Verse sogleich bestätigt: rj yaQ iyatv i^bcj w' xaTarpalvfrai elrcci. Hiernach war Pyrrhons ganzer Vortrag n weiter als eine Summe von (fatvo/ieva, dieser Vortrag bildete allem Anschein nach den Hauptinhalt des ganzen Werkes, das d wohl nach ihm den Namen Ivöal^o) erhalten konnte. Denn das darf kaum eines Wortes, dass zwischen xnratfcUvtzat und IvSdL ein Unterschied der Bedeutung nicht existirt. Dass Sextos c solchen nicht machte, sehen wir aus dogm. I 425: 7r«(>a rag öiatf rwv noQwv xal naga rag tov ixiog nfQiaraaetq xal nag^ a) 7i)Movaq tQonovq ovif avrä ovxb oßaavTcog ivöalXfxai y/il

TtQdyficcra , warf f-l fiev (faivetai TiQog rj^rff Tfj aia&t}o6t

T^öt ry negiOTccasi övvaoO-ai ?Jyetv, ö^ ei rate d).ri^tiaig roto lariv olov xal (fcclverai, rj ukkolov fxh iaiiv dXJ.oTor dt (paiverai hx^iv iifiäq Siavd-fVTsTv. Ausserdem darf man mit Timons Verse den homerischen {Od 10,224^ vergleichen: «AA« xcd wg igio), alq IvödkXerai t]zoQ.

EDtwickelang der pyrrbonlschen Skepsis. 53

An sich zwar könnte in diesen Worten auch der Gedanke liegen, dass das Leben und Ilandehi der Menschen that- sächlich überall von den Vorstellungen beherrscht werde ohne dass diese Herrschaft für nothwendig erklärt und des- halb gebilligt würde; in diesem Falle könnten die Worte recht wohl einer Darstellung angehören, die gegen die Ab- hängigkeit des menschlichen Handelns von den Vorstellungen gerichtet war. Der Zusammenhang, in dem die Worte citirt werden, nöthigt uns aber sie anders aufzufassen. Denn Sextos beruft sich auf Timon als Zeugen dafür, dass auch der Skeptiker, wenn er nicht auf jedes Wirken und Handeln im Leben verzichten wolle, ein Kriterien desselben müsse gelten lassen, wie es in den Vorstellungen gegeben sei;^) und Diogenes führt den Vers zum Beweis an, dass die Skepsis nicht, wie ihr die Dogmatiker vorwerfen, die Möglichkeit des Lebens und Handelns aufhebt. Der Sinn des Verses ,kann daher nur der sein: die Vorstellungen besitzen eine Gewalt, der sich Niemand, auch der Weise nicht, entziehen kann. Damit wollte aber Timon nicht sagen, dass wir jeder zufäl- ligen Vorstellung blind nachgeben sollen. Das konnte er nicht sagen wollen, da er z. B. die Vorstellung, nach der die sinnliche Lust ein Gut ist, nicht al^ maassgebcnd für unser Handeln gelten liess.-) Unsere Abhängigkeit von den Vorstellungen kann daher nur darin bestehen, dass wir über- haupt von einer Vorstellung ausgehen müssen um handeln

ftfvov, xaO^wg xal o Tifxujv fjiefia()TVQrjxev elnwv xxl.

*) Athen. VIII 337 A : nayxalw^ dt xal o Tifiwv k<pr]

TtdvTwv fisv nQwTiara xaxwv iniS-vfili] ^ozlv.

In diesen Worten liegt die im Texte angegebene Ansicht einge- ^blossen, wenn sie auch nicht geradezu ausgesprochen wird.

54 ^^6 verschiedenen Formen des Skepticismus.

zu können; welches dagegen im Einzelnen diese Vorstellung ist, das zu bestimmen steht in unserer Macht. Insofern alsc die Vorstellungen, welche den Inhalt von Timons Schrifl bildeten und nach denen sie den Namen trug, Vorstellungen sind durch die unser Handeln geregelt werden soll, können es nicht beliebige sondern müssen es nach einer bestimmten Rücksicht ausgewählte sein. Auch abgesehen hiervon ist es nicht möglich, dass Timon alle Vorstellungen die ein Mensch haben kann oder jemals gehabt hat in seiner Schrift auf- zählte; durch die in Timons Frage und Pyrrhons Antwort ausgesprochene ethische Tendenz wird aber auch die An- nahme ausgeschlossen, dass Timons ganze Absicht dahin ging über das weite Gebiet der Vorstellungen durch zweckmässig gewählte Beispiele eine Uebersicht zu geben. Timons Werk kann also nur einen Theil der überhaupt möglichen Vor- stellungen, muss diesen aber vollständig enthalten haben, nämlich alle die durch die nach seiner Meinung unser Han- deln bestimmt werden sollte. Um dieses Vorstellungsgebiet gegen andere scharf abzugrenzen bedurfte er natürlich eines Maasses, und dieses Maass (ogO-og xaroijf), wie er selber Pyrrhon sagen lässt, war die Rode der Wahrheit (f^vfhog dkrj- O^slTjg), Welche Vorstellung sich an ihr bewährte, wurde aufgenommen. Wir sind noch im Stande zu erkennen, wie er hierbei im Einzelnen verfuhr. Zu den Vorstellungen, von denen die Rede ist, gehört die Lehre, die er nach Athen. VIII 337 A in folgenden Vers gebracht hatte:

jüdvtcov (ilv JüQoiriöTa xaxdjv ljti9^iJ(ihi löxlr. Es ist höchst wahrscheinlich, dass dieser Vers aus den ^Iv- öaXftol genommen ist:^) denn erstens ist die Form des Aus-

^) Diess war schon Wachsmuths Ansicht. Der Grund aber, auf den er sich stQtzt und der mit seiner Auffassung des ganzen Werkes zusammenhängt, kann fQr uns nach dem früher (S. 51, 1) Bemerkten nicht mehr in Betracht kommen.

Entwickelong der pyrrhoniscben Skepsis. 55

drucks der Art wie sie nach der Ansicht der Pyrrhoneer nur bei Vorstellungen (q)aiv6fieva) zulässig war, ') und zwei- tens ist der Inhalt eine Vorschrift für unser Handeln, so dass die beiden Forderungen, die wir an alles was in den Bereich der ^Ivöakuol fällt stellen müssen, erfüllt sind. In- dessen angenommen dass er aus einer andern Schrift d. h. den SlXXoi stammt, so ist er doch von derselben Art wie das was den Inhalt der ^IvöaXfiol bildete und kann daher wohl als Beispiel benutzt werden, damit wir daran die Be- schaffenheit solcher Vorstellungen, die den Ausgangspunkt für unser Handeln bilden sollten, näher demonstriren. Welches ist nun die Eigenschaft, um derentwillen die Vorstellung, dass die Begierden das grösste Uebel sind, in einem höheren Grade für unser Handeln maassgebend ist als die entgegen- gesetzte, dass die Begierden oder das was sie erregt ein Gut sind? Die Autwort hierauf kann nicht zweifelhaft sein: die Begierden sind deshalb das grösste Uebel, weil sie mehr als alles Andere das Glückseligkeitsideal der Pyrrhoneer, die aroQa^la, stören. Dieses also ist es, an dem wir die ver- schiedenen Vorstellungen messen sollen, und dieser Maassstab entscheidet an welche Vorstellung wir uns in miserm Han- deln zu binden haben. In ähnlicher Weise kommt derselbe Maassstab auch noch in einem anderen Falle zur Anwen- dung. Dass wir uns den herrschenden Sitten und Gesetzen unterwerfen, den daiin ausgesprochenen Vorstellungen über Gut und Uebel fügen sollen, war auch Timons Meinung ebenso wie die der übrigen Pyrrhoneer.^) Als Grund,

*) Sext. dogm. V 19: ozav XlycDpiev axsnrixciq „rcwv ovxiüv xa fiBv iariv dya^a ta dl xaxa öh fista^v rovro>y*', l'avtv tvxar- rofifv ovx w? inaQ^scug «AA* wg tov <palveo^ai örjXcDTtxov.

*) Hinsichtlich der übrigen Pyrrhoneer vgl. z. B. Sext. Pyrrh. 1 17. Dass Timon derselben Ansicht war, dürfen wir wohl aus Diog. 105 scbliessen: o^bv xal 6 Tlfiwv iv nJö JIv^wvl (prjai firj ixßeßijxtvai x^v avvtj&siav.

56 Die verschiedenen Formen des Skepticismtis.

weshalb er diese Vorstellungen als solche anerkannte, die fiii: unser Handeln verbindlich sind, liegt es am nächsten den anzunehmen, dass durch eine solche Anerkennung die otce- Qa^la gefördert wurde. Das Glückseligkeitsideal der Pyr- rhoneer ist also abermals der Maassstab, nach dem über die Wahl der unser Handeln bestimmenden Vorstellungen ent- schieden wird. Die Anwendung desselben Maassstabes reicht aber in diesem Falle noch weiter. Denn die Vorstellung dass ich mich den Gesetzen u. s. w. untei'werfeu soll kann verschieden sein, je nach dem darin die Vorstellung ein- geschlossen ist, dass, was die Gesetze für gut oder übel er- klären, beides auch der Natur und Wirklichkeit nach ist, oder die andere, dass es nur in cfer Meinung diese beiden Eigenschaften hat. Timon entschied sich für die letztere Art der Vorstellung und zwar deshalb weil nur in diesem Falle die draga^la gewahrt werden kann.^) Diese ist also auch hier der Maassstab, der über die Voratellung entr scheidet durch die unser Handeln bestimmt werden solL Jetzt erkennen wir deutlich, was unter der Rede der Wahr- heit (f/vd-og aXtjO^Bltjq) zu verstehen ist, die Pyrrhon bei Timon zum Maassstab seiner Vorstellungen machen will. Denn an

M Sext. dogm. V 140: (Jiovwq ovv tarai (pvyfTv ravrtjv, el vno- dtl^aifiev Tip ragazTOfibvw xaxa tfjv xov xaxov (pvy^v ^ xaxa t^v xov dyaO-ov öiw^iv oxi ovxe aya^ov xi toxi <pvaei ovxe xaxov,

dXXa TiQog dvd-Qwnwv xccvxa v6(p xtxQtxai

xaxa xov Tlfnova, Dass dieser Vers zu den üeberresten der ^IvdaXfjiol gehört, hat schon Wachsmuth S. 11 daraus geschlossen, dass er Theil einer im elegischen Maasse gehaltenen Dichtung ist. Dagegen scheint auf die sprachliche Form noch Niemand besonders geachtet zu haben. Denn sonst hätte wohl nicht verborgen bleiben können, dass der Gegen- satz, in dem diese Worte zu den vorhergehenden ^axt (pvaei stehen, schärfer zum Ausdruck kommt, wenn wir statt votp schreiben vofjup. Vgl. die S. 11, 1 angefahrten Stellen.

EntwlckeluDg der pyrrhonischcn Skepsis. 57

sich schon lag es am nächsten darunter die Lehre Pyrrhons zu verstehen, und diese Auffassung ist jetzt bestätigt worden, da thatsäehlich die Forderung der draQa^la von Timon als Maassstab der Vorstellungen benutzt wurde, diese aber mit Pyrrhons Lehre eins ist. Auch was Pyrrhon nach der eben berücksichtigten Aeusserung weiter in den Mund gelegt wird, erhält von dem jetzt gewonnenen Standpunkt aus ein neues Licht. Da es auf den Zusammenhang der Verse ankommt, so setze ich sie alle noch einmal her:

^ yaQ lyoßv egtco aig fioi xaraq)alvsTai dvat, fivO-op dXTjd-ehjg OQd-ov txfov xavova,

(og fj xov d-tlov re tpiöig xal rayad-ov alel, olv löotarog ylverac dpÖQl ßlog.

Nach der Uebersetzung bei Fabricius und der Interpunction bei Bekker zu schliessen scheint es dass man die Worte (og f) xov d'slov xxX. als den Inbegriff oder doch als einen Theil der durch iQtG) angekündigten Aeussei-ung betrachtete und G>g in der Bedeutung von „dass" nahm. Diese Auffas- sung ist aber nicht haltbar. Denn indem die Aeusserung durch mg aufs Engste an iQto) angeknüpft wird, wird sie in dieselbe Zeit gezogen, in der die Ankündigung geschieht, also aus der Zukunft, in der sie der Annahme nach statt- finden sollte, in die Gegenwart. Ich kann nicht sagen „ich werde sagen, dass die Natur des Göttlichen und Guten immer ist", wenn was ich später sagen werde eben darin besteht zu sagen dass die Natur des Göttlichen und Guten immer ist; in diesem Falle hört ja das Sagen auf, ein Zu- künftiges zu sein, ich werde nicht erst sagen, sondern ich sage es bereits, dass u. s. w. Nur dann licsse sich (hg in der Bedeutung von „dass" festhalten, wenn der sich an- schliessende Satz nicht selber schon eine der in Aussicht gestellten Aeusserungen darstellt sondern nur den Inhalt

58 Die Terschiedenen Formen deB SkepticiBmuB.

derselben im Allgemeinoii zusammonfasBt und so andoub erst dor folgende Vortrag ins Einzcliio ausfuhrt. In c Falle würde letzterer keine Absiebt haben als den oiof den Beweis zu liefern, dass das Gute und Göttliche imm Statt dessen war, wie sich dai-aus ergibt dass er eine wort auf Timons Frage sein sollte, seine Absicht vic Vorschriften zu geben, nach denen auch andcra Met ein ebenso glückliches Leben iiihron können wie Pyn-ho bleibt daher nur übrig du; in einer andern Bedeutung causalen, zu nehmen und zu übersetzen: „denn die dos Göttlichen und Guten ist immei*. Diese Worte k dann nur die Begründung des unmittelbar vorhorgoh Verses enthalten. Mit dem ersten Verse (y -/uq lyMV erklärt Pyrrhon, er werde siigen wie es ihm zu sein odo zu vorhalten scheine, nämlich mit dem wonat^h ihn ' gefragt hatte. Wenn er hierauf hinzufügt, er wolle dabei die Rede der Wahrheit zur Richtschnur nehmt war natürlich eine Andeutung darüber, was er untc Rode der Wahrheit verstehe und in wie fern dieselbi Richtschnur seiner Acusserungen sein könne, sehr ei'wü Diesem Bedürfniss genügt der mit <öq eingeleitete Get Daraus sehen wir, daas den Inhalt der Rede der Wa die Natur des Göttlichen und Guton bildet; und di diese Natur näher bestimmt wird als diejenige wodurc menschliche Leben zu einem gleicbmässigen wird (i laörazog ylvexai ävÖQl ßlog), dabei aber nur an die (('tfl gedacht werden kann, so kommen wir auf anderem zu derselben Erklärung zurück, die wir schon vorher i lieh und wahrscheinlich fanden. Wenn sodann hinzu| wird, dass diese Natur immer ist, so soll dadurch die I thümlichkeit an ihr hervorgehoben werden, durch d befähigt ist in Mitten des Wechsels und Schwankens ui Vorstellungen als fester Maassstab zu dienen. Von ver

EntwickeluDg der pyrrhonischen Skepsis. 59

ü Seiten hat sich uns so bestätigt, dass Timon es nicht gleichgiltig hielt, durch welche Vorstellungen unser lein bestimmt wird, sondern zu diesem Zwecke eine Aus-

traf, bei der er sich des angegebenen Maassstabes be- 0. Diese Auswahl bildete den Inhalt der ^IvöaXfioL an derselbe eine Antwort auf Timons Frage nach der cseligkeit ist, die Glückseligkeit nach der Ansicht der loneer aber auf der axaga^la beruht, so köimte man )88en, dass in den ^IvöaXfiol vor allem das pyrrhonische

der draQa^la und sein Ursprung aus der ijtoxrj er- t und begründet wurde. Wäre diess indessen der Haupt- t der Schrift gewesen, dann würde der Name ^IvöaXfiol nals unerklärt bleiben. Dieser scheinbare Einwand lässt beseitigen, sobald wir näher zusehen, was der Sinn von ns Frage ist. Er sagt Diog. 65:

Tovro [iOL, oi IIv(iQG)V, IfiblQBxaL 7JT0Q dxovöac, jtöjg jtox^ dvfjQ tr' dyeiq Quöta (itd-^ ydvxhjf;-

kus sehen wir, dass Timon, was das Wesen von Pyrrhons cseligkeit ausmacht, schon erkannt hat. Es ist die ijövxlri^ lit der draQa^itj zusammenfallt.^) Was er daher von Pyr- wissen will, das köimcn nur die Mittel sein, durch die sich in den verschiedensten Verhältnissen diese Art von (Seligkeit erwirbt und erhält. Diese Mittel aber sind die Teilungen, die ich mir von den einzelnen Dingen bilde von denen ich mich in allen besondern Verhältnissen

') Sext. dogm. V 141: evöa/ficuv fih ionv b dvaQax^ *^'^?" xal, tag hXeyev b Tlfiwv, iv riovyja xal yaXrjvorrjti xa^earwg'

ndvztj yag inEl/^s yakiivt]

xbv rf* wq ovv ivoijo^ tv vtivsfxl^ai yalijvfjg. Pyrrh. I 10.

60 I^ie verschiedenen Formen des Skepticismus.

leiten lasse. Die ^IvöaXfiol waren daher eine ethische Schrift, aber nicht in dem Sinne dass sie die letzten Prin- cipieii der Sittlichkeit erörterten das blieb anderen Schriften (vgl. Euseb. praep. ev. XIV 18, 2) vorbehalten und wurde in den ^hföaZftol als fivd^og ahjd'thig vorausgesetzt sondern darum weil sie diese vorausgesetzten Principien in ihre Consequenzen verfolgton und Vorschriften über ihre An- wendung in einzelnen Fällen gaben. Um sich eine deut- lichere Vorstellung von ihrem Inhalt zu machen wird man die stoischen Schriften jrfpi xad^rjxovrog oder vielleicht noch besser Demokrits Schrift jtsQl ev&vfihiq^) vergleichen dürfen.

Mit dem Ergebniss der bisherigen Untersuchung, dass wir nach Timon uns nicht den Vorstellungen blind über- liissen sondern eine Auswahl unter ihnen treffen sollen, scheint nicht in Einklang zu stehen was in den von Sextos dogm. V 164 aufbewahrten Worten Timons als dessen An- sicht hervortritt. Dejn Skeptiker, heisst es dort, werfen es die Gegner als Widerspi-uch vor, (in vjco tvqcwvo) jcoxl ytrofievog xal rcHv (xqqt/zojp xi Jtoutp dvayxaCpfievoq ij ovx vjtofterel ro JüQOOTarTOfavov «22' txovoior iXtlrcu d-dvarov, ?} tpavycjv rag ßaödvovg jtoi/jOti ro xaXtvofierov, ovTco TS ovxtri d<pvy7jg x(d avalQtxog törai xaxd xov TlfiCDva, dXXd x6 fiiv tXetxai xov rf' djtoox?joaxat , ojibq rjr x(5p fiexd jielöfiarog xaxuXri(f6x(ov ro ^svxxov xc ehai xal aiQSxov, Mit der Forderung, die hiernach Timon aus- gesprochen hatte, dass wir nie etwas meiden oder wählen sollen, scheint die andere, dass wir gewissen Vorstellungen vor anderen den Vorzug geben sollen, in Widerspruch zu stehen, und dieser Widerspruch würde noch mehr hervor- treten, wenn beide Forderungen, was nicht unwahrscheinlich

*) üeber deren Inhalt s. meine Abhandlung in Herrn. XIV 354 ff.

EntwickeluDg der pyrrhonischen Skepsis. 61

ist, in derselben Schrift aufgestellt worden waren.*) In Wahrheit besteht dieser Widcrspmch nicht. Timon kann sich in derselben Weise gerechtfertigt haben wie Sextos a. a. 0. 165, indem er erklärt das eine Mal als Skeptiker das andere Mal nach der Gewohnheit der Menschen ge- sprochen zu haben. Man würde diesen Widei*spruch als erledigt ansehen können, wenn sich nicht mit ihm noch ein anderer verbände. Denn nach Sextos dogm. V 140 leugnete Timon, dass es überhaupt ein von Natur Gutes {q)vöu dyaS^ov) gäbe, in den vorher erörterten Versen aber spricht er von der Xatur des Göttlichen und des Guten (// rov d^elov xb ^vöig xal rdyad^ov). Auch hier kann man sich darauf berufen, dass zwischen dem populären und dem philosophischen Sprach- gebrauch unterschieden werden müsse. Möglich ist indessen auch eine andere Erklärung. Wenn Timon leugnete, dass etwas von Natur gut sei, so behauptete er gleichzeitig, dass alles dieses nur von den Menschen dafür gehalten werde {dZXa 3(Qog dvd-QfDMcoi^ Jtdj^a roco \jf6fW7? s. S. 56, 1] xixQcrac). Da nun unter den Menschen offenbar die Menschen ausser den Skeptikern gemeint sind, so kann auch das Gute, dessen Realität bestritten wird, nur dasjenige sein das bei andern Menschen als solches gilt. Wenn aber Timon nur geleugnet hatte, dass dieses sogenannte Gute ein Gut sei, so konnte er ohne sich zu widersprechen das skeptische Ideal für ein Gut, eben für das einzige wahre Gut erklären. Dieses Gut könnte er dann auch zum Gegenstand einer Wahl (aigecig, aiQhJod^aC) gemacht haben, und die Möglichkeit ist sonach

^) Wachsmuth S. 10 hat diesen Ausspruch aus einer Prosaschrift abgeleitet. Indessen stellen die Worte oupvyiiq xal dval^etog eatai sich ungesucht als Theil eines Hexameters dar und geben so, wenn wir ausserdem den Inhalt berücksichtigen, uns das Recht sie für ein Fragment der 7nf«A//o2 zu halten, denen Wachsmuth selber S. 11 und Haas de philos. scept. succ. S. G2, 5 sie zugewiesen haben.

62 ^ie verschiedenen Formen des Skepticismns.

nicht ausgeschlossen, dass auch die Worte dg>vyrjg xai dval- Qsrog ecrac relativ, d. h. mit Bezug auf die gewöhnlich so genannten Güter und Uebel zu verstehen sind, die der pyr- rhonische Weise weder wählen noch meiden wird.

Halten wir daran fest, dass nach Timon unser Handeln nicht durch beliebige und zufällige sondern durch solche Vorstellungen bestimmt werden soll, die am skeptischen Ideal gemessen sich bewährt haben, so können wir den Unter- schied nicht verkennen, der in dieser Beziehung zwischen ihm und späteren Pyrrhoneem stattfindet. Zunächst freilich scheinen beide im wesentlichen übereinzustimmen. Auch die späteren Skeptiker bekannten nicht blindlings zufälligen Vorstellungen zu folgen sondern solchen die ihnen durch eine vernünftige Erwägung (Xoyog rig) empfohlen wurden;^) und da nun diese vernünftige Erwägung mit der skeptischen Grundansicht zusammenhängen sollte,^) so scheint es im Sinne auch dieser späteren Pyrrhoneer zu sein, wenn man diese Grundansicht oder praktisch betrachtet ihr Ideal zum Maassstab der unser Handeln bestimmenden Vorstellungen

') Sext. Pyrrh. I 17: ei 61 rtg cugeoiv slvai (pdaxst r^v Xoya rtvl xara ro (paivofifvov axoXov^ovonv dywyfjv, ixFlvov tov Xoyov wg fativ ogO-üig Soxsiv t,iiv vno^Btxvvovroq {xov oQ^^wq fifi fx6vo%* aror* dgertiv Xafißavofiivov d)X dipeXioTSQov) xal tnl xl> in^x^tv &vvao^i öiaxelvovToq, (KiQbolv ipa/nsv exfiv dxoXovd-ovfiev ydQ rivi koyip xaia ro (ftttvofifvov imoösix^n'VTi fifiTv t6 ^ijv ngog ndxQia ^&rj xal rovq ^'Ofiovg xal tag dywyag xal olxela TidS-ri.

') Sext. a. a. 0. Denn der Xoyog, der in uns die Vorstellung hervorbringt, dass wir den Sitten Gesetzen u. s. w. gemäss leben sollen, ist derselbe welcher zeigt wie man die Vorstellung oder den Glauben recht zu leben erlangen könne {ixFlvov zov Xoyov a>g laxiv SqM^ doxsTv t,ijv vnoihixvvovxog) und auf das tTih^siv dringt (xal inl w kn^X^iv övvaod-ai öiaxslvovzog). Dieser letztere koyog ist aber offen- bar nichts weiter als die skeptische Grund -Theorie, dargestellt nach ihren beiden Seiten, der dtaga^la und der iTtoxt]-

Entwickelung der pyrrhonischen Skepsis. 63

Mcht. Der Unterschied ist aber der, dass dieser Maassstab, das Ideal der Schule, bei Timon den Werth einer wissen- schaftlichen Wahrheit, bei den späteren Pyrrhonoem nur den einer subjectiven Vorstellung {q>atv6iiBvov) hat.*) Da- raas ci:gibt sich, dass auch die von diesem Maassstab ab- hängigen Einzelvorstellungen, die der nächste Ausgangspunkt unseres Handelns sind, in Timons Augen einen anderen Werth hatten als in denen der späteren Pyrrhoneer. Die letzteren wollten damit, dass sie erklärten in ihrem Handeln sich an gewisse Vorstellungen zu binden, diesen Vorstellungen keinen Vorzug vor anderen zusprechen,^) und ebenso wenig wollten sie Anderen dadurch die Pflicht auflegen denselben Vorstellungen zu folgen.^) Wer dagegen wie Timon die

') Denn dem loyoq und darunter ist die Grundlehre der Pjrrhoneer gemeint leisten sie Folge nach Sextos a. a. 0. nur xaxa t6 ipmvofjifvov (denn rr}v Xoyw xivl xaza ro (paivofisvov dxo- lov&üvaav dycaytjv nennt er die Skepsis; wir sehen daraus, dass auch in den Worten clxoXov^ovfiev ydg rtvi Xoytp xata rb <paiv6^svov vnodeixvvvTi die Worte xara r. <p. mit dxokovd'ovfiev und nicht mit vnodfixvvvTi zu verbinden sind) d. h. nicht als ob sie ihn für wahr hielten sondern nur weil er thatsächlich in ihrer Vorstellung gegeben ist. Ebenso hatte den Pyrrhonismus schon Ainesidemos aufgefasst, da er im ersten Buch seiner Jlv^^wveiot Xoyoi und anderwärts er- klarte ovö^v oqI^biv tÖv Ilv^Qiova öoyftaiixüiq 6ia tiJv dvnXoylav, Toiq dt ifmvo^hvoiq axoXov^sTv.

*) Darauf beruht zum Theil ihr Unterschied von den Akade- mikern, wie sich aus Sextos Pyrrh. I 226 ff. z. B. aus folgenden Wor- ten ergibt: rdq re <pat*taalag tiftetg fxlv Taag Xbyo^itv ehai xara nl- aitv ^ dmaxlav ilaov inl ri5 Xoyo), ^xf-ivoi öh zag filv niS-avag elval ifaai tag 61 dmS-dvovg.

') Denn diess würde voraussetzen, dass es von unserem Willen abhängt welchen Vorstellungen wir folgen. Das ist es aber gerade was Sextos a. a. 0. leugnet, wenn er die (paivofitva bezeichnet als TU xaxa (favxaölav naO-rjxtxä dßovXfjrcjg ^ifiag äyovxa elg avyxaxd- ^taiv.

64 I^ie verschiedenen Formen des Skeptidsmas.

Wahrheit zum Maassstab der Vorstellungen machte, der ge- stand eben dadurch den Vorstellungen die mit ihr übe^ einstimmen einen Werth vor den übrigen zu, die diess nicht thun, und musste consequenter Weise auch Andere für ver- pflichtet halten sich denselben Vorstellungen zu unterwerfen. Wenn man das Ansehen bedenkt, in dem Timon als Ver- kündiger der pyrrhonischen Lehre (o JtQoq>ijrrjg t(3v Ui^ Qcüvog Xoycov wird er von Sextos adv. math. I 53 genannt) auch bei den späteren Skeptikern stand, so könnte man gegen das Ergebniss einer Untersuchung zweifelhaft werdöi, das zwischen ihm und den späteren Vertretern der Schule eine nicht unbedeutende Meinungsverschiedenheit nachweist und das naturlich mathematische Evidenz nicht besitzt. Aul der andern Seite aber wird, wenn w^ir bedenken dass Timon ein Zeitgenosse des Arkesilaos war und zu diesem in freund- schaftlichem Verhältnisse stand, die Richtigkeit jenes Ergeb- nisses bestätigt, da mit der Annahme desselben eine au&t lende Uebereinstimmung in den Ansichten beider Männei hervortritt. Denn der Vorzug der nach Timon gewisser Vorstellungen zukommt, weil sie ohne wahr zu sein dod am Maassstab der Wahrheit sich bewähren, kann nur darii bestehen dass sie wahrscheinlich sind. Das WahrscheinHch unter dem Namen des evXoyov hatte aber auch Arkesilac zum Ausgangspunkt imserer Handlungen gemacht (Sex dogm. I 158).

Der erste Pyrrhoneer nach Timon, von dem wir mel als bloss den Namen wissen, ist Ainesidemos.^) Was mfl über ihn aus Sextos Empeirikos entnalim, schien ihm bish^ eine eigenthümliche Stellung innerhalb seiner Schule s

') Ich bemerke dass was im Folgenden über diesen Philosoph^ gesagt wird schon niedergeschrieben war che die in wesentliche Punkten damit zusammentreffende Abhandlung von Natorp erschitf CRhein. Mus. 1883 S. 28 ff).

£<ntwickelaDg der pyrrhonischen Skepsis. 65

sichern, da er, in einer für uns fireilich schwer verständlichen Weise, die dogmatische Lehre Heraklits mit der pyrrhoni- schen Skepsis verbunden haben sollte. Diesen Anspruch Ainesidem auf eine Sonderstellung innerhalb der Schule hat neuerdings Diels doxogr. S. 210 f. bestritten, indem er die Autorität des Sextos verwarf und als die einzige Quelle, aus der sich eine Kenntniss des echten Ainesidem schöpfen lasse, den bei Photios bibl. c 212 erhaltenen Auszug aus dessen IIv^QcivEiOL Xoyoi bezeichnete. Diese Ansicht von Diels ist sodann von Zeller (III 2' S. 35 fT.) gebilligt und weiter begründet worden. Hiernach hätte Sextos, indem er Ainesidem zu einem Herakliteer machte, dessen Darstellung missverstanden und was ein historischer Bericht sein sollte als ein dogmatisches Bekenntniss aufgefasst Ich setze Diels' eigeae Worte her: sicut eclectici ejus saeculi dogmaticorum omnium miram concordiam contendebant, ita Aenesidemus dubitationis semina per philosophorum continuationem inda- gavit et collecta proposuit. qua in re cum illos magis quam se loquentes faceret (cf. Sext dogm. I 129: rovxov ötj rov ^ilov Xoyov xad-' ^HQaxXsirov dt* dpajtvorjg öxaöavxEq vo^Qoi Yiv6fiBd-a)y eiTores infinites apud posteriores procreavit, qui explanatorem opinionum eundem patronum credebant. Wnc factum ut quem veteres resuscitasse Pyrrhonis sectam dicebant, eundem inconstantia absurda modo scepticum modo dogmaticum praesertim Heracliteum viri docti arbitrarentur. Hiernach wäre Heraklit von Ainesidem nur unter die Vor- läufer des Pyrrhonismus gerechnet worden und hätte daher

m einer Reihe mit Anderen gestanden, die als solche Dio- genes IX 72 f. nennt, mit den eleatischen Philosophen Xeno- phanes und Zenon, mit Empedokles Demokrit Hippokrates ^^^i Piaton. , Warum hat nichtsdestoweniger sich das Miss- ^erständniss des Sextos nur an Heraklit geknüpft? Warum ^^cht vielmehr an Demokrit, der doch unter den Vorläufern

Uirsel, Unter« ncbangen. Hl. 5

66

Die verschiedenen Formen des Skepticismus.

des Pyrrhonismus viel mehr hervorragt als Heraklit? ^) sind Fragen, die Diels hätte beantworten sollen. Noch aber muss man verlangen, dass wer Sextos eines so Missverständnisses beschuldigt, auch das berücksichtigt derselbe Pyrrh. I 210 über Ainesidemos sagt. Hiernach dieser die skeptische Richtung für den Weg zur hera sehen Philosophie erklärt (ol jibqI top AhfjölÖTjfiov L oöoi^ slvai TfjP öxsjcTixfiv dycoyi^if Ijti Tf/v ^HqoxXsI (piXoöoipiav), Von einem Missverständniss auf Seiten Sextos kann hier nicht die Rede sein: wollen wir dabo nicht auch zum Lügner machen, so müssen wir glauboi er Ainesidem sagen lässt. Hieraus scheint aber wcit< folgen, dass, wer die heraklitische Philosophie in eir enge Verbindung mit der Skepsis setzte, sich ihr aud zu einem gewissen Grade anschloss, also gerade das Zeller und Diels mit Bezug auf Ainesidem bestreiten, "i hätte deshalb da, wo er den Irrthum des Sextos zu erk sucht (S. 35 flf.), diese Worte nicht unberücksichtigt li dürfen. Berücksichtigt hat diese Worte allerdings ] Indem er nämlich davon spricht, dass nach Ainesidems sieht Heraklit die Luft als das Urelement hingestellt \

M Diess ergibt sich aus der Art wie der Skepticismos l bei Diog. a. a. 0. begründet wird. Die auf Demokrit bezOgl Worte lauton: JtifioxQiroq 61 rag noiorrixaq ixßakior, 7va tpt^al, i/.»r/(>ov, rofio) d^tQfwv, hreH 61 äiofia xa\ xspov xal ndXiv, *Ei ovötv lö/bifv' ^v ßv^(5 yuQ y clhiS^tifj. Bei ihm fand man also A< rungen, die das Wesentliche des Pyrrhonismus aussprachen S. 1 1 iX Um den Skepticismus Ileraklits zu begründen beriei sich dagegen, wenn wir wenigstens Diogenes glauben wollen, ni: folgenden Ausspruch: /u;) elxfj neQl twv fieylatwv av^ßalkto Ich erinnere ausserdem an die früheren Erörterungen über de Sprung des Pyrrhonismus und insbesondere daran, dass nach dei anfechtbaren Zeugniss seines Schülers Philon Pyrrhon keinen ] Bophen 80 viel im Munde führte als Demokrit cDiog. 67).

Entwickelong der pyrrhonischen Skepsis. 67

bemerkt er (S. 210): simul id elementmn proposuit (Ainesi- dem), unde üacillime extenuando et densendo perpetuam vi- cissitudinem Heraclito affingeret, quam scepticus homo in illo maxime suspiciebat. nam conjuncta est bis contrariorum concordia discors, quam Pyrrhoniis viam muniisse Aenesidemus perseveravit. Sext P. b. I 210. So auf- gefasst boren die Worte des Sextos freilieb auf ein Hinder- niss von Diels' Ansiebt zu sein; sie unterstützen dieselbe eher, insofern sie auszuspreeben scbeinen was diesQ voraus- setzt dass Ainesidem Heraklit unter die Vorläufer des Pyrrbonismus gereebnet babe. Nun legt aber diese Auffas- sung den Worten einen Sinn unter, der dem den sie wirk- licb entbalten gerade entgegengesetzt ist. Ainesidem bat nicbt gesagt, dass die beraklitiscbe Pbilosopbie der Skepsis die Babn gebrocben babe sondern umgekebrt dass die Skepsis der beraklitiscbon Pbilosopbie den Weg bereite.^) Welcher bedeutende Unterscbied aber zwischen beiden Ausdrucks- weisen besteht, liegt auf der Hand: der ersten konnte sich auch Jemand bedienen, der die Identität der Skepsis und des Heraklitismus leugnete, die zweite dagegen führt conse- quenter Weise dazu dass der Heraklitismus in die Skepsis eingeschlossen wird. Bis daher Sextos auch in dieser Be- ziehung eines Irrtbums überfuhrt worden ist, bat streng ge- nommen die Ansicht von Zeller und Diels auf Beachtung keinen weiteren Anspruch: denn mag es uns noch so räthsel- haft dünken, wie Ainesidem zugleich Pyrrhoneer und Hera- kliteer sein konnte, die Thatsache, dass er diese beiden

^) 210: ol 7t6Ql xbv AlvTjaldrjfiov ikeyov oöov slvai r^v axtnxi- »jjv tLyutyjiv inl rrjv ^H^axXeheiov (piXoao(plav, dioxi TCQoriyeTxai xov ^dvavxla tzbqI xo tetjxö vticcqxbiv x6 xdvavxla tisqI x6 avx6 tpalvea&ai ^^' 213: äxonov 6i iaxt xb xtjv fiaxofjiivijv dymyr^v böbv eivai X^- yf'v x^q aLQtafwq ixelvfjg § fiax^xai' äxonov aQa xb xyv axsnxix/jv ßywy/^y inl r/}v ^'Hgaxlelxeiov <ptkooo(plav vöbv elvat Xtyeiv.

b*

68 I^io verschiedenen Fonnen des Skepticismus.

philosophischen Richtungen zu verbinden suchte, lässt sid bis auf Weiteres nicht bestreiten. Viel geringer als diese Schwierigkeit, die sich gegen Diels' und Zellers Ansicht er- hebt, ist die andere welche sie durch ihre Hypothese zi beseitigen suchen. Sie finden es auffallend, dass, wo man erwarten sollte schlechtweg Ainesidem genannt zu sehen, in der Regel in umständlicher Weise Heraklit als seine Au- torität hinzugefügt wird {Alvrjöldrifiog xaxa ^HQoxXHxk ^TjOLv), „Wozu, fragt Zcller, diese in ihrer ständigen Wieder- holung seltsame Ausdrucksweise, wenn Aenesidemos alle jene Dinge in eigenem Namen und nicht bloss in der Darstellimj fremder Ansichten vorgetragen hatte?" Aber ständig, wie Zeller behauptet, ist diese Wiederholung nicht. Auch bei Sext. dogm. IV 38 wird Ainesidem eine dogmatische Bestim- mung^) zugeschrieben, ohne dass dabei seine Uebereinstim- mung mit Heraklit bemerkt würde.*) Und allerdings ist diese Bestimmung eine, die nicht von Heraklit sondern vor den Stoikern herrührt (Zellcr HI 2 S. 32, 3). Wenn nur Ainesidem an seiner Uebereinstimmung mit Heraklit etwas gelegen war, warum soll er sie nicht überall da, wo sie wirklich stattfand, ausdrücklich hervorgehoben haben? Ii diesem Falle würde sich der wiederholte Zusatz xad-^ ^Hga xXttrov in den Berichten über seine Lehre ganz gut erklären Aber Zeller sagt S. 36: „Wir können wenigstens in einen Falle nachweisen, dass Sextos das, was er zuerst, allen An zeichen nach aus Aenesidemos, als Heraklits Lehre mitge theilt hat, nachher seinem skeptischen Vorgänger selbe

^) Dass Sextos eine dogmatische Bestimmung darin sah, foli daraus dass er gegen sie polomisirt, vgl. bes. 44.

*) Ol öh n?.siovg, ^v oiq tial xal ol neQl rov AlvtialÖr^fxov, öttt^ Tiva xaxa to dviotaxo) xlvr^atv anoXelnovat, filav jnhv rr/v /letaßkft Ttx/jv, dtvTi()(iv 6h z/jv fitraßartx/jv, wr fjtezaß/.rjttxri fiiv ^axt xiv^t oiq xtL

Entwickelung der pyrrhonischen Skepsis. 69

zuschreibt." Bei Soxtos lesen wir nämlich adv. dogm. II 8: ol (UV yaQ J€£qI tov Alvrjoldruiov Xiyovöl xiva tdiv q>aivo- uivmv diag>OQdv, xal (paöl xovrcov xa fitv xotpöjg jtäöi (palviO&ai xa 6e lölcog xivl, mv aXrjd^] fiev tlvai xa xoivojq xm (paLv6(ieva tpevöfj 6e xa pi xoiavxa' od^ev xal dXtj&iq qiQmvvfKog slgfjö&ai xo fiTj Xfj&ov xijv xoiv^v yvoififjv, Dass Ainesidem die ihm hier zugeschiiebene Ansicht im Anschlnss an Horaklit geäussert hatte, sagt Sextos ausdrück- lich in den vorangehenden Worten.^) Und so wird denn auch wirklich, worauf Zeller hinweist, von Sextos adv. dogm. 1 129 S, dieselbe Ansicht unter denen Heraklits aufgeführt.*) An sich beweist diess natürlich noch nicht, dass dieselbe Ansicht nicht auch Ainesidem sich zu eigen gemacht und als seine eigene, aber unter Berufung auf Heraklit, vorge- tragen haben könne. Etwas auffallender würde es sein, wenn die frühere Stelle des Sextos, wie Diels imter Zustim- mung von Zeller meint, ebenfalls von Ainesidem entlehnt wäre. In diesem Falle müssten wir annehmen, dass Aine- sidem das eine Mal über dieselbe Ansicht wie über eine fremde berichtet, das andere Mal sie als seine eigene wemi auch unter Nennung ihres Urhebers vorgetragen hätte. Mag

*) Ol dh TifQl TOV AlvtjalSrjfjiov xa&' ^HgaxXeixov xal tov *Enl- xnv(i(fv inl xa alaO^rjta xoivwg xttrevfx^^vrfg ^v eTdei dt^ozt^aav. Wew Worte hat Zeller übersehen, wenn er S. 36, 2 sagt, Sextos lege <lie betreffende Ansicht Ainesidem bei ohne Heraklit zu nennen. Ucbrigens könnte man, wenn man die enge Zusammengehörigkeit der beiden von tisqI abhängigen Accusative tby AlvTfalSrjfwv und tov E?[ixovQov bedenkt, auf den Gedanken kommen, dass das dazwischen geschobene xa9^' "^HQdxkeixov als ein die Gonstruction störender Zu- Wz zu tilgen sei.

') Besonders hervorzuheben sind folgende Worte: xovxov de xov xotvov )joyov . . . XQiTtJQiov dXfjS'sla^ (prjalv b '^HQaxXeixoq, oB-ev xb ^"^ xoiv^ näoi (paivofievov rovr' fivat iiiorov . . . xb 6s xtvl fjLovio '^Qooninxov aniaxov vnd^eiv.

70 Die Ter schied enen Formen des Skepticismns.

diess immerhin zunächst auffallend scheinen, so erweist es sich doch bei näherer Betrachtung keineswegs als unmöglicL Denn je nach dem Zusammenhang konnte diese Ansicht in verschiedener Weise vorgetragen werden, und Ainesidem konnte innerhalb einer rein historischen Darstellung, die nur über die Ansichten der Früheren berichten wollte, dieselbe Ansicht ohne ein Wort der Zustimmung Heraklit beilegen, die er anderwärts, wo es sich um die Darlegung der eigenen Ueberzeugung handelte, offen für seine eigene erklärte. Aber wie steht es denn überhaupt damit, dass die frühere Stelle des Sextos von Ainesidem genommen sein soll? Es ist nöthig dieselbe ganz herzusetzen: tovtov ötj top d'Slop Xoyov xad-* ^HQdxXsiTor dt" dvajtvorjg öjtdöavreg ijobqoX yi^ofied-a xal Iv fiBv vjtvoig X-qd-aloi xaxd 61 eyeQöiv xdXiv IfKpQoi^Bq' Iv ycLQ xolq vjtvoig fivöctvTmv t(dv alöBifpcvxmv jtoQcov j^copf- ^erai rfjg JtQog xo jtBQi^x^v övfi^vtag 6 Iv 7]fitv t*ovg fiopfig xrig xaxd dvaxvofpf JtQOöq>vöea)g öfp^ofiii^g olovsl rivog QlC^r/g, ;^cö()4ö^£/e xs dxoßdXXu ^v jcqoxbqov sIxb [ivr/fiOPiXTpf övvafiiv iv 6e lyQtffOQoCi jrdXiv 6id xmv alöB^ixcov jcoqcop äöJtSQ öid xivcov d-VQlöcov jtQoxxnpag xal xm ütEQiixovxi 6v(ißaX(DV Xoycxrjv kvövexai övvafiiv, ovjisq ovv xqoxov ol dt^d^Qaxeg jtXfjöidöavxeg ro5 jcvqI xcrr' dXXolcoöiv öidjtvQoi ylvovxai x<oQicd^tvxeg de ößivvvvxac, ovxo} xal ry Ijti^tvtxh d^elöa xolg f/fisxtQoig ödfiaöiv djto xov JtSQi^x^vxog (iolQa xaxd fiev xov ;fCö()£(j//or dXoyog yhexai xaxd 6e xrjv 6id xmv jcXdöxa)v jtoQov övfig>vöiv ofioeidrig xcp oXo) xa^löxaxaL Hierzu bemerkt Diels: Aonesidemo haec deberi eo maxime intellegitur, quod xo jtSQiexov (ab Heraclito eadem obscuri- tate qua ab Anaxagora fr. 2 dictum) quasi xov jtsQiixovta [sc. dtga'] vulgari consuetudine dixisset, explicavit. nam aera in istius commentario intellegendum esse patet. Da sich nun weiter aus den von Diels beigebrachten Stellen ergibt, dass die Ansicht, wonach die Seele aus Luft (d/fi) besteht, von

Entwickelang der pyrrhonischen Skepsis. 71

Aüiesidem Heraklit zngoschrieben wurde, so schien zu folgen, class auch die angeführten Worte auf Ainesidcm zurückgehen müsstcn. Offenbar ist aber dieser Schluss nur dann bündig, wenn feststeht, dass Niemand sonst Heraklit diese Ansicht zugeschrieben hatte. Nun findet Diels selber in dieser Dar- stellung stoische Einflüsse, indem er die Worte öi^ avajcvo^g öxdoavTtg auf die stoische Auffassung der Seele als eines axoCJcaCfia rfjq rot jcavrog ipvx^jg bezieht. Könnte also dieser stoische Einfluss sich nicht auch in der Auffassung der Seele und des Weltprincips als Luft geäussert haben? Undenkbar ist diess durchaus nicht, wenn wir uns erinnern, dxLSS die Stoiker das Princip der Natur nach dem Vorgange Heraklits bestimmten. Wenn sie daher dasselbe gelegentlich ebenfalls als «//p bezeichneten,^) so sollte man meinen, diess setze eine eben solche Auslegung der heraklitischen Lehre voraus wie sie, wenn wir Diels folgen wollten, allein Aine- sidem gegeben haben würde. Die Möglichkeit ist hiernach nicht ausgeschlossen, dass der Heraklit betreffende Bericht des Sextos aus einer stoischen Quelle geflossen ist; denn dass auf seine Darstellimg nicht bloss Skeptiker sondern direct oder indirect auch Philosophen anderer Richtungen eingewirkt haben, zeigt die Art wie bei ihm Poseidonios und Antiochos erwähnt werden.

Ich habe bisher Diels' Annahme gelton lassen, dass in den Worten des Sextos die Luft als das Princip Heraklits bezeichnet werde. Diese Annahme hält aber bei einer

*) So gibt Philodemos tibqI fvoeß. c. 13 S. SOG (bei Diels &. 546 f ) Folgendes als Lehre Chrysipps: xal Jla fisv elvai rov tibqI rtjv yrjv ÜQa, tbv 6h axoxfivbv 'Äiöriv, xbv 6h 6ia rfjq yrjq xal ^aXatifig Üo- aet6w. Bei Stob. ecl. I 374 lesen wir: XQvotnnog 61: rotovtov xi 6iS' (ifßatovxo' elvai xb ov nvsvfxa xivovv havvb uQoq havxb xal i^ avxov, fj nvevfjia kavxb xivovv ngoocj xal Sniaw nvevjna 6h eiXrjnxai 6iä xb kbyead-at avxb di^a elvai xivovfisvov.

72 l^ie verschiedenen Fonnen des Skepticismas.

näheren Betrachtung nicht Stich. Sie kann sich nii: darauf gründen, dass nach Sextos das Athemholen de: Weg ist auf dem wir zu einem Anthcil am göttlichei Princip gelangen (dt* avojcvotjq öjcdöavrsg und rijg xccvt dvojtvo^v jtQOöq)vöecog). Dieser Grund genügt aber nicht Denn daraus folgt doch noch nicht, dass die eingeathmet< Luft imd das göttliche Princip identisch sind; yielmelu kann die Luft auch als das Vehikel gedacht werden, durcl das uns ein Theil des Princips zugeführt wird. Dass mai die Worte so auflfassen könne, ergibt sich am einfach- sten daraus, dass Zeller sie wirklich so aufgefasst bat, ds er. unter Berufung auf Sextos' Worte Heraklits Lehre sc darstellt (I 644^): „ihr (der Seele) Feuer ist nicht allein von aussen her in den Leib gekommen, sondern es muss sich auch von dem Feuer ausser ihr nähren, um sich zu erhalten; eine Annahme, die schon^ durch den Athmungs- process nahe gelegt war, wenn man einmal die Seele der Lebensluft gleichsetzte. Heraklit nahm daher an, dass die Vernunft oder der Wärmestoff aus der Atmo- sphäre theils durch den Athem theils durch die Sinneswerkzeuge in uns eintrete." Hiernach würden Sextos' Worte im wesentlichen das aussprechen was wii berechtigt sind für die wirkliche Lehre Heraklits zu halten und keineswegs bloss diejenige Form derselben wiedergeben die sie nach der Auffassung Ainesidems hatte. ^) In diesei Meinung braucht uns auch das Wort jibquxov nicht zu stören, das Diels hier in einer eigonthümlichen, Ainesidem charakterisirenden Weise gebraucht findet. Wenn indessen einmal nachgewiesen ist, dass Sextos' Worte nicht die An- sicht voraussetzen, Heraklits Princip sei die Luft schlechthir gewesen, so ist auch nicht mehr noth wendig, dass das um

') Vgl. über diese Lehre Heraklits auch noch Schuster S. 161 £

Entwickelung der pyrrhonischen Skepsis. 73

f Umgebende, woraus wir dieses Princip durch Athmeu schöpfen, die Luft sei. Das Wort jceQiixov könnte daher wohl in einer weiteren Bedeutung genommen werden, in der es ausser

Ider Luft auch das feurige Element begreift. Trotzdem sehe ich nicht ein, warum wir es in dieser Bedeutung nehmen und nicht, wie Zeller (I 645, 1) und Schuster (160, 1) gethan haben, darunter die Atmosphäre verstehen sollen. Mit Hera- Hits Lehre verträgt sich diess vollkommen. Und dass jcbqI' (lov, ursprünglich das Umfassende überhaupt, auf die Luft übertragen worden ist, hat seine Analogie in x«^«, das eigentlich den weiten alles befassenden Raum bezeichnet (Sext Pyrrh. III 121, dogm. IV 11, Curtius Grundz. d. EtymoL S. 178*), dann aber gleichfalls von der Luft ge- braucht wurde (Ibykos fr. 28 und dazu Bergk). ^) Es ist also nicht nothwendig den Bericht des Sextos über Heraklit auf Ainesidem zurückzuführen. Bestimmte Gründe sprechen ausserdem dagegen. Diels lässt uns im Unklaren, welches nach seiner Ansicht der Zweck war den Ainesidem bei der Darstellung der älteren Philosophie verfolgte. Das eine Mal sagt er, seine Absicht sei gewesen die Keime des Skepticismus bei den früheren Philosophen nachzuweisen (S. 210: sicut eclectici ejus saeculi dogmaticorum omnium miram concordiam contendebant, ita Aenesidemus dubitati- onis semina per philosophorum continuationem indagavit et

^) Unter diesem Gesichtspunkt fällt ein neues Licht auf Anaxi- menes* Yerhältniss zu Anaximander. Denn das aneigov Anaximanders ist meines Erachtens nichts als der unendliche Raum, also eine Ueber- setzong des volksthümlichen oder dichterischen /ao(? in eine neue Terminologie (wie nahe die Begriffe des xaoq und aneigov einander Terwandt sind, sieht man aus Marc. Aurel lY 3: xo x^^Q ^^ ^^' kxdzBQov äntlgov aluivog und 10, an welcher letzteren Stelle dx«vhg and anEtQov Synonyme sind). Und dieses aneiQov wurde ?on Anaxi- menes näher als die Luft bestimmt.

74 I^ie yerschiedeDen Formen des SkepticismoB.

Gollecta proposuit), das andere Mal, Ainesidem habe de Streit der verschiedenen Philosophen dadurch ans Lid stellen und diesen als Grund des Skepticismus benutze wollen (S. 211: Aeuesidemus dubitandi causam ex philosc phorum pugna petivit velut Clitomachus in Ciceronis Lucul quem vituperat propterea Sextus adv. math. IX 1 p. 391, 25B Dass Ainesidem mit einer und derselben Darstellung dies« doppelten Zweck verfolgt habe, ist schwer denkbar. Ab zugegeben die Möglichkeit, so ist es nach dem, was v über die Methode der Skeptiker Sicheres wissen, nicht wah scheinlich. Denn wir sehen nur, dass sie das eine oder d andere Verfahren, aber nicht» dass sie beide zugleich ei schlugen. So macht sich Sextos zwar den Widerspruch d Philosophen zu Nutze,^) leugnet aber den von Anderen b haupteten Zusammenhang des Pyrrhonismus mit irgend em anderen Philosophie.*) Und was die Pyrrhoneer betril die nach Diogenes 71 flf. den Anfängen ihrer Sekte bis a Homer nachgingen, so ist est allerdings wahrscheinlich, äs sie auch der zehn oder fünf Tropen sich bedient haben, unl denen der Streit der Philosophen nicht fehlte;*) aber gera die Hauptsache ist zweifelhaft, ob sie auf die Widersprüc zwischen solchen Philosophen hinwiesen die sie vielleic eben noch wie z. B. Heraklit und Demokrit als Vorläul Pyrrhons hingestellt hatten.*) Doch kümmert uns hier die

*) Vgl. z. B. dogm. I 46 ff., bes. 46: dxoXovB^ofg xal tt/v yfi fievTjv xolq doy/xatixoTg (piXoaotpoig öidaxaaiv nsQl xov xqittjqIov d nwfjiEv, und 261 : ndarjq öh <j/f ctor rr/? n^Ql xqixjiqIov öiaipiovUtq t oipiv xstfihnjg.

•) Vgl. was er Pyrrh. I 210 ff. über das Verb&ltnisa Herakli Demokrits u. s. w. zum Pyrrhonismus bemerkt.

•) Dlog. 83. 88.

*) Das Verfahren, wonach man den Anfängen des Skepticiso bei den früheren Philosophen nachspürte, scheint das ältere zu sc

Kntwickelung der pyrrhonischen Skepsis. 75

Frage nicht, sondom die andere, ob in dem auf Ainesidem zariickgefiihrten Abschnitt die eine oder andere Tendenz hervortritt. Beides muss verneint werden. Denn ein Abschnitt der den Nachweis ^u führen sucht dass Heraklit den Xoyog als das Kriterion der Wahrheit betrachtet habe,^) kann nicht die Absicht gehabt haben ihn als einen Vorläufer Pyrrhons erscheinen zu lassen.*) Ebenso wenig aber ist die

das schon Pyrrhon angebahnt hatte, wenn er sich mit Vorliebe auf Homer and Demokrit berief (Diog. 67). Dieses Verfahren hatte, wie dorcli Sextos Pyrrh. I 210 wahrscheinlich wird, auch Ainesidem be- folgt Die Anwendung des andern ist wohl, nach Sextos dogm. lU 1 zu schliessen, eine der Wirkungen, die der Vorgang der akademischen Schule auf den Pyrrhonismus äusserte.

') Gleich die Anfangsworte (126) lauten: o 6h ^HQaxXsitog, inel ^ahv iöoxsL Svalv wpyaywaS'ai b avd-Qotnoq UQoq r^v xrjq dlrjO^elag yväatv, ala^asi xe xal Xöytp, rovtwv ttjv fikv aiad^rjoiv nagauXri- oitoq Totg TiQoeiQrjfjiivoig (pvaixoTg aniaxov slvai vevofiixev, xov de ^oyov vnoxld^exai x^ixiJQiov. 127: xov de koyov xQiXf^v xrjg ^^^(lag dnotpalvexai. 131. 134.

^ Wäre diess die Absicht gewesen, dann würde er sich doch ^lüirscheinlich auf denselben Satz Heraklits berufen haben, den Diogenes 73 zu diesem Zweck anführt: firi sixij negl xwv fisylaxcjv ^^'ßßaXXcifxed'a. Diess ist der einzige Satz, den Diogenes für den Skepticismus Heraklits geltend zu machen weiss. Beide Darstellun- gen i die des Diogenes und die des Sextos, berühren sich also, we- ^gstens was Heraklit betrifft, in keiner Weise mit einander, und das ^&re doch kaum zu erklären, wenn beide Darstellungen aus derselben Schale hervorgegangen wären und denselben Zweck verfolgt hätten, ^och ein umstand verdient ausserdem Beachtung. Sowohl Diogenes i^i) als Sextos (128) bezieben sich auf denselben Vers des Archilochos:

xoLog dvd-Qwnoiai Svfiog, Fkavxs AsTCxlvew ndi, ylyvsxai ^vrjxoig bxolrjv Zevg in^ tj/xiQrjv dyei.

^ber beide benutzen ihn in ganz verschiedenem Sinne. Sextos will ''^mit bestätigen, dass auch die menschliche Vernunft nur ein Aus- ^^^ der göttlichen ausser uns ist, Diogenes, dass die Meinungen der ^^uschen nicht gleich bleiben sondern beständigem Wechsel unter-

76 Die verschiedeneD Formen des Skepticismns.

Absicht erkennbar die dogmatischen Philosophien, ind( man sie mit einander in Streit bringt, eine durch die andc zu vernichten. Das über Heraklit Gesagte gehört dem A schnitt an, in dem Sextos eine Geschichte der Erkcnntiiii theorie bei den Naturphilosophen von Thaies bis auf Plat (89 141) gibt. So verschieden nun die hierbei zur Sprac kommenden Theorien sind, so hat doch Sextos diese Gelege heit die sich ihm bot den Streit der Philosophen zur A schauung zu bringen nicht benutzt sondern ist im Gegenth bemüht das allen diesen verschiedenen Philosophen Gemei same hervorzuheben. Denn die Betrachtung jedes einzeln Philosophen läuft schliesslich auf den Nachweis hinaus, di auch er ebenso wie die Uebrigen den Xoyog als das Kriteri anerkannt habe.*) Das Verfahren stellt also vielmehr el

worfen sind. Derselbe Vers ist also für Sextos Grund Archiloc! eine bestimmte dogmatische Ansiebt zuzuschreiben, für Diogenes zu einem Skeptiker zu machen.

') Dass dioss das eigentliche Thema dos ganzen Abschnittes wird uns schon zu Anfang desselben gesagt 89: xatayrovzeg yaQ dnb ßdkeo) (pvaixot) xrlq alad^aewg iv no?2oig atg dnlaxov, xbv yov xQixriv xtjq iv xoTg ovaiv dlfjd-elag ^ntaxtjaav d(f-^ ov oQfjuofii tcbqI xe dQXÖfv xal oxoixflwv xal xwv dkXwv Siexdoaovxo, wv ^ xdXijtptg dia xt/g xovxov 6vvd(iemg nfQiylvtxai. Dass es dem V fasser dos Abschnittes allein darum zu thun ist den loyog als von Allen anerkannte Kriterien nachzuweisen, zeigt sich besond deutlich in einzelnen Fällen. So erwähnt er in der Besprecht der demokritischen Lehre zuerst Aeusserungen des Philosophen, denen der Skeptiker hervorscheint (137 : xal 6ri tv /xhv xovxoig näi a^BÖüv xivtt xaxd^TUpiv, el xal fiovtov i^atQhiog xa^dnxtxai i ata&rjasatv); fügt dann aber andere hinzu, auf Grund deren er s zu folgendem Schlüsse berechtigt hält (139): ovxovv xal xaxa xov (Demokrit) b Xoyog iaxl xqixiiqiov, ov yprjalrjv yvtü/xrjv xaXfT. Off bar tendenziös ist femer die Auslegung der Lehre des Xenophan denn nur, wenn er um jeden Preis auch hier den Xoyog wiederfini wollte, konnte er darauf verfallen in Ermangelung eines andei wenigstens einen öo^aazög koyog anzunehmen (110: alaxe xqixijq

Entwickelung der pyrrhonischen Skepsis. 77

Concordanz der verschiedenen Philosophien her und ist weit davon entfernt die Widersprüche derselben in ein helleres Licht zu setzen. Dass das Letztere von Sextos selber als der Zweck der ganzen historischen Darstellung bezeichnet werde (S. 74, 1), darf man hiergegen nicht geltend machen. Denn für den angegebenen Zweck konnte Sextos den betref- fenden auf die Naturphilosophen bezüglichen Abschnitt immer noch benutzen, wenn er die Naturphilosophen als Vertreter einer nur den Logos anerkennenden Theorie Anderen gegen- überstellte, die entweder die Sinnesempfindung allein (191 ff.) oder doch neben dem Logos (217) als Kriterion hinstellten. Hätte er aber seibor die fragliche Darstellung für den an- gegebenen Zweck angefertigt, dann würde er aller Wahr- scheinhchkeit nach die Verschiedenheiten, die schon zwischen den alten Naturphilosophen in der Erkenntnisstheorie be- f'tanden, viel stärker hervorgehoben und betont haben, dass dieselben das Uebereinstimmende in den Ansichten über- wiegen. So wie die Sache jetzt liegt, ist daher die Annahme gerechtfertigt, dass der die Naturphilosophen behandelnde Abschnitt einem anderen Philosophen entnommen ist der ein

yivfc^ai xara tovtov tov öo^aotbv Xoyov, rowiari tov tov elxoxoq ^'*^a firj TOV TOV nayiov i^ofierov). Charakteristisch ist endlich wohl >Qch die Behandlung des Empedokles (115 ff.)- ^i^^^ unterscheidet er zwei thatsächlich her?orgetretene Auffassungen der Lehre desselben, ^e eme wonach er sechs Kriterien, die andere wonach er als solches <Jen loyog anerkannt habe. Dass er der zweiton Auffassung den Vor- ^g gibt, kann man schon darum vermuthen, weil er sie eben an zweiter Stelle anführt. Ausserdem aber trägt er sie mit grösserer Bestimmtheit vor {Xeyei 123, öiaaatpel und nagloxriai 124) und hat Bie mit reicherem Beweismaterial aus den Schriften des Philosophen versehen, während die Vertreter der ersten ol anXovaxEQov öoxovvxeq ^'tov l^riyelo^ai (115) genannt werden und sie selber durch boixe U20: xoiavrriq S* ovarig naQu TOig itQoysveaz^Qoiq öo^rjq, eotxe xal '^ Efi7ifdox)Jiq TavTtj ovfi7if^i<pt(jto&at) als zweifelhaft bezeichnet zu werden scheint.

78

Die yerschiedenen Fonnen des Skepticismus.

Interesse daran hatte seine eigene Ansicht über die B tung des Logos schon bei den Aelteren wiederzuf Dass derselbe kein Skeptiker gewesen sein kann, liegt in dem Gesagten. Es tritt diess ausserdem schlage] der Auffassung des Xenophanes hervor, die wir 110 fi SsvoqxxvTjg de xava rovg mg hrtQODg avrov h§rf/ovni oxav Xey^

xal t6 fihv ovv öaq)hg ov xig dv?]Q Xöbv, ovöi rig elöcog ä^Kpl d^s(ov re xal aööa Xeyco jcbqX jtavxmv al yaQ xal [idXicfta rvxoi rereXsöfievov ehtoiv^ avTog Ofimg ovx olds, öoxog 6^ ijcl jcäöi zirvxrcu,

q)alvBxat firj jcäöav xaraXrjtpiv dvaiQSlv dXXa ttjv h fdovixTjV TS xal ddiajircorov, djtokeljtsiv öh ttjv öo^a rovTO yaQ l(iq>alvBL to „öoxog rf' im jtäöi rirvxrai". xQLXTjQiov ylveö^ai xaxa xovxov xov do^aöxov Xoyov, eöxc xov xov elxoxog dXXd fitj xov xov jcaylov 1x6^ Diese Auffassung des Xenophanes war, wie uns Sextos sagt, nicht die allgemeine; die andere, welche er dal Sinne hat, findet sich 49: mv Ssvoipdvrjg fihv xaxd elnmv jtdvxa dxaxdXrjjcxa ijcl xavxrjg Icxl xF^g q>0Qc oig yQdq>ei

xal xo fitv ovv öag)lg ov xig dvijQ lösv xxX.

Nach dieser Auffassung war Xenophauäs ein Skej Wären wir also vor die Wahl gestellt, ob wir die eim die andere Auffassung Ainesidem zutrauen wollen, so kc wir uns nur für die zweite entscheiden, zumal da Diogei ausdrücklich sagt, dass die Pyrrhoneer den Stifter der tischen Schule unter die Vorläufer der Skepsis rech und diess mit denselben Versen begründet. Dass aber sidem über den Sinn dieser Verse habe im Zweifei können und es deshalb für zweckmässig gehalten habe Auffassungen zu erwähnen, lässt sich nicht annehme:

Entwickelang der pyrrhonischen Skepsis. 79

die zuerst erwähnte eine überaus geschraubte ist und nur aus dem Bestreben die Logoslehre um jeden Preis auch bei Xenophanes wieder zu finden* erklärt werden kann.*) Wir werden also die ganze die älteren Philosophen betreffende Darstellung nicht auf Ainesidem sondern auf einen dogma- tischen Philosophen zurückführen.^) Insbesondere ist dieser dogmatische Charakter dem uns hier zunächst interessirenden Abschnitt über Heraklit aufgeprägt, ein Umstand, der deut- lich hervortritt, wenn man den parallelen Bericht Ainesidems vergleicht.

In diesem Bericht*) werden die Allen gemeinsamen Vorstellungen als wahr bezeichnet, die nur bei Einzelnen geltenden als falsch.^) Dicss hat man offenbar verstanden als ob Ainesidem unter wahr das gemeint hätte was mit der Wirklichkeit übereinstimmt.^) Denn nur in diesem Falle

') Hiermit Hesse sich wohl vereinigen, dass Ainesidem den Xenophanes unter die Dogmatiker rechnete, d. h. ihn nicht als voll- kommenen Skeptiker gelten Hess. Denn auch ein Dogmatiker konnte einzebe skeptische Aeusserungen gethan haben, wie sie in den an- geführten Versen des Xenophanes enthalten sind, und auf Grund der- selben den Vorläufern der späteren reineren Skepsis beigezählt wer- den. Ich bemerke diess deshalb, weU es möglich ist, dass bei Sextos Pyrrh. I 222 £f. ausser dem Urtheil über Piaton auch das damit ver- flochtene aber Xenophanes auf Ainesidem oder Menodotos zurück- geht. Dieses Urtheil lautet dahin, dass Xenophanes Dogmatiker war. Was aber zu bemerken ist, die Art wie dieses Urtheil abgefasst ist schliesst den Gedanken ein, dass Xenophanes um vieler Aeusserungen,

«

ja um der meisten willen würdig war ein Skeptiker zu heissen.

*) Vgl. darüber noch Ezcurs I.

*) Denn ein solcher ist es nach dem jetzigen Text. S. indessen S. 69, 1.

*) <l>etal {ol tibqI xov AivtjalSrjfiov) ta /xhv xoivdig näoi tpalvh- oBm, ra Öh i6ia)i; tivf, wv dXri^ /xhv elvat ta xotvwg näai <patv6- Una ipfvStj 68 ta fifj rotavra.

'^) Die richtige Auffassung bei Natorp Rhein. Mus. 1883 S. 5G ff.

80 I^ic yerschiedenen Formen des Skepticismus.

kommt in den Worten ein dogmatischer Standpunkt zum Vorschein d. h. einer auf dem Ainesidem notorisch xücht gestanden hat. Ob aber Ainesidem das Wort „wahr** wirk- lich in dem angegebenen Sinne verstanden wissen wollte, wird durch das bei Sextos Folgende sehr zweifelhaft. Denn ausser dem dass Ainesidem nur den bei Allen geltenden Vorstellungen (ja xoiv(Dg jtäöt q)air6fieva) Wahrheit bei- mass, Epikur allen durch die Sinne uns zugeführten (ra alödTjrd), stellt sich zwischen beiden auch noch der Unter- schied heraus dass Ainesidem jene Vorstellungen nur als wahre {dkrjd^i) bezeichnet, Epikur zugleich als solche, denen etwas Wirkliches entspricht {aXtid-rj xal ovra).^) Und zwar ist diess keine bloss zufällige Verschiedenheit des Ausdrucks sondern eine von Sextos mit gutem Bedacht gewählte. Sonst würde er es nicht fiir nöthig gehalten haben die Verbindung dXr/d^fj xal ovra zu rechtfertigen mit den Worten ov öirj- veyxe yccg dX7]0'hg elvai xi XiyEiv jj vjtdgxov. Auch die Form dieser Rechtfertigung ist bemerkenswerth: Sextos sagt nicht, es ist gloichgiltig ob ich etwas wahr oder wirklich nenne, sondern, es war gleichgiltig, und scheint dadurch an- zudeuten, dass diese Rechtfertigung nicht allgemein sondern zunächst nur für Epikur gilt. Wir sind deshalb nicht be- rechtigt diese Rechtfertigung ohne Weiteres auch auf Aine- sidem zu erstrecken und nach Maassgabe derselben anzo- nehmen, dass auch Ainesidem, wenn er von wahren Vor- stellungen sprach, darunter solche verstand denen etwas

*) *0 Sh ^EnlxovQoq xa /xhv ctlad^fjza navta iXeyev äkn^ x«^ ovza. ov dttjveyxe yaQ äXrid'lq flval xi k^ystv r/ vTta^x^v ^v^ev X«* vnoyQaifmv xakrjO-hg xal ipevöog „fcrr/" (prjaiv ,jdltj&hq x6 ovrotg ^X^^ (hg Xiysxai t^^'*'"- ^'/*' ^^ afaO^rjaiv dvttktinxixrjv ovactv xmv vTtO' nmxovxwv avxj, xal fif}xf dipaiQovaav xi (ir)xB TCQoaxt^Blcccv (M^^^ fisxaxiB'eTaav x(5 aXoyov flvat, 6ia navxoq xf- dXjjS^eveiv xal ovxom ^^ ov Xajütßdvtiv dtq tl^B (fvaewg oiVo ixelvo.

Entwickelung der pyrrhonischcn Skepsis. 81

Wirkliches entspricht^) Freilich wird man fragen: wenn Ainesidem unter einer wahren Vorstellung nicht eine solche Yerstand, der die Wirklichkeit entspricht, was vorstand er dann darunter? Sextos' Worte geben hierauf die Antwort. Wenn er Ainesidem behaupten lässt, wahre Vorstellungen seien die welche bei Allen gelten, so kann diess zweierlei bedeuten, entweder dass wir aus der Allgemeinheit einer Vorstellung auf ihre Wahrheit schliessen oder dass der Be- griff der Allgemeinheit einer Vorstellung mit dem ihrer Wahrheit identisch ist. Die erste Auffassung ist die ge- wöhnliche; ja man wird die zweite vielleicht für widersinnig erklären, da es Niemandem einfallen könne zwei so offenbar verschiedene Begriffe wie die der Allgemeinheit und der Wahrheit mit einander zu identificiren. Nur Eines spricht für die zweite Auffassung, und das ist, dass nur mit ihrer Hilfe der Skepticismus Ainesidems gerettet werden kann: denn wenn das Wesen der wahren Vorstellung in dem der Allen gemeinsamen Vorstellung aufgeht, so sage ich damit, dass ich eine Vorstellung wahr nenne, noch nichts über deren Verhältniss zur Wirklichkeit aus und daher auch nichts wodurch ich die MögUchkeit eines Erkennens oder Wissens einräume. Und dass Ainesidemos selber seine Behauptung in diesem zweiten Sinne aufgefasst wissen wollte, wird durch die Etymologie des Wortes dkrjO-ig, womit er dieselbe zu stützen suchte, mindestens wahrscheinlich: öO^ev xal aXfjß^tg ^iQCDVvfiax; dQ^rjO&ai ro fi?] Xijd^ov rr/v xotvrjV yvcifitiv. Denn eine solche Berufung auf die Etymologie setzt voraus, dass in derselben das Wesen der durch das Wort bezeich-

') Dass wer so wie Sextos thut Ainesidem und Epikur zusam- menstellt nicht nothwendig den Ersteren für einen Dogmatiker ge- '^alten haben muss, ergibt sich auch aus Diog. IX 106: botiv ovv ^QtTfjQtov xarä rovg axemixovg <patv6fisvov, (itg xal Aiveai6f]fi6q f^oiy ovVctf 6h xal 'EnixovQOQ.

Hirxel, üntennchnngen. UI. 6

82 1^16 verschiedenen Formen des Skepticismus.

neten Sache zum Vorschein kommt; dieser Voraussetzung würde aber die von Ainesidemos aufgestellte Etymologie nur unvollkommen entsprechen, wenn die Eigenschaft eine Allen gemeinsame Vorstellung zu sein nur eine der Conse- quenzen des Wahren, nicht dessen inneres Wesen selber wäre.^) Blicken wir nun, nachdem wir Ainesidems Ansicht oder vielmehr Heraklits Ansicht wie sie sich Ainesidem vorstellte schärfer, als von Anderen geschehen war, gefasst haben, auf den über Heraklit im ersten Buche gegebenen Bericht zurück. Hier lesen wir 131: tovtov 6r} top xoivov Xoyov xal d-tlov, xal ov xaxa fieroxfjP yivo^ed^a Xoyixol^ XQiTf'iQiov dhjd^Elag q)r]ölv 6 ^HQccxksLTog' od-tv ro fiev xoivi jtäoi (fatvofisvor, rovz slvai jtiörov (reo xotvm yaQ xdi ^81(0 Xoyo) XafißdvtTai), ro dt rivt fiotm jcQoOJtljtrov ojrt« öTOP vjtaQXttv ÖLct Tf]V Ivamlap alrlap. Wer so sich aus- drückt, dem gilt der Umstand dass eine Vorstellung Allet gemeinsam ist wohl als ein Symptom aber nicht als Wesen der Wahrheit. Er nennt was besonders charakteristisd: für ihn ist eine Allen gemeinsame Voi*stellung eine zuver- lässige (jtiöTOp) d. h. er gibt zu dass sie uns über eii Wirkliches Auskunft gibt. Diese Ansicht hätte freilich Aine- sidem nicht vertreten können, wenn er sich nicht als Skep- tiker der gröbsten Inconsequenz hätte schuldig machei wollen. So ergibt sich von dieser Seite dass wir was späte) als Ainesidems Ansicht erscheint nicht zusammenwerfei dürfen mit dem was hier als Heraklits Lehre berichtet wird

^) Auch andere Skeptiker Hessen eine Wahrheit gelten an« meinten damit nicht etwas das objectiv den Werth einer solchen be sitzt sondern nur was subjectiv d. h. für die Menschen diese Beden tung hat Nur so erklärt es sich, dass Sextos im Sinne des Kamea des und der Akademiker von einem Kennzeichen der Wahrheit (x(m TTjQtov Tfjg d).Tii>blaq dogm. I 173) und von einer Entscheidung übe die Wahrheit {x(jlaig tijQ dh^S^elag a. a. 0. 179) sprechen kann.

Entwickelung der pyrrhonischen Skepsis. 83

Nun ist aber Ainesidems eigene Ansicht aller Wahrschein- lichkeit nach nur diejenige Heraklits wie sie sich Ainesidem darstellte.*) Von Neuem bestätigt sich daher dass der historische Abschnitt dem auch der Bericht über Heraklit angehört nicht von Ainesidem herrühren kann.

Dass die Meinung von Diels, Ainesidems angeblicher Heraklitismus sei nur ein von Sextos missverstandener Be- richt über Heraklits Lehre, schwach begründet ist, hat das Bisherige gezeigt: weder haben Diels und Zeller die Mög- lichkeit eines solchen Missverständnisses erklärt noch die Annahme desselben durch die angeführten Stellen gerecht- fertigt. Was ausserdem gegen diese Meinung spricht, ist die Folgerung zu der sie uns nöthigt. Dasselbe angebliche Missverständniss nämlich, welches Ainesidem aus einem Be- richterstatter zu einem Vertreter der heraklitischen Lehre gemacht haben soll, begegnet uns ausser bei Sextos auch noch bei Soranos.*) Dass nun Sextos alles was er über Ainesidem sagt Soranos entnommen habe, lässt sich nicht annehmen; ebenso wenig aber ist denkbar, dass beide un- abhängig von einander zu demselben Missverständniss ge- kommen sind.^) Die Folge ist also, wie Zeller S. 37 näher ansgeführt hat, dass wir den Ursprung jenes Missverständ- nisses bei einem früheren Skeptiker suchen müssen den so-

^) Diess gilt auch für den Fall, dass das S. 69, 1 gegen die Worte xa&* ^Hgdxlettov Bemerkte richtig ist.

*) Diess folgt aus Tertullian de an. c. 14: non longe hoc exem- plnm est a Stratone et Aenesidemo et Heraclito. nam et ipsi uni- Utem animae tuentur quae in totum corpus diffusa et ubique ipsa velat flatus in calamo per cavernas ita per sensualia variis modis cmicet non tarn concisa quam dispensata. Denn dass diese Angaben "^ertalUans von Soranos stammen, hat Diels S. 206 ff. gezeigt.

*) Diess scheint allerdings die Ansicht von Diels zu sein, da er sowohl Soranos (S. 211 ff.) als Sextos (S. 250) unmittelbar aus Aine- sidem schöpfen l&sst. Sie bedarf aber keiner Widerlegung.

6*

84 1^16 verschiedenen Formen des Skepticismus.

wohl Soranos als Soxtos benutzt hat. Wie misslich diese Annahme ist, sieht Jeder. Denn man mag über Sextos' Quellenstudien noch so gering denken (Zeller III 2 S. 41 Anm.)j so würde es doch dem Ansehen in dem er als Schriftsteller und Philosoph stand kaum entsprechen,^) wenn er sich nicht einmal die Mühe genommen hätte einen der namhaftesten Autoren unter den späteren Skeptikern wie Ainesidem aus eigener Leetüre kennen zu lernen. Ein solches unter allen Umständen sehr oberflächliches Verfahren würde in diesem Falle den Mangel jedes wissenschaftlichen Anstandes voraus- setzen, da Sextos sich nicht begnügt hat über Ainesidem zu berichten sondern aufs Entschiedenste gegen ihn polemisirt (Pyrrh. I 210 fi".). Aber, wird man sagen, auch diese Polemil hat Sextos nur aus seiner Quelle genommen. Diess ist, auch zugegeben dass Sextos ein blosser Abschreiber war, schwei erklärlich. Denn dann würde diese Polemik doch aus der- selben Quelle stammen der Sextos seine Kenntniss Ainesi- dems verdankt. Diess ist aber eine noch über die Zeit des Soranos hinaufreichende Schrift gewesen. Sollte nun in diesei ganzen Zeit bis auf Sextos eine Polemik, die sich gegen dei Heraklitismus Ainesidems richtete, also, wenn Diels' Ver- muthung richtig ist, eine handgreifliche Verdrehung echten Lehre Ainesidems war, sich ungestört behaupte haben, sollte sich unter den Skeptikern keiner gefundei haben der das grobe Missverständniss aufdeckte und rügt oder sollte Sextos diese Widerlegung unbekannt gebliebe sein? In solche Schwierigkeiten verwickelt sich wer SexU keine unmittelbare Bekanntschaft mit Ainesidems Schrift^ zutrauen will. Aber auch was wir sonst über Sextos' B'

^) Seinen Schriften ertheilt Diog. IX IIG das Prädicat xccXlia-r Aus derselben Stelle sehen wir, dass er Schulvorstand war. Das iW sehen das er als Skeptiker genoss erhellt auch aus dem was fll^ ihn und Menodotos Pseudo-Galen isag. 4 (Zeller 6, 2) sagt.

Entwlckelung der pyrrhonischen Skepsis. 85

nutzung der Quellen vermutheii können, widerstrebt der Annahme, dass er in dem was Ainesidems Lebre betraf sieb lediglicb auf die Angaben Anderer verliess. Im ersten Excurs habe icb zu zeigen versucht, dass der bistoriscbe die er- kenntnisstbeoretiseben Ansicbtcn der Pbilosopben zusammen- fassende Abscbnitt auf verscbiedcne Quellen zurückgebt, auf eine skeptische, (akademiscbe) und eine dogmatische, welche letztere vielleicht wiederum in eine doppelte sich scheidet Die nächste Annahme ist gewiss, dass Sextos diese Quellen selber benutzt hat; deim wollte man annehmen dass er auch diese Gompilationen schon bei seinem Gewährsmann vor- £uid, so würde man ihn zum Gompilator eines Compilators machen und damit auch das bescheidene schriftstellerische Verdienst rauben, das sich an die Auswahl der Quellen und die Ordnung des daher Entnommenen knüpft. Auf eine selbständige Benutzung der Schriften des Kleitomachos lässt doch auch die Art schliessen, wie er sich über diesen zu Anfang seines dritten Buches gegen die Dogmatiker aus- spricht^) Wahrscheinlich ist es aber nicht, dass wer in dieser Weise die Schriften fremder Philosophen zu Rathe zog diejenigen der eigenen Schule und namentlich eines so hervorragenden Vertreters derselben wie Ainesidem war ^) ^nzlich vernachlässigt und es für unnöthig gehalten habe

*) Tdv avTov Se XQonov rijq tfijtijaBwg nahv iitav&a avarriao- /a^, ovx tfiß()aSvvovTeg xolq xaxa [x^Qoq, bnolov ri Tienottjxaaiv oi TtfQl zov KXetxo/xaxov xal b ^.otnbg xviv ÄxaSfj/na'ixdiv x^Q^^ (^^? "^' hiTQlav yoQ vXtjv ißßavxeq xal inl avyx(OQi]afi xwv exsQolwg 6oy/xa- Xil^ofiivwv noiovfjievot xovg ).6yovg dfxexQwg ^fit]xwav xtjv arxi^^tjOtv), oAAa xa xvgitoxaxa xal avvfxxixcixaxa xivovvxeg, iv olg rlnoQrifxlva fiofiev xal xa Xoina.

*) Und den Sextos seibor als solchen anerkennt, wie sich aus Pynrh. I 222 ergibt. Oixot, sagt er hier und meint damit Menodotos ^sp. Herodotos und Ainesidem, /uaXiaxa xavxijg TiQoiaxtiaav xfjg oxdofotg.

86 I^ie verschiedenen Formen des Skepticismas.

sich über sie ein selbständiges Urtheil zu bilden. Und endlich, wer sollte denn dieser Mittelsmann gewesen sein dem Sextos verdankt was er über Ainesidem zu sagen weiss? Füglich könnten wir doch dabei an keinen Anderen denken als den Menodotos, bez. Herodotos,') an den er nach seinem eigenen Geständniss sich gelegentlich angeschlossen hat*) Diesem aber wird an derselben Stelle Ainesidem ab Ge- währsmann coordinirt. Wir sind daher bis triftige G^en- gründe gefunden sind zu der Voraussetzung genöthigt, dass neben Anderen auch Ainesidem von Sextos unmittelbar be- nutzt worden ist. Zu dieser Voraussetzung stimmt dass die Meinungen und Aeusserungen Ainesidems, auf die sich Sextos bezieht, meist als gleichzeitige im Präsens eingeführt werden.*) Denn es ist diess doch nur dann erklärbar, wenn dieselben als schriftliche und daher bis in die Gegenwart reichende dem Citirenden sei es vorschwebten sei es wirklich vorlagen; dass aber dergleichen vorschwebende oder vorliegende Aeus- serungen nur von Anderen gegebene Citate aus der Original- schrift seien, ist zwar nicht unmöglich, aber bei der Selten- heit wirklicher Citate in antiken Schriften nicht wahr- scheinlich.

») Vgl. darüber Zeller III 2 S. 5, 2.

*) Pyrrh. I 222: tibqI 6h xov ei eartv (Piaton) elXtxQivwg dxi- jiTixoc TiXaxvxfQOv fdv iv xoTq vTio/nv/ifiaai StccXaßßdvofiSV, vvv Sl wg iv vTiOTVTKoaet Siakafißdvo/nfv xartt MrjvoSorov xal Älvtjat^liov iovToi yccQ fiaXiara ravrrjq TtQoiatrjaav t^g axdaemg) oxi xtL

^) So z. B. dogm. II 40: övvd/nei de xal o Alvrjalötjßog tag bfioio- XQonovg xaxa xov xonov dnoQlag xl^rjaiv. Vgl. ausserdem II :^15. III 337. IV 233. Besonders verdient diese Citirweise unsere Beachtung, wenn wie diess IV 38 der Fall ist in demselben Abschnitt eine Lehre Ainesidems im Präsens, diejenigen anderer Philosophen aber, hier des Aristoteles (37) und Epikur (42) in einem Tempus der Vergangenheit mitgetheüt werden. Natürlich beweist hiergegen nichts, wenn einmal (V 42) auch eine Aeusserung Ainesidems als eine der Vergangenheit angehörige behandelt wird.

Ent Wickelung der pyrrhonischen Skepsis. 87

So ist die von Diels verworfene Auffassung der Lehre Ainesidems durch zwei Autoritäten vertreten, durch Sextos und Soranos. Beide lassen ihn über gewisse Gegenstände des Forschens seine Ueberzeugung in einer Weise äussern, die damit dass er ein Bekenner des Pyrrhonismus war un- vereinbar scheint. Zu den beiden genannten kommt aber noch als Dritter, was weder Diels noch Zeller bemerkt hat, der Skeptiker dem Diogenes Laertius seine Nachrichten über die Pyrrhonoer entnommen hat. Derselbe sagt nämlich, dass Ainesidem zusammen mit Timon für das höchste Gut (rekog) erklärt habe die iütoxt]^) Wie hatte sich nun über diese Frage Ainesidem in den IIv^Qciveioi Xoyoi, nach Diels der einzigen Quelle aus der sich eine zuverlässige Kenntniss der wirklichen Lehre Ainesidems gewinnen lässt, geäussert? Ueber den letzten dieser Logoi sagt Photios bibl. cod. 212 Folgen- des: 6 (f* Ijil jtäOi xal r( xara rov xiXovq Ivlöraxat, fn^re Trp; evöaifiovlav iirfts r/jv tjöovtjv fif/re rrjr g)Q6vrj6iv /ifjx^ (iiXo XI TtXog kjtix(OQ(DV slvai, ojtsQ av rig rmv xara g)iXo- Ooq^iav algiöecop öo^döeiev, aXX^ aütX(^g ovx slvai riXog to Jtäöiv v(ivovfiBvov. Dieser Widerspruch kann nicht abermals auf ein Missverständniss zurückgeführt werden, so dass Diogenes einen Bericht Ainesidems über die Lehre vom höchsten Gut mit der eigenen Lehre des Pyrrhoneers ver- wechselt hätte. Nur eine Ausflucht steht hier offen, dass nämlich nicht schon Ainesidem und der mit ihm zusammen genannte Timon des Wortes rikog sich bedient hatten, dieses Wort vielmehr die Zuthat des Diogenes oder dessen ist auf

*) Diog. IX 107: tekog 6h ot axenxixol (paai rt)v inoxijv, y cxiäg XQonov inaxoXov^sl Ij dtaQa^la» oiq (pccoiv ol ts negl rbv Tl- M(t>va xal AlvealSt^/uov. In derselben dogmatischen Weise drückt sich Sextos ans Pyrrh. I 215: ixflvTf fihv {Ij KvQttva'ixri ayo)yr() xfjv ^Sov^v xal T^v kelav xtjq aagxoq xlvi^aiv x^loc eivai Xeyet, rjfxeZg öh

88 Die verschiedenen Formen des Skepticismns.

den seine Darstellung zurückgeht. Diese Vermuthung ha einen Anhalt an der Art und Weise wie üher die Lehre de beiden genannton Pyrrhoneer Aristokles bei Euseb. praej ev. XIV 18, 2 f. berichtet: o de ys fia^rrjg avrov (de Pyrrhon) Tlfiov (pijol, ötlv xov (isXXovra avöaifioi^öecv d rgla ravra ßkejteiv jtQmrov fitr, ojtola jti^vxs ra jrpcq fiara' ötvxBQov öi, rlva XQ^ tqojiov iiiiäq ütQoq avra öicaUi öihai' reXevTalov 6i, rl JctQitörat rolg ovtoog exovöi. 1 fdv ovv JCQayfiard (pifiiv avrov anoq>alvBiv knlcrig d6idg>0Q xal dordßfiyjTa xal dviyxQLxa' did rovro (irjre rag alüh 6t ig 7](icov (it/re rag 66 ^ag dktj&eveip r) tpevösöd'cu, Ai rovro ovv fi?]6b jiiöremiv avralg ötlv, dXX^ döo^dcroi xal dxXtvtlg xal dxQaödvrovg tlvai, JctQl tvog txdörov h yovrag, ort ov fiäXkov töriv // ovx toriv, i] xal söri xi ovx eöriv i} ovr^ iörtv ovr^ ovx ioriv. Tolg fitvroi du xsifiivoig ovro) jteQitöta&ai Tlficov (p?]Ol jcqcütov fiiv dqx ölav, tjttira d* draQa^lav, Alvrjöidr^fwg öh f^öovrjv, Dia Darstellung soll zwar bestimmen was den Pyrrhoneern a rtXog galt, nichts desto weniger wird dieses Wort nie g( braucht und insbesondere wird damit nicht die dq>a(ila zeichnet, die doch der l:jtox^} des Diogenes entspricht. Ms könnte daher meinen, Timon und Ainesidem hätten das Wo: riXog vermieden um nicht durch seine Anwendung auf d iütoxfi und die darin liegende Anerkennung derselben a dos höchsten Gutes etwas über die objective Beschaffenhe eines Dinges auszusagen und so sich selber untreu zu werde Dem gegenüber aber was wir sonst über Timon erfahre lässt sich diese Meinung nicht aufrecht halten, da er hie nach ganz uugescheut die Existenz eines höchsten Gut» anerkannt hatte (vgl. S. 46). Und was Ainesidem betrifl so ist es nicht wahrscheinlich, dass er sollte an einem Au druck angestossen haben den spätere Pyrrhoneer, die dcx in der Durchführung des Skepticismns consequenter und i

Entwickelnng der pyrrhonischen Skepsis. 89

der Wahl der Ausdrücke vorsichtiger waren, brauchten um ihr Ideal damit zu bezeichnen.^) Was uns aber hauptsäch- lich abhalten muss dem Fehlen des Wortes ziXog in Ari- stokles' Bericht eine zu grosse Bedeutung beizulegen, ist der Umstand, dass auch so der Vorwurf der Inconsequenz der gleiche bleibt Denn das höchste Gut oder das letzte Ziel {tüog) ist doch das, worauf alle unsere Handlungen sich beziehen, wonach Alle streben sollen. Als dieses letzte Ziel hatte aber nach Aristokles' Bericht Timon die Glückseligkeit {tviaifiovla) anerkannt. Das ergibt sich für jeden Unbe- fangenen aus den Anfangsworten: 6 6i ys fiad-rjrijg avrov TlfKov g>T]Ol, öetv zov fiikXovra Bvdaifiovi]OBiv slg rgla ravza ßZejiceiv xrL Denn es würde eine äusserst gezwungene Erklärung sein, wollte man diese Worte so verstehen, als ob Timon gleichsam nur hypothetisch die Frage erörtert und für den Fall, dass Jemand glückselig werden wolle, die dann zu erfüllenden Bedingungen angegeben habe. Die natürliche Erklärung führt vielmehr dahin, dass auch Timon die Glück- seligkeit als letztes Ziel alles Handelns hingestellt und als die Mittel dazu die ä^aöla und draQa^la empfohlen hatte. Was aber von Timon, das gilt auch von Ainesidem. Auch nach Aristokles', nicht bloss nach Diogenes' Bericht hat der- selbe ein letztes Ziel des Handelns anerkannt und dasselbe in die Glückseligkeit gesetzt, während er doch in den „Pyr- rhonischen Reden" nicht bloss das Vorhandensein eines sol- chen Zieles überhaupt geleugnet sondern insbesondere noch die nähere Bestimmung als Glückseligkeit verworfen hatte.*)

*) So Sextos an der S. 87, 1 angeführten Stelle. Vgl. ausser- dem Pyrrh. I 25: tovroig axoXov^ov Sv etrj xcd nsQl tov rikovg tfjg ^xfnxijcfjg dyoiyrjq dtek&eiv und das hierauf Folgende, in dem das Wort noch mehrmals wiederkehrt.

^ Man kann auch noch bemerken, dass in den „Pyrrhonischen ^den" anter den Dingen, denen ausdrücklich das Recht abgesprochen

90 ^16 verschiedenen Formen des Skepticismus.

Sollen wir daher auch Aristokles zu denen rechnen, die ¥ Sextos, Soranos und Diogenes die echte Lehre Ainesidei verkannten und den strengen Pyrrhoneer zu einem halb Dogmatiker machten? Vielmehr, meine ich, werden wir, \ so viele Zeugeja übereinstimmen, ihre Aussagen nicht voreil verwerfen, sondern genauer prüfen und zusehen ob d Widerspruch in den Ainesidem mit sich selber zu gerath( scheint nicht noch auf andere Weise als in einem Irrthu der Berichterstatter seine Erklärung findet.

Eine solche andere Weise der Erklärung ist die weld Leander Haas de philos. scept. success. S. 44 ff. versucl hat. Er erkeimt den Widerspruch an der darin liegt dai derselbe Philosoph sich für einen Pyrrhoneer ausgibt uu die naturphilosophischen Lehren Heraklits billigt, misst ab< die Schuld davon nicht den Berichterstattern bei sondci führt ihn auf Ainesidem selber zurück. Derselbe sei anfanj Pyrrhoneer gewesen, später aber Dogmatiker geworden uu habe als solcher sich an Heraklit angeschlossen. Um diese Meinungswechsel zu verdecken habe er den Satz aufgestel dass die pyrrhonische Skepsis der Weg zur heraklitischc Philosophie sei und so was in Wahrheit ein Abfall va Pyrrhonismus war in eine Consequonz desselben zu verwai dein gesucht. Haas kaim sich nicht oben die günstigst Meinung über Ainesidem gebildet haben, wenn wenigstei Beständigkeit eine Tugend ist: denn da er Ainesidem zi nächst der Akademie angehören und erst hierauf zum Pyi rhonismus übergehen lässt, so muthet er ihm einen zwe

wird als letztes Ziel zu gelten auch die 7)6ovfj erscheint, gerade dief es aber war die, wenn wir Aristokles glauben wollen, Ainesidem i die Stelle der dta^a^la gesetzt und damit zum tekog erhoben hati Denn die dxaQa^la fallt für die Skeptiker mit der evSaifxovla « sammen und wird deshalb auch von Sextos Pyrrh. I 25 geradezu ai tikog der Skeptiker bezeichnet.

Entwickelung der pyrrhonischen Skepsis. 91

maligen durchgreifenden Wechsel seiner philosophischen Ueberzeugung zu. Wahrscheinlich ist diess an sich gewiss nicht Und sollten wir es trotzdem glauben so müsste diess auf einen besseren Grund hin geschehen als Haas vorgebracht hat. Dieser Grund d. i. die Hypothese mit Hilfe deren er den angeblichen Widerspruch löst wird aber durch eine doppelte Erwägung erschüttert. Hätte Ainesidem wirklich den Schritt vom Skepticismus zum Dogmatismus gethan, wäre seine wissenschaftliche Persönlichkeit keine einfache sondern eine doppelte gewesen, so sollte man meinen, dass die Ueber- lieferung, die seiner so oft gedenkt, wenigstens einmal einen Wink auch darüber gegeben hätte. Statt dessen erscheint er bei Diogenes nur als Skeptiker und bei Sextos, der doch sowohl den Skepticismus vriie den Heraklitismus Ainesidems berücksichtigt, fehlt jede Andeutung dass beide verschiedenen Lebenszeiten desselben Mannes entsprochen.*) Nun wäre zwar denkbar, dass im Gedächtniss und in der Ueberlieferung nur ein Theil von Ainesidems Thätigkeit sich erhalten hätte; wahrscheinlich aber ist, dass in diesem Fall viel mehr der frühere von dem späteren als umgekehrt in den Schatten gestellt wurde. Man sollte daher erwarten dass Ainesidem der Nachwelt nur als Herakliteor bekannt geworden wäre; während er thatsächlich auch von den Skeptikern, wie von Sextos der doch seinen Heraklitismus recht wohl kannte, zu den Häuptern der pyrrhonischen Schule gerechnet wurde (Sext. Pyrrh. I 222). Den Askaloniten Antiochos dagegen, der doch ebenfalls lange Zeit hindurch als Skeptiker gelebt ^nd geschriftstellert hatte, hat trotzdem Niemand im Alter-

*) Eine solche Andeutung wäre dann besonders am Platze ge- ^Men, wenn Sextos ihn geradezu Entgegengesetztes aussprechen lässt, wie diess dogm. II 40 mit Bezug auf 8 der Fall ist: denn nach der letzteren Stelle hätte er das Vorhandensein einer Wahrheit anerkannt "*8 er nach der ersteren leugnete.

92 ^i6 verschiedenen Formen des Skepticismas.

thum unter die Mitglieder der skeptischen Akademie gezäl Nun wird man freilich einwenden, dass Ainesidcm seil eigenen Ueberzeugung nach auch als Dogmatiker nicht a hörte Skeptiker zu sein, da er den pyrrhonischen Skeptic mus gewissermaassen als die Kehrseite des heraklitiscli Dogmatismus betrachtete. Angenommen sodann dass er i diese Ueberzeugung auch Andere zu gewinnen wusste, so m dadurch erklärt, dass in den Augen der Alten sein Bild : das eines Skeptikers dastand. Dass aber so schwache Grün wie die, mit denen er die Uebereinstimmung zwischen Hei klitismus und Pyrrhonismus bewiesen haben soll, eine solc Wirkung gehabt hätten, ist höchst unglaublich. Das Unz längliche dieser Gründe bildet den zweiten Punkt um dessei willen ich an einen Uebertritt Ainesidems zum Dogmatism nicht glauben kami. Ein solcher Uebertritt muss do irgendwie gerechtfertigt werden. Hier ist diess aber d theilweise geschehen. Gerechtfertigt wird nur (vgl. Se Pyrrh. I 210 f.), inwiefern die Ansicht Heraklits, dass ein und demselben Dinge Gegensätze vorhanden sind, an von einem Skeptiker getheilt werden könne. Nun hatte si aber Ainesidem auch noch andere Ansichten Heraklits a geeignet, wie z. B. dass die Zeit ein Körper sei (Sext. dog IV 216) oder dass der Geist ausserhalb des Körpers existi (a. a. 0. I 349). Diess Hess sich in der angegebenen Wei nicht mehr rechtfertigen oder doch nur dann wenn, ¥1 Niemand annehmen wird, diese Einzelansichten nur als Co Sequenz der allgemeinen betrachtet wurden, nach der jed Ding in entgegengesetzter Weise bestimmt ist. Hier ist al eine weite Kluft anzuerkennen, die den Skepticismus u] Dogmatismus Ainesidems von einander trennt. Den Spnu über dieselbe werden wir ihm unnötliiger Weise nicht z muthen. Um so weniger werden wir diess thun, als es m diesem einen Sprung nicht genug sein würde. Denn w

Entwickelung der pyrrhonischen Skepsis. 93

anders Hess sich die Verbindung herstellen zwischen einem Skeptidsmus, der das Vorhandensein eines raXog überhaupt leugnete, und einem ethischen Dogmatismus, der ein solches nicht bloss im Allgemeinen anerkannte sondern auch näher zu bestimmen suchte? Heraklit kann doch hier unmöglich die Brücke geschlagen haben!

Auf den richtigen Weg werden wir dadurch geführt dass mit Ainesidem zugleich von Aristokles Timon genannt wird. Denn wie dieser vor sich und Anderen den Ton des Dogmatismus zu rechtfertigen suchte in dem er vom höchsten Gut und von sittlichen Principien sprach, haben wir schon gesehen (S. 46 ff.): er beanspruchte für dergleichen Aeus- serungen nicht die Geltung von Wahrheiten in dem Sinne daas ihnen etwas Wirkliches entsprechen sollte, sondern gab sie nur als den Ausdruck von Vorstellungen die vom Stand- punkt des Pyrrhoneers aus folgerecht, ja nothwondig er- schienen, als q)aiv6(ieva oder wie er sie wohl vorzugsweise nannte IvöaXfioL In derselben Weise werden wir es daher erklären wenn auch Ainesidem das eine Mal das Vorhanden- sein eines letzten Zieles unseres Handelns (riXog) leugnete und dann doch wieder ein solches anerkannte weil es ihm in seinen Vorstellungen gegeben war, nicht aber weil er es fiir etwas in der Wirklichkeit ausser ihm Begründetes hielt. Ebenso wie auf ethischem Gebiet werden wir nun den Schein des Dogmatismus auch da zerstören wo es sich um Aeusserungen Ainosidems handelt die in die Naturphilosophie einschlagen: denn mit dem Vorbehalt dass sie nur als sub- jective Vorstellungen gelten sollten war man hier so gut ^ie in der Ethik berechtigt Ansichten über die verschie- densten Gegenstände zu äussern, auch wenn man nach wie ^or sich zum Pyrrhonismus bekannte.^) Freilich werden

*) So sagt Sext. dogm. lY 49 dass die Skeptiker vom Stand- pimkt der Vorstellung aus das Vorhandensein einer Bewegung zu-

94 ^^^6 yerschiedenen Formen des Skepticismus.

diese Vorstellungen so wenig als Timons ethische beliebige oder zufällige gewesen sein sondern nach einem gewissen Maassstab ausgewählte. Die Frage ist nur, ob dieser Maass- stab derselbe war den Timon anlegte, der wie wir sahen die Einzelvorschriften der Moral nach Maassgabe der skep- tisdien Grundansicht bestimmte. Man wird diese Frage be- jahen, so lange man sich lediglich an Pyrrh. I 210 f. hält: denn hier wird aus der skeptischen Grundansicht dass unsere auf dasselbe Ding bezüglichen Vorstellungen einander widov sprechen der Satz abgeleitet dass demselben Ding einander entgegengesetzte Eigenschaften anhaften, ein Satz der wenn wir Ainesidem nicht zu einem Dogmatiker machen wollen nur als ein Phänomenen aufgefasst werden kann. Was aber die übrigen Phänomena betrifft die Ainesidem zugeschrieben werden, so haben wir schon gesehen (S. 92) dass dieselben wie z. B. dasjenige wonach die Zeit ein Körper sein soll keineswegs aus jener skeptischen Ansicht sich ableiten lassen. Hier muss sich Ainesidem daher eines anderen Maassstabes bedient haben. Einen solchen anderen Maassstab lernen wir dogm. II 8 kennen, wonach Ainesidem dasjenige wahr nannte was für Alle ein Phänomenen (xoivmg Jtäöi q>aiv6ii£V0v) sei. Dass er diesen Maassstab auf das erwähnte Phäno- menen angewandt hatte, müssen wir um so eher annehmen^ als er in Bezug auf dasselbe sich mit Heraklit in Ueberein- Stimmung befand, dieser aber nach Ainesidems Auffassung den Maassstab der Wahrheit von der Allgemeinheit einer Vorstellung entnahm. Wie es ihm gelang diese uns so ab- sonderlich erscheinende Vorstellung nichtsdestoweniger ab eine allgemein geltende zu erweisen braucht mis natürlich nicht zu kümmern. In derselben Weise wie von dieser

gaben, von dem der wissenschaftlichen Betrachtung aus dasselbe be- stritten : oaov inl roiq (paivofi&voic elvat ri xlvfjatv, oaov öh inl ^i

EntwickeluDg der pyrrhonischen Skepsis. 95

scheinbar dogmatischen Aeusserung Aiuesidems werden wir nun auch von der ebenfalls schon angeführten, dass der Geist ausserhalb des Körpers existire, urtheilen und ebenso von allen übrigen die ihm von Sextos zugeschrieben werden. Ueberall schloss er sich an Heraklit an, überall wird er daher wie Heraklit als wahr anerkannt haben was thatsäch- lich allgemein als solches galt. Nur in dem einen Falle von dem wir ausgingen scheint es dass er sich beim Finden der Wahrheit oder genauer gesprochen bei der Wahl des Phä- nomenon durch einen anderen Maassstab habe leiten lassen, die Uebereinstimmung mit der skeptischen Grundansicht. Dass er aber behufs derselben Entscheidung sich eines dop- pelten Maassstabes bedient habe, ist nicht denkbar, wenigstens so lange nicht als diese beiden Maassstäbe wesentlich von einander verschieden sind. Und wirklich ist es nur ein Schein der uns einen doppelten Maassstab vorspiegelt derselbe ist in Wahrheit ein einfacher. Denn wenn einmal zwischen Ainesidems und Timons Verfahren die Analogie bestand dass beide eine skeptische Grundansicht als Maass- stab für die Wahl von Phänomena benutzten, dann wird sich dieselbe auch soweit erstreckt haben dass Ainesidem so gut wie diess Timon gethan hatte diese Grundansicht als die wahre bezeichnete. Für wahr hielt aber Ainesidem eine Allen gemeinsame Vorstellung (Sext. dogm. II 8). Was hier- aus folgt, dass Ainesidem jene skeptische Grundansicht, wonach über dasselbe Ding entgegengesetzte Vorstellungen besteben, für eine bei allen Menschen geltende erklärt habe, <la8 wird durch Sextos Pyrrh. 1210 insofern bestätigt als die- ^r sich in demselben Sinne erklärt imd dadurch wenigstens ^ie Möglichkeit einer solchen Auffassung beweist;^) denn

*) Die betreflfenden Worte lauten: tb ta ivavtla nsgl x6 atrö *f^lvfo^ai ov öoyfia toxi rwv axsnrtxaiv d?.Xä n^äyfia ov fiovov roiq ^^iniixoTi; dXXä xal zoli; «AAoic ipiXoaoifoi^ xal näaiv dv^Qwnoiq

96 Die Terschiedenen Formen des Skepticismus.

daraus dass er gerade diese Aufifassung Ainesidem in einei Kritik von dessen Lehre entgegenhält kann man natürlid nicht schliessen dass dieser sie nicht selber gctheilt habe Sonach war der eigentliche und letzte Maassstab, der übe) die Giltigkeit eines Phänomenon entschied, der Umstanc dass dasselbe allgemeine Geltung besass.

Auch gegen diese Ansicht hat aber Zeller den Einwanc erhoben, dass dieselbe Ainesidem in Widerspruch mit sid selber bringen würde: „denn woher*', fragt er S. 35, ,Jcaiu der Skeptiker wissen, dass Andere die gleiche Wahmehmiini haben, wie er, ja wie wäre diess nur möglich, wenn Aine sidemos mit dem Nachweis Recht hat, dass die Dinge ver schiedenen Personen, verschiedenen Sinnen, zu verschiedenei Zeiten und unter verschiedenen Umständen sich nicht blo verschieden, sondern sogar entgegengesetzt darstellen?" Ol hier wirklich ein Widerspruch vorliegt, diese Frage braacb uns nicht zu kümmern, da wenn es der Fall sein sollt thatsächlich die Skeptiker sich nicht an ihn gekehrt habei Denn nicht bloss die Existenz gemeinsamer Vorstellunge müssen sie angenommen sondern es auch für möglich gehalte haben dass der Einzelne diese Gemeinsamkeit einer Vorstel lung in Erfahrung bringe, da ja eben solche gemeinsam

vnonJnrov ovSelg yovv roXfjii^aai av elnelv oxi xo fiski oiu ykvxäji Tovg vyialvovtccg f} ozi rovg IxrsQixovg ov nix^d^et, aiazs dnb xoivi Twv dv^QCjTtiov ngoXi^xpeiog ägxovxai ol ^HQaxXelxeioi, xa&dneg xt rififlg, lOcDg de xal al dXXm <piXoao<plai. ölotisq ei fikv dno xin xwv axsnxixüig Xeyofihwv iXdfißavov xo xdvavxla nsQl rb twt6 vM xeTa^ai, olov xov „ndvxa iaxh' dxccxdXyTixa^^ »/ xov y,ovShv o(»/5» 7/ xivog Xfbv TtaQanXfjolüiv, lacug av ovvijyov o Xsyovaiv inet ^ dgx^<S txovaiv ov fiovov tj/hTv dXXa xal xoZg dXXoig ipiXoooipotg xi X(p ßla) vTiomnxovaag, xl fiäXXov tP/v t/fiexegav dycoytjv tj hxaat^ xviv dXXeov <piXoao(piwv ij xal xov ßiov oöbv inl xt^v "^HgaxXdxtiO (piXoao(pt'av sivat Xtyoi xtg dv, tTieiör/ ndvxeg xoivalg vXaig xix^ fi€&a;

Entwickelung der pyrrhonischen Skepsis. 97

Vorstellungen die Richtschnur unseres praktischen Verhaltens sein sollten J) Das also lässt sich vom skeptischen Stand- pankt aus nicht anfechten, dass Ainesidem gemeinsame Vor- stellungen anerkannte und diesen eine höhere Geltung als denen des Einzelnen zuschrieb. Denn hierfür ist das eben Angeführte eine bestätigende Parallele. Dagegen nimmt man in anderer Hinsicht eine nicht unbedeutende Abweichung wahr: während die Ansichten Ainesidems von denen hier die Rede ist Phänomena sein sollen die Allen geraeinsam sind (rä xoivcog jtäai g>an>6^Bva Sext. dogm. II 8), sind die Vorstellungen auf die hingewiesen wurde und die un- serem Handeln Richtung geben solche deren Gemeinsamkeit auf einen gewissen Kreis von Menschen beschränkt ist und sich wie die Geltung einer Sitte oder Gewohnheit nicht über die Grenzen einer einzelnen Stadt oder eines Volkes aus- dehnt*) Ich will mich nicht darauf berufen, dass Ainesidem fiiglich nur den ihn näher angehenden Theil der Menschheit d. i. den hellenischen und hellenisirten bciücksichtigen und was in diesem durch Nationalität und Cultur beschränkton Kreise der Menschheit galt Allen insgesammt beilegen konnte. Schwerer als dieser Rechtfertigungsversuch, den man doch

*) Der Skeptiker folgt der Gewohnheit {avv/j^Ficd und unter- wirft sich den herrschenden Sitten C^S^t]), Zum Inhalt beider gehören »her auch gewisse Vorstellungen, wie man z. B. aus Pyrrh. I 154 weht: xal nag^ Vt^^^ Z"^** ovvtjS-eia atq (lyaO^ovg xal nnaO-ftg xaxöiv ^^ßuv xohq d^eovg. Und für beide ist wesentlich dass sie einer grös- *ßwn Zahl von Menschen gemeinsam sind (Sext. a.a.O. 140: ^Oog i] ^T^O^fia [sc. iariy] tioXXwv dvl)-QojTr(ov xotv?) 7i(t(cy/ii(nog nvog ntcifH- ^Pl, ?v o 7ia(ja[fag ov navuoq xo}.aC,irai) und daher nöthig dass wer sich ihnen anschliessen will im Stande sei diese Gemeinsamkeit ^ erkennen.

*) Daher heisst es in der angeführten Definition des f ^oc oder ^er avvt'i^fta (Sext. Pyrrh. I 146) dass sie seien noD.wv c\vi^Qw7X(nv *Oiy;) uQayfiaxoq tivog naQaöoxt]» und nicht navrwv. Hirsel, Unteren chnng«n. III. 7

98 I^ie Terschiedenen Formen des Skepticismus.

nur als eine Ausflucht behandeln würde, wiegt der Umstand, dass thatsächlich die Skeptiker gewissen Vorstellungen eine Geltung bei den Menschen zuschrieben die durch keine Schranken sei es dos Volkes oder des Staates oder der Bil- dung eingeengt würde. Denn Sextos Empeirikos, nachdem er Pyrrh. II 100 zwei Arten von Zeichen (örifiela) unterschieden hat, die erinnernden {vjto^vrjdxLxä) und die offenbarenden (IrÖBixTixd), verwirft nur die zweite Art, erklärt die erste dagegen für eine deren Bedeutung auch von den Skeptikern anerkannt werde und begründet diess 102 mit folgenden Worten: ro yctQ vjtof/vtjörcxov Jtejtlöxevxai vno rov ßlov, ijtel xajtrov löciv rig öijfisiovtac JtvQ xal ovXtjv d-eaCa- (levog TQavfia yeyei^yö&ai Xiyei, od^Bv ov (dovov ov iKTfo- ^lEd^a roj ßiq? äXXa xal övi^aycovi^of/eB-a, rm f/ev vjt^ avtov jtejtiörei'fitvcp döo^dörcog övyxatarid^ifisvoi , zotg öh {vxo wolil mit Bekker hinzuzufügen) rcor doyfiatixcov dvaxXaxrO' fuvoig dvd^iöTdfievoi. Die Vorstellung von der hier die Rede ist und deren Inhalt die Anerkennung eines erinnern- den Zeichens bildet, gehört ebenfalls zu denen, die die Skep- tiker deshalb annahmen weil sie im Allgemeinen bei den Menschen oder was dasselbe ist im gewöhnlichen Leben Gel- tung hatten. Diese Allgemeinheit lässt sich aber hier nicht relativ fassen und nur auf einen Theil der Menschheit be- ziehen. Einer solchen Vermuthung würde sich das ange- führte Beispiel entgegenstellen: denn auch ein Skeptiker durfte nicht wagen zu behaupten dass es nur bei einem ein- zelnen Volke oder gar in einer einzelnen Stadt Brauch sei vom Rauch auf das Dasein des Feuers zu schliessen. Hier haben wir also eine Vorstellung vor uns, denen von den Skeptikern eine allgemeine Geltung zugeschrieben wurde und zwar im absoluten Sinne, nicht gehemmt durch ii^end- welche Unterschiede der Nationalität, Politik oder Cultur. Dass es nicht die einzige der Art war versteht sich von

Entwickelung der pyrrhonischen Skepsis. 99

selber und wird überdiess bestätigt durch Sextos dogm. II

215 ff. Diese Stelle ist für uns darum besonders wichtig,

weil an ihr Aeusserungen nicht der Skeptiker überhaupt

sondern speciell Ainesidems mitgetheilt werden. Derselbe

hatte im vierten Buch seiner „Pyrrhonischen Schlüsse" (/7v(i-

^mtioc Xo^ot) folgenden Schluss gebildet: bI ra <paiv6(iera

xäci Totg ofiolcog öiaxeifitvoig Jcaga^tkrjOlcog g)alvsTat xai

xa OrjiieTd iöxt ipaivofieva, ra OTjfieta näöL xolg ofiolog 6ta-

xHitivoig jtaQcurXtjölcog (palvexai. ovjl 6i ye ra örjfitla jtäöi

Tolq o/iolog öiaxei/divoig JtaQajthjölwg ^ahsrar xa 61

(pawoftspa Jcäci xolg 6fiolo?g öiaxeifitvoig jtaQajtXrjölafg

(pdverai, ovx aga q)aiv6fi£rd kört xd örjfista, Bedeutung

für uns hat dieser Schluss nui' durch das dritte Lemma,

wonach alle Menschen gleicher Beschafifenhcit auch gleiche

Vorstellungen von den Dingen haben {x6 xd g)aiv6fi£pa jcäöt

totg o/iolcog öiaxeigiivoig jtaQaJtXTjölojg (palreöß^at). Und

auch dieses hat dieselbe nicht an und für sich, da ja hinter

ihm der Gedanke lauern kann dass Menschen von gleicher

BeschaflTenheit in der Wirklichkeit nicht vorhanden sind,

sondern erlangt sie erst durch die Auslegung die ihm Sextos

gibt der, nachdem er die Richtigkeit des zweiten Lemma

erwiesen hat, mit folgenden Worten 221 dasselbe für das

dritte thut: dUd ötj xal x6 xglxov (sc. Xr/fifia vyitg Iöxt),

t6 xd q>aiv6(i£va jtäöi xolg o/dolcog dcaxeifiivoig JtaQajtXrj-

olwg q>alvhöl^ai, xo ydg Xevxov, el xv^oi, X(^fo//ß rra ^ilv

IxxsQiwvxi xal x(j} vtpalfiovg exovxc xovg otp&aXgiovg xal

xio xaxd tpvoiv öiax€tfiUf(p ovx <öö«vTa?c JtQoöjrijtxei {dv-

ofiolcog ydg öiixtivxo, Jtag^ jjv alxlar reo (ler rpalvtrat

cixgov TCO de tvsgsvd^hg rw de Xevxov), rolg (divrot xaxd

XffV avxfjP öcdd'eöiv ovöi, xovrtöxi xolg vytaivovöt, Xevxov

(lovov ^alvexai. Hier wird allerdings eine Verschiedenheit

der Menschen in Bezug auf ihr Vorstellen angenommen, aber

keine unbegrenzte, jedes einzelne Individuum betreffende:

T*

100 ^ie verschiedenen Formen des Skepticismtis.

vielmehr werden in der Hauptsache zvirei Gruppen von Men- schen unterschieden, Gesunde und Kranke; nur die letzteren sollen sich unter sich virieder in Bezug auf das Vorstellen unterscheiden, die Vorstellungen der ersteren dagegen sind die gleichen. Damit öflfnet sich der Blick auf ein weites Gebiet von Vorstellungen die einer grossen Zahl "von Menschen, allen Gesunden, gemeinsam sind. Da nun die Beschaffenheit der Gesunden die naturgemässe ist (xata (pvöiv öiaxslfisvoi, vgl. auch 218: tl yag rov Xevxov xQ<^f^cn:og jcdvreg ol xata (pvötv rrjV yevoiv txovTtg yjLvxavrcxcog dvTiXafißdvovTai)^^) die Gesunden die normalen und deshalb eigentlich allein wahre Menschen sind, so konnte man wohl als Vorstellungen aller Menschen diejenigen bezeichnen, die allen Gesunden unter ihnen eigen sind. So haben wir nicht bloss eine neue Gruppe von Vorstellungen kennen gelernt die einer grösseren Zahl von Menschen gemeinsam sind, sondern auch eingesehen, wie Ainesidem die Behauptung dass gewisse Vorstellungen bei allen Menschen sich finden mit der anderen vereinigen konnte dass die Vorstellungen verschiedener Menschen ver- schieden seien. Gleichzeitig begreifen wir aber nun auch wie Ainesidem diese bei allen Menschen geltenden Vorstel- lungen wahre nennen konnte (Sextos dogm. II 8): denn da^ er diess nicht in dem Sinne that dass er ihnen etwas Wirk- liches ausser uns entsprechen liess haben wir schon gesehen. Nun hat aber ein Recht als wahr zu gelten jede auf nor-

^) Bei Diogenes freilich wird 82 in der Besprechung des vierten Tropos eine solche Unterscheidung dessen was naturgemäss und waB es nicht ist als unberechtigt zurückgewiesen: dXkola ovv <paivs%m nQoonlnxovra naga raq noiag öiaO-toeig' ovöh yuQ oi fiaivofMVW naga (fvaiv t/^ovai' xl yuQ fiäkXov ixfTvoi r] iffieiq; Aber Diogenes hat auch nicht Ainesidem unmittelbar benutzt, und ausserdem bliebe immer die Möglichkeit dass Ainesidem in dem letzteren Falle sieb einer mehr wissenschaftlichen Ausdrucksweisc befleissigte. Vgl. anch Sext. Pyrrh. 1 239.

Eotwickelung der pyrrhonischen Skepsis. ]01

male Weise entstandene Vorstellung, und in diesem Sinne konnten allerdings jene Vorstellungen wahre heissen da es die Vorstellungen normaler Menschen sein sollten. Ebenso wie hier gewissen Vorstellungen, die wahr im eigentlichen Sinne des Wortes nicht sind, doch auf unser Denken ein Einflass zugestanden wird wie er streng genommen nur wahren Vorstellungen zukommt, sollten auch, obgleich wir eigentlich nicht berechtigt sind ein Ding vor anderen als Gut oder Uebel zu bezeichnen, doch für unser Wollen und Handeln gewisse Dinge die Bedeutung von Gütern und Uebeln haben (vgl. z. B. Sextos dogm. V 162 fif.). Es sind diess auch hier diejenigen die von der Mehrzahl der Menschen dafür angesehen werden: denn die Skeptiker forderten dass wir unser Leben und Handeln nach den geltenden Gesetzen und Sitten einrichten sollten. Wie daher Ainesidem in der De- finition des Wahren nur die subjective Seite desselben her- vorhob indem er es als das Allen Ofifenbare bezeichnete, ebenso scheint er bei der Definition des Guten verfahren zu sein und es als das alle Menschen Anziehende bezeichnet zu haben. ^)

*) Bei SextOB dogm. V 42 lesen wir: ndvreg av^Qtonoi, xa^neQ *^yf xal b AlvTjaiSfj/jiog, aya^bv fjyov/xevoi zb a^QOvv avrovg, bnolov ^ nox^ y, /daxofievag f/ortr/ rag ^v eiöst nfgl avxov xQiasig. Da- 9^n dass diese beiden Definitionen, die hier vom Guten und die frflber (dogm. II 8) vom Wahren gegebene, in der Weise wie im Text (^behen ist, neben einander gestellt werden, könnte man einwenden^ <*M8 nur die Definition des Wahren von Ainesidem selber vortreten '^erde, die des Guten aber von ihm lediglich als eine solche be- zeichnet werde die der Ansicht der grossen Masse der Menschen entspreche. Ein näheres Zusehen wird aber die Nebeneinanderstel- l'ifig rechtfertigen. Denn um die Richtigkeit seiner Definition des ^thren zu bestätigen beruft sich Ainesidem auf die Etymologie d. h. ^f das Urtheil der grossen Masse aller griechisch Redenden die gerade ein solches Wort welches das Allen Ofi'enbaro bedeutete zur ^zeichnang des Wahren gebraucht hatten.

102 I^ie verschiedenen Formen des Skepticismus.

Die Aeusserungen Aincsidems, welche ohne dogmatisch zu sein doch den Schein des Dogmatismus an sich tragen, sind also solche in denen er wiedergibt was er für die allen Menschen gemeinsamen Vorstellungen hielt Freilich sind diese Aeusserungen zum Theil absonderlicher Art und haben keineswegs einen Inhalt der der allgemeinen Ueberzeugung der Menschen entspricht, wie z. B. dass die Zeit ein Körper sei und dass der Geist sich ausserhalb des Leibes befinda Hier trat aber Heraklit als Vermittler ein. Was an sich nicht der Meinung aller Menschen entsprach, war doch von Heraklit in diesem Sinne aufgefasst und verwerthet worden:^) daher koimte wer in Wahrheit nur der besonderen Meinung dieses Philosophen war, doch in dem Glauben stehen die gemeinsame Ueberzeugung aller Menschen zu vertreten. So kam es dass Ainesidem, wo er die Absicht hatte die allen Menschen gemeinsamen Phänomena zusanmienzufassen soweit dieselben die naturphilosophischen Probleme betrafen, sich im Wesentlichen an Heraklit anschloss.^) Auch von dieser

^) Da es sich hier nur um die Art handelt wie Heraklits Lehre von den Alten aufgefasst wurde (vgl. darüber Sextos dogm. I 126 ff., bes. 131 u. 134), so kommt die zwischen Zeller (I 656^ 1) und Schuster schwebende Controverse über die wirkliche Erkenntnisstheorie dieses Philosophen gar nicht in Frage.

^) Dass er sich dabei erlaubte die Lehre des ephesischen Philo- sophen im Einzelnen abzuändern, ist nicht nur nicht ausgeschlossen sondern sogar wahrscheinlich. Vielleicht lässt sich ein solcher Punkt, in dem Ainesidem von Heraklit abwich, noch nachweisen. Bei Seztos dogm. I 350 lesen wir: xal oc /ahv (sc. X^yovai) öia(piQ6iv avtr^v (sc. ri)v öiavomv) rwv alaS^f'iosov, w^ oi nXelovg, ol de ccvzfjv elvai tag (xiaSi]ösi(;, xa^anfQ Sid rtvojv önwv rwv alad-ijrrjQlwv TiQoxvntovütsP, ijg ardaeiog 7}()^t Zr^drcov tf 6 <pvaixbq xal Atvrjaiötjfiog. Die An- sicht welche Geist und Sinne für identisch erklärt wird hier von Straten abgeleitet. Wer so urtheilt, kann aber nicht schon Heraklit für einen Vertreter derselben gehalten haben. Und wirklich kann diess auch nicht dessen Ansicht gewesen sein wie sich aus den von

Entwickeliing der pyrrhonischcn Skepsis. 103

Seite her betrachtet hätte daher der Pyrrhonismus ein Weg zum Heraklitismus genannt werden können. Wenn trotzdem da wo von diesem Verhältniss beider Philosophien die Rede ist (Sextos Pyrrh. I 210 ff.) auf die eben besprochene Uebereinstimmmig keine Rücksicht genommen wird, so scheint diess einen Zweifel gegen die Richtigkeit des gewonnenen Resultates zu begründen. Derselbe löst sich indessen bei uäherem Zusehen. Dass an der betreffenden Stelle die Skeptiker und nicht die Pyrrhoneer genannt werden, darf uns wenigstens daran erinnern, dass die erörterte Ansicht, wonach für unser Handeln sowohl als für unser Denken die

Sextos dogm. I 126 aufbewahrten Worten ergibt: xaxol /ndgrvQeg dv- ^gwTtoiai offStcXfjiol xal cJr« ßaQßaQovq \pvxdq ^/ovra»'. Denn die- selbea setzen zwischen Geistes- und Sinnenthätigkeit einen gauz bestimmten Unterschied voraus. Trotzdem soll Ainesidem diese An- sicht getheilt haben. Er wich also hierin von Horaklit ab und der sonst bei der Mittheilung von Ainesidems naturphilosophlschen An- sichten übliche Zusatz xad^^ ^H()dx?,eirov wird daher wohl nicht ohne Grund diessmal fehlen. Von Seiten derer die zu Diels und Zcller stehen muss ich allerdings des Einwurfs gewärtig sein dass die frag- liche Ansicht durch den Zusatz xa^dneQ Sid tivatv dnojv nJüv ato^t]- mfloiv TiQoxvTtTovaav erläutert, die in diesen Worten enthaltene Vorstellung aber 130 Heraklit zugeschrieben werde und dass diese letztere Stelle einem Abschnitt angehöre der auf Ainesidem zurück- gehe. Ich will nicht geltend machen, dass an dieser früheren Stelle wenigstens nicht unmittelbar und ausdrücklich die Identität von Geist und Sinn ausgesprochen wird. Denn da Excurs I zeigt dass der betreflfende Abschnitt nicht auf Ainesidem sondern wahrschein- lich auf Antiochos zurückgeht, so bedürfen wir dieser Ausflucht nicht. Heraklit die Ansicht zuzuschreiben, nach der der Geist schon in der Thätigkeit der Sinne sich äussert, konnte Antiochos dadurch vcr- ^'^ÄMt werden weil dieselbe seiner eigenen Ucberzeugung entsprach, wie Lucullus' Worte bei Cicero Acad. pr. 30 lehren: mens sen- sQum fons est atque etiam ipsa sensus est, sein Bestreben aber in

jenem historischen Abschnitt dahin geht die eigene Lehre auch bei ^^D älteren Philosophen wieder zu finden.

104 ^ic verschiedeDen Formen des Skepticismos.

allgemeiuen Phäiiomcna maassgebcnd sind, keine eigentlich skeptische sondern innerhalb des Pyrrhonismus das dog- matische Element, ein Zugeständniss an die Bedürfnisse des Lebens ist. So wenig als diese Ansicht für den Skepticismus so wenig sind die heraklitischen Lehren, zu denen man von ihr aus gelangt, wie die öfter erwähnten dass die Zeit ein Körper und diiss der Geist ausserhalb des Leibes ist, für den Heraklitismus charakteristisch. Von zwei Philosophieu, die nur durch dergleichen Nebenbestimmungen mit einander verbunden waren, hatte man daher kein Recht die eine den Weg zur anderen zu nennen. Eine solche Behauptung liess sich imr dann rechtfertigen, wenn in derselben Weise fun- damentale Sätze zusammen hingen. Ein Satz dieser Art ist aber für den Skepticismus derjenige wonach unsere auf denselben Gegenstand sich beziehenden Vorstellungen einander widersprechen, und ebenso für den Heraklitismus der hieraus sich ergebende dass demselben Dinge entgegengesetzte Be- stinmiungen anhaften: es ist daher ganz begreiflich dass auf den Zusammenhang dieser wesentlichen Stücke und nicht auf jene Nebenbeziehungen die Behauptung gegründet wurde, dass der Skepticismus zum Heraklitismus führe. Da auch der Satz dass die Phänomena einander widersprechen selber ein Phänomenon und zw^ar, w^ie Sextos hervorhebt der es zur xoivf] r^v ctv&Qojjtcov jtQ6Zi]ti)ig (^H) rechnet, ein allge- meines Phänomenon ist, so kann man auch sagen, dass nicht von den Phänomena überhaupt sondern speciell von diesem einen Phänomenon aus der Weg zu demjenigen Phänomenon geht welches das Wesen der heraklitischen Philosophie aus- macht. — Noch ein anderes Bedenken aber ist zu beseitigen. So wie wir eben Ainesidems Behauptung dass der Skepticismus zum Heraklitismus führe aufgefasst haben steht dieselbe mit den Voraussetzungen des Pyrrhonismus vollkommen im Ein- klang und bringt einen Skeptiker keineswegs in Widerspruch

Entwickelung der pyrrhonischen Skepsis. 105

mit sich selbst. Trotzdem hat diesen Vorwurf, sich selbst widersprochen zu haben, Sextos auf Grund jener Beliauptung gegen Ainesidem erhoben. Wenn daraus wirklich folgt dass Sextos von einer Ausgleichung zwischen Skepticismus und HerakUtismus wie sie nach dem Bisherigen Ainesidem vor- genommen hatte, nichts gewusst habe, so würde diess gegen das Ergebniss der geführten Untersuchung schwer ins Gewicht tiUen. Es ist aber nicht nöthig diese Folgerung zu ziehen. Sextos kann jene Ausgleichung gekannt, da sie aber auf einer Yoraossetzung ruht die er nicht zugeben konnte sich be- rechtigt gehalten haben sie zu iguoriren. Diese Voraus- setzung ist die eigenthümliche Auffassung Heraklits als eines Skeptikers oder doch Eines dessen Lehrsätze nichts weiter als die Wiedergabe aUgemeiner Phänomena sein wollten. In der Kritik setzte er deshalb wozu man ihm das Recht nicht abstreiten kann an die Stelle der falschen Auffassung diejenige welche er für die richtige hielt und nach welcher Heraklit ein rein dogmatisirender Philosoph ist. So ergab sieh allerdings dass die Behauptung, der Skepticismus sei der Weg zum Heraklitismus, einen Widerspruch enthielt.^)

*) Die betrefifenden Worte des Sextos lauten a. a. 0. 212 folgen- dermaassen: fjujnore dt ov fiovov ov awegyet TiQog rtjv yväiatv tijq H^hitfiov fptXoaofplaq ^ axsntix^ dywyij, d).Xa xal d7ioavve()yti, ^^f 0 axenuxbg ndvra ta vno rov ^HQaxXeltov öoyiiaxt^o^fva wg ^Qonnüfg Xeyofisva diaßdXXsi, ^vavriovftevog /ahv xy ixTivQwaet ^vanioifiBvog öl xw ivavxla nsQl xo avxo vnaQxtiVf xal inl nav- r»; doyfiarog xov ^HQaxXeixov xtjv fdv Soy/aaxixr^v TiQontxetav öia- ovQiov^ xb 61 „ov xaxa?Mftßdv(o^'^ xal xb „ovöhv o()/$tt>" inKp&eyyo- f^^oq, ü)g tffriv ^/xTigoad^ev önsQ /xdyexat xoTg ^HQaxXetxeioig. dxonov "* ^oti To rr)v fia^ofAhriv dyiayr^v böbv tlvai Xiyeiv xfjg algiaeatg Mviiq y fidyjxai' dxonov aQa xb xffv axsnxixtjv dyatyt/v ^nl xrjv ^Qtfxlflteiov (ptXoaotplav böiv elvai Xiyetv. Unter b axenxixbg ist ^törllch nicht der vorher genannte Skeptiker d. i. Ainesidem ge- Qieint, sondern der Skeptiker wie er sein soll, der seinen Namen mit Recht trägt.

106 I^^e Yerschiedenen Formen des Skepticismos.

So sind die Bedenken erledigt, die sich der Ansichi entgegenstellten dass Ainesideni Hemklitcer insofern war ab er den Lehrsätzen des ephesischen Philosophen den Wert! von allgemein geltenden Phänomena beilegte. Wir könne» daher nunmehr auf den Vortheil hinweisen der aus dies« Ansicht für uns entspringt. Dass der häufige Zusatz xa# ^HgdxXeiTov, der den naturphilosophischen Lehren Ainesidem beigefügt wird, sich erklären lässt auch wenn wir darii nicht die Spur davon erkennen dass die dogmatisch schei nenden Aeusserungen Ainesidems eigentlich nur einem histc rischen Berichte über Ilcraklit angehörten, haben wir scho gesehen (S. 69 f.). Im Lichte der letzten Erörterunge erhält dieser Zusatz noch eine besondere Bedeutung.^) I scheint nun nicht bloss auf den Inhalt der betreffende Lehre sich zu beziehen sondern auch die Form anzudeute in der sie vorgetragen wurde, den Werth den sie für d: Erkenntniss besitzt. Weim gesagt wird dass Ainesidem voi Standpunkt des Herakliteers und nicht des Pyrrhoncers ai spricht, so wird eben damit gesagt dass was er vorbrinj nicht der Ausdruck einer wissenschaftlichen Ueberzeugui ist sondern lediglich den Anspruch erhebt als Phänomene zu gelten. An einem Beispiel tritt die Nützlichkeit diesi Zusatzes besonders hervor. Als Skeptiker konnte Aineside; eine Wahrheit im eigentlichen Sinne nicht anerkenne! Daher leugnet er bei Sextos dogm. II 40 schlechthin dai es etwas Wahres gäbe, und wohl bemerkt: er wird in diesei Falle von Sextos ohne jede nähere Bestimmung bloss Ain^ sidemos genannt, weil diess eben der Ausdruck seine wissenschaftlichen Ueberzeugung war. Anders ist diess i

^) Dass dieser Zusatz sich auf eine Schrift bezieht in welche Ainesidem auf den Standpunkt Ileraklits trat, ist auch die Meioon von Natorp Rhein. Mus. 1883 S. 83.

Entwickelong der pyrrhonischen Skepsis. 107

derselben Schrift des Sextos in demselben Buche 8. Hier erkennt Ainesidem das Vorhandensein einer Wahrheit an oder scheint es doch anzuerkennen: denn was er dort wahr nennt sind die allgemeinen Phänomena, also in Wirklichkeit Qiir ein Surrogat des Wahren dem nur innerhalb der Sphäre der Phänomena und für dieselben ehie Bedeutung zukommt. Es ist daher bezeichnend dass hier der Zusatz xad'' ^Hqu- xliixov wiederkehrt:^) wir werden durch denselben daran erinnert dass Ainesidem durch diese Anerkennung einer Wahrheit keineswegs mit sich selbst in Widerspruch gerieth, sondern sie nur vom heraklitischen Standpunkt aus d. h. innerhalb einer zusammenfassenden Darstellung der Phäno- mena ausgesprochen hatte.

Dass wir Ainesidem um deswillen weil er Ilerakliteer war noch nicht eines Abfalls vom Pyrrhonismus zu beschul- digen brauchen, hat das Bisherige gelehrt. Trotzdem lässt sich nicht leugnen dass der Versuch die alte Lehre Heraklits mit der modernen Skepsis auszusöhnen lebhaft an die gleich- zeitigen Bestrebungen der dogmatischen Eklektiker erinnert: wir dürfen daher wohl das ganze Unternehmen Ainesidems als einen neuen Beweis für den damals die Philosophie be- herrschenden Eklekticismus betrachten. Auf dasselbe Be- mühen Ainesidems andere Philosophien mit dem Pyrrhonis- mus in Einklang zu setzen deutet vielleicht noch eine andere Nachricht die sich durch Aristokles bei Euseb. praep. ev. ^V 18, 2 erhalten hat. Hiemach hätte, während Timon als den höchsten Gewinn des Lebens die araQct^la bezeich- nete, Ainesidem an deren Stelle die ^rfor/} gesetzt.*) Dass

') S. indessen über den Zusatz gerade an dieser SteUe S. 69, 1.

*) Die botreflfenden Worte lauten: xoiq fihxoi ötaxei/xivoig ovtw

^^QuoiaBat Tlfiwv (pr^al tiqwtov /xhv dtpaalav Insixa 61 ixa^a^laVt

108 I^ie verschiedenen Formen des Skepticismus.

er damit etwas wesentlich Anderes ausdrücken wollte als die Uebrigen durch draga^la ist an sich nicht glaublich und wird auch durch Diog. IX 107 widerlegt, wo Ainesidem neben Timon als Vertreter der Skeptiker erscheint denen als Frucht der ^jro//} die draga^la galt. Immerhin bleibt auffallend dass er für dieselbe Sache sich eines anderen Namens und gerade dieses Namens bediente, der sonst zur Bezeichnung nicht der negativen sondern der positiven Lust- empfindung zu dienen pflegt. Nun könnte er zwar so gut wie Epikur das Wort rjöovrj in einer weiteren Bedeutung gebraucht haben. ^) Nach Aristokles' Worten aber zu schliessen denn wie könnte sonst hierauf ein Unterschied zwischen ihm und Timon begründet werden? müsste er diess öfter gethan, ja des Wortes tiöovii statt ctraQa^la sich vorzugs- weise bedient haben, ein Verfahren das bei der Missver- ständlichkeit des Wortes rjöov^ nur dann erklärlich wird wenn er irgendwelche Absicht dabei verfolgte. Welches war diese Absicht? Wir lesen bei Sextos Pyrrh. I 215 von Man- chen (ztvtg) die die pyrrhonische mit der kyrenaischen Lehre identificirten.*) Dass es Pyrrhoneer waren die so urtheilten,

^) Epikur betreflfend vgl. Diog. IX 136: b Sh 'Enlxovqoq iv rf TieQl aiQkOBiov ovxio Xlyei' ,,?/ ^^v yaQ dtaQa^la xai dnovia xata- atfifjLccxixal elaiv rjSoval, fj Sh yßQcc xal ev<pQoavytj xata xlvtiüif iveQyein ßXinovxat^*^ Mehr Belege gibt Madvlg zu Cicero de fin. I 37.

*) 4*aol öe Tiveq on ^ KvQtjvaixtj dywyij y avrtj ion ry axhpsif ^.neiöfj xdxeivt^ ndxh] /anva <pt]a\ xaralafißdveiv öia^piQei de «15- TTjQ, insiSfi ixelvi] fi\-v trjv tjöovrjv xa\ rr/v Xelav riji; aagxhq xivrjdnf T^kog elvai Xeyei, rififiq rf^ r^v dxaQa^lav , y ^vamovrai x6 xox ixeivovg xikoq' xal yaQ naQovarjg x^g tjSorijg xal ftr^ naQOvarjg ta- Qay^aq vno/uBvei b öiaßeßaiovfievog x^Xog elvai xrjv fjöovijv, (bg iv t^ TifQl xov xiXovg insXoyiadfiriv' eixa rjfieig fihv infy^o/jiev oaov iid xip Xoyu) tibqI xwv ^xxbg vnoxei/x^vatv, ol 6h KvQtjvai'xol dno^ivovtfu (pvaiv etvro; ej^etv dxaxdkrjnxov.

Entwickelung der pyrrhonischen Skepsis. 109

rird durch deu Zusammenhang der Stelle wahrscheinlich: eon kurz vorher war Ainesidems Behauptung dass die kepsis der Weg zum Heraklitismus sei widerlegt worden id daran hatte sich eine Bestreitung derjenigen geschlossen e, was ebenfalls Pyrrhoneer thaten (Diog. IX 72), in Demo- its Lehre und der Skepsis Gemeinsames entdecken wollten. iS8 nun diejenigen 9 welche die kyrenaische Lehre für ein id dieselbe mit der pyrrhonischen Skepsis erklärten^ dabei B Ethik beider Schulen ganz ausser Acht gelassen haben Uten, ist schwer denkbar. Wenn trotzdem Sextos die entitätserkläning nur auf die beiden Schulen gemeinschaft- he Ansicht sich gründen lässt, nach welcher für uns nicht 3 Dinge sondern nur unsere Affectionen {ptad-rj) erkennbar id, so kann diess seine Ursache darin haben dass Sextos

aller Kürze berichtet und darum sich beschränkt den mptgrund der fraglichen Ansicht anzugeben. Nehmen wir her an dass jener Ausgleichsversuch auch die Ethik be- brte, so konnte er sich darauf stützen dass sowohl das chste Gut der Kyrenaiker wie das der Pyrrhoneer sich unter m gemeinsamen Namen der tiöovi begreifen Hess. Diess 3t aber eine Verwendung des Wortes ridovi} voraus, wie

sich nach Aristokles Ainesidem gestattet hatte. Eine klärung für diese auffallende Thatsache haben wir gefun- Q, sobald wir amiehmen dass er zu den Ungenannten borte die die pyrrhonische Skepsis auf die kyrenaische hre zu reduciren suchten. Man wird daher dieser An- hme eine gewisse Wahrscheinlichkeit nicht absprechen ßnen.') Ihre Richtigkeit aber zugegeben, würde in diesem

^) Kernen ernsthaften Gegengrund bildet, dass Sextos a. a. 0. nur Semeiner von Einigen {xivi-q) spricht die es versuchten die kyre- ische Lehre mit der Skepsis zu identificiren, kurz vorher (210) da- (en, wo es sich um die ähnliche Vermittlung zwischen Heraklitismus 1 Pyrrhonismus handelt, Ainesidem mit Namen als Vermittler nennt.

110 Die verschiedenen Formen des Skepticismus.

Versuch zwischen der kyrenaischen und pyrrhonischen Schule zu vermitteki abermals der Eklekticismus Ainesidems horror- treten.

Die Resultate der geführten Untersuchung zugegeben scheint sich das Yerhältniss zwischen Timons und Ainesidems Skepticismus so zu stellen. Von den Bedürfnissen des Han- delns imd Lebens getrieben gaben beide zu dass wir der Masse auf uns eindringender Vorstellungen uns nicht blind sondern mit Auswahl überlassen sollen. Während aber Timon dergleichen Vorstellungen auf die Ethik einschränkte, hat Ainesidem den Kreis derselben so erweitert dass er audi die Naturphilosophie umfasste. Indessen fällt dieser Unter- schied weniger ins Gewicht gegenüber dem anderen der das Princip der Auswahl betriflft. Nach Timon sind von maass- gebender Bedeutung für uns solche Vorstellungen die mit „der Rede der Wahrheit" d. i. der skeptischen Grundansicht in Uebereinstimmung stehen, nach Ainesidem diejenigen die sich nicht bloss dem einzelnen Menschen sondern allen auf- drängen. Dass auch Timon forderte, der Skeptiker solle sich der herrschenden Sitte unterwerfen, und dass diess einer Zustimmung zu gewissen allgemein geltenden Vorstel- lungen gleich kommt, ist richtig. Die vorgenommene Unte^ Scheidung wird aber dadurch nicht als falsch erwiesen. Denn die Forderung sich der Sitte anzuschliessen braudit er nicht deshalb gestellt zu haben weil die in der Sitte zu Tage kommenden Vorstellungen allgemein geltende sind, so da§ß eben die Allgemeinheit es gewesen wäre die ihnen in seinen Augen Werth verliehen hätte; sondern er kann sie,

Denn um vom Zufall abzusehen, der hier mitgespielt haben könnte, 80 waren derer, die den Skepticismus mit der kyrenaischen Lehr6 zusammenfallen Hessen, vielleicht noch mehrere, während mit der Behauptung, dass die Skepsis der Weg zum Heraklitismus sei, Aine- sidem wie es scheint allein dastand.

Entwickelung der pjrrhonischen Skepsis. Hl

! ich schon früher (S. 55 f.) bemerkt habe, aus der An- ennung der draQa^ia als des Lebensideals abgeleitet •en, 80 dass auch in diesem Falle die skeptische Grund- icht, „die Rede der Wahrheit", das bei der Wahl der Stellungen entscheidende Princip gewesen wäre. Besteht

der aufgestellte Unterschied, dann erscheint der Skep- tmus Ainesidems weiter geführt als der Timons; denn 1 die eine Wahrheit, die Timon noch übrig gelassen

für die Wahl der Vorstellungen benutzt hatte, hat »idem Preis gegeben und an ihre Stelle das Merkmal Allgemeinheit gesetzt. Dass Ainesidem gleichzeitig die psis mit einer dogmatischen Philosophie wie die Heraklits

in Verbindung brachte, ändert zwar streng genommen seinem Skepticismus nichts, da er vor vollzogener Ver- lung den Dogmatiker Heraklit in einen Skeptiker um- mtet hatte: trotzdem blieb in Folge dessen der Schein Dogmatismus an seiner Skepsis hängen, und es darf lalb als ein weiterer Schritt auf der Bahn des Skepti- las bezeichnet werden, wenn Spätere dieses Band wieder m und den Pyrrhoiiismus von der befleckenden Berüh- ; nicht bloss mit Heraklit sondern auch mit anderen matikem frei zu machen suchten.*)

') Sextos Pyrrh. I 210 ff. Die laxere Auffassungsweise der uren findet sich bei Diog. IX 71 ff. Diese Reinigung der Skepsis

noch weitere Folgen. Während Ainesidem auf demselben Wege, lern er zum engeren Anschluss an Heraklit geführt wurde, dazu Igen musste der Naturphilosophie eine grössere Bedeutung bei- en und in der Absicht auf positive Resultate sich mit ihr zu läftigen, haben die Späteren, in ihrem Bestreben die Skepsis ichst rein zu fassen, die Naturforschung nur in so weit gestattet ie dazu dienen kann den Skeptiker sei es in seiner Forschungs- ode zu üben sei es in seiner Gemüthsstimmung zu befestigen. \ lernen wir aus Sext. Pyrrh. I 18: naQanXi]aia 61 Xiyofiev xul w }^fiTtTv ei (fvaio?.OYtjTtov rät axenrixtp' tvexa fisv yag xov

112 Die verschiedenen Fonnen des Skepticismns.

Unter den Eigenthümlichkeiten, durch welche die spi teren Pyrrhoneer sich von Ainesidem unterschieden, tri uns von der erwähnten Abweichung abgesehen besondei noch eine entgegen, die sich in der Aufistellung und Anon nung der Tropen zeigt. Tropen dieser Art aufzustellen ii ohne Zweifel von je her in der pyrrhonischen Schule übUc gewesen. Wir dürfen diesen Brauch bis auf den Stifte zurückführen und es hiermit in Zusammenhang bringen, dat die älteren derselben durch ihren empirischen Charakte uns an den Ursprung der Schule aus der demokritische Naturphilosophie erinnern (vgl. S. 5). Ob dagegen die be kannte Zehnzahl der Tropen schon aus der frühesten Zei des Pynhonismus herrührt, ist zweifelhaft, und wahrschein lieh vielmehr dass dieselben in der Weise, wie sie uns jetz vorliegen, erst von Ainesidem zusammengefasst worden sindJ

fxeta ßeßalov nsia/narog a7io<palvea9^ai tisqI rivog t<Sv xata tiJ (pvaiokoyiav doyfiaxi^ofiivatv od (pvaioXoyovfiBv, tvsxa 6h xov nfxm Xoyis^ yMyov laov txBiv ävTinS-tvat xal rfjg dzaQa^lag antofiedn nj <pvaioXoyiag. Wenn ich übrigens von den Späteren spreche, fi habe ich zunächst nur Sextos im Auge, nehme aber an, dass in dei selben Weise, wie er, damals noch mehrere, wo nicht die meiste den Pyrrhonismus auffassten. Dass es nicht alle thaten, lernen wi freilich aus Diog. IX 70. Denn hiernach hatte Theodosios, der de jüngeren Mitgliedern der skeptischen Schule beigezählt werden mos unter anderen Gründen, mit denen er den Pyrrhoneem das Recl bestritt sich mit diesem Namen zn nennen, sich auch darauf berofn dass Pyrrhon nicht der erste gewesen sei der die skeptische Richtmi eingeschlagen habe (fxtjdh tiqwtov ev^tixivai r//v axentixr^v Hv^^oiw Daraus dürfen wir wohl schliessen, dass solche Versuche &ltei Philosophen zur Skepsis herüberzuziehen wie sie Diogenes gleich ii Folgenden voniimmt und wie wir sie für Ainesidem charakteristisc fanden, gegen die sich aber Sextos aufs Entschiedenste erkl&rt, anc seine Zustimmung hatten.

^) Darauf fuhrt einmal, dass unter den Vertretern der Zehnzth welche Diog. IX b7 (und 79, wenn wir nämlich hier mit Nietzscli

Entwickelnng der pyrrbonischen Skepsis. 113

Er war es vermuthlich auch, der sie zuerst in eine bestimmte Reihenfolge brachte. Darin dass sie überhaupt die Tropen

Beiträge S. 11 den Namen des Theodosios einsetzen) nennt, Ainesidem der älteste ist. Und. auch Sextos scheint einen älteren Vertreter niclit gekannt zu haben, da er dogm. I 345 sie bezeichnet als rovg naga rtS AlvijaiSi^fiq) Sixa XQonovq. Er bezieht sich mit diesen Worten zurück auf seine eigene Erörterung der Tropen Pyrrh. I 36 ff. Wenn er hier die zehn Tropen den älteren Skeptikern insgesammt zuschreibt (nagaSlSovrai rolvvv avvi] D^wg nuQct roTq ciQx^ioxeQoiq mmixolq XQonoi, 6l* wv ^ ino/ii avvaysa^ai SoxeT, dexa rov dgi^ liöv)^ 80 ist diess kein Widerspruch, da diese älteren Skeptiker im Gegensatz zu den jüngeren Skeptikern {vscjtsqoi axsTtxixol a. a. 0. 164. 177) d. i. Agrippa und seinen Anhängern zu verstehen sind. Dass erst Ainesidem die skeptischen Tropen in der nns bekannten Weise formnlirt habe, ist auch die Meinung von Zeller (S. 24). Wenn derselbe aber um seine Meinung zu begründen sich unter anderem aof die Verwendung beruft, die in Soxtos' Bericht über die Tropen Ausdrücke wie algexä xccl (pevxxa, (pavxaala u. s. w. gefunden haben, 80 scheint er mir die Formulirung, die immerhin Pyrrhon oder Timon fegeben haben könnte, mit der Ausführung zu verwechseln, die sio erst durch einen Späteren wie Ainesidem war erhalten hat. Ja wir 8md nicht einmal sicher was in dieser Ausführung Ainesidem und WI8 einem noch Späteren gehört. Denn in derselben wird auch Tom diaXXriXoq xQonoq (Sextos Pyrrh. I 117) und anderen jener fünf M von Agrippa eingeführten Tropen Gebrauch gemacht (Pappen- heim Erlänt. zu des Sext. Pyrrh. Orundz. S. 44): wir haben hier tlso einen ziemlich deutlichen Beweis dass für den Inhalt jener Ansfilhrung nicht unmittelbar Ainesidem sondern erst ein Jüngerer verantwortlich gemacht werden kann. Ich habe nur von zehn Tropen Ainesidems gesprochen und die Angabe des Aristoklos (Eusob. praep. ev. XIV 18, 8\ die ihn neun aufstellen lässt, nicht berück- sichtigt. Zoller S. 23 gesteht ihr den Werth einer abweichenden Nachricht zu. In diesem Falle müssten wir sie für eine irrtbüm- Hche halten. Die Frage ist nämlich ob wir Aristokles mehr Glau- ben schenken sollen als Diogenes und Sextos: denn diese beiden bissen nur von zehn Tropen Ainesidems und schöpfen ihre Kennt- Qiss derselben offenbar aus derselben Schrift, die Aristokles citirt, der vnoxvnwaig (für Diogenes erhellt diess aus 78, für Sextos daraus

Hiriel, üntennebniigen. III. 8

114 Die verschiedenen Formen des Skepticismus.

nicht nacli Zufall sondern in einer gewissen Ordnung siclj folgen Hessen, schlössen die Späteren sich ihm an und wichen

dass die Schrift in der er über Ainesidems Tropen berichtet eben- falls eine Hypotyposis ist). Da nun aber Diogenes und Sextos sehr ausführlich über die Tropen berichten, beide ausserdem Yariationeo namhaft machen die in der Aufstellung derselben vorgekommen sind, so haben sie offenbar grösseren Anspruch auf unser Zutraaen als Aristokles, der durch seinen überaus kurzen und fragmenta- rischen Bericht über Ainesidem sich keineswegs das Recht erw(v- ben hat als glaubwürdiger Berichterstatter über dessen Lehre tn gelten. Aber auch dass Aristokles hinsichtlich einer so bekannten Sache wie denn doch die zehn pyrrhonischen Tropen waren sieb sollte eines Irrthums schuldig gemacht haben kann ich nicht glaaben und muss daher die Neunzahl für einen Fehler der üeberliefemng halten, der durch Einsetzen des richtigen 6kxa für ^vvha zu verbessern ist. Ein Versehen hatte diese Nachricht des Aristokles Zeller selbst in der früheren Auflage genannt. Dieses Versehen dadurch za e^ klären, dass der in der Aufzählung des Aristokles fehlende Tropos (es ist der neunte nach Sextos und Diogenes) bei Ainesidem an letzter Stelle stand, ist ein Einfall, den Pappenheim (Erläut S. 32) entschiedener hätte zurückweisen sollen. Aber freilich ist diess nnr möglich, wenn man sich, was Pappenheim nicht gethan hat, erinnert dass die auf die Ordnung der Tropen bezüglichen Worte bei Diog. 87 verderbt sind: denn dann erweist sich die jenem Einfall zu Gnmde liegende Annahme, dass der betreffende Tropos von Ainesidem an die letzte Stelle gerückt war, als eine in der Luft schwebende. - Bei diesem Anlass will ich noch ein anderes Versehen Pappenheims berichtigen. Derselbe hält S. 31 den von Eusebios durch xivqöiu; bezeichneten Tropos für identisch mit dem fünften des Sextos, «rf den schon vorher durch dnoaxtinata hingewiesen worden war. Nan wird aber in dem achten Tropos bei Diogenes auf die ro/w^f? xal ß(}advTtjT fg Rücksicht genommen: es liegt daher wohl nfther auf diesen, der dem siebenten des Sex tos entspricht, die xit^- oetg zu beziehen, und diese Annahme wird auch dadurch empfohlen weil sie uns nicht nöthigt, wie Pappenheims Annahme es that, den- selben Tropos Angehöriges aus einander zu reissen sondern das Zusammengehörende, wie in diesem Falle //fytdi/ und xivijaBi^j auch neben einander stellt.

Entwickelung der pyrrhonischen Skepsis. 115

nur insofern ab ak sie den einzelnen Tropen nicht immer dieselbe Stelle anwiesen.^) Diese Aenderung war daher

^ Die Frage nach der Ordnung der pyrrhonischen Tropen ist in neuester Zeit durch Pappenheim wieder angeregt worden, der io seinen Erläuterungen S. 30 ff. darüber gesprochen hat. Mit Recht hat derselbe gefordert dass wir in der Reihenfolge der Tropen nicht ein Werk des blinden Zufalls oder rücksichtsloser Willkür sondern einer durch verständige Ueberlegung geleiteten Thätigkeit sehen. Wäre sie das Letztere nicht gewesen so hätten die Skep- tiker nicht auf sie irgend welchen Werth legen können, was sie doch thaten (Sextos Pyrrh. I 38, nachdem er die zehn Tropen auf- gezählt hat, bemerkt: x^eifisd^a Sh xy rd^ei ravty ^srixcHg] wäre ihm die Ordnung gleichgiltig gewesen, so würde er gesagt haben tolq TQonotg), so hätte es sich nicht verlohnt über Abänderungen die sie damit vornahmen zu berichten (Diog. 87) und wären diese Abänderungen zahlreicher und bedeutender gewesen. Was nun das Princip dieser vorauszusetzenden Ordnung betrifft, so ist es für die ersten vier Tropen leicht erkennbar und von Pappenheim nach der von Sextos Pyrrh. I 38 gegebenen Anweisung richtig festgestellt Torden. Es sind diess diejenigen Tropen die sich ausschliesslich aof das Subject der Erkenn tniss beziehen und hierbei von einer Teiteren Fassung desselben zu immer grösserer Einschränkung fort- schreiten. Für die folgenden lässt uns Sex tos insofern im Stich als die von ihm gegebene Eintheilung derselben in solche die sich auf das Object und in andere die sich auf Subject und Object beziehen die aberlieferte Ordnung der Tropen nicht rechtfertigen würde. Sehen wir daher von ihm ab, so zeigt sich bei selbständiger Betrach- tang, dass alle Tropen vom fünften bis neunten, diesen eingeschlossen, irgendwie auch das Object des Erkennens in Rücksicht ziehen. Dadurch ist wenigstens die Zusammenstellung gerade dieser Tropen erklärt. Diese beiden Classen von Tropen, die subjectiven und objectiven, sind nun durchweg solche, die sich gegen die Sinnes- empfindungen richten, und unterscheiden sich in dieser Hinsicht beide wesentlich von dem welcher es mit den sittlichen und wissenschaft- lichen Vorstellungen zu thun hat und deshalb die letzte Stelle einnimmt. Diese Ordnung ist keine vollkommene, da eine Durch- führung derselben bis ins Einzelne fehlt und mir wenigstens es unmöglich gewesen ist die Gründe zu finden weshalb in der Reihe

116 Die verschiedenen Formen des Skepticismus.

unwesentlich. Von grösserer Bedeutung ist die Abweichung, welche hinsichtlich der Aufstellung von Tropen sich an den

der objectiven Tropen jeder einzelne gerade den ihm bestimmten Platz erhalten hat. Aber eine vollkommene Ordnung zu erwarten sind wir gar nicht berechtigt. Diess würden wir nur in dem Falle sein wenn die Tropen auf apriorischem Wege gefunden worden wären. Dafür spricht aber Nichts: vielmehr ist die Wahrscheinlichkeit dafOr dass, wer die Tropen zuerst zusammenstellte, dabei ähnlich verfohr wie Aristoteles bei der Aufstellung der Kategorien d. h. er vereinigte in übersichtlicher Weise und erhob dadurch zu deutlicherem Bewasst- sein was thatsächlich schon bei den Vorgängern zur Anwendung gekommen war (der Versuch Pappenheims freilich, die pyrrhonischen Tropen von den aristotelischen Kategorien abzuleiten, darf als ver- fehlt bezeichnet werden). In dem einen wie in dem anderen Falle hat diese empirische Methode zwar nicht jede Ordnung ausgeschlossen, ihre Durchführung bis ins Einzelne aber unmöglich gemacht Wer zuerst die bei Sex tos vorliegende Ordnung aufgebracht habe, wird zwar nicht ausdrücklich überliefert. Wir können es aber vermuthen. Denn Soxtos, indem er sich dogm. I 345 auf seine eigene Darstellung zurückbezieht, bezeichnet die zehn Tropen als rovg naQu rtp Älvii- oiöf'ifKp ötxa TQonovg, und dass er ausser der von ihm eingehaltenen Ordnung noch eine andere gekannt habe wird durch seine Worte XQojfxe&a 6h xy xa^ei ravxy d-exixwg wie mir scheint ausgeschlossen. Danach hätte schon Ainesidem die Tropen in derselben Ordnung gegeben wie Sextos. Hiermit vereinigt sich auch Diog. 87: lof tvaiov *Paß(oQLVoq oydoov, ^^^xog öh xtd ÄivealSr^/Aog (vielleicht ist hier einzufügen xbv n^fxniov) dtxaxov «AAa xed xbv öixarov Si^toi oydoov (fTjai, 4*afi(jt}Qlvog öh tvaxov. Diese Stelle ist freilich verderbt. Da aber die Verdcrbniss kaum in den Worten I^e^xog öh xal AlvBcl- ÖT^fxog stecken kann, so kann man dieselben zur Bestätigung der Meinung benutzen, dass in der Anordnung der Tropen Sextos mit Ainesidem übereinstimmte. Nun ist es aber weiter wahrscheinlich, dass Ainesidem überhaupt der Erste war der die Tropen in eine gewisse Ordnung brachte: daher darf die bei Sextos erhaltene Ord- nung, wenn sie wirklich diejenige Ainesidcms ist, als die älteste gelten. Von dieser Ordnung ist man später in einzelnen Stücken abgewichen. Eine ausdrückliche Nachricht darüber gibt Diog. 87. Sie ist aber zu schlecht überliefert und zu fragmentarisch als dass

Entwickelung der pyrrhonischen Skepsis. 117

imen des Agrippa knüpft (Diog. IX 88, vgl. Soxt. Pyrrh. 164 ff.): das Wesen derselben setzt man gewöhnlich darein,

1 aus ihr erkennen Hesse ob diese Abweichungen dem Zufall ihren prang verdanken oder in einer bestimmten Absicht herbeigeführt tien sind. Um eine umfassende und sichere Grundlage zu haben Jien wir uns nur an das halten was die Vergleichung der beiden sttndig vorliegenden und nicht übereinstimmenden Tropenreihen

Diogenes und des Sextos ergibt. Zunächst in die Augen springt

Unterschied, dass der Tropos, der bei Sextos an letzter Stelle,

wie wir sahen mit gutem Grunde, steht, bei Diogenes an die fte gerückt worden ist. Er hat also seinen Platz unmittelbar b den das Subject des Erkennens berücksichtigenden Tropen ge- len. Halten wir uns daran, dass seinen Gegenstand die sittlichen

wissenschaftlichen Vorstellungen, nicht die unmittelbaren Sinncs- »findungen bilden, dass die in der Reihe vor und nach ihm stehen-

Tropen aber nur die letzteren berücksichtigen, so scheint ihm

Yon Diogenes angewiesene Platz nicht zu gebühren, vielmehr tos Recht zu behalten der ihn ans Ende der Reihe gestellt hatte. 1 gestattet aber dieser selbe Tropos anch noch eine andere Auf- ong. Die darin berücksichtigten Vorstellungen, die sittlichen und lenschaftlichen , sind nämlich solche, deren Verschiedenheit nicht

einer Verschiedenheit der objectiven Verhältnisse sondern aus (r solchen des urthcilendcn Subjects entspringt. Wer hierauf sah, Dte mit Fug und Recht diesen Tropos zu den subjectiven rech- . Aber nicht bloss diess sondern auch die besondere Stelle, die

nnter den subjectiven Tropen angewiesen wird, lässt sich recht- igen und braucht nicht für ein Spiel des Zufalls angesehen zu den. Das Princip, nach dem die vier vorausgehenden subjectiven pen geordnet waren, bestand darin, dass in jedem folgenden Tro-

das Subject des Erkennens mehr eingeschränkt wurde. Zuerst en es die Thiere überhaupt, dann der Mensch, hierauf dessen «Ine Sinne und endlich auch diese nicht ihrem constanten Wir-

nach betrachtet sondern so wie es sich innerhalb gewisser zeit- er durch die wechselnden Zustände des Menschen abgesteckter ozen äussert. Trotz aller Einschränkung ist bis hierher doch er nur von dem Menschen im Allgemeinen die Rede gewesen,

überall auf der Erde, bei jedem Volke und in jedem Staats- lande, sich gleich bleibt. Nun kann aber das erkennende Subject

118 Die verschiedenen Formen des Skepticismus.

dass Agrippa an die Stelle der früher geltenden zehn Trope

auch der Mensch sein nicht insofern er Mensch sondern insofeni Theil eines einzelnen Volkes, Angehöriger eines bestimmten Staat oder Mitglied eines Philosophenvereins ist, und es würden die hienu entspringenden Verschiedenheiten dem einmal gewählten Princip v folge den fünften Tropos bilden. Wenn also thatsäcblich bei JA genes ein solcher Tropos denn das ist der die sittlichen m wissenschaftlichen Vorstellungen enthaltende an fünfter Stel steht, so ist diess allem Anschein nach nicht auf Zufall oder Wil kür sondern auf bewusste Consequenz zurückzuführen. Der Unte schied, der uns bei Vergleichung der Tropenordnungen des Seit und Diogenes entgegentritt, beschränkt sich aber nicht auf diest Punkt. Denn nachdem der letzte Tropos des Sextos von Diogen* an fünfter Stelle eingeschoben war, wurde in den folgenden nid wie man wohl erwarten könnte, dieselbe Ordnung eingehalten, sondei diese in zwei Stücken abgeändert. Während bei Sextos zuerst d Tropos folgt der die aus den verschiedenen Beziehungen des Banm und Ortes sich ergebenden Verschiedenheiten behandelt und dan sich derjenige anschliesst der es für unmöglich erklärt ein Obje isolirt und ausserhalb seiner Vermischung mit anderen zu erfasse haben bei Diogenes beide ihre Plätze mit einander vertauscht. An hier liegt, glaube ich, der Grund der Aonderung zu Tage. Denn d beiden bei Diogenes zunächst folgenden Tropen, der achte, der si auf Quantität Qualität u. s. w. bezieht, und der neunte, der von d Häufigkeit und Seltenheit hergenommen ist, sind solche die das 0 ject in seiner Isolirtheit angehen. Sie schliessen sich daher passe an denjenigen an, der jetzt bei Diogenes der siebente ist und c Raum- und Ortsverhältnisse zum Gegenstande bat. Unpassend kom es dagegen scheinen zwischen diesen und die beiden jetzt auf i folgenden den sechsten des Diogenes einzuschieben, der das Obj< nicht als ein für sich existirendes sondern mit anderen verbandet und vermischtes bebandelt. Abermals scheint so die Aendera welche Diogenes mit der Ordnung des Soxtos vornimmt durch ei bestimmte Absicht veranlasst worden zu sein, füne solche läast 8J endlich noch darin vermuthen dass der auf die Relativität (nQoq gegründete achte Tropos des Sextos bei Diogenes zum letzten | worden ist. Dieser Tropos, der in sich Vorstellungen wie die d Schweren und Leichten, des Grösseren und Kleineren befasst, erinn<

Entwickelung der pyrrhonischen Skepsis. 119

fiinf zum Theil davon verschiedene treten liess.') Dass diese Auflfassung falsch ist, zeigt deutlich Sextos Pyrrh. I 177: ToiovToi (lev xal ol JtaQti rolg vemrtQoig jiaQaöcöofievoc xine TQOJtoi' ovg Ixrld-tvtai ovx ixßdXXomg rovg dixa r^jcovg, dXX* vjiIq tov xoixiXcottQOV xal öca xovrcov Ovv

iadnrch, dass er das Object nicht isolirt sondern in seiner Beziehung ni Anderen betrachtet, an den sechsten des Diogenes. Indessen ist !r mit diesem keineswegs identisch. Denn während die von diesem )erflck8ichtigte Verbindung in den Objecten selber beruht, kommt Ue des letzten Tropos nur durch die urtheilende und vergleichende Kitwirkung des Subjects zu Stande, weshalb er auch bei Diogenes i «rra r^v nQoq a).Xa avfxßX^atv genannt wird. Er vereinigt also n Bich ein subjectivcs und ein objectives Element, noch in anderer ^m» als dless schliesslich von allen Tropen gesagt werden kann, ^er hierauf merkte, und es liegt nicht so fern dass es nicht Jemand «achten konnte, der musste für den einzig geeigneten Platz dieses ^pos den halten der nach Erledigung der rein subjectiven und der ein objectiven Tropen am Schluss der Reihe noch frei war.

') Diese Auffassung finden wir bei den verschiedensten Gclehr- en älterer und neuerer Zeit. Schon Tennemann Gesch. d. Phil. V ^ 98 sagt von Agrippa, dass er die zehn Gründe (d. i. ZwcifelsgrUnde der skeptische Tropen) auf fünf zurückführte. Nach Ritter Gesch. . Phil. lY S. 284 nahm Agrippa nur fünf Zweifelsgründe an. Keiner öderen Ansicht scheint Brandis zu sein, wenn er Handb. Ill 2 208 von den Skeptikern nach Ainesidem sagt dass sie bestrebt iwesen seien den Schematismus der Zweifclslehre zugleich zu ver- nfachen und in Bezug auf die Arten der Bewährung und Beweis- hrung zu ergänzen, und danach aus diesen späteren Skeptikern dnentlich Agrippa heraushebt. Nach Ueberwog Grundriss S. 214^ fltand Agrippas Leistung darin dass er die zehn Tropen auf fünf dacirte. Dasselbe sagt Zeller S. 37. Eben, darauf läuft hinaus i Erörterung von Pappenheim Erläut. S. 63 f. Das Richtige hat r Leander Haas gesehen, der De philos. scept. succ. S. 28, 2, chdem er Sext. Pyrrh. I 177 angeführt hat. Folgendes bemerkt: lare apparet non attingere mentem Scepticorum auctores recen- res fere omnes, qui illos decem modos ad quinque esse redactos tant.

120 1)^6 verschiedenen Formen des Skepticismus.

ixtlroig iXtyx^uf r^r xmv doygiarixiDV jtQOJcezeiar, Ueber einstimmend hiermit sagt auch Diogenes nicht dass Agripp an Stelle der zehn alten fünf neue Tropen sondern dass eo die fünf ausser und zu den zehn eingeführt habe (88): xa ovToi (ilv ol dtxa xQOJtor oi de jrepl ^AyQljtnav tovioi^ aXXovg jttvte JtQOöeiödyovöi. Freilich scheinen diese beiden Zeugnisse durch den Inhalt der neuen Tropen widerlegt zu >Yerden: denn wenn die Tropen Agrippas wirklich ausser und neben den zehn älteren Geltung haben sollten, so scheint diess für beide einen wesentlich verschiedenen Inhalt vo^ auszusetzen; von den fünf Tropen Agrippas aber scheint der erste, von dem Streit der Meinungen hergenommene, mil dem fünften bei Diogenes, dem letzten bei Sextos identisd zu sein, und der auf die Relativität (jtQog zi) gegründet« mit dem zehnten bei Diogenes, dem achten bei Sextos zu sammenzufallen (Zeller 38, 1), ja es lässt sich dieser letzter als eine Zusammenfassung der übrigen neun Ainesidems be trachten (Pappenheim a. a, 0. S. 63): so scheint die Ansicb gerechtfertigt, welche in den Tropen Agrippas eine Umbil düng der älteren erblickt in der diese verwerthet und ui einige neue vermehrt sind. Der Widerspruch, der hiernac zu bestehen scheint zwischen dem thatsächlichen und dei überlieferten Verhältniss der beiden Tropenreihen 2 einander, hebt sich indessen^ bei genauerer Betrachtuni Denn obgleich die fünf Tropen zum Theil mit den zel identisch sind, dieselben in sich aufgenommen haben, i müssen sie darum doch nicht an die Stelle jener getretc sein sondern können neben denselben sich behauptet habe indem sie durch die neuen in ihnen enthaltenen Elemeni geeignet wurden einen Zweck zu erfüllen, für den die alten zehn in ihrer Isolirtheit nicht ausreichten, und so die ergänzten. Es fragt sich, ob ein solcher Zweck sich aui findig machen lässt. Vergleichen wir die nähere Ausfuhron

EntwickeluDg der pyrrhoaischen Skepsis. 121

der zehn Tropoji mit derjenigen der fünf, so springt ein Unterschied sofort in die Augen, und dieser ist diiss, während jeder der zehn Tropen das Enthalten vom Urtheil (ijtoxi]) überhaupt, die Skepsis also im Allgemeinen begründen will, dio fünf den Zweifel zunächst nur in Beziehung auf ein ein- zclaes der Forschung zu stellendes Problem erregen sollen.')

*) Die Erörterung des ersten der zehn Tropen schliesst bei Sextos Pyrrh. I 61 ab mit den Worten: el ovv öicupoQoi ylvovxai al <f<tvtaalai naga t^v twv ^cJcov i^aXXayiiv, aq iTrixQivai dfjirix^vov ^oxiv, in^x^tv dvdyxij neQl xwv ixtog vnoxsifxivwv. In derselben Weise wird das Ergeboiss der folgenden Tropen bezeichnet. Hiermit stimmt aberein Diogenes, wenn er nach Mittheilnog des zweiten Tropos (81) bemerkt: ös^sv iipexthv, des dritten: dxokovB^el ovv fjiy HälXov eivai xolov to (paivofxevov rj dk?.oiov, dos fünften (84): o&ev W(>i zdXriB^avg rj inox^j» des siebenten (86): inet ovv ovx svi 6§«i rhofv xal &iae(ov xavza xaxavofiaat, dyvoelxai ^ <pvaiq adxaiv, des zehnten (88): dyvettaxa ovv xa ngog xi xa^^ kavxd. Was allen diesen venchiedenen Ausdrucksweisen der Skepsis gemeinsam ist, das ist der Zweifel nicht etwa an dieser oder jener einzelnen Vorstellung sondern an einer ganzen Classe derselben welche durch den betref- fenden Tropos zusammengefasst wird. Diese Eigenthtimlichkeit der &n die zehn Tropen anknüpfenden Skepsis tritt erst dann recht her- vor, wenn wir damit vergleichen was als Ergebniss von Agrippas Tropen bezeichnet wird. Das Wesen des ersten derselben wird bei Sextofi Pyrrh. I 165 folgendermaassen bestimmt: xal b fihv dnb xfjq ^fmvlaq ioxl xa&^ ov nsQi xov ngoxt^ivxoq TiQayfiaxoq dvenlxgixov otuoiv nagd xs x^i ßl<p xal nagd xolq fpiXoaofpoiq tvQlaxofiev yeyevi]' t^y^iv, 6i* r]v ov övvdfievoL algeiaO^al xi tj dnoöoxifxdl^fiv xaxahjyo- ßfv flq inoxfiv. Auch dieser Tropos hat eine Epoche zur Folge, ^ber diese ist nicht wie die aus den zehn Tropen entspringende von lunfi^sendcr eine ganze Yorstellungsclasse ergreifender Art sondern ^ieht sich, wie der Zusammenhang zeigt, nur auf einen einzelnen ^ Behandlung vorgelegten Gegenstand {TtgoxeS'hv ngäyfia), ein be- stimmtes der Forschung gestecktes Problem. Ebenso verhält es sich ^it dem zweiten Tropos (166). Auch der dritte beschränkt seinen Zweifel auf x6 vnoxelfievov (167). Ebenfalls nur einen einzelnen Fall fasst der vierte ins Auge, wie man aus der ihm gewidmeten

122 I^ö verschiedenen Formen des Skepticismas.

Man kann denselben Unterschied auch so ausdrücken dass man sagt: die zehn Tropen sollen uns nur überhaupt erst auf den skeptischen Standpunkt erheben, die fünf anderen aber sollen dazu helfen dass wir denselben auch weiterhin in allen einzelnen Fällen zu behaupten vennögen. Für diesen letzteren Zweck würden die Tropen Ainesidems nicht aus- reichen. Dieselben beruhen durchweg auf dem Princip der looöd^tt^ua d. h. sie fuhren aus dass jeder einzelnen Em- pfindung und Vorstellung eine andere sie aufhebende ent- gegengesetzt ist die den gleichen Anspruch auf Geltung hat Die von ihnen angebahnte Skepsis kann also nur dann zum Durchbruch kommen, wenn zu einer gegebenen Empfindung und Vorstellung sich eine entgegengesetzte nachweisen lässt Für alle einzelnen Fälle konnte auf diesem Woge nicht ge- sorgt werden. Zwar die Sinnesempfindungen Hessen sich leicht in gewisse Classen scheiden, und jede neu herYO^ tretende brauchte nur einer derselben eingeordnet zu werden um ebenso gut wie die übrigen ausdrücklich im betreffenden Tropos genannten der Skepsis zu verfallen. Mit der grossen

Erörterung (168) sieht: 6 de i^ vnofkeascog taxiv oxav dq uTieigov exßalXofxevot ol Soyfiartxol ano rivog aQ^iovrai o ov xataaxsval^oV' aiv dXV anlwg xa.} avanoöelxxwq xara avyywQriaiv kafißareiv a^iov- aiv. Nur von einem bestimmten Gegenstand, der gerade erforscht wird (ro t,ijTovfjievov TTQäy/na) ist auch aus Anlass des nächsten (des StdV.fiXog) Tropos die Rede (169). Nicht anders verfährt Sextos in dem ganzen folgenden Abschnitt der der weiteren Erläuterung der fünf Tropen gewidmet ist. Und nicht bloss Sextos verfährt so, son- dern, was uns nöthigt hier mehr als blossen Zufall zu sehen, auch Diogenes. Denn nachdem derselbe die zehn Tropen sämmtlich in eine allgemeine Skepsis hatte auslaufen lassen, beschränkt er di6 Wirksamkeit der fünf Tropen auf eine einzelne gerade der Forschung gestellte Aufgabe. Es kehren in dieser Beziehung dieselben oder doch ganz ähnliche Ausdrücke wieder, wie o av nQore^y l^ijx^fia (88) und ^^tjtovfzfvoi' TtQccy/Lia (89).

Entwickelnng der pyrrhonischen Skepsis. 123

Qserer Vorstellungen ging diess nicht an. Wer war ide z. B. alle künftig einmal auftauchenden wissen- jhen Probleme vorauszusehen und wer die vielen en Lösungen zu errathen, die man hierzu einmal würde? Die bunte Fülle dieses Möglichen vorläufig ir in Classen zu ordnen und so im voraus der Skepsis 3rwerfen war Niemand vermögend. Daher machen ach Ainesidema Tropen gar keinen Versuch der Art i beschränken sich auf die Anführung von Beispielen ; auf die Götter bezüglichen Problems und der Frage rsprung und Ende aller Dinge.') Es konnte nun lie Lösung eines Problems vorkommen das ausserhalb »ses dieser Beispiele lag, zu der eine entgegengesetzte g bisher noch nicht hervorgetreten war, und einer gegenüber musste wer ausschliesslich auf die zehn angewiesen war, wer keine Skepsis als die auf die f£ia gegründete kannte, nothwendig rathlos sein. Die 'ropen sind eben der getreue Ausdruck der älteren tischen Skepsis und richten sich daher wie diese \i nur gegen die in der Geschichte der Wissenschaften hervorgetretenen Ansichten, nicht gegen jede denk- id mögliche; ja sie wollen eigentlich nur das empi- ftus der Sinneserfahruug gezogene Wissen bestreiten.*)

Diog. lY 83. Dazu fttgt Sextos Pyrrh. I 151 noch einige mehr: ytofiev rovg filv tv elvai atot/eiov anoipaheaBai rovq 6h

xal rovg fzsv Ovrjr^v rrjv tpi'xyv rovg Sh d^dvatov, xal xovq voia dfc5v StoixstöB'ai xaB-* fjf^ccg rovg 6h dnQOvoijTtag. So fasst sie auf Sextos Pyrrh. III 50 wo nach dem Dilemma T^^ror iativ ^ vorjrhv folgendermaassen fortgefahren wird:

ala^xov iariv, dxataXrjntov ^ari Sta t^v öiatpoQoiv xüiv rf xwv civd'QioTxvDV xol xötv ataB'TJOfcov xal xwv nfgioxdoeofv « xäg inifii^lag xal xa Xoina x<5v nQoeiQtjfiivcDV rjfiTv iv xolg ')v öixa xQonatv. Auf die gleiche Auffassung führt auch

124 ^^6 verschiedenen Formen des Skepticismus.

Trotzdem konnten sie auch gegen jedes mögliche Wissen verwandt werden, unter der Voraussetzung dass jedes Wissen schliesslich auf die Sinneserfahrung zurückgeha^) Insofen würden sie dann auch gegen die Lösung eines einzeben Problems benutzt werden können, aber doch nur auf einem ziemlichen Umwege. Das Bedürfniss nach einem unmittelbar wirkenden Zweifelsgrund musste daher sich regen, und um so stärker, als eine Skepsis, die erst einer dogmatischen Voraussetzung denn eine solche ist doch die Behauptung dass alles Wissen auf die Sinneserfahrung gebaut ist be- durfte um zu gelten, keine reine war. Diesem Bedürfniss kam Agrippa entgegen. Hatten Ainesidems Tropen nur die in den Sinnen fliessende Erkenntnissquelle gestopft und daher das Wissen nur insoweit berührt als es aus den Sinnen geschöpft ist, so wollen diejenigen Agrippas den Glauben an den Erfolg irgendwelcher Denkthätigkeit er- schüttern und dadurch den Factor beseitigen, ohne dessen Mitwirken kein Wissen, es stamme im Uebrigon von den Sinnen oder nicht, bestehen kann. Mit anderen Worten,

dogm. I 345: xpsvSovzal ts iv nolkoig al alaS-fjOfig xal Siafpwvtwciv dXki^Xatg, xaS-dneQ iSsl^ainev tovg naQcc xio AlvTjaiSi^fitp Sixa xQonov^ intovzeg. Diese Auffassung brauchte sich durch den auf den Wide^ streit der sittlichen und wissenschaftlichen Vorstellungen bezüglichen Tropos (der fünfte bei Diog.. der letzte bei Sextos) nicht stören so lassen, da dergleichen Yorstellungen als solche angesehen werden konnten die aus der sinnlichen Erfahrung geschöpft waren.

^) Diese Yorausssetzung liegt bei Sext. Pyrrh. III 50 in den Worten, die auf die in der vorigen Anmerkung citirten folgen: A( vofjtov, fiTj diöofiivTiq wdxoQ-ev trjq xwv aiadijxtüv xaxak^tpewg, clg>* ^S oQfJuofifvoL xoig vo^xoTg inißakkeiv doxovfiev, aidSh ^ xwv vofiX(5v <xv- xoS-sv xaxdXrjtptg So&?joexai, Sioneg ovöh tj xov docußdxov. Dass ein Denken ohne die Sinne nicht möglich sei, spricht derselbe Pyrrb. I 99 aus: xwv ala^aewv fii} xaxaXafißavovawv ixxog, o^Sh t? Stdvoia xavxa Svvaxai xaxakafißdveiv.

Entwickelung der pyrrhonischen Skepsis. 125

wahrend die zehn Tropen sich gegen einen bestimmten Inhalt des Wissens richten, gehen die fiinf Agrippas auf die Form and Methode. Wenn daher auch unter den fünf zum Theil dieselben Tropen wiederkehren, so geschieht diess doch in einem anderen Sinne und ist keine einfache Wiederholung. Was zunächst den vom Streit der Meinungen hergenommenen Tropos betrifft, so dient derselbe in der Reihe der zehn Tropen dazu den Zweifel auch solchen Vorstellungen gegen- über zu begründen, die über die unmittelbare Sinnesempfin- dong hinausgehen; er richtet sich nicht gegen die Thätigkeit der Sinne selber sondern gegen deren Nachwirkungen und könnte deshalb auch als der Abschluss des von den übrigen Tropen begonnenen und weiter geführten skeptischen Pro- oesses bezeichnet werden, wie er denn auch nicht ohne Grund bei Sextos an letzter Stelle zu stehen scheint (vgl. S. 115, 1). Innerhalb der fünf Tropen dagegen wird demselben Tropos eine ganz andere Bedeutung gegeben, wie sich schon darin anaspricht dass er nicht den letzten sondern den ersten Platz einnimmt. Ausserdem kommt er nicht in dem weiten Sinne wie bei Ainesidem sondern nur mit Bezug auf eine besondere Frage zur Verwendung, wenn wir der Darstellung bei Sextos Pyrrh. I 170 Glauben schenken wollen. Hier würde bei Beginn jeder Untersuchung, wo es doch gilt den (gegenständ derselben festzustellen, es sich zunächst darum bandeln zu bestimmen ob derselbe Object der Sinnes- önpfindung oder des Denkens ist.*) Vermittelst des in Rede stehenden Tropos zeigt sich aber dass eine Beantwortung

') Die betreffenden Worte lauten: ro ngore^kv ^toi aia^xov ^<fuv tj vot^tov, onolov 6^ av ^, 6taneipojvi]Tai' ol /äIv yuQ xa alo^vä ^ov(t (faolv flvcei «A//^//, oi öl fxova vorjta, ol dh tiva fihv alaS-T^tä f'J'a (Jf vot^td. TtoTfQov ovv intXQtr^v sivai tp^aovai r^v dia<p(ovlav '/ ttvfnlx(}tTov ; ei fihv dvsnlxQtzov, ^/ofiev ort Sei in^x^tv negl yccQ ^*^v dvfniXQtzwg ötatpußvovfitvoßv ovx oiov ti iaxiv dnoipalveaS^ai.

126 I^ie verschiedenen Formen des SkepticismuB.

dieser Frage nicht gegeben werden kann: denn gers darüber ob es nur Objecto der Sinnesempfindung oder z des Denkens gibt oder endlich die Objecto theils solche i Sinnesempfindung theils des Denkens sind, besteht der h tigste Streit. Dieser Tropos, weit entfernt wie in den ze' Tropen des Sextos die Skepsis zu beschliessen, dient al vielmehr dazu sie einzuleiten, indem er den Ausgangspuo jeder Untersuchung als einen ganz unsichem hinstellt E ähnlicher Unterschied, wie er eben in Bezug auf den v( Streit der Meinungen hergenommenen Tropos hervorgetret ist, lässt sich auch für den die Relativität (jtgog ti) i Vorstellungen hervorhebenden ausfindig machen. Dass d( selbe inhaltsgleich ist sei es mit dem gleichnamigen i zehn Tropen oder mit der Gesammtheit dieser, kann namei lieh, wenn man Sextos a. a. 0. 168 mit 135 ff. vergleic nicht wohl geleugnet werden. Trotzdem findet auch h wieder ein Unterschied statt: dass nämlich dadurch inn* halb der zehn Tropen die Skepsis überhaupt, innerhalb ( fünf nur in Beziehung auf ein gegebenes einzelnes Probl begründet werden soll; dass in jenem Falle der Tropos dem Schlüsse führt „weil alle Vorstellungen relativ si muss ich mich hinsichtlich aller meines Urtheils enthalte in diesem dagegen folgert „weil alle Vorstellungen rela sind so dass ich mich hinsichtlich ihrer des Urtheils e halten muss, so gilt dasselbe auch von dieser besondei Vorstellung**. Dieser charakteristische Unterschied tritt ^ nigstens noch bei Sextos 168 hervor:. 6 öe ajto rov xi TL, xad-cog jtQO£iQi]xafi£r, tv cp JtQog fier x6 XQtvov xäi cvvd-ecoQOVf/fiva rotor ?} toTov q)alv£Tcu t6 vjroxelfisv ojtotov de toxi JiQog tr]V (pvotv ijttx^fisv,^) Auch (

^) Bei Diog. 89 freilich ist dieser Unterschied verwischt fi lesen wir: o 61 ngoq rt ovötv ipfjoi scai^^ tavzö kafißdveoBixt, ei

Entwickelang der pyrrhonischen Skepsis. 127

Platz den dieser Tropos in der Erläuterung des Sextos ein- nimmt (175 und 177) scheint nicht willkürlich oder zufällig zu sein: denn dass dieser Tropos der letzte ist, kann damit zusammenhängen, dass es gewissermaassen der letzte Trumpf ist, der ausgespielt wird wenn die anderen Mittel der Skepsis versagen; eine Vorstellung könnte wohl d. h. so begründet sein dass keiner der in den vorher genannton Tropen be- zeichneten Denkfehler begangen worden wäre, so bliebe doch immer der Einwand übrig dass sie das betreflfende Object nicht rein darstellt theils wegen der Vorstellungen anderer Objecte die sich in sie eindrängen theils wegen der sub- jectiven Zuthaten die sie enthält. So bewährt sich auch an diesen beiden Tropen, trotzdem dass dieselben aus der Reihe der zehn in die fünf herübergenommen sind, der eigenthüm- liche Charakter der letzteren, vermöge dessen sie nicht die Gütigkeit gewisser vorhandener, mehr oder minder genau bezeichneter Vorstellungen bestreiten sondern jeder zukünf- tigen auf ein dogmatisches Ergebniss hinarbeitenden Unter- suchung von vorn herein den Boden entziehen wollen. Der erste vom Meinungsstreit hergenommene greift, wie wir sahen, den Ausgangspunkt jeder solchen Untersuchung an, die drei mittleren {slg ajisigov IxßaXXoov, öidXhjko'g, vjioO^STLxog) fassen das dabei zur Anwendung kommende Beweisvorfahren ins Auge, der letzte endlich, der der Relativität, richtet sich gegen das Endergebniss einer solchen Untersuchung.

Im Vergleich mit den älteren Tropen, die, indem sie mit der laoöihh^eia operiren, eigentlich nur eine vorhandene und bekannte Vorstellung mit der anderen schlagen und

Mf^' h^QOv. oS'fv äyvwaxa sivai. Auf diese Worte ist aber um 80 weniger zu geben als sie ihre Ungenauigkeit schon in der Be- schränkung der Relativität auf das //f^' tTt()ov vcrrathen. Dasselbe gilt gegen Sextos a. a. 0. 175.

128 I^ie verschiedenen Formen des Skepticismos.

somit auf der Empirie fassen, haben die fünf jüngeren di durch dass sie nicht diese oder jene empirisch gegeben Vorstellung oder Vorstellungsciasse anzweifeln sondern aa die allgemeinen bei jeder Untersuchung wiederkehrende! Formen achten, ein entschieden dialektisches Ansehen. Das es gerade die jüngeren sind, an denen wir diesen dialek tischen Charakter wahrnehmen, ist gewiss bemerkenswert!] Es zeigt sich darin, dass die pyrrhonischo Skepsis sich dei verschiedenen Zeiten anzubequemen wusste. Die Skepsis ifi eben das Gegenbild des Dogmatismus: als der Dogmatismu selber noch empirisch war, d. h. in den Zeiten der Natm Philosophie, war auch die Skepsis empirisch; als er dan aber wesentlich auf die Dialektik sich gründete, eignete auc die Skepsis sich dieselbe an. Ein Irrthum würde es abc sein zu glauben, Agrippa sei der Erste gewesen, der di Dienste der Dialektik für die pyrrhonische Skepsis in Ai Spruch nahm. In dieser Hinsicht könnte Jeden schon ein» Besseren belehren was uns Sextos aus Ainesidems das Vo handensein einer Ursache bestreitenden Erörterungen mi theilt: denn das von Ainesidera hierbei angewandte Vorfahre da es sich nicht auf Thatsachen der Empirie sondern a Schwierigkeiten gründet die in den Begriflfen liegen, wi eben dadurch als ein dialektisches charakterisirt.*) AI Ainesidem hat nicht bloss des dialektischen Verfahrens si bedient sondern auch schon den Vorsuch gemacht dassel auf gewisse Tropen zurückzuführen. Das sind die a(

*) Sext. dogm. III 218 ff. Als Beispiel mögen folgende Wo dienen: o ri d* av ^ xovxwv (sc. r^ auifin), ovShv Svvarat noti rJTOi yaQ xaB-^ ^avtb fuvov hTiQov xi noitt // l-x^gip avveX^ov. di pihov filv xaS-* hccvxo nXeiov ahxov xal xij(; olxslag tpvaBioq ovx övvaixo xt notfiv ovveX&ov öh sxtQw xglxov odx av övvatro di xsXeiv, o fjirj TiQotfQOV iv X(p e'ivai vntjQ/^fv. ovxs yaQ rA ev ytvia^ ovo övvaxov ioxtv ovzt Ji'o xqItov dnoxBXtt xxX.

Entwickelung der pyrrhonischen Skepsis. 129

Tropen, von denen Sextos Pyrrh. I 180 ff. ^) spricht und auf die sich auch Photios c. 212 (170 M 7)«) bezieht. Die- selben unterscheiden sich wesentlich von den zehn, und zwar nicht nur deshalb weil sie statt auf die Erkenntniss und das Wissen überhaupt sich auf ein einzelnes Gebiet der Forschung das aitiologische beziehen sondern auch durch den eigen- thümlichen Charakter, den sie innerhalb dieses beschränkten Kreises an sich tragen. Denn nicht bloss gegen bestimmte vorliegende Ergebnisse der Aitiologie richten sie sich und heben dieselben dadurch auf dass sie auf entgegengesetzte, welche dieselbe Geltung haben, hinweisen d. h. indem sie

') Kai Sh Alvjjaldfjfjiog dxxw XQonovq naQaSiöatai xad'^ ovg oi- f^ai näaav 6oy/natixtjV alrioXoylav wg fiox^flQctv ^Xiy/^mv dnoipi^va- ö^ffi (ov rcQÖixov fihv sival (pr^ai xaS-^ ov XQonov xtjg alxioXoylaq yivoq iv dtpaviatv dvaarQB(p6fievov ovx bfioXoyovfxevrjv sxfi tiyv ix rwv ipaivofiivcDV iitifiaQXVQriaiv, SevxfQov Sh xaS-* ov noXldxiq evsni- foglaq ovotjg Satpilovq äaxe noXvxQonojg alxiokoyrjaai x6 ^T^xov/nevov, ^«d* iva fiovov XQonov xovxo rtveg alxtoXoyovaiv, xqIxov xa&^ ov ^^v xnayfikvutg yivofibvwv alxlag dnoöiöoaatv ovöefuav xd^iv im- (fmoiaag, x^xagxov xa&' ov xa (paivofitva Xaßovxeg wg ylvexai, xal iUiJ (paivofisya vofd^ovaiv wg ylvexai xaxeikTj(p^vai , xd^a fitv oßolmg xolg tfatvofxivotg xwv d<pav(5v iTtixekovfxivwv, xd^cc d' ovx ofiol(og dXX^ ISia^ovxwg' nifinxov xaS^^ ov ndvxeg wg enog slnsTv xaxa xäg lölag xdtv axoixslmv ino^iasig «AA' ov xaxd xivag xoivag *ffi ofiokoyov/jiivag i<p66ovg alxioXoyovaiv ?xxov xaS-^ ov noXkdxig Ta pCiv tpwgaxa raig lölatg vnoS-^aeai TiaQakafxßdvovot, xd 61 dvxt- ^inxovxa xal xrjv tarjv exovxa mS-avoxfjxa naQand^novatv tßöofiov xa^^ ov noX).dxig dnoöiöoaatv alxlag ov fiovov xolg <paivofiivoig d).ld xol Talg lölaig vnoB-ioBat ptaxo/n^vag' oySoov xaS-^ ov noXXdxig ov- ^wj» anoQiov bfiolcjg xwv xe (f-alveaB-ai öoxovvxwv xal xdiv iml^rjxov- H*^V(ov, ix xwv bfiolwg dnoQwv neQl xwv bfiolwg dnoQwv noiovvxai ^k Siöaaxaklag.

*) Pappenheim Erliiuter. S. 68 sagt zwar nur, es sei „wahr- scheinlich", dass diese acht Tropen im fünften Buche der pyrrho- nischen Schlüsse standen. Ich weiss aher nicht was uns berechtigt irgendwie daran zu zweifeln.

Hirzel, Untersachnngen. ni. 9

130 I^ic verschiedenen Formen des Skepticismns.

das Princip des Gleichgewichts der Gründe (löoöO'ivBia^^ zur Anwendung bringen, sondern die Fehler die in der aitic» logischen Methode zu Tage treten heben sie hervor und untergraben so das Fundament sowohl der bereits auf diesem Gebiete gewonnenen wie aller in Zukunft noch zu gewiii.^ nenden Resultate. Um es kurz zu sagen, es findet zwischen den zehn Tropen und den acht dasselbe Verhältniss statt das wir eben zwischen jenen und den fünf Agrippas beob- achtet haben. Beide sowohl die acht Ainesidems wie die fünf Agrippas sollen den zehn Tropen zur Ergänzung dienen. Die Vermuthung ist daher berechtigt, dass Agrippas Tropen an die Stelle der acht Ainesidems treten sollten, und wird durch Sextos bestätigt nach dessen Ansicht für den Zweck zu dem die acht Tropen erfunden worden sind auch die fünf ausreichen.*) So erscheint Ainesidem als der Vorläufer Agrippas, indem er bereits dialektische Tropen, wie wir sie der Kürze halber nennen können, einzuführen suchte. Was aber Ainesidem nur innerhalb eines engeren Kreises der Forschung unternahm, das ist von Agrippa auf das gesammte Gebiet derselben ausgedehnt worden: insofern kann man sagen, dass er erst die Dialektik, die bei Ainesidem zum Theil noch ausserhalb des eigentlichen Pyrrhonismus stand, vollkommen in denselben hereingezogen und eingebürgert hat In dem Maasse als die Pyrrhoneer die Dialektik mehr in ihren Bereich zogen, traten sie auch den Bkeptischen Akademikern näher: denn es ist natürlich, dass sie sich die Dialektik da holten wo sie dieselbe für ihren Zweck, die Skepsis, schon zubereitet fanden. Für diese Annäherung liefert einen Beweis das Endergebniss zu dem diese jüngere

*) A. a. 0. 185: ra^« <^* ^^ ^«^ oJ ntvre tQonoi xrjq inox^g anagxovai nQog xaq aktoloylaq. 186: Xariv ovv xal öia tovratv i?jyxsiv toatq tjJv rc5v Soy(xaxixwv tV talq ahio?,oylaiq ngonirfttcV'

Entwickelang der pyrrhoDischen Skepsis. 131

Skepsis der Pyrrhoneor gelangte. Nach Agrippa war, wie wir sahen, der Zweck der fünf Tropen jede mögliche Unter- suchung (^Tjöig) als eitel hinzustellen, und Sextos sucht, wohl nach dem Vorgange Agrippas, noch besonders zu be- weisen, dass sie auch im Stande seien diesen Zweck zu erfüllen.^) Damit aber war dem Skepticismus eine Richtung g^eben, die dem ursprünglichen Bestreben der Pyrrhoneer geradewegs zuwiderlief: denn für die Pyrrhoneer war es im Gegensatz zu den Akademikern, wie wir früher (S. 29, 1) sahen, charakteristisch, dass sie nicht wie jene die Möglich- keit jedes Wissens leugneten und eben deshalb auch das weitere Forschen und Untersuchen nicht aufgeben wollten, wie sie besonders durch den Namen der Untersuchenden i^ritixol), den sie sich beilegten, deutlich verkündeten; mit dieser Auffassung der Skepsis lassen sich Agrippas Tropen nicht vereinigen, da sie die Ergebnisslosigkeit jeder Untersuchung darzuthun versprechen. So schlug, wenn man auf das Endergebniss ihres Zweifels sieht, die pyrrhonische Skepsis jener Zeit in die akademische um. Historisch an- gesehen ist diess vollkommen begreiflich: denn wir gewinnen so auf skeptischer Seite ein Gegenbild zu dem Synkretismus der damals aus den verschiedensten Richtungen des Dogma- tismus eine unnatürliche Verbindung herstellte und sehen auf ähnliche Weise, wie platonische aristotelische und stoische Lehren zu einem Ganzen vereinigt wurden, auch die Grenzen der akademischen und pyrrhonischen Skepsis sich vorwischen. Wenn daher die Ueberlieferung hinsichtlich eines späteren Skeptikers schwankt und ihn bald den Pyrrhoneem bald den Akademikern zuzählt, so darf uns diess jetzt nicht mehr Wunder nehmen. Nun wird aber der bekannte Skeptiker

*) Pyrrh. I 169: ort 6h nuv x6 ^rjrovjuevov flg tovtovg dvccyeiv Tovg TQonovg ivSlx^Tat, Sta ßQayJ<ov v7io6el§ofiev ovTwg.

132 l^ie verschiedenen Formen des Skepticismas.

Phavorinos uns bald als Pyrrhoneer bald als Akademik©:»:' vorgeführt. Als Akademiker erscheint er zu Anfang voxi Galens Schrift jtEQi aQlcxrjq öidaöxaXlag^) und bei Gellio-S XX 1. Leander Haas a. a. 0. hat hieraus geschlossen, dass er kein Pyrrhoneer gewesen sei. Diesem Schlüsse stellt sich aber entgegen Gellius X 5,5. Mit Beziehung auf die vorher dargestellte Eigenthümlichkeit der pyrrhonischen Skepsis wird hier Folgendes bemerkt: super qua re Favorinus quoque subtilissime argutissimeque decem libros composuit; üv^Qm— vslcop TQOJtcov inscribit. Sollte Phavoiinos an den pyrrho- nischen Tropen, deren Erläuterung er ein besonderes so umfangreiches Werk widmete, nur das Interesse eines Histo- rikers genommen haben? Diese Annahme, zu der sich Haas genöthigt sah, ist gewiss sehr unwahrscheinlich. Es spricht aber ausserdem gegen sie auch Diog. IX 87. Denn da Phavorinos hier als Einer genannt wird der die pyrrhonischen Tropen in einer ihm eigenthümlichen Weise ordnete die sowohl voll der des Sextos und Ainesidemos wie von der bei Diogenes befolgten abwich, so nahm er sich eine Freiheit die man nicht dem historischen Referenten gestattet sondern nur dem der eine Lehre in eigenem Namen vorträgt und in dem Maasse, als er bereit ist sie zu vertreten, auch berechtigt sein muss an ihr zu ändern. Wir werden deshalb daran fest- halten, dass Phavormos uns durch die Ueberlieferung auch als Pyrrhoneer vorgeführt wird. Wie er freilich diese Verbin- dung von Pyrrhonismus und akademischer Skepsis vor sich selber und Anderen rechtfertigte, ob er jeden Unterschied zwischen beiden Richtungen überhaupt leugnete oder ob er ihn zwar anerkannte aber für unwichtig erklärte, vermögen wir nicht zu entscheiden.*) Für unseren Zweck genügt es

') Die einzelnen Stellen s. bei Haas a. a. 0. S. 82 f.

') Dass es solche gab, die beide Richtungen der Skepsis fQr

Entwickelung der pyrrhonischen Skepsis. 133

«lie einfache Thatsache festgestellt zu haben, dass ein spä- terer Skeptiker die beiden, früher neben einander bestehenden Formen des Skepticismns in sich vereinigte: denn auf diese Weise haben uns äussere Zeugnisse zu demselben Resultat geführt, das wir schon aus der eigenthümlichen Natur dieser späteren Skepsis erschlossen hatten. Zur Bestätigung dafür im Agrippa und Phavorinos, insofern sie beide innerhalb des Pyrrhonismus einer und derselben, der vermittelnden Richtung folgten, durch ein besonders enges Band zusam- mengehalten wurden, lässt sich noch etwas Anderes geltend machen. In der Reihe der skeptischen Philosophen, die Diogenes von Laerte (IX 115 f.) aufstellt, fehlt ausser dem Namen des Phavorinos auch der des Agrippa. Das ist auf- fallend, wenn wir bedenken, dass doch beide in dem früheren Theile der Darstellung des Diogenes erwähnt worden sind, und doppelt auffallend, wenn wir an die Bedeutung denken die wenigstens dem letzteren in der Entwickelung der skep- tischen Lehre zuzukommen scheint. Begründet könnte es darin sein, dass Diogenes nur die Schulhäupter namhaft machen wollte, Phavorinos und Agrippa aber dazu nicht gehörten.*) Indessen ist eine solche Annahme nicht ohne Bedenken. Dass Diogenes bei solchen Aufzählungen sich

sehicchthin identisch hielten, sieht man schon aus Gellias XI 5, 6: Tetus autem quaestio et a multis scriptoribus Graecis tractata, an qoid et quantum Pyrrhonios et Academicos philosophos intersit. Auf eben solche bezieht sich Sextos Pyrrh. I 220: <paa} fxtvxoi xivlq ort jj kxaSrjfiaixrj *fi).oao<fla ij arrij iart x^ axhpsi. Und obgleich der- selbe im Allgemeinen für die Verschiedenheit der beiden Richtungen der Skepsis eintritt, sieht er doch sich zu dem Geständniss genöthigt, dass wenigstens die Skepsis des Arkesilaos mit der pyrrhonischen fast zusammenfalle (a. a. 0. 232). Auch Galen tieq! aglax. öidaax. 2 und 3 scheint Akademiker und Pyrrhoneer nicht wesentlich zu onterscbeiden.

1) Diess ist die Ansicht von Zeller S. 7, 1.

134 I^ie verschiedenen Formen des Skepticismas.

nicht auf die Schulhäupter beschränkt, lehrt das Verzeichniss der Epikureer (X 22 ff.) und beweist die Art wie Erantor, der niemals der Akademie vorgestanden hat, doch in der Reihe der akademischen Philosophen aufgeführt wird. Wich- tiger ist die Beschaffenheit des Verzeichnisses der Pyrrho- neer selber, die der Annahme dass wir es hier mit einer Folge von Schulhäuptern zu thun haben, keineswegs günstig ist. Wäre diess nämlich der Gesichtspunkt gewesen, unter dem die Glieder der Reihe ausgewählt wurden, so durftöi nach Antiochos nicht Menodotos und Theiodas neben einander genannt und nicht nach diesen Herodotos an Menodotos angeknüpft und Theiodas übersprungen worden:^) viehnehr musste, wenn die Genannten nur als Schulhäupter in Betradit kamen, an Antiochos Menodotos, an diesen Theiodas und hiemach Herodotos angeschlossen werden. Dagegen ist eine solche Art der Anführung vollkommen gerechtfertigt, wenn die Absicht nicht so sehr war die Succossion in der Leitung der Schule als diejenige in der Arbeit für die Wissenschaft zu geben und auf den jedesmaligen Lehrer dessen bedeu- tendste Schüler folgen zu lassen. Da«s diess der vorwaltende Gesichtspunkt war, zeigt auch das zu Anfang der Reihe stehende öiijxovöe^) das alles Folgende beherrscht bis es in den Worten ^Hqoöoxov öh öii^xovae von Neuem aufgenonunen wird; und eben daher erklärt sich, dass noch ein zweites Mal, da wo die Nachfolger des Ptolemaios, nämlich Sarpedon imd Herakleides, genannt werden, diese beiden in der Reihe nicht nach sondern neben einander gestellt sind. Lnmerhin ist in diesen Fällen die Ausrede, dass zwei denselben Lehrer haben, darum aber doch in der Leitung der Schule einander

*) Ävxloxoq xovTov öh MTjvoöoTog b Nixofif]6€vg, lat^

ifXTiBiQixoq, xal ßsiwöäg Aaoducsvg' Mrjvoöorov 6h ^Uqoöozoq.

') Ed(pQdvoQog Sh Sujxovaev Evßovloq kle^avÖQsvq, oi IJxoli' fialoq xxX.

EntwickeluDg der pyrrhonischen Skepsis. 135

folgen köiinon, nicht vollständig ausgeschlossen. Dagegen ^t diese Ausrede nicht für den früheren Theil des Ver- »ichnisses, der die Nachfolger des Ptolemaios aus Kyrene ügeben will und als solche Dioskurides, Nikolochos, inphranor und Praylos nennt: hier ist offenbar dass nicht 1 erster Linie die Schulvorstände sondern die bedeutendsten ertreter des Pyrrhonismus, in zeitlicher Abfolge und mit leriicksichtigung ihres Schülerverhältnisses, aufgeführt werden )Dten. In diesem Falle aber bleibt es nach wie vor auf- Jlend dass ein so hervorragender Vertreter des Pyrrhonis- 118, wie wenigstens Agrippa auch nach Diogenes' Urtheil nresen zu sein scheint, in dem Verzeichnisse gar nicht ■wähnt wird. Ich weiss dafür, wollen wir nicht den blinden liall walten lassen, keine andere Erklärung als dass das erzeichniss nur Pyrrhoneer einer bestimmten Richtimg an- hren wollte, diese Richtung aber nicht die des Phavorinos id Agrippa war.^) Nun wird auch bemerkenswerth, dass r Pyrrhoneer Apellas, den Diogenes anderwärts (106) ont, in dem Verzeichniss ebenfalls übergangen wird: denn 3 Vermuthung regt sich dass auch er zur Sekte Agrippas borte und der Titel seiner Schrift „Agrippas" kaim die- be nur bestätigen. Es ist ausserdem sehr denkbar dass

^) Diesen Gedanken hatte schon Haas S. 84 f. Wenn derselbe »r das Verzeichniss für eines deijenigen Skeptiker hält, die zu- Loh empirische Aerzte waren, so scheint er mir hierin zu weit gehen. Denn diess würde zu der Annahme führen, dass diese htong der medicinischen Wissenschaft mit dem Pyrrhonismus liesslich zusammenfiel, eine Annahme die keineswegs richtig und überdiess von Sextos (Pyrrh. I 236 ff.) noch besonders be- tten wird. Wohl aber erklärt sich dass so viele Aerzte der [»irischen Schule sich unter den von Diogenes genannten Pyrrho- m finden, wenn dieser die Absicht hatte die Vertreter des alten ten, vorwiegend auf die Empirie gegründeten Pyrrhonismus nam- t zu machen.

136 ^'^^ verschiedenen Formen des Skepticismns.

die drei im Verzoichuiss des Diogenes Fehlenden keinen der von ihm Genannten zum Lehrer hatten: in diesem FaJJe würde weder für Agrippa noch für einen der anderen Beiden ein Platz in der Reihe gewesen sein, wenn dieselbe nämlich wirklich die allmähliche Fortpflanzung der Skepsis durch Lehrer und Schüler darstellen sollte.*)

Agrippa und seine Anhänger erscheinen sonach als ein Nebensprössling des echten Pyrrhonismus. Diess schliesst natürlich einen Einfluss ihrerseits auf die Pyrrhoneer der Hauptlinie nicht aus, und es braucht uns nicht Wunder zu nehmen oder gegen die gezogenen Schlüsse misstrauisch zu machen wenn wir spätere der in gerader Linie auf Ainesi- dem zurückgehenden P3ri'rhoneer sich die Noueningen Agrip- pas zu Nutze machen sehen. Dass diess der Fall war, sehen wir an Sextos Empeirikos, den Diogenes als vorletzten in der Reihe der Pyrrhoneer nennt und der den fünf Tropen Agrippas nicht nur vor den acht Ainesidems den Vorzug zu geben scheint (Pyrrh. I 185 f.) sondern, worauf schon Pappen- heim hingewiesen hatte (Erläuter. 63), von denselben bei Durchführung seiner eigenen Skepsis den ausgedehntesten Gebrauch macht. Wie in späterer Zeit diese Abart des Pyrrhonismus um sich griflf und herrschend wurde, können wir ausser an Sextos auch an Diogenes oder richtiger an

^) Ich bemerke noch, dass in dem Yerzeicbniss des Diogenes auch der Name des Theodosios fehlt. Und doch war seiner 70 ge- dacht worden. Aber freilich nur um zu bemerken, dass man nach der Ansicht dieses Skeptikers kein Recht habe von einer pyrrho- nischen Skepsis zu sprechen oder Pyrrhon als den Stifter der skep- tischen Schule zu bezeichnen. Es scheint daher dass auch dieser Skeptiker sich ausserhalb des Kreises der gewöhnlichen Pyrrhoneer stellte und deshalb von Diogenes übergangen worden ist. Was es mit dem bei Diog. YII 32 ff. erwähnten Skeptiker Kassios fOr eine Bewandniss hatte, ob derselbe, wie Haas S. 72 anzunehmen scheint, zu den pyrrhonischcn Skeptikern gehörte, weiss ich nicht

£Dtwickelung der pyrrhoniscben Skepsis. 137

i beobachten, dem Diogenes seine Darstellung des Pyr- lismus verdankt.^) Mau hat bisher, wie es scheint, die rhoiieer insgemein für den Abschnitt in der Darstellung Diogenes verantwortlich gemacht, der sich gegen die lichkeit eines Beweises, Kriterions, Kennzeichens {öTjfittov^ ides, der Bewegung, des Lernens, Entstehens und das in eines objectiv Guten oder Uebeln wendet (90 ff.), scheint der Ansicht gewesen zu sein, dass, was dieser hiütt enthält, im Wesentlichen ebenso auf Ainesidem skgeht wie das Vorhergehende; denn wenigstens einen l der hier zur Verhandlung kommenden Fragen hatte, wir aus Photios c. 212 sehen, auch dieser Pyrrhoneer ert. Und doch kann was wir bei Diogenes lesen ihn ; zum Urheber haben. Eine Andeutung darüber hat Diogenes schon durch die Worte gegeben mit denen er betreffenden Theil seiner Darstellung einleitet: driigotw VToi xal Jtäöav ajtodu^iv xal XQit//Qiov xal öijfietov ahiov xal xlvtjöiv xal (iddTjöiv xal ybveciv xal ro i dvaL dyaO^ov i] xaxov. Denn auf die Pyrrhoneer haupt, von denen vorher die Rede war, kann sich ovxoi ) beziehen: in diesem Falle hätte es einer so bestimmten ireisung nicht bedurft und wäre es genug gewesen das jche dr(]QOVP zu setzen, die Ergänzung des Subjects dem Leser zu überlassen. Das ovvoi, wenn es wirklich Pyrrhoneer überhaupt bedeuten sollte, hätte nur ein

') Zeller III 2 S. 13 Anm. nachdem er die Vermuthung von , der an Phavorinos dachte, mit Recht ahgcwicsen hat, schlägt ninos vor. Für einen Theil und gerade den wichtigsten und zunächst in Betracht kommenden würde man die von Diogenes r (70) genannten Zxsnvixa xe(pakaia des Theodosios als Quelle unen, wenn die Vermuthung von Nietzsche (Beitr. S. 11), der tarnen dieses Skeptikers auch 79 in den Text setzen wollte, mengend wäre.

138 I^ie verschiedenen Formen des SkepticiBinas.

Missvorstäuduifis bewirken kömien, da im nächst Vorh« gehenden nicht von den PyiThoneem überhaupt sondern r der besondem durch Agrippa eingeschlagenen Richtung i Rede war. Auf diese wird man ovtoi zuerst beziehe Wie aber wenn diess auch der Absicht des Diogenes en spräche? Wenigstens konuuen in den Erörterungen des fira, liehen Abschnittes die Tropen Agrippas zur Anwendun Der 6c^ dXXtjXcDV zQOJcog tritt uns entgegen in folgend Worten (91): IW re yvco/iev ort eöriv djtoöei^ig, xQtzriQii dtt' xal ort söri xqitt/qiov, djcoötl^ecog öeV od-ev Ixotei dxataXriJtra dvojce/unofieva Ijt^ aXhfXa, Schon vorher (9 fand sich der ins Unendliche führende Tropos: Jtäöa äx dei^ig tj djto6e6ecyfi^V(DV Cvyxeirac ^Qt^iätcov tj a aJtoöeixTcov. d fiev ovv l^ djcodaÖBLyfiircov, xdxstva öei^öet Tcvog djco6el§e(X)g xdvtev&ev dq ajtsiQOv; derselbe no einmal 94. Den hypothetischen haben wir 91: svrjd'eig Tovg doyfioTixovq djtiq>atvov' xo yag l^ vjiod-iöaiog jtBQi vo/isvov ov öxttpecug dXXa ß-iöscog I^bl Xoyov Toiovrcp Xoyo) xal vjibq ddwdxoov löriv IjilxbiqbZv. Hierzu konun der vom Streit der Meinungen (diaq^^covla) hergenomm« der 95 und 101, und der auf der Relativität {jtQog ri) \ ruhende, der 97 verwerthet wird. Auf Agrippa weist fen die Skepsis, die aus der Frage, ob Etwas in die Sinne fi oder ein Gedachtes ist, abgeleitet wird; denn imWesentlid dasselbe finden wir in der Erläuterung wieder die Sex von den fünf Tropen gibt.^) Endlich lässt sich was (

^) Zur bequemeren üebersicht stelle ich Beider Worte nel einander:

Diog. 92. Sext. Pyrrh. I 170.

*0 nsQl xivoq Siaßsßaiov- Tb tcqots^bv ^roi alaS^irov ic

fxBvoq ala&rjTov 7} votitov ngo- rj vorjrov, bitoTov d' av y, 6iattB%

XBQOV otpBlkBi tag tibqI rov' vrjtai' 01 fihv yuQ ala&ijta /li

tov So^ag xaraoiilaai ' ol /äbv (paolv Blvai d).7jd^^, ol 6h /iova

flntwickelung der pyrrhonischen Skepsis.

139

betrifft auf die Diogenes den Zweifel gegen das lensein einer Ursache (ahiov) stützt wenigstens so ;en dass dieselben nicht Ainesidemos gehören. Ganz jhen trägt nämlich auch Soxtos vor,') bemerkt aber

K, Ol 6h tavxa dvy- ÖBl 6^ ^ ÖL* aio&rj- frov xQiO-fjvai. hxd- dfjKptaßijTEitat, ov- övvatov TOd; nsQl Ti vorjTüfV intxQivai

)h setze abermals die

Diog. 97 ff. ov rtüv n(}6g rt taii' ) xb aixiaxov iöxi' 6g XL imvoHxai fxo- gX^L ö* OV' xal xo

V inivooLX* av fio- Ei7ie(i iaxlv al'xiov,

XBLV xb ov liysxai

lel ovx taxai aiXLOv.

Q b naxi'iQ, fitj naQ-

TiQvg o liyexai na-

av Hri naxfJQ, ov-

xb aixiov ov ncLQ-

ngbq o voslxai xb

he yag yiveaiq ovxs

jx a?./,o XL' 0V3C ag

ov. xal firjv et taxLV

xoL awfxa aiofxaxoq

ov rj dawfxaxov dan)-

docifjiaxov aiofjunoq

iaejfjidxov)' ovShv 6h

rvx «(>* ^axlv ahtov.

V ovv öwfiaxog ovx 'xiov, intlnsQ dfitpo-

votjxd, ol 6h xivi fihv alaS^xa xtva 6h vorjxd. noxeQOv ovv inLXQLxrjv eivai (pijaovai x^v 6ia<p(ovLav fj dvenlxQi' xov; ei fjihv dvenixQixov, ixopLBv dxi 6tl insxsiv nsQl yuQ xdiv dvemxQl- xvjq 6ia<pü)vovf4ivüßv ovx ^'^^'^ ^^ iaxtv dnoipalvsad^ai. (Vgl. auch 175.)

betreffenden Abschnitte neben ein-

Sext. dogm. III 207 ff. Tb aixtov xiov ngoq xi iaxlv xl-

vbg yaQ iaxiv ulxlov xal xivL

xa 6h ngoq xi ixcLVOtlxai fiovov, dkk*

ovx vnaQx^t ' ^«^ ^^ aixiov

dga inivorj&tjaexaL fjiovov, ovx vndg- ^ei 6L eineg xe aiXLov iaxLV, otpsl- XsL %x^^^ ^^ ^ Xeyexai aiXLOv, ijtsl ovx saxai aixtov, dXk^ ov xgonov xb 6e^ibv fJLii nagovxoq xov ngbg o li- ysxai ÖB^ibv ovx eaxiv, ovxvj xal xb aixiov /Jitj nagovxog xov ngbg o vo- sTxai oix taxai amov. dlld firjv ovx 8x^1 xb aixiov oi) eaxiv aixiov, 6ia xb f^tjxe ytvsöiv fJLiixe tpS-ogav (it\xs

xoivQtg xivtjoiv vTtdgx^^^ ^vx

dga taxiv aixiov. xal fxt^v el Saxiv aixiov, ilxoi aoffia aeifiaxog iaxiv ai- xiov fj doiofiaxov daiü/jidxov tj aiSfia daiofiaxov rj dawßorov awfjiaxog' ovxs 6h aistfia aatfiaxog, wg nagaax^aofiev, ovxs daiüfjiaxov doütfidxov ovxs awfia dawfxdxov ovxs ivaXXd^ daw^axov aiüfjiaxog. odx aga iaxiv atxiov,

140

Die verschiedenen Formen des Skepticismus.

unmittelbar darauf Pyrrh. I 218 Folgendes: d^eXtöreQOv (ilp ovp ovrco TU^lg JiaQafiv&ovrrai xa rov IxxBtuivov Xijov Xrififiara' 6 de AIt^r]Olöf](iog öiagiogmreQov Ijt' aitmv lx(^(to xaTq jt^Qi rfjg yertöecog ajroglaig. Wer die rireg sind, lernen wir jetzt durch Diogenes. Dass Sextos Agrippa nicht

»_«

aaifia fihv ovv avjfiataqov»

av tifi noxb ainov, ineinsQ dfiipou^ tfjv avT^v exBi <pvaiv' xal ei xo hf- Qov aitiov liyerai naQoaov iavl oä- fjia, navTwq xal xo koinbv awgia x«^ eoxütq aixiov ysvi^asxai, xoivwq Ü^ d/jLifOxiQüfv alxlvjv ovxoiv ov6h ku xo nda/^ov, firjSf-vbg 6h Traa/orro? ov66 xo noiovv yevijaetm. fl aga a(t}fjia awfiaxog iaxiv aixiov, ovih iaxiv aixiov. xal firjv ovöh dawfutxof dawfidxov X^yoix^ av eivai noitixtxh 6ia xf)v avxr^v aixlav el yag xtl kein trat ovv tj adifia dawfidxov U- yeiv aixiov t} dvdnahv daiofwxof aiü/jiaxog. oneQ ndhv x(5v d6wdxiai9' xo xe yaQ noiovv ^lyelv oipelket ti; naayovariq i'hjg, Vv« noi^ay, ^ w ndaxovaa vkij B-ix^^rjvai SipslXei, "w ndS^^, xo dh daiofxaxov ovxe d/yf& ovxe d-ix^fjvcci nhfpvxev. xofvw oW^ aajfjia daiofjidxov rj dawfjiccxov üofUi- xoq iaxiv aixiov. <p l'nexat xo fifi^* vnaQx^^'^ fttxiov. Dass die dem Text des Diogenes in Parenthese hinzugefügten Worte zu ergänzen sind, ergibt sich thcils aus der Yergleichuug von Sextos theils aus der bei Diogenes folgenden Erörterung. Die letztere lith zugleich eine andere Ordnung der Worte als wir bei Sextos finden an und diese Umstellung wird noch besonders wahrscheinlich da- durch dass sie den Ursprung der Yerderbniss erklärt, die aus dem Uebergleiten des Auges vom ersten daiofxdxov auf das zweite ent- stand.

xeQa xtiv avxtjv exet tpvaiv. xal et xo l'xeQOv aixiov Xiye- xai nag^ oaov iaxl aio/jia, xal xo XotnoVf awfia ov, ahiov yevriaexai. xoivwg 6^ dfifpoxe- Qütv alxliüv ovxwv, ovöhv eaxai xo ndaxov. dawfiaxov d* dau)- fidxov ovx av e^itj aixiov 6ia tbv avxbv loyov dadfiaxov 6e awfiaxog ovx eaxiv aixiov, inel oMhv daiofiaxov noiel aiSfia' awfia 6* dawfidxov ovx av e^fj aixiov, dxi xo yevofAevov xfjq naaxovatjg vkr^g otpelXei eivar fxrjSev 6h ndayov 6ia xo daio- fiaxov e'lvai ov6^ av vno xi- vog yivoixo' ovx taxi xolvvv al'xiov.

Entwickelung der pyrrhonischon Skepsis. 141

mit Namen nennt, braucht keinen Anstoss zu geben, da er diess auch anderwärts nicht thut und insbesondere die fünf Tropen nur allgemein auf jüngere Skeptiker (vemregoi Oxsxnxol) zurückfuhrt.

So viel ist durch das Bisherige wahrscheinlich geworden lass die späteren auf Ainesidem in gerader Linie zurück- ;ehenden Pyrrhoneer sich auch die Nebenrichtung Agrippas m Nutze machten und dadurch in demselben Maasse wie lieser der akademischen Skepsis näher traten. Eine Bestä- igung dieser Ansicht liegt darin dass Sextos es nicht ver- chmäht hat die Argumente des Kameades wie sie ihm die Icbrifken des Kleitomachos darboten für seine Zwecke zu erwerthen.*) Es würde indessen ein Irrthum sein, wollte oan diese Befreundung des Pyrrhonismus mit der Akademie «rat in die letzten Zeiten desselben, lange nach Ainesidem, etzen. Vielmehr hat den Anfang dazu schon Ainesidem ;emacht, und zwar nicht bloss insofern als bei ihm bereits ne wir sahen das dialektische Element hervortritt. Unmit- elbar berührt er sich mit der Akademie durch die Art und ^eise wie er bei Sextos dogm. III 218 ff. das Vorhanden- ßin einer Ursache (ahiov) bestreitet. Eigenthümlich ist öiner Skepsis hierbei, dass er mit Rücksicht auf den wesent- ichen Zusammenhang, der eine Ursache ohne ein daran sich nschliessendcs Entstehen {yiveciq) undenkbar macht, die rage nach der Möglichkeit des letzteren aufwirft und indem r zu einer verneinenden Antwort kommt auch den Gedanken n das Vorhandensein jener beseitigt zu haben glaubt. In der ^clifdhrung der Skepsis geht er zuerst auf die Frage ein, b aus einem Körper ein anderer Körper entstehen könne. i ist ein doppelter P'all denkbar: entweder der Körper »leibt für sich allein oder er verbindet sich mit einem an-

^) Vgl. dazu den Excurs 1 am Ende.

142 ^^6 yerschiedenen Formen des Skepticismiis.

deren. Ist der Körper für sich allein and wollten wir an nehmen, es könnte ein anderer ans ihm entstehen, ans einen also zweie werden, so würde diess zu der Folgerung fuhren dass aus einem unendlich viele werden können, was absmc ist. Dieselbe Folgerung ergibt sich aber auch unter da Voraussetzung dass zwei Körper durch ihre Verbindung einer dritten neuen herrorbringen: denn dieser dritte würde rid wieder mit den beiden anderen verbinden um einen viertel hervorzubringen, und so abermals ein Fortschritt ins ünend- liehe stattfinden. Mit denselben Gründen wird die Möglidt keit eines Entstehens widerlegt insofern es sich räf uukfr perliche Dinge bezieht: wozu als besonderer noch komm dass etwas Unkörperlich^s keines Wirkens und Leidens fihi] ist. Es bleibt noch die Frage zu beantworten ob ein Eni stehen etwa denkbar ist als Hervorgehen sei es eines Korper aus einem Unkörperlichen oder eines Unkörperlichen an einem Körper. Hier hilft eine Vergleichung aus: denn an einer Platane könne kein Pferd und aus einem Pferde kci Mensch, überhaupt also nicht Ungleichartiges aus einande entstehen. Der Beweis ruht näher betrachtet auf der Vm aussetzung, dass kein Ding aus einem anderen entstehe könne ohne schon vorher in ihm enthalten zu sein.*) ist aber auch der Grundgedanke der die vorausgehend Argumentation durchzieht und deshalb zu Beginn derselbe nachdrucksvoll ausgesprochen wird.*) Ich hebe diess deshal besonders hervor, weil wir den gleichen Gedanken bei Plato

') 224: ovTw^ 6s ovde t6 l%'aX).a^, rovxloxi awfia daatfiorav datofiavov awfiaxoq. x6 tb yccQ acjfia ovx fyji iv ervrai r^v xcv «w fidxov (fvatVt x6 xs daatfiaxov ovx hfxneQifiyj xr^v xov awfiaxog fi(ff^ öioneQ ovöixBQOv i^ ovöextQov avaxr^vat Svvaxov iaxtv xxX.

*) 220: dV,ä fxivov fxlv xaS^^ kavxo n).Biov avxov xal x^g olxik fpvaewq ovx av övvaixo xi Ttoietv avr'ekS^öi' 6h ^xtQtp xqIxov ovx ff^ 6{vouxo dnoxeXelv/ o fit^ TiQiWsQOv iv xt5 slvai vn^^ev.

Entwickelong der pyrrhonischen Skepsis. 143

anfcreflFen. In dem Bericht, den Sokrates im Phaidon über die Entwickelung gibt die ihn schliesslich zur Annahme von Heen führte, spricht er davon (p. 96 E f.) dass ihm früher inbegreiflich war wie eine Zweiheit entstehen könne: denn reder vermochte er sich zu denken wie Eines sich in Zwei erwandeln noch wie das Hinzufügen des Einen zum Andern twas Neues, die Zwei, hervorbringen kann.^) Gegenüber ieser wesentlichen üebereinstimmung des Gedankens fallen ie kleinen Unterschiede, die man bei schärferer Betrachtung emerkt, nicht ins Gewicht Sie müssen um so mehr ohne ■edentnng bleiben als nicht bloss der Hauptgedanke derselbe it sondern auch der Zweck zu dem er ausgesprochen wird, isofem es bei Piaton sowohl als bei Ainesidemos sich darum andelt das Vorhandensein einer Ursache zu bestreiten, un kommt freilich der platonische Sokrates im Verlauf der förterung dazu das was man sonst als Ursache gelten Hess, Bm er aber das Recht dazu abstreitet, durch die Ideen zu rsetzen (p. 100 B ff.). Es ist aber klar dass dieselben nur M Surrogat einer solchen und keineswegs Ursachen im )llen und namentlich nicht im gewöhnlichen Sinne des Portes sind. Skeptiker konnten daher wohl in diesem mzen Abschnitt etwas vom Geiste ihrer Schule finden und lussten geneigt werden diese partielle platonische in ihre gene Skepsis herüber zu nehmen. Da gerade Ainesidem

') Ho^^q} Tiov, sfptj, V7j J/' ißh slvai (sc. SoxsT fxoi) xov oTsaS'ai f^ xovTüßv Tov rr/v ahlav döhai, öq ye oit^x dnoSixOfiai ifjtavrov ov6h ?, ^Tifiduv hvl Ttg TtQoaS-^ ^V, ^ tb ?v (f n^oasr^^ ovo y^yovev, ^ » Tc^ars^hv xal w ngooeteO-T] öia rrjv nQoaB-saiv xov hxtQov xtS kxigtp '0 iyhexo- S^avfjux^ot yaQ, ei, oxe fihv kxdxcQOv avxwv x^Q^^ dXXij- ov rjv, l^v ccq' kxdxfQov tjv xal odx rjaxrjv x6x€ ovo, inel 6* inXTj- 'ö<yav dX}jj).otq, avxrj cIqu alxla avxoTq iyivexo övolv yerlad-m, ^ «•0(fo^ xov n).rialov dXlrfXwv xb^ijvai. Selbst in der Wahl des Portes ^vvo6o<; trifft Piaton mit Sextos (222) zusammen.

144 I^ic verschiedenen Formen des Skepticismos.

zu diesen Skeptikern gehört zu haben scheint, so darf i folgende Vermuthung hören lassen. Piaton ist bekanntlich seiner AuflFassung der Sinnenwelt als einer Welt des Ward durch Heraklit geführt worden; ja wir dürfen noch id sagen, dass auch die Ableitung alles Werdens von Ge{ Sätzen ein Heraklit gehörender Gedanke ist. Gerade di( wird aber im Phaidon ausgeführt. Ist man so einmal h kli tischen Einflüssen auf der Spur, dann liegt auch Annahme nicht zu fern, dass die mit der Lehre vom Wer so eng zusammenhängende Antwort, welche auf die Fi nach der Ursache gegeben wird, zum Theil von Hera herrührt. Zu einer sicheren Entscheidung können wir ] nicht gelangen. Ich will nur auf zwei Punkte hinwei Wenn Heraklit alles Werden an Gegensätze knüpfte, konnte er doch nicht, wenigstens streng genommen ni den einen Gegensatz als die Ursache des andern bezeichi ein Gegensatz sollte nach seiner Ansicht nicht den and aus sich hervorbringen, beide sind vielmehr nur BestimmuD eines und desselben im Grunde sich gleich bleiben Wesens das nur in Gegensätzen auseinander tritt und diese Weise das Werden ermöglicht. Insofern daher Name einer Ursache nur demjenigen zukommt, das et Anderes, von sich Verschiedenes hervorzubringen ven konnte Heraklit eine solche überhaupt nicht anerken Diess ist der eine Punkt auf den ich hinweisen wollte, Heraklit durch die Consequenz seiner Weltanschauung, ?f er dieselbe wirklich zog, zu einem Gegner aller Aitiol machen musste. Der andere ist, dass er in einem einzel besonders wichtigen Falle sich thatsächlich als solchen kannt hat. Denn auf die Frage nach der letzten i höchsten Ursache, die die Welt geschaflfen hat, gab er 1 Clem. Alex. Strom. V 14 p. 711 f. Pott, folgende Antwi xoöfiov Tor avTov ajrdvTOJV ovTt rtq d-eöjv ovre dv&Qch

Entwickelung der pyrrhonischen Skepsis. 145

holTjöBv, «JU* Tjv del xal Icxiv xal eorai jcvq asl^toop, hxtonivov fiizQa xal djtooßervvfievor (ittga,^) Die Mög- lichkeit wird man daher zugeben müssen, dass Ainesidem

*) Es ist anbegreiflich wie man den Sinn der Worte ovte ui; käv oSt€ dv^Qionoiv enoirjaev hat verfehlen können. Die Schuld daran trägt Schuster Heraklit S. 128 Anm., der die Frage stellte, wer ao geistreich gewesen sei die Welt yon einem der Menschen ge- macht sein zu lassen. Zwei Antworten sind hierauf eingegangen, die eine Ton Peipers Untersuchungen über das System Piatons I 671, dahin lautend dass es die griechische Volksmythologie gewesen sei da sie die Götter menschenähnlich gebildet habe. Die andere von Teichmüller Neue Stud. I 86, der durch diese Worte Heraklits an die orientalische Fürstenverehrung erinnert wird. Das Richtige, ge- win nicht zuerst, hatte ich schon aus Anlass einer Recension des Peipersschen Buches in der Jenaer Literaturzeitung 1875 No. 26 S. ilQh bemerkt. Seitdem hat Zeller in der vierten Auflage seines Werkes a. a. 0. sich in demselben Sinn entschieden, dass nämlich durch die Verbindung von Göttern und Menschen die Gesammtheit aller Wesen bezeichnet werden soll. Ich komme nur deshalb noch einmal auf diesen Punkt zurück weil Zeller es unterlassen hat wei- tere Belege für diesen Sprachgebrauch zu geben und ich einer Wie- derholung des Miss Verständnisses vorbeugen möchte. Ich verweise deshalb auf Homer II. 2, 1. 13, 631 f. 19, 95 f. Xenophanes fragm. I Mollach. Aristophanes Frieden 1186. Frösche 486. Plut. 421. Piaton Phaidr. p. 241 C. Sympos. 214 D ^denn äXXov zieht man am liebsten aach zu ^ebv oder richtiger auf das durch S^edv und avS-QvjTiov bezeichnete Ganze). Es gehört dieser Sprachgebrauch einem grösse- ren Kreise an, dessen Wesen schon Lobeck Phryn. S. 754 Anm. rich- % mit folgenden Worten bezeichnet hatte: bis formulis eits naQwv f<rf anwv, 5o>v xal &av(6v, ^wvteq xal vexQo/, crebra consuetudine taotum de sua potestate detritum est, ut postrcmo ctiam tunc usur- pentür, ubi mortui aut absentes nulli intelligi possunt. Vgl. auch Wahlen Berliner Progr. 1879 S. 4. Die besprochenen Worte Hera- ^iU lassen sich vielleicht auch zur Emendation einer Stelle des Sextos verwenden oder können uns doch wenigstens erinnern wie zu (mendiren sei. Wir lesen zu Anfang der auf Ainesidem zurück- gehenden Erörterung über das Entstehen und die Ursache (219) Fol- gendes: to awfia tov aatfiaxoq onjx av eirj aittov, ijiElneQ ij dyiv^Tov Hirsel, Untergachangen. IH. 10

146 Die Terscbiedenen Formen des Skepticismos.

auch da, wo er gegen die Annahme einer Ursache und einei Entstehens eiferte, sich mit Heraklit im Eünverständnisi wusste. Zunächst ist uns indessen nur der Anschluss ai platonische Erörterungen wahrscheinlich geworden. Die Spnr die hierauf führte, mag immerhin noch nicht vollkommei deutlich sein, so darf sie doch schon deshalb nicht auase Acht gelassen werden weil sie in ihrem Ergebniss mit de Ueberlieferung zusammentrifft, die wir uns aus Photio cod. 212 über Ainesidems Verhältniss zur Akademie ent nehmen können. Denn wenn dort davon die Rede ist, das Ainesidem seine Schrift einem Schulgenossen aus der Aka demie, dem Lucius Tubero, gewidmet {jtQ06q>€ovmv avxot [rovq Ilv^^copelovg Xoyovg] rcov ig ^Axadtj^laq xtvl öwat QBöicoTi] Asvxlcp Toßt-Q(Dvi), SO uöthigt uns diess ihn eben falls den Akademikern zuzurechnen. Daran, dass er Sckul genösse nur in dem Sinne heisse als er auch Skeptiker wai kann nicht gedacht werden, da im Folgenden gerade de Unterschied der beiden skeptischen Richtungen betont win Dieses Folgende schliesst aber auch den Gedanken aus ode macht ihn doch sehr unwahrscheinlich dass Ainesidem damal noch als Akademiker habe gelten wollen. Das weitai Wahrscheinlichste bleibt hiernach, dass Ainesidem seil Schrift dem Tubero als einem früheren Genossen in d< Akademie gewidmet und dadurch versucht habe den Tubei sich nach, aus der Akademie heraus und in den Pyrrhonii mus herüber zu ziehen.^) Von dieser Lehrzeit in der Ab

ioTt xb TOtovTov adifxa xaS-dji&Q y xaz* ^EnlxovQov ätofiog, ?/ yBvrjtt wq ^&og. Was Fabricius für das letzte Wort vorschlug, ^^vo<;, wii Niemand befriedigen. Dagegen entspricht ävS-Qwnog allen Anford rangen des Gedankens, und auch graphisch betrachtet erscheint eii Verstümmelung desselben zu dem was die ueberlieferung bietet nid als unmöglich.

') Als ein Zeugniss dafür, dass Ainesidem selber früher

Entwickelang der pyrrhonischen Skepsis. 147

demie lässt sich nun ableiten was uns bei Ainesidem theils an die akademische Dialektik überhaupt theils insbesondere an Piaton erinnerte.

Blicken wir noch einmal auf die geführten Untersuchun- gen zurück und suchen zusammenzufassen was sich daraus für die Entwickelung des Pyrrhonismus ergibt. Während Timon wenigstens noch eine Wahrheit anerkannte, die von Pyrrhon verkündete Lehre, und diese zum Maassstab nahm, nadi dem er die Geltung der unser Handeln bestimmenden Vorstellungen (IpöaXfiol) beurtheilte, haben die Späteren diesen Rest des Dogmatismus weggeräumt Alle Vorstellungen sind nach ihnen nur subjectiver Natur, wir haben kein Recht ihren Inhalt irgendwie auch in der Ausscnwelt vorauszusetzen, und es besteht deshalb auch keinerlei objective Verbindlich- keit, durch die Andere genöthigt werden könnten sich den- selben Vorstellungen wie wir zu unterwerfen. Derselben Ansicht war auch Ainesidem. Trotzdem wollte er nicht unsere Vorstellungen vollständig frei geben, sondern hielt es, jedenfalls um der Glückseligkeit willen, für zuträglich solche Vorstellungen zu haben die mit denen der anderen Menschen übereinstimmen und als allgemein geltende ein Surrogat der Wahrheit sein können. Derartige Vorstellungen erkannte er sogar innerhalb der Naturphilosophie an und zog dadurch aoch der reinen Theorie, nicht bloss der auf die Praxis be- züglichen, gewisse Schranken. Diese Schranken mussten um so mehr als dogmatische, die natürliche und rechtmässige Freiheit der Skepsis hemmende erscheinen, als der Pyrrho- nismus dadurch der heraklitischen d. i. einer sonst als dog- matisch anerkannten Weltanschauung ähnlich werden, ja mit ihr zusammenfallen sollte. Wenn daher die auf Ainesidem

Akademie angehört habe, l&sst die Worte des Photios auch Zeller Öl 2 S. 16, 2 gelten.

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148 l^ie yerschiedenen Formen des Skeptidsmos.

folgenden Pyrrhoneer dieselben wieder beseitigten, so ist diess vollkommen begreiflich. Um so treuer haben sie einen anderen von ihm gegebenen Hinweis befolgt mid sind den Weg zur Akademie, auf dem er nur die ersten Schritte gethan hatte, weiter, ja bis zu Ende gegangen. Diess be- deutete eine Vertiefung der Skepsis: denn während dieselbe bis dahin eigentlich nur die schon vorhandenen Vorstellungen, die den Anspruch erhoben als wahr zu gelten, angreifen und- darum das Weiterforschen nicht verbieten wollte, vielmebr dazu aufmunterte, so sollte nun auch der Folgezeit vor- gebeugt und jede Vorstellung die man etwa in Zukunft für ein Wissen oder eine Erkenntniss ausgeben würde, schon in ihrer Wurzel untergraben werden. So stellt sich die Ent- wickelung des Pyrrhonismus als eine stetige Zunahme der Skepsis dar: inmier weiter frisst der Zweifel um sich und dringt in die Breite ebenso wie in die Tiefe vor. Dass der Pyrrhonismus diese Richtung eingeschlagen, dass die Skepsis in ihm, statt sich zu massigen oder gar in den Dogmatismus zurückzukehren, sich im Gegentheil inmiermehr gesteigert hat, ist kein Zufall sondern war ihm als Entwickelungsgesetz schon durch seinen Ursprung vorgezeichnet Dass derselbe in der Auflösung der alten Naturphilosophie gesucht werden muss, hat sich uns schon früher ergeben. Von Anfang an trug daher diese Skepsis den Trieb zur Verneinung in sich und wurde in dieser Neigung um so weniger gehemmt als auch das Ideal der Sittlichkeit, das sie sich in der A£fectr losigkeit {draga^ia) gestockt hatte, nur negativer Art war: mit einem Wort, die Geschichte des Pyrrhonismus zeigt uns den Krankheitsprocess, an dem die alte Naturphilosophie au Grunde ging, zu dem der Keim schon von den letzten Aus- läufern derselben gelegt war der dann von Pyrrhon und sei- nen Anhängern gepflegt und zur Reife gebnicht wurde.

Entwickelung der akademischen Skepsis. 149

2. Entwickelung der akademischen Skepsis.

Ganz anders als im Pyrrhonismus ist die Skepsis inner- halb der Akademie verlaufen. Während sie dort mit der Zeit immer kräftiger wurde, wird sie hier im Gegentheil immer schwächer, schrumpft zusammen statt sich auszudehnen und kehrt am Ende in den Dogmatismus zurück. Der Höhe- punkt der Entwickelung ist für die pyrrhonische Skepsis das Ende, für die akademische der Anfang; jene bewegt sich in aufsteigender Linie, diese in absteigender. Nach dem, was ich eben über den Pyrrhonismus bemerkt habe, ist von vom herein wahrscheinlich dass auch der Gang der akademischen Skepsis durch ein ihr von Ursprung eingepflanztes Gesetz bestinunt worden sei. Dieser Ursprung war, wie wir bereits gesehen haben (S. 22 flf.), die sokratische Dialektik. So ähiüich sich nun beide, die Dialektik des Sokrates und die Skepsis, sind, wenn man lediglich die ihnen gemeinsame Be- streitung des hohlen Dogmatismus der alten Naturphilosophie iö8 Auge fiasst, so unterscheiden sie sich doch wesentlich, sobald man auf die Zwecke sieht die sie mit ihrer Kritik verfolgten. Gingen die Skeptiker auf die Zerstörung jedes Wissens aus, war die Frucht ihres Thuos das Verzweifeln an aller Erkenntniss, so suchte Sokrates inmitten der ßuinen den Grund für ein neues Gebäude der Wissenschaft das aufzuführen seine Schüler unternahmen. Der Dogmatismus, lu den dieselben verfielen, ist daher in Sokrates' eigenem Auftreten begründet und insofern wenigstens kein Abfall ^on der Weise des Meisters: es konunt in ihm, da jeder Dogmatismus doch einem Bedürfniss nach festem Wissen ^^ntspringt, dasselbe Streben zum Ausdruck das die kritische Forschung des Sokrates von der Alles verneinenden Skepsis ^6r Sophisten unterscheidet. So erklärt sich nicht nur dass

150 I)ie Tonchiedenen Formen des Skepticismos.

diu originale Sokratik in den Dogmatismus aasmündete, son- dern auch dass ihre künstliche Neubelehung durch Arkesilaos dasselbe Schicksal hatte. Diess im Einzelnen zu verfolgen ist jetzt misere Aufgabe.

Es ist auffallend und scheint mit der eben aufgestellten Behauptung, dass die akademische Skepsis sokratischen Ur- sprungs sei, in Widerspruch zu stehen, dass gerade der Begründer dei'selben, Arkesilaos, den Pyrrhoneem näher stand als irgend Einer seiner Nachfolger. Das Letztere scheinen wir als eine Thatsache hinnehmen zu müssen, da Sextos Empeirikos, der doch sonst den Pyrrhonismus von scheinbar ähnlichen Richtungen der Philosophie mögliebst scharf zu trennen sucht, die Uebereinstimmung zwischen der pyrrhonischen und der Ansicht des Arkesilaos ausdrücklich hervorhebt') Wir haben aber nicht nöthig uns einem Au- toritätsglauben zu ergeben: denn Sextos theilt auch die Gründe mit die ihn bei seinem Urtheil geleitet haben. Der eine ist dass Arkesilaos ebenso wie die Pyrrhoneer darauf verzichtet hatte aus der Natur unserer Vorstellungen irgend welchen Si*hluss auf die Beschaffenheit der Dinge ausser uns zu ziehen.*) Eng zusammen hängt hiermit der zweite, tlass or nicht dieser oilor jener Vorstellung in Bezug auf lilaubwünligkoit den Vorzug vor einer andern gab:^ denn

*^ l\Trh. 1 äo2: «» uMiM .'liurftfiÄntv rforr fiUH Soxfi

Nichts voller be$*^ «uck wik$ wir bei Xaisenics vEuseb. pnep. 6f. XIV K 4 K>$en d»$s Arke«:Uo<s Jas i^j^or aufgehoben babe. üb ^^ weni^r bi^iKe k4üi. vie die5ä Zeller III l S. 4£^ 3 getban bat» die 7axer)iMiS4^keit diee^r Nachrich: auveifebx soUen E$ ist dien oifen- b«r Aach ttttr deshalb $t:$chehca v<fil buel aicht ib Stande war sie

Entwickelang der akademischen Skepsis. 151

sdiliesslich kann dieser Vorzug doch nur darauf beruhen im die betre£fende Vorstellung eiue bessere Bürgschaft

mit der andern ebenfalls zuverlässigen zu vereinigen, nach der Arke- lilaos dem Handeln des Menschen als Grund und Anhalt das Wahr- scheinliche gegeben hatte (Sextos dogm^J 158). Denn dass dieses, die ivkayov, mit dem ntd-avbv identisch sei, nahm man ohne Wei- tem ao, ähnlich wie Augustin nach dessen Ansicht die Akademiker ein und dasselbe bald probabile bald verisimile nannten (c. Acad. II 5^ 12. 7, 16\ Nun findet aber zwischen beiden ein unterschied statt. Dinnf weist schon die Thatsache denn eine solche ist es so viel ich weiss dass die Rhetoren dem Redner als Ziel das md-avov, ibor nicht das svXoyov steckten. Noch deutlicher sprechen die ver- Nkiedenen Definitionen, die von beiden Worten die Stoiker gaben, die das m&avov als d^lwfjia tb äyov elq avyxaza^Boiv , das hvkoyov tber als diiwfia tb nkelovaq dq>OQfia<; ex^ ^^? ^^ dkriS-hg elvai defi- Birt»! (Diog. YII 75 u. 76). Das m^ixvbv ist hiernach etwas, das uns nr Zustimmung nöthigt, auf uns den Eindruck des Wahren macht, du fvkoyov nur etwas, ftkr dessen Wahrheit überwiegende Gründe sprechen. Wenn ich mich daher des letzteren Wortes bediene, so Ktst diess streng genommen bei mir ein Bewusstsein davon voraus <hM8 das dadurch Bezeichnete nicht die mit voller Sicherheit er- kinnte Wahrheit ist; umgekehrt findet ein mStevbv nur dann statt, *Min wenigstens zeitweilig das dadurch Bezeichnete für die Wahr- M selber gehalten wird. Man kann sich daher wohl denken, dass ein Skeptiker wie Arkesilaos das e{).oyov gelten Hess weil dieses die ^erkennung einer Wahrheit nicht in sich schloss, das ntS^avbv aber tttachieden verwarf, da dessen Wesen auf der avyxectd^eai:; beruht BBd deren Zulässigkeit von ihm aufs Heftigste bestritten wurde (Sext. <logm. I 151 ff.). Wir freilich fassen beide Begriffe unter demselben Hamen des Wahrscheinlichen zusammen und ähnlich wird in der Sttunlung der aristotelischen Schriften etxbg als Synonymen sowohl 'OB ni^vbv wie von Evloyov gebraucht (Bonitz Ind. u. m^avbv uid evlayov): woraus nur eine Verwandtschaft, aber nicht die Iden- tität beider Begriffe gefolgert werden kann. Dasselbe ergibt sich, wenn wir auf den Begriff sehen den die skeptischen Akademiker •«Iber, den insbesondere Kameades mit dem Worte Tii^avbv verband, ^nter m^avrj tpavtaala verstand Eameades eine Vorstellung, die ver- ttöge ihrer Klarheit und Bestimmtheit den Eindruck einer wahren

152 I^e verschiedenen Formen des Skepticismas.

biotot das objectiye Wosen dor Dinge wiederzuspi^elü. Mit diesom Pyrrhonismus steht es nicht in Widersprach, dasB

auf uns macht. Es ergibt sich diess aus Sext. dogm. I 166 ff., iu' besondere aus 171 f.: rijg dh (paivofi^vtjg cAi/^or$ (sc. ipavtaalaq) ii fxfrv ztg iativ dfivö^d, wg tj inl rwv naQo. fjuxQoxrixa tov ^eoffw- fiivov rj naQa ixavov öidaxrifia ^ xal naQo, da&iveiav t^g o^ttt; avyxexvfiivfog xal ovx ixrvncog xi ka^Aßavovxwv, tj Si xig ^v oh xiji <fali'soS^at dhjd^jg txi xal affoögbv ?jfOf<;a xb tpalveoBcu er^nir dhi^fj, <Lv ndhv r/ f^tv dfJLvÖQa xal exXvrog tpavxaala oi'X ar füj XQttijQiov xio yaQ firjxB avxrjv fJLt]xB xo notijaav avx^ XQav6g kh 6fixvva&at ov n^ifvxev yfiäg nelO^Biv ov6* elg tnyxaxd^eaiv imanä- a*&ai. ri 6h (paivofi^vt} d).rj9^tjg xal ixavtäg ißfpaivofxiyij XQix^QiOf kii XTJg d^.tjS-eiag xatd xovg tisqI xov KaQvedSrjv. Die „glaubwttrdige Vorstellung** ist sonach eine die Evidenz besitzt, uns durch aich selber zum Glauben nöthigt und zu diesem Zwecke nicht ent Hinzukommens einer vernünftigen Ueberlegung bedarf. Diese letzten Annahme ist auch dadurch ausgeschlossen , dass Sextos zonftchst nur von den Vorstellungen sprechen will insofern sie isolirt wirken, jede vernünftige Ueberlegung aber andere Vorstellungen mit einer ge- gebenen in Verbindung bringt. Beruht aber das niO-avöv nicht inf vernünftiger ueberlegung, dann kann es auch nicht mit dem ivhyw identisch sein, das ja gerade daher seinen Namen trägt. Eher könnte man das evlayov wiederfinden in deijenigen Vorstellungsweise, die nach Karneades ebenfalls zu den Kriterien gehört durch die wir not im Leben leiten lassen und die Sextos a. a. 0. 176 m&av^ xal anf^- anaaxog (pavxaala nennt. Denn hier ist die Hauptvorstellung in Ye^ bindung mit anderen gebracht und wird eben dadurch um einen Crrtd glaubwürdiger weil unter diesen anderen mit ihr zusammenhängenden keine ist die sich als falsch erweist. Diese Verbindung verschiedener Vorstellungen mit einander scheint ein Geschäft der Vernunft za sein. Sie ist es aber nur dann wenn sie auf eine Vergleichong und lieurthcilung der Vorstellungen hinausläuft. Davon ist aber hier nicht die Rede. Vielmehr entsteht nach Kameades die Yerbindong dadurch dass mit jeder Hauptvorstellung wie der eines Menschen ge- wisse Neben Vorstellungen wie die der Farbe Qröasß Gestalt (177) zusammenhängen. Sowohl das Zusammentreffen aller dieser Vor- stellungen wie der so entstehende Gesammteindmck ist von der Thätigkeit der Vernunft vollkommen unabhängig. Nicht sie ist et

Entwickelang der akademischen Skepsis. 153

irkesilaos doch das Wahrscheinliche als Princip unserer üandlougen anerkannte. Denn dieses Wahrscheinliche nennt

reiche entscheidet dass eine Vorstellung in ihrem Zusammenhang Bit anderen betrachtet glaubwürdiger ist als wenn wir sie isoliren: lieier Vorzug beruht lediglich darauf dass wenn zu der glaubwür- iigeo Hauptvorstellung andere ebenfalls glaubwürdige Nebenvorstel- nngen treten die Glaubwürdigkeit über ein grösseres Feld ausge- kknt and dadurch gesteigert wird; die Evidenz die einem solchen fontellungscomplex anhängt hat einen höheren Grad als die jeder iiueben Vorstellung zukommt. Auch diese zweite Art der glaub- rtrdigen Vorstellung darf also nicht mit dem evloyov verwechselt Verden: denn während dieses sich auf Gründe stützt, besitzt jene maittelbare Evidenz. Um so eher könnte man was bei Kameades ik dritte Stufe der Glaubwürdigkeit erscheint dem evloyov gleich ietten, da um diese zu erreichen eine Prüfung der einzelnen über- sitttimmenden Vorstellungen nach den verschiedenen sie bildenden Pietoren erfordert wird und eine solche nur von der Vernunft renuutaltet werden kann. Vgl. Sextos a. a. 0. 182: inl 6h rijg xaxa f^» nfQiioöevfJiivriv avv6gofjirjv kxdati]V xwv iv xy avv6()o^y iniaxa- ^ixiiq ioxifid^ofiev. Ebenda 185 wird als nothwendig für das Entstehen siner solchen Vorstellung vorausgesetzt dxQißrjq xov ngdyfiaxo:; dva- ^fii^au; und 188 hierfür der Ausdruck Xoyl^^eaStct gebraucht. Da- n kommt dass nach Kameades wir allen auf unsere Glückseligkeit ittQglicben Handlungen, sobald es nur die Umstände erlauben, eine i^ontellung der Art d. h. eine nicht bloss unwidersprochene (dneQi- naaxog) sondem auch geprüfte (neQtwSevfiivtf) zu Gmnde legen iolien (Sextos 184), nach Arkesilaos aber auch das fvXoyov uns beim M)en nach der Glückseligkeit einen Anhalt gewähren soll. So Iboreinstimmend hiernach beide Arten von Vorstellungen sind, so ttb es den Anschein hat als ob Kameades und Arkesilaos das lenschliche Handeln insofem es die Glückseligkeit zum Ziele hat enuelben Princip unterworfen hätten, so dürfen wir uns doch durch BD Schein nicht täuschen lassen. Bedenklich muss uns schon der ostand machen, dass Sextos da wo er uns die Ansicht des Kar- tades erläutert sich nirgends des Wortes evXoyov bedient: denn zu aem solchen Meiden des von Arkesilaos gebrauchten Ausdmcks l, wenn wirklich beider Ansicht übereinstimmte, nicht der min- sie Grund vor. Eine nähere Betrachtung zeigt wie berechtigt

152 ^^ verschiedenen Formen des Skepticismos.

bietet das objective Wesen der Dinge wiederzuspiegeln. Mit diesem Pyrrhonismus steht es nicht in Widerspruch, dasB

auf ans macht. Es ergibt sich diess aus Sext. dogm. I 166 ff., im- besondere aus 171 f.: rijg 6h (paivofitvrfg dkr^S'Ovg (sc. ^avtaalaq) if filv zig iaxiv dfAvAgd, wg ^ inl xmv naga fitxQotijxa tav B-emifW- fiivov tj TtaQcc ixavov ötdartjfia ij xal naQa da^ivsiav t^c i^Ht; avyxBxvfiivwg xal ovx ixxvnwg xi Xafißavovxwv, r/ de ttg ijv nh xw <palvsoBai dhi^g txi xal a<poÖQbv txovoa xb <palvea^i o^rfr dX^d-fj. wv ndXiv »/ /ilv dfivÖQa xal exkvxog <pavxaala oi^x iv iJai xQixiJQtov x(5 yaQ fiTJxe avxrjv /irjxe x6 noiijaav avxriv rgavt^q h- öelxwa^ai ov nsipvxev yfiäg nsl^etv ovo* elg avyxaxd&eaiv imanä- ad-at. 9/ öh ipatvofiivt] d?.i]S-rig xal ixav<5g ifi^aivo/iivij XQix^Qtov ku xrjg dkfi^elag xaxd xovg tieqI xov KaQvsdöijv. Die „glaubwürdige Vorstellung'' ist sonach eine die Evidenz besitzt, uns durch sidi selber zum Glauben nöthigt und zu diesem Zwecke nicht erst Hinzukommens einer vernünftigen Ueberlegung bedarf. Diese letiteie Annahme ist auch dadurch ausgeschlossen , dass Sextos zunächst nur von den Vorstellungen sprechen will insofern sie isolirt wirken, jede vernünftige Ueberlegung aber andere Vorstellungen mit einer ge- gebenen in Verbindung bringt. Beruht aber das niB^vöv nicht auf vernünftiger Ueberlegung, dann kann es auch nicht mit dem tihtyw identisch sein, das ja gerade daher seinen Namen trägt. Eher könnte man das tvkoyov wiederfinden in deijenigen Vorstellungsweise, die nach Karneades ebenfalls zu den Kriterien gehört durch die wir nni im Leben leiten lassen und die Sextos a. a. 0. 176 m^vri xal dne^- cnaaxog tpavxaala nennt. Denn hier ist die HauptvorstcUung in Yer bindung mit anderen gebracht und wird oben dadurch um einen 6nd glaubwürdiger weil unter diesen anderen mit ihr zusammenhängenden keine ist die sich als falsch erweist. Diese Verbindung verschiedenei Vorstellungen mit einander scheint ein Geschäft der Vernunft » sein. Sie ist es aber nur dann wenn sie auf eine Vergleichung um Bourthcilung der Vorstellungen hinausläuft. Davon ist aber hie nicht die Hede. Vielmehr entsteht nach Kameades die Verbindun dadurch dass mit jeder Hauptvorstellung wie der eines Menschen gc wisse Nebenvorstellungen wie die der Farbe GrössiB Gestalt (17' zusammenhängen. Sowohl das Zusammentreffen aller dieser Voi Stellungen wie der so entstehende Gesammteindruck ist von dl Thätigkeit der Vernunft vollkommen unabhängig. Nicht sie ist i

Entwickelong der akademischen Skepsis. 153

lesilaoB doch das Wahrscheinliche als Princip unserer iodlongen anerkannte. Denn dieses Wahrscheinliche nennt

cbe entscheidet dass eine Vorstellung in ihrem Zusammenhang aoderen betrachtet glaubwürdiger ist als wenn wir sie isoliren: AT Vorzug beruht lediglich darauf dass wenn zu der glaubwür- !0 Hauptvorstellung andere ebenfalls glaubwürdige Neben?orstel- [en treten die Glaubwürdigkeit über ein grösseres Feld ausge- Bt und dadurch gesteigert wird; die Evidenz die einem solchen Btellungscomplex anhängt hat einen höheren Grad als die jeder «ben Vorstellung zukommt. Auch diese zweite Art der glaub- digen Vorstellung darf also nicht mit dem evkoyov verwechselt den: denn während dieses sich auf Gründe stützt, besitzt jene littelbare Evidenz. Um so eher könnte man was bei Kameades dritte Stufe der Glaubwürdigkeit erscheint dem evkoyov gleich eo, da um diese zu erreichen eine Prüfung der einzelnen über- thamenden Vorstellungen nach den verschiedenen sie bildenden toren erfordert wird und eine solche nur von der Vernunft AStaltet werden kann. Vgl. Sextos a. a. 0. 182: inl dh xijq xazä nfQuaStvfiiytjv awögofiijv hxacxrfv twv iv ry cvvÖQOß^ imata- '^ 6oxtfiat,ofi€v. Ebenda 185 wird als nothwendig für das Entstehen T solchen Vorstellung vorausgesetzt dxgißr^q tov n^ccy/iaroq dva- ^atq und 188 hierfür der Ausdruck Xoyi^fo&ai gebraucht. Da- kommt dass nach Eameades wir allen auf unsere Glückseligkeit Iglichen Handlungen, sobald es nur die Umstände erlauben, eine itellung der Art d. h. eine nicht bloss unwidersprochene (a7rf(>£- noq) sondern auch geprüfte (nsQiwdev/itvt^) zu Grunde legen IS (Sextos 184), nach Arkesilaos aber auch das evkoyov uns beim ben nach der Glückseligkeit einen Anhalt gewähren soll. So "einstimmend hiernach beide Arten von Vorstellungen sind, so es den Anschein hat als ob Kameades und Arkesilaos das ichliche Handeln insofem es die Glückseligkeit zum Ziele hat lelben Princip unterworfen hätten, so dürfen wir uns doch durch Schein nicht täuschen lassen. Bedenklich muss uns schon der tand machen, dass Sextos da wo er uns die Ansicht des Kar- es erläutert sich nirgends des Wortes fvloyov bedient: denn zu n solchen Meiden des von Arkesilaos gebrauchten Ausdmcks wenn wirklich beider Ansicht übereinstimmte, nicht der min- ! Grund vor. Eine nähere Betrachtung zeigt wie berechtigt

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hintcit iLiH objoctive Wcscii der Dinge wicderzuspiegeln. Mit (licHoni Pyrrhonismus steht es nicht in Widerspruch, dass

auf uns macht. Es ergibt sich diess aus Sext äogm. I 166 ff. , im- bosondcro aus 171 f.: Tfjg 6h <paii'Ofthijg d?,tj^ovq (sc. ipavtaalaq) ^ fdv r/v ^(JTiv niivS(}((, wi; ;/ int raiv nnQa fitxQotfjta tov ^(o^ fibi'ov tj na(m \xmuw ötdoTij/ia y xal naQa da^^vuav x^q S^sn; fir)';ff;fi7<n'«*v' ^«' ovx ^xTvnwg ri Xafißavovxwv, i/ 6i tig ^v crv ri;i tfnlrtüikai tihi^tig ttt xal atfoÖQbv ^/ord« r^ ^aivea^m «rnj? liXtfi^ij. tuv nidkiy »/ fdr (tfiv6(Kt xal exXrrog tfavxaala o^x fvi >f(Mr»/(>ior* riM yaQ fttJTf avTtjy fitere to noiijoav avt^ rgavmg h- thixi*vrt(hn ov n^ifvxfr t/fiäg Tifi^en' oiM* eig oiyxardB^eatv ixiOTM- oHrn, »i Ah ^ftiro/iM'v dhj$^tig xal Ixai'iäg ift^atvofitvij xfHt^Qiov iatt r{c nltj^n'ag xara rovg nffii ror Kapreadtiv. Die „glaabwflrdige VontolluniT* ist sonach eine die Evidenz besitit, uns durch sich solbcr mm Glauben uöthigt und zu diesem Zwecke nicht erst lUnrukommons einer vernünftigen Ueberlegung bedarf. Diese letitere .Vnnahme ist auch dadurch ausgeschlossen, dass Sextos zunächst nur \on don Vorstollnngen sprechen will insofern sie isolirC wirken, jede vonutufUgo roWrlogung aber andere Vorstellungen mit einer ge- ):obonon in Verbindung bringt. Beruht aber das .ii^^oi^f nicht lof vernanfligor Veberlegung. dann kann es auch nicht mit dem ffloyw identis^'h sein, das ja gerade daher seinen Kamen trftgt- Eher könnte man das frA«t;or wiedertinden in derjenigen Vorstellongsweise, die nach Kameades ebentalls zu den Kriterien gehört dorch die wir tu im l.elK'n leiten lassen and die SejLtM a. a.0. 176 :tt9tn^ xai anf^- ^^^i;\';iw <<.»-: !:««>. nennt. IVnn hier isi die HaaptvorsteUimg in Te^ Hnduni: mit anderen gebraoh: imd wird eben dadorch am einen Gltd jeU-:b>iäi>iig>t'r weil unter die$on anderen zs:t ihr znsamBenhüngeiidet ieixte ist ö;e luelt als falsch erweist. IHese Verbindong TenchiedcBer V%vrsteUttr.^r. r.:;i ei::ander scheint ein GeüchÜt der Vcmanft st seir Sie is; es aSr r.ur oaas we=.- >ie aof eise Teigi«idimig md >v>i;T<5ier.uv,^ %kr Vors:er»s:ipft i:r.a=&Usft Danm ist aber Wer vü-V: «\:e Kede V:e'.»eir erisTtri; raci Karseaite die YerlnBdnBg ,iaiv.rv>. ,iM* r::; -<^r H*sr:v.->ww::-^rx wi« der eises MeBSchen |t* ^-'»^•f NeVr.\vw:eIh:r.^x ^.e d:; Aer Vari* Gr^itt Gotah (177) VÄsazriwxVjfcT.cfr: >s*w,\V. ^'.a> fasaatiiwaire*« aUer dieser V<l^ >vV.^.T,f%''r. »-N" iet ät er.»w^^M.£'; wsuLiL:e-i»irDdc ist voo der Vu;;^K: ^r X^cr.o:::'^ \\Ck,'autr.ti xatai-iikv^l; Xkkt sie ist «

EntwickelaDg der akademischen Skepsis. 153

rkesilaos doch das Wahrscheinliche als Princip unserer andlungen anerkannte. Denn dieses Wahrscheinliche nennt

(lebe eDtscheidet dass eine Vorstellung in ihrem Zusammenhang t anderen betrachtet glaubwürdiger ist als wenn wir sie isoliren: Mr Vorzug beruht lediglich darauf dass wenn zu der glaub wür- fen BauptTorstellung andere ebenfalls glaubwürdige Neben?orstel- igen treten die Glaubwürdigkeit über ein grösseres Feld ausge- bt und dadurch gesteigert wird; die Evidenz die einem solchen ntellungscomplex anhängt hat einen höheren Grad als die jeder ixelnen Vorstellung zukommt. Auch diese zweite Art der glaub- rdigen Vorstellung darf also nicht mit dem svXoyov verwechselt rden: denn während dieses sich auf Gründe stützt, besitzt jene mittelbare Evidenz. Um so eher könnte man was bei Kameades dritte Stufe der Glaubwürdigkeit erscheint dem evXoyov gleich len, da um diese zu erreichen eine Prüfung der einzelnen über- istimmenden Vorstellungen nach den verschiedenen sie bildenden etoren erfordert wird und eine solche nur von der Vernunft instaltet werden kann. Vgl. Sextos a. a. 0. 182: inl dh xrjq xazä * ntQuoöevfievijv avvÖQOfxriv ^xdatrjv xwv iv xy awÖQOfAy inioxa- ^Aq doxifid^ofisv. Ebenda 185 wird als nothwendig für das Entstehen ler solchen Vorstellung vorausgesetzt dxQtßrjg xov nQdyfxaxog dva- t^atg und 188 hierfür der Ausdruck Xoyl^saS^ai gebraucht. Da- kommt dass nach Eameades wir allen auf unsere Glückseligkeit Kflglichen Handlungen, sobald es nur die Umstände erlauben, eine ntellung der Art d. h. eine nicht bloss unwidersprochene {dns()i- wxoq) sondern auch geprüfte {TtsQtmöevfitvt]) zu Grunde legen len (SextoB 184), nach Arkesilaos aber auch das evkoyov uns beim eben nach der Glückseligkeit einen Anhalt gewähren soll. So Ereinstimmend hiemach beide Arten von Vorstellungen sind, so IT es den Anschein hat als ob Kameades und Arkesilaos das nschliche Handeln insofem es die Glückseligkeit zum Ziele hat luelben Princip unterworfen hätten, so dürfen wir uns doch durch i Schein nicht täuschen lassen. Bedenklich muss uns schon der »tand machen, dass Sextos da wo er uns die Ansicht des Kar- ides erläutert sich nirgends des Wortes eidoyov bedient: denn zu em solchen Meiden des von Arkesilaos gebrauchten Ausdrucks , wenn wirklich beider Ansicht übereinstimmte, nicht der min- te Grand vor. Eine nähere Betrachtung zeigt wie berechtigt

154 I^ie Yorschiedenen Formen des SkepiicismiiB.

er tvXoyov und das ist von dem Glaubwürdigen oder xtdu- vor wesentlich verschieden. Man merkt diess, sobald man in Arkcsilaos' Definition dos xazoQ&cofia (Sextoe dogm. I 158) das eine mit dem anderen vertauscht Dann würde dieselbe so lauten: ro xaroQ&ofid Icxiv oxeg XQoi^Xv jti&avfjv ixei ttjp ojcoXoylav. D. h. statt ein Grundsatz der Moral zu sein würde sie der Unsittlichkeit, wenn dieser nur die rhetorische Kunst der Ucberredung zur Verfügung steht, Thür und Thor öffnen. Denn jtid-avov ist Alles was

Eameades war sich des Ausdmcks svkoyov nicht zo bedieneD. Dieser nämlich bezeichnet etwas was seine Glaubwürdigkeit vor der Yw* nonft bewährt hat und kann wenigstens etwas bezeichnen dessea Glaubwürdigkeit ausschliesslich auf dem UrtheU der Vernunft be- ruht. Das Glaubwürdige des Kameades aber und zwar das der dritten und höchsten Stufe gründet sich nur zu einem Theil auf die Entscheidung der Vernunft zum andern Theil ist es Yon der sd- mittelbaren Evidenz der Sinneseindrücke abhängig. Es scheint dl* her dass Kameades andere Vorstellungen als solche die aus Sinnes- eindrücken stammen gar nicht als glaubwürdig anerkannte. Vgl. ausser den von Sextos 186 ff. gegebenen Beispielen auch was de^ selbe 183 als Gegenstand der Prüfung für die Vernunft bezeichnet; es sind diess in der Hauptsache nur bei der sinnlichen Wahmehmnng mitwirkende Factoren. Hätte nun Kameades auf solche Vorstellaiigen den Ausdruck evkoyov anwenden wollen, einen Ausdruck der ledig- lich das Vemunftgemässe bedeutet und daher auch solche Vorstel- lungen umfasst die nicht in den Sinnen gegeben sind sondern um Probabilität nur der vernünftigen Erwägung verdanken, so b&tte dies leicht zu Missverständnissen Anlass geben können. Dagegen kam Arkesilaos den Ausdmck mit gutem Bedacht gewählt haben. Naek ihm ist auf das tvloyov das xaxoQ^wfia gegründet (Seztoa 158). Dieses Wort kann aber hier nicht in der allgemeinen Bedentong ge- nommen werden, in der es jede gelungene Handlung bezeichnet: demi in diesem Falle konnte Arkesilaos weder die Glückseligkeit Yom tnx- oQd-wfia abhängig machen da für diese viele gelungene Handlungen vollständig werthlos sind noch konnte er dieses selber auf die Ye^ nunft ((pQovrjotg) zurückführen da manche solcher Handlungen ohne Znthun der Vernunft, nur durch Zufall gelingen. Es muss daher in

Entwickelung der akademischen Skepsis. 155

!n Eindruck der Glaubwürdigkeit macht, es mag sich im übrigen dieser Eindruck gründen worauf er will. EvXoyov gegen ist nur was mit unserer Vernunft irgendwie über- stimmt Und es ist wichtig dass Arkesilaos von diesem ort nur auf unsere Handlungen Anwendung macht. Er ^ nicht, es ist tvXoyov dass dieses oder jenes Ding so er so beschaffen sei; er sagt nur, gewisse Handlungen len in den Bereich des svXoyov, und erklärt sie damit für cbe die vernunftgemäss sind und von denen wir mit

* engeren Bedeutung genommen werden, die ihm die Stoiker gc- »en haben, so dass es die moralisch gelungene Handlung bezeichnet. le solche Handlung ist aber eine zu der wir durch Vemunftgebotc 1 durch die auf allgemeine Erwägungen gegründete Hoffnung eines lincheinlichen Erfolgs bestimmt werden (vgl. Thcil H 1 S. 341, 1), ht aber durch die einem einzelnen Sinneseindrucke beiwohnende labwOrdigkeit. Das evkoyov, das einer Handlung dieser Art zu mde gelegt wird, kann also nur dasjenige sein das lediglich aus

Vernunft entsprungen ist. So hat sich gezeigt dass das svXo- ' des Arkesilaos von dem niB^avbvy sowohl dem einfachen als dem immengesetzten, des Kameades wesentlich verschieden ist. Die den Nachrichten, dass Arkesilaos das evXoyov zum Princip des ndelns gemacht und dass er das Tttd-arov geleugnet habe, wider- ecken daher einander nicht, wie man geglaubt hat, und die eine ncht nicht ttm der andern willen aufgegeben zu werden. Dass Bchen evXoyov und mi^avov oder nicxbv denn diese beiden fte fallen im wesentlichen zusammen, wie z. B. durch die Aus- cke nioxiv ifxnoielv und matoxiga bei Sextos dogm. I 179 und

und das wiederholte nioreveiv 177, 178, 180, ausserdem 189 durch ff Sta xavxa niaxfjv elvai Xfjv (pavxaalav und durch die Worte die

Pyrrh. I 222 lesen, wq mO^avwxkQoig ngooxld^sxai inet tiqoxqIvbi toxa nlativ /J dmaxlav, bewiesen wird ein wesentlicher ünter- ied besteht, der es ermöglicht das Vorhandensein des einen an- rkennen, das des andern zu leugnen, zeigt durch die That Sextos, in er Pyrrh. I 61 zwar ein maxbv nicht zugeben will, als evXoyov r ebenda 51 den Satz diaipoga hxaaroiq xwv l^wcuv (palvea^ai gijxa bezeichnet d. h. einen von ihm als richtig anerkannten Satz,

natürlich die Anerkennung überhaupt eines svloyov voraussetzt.

156 Die Tenchiedenen Formen des Skepticiimiu.

Wahrscheinlichkeit einen Zawachs unserer Glückseligk erwarten können. Das avJLoyov des Arkcsilaos sagt a über die Natur der wirklichen Dinge ausser uns nicht ( Geringste aus. Es würde diess nur dann thun wenn es ai drückte, bis zu welchem Grade wir gewiss sein können d in einem gegebenen Zeitpunkte eine Handlung auch wirkl vollzogen wird; statt dessen dient es nur dazu entwe( eine Handlung die vergangen ist zu rechtfertigen oder e zukünftige zu empfehlen. Ein evJioYOP dieser Art leugnel aber auch die P}Trhoneer, insbesondere Timon, nicht, d dieser kommt doch als Zeitgenosse des Arkesilaos vorzügl in Betracht: denn nach deren Meinung sollen wir uns unserem Handeln nicht durch beliebige Vorstellungen leii lassen sondern nur durch die welche mit der pjrrhonisd Grundiinsicht oder Wahrheit in Uebereinstimmung std und die wir eben deshalb auch wahrscheinliche oder t nunftgemässe nennen könnten (VgL S. 64), wie denn ai drücklich der koja; bei Sextos Pvrrh. I 17 als dasjen bezeichnet wird das über unser Handeln entscheiden ( (vgl. S. 62 fX

Aber gerade in diesem letzten Pimkte tritt neben ( Uebereinstimmung gleichzeitig auch der Unterschied zwiscl den Pyrrhoneem und Arkesilaos hervor. Gemeinsam ihnen nur, dass beide die Vernunft als dasjenige anerkann wodurch allein unser H;vndeln eine bestimmte Richtung I konmien könne; verschieden aber ist die Art und Weise ' sie sich diesen Einfluss der Vernunft dachten. Arkesüi wie aus seiner Definition des xarog^tDiia folgt, war * Ansicht, dass jede einzelne Handlung vor den Richterst der Vernunft gehöre und von ihr geprüft werden müi Die Pvrrhoneer dagegen wollten nur dass man sich Handeln den herrschenden Gesetzen und Sitten unterwer solle. Diese Unterwerfung sollte eine blinde sein; die \

Entwickelung der akademischen Skepsis. 157

jmh hatte hier unmittelbar nicht mitzusprechen, da durch eine Prüfung der betreffenden Gesetze und Sitten in jedem emzelnen Falle die Gemüthsruhe (draQa^la) gestört worden wäre. Trotzdem fanden auch diese Handlungen nicht ohne Mitwirken der Vernunft statt; denn der Satz auf den sie sddiesslich zurückgingen, dass wir uns den Gesetzen und Sitten zu unterwerfen haben, war selber nur die Frucht einer Ternünfbigen Erwägung (vgl. S. 55 f.). Der Unterschied zwischen Arkesilaos und den Pyrrhoneern besteht also darin dass bei diesen der Einfluss der Vernunft auf die einzelne Handlung von weiter her stattfindet, nicht unmittelbar wie bei Arkesilaos, dass eben deshalb in Arkesilaos' Augen die Vernunft, deren Urtheil nach seiner Ansicht für jeden ein- zelnen Fall in Frage kam, für Loben und Handeln einen Tid grösseren Werth haben musste als in denen der Pyr- rhoneer, die sie nur einmal befragten und dann abdankten. Diese höhere Bedeutung, die Arkesilaos der Vernunft ein- Äimte, spiegelt sich auch in der Ueberlieferung, die nur wo von Arkesilaos' Ansichten die Rede ist die Vernunft als Prindp des Handelns mit vollem Nachdruck hervorhebt, in der Darstellung des Pyrrhonismus dagegen sie hinter an- derem zurücktreten lässt so dass die Bedeutung die ihr auch hier zukommt von Späteren unbeachtet bleiben konnte. Mit diesem Unterschied steht ein anderer in enger Verbindung, im nämlich Arkesilaos nicht wie die Pyrrhoneer in der Gemüthsruhe (draga^la) das höchste Lebensziel erblickte. Denn den herrschenden Gesetzen und Sitten uns zu fügen hatten die Pyrrhoneer hauptsächlich deshalb gefordert, weil sonst jene Gemüthsruhe auf die Dauer nicht bestehen könnte: es ist daher bemerkenswerth, dass Arkesilaos, der jene For- derung nicht stellte sondern statt dessen in jedem einzelnen Fall die Vernunft entscheiden Hess, auch das Ideal der Gemüthsruhe preisgegeben zu liaben scheint. Eine aus-

152 I^ie verschiedenen Formen des Skepticismus.

biotot das objective Weson dor Dinge wicderzuspiegeln. Mit diesom Pyrrhonismus steht es nicht in Widerspruch, daas

auf ans macht. Es ergibt sich diess ans Sext. dogm. I 166 ff., ins- besondere aus 171 f.: rfjg 6h (paivoßivriq dkij^ovg (sc. (pavraalag) ^ filv zig iativ dfjivSQd, <og fj inl rdfv nagd fitxQonjta rov B^fwgov- fiivov ij naQa ixavbv ötdazrjfia rj xal naQa daB^ivetav t^^ o^^ftf^ avyxexvfihwg xal ovx ixxvinog ti Xafißavovrwv, »/ 6e rtg tjv ch T<j} (palvead'ai dlfj^ig tri xal aipoÖQov txovoa to (paivea^ai ovrjr dXtj^. (bv ndkiv // fihv dfivÖQa xal exXvrog (pavraala odx av flu xQixtJQiov T(j} yaQ fifjzs avz^v fxi]zB zo noitjaav avzr^v rgaviSg h- öelxvvaS^at ov 7ie<pvxBv fjfiäg nsLBeiv ovo* eig avyxazd&saiv imanä- a^at. fj 6h <patvofiiv^ dktj&tjg xal ixavaig ifjKpaivofjt^vrj XQizifQiov itni z^g dktjd^eiag xazd zovg tibqI zov KaQved6tjv. Die „glaubw&rdige Vorstellung'' ist sonach eine die Evidenz besitzt, uns durch Bich selber zum Glauben nöthigt und zu diesem Zwecke nicht erst Hinzukommens einer vernünftigen Ueberlegung bedarf. Diese letztere Annahme ist auch dadurch ausgeschlossen, dass Sextos zunächst nnr von den Vorstellungen sprechen will insofern sie isolirt wirken, jede vernünftige ueberlegung aber andere Vorstellungen mit einer ge* gebenen in Verbindung bringt. Beruht aber das ntS^avbv nicht wd vernünftiger Ueberlegung, dann kann es auch nicht mit dem fvkoyw identisch sein, das ja gerade daher seinen Namen trägt. Eher könnte man das evkoyov wiederfinden in deijenigen Vorstellungsweise, die nach Karneades ebenfalls zu den Kriterien gehört durch die wir uns im Leben leiten lassen und die Sextos a. a. 0. 176 mS^avri xal am^- cnaaxog ipavzaola nennt. Denn hier ist die Hauptvorstellung in Vah bindung mit anderen gebracht und wird eben dadurch um einen Grad glaubwürdiger weil unter diesen anderen mit ihr zusammenhängenden keine ist die sich als falsch erweist. Diese Verbindung Terschiedenar Vorstellungen mit einander scheint ein Geschäft der Vernunft sa sein. Sie ist es aber nur dann wenn sie auf eine Vergleichong und Beurtheilung der Vorstellungen hinausläuft. Davon ist aber hier nicht die Rede. Vielmehr entsteht nach Kameades die Verbindung dadurch dass mit jeder Hauptvorstellung wie der eines Menschen ge- wisse Nebenvorstellungen wie die der Farbe GrössiB Gestalt (177) zusammenhängen. Sowohl das Zusammentreffen aller dieser Vor- stellungen wie der so entstehende Gesammteindruck ist von der Thätigkeit der Vernunft vollkommen unabhängig. Nicht sie ist ei

Elitwickelung der akademischen Skepsis. 159

rar mochte Arkesilaos für das sokratische Bekenntniss des liditwissens halten.^) Auch der scheinbare Widerspruch, i den sich unsere Nachrichten über Arkesilaos verwickeln, ndet in denen über Sokrates seine Erklärung oder doch ine Parallele. Es ist nämlich auffallend, dass von Sextos }rrh. I 232 und ebenso von Cicero und Clemens a. a. 0. Is höchstes Ziel im Sinne des Arkesilaos die Epoche genannt ird, bei Sextos dogm. I 158 aber an deren Stelle die rlückseligkeit und zwar die auf das vernunftgemässe Han- ein gegründete erscheint. Aehnlich rühmt sich Sokrates jines Nichtwissens und will doch alles sittliche Handeln auf ie begriflfliche Erkonntniss gründen. Der scheinbare Wider- pruch der beiden hierin ausgesprochenen Vorschriften löst ich aber bei ihm in einer höheren, die von jedem Menschen in vernunftgcmässes Verhalten fordert. Die Vernunft ist es, ie auf rein theoretischem Gebiete uns nöthigt auf ein be- timmtes Urtheil zu verzichten, auf praktischem aber uns ge- rissen Geboten unterwirft. Ebenso lässt sich auch die Ver- diiedenheit der Nachrichten über Arkesilaos ausgleichen, lie Vernunft ist es, die uns überall leiten soll: innerhalb er Forschung, auf theoretischem Gebiet führt uns dieselbe ar Enthaltung von jedem Urtheil, zur Epoche, die darum ier als höchstes Ziel erscheint, innerhalb des Lebens und er Praxis vermittelst eines ihr entsprechenden Handelns zur

*) Cicero de erat. III 18 (Arcesilas ex variis Piatonis libris ser- Mmibosque Socraticis hoc maxime arripuit, nihil esse certi; quem !nmt primum instituisse, quamquam id fuit Socraticum maxime, M quid ipse sentiret, ostendere, sed contra id, quod quisque se tttire dixisset, disputare) und Lactantius instit. III 4, 6 (auctore «rate hanc suscepit sententiam, ut affirmaret nihil sciri posse) «en ausdrücklich Arkesilaos sich in dieser Hinsicht an Sokrates ttchliessen. Beide Stellen sind angeführt von Geffers de Arcesila 22, 9.

152 I^ie verschiedenen Formen des Skepticismas.

bietet das objective Wesen der Dinge wiederzuspiegeln. Mit diesem Pyrrhonismus steht es nicht in Widerspruch, dass

auf ans macht. Es ergibt sich diess aus Sext. dogm. I 166 ff., iiu- besondere aus 171 f.: rijg Sh (paivoiuivijg dktjS-ovg (sc. ipavraalaq) ^ filv zig ioriv dfivfiQa, wg ^ inl rmv naga /iixQOT^ta rov ^l■<0fo^ fikvov rj TiaQa Ixavbv öidortjfia i} xal TtoQa aa^heiav tijg mpiw; avyxBxvfJihwg xal ovx ixrvTtatg xi kafißavovzcav, jy 64 tig ^v avv T(j} ipalveaS-ai dXtjS-t^g tri xal OipoÖQbv txovoa to <paivea&ai aitiiv dlrj^. <iv ndkiv t/ fikv dfivÖQa xal ^xkvrog fpavraala o^x Sv ihi xQitfiQiov Zip yaQ fitjzB avz^v /ii^zs zb noiijaav avzrjv rgavwg h- ödxvva^ai ov niifvxsv rifiäg nelS^etv ovd^ eig avyxazdS^eatv imcna- a^at. Tj Sh (paivofiivtj dktj&rjg xal Ixavwg ifKpaivofiivri xqiz^qiov ku zrjg dktj^eiag xazd zovg negl zbv Ka^sdör^v. Die „glaubwQrdige Vorstellung'' ist sonach eine die £?ldenz besitzt, uns durch sich selber zum Glauben nöthigt und zu diesem Zwecke nicht erst Hinzukommens einer vernünftigen Ueberlegung bedarf. Diese letztere Annahme ist auch dadurch ausgeschlossen , dass Sextos znn&chst nur von den Vorstellungen sprechen will insofern sie isolirt wirken, jede vernünftige Ueberlegung aber andere Vorstellungen mit einer ge- gebenen in Verbindung bringt. Beruht aber das m$^vbv nicht auf vernünftiger Ueberlegung, dann kann es auch nicht mit dem evkoyw identisch sein, das ja gerade daher seinen Namen trägt. Eher könnte man das evkoyov wiederfinden in dcijenigen Vorstellungsweise, die nach Karneades ebenfalls zu den Kriterien gehört durch die wir nni im Leben leiten lassen und die Sextos a. a. 0. 176 Tn&av^ xal dne^- onaozog (pavzaala nennt. Denn hier ist die Hauptvorstellung in Ye^ bindung mit anderen gebracht und wird eben dadurch um einen Gltd glaubwürdiger weil unter diesen anderen mit ihr zusammenhängenden keine ist die sich als falsch erweist. Diese Verbindung verschiedener Vorstellungen mit einander scheint ein Geschäft der Vemonft sn sein. Sie ist es aber nur dann wenn sie auf eine Vergleichong nnd Beurthcilung der Vorstellungen hinausläuft. Davon ist aber liier nicht die Rede. Vielmehr entsteht nach Kameades die Verbindung dadurch dass mit jeder Hauptvorstellung wie der eines Menschen ge- wisse Nebenvorstellungen wie die der Farbe GrössiB Gestalt (177) zusammenhängen. Sowohl das Zusammentreffen aller dieser To^ Stellungen wie der so entstehende Gesammteindruck ist von der Thätigkeit der Vernunft vollkommen unabhängig. Nicht sie ist ei

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rkesilaos doch das Wahrscheinliche als Princip unserer andlungen anerkannte. Denn dieses Wahrscheinliche nennt

eiche entscheidet dass eine Vorstellung in ihrem Zusammenhang it anderen betrachtet glaubwürdiger ist als wenn wir sie isoliren: eser Vorzug beruht lediglich darauf dass wenn zu der glaubwUr- j|[en Haupt Vorstellung andere ebenfalls glaubwürdige Nebenvorstel- Qgen treten die Glaubwürdigkeit über ein grösseres Feld ausge- Imt und dadurch gesteigert wird; die Evidenz die einem solchen »ntellungscomplex anhängt hat einen höheren Grad als die jeder isehien Vorstellung zukommt. Auch diese zweite Art der glaub- Irdigen Vorstellung darf also nicht mit dem ev^^oyop verwechselt Tden: denn während dieses sich auf Gründe stützt, besitzt jene mittelbare Evidenz. Um so eher könnte man was bei Kameades I dritte Stufe der Glaubwürdigkeit erscheint dem evkoyov gleich tien, da um diese zu erreichen eine Prüfung der einzelnen über- istimmenden Vorstellungen nach den verschiedenen sie bildenden ictoren erfordert wird und eine solche nur von der Vernunft ranstaltet werden kann. Vgl. Sextos a. a. 0. 182: inl dh t^q xazä V nfQKoSevfihfriv ovvÖQOfitiv kxaaxrfv rmv iv xy avvÖQOßy ^nicta- ro^ doxifxdtfifiBv. Ebenda 185 wird als nothwendig für das Entstehen icr solchen Vorstellung vorausgesetzt dx^ißrjq tov ngdyfjiaxoq dva- »^atg und 188 hierfür der Ausdruck Xoyl^saS'Cci gebraucht. Da- kommt dass nach Kameades wir allen auf unsere Glückseligkeit Kfiglichen Handlungen, sobald es nur die Umstände erlauben, eine ntellung der Art d. h. eine nicht bloss unwidersprochene {dneQi- wtog) sondern auch geprüfte {nsQtwöevfievrj) zu Gmnde legen len (Seztos 184), nach Arkesilaos aber auch das evkoyov uns beim "eben nach der Glückseligkeit einen Anhalt gewähren soll. So oreinstimmend hiernach beide Arten von Vorstellungen sind, so ur es den Anschein hat als ob Kameades und Arkesilaos das luchliche Handeln insofem es die Glückseligkeit zum Ziele hat Dselben Princip unterworfen hätten, so dürfen wir uns doch durch 1 Schein nicht täuschen lassen. Bedenklich muss uns schon der iiUnd machen, dass Sextos da wo er uns die Ansicht des Kar- ides erläutert sich nirgends des Wortes fvXoyov bedient: denn zu em solchen Meiden des von Arkesilaos gebrauchten Ausdmcks t wenn wirklich beider Ansicht übereinstimmte, nicht der min- te Grand vor. Eine nähere Betrachtung zeigt wie berechtigt

162 I^ie verschiedenen Formen des Skepticismas.

sie historische Bestandtheile für ihre dichterischen Zwed benutzt. Dazu rechne ich, dass sie Lakydes zu einem B kenner der Epoche macht ^) und die Meinungslosigkeit d Weisen behaupten lässt.*) Dieses Zeugniss fallt darum i Gewicht, weil es ein altes, wir dürfen sagen das Zeugni eines Zeitgenossen ist: denn wer würde in späterer Zeit 8i< die Mühe genommen haben einen verhältnissmässig unb kannten Philosophen wie Lakydes in einer eigenen Dichtm zu verhöhnen? Wir sehen daher dass Lakydes in den beid( erwähnten Punkten an den Ansichten seines Lehrers fes hielt.*) Dasselbe wird uns auch durch Cicero bestätigt^) Von den Genossen des Lakydes und seinen nächste Nachfolgern erfahren wir nichts und dürfen daher annehme] dass unter ihnen Alles beim Alten blieb. Erst Karneade hob die akademische Skepsis auf eine neue Stafe.*) Üebe ihn liegen zwei von einander abweichende Berichte voi deren Verschiedenheit man jedoch bis jetzt so gut wie nid beachtet zu haben scheint.^) Der eine geht auf Eleitomachoi der andere auf Metrodoros zurück.

') Von Lakydes wird erzählt (4): xal noie imanaadfievo^ ^^ ngooofitlovvTwv avrw riva elg t//v olxiav, la^vgl^eto nghq wil vn^Qfpvwq, (bg idoxst, rrjv inoxi^v.

*) Die Sklaven des Lakydes halten ihrem Herrn vor (8): aof ys ovxi öeöSxS'at ra> Aaxvdy elvai dSo^dartp.

^) Was den zweiten betrifft, vergleiche man Sextos dogm. 1 15' wo als Ansicht des Arkesilaos angegeben wird: oi^x^ xwv öo^am icTiv b aofpoq.

*) Acad. pr. 16: cigus (Arcesilae) ratio a Lacyde solo rf tenta est.

^) Wie auch Cicero andeutet, der nach den angeführten Worte fortfährt: post autem confecta a Cameade.

^) Auch Zeller, obgleich er III 1 S. 515, 2 hart vor der richtige Auffassung stand, ist doch, wie sich noch zeigen wird, dnrch el Missverständniss von ihr zurückgehalten worden.

Entwickelang der akademischen Skepsis. 163

Halten wir uns zunächst an Eleitomachos, den besonders der langjährige vertraute Umgang mit Eameades zu einem Zeugen von vorzüglidier Glaubwürdigkeit macht. ^) In seinen vier Bächern von der Epoche (de sustinendis adsensionibus Cicero Acad. pr. 98) hatte derselbe berichtet, dass Eameades wahrscheinliche und nicht wahrscheinliche Vorstellungen «Bierschied') und jene als solche bezeichnete durch die unser Wollen und Handeln bestimmt werden sollte.') Aber, wie er ebenfalls bemerkt hatte, die Wirkung dieser Voi> stdlungen auf uns sollte nach Eameades nicht von unserer Zustimmung zu ihrem Inhalte oder davon abhängig sein dass wir sie für wahr oder gewiss halten: vielmehr werde der Weise dergleichen Vorstellungen nur als praktische gut- heissen ohne sie deshalb theoretisch für richtig zu halten.^)

') Als solchen behandelt ihn auch Cicero Acad. pr. 98: nee vero qaicqaam ita dicam, nt quisquam id fingi saspicetur: a Clitomacho nmam, qoi usqae ad senectatem cum Carneade fuit, homo et acutus, Qt Poenus, et valde Studiosus ac diligens.

*) Diese Unterscheidung fand sich im ersten Buche des genann- ten Werkes. Cicero a. a. 0. 99 spricht darüber in folgenden Worten: doo placet esse Cameadi genera visorum: in uno haue divisionem 4lii Tisa esse qnae percipi possint, alia quae non possint", in altero ^Qtem: „alia visa esse probabilia, alia non probabilia*^ Dass und iowiefem der Ausdruck in diesen Worten ungenau ist erörtert Madvig «a de fin. Vorr. S. LXIII 2. Aufl.

') Cicero a. a. 0. 99: sie, quicquid acciderit specie probabile, ^i nihil se offeret qnod sit probabilitati illi contrarium, utetur eo i&pieos, ac sie omnis ratio vitae gubernabitur.

*) A. a. 0. 101: quaecumque res eum sie attinget ut sit visum ^d probabile neque uUa re inpeditum, movebitur; non enim est e 1^0 sculptus aut e robore dolatus: habet corpus, habet animum, mo- netär mente, movetur sensibus, ut ei vera multa videantur; neque teen habere insignem illam et propriam percipiendi notam; eoque *tpientem non adsentiri, quia possit ejusdem modi exsistere falsum tliqood, ciyus modi hoc verum.

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164 ^'^^ Terschiedenen Formen des SkepticismuB.

Dasselbe hatte Kleitomachos noch iu zwei anderen Schriftei wie es scheint zunächst in eigenem Namen sprechend,^) am geführt. Insbesondere was unter der Epoche zu verstehe sei bestimmte er hier genauer. Von einer Epoche, sagte e könne man in doppeltem Sinne sprechen. Einmal kfini darunter ein Verhalten verstanden werden, infolge desse man zu nichts seuie Zustimmung gibt d. i. nichts als wal gelten lässt; dann aber könne damit auch gemeint sein ei Weigern jeder Antwort einer bejahenden sowohl als eine verneinenden.*) Nur in dem ersten Sinne werde die Epocb

') Cicero a. a. 0. 102 sagt: explica?! paulo ante Clitomiek auctore, quomodo ista Cameades diceret. accipe, quem ad modm eadem dicantur a Clitomacho in eo libro, quem ad C. Luclliom acrip Bit, cum scripsisset isdem de rebus ad L. Censorinum, eum, qui eoo sul cum M.* Manilio fuit. Hiermit stimmt überein was Cicero am diesen Schriften und zwar, wie er hervorhebt (102: scripsit igitn his fere verbis), ziemlich wörtlich mittheilt (103): „AcademiciB plir cere esse rerum ejus modi dissimilitudines** und „errare eos qui di- cant ab Academia sensus eripi". Es ist zu bemerken dass EleitO' machos, wie wir hieraus schliessen dürfen, in jenen Schriften io Allgemeinen die Akademiker und die Akademie und nicht vonag» weise Earneades nannte. Dadurch wird unwahrscheinlich dass die« Schriften in historischer Weise über die Philosophie des Eameade berichteten und Kleitomachos darin nach semer sonstigen Weil längere Gespräche und Disputationen seines Lehrers erzahlt hatU Wahrscheinlich ist vielmehr dass diese Schriften nur gebildete Römern einen Ueberblick über das Wesentliche der akademische Skepsis geben wollten. Auf diese Yermuthung führt was Cicero Qbf das an C. Lucilius gerichtete Buch sagt (102): earum ipsarum reroB de quibus agimus, prima institutio et quasi disciplina illo libro coi tinetur. Dasselbe war, wie Cicero bemerkt, der Grund weshalb ( gerade diese Schrift des Kleitomachos fleissig gelesen hatte.

') A. a 0. 104: adjungit dupliciter dici adsensas sastinere M pientem: uno modo cum hoc intellegatur, omnino eum rei nolM td sentiri; altero cum se a respondendo sustineat, ut neque neget allqni neque ajat.

EntwickeluDg der akademischen Skepsis. 165

TOD den Akademikern gefordert, in dem zweiten dagegen Tcrworfen und statt ihrer vielmehr gestattet dass man Ant- worten gebe und bei der Wahl derselben sich durch die Wahrscheinlichkeit leiten lasse. ^) So hatte sich ergeben was die Epoche der Akademiker bedeutet und dass sie in einem Verzicht auf die Zustimmung zu irgendwelcher Vor- stellung besteht Diess konnte zu dem Missverständniss Anlass geben als wenn der Akademiker überhaupt den Vor- stellungen keinen Werth irgendwelcher Art zugestehen wollte. Passend reihte sich daher bei Kleitomachos die Bemerkung ao, dass man der Vorstellungen und des Vorstellens für das Leben nicht entbehren könne > dass ohne sie kein Handeln und kein Gespräch möglich sei: man werde daher gewissen Vorstellungen, wenn man ihren Aussagen auch nicht zustimme, doch so viel einräumen dass man sich in den angegebenen Fallen durch sie bestimmen hisse, und das seien solche Vor- stellungen, die, weil sie mit keiner anderen in Widerspruch stünden, uns als wahrscheinliche gälten.')

') 104: id cum ita sit, alterum placere ut numquam adsentiatur, altemm tenere ut sequens probabilitatem ubicumque haec aut occurrat aot deficiat, aut „eüam** aut „non" respondere possit.

*) A. a. 0. : et cum placeat eum, qui de omnibus rebus contineat le ab adsentiendo, moveri tarnen et agere aliquid, rclinqui ejus modi fiia, quibus ad actionem excitemur; item ea, quao interrogati in otramque partem respondere possimus, sequentes tantum modo, quod ita Tisom sit, dum sine adsensu; neque tarnen omnia ejus modi visa tdprobari, sed ea, quae nulla re inpedirentur. In den letzten dieser Worte ist ein Fehler zu bemerken, mag derselbe nun in einem Miss- ferständniss Ciceros oder in einer Verderbniss der Handschrift seinen Gmnd haben. Liest man n&mlich die letzten Worte von neque ta- rnen omnia an, so scheint es als wenn unter den vorher erwähnten Yorstellungen, auf die mit ejus modi visa hingewiesen wird, nur eine einzelne Classe, diejenigen welche widerspruchslos sind (quae nulla re inpedirentur), unserer Billigung (adprobari) für werth gehalten würden. Nun sind aber die vorher erwähnten Vorstellungen d. h. die

166 ^16 verschiedenen Formen des Skepticismas.

Vollkommen deutlich ist in dieser von Kleifa vertretenen Auffassung der Skepsis > dass or zwar { gewisse Vorstellungen zu billigen (probare, adprobar nicht ihnen zuzustimmen (adsentiri). Zwischen beid< offenbar ein wesentlicher Unterschied gemacht, c griechische Original durch die Gegenüberstellung v d-BCd-ai und övyxaxarld-töd'at ausgedrückt haben maj

welche unseren Handlangen und Antworten zu Grunde lieg« die wir gebilligt haben. Diess ergibt sich schon, wenn es ji feit werden sollte, aus den Worten „item ea sine adsei sonders wenn man damit aas dem weiter Vorhergehenden i „alteram tenere, at seqaens probabilitatem, abicamque hae* carrat aat deficiat, aut ,etiam^ aut ,non* respondere poesit^ durfte also nicht sagen, dass nicht alle solche Vorstellungeo würden. Dadurch ist natürlich nicht ausgeschlossen dass trotzdem ein derartiges Missverständniss sich hat zu Schah men lassen. Indessen wäre es doch auch möglich dass eine; ber die Schuld träfe und entweder bloss ejus modi oder < Visa zu streichen ist. Für das Letztere scheint zu sprechen 105 lesen: ea quao vos percipi cooprehendique, eadem nos, probabilia sint, videri dicimus. Denn nach diesen Worten zu f hätte Cicero zwischen visum und probabile keinen Unters« macht. Diess galt aber nur für visum in einer besondere tung, die es auch in den Worten ,,qaod ita visom sit** 1 anderen Stellen dagegen ist klar, dass Cicero visum auch weiteren das probabile und das non probabile umfassende tung braucht, wie z. B. 99: alia visa esse probabilia, alia babilia.

^) Denn dass eine solche Gegenüberstellung, sobald neid-ea^ai in einer bestimmten Bedeutung fasste, möglich i Sextos Pyrrh. I 230: xb nslS'ea&ai liyetai SiaipoQfog, x6 X6 xslvsiv d)X* aitXwq tnea^ai ävev ctpoÖQäq TtQoax^Jaeo^ n Tta^elag, atg b naig ?JyBxai nel&ead^cti X(p Tiaiöayofyip ' an fisxa alQsaewg xal otovel avfjiTta^elag xaxa xb atpoÖQa f avyxaxccxl^ea^ai xivi, <og b äciovog Tiel&exai x^ öanavtixa d^iovvxi. Ein nel^eadixi im ersten Sinne gaben auch die P; zu, das avyxctxaxl^ead^ai aber lehnten sie ab.

Entwickelung der akademischen Skepsis. 167

DUO femer eine Meinung nicht ohne eine Zustimmung sein kauD,^) so ergab sich für Eleitomachos die Consequenz, dass, da man keiner Vorstellung zustimmen soll, man auch keine Heinang haben dürfe. Hat man sich diess einmal klar ge- macht, so sieht man sogleich, wie verschieden von dieser durch Kleitomachos vertretenen Auffassung der Skepsis die- jenige ist, die wir bei Cicero Acad. pr. 148 in folgenden Worten des Catulus finden: ad patris revolvor sententiam, quam quidem iUe Gameadeam esse dicebat, ut percipi nihil potem posse, adsensurum autem non percepto, id est opina- tnrnm, sapientem existumem, sed ita, ut intellegat se opinari sdatque nihil esse, quod conprehendi et percipi possit; qua re Ixofjqv illam omnium rerum non probans illi alteri sen- tentiae, nihil esse quod percipi possit, vehementer adsentior. In diesen Worten wird dem Weisen gestattet gewissen Vor- steilaDgen zuzustimmen und eine Meinung zu haben, sobald er sich nur derselben als einer blossen Meinung bewusst bleibt, Kleitomachos dagegen hatte das Meinen nicht bloss mit dieser Clausel sondern schlechthin verboten. Aus dieser Verschiedenheit entspringt die andere, die in den von Catulus der Epoche gezogenen Schranken besteht. Man könnte das Vorhandensein dieser letzteren Verschiedenheit bestreiten, da äach Eleitomachos die Epoche nicht in jedem sondern nur in einem bestimmten Sinne fordert und zu diesem Behuf zwei Arten derselben 'unterscheidet. Dafür fasst aber auch Kleito- Döchos, ehe er der Epoche diese Schranken zieht, dieselbe in omem viel weiteren Sinne, in dem sie die Enthaltung von jeder auf eine Vorstellung reagirenden Thätigkeit be- zeichnet, und erklärt innerhalb dieses weiteren Kreises für

') Cicero Acad. pr. 59: sapientem nihil opinari, id est numquam *^>entiri rei vel falsae vel incognitae. 148 : adsensurum non percepto, id est opinatnrum. Sextos dogm. I 156: el avyxaxad^r^aexai h ao(p6g, ^<^icet 6 aotpog ^ ^y dxavakiJTiTq) avyxaxa^^oiq öo^a iatlv xx),.

168 ^ie verschiedenen Formen des Skepticismiu.

zulässig nur dicjonige Epoche, welcho darin besieht dass wir zu einer nicht begriffenen Vorstellung unsere Zustimmnog nicht geben. ^) Gatulus hingegen will gerade diese letztere,

^) Ciceros Worte allerdings könnten zu dem Missverständniss Anlass geben, als wenn auch Kleitomachos die Epoche in demselben engeren Sinne wie Catulus genommen hätte. Denn er l&sst (lOi) Kleitomachos sagen: dupliciter diel adsensus sustinere sapienteo, d. h. er l&sst ihn schon die Epoche im weiteren Sinne, die er dani in ihre besonderen Arten theilt, in ein Zurückhalten der Zustimmung setzen. Dass diess aber ein Irrthum ist, zeigen seine eigenen folgen- den Worte, in denen als eine der beiden Arten der Epoche das „rei nulli adsentiri" oder wie er es bald darauf nennt das „de omniboi rebus continere se ab adsentiendo'' erscheint d. i. also dasselbe worin er eben noch das Wesen der allgemeinen Epoche gesetzt hatte. Wie dieser Irrthum entstehen konnte, wird klar, sobald wir an das grie- chische Original denken. Hier fand Cicero inix^iv oder inoxfi ^oTi welches das Zurückhalten überhaupt bedeutet und deshalb niher bestimmt werden konnte in ein Zurückhalten entweder nur oneerer Zustimmung oder jeder reagirenden Thätigkeit. Weil aber gewöhn- lich inox^ den engeren Sinn des Zurückhaltens unserer Zustimmung hatte und Cicero daher gewohnt war es durch „adsensionis retentio; (59) oder einen verwandten Ausdruck zu übersetzen, so hat er diene Weise der Uebersetzung auch hier festgehalten wo sie nicht hin- gehörte und nur das einfache retontio oder sustinere am Platze war. Ich halte es für richtiger Cicero hier eines Missverst&ndnissee u beschuldigen, als den Irrthum auf einen Fehler der Handschriften zurückzuführen, den man durch Streichung des „adsensus*' in den fraglichen Worten leicht beseitigen könnte. Denn es ist noch eine Spur davon vorhanden, dass Cicero als er jene Worte schrieb n Miss Verständnissen disponirt war. Er lässt den Kleitomachos sagen, dupliciter dici adsensus sustinere sapientem: da Kleitomachos aber* wie wir sofort belehrt werden, nur eine Art der Epoche als berech- tigt anerkannte, so konnte er unmöglich den Weisen d. i. den Ideal- menschen sich beider, also auch der anderen, verwerflichen Art der Epoche bedienen lassen. Das „sapientem'* ist daher ein dem grie- chischen Original nicht entsprechender Zusatz Ciceros: Kleitomaehoi kann nur gesagt haben dass man von der Epoche überhaupt, nicht dass man von der dos Weisen in einem doppelten Sinne spreche.

Eniwickelung der akademischen Skepsis. 169

ie bei Kleitomachos uur einen Theil der weiteren Epoche mnacht, von Neuem beschränken so dass der Weise doch : gewissen Fällen auch zu einer nicht begriffenen Vorstcl- Dg seine Zustimmung geben darf. Die Verschiedenheit in ir Auffassung der Skepsis bei Gatulus und Kleitomachos rd sich hiemach nicht leugnen lassen. Ja es ist weiter IT, dass Gatulus wenn er erklärt „ijtoxrjp illam omnium rum** nicht zu billigen sich damit direct gegen Kleito- ichos wendet, der das „rei nuUi" oder „numquam adsentiri" er was dasselbe ist das „de omnibus rebus continere se ' adscntiendo*^ forderte (104). Dass nun einem so angc- henen Vertreter der akademischen Skepsis Gatulus auf jene Hand sollte widersprochen haben, ist nicht denkbar, id ebenso wenig ist diess von seinem Vater anzunehmen, if den er sich zunächst beruft. ^) Vielmehr müssen beide ji in dieser Beziehung auf griechische Philosophen haben itzen können. Diesen Schluss bestätigt Lucullus und iederholt darin nur was Antiochos gesagt hatte, wenn er •n „Einigen" spricht die die Skepsis des Karneades in der- Iben Weise auffassten wie Gatulus d. h. dem Weisen eben- Ib ein Meinen zugestanden und der Epoche dadurch «wisse Schranken zogen.*) Denn eine nur bei einigen Römern iltende Ansicht würde Antiochos nicht in dieser Weise bc- cbichtigt haben. Wer die griechischen Gewährsmänner

') Und auf den er sich auch berufen hatte, als er Tags zuvor Br denselben Gegenstand ausführlicher sprach, vgl. 12: illa dixit lUochns quae her! Gatulus commemoravit a patre suo dieta Philoni. U er auch da die gleiche Ansicht geäussert hatte, ersehen wir aus I Worten mit denen Lucullus (59) sich auf diesen Vortrag zurück- geht: Cameadem autem etiam her! audiebamus solitum esse eo delabi )rdam, nt dlceret opinaturum, id est, peccaturnm esse sapientcm.

*) 59: ex bis illa necessario nata est ^ttox^, i<^ ^^t adsensionis ntio, in qua melius sibi constitit Axcesilas, si vera sunt quae de neade nonnulli existimant: si enim percipi nihil potest, quod utri-

170 ^ie verschiedenen Formen des Skepticismiis.

des Catulus waren, sagt uns denn auch Cicero (78) in genden Worten: licebat enim nihil percipere et tarnen opi quod a Cameade dicitur probatum; equidem, ClitoiE plus quam Philoni aut Metrodoro crodeus, hoc magis al disputatum quam probatum puto. Metrodoros und Ph wie sich aus diesen Worten ergibt, vortraten jene mil Aufiassung der karneadischen Skepsis, die dem Weisen i ein Meinen übrig lässt, und bildeten deshalb Partei g Kleitomachos der der strengeren Ansicht huldigte.^)

que Visum est, tollondus adsensus est. quid enim est tarn f utile ( quicqnam adprobare non cognitum? Carneadem autem etc. (s. Anmerkung).

^) Nach der vorher angestellten Erörterung wird kein Zi mehr sein können wie die angefahrten Worte Ciceros zu vent sind. Ich würde darüber kein Wort weiter verlieren, wenn es : Zeller wäre, dem hier ein Missverstandniss begegnet ist. Der führt S. 515, 2 aus jenen Worten den Satz an, es sei möglich percipere et tarnen opinari, und bemerkt dazu: „wobei es unei lieh ist, dass Philo und Metrodor gesagt hatten, Karneades habe bewiesen, Klitomachus (um der skeptischen i:io)^ti nichts sa geben): hoc magis ab eo disputatum quam probatum '^ Wftre der Sinn der Worte, so würde Ciceros Kleitomachos mit sich » in Widerspruch kommen. Denn während er hier das „probare** Karneades abspricht, sucht er 99 ff. im Sinne des Kameades gf die Zulässigkeit der probabilia oder probatio sowie des probar erweisen. Man darf nicht sagen, probare habe an dieser letii Stelle eine andere Bedeutung, die von „billigen**; denn die Yen denheit der Bedeutung zugegeben, so bleiben doch probare in Bedeutung von „beweisen**, wie sie Zeller hier annimmt, und bare in der Bedeutung von „billigen", die an der anderen SteUi genommen werden muss, Correlata von denen das Eine nicht das Andere fallen kann. Es ist daher ganz consequent, wenn C mit Bezug auf seine Darstellung der Skepsis des KleitomachoB (105): haec si vobis non probamus. Denn dieses probare ist wohl dasselbe wie das von Zeller an unserer Stelle angenonu Von Zellers Standpunkt aus freilich hätte er sich damit eine consequenz schuldig gemacht. Zu diesem ersten Anstoss, den Z

Eotwickelung der akademischen Skepsis. 171

Mit Sicherheit zwischen diesen beiden Auffassungen der kepsis des Kameades zu entscheiden sind wir natürlich beoso wenig im Stande als mit Gewissheit zu sagen ob

uffitfsuDg unserer Stelle gibt, kommt noch ein anderer. Denn die onrassetzong, von der sie ausgeht, dass probatum die Bedeutung n „bewiesen" habe, ist keineswegs sicher. Sie ist darum misslich, sil probatum hier im Gegensatz zu disputatnm steht, alles Dispu- «1 aber zugleich ein Beweisen ist, der Gegensatz also, wenn wir obatam in. der Bedeutung von „bewiesen" nehmen, nicht rein izaos kommt. Nehmen wir dagegen probatum in der anderen mög- ihen Bedeutung von „gebilligt", so haben wir einen richtigen sgensatz zwischen einer Ansicht die wirklich gebilligt und einer B bloss Disputirens halber aufgestellt worden ist. Denselben Gegen- ti finden wir in einem anderen Berichte des Kleitomachos über imeades, wonach derselbe Kalliphons Bestimmung des höchsten rtes lebhaft vertheidigt hatte ohne sie doch in Wirklichkeit zu lügen (139). Hiernach ist klar, dass auch an unserer Stelle pro- lam mit „gebilligt" übersetzt werden muss. Dann aber wird die Inft die zwischen den Ansichten des Kleitomachos und des Philon id MetrodoroB besteht erweitert. Sie betrifift nun nicht mehr bloss e Form des Ausdrucks. Der Sinn kann nicht sein: Eameades tbe überhaupt nichts gebilligt, sondern alles was er zu billigen hien nur Disputirens halber vorgetragen. Dass diess nicht der Bdtnke des Kleitomachos sein konnte, beweist seine eigene Dar- elliuig (99 ff.), in der ja eben Ansichten vorgetragen werden die laeades wirklich gebilligt hatte und in der überdiess das Billigen ler Yorstellung für zulässig erklärt wird. Das probatum unserer ielle muss sich also darauf beziehen, dass die Ansicht, wonach der 'eise auch Meinungen haben werde, von Philon und Metrodoros tter die positiven eigenen Ansichten des Kameades gezählt, von Ititomachos davon ausgeschlossen wurde. Erst wenn wir unsere eile so auffassen, steht sie mit Kleitomachos' Darstellung (99 ff. und 6 f.) im Einklang, in der ja ebenfalls dem Weisen zwar ein Reagi- I auf die Vorstellungen und ein Billigen derselben zugestanden, 6f Zustimmen zu denselben aber d. i. das Meinen desto entschie- iier abgesprochen wird Nach Kleitomachos' Ansicht hatte Kar- ides das Meinen des Weisen nur disputatorisch vertheidigt, natür- li den Stoikern gegenüber weil diese ja das Gegentheil behaupteten.

172 ^16 verschiedenen Formen des SkepticismuB.

Xenophon oder Piaton uns den historischen Sokrates fa dargestellt hat: denn in dem einen wie in dem am Falle fehlt es uns an Aeusserungen sei es des Sokrates Karncades die uns unabhängig von jenen Berichtersta überliefert wären und an denen wir die Wahrheit dei richte prüfen könnten. Indessen lässt es sich wenig wahrscheinlich machen, dass der Bericht dos Metrodoroc Philon unsern Glauben mehr verdient. Dafür spricht « die Thatsache dass man bereits im Älterthum ihm Vorzug gab. Bei Cicero lesen wir freilich einmal, es nur „Einige^' gewesen die die Skepsis dos Karneadc dieser Weise auffassten.^) Wir dürfen uns aber hierd nicht irre machen lassen. Zunächst fällt ins Gewicht, Philon, der doch ein Schüler des Kleitomachos war, sie diesem Punkte nicht an ihn sondern an Metrodoros fl schlössen hatte. Derselben Ansicht wie Philon war aber dessen Schüler Antiochos. Es ist schon bemerkensw dass in Ciceros Acad. pr. 16 LucuUus, der doch nur i serungen des Antiochos wiederholen will, unter den vere denen Schülern des Karneades dem Kleitomachos und Ha, Geist, dem Kleitomachos ausserdem und besonders F dem Charmadas Beredsamkeit, dem Melanthios Ano dem Metrodoros allein aber die genaue Kenntniss des neades zuspricht.*) Dasselbe erhellt aber auch aus dei wie Lucullus bei Besprechung der Epoche Metrodors

') Acad. pr. 59: si vera sunt quae de Garneade non nnlli stimant

') Qui illum (Cameaden) audierant admodum floraeront: e q industriae plurimum in Clitomacho fuit declarat maltitado ! mm , ingenii non minus in Hagnone, in Charmada eloquentb Melanthio Rhodio suavitatis. bene autem nosse Cameaden Stn ceus Metrodorus putabatc^. £& scheint nach diesen letzten W als wenn Antiochos der Behauptung Metrodors, alle Anderen k

Entwickelang der akademischen Skepsis. 173

ridit über Eameades sich zu Nutze macht. ^) Denn auf Grand desselben erhebt er gegen Karneades den Vorwurf der Inconsequenz. Freilich nicht schlechthin, sondern indem er hinzufügt, wenn das was Einige über Karneades denken wahr ist Daraus folgt indessen nur, dass er den Bericht des Metrodoros nicht für vollkommen sicher hielt, aber keines- wegs, dass er dem des Eleitomachos den Vorzug gab. In diesem Falle würde er doch wohl von der Epoche sagen, dass in Bezug auf dieselbe Karneades, wenn wahr ist, was Einige über ihn denken, nicht minder consequent verfuhr ab Arkesilaos. Denn derjenigen von zwei Möglichkeiten, die wir als Wirklichkeit behandeln, gestehen wir doch eben dadurch die grössere Wahrscheinlichkeit zu. Dass die Woiie des Lucullus in dieser Weise verstanden werden müssen, Migt auch Cicero da wo er in seinem Vortrag auf dieselben zorackkommt:') denn wenn er hier es wie eine Thatsache behandelt (Cameades dabat, nicht dare dicitur oder etwas AehnUches) dass Karneades ein Zustimmen und Meinen des

den Karneades missverstanden {Kagvfaöov naQaxrjxoivat navtaq), im veientlichen zugestimmt hätte. Vgl. Ind. Herc. col. 26, 4 und Zeller 8.525, 1.

') 59: ex his illa necessario nata est inox^, id est adsensionis ntentio, in qua melius sibi constitit Arcesilas, si vera sunt quae de Gurneade non null! existimant: si enim percipi nihil potest, quod utri- 9Qe Tisum est, tollendus adsensus est. quid enim est tarn futile quam qnicqoam adprobare non cognitum? Carneadem autem etiam her! todiebamus solitum esse eo delabi interdum, ut dicerct opinaturum, ^ est, peccatonim esse sapientem.

*) 67: si Ulli rei sapiens adsentietur umquam, aliquando etiam ^inabitiir; nomquam autem opinabitur: nuUi igitur rei adsentietur. boc conclosionem Arcesilas probabat; confirmabat enim et primum ^ lecundom; Garneades non numquam illud dabat, adsentiri ali- Vttndo: ita sequebatur etiam opinari; quod tu non vis, et recte, ut ^i Tideris.

174 l^ie verschiedenen Formen des SkepticiBmas.

Weisen gestattete, so kann diess nur ein Eingehen in die Denkweise des Lucullus sein, da er selbst fiir seine Penoo den Bericht dos Eleitomachos für glaubwürdiger hielt ^) Wivs sodann die Späteren nach Antiochos betrifft, so sdieiot bei ihnen, wenn wir von Cicero abseben, fast nur der Be- richt Metrodors gegolten zu haben. So setzt Eusebios den Unterschied des Kameades von Arkesilaos darein, dass Jener die Epoche nicht vollkommen durchfuhren wollte und rieh des Urtheils unter allen Umständen zu enthalten mit dff menschlichen Natur unvereinbar hielt;') und auch dem Be> richte des Sextos Empeirikos liegt die Ansicht Metrodors n Grunde.^) Die grössere Zahl der Stimmen, die wir nod»

^) Diess sagt er 78: licebat nihil percipere et tarnen q>iiiaii quod a Cameade dicitur probatum; equidem, Clitomacho plus qua Philoni aut Metrodoro credens, hoc magis ab eo disputatnm qua probatum puto. Man beachte dass Cicero diesen Worten zufolge da Karneadcs das Meinen des Weisen nur nicht gerade billigen Hat; dass er es missbilligt habe, behauptet er nicht. Es ist nöthig dies zu bemerken: denn sonst könnte man leicht Cicero eines Wide^ Spruchs zeihen, weil er anderwärts sich auf Kameades beruft ebenfalls die Ansicht, der Weise werde bisweilen eine Mdnof haben, nicht durchaus verworfen habe (112: si, cum ego nihil diee- rem posse conprehendi, diceret ille sapientem interdum opinari, bm repugnarem, praesertim ne Carneade quidem hnic loco valde re]Rif nante).

*) Praep. ev. XIV 7, 15: koywv fihv ovv dywyy ^/^troro i iNÄ o jAgxEaOMoq* xa) yaQ avrog ijrf-rtjSsve r^v elg kxareQa ijux^l^^^' xal navxa aveaxfvaC,€ xa vnb rwv aXXmv XfyofiBva* fiovtp Ä /rff nFQ} ^noxfjg Aoyw ngog avrov Si^aty, tpag dSvvatov Bivat A'Ä^wJW oyra Tiegl anuvxwv inex^tv ötaipoQov Sl- eivai d&ijXov xal ixttti' ?j}7rTov, xal navxa fihv elvat dxaxdhjTixa, ov ndvxa Sh a&>iXa. ft ist möglich, wie erst Gaisford und dann wieder Thedinga de "Snmt^ S. 6 vermuthet hat, dass auch dieser Abschnitt aas der Schrift du Numcnios excerpirt ist.

°) Derselbe gibt adv. dogm. I 172 als Ansicht des Kaneadtf von der undeutlichen und unwahrscheinlichen Vorstellung anter Ai*

EntwickeluDg der akademischen Skepsis. 175

ao8 dem Alterthmn sammeln können, hat sich sonach für Metrodoros entschieden. Natürlich kann uns diess, so lange

derem Folgendes: np f^t^^ avrr^v fXTJre tb noirjoav adrjyv rgavotq h^lxvwrBixi €v ni(pvxev rjfiag neld^stv odö^ elg avyxatd&eatv ini- 9n&a9ixi. Diess setzt voraus dass nach Karneades* Ansicht die wahr- idieinliche Vorstellung {md-av^ <pavxaala) auf unser Handeln nur wirken sollte vermittelst der Zustimmung {avYxaxa^eoiq) die wir ihr n Theil werden lassen. Dass aber Karneades eine solche Zustim- anog gestattet habe, ist es ja gerade was Eleitomachos bei Cicero lengnete. Denn unter adsensio oder adsensus können wir doch nur an die avyxard^eaiq denken, wogegen probatio und dergleichen AaadrQeke wohl das griechische Ttsl&ead'ai wiedergeben sollen (vgl. 8. 166, 1). Dass Cicero ein andermal (Acad. pr. 37) avyxettdd'Baig durch adsensio atque adprobatio übersetzt und somit beide Worte ak Synonyma behandelt, kann gegen die Annahme jenes Unterschie- det nichts beweisen, da an dieser letzteren Stelle nicht Cicero selber spricht sondern Lncnllus, der Vertreter des Antiochos, für die Lehre des Antiochos aber diese feinere Unterscheidung bedeutungslos war. Ausserdem finden wir bei Sextos 188 f. das avyxatcctli^ead^ai zweimal lof die wahrscheinlichen Vorstellungen angewandt. Nach dem, was im Text über Antiochos bemerkt wurde, dürfen wir in diesem Um- stiod eine Bestätigung dafür sehen, dass eine Schrift dieses Philo- sophen Ton Sextos benutzt worden ist. Für den Abschnitt über Kar- oeades wird diess wahrscheinlich durch 162, wo als Gewährsmann Antiochos ausdrücklich genannt wird; in Betreff der ganzen Darstel- Inig» von der dieser Abschnitt nur ein Theil ist, vgl. Excurs 1. Aber Sextos hat die Ansicht des Karneades noch einmal Pyrrh. I ^ff. dargestellt. Und auch hier setzt er voraus, dass Karneades die Zostimmong zu gewissen Vorstellungen gestattete, vgl. 228. 230. h wenn er die Skeptiker den Akademikern von der Richtung des Karneades entgegensetzt als solche die ohne eine Meinung zu haben {'thSaattog) den Lebensgewohnheiten und natürlichen Empfindungen ■ich überlassen (226. 231), so spricht er damit aus dass Karneades die Meinung (do^a) zugelassen habe. Da femer, was er Arkesilaos (232) nachrühmt er habe die Epoche auf Alles ausgedehnt, ihn Kar- neades gegenüber charakterisiren soll, so folgt daraus, dass nach SeztoB* Ansicht Karneades die Epoche bis zu einem gewissen Grade eingeschränkt hatte. Sextos also schliesst sich in der Auffassung der

176 I^ie verschiedenen Formen des Skepticismiu.

die Gründe, die auf diese Entscheidung Einfluss hatten, bekannt sind, nicht zwingen ebenso zu urtheilen. Indesse

karneadischen Skepsis auch hier an Metrodoros an. Trotsdem aenii er unter den Vertretern dieser Art von Skepsis nicht bloss den Kir neades sondern mit ihm zusammen den Kleitomachos (2d0: di nff KaQvsaörjv xal KXsixofiaxov). Um diesb zu erklären bleibt, wou wir nicht xal Kleixo^axov für den Zusatz eines Interpolators hiUti wollen, nichts weiter übrig als die Annahme dass, wer so schriib^ damit die Anhänger der neuen Akademie schlechthin bezeidmca wollte. Freilich könnte derselbe dann von der zwischen Kleitomick« und Metrodoros in der Auffassung des Kameades hervorgetretnni Verschiedenheit nichts gewusst haben. Eine solche UnwisseiÜMH aber einem späteren Autor zuzutrauen hat ebenso wenig Bedenke! wie die in diesem Fall nahe gelegte Vermuthung dass Sextoe biff seinen Bericht nicht unmittelbar aus einer älteren Quelle wie Ab- tiochos sondern aus der Schrift eines Späteren, wahrscheinlich ein« Pyrrhonecrs geschöpft hat. Zur Bestätigung dieser Vermuthung dieit dass der von Sextos an dieser Stelle gegebene Bericht Aber die Ab- demiker auch noch in anderer Beziehung von dem in der Schxift gegen die Dogmatiker befindlichen abweicht. In der letzteren ist foo den drei Stufen der glaubwürdigen Vorstellung die niedrigste die wr d^avti (pavtaala, die folgende die m^avii Sfjia xal dits^anaaxo^ ood die höchste die ni^avti a/xa xal aneglanaaroq xal öis^wSsv/ämi, lo den pyrrhonischen Grundzügen dagegen folgt auf die m^vlj f. t^ nächst höhere Stufe die m&av^ xal öie^wSeviuhrj und die höehiti wird bezeichnet durch m^avfi xal nBQiwSei^fi^vrj xal aitB^lcnaci!^ Dass die Bestimmung der zweiten und dritten Stufe nicht willkfirlick war und wechseln konnte, zeigt die Vergleichung folgender SteUd* Pyrrh. I 229: itQOXQlvovaiv ovv ol ix r^c viag kxaötifilaq tfc ^ nif^avtji; anXaiq rtjv Tii&ayrjv xal neQiwöfVfiitnjv (pavxaalav, dfif^ (jwv Ak Tovxtüv r/)r Tiid^avriv xal 7i6(iiw6ft^piSvtjv xal dne^Untaartif' dogm. I 184: uv xqotxov iv Xiji ßto), oxav fihv neqü fuxQov n^ffufi^; J/yTttJ/zf r, tva fid(}xvQa dvaxgivofiev, oxav öh nfQl fieiCflvoq, nhlanf» oxav 6* txi fiäXkov tcbqI dvayxaioxigov, xal l'xaaxov twv fiaffxv^t^ Xiüv i^txdi^ofiev ix xiji; Xiuv äXlwv dvd-ofioXoyijoewg, aihof, fostf d ngQl rbv Ka^vedd?iv, iv fjitv xot^; xv/ovai nQayfmoi m&ixv§ fU^ <pavxaaicc xfiixrigUo /(»oJ^fifa, tV 6b xolq 6ia(pk(}0vai xj dneQiaifdfftf* iv dt xoiq TiQog Bvöatfioviav ovvxbIvovoi xy nBQuaÖBv/jiirf/. Ans dl«'

Entwickelung der akademischen Skepsis. 177

nd wir doch auch mit unseren Mitteln noch im Stande die iehtigkeit dieses Urtheils wenigstens wahrscheinlich zu machen.

Iben Grande verdient es Beachtung, dass in den beiden Berichten ) Beispiele für die dneglanaotog (pavrccalcc verschieden gewählt id, in den pyrrhonischen GrundzQgen (228) von Herakles und Al- lÜB, in der Schrift gegen die Dogmatiker (180) von Menelaos und Jena hergenommen werden. Um die (pavxaola nfQKoösvfihrj zu Intern dient zwar an beiden Orten dasselbe Beispiel das von Mm zasammengerollten und im Dunkeln liegenden Seile herge- ■men ist, aber auch hier geht es ohne Abänderungen im £in- nen nicht ab. Aus diesem Anlass bemerke ich dass bei Cicero \ zweite und dritte Stufe in eine zusammengezogen zu sein schei- 0. In Lucullus' Vortrage Acad. pr. 33 lesen wir: sive tu probabi- ft visionem sive probabilem et quae non inpediatur, ut Carneades lebat, sive aliud quid proferes quod sequare. Die Worte quae B iopediator scheinen das griechische dne^ianaarog wiedergeben

tollen. Dieselbe Unterscheidung ist aber offenbar auch im Fol- nden (35) gemeint: quod est igitur istuc vestrum probabile? nam I quod cuique occurrit et primo quasi aspectu probabile videtur,

confirmatur, quid eo levius? sin, ex circumspectione aliqua et Gmta consideratione quod visum sit, id se dicant sequi, tarnen itam non habebunt. Und hier weist die Beschreibung der zwei- D Art des probabile auf die (pavraala Tte^KoSev/nivTj. In Ciceros )nt6llen scheinen daher die dneglaTtaarog und die nsgKoöBvfiivrj uinmen geflossen zu sein. Ja wenn wir uns streng an seine Worte dten, so hätte Karneades nur eine Art des probabile anerkannt >d als Grandlage des Handelns gelten lassen. So gehören in der iten der angeführten Stellen die Worte „ut Carneades volebat*^ r za „sive probabilem et quae non inpediatnr^S Und in einer f den Bericht des Kleitomachos zurückgehenden Stelle (99) heisst : sie qnicquid acciderit specie probabile, si nihil se offeret quod probabilitati Uli contrarium, utetur eo sapiens. Ebenda lesen r 101: et quaecunque res eum sie attinget, ut sit visum illud otMibile neque ulla re inpeditum, movebitur. Derselbe Gedanke, i abermals auf Kleitomachos zurückgeführt, findet sich 104: ne- 9 tarnen omnia ejus modi (s. über diese Worte S. 165, 1} visa ad- >bari, sed ea quae nnlla re inpedirentur. Die flrklärung für diese rttellnng Ciceros liegt wohl in dem was uns Seztos dogm. I 184

Hirx«l, Unternnchmigen. KI. 12

178 I^ie verschiedenen Formen des Skepticismiis.

Karneades ist der Erste, der das Jtid-avov in die akademisclie Skepsis eingeführt hat, Arkesilaos sagte dafür Bvloyov. Diess ergibt sich aus der Darstellung bei Sextos (vgl dazu S. 150 ff.). Bedürfte es dafür noch einer Bestätigung, so würde dieselbe darin liegen dass erst seit Kameades die Mitglieder der skeptischen Akademie sich auch als Rhetoren einen Namen gemacht haben :^) denn diess erklärt sich yoD-

sagt. Hiernach wäre es die Meinung des Karneades gewesen, dus man nur . bei gleichgiltigen Dingen {iv roTg tvxovai UQayfAaai) lieh der Tti&av^ fiovov (pavraala bedienen sollte. Von diesen gleiek- giltigen Dingen sah Cicero ab, wie wir vermuthen dürfen. Es blie- ben ühri^ die Dinge von Belang (6ia(piQovta ngayfiaxa) and die welche sich auf unsere Glückseligkeit beziehen (ra n^hq evöcu/iovkv awrelvovra); für jene war die dneQlanaaxoq, für diese nur die x^ QiioÖBvfihri bestimmt. Cicero konnte daher sagen, in wichtigen An- gelegenheiten überhaupt lasse Karneades nur die dn^Qianaaxoq oDd niQKüSsvftevrj gelten, und auf diese Weise leicht zu. einer Yerweclis> lung beider, wenigstens in der Darstellung, geführt werden.

^) Die Beredsamkeit des Karneades war berühmt, ebenso die seines Schülers Charmidas. Dass von den Vorträgen des ICameadei die Rhetoren angezogen wurden, bemerkt Diog. IV 62: roaoikavi^ ('(f^vaev iv (piXoaoipifc , warf xal rovg ^ijzoQaq dnoXvaat^ag ix w' axoXwv TcaQ* avtbv iivai xal aiuiov dxovsiv. Ausdrücklich ein Bhe- tor wird Metrodor von Skepsis genannt bei Cicero de erat III 7^ (vgl. dazu Strabon XIII 1, 55. Ebenda 66 wird von einem Diodor, Zeitgenossen des Mithridates, gesagt dass er aus der akademischen Philosophie, dem Processiren und der Rhetorik Profession machte). Philon wechselte zwischen rhetorischen und philosophischen Yortr^eB ab. Wenn daher Kleitomachos Charmidas und Hagnon gegen die Rhetoren polemisirt haben, so würde diese Polemik, so weit sie nicht bloss das Complement zur Vertheidigung war und lediglich der Be* gründung des skeptischen Zweifels auch nach dieser Richtung dieate, wohl ebenso aufzufassen sein wie die der Platoniker und insbeMa* dere des Aristoteles gegen Isokrates. Auch was aus dieser Foleaih Sextos math. II 20 ff. mittheilt, kann uns in dieser Meinung nieht irre machen, da für diese Vorwürfe nach Sextos* eigener Aagth« Kritolaos, also ein Peripatetiker, ebenso verantwortlich ist wie Kleito-

Entwickelung der akademischen Skepsis. 179

komm^ nur dann wenn wir annehmen dass erst seit ihm das Ziel der akademischen Skepsis mit demjenigen zusammen- fiel welches die Rhetoren dem Redner steckten, dem xid-opov. Was bedeutet nun Jtid-avov? Die Stoiker (Diog. VII 75) definirten es durch ro ayov elg ovyxardd'eoiv ; und dass sie in diesem Fall sich an den geltenden Sprachgebrauch anflchlossen, zeigen Piaton und Aristoteles, die mit jtid'apov sowohl als jtsld'Biv die do^a als Wirkung verknüpfen.^) Die nächste durch den Sprachgebrauch gegebene AufiEassung des Xi^avov war also diejenige, wonach es die oxr/xarad-ECiq oder öo^a bewirkte. Es ist aber nicht wahrscheinlich, dass Kameades das Wort jtid-ai'ov neu einführte und gleichzeitig seme ursprüngliche Bedeutung änderte: denn wozu wählte er dann dieses Wort vor anderen aus wenn ihm doch dessen eigenthümliche Bedeutung nicht zusagte? Vielmehr wird wie überall so auch hier das Natürliche das Erste, das Künst- liche das Zweite gewesen sein; die künstliche Erklärung aber ist diejenige welche die Zustimmung oder Meinung als Wir- kung von dem Jtiß-avov abtrennt, sie wird daher wohl nichts sein als eine Ausflucht deren man sich bediente um Kar- neades vor solchen Angriffen zu retten wie Lucullus-Antiochos bei Cicero Acad. pr. 59 (vgl. S. 173, 1) einen gegen ihn richtet

Behält so wie es hiernach scheint Metrodoros mit seiner

aachos und Charmidas. Der gemeinen Rhetorik insofern sie eine s^ttndige Knnst, unabhängig von der Philosophie sein will, gal- ten solche Anklagen, nicht deijenigen welche eine Disciplin der Phi- loiophie ist. Diess bestätigt Cicero de orat. I 84 : Charmadas cum Bixime tarnen hoc significabat, eos, qui rhetores nominarentur et qui <licendi praecepta traderent, nihil plane tenere neque posse quem- qoam facultatem adsequi dicendi nisi qui philosophorum inventa di- ^Inet.

«) Bei Plat. Theaitet p. 201 B fragt Sokrates rb mtaai 6' ovy) ^Ücai kiyeK: noitjaai; was Theaitet bejaht.

12*

180 I^io verschiedenen Formen des Skepticisrnns.

Auffassung Recht, dann ist es überflüssig noch ein Woi weiter darüber zu verlieren, dass die Aenderung, weld Karneades mit der Skepsis des Arkesilaos vomahm, ein Annäherung an den Dogmatismus bedeutet Aber auch de Fall gesetzt dass die Auffassung des Kleitomachos ricbti wäre, so würde doch auch dann, mit der Einführung lediglic des jttd-avov, ein erster Schritt auf der Bahn des Dogmatil mus gethan sein, da dieses Wort seiner Natur nach, wie wi eben sahen, die Zustimmung und Meinung im Gefolge hat uni deshalb nur zeitweilig davon losgerissen werden konnte.^)

') Bedeutungsvoll und charakteristisch für Kameades ist di( Einführung des ni^avbv noch aus einem anderen Grunde. Wir hab« schon gesehen (S. 150, 3 Schi.), dass das fvXoyov ein Wahrscbeio liches ist dessen Inhalt Vemunftgebote sind und das sich nicht loi den Sinneseindrücken ableiten lässt Bei dem Ttid^avbv dagegen ii der Sinneseindruck wenn auch nicht immer das Entscheideode, i doch das Erste und Grundlegende. Zur Erläuterung des mHvh wird in den pyrrhonischen Grundzügen (I 228) Folgendes beigebracht olov iv oixo) oxoTfivw TToawg xeifuvov oyotvlov ^aneiQafilvov m^Hm ankwq (pavraaia ylvstai dno rovrov (bg diib Oipscag nji d&QOWQ imtö ek&ovTi' Tai /ibwoi 7if(ßioxo7i/jaavTi dxQißcjg xal Sieqodtvaxyti tt Tiegl avTo, oiov ozi ov xiveizai, ort xb ^(iixi^a toXov iavi, xal w ä).kü)v txaoTov, (paivsrai oyoiviov xaza it^v (favraalav rtfv mBavii xal 7tsQi(ü6ev/jibV7iv. Hier ist es ein Sinneseiudruck, von dem ans gegangen wird; allerdings bemächtigt sich desselben nachher dii vernünftige Ueberlegung, aber doch auch nur um ihn durch ander Sinneseindrücke zu bestätigen. Demselben Beispiel begegnen wir ii der Schrift gegen die Dogmatiker (187 f ). Auch in den Beispielt des Herakles (.Pyrrh. I 228) und des Menelaos (dogm. I 180) finde es beide lediglich auf Grund sinnlicher Eindrücke wahrscheinlich, de Eine dass er die Alkestis, der Andere dass er die Helena vor sich ba^ Das Gleiche gilt von den übrigen Beispielen, dogm. I 170. 178. 18i Dass nur Beispiele ausgewählt wurden welche einen ^nneseindrofi voraussetzen könnte man indessen für zufällig halten. Nicht znOUli aber kann es sein dass auch da, wo die Erläuterung nicht durch ei einzelnes Beispiel gegeben wird sondern sich mehr im Allgemeine

£ntwickelung der akademischen Skepsis. 181

Es liegt im Wesen des Dogmatismus dass derselbe seine ihren genauer bestimmt und mehr ins Einzelne durchführt J diess der Skepticismus thut und thun kann. Wenn daher imeades wirklich nicht bloss im Allgemeinen das Wahr- leinlicho oder jiid^avov als den Grund unseres Handelns igestellt sondern es seinem Hauptinhalte nach näher be- dmet hätte, so wäre diess ein weiterer Schiitt auf der hn des Dogmatismus gewesen. Dass aber Karneades diess ;haü, ist die Ansicht von Zellcr. Nach ihm (S. 517 fif.) ;e eine solche nähere Bestimmung darin dass Karneades

t, das Tti^avbv immer nur als Etwas gedacht wird das wir aus i Sinnen schöpfen. So wird das Wesen der (pavtaoLa neQKoSsv- '9 in der Schrift gegen die Dogmatikcr (183) folgendermaassen er- tert: oiov ovivDV xatä tbv t^g XQiaecDi; xonov rov ts xglvovxoq 1 xov xQivofiivov xetl rov Si^ ov ?/ XQlaig, dTiooT^fiarog re xal ni^ßarog, xonov xQovov XQonov SiaS-iaswg ivsQyeiag, txaaxov xciv fmatv bnoiov iaxi ipvXoxQivovfiev (wohl <piXoxQivovfiev zu sehr.), fihv XQivov, firj ri oipig tifiß},vxai {xoiavxtj yaQ ovaa a^sxog ^ozi »C Xfiv XQlaiv), xb 6h xQiv6(nvov, fiti fuxQbv äyav xa&saxrjxe , xb A' ov jy xQlaig, fit^ b dr^Q ^Oipegbg vnaQx^i, xb öl- djioaxtjfia, firj fa Uav vnoxBixat, xb Sh dtdaxrjficc, /irj axyxt-yvxai, xbv 6h xonov, ^ttv>ig iaxt, xbv 6h XQ^^^^» f^^i ^«X^^ iaxi, xr/v 6h 6idS'faiv, fi^ fuoSrjg &e(OQ€Txat, xfjv 6h ivtQysiav, firj dnQ6a6txx6g loxiv. Vgl. ■erdem 188: xal ndliv, wg ngoelnov xxX. 171. 176 f. Was schon fiQs sich ergibt dass die Vorstellungen um die es sich handelt ht dorch irgend welche innere Tbätigkeit des Geistes heryor- iifen sondern durch die Sinne uns von aussen zugeführt sind, wird BÜich deutlich ausgesprochen dogm. 167: rj xoivvv <pavxaaia xivbg naaia iaxiv, olov xov xb dtp ov ylvexai xal xov iv m yivsxat, d<p* ov fihv yivexai <ag xov ixxbg vnoxnfikvov aioS^rfxov, xov tv ß yivexai xa^dneQ dv^Qtonov. Diese Einschränkung des ni^avbv ' das Gebiet des Sinnlichen mag zunächst Bedenken erregen. Die- ^Km müssen aber schwinden vor der Ueberlcgung dass auch niaxig, i doch denselben Begriff, nur in einem anderen grammatischen Ver- ttaiss darstellt (vgl. dazu S. 150, 3 Schi.), von Piaton (Rep. VI 511 £, I 534 A., Tim. 29 C) vorzugsweise gebraucht wurde um den durch

182 1)^6 venchiedenen Formen des Skepticismiu.

die Glückseligkeit dem Handeln als Ziel steckte und die» wiederum in die Befriedigung der ersten Naturtriebe setite Allerdings weist er selber darauf hin (S. 518) dass Kldto machos versichert habe die wahre Meinung des Kameade über diesen Punkt nicht zu kennen; hebt sich selber abe dieses Bedenken durch die Bemerkung (S. 520), dass dl Angabe des Klcitomachos insofern richtig sei als es sich ni eine bestimmte Entscheidung über das höchste Gut handd Aber auch wenn wir Klcitomachos' Angabe anders und 8 verstehen dass Kanieades über den fraglichen Punkt nidi einmal eine auf Wahi'schcinlichkeitsgründe gestützte üeber Zeugung hatte, ^) hat dieselbe, wie namentlich die eben an

die Sinneseindrücke erreichbareD Grad der Gewissheit zn bezeichnei Das Verhältniss zwischen Eameades und ArkesUaos lässt sich dah« was das Kriterion betrifft dieses Wort im weiteren Sinne genoa men so fassen: Arkesilaos, für den das Entscheidende das Bvlop war, wählte dazu die Vernunft, Kameades, der vom nidurov ansgini die sinnliche Wahrnehmung. Sollte es ein Zufall sein, daas di Skepsis hierin die treue Begleiterin des stoischen Dogmatismus if in dem anfangs der loyog als Kriterien galt und erst bei Chiynp wie es scheint durch jiQoXrjtpig und aicS^aig verdrängt wurde (if Unters. II S. 197 f.)? Niemand wird diess annehmen wollen, sobm wenn er bedenkt, dass der Einfluss der älteren Stoiker auf ArkeaÜM sich im Gebrauche des Wortes xazoQ&offia kund gibt (Seztoa dogi I 158) und dass die dialektischen Argumente des Eameades sm Theil von Chrysipp entlehnt waren (Cicero Acad. pr. 87. ZeUerHI S. 41, l\

^) Diess ist die richtige Erklärung. Die betreffenden Werte! Ciceros Acad. pr. 139 lauten so: Calliphontem sequar, ci\ju8 qoidei sententiam Carneades ita studiose defensitabat, ut eam probare etiai videretur quamquam Clitomachus adfirmabat numquam se inteOc gere potuisse quid Carneadi probaretur. Damit kann aber Kletti machos nicht haben sagen wollen, Kameades habe sich Ober di höchste Gut keine wissenschaftliche sondern nur eine auf WahrscliefB lichkeitsgründe gestützte Ueberzeugung gebildet. Denn offenbar ^ seine Ansicht dieselbe die wir noch anderwärts, z. B. Acad. pr. 1^

Entwickelung der akademischen Skepsis. 183

gestellte Erörterung gezeigt hat, kein genügendes Gewicht um alle entgegenstehenden Gründe und insbesondere ab-« weichende Angaben anderer Schüler des Kameades zu über- wiegen. Zu jenem negativen hat aber Zellcr noch zwei po- sttire Gründe gefügt, aus denen sich ergeben soll dass die er- wähnte Bestimmung des höchsten Gutes wirklich der Ueber- zeugung des Kameades entsprach. Es werde nämlich sagt er (8. 518) die Sache doch auch wieder so dargestellt als habe Kameades jene Behauptung, dass das höchste Gut in der Befriedigung der Naturtriebe bestehe, in eigenem Namen forgetrageu und sie nicht bloss den Stoikern gegenüber ver- theidigt Von den ciceronischen Stellen, auf die sich Zeller bemflt, scheinen diess allerdings zwei, wenn man sie für sich »Dein betrachtet, zu beweisen.^) Man könnte dieselben noch durch andere vermehren.*) Diess Alles sind solche Stellen,

finden: introducebat etiam Carneades, noo quo probaret, sed ut oppo- oeret Stoicis. Dasselbe lesen wir de fin. Y 20: fruendi rebus eis, qns primas secundum naturam esse diximus, Cameades uon ille ^nidem anctor, sed defensor disserendi causa fuit. Weun aber Ear- neades wirklich nach Kleitomachos* Meinung eine auf Wahrscheinlich- Mtigrftnde gestQtzte Ueberzeugung über das höchste Gut hatte, so bnn er nicht nach der Ansicht desselben Philosophen diese Ueber- Kngong bloss Disputirens halber und um den Stoikern Opposition zu sacken ausgesprochen haben. Beides schliesst sich aus: wenn ich dne bestimmte Ueberzeugung habe und sei sie auch nur auf Wahr- Kheinlichkeitsgrflndc gestützt, so ist diess eben mehr als eine Be- haoptong die ich bloss um zu streiten aufstelle, und umgekehrt wenn ^ etwas nur um Anderen zu widersprechen sage so liegt darin dass ^k» nicht meiner wirklichen Ueberzeugung entspricht. Zeller hat ibo diese ciceronischen Worte in derselben Weise missyerstanden wie die anderen mit Bezug auf welche ich diess S. 170, 1 nach- SBwieten habe.

') De fin. II 35: ita tres sunt fines expertes honestatis, unus ^fittippi vel Epicori, alter Hieron jmi, Cameadis tertius. Y 22: nee voo aha sunt quaerenda contra Cameadiam illam sententiam.

*) De fin. II 35 (nach den bereits ausgeschriebenen Worten):

184 ^^6 verschiedenen Formen des Skepticismus.

an deneu die betreffende Bestimmung des höchsten Gutes als die Ansicht des Kameades bezeichnet und behandelt wird. Wie diess aber zu verstehen ist, um das zu erkennoi, muss man einen Blick auf den Zusanmienhang jener Stellen werfen. Schon Zeller hat, aber fälschlich, angeführt fin. V 20 d. h. eine Stelle in der es von Karneades heisst dass derselbe die fragliche Ansicht nur Disputirens halber auf- gestellt habe.^) Wenn daher bald darauf (22) dieselbe An- sicht ohne Weiteres als die des Karneades bezeichnet wird, so wissen wir jetzt wie wir diess zu verstehen haben und dass wir darin nicht eine andere, von der des Kleitomachos abweichende Auffassung finden dürfen. Aus demsdben Grunde ist auch die Beweiskraft der anderen Stellen keme.^ Und nicht bloss bei Cicero sondern überhaupt fehlt es an irgend einer Uoberlieferung, der zufolge das höchste Ghit in

reliqui sibi constiterunt, ut extrema cum initiis convenirent, at Ari- stippo voluptas, Hieronymo doloris vacuitas, Carneadi frui principüi naturalibus esset extremum. 38: de vacuitate doloris eadem sententU erit; reicietur etiam Carneades, nee ulla de summo bono ratio va^ voluptatis non dolendive particeps aut honestatis expers probabitor. Tusc. ¥87: si qui sunt qui desertum illud Cameadeum curent defendere.

^) Fruendi rebus eis, quas primas secundum naturam esse dixi- mus, Cameades non ille quidem auctor, sed defensor disaerendi causa fuit.

') So wird zwar de fin. II 35 und 38 die betreffende Anackt als die des Karneades behandelt. Wie diess aber zu versteheD ist und dass wir hierin nicht eine von der des Kleitomachos abweicheode Auffassung erblicken dürfen, lehrt was wir bald darauf (42) leses: quae possunt eadem contra Carneadeum illud summum bonom difii» quod is non tarn, ut probaret, protulit, quam ut Stoicis, quiboiciUB bellum gerebat, opponeret. Ebenso war einem Missverst&ndniss tob Täscul. y 87 vorgebeugt durch das was wir ebenda 84 lesen: nSH^ bonum nisi naturae primis aut omnibus aut maxumis frui, ut Caneads* contra Stoicos disserebat.

Entwickelang der akademischen Skepsis. 185

lie Befnediguug der ersten Naturtriebe zu setzen einer KÄÜven Ueberzeugung des Karneades entsprochen hätte.') b scheint dass über diesen Punkt Metrodor und seine An- linger mit Kleitomachos vollkommen übereinstimmten. Um 0 weniger sind wir daher berechtigt ihnen zu widersprechen. Is müssten denn in der Sache selbst liegende Gründe sein, ie uns dazu nöthigten. Einen solchen scheint Zeller (S. 517) Dzudeuten. „Unter die Fragen", sagt er, „hinsichtlich deren ine möglichst begründete Ueberzeugung für uns Bedürfniss st» musste imn Karneades seiner ganzen Richtung nach vor Dem die sittlichen Grundsätze rechnen; das Leben und landein war es ja gerade, dem seine Lehi-e von der Wahr- cheinlichkeit dienen sollte. So hören wir denn auch, ass er die Grundfrage der Ethik, die Frage über as höchste Gut eingehend besprochen hatte," Und Uerdings scheint es ja consequent zu sein dass, wer einmal as Handeln auf die Wahrscheinlichkeit gründen wollte, och die einzelnen Fragen der Ethik und insbesondere die nichtigste derselben, die Frage nach dem höchsten Gut, mit Ifahrscheinlichkeit zu beantworten suchte. Aber diese Con- öquenz scheint Karneades eben nicht gezogen zu haben.

^) Clemens Alex. Strom. II 179 Sylb. erwähnt Mitglieder der ^eren Akademie die das höchste Gut in die £poche setzten; damit t aber, wie Sext. Pyrrh. I 232 zeigt, Arkesilaos gemeint (vgl. Cicero <^ III 31). Auch die Späteren, müssen wir daher schliessen, stimmten leitomachos bei, wenn derselbe es für unmöglich erklärte anzugeben u Karneades für das höchste Gut gehalten habe. Yarro in den ^ Menipp. Sesqueulix. fr. 24 f. (od. Riese) freilich scheint dem Kar- ges die betreffende Ansicht zuzuschreiben, da er ihm aus der Qerkennung leiblicher Güter einen Vorwurf macht. Abgesehen davon ^ dass wir den Zusammenhang der Worte nicht kennen so ist cht zu übersehen dass auch er die Ansicht des Karneades der 'iMms gegenüberstellt: denn daraus ist zu schliossen dass er sie nur ^ der Polemik gegen die Stoiker kannte.

186 I^ic verschiedenen Formen des Skepticismiu.

Unter den drei Classen des Wahrscheinlichen (Sext. Pyrrl I 227 S. dogm. I 166 ff.) könnte die Antwort, welche Kar noadea auf die Frage nach dem höchsten Gut gegeben habei soll, doch nur derjenigen zugerechnet werden, in der Wahrscheinliche nicht bloss auf einem einzelnen Sinnesein- druck für sich oder der Ueberoinstimmung desselben mit anderen beruht sondern ausserdem noch durch die vernünf- tige Erwägung bestätigt wird. Wie nun aber Kameades das Wahrscheinliche überhaupt nur im Hinblick auf die Glückseligkeit des Menschen zugelassen haben soU,^) so scheint er insbesondere das Wahrscheinliche der erwähnten Art ausschliesslich für diesen Zweck bestimmt zu haben. ^ Die Frage ist daher die, ob Karneades von der Art das höchste Gut zu bestimmen die Glückseligkeit abhängen liess: denn nur wenn diese Frage zu bejahen ist, sind wir zu der Annahme berechtigt dass er versucht habe das Problem des höchsten Gutes mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit M lösen. Diese Frage muss aber verneint werden. Während die Stoiker behaupteten, nur bei ihrer Auffassung des höch- sten Gutes köime der Weise glücklich werden, vertheidigte Kameades ihnen gegenüber die Ansicht dass die Tugend

*) Sext. dogm. I 106: dnairovfievog Sk (Karneades) xal ovro? n xQirriQiov nQO(; re ryv toi ßlov dif^aywyyjv xal n^hg r^v t^q «Jäm- fiovlag TtfQlxTfiaiv, Svvdfiei tnavayxaC^exai xal xa&* avxhv %tf^ rovTov ötaxarreod^ai, nQoaXa^ißdvotv rijv re niS'avrjv yarrcta/erv Tjyv nid-avTfv afxa xal dnBQlanaarov xal Sit^vjSsvfxivfjv.

*) Sext. dogm. I 184: naQ^ tjv nlxlav ov xQonov iv x<3 ßlip, ofW ßhv TifQl fxixQov TtQayfjiaxog ^fjXMfiev, sva fiaQXVQa dvax^vofif^t oxav 6h tisqI ßel^ovog, Tckflovaq, oxav rf* sxi fiäXXov tisqI dvayxttto- xiQOv, xal h'xaaxov xwv fiaQXVQOvvxtov t^fxd^^oftev ix xijq tmv SlO^^ di'^oftoXoyi^aeoßg , oi'xof, (paalv oi ttsqI xov KaQvedSriVy iv /ihr TO^ xvxovoi TtQay/naai xy mS^av^ fiovov (pavxaoia xgixrjQia) x9^f*^^' Sh xotg Siatpigovai xy dnsQiaTidaxM , iv 6h roTg Tt^dg B^datfia/^'^ avvxeivovai ry 7t€Qi(o6evfiivy.

Entwickelnng der akademischen Skepsis. 187

Weisen immer glücklich machen werde ob er nun in Bezug auf das höchste Gut die Meinung der Stoiker theile oder einer anderen Philosophie sich anschlösse, selbst wenn diese andere die epikureische wäre.^) Mit anderen Wor- ten, die Art, wie wir die Frage nach dem höchsten Gut be- antworten, ist für unsere Glückseligkeit vollkommen gleich- giltig: Kameades würde daher sich selbst widersprochen haben wenn er sich bemüht hätte gerade von diesem Problem eine wahrscheinliche Lösung zu finden. Aber, wird man einwenden, auch Karneades hatte doch eine Bestimmung des Guten und seines Gegentheils gegeben und dieselbe als eine wahrscheinliche bezeichnet.*) Ist nun unter diesem Guten nidit die Befriedigung der ersten Naturtriebe zu verstehen, die er doch das einzige Gut genannt haben soll?^) Oder wenn diess nach dem Gesagten nicht angeht, was ist dann das für ein Gut, das er glaubte mit Wahrscheinlichkeit für ein solches ausgeben zu dürfen? Bei der Beantwortung dieser

M Cicero Tusc. V 83: et quoniam videris hoc velle, ut, quae- cumque dissentientium phUosophorum seotentia sit de finibus, tarnen viitos satis habeat ad vitam beatam praesidii, quod quidem Camea- dem disputare solitum accepimus; sed is ut contra Stoicos, quos itudiosissime semper refellebat et contra quorum disciplinam ingcnium ^ exarserat; nos quidem illud cum pace agemus. Auch das Fol- f^de kann wenigstens theilweise zur Eenntniss von Karneades' Verfahren benutzt werden.

") Sext. Pyrrh. I 226: öiaiplgovai 61 (die Mitglieder der neuen Akademie, unter denen vor Allen Karneades zu verstehen ist) ij^nov ^Qo^loog iv xy rwv dya(^cjv xal twv xaxwv xqIobl' dyaS'bv yccQ xi ffxaiv slvai ol kxaSij/jidixol xal xaxov ov/ (JifQ hß^^Q* dXXa fjiexä xov J^ffu^ffi oxi Tti^avov iaxi fiäXXov o keyovaiv elvai dyaS'öv vnd()/stv V to iyayxlov, xal inl xov xaxov ofioiatg, iifjuov dyaS-ov xi f} xaxov '***' ktyovxcttv ovShv /uisxä xov md-avov elvat vofJ^siv ö <f>a/jitv d).V ^^daxtog knofiivwv X(p ßl(p, "va fji^ dvev^Qyr^xot (ofiev.

') Cicero Tusc. Y 84: nihil bonum nisi naturae primis aut om- ^vQs aut maxumis frui, ut Carneades contra Stoicos disserebat.

188 ^^6 verschiedenen Formen des Skepticismos.

Frage lässt uns die UeberliefcruDg im Stich; wir sind daher genöthigt diesen Mangel durch einen Analogieschluss zu ersetzen. Eine ähnliche Stelle wie in der Theorie des Ar- kesilaos die Epoche, nimmt in der des Karneades, wenn wir wenigstens der Auffassung Metrodors und der Meisten folgen, das jtid-avov und die diesem ertheilte Zustimmung ein; Ar- kesilaos forderte, dass wir überall die Epoche, Kameades, dass wir das jiid-avor festhalten sollten. Arkesilaos hatte deshalb, wie ausdrücklich überliefert wird (Sext. Pyrrh. 1 232) das Wesen des Guten in die Epoche gesetzt: es war also eine nahe liegende Consequenz, dass Karneades es ebenso in das jtid-ai^op oder in die Anerkennung desselben setzte. Und dass Karneades wirklich diese Consequenz zog, sind wir um so eher berechtigt anzunehmen, als bereits Sokrates, das Vorbild Beider, sich begnügt hatte das Wesen des Guten in dieser rein formalen Weise zu bestimmen, indem er es mit dem Wissen schlechthin, abgesehen von seinem beson- deren Inhalt, identificirte (Zeller II 1 S. 123 f.). Mit dem Er- gebniss dieses Analogieschlusses steht die üeberlieferung wenigstens im Einklang, wenn sie dasselbe auch nicht mit voller Bestimmtheit ausspricht. Bei Sextos Pyrrh. I 231 lesen wir: dXXa xai iv rolg tcqoq t6 xtXoq öia^tQOfUV tfji; viaq [Axaöfjfiiag' ol /ilv yccQ xar^ avrijr xoö(itlö&-(U Xiyovxi^ ävÖQeq rrp jiiß-avo) jiQoöXQCoprai xara top ßiov, t/fiBlq TOlg lofioig xäi rolg ii^toi xn) rolg (pvOtxolg Tcad-BOiv 6^0- (iBvoL ßiovfihP ddo^dörmg. Wenn der Unterschied, der zwischen der Akademie des Karneades und dem Pyrrhonismus in der Auffassung des Guten bestand, nicht bloss formaler Art war, wenn er auch den Inhalt berührte und das wäre der Fall gewesen wenn Karneades das Gute in der Befriedigung der ersten Naturtriebe erblickt hätte , warum wird diess hier, wo es doch darauf ankam diesen Unterschied zu bestimmen, ganz übergangen? warum lesen wir nicht etwas wie ol fi^

Entwickelang der akademischen Skepsis. 189

avÖQSc reo jii&^avtp jrQOöxQoifisvoi xata rov ßlor XQcixwv xara g)vöiv oQeyorrai? Noch auflfallender iass in dem zweiten Bericht den Sextos dogm. I 166 ff.

die Ethik des Karneades gibt und der ausführlich l ist, nicht bloss im Allgemeinen das jitd-avoi^ schlechthin,

Rücksicht auf einen besonderen Inhalt desselben, als Kriterien bezeichnet wird das uns zur Glückseligkeit [ft (166 und 184), sondern dass auch unter den ein- Q Fällen, die als Beispiele des jtiß-avov namhaft gemacht 3n, kein einziger sich auf die nähere Bestimmung des d bezieht. Hatte wirklich Kameades eine solche Be- unng gegeben, dann musste diese doch vor allen anderen Beispiel eines Wahrscheinlichen angeführt werden von die menschliche Glückseligkeit abhängt. Auch hier ver- indet das Auffallende sobald wir annehmen dass nach eades nicht das Wahrscheinliche, insofern es auf einen simten Inhalt sich bezieht, die Grundlage unserer Glück- ?eit ist sondern das Wahrscheinliche als solches: wir 1, war seine Meinung, uns im Urtheilen und Handeln as Wahrscheinliche halten wie es uns in den einzelnen n des Lebens mit dem verschiedensten Inhalt erfüllt igentritt, so werden wir unsere Glückseligkeit am Besten m, während ein Befolgen des djtifhavor uns mehr oder er darin stören muss. Der Annahme dieser Ver- lang, dass Kameades, ähnlich wie Arkesilaos in die he, das Gute in das jtLd-avov oder dessen Anerkennung zt habe, scheint sich indessen ein Umstand entgegen- Uen. Arkesilaos, kann man sagen, hatte die Epoche ^(Xoc; bezeichnet:^) entsprach also in der Ethik des

*) Wenigstens gibt Sextos Pyrrh. I 232 als Ansicht des Arkesi- xihx; fdv e'ivai Tr)v ^noyj}v. Dazu stimmt Cicero de fin. III 31: lidam Academici constituisse dicuntur, extremum bonorum et

190 ^^^ verschiedenen Formen des Skepticiunns.

Karneades der Epoche das Ttid-avoVy so hätte Kameadi dieses als das xtXoq auerkannt Somit schiene auch diei Annahme in Widerspruch zu kommen mit der Stelle di Tusculanen, aus der wir entnahmen dass Kameades di Iiöchste Gut überhaupt nicht näher bestimmt habe. Ab zwischen riXoq und riXoq ist offenbar ein Unterschied. Od woher käme es denn, dass Karneades, wenn er die verschi denen Ansichten über das höchste Gut besprach, die d Arkesilaos überging? ^) Das höchste Gut, das Karneades i Sinne hatte, wenn er die nähere Bestimmung desselben fi unnütz erklärte, ist offenbar der höchste Gegenstand unser Strebens, das letzte Ziel auf das wir alle unsere Handlung) richten. Als solches kann die Epoche nicht angesehen werde da sie nicht der Inbegriff der Glückseligkeit sondern m das Mittel sie zu erlangen ist; wenn sie trotzdem gelten lieh als riXoq bezeichnet wurde, so kann diess nur in de Sinne geschehen sein, dass sie die höchste Aufgabe d Weisen (summum munus sapientis Cicero fin. III 31) ee sollte. Das riXoq oder dyaO-ov dieser letzteren Art näh zu bestimmen konnte aber Karneades unmöglich für übe flüssig halten, da er dann auf jede Normirung der Hau* lungen behufs unserer Glückseligkeit hätte yerzichten müsse Daher bestimmte er selber es näher als das jtiB-ccPov od dessen Anerkennung d. h. or gab das Mittel an das i Glückseligkeit führt, das eigentliche Wesen dieser letzttfi aber zu bestimmen hielt er für uiinöthig.*)

summum munus esse sapientis obBistere visis assensasque suos In sustinere. Vgl. S. 185, 1.

') Diess müssen wir daraus schliessen, dass ihrer bei Cice Tusc. V 83 ff. nicht gedacht wird. Vgl. auch de fin. II 35. V 16 Acad. pr. 138 ff.

^) Die gegebene Darstellung ruht auf der Voraussetxang, di Karneades zwischen der Glückseligkeit die wir erstreben and de:

EntwickeluDg der akademischen Skepsis. 191

Die in der Skepsis des Kameades wahruehmbaren Keime Dogmatismus wurden von seinen Nachfolgern weiter

Mittel wodurch wir sie uns verschaffen genau unterschied. Unter Amithme derselben Unterscheidung erklärt sich noch etwas Anderes du man bisher auffallend gefunden hat, und das ist, dass Karoeades ie Tugend vom höchsten Gut ausgeschlossen haben soll. Zeller (S. 531) will dafür nur die ungenaue Darstellung Ciceros verantwort- iidi machen, da nach Karneades eigentlicher Meinung die Tugend vom höchsten Gut d. i. dem ersten Naturgemässen nicht zu trennen lei. Er beruft sich deshalb (S. 521,1) besonders auf de fin. Y 18 f.: hier werde von der Ansicht, welche das bonum und honestum (denn M moss man Zellers Worte nach dem Zusammenhange verstehen, obgleich Cicero nicht von bonum und honestum sondern vom höchsten 6at oder der Glückseligkeit spricht) in den Besitz des Naturgemässen tttst, gesagt, nach ihr seien die prima secundum naturam die prima ift ftDimis, quasi virtutum igniculi et semina. Diese Worte enthalten tlaeii Irrthnm. Nicht das sagt Cicero, dass die prima secundum natu- mn und die quasi virtutum igniculi et semina zusammenfallen, son- to dass zu den enteren auch die letzteren mit gehören. Ich setze nun Beweise Ciceros Worte her: ab eis alii, quae prima secundum Mtoram nominant, proficiscuntur, in quibus numerant incolumitatem ttoiervationemque omnium partium, valetudinem, sensus integres, do- loris vacoitatem, viris, pulchritudinem, cetera generis ejusdem, quo- nuB aimilia sunt prima in animis, quasi virtutum igniculi et semina. Ergibt sich nun hieraus wirklich, dass auch Karneades ein solches ^tes Naturgem&sses im Geiste angenommen und dafür die Keime der Tugenden gehalten habe? Diese Folgerung nicht zu rasch zu lieben, muss uns warnen was wir bald darauf lesen. Denn hier wird ^e Ansicht des Karneades als eine, welche die Tugend vom höchsten C^Qt aosschliesst, denen des Aristipp und Hieronymos an die Seite gestellt (20), davon aber die der alten Akademie, die die Tugend mit IQ das höchste Gut aufnimmt und nach Zeller (S. 520) mit der des Kirneades identisch sein soll, unterschieden und mit denen des Killiphon und Deinomachos verbunden (21). Und dasselbe wird uns i'wdrQcklich gesagt in diesen Worten (22): nee vero alia sunt quae- '^da contra Cameadiam illam sententiam: quocumque enim modo m&mam bonum sie exponitur ut id vacet honestate, nee officia nee virtates in ea ratione nee amicitiae constare possunt. So bestimmt

192 I^ie verschiedenen Fonnen des SkepticismoB.

entwickelt. Wie die Schüler des Sokrates so gingen » die des Karneades in der Auffassung der Grundgedanl

sprechen diese beiden Stellen, dass sie nns wenigstens nöthigen Worte, welche Kameades eine andere Ansicht zuzaschreiben schia noch einmal genauer anzusehen. Hierbei stellt sich heraoi, ( streng genommen das was die „alii'S d. i. Kameades, nun er Naturgemässen zählen nicht über die incolumitas nnd derglik hinausgeht. Denn nur mit Bezug auf dieses Natorgem&sse heln „nnmerant*^ Was dagegen Ober das Naturgem&sse im Geeiste ben wird, hat keineswegs eine Form die uns zwänge es aofrafuMo im Sinne des Karneades gesagt: es wird nämlich nur gesagt ( auch im Geiste sich finde was dem Yorhergenannten ähnlieh dass die „alii^* schon diese Aehnlichkeit heryorgehoben hättra y mit keiner Silbe angedeutet. Wir können daher ebenso gut Worte „quorum similia semina'* für einen freien Zusatz CSe halten, der damit aussprechen wollte nicht was Karneades soBi was er selbst Alles zum ^rsten Naturgemässen rechnete. Und werden und müssen diess thun, da wir nur so Cicero von eil Widersprach befreien wie er sich ihm kaum zutrauen lässt: d auch bei seiner Flüchtigkeit ist es doch nicht denkbar dass er einem Philosophen eine Ansicht zuspricht die er ihm gleich dai mit dürren Worten wieder abspricht Besser hatte Ober jene 8t Madvig zu de fin. S. 819^ geurtheilt: in libroY denique 18 cum Cm „prima in animo*^ vult e&e „quasi virtutum igniculos et semii incaute aliquid admiscuit ex illo fönte, de quo dicam paalo f Eine andere Stelle, auf die sich Zeller stützen könnte, ist fin. I? Hier glaubt man zunächst in den Worten „omnibus aut maxi rebus eis, quae secundum naturam sint, fruentem vivere*' die Bail mung vor sich zu haben, die Kameades vom höchsten Gut gege haben soll. Zur näheren Erklämng dieser Worte dient aber was unmittelbar darauf lesen: hoc non est positum in nostra actk conpletur enim et ex eo genere vitae, quod virtute fruitur, et ez rebus, quae sunt secundum naturam neque sunt in nostra potMt Ausdrücklich wird hier in das höchste Gut die Tugend mit aa nommen. Zellers Auffassung scheint also Recht zu behalten, i doch nur unter der Voraussetzung, dass das höchste Gut, von i hier gesprochen wird, wirklich das des Kameades ist und g€ diese Annahme muss uns bedenklich machen, dass Karneades in <

Entwickelang der akademischen Skepsis. 193

Bod letzten Ziele ihres Meisters auseinander. Die Einen, ab deren Vertreter wir schon Kleitomachos, den Haupt-

Zoaimmenhang der fraglichen Worte nirgends genannt wird. Statt Niner treffen wir nelmehr vorher auf den Namen Polemons und McUier auf Xenokrates und Aristoteles. Kein Zweifel daher, dass X lieh hier um das höchste Gut der alten, von Antiochos erneuerten üodemie handelt. Von diesem ist aber das des Kameades wohl zu Dtfltscheiden. Das zeigt deutlich Cicero de fin. II 34 f. Auch hier iiid aiudrQcklich Kameades denen beigezählt, die die Tugend vom lOchiten Gut ausschlössen, und dasselbe in seinem Sinne auf das fnl principiis naturalibus'^ eingeschränkt; von Polemon und Aristo- ^ dagegen wird gesagt, dass sie das höchste Gut in das „secun- lom natnram vivere*' setzten, und dieses dann erklärt durch „virtute lAibita frui primis a natura datis*'. Wenn nun trotzdem die frag- ickeo Worte des vierten Buches das höchste Gut in der Weise witimmen, wie diess Kameades gethan hatte, nur das erste Natur- {CBlMe erwähnen von der Tugend aber schweigen, so trägt daran limbar nur Giceros Flüchtigkeit die Schuld. Auch hier handelt es deh wie im zweiten Buche um eine Erklärung des „secundum natu- timvivere*' (vgl. 14: cum enim superiores, e quibus planissime Polemo, weondom naturam vivere summum bonum esse dixlssent, his verbis lia lignificari Stoici dicunt) und zwar ebenfalls im Sinne der alten Akademie. Dass dazu auch das „adhibita virtute" gehört, haben wir ichon gesehen; wenn daher Cicero dasselbe hier fortlässt, so ist diess ib blosser FlAchtigkeitsfehler. Das beweisen zum Ueberfluss die naittelbar folgenden, schon angeführten Worte. Denn hätte Cicero Btt bewusster Absicht den Inhalt des höchsten Gutes auf den Genuss ^ Katnrgemässen eingeschränkt, so hätte er auch die Tugend mit i>ter das Naturgemässe rechnen müssen, während er sie doch gleich Itt&of dem Natnrgemässen entgegensetzt und so von ihm ausschlicsst. ^ auf diese zweite Stelle kann sich daher Zeller nicht mehr be- "oieQ, and es wird daher wohl bei Ciceros ausdrücklicher Erklämng ^ Bewenden haben dass Kameades die Tugend vom höchsten Gut ^ttgescUoesen habe. Man braucht hieran nicht mehr Anstoss zu t^Iunen als daran dass der ebenfalls der Akademie angehörige ^^undriner Eudoros In seiner Eintheilung der Ethik den Tugenden ^9ftal) und den Gutem {dyaOd) je ein besonderes Kapitel zuwies ^b. ekl. II 50). Uebrigens hatte Kameades mit dieser ünter-

Hirsel, UnUrsaclianffen. HI. 13

194 IHe verschiedenen Formen des Skepticismos.

Schriftsteller der Schule, kennen gelernt haben, erklärten ihn für einen Yollkommenen Skeptiker. Diesen trat Metrodor gegenüber, und zwar, wie wir bereits gesehen haben, in dar Frage wie weit Kameades die Urtheilsenthaltung ausgedehnt, ob er ein Meinen des Weisen zugelassen habe. Metrodor hatte diese Frage bejaht. Dabei war er aber nicht stehen geblieben. Er leugnete überhaupt, dass Kameades die Mög- lichkeit des Begreifens und Erkennens schlechthin bestritten habe; nur dem Wissen, das die Stoiker allein dieses Nanos für würdig hielten, habe seine Polemik gegolten.^) Mit dieser

Scheidung, die er zwischen der Tugend und den Bestandtheilen der Glückseligkeit machte, schwerlich die Absicht die Mond auf eigene Füsse zu stellen und von dem Streben nach Glückseligkeit onab- h&ngig zu machen. Was er wollte war offenbar nur eine begrüFliche Scheidung: der Begriff der Tugeud, behauptete er, sei ein anderer als der der Glückseligkeit. Dass diese beiden in der Wirklichkeit des Lebens eng zusammengehören, hat er gewiss nicht geleugnet: yielmehr wird er die Tugend als das geeignetste Mittel beieichBet haben uns in den Besitz aller der Güter zu setzen, deren Genoff die Glückseligkeit ausmachen sollte. Nur um den Stoikern in wid6^ sprechen, wie überliefert wird, stellte Karneades diese Ansicht tob höchsten Gut auf. Und dieser Zweck giebt sich auch deutlich in ihr zu erkennen. Den Stoikern ging das Wesen der Glückseligkeit in der Tugend auf, der Genuss {tjdov^) war davon ausgeschlossen und galt ihnen nur für etwas Accidentelles. Dem gegenüber behauptete nun Kameades, dass gerade im Genuss das Wesen der Glückseligkeit bestehe, die Tugend aber davon auszuschliessen sei da sie nnrelB Weg zur Glückseligkeit, nicht diese selber sei. In keinem anderes Sinne nahm er sich wohl auch der Ansicht Kalliphons gegenüber den Stoikern an (Cicero Acad. pr. 139) als weil dieser den Genoss (fo* luptas, T^Sovt'i) mit in das höchste Gut aufgenommen hatte. .

') Augnstin contra Acad. III 18, 41: qui (Philo) jam veluti aperire cedentibus hostibus portas coeperat et ad Piatonis anctoß* tatem Academiam legesque revocare; quamquam et Metrodon» id antea facere tentaverat, qui primus dicitur esse confessus non decreto placuisse Academicis nihil posse comprehendi sed necessario contn Stoicos hiyusmodi eos arma sumpsisse.

Entwickelang der akademischen Skepsis. 195

iDsicht scheint er indessen unter seinen Zeitgenossen ziem- ffih allein gestanden zu haben. ^) Erst Philon der Schüler AB Eleitomachos nahm sie wieder auf und scheint sie näher ertimmt sowie mit grösserem Nachdruck voi^etragen zu aben.^) Auch seine Ansicht war es nicht von jeher ge- ^VKXL^ Allerdings war er von Anfang an Eameadeer und lieb es bis zuletzt insofern auch mit der eben erwähnten Lüsicht er nicht eine neue ihm eigenthümliche Meinung Qssprechen sondern lediglich die des Karneades ausdrücken rollte.^) Aber die Worte des Karneades Hessen eine ver- diiedene Earklärung zu, und wie wir schon sahen, stritten

') Diess darf man daraus schliessen, dass er behauptete Alle Itten den Karneades missverstanden (KaQveaöov nagaxrjxoivai mag) nach Ind. Herc. col. 26, 4.

*) Sonst hätte sie Antiochos nicht als eine bis dahin in der bdenüschen Schule unerhörte bezeichnen und Herakleitos der Schüler V Eleitomachos und Philon ihm darin zustimmen können, wie diess oeh geschieht bei Cicero Acad. pr. 11: at ille (Antiochus), Heracliti umoriam inplorans, quaerere ex eo, viderentume illa Philonis aut I nun Tel e Philone yel ex ullo Academico audivisset aliquando? egtbtt. Noch eine Möglichkeit darf ins Auge gefasst werden. Wir liMi nicht ob Metrodor auch als Schriftsteller thätig gewesen ist. to daraus dass er im Ind. Herc. col. 26, 4 fiiyag xal ßl(p xal Xoyqf eninnt wird, ergibt es sich noch nicht. In der Charakteristik aber, ^ Lncnllns bei Cicero Acad. pr. 16 von den einzelnen Akademikern IM, wird an Metrodor nur seine genaue Bekanntschaft mit Kar- ges herrorgehoben. Die Vermuthung ist daher wohl erlaubt dass r dem Beispiel des Arkesilaos und Karneades folgend sich auf den ländlichen Vortrag beschränkte. In diesem Falle ist es aber denkbar, tts erst auB Philons Schrift dessen jüngere Zeitgenossen etwas von inor Ansicht Metrodors erfuhren, und dann vollkommen erklärt wes- ^b dieselbe ihnen als eine bis dahin in der Akademie unerhörte nehien.

*) Vgl. die in der yorigen Anmerkung angeführte Stelle.

*) Wenigstens hatte Metrodor den S. 194, 1 angeführten Worten ^^HPutins zufolge sie nicht für eine ihm allein angehörende sondern

IS*

196 Die verschiedenen Formen des Skepticismns.

Metxodor und Kleitomachos daiüber ob die Epoche absolut zu fassen oder ob sie zu beschränken und dem Weisen das Meinen gestattet sei. Indessen auf diese Verschiedenheit der Auslegung kann sich der Wandel in Philons Ansichten nicbt bezogen, Philon kann nicht bis dahin die absolute Epoche vertheidigt und erst danach sich zu Metrodor bekehrt haben. Denn wie hätte der Uebergang zu dieser Ansicht eine solcbe Entrüstung bei Antiochos und Catulus hervorrufen können, da es dieselbe Auffassung der karneadeischen Skepsis war zu der auch diese sich bekannten?^) Das Neue, den Wider- spruch der Genannten Herausfordernde kann also nur in der Einfuhrung des Namens xarahjjcrop liegen. Dieses Wort wollte Philon in einem weiteren Sinne brauchen als die Stoiker thaten, die es auf solche wahre Vorstellungöi einschränkten denen keine falsche jemals gleich sein könnte: Philon entfernte dieses Merkmal aus dem Begriff, da er die Möglichkeit derartiger Vorstellungen leugnete. Das war es, wogegen sich die Polemik des Antiochos richtete. Er konnte nicht zugeben, dass man nach Aussonderung jenes Merkmals noch von einem xarakrjjcTov sprach, dass man mit diesem Wort, das auf ein Erkennen und Wissen hindeutete, Vo^ Stellungen bezeichnete, die nur den Namen von wahrschein- lichen verdienten und die auch Philon selber bis dahin niAt anders benamit hatte. ^) Dass hierin, in der Verwendung

für die der Akademiker ausgegeben, unter denen in diesem Zosam* menhange zuerst an Karneades zu denken ist. An Metrodor schktf sich aber Philon an.

^) Ueber Antiochos* Auffassung der Karneadeischen Skepsis s. S. 172 ff.. Ueber Catulus s. Cicero Acad. pr. 148. Dass der letstere ebenso wie Antiochos Philon bestritten hatte, ergibt sich ans Cicero a. a. 0. 12.

*) Bei Cicero Acad. pr. 18 sagt Lucullus: Philo autem, dam nova quaedam commovet, quod ea sustinere vix poterat, quae cootrs Academicorum pertinaciam dicebantur, et aperte mentitur, ot est

Entwickelung der akademischen Skepsis. 197

es Wortes xataXfjjtrov, Philons eigenthümliche, ihn von linen Vorgängern in der Akademie scheidende Neuerung sroht, bestätigt auch Soxtos Empeirikos, wenn er die Eigen- tümlichkeit Philons darein setzt dass dieser die Unerkenn- uleit der Dinge nur mit Bezug auf die stoische xara- IXTtxri g>avracla, nicht aber hinsichtlich der Natur der inge selber behauptet habe.^)

prehensus a patre Catulo, et, ut docuit Antiochus, in id ipsum se iait, quod timebat. cum enim ita negaret quicqaam esse, quod aprehendi posset id enim volumus esse xaraXijnzov , si illud let, sicut Zeno definiret, tale visum jam enim hoc pro tpavtaala rbom satis hestemo sermone trivimos , visum igitur inpressum Setomque ex eo, unde esset, quäle esse non posset ex eo, unde non let: id nos a Zenone definitum rectissime dicimus; qui enim 4est qnicquam conprehendi, ut plane confidas perceptum id cogni- nque esse, quod est tale, quäle yel falsnm esse possit? hoc cum finnat toUitque Philo, Judicium tollit incogniti et cogniti; ex quo iicitar nihil posse conprehendi: ita inprudens eo, quo minime volt, rolntor. qua re omnis oratio contra Academiam suscipitur a nobis,

retineamus eam definitionem, quam Philo voluit evertere; quam R obtinemus, percipi nihil posse concedimus. Da den Anlass zu Beer Neuerung in der Terminologie Philon offenbar von der Un- )glichkeit genommen hatte Vorstellungen zu finden die wahr und ^dch von jeder falschen deutlich unterschieden sind, so konnte itiochos in seiner Polemik die Erörterung dieses Punktes nicht igehen. Wenn daher ein anderes Bruchstück, das uns aus dieser >Iemik erhalten ist, sich gerade hierauf bezieht, so kann diess nur r Bestätigung dafür dienen, dass die wesentliche und Aufsehen behende Neuerung Philons in der Einführung des xaraXrjnxdv be- uid. Jenes Bruchstück finden wir bei Cicero Acad. pr. 111: Ne un quidem praetermisisti, Luculle, reprehensionem Antlochi nee fam, inprimis enim est nobilis , qua solebat dicere Philonem ttlme pertnrbatum: cum enim sumeretur unum, esse quaedam falsa H^ alterum, nihil ea differre a veris, non attendere superius illud

re a se esse concessum, quod videretur esse quaedam in visis fferentia; eam tolli altero, quo neget visa a falsis vera differre: Ml tarn repugnare.

*) Pyrrh. I 235: ol 6h neQl ^Ikwvd ipaaiv oaov fiev inl r(f

198 ^ie verschiedenen Formen des Skepticismiu.

Diese Neuerung scheint indessen zu unbedeutend m sein als dass wir in sie die wissenschaftliche Eigenthümlicbr keit Philons setzen dürften , eine Eigenthümlichkeit die so gross war dass sie ihm das Recht erwarb der Stifter der vierten Akademie zu heissen. Ein blosser Unterschied in der Terminologie, meint man vielleicht, würde diees nicht bewirkt haben. Und doch wie viel hängt bisweilen in der Philosophie am Unterschied der Worte 1 Wie wichtig war es dass Karnc^es an die Stelle des evjLoyop das xiS-avip setzte! Und so ist es auch keineswegs gleichgiltig dass Philon das letztere oder wenigstens die höchste Art desselben mit dem Namen des xaraZTjjtrov belegte. Damit war ih Gegensatz, in dem die akademische Skepsis sich zum Dog- matismus befand, zum Theil beseitigt und auf einen Gegen- satz zu einer einzelnen dogmatischen Philosophie, der stoi- schen, eingeschränkt. Nicht jedes Begreifen und Erkennen hielt Philon für unmöglich, sondern nur das Begreifen und Erkennen in dem Sinne den die Stoiker damit verbanden. In einem weiteren Sinne dagegen, in dem es auch die Waluv scheinlichkeit wenigstens des höchsten Grades bezeichnen konnte, hielt er Beides für möglich. Und es mochte dieser Sinn sein, in dem nach seiner Meinung dergleichen Worte

azü}i9e(jt xQiTTjQlip, rovriau xy xatalrjnTixfj (pavxaala, axaxah(iiW elvai TtQaYfjiaxa, oaov 6b inl ty (pvaei x6)v nQuyiiatmv a^^ xaxaXrjnxd. D. h. unsere Vorstellungen vermögen aUerdings das wirk- liche Wesen der Dinge ausser uns wiederzugeben, nur fehlt Qineo ein Kennzeichen woran wir m jedem einzelnen Falle sehen könneo ob sie Yon etwas Wirklichem oder Unwirklichem hervorgerafen sind. Mit anderen Worten, Philon gab zu dass eine VorsteUung sein könne dnb r7rd();covro$ xal xax^ avxb vnaQx^v ivanofiSfjiayfUvti xd ivansoipQayiofjiivTj (Sextos dogm. I 248) und beanspruchte für eine solche den Namen des xaxaXTjnxov; was er bestritt war nur die Be- rechtigung des Zusatzes bnola ovx av yivoixo dnb (ir^ v7id(fxovt(fi, den zu dieser Definition die Stoiker machten.

Entwickelung der akademischen Skepsis. 199

mk von anderen Philosophen genommen wurden. So hatte PlatoD das, was den Inhalt der Naturphilosophie ausmacht, m in der Form des Wahrscheinlichen {elxog) gegeben: rotzdem coordinirten seine Schüler diese Disciplin der Kalektik und Ethik und bezeichneten sie dadurch ebenfalls b eine Art des Wissens. Und auch Aristoteles, obgleich r sich des schwankenden Bodens, den alle ethisch-politischen Irortenmgen unter sich haben, wohl bewusst war, hatte aram doch den Ergebnissen derselben den Namen einer Wissenschaft nicht versagen wollen.^) Auf sie mochte sich aber Philon berufen wenn es zu beweisen galt dass auch as nur das Wahrscheinliche umfassende Meinen den Namen nes Wissens und Erkennens wenigstens unter Umständen )rdiene, und er hatte dazu um so mehr Veranlassung da

') Die Annahme, dass Philon sich gerade auf die aristotelische äiik berufen habe, wird einmal dadurch nahe gelegt, weil ja für liilon die Philosophie fast nur Ethik war (vgl. Stob. ekl. II p. 40 f.). an kommt aber noch dass die skeptische Akademie in der Beur- leHoBg des wissenschaftlichen Werthes ethischer Betrachtungen aufs eniaeste mit Aristoteles zusammentrifft. Man lese im Anfangskapitel V Nikomachischen Ethik (p. 1094 b 10 ff.) Folgendes: 17 fihv ovv ^.Moq TovTwv i<pierai, noXiuxij tig ovoa' Xtyoito d* av Ixavwq, xtnk XTiv vTC0xsifi4vt]v vXtjv Staaafprj&elrj' rb yaQ dxQißhg odx «o/©9 iv Snaai roig Xoyoig int^^rjrriThv, oloneQ ovS* ev roig öedf}- otf/yfißhotq. xa 61 xaka xal ror Slxaia, ne^l wv // nohrixri oxo- ^rr«, toöavTrjv ^x^t öiatpogäv xal n)MVTjv wars öoxelv vofxto fiovov wri, tpvaei 6% firi. TOiavtrjv 6i xiva nXdvriv t/fi xal xdya&a Sid ro ^Ig avfißaivstv ßldßag an' adruiv rjSij yaQ rtveg dTftoXovro öia «VToVy €t€QOi Sh St* dvÖQelav dyanijtbv ovv tibqI xoiovtwv xal ^x tonwv Xiyovxag naxvlwg xal rvnip xdk^&hg ivöfixvva&ai, xal gl xwv üßg ^nl xh nolv xal ix xoiovxmv )Jyovxag xoi- xa xal avfjtneQalvea&ai. Hiermit vergleiche man Sext. dogm. 74 f.: o&ev xb xqixijqiov faxai fxlv 7) tpatvofjiivfi dXrj^g <pavxaala, xal m^avrjv nQoatjyoQevov ol dnb xfjg ÄxaörjfAlag, i/inlnxei 6h i' oxe xal tpfv6i}g, äaxt dvdyxriv l/,etv xal xj xoivy noxl xov

200 I^ie verschiedenen Formen des Skepticismus.

zwischen ihm und Autiochos doch auch darum gestritten wurde wer von ihnen die altakademische Lehre vertrat*)

dXrj&ovg xal if^fvöovg (pavzaaia XQ^<^^^^' ^^ fiivroi 6ta ztjv cjuviof ravrijv naQHfinrütaiv, Xt-ym 61 t//«»* fUfÄOVfiivrjg rtlkrjd^ii;, dmcTf[tiw iarl zy vi q {InVi) to nolv d?,tj0^svovoy' z(jf yaQ atg inl to nolv rag re XQi'atig xal tag TiQa^fig xavovl^sa&ai avfißißr^xn. ') Dass Philou wirklich, um seinen Gebrauch des Wortes arora- Xrinzov zu rechtfertigen, auf die älteren Schüler Piatons zurückgingt wird um einen Grad wahrscheinlicher durch Folgendes was Cicero Acad. pr. 112 f. gegen Lucullus vorbringt: si mihi cum Peripi- tetico res esset, qui id percipi posse diceret, „quod inpressum esset e vero^S neque adderet illam magnam accessioncm „quo modo in- primi non posset a falso**, cum simplici homine simpliciter ageran nee magno opere contenderem, atque etiam si, cum ego nihil dicerem posse conprehendi, diceret ille sapientem interdum opiuari, non re- pugnarem, praesertim ne Carneade quidem huic loco valde repugnante: nunc quid facero possumV quaero cnim quid sit quod conpreheDdi possit. respondet mihi non Aristoteles aut Theophrastus, ne Xenocrates quidem aut Polemo, sed his minores: tale verum, qnale falsom ease non possit, nihil ejus modi invenio; itaque incognito nimirom id- sentiar, id est, opinabor. hoc mihi et Peripatetici et vetus Academift concedit: vos negatis, Antiochus in primis etc. Vgl. auch was de fin. y 76 Cicero, wir dürfen sagen von Philons Standpunkt aus, äussert: nonne meministi (Worte Ciceros an Piso gerichtet) llcere mihi isU probare quae sunt a te dicta? quis enim potest ea, quae probtbilU videantur ei, non probare V „an vcro'^ inquit „quisquam potest probaie quod perceptum quod conprehensum quod cognitum non habet?'* ,|1MB est ita," inquam „Piso, magna dissensio: nihil est enim aliud qoiD ob rem mihi percipi nihil posse videatur nisi quod percipiendi vi> ita definitur a Stoicis ut negent quicquam posse percipi nisi tale verum quäle falsum esse non possit. itaque haec cum illisest dissensio, cum Peripateticis nulla sane. sed haec omittaDiB; habent enim et bene longam et satis litigiosam disputationem. Dtf* Philon in derselben Schrift, in der er seine Definition des xaxahi%^^^ zuerst aufstellte und vertheidigte, auch an die alte Akademie wieder anzuknüpfen suchte, wird in hohem Grade wahrscheinlich durch Cicero Acad. post. 13: „Antiochi magister Philo, magnus vir, ot tu oxistimas ipse, negat in libris, quod coram etiam ex ipso audiebamos«

Entwickelong der akademischen Skepsis. 201

Diese Auffassung der Lehre Philous wird aber erst dann auf volle Zustimmung rechnen kömien, wenn sich ge- zeigt hat dass die abweichenden Ansichten Anderer nicht Such halten. Eine solche hat E. Fr. Hermann aufgestellt [in zwei göttinger Programmen de Philone Larissaeo, 1851 md 1855). Nach ihm bestünde die Eigenthümlichkeit Phi- ons g^enüber seinen akademischen Vorgängern darin dass ir nicht wie diese die Skepsis gegen jede Erkenntniss rieh- efte sondern nur gegen die aus den Sinnen geschöpfte. )agegen habe er wie Piaton eine Erkenntniss für möglich (ehalten, die das wahre Wesen der Dinge jenseits der linneseindrücke erfasste. Wenn er daher so heftig gegen lie Stoiker stritt, so sei der Grund hiervon nicht gewesen, buB diese überhaupt ein sicheres Wissen annahmen, sondern rar dass sie dasselbe einzig und allein aus den Sinnen ab- eiteten. Wir brauchen nicht auf alle einzelnen Gründe einzugehen mit denen Hermann seine Ansicht zu stützen 'wsueht hat Die Hauptsache ist ob sich dieselbe an dem )ewährt was uns Cicero Acad. pr. 18 (s. o. S. 196, 2) über ?hilons Lehre mittheilt: denn diess ist unstreitig das wich- igBte Zeugniss, von dem jede Untersuchung über Philon nsgehen muss, das auch vor dem des Sextos (Pyrrh. I 235) len Vorzug vordient weil es nicht wie dieses verschiedener Regung fähig ist. Hermann freilich hat ihm eine ver- ichiedene Auslegung gegeben, von der es indessen fraglich 8t ob sie sich wirklich mit Ciceros Worten verträgt. Nach Jennann nämlich hätten wir in diesen die Ueberlieferung lass Philon nicht einmal für den Fall das Wissen der Stoiker ^ solches anerkennen wollte wenn es wirklich Vorstellungen

Inas Academias esse erroremque eorum, qui ita putarunt, coarguit/* «est» inqnit, ut dicis; sed ignorare te non arbitror, quae contra Phi- ionia Antiochus scripsit"

202 ^^6 verschiedenen Formen des Skepticismos.

der Art gäbe wie sie nach ihnen allem Wissen zu Grunde liegen sollten, d. h. Abdrücke und Bilder von dem was ist wie sie nicht entstehen können von dem was nicht ist (visom inpressum effictumque ex eo unde esset, qaale esse non posset ex eo unde non esset). Durch eine solche Behaup- tung würde sich Philon allerdings, wie auch Hermann her- vorhebt, wesentlich von Kameades unterschieden haben, der unter der Voraussetzung dass Vorstellungen jener Art nach- gewiesen würden auch ein Wissen nicht mehr leugnen wollte (Sext. dogm. I 402): denn selbst diese Voraussetzung, die Kameades noch übrig gelassen hatte, würde hiernach Phflon aufgehoben haben, weil Vorstellungen dieser Art doch immer aus den Sinnen abgeleitet sind, Philon aber eine durch die Sinne vermittelte Erkenntniss für schlechthin unmöglich hielt Von hier aus war dann nur ein kleiner Schritt bis zu der Annahme dass Philon ganz wie Piaton kein anderes Wissen gelten liess als das durch Anschauen der Ideen gewonnene. Aber dieser höchst wichtige Schluss hängt eigentlich nur an zwei Wörtchon, die den Anfang der Folgerung bilden. Was Hermann von Cicero für bezeugt hält, ist, dass Philon nicht einmal für den Fall dass sich Vorstellungen der erwähnten Art nachweisen liessen, gestattet habe auf die- selben ein Wissen zu gründen.^) Von diesem „nicht- einmal*} an dem doch Alles hängt, ist nim aber bei Cicero nicht die geringste Spur zu entdecken. Vielmehr lesen wir dort: Philon habe nur unter der Voraussetzimg geleugnet da» etwas Begreifbares existire wenn man dasselbe in der Wei»

*) Vgl. im zweiten der angeführten Progranune S. 11: PWJ® autcm quomodo hac in causa vol ultra Cameadem progressus sit, haud scimus an jam priorum Academicorum testimonio probetor (1^ ubi ne ita quidem comprehensionem concessisse traditur, si tile Visum esset, quäle Zeno definlerat, „impressum effictumque ex eo vsA^ esset, quäle esse non posset ex eo unde non esset"

EntwiGkelung der akademischen Skepsis. 203

rieZenon gethan hatte definire.^) Uud dass, woran Philon D der zenonischen Definition Anstoss nalim, nicht etwa der Jmstand war, dass dieselbe diese allem Wissen zu Grande legenden Vorstellungen aus den Sinneseindrücken ableitete, ahren ebenfalls Ciceros Worte: denn deutlich wird hier der losatz „wie sie nicht entstehen können von dem was nicht ^ als das bezeichnet worauf es ankommt und wogegen ich Philons Polemik richtete.') Philon also statt über laraeades hinauszugehen bleibt vielmehr, wenn man aufs feeentliche sieht, auf dessen Standpunkt stehen.^) Un- edeutend ist was Hermann sonst noch zur Bestätigung 3iner Ansicht beigebracht hat So findet er z. B., dass nter Annahme derselben sich besser erkläre weshalb An- ^08 gerade gegen Philon mit solcher Heftigkeit aufge- reten sei: denn den Grund hiervon köime man jetzt darin

') Die Worte sind: cum enim ita negaret quicquam esse quod onprehendl posset, si illud esset sicut Zeno definiret.

*) Es heisst nach Anführung der zenonischen Definition: id nos Zenone definitum rectissime dicimus; qui enim potest quicquam Dnprehendi, ut plane confidas perceptum id cognitumque esse, quod st tale quäle vel falsum esse possit? Hierauf wird hinzugefügt: hoc um hfirmat toUitque Philo, Judicium tollit incogniti et cogniti. Das 18 PhUon „entkräftet und aufhebt'S ist somit nicht die gesammte 'dfinition sondern nur der fragliche Zusatz. Dass es dieser war an Bn Philon sich vorzüglich oder allein stiess, zeigen auch Ciceros ^orte Acad. pr. 112 (s. o. S. 200, 1), in denen er denselben als „illa ■Agni accessio** bezeichnet ohne die man sich wohl verständigen tonnte. Zur Eenntniss von Philons Ansicht dürfen diese Worte ^nun benutzt werden, weil Cicero, der spricht, dort seine Ansicht udrücklich von der des Kameades noch unterscheidet (praesertim B Cameade quidem huic loco valde repugnante): wollen wir daher icht annehmen, Cicero habe sich eine Ansicht ganz für sich gebil- ^ 80 wird dieselbe wohl diejenige Philons sein.

*) Auf Hermanns Irrthum in der Erklärung der ciceronischon ^orte hatte schon Zeller S. 592, 1 hingewiesen.

204 ^^6 verschiedenen Formen des Skepticismiu.

sehen dass Philon in der Bestreitung der stoischen Erkeimt- nisstheorie noch mehr in die Tiefe ging als Kameades und deshalb auch der von Antiochos erstrebten Versöhnrmg zwischen Akademie und Stoa noch mehr im Wege war.*) Und allerdings Hess sich im Allgemeinen unter Voraussetznng von Hermanns Ansicht die Heftigkeit wohl erklären» mit der Antiochos seinem Lehrer Philon entgegentrat Nicht genügend aber erklärt sich die besondere Art in der sich diese Heftig- keit äusserte: denn würde Antiochos wohl die Ansicht Philons eine bis dahin in der Akademie unerhörte genannt haben (Acad. pr. 11), wenn wirklich Philon einfach zur Lehre Pia- tons zurückgekehrt wäre? Wie sich diese Aeussemng mit unserer Auffassung Philons vereinigen lässt, ist früher (S. 195 t) erörtert worden. Aber auch im Allgemeinen der Aerger, döi Antiochos über Philons Neuerung empfand, wird bei derselben voUkoDMnen begreiflich. Das Recht sich von seinem Lehrer Philon loszusagen und eine Sonderstellung in der Akademie einzunehmen hatte Antiochos darauf gegründet, dass er nicht wie Kameades und bis dahin auch Philon zum Handeln und zui' Sittlichkeit das Wahrscheinliche für genügend hielt son- dern dazu das Wissen erforderte. Jetzt wurde ihm auf ein Mal dieses Recht von Philon bestritten. Ein Wissen, sagte dieser, ist auch was wir zur Grundlage des Handelns machen; nur freilich nicht ein Wissen im Sinne der Stoiker. Und wenn Philon nun, was ich zu zeigen versucht habe, weiter hin- zufügte „aber ein Wissen im Sinne der älteren Schüler Piatons, der Akademiker und Peripatetiker**, so berührte er abermab Antiochos an einer empfindlichen Stolle: denn auf niAt»

') Im zweiten Programm S. 11: Atque sie etiam clarios intelH- gitur, cur tanta illum acerbitate Antiochus insectatus sit adeoqo« rationem ejus ab Academia alienam existimaverit, qoia id ipsom i** dicitus sustulerat, quo invento semper spes fuerat fore nt Acadenuci Stoicis manus dare cogerentur.

Entwickelung der akademischen Skepsis. 205

hat sich dieser so viel zu gut als dass er im Gegensatz zu er skeptischen Akademie die echte, die alte akademische «ehre wieder erneuert habe.

Die Auffassung Hermanns,*) wie sie bei schärferer Be- lichtung nicht auf Beifall rechnen kann, hat deshalb auch en Yon Zeller nicht gefunden. Aber auch was dieser an ffen Stelle setzt, weicht von der unsrigen ab. Nach ihm 1594 f.) hätte Philon zwar ein voUkommnes Wissen, ein egreifen geleugnet, darum aber doch nicht auf alle Sicher- 3it der Ueberzeugung verzichtet und nicht eingeräumt „dass it der Begreiflichkeit der Dinge alles Wissen überhaupt ehe und falle"; vielmehr hätte er eine Augenscheinlichkeit igegeben, „die doch noch etwas anderes sei, als ein Be- reifen, eine der Seele eingeprägte Wahrheit, an die wir uns Uten, wenn wir sie auch nicht zu begreifen im Stande den**. Zellers Ansicht gründet sich hauptsächlich auf Cicero cad. pr. 34: simili in errore versantur, cum convitio veri- itis coacti perspicua a perceptis volunt distmguere et co- mtor ostendere esse aliquid perspicui, verum illud quidem i*) inpressum in animo atque mente, neque tamen id per- pi ac conprendi posse. „Karneades imd Klitomachus", emerkt Zeller S. 595, 1, „welche unserem Wissen im besten all einen hohen Grad von Wahrscheinlichkeit zugestehen,

^) Mit der im Wesentlichen auch Krische zusammentrifft, wenn rOött. Stud. 1845, 2 S. 148 sagt: „Das Neue, was Philon abweichend A seiner früheren kameadeischen Lehre mitten in der Analyse der sumischen Definition der <pavtaala xaxaXrinxixfi aufgestellt, bestand iftde in der Annahme einer wirklichen Erkenn toiss der Dinge, die wie uns Sextos* Zeugniss (Pyrrh. I 235) bedeutet, der durch sinn* cbe Anschauung bedingten stoischen entgegenstellend als eine auf » innere Sein der Dinge gerichtete Yernunfterkenntniss festgehalten iben muss.**

*) Dieses et wird wohl hinzuzufügen sein. Keinesfalls kann ^^un hier die Adversativpartikel sondern muss das Adjectivum sein.

206 I^ie yerschiedenen Formen des Skepticismus.

können sich noch nicht so ausgesprochen haben.^ Aber sehen wir uns doch einmal genauer an, was Cicero vom Augenscheinlichen (perspicuum) sagt. Vor Allem sind es zwei Eigenschaften die er Vorstellungen dieser Art zuschreibt: dass sie wahr und dass sie unserem Geiste eingeprägt seien. Hat nun Vorstellungen, denen diese beiden Merkmale an- hängen, nicht auch Kameades angenommen? So fragen wir um so mehr als was Cicero ausserdem hinzufügt, dass aie nicht Gegenstand einer begreifenden Erkenntniss sind, diesen Vorstellungen ohnediess mit den wahrscheinlichen des Ea^ neades gemein ist. Was unterscheidet sie nun von den letzteren? Etwa dass sie wahr sind? Aber dass es wahr sei rechnet auch Eameades zu den wesentlichen Kennzeichen seines Wahrscheinlichen und imterscheidet es eben hierdnrdi von dem was bloss den täuschenden Schein der Wahrheit an sich trägt. ^) Man darf nicht einwenden, dass das Wahr-

^) Bei Sextos dogm. I 174 unterscheidet er drei Bedeutungen des Wortes mS-avov: ro 6h TuS-avdv wg ngbq xh naQÖv Xiysxat t(H' X<Ji(;, xa&^ i'va filv XQonov xb aXri^iq xe Sv xal ^aivofievov ak^^ xa^^ i'xe^ov 6h xb tpev6hg fjihv xa&soxrixofg (paivoßsvov 6h «Ajy^fc xaza 6h xqLzov xb xoivbv dfi(poxiQo)v. Nur das niS'avbv in der entoi Bedeutung aber sollen wir nach Kameades unseren Handlungen m Grunde legen, wie die auf die angeführten Worte folgenden bewei- sen: oS-sv xb xgixiJQiov iaxai fxhv tj (paivo/xivrj dXrj^g (pavxaala, p xal TCLy^ovriv nQoarjyoQSvav ol dnb x^g kxa6Tjfiiag, ifinlnxH 6* M oxB xal tp6v6i^g, äaxs dvdyxTjv ^x^iv xal xy xoivj noxh xov dhi$wg xal %i)sv6ovg tpavxaala ;^(>^(7^a£. Denn dass das mS'avbv hier nur ^ fpaivofJih'Tj dXrj^jg <p., nicht als dh^^rig xe xal <p. dl, bezeichnet wH ist offenbar nur abgekürzte Ausdnicksweise, die beansprucht ans den Vorhergehenden ergänzt zu werden. Das bei Sextos weiter Folgende zeigt deutlich, dass ein Unterschied sein soll zwischen dem mOt^ als der wahren oder doch der Regel nach wahren und deijeoigea Vorstellung, die das Wahre nur nachahmt, im Grunde aber fiJi^ ist: ov fiivxoi 6ia xr^v andviov xavxijg naQ^fjiTtxwoiv, kiyoß 6h f^Q f^' fiovßivTig xdXi^S'ig, dmaxrjxiov iaxl xy w^ t^ noXv dXTj&evovöH- Als

Entwickelung der akademischen Skepsis. 207

scheinliche des Earneades» wenn es schon der Regel nach das Wahre sei, doch bisweilen sich als täuschend erweise, das Augenscheinliche dagegen niemals irre, immer wahr sei: d^m Ciceros eigene Worte, die er den angeführten hinzu- fügt, lehren dass dem nicht so ist, dass vielmehr auch das Augenscheinliche trügen kann und keineswegs unbedingt wahr ist.*) Auf das Prädicat „wahr" hat somit das Augen- scheinliche Ciceros nicht mehr und nicht weniger Anspruch als das Wahrscheinliche des Kameades. Aber das Augen- scheinliche soll weiter der Seele und dem Geiste eingeprägt sein. Dass nun Karneades in derselben Weise das Wahr- scheinliche bezeichnet habe, dafür finde ich freilich keine ausdrückliche Ueberlieferung, nichts desto weniger müssen wir es schliessen weil er den verworrenen Vorstellungen die wahrscheinlichen als die deutlich ausgeprägten gegenüber- stellte^) und können diesen Schluss bestätigen durch eine

fi^^Ig TB xal fpaivofiBvai q>avxaalai werden die mS-aval von Sextos in Verlaufe derselben Darstellung auch 182 bezeichnet, und kurzweg nkr heisst eine Vorstellung der Art einmal 180. Vgl. auch Niko- Imi fon Damaskos in Stob, fioril. von Mein. lY S. 234 Nr. 24: ol and ^^ kxadrjfäag vyieig fiiv (sc. liyovai tag ala^aeig), ou 6i' avzaiv oforai laßeiv aXi^d-ivag tpavxaalag, o-u firiv dxQißeZg.

*) Quo enim modo perspicue dixeris album esse aliquid, cum posBit accidere ut id, quod nigrum sit, album esse videatur? aut quo BBodo ista ant perspicua dicemus aut menti inpressa subtiliter, cum lit incertom, yere inanlteme moveatur?

*) Sextos dogm. I 171: xiig 6h (paivofjtivrig (sc. (pavraalag) äXt]- ^(ivq fj fjiiv rlg iaxiv dfAVÖga» wg ^ inl rdfv naga ßiXQoxrixa xov ^fi»Qov/iivov fi TtaQa Ixavov öidaxfifia tj xal naga dad-ii'Siav xrjg ö^imq cvyxBXVfiiviog xal ovx ixxvnwg xi Xafxßavovxwv, // 6e xig /]v <»w t^ ipalveaS'ai dXrj^g exi xal atpoSQov txovaa x6 (palvsa&ai av- ^^ dhi^. (üv ndkiv ij dfivÖQa xal ^xXvxog tpavxaala odx av etrj *(f^^Qiov' x<p yccQ fJii]te ccvxrjv fjtrjxe xb noifjoav avxf/v xgavcjg iv- ^^Ixvva^i ov ni(pvx€v r^fiäg Tiel&etv ov6^ elg avyxaxd^saiv int-

208 ^ie verschiedenen Formen des Skepticismus.

andere ciceronische Stelle an der Kameades zwar nicht ge- nannt wird aber doch aller Wahrscheinlichkeit nach unter denen gemeint ist die von den Vorstellungen unserer Seele wie von Eindrücken derselben sprachen.^) Um die Lehre vom Augenscheinlichen erst Philon zuzusprechen könnte man sich endlich auf den Namen •) berufen, dessen sich Kameades zur Bezeichnung des Wahrscheinlichen noch nicht bedient habe. Wollte man indessen als Beweis dafür NumenioB' Worte geltend machen, wonach Philon durch die Augen- scheinlichkeit {ivaQyetd) imd Uebereinstimmung der Eindrüdce bewogen worden wäre von seiner Skepsis abzustehen,') w würde diess voreilig sein; denn jedes Zugeständniss, das die Skepsis dem Dogmatismus machte , Hess sich schliesslich als eines bezeichnen, das die Augenscheinlichkeit und Ueberein- stimmung der Wahrnehmungen dem zweifelnden Verstände abgerungen hatte, auch ohne dass bei diesem Zugeständniss der Name des Augenscheinlichen eine sonderliche Rolle spielte. Auf der anderen Seite sprechen bestimmte Spuren

^) Acad. pr. 58: veri enim et falsi non modo cognitio, sed etiaiB natura toUetar, si nihil erit quod intersit; nt etiam illud absardnn Sit, quod interdum soletis dicere, cum visa in animos inpri- mantur non vos id dicere, inter ipsas inpressiones nihil inte^ esse sed inter species et quasdam fonnas eorum. Vgl. auch dtf „menti inpressa subtiliter" in der S. 207, 1 angeführten Stella

*) Wie Zeller richtig bemerkt, ist der griechische hagyk* ^^ Cicero durch perspicuum wiedergegeben hat. Es folgt diess aoi Acad. pr. 17: quod nihil esset clarius ivagysla, ut Graeci, per* spicuitatem aut evidentiam nos, si placet, nominemus.

3) Bei Euseb. praep. ev. XIV 9, 1 (Thedinga de Numenio S. 45): (itq 6h nQoiovToq fjthv rov XQOvov, ^^iri^Xov 6' vnd awqd'slaq w^ avxwv xr^q ^TtoxfJQ, ovöhv fikv xaxa avxä kavxto ivoei (sc. o ^ X(ov), ij 6s XMV nad^fiaxvDV avx6v dviaxQBipfv ivaQysid xe xal of*^ Xoyia, nokkriv 6rjx^ 1%^^ ^i^^ ^V*' 6iala^atv vneQsne&vfdSi ev M oxi xwv iksy^ovxiov rr/f?v, 7va /m/} i66xsi fxexä vdixa ßakwv (rit^ kxüßv ipevyeiv.

Entwickelang der akademischen Skepsis. 209

r dass bereits Karneades diesen Namen auf sein Wahr- inliches angewandt hatte. Dass er ein Augenscheinliches kannte, ersehen wir aus dem was er bei Sextos dogm. 0 f. gegen die Dogmatiker vorbringt: denn wenn er hier Vorhandensein eines Augenscheinlichen voraussetzt, so

er diess keineswegs nur im Sinne der Dogmatiker um h die daraus sich ergebenden Consequenzen die Voraus- ing selber als unmöglich zu erweisen, sondern diese kossetzung ist der feste, von ihm nicht minder als von m dogmatischen Gegnern anerkannte Grund, auf dem

folgende Beweis der Unmöglichkeit eines Kriterions }) Längst bekannt war ferner was Eusebios praep. ev.

') Zuerst, wie es heisst, hatte Kameades im Allgemeinen zn isen gesucht, dass keins von denen, die man gewöhnlich als Kri- 1 der Wahrheit aufstelle, in Wirklichkeit ein solches sei, weder Temunft noch die sinnliche Wahrnehmung noch die Einbildung

irgend etwas Anderes, dass vielmehr alle diese Dinge uns tau- i. Zweitens aber, wird fortgefahren, öeixvvaiv ön xal ei ean ^tt^Qiov Tovro, ov x^Q^^ '^^^ ^^ö rijg ^va^ysiag ndS'Ovg viplaxa-

insl yaQ aiad-rjrixy SvvdfAEi öiatpdQBi to ^diov tc5v ai/rv/oiv, mq 6ia ravrtjg ^avTov re xal twv ixtbg dvrikrjTiTixbv ysv}]aexai.

ys aiaS^aig dxlvtjtog filv ovoa xal ditad^^g xal dxQsnxog ovze neig iaxiv OVIS dvxiktinxixi] xivog, xganeiaa ös xal ntog naB-otaa

xijv XQßv ^vaQymv vnonxwatv, xoxe ivSelxvvxai xd ngdynaxtt, Qa xm dnb xrjg ivaQyeiag 7id$-ei xrjg tpv/rjg t,r]XTjxiov ioxl xb iifiov. xovxo 6h xb ndd-og avxov ivSsixxixbv 6<peikfi xvy/dveiv xov ifinotijoavxog avxb (patvofA^vov, otisq ndS-og iaxlv ovx ^'^f* T^g ifavxaalag. bd'fv xal (pavxaaiav ^tjx^ov elvai nd^^og xt negl mv lavxov xe xal xov ^xfQov naQaaxaxixov. olov n()oaßkhpav- xm, (fr^alv b Ävxloxog, öiaxiS^^fAeHd nwg xyv oipn', xal ovx ^^'' avxt/V öiaxBifJLkvriv laxofifv cy? tiqIv xov ßXkipai öiaxeiju^vrjv ft'xo-

xttxu fiivxoi xr^v xoiavxfiv dXXolwaiv SvoTv dvxika/bißavofjif&a,

fihv avxijg xF^g dXXoiwaewg, xovx^axt xf/g ifavxaaiag, öevxtQov ■OV XifV dkXoio)Oiv innoii^aavxog, xovr^axi xov oQaxov. xal ^nl

Mmv alaB^/jOfiov xb nagaTihfOtov. cianeQ ovv xb ifwg ^avxo ^(Ixvvai xal ndvza xd iv ccvxai, ovxm xal // (pavxaala, dgxfiybg 3irzel, UnterancliaDgen. III. 14

210 1)16 verschiedenen Formen des Skepticismns.

XIV 7, 12 (wahrscheinlich nach Numenios, s. Thcdinga S. 6) berichtet: fiovcp 6' h^ rm jf^^Qi ij(ox?j(; Xoym 3€Qoq akov

ovaa r^g negl xb ^twov slöfjoswg, (pioxbq Sixrjv kavrijv tf i/iipaylj[,fiv d(pfikei xal rov noirjaavTog avt^v ivagyovg ivöeixtix^ xa^fotam. OfTenbar entspricht was in den angeführten Worten gesagt ist, eigenen Ueberzeugung des Karneades. Denn das Vorhandensein der Sinne und der Vorstellungen {ipavzaolai) konnte er nicht leugnea. Da er nun beide an die ivd^ysia knüpft, so moss er auch dieier eine gewisse Geltung eingeräumt haben. Das ivaQyig, wenn wir aui Sextos* Worten schliessen dürfen, war ihm das Wirkliche ausser um, insofern es Gegenstand qnseres Wahrnehmens und Yorstellens wird. Für Vorstellungen dieser Art ergab sich dann von selber die Be- zeichnung ^vttQyeTq (wie auch Epikur die Tr^oXr^ipig bald als inißolii tnl ti ivuQylg bald als y/ ivaQyt^g rov TtQayfjiaxog inlvoia definirte nach Clemens Alex. Strom. II 157 Sylb., wo jedoch inl vor njv ^wf^y? als durch das vorhergehende tnl veranlasst zu streichen ist). INefl sind darum noch keine wahren Vorstellungen. Vielmehr scUiesit Karneades so: dass eben weil das Kriterien der Wahrheit, wenn ein solches da sein sollte, nur in diesen Vorstellungen liegen könnte, diese aber auch nicht immer wahr sind sondern bisweilen t&oscben, es ein Kriterien überhaupt nicht gibt. Diess spricht sich in den snf die angeführten Worte des Sextos folgenden aus: dkX* infl w w xar^ d/.if&etav del noxe ivSeixvvxai, TtokXdxig 6h Stccyfsvösxm xd ötaipcjvfi xotg dvan^fjuffaatv (xvxr/v ngay/naatv wg ol fiox^Qol r»' dyybkwv, xax^ dvdyxtfv tjxoXovd-yae xb ^/} näaav ^avraolav 6vvao9«u XQin'iQiov dTtoXeinetv dXrjS^elag, dXka fiovr^v, si xal d^a, rt/v dhi^ xxX. Immerhin haben die iva^yetg (pavxaalai vor anderen eioeü Vorzug wodurch sie ihren Namen verdienen: es sind nicht leere Himgespinnstc und Träume sondern Vorstellungen die durch etwts Wirkliches ausser uns hervorgerufen werden, wie diess schon in det zuletzt angeführten Worten liegt {xoXg dvan^fA^maiv adxt^v nqayf»' aiv). Es ist derselbe Unterschied, auf den auch bei Sextos 170 hii- gedeutet wird, also in dem Abschnitt in dem die positiven Ansichtes des Karneades mitgetheilt werden : xovxoov de xwv tpavxaaimv i M^" (pavBQüig ti'Bi^Srjg xal fit/ (fccivojnh'tj dXrj&^g TtaQayQaipifjiog i<ni **» ov XQixriQiov, ^dv XB dnb imaQ^ovrog fxiv, Siaipatvwg 6h xw vndfX^^ xal /itj xax^ avxb xb vnaQji^ov, onola tjv t/ dnb ^HX^xxQag n(fO(fKf' aovaa xäi ^Opiox^i, filav xmv ^Eqiivcov avxt^v 6o^dZovxi xxX, (IndeseeB

Entwickelang der akademischen Skepsis. 211

top ^QXBölXaov) diicxTj (sa 6 KaQVsddrjg), q>äg döi- w slvai dvd-QfDXOV ovra jc^qX ajtdrrcov txixBiV öia- }av d' sivai ddrjXov xal dxaraXrjjtrov, xal ütdvra ' slvai dxardXtjjtra, ov jtdvra 6b ddrjXa, Was r der Gegensatz zu ddtjXa ist, hat man sich wie es scheint it gefragt. Denn sonst würde man gefunden haben, dass 8 eben das Augenscheinliche {IvaQyiq) ist Stellen des tos können diess lehren.^) Zeller durfte daher nicht

diese Worte vielleicht interpolirt. Bekker wollte, um den Zu- nenhang herzustellen, vor Idv rs hinzufügen idv re dnb /itj i^ovro^ ylvrixai. Diess geht aber deshalb nicht, weil dann diess Beispiel der tpavBQwq ipsvSrjg xal /n?) tpaivoyihvri dkr^d^rlg sein le, was es doch offenbar, wenn man sich auf Orestes* Standpunkt t, nicht ist, vgl. auch 245 und 249). Es sind diess eben die (tellongen, die Kameades niB^aval nannte. Auf die eigenthüm- ) Beschaffenheit derselben bezieht sich wohl auch der Name i/i- fig (Sext. dogm. I 169, vgl. b/LKfairoftirrj 173); denn derselbe ist 1 wohl mit Bücksicht auf die stoische Terminologie getirählt wor- . wonach diess Vorstellungen sind die auf uns den Eindruck von lien machen die in etwas Wirklichem ihren Grund haben (Diog. 51).

^ Pyrrh. II 97 f. : xal nQodrjla /ilv sivai (paai ra i^ ^avratv elg (ttv ff/iZv igx^/^^^^* <''''*' ^<^^' ^'' rifi^gav elvai, xad^dna^ Sl aötßa 4 niipvxsv eig rtjv jj/xsT^Qav TtlTireiv xardXfjtpiv, wg tu aQxlovg i ravg daxtgag, ngog xaiQov rf^ äöjjXa ansQ x^v <pvaiv fjfovra ifyri Ttagd xtvag ^Sat&ev TteQiOxdasig xaxd xaiQov fjfxtv dSijXslxai, ifiol vvv fj k^i'aicDV nokig, (fvafi dl äSf^ka xa ^/) Xxovxa <pvatv xifv tjfiBx^Qav ninxstv ^vägyfiav, wg oi votjxol noQoi. Offen- sind hier ngoArilag und tvaQyrjg gleichwerthige Ausdrücke, die le den Gegensatz zu dSijkog bezeichnen. Dasselbe erhellt aus den inltionen beider Worte. Die von ngoSi^Xog wird a. a. 0. 99 so edeutet: xa ixkv ovv ngoSrika fttj Seiod-ai arjfjieiov <paclv' iS ^f^^' ' yop avxa xaxaXafißdvea^at. Hiermit vergleiche man die offen- identische des ^vagyfg dogm. I 364: xo i^ kavxov ),anßavo^ievov fi>l6ev6g kxtQov ZQ^^ov eig naQaaraaiv. Derselbe Gegensatz zwi- en iirilov und iva^lg tritt uns auch noch an folgenden beiden

14*

4

212 I^ie verschiedenen Formen des Skepticismus.

zwar die Ansicht, wonach nicht alle Dinge aSrjla sind, Karneades zuschreiben, wie er diess der Ueberlieferung fol- gend S. 515, 3 thut, diejenige aber, wonach es ein Augen- scheijiliches gibt, fiir Philon aufsparen. Und dass auch Cicoro unter denen, die ein perspicuum gelten liessen, nicht Philon sondern Karneades verstand, erhellt noch besonders aus einer an die Nachricht des Eusebios sich anschliessenden Betrach- tung. Bei Cicero Acad. pr. 32 werden nämlich zwei Arten der Skepsis unterschieden, eine tiefer einschneidende und eine gelindere. Die Vertreter der letzteren werden mit fol- genden Worten charakterisirt: alii autem elegantius, qni etiam queruntur quod eos insimulemus omnia incerta dicere, (luantumque intersit inter iiicertum et id quod percipi non possit docere conantur eaque distinguere. Welches griechische Wort Cicero durch incerta wiedergibt, sagt er selber 54: ne hoc quidem cernnnt omnia se reddere incerta, quod jiolunt; ea dico incerta quae a6r]Za Graeci. Wenn wirjetet an Eusebios zurückdenken, so erkennen wir unter den Ver- tretern der gelinderen Skepsis Karneades*) und nicht, was die Meinung Zellers (S. 595, 1) und Hermanns (diss. II S. 13) war, Philon und seine Anhänger.^) Mit diesen Vertretern

Stellen entgegen. Sext. dogm. I 360: ^rrel ovv ro kti^ov Ajyjrror avfupiovo)^ xfiTii navraq udtjXov ^art, Ttdrra 6h tx 7ia9^<5v tjfifjl^f f'reQa ovza tovrwv kcx/H'^diftai, ndvta bar) ixroq aStfXa xd Ä« tovro i/fitr äyvcoarcc' Sei yaQ flg rifv Toh' dtpavwv yrwaiv ivaQyk^ naQftrat, xal tovzov fit/ TCctQovtoq oi'xeTat xa) // ^xFivatv xataktfifi;- 368: «AA' htifq, "vcc yvwfiev Tflkr^H^q, dtt rt tlrai ivaQy^c, dkÖfOt^ Öl ndvra äötj/.a, ofwXoytireor äyvioarov flvai rdXri&ig. Vgl. nock dogm. II 316.

M Diess war auch Krisches Meinung Gott. Stud. 1845, 2 8. 1^8.

*) Wollten wir annehmen dass die letzteren gemeint wären« w würden wir Cicero in einen Widerspruch mit sich selber ?erwick«lD- Denn in den Worten, die auf die im Texte angeführten folgen, ff* klärt er ausdrücklich sich nur mit den Vertretern der gelindert

Entwickelong der akademischen Skepsis. 213

liner gelinderen Skepsis hält aber auch Zeller für iden- iseh und muss man für identisch halten diejenigen, denen »ald darauf (34) die Unterscheidung der perspicua von den lercepta beigelegt wird: womit also aufs Neue bewiesen fixe dass diese letzteren Karneades und seine Anhänger

kepsis befassen zu wollen: cum his Igitur agamus qui haec distin- tuint: Ulos, qui omnia sie incerta dicunt ut stcllarum numerus par s ifflpar Sit, quasi desperates aliquos relinquamus. Und diess Yor- )rechen löst er auch weiterhin vollkommen ein. Wären es nun irklich Philon und seine Anhänger mit denen er sich hier so ein- 3hend beschäftigt, wie vereinigt sich damit die 12 abgegebene Er- linmg dass von Philons eigenthümiichen Ansichteu nicht weiter die ede sein solle, wenigstens nicht eingehend? Eine gelegentliche nr&hnnng und Berücksichtigung, wie sie 18 stattfindet, ist dadurch itQrlich nicht ausgeschlossen. Und ebenso wenig widerspricht 111. enn obgleich diese Worte sich auf 44 zurückbeziehen, so folgt doch tnos nicht dass Lucullus an letzterer Stelle Philon im Auge hat, i über den hier berührten Punkt Philon mit Karneades einer Mei- lag war^ dasselbe Argument also von Lucullus gegen Karneades ikehrt werden konnte dessen sich Antiochos Philon gegenüber be- ent hatte. Dass Lucullus' Vortrag sich nicht gegen Philon sondern igen Arkesilaos und Karneades richtete, wird 12 deutlich ausge- brochen: sed ea pars, quae contra Philonem erat, praetermittcuda t; minus enim acer est adversarius is qui ista, quae sunt hcri de- nsa, negat Academicos omnino dicere: etsi enim mentitur, tamen it adversarius lenior. ad Arcesilan Carneademque veniamus. An rkesilaos und ausserdem vielleicht an die Pyrrhoneer ist bei den ertretern der strengeren Skepsis zu denken, die Alles ohne Aus- ^e für äStjXa erklärten. Charakteristisch ist das die «dz/Acr cr- Qtemde Beispiel: qui omnia sie incerta dicunt ut stellarum numerus ' an impar sit. Bei Sextos dogm. I 243 dient dasselbe um solche >ntellungen zu bezeichnen, die ovte m^aval ovzs dnl^avoi sind: rin dass er zwischen den Vorstellungen hinsichtlich ihrer nlatig d dmaxla keinen Unterschied machte, beruht ja aber gerade die (enthümliche Ansicht des Arkesilaos, die ihn ebenso sehr von Kar- ides trennte wie sie ihn den Pyrrhoneern näher brachte (Sex tos rrh. 1 232, vgl. dazu oben S. 150, 3).

214 1)^6 verschiedenen Formen des SkepticiBinus.

sind und sonach die Lehre vom Augenscheinlichen nicht für eine Philon eigcnthümUche gelten kaun.^)

Aber wenn auch die Uebertragung des Namens xaxa- XfjjiTov auf das Wahrscheinliche diejenige Eigenthümhdikeit ist, die in Philons philosophischem Wirken am meisten her- vortritt, so ist es doch keineswegs die einzige. Wenn viel- mehr, wie wir gesehen haben, Arkesilaos und Karneades ihre Skepsis von Sokrates ableiteten, ging Philon auf Piaton zu- rück, so dass sich wie im Spiegelbilde dieselbe Entwickelung wiederholt die die Philosophie schon einmal zurückgelegt hatte. Dass nun Philon die Akademie wieder Piatons Auto- rität und den von ihm gegebenen Bestimmungen unterwarf^ berichtet Augustin, ^) ohne dass wir Giomd hätten seiner Angabe zu misstrauen. Da indessen ein solches Zurückgehen auf Piaton in mehrfacher Weise erfolgen konnte, so ist die Frage, was wir hier insbesondere darunter zu denken habcai. Nach Hermaim (in der zweiten Dissertation) und Zeller (S. 593 f.) hätte Philon den Inhalt der platonischen Lehre wieder aufgenommen. Und zwar könnte dieselbe für ihn nidit mehr eine bloss esoterische gewesen sein: denn wie sowohl Hermaim als Zeller annimmt, hätte er bereits behauptet was dann Spätere wiederholten, dass auch der Skepticismus des Arkesilaos und Kanieades nur Schein gewesen sei und unter ihm die Ueberzeugung von der Wahrheit der platonischen Lehre sich verborgen habe; er hätte also zuerst den Schleier

') S. überdioss Excurs IL

*) C. Acad. III 18, 41: Philonis hominis quantum arbitwr circurospectissiroi , qui jam veluti aperire ccdentibus hostibus portal coeperat, et ad Piatonis auctoritatem Academiam logesque re?ocare; quamquam et Metrodorus id antea facere tentaverat, qui primos di- citar esse confessus non decroto placuisse Academicis nihil po0^ conprehendi sed necessario contra Stoicos hujusmodi eos arma sotf* psisse.

Entwickelung der akademischen Skepsis. 215

m Geheimniss gehoben, und konnte nun natürlich nicht lehr ein Mysterium nennen was er soeben laut verkündet itte. Wie verträgt sich aber hiermit die Ueberlioferung, ie zwischen dem platonischen Dogma und der akademischen cepsis nur die eine Versöhnung kennt dass jenes als die oterische Lehre behandelt wird? Niemand sagt uns dass liflon sich geradezu zur platonischen Lehre bekannt habe, och Augustin, der Philons Platonismus am entschiedensten arorhebt^ weiss doch zwischen ihm, der auf dem Weg zum Monismus nur die ersten Schritte that, und Plotin, der Sans Ende ging, sehr wohl zu unterscheiden.^) Und an- uommen dass Philon wirklich die platonische Lehre für ine eigene erklärt habe, wie kommt es dass Antiochos eees Umstandes, den er doch dann vor allen hätte borück- ihtigen müssen, in den Fragmenten seiner Polemik nie rwähnung thut, dass er ihn vielmehr immer als blossen ^eptiker behandelt? Gilt diess gegen Zeller sowohl als annami, so spricht gegen den Ersteren noch etwas Beson- tres. Nach Zeller gab es für Philon nur eine Gewissheit, e anmittelbare, nicht durch Gründe und Beweise ver- ittelte: war also Philon von der Wahrheit der platonischen jhre überzeugt, so muss sie ihm etwas unmittelbar Gewisses iwesen sein das auch ohne Beweis und Schlussverfahren

^) Nachdem er nach den in der letzten Anmerkung angeführten orten des Antiochos Erwähnung gethan, fügt er hinzu: Sed huic reptis iterum illis armis et Philon restitit donec moreretur, et mes ejus reliquias TuUius noster oppressit, se vivo impatiens labe- 'tari vel contaminari quicquid amavissot: adeo post illa tempora ^ longo intervallo omni pervicacia pertinaciaque dcmortua os illud itonis, quod in philosophia purgatissimum est et lucidissimum, di- ^ nubibus erroris emicuit, maxime in Plotino, qui platonicus phi- lophos ita ejus similis judicatus est, ut simul eos vixisse, tan tum tem interest temporis ut in hoc ille revixisse putandus sit.

216 Die verschiedenen Formen des SkepticismuB.

durch sich selber einleuchtet. Wer wird aber für möglich halten dass Philou sich in dieser Weise über das Wesen der platonischen Lehre täuschte? Denn wenn auch dieselbe auf einem unmittelbar Gewissen ruht, den Ideen die nur in der Anschauung gegeben sind, so ist doch das eigentliche Ge- bäude derselben nur ein daraus abgeleitetes, durch unzählige Schlüsse und Beweise vermitteltes Wissen: Philon wäre daher in oflfenbaren Widerspi-uch mit sich selber verfallen, wenn er einmal von der Wahrheit der platonischen Lehre sich bis zur Gewissheit überzeugt erklärt und dami doch wieder nur diejenige Gewissheit anerkannt hätte die an dem Augen- scheinlichen haftet.

Die Ansicht dass Philon platonischer Dogmatiker ge- wesen sei unterliegt aber noch anderen Bedenken. Die bis- herigen waren aus der Sache geschöi)ft und müssten daher verstummen oder doch zurückstehen, wenn wirklich eine glaubwürdige Ueberlieferung auf Philon als denjenigen hin- wiese der den platonischen Dogmatismus als die unter dem Schein der akademischen Skepsis verborgene esoterische Lehre bezeichnet hätte. Prüfen wii- die angebliche Ueber- lieferung daher genauer. Insbesondere ist es der heihge Au- gustin auf den man sich beruft (Zeller S. 594, 1. Hermann II 15 f.). Zeller verweist auf c. Acad. III 17, 38 und 18,40. Und allerdings spricht hier Augustin als seine Ueberzeugung ausj dass wie das Wahrscheinliche (eixog, verisimilo) ein Wahres voraussetze so auch die akademische Skepsis einen dogmatischen Inhalt zum Hintergrund habe, und dieser sei kein anderer als die platonische Lehre gewesen, m deren Dienste die akademische Skepsis überhaupt gestanden unJ schon Arkesilaos seine Polemik gegen die Stoiker gefuhrl habe. Diesem Zeugniss des Kirchenvaters legt Zeller namen^ lieh darum Gewicht bei weil es zunächst auf Cicero, übei diesen hinaus aber auf Philon als den letzten Gewährsmaon

Entwickelung der akademischen Skepsis. 217

h zurückfübreu lasse. Es fragt sich ob bei schärferer trachtuug diese Aufifassung sich bewährt. Zeller beruft ii auf Augustins Worte a. a. 0. 20, 43, iii denen allerdings ler, der an die akademische Geheimlehre nicht glauben I, einfach an Cicero verwiesen wird. Lassen wir indess 36 Stelle vor der Hand bei Seite und sehen uns einmal Abschnitt an der den die Gcheimlehro der Akademiker engenden Worten vorausgeht. Hier (17, 37) ist vom iprung der platonischen Philosophie aus der pythagore- ieu und sokratischen und sodann von deren Eigenthüm- ikeit die Rede die namentlich in die Scheidung einer ipelten Welt gesetzt wird, einer Welt des Wahren an die i das Wissen knüpft und einer Welt des Wahrschein- len die nur ein Meinen duldet. Dieser Auseinandersetzung len folgende Worte voraus: quid igitur placuit tantis viris tt den skeptischen Akademikern ist die Rede) perpetuis pertinacibus contentionibus agere, ne in quemquam caderc i scientia videretur? Audite jam paulo attentius, non id sciam sed quid existimein: hoc enim ad ultimum ßnabam ut explicarem si possem quäle mihi videatur esse am Academicorum consilium. Also nicht was er weiss idern nur was seine Ansicht ist will Augustiu uns mit- üen. Damit stehen in Einklang die Anfangsworte des jenden Abschnitts (38): haec et alia hujusmodi mihi lentur inter successores ejus quantum poterant esse ser^ a et pro mysteriis custodita. Würde Augustin sich so U ausgedrückt haben, wenn er den Inhalt seiner Mit- ilung aus einer älteren Ueberlieferung schöpfte? Gewiss ht; vielmehr weist die Form der Worte darauf hin dass ' hier lediglich eine Vermuthung des Kirchenvaters vor J haben mit der er die Ueberlieferung ergänzen wollte, i überliefert fand er vor dass der akademischen Skepsis e Geheimlehre zu Grunde lag; von sich aus fügte er

218 ^^6 verschiedenen Formen des SkepticismoB.

hinzu dass diese Geheimlehre mit der platonischen Lehie identisch war. Aber, wird man nun einwenden, Augustin weist uns ja selber an der schon angeführten Stelle an Cicero als denjenigen der über die Mysterien der Akademiker Aus- kunft geben könne. Die betreffenden Worte sind diese: hoc mihi de Acadomicis interim probabiliter ut potui persuasL Quod si falsum est, nihil ad me, cui satis est jam non ar- bitrari non posse ab homine invejiiri veritatem. Quisquis au- tem putat hoc sensisse Academicos, ipsum Ciceronem audiat Ait enim illis morem fuisse occultandi sententiam suam nee eam cuiquam nisi qui secum ad senectutem usque viiisset aperire consuessc. Quae sit autcm ista, Dens viderit; oam tarnen arbitror Piatonis fuisse. Hier finden wir zunächst abermals unsere Meinung bestätigt, dass Augustin was er über die Identität der Geheimlehre mit der platonischen Lehre bemerkt nur als Ausfluss seiner eigenen persönlichea Ansicht betrachtet wissen will (mihi persuasi; eam ar- bitror Piatonis fuisse). Hiermit steht die Berufung auf Ciceros Zeugniss (s. darüber Krische Gott. Stud. 1845, 2 S. 186) keineswegs in Widerspruch. Denn dieses, wie die Worte „ait enim illis" etc. zeigen, beschränkte sich auf das Vo^ handensein einer Gehoimlehro, Hess dagegen allem Vermuthen über die nähere Beschaffenheit derselben freien Spielraum. Was wir schon hieraus entnehmen dass eine alte Ueber- lieferung über die Identität der Geheimlehre mit der pl** tonischen nicht existirte, wird überdiess durch folgende Wortö des Lucullus bei Cicero Acad. pr. 60 bestätigt: restat illttd quod dicunt veri inveniundi causa contra omnia dici oportere et pro Omnibus, volo igitur videre quid invenerint. „non 80- lemus" inquit „osteudere". quae sunt tandem ista my* steria? aut cur celatis, quasi turpe aliquid,, sententiaitt vestram? „ut, qui andient," inquit „ratione potius qua^"^ auctoritate ducantur". quid, si utroque, num pejus est?

Entwickelnog der akademischen Skepsis. 219

m tarnen illud non celaut, iiihil csso quod percipi possit. ffos griechische Gcwährsmäuner also, wie sich hieraus bt, hatten ihm zwar berichtet dass auch die Akademiker isse Wahrheiten anerkannten, dieselben aber für gewöhn-

nicht offenbarten; welches indessen diese Wahrheiten a, darüber liessen sie ihn vollständig im Dunkeln. Ob* 3h nun Cicoros Zeugniss in diesem Punkte für sich allein m schwer genug in die Wagschale fällt, so wird es doch 1 durch ein anderes ebenfalls eines älteren Schriftstellers arstützt Denn auch Numenios berichtet zwar dass Kar- ies die Skepsis als Deckmantel positiver Ueberzeugungen atzt habe, von denen er nur dem engeren Kreise seiner aler Mittheilung machte; welches aber diese positiven erzeugimgen und ob es insbesondere die platonischen pien waren, darüber sagt er uns kein Wort, wie wir iessen müssen, weil er nichts darüber wusste.*) Ist es m hiemach höchst unwahrscheinlich dass Piatons dog- isches System im Hintergrunde der philonischen Skepsis

80 wird diese Ansicht vollends widerlegt dadurch dass on in Piaton einen Skeptiker und keinen Dogmatiker

0 Euseb. praep. ev. XIV 8, 7 f. (Thedüiga S. 44): o/iwg Si, xai- wvz6g vnb xtjq Svofixrjg tpikoveixlag eig z6 (pavEQov xvxiSv, ngog cihg iavzov kralgovg 6i* dno^^rjtwv (u/jiokoyei ts xal tjki^S'evs xal palvezo a xav äkXog rwv initvxovtütv. '0 öh KaQVBaSrig

dvTBOXQafifiiva tpikocoipwv xolg ipsva/iaaiv ixakXü)7ilt,Bto xal (thoig dkrj^ ijipdvil^e. IlaQanetdafmaiv ovv ^XC?^^ ^^^s* ifiaai xal f}hj&evev tvSoy kavfhdvwv xanrjkixatteQOv. ^Enaaxev nd^ixa ocngltov wv rd fulv xevd ininoka^^si re uji vSati xal »^fi, xd XQ^^^^ ^^^ avxwv iaxi xdxw xal iv dtptxvel. Man darf Bsondere noch darauf hinweisen, dass wenn Numenios Piatons re fQr diejenige gehalten hätte welche den Inhalt der positiven eneugungen des Karncades bildete» er sich nicht so unbestimmt [odrQckt haben würde wie er in den Worten anetpalvexo a xav >S xwv inixvxovxatv thut.

220 1)^6 verschiedenen Formen des Skepticismus.

sah, ibm daher auch keine Dogmen abborgen konnte.*) Wäre die Meinung, wonach die platonische Lehre fort und fort als geheime in der Akiulemie bewahrt wurde und die Skepsis nui* dazu diente sie gegen Angriflfe von aussen her zu schirmen, nur durch Augustin vertreten, der sie wie wir sahen für nichts als seine eigene Vermuthung gibt, so wäre sie durch die bisherige Erörterung abgethan. Aber es ist nicht bloss Augustin der sie äussert sondern auch Sextos Empeirikos, und dieser gibt sie keineswegs als seine eigene Vermuthung sondern beruft sich ihretwegen auf ältere Ge- währsmänner.*) Da wir nun die Gründe, wodurch dieselben

^) Diess beweist Cicero Acad. post. 4G: hanc Academiam novan appellant, quae mihi vetus videtur, si quldem Platonem ex illa vetere numeramus, cujus in libris nihil adfirroatur et in utramque parteo multa disseruntur, de omnibus quaeritur, nihil certi dicitur. (Vgl auch Acad. pr. 74, welche Stelle dieselbe Auffassung Piatons enthilt und wie eine spätere Untersuchung zeigen wird ebenfalls ?on Philon genommen ist. Das Gleiche gilt von Augustin c. Acad. II 6, 14, vgl dazu Krische Gott. Stud. 1845, 2 S. 180 f.) Mindestens ist es äossersl unwahrscheinlich dass Cicero diesen eigen thümlichcn Gedanken, dafi die neue Akademie eigentlich die alte hoissen müsse insofern sie di( platonische sei, selbständig gefunden und geäussert habe. Der grie- chische Philosoph aber, in dessen Namen er in dieser Schrift sprach war Philon, wie er selbst in einem Briefe an Varro (ad fam. IX ^ gesteht. Und jener Gedanke verfolgt auch dieselbe Richtung wie Phllons philosophisches Streben welches, wie wir Augustin glaubet mussten (S. 214) der diess nicht aus Vermuthung sondern als Thatsacbf berichtet, dahin ging die Akademie wieder unter Piatons Herrschaf zurückzuführen. Ja wir konnten uns diesen Aufwand von Grüodtf eigentlich sparen. Denn ein ausdrückliches Zeugniss dafür dass wirk' lieh jener Gedanke Philon gehört liegt doch wohl in folgenden der selben Schrift Ciceros entnommenen Worten (13): Antiochi magist^

Philo negat in libris duas Academias esse erroremque eorufl

qui ita putarunt coarguit.

*) Pyrrh. I 234: el Sh Set xal xoU nsQl avrov (Arkesilaos) ^7^ fjitvoig moTEveir, (paolv ozi xaia [xlv xo n()6xBiQov üv^tQwveiO^ if^'

Entwiekelung der akademischen Skepsis. 221

ni einer solchen Behauptung geführt wurden, nicht erfahren, 0 sind wir verpflichtet zu erklären wie eine solche AuflFas-

fro dvat, xaxa dh rr/v dXrj^eiav öoyfxaxtxbq rjv xal iitfl twv krai' «y dnoTifiQav i)Mf4ßave Sia ZTJg dnoQT^tixfjg ei ev(pvw^ ^x^vat HQoq p dvttkfjipiv Twv nkaxwvixmv öoyjuaTwVf do^ai avtbv dnoQt^Tixbv ivui, xoig fitvxot ye evtpviai xwv hxatQcov IlXdxwvog naQEyxfiQfXv. v^hv xal xbv k^laxcova flnetv negi avxov

TiQüöd-s nidrcDv, oni&sv üv^^iov, fdaaog /1i6d(OQog,

rb 7tQoa)^Qrja&ai xy SiaXexrix^ ry xaxd top Aioöojqov, eivai 6h nixQvg Wmtwvixov. Wer die hier mitgetbeilte MeinuDg über Ar- esilaos in Umlauf setzte, sagt Sextos nicht und vermag ich auch icht zu bestimmen. Möglich wäre dass Pyrrhoneer, insbesondere ie kurz vorher (222) genannten Menodotos und Ainesidemos zu ver- tehen sind. Denn obgleich im Allgemeinen die antiken Philosophen lefar danach strebten das in der Lehre Anderer mit ihrer eigenen ^ebereinstimmende herauszukehren, so sehen wir doch gerade die eiden genannten Vertreter des Pyrrhonismus a. a. 0. bemüht Piaton in der Reihe der Skeptiker zu entfernen und als einen Dogmatiker inziutellen: eine Auffassung, welche Arkesilaos geradezu in einen H)ginaüker verwandelt und ihn so noch schärfer von den Pyrrho- eern scheidet, würde daher wenigstens in ihrem Sinne sein. Pha- orinos allerdings scheint davon dass die Geheimlehre im Platonisrous ^tand und überhaupt von einer näheren Bestimmung derselben noch ichu gewusst zu haben: denn nach ihm erörterten die Akademiker w das Für und Wider einer Sache indem sie es dem Nachdenken brer Zuhörer überlicssen die Entscheidung zu treffen und einen Er- cnntnissgewinn daraus zu ziehen, vgl. Galen tisqI dQlax. SiSaax. c. 1 •40 f., auch S. 45. Uebrigens ist zu bemerken dass Sextos von inem solchen hinter der Skepsis verborgenen Piatonismus nur bei ^esilaos spricht, von Karneades dagegen dergleichen nichts zu be- ichten weiss. Wenn endlich Sextos oder vielmehr seine Gewährs- >4nner sich zur Bestätigung ihrer Ansicht auf Ariston berufen, so Aben sie dessen Ausspruch gründlich missverstanden. Denn Ariston ^t, Arkesilaos sei vorn {7tQoa(^fi') Piaton gewesen; das heisst doch ffcubar, er habe sich mit dem Munde als Anhänger Piatons d. i. als Akademiker bekannt, kann aber unmöglich bedeuten der Piatonismus '^be im Hintergrund der Skepsis gelegen, von hinten {om^ev) soll

222 1)^6 Yerschiedenen Formen des Skepticismns.

sung der Skepsis, die Philon selber noch nicht getheilt hatte, nach ihm von Anderen vorgebracht virerden konnte.

In demselben Maasse als die angestellte Erörterung uns nöthigte die AufFassung des Skepticismus, wonach derselbe lediglich die Hülle eines dogmatischen Piatonismus ist, Philon abzusprechen, zwingt sie uns zu dem Eingeständniss dass auch Philon die Aufgabe des theoretischen Philosophen nicht schon durch die blosse Skepsis für erfüllt ansah son- dern erst durch gewisse damit verbundene, zunächst geheim gehaltene Dogmen. Denn die älteren Zeugnisse, auf die wir uns stützten, wissen zwar von einem platonischen Dogmatis- mus nichts, sprechen aber um so bestimmter von einem Dogmatismus der als Mysterium hinter dem skeptisdien Treiben der Akademie versteckt war. unter dem Wissen und der Wahrheit, die auf diese Weise nur den tiefer Ein-

Arkesilaos vielmehr Pyrrhon gewesen sein. Richtig hat den Vers Aristons wohl Diogenes lY 32 f. verstanden, der von Arkesilaos sagt: it^xei öfj 9'avfjux^siv xal xov Ilkatcjva xal ßißXicc ixSxrtiTO ahw- dkka xal t6v Ilv^Qiava xata rivag i^f/kwxei, Kai rijq öutXfxttx^i sixsTO xal Tüfv ^EQSTQixtüv fjntero Xoywv. "OS'Sv xal iXiytto hC av- Tov vn^ kQiöTwvog'

TlQoa^B nkdtwv, om&Fv IIv^^wv, fiiaaog .dtoSwQog. Ebenso wenig hat diese Worte auf einen platonischen Dogmatismos des Arkesilaos bezogen Numenios bei Euseb. praep. ev. XIY 5, 10 fi (Thedinga S. 31 f.): l> Sl Äifxeallaog BeotpQactov Taxei xal Ki^f' TOQa TOV Wmtwvixov xal JioScjqov, eiza tlv^Qitiva, c5v imo ^ KQmtOQog 7ii9-avovQytx6g, vno JioSwqov 6h aotpiöTijg, vnb d\ Üv^ ^wvog iy^vBTo navroöanog xal hf^g xal ovSevog. Kai ikiyeto nf^ avTov aSofiEvov ri tnog na(}dy(oyov xal vßQiaxixov

ÜQoa&s xtL

Talg ovv JioSujqov, öiaksxxixov ovrog, XentoXoylaig rovg XayKff*^ Tovg üv^^covog xal rb axenrixov xarauXt^ag Siexoaßtjae Xoyov ^it- voTTjxi xy nXäxQfvog ^ki]va<f6v xiva xaxeaxwfivXfjiivov.

Enjtwickelung der akademischen Skepsis. 223

weihten zugänglich sein sollten, ist natürlich nicht das nn- blbare Wissen und die zweifellose Wahrheit zu verstehen an flehe die Stoiker bei diesen Worten dachten. Philon würde i dieser Annahme in den gröbsten Widerspruch verwickelt fden. Denn wie konnte er das eine Mal auf ein Wissen iweisen, das wenn auch geheim gehalten doch vorhanden ) und dann doch wieder die Möglichkeit eines solchen iasens schlechthin leugnen? Auch unter dem esoterischen lasen Philons kann daher nur ein solches gemeint sein, 3 es die älteren Platoniker verstanden d. i. eines bei »en genauer Schätzung immer ein wenn auch noch so inger Zusatz von Zweifel mit in Anschlag gebracht werden 188.*) Hier, wie ich nicht für unmöglich halte, wird man

') Dass der Meinungswechsel Philons, von dem die Alten spre- >n, keineswegs ein Uebergang zum vollen d. i. stoischen Dogma- Dos war, kann man auch aus folgenden Worten des Nnmenios bei icb. pr. ev. XIV 9, 1 (Thedinga S. 45) entnehmen: wg Sh n^oiov-'- ftkv rov ;f(>ovov, iS^Ttjkov 6^ vtio avvTjd-slag ovat^g avrwv r^g ^g ovShv fihv xaxa tu a^a kavrw ^vofi, rj Sh xwv na^fidtwv av^axQfifBv iva^fid rs xal ttfiokoyia, Ttokkrjv S^t* tx<ov rjöi] ' Mo^oiv vnfQeTte&vfiei ev i'a^* oxi xötv iXsy^ovxojv xvxfTv 7va idoxsi fiexä vdixa ßaküfv avxog exatv <pevysiv. Stärker als hier chieht, wenn gesagt wird dass er später in keinem Stücke mehr selbe dachte wie früher, kann die in Philons Ansichten vorgegangene nderung doch nicht ausgedrückt werden. Trotzdem wird auch r xugestanden dass Philon selbst sich nicht offen als Dogmatiker Mnt sondern nur den Wunsch geäussert habe einen zu finden

ihn widerlegen könne (vgl. auch Augustin c. Acad. III 20, 44: Adoqnidem isto se pacto a suis posteris vinci ipsi etiam fortasse tdemici optanint). Dazu stimmt des Akademikers Cotta Aeusserung Cicero nat. deor. III 95: ego vero et opto redargui me, Balbe, et quae disputavi disserere malui quam judicare et facile me a te ci posse certo scio. Als etwas wodurch die skeptischen Akademiker 1 von anderen Philosophen unterscheiden hebt Cicero Tusc. II 5 Iiervor dass sie leichter sich eine Widerlegung ihrer Ansichten ^Uen lassen. Was soll diess heissen? Ich zweifle dass man im

224 Die verschiedenen Formen des Skepticismus.

den Einwand erheben: wozu denn ein solches Wissen als ein esoterisches behandeln? Denn zwischen Esoterischem und Exotcrischem setzt man in der Regel das Verhältniss an dass dieses auf einer oberflächlichen jenes auf einer in die Tiefe hinabsteigenden Betrachtung der Dinge beruht: wobei also das Esoterische der verborgene Grund sein würde aus dem das Exotorischc hervorsteigt oder an dem es doch seinen Halt findet. Gerade umgekehrt würde aber das Ver- hältniss zwischen dem Wissen Philons, wie wir es oben näher bestimmt haben, und seiner Skepsis sein. Das Wissen Philons ist nur ein Wahrscheinliches, ist das Resultat einer das Für und Wider abwägenden Erörterung, also die Frucht eben der Skepsis und nicht deren tieferer Grund: wie daher das Ergebniss zur Untersuchung so scheint es gehört auch Phi-

Lichte der bisherigen Auffassungen von Philons Lehre im Stande sein wird diesen Wunsch zu erklären: denn wie konnte Philon wenn er nach seiner Bekehrung an ein felsenfestes Wissen glaubte, den Wunsch hegen in diesem Glauben erschüttert zu werden? Oder wenn er etwa wünschte zu dem unmittelbaren auch ein mittelbares Wissen zu besitzen, so kann doch dieser Wunsch nicht so überaus lebhift gewesen sein {vTttQeTtsihjftsi), da von der Erfüllung desselben du worauf es diesen späteren Philosophen vor Allem ankam die Tagend und das Handeln nicht abhingen, beide vielmehr schon im unmittel' baren Wissen ihren genügenden Halt hatten. Betrachten wir dagegen Philons Lehre von unserem, von dem neu gewonnenen Standpunkt aus, so räumt er auf der einen Seite zwar ein dass eine yollkommen sichere Grundlage unseres Handelns nicht vorhanden und das Aens- serste wozu wir es bringen können die Wahrscheinlichkeit ist, giM aber, indem er diese Wahrscheinlichkeit mit dem Namen des Wissens belegt, auf der anderen Seite das Streben nach einer möglichst voll- kommenen Gewissheit zu erkennen : es steht daher hiermit im besten Einklänge, wenn er, wie Numenios berichtet, den Wunsch äusserte, es möchte ihn Jemand widerlegen d. h. davon überzeugen dass es wirklich ein vollkommenes Wissen, ein Wissen in dem Sinne gibe in dem die Stoiker dieses Wort brauchten.

Entwickelung der akademischen Skepsis. 225

ODs Wissen zur Skepsis, aus der es entsprungen ist, und darf ucbt von ihr als etwas Esoterisches getrennt, muss vielmehr ne diese zum Exoterischen gerechnet werden. Indessen renn auch ein esoterisches im gewöhnlichen Sinne des Wortes D heissen Philons Wissen keinen Anspruch hatte, so können och andere Gründe Philon bestimmt haben zwar die skep- sche Methode offen zu üben, das positive Ergebniss der- Jben aber geheim zu halten. Dass solche Gründe vorhan- Bn waren und welche, lernen wir von unserem ältesten ewährsmann in diesen Dingen, von Cicero. Derselbe sagt icht uur dass die Abwägung der für und wider etwas )techeiiden Gründe, wie sie von den Skeptikern betrieben urde, den Zweck habe die Wahrheit zu finden und dass ie 80 gefundenen Wahrheiten geheim gehalten würden, Widern er fugt auch hinzu dass diess geschähe um die chiUer zu eigenem Nachdenken zu veranlassen und von ntoritäten unabhängig zu machen.^) Diesem Zeugniss

') Acad. pr. 60: restat illud, quod dicunt, veri inveniundi causa mtra omnia dici oportere et pro omnibus. volo igitur videre quid (fenerint. „non solemus'^ inquit „ostendere*^ quae sunt tandem isla lyiteria? aut cur Celatis, quasi turpe aliquid, sententiam vestram? it, qoi audient,*' inquit „ratione potins quam auctoritate ducantur". ^gl. auch Cicero Tusc. Y 83; de divin. II 150.) Aus demselben didak- lehen Grunde wird der Nutzen der skeptischen von den Akademikern ingehtltenen Methode abgeleitet bei Galen tisqI aQlaz. öiSaax. c. 1 401 K: ol vewzfQoi de (unter den Akademikern), ov yag fiovoq b ^ft^ifivoq, iviote fthv elc: roaovzov nQoayovot rt^v inox^v, wq firjSh »I' fiktov ofjtokoysTv slvai xaxaXrinTov Mors 61 elg roaovxov rz/v ^iv, iaq xal roiq fia9^tjraTq init^tTifiv avxrjv avev rov diöaxB'f]y(xi QottQov imatrifiovtxov x()iTi^()tov. Nach demselben S. 41 lobte Pha- <^08 die Akademiker als nQoaayoQBvovTaq fihv hxar^Qw (oder ist icUeicbt zu schreiben TtQoayoQevoitaq fthv kxdzfQov d. i. sie machten «itle, die für und wider sprechende Hede, bekannt) twv dvrixfifxe' •w dX).7}Xoiq Xoywv, ^mzQhnovraq 61 roiq fiuHrixaiq aiQsTai^ai rovq ^^hattQovq. Anders allerdings wird das Verhältniss der GeHeim-

Hitzel, Uiiteraiichiing»n. IH. 15

226 I^ie verschiedenen Formen des Skepücisiniu.

müssen wir von seinem Alter abgesehen auch darum Glaaben schenken, weil wir über positive Lehren des Kameades und Philon, wenigstens über solche die das Ergebniss einer skep- tischen Erörterung sind, gar nichts erfahren: und doch wenn das Ziel jeder nach skeptischer Methode angestellten ünte^ suchung das Wahrscheinliche ist, wenn dem Finden desselben Karneades und Philon einen so hohen Werth beilegten, so müssen wir annehmen dass sie einen reichen Vorrath solcher w^ahrscheinlichen Erkenntnisse besassen, den sie wenn sie nur den Willen hatten leicht in systematischer Weise da^ stellen konnten. Trotzdem haben sie diess nicht gethan. Sie begnügen sich damit auf die Bedeutung hinzuweisen die dem Wahrscheinlichen namentlich für unser Handeln zukommt; fragen wir aber was im einzelnen- Falle das Wahrscheinliche

lehre zur Skepsis von Anderen dargestellt. Sextos Pyrrh. I 234 sagt, dass die skeptische Methode nur dazu gedient habe die Schfller m prüfen und danach denen die die Prüfung bestanden hatten die pli- tonische Geheimlehre eröffnet worden sei: xal ^nü rwv halifav dnonetgav tXafißave (Arkesilaos) Sia xr^q dnoQrjuxijg ei svqwwg fxov6i TiQbg Tfjiv uvdkrjtfuv rüiv Ilkaxmvixuiv öoyfidrcDV, öo^ai ctvTov dno^ xixov elvaiy roig fiivxoi ye sdipveoi xwv f-xalQwv xd nXaxwvog ä«^ fyxtiQ^iv. Dieselbe Ansicht über das Esoterische in der Akadenie tritt uns entgegen bei Augustin c. Acad. II 13, 29: itaqne responde, quaeso, utrum tibi videantur Academici habuisse certam de Teritite sententiam, et eam temere ignotis vel non purgatis aninii prodere noluisse; an vero ita senserint ut eorum disputationesse habent. III 17, 38: haec et alia hujusmodi mihi videntar inter SflC' cessores ejus, quantum poterant, esse servata et pro mysterÜB cnito* dita. Non enim aut facile ista percipiuntur nisi ab eis qni le sb Omnibus vitiis mundantes in aliam quandam plus quam homiiii* consuetudinem vindicaverint aut non graviter peccat qnisquis ea sdeii quoslibet homines docere voluerit. Itaque Zenonem principem Sin- corum cum jam quibusdara auditis et creditis in scholam relietaa * Piatone venisset quam tunc Polemo retinebat suspectum habita> suspicor nee talem visum cui Platonica illa velut sacrosancta deer^

Entwickelnng der akademischen Skepsis. 227

sei, so bleiben sie stumm, d. L wie wir Cicero jetzt wohl glauben werden, sie erwarten dass wir durch eigenes Nach- daiken darauf geführt werden.

So gesichert das Ergebniss in dieser Hinsicht erscheint, 80 schwebt es doch in Gefahr von anderer Seite her wieder nmgestossen zu werden. Philon soll die Resultate seines Forschens, das was ihm als wahrscheinlich galt, nicht ver- öffentlicht haben? Und doch finden wir bei Stobaios ekl. n 40 flF. ein von ihm gemachtes Gerüst zu einer eingehenden Darstellung der Ethik I Diess letztere scheint doch voraus- zusetzen dass er eine solche Darstellung der Ethik selber wo nicht schriftlich so doch mündlich gegeben hatte. Und wie sollen wir uns wieder dieselbe anders vorstellen als so dass wir annehmen er habe darin die positiven Ergebnisse seines Nachdenkens zusammengestellt? Um diess damit zu

^e prodi coxnmittiqae deberent priusquam dedidicisset ea quae in iUtm Bcholam ab aliis accepta detulerat. 18, 40: sed quia hoc tan- <niain profanis nee fas nee facile erat ostendere, reliquerunt posteris et qoibus illo tempore potiierunt Signum quoddam sententiae suae (almllcli das Wahrscbeinlicbe anstatt des Wahren). Ebenso berichtet Nomenios von Kameades (Euseb. pr. ev. XIY 8, 7 Thedinga S. 44): Ö/wp^ öi, xaltot xavroq vno rrjg Srwix^g (pikovsixlag elg tu fpavsQov «Wtoy, TiQoq yf rovq kavrov hzai^ovg Si^ anoQQrixmv wfioXoyet xs *ri i}iljj^fvf xttl dnsipalvsto a xSv aXkog twv imrvxovrwv. Mit dem Zengniss Ciceros stehen diese Nachrichten in offenbarem Widerspruch: ten nach ihnen sind die Schüler die Auserwählten denen die Aka- teiiker die erkannten Wahrheiten mittheilten, nach Cicero dagegen hüteten sie sich diess zu thun weil jene sie selber finden sollten. Schon wenn wir anf das Alter der einander entgegenstehenden Zeug- liiaie sehen kann kein Zweifel sein welche Nachricht mehr Glauben ▼Ment. Aber auch darin gibt sich die von Cicero abweichende ^f^tion als eine spätere Entstellung des Ursprünglichen zu erkennen, te sie in die Akademie dasselbe Yerhältniss des Esoterischen und boterischen hineinträgt das uns in anderen Philosophien jener Zeit ^Kegnet

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228 ^^e verschiedenen Formen des Skepticismns.

vereinigen dass Philon das Veröfifentlichen des Wahren ode vielmehr Wahrsclieinlichen, auf das er in seinem Nachdenke) gekommen war, für unzweckmässig hielt, könnte man an das Vorrecht hinweisen, das die Ethik überhaupt innerhal der Skepsis geniesst: denn während die Vertreter derselbe sonst alles Behaupten vermieden, scheuten sie sich nich auch die Pyrrhoneer nicht, ganz bestimmte Anweisungen zu glückseligen Leben zu geben, die doch den Inbegriff d( antiken Ethik bilden. Wir haben aber nicht nöthig oi hierauf zu berufen. Zwar ist bei Stobaios die Rede ?c falschen Ansichten von denen die Seele befreit und vc anderen, gesunden, die ihr dafür eingepflanzt werden sollen. In welcher Weise aber diess Einpflanzen vor sich gehen 8o! ist nicht gesagt. Es ist daher auch keineswegs nothwend dass wir an einen dogmatischen bestimmte Resultate, au sprechenden Vortrag zu denken haben. Vielmehr ist ebeni wohl möglich dass Philon ein dem platonisch -sokratisdw ähnliches Verfahren im Sinne hatte. Wie bei diesem zw gewisse Ansichten oft aufs Entschiedenste verworfen, 4 danach übrig Bleibende aber nicht mit derselben Bestimm heit bezeichnet wird, so könnte auch Philon beispielsweii eine Lebensanschauung wie die epikureische zurückgewiese unter den übrig bleibenden aber zwischen einer strengoi und laxeren wie der stoischen und peripatetischen na( sorgfaltiger Abwägung aller für und wider sprechend« Gründe geschwankt und die Entscheidung dem Leser odi Hörer überlassen haben.*) Dass Philon wirklich so verfehre

*) 42: To fihv vTce^aiQerixov xwv tpevSüiv ysyertjfiivwv SoSA 6i^ ag XQixriQia voaonotstiat xtjq ^'V'/^^g, TiQoadyei Xoyov (sc imarrj/uy), Sh r(öv vyiuig i'/ovawv iv&enxov.

^) In dieser Weise mag die Erörterung verlaufen 9ein insbesoi dere innerhalb des Abschnittes der von den Gütern und Uebela hu delte (o nsQl dya&cjv xal xaxwv xonoq 42) und dem der sich w die Glückseligkeit bezog (o neQl xelaiv ?.6yog 42 f.).

Entwickelang der akademischen Skepsis. 229

ist, wird eine spätere Untersuchung, hoflfe ich, von einer nur möglichen Annahme zu einer sehr wahrscheinlichen Ansicht erheben.

Kehren wir jetzt zum Anfang der zuletzt angestellten Untersuchung zurück. Es galt den Irrthum Späterer zu irklären die hinter dem akademischen Skepticismus den )ktoni8chen Dogmatismus verborgen wähnten. Dass Philon nit den Resultaten seiner Skepsis zurückhielt und dadurch n dem Gerücht von einer esoterischen Lehre den Anlass [eben konnte, haben wir bereits gesehen. Damit war aber ler wichtigste Schritt gethan: denn der weitere, dass man ;U8 dieser esoterischen Lehre den platonischen Dogmatis- Qos machte, ergab sich nun fast von selber, wenn man ^chte dass die Akademie von Platon stammte und dass Dsbesondere Philon an diesen Ursprung wieder erinnert latte. Es schien eine einfache Consequenz, und namentlich Qiisste es so denen erscheinen die in den Dogmen einer Mosophie deren Kern erblickten, dass wer einmal Platon is seinen Meistor anerkannte nicht bloss in der Methode ondem auch in den festen Ergebnissen derselben sich ihm Jwchloss. Die Methode Philons sollte aber die platonische ein. Er ging nicht wie Arkesilaos auf das sokratische Be- lenntniss des Nichtwissens aus. Es gibt ein Wissen, nur lass dieser Name nicht im Sinne der Stoiker verstanden werden darf. Die ganze Fülle dieses Wissens aber vor An- Ißren auszuschütten hielt Philon nicht für gerathen. Niemand oDte desselben theilhaft werden als der es sich durch 'igenes Nachdenken erworben hätte. Darum begnügte er ich die Untersuchung bis zu einem gewissen Punkt zu uhren und überliess es danach Anderen das Resultat zu iehen d. h. er ging von ähnlichen Grundsätzen aus wie die liöd auf die Platon zum Schluss des Phaidros das Lob der Jialogischen Form stützt.

230 ^^6 verschiedenen Formen des SkepticismiiB.

Um Pfailous philosophische Eigenthümlichkeit zu erkennen liefert einen weiteren Beitrag ein Zeugniss, das längst be- kannt war, aber bisher immer miss verstanden worden ist Ich meine den Auszug den uns Photios in seiner Bibliothek (cod. 212) aus Ainesidems Polemik gegen die Akademikei hinterlassen hat. Dass diese Akademiker Antiochos und seine Anhänger waren ist ZcUers Meinung (III 1 S. 610, 2. 2 S. 10, 1) und nur unwesentlich weicht hiervon Haas (philos scept. succ. S. 14) ab wenn er den Gedanken an Schülei des Antiochos zurückweist. Der einzige Grund auf den sid jene Meinung stützt liegt in folgenden von Photios anf bewahrten Worten Ainesidems: „Die Anhänger der Akademie besonders der jetzigen, treffen bisweilen sogar mit stoischei: Ansichten zusammen und die Wahrheit zu gestehen A scheinen Stoiker obgleich sie die Stoiker bekämpfen/* ^) Er- innerte man sich zu diesen Worten der bekannten Äen» serungen die Antiochos als einen Stoiker innerhalb dei Akademie bezeichnen, so schien jeder Zweifel gehoben dass nur er unter den Akademikern Ainesidems gemein sein könne, und man kam nicht auf den Gedanken and das Uebrige was Ainesidem von jenen Akademikern berichte einer näheren Prüfung zu unterwerfen. Holen wir dies jetzt nach. Das zweite, was Ainesidem zur Charakterisirun{ jener Akademiker bemerkt, ist in Folgendem enthalten AevTBQov jtBQi jcoXXcov doyiiarl^ovötv, ^ger/jv re yag tß^ a(fQ06vvrii> tlödyovOi xäi dya&op xal xaxov vjrotl^evta xal dXr]d-BLav xal tpevöog xal d?} xal jitd-arov xal axl9av(^ xal ov xal fif] ov aXXa tb jtoXXd ßBßaicog oqI^ovöi, diafKft^ ßrjTBlp ÖB q)aOi jcbqI fiovrjg Tfj<; xazaXtjjcrixfjg g^atrcaol^J^

^) Ol J' «710 T^c Äxaötjfiiaq, fialiaza rfjq vvv, xal St0iX(U{ ov(A(pkQovxai ivlote doSaig xal, ei XQ^i rdhjiyhg slnelv, Stonxol ff^' vovxai fia)^6fi6voi Stcjixolg.

Entwickelung der akademischen Skepsis. 231

Hier ist zuuächst auffallend das jtsQt jtoXX(otf öoyfiatl- y»vciv. Warum heisst es nicht jcegi jtavrcov 6,, wenn die Worte sich wirklich auf Antiochos beziehen? Denn dieser war doch nicht partieller sondern totaler Dogmatiker. Und Tollends der Schluss, 6iafiq)iößfjTelv de (paCt jtegl fiovtjq rfjq xmalfjxtix^g q}airüaolag, wie stimmt der zu Antiochos' Lehre? Was wir von dieser erfahren, ist nicht dass er nur die ^^greifbare Vorstellung" der Stoiker bekämpfte sondern im Gegentheil dass er sich gegenüber seinen CoUegen von der Aioidemie ihrer aufs Wärmste annahm.^) Von ihm konnte man daher unmöglich sagen, dass er abgesehen von der j<;reifbaren Vorstellung** die er nicht gelten liess Dogmatiker gewesen sei: vielmehr war er Dogmatiker und wollte es nur aem auf Grund dieser Vorstellung. Dagegen ist offenbar 80 offenbar dass man sich wundern muss wie es bisher hat fibersehen werden können dass in jenen Worten der Standpunkt Philons bezeichnet wird. Philon konnte aller- dings von der Tugend und ihrem Gegentheil, von Gut und üebel, von Wahrheit und Irrthum u. s. w. sprechen, Defi- nitionen aufisteilen und überhaupt alles das vornehmen was die Möglichkeit eines Wissens zur Voraussetzung hat;*) was

*) Lucullus, der Vertreter des Antiochos, bekennt sich bei Cicero And. pr. 18 ausdrücklich zur stoischen Auffassung der xaxaXrinxixii fftytaala (id nos a Zenone definitum rectissime dicimus) und bewährt dien durch den ganzen folgenden Vortrag.

*) Dass er diess wirklich that, erhellt auch aus dem was uns ^ Stobtios ekl. II 40 f. über seine Eintheilung des xcaa <piloao<plav ^oq mitgetheilt wird. Hier wird der nQoxQhnrixoq Xoyog definirt •1« na^ogfiwv inl z^v d^errjv und ein eigener Abschnitt tibqI dya- ^y xal xaxwv bestimmt: die Wirklichkeit einer Tugend und das Vorhandensein von Gütern und Uebeln wurde also nicht angezweifelt, BM)chte immer die weitere auf eine nähere Bestimmung hinzielende ^rtenmg dialektisch angestellt werden und resultatlos bleiben iS. 228),

232 I^ie verschiedenen Formen des Skepticismos.

er leugnete war einzig und allein dass dieses Wissen auf einer „greifbaren Vorstellung** ruhe, so wie die Stoiker die- selbe verstanden.*) Auf Philon, den zum Dogmatismus nei- genden Skeptiker bezogen, gibt nun auch das jceqI xoXXmvi. keinen Anstoss mehr. Dass wirklich an ihn und keinesfalls an Antiochos zu denken ist, beweist aber auch was Ainesi- dem weiter hinzufugt. Nachdem er noch einmal den Unter- schied zwischen Pyrrhoneern und Akademikern hervorgehoben hat, fährt er fort: To 6i fityiörov, ol iiev (die Pyrrhoncer) jctQl Jtavroq rov jtQortd-evTog diajiOQovvrsg x6 re övCtoi- XOP öiaTtjQovöi xal iavrolg ov (idxovrac, ol de fiaxoiiivou; tavrolg ov owloaöi' to yaQ afia rcd-ivai ri xal (dQitv dvafi^ißoXcog cifia re ^dvat xoivcjq vjtccQx^iv xaraifixta /iccxf/v ofiokoyovfitvrjp elödyer Ijctl jiöjq olovza yivciöxovxa TO&e [ibP tlvai dXi]d-iq xoöe dl tpevöog tri öcaJtoQBlv xdi diOtdöat xal ov öaq)d)g zo (itv tXiöd^ai ro dl jcsQiOtijvai; d (ilr yaQ dyrottrai ort rodt iötlr dyad^ov i] xaxov, fj rode filv dXrjO^lg rode öl tpevöog, xal zoöe fxlv ov toie & (iil ov, jtdvTcog oiioXoyrjrtov exaöxov dxardXrjJtTOV dvai' tl ö^ IvaQymg x«r' ata9'7]öiv i] xard rotjöiv xaraXafißdvitai, xaraXrjjcTov ixaöxov (paxtov. Auch aus diesen Worten gebt deutlich genug hervor dass wir es mit Akademikern zu tbun haben die, wenn sie auch in ihrem Skepticismus sich nicbt immer consequent blieben, doch als Skeptiker gelten wollten: man hätte sie deshalb nie mit Antiochos und seinen An- hängern verwechseln dürfen. Wenn es trotzdem gescheben ist, so wird diess nur dadurch cinigermaassen begreif lieb

M Davon ist früher schon die Rede gewesen. Ich setze «ff leichteren Vergleichung mit Photios' angeführten Worten noch ^* mal her was über Philon Sextos Pyrrh. I 235 berichtet: ol 61 tu^ 'PlXüfvd ipaoiv oaov /xhv inl atatixio xQtrijQia), xovxbaii xy xatU' hjTixix^ (fdvxaala, dxaxdXrinxa tivai xa. TiQcr/fxaxa, oaov 6h iid Vi (fvoti xwv TiQayfidrwv (xvxwv xaxuhima.

^twickelung der akademischen Skepsis. 233

as8 man die Worte so las wie ich sie hergesetzt habe, ämlich afia re tpavai xotifCDg vjiaQXf^tP xaxaXriJtTa, Nahm lan die Worte iu dieser Form und löste sie aus dem Zu- immenhang, so war es wenigstens möglich an Antiochos zu mken; nöthig freilich keineswegs, denn dass auch Philon n xaxaXrinrov anerkannte, haben wir nun zur Genüge ge- hen. Aber nicht bloss ganz unsicher ist dieser Anhalt i den man vielleicht die Deutung auf Antiochos knüpfen ollte: nein! er ist in Wirklichkeit gar nicht vorhanden und jniht lediglich auf einer durch die Ueberliefeining hervor- irufenen Illusion, da aus dem Gedankenzusaufmenhang nicht naXrjjtra sondern dxaxaXrj:jtTa sich als das Ursprüngliche id allein Richtige ergibt.^) Zwischen den Akademikern

*) Den Akademikern wird in den angeführten Worten der Vor- urf gemacht, dass sie, indem sie das eine Mal Alles in Zweifel )hen das andere Mal ein Erkennen und Wissen für möglich halten, )h in einen Widerspruch verwickeln: xo yaQ clfia tiS'evai zt xal ^uv dvafKpißoXwg afia te <p<xvat xoivwq vnaQXfiv xaTaXrjnrä /ua/i/v ßkoyov/uvjjv eladyei. Es fragt sich in welchem der beiden ein- der gegenüber gestellten Satzglleder der Zweifel an Allem und in )lehem die Anerkennung der Möglichkeit eines Wissens ausgedrückt - Bezieht man in den Worten afia zt^tvai n xal aiQeiv das a/i« f xi^hai xal aigeiv und lässt das folgende afia ausser Acht, so AD das gleichzeitige Setzen und Aufheben eines Dinges denn MS würde dann der Sinn sein allerdings zur Bezeichnung der ^«piis dienen. Dadurch hat man sich wie es scheint tauschen las- Q: denn es passte nun sehr gut dass in dem gegenüberstehenden •tzgliede, in den Worten (pdvai xoivwg xt).., die Richtigkeit der 'berlieferung vorausgesetzt, die Möglichkeit eines Wissens anerkannt Jd. Aber jene Worte äßa ti^ivai xi xal aiQetv als den Ausdruck ^ Skepsis zu fassen geht eben nicht an , und zwar deshalb nicht )il a^ nicht mit dem unmittelbar Folgenden verbunden werden ff sondern in Beziehung zu dem zweiten a/ua steht, die Gleich- itigkeit also im Setzen und Aufheben, die betont werden muss ^on die Worte zur Bezeichnung der Skepsis dienen sollen, nicht ^ Ausdruck gebracht ist. Hierzu kommt noch ein Anderes. Von

234 I^ie verschiedenen Formen des Skepticismas.

die Ainesidem bekämpft und Antiochos besteht also keine Gemeinschaft der Lehre. Im Gegentheil werden wir an An- tiochos dui-ch Aiuesidems Polemik erinnert: denn das Wesent- liche was darin den Akademikern vorgeworfen wird, ist doch dass dieselben im Einzelnen fortwährend Wahrheit und In^ thum von einander scheiden trotzdem aber im Allgemeinen beide für nicht unteracheidbar erklären; diess ist aber gera& das was auch Antiochos dem Philon vorgehalten haben solL^]

dem Dogmatismus der Akademiker ist schon vorher einmal die Bedi gewesen, und dort lesen wir: oi filv dno t^g kxad^fiiag Soyfiotixoi xk elai xal ra fihv rfS-evrai döiaraxxwq ra dh afgovotv dvafitptßobK Hieraus sehen wir dass auch in den Worten cifia tt^evai u xtd d ^eiv dvafji(ptß6?.(og dor Nachdruck auf dem letzten Worte liegt, da« dadurch dem ti^hai sowohl als dem aiQhiv der dogmatische Ckft' rakter aufgeprägt worden soll. Enthält nun aher das erste Satzgliec den Ausdruck des Dogmatismus, so müssen wir den Skepticismos io zweiten suchen und da dies nur hei einem Abgehen von der Ueber lieferung möglich ist die leichte Aenderung des xatakr^nTa in dxaii XTfTtxa vornehmen, wodurch Alles in Ordnung kommt.

') Man lese zunächst bei Photios aus Aiuesidems Polemik gegei

die Akademiker Folgendes: dQetr^v xal dtpQoavvrjv elcdywa

xal dyaSvv xal xaxbv vnotl&evtai, xal dh'i^ttav xal ^fevSog, xd A xal nt^avbv xal dm^avov, xal ov xal firj o%' älXa xe noX?M ßeßalit

oqI^ovoi xb yd(i äfia xiS'ivai xi xal al^gett* dvafifif^

kcDg äfxa xf (pdvai xoivmg vnaQx^^^ dxaxdktjnxa (für xaxa).Tfntd) fU Xfiv bfioXoyovfiivtjv tiadysi, inel neig olov xe yivmaxovxa xoSe elvai dXrf^lg xoöe Sh tpsvdog Ixi dianoQBiv xal öiaxdaat, xal ov 0t (föig xb fisv tkio&ai xb de ntgtoxrlvai; si fnav yaQ dyvoHxai <w xoöe iaxlv dya&bv y/ xaxbv rj xoöe fih%' d^.tj&eg roös 6h tiffvSog *< xode fikv ov xoSe 6s fjLf} ov, ndvxmg bfiokoyrixsov txaaxov dxardh nxov tivai' ei 6^ ivagyeHg xax* aia^aiv // xaxa vofiotv xccxaXapfi vexaty xaxaXijnxbv exaaxov tpax^ov. Hiermit vergleiche man irwU cullus bei Cicero Acad. pr. 43 f. sagt: definitiones et partitioDi et herum luminibus utens oratio, tum similitudines dissimilitadin« que et earum tenuis et acuta distinctio fidentium est hominum iU vera et firma et certa esse quae tutentur, non eorum qui cltmei nihilo magis vera illa esse quam falsa, quid enim agant si cum tl

Entwickelung der akademischen Skepsis. 235

ui begreift hiernach kaum noch, wie überhaupt Jemand i den Akademikern Ainesidems an Antiochos denken konnte, 1 es wird diess wirklich auch nur erklärlich durch die lon S. 230, 1 angeführten Worte, in denen die Ueberein- lUDung jener Akademiker mit den Stoikern bemerkt wird: in man erinnerte sich hierbei der Stellen, an denen von * stoisirenden Richtung des Antiochos die Rede ist. Da 1 aber die angestellte Untersuchung uns verbietet femer Antiochos zu denken, so müssen wir auch den fraglichen )rten eine andere Beziehung geben: was auch dadurch pfohlen wird dass Ainesidems Urtheil durchaus nicht in

d definierint roget eos quispiam, num lila defiaitio possit in aliam 1 transferri quamlubet? si posse dixerint, quid dicere habeant

illa vera definitio sit? si negavoriot fatendum sit, quoniam vera initio transferri non possit in falsum, quod ea definitione explice-

id percipi posse; quod minime illi volunt. eadem dici poterunt Omnibus partibus. si enim dicent ea de quibus disserant se dilu- e perspicere nee uUa commuuione visorum inpediri, conprehendere se fatebuntur etc. Diess geht zunächst gegen Karneades. Da- |en ist, wie die Vergleichung von 111 lehrt, Folgendes der Polemik I Antiochos gegen Philon entnommen : maxime autem convincuntur B haec duo pro congruentibus sumunt tam vehementer repugnantia : mom esse quaedam falsa visa; quod cum volunt, declarant quae- n esse vera; deinde ibidem, inter falsa visa et vera nihU Interesse, primum sumpseras tamquam intercsset: ita priori posterius, poste- ri Buperius non jungitur. Zur Bestätigung dafür, dass Ainesi- ns Bemerkungen sich gegen die skeptische Akademie richten, kann A noch hinweisen auf das was Sextos Empeirikos über den Unter- üed der Pyrrhoneer und Akademiker sagt Pyrrh. I 226: diatpegovat ^fuöv TiQodriXwq iv xy twv dyaO-div xal töJv xaxüiv XQiaei. dya- V ya^ xL <faatv eivat ol kxaSrjfta'ixol xal xaxbv ovx o*Q ^ßf^^t wt fKxa Tov nenelo^ai oxt ni&avov ^axi ftäkXov o Xtyovaiv eivai «(^ vTtd^etv rl xb ivavxlov, xal inl xov xaxov bfnoimg xxX. 3: nUfiv et (ifi Xiyoi xiq oxi ^ßslq fitv xaxa xb tpaivofievov rifjüv «^« Uyofuv xal ov diaßeßaiejxixcjg, ixelvog (Arkesilaos) dt iog ^ Tijv fpvaiv, Saxe xal dya&bv fitv eivat ccvx^v Xiyeiv xr^v ino- Wücbv ÖS x^v avyxaxd^eaiv.

236 1^16 verschiedenen Formen des Skepticismns.

dem Miuisse wie man anzunehmen scheint mit dem ander- wärts über Antiochos gefällten zusammeiitriflFt; denn während die Uebereinstimmmig zwischen den Akademikern und den Stoikern nach Aincsidem nur bisweilen (trlozs) stattfand soll die zwischen Antiochos und den Stoikern sich auf da? Meiste erstreckt haben. ^) Freilich fehlt es sonst an einei ausdrücklichen Ueberlieforung dass bereits Philon allerle aus der stoischen Lehre in die Akademie herübergenommei habe.*) Diess würde indessen sobald die Annahme nur niditi Unmögliches enthält noch kein Gegenbeweis sein.') Um warum könnte denn Philon, wenn er von den Tugenden wenn er von Gütern und Uebeln und dergleichen sprach sich nicht die stoischen Definitionen zu Nutze gemacht haben! Wenn derselbe nach Stob. ekl. II 40 den Beweis führte, dass dii Tugend oder die Philosophie etwas ausserordentlich Nützliche sei/) so klingt diess doch mehr stoisch als platonisch. Da Gleiche gilt von seiner Aeusserung, dass die Philosophie e ausschliesslich mit der Glückseligkeit zu thun habe.*) Feme

') Plutarch Cic. 4 sagt von Antiochos: vor Staßi'xdv ix fifw flo?.rjg S'eQanevwv Xoyov iv totg nXeiaroig. Bei Cicero Acad. pr. 13 heisst er Stoicus perpauca balbutiens. Vgl. dazu 132: Antiocbam qa appellabatur Academicus, erat quidem si perpauca mutavisset ger manissimus Stoicus.

^ Doch könnte man ein Zugeständniss dass bereits Phfloi Stoisches sich angeeignet hatte in den Worten des Sextos Pyrrh. 235 finden: d?J.a xal b kvrio/og Tr)v aroav fuettjyayev flg ^ lAxaSr'iniav. Denn vorher ist von Philon die Rede gewesen.

') Auch in Ueberwegs Grundriss S. 148* finde ich die Bemer kung dass Philon, obgleich er die Stoiker bekämpfte, doch in ^^ Behandlung der Ethik sich ihnen bereits genähert zu haben scheine

*) ^EoTi yaQ 6 nQOXQfnrixoq b 7iaQ0(iinwv inl r//v dgerriv. tw Tov b fisv ivdeixvvrai xb /ieyaloKpt?.hg avrijg. Unter arnj^ btfU man sowohl die dQtxr^ wie die (fi).ooo(fia verstehen.

^) A. a. 0. 42: xal yuQ xy laxQixy onovAt) näaa negl xo tü^ xovxo 6* rjv vyieia, xal xy tpiXoaotpln negl r/)v evdai/ioytav.

Entwickelung der akademischen Skepsid. 237

ie Fragen die er erörtert hatte, ob der Weise sich am Staats- tben betheiligen, ob er mit Fürsten verkehren, ob er eine he schliessen solle, ^) sind doch sämmtlich solche die zuerst id vorwiegend in der kynisch- stoischen Schule verhandelt Orden. Was wir also aus Photios Neues über Philon lernen, t, dass bei ihm bereits der stoische Einfluss hervortrat der mn bei Antiochos in noch höherem Grade sich geltend acht*) Dass der Einfluss der Stoiker auf Philon sich mgens weiter erstreckte, nämlich nicht bloss auf einzelne efinitionen und die Wahl der Fragen die er zu beant- orten suchte, wird eine spätere Untersuchung lehren. Vor 3r Hand will ich noch auf einen Umstand hinweisen, der )enfalls den Stoicismus Philons bestätigt, d. i. die stoisirende ichtung seiner Anhänger.

Wer sind diese Anhänger Philons? Die herrschende

') A. a. 0. 44: iniaxoTisTv 6iov iavl el rdi vovv exovxi

oliTsvziov, t] Totq t^yefiovixoiq ovfißKotiov, ?/ yafttjriov xw oo(pw.

*) Einen anderen Gewinn, der aus der richtigen Deutung der kademiker des Photios entspringt, erkennt man leicht. Es wird idurch endlich die Frage nach der Zeit des Ainesidemos entschie- en. Bereits Leander Haas de philos. scept. succ. S. 14 hatte die- iibe dahin beantwortet, dass Ainesidem den älteren Skeptikern zu- rechnen d. h. noch in die erste Hälfte des letzten Jahrhunderts Chr. zu setzen sei, und Diels doxogr. S. 211 war ihm hierin bei- ^treten. Zeller, der früher schon Ainesidems Zeit weiter herab- sehe, hielt auch nach der Erörterung von Haas an dieser Meinung !8t (III 2 S. 10'), indem er unter den Akademikern nicht Antiochos tlber sondern dessen Anhänger verstand. Dieser Einwand war nicht iicbt abzuweisen. Viel fester steht in dieser Hinsicht die jetzt ge- onnene Zeitbestimmung. Denn wenn unter der jetzigen Akademie ^ «J* dno rfjg kxaStifiiag, fiaXiava rTig vrv), von der Ainesidem prieht, diejenige Philons zu verstehen ist, so kann damals, zu der ^it als Ainesidem diese Worte schrieb, dieselbe noch nicht in die •ntwickelungsphase eingetreten sein die an den Namen des Antiochos eknüpft ist.

238 I^ie yerschiedenen Formen des Skepticismas.

Ansicht ist, dass zu Cicoros Zeit die Lehre Philons äst all- gemein verlassen und an ihre Stelle die des Antiochos ge- treten war und dass die letztere das Vorbild für den Pla- tonismus der Kaiserzeit gewesen ist.^) Der eine Grund, den Zeller zum Beweise dieser Ansicht beibringt, das Zeugniss Ainesidems,*) ist durch die eben (S. 230 S.) angestellte Untersuchung beseitigt worden. Es bleiben noch zwei Gründe: das Zeugniss Cicoros und die Behauptung dass nach Allem was wir über die spätere Akademie erfahren der Eklektids- mus des Antiochos sich fortwährend in ihr erhielt. Was zu- nächst das Zeugniss Ciceros betriflPfc, so hat man demselben eine Bedeutung gegeben, die es in Wirklichkeit nicht hat und wohl auch im Sinne des Urhebers nicht haben sollte. Wenn Acad. pr. 11 gesagt wird dass die fast aufgegebene akademische Philosophie damals von Cicero wieder erneuert wurde, so wird man diess zunächst auf römische Verhältnisse beziehen, da auf die Griechen einen solchen Einfluss Cicero sich weder zugetraut hat noch in Wahrheit haben konnte. Diese Erklärung wird bestätigt durch de nat. deor. I Denn warum wird hier, nachdem schon bemerkt war dass die akademische Lehre keine Anhänger mehr hatte, noch hinzu- gefügt „quam nunc prope modum orbam esse in ipsa Graeda intellego"? Offenbar nur deshalb weil das Vorhergehende allein von den Römern galt. Aber freilich sagt uns diese Stelle auch, dass in Griechenland die akademische Lehre ausgestorben wai*. Lidcssen ist bei Griechenland vorzugs- weise an Athen zu denken. Dort, will Cicero sagen, hatte

^) Zeller III 1 S. 608 ff. üeberweg Grundr. S. 145*.

*) Denn Ainesidem spricht von der ihm gleichzeitigen Akademie (tfjg vvv Äxa6ri(.daq) als wenn es nur eine des Namens gäbe: ist die* Akademie nun, wie Zeller annimmt, die des Antiochos, dann ist da- mit auch bewiesen dass zu Aincsidems Zeit die Philons nicht nebr existirte.

Entwickelung der akademischen Skepsis. 239

) Lehre Philons keinen namhaften Vertreter; und hiermit mmt auch die sonstige Ueberlieferung überein, die zwar idifolgcr des Antiochos in der Vorstandschaft der Akademie mt (Zeller III 1 S. 609, 1), von solchen Philons dagegen hts weiss. Begreiflich wird dieses plötzliche Erlöschen ' akademischen Skepsis in Athen, sobald wir annehmen B Philon seitdem er Athen in Folge des mithridatischen ieges verlassen hatte niemals wieder dorthin zurückgekehrt r.*) Zugegeben also dass die Vorstandschaft in der Aka- ttie in Athen von den Skeptikern auf die Dogmatiker L die Anhänger des Antiochos übergegangen war, so folgt »08 doch keineswegs dass auch ausserhalb Athens die ilonische Richtung keine Vertreter mehr hatte. Wer bürgt \ denn, da wir von Rom absehen müssen, dafür dass es "gleichen nicht in Alexandria gab? In der That finden dort den Tyrier Heraklit und die Römer P. und C. Sei ins iTetrilius Rogus (Cicero Acad. pr. 11), die zu den eifrig- n Anhängern Philons gehörten. Für eine Philosophie aber, ( in den folgenden Jahrzehnten und Jahrhunderten eine De spielen sollte, war es fast wichtiger dass sie in Alexan- en Wurzel gefasst hatte als dass sie in Athen weiter [)fl^ wurde. Es wäre daher wolil denkbar dass über Bxandrien der Weg ging der von der philonischen Akar öie zum Piatonismus der Kaisorzeit führte. Dass diese äteren ihre eigenen Bestrebungen mit Uebergehung des itiochos an Philon anknüpften, darf man wohl aus Augu- 08 Worten schlicssen der in der Thätigkeit der Neupla- üker nur die Vollendung des von Philon begonnenen erkes sieht und das Auftreten des Antiochos als eine vor-

') Noch in Rom hat er die Schrift verfasst, die seine eigen- ^icbe Anffassung der Skepsis begründete und den Unwillen des ■Uochos so lebhaft erregte (.Cicero Acad. pr. 11).

240 I^ie verschiedenen Formen des Skepticismns.

übergehende, die geradlinige Entwickelung des Piatonismus störende Phase behandelt;^) und nicht viel anders beurtheilt den Antiochos doch auch Numenios, wenn er von ihm sagt (bei Euseb. praep. ov. XIV 9, 2) dass er unzähliges Fremd- artige in die Akademie gebracht habe (fivQla §tva ^pocf^fc rij l4xa6fjfjila), Indess war diess möglicher Weise nur eine subjective Ansicht, die weil sie auf mehr Material sich grün- dete zwar mehr gilt als die unserige aber doch kein^wegs den Werth einer Ueberlieferung besitzt. Ob Antiochos oder Philon den späteren Platonikeni die Bahn gewiesen hat, kann daher nur entschieden werden durch eine genaue Ver- gleichung der den einen wie den anderen zugeschriebenen Lehren, wobei unter den Piatonikern in erster Linie die beiden berücksichtigt werden müssen die für uns den Ueber- gang von der Akademie zum späteren Piatonismus darstellen, Eudoros und Aroios Didymos.

Um zu zeigen dass der letztgenannte der Richtung des Antiochos folgte hat Zeller (III 1 S. 616, 1) sich auf die bei Stobaios erhaltene Darstellung der peripatetischen Ethik be-

*) Von Philon sagt Augustin contra Acad. III 18, 41 ,jam yelati aperire cedentibus hostibus portas coeperat et ad Piatonis aoctorita- tem Academiani legesque revocare'S von Antiochos „aaditis Philone Academico et Mnesarcho Stoico in Academiam veterem, qua&i vaciuiB defensoribus et quasi nullo hoste sccuram, velut adjutor et dvis i^ repserat, nescio quid inferens mali de Stoicorum cineribus quod PU- tonis avita violaret". Danach fährt er fort „Sed huic arreptis iteruo Ulis armis et Philon restitit donec moreretur et omnes ejus reliqoiiB Tullius uoster opprcssit se vivo impaticns labefactari vel contamioari quidquid amavisset: adeo post illa tempora non longo Intervalle omni pervicacia pertinaciaque demortua os illud Piatonis, quod in pbilo- sophia purgatissimum est et lucidissimum, dimotis nubibus erroris emicuit, maxime in Plotino'' etc. Denselben Sinn hat es offeobtr wenn Antiochos von Augustin a. a. 0. 41 feneus ille Platonicos g^ nannt wird.

EntwickeluDg der akademischen Skepsis. 241

rufen, die ganz denselben stoisirenden Charakter trage wie iie auf Antiochos zurückgehende bei Cicero. Zugegeben nun Wdymos spreche wirklich durch diese peripatetische Dar- itelliing seine eigene Ansicht aus, so würde er auch dann loch nicht für einen Antiocheer gelten können, da, wie ich Hiher (Th. II S. 713 ff.) gezeigt habe, mehrere Punkte dieser )ar8tellung mit sonst bekannten Ansichten des Antiochos in Widerspruch stehen. Aber, wie ich ebenfalls schon nach- [ewiesen habe (Th. II S. 695 ff.), es ist diese Darstellung iberhaupt nicht der Ausdruck einer einheitlichen Ueher- «aping, sondern zusammengesetzt aus den Excerpten ver- chiedener peripatetischer Schriften, und kann daher nicht ur Kenntniss der Lehre dos Didymos verwandt werden.^) Sme in der stoisirenden Form der peripatetischen Darstel- iing das Bestreben des Antiochos zum Vorschein diese beiden ^lulosophien mit einander auszugleichen, so müsste etwas ilntgprechendes sich auch in dem stoischen Abschnitt be- obachten lassen d. h. auch hier die Absicht erkennbar sein Iie stoische Ethik durch Milderung ihrer Schroffheit der

') Wenn Zeller S. 617, 2 darin dass die Darstellung bisweilen Uis der indirecten Rede in die direete übergeht ein Zeichen findet liK Didymos zwischen seiner eigenen Ansicht und der peripateti- icken keinen Unterschied mache, so setzt er voraus dass die ganze Stellung so wie sie uns jetzt vorliegt aus den Händen des Didy- B08 gekommen ist. Kaum aber wird Jemand, der die Beschaffenheit ücht bloss dieser sondern auch der übrigen ethischen Darstellung Mdenkt, dieser Voraussetzung zustimmen. Aber selbst für den Fall 1*S8 schon Didymos für die Form der Darstellung verantwortlich ^e, 80 würde auch dann der von Zeller hervorgehobene Umstand ^cht beweisend sein: denn wie leicht kann es bei einem l&ngeren B«ferat fremder Ansichten begegnen dass man im Bestreben diesel- ^ aus dem Geiste ihres Urhebers heraus darzustellen sich mit die- '^ wenn auch nur vorübergehend eins fühlt und daher stellenweise den Ton der directen Rede anschlägt.

Hirxel, Untennchuiigeii. in. 16

242 l^^e verschiedenen Formen des Skepticismns.

peripatetischcn anzunähern. Diess ist aber keinesw Fall. Ueberhaupt kann wenn es sich darum handelt E eigene Ansicht kennen zu lernen dazu nicht eine dei rein historischen Darstellungen die pcripatetische c stoische benutzt werden, sondern nur die beiden Yorang denn hier werden die Lehren anderer Philosophe einfach niitgetheilt sondern einander gegenübcrgesfa dadurch der Keim zu einer selbständigen Erörterung Nun habe ich aber schon früher (Th. II S. 837 Ar merkt dass in diesem Abschnitt vor allen Philosopl erwähnt werden, Piaton der bevorzugte ist. Dass ein nicht der Verfasser sein könne, habe ich hieraus sc mals geschlossen. Aber auch zu Antiochos passt di( fahren nicht. Denn wenn derselbe auch in letzter ' seine Lehre von Piaton ableitete, so waren doc nächsten Autoritäten Aristoteles und noch mehr Xei und Polemon.*) Keiner der beiden letzteren wird

M Antiochos als Mitglied der Akademie sachte natC Piaton anzuknüpfen. Insofern sagt Sextos Pyrrh. I 235 g( Recht von ihm: inföelxvve oit Tiaga IlXanovi xeirai ta t xüiv doYfxaxa. Ausführlicher ist Antiochos* Verhältniss i dargestellt in Varros Worten bei Cicero Acad. post. 16 ff. sen ergibt sich einmal allerdings dass Antiochos die pl Lehre vortragen wollte, ausserdem aber dass er zur Kennt selben nicht so sehr die platonischen Schriften (aus denen mehr die Kenntniss der eigenthümlichen Weise des SokrateB wollte, vgl. auch Acad. pr. 15) als die Lehren seiner Schale teles und Xenokrates benutzte. Daher erklärt sich die Qb^ Autorität, die diese beiden für ihn besassen, vgl. Cicero . 137: Aristoteles aut Xenocrates quos Antiochus sequi voleb num quid horum probat noster Antiochus? ille vero ne migc

dem suornm: ubi enim aut Xenocraten seqnitur ai

Aristotelem ? Bedenkt man dass diesen letzteren W<

mittelbar vorausgeht die Erwähnung Piatons, dass dieser a mit zu den Vorfahren (^majores) des Antiochos gezählt wird.

BIntwickelung der akademischen Skepsis. 243

n dem fraglichen Abschnitt auch nur genannt Dagegen 8t bemerkenswerth dass die Uehereinstimmung zwischen iokrates Piaton und Pythagoras hervorgehoben wird:*) denn linmal ist für die Entwickelung des späteren Piatonismus jerade die Verbindung von Bedeutung gewesen in die man ^laton und Pythagoras brachte, 2) und ausserdem werden ge- egentiich diese drei den von Antiochos anerkannten Autori- äten gegenübergestellt.^) Mit der Lehre des Antiochos steht

Sin dass für Antiochos Piaton nicht viel mehr als ein blosser Name ind in Wirklichkeit Aristoteles und Xcnokrates seine Autoritäten raren. Auch Acad. pr. 136 bestätigt diess, wo sie als solche im }egensatz zu Sokrates erscheinen; und keinen anderen Grund hat I, wenn Plutarch in der Yergleichung des Kimon und Lucnllus 1 lesen letzteren, den wir als Anhänger des Antiochos kennen, einen Verehrer des Xenokrates nennt. Dass neben Xenokrates auch Pole- lOQ viel bei Antiochos galt und insbesondere von ihm zur Entschei- Inng der Cardinalfrage nach dem höchsten Gut herbeigezogen wurde, ßlurt Cicero Acad. pr. 131. de fin. V 14.

') 64: SwxQaTrjg IlXdrwv tavrä zw üv^ayoga, reXog b/uoltoaiv hov.

*) In Plutarchs Schrift über Kindererziehung p. 2C werden eben- aUb Pythagoras Sokrates und Piaton zusammengestellt, ebenso in der nten Rede über das Glück Alexanders p. 331 A.

*) Von Cicero Tuscul. V 30: non igitur facile concedo neque too meo neque communibus magistris nee veteribus illis, Aristotcli ipensippo Xenocrati Polemoni, ut cum ea quae supra enumeravi in oalis numerent idem dicant semper beatum esse sapientem; qnos si itolus hie delectat insignis et pul eher, Pythagora Socrate Piatone lignissimns, inducant animum illa quorum splendore capiuntur viris 'aletadinem palchritudinem divitias honores opes contemnere eaque lue his contraria sunt pro nihilo ducere. Hierzu hat bereits Heine •m im Text Gesagte bemerkt. Aehnlich wie Cicero stellt die drei benannten auch Numenios bei Euseb. pr. cv. XIV 5, 7 zusammen; nid dass derselbe sich hierin an Antiochos angeschlossen habe, ist ichon deshalb nicht anzunehmen weil an der angeführten Stelle ge- r»de die Verschiedenheit der platonischen Lehre von der des Aristo- ^les und Zenon betont wird.

16*

244 I^ie verschiedenen Formen des Skepticismos.

ferner in Widerspruch dass nicht bloss die äusseren sondern auch die leiblichen Güter von den Bestandtheilen des höch- sten Gutes ausgeschlossen werden (58, vgl. dazu Th. II S. 715 f.); und nicht für ihn lässt sich anführen dass einmal (64) aus den zwei Theilen des menschlichen Wesens auf zwei Arten von Gütern geschlossen wird.*) Auf Grund dessen was bei Stobaios von ihm erhalten ist wird man daher Areios Didy- mos in Zukunft nicht mehr für einen Anhänger des Antiochos ausgeben. Ebenso wenig darf man Eudoros dafür erklären. Denn wenn dieser (50) die Lust ohne Weiteres unter die Güter (zunächst unter die jtQO?jyovfi6va) rechnet, so ent- spricht diess keineswegs der Meinung des Antiochos (vgl Th. II S. 713), und ebenso wenig lässt es sich mit dieser vereinigen dass die Tugenden die von Antiochos zu den um ihrer selbst willen erstrebenswortben Dingen gezählt und in dieser Hinsicht den leiblichen Gütern gleichgestellt wurden (Cicero fin. V 68) bei Eudoros nur die Mittel sind durch die wir die Güter erwerben. 2)

') Die betreffenden Worte lauten: ix yag awfiatoq xal t^W Tov dvi^^wjiov avveaxwxoc dvayxrj xal rt/v fi'^dtfifav avrov ne^ rovr« xal 6iä TovTwv avviataa&ai. Vorher war von den verschiedenen Ansichten über das höchste Gut die Rede, dass die Einen dasselbe in die Tugend, die Anderen in die Lust, wieder Andere in die ye^ bindung beider setzten. Wären nun die fraglichen Worte die Be- gründung lediglich dieser letzten Ansicht, so hätten wir allerdings eine Lehre vor uns die der des Antiochos sehr nahe käme. Dieselbe aber hier ausgedrückt zu finden ist deshalb misslich, weil knn Tor her (58) gerade die leiblichen Güter von den Bestandtheilen des höchsten Gutes waren ausgeschlossen worden , der Verfasser alw in jenem Falle mit sich selbst in Widerspruch treten würde. Jene Be- gründung, was überdiess die am nächsten liegende Anffassong v^ kann daher nur erklären sollen weshalb bei aller Mannichfaltigkeit der Ansichten über das höchste Gut dasselbe doch immer in irgend eine Beziehung zu Seele oder Leib gesetzt wird.

") Denn 48 werden die Abschnitte unterschieden, der welcker

Entwickeltmg der akademischen Skepsis. , 245

Wenn also nicht Antiochos, dann muss wohl Philon der Vorgänger des Arcios Didymos und Eudoros gewesen sein, Toraosgesetzt nämlich dass Beide in irgend welchem Zu- sammenhang mit der Schule stehen und nicht von sich aus obno äusseren Einfluss zum Piatonismus gelangt sind. Diese letztere Annahme ist aber sehr unwahrscheinlich und wird noch insbesondere was Eudoros betriflft dadurch widerlögt lass dieser bei Stobaios (46) ein Akademiker heisst. Mit Eudoros aber scheint Areios Didymos in allem Wesentlichen ibereingestimmt zu haben, da er sonst schwerlich dessen die janze Philosophie umfassendes Buch ein ßißXlov a^Loxrtjxov ]8tob. a. a. 0.) genannt haben würde. Nun wird von dem- Jclben Areios Didymos nicht bloss Eudoros sondern auch Philon (Stob. 40) als akademischer Philosoph bezeichnet, und iie nächste Annahme ist doch gewiss dass beidemal unter ücsem Namen dasselbe zu verstehen ist. Der sich hieraus Jrgebonde Schluss dass Areios Didymos und Eudoros der Sichtung Philons folgten wird überdiess dadurch bestätigt iass Philon von Didymos unter die gerechnet wird die die Philosophie ein gutes Stück vorwärts gebracht haben. ^) Und licht genug mit diesem Lobe, es wird von ihm gesagt dass rie er alles Uebrige richtig angestellt habe, so auch die

» mit den Zwecken und Zielen {axonoi, xthj) und der andere der « mit den dazu führenden Mitteln zu thun hat. Der letztere Ab- «hnitt ist der welcher die Tugenden erörtert. Mit den Zwecken md Zielen sind aber natürlich die dya^a identisch : es würde sich l^er als Ansicht des Eudoros herausstellen dass zwar Lust und iohm (tiöovt}, 66§a) als ein Gut zu betrachten sind, aber nicht die laugend. Diess ist aber eine Ansicht, die ihn ebenso mit Antiochos & Widerspruch bringt wie sie ihn mit Karneades in Uebereinstim- J»nng zeigt (vgl. S. 190, 1).

*) Stob. 40: 4>lXwv iytvtxo AaQiaaloq, tfi?,6ao(poq dxadrjfiixog, wovar^j KkBixofxaxov , twv ixavrjv elaevtyxafjitvQjv ngoxon^v iv

246 I^ie versehiedenen Formen des SkepticismoB.

Einthoiluug dos philosophischen Vortrags.*) Sind nun de gleichen Lobspriiche im Mundo des Antiochos oder m seiner Anhänger denkbai'? Antiochos, der über die Sdu in welcher Philon zum ersten Mal seine oigenthiimlidi Ansichten dargelegt hatte in solchen Zorn gerieth (homo i tura lenissimus stomachari tamen coepit, Cicero Acad. pr. 1 soll ihn nichtsdestoweniger unter die gezählt haben dei die Philosophie einen bedeutenden Fortschritt verdankt, nach dessen Urtheil die Akademie mit Arkesilaos den rech ihr von Piaton gewiesenen Weg verlassen hatte und seitd bis auf seine Zeit fortwährend in der Irre gegangen w. Und derselbe Antiochos sollte Philon nachgerühmt halt dass er es in allen Stücken recht gemacht habe, er, n dessen Ansicht Philon doch gerade in der Hauptsache Rechte verfehlt hatte? Man darf nicht einwenden, i Jemand ein Anhänger des Antiochos sein konnte ohne i halb in der Beurtheilung jedes anderen Philosophen mit i übereinzustimmen: denn hier handelt es sich eben nicht einen beliebigen Philosophen sondern um den dessen Bc theilung über den Standpunkt des Beurtheilenden in Akademie entschied. Wer der Meinung war, Philon h es in allen Stücken recht gemacht und Philon habe Philosophie ein gutes Stück vorwärts gebracht, der hi eben damit auf ein Anhänger des Antiochos zu sein.

Die eigentliche Probe für die Richtigkeit dieser Ansi wonach Eudoros und Didymos nicht an Antiochos send an Philon angeknüpft haben, wird darin liegen dass ihre bekannten Lehren mit denen Philons wo nicht zusamiD treffen doch wenigstens sich als eine Fortbildung dcrsd auffassen lassen. Eine eigenthümliche Ansicht des Ende

*) Stob. 40: ovzog o 4*lkiov xa ts aXla TienQayfxdtevtat Sf{ xal ötalgeaiv xov xaxa fpiXoaotplav loyov.

EntwickeluDg der akademischen Skepsis. 247

aber, durch die er mit Antiochos in Widerspruch trat, haben wir bereits kennen gelernt, dass nämlich die Tugend kein Gut ist sondern nur ein Mittel das uns zu den Gütern ver- hilft. Schon allein der Umstand dass diese Ansicht auch von Kameades verfochten wurde könnte uns berechtigen Eudoros näher an Philon als an Antiochos zu rücken, wenn nicht die gleiche Ansicht auch der Eintheilung von Philons philosophischem Vortrage zu Grunde läge.^) Wichtiger ist eine andere Eigenthümlichkeit des Eudoros weil sie uns auf seine philosophische Grundansicht schliessen lässt. Von ihm wird nämlich gesagt, dass er in seinem Buche die gesammte Wissenschaft problematisch erörtert habe (Stob. 48: Iv oi' xadttP ijte§eXi]kvO'e jtQoßhjftarixcog ttjp ljtiöti](ifjv). Wie es scheint, hat man diesen Ausdruck bisher so verstanden, dass man meinte, Eudoros habe eben die verschiedenen

*) Der zweite Theil des xaza <pi),oao(f>iav loyoq war der ^fQa- Tiivtixoq und dieser wiederum idcntiscti^mit dem nfQl dya^wv xal xaxm xonoq iif>^ wv xal di' wv y nQoxQoni] (,Stob. 42). Dass unter den äya^a hier nicht mit an die Tugend zu denken ist, folgt daraus weil Yon dieser und ihrem Werthc schon der erste Theil, der tcqo- ^inxixoq gesprochen hatte (Stob. 40: tan yuQ b nQOTQenrixog 6 noQOQfjidiv inl tjJv txQstijv. xovtov 6* b /nhv ivöeixvvrai xb ^leya?.- ^ff^g avt^q xxk.). Auch der Zusatz t<p* wv xal 6i' wv y nQOXQontj macht es wahrscheinlich dass die Tugend von den dya&ä auszu- schliessen ist. Mit Bezug auf die Tugend müsste es heissen: iip' a *l nQoxQonij. D. h. die Tugend ist das Nächste worauf sich die Er- iDahnung richtet (40: eaxi yaQ b itQOXQenxixbq b TiaQOQjniov inl xtjv ^QfXTiv, 42: xa S^eQanevxixa , i<p' a xoXq TtaQOQ/irjxixolg xixQI'^^'^ ^fif^g). In i(p^ wv dagegen scheinen die weiteren Zwecke und Ziele angedeutet zu sein, im Hinblick auf welche die nQOXQonri zur Engend antreibt, in Betreff welcher sie stattfindet (vgl. auch Sauppe 20 Plat. Protag. p. 358 B über aX tnl xovxov TrQa^eig); und nichts Anderes bezeichnet auch 6i* wv, nämlich die Mittel durch welche die ^pOT()o;rr) ihre Wirkungen erreicht, dieses sind aber die aus dem ^gendhaften Handeln entspringenden Vortheile auf die sie hinweist.

248 I^ie verschiedenen Fonnen des Skepticismiu.

Probleme, mit denen es die Wissenschaft zu thun hat, be- sprochen und beantwortet. Aber wozu dann dieser Zusatz? Denn dass jede Darstellung einer Wissenschaft die verschie- denen Probleme und ihre Beantwortungen vorführt, wussten wir ohnediess; das war keine Eigenthümlichkeit von Eudoros' Darstellung, die besonders bemerkt zu werden verdiente. Es bleibt also nur die andere Erklärung übrig, dass die Darstellung des Eudoros sich auf die Angabo der Probleme beschränkte und auf die Lösung derselben verzichtete. Die Richtigkeit dieser Erklärung wird durch die Worte bestä- tigt, die der eigentlichen Darstellung vorausgingen (Stob. 54): dgxriov de rmv jtQoßXrjfidrcop ütQorarrovxa xa yivfj xaxa rr/v iftol g)airofth'rjV didta^u^ xrX. Eine Darstellung, derea Zweck die Lösung der Probleme war, würde Niemand in dieser Weise einleiten. Wüssten wir sicher dass audi das bei Stobaios Folgende dem Eudoros entnommen ist,*) so würden wir nicht im Zweifel sein was unter der problemar tischen Darstellungsweise zu verstehen ist Indessen auch so gewährt dasselbe einen Anhalt. Wenn wir nämlidi von der entschiedenen Abweisung des Kritolaos (56 f.) absehen, bleibt die Erörterung überall innerhalb der Grenzen des Problematischen, und wird selbst Piatons Ansichten, so un- verkennbar die Vorliebe für ihn ist, doch nie mit Bestimmt- heit der Vorzug vor anderen gegeben. Es wird berichtet über die verschiedenen Versuche die gemacht worden waren zur Lösung der Frage nach dem höchsten Gut sowie nach den Gütern und Uebeln und der ob das Schöne um seiner selbst willen zu wählen sei, und obgleich das Bestreben durchblickt die Unterschiede der einzelnen Lehren auszu- gleichen, so bleibt doch schliesslich dici Entscheidung, welche Lösung er billigen will, dem Leser überlassen. Hier haben

') Vgl. darüber Th. II S. 835, 2.

Entwickelang der akademischen Skepsis. 249

nr also thatsäcfalich was maii mit Fug und Recht eine roblematische Darstellung nennen könnte. Dieselbe mag nmerhin auf Areios Didymos zurückgehen, so dürfen wir och annehmen dass die des Eudoros von der gleichen Art AT, zumal das Werk desselben lobend erwähnt wird {ßißXlov IlLOXTtjTov Stob. 48). Dass Eudoros es liebte in dieser 'eise über die Probleme und ihre Lösungen nur zu be- chien, die Entscheidung aber Anderen zu überlassen, be- ätigt uns auch Plutarch jisqI xfjq Iv Ttfialw tpvxoy. c. 3. enn nachdem er die einander gegenüberstehenden Meinungen a Xenokratos und Krantor mitgetheilt hat, fährt er fort: Kovrmp dl xmv xaß-oXov Xtyo/itvcov 6 /itv EvdcoQog ov- ti^vg a/ioiQBh' ohrai rov tlxorog' ifiol dt doxovöi rfjg idrmpog dfi^orsQoi ötafiaQrdpeiv do^fjg, d xat^ovc ro) i^avfp XQ^iOriov, ovx Idia 66y(ictra xtQcdvovxag dXX^ üvm XL ßovXo/iivovg Xtytiv 6/ioXoyovfitvoi\ Welches die oblematische Methode des Eudoros war, wird sich hier- •ch kaum noch zweifeln lassen. Ist nun aber diese Methode cht dieselbe wie sie von den skeptischen Akademikern, Äiigstens den späteren, geübt wurde? Denn auch diese dlten zwar die Probleme auf und erörterten sie durch Jgenüberstellung der verschiedenen Lösungen, gaben die 2te Entscheidung aber/ ihren Schülern anheim.

Nehmen wir daher an was sich uns von verschiedenen iten her bestätigt hat dass Eudoros und Areios Didymos Philon anknüpften, so gilt das Gleiche von dem Plato- unns der Kaiserzeit überhaupt. Dom entspricht die durch nselben hindurchgehende Grundrichtung (vgl. Zeller III 1 802 ff.). Denn mögen dieselben immer im Einzelnen von aton abweichen, ihre Absicht ging jedenfalls dahin den hten Piaton wieder ans Licht zu stellen. In gewisser Weise alich hatte diese Absicht auch Antiochos. Der Weg aber in er dazu einschlug war ein ganz anderer. Denn er ver-

250 ^i6 verschiedenen Formen des Skepticismus.

wies auf Xenokrates und Aristoteles als diejenigen, in de Lehre die platonische sich am reinsten darstelle; einer je späteren Platoniker, Taurus, dagegen hatte gerade über Unterschied der platonischen und aristotelischen Philosof geschrieben und hielt oflfenbar so gut wie seine Genos die Schriften Piatons für die einzige reine Quelle zur Kei niss seiner Lehren. Nicht anders aber wird auch Phi verfahren sein wenn er Augustins Zeugniss zufolge die A demie wieder zur Lehre und Autorität Piatons zurückfüh Was will hiergegen Scnecas Zeugniss sagen? Derselbe klärt allerdings quaest. nat. VII 32, 2: Acadomici et vet( et minores nullum antistitem reliquerunt. Man thut a diesen Worten keine Gewalt an, wenn man sie ledighch die Akademie in Athen und ihre Vorstände bezieht de Reihe damals abgebrochen war.

Auch das Stoische das sich in die Lehren der späte Platoniker einmischt kann uns in der über ihren Urspr gefassten Meinung nicht stören. Denn Stoisches fanden auch bei Philon. Vielmehr wird hierdurch von Neuem stätigt dass diejenigen Akademiker gegen welche Ainesi< bei Photios polemisirt und deren Uebereinstimmung mit wissen stoischen Lehren er hervorhebt Philon und » Anhänger waren. Damit ist die Untersuchung zu ih Ausgangspunkt zurückgefühil.

Wir haben gesehen dass Philon keineswegs mit I neades brechen, dass er bis zuletzt ein Skeptiker sein heissen wollte. Trotzdem war er es, der dem Skeptids innerhalb der Akademie den Todesstoss gab: denn er die Möglichkeit eines Wissens zu und wies seine Schüler Piatons Autorität hin; ob dieselben Skeptiker bleiben c zu den Dogmatikcrn übergehen würden, hing daher ledig von ihrer Auflfassung des Wissens und ihrer Auslegung platonischen Schriften ab.

IL Die Academica priora.

1. LttCttUus^ Vortrag.

Nachdem im ersten Buch der früheren Bearbeitung der Academica vorzüglich die Vertreter der Skepsis, Catulus und Cicero, zum Wort gekommen waren und in Hortensius nur einen schwachen Gegner gefunden hatten, wird ihnen im zweiten eine gründliche Widerlegung duich Lucullus zu Theil, der in längerem polemischen Vortrag die Ansichten des Antiochos darlegt. Dass für den Inhalt desselben die Er- innerung an mündliche Vorträge des Philosophen die Quelle gewesen sei, ist eine Möglichkeit, die vom Standpunkt der heutigen Quellenforschung überhaupt und der ciceronischen insbesondere keine Beachtung mehr verdient. Vielmehr unter- liegt es keinem Zweifel dass dieser Theil der Academica von Cicero einer Schrift des Antiochos entnoumien ist und wohl ebenso wonig dass diese Schrift der von Lucullus selber (12) erwähnte Sosus ist. Krische hat diess längst genügend ins Klare gesetzt (Ueber Ciceros Akademika in Gott. Stud. 1845, 2 S. 192 f.). In anderer Beziehung dagegen lassen sich vermittelst einer näheren Betrachtung der ciceronischen Worte seine Erörterungen noch ergänzen.

Wenn wir auf den Vortrag des Lucullus blicken, so njüssen wir zugeben dass derselbe in der Hauptsache ein gnt disponirtes, wohl zusammenhängendes Ganze bildet. Nachdem Lucullus in einleitenden Bemerkungen gegen die

252 I^i© Academica priora.

Berufung der Skeptiker auf ältere Philosophen protestirt hat, ^) schickt er sich zur Widerlegung ihrer Lehre an, indem er zunächst die Definition der xardXtppK; oder xaraXrjxnxii (pavxaola feststellt (17). Dabei stellt er sich gegenüber der laxeren Auflfassung Philons auf die Seite der Stoiker. Das Folgende hat daher die Aufgabe nachzuweisen, was die Skep- tiker und auch Philon bestritten, dass eine xardXtppu; in diesem Sinne auch wirklich vorhanden sei. Zuerst geschieht diess hinsichtlich der durch die Sinne vermittelten (19—21). Sodann hinsichtlich der welche durch eine über die Sinne hinausgehende Thätigkeit zu Stande kommt und sich im Gedächtniss (22), in den Künsten (22), in den Tugenden (—26), in der Wissenschaft ( 30) offenbart. Die Ordnung, in der hier der Katalepsis durch verschiedene Gebiete des menschlichen Lebens nachgegangen wird, ist keine willkür- liche oder zufällige, sondern folgt den Stufen in denen die Erkenntniss von der niedrigsten Art wie sie die Sinne ge- währen zu immer höheren Formen aufsteigt. So ist der Beweis geliefert dass die welche eine Erkenntniss leugnen

*) Auch hierbei folgt Lucullus dem Antiochos. Wenigstens be- hauptet er dass die älteren Naturphilosophen und auch Platon roA Sokrates mehr Dogmatiker als Skeptiker gewesen seien (14 f.); das- selbe hatte aber den Anhängern der skeptischen Akademie gegenüber auch Antiochos geltend gemacht (Augustin. c. Acad. II 6, 15). Ln- cuUus verfolgt damit zunächst den Zweck der ciceronischen jetzt ver- lorenen Auseinandersetzung im ersten Buch zu antworten. Diess darf man aus den Worten des ciceronischen Berichtes (13) schliessen: quae cum dixissct, sie rursus exorsus est: ,,primum mihi Tidemini-^ me autem nomine appellabat , cum veteres physicos nominatiS) facere idem, quod seditiosi cives solent." Die Vermuthaog das» Cicero dem Vortrage des ersten Buches eine solche historische £iO' leitung vorausgeschickt hat wird durch die Academica posteriora be- stätigt, in denen wie das erhaltene Fragment 44 ff. zeigt dieselbe ebenfalls nicht fehlte.

Lucullus' Vortrag. 253

sich in die ärgsten Widersprüche verwickeln, und die Noth- wendigkeit eine solche anzunehmen muss eingeräumt werden. Diese dialektischen Erörterungen werden 30 f. durch eine der Psychologie entnommene Betrachtung ergänzt: denn es wird gezeigt dass der Mensch seiner Naturanlage nach für die Erkenntniss befähigt ist und der Weg angegeben auf dem er zu ihr gelangt. Insofern die bisherige Bestreitung der Skeptiker auf der Voraussetzung ruhte dass dieselben zwischen den verschiedenen Vorstellungen hinsichtlich ihrer Geltung keinen Unterschied machten und ihnen deshalb die Beseitigung der Grundlagen alles Handelns und Thuns zum Vorwurf machte, konnte sie scheinen nicht gerecht zu sein, da sie den skeptischen Akademikern im Allgemeinen etwas nachsagte was in Wahrheit nur einem Theil derselben eigen war. Nur die Anhänger des Arkesilaos setzten die Vor- stellungen in ihrem Werthe einander vollkommen gleich, Karneades dagegen schied die wahrscheinlichen von den an- deren und erblickte in ihnen das Surrogat das an Stelle der nicht zu erreichenden Gewissheit als Unterlage des Handelns nnd Thun^ dienen konnte. Lucullus oder vielmehr Antiochos fand es daher für nöthig diese Modification der älteren Skepsis noch einer besonderen Besprechung zu unterziehen nnd nachzuweisen dass auch das Wahrscheinliche unserem Handeln und Thun nicht den erforderlichen Halt zu geben vermag. Diess geschieht 32 37.*) Was hinzugefügt wird, 37~-40, verhält sich zu dem Vorhergehenden als positive Ergänzung: war dort gezeigt dass es nicht genügt etwas für wahrscheinlich zu halten, so wird hier nachdrücklich hervor- gehoben und ausgeführt dass der Mensch seiner Natur nach

*) Dass anter den Vertretern der milderen Skepsis Karneades '"»d Dicht etwa Philon zu verstehen ist, wurde schon S. 205 ff. (vgl. ^«•- S. 212) gezeigt.

254 I^ie Academica priora.

gar nicht anders kann als gewisse Vorstellungen mit voller Ueberzeugung für wahr halten oder, wie der teclinische Ausdruck lautete, sie der Zustimmung (ötryxccrdd-ecig) wür- digen. Die Gliederung dieses zweiten auf das Wahrschein- liche bezüglichen Abschnittes im Vortrage des Lucullus entr spricht also genau der des ersten: wie er in diesem auf den Nachweis dass eine Erkenntniss anzunehmen nothwendig sei den anderen hatte folgen lassen der die Möghchkeit derselben aus der menschlichen Natur ableitete, ebenso ver- fahrt er auch in jenem wenn er nicht zufrieden die Unent" behrlichkeit einer grösseren Gewissheit als sie das Wahr- scheinliche enthält nachgewiesen zu haben den Drang nadi einer solchen in der menschlichen Natur und zwar als einen ihr eigenthümlichen, für sie charakteristischen aufzeigt^)

Bis hierher nehmen wir an der Ordnung des Inhalts in Lucullus' Vortrage nicht den geringsten Anstoss.') Alles ist

^) 37 : cum inter inanlmnm et animal hoc maxime intenit qaod animal agil aliquid nihil enim agens ne cogitari qaidem poteit quäle sit , aut ei sensus adimendns est aut ea, quae est in noitrt potestate sita, reddenda adseosio. at vero animns quodam modo eripitur eis quos neque sentire neque adsentiri Toinnt ut enim necesse est lancem in libra ponderibas inpositis deprimi, sie animum perspieuis cedere. nam qno modo non potest animal ullum non adpetere id quod accommo- datum ad naturam adpareat Graeci id olxsZov appol* lant , sie non potest objeetam rem perspicnam non ad- probare.

') Natürlich bezieht sich diess nur auf die HanptgedtnkeB. Dass im Einzelnen Manches verschoben und unpassend sei, soll damit nicht geleugnet werden und versteht sich überdiess bei so flüchtigei Arbeiten, wie Ciceros philosophische Schriften sind, von selber, b' dessen könnte es doch auch hier leicht einmal geschehen dass vif dem Verfasser Schuld gäben was in Wirklichkeit den Abschreibers zur Last fällt. Etwas der Art haben wir, glaub* ich, 35. Yorker war die Ansicht dass es ein Augenscheinliches (perspicnam) gi^e.

Lacnllas* Vortrag. 255

80 gut disponirt dass die Polemik gegen die Skepsis abge- schlossen scheint: denn was Hess sich noch hinzufügen,

dieies aber tod dem begrifflich Erkannten (perceptum) verschieden sei, widerlegt and daraus der Schluss gezogen worden : ita neqae co- lot neqae corpus nee veritas nee argumentum nee sensus neque per- spicQom uUum relinquitur. Hieran reihen sich folgende Worte: ex lue illad eis usn venire solet, ut quicquid dixerint a quibusdam in- tmogentur: „ergo istuc quidem percipis?" sed qui ita interrogant ab eis inridentor. non enim urguent ut coarguant neminem uUa de re posse contendere nee adseverare sIuq aliqua ejus rei, quam sibi qoisqoe placere dicit, certa et propria nota. Inwiefern können nun diese Worte als eine Folgerung aus dem Vorhergehenden gelten? Im Vorhergehenden hatte ein Gegner der Skeptiker, um sie ad ab- nrdom zu führen, aus ihrer Ansicht die Conscquenz gezogen dass hiernach weder ein Sinneseindruck noch ein Augenscheinliches mög- lich sei. Wie können nun hiervon andere Gegner der Skeptiker den Anlass nehmen zu der vorwurfsvollen Frage ob sie nicht also wenig- stens diesen einen Satz für einen begrifflich erkannten gelten Hessen? Offenbar liegt hier eine Verwechselung vor. Was in Wahrheit die Mnctio ad absurdum der skeptischen Ansicht ist, hat man für den Anadrack des skeptischen Satzes angesehen dass nichts begrifflich er- hinnt werden könne. Denn von diesem konnte man den Anlass zu ioner Frage nehmen und hat man ihn wie 28 zeigt thatsächlich ge- nommen. Aber nicht bloss nach dieser sondern auch nach der an- leren Seite stehen die fraglichen Worte mit ihrer Umgebung in kei- nem rechten Zusammenhang. Denn nach ihnen fährt Lucullus mit folgender Frage fort: „quod est igitur istuc vestrum probabile?" Aber von dem „probabile" ist ja in den vorhergehenden Worten gar lueht die Rede: dieselben tadeln nur die ungenügende Weise in der Einige die Skeptiker zu widerlegen glauben. Auf die Unmöglichkeit eines „probabile'' zu schliessen geben sie also nicht das mindeste Becht. Denken wir uns dagegen jene Worte „ex hoc propria nota'* hinweg, so ist das „igitur" der Frage vollkommen an seinem Plntze. Denn dann war im Vorhergehenden der Versuch der Skep- ^ker das „probabile" vermittelst des „perspicuum" zu retten (über ^ akademische Ansicht dass das Wahrscheinliche und Augenschein- Mche, das m&avbv und hvuQytq, zusammenfallen, s. S. 206 fF.) ver- eitelt worden und die Frage was denn nun eigentlich das „proba-

256 1)^6 Academica priora.

nachdem die Skepsis bestritten worden war sowohl insofern als sie jede Erkenntniss leugnet wie insofern als sie unserem Thun in dem Wahrscheinlichen einen Halt zu geben sucht? Und doch fährt Lucullus 40 in seiner Polemik fort! Das Recht dazu entnimmt er den Einwendungen, die wie er sagt die Skeptiker gegen das Vorgetragene machen und die er sich deshalb zu widerlegen anschickt (nunc ea videamus quae contra ab his disputari solent). Wären diess nun wirklich Einwendungen d. h. Gründe die die Triftigkeit der von Lu- cullus vorgebrachten Argumente bestreiten, wären es Repliken von Seiten der Skeptiker auf die Angriffe des Antiochos, so könnten dieselben allerdings keinen besseren Platz haben als der ihnen jetzt in Lucullus' Vortrage angewiesen ist Sehen wir uns nun aber einmal den Inhalt dieser Einwen- dungen genauer an. Die Skeptiker, sagt Lucullus, ent- wickelten zuerst in systematischer Darstellung ihre Theorie von den Vorstellungen (visa), indem sie das Wesen derselben feststellten, die einzelnen Arten unterschieden. Dabei gaben sie auch nach dem Vorgang und in der Weise der Stoiker eine Definition der begriflflichen Vorstellung.^) Darauf wur-

bile*' sei wenn es doch auch das „perspieaam*' nicht sein kOnnc, nahe genug gelegt. Dass Cicero selbst in dieser Weise den Zusam- menhang der Gedanken verfehlt habe, ist kaum denkbar. Wir ve^ den die störenden Worte daher einem Interpolator zuschreiben, dcD in der Erinnerung lag was wir 28 f. lesen: ex hoc illnd est nitiUD quod postulabat Hortensius ut id ipsum saltem perceptnm a sapiente diceretis, nihil posse pereipi. sed Antipatro hoc idem postolanti, cum diceret, ei, qui adfirmaret nihil posse pereipi, nnum tarnen illad dicere pereipi posse consentaneum esse ut alia non possent, Cun^tr des acutius resistebat etc. etc. Dass an dieser früheren Stelle schon Alles was wir an der späteren lesen ausführlicher und an heSÖnM^ Namen geknüpft vorgebracht war, davon deutet der InterpoUtor nichts an und gibt sieb hierdurch um so mehr als solchen so e^ kennen.

^) Gonponunt igitur primum artem quaudam de eis quae ^i^

Lucullas* Vortrag. 257

en von ihnen die einzelnen Sätze herbeigeschafft, aus denen er Schluss hervorgeht dass eine solche begiiflfliche Vor- »Uung in Wirklichkeit nicht existirt (40 f.). Dabei ver- leidigten sie eingehend die Richtigkeit der beiden Prämissen iffi Alles was in die Vorstellung tritt entweder wahr oder Isch sei und dass jeder wahren Vorstellung eine falsche lUkommen gleichen könne, indem sie sich auf eine ein- ibende Erörterung der beiden Classen von Vorstellungen ftliessen, sowohl derer die von den Sinnen genommen sind id anwillkürlich in uns entstehen wie der anderen die aus rnfinftiger üeberlegung hervorgehen und dem Bedürfniss fErkenntniss entspringen.^) Man sieht nun ohne Weiteres 188, was hier als eine Antwort der Skeptiker speciell auf B Angriffe des Antiochos ausgegeben wird, in Wahrheit cht dieses ist sondern eine ausfuhrliche zusammenfassende irlegung und Begründung der gesammten skeptischen leorie soweit sie die Unmöglichkeit des Erkennens betrifft; d das gibt auch Lucullus selber zu mit den einleitenden orten (40) „sed prius potestis totius eorum rationis quasi

cimns, eorumque et vim et genera definiunt; in his quäle sit id, od percipi et conprehendi possit, totidem verbis quot Stoici.

') 41 : reliqua vero multa et varia oratione defendunt quae sunt im dao, unum: „quae videantnr, corum alia vera esse alia falsa*^; tarn: „omne visum, qnod sit a vero, talc esse qualc etiam a falso ttit esse'*, haec duo proposita non praetervolant sed ita dilatant Qon mediocrem curam adhibeant et diligentiam. dividnnt enim p&rtis, et eas quidem magnas: primum in sensus, deinde in ea M dncnntur a sensibus et ab omni consnetudine quae obscurare lont. tum perveniunt ad eam partem ut ne rationc quidem et Djectura ulla res percipi possit. haec autem universa concidunt tm minutlns: ut enim de sensibus hestcrno sermone vidistis, item ^ont de rellquis in singulisque rebus quas in minima dispertiunt innt efficere eis omnibus, quae visa sint, veris adjuncta esse falsa ^ & veris nihil diiferant: ea cum talia sint, non posse conpre- Qdi.

Hirzel, üntersachnngen. lU. 17

258 I^ie Academica priora.

fundamcnta cognoscere". Wozu aber, so fragt man, wir eine solche Darlegung der skeptischen Theorie erst hii nachgebracht? Wenn LucuUus eine solche Erörterung fi nöthig hielt, so musste er sie schon früher, musste sie \ Anfang seines ganzen Vortrags geben, da dieser die Kenntni der skeptischen Theorie voraussetzt. Dass er sie erst na Beendigung des Vortrags nachholt, muss daher als e Mangel der Disposition erscheinen, der um so mehr aufia je besser vorher die Gedanken geordnet waren. Noch me tritt dieser Mangel hervor wenn wir sehen was Luculi seinerseits auf die skeptische Erwiderung entgegnet. Er hi ihnen vor, dass der Scharfsinn den sie bei der Darlegu ihrer Theorie entfalten zwar der Philosophie höchst wäre sei, streng genommen aber mit dem Skepticismus in Wid( Spruch stehe: denn Definitionen und Eintheilungen wie i die Skeptiker geben seien eine Inconsequenz für den i die UnUnterscheidbarkeit aller Dinge behaupte. ^) Mit a deren Worten, Lucullus will nicht gelten lassen dass ( Skeptiker sich der wissenschaftlich systematischen Form i die Darstellung ihrer Ansichten bedienen. Davon aber di die wissenschaftlichen Formen mit der Skepsis unvereinl seien, war schon 26 f. die Rede gewesen. Zwar wird d(

^) 43: hanc cgo subtilitatem philosophia quidem dignissim judico sed ab eorum causa qui ita disserunt remotissimam. defi tiones enim et partitiones et horum laminibus utens oratio, tum sii litudines dissimilitudinesque et earum tenuis et acuta distinctio fid( tium est hominum, illa vera et firma et ccrta esse quae tutentar, i eorum qui clament nihilo magis vera lila esse quam falsa. 4' enim agant, si cum aliquid definierint rogat cos quispiam nun i definitio possit in aliam rem transferri quamlubet? si posse di: rint, quid dicere habeant cur illa vera definitio sit? si negaveri fatendum sit, quoniam vera definitio transferri non possit in falsi quod ea definitione explicetur id percipi posse: quod roinime volunt.

LucuUus' Vortrag. 259

zunächst nur das Beweisverfahren genannt (djioöei^ig). Aber da auch das Definiren und Eintheilen in den Bereich der- Belben Disciplin, der Dialektik oder Logik, fällt, so war, irenn Lucullus eine zusammenhängende systematische Wider- legung der Skepsis geben wollte, es das Natürlichste vom )cfiniren und Eintheilen sowohl wie vom Beweise an dem Reichen Orte zu handebi, d. i. da wo die Unvereinbarkeit ler logischen Regeln und Sätze mit der skeptischen Grund- heorie hervorgehoben werden sollte. Wie eng Beidos, das )efiniren und Eintheilen einerseits und der Beweis, zusammen- lehöre, zeigt Lucullus selbst da er an der zweiten Stelle, fimittelbar nachdem er von den Definitionen und Einthei- mgen gehandelt hat, noch einmal auf das Schluss- und ieweisverfahren zu sprechen kommt. ^) Diesen beiden von er Form hergenommenen Argumenten fügt Lucullus schliess- ch noch ein den Inhalt betreffendes hinzu, auf das wie aus 11 zu schliessen ist Antiochos besonderen Werth legte: er reist den Skeptikern nämlich nach, dass die Prämissen aus enen die Unmöglichkeit des Erkennens erschlossen wird mit inander in Widerspruch stehen.^) Dieses Argument ist wie

*) Nach den in der letzten Anmerkung angeführten Worten Üirt er fort: eadem dici potcrunt in omnibus partibus. si enim di- BQt ea de quibus disserant sc dilucide perspicere nee ulla commu- ione visorum inpediri, conprehendere ea se fatebuntur; si aatem egabunt vera visa a falsis posse distingui, qui poterunt longius pro- redi? occurretur enim, sicut occursnm est. nam concludi argu- lentom non potest etc. Lucullus ist sich also wohl bewusst dass er über schon Gesagtes wiederholt.

*) 44: maxime autem convincuntur, cum haec duo pro con- nientibus sumunt, tarn vehementer repugnantia: primum, esse quae- am falsa visa; quod cum volunt, declarant quaedam esse vera; Mnde ibidem, inter falsa visa et vera nihil Interesse, at primum wnpseras tamquam interesset: ita priori posterius, posteriori supe- iw non jungitur.

17*

260 1^16 Academica priora.

bemerkt anderer Art als die beiden vorher erwähnten, h dieser Weise aber heterogene Argumente zu verbinden und sie von den übrigen zu isoliren, dazu war in einer systema- tischen rein sachlich gegliederten Darstellung kein Anlass: in einer solchen wäre der Platz für das letzte Argument da ge- wesen, wo von der „inconstantia" der Skeptiker überhaupt die Rede ist.^)

Zu Bedenken derselben Art gibt auch der folgende Ab- schnitt Anlass. Zunächst wird uns angekündigt dass wir mit der Theorie der Skeptiker bekannt gemacht werden sollen (45).*) Diess geschieht denn auch (47 f.), nachdem vorher (45 f.) eine Bemerkung über die bei' der Widerlegung ein- zuhaltende Methode gemacht worden ist. Darauf folgt von 49 an diese Widerlegung, die hier noch einmal ausdrücklid auf Antiochos zurückgeführt wird. Die skeptische Theorie nun, mit der es dieser Abschnitt zu thun hat, bezieht sich abermals auf die Frage nach der Möglichkeit einer Er- kenntniss. Vorher war dieselbe geleugnet worden wegöi der Unzulänglichkeit der Mittel die uns zu diesem Zweck zu Gebote stehen, da sowohl die Sinne als das Denken uns irre führen; jetzt wird dagegen die Aehnlichkeit geltend gemacht mit der wahre und falsche Vorstellungen auf unseren Geist wirken und die uns verhindert die einen von den an- deren zu unterscheiden.^) Antiochos macht bei seiner Wide^

^) 29 sagt Lucullus: sed de inconstantia totius illoram sentefl- tiae, si uUa sententia cujiisquam esse potest nihil adprobantis, eit ut opinor dictum satis.

^) Sed progrediamur longius et ita agamus ut nihil nobis adseo* tati esse videamur, quaeque ab eis dicuntur sie persequamnr ot nihil in praeteritis relinquamus.

*) Und zwar berufen sich die Skeptiker zu diesem Zweck in der Hauptsache auf drei Thatsachen. Die erste ist dass doch *nch nach der Ansicht von Stoikern gewisse Vorstellungen, wie sie utf

Lucallas* Vortrag. 261

legung theils geltend dass der von den Skeptikern benutzte Sorites ein unzulängliches Verfahren sei theils beruft er sich

durch Orakel und andere Mittel der Weissagung zu Theil werden, ttoschen können. Nun sollen aber diese Vorstellungen von der Gott- heit herrühren. Wenn dieselbe also im Stande ist uns glauben zu nachen was doch entschieden falsch ist, warum soll dieselbe nicht auch hervorbringen können was der Wahrheit sehr nahe kommt, im höchsten Grade wahrscheinlich ist (denn dass die Worte „quae Mtem plane proxume ad verum accedant efficere non posslt" so zu erklären sind und nicht etwa aus dem Vorhergehenden „probabilia** in efficere als Prädicat von „quae accedant" zu ergänzen ist, lehrt die Widerlegung des Antiochos 49 f. : „si tale visum objectum est" etc.) und 80 schliesslich auch, wie sich aus der Durchführung des Sorites ergibt, Vorstellungen zwischen denen gar kein Unterschied ist? Das iwdte sind die Vorstellungen die im Geiste selber unabhängig von äosseren Eindrücken entstehen, namentlich die Träume und die Ein- bildoogen Wahnsinniger. Dazu kommen drittens alle die vielen Fälle die imter den erwähnten nicht begriffen sind und in denen ebenfalls fiüscbe Vorstellungen bei uns Glauben finden, woraus dann abermals Termittelst des Sorites auf das Vorhandensein von Vorstellungen ge- schlossen wird zwischen denen gar kein Unterschied stattfindet. Als letiter Trumpf wird endlich ausgespielt, dass die Stoiker selber, da nich ihrer Meinung der Weise sich im Wahnsinn jeder Zustimmung enthalten wird, die Ununterscheidbarkeit gewisser Vorstellungen zu- geben. So werden wir noch einmal daran erinnert was auch zu An- fing ausdrücklich gesagt war dass die ganze Widerlegung den Sto- ikern gilt. Dass hiermit aber gerade das erste Argument nicht recht io Einklang steht scheint man bisher übersehen zu haben. Denn es nht dasselbe auf der Voraussetzung dass die durch die verschiede- nen Arten der Weissagung im Menschen erregten, von Gott gesand- ten Vorstellungen auch falsch sein können, was doch keineswegs der ^gemein stoischen Ansicht entspricht. Die betreffenden Worte lau- ten: „nam cum dicatis, inquiunt, visa quaedam mitti a deo velut ea qnae in somnis videantur quaeque oraculis auspiciis extis declaren- tur haec enim ajunt probari Stoicis quos contra disputant , qnaenmt qnomodo, falsa visa quae sint, ea deus efficere possit pro- l^ilia, quae autem plane proxume ad verum accedant efficere non P<M8it?" Man könnte nun allerdings auch so erklären: die tau-

262 ^^6 Academica priora.

auf den Augenschein (perspicuikis). Warum er aber jene Argumentation und ihre Widerlegung erst hier mitthoilt, ist nicht einzusehen. Denn da Beide die Frage nach der Mög- lichkeit einer Erkenntniss betreffen, so war der Ort für sie schon in dem Abschnitt der mit den Worten schliesst (36); sed de perceptionc hactenus. si quis enim ea quae dicta sunt labefactare volet, facilc etiam absentibus nobis veritas se ipsa def endet. Klingen diese Worte nicht, als ob er die Erörterung der erwähnten Frage damit für abgeschlossea halte und deshalb etwaige Einwände gar nicht weiter be- rücksichtigen werde?

Wie sollen wir uns nun diese auflfallenden Mängel der Composition erklären? Cicero können wir sie nicht zur Last legen: denn weder hatte er Grund, was im Original am

sehende Macht der Gottheit besteht darin dass sie die Weissagungen, die nach den Skeptikern falsch sind, den Stoikern als wahr erschei- nen lässt. Das „probabilia** in den Worten „ea deus efficere posai pr/' würde dann näher erläutert werden durch die Parenthese „baec enim ajunt probari Stoicis quos contra disputaut*'. Aber wenn vii die Worte so erklärten, wie das ja an sich möglich wäre, so könn- ten sie nicht die Bedeutung haben die ihnen nach dem Zusammen- hang zukommt d. h. ein gegen die Stoiker gerichtetes Argument so sein. Denn der Satz auf den dasselbe gebaut wäre dass die Weis- sagungen falsch sind würde doch von den Stoikern nicht können eingeräumt werden. Soll also das Argument überhaupt ernsthaft ge- meint und nicht blosser Spott sein, so bleibt kaum etwas Änderet übrig als unter den Stoikern wie sie hier allgemein genannt werden nur eine einzelne Partei derselben zu verstehen. Und diese Partei sind die Anhänger des Panaitios. In der That beruft sich auf ihn in einem ganz ähnlichen Zusammenhango der Skeptiker Cicero 107: sed illa sunt lumina duo quae maxime causam istam continent: prifflBB enim negatis ' fieri posse ut quisquam nulli rei adsentiatur. at id quidem perspicuum est: cum Panätius, princeps prope meo qoide* judicio Stoicorum, ea de re dubitare se dicat, quam omnes praeter eum Stoici certissimam putant, vera esse haruspicum responsa, an- spicia, oracula, somnia, vaticinationes seque ab adsensa suetia^

Lucullus' Vortrag. 263

fechten Platze stand, in dieser Weise zu verstellen noch sind wir berechtigt die Benutzung einer anderen Quelle neben der Schrift des Antiochos anzunehmen. Wir müssen also ireiter zurückgehen und fragen wie konnte Antiochos selber ni einer derartigen Anordnung des Stoffes kommen. In einer fjrstematischen nach rein sachlichen Gesichtspunkten geord- »eten Darstellung ganz gewiss nicht. Aber in was für einer leon? üeberblicken wir noch einmal die Folge der Abschnitte lach ihrem Inhalt. Voran steht die wohl zusammenhängende )aretellung, in der die skeptische Theorie widerlegt und die les Antiochos begründet wird. Hierauf folgte im griechi- chen Original eine ausführliche Darlegung des skeptischen •tandpunktes, sodann die Erwiderung des Antiochos; hierauf bermals eine Vertheidigung der skeptischen Theorie, die

Qod is potest facere Tel de eis rebus quas Uli a quibus ipse didicit mag habuerunt cur id sapiens de reliquis rebus facere non possit? ie Arten der Weissagungen die genannt werden sind an beiden teUen wesentlich dieselben, da die vaticinia der zweiten in den ora- ilt der ersten mit enthalten sein können. Bemerkenswerth dagegen it dass auch an der ersten die Astrologie übergangen wird. Denn tbchen dieser und den übrigen Arten der Weissagung machte, wo- uif ich schon Th. I S. 240 f. hingewiesen habe, Panaitios den Unter- 'Jued, dass er nur die Astrologie mit voller Entschiedenheit ver- irf, hinsichtlich der übrigen aber nur zweifelte; mehr aber als nen Zweifel schreibt ihm die zweite Stelle nicht zu und involvirt leh die erste nicht. Wenn Cicero an der ersten Stelle mit Bezug if die genannten Weissagungsarten sagt „haec probari Stoicis", so ird dadurch die gegebene Erklärung nicht umgestossen. Denn ent- 6der beruhen diese Worte auf einer Confusion, indem Cicero in iiner griechischen Quelle den Namen des Panaitios nicht fand und «halb glaubte es sei Ton den Stoikern überhaupt die Rede, oder, I diese Confusion wenn nuui auf den Zusammenhang sieht selbst ^ (^cero zu stark erscheint , die Worte sind relativ zu verstehen B Hinblick auf die gänzliche Verwerfung der Astrologie, mit der ^glichen das blosse Anzweifeln sich als eine Art von „probatio"^ '^stellen konnte.

264 ^i6 Academica priora.

wiederum eine Widerlegung durch Antiochos nach sich zieht Nun, ich meine, wer nichts weiter über ein verlornes literari- sches Werk des Alterthums wüsste als diess und sollte danach die Form desselben bestimmen, der würde sagen: es war ein Dialog, in dem Antiochos mit einem Vertreter der skeptischen Akademie sich stritt. Und diese Vermuthung bestätigt sidi sofort: denn ihre Richtigkeit vorausgesetzt, lösen sich di< gegen die Disposition des Inhalts erhobenen Bedenken. Das nachdem die Erkenntnisstheorie der Skeptiker bereits wider- legt und eine ihr entgegenstehende dogmatische begründe worden ist, neue Argumente vorgebracht und bestrittei werden mit denen die Skeptiker ihre Ansicht vertheidigtei und zwar wohl gemerkt solche die jene erste Widerlegnnj nicht voraussetzen, diess ist in einer systematischen nad rein sachlichen Gesichtspunkten geordneten Darstellung freilid so ungehörig als möglich, in einer dialogischen dagegen wir» es vollkommen begreiflich da der Fortschritt einer solche eben dadurch bedingt ist dass die früheren Aeusserunge; einer üesprächsperson noch ungenügend sind und erst durc die späteren von den Antworten des Gegners veranlasste ergänzt werden. Bei der Annahme dass die von Cicero Luculis Vortrag benutzte Schrift ein Dialog war erkläre sich nun auch die sonst auflfallcnden Worte mit denen di Darlegung der skeptischen Theorie (40) eingeleitet wird nunc ea videamus quae contra ab his disputari solent Den an sich betrachtet ist diese Darlegung gar nicht speciel gegen die Auseinandersetzung des Antiochos gerichtet, si vertheidigt nur von Neuem den skeptischen Standpunkt; al Antwort auf Antiochos' Angriffe konnte sie nur iufolge de besonderen Umstände erscheinen unter denen sie verwand wurde, dadurch dass thatsächlich ihm ein Skeptiker in eine Disputation in der Weise erwiderte wie wir jetzt bei Cicen lesen. Nun ist aber die Schrift, aus welcher Luculis Vor

Lucullus* Vortrag. 265

trag geschöpft ist, aller Wahrscheinlichkeit nach der Sosos des Antiochos. Sollen wir diesen daher für einen Dialog halten? Da die dialogische Form in der philosophischen Literatur jener Zeit nicht mehr der Modo entsprach,^) so jestehe ich dass wir mit einer solchen Vermuthung vor- lichtig sein müssen. In diesem Falle aber dürfen wir sie ragen da zu jenen dem Verhältniss und der Ordnung der iedanken entlehnten Gründen noch ein anderer mehr äusser- icher Art kommt. Mich wundert dass sich noch Niemand lie Frage vorgelegt hat woher denn Cicero weiss was er den ittcoU über seinen Aufenthalt in Alexandrien erzählen lässt 11 ff.). Die nächste Antwort ist: von Luculi selber. Wir QQssen aber bedenken dass damals, zur Zeit da Cicero die Icademica verfasste, Luculi bereits über zehn Jahre todt rar. Sollte nun Cicero seit so langer Zeit her all das Detail m Gedächtniss behalten haben das die Erzählung Luculis tt seiner Schrift gibt? Denn Luculi erzälilt ja nicht bloss laas Antiochos in seiner Gegenwart sich über Philons Schrift (eäussert und gegen die Skeptiker polcmisirt habe, er nennt luch den Tyrier Ilerakleitos als den gegen den sich Antiochos nächst gewandt habe und ferner unter den Anwesenden ^ Anhänger des Antiochos Ariston und Dion, als solche Mons P. und L. Selius und Tetrilius Rogus. Schwerlich nirde Cicero dieses Detail alles im Gedächtniss behalten Miben, wenn sich an dasselbe nicht ein ungewöhnliches In- cresse geknüpft hätte. Ein solches Interesse hätte es aber lur durch die damit verbundene Mittheilung der philoso- )lii8chen Vorträge erhalten können. Und in der That ist a auch der philosophische Inhalt mit jenem äusseren Detail, Jaa sich auf Luculis Aufenthalt in Alexandrien bezieht, aufs

*} Ueber die Yemachlassigung der dialogischen Form za seiner ^t aach innerhalb der Akademie klagt Cicero de fin. II 2.

266 I^ie Academica priora.

Engste verflochten: denn es wird in Antiochos' Reden unter- schieden ein Theil der sich gegen Philon speciell und ein anderer der sich gegen die akademischen Skeptiker über- haupt richtete (12), und es wird gelegentlich, da die Dispu- tation in Alexandrien mehrere Tage währte, genau der einen Tag ausfüllende Abschnitt bezeichnet (49).*) Cicero müsste also, wenn wirklich seine Angaben auf mündlichen Erzäh- lungen Luculis beruhten, diesen auch die Kenntniss der philosophischen Vorträge verdankt haben oder wenigstens, wenn er diese auch schliesslich aus einer anderen Quelle geschöpft hätte, müsste doch auch Luculi ihm aus den Disputationen des Antiochos und Herakleitos ausfühilicher« Mittheilungen gemacht haben. Durch diese Annahme ge- rathen wir aber mit Ciceros eigenen Aeusserungen in Wider- spruch. Denn wenn der historische Lucullus in dieser Weia im Stande war über die Disputationen der Philosophen n berichten, so eignete er sich doch vollkommen zu der Roll( die ihm Cicero in den Academica angewiesen hatte. Trotz- dem wissen wir dass Cicero hierüber anders dachte, dass ei ihn solcher subtilen Erörterungen nicht für fähig hielt*) um deshalb in der zweiten Bearbeitung an seiner Stelle dei VaiTo einführte. Also kann er auch nicht was er hier

^) Ad has omnis visiones inanis Antiochus quidem et pennolt dicebat et erat de hac uoa re unius diei disputatio.

*) Ad Att. XIII 16, 1: illam Äxadii^ixiiv avvza^tv totam Yarrouem traduximus. primo fuit Catuli Luculli Hortensii; deind quia naQa xo nQtnov videbatur, quod erat hominibus nota non Ul quidem dnatöevaia sed in eis rebus dzQttpia, simul ac veni ad tU lam, eosdem illos sermones ad Catonem Brutumque transtuli. 13, 3 ergo illam ÄxaSrjfuxijv, in qua homines, nobiles illi quidem sed nall modo pbUologi, nimis acute loquuntur, ad Yarronem transferamitf 19, 5: baec Academica ut scis cum Catulo Lucullo Hortensie conta leram: saue in personas non cadcbant; erant enim XoyixwzfQa qotf ut Uli de eis somniasse umquam viderontur. Krische S. 129.

Lucullus' Vortrag. 267

LucuII berichten lässt in Wirklichkeit aus dessen Munde gehört haben. Woher aber denn? Ich weiss hierauf keine Antwort als dass er diess Alles in derselben Schrift des Antiochos vorfand der er auch den Inhalt von Luculis Vor- trage entnommen hat. Hier trifft nun das Ergebniss dieser Untersuchung mit dem der früheren zusammen. Die Ordnung les Inhalts wies uns nicht auf eine systematische Darstellung les griechischen Originals sondern auf einen Dialog und zwar {wischen Antiochos und einem Skeptiker. Jetzt sehen wir lass dieser Skeptiker der Tyrier Herakleitos war. Antiochos atte also im Eingang seiner Schrift von seinem Aufenthalt n Alexandrien erzählt und dass damals die beiden Bücher Mens dort eintrafen und den Anlass zu einer mehrtägigen )i9atation zwischen ihm und Herakleitos in Anwesenheit loch Anderer gaben. Dieses Werk des Antiochos war nach len verschiedenen Tagen der Disputation eingetheilt, wie wir loch jetzt aus der schon erwähnten Notiz (49) sehen, und liesen Tagen entsprachen möglicher Weise eben so viele Sicher gerade wie diess auch in Ciceros Academica der Fall 8t Wie es scheint hat aber Cicero diesem Werk noch mehr, lämlich auch den skeptischen Vortrag des Catulus im ersten kch entnommen. Auf diese Vermuthung führt was wir im luszuge, wie wir jetzt sagen dürfen, aus Herakleitos' Erör- «mngen lesen (42): haec autem uni versa concidunt etiam ninutius: ut enim de sensibus hestenio sermone vidistis, tem faciunt de reliquis. Das Verfahren Heraklits bei seinen feweisen für die Unglaubwürdigkeit der Sinne war hiernach baselbe weiches Catulus eingeschlagen hatte. Dass Heraklits ieusserangen von Cicero für Catulas' Vortrag benutzt worden Hnd wird auch darum wahrscheinlich weil der philosophische, «»besondere der akademische Standpunkt beider Männer im Wesentlichen derselbe ist Was nun Catulus betriflFt, so ist derselbe zwar mit Philons letzter Neuerung die auch das

268 I)ie Academica priora.

xaTaXTjjiTov für die Akademiker in Anspruch nimmt nicht einverstanden^), stellt sich aber auf seine Seite und weicht darin von Kleitomachos ab, dass er für die Ansicht des Ka^ neades erklärt der Weise werde gelegentlich auch eine Mei- nung haben.*) Sein Standpunkt ist daher ein modifidrt philonischer zu nennen, wenigstens wenn man Philons letzte Entwickelungsphase ins Auge fasst. Denselben Standpunkt nahm aber auch Herakleitos ein: denn er wird uns als ein Schüler Philons vorgeführt,') dem aber die in der jüngsten Schrift seines Lehrers ausgesprochenen Ansichten ebenso unerhört erschienen wie Antiochos.*)

^) 12: tum et illa dixit Antiochus quae heri Catulus commeno-

ravit a patre suo dicta Philoni minns enim acer est adTena-

rius is qui ista, quae sunt her! defensa, negat Academicos omniBO dicere. 18: Philo äutem dum nova quaedam commovet quod ea sdb- tinere vix poterat, quae contra Academicorum pertinaciam dlceb&ntor, et aperte mentitur ut est reprehensus a patre Catulo etc.

^) 78: licebat enim nihil percipere et tamen opinari qaod a Carneade dicitur probatnm; equldem, Clitomacho plus quam Philoni aut Metrodoro credens, hoc magis ab eo disputatnm quam probAtnm puto (die richtige Erklärung dieser Worte s. S. 170, 1). Mit dieseo Worten Ciceros vgl. was Catulus sagt 148: tum Catulus „egone?" iß- quit „ad patris revolvor sententiam quam quidem ille Caroeadeam esse dicebat ut percipi nihil putem posse, adsensurum autem noo percepto, id est opinaturum, sapientem existumem sed ita ut intelle gat se opinari sciatque nihil esse quod conprehendi et percipi poBsit; qua re inoxfjv illam omnium rerum non probans illi alteri sententiae nihil esse quod percipi possit vehementer adsentior.

^) 11: et erat jam antea Alcxandriae familiaris Antiochi Hera- clitus Tyrius qui et Clitomachum multos annos et Phiionem aadlerat, homo sane in ista philosophia quae nunc prope dimissa revootor probatus et nobilis, cum quo Antiochum saepe disputantem audieban sed utrumque leniter.

*) 11 (nach den in der vorigen Anmerkung angeführten Wit- ten): et quidem isti libri duo Philonis, de quibus heri dictum a Ca- tulo est, tum erant adiati Alexandriam tumque primum in Antioelü

Lucullus' Vortrag. 269

lieber Gang und Art des Dialogs vermuthe ich nur noch Folgendes. Den Anfang scheint, wie wir aus der Erzählung Lucnils (11 f.) schliessen dürfen, Antiochos gemacht zu haben mit den gegen Philons neueste Schrift gerichteten Bemer- kungen. Heraklit, an den er sich zunächst wandte, stimmte ihm darin bei, konnte aber nicht zugeben dass um deswillen die gesammte ältere Theorie Philons verworfen werde. Daher nahm Antiochos den Anlass dieselbe in eingehender Weise zn widerlegen und gleichzeitig seinen eigenen entgegen- gesetzten Standpunkt zu begründen. Natürlich behielt trotz der Erwiderungen Heraklits Antiochos mit seiner Ansicht schliesslich Recht. Diess und dass den längeren Ausführungen des Antiochos ebenfalls längere Erwiderungen von Seiten des Skeptikers gegenüber treten, zeigt uns deutlich dass die Weise des Dialogs nicht die alte sokratisch-platonische son- dern die aristotelische war, der zufolge das lebendige Ge- qvach sich in zusammenhängende mit einander abwechselnde Vorträge verwandelt hatte und unter den theilnehmenden Personen der Verfasser selbst die Hauptrolle spielte.^)

Aber solche Betrachtungen über die Natur des von Antiochos verfassten Dialogs scheinen zu früh zu kommen,

Quas venerant; et homo natura lenissimus nihil enim poterat ^vn Ulo mitius stomachari tarnen coepit. mirabar; nee enim nm- ^Qim ante videram. at ille Hcracliti memoriam inplorans ^naerere ex eo viderentume illa Philonis aut ea nnm vel ^ Philone vel ex nllo Aeademico andivisset aliqoando? negabat: Philonis tarnen scriptum agnoscebat. Hiermit steht in Ebklang dass die Skeptiker in denen wir Heraklit erkannt haben ^ xaTtdtinrav genaa so wie die Stoiker definirten (40: qoale sit id qnod percipi et conprehendi possit totidem verbis quot Stoici sc. de- finiant). Philons eigenthOmliche Ncuemng bestand ja gerade darin ^ er eine andere Definition anfstellte.

') Cicero ad Att. XIII 19, 4: qnae autem bis temporlbus scripsi^ ^(fTottkfiov morem haben t, in quo sermo ita indncitur ceteromm B^ penes ipsom sit principatus. ita confeci qoinqae libros nt(H tüuäv

270 I^>e Arademica priora.

da dio Thatsache selbst, dass überhaupt ein solcher Dia des Antiochos cxistirto und die Quelle von Ciceros Academ war, noch nicht genügend festgestellt ist Denn nach i Art zu schliessen wie des „Sosos" Erwähnung geschieht (IS ist dieses Werk des Antiochos Ciceros Quelle gewesen \ müsste daher wenn unsere Verniuthungen richtig sind c logische Form gehabt haben. Damit scheint sich aber Titel nicht vereinigen zu lassen. Denn wenn dieser So ob es nun der bekannte Stoiker und Schüler des Panai (Zeller III 1 S. 570 Anm.) oder ein Anderer war, dem W den Namen gab, so scheint er doch irgendwie mit zum halt desselben gehört zu haben sei es nun dass er als sprächsperson betheiligt war oder der Dialog seiner Verb lichung diente. Weder das Eine noch das Andere kön wir nach der Vorstellung, die wir uns von ihm gebi haben, von dem Dialog des Antiochos sagen. Sollen deshalb den Sosos und die von Cicero für die AcadeD benutzte Quelle für zwei verschiedene Schriften halten? Möglichkeit dieser Verschiedenheit kann nicht ganz al wiesen werden (vgl. auch Zeller III 1 S. 598 Anm., neben dem Sosos die Karovixa in Betracht zieht), wir uns aber dieselbe unwahrscheinlich wie sie ist zu Ni machen werden wir lieber eine andere Erwägung anstel dass nämlich Sosos doch noch in einem anderen als beiden bezeichneten Fällen der Schrift des Antiochos Namen geben konnte. Dieser Fall ist wenn die Schrift ihn gerichtet war. Man wird diess zunächst nicht glaub finden. Aber man vereuche es doch einmal ob auf an(

ut Epirurea L. Torquato, Stoica M. Catoni, rteQiTratrjTixä M. P darem. Dazu vgl. Bcrnays Die Dialogo des Aristoteles S. 137, I Die verl. Schriften des Ar. S. 148.

') Nee se tcnuit quin contra suum doctorem libniro etiam qui Sosus inscribitur. Vgl. dazu Kriscbe S. 193 f.

Lucullus' Vortrag. 271

Weise und auch wenn man von unserer Vennuthung über Beschaffenheit und Inhalt dieser Schrift absieht, der Titel dereelben sich leichter erklären lässt Was fest steht, ist dass der Sosos eine gegen Philons neuestes Werk gerich- tete Schrift war. Er war der Ausdruck der wissenschaft- lidien Entrüstung des Antiochos über Philons Neuerungen ttnd es ist daher höchst unwahrscheinlich, ja fast nicht denkbar dass er gleichzeitig der Verherrlichung oder dem Andenken eines Mannes Namens Sosos dienen sollte. Aber Mch mit der anderen Annahme, die Schrift sei ein Dialog und Sosos eine der Personen des Gesprächs gewesen, kom- men wir ins Gedränge. Hatte darin etwa Sosos an Stelle des Antiochos die Lehre Philons widerlegt? Das wird Niemand annehmen wollen. Oder war Sosos derjenige an den sich Antiochos bei seiner Widerlegung wandte? Und diesen Fall gesetzt^ fiel Sosos etwa eine solche Rolle zu weil er ein An- hänger Philons war? Dann müsste jedenfalls der Gedanke an den Stoiker des Namens aufgegeben werden. Aber auch ein uns Unbekannter konnte doch nicht als Vertreter des philonischen Standpunktes in einer Schrift eingeführt wer- den die Antiochos Terfasste unmittelbar nachdem er diesen Standpunkt erst kennen gelernt hatte, zu einer Zeit da ihm selber dieser Standpunkt noch Tollkommen unerhört war, er daher auch von anderen Vertretern desselben ausser Pbilon kaum etwas wissen konnte. So kommen wir also auch wenn wir die Toi^getragenen Vermuthungen über den Dialog des Antiochos ganz bei Seite lassen, zu dem Schlus^ Ahüh Sosos derjenige war, dem gegenüWr Antiochos zuerst Keijier Entrüstung über Philons Neuerungen schriftlichen Ausdruck gab. In einer solchen Zuschrift hm es alier für .intioclMi« sehr nahe Ton Zeit und Ort zu berichten wo ihm rueni die Schrift Philons zu Gesir-lit gekommen war d. k da«^ zo ei-zählcn was wir bei Cic^-ro 1 1 £. über AntkitiK.s" Aui^Uudt

272 ^16 Academica priora.

in Alexandrien und seine dortigen Disputationen mit Hera- kleitos lesen. So werden wir durch eine neue Betrachtang zu dem alten Ergebniss geführt, dass die von Cicero benutzte Schrift des Antiochos ein Dialog war und zwar ein Dialog über den dieser an Sosos berichtet hatte. Nehmen wir nun weiter an, was doch das Wahrscheinlichste ist, dass dieser Sosos der Schüler des Panaitios ist, so begreifen wir um so leichter warum Antiochos der doch durch Mnesarchos eben- falls mit Panaitios in Verbindung stand, gerade ihn sich zum Adressaten auswählen konnte. Richten doch auch die Einwürfe des Skeptikers welche Antiochos widerlegt sich insbesondere gegen Stoiker von der Richtung des Panaitios wie wir gesehen haben (vgl. S. 260, 3) und mussten deshalb für Sosos von besonderem Interesse sein. Wir werden uns hiernach wohl an den Gedanken gewöhnen müssen dass ein literarisches Werk gelegentlich auch den Namen von dem tragen konnte an den es gerichtet oder dem es gewidmet war. Das AuflFallende was dieser Umstand für den ersten Blick hat wird übordiess durch zwei Bemerkungen gemildert Ich habe bei einer anderen Gelegenheit (Hermes X S. 79) darauf hingewiesen dass zu den Eigenthümlichkeiten der aristotelischen Dialoge auch die jedem einzelnen Buche eines Werkes vorgesetzten Proömien gehören. Es ist daher wohl möglich dass Antiochos der in der Form des Dialogs sich an das aristotelische Muster hielt ihm auch in dieser Be- ziehung gefolgt war. Dass aber der Dialog des Antiochos in mehrere Bücher zerfiel ist deshalb wahrscheinlich weil er über mehrere Tage sich erstreckte und der Inhalt dem entsprechend eingetheilt war (vgl. 12 und 49) und wird überdiess noch dadurch bestätigt dass auch Cicero in den Academica den beiden Tagen zwei Bücher entsprechen liess.^)

*) Auch im Dialog de oratore entsprechen die verschiedenen Bücher verschiedenen Tagen oder Tageszeiten. Sein Werk de re pu*

Lucullus' Vortrag. 273

Wenn nun jedem dieser Bücher ein besonderes Proömiura vor- gesetzt war, so trat die Persönlichkeit des Sosos an die sich alle diese Proömien wandten weit mehr in den Vordergrund und sein Name konnte darum auch eher als diess bei einer einfachen Widmung und einmaligen Anrede möglich gewesen wäre als charakteristischer Titel des ganzen Werkes benutzt werden. Diese rein sachlichen Momente würden es alleiu schon begreiflich machen, wenn Antiochos seinen Dialog nach Sosos benannt hätte. Sie werden aber überdiess noch durch eine Art von Ueberliefeiiing unterstützt insofern als es 80 unerhört nicht ist dass man ein literarisches Werk, flesßen Gegenstand sich nicht wohl in ein oder zwei Worten zusammenfassen liess, nach dem benannte an den es gerichtet war: denn ein berühmtes Beispiel gibt des Isokrates Brief oder Rede an Philippos, deren älterer Titel kurzweg ^UijtJtog lautete (Blass Att. Bereds. II 287, 5).

Und doch würden diese Vermuthungen über Antiochos' Schrift und ihren Titel dahin fallen, wenn dieselbe mit der dem Lucilius Baibus zugeschickten (Cicero nat. deor. I 16) iden- tisch wäre und dieses Zuschicken eine Widmung bedeutete. Ersteres ist die Ansicht von Krische (S. 168 f.) und Zeller (III 1 S. 597, 7), letzteres hat Schömann (zu Cicero a. a. 0.) ^wsgesprochen. Die ciceronischen Worte, auf die es hier ankommt, sind folgende: Tum Cotta „Si" inquit „Über An- tiochi nostri, qui ab eo nuper ad hunc Balbum missus est, ^era loquitur, nihil est quod Pisonem, familiärem tuum, desi- ^eres. Antiocho enim Stoici cum Peripateticis re concinere ^dentur, verbis discrepare: quo de libro, Balbe, velim scire ^öid sentias". „Egone?" inquit ille. „Miror Antiochum ho- ^u»em in primis acutum non vidisse interesse plurimum inter

Wica betreffend schreibt Cicero an seinen Bruder Quintus III 5, 1: B^roQo antem in novem et dies et libros distributus. Ebenso ist es

^ den Tusculanen.

Ririel, UntersQchiingeii. HF. 18

274 Die Academica priora.

Stoicos qui honesta a comraodis non nomine sed genere toto dijungerent, et Peripateticos qui honesta commiscerent cum commodis ut ea inter se magnitudine et quasi gradibus, non genere diflferrent. Haec enim est non verborum parva sedrerum permagna dissensio." Die an Baibus gerichtete Schrift hatte hiernach zur Hauptaufgabe die wesentliche Uebereinstimmung der stoischen und peripatetischen Lehre nachzuweisen und be- rief sich zu diesem Zwecke vorzüglich auf die Ethik. Wie passt diess nun zu dem was wir noch über den Sosos ausmachen können? Die Hauptaufgabe desselben war, wie uns ausdrück- lich gesagt wird, Philon zu widerlegen; nur nebenbei konnte auch das Verhältniss der stoischen und peripatetischen Philo- sophie unter einander berührt werden. Diese Annahme und jene Ueberlieferung bewähren sich an den Thatsachen: denn LucuUus ganz mit der Vertheidigung des Dogmatismus gegen die Skeptiker beschäftigt kommt auf jene innerhalb des Dogmatismus erörterte Streitfrage gar nicht und Varro in den Academica posteriora, die als aus derselben Quelle ge- schöpft hier mit herbei gezogen werden können, nur einlei- tungsweise (35 flf.) zu sprechen. Noch dazu tritt der in der Schrift de natura deorum besonders hervorgehobene Punkt, die Uebereinstimmung in der Ethik, in Varros Darstellung am meisten zurück. Der Sosos kann daher die an Baibus geschickte Schrift nicht gewesen sein. Welche andere Schrift es war, darauf sind wir glücklicher Weise in den Stand gesetzt eine Antwort zu geben: es ist dieselbe auf die uns die Quellenuntersucliungen über die ciceronische Schrift de finibus führen (Theil H S. 656 flf.); denn diese hatte die Ve^ söhnung der stoischen und peripatetischen Lehre zur Auf- gabe und scheint zu diesem Zwecke sich vorwiegend au die Ethik gehalten zu haben, genügte also aller Wahrschein- lichkeit nach den beiden Forderungen die wir an die Baibus zugeschickte Schrift stellen mussten.

Lucullas' Vortrag. 275

So bindert uns nichts mehr die Quelle von Lucullus' Vortrag in einem Dialog zu erblicken und diesen mit dem I08O8 zu identificiren: denn wenn man einwenden wollte, iUcullus sähe ja von einer Widerlegung Philons ab (12 vgl. lazn S. 253, 1) der Sosos aber habe es gerade damit zu thun, 0 ist zu erinnern erstens dass Lucullus nur einen Theil von intiochos' Reden wiederholt und zweitens dass auch dieser cheinbar nur dem Arkesilaos und Kameades geltende Theil ich gegen Philon richtet insofern dessen Ansicht, von der [euerung in der Terminologie abgesehen, im Wesentlichen lit der des Kameades zusammentri£ft (vgl. auch das S. 267 f. ber Heraklit Bemerkte).

Diesen Bemerkungen lockt es mich noch eine hinzu- ttßgen die ebenfalls zu Luculis Vortrag in Beziehung steht nd ein helleres und wie ich glaube neues Licht auf An- iochos' Stellung in der Geschichte der Philosophie wirft, fan begnügt sich gewöhnlich in ihm einen Akademiker zu ahen, der unter dem Einfluss stoischer Lehren vom Skep- idsmus zum Dogmatismus bekehrt wurde. Die Frage, wie in solcher Uebergang von einem Extrem zum anderen möglich war, hat man sich wie es scheint nie ernsthaft orgelegt Und doch sind wir in diesem Falle sie aufzu- werten um so mehr genöthigt als jener Meinungswechsel ich in Antiochos erst in späteren Jahren vollzog, zu einer «it da er bereits auf eine längere literai-ische Thätigkeit B Dienste der Skepsis zurückblicken konnte (Cicero Acad. r. 69 f.). Was wir schon hiemach voraussetzen könnten aas der Uebergang allmählich geschah und Antiochos auch b Dogmatiker noch durch einige Fäden mit dem Skepti- iwnus zusammenhing, wird durch eine genauere Beobach- ang der Thatsachen bestätigt. Ich habe schon früher rheü II S. 643 f.) darauf hingewiesen dass Antiochos das 'erfahren mit dem er die Zahl aller wirklichen und mög-

18*

276 1^16 Academica priora.

liehen ethischen Theorien zu bestimmen suchte und ebenso den Gedanken einer wesentlichen Identität der stoischen und peripatetischen Philosophie dem Kameades abgelernt zu haben scheine.^) Mit dem letzteren aber war zugleich em Grundpfeiler seines eigenen dogmatischen Lehrgebäudes auf- gerichtet. Für dasselbe war ferner charakteristisch der auch von Zeller (S. 603, 3) erwähnte Satz, dass die Hauptaufgaben der Philosophie die Bestimmung des Kriterions und des höchsten Gutes seien.*) Mit der stoischen Auffassungsweise der Philosophie stimmt diess keineswegs zusammen, da nach dieser die Physik den beiden anderen Disciplineu der Philo-

^) Ergänzend füge ich jetzt hinzu dass Karneades wie mit An- derem so auch mit dem Versuch einer vollständigen Aufzählong der philosophischen Theorien nur dem Vorgänge Chrysipps folgte. Dti ergibt sich aus Acad. pr. 138: testatur säepe Ghrysippns tris soUi esse sententias quae defendi possint de finibus bonorum; circomcidit et amputat multitudinem : aut enim honestatem esse finem aut vo- luptatem aut utrumque ; nam qui summum bonum dicunt id esse si vacemus omni molestia, eos invidiosum nomen volaptatis fugere sed in yicinitate versari; quod facere eos etiam qui illud idem cum ho- nestate conjungerent, nee multo secus eos qui ad honestatem prinui naturae commoda adjungerent: ita tris relinquit sententias quas patat probabiliter posse defendi. Dieselben Erörterungen Chrysipps schei- nen auch de fin. II 43 f. gemeint zu sein. Hier lesen wir: ita cete- rorum sententiis romotis relinquitur non mihi cum Torquato sed vi^

tuti cum voluptate certatio; quam quidem certationem Chry-

sippus non contemnit totumque discrimen summi boni in eanun com- paratione positum putat. Mit diesen Worten vergleiche man Acad. pr. 140: unum igitur par quod depugnet reliquum est, voluptas cao honestate; de quo Chrysippo fuit, quantum ego sentio, noo mago* contentio: alteram si sequare, multa ruunt etc.

^) Acad. pr. 29: Antiochos wandte gegen die Skeptiker ein, doo esse haec maxima in philosophia, Judicium veri et finem boDorao, nee sapientem posse esse, qui aut cognoscendi initium ignoret aat cxtremum expctendi ut aut unde proficiscatur aut quo perveniendoiB sit nesciat: haec autcm habere dubia nee eis ita confidere ut moven non possint^ abhorrere a sapientia plurimum.

Lucullus* Vortrag. 277

Sophie mindestens ebenbürtig war. Desto mehr erinnert es uns an die Skeptiker die ja ihre Hauptaufgabe darin sahen fSr das Erkennen ein Kriterien und für das Handehi ein letztes Ziel durch ihre Polemik hinwegzuräumen. Wer daher n ihrer Schule aufwuchs sah sich vor allen vor diese beiden Probleme gestellt: so erklärt es sich dass auch Antiochos lodi nach seinem Uebertritt zum Dogmatismus die For- schung auf diese beiden Wege wies. Aber nicht bloss in ler Stellung der Probleme schloss sich Antiochos an die Skeptiker an sondern er liess sich von ihnen auch bei der Äung leiten, insofern als bereits Kameades mit der blossen ndlosen Erörterung nicht zufrieden os versucht hatte auf ene Cardinalfragen eine gewisse Antwort und unserem )eaken sowohl als Handeln damit einen Anhalt zu geben ifgL S. 185 flf.). Hinsichtlich der einzelnen Probleme der ^ysik hatte sich dagegen Karneades eine solche Mühe allem Anschein nach nicht gegeben. Es ist daher bezeichnend läse dieselben auch in der Schätzung des Antiochos hinter len ethischen und erkenntnisstheoretischen Fragen zurück- tehen. Denn während es als wesentlich für die Weisheit nichtet wird auf diese beiden Fragen eine klare und be- tiinmte Antwort geben zu können (Acad. pr. 29 vgl. S. 276, 2), rird die Physik mit keinem Worte erwähnt, feste Resultate •af diesem Gebiete scheinen somit nicht unter die noth- 'eadigen Bestandtheile der Weisheit gerechnet zu werden. Hesen Schluss bestätigt LucuUus durch folgende Worte (23): larime vero virtutum cognitio confirmat percipi et conpre- lendi multa posse. in quibus solis inesse etiam scien- iam dicimus quam nos non conprchensionem modo rerum öd eam stabilem quoque et iiunutabilem esse censemus ^que sapientiam, artem vivendi, quae ipsa ex sese habeat oastantiam; ea autem constantia si nihil habeat porcepti et t>gniti, quaero unde nata sit aut quo modo? Die hervor-

278 ^^^ Academica priora.

gehobenen Worte vermag ich nur so zu verstehen dass da- durch die Möglichkeit eines vollkommenen Wissens auf die Tugenden d. i. auf die Ethik eingeschränkt werden soll Sie sind gesagt zunächst mit Beziehung auf das Vorher- gehende (22) in welchem für die Künste (artes), daruntei auch die Geometrie, nur ein Begreifen (conprehensio) erfor dort wird; aber auch ein Wissen iimerhalb der Physik wir dadurch selbstverständlich ausgeschlossen. Dem Antiocho ein solches skeptisches Misstrauen den Resultaten gerad der Physik gegenüber zuzutrauen sind wir um so mehr be rechtigt als auch Piaton dieselben nur als wahrscheinlic gelten Hess. Trotzdem ist es nicht überflüssig dass Lucu an einer anderen Stelle (30) alles in den Kreis der Physi Gehörige als dunkel und schwer ergründlich bezeichnet' In den Academica posteriora (24 flf.) gibt Varro allerdinf als Vertreter des Antiochos eine Darstellung auch der Physil aber zunächst doch nur historisch die Ansichten der Aelterc referirend; ausserdem ist mit keinem Worte angedeutet - und brauchte auch da wo es auf das Inhaltliche am Mdste ankam nicht angedeutet zu werden die logische Bedei tung dieser Lehren, ob sie den Werth eines Wahren od( nur des Wahrscheinlichen haben. Auf diesem Gebiete « also Antiochos wie es scheint nie zum stoischen Dogmatij mus bekehrt worden sondern Zeitlebens Skeptiker geblieben.'

^) Sequitur disputatio copiosa iUa quidem sed paulo abstrosk habet enim aliqaantum a physicis ut verear ne majorem In giar ei qui contra dicturus est libertatem et licentiam. nam qoi cum facturun; putem de abditis rebus et obscuris qui lucem eriper conetur? sed disputari poterat subtiliter etc.

*) Zu vergleichen ist übrigens auch was Piso bei Cicero de & V 9f. über die Verdienste der Peripatetiker um die NaturwiftW Schaft sagt. Denn das Urtheil über dieselben wird schliesslich ii folgenden Worten zusammen gofasst: qua ex cognitione üacilior fiicti

i%

Giceros Erwiderung. 279

Dem entspricht es dass wir unter den Schriften des Philo- sophen zwar eine Kanonik und eine über das höchste Gut kennen lernen aber keine naturphilosophischen Inhalts.

2. Cieeros Enriderungr.

Die Aufgabe dem LucuUus zu erwidern fiel Cicero des- halb zu weil jener in seinen Widerlegungen der Skeptiker sich immer zunächst an ihn gewandt hatte. ^) Dass Cicero

est investigatio rerum occultissimarum. Nach Augustin c. Acad. III 17, 38 wäre es Zenons Naturphilosophie gewesen die zuerst den Widerspruch des Arkesilaos herausgefordert hätte. Eine solche Geringschätzung der Naturphilosophie, wie wir sie für Antiochos an- ninehmen berechtigt sind, würde sich auch aus der Definition der Weisheit ableiten lassen die wir bei Augustin c. Acad. I 8, 23 lesen ^d wonach sie ist rerum humanarum divinarumque scientia earum quae ad beatam vitam pertinent. Diese Definition erscheint hier als die Modification der stoischen, hervorgerufen durch die Einwände des ^l^emikers Licentius: die Yermuthung, dass sie Antiochos gehört dem die Weisheit eine „ars vivendi" war (Cicero 23), darf sich daher ^ten lassen.

^) Diess, dass Luculi bei seiner Polemik vorzüglich Cicero im ^Qge hatte, verdient darum noch besonders hervorgehoben zu werden ^eil dadurch die irrige Ansicht Krisches über die Cicero im Dialoge des ersten Theils der Acad. priora zugefallene Rolle beseitigt wird. Srische sagt S. 153: „Im Gegensatze zu dem Vortrage des Catulus Qioss nun Cicero selbst es übernommen haben den Angriffen des Ear- Qeadeers gegen den Philon schrittweise zu folgen um sie in ihrer Gültigkeit mit Hülfe akademischer Kriterien zu prüfen und überzeu- ^d abzuwehren." Aber wenn diess richtig ist, wie konnte dann [lucullus mit einer Polemik, die von Philons eigenthümlichen An- ichten fast ganz absieht und in der Hauptsache seine Theorie nur 0 weit berücksichtigt als sie mit der des Karneades und zum Theil es Arkesilaos zusammenfällt, sich gerade an Cicero wenden? In iesem Falle war es doch vielmehr Catulus der sich allein als Ziel- :heibe einer solchen Polemik eignete! Dass nun wirklich Lucullus

280 I^ie Academica priora

für diese Erwiderung Philons Schriften und Vorträge stark benutzt habe, hatte Tennemann Gesch. d. Phil. IV S. 396, 8 behauptet und damit die Beistimmung Anderer erlangt Diese Meinung wird von Krische S. 152, 1 als eine ganz ver- fehlte bezeichnet, weil der Sosos des Antiochos eine Gegen- schrift Philons nicht hervorgerufen und Cicero verschiedene Gewährsmänner benutzt habe. Solche seien Kleitomachos und Chrysipp, jeder mit mehreren Schriften, sodann der ungenannte Verfasser einer historischen Darstellung der An- sichten vom TtXog und Krantor jibqI jtiv&ovq; ja auch der Einfluss des Antiochos und Lucrez soll bemerkbar sein

mit seinem Vortrage sich an Cicero wendet unterliegt keinem Zwei- fel sobald man die folgenden Stellen vergleicht. Luculi beginnt sei- nen Vortrag 13 mit den Worten „primum mihi videmini" wozu Cicero hinzufügt ,,me autem nomine appellabat'^ Liest man nach diesen Wor- ten weiter und vergleicht Acad. post. 44 so springt in die Augen dass Luculltts hier insbesondere an Aeusserungen Ciceros denkt die dieser im ersten Dialog gethan hatte. Hiernach ist auf solche aach f)4f. zu beziehen. Dass das „tu" der Anrede 22 in den Worten „ivvoiaq enim notitias appollare tu videbare'* sich auf Cicero bezieht, müssen wir aus 17 schliessen wo die Wiedergabe griechischer 1 1 durch lateinische als eine Eigenthümlichkeit Ciceros bezeichnet wird {UG hie sibi me appellabat jocaus hoc licere soll putet). Aus demselben Grunde müssen wir eine Hindeutung auf Ciceros früheren Vortrag auch 18 finden wo zu den Worten „tale visum*' bemerkt wird ,,jam enim hoc pro tfavxaaia verbum satis hesterno sennone trivimus'*. Krische S. 148 bezieht beide Stellen auf Catulus' Vortrag. Auf einen früheren Vortrag, den er mit dem seinigen beantworten will, weist Luculi 19: ncc vero hoc loco exspectandum est dum de rerao inflexo aut de collo columbae rcspondeam. Dass es der cice- ronische ist, lehren Ciceros eigene Worte 79: quod ne facere posses, idcirco heri non necessario loco contra sensus tam multa dixerao.

tu autem te negas infracto remo neque columbae collo commoven. Femer kann Catulus es doch nicht sein den Lucullus 55 anredet and dem er dabei folgende Worte in den Mund legt: cur enim ex illw individuis, unde omnia Democritus gigni adfirmat, in reliquis mundis

Ciceros Erwiderung. 281

194 ff.). Man sieht, es ist eine ziemlieh bunte Gesell- aft die Cicero bei seiner Widerlegung des Antiochos lilflich gewesen sein soll. Zwischen den beiden Extremen,

Meinung welche nui* eine einzige Quelle und der anderen che möglichst viele annimmt, hält Zollers Ansicht die te, wonach für die skeptischen Ausführungen Ciceros ser Klcitomachos auch Philon benutzt wurde (III 1 551 Anm. 3.).

Die Ansicht Krisches kann heutzutage nicht mehr auf- ht erhalten werden. Denn wenn z. B. 93 und 96 Lehren rysipps angeführt und zwar so angeführt werden dass

in eis quidem innümerabilibus innumerabiles Quinti Lutatii Catuli modo poBsint esse sed etiam sint, in hoc tanto mundo Catulus T non possit effici? An Cicero wendet sich Lucullus noch einmal h Schluss des eigentlichen Vortrages (61) und hier ist wegen des nigefQgten ,,me autem appellabat'* ein Zweifel nicht möglich, llich setzen auch Catulus' Worte über den Vortrag (63) voraus B dieser an Cicero gerichtet war. Ist diess aber richtig, dann in Cicero im Catulus sich nicht darauf beschränkt haben gegen- T Catulus Philons eigenthümliche Ansicht zu vertreten. Ja mehr das, er kann überhaupt Philons eigenthümliche Ansicht nicht theidigt haben. Denn mit Bezug auf die beiden Sätze y,id solum cipi posse quod esset verum tale quale falsum esse non posset** l »sapientem nihil opinari'* erklärt er 113: ego utrumque verum

0 nee dico temporis causa sed ita plane probo. Da nun aber im igncn dieser Sätze Philons Unterschied von Eleitomachos beruht, stellt Cicero mit den angeführten Worten sich so unumwunden als ;lich auf die Seite des letzteren. Philoneer kann er also nur in- ^ heissen als auch Philons Ansichten der grossen Masse und ^ Kerne nach mit denen seines Lehrers Kleitomachos überein- omten. Den Kritiker von Catulus' Vortrag kann daher Cicero im ten Buch nicht abgegeben haben. Seine Rolle kann nur gewesen

1 die von Catulus zu Gunsten der karncadeischen Skepsis vorge- chten Argumente noch durch seinen Vortrag zu verstärken. War Mr ausserdem die Schluss -Erörterung, so begreift man weshalb 'QUus gerade an ihn augeknüpft hat.

282 I^ie Academica priora.

ihnen dio skeptische Widerlegung auf dem Fusse folgt, so versteht es sich nach dem heutigen Stande der Quellenfor- schung von selber, dass Cicero aus der widerlegenden Schrift eines Skeptikers auch die Kenntniss der widerlegten Lehren schöpfte, und in dieser Ueberzeugung kann uns auch die Hindeutung auf mehrere Werke Chrysipps (87) nicht irre machen. Dieser Skeptiker könnte Kleitomachos gewesen sein. Denn dass Cicero wenigstens eine Schrift desselben, die an Lucilius gerichtete, selber eingesehen habe, lässt sich nach der Art wie er das Citat aus ihr einfuhrt kaum bestreiten: „scripsit igitur" sagt er 102 „bis fero verbis sunt enim mihi nota propterea quod earum ipsarum rerum de quibus agimus prima institutio et quasi disciplina illo libro con- tiuetur**. Und auch wenn er vorher (98) erklärt die Dar- stellung der kai'neadeischen Theorie von Kleitomachos ge- nommen zu haben, so wird man ihm diess zunächst glauben, zumal da das Citat mit aller erdenklichen Genauigkeit ge- geben wird.*) Man wird hiernach sogar geneigt sein den gesammten Vortrag soweit er nicht Ciceros eigenes Werk ist auf Kleitomachos zurückzuführen, falls nicht etwa bestimmte Kennzeichen diess im Einzelnen unmöglich machen. Dm diess letztere festzustellen darf man von der Voraussetzung ausgehen dass zwischen Kleitomachos und Kameades Ueber- einstimmung herrschte und sonach schliessen dass wo andere, denen des Karneades widersprechende Ansichten geäussert werden eine Schrift des Kleitomachos nicht die Quelle sein kann. Jene Voraussetzung ist besonders sicher in den Falleii in denen Kleitomachos selber uns über die betreflfende An- sicht seines Lehrers unterrichtet. So hatte derselbe für das

^) Nee vero quicquam ita dicam ut qaisquam id fingi Suspice-

tur: a Clitomacho sumam ; et quattuor ejus libri sunt de

sustinendis adsensionibas ; haec autem quae jam dicam sunt sumpt^ de primo.

Ciceros Erwiderung. 283

t)8t8chreibeii das or nach der Zerstörung Karthagos an ine gefangenen Mitbürger richtete einen Vortrag des Kar- ades verwerthet in dem dieser den Satz, der Weise werde irch die Eroberung seiner Vaterstadt in Bekümmorniss rathen, bestritten hatte. ^) Welches Kleitomachos' eigene wicht war kann hiernach nicht zweifelhaft sein. Wie jnmen nun dazu Ciceros Worte in den Academica 135: ad? illa in quibus consontiunt (Antiochos und die Stoiker) im pro Yoris probare possumus? sapientis animum num- Äin nee cupiditate moveri nee laetitia ecferri. age, haec obabilia sane sint: num etiam illa, numquam timere, num- Am dolere? sapiensne non timeat ne patria deleatur? m doleat si deleta sit? durum sed Zenoni necessarium i praeter honestum nihil est in bonis, tibi vero, Antioche, Jiime etc. Man wird vielleicht einwenden: für den Skep- :er stimmt zusammen was bei einem anderen Philosophen i Widerspruch sein würde. Dieser Einwand ist aber keines- igs durchschlagend. Cicero freilich nimmt für den Skep- cer das Privileg in Anspruch über dieselbe Sache bald so Id anders zu urtheilen und hoflft auf diese Weise seine jenen Gedankensprünge zu rechtfertigen; einem wissen- baftlichen Manne wie Karneades werden wir eine so maass- Je Ausübung dieses Rechtes um so weniger zutrauen als r zwar sehen dass er die Stoiker aufs Entschiedenste be- •nipfte, aber nicht erfahren dass er sie bei anderer Ge- jenheit vertheidigt habe. Dass Cicero an der angeführten eile sich mit Karneades nicht in Uebcreinstimmung be- idet wird um so glaublicher als er in derselben Gegend

*) Cicero Tusc. III 54: legimus librum Clitomachi quem ille

Brsa Karthagine misit consolandi causa ad captivos civis suos: in

est disputatio scripta Cameadis quam se alt in commentarium

'telisse. cum ita positum esset videri fore in aegritndine sapien-

^ patria capta, quae Cameades contra dixerit scripta sunt.

284 I^ie Academica priora

seiner Schrift noch einmal sich von den uns bekannten Ansichten des Akademikers entfernt. Die Meinungsverschie- denheit tritt in diesem Falle noch mehr hervor, weil Cicero unmittelbar nach seiner eigenen auch die hiervon abweichende Ansicht des Karneades anführt. Auch diessmal ist, was nach dem Gesagten ins Gewicht fallt, Kloitomachos sein Gewährsmann. Denn aus dessen Erzählung über die Philo- sophengesandtschaft ergab sich dass Karneades die Paradoxen welche die Allmacht des Weisen ins Uebertriebene ausmalten von sich ablehnte und den Stoikern als Eigenthum zuwies.*) Cicero dagegen bekennt sich kurz vorher ausdrücklich zum Glauben an diese Paradoxa und macht LucuUus daraus nur deshalb einen Vorwurf weil es vom ethischen Standpunkt des Antiochos aus eine Inconsequenz sei.*) Da indessen dieses Bekenntniss Ciceros nicht weiter in den Zusammen-

^) 137: legi apud Ciitomachum ^ cum Carneades et Stoicus Dio- genes ad senatum in Capitolio starent Auium Albinum qui tarn F. Scipione M. Marcello consulibus praetor esset, eum qui com avo tuo, Luculle, consul fuit, doctum sane hominem, ut indicat ipsius historia scripta Graece, jocantem dixisse Carneadi' „ego tibi, Gar- neade, praetor esse non videor quia sapiens non sum; nee haec nrbs nee in ea civitas'*. tum ille „huic [Stoico] non videris*'.

^) 136: illa vero ferre non possum, non quo mihi dispü- ceant sunt enim Socratica pleraque mirabilia Stoico- rum quae nagdSoga nominantur , sed ubi Xenocrates, nbi Aristoteles ista tetigit? hos enim quasi eosdem esse voltis. illi um- quam dicerent sapientis solos reges solos divites solos formosos? omnia quae ubique essent sapientis esse? neminem consulem pne- torem imperatorem, nescio an ne quinquevinim qiiidom quemqnaiD nisi sapientem? postremo solum civem solum liberum? insipientis omnis peregrinos, exsules, servos, furioses? denique scripta Lycurgi? Solonis, duodecim tabulas nostras non esse leges? ne urbis quidem aut civitates nisi quae essent sapientium? haec tibi, Luculle, si es adsensus Antiocho, familiari tue, tam sunt defendcnda quam moeoia; mihi autem bono modo, tantum quantum videbitur.

Ciceros Erwiderung. 285

ing der Erörterung verwoben ist, so könnte man vermu- len dass es bloss ein Selbstbekonntniss Ciceros und nicht wa aus der griechischen Quelle herübergenommen sei. In nem anderen Falle aber ist es nicht so leicht Ciceros Ur- teil und das seines griechischen Gewährsmanns zu sondern, ieser Fall tritt ein angesichts des Verhältnisses in dem die oische Lehre einer- und die peripatetische und akademische idererseits zu einander stehen. Kameades, hierin der Vor- inger des Antiochos (S. 275 f.) hatte geleugnet dass zwischen Jr peripatetischen und stoischen Moral ein wesentlicher aterschied bestehe und somit für Zenon ein Anlass zur iftung einer eigenen Schule gewesen sei (fin. II 41: non se rerum Stoicis cum Peripateticis controversiam sed no- inum; Tusc. V 120: causam esse dissidendi negabat).^) mgekehrt betont Cicero gerade den einschneidenden Unter- hied der die akademische und peripatetische Moral von T stoischen trennt 132: aut Stoicus constituetur sapiens it veteris Academiae. utrumque non potost; est onim inter 8 non de terminis sed de tota possessione contentio; nam inis ratio vitae definitione summi boni continetur, de qua i dissident, de omni vitae ratione dissident: non potest tur uterque esse sapiens, quoniam tanto opcrc dissentiunt, i alter. An dieser DifiFercnz hält Cicero auch noch im Agenden fest, wenn er die stoische Ansicht eine göttliche nnt und ihre Consequenz rühmt, in der der Peripatctiker er eine Concession an die menschliche Schwachheit sieht 34). Üass Cicero hier nicht die Ansicht des Karnejides

^ Zur Bestätigung dient noch eine früher von mir übersehene eile, de rep. III 12, wo aus dem Vortrage des Kameades über die irechtigkcit folgende Aeusserung angeführt wird: nam ab Chry- >I>o nihil magnum nee mngnificum desidcravi, qui suo quodam more initor nt omnia verborum momentis, non rerum ponderibus exa- inet.

286 I^io Academica priora.

vertritt, ist begreiflich genug; denn Antiochos gegenüber, der ja aus derselben die dogmatische Consequenz gezogen hatte, war sie nicht anwendbar, gegen Antiochos richtet sich aber hier Ciceros Polemik. Sollen wir nun Cicero zutrauen, dass er die neuen Argumente, deren er gegen Antiochos benöthigt war, selber gefunden habe? Diess ist schon darum unwahrscheinlich, weil Cicero in diesem Falle die Autorität der gesammten Akademie, nicht bloss der alten des Antiochos sondern auch der skeptischen des Karneades, gegen sich ge- habt haben würde: denn darüber dass zwischen der peripate- tischen und der stoischen Moral ein wesentlicher Unterschied nicht vorhanden sei, waren ja beide einig. Aber, kann nian einwenden, Cicero konnte sich den Rücken mit einem spä- teren Stoiker decken, die natürlich jenen wesentlichen Unter- schied ebenso hartnäckig behaupten mussten wie ihn die Aka- demiker bestritten (Lucilius Baibus bei Cicero nat. deor. 1 16. Von dem Stoiker Diodotos sagt Cicero Acad. pr. 115 „qui ista Antiochea contemnit"). Gegen diese Annahme spricht indess dass Cicero im Uebrigen an jener Stelle sich keines- wegs als Stoiker zeigt: denn um von dem abzusehen was er zur Vertheidigung der peripatetischen Moral bemerkt so ist nicht einmal was er zu Gunsten von Zenons Lehre in die Waagschale wirft den Stoikern entlehnt^) und es verräth vollends der Vorzug, den er dem skeptischen Weisen-Ideal

^) Er rühmt die Stoiker dass sie eine so erhabene Vorstellang vom Menschen haben indem sie ihn wie ein körperloses und somit gottgleiches Wesen behandeln und dass sie von dieser Voraussetzoog aus ganz consequent zu Werke gehen. Würde sich mit diesem Lo^^ ein Stoiker zufrieden gegeben haben? Gewiss nicht! Denn in diesem Lob ist zugleich der Tadel versteckt dass auf die dem Menschen tod der Natur gesetzten Schranken keine Rücksicht genommen warde, darauf aber dass sie sich mit der Natur in Uebereinstimmang be- fänden legten die Stoiker bei der Aufstellung des höchsten öote« besonderen Werth.

Ciceros Erwiderung. 287

r dem peripatetischen und stoischen ertheilt,^) das Ein- Iten des einmal gewählten akademischen Standpunktes. S8 Cicero, indem er die Verschiedenheit zwischen Peri- tetikern und Stoikern so nachdrücklich hervorhebt, diess abhängig von jeder fremden Autorität thue und darin iglich seinem eigenen Nachdenken folge, ist auch deshalb wahrscheinlich, weil eben jene Diflferenz der beiden Schulen

dem Abschnitt der den Skepticismus fiir die Ethik be- inden soll ein ausserordentlich wichtiges, wo nicht das shtigste Moment ist und mit der Annahme Cicero habe len solchen ganzen Abschnitt wesentlich nach seinen eigenen 3en entworfen seiner Selbständigkeit zu viel zugemuthet irde. Ja wir würden in diesem Falle noch weiter gehen d Ciceros Selbständigkeit auch für den naturphilosophischen ischnitt einräumen müssen. Denn in ganz ähnlicher Weise ö hier wird auch dort (119) auf die Meinungsvcrschieden- it der Stoiker und des Aristoteles Gewicht gelegt. Statt ssen ist es viel wahrscheinlicher dass in der Quelle, die cero einmal fiir seine Darstellung benutzt hatte, bereits

derselben strengen Weise zwischen Stoikern und Peri- tetikem geschieden wurde. Eine Schrift des Kleitomachos nn freilich hiernach diese Quelle nicht gewesen sein.*)

') Denn dass diess der Fall ist ergibt sich aus den Worten der berliefemng 132 auch wenn wir dieselben nicht mit Lambin so stellen: hie igitur (der skeptische Weise) neutri adscnticns, si nqaam uter sit sapiens adparebit, nonne utroque est prudcntior? nselben Gedanken hatte Cicero in den Academica posteriora aus- trlicher begrQndet wie wir aus Augustin c. Acad. III 7, 15 f. diessen müssen.

*) Für den zuletzt angeführten Abschnitt könnte man diess doch ^halten wollen. Der Punkt um den es sich handelt ist die Frage ch der Dauer der Welt. Die Stoiker erklärten die Welt für ge- i^D und vergänglich, Aristoteles hielt sie für ewig. Es könnte leinea dass diess eine Thatsache sei an der Niemand etwas ändern

288 I^iP Academica priora.

Wo wir diese Quelle zu suchen haben, kann uns die Art lehren wie Cicero sich zu den Peripatetikem steDl „Dass ich mich auf so domige und winklige Gebiete der Erörterung begeben habe, daran", sagt er 112, „sind nur die Stoiker Schuld. Anders wäre es gewesen, wenn ich mit den Peripatetikem zu thun gehabt hätte: denn mit ihnen hätte ich nicht nöthig gehabt lange über das Wesen des Begreifbaren zu streiten und w^ürde ihnen auch gern ein- geräumt haben dass der Weise gelegentlich eine Meinung haben dürfe." Seine eigenen Worte sind: si enim mihi cum Peripatetico res esset qui id percipi posse diceret „quod in- pressum esset e vero" neque adderet illam magnam acces- sionem „quo modo inprimi non posset a falso" cum simpHd homino simpliciter agerem nee magno opere contendcrem, atque etiam, si, cum cgo nihil dicerem posse conprehendi, diceret ille sapientem interdum opinari, non repugnarem praesertim ne Carneade quidem huic loco valde repugnante. Was ihm die Verständigung mit den Peripatetikem erleich- tert, ist nach diesen Worten der Umstand dass sie eine Definition der begreifbaren Vorstellung gaben ohne den Zusatz den hierzu die Stoiker machten. Dieser Zusatz ist

durfte, dass diese Differenz daher auch von denen anerkannt wenleo musste deren Bestreben war die Unterschiede der beiden streitenden Philosophien möglichst zu beseitigen. Wir müssen aber bedeniten dass auch die Stoiker über die Weltverbrennnng nicht alle gleich dachten und schon zur Zeit des Kleitomachos Stimmen unter ihnen laut geworden waren die sich gegen dieselbe erklärten. Dass Zenon von Tarsos und Diogenes von Babylon sie bezweifelten dttrfen wir der Ueberlicferung wohl glauben und namentlich wissen wir es wn dem Sidonier Boethos und Panaitios. Der Autoritäten dieser Männer hätte sich daher der Skeptiker, dem es auf eine Concordanz beider Lehren ankam, bedienen können um die scheinbaren Verschieden- heiten der aristotelischen und stoischen Philosophie auch in dem An- gegebenen Punkte als nichtig zu erweisen.

CiceroB Erwiderung. 289

\ der einer Verständigung mit den Stoikern im Wege steht: ßon lässt man ihn fort, so hraucht man nicht mehr zu «gnen dass ein Begreifbares wie es dann noch übrig bleibt i der Wirklichkeit existire. Cicero erhebt also gegen die toiker denselben Vorwurf den wie wir aus 18 sehen Philon igen sie erhoben hatte und worin gerade das Eigenthüm- 3he von dessen vielangefochtener Neuerung bestand (vgl. 195 flf.). Und nicht bloss hierdurch sondern auch mit an anderen Zugeständniss zeigt er sich auf Philons Seite: 5nn wenn dieser behauptete, Karneades habe dem Weisen w Meinen gestattet (78 vgl. S. 170, 1) und wenn Cicero er- lärt die Frage das Meinen des W^ eisen betrefifend solle ihn icht mit den Peripatetikern entzweien zumal auch Kameades e nicht entschieden verneint habe, so läuft diess doch auf aaselbe hinaus. Diese Uebereinstimmung mit Philon hat aber m so mehr zu bedeuten, als Cicero gleich darauf (113) sich ieder zu entgegengesetzten Ansichten bekennt, wenn er es Is seine dauernde, nicht bloss momentane Ansicht bezeichnet )wohl dass die stoische Definition der begreifbaren Vor- Ällung die richtige sei wie dass der Weise niemals eine leinung haben werde. ^) Diese letztere Erklärung steht in linklang mit den schon frühei* abgegebenen, wonach er karneades' Ansicht über das Meinen des Weisen betreffend ^eitomachos mehr als Philon und Metrodoros zu glauben «stand und das Meinen dem Weisen geradezu absprach.^) fachdem aber Cicero einmal mit solcher Entschiedenheit ich auf die Seite der strengeren Skeptiker gestellt hatte.

*) Ego tarnen utrumque verum puto, nee dico temporis causa öd ita plane probo.

*) 78 vgl. dazu S. 170, 1. Ausserdem 108: ego enim etsi maxi- >^ actionem puto, repugnare visis, obsistcre opinionibuSf adsensus i^bricos sustinere, credoque Clitomacho, ita scribenti, Herculi quen- ^ laborem exanclatum a Cameade quod ut feram et inmanem

Biriel, Unterttachungen. HI. 19

290 ^^^ Acaderoica priora.

konnte es nur ein äusserer Einfluss sein der ihn bestimmte den gewählten philosophischen Standpunkt wenigstens vorüber- gehend wieder zu verlassen. Da ihn nun dieser Einflua auf die Seite Philons trieb, so werden wir denselben toi einer Schrift dieses Philosophen ableiten. Einmal im Zug« sie zu benutzen eignete er sich fast unwillkürlich aus ik auch die Ansicht an dass man das Vorhandensein eine begreifbaren Vorstellung sobald man nur von der stoischei Definition absehe wohl zugeben könne und dass dem Weise auch ein Meinen gestattet sei; gleich darauf aber macht e die begangene Inconsequenz wieder gut indem er sich vo Neuem zur entgegengesetzten Ansicht bekennt.

Unter der Voraussetzung dass Philon von Cicero seine Darstellung benutzt wurde findet nun auch jene üntei Scheidung zwischen stoischer und peripatetischer Philosophi ihre Erklärung, die wir für einen Skeptiker so auffiEÜlen fanden und doch auch nicht als die Frucht von Cicere selbständigem Nachdenken betrachten konnten. Wir werde dieselbe jetzt ebenfalls auf Philon zurückfuhren. Ein Red hierzu gibt uns die früher geführte Untersuchung über de von Areios Didymos entnommenen Abschnitt des Stobaifl (S. 241 fiF.). Denn dass Areios die Richtung Philons vei folgte hat sich uns dabei ergeben, für den auf ihn zurfidi gehenden Abschnitt ist aber charakteristisch dass darin w Peripatetikern und Stoikern gesondert die Rede ist, die ein zelnen Lehren derselben einander und den platonischei gegenübergestellt und damit ihre Unterschiede anerkaon und nicht wie von Antiochos aufgehoben werden, ünte derselben Voraussetzung erklärt sich aber auch noch Anderes

beluam sie ex animis nostris adseosionem id est opinationem ^ temeritatem extraxisset, tarnen etc. Ebenso 67: ita seqaebator etiiS opinari; quod ta non vis et recte ut mihi videris.

Ciceros Erwiderung. 291

Von Lucullus, sagt Cicero 141, unterscheide er selber in der Bildang der moralischen Ansichten sich nur dadurch dass jener dieselben für unumstösslich halte er selber hingegen sich ihrer Unsicherheit immer bewusst bleibe. Denn diess ist doch wohl der Sinii der folgenden Worte: tantum interest quod tu, cum es commotus, adsciscis adscntiris adprobas, Terum illud, ceitum conprehensum perceptum firmum fixum vis deque eo nulki ratione neque pelli neque moveri potes, ego nihil ejusmodi esse arbitror cui si adsensus sim non adsentiar saepe falso quoniam vera a falsis nullo discri- mine separantur. Auch Cicero lässt sich zu einem „adsentiri" bestinmien, hält sich aber und darin beruht sein Unter- schied von Lucullus die Möglichkeit eines Irrthums immer gegenwärtig.^) Der in diesen Worten sich aussprechende Standpunkt ist somit der des Catulus (148): adsensurum non percepto, id est opinatuiiim, sapientem sed ita ut in- tellegat se opinari sciatque nihil esse quod conprehendi et pereipi possit. Dass Catulus aber in dieser Hinsicht sich an Philon anschloss ist schon früher bemerkt worden (S. 268,

*) Man darf die Worte nicht so verstehen als wenn sie die Be- gründung dafür wären weshalh Cicero niemals seine Zustimmung S^ben (adsentiri) werde. Denn worauf beruhte dann die doch so luurhdrücklich hervorgehobene Uebereinstimmung mit Lucullus? „Tarn niOTeor quam tu, Luculle, nee me minus hominem quam te putaveris** »»gt Cicero unmittelbar vor den angeführten Worten. Dieses Beiden Gemeinsame kann aber nur in dem ,,adsentiri'* liegen, und der Unter- schied beruht nur darauf dass Cicero bei diesem Akt das Bewusstsein ^«r Unsicherheit behält, Lucullus nicht. Es ist freilich eine Un- ^nanigkeit Ciceros wenn er iu demselben Gedankenzusammenhang Mtdsentiris*' von einer Zustimmung sagt die von keinem Gefühl der Unsicherheit begleitet ist sondern aus voller üeberzeugung gegeben y^ Die fraglichen Worte in der angegebenen Weise zu verstehen ^ schon darum nöthig weil es sonst heissen müsste: cui si adsensus *88em non adsentirer.

19*

292 I>*e Acadcmica priora.

vgl. auch S. 167). Denselben Gedanken scheint aber Cicero' auch noch an anderen Stellen auszusprechen. So führt auf ihn 132; denn zu etwas Falschem seine Zustimmung zu geben, wird hier gesagt, sei nach der Ansicht des LncuUus und derer die derselben Richtung folgten in Widersprudi mit dem Wesen des Weisen.^) Warum aber nur nach der Ansicht des Lucullus und der Seinigen wenn es doch auch die Ciceros war? Dasselbe gilt auch in Bezug auf 138.') In diesen Aeusserungen die Ciceros eigener ausdrücklich er- klärter Ueberzcugung widersprechen werden wir jetzt eine Spur des unwillkürlichen Einflusses erkennen den die einmal zu Grunde gelegte Schrift Philons auf seine Darstellung übte. Dieser Einfluss reicht aber noch weiter.

Denken wir zunächst noch oiinnal zurück an die Be- deutung, welche nach Kameades' Theorie die Wahrschein- lichkeit für das menschliche Leben besass (vgl. S. 178 ft). Halten wir uns an Sextos Empeirikos so war sie bestimmt als Grundlage für die Führung des Lebens und zur Er- langung der Glückseligkeit zu dienen.*^) Sie hatte einen rein praktischen Endzweck. In dieser Ansicht dürfen wir uns auch dadurch nicht ine machen lassen dass anderwärts Sextos auch unsere Urtheile auf die Wahrscheinlichkeit ba- sirt:*) denn dass diese urtheile solche sind, wie sie einer

^1 Nam vos qiiidem nihil dicitis a sapiente tarn alienum esse.

-^ Vos autem mihi verenti ne labar ad opinationem et aliqnid adsciscam et conprol)em iiicognitum, qifod minima voltis, quid con- silii datis?

^) Dogm. I 166: dnaiTovftfvo:: fih xal avrog rt xQirtjQiov J(^ Xf T//1' zov ßiov öif^ayioyiir xal .toow' r//r zfjg svöatfioriag neQlxTt}(f'^' Svrdfxet ^narayxa'C.ttat xal xai^^ aizov rregl Torror ötararTfO^f^'' 7i()oa?MLtßava)%* Ttjr tf TtiS-ar/^i' tfarraotav xt),.

*"! A. a. 0. 175: rw yaQ wq ittI tn nokv (diess ist eben d»s Wahrscheinliche"» rag rs XQiaetg xal rag 7i(}d^eig xavovCCfO^i f^^T

[it[itiXtV.

Ciceros Erwiderung. 293

Handlung vorausgehen, darüber lassen die von Sextos ange- führten Beispiele kaum einen Zweifel. Was wir aus Sextos lernen wird durch Cicero, der in diesem Falle das von Heitomachos Gesagte wiederholt, nur bestätigt. Ohne das Wahrscheinliche, fuhrt er aus, würde das ganze Leben um- gestürzt werden,^) durch dasselbe lässt der Weise sich im Leben leiten,*) nach ihm bestimmt er seine Entschlüsse zu handehi oder nicht zu handeln.^) Lediglich um dieses un- mittelbaren Einflusses willen den es auf unsere Handlungen übt soll das Wahrscheinliche einen Werth haben, und wenn Seitos auch die Glückseligkeit von ihm abhängig macht so q)richt er ihm dadurch nicht eine neue Bedeutung zu, da ojEFenbar die durch unsere Handlungen bedingte gemeint ist. Diess vorauszuschicken war nöthig damit man erkenne dass eine ganz andere Schätzung des W^ahrscheinlichen in fol- genden Worten Ciceros ausgedrückt ist, mit denen er 127 die skeptische Erörterung der Naturphilosophie abschliesst: »nee tarnen istas quaestiones physicorum exterminandas puto; est cnim animorum ingeniorumquo naturale quoddam quasi pabulum consideratio contemplatio(]ue naturae: erigimur, al- tiores fieri videmui*, huinana despicimus cogitantesque supera ^uc caelestia haec nostra ut exigua et minuta contemnimus. iodagatio ipsa rerum cum maximarum tum etiam occultissi- DMffum habet oblectationem; si vero alitjuid occurrit quod ▼eri simile videatur humanissima conpletur animus voluptate. quaeret igitur haec et vester sapiens et hie noster sed vester ot adsentiatur credat adtirmet, noster ut vereatur temere ^inari praeclareque agi secum putet si in ejus modi rebus

') li9: Etenim contra oatiiram est probabilc nihil esse, et scqui- ^ omnis vitae ea, quam tn, Luculle. commemorabas, ever&io.

^) A. a. 0.: utetur eo sapiens ac sie omnis ratio vitae gubemabitur.

*) A.a.O. 100: bujus modi igitur visis consilia capiet et agendi et noo agendi.

294 I^'ß Academica priora.

veri simile quod sit invenerit."^) Von dem Genuss den das Forschen als solches und als Fruclit desselben das Wahr- scheinliche gewährt ist an den Stellen, die uns über Kar- neades' Wahrscheinlichkeitslehre berichten, nicht die Rede Das Wahrscheinliche das uns dort begegnet ist von andere) und viel geringerer Art: denn im besten Pralle ist es m das Ergebniss reiflicher Ueberlegung, aber nicht erhabene Speculation und tiefgehender Forschung und verräth ausser dem zur Naturphilosophie gar keine Beziehung sondern is ganz der Praxis des Lebens zugewandt.*) Sollen wir nni diese Neuerung auf Cicero zurückführen? Wenn wir bedenkei dass er sich öfter zu der strengeren Ansicht des Kleito machos bekennt und nur wie unwillkürlich bisweilen in einei milderen Sinne sich äussert, so ist es nicht glaublich, da* er ohne äusseren Anlass, während er in seiner Quellenschrii nur die Bestreitung der Naturphilosophie vorfand, von sie aus derselben insofern ein Zugeständniss gemacht habe al er der blossen Erforschung naturphilosoi)hischer Problenw ganz abgesehen von den Resultaten, schon einen Werth be legte und ausserdem das Gewinnen wahrscheinlicher Ergel nisse nicht für unmöglich hielt. Es ist diess um so wenig« glaublich als Cicero nirgends sonst ein besonderes Interess an der Naturphilosophie zeigt, vielmehr vorwiegend m Fragen der Ethik beschäftigt ist. Immerhin würde es misi lieh sein auf Grund einer solchen vereinzelten Aeusserun Ciceros hin von einer Abänderung zu sprechen, die man i der Akademie mit der Skepsis des Karneades vornahm, un zwar von einer gar nicht unbeträchtlichen: denn so da]

') Vgl. 66 wo Cicero ausruft: qui enim possum non cupere vem invenire, cum gaudeam si simile veri quid invenerim?

') Ueberdiess sagt Diog. Laert. IV 62 von Kameades ausdrücl lieh: (ptloTTovog S' ävd^Qmnoq y^yovev ei xal Tic aXXo(;, iv fihv foi (pvaixolq ^Ttov (peQo/xevog iv 6h roig ijd^ixoTg fiäXXov.

Ciceros Erwiderung. 295

wohl eine Aenderung nennen der zufolge die wisseu- iiliche Aufgabe der Skepsis nicht mehr bloss in die ik fremder Dogmen sondern ebenso sehr oder mehr noch üe Gewinnung positiver Resultate gesetzt wird. Aber 30 Aeusserung ist eben nicht vereinzelt und es muss ider nehmen dass man andere derselben Art bisher nicht igend beachtet hat. Denn ganz übersehen kann man sie t haben, da sie an leicht zugänglichen Orten sich finden. Augustin nämlich wird als Ansicht der Akademiker aus- ben dass die Hauptaufgabe des Weisen im Forschen i der Wahrheit bestehe.^) In welchem Sinne konnten ' die älteren der akademischen Skeptiker von einem ichen nach der Wahrheit sprechen? In dem Sinne wie Pyrrhonoer dass sie darunter das immer wieder erneute 'en fremder Ansichten verstanden gewiss nicht: denn m dass eine Erkenntniss des Wahren unmöglich sei m sie schon vorher überzeugt (vgl. S. 27 ff", bes. S. 29). kann also nur ein Forschen gemeint sein das bis in äusserste dem Menschen erreichbare Nähe der Wahr-

d. i. zum höchsten Grade des Wahrscheinlichen führt»

solches Forschen verlangt allerdings auch Kameades.

auch darin, dass er dieses Forschen auf die Dinge Thränkt deren wir für unsere Glückseligkeit bedürftig

') C. Acad. I 8, 23 sagt der Vertreter der akademischen Skepsis utios: etenim ut ipse jam explicem definitione quod sentio, intia mihi videtur esse rerum humanarum divinarumque, quae »eatam vitam pertineant, non scientia solum sod etiam diligens isitio. quam descriptionem si partiri velis, prima pars, quae scien-

tenet, dei est; haec autem, quae inquisitione contenta est, ho- }. Dass Licentius hiermit wirklich eine akademische Ansicht )richt, dürfen wir nicht bezweifeln da Augustm ihn gleich darauf i and 25) ausdrücklich als Vertreter der Akademiker bezeichnet er selber sich auf Cicero als seinen Gewährsmann beruft.

296 I^io Academica priora.

sind,^) stimmt er mit Licentius dem Vertreter der Akade- miker bei Augustin übercin, der die menschliche Weisheit (sapientia humana) nicht als ein Forschen nach den mensch- lichen und göttlichen Dingen schlechthin sondern insoweit sie sich auf unsere Glückseligkeit beziehen definirt.*) Trotz- dem findet zwischen beiden ein Unterschied statt: denn das Wahrscheinliche das wir als Frucht des eifrigen For- schens nach Licxjutius voraussetzen müssen gewährt schon durch sich allein der Seele Befriedigung insofern es die Erfüllung eines menschlichen Naturtriebes ist,') dasjenige des Karaeades dagegen hat seinen Werth nur weil es die unentbehrliche Grundlage zu gewissen Handlungen bildet*) Um 80 mehr trifft Licentius' Ansicht mit der ciceronischen zusammen. Nicht bloss dass beide auf das möglichst ge- naue Forschen nach der Wahrheit an sich schon Werth legen ist ihnen gemeinsam sondern auch dass sie dieses Forschen bis in die dunklen Regionen der NatuqAilosophie

^) Sext. dogm. I 184: ovto), tpaolv oi nbQl xov KuQvedötjv, iv filv xolq tvxovoi TiQayfjLaai xy niO^avj fiovov *pavxaala XQiTf^Qlat X(f^ fie9a, iv 06 xoLi; dia(pi(JOvai xy dneQUjnaaiio, iv de xolg nQO>; fr<Jff*' /lovlav ovvxtlvovai x^ 7iF(}t(tt6tvfiivy.

«) I 8, 23 (Vgl. S. 295, i\

^) I 3, 9: quisquis ergo minus instanter quam oportet veritatem quaerit is ad finem hominis non pervenit: quisquis autem tantum. quantum homo potest ac debet, dat operam iuveniendae veritati, i^ etiamsi cam non inveniat beatus est; totum cnim faeit quodutfaciat ita natus est. In?entio autem si defuerit, id deerit quod natura non dedit.

*) Dass die evSat/novia des Karnoades mit der Seligkeit des Forschcns nichts zu thun hat, beweist das bei Sextos a. a. 0. 18? gegebene Beispiel: denn als eine wahrscheinliche Vorstellung des höchsten Grades d. h. wie wir voraussetzen müssen eine die zur «^ öaifiovia in naher Beziehung steht wird dort diejenige bezeichnet die aus der Untersuchung entsteht ob ein im Dunkeln liegender zusam- mengerollter Gegenstand eine Schlange oder ein Seil ist.

Ciceros Erwiderung. 297

erstrecken wollen.^) Diese Uebereinstimmung Ciceros mit Augustiii scheint ihren Werth für uns dadurch zu verlie- ren dass Augustiu seine Kenntniss der akademischen Lehre den ciceronischen Schriften verdankt und also sein Zeug- niss über dieselbe nur eine Wiederholung, nicht eine Be- stätigung des ciceronischen ist. Man muss aber andererseits auch bedenken dass die hier fragliche Stelle Ciceros von Angustin für seine Darstellung nicht oder doch nicht aus- schliesslich benutzt sein kann, da Augustin viel mehr gibt als wir bei Cicero lesen: Cicero muss also noch anderwärts dieselben Ansichten und zwar ausführlicher vorgetragen ha- ben; wobei es uns zunächst gleichgiltig sein kann ob diess im Catulus oder was weitaus wahrscheinlicher ist (Krische S. 180, 1) in der zweiten Beai'beitung der Academica ge- schehen ist.*) Ansichten aber die Cicero für der Mühe

')*Bei Augustin wird die»8 freilich nicht direct ausgesprochen. Aber was sollen wir uns unter den „res divinae'*. die doch mit zu den Gegenständen der Forschung gerechnet werden, anderes denken? Freilich scheint Licentius bei Augustin I 8, 22 unter den ,,rcs divinae** die Tugenden zu verstehen. Aber diese Bedeutung können sie doch dann nicht haben wenn neben ihnen auch die ,,res humanae'' als Gegenstand der Forschung erscheinen: denn was soll man unter diesen dann sich denken? Vielmehr wird 23 ausdrücklich dem Menschen die Aufgabe gestellt sich von den Banden der Leidenschaften frei >Q machen und ganz der Erkenntniss seiner selbst und Gottes nach- mhängen. Gerade dem Göttlichen aber soll uns auch nach Cicero die Naturbetrachtung näher bringen, vgl. Acad. pr. 127 (S. 293).

*) Dagegen kann ich die Meinung Krisches nicht theilen wenn derselbe S. 152, 1 dem Hortensius vindicirt den Satz bei Augustin 1 3, 7: Placuit Ciceroni nostro beatum esse qui veritatem investi- Rat etiam si ad ejus inventionem non valcat pervenire. Denn in diesem Satz drückt sich der specifisch akademische Standpunkt aus, ^ Hortensius aber wie wohl überhaupt in den Protreptiken wurde ^ Philosophie schlechthin ermahnt (Cicero Tusc. II 4, de divin. ^ 1), abgesehen von ihrer besonderen Form. Krische begeht mit

298 I^ie Academica priora.

werth hielt au mehr als einem Orte zu entwick doch nicht bloss ein flüchtiger Einfall seines eigei gewesen sein sondern müssen in seinen Augeu < Bedeutung gehabt haben wie sie ihnen der Zu» mit der gesammten skeptischen Theorie der . geben konnte.

Dass die begeisterte Ansicht von dem hol der Naturphilosophie nicht in einer vorübergehe

jenen Worten noch einen anderen Irrthum Denn der 80 wie ihn Aiigustin gibt schwerlich von Cicero, ich lieh nicht, was überflüssig zu bemerken wäre, die Vi den Gedanken. Nach den angeführten Worten nämlich i Trygetius gefragt hat „Ubi hoc Cicero dixit" fährt Li quis ignoret eiun affirmasse vehementer, nihil ab ho posse nihilque remanere sapienti nisi diligentissimam veritatis; propterea quia si iucertis rebus esset adsent fortasse verae forent liberari ab errore non posset? qua< culpa sapientis. Quam ob rem si et sapientem neccssario credendum est et veritatis sola inquisitio perfectum sapi est, quid dubitamus existimare beatam vitam etiam pc vestigatione veritatis posse contingere? Was nach der ai Frage des Trygetius zunächst auffallend war dass Lice geht die ciceronische Schrift zu nennen, ist nach dies ganz begreiflich. Denn er hatte jenen Gedanken gar ni bar aus einer solchen Schrift entnommen. Was er ih hatte war nur der Satz dass die höchste Aufgabe des möglichst genaue Erforschung der Wahrheit ist; hierzu einen allgemein zugestandenen Satz dass der Weise glüc so konnte ihm der aus diesen beiden Prämissen gezo dass im Forschen nach der Wahrheit das Glück bestell nisch gelten. Uebrigens konnte Cicero sehr wohl das F der Wahrheit nicht bloss als die höchste Aufgabe des dem auch als Quelle reinsten Genusses bezeichnen, ohi geradezu auszusprechen dass die ganze Glückseligkeit ( darin enthalten sei. Ich bemerke diess deshalb dam etwa zwischen dieser Anmerkung und dem im Text G< Widerspruch zu finden meine.

Ciceros Erwiderung. 299

Wallung Ciceros ihren Ursprung hat oder ihm allein ange- hört, wird auch darum wahrscheinlich weil sie auch innerhalb Beiner Darstellung des Skepticismus nicht isolirt steht son- dern mit den übrigen Theilcn derselben durch bestimmte bei schärferer Betrachtung wahrnehmbare Fäden verknüpft ist. Augustin unterscheidet in den S. 295, 1 angeführten Worten zwei Arten der Weisheit, die eine mit der sich ilie Menschen begnügen müssen die andere welche nur der ßottheit eignet Letztere ist das vollkommene Wissen, der Besitz der Wahrheit, jene das unablässige Forschen nach derselben. Hierin den Ausdruck der echt akademischen rheorie zu finden sind wir um so mehr berechtigt als, die- selbe Anschauungsweise auch bei Cicero vorausgesetzt, erst recht verständlich wird wanim dieser mit dem Entdecken eines Wahi'scheinlichen sich eine „humanissima voluptas"*) verbunden denkt. Um aber die Worte Augustins vollkommen zu würdigen müssen wir bedenken d;iss er die göttliche Weisheit in das Wissen von göttlichen und menschlichen Dingen setzt soweit sie dc^r Glückseligkeit dienen, dass er also im Wesentlichen auf sie die Definition anwendet welche die Stoiker von der Weisheit überhaupt gaben.*) Nur des- Iwilb wird die stoische Ansicht verworfen weil sie der mensch- lichen Natur zu viel zumuthet. Dass die Glückseligkeit aus der Quelle fliesst aus der die Stoiker sie ableiten wird ein- geräumt, geleugnet dagegen dass es den Menschen vergönnt >^ daraus zu schöpfen. Denselben Standpunkt nimmt aber 1er stoischen Lehre gegenüber auch Cicero 134 ein, wo er '»e mit der des Antiocluis vergleicht. An sich hat er gegen

') A. a. O.: si Tero aliquid occorrit quod veri simile videatar aomtnissima conpletar aDimas voluptate.

^: Dass die Modification der stoischen Definition durch den Zo- ^ M<lQae ad beatam Titam pertinent" vielleicht Antiochos gehört '^ S. 278, 2 bemerkt worden.

300 ^ie Academica priora.

Zonons Dogma wonach auf die Tugend allein die Glückselig- keit sich gründen soll nichts einzuwenden, doch furchtet er dass dasselbe mag es sich auch für einen Gott ziemen doch an die menschliche Natur Anforderungen stellt die diese nicht zu erfüllen vermag.^) Und wie bei Augustin die Körperhülle es ist die den Menschen hindert das von den Stoikern aufgestellte Ideal der Weisheit zu erreichen*) so leidet auch Zenons Forderung die Glückseligkeit nur auf die Tugend zu gründen nach Cicero an dem Fehler dass sie den einen Theil des menschlichen Wesens den Körper ausser Acht liisst^) Aus dieser Uebereinstimmung dürfen wir wohl schliessen dass die Akademiker denen Cicero bei der Beur- theilung der stoischen Tugendlehre folgt dieselben sind mit denen die nach Augustin die höchste Aufgabe des mensch- lichen Weisen im ewigen Forschen nach der Wahrheit sahen.

M Zeuo iu uua virtute positam beatam vitam putat. quid An- Uochus? ,,etiam'* inquit .,beatam; sed uon beatissunam^*. deas ille qui nihil ceusuit dcessc virtuti, homuncio hie qui multa putat prae- tor virtutem homini partim cara esse partim etiam necessaria. sed ille voroor ne virtuti plus tribuat quam natura patiatur, praesertim Theophrasto multa diserto copioseque contra dicente.

^"1 I 8, 21^: hoc ipso quo quaerit sapiens est, et quo sapiens eo beatus, cum ab omuibus involuoris corporis mentem quantum potest ovolvit et se ipsum in semet ipsum colligit, cum se non penoittit cupiditatibus lauiandum sed iu se atque in deum semper tranquiUu^ intenditur: ut et hie, quml beatum esse supra inter nos coDvenitf ratione perfruatur et extremo die vitae ad id quod concupivit adi- piscendum reperiatur paratus fruaturquc merito divina beatitadine qui humaua sit ante perfructus.

'^ Ki9: revocat ^vou den Ansichten Epikurs und Aristipps) vir- tus vel potius reprehendit manu: pecudum ülos motus esse dicit, hominem jungit dei\ pos$um esse medius ut. quoniam Aristippn^ quasi animum nullum habeamus corpus solum tuetnr, Zeoo quasi corporis simus ex|>ertes animum solum conplecütur, Calliphontem sequar etc.

Ciceros Erwidenmg. 301

?ennittelt gcwissennaasscn Augustin zwischen den cice- schen Stellen und zeigt uns dass die welche die Lust

den Wcrth der Forschung preist auf dem Grunde der- en Anschauung steht wie die anderen welche die über Schliches Maass hinausgehende Götterhöhe der stoischen ik halb bewundern halb tadeln. Dass aber eine solche nehroron Orten durchbrechende Grundanschauung Ciceros mthum sei, ist sobald man nur überhaupt eine griechische lle seiner Darstellung annimmt äusserst unwahrscheinlich.

Suchen wir daher nach ihrem Urheber, so kann diess »ehen von dem schon früher bemerkten Karneades auch lalb nicht gewesen sein weil bei der Beurtheilung der jchen Ethik der durchgreifende Unterschied derselben von akademisch-peripatetischen betont wird (vgl. S. 285 ff.). ^) lit ist aber zugleich ein Wink gegeben dass wir an Kar- ies' Stelle Philon zu setzen haben (vgl. S. 290 ff.). Unsere m gewonnenen Ansicht(m über diesen Akademiker werden durch sowohl bestätigt als erweitc»rt. So sehen wir jetzt einem neuen Beispiel dass wir Recht hatten bei den demikern Ainesidems an ihn zu denken (vgl. S. 230 ff.): 1 inwiefern man diesen Ueb(?reinstimmung mit den Sto- n zum Vorwurf machen konnte haben wir jetzt an neuen ipielen erkannt da als eine solche Ueb<?reinstimmung 1 die relative Anerkennung gelten darf die» von den demikeni Ciceros und Augustins sowohl der Ethik der ker wie ihren Ansichten üIht die Weisheit gezollt wird, h mehr aber lernen wir jetzt was der übcrliefei*U,» Pbi- sraus Philons zu bedeuten hatte. Denn während Kar- ies der Sokratiker (vgl. S. 35. 188) sich wenig fxler gar

') Die Vergleichung der akademisch-peripatetischen Moral mit stoischen wird IM eingeleitet durch die Worte: ecce multo major n dissensio

302 1^16 Academica priora.

nicht um Naturphilosophie kümmerte will Philoii auch die- ses Gebiet nicht vernachlässigen und steht somit zu ilun in demselben Verhältniss wie Pia ton zu seinem Lehrer.*] Das entnehmen wir jetzt aus den behandelten Worter Ciceros und dürfen diess um so zuversichtlicher thun als eine solche Ausdehnung der wissenschaftlichen Forschung auf ein von Karneades vernachlässigtes Gebiet nur natür- lich ist vom Standpunkte des Philosophen aus der wie e durch Anwendung des Namens xaraXfjjcrot^ auf das Wahl* scheinliche zeigte auch die Ergebnisse der Forschung höhe schätzte und somit bereit sein nmsste auf sie von der e einen grösseren Lohn erwartete auch eine grössere Müh zu verwenden. Indessen bleibt in demselben Maasse wi die Naturphilosophie selber nur ein Aussenwerk der plato nischen Lehre ist auch die eben bemerkte Uebereinstiminuni Philons mit Piaton nur eine äusserliche. Viel tiefer dring eine andere. Nach Piaton-) und ebenso nach Philon, wem wir ihn in den Akademikern Augustins erkennen dürfen, is der Mensch auf das Forschen beschränkt, die volle Wahr heit und höchste Weisheit dagegen kommt nur der Gott heit zu. Nach Beiden ist der Körper das Hinderniss da

' I Wie leicht hatte es übrigens Piaton im Timaios dadurch dai er seine Ansichten nur als wahrscheinliche vortrug einem Skeptüc gemacht gerade in der Naturphilosophie an ihn anzuknüpfen! Mi darf nicht einwenden dass doch wenn Philon wirklich nach plAt( nischer Weise Naturforschung trieb auch Cicero im naturphilo« phischen Theil der Academica positive Ansichten über diesen Gegen stand entwickelt haben würde. Denn letzteres mochte auch Philo in seiner Schrift nicht gethan haben, weil dem didaktischen Grund satz der Skeptiker es allein entsprach ihre Ansichten problematisc vorzutragen und dem Leser die Entscheidung zu überlassen [H^ S. 235 f.l

*) Zum Schluss des Phaidros wird den Menschen nur die fi'^ ooifi'a zugestanden, die ao(fia den Göttern vorbehalten.

Ciceros Erwiderung. 303

uns nicht bis zur Erkenntniss durchdringen lässt, mit des- sen Beseitigung durch den Tod wir daher lioffen dürfen der Gottheit an Weisheit und Seligkeit gleich zu werden.*) Nach Beiden endlich bleibt uns während dieses Lebens nichts wei- ter übrig als der Vernunft, dem göttlichen Theil unserer Seele gemäss zu leben,*) nur nach der Erkenntniss unserer selbst sowie Gottes zu streben^) und den Geist so viel als möglich von den Banden des Körpers, den Leidenschaften und Begierden, zu lösen.*) Nirgends finden wir eine Spur dass schon Karneades die Aufgabe des Menschen ähnlich ge- fasst habe. Dagegen dürfen wir annehmen dass diess Areios Didymos that: denn bei Stobaios ekl. II 64 wird berichtet dass Sokratcs Piaton und Pythagoras das höchste Ziel des Menschen darein setzten der Gottheit immer ähnlicher zu werden, für den Urheber dieses Abschnittes des Stobaios aber d. i. für Didymos hatte Piatons Vorgang Autorität (TheU II S. 837 Anm.). Hierdurch bestätigt sich das Er- gebniss einer früheren Untersuchung die uns in Areios Di- dymos einen Anhänger nicht des Antiochos sondern Philons erkennen Hess (S. 240 ff.), so wie umgekehrt auch die eben ober Philon gewonnene Ansicht durch dieses Zusammen- treffen von Neuem befestigt wird.

Aus dem Gesagten ergibt sich dass bei der Behandlung der Naturphilosophie und Ethik Cicero in wesentlichen Stücken auf Philon zurückgegangen ist. Dasselbe ist man biemach geneigt auch für den dritten Theil der Philosophie,

') Aasser I 3, 7, den schon früher angeführten Worten, vgl. was 9 ebenfalls Licentius sagt: veritatem autem illam solum deum nosse vbitror aut forte hominis animam, cum hoc corpus, hoc est tene- brosQm carcerem, dereliquerit.

*) C. Acad. I '2, 5. 4, 11 u. ö.

») A. a. 0. 8, 23.

*) A. a. 0.

304 ^i<^ Academica priora.

die Dialektik zu vermuthen. lieber dieselbe gibt er noch ehe er sie besprochen hat ein schlechthin verwerfendes Ur- theil ab (141: cum judicia ista dialecticae nulla sint). Im P^olgenden lenkt er aber wieder ein. Denn seine Polemik richtet sich hier vorwiegend gegen die stoische Dialektik. Und freilich musste diese Disciplin dem Skei)tiker am Meisten zuwider sein da sie den Anspruch erhob Wahres von Fal- schem scheiden zu können (Prantl Gesch. d. Log. I S. 413).*) Darauf bezieht es sich, wenn 143 von den Stoikern gesagt wird: in hoc ipso quod in elementis dialectici docent qao modo judicare oporteat verum falsumne sit si quid ita conexum est etc. Und eben daher ist auch das vorher an- geführte verwerfende Urtheil zu erklären, da ihm folgende Worte vorausgehen : ego nihil ejus modi esse arbiti*or, cui si adsensus sim non adsentiar saepe falso, quoniam vera a fakis nullo discrimine separantur. Gerade in diesem wichtigen Punkte nun unterscheidet sich von den Stoikern Aristoteles, indem er der Dialektik nicht als Aufgabe stellt das Wahre zu finden sondern sie mit dem Wahrscheinlichen sich zu begnügen heisst. Das ist aber eine Ansicht mit der die skeptische Theorie sich allenfalls vereinigen liess. Und ins- besondere dürfen wir aimchmen dass Philon einen solchen Versuch machte der mit dem anderen, hinter dem Wissen und der Erkenntniss der Peripatetiker die Wahrscheinlich- keit der skeptischen Akademie zu entdecken, in voller Ueber- einstimmung steht. Wenn daher in dem in Rede stehenden ciccronischen Abschnitt zwar die Stoiker verworfen werden, des Aristoteles aber mit Auszeichnung gedacht wird,*) so

*) Cicero selbst sagt Ol zu den Stoikern: dialecticam inTenttin esse dicitis, veri et falsi quasi disceptatricem et judicem.

*) 143: ipsum Aristotelcra quo profecto nihil est acutius, nihil politius.

Ciceros Erwidening. 305

terden wir hier abermals nicht Ciceros eigenes Urtheil sondern eine Spur des philouischen Einflusses erkennen. Noch bestimniter tritt derselbe in folgenden Worten hervor mit denen Cicero (143) den Schluss zieht aus der Bemer- kimg dass Antiochos in der Dialektik nicht an Xenokrates und Aristoteles sondern lediglich an Chrysipp sich anlehnt: qoid ergo Academici appellamur? an abutimur gloria no- minis? Den gleichen Vorwurf wie hier, dass Antiochos kein Recht habe sich einen Akademiker zu nennen, erhebt Cicero g^n ihn auch 69 f.^) und 113.*) Dass er diess zuerst gethan habe wird aber Niemand behaupten wollen. Viel- mehr ist das Wahrscheinlichste dass damit Philon dem Ver- soche des Antiochos innerhalb der Akademie sich selbständig zn machen entgegentreten wollte.^) Darum wird an den beiden angeführten Stellen dieser Vorwurf in die engste Beziehung zu Philons Persönlichkeit gesetzt: an der zweiten dadurch dass er in Verbindung mit Philons eigenthümlicher

') Excogitavit aliqaid? eadem dielt quae Stoici. paenitoit illa KBsisse? cur non se transtalit ad alios et maxime ad Stoicos?

wmm enim erat propria ista dissensio. unde aatem

iQbito vetus Academia revocata est? nominis dignitatem videtor, cmn a re ipsa descisceret, retinere voluisse etc.

*) A qao (sc. Antiocho) primum quaero quo tandem modo sit ^ Academiae cujus esse se profiteatur? ut omittam alia, haec ^ qnis umquam dixit aut Teteris Academiae aut Peripateticorum, Y^l id solnm percipi posse quod esset verum tale quäle falsum esse ^ poBset Tel sapientem nihil opinari? certe nemo.

*) Auf Philon wird daher auch das bekannte Urtheil zurück- gehen dass Antiochos nur dem Namen nach ein Akademiker, in ^thrheit Stoiker gewesen sei. Bei Cicero lesen wir es 132: qui ^Ppeliabatnr Academicus, erat quidem si perpauea mutavisset, ger- ^^Wssimos Stoiens, vgl. dazu 137. Dasselbe Urtheil führt auch Sextos wrrii. I 235 an. Von Cicero kann es daher nicht wohl stammen. ^^ wen wir dann aber anders denken sollten als an Philon, wüsste *H nicht (Vgl. auch S. 230, 1. 235 f.\

Hirse I, Unt6»ncli«Bgen. UI. 20

306 I^ie Academica priora.

Ansicht über die Bedeutung des xatakfjjtzov erscheint, an der ersten insofern weil nicht der Abfall des Antiochos von der Akademie überhaupt sondern insbesondere der von seinem Lehrer Philon gerügt wird.*) Dasselbe ergibt sich aber auch aus der diesem Vorwurf zu Grunde liegenden Voraus- setzung dass die alte echte Akademie die skeptische ist: denn dass diess der Ansicht Philons entspricht ist bereits früher bemerkt worden (S. 220, 1).

So macht sich in den drei Disciplinen der Philosophie, an welche sich auch Cicero behufs Bestreitung der Dogma- tiker bindet, der Einfluss Philons geltend. Wir würden daher ohne Weiteres in einer Schrift Philons die Quelle ffir den Schlussabschnitt der ciceronischen Darstellung (von 116 an) erblicken wenn nicht ein Einwand sich gegen diese An- nahme erhübe. Gegen die teleologische Weltanschauung der Stoiker macht nämlich Cicero 120 die grosse Menge von Schlangen und anderen giftigen Wesen geltend die über Erde imd Meer zerstreut sind. *) Nach Zeller aber (III 1

^) 69: sed prius pauca cum Antiocho qui haec ipsa quae a ne defendiintur et didicit apiid Philonem tarn diu ut coDStaret dlutitf

didicisse neminem etc. numquam a Philone discessit nisi

posteaquam ipse coepit qui se audirent habere. Die persönliehe Gereiztheit die aus diesen Worten spricht wird ihnen nicht erst Cicero gegeben haben. Auch was Cicero den S. 305, 1 angeführten Worten hinzufügt ,,quod erant qui illum gloriae causa facere- di<^ reut cum speraret etiam fore ut ei qui se sequerentar Antiocliü vocarentur^^ wird doch wohl auf Philon sich beziehen. Dasselbe sagt übrigens auch Piutarch Cic. 4 : ^rfiy yäg iSiataro tffq vSa; Af- yojuivTjg kxaörifislag 6 Ävzioxog xal t?/v KaQveaöov araaiv iyxart- , Xeinev, eire xa/nTizofievog vnb xijQ ivaQyeiag xal tc5v ala^Ofoif fhs (lig (paaiv evioi (pikonjuin rivl xal öia(poQa ngog rovg KUa^- ftd^ov xal *PiXü)vog awi^B-etg rov Srw'ixbv ix fiBtaßoXijq B-eQamvvif loyov iv Toig nXsiatoig.

^) Er rühmt sich im Gegensatz zu den Stoikern der Freiheit die er vom akademischen Standpunkt aus habe unbeantwortet m

Giceros Erwiderung. 307

;, 1) rührt dieser Grund von Karneades her. Diess larum ins Gewicht weil Cicero den Kameades nicht icklich nennt: denn man könnte diess damit erklären

dass eben Aeusserungen des Karneades, wie sie Klei- 108 mitgetheilt hatte, der gesammten Darstellung Ci- zu Grunde liegen, dieser daher unmöglich in jedem len Falle den Urheber namhaft machen konnte. Um

Einwand zu entkräften könnte man darauf hinweisen ücero das Argument des Karneades sich nicht selber et sondern zwischen ihm und der stoischen Ansicht mittleren Standpunkt einnimmt. Doch würde diess

mehr als eine Ausflucht sein. Ich will auch das betonen dass unmittelbar vorher Aristoteles und die p in einen Gegensatz gebracht werden wie es nach früher ausgeführten Vermuthung nicht der Weise des ides entsprach. Viel triftiger ist was sich bei Betrach- ies Grundes ergibt auf den Zeller seine Behauptung

Aus Plutarch bei Prophyr. de abstin. III 20 schliesst SS jenes Argument dem Karneades gehört. Dort lesen m Folgendes: OT<p rf?) ravra öoxet xi rov ütiB-avov ;c5 xgixovroq fjsxix^iv, oxoji:elt(D tl JtQoq IxBtvov iget iyov ov KaQvedÖTjg eXsysv' „ixaörov xmv q>vOsi ysyo- , oxav xov jiQog o Jtifpvxe xal yiyovh xtr/xdvi] xiXovq, txai {xoiPoxsQOV 6h rFjg coq)tXslag ?}v evxQrjöxlav ovxoi UV äxovcxiov)' ri 6e vq ^vosi yiyove JtQog xo Cfpa- xal xaxaßQ(Dd7}vai' xal xovxo Jtdoxovöa, xvyyavu xov i xig>vxs xal (Dg)BZerxai" Was von Karneades in Aus- gestellt wird, ist nur eine Schlussfolgerung (xov Xoyov) ie ist in den angeführton Worten vollständig enthalten.

lie Frage „cur deus, omnia nostra causa cum faceret

vim natricam viperarumque fecerit? cur tarn multa pestifera larique disperserit?^*

20*

308 ^^^ Academica priora.

Das von Cicero benutzte Argument findet sich aber darin nicht, sondern erst in folgenden an die angeführten sich an- schliessenden Worten: xal fjyv el JtQog dvd-Qcixcov XW^ 6 d^eog fiEfjfixdvrjrai xa ^(pa rl xQV^^f^^^^ (ivUug, iuxloi, vvxreQlöi, xavd^aQOig, oxoQJtloig, Ixiövaiq; Dass diese Worte aber, mit denen ein ganz neues Argument ein neuer ilo/og anhebt, ebenfalls auf Kameades zurückgehen ist nach dem Gesagten nicht bloss nicht zu beweisen sondern sogar höchst unwahrscheinlich. Jener Einwand gegen die Zurückfuhroog des fraglichen Abschnittes auf Philon ist somit abgewiesai Die Frage kann nur noch sein ob wir etwa das von Philon Entlehnte noch über den bezeichneten Abschnitt hinaas ausdehnen dürfen. Für 112 f. muss diese Frage bejaht wer- den, da hier Cicero den Anschauungen Philons selbst gegen seine eigene Ueberzeugung sich anbequemt (vgL S. 288 ff.). Dagegen scheint es nothwendig den ganzen vorausgehenden ersten Abschnitt der ciceronischen Darstellung aus einer Schrift des Kleitomachos abzuleiten. Dazu nöthigt uns nidt dass Cicero in ihm sich zur Ansicht des Kleitomachos bekennt (78. 108), denn dasselbe thut er auch in dem aus Philon ge- schöpften Abschnitt (113). Auch dass Schriften des Kleito- machos citirt werden (98. 102) ist an sich noch nicht be- weisend, da es an einem solchen Citate auch im zweite Abschnitt nicht fehlt (137). Es könnten also auch jene Citate mit aus der Schrift Philons übernommen sein. Nun wird freilich durch die besondere Art wie das zweite Citri gegeben wird die Annahme einer unmittelbaren Benutwing des Kleitomachos fast gefordert (vgl. S. 282). Daraus folgt aber nur dass ein kleines Bruchstück des betreffenden Ab- schnittes von Cicero selbst aus jener Schrift genommen ist, während für das Uebrige die Frage noch unentsdiieden bleibt. Um dieselbe zu lösen fallt ein Moment schwer ins Gewicht. Das ist dass Cicero in dem zweiten Abschnitt

Ciceros Erwiderung. 309

iwar mit den Worten sich zu Kleitomachos bekennt, that- 8achlich aber zu Philon sei es nun bloss hinüberschwankt oder wohl auch geradezu auf dessen Standpunkt tritt, also eme Inconsequenz begeht deren er sich im ersten nicht schul- dig macht. Insbesondere hält er im ersten Abschnitt streng an der stoischen Definition des xaraXrjjcxov fest und leugnet aus diesem Grunde das Vorhandensein eines solchen schlecht- luD, während doch Philon bedingungsweise, unter Annahme der peripatetischen Definition, dasselbe zugegeben hatte (18. 112). Diess scheint allerdings zu der Annahme zu fuhren dass Cicero für die beiden Abschnitte seiner Darstellung ver- schiedene Quellen nämlich für den ersten zwei Schriften des Kleitomachos und zwar als Hauptquelle das grössere Werk »de sustinendis adsensionibus^' (98), daneben für einen Theil noch das an Lucilius gerichtete Compendium (102) benutzt hat Dafür dass beide Abschnitte aus verschiedenen Quellen geflossen sind spricht auch der zweimalige Nachweis von der Nichtigkeit der Dialektik (91 ff. und 142 ff.), da doch eine und dieselbe Schrift an einem einzigen solchen genug zu liaben scheint. Indessen hält dieser Grund einer näheren Betrachtung nicht Stich. Dieselbe lehrt vielmehr dass beide Bestreitungen der Dialektik einen ganz verschiedenen Cha- rakter tragen und daher wohl in einer und derselben Schrift nach einander Platz haben konnten. Die erste hat es ledig- lich mit der stoischen Dialektik zu thun und sucht die Un- haltbarkeit der in ihr ausgesprochenen Lehren zu erweisen wobei sie sich nur auf solche Gründe stützt die sich aus *fer isolirten Betrachtung dieser Lehren selber gewiimen lassen. Ganz anders ist das Verfahren im zweiten Abschnitt Nicht sachliche Momente sind es die hier in Betracht kom- Qieo sondern allein der Umstand dass die verschiedenen Be- ^beiter der Dialektik sowohl innerhalb als ausserhalb des ^toicismus bei der Beantwortung der einzelnen dialektischen

310 ^^^ Academica priora.

Fragen auf dio mannichfachste Weise auseinander Dieser Punkt wird in der früheren Bestreitung g berührt. Er genügt aber noch nicht um die Eigentl keit der zweiten zu charakterisiren. Was dieser e das ist dass sie nicht dio Dialektik an sich kritisirt das Verhältniss das Antiochos zu ihr hatte: denn ihm zum Vorwurf gemacht dass er nicht wie man als Akademiker erwarten sollte sich an Xcnokra Aristoteles anschloss sondern in die Fusstapfen der trat obgleich diese unter sich selbst uneins seien un der widersprächen. So verfolgt die Bestreitung der tik im Wesentlichen dieselbe Richtung wie die beiden gehenden der Ethik und Physik. Was erstere bet soll nicht so sehr die Unmöglichkeit einer Ethik ül nachgewiesen werden als vielmehr die Unzulänglich besonderen Inhaltes den Antiochos ihr gegeben hat! selbe Bestreben blickt auch in der Bestreitung dei durch, die fortwährend auf dio besonderen Meinui Antiochos Rücksicht nimmt und dieselben durch gegenstehenden anderer Philosophen aufzuheben such es wird in allen diesen drei Theilen geleistet was y Ciceros eigener Ankündigung erwaiten durften. Dei das macht dieser dem Antiochos 1 14 f. zum Vorw er überhaupt an die Wirklichkeit der Weisheit glai dem dass er seine eigene philosophische Wissensc die Verwirklichung derselben halte. ^) Dem entsp also dass auch die Bestreitung sich nicht gegen das an sich sondern gegen den besonderen Inhalt ricl

^) 114 qaae tandem ea est disciplina ad quam me d ab hac abstraxeris? vereor ne subadroganter facias si dixc 115 „non me quidem** inquit (Lucullus - Antiochos) „sed f dico scire**. optime: nempe lata scire quae sunt in tua dis«

Ciceros Erwiderung. 311

Sun Antiochos gegeben hatte oder den er doch allein als «Men gelten liess. Ganz anders ist aber das Verfahren im ergten Abschnitt der dceronischen Darstellung. Zunächst wird bei der Bestreitung der Dialektik nicht darauf Gewicht gelegt dass es die stoische oder irgend eine andere beson- dere Art der Dialektik ist deren sich der Gegner bedient hat, sondern die Dialektik wird schlechthin yerworfen. Und so handelt es sich überhaupt in diesem Abschnitt nicht um eine besondere Art des Wissens wie sie durch den eigen- thümlichen Inhalt bestimmt wird sondern nur um das Wissen nadi seiner formalen Seite: dass die Weise des Vorstellens die man Wissen nennt unmöglich sei soll aus Gründen die in der Natur der Sache liegen nachgewiesen werden. Frei- lich wird hierbei die Bestimmung welche die Stoiker vom Wesen des Wissens gegeben hatten zu Grunde gelegt: aber doch nur weil die Stoiker allein dieses Wesen in ihrer De- finition scharf und klar zum Ausdruck gebracht hatten, nicht als wenn es nur darauf ankäme die eigenthümliche Ansicht der Stoiker über das Wissen zu widerlegen.^) Man sieht hiernach dass die beiden grossen Abschnitte der ciceroni- schen Darstellung sehr yerschiedenen Inhalts sind, erkennt aber gleichzeitig dass sie darum einander noch nicht aus- sdiliessen und recht wohl ursprünglich schon Theile einer und derselben Schrift gewesen sein können. Man denke sich eine Schrift Philons in der dieser die Absicht hatte seinen eigenen Standpunkt gegenüber den Angriffen des Antiochos ^ rechtfertigen. Hierbei konnte er davon ausgeben dass ^

') Daher sagt Cicero 77 „recte consensit Arcesilas*^ mit Bezug ^ den Ton Zenon zur ursprünglichen Definition gemachten Zusatz, wonach Wissen nur diejenige von einem Wirklichen ausgehende Vor- ^Unng ist die in derselben Weise nicht auch von einem Unwirk- "ch^n kommen kann.

312 ^16 Academica priora.

sein Standpunkt der skeptische sei und bleibe: denn ein Wissen im vollen Sinne des Wortes, in dem Sinne den die Stoiker richtig definirt haben und den auch Antiochos mit dem Worte verbinde, ein solches gebe es nicht und könne schlechterdings niemals von uns erreicht werden. Indem Philon diess betonte, hob er zugleich den Theil seiner Lehre hervor der ihm nach wie vor mit seinem Lehrer Kleito- machos gemeinsam blieb und konnte daher bei der Verthei- digung desselben sich der gleichen Argumente wie dieser bedienen. So erklärt sich nicht nur dass Cicero im ersten Abschnitt den Standpunkt des Kleitomachos fester einhält als im zweiten ohne dass wir deshalb diesen ausschliesslich als die unmittelbare Quelle anzusehen brauchen sondern wir sind nun auch zu der Annahme berechtigt dass nicht erst Cicero sondern schon vor ihm Philon Kleitomachos' grösseres Werk über die Zurückhaltung des Urtheils (98) für seine Darstellung benutzt hat. Ausser dem Skepticismus hatte aber Philon den Angriffen des Antiochos gegenüber auch noch das Recht zu vertheidigen mit dem er sich auf seinem Standpunkt noch einen Akademiker nannte. Diess that er in der Weise dass er auf eine andere Definition des xccia- jiijjcTOv, auf eine andere Auffassung dos Wissens und Erken- nens hinwies. Er mochte mit den Stoikern übereinstimmen was die strenge Definition dieser Begriffe betrifft, dass es die einzig geltende sei konnte er ihnen nicht zugeben und wies zu diesem Behuf auf die alten Peripatetiker und Akar demiker hin die einer laxeren Auffassung des Wissens ge- huldigt hätten. Nehme man aber einmal das Wissen in diesem weiteren Sinne, dann, meinte er, könne auch er sich ein solches beilegen so dass es nicht nöthig sei die Brücke zwischen der alten und der skeptischen Akademie abzu- brechen und auch die Vertreter der letzteren mit Fug und Recht sich Akademiker nennen könnten. Unverkennbare

Ciceros Erwiderung. 313

poren dieser Rechtfertigung hinsichtlich des Namens sind D8 bei Cicero 112 f. erhalten. Da dieselben nach der Ver- leidigung des skeptischen Standpunkts ihren Platz gcfun- &i haben, also an dem Orte der nach dem Bemerkten für le der angemessene ist, so kann hierdurch die Vermuthung 888 Cicero sich bei seiner Darstellung an die Ordnung der hflonischen Schrift band nur bestätigt werden. Auch das ei ihm Folgende steht mit ihr im Einklang. Antiochos atte sich nicht begnügt gegen Philon zu polemisiren son- em war auch mit positiven neuen Vorschlägen für ein.e leform der Akademie hervorgetreten. Wollte daher Philon einen Zweck den eigenen Standpunkt gegen die AugriflFe des mtiochos zu vertheidigen vollkommen erreichen, so musste r auch dessen positive Neuerungen einer genauen Prüfung nterwerfen. Diess geschieht in dem nach den drei Dis- iplinen der Philosophie gegliederten Abschnitt, der wie dr bereits gesehen haben sich nicht gegen das Wissen als ölches sondern gegen den besonderen Inhalt richtet den lim Antiochos gegeben hatte. Auch die Argumentations- reise deren sich Cicero hier bedient ist durch den Zweck edingt: denn was die Eigenthümlichkeit derselben ausmacht »88 sie auf die Geschichte der philosophischen Meinungen, ttf die Verschiedenheit unter denselben hinweist statt in er Sache selber ihre Gründe aufzusuchen, war durch den organg des Antiochos gegeben der gerade auf die Uebcr- iostimmung der Hauptvertretcr des Dogmatismus unter ein- öder den grössten Worth gelegt hatte und der gerade durch ie8e Art der Begründung sich von anderen Dogmatikern literschied während er die rein sachlichen Argumente im Wesentlichen den Stoikern entlehnte. Aber mit dem Nach- eis dass auch die neue Philosophie des Antiochos den Na- en eines Wissens nicht verdient obgleich sie darauf An- bruch mache, so wenig als die peripatetisch- akademische

314 I^ie Academica priora.

die diesen Anspruch nicht erhebt, konnte sich Philon nicht begnügen sondern musste Antiochos den Vorwurf zurüdt- geben den dieser gegen ihn erhoben hatte dass der Skep- ticismus ein Abfall von der echt -akademischen Theorie sei. Zu verschiedenen Malen wird daher in der Bestreitung der Lehre des Antiochos darauf hingewiesen dass vielmehr diese mit der echt akademischen Theorie nichts gemein habe (132 £ 136 f. 143). 1)

Dass nach dem eben gezeichneten Plane der Inhalt einer philonischen Schrift geordnet sein konnte die den phi- losophischen Standpunkt ihres Verfassers vertheidigen und die Neuerungen des Antiochos als unberechtigte abweisen sollte wird Niemand leugnen wollen. Dass sie aber auch wirklich nach diesem Plane geordnet war oder was auf das- selbe hinausläuft dass Ciceros gesammte Darstellung wie sie sich in einen ersten und zweiten Abschnitt sondert dem Gange der philonischen Schrift folgt, dafür sprechen noch bestimmte Spuren. Eine solche treffen wir 69 f. Hier fin- den wir noch in den Anfängen der ganzen Darstellung, ja als eigentlichen Anfang derselben, einen höchst persönlichen Ausfall gegen Antiochos, worin demselben zweierlei zum Vorwurf gemacht wird: einmal der unbegründete Abfall von Philon *) und sodann die Aufstellung einer neuen Lehre unter

*) Wie sehr Philon gerade dieser Vorwurf am Herzen lag, sehen wir auch daraus dass mit ihm der Antiochos insbesondere betreffende Theil von Cicero 113 eröffnet wird: a quo (von Antiochos) primiun quaero quo tandem modo sit ejus Academiae cujus esse se profiteator? ut omittam alia, haec duo de quibus agitur quis umquam dixit txii veteris Academiae aut Peripateticorum vel id solum percipi po^^ quod esset verum tale quäle falsum esse non posset vel sapieoteo nihil opinari?

*) Sed prius pauca cum Antiocho qui haec ipsa quae a me de fendnntur et didicit apud Philonem tarn diu ut constaret dintios di- dicisse neminem et scripsit de his rebus acutissime; et idem htec

GiceroB Erwiderung. 315

ßm Namen der akademischen.^) Damit ist aber gowisser- naassen das Programm der folgenden Darstellung gegeben. )enn wenn dieselbe in ihrem ersten Theil es unternimmt ^hilons eigenthümlichen Standpunkt als den richtigen zu er- weisen, so sucht sie eben dadurch Antiochos' Abfall von lemselben als unbegründet hinzustellen; imd wenn sodann m zweiten Theil gezeigt wird dass Antiochos' eigenthüm- Iche Lehre unhaltbar sei und den Namen einer akademi- schen nicht verdiene, so wird damit dem anderen Punkte les Programms genügt. Dieser Ausfall gegen Antiochos geht zu sehr ins Einzelne als dass es wahrscheinlich wäre er rahrte von Cicero selber her: er wird daher wohl aus der philonischen Schrift entnommen sein. Dann aber ist auch wahrscheinlich, dass diese Schrift bereits in dieselben beiden Theile zerfiel wie die ciceronische Darstellung, und hier- nach weiter, dass sie die Quelle nicht bloss eines Theils der- selben sondern des Ganzen war. Dass auch im ersten Abschnitte seiner Darstellung, der scheinen könnte von Klei- tomachos genommen zu sein und lediglich dessen Auffassung der Skepsis zu vertreten, Cicero sich bewusst ist im Namen Philons zu sprechen lehren seine Worte 111: ne illam qui- dem praotermisisti, Luculle, rcprehensionem Antiochi nee

non acrias accusavit in senectute quam antea defensitaverat. quam- vis igitor fuerit acutus, ut fuit, tarnen inconstantia levatur auctoritas; ^nis enim iste dies inluxerit, quaero, qui Uli ostenderit eam quam multos annos esse negitavisset veri et falsi Qotam.

') Nach den in der vorigen Anmerkung angeführten Worten Ihrt Cicero fort: excogitavit aliquid? eadem dielt quae Stoici. pae- lituit iUa sensisse? cur non se transtulit ad alios et maxime ad

Itoicos? eorum enim erat propria ista dissensio. num-

oam a Philone discessit nisi posteaquam ipse coepit qui sc audirent abere. nnde autem subito vetus Academia revocata est? nominis ignitatem videtur cum a re ipsa descisceret retinere voluisse etc.

316 I^ie Academica priora.

mirum; inprimis enim est nobilis , qua solebat dicere Phi- lonem maxime perturbatum: cum enim sumeretur unum, esse quaedam falsa visa, altenim, nihil ea diflferre a veris, non attendere superius illud ea re a se esse concessum quod yide- retur esse quaedam in visis differentia; eam tolli altero, quo neget visa a falsis vera differre: nihil tarn repugnare. id ita esset si nos verum omnino tollerem us: non facimus; nam tarn Vera quam falsa cernimus: sed probandi species est, perci- piendi signum nullum habemus. Worauf sich hier Angriff sowohl als Vertheidigung beziehen ist dasjenige Stück der akademischen Skepsis mit dem Kleitomachos nicht minder als Philon einverstanden war: denn darüber waren Beide einig dass das Wahre nicht vom Falschen unterschieden und des- halb auch von uns nicht in vollem Maasse erkannt werden könne. Trotzdem wird diese Theorie hier als eine philonische behandelt. Diess ist darum so auffallend, weil Cicero sonst in diesem Abschnitt sich zu Kleitomachos bekennt und Gelegen- heit nimmt seine Uebereinstimmung mit ihm sogar im Gegen- satz zu Philon zu erklären (78), und wird es noch mehr da auch LucuUus in seinem Vortrage Philon zunächst nicht be- rücksichtigen wollte (12). Begreiflich wird es nur unter der Annahme dass eben der ganzen Darstellung Ciceros die Schrift Philons zu Grunde lag: denn in diesem Falle konnte es leicht geschehen dass Cicero Philon als den Vertreter jener Theorie behandelte, weil er ihn als solchen zunächst vor Augen hatte. Ferner lässt es sich unter der Voraus- setzung dass der erste Abschnitt von Kleitomachos genom- men ist zwar erklären dass 78 in einer Streitfrage dem Kleitomachos Philon und Metrodor gegenübergestellt wer- den:^) man würde dann eben annehmen dass den Metrodor

^) Licebat enim nihil percipere et tamon opinari, qaod a Ctf* neade dicitur probatum; equidem, Glitomacho plus qaam Philoni ^ Metrodoro credens, hoc magis ab eo disputatum quam probatum put^-

Ciceros Erwiderung. 317

^on Kleitomachos genannt hatte und Cicero von sich aus Dch den Philon hinzufügte. Leichter aber erklärt sich un- reitig dieser Umstand wenn wir für die Quelle Philons 3hrift ansehen. Denn ob Kleitomachos überhaupt in seinen :Juiften auf jene Controverse mit Metrodor eingegangen ar wissen ynr nicht, ja es wird diess dadurch unwahr- beinlich weil Cicero an den beiden Stellen, die notorisch ittelbar oder unmittelbar von Kleitomachos genommen sind 18 ff. und 102 ff.), jener mit keiner Silbe gedenkt; von Phi- n dagegen müssen wir annehmen dass, wenn er in jener rage anderer Ansicht war als Kleitomachos, er sich darüber ich in seinen Schriften gerechtfertigt haben wird und hier 0 die Glaubwürdigkeit des Berichterstatters Alles entschied kirnte er dann nicht anders verfahren sein als indem er BT Autorität des Kleitomachos diejenige Metrodors gegen- berstellte. Cicero freilich stellt sich bei der Beantwortung er Frage auf die Seite des Kleitomachos. Aber diess be- eist noch nicht gegen eine Benutzung Philons: denn ebenso erfahrt er überhaupt in seiner Darstellung d. h. er wahrt ich auch da wo die Benutzung Philons viel offener vorliegt we 112 f.) die Unabhängigkeit seines Urtheils indem er nf die Seite des strengeren durch Kleitomachos repräsen- irten Skepticismus tritt. Endlich kommt noch in Betracht ass in dem ersten Abschnitt Panaitios, und die Art wie er rwahnt wird. Von den beiden Behauptungen auf die sich ach Cicero die Dogmatikcr im Kampfe gegen die Skeptiker onüglich stützen ist die eine dass niemand zu gar nichts fiine Zustimmung geben könne. Cicero widerlegt sie ver- üttelst eines dem Sorites ähnlichen Verfahrens: er weist arauf hin dass einer der namhaftesten Stoiker, Panaitios, er Wahrsagerei nicht den unbedingten Glauben geschenkt *be wie die übrigen Mitglieder der Schule, vielmehr in Be- Qg auf sie sich der Zustimmung enthalten habe, dass also

318 I^iG Academica priora.

kein Grund sei weshalb nicht der vollkommene Skeptiker in allen übrigen Fällen dasselbe thun solle was man dem Fa- naitios in jenem einen gestatte. *) Dass nun Cit«ro die bei- den Behauptungen, deren Wichtigkeit er selber so nachdrück- lich hervorhebt, nicht schon in seiner griechischen Quelle berücksichtigt gefunden habe, ist nicht anzunehmen. Non bringt er aber zur Widerlegung der hier in Frage kommeii- den nur ein einziges Argument bei. Rührte dieses Argu- ment aber von ihm selber her, so würde er die ihm vor- liegende Widerlegung des griechischen Skeptikers sich gar nicht zu Nutze gemacht haben, was wiederum nicht anzu- nehmen ist. Schon der griechische Skeptiker muss also auf die zwischen Panaitios und der grossen Masse der Stoiker bestehende Meinungsverschiedenheit hingewiesen und daraus die ihm dienlichen Consequenzen gezogen haben. Diess setet aber voraus dass Panaitios schon als einer der bedeutendsten Vertreter der Stoa anerkannt war, und schwerlich hat er diese Anerkennung schon zur Zeit des Kleitomachos gefun- den. Sonach dürfen wir in seiner Erwähnung abermals eine Spur erkennen dass bereits für den ersten Abschnitt von Cicero die Schrift Philons benutzt worden ist.

Lassen wir daher eine Schrift Philons als die Quelle der ciceronischen Darstellung gelten, so ist zunächst wah^ scheinlich dass aus derselben auch die Citate von Schriften

') 107: sed illa sunt lumina duo quae maxime causam isUn continent: primum enim negatis fieri posse ut quisquam nulU rei ad- sentiatur. at id quidem perspicuum est: cum Panaetius, princeps prope meo quidem judicio Stoicorum, ea de re dabitare se dicat, quam omnes praeter eum Stoici certissimam putant, vera esse han- spicum respoDsa, auspicia, oracula, somnia, vaticinationes, seqne ab adsensu sustineat, quod is potest facere vel de eis rebus qaas illi a quibiis ipse didicit certas habuerunt, cur id sapiens de reliqois rebus facere non possit? an est aliquid quod positum vel inprobare vel adprobare possit, dubitaro non possit?

Ciceros Erwiderang. 319

68 Kleitomachos genommen sind die sich sowohl im ersten Is im zweiten Abschnitt finden. Eine Ausnahme muss je- och für die an Lucilius gerichtete gemacht werden: denn ie Art wie diese 102 erwähnt wird setzt worauf schon roher hingewiesen wurde schlechterdings voraus dass Cicero ie selber eingesehen hat. Auf der anderen Seite kann man her auch daraus, dass Cicero wenn er einmal eine Schrift es Kleitomachos aus eigener Leetüre kennt diess nöthig udet an die grosse Glocke zu hängen, den Schluss ziehen m wo er diess nicht thut er das betreffende Citat seinem littelsmann verdankt. Auch dass das Excerpt aus der chrift an Lucilius unmittelbar auf das andere aus der chrift „de sustinendis adsensionibus" (98) folgt, obgleich och beide Excerpte wesentlich denselben Inhalt haben, das ine daher überflüssig ist, erklärt sich jetzt: denn das erste icerpt wurde ihm durch Philon aufgedrungen und das ^eite mochte er nicht aufgeben weil es ihm Gelegenheit Hb seine Leetüre zu verwerthen und eine gewisse Selbst- ändigkeit in der Quellenbenutzung zu zeigen. Aus der- )lben Schrift des Kleitomachos an Lucilius ist sodann aller Wahrscheinlichkeit nach auch genommen was er nach Kloi- •rnachos über das Auftreten des Kameades und Diogenes »r dem römischen Senat erzählt (137). Denn auch hier (ginnt er mit „legi apud Clitomachum" also der Vei'siche- Dg es selbst gelesen zu haben, und ausserdem ist das Er- hlte der Art dass es gerade einen Römer an den Kleito- ächos sich in jener Schrift wandte interessiren musste. Sehen wir von dem eben bezeichneten Stück ab, so ist ch dem Gesagten die Annahme wohl begründet dass der sammten Darstellung Ciceros eine Schrift Philons zu Grunde 5. Welches war diese Schrift? Da der V^ortrag des Lu- llus dem Sosos des Antiochos entnommen war, so liegt es he dass man die Erwiderung Ciceros aus der Schrift ab-

320 I)ie Academica priora.

leitet in welcher Philon dem Antiochos geantwortet hatte. Aber gab es denn überhaupt eine solche Schrift? Zeller freilich (III 1 S. 597, 7) vormuthet dioss. Was er aber zum Beweise seiner Ansicht beibringt, genügt nicht. Denn die Stellen Ciceros und Augustins auf die er sich beruft spre- chen zwar davon dass Philon die skeptische Akademie gegen die Angriffe des Antiochos vertheidigt habe, sagen aber kein Wort dass diess in einer Schrift geschehen sei:^) es bliebe daher die Möglichkeit dass mündliche Vorträge Philons zu verstehen seien; oder wenn wir auch an schriftliche Aeusse- rungen denken wollten, könnte denn Philon nicht schon Tor dem Erscheinen des Sosos gegen seinen ehemaligen Schuld polemisirt haben? Wenigstens erfahren wir aus dem was uns Cicero Acad. pr. 1 1 f. über Antiochos' Disputationen mit Phi- lons Schüler, dem Tyrier Herakleitos, erzählt, dass Antiochos schon damals von seinem Lehrer abgefallen war und den ihm eigenthümlichen Standpunkt innerhalb der Akademie einge- nommen hatte. Zellers Meinung uns anzuschliessen müssen wir um so mehr Bedenken tragen als Cicero Acad. post 13» wo er der Controverse zwischen Philon und Antiochos ge- denkt, nur solcher Schriften Philons Erwähnung thut gegen die Antiochos geschrieben hatte, von Repliken Philons aber die hierauf erfolgt wären gänzlich schweigt*) Dass der Sosos

') Hierher gehören folgende von Zeller S. 592, 3 angeführten Stel- len. Cicero Acad. post. 13: Antiochi magister Philo neg«t

in libris, quod coram etiam ex ipso audiebamus, duas Acadeinitf esse erroremque eorum qui ita putarunt coarguit. Acad. pr. 17: Pki' lone autem vivo patrocinium Academiae non dofuit. Augnstin. c. Acsd- III 18, 41 : huic (dem Antiochos) arreptis iterum Ulis armis et PhiioD restitit donec moreretur et omnes ejus reliquias Tullius noster op- pressit. An der ersten Stelle ist zwar von Schriften Philons die B^^ dass er aber darin seine Lehre gegen die Angriffe des Antiochos Te^ theidigt habe wird nicht gesagt.

*) Cicero sagt: „Antiochi magister Philo negat io librii

CiceroB Erwiderung. 321

geschichtlich keine Gegenschrift des Philon hervorrief' hatte chon Krische (S. 194) ausgesprochen.^) Doch lassen wir liese Frage bei Seite so sprechen noch andere Griinde da- iir dass Cicero wenigstens eine solche Schrift Philons mit er dieser auf den Sosos geantwortet hatte bei seiner Dar- tellong nicht benutzt hat.

Der Anfang der ciceronischen Darstellung scheint aller- ings eine Kritik zu versprechen die dem Vortrage des Lu- uUus Schritt auf Schritt folgt LucuUus hatte den Skep- ikera vorgeworfen dass sie mit der Autorität der alten Philosophen Missbrauch trieben, dass dieselben nicht ihre ^or^nger sondern Dogmatiker gewesen seien (13 17). )ie8en Vorwurf zu widerlegen schickt sich daher Cicero an 72 ff.). Aber wie thut er diess? Man sollte erwarten dass ar die von Luculi vorgebrachten Argumente entkräften würde, keineswegs: vielmehr begnügt er sich in positiver Weise zu leigen dass die alten Philosophen Skeptiker gewesen seien. ^Qcoll hatte einen partiellen Skepticismus der Naturphilo- K>plien eingeräumt, nichtsdestoweniger sei der Dogmatismus la« Ueber wiegende (14).^) Hierauf antwortet Cicero mit lern Nachweis dass jene Philosophen Skeptiker gewesen seien

iQod coram etiam ex ipso audiebamus duas Academias esse errorem- iQe eomm qai ita putarunt coarguit". ,,Est" inquit (Varro) „ut dicis ; ^ ignorare te non arbitror quae contra Philonia Antiochus scripsit".

^) K. Fr. Hermann de Philone Larissaeo diss. I glaubt diese ^nerkang durch den Hmweis auf Augustins S. 320, 1 angeführte ^orte widerlegen zu können.

*) Nee Arcesilae calumnia con ferenda est cum Democriti vcre- ^dia. et tarnen isti physici raro admodum, cum haerent aliquo ^, exclamant quasi mente incitati, Empedocies quidem ut interdum ^M furere videatur, abstrusa esse omnia, nihil nos sentire nihil cer- 'Ore nihil omnino quäle sit posse reperire: majorem autem partem )ihi quidem omnes isti videntur nimis etiam quaedam adfirmare »losque profiteri se scire quam sciant.

Hirzel, Unienucliaiigen. UI. 21

322 l^ie Academica priora.

d. h. er beweist was schliesslich auch Lucullus nicht geleug- net hatte. Worauf dagegen dieser sich berufen hatte, die zahlreichen dogmatischen Aeusserungen, berücksichtigt er gar nicht und doch musste er gerade hierüber sich aus- sprechen wenn seine Widerlegung eine wirkliche Widerlegung, nicht bloss die Wiederholung der angegriflfenen Behauptungen sein sollte. Lucullus hatte femer aus der Reihe der Skep- tiker Sokrates und Piaton entfernt. Die Gründe auf die er sich hierbei stützt sind bemerkenswcrth. Aus Piatons Schrif- ten den Dogmatismus zu beweisen scheint er für unmöglich zu halten und beruft sich deshalb auf die in der alten Aka- demie enthaltene Tradition der Lehre;') ebenso wenig ver- mag er natürlich die Thatsache zu leugnen dass Sokrates von sich das Bekenntniss des Nichtwissens abgelegt habe, was er leugnet ist nur dass man die Aeusserungen des So- krates ohne Weiteres ernst nehmen dürfe und ohne die sie begleitende Ironie in Abzug zu bringen.*) Und was ant- wortet Cicero hierauf? Sokrates und Piaton müssten zu den Skeptikern gezählt werden; jener weil er das Bekenntnl« des Nichtwissens abgelegt habe, dieser weil es sich aus sei- nen Schriften ergebe.^) In der That, betrachten wir das

^) Es ist diess, beiläufig gesagt, für Antiochos ebenso charakte- ristisch als es für Philon der Umstand ist dass sein Vertreter, Cicero» lediglich die Autorität der platonischen Schriften gelten lässt. Vgl- hierzu was über die späteren Platoniker und ihren Anschluss ib Philon bemerkt wurde S. 249 f.

*) 15: quorum (der Skeptiker) e numero tollendos est et Plato et Socrates: alter, quia reliquit perfectissimam disciplinam, Peript* teticos et Academicos, nominibus differentis re congruentis, a quibm Stoici ipsi verbis magis quam sententiis dissensenint ; Socrates aatem de se ipse detrahens in disputatione plus tribuebat eis quos volebat refellerc; ita cum aliud diceret atque sentiret, libeuter uti soUtoi est ea dissimulatione quam Graeci elgwvslav vocant.

•) 74: et ab eis (den Skeptikern) ajebas removendum Socrtte«

Ciceros Erwiderung. 323

Verhältinss der Aeusserungen Luculis und Ciceros zu ein- ander wie es wirklich ist ohne Rücksicht, auf die Art wie Cicero es uns darzustellen liebt, so scheint vielmehr Luculi den Cicero zu widerlegen und nicht umgekehrt. Zu dem- selben Schluss fuhrt auch die Vergleichung zweier anderer denselben Abschnitten der beiden Vorträge entnommenen Stellen. Luculi hatte die Meinung ausgesprochen, Arkesilaos sei dem Zenon nur aus Rivalität entgegengetreten (16). Hiergegen vertheidigt ihn Cicero indem er das Motiv seines Auftretens in den reinen Trieb nach Wahrheit setzt (77). Wie beweist er diess nun? Zunächst hebt er die Ueberein- stimmung hervor, die zwischen Zenon und Arkesilaos dar- über bestand dass das Meinen etwas des Weisen Unwür- diges sei; erst hiemach habe die Diflferenz zwischen Beiden begonnen infolge davon dass Zenon an die Stelle des Mei- nens, das er dem Weisen absprach, das Wissen setzte und dann durch immer neue Fragen des Arkesilaos schrittweise genöthigt wurde dieses Wissen näher zu bestimmen.^) Ist diess nun aber auch wirklich was es sein soll, ein Beweis ^fiir dass Arkesilaos bei seinem Auftreten gegen Zenon

et Platonem. cur? an de ullis certius possum dicere? yixisse cum eis equidem videor: ita multi sermones perscripti sunt e quibus du- bitaii non possit quin Socrati nihil sit visum sciri posse; cxcepit onnm tantum „scire se nihil se scire^S nihil amplius. quid dicam de Piatone? qui certe tarn multis libris haec persecutus non esset ^iBi probavisset. ironiam enim alter! us, perpetuam praesertim, nulla ^t ratio persequi.

') Arcesilan vero non obtrectandi causa cum Zenone pugnavisse ^ Temm invenire voluisse sie intellegitur: nemo umquam superio- '^ non modo expresserat sed ne dixerat quidem posse hominem ^Üiil opinari nee solum posse sed ita necesse esse sapienti: visa ^ Arcesilae cum vera sententia tum honesta et digna sapiente; 9Qte8i?it de Zenone fortasse, quid futurum esset si nee percipere ^uicquam posset sapiens nee opinari sapientis esset, ille, credo,

21*

324 1^16 Academica priora.

lediglich durch Wahrheitsliebe, nicht durch Rivalitätsgelüste bestimmt wurde? Dass er in einem Stücke seine Ueber- einstimmung mit den Stoikern bekannte, kann als solcher jedenfalls nicht gelten: denn dieses Stück ist ein miwesent- liches, da es den Stoikern nicht so sehr darauf ankam dass der Weise keine Meinung sondern dass er ein Wissen haben werde. Ausserdem gibt diese Uebereinstinmiuug nur den Ausgangspunkt für das folgende maieutische Verfahren durch das Arkesilaos dem Zenon die nähere Bestimmung des Wissens abgewinnt. Nun scheint ja allerdings wer die- ses Verfahren übt Belehrung bei dem Andern zu suchen und insofern nach Wahrheit zu streben. Aber konnte denn durch diesen Schein in jener Zeit, so lauge nach Sokrates, sich noch Jemand täuschen lassen, zumal hier wo Arkesi- laos damit seinen Gegner ad absurdum führt? Es würde diess eine höchst oberflächliche Kenntniss der Geschichte der Philosophie voraussetzen, auf die wenigstens Ciceros griechischer Gewährsmann bei seinen Lesern nicht rechnen konnte. Aber dass Arkesilaos zu seiner Polemik lediglich durch Rivalität geführt worden sei, ist ja in Luculis Wortöi nur ein Nebenpunkt, den erst Cicero in seiner Erwiderung zu einer Wichtigkeit aufgeblasen hat die er ursprünglich gar nicht besass. Nur als eine bestehende Meinung und nur in Parenthese bemerkt es Luculi. *) Beseitigen wir es, so bleibt

nihil opinaturum quoniam esset quod percipi posset. quid er^ esset? Visum, credo. quäle igitur visum? tum illum ita definiss^ ex 60 quod esset sicut esset inpressum et signatum et effictom. po^ requisitum etc.

*) Seine Worte sind: sed fuerint illa veteribus si voltis io* cognita: nihilne est igitur actum, quod investigata sunt posttt* quam Arcesilas, Zenoni ut putatur obtrectans nihil novi rep6- rienti sed emendanti superiores inmutatione verborum, dum hiU^ definitiones labefactare volt conatus est clarissimis rebus teoebrtf obducere?

Ciceros Erwiderang. 325

Is Hauptgedanke seiner Worte übrig, dass gewisse Lehren icht schon darum verwerflich sind weil sie den Alten noch nbekannt waren und erst bei den Stoikern infolge der Po- jmik des Arkesilaos hervorgetreten sind. Wird diese Be- ierkung Luculis nun durch Ciceros Worte widerlegt? Kei- eswegs: sie wird nicht einmal berücksichtigt. Denn was lese Bemerkuug schon voraussetzt, dass nämlich die zeno- lische Theorie eine Frucht der von Arkesilaos geführten Po- emik ist, das fuhren jene uns nur noch deutlicher vor Augen, bch hier also haben wir wieder dasselbe Verhältniss: wenn rir den wirklichen Werth der Argumente, nicht den den hnen Cicero geben möchte, ins Auge fassen, so widerlegen acht Ciceros Worte den Luculi sondern umgekehrt Luculis fforte den Cicero. Ja in diesem Falle, könnte man sagen, ;e8teht es Luculi sogar ausdrücklich ein. Denn wenn er »ine Bemerkung mit den Worten einleitet „sed fuerint illa reteribus, si voltis, incognita" so zeigt er durch „si voltis" la88 er eben die Voraussetzung gelten lässt der Cicero so jroesen Werth beilegt und die er eingehend zu begründen »cht Und noch mehr. Luculis angeführte Worte sind in iem Zusammenhang in dem sie jetzt stehen vollkommen un- verständlich. Was das „illa" bedeutet lernen wir erst aus folgenden Worten in Ciceros Widerlegung: nemo umquam »periorum non modo expresserat sed ne dixerat quidem !H)68e hominem nihil opinari nee solum posse sed ita necesse Äse sapienti. Für gewöhnlich aber ist es doch die Wider- egung die erst nach Kenntnissnahme der bestrittenen Be- Umptung verständlich wird und nicht wie hier umgekehrt. bisher Erwähnte war dem Abschnitt entnomnvBn der nf Grund der Geschichte der Philosophie die Ansprüche es Skepticismus und Dogmatismus prüft. Hiemach wird ie Frage erörtert ob und in wie weit die Sinne zuverlässig ad. Ausdrücklich knüpft Cicero (79) an die Worte Luculis

326 I^ie Academica priora.

(19) an. Hatte dieser das Zeugniss der Sinne nur unter der Bedingung gelten lassen dass sie gesund sind/) so be- streitet Cicero dass sie selbst in dieser Beschränkung zuver- lässig seien. *) So scheint er sich streng an die Worte Lu- Gulls zu halten. Doch thut er diess nur in dem angegebe- nen Punkte. Denn in einem anderen vernachlässigt er sie desto mehr, wenn er die Unzuverlässigkeit der Sinne aus unserem Unvermögen auf grosse Entfernungen etwas zu er- kennen beweist. Oder ist diesem Einwurf nicht schon durch Luculis Erklärung die Spitze abgebrochen, dass die Sinne nur in sofern die Wahrheit enthielten als sie nicht bloss gesund sondern auch in ihrer Thätigkeit nicht behindertj insbesondere durch räumliche Verhältnisse nicht behindert seien? ^) Cicero fügt freilich noch ein anderes Argument hinzu und w^eist auf diejenigen hin denen während sie selber in einem Schiffe fahren die Dinge am Ufer sich zu bewegen scheinen (81). Aber dass Luculi auch hierdurch nicht ge-

^) 19: ordiamur igitur a sensibus quorum ita clara jadicia et cerU sunt at si optio naturae nostrae detur et ab ea deus aliqui requirtt» coDtentane sit suis integris incorrnptisque sensibus an postulet me- lius aliquid y non videam quid quaerat ampllus meo au-

tem judicio ita est maxima in sensibus veritas, si et sani sunt ic valentes etc.

*) 80: si, inquis, deus te interroget, sanis modo et integris sen- sibus num amplius quid desideres, quid respondeas? ntinam qaideiD roget! audiet quam nobiscum male egerit. ut enim vera videamos, quam longa videmus? etc.

') 19: non enim is sum qul quicquld videtur tale dicam esse quäle videatur: Epicurus hoc viderit et alia multa. meo autem judi- cio ita est maxima in sensibus veritas si et sani sunt ac valentes et omnia removentur quae obstant et inpediunt. itaque et lumen niQ* tari saepe volumus et situs earum rerum quas intuemur et iotervaUa aut contrahimus aut diducimus multaque facimus usque eo dorn aspe- ctus ipse fidem faciat sui judicii.

Ciceros Erwiderung. 327

)ffen wird, muss er selber eingestehen (82).^) Lucullus ite femer die Meinung geäussert dass der Mensch mit n Sinnen die ihm die Natur verliehen zufrieden sein könne 9, 8. S. 326, 1). Cicero bestreitet diess: denn nicht bloss be es einzelne Menschen deren Sinnesschärfe das gewöhn- be und natürliche Maass überschreite, sondern ganze Thier- ;en seien hierin den Menschen überlegen. Scheinbar wird irdurch allerdings Luculis Behauptung widerlegt Aber 2h nur scheinbar: denn das Wesentliche an derselben ist sh offenbar dass die von der Natur den Menschen ver- bene Sinnesschärfe richtig benutzt für unser Bedürfniss Ikommen ausreichend sei, und hiergegen bringt Cicero hu vor; woran er sich hält ist allein der Satz dass die tar bereits den Menschen mit einer Siiinesschärfe ausge- ttet habe wie er sie nur wünschen könne und auch diesen te muss er, um ihn durch den Hinweis auf eine grössere rfectibilität der Sinne widerlegen zu können, erst dahin degen als ob dadurch nicht vernünftige sondern ins Gren- ilose ausschweifende Wünsche gemeint wären. Auch hier 0 bemerken wir wie schon vorhin (S. 324) dass Cicero

er um eine triftige Antwort auf Luculis Behauptungen •legen ist die Polemik auf Nebenpunkte hinüberspielt diesem letzteren Falle vielleicht nur auf eine Kedefloskel ) er selbst erst hinzugethan hatte und der möglicher Weise

griechischen Originale gar nichts entsprach. Noch einen Itten Weg sich aus der Verlegenheit zu ziehen hat Cicero igeschlagen, indem er nicht Luculi sondern Epikur wider- ;t gegen den sich thatsächlich seine Polemik 79 83

') Sed quid ego de nave? vidi enim a te remum contemni. )tt bezieht sich auf folgende den in der vorigen Anmerkung citir- vorausgehende Worte Luculls (19): nee vero hoc loco exspectan- Q est dum de remo inflexo aut de collo columbae respondeam.

328 I^ie Academica priora.

richtet. Damit musste er aber auf sehr vergessliche oder blöde Leser rechnen: denn aufs ausdrücklichste hatte Luculi a. a. 0. einer Verwechselung seiner Theorie mit derjenigen Epikurs vorgebeugt. Auch hier stellt sich somit als das wirkliche Verhältniss der beiden Vorträge heraus dass Cicero durch Luculi und nicht umgekehrt widerlegt wird. Folgen wir weiter der Polemik Ciceros. LucuUus hatte behauptet, dass niemals in der Natur zwei Dinge sich vollkommen gleich seien (56), und dabei auf das Beispiel von Zwillingen, der Brüder P. und Q. Servilius Geminus, hingewiesen die zwar von Fremden, aber nicht von ihren Angehörigen verwechselt wurden. Nun könnte aber ja gerade unter den Fremden der Weise sein: Luculi bemerkt deshalb dass derselbe in solchen Fällen seine Zustimmung zurückhalten werde. Was sagt hiergegen Cicero? Er verhöhnt Luculis und der Stoiker Behauptung dass jedes Ding sein eigen thümliches von allen anderen verschiedenes Wesen habe: denn das werde ja durch das Beispiel der genannten Zwillinge widerlegt (84 f.). Dass Luculi eine solche Verwerthung dieses Beispiels abgewiesen und dasselbe vielmehr zur Bestätigung seiner Ansicht be- nutzt hatte, seheint Cicero nicht mehr zu wissen. Aber mag auch der hierauf gegründete Schluss zusammenfallen, Cicero hat einen neuen Einwand bereit: es handelt sich, sagt er, hier nicht um die Dingo selber die immerhin verscbiedeß sein mögen sondern um die Art wie sie erscheinen durch die uns wenigstens eine sichere Entscheidung unmöglich wird.*) Auch hier kann Cicero der Vorwurf nicht erspart

') 84: ne sit sane (sc. tanta simUitudo in rerum natura): Tiden carte potest: fallet igitur sensum, et si una fefellerit similitudo, du- bia omnia reddiderit. sublato enim judicio illo quo oportet agnoscit etiam si ipse erit quem videris qui tibi videbitur, tarnen noo et oo^ judicabis qua dicis oportero ut non possit esse ejusdem modi ff^ 85: haec (die stoische Behauptung dass kein Haar dem andern toI^'

Ciceros Erwiderung. 329

»erden dass er gegen iiucull mit einer bereits gebrauchten ind abgestumpften Waflfe kämpft. Denn ausdrücklich hatte üeser nicht nur erklärt dass wer die Unterscheidbarkeit der Vorstellungsbilder leugne damit auch die Grenzen der Dinge »Iber verwische sondern auch hinzugefugt dass es absurd »i wie die Skeptiker bisweilen thäten einen Unterschied zu Dachen zwischen den Eindrücken an sich, d. i. den Dingen reiche die Eindrücke hervorbringen, und deren Aussehen md Gestalt, d. i. der Art wie sie uns erscheinen. *) Cicero

commen gleich sei und ebenso kein Korn) refelli possunt, sed pu- (oare noio. ad id enim quod agitur nihU interest omnibusne parti- ms Yisa res nihil differat an internosci non possit etiam si differat. ') 58: Yen enim et falsi non modo cognitio sed etiam natura olletor si nihil erit quod intersit; ut etiam illud absurdum sit quod Bterdum soletis dicere, cum visa in animos inprimantur non tos id licere inter ipsas inpressiones nihil Interesse sed inter species et [oasdam formas eorum. quasi vero non specie visa judicentur! quae idem nullam habebunt sublata veri et falsi uota. Die von den Wor- ni „ipsas inpressiones*^ gegebene Erklärung ist offenbar die richtige. He Eindrücke an sich, ist der Sinn, sind nicht identisch, man kann Itthalb von einem ersten, zweiten Eindruck u. s. w. sprechen, aber üe BUder die durch sie entstehen sind nicht zu unterscheiden da ie in Bezug auf Aussehen und Gestalt vollkommen übereinstimmen. hn sind freilich nicht -identische auch solche Eindrücke die von inem und demselben Objecte ausgehen; die Nicht-Identität von sel- ben Eindrücken und die Nicht -Identität des betreffenden Objects Q behaupten wäre daher keineswegs dasselbe. Wir müssen aber •^denken dass in dem Zusammenhang sowohl der Worte Luculis wie lerjenigen Ciceros immer nur von Eindrücken die Rede ist die wenn ^ schon die gleiche Beschaffenheit haben doch von verscliiedenen Hngen (Eiern, Zwillingen) ausgehen. Zu sagen aber dass dergleichen ^drücke nicht identisch sind und dass es die zu ihnen gehörenden ^ge nicht sind, läuft thatsächlich auf dasselbe hinaus. Hierdurch it die im Texte gegebene Erläuterung von „ipsas inpressiones" ge- Bchtfertigt. Dass Luculi dieselbe Ansicht im Sinne hat die Cicero >&n in der Widerlegung vorbringt bestätigen auch die ersten der itirten Worte „veri enim quod intersit"; denn hier wird eben

330 I^io Academica priora.

mag also immer triumpbiren und dcn^von Luculi bereits ab- gethanen Gedanken der Skeptiker von Neuem vorbringen, in Wahrheit ist nicht er sondern Luculi derjenige der den An- deren kritisirt. Denn das auf die eventuelle Ununterscheid- barkeit von Siegelabdrücken und Werken der Bildhauerei gegründete Argument (85 f.) wird zwar von Cicero wie etwas Neues vorgetragen, ist aber in Wahrheit ganz dasselbe wie das von der Aehnlichkeit der Eier und Zwillinge hergenom- mene und kann also schon deshalb als von Lucullus bereits erledigt gelten. Letzterer kommt uns aber ausserdem noch durch ein ausdrückliches Zeugniss zu Hilfe, wenn er 54 die Ansicht der Gegner die er sich anschickt zu widerlegen fol- gendermaassen zusammenfa^st: similitudines vero aut gemi- norum aut signorum anulis inpressorum puerihter oon- sectantur. Gleich nach dem eben Besprochenen trägt Ci- cero allerdings einen Einwand vor (27, 86), den LueuDus noch nicht berücksichtigt hatte. Der letztere hatte sich zum Beweis für die Tüchtigkeit der Sinne auch auf die grössere Schärfe berufen, die dieselben bei kunstmässiger Ausbildung und Uebung erlangen (20). Was Cicero hierauf erwidert ist dass dieses Argument vielmehr gegen Lucullus spreche: denn dass es erst dieser Mühe bedürfe um mittels der Sinne etwas zu erkennen, darin zeige sich gerade dass sie an sidi für die Erkenntniss nichts werth seien. So konnte Cicero

geleugnet dass wir berechtigt sind zwischen den Dingen wie wir sie erkennen und wie sie wirklich und von Natur sind einen Unterschi^ zu machen. Früher hatte ich die behauptete Ungleichheit der Eindrücke an sich auf die verschiedene Stärke bezogen mit der die- selben bei überdiess gleicher Beschaffenheit nach der Ansicht der Skeptiker (vgl. Sext. dogm. I 173 und dazu Acad. pr. 52 nach wel- cher letzteren Stelle Traumgesichte und wache Vorstellungen tw*^ dieselbe „species'^ haben trotzdem aber nicht die gleiche „ftdpro* batio^' erzwingen) auf uns wirken, muss indessen diese Yermutbofl^ jetzt aufgeben.

Giceros Erwiderung. 331

. Lucullus nur antworten wenn er ihm einen Gedanken irschpb den dieser gar nicht geäussert hatte. Luculhis e gesagt, die Sinne, die von Natur schon höchst zuver- Lge Zeugen seien, würden diess in noch höherem Grade kunstmässiger Ausbildung; an die Stelle dieses Gedan- i setzt Cicero einen andern dass erst die Ausbildung die le zu zuverlässigen Zeugen mache. Es ist bezeichnend I hier wo einmal eine von Luculi noch nicht berücksich- 3 Widerlegung versucht wird dieselbe durch solche Mittel Stande kommt und als innerlich hohl in sich selber zer- ;. Den nahe liegenden Schluss dass Cicero sie selbstän- fSBj}ricirt hat, dass aus ihr also für das Verhältniss das jcheu der Quelle von Luculis Vortrag und der von Ciceros lerlogung besteht nichts gefolgert werden darf, brauchte nicht erst ausdrücklich zu ziehen. Es folgen bei Cicero Ausfalle gegen die naturphilosophische Disciplin (86 f.). selben setzen voraus dass Lucullus auch über diese Dinge ifise Dogmen aus voller Ueberzeugung vorgetragen habe, gleichen wir nun die betreffende Stelle in Luculis Vor- [ (30) so finden wir in ihr keineswegs einen entschiede- Dogmatismus. Man lese doch Folgendes: nam quid eum urum putem de abditis rebus et obscuris qui lucem eri- ) conetur? sed disputari poterat subtiliter quanto quasi Scio natura fabricata esset primum animal omue etc. borgen und dunkel nennt er was in den Bereich der orphilosophie fällt und das Aousserste was er einräumt int zu sein dass man scharfsinnig darüber reden könne.

ist aber nicht der Ausdruck eines seiner Unfehlbarkeit isscn Dogmatismus sondern eines gemässigten Skepticis- , der wie wir schon früher (S. 277) gesehen haben Au- tos in der Naturphilosophie eigen war. So erscheinen inals Luculis Aeusserungeu, indem sie dem Skepticismus

Concession machen, als eine Antwort auf dessen An-

332 Die Academica priora.

griffe, während andererseits Ciceros Erwiderung dadurcli gegenstandslos geworden ist. ^) Cicero geht sodann dazu über von den Vorstellungen zu sprechen, die den Menschen im Traume und während des Wahnsinns kommen (87—91). Da diese Vorstellungen zugestandenermaasson falsch sind und doch auf den Geist mit der Kraft von wahren wirken, so schienen sie die Theorie der Skeptiker zu unterstützen und gehörten deshalb mit zum Inventar der gegen die Dogma- tiker geführten Polemik. Darum hatte sie auch Lucullus und, wie uns in diesem Falle noch ausdrücklich gesagt wird, schon Antiochos einer eingehenden Erörterung gewürdigt (49 flf.). Bringt nun Ciceros Widerlegung dieser Widerlegung etwas Neues? Lucullus hatte bemerkt dass die Vorstellungen der Schlafenden u. s. w. schwächer seien als die der Wachen- den u. s. w. und zum Beweise sich auf die Urtheile der Er- wachten über ihre früheren Träume und der wieder zur Vernunft Gekommenen über ihre Phantasien während des Wahnsinns berufen. Cicero findet (88) diese Bemerkung so- wie ihre Begründung unzutreffend: „quasi quisquam neget et qui experrectus sit eum somnia sua visa putare et cujus furor consederit putare non fuisse ea vera quae essent sibi visa in furore. Sed non id agitur: tum cum videban- tur quo modo viderentur, id quaeritur. nisi vero En- nium" etc. Da er auf dasselbe Argument noch einmal zum Schluss zurückkommt,*) so dürfen wir annehmen dass er

*) Wenn Luculi a. a. 0. Ciceros Polemik gegen die Naturphilo- sophie voraussagt, so hat diess möglicherweise seinen Grund im griechischen Original in dem auf solche bereits erfolgte AngrÜ^ Rücksicht genommen wurde.

^) 90: vos autem nihil agitis cum illa falsa vel furlosorum ▼^^ somniantium recordatione ipsorum refellitis; non enim id quaentof qualis recordatio fieri soleat eorum qui experrecti sint aut eorum qui furere destiterint, sed qualis visio fucrit aut furentium aut soiU' niantium tum cum movcbantur.

GiceroB Erwiderung. 333

hm eine grosse Bedeutung beilegte und dass er hoffte mit lemselben gegen Lucullus einen unvorhergesehenen Schlag zu Shren. Aber auch diessmal wird unsere an Ciceros Worte »ch knüpfende Erwartung getäuscht. Denn unmittelbar nach ler Bemerkung gegen welche sich Ciceros Widerlegung rich- tet macht Luculi sich selber (52) den Einwand: „at enim ium videntur, eadem est in somnis species eorumque quae rigilantes videmus". Es ist dieser selbe Einwand den Cicero ilann wie einen ganz neuen dem Luculi entgegenhält, und zwar was noch auffallender ist ohne der Widerlegung die LuculP) ihm bereits hatte zu Theil werden lassen auch nur mit einer Silbe zu gedenken. Es folgt in Ciceros Wider- legung der Abschnitt dessen Aufgabe die Kritik der stoischen Dialektik ist (91 ff.). Auch hier weist Cicero zwar auf Lu- culis Ausfuhrungen hin*) ohne sie jedoch thatsächlich zu berücksichtigen. Und doch ist es keineswegs die Kürze der Darstellung die ihn hiervon abhält. Denn namentlich was äen Sorites betrifft spart er die Worte nicht um die Be- rechtigung dieses dialektischen Verfahrens zu erweisen (92 ff.). Trotzdem kommt er hier nicht über Chrysipp hinaus und D^ügt sich das Verkehrte der Methode zu zeigen mit der dieser Stoiker sich den Schlingen dieses Schlusses zu ent-

') A. a. 0.: primum interest, sed id omittamus: illud enim dlci- ■nos noD eandem esse vlm neque integritatem dormientium et vigi- lantium nee mente nee sensu, ne vinulenti quidem quae faciunt, ^em adprobatione faciunt qua sobrii: dubitant haesitant revocant ^ interdum eisque, quae videntur, inbecillius adsentiuntur, cumque ^ormiverunt illa vlsa quam le?ia fuerlnt iutellegunt. quod idem cootingit insanis ut et incipientes furere sentiant et dicant aliquid ivod non sit id videri sibi et cum relaxentur sentiant atque illa di- ^t Alcmaeonls etc.

*) 92: tum paucis additis venit (^sc. dialectica) ad soritas, lubri- cam 8ane et periculosum locum, quod tu modo dicebas esse vitiosum ^nterrogandi genus.

334 I)ie Academica priora.

ziehen versucht hatte. Als ob Lucullus Chrysipps Verthei- digung zu seiner eigenen gemacht hätte, der dieselbe viel- mehr gar nicht erwähnt! Statt dessen hatte Luculi den Sorites in einer besonderen Anwendung getadelt und ad ab- surdum zu fuhren gesucht (49 f.). Hierauf musste Cicero erwideni wenn er wirklich Luculis Vortrag widerlegen wollte. Da er es nicht gethan hat, so müssen wir abermals schUessen dass ihn sein griechisches Original im Stich Hess und er untehig war von sich aus eine Widerlegung zu finden. Dasselbe Verhältniss beider Darstellungen kommt nun ausser in den angeführten auch noch in anderen Fällen zum Vo^ schein. Nirgends ist mir in Ciceros Kritik ein eigenthüm- liches Argument von wirklicher Bedeutung begegnet, das nur durch die Beziehung auf Luculis Vortrag seine Erklärung fände und daher einem gegen die dort benutzte Schrift des Antiochos polemisirenden Werk entnommen sein müsste. Nnr eine Ausnahme scheint stattzufinden. Lucullus hatte (22) behauptet dass mit der lieugnung des Wissens auch das Ge- dächtniss aufgehoben würde. Dem gegenüber weist Cicero (166) auf den Epikureer Polyainos hin, der früher Mathe- matiker gewesen war und erst später in die epikureische Schule eintrat. Wäre nun, meint Cicero, die Behauptung Luculis richtig d. h. gäbe es ein Gedächtniss nur so weit auch ein Wissen vorhanden ist, so müsste Polyain mit seiner Bekehrung zum Epikureismus die ganze Mathematik, da diese ja den Epikureern nicht als Wissen galt, vergessen haben. Das Argument sieht nicht danach aus als ob Cicero selbst es gefunden habe. Dass es aber einer Schrift entnommen sei die den Vortrag des Lucullus oder vielmehr das diesem zu Grunde liegende Werk des Antiochos bekämpfte, folg* hieraus keineswegs. Denn auch die Behauptung gegen die es sich richtet war in Wirklichkeit wohl weder Luculi noch auch Antiochos eigenthümlich sondern fand sich auch bei

Giceros ErwideraDg. 335

Stoikern. Dieses eine Argument ist daher nicht genü- 1 ein Resultat umzustossen das sich uns aus der Be- htang einer grösseren Zahl von Fällen ergeben hat und schliesslich noch durch einen bestätigt werden mag. hdem Cicero des Vorwurfs gedacht hat den man gegen Skeptiker erhoben hatte weil sie jede Möglichkeit eines ennens leugneten und damit die Grundlage des mensch- en Handelns und Lebens zerstörten, spricht er seine Ver- iderung darüber aus dass gerade Antiochos in dieser ise sich äussern konnte: denn ihm sei doch nicht unbe- nt gewesen in welcher Weise die Skeptiker den schlim- i Consequenzen ihrer Theorie vorbeugten, dass sie näm- ein Wahrscheinliches übrig Hessen oder doch wenigstens Augenscheinliches nicht leugneten.^) Dass Cicero mit wr Klage über das Unrecht das den Skeptikern geschehen sich nicht an LucuUus sondern an Antiochos wendet, dit jedenfalls dafür wenn es auch selbstverständlich nicht "eisend ist, dass er etwas Derartiges schon in seiner grie- dien Quelle fand. Und nun denke man an Luculis Worte ick in denen dieser zwei Classen von Skeptikern sondert. Eben welche Alles für unsicher erklären ohne dessen od welchen Hehl zu haben und die Anderen die diess it Wort haben wollen. Diese Anderen, wie er ausdrück- aagt, beklagten sich dass man sie mit jenen verwechsele; irend doch ein wesentlicher Unterschied zwischen ihnen len bestehe; für jene habe jede Vorstellung gleichen

^ 102: quainquain nihil mihi tarn minim videtor quam ita diel Utiocho qaidem maxime, cui erant ca quae paulo ante dizi no- na. licet eDim hoc quivis arbitrato suo reprehendat quod Dege- I rem nllam percipi posse, carte levior reprehensio est qnod tamen luu esse qoaedam probabilia. noo videtor hoc satis esse vobis. ilt: UU certe debemus effogere quae a te vel maxime agitata 1: ),iiihil igitor cemis? nihil andis? nihil tibi est perspicnom?*'

336 I^ic Academica priora.

Werth wohingegen sie um einen Anhalt für unsere Hand- lungen zu gewinnen den wahrscheinlichen Vorstellungen vor anderen einen Vorzug einräumton. *) Und diese selben sind es auch, die wie uns gleich darauf gesagt wird wenigstens ein Augenscheinliches festhalten wollten.*) Die Skeptiker gegen die sich Lucullus wendet beklagen sich also wie Ci- cero über die falschen Consequenzen die man aus ihrer Theorie gezogen hat und machen um jene aufzuheben auch dieselben beiden Momente geltend wie er. Nun haben wir zwar früher gesehen dass bei den milderen Skeptikern Lu- culis an Karneades zu denken ist (oben S. 212 f.); Cicero dagegen, wie eine andere Untersuchung wahrscheinlich ge- macht hat, schöpfte aus einer Schrift Philons. Die Skep- tiker Luculis, scheint es daher, können nicht mit denen iden- tisch sein deren Aeusserungen Cicero wiedergibt Dieser Schluss wird indessen dadurch widerlegt dass Philon in dem Abschnitte seiner Schrift dem die fraglichen Worte Ciceros entnommen sind sich ganz auf den Standpunkt des Kameades stellte und von hier aus das Recht der Skepsis vertheidigte, die ihm eigenthümlichen Concessionen dagegen erst in einem späteren Theile machte (vgl. S. 308 flf.). Nichts kann uns also hindern die Beschwerden, welche Cicero im Namen der Skepsis gegen Antiochos erhebt, für dieselben zu halten die

^) 32: alii autem elegantius, qui etiam queruntur quod eos in- simulemus omnia incei^ dicere, quantumque intersit inter incertoo et id quod percipi non possit docere conantur eaqae distingaere.

Yolunt enim probabile aliquid esse et quasi ven

simile eaque se uti rcgula et in agenda vita et in quaerendo ac dis- serendo.

*) 34: simill in errore versantur cum coovitio veritatis coicü perspicua a perceptis volunt distinguere et conaotur ostendere ^ aliquid perspicui , verum illud quidem et inpressum in animo »^^^ mente, neque tameo id percipi ac conprehendi posse.

GiceroB Erwiderung. 337

reits Lucullus in seinem Vortrage berücksichtigt hatte. ) tritt hier noch einmal und wie mir scheint in besonders Balliger Weise das schon in anderen Fällen beobachtete irhältniss der Vorträge Luculis und Ciceros uns entgegen: 8B nämlich Cicero den Luculi zu widerlegen vorgibt, that- düich aber diese Widerlegung von Luculi schon ver- ffthet war.

Für dieses Verhältniss weiss ich keine andere Erkla- ng als dass Ciceros Vortrag aus eben der Schrift Philons inommen ist gegen welche die von Luculi benutzte Schrift 8 Antiochos, der Sosos, sich richtete. Die Beschaffenheit 18 dceronischen Vortrags und die Schlüsse, die wir hieraus if den Inhalt der philonischen Schrift ziehen können, stehen eeer Annahme nicht im Woge. Wie Cicero in seinem Vor- ig 80 muss hiemach auch Philon in seiner Schrift eine ritik der Lehre des Antiochos gegeben haben. Diess setzt lerdings voraus dass Antiochos schon damals, beim Er- beinen jener Schrift, sich innerhalb der Akademie von sei- m Lehrer unabhängig gemacht und den bekannten ihm {enthümlichen Standpimkt eingenommen hatte. Zu dieser nranssetzung sind wir aber vollkommen berechtigt da die- Ibe auch der Erzählung des Lucullus über seinen Aufent- It in Alexandria und die Disputation zwischen Heraklit A Antiochos zu Grunde liegt (Acad. pr. 11 f.): denn den ilass zu dieser Disputation gab das Eintreffen der philo- wshen Schrift, eben der gegen welche später der Sosos lemisirte, und in dieser Disputation vertritt Antiochos lon ganz nicht nur überhaupt den dogmatischen sondern dl den ihm eigenthümlichen Standpunkt, auf den er na- rlich nicht durch eine plötzliche Offenbarung oder vor- ige einer angeborenen Lust am Widerspruch durch Philons igstes Werk gedrängt worden war. Ja erst bei der An- hme dass diese Schrift Philons sich gegen Antiochos rich-

Hiriel, ünteraiiehiiiigen. lU. 22

338 I^ie Academica priora.

tete begreifen wir vollkommen den Aerger den dieser dar- über empfand und dass er wie LucuUus sagt sich über sie mit einer Heftigkeit äusserte die mit der sonstigen Milde seines Wesens nicht im Einklang stand. Aber die Schrift Philons wenn wir sie im Spiegel dos ciceronischen Vortrags schaueu enthielt nicht bloss eine Polemik gegen Antiochos sondeiii suchte auch Philons eigenen Standpunkt zu vertheidigen (S. 311 f.). Sie scheint also vorauszusetzen dass Antiochos bereits begonnen hatte gegen seinen Lehrer zu polemisiren. Bei strenger Erklärung der Worte Luculis freilich wäre der Sosos die erste Schrift gewesen mit der Antiochos gegen Philon auftrat. ^) Aber auch wenn wir diese strenge Er- klärung für die richtige halten, so kömite doch Antiochos in seinen mündlichen Vorträgen die Ansichten Philons be- stritten haben. Dass indessen gegen solche sich Philons Schrift wandte ist deshalb unwahrscheinlich weil eine so genaue Kenntniss der eigenthümlichen Lehre des Antiochos als sich in ihr kund gibt viel leichter aus der Benutzung einer schriftlichen Darstellung sich erklärt. Nun ist es aber auch denkbar dass Antiochos seine eigenthümliche Au££assang der akademischen Lehre in einer Schrift niederlegte ohne des- halb gerade gegen Philon zu polemisiren. Wogegen er pole- misirte und wogegen er polemisiren musste, war nur über- haupt die skeptische Richtung innerhalb der Akademie; diess konnte er aber thun auch wenn er seinen Lehrer nicht per- sönlich angriff. Erst als dieser dann mit der ihm ganz allein gehörenden Erklärung des xaxaXrjTtrov hervorgetreten war, musste natürlich auch Antiochos seine Polemik speziell gegen ihn richten. Nicht mehr als eine allgemein gehaltene Pole-

M 12: nee se tenuit quin contra suum doctorem Hbram etiim ederet qui Sosus inscribitur. Erst dann war diess ein Zeichen für den hohen Grad der Entrüstung welche Philons Schrift in ihm e^ regte wenn er vorher etwas der Art noch nicht gethan hatte.

Giceros ErwideniDg. 339

Dik gegen die akademische Skepsis setzt denn auch die techtfertigimg der letzteren im ersten Theil des ciceronischen Vortrags voraus in welcher wie wir gesehen haben Philon ich zunächst ganz auf den Standpunkt des Kleitomachos teilt So ist die Annahme, wonach die von Cicero benutzte kiirift eine Schrift Philons, aber nicht eine Antwort auf len Sosos war, durch die Voraussetzungen zu denen sie führt icht erschüttert sondern von Neuem bestätigt worden. ie hat sich aber noch in einer anderen Prüfung zu be- währen. Ihr zufolge soll die von Cicero benutzte Schrift ^hilons dieselbe sein gegen welche Antiochos den Sosos shrieb. lieber den Inhalt und die Beschaflfenheit dieser hilonischen Schrift haben wir nun allerdings nur wenige, afiir aber desto bestimmtere Nachrichten. Wir wissen dass hilon in dieser Schrift eine neue ihm eigenthümliche Auf- Lssung des xaraXTjjtrov vorgebracht hatte und dass die chrift in zwei Bücher getheilt war. Stimmt nun zu diesen oiden Merkmalen was uns Cicero aus der fraglichen Schrift rhalten hat? Das ist die Frage die wir aufwerfen müssen ad sofort mit Jal beantworten können. Deim dass Cicero ch Philons eigenthümliche Auffassung des xcctaXrjjtrov zu utze macht (112 f.) haben wir schon früher (S. 288 f.) ge- lben und es fällt dieser Umstand um so mehr ins Gewicht Is Cicero selbst mit dieser Auffassung Philons sich keines- egs einverstanden erklärt, die Benutzung derselben also ium anders erklärt werden kann als dadurch dass sie ihm orch eine besonders ausfuhrliche und nachdrückliche Dar- ellung im griechischen Original gewissormaassen aufgenöthigt urde; den zwei Büchern der philonischen Schrift aber ent- >rechen die beiden Thoile des ciceronischen Vortrags deren rster die Rechtfertigung des philonischen Standpunkts, der reite den Angriff gegen Antiochos enthält Fast ebenso eher femer ist es dass es diese Schrift Philons war in der

22*

340 ^^6 Academica priora.

er die Identität der verschiedenen Akademien, der skep- tischen und der älteren, behauptet und die entgegengesetzte Meinung Anderer zurückgewiesen hatte. Denn Beides soll er in einer Schrift gethan haben gegen die Antiochos pole- misirt hatte (Acad. post. 13, vgl. dazu S. 200, 1). Und iii der That lässt die neue und etwas gezwungene Erklärung des xaraXrjJtrov auf einen bestimmten Zweck den Philon damit verfolgte schliesseu und dieser kann kein anderer ge- wesen sein als dadurch eine Brücke vom Dogmatismus der alten zum Skepticismus der jüngeren Akademie zu schlar gen, jene ebenso als skeptisch wie diese als dogmatisch erscheinen zu lassen. So wird denn wirklich auf Grund jener laxeren Auffassung des xaxaXrjjcrov von Cicero Acad. pr. 112 f. eine Versöhnung der Skepsis mit den Peripate- tikern und der alten Akademie für möglich erklärt. Die eben angeführte ciceronische Stelle beweist aber noch mehr: sie zeigt dass auch dieses dritte Merkmal das der philo- nischen im Sosos bekämpften Schrift eigen ist in der von Cicero für seinen Vortrag benutzten Schrift wiederkehrte.

So auffallend auf den ersten Anblick die Ansicht erschiea dass Cicero zur Bestreitung eines philosophischen Vortrages eine Schrift benutzt habe deren Inhalt in diesem schon widerlegt war, so ist sie doch jetzt hinreichend begründet- Sie lässt sich überdiess noch mehr bestätigen. Denn Cicero und Varro berühren in ihrem einleitenden Gespräch diö zwischen den verschiedenen Akademien obwaltenden Diffe- renzen (Acad. post. 13), Cicero bemerkt dass Antiochos' An- sicht von Philon widerlegt worden sei und Varro weist auf die Erwiderung des Antiochos hin worunter natürlich der Sosos zu verstehen ist; ^) dass aber auf den Sosos hin Phüon

*) Dass Antiochos mehrere Schriften gegen Philon verfasst habe, wird durch die Art wie Luculi sich über den Sosos ausspricht, sehr unwahrscheinlich. Vgl. die betreffenden Worte S. 338, 1. Wären dem

CiceroB Erwiderung. 341

ler mit einer Replik hervorgetreten sei, wird mit keinem te gesagt. Wir müssen daher wohl schliessen dass mit

Sosos der literarische Streit zwischen Lehrer und Schü- al^ethan war. ^) Oder will man diess nicht zugeben ?ird man es doch kaum glaublich finden dass Cicero Q ihm eine schriftliche Replik Philons bekannt war, wenn BS war die er bereits für die skeptische Darstellung der 3D Redaktion der Akademica benutzt hatte, dass er die- 3 dann gar nicht erwähnt haben sollte. Das viel gemiss- ichte argumentum ex silentio ist hier einmal an seinem ze. Seine Wirkung wird noch durch eine andere Er- ang unterstützt. Cicero bekennt sich fortwährend mit

Munde zu Philon, Philon ist ihm der Hauptvertreter akademischen Skepsis. Wie kommt es nun dass er ge-

das Eigenthümlichste in Philons Lehre, die neue Er- img des xaraXfjjtrov sich nicht angeeignet hat, sondern geradezu widerspricht (vgl. S. 289)? Freilich konnte er

hier auf den Vorgang eines andern Schülers Philons, Heraklit, berufen. Aber diess genügt doch kaum um 1 solchen Abfall von dem verehrten Lehrer zu recht- gen. Unter der Annahme dass Philon auf den Sosos b mehr geantwortet hatte ist die Erklärung dagegen ein- : Cicero wusste nicht wie er die von Antiochos gegen

Auffassung des xarahjjtrov vorgebrachten Gründe wi- egen sollte; denn selbst eine solche Widerlegung zu fin- war er nicht im Stande und von Philon wurde er in m Falle im Stich gelassen.

noch andere Streitschriften gefolgt, so hätte Luculi sich anders 'Qcken müssen.

>) Durch die von Zeller III 1 S. 592, 3 (vgl. S. 598 Anm.) ange- 3n Stellen wird das GegentheU nicht bewiesen. Vgl. ob. S. 320 f.

in. Die Tusculanen.

1. Das erste Bneh.

Keine ciceronische Schrift macht es dem Quellenforscher so bequem oder wenn man will setzt ihn in solche Verlegen- heit als die unter dem Namen der Tusculanen bekannte: denn ist man im Stande sich bei der Annahme zu beruhigen Cicero habe die Werke der verschiedensten Philosophen, stoischer und nicht -stoischer, ja epikureischer, erst gelesen und dann zu einem neuen Ganzen selbständig verarbeitet, so hat man natürlich leichtes Spiel; anderenfalls aber er- scheint es fast unmöglich in den nach den verschiedensten Gegenden der alten Philosophie weisenden Spuren eine ein- heitliche Richtung zu entdecken. Von den neueren Bear- beitern dieser Frage hat Otto Heine (de fontibus Tuscula- narum disputationum Weimar 1863) Panaitios Chrysipp und Piaton als die Quellenschriftsteller namhaft gemacht denen Cicero das von ihm in freier Weise verarbeitete Material entnommen habe. Kühneren Schwunges, getragen von der Freude über den wiederentdeckten Poseidonios, erhob sich Peter Corssen zu dem Gedanken dass eine Schrift dieses Philosophen die Quelle der ciceronischen Darstellung sei;^)

') In seiner Dissertation de Posidonio Rhodio M. Tallii Cicero- nis in libro I. Tusc. disp. et in Somnio Scipionis auctore (Bonn 1878) hatte er diess für den ersten Theil der ciceronischen Darstellung <o zeigen versucht; den Beweis für den zweiten und das Ganze holt er

Die Tnsculaoen. Das erste Buch. 343

ber die Schwierigkeit die dieser Annahme der gerade das nste Buch durchdringende Skepticismus zu bereiten schien un er leicht hinweg, indem er denselben ohne Weiteres ir Ciceros eigene Zuthat erklärte. Eine nähere Prüfung u* von Heine aufgestellten Behauptung kann ich mir des- db ersparen, weil der Grund, auf den der wichtigste Theil »rselben, die Annahme einer Benutzung des Panaitios, sich ützt, von Zeller (III 1 S. 563, 1) zur Genüge als unhaltbar tchgewiesen worden ist. Es bleibt sonach die Meinung von >r8sen; und diese darf um so mehr eine Untersuchung be- Lspruchen als sie das Ergebniss einer gewiss für Manche «techenden Methode der Forschung ist und in der That ich den Beifall von Diels (Rhein. Mus. 34 S. 487 f.) und )ller (III 1 S. 559, 2») gefunden hat.

Corssen (Dissertation S. 37) beruft sich z. B. darauf dass icero das Verbot des Selbstmordes (74) zurückführe auf sn „dominans in nobis deus" und findet hierin ein untrüg- ^es Zeichen der Benutzung Posidons dessen im Innern des Menschen lebender Gott (öalficov iv avrolg) bekannt t (vgl. Corssen a. a. 0. S. 30). Aber ebenso bekannt ist )ch auch, und Corssen selber (a. a. 0. S. 30) hat darauf ngewiesen, dass dieselbe Anschauungsweise sich schon bei laton findet, angedeutet auch im Phaidon, bestimmter aus- sprechen im Timaios (p. 90 A). Warum könnte sie also cht Cicero unmittelbar daher entnommen haben? Oder hat ' dieses Werk Piatons etwa erst später gelesen, zu der Zeit i er das uns erhaltene Bruchstück daraus übersetzte? Und Ibst diess zugegeben dass Cicero nicht im Stande war in

Rhein. Mus. 36 S. 506 ff. nach. Etwas Aehnliches hatte übrigens ion Wyttenbach Animadv. in Plut. I 699 ausgesprochen: sunt Tu- ^ae Quaestiones opus plane divüiuni, totum in genere consolato-

censendum, et, ut nobis quidem videtur, descriptum ad ratlonem tot) TtuQUfiv^uxov a Posidonio designatam.

344 1^16 Tusculanen.

diesem Falle aus eigener Lektüre zu schöpfen (obgleich er doch gerade im ersten Buch der Tusculanen, wenigstens nach der gewöhnlichen Annahme, mit einer gewissen selbständigen Belesenheit im Piaton zu prunken scheint), könnte ihm dieses Citat nicht ein anderer griechischer Platoniker an die Hand gegeben haben, musste es gerade der Stoiker Posidon sein? Für diese Möglichkeit hätte Corssen Raum lassen soUen Und er hätte diess auch gewiss gethan wenn er nicht durch andere, wie es ihm schien, unwiderstehliche Gründe in die Richtung auf Posidon gedrängt worden wäre. In der That ist es ihm geglückt Gedanken bei Cicero nachzuweisen die in letzter Hinsicht wohl auf Poseidonios zurückgehen; diese Gedanken beziehen sich auf die Verherrlichung der Philo- sophie, die am Ende darin gipfelt dass dieselbe die Mutter aller Künste (omnium mater artium) genannt wird vgl 62 £ Nimmt man hierzu noch die Lobsprüche die der Philosophie im fünften Buche 55 ertheilt werden und hält damit den Anfang von Senecas neunzigstem Briefe zusammen, so kommt man fast nothwendig zu dem Schluss den Corssen S. 23 t gezogen hat dass die beiden ciceronischen Stellen ihren Inhalt derselben von Seneca benutzten Schrift des Poseidonios ver- danken, und dieser Schluss wird wenn man die Vergleichung noch über die von Corssen zusammengestellten Aeusserungen hinauserstreckt nur bestätigt.^) Was folgt nun hieraus?

^) Diese weiter fortgeführte Yergleichung hätte Corssen ausser- dem vor einem Irrthum bewahren können. Ein Anzeichen stoischen Ursprungs erblickt er nämlich auch darin dass Cicero im Wider Spruch gegen Piaton der die Philosophie ein Geschenk der Götter genannt hatte sie vielmehr für eine Erfindung derselben (inventaiD deorum) erklärt (64): demi dasselbe, was nach Persaios den Erfindem nützlicher Dinge überhaupt, sei der Ansicht des Poseidonios zufolge auch den ersten Philosophen widerfahren, dass sie nämlich von den Menschen göttlicher Ehren gewürdigt wurden und insofern kdnne

Das erste Buch. 345

Itwa, dass Cicero jene Schrift des Poseidonios seiner ganzen Erstellung zu Grunde gelegt hat? Für das fünfte Buch lesen Schluss zu ziehen würde sehr unbesonnen sein, da ier die Gedanken des Poseidonios der Einleitung angehören ad dergleichen Einleitungen von Cicero in der Regel selbst- ändig gearbeitet wurden oder doch bei dem lockeren und

ierdings die Philosophie eine Erfindung von Göttern d. i. von Men- 'iien die später zu Göttern erhoben wurden genannt werden. Dass lese Erklärung der ciceronischen Worte das Richtige treffe kann h Corssen nicht zugeben. Denn auf diese Weise wäre die Fhilo- »pliie in Posidons Augen doch immer nur eine menschliche Erfin- ing geblieben; wer aber der Philosophie eine so weit reichende edeatung gab wie Poseidonios, wer sie als die Mutter aller KOnste, ich der handwerksmässigen pries, als die Erfinderin aller Erfin- ingen, der kann sie nicht selbst wieder für eine menschliche Er- ndimg gehalten sondern muss in ihr einen auf Erkenntniss und Er- ^hnrng gerichteten Grundtrieb, den Quell aller geistigen Thätigkeit Eid somit etwas von Natur dem Menschen Eingepflanztes d. i. eben io Geschenk der Götter gesehen haben. Die Richtigkeit dieses shlusses bestätigt Seneca der zu Anfang des angeführten 90. Briefes ^ibt: quis dubitare, mi Lucili, potest quin deorum immortalium QQQ8 Sit quod vivimus, philosophiae quod bene vivimus? itaque Ato plus huic nos debere quam dis, quanto majus beneficium est )na Tita quam vita, pro certo haberetur nisi ipsam philoso- hiam di tribuissent cujus scientiam nulli dederunt, fa- Dltatem omnibus. Aber wie sollen wir nun die ciceronischen ^orte erklären? Denn dass sie einer Erklärung bedürfen, muss ich i^en einräumen. Eine solche zu geben scheint mir auch ohne ofwand von Gelehrsamkeit möglich. Cicero bemüht sich vor Allem ^e Philosophie als etwas Göttliches darzustellen : in gewissem Sinne tt sie diess auch wenn sie nur als eine Gabe der Götter galt; wie «1 mehr aber, folgerte Cicero, wird diess der Fall sein, wenn sie >Q den Göttern nicht bloss gegeben sondern auch geschaffen wurde, i6 Tiel mehr des göttlichen Wesens ist dann auf sie übergegangen, Richtigkeit dieser Folgerung zu vertreten fällt mir natürlich ^^i ein; dass aber Cicero so schliessen konnte, wird Niemand be- bten wollen.

346 I>io Tusculanen.

äusserlichen Zusammenhange in dem sie mit der Hauptdar- stellung stehen die Voraussetzung nicht ohne Weiteres ge- statten dass sie aus derselben Quelle wie das Uebrige ge- schöpft sind. Aber auch für das erste Buch kann ich die Berechtigung eines solchen Schlusses nicht zugeben: denn obgleich hier die an Poseidonios erinnernde VerherrUchung der Philosophie mitten in die übrige Darstellung eingeschaltet ist, so gibt sie sich auch so noch als ein fremdartiger Be- standtheil zu erkennen der sich ohne Schaden für den Zu- sammenhang entfernen Hesse. ^) Also hat Cicero die be-

^) Nachdem Cicero die Philosophie gepriesen hat, fährt er 65 fort: prorsus haec divina mihi videtur vis quae tot res efficiat et tantas. Jeder wird unter ,,haec vis*^ zunächst an die Philosophie denken, die im Vorhergehenden in der That als eine göttliche Macht im Leben der Menschen geschildert war. Ciceros Meinung ist dieu aber keineswegs. Die göttliche Macht ist die Kraft des menschlichen Geistes, von der die Philosophie mit ihren Wirkungen nur eine ein- zelne Offenbarung ist. Die Worte „haec vis" weisen daher auf 61 zurück: quid? illa vis quae tandem est quae investigat occulta, qiue inventio atque excogitatio dicitur? ex hacne tibi terrena mortaliqne natura et caduca concreta ea videtur? Denken wir uns sie hieran angeschlossen so würden sie nicht den geringsten Anstoss geben. Ja der Zusammenhang würde besser werden : denn jetzt folgt auf jene Worte „aut qui primus, quod summae sapientiae Pythagorae Vi- sum est, Omnibus rebus inposuit nomina? etc." und die Erklärer geben zu dass diess an das Vorhergehende nur einen sehr losen gramma- tischen Anschluss hat. So entsteht die Vermuthung dass der ganxe zwischen 65 und dem Schluss von 61 inneliegende Abschnitt ein nachträglicher Zusatz ist, nicht von einem Späteren sondern to» Cicero selber herrührend. Auch darin ist dieser Abschnitt der übrigen Darstellung ungleich dass in ihm der Dogmatismus riel unverhüllter hervortritt als in anderen Theilen dieser Schrift: denn wenn (64) von der Philosophie gesagt wird „eadem ab anino tan- quam ab oculis caliginem dispulit ut omnia, supera infera prina ultima media, videremus" so ist damit allem Skepticismus der Ab- schied gegeben.

Das erste Bach. 347

reffende Schrift Posidons vielleicht nur für diese einzelnen bschnitte benutzt? Nicht einmal so viel kann ich zugeben, I es nicht nöthig ist immer eine unmittelbare Benutzung är griechischen Quelle anzunehmen und vielfach die Ueber- nstimmung sich schon aus der Erinnerung an eine frühere aktüre erklärt. Das Letztere gerade in diesem Falle anzu- ihmen empfiehlt sich darum weil Cicero in der Wiedergabe «idonscher Gedanken im Wesentlichen beim Allgemeinen ßhen bleibt und bei Weitem nicht in das Detail geht das ir bei Seneca lesen d. i. nur so viel gibt als er von einem äheren Lesen her im Gedächtniss behalten konnte und cht gerade abzuschreiben brauchte. Auch den Anlass aus an er jene Schrift des Poseidonios gelesen hatte können wir Tmuthungs weise noch bestimmen. Denn jene Schrift war Ki wohl die IIqotqbtitixoI betitelte, da man in einer solchen iturgemäss zuerst den Platz für eine so eingehende Lob- eisung der Philosophie sucht, ^) bei der Verehrung aber e Cicero für diesen Stoiker hegte ist es fast selbstverständ- ih dass als er selber einen Protreptikos schrieb er auch e Schrift Posidons über den gleichen Gegenstand zu Rathe g.*) Von der Zeit her also da er am Hortensius arbeitete erden Cicero jene Gedanken geläufig gewesen sein.^) Da-

^) Dieser schon von Bake geäusserten Yermuthung stimmt auch tuen zu Diss. S. 9.

*) Auf die Benutzung von Posidons Schrift für den Hortensius ist noch ein besonderer Umstand. Im Anschluss an Poseidonios isst es bei Seneca a. a. 0. 5: herum (sapientium) prüden tia, ne td deesset suis, providebat. Hiermit steht in auffallender Ueber- stimmung Hortensius fr. 23 Or.: Id enim est sapientis, providere; quo sapientia est appellata prudentia.

*) An den Hortensius erinnert er selber HI 6. Ja man meint n betreffenden Abschnitte noch anzumerken dass zur Zeit seiner bssung sich in Ciceros Geiste die Erinnerung an verschiedene 'treptische Schriften mit einander vermischte. Einmal nämlich er-

348 I^io Tasculanen.

gegen ist es schwer denkbar wie der Inhalt des ersten Buches der Tusculaiien aus einem Protreptikos geschöpft werden konnte d. i. einer Schrift deren ausgesprochener Zweck war zur Philosophie zu ermahnen; denn eine Empfehlung der Philosophie involvirt jenes nur insofern die Philosophie es ist die UDS von der Todesfurcht befreit, spricht sie aber

scheint die Philosophie als die höchste Blüthe der geistigen Entwicke- lang des Menschengeschlechts: denn erst nachdem er die mannich- fachen Erfindungen, die Handwerke, die Künste nnd die Anfänge der Wissenschaft angeführt und daraus auf die Göttlichkeit des sie he^ vorbringenden Geistos geschlossen hat, nennt er die Philosophie in den Worten „philosophia vero, omnium mater artium, quid est aliod nisi ut Plato donum, ut ego inventum deorum?'* und schildert sie hierauf als die Quelle aller moralischen und höheren inteilectaeUeD Bildung. Allem Anschein nach wird bei dieser Auffassung der Phi* losophie in der Geschichte des Menschengeschlechts derselbe Piiti angewiesen den sie im Anfang der aristotelischen Metaphysik ein- nimmt, im wesentlichen derselbe Platz auch den Seneca a. a. 0.26 ff- für sie in Anspruch nimmt. Der letztere Umstand ist ¥richtig, da Seneca diess im Gegensatz zu Poseidonios thut. Diess macht wob «of den Widerspruch aufmerksam in dem Cicero sich mit sich selber be* findet: denn auf der einen Seite hält er sich zu den Peripatetiken und weicht von Posidon ab wenn er das Menschengeschlecht eist durch eine gewisse Entwickelung hindurchgehen 'lässt bevor es zur Philosophie gelangt, auf der andern Seite aber spricht er gerade den Hauptgedanken des genannten Stoikers aus dass die Philosophie die Mutter der Künste sei und verlegt dadurch in sie den Keim dff Entwickelung als deren Frucht er sie doch eben geschildert zu haben schien. Dass nun Cicero für den Hortensius theilweise eine peript- tetische Quelle, den Protreptikos des Aristoteles, benutzt hat, ist sehr wahrscheinlich, sobald man diese Annahme nur in den von mir (He^ mes X 81 ff. 95) gezogenen Schranken hält. Dass er aber auch m Posidon sich anschloss, kann man ausser aus dem S. 347, 2 Bemerkten auch aus fr. 22 vermuthen: praeterea illud quoque argumentum con* tra philosophiam valet plurimum quo idem est usus Hortensios: »^ eo posse intellegi philosophiam non esse sapientiam quod principioii et origo ejus appareat. Quando*' inquit „phiiosophi esse coeperont?

Das erste Buch. 349

licht geradeza aus wie doch der Protrcptikos soll. Und loch fuhrt zu jener Annahme Corssens Meinung dass der »etreffende Abschnitt aus derselben Schrift Posidons genom- len ist die Seneca benutzt hat und die kaum eine andere b der Protrcptikos dieses Philosophen gewesen sein kann ä.347).^)

Iiaies ut opinor primus. Recens haec qaidem aetas. Ubi ergo apud Qtiquiores latuit amor iste investigandae veritatis?'^ Denn aus die- sn Worten darf man doch entnehmen, dass ein Anderer die ent- egengesetzte Ansicht ausgesprochen d. i. Philosophie und Weisheit \t identisch erklärt und damit jene in ein eben so frühes Alter der (enschheit ¥rie diese, die Weisheit oder was man so zu nennen flegte, versetzt hatte; dass diess aber die Ansicht Posidons ist, dirt Seneca. Es ist daher wohl denkbar dass Cicero in der Erinne- ong die Gedanken des Aristoteles und des Poseidon ios zusammen- loBsen und so den hervorgehobenen Widerspruch ergaben.

^) Denn wie Corssen Diss. S. 39 auch nur für möglich halten :onnte dass der Inhalt des ersten Buchs der Tusculanen aus einer tehrift TtBQl ^vx^JQ geschöpft sei, begreife ich nicht. Dass die pro- reptische Schrift des Poseidonios von den anderen ähnlichen Namens resentlich verschieden war, kann man aus der geringen Abweichung n Titel, nQoxQsnxixol statt ngQXQBnxixoq (denn darauf führt doch M. Wahrscheinlichsten das zweimalige iv xolq nQoxQenxixoiq bei Hog. YII 91 und 129, wenn man die nQoxgenxixol im Yerzeichniss ^t Schriften des Persaios bei Diog. YII 36 vergleicht, vgl. auch Mog. YI 8. Ich bemerke diess wegen Bake Posidon. rel. S. 245, der Hfotgentixä für den Titel hält), nicht schliessen, da dieselbe sich ^>6iuo erklärt wie der Ausdruck ol naQafjivS^xtxol Xoyoi dessen sich ^tarch consol. ad ApoUon. c. 2 zur Bezeichnung seines naQafiv^ri' '^q bedient. Und auch aus Seneca ep. 95, 61 folgt nicht dass in ^ protreptischen Schrift Posidons die Consolatio mit enthalten ^: denn wenn auch Manches dafür spricht die von Seneca ange- führten Aeussemngen Posidons aus jener Schrift abzuleiten, so lässt ick doch auch Anderes dafür geltend machen dass sie der Schrift ^^ xov xa^xovxoq (vgl. Seneca 45) entnommen sind, und überdiess ^ lie nun den einen oder anderen Ursprung haben so führen sie ^^ nur auf Bemerkungen über die Consolatio, beweisen aber keines-

350 I^ie TuBculanen.

Corssen glaubt aber auch ein äusseres Zeugniss entdeckt zu haben, das auf eine Schrift des Poseidonios als die Quelle des ersten Buches der Tusculanen hinweist (Rhein. Mus. 36, 523). Dasselbe soll in folgenden Worten des heiligen Hieronymus aus dem epitaphium Nepotiani (epist 60, 5) ent- halten sein: legimus Crantorem, cujus volumen ad confoven- dum dolorem suum secutus est Cicero; Piatonis Dic^enis Clitomachi Cameadis Posidonii ad scdandos luctus opuscuh percurrimus, qui diversis aetatibus diversorura luctum Tel libris vel epistolis miimere sunt conati ut etiam si nostrum averet ingenium de illorum posset fontibus irrigari. Dieses Zeugniss soll zunächst freilich imr für die Consolatio gelten; mittelbar aber auch für die Tusculanen, da nach Corssen das erste Buch derselben aus derselben Quelle wie die Trost- schrift geschöpft ist (S. 522). Von den Gründen mit denen Corssen letztere Behauptung stützt will ich absehen. Aber beweist denn jenes Zeugniss auch nur für die CJonsolatio was es beweisen soll? Zunächst muss ich bemerken dass ein Zeugniss das grobe Irrthümer enthält auch da wo es wahr sein könnte mit Vorsicht benutzt werden muss. Welch ein

wegs dass Poseidonios selbst, wenigstens in der Schrift der jene Aeusserungen angehören (im Uebrigcn vgl. Hieronymus epist 60, 5) eine solche ausgeführt habe. Zum besseren Yerständniss des Ge- sagten setze ich die fraglichen Worte Senecas selber her: Posidonios non tantum praeeeptionem , nihil enim nos hoc verbo nti prohibet« sed etiam suasioncm et consolationem et exhortationem necessariaoi judicat. his adicit causarum inquisitionem, etymologlam (hierfür will Zeller III 1 S. 207 Anm. aetiologia herstellen. Vgl. indessen Cicero Acad. post. 32: verborum etiam explicatio probabatur, id est qoa^l^ causa quaeque essen t ita nominata, quam hvfioXoylav appellabiotl quam quare dicere nos non audeamus, cum grammatici, cnstodesLt' tini sermonis, suo jure ita adpcllent, non video. ait utilem fatnUB et descriptionem cugusque virtutis: hanc Posidonius ethologiam vx^ quidam characterismon adpellant etc.

Das erste Buch. 351

grober Irrthnm aber ist es wenn in den Worten des Kirchen- Taters unter den Verfassern von Trostschriften neben Kleito- machos Karneades genannt wirdl Hieronymus will eine Trost- schrift desjenigen Philosophen gelesen haben von dem das Alterthum nur Briefe kannte! *) Besser konnte in der That die unverschämte Lüge des frommen Mannes nicht entlarvt werden. Wie flüchtig muss er aber auch seine Quellenschrift gelesen haben! Denn dort konnte er natürlich nur die Be- merkung linden, dass Kleitomachos den Inhalt seiner Trost- schrift thcilweise oder wesentlich den Vorträgen seines Lehrers entnommen habe.^) Lidessen mögen die Worte als glaub- würdig gelten,^) so lässt sich aus ihnen doch höchstens fol- gern dass Cicero in der Consolatio die Schriftsteller genannt hatte die denselben Gegenstand behandelt hatten. Dasselbe hatte nun Cicero auch in der Einleitung zum ersten Buch der Schrift de divinatione gethan (6). Dort hatte er nach Quysipp, dem Babylonier Diogenes und Antipater schliesslich noch den Poseidonios genannt und weil nun dieser zulotzt- genannte und jüngste zugleich derjenige ist auf den die Quellenforschung über das erste Buch der Schrift de divi- natione geführt hat, so hat Corssen oifenbar geschlossen dass ebenso in der Consolatio der jüngste und an letzter Stelle aufgeführte der Quellenschriftsteller gewesen sein müsse. Diess ist aber ein ganz schablonenhaftes Verfahren, wie wir

») Vgl. Diog. IV 65 und prooem. 16.

*) Diess gilt von der Trostschrift, welche Kleitomachos an seine Sefangcnen Landsleute richtete (Cicero Tusc. III 54\ auf die sich also ^er Wahrscheinlichkeit nach jene Bemerkung bezog.

•) Die Frage mag noch aufgeworfen worden wer der von Hiero- oyxnns als Verfasser einer Trostschrift genannte Diogenes ist. Etwa der Kyniker, unter dessen angeblichen Schriften Diog. VI 80 eine '«^ ^vatov nennt? Vgl. dazu Wyttenbach Animadv. in Plut. I 8.699.

352 Die Tusculanen.

es leider in der modernen Quellenforsclmng öfter beobachten Wenn Cicero in der Schrift de divinatione sich ausschliess- lich an Posidon hielt und hinsichtlich der älteren Stoiker sich mit dem begnügte was dieser ihm über sie mittheilte, folgt daraus ohne Weiteres dass er auch in allen anderen Schriften es sich in derselben Weise bequem gemacht habe? Niemand wird diess behaupten wollen, und was insbesondere die Consolatio betriflft so wird hier eine solche Annahme auf das Bestimmteste widerlegt Denn wir haben doch keinen Grund Cicero der Lüge zu verdächtigen, wenn er an Atticus schreibt (XII 14): nihil de maerore minuendo scriptum ab ullo est quod ego non domi tuae legerim (vgl. auch 21 Schi). Also gelesen hatte er gewiss mehr als bloss Posidons Schrift Immerhin bleibt die Annahme übrig, dass er sich schliesslich an diese, wo nicht allein, so doch vorzüglich hielt, weil ihm die Schrift des jüngsten Philosophen das Meiste zu bieten schien. Für das regelmässige Verfahren darf man aber diess keineswegs ausgeben: denn diese Behauptung umzustossoi würde der Hinweis auf die Schrift de officiis genügen, der er notorisch nicht nach jener Schablone gearbeitet son- dern so weit es ging die Schrift des Panaitios und nicht diejenigen seiner Schüler Poseidonios und Hekaton zu Grunde gelegt hat. Und dass nach jenem Verfahren insbesondere die Consolatio nicht zu Stande gekommen ist, könnte aber- mals die Stelle eines Briefes an Atticus (XII 21 Schi.) lehren: neque tarnen progredior longius quam doctissimi homines concedunt quorum scripta omnia, quaecumque sunt in eam sententiam, non legi solum quod ipsum erat fortis aegroti, sed in mea etiam scripta transtuli quod certe adflicti et fracti animi non fuit (vgl. Tusc. III 76). Da es mir aber nicht sicher scheint ob wir berechtigt sind diese Worte ausschliesslich auf die Consolatio zu beziehen, so sehe ich von ihnen ab. Dass die Consolatio nicht aus einer Schrift

Das erste Buch. 353

sPoseidonios geschöpft war, lässt sich auch dann noch zei- Q. Es beweist diess einmal das Fragment das Cicero sel- r (Tusc. I 66) daraus mittheilt und in dem wir Folgendes en: nihil est in animis mixtum atque concretum aut quod terra natum atque fictum esse videatur, nihil ne aut hu- lom quidem aut flabile aut igneum. Denn der strenge Spiri- ilismus zu dem sich der Verfasser in diesen Worten bekennt mit dem geläuterten Materialismus der Stoiker und Posi- \B nicht zu vereinigen (vgl. Cicero Tusc. I 42), und das igment schlägt einen ganz bestimmten dogmatischen Ton der nicht so wie in den Tusculanen öfter geschieht auch ii für andere Ansichten Raum lässt. In dieselbe Richtung I dieses Fragment weist uns beim Suchen der Quelle auch üeberlieferung. Denn der philosophische Standpunkt i es verräth ist einer den wir uns wohl als denjenigen uitors denken können, die berühmte Trostschrift dieses ademikers aber soll Cicero selber als das Vorbild seiner ttsolatio genannt haben. Letzteres beruht auf einer Näch- st bei Plinius n. h. praef. 22; imd es gehört ein starkes rtrauen in die untrügliche Sicherheit der eigenen Combi- ionen dazu um sich wie Corssen (Rh. M. 36, 522) thut )r ein so bestimmtes Zeugniss mit einem verächtlichen tenblick hinwegzusetzen, zumal da Plinius Ciceros eigene )rte anführt.^) Corssen zeigt sich aber hierin auch in- isequent. Denn wenn einmal Hieronymus nur sagen soll 3 er bei Cicero gelesen hatte, dann muss dasselbe doch üi von folgenden Worten der augeführten Stelle gelten: imus Crantorem cujus volumen ad confovendum dolorem im secutus est Cicero. Hieronymus hatte hiernach bei "ero dasselbe gelesen wie Plinius. Die äusseren Zeugnisse Bchen somit nicht für sondern gegen die Ansicht Corssens

') In consolatione filiae „Crantorem*' inquit „sequor".

Rirxel, Untersuchimgen. lH. 23

354 ^^6 Tusculanen.

dass die Hauptquelle der Consolatio und infolge dessen auch des ersten Buches der Tusculanen nicht Krantor sondern eine Schrift Posidons war.

Das Hauptargument von Corssen und das er selber da- für angesehen wissen will steht noch aus. Es ist diess die besondere Art Psychologie die von Cicero in Tusc. I vorge- tragen wird (Rh. M. 36, 519). Das Besondere derselben be- ruht darin dass sie weder die gemein stoische noch die platonische Ansicht von der Seele rein darstellt sondern aus beiden gemischt ist, mit den Stoikern die Seele für ein Wesen materieller Substanz hält, mit Piaton hing^en ihr sowohl Präexistenz als Unsterblichkeit zuspricht und den Ursprung der Leidenschaften und Begierden nicht aus der urtheilenden Vernunft ableitet. In der That eine Psychologie dieser Art hätte alle Wahrscheinlichkeit für sich diejenige Posidons zu sein,^) der Nachweis daher dass sie die wissen- schaftliche Ueberzeugung des von Cicero benutzten Quellen- schriftstellers wiedergibt mag auch als Beweis gelten dass dieser Quellenschriftsteller kein anderer als Posidon war. Aber ist denn dieser Nachweis von Corssen wirklich geführt worden? Vor allem galt es zu zeigen dass die dogmatische Ueberzeugung welche durch die skeptische Form noch durch- schimmern soll auf stoischer Grundlage ruht. Corssen Disa S. 6 f. (vgl S. 8 f.) zieht deshalb jenen Abschnitt herbei in

*) Wenigstens in Verbindung mit anderen Spuren die mehr aof Posidon deuten. Denn sonst mOsste ein vorsichtiger Forscher aoch daran denken, dass in ähnlicher Weise Platonisches und Stoisches iQ mischen auch zur Eigenthümlichkeit des Antiochos gehört. Und ancb gegenüber jenen andern Spuren könnte man auf Tusc. III 59 ter- weisen; denn diese Stelle, namentlich wenn man mit ihr Plutarch a<i Apollon. p. 110 vergleicht, lasse vermuthen nicht nur dass auch An- tiochos eine Trostschrift verfasst hatte sondern auch dass Cicero bei der Abfassung seiner Tusculanen vorlag.

/

Das erste Bach. 355

icm Cicero die Annahme einer Fortdauer der Seelen nach em Tode für unabhängig erklärt von den Ansichten über ire Beschaffenheit und sich daher für berechtigt hält vom tandpunkt der verschiedensten Philosophien aus eine gewisse nsterblichkeit zu behaupten (40 ff.). Corssen freilich weiss wschen den Zeilen zu lesen: er erkennt dass im Grunde BT die stoische Ansicht von der Unsterblichkeit vertheidigt ird und die anerkennende Erwähnung auch der anderen hilosophen nur ein fremdartiger Zusatz ist den Cicero dem Jimal eingenommenen akademischen Standpunkt zu Liebe Mnacht hat. Zu dieser zunächst gewiss auffallenden An- ihme bestimmt ihn der Umstand dass nach seiner Ansicht ie vor jenem Zusatz begonnene Argumentation nach dem- Jben (42) wieder aufgenommen und damit auch der nur )rübergehend verlassene stoische Standpunkt von Neuem Btreten wird. Den aus den Prämissen gezogenen Schluss um man füglich nicht bestreiten: es fragt sich nur ob jene ditig sind. Wird denn wirklich die Argumentation unter- rochen? Ja, wie wird denn überhaupt argumentirt? Corssen Igt (S. 6) „mit physischen Gründen" (rationes physicae). er Ausdinick ist nicht ganz klar: denn in gewissem Sinne ?liört zu dieser Art von Gründen auch der von der Selbst- swegung entnommene und doch will Corssen diesen davon aterscheiden. Es scheint also, wir sollen unter jenen phy- schen Gründen solche verstehen die nur in der körper- eben materiellen Welt gelten. Mit Hilfe dieser Gründe, 18 ist die Meinung von Corssen, wird bewiesen dass die öelen zum Himmel aufsteigen. Diese Argumentation hat )Tiach zur Voraussetzung die körperliche materielle Natur 6r Seele, sie ruht auf dem Grunde der stoischen oder doch iner ihr verwandten Psychologie, jedenfalls nicht der pla- Jnischon, Und doch kündigt Cicero selber ein platonisches 'Tgument für die Unsterblichkeit anl Wenn er es trotzdem

23*

356 Die TusculaneD.

unterlässt ein solches hier zu geben und dasselbe erst viel später nachbringt (53 f.), so schien sich diess nur aus der Abhängigkeit zu erklären in der er sich von der einmal b^ nutzten stoischen Quelle befand. Die Frage ist nur ob die erste Prämisse dieses Schlusses wahr ist d. i. ob wirklich bloss in physischer Weise argumentirt wird. Diess muss verneinen wer nicht eine petitio principii begehen will. Denn was Cicero (41) für den Fall bemerkt dass die Seele nicht materieller Natur, feurig oder luftig sei, kann nicht aus Gründen die nur für die materielle Welt gelten gefolgert sein; dass diese Bemerkung aber sich nicht schon in Ciceros Quelle vorfand soll eben erst bewiesen werden. Wir müssen uns daher nach einem Grunde umsehen der für den einen wie den anderen Fall Geltung hat ob wir nun die Seele für ein materielles oder immaterielles Wesen halten. Ein solcher Grund ist das Gesetz der Aehnlichkeit: denn dass Aehnliches sich zu Aehnlichem gesellt, dieser Satz bewährt sich sowohl in der geistigen wie in der körperlichen Welt Wenigstens gab es Philosophen die dieses Gesetz so weit ausdehnten) und zu diesen Philosophen gehört Piaton, der jenem Geseti die Welt der Körper unterwirft (Tim. p. 53 A. 57 B), der von ihm auch das Verhalten der Seele abhängig macht (Tim. 90 A) und der auf dasselbe Gesetz einen seiner Beweise für die Unsterblichkeit gegründet hat (Phaidon 79 A flf.).*) An den-

*) Vgl. bes. 80 D : ij Sh ywx^) ä^a rb deiSiq, rh slq xotovtw to- nov ^TSQov olxofjtevov, yevvalov xal xaSttQov xal deid^, slg ÄtS^v ütg d?.Tfd-<Jjg xxX. 81 A: ovxovv ovto) ixhv exovaa slg dfioiov cf»^» tb deiöig, dni^x^tai, rb ^elov re xal dd-dvatov xal (pQovifiOv xd. 84 A. f.: (V^'XV dvÖQoq <piXoo6<pov) knofjiivyj roi Xoyiaftif xal dsl tv tovTO) ovoa, rb dXii^tq xal xb B^elov xal tb döo^aoxov &eaf/iivil xai vn^ ixsivov ZQSipofjiivT] ^^v ts oiexai ovxo) Selv k'iog av 5y ^f^ ^^^^ öäv rekevti^ay etg tb ^vyyevhg xal slg tb toiovtov dtpixofiivti a^l^' Xdx^ai twv dv&QutnlvufV xaxäiv.

Das erste Buch. 357

Iben Philosophen werden wir ferner dadurch erinnert dass n der Ordnung der Elemente in der Welt das Gleich- wicht derselben abgeleitet wird:*) wenigstens soll nach m. p. 52 E vor der Ordnung der chaotisch durcheinander Agenden Elemente auch das Gleichgewicht gefehlt haben.') scheint sich bei schärferer Betrachtung die Argumentation oeros aus einer stoischen, wofür sie uns Gorssen und auch dne') ausgeben, in eine platonische zu verwandeln. Dass oero bei dieser Auffassung des in Rede stehenden Ab- mittes nun nicht mehr wortbrüchig wird, dass er ein pla- usches Argument fiir das Fortleben der Seele nach dem de wie er es mit Emphase versprochen hat nun auch rklich mittheilt kann in den Augen eines vorurtheilslosen trachters das Resultat der Untersuchung nur bestätigen, nz abgesehen davon dass doch auch die gedankenlose

') 40: eam porro nataram esse quattuor omnia gignentium cor- 1UD Ol, quasi partita habeant interse ac divisa momenta, rana et humida suopte natu et suo pondere ad pares angulos in ram et in mare ferantor etc. Dem im Aether schwebenden Geiste d 43 ein Gleichgewicht zugeschrieben (tarn quam paribus exami- 08 ponderibus); aus keinem andern Grunde sollen sich aber auch Seelen, wie sie der Phaidros unter dem Bilde eines Rossegespanns ildert, in der Höhe erhalten, vgl. p. 247 B (ra fihv ovv d-eätv dxnfJiCLra ifonofg svijvia ovra ^aSlwq no^svsrat, Sh aXXa fxoytq' ßQl&si > i r^C xdxTjg "nnoq fistix^^» ^^^ ^V** yv^ ^hcwv xe xal ßa^votv ß^ xoAo;^ r/v Ts&Qa/jifjiivog rwv ^vtoxfov). Welche Bedeutung lerdem Piaton dem Gleichgewicht beilegte so dass er daraus das weben der Erde im Mittelpunkte der Welt erklärte, ist aus Phai- 1 p. 108 E bekannt.

*) Von der ungeordneten Materie heisst es: navroSan^v fisv IV fKjdvBoQiti» 6ia 6h xo fiijd'' bfjioltov Swdfjteatv firix^ lao^^onwv ünXaaS^ai xax* oiShv avxijg lao^^nelv «AA.* dvojfxdliog ndvx^ ttnovfidvriv aelea&ai xxl.

*) In seiner Ausgabe bemerkt er zu 40 dass bis zu c. 23 stoische ^eise folgen.

358 I^ie Tusculanen.

Flüchtigkeit die man Cicero zutrauen kann ihre Grenze hat und diese Grenze überschritten zu werden scheint wenn man ilm erst ein platonisches Argument aufs Bestimmteste an- kihidigen und daim fast im selben Athem ein stoisches ?or- tragen lässt. Trotzdem wird jenes Resultat so lange nicht überzeugend sein als nicht der wichtigste von Corssen für seine Ansicht beigebrachte Grund widerlegt ist. Derselbe liegt offenbar darin dass die Seele insofern sie köq)erliclier Natur ist von feurig luftiger Substanz sein soll: denn diesB ist die bekannte stoische Ansicht, die auf eine stoische Quelle um so mehr hinweisen würde wenn den anderen Fall dasB die Seele unkörperlicher Natur sei Cicero von sich aus ohne den Vorgang seines griechischen Gewährsmannes gesetzt hätte. Aber entspricht denn wii'klich was Cicero über die körper- liche Natur der Seele aussa^ der stoischen Ansicht? Corssen nimmt es an. Bei Cicero aber lesen wir nur Folgendes (40): quao cum constant perspicuum debet esse animos cum e corpore excesserint, sive illi sint animales id est spirabiles sive ignei, sublime ferri. Diess heisst doch nach dem strengen Verstände: die Seelen sind entweder feurig oder luftig, nidit aber: sie sind Beides zusammen. Und doch würde nur das Letztere der gewöhnlichen Ansicht der Stoiker entsprechen und insbesondere derjenigen stoischen Ansicht die im Fol- genden (42) adoptirt wird.^) Die Worte aber im strengen Verstände zu nehmen ist zunächst gewiss die Pflicht jeder Interpretation. Hier wird sie uns noch besonders eingeschärft durch die Betrachtung einer ähnlichen platonischen Stelle.

^) Ungenau heisst es 19: Zenoni Stoico animus ignis videtor- Auch hier wird indessen von dieser Ansicht die andere unterschiedeD welche die Seele für luftartiger Natur (anima) erklärt. Im üebrig«* ist es diese frühere Stelle 18—23, auf welche die spätere zurück«- weisen und zu der sie sich wie ein kürzerer Auszug zu veriiAl^ scheint.

Das erste Buch. 359

mn im Phaidon p. 96 B wird es als ein Problem bezeichnet > das womit wir denken das Blut oder ob es Luft oder juer oder endlich ob es das Gehirn sei. Da nun auch von icero die Ansichten berücksichtigt werden, nach denen die )ele an das Blut und das Gehirn gebunden ist, so geht ie Aehnlichkeit zwischen beiden Stellen weit genug um uns i nöthigen dass wir unter denen welche nach Cicero die eele für luftig oder feurig erklärten dieselben verstehen eiche Piaton hierbei im Auge hatte, also ältere Natnr- bilosophen wie Heraklit und Diogenes von Apollonia und öinesMls die Stoiker.^) Hat Corssen es in diesem Falle dt der von Cicero gestellten Alternative zu leicht genommen ) hat er eine solche in einem anderen ganz übersehen, •as Aufsteigen nämlich von Feuer und Luft wird nicht ihlechthin aus einem Naturtriebe dieser Elemente abgeleitet mdem daneben die Möglichkeit gelassen dass es auf me- umischem Wege vor sich gehe und die Wirkung eines Ab- fallens der leichten an den schweren Körpern sei.^) Der ^ Theil dieser Alternative, auf den Corssen wie es scheint lein geachtet hat, entspricht nun allerdings der stoischen nsicht, aber freilich nicht bloss dieser sondern ebenso sehr 9r platonischen und aristotelischen.^) Also nicht einmal

') In demselben Sinne sind dann anch die anderen Stellen der Dscolanen auszulegen, 65, 66 und 70.

*) 40: hae (duae partes una ignea altera animalis) rursum rectis Aoig in caelestem locum subvolent sive ipsa natura superiora ap- )tente sive quod a gravioribus leviora natura repellantur.

') An Aristoteles erinnert insbesondere noch dass die Bewegung sr schweren Körper zum Mittelpunkt unter gleichen Winkeln statt- ^en soll (ad pares augulos, vgl. S. 357, 1). Denn man vergleiche •■ der Schrift vom Himmel II 14 p. 296^ 20: öti (peQOfxeva ßaQtj •^ TCfiTJ/v (tjJv yijv) ov nag^ äkXr^ka tpigstai dXXä ngog bfiolaq

360 I^ie Tuscalanen.

wenn der erste Theil der Alternative als Behauptung fii sich allein stünde, würde er den stoischen Ursprung beweisei können. Noch weniger kann er diess in Verbindung mil dem zweiten: denn dieser enthält die entgegengesetzte Be- hauptung wie sie bekanntlich (Zeller I 754, 1, III 1 S. 410,3) von der atomistischen Schule Demokrits und Epikurs aufge- stellt worden war. Ein Stoiker konnte aber dieselbe der eigenen Ansicht nicht als gleichberechtigt gegenübersteU^ Wollte man trotzdem die Hypothese des stoischen Ursprungs festhalten, so müsste man annehmen dass der Stoiker die Ansicht der Gegner angeführt und sodann sie widerlegt, Cicero aber die Widerlegung fortgelassen und die Anfuhrung so eingerichtet hätte wie sie seinem skeptischen Standpunkt entsprach. Aber wie konnte ein Stoiker in einer Schrift der Art wie wir uns die gesuchte Quelle vorstellen müssen An- lass finden zu einer so eingehenden' Behandlung eines rein physikalischen Problems die ihn sogar bis zur Kritik entgegen- stehender Ansichten führte? Zu der Annahme aber, dass Cicero selber diesen Zusatz gemacht, würden wir uns nur dann ver- stehen wenn derselbe etwa sich mit der übrigen Darstellung in Widerspruch befände. Nun ist es die Absicht dieser Da^ Stellung wie wir gesehen haben das Gesetz der Aehnlichkeit zur Anerkennung zu bringen: bestünde daher dieses GesetJ darin dass überall von Natur Aehnliches zum Aehnlichen getrieben wird, so wäre durch die Anerkennung derselben der zweite Theil der Alternative, dass auch eine bloss me- chanisch wirkende Ursache, ein Stoss, diese Verbindung her beiführen könne, ausgeschlossen. Es lässt sich aber diesem Gesetz auch anders formuliren, so wie ich diess oben (S. 356) gethan habe: hiemach beruht es darin dass Aehnliches sich zu Aehnlichem gesellt ohne über das Wie dieser Verbindung etwas auszusagen. Da nun in dieser allgemeineren Fassung das Gesetz auch die Atomistiker gelten liessen, so ist der

Das erste Buch. 361

iersprnch, den man aus der Alternative hätte ableiten inen, beseitigt und damit auch fiir uns das Rocht ge- vrunden den zweiten Theil derselben fiir einen von Cicero «t gemachten und nicht schon in seiner Quelle gefun- en Zusatz anzusehen. Der Skepticismus greift also doch ßr in die ciceronische Darstellung ein als Corssen annahm, un wenn sie schon das platonische von der Aehnlichkeit genommene Argument anerkennt, so lässt sie doch inner- 1) dieser Anerkennung den Gefdanken freien Spielraum . gibt insbesondere die Vorstellungen über die eigen- nliche Natur der Seele frei, indem sie die letzteren ein- 1 auffuhrt. Der Faden an den sie sich dabei hält scheint

chronologische zu sein. Zuerst werden die Meinungen äcksichtigt denen zufolge die Seele feuriger oder luftiger ur, Meinungen von denen wir schon sahen dass ihre treter in den Reihen der alten Naturphilosophen zu bon sind. Hieran schliessen sich die Ansichten des Xeno- tes und Aristoteles. Diese Ansichten so verschieden sie igens unter sich sind haben doch das mit einander ge- Ji dass sie in der Seele ein selbständiges Wesen erblicken. 1 ihnen sind daher alle die zu trennen welche diess leugnen

es nun dass sie die Seele mit irgend einem Theile des :pers identificiren oder dass sie in ihr den Ausdruck fiir

Verhältniss (Dikaiarchos und Aristoxenos) oder das Er- niss einer Verbindung (die Atomistiker) materieller Theile en. Auch was hierüber gesagt wird stört die chronolo- 5he Folge nicht. Denn aus der Phaidonstelle (s. S. 359) en wir dass die welche die Seele fiir nichts als Gehirn r Blut hielten *) ältere Naturphilosophen waren, und eben

') Die betreffenden Worte Giceros lauten 41: ne tarn vegeta >8 aat in corde cerebrove aut in Empedocleo sanguine demersa at.

362 I^ie Tusculanen.

solche oder doch Aeltere*) dürfen wir auch in denen Ter- muthen welche sie mit dem Herz zusammenwarfen.^) Der Zeitfolge entspricht es also wenn lüeran die Besprechung von Dikaiarchos' und Aristoxenos' Lehre geknüpft wird. Und auch die ei*8t hieran angeschlossene Erwähnung der Ato- mistiker widerspricht nicht, sobald wir nur nicht vorzugs- weise dabei an Demokrit sondern an die Cicero und seine Zeitgenossen mehr interessirenden Epikui*eer denken eine Annahme die sich auch dadurch empfiehlt dass unmittelbar nach den Atomistikem von den Stoikern und namentlich von Panaitios d. i. von zeitgenössischen Philosophen die Rede ist. Ja d()pi)elt passend und keineswegs willkürlich erscheint die Erwähnung der Atomistikor gerade an dieser Stelle weil sie darüber dass die Seele ein feuer- und luftartiges Wesen mit den Stoikern vollkommen übereinstimmten und gewiss nicht ohne Grund dieser Theil ihrer Ansicht von Cicero noch besonders hervorgehoben wird.^) Da sonach die an- gebliche Zerrissenheit und Unordnung der Darstellung in

*) Vielleicht sollte dadurch die VolksmeiuuDg bezeichnet wer- den, vgl. Heine zu Tusc. I 18.

*) An die Stoiker darf hier deshalb nicht gedacht werden, well diese zwar die Seele in das Herz verlegten, aber sie nicht für eio und dasselbe mit ihm erklärten. Hierauf aber kommt es gerade an* Denn die Frage nach dem Sitz der Seele behandelt Cicero als eine offene (70). £r selber unterscheidet aber auch ausdrucklich die stoische Ansicht d. i. die welche das Herz nur für den Sitz der Seele erklärt von der andern nach der das Wesen der Seele von der Natur des Herzens nicht getrennt werden kann, vgl. 18 f.

*) 42: illam vero funditus ejiciamus individuorum corporum le- vium et rotundorum concursionem fortuitam; quam tamen Democritos concalefactam et spirabilem id est animalem esse vult. Mir scheio^ sogar das einschränkende „tamen" nur dann erklärlich wenn Cicero schon die stoische Lehre im Sinne hatte, und dadurch auf das hin- weisen wollte was bei aller sonstigen Verschiedenheit der atomisti- schen mit der stoischen Ansicht gemeinsam war.

Das erste Buch. 363

dichkeit nicht vorhanden ist, so lässt auch dieser 'Grund nicht mehr geltend machen um dai*aus vorwiegende itzung einer stoischen Quelle unterbrochen durch eigene aten Ciceros zu beweisen. Ebenso wenig darf man auf die Ungleichmässigkeit in der Besprechung der ver- deneu Ansichten und insbesondere darauf berufen dass lus am ausfühi'lichsten die stoische Lehre eröii;ert wird l): denn diess würde sich leicht aus dem hervorragen- Interesse erklären das Cicero und seine Lehrer gerade lieser Philosophie nehmen mussten. Hiermit ist der ung Corssens über den Ursprung des ersten Buches in- n sie auf der Annahme beruht dass die eigcnthümliche i vorgetragene Psychologie nur die des Poseidonios sein

ihr Fundament entzogen: denn die Psychologie des

idonios muss doch vor allen Dingen eine stoische sein,

der Abschnitt aber der den Beweis für den stoischen

akter der bei Cicero vorausgesetzten Psychologie liefern

3 in Wirklichkeit diess nicht thut hat hofifentlich die

angestellte Erörterung gezeigt. Obgleich daher wenn Stoiker der Quellenschriftsteller sein müsste die ausser- hervortretenden Piatonismen uns weiter auf Poseidonios m würden, so sind dieselben für sich allein doch nicht : beweiskräftig. Ja bei näherer Betrachtung stellt sich r heraus dass es nicht leicht, wo nicht unmöglich ist )lben mit der sonst bekannten Lehre dieses Stoikers zu nigen. Dahin gehört die Annahme einer Präexistenz der m, wie sie 57 gemacht wird. Corssen freilich sucht zu iisen dass eine solche mit Poseidonios' Ansichten überein- oae. Aber der eine aus der Schrift de diviuatione herge- üttene Grund, den er S. 31 anführt, ist schon von Zeller 1 S. 582, 1, 3. Aufl.) erschüttert worden und was den ren betriflft den er S. 46 einer Stelle des Sextos Em- kos entnimmt so darf ich denselben wohl durch meine

364 1^16 Tuscnlanen.

früheren Erörterungen (Theil II S. 144 Anm.) als beseitigt ansehen. Auf meine eigenen Erörterungen kann ich mich auch noch in einem anderen Falle beziehen. Von Poseido- nios leitet nämlich Corssen S. 40 ff. auch das platooische Argument ab welches aus der Selbstbewegung der Seele deren Ewigkeit erschliesst. Cicero hat es sich 53 f. zu Nutze gemacht Da er aber bemerkt dass er dasselbe schon einmal, im sechsten Buche seines Werkes über den Staat, verwerthet habe, so hat Corssen mit Recht vermuthet dass es zunächst von dorther genommen sei. Dem Poseidonios entgeht Cicero freihch auch so nicht: denn auch jene Stelle des Werkes über den Staat, der Traum Scipios, soll einer Schrift dieses Stoikers entnommen sein.*) Dabei hat sich Corssen indessen eine sehr wichtige Frage gar nicht vor- gelegt: ob nämlich und wie weit überhaupt Poseidonios dieses platonische Argument sich aneignen konnte. Dieses Argument will nicht nur die Unsterblichkeit der Seele son- dern ihre Ewigkeit beweisen und zwar die Ewigkeit im strengen Sinne des Wortes, da die Dauer eines Wesens das das Prin- cip der Bewegung und des Lebens in sich selber trägt weder nach vor- noch nach rückwärts beschränkt werden kann. Nun hielt aber Poseidonios an dem stoischen Dogma von der Weltverbrennung fest (Zeller III 1 S. 575, 3, 3. Aufl.)- ^ dem angegebenen Sinne konnte er daher das platonische Argument nicht gelten lassen da jenem Dogma zufolge alles Einzelne in der Welt, und somit auch die individuellen Seelen, so gut wie es einen Anfang der Existenz hat auch ein Ende haben muss. Wollte er also trotzdem die Uebereinstimmung mit Piaton nicht aufgeben, so blieb ihm nur übrig sich mit

') Nach Corssen S. 40 würden wir hier sogar das wunderbare Schauspiel haben dass Cicero ohne es recht zu wissen und im Gra- ben sich selber auszuschreiben denselben Gewährsmann benutzte den er sich ohnediess für die Tusculanen gewählt hatte.

Das erste Buch. 365

einer neuen Interpretation zu helfen. Und in der That hat BT diesen Ausweg ergriffen. Denn, worauf ich schon früher ;Th. I S. 238) hingewiesen habe, er verstand unter der Seele leren Ewigkeit bewiesen wurde nicht die individuelle son- lem die des Universums, und konnte nun glauben die plato- üsche und stoische Lehre mit einander ausgesöhnt zu haben la das seelische Leben im Ganzen der Welt auch durch die Skpyrosis der Stoiker nicht aufgehoben wurde. So verstand i^oseidonios das platonische Argument. Und wie versteht « Cicero? Beidemal wo er sich seiner bedient bezieht er es mf die Ewigkeit der individuellen Seele d. h. er gebraucht fi in einem Sinne gegen den Poseidonios mit seiner Erklä- iing eben protestiren wollte. Dieses Stück Piatonismus in Diceros Darstellung kann daher nicht auf Poseidonios' Rech- nug gesetzt werden.

Neben der eigenthümlichen Psychologie, die sich im ersten Buche der Tusculanen finden soll, kommen andere Gründe die Corssen zur Bestätigung seiner Ansicht beibringt veniger in Betracht. So beruft er sich S. 6 f. darauf dass mm Beweise eines Fortlebens nach dem Tode auch der Volksglaube an ein solches benutzt werde.*) Niemand wird bestreiten dass ein Stoiker so argumentircn konnte oder lass wirklich Stoiker so argumentirt haben. Falsch ist nur Üe für die Giltigkeit des Beweises nöthige Voraussetzung to nicht auch andere Philosophen so argumeutiren konnten. Wissen wir doch dass in derselben Weise schon Aristoteles im Eudemos den Glauben an die Unsterblichkeit begründet hatte.') Und in derselben Weise war der Stifter der peri- patetischen Schule, der überhaupt in der Volksmeinung eine

') Vgl. bes. 35: quodsi omnium consensns naturae vox est omnes- <|ae qoi ubique sunt coDsentiunt esse aUquid qnod ad eos pertmeat V^ Yita cesserint, nobis quoque idem existimandtim est.

*) Vgl. fr. 33 der akadem. Ausg. mit Tusc. I 27.

366 I>ie TuscnlaDen.

gewisse Bürgschaft der Wahrheit sah,*) auch sonst verfahn namentlich auch wo es sich darum handelte die Existe: von Göttern zu beweisen.*) Eben hierauf hat das gleid Argument auch Cicero angewandt (36). Aber weder in diese noch in jenem Falle werden wir uns jetzt für genöthigt ha ten hierin eine Spur stoischen Einflusses zu sehen: denn wer Aristoteles sich solcher Argumente bediente, warum sollt< dasselbe nicht auch noch andere Philosophen nach sein* Zeit gethan haben ohne deshalb gerade der Stoa anzogt hören? Noch weniger als die Verwendung dieses Argumen gestattet der Gebrauch eines stoischen Kunstwortes den Schlu auf eine stoische Quelle, da die stoische Kunstsprache n der Zeit, fast kann man sagen, die allgemeine Sprache Philosophie geworden war. Wenn also Cicero erwähnt da man zur Bezeichnung der platonischen Ideen sich des Wort Ivvoiai bediene (57), so folgt daraus nicht wie Corssen S.5 meint ^) dass er hier aus stoischer Quelle schöpfte: zumal ( ivvoia um einen Gedanken, eine Vorstellung zu bezeichni gar kein specifisch stoischer Ausdruck ist und die Uebe lieferung Zenon habe die Ideen so genannt uns kein Rec gibt zu leugnen dass jemals ein Anderer sie ebenso hal nennen können.*) Corssen hat aber hier noch etwas Ander

^) Vgl. bes. Eucken Die Methode der arifitotelischen Fonchn S. 12 £F.

«) Zeller II 2 S. 792 ff.

°) Dasselbe behaupten Tischer und Heine in den Anmerk. s. i

*) Die Prolcpseis, die' noch dazu ein Analogon zu den Ide sind, nannten auch die Epikureer so (Diog. X 33). Ja es ist nie einzusehen weshalb nicht selbst ein Platoniker sich dieses Aasdroc bedient haben könne. Denn Piaton selber hat es gethan. Im B lebos p. 59 D werden die auf das wirklich Seiende bezüglichen Vo Stellungen , also eben die Ideen von denen auch hier die Rede ii mit diesem Namen bezeichnet (^r zaTq nfgl ro ov ovrwq iwoitui und um die Uebereinstimmung mit der ciceronischen Stelle Tolleoc

Das erste Buch. 367

übersehen oder doch nicht genügend beachtet. Der Beweis dass alles Wissen eine Wiedererinnerung sei zerfällt bei Cicero in zwei Theile. Der erste beruht darauf dass thatsächlich der Mensch ohne vorher unterrichtet zu sein die Kenntniss einer Menge von Dingen in sich trägt und auf dahin ge- riditete Fragen zu antworten weiss. ^) Das ist derjenige Thcil der im Menon ausgeführt wird, aber auch im Phaidon (p. 73 A ff.) nicht vergessen ist. Der andere folgert dass weil die Ideen in der sinnlichen Erfixhrung nicht gegeben sind der Geist sie aus einer früheren Existenz mitgebracht haben muss.*) Diesen Theil finden wir im Phuidon (p. 74 A ff.), angedeutet auch im Phaidros (vgl. p. 247 D f., 249 B f.,

dorchzu führen wird im Phaidon derselbe oder das ihm stammver- wandte Zeitwort (^vvoetv) zur Bezeichnung eben solcher Vorstellungen S^nacht die auf der Wiedererinnerung beruhen (p. 74 A ff. 75 A ff. 76A). Vgl. auch Sympos. p. 'JlOB tovto d' ivvojjaavza wo das zovro Wif ro inl näai Tolg owfiaai xuU.oq zurückweist. Es braucht hier- Dtch die Möglichkeit nicht mehr berücksichtigt zu werden die sonst ond namentlich für Corssen gegeben war, dass nämlich die Worte n()aa8 iwolag vocant" nicht eine Andeutung sind über den in der piechiflcben Quelle gebrauchten Ausdruck sondern dem Gedanken nach bereits in dieser enthalten waren und vom Standpunkt des Pla- tonikers aus auf die von den Stoikern beliebte Bezeichnung der Ideen binweisen sollten.

') 57: docet enim (Socrates") quemvis, qui omnium rerum rudis ^tte videatur, bene interroganti respondentem declarare se non tum Ula discere sed reminiscendo cognoscere; nee vero fieri ullo modo Po>se ut a pueris tot rerum atque tantarum insitas et quasi consigna- ^ in animis notiones quas ivt'oicc^ vocant, haberemus nisi animus, tntequam in corpus intravisset, in rerum cognitione vignisset.

*'\ Nach den in der letzten Anmerkung angeführten Worten wt Cicero fort: Quumque nihil esset, ut omnibns loris a Platone disseritur, nihil enim ille putat esse quod oriatur et intereat id- l^e solum esse quod semper tale sit quäle est; iducr appellat ille, ^ speciem non potuit animus haec in corpore inclusus adgno- ■c^, cognita attulit.

368 Die TuBculaDen.

250 A f.), er fehlt aber im Menou. Beide Theile sind also nicht identisch sondern haben jeder seine besondere Bedeu- tung vormöge deren sie einander ergänzen und dürfen daher von uns nicht aus der Verbindung gerissen werden in die sie Cicero und schon vor ihm Piaton im Phaidon gesetzt hat, d. h. wir sind ohne einen besonderen hinzukommenden Grund nicht berechtigt nur den einen von ihnen der grie- chischen Quelle Ciceros zuzuweisen und den anderen für ; einen von Cicero unmittelbar von Piaton genommenen Zusatz zu betrachten. Auch die Ansicht Corssens scheint diess ] nicht zu sein oder wenigstens hat er es nicht ausgesprochen dass nur derjenige Theil innerhalb dessen das Wort Ivvoia zur Verwendung kommt auf Pöseidonios zurückgeht Abör freilich die nothwendige Consequenz die sich von diesem Standpunkt aus ergibt hat er nicht gezogen. Was nämlich den zweiten Theil betrifft, so kann dessen Giltigkeit kein Stoiker und auch Pöseidonios nicht anerkannt haben, da er auf dem schroffen Gegensatz der Ideen als des rein Seienden und der Welt der Sinne als des bloss Werdenden beruht und somit eine mit der stoischen schlechthin unvereinbare Lehre enthält. Da nun aber an sein Schicksal auch das des ersten Theilos geknüpft ist, so folgt dass auch dieser dem Pöseidonios abgesprochen werden muss d. h. der ganze Ab- schnitt nicht auf ihn zurückgeführt werden kann.

Schon diese letzte Erörterung hat uns zu solchen Ein- wänden geführt die sich nicht zunächst gegen die von Core- sen eingehaltene Weise der Argumentation richten sondern gegen die Behauptung selber dass der Ursprung der cicero- nischen Darstellung bei Pöseidonios zu suchen sei. Solcher Einwände mache ich hier noch zwei namhaft. Der eine gründet sich darauf dass in dieser Darstellung die gemein stoische Ansicht von der Unsterblichkeit ausdrücklich ve^ werfen wird. Nun wird aber diese Ansicht ab diejenige

Das erste Bucli. 369

)e8tiimnt nach welcher die Seelen zwar mit dem Tode des Jähes nicht aufhören zu oxistiren, aber auch nicht ewig öndem in ihrer Fortdauer durch das Weitende beschränkt md. Die Ansicht "ist also genau dieselbe die wir genöthi^t ind auch für Poseidonios vorauszusetzen solange Wir ihm icht die Lehre von der Ekpyrosis absprechen. Soll daher Nytzdfem Cicero auch hier wo er eine Ansicht des Poseidö- äö9 bestreitet sich an denselben angeschlossen haben, so oilbste dieser Anschluss doch durch die Selbständigkfeit mit 1* Cicero das von der Quelle gebotene Material bearbeitete ehf gelockert worden sein. Denn nur die Kenntniss der rasbhen Ansicht über die Unsterblichkeit könnte Cicefb tJii Poseidoiiios entnommen, die Widerlegung derselben da- BpÄi müsste er von sich aus hinzugefügt haben. Diöss ötitöre wird indessen durch einen besonderen Umstand uti- MlirsefaeJnlich. Sehen wir uns nämlich die Widerlegung näher Bi,'8o stellt sich heraus dass dieselbe sehr leicht von den teikeni zurückgewiesen werden konnte, so leicht dass siö igeritlich gar nicht als Widerlegung gelten kann. Cicerb iPttidet den Stolkern ein dass wenn sie einmal eine Fort- lat^r äer Seele nach dem Tode zugäben kein Gnmd für iö' vorhanden sei dieselbe zu beschränken und nicht ins Un- fndHcbe auszudehnen. ') W^as die Stoiker hierauf ohne Zweifel flNfidert haben würden war dass der vermisstc Grund in der SkRfrosis gegeben iei die wie sie der Existenz aller einzel- <te Dinge^ auch der der einzelnen Seelen ein Ende mache.

^ 'iSi M. Numquid igitür est cäussae qoin äüiicos nostros Stoi- ^ dimitUmii«^ eos dico qni ajunt animos manere cum e corpore vneaseridl $ed non lemper. A. Istoa vero: qui qnod tota ia hac ^!|NR dif^illüpum est suscipiant posse anlmum mauere corpore va- U^j illud autem quod non modo facile ad credeDdum est Bcd eo ooQesso quod volunt consequens, id vero non dant ut quura diu per- üÜuerit ne intereat. A. Bene reprehendis et se isto modo res habet.

Hiriel, ünt^mnchuiiff«!. HI. ^'»

370 I>ie Tiisculanen.

Selbst ein oberflächlicher Kenner der griechischen Phili Sophie musste diese Antwort voraussetzen. Um es dahi überhaupt zu erklären wie ein solcher Einwand erhoben wei den konnte ist es nöthig anzunehmen dass wer diess th auf dem Boden einer anderen Weltanschauung stand und di Ekpyrosis der Stoiker leugnete. Poseidonios kann diess frei lieh nicht gewesen sein, wohl aber Panaitios auf den ui das unmittelbar Folgende führt und so uns alles unnöthig Rathen erspart. Denn es ist nicht bloss der Name die« Philosophen den es uns ins Gedächtniss ruft, sondern auc der Zusammenhang in den es Cicero mit dem Vorhergehe» den gesetzt hat findet erst unter der Aimahme dass beide die Meinung des Panaitios wiedergibt seine volle Erkläruni Cicero fahrt nämlich nachdem er in der angegebenen Weis die stoische Unsterblichkeitslehre bestritten hat folgender maassen fort (79): credamus igitur Panaetio a Piatone so dissentienti? Diese Worte bilden den Uebergang zu den beide Gründen aus denen Panaitios sich gegen Piatons Annahm der UnVergänglichkeit der Seele erklärt hatte. Wie kann nu Cicero den Glauben an diese Gründe, d. i. den Glauben an di Vergänglichkeit der Seele als eine Consequenz (igitur) desVoi hergehenden d. i. der Widerlegung der stoischen Ansicht bc zeichnen? Denn die Absicht der ganzen Erörterung in dere Zusammenhang auch die Widerlegung der stoischen Ansid gehört geht doch, wie sich namentlich 81 herausstellt, dahi den gewonnenen Glauben an die Unsterblichkeit noch nad träglich durch einige neue Argumente zu befestigen, l also in diesem Siime auch die Widerlegung der Stoiker gc meint und ist dieselbe wie Cicero selbst ausdrücklich ein räumt („bene reprehendis" sagt er zu A. der die Widerlegnni gegeben hat „et se isto modo res habet") gelungen, so kani die Consequenz nur die Stärkung des Glaubens an die Ün- sterbliclikeit und nicht ein Hinneigen auf die Seite ein«

Das erste Buch. 371

gners sein wie doch Pauaitios war. Die Frage wo denn durch „igitur*' angedeutete Consequenz liege, hat auch on Andere beschäftigt. Unter diesen brauche ich Heine fontibus Tuscul. disp. S. 9) nicht zu berücksichtigen da le Erklärung des fraglichen Wortes zur Voraussetzung hat is Panaitios in Betreff der Unsterblichkeit mit den übrigen ikern übereinstimmte eine Voraussetzung die von Zeller 1 1 S. 563, 1) genügend widerlegt worden ist und schwer- 1 noch von jemand gebilligt wird. ^) Dagegen ist über rssens Meinung (Diss. S. 3 f.) noch ein Wort zu sagen, es sich, meint er, hier um diejenigen handele welche itons Ansicht von der Unsterblichkeit bekämpfen, alle die »iker aber welche der Seele nur eine beschränkte Dauer lestehen bereits abgethan seien, so blieben nur noch die rig die schlechtweg jede Fortdauer leugneten d. i. Panai- 8, und die Besprechung von dessen Ansicht sei somit aller- igs eine aus der vorangehenden Erörterung entspringende asequenz. ^) Dieser Schluss so bündig er scheint ist es A oflFenbar nur dann wenn die welche Piatons Ansicht

') Die Frage „credamus igitur'^ etc. könnte übrigens in diesem De nur eine solche sein, die eine verneinende Antwort erwartet, an im Vorhergehenden war ja die Ansicht der Stoiker d. i. nach ine die des Panaitios abgethan worden, Cicero konnte daher emst- t nicht im Zweifel sein ob er derselben zustimmen solle oder ht Wenn er trotzdem solche Zweifel durchblicken lässt da er ja Folgenden die Argumente des Panaitios in verhältnissmässig ein- tender Erörterung zu entkräften sucht, so beweist diess eben dass Ines Auffassung des igitur nicht richtig sein kann.

*) Corssens eigene Worte sind: Quid autem est cur in particula itor*' ofifendamur? Nam cum de eis agatur qui Piatonis de im- rtalitate animorum sententiam impugnent, adulescens autem eos icos qui semper eos manere negent dimittendos esse censeat, restat de eis disputetur qui animos post mortem statim interire judicent. leronis igitur intcrrogatio sie excipit adulescentis responsum ut ÜGulam consecutivam adhibere necesse fuerit.

24*

372 I>ie TuBculaoen.

« bekämpfien fiir Cicero hier mit den Stoikern znsammen&Uea

Diess ist aber keineswegs der Fall: denn kurz vorher (77] nennt er ausser ihnen noch die Epikureer und besonder« Dikaiarohos als Gegner der Unsterblichkeit Wenn dabei die Stoiker abgethan waren soweit sie eine beschränkte Fort- dauer zugaben, so folgte noch nicht dass nun Panaitios so die Beihe käme sondern insofern Cicero auch an sie bei den Gegnern der Unsterblichkeit dachte hatten dasselbe Recht dai^u auch die Epikureer und namentlich Dikaiarchos, ja insofern Cicero nur diese und nicht den Panaitios als Gegner deir Unsterblichkeit genannt hatte, war ihr Recht sogar das beissera So stellt i^ich näher betrachtet der scheinbar bäfl- dige Bohlnss Corssens als ein Paralogismos dar. Wir sind daheü genöthigt uns nach einer neuen Erklärung umzus^ieD. Eine solche hat eine etwas veränderte Basis, da es nad denx vorher Bemerkten wahrscheinlich ist dass nicht erst die Widerlegung, der platonischen sondern schon die der stoisdefi Ansicht von Panaitios herrührt. Hiernach wäre Panaitios io seiner Erörterung der Unsteiblichkeitsfrage über die stoisdie Ansicht rasch hinweggeschritten, da die in derselben be- hauptete Beschränkung der Unsterblichkeit mit dem Wegfiall der Schranke selbex* d. i. des W^eltuntorgangs für ihn nicht mejbir vorhanden war, und hätte nun mit desto grösserer Kraft sich gegen die platonische^) gewandt die wenn inao überhaiipt eine Fortdauer der Seele annahm nach seiner Möinung allein in Frage kommen konnte. Wer dem Panai- tios in dieser Erörterung folgte, der sah allerdings nadi Beseitigung der gemein stoischen Ansicht die Consequenz als möglich vor sich dass er nun sich zur Meinung des Paiiaito bekehren werde Wofern nämlich die von diösenl gegen die

^) Die platonische nennt sie übrigens nur Cicero. Ich bemerln diess, damit man mich nicht ohies Widerspruchs beschuldige. ^ Nähere s. Theil II S. 886, 1.

Das erste Bach. 373

fi noch übrige platonischo Lehre vorgebrachten Argu- e Stich halten würden. Die Möglichkeit dieser Conse- E ist es aber gerade die durch die Frage „credamus r" eta bezeichnet zu werden scheint. Dass die Wi- gnng der gemein stoischen Ansicht nicht von Poseidonios ihren könne, verstand sich schon vorher von selber;

da auch die sich hieran knüpfende Vermuthung dass )iceros eigenes Werk sei durch den gegebenen Nachweis Ostens erschüttert worden ist, so kehrt gewisserinaassen srste Möglichkeit zurück, natürlich nur in dem Sinne

Poseidonios in dem von Cicero benutzten Werk die mentation des Panaitios, insbesondere jene Widerlegung 3theilt hatte. Ein Bedenken freilich regt sich von vom n gegen diese Annahme, weshalb nämlich Cicero zwar itios' kritische Bemerkung über die stoische Lohi^, aber

die doch bei Posidonios gewiss nicht fehlende Antwort Stoiker darauf angiebi Man wird sagen dass nur <1ie degung der Stoiker und nicht deren Vertheidigung in m Interesse lag. Obgleich nun hierdurch sich erklären e weshalb er unterdrückte was in seiner Quelle zu ten der stoischen Ansicht gesagt war, so würde trotz-

die Annahme einer Quelle den Vorzug verdienen die «0 willkürliches Umspringen mit der griechischen Ori- Schrift voraussetzte. Doch diess hier weiter zu fuhren

nicht an da es der späteren Untcrsuehimg vorgreifen e. Ob Cicero die Mittheilung und Kritik der stoischen )ht bei Poseidonios vorfand, diess zu entscheiden wird 1 abhängen wie wir die Frage beantworten von was einem Philosophen die gleich folgende Vertheidigung ns gegen die Angriffe desselben Panaitios genommen ienn den engen logischen Zusammenhang der zwischen n beiden Stücken der ciceronischeu Darstellung besteht iie so eben angestellte Erörterung zur Genüge darger

374 Dio Tusculanen.

than. Hören wir nun Corsscn (Diss. S. 25 fif. 31 f.) so zeigte gerade diese Vertheidigung in deutlichen Spuren dass kein anderer als Poseidonios ihr Urheber ist: denn erstens werde in derselben die Nothwendigkeit betont zwischen einem höhe- ren und niederen Theile der Seele zu unterscheiden und ausserdem auf die Abhängigkeit hingewiesen in der die Na- tur des Geistes von der Beschaffenheit des Körpers stdit Dass Beides den Ansichten des Poseidonios entspricht will ich nicht bestreiten. Folgt aber daraus dass es gerade von ihm genommen sein muss? Diess würde doch nur dann der Fall sein wenn kein anderer Philosoph den man überhaupt hier als Quellenschriftsteller in Betracht ziehen darf die- selben Ansichten getheilt oder doch sich derselben zur Ver- theidigung Piatons bedient haben könnte. Was mm das erste Argument der Vertheidigung betrifft, so besteht es in dem einfachen Hinweis auf Piatons wirkliche Psychologie und sucht mit Hilfe dei'selben Panaitios' Einwand auf ein Missverständniss zurückzuführen. Wesentlich gleichartig ist das zweite, da es ebenfalls die Vertheidigung aus Platons eigenen Mitteln bestreitet: denn wenn vielleicht auch der Gedanke dass die Beschaffenheit des individuellen Körpers die Natur des Geistes bedinge sich mit diesen Worten in den platonischen Schriften nicht ausgesprochen findet, so er- gab er sich doch als Consequenz aus den zahlreichen SteOen an denen von dem befleckenden Einfluss die Rede ist den die Seele seit ihrem Eintritt in den Körper von diesem er- fährt so wie aus denen welche sich auf die Unterschiede des Temperaments bei den verschiedenen Völkern beziehen;^)

^) Insbesondere muss noch bemerkt werden dass die bei Cicero (80) ausgesprochene Behauptung „multa e corpore existunt qo^ acuant mentem, multa quae obtundant^' dem Gedanken nach im Ti- maios wiederkehrt p. 86 B ff. 87 C ff. Ausserdem zeigt auch die Schilderung der beiden Seelenrosse im Phaidros p. 253 D f , osment-

Das erste Buch. 375

▼on anderen als Unterschieden des Temperaments spricht aber znnächst wenigstens auch Poseidonios nicht in den von Cors- maa angeführten Worten. ^) Diese beiden Argumente weisen daher keineswegs insbesondere auf Poseidonios, sondern konn- ten Yon Jedem und namentlich von einem Akademiker ge- braucht werden dem daran gelegen war die Vertheidigung Piatons möglichst in dessen eigenem Sinne zu führen. ^) Aber nicht bloss dass die von Corssen beigebrachten Gründe seine Hypothese nicht beweisen, es steht dieselbe auch mit an- deren von ihm nicht beachteten Thatsachen in Widerspruch. Worum es sich nämlich bei Cicero handelt, ist zunächst nicht eine Widerlegung der positiven Ansicht des Panaitios son- dern eine Widerlegung der Gründe mit denen er Piatons Lehre bekämpft hatte; das nächste Ergebniss derselben ist daher auch nicht die Beseitigung von Panaitios' Ansicht son- dern eine Bestätigung derjenigen Piatons. Nur aber wenn

Uch wenn man dazu die von Stallbaom angeführten Stellen vorgleicht, dass Piaton im Wesentlichen auf dem Boden der antiken Physiogno- nük stand. Eine gewisse Anerkennung derselben liegt doch auch dirin dass er in der Seelenwanderung nicht beliebige Seelen in be- liebige Leiber eingehen lässt sondern die Seele eines Mannes in den Körper eines Weibes oder gar einer niederen Thiergattung erst dann wenn dieselbe bis zu einem gewissen Grade entartet ist (Tim. p.OOEff.).

^) Galen de plac. Hipp, et Plat. p. 464 K: xal yäg xwv ^(poßv xtd rdh dv^QioTKov, oaa fjihv ev^vats^vd te xal ^EQfioxsga, ^vfuxm- ^fp« Trovd* vnd^jiv tpvasi, öaa de nkatvlaxtd xe xal xpvxpoxepa, ^fi^tBQa. üebrigens scheinen mir die Worte xal xdiv dv&Qcinwv S<^chen werden zu müssen, da man wenn sie von Anfang im Texte *^den erwarten sollte dass das Folgende lautete oaoi fxhv edpvaxeg- ^i XB xxk. und nicht die neutralen Formen an die Stelle der mascu- finen getreten wären.

*) Auch dass die Hilfe des Aristoteles in Anspruch genommen ^ifd (80) ist nicht gegen die Weise der späteren Platoniker obgleich ^^^''^n auch diesen Umstand zu Gunsten seiner Ansicht geltend ge- dacht hat.

376 ^^9 Tusculanen.

man das Resultat und Ziel dieser Widerleguug in der Be- seitigung von Panaitios' Ansicht erblickte konnite man wie Corssen für ihren Urheber Foseidonios halten. Demi an der Yertheidigung und Bestätigung der platonischen Lehre koimte derselbe, da diese die Anfangs- oder doch wenigstens End- losigkeit der Seelcnexistenz behauptete und sonach mit der seinigen nicht übereinstimmte, ein dogmatisches Interesse nicht nehmen.*) Es bliebe daher nur die Möglichkeit dass er Toa

^) Dio beiden Gründe welche Panaitios vorbringt konnte Powi- donios und jeder andere Stoiker wenn es ihnen lediglich um das Ün- Sterblichkeitsdogma zu thnn war ruhig gelten lassen. Denn was dsr* aus folgt ist nur dass die individuelle Seele wie sie einmal entstan- den ist auch wieder einmal vergehen wird, und das eine wie dal andere entsprach vollkommen der Ansicht des Poseidonios and der übrigen Stoiker. Man darf auch nicht sagen, Panaitios habe durch jene Gründe nicht überhaupt die Vergänglichkeit der Seele sondern das Eintreten ihrer Vernichtung im Moment des Todes bewetwa wollen und dieser von den anderen Stoikern nicht geth eilten Ansicht habe Poseidonios durch die Kritik der von Panaitios beigebrachtea Gründe ihre Stütze entziehen wollen. Denn abgesehen davon dass diese Gründe das nicht beweisen würden was sie sollten, ja dass sie nicht einmal auch nur einen Schein von Beweiskraft hätten, so eat* spricht es auch nicht der Ansicht des Panaitios dass im Moment des Todes selber die Seele vernichtet werden soll. Vielmehr wie an- erkannt wird (Zeller III 1 S. 563, 1) ündcn wir dio Ansicht dieses Philosophen in dem ersten Glied der folgenden Alternative wieder (42): Ita, sive dissipantur, procul a terris id evenit; sive permanent et conservant habltum suum, hoc etiam magis necesse est ferantor ad caelum etc. Panaitios Uess hiernach die Auflösung nicht mit dem Tode selber vor sich gehen sondern erst nachdem sie sich in höhere Regionen erhoben hatte und wurde zu dieser Ansicht vermuthlich dadurch geführt weil er nur in einer der Seele gleichartigen Sab-, stanz eine Auflösung derselben für möglich hielt. Seine Ansicht unterschied sich hiernach wesentlich von der des Dikaiarchos nnd Aristoxenos die wenn sie nicht inconsequent sein wollten eine Ver- nichtung der Seele im Moment des Todes annehmen mussten, ebenso aber auch von der der Atomistiker vdenen zufolge dio Seele nach

Das erste Buch. 377

eincor besonderen Verehrung für Piaton oder von einem all- emcineren Bedürfnis» nach historischer Gerechtigkeit geleitet ui gegen ungerechte Angriffe auch dann in Schutz nehmen olHe, wenn er die Richtung derselben billigte und nur die [ittel verwerflich jEaind. Dass indessen seine Verehrung die )ch auf dem Boden gemeinschaftlicher Uoberzeugungen er* icbsea war sich auch da geäussert haben sollte wo dieser rund fehlte» ist wenigstens von vorn herein nicht wahrscheiu- 'h; und das Gefühl für historische Gerechtigkeit konnte sich )cb nur bei dein zweiten Argument empören, welches offen- mdige Aeusserungen Piatons über die Verschiedenheit der »elontbeile unberücksichtigt gelassen hatte, ^) nicht aber bei

m Tode nicht bloss „dissipatur'S wie an unserer Stelle gesagt wird, ndern „statim dissipatur** wenn nämlich 18 auf jene Philosophen i beziehen ist woran füglich nicht gezweifelt werden kann); sie be- ihrt sich in dieser Beziehung mit der stoischen nnd weicht von ^nelben nur darin ab dass sie das Eintreffen der Seele in den nmliBchen Begionen nicht für den Beginn eines neuen sondern für u Ende des kurzen der Seele nach dem Tode noch verstatteten ebens hält. Ein Stoiker hatte also keinen Anlass über die beiden on Panaitios gegen das platonische Unsterblichkeititdogroa vorge- rwbten Gründe in den Harnisch zu gerathen, da sie den zwischen "knaitios und seiner Schule in dieser Frage bestehenden Diif(>renz- iBokt gar nicht berührten idiess bemerkt richtig auch Ueine de fon- ibsg Tnscidan. S. 9). Es wäre dies» in der That am so weniger ge- Bdbtfertigt gewesen als dieselben Gründe zu einem ähnlichen Zwecke es scheint schon von einem der älteren Stoiker, von Kleanthes, •euntzt wurden waren. Zwar hatte derselbe, deissen Argumentation IBS Tertuilian de anima c. 5 und Nemesius de nat. hom. e. 2 p. 4^> Wachsmath fr. phys. 19 u. 20, vgl. dazu Theil II S. 1K 1' aufbe- nto haben, zunächst darans nur auf die Körperlichkeit der Seele IMehloesen, damit aber war die Vergänglichkeit ders^llK'n wenigstens ^ Piaton gegeben ond das Wahrscheinlichste ist doch daw el»en (egan diesen als den namhaftesten Verfechter der immateriellen Na- Q der Seele sich die Argumentation des Kieanthes richtete.

''; Wie dieselben ein Kenner Piatons wie Panaitios d<>ch war

378 I^ie Tusculanen.

dem ersten das nicht gegen klare Aussprüche des Philo- sophen verstiess die Niemand übei'sehen durfte sondern nur gegen Folgerungen aus seiner Lehre die Einer auch wenn sie nahe genug lagen doch vergessen konnte zu ziehra. Nachdem auch diese Möglichkeit abgeschnitten ist, muss die Annahme aufgegeben werden dass Ciceros Vertheidigung des platonischen ünsterblichkeitsdogmas auf Poseidonios zurück- geht. Da nun diese Vertheidigung mit der vorausgehenden Widerlegung der gemein stoischen Ansicht im engsten Zu- sammenhang steht, so kommen wir auf die Vermuthung dass der von Cicero benutzte Philosoph ein Interesse daran hatte ebenso sehr seine gegen die Stoiker gerichtete Polemik zu verwerthen wie die auf Piaton zielenden Angriffe zurückzu- weisen. Wo anders aber werden wir diesen Philosophen mit grösserer Wahrscheinlichkeit suchen als unter den späteren Mitgliedern der platonischen Schule, den Akademikern?

Um die Quelle einer philosophischen Darstellung zu finden ist es vor Allem nöthig zu wissen zu welcher Philo- sophie der Darstellende sich bekennt. Diesem Winke zu- nächst zu glauben und sich von ihm leiten zu lassen ist die erste Pflicht jeder methodischen Forschung. Sie wird des-

übersehen konnte ist mir unverständlich. Ich meine daher dass H- naitios sie nicht übersehen sondern absichtlich ignorirt hat mid sich hierzu berechtigt hielt weil er nicht im Allgemeinen Piatons ün- Sterblichkeitslehre sondern nur die Darstellung im Phaidon bek&m- pfen wollte: denn dieser Darstellung ist es eigenthümlich dass sie die Seele als ein einheitliches Wesen schildert, sie nicht wie die des Phaidros, des Timaios und der Republik in mehrere Theile zerfiUlt, und nur sie wird deshalb durch die von Panaitios gegen die Unsterb- lichkeit hervorgehobenen Bedenken berührt. Diese isolirte Bekim- pfung des Phaidon findet aber ihre einfachste Erklärung in dem be- kannten Yerdammungsurtheil und die Ueberlieferung über dasselbe statt durch unsere Stelle erschüttert zu werden wird durch dieselbe vielmehr bestätigt. Vgl. auch S. 372, 1.

Das erste Buch. 379

hslh in der Regel gar nicht ausdrücklich anerkannt sondern stillschweigend vorausgesetzt und befolgt. So hat bisher, glaube ich, jeder angenommen ohne ein Wort darüber zu verlieren dass die Quelle von VcUejus' (de natura deorum I) und Torquatus' (de finib. I) oder von Baibus' (de nat. deor. II) und Catos (de fin. III) Vorträgen die der einen bei einem Epikureer die der anderen bei einem Stoiker zu suchen ist, oder endlich dass die Kritik des Akademikers Cotta (de nat. deor. I und III) aus dem Werke eines Skeptikers abgeleitet werden d. h. wenigstens zunächst der Versuch dazu gemacht werden muss. Dieser Regel entsprechend hat daher auch die Untersuchung über die Quelle aus denen das erste Buch der Tusculanen geschöpft ist mit der Frage zu beginnen auf welchen philosophischen Standpunkt sich denn Cicero seinen eigenen Worten zufolge in diesem Theil des Werkes stellt. Diese Frage hat man ernsthaft bisher gar nicht aufgeworfen oder vielmehr man hat die selbstverständliche Antwort dar- auf bei der Quellenuntersuchung nicht mit in Rechnung ge- zogen. Den philosophischen Standpunkt Ciceros nun erken- nen wir sowohl am Inhalt seiner Lehre wie in der Form der Mittheilung: denn der Inhalt wird nicht für wahr und gewiss sondern nur für wahrscheinlich ausgegeben (9, 17, vgl auch V 11) und die Form beansprucht die sokratische zu sein (7 f.), das Eine wie das Andere aber ist im Sinne der skep- tischen Akademie.*) Wenn man diesen Winken nicht weiter

*) Der zweite Punkt verlangt noch ein Wort der Erläuterung. Von der in den Tnscolanen eingehaltenen Methode berichtet Cicero a.a.O.: Ponere jubebam, de quo quis audire vellet; ad id aut sedens aat ambulans dispntabam. Itaque dierum quinque scholas, ut Graeci appellant, in totidem libros contnli. Fiebat autem ita ut, cum is qui audire vellet dlxisset quid sibi videretur, tum ego contra dicerem. Haec est enim ut scis vetus et Socratica ratio contra alterius opinio- nem disserendi; nam ita facillime quid veri simUlimum esset inveniri

380 I)ie Tusculanen.

nachgegangen ist, sie so gut wie ignorirt hat, so rührt (liesa wohl von der Beobachtung her dass Cicero in anderen sei- ner Schleiften zwar ebenfalls als Skeptiker auftritt, trotzdem aber den Inhalt seiner Vorträge aus nichtskeptischen Quel-

posse Socrates arbitrabatur. Dass die hier als sokratisch bezeichnete Methode die in der skeptischen Akademie geübte war, ergibt sich aus Tusc. III 54 wo mit Bezng auf eine Sclirifc des Kleitomachos bemerkt wird: cum ita positam esset videri fore iu aegrltndine sa- pientem patrla capta, quae Cameades contra dixerit sodpta sunt Dasselbe bestätigt überdiess ausdrücklich Cicero de fin. II 2: qaod quidem jam fit ctiam in Academia: ubi enim is qui audfre ?olt iU dixit ,,voluptas mihi videtur esse summum bonum*' perpetua oratione contra disputatnr etc. Man darf in diesen Worten nicht auf das „perpetua oratione'^ einen ungebOhrlichen Nachdruck legen, als wenn der Unterschied zwischen der von Cicero in den Tusculanen befolg- ten und der akademischen Methode darin liege dass jener zunächst die aufgestellte Behauptung in einem Dialog erschüttert und nicht sogleich in zusammenhängendem Vortrage angreift: denn die dialo- gische Form herrscht doch nur in der Einleitung und fiLlIt spiter von wenigen unbedeutenden Ueberresten abgesehen ganz weg, üod Cicero kann in ihr auch um deswillen nicht das Wesen der sokn- tischen Methode gesehen haben weil er ganz derselben Methode auch in den übrigen Büchern sich bedienen will in diesen aber das dia- logische Element noch mehr zurücktritt. Cicero hält also das wird sich nicht bestreiten lassen in den Tusculanen diejenige Me- thode der Erörterung, die in der Akademie üblich war und die na- mentlich Kameades eingeführt hatte, für die sokratische. Diess ver- dient auch deshalb bemerkt zu werden weil er in der Schrift de finibus eine andere und richtigere Einsicht in die Eigenthümlichkeit des sokratischen Verfahrens zeigt. Während dieselbe den Tuscula- nen zufolge in der principiellen Widerlegung jeder fremden Behaup- tung besteht und somit von der skeptischen Methode überhaupt nicht weiter verschieden ist, wird in der anderen genannten Sdirift tli wesentlich hervorgehoben dass Sokrates durch Fragen ans Anderen deren wirkliche Meinung hervorzulocken suchte und dann wenn es nöthig schien hiergegen etwas sagte (Socrates percontando atque in* terrogando elicere solebat eorum opiniones quibuscum disserebat ot ad ea quae ei respondissont si quid videretur diceretX Der Gegen-

Das erste Buch. 381

II geschöpft hat So hat er im zweiten und dritten Buch

r Schrift de finibns sich nicht wie Andere meinten an

16. Schrift Philons sondern wie ich glaube nachgewiesen

haben (Th. U S. 620 ff.) an eine des Antiochos gehalten.

s der beiden Schriften tritt ferner darin za Tage dass in den Bculanen die Weise der griechischen Philosophen in zusammen- igetaden Yorträgen (scholae) den von Anderen aufgestellten Be- iptoagen zu antworten ausdrücklich nicht bloss fOr sokratisch dem auch für das Muster der vorliegenden Darstellung erklärt, 4er Sciurift de finibus dagegen ganz dasselbe verworfen und als e Sitte der Sophisten bezeichnet wird über die sich bereits So- .tea und Piaton lustig gemacht hätten (a. a. 0.: primum deprecor me tamqnam philosophum pntetis scholam vobis aliquam explica- cuDy quod ne in ipsis quidom philosophis magno opere umquam

iMivi. quando enim Socrates quicquam tale fedt? etc.). Wie

len wir nun diesen Widerspruch schlichten? Dass Cicero in den icalanen wieder zu der verkehrten, von ihm selbst verworfenen, 1 der akademischen Schule aber gebilligten Auffassung zurück- irt, diess wird sich am einfachsten doch daraus erklären dass er der genannten Schrift sich an das Werk eben eines Akademikers geschlossen und, sei es nun um sich die Bearbeitung zu erleich- 1 sei es weil er seine eigenen früheren Aeusserungen vergessen te, sich auch in der Form der Darstellung von demselben ab- igig gemacht hatte. Ob er sich nun freilich zu dem andern ndpunkt, den wir ihn in der Schrift de finibus einnehmen sahen, ch eigenes Nachdenken erhoben bat, ist noch die Frage. Die mothnng wenigstens liegt nahe, dass er auch dort nur seinem ^chischen Gewährsmann folgte: zumal wenn dieser Gewähi^mann dochos war (s. darüber Theil II S. 637 ff.), der, je mehr die skcp< hen Akademiker ihre Methode als die allein echt sokratische und Umisehe anpriesen, ein um so stärkeres Interesse daran haben wte die Unwahrheit dieser Behauptung darzuthun und wie diess h m der Schrift de finibus a. a. 0. geschieht (man beachte in t Worten „ut ad ea quae ei respondisscnt si quid videretur dice- ' das „si quid videretur'' das doch die Möglichkeit einer Billigung

;Ton Andoren geäuBserten Meinungen offen lässt) zu zeigen dass zates aieJU in dem Maasso wie die Anderen vorgaben Skepti«

war.

382 I>ie Tasculanen.

Dass er aber ebenso auch bei der Abfassung des ersten Buches der Tusculauen verfahren sei, wird gerade mit Hufe des angeführten Beispiels durch eine nähere Betrachtung äusserst unwahrscheinlich. Während nämlich in den genann- ten Büchern der Schrift de finibus Cicero sich nicht anf dem skeptischen Standpunkt zu halten vermag sondern Ton seiner Quellenschi-ift gezogen fortwährend in einen dogma- tischen Ton verfallt und eben dadurch dem Quellenforscher sein Geschäft überaus erleichtert hat, bleibt er in den Tu- sculauen sich in seinem Skepticismus consequent Den skep- tischen Zweifeln wird er vor Allem in der Anordnung der ganzen Erörterung gerecht, da er dieselbe nicht einfach über die Annahme der Unsterblichkeit zu der Behauptung dass der Tod kein üebel sei führt sondern auch die entgegen- gesetzte Möglichkeit, die Vernichtung der Seele im Tode, in Erwägung zieht und unter dieser Voraussetzung das näm- liche Resultat gewinnt. Oder sollte ihm diess, dass er beide- mal zu dem gleichen Resultat geführt wird und daher schliess- lich bei derselben Behauptung dass der Tod kein üebel sei stehen bleibt, Jemand als einen Abfall von der Skepsis zum Vorwurf machen, deren Consequenz erfordert haben würde dass der Behauptung der Tod sei kein Uebel die andere gegenübergestellt wurde er sei ein Uebel? Die äusserste Consequenz wäre diess allerdings gewesen; aber bis zu die- sem äussersten Ende ist selbst Kameades nicht vorgeschrit- ten, wenn er z. B. den Satz dass die Tugend zur Glück- seligkeit sich selbst genüge gelten Hess gleichviel welcher der verschiedenen Ansichten über das höchste Gut und die Glückseligkeit wir uns anschliessen. *) Dieses selbe vorsich-

*) Cicero Tuscul. V 83: Et quoniam videris hoc velle ut, qnfte- cunque dissentientiam philosophorum scntentia sit de finibus, tarnen virtus satis habeat ad vitam beatam praesidii, qnod quidem Caroea- dem disputaro solitum accepimus etc.

Das erste Buch. 383

t^ Abwägen der verschiedenen Möglichkeiten, das ihn bei 1er Eintheilung der ganzen Erörterung in zwei grosse Hälf- ien geleitet hat, hält nun Cicero auch im Einzelnen fest. Me für den ersten Theil seiner Erörterung nothwendige Annahme der Unsterblichkeit beweist er mit Hilfe des Go- etzes der Aehnlichkeit (s. darüber oben S. 356 flf.) und ver- ährt dabei so dass dem Skepticismus innerhalb der einmal lurch die Disposition gezogenen Schranken möglichst wenig ^ergeben wird. Denn solche Fragen, deren Beantwortung ridit durch die gestellte Aufgabe gefordert wird, lässt er mentschieden, sowohl diejenige ob das Aufsteigen der leich- ;eren Elemente aus einem innewohnenden Naturtriebe er- Uärt oder als mechanische Wirkung eines Stosses aufgefasst werden müsse (vgl. oben S. 359 ff.) wie die andere von welcher Beschaflfenheit denn näher betrachtet die Seele, ob sie kör- perUch oder unkörperlich, ob sie in jenem Falle feurig oder luftig oder wie die Stoiker behaupteten beides zusammen, in diesem eine Zahl oder das geheimnissvolle fünfte Element sei (40 flf., vgl. dazu oben S. 358 S. 361 flf.). Die Art wie er sich zu dieser letzteren Frage stellt ist für seinen Skep- ticismus noch besonders charakteristisch, da sie uns vor Augen stellt wie besonnen und überlegt derselbe ist und somit keineswegs die Ansicht derer begünstigt die darin nur eine nachträglich hastig und äusserlich der Darstellung auf- gezwungene Form erblicken. Zwei Umstände sind es auf die man hierbei achten muss. Der eine ist, dass Cicero jener Frage gegenüber auch noch an späteren Stellen als der angeführten sich in der gleichen Weise äussert *) eine Üebereinstimmung und Consequenz die um so mehr bemerkt

^) G5: Ergo animus, at ego dico, divinus est, ut Euripides di- cere audet, deus; et quidem, si deus aut anima aut ignis est, idem ^ animus hominis. Nam ut illa natura caclcstis et terra vacat et bnmore, sie utriusque harura renim humanus animus est cxpers. Sin

384 I>i6 Tuscnlanen.

zu werden verdient als in der ein ähnliches ThemÄ behan- dehidon Consolatio er über diesen Punkt sich anders aus- gesprochen hatte*) und zwar im Sinne der in dieser Schrift von ihm benutzten Quelle, eines Werkes von Erantor,^) so- dass der Schluss nahe liegt, auch derverandertfe Standpunkt der Tuöculanen werde durch das zu Grunde liegende gri^ ohische Original bedingt gewesen sein. Zweitens köinnit in Betracht doss Cicero indem er verschiedene Ansichten über die Natur der Seele bestehen lässt damit keinei^wegs eiB^m beliebigen Meinen über diesen PunW Thür mid Thor geöff- net haben will sondern demselben bestiniimt^ Schratikki tidtt und doshalb der Psychologie des Dikaiäi*chöS, Aiistolfeüos und Anderer das Recht 'beriüöksichtigt zu "werden ^fcspricht Man wird vielleicht hierin einen Akt d&t Willkür; eine petitio principii erblicken und der Meihuiig seiii, Öicero liabe dife Gekannten blosfe deshalb ausgeschlossen weil ^ilö die'Ün- fifterbliehkeit leugneten. Will man aber Cicöh) feiiimal eiö etwas schärferes Nachdenken zuwenden, so "Wird miaü uä^ schwer eineii andern und ganz raisoniiäblen Grund eiiltfecäi^: denii die Genannten sind durchweg solche diö atiöh schon während des Lebenis der* Seele ein einheitlich^ Üi sieh ot- sammenhängendes Wesen und eine selbständige Eiistenz ab- sprechen (vgl. darüber S. 361' f.); es war daher methodisch wohl zu rechtfertigen dass sie bei der Fl^agfe bäch dar Na-

! 1

autem est gumta auaedam natura, , ab Aristotele indueta primnni, haec et deorum est et animorum. Vgl. auch 60.

») Die Stelle' gehört dein Wörtlich Von ihm seAe^ ' ikitg'eöiiBilteD ((36) Bniohstück an und lantet bot nihil -^ etil ia Mii«is> imixlani'tt^ que concretum aut quod ex terra natum atque fictum esse ?ideatar; nihil n^ aut liütiiidnhi quidem autfläbile aut fgn^üm: ^ ^^ sin- gulatis est igituif quäedkm natui^a atque vüs^nd, i^^Jdnctit üb Bis nsitatiö notisque natliriis. ' . iu.,' .: . ^

*) S. darflbei* S 853. ' ' ; = '

Das erste Bach. 385

or der Seele nicht weiter berückBichtigt wurden da sie ja treng genommen nicht einmal das Vorhandensein einer Seele igaben. ^) Je planvoller hiernach der Skepticismus Ciceros rscheint, desto mehr wächst die Wahrscheinlichkeit dass er im nicht erst während des Schreibens entstanden sondern 3r reifen Ueberlegung des griechischen von ihm benutzten hilosophen entsprungen ist. Dem gleichen Skepticismus be- Bgnen wir nun aber auch noch auf einem anderen, wenn ach angrenzenden Gebiete, in der Frage nach dem Sitze er Seele. Als eine welche nicht entschieden werden kann ird dieselbe 50 und 67 erwähnt, und wenn sie 70 doch ine Antwort findet so ist diess kein Widerspruch da der nhalt derselben nur im Glauben und nicht im Wissen be- •nhen soll. *) In analoger Weise wie die Fi'agcn welche lie Seele betreffen werden von Cicero diejenigen beantwortet irelche sich auf das WescMi und den Sitz der Gottheit be- ziehen: denn wie dort will er zwar die Existenz nicht in Abrede stellen, enthält sich aber jedes bestimmten Urtheils über die Natur der Gottheit sowie über den Ort den sie im Welträume einnimmt. ') Er scheint hierbei dem allge-

') Dass diess die Ansicht des Dikaiarchos war, wird noch dent- licher als an unserer Stelle ausgesprochen 21, 24 nnd Aristoxenos vu diesem Grunde mit ihm zusammen genannt 51. Vgl. auch Acad. Pr. 124.

*) Die Worte sind: In quo igitur loco est? Credo equidem in ^ite et, cur crcdam, afferre possum. Sed alias, ubi sit animus; ^^ite qiüdem in te est. Dass die letzten Worte dieser Stelle auf ^e ausführlichere Erörterung des griechischen Originals deuten ist ^oe nahe liegende Vermuthung; dass diese Erörterung aber dogma- ^h mit einem positiven Ergebniss abschloss folgt daraus keines-

') 70: haec igitur et alia innumerabilia cum cernimus, possu- ^'i&sne dubitare quin eis praesit aliquis vel effector, si haec nata '^nt ut Piatoni videtur, vel si semper fuorunt ut Aristoteli placet

Hirzel, UnieranebiiDgeii. HI. 25

386 Die Toscalanen.

meinen Grundsatz zu folgen, dass wenn auch das Dasein eines Dinges insofern es unserem natürlichen Empfinden sich aufdrängt nicht abgeleugnet werden kann doch die nähere Bestimmung seiner Verhältnisse und insbesondere seiner Qua- lität immer zweifelhaft bleiben muss. *) Nun wird zwar an- derwärts die Vernunft (ratio) als das Mittel bezeichnet durch das wir zur Erkenntniss der Qualitäten gelangen. *) Zu einem Widerspruch gegen das Gesagte berechtigt diess indessen nicht, da auch sonst die Vernunft als die Quelle nicht der gewissen sondern der wahrscheinlichen Erkenntniss bezeich- net und aus diesem Grunde der Wahrheit (veritas) und dem Augenschein (perspicuum) sogar entgegengesetzt wird. *) Man darf deshalb auch darin dass zwischen der Erkenntniss die das Dasein der Götter und der welche die Nsitur derselben zum Inhalt hat unterschieden wird nicht ohne Weiteres eine

moderator tanti operis et muneris? lUud modo ?ideto,

ut deiim noris etsi ejus ignores et locum et faciem, sie aniinnm tibi tuum notum esse oportere etiam si ignores et locum et fonnam. 65: et quidem, si deus aut anima aut ignis est, idem est animus hominis. Nam ut illa natura caelestis et terra vacat et humore, sie utriusque harum rerum humanus animus est expers. Sin autem est quinta quaedam natura, ab Aristotele inducta primum, haec et deonim est et animorum.

^) Nachdem er auseinandergesetzt hat dass die Sinne nicht so- wohl Organe des Geistes als vielmehr Hindernisse seiner auf die Er- kenntniss gerichteten Thätigkeit sind, fährt er 47 fort: cum aotem nihil erit praeter animum, nulla res objecta impediet quominus per- cipiat quäle quidque est. Wenigstens wenn man in diesen Worten das ,,quale'^ betont, kann man darin die Anerkennung jenes allge- meinen Grundsatzes finden.

'^) 36: Sed ut deos esse natura opinamur qualesque sint ratione cognoscimus: sie permanere animos arbitramur conscnsu nationaD omnium; qua in sede raaneant qualesque sint ratione discendum est

2) Seneca de benef. IV 33, 2. Cicero de fin. IV 55. Vgl. dtro das Wort evXoyog und über dasselbe Theil 11 S. 342 f. Anm.

Das erste Buch. 387

inlehnung an die Stoiker erblicken (Corssen de Posidonio Sbodio S. 5 fif.): denn wenn auch Baibus in Ciceros Schrift le natura deorum die allen Menschen angeborne Ueberzeugung om Dasein der Götter getrennt hält von den schwankenden nd abweichenden Meinungen über ihre Natur ^) so soll mit ieser Unterscheidung des Ursprungs der beiden Erkennt- iase doch keineswegs der einen von beiden ein höherer rrad von Sicherheit zugesprochen und die andere auf die tnfe der blossen Wahrscheinlichkeit herabgedrückt werden.*) on den Stoikern kann also Cicero es nicht gelernt haben Bfschiedene Grade der Gewissheit in der Erkenntniss anzu- ehmen je nachdem der Gegenstand derselben das blosse toein eines Dinges oder dessen eigen thümliche Natur ist. Ibenso sehr aber, scheint es, müssen wir Bedenken haben lese Unterscheidung den Skeptikern zuzutrauen, wenigstens enn dieselbe die Anerkennung einer ganz sicheren Er- enntniss voraussetzt. Und allerdings scheint das letztere

^) II 12: Omnibus innatum est et in animo quasi insculptum esse SOS. quales sint varium est, esse nemo negat. Vgl. 44 f.

*) Eher als mit der stoischen lässt sich die im ersten Buche er Tusculanen geäusserte Ansicht über die Götter mit derjenigen ;rgleichen welche der Vertreter der skeptischen Akademie, Cotta, si Cicero de nat. dcor. I 61 ff. und III 5 ff. ausspricht: denn derselbe skennt sich zu dem Glauben an die Existenz von Göttern, nur dass : diesen nicht auf die Vernunft (ratio) und ihre Gründe sondern auf ie Autorität alter Ueberlicferung stützen will und deshalb denen, ie wie die Epikureer und Stoiker sich hiermit nicht zufrieden geben, iess zum Vorwurf macht. Auf der anderen Seite muss ich mich \)er dagegen verwahren dass man aus etwaigen Differenzen die sich irischen Cottas Aeusscrungcn und denen im ersten Buche der Tuscu- inen auffinden liessen den Schluss ziehe, das letztere könne nicht 18 der Schrift eines Skeptikers geschöpft sein. Wer so urtheilte ürde übersehen dass der akademische Skepticismus der Schrift de ftt. deor. auf Kleitomachos zurückgeht, derjenige der Tusculanen ber wie sich zeigen wird einen anderen Ursprung hat.

25*

388 Die Tusculanen.

der Fall zu sein, da Cicero die Ueberzeugung des Geistes von seinem eigenen Dasein geradezu als ein Wissen bezeich- net. ^) Ist unter diesem Wissen ein vollkommenes über jeden Zweifel erhabenes gemeint, so konnte ein Skeptiker ein solches nicht gelten lassen das dürfen wir nicht bloss aus allge- meinen Gründen behaupten sondern können wir insbesondere noch aus den ciceronischen Academica bestätigen wo dem skeptischen Zweifel nicht bloss die Natur und der Ort son- dern auch das Dasein des Geistes unterliegt. *) Sollen wir deshalb an der Annahme dass ein Skeptiker Ciceros griechi- scher Gewährsmann war irre werden? Davor behüten uns, glaub* ich, die Ergebnisse früherer Untersuchungen (vgl. oben S. 196 flf.). Denn diese haben uns innerhalb der Akademie Skeptiker kennen gelehrt, die zwar ein vollkommenes Wissen in dem Sinne wie die Stoiker dieses Wort verstanden leug- neten, hingegen ein annäherndes gelten Hessen, dem wenn es auch thatsächlich nur den Werth eines Wahrscheinlichen dar- stellte sie doch den Namen eines Wissens nicht versagen mochten. Nehmen wir nun an dass ein Skeptiker dieser Art Ciceros Gewährsmann war, so konnte ein solcher innerhalb einer Polemik gegen stoische Dogmatiker, in der er bis zu einem gewissen Grade auf den Standpunkt der bestrittenen Philosophen treten musste und deshalb auch mit dem Namen des Wissens den stoischen Begriff verband, die Möglichkeit eines Wissens in Bezug auf einen bestimmten Gegenstand schlecht- hin verneinen, anderwärts aber in Bezug auf den gleichen Gegenstand dieselbe zugeben weil er hier von seinem eigenen Standpunkt aus sprach und daher auch nicht genöthigt war sich an die Terminologie einer fremden Philosophie zu binden.

') 53: sed si qualis sit animus, ipse animus nesciet: die qoaeso, ne esse quidem se seiet? ne moveri quidem se?

^) Acad. pr. 124: tenemusne quid sit animus? ubi sit? deniqae sitne au ut Dicaearcho visum est ue sit quidem uUus?

Das erste Buch. 3g9

Ifenn daher in den Tusculanen die üeberzeugung des Geistes on seinem eigenen Dasein ein Wissen genannt wird so steht iess mit der Annahme dass die Schi*ift eines Skeptikers die )n Cicero benutzte Quelle war nicht in Widerspruch: denn iesor Skeptiker falls er einer von der angegebenen Art war )nnte mit jenem Wissen nur den höchsten Grad der Wahr- heinlichkeit meinen und musste daher ein anderes Mal 3nn er den stoischen Begriff als Maassstab anlegte auch iedcr bestreiten dass vom Dasein des Geistes ein Wissen i>glich sei. Hiermit ist nun aber nicht bloss die aufge- sUte Quellenhypothese gerettet sondern auch eine Spur ge- )nnen die uns den gesuchten Quellenschriftstoller noch ge- bier kennen lehrt, da der Urheber und wohl auch einzige, »nigstens uns allein bekannte Vertreter jenes Skepticismus T Akademiker Philon war. Ihn werden wir sonach für ceros griechischen Gewährsmann ansehen. Diesem Resul- te der bisherigen Untersuchung Glauben zu versagen kön- u wir um so weniger geneigt sein als dasselbe noch von derer Seite her Bestätigung findet.

Unter der Voraussetzung nämlich dass der wesentliche halt des ersten Buches der Tusculanen auf Philon zurück- ht haben wir nicht nöthig solche Stellen an denen das klürfniss und der Trieb des Menschen nach Wahrheit und issen sehr stark hervorgehoben wird') als Zusätze zu be- ichten die Cicero entweder selbständig von sich aus machte er einer anderen Quelle entnahm. Denn wie uns frühere »trachtimgen gelehrt haben (vgl. oben S. 292 ff.) konnte

^) Vgl. bes. 44 folgendes Stück aus der Schilderung des künf- en Lebens im Jenseits: quodque nunc facimus cum laxati curis nus ut spectare aliquid volimus et viscre, id multo tum faciemus erius totosque nos in contemplandls rebus perspiciendisque pone- 18 propterea quod et natura inest in mentibus nostris insatiabilis acdam cupiditas veri videndi et orae ipsac locorum illorum, quo

390 I^^e Tusculanen.

Pliilon dieses Streben nach Wissen und Erkenntniss, dem die früheren Akademiker eher abmahnen mussten seiner Berechtigung und Bedeutung für das menschUche L vollkommen würdigen. Und auch er hatte wie Cicero dii Streben die Befriedigung die es während des irdischen bens niemals vollkommen findet für em anderes Daseii Aussicht gestellt (vgl. a. a. 0.). Diess leitet uns nod einem anderen Punkte hinüber der abermals die Uebei Stimmung der ciceronischen mit den uns bekannt gewo nen Anschauungen Philons in hellem Lichte zeigt, während dieses Lebens mit dem Wahrscheinlichen begnii auf die ganze Wahrheit aber verzichten zu müssen ist : dem Skeptiker Augustins, unter dessen Hülle wir Philon deckt haben (a. a. 0.), gemeines Menschenloos, die gk Ansicht aber ist es auf die hin auch Cicero sich beschi nur Wahrscheinliches vorzutragen;') nur die Kehrseite d Ansicht ist es, was ebenfalls bei beiden wiederkehrt, die volle Erkenntniss und Weisheit der Gottheit vorbelw bleibt *) Da ferner der Besitz der Wahrheit auch dem 1 sehen nicht für alle Zeiten versagt sondern nur für ein I

pervenerimos, quo faciliorem nobis cogDitionem rerum caelestio majorem cognoscendi cupiditatem dabunt. Ilaec enim pulchi etiam in terris patritam illam et avitam (ut alt Theophrastiu) ] sophiam cognitioDis cupiditate incensam excitavit. Praecipue fruentur ea qui tum etiam cum has terras incolentes circumfosi caligine tamen acio mentis dispicere cupicbant.

') 17: quae vis at potero explicabo nee tamen quasi F) Apollo certa ut sint et fixa quae dixero, sed ut homunculus oi muitis, probabilia conjectura sequens. Ultra enim quo progr quam ut veri similia videam non habeo; certa dicent ei qui et cipi ea posse dicunt et se sapientes esse profitentur.

^) Was Cicero betrifft vgl. ausser a. a. 0. noch 23: hanun tentiarum quae vera sit deus aliqui viderit; quae veri Bimili magna quaestio est.

Das erste Buch. 391

tiges Leben aufgespart ist, so folgt schon aus dieser Fähig- keit die Wahrheit in sich aufzunehmen dass der mensch- liche Geist göttlichen Wesens sei. Es ist daher bemerkons- werth und darf ebenfalls auf Philons Vorgang zurückgeführt werden, dass Cicero so skeptisch er sich übrigens über die Natur des Geistes äussert ihm gerade die Göttlichkeit mit einiger Zuversicht zuspricht. ^) Zu dieser einer Ueberein- stimmung der Lehren entnommenen Bestätigung der An- nahme dass eine Schrift Philons der ciceronischen Darstel- lung zu Grunde liegt kommt sodann eine andere die weil sie auf einer äusseren und desluüb vielleicht zufälligen Aohn- lichkeit beruht von geringerem Gewicht ist. In dem skep- tischen Vortrage der Academica priora, dessen Inhalt wie ich früher gezeigt habe einer Schrift Philons entlehnt ist, wird zweimal auf Panaitios Bezug genommen und beidemal seinem ürtheil ein besonderer Werth beigelegt; *) hierzu kom- men noch die Aeusserungen der Skeptiker und zunächst sind dai'unter Philons Anhänger zu verstehen die Luculi in seinem Vortrage mitthcilt (47) und die zwar im Allge- Daeinen die stoische Lehre erwähnen, wie aber eine schär- fere Betrachtung gezeigt hat (s. oben S. 262 f. Ainn.) nur die des Panaitios meinen können. Die Vermuthung dass Philon dem Panaitios vor anderen Stoikern einen Vorzug

') Mit Bezug auf die Gedächtiiisskraft des Geistes sagt er 60: Qi^ Sit lila vis et unde sit sie intollegendum puto. Non est certe ^^ cordis nee cerebri noc sanguinis nee atomorum; anima sit ignisne nescio; nee me pudet ut istos fateri noscire quod nesciam; illud, si ^a Elia de re obscura affirmare possem, sive anima sive ignis sit •"^us eum jurarem esse divinum.

^) 107: at it quidem perspicuum est: cum Panaetius princeps prope ^^ quidem judicio Stoieorum ea de re dubitare se dicat quam omnes P^ter eum Stoiei certissimam putant etc. 135: legimus omnes Cran- ^^ Teteris Academici de luctu; est enim non magnus verum aurco- *^ et ut Tuberoni Panaetius praecipit ad verbum ediscendus libellus

392 ^^® Tusculanen.

zugestand darf daher wohl ausgesprochen werden und zwa um so mehr als eine solche Bevorzugung theils in dem Zeit verhältniss beider Männer theils in der ilmen gemeiusamei Hinneigung zum Piatonismus nicht nur sondern auch zu Skepsis wohl ihre Erklänmg finden würde. Es ist ab ein Umstand der Beachtung verdient dass im ersten Bod der Tusculanen, einer Darstellung deren wesentlichen Inhal wir aus anderen Gründen Philon zuweisen konnten, abermal Panaitios in auffallender Weise vor allen übrigen Stoik«! hervortritt (42. 79. vgl. dazu S. 370).

Freilich was würden alle diese Gründe und noch meb rere helfen, wenn Einer bei der Meinung bliebe dass de nachgewiesene Skepticismus nur der äussere Anstrich sei de Cicero dem aus einer dogmatischen Schrift geschöpften In halt gegeben habe? Aber ist man denn zu einer solche Meinung überhaupt berechtigt? Das Verfahren das ma Cicero in diesem Falle zutraut würde soweit unsere Kennt niss seiner philosophischen Schrifbstellerei reicht einzig da stehen; es ginge dasselbe auch über die Grenzen der Selbsl ständigkeit hinaus die Cicero für sich den Griechen gogOE über in der Schrift de finibus^) in Anspruch nimmt, gat abgesehen davon dass es sich mit dem bescheidenen Urtbe des Briefes an Atticus wonach er seine eigenen Schrifte

') I 6: quod si nos non interpretum fungimur muoere sed tai mur ea quae dicta sunt ab eis quos probamus eisqae nostrum jnd ciam et nostrum scribendi ordinem adjuDgimus, quid habent a Graeca anteponant eis quae et spleudide dicta neque sint con?en de Graecis? Was unter ,,nostrum Judicium** zu verstehen sei seig< die von Cicero nach diesen Worten angeführten Beispiele griechischi Philosophen die angeblich in derselben Weise wie er gearbeit* hätten. Dieselben sind durchweg Mitglieder einer und derselbe Philosophenschule, wie Diogenes Antipater u. A. die das bereits tc Chrysipp Gesagte wiederholten oder Theophrast der dieselben Gegei stände wie Aristoteles behandelte oder endlich die Epikureer dJ

Das erste Bach. 393

r Abschriften erklärt nicht vereinigen Hesse.*) Indessen

0 keine Regel ohne Ausnahme ist, so könnte man auch oken dass diejenige welche Cicero gewöhnlich bei der isarbeitung seiner Schriften befolgte einmal durchbrochen rde imd zwar gerade durch die Tusculanen. Ich will nun neswegs behaupten dass der ganze Inhalt des ersten chcs aus einer philonischen Schrift herübergenommen ist, idem gebe die Möglichkeit zu, ja halte es für wahrschoin-

1 dass ganze Partieen darin aus einer andern Quelle stam- q: nur das mu88 ich festhalten dass diese Quelle nicht liwendig die Schrift eines anderen Philosophen zu sein kucht sondern ebenso gut Ciceros eigenes Gedächtniss ge- 36n sein kann das Manche freilich sich als ganz leer vor- teilen scheinen. Ein höheres Ma^iss von Selbständigkeit JT als dieses Cicero im ersten Buche der Tusculanen ein- üumen, dazu scheinen mir bis jetzt die Anhaltspunkte zu len. Allerdings hat Corssen Spuren davon zu entdecken ;laubt dass Cicero die zusammenhängende Darstellung eines echischen Philosophen auseiiiandergerissen und diese Bruch- cke auf ganz getrennte Abschnitte seiner eigenen Dar- Uung vertheilt hat Spuren die dann natürlich zu dem ÜUßse führen mussten dass Cicero mit dem vom griechi- en Original dargebotenen Material in der freiesten Weise g^angen sei. Wenn nur solche Spuren vorhanden wären! rasen (Rh. Mus. 36 S. 507 f ) weist auf den Abschnitt i 108) hin in dem zuerst eine Anzahl Aussprüche

uiderer Weise immer wieder von Neuem dasselbe vortrugen was

)n üi den Schriften Epikurs zu lesen war. Ein Verfahren wie das

die Tusculanen angenommene d. 1. das Hineintragen eines ganz

nden, ja entgegengesetzten philosophischen Standpunkts ist offen-

noch etwas Anderes.

') Ad Att. XII 52: dnoyQOKpa sunt: minore labore fiunt, verba

um adfero quibus abundo.

394 ^ie Tusculauen.

von Philosophen angeführt würden die der herkömmUchen Ansicht dass die Schicksale des Köqjers nach dem Tode noch das Individuum selbst berühren widersprechen und so- dann eben dieser Irrthum in mythologischen Erzählungen und eigenthümlichen Bestattungsweisen verschiedener Völker nachgewiesen werde. Dieser Abschnitt in sich zusammen- hängend sei doch mit dem Vorhergehenden äiussci'st lose und ungeschickt verbunden, während ähnliche Gedanken über die Bestattung zu Anfang des Buches wo sie dazu dienen die Allgeraeinheit des Glaubens an die Unsterblichkeit zu beweisen sich weit besser in den Zusammenhang fügten. Corssen schliesst hieraus dass der fragliche Abschnitt erst von Cicero aus dem ursprünglichen Zusammenhang gerissen und an unrechter Stelle eingeschaltet worden ist Dabei hat er sich indessen die Consequenzen seiner Annahme nicht ganz khu- gemacht, da er sonst die Widersprüche, in die er sich verwickelt, hätte wahrnehmen müssen. Cicero nennt nämlich da wo er von den vei*schiedenen Bestattungsarten spricht als seinen Gewährsmann den Chrysippos (108) und schloss sich damit aller Wahrscheinlichkeit nach nur dem Vorgange seines griechischen QucUenschriftstellers an; die am nächsten liegende Annahme ist aber dass dieser die No- tizen die er Chrysipp entnahm auch zu demselben Zwecke wie dieser verwandte: da nun nach Corssens Meinung dieser Zweck war die Allgemeinheit des Unsterblichkeitsglaubens zu beweisen so würde schon Chrysipp sich denselben Zweck vorgesetzt haben. Das ist es aber was sich mit der sonst bekannten Lehre dieses Philosophen schwer vereinigen lässt: denn hätte Chrysipp was in dem gesetzten Falle angenom- men werden müsste den Unsterblichkeitsglauben für einen allgemeinen gehalten, so wäre die Unsterblichkeit Inhalt einer Prolepsis und bei der Bedeutung die die Prolepsis für seine Erkenntnisstheorie besass er selber verpflichtet gewesen

Das erste Bach. 395

enselben Glauben zu thoilen, d. i. den Glauben au die Un- terblichkeit aller Menschen; und doch wissen wir duich Sogenes (VII 157) dass Chrysipp im Gegensatze zu Klean- les die Unsterblichkeit nicht idler Menschen sondern nur er Weisen behauptete. Indessen wird man um diesem Wi- BTspruch zu entgehen vielleicht die Ausflucht ergreifen dass hrysipp nui* den Glauben überhaupt an eine unsterblich- st als Inhalt der Prolepsis, die Umwandlung desselben da- ngen in den Glauben an eine Unsterblichkeit aller Menschen 8 eine spätere Verirrung des menschlichen Meinens ange- ihen habe. Aber wäre hierdurch auch der eine Wider- HTUch beseitigt, so bliebe immer noch der andere übrig, «ch Corssens Ansicht und nach der jedes Unbefangenen eht nämlich der Abschnitt, der die volksthümlichen An- liaaungen über die Bcstattmig und alles was den todten örper betriflft behandelt, im engsten Zusammenhange mit dmjenigen der solche Urtheile von Philosophen aufzählt in enen sich deren Gleichgiltigkeit gegen alles ausspricht was era Leichnam widerfährt. Beide bilden ein Ganzes, sodass enn der eine den Zweck haben soll das Vorhandensein ner Prolepsis über die Fortdauer der Seele nach dem Tode 1 beweisen dasselbe auch von dem anderen gelten muss. ass nun eine Aufzählung von Urtheilen wie die angegebe- än sind unmittelbar wenigstens diesem Zweck nicht nur icht entspricht sondern geradezu mit ihm streitet, bedarf ar dieses Hinweises. Sehr oberflächlich wüide es sein, oUte mau dem gegenüber sich auf die frühere Darstellung ärufen in der zwar ebenfalls die volksthümlichen Anschau- igen nicht ohne Kritik hingehen (36 f.) trotzdem aber zu -na angegebenen positiven Ergebniss verwandt werden. Denn riechen beiden Darstellungen besteht ein wesentlicher Unter- iied dass nämlich in der früheren die Kritik sich eine istimmte Grenze zieht und das Haltbare in den Volksvor-

896 Die Tasculanen.

Stellungen verschont, in der späteren dagegen dieselbe die herrschenden Ansichten überhaupt verwirft ohne den gesun- den Kern darin hervorzuheben. Erhält schon hierdurch die Kritik an der zweiten Stelle das Uebergewicht über das po- sitive Element der Erörterung, so wird dieses Uebergewicht dadurch nicht unbeträchtlich verstärkt dass nur an der zweiten Stelle die Kritik gewissermaassen öfter wiederholt und jedesmal an den Namen eines berühmten Philosophen geknüpft wird. Sollte nichtsdestoweniger diese Aufzählung der UrtoUe des Theodor und anderer, mit ihm über den Werth der Bestat- tung gleich denkenden Philosophen einer Darstellung zuge- rechnet werden deren Absicht war die Allgemeinheit des Unsterblichkeitsglaubens darzuthun, so könnte diess nur unter der Bedingung geschehen dass man darin das in den ange- fiihrten Beisi)ielen rcpräsentii-te Urtheil der Philosophen durch die verbreiteten Volksvorstellungen widerlegt werden liesse: würde diess aber nicht einen Respekt vor der Volksmeiiiung voraussetzen der aus den von Chrysipp entlehnten und bei Cicero mitgetheilten Proben derselben keineswegs durch- blickt? ja würde diess nicht voraussetzen dass Cicero die Gedanken des griechischen Originals in einem ganz anderen Sinne verwandt habe, somit voraussetzen was eben erst be- wiesen werden sollte und daher eine petitio principü sein? In solche Schwierigkeiten fiihrt uns die Annahme dass der fragliche Abschnitt bei Cicero nicht seinen rechten Platz habe und von Rechts wegen in einen früheren Theil der Darstellung gehöre. Nachdrücklich erhebt sich daher die Frage ob denn jene Annahme überhaupt zulässig sei. Cors- sen hat sie allerdings zu begründen gesucht Er macht gel- tend dass beide denselben Gegenstand behandeln, wobei der verschiedene Sinn in dem diess beide thun auf Ciceros Rech- nung zu setzen wäre. Prüfen wir nun diese Behauptung genauer, so zeigt sich dass von der Bestattung in dem frühe-

Dfts erste Bach. 397

»schnitt nur einmal die Rede ist (36) u^d aus einer

lerselben, der Beerdigung, erklärt wird weshalb man

jlen der Verstorbenen sich unter der Erde fortlebend

Denn eine andere Stelle die Einer hierherziehen

und an der der Gräber- Ceremonien (caeremoniae 3rum) gedacht wird (27) hat doch offenbar mit der ang nichts zu thun sondern bezieht sich auf das was r hinaus liegt, den Todtoncultus. Aus diesem wird cht auf den Glauben an eine Fortdauer der Seele em Tode geschlossen, jene Art der Bestattung aber nur soweit in Betracht als sich mit Hilfe derselben anderen Vorstellungen über das Schicksal der fort- len Seelen ableiten lassen. Man sieht hieraus, dass itattung soweit sie überhaupt in Frage kommt in dem n Abschnitt eine ganz andere Rolle spielt als in dem ri. Was an diesem letzteren von Bestattungsgebräuchen jdener Völker namhaft gemacht wird ist nicht gei'ade t das Vorhandensein des Unsterblichkeitsglaubons bei en zu bestätigen, wie man denn aus der Sorgfalt welche 3r und Perser auf die Erhaltung der Leichname ver-

eher auf ein Verzweifeln an der Fortdauer der See- liessen könnte. Dagegen lag es nahe sich durch den Eitz, in dem die verschiedenen Bestattungsweisen zu ir stehen indem die einen auf möglichst lange Con- ig der Körper die anderen auf deren Vernichtung m, daran erinnern zu lassen dass überhaupt die Be- j etwas Gleichgiltiges sei und so oder so vorgenom- erden könne. D. h. die nähere Betrachtung dessen 3r die Bestattung gesagt wird führt darauf dass das- chon ursprünglich in dem Zusammenhang stand in r es bei Cicero finden und den Zweck hatte aus den ;hen und der Erfahrung heraus die wegwerfenden e zu bestätigen mit denen die Philosophen sich über

398 ^ie Tnsculanen.

diese Dinge geäussert hatten. Bei dieser Auffassung erklärt sich auch weshalb gerade das Widerwärtige und Lächerliche in den Bestattungsgebräuchen hervorgekehrt wird: denn dass nicht erst Cicero diese Auswahl getroffen hat sondern be- reits Chrysipp dürfen wir doch aus folgenden Worten (108) entnehmen „Permulta alia colligit Chrysippus ut est in omni historia curiosus; sed ita tetra sunt quaedam ut ea fagiat et reformidet oratio".^) Wenn Chrysippos auf diese Weise das Bestatten überhaupt und den Werth den Manche darauf legten als thöricht hinzustellen suchte, so trat er damit nur auf den kynischen Standpunkt, den er wie wir wissen (Zeller III 1 S. 281) auch sonst bestehenden Sitten und Gebräuchen gegenüber eingenommen hat. Die Betrachtung der Sache führt also zu derselben Auffassung des fraglichen Abschnittes die auch Cicero vertritt d. i. zu einer Auffassung durch welche die Versetzung an eine frühere Stelle unmöglich wird. Darin also dass Cicero nicht dort schon die Dinge vorgetragen hat die wir jetzt an späterer Stelle finden wäre derselbe gerecht- fertigt. Eine andere Frage ist ob der Platz den er ihnen angewiesen hat der rechte ist. Corssen verneint diess (Rh.

') In dieser Hinsicht könnte man daher der Vermuthung Comens (Rh. M. 36 S. 514) zustimmen dass aus derselben Quelle wie die cice- ronischen Notizen über die Bestattnngsarten auch diejenigen bei Sextos Pyrrh. III 226 ff. geflossen sind. Im Uebrigen aber muss ich gegen ein Verfahren protestiren wie es in unserer Zeit nur allzu häufig wiederkehrt, dass man nämlich aus der Uebereinstimmaog rein historischer Nachrichten schon auf gemeinschaftlichen Ursprung schliesst: und doch liegt es auf der Hand dass derartige Nachrichten, an deren factischem Inhalt der Einzelne nichts weiter ändern konnte und auf die Jeder der das gleiche Thema behandelte geführt werden musste, von den verschiedensten Schriftstellern in derselben Weise wiederholt werden durften ohne dass man deshalb ein Recht hätte die Mehrzahl derselben des an Einem von ihnen begangenen Plagiats zu verdächtigen.

Das erste Bnch. 399

[ns. 36 S. 508) und zwar nur deshalb weil die Anknüpfung J8 ganzen Abschnittes an das Vorhergehende ihm zu locker id äusserlich ist. ^) Offenbar genügt aber dieser Grund cht, da wenn Cicero es unterliess den engeren Zusammen- ng bestimmter anzugeben derselbe darum noch nicht gänz- h zu fehlen braucht Und in der-That fehlt er auch Jit: denn die vorhergehende Betrachtung mit der an sie geknüpften Ermahnung, dass man dem Tode ruhig ent- ;engehen solle selbst auf Gefahr ins Nichts daliin zu iliessen, SS doch noch oder konnte doch wenigstens bei Vielen den nwand übrig lassen dass aber doch wenn auch das Leben t dem Tode entfliehe noch ein Theil des menschlichen 38ens, der Körper, übrig bleibe durch dessen Schicksale r Mensch gewissermaassen mitbetroffen werde; die Ant- rt auf diesen Einwand und damit die Ergänzung des Vor- rgehenden gibt der fragliche Abschnitt, dessen passender itz sonach da ist wo Cicero ihm denselben angewiesen hat. Man kann hieran sogleich noch eine andere Bemerkung üpfen, die sich auf den Ruhm und die ihm von Cicero Biridmete Erörtenmg bezieht. Zunächst verdient Beachtung 98 eine solche unmittelbar nach dem Abschnitt über die stattung einsetzt (109): denn hierdurch wird wahrschein- h dass wir den Grund weshalb dieser Abschnitt von Cicero rade an diese Stelle gerückt worden ist richtig bestimmt ben, da auch der Ruhm zu den Dingen gehört die über

*) Seine Worte sind: „Die Aufzählung von Beispielen helden- Ster Todesverachtung führt Cicero nämlich auf einen Ausspruch I Philosophen Theodoros: Theodori qnidem nihil interest humine Buhlime putescat (102). Und dieses dictum ist es, welches ihm Veranlassung zu der ganzen Digression gibt (cujus hoc dicto ad- ncor, ut aliquid etiam de humatione et sepultura dicendum existi- m). Eine Einführung, die wie mir scheint an gewisse Anekdoten- ähler erinnert."

400 I^ie TuBculanen.

das Leben des Menschen hinausreichen und trotzdem sein Interesse in Anspruch nehmen. Sodann aber ist bemerkens- werth und geeignet auf Cicero als Verfasser ein günstigeres Licht zu werfen dass er auch den Ruhm nicht bloss im zweiten Theile seiner Darstellung sondern auch im ersten besprochen hat, beidemale aber dabei verschieden und so verfahren ist wie es dem jedesmaligen Zusammenhange ent- sprach, also ähnlich wie wir es schon an seinen Bemerkun- gen über die Bestattung beobachtet haben. Im ersten Theü wird der Ruhm als das bezeichnet was Gegenstand des Stre- bens für die ausgezeichnetsten Männer auf den verschieden- sten Gebieten menschlicher Thätigkeit ist, ja was allein uns für unsere Mühen zu belohnen vermag (32 ff.). Dieselben Beispiele welche die Wahrheit dieses Gedankens bestätigen sollen kehren zum Theil (Themistokles und Epameinondas) auch in der späteren Erörterung wieder. Im Uebrigen aber unterscheidet sich dieselbe von der früheren wesentlich da- durch dass in ihr der Ruhm als etwas erscheint das uro seiner selbst willen nicht erstrebt zu werden verdient und lediglich darum Werth hat weil es der Schatten ist der der Tugend folgt (109). Der Grund dieser Verschiedenheit ist klar: im ersten Theil handelt es sich darum den Beweis für die Allgemeinheit des Unsterblichkeitsglaubens zu liefern und diesem Zweck konnte der Ruhm nur dienen wenn er als das Ziel des Strobeiis gerade der besten Männer hingestellt wurde; vom Standpunkt des zweiten Theils dagegen der die Vernichtung des Menschen im Tode voraussetzt konnte ein derartiges Streben nach dem Ruhm als solchem keinen Sinn haben und derselbe nur insofern Werth besitzen als er der stete Begleiter der Tugend ist. Hieraus ergab sich noch eine andere Verschiedenheit, dass nämlich während im ersten Theil vom Ruhm schlechthin die Rede ist im zweiten der- selbe genauer als das Lob welches die Guten ertheilen de-

Das erste Buch. 401

finirt wird denn nur dieser Ruhm ist der stete Begleiter ler Tagend und dass im zweiten der Ruhm nicht so »lir als Nachruhm, als welcher er im ersten ausschliesslich ;e&sst wird, wie als dasjenige erscheint was dem Menschen chon bei Lebzeiten zu Theil wird und den Tugendhaften Tst seiner Tugend gewiss macht denn nur so kann vom Standpunkt des zweiten Theils aus der Ruhm leisten was er oll ein Mittel gegen die Todesfurcht zu sein. Eine Ver- chiedenheit die so fein und zweckentsprechend erdacht ist lat nicht das Aussehen von Cicero herzurühren sondern wird ait grösserer Wahrscheinlichkeit auf die griechische Quelle urückgefuhrt: wodurch wir zu dem das Resultat der frühem Jntersuchung bestätigenden Schlüsse kämen dass bereits in icr Quelle die Erörtening dilemmatisch war und dem ent- prechend der Ruhm jedes Mal von einer anderen Seite ge- iommen wurde. Dass Cicero in diesem Falle nicht etwa ine dogmatische Darstellung Posidons in die Formen der keptischen Methode gezwängt habe, ist überdiess noch da- um schwer glaublich weil dann doch aller Wahrscheinlich- eit nach eine der beiden Auffassungen des Ruhms diejenige ^esidons repräsentiren würde. Diess gilt indessen von kei- er: denn Posidon konnte nicht leugnen dass der Ruhm an ich Gegenstand unseres Strebens sei, da dieses Streben nach einer Ansicht im Wesen der menschlichen Seele wurzelte ». darüber Theil II S. 589), ebenso wenig aber in diesem treben eine Prolepsis der Unsterblichkeit erblicken wenn r dasselbe doch ausschliesslich aus der Natur des mittleren eelenvermögens ableitete (s. a. a. 0.). ^)

^) Dagegen verdient dass die Auffassung des Ruhms an der reiten Stelle mit derjenigen Chrysipps übereinstimmt wenigstens sofern als auch er leugnete dass der Ruhm um seiner selbst willen i begehren sei (Cicero fin. III 57 s. dazu Th. II S. 252) deshalb

Hirxel, ünUrsnchungen. TU. 26

402 I)ie Tuscolaoen.

Noch in einer anderen Hinsicht könnte die Darstellung so schlecht disponirt zu sein scheinen dass man die Ordnung lediglich auf Ciceros Rechnung setzen und nur die Gedanken aus der griechischen Quelle ableiten möchte, wenn man näm- lich auf die im ersten Theil für die Unsterblichkeit geführ- ten Beweise blickt. Zwar was Corssen behauptet (Diss. S. 6) die Unsterblichkeit werde 40 f. nur vorausgesetzt, nicht wie erforderlich war bewiesen, halte ich durch eine frühere Er- örterung (S. 355 fiF.) für widerlegt. Aber wenn Cicero hier- nach vor dem Vorwurf, er habe zu wenig oder zu spät be- wiesen, geschützt ist, so scheint er damit nur dem anderen zu verfallen dass er im Beweisen des Guten zu viel gethan oder doch die Beweise für die Unsterblichkeit nicht in der gehörigen Weise zusammengestellt habe. Denn nachdem 40 die Unsterblichkeit mit Hilfe des Gesetzes der Aehnlichkeit bewiesen worden war und auf Grund dieses Beweises das Folgende, namentlich von 43 an, mit den Zuständen der Seele nach dem Tode sich beschäftigt hatte, wird wider alles Erwarten der Beweis der Unsterblichkeit den das Vorher- gehende als erledigt voraussetzte von 53 an aufs Neue und zwar mit mehr und stärkeren Argumenten geführt Sollen wir daher annehmen dass Cicero auch hier zwar die Argu- mente selber seiner griechischen Quelle entnommen, deren Ordnung aber verändert d. i. verkehrt habe? Eine schärfere Betrachtung nöthigt uns diese Frage zu verneinen. Sehen wir nämlich genauer zu, so stellt sich heraus dass der erste Beweis der Unsterblichkeit zwar das Fortleben der Seele nach dem Tode begründet, keineswegs aber die unbegrenzte Dauer desselben in sich schliesst: denn wenn mit der Tren- nung vom Leibe die Seele zu den ihr verwandten Elementen

ßeachtung weil dieser Philosoph onmittelb&r vorher, wie wir geteheo haben, in dem Abschnitt über das Bestatten genannt und benotit worden war.

Das erste Buch. 403

und Regionen zurückkehren soll so ist zwar ein gewisses Fortleben der Seele dadurch gesetzt, gleichzeitig aber die Möglichkeit offen gelassen dass dieses Leben in dem Augen- blick wo jene Vereinigung der Seele mit den ihr. ähnlichen Elementen vollzogen ist oder auch einige Zeit nachher doch noch erlischt; weshalb auch 42 für die Ansicht des Pa- naitios (Ita sive dissipantur, procul a terris id evenit) Raum bleibt, was nicht der Fall gewesen wäre wenn das Vorher- gehende bereits den Beweis für die Unsterblichkeit im Sinne einer unbegrenzten Fortdauer geliefert hätte. An dem Be- weis bloss einer Fortdauer überhaupt lässt Cicero es sich vorläufig genügen und deutet diess dadurch an dass er auf Srund desselben die Zustände der den Leib überdauernden Seelen schildert. Erst hiemach, vielleicht gemahnt durch die Einwürfe der Gegner (50 f.), entschliesst er sich abermals jinen Beweis für die Unsterblichkeit anzutreten, der aber licht mehr bloss die Fortdauer sondern auch deren Unbe- prenztheit betrifft.') Insofern also dieser neue Beweis eine Steigerung des früheren ist, steht er hier ganz an seinem ?latzö. Als eine solche gibt er sich aber auch noch darin lu erkennen dass während der frühere nur die Existenz der Jeele nach dem Tode ins Auge fasste, er auch die Präexi- itenz berücksichtigt und somit den Beweis der Unsterblich- ceit zu einem der Ewigkeit erweitert. *) Um jeden Verdacht ;egen diese Annahme als sei sie zu künstlich zu beseitigen

') Diess gilt sowohl von der Argumentation die auf die Seele Ja das Princip aller Bewegung hinweist wie von der hierauf folgen- loD die ihr eine göttliche Natur zu vindiciren sucht.

*) Eben darum ist auch die Widerlegung der Stoiker und des 'anaitios 77 ff. besser an ihrem Platze als sie etwa 42 ff. sein würde : lenn obgleich hier ebenfalls von Beiden die Rede ist so steht doch lier Cicero selber noch auf dem Standpunkt dass er überhaupt nur »ine Fortdauer der Seele behauptet und konnte deshalb gegen die Insichten der Stoiker oder des Panaitios nichts einzuwenden haben.

26*

404 Die Tuscalanen.

weise ich darauf hin dass ein solches vorläufiges Ausraheii auf einem Beweise und darauf folgendes weiteres Fortschreiten und zwar bei Erörterung desselben Problems sein Vorbild im platonischen Phaidon hat. Denn nachdem hier die vul- gäre Meinung als ob die Seele mit dem Tode sich auflöse widerlegt und bewiesen ist dass die Seele den Körper ge- raume Zeit überdauert, ^) verweilt Sokrates bei der Betrach- tung der Schicksale welche die Seelen nach dem Tode er- warten (81 A ff.) und wird erst durch die Bedenken des Simmias und namentlich des Kebes bestimmt einen neuen Anlauf zu nehmen der ihn dazu führt die Ewigkeit der Seele endgiltig festzustellen. *) Ob eine solche Anordnung der Gfr-

^) Dass nur diess und nicht mehr das Ergebniss der vorangehenden Untersuchung ist, kann man schon p. 80B angedeutet finden in den Worten: Ti ovv; tovtojv ovratg i^^ovnov dg* ov^l acaficctt fihv ra/i öiaXvsaO^ai nQ00t}xei, V'^/J? ^^ ^^ ^^ nocQcinav dSiaXvzü) eivai ij If- yvg xt xovxov; Bestimmter ergibt es sich aus dem Einwand des Kebes (86 E): dass man noch immer auf demselben Flecke stehe QDd des Fortlebens nach dem Tode nicht gewiss sei; denn bewiesen m höchstens dass die Seele mehrere Körper, nicht aber dass sie tlle und gerade den gegenwärtigen überdauere.

*) Nicht bloss die Stufen über welche die Untersuchung auf- steigt, sondern auch die Mittel durch welche dieselben erreicht wer den sind bei Cicero und Piaton ähnliche. Bei Beiden kommt inner- halb der Untersuchung die sich auf die Fortdauer der Seele über die Verbindung mit dem Körper hinaus bezieht das Gesetz der Aehnlich- keit zur Verwendung (Phaidon p. 80 D. 81 A) und nur der Unterschied besteht dass dasselbe bei Cicero den ganzen Beweis ausfüllt während es bei Piaton nur neben einem anderen Grunde hergeht Dies« andere Grund ist die Einfachheit der Seele vermöge deren sie nifht wie der zusammengesetzte Körper sich in ihre Elemente auflösea kann. Bei Cicero wird derselbe zwar nicht besonders hervorgehoben, scheint aber doch auch nicht gänzlich zu fehlen da 42 gegen die Atomistiker die die Seele aus Atomen zusammensetzten protestirt wird. Was sodann die zweite Stufe der Untersuchung betrifft, so wird die Ewigkeit der Seele bei Piaton daraus gefolgert dass von

Das erste Buch. 405

danken in einer derartigen Untersucliung sich jedem von »Ibst ergeben würde ist mir fraglich und darum wahrschein- ich dass wir es mit einer Nachbildung des Phaidon zu thun aben wie wir sie dem Platoniker Philon wohl zutrauen Ifirfen. Dass Cicero selbst den Piaton in dieser Beziehung achgeahmt habe, ist deshalb nicht glaublich weil er dann en bezeichneten Gedankengang in seiner Darstellung wohl 3utlicher hätte hervortreten lassen. Statt dessen trägt er elmehr selber die Schuld wenn derselbe bisher seinen Er- ärem verborgen blieb: denn obgleich er die Gedanken ich dem angegebenen Princip geordnet hat, so hat er selber Kjh nicht nur nirgends dieses Princip als das maassgebende zeichnet, sondern es noch mehr verdunkelt wenn er ein- ü durch das Gesetz der Aehnlichkeit die Ewigkeit der ele (aetemitas 39) für bewiesen hält

Der Gang der bisherigen Untersuchung ist der gewesen SS wir zuerst die Anspiniche des Poseidonios als Quellen- briftsteller zu gelten zurückgewiesen, sodann diejenigen lilons begründet und endlich es unwahrscheinlich gemacht ben dass Cicero selbständig eine nicht- skeptische Schrift . skeptischen Sinne verarbeitet habe. Wenn wir uns nun ch anderen Mitteln umsehen um die gefundenen Resultate befestigen so können wir dieselben imr von den folgen- n Büchern der Tusculanen erwarten: denn mag auch die itersuchung bisweilen zu anderen Ergebnissen führen, die chste Aimahme bleibt doch dass die einzelnen Theile eines erkes die denselben philosophischen SUindpunkt zeigen und rwandten Inhalt haben nicht aus verschiedenen sondern 8 derselben Quelle geschöpft sind.

n Begriffe der Seele die Idee des Lebens unzertrennlich ist: zu n gleichen Schlüsse kommt Cicero indem er in der Seele das incip aller Bewegung erkennt, d. h. von demselben Gedanken nur anderer Fassung ausgeht.

406 I^ie TusculaDen.

2. Das zweite Baeh.

Durch die zum Schluss der letzten Abhandlung ausge- sprochene Vermuthung dass die folgenden Bücher der Tus- culanen aus derselben Quelle geschöpft seien wie das eiste und indem man fiir letzteres die Resultate der Corssenschen Untersuchung anerkannte hat man sich in neuester Zeit ver- leiten lassen ^) Poseidonios als Giceros Gewährsmann für das zweite Buch anzusehen. Mit dieser neusten stimmen die früheren Meinungen die die Quelle die einen in einer Schriit des Antiochos*) die anderen in einer des Chrysippos*) sucb- ten insofern überein als sie ebenfalls daran festhalten dass Cicero den Inhalt seiner Darstellung einem dogmatischen Philosophen vordanke. Lassen wir diese letztere Voraus- setzung gelten,, so müssen wir von vornherein geneigt sein dem Ergebnisse der neusten Untersuchung ein grösseres Zu- trauen zu schenken eben weil sie die neuste ist und nicht und zumal nicht in derselben Richtung, auf einen dogma- tischen Philosophen hin unternommen werden durfte wenn ihr Urheber nicht in dem Glauben gestanden hätte au die Stelle der nicht vollkommen befriedigenden Resultate seiner Vorgänger endlich ein sicheres und abschliessendes setzen zu können. Auf der anderen Seite freilich, da eben diese Untersuchung an die Abhandlung Corssens anknüpft und deren Ergebniss über die Quellen des ersten Buches uns keineswegs so sicher erschienen ist um als Fundament wei- terer Forschungen zu dienen, erregt sie auch wieder Zweifel

M Poppelreuter Quae ratio intercedat inter Posidonü ne^ xtt- ^wv TiQayfiazelaq et Tusculanas disputationes CiceroDis. Bonn. Diss. 1883.

^ Heinze Stoic. de affect. doctr. Berlin 1860. S. 2.

') Bake Posidon. Bbod. rel. S. 196. Herne de fontib. Ttisc. disp. Zietzschmann de Tusc. disp. fönt.

Das zweite Buch. 407

sich und fordert somit ans einem doppelten Grunde 2ar näheren Prüfung auf.

Ein Umstand scheint sich der Hypothese die in einer Schrift des Poseidonios Ciccros Quelle findet entgegenzu- stellen, dass nämlich zweimal Lehren vorgetragen werden die wenigstens zunächst mit den sonst bekannten Ansichten des Stoikers sich nicht vereinigen lassen. Die eine Lehre ist die wonach der Affekt in Folge dessen wir dem Schmerze zu viel nachgeben im Wesentlichen nur auf einer verkehrten Meinung (opinio) beruht (52); gerade gegen diese Ansicht aber hatte sich Poseidonios erklärt und zwar ebenso gegen Chrysipps Nuancirung derselben welche den Affekt mit der Meinung identifi^irte wie gegen die Zenons wonach die Affekte aus gewissen Meinungen entspringen (Zeller III 1 S. 580, 4). Die andere Lehre betrifft den Begriff von Gut uud Uobel, den die Stoiker auf das Psychische und Moralische beschränk- ten, den aber Cicero in peripatetisch- akademischer Weise weiter ausgedehnt hat sodass er Leibliches und Aeusseres zu umfassen vermag (30). Halten wir uns zuerst an diesen letzteren Widerspruch, so scheint er sich dadurch zu lösen, dass auch Poseidonios mit den Namen Gut und Uebcl es nicht zu genau nahm und gelegentlich solche Dinge damit bezeichnete die nach streng stoischer Vorstellung es nicht verdienten (s. darüber Theil II S. 261 ff.). Wer hiernach glauben wollte dass Ciceros laxere Auffassung von Gut und Uebel keine andere als die des Poseidonios sei würde sich indessen eines Missverständnisses schuldig machen. Während Cicero nämlich den Unterschied von Gütern und sogenannten Proegmena als einen begrifflichen und wesentlichen über- haupt nicht anerkannte sondern ihn nur als einen graduellen gelten lioss, hatte Poseidonios denselben keineswegs geleugnet und war nur hin und wieder in populärer Darstellung von der stoischen Terminologie abgewichen. Dicss habe ich

408 ^^6 TuBCulanen.

früher ausführlicher nachgewieseu. Hier genügt es daran zu erinnern dass Cicero selber und zwar in unserem zweiten Buche den Poseidonios sich zur gemein stoischen Lehre be- kennen lässt die den Schmerz nicht etwa zu einem geringeu Uebel herabdrückte sondern gar nicht als solches anerkannte (61). Und doch soll Cicero gleichzeitig eine Schrift dieses Philosophen vorgelegen haben, in der dieser die Wahrheit jener stoischen Lehre so nachdrücklich bestritten hatte! Nicht viel besser steht es mit der Lösung des anderen Wider- spruchs die man versucht hat^) Derselbe, hat man gesagt, verschwindet sobald man nur „opinio", nicht in der Bedeu- tung von Meinung oder Urtheil nimmt in welcher es dem griechischen xglöig entspricht sondeni allgemeiner als Vor- stellung fasst; denn dass die Aflfekte durch Vorstellungen erregt werden und daher bis zu einem gewissen Grade mit ihnen identisch sind habe Poseidonios nicht leugnen wollen. Welcher Art diese Vorstellungen sind, sollen wir aus Cicero de div. I 60 lernen wo wir unter anderem Folgendes lesen: ,4taque huic omnia visa obiciuntur a mente ac ratione vacua, ut aut cum matre corpus miscere videatur aut cum quovis alio vel homine vel deo, saepe belua, atcjue etiam trucidare aliquem et impie cruentari multaque facere impui'e atque taetre cum temeritate et impudentia". Dass nun Poseidonios von derartigen Vorstellungen oder Bildern die niederen Seeleu- kräfte erregt werden liess, will ich nicht bestreiten wenn auch der mich bestimmende Grund nicht die cicoronischen Worte sondern die für Jeden oflfen liegende Natur der Sache ist; bestreiten muss ich dagegen dass um solche Vorstellungen zu bezeichnen Cicero das Wort „opinio" wählen konnte und nicht ein Wort wie visura, imago oder ein ähnliches gesetzt haben würde. Zwar wird wer diess zu bestreiten wagt auf

') Poppelreuter a. a. 0. S. 13 f.

Das zweite Buch. 409

Cioero de fin. 11 13 und die dort sich findenden Worte «animi sine ratione opinantis" verwiesen. Aber mit Unrecht. Denn der Geist ,^ine ratione'' ist keineswegs ein solcher dem das höchste Seelenvermögen und damit auch die Ur- theilskraft fehlt in welchem Falle allerdhigs das „opinari" auf Vorstellungen bezogen werden niüsste deren auch die niederen Seelenkräfte fähig sind: sondern er ist einer dessen höchstes Seclenvcrmögen entartet ist, der wohl urthoilt aber falsch und unvernünftig urtheilt; ratio darf also nicht im psychologischen sondern muss im moralischen Sinne genom- men werden. *) Aber auch zugegeben dass „opinio" die ange- nommene Bedeutung haben könne, so wird dieselbe doch an unserer Stelle durch den Zusammenhang ausgeschlossen, der jeden aufmerksamen Leser lehrt dass „opinio" nicht ein von der Einbildungskraft hervorgerufenes Bild sondern eine Mei- nung bedeutet der zufolge der Schmerz ein uueiirägliches Uebel ist. Der Widerspruch in dem die ciceronische Stelle mit den sonst bekannten Ansichten Posidons steht behält

^) Dieser Hinweis auf die richtige Auffassung würde genügen, auch für den der sich nicht die Mühe nähme die Worte in ihrem Zusammenhang nachzulesen. Wer diess aber thut der wird erstau- nen dass man überhaupt dieselben so missverstehon konnte. In ihrem Zosammenhang stellen sie nämlich eine Definition der ,,voluptas** vor die folgendermassen lautet: sublatio animi sine ratione opinantis se magno bono frui. Hier wird ausdrücklich der Inhalt des ,,opinari'' angegeben und wir sehen daraus dass derselbe nicht in der Vorstel- lung eines Bildes besteht die zu erzeugen auch die niederen Seelen- kräfte für sich allein im Stande sind sondern in einem Urtheil dass diess oder jenes ein grosses Gut sei, also in etwas das nicht aus der Einbildungskraft oder gar aus Begierden und Leidenschaften sondern nur aus dem denkenden Theil der Seele abgeleitet werden kann. Zur Kenntniss der eigenthümlichen Lehre Posidons durfte jene Stolle auch darum nicht benutzt werden, weil sie vielmehr auf der ent- gegengesetzten chrysippischen Anschauung beruht. Diess erkennt man wenn man de fin. lll 35 vergleicht.

410 I^ie Tusculanen.

daher seine volle Kraft uud hindert uns in Vorbindung mit dem vorher besprochenen in dem genannten Stoiker Ciceros griechischen Gewährsmann für das zweite Buch der Tuscu- lanen zu sehen.*) Ist hiermit der Anspruch Posidons zurückgewiesen so treten gleichzeitig die der Uebrigen wie- der hervor. Unter diesen muss Chrysipp gleich von der Schwelle abgewiesen werden, da eine solche Kritik wio sie an der stoischen Lehre vom Uebel geübt wird (30 und 42) und die damit zusammenhängende Bevorzugung der peripa- tetisch-akademischen Ansicht (45) methodischer Weise eben- falls aus der griechischen Quelle abgeleitet werden muss, diese aber dann nicht eine Schrift jenes Stoikers gewesen sein kann. So bleibt nur noch Antiochos übrig, dessen An- sprüche durch die eben hervorgehobenen Punkte der Lehre ebenso sehr unterstützt werden als diejenigen Chrysipps da- durch vernichtet wurden. Und allerdings wird eine Schrift dieses Akademikers solange als die Quelle gelten müssen als man an der Voraussetzung festhält dass diese Quelle die Schrift eines dogmatischen Philosophen war. Was nöthigt uns aber zu dieser letzteren Annahme?

Schon bei der Untersuchung über das erste Buch haben wir uns durch die Winke leiten lassen die Cicero selbst über seinen philosophischen Standpunkt gibt und hieraus auf den philosophischen Standpunkt auch seiner Quelle geschlossen. Verfahren wir nun nach dieser bewährten Methode auch jetzt, so kommen wir zu dem gleichen Ergebniss dass näm- lich die Quelle die Schrift eines akademischen Skeptikers

^) Aus demselben Grunde kann auch Panaitios nicht als Ge- währsmann Ciceros gelten und kann deshalb Zietzschmanns Yerthei- digung dieser Ansicht (de Tuscul. disp. fönt. S. 11) zurückgewiesen werden ohne dass es nöthig wäre auf dessen positive Argumente hier noch besonders einzugehen, über welche übrigens zu vergleichen ut TheU II S. 631 f.

Das zweite Buch. 411

'ar (1, 4. 2, 4). Ja die ausdrücklichen Hindeutungen Ci- aro6 auf seine Quelle reichen sogar im zweiten Buche noch eiter: denn während sie im ersten nicht über die Bezeich- nng eines akademischen Skeptikers hinausgingen, weisen sie 1 zweiten bestimmter auf Philon, auf den im ersten Buche tdere Indicien nur vermittelst eines Schlusses hinführten, a aber im zweiten Cicero nicht nur bei der Verlegung der jputationen auf die Nachmittage^) sondern auch bei der ufugung von Versen in die philosophische Darstellung*) 1 seinen Vorgänger und sein Vorbild nennt. Diese Hin- atungen werden aber wie beim ersten Buche so auch diess- 1 durch die Beschaffenheit der Darstellung selber voll- tnmen bestätigt, da dieselbe in der Hauptsache den an- cfindigten skeptischen Standpunkt streng festhält In echt idemischer Weise lässt Cicero zunächst eine Behauptung stellen um diese sodann zu bestreiten (14). Diese Be- iptung ist dass der Schmerz das grösste Ucbel sei. In * Bekämpfung stösst er vor Allem mit Epikur zusammen I ff^.), den er besondei*s dadurch widerlegt dass er ihn eines

^) 9: Nostra autem memoria Philo quem nos frequenter audl- lus instituit alio tempore rhetorum praecepta tradere alio philoso- trum. Ad quam nos consuetudinem a famUiaribus nostris adducti Tusculano quod datum est temporis nobis in eo cousumpsimus. jue cum ante meridiem dictioni operam dedlsscmus sicut pridie Bramus, post meridiem in Academiam descendimus.

^) 26: (A.) Interea unde ist! versus? non enim adgnosco. M. Di- a hercle; etenim rocto requiris. Videsne abundare me otio? Quid tum? M. Fuisti saepe, credo, cum Athenis esses, in scholis losophorum. A. Yero ac libenter quidem. M. Animadvertebas ;ur, etsi tum nemo erat admodum copiosus, verumtamen versus ab admisceri orationi. A. Ac multos quidem a Dionysio Stoico. Probe dicis. Sed is quasi dlctata, nullo delectu, nulla elegantia; io et proprium numerum et lecta poemata et loco adjungebat. ^ae postquam adamavi baue quasi senilem declamationem studiose ddem utor nostris poetis etc.

412 1^16 Tusculanen.

Widerspruchs mit sich selber überführt (vgl. 44 f. 28): denn auch dieser Philosoph hatte zugegeben dass der Schmerz er- tragen werden könne und infolge dessen unserer Glückselig- keit nicht hinderlich sei. Indem Cicero so sich von der epikurischen Moral abwendet, fällt er doch keineswegs einem Dogmatiker in die Arme sondern bewahrt sich seine skep- tische Unpartheilichkeit. Dass er hierbei die strengere stoi- sche Auffassung der Güter und Uebel als eitle Wortklauberei verwirft (29 f. 42), bringt ihn mit der Skepsis, wenigstens wie sie historisch innerhalb der Akademie einmal geworden war, nicht in Widerspruch da dasselbe Urtheil über den Unterschied der stoischen und peripatetischen Moral schon Kameades gefällt hatte (Theil II 643, 1). Aber auch von diesem letzteren Umstand abgesehen vergibt Cicero durch diese Bevorzugung der peripatetischen Moral seinem Skepti- cismus Nichts. Diess würde erst dann der Fall sein wenn er mit Entschiedenheit erklärt hätte dass der Schmerz ein Uebel sei. Statt dessen tadelt er an den Stoikern lücht dass sie diess leugneten denn ob sie damit Recht oder Unrecht haben, will er unentschieden lassen^) sondern

^) 42: sitne igitur malum dolere uecne, Stoici viderint qui coo- tortulis quibusdum et minutis conclusiunculis nee ad sensus perma- nantibus effici voliint non esse malum dolorem. Ego illud quicqaid Bit tantum esse quantum videatur non puto falsaque ejus visione et specie moveri homines dico vehementius doloremque omnem esse tolerabilem. Dieselbe Meinung wird auch in folgenden Worten (46) angedeutet: volo autem dicere illud homini longo Optimum esse quod ipsum sit optandum per se, a virtutc profectum vel in ipsa virtate situm, sua sponte laudabile; quod quidem citius dixerim solum quam non summum bonum. Noch zum Schluss (GG) bleibt er di- bei zwischen der stoischen und peripatetischen Ansicht die Wahl zu lassen: debeas existimare aut non esse malum dolorem aut etiam si quicquid aspcrum alienumque natura sit id appellari placeat malum, tantulum tamen esse ut a virtute ita obruatur ut nusquam appareat

Das zweite Buch. 413

dass sie überhaupt eine solche Frage aufgeworfen hätten deren Beantwortung fiir die praktische Moral ganz gleich- Siltig sei. ^) Es ist ihm überhaupt nicht so sehr um die Erforschung der Wahrheit als um die Erzielung praktischer Elesultate in der Moral zu thun^): dahin gehört es dass die S^othwendigkeit den Schmerz zu ertragen aus der Unmög- ichkeit anderenfalls die Tugend aufrechtzuhalten gefolgert ¥ird (31 f.). Was er zu zeigen versucht ist dass der Schmerz jrtragen werden müsse und wie er ertragen werden könne: las Dogmatischen bedarf er um diesen Zweck zu erreichen lur sehr wenig. Er spricht von Forderungen unserer Na- ur und erkennt dieselben an, insbesondere die welche auf iin tugend- und ehrenhaftes Verhalten dringt (46. 58): auf lie Forderungen der Natur hatte aber auch Karneades ge- lört und ihre Rechtmässigkeit nicht bezweifelt, wenn er die •Vage nach dem Naturgemässen (xara g>vaiv) erörterte. Er chliesst sich der in der akademisch -peripatetischen Schule ind bis in die stoische hinein verbreiteten Eintheilung der Jeelc in eine vernünftige und vernunftlose an (47); vergibt .ber dadurch seinem Skepticismus um so weniger weil er liese Eintheilung in der Hauptsache nur für eine im In- eresse der praktischen Moral gemachte erklärt und deshalb on jeder näheren Bestimmung der beiden Theile absieht.^)

^) Von diesem Standpunkt war es daher noch besonders nicht nconsequent, wenn er nntcr den moralischen Vorbildern auch Stoiker jiführte (GOf.). Eine andere Frage ist ob er auch diese Beispiele einer griechischen Quelle entnommen hat; was wenigstens Posidon «trifft so wird er was er über ihn erzählt wohl aus seinem Gedächt- iBS genommen haben.

*) 28: hoc ipsum (majus esse malum dedecus quam dolorem) si Bnebis, intellegcs quam sit obsistendum dolor!; nee tam quaerendum st, dolor malnmne sit, quam firmandus animus ad dolorem ferendum.

^) A. a. 0.: quamquam hoc nescio quomodo dicatur, quasi duo imus ut alter imperet alter pareat; non inscite tamen dicitur.

414 1)^6 Tusculanen.

Endlich setzt die verkehrte Meinung (opinio) die uns gegen den Schmerz zu nachgiebig macht (52) zwar ein Gegentheil voraus, dieses Gegentheil muss aber nicht eine wahre Mei- nung sein sondern ist zunächst nur eine solche die die ge- wünschte moralische Wirkung hat, d. h. die Meinung dass der Schmerz ertragen werden kann wird deshalb empfohlen weil sie zweckentsprechend ist und uns im Ertragen von Schmerzen stärkt, nicht weil sie als absolut und objektiT richtig gilt.

Aus dem Gesagten ergibt sich von selber der Schluss dass eine Schrift Philons die Quelle des zweiten Buches ist Erleichtert wird derselbe dadurch dass auf das enge Band hingewiesen wird welches den Inhalt des zweiten Buches mit dem des ersten verknüpft: denn die Verachtung des Todes die das letztere zu begründen suchte wird für eine Wirkung der nämlichen Tugend, der Tapferkeit, erklärt aus der auch die Verachtung des Schmerzes entspringt (43). Eine weitere Bestätigung dieses Resultats können wir nur von den Unte^ suchungen über die folgenden Bücher erwarten.

3. Das dritte Bach.

Wenn wir nach der Quelle dieses Buches fragen, so tritt uns abermals zunächst Poseidonios entgegen weil seine Ansprüche zuletzt einen Vertheidiger gefunden haben. ^) Aber als wenn es gegolten hätte diesem einmal in Mode gekom- menen Philosophen auch hier einen Platz zu verschaffen, ist diese Vertheidigung aufs Gewaltsamste und so zu Werke ge- gangen dass sie die Zustimmung eines unpartheiischen Rich- ters schwerlich finden wird. Eine Schrift des Poseidonios,

*) Poppelreuter Quae ratio intercedat inter Posidonii ne^ »«• S^ojv TigayfiatelaQ et Tusculanas disputationes Ciceronis. Bonn 1883.

Das dritte Bach. 415

^ man erstaunt, soll die Quelle einer Darstellung ge- sen sein, die zum guten Theil auf dem Satze ruht dass ar Kummer (aegritudo) nicht in der Natur oder den Igen sondern lediglich in einer gewissen Meinung (opinio) pündet ist, einem Satze den nach Galens Mittheilungen rysipp aufgestellt Posidon aber aufs Heftigste bekämpft te? Und man wird mit der Gegenfrage abgespeist: Warum in nicht, wenn der eine Stoiker doch unter „Meinung** etwas leres verstand als der andere? Nun wäre es aber gewiss fallend wenn Posidon erst die Lehre Chrysipps bekämpft I dann doch seine eigene abweichende Ansicht in dieselben rte gefasst hätte so dass sie äusserlich betrachtet der von I bekämpften vollkommen gleich war, doppelt auffallend m er diess in einer und derselben Schrift (pt&Ql jiad-d^v) lian hätte. Man könnte darin nur entweder eine Arroganz en die es verschmäht dem Leser das Verständniss irgend- zu erleichtern oder eine pä^lagogischc Absicht wittern seine Aufmerksamkeit auf ein äusserstes gar nicht zu laugendes Maass spannen möchte. Statt aber hiemach Allgemeinen über die erwähnte Hypothese abzuurtheilen fen wir sie lieber etwas näher. Posidon soll sich ihr )lge hinter Cicero verstecken: die Auffassung vom Wesen Kummers (aegritudo Xvjctj 61) die wir bei diesem fin- wird daher dieselbe sein die schon der Stoiker vertreten te, da sie durch die ganze Darstellung festgehalten wird.') ) Elemente dieser Auffassung finden wir am vollständig- I in folgender Definition zusammengefasst (25): aegritudo opinio magni mali praoscntis et quidem recens opinio 3 mali ut in eo rectum videatur esse angi; id autcm est s qui doleat oportere opinetur se dolere. Wie nun Chry-

») 2. 23 ff. 26. 61. 62. 64. 65. 28, 66. 68. 70. 28, 71. 72. 30, 73 ja). 31, 74. 75. 80. 82.

416 Die TuscalaDen.

sipp den Kummer definirt hatte, sagt uns Galen de placii Hipp, et Plat p. 416 K, nämlich als rfoga jtgoögxxtoq tov xaxov jcaQstvai, Gegen diese Definition hatte aber Posidon wie uns derselbe Gewährsmann sagt polemisirt Sollte er nichtsdestoweniger der Urheber der aus Cicero angeführten Definition sein, so müsste man auf den zweiten Theil der- selben „talis mali ut in eo" etc. besonderes Gewicht legen und hierin einen für Posidons Ansicht charakteristischen Zu- satz erblicken; denn dieser Zusatz fehle in der von Galen mitgetheilten Definition Chrysipps. Bestätigt könnte man sich in dieser Vormuthung dadurch finden dass Cicero an einer anderen Stelle (61) auf Chrysipp zunächst nur die De- finition des Kummers als „opinio et Judicium magni prae- sentis atque urgentis mali" zurückzuführen und was er so- dann (62) hinzufügt „sed ad hanc opinionem magni mali cum illa etiara opinio accessit oportere, rectum esse, ad offi- cium pertinere ferro illud aegro quod accidcrit" aus einer anderen Quelle zu schöpfen scheint. Dass indessen diese beiden Argumente trügerischer Schein sind und jener Zusatz schon von Chrysipp gemacht war, lehrt deutlich folgende Bemerkung Ciceros (76): Chrj'sippus caput esse censet in consolando detrahere illam opinionem maerenti si se officio fungi putet justo atque debito. Ciceros Definition des Kum- mers stimmt also mit derjenigen Chrysipps nicht bloss darin überein dass sie beide ihn als eine blosse Meinung bezeich- nen sondern auch darin dass sie den Inhalt dieser Meinung in derselben Weise bestimmen. Daran also dass jene Defi- nition von Posidon herrühre oder dessen Auffassung wieder- gebe, kann hiernach nicht mehr gedacht werden. Selbst die Ausflucht ist jetzt abgeschnitten, dass Posidon zwar nicht das Wesen des Kummers in ein Meinen gesetzt, ihn aber für die Wirkung oder Folge eines solchen erklärt habe: denn die ciceronischen Worte setzen eben die Identität bei-

Das dritte Buch. 417

der voraus. Und überdies ist zu dieser Ausflucht zu greifen schon darum nicht erlaubt weil ja Posidou mit der chry- sippischen zugleich auch die Ansicht Zenons verworfen hatte deren Eigenthümlichkoit im Gegensatz zu jener eben darin bestand dass sie die Leidenschaften nicht mit gewissen Mei- nungen für identisch sondern nur als die Folgen derselben ansah. ^) Posidon hielt nicht die Leidenschaften für eine Folge gewisser Meinungen sondern umgekehrt diese für eine Wirkung jener.*) Aus diesem stoischen Gioinddogma, das

*) Galen de plac. Ilipp. et Plat. p. 429 K: XQvamnoq fiev

Ziqvoiv 6h ov xaq xQlaetg avräg dXXa rag iTCiyivofxtvag cevrceig

avatoXag xal Sia^yaeig inagoeig re xal nzwasig rrjg tpv/^i^S iv6fAtt,6v üvai xa TidS'tf.

^ Diess ergibt sich aus Galen a. a. 0. p. 463 E: ö noaeiSm-

vtog Setxvvvai netQärai naaeüv rwv xpsvSiov vTtoktjtf'Swv rag

aixlaq tv fikv xw S'eafQtjxtxoi öta xrjg nad-tfxixijg blxrjg ylvea&at, n^ioriysIaB'ai 6h ccvxf^g xäg yfsvSetg So^ag daS^evfjaavxog neQl xt^v xgl- atv xov Xoytaxtxov' yerväad-ai yccQ xw ^woj x^v oQfAtjv ivloxe fjihv inl xy xov koytaxixov xQt'ost, noXkdxig 6b inl xy xivtjoei xov naB^i- xtxov. Hier wird zuerst behauptet dass alle falschen Meinungen durch den Einfluss der niederen Seelenkräfte auf das Urtheilsver- mögen entstehen, danach aber auch den Meinungen ein Einfluss auf die niederen Seelenkräfte eingeräumt. Beides steht mit einander nicht in Widerspruch sodass wir deswegen nöthig hätten zwischen (fofa und vnoktixpig einen feineren technischen Unterschied anzuneh- men — eine Annahme die sich überdiess mit Posidons Bestreben sich von einer engen Terminologie möglichst frei zu machen (s. Theil II S. 382 ff.) schwer vereinigen lässt und durch den sonst bei Galen a. a. 0. (S. 394, 9. 15. ed. Müller. 395, 2. 398, 10. Vgl. auch 435, 11. 403, 2) eingehaltenen Sprachgebrauch geradezu widerlegt wird. Der Sinn ist vielmehr dass das urtheilende Vermögen im Menschen, die Vernunft, zwar durch die niederen Seelenkräftc zu falschen Mei- nungen verführt und somit verderbt wlrd^ dass es aber auch in die- ser Verderbniss und mit diesen falschen Meinungen nicht ganz auf- hört sein ursprüngliches Herrscherrecht an den niederen Seelenkräf- ten auszuüben: denn, wie ausdrücklich hervorgehoben wird, bisweilen entsteht das Streben {joQfxi]) dos Menschen infolge eines Beschlusses

Uirsol, Untersucbuogon. III. 27

418 1^16 TnsculaDen.

die Leidenschaften sei es für wesensgleich mit gewissen Mei- nungen sei es für eine Folge derselben erklärte und somit auf jeden Fall in der engsten Weise von ihnen abhängig machte, ergaben sich nun weitere Consequenzen die die Schule nicht verfehlt hat zu ziehen. Ist die Natur der Lei- denschaften nämlich die angegebene, so folgt dass dieselben nicht dem Menschen angeboren sein und dem Keime nach von Anfang in ihm liegen können sondern in derselben Weise wie andere Meinungen in ihm entstanden d. h. entweder von anderen Menschen fertig auf ihn übertragen oder aus selbst- ständiger Betrachtung der Dinge geschöpft sein, unter allen Umständen also von aussen stammen müssen. Diese beiden wurden in der That als die Quellen aller Sittenverderbniss von den Stoikern bezeichnet, ^) und dass den Keim des Bösen

des artheilenden Vermögens. Offenbar hat hierbei Posidon verderbte Menschen im Auge, deren Leben zwar im Ganzen seine Moti?e aas den niederen Seelenkräften schöpft, die aber nichtsdestoweniger in Einzelnen oft eine grosse Selbstbeherrschung zeigen; Menschen die zwar die Hauptziele ihres Handelns unter dem Einfluss der niederen Seelenkräfte wählen, beim Streben dieselben zu erreichen aber sich lediglich an das Urtheilsvermögen und seine Entscheidungen binden und nach Maassgabe derselben die sinnlichen Neigungen und Leiden- schaften oftmals unterdrücken. Dass diess der wahre Sinn der Worte Galens ist, kann auch so nicht verkannt werden; noch deutlicher würde derselbe freilich hervortreten wenn vor dem da&evijüavto; TifQl rtjv xqIöiv ein xal stünde. Diese Erklärung reinigt nicht bloss die Ueberlieferung über Posidon von einem scheinbaren Widersprach sondern macht auch die fraglichen Worte zu einem klaren Zeagniss dafür dass der genannte Stoiker die öo^a für eine Aeusserung aos- schliesslich der höchsten Seelenkraft und nicht wie man behauptet hat (vgl. S. 408 ff.) auch der niederen Vermögen hi«lt Hiermit er- ledigen sich die Bedenken die ich selber früher (Theil l\ S. 591, 1) gegen die Ueberlieferung der Galenschen Worte geäussert habe.

*) Diogenes L. VH 89 theilt als stoische Ansicht mit: diaoi^- (fhoB^ai 61 xo koyixov t^ioov nozh fAev 6ta rag raiv ^^wS-fv Ti^yfia- Tfiojv TTi^avoTfjtag noze Sh öia Zfjv xaztjXfiGtv rctiv avvovtwv i:ffi

Das dritte Bncb. 419

der Mensch nicht von der Natur sondern erst von seiner Umgebung empfangen hat, diesen Gedanken spricht auch Cicero zu Anfang des uns hier interessirenden Buches sehr nachdrücklich aus. ^) Man muss sich recht klar machen Worin die Uebereinstimmung Ciceros mit den Stoikern be- ruht Wäre sie nämlich auf die Meinung beschränkt dass die Umgebungen eines Menschen der Sittlichkeit desselben schaden können, so würde sie für uns bedeutungslos sein da diess eine offenbare Wahrheit ist die keinem Philosophen entgehen konnte und über die daher die verschiedensten einig sein mussten. Nun erstreckt sich aber jene Ueberein- stimmung weiter darauf dass die Ursachen der Sittenvcrderb- niss nicht bloss bisweilen oder meistens sondern immer und ausschliesslich ausser uns, niemals aber in der inneren ur- sprünglichen Natur des Menschen liegen sollen. Erst so wird sie für die Erkenntniss eines eigen thümlichen philosophischen Standpunktes brauchbar: denn dass die Verderbniss dem Menschen bloss von aussen komme wollten durchaus nicht alle Philosophen und wollte insbesondere Posidon nicht zu- geben, der deshalb ebenso wie über das Grunddogma von der Natur aller Leidenschaft so auch über diesen daraus herfliessenden Satz gegen Chrysipp gestritten hatte. ^) So- mit hätten wir eine neue Spur gefunden die indem sie uns

y/ ifvaig ntfo^fiag Sldwoiv (cSiaazQotf'ov^. Vgl. dazu Stobaios ccl. II 212. Dasselbe lernen wir als Ansicht Chrysipps kennen durch Galen 402 K.

^) Vgl. bes. 2: Sunt enim ingeniis nostris semina innata virtu- tum, quao si adolcscero liccret ipsa nos ad beatam vitam natura perduccret. Nunc autem simul atque editi in luccm et suscepti su- mas, in omni continuo pravitate et in summa opinionum perversitate Tersamur; ut paenc cum lacte nutricis errorem suxisHO videamur. Cum vero parentibus redditi dein magistris traditi sumus, tum ita Tariis imbuimur crroribus ut vanitati veritas et opinioni confirmatae natura ipsa cedat.

^) Bei Galen 462 K wird zunächst als Lehre Chrysipps Toran-

27*

420 I>ie TuBculaneD.

auf Ciceros griechischen Gewährsmann leiten kann uns gleich- zeitig von Posidon abfiihii;. Die Natur des Kununers zu bestimmen hatte Cicero nur deshalb für wichtig gehalten weil er hierin den einzigen Weg sah die Mittel seiner Hei- lung zu finden (23). Es ist daher begreiflich dass beide einander entsprechen und dass wie der Kummer sein Wesen in einer gewissen Meinung hat auch die Beseitigung dieser letzteren den besten Trost bildet. Kummer ist die Meinung dass uns ein grosses Uebel betroffen hat und dass es iu der Ordnung ist über dasselbe Schmerz zu empfinden (25), er besteht also eigentlich aus zwei Meinungen; die dagegen vor- geschlagenen Mittel, von denen die beiden zuerst zu nennen- den sich vorzüglich gegen die erste das dritte gegen die

gestellt „SiTTtiv flvai rijg 6iaaxQ0ip(jq t?)v alzlav, httQuv /uihv ix xax- ?jX^'joeü)>; xwv 7io)J.d*v dvS-Qionwv iyyivofjiivijv, Ixtgav 6h tf aviit; idjv TtQccy/xdTCDv TTJg ipvofüx;^'' und darauf dieser Satz folgender- maassen widerlegt: iym 6h vtiIq hxartQaq avrwv dnoQw xal ngwui; ys riji; ix twv niXag yivo/nivijq. xal yccQ 6ia xl d-eaadftsvd le xm dxovauvxa na(jd6eiyfia xaxlag ovxl fnosl xovxo xal (pevysi xi5 iiifii- fjuav olxelwaiv t^ftv TiQoq aiixo, d^avfid^eiv iTii^^exal fxoi xal no).v ötj fiä),),ov, inn6av fxT]xe d-eaad/ieva fJtTJxe dxovaavxa TiQog avi&v Xiuv TiQayixdxmv i^anaxtiS-y. xlq yaQ dvdyxt^ xovg nal6aq vnb filv xT^q yäovfjq wq dyaS^ov 6eXsd^ea^ai firj6e/jUav oixeifooiv sxovzaq n^ avxf}v, d7ioax()i<fiea&ai 6s xal (pevysiv xbv novov tintQ ft^ xal ?[Qbq xovxov i]lXoTQliovxai (pvoei; An einer anderen Stelle (p. 412 K) wird über Chrysipps Meinung dass die Leidenschaften dem Menschen durch eine fremde äussere Gewalt aufgenöthigt werden und nicht schon ursprünglich in ihm angelegt sind Folgendes bemerkt: b^oloyil {6 XQvomnoq) ßiav xivd xt)v xivovaav slvai iv näot xoTg ifina^iatv üQfxdq dQ^oxaxa yivwaxwv, nltiv oxi xr^v ßiav ^^w^ev avxiov ^<pti0(f fiyai, 6kov ovx t^wS-ev «A>.a iv xoTq dv&QWTiotq vTcaQx^^^ (inetv. or yccQ 6i^ avxo liyofJLSv avxovq kavxwv t^w xad'soxijxivat xal fiti iv havxotq tivai 6i6xi xb ftta^ofzsvov avxovq oQfxav xaxä xb nd&oq l|»- ^iv iaxiv d).Xa ilxi naQa <pvaiv tyovoiv, et ye xb Xoyixbv x^q ipvxij;, o) XQaxtlv xal «(>;ffii' xviv d),),u)V r}v xatd (pvatv, ov XQfntl viv akka xor/TfiT(ci xal a(j/fT«£ TiQoq xmv dXoywv xf^q y^vx^q övvufiewv.

Das dritte Buch. 421

sweite zu richten scheint, sind theils der Hinweis auf das gemeine Menschenschicksal (58 f.) theils die im Laufe der Seit sich mehr und mehr befestigende Ueberzeugung dass n Wahrheit kein Uebel ist was uns unter dem frischen ilindrucke als solches erschien (54. 74) theils endlich die Jlmählig uns aufgehende Einsicht dass all unser Härmen ind Klagen doch zu nichts führt (66 f.). Das ganze Heil- erfahren oder der Trost im Kummer besteht also nach Scero darin dass eine unter dem ersten überwältigenden Eindruck gefasste falsche Meinung durch die richtige ersetzt rerdo. Obgleich nun die Wahl der Trostmittel nur eine lonsequcnz aus der Ansicht über das Wesen des Kummers jt und obgleich diese Ansicht auch Chrysipp theilte, so hat erselbe doch jene Consequenz nicht gezogen da er in Wor- 3n die uns Galen aufbewahrt hat die Frage ob die Lin- erung des Kummers mit einem Wechsel der Meinung zu- ammenhänge verneinend beantwortet. ^) Beiläufig ergibt sich ioraus dass nicht wie man noch neuerdings vermuthet hat*) ine Schrift Chrysipps die Quelle Ciceros gewesen sein kann. Jm so mehr drängt sich infolge dessen noch einmal Posidon lervor, wobei ich ausser Acht lassen will dass er durch das orher über Ciceros Auffassung der Leidenschaften bemerkte

*) Galen a. a. 0. 419 K: on dh ^v tm xQ^^^P fJLa),atxtrat :d^, xav al 66^ai fikvwai xov xaxov xi avtoTg yByovtvai, xal b ^QvaiTcnoq iv reo öevreQua neQl nai^üiv fiaQTVQeZ ygonfivov (bSs' „^V" ijaai Sh äv tig xal tifqI rijg dytaeojg trjg IvTirjg Ttwg ylvezai, note- ov SogTjg Tivbc (iezixxtvovfJLkvt}q i} naaon* ötccfiFvovawv, xal 6ia xi ovxo taxai." elxa innpbQtov (prjai ,jSoxsT öt fioi rj filv xoiavxr} öoqa MfJLbvetv öxi xaxov avzo o öri nagfoxtv, ^y/jtovit^Ofi^vrjg <^h avlead-at 0vaxo}j} xal wg olfiai ?} ^nl tj]v ovoToXrjv oQfJLi]. xvyor rff xal (xvxfjg Sia^evovarig ovy^ vTiaxovaexai k^r^g öicc noiav ä?,?.rjv Imyi- ofiivriv öidO-saiv davXXoytoxov xovxwv yivo^lvotv xxL^^

^) Zietzschmann de Tuscul. disp. fönt. S. 2. Heine Einl. zu s. .asg. der Tuscul. S. XXI.

422 Die Tusculanen.

eigentlich schou ausgeschlossen ist. Und allerdings hat mau geglaubt unzweideutige Zeugnisse in den Händen zu haben dass dieser Stoiker füi* die Linderung des Kummers dieselben Mittel vorschlug wie Cicero, und zwar sollen diess die Macht der Zeit und der Gewöhnung gewesen sein. ^) Dass nun diese beiden von Posidon und Cicero übereinstimmend als Linde- rungsmittel anerkannt wurden will ich und kann ich nicht leugnen, bestreiten muss ich nur das Recht aus dieser Uebereinstimmung auf Posidon als Ciceros Gewährsmann zu schliessen. Denn in dem einen wie in dem anderen Falle betrifft dieselbe eine noch von mehreren getheilte Ueber- zeugung. Namentlich die Zeit wird so allgemein als ein Linderungsmittel im Kummer betrachtet dass Cicero über den vereinzelten Widerspruch der Epikureer (32. 35) hin- weggehen und jenen Satz als eine feststehende Thatsache behandeln kann *), über die Stoiker und Peripatetiker (73 f.) und unter den Stoikern Chrysipp und Posidon einig waren. ^) Erst bei der Frage, wie man sich nun die geheimnissvolle Macht der Zeit zu erklären habe, gingen die Ansichten aus- einander. Nicht anders steht es mit der Gewöhnung. Denn auch diess ist noch ein sehr unbestimmter Begriff, der zu- nächst nur so viel besagt dass jedes längere Zusammensein mit etwas uns für das Widrige an demselben weniger em- pfindlich macht und daher immer noch die Frage offen lässt welche besonderen Momente es im Einzelnen sind die diese Minderung der Empfindlichkeit herbeiführen. Beispielsweise setzt Cicero den Werth der Gewöhnung in die durch sie uns aufgehende Erkenntniss dass etwas was Anfangs ein Uebel schien in Wahrheit keines ist;*) nach seiner Auffassung

M Poppelreutcr a. a. 0. S. 26 f.

^) 74: cum constet acgritudinem vetustatc toUi.

^) Vgl. über Chrysipp die S. 421, 1 angeführten Worte Galeüs.

^) 54: sensim enim et pedetentim progrediens exteuuatur dolor;

Das dritte Bach. 423

jt also die Gewöhnung eine Art von Belehrung während 'osidon indem er mehr ihren Einfluss auf die niederen eolenkräfto ins Auge fasst sie der Belehrung gerade ent- egensetzt. ^) Alles kommt also darauf an in welcher Weise äher betrachtet Posidon sich die Wirkung der Zeit und er Gewohnheit vorgestellt hat und ob er auch hierin mit icero zusammentrifft was zum Theil schon durch die zu- itzt ei-wähnte Differenz verneint wird. Genauer sagt uns alen dass nach Posidons Ansicht die im Laufe der Zeit ntretende Linderung des Kummers auf einem doppelten r^o vor sich geht, nämlich theils durch eine Art von Sät- gung theils durch eine Ermattung des leidenschaftlichen ermögens der Seele.*) Hier ist nun zunächst bemerkens- erth dass gerade das was Cicero für die Linderung des ummers besondere wichtig findet bei Posidon mit keiner übe erwähnt wird: es ist diess der beständige Gedanke iran dass das Uebel das uns betroffen zu haben scheint in Wahrheit diesen Namen nicht verdient*) Diess für Zufall

»n quo ipsa res immatari soleat aut possit sed id quod ratio de- lerat usus docet mioora esse ea quae sint visa majora.

^) Galen 467 K; ^v ycc(j raig d?,6yoig rijq y'v//j(; dvva^eaiv im- lifiag ovx ^yyhead'ai xa^antQ ovöh iv xoTq mnotg, dXkä rovzoig •v r?/v oixsiav aQerrjv i^ iS-iOfiov xivoq dXoyov naQtxylvtad-ai xolq rivioyoiq ix öiöaaxaUaq Xoyixijq.

*) Galen 475 K: ro xolvvv naOt^ixbv xtjg tpvx^jg iv xw XQOVif/ vzo /ihv ifjtnlnXaxai xwv oixelwv inid^viiiiwv xovxo de xdfivsL xalg }kvxQovloig xivriotatv aiaxe öi^ d(npo) xaO^riavydaavxog avxov xal T(>/a xivovfiivov XQUxtlv 6 ),oyiofxog t^jöij övvaxai, waneQ xal d nov xivog ixipoQOv xov inißdxrjv k^tveyxovxog ßialtog eixa xdfivov- g xt cl/Lia X(j} ÖQOfiM xal TiQookxi xal ifjinXrjafhbvxog wv intO^vfJitiaev ^d-ig 6 rivlo^og iyxQaxtjg xaxaaxalrf. (paivexat yaQ xovxo 7io),).dxig vofievov xal ol ye naidevovxeg xd via xätv t^iomv iniXQtipavxeg av- Tg xdfivfiv xe afxa xal ifinXria^rjvai xaxd xdg ixipoQovg xivrjatig ^xegov inixiS-evxai.

^) 74: Sed nimirum hoc maximum est experimentum , cum con-

424 Die TuBCulaDen.

zu halten sind wir um so weniger berechtigt als das von Cicero empfohlene Heilmittel in einer MeinungsändeniDg be- steht^) Posidon aber gerade es als eine Thatsache betrachtet dass eine Linderung des Kummers auch bei unveränderter Meinung stattfinden kann.*) Ebenso wie bei Poseidonios

stet aegritudinem vetustate toUi, hanc vim Don esse in die positam sed in cogitatione diuturna. Kam si et eadem res est et idem est homo: qiii potest quicquam de dolore miitari si neque de eo propter quod dolet quicquam est mutatum neque de eo qui dolet? Cogitatio igitur diuturna nihil esse in re mali dolori medetur, non ipsa dintur- nitas. Freilich meint Poppclreuter a. a. 0. S. 28 dass derselbe Ge- danke auch in folgenden Worten Posidons, die er deshalb als paral- lele neben die ciceronischen stellt, enthalten sei (Galen 399 K): Svolv re trjv avTTjv dad^eveiav ^yovxwv xccl tfjv ofiolav Xaf4ßav6vt<ov (pavtaalav dya&ov // xaxov b fihv iv Ttdd-Fi yivezai b 6^ <ro xal b fikv tjTZov b Se fiäU.ov xcd iviots b do&svbOveQog jHfit,ov vnoXaft- ßdvcjv tb TtQoansTiTwxbg ov xivflxai xal b avrbg inl zoig avrou oii fjLBv fcV nd^fi ylvexai touv bzh de ov xal bzh fihv fxä),),ov 6f ^Tzov. OL yovv djjO^ttg fiüllov nday,ovaiv iv (poßoig Iv Iviiaiz hv iniy^vfjdatq ^v tiüovaXq xal ol xaxwzsQOt ovvaQTidt^orzai zayjatg vno zmv TtaS^wv. Aber das üebereinstimmende zwischen beiden be- schränkt sich auch hier darauf dass beide die Macht der Gewohnheit anerkennen. Ausserdem aber besteht zwischen beiden der bedeutende Unterschied, dass während Posidon die Macht der Gewohnheit von der hinzukommenden Vorstellung eines Gutes oder Ucbels {(pavtaaia dya^ov t} xaxov) unabhängig macht Cicero umgekehrt was man ge- wöhnlich bloss für die Wirkung der Zeit hält für die Folge einer gewissen Vorstellung erklärt.

*) Der anfänglichen Meinung vom Dasein eines Uebels, welche die Schmerzempfindung hervorrief, soll die andere welche diess leug- net gegenübergestellt und durch anhaltendes Denken befestigt wer- den. Der Heilungsprocess ist also ein siegreicher Kampf der besse- ren gegen die verkehrte Meinung.

*) Galen 426 K: al 6b Xoytxal yvioaeiq zs xal xglasiq xal oAo; iTciorijjbiai näaai xal zlyyai 6id zbv yQovov avzbv /iiovov tpiXbv orrf övakvToi (falvovzai ylvsoS-ai xaS^dneQ ol xaza ndO-og iS^ta/nol ovu fiezazld^foS-al ze xal Tiavea&ai xa^ansQ y) Ivnri xal d^Jia ndS-rj. rlg yccQ zov xd ölq ovo ztaaaQa elvai 6id zbv %qovov Ipinhrio^elz a.if'tjrj?

Das dritte Buch. 425

twas fehlt was wir bei Cicero finden, so bat nun aber auch BS Umgekehrte statt dass die beiden von Posidon bezeich- eten Ursachen der Linderung des Kummers von Cicero nicht rwähnt worden. Was die zuerst genannte, die Sättigung ör Begierden, betrifft, so wird Niemand in Frage stellen iss von derselben in den Tusculanen nicht die Rede ist. agegen könnten in betreff der zweiten, d. i. der EJrmüdung, ch Zweifel erheben, da derselben einmal wenigstens auch icero gedenkt.^) Aber schon dass diess nur einmal ge- bieht muss uns stutzig machen und daran erinnern dass if den Gebrauch eines und desselben Wortes nicht zu viel baut werden darf sondern auch dessen Bedeutung zu be- cksichtigen ist wie sie durch den Zusammenhang näher stimmt wird. Posidon versteht unter Ermüdung (xdfii^eiv) s auf die zu lange Anspannung der niederen Seelenver- ägen folgende Nachlassen von deren Thätigkeit. Einen nterschied von Cicero macht diess schon darum weil dor- Ibe die Ermüdung sich als einen Zustand des ganzen Mcn- hcn und nicht bloss einzelner Seelcnvermögcn denkt. So- .nn aber wenn wir das bei Cicero Vorausgehende betrach- n, erscheint die Ermüdung als die Ursache der Geduld it der manche Menschen ihr Unglück tragen, die Geduld •er soll als Beweis dafür dienen (idque indicatur eorum tientia) dass der Kummer lediglich im freien Willen und mken des Menschen seinen Ursprung hat: so dass also die müdung eine Art von Meinung sein müsste, und zwar

l fiexedo^aofv; ^ rlg zov naoa^ Xaaq sivai ra^' ^x rov xtvxQov xov kXov; xaO'^ txaazov re rwv uD.mv S'SWQtjfjifxTcjv ovSsl^ hoxiv oaxtg nXtiaO^flg dnb^exo t/}v naXatav öo^av äanfQ dnoxiS^fxai xb xlmeiv xal kvTifiaO'ai xal oxkvsiv olfioj^ftv xe xal O-Qr^vetv öaa xe u),).a crvxa, xav ai tieqI xiov yfyevi}fdvwv wq xaxcov o/noiat dtafitvwoiv

^) 67: defetigatio igitur miscriarum aegritndincs cum faciat le- res etc.

426 I^iß Tusculanen.

könute es nach dem ZusammeiikMDg nur die Erkenntniss sein dass aller Kummer doch vergebUch ist. ^) An Stelle der angeblichen Uebereiustimmung zwischen Cicero und Po- sidon ist daher vielmehr ein Gegensatz anzuerkennen, der es weiter auch erklärt dass die Ermüdung, deren Bedeutung für die Linderung des Kummers von beiden zugegeben wird, doch bei beiden ganz verschiedenen Absichten dient, bei Posidon zur Widerlegung der Annahme dass das Wesen des Kummers in einer gewissen Meinung bestehe, bei Cicero zur Bestätigung derselben. Nur eine Stütze scheint noch zu stehen durch welche die Vermuthung dass Posidon von Ci- cero benutzt worden ist gehalten werden könnte, und diese besteht in der Art wie beide die iunere Vorbereitung auf ein künftiges oder mögliches Uebel, das Sich darauf gefasst machen für ein wesentliches Mittel zur Linderung des Kum- mers erklären und darin dass sie diess theilweise mit Be- rufung auf dieselben Beispiele und Dichterworte thun (Galen 418 K und Cicero 29). Halten wir uns zunächst an diesen

^) Zur Controle setze ich die gauze ciceronische Stelle (66 f) her: Quid est autem quod plus valeat ad ponendum dolorem, qouD cum est intellectum nihil profici et frustra esse suseeptum? Si igitor deponi potest, ctiam neu suscipi potest. Yoluntate igitur et judicio suscipi acgritudioem conti tendum est. Idque indicatur eorum patien- tia qui, cum multa sint saepe perpessi, facilius ferunt quicquid ac- cidit obduniisseque jam sese contra fortunam arbitrantur ut ille apod Euripidem :

Si mihi nunc tristis primum illuxisset dies Nee tam acrumnoso navigavissem salo, Esset dolendi caussa, ut iujecto equulei Freno repentc tactu exagitantur novo; Sed jam subactus miseriis obtorpui.

Defetigatio igitur miseriarum aegritudines cum faciat leniores, in* tellegi necesse est non rem ipsam caussam atque fontem esse mae- roris.

Das dritte Bach. 427

tereu Umstand, so ist klar dass er für sich allein nichts eisen kann, da derartige Citato aus der Geschichte oder Dichtungen zum Inventar eines rhetorischen oder philo- lischen Themas gehörten und deshalb auch in solchen landlungen desselben die von einander unabhängig waren shmässig wiederkehren konnten: wenn daher Cicero und don beide auf Anaxagoras hingewiesen und ausserdem .6 in Versen des Euripides eine Anspielung auf ihn ge- len hatten, so folgt daraus noch keineswegs dass der j vom Andern d. h. in diesem Falle Cicero von Posidon sschrieben hatte, da dieselben Citate auch Chrysipp und 1 viele Andere für ihre Zwecke benutzt haben können.

einigen dieser öfter wiederkehrenden Dichterstellen ist gewiss nicht zu viel behauptet, wenn mau sagt dass es igelte Worte waren und dass sie daher zwar die Ab- ;igkeit des Einzelnen von seiner Zeit und der ihr eige- Literaturkenntniss, aber nicht die Abhängigkeit von einem einen Literaturwerk beweisen. Indess eine bestätigende El kommt der Wiederkehr solcher Citate allerdings zu, dd sich in anderer Beziehung eine Uebereinstimmung ier Schriftsteller nachweisen lässt. Diess scheint nun

der Fall zu sein, da Posidon sowohl als Cicero sich r Citate bedienen um den Nutzen zu beweisen den es gt sich auf ein künftiges Uebel gefasst zu halten und e auf diese besondere Erörterung geführt werden durch allgemeine über die Linderung des Kummers überhaupt, will nun davon für jetzt absehen dass man die Stelle ms, aus welcher sich eine solche Uebereinstimmung Pe- ns mit Cicero ergeben würde, mit triftigen Gründen viel- r auf Chrysipp bezogen hat^) und die jüngst wieder Tnommene Verthcidigung des überlieferten Textes gelten

*) So Valckenaer und Bake, s. Poppelreuter a. a. 0. S. 30.

428 I^iö Tusculanen.

lassen, so ist doch auch dann die Uebereinstimmung nicht so rein als man geglaubt hat sondern wird durch eine er- hebliche Differenz getrübt. Der Zusammenhang der Ge- danken ist nämlich in diesem Falle bei Galen folgender: Posidon, wird gesagt, richtet an Chrysipp die Frage was denn die Ursache sei dass der Kummer nicht bloss über- haupt die Meinung vom Dasein eines üebels sondern ins- besondere die noch frische Meinung (jtQoögyctrog rfog«) sei, und da Chiysipp ihm hierauf die Antwort schuldig bleibt beantwortet er selber die Frage dahin dass eben alles Un- geheure ^) und Fremdartige das uns plötzlich (dd^Qocog) be- trifft uns aus der Fassung bringe und in Leidenschaft ver- setze während hingegen das worauf wir vorbereitet und woran wir gewöhnt sind uns ruhig lasse. ^) Dass es nun nicht richtig ist so wie Posidon in dieser Antwort thun würde die frische Meinung oder überhaupt jeden frischen Eindruck unter die plötzlichen neuen zu subsumiren während doch offenbar auch

^) hfitTQTjTov steht im Griechischen. Vielleicht bezeichnet die- ses aber nicht das sehr Grosse sondern dasjenige dessen Grösse sich nicht gleich übersehen oder messen lässt. So zählt Cicero 52 zu deo Gründen, weshalb alles Plötzliche auf uns einen stärkeren Eindnick macht, auch den „quod quanta slnt quac accidunt considerandi spa- tium non datur'^

*) Galen 417 K: iQwra (sc. o UoafiSütvioq) rr^v alrlav 6ut ^r ovx y tijg zov xaxov naQovalaq öo^a ttjv Xvnrjv dXX^ »/ TiQoaipato; i()ycc}^etat fiovi}. xal (ptjoi Aiori mcv to dfittQtjtov xal ^tvov d^Qo&; nQoomnxov ^xnhJTtei re xal tö)v TtccXaiwv ^^iartjot XQiatwv, dcxf}- S-lv öh xal avvsd-iod^sv xal xQOvloav // ov6t olwg i^iarrjaiv c^c ^crrc Tidi^oc xivetv tj tnl fxtxQov xofiiöy' öto xal nQoevSri^eTi' öeiv (fri(fi Tolg jiQayfiaai fifJTtof re naQovaiv oiov naQOvoi /()//<Jt>nr£. Die Worte xal (prjai vor öiori als die Bezeichnung der Antwort zu fassen welche sodann in den folgenden Worten enthalten sein würde gibt insbesondere eine andere Stelle Galens das Recht (42510 wo wir lesen: Ttjv alrlav iQwTa xdvxavd-a o llooetömnoq Si* //V tioUjoI y^ ßov?Mfxevoi xxX. ylvead-ai de fprjoi dtä rag naS-f^Tixag xivrjafig.

Das dritte Buch. 429

ein lauge erwarteter Eindruck nachdem er wirklich einge- treten ist eine Zeit hiudurch ein frischer bleibt, will ich nicht weiter betonen da man erwidern könnte Posidou habe hierdurch andeuten wollen dass ein frischer Eindruck nur dann den Kummer oder überhaupt die Leidenschaft errege wenn er zugleich ein plötzlicher sei: in welchem Falle aller- dings Galens Ausdrucksweise von dem Vorwurf grosser Dun- kelheit nicht befreit werden könnte. Aber mag nun Posidon den plötzlichen Eindruck mit dem frischen verwechselt oder auch nur behufs ihrer Wirkung die Verbindung beider zur Bedingung gemacht haben, so befindet er sich weder in dem einen noch in dem anderen Falle mit Cicero in Einklang. Die Ansicht welche Posidon bei Galen verfechten soll ist nämlich keine andere als die welche bei Cicero die Cyre- naiker vertreten denen zufolge nicht aus jedem Uebel son- dern nur aus dem überraschend und wider Erwarten ein- tretenden der Kummer entspringt, und so kehren deim auch gerade in diesem Zusammenhange bei Cicero das Beispiel des Anaxagoras und dieselben Verse des Euripides wieder (28 f.); diese Ansicht wird aber von Cicero bekämpft so dass er in dem Ueberraschenden des Eindmcks zwar ein Moment erblickt welches den Kummer erhöht aber nicht eines das ihn eigentlich hervorbringt welches letztere dagegen von der Frische des Eindruöks gilt. ^) Immer noch unter der Voraus-

^) Schon 28 hatte er mit Bezug auf das „inspcratum et neco- pinatam malum" den Kyrenaikern eingeräumt: ,,est id quidem non mediocre ad aegritudinem augcndam; videntur enim omuia repentina graviora*S Aehnlich 30. Deutlicher und ausführlicher polemisirt er gegen sie 52: Cyrcnaicorum restat sententia qui tum aegritudinem censent exsistcre, si necopinato quid evenerit. Est id quidem ma- gnom ut supra dixi; etiam Chrysippo ita videri scio, quod provisum ante non sit id ferire vehementius; sed non sunt in hoc omnia. Quamquam hostium repcus advcntus magis aliquanto conturbat quam exspcctatns et maris subita tompostas quam ante provisa terrot na-

430 Die Tusculanen.

Setzung dass Posidons Ansicht in den fraglichen Worten Galens vorliegt so ist es nicht dieser mit dem Cicero überein- stimmt sondern Chrysippos indem der letztere ebenfalls zu den wesentlichen Erfordernissen des Eindrucks der uns Kummer bereiten soll die Frische rechnet, der Plötzlichkeit dagegen

vigantes vehementius et ejusmodi sunt pleraque. Scd cum diligenter necopinatorum naturam consideres, nihil aliud reperias nisi onnia vidcri subita majora et quidem ob duas caussas: primum qnod qnanta sint quae accidunt considcrandi spatium non datur, deinde, cum vi- detur praecaveri potuisse si provisum esset, quasi culpa contractiim malum aegritudinem acriorem facit. Diese letzten Worte in denen in doppelter Weise zu erklären versucht wird weshalb alles UnTer- muthete uns härter trifft müssen uns noch besonders abhalten in Poseidonios den Urheber der ciceronischen Argumentation zu er- blicken, da es gewiss nicht im Sinne dieses Philosophen ist so wie hier geschieht das Plötzliche des Eindrucks auch bloss als ein den Kummer steigerndes Moment nur insofern gelten zu lassen als ge- wisse Meinungen sich damit verknüpfen und auf diese Weise seinem Gegner Chrysippos in die Hände zu arbeiten. Ausserdem fasst Ci- cero den Unterschied seiner von der kyrenaischen Ansicht (55) aoch in folgenden Worten zusammen: Ergo ista necopinata non habent tantam vim ut aegritudo ex eis omnis oriatur; feriunt enim fortasse gravius; non id efficiunt ut ea quae accidant majora videantnr; ma- jora videntur quia recentia sunt, non quia repentina. So lautet we- nigstens die Ueberlieferung, die aber wie schon Andere erkannt haben unhaltbar ist: dafür etwas Sicheres vorzuschlagen bin ich nicht im Stande, doch ist mir nicht unwahrscheinlich dass „mala** statt ,, majora** zu schreiben und die letzten in den besten Hand- schriften fehlenden Worte von majora videntur quia an zu streichen seien. Denselben Gedanken übrigens wie in diesen Worten spricht Cicero noch 59 aus: Hoc igitur efficitur ut ex illo necopinato plag» major sit, non ut illi putant ut cum duobus pares casus evenerint is modo aegritudine afficiatur cui ille necopinato casus evenerit. Dass zu den wesentlichen Eigenschaften der den Kummer bewirken- den Eindrücke von denen den angeführten Stellen zufolge die Plöti- lichkeit ausgeschlossen ist die Frische gerechnet wird, ergibt sich theils aus der Definition des Kummers die 25 aufgestellt wird (vgl

Das dritte Buch. 431

ur eine steigernde Wirkung beimisst.^) Dieser letztere instand kann uns gleichzeitig daran erinnern dass die Yor- issetzung auf der wir bisher fussten keineswegs ganz fest cht. Denn wenn dieser zufolge die fraglichen Worte Ga- ns (vgl. S. 428, 2) die Ansicht Posidons aussprechen, so iben wir eben gesehen dass der Kemgedanke derselben 1er die Bedeutung welche dem Ueberraschenden eines Ein- ucks für die Erregung unserer Leidenschaften zugeschrie- n wird auch Chrysipp nicht fremd ist. Ist es also nicht illeicht die Ansicht dieses Stoikers die wir in jenen Worten den? Freilich könnten die Worte in diesem Falle nicht 5 Antwort auf die von Posidon gestellte Frage sein, in p vielmehr offenbar vorausgesetzt wird dass Chrysipp eine che Antwort nicht gegeben hatte. Anzunehmen aber dass ) Worte keine Antwort auf die vorausgehende Frage sind It uns darum nicht schwer weil wie ich schon früher an-

115) theils und besonders aus dem Nachdruck mit dem Cicero ge* e dieses Merkmal 75 heraushebt wo er sagt: additur ad hanc de- tionem a Zenone recte ut illa opinio praesentis mall sit recens. c antem verbum sie interpretantur ut non tantum illud rcccns esse int qnod paullo ante acciderit sed quam diu in illo opinato malo

quaedam insit, ut vigeat et habeat quandam viriditatem, tarn diu »elletur recens etc.

^) Nicht mehr als diess liegt in den folgenden bereits S. 429, 1 ;efahrten Worten ausgesprochen (52): Cyrenaicorum rcstat senten- qui tum aegritudinom ccnsent cxistere si necopinato quid evenerit.

id quidem magnum ut supra dixi; etiam Chrysippo ita vi- ri scio, quod provisum ante non sit id ferire vehemcn- 8; sed non sunt in hoc omnia. Die in ,,etiam'^ angedeutete Ueber* itimmung Chrysipps bezieht sich nicht nothwcndig auf die kyre* iche Ansicht sondern kann sich auch auf die in ,,est id quidem '* ausgesprochene Ciccros bezichen, oder wenn sie sich doch auf

kyrenaische beziehen sollte so geht sie hier nicht über das All- leine hinaus dass Alles was uns unvermuthct trifft einen stärkeren druck macht.

432 Die Tusculancn.

gedeutet habe (S. 428 f.) der Inhalt der Worte durchaus nicht so ist wie wir ihn von einer solchen Antwort verlangen sollten. Dagegen steht derselbe nicht im Wege wenn wir die Worte als die von dem Vorhergehenden unabhängige Mittheilung einer neuen Ansicht Chi7sipps fassen und ebenso wenig hindert uns an dieser Auffassung der sprachliche Aus- druck da dtoTt wie in diesem Falle nöthig ist in der Be- deutung des einfachen ori genommen werden kann. Diese neue Ansicht Chrysipps würde dann diejenige sein auf welche Cicero in den angeführten Worten (S. 431, 1) hinweist Da- für dass wii' bei Galen Chrysipps Ansicht vor uns haben spricht auch die Phrase „i^lörrjöi xmv xqIoscov^' von der ausdrücklich bezeugt wird dass jener Stoiker sich ihrer oft bedient hat (Galen 388, 13 Müller. 389, 1. 390, 12. vgl. 380, 16. 381, 9. 382, 4 u. 7. 388, 6) und die daher wahrschein- licher ihm als wegen der Inconsequenz die man in ihrem Gebrauch vom Standpunkt der chrysippischen Theorie aus finden wollte einem anderen Philosophen zugeschrieben wiid. Auch noch aus einem andern Grunde vermag ich mich nicht darein zu finden dass die fraglichen Worte einem anderen Philosophen und insbesondere Posidon gehören sollen. Denn dann müssten sie doch eine Widerlegung von Chrysipps An- sicht sein. Es ist aber kaum denkbar dass wer eine solche Absicht hatte sich einer sprachlichen Wendung wie die eben erwähnte bediente in der sich gerade die Abhängigkeit der einzelnen Leidenschaften von bestimmten Urtheilen ausspricht und die somit den Widerlegenden in den Verdacht bringen musste dieselbe Ansicht zu theilen die er bestreiten wollte.*)

M Folgende AcusscraDg Galens 426 K dürfen wir ihrem Inbtlt nach ebenfalls auf Posidon zurückführen: xa^^ txaoxov n xwv ii^'

Xatar 66^av oiaiiiQ dTiori^fvat to x).aleiv xe xai kvTfEia^i xtd oxf* vftr otitoJZ^fiv xe xai ^(itjrflv [loa xf dXXa xoictvxa xav a\ ziiifi täif

Das dritte Buch. 433

Das Gleiche was von dieser einzelnen Wendung gilt aber aach von allem Uebrigen was nach der neuesten Auffassung m der Widerlegung Chrysipps durch Posidon gerechnet wird. Denn wenn ich auch nicht leugnen will dass Posidon die Gedanken äussern konnte die wir jetzt bei Galen losen, so ist doch äusserst unwahi*scheinlich dass er dieselben gelegent- lich einer Widerlegung Chrysipps vorgetragen habe, da das Beispiel des Anaxagoras und die euripideischen Verse sowie die dadurch illustrirte Wichtigkeit des Vorherbedenkens eines Uebels für die Linderung des letzteren doch mindestens ebenso gut benutzt werden können um die Ansicht zu unter- stützen welche die Leidenschaften des Menschen lediglich von seinem Denken und Meinen abhängig macht und wie Cicero (58) lehrt thatsächlich so benutzt worden sind. ^) Dem Schlüsse, zu dem wir durch das Bemerkte gedrängt werden dass Galens Worte eine neue Ansicht Chrysipps mit- theilen und nicht die Widerlegung einer schon angeführten dieses Philosophen durch Posidon, setzen sich eigentlich nur die Worte entgegen die wir nach den S. 428, 2 bereits aus- geschriebenen lesen: ßovkerai de t6 jtQotvötjfihtv Qfjfia to5 Iloöeiöayplcp ro olov Jigoarajikarreiv rs xai jtQorvjcovv ro XQoyiia jcag^ tavrm to (liXXov yspriOsoO^ai xal cog JCQog ijdfj ysvofievov Id-i0(i6v xiva noulcd-aL xarä ßQaxv, Hier- nach scheint es zunächst dass das Subjekt zu den beiden

yeyivijfiivfüv <bg xaxwv ofioiai dia/xevwaiv vTioX/npeig. Ibt es nun wahrscheinlich dass ein Philosoph der so dachte unsere Leidenschaf- ten ableitete aus einem i^laraaOai naiv naXaimv xqIcbcjvI

*) Wie der wirkliche Posidon Chrysipp widerlegt hat, scheint mir in der Frage angedeutet ob denn die frische Meinung allein [lAOvri) den Kummer erzeuge: denn hiernach erwartet man den Hin- weis auf solche Fälle in denen ein vor langer Zeit eingetretenes Unglück noch mit der Gewalt eines gegenwärtigen oder kürzlich vergangenen auf uns wirkt, also einen Einwurf wie er bei Cicero 75 bereits berücksichtigt scheint.

Eirzol, Untersuchungen. IH. 2S

434 I>»e Tiisculanen.

vorhergehenden q)7jal Posidon sein müsse. Indessen ist die- ser Zwang nicht der Art dass wir uns von ihm nicht frei machen könnten. Entweder nämlich woran schon früher ge- dacht worden ist wir bezweifeln die Treue der Ueberhefe- runff und nehmen an dass tc5 IIoO£i6(dvIc9 wenn nicht ein- fach gastrichon so doch in rm XQvöljtJtm verwandelt werden müsse oder aber wir bestreiten die Richtigkeit der gewöhn- lichen Erklärung. Im letzteren Falle eröflnen sich uns zwei Wege: nehmen wir an dass Galen die Erläuterung des Wor- tes jtQoeröf]/ittv von sich aus gab, so würde allerdings xQoev- d7/iitlv als ein Wort Posidons bezeichnet werden, als solches konnte aber dem Galen wenigstens bei flüchtigem Schreiben allenfalls auch das Wort eines anderen Philosophen gelten weil er es nur aus der Mittheilung Posidons kannte; oder weim uns dieser Ausweg nicht zusagt, so bleibt noch die andere Möglichkeit dass die Redensart ßovJierai rm Iloosidcih vlo} sich nicht auf den Sinn bezieht den Posidon mit einem von ihm selber gebmuchten Wort verband sondern auf die Erkläi-uug die er von dem Wort eines andern Philosophen, des Chrj'sipp, gab, denn dass er seinen Citaten gelegenüidi die Erklärung einzelner Worte hinzufügte sehen wir z. B. aus Galen 391, 11 Müller. Alles in Allem also ist es wahr- scheinlicher dass die besprochenen Worte Galens gar nicht die Gedanken Posidons sondern Chrysipps wiedergeben, und dann zerfällt selbstverständlich jeder Schluss der aus der Uebercinstimmung mit ihnen auf Posidon als Quelle Ciceros gezogen werden könnte; oder wenn wir daran festhalten in Galens Worten ein Zeugniss für Posidons eigene Meinung zu sehen so hat die frühere Untersuchung gezeigt, dass diese Meinung von derjenigen Ciceros wesentlich abweicht. Hat die schärfere Betrachtung uns so eben ein scheinbar für Posidon sprechendes Argument in sein Gegentheil verwan- delt, so leistet sie dasselbe auch noch in einem anderen

Das dritte Buch. 435

Falle. Um Cbrysipps Ansicht dass der Grund aller Leiden- schaften in gewissen Meinungen vom Dasein eines grossen Gutes oder eines grossen Uebels zu suchen ist zu widerlegen hatte Posidon darauf hingewiesen, dass dann gerade die Weisen und Fortschreitenden von der heftigsten Leidenschaft ergriffen werden müssten, die Einen infolge der Ueberzeugung dass ihnen das höchste Gut zu Theil geworden sei, die An- deren weil sie sich bewusst wären mit dem grössten Uebel behaftet zu sein. ^) Eine Spur dieses Gedankens und damit ein Zeichen dass Posidon von Cicero benutzt worden ist er- blickt man*) nun in folgenden Worten des Letzteren (68): philosophi summi nequedum tamen sapientiam consecuti nonne intellegunt in sumrao se malo esse? Sunt enim insipientes nequo insipientia ullum majus raalum est, neque tamen lu-

*) Galen 397 K: xoiovrmv 6^ vno tov XQvalnnov Xeyofitvwv Si€t7tO()ijaetev av nq tcqwtov fi^v, nwg ot ao<pol fiiyiöTtx xal dvvTt6(}' ßXtita vofjdtfOvtBq elvat dya&a ra xa?M ndvra ovx ifinad'wg xivovv- rat VTT* avTüfv ^ni^vfiovvxkq re ibv oQtyovrai xal TtfQixciQeTg ysvo- fifvoi tnl roTg avroTg dtav rvxfoaiv aviwv. el yaQ xo fi^ye&og XiJjv ^atvofievwv dyad^wv ?} xaxwv xivsl xo vofil^siv xad'fjxov xal xax^ äSiav elvai nagovxiov avxuiv rj naQayivopihwv f.iriöiva ),6yov ngoa- (eaBai tibqI xov dXlwg Seiv vtt' avxwv xivsTo^ai, xovg dvvnsQßXijxa vofit^ovxag fivai xa nsgl avxovg xovxo tSft Tido^siv, onsQ ovx oQa- vai yivofifvov. bfioltog 61 xal xovg nQoxonxovxag fisydXag ßXdßag vnb xtig xaxlag vnoXafißdvovxag naQfivai eösi xal v7io<piQsa&at <p6- ßoig xal XvTiatg nsQininxsiv fz?) fiexQlaig, ottsq ovöh avxö avfißal- i^fi. 417 K: Ol fihv yaQ (sc. ol aotpol) ^v fieylaxoig dya^oig, ot öh ^sc. ol TiQoxonxovxfg) tv fieylaxoig xaxoig eavroifg vnoXafißdvovxsg flvai ofJLutg ov ylvovxat 6id xovxo tv nd^ei. Während diese That- lache der Theorie Chrysipps widerspricht, so zeigt dagegen Posidon class sie in seiner Anschauungsweise ihre Erklärung findet bei Galen 174 K : xal /nrjv ot UQoxonxovxeg fieydXa xaxä öoxovvxeg kavxolg ftapeivai tj ijitip^Qfa^at ov Xvnovvxat' tp^QOvxai yaQ od xaxa xo iXayov xtjg y^v^fig ovzwg dXXa xaxa xo Xoyixov,

') Poppelreuter a. a. 0. S. 20.

28*

436 I^ie Tusculanen.

gent. Aber statt hierdurch zu beweisen was man will lehrt man nur durch ein neues Beispiel wie leicht über dem Wunsch überall nur Aehnliches zu entdecken die daneben obwaltenden und bisweilen überwiegenden Unterschiede un- beachtet bleiben. Auch hier rächt es sich dass man eine Aeusserung isolirt und ohne Rücksicht auf den Zusammen- hang der ihr erst die volle Bedeutung gibt betrachtet hat Denn sonst würde man erkannt haben dass dieser allerdings sowohl bei Cicero wie bei Posidon erscheinende Emwurf gegen Chiysipps Theorie doch nur von Letzterem als gütig anerkannt von jenem dagegen verworfen wird. Nach den angeführten Worten fügt nämlich Cicero Folgendes hinzu: Quid ita? Quia huic generi malorum non affingitur illa opinio rectum esse et aequum et ad officium pertinere aegre ferro quod sapiens non sit, quod idem affingimus huic aegri-

tudini in qua luctus inest quae omnium maxima est

Quid? ex ceteris philosophis (Aristoteles und Theo- phrast waren vorher genaimt) nonne optimus et gravissimus quisque confitctur multa se ignorare et multa sibi etiam atque etiam esse discenda? neque tamen, cum sc in media stultitia, qua nihil est pejus, haerere intellegant, aegritudine premuntur. NuUa enim admiscetur opinio officiosi doloris.*) Freilich, so dürfen wir Ciceros Worte erläutern, empfinden es gerade die besten unter den Philosophen als ein Unglück dass sie nicht bis zur vollkommenen Weisheit gelangt sind und haben insofern die Meinung von einem sehr grossen

^) Hiermit steht nicht in Widerspruch 77 f., obgleich hier die Möglichkeit eines Kummers der aus dem Bewusstsein geistiger Un- Vollkommenheit entspringt zugegeben wird; denn diese Unvollkommen- heit ist eine die nur eben zur Einsicht ihrer selbst gekommen iit ohne schon die eigentliche Wendung zum Besseren genommen m haben, jene dagegen eignet auch den grössten Philosophen sofeni sie noch nicht die Stufe vollendeter Weisheit erreicht haben.

Das dritte Buch. 437

ihnen beiwohnenden üebel: wenn nun trotzdem ihr Kummer darüber nicht so heftig ist dass sie in lautes Klagen aus- brechen, 80 wird hierdurch Chrysipps Theorie des Kummers nicht widerlegt, da dieselbe für einen heftigen Kummer ausser der Vorstellung eines grossen Üebels auch noch die Meinung von der Pflichtmässigkeit des Schmerzes und der Klage erforderte,^) diese letztere Bedingung aber von den Philosophen eben nicht erfüllt wird. *) So führt die genauere Vergleichung der ciceronischen Stelle mit Posidons Worten zu dem entgegengesetzten Resultat als das ist das man aus der oberflächlichen entnommen hatte, dass nämlich die Be- nutzung Posidons durch Cicero dadurch nicht bewiesen son- dern ausgeschlossen wird. Zwar dass Cicero indem er den gegen die Stoiker gerichteten Einwurf zurückweist Posidon persönlich im Sinne hat will ich nicht behaupten; vielmehr ist mir wahrscheinlich dass er au ältere Gegner der Stoa denkt und insbesondere darf man vermuthen dass diess die Peripatetiker sind wofür nicht bloss die Wahl des Aristo- teles und Theophrast zu Beispielen sondern auch die Polemik

^) 25: aegritudo est opinio magni mali praesontis et quidem recens opinio talis mali, ut in eo rectum videatur esse angi id au- tem est ut is qui doleat oportere opinetur se dolore. 61: ex quo ipsam aegritudinem Xi^nriv Chrysippus quasi solutionem totius hominis

appellatam pntat. est enim (sc. aegritudo) nulla alia nisi

opinio et Judicium magnl praesentis atque urgentis mali. Sed

ad hanc opinionem magni mali cum illa etiam opinio accessit opor- tere, rectum esse, ad officium pertincre fcrre illud aegre quod ac- eiderit, tum deniquc efficitur illa gravis aegritudinis perturbatio. 76: Chrysippus caput esse censet in consolando detrahere illam opi- nionem maerenti, si se officio fungi putet justo atque debito.

*) Wie wonig Cicero gemeint ist die chrysippische Theorie um jenes Einwurfs willen preis zu geben, zeigt sich auch darin, dass er bald nach den im Text angeführten Worten und im Fluss derselben Erörterung sie noch einmal nachdrücklich ausspricht (71): ex quo intellegitur non in natura sed in opinione esse aegritudinem.

438 Die Tusculanen.

spricht die er gleich nachher (71 fif.) gegen diese Philoso- phenschulo führt.

In der bisherigen Untersuchung ist wiederholt auf die bei Cicero hervoiixetende Ansicht, dass alle Leidenschaft in einer gewissen Meinung beruht, hingewiesen worden. Aber nicht bloss um die Ansprüche Posidons sondern auch um diejenigen seines Lehrers Panaitios zu vernichten kann uns jene nützlich sein, da dieser in ganz ähnlicher Weise die sinnlichen und leidenschaftlichen Regungen des Menschen nicht für eine blosse Ausartung des Intellects ansah sondern die Anlage dazu schon in der ursprünglichen Natur des Menschen fand. Insbesondere beobachten wir zwischen ihm und Cicero folgende Widersprüche: dass während Panaitios auch eine naturgemässe Lust anerkennt (Theil 11 S. 438 ff.) Cicero die Lust schlechthin weil durchweg auf einer falschen Meinung beruhend als unnatürlich verwirft (24), und dass während Cicero aufs Entschiedenste die peripatetische Mäs- sigung der Leidenschaften bestreitet und für die strengere Lehre der Stoiker eintritt (22. 74) Panaitios umgekehrt sich gerade gegen die Apathie der letzteren gewandt hatte (Theil II S. 452 flF.).

Gegen die bisher genannten Philosophen ist was das Recht für Ciceros Gewährsmann zu gelten betrifft Antiochos schon darum im Vortheil weil er einmal ausdrücklich als solcher citirt wird. „Quocirca" sagt Cicero (59) „Cameades, ut video nostrum scribere Antiochum, reprendere Chrysippum solebat laudantem Euripideum carmen illud" etc. Dass der Weg den uns dieser Hinweis zeigt wirklich zu Ciceros Quelle führt, scheint sich dann sofort durch andere in derselben Richtung leitende Spuren zu bestätigen. In welchem Um- fange der genannte Philosoph sich die Lehren der Stoa an- geeignet hatte, ist bekannt: es würde daher mit seinem sonstigen Verfahren nicht in Widerspruch stehen wenn er

Das dritte Buch. 439

auch in stoischer Weise die Leideuscbaften nicht von eigen- thümlichcn Vermögen der Seele hergeleitet sondern auf ver- kehrte Meinungen und ürtheile zurückgeführt hätte; vielmehr würde diess besonders gut dazu passen dass dem Antiochos der engste Anschluss gerade an Chrysipp zum Vorwurf ge- macht wird (a Chrysippo pedem numquam Cicero Acad. pr. 143), dieser Stoiker es aber namentlich war der jene Theorie der Leidenschaften ausgebildet hatte. Beruhte in diesem Falle die Uebereinstimmung der Lehre des Antiochos mit der- jenigen welche Cicero vorträgt nur auf einer Vermutung, so ist dieselbe dagegen in einem anderen nicht unwichtigen Punkte auf sichere Ueberlieferung gegründet; denn dass An- tiochos ebenso wie diess Cicero (22) thut die peripatetische Mässigung der Leidenschaften missbilligte und statt dessen nach stoischer Weise ihre gänzliche Ausrottung forderte, erfahren wir durch Cicero Acad. pr. 135.^) Zu diesen Haupt- stützen kommt nun noch Einzelnes das uns ebenfalls in der Ueberzeugung dass eine Schrift des Antiochos die Quelle war befestigen könnte. So wird von Cicero die Auffassung der Freundschaft verworfen, nach der wir den Freund mehr als uns selber lieben sollen^), und, da hiermit unverholen die Selbstliebe des Menschen als dessen stärkster Trieb bezeichnet ißt, einer Ansicht das Wort geredet die auch Antiochos ver-

^) Hierzu kommt dass dieselbe Ansicht im zweiten Buch der Schrift de finibus (27) wiederkehrt, und ich habe diesen Umstand schon frQher (Theil II S. 641) benutzt um die Abhängigkeit dieses Buches von Antiochos zu bestätigen.

') 72 f.: Quasi fieri uUo modo possit quod in amatorio sermone die! solet ut quisquam plus alterum diligat quam se. Fracclarum illud est et, si quacris, rectum quoque et verum ut eos qui nobis carissimi esse debeant aeque ac nosmet ipsos amemus; ut vcro plus, fieri nullo pacto potest. Ne optandum quidcm est in amicitia ut me Ule plus quam se, ego illum plus quam me; perturbatio vitae, si ita sit, atque officiorum omnium consequatur.

440 ^io Tuscalanen.

theidigt hatte (de fin. V 30 S. vgl. II 33 f.). Und ferner wenn wir schon hier die Wahrscheinlichkeit die sich aach Andern aufgedrängt hat dass nämlich die sämmtlichen Biiclier der Tusculanen einer und derselben Quelle entstammen anti- cipiren dürfen, so fällt es für Antiochos und dessen zum dritten Buche angenommenes Verhältniss ins Gewicht das gewisse Aeusscrungen des ersten Buches ähnlich im fünften der Schrift de finibus wiederkehren,*) also von Antioclios gethan worden sind. Indessen da wir bei der Quellenunter- suchung des ersten Buches bereits auf eine andere Fährte ge- kommen sind so müssen wir gegen die Triftigkeit eines Grun- des der uns davon wieder ablenken würde bedenklich werden und können wenn diess einmal der Fall ist nicht verkennen dass zur Erklärung jener Uebereinstimmung uns ein doppelter Weg oflFen steht, entweder nändich die Annahme dass Cicero sich bei Abfassung der Tusculanen an seine eigene der Zeit nach kurz voraus gehende Darstellung im fünften Buche de finibus erinnerte oder die Vermuthung dass dieselben Aeus- scrungen da sie in unseren Augen durch Nichts ausschlies»-

^) Tusc. I 52 wird von dem delphischen Spruche „Erkenne dich selbst*^ gesagt dass derselbe um seiner Göttlichkeit Willen auf eine Gottheit zurückgeführt worden sei. Dass diese Ansicht die auch de fin. Y 44 (und do legib. I 58 f.) ausgesprochen wird, nicht die allge- meine war lehrt Bernays Die Dialoge des Aristoteles S. 96: denn dieser erwähnt zwei Variationen die eine welche jenen Spruch dem Chilon die andere welche ihn dem pythischen Gotte zuweist, und zwischen diesen beiden Extremen würde die Ansicht der Tusculanen und des Antiochos die Mitte halten da sie bei Annahme eines mensch- lichen Ursprungs doch auch die Ableitung von einem göttlichen U^ hebcr zu erklären sucht. Ausserdem berührt sich Tusc. I 92 mit de fin. Y 54 f., weil an beiden Stellen davon die Rede ist dass die Scheu des Menschen vorm Tode bleibt auch wenn er sich diesen als einen Schlaf vorstellt und beidemal der Schlaf an dem mythischen Bilde des Endymion zur Anschauung gebracht wird.

Das dritte Buch. 441

lieh an Antiochos geknüpft sind auch noch von anderen Philosophen gethan worden sind. Das Gleiche gilt nun aber tuch gegen die anderen zu Gunsten des Antiochos hervor- ^hobenen Gründe soweit sie der Uebereinstimmung gewisser ^.nsichten entnommen sind: dass sie unserem Yermuthen mmer noch einen gewissen Spielraum lassen und uns keines- ^egß mit positiver Bestimmtheit auf Antiochos leiten. Nur las eine noch übrige Argument das in dem namentlichen Jitat besteht scheint nicht in dieser Weise bemängelt werden lu können. Aber wenn wir noch einmal über die eigent^ ichen Grenzen dieser Untersuchung hinausblicken dürfen, 10 finden wir dass im fünften Buche ebenfalls auf Schriften les Antiochos Bezug genommen wird (22) und zwar dort im gegen die darin enthaltenen Ansichten zu polemisiren: ne also dort das Citat entweder aus Ciceros eigener selbst- tändiger Eenntniss oder doch jedenfalls nicht aus einer ichrift des Antiochos sondeni aus der eines anderen Philo- ophen hineingekommen ist so ist dieselbe Alternative auch bigesichts der Stelle des dritten Buches möglich und wird n dem Augenblicke nothwendig wo eine weitere Betrachtung len Gedanken dass Antiochos Ciceros Gewährsmann war Lusschliesst Das thut sie aber sobald wir sie auf folgende ?ankte hinlenken. Da Antiochos vielfach sich an die Stoiker angeschlossen hat, in manchen Stücken aber doch auch von hnen abgewichen ist, so ist es zwar möglich dass er auch lie Theorie der Leidenschaften von ihnen entnahm und so vie Cicero thut das Wesen der letzteren in eine gewisse if einung setzte, darum aber noch nicht wahrscheinlich son- lem bedarf um diess zu werden einer genaueren Unter- uchung die vielmehr zu dem entgegengesetzten Resultat ührt: denn hätte er in dieser Hinsicht die stoischen An- ;cbauungen getheilt so würden wir ihnen doch auch in der wif ihn zurückgehenden (vgl. Theil II S. 638 S.) Darstellung

442 I^ie Tusculanen.

des zweiten Buches de fiuibus begegfieu, wo er sich statt dessen damit begnügt die Lust (voluptas) als eine ange- nehme sinnliche Bewegung (jucundus motus in sensu) zu de- finiren (75) und ebenso wie im fünften Budie (45) noch in Zweifel ist ob er sie nicht doch zum ersten Naturgemässen rechnen soll (34) wovon er sie die stoische Theorie bei ihm vorausgesetzt aufs eutschiedenste ausschliessen müsste.^) Fer- ner ist die Lehre des Antiochos der stoischen gegenüber hauptsächlich durch den Satz charakterisirt dass es neben dem moralischen üebel noch andere gibt, gerade dieses Hauptcharakteristicum fehlt aber in den Tusculanen die sich im Gegentheil vorwiegend auf den streng stoischen Stand- punkt stellen; *) und wenn dieselben auch der milderen peri- patetischen Güterlehre nicht alle Berechtigung abstreiten wollen so ist doch das Verhältniss in das dieselbe auf diese Weise zur stoischen gebracht wird ein ganz anderes als wie es Antiochos festzusetzen liebte.^)* Endlich muss allen denen

') Man bedenke die Auffassung der voluptas in den Tusculanen wie sie sich theils in der Bemerkung II 52 theils in den Definitionen III 23 f. oder in den Eintheilungen IV 20 kund gibt. Vgl. auch den Stoiker bei Cicero de fin. III 17. 35.

^) Unter anderen Trostmitteln des Menschen wird 34 angefahrt: quod videt malum nuUum esse nisi cuipam. In Worten die sich an Epikur richten lesen wir 37 : obliviscor etiam malorum ut jubes eo- que facilius quod ea ne in maus quidem ponenda censeo. 74: cogi- tatio igitur diuturua nihil esse in re mali dolori medetur, non ipsa diuturnitas.

^) In den Tusculanen lesen wir 77: erit igitur in consohitioni- bus prima medicina, docere aut nullum malum esse aut admodom parvum. 80: cui (sc. sapienti) aut malum videri nullum potest quod vacet turpitudine aut ita parvum malum ut id obruatur sapienti» vixque appareat. Während hier nicht bloss die Wahl zwischen der stoischen und peripatetischen Ansicht gelassen sondern auch die Be- vorzugung der stoischen angedeutet ist und die peripatetische nur durch eine Art von Coucession an zweiter Stelle Erwähnung gefun-

Das dritte Buch. 443

welche wissen dass Antiochos die wesentliche Ueberein- sUmmung der peripatctischon akademischen und stoischen Philosophie behauptete auffallen dass nichtsdestoweniger in einer Darstellung die auf ihn zurückgehen soll gewisse An- sichten der Peripatetiker so entschieden bekämpft werden, wie diess bei Erörterung der Frage geschieht ob der Keim zu den Leidenschaften schon von Natur in uns liegt oder sie nur die Folge einer falschen Meinung sind, ob sie also nur gemässigt oder gänzlich ausgerottet werden sollen (22. 71 75). Unsere Verwunderung über diese Polemik wird noch gesteigert da wir sehen dass von derselben auch ein angesehenes Mitglied der alten Akademie, Erantor, betroffen wird (12. 71), also derjenigen Schule deren Erneuerung An- tiochos sich ganz eigentlich zur Aufgabe gemacht hatte. Wollte man dieses Bedenken durch die Bemerkung heben dass in dem fraglichen Falle die Differenz zwischen der akademisch-peripatetischcn Richtung einer- und der stoischen andererseits zu bedeutend sei als dass selbst Antiochos ver- mögend gewesen wäre sie zu verdecken so wäre zu erwidern dass im zweiten Buche de finibus thatsächlich ein solcher Ausgleichsversuch gemacht wird und zwar dort zu Gunsten Epikurs um dessen Lehre mit der eigenen in Einklang zu bringen,^) dass ein solcher also noch viel eher zu Gunsten

den zu haben scheiot was noch mehr hervortritt wenn wir bedenken dass erst gegen den Schluss seiner Darstellung wo er überhaupt den Yerschiedenen Philosophen gegenüber sich liberaler zeigt Cicero der peripatetischen Güterlehre gedenkt (76) und sodann sie neben der stoischen bis zu einem gewissen Grade gelten lässt hat Antiochos dagegen wo er die beiden Moralen einander gegenüber stellt sich stets 80 weit ich seh» mit voller Entschiedenheit auf die Seite der peripatetischen gestellt und der stoischen neben ihr nicht einmal so. viel Raum gelassen als Cicero neben dieser der peripatetischen. Vgl. de fin. IV 57. V 71 f. 90. 91 flf.

') 27: equidem illud ipsnm non nimium probo et tantum patior,

444 ^1® Tuscalanen.

der Peripatetiker und Akademiker von Antiochos zu erwarten war. ^) und dass wirklich Antiochos so verfahren ist, dass er indem er die stoische Lehre von der Ausrottung der Lei- denschaften billigte der akademisch -peripatetischen Schule nicht untreu zu werden glaubte und nicht etwa wie in den Tusculanen geschieht polemisirend die weite Kluft zwischen den beiden Schulen erst recht vor Augen gestellt habe, müssen wir wohl daraus schliessen dass Cicero sonst nicht nöthig gehabt hätte wie er Acad. pr. 135 thut*) ihm jene

philosophum loqui de cupiditatibus finiendis. an potest capiditas finiri? tollenda est atquc extrahenda radicitus. quis est enim in quo sit cupiditas, quin recte cupidus dici possit? ergo et avarus erit sed finite, et adulter verum habebit modum, et luxariosus eodem modo, qualls ista philosopbia est quae Don interitam adferat prari- tatis sed sit contenta mediocritate vitiorum? quamquam in hac din- sione rem ipsam prorsus probe, elegantiam desidero. appellet haec desideria naturae : cupiditatis nomen servet alio, ut eam cum de ava- ritia cum de intemperantia cum de maximis vitiis loquetur tamqoam capitis accuset. Vgl. auch Tuscul. V 93.

^) Einen Anlauf über jenen Gegensatz der stoischen and peri- patetischen Schale hinwegzukommen macht freilich auch das dritte Buch der Tuscalanen 83: Hoc detracto quod totum est volantariom aegritudo erit sublata illa maerens; morsus tarnen et contractioncn- lae quaedam animi relinquentur. Hanc dicant sane naturalem, dam aegritudinis nomen absit grave taetrum funestum quod cum sapientia esse atque ut ita dlcam habitare nuUo modo possit. Aber eben dass es bei einem blossen Anlauf sein Bewenden hat und die eingesclüa- gene Richtung nicht weiter verfolgt wird zeigt dass wer immer Gi- ceros Gewährsmann war kein Interesse hatte dless zu thon, dass also Antiochos bei dem wie wir wissen ein solches Interesse vorhandoi war jener nicht gewesen sein kann.

') Sed quaero quando ista fuerint ab Academia vetere decreta ut animnm saplentis commoveii et conturbari^negarent? mediocri- iates Uli probabant et in omni permotione naturalem volebant esse qnendam modum. legimus omnes Crantoris, veteris Academici, de luctu; est enim non magnus verum aureolus et ut Tuberoni Panae- tins praecipit ad verbum ediscendus libellus. atque Uli quldem eüam

Das dritte Buch. 445

zwischen beiden Schulen bestehende Differenz erst noch vor- Eohalten und ihn auf Grund derselben eines Widerspruchs oüt sich selber zu zeihen.

Da von den Dogmatikern soweit sie überhaupt in Frage (ommeu sich keiner hergibt Ciceros Gewährsmann zu sein, süssen wir uns wohl bei den Skeptikern umsehen und wer- ten da durch die Untersuchungen über die beiden voran- i;ehenden Bücher natüi*lich zuerst auf Philon geführt. Die i*orm der Darstellung bestätigt diess, indem sie diejenige äner Polemik ist die sich gegen eine auf Verlangen aus- ^prochene Behauptung richtet (7. 12) und daher mit der- enigen übereinstimmt die uns schon früher als die der skep- ischeu Akademie vorgekommen ist (vgl. S. 379, 1. 411 f.); auch erinnert uns Cicero gelegentlich an seinen philosophischen Standpunkt wie durch das „verisimile" 14 und 16 und dar lurch dass er wenigstens 77 und 80 es unterlässt sich in logmatischer Weise für eine der beiden zur Wahl gestellten iforaleu die stoische oder die peripatetischo zu entscheiden. Su den formalen Elementen der Darstellung gehört ferner 1er Schmuck der Dichtercitate der auch über dieses Buch 'eichlich ausgestreut ist, ein Schmuck den zwar auch andere ?hilosophen nicht yei*schmähten, den anzubringen aber Ci- »ro nach seinem eigenen Geständniss (vgl. S. 411, 1) durch ?hilon8 Vorgang veranlasst worden war. Aber freilich mit loldien von der Oberfläche geschöpften Argumenten dürfen irir nicht hoffen die fest gewurzelte Ansicht auszurotten dass üne dogmatische Schrift Ciceros Quelle war. Im Kampfe nit derselben macht sich namentlich ein Uebelstand geltend

itiliter a natura dicebant permotiones istas animis nostris datas, me- om cavendi causa, miserlcordiam aegritudinemque clementiae; ipsam ncondiam fortitudiois quasi cotcm esse dicebant: recte secusne aüas 'iderimus, atrocitas quidem ista tua quomodo in voterem Academiam nruperit nescio.

446 ^16 Tuscnlanen.

dass wir über Philons Theorie so wenig durch ausdrückliche Ueberlieferung erfahren. Denn in Folge dessen wird man es für unmöglich erklären dass ein Skeptiker welches doch Philon gewesen sein soll sich in so nachdrücklicher Weise wie Cicero thut zu Gunsten der stoischen Moral ausge- sprochen habe. Wenn nur nicht der Skepticismus auch innerhalb der Akademie sehr verschiedene Formen angenom- men hätte! Zur Eigenthümlichkeit des philonischen Skep- ticismus gehörte aber eine starke Hinneigung zum Stoicis- mus. Dass man ihm diese zum Vorwurf machte hat eine frühere Untersuchung gelehrt (vgl. oben S. 236 flf.) und zu- gleich angedeutet auf welche Punkte man etwa dabei ge- achtet habe, insbesondere auch darauf hingewiesen dass an die Benutzung stoischer Definitionen zu denken sei.^) So könnten also mit anderen auch die stoischen Definitionen der Leidenschaften die wir in den Tuscnlanen finden zu Philon gekommen sein. Indessen ist es mit diesen Defini- tionen nicht wie mit anderen die gewisse Thatsachen oder Objekte rein darstellen und deshalb gleichviel wer ihr Ur- heber ist von den verschiedensten Philosophen benutzt wer- den können: vielmehr haben sie ein subjektives Gepräge und geben ein Objekt in der besonderen Auffassung wieder die ihr Urheber davon hatte und die jeder theilen muss der sich ihrer bedienen will. Es fragt sich daher ob zu den Letzteren Philon gehörte. Diess könnte man auf Grund seines Piatonismus leugnen wollen, wie es ja gerade der Piatonismus war dem der Stoiker Poseidonios die Mittel ent- nahm um jene stoische, insbesondere chrysippische Theorie der Leidenschaften zu bekämpfen. Aber was Posidon un-

') Nachträglich kann auf die Anerkennung hingewiesen werden welche der zenonischen Definition des Wissens unter der Vortw- setznng dass dieser Begriff streng zu nehmen sei Cicero za Theil werden lässt Acad. pr. 113.

Das dritte Buch. 447

ereinbar fand, den Piatonismus der ein vernünftiges und ein nvemünftiges Seelcnverraögen unterscheidet und die stoische Luffassung der Leidenschaften, rauss nicht auch Anderen und raucht insbesondere nicht Philon so erschienen zu sein. )enn warum kann ich nicht die Leidenschaft in geschärftem lUsdruck als eine Meinung bezeichnen wenn ich darunter ach nur die Wirkung einer solchen verstehe, wie das die benfalls von Posidon bestrittene Ansicht Zenons gewesen 'ar? Und bin ich einmal so weit, warum soll ich dann icht auch die Meinung und die Leidenschaft, als deren Wir- ung und somit von ihr verschieden, jede einem besonderen eelentheil zuweisen, die eine dem vernünftigen die andere cm unvernünftigen? Dass er eine solche Vorstellung von er Seele in seiner Ausdrucksweise durchschimmern lasse, atte ja eben Posidon dem Chrysipp zum Vorwurf gemacht, ^ir haben daher nicht nöthig es als einen erst von Cicero 1 die Darstellung hineingetragenen Widerspruch zu betrach- m wenn in derselben nicht bloss die Ursache sondern ge- idezu das Wesen der Leidenschaft in einer Meinung gesucht J4 f.) und dann doch in einer erläuternden Bemerkung jene af eine Widerspänstigkeit des niederen Seelenverraögens Bgenüber der Vernunft zurückgeführt wird,') sondern kön-

') 24: Nam cum omnis perturbatio sit animi motus vel rationis cpers vel rationem adspemans vel rationi non obcdiens isque motus it boni aut mali opinione citetur etc. Hiermit steht was die zu runde liegende Psychologie betrifft im Einklänge 11: Itaque nihil elins quam quod est in consuotudine sermonis Latini cnm exisse ex »testate dicimus eos qui effrenati feruntur aut libidine aut iracun- a; quamquam ipsa iracundia libidinis est pars. Sic enim definitur: acundia ulciscendi libido. Qui igitur exisse ex potcstate dicuntur Circo dicuntur, quia non sint in potestate mcntis cui regnum totius limi a natura tributum est. Mit diesen letzten Worten stimmt lerein was Galen a. a. 0. p. 413 K in der aus Posidon geschöpften ''iderlegung Chrysipps bemerkt: ov yaQ di* avu) Xbyofufv avrovi;

448 I^ie Tusculanen.

nen diesen Widerspruch schon Philon zutrauen der indem er sich, durch den Vorgang der Stoiker selber dazu aufge- muntert, über ihn hinwegsetzte obenein noch den Vortheil hatte die stoischen Definitionen der Leidenschaften ohne Weiteres für sich verwerthen zu können. ^) Konnten wir in diesem Falle nur bis zu dem Nachweis gelangen dass eine bei Cicero veiixetene Theorie mit dem sonst bekannten philosophischen Standpunkt Philous nicht in Widersprach steht, so haben wir in einem anderen eine Art von Ueber- lieferung auf unserer Seite dass die von Cicero vorgetragene Lehre schon von Philon getheilt wurde: wodurch dann da diese Lehre wie sich zeigen wird mit der eben besproche- nen Theorie aufs Engste zusammenhängt auch die Zurück- führung dieser auf Philon als richtig bestätigt wird. Die Lehre um die es sich handelt ist der Satz dass die Leiden- schaften ausgerottet werden müssen; Cicero spricht ihn 22 aus um ihn den Peripatetikeni die sich mit einer Mässigong der Leidenschaften begnügten entgegenzuhalten. Da nun die Ausrottung der Leidenschaften nur gefordert werden kann wenn man dieselben als etwas ansieht das von Aussen in den Menschen hineingekonunen ist und daher auch wieder

kavtüiv t§w sca&scxtjxevai xal ftq iv kovroTg elvai dtott xb ßiaCjh fievov avTovg oQfA&v xccta tb TtdOog t^wS-iv iativ dXk* oti naga fv- oiv ^/ot;(j<v €iye rb loyixbv t^$ V^'X^Qf ^ xQccteiv xal ä^etv w akXofy ijy xazd ipvaiv, ov xqoxbI vvv dXXa xQctzeixai xal a^nui n^bq twv dXoywv xtjg ^vx'jg öwdfuwy. Da aber diese Ueberein- stimmuDg eine platonische Lehre betrifft so kann sie ebenso gat wie dadurch dass Posidon für die Qaelle der ciceronischen Worte ange- sehen wird auch durch die Annahme erklärt werden dass ^Cicero einen anderen Platoniker, eben PhUon, benatzt habe.

^) Damit man io der PhUon zugeschriebenen Eintheilong der Seele in einen veroOnftigen und einen anvemOnftlgcn Seelentheil nicht einen Verstoss gegen dessen Skepticismos erblicke, ist die Be- merkong S. 413 zu vergleichen.

Das dritte Buch. 449

>e8eitigt werden kann, nicht aber als etwas das mit der aenschlichen Natur selber gegeben ist, so zeigt sich wie eng liese stoische Forderung mit der Auffassung der Leiden- chaften als blosser Meinungen zusammenhängt und dass renn sich wahrscheinlich machen Hesse Philon habe die peri- »atetische Mässigung der Leidenschaften verworfen diess den Schluss erlauben würde er habe die stoische Theorie der- elben gebilligt. Wie aber Philon über jenen Punkt urtheilte, larüber empfangen wir durch Cicero Academ. pr. 135 einen Nink. Denn nachdem er dort es Antiochos vorgehalten hat lass derselbe zwar sich zur alten Akademie rechne trotzdem iber die Ausrottung der Leidenschaften fordere und nicht die ifässigung, fügt er hinzu dass er damit die peripatetisch- ikademische Ansicht keineswegs als die richtige empfehlen volle. *) Dass wir Ciceros Urtheil welches sich in diesen Porten ausspricht mit demjenigen Philoiis bis auf Weiteres dentifiziren dürfen haben frühere Untersuchungen (vgl. oben J. 288 S.) gelehrt. Welches dieses Urtheil war, das zu be- itimmen hängt von der Beantwortung der Frage ab ob Ci- »ro es für nöthig befunden haben würde sich gegen die Meinung als billige er die peripatetische Mässigung aua- Irücklich zu verwahren wenn er dieselbe wirklich gebilligt lätte. *) Ich glaube nicht dass Jemand diese Frage bejahen

>) Siehe S. 444, 2.

*) Man darf nicht sagen, er habe dadurch den skeptischen itandpnnkt wahren wollen. Denn sonst hätte er eine ähnliche Be- oerkung wohl schon vorher gemacht wo er die entgegengesetzte An- Icht Zenons zwar hart findet, aber um ihrer Folgerichtigkeit willen ühmt (durum, sed Zcnoni necessarium), und überdiess verstand es ich ja von selber dass er als Skeptiker nicht die Absicht haben connte etwas als absolut gewisse Wahrheit hinzustellen zumal er dch unmittelbar vorher hierüber ausdrücklich erklärt hatte (illa in inibus consentiunt num pro veris probare possumus?). Vielmehr ipricht der Zusammenhang (age, haec probabilia sint etc.) dafür dass

Hirxel, üntersaclmiigeii. HI. 29

450 I>ie Tusculanen.

wird. Doch ist es wenn diess trotzdem der Fall sein soDte gut, dass wir noch von einer anderen Seite her zu demselben Resultat gelangen können. Dass nämlich Philon das Aus- rotten der Leidenschaften forderte ergibt sich sobald wir ans sonst bekannten seiner Lehren die Consequenz ziehen. Ich denke hierbei an die Lehre dass ausser der Tugend es kein Gut, wenigstens im strengen Sinne dieses Wortes, gibt Dass er dieser Ansicht war, kann man zunächst aus seiner Billi- gung der stoischen Paradoxa folgern, ^) nicht bloss weil sich

er der Lehre Zenons die grössere Probabilität zugestand und dass er sonach in demselben Sinne die Leidenschaften für ansrottbar er- klärte wie Kameades (Tusc. V 83) behauptet hatte dass die Tugend zur Glückseligkeit genüge.

^) Und dass er die stoischen Paradoxa billigte wird mindestens äusserst wahrscheinlich dadurch dass Cicero diess thut in seiner wie sich früher gezeigt hat (vgl. oben S. 288 flf.) einer philonischen Schrift entnommenen Polemik gegen Antiochos Acad. pr. 136, Die betreffen- den Worte sind folgende: illa vero ferre non possum, non quo mihi displiceant sunt enim Socratica pleraque mirabilia Stoicorom quae na^döo^a nominantur sed ubi Xenocrates ubi Aristoteles istt tetigit? hos enim quasi eosdem esse voltis. illi umquam dicerent sapientis solos reges solos divites solos formosos? Omnia quae abi- que essent sapientis esse? neminem consulem praetorem impento- rem nescio an nc quinquevirum quidem quemquam nisi sapientem? postremo solum civem solum liberum? insipientis omnis peregrinos exsules servos furiosos? denique scripta Lycurgi Solonis duodecim tabulas nostras non esse leges? ne nrbis quidem aut civitates nisi quae essent sapientium? haec tibi Luculle, si es adseosns Antiocho familiär! tuo, tam sunt defendenda quam moenia; mihi autem bono modo, tantum quantum videbitur. In den letzten Worten ist nur ausgesprochen dass Cicero die Paradoxa nicht in dem Mause für sicher und wahr hält als diess Antiochos und die Stoiker thnn: keineswegs wird aber durch dieselben ausgeschlossen dass er ihnen die auch dem Akademiker gestattete und von Cicero ausdrücklich zu Anfang zugestandene Billigung ertheilte. Bemerkenswertb ist femer dass die Paradoxa um den Beifall des Akademikers zu ver-

Das dritte Buch. 451

hierin im Allgemeinen eine Hinneigung zur schrofifon und änseitigon Ethik der Stoiker verräth sondern vorzüglich weil zu diesen Paradoxen auch der Satz gehört ort fioi^ov ro talov ayad-ov dieser aher wie Philon selber durch Ciceros Mund erklärt*) die Consequenz nach sich zieht dass in der Seele des Weisen keine Spur einer Leidenschaft übrig bleibt Wollte man aber hiergegen einwenden dass jene Billigung sich zunächst nur auf diejenigen Paradoxa beziehe die lern Weisen ein bestimmtes Prädicat wie dass er schön ■eich u. 8. w. sei beilegen, so wäre zu erwidern dass alle üese Paradoxen ohne die Tugend als das einzige Gut anzu- orkennen nicht denkbar sind. Ueberdiess lässt sich dass Mon in der Güterlchre auf Seiten der Stoiker stand auch ladurch wahrscheinlich machen dass in derselben Hinsicht 8 auch Piaton zu thun schien (Theil H 336 ff.) und dass ler gleichen strengeren Ansicht auch die Akademiker der

ienen ans stoischen in sokratischo verwandelt werden: denn da das- ßlbe im dritten Buch der Tusculanen geschieht (10, Tgl. 8) und auch en paradoxen Meinungen, oder wenigstens einer derselben, aber iner besonders hervorstechenden (omnes insipientes insanos esse), ier dieselbe Anerkennung gezollt wird, so ist diess wieder ein Bei- piel der Uebereinstimmung die zwischen den Ansichten dieses Buches nd den philonischen besteht. Indem übrigens Philon diese Paradoxa illigte und als sokratischo anerkannte bezeugte er nur von Neuem dine Abhängigkeit von Piaton, da dieser bereits gegen den Schluss es Phaidros p. 279 C den Sokrates beten lässt: nXovaiov vofd^oifii bv aotf'uv.

') Acad. pr. 135: agc, haec probabilia sanc sint (sc. sapientis nimum nnmquam ncc cupiditate moveri nee laetitia ecferrih num tiam illa, numquam timere numqnam dolore? sapiensne non timeat e patria deleatur? non doleat si dcleta sit? durum sed Zenoni ecessarium cui praeter honestum nihil est in bonis, tibi vero An- ioche minime cui praeter honestatem multa bona praeter turpitudi- em multa mala videntur quae et venientia metuat sapiens necesso 8t et venisse doleat.

29*

452 Die Tusculaoen.

Kaiserzeit huldigten in denen wir früher Nachfolger Philons erkannt haben (vgl. S. 243 f.). Es ist nun selbstveratänd- lich dass solche Behauptungen wie dass die Tugend alleiii ein Gut sei in Philons Munde nur etwas Wahrscheinliches aussprechen wollen und es daher kein Hinüberschwanken in den Dogmatismus ist wenn Cicero im dritten Buche der Tusculanen sich zu derselben Ansicht bekennt. Der letztere hat überdiess dadurch dass er gegen den Schluss seiner Dar- stellung wiederholt (77. 80) die Berechtigung der peripateti- schen Güterlehre neben der stoischen hervorhebt jeden An- lass eines Missverständnisses im angegebenen Sinne beseitigt und damit gleichzeitig die Uebereinstimmung zwischen den Tusculanen und Philons Ansichten in ein neues und helleres Licht gesetzt. Denn noch mehr tritt hierdurch hervor dass Cicero nicht jeder beliebigen Ethik die gleiche Geltung zu- gesteht sondern aus allen möglichen nur zwischen den ge- nannten zwei die Wahl lässt, und diess wiederum ist der- selbe Gedanke den Cicero als Vertreter Philons Acad. pr. 134 ausspricht.^) Aber ist die Vorliebe für die stoisdie Ansicht in den Tusculanen nicht grösser als in den Acade- mica? Dass ihr der stärkere Ausdruck geliehen wird kann man zugeben. An der Sache wird dadui'ch nichts geändert: denn wenn in den Academica 134 die stoische Güterlehre als eine göttliche bezeichnet wird ^) so bedeutet diess in ge- wöhnliche Prosa übertragen eine die an den Menschen ausser- ordentlich hohe, vielleicht zu hohe Anforderungen stellt (vgl. auch das „durum sed Zenoni necessarium" 135), nichts an-

') Nachdem er der zenonischen sowie der theophrastischen Güterlehre gedacht and beider Werth gegen einander abgewogen hat fährt er fort: distrahor: tum hoc mihi probabilius tum illud videtar et tamen nisi alterutrum sit virtutem jacere plane puto.

') Zeno in uua virtute positam beatam vitam putat. deos

nie qui nihil censuit deesse virtuti.

Das dritte Bach. 453

deres aber besagt es wenn in den Tusculanen der stoischen Ansicht das Prädicat der tapfersten und männlichsten er- theilt wird;*) und was den Tadel betrifft den die AcademicÄ in das Bedenken kleiden ob nicht die stoische Theorie der Tugend mehr zumutho als die Natur vertrage (sed ille vereor ne virtuti plus tribuat quam natura patiatur) so wird ein solcher in den Tusculanen zwar nicht ausgesprochen ist aber auch durch das ihr gespendete Lob nicht ausgeschlossen da etwas zwar tapfer und männlich gedacht trotzdem aber un- ausführbar sein kann. Mit der Bevorzugung der stoischen Ansicht vergibt Cicero seiner Skepsis um so weniger etwas als jene ihren Grund nicht in einer vermeintlichen grösseren üebereinstimmung mit den Verhältnissen der Wirklichkeit und damit in einer grösseren Annäherung an die Wahrheit hat sondern allem Anschein nach hervorgerufen ist durch die Erwägung dass man die sittlichen Forderungen über das dem Menschen mögliche hinauss2)annen muss wenn auch nur dieses erreicht werden soll. Es ist wahrscheinlich nicht so sehr der innere theoretische Werth als die äussere praktische Brauchbarkeit gewesen die Cicero veranlasste die stoische Lehre auf Kosten der peripatetischen so stark hervorzu- heben.*) Diesen Gesichtspunkt festgehalten sind wir im Stande einen Einwand zu beseitigen den man gegen die Ableitung des dritten Buches von Philon deshalb erheben könnte weil eine solche sich mit der Ansicht dass derselbe Ciceros Gewährsmann im zweiten gewesen sei nicht zu

*) 22: scntentiis tarnen utcndum eorum potissimum qui maxime fort! et ut ita dicam viril! utontur ratioDe atquo scnteDtia (sc. Stoi- comm).

*) Dieselbe Rücksicht veranlasst ihn 76 ff. und 79 die Frage welches Trostmittel man wählen solle unentschieden zu lassen und ihre Beantwortung im einzelnen Falle von Zeit und Personen ab- h&n^ig zu machen.

454 ^^ Tusculanen.

vertragen scheint. Denn ebenso wie im dritten der stoischen wird im zweiten der peripatetischen Schule, wenigstens was die Güterlehre betriflft, der Vorzug gegeben.*) Dieser schein- bare Widerspruch löst sich jetzt dadurch dass es sich im zweiten Buche imi das Ertragen körperlichen Schmerzes handelt, dieser aber derselbe bleibt auch wenn wir ihn für kein Uebel halten;*) ferner dadurch dass der Nachweis den das zweite Buch beabsichtigt der Schmerz könne ertragen werden um so bündiger ist wenn er auch den schlimmsten Fall dass der Schmerz ein Uobel ist in Rechnung zieht Dass übrigens eine wesentliche theoretische Differenz zwi- schen den beiden Büchern nicht besteht ergibt sich aus den S. 412, 1 angeführten Stellen des zweiten an denen gerade so wie im dritten zwischen der peripatetischen und stoischen Güterlehro die Wahl gelassen ist. Was sich ausser dem Gesagten zur Beantwortung der uns hier beschäftigenden Frage theils an Einwänden beseitigen theils an bestätigen- den Momenten vorbringen lässt ist zwar verglichen mit ihm von untergeordnetem Werthe, soll indessen hier doch noch eine Stätte finden. So könnte man gegen die Vormuthung dass Philon Ciceros Quelle war darum Bedenken hegen weil Cicero behufs einer Aeusserung des Karneades zimächst An- tiochos als Gewährsmann anführt (59) und sodami gegen jene Aeusserung polemisirt:^) welches beides man mit Phi-

') 29 f. bes. die Worte: Nihil bonum nisi quod honestom; nihil malum nisi quod turpe. Optare hoc quidem est, non docere. Illnd et melius et verius: omnia quae natura aspernetur in xnalis esse; quae adsciscat, in bonis. Vgl. noch 42.

') A. a. 0.: definis tu mihi, non toUis dolorem, cum dicis aspe- rum, contra naturam, vix quod ferri tolerarique possit; nee mentiiis; sed re succumbere non oportebat verbis gloriantem.

^) Die Schärfe dieser Polemik wird übrigens durch eine sp&tere Aeusserung (79) gemildert, welche zugesteht dass der ¥on Ejirneades getadelte Trostgrund nur nicht immer und für Alle passend sei.

Das dritte Buch. 455

Ions Verhältniss zu Karneades unvereinbar finden könnte. Aber um abzusehen von der Möglichkeit dass Cicero hier etwas aus eigener Lektüre eingeschaltet habe (vgl. S. 441) 80 könnte was den ersten Punkt betrifft Philon den An- tiochos citirt haben nicht um durch ihn die Aeussorung des Karneades als echt beglaubigen zu lassen sondern um ihn dessen Ansicht mit der des Karneades übereinstimmen mochte ebenfalls seines Irrthums zu überfuhren; noch weniger hat der zweite Punkt zu bedeuten, da die Möglichkeit einer Polemik Philons gegen Karneades in einem einzelnen Falle theils durch seine Stellung in der Entwickelung der akade- mischen Skepsis nicht ausgeschlossen ist theils insbesondere noch aus Cicero Acad. pr. 137 und 139 erhellt. Zu den bestätigenden Momenten rechne ich den Wunsch welchen Cicero äussert widerlegt zu werden (cupio refelli 46) womit ausser im zweiten Buche 4 zu vergleichen ist das S. 223, 1 Bemerkte, femer die Zusammenstellung von Pythagoras So- krates imd Piaton (vgl. dazu S. 243), sodann wenn ich an Cicero nat. deor. III 59 denke das Lob das 38 dem Epi- kureer Zenon ertheilt wird, und endlich dass die Darstellung ebenso wie der skeptische Vortrag in den Academica hin- sichtlich der Methode in zwei Theile geschieden wird den ersten in dem sie nach stoischer Weise dialektisch straff an- gezogen sein und den zweiten in dem sie sich in breiterem Flusse ergehen soll. ^)

') Tusc. 13: et prlmo si placet Stoicorum more agamus qui bre- viter adstriogere solcnt argumenta; deinde nostro instituto vagabi- mur. 22: Uaec sie dlcuntur a Stoicis concludunturquc contortius. Sed latius aliquanto diceoda sunt et dlffusius; sententiis tarnen uten- dum eorum potissimum qui maxime fort! et ut ita dicam virill utun- tur ratione atque sententia. Nam Peripatetici etc. Hiermit vergleiche man Acad. pr. 112: Ac mihi videor nimis etiam agere jejunc; cum sit enim campus in quo exsultare possit oratio, cur eam tantas in

454 Tusculanen.

vertragen scheint. Denn ebenso wie iir ./ wird im zweiton der peripatetischei» die Güterlehro betriflft, der Vorzug ). ' >r das dritte bare Widerspruch löst sich jet ' is vierte be- zweitcn Buche um das Ert' ' iissbaren Zu- handelt, dieser aber derselh / ^ ; ii Einheit der kein Uebel halten; *) fern . > ' ~ ' t zunächst dar- das zweite Buch beabß- // .' istand behandelt worden um so bündifr V-- ' ochaften (;r«% per-

Fall dass der Sehr ' ' - unterschied besteht dass

PI

Dass übrigens eir-/ ^ers interessirende, der Kum-

scheu den beidi», "^ ^.iffen ist während im vierten die

S. 412, 1 aof^ ^öU zu mehr oder minder ausführücher

so wie im d' , *) und Cicero selbst gibt, indem er im

Güterlehrr ,ei Beginn der Erörterung über den Kummer Gesagte* ^ch nicht auf die Besprechung. dieser Leidenschaft Frag^ ^«^ sondern auch die übrigen behandehi zu wollen,*) den .^^n deutlichen Wink dass die auf zwei Bücher ver- yt/^ Xtoi'S^^llui^g im Grunde eine einheitliche Reihe bildet it^ dm*ch dieses innerliche Biind das die Identität des ^J^gflstandcs knüpft werden die beiden Bücher aber auch -^rlich dm'ch die üboreinstinunende Form zusammenge- ^ten, da wir im vierten dieselbe Anhäufung von poetischen (Jitaten bemerken die uns schon im dritten auffiel und ein

angustias et Stoicorum in dumcta conpollimus? si enim mihi com Peripatctlco res esset etc. Auf denselben Wechsel in der Methode der Darstellung deutet auch Tusc. IV 9.

') Das vierte Buch trägt die Ueberschrift de reliquis animi per- turbationibus. Von den „perturbationes" im Allgemeinen war aber auch schon im dritten Buch 7 ff. die Rede.

*) 13: Et progrediar quidem longius: non enim de aegritudine solum quamquam id quidem primum, sed de omni animi ut ego po- sui perturbatione (morbo ut Graeci volunt) explicabo.

Das vierte Bach. 457

Kennzeichen des philonischcn Ursprungs war. Hierzu kommt dass auch in diesem Buche Cicero an verschiedenen Orten mehr oder minder deutlich uns seinen akademischen Skepti- cismus zu verstehen gibt*) und was die Methode der Dar- stellung betrifft auf den in stoische Dialektik eingeschnürten Theil einen anderen bequemer sich ausbreitenden folgen lässt.*) Diese theilweise Verwendung der stoischen Dialektik ist ein Zeugniss der hohen Anerkennung, die der Verfasser in die- sem Buche 80 wonig als im dritten den Stoikern versagen kann.') Daher macht er sich die stoischen Definitionen der Leidenschaften zu Nutze, obschon er gleichzeitig an der pla-

') 7: Sed defendat quod quisque sentit; sunt enim judicia libera; DOS institutum tcnebimus nullisque unius disciplinac legibus adstricti, quibus in philosophia necessario pareamus, quid sit in quaque re maxime probabile sempcr exquiremus. 47: Videsne quanta fuerit apud Academicos verecundia? Plane enim dicunt quod ad rem per- tineat. Peripateticis respondetur a Stoicis. Digladientur Uli per me licet cui nihil est necesse nisi ubi sit illud quod veri simillimum videa- tur anquirere. Quid est igitur quod occurrat in hac quaestlone, quo possit attingi aliquid veri simile? quo longius mens humana progredi non potest. 53: Quamvis licet insectemur istos (die Stoiker) ut Car- neades solebat etc. 82: cognitis quoad possunt ab homino cognosci boDorum et malorum finibus.

*) Darauf macht er uns selber aufmerksam 9 und 33. Zu die- sem Wechsel der Methode ist schon früher (S. 455, 1} eine Stolle aus den Academica verglichen worden. Erläuternd mag hier noch be- merkt werden dass wie in den Tusculanen dem ersten Theil die Ver- wendung stoischer Definitionen eigenthümlich ist auch in den Aca- demica derselbe die stoische Begriffsbestimmung des Wissens zur Voraossetzang hat. Vgl. oben S. 311.

') Quamvis licet insectemur istos (die Stoiker) ut Cameades solebat, metuo ne soll philosophi sint. Quae enim istarum definitio- num (die angeführten des Sphairos und Chrysipp) non aperit notio- nem nostram, quam habemus omnes de fortitudine tectam atque in- volutam?

458 1^16 Tusculanen.

tonischen Psychologie festhält/) und beantwortet die Frage wie der Schmerz eines Menschen über moralische ihm an- haftende Uebel zu beurtheilen und zu beseitigen sei in einem Sinne der ihr die gegen die Stoiker gerichtete Spitze ab- bricht, wie ebenfalls schon im dritten Buch geschehen war.*) Hat er sich schon hierin als einen Anhänger Chrysipps ge- zeigt,^) so tritt dasselbe auch noch da hervor wo er für eine Ansicht dieses Stoikers gegenüber Karncades in der- selben Weise in die Schranken tritt die wir schon aus dem vorangehenden Buche kennen.*) Es ist hiernach fast selbst- verständlich dass auch im vierten Buch die Polemik gegen die Peripatetiker und deren auf Mässigung der Leidenschaf- ten dringende Lehre wiederkehrt;^) nur dass dieselbe hier noch mehr ausgeführt und vielleicht noch heftiger ist, noch weniger also was beiläufig mit bemerkt werden mag auf Antiochos zurückgeführt werden kami.^) Dabei weiss Cicero den Dogmatismus im Einzelnen zu nutzen ohne ihm im Ganzen anheim zu fallen und erreicht diess auch hier wie schon im dritten Buche unter anderem dadurch dass er den

') 10 f. (vgl. S. 447 f.). 77 ff. (vgl. S. 447, 1).

*) Vgl. 61 mit 59 f. dazu III 68 und S. 435 f.

^) Und zwar im Gegensatz zu Kleanthes wie sich aus einer Ver- gleichung der in vor. Anmkg. angeführten Stellen mit III 76 ergibt. Auch über die Tragweite des von Chrysipp empfohlenen Trostmittels gibt er sich keiner Täuschung hin, so wenig als das vierte Buch, ja so wenig als Chrysipp selber, vgl. 63 und III 79.

*) 63, vgl. 111 59.

^) 38 ff.

^ Vgl. bes. 48: Quid ad has definitiones (des Stoikers Zenon) possint dicere? Atque haec pleraque sunt prudenter acuteque disse- rentium; illa quidom ex rhetorum pompa: „ardores animorum cotes- que virtutum^S Letzteres geht auf 43 mitgetheilte Aeusserungen der Peripatetiker. Gegen die 44 angefahrten richtet sich 55: Libidioem vcro laudare ccgus est libidinis! Vgl. dazu S. 444.

Das yierte Buch. 459

Vorzug den er gewissen Ansichten gibt nicht so wohl auf ihre theoretische Wahrheit als auf die praktische Brauch- barkeit gründet.^)

Folgt nun aus dieser Uebereinstimmung dass Philou als der Gewährsmann Ciceros auch für das vierte Buch zu gelten hat, so wird dieses Resultat bestätigt durch die Verbindung in der Pythagoras mid Piaton erscheinen als die beiden Autoritäten nach deren Vorgang zwei Theile in der Seele geschieden werden.^) Zu Philon passt sodann die stoische Güterlehre der wir auch im vierten Buche wieder begegnen, da sie wie früher (S. 451) bemerkt wurde von der plato- nischen nicht wesentlich diflferirt. ^) Da ferner die Art wie Cicero die Heilung der Leidenschaften von jeder besonderen Philosophie unabhängig zu machen sucht in offenbarer Pa- raUelo ist zu der Gleichgiltigkeit mit der Kameades bei Er-

^) 14: sed omnes pcrturbationes judicio ccnsent fieri et opinioDe. Itaque eas definiunt pressius ut intellegatur non modo quam vitiosae sed etiam quam in nostra sint potestate. Est ergo aegritudo opinio recens etc. 59: est etiam in omnibus quatuor per-

turbationibus lila distinctio ut si quis aegre ferat so

pauperem esse idne disputes paupertatem malum non esse an bomi- nem aegre ferre nihil oportere. Nimirum hoc melius, ne si forte de paupertate non persuaseris sit aegritudini concedendum. 60: lUa au- tem altera ratio et oratio quae simul et opinionem falsam tolllt et aegritudinem detrahit est oa quidem utilior sed raro proficit neque est ad Tulgus adhibenda. Vgl. dazu S. 453 f.

') 10. Vgl. S. 455. Dass Posidon nach Galen de plac. Hipp, et Plat. p. 425 K dieselbe Ansicht ausgesprochen hatte, schliesst na- türlich nicht aus dass nicht schon vor ihm Andere und insbesondere Philon das Gleiche gethan hatten.

^) An die Xeyofxeva dya&d Piatons erinnert 66: sint sane ista bona quae putantur, honores divitiae voluptates cetera. Dadurch dass Cicero ebenda die stoische Güterlehro nicht schlechthin als die wahre hinstellt sondern nur bezeichnet als die ,,ratio quae maxime proba- tur de bonis et malis^* salvirt er sein skeptisches Gewissen.

460 ^^6 Tascolanen.

örtening der Frage ob die Tugend zur Glückseligkeit geoüge die Unterschiede der einzelnen Philosophien behandelte,*) so werden wir von Neuem darauf hingewiesen Ciceros Gewährs- mann bei den skeptischen Akademikern zu suchen unter denen dami neben Philon kein Anderer das Recht hat berücksicli- tigt zu werden. Dagegen kann der Tadel der 71 Piaton trifft weil er die Liebe verherrlicht habe uns ebenso wenig abhalten Ciceros Darstellung auf Philon zurückzunihren als er uns abhalten würde an Posidon oder Antiochos zu den- ken; denn da derselbe im Grunde sich auf den Zweifel be- schränkt ob es eine hohe und reine Liebe wie die welche Piaton verherrlicht hatte überhaupt gebe,*) also sehr leicht ist,^) so lässt er sich auch einem Anhänger und Verehrer

^) 62: Quare omnium philosophomm ut ante dixi una ratio est mcdendi, ut nihil qaale sit illud quod perturbot animum sed de ipsa Sit perturbatione dlcendum. Itaquc primum in ipsa cupiditate, cum id solum agitur ut ea toUatur, non est quaerendum, bonnm Ulud necno sit quod libidlnem moveat, sed libido ipsa tolleoda est ut, sive quod honestum est id sit summum bonum sive voluptas sive horum utrumque conjunctum sive tria illa gencra bonorum, tarnen etiam si virtutis ipsius vehementior appetitus sit cadem sit omnibus ad deter- reudum adhibenda oratio. Hiermit vgl. Y S'd: Et quoniam videris hoc vello ut, quaecumque dissentientium philosophomm sententia sit de finibus, tarnen virtus satis habeat ad vitam beatam praesldii, qood quidem Cameadem disputare solitum accepimus.

^) 71: philosophi sumus exorti (et auctore quidem nostro Piatone quem non injuria Dicaearchus accusat) qui amori auctoritatem triba-

eremuB. Qui (^sc. amor) si quis est in rerum natura sine solli-

citudine sine desiderio sine cura sine suspirio, sit sane; vacat enim omni libidine; haec autem de libidine oratio est. In diesen Worten ist „rerum natura" zu verstehen nach Maassgabe von V 4 wo es dem „error noster" entgegengesetzt ist Die Bemerkung Th. II S. 403, 1 beruht also auf einem Missverständniss.

') Man kann diess auch daraus schliessen dass Cicero, indem er sagt sumus und tribueremus, sich seibat mit zu denen rechnet die von jenem Tadel betroffen werden.

Das vierte Bach. 461

des attischen Philosophen zutrauen.^) Noch weniger darf man endlich gegen Philon geltend machen dass Cicero wenn er gelegentlich von dem Weisen spricht dem „alle Ewigkeit und der ganzen Welt Umfang bekannt sei"*) ein anderes als das skeptische Menschenideal im Sinne habe. Stichhaltig würde dieser Einwand nur sein wenn es sicher wäre, dass mit dem Wort „bekannt" (nota) Cicero genau den griechischen Aus- druck wiedergegeben hat, und nicht ebenso leicht denkbar dass derselbe an die Stelle einer Wendung des Originals ge- treten ist wodurch die Ewigkeit und die Grösse des Uni- versums als Gegenstand der Betrachtung für den Weisen be- zeichnet wurden. Letztere Verrauthung wird dadurch em- pfohlen, weil bei ihrer Annahme die Stelle der Tusculanen denselben Gedanken enthält den wir auch Acad. pr. 127 finden insofern beide Mal die Betrachtung der grossen Ver- hältnisse des Weltganzen als geeignetes Mittel anerkannt wird um uns über die niederen irdischen Leiden und Freuden em- porzuheben (vgl. oben S. 293 ff.).

Suchen wir dieses für Philon günstige Ergebniss noch weiter dadurch zu befestigen dass wir die Ansprüche seiner beiden Rivalen Poseidonios und Antiochos denn nur diese Beiden können ernsthaft in Frage kommen als unbegrün- dete darthun.

Mit Poseidonios' Ansprüchen ist es auch in diesem Buche nicht besser bestellt als im vorhergehenden, da dieselben wiederum durch die Ableitung der Leidenschaften von ge-

') In dieser Hinsicht ist es interessant auch Panaitios* Urtheil über die Liebe zu vergleichen von dorn Th. II S. 311 die Bede war.

*) 37: is est sapiens quem quaerimus, is est beatus; cui

nihil humanarum rerum aut intolerabile ad demittendnm animum aut nimis laetabile ad efferendum videri potest. Quid enim videatur ei magnum in rebus humanis cui aeternitas omnis totiusque mundi nota sit magnitudo?

462 Die Toscalanen.

wissen Meinungen zerstört werden (7, 14 f. 65. 76. 79 f. 81 ff.)*) und auch die Definition der Weisheit die wir 57

') Um Posidons Auffassung der Leidenschaften mit der die wir im vierten Buche finden in Uebereinstimmung zu bringen hat » sich Poppelreuter Quae ratio intercedat inter Posidonii nsgl Tca^- ngayiiarslaq et Tusculanas disputationes Giceronis doch etwas za leicht gemacht wenn er S. 14 f. Folgendes sagt: „Galenus e Posi- donii sententia contra Chrysippnm hoc defendit 369, 10 a^^arf

(Jtaxa yivea^ai xaxa ttjv V^'X^v ankütg t<p xpEvöäfg insilriiphai

negl xivotv atq dyaS-wv rj xaxwv ... v. 12 d^^ataxfifAa tjJv m^ xwv /()J7/uaTa^v elvai So^av dg dya^wv. Cf. Cic. IV 26: est aatem avaritia opinatio vehemens de pecunia quasi valde expetenda sit m- haerens et penitus insita". Durch diese Zusammenstellung kann nur getäuscht werden wer sich der Mühe überhebt Galens Worte selbst nachzusehen. Galen nämlich oder wie wir sagen dürfen Posidon hat daraus dass Chrysipp eine Leidenschaft als fiavla bezeichnet den Schluss gezogen dass er dieselbe aus dem yemunftlosen Seelen- theil hervorgehen lasse (p. 396 K). Hierauf macht er sich selber folgenden Einwand: dXXa vrj /tla lawg äv xig (pi^aeie x6 fiavitödfi; od diä xr]v aXoyov ylvsaS-ai övva/uv dkXa öiä xo inl Ttkiov ^ ngaa- rjxev ^fr/x^a« tri/v xe xgLaiv xal x^v öo^av, wg el xal ovxcog tkf- yev d^Qwaxijfiaxa yivsa&ai xaxä xtjv V^p/v ovx ctTiXäig xw yffv- Swg vnsiXrjipevai negl xivotv mg dya^wv ^ xaxwv dXXa ry fiiyiaxa rofil^eiv avxd' firjöiTCü) yuQ d^^waxrifia rr/v nfQl liöv •/QflfjLaxwv elvcti öo^av wg dya^wv dXV insiddv xig avxcc fiiyioxof dyad-ov elvat vo/nlt,y xal fxrföh g/y*' «l'ov vnoXafißdvy X(p axegri^hri XQrifidxmv xxX. Daraus dass in diesen Worten der Ansicht Chrysipps welche den Ursprung der Leidenschaft aus der Vorstellung eines sehr grossen Gutes oder Uebels ableitet die andere entgegengesetzt wird welche nur die Vorstellung eines Gutes oder Uebels überhaupt für erforderlich hält, hat Poppelreuter offenbar geschlossen dass die letz- tere die Ansicht Posidons sein müsse. Der Schluss beruht daraaf dass weil Posidons Ansicht derjenigen Chrysipps entgegengesetzt wir nun jede einer chrysippischen entgegengesetzte Ansicht jenem Stoiker zu gehören schien. Dass dieser Schluss nicht bündig, vielmehr eb Paralogismos ist, liegt auf der Hand. Hier lehrt überdiess der Zu- sammenhang wie jener Gegensatz zu verstehen ist. Der Einwand der im Sinne eines Anhängers der chrysippischen Lehre vorgetragen

Das vierte Buch. 463

finden^) obschon sie von ihm gebilligt wurde doch ihm nicht ausschliesslich angehört, also auch nicht nöthigt an ihn zu denken. Ja wenn man bedenkt dass ein gegen Posidon spre- chendes Argument zwar schon im dritten Buche angedeutet ist, in voller Stärke aber erst im vierten hervortritt, so möchte man sagen dass an die Autorschaft dieses Stoikers zu denken im vierten Buche noch weniger erlaubt ist als im vorhergehenden. Zu den Dingen nämlich welche Posidon dem Chrysipp zum Vorwurf machte gehört auch die Vor- gleichung die der letztere nicht nur zwischen der Krankheit des Körpers und des Geistes sondern auch zwischen der Gesundheit beider angestellt hatte: denn nach Posidon sollte die Gesundheit des Geistes dadurch wesentlich von der des Körpers unterschieden sein dass sie nicht wie diese die Disposition zur Krankheit in sich trägt (Galen a. a. 0. p. 432flf. K.). Hierauf, dass zwar Chrysipp, aber nicht Po- sidon die Gesundheit des Geistes zu der des Körpers in

wird will dieselbe näher erläutern: wenn Chrysipp gewöhnlich die Vorstellung eines Gutes oder Uebels als die Ursache der Leidenschaft bezeichne so sei nicht an die Vorstellung eines Gutes oder Uebels schlechthin zu denken {odx ccTiXotg) sondern an die Vorstellung eines sehr grossen Gutes oder Uebels. Es wird also von Galen nicht Chry- sipps Ansicht einer fremden sondern der ungenau ausgedr(\ckten An- sicht Chrysipps die schärfer gefassto entgegengesetzt. Aber auch wenn Poppelreuters Auffassung der Worte Galens die richtige wäre so würde keineswegs folgen dass Posidon Ciccros Quelle war. Denn nach dieser Auffassung bliebe als die Chrysipp eigenthümliche und von Posidon bestrittene Ansicht diejenige übrig welche zur Erregung der Leidenschaft die Vorstellung eines grossen Gutes oder Uebels erfordert, diess entspricht aber Ciceros Ueberzeugung wie sich die- selbe theils in den von Poppelreuter angeführten Worten (valde ex- petenda, nicht expetenda) theils in zahlreichen anderen Stellen des in. und IV. Buches (opinio magni boni, mall) ausspricht.

') Sapientiam esse rerum diTinarum et humanarum scientiam Cognitionen] que quae ccgusque rei caussa sit.

464 Die Tusculanen.

Parallele stellte, beruht beider DiflFerenz. *) Die Frage ist also auf wessen Seite sich Cicero stellt, oder eigentlich es kann keine Frage sein da er ebenso wie die Krankheiten des Körpers und des Geistes auch die gesunden Zustände beider mit einander vergleicht.*) Davon dass Cicero ebenso

') Diess hat Poppelreuter a. a. 0. S. 16 Qbersehen wenn er daraus dass Cicero die Leidenschaften mit Krankheiten des Körpen vergleicht eine Benutzung Posidons erscbliesst. Denn diess ist ge- rade der Punkt über den zwischen Posidon und Chrysipp die voll- kommenstc Uebereinstimmung herrschte (Galen 433 E). Ja nicht ein- mal diess begründet eine Eigenthümlichkeit Posidons dass dieser die Krankheiten des Geistes nicht direkt mit Krankheiten des Kör- pers sondern nur mit der Disposition zu gewissen Krankheiten Te^ glichen hatte. Poppelreuter a. a. 0. legt zwar hierauf Gewicht und schliesst daraus dass die Yergleichung in derselben Weise von Cicero vollzogen wird auf Posidon als dessen Gewährsmann. Wie sehr er Indessen damit Unrecht hat lehren folgende Worte Galens 433 K: oixovv oQd-ütg elxd^ea^al (prjaiv vno xov XQvalnnov rrfv fihv vyiftav xijq ^vxÜQ ^y '^ov awfxaxoq vyisla, zrjv öh voaov rj ^qSiotg fl; voarjfia Ifxnmxovay xaxaaxdaei xov aw/iaxog. Dieselben zeigen dass der gleichen Ansicht schon Chrysipp huldigte. Noch in einem anderen Falle begreift man kaum wie Poppelreuter eine Ciceronische Aeusserung mit Chrjsipps Ansichten nicht in Ueberein- stimmung finden konnte. A. a. 0. S. 17 sagt er nämlich: Similiter Cicero animi sanitatem adesse dicit IV 30 „cum ejus judicia opinio- nesque concordant". Certe nihil simile Chrysippos scripserat Wenn nun aber etwas der Art Chrysipp nicht geschrieben hatte, wanun hätte sich dann Galen oder Posidon so viel Mühe gegeben die An- sicht Chrysipps zu widerlegen dass alle Leidenschaft aus einem Streit der Meinungen unter sich herrühre? Und doch thut er dies p. 456f.K: eiTiBQ ya(i iv x<p f^axfoS-ai ovo x^laeiq dXXijlaig tj xmv naSxov ictt yivsaiq, dvdyxri xwv ovo xovxudv xqIoswv fjxoi xijv kxiQav fikv t»a^ X€iv dXri^Ti ri/r hxt^av 6e \p6v&^ tj dfitpoxiQag ipsvdeig, bT xig xd xovTo avyxttfQfjoeiev, t^si yaQ xiva ^t^xr^aiv Xoyixr^v, bXxe 6e dfjupo- xigaq tpsvösTg sixe xt^v kxt(}av adxwv d^.rjS-^ (fcUrjfxev vndgxfiy* w- dafjiwq rj fiaxt tcüv xqIübwv eaxai xo nd^oq xxX. Vgl. noch 457 f.

') 30: Ut enim corporis temperatio cum ea congraunt inter se,

Das vierte Buch. 465

wie Posidon diese Vergleichung verworfen habe, kann hier- nach nicht mehr die Rede sein und die Stelle in der man trotzdem diesen Gedanken hat finden wollen kann nicht als eine Verwerfung derselben wie sie Posidon ausgesprochen hatte betrachtet werden sondern nur als eine Einschränkung derselben die etwaigen Missverständnissen und verkehrten Folgerungen vorbeugen sollte.*) Nicht anders aber als im vierten hatte Cicero die Aehnlichkeit von geistiger und kör- perlicher Gesundheit schon im dritten Buche beurtheilt, *) so dass schon hierdurch für beide Bücher die Yermuthung eine Schrift Posidons sei die Quelle gewesen ausgeschlossen ist^) Um zu zeigen dass der Inhalt des vierten Buches nicht

e qaibus constamas, sanitas sie animi dicitur cum ejus judicia opi- nionesque concordant caque est animi virtus etc. 23: Quemadmodum, cum sanguis corruptus est aut pituita redundat aut bilis, in corpore morbi aegrotationesque nascuntur sie pravarum opinionum conturba- tio et ipsarum inter se repugnantia sanitate spoliat animum morbis* que pcrturbat.

^) Nach der wie auch ich glaube richtigen handschriftlichen Ueberlieferung sagt Cicero 31 : Illud animorum corponimque dissimile qnod animi valentes morbo temptari non possunt, corpora possunt. Auf denselben Gedanken beruft sich auch Posidon bei Galen 433 K. Der Unterschied zwischen beiden ist nur dass sie von dem gleichen Gedanken eine verschiedene im Texte näher bezeichnete Anwendung machen. Vgl. dazu Poppelreuter S. 15.

*) 10: Ita fit ut sapientia sanitas sit animi etc. Vgl. 9: Sani- tätern enim animorum positam in tranquillitate quadam constantiaque censebant. 22: nam ut corpus etiam si mediocriter aegrum est Sa- num non est, sie in animo ista medioeritas caret sanitate.

*) An Philon aber zu denken hindert nicht nur nichts da in diesem Protest gegen die Vergleichung körperlicher und geistiger Gesundheit Posidon nicht einmal Galen auf seiner Seite hat (p. 434) und also damit allein gestanden zu haben scheint, sondern im Gegen- theil spricht für ihn schon der Umstand dass derselben Vergleichung sich bereits Piaton bedient hatte und vollends beseitigt jeden ver- nünftigen Zweifel das Excerpt bei Stobaios ecl. 11 p. 42 f.

Hirxel, Untersnchungfen. Ul. 30

466 I^ie Tuscalanen.

von Antiochos genommen sein kann bedürfen wir nur der Voraussetzung dass die Ansichten dieses Philosophen im fünften Buch de finibus wiedergegeben sind, eine Voraus- setzung zu der man sich die Erlaubniss nicht erst zu er- bitten braucht (vgl. Theil II S. 691 ff.). Nun lesen wir im fünften Buch de finibus 48 ff. Folgendes: quid vero? qui in- genuis studiis atque artibus delectantur nonne videmus m nee valetudinis nee rei familiaris habere rationem omniaque perpeti ipsa cognitione et scientia captos et cum maximis curis et laboribus compensare eam quam ex discendo ca- plant voluptatem? mihi quidem Homerus hujus modi quid- dam vidisse videtur in eis quae de Sirenum cantibus finxit; neque enim vocum suavitate videntur aut novitate quadam et varietate cantandi revocare eos solitae qui praetervehe- bantur sed quia multa se scire profitebantur ut homines ad earum saxa discendi cupiditate adhaerescerent. ita enim

invitant Ulixem vidit Homerus probari

fabulam non posse si cantiunculis tantus vir inretitus tene- retur: scientiam poUicentur quam non erat mirum sapien- tiae cupido patria cariorem esse, atque omnia quidem scire cujuscumque modi sint cupere curiosorum, duci vero majo- rum rerum contemplatione ad cupiditatem scientiae sum- morum virorum est putandum. quem enim ardorem stadii censetis fuisse in Archimede qui, dum in pulvere quaedam describit attentius, ne patriam quidem captam esse senserit? quantum Aristoxeni ingenium consumptum videmus in musi- cis? quo studio Aristophanem putamus aetatem in Utteris duxisse? quid de Pythagora? quid de Piatone aut De- mocrito loquar? a quibus propter discendi cupidi- tatem videmus ultimas terras esse peragratas. Hie^ mit vergleiche man aus dem vierten Buche der Tusculaiien

44: Nee vero solum hanc libidinem laudant sed ipsum

illud genus vel libidinis vel cupiditatis ad summam utilita-

Das Tierte Bach. 467

$m esse dicunt a natura datum; nihil enim quemquam nisi dod libeat praeclare facere posse. Noctu ambulabat in pu- lioo Themistocles ~ Cui non sunt auditae De- lOsthenis vigiliae? Philosophiae

snique ipsius principcs numquam in suis studiis tantos pro- ressns sine flagranti cupiditatc facere potuissent. Ul- mas terras lustrasse Pythagoram Democritum Pla- >nein accepimus; ubi enim quicquid esset quod disci wset eo veniendum judicaverunt. Num putamus haec fieri ne summo cupiditatis ardore potuisse? Die Verglei- wing beider Stellen ergibt ohne Weiteres die vollkommene ebereinstimmimg hinsichtlich der darin ausgesprochenen An- ihauungs weise; und diesem Ergebniss dürfen wir um so ehr trauen als Cicero in den Tusculanen nur die Ansicht MT Peripatetiker referiren will, auf peripatetischen Ursprung jer auch de finibus die bald nach den angeführten Worten Igende Benutzimg einer aristotelischen Vorstellung (53) so- ie die Erwähnung des Demetrios von Phaleron und des Theo- iirast (54) deutet. Diese peripatetische Ansicht aber die im erten Buch der Tusculanen vorgetragen wird ist keineswegs iejenige des Verfassers der vielmehr wie die peripatetische ehre überhaupt so besonders diesen Punkt derselben in den Igenden Worten aufs Heftigste angreift (55): Libidinem vero .udare cujus est libidinis! Themistoclem mihi et Demosthe- 3m profertis, additis Pythagoram Democritum Platonem. Quid? >8 studia libidinem vocatis? quae vel optimarum rorum ut i sunt quae profertis sedata tamen et tranquilla esse de- ent. ^) Von Antiochos kann nach dem Bemerkten diese olemik nicht herrühren, «da dieselbe aber mit der übrigen

*) Vgl. 62: etiam si virtutis ipsius vehomentior appetitus sit etc. ass diess der stoischen Lehre entspricht, zeigt zum Ueberfluss noch öraz epist. I 6, 15 f.

30*

468 I^ie Tusculanen.

Polemik gegen die Peripatetiker im engsten ZusammenhaDge steht und diese wiederum den Hauptinhalt des ganzen Baches bildet so kann er überhaupt für dieses als Quellenschrift- steller nicht mehr in Frage kommen.

Ist somit noch mit besonderen Gründen nachgewiesen worden dass Posidons und Antiochos' Ansprüche für das vierte Buch keine Geltung haben, so ist damit zugleich eine Bestätigung der für das dritte Buch gefundenen Resultate gewonnen insofern dazu die aus anderen Umständen abge- leitete Unmöglichkeit gehörte in den genannten beiden Phi- losophen Ciceros Gewährsmänner zu erblicken.

5. Bas fflnfte Baeh.

Den Inhalt dieses Buches hat man aus nicht weniger als drei verschiedenen Quellen abgeleitet. Den ersten Theil c. 5 26 hat man auf Posidon, den zweiten c. 29—31 auf Antiochos, den dritten endlich von 88 an auf einen späteren Epikureer zurückgeführt. ^) Was zunächst den letzten Punkt betrifft, so könnte man gegen die Benutzung einer epiku- reischen Quelle Einspruch erheben auf Grund von 118 wo die wörtliche Uebereinstimmung Epikurs mit Hieronymos constatirt wird ^) eine Bemerkung die sich schwerlich in der Schrift eines Epikureers fand, andererseits aber auch nicht das Ansehen trägt Ciceros eigenem Urtheil zu ent- stammen. Auch den für Posidon sprechenden Gründen lassen sich andere gegenüber stellen die von ihm abrathen. Für ihn spricht dass Cicero in dem fraglichen Theil seiner Dar- stellung die schroffe Ethik der Stoiker vertritt: ob aber be- reits Posidon diess gethan habe um damit wie bei Cicero

^) Zietzschmann S. 51.

') Haec eadem quae Epicurus totidem verbis dicit Hieronyinat-

Das fünfte Buch. 469

geschieht (vgl. bes. 22) gegen Antiochos zu polemisiron ist wenigstens nirgends überliefert und muss daher dahingestellt bleiben. Dass Posidon den Anschluss an Piaton gesucht hat, ist bekannt und es ist daher insofern in seinem Sinne wenn Cicero die stoische Moral auch bei Piaton wiederfindet (34 f.): la indessen Posidon der doch immer Stoiker war und bleiben wollte hierin unmöglich so weit gegangen sein kann dass er Qeben der Autorität Piatons diejenige Zenons gänzlich ver- schwinden liess ^) so müssten wenigstens die Worte in denen letzteres geschieht Ciceros eigener Zusatz sein. Wollte man endlich auf das Lob der Philosophie verweisen das nach uorssens Nachweis von Posidon genommen sei, so wäre zu wiederholen was schon früher (S. 344 f.) erwidert worden ist, lass jenes Lob dem Proömium angehört, diese Proömien iber da sie bekanntlich mit der eigentlichen Darstellung in jehr lockerem Zusammenhange stehen auch bei der Quellcn- Torschung von derselben getrennt zu halten sind. Dass man schliesslich auch noch auf Antiochos verfallen ist und dass [uan ihm gerade den angegebenen Theil als Eigenthum zuge- wiesen hat, darüber darf man sich billig wundem: denn iieser Theil steht unter der Herrschaft des karneadeischen Satzes dass welches auch immer die Ansicht über das höchste ßut sei die Tugend auf jeden Fall zur Glückseligkeit gc- i^üge, *) und unter dem Schutze desselben findet sogai' die

*) 34: Et si Zeno Citieos, advcna quidam et ignobilis verborum opifex, insinuasse se in antiquam philosophiam videtur, hujus senten- tiae gravitas a Piatonis auctoritate repctatur. 37: ex hoc igitur Pia- tonis quasi quodam sancto aagustoque fönte nostra omnis manabit oratio.

*) 83: Et qnoniam videris hoc velle ut quaecumque dissentien- Liam philosophorum sententia sit de finibus tarnen virtus satis habeat ad vitam beatam praesidii quod quidem Cameadem disputare solitum accepimus.

470 I^ie Tusculanen.

epikureische Doctrin eine gewisse Anerkennung.^) Von einer solchen wenn auch nur bedingten Anerkennung ist aber An- tiochos weit entfernt wie wir aus de finibus V ersehen wo nach einer ähnlichen Aufisählimg der verschiedenen An- sichten über das höchste Gut, wie sie die Tusculanen (84 ff.) bieten, diejenigen des Epikur Hieronymos und Karneades als unvereinbar mit der Sittlichkeit (und was wir im Sinne des Antiochos hinzufügen dürfen, daher mit der GlückseUgkeit) von vornherein bei Seite geschoben werden.*) Diese Stelle aus de finibus weist uns noch auf einen andern Punkt hin der sich mit der Annahme von Antiochos' Urheberschaft nicht verträgt: dass nämlich in den Tusculanen die stoische von der peripatetischen Ansicht streng geschieden wird und die letztere eigentlich nur nachträglich Berücksichtigung findet; während in der Schrift de finibus die peripatetische Lehre in den Vordergrund gerückt, die stoische dagegen kaum erwähnt und eine nähere Besprechung derselben für überflüssig erklärt wird. ^)

^) 87: reliqui habere se videntur angustius; enatant tarnen: Epi- cums Hieronymus et si qui sunt qui desertum illud Cameadeum cn- rent defendere.

*) 21: sed quoniam non poBsunt onmia simul dici, haec in prte- sentia nota esse debebunt voluptatem removendam esse, quando sd majora quaedam ut jam adparebit nati sumus; de vacuitate doloris eadem fere dici solent quae de voluptate; nee vero alia sunt quae- renda contra Cameadeam illam sententiam. Quocumque enim modo summum bonum sie exponitur ut id vacet honestate, nee officia nee virtutes in ea ratione nee amicitiae constare possunt. Ck)njunctio aa- tem cum honestate vel voluptatis vel non dolendi id ipsum honestaiOt quod amplecti volt, id efficit turpe: ad eas enim res referre quae agas, quarum una si quis malo careat in summo eum bono dicat esse, altera versatur in levissima parte naturae, obscurantis est omnem splendorem honestatis, ne dicam inquinantis.

') Tusc. 83: Si enim Stoici fines bonorum recte posuerunt, cod- fecta res est: necesse est semper beatum esse sapientem. Sed qaae-

Das fünfte Buch. 471

Aber auch abgesehen von den Bedenken die sich gegen jede einzelne dieser Annahmen erheben wird man sich zu der allen dreien zu Grunde liegenden Voraussetzung dass Cicero im Laufe derselben Darstellung von der stoischen Lehre deren Standpunkt er zuerst einnahm zu derjenigen des Antiochos und schliesslich zur epikui^eischen hinübergo- schwankt sei nur dann entschliessen wenn es ganz unmöglich ist in dem allerdings etwas bunten Inhalt seiner Darstellung den zusammenhängenden Faden einer consequent entwickel- ten philosophischen Ueberzeugung zu erkennen. Warum wir aber einen solchen nicht anerkennen sollen sehe ich nicht ein. Wenn Cicero sich zunächst auf den Standpunkt der stoischen Lehre stellt so geschieht diess keineswegs weil er denselben als den wahren zu verfechten dächte sondern weil auf demselben die ethische Theorie deren er für die Praxis bedarf^) dass die Tugend zur Glückseligkeit genüge allein

ramus anamquamque reliquorum seDtentiam etc. 85: Hi quid possint obtinere videamus omissis Stoicis quorum satis videor defendisse sen- tentiam. Dagegen beschränkt sich de fin. V 22 was über die Lehre der Stoiker gesagt wird auf Folgendes : restant Stoici qui, cum a Fe- ripateticis et Academicis omnia transtulissent, nominibus aliis easdem res secuti sunt Vielleicht darf auch darauf noch hingewiesen wer- den dass in den Tusculanen nicht die gänzliche Identität der peripa- tetischen und akademischen Lehre behauptet sondern nach Erwäh- nung der peripatetischon Ansicht (85) nur hinzugefügt wird: nee multo veteres Academici secus. Diess klingt doch anders als was wir de fin. 21 lesen: antiquis quos eosdem Academicos et Pcripate- ticos nominamus.

^) Diess setze ich deshalb hinzu weil man sonst einwenden könnte dass das Lob der Consequenz von Cicero auch der theophra- stischen Theorie ertheilt werde (24). Da er aber diese letztere zur Praxis untauglich findet und sie infolge dessen sogar von der An- erkennung ausnimmt die er doch nicht bloss derjenigen der übrigen ■Peripatetiker sondern selbst der epikureischen nicht versagt (85: praeter Theophrastum et si qui illum secuti imbecillius horrent do-

472 I^ie Tusculanen.

consequent entwickelt ist.*) Er musste daher natürlich den Wunsch hegen diesen Satz der ihm für die Praxis der Moral unentbehi'lich schien auf ein festeres Fundament zu stellen als derselbe dadurch besass dass er bei strenger Consequenz allein aus der stoischen Güterlehrc sich ableiten liess: denn die Wahrheit dieser Güterlehre selber war es ja die noch im Zweifel stand. Diess ist der Grund weshalb er sich be- müht das Genügen der Tugend zur Glückseligkeit ak etwas zu erweisen das sobald man nur die Bande der Dialektik nicht zu straff anzieht und es mit der Consequenz nicht all- zu genau nimmt sich mit jeder ethischen Theorie oder Lehre Tom höchsten Gut verträgt ob diess nun die peripatetisch- akademische oder gar die epikureische ist.*) Sonach er- scheint jener Satz als etwas das inmitten des sonstigen Schwankens der ethischen Theorien beharrt und davon un- abhängig ist, mithin als eine Thatsache die auch ein Skep- tiker anerkennen konnte ohne sich selber untreu zu werden

lorem et reformidant, reliquis qoidem licet facere id qaod fere fa- ciaot ut gravitatem dignitateinque virtutis exaggerent) so ist durch doD obigen Zusatz jenem £inwand die Spitze abgebrochen.

^) Vgl. bes. 33: verum tamen quoniam de conatantia paullo aote diximus, non ego hoc loco id quaerendum puto, verumne ait quod Zenoni placnerit quodque ejus auditori Aristoni bonum esse soloin quod honestum esset, sed si ita esset tum ut totum hoc beate vivere in una virtute poneret.

*) 75: Me quidem auctore etiam Peripatetici veteresque Aca- demici balbutire aliquando desinant aperteque et clara voce andeant dicere bcatam vitam in Phalaridis taurum descensuram. Sint enim tria genera bonorum (ut jam a laqueis Stoieorum, qnibus usum me pluribus quam soleo intellego, recedamus) smt sane illa genera bono- rum, dum corporis et externa jaceant humi et tantummodo qoia sumenda sint appellentur bona, alia autem illa divina longe lateqae se pandant caelumque contingant ut ea qui adeptus sit cor eum bea- tum modo et non beatissimum etiam dixerim? Das Urtheil über die Epikureer vgl. 8. 470, 1.

Das fünfte Buch. 473

und die wirklich als solche auch Karneades anerkannt zu haben scheint (vgl. die betreflfenden Worte S. 469, 2); und die bald stoisch bald peripatetisch bald epikureisch gefärbten Theile der Darstellung sind aus Zeugnissen, die Ciceros Un- beständigkeit sei es nun in der philosophischen Ueberzeugung sei es in der Benutzung der Quellen zu beweisen schienen, zu ebenso viel Stadien seines Skepticismus geworden die die Schrift eines Philosophen derselben Richtung als die Haupt- ^ quelle des Ganzen vermuthen lassen.

Welches dieser Skeptiker war darüber hat uns Cicero selbst einen Wink gegeben, wenn er eingesteht zwar im All- gemeinen das gleiche Verfahren wie Karneades aber nicht ganz in demselben Sinne anzuwenden, d. h. es nicht wie dieser vorzugsweise gegen die Stoiker zu kehren. ^) Die auch hier sich nicht verleugnende Vorliebe gerade für diese Phi- losophenschule charakterisirt aber wie wir schon öfter ge- sehen haben den Skeptiker auf den uns schon die Quellen- forschungen über die früheren Bücher geführt haben und die Bemerkung Ciceros ist daher ein erster Hinweis dass wir auch hier wieder in Philon seinen griechischen Gewährs- mann erkennen sollen. Aber nicht bloss insofern als die Stoiker bevorzugt werden mid neben ihnen besonders die Peripatetiker in Betracht kommen*) besteht zwischen dem fünften und den früheren Büchern Uebereinstimmung son- dern dieselbe erstreckt sich auch auf die Methode, da ebenso

') Nach doD S. 469, 2 angeführten Worten heisst es nämlich: sed is ut contra Stoieos quos studiosissime semper refellebat et con- tra quorum disciplinam Ingenium ejus exarserat; nos illu/1 idem cum pace agemus. Si enim Stoici etc. (vgl. S. 470, 3).

*) 119: Quod si ei philosophi, quorum ea sententia est ut virtus per se ipsa nihil valeat omneque quod honestum nos et laudabile esse dicamus Id üli cassum quiddam et inani vocis sono decoratum esse dicant, tarnen semper boatum consent esse sapientem: quid tan-

474 Die Tasculanen.

wie wir diess früher beobachtet haben (S. 455. 457) auch im fiinftou Buche ein U ebergang von der streng begrifis- mässigen Weise der Stoiker zu der mehr populären der Peripatctiker stattfindet/) und gibt uns so, weil das gleiche Verfahren auch in den Academica innerhalb einer auf Philon zurückgehenden Darstellung gehandhabt wird (S. 455), ein neues Kennzeichen des philonischen Ursprungs. Hierzu könnte man noch Kleinigkeiten fügen die dasselbe bestätigen,') wenn es nicht wichtiger wäre auch einen Einwand nicht zu ver- schweigen der sich gegen die Ableitung von Philon erheben lässt und hergenommen ist von der Uebersicht die 68 £ von dem Inbegriff der Weisheit gegeben wird.') Derselbe

dem a Socrate ot Piatone prof actis philosophis faciendom patas? quorum all! tantam praestantiam in bonis aDimi esse dicoot ut ab eis corporis et externa obscurentur; alü autem haec ne bona quidem ducunt, in animo reponunt omnia.

») 75 (vgl. S. 472, 2).

*) Dazu gehört die Concordanz die zwischen der stoischen und platonischen Ethik hergestellt oder richtiger die Weise wie Zenon climinirt und Piaton an seine Stelle gesetzt wird 34 (S. 469, 1), 37 (a. a. 0.). Ferner die Berufung auf Pythagoras Sokrates und Platon 30, womit vgl. S. 459, 2. Auch die früher (S. 459, 1) besprochene Rücksicht auf das Practische als das allein auch bei der Wahl der Theorie Entscheidende macht sich wieder geltend nicht bloss in der Verwerfung von Theophrasts Ethik (S. 471, 1) sondern auch in der Anerkennung die 82 der stoischen Lehre mit folgenden Worten za Theil wird: habcs quac fortissime de beata vita dici putem et quo modo mens est nisi quid tu melius attuleris etiam verissime. In die- sen Worten könnte selbst das „verissime" auf Philon corQckgehen, wenn derselbe nämlich gesagt hätte dass die tapferste Theorie bis auf Weiteres so lange sie nicht durch eine andere in dieser Hin- sicht übertrofifen würde auch als die wahre zu gelten habe.

') Ex quo (aus den vorher dem Weisen zugesprochenen Eigen- schaften) triplex ille animi fetus exsistet: unus in cognitione rerum positus et in explicatione naturae; alter in descriptione expetendft- rum fugiendarumve rerum arteque bene vivendi; tertius in judlcando

Das fünfte Buch. 475

könnte den Schein erregen als ob unter der Weisheit ein System der dogmatischen Wissenschaft verstanden werde.*) Ich wiD nun von der Möglichkeit absehen dass Cicero recht wohl aus der Eriunerimg etwas Dogmatisches eingeschaltet haben könnte das in den Zusammenhang des aus seiner der- maligen Quelle Geschöpften nicht recht passte: so lässt sich doch immer denken dass Cicero auch für diesen Theil seiner Darstellung den Anlass bei Philon fand und nur die zu starke dogmatische Betonung die er hin und wieder den Gredanken gegeben hat auf seine Rechimng kommt. ^) Denn als das Resultat früherer Untersuchungen (vgl. S. 196 ff.) hat sich uns ergeben dass auch Philon eine Wissenschaft im laxeren Sinne dieses Wortes gelten liess, und dass er dann

qnid cuiqae rei sit consequeus quid repugnans, in quo inest omnis cum Bubtilitas dissorendi tarn vcritas judicandi. Dieser Entwurf wird sodann im Folgenden noch mehr ins Einzelne ausgeführt.

') Insbesondere wenn man bedenkt dass der Dialektik zuge- schrieben wird „omnis cum subtilitas dissorendi tum veritas judi- candi'' und damit aus dem skeptischen Theil der Academica priora 141 die Worte „praesertim cum judicia ista dialecticae nulla sint" vergleicht.

^) So in dem Urtheil über die Dialektik. Dass aber irgend eine Theorie der Dialektik auch Philon anerkannte, muss schon daraus angenommen werden weil er bei der Kritik der Philosophien auf deren Consequenz so viel Werth legte (vgl. noch Tusc. V 24. 26. 28. 31 f. 33) diess aber ein Punkt ist über den zu entscheiden der Dia- lektik zufällt und über den die Entscheidung auch Cicero a. a. 0. ihr übertragen hat. Man vergleiche auch was früher über die im skep- tischen Theil der Academica an der Dialektik geübte Kritik bemerkt worden ist, oben S. 303 flF. Dogmatisch klingt es femer wenn 70

von der Naturphilosophie gesagt wird: rerum caussas vi-

det. So lange er sich dagegen darauf beschränkt von einer „inda- gatio** oder „cogitatio^^ zu sprechen lässt sich was er über diese Dis- ciplin sagt ganz wohl vereinigen mit dem was wir Acad. pr. 127 f. lesen. Was die Bemerkung über die Gottverwandtschaft des mensch- lichen Geistes (70) betrifft so vgl. S. 390 f.

476 I^c Tuscalanen.

bei der Eintheilung derselben sich an die im Alterthum Pia- ton zugeschriebene Dreitheilung in Physik Ethik und Dia- lektik hielt ist eine kaum zu umgehende Annahme.^) In- dessen mag es sich hiermit verhalten wie es wolle so wird dieser gegen Philon sprechende Einwand zum Schweigen ge- bracht durch die stärkeren Argumente welche noch ausser den vorgebrachten zu seinen Gunsten in die Waagschale fallen. Denn die Uebereinstimmung der Tusculanen mit der skep- tischen Darstellung der Academica auf die wir uns schon für die früheren Bücher beziehen konnten tritt doch in diesem noch mehr hervor: denn es ist nicht bloss im All- gemeinen das den Stoikern um ihrer Consoquenz Willen er- theilte Lob worin dieselbe zur Erscheinung kommt sondern auch die Identität der Lehre auf die sich jenes Lob zu- nächst bezieht sowie der Umstand dass dem Lob an beiden Stellen der gleiche Tadel gegen Antiochos gegenübersteht*) Bestätigend und ergänzend kommt liierzu die Kritik welche

') Bemerken 8 werth ist auch dass die Reihenfolge in der die Disciplinen in den Tusculanen vorgeführt werden dieselbe ist in der sie auch in den Acad. pr. 116 fif. zur Erörterung kommen, nach der Physik die Ethik und zuletzt die Dialektik.

^) Die ,,constantia*' Zenons wird bes. 32 f. erwähnt; die Lehre des Antiochos wird 22 f. kritisirt. Was an letzterer Stelle über An- tiochos* Lehre bemerkt wird „non constantissime dici mihi videntur*^ entspricht genau dem Urtheil das Acad. pr. 134 über sie geMt wird: et hie (Antiochos) metuo ne vix sibi constet qui cum dicat esse quaedam et corporis et fortunae mala, tamen eum qui in his Omnibus sit beatum fore censeat si sapiens sit. Nun wird allerdings in dem was diesen Worten in den Academica vorausgeht auf die schwache Seite auch der stoischen Ansicht hingewiesen: deus ille (Zenon) qui nihil censuit deesse virtuti, homuncio hie (Antiochos"! qni multa putat praeter virtutem homini partim cara esse partim etiam necessaria. sed ille vereor ne virtuti plus tribaat quam na- tura patiatur, praesertim Theophrasto multa diserte co- pioseque contra dicente. Ein solcher Tadel wird unmittelbar in

Das fünfte Buch. 477

Cicero im letzten Buche de finibus am Vortrage Pisos d. i. an der Lehre des Antiochos übt: denn dass wir diese Kritik nicht als eine anzusehen haben behufs deren Cicero sich willkürlich auf den stoischen Standpunkt gesteUt hat son- dern dass er dabei auf akademischem und bestimmter philo- nischem Grunde steht, dass also diese Kritik auch zur Kennt- niss der philonischen Ansichten benutzt werden darf, lehrt deuthch was er dort 76 zur Erkenntnisstheorie bemerkt „non est ita, Piso, magna dissensio: nihil est enim aliud quam ob rem mihi percipi nihil posse videatur nisi quod percipiendi Yis ita definitur a Stoicis ut negent quicquam posse percipi nisi tale verum quäle fialsum esse non possit. itaque haec cum illis est dissensio, cum Peripateticis nulla sane/'^) Be-

den angeführten Stellen der Tusculanen nicht ausgesprochen, leicht aber kann man ihn mittelbar angedeutet finden da doch nur die Consequenz der zenonischen Theorie und keineswegs die vollkommene Sicherheit der Prämisse auf der sie ruht behauptet wird, diese Prä- misse aber eben der in den Academica angefochtene Satz ist dass der Mensch die sogenannten äusseren und leiblichen Güter zu seiner Glückseligkeit nicht nöthig habe. Noch näher kommt dagegen Cicero dem in den Academica gegen die stoische Lehre erhobenen Beden- ken im Proömium des fünften Buches 2 ff. wenn er nach Erwähnung der Ansicht dass die Tugend zur Glückseligkeit genüge fortfährt: Equidem eos casus, in quibus me fortuna vehementer exercuit, me- cum ipse considerans huic incipio sententiae diffidere interdum et humani generis imbecillitatem fragilitatemque extimescere. Yereor enim ne natura, cum corpora nobis infirma dedisset eisque et morbos insanabiles et dolores intolerabiles adjunxisset, animos quoque dcderit et corporum doloribus congruentes et separatim suis angoribus et molestiis implicatos. Von solchen Worten eines ciccronischen Pro- ömiums bei der Quellenforschung über die nachfolgende Darstellung auszugehen würde freilich verkehrt sein (vgl. S. 469), erlaubt aber ist es sie zur Bestätigung schon anderweit wahrscheinlicher Resul- tate zu benutzen.

') Man vgl. hierzu aus den früheren Untersuchungen S. 196 ff. und S. 288 f.

478 Die TuBculanen.

stätigend ist diese Kritik nun insofern als sie dieselben Punkte wie die Academica berührt, die dann auch in den Tusculanen wiederkehren: denn ebenso wie wir es dort schon gefunden haben wird auch hier hinsichtlich der Auffassung des höchsten Gutes den Stoikern die Consequenz nachge- rühmt, ^) das Gegentheil davon an Antiochos getadelt^ Femer aber liefert diese EjHitik auch eine Ergänzung, weil sie Punkte zur Sprache bringt die in den Academica über- gangen sind in den Tusculanen dagegen sich finden. Hierzu rechne ich das ürtheil über Theophrast der in den Acade- mica nur beiläufig erwähnt wird an dessen Theorie aber Cicero in der Schrift de finiljus die Folgerichtigkeit ebenso anerkennt^) wie in den Tusculanen während er doch an

^) Cicero sagt de fin. V 79: „respondebo me non quaerere'S in- quam, „hoc tempore quid virtus efficere possit sed quid constanter di- catar, quid ipsum a se dissentiat'S „Quo" inquit (Piso) „modo**. „Qnia cum a Zenone" inquam „hoc maguifice tamquam ex oraculo editor: , virtus ad beate vivendum se ipsa contenta est*, qua re? iuquit, re- spondet: ,quia nisi quod honestum est nullum est aliud bonum*. non quaero jam yerumne sit: illud dlco ea quae dicat praeclare inter se cohaerere.** Die Uebereinstimmung dieser Worte mit Tusc. Y 33 (8. 472, 1) wird noch auffallender wenn man auch das Vorhergehende Tusc. 32 so wie die Bemerkung über Epikur 31 mit de fin. 78 und 80 vergleicht. Von der Consequenz der stoischen Lehre und dass ihr dieselbe zugestanden werden müsse auch wenn man an ihrer Wahr- heit Zweifel habe ist ausserdem noch 83 f. mehrfach die Rede.

*) Vgl. 77. 80 f. 84. 85 an welcher letzteren Stelle Cicero sagt: si ad prudentis (sc. me vocas), alterum fortasse dubitabunt sitne tan- tum in virtute ut ea praediti vel in Phalaridis tauro beati sint, al- terum non dubitabunt quin et Stoici convenientia sibi dicant et tos repugnantia.

*) 77: quod nisi ita efficitur (sc. sapientis omnis semper esse beatos), quae Theophrastns de fortuna de dolore de cruciatu corporis dixit cum quibus conjungi vitam beatam nullo modo posse putant vereor ne vera sint. nam illud vehementer repugnat eundem beatam esse et multis malis oppressum. haec quo modo conveniant non sane

Endergebniss. 479

beiden Stellen sie für die Praxis unbrauchbar findet ^) Aus- serdem wird in den Tusculanen hervorgehoben und gegen Antiochos geltend gemacht dass die Glückseligkeit einer wei- teren Steigerung nicht fähig und daher die Unterscheidung die dieser Philosoph zwischen einem glücklichen und dem glücklichsten Leben (beata und beatissima vita) machte nicht zulässig sei') Diesen selben Gedanken der in den Acade- mica fehlt treffen wir aber auch in der Schrift de finibus wieder. *)

Diess sind die Gründe die mich bestimmen das Wesent>- liehe auch im Inhalt des fünften Buches aus einer Schrift Philons abzuleiten.

6. Endergebniss.

Die Untersuchungen über die verschiedenen Bücher der Tusculanen sind, in der Hauptsache unabhängig von einan- der, in dem einen Ergebniss zusammengetroffen dass eine Schrift Philons die Quelle sein müsse. Welches diese Schrift

intellego. Hiermit vgl. man Tusc. 24 f. Ebenso wie an dieser letz- teren Stelle wird aucb de fin. 85 eine Aeusserung welche Theophrast in der Schrift „Vom glückseligen Leben'* gethan hatte gegen die Angriffe anderer Philosophen verth eidigt.

^) In der Schrift de finibus geschieht diess zwar nicht direkt, kann aber daraas entnommen werden dass Cicero nach einer durch seine Aeusserungen über Theophrast hervorgerufenen Bemerkung Pisos sagt (77): ego voro volo in virtute vim esse quam maximam.

*) Gegen Antiochos wird 23 eingewandt: nam et qui beatus est non intellego quid requirat nt sit beatior (si est enim quod desit ne beatos quidem est) . Aehnlich 50.

*) 81 : scio ab Antiocho nostro dici sie solere (sc. sapientem esse ad beatissime Tivendum parum esse, ad beate satis); sed quid minus probandum quam esse aliquem beatum nee satis beatum? quod au* tem satis est eo quicquid accesserit nimium est; et nemo nimium beatus est; ergo nemo bcato beatior Vgl. dazu 83 und 84.

480 Die ToBcuhuien.

sei und ob es überhaupt eine einzige, ist damit fireilich noch nicht beantwortet. Dass indessen die zweite Frage zu be- jahen sei wii'd theils dadurch wahrscheinlich dass die einzel- nen Bücher nicht bloss im Inhalt sondern auch in der Me- thode so viel Gemeinschaftliches zeigen ab nur yersdiiede- nen Theilen eines und desselben Werkes zuzukommen pflegt theils dadurch dass Cicero selbst auf einen solchen Zusam- menhang hinzudeuten scheint wenn er neben der Befreiung von der Gewalt der Leidenschaften, also dem was den In- halt der vier ersten Bücher bildet, die Erkenntniss des höch- sten Gutes d. i. was den Inhalt des fünften Buches aus- macht als die Hauptaufgabe der Philosophie bezeichnet')

^) Gegen den Schlass des vierten Baches sagt er die bisherigen ErörteruDgen zusammenfasseud 82: sed cognita jam caussa pertorba* tionam, qnae omnes oriuntor ex judiciis opinionum et Yolantatibas, sit jam higus disputationis modus. Scire autem nos oportet, cogni- tis quoad posaunt ab homine cognosci bonorum et malorum fini- bus nihU a philosophia posse aut majus ant utilius optari quam haec quae a nobis hoc quatriduo disputata sunt. Auf die hervorgehobenen Worte kommt es an. Diesen legen die neueren firklärcr die Beden- tung unter dass sie auf Ciceros vor den Tusculanen herausgegebene Schrift über diesen Gegenstand hinweisen sollen. Aber davon dass er über diesen Gegenstand geschrieben sagt Cicero hier kein Wort, obgleich er doch sonst wenn er auf seine Leistungen zu sprechen kommt die Worte nicht zu sparen pflegt und sich keineswegs mit blossen Anspielungen begnügt. Statt dessen wird hier nur im Allge- meinen der Wichtigkeit gedacht die dieser Gegenstand für den Men- schen besitzt, nicht aber der besonderen Beziehungen die ihn mit Ciceros Persönlichkeit verknüpfen und des Verdienstes das dieser durch die Erörterung desselben in lateinischer Sprache sich um das Seelenheil seiner Landsleute erworben hatte. Viel natürlicher ist es daher die Hervorhebung der Wichtigkeit dieses Gegenstandes als eine vorl&ufige Rechtfertigung anzusehen weshalb demselben das fol- gende Buch gewidmet ist. Die absoluten Ablative (cognitis finibos) brauchen uns an dieser Auffassung nicht zu hindern: denn es ist nicht nöthig dieselben zu erklären durch „nachdem erkannt sind*',

Endergebniss. 481

und ein andermal den Satz dass die Tugend zur Glückselig- keit genüge als die reife Frucht behandelt die schon aus den vorangehenden Erörterungen uns von selber zufallen sollte. *) Freilich die in den Academica priora benutzte Schrift kann 88 nicht gewesen sein da dieselbe mehr theoretischer Natur war und ausserdem eine polemische Absicht gegen den Dog- matismus, insbesondere in der Gestalt die ihm Antiochos g^eliten, verfolgte, während umgekehrt gerade aus der prak- tisch-ethischen Tendenz des den Tusculanen zu Grunde lie- genden Originals sich vielleicht der etwas stärkere dogma- tische Ton erklärt den man in dieser Schrift verglichen mit ien Academica bemerken kann. Es bleibt sonach bei der Dürftigkeit imsorer Ueberlieferung über Philon nur noch ein Werk dieses Philosophen übrig mit dem wir den Ver- such machen könnten, das ist der bei Stobaios ecl. eth. 40 flf. Bxcerpirte Xoyog xara q)iXoOoq)lav, und dieser nimmt schon iarum für sich ein weil er ebenso wie die Tusculanen nur äie Sittlichkeit und die hierauf gebaute Glückseligkeit des Menschen im Auge hat. Wichtiger aber als diese Ueberein- stimmung in der allgemeinen Tendenz ist diejenige welche in Bezug auf den Inhalt beider im Einzelnen uns entgegen- tritt Wie ein Buch der Tusculanen sich mit der Frage

rielmehr können sie auch hedeaten ,,wenn erkannt sind"; dann aber sprechen sie nur aus dass wenn die in der Erkcnntniss des höchsten Grutes bestehende Aufgabe der Philosophie erfüllt sei die andere noch Ibrig bleibende die wichtigste sei, keineswegs aber dass jene Auf- ^be schon wirklich erfüllt sei.

*) V 15: M. Sed quaero utrum aliquid actum snpcrioribus dio- iins an nihil arbitremur? A. Actum vero et aliqnantum quidem. M. Atquif si ita est, profligata jam haec et paene ad exitum adducta quaestio est. A. Quo tandem modo? Die Antwort auf diese Frage ist die nähere Ausführung in wie fem die für das fünfte Buch vor- genommene Erörterung eigentlich durch diejenigen der früheren Bücher schon erledigt sei.

Biriol, üntersachnngen. III. 31

482 I)ie Tusculanen.

nach dem höchsten Gut beschäftigt, so war der Erörterang desselben Problems auch in Philons Schrift ein besonderer Abschnitt gewidmet;*) und zwar war dieser Abschnitt der letzte des allgemeinen Theils während die folgenden es mit den speziellen Lebensregeln zu thun hatten,*) woran erin- nern könnte dass bei Cicero jene Erörterung am Schluss des ganzen Werkes steht. Nun beschäftigen sich aber die Tüs- culanen ihrem grössten Theile nach mit den menschlichen Leidenschaften, während doch ein Abschnitt, wenigstens dieses Titels (jtsQi jtad^mtf)y sich in der Inhaltsangabe des Stobaios nicht findet. Hier kommt uns indessen eine andere Beobach- tung zu Hilfe, dass nämlich sämmtliche vier auf die Befrei- ung von den Leidenschaften gerichtete Bücher der Tuscu- lanen ebenso sehr auf die Beseitigung gewisser falscher Meinungen ausgehen in denen nach der in dieser ciceroni- schen Schrift durchweg festgehaltenen Auffassung alle Lei- denschaften wurzeln, und die Beseitigung falscher Meinungen bildete den Inhalt eines besonderen Abschnittes auch der philonischen Schrift.') Ehe wir aber die Inhaltsgleichheit dieses Absclinittes mit den vier Büchern der Tusculanen proclamiren, müssen wir uns noch die Frage vorlegen was

*) Der dritte, wie Stob. 42 bemerkt wird, xal yccQ ty iatgixi, heisst es dann weiter, anovS^ näoa neql xo xikoq, xovxo 6* ^v vyifi^ xal xy <pikoao(plff negl xifv evSaifioviav.

*) Stob. 44 nach den in der letzten Anmerkung citirten Worten: avvdnxsxai Sh xtp negl xeXäiv Xoyo} koyog negl ßitoy, inl y&Q « xfiq laxQiXTJq ovx aQxsl xr^v vyletccv ifoioiijaai, XQ^^^ ^^ ^^ ^^^ naifa- axsTv Tiagayy ix flava tisqI x^g vyislag, oig nQoaixorxeg xov vcvv xp eve^lav xov acafiaxog öia(pvXa^ovai, xal rf// xdnl xov ßlov ^fttt^ftii- x(üv xivwv iaxi XQ^^^ 6i^ wv rj ^vXaxtj ysv^aexat xov xiXovg.

') Von den beiden Abschnitten des zweiten Haupttheils oder der Therapeutik {xa O^eganevxixd) wird nämlich der erste bezeichnet (42) als vnsQ^aiQexixov xwv tpBvddiv yfysvtf/jiivwv do^civ 6i^ a; XQixijgia voaonoitixai xrjg tf^i-x^g.

Eodergebniss. 483

denn unter jenen falschen Meinungen bei .Philon zu ver- stehen sei: denn an sich könnte man darunter auch an die abweichenden Meinungen anderer Philosophen denken deren Widerlegung Philon für erforderlich gehalten hätte, und in diesem Falle würde gerade das charakteristische Kennzeichen fehlen das uns ein Recht gab jene Identification vorzuneh- men. Nun lehrt eine nur etwas geschärfte Betrachtung ein- mal dass von Meinungen in dem eben bezeichneten Sinne Philon nicht spreche da eine Beseitigung solcher nicht auf den fraglichen Theil seiner Schrift beschränkt sein konnte sondern ebenso gut in den übrigen wie namentlich in dem über das so viel umstrittene höchste Gut (jcsqI tiXovg) wie- derkehren musste, sodann aber dass doch irgendwo eine die Ethik nach allen Richtungen behandelnde Schrift wie die- jenige Philons war auch auf das Capitel von den Leiden- schaften eingehen musste und dass dann hierfür nur der therapeutische Theil den geeigneten Platz bot da dieser Name auch sonst dazu diente um Schriften zu bezeichnen deren Gegenstand die Heilung der Leidenschaften war (Galen de plac. Hipp, et Plat. p. 493 K); da aber eben dieser Theil sich mit der Beseitigung falscher Meinungen beschäftigte, so lässt sich diese Thatsache mit jener Forderung nur durch die Annahme in Einklang bringen dass Philon in falschen Meinungen den Ui*sprung aller Leidenschaften sah und ihm deshalb die Beseitigung von jenen mit der Heilung von diesen zusammenfiel.^) Je charakteristischer aber gerade die Auf- fassung der Leidenschaften für die Tusculanen ist,*) desto

') Was sich hieraus von selbst ergibt dass Philon als Gegen- stand jener Meinungen das Gute und Uebele ansah gerade wie Cicero in den Tusculanen, das wird überdiess noch durch Stobaios bestätigt, der (42) den gesammten therapeutischen Theil, also auch den Ab- schnitt von den falschen Meinungen, zusammenfasst unter dem Titel b tcbqI dya^div xal xaxwv ronog.

*) Wird sie doch nicht bloss in den frAheren Büchern fest-

31*

484 I)ie Tusculanen.

mehr gibt uns die hierin mit ihnen statt habende Ueberein- stimmnng der philonischen Schrift eine Gewähr dafür dass wir Recht haben diese für die Hauptquelle des ciceronischen Werkes zu erklären.

Von dem so gewonnenen festen Punkte aus erübrigt es nun durch Streifzüge in das bereits eroberte Land dessen Besitz noch mehi' zu sichern. Zunächst mag noch ein Rück- blick auf die eben constatirte Ucbereinstinmiung geworfen werden, da vor einem solchen dieselbe sich noch weiter aus- dehnt, nämlich über den Inhalt und die Verbindung beider Theile in einem und demselben Werke auch auf die Ord- nung derselben: demi wie in den Tusculanen den Büchern von den Leidenschaften dasjenige folgt welches die Selbst- genügsamkeit der Tugend erörtert so geht auch bei Philon der therapeutische Abschnitt dem über das höchste Gut vor- aus. Freilich scheint diese neue Bestätigung des gefunde- nen Resultates durch einen neuen Einwand wieder wett ge- macht zu werden, da in den Tusculanen der Abschnitt vom höchsten Gut sich unmittelbar an den von den Leidenschaf- ten anschliesst, bei Philon dagegen zwischen beide sich noch derjenige einschiebt der nach Ausrottung der falschen die richtigen Meinungen in die Seele pflanzt (42 ro t(5p ir/tm; ixovo(ov 6o§(öv Ivd^txixor), Indessen lässt sich diesem Ein- wand leicht durch die Vormuthung begegnen dass Cicero als er Philons Schrift für die Tusculanen benutzte es vor- ziehen mochte den zwischen den beiden Capiteln von deu Leidenschaften und dem höchsten Gut in der Mitte liegen- den Abschnitt zu überspringen, und wir werden ein solches

gehalten sondorn taucht selbst noch im fünften gelegentlich auf wie 43: Atque cum perturbationes animi miseriam, sedationes autem fi- tarn efficiant beatam duplcxque ratio perturbationis ait quod aegd- tudo et metus in malis opinatis, in bonorum autem errore laetltia gesticns libidoque versetur etc.

EodergebnisB. 485

Verfahren um so wahi-scheinlicher finden je sicherer wir noch im Stande sind das Interesse nachzuweisen das ihn dabei leiten mochte. Denn wenn man bedenkt dass doch bei Erörterung der falschen die Leidenschaften erregenden Meinungen über das Gute und Uebele öfter auch auf die richtigen Rücksicht genommen wird^) und weiter dass die Glückseligkeit als die Summe aller Güter erseheint,*) so be- greift man dass durch die beiden Theilo seines Werkes Cicero auch den dritten den er noch in seiner griechischen Quelle fand^) für erledigt halten konnte. Was aber den negativen Abschnitt des therapeutischen Theils, die Besei- tigung der falschen Meinungen betrifft, so hat Cicero in ihm sich auch darin an Philon angeschlossen dass er die aus jenen entspringenden Leidenschaften als Krankheiten der

^) Vgl. solche Stellen wie III 80: cui (sc. sapienti) aut malum yideri nullam potest quod vacet turpitudine aut ita parvum malum at id obmatur sapientia vixqae adpareat. 77 f lY 62. 66 n. ö.

«) V 29.

*) Dass diess der Fall war, davon gibt er uns vielleicht noch y 19 eine Andeutung, wenn er bemerkt dass die Fragen nach dem „honestum" und dem „summum bonum*^ eigentlich zusammenfallen, nichtsdestoweniger aber von den griechischen Philosophen getrennt behandelt werden. Obgleich Cicero hier das honestum und sum- mnm bonum begrifflich auseinander hält so wirft er doch anderwärts beide zusammen (Y 67: hac [sc. virtute] beatam vitara contineri ne- cesse est), was da sie in der Wirklichkeit unzertrennlich sind ganz verzeihlich ist. Ich hebe diess deshalb hervor weil in ähnlicher Weise Cicero die Tugend zwar öfter als das höchste, ja einzige Gut behandelt, dann aber doch wieder sie von den eigentlichen Gütern des Geistes (worunter die einzelnen Aeusserungen der Tugend, die pulchra honesta praeclara a. a. 0 , und die sie begleitenden Stim- mungen, gaudia, zu verstehen sind) als deren Quell und Ursprung unterscheidet; aus letzterem aber sich ergibt dass die begriffliche Scheidung der Tugend von den Gütern die wir früher bei Philon fanden (vgl. S. 247, 1) auch ihm nicht fremd ist.

486 Die Tusciilanen.

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Seele behandelt eine Uebereinstimmuug die besonders auffallend hervortritt wenn man bei Stob. 42 liest xm tpevöwg yeyBvrinivmv öo§ßv öt^ ag xa XQCTfJQia voöo- noulxai xf/g tpv^^/^^ ^^d damit vergleicht Tusc lU 1 „ita fit (nämlich wenn der Mensch von Leidenschaften befangen ist) ut animus de so ipse tum judicet cum id ipsum quo judicatur (d. i. das xqcxtjqiov) aegrotet^^; denn da falsche Meinungen und Leidenschaften hier dasselbe bedeuten, so wird beidemal die Krankheit des urtheilenden Vermögens aus der gleichen Ursache abgeleitet. Hiermit nicht zufrie- den hatte Philon die Vergleichung des Körpers und des Geistes auch auf die gesunden Zustände beider ausgedehnt^) und damit einen Punkt berührt, über den wie wir sahen (S. 463 ff.) nicht alle Philosophen einverstanden waren, hin- sichtlich dessen aber der Verfasser der Tusculanen abermals denselben Standpunkt einnimmt wie Philon. Nur ein wei- terer Schritt in dieser Richtung war es sodann wemi auch die einzehien Aufgaben und Geschäfte der Philosophie inso- fern dieselbe die geistige Gesundheit des Menschen herstellen wollte zu denen der Heilkunst in genaue Parallele gesetzt wurden. Eine solche hat Philon gegeben und darauf sogar die Disposition seiner ganzen Schrift gebaut; dieselbe tritt uns aber auch bei Cicero so oft entgegen^) dass wir kaoio

*) Stob. 42 f. (S 482, 1 und 2).

^) II 11: nam efficit hoc philosopbia: medetur animis. 43. 45. III Iff.: quidnam esse, Brüte, caussae putem cur, cum constemus ex animo et corpore, corporis curandi tuendique caussa quaesita sit

ars , animi autem medicina nee tarn desiderata sit ? An

quod corporis gravitatem et dolorem animo judicamos, animi morbnm corpore non sentimus? Ita fit ut animus de so ipse tum judicet com

id ipsum quo judicatur aegrotet Quid? qui peconite

cupiditate, qui voluptatum libidine feruntur quorumque ita pertorban- tur animi ut non multum absint ab insauia quod insipientibus c<m- tingit Omnibus, eis nuUane est adhibenda curatio? utrum quod miinis

Endergebniss. 4S7

anders können als die Anregung dazu dem griechischen Original zuzuschreiben, ja zum Theil lässt uns der Grad der üebereinstimmung ohne Weiteres auf Entlehnung von Philon schliessen. ^)

Die letzte Bestätigung einer Hypothese ist die, dass sie ausser der Frage um deretwillen man sie aufgestellt hat auch solche beantwortet die nicht eigentlich an sie gerichtet waren. Und auch der Vermuthiuig die in Philons genannter Schrift die Quelle der Tusculanen sieht fehlt jene nicht. Auffallend musste es nämlich schon immer sein dass Cicero, der doch bei der Eile mit der er bestrebt war seinen Rö- mern ein lesbares Compendium der Philosophie herzustellen keinen Anlass hatte dieselbe Materie öfter zu behandeln, trotzdem er in dem ersten Buch der Tusculanen einen schon

noceant animi aegrotationes quam corporis? etc. etc. Est profecto animi medlcina, philosophia etc. 23: ut medici caussa morbi in- venta carationem esse inventam putant sie nos caussa aegritudinis reperta medendi facultatem reperiemus. 40. 81 (remedia). 82: nt me- dici toto corpore curando minimae etiam parti si condoluit medentur, sie philosophia etc. IV 9. 58. Ob auch andere Philosophen die Yer- gleichung der Philosophie mit der Heilkunst so bis ins Einzelne durchführten wie diess an den angeführten Stellen geschieht und dass speciell Chrysipp diess gethan habe wie Heine Einl. zu den Tose. S. XXI meint, ergibt sich aus Galen de plac. Hipp, et Fiat, p. 437 E noch nicht. Dass Philon dagegen es gethan hatte, sehen wir aus Stobaios.

^) Denn wenn III 84 als Vorbedingung damit die Philosophie an uns ihre Wirkung thun könne erfordert wird dass wir ihre Hei- lung nicht zurückweisen sondern annehmen (sed tarnen id se effectu- ram philosophia profitetur; nos modo curationem ejus recipia- mus) so erinnert diess doch daran dass auch bei Stobaios als erste Aufgabe des Arztes und analog dazu auch des Philosophen bezeich- net wird den Kranken zu überreden dass er die Kur Ober sich er- gehen lasse inetoai xhv xdfivovra naQaö^^aa^ai trjv B^sga- nelav).

488 ^^6 Toscalanen.

iu der Consolatio traktirten Stoff und ebenso im fünften das bereits in der Schrift de finibus erschöpfte Thema wieder vorgenommen hat; denn wenn man auch jenes dadurch recht- fertigen mochte dass die Trostschrift noch nicht eigentUch zur Reihe der Schriften gehörte die bestimmt waren die Römer in die Philosophie einzuführen so blieb doch das zweite Bedenken in seiner vollen Kraft bestehen. Jetzt aber hat auch dieses, und auch das erste wie ich denke auf be- friedigende Weise, seine Lösung dadurch gefunden dass Cicero nachdem er einmal um das Capitel von den Leiden- schaften zu erledigen die Schrift Philons zur Hand genom- men hatte in der Benutzung derselben weiter gefuhrt wurde als seinem ursprünglichen Plane entsprach und daher nicht bloss die tröstenden Betrachtungen über den Tod sondern auch die Erörterungen über das höchste Gut seinen römi- schen Lesern noch einmal zumüthete. Er selber mochte hierbei um so weniger etwas Arges finden als er in den beiden früheren Werken einen wesentlich anderen Standpunkt eingenommen hatte, wie wir wenigstens noch an der Schrift de finibus beobachten können in der neben Epikureern Stoi- kern und Antiochos Philon kaum, nämlich nur in der im fünften Buche an Pisos Vortrage geübten Kritik, also in ver- schwindendem Maasse zu Worte kommt. Ausser dieser gibt uns aber die neue Hypothese noch eine andere von ihr nicht verlangte Aufklärung. Wie kommt es hätte mau sich wenigstens von jeher fragen sollen dass Cicero der doch in der Periode da er den Cyclus seiner philosophischen Schriften vcrfasste ein erklärter Anhänger Philons war^)

') Ueber diesen Punkt mag hier noch eine kurze Bemerkung stehen. Cicero ist nicht immer ein Anhänger Philons gewesen. Nach- dem er in früher Jugend dessen Unterricht genossen, hat er während seines ersten athenischen Aufenthalts (79) unter Antiochos' Leitung das Studium der Philosophie wieder aufgenommen. So Erzählt er

EndergebnisB. 489

.rotzdem zwar zahlreiche Schriften anderer Philosophen aber ceine einzige seines Lehrers oder doch wenn wir das Resultat unserer eigenen Untersuchungen anticipiren wollen nur für den skeptischen Theil der Academica eine er-

lelbst im Brutus 315 und Plutarchs Behauptung (Cic. 4) er habe üch damals nur mit Rhetorik abgegeben kann hiergegen nicht in Betracht kommen. Von dieser Zeit an scheint er Antiochos treu geblieben zu sein bis er sich anschickte die Früchte seiner philoso- phischen Bestrebungen in einer grösseren Reihe von Schriften seinen Landsleuten vorzusetzen. Damals kehrte er zu Philons Standpunkt enrück. In der Verwunderung die er selbst hierüber den Varro lossem l&sst (Acad. post. 13 sed de te ipso quid est quod audio?

relictam a te voterem Academiam tractari autem novam)

ist deutlich bezeugt dass er zu Beginn seiner philosophischen Schrift- Btellerei bei seinen Bekannten als Antiocheer galt. Dass diese An- sicht für die vorangehenden Jahre vollkommen berechtigt war, er- sehen wir noch aus seinen Briefen, wenn er an Atticus (V 10) im Jahre 51 schreibt dass er damals in Athen philosophischen Verkehr mit Aristos dem Bruder des Antiochos unterhalten habe und in einem Schreiben an Gato vom folgenden Jahre (ad fam XV 4, 16) sich zur „philosophia vera et antiqua^* bekennt unter welcher kaum an eine andere als die des Antiochos gedacht werden kann. Doch muss schon damals ein gewisses Schwanken in ihm gewesen sein, worauf eine Spur in der Schrift von den Gesetzen leitet. Dort gesteht er näm- lich (I 39) zwar die Lehren der neuen Akademie nicht berücksich- tigen zu wollen, da er fürchtet ihre Skepsis könne das kunstreiche Geb&ude seiner Gesetzgebung zerstören, ist also noch keineswegs ein Anhänger derselben, auf der anderen Seite lässt er ihr aber doch zum Schluss durch die Worte „quam quidem ego placare cupio, sub- movere non audeo^^ eine halb widerwillige Anerkennung zu Theil werden: so dass sich in dieser, aller Wahrscheinlichkeit nach dem Jahre 52 oder 51 angehörenden, Aeusserung schon die spätere Be- kehrung zur akademischen Skepsis ankündigt. Dass er diese Skepsis wesentlich nach dem Vorgange Philons betrieb, ist schon bemerkt worden und bekannt; doch hat uns eine frühere Betrachtung (vgl. S. 289. 339. 341) gelehrt dass er auch damals keineswegs gewillt war seinem Lehrer durch Dick und Dünn zu folgen.

490 I^ie Tasculanen.

kenntnisstheoretische benutzt hat? Wie kommt es dass er gerade diejenige ignorirt hat die ihm ihrer ganzen Tendenz nach am nächsten lag da sie ähnlich wie er es mit den Rö- mern vorhatte die Philosophie nicht bloss darstellen sondern zugleich zu ihr anleiten und für sie gewinnen wollte? Zu- mal da diese Schrift wenn diess daraus dass sie bei Stobaios eines Excerpts gewürdigt wird geschlossen werden darf die berühmteste des Philosophen war. Auch diese Frage hat jetzt ihre Antwort gefunden oder richtiger sie ist gegen- standslos geworden seit wir erkannt haben dass allerdmgs wie man erwarten musste Cicero jene Schrift und zwar für die Tusculanen benutzt hat Vollkommen freilich wird die Erwartung dass jene Schrift Philons einen weitgreifenden Einfluss auf Ciceros philosophische Schriflstellerei geübt habe erst dann befriedigt wenn wir bedenken einmal dass Cicero mit den Tusculanen den Hortensius in Verbindung setzt und ein Protreptikos wie ihn dieser vorstellte auch in den Plan des philonischen Werkes eingeschlossen war,^) sodann aber dass auch der Schlusstheil von Pnilons Schrift der die spe- ciellen Lebensregeln enthielt in den Büchern de ofüdis sein

') Auf einen Zusammenhang zwischen den Tusculanen und dem Hortensius deuten ausser den protreptischen Einleitungen der ein- zelnen Bücher die ausdrücklichen Erwähnungen der letzteren Sohriit II 4 (nos autem universae philosophiae vituperatoribus respondimos in Hortensie) und III 6 (Est profecto animi medicina, philosophii, cujus auxilium non ut in corporis morbis petendum est foris; omni- busque opibus viribus, ut nosmet ipsi nobis mederi possimus, elabo- randum est. Quam quam de uni versa philosophia, quanto opere et expetenda esset et colenda, satis ut arbitror dictum est in Hortensie). Hierzu vgl. Stob. 40: ioixivai öi ^r^ai (sc. o ^IXwv) xov ipiloaofof laxQw. xa&dnfQ ovv ^Qyov laxQOv tcqwxov filv nsToai rov xaftyovxü nagaSi^aaO^ai trjv &€Qanelav, Ssvregov 6h tovg rtov dvxiavfißov- ksvovTwv loyovg vipeXiaS^at, ovrcog xal rov <piXoa6fpov. xfttat xoivvv kxdtEQOv Tovtwv iv x^ itQoaayoQBvofJihi^ nQoxQsnxtx^ ^^'f'

EndergebDiss. 491

GegenbiM hatte:') denn da wir so die früheste und die späteste Schrift Ciceros an deu ersten und letzten Theil des philonischen Werkes, die zeitlich zwischen beiden liegenden TusGulanen aber an den mittleren geknüpft sehen, so drängt sich von selber die Vermuthung auf dass Cicero mit der Folge in der er diejenigen seiner philosophischen Schriften in denen er selber in längerem Vortrage positive Ansichten entwickelte und diess gilt von den drei genannten, aber z. B. nicht von de finibus den Gang nachahmen wollte den Philon in seiner Schrift eingehalten und für die sitt- liche Wirkung der Philosophie als geeignetsten empfohlen hatte.

Fällt hiernach durch die zwischen Philons Schrift und den Tusculancn entdeckte Beziehung ein neues Licht auf Cicero und seine Schriften, so kommt dieselbe in etwas doch auch Philon und seiner Schrift zu Gute. Davon ist schon öfter gelegentlich die Rede gewesen. Hier mag nur noch darauf hingewiesen werden dass wir jetzt mit Hilfe der Tus- culancn uns auch ein Bild der Methode machen können die Philon in seiner Schrift befolgt hatte. Dass dieselbe näm- lich in ähnlicher Weise wie die ciceronische in einzelne gegen eine bestimmte Behauptung gehaltene Vorträge zerfiel und dem entsprechend auch in Bücher eingetheilt war, dürfen wir doch wohl schliessen aus Tusc. HI 81: Tractatum est

iazi yäg b nQoxQtntixbq o naQOQfivHv inl rr/v dgeii^v. xovxov 6* o fihv ^vSeixvvtai xo fxeyaXwipsXhg avxijg o 6h xovg dvaaxevd^ovxag 1} xaxTjyoQOvvxag ly ncog dXXcjg xaxotjS-i^ofiivov^ tjyv (piXoao- iplav (philosophiae vituperatores) dnek^yx^^'

^) Dass Cicero in dieser Schrift aus stoischen Quellen geschöpft hat kann gegen eine Annahme wie die im Text behauptete um so weniger etwas beweisen als in der Beantwortung solcher Detailfragen der praktischen Ethik zwischen einem platonisirenden Stoiker wie bekanntlich Panaitios war und einem stoisirenden Platoniker als den wir Philon erkannt haben schwerlich ein grosser Unterschied bestand.

492 Di© Tu8CQlanen. Endergebniss.

autem a nobis id genns aegritudinis quod unum est omnium maximum ut eo sublato reliquorum remedia ne magno opere quaeronda arbitraremui\ Sunt enim certa quae de pauper- tate, certa quae de vita inhonorata et ingloria dici solcant; separatim certae scholae sunt de exsilio de interitu patriae de Servitute de debilitate de caecitate de omni casu in quo nomen poni solet calamitatis. Haec Graeci in singulas scholas et in singulos libros dispertiunt; opus enim quaerunt; quamquam plenae disputationcs delccta- tionis sunt. Denn das Nächste scheint mir doch diese Worte auf die Cicero eben vorliegende griechische Schrift zu beziehen. Dann aber geben sie uns auch einen Aufschluss über den Inhalt derselben, der hiernach worauf auch II 58 und 60 deuten könnte sehr tief ins Einzelne gegangen zu sein scheint.

Excurs I

(zu S. 79, 2).

Diesen Philosophen mit Sicherheit zu bestimmen bin ich nicht im Stande. Es eröfifnen sich hier zwei Wege, von denen der eine zu Poseidonios der andere zu Antiochos führt. Denn beide werden von Sextos als Gewährsmänner genannt, und zwar Posidon noch in dem Abschnitt um den es sich hier handelt und der die Geschichte der Erkennt- nisstheorie bei den Naturphilosophen gibt (93), Antiochos erst später (162 und 201), aber doch ebenfalls noch in der historischen Darstellung. Die Erkenntnisstheorie beider ist der Art dass sie ein Interesse haben konnten den Xoyoq als Princip der Erkenntniss schon von den älteren Philosophen anerkannt zu sehen (über Posidon vgl. Theil II S. 532. über Antiochos vgl. Zeller 603, 6). Wären wir nun zu der An- nahme genöthigt, dass die gesammte historische Darstellung aus einer Quelle geflossen ist, dann könnten wir dieselbe nur in einer Schrift des Antiochos suchen. Diese Schrift würden die 201 genannten xavovcxa sein, von denen dort das zweite Buch citirt wird. Wenn in einer solchen Schrift auch die Ansichten der älteren Philosophen über das Kri- terium besprochen wurden, so kann man diess nur sach- gemäss finden. Ja was wir über die Weise des Antiochos in wissenschaftlichen Untei*8uchungen zu verfaliren wissen, dass er nämlich um seine Darstellung der Lehre vom höch- sten Gut einzuleiten alle aufgestellten und aufstellbaren An-

494 Excars I.

sichten aufgeführt hatte (Cicero fin. V 16), macht es noch besonders wahrscheinlich, dass gerade in einer von ihm ver- fassten Schrift eine solche historische Darstellung nicht ge- fehlt haben wird. Hiergegen streitet nicht der Umstand, dass in dieser Darstellung Posidon citirt wird; denn nach dem Altersverhältniss beider Männer ist es wohl möglich, dass auch Antiochos auf ihn sich beziehen konnte. Dagegen kann Poseidonios nicht als der Urheber der gesammten Darstellung gel ton, da wir in diesem Falle von ihm auch die Polemik gegen die Stoiker (227 ff.) ableiten müssten. Diess ist aber aus einem einfachen Grunde unmöglich. Denn wenn auch Poseidonios, zugegeben dass er den Xoyog als Kriterium auf- gestellt hatte, von der Lehre anderer Stoiker abwidi und daher gegen dieselbe streiten konnte, so konnte er doch diese Polemik nicht gegen die Stoiker insgesammt richten, da ja nach seiner eigenen bei Diogenes 54 (über die Zuver- lässigkeit dieser Mittheilung des Diogenes s. Theil II S. llff. 194 f) vorliegenden Angabe ältere Stoiker ebenfalls den Xoyoc als Kriterium anerkannt hatten. Nun polemisirt aber SextoB gegen die Stoiker überhaupt und scheint von älteren, die etwas anderes als die xaraXijJtrixfj fpavracla als Kriterium aufgestellt hatten, nichts zu wissen (227: djtoXeutofiivfig d* tri TTJg OxoDtxfjq öo^yjg jragaxeifiivcog xal jtSQl ravTf/g Xiytxh fiBV, XQtrriQLOv xolvw gpaöh' dXTjd^tlag eivac ol avögeg ovvot T71V xaraXfjjcrixfjv (pavxaclav, 253: dXXa yaQ ol fisv oq- Xaioregoi t(5v orooixöv xqitijqiov q>aCtv elvai rf^g aJlij^ciac T^p xavaXtjJtTix^v ravTrjt* q>avra6lav, ol de vbwtbqol xqüö- etld-BOav xal ro fitiöhf s^ovcav evörr^fia). Er kann daher die Grundlage dieser Polemik, die Kenntniss der stoischen Lehre, nicht aus einer Schrift Posidons geschöpft haben. ^) Gegen Pu-

^) Ich muss daher meine Theil II S. 16 geäusserte, noch nicht auf genauere Untersuchung gestützte Yermuthung zurücknehmen.

Excurs I. 495

sidoil spricht ausserdem, dass von seinen Schriften doch hier nur die allein citirte Erklärung des platonischen Timaios (93) in Betracht kommen kann. Denn wollen wir nicht annehmen dass diese Erklärung alle ihr von der Sache gezogeneu Grenzen überschritt, so ist nur glaublich dass sie aus Anlass der pla- tonischen Erkenntnisstheorie die dieselbe vorbereitenden An- sichten seiner Vorgänger besprach, nicht aber dass sie auch die erst nach Plato hervorgetretenen Lohren berücksichtigte. Es ist daher möglich, dass der ein selbständiges Ganze bil- dende die Naturphilosophie behandelnde Abschnitt (89 141) auf Posidon zurückgeht. Dafür dass das Folgende Antiochos gehört, lassen sich noch positive Gründe beibringen, zuerst der welcher in der Art besteht wie Antiochos citirt wird. Diess geschieht zuerst in der Erläuterung von Kameades' Theorie (162) und zwar bei einem Nebengedanken (od-sv xal ipavraclav QTjriov elvai üiad-oq xt üibqI x6 ^(pov eav- Tov re xal rov ar^gov jtaQaörarcxov. oloif jtQoößXitpavr^g XLVc, q>rjOlv b ^vxloxog, öiarid^ifik&d Jtoog rrjv otpiv, xal ovx ovTa}g avTfjP öiaxtifiivrjv loxofiev (Dg jtglv rov ßXiipai öia- xei/iit^v dxo(ibv), Dass aber Jemand nur für diesen einen Punkt eine Schrift des Antiochos zu Rathe gezogen haben sollte ist kaum denkbar, sehr wahrscheinlich daher dass die ganze Karneades betreffende Darstellung auf ihn zurück- geht und dass Sextos selber sie aus einer seiner Schriften genommen hat. Denn Poseidonios wenigstens kann sie nicht vermittelt liaben, da ein Qelehrter wie dieser seine Kennt- niss des Karneades sich mehr an der Quelle und nicht erst bei seinem Zeitgenossen Antiochos geholt haben würde. Zu demselben Ergebniss führt die Betrachtung der zweiten Stelle, an der Antiochos citirt wird (201).^) Denn Poseidonios hatte

') 0-dx änoS^sv 6h xijq xoirwv (der Eyrenaikcr) cJofiy^ iolxaaiv flvai xal Ol anoipaivofievoi xgittJQiov vnaQXftv tijq dXrjS^siag rag

496 £xcar8 I.

nicht erst nöthig, wenn er die Lehre seines Zeitgenossen Asklepiades kennen lernen wollte, sich mit der Erklärung dunkeler Worte des Antiochos abzumühen. Diese Stelle be- weist aber ausserdem, dass Sextos von Antiochos nicht bloss das betreffende Citat genommen hat Hiergegen spricht der Charakter dieses Citates. Denn diese Worte, die an sich dunkel sind und erst vermittelst einer anderwärts gewonne- nen Kenntniss auf Asklepiades sich beziehen Hessen, können doch unmöglich der Zweck gewesen sein um dessentwillen Sextos oder wenn man will sein Gewährsmann die Eanonik des Antiochos nachgeschlagen hatte. Für Sextos können wir diess um so weniger annehmen, da er über Asklepiades in seinen medizinischen Schriften ausfuhrlich gehandelt hatte ^) und daher eine genauere Kenntniss von ihm besitzen musste als sie die dunkeln Worte des Antiochos gewähren konnten. Wenn er also dieselben trotzdem benutzt um mit ihrer Hilfe die Ansicht des Asklepiades in seiner historischen Darstel- lung einzuführen, so ist diess nur unter der Annahme er- klärlich dass er von dem einmal gewählten Führer, dem er bisher in seiner Darstellung gefolgt war, auch in diesem Fall nicht lassen wollte. Der zweite für Antiochos als den Urheber der historischen Darstellung sprechende Grund liegt

ala^asiq, ort yaQ iyirovro rivsg zb rotovro dSiovvrsg, itQOvvnw nenolrjxev kvTloxog b dnb tijg Äxaörifilaq, iv öevrtQip rwv xarovi- xaiv ^T^twg YQaxpag ravxa „allog Se tig, iv iaxQixy fikv odösvbq Sfv- rsQoq, amofjLSvoq 6b xal (ptkoaoiplag , ineiS^eto tag fikv ala^tjofi; ovxtog xal dlTjB^wg dvtiki^ipeig shai, Xoyif) 6h fxrföhv ok(og ^fjiäg xara- XafißdvBtv^^. 601X8 yaQ Sia xovxwv b lAvrloxog t?/v nQoet^fitvtjr xMvai axdaiv xal kaxXr^nidÖTfv xbv laxQbv aivlxxsa^i, dvaiQavvTit /nhv xb fjyefiovixov, xaxa 6h xbv avxbv ;f()ovov ai^X(p yevo/ifvov,

*) Wie er selber im Anscbluss an die in der vorigen ADme^ kung angeführten Worte sagt: dkXa Tie^l fdv xtjg rovxov ipoQag Ttoi- xiXwxBQOv xal xax* I6iav iv xoTg laxQixoTg tTtofivtjfÄaat SiB^yX^fav, waxB (jui ^x^*^ dvdyxTiv nakivw6Biv.

Excurs I. 497

darin, dass dessen eigenthümliche Erkenntnisstheorie auch in dieseiti historischen Abschnitt zum Vorschein kommt. Für Antiochos nun ist charakteristisch, dass nach demselben eine Erkenntniss nur vermittelst der Sinne möglich, die Wahrheit aber noch nicht in den Sinneseindrücken gegeben ist son- dern nur vermittelst des Geistes oder der Vernunft, des Logos, daraus gewonnen werden kann^) und dass zweitens diese wesentlich stoische Theorie von ihm für die platonisch- aristotelische ausgegeben wurde. Es wird sich daher vor Allem fragen, ob die Darstellung, die bei Sextos von der platonischen und aristotelischen Lehre gegeben wird mit dieser Theorie des Antiochos übereinstimmt.

Als das Wesentliche der platonischen Erkenntnisstheorie wird nun bei Soxtos 141 ff. bezeichnet, dass die Entschei- dung über die Wahrheit von den Sinnen abhängt ohne doch in ihnen schon gegeben zu sein: ösT xov Xoyov iv roj xqI- VBtv Tfjv dX7i&eiai> cbto rfjg tvaQyelag oQfiäöd^ac, ttjcsg dt' Ivagycov tj xglötg ylvtxai xc^f dXrjB-cov. dXX" ij re ivccQyeia ovx iöTiv avraQXfjg jiQoq yvöiotv dXtj^ovq' ov yag sl ri xcrr' ivccQyeiav q)alvtxat, xovxo xal xax' dkijO-tiav vjtaQXfi' dXXa dtl jcaQttvai xb xqIvov xl xe (palvexac fiorop xal xi Cvv x(p q)ahköd-ai exi xal xar' dXi]{h8cav vjioxeixat, xov- xiöxi xov Xoyov. dfi^oxtQa xohwv 6vveX{^ttp dtijOtL, xi(v xe Ivagyeiav, (bg av atpexriQiov ovöav xm Xoyoj JtQoq xi/v xqIöiv xyg dXijd^slag, xal avxov xov Xoyov Jigog ötdxQiöiv Xfjg hmgyslag, elg (iivxoi xb ijrißdXXstv xfj ivagyela xal xb ip xavx)] dXfiO-lg diaxQlveip JtdXip övrtQyov ötlxai b Xoyog xfjg alöd^/jOsmg' öia xaixfjg yag xijP ^avxaolap jcagadexo- liBVog Jtoulxai x?jp votjötp xal r/^r kjiiöxf'j(i?jp xdXrjß-ovg,

^) Antiochos unterschied sich durch diese Theorie auch von Posidon, da derselbe, wie ich Theil II S. 532 zu beweisen gesucht habe, auch eine Erkenntniss, die sich nur aus dem Logos ableitete, für möglich hielt.

Hiriel, Unienncbnngen. HI. 32

498 Excurs I.

Die Uebereinstimmung mit Antiochos ist offenbar. Idi habe auch die letzten Worte von etg fiaprot an hinzugefügt, weil aus ihnen namentlich erhellt, dass wir hier nicht die echt platonische Theorie vor uns haben. Denn Hesse sich mit dieser auch die Ansicht voreinigen, wonach unser Denken von der sinnlichen Wahrnehmung ausgeht, so widerspricht ihr doch die in den angeführten Worten enthaltene, dass unser Geist auch die Fähigkeit die Sinneseindrücke zu be- urtheilen nur den Sinnen verdanken oder dass das Denken aus der sinnlichen Wahrnehmung stammen solle. Diess ist also eine Entstellung der platonischen Lehre und zwar eine solche, die wir nicht auf Poseidonios zurückfuhren können; denn dieser, wie ich (Theil II S. 532) gezeigt habe, nahm ein Wirken des Geistes an, das nicht von der sinnlichen Wahrnehmung abhängen sollte. Dagegen können wir eine solche Entstellung von Antiochos erwarten, da durch die- selbe die platonische Lehre seiner eigenen gleich wurde. Denn nach Antiochos ist ein Denken ohne Begrifife nicht möglich, diese selber aber sind sämmtlich aus der sinnlichen Wahrnehmung geschöpft. ^) Was wir hieraus schliessen kön- nen, dass ebenso, wie die Lehre Piatons von Sextos darge- stellt wird, sie auch von Antiochos aufgefasst wurde, wird uns unmittelbar vor Augen geführt durch Cicero, wenn der-

') Cicero Acad. pr. 21 (nachdem or von den Vorstellungen ür- theilen und Schlüssen gesprochen hat, die sich aus der sinnlichen Wahrnehmung entwickeln) quo e genere nobis notitiac rerum inpri- muntur, sine quibus nee intellegi quicquam nee quaeri disputarife potest. Vgl. 2S f. 30 f. Antiochos' Auffassung des Logos scheint die- selbe gewesen zu sein, die wir durch Galen de plac. Hipp, et Pitt. S. 439 ff. K als chrysippisch kennen und nach der er eine Summe von Begriffen und Vorstellungen {iwoiwv xt tivvdv xa\ 7r(}ohjti*fijitv a^Qot- CfjLa) ist (vgl. auch Cicero Acad. pr. 30). Das a Chrysippo pedem nusquam machten aber nach Cicero Acad. pr. 142 dem Antiochos seine Gegner zum Vorwurf.

Excurs I. 499

selbe (Acad. post. 30) im Sinne des Antiochos Folgendes als akademisch-peripatetisclie d. h. i)latonische ^) Lehre gibt: quamquam oreretiu' a sensibus, tarnen non esse Judicium yeritatis in sensibus; mentem volebant esse rerum judicem. *)

^) Cicero a. a. 0. 17: Piatonis autem auctoritate, qui varius et maltiplex et copiosus fuit, una et consentiens duobos vocabulis phi- losophiae forma instituta est, Academicorum et Peripateticorum , qui rebus congruentes nominibus differebant.

^ Die hierauf folgenden Worte lauten: solam censebant ido- neam cui crederetur, quia sola cemeret id quod semper esset Sim- plex et unius modi et tale qualo esset, hanc illi lömv appellant, jam a Piatone ita nominatam, nos recte speciem possumus dicere. Man darf diese Worte nicht als Anzeichen einer zwischen Cicero und Sextos bestehenden Verschiedenheit benutzen, da bei letzterem Yon den Ideen nicht die Rede sei. Denn wenn dieselben auch nicht genannt werden, so sind sie doch in den von Sextos (142) aus dem Timaios citirten Worten th ov ybveaiv dh ovx f/ov gemeint. Da sich nun auf diese Timaiosstelle die ganze bei Sextos folgende Er- klärung bezieht, so kann auch unter dem d?,rj(^eg, dkrj&eia, xat' dkij- &eiav vnaQxov, das den Gegenstand des Xoyoq, der vof^aig und ini- axripLii bildet, nur die Idee gemeint sein. Wenn auf der anderen Seite als Gegenstand der Sinnesempfindung und der Meinung {öo^d) von Sextos das yiyvofievov fitv, ov de ovöenore bezeichnet und hervor- gehoben wird dass die Sinne ungenügend sind zur Erkenntniss der Wahrheit (// ^vaQyeta ovx eoriv avxaQxtiq uQoq yvcHatv dXijOovg), so stimmt hiermit überein was wir bei Cicero in den auf das Angeführte folgenden Worten lesen: sensus autem omnis hebetes et tardos esse arbitrabantur, nee percipi ullo modo res ullas, quae subjectae sensi- bus viderentur, quod aut ita essent parvae, ut sub sensum cadere non possent, aut ita mobiles et concitatae, ut nihil umquam unum esset et constans, ne idem quidem, quia continenter laberentur et fluerent omnia. itaque hanc omnem partem rerum opinabilem ap- pellabant. Da ich bisher angenommen habe, dass die platonisclie Lehre, wie sie Antiochos auffasste, die eigene Lehre des Antiochos war, so könnte man nun einwenden, dass derselbe aber doch die Ideenlehre habe fallen lassen. Das Letztere ist wenigstens die An- sicht von Zeller (004, 1). Ich muss indessen bestreiten, dass dieselbe durch Cicero Acad. post. 30 und 33 genügend begründet ist. Cicero

32*

500 Excurs I.

Endlich mag noch auf die Bedeutung hingewiesen werden, die

will 30 ff. PlatoDs Lehre geben. Diess liegt deatlich ausgesprochen in den auf diese Darstellung bezüglichen Worten (33): haec erat illis forma a Piatone tradita. cujus quas acceperim dissupationes, si voltis exponam. Es ist ein ungenauer Ausdruck, wenn er trotzdem jene Darstellung mit den Worten einleitet: tertia deinde philosophiae pars, quae erat in ratione et in disserendo, sie tractabatur ab utris- que. Denn unter „beiden'' können wir nach dem Yorhergehenden nur an Akademiker und Peripatetiker denken, nun sagt er selbst aber (33), dass einen Theil jener Darstellung, die Ideenlehre, Aristo- teles erschüttert habe (labefactavit): Akademiker und Peripatetiker können also nicht die Vertreter der in jener Darstellung Yorgetrage- nen Lehre sein. Auffallend ist femer dass Cicero sich darin treu bleibt die Vertreter der angeblich nur platonischen Lehre stets in der Mehrzahl zu bezeichnen (mentem volebant censebant ap- pellant u. s. w.). Hierfür liefert aber die Erklärung was wir 33 f. über die Schüler Piatons lesen. Davon werden zwei Classen unter- schieden: solche die wenn auch im Wesentlichen mit Piaton über- einstimmend doch in Nebenpunkten von ihm abwichen, die Peripate- tiker, namentlich Aristoteles Theophrast und Strabo, und Andere, die streng an der überlieferten Lehre festhielten. Das sind die älte- ren Akademiker, die deshalb mit folgenden Worten den Peripateti- kern entgegengesetzt werden: Speusippus autem et Xenocrates, qai primi Piatonis rationem auctoritatemque susceperant, et post eos Polemo et Grates unaque Crantor, in Academia congregati, dili- genter ea, quac a superioribus acceperant, tuebantur. Deutlicher kann doch nicht ausgesprochen werden, dass die vorher als platonisch bezeichnete Lehre die der alten Akademiker war. Mit Rücksicht hierauf hat Cicero die Mehrzahl in der Bezeichnung der Vertreter dieser Lehre festgehalten. Und die scheinbare Unge- nauigkeit des Ausdrucks in den Eingangsworten (ab utrisque) erklärt sich jetzt vielleicht dadurch, dass Cicero im Vorhergehenden sich gewöhnt hatte Akademiker und Peripatetiker in Bezug auf die Lehre immer zusammenzuwerfen. Vielleicht aber ist der Ausdruck doch richtig, und Cicero hatte ausser der nächsten auch die von 33 an folgende Darstellung im Sinne, in der neben den Akademikern aack die Peripatetiker berücksichtigt werden. Daran dass hiemach die Peripatetiker Aristoteles an der Spitze von Antiochos zu den dissen-

Excurs I. 501

in dem Platou betreffonden Abschnitte des Sextos das Offen-

tirenden Philosophen gezählt wurden, braucht man keinen Anstoss zu nehmen. Denn dass Antiochos den Akademikern näher stand als den Peripatetikcrn liegt auch darin, dass er sich der akademischen und nicht der peripatetischen Schule zuzählte, und zwischen den Peripatetikern und Stoikern blieb hinsichtlich der Abweichung von der Akademie immer noch eine solche Verschiedenheit des Grades, das» man Peripatetiker und Akademiker als unter sich übereinstim- mende Philosophen den Stoikern gegenüberstellen konnte. Ist diese Auffassung der ciceronischen Stelle richtig, so folgt daraus, dass die alten Akademiker und dann auch Antiochos die Ideenlehre festhiel- ten. Die transcendentale Existenz der Ideen freilich mussten sie aufgeben. Darum konnten sie aber doch in dem Glauben stehen von Piaton sich nicht zu entfernen, sobald sie sich in der Auffassung der Ideenlehre durch solche Werke wie den Philobos und die Ge- setze leiten Hessen. Es ist ganz wohl denkbar, dass die Akademiker und auch Antiochos, je mehr sie von der echt platonischen Ideen- lehre abwichen, desto ängstlicher sich an den Namen löiai klam- merten. Wenn Zeller ausserdem seine Behauptung, dass Antiochos die Ideenlehre habe fallen lassen, durch Hinweis auf Cicero Acad. pr. 142 (Plato autem omnc Judicium veritatis veritatemque ipsam, abductam ab opinionibus et a sensibus, cogitationis ipsius et roentis esse voluit. numquid horum probat noster Antiochus? ille vero ne majorum quidcm suorum, ubi enim aut Xenocratem sequitur . . . aut ipsum Aristotelem . . V a Chrysippo pedem nusquam) zu stützen meint, so verwechselt er was eine gegnerische Kritik des Verhältnisses ist, in dem Antiochos zu Piaton stand, mit der Auffassung, die Antiochos selber von diesem Verhältniss hatte (vgl. S. 511, 2). Dafür dass in der durch Antiochos reformirten alten Akademie die Ideenlehre, wenn auch beschnitten und entstellt, doch noch ein gewisses Dasein fristete, spricht auch ein sehr auffallender und doch noch gar nicht beachteter Umstand. Wie uns nämlich Augustin De civ. doi VII 28 berichtet, hatte Varro, als er in seiner Umdeutung der Götter der Volksreligion auf die samothrakischen Mysterien zu sprechen kam, den Jupiter auf den Himmel, die Juno auf die Erde und die Minerva auf die Ideen bezogen und zwar, worauf Augustin noch besonders hinweist, auf die Ideen im platonischen Sinn. Vom stoischen oder gar kynischen Standpunkt aus kann er diess nicht gethan haben: es bleibt also

502 Excurs I.

bare {IraQytq) hat, insofern es mit dem in der sinnlichen Wahrnehmung Gegebenen zusammenfallt. Bei Piaton finden

nur Varro der Anhänger der alten Akademie übrig, derselbe Yarro, der bei Cicero das Wort führt. Dagegen scheint allerdings die Identificirung der platonischen mit der Lehre des Antiochos verboten zu werden durch Acad. pr. 19fif. Die Lobsprüche, die hier den Sinnen als Mitteln des Erkennens ertheilt werden, ihre Klu'heit und Sicherheit die gerühmt und namentlich dass ein „sensibus percipi'' (21) überhaupt anerkannt wird, scheint mit dem was Acad. post 31 als platonische Lehre angeführt wird „sensus omnis hebetes et tar- dos esse nee percipi ullo modo res uUas quae subjectae sensibus Yiderentur*^ sich nicht zu vertragen. Dieser Widerspruch erweist sich aber als ein blosser Schein durch das was wir Acad. pr. dO als Lehre des Antiochos lesen: mens ipsa, quae sensuum fons est atqoe etiam ipse sensus est (Sext. dogm. 1 305\ naturalem vim habet quam intendit ad ca, quibus movetur. Hieraus dürfen wir schliessen, dass nach Antiochos die Sinne die Fähigkeit etwas zu erkennen nur durch Mitwirken des Geistes haben. Nur unter dieser Voraussetzung wird daher auch das Lob gelten, das ihnen 19 f. ertheilt wird. Besonders deutlich zeigt sich diess darin, dass dieses Lob auch auf das w»s Künstler durch sie leisten gegründet wird: adhibita vero exercita* tione et arte quis est quin cornat quanta vis sit in sensibus? quam multa vident pictores in umbris et in eminentia, quae nos non vide- mus! quam multa quae nos fugiunt in cantu, exaudiunt in eo genere exercitati! qui primo inflatu tibicinis Antiopem esse ajunt aut Andro- macham, cum id nos ne suspicomur quidem. nihil necesse est de gustatu et odoratu loqui, in quibus inte liegen tia, etsi vilior, est quaedam tameu. Schon dass den Sinnen hier eine intellegentia zugeschrieben wird, lässt auf ein Mitwirken des Geistos schliessen. Ausserdem wird, dass Antiochos an ein solches hierbei dachte, ausdrücklich ausgesprochen 31, wenn es von dem Geiste heisst: quocirca et sensibus utitur et artis efficit, quasi sensus älteres. Der Betrachtung der Sinne und der Schätzung ihres Werthes boten sich aber zwei Seiten dar. Entweder man sah in ihnen nur die Werkzeuge des Geistes, und dann musstcn sie für unsere Erkenntniss höchst werthvoll erscheinen, oder man betrachtete sie isolirt von der Thätigkeit des Geistes, insofern sie nur die die äusseren Eindrücke aufnehmenden Organe sind, dann mussten sie, wie jedes Werkzeug in einem ähnlichen Falle, stumpf und un-

Excurs I. 503

wir diese Bedeutung noch nicht; ^) und von den späteren

brauchbar werden. Dieser letztere Gesichtspunkt ist in dem über Piatons Lehre gegebenen Bericht angelegt worden, und musste angelegt werden da es hier nicht so sehr darauf ankam überhaupt die Mög- lichkeit und den Weg des Erkennens gegenüber den Zweifeln der Skeptiker nachzuweisen als vielmehr das Maass dessen was der Geist und was die Sinne jeder für sich dazu beitragen festzustellen. Es ist daher kein Widerspruch mehr, wenn in diesem Falle den Sinnen das „percipere'' gänzlich abgesprochen wird, das ihnen der anderen Darstellung zufolge doch in so hohem Grade eigen ist. So wird auch bei Cicero de fin. II 36, an einer Stelle die wir auf Antiochos zurück- führen dürfen (vgl. Th. II S. 655 f.), die Bedeutung der Sinne für die Erkenntniss dahin eingeschränkt dass sie den Urtheilen und Schlüssen des vernünftigen Geistes das Material liefern: quod ait (^Epikur) sen- sibus ipsis judicari voluptatem bonum esse, dolorem malum, plus tri- boit sensibusm, qua nobis leges permittunt, cum privatarum litium judices sumus; nihil enim possumus judicare nisi quod est nostri ju-

dicii quid judicant sensus? dulce amarum, leve asperum, prope

longe, Stare movere, quadratum rotundum. aequam igitur pronuntia- bit sententiam ratio etc. Antiochos entfernte sich hiernach von Piaton darin dass er eine Transcendenz der Ideen nicht zugab. Nur auf diese gründet sich aber bei Piaton die zweite höhere Art der Erkenntniss, die aus der Anschauung der Ideen entspringt. Eine solche zweite höhere Erkenntniss, die von den Sinnen unabhängig ist, konnte daher Antiochos nicht annehmen, so dass in seinem Sinne der Tadel ist der gegen Piaton bei Cicero de fin. IV 42 ausgespro- chen wird: ut quidam philosophi, cum a sonsibus profecti majora qnacdam et diviniora vidissent, sensus rcliquerunt, sie isti, cum ex adpetitione rerum virtutis pulchritudinem aspexissent, omnia, quae praeter virtutem ipsam viderant, abjecerunt, obliti naturam omnem adpetendarum rerum ita late patere, ut a principiis permanaret ad finis, neque iutellegunt se rerum illarum pulchrarum atque admira- bilium fundamenta subducere. Denn dass die Worte „quidam philo- sophi'* auf Piaton deuten, lehrt Acad. post. 30 ff., besonders wenn man 33 vergleicht: quas [die Ideen) mirifice Plato erat amplexatus ut in eis qulddam divinum esse diceret.

^) Die Ansicht derer, die die Eigenschaft der ivd^yeta den Sinneseindrücken beilegen, gehört zu denen, die sich bei näherer

504 Excurs I.

Philo80i)hen haben die Epikureer die IvaQyua ausser den Simieseindrücken auch den jiQoZrjtpstq zugesprochen (Di(^. X 33), die Stoiker dagegen, wie ihre Schilderung der xata- Xrjjtrtxfj q)avTaola (z. B. bei Diog. VTI 46) voittussetzen lässt, nur dieser und nicht jeder aus den Sinnen entsprin- genden Vorstellung. ^) Ausserdem wird von den Stoikern s(h

Prüfung nicht bewähren. Die Vertreter derselben werden im Theaitet p. 179 C genannt ol (pdaxovteg aiütag (sc. tag ala&ijaetg) ivapytiq xf elvai xal iniotijfÄag. Wie Platons Auffassung der ivagyeia sich too der seines Auslegers bei Sextos unterscheidet, tritt namentlich he^ vor Phaid. p. 83 C. Hier wird von Sokrates als Gegenstand der £r wägung für die Seele des ächten Philosophen {^ xov lag dkrj^iliq fpi- Xoootpov ipvxi'i) bezeichnet, ort, ineMv r/g atpoSga ^a^ ^ fo^^ tj Xvntjd^jj tj iml>vfirjoy, ovdh' roaovrov xaxbv tna^ev an' aiiwr, öaov UV xtg olrj&ei^f, olov // voai^aag ly r/ dvaXcicag Sia rag imdv- fiiag, dV.' o ndvtwv fjiSyiarov te xaxbv xal ^axavov iaxi, xovxo Ttdaxei xal ov koyD^ezai avto. Ti tovro, ci SwxQareg; €<pii o Khß^- "Ort xpvxy navxbg dvd^Qwnov dvayxdt^sxai clfia xf ijaB'TJvai ^ Ivnij- Bfvai Gipodga inl xtp xal yytixai, ne^l o av fidXiaia xovxo ndaxs> xovxo ivagyiaxaxov xe elvai xal dXrj&iaxaxov, or/ ovxwg fx^^- ^^^ Sh fxdhaxa bgaxd. In diesen Worten ist bemerkenswerth erstens, dass diejenige Ansicht, welche den Sinneseindrücken (denn was XQ- nächst nur von den Eindrücken des edelsten Sinnes, den bgatä, ge- sagt wird, dürfen wir auf die übrigen übertragen) tvagyeia beilegt, als ein Erzeugniss der körperlichen Begierden und Leidenschafteo hingestellt, und ausserdem das ivaQyhg als ein halbes Synonymoo von dhjS-hg oder doch als Eigenschaft eines und desselben DiDges behandelt wird. In der Darstellung, die Sextos von Platons Lehre gibt, werden ivd^yeia und dkij&eia streng getrennt gehalten und jene der sinnlichen Erscheinung diese dem zu Grunde liegenden Realen zugesprochen.

') Dass die Stoiker der xaxaXrjnztx^ (pavxaala die ivagyna bei- legten, ergibt sich auch aus Cicero Acad. pr. 17: sed quod nos facere nunc ingredimur, ut contra Academicos disseramus, id quidam e phi- losophis, et ei quidem non mediocres, faciundum omnino non pntft- bant; nee vero esse uUam rationem disputare cum eis qui nihil pro- barent; Antipatrumque Stoicum, qui multus in eo fuisset, repreheo-

Excurs I. 505

s den Epikureern die IvaQyeia mit der dXrjd-sia ver- die eine reicht so weit als die andere und von einer Qg beider, wie sie bei Sextos vollzogen wird/) ist ie Rede. Dagegen wird in der auf Antiochos zurück- 3n ciceronischen Darstellung (Acad. pr. 19 fif.) die [ihemlichk(iit{ivaQyeia) nicht bloss den Sinneseiudrücken ochen sondern auf sie eingeschränkt. Dass Cicero igyeia der griechischen Quelle mit perspicuitas oder ia wiedergibt, hat er uns (17) selber gesägt. Nun ber bei Cicero a. a. 0. 18 f. diese perspicuitas (46 ie evideutia) den Sinneseindrücken beigelegt und zwar wenn diese Eigenschaft ihnen allein zukäme, für sie öristisch wäre; denn nur unter dieser Voraussetzung n anderes Augenscheinliches nicht anerkannt wurde, es sich, dass mit perspicua und perspicuitas schlccht- I Sinneseindrücko bezeichnet werden.*) Was ferner

nee definiri ajebant necesse esse, quid esset cognitio aut per- ut, si verbum e verbo volumus, conpreliensio, quam xatahi- vocant; eosque, qui persuadere vellent, esse aliquid quod mdi et percipi posset, inscienter faccre d icebaut, propterea lil esset clarius ivagysicc, ut Graeci, perspicuitatem aut evi-

nos, si placct, uomiuemus etc. Denn bei dleseu non medio- JoBophi, die Autipater tadelten, können wir füglich nur an denken.

Vgl. bes. 143: Ol' yuQ st n xar* iva^yeiav (paivEtcct, xovxo * dhj&€iav vndfjyst' Wie diess doch offenbar 41 geschieht in den Worten „ad-

enim primum quod parum defigunt animos et intendunt in I perspicua sunt, ut quanta luce ea circumfusa sint, posslnt re" und „oportet igitur et ea, quae pro perspicuitate respon- »ant, in promptu habere, de quibus jam diximus'^ Mit die- len Worten bezieht sich Cicero auf 19 ff. und ebendarauf be- ch auch (45) perspicuitas illa quam diximus, dort ist aber

Augeuscheinlichkeit der Sinneseindrücke (ordiamur igitur a

quorum ita clara judicia et certa sunt) die Bede, wodurch

506 Exeu« I.

für die Darstellung des Sextos charakteristisch war, dass ihr zufolge zwischen dem Augenscheinlichen und dem Wahren unterschieden werden muss, das scheint allerdings in der Lehre des Antiochos zu fehlen. Wenigstens lässt Cicero

dieselben geeignet werden die Gmndlage alles Wissens und Erkeo- nens zu bilden. Wir werden daher nur eine ungenaue Ausdracks- weise Ciceros annehmen, wenn wir 44 lesen: cumque ipsa natura accuratae orationis hoc profiteatur, se aliquid pateüacturam, quod non adpareat et, quo id facilius adsequatur, adhibituram et sensus et ea quae perspicua sint, qualis est istorum oratio, qui onrnia non tarn esse quam Tiden Tolunt? Denn streng genommen würde aus den henrorgehobenen Worten allerdings folgen, dass neben dem welches die Sinne darbieten noch ein anderes Augenscheinliches anerkannt wurde. Dasselbe lässt sich tou 34 sagen: ita neque color neque cor- pus nee Teritas nee argumentum nee sensus neque perspicuum ullam relinquitur. Aber wer wird Cicero beim Worte nehmen? Höchstens könnte man vermuthen, Antiochos habe neben dem ursprünglichen und eigentlichen Augenscheinlichen, das in den Sinnescindrücken ent- halten ist, noch ein Abgeleitetes anerkannt und die Augenscheinlich- keit in diesem Sinne den Begriffen zugesprochen. Davon aber dass er ein gleich ursprüngliches nur auf geistigen Vorstellungen Beruhen- des habe gelten lassen, kann nicht die Rede sein. Diese Annahme wird schon durch die Erkenntnisstheorie, wie sie 19 ff. auseinander gesetzt ist, ausgeschlossen, da in derselben für ein solches Augen- scheinliches kein Raum bleibt. Ausserdem wird dieser Annahme aber auch ausdrücklich widersprochen. Denn 48 werden zwar rein geistige nicht durch Sinneseindrücke Teranlasste Vorstellungen anerkannt vcum mens moveatur ipsa per sese, ut et ea declarant, quae cogita- tione depingimus, et ea, quae vel dormientibus vel furiosis videntor non numquam^i ihre Augenscheinlichkeit aber wird 51 auf das Be- stimmteste geleugnet: omnium deinde inanium visonun una depolsio est, siTO illa cogitatione informantur, quod fieri solere concedimos, si?e in quiete sive per Tinnm sixe per insaniam; nam ab omnibos ejusmodi visis perspicuitatem, quam mordicus teuere debemus, abesse dicemus. quis enim, cum sibi fingit aliquid et cogitatione depingit, non, simul ac se ipse commorit atque ad se reYCcavit, sentit quid intorsit inter perspicua et inania?

Excurs I. 507

seinen Antiocheer von einer Wahrheit der Sinneseindrücke sprechen, die mehr oder minder gross ist je nach den Um- ständen unter denen wir ^diese Eindrücke empfangen. ^) Ab- gesehen davon dass wir es hier mit Worten Ciceros zu thun haben, so tritt doch auch in seiner Darstellung der Unter- schied von Epikur hervor. Denn während dieser jeden Sin- neseindruck für wahr erklärte und die sogenannten Sinnes- täuschungen aus einem Irrthum nicht der Sinne sondern des menschlichen Moincns ableitete, so lässt der Antiocheer nur die Eindrücke solcher Sinne für wahr gelten, die gesund und in ihrer Function nicht irgendwie gehindert sind.*) Und doch scheint der Antiocheer die Augenscheinlichkeit den Sinneseindrücken schlechthin zuzusprechen I Die Wahr- heit dagegen soll ihnen nur zukommen unter Bedingungen, die ohne das Mitwirken des Geistes nicht denkbar sind. Aus derselben ciceronischcn Stelle erhellt aber auch, in wie-

') Acad. pr. 19: mco autem judicio ita est maxima in sensibus veritas, si et sani sunt ac valentcs et omnia removenturi quae ob- stant et inpediunt.

^ Nachdem er die Klarheit und Zuverlässigkeit der Sinne ge- rühmt hat, fährt Cicero a. a. 0. fort: nee vero hoc loco exspectan- dam est, dum de remo inflexo aut de collo columbae respondcam; non enim is sum, qui quicquid videtur tale dicam esse quäle videa- tur: Epicurus hoc viderit et alia multa. meo autem judicio ita est maxima in sensibus veritas, si et sani sunt ac valentos et omnia removentur, quae obstant et inpediunt. itaque et lumen mutari saepe Yolumus et situs earum rerum, quas intuemur, et intervalla aut con- trahimus aut diducimus^ multaque facimus usque eo dum aspectus ipse fidem faciat sui judicii. Hiermit vergleiche man was ohne Nen- nung Epikurs von ihm gesagt wird 45: nam qui voluit subvenire erroribus eis qui videntur conturbare veri cognitionem, dixitque sa- pientis esse opinionem a perspicuitate sejungere, nihil fecit. Die- selbe von Epikur abweichende Ansicht spricht sich auch de fin. II 36 aus, welche Stelle wir ein Recht haben als den Ausdruck von An- tiochos' Meinung zu behandeln (Theil II S. 655 f.).

508 Excurs 1.

fern Antiochos' Lehre von der der Stoiker verschieden ist. Denn während den Epikureern gegenüber beide darin über- einstimmten, dass sie nicht jede sinnliche Wahrnehmung als solche schon für wahr hielten, so trennten sich doch ihre Ansichten, weil die Stoiker, wenn sie wirklich nur den xara- XrjJixixal (pavxaoiat die IvaQytta zusprachen, in demselben Maasse wie die Wahrheit auch die Augenscheinlichkeit der Sinneseindrücke beschränkten, die nach Antiochos jedem Sinneseindruck als solchem zukam. So entspricht auch der Gebrauch, den Sextos von dem Wort ItmgyTjg macht, ganz der Weise des Antiochos und bestätigt sich von Neuem dass er der Urheber der betreffenden Darstellung ist. Wenn daher Sextos sich auf Platoniker beruft, die jene Erklärung der platonischen Lehre gegeben hätten,') so sind wir berechtigt darunter an Antiochos und seine Anhänger zu denkeu.

Da nun aber Antiochos seine eigene Lehre nicht bloss mit der platonischen identifizirte sondern sie für wesentlich übereinstimmend auch mit der aristotelischen hielt, so dürfen wir erwarten wenn wirklich Sextos aus einer Schrift des An- tiochos geschöpft hat, dass auch die Darstellung der aristo- telischen Erkenntnisstheorie im Wesentlichen nur diejenige des Antiochos wiedergibt. Indessen scheint gleich der An- fang des betrefifonden Abschnittes dieser Erwartung zu wider- sprechen, da hier dem eben festgestellten Gebrauch des An- tiochos zuwider die Augenscheinlichkeit ebenso an eine Thä- tigkeit des Geistes wie der Sinne geknüpft wird.*) Dieser Widerspruch wird aber durch den weiteren Verlauf der Dar- stellung fast wieder aufgehoben. Denn hier ist von einer

*) 143: neQilT^mixöv Sh xaXeiad^al (paot ?,6yov noQ* arrw cm IDMTwvtxol rbv xoivov trjq iva^yelag xal v^q dkriB-flag.

') 218: öirtov xal avrol rb XQixriQiov anoXslnovatv, aia^^oiv fjilv xwv ala&i]tdtv, vorjaiv öh räiv votjtwv, xoivbv Öh d(ji<poxB(mv, oy; eXfyev b ßeoifQaaxoq, xb ivaQytq.

Excurs I. 509

auch den rein geistigen Vorstellungen anhaftenden Augen- scheinlichkeit nicht mehr die Rede^) und wird eine solche nur den Eindrücken der Sinne zugesprochen.*) Diese Dar- stellung hat femer das Eigenthümliche, dass sie die ge- sammte geistige Thätigkeit an die Sinne knüpft, indem sie das Wirken des vovg in ein Erzeugen von Phantasiebildem setzt, das Zustandekommen dieser Bilder aber nur unter Voraussetzung der Sinneseindrücke für möglich hält,^) und alle Wissenschaft und Erkenntniss nur als eine Sammlung solcher Phantasiebilder und eine Verallgemeinerung der Ein-

*) Ausser 222 wo tiberliefert ist: ol TtsQinazTjtixol twv (piXoao- (fwv Stdvotdv TS xal vovv dvofiaC,ovai, xatd fihv ro ^vaad-cci Sid- voiaVf xavd 6h ivagyetav vovv. Hier hat man aber längst das durch den Zusammenhang geforderte ivsQyeiccv hergestellt.

*) 219: aTio fihv yccQ rwv aladn^taiv xivsTxai ^ aVafhjoig, and 6h rrjg xatd ivd^yetav nsQl t^v aia&rfOtv xivfjaecDq iniylvBral tt xatä tlrvx^iv xhtjfjia roig xQfixToai xal i^ cevrcSv 6vvafihoiq xivetaS-ai ^(ooig. 221: ovav xiq nQoansaovioq xat* ^vaQyeiav Jltovog ndS-y moq ri/v aia^ffoiv xal XQany, vno 6h xov nsQl x^v aiad^tiOtv nd^ovg iyyevtj- xal xtg avxov xy tpvxy (pavxaala.

■) 221 : xovxo 6h 7id?.tv xb xlvrifxa (das eine von den Sinnen sich in die Seele fortpflanzende Wirkung äusserer Eindrücke ist), oneg fivrifiri XB xal (pavxaala xaXuxai, slx^v iv kavxo) xqIxov iniytvofjievov akXo xlvrifia xb xfjg Xoytxrjg (pavxaalag, xaxä xqIoiv loinbv xal tiqo- alQfCiv Tjjv lifjLBXbQav avfißalvov, otisq xlvrifia 6tdvmd xe xal vovg 7i(ioaayoQevexai, olov oxav xig nQoansaovxog xax^ ivagysiav Mwvog TidOy nmg xriv ataS-r^atv xal xQany, vnb 6h xov negl xijv aiaS-fjaiv nd&ovg iyy^vrjxal xig adxov xy tpvxy (pavxaala, i]v xal /xvtjfxrjv tiqo- XBQOv iXiyofiev xal txvsi nagankijatov imd^x^^K «^^ ^^ xavxijg r/ye (pavxaalag hxovaliog (lva^u)yQa(py avxw xal dvanXdaay (pdvxaa/na xa^dneQ xbv ytvixbv äv&Qwnov. xb yccQ 6rj xoiovxo xlvrjfia x^g \pv- ///<; xaxd 6ia*p6QOvg iTtißoXdg ol nsQinaxtixtxol rc5v (pikoa6(p(ov 6td- voidv xe xal vovv (^vo/ad^ovai^ xaxd (Ttv xb 6vvaa^ai 6idvoiav, xaxd 6h ivhQyetav vovv oxav fihv yaQ 6vvrjxai xovxov notsiaO-ai xbv dva- 7i).aa^ibv tpvxij> xovxiaxiv oxav ne(pvxy, 6tdvoia xakeixai, oxav 6h tveQyr^Tixiüg T]6ti noiy, vovg ovofid^sxai.

510 Excurs I.

zelvorstellungen fasst.^) Dem entsprechend wird zum Schluss das Vcrhältniss der beiden Kriterien, der Sinne und des Geistes, durch eine Vergleichung erläutert, die die Sinne als das Werkzeug, den Geist als den dasselbe benutzenden Künst- ler bezeichnet. *) In dieser Darstellung ist ebenso auffaUend das Fehlen einer für die aristotelische Erkenntnisstheorie wichtigen Bestimmung, wonach der vovg einer unmittelbaren Erkenntniss fähig, ein intuitives Vermögen ist, als die üebcr- einstimmung mit der platonischen Lehre, wie sie bei Sextoß aufgefasst wird. Dass beides für die Ableitung von Antiochos spricht, versteht sich von selber.^) Der hiermit streitende Anfang, in dem die echt aristotelische Theorie erhalten zu sein und eine doppelte Anschauung, der Sinne und des Geistes, unterschieden zu werden scheint, lässt zwei Erklärungen zu. Entweder wir nehmen an, dass das ivagyeg auch das be- zeichnet dessen Evidenz eine abgeleitete ist wie die der wissenschaftlichen Erkenntniss von der der sinnlichen Wahr- nehmung, oder wir legen Gewicht darauf, dass für die An- sicht, wonach das IvaQyhg dem Geiste mit den Sinnen ge-

') 224: dXV b fihv dd'QotOfjidg r(Sv toiovtcdv tov vov <pcn^aafia- TCDV xal f) ai^yxetpakaiwaig xwv inl fit^ovg eig rb xa9-6lov twoia xalBirai, iv Sh xto dd-QoiOfjiw tovro) xal rj avyxsfpakaKaoet relev' xaXov v(f'laTaTai ? xs inian^fnj xal Tt)^vij.

*) 226: (palverai ovv ix rwv eigrjfjitvwv n^wra XQinjQia t»/: TiSv ngayfjidTwv yvwaecitg ^ rs aXo^oig xal b vovg, »/ fjilv opyoror tgoTtov bxovaa b ob re/vttov. (oCTteg yag tj/Jislg ov övvdfjifdix x*^Q^^ Si'yov Tfjv Tfäv ßaQtiov xal xovfputv i^tiaaiv 7ioista9-at, ovöh arfff xavovog X7iv xmv ev9-S(ov xal argeßkäiv diatpOQav ?.aßsTv, ovrwg oiMf o vovg XfxiQlg aia^rja etog Soxifjidaai ntfpvxe rd nQdyfiaza.

') Wenn Antiochos den intuitiven Nus des Aristoteles in ein von den Sinnen abhängiges, nur einer mittelbaren Erkenntniss fähiges Vermögen verwandelte, so war diess dasselbe Verfahren, wie wenn er die Ideen von Objecten der Anschauung zu Ergebnissen der Re- flexion herabdrückte, die durch Bearbeitung der sinnlichen Erfahning gewonnen werden.

Excurs I. 511

meinsam ist, als Gewährsmann nur Theophrast genannt wird. In dem ersten Falle würden wir eine Verwendung des Wortes ivaQyhg annehmen, die dem Antiochos zuzusprechen uns schon früher (S. 506 Anm.) eine Stelle Ciceros Anlass gab. Im zweiten müssten wir uns daran erinnern, dass Antiochos auch in der Ethik Theophrast keineswegs für einen durchaus treuen und zuverlässigen Interpreten der aristotelischen Lehre hielt, ^) und könnten vermuthen, dass eine in der Original- schrift des Antiochos auch gegen die Erkenntnisstheorie dipses Peripatetikers gerichtete Polemik von Sextos oder, wer nun der Excerptor sein mag, unterdrückt worden ist.

Aber wenn auch die Auffassung der platonischen und aristotelischen Lehre, die wir bei Sextos fanden, der An- nahme günstig ist, dass der zweite Theil von Sextos' histo- rischer Darstellung auf Antiochos zurückgeht, so scheint sich dafür die Behandlung, die 227 ff. der stoischen Erkenntniss- theorie ^u Theil wird, mit dieser Annahme um so weniger zu vertragen. Denn dass sich Antiochos in der Erkenntniss- theorie an die Stoiker anschloss, unterliegt keinem Zweifel,*) und ebenso wenig, dass er diess auch da that wo er sel- ber glaubte nicht von der akademischen Lehre sondern nur

*) Cicero de fin. V 12. 75.

*) Zeller S. 603 beruft sich dafttr auf Cicero Acad. pr. 143: num quid herum probat noster Antiochus? ille vero ne majorum quidem

saorum: ubi enim aut Xenocratem sequitur aut Ari-

stotelem ? a Chrysippo pedem nusquam. Das sind aber Worte

eines Gegners, der das Thatsächlicbe übertrieben haben kann. Die- ses Thatsächliche beschränkt sich vieUeicht darauf, dass Antiochos in dem Theile seiner erkenntnisstheoretischen Darstellung, welcher die Angriffe der Skeptiker zurückwies, und das war möglicherweise ein sehr umfangreicher, die dialektischen Schriften des genannten Stoikers benutzt hatte. Denn da es sich um die Bestreitung des damaligen Skcpticismus handelte, so hätte er die Mittel dazu weder bei Piaton noch bei Aristoteles finden können.

512 ExcQTs I.

von der akademischen Ausdrucksweise abzuweichen.^) Für uns ist wichtig, dass er insbesondere die „greifbare Vorstel- lung**^) zum Grund alles Erkennens machte und ihr so die- selbe Bedeutung gab, die sie auch bei den Stoikern hatte. Denn gerade gegen diesen Punkt der stoischen Elrkenntniss- theorie scheint bei Sextos polemisirt zu werden.^) Denn

*) So erkennt sein Vertreter Lacullus bei Cicero Acad. pr. 37 die Bedeutung der Zustimmung {avyxaxa^eaiq) an, darch welche die Walimehmung erst zur Wahrnehmung wird. Die Zustimmung wird aber Acad. post. 40 f. als Bestandtbeil der zenonischen Lehre ge- nannt, und zwar an einem Orte, an dem nicht die gesammte Theorie des Stoikers sondern niu: was er an der akademisch - peripatetischeo geneuert hatte, zusammengestellt werden sollte.

^ Denn diess ist nach dem, was ich Th. n S. 185 f. ausgeführt habe, die richtige üebersetzung von xataXt^nrixt) (pavxaala.

') Dass Antiochos wenigstens im Wesentlichen der greifbaren Vorstellung dieselbe Bedeutung zuerkannte wie die Stoiker l&sst sich nicht bezweifeln, da sein Vertreter LucuUus bei Cicero Acad. pr. 18 in diejenige Vorstellung, die die Stoiker mit dem Namen des xerra- Xtjnrdv bezeichneten, ausdrücklich den Anfang aller Erkenntniss setzt Vgl. auch a. a. 0. 31. Nur darüber kann man streiten, ob Antiochos zugleich mit dem Wesen auch den Namen der xaTa?.ijnTixrj ipavtacia festgehalten hat. Aus 18 folgt es nicht, sondern nur dass er eine Vorstellung der Art wie die von den Stoikern xataktjTtTov oder xa- rahinxixti (favxaala genannte war (ein visum inpressum effictumqae ex eo unde esset, quäle esse non posset ex eo unde non esset) als Grund der Erkenntniss annahm. Dagegen ist auffallend, dass 19 wo von dem was das Wesen der greifbaren Vorstellung ausmacht die Rede ist diese in einer Weise bezeichnet wird, die nicht auf ein xaraXrjTiTov oder xatakrjTiTixrj ipavtaaia sondern auf ein iva^lq oder kvagyeia im griechischen Original schliessen l&sst. Dasselbe gilt von 37 f., namentlich wenn man diese Stelle mit Acad. post. 40 f. ver- gleicht. Man kann freilich einwenden, dass gerade an dieser Stelle ein „conprehendl sensibus^' begegnet dem ein xaxakafißdveo^nt des griechischen Originals entsprechen würde. Hier muss man sich aber darüber klar werden dass wenn die Worte xatah^itrov, xtnakrlnxix^ ipavxaala und xaxdXrjipig (Acad. pr. 145) als eigenthümliche erst von

Excars I. 513

227 242 wird der Nachweis versucht, dass die Definition, welche Zeuon von der q)avxacLa gab und wonach sie eine Tvxcoöig iv y>vxS ist, weder durch die Erklärungen von Eleanthes und Chrysipp noch durch das von Anderen zur Vertheidigung vorgebrachte gegen die Einwürfe der Gegner sicher gestellt worden ist. Hieraus wird der Schluss gezogen, dass schwer zu sagen ist was die Stoiker eigentlich unter der Phantasia verstanden (241: aXX^ ?j fih> tpavraöla xara Tovg ojto Tf/g öroäg ovrco övöajioöorog iöri). Von einem Stoiker wie Posidon kann eine Kritik in dieser Form natür- lich nicht herrühren. Aber auch Sextos selber kann nicht ihr Urheber sein, da dieser was er gegen die Erkenntniss- theorie der Stoiker und überhaupt der Dogmatiker einzu-

ZenoD gebildete Ausdrücke bezeichnet werden sich diess nur auf die engere Bedeutung beziehen kann die er diesen Worten gab. Nicht aber kann die EigenthUmlichkeit Zonons darin bestanden haben, dass er die ursprüngliche Bedeutung von xaialafjißdvfiv als einen bild- lichen Ausdruck zur Bezeichnung des Wahrnehmens benutzte. Denn in dieser Weise hat das Wort schon Piaton Phaidr. 250 D übertra- gen. Nicht mehr aber als dass er das Wort in dieser Weise über- tragen hat, lässt sich so viel ich sehe für Antiochos nachweisen. Darauf weist, dass Acad. pr. 21 die animo conprehensa von den sen- slbus c. unterschieden werden, dass ebenda von einer quasi expleta rernm conprchensio die Rede ist; und auch was 31 über die xaia- XritpiQ gesagt wird lässt sich aus dieser allgemeinen Bedeutung er- klären. Es ist bemerkenswcrth , dass auch bei Sextos dogm. I 144 das Wort xaraXrjjiTtxog in dieser Bedeutung erscheint: 6t ä xuvxnq {xijg alo^ostog) yäg rrjv (pavxaalav naQaSexofjisvog notelrai trv v6- Tjaiv xal r/}v imar/jfii]v tdh^S'Ovg, waxf nsQtXriTcvixov avzbv vTtdgxf^iv xrjg xs ivagyetag xal xfjg d?.Ti9^eiag, ontQ Iloov iazl r«^ xaxaXfjnzixov. Dadurch scheint die schon mit anderen Gründen unterstützte Vcr- muthung, dass der Abschnitt dem die angeführten Worte angehören auf Antiochos zurückgeht, von Neuem bestätigt zu werden, und zwar um so mehr als das Wesen des xaxaX^nxtxdv darein gesetzt zu wer- den scheint dass es nicht bloss die Sinneseindrücke sondern auch das darüber Hinausliegende umfasst. Denn hierdurch scheint die

Hirzel, Untorsiieliiingen. TU. 33

514 Excurs I.

wenden hat erst von 261 an vorbringen will. ^) Es bleibt also nichts übrig als die Polemik auf die von Sextos benutzte Quelle zurückzuführen. Man könnte nun dieselbe in der Schrift eines Skeptikers suchen. Dom widerspricht aber die Polemik die im Zusammenhang mit der weiteren Darlegung der stoischen Ansicht gegen die Skeptiker 259 f. gefuhrt wird.*) Hiemach muss der Verfasser der Quellenschrift ein

engere Bedeutung welche die Stoiker dem Worte gaben geradezu ausgeschlossen zu werden. Diess zu bemerken ist aber wichtig, da der Umstand, dass das Wort auch in der allgemeinen Bedeutung ge- braucht wird, f(ir sich allein noch nicht gegen stoischen Ursprung beweisen würde, wenn man wenigstens aus den verdorbenen Worten bei Diog. YII 45 schliessen darf.

') Er sagt hier: xotovto fihv xal to rwv armixatv iorl Soyfta' naarjg 6h axf^ov r^g nsgi XQirrjgiov 6ia<ptoviaq vit* otpiv xftfihi^; xaiQoq av e^rj tfjq dvrt^^fj<jS(og iipanrea^ai xal inl xb xQit^^or inavdyetv.

') Nachdem Sextos bemerkt hat, dass eine greifbare Yorstellong gegen die sich kein Einwand erheben lässt (xazakrpirixfj tpavtack /jiijöhv exovaa ^varrj/aa) die Bürgschaft der Zuverlässigkeit (r^v nf; xaraXfjtpscDg nlativ) in sich trägt, f&hrt er a. a. 0. der handschrift- lichen Ueberlieferung zufolge fort: xal yag älXioq rovvavriov d^vva- xov iaxt }Jy6iv, xax* dvdyxrjv xdv dtpioxd/jievov rov d^iovr on tpavxaala xQixtJQiov iaxi, xad'^ kxi^ag <pavxaalag vnoaxaaiv xovio ndaxovxa ßtßaiovv x6 <pavxaalav eivai xqix^qiov, tf^g ipvaet»; oiovel (piyyog rj/nTv UQog ^nlyvtoatv x^g dXrjd-elag r^ ala^xtxtiv &P' vafJLiv dvaöovarjg xal xt)v 6i^ avxijg yivo/ih^v ^avxaalav. dronor ovv iaxl xooccvxrjv övvafjLiv d^sxsTv xal xo alaneg tpwg avxviv dfat- QsTa&ai, Dass diese Stelle sich gegen die Skeptiker richtet, wird namentlich durch die Schlussworte ausser Zweifel gesetzt. Doch wird diese richtige Auffassung durch die Ueberlieferung erschwert Schon Bekker erkannte, dass dieselbe fehlerhaft sei und wollte statt xat' dvdyxriv schreiben «AA* dvdyxri. Einfacher scheint mir aber xtti dvdyxrj. In diesem Falle würde der Sinn sein, dass sowohl aus an- deren Gründen es unmöglich ist das Gegentheil (n&mlich von der aufgestellten Behauptung dass in den Sinnen und der auf sie gegr&n- deten Phantasia das Kriterien gegeben sei) zu sagen and ausserdem

Excars I. 515

dogmatischer Philosoph gewesen sein, der die greifbare Vor- stellung namentlich diejenige gegen die sich nichts einwen- den lässt (xaraXrjjrriXTj q>avra(ila fjfjdiv l^ovöa h'OTfjfid) als Kriterion anerkannte. Ein solcher Philosoph war aber

(und das ist der besondere Grund) wer diess thut genöthigt ist u. s. w. Was hierauf in der Ueberlieferung folgt ist ein baarer Widerspruch. Dor Gedanke ist klar: wer ?on der ausgesprochenen Meinung dass die Phantasia ein Kriterion ist abgeht kann nur auf Grund einer anderen Phantasia zu dieser Ansicht (denn so verstehe ich nach einem bekannten Sprachgebranch späterer Philosophen ndaxoyta) und Behauptung kommen; da also seine Bestreitung der Phantasia diese selber voraussetzt, so hebt sie sich selber auf. Nach der Ueber- lieferung aber würde wer von jener Meinung dass die Phantasia ein Kriterion ist abgeht auf Grund einer andern Phantasia zu der An- sicht und Behauptung kommen dass die Pbantasia ein Kriterion ist. Das ist offenbarer Unsinn und daher klar dass die Worte tb (pavta- alav fhai xqitijqiov zu streichen sind. Man könnte sie erhalten wollen, indem man ^^ vor elvai einsetzte. Dann wäre zwar der Widerspruch gehoben aber ein müssiger Zusatz geschaffen, da die Rückbeziehung des tovto auf den in dipiord/nevov tov d^iovv liegen- den Gedanken zur Genüge klar ist. Dass Sextos denselben Gedanken aussprechen wollte, den ich eben in seine Worte gelegt habe, ergibt sich auch aus dem was auf die angeführte Stelle folgt: ov yd^ tq6- nov b x^QütfAoxa fihv dnoXtlnutv xal tag iv xovtoiq 6ta<poQdg, zrjv 6i OQaoiv d%'atQwv (hg dvvnufixxov fj dmavov, xal (ptovdg fjilv sivai Xe- ywv, dxofiv 61 fiti vndQX^'^ d^idiv, aipoö^a iotlv dionog (rfi* wv yaQ ivoi^aafifv ;f()aJ/MaTa xal ifiavdg, ixetvwv dnovrwv o^^öh j[Qi]a9^ai öv- varol XQio/iaaiv rj <pwvatg), ovxo) xal xd nQayfjiaxa fihv bfioXo- y<5v, xt^v 6h (pavraaiav xfjg alaS^ijaecDg, 6i^ r^g xt5v nQayfxdxiov dvxt- lafJißdvBTat, 6iaßdlXo)V xektatg iaxlv ijußQovxrjxog, xal toTg dtpv)^otg taov avibv notaiv. Denn man wird die Worte xd nQdy/iiaxa filv b/jioXoywv nicht missverstehen. Unter iiQdyfiaxa kann nach dem Zu- sammenhang nur an den Satz gedacht werden dass die Phantasie das Kriterion ist, der ein iumyixa genannt werden kann insofern er Gegenstand des Denkens ist. Diesen Satz geben die Ungenannten zu {^bfjLoXoyo)v\ wenigstens thats&chlich , obgleich sie im Gegentheil behaupten dass die Phantasia kein Kriterion sei; denn eben dass sie etwas behaupten und eine positive Meinung aussprechen, setzt eine

83*

516 Excurs I.

Antiochos.^) Es fragt sich daher, ob nicht bei näherer Be- trachtung die bei Sextos an dem stoischen Kriterion geübte Kritik sich als eine herausstellt die auch die Billigung des Antiochos finden konnte. Hier ist nun zu beachtoii, dass diese Kritik den logischen Werth der greifbaren Vorstellung nicht im Geringsten autastet Nirgends wird bestritten, dass von einem Realen ausgehende und demselben entsprechende Vorstellungen solcher Art wie sie von einem Nicht-Realen nicht ausgehen würden d. h. solche Vorstellungen wie nach der Lehre der Stoiker die greifbaren sein sollten (Sextos 248: xaTaXr]j€TiX7j öi iöxiv ij ajto vjtaQXOvrog xal xcci avTO t6 vjraQXOv ivajtofiefjtoYfievr] xal lvajtEOg)QaYiO(iivtj, ojtola ovx av yipoiro ajio fxrj vjtaQxovTO(i) in Wahrheit

Phantasia als Grund voraus. Man kann übrigens noch Sext. dogm. II 360 vergleichen, wo die hier vertheidigte Ansicht, dass die That- sachen der Phantasia das sicherste £riterion abgeben und dass ein dieselben bestreitendes Denken sich selber zerstört, ausdrücklich den Dogmatikern zugeschrieben wird: dkXa ta <paiv6fjLiva, tpaalv ol SoyftO' rixoi, ndvTcjg Sei tiO'ivai, ngdirov ort ovöhv s^OfASv tiioxotsqov av- Tcwv, fZ^' 6x1 b xiv6)V avrd Xoyoq avxbq v(p^ kccvxov nsQiXQhiexai.

^) Bei Sex tos wird, nachdem im Sinne jüngerer Stoiker die greifbare Vorstellung, gegen die sich nichts einwenden lässt, als Kriterien bezeichnet worden ist, hieraus erklärt, dass die Menschen alles thun um solche Einwände zu beseitigen; denn da solche Ein- wände sich darauf gründen können dass wir um etwas genau zu er- kennen zu weit entfernt oder dass unsere Sinnesorgane getrübt sind, so treten die Menschen dem Gegenstand der Wahrnehmung näher oder reiben sich die Augen (p. 258: öib 6^ xal nag avS-Qtanog, öiav XI OTiovödZv fjiexä dxQtßeiaq xatakafjißdveaß^ai, x^v xoiavx^v tpavia- alav i^ kavxov (xexaöiwxnv ipalveiat, oiov inl xwv oqoxwv, oxav dfxvÖQov XafJißdvy xov vnoxetfjiivov ipavxaaLav, ivtelvei yaQ xtjv otpiv xal avvsyyvg eg^exai xov bgwfiivov wg xikeov fit^ nkaväa&ai, naQa- xglßii ydg xovg 6(p^alfxovg, xal xa&okov ndvxa noiei (xhxQ^i ^v xqu- vtiv xal nhjxxixf^v anday xov XQivofjiivov (pavxaolav, dtg iv xaviji xBifxivtfv ^eoiQiHv xr^v xijg xaxah}tpea)g nloxiv). Dass wir aber, ehe wir einem Sinneseindruck volles Vertrauen schenken, erst alle die

Excurs I. 517

existiren oder das Kriterion sind. Die Bestreitung richtet sich nicht gegen die Bedeutung, die diesen Vorstellungen für die Erkenntnisstheorie sondern gegen diejenige die ihnen für die Psychologie zukommt, und es werden nur solche stoische Definitionen berücksichtigt, die von der Wahrheit oder Un- wahrheit dieser Voi*stellungen absehen und ihr Wesen ledig- lich bezeichnen insofern sie Vorgänge unseres Seelenlebens sind. Daher werden bestritten die zenonische Definition, wonach die Phantasia ein Abdruck in der Seele (rvjtmOig iv yrvxv) ist und die verschiedenen Erklärungen, die hier- von die Späteren, insbesondere Kleanthes und Chrysipp, ge- geben hatten. Nichts nöthigt uns zu der Annahme, dass Autiochos das Wesen der Phantasia in derselben Weise auf- gefasst habe; daraus dass er den Werth derselben für die Erkenntniss ebenso hoch schätzte wie die Stoiker ergibt es sich noch nicht. Viel näher liegt die Annahme, dass An- tiochos sich auch hier an die akademisch - peripatetische Schule angeschlossen habe. Die Definition, welche Aristo- teles von der Phantasia gibt, lautet in der Schrift von der

HiDdemisse beseitigen die sich seiner Reinheit möglicherweise ent- gegenstellen, forderte auch Antiochos nach Cicero Acad. pr. 19: meo autem judicio ita est maxima in sensibas veritas, si et sani sunt ac valentes et omnia removentur, quae obstant et inpediunt. itaque et lumen mutari saepe volumus et situs earuni rerum, quas intuemur, et intervalla aut contrahimus aut diducimus, multaque facimus usque eo dorn aspectus ipse fidem faciat sui judicii Gm^/p«? av rgavyv xal nXrjxTixfiV onaay tov xQivofi^vov <pccvraalav). 46: quamobrem cum duae causae perspicuis et evidentibus rebus adversentur, auxilia to- tidem sunt contra conparanda. adversatur enim primum, quod parum defigunt animos et intendunt in ea quae perspicua sunt (ivrelvet xtiv ö\piv\ ut, quanta luce ea circumfusa sint, possint agnoscere. Auch was wir bei Soxtos 257 als Ansicht jüngerer Stoiker lesen , dass die greifbare keinen Einwand zulassende Vorstellung sich die Zustim- mung {avy^atd^eatq) erzwingt, kehrt als Ansicht des Antiochos bei Cicero Acad. pr. 38 wieder.

518 Excurs I.

Seele (III 4 p. 429* 1): // q)avraOla av tltj xlvr/oig vjro rffi aloB^t}(jeo)g Tijq xar^ IvtQyeiav yiyvoy.hvrig. Hiermit stimmt die Auffassung der Phantasia, die Sextos den Peripatetikeni zuschreibt, überein. ^) Vorthoilhaft unterscheidet sich diese von der stoischen dadurch dass sie von den bei Sextos er- wähnten Einwürfen nicht betroffen wird. Hinsichtlich der von Chrysipp gegen Kleanthes gerichteten versteht es sich von selbst, da dieselben die Körperlichkeit der Vorstellungen zur Voraussetzung haben (229 f.). Sie leidet aber auch nicht an der Unbestimmtheit, die man sowohl der ursprünglichen Definition Chrysipps wie der modificirten zum Vorwurf machen konnte.^) Vom Standpunkt dieser Definition aus konnte daher Antiochos recht wohl mit der Kritik einver- standen sein, wie sie bei Sextos an der stoischen Auffassmig der Phantasia geübt wird. Legt man darauf Gewicht (wie diess Zeller II 2 S. 546 Anm. thut), dass die Phantasia eine Bewegung (xlvTjöcg, xlvtjfid) sei, so kann man die Vermuthung,

*) A. a. 0. 219: diib fihv yäg xwv ala^ixwv xivsttai fj aio^ti' Ctg, dnh ös rfjg xazä ivagyfiav itfQl rtjv aia&rjotv xtvf^aeatg irnyl- vetal XI xaxa ipvx^v xlvjjßa .... otisq ßvi^ßti xe xal <pavxaala xa- ?.elxai naQ^ avxotg.

^) Die modificlrte Definition Chrysipps lautet (236), dass die Phantasia sei hxsQolisjOLq ne^l xb ^yefxovtxov. Dieselbe Definition, sagten die Gegner, würde auch auf oQfjijj, ovyxcadO^eaig und xata- lri\\)iq passen. Fassen wir nun mit den Peripatetikem bei Seztos die Phantasia als eine Seelenbewegung, die zwar von der sinnlichen Wahrnehmung ausgeht aber nicht die Sinnesafi'ection als solche dar- stellt sondern den Gegenstand durch den dieselbe hervorgerufen wor- den ist (Sextos 219: /wWi"'7 t^^^ "^^^ ^^Q^ ^^i^ ata^aiv Jid9i>vg, fov- xaaia 6h xov ifxnoiTJaavxog xy aloBi^aec x6 nd^g ala^xov, vgl. dazn 161 ff.), so können die drei genannten Seelen vorg&nge nicht mehr mit ihr verwechselt werden. Diese Definition ist auch gegen den Ein- wurf geschützt, den man gegen Chrysipps ursprüngliche Definition geltend machen konnte, dass ihr zufolge jede Verletzung des Fingers oder ein Jucken an der Hand schon eine Phantasia hervorrufe (232).

Excurs I. 519

dass Antiochos in der Auffassung der Phautasia auf Aristo- teles und nicht auf die Stoiker zurückgegangen sei, auch durch Stellen wie Cicero Acad. pr. 30. 34. 48 bestätigen, in denen das einzelne Phantasiebild (visum) aus einer Bewegung (moveri) des Geistes abgeleitet wird. ^) Ein sehr nahe lie- gender Einwand ist noch zurückzuweisen. Da wo Lucul- lus im Namen des Antiochos die stoische Definition der greifbaren Vorstellung billigt (Cicero Acad. pr. 18) definirt er dieselbe als visum inpressum effictumque ex eo etc. Hier- aus scheint zu folgen, dass Antiochos ebenso wie die Stoiker die Phantasia als eine rvjtcoöig fasste. Uebereilt würde es aber sein, wollte man daraus schliessen, dass Antiochos das Wesen der Phantasia anders bestimmt habe als Aristoteles; denn auch dieser hat die Phantasiebilder den Abdrücken verglichen die das Siegel im Wachs* macht (de mem. 1 p. 450* 27 fif.) und im Grunde dasselbe thun die Peripate- tiker bei Sextos, wenn sie das Phantasiebild eine von der sinnlichen Wahrnehmung in der Seele zurückgelassene Spur (Ix^og) nennen (220).

Dass der philosophische Standpunkt dessen von dem Sextos seine historische Darstellung genommen hat, so weit wir ihn noch erkennen können, kein anderer ist als derjenige auf den die Ueberlieferung Antiochos stellt, ist durch das Gesagte bewiesen. Dieses Resultat wird dadurch bestätigt dass in einem einzelnen Falle auch die Form in der die Polemik gegen die Skeptiker geführt wird dieselbe ist bei Sextos und bei Cicero. Bei Sextos heisst es (260) von dem Skeptiker der die greifbare keinem Einwand ausgesetzte Vor- stellung nicht als Kriterion gelten lassen will: ra jigayfiara

^) Bei Sextos 162 scheint freilich Antiochos die Phautasia für d^olwaiq zu erklären. Es darf aber nicht abersehen werden, dass Antiochos dort zunächst nur Referent über die Lehre des Kamea- des ist.

520 ExcuTB I.

fiiv oiioXoywv rrjv de (pavraolat^ r//^ alö&ijöscag, 6i^ jJc r<DV jtQayfxdrcor dvriXa^ßavirai , diaßdXXcov rtXicoq ^orlv kfißQOVTfjTog, xal rotg dxpvxoig löov avxov jtoi(5p (vgl 160). Gegen dieselben Skeptiker bemerkt Lucullas bei Ci- cero Acad. pr. 31 Folgendes: ergo ei qui negant quicquam posso conprehendi, haec ipsa eripiunt vel instrumenta ycI ornamenta vitae, vel potius etiam totam vitam evertuut fun- ditus ipsumque animal orbant animo, ut difficile sit de temoritate eorum perinde ut causa postulat dicere (vgl. 38). Bcmerkcnswerth ist ferner dass in dem gleichen gegen die Skeptiker polemisirenden Abschnitt bei Sextos die greifbare Vorstellung dem Lichte verglichen wird/) dieselbe Verglei- chung aber in einem früheren Abschnitt wiederkehrt, für den als Gewährsmann Antiochos ausdrücklich genannt wird.*) Soll aber einmal* eine Schrift des Antiochos die Quelle sein, dann kann auch keine andere in Betracht kommen als die Kavovixd betitelte, da diess die einzige ist, die von Sextos genannt wird (201). Auf dieselbe Schrift scheint

*) 259: xal yaQ akXcjg xovvavxlov ddvvarov iazi Xiyeiv xal dvdyxTj (über diese Schreibart st. des überlieferten xat* dvdyxtiv b. S. 514, 2 Tov d(piazdfjLfvov tov d^iovr, ort (pavvaala XQiziJQiov iau, xa^^ kriQag <pavxaaiaq inoaraaiv xovxo ndaxovxa ßeßaiovv (darüber dass die hierauf folgenden Worte x6 <pavxaalav slvai xQtx^Qtov la streichen sind, s. o.), x^g ipvaevDq oiovel <piyyog ijiuv nQhq inlyvoh aiv xijg dhi^elaq xr^v ala&rjxixrjv dvva/xiv dvaöovat^g xal t/)v <5i' av- xfjg yivofitvrjv (pavxaalav. dxonov ovv iaxl xoaavxfjv övvafuv a^f- xeTv xal xb cdotieq (pdig avxiSv d^aiQetaS-ai,

*) 163: SoTiEQ ovv x6 (pdig havxo xe öeixvvai xal ndvra xa h avx^, ovxü) xal y <pavxaala, aQxvy^^ ovaa xfjg ne^l xb l^(pov «ÄJrJ- aFQ)g, (pwxog ölxtjv havxt/V xe ^fx<favlt,etv d<pelXei xal xov Ttoii^ücnnog avxT^v ivaQyovg ivSeixxix^ xad-eaxdvai. Auch hier darf man aber nicht vergessen, worauf ich schon S. 519, 1 hingewiesen habe, das« Antiochos zunächst nur als Referent über die Lehre des Eameades citirt wird.

Excurs I. 521

auch der Ausdruck xavovl^ead'ai *) und die Vergleichung der sinnlichen Wahrnehmung als des Kriterions mit dem xapcop^) zu deuten. Es ist bemerkenswerth, dass des entsprechenden lateinischen Wortes regula sich der Antiocheer bei Cicero mehrmals^) bedient.

Wollte man aus der historischen Darstellung des Sextos einen Abschnitt für Ainesidemos retten, so könnte diess nur derjenige sein, der die älteren Philosophen aufzählt, welche das Vorhandensein eines Kriterions leugneten d. h. die Vor- läufer der späteren Skeptiker (47 89). Dass der Urheber dessen was dieser Abschnitt enthält ein anderer ist als der dem die Geschichte der dogmatischen Philosophen gehört, habe ich schon angedeutet, als ich (S. 77 ff.) auf die ver- schiedene Auslegung hinwies, die dieselben Verse des Xeno- phanes in den beiden Abschnitten finden. Die Auslegung des zweiten auf einen Dogmatiker zurückgehenden Abschnit- tes weiss dem eleatischen Philosophen das Geständniss ab- zupressen, dass wenn auch nicht der Logos so doch eine

*) 175: T(p (ig inl xb noXv xdq xe x glasig xal xag nQa^eig xa- vovt^^eaS'ai avfißißrjxev, vgl. 158.

*) 226 wird erst das Yerhältniss zwischen Sinneswahrnehmang und Vernunft (vovg) dem zwischen oQyavov und xsxvlxrjg gleichgestellt and dann so fortgefahren: aSansQ yccQ ^fxsZg ov dvvdfjie&a x^Q^^ i^' yov T^v Twv ßaQStov xal xovipwv i^itaaiv TioieiaS'ai, ovdh axsQ xa- vovog TTjv Twv edS^^ojv xal az^eßXcüv öiatpoQav Xaßelv, ovrwg ovöh b vovg x^Q^^ alo&TJaeojg Soxifidaai niipvxe xa ngayfiaxa. Vgl. hier- mit 29 ff. und bes. 36 ; ausserdem II 3.

') Acad. pr. 29. 32. 33. Namentlich die zweite dieser Stellen muss beachtet werden: volunt enim probabile aliquid esse et quasi veri simile, eaque se uti regula et in agenda vita et in quaerendo ac disserendo. Bedenken wir dass die skeptischen Akademiker ge- meint sind, so ist frappant die Uebereinstimmung der clceronischen Worte mit den ebenfalls auf die Akademiker bezüglichen bei Sextos 175: r^ yaQ (bg inl xb noXv (das probabile) xdg xe xglaeig xal zag n^S^ig xavovllC,sad'ai avfjißißfjxsv.

522 Excurs I.

Art von Logos (do^aörog Xoyoq) das Kriterion sei, dass nicht jedes Erfassen der Wahrheit sondern nur das wissen- schaftliche unmöglich sei {q)alv8rai fi^ Jtäöap xaxaXrppiv dvaiQBlv äXXa xifV ijiiöTTjfiopix^v re xal d6icüixanov)\ im ersten dagegen wird er den Skeptikern boigezäMt, denen die jedes Erfassen der Wahrheit, nicht bloss das wissen- schaftliche für unmöglich erklärten. Da nun wie wir aus Diog. IX 72 ersehen die Pyrrhoneer Xenophanes unter ihre Vorgänger rechneten, so liegt die Vermuthung nahe dass der erste Abschnitt des Sextos von einem Skeptiker dieser Rich- tung stamme, also von Ainesidem. Ehe wir aber diesen Schluss wirklich ziehen, wird es gut sein die ganze bezüg- liche Stelle herzusetzen und näher zu prüfen (49 ff.): cor (diejenigen die jedes Kriterion aufhoben sind gemeint) &- voq>dvrjg (ikv xard rivag eljtwv Jtdvra dxcctdXrjjtta ixl ravrtjg iötl rf/g q>OQäg, Iv olg YQdq>ei

xal x6 fJBV ovv öaq>Bg ot rig dvtjQ iöev oväd rig eCtai elömg dfxq)l d-ecov re xal dooa Xiym üibqI jtdvrcov el ycLQ xal xd fidXiöra xvjpi rereXeöfxavov aljtcop, avTog ofxog ovx ol6e, öoxog 6^ inl jcäöi rsTVXTai,

öid Tovtcov ydg Oa^eg fiev. toixe keyeiv rdXfjd-eg xal ro yvcigifiov, xad^o xal Xiyexat

djcXovg 6 /ivd-og rfjg dXfiß-slag eq)v,

dvÖQa 6e top dv&Qmjtop, rm eldixm xaTaxQ(O(i£P0g dvr) xov ytpovg' sidog ydg dpd'Qcijtov xa^iöxrjxtp 6 dptiQ, övr- rid^eg cf' tört xomco ;f()^ö^«t reo XQOJicp xF^g q>Qdöea>g xal ^InnoxQdxu, oxap Xiyxi ^^yvp?] d(i^i6i§tx>g ov ylptxai^, xov- xiöxi d^TjXua kv xotg de^iolg (legeoi xfjg fiTJxgag ov cwi- öxaxai, dfx^l ^ecor 6e vjtoöeiyfiaxix(og jibqI xipog x(5p «AJ- Xa>p, öoxop Sh X7]P öoxfjoip xal xtjv cfogar. woxb xoiovxov eipai xaxd e^djtXa^öip x6 vjt^ avxov Xsyo/ispop „ro (lep ovv

Excurs I. 523

dXfi&eg xal yvciQifiOP ovösig avB^QCojcog olös, x6 ye iv rolq ddi^Zoig JtQayfiaOiv xiip yaQ Ix rvxfjg ijtißdXXjj rovrco, o(i(oq ovx oldtv ort IjtißißXrjXSP avtcp, dXX" oterai xal öo- X£f." äöJtsQ ycLQ el iv C,oq)BQco olxrjfiari xal jtoXZa exovtc x€i(ii]Xia vnod^olfiBd'a rivag xpvöoi' C^rjrovpraq, vjtojieöstrai öiori ixaörog fjlv tovtov Zaßofiepog xivog rcov hv zw oU xij/iari XBifiivcDV ol/iOsrai xov ;fpt;(Jot5 ÖBÖQax^cLi, ovÖBlg öl avTCOv törai Jtsjteiöfitvog ort reo XQ^^V ^fp^^^föf, xdv fidjUöza Ti5^^ T0WC9 JttQiJte^tzcoxcig , ciöe xal elg xovxovl xov xoOfdov SöjtsQ XLva fiiyav olxov xaQfiXd^e nXfjd'Og 90^- Xoö6fp(ov Inl XTjv xfjg dXrjd^dag C^ttjöiv, }}g xov Xaßofisvov stxog löxLv djtiöxeTv oxi evöxoxfjOev. Diese Worte zeigen bei näherer Betrachtung dass man den Stifter der eloa- tischen Schule zum Vertreter nicht des Skepticismus über- haupt sondern einer bosondem Art desselben machte. Ich habe früher (S. 29, 1) von dem Unterschied der akade- mischen und pyrrhonischen Skepsis gesprochen und den- selben darein gesetzt, dass die Akademiker es überhaupt für unmöglich erklärten die Wahrheit zu finden, die Pyr- rhoneer nur bestritten dass sie bis jetzt gefunden sei. Hält man nun diesen Unterschied fest, so erscheint Xenophancs in der angeführten Stelle als ein Vertreter nicht der pyr- rhonischen sondern der akademischen Skepsis. Denn, was die letztere charakterisirt, die absolute Leugnung der Mög- lichkeit jedes Wissens wird ihm hier zugeschrieben, und es wird diese Leugnung auf die UnUnterscheidbarkeit der wah- ren und falschen Vorstellungen*) d. h. auf den Grund ge- stützt, dessen sich die Akademiker vorzüglich bedienten.*) Wir werden daher Sextos' Gewährsmaim nicht bei den Pyr-

^) Denn auf diese bezieht sich doch 52 waneg yäg d iv ^o- <pfg(p olxfj/xaii xiX.

«) Sext. dogm. I 164. 252. 402 ff.

524 Excure I.

rlfoneern sondern bei den Akademikern suchen, und denken in diesem Falle natürlich an Kleitomachos (vgl. dogm. III 1. 182. math. II 20). i)

^) Dieser Excurs war schon niedergeschrieben als Natorps Ab- handlung aber Ainesidem (Rhein. Mus. 1883 S. 28 ff.) erschien. Hier- nach wäre der Quellenschriftsteller den wir suchten nicht Antiochos sondern der genannte Pyrrhoneer gewesen. Nach der ausführlichen Begründung meiner eigenen Ansicht brauche ich mich auf eine WiderleguDg dieser abweichenden nicht noch einzulassen. Nur zwei Punkte will ich henrorheben. Der eine ist dass Natorp selber neb zu wesentlichen Einschränkungen seiner Hypothese genöthigt sieht (S. 133, 1); der andere dass das Fundament seiner Untersuchung die vorausgesetzte Identität der von Ainesidem bei Photios berücksich- tigten theilweise stoisirenden Akademiker mit Antiochos bildet, die- ses Fundament aber durch meine frühere Erörterung (S. 230 ff.) zer stört worden ist.

Exenrs n

(zu S. 214, 1).

Um Philon die Lehre vom Augenscheinlichen zuzuwei- sen und insbesondere auch um dessen Inhalt genauer zu bestimmen hat Zeller sich auf Cicero berufen, der ein Schü- ler Philons war und bei dem das unmittelbare Wissen eine so grosse Rolle spiele. Zeller hat von letzterem insbeson- dere S. 659 f. gehandelt Aber ist denn durch das was er dort bemerkt wirklich bewiesen, dass Cicero ein solches Wissen angenommen habe wie kein anderer Philosoph, Phi- lon ausgenommen, vor ihm? Das unmittelbare Wissen Cice- ros, sagt Zeller, sei ein augebornes und ein solches hätten weder Piaton und Aristoteles noch Epikur und Zenon be- hauptet. Nun ist es richtig, die platonischen Ideen sind dem Menschen nicht von Anfang an mit voller Klarheit gegenwärtig, vielmehr muss die Erimierung daran erst durch methodisches Studium geweckt werden: insofern kann also mit Bezug auf sie von einem angebornen Wissen nicht ge- sprochen werden, sondern nur von angebornen Keimen des Wissens die erst entwickelt werden müssen. Ist es aber mit dem angebornen Wissen Cioeros etwa anders? Dass auch dieses nicht schon in sich vollendet ist, dass es noch nicht auf den Namen eines Wissens im strengen Sinne Anspruch hat, zeigt vielmehr deutlich eine Stelle auf die auch Zeller einen besonderen Werth zu legen scheint, de fin. V 59: (na- tura homini) dedit talem mcntem, quae omnem virtutem

526 Excars n.

accipere posset, ingenuitque sine doctrina notitias parvas rerum maximarum et quasi iiistituit docere et induxit in ea quae inerant tanquam elementa virtutis. Hätte Cicero sich die sittlichen Gmndbegi'iffe als vollkommen klare, als ein Wissen gedacht, so würde er sie nicht notitias par- vas genannt haben: denn darin liegt ausgesprochen dass sie nur die Anfänge von Begriffen sind, nicht schon selbst eine volle Erkenn tniss enthalten. War Ciceros Gedanke, nur we- nige sittliche Grundbegriffe habe die Natur in unsere Seele gepflanzt, diese aber mit vollkommner Klarheit, so hätte er sagen müssen notitias paucas. Man sieht also dass in dieser Hinsicht der Unterschied zwischen dem angebomen Weissen Ciceros und den platonischen Ideen doch nicht so bedeutend ist. Aber freilich in anderer Hinsicht ist ein solcher nicht zu verkennen: denn während die Ideen nicht so sehr der Anfang als das Ziel aller Forschung sind, ver- hält es sich mit dem unmittelbaren Wissen Ciceros gerade umgekehrt. Es ist dies diejenige Seite des ciceronischen Wissens auf der seine Aehnlichkeit mit der epikureisch- stoi- schen Prolepsis uns entgegentritt (s. über diese Cicero nat deor. I 43. Sext. math. I 57. Clemens Alex. Strom. II 157 Sylb. Diog. VII 54). Beide aber deshalb mit einander zu iden- tificiren verbietet uns Zeller, der zwischen ihnen den wesent- lichen Unterschied findet dass das Wissen Ciceros uns an- geboren sein soll die Prolepsis dagegen erst aus der Erfah- rung abstrahirt ist Sehen wir zu ob dieser Unterschied wirklich besteht. Das ist richtig, die Prolepseis sind keine angebomen Vorstellungen. Aber sind es diejenigen um deret- willen Zeller Cicero die Lehre vom angebomen Wissen zu- schieibt? Zu dieser Annahme ist er geführt worden durch Stellen wie Tusc. III 2: sunt enim ingeniis nostris scmina innata virtutum. Dass indessen innatus immer die Bedeu- tung von „angeboren" haben müsse, ist von Schoemann zu

Excurs II. 527

Cicero nat. deor. I 44 bestritten worden. Nach ihm könnte es auch bloss die naturgemässe Entstehung in der Seele be- zeichnen. In diesem Falle würde aber was Zeller das an- geborne Wissen nannte sich von der Prolepsis nicht mehr unterscheiden; denn das Eigenthümliche der letzteren beruht ja gerade darauf dass sie nicht wie andere Vorstellungen künstlich hervorgebracht wird sondern auf natürlichem Wege, uns unbewusst in der Seele entsteht (ewoia g>vöixfi '^^^ xad-oXov wird sie bei Diog. VII 54 definirt Plutarch. plac. IV 11 = Diols doxogr. S. 400, 17 ff.). In derselben Weise liesse sich dann auch das „ingenuit** in den schon angeführ- ten Worten de fin. V 59 fassen. Ich will aber die Unzu- lässigkeit dieser Erklärung zugeben, so bleibt die Möglich- keit eines Missverständnisses auf die bereits Madvig zu de fin. I 31 hingedeutet hat. Cicero konnte einen griechischen Autor, der von Vorstellungen sprach die die Natur selber uns eingepflanzt habe und darunter solche meinte die auf natürlichem Wege entstanden seien, dahin missvorstehen als ob er augebomo Vorstellungen gemeint habe und also an die Stelle der natürlichen Vorstellungen überhaupt eine be- sondere Art derselben setzen. Die Annalime eines solchen Missverständnisses ist doch wohl so schwierig nicht, und wir werden sie immer noch lieber machen ehe wir Cicero eine so absonderliche Lehre wie die vom angebomen Wissen sein würde zutrauen. Hat doch Zeller selber (III 1 S. 389, 2) Cicero ein Missverständniss dieser Art Schuld gegeben I Um so leichter ist ein solches denkbar, wenn wir uns des grie- chischen Ausdrucks €fiq>vTog erinnern der gebraucht wurde um natürliche aber darum noch nicht angeborne Vorstel- lungen (die jtQoXrftpeig nannte Chrysipp so nach Plut. de rep. Stoic. c. 17 p. 1041 E) zu bezeichnen und den es doch sehr nahe lag durch innatus wiederzugeben. Mag es sich aber hiermit verhalten wie es will, wir bedürfen dieser Erörte-

528 Excurs II.

rung nicht. Denn auch ohne sie ist es eine Thatsache dass Cicero gelegentlich von angebornen Vorstellungen zu sprechen scheint und dabei doch nichts weiter als die Prolepseis im Sinne hat Diess sehen wir deutlich nat deor. I 44: com enim non instituto aliquo aut more aut lege sit opinio con- stituta maneatque ad unum omnium firma consensio, intel- legi necesse est esse deos, quoniam insitas eorum vel potius innatas cognitiones habemus. Dass unter den innatae cogni- tiones die Prolepseis zu verstehen sind, lehrt der Zusammen- hang in dem die angeführten Worte stehen. Ausserdem hat Schömann noch auf II 12 hingewiesen wo mit Bezug auf die stoische Prolepsis gesagt wird: omnibus innatum est et in animo quasi insculptuni esse deos. Was kann uns nun noch hindern in Ciceros angebomem Wissen die Prolepsis zu er- kennen? In der schon angeführten Stelle de fin. V 59 wird hervorgehoben dass es sine doctrina entstanden sei; ebenso sagten aber die Stoiker von der Prolepsis dass sie avev di- öaoxaXlag zu Stande komme wie wir aus Plut. plac. IV 11 (= Diels doxogr. S. 400, 17flf.: tojp 6i hfvoiwp al fihv q>V' Oix(og ylvoinai xara xovq elQijfiivovg ZQOJtovg xal dvexi' TBXPf]Tcog, al öh ?jdrj 6l^ f^fisrtQag diöaOxaXlag xal ixiiit- Xslag. avrai fiel' ovv svvocai xaXovvrai fiovov, ixBlvai 6\ xal jcQoXrf^tig) entnehmen können. Der einzige Einwand, der sich hiernach noch gegen die Identificirung des angebor- nen Wissens luid der Prolepsis erheben Hesse, wäre der dass beide ihrem Inhalte nach nicht übereinstimmten. Zum In- halte des angebornen Wissens gehören nun nach Zeller die sittlichen Grundbegriflfe, wie dies aus Tusc III 1 (sunt enim iugeniis nostris semina innata virtutum; quae si adolescere liceret, ipsa nos ad 1)eatam vitam natura perduceret) und legg. I 33 (atque hoc in omni disputatione sie intellegi volo, jus quod dicam natura esse, tantam autem esse corruptelam malae consuetudinis, ut ab ea tanquam igniculi exstinguan-

Excurs IL 529

tur a natura dati exorianturque et confirmentur vitia con- traria) erhellen soll. Aber auch die Prolepsis der Stoiker umfasste die Vorstellungen von dem was gut und was ge- recht ist (Diog. L. VII 53: g)vöcxcog de t^oslrai ölxaiov ri xal dyad-op, vgl. dazu die Definition der Prolepsis 54: ?r- voia ipvOLxi] rmv xaß-oXov), und mit den Worten aus der Schrift von den Gesetzen (jus quod dicam natura esse) lässt sich insbesondere noch vergleichen Diog. VII 128: g>vösc x6 dlxacov elvai xal fir ß-iösi. Weiter ist uns nach Cicero der Glaube an ein göttliches Wesen angeboren. Diess be- weist Zeller, indem er sich auf de legg. I 24 und Tusc. I 30 und 36 beruft Allerdings spricht an diesen Stellen Cicero selber, und das ist wohl der Grund weshalb Zeller sie gerade ausgewählt hat. Denn ganz dieselbe Ansicht äussert auch der Stoiker Baibus an der schon angeführten Stelle nat. deor. II 12 (vgl. auch 5: naturae judicia) und umschreibt damit wie schon bemerkt nur was die Griechen Prolepsis nannten. Nun gehört aber zu diesen angeborenen Wahrheiten nach Cicero auch die Fortdauer der Seele nach dem Tode, vgl. Tusc. I 30 u. 36, von den Stoikern dagegen wird meines Wissens nirgends überliefert dass sie sich zum Beweise einer solchen Fortdauer auf einen von Natur uns innewohnenden und deshalb bei allen Völkern wiederkehren- den Glauben daran berufen hätten. Sonach scheint doch zwischen der stoischen Prolepsis und Ciceros angeborenem Wissen ein Unterschied zu bestehen, indem dieses sich wei- ter erstreckte als jene. Indessen ist diess wohl nur ein Schein mit dem die mangelhafte Ueberlieferung uns täuschen möchte. Wie viel wissen wir denn überhaui)t von der stoi- schen Lehre? In der Regel sind es doch nur die fertigen Dogmen, während unser Fragen nach den Gründen unbeant- wortet bleibt. So wissen wir auch dass die Stoiker zwar an eine persönliche Fortdauer der Seele glaubten, worauf

Uirzel, Untersuchungen, lü.. 34

530 Excara H.

sie aber diesen Glauben stützten erfahren wir nicht da die Gottverwandtschaft des menschlichen Geistes hierfür nicht ausreicht Diese offenbare Lücke zu ergänzen bietet sich eben Ciceros Ansicht dar. Und in der That wer einmal wie die Stoiker den allgemeinen Glauben der Menschen an Götter zum Beweise ihrer Existenz benutzt hatte , für den lag es nahe genug auch die Unsterblichkeit aus der überall verbreiteten Ueberzeugung davon zu erschliessen. Ungesucht musste sich diese Analogie darbieten, wie sie denn attch Cicero an den beiden angeführten Stellen hervorgehoben hat Auch dieses Hinderniss das sich unserem Versuche das an- geborene Wissen Ciceros auf die stoische Prolepsis zurück- zuführen entgegensetzen wollte, ist hiermit beseitigt Und es ist diess eigentlich das letzte Hinderniss. Denn was Zeller ausserdem zur Bestätigung seiner Meinung beibrii^ steht doch nur in einem losen Zusammenhang mit ihr. Um nämlich zu zeigen wie charakteristisch es für Cicero ist die Philosophie sowohl als die Sittlichkeit auf das unmittelbare Bewusstsein zu gründen, weist er zum Schluss noch darauf hin dass die Freiheit des Willens von Cicero einfach als innere Thatsache vorausgesetzt werde. Und allerdings thut diess Cicero de fato c. 14, welche Stelle Zeller angeführt hat: denn er billigt hier die gegen den stoischen Determi- nismus gerichtete Schlussfolgerung des Kameades, diese aber hat ihren Angelpunkt in dem Satze „est aliquid in nostra potostate". Für Ciceros eigen thümliche Ansicht charakte- ristisch ist aber diese Voraussetzung keineswegs. Vielmehr sehen wir aus der gleichen Schrift dass auch Chrysipp die- selbe vollkommen anerkannte, vgl. 18, 41: Chrysippus autem cum et necessitatem inprobaret et nihil vellet sine praepo- sitis causis evenire, causarum genera distinguit, ut et neces- sitatem effugiat et retineat fatum. „causarum enim", inquit, aliae sunt perfectae et principales, aliae adjuvantes et pro-

Excurs n. 531

ximae; quam ob rem cum dicimus omuia fato fieri causis antecedeutibus, non hoc intellegi volumus, causis perfectis et principalibus, sed causis adjuvantibus et proximis." itaque Uli rationi, quam paulo ante conclusi, sie occurrit, si omnia fato fiant, sequi illud quidem, ut omnia causis fiant ante- positis, verum non principalibus causis et perfectis sed ad- juvantibus et proximis. quae si ipsae non sunt in no- stra potestate, non sequitur ut ne adpetitus quidem sit in nostra potestate: at hoc sequeretur, si omnia perfectis et principalibus causis fieri diceremus, ut, cum eae causae non essent in nostra potestate, ne ille quidem esset in nostra potestate. quam ob rem qui ita fatum introducunt, ut necessitatem adjungant, in eos valebit illa conclusio; qui autem causas antecedentis non dicent perfectas neque principalis, in eos nihil valebit. Nur deshalb, wie jeder sieht, giebt sich Chrysipp so viel Mühe mit der Unterscheidung verschiedener Arten von Ur- sachen, weil auch er von der Voraussetzung ausgeht dass gewisse Dinge in unserer Macht stehen (in nostra potestate sunt) und dass dazu insbesondere unsere Triebe und Willens- rcgungen gehören. Wenn also auch Cicero derselben Mei- nung war, so sprach er damit keineswegs eine ihm eigen- thümlich gehörende oder nur mit Philon gemeinsame Ansicht aus sondern befand sich in voller Uebereinstimmung mit Kameades sowohl als Chrysippos. Das Gesagte genügt um das Dogma vom angeborenen Wissen in Zukunft von Darstellimgen der philonischen und ciceronischen Lehre fem zu halten, wenigstens von solchen die nur das Eigenthüm- liche und für die genannten Männer Charakteristische her- ausheben wollen. Trotzdem scheint es mir am Platze noch gegen die Art und Weise Einspruch zu erheben, mit der Zeller in diesem Falle sich die Mittel des Beweises verschafft hat. Um Ciceros eigenthümliche Ansicht festzustellen bemft

532 Excors n.

er sich zum Theil auf solche Stellen, in denen wie in den aus den Tusculanen und der Schrift über die Gesetze ge- nommenen Cicero im eigenen Namen spricht. Auch aus diesen Stellen ergab sich indessen nur so viel, was Cicero damals, als er die betreffende Schrift verfasste, für seine Ueberzeu- gung angesehen wissen wollte; dass es originale Gedanken oder diejenigen Philons waren, liess sich doch erst dann be- haupten wenn einigermaassen festgestellt war aus welcher griechischen Quelle die betreffende Darstellung geflossen ist und bis zu welchem Grade sie von ihr abhängt. Denn wenn sich etwa alles Uebrige als stoisch erweisen sollte, so ist es doch sehr unwahrscheinlich dass mitten darin vereinzelte Orginalgedanken Ciceros oder Philons ausgesprochen werden wenn dieselben nicht ausdrücklich als solche bezeichnet sind. Doch will ich hierauf nicht so viel Gewicht legen. Aber wie kann Zeller zur Erkenntniss von Ciceros und Philons eigen- thümlicher Lehre das fünfte Buch der Schrift de finibus be- nutzen, wie er doch S. 659, 4 thut? Denn hier ist es nicht Cicero der spricht sondern Piso, mit dem jener sich durchaus nicht einverstanden zeigt (75 ff.), und ausserdem ist noto- risch die ganze Darstellung von Antiochos entnommen.

Ausführliches Inhaltsverzeichniss zn allen drei Bänden.

Zum L Band.

De Natura Beorum«

I. Vorbetnerktmg über Cicero's VerhäUniss zu seinen Quellen S. 1 Die Benutzung von Philodems Schrift gibt nicht allein den

Massstab ab. Umstände die ein verschiedenes Verhältniss andeuten und erklären. Das Timäusfragment.

II. Die Quellen des ersten Buches S. 4

1. Die Quellen der Darstellung der epikurei- schen Lehre S. 4

Der historische Theil ein Excerpt aus Philodem neQl evaeßelag 9; die beiden übrigen Theile stammen aus einer einzigen Quelle welches nicht die Schrift Philodems war 25; auch nicht eine Schrift des Phaidros sondern Zenons 32.

2. Die Quellen der Kritik der epikureischen Lehre S. 32

Dass Posidon nicht die Quelle sein kann 36; aus der Ver- gleichung von Sextos folgt dass es Kleitomachos war 43; auch für die beiden letzten Capitel gilt diess 45.

III Erklärung einiger Stellen des ersten. Buches .... S. 46 1. 49 ist nach Maassgabe von Cottas Kritik zu behandeln; Be- deutung des Ausdrucks ad numerum der = ;^ar' txQid'fibv 56; die transitio entspricht der dvxavankiqQioaiq 59; diese und die simili- tudo ermöglichen nach Epikur die Wahrnehmung 61; auf dem- selben Wege lernen wir nach ihm ein sowohl ewiges als seliges Wesen, die Gottheit, kennen 68; Cicero hat die Lehre Epikurs

534 AosfUhrliches Inhaltsverzeichniss

von den Göttern miss verstanden und die letzteren mit ihren Bildern verwechselt 85.

2. Die 50 und 109 erwähnte epikureische Lehre von der iaoro- [xia findet sich auch bei Lucrez 90.

3. Cicero hat 26 eine auf Anaxagoras bezügliche Stelle Philo- dems falsch verstanden 97.

IV. Differenzen in der epikureischen Schule S. 98

Die vorherrschende Stabilität der epikureischen Lehre und ihre Ursachen 107; Epikur schloss sich an Demokrit an, in der Kano- nik 134; in der Ethik 154; in der Gesammtrichtung seines Philosophirens 160; entfernte sich von ihm zuerst in der Erkennt- nisstheorie — 162; wurde bei den Modificationen der demokritischen Lehre durch die Peripatetiker boeinflusst 165; Streit zwischen seinen Schülern Timokrates und Metrodor 168; Fortsetzung des- selben bei den Späteren, vorzüglich in den verschiedenen Theorien der Freundschaft 172; der Einfluss des Karneades führt zur wei- teren Entwicklung der Lehre von den Göttern sowie zu einem aus- gedehnteren Gebrauche der Dialektik 180; Ursprung und Wesen der epikureischen Sophisten 185; die ursprüngliche Eanonik Epi- kurs ist bereits von diesem, nicht erst von den Epikureern weiter aus- gebildet worden 187; Unterschied zwischen Esoterikem und Exo- terikem 190.

F. Die Quellen des zweiten und dritten Buches. Panaüios.

Poseidonios S. 191

1. Die Quellen des zweiten Buches.

Posidon TieQl &t<iiv ist von Cicero benutzt worden 194; diess wird für den letzten Theil der Darstellung nachgewiesen 197; da- neben ist für den dritten Panaitios ne^l ngovoiaq 203; für den ersten wahrscheinlich wiederum Posidon, für den zweiten dagegen Apollodoros nfQl ^ewv benutzt 220; Posidon urtheilt über die etymologische Auslegung der Mythen ähnlich wie Piaton 224; Panaitios* und Poseidonios* Zweifel am Weltbrand 230; Panaitios* und Poseidonios* Ansichten über die Unsterblichkeit 232; Panai- tios* Athetese des Phaidon 240; Piatonismus beider, Kinflnfw des Kameades auf Panaitios 243.

2. Die Quellen des dritten Buches.

Dass eine Schrift des Kleitomachos die Hauptqaelle war wird durch einen besonderen Umstand aufs Neue bestätigt 244.

zu allen drei Bänden. 535

Zum n. Band.

i. Di€ Entwicklting der stoischen Philosophie S. 1

Der Stifter der Schule schliesst sich an die Kyniker an und übernimmt von diesen den 6g&6g koyog als Kriterien 23 ; gebt ins- besondere auf Antisthenes zurück 33; weicht aber im Einzelnen schon in der nohreia von ihm ab 38; die heraklitisirende Natur- philosophie ist mit dem Kynismus durch den Xoyog vermittelt 40; Schrift über den ?^yog 42; allgemeine Charakteristik seiner Phi- losophie — 43.

Abfall unter seinen Schülern, Ariston, Herillos 58; Per- saios sein treaester Schüler, die dissentirenden Stoiker vereinigen sich in der Verehrung für Sokrates 84.

Kleanthes führt Zenons Lehre in ihrem ganzen Umfange fort

86; seine Beschäftigung mit Dialektik und Rhetorik 88; mit der Ethik in der er nicht als Kyniker erscheint, seine Schätzung der Lust 96, Lehre von den Tugenden wonach die ^yxQaxfia an die Stelle der (pQovtjaig tritt 104, seine Beurtheilung des paränotischen Theils 105; oigenthümliche Auffassung des höchsten Gutes die ihn ebenso wohl von Zenon wie von Chrysipp unterscheidet 115 und ihn als Herakliteer charakterisirt 118; das letztere bestätigt durch seine Lehre vom Ursprung der Tugend 119, von der Gestalt der Gestirne -- 122, von der Ernährung der Sonne 124, vom Ent- stehen und Vergehen der Welt das er anders nicht nur als Chrysipp sondern auch als Zenon und die späteren Stoiker erklärt 133, von den Elementen 134, vom Sitz des Göttlichen in der Welt 135, vom Ursprung des vernünftigen Seelentheils der von aussen in den menschlichen Leib eintreten soll 158, vom tovog 160, vom Wesen und Ursprung unserer Vorstellungen 169, in Heraklits Sinne ist endlich auch die Antwort welche Kleanthes auf die von verschiedenen Stoikern verschieden beantwortete Frage nach den Theilen der Philosophie gab 179; zusammenfassende Charakte- ristik des Kleanthes 182.

Chrysipps Verdienst um Dialektik und Erkenntnisstheorie

183, die xaraXijmiXTi (pavxaala 188, durch das Hinzutreten der avyxaxa^eaig entsteht aus ihr die xardhjtpig, aus der dxardXrjntog (p. die öo^a 195, die Ueberlieferung dass die älteren Stoiker im o^- d^g Xoyog das Kriterien sahen und die Vermuthung dass erst Chry- sipp die TiQoXijtpig eingeführt hat wird hierdurch aufs Neue bestätigt

196, der Inhalt des ÖQd'bg koyog und der nQokiftpEig ist verwandter

536 Ausführliches InhaltsTerzeichniss

Art 198; einen wichtigen Schritt that Chrysipp in der stoischen Theologie durch Weiterbildung des Pantheismus der in der Schule verschiedene Stufen durchlaufen hat 201, Hauptunterschied zwi- schen ihm und Kleanthes 206, Arat kann hiergegen nichts be- weisen — 207, Bestätigung durch den Epikureer bei Cicero de nat door. 210, ein fernerer Unterschied zwischen beiden besteht darin dass nach Chrysipp die Gottheit an das nvsv/xa nach Kleanthes an das Feuer gebunden ist 212, Chrysipps Lehre hat bei den späte- ren Stoikern den Sieg davon getragen 212, wiederum eigenthüm- lich ist Zenons Ansicht der nur den Keim des Pantheismus legte den Kleanthes weiter entwickelte und erst Chrysipp zur vollen Keife brachte 219, den verschiedenen Auffassungen des Pantheismus ent- sprechen die verschiedenen Ansichten über die Weltbildung 221; auch die späteren Stoiker weichen in der näheren Bestimmung des Pantheismus von einander ab 221, eigenthümlicher Standpunkt des Bo§thos von Sidon der in der Theologie auf Kleanthes zurück- zugehen — 228, in der Erkenntnisstheorie aber den Peripatetikem zu folgen scheint 230.

In der Zeit nach Chrysipp tritt in demselben Maasse als das naturwissenschaftliche Interesse abzunehmen scheint die Ethik mehr in den Vordergrund 230; in der Bestimmung des höchsten Gutes stimmen unter sich überein Diogenes von Babylon, Antipater von Tarsos und Archedemos 234, unterscheiden sich eben darin von Chrysipp 239; die Ursache hiervon war die Polemik des Kamea- des — 249, deren Einfluss sich auch noch nach anderen Richtungen zeigt 253; daneben macht sich auch ein gewisser Platonismos geltend 257.

Für Panaitios ist charakteristisch sein Piatonismus so wie der Antheil den er an philologisch-historischen Studien nahm, zu welchen letzteren er den Hauptanstoss von Krates empfing, aber auch durch Diogenes von Babylon angeregt werden konnte 261; hieraus ist vielleicht die Nachricht zu erklären dass er und Poseidonios die TiQOTjyfjieva als dyccS^ä bezeichnet haben sollen 266, populäre Dar- stellungsweise in Panaitios* 269, in Posidons Schriften 271.

Auf eine andere Erklärung joner Nachricht leitet eine Betrach- tung über das Ideal des Weisen. Die Realisirbarkeit desselben kann in der stoischen Schule nicht von Anfang an geleugnet worden sein 273; Entwicklung desselben durch die Geschichte der grie- chischen Philosophie verfolgt, die Sophisten 273, die Kyniker 274, Zenon und seine unmittelbaren Schüler 277, Piaton und Ansto-

zu allen drei Bänden. 537

ieles 277, Epikureer und Skeptiker 279, Ghrysipp zieht der Wirklichkeit des Weisen engere Grenzen 28 j, Spätere wie Posei- donios leugnen sie ganz 293, dass hierauf die veränderten Zeiten einwirkten zeigt Epiktets Verhalten zu der Frage 298; bestätigt wird letzteres noch durch die Aufnahme die dieses Ideal bei den Römern fand 308. Die Auffassung des Weisen-Ideals war von Einfluss auf die Entwicklung der stoischen Moral, welche so lange jenes Ideal als realisirbar galt einfach blieb, dann aber in zwei Arten zerfiel deren eine nur für den Weisen, die andere für die Nichtweisen galt 311, diess wird nachgewiesen an den Vorschriften über die Liebe 314, über die Wohlthaten 315, darin dass von der Selbstgenügsamkeit der Tugend für die Nicht- Weisen etwas nach- gelassen wird 317, dass bei Seneca zwei Arten von Wohlthaten, des xakov, von weisen und guten Menschen unterschieden werden

319; Aehnlichkeit dieser Auffassung der Moral mit der Lehre Herills 320; dieselbe Auffassung kehrt aber auch bei Cicero wie- der — 325, Zurückführung derselben auf Posidon 327; dieselbe ist auch bei Panaitios vorauszusetzen 330. Von dem so gewon- nenen Standpunkt aus wird abermals die Nachricht über Posidons und Panaitios* Gütorlehre gerechtfertigt 331.

Derselben Rechtfertigung dient auch die Parallele die sobald jene Nachricht als wahr angesehen wird sich zwischen Posidons Güterlehre und seiner Psychologie ergiebt 335.

Bestätigt wird dieselbe femer durch die Uebereinstimmung mit Piaton bei dem die gleiche Grundanschauung einer doppelten Moral sich nach verschiedenen Richtungen zu verfolgen lässt 348, wobei noch besonders seine Schätzung der Tapferkeit in Betracht kommt

350.

Endlich spricht zu Gunsten jener Nachricht noch ein anderer Grund aus dem es nicht unwahrscheinlich wird dass Panaitios und Poseidonios es vermieden sich des Wortes nQorjyfxtvov zu bedienen

351; dass eine Terminologie in die griechische Philosophie zuerst von Aristoteles eingeführt und sodann von den Stoikern weiter aus- gebildet worden ist, hängt damit zusammen dass die Mehrzahl der Stoiker ebenso wie Aristoteles nicht rein griechischen Ursprungs waren 353, es ist daher wohl kein Zufall dass die Beiden, die sich unter ihnen auch durch die sprachliche Darstellung auszeich- neten, Klcanthes und Panaitios in jener Hinsicht eine Ausnahme machten 354; Panaitios* Abneigung gegen jede Art von kynischer Rücksichtslosigkeit, auch gegen die welche um Reinheit und Schön-

538 Ausführliches Inhaltsverzeichniss

heit des Ausdrucks sich nicht bekümmert 357; das Vorbild phi- losophischer Darstellung fand er bei den Sokratikern 360, was ihn zu den Werken derselben zog war nicht so sehr ihr Inhalt als ihre Form, Kritik die er an den sokratischen Dialogen übte 362, sein Maassstab hierbei der sokratischc Charakter 364, zu den Zügen desselben gehört geistreicher Scherz und Humor, insbesondere die Ironie 369; der Sokratismus des Panaitios erscheint als eine Art Atticismus wodurch sich seine Bewunderung der altattischen Komödie erklärt so wie der Umstand dass seine Studien einen ähnlichen Gang nahmen wie diejenigen der Atticisten unter den Rhetorcn 377, am höchsten unter den Sokratikern stellte er Piaton 377; von diesem Standpunkt aus konnte Panaitios gegen den sprachlichen Ausdruck nicht so gleichgiltig sein wie die älteren Stoiker 381; wenn spätere Atticisten unter den Philosophen an Ausdrücken wie xataXumov Anstoss nahmen, so dürfen wir dasselbe auch für Panaitios voraussetzen 382, diess wird bestätigt nament- lich durch den für Posidon nachweisbaren Gebrauch von aoipoq xa- Ihv aiQfxbv oQbyeox^ca im^vfxelv 387, ferner durch die noch für Panaitios nachweisbare Auffassung des tQtoq 403, endlich durch die weitere Bedeutung die an Stelle der enger begrenzton Zenons die späteren Stoiker dem xai^fjxov zurückgaben 418; hieraus ist za entnehmen dass sie auch das UQoriyfdvov verwarfen, womit überein- stimmt dass sowohl Epiktet als Posidon dieses Wort vermieden zu haben und der letztere statt dessen ev'/Qrjazov gebraucht zu haben scheint 425; anderwärts kann er dafür auch dyaB'Ov gesetzt haben um so eher als noch andere Spuren vorhanden sind die auf einen laxeren Gebrauch dieses Wortes bei den späteren Stoikern hindeuten 430.

Dasselbe Bestreben das Schroffe der altstoischen Moral zu mil- dern kommt auch in Panaitios* Auffassung des höchsten Gutes zum Vorschein, die sich wesentlich von derjenigen anderer Stoiker unterscheidet 437; ebenso in seiner Schätzung der Lust, die er als Gegenstand eines ursprünglichen Naturtriebs anerkennt 446, worin Poseidonios mit ihm übereinstimmt 447, Ciceros Schrift de officiis widerspricht diesem Resultate nicht 450, bestätigt wird dasselbe durch eine Stelle des Gellius der zu Folge Panaitios die analem nicht bloss im kynischen sondern auch im gewöhnlichen stoischen Sinne verwarf 4G6.

Der Einwand den man gegen die Behauptung dass die Yon Pa* naitios gegebene Definition des höchsten Gutes diesem Stoiker eigen-

k

zu allen drei Bänden. 539

thümlich ist auf Grund einer Stelle des Stobaios erheben könnte wird dadurch entkräftet dass dieselbe einem Abschnitt angehört der einen späteren Stoiker zum Verfasser hat: der umfang dieses Ab- schnittes wird festgestellt 477; Ansichten des Eleanthcs, Ghrysipp und Hekaton über die Scheidung der Tugenden in Erkenntnisse und Fertigkeiten 485, von diesen stimmt nur Hekaton mit Sto- baios überein 492; obgleich an Stobaios auch Diogenes Laertius erinnert so muss die Quelle beider Darstellungen doch eine ver- schiedene sein 495; so gut wie Hekaton scheinen aber auch Pa- naitios und Posidon als Quelle gelton zu können 497, denn beide unterschieden ebenfalls eine theoretische und eine praktische Tugend 503, trotzdem kann Posidon jene Quelle nicht gewesen sein 504, dagegen lassen sich Panaitios' Ansprüche noch weiter bestätigen 510, müssen jedoch ebenfalls aufgegeben werden 514; sodass nur He- katon übrig bleibt 514.

Die hierdurch dem P an aiti OS vindicirte Definition des höch- sten Guts bezeichnet eine besondere Stufe in der nach einem be- stimmten Gesetz verlaufenden Entwicklung der stoischen Ethik 516; eine weitere ist durch diejenige Posidons repräsentirt 517, dessen Ansicht von der Chrysipps ebenso abweicht wie seine Tugendlehre von der dieses Stoikers 531, und ausserdem auf eine Verschieden- heit der Erkenntnisstheorie hinweist 534; durch diese Definition ist Posidon der Vater des späteren Stoicismus geworden 535.

Eine Umbildung der Lehren ohne dass wir im Stande wären sie an die Namen bestimmter Urheber zu knüpfen lässt sich femer an der verschiedenen Art beobachten mit der in verschiedenen Abschnit- ten des Stobaios das Vcrhältniss zwischen ai^szov und al()e-^ Ttov gefasst wird 542, zur Bestätigung dient die Vergleichung eines Briefes von Seneca 547, dieselbe führt noch weiter zu der wahrscheinlichen Vermuthung dass der von früheren Stoikern gesetzte Unterschied zwischen jenen beiden Begriffen in späterer Zeit wieder aufgehoben wurde 550; verwandt ist die Unterscheidung zwischen svSaifiovla und evöaifiovelv die wiederum mit der von ttXog und oxonbq zusammenhängt 554, welche letztere auf Panaitios zurückgeht 557 ; dass die Stoiker Inhalt und Umfang der dötatpoga verschieden bestimmten, lehrt der von diesen handelnde Abschnitt des Stobaios 562 dessen letzter (wohl von Hekaton abzuleitender) Theil ausserdem zeigt wie jüngere Mitglieder der Schule bestrebt waren die unter sich abweichenden Ansichten früherer auszugleichen und zusammenzufassen 566.

540 Ausführliches Inhaltsferzeichniss

//. Die Schrift de finUms bonorum et mciiorum .... S. 567

1. Das dritte Buch S. 567

Verschiedene Ansichten über die Quelle desselben 567; dass nicht mehrere Schriften sondern nur eine die Quelle ist 575; diese Schrift war eine über das höchste Gut 580; die gegen die An- nahme einer einzigen Quelle streitenden Gründe werden beseitigt 582; diese Quelle kann weder eine Schrift Chrysipps 585, noch des Diogenes oder Antipater 586, auch nicht des Panaitios 588 und Posidon sein 591 ; dagegen macht wahrscheinlich dass es eine Schrift Uekatons war die Ansicht über die Leidenschaft 592, die Lust 596, den Ruhm 604, die Methode 604, die Gegenüber- stellung von Diogenes und Antipater 605, die Vorliebe für Dio- genes — 607, für Chrysipp 610, die Modification der Lehre Chry- sipps über das höchste Gut 612, die Eintheilung der Tugenden in dialektische ethische und physische 619.

2. Das vierte und zweite Buch S. 620

a) Das vierte Buch S. 620

Dasselbe ist die Kritik einer stoischen Darstellung, aber nicht eine Kritik der stoischen Darstellung des dritten Buches, welche letz- tere vielmehr auf einer späteren Entwickelungsstufe des Stoicismos steht als die Kritik voraussetzt 628; das griechische Original der Kritik bezog sich ausser auf die Ethik wahrscheinlich auch auf Dia- lektik und Naturphilosophie 628; dasselbe war eine Schrift des Antiochos von Askalon 629; doch ist es nöthig für einen Abschnitt noch eine andere Quelle, die Schrift eines skeptischen Akademikers, anzunehmen 630.

b) Das zweite Buch S. 630

Die Quelle dieses Buches ist weder bei Chrysipp 631 noch bei Panaitios oder Posidon zu suchen 632; andererseits kann aber Cicero den Inhalt nicht selbständig ausgearbeitet haben 637; ein Stoiker kann seine Quelle nicht gewesen sein 638; die dann zu- nächst liegende Vermuthung, dass es eine Schrift des Antiochos war, wird durch den philosophischen Standpunkt, den Cicero in diesem Buche einnimmt, bestätigt 656; und zwar war es wahrscheinlich dieselbe Schrift, die dem vierten und fünften Buche zu Grunde liegt, und der Titel derselben tkqI zsldäv 663; Übrigens scheint auch der Titel „de finibus" auf die Benutzung einer akademischen Schrift hinzudeuten 668.

zu allen drei Bänden. 541

3. Das erste Buch S. 669

Dass Cicero bei der Darstellung der epikureischen Lehre nicht

selbständig verfahren ist, wird wahrscheinlich durch die angemessene Ordnung der Gedanken die hervortritt sobald wir einen polemischen Zweck voraussetzen 682, ferner durch die ängstliche Treue mit der Cicero in einem einzelnen Falle sich an den Wortlaut des grie- chischen Originals gebunden hat 687; diese Quelle war die Schrift eines späteren Epikureers, des Zenon oder wahrscheinlicher des Phi- lodemos 690.

4. Das fünfte Buch S. 691

Dass Cicero sich in der peripatetischen Darstellung an Antiochos angeschlossen hat, steht durch sein eigenes Geständniss fest und nicht einmal so viel kann zugegeben werden dass wenigstens der Anfang, bis zum sechsten Kapitel, der Schrift eines älteren Peripatetikers entnommen ist 693.

Mit der Darstellung Ciceros hat man diejenige der peripateti- schen Ethik bei Stobaios verglichen und daraus geschlossen dass die letztere mittelbar oder unmittelbar ebenfalls von Antiochos entlehnt sei 694; da nun aber diese Darstellung so beschaffen ist dass sie nicht aus einer und derselben Quelle geflossen sein kann, so müsste sie aus mehreren Schriften des Antiochos abgeleitet werden 703; hiermit lässt sich indessen der Umstand nicht vereinigen dass über denselben Gegenstand verschiedene Meinungen vorgetragen werden

712; die Darstellung muss daher als eine Verbindung von Excerp- ten aus den Schriften verschiedener Peripateiiker angesehen werden

713; zu denen aber Antiochos nicht gehört haben kann 717; wie der letztere trotz seiner von der Nikomachischcn Ethik abweichen- den Theorie sich zu den Ansichten des Aristoteles bekennen konnte, wird erklärt 720.

IIL Die Schrift de officiis S. 721

Ansichten Anderer über die Quellen 722; der Inhalt des ersten Buches ist seinem grössten und wesentlichen Theile nach von Panaitios entlehnt und nur der Schluss stammt ven Posidon 724 ; ähnlich steht es im zweiten Buche dessen grösserer Theil eben- falls auf Panaitios zurückgeht, während der Schluss einem anderen Philosophen, entweder dem Antipater von Tyros oder dem Atheno- donis Calvus, angehört 725; für das dritte Buch kann Posidon nicht die Uauptquelle gewesen sein 726, dagegen Hesse sich an Uekaton denken 731, wofür man sogar die Selbständigkeit der

542 Ausführliches Inhaltsverzeichniss

Ausarbeitong geltend machen könnte deren sich Cicero rühmt 734, das wahrscheinlichste ist jedoch dass die unmittelbare Quelle eine summarische Uebersicht der einschlagenden Lehren war wie sie Athenodorus Calvus angefertigt hatte 736.

IV. Excurse S. 737

Exe. I S. 737

Der mit dem Namen Chrysipps bezeichnete den Kreislauf der Elemente behandelnde Abschnitt bei Stob. ecl. 1312 f. wird kritisch erörtert. Dabei werden als spätere Interpolationen Stücke aasge- schieden die weder Chrysipp noch Areios Didymos augehören können

745; die Erörterung des letzten Stückes gibt einen Beitrag zur Unterscheidung der philosophischen Eigenthümlichkeit des Kleanthes von derjenigen Chrysipps 756.

Exe. II S. 756

Das Eindringen einer platonisirenden Strömung in den Stoicismus wird nachgewiesen an mehreren Stellen des Diogenes Laertius in der Auffassung der Principien 758, der Materie 760, des Kosmos 770; an einer Stelle des Stobaios in der Auffassung der Materie 770; an einer Stelle Philons in der Ansicht über Zc^ Störung und Bildung der Welt 771.

Exe. III S. 772

Die von anderer Seite nahe gelegte Vermuthung, dass Posidon den Sitz des rjys/xovtxöv in den Kopf verlegt habe, lässt sich mit Galcns Zeugniss durch die Annahme vereinigen dass er den mensch- lichen Organismus an zwei Centren kettete 775, weitere Bestäti- gung dieser Annahme 777, verschiedene Bedeutung des Wortes tiyffiovtxov 781, Posidon nahm ein doppeltes Tjye/xovtxbt* an, dts tjyffiortxov im engeren Sinne und das Xoyixov 789.

Exe. IV S. 790

Die beiden Darstellungen der stoischen Logik bei Dio- genes Laertius stehen mit einander in Widerspruch hinsichtlieh der Definition der (favxaola 791, diese beiden Darstellungen verhal- ten sich auch nicht wie die allgemeinere zu der ins Einzelne gehenden

793, sie sind auch noch in Folge anderer bei der Vergleichung her- vortretenden Meinungsverschiedenheiten unvereinbar 799, der erste Abschnitt gibt eine ältere, der zweite eine jüngere Fassung der stoischen Logik imd zwar geht jener vielleicht auf Kleanthes zurück 801, dass beide nicht zusammengehören wird noch durch weitere die fco*- raala betreffende Verschiedenheiten der Auffassung bestätigt 8i>4.

zu allen drei Bänden. 543

Exe. V S. 805

Die TiQotiyovfjLeva sind nicht mit den TCQoriyfxha zu verwech- seln — 808; der Ausdruck gehört ursprünglich gar nicht der stoischen Terminologie an sondern wahrscheinlich der akademischen und peri- patetischen 813; technische Bedeutung 815, aus der etymologi- schen abgeleitet 821; dass das Wort der stoischen Terminologie eigentlich fremd ist, bestätigt sich von Neuem 823; auffallend dass es trotzdem in Antipaters Definition der höchsten Güter sich findet 825, in einer Sentenz Zenons 827, dagegen bildet der Umstand dass Epiktet sich seiner bedient keinen Einwand 828.

Exe. VI S. 829

Der Ausdruck xa iiQwxa xaxa (pvotv in der gewöhnlichen Bedeutung fehlt den älteren Mitgliedern der stoischen Schule 833, und scheint zu den jüngeren aus der akademischen Schule gekommen zu sein 840.

Exe. VII S. 841

Der Einfluss der Philosophie auf die Gesehicht- schreibung des Polybios.

Polybios reflektirt über die Formen und Methoden der Erkennt- niss und ist vom Nutzen des Wissens überzeugt 844; Kenntniss der Wissenschaften und der Philosophen 848; erkennt den Nutzen der Philosophie an 849; berührt sich mit den Stoikern überhaupt in der Schärfe der Begrifi'sbestimmung so wie in der Terminologie 851, Abschätzung des Werthes der Wissenschaft 853, Ansicht über den Ursprung derselben 853, die Entstehung der sittlichen Begriffe

854, Hochschätzung des Xoyog und der Theorie 855, Bestim- mung des Staatsideals 856, Gestattung des Selbstmordes 858, Annahme der ursprünglichen Güte der Menschennatur 860, Psy- chologie — 861, Religion a) Verwerfung des Volksglaubens 867, b) positive Ueberzeugung 873, Erklärung der Mythen 877, ins- besondere erscheint er als Anhänger des Panaitios 882, dies zeigt sich auch in der Richtung auf die Praxis imd die Kritik 888, eine Ueberlieferung über dieses Vorhältniss zu P. gibt es nicht 889.

Die Eigenthümlichkeit des Polybios als Gösch ichtschreiber sind wir nicht genöthigt von Ephoros abzuleiten 895; von dessen Auf- fassung der Weltgeschichte die des Pol. wesentlich verschieden ist, in demselben Maasse aber an die Weltanschauung der Stoa erinnert

903; dieser Einfiuss der Stoa auf die Geschichtschreibung ist ana- log demjenigen auf die Grammatik 90<3; auch andere Historiker

544 Ausführliches Inhaltsverzeichniss

die im gleichen Sinne wie Pol. Geschichte schrieben waren Stoiker 906; zu vergleichen ist der entgegengesetzte £influ88 den die peri- patetische Philosophie auf die Geschichtschreibung geäussert hat 907.

Exe. VIII S. 908

In den Beispielen, welche die Theoretiker des Alterthums und besonders die Philosophen wählen, kommt in charakteristischer Weise der Unterschied des griechischen und römischen Natureis zum Ausdruck, da die Römer sich mit leeren Namen begnOgen, die Grie- chen individuelle Persönlichkeiten bevorzugen 911.

Zum nL Band.

I. Die versehiedenen Formen des Skeptieismns S. 1

/. Ursprung der Skepsis S. 1

1. Ursprung der pyrrhonischen Skepsis . . . . S. 1

Die l)eiden im Alterthum mit einander wechselnden Formen des Skeptieismns, Pyrrhonismus und akademische Skepsis, sind von ver- schiedenen Anfängen ausgegangen 3; dass Pyrrhon an Demo- krit anknüpfte bestätigt theils die Ueberlieferung 4; theils ergibt es sich aus der Betrachtung seiner Skepsis die keinen dialektischen Charakter trägt 5, und unter den Zweifelsgründen auf die Mei- nungsverschiedenheit der Philosophen keinen besondem Werth legt

10, vielmehr im Wesentlichen sich darauf beschränkt die sinnliche Wahrnehmung zu bestreiten 14; hierzu kommt die Ethik die von Pyrrhon auf dieselbe Grundlage wie von Demokrit gestellt wurde

21 ; auf Anschluss an Demokrit weist endlich der Titel einer Schrift Timons so wie der Antheil den die pyrrhonische Schule immer an der Naturwissenschaft genommen hat 22.

2. Ursprung der akademischen Skepsis . . . . S. 22

Gründe welche dafür sprechen dass Arkesilaos ein Pyrrhoner war 25; Widerlegung derselben ~ 29; Dialektik des Arkesilaos

33; derselbe knüpfte damit an Sokrates an 37; ebenso in der Ethik 38; Consequenzen die sich aus dem verschiedenen Ursprung der pyrrhonischen und akademischen Skepsis für die weitere flnt- wickelung beider ergeben 39.

zu allen drei Bänden. 545

IL Die weitere Entwickelung der Skepsis S. 39

2. Entwickelung der pyrrhonischen Skepsis . . S. 39 Schon in den Anfängen des Pyrrhonismus treten unter seinen Bckennern Verschiedenheiten hervor, die sich aber nicht über das Aeussere erstrecken 40, denn der angebliche Dogmatiker Nume- nios beruht auf einem Irrthum 45; dagegen tritt im Gegensatz zu Späteren uns bei Timon noch ein Rest von Dogmatismus entgegen, da derselbe wenigstens eine Wahrheit anerkannte 49, und diese zum Maassstab der unser Handeln bestimmenden Vorstellungen machte 50, die Mittheilung dieser Vorstellungen bildete den Inhalt der ^IvöaXfjLOL 60; Timon hierdurch nicht mit sich selber in Wider- spruch — 62; nicht in der Anwendung jenes Maassstabes, wohl aber in der Auffassung unterschied er sich von den späteren Pyrrhoneem

64; berührt sich mit Arkesilaos 64.

Ainesidemos ist charakterisirt besonders durch die Verbindung die er zwischen der Pyrrhonischen Skepsis und der Lehre Heraklits herzustellen suchte 65; diese Verbindung ist mit Unrecht von Neueren geleugnet worden 68; Citirwoise xa^^ '^HQaxXsirov bei Sextos Empeirikos 70; Sextos' Bericht über Heraklit stammt nicht von Ainesidem 73, sondern von einem Dogmatiker 79; unter wahren Vorstellungen verstand Ainesidem die bei Alien geltenden

83; Verhältniss des Sextos Empeirikos zu seinen Quellen 86; in Widerspruch mit dem strengen Pyrrhonismus redet Ainesidem von einem riXog 90: die Verbindung von Heraklitismus und Pyrrhonis- mus bei Ainesidem ist nicht successiv als eine Folge verschiedener Stufen in der Entwickelung des Philosophen zu erklären 93; die scheinbar dogmatischen Aeusserungen sollen nur allgemein geltende Phainomena aussprechen 96; das Vorhandensein solcher wurde von den Skeptikern anerkannt und auf sie nicht nur das Wahre sondern auch das Gute zurückgeführt 101; da auch Heraklit nach Ainesi- dems Auffassung seine Ansichten für allgemein geltende Vorstellungen ausgab, so konnte Ainesidem sich für berechtigt halten sie als Phai- nomena zu vertreten 105; die Citirweise x«if* '^HQuxltixov erhält so eine eigenthümliche Bedeutung 107; in ähnlicher Weise suchte Ainesidem den Pyrrhonismus auch mit der Lehre der Kyrcnaiker aus- zugleichen — 110; Verhältniss zwischen Ainesidems und Timons Skepticismus 111.

Die Eigenthümlichkeiten der späteren Pyrrhoneer gegenüber Ainesidem treten auch in der Aufstellung und Anordnung der Tro- pen hervor 112; solche Tropen hatte schon Pyrrhon aufgestellt,

Hirzel, Untersaoliangeii. III. 35

546 Ausfahrllches Inhaltsverzeichniss

Ainesidem aber sie zuerst auf die Zehnzahl zurückgeführt und in eine bestimmte Ordnung gebracht, ?on der jedoch Spätere theilweise abgewichen sind 115; von grösserer Bedeutung ist nur die Aen- derung welche Agrippa damit Tomahm 117, indem er nicht wie man gewöhnlich annimmt an die Stelle der zehn Tropen die fünf treten liess 119, sondern jene durch diese ergänzte 120. Dass dieses das Verhältniss der beiden Tropenreihen war wird durch deren Beschaffenheit bestätigt, da die alten sich nur gegen die aus den Sinnen stammende Erkenntniss und einen bestimmten Inhalt des Wissens richten während die neuen den Glauben an den Erfolg jedes Denkens erschüttern und auf die Form und Methode gehen 127, die älteren Tropen tragen einen empirischen, die jüngeren einen dialektischen Charakter 128; dialektische Tropen waren auch die acht Ainesidem zugeschriebenen die sich aber auf die Aitiologie beschränkten 130.

Die pyrrhonische Skepsis nähert sich unter den Händen der Späteren der akademischen 131, wie sich insbesondere an Pha- vorinos zeigt 132, der ebenso wie Agrippa und Andere aus diesem Grunde in dem Yerzeichniss dos Diogenes zu fehlen scheint 136.

Agrippas Skepsis beeinflusste den echten Pyrrhonismus wie sich sowohl an Sextos Empeirikos 136 wie an dem Quellenschriftsteller des Diogenes zeigt 141.

Die Annäherung an die Akademie, wie sie sich überhaupt in der dialektischen Richtung verräth, tritt bei Ainesidem noch be- sonders darin hervor dass er sich platonischer Argumente be- dient — 143, womit abermals eine Hinneigung zu Heraklit ver- bunden ist 146; diess erinnert auch daran dass Ainesidem selber früher Mitglied der Akademie war 146.

Ueberblick über den Entwickelungsgang der pyrrhonischen Ske- psis — 148.

2. Entwickelung der akademischen Skepsis . S. 149

Dieselbe verläuft in entgegengesetzter Richtung von der der pyrrhonischen, da sie mehr und mehr dem Dogmatismus sich wieder nähert 150.

Darin dass Arkesilaos das evloyov zur Grundlage unserer Handlungen macht, stimmt er in gewisser Hinsicht mit den Pyrrho- neem überein 156, unterscheidet sich aber auch in anderer von ihnen 157; zu diesem Unterschied kommt dass er nicht wie sie die draQa^ia als Lebensideal anerkannte 158; vielmehr erscheint er als Sokratiker 160.

zu allen drei Bänden. 547

Lakydes hält an den Ansichten seines Lehrers Arkesilaos fest 162.

üeber Karneades liegen zwei verschiedene Berichte vor 162, von denen der des Kleitomachos ihn als einen Vertreter des stren- geren, der des Metrodoros als einen des milderen Skopticismus er- scheinen lässt 170; die Wahrscheinlichkeit spricht für den Bericht Metrodors 179; auf jeden Fall hat Kameades durch die Einfüh- rung des nid-uvbv den ersten Schritt auf der Bahn des Dogmatismus gethan 180; dagegen ist er in der Behandlung der Frage nach dem höchsten Gut nicht in dem Grade Dogmatiker gewesen als man angenommen hat 190.

Unter den Schülern des Kameades stehen sich die welche sich an Kleitomachos und die welche sich an Metrodor anschlössen gegen- über — 195, zu den letzteren gehört Philon dessen philosophische Eigenthümlichkeit am Meisten in der Auffassung des xazalijmbv hervortritt 200, diese Beurtheilung Philons wird gegen Hermann

205, und gegen Zeller vertheidigt 214; die angebliche dogma- tische Geheimlehre Philons erweist sich als ein Irrthum 219, der sich daher erklärt dass Philon es vermied die wahrscheinlichen Er- gebnisse seiner Forschung geradezu auszusprechen 229; zur Cha- racteristik Philons dient ausserdem die richtige Beziehung der bei Photios erhaltenen Polemik Ainesidoms, indem sie auf eine stoi- sirende Richtung hindeutet 237, bestätigt wird dieselbe durch die ebenfalls stoisirende Richtung der späteren Platoniker, insbesondere des Areios Didymos und Eudoros, da diese nicht an Antiochos sondern an Philon sich anschlössen 250.

II. Die Äcademica priora S. 251

1. LucuUus' Vortrag S. 251

Derselbe bildet in der Hauptsache ein wohl disponirtes Ganzes

254; Anstoss geben nur die eingeschalteten Erwidemngen der Skeptiker 262; dadurch wird wahrscheinlich dass das zu Grunde liegende Original ein Dialog war 264, und weiter dass der Sosos des Antiochos dialogische Form hatte 268; über den Gang dieses Dialogs 269; den Titel 275.

Antiochos verleugnete auch als Dogmatiker nicht den ehe- maligen Anhänger des Kameades und blieb in gewisser Hinsicht immer Skeptiker 279.

2. Ciceros Erwiderung S. 279

Die Ansichten Anderer über die Quellen werden zurückgewie-

35*

548 Ausführliches Inhaltsverzeichniss

sen 282; die Schrift eines Skeptikers muss, aber eine des Eleito- machos kann nicht die Quelle gewesen sein 287; es finden sich Spuren von Philons eigenthümlicher Lehre 292, dazu gehört die Bedeutung die dem Wahrscheinlichen beigelegt wird 301 und die hiermit verbundene Schätzung der Naturphilosophie 303 sowie das Urtheil «über die Dialektik 306, gegen das hieraus entspringende Resultat dass der Schlussabschnitt auf Philon zurückzufahren ist er- hebt sich ein Einwand der aber beseitigt wird 308; auch den ersten Abschnitt aus Philons Schrift abzuleiten hindert nichts 314 vielmehr wird es durch eine Reihe von Gründen empfohlen 318, nur ein Stück ist einer Schrift desEleitomachos entnommen 319; die benutzte Schrift Philons kann nicht eine Antwort auf den Sosos des Antiochos gewesen sein 321, dagegen wird aus dem Yerhält- niss von Ciceros Erwiderung zu Luculis Vortrage wahrscheinlich dass es dieselbe ist gegen die Antiochos in jener Schrift polemisirt hatte 337, dasselbe Resultat wird noch mit anderen Gründen be- stätigt — 341.

IIL Die Tmculanen S. 342

1. Das erste Buch S. 342

Die Ansicht Corssens dass eine Schrift Posidons die Quelle sei

wird zurückgewiesen 378; der consequent durchgeführte Skepti- cismus lässt uns einen Philosophen dieser Richtung als Gewährsmann vermuthen 388; die besondere Art des Skepticismus weist auf Philon 389, dieses Resultat wird noch durch andere Gründe be- stätigt — 392; die Meinung, als ob Cicero in den Tusculanen seiner griechischen Quelle mit grösserer Selbständigkeit gegenüberstehe und deshalb wohl auch eine nicht-skeptische Schrift im skeptischen Sinne habe ausnützen können, wird widerlegt 405.

2. Das zweite Buch S. 406

Eine Schrift des Poseidonios kann die Quelle nicht gewesen

sein 410 auch nicht eine Chrysipps 410, überhaupt nöthigt nichts an einen Dogmatiker zu denken, vielmehr werden wir auch hier auf einen akademischen Skeptiker und insbesondere auf Philon geführt 414.

3. Das dritte Buch S. 414

Weder eine Schrift Posidons 438, noch des Panaitios 438,

noch des Antiochos war die Quelle 445; es bleibt also nur die eines Skeptikers übrig und dass dieser Skeptiker Philon war be- stätigt sich von verschiedenen Seiten 455.

zu allen drei Bänden. 549

4. Das vierte Buch S. 456

Der Schluss der sich aus dem engen Zusammenhang dieses mit

dem vorhergehenden Buche ergibt, dass Philon Ciceros Gewährs- mann war, wird theils positiv noch durch mehrere Gründe befestigt 461 theils negativ durch Abweisung der Ansprüche des Poseido- nios 465 und Antiochos 468.

5. Das fünfte Buch S. 468

Die Unhaltbarkcit der gewöhnlichen Ansicht dass Cicero meh- rere Quellen benutzt habe wird nachgewiesen 471 und gezeigt dass eine einzige Schrift, die eines Skeptikers 473 und zwar Philons zu Grunde liegt 479.

6. Endergebniss S. 479

Die Hauptquelle der Tusculanen ist ein einziges Werk Philons,

der von Stobaios excerpirte Xoyoq xara (fiXoao(piav 487, dieses Resultat wirft ein neues Licht auf Ciceros philosophische Schrift- stellerei 492.

IV. Excurse S. 493

Exe. I S. 493

Der die Erkenntnisstheorie der Naturphilosophen behandelnde Abschnitt bei Sextos Emp. adv. dogm. I 89 141 geht auf Antiochos zurück 521, für den vorausgehenden (47—89) ist dagegen die Schrift eines akademischen Skeptikers d. i. des Kleitomachos als Quelle anzunehmen 524.

Exe. II S. 525

Die Vorstellung vom angebomen Wissen ist keine Cicero oder Philon eigenthümliche , vielmehr fällt jenes mit der stoischen Pro- lepsis zusammen 532.

Verzeichniss der behandelten Stellen antiker Schriftsteller.

Alexander von Aphrodisias HfQl tfwxijg p. 145» 0. II 1 99, 1 .

Aristoteles Eth. Eudem. VII 12 p. 1245» 30

n 277 Anm.

Magna Moral. II 15 p. 1213» 12

II 277 Anm.

Eth. Nikom. VI 13 p. 1144^ 17 ff.

II 18 ff.

Metaphys. IV 5 p. 1009» 38 ff. I 115, 1. Athenaios

Deipnosoph. IV 162D II 61, 1. (Pseudo-)CeD8orinu8

fr. de natural, instit. II 757, 1. Cicero

epist. ad Attic. XIII 39 fin. I 217 f.

Academ. pr. 32 III 212, 2.

- 33 - 177 Anm.

- 35— - 254,2.

- 47 - 260, 3.

- 58— - 329,1.

- 78— - 170,1. - 104 - 165, 2.

168, 1.

Cicero Academ. pr. 139 III 182, 1. . 141 _ - 291,1. Academ. post. 33 III 500 f.

Anm. de divin. I 36 f. II 533 f. de finibus I 61 - II 682 ff.

- 63 - 681 Anm.

- II 50 - 626, 2.

. 56 - 676 Anm.

- in 32 816, 1.

- IV 15 —III 192 Anm.

- V 18 f. 191 Anm.

de nat. deor. I 26 I 90 ff.

. - - - 49 46ff.

. . . . 50 - 88f.

. . . I 109 88f.

de officiis I 104 II 369 ff . .108 365, 1.

- - 153 - 723,4.'^

- III 7 320, 1.

- - 19 728, 1.

Tuscul. disp. 1 40 ff: m 355 ff

- -61 ff. 346,1.

- -64 344,1.

. -78 f. 368 ff

') A. a. 0. ist 152 in 153 zu corrigiren.

YerzeichnisB der behandelten Stellen antiker Schriftsteller. 551

Cicero Tuscul. disp. I 79 II 378 f.

Anm. 886, 1.

- I102ff. III393fif.

- III 55 III 430 Anm.

- IV30f. III 483 f.

487,3.

- - 82 480,1.

Clemens Alexandrinus

Stromat. II 157 Sylb. III 210

Anm.

- 179 Sylb. 11233,3.

244, 1 u. 2. 695 Anm.

V 255 f. (Worte Hera-

klits) -- III 145, 1.

Diogenes Laertius

I 16 II 295 Anm.

II 64 - 363, 1.

- 96 678, 2.

IV 51 60,2.

VII 40 - II 175.

- 42 797, 1.

- 45 - 795, 1. 796, 2.

- 46 7iK),l. 800,2.

- 50 - 791 Anm.

- 54 11 ff. 221,1.

- 85 439. 444, 1.

- 87 - - 106 ff. 242, 1.

- 90 - 332.

- 91 349, 3.

- 92 - 100, 1.

- 101 81, 1.

- 102 89, 3. 458 f.

- 103 261 ff. 350 ff. 425.

- 107 55.

- 116 145 f. Anm.

- 125 492, 1.

- 126 - 494 f.

- 128 - 261 ff. 350 ff. 425.

- 134 - 756, 1.

Diogenes Laertias VII 137 f. II 760 ff.

- 138 f. - 202,1.

- 139 200, 1.

- 149 444. 445, 1.

- 178 179,2.

IX 47 I 128 ff.

- 90 ff. III 137 ff.

- 102 - 40ff.

- 113 - 19 Anm.

- 115 - 2 Anm.

- 115 f. - 133 ff.

- 119 - 41.

X 8—1 108,2. 244.

- 25 - 180 f.

- 37 - 125,1.

- 38 - 125,2. Dionysius Halicarn.

de admir. vi die. in Dem. c. 23

II 377, 2. de Dinarcho c. 8 11 380 Anm.

Eudemus

£thica 8. Aristoteles.

Eusebius

Praep. ev. XIV 8, 2 111 45, 1

- 18,8 - - 113 f.

Anm.

Praep. ev. XV 15, 1 ff. II 766, 1.

- - 20 II 145, 1. Galenus

de plac. Hipp, et Plat. S. 417 K

III 428 ff. de plac. Hipp, et Plat. S. 462 K

II 589, 1. de plac. Ilipp. et Plat. S. 463 K

II 591, 1. m 417, 2. de plac. Hipp, et Plat. S. 464 K

ni 375, 1. de plac. Hipp, et Plat. S. 470f.K

II 241 ff.

552

Yerzeichniss der behandelten Stellen

GalenuB de plac. Hipp, et Plat. S. 472 K

II 244, 2.

de plac. Hipp, et Plat. S. 487 K

n 385, 1. 389 Anm.

de opt. doctr. c. 1 U 382, 1.

III 225, 1. GcUius IV 13 I 130. 131, 1. XII 5, 7 f. II 451 ff. Herakleitos s. Clemens Alex. Hormias zu Fiat. Phaidr. S. 76 ed. Ast. II 396 f. Anm. 393. 398, 1. Horatins

ep. ad Pison. 309 ff. II 369, 1. KleanthoB hymn. vs. 12 II 118, 1. fr. 19 u. 21 Wachsm. II 146, 1. LucretiuB II 529 ff. I 85 ff. - 1112 ff. - 87. Petronius

83 I 84. Photios

bibl. cod. 212 - III 230 ff. Piaton Philebos 43 D ff. I 141 ff. Republik VII 533 D H 165 f.

Anm. X 583Bff. I141ff. Theaitet 155 E - I 146 ff

191Cff. n 161 ff. Phaidon p. 62 C II 300, 2. - 96Ef. m 143f. Symposion p. 183 A III 395

Anm. - P.185A— ni395Anm. Plinius nat. bist. II 12 U 138, 1. 772 f.

Plutarcbus

de placitis philos. IV 21 (= Ae-

tios 410, 25ff. Diels) II 152, 1.

adv. Colot. 1117 B I 156.

de Stoic. rep. 7, 1 II 99, 2. . . - 7, 4 97, 2.

- - - 28 798, 1.

de com. not. p. 1072 F—H 240,2.

- - - -1073C- -313,1. Schol.

zu Lucian. VII 341 Lehm.

II 807. Senoca Quaest. natur. III 29, 2 H 225. epist. 58 II 549 Anm.

- 87, 35 262,1. 419ff.

- 87,38ff. - 420, 1.

- 88 525, 1.

- 90, 5 ff. 286 ff. 327.

- 92 783.

- 94 - 496ff.

- 95, 65 III 350 Anm.

- 113 II 470 f. Anm.

- 117 542 ff

Sex tos Empeirikos

adv. dogm. 1 158 UI 160, 2.

- -163 210 Anm.

- -230— - 176 Anm.

- - 248 II 791 Anm.

- -255- - 791 -

- - 259 in 514, 2.

- n 8 69,1.

- -397— n 192 ff

- m 71 141f.Anm.

. . 133 281,2.

- - 178 (= adv. math.

IX) I 174 f.

- - 219 in 145,1.

- V 20 (Verse Timons^ m 46. 50,1. 57 f.

antiker Schriftsteller.

553

SextoB Empeirikos

Stob

aios

adv. dogm. V 66 1153,1.

ecl. II 118 H 11399,2. 478 f.

- - 73 - 89 ff.

Anm.

-140 (Verse Timons^

-

- 134 231, 1.

ni 56, 1.

-

- 136 - ~ - 550, 1. 824 f.

adv. math.1 305f. (Verse Timons)

-

- 138 - - 550, 1.

III 47 f.

-

- 140f.H 11540,1.547,1.

. V 43 f. II 227 f.

-

- 144 - - 830.

Anm.

-

- 146 - - 806f.

Stobaios

-

- 148 - - 831, 1.

ecl. I 60H n220,2.

-

- 152f. 563,1.

- -312f.H II737ff.

-

- 154 577,1.

. .324 759, 1.

-

. 156 808,1.

- - 372 - - 126, 1. 127, 1

-

- 160 250 Anm.

U.2.

m

.162 383,1.

. .374 750ff.

-

- 178 - - 595 Anm.

- - 444 ff.- -761,2. 767 f.

-

- 196 537, 1. 538 f.

Anm.

544,1.

- - 398, 2 Diels ü 776, 1.

-

- 208f. 87,2.

- II 58f.H— 11556,1.

-

- 224 822,1.808,1.

- - 60 - -835,1.

-

- 262 700,1.

. . 70 811,1.

-

- 264 701,1.706,1.

- - 102f. 473ff. 476, 1.

-

- 266 f. - -583,1.

- - 104ff - - 472ff. 492ff.

-

- 268 699,3. 813,1.

- - 106 - - 255, 1.

-

- 318 698 Anm.

. -108 472, 1.

Suid

as

. -110 482, 1.

u. :

UQoXtmnq II 198, 1.

- - 112f. 434,1.

Timon s. Sextos Empeir.

- - 114ff. 469,1. 606,1.

Vorg

ilius

817, 1.

Aen. VI 724 ff. D 25, 1.

Namen- und Sachregister.

dAtf}<poQa II 558 ff.

adtaifOQla II 45,1. III 18 Anm.

dyal>ov Weiterer Gebrauch des Wortes bei den Stoikern II 261 ff. 350 ff. 425 f. Mit dem ovfi- nhiQtorixhv identificirt 584 Anm. Verschiedene Bedeutungen des Wortes in der peripatetischen Schule 703 ff. Verh&ltniss zum nQotjyovfisvov 816 ff.

Agrippa der Skeptiker. Tropen III 6, 1. 7, 2. 10. 117 ff. Dialektik 128. 130. Annäherung an die akademische Skepsis 133 ff.

Ainesidemos seine Zeit III 2 Anm. 237, 2. wirkte in Alexandrien 3 Anm. von Diogene» Laertius zu den Genossen Pyrrhons gezählt 43 f. trat aus der Akademie zum Pyrrhonismus über 146. Verhält- niss seines Skepticismus zu dem- jenigen Timons 110 f. und der Späteren 147. Auffassung Pyr- rhons 17 f. Anm. sucht die Lehre der Pyrrhoneer auf die der Kyrenaikcr zurückzuführen 107 ff. Polemik gegen Philon 230 ff. 250.

Ainesidemos fasste zuerst die zehn Tropen zusammen III 112, 1. Die Nach- richt, dass er neun aufgestellt, beruht auf einem Irrthum 113 f. Anm. Die acht Tropen 128 ff. Seine Ordnung der Tropen liegt bei Sextos Empeirikos vor 116 Anm. Ziel der Skepsis 16 Anm. Dialektik 128. 130. berührt sich mit der Akademie durch die Art wie er das Vorhanden- sein einer Ursache bestreitet 141 ff. Begriff des Guten 101, 1. Das höchste Gut 87 ff. Erklä- rung des scheinbaren Wider- spruchs in den er hierüber mit sich selbst geräth 93. gab seine positiven Ansichten nur als Vor- stellungen 93. über die Giltig- keit einer Vorstellung entschei- det die allgemeine Geltung 94 ff. lässt eine „Wahrheit'' gelten, fasst aber ihren Begriff in eigen- thümlichor Weise 79 ff. Hera- klitismus 64 ff. 144 ff. Verschie- denheit seiner Aeusseningen je nachdem er vom Standpunkt des Herakliteers oder Pyrrhoneers spricht 106 f. ist nicht die Quelle eines Ab-

Namen- und Sachregister.

555

Schnitts in Diogenes* Darstellung des Pyrrhonismus 187 ff.

Aischines der Sokratiker. Echt- heit der unter seinem Namen gehenden Dialoge II 362. 364 Anm.

Akademiker Definition der xazaXrjnt. (pavx. II 803 f.

Akademiker, die skeptischen Zusammenhang mit den Eyrc- naikem II 666 f. (hinzuzufügen dass auch Lakydes und dessen Schaler Arlstippos aus Kyrene stammten vgl. Diog. lY 59. Eu- seb. praep. ev. XIV 7, 12). ihre Methode III 379, 1. Definition des xatoQ^iofia von der stoi- schen zu unterscheiden II 346 Anm.

Akademische Skepsis. Ursprung III22ff. 160. EntWickelung 149 ff. Begründung der Skepsis 7. 26 ff. 33 ff. Verhältniss zur Rhetorik 178, 1. Einfluss des Stoicismus 182 Anm. Unterschied vom Pyr- rhonismus 63, 2.

Alexandrinische Bibliothek II 41 Anm.

Anaximander Das aneiQov ist der unendliche Raum III 73, 1.

Auaximcnes Verhältniss zu Anaximander III 73, 1.

dvbfinxmtoq II 454, 1.

dvxtQü)q II 394 Anm. (wo aber die Bemerkung „dass die Worte wahrscheinlich fast im Angesicht des ÄvitQitx; geschrieben wurden,

der am Eingang der Akademie stand^^ auf einem Versehen be- ruhen) 396 Anm.

Antigonos von Earystos Auffassung Pyrrhons III 17 ff. Anm. des Pyrrhoneers Eury- lochos 39, 1.

Antiochos von Askalon Erkenntnisstheorie III 497 ff. blieb bis zu einem gewissen Grade immer Skeptiker 275 ff. über die Ideenlehre 499, 2. Dualismus in Ethik Anthropolo- gie und Erkenntnisstheorie II 655 f. in der Naturphilosophie 659 f. Die Bedingungen der Glückseligkeit 715 ff. sucht den Ursprung der Leidenschaften in gewissen Meinungen III 438 f. über die Lust II 713. 818, 1. unterscheidet zwischen xa xaxä <pvaiv und xu n^tuixa xaza. ifvaiv 839. von der stoischen verschie- dene Ansicht über die Entwicke- lung des Menschen und seiner Triebe 651, 1. Die Unverlier- barkeit der Tugend 714. leug- net schlechthin die Existenz des Weisen 292 ff. Aufzählung der verschiedenen möglichen ethi- schen Theorien 644, 1. identi- ficirt die stoische mit der peri- patctischen und akademischen Lehre 643, 1. Verhältniss zu Piaton III 242, 1. 322, 1. 497 ff. hielt die platonische Dreith eilung der Seele fest II 653 f. weicht von einer Ansicht ab die er für die der alten Peripatetiker hält 692 f. 717 f. Uebereinstimmung mit ^n

556 NameD- und Sachregister.

Eyrenaikem 667. Abhängigkeit aTid&eiahei den Stoikern 11 452 ff.

von Kameades 643 f. modificirt den Pyrrhoneem III 15, 1.

das von Karneades Uebemom- Apellas der Pyrrhoneer III 135.

menc 643 f. 839. Polemik mit Apelles Seine Anadyomene I82f.

Philon III 320 f. 337 f. 340, 1. difal^eaig stoischer Terminus.

Urtheil Philons über ihn 305, 3. synon. ate^aiq. opp. ^iatq Vi

hielt die nikomachische Ethik 420, 1.

für ein Werk des Nikomachos dnoöet^iq II 193 f. 795 f.

II 718. Apollodoros das Haupt der epi- Schriften : nsQl tsXwv II 662 f. kureischen Sophisten I 183 ff.

628. 638 ff. 645. 656 ff. III 273 f. Apollodoros der Stoiker. Sein

Kavovixd II 666. III 270. 520 f. Werk neQl »ediv Quelle emcs

Der Dialog Sosos 265 ff. Theils der stoischen Darstellung

Anhänger UI 238 ff. im zweiten Buch de nat. deor.

Antipater von Tarsos I 216 ff. Inhalt und Eintheilong

Definition des höchsten Gutes des Werkes 219, 1.

n 232 f. 234, 2. 235. 240, 2. ApoUophanes U 101, 2.

436. 467 f. 515. 805. 823 f. t^Xog Aratos Angeblicher Pantheismus

u. axonog 554 f. Eintheilung der II 206 f.

d^lav exovra 563, 1. Vorwie- a (>;( et ro£ Gebrauch dieser Bezeich-

gendes Interesse für Dialektik nung II 421 Anm. (wo Exe. IV

und Ethik 259 Anm. Meinungs- zu lesen) 646 f. 834, 1.

Verschiedenheit zwischen ihm Archedemos

und Diogenes 253, 1. 429. Tie- Definition des höchsten Gutes II

fer gehende Differenz 597. gibt 233 f. 235. 515. 624. über die

den Angriffen des Kameades Lust 440, 1. yytfioi'ixov 778.

nach 249 ff. bemüht sich um 779, 1. 780. Die Erde als Sitz

Uebereinstimmung mit Piaton desselben 221.

256. Areios Didymos II 694. 743. 745.

Antipater von Tyros II 212. Philosophischer Standpunkt 837 f.

724. Anm. III 240 ff. 303. QueUe des

Antipatristen U 606, 1. Stobaios n 837 Anm. Die Reste

antiqui s. d^aloi. seiner Schrift liegen bei Stobaios

Antisthenes der Stifter der ky- nicht unmittelbar vor 835, 1.

nischen Schule. Aristippos derSokratiker. Echt*

Definition des loyog II 4, 1. heit der unter seinem Namen

Verschiedenheit seiner Erkennt- gehenden Dialoge 11363,1. üebcr

nisstheorie von der stoischen 6. die Liebe 398 Anm.

Minder einseitig und schroff als Ariston von Chics. *X)/jioiwfmxa

seine Schüler 361 Anm. n 32 f. Anm. Lehre 44 ff. 53 ff.

Namen- und Sachregister. 557

101. 480 f. Anm. 483. Methode Athenodorus Calvus II 326. 724.

176 f. Anhänger 45, 1. Person- 736,1.

liehe Verhältnisse 59, 1. Atti eisten unter den Philosophen

Aristoteles II 376. 378 Anm. 381 f.

Verschiedene Definitionen der Atticus, T. Pomponius, II 368 f.

Glückseligkeit II 719, 1. Defi- dSla verschiedene Arten II 563, 1.

nition von ßlog 408 Anm. Auf- fassung der Tapferkeit 476, 1. ^•

verwirft in der Ethik eine Defi- ßccQßaQOi; Bedeutung II 164, 2.

nition der ^Sov7j die er in der Basilides Stoiker II 549 Anm.

Rhetorik gelten lässt 719, 1. Das Beispiele Wiederkehr der glei-

selige Lohen der Weisen nach chen, II 24, 2. Der Verfasser

dem Tode 646, 3. Piatonische benutzt sich selber als Beispiel

Psychologie 720 Anm. Kreislauf 258, 1. von individuellen Persön-

in dem Wechsel der Staatsver- lichkeiten hergenommen 908 ff.

fassungen 871, 1. Beurtheilung Bion der Borysthenite II 60.

des Sokrates 367 Anm. Darstel- ßlog bei den Stoikern von ^oßt)

lung von Demokrits Erkenn tniss- unterschieden II 408 Anm.

theorie I 112 ff. Ursprung des Blossius, C, Zweifel an der Man-

Namens Tb ti ^v sivai II 5 Anm. tik II 882, 1.

über Geschichtschreibung 906, 2. Boethos aus Sidon der Stoiker.

Schriften: 'EQüjuxogUSdl, 2. Tritt dem gewöhnlicheft Pan-

Nikomachische Ethik 718. Dia- theismus entgegen II 200. 221.

löge in der Lehre von den akroa- 224 ff. Erkenntnisstheorie 228 ff.

mat. Schriften abweichend 719. schloss sich nicht so sehr den

Arkesilaos Peripatctikern an als er auf die

Begründung der ^tio/jI III 26 ff. älteren Stoiker zurückging 222 ff.

Eigenthümlichkeit seiner Skepsis 228 f. theilte den stoischen Weis-

28 f. Dialektik 31, 1. Einfluss sagungsglauben nicht in allen

der Megariker 33. Ethische An- Stücken 227 Anm.

sichten 37 f. 157 f. 160,2. 185,1. Brieflitteratur II 71, 1.

Verhältniss zu Piaton 35 f. geht

auf Sokrates zurück 36 ff. 158 ff. ^•

188! Verhältniss zu den Stoikern ;^ao^ als Bezeichnung der Luft

26, L 154 f. Anm. Verhältniss zu III 73, 1.

Pyrrhon 24ff. 150ff. 160,2. Ge- Chrysippos

heimlehre 221 Anm. Allgemeine Characteristik II 114 f.

Askanios der Abderite III 3, 2. 182. 598 f. Anm. 619. 755.

clraQa^la der Skeptiker III 12 f. führt die 7r()oAi/v^f /? in die stoi-

15 ff. 55 ff. sehe Philosophie ein II 10. 183.

558

Namen- uDd Sachregister.

194 ff. 198, 1 u. 2. Unterschied Ton Kleanthes in der Auffassung der (pavxaata. als einer rvnotaiq 801, 1. über den Werth der Wis- senschaften als solcher 524.

Pantheismus II 198 ff. 219 f. Ma- terie der Gottheit 210 ff. Das die Welt bewegende :7rvfr^a750ff. Auffassung der Materie 760. fasste das Princip der Welt an- ders auf als Kleanthes 132. An- fang der Weltbildung 780. Das Ergebniss der ixnvQOßaig 211. Wich in der Auffassung des Stoff- wechsels so wie in der Definition des oToixfTov von Kleanthes ab 754. Abhängigkeit der Natur des Menschen von der des Landes 893.

Bestimmung des höchsten Gu- tes II 107 ff. unterscheidet sich hierin von späteren Stoikern 235 ff. 436 f. 468. 515. 531 f. Auffassung der Tugend als eines ^^(pov 470 f. Anm. Worein er das Wesen der Tugend setzte 483 ff. Die Tugend eine Gesundheit der Seele 486 ff. Die aus der Uebung entspringen- den Tugenden sind nicht selb- ständige Tugenden 490 f. hat wahrscheinlich die Tugenden we- der unter vier Hauptarten zusam- mengefasst noch überhaupt einer durchgeführten Ordnung unter- worfen 479 Anm. Dreithcilung der Tugenden 618 f. Die Un- verlierbarkeit der Tugend 68, 3. über die dnd^eia 456 ff. die dnovla 458, 1. Der freie Wille III 530 f. Eigenthümlichkeiten in der moralischen Casuistik II

254 Anm. 429. Rechte der Skla- ven 605 Anm.

gestattet unter Umständen eine Lockerung der Terminologie und insbesondere den Gebrauch von dya&^v für nQoriyfUrov U 265 f. braucht otoi/jTov in verschie- dener Bedeutung 742 f. 755

Polemik gegen Pyrrhon Dl 1,1. Polemik gegen Ariston 11 480 f. Anm.

Schriften : UsqI a()fTcyF 11492,1. IleQl rov xaXov xal rijg rjöovfi; 585, 1. HfQl rikovg 663.

s. auch unter Stobaios. Cicero, M. Tullius 1. Schriften: Verhältniss der- derselben zu ihren Quellen im Allgemeinen II ff. de natura deorum Quellen des ersten Bu- ches 14 ff. 172,2. 178. des zwei- ten 191 ff. des dritten 243 f. Erklärung einiger Stellen des ersten Buches 46 ff. de finibas Quellen des ersten Buches II 669 ff. des zweiten 630 ff. des dritten 567 ff. 548. 566. 644,2 (vgl. jedoch Cicero Acad. pr. 138 über Chrysipp). 832. des vierten 620 ff. des fünften 691 ff. de officiis Quellen des ersten Bu- ches II 722 ff. 311, 1. 355 f. 360 Anm. 365. 374. 432. 442. 447 f. i522). 464. 466 Anm. 498,1. 501 (520). 505. 508 Anm. 508, 1. 509. 511 f. 513 Anm. 521 f. 598,1. 601, 3. 602, 3. 649, 1. des zwei- ten 724 f. 380 Anm. 598, 1. des dritten 725 ff. 326. 328, 1. 605 Anm. Academica prioraQuel-

Namen- und Sachregister.

559

len ni 251 ff. Inhalt des verlor- nen ersten Buches 252, 1. 279, 1. Academica posteriora III 287, 1. 297, 2. Tusculanae disput. Quellen des ersten Bu- ches III 342 ff. des zweiten 406 ff. des dritten 414 ff. « des vierten 456 ff. II 487, 3. des fünften III 468 ff. II876Anm. Consolatio III 3.52 ff. 384. Hortensius III 297,2. 347,2.3. 490. Timaeus I 2f.

2. Philosophie: Eenntniss epi- kurischer Schriften I 12 ff. II 632 ff. Standpunkt des skepti- schen Akademikers nicht con- sequent eingehalten 635. War nicht in jeder Beziehung Anhän- ger Philons III 281 Anm. 291 f. Lehre vom angeborenen Wissen 525 ff. Sein philosophischer Ent- wicklungsgang 488, 1. Coelius Antipater. Sein Interesse für Prodigien I 225, 1.

Demetrios der Lakonier, einer der epikureischen Sophisten I 181, 1.

Demokritos Lehre: Die el'daj)M I 75 f. D&- monenglaubc 1 37, 1 . Erkenntniss- theorie 111 ff. Skepsis III 11 ff. 66, 1. Ethik I 135 ff. III 13 f. Bedeutung derselben innerhalb des Systems der demokritischen Philosophie I 15S f. Liess das Bewegungsprineip der Atome un- bestimmt II 660, 2.

Schriften: Kavovtg I 126 ff.

Ilsgl iSediv 126, 2. KQatvvzTjQia 129 u. Anm. Tgtroytreia 132, 1. IleQl rwv iv "Atöov 137. IleQl ev^vfilrig m 20 f.

SiaXexTixi] Auffassung bei den Stoikern II 796 ff. 800.

öidXexTog Frühestes Vorkommen des Wortes in der Bedeutung Yon Dialekt II 259 f. Anm.

Didymos s. Areios.

Diodoros aus Sicilien, der Histo- riker II 907 Anm.

Diogenes von Babylon Definition des höchsten Gutes II 231. 1. 234. 436. 515. Conces- sionen an Karneades 252 f. blieb in der Schätzung des Ruhms und sonst auf Chrysipps Standpunkt 252 f. 253, 1. Tiefergehende Dif- ferenz zwischen ihm und Anti- pater 597. Eintheilung der d^lav ^Xovra 563, 1. die Soaig 565 Anm Rechte der Sklaven 605 Anm.

Theologie II 212. Zweifel an der Astrologie 227 Anm. 253 f. sprach sich gegen die Lehre vom Weltuntergang aus 253.

wird vom Einfiuss Piatons be- rührt II 254 ff. Zusammenhang mit der pergamenischen Schule 259 Anm. Durch seine histori- schen Interessen so wie durch seine Beschäftigung mit der Na- tur der Sprache der Vorgänger des Panaitios 258, 1. Schriften: politischen Inhalts

II 254, 1. 258. ns(ßl yce>vf7?258, 1. Diogenes der Kyniker II 21. 22

Anm. Verfasser einer Trostschrift

III 351, 3.

560

Nftmen- ood Sachregister.

Diogenes Laertius, in seiner Dar- stellang des Stoicismus sind ver- schiedene Formen derselben äus- serlich mit einander verbunden II 409 Anm. Widersprüche in der Auseinandersetzung der stoi- schen Lehre von den Principien 757 f. der Bedeutungen von xoa- fxoq 760 ff. von atotxsTov 769 f. In dem Abschnitt ne^l na&wv Hekatons gleichnamige Schrift die Quelle 594 Anm. Für die Darstellung der stoischen Logik ist eine ältere (Eleantbes?) und jüngere Quelle benutzt II 790 ff. Quelle seiner Darstellung des Skepticismus m 75, 2. 87. 116 ff. Anm. 133 ff. (gibt nur ein Yer- zeichniss der empirischen Skep- tiker) 136 ff.

Diogenes von Tarsos, einer der epikureischen Sophisten I 181 f. II 673 Anm.

Diogenisten II 606, 1.

Dion als Beispiel bei den Philo- sophen II 910 f.

D i 0 n y s i 0 s der Stoiker unterschie- den von b Mexu^ififvoq II 74, 3.

Diotimos I 120 (s. über diesen Hermes XVU 326) 135.

66a iq = xQlaig II 564 ff. Anm.

So^ci als eine Art der avyxard- S-eaig von der anderen, der xa- Takfjiptg, unterschieden II 190 f.

E.

Eleaten bleiben von der sinnlichen Wahr- nehmung abhängig III 10, 2.

l^fifpaaiq III 211 Anm.

^fixpvxov in wie fem unterschie- den von ^(pov II 217, 1.

ivagyeia III 208 ff. 502 ff.

Ephoros II 889 ff. Einfluss des Isokrates 896, 1.

Epiktetos Definition des höchsten Gates II 51 6, 1 . Die 71 Qoijyovfieva 827 f. Das Weisen -Ideal 294 ff. Ging von Ghrysipps Terminologie ab 387, 2. vermeidet sich des Wor- tes 71 Qorjyfxivov zu bedienen 419. braucht dyaO^öv in einem weite- ren Sinne 427 f.

Epikureische Schule

Angebliches Beharren bei der Lehre des Stifters I 98 f. Ur- sachen die eine gewisse Stabili- tät erklären 100 ff. Abweichun- gen von der Lehre des Stifters 15 f. Differenzen unter Epikurs unmittelbaren Schülern 165 ff. unter den späteren, insbesondere über das Wesen der Freund- schaft 168 ff. II 678, 2. über die Götter 1172 ff. Auftreten der So- phisten 180 ff. Epikurs Kano- nik wird weiter entwickelt 185 ff. Abstufungen unter den Mitglie- dern 187 ff. Ideal des Weisen II 278.

Polemik gegen die Eyrenaiker II 675, 2. 677 f. angegriffen von den Komödiendichtern I 103. 4.

Epikaros Lehre: Anschluss an Demokrit I 108 ff. in der Kanonik 110 ff. in der Ethik 134 ff. Darin dass er die ovfißsßTjxora und arfinrof- (lata nicht als Seiendes im vol-

Namen- und Sachregister.

561

len Sinne des Wortes gelten lässt 151. in der Gesammtrichtung des Pbilosophirens 154 ff. Ent- fernt sich von ihm zuerst auf ' erkenntnisstheoretischem Gebiete

161 f. bestimmt als Princip der Bewegung die Schwerkraft der Atome II 660, 2. Einfluss der peripatetischen Kritik I 119, 1.

162 ff. Von der laovofda 15. 16. 85 ff. Dem quasi corpus und quasi sanguis der Götter 16 f. Die dvravanXijQwatg der Götter- bilder 58 ff. Die Natur der Götter 77 ff. üeber den sQwq II 391 f. Hält in den späteren Schriften nicht immer die An- sichten der früheren fest I 187.

Schriften : Kaviov I 131 f. Dass dieser die früheste Schrift 161 f. 186 f. n^Ql xÜ.m)(; M 633, 1. Sprache II 381, 1. Seine Lehrer 1 108 f. 165. Ver- ehrung deren er in seiner Schule genoss 101 ff.

^ni^vfislv Bedeutung bei den Stoikern II 385 ff.

inoxv Name von Pyrrhon zuerst aufgebracht III 24, 1. Das t^Xog 87 f. 189, 1. verschiedene Be- deutungen 167 ff.

Eratosthenes II 102 Anm. III 18 Anm.

Erde. Bedeutung für die Welt- bildung II 779. 780, 1.

eQa}g stoische Definitionen II 387 ff. unterschieden von q)iXIa 392, 3. 912. 404 Anm.

^axfxrog Bedeutung II 128 ff.

Esoteriker und Exoteriker in

Hirxel, Unteisnebiuigen. HI.

den alten Philosophien unter- schieden I 188 f. III 227 Anm.

evöai/iovla und evdai/xovelv II 550 ff

Eudoros der. Akademiker kein Anhänger des Antiochos II 818. 819 sondern Philons III 244 ff. Angebliche Quelle des Stobaios 11835,2. Unterscheidet zwischen den Tugenden und den Gütern III 193 f. Anm. 247, 1.

6töo§la Bedeutung II 819, 1.

E u k 1 e i d e s der Sokratiker. Echt- heit seiner Dialoge II 363. An- sicht über die Liebe 396 f. Anm.

evXoyog II 342 Anm. 344 Anm. III 38, 1. 150, 3. 180, 1.

Exoteriker s. Esoteriker.

F.

Freundschaft Theorie derselben b. d. Epikureern 1 169 ff. II 678,2.

G.

Geschichtschreiber antike und moderne II 841 f.

Götter Ansichten über die, in der epikureischen Schule I 16. 72 ff. 1 72 ff. in der stoischen 205 Anm, 211,1. II 73 f. 866 f.

Gut, das höchste von Kameades definirt II 623, 1. III 182 ff. 190, 2. bei den Stoi- kern II 230 ff. 254 ff. 430 ff. 515. 516,1. 611 f. s. auch tiXog.

H.

algst^ov 8. alQBtov. alperov in weiterem Sinne gebraucht II

36

562

Namen- und Sachregister.

330 Anm. 822. 383. unterschie- den vom aiger^ov 540 (wo in den Worten „Und zwar wird offen- bar dem aiQsttov der geringere Werth beigelegt" zu lesen ist aiQerov). 541 f. 543 f. 547 f. 552. 556, 1 . von Seneca mit expetendum übersetzt wie alget^ov mit expeti- bile 542, 2. 548. mit dem dya^ov identifizirt 706. 6i^ alt 6 al^et. in doppeltem Sinne gebraucht 817, 1.

tjyt/xovixov verschiedene Bedeu- tung II 777 ff. Annahme eines doppelten tiyef^. 781 ff. gänzliche Leugnung 789, 1. Der Kopf als Sitz desselben 150 ff. 772 ff.

Hekaton unterschied die vernünftige auf Erkenntniss gegründete Tugend von der vemunftlosen II 332 f. 482. 484. 492. in wie fem er sich dabei von Posidon unler- scheidet 500 ff. 503 f. von Panai- tios 505 f. 610 f. Dreitheilung der T. 619. Herabsetzung der Tapfer- keit 349 f. lieber die fityaXoipv- xlct 496, 1. macht den Vortheii zum entscheidenden Maassstab unseres Handelns 600 f. 726 ff. 731. seine Lehre hat einen banausi- schen Zug 603. das höchste Gut 611 f. 731. Theorie der Leiden- schaften 592 f. Schloss die Lust von den Grundtrieben des Menschen aus 595 f. über den Ruhm 596. 603 f. Rechte der Sklaven 600 f. 605 Anm. Mythen erklÄrung 609. pflegt Diogenes und Antipater mit einander zu citiren II 563.

605 f. 605 Anm. hat eine Vor- liebe für Diogenes 563 ff. 599 ff.

606 f. 612. 733. für Chrysipp

607 ff. 726, 2. Modification der Lehre des letzteren 610. 612. Weicht mit einer Ansicht von Panaitios und Poseidonios ab 326, 2. Gegensatz zu Panaitios 601. Anschluss an denselben 611.

Schriften : Ilsgl aQexwv H 492, 1 . il€(>ir^Aot'g592.663. üsgina^v 594 Anm. IleQl ^«(»'rcüv 608, 1. Ilepl xad'jqxovzaq 608, 1.

Ansehen dessen er im Alter- thum genoss II 592, 1. s. auch unter Stobaios.

Herakleides U 396 f. Anm.

Heraklei tos von Ephesos Ueber die Gestalt der Gestirne II 121. vom Entstehen und Ver- gehen der Welt 133. Psycho- logie 157. naXlvtovoq aQUOviri 159, 1. Erkenntnisstheorie 163 ff. Gegner der Aitiologie III 144 f. Unterschied von Demokrit in der Ethik 13, 3.

Zweck seiner Schrift II 123 Anm. Eintheilung derselben 177 ff. Anhänger 182 als Beispiel eines vollkommenen Weisen an- geführt 294, 1. 296 Anm. Gilt Späteren als Geistesverwandter der Kyniker 296 f. Anm.

Herakleitos vonTyros, der Schü- ler Philons III 267 f.

Herakles Unterscheidung eines doppelten II 877 Anm.

Herillos II 46 ff. 176 f. 801, 1. Schriften 47, 1. Theilweise Er-

Namen- und Sachregister.

563

Denerung seiner Lehre io spä- terer Zeit 319 f.

Hieronymus von Rhodos, der Peripatetiker III 24, 1.

oXov unterschieden von näv II 763.

"OfxoiasAB Schriften titel II 32Anm.

"^OfioKofiata als Schriftentitel II 32 f. Anm.

Horatius II 369, 1. 373, 2. 377, 1.

oQfiri II 384 f. Anm. 388 f. Anm.

vnorsXiöeg II 48 ff.

I.

Ironie verschieden heurtheilt von den griechischen Philosophen II 365 ff. 432, 1.

laovofiiain der epikureischen Phi- losophie I 15. 16. 85 ff.

laoad^ivsia III 25, 1. ist das Princip auf dem die älteren Tro- pen der Pyrrhoneer beruhen 122 f.

Jurisprudenz. Die Stoiker arbei- ten ihr vor II 726, 1.

K.

Kakov Doppeltes, für den Weisen und für den Nicht- Weisen II 319. 324. 327 f. 328, 1. Bei Piaton 341. Bedeutung des Wortes 382 f.

Kakdg xdya&og, xakoxdyaO'la II 79 ff. verschiedene Auffassung bei den Peripatetikem 708.

Karneades Seine Wahrscheinlichkeitstheorie verschieden von der des Arka- silaos m 151 ff. Anm. 178 f. 180,1. 188. von der Philons 294. 296. Das Wahrscheinliche und Augen- scheinliche fallen zusammen 206 ff. Annäherung an den Dogmatismus

180. Ethische Ansichten 181 ff. Definition des höchsten Gutes II 623, 1. 643, 2. Die Tugend nicht zu den TtQwra xara (pvaiv gerech- net 819. 839, 1. m 190, 2. über den Ruhm II 820. Aufzählung der verschiedenen möglichen ethi- schen Theorien 644, 1.

identifizirt die stoische und peripatetische Philosophie II 643, 1. III 275 f. 285, 1. Ueber- einstimmung mit Sokrates 188. 302. bestreitet Piatons Lehre 35. Art seiner Polemik II 642 f.

Einfluss auf die Epikureer I 176 f. 185. auf die Mythendeu- tung in der stoischen Schule 224, 1. auf Panaitios 240 ff. auf die Entwickelung der stoischen Moral und Dialektik II 239 ff. 249 ff.

Abweichende Berichte über seine Lehre III 162 ff.

xaxaXrinxov Philons Auffassung III 196 ff. 302.

xardkritpig, xataXijntix^ qxxvta- ala II 183 ff. 381 f. 803 f. III 512, 3.

xata (pvaiv wechselnde Bedeu- tung II 92 f. 234, 1. 334, 1. 408 Anm. 440 f. 814. 821. 823 f. 832. 839. 839,. 1. Einfluss dieses Be- griffes auf die altstoische Moral 239.

xarriyogrifia II 545, 1.

xad'fjxov gründet sich auf die Wahrschein- lichkeit U 341, 1. Weitere und engere Bedeutung des Wortes 403 ff. Etymologie 406 f. Ein- theilung der xa^rixovxa in del

36*

564

Namen- und Sachregister.

und ovx del x. gehört den spä- teren Stoikern an 410. insbeson- dere Panaitios 412. 415. Einthei- lung in xaxoQ^tofiaxa. und xa^i]x. im engeren Sinne ist Compromiss zwischen der späteren und frühe- ren Auffassung 417 f. xaza tisqI- araaiv x. 730 f. nimmt seit Chry- sipp in der Literatur der Stoiker einen breiteren Raum ein 239.

xatoQ^io/xa II 342 ff. Anm. Defi- nition desselben bei den skepti- schen Akademikern 34G Anm. III 38. 154. Unter dem xa&^xov mit begriffen II 404. 415 ff. Da- von unterschieden 417.

Kleanthes Allgemeine Characteristik III 79ff. Lehre: II 84 ff. Dialektik 86 ff. Rhetorik 88. Ethik 88 ff. Angeb- licher Anschluss an die Eyniker 89 ff. 94 ff. 117. über die Lust 93 ff. die Tugenden 97 ff. 483. 48G, 1. Unverlierbarkeit der Tu- gend 68, 3. 104. über den parä- netischen Theil der Ethik 104 f. Unterschied seines ethischen Prin- cips von dem Zenons 105 ff. Geht darin dass er der xotvtj <pvaig die Gesetze des Handelns entnimmt auf Hcrakleitos zurück 115 ff. 119, 1. 149, 2. ebenso in dem was er über den Ursprung der Tugend lehrt 118 f. 158 f. Hera- klits Einfluss in der Naturphilo- sophie : Gestalt der Gestirne 120ff. ; Nahrung der Sonne 122 ff. ; Ent- stehen und Vergehen der Welt 124 ff.; die Zahl der Elemente 134. 755; der vernünftige gött-

liche Theil der Seele tritt von aussen in den Leib i^Unsterblich- keit 148 f. Sitz des fiysfiovixov ist nicht im Herzen sondern im Kopf 150 ff. 776) 135 ff. Verglei- chung der Vorstellungen mit Sie- gelabdrücken 161 ff. Anschluss an Heraklit auch in der Emthei- lung der Philosophie 169 ff. Pan- theismus 201 ff. 207 ff. 219 f. über die Materie 760. Materie an die die Gottheit gebunden ist 210 ff. 214 f. Stellt sich das Er- gebniss der ixnvQwaiq anders vor als Ghrysipp 211. Unterscheidet sich darin von Zenon dass er die Herrschaft des koyoq durch die Welt physikalisch zu erklären sucht 214 f. Polemik gegen Pia- ton m 377 Anm.

Die Darstellung der stoischen Logik bei Diogenes Laertius geht vielleicht zum Theil auf ihn zu- rück II 800.

Schriften: II 86. 353, 2. 912. Darstellungsweise 181, 1. 353, 2. UoXiTtxbg 105, 1.

Kleitomachos Bericht über die Lehre des Kar- neades HI 162 ff. 172 ff. Schriften 164, 1. eine derselben Giceros Quelle für die Kritik des epi- kureischen Vortrags im ersten Buche de nat deor. I 32 ff. eines Abschnittes in den Ac&d. pr. m 319. bei Sextos Emp. (adv. dogm. I 47—89) 524.

Kleombrotos II 302 Anm. (vgl. Augustin de Civit. Dei I c. 22).

Körperliches s. Seiendes.

Namen- and Sachregister. 565

Komödie, die altattiscbe, Urtheile Lukianos II 833, 1.

Ober sie II 370 ff. Lust Ansichten über dieselbe II

xocfioq verschiedene Bedeutungen 80 ff. 581 f. von Posidon für ein

II 761 ff. 766 ff. Gut erklärt 334. 446 f. Panai-

Krates der Kyniker II 22 Anm. 23. tios' Auffassung 4:^8 ff. 833. Krinis Stoiker II 425 f. 426, 1.

Kritolaos Peripatetiker II 583,1. M.

stoische Elemente in seiner Lehre M antik

694,2, Kritik seiner Lehre von Zweifel daran I 240 f. II 882,1.

der Glückseligkeit durch andere Marcus Aurelius Antoninus. Das

Peripatiker 715 f. höchste Gut II 516, 1.

Kyniker von Aristoteles berück- Materie Auffassungen derselben

sichtigt II 20 ff. Die jüngeren bei den Stoikern II 756 ff.

vernachlässigen gegenüber der Medicinische Wissenschaft. Ihre

Praxis mehr und mehr die Theorie Bedeutung für die alte Philoso-

21. Verschiedenheiten der Mei- phie I 130, 1.

nung unter ihnen 21, 2. Das Methode der skeptischen Aka-

Ideal des Weisen 876 Anm. demie III 379, 1.

Kyren aik er Bedeutung von Tt'Ao^ /xsrQionaO'eia bei den Pyrrho-

II 665. Die Freundschaft 678, 2. uoern III 16 Anm.

Metrodoros von Chios, der De-

^- mokriteor III 31 Anm.

Lakydes III 161 f. Metrodoros von Lampsakos.

Leukippos Streit ob er oder Seine Lehre I 16. Streit mit

Demokrit der Urheber der Ato- Timokrates 165 ff. Schriften 190.

menlehre I 184. Metrodoros von Stratonike

Liebe Ansichten über die, II 312 f. Auffassung der Skepsis des Kar-

387 ff. 594 Anm. b. bQüßg. Ver- neades III 170. 172 ff. 194 f.

hältniss von Liebe und Gegen- Seh rifts teilerei 195, 2.

liebe im Leben der Alten 395 f. Mnesarchos

Anm. 404 Anm. Theologie II 212. Materie 760, 1.

Xoyixfj II 42. 799, 1. als gram- Rhetorik 381 Anm.

roatische Disciplin 904, 1. fxtaog ßlog II 708 f.

Xoyog als Kriterien II 4 ff. 10 ff. Mythen bei Zenon und Antistho-

als objektive Vernunft und Prin- nes II 30 Anm.

cip der Welt 214 f. Mythendeutung in der stoischen

Lucret ins ob von Cicero berück- Schule 1224,1. II 609. 873 ff. 875,1.

sichtigt I 9 ff. dass er nicht

wesentlich von der epikureischen ^•

Lehre abweicht 98, 1. Naturphilosophen, vorsokra-

566

Namen- und Sachregister.

tische, bleiben voo der sinn- lichen Wahrnehmung abhängig III 10.

Nausiphanes Anhänger Fyrrhons III 43. Leh- rer Epikurs I 108 f. 244. Der Tglnoiq 132, 1.

Nikomachische Ethik dem Ari- stoteles abgesprochen II 718.

vooq Bedeutung des Wortes bei Demokrit I 159, 1.

Numenios

der angebliche Pyrrhoneer III 40ff.

0.

£^6siov nvXm, Philosophen da- nach benannt I 106 Anm. (nach Hermipp bei Diog. VII 184 scheint Chrysipp gemeint zu sein, vgl. Strabo IX 1, 17 p. 396).

Odysseus Unterscheidung eines doppelten II 877 Anm.

(o(ft).rifjLa untersch. iotpehfiov H 537, 1. zu den Gütern gerech- net 548. 552.

oQsysa&ai, oQt^ig in weiterem Sinne gebraucht II 383 f. 387, 2. stoische Definition 383, 1.

OQovaig II 383, 1.

SQ&bg Xoyog als Kriterien II 11 flf. 196 flF. 534. 799.

P.

71 a),a 10 i s. a();faro£.

Tiäv B. oAov.

Panaitios Lehre: Einfluss d^s Kameades I 240 ff. Piatonismus 242 f. 335 f. U 507, 1. 514 Anm. 522, 1. 598 f.

Anm. 894 f. 912. Zweifel am Weltbrand I 225 ff. an der Man- ük 240 f. II 882, 1. in 262 f. Anm. an den Göttern II 883, 1. an der Unsterblichkeit I 231. m 376, 1. Abhängigkeit der Natur des Menschen von der des Landes II 893 ff. Gater- lehre II 261 ff. Gebrauch des Wortes nQotjYfjitTOv 419. Be- stimmung des höchsten Gutes 430 ff. 467 f. 514 f. Unterschied zwischen tekog und axonogö^H. über die Lust 438 ff. die dnd- ^f £« 452 ff. zwei Arten der Tu- gend, Herabsetzung der Tapfer- keit 348 ff. Definition der letz- teren 507, 1. der Weisheit 512, 1. vier Cardinaltugenden 498, 1. 616 f. Die Tugend verschieden nach der individuellen Natur des Menschen 434, 1. 912. theore- tische und praktische T. 448 f. 496. 504 ff. 522 f. unterschied sich hierbei von Posidon 508 ff. stimmt mit ihm übercin 510 ff. psychologische Ableitung der Tugenden 506 f. Der Werth des Wissens 522 f. 529. Doppelte Moral die für den Weisen und die für die Masse der Menschen geltende 311 f. 317. 327 ff. Von den Pflichten : die Fälle in denen der Mensch über seine Pflicht im Zweifel sein kann 320 ff. Das xaO^rjxov 412 ff. Anschluss an Antipater in der Schätzung des Ruhms 252, 1 sowie darin dass er es verschmähte Vorschriften über den Gelderwerb zu geben

Namen- und Sachregister. 567

253,1. 420 in der gesammten insbesondere Piaton 377, 2. 555 f.

grossherzigeren Lebensauf fas- strebt nach Reinheit der Sprache

sung 598, 1. tritt durch seine 378 ff. 402. 412 f. 415. 440. 554 f.

humanere Ansicht über die Be- Schriften: ne(}l nijovoiaq Ci-

handlung der Sklaven in Gegen- ccros Quelle im zweiten Buche

satz zu Hekaton GOl ff. über die de nat. deor. I 194 ff. bes. 197 ff.

Liebe 311 f. 317. 330. 402. 403, 1 211 f. Fragment dieser Schrift

und 2. leugnete die Wirklich- II 893, 1. He^l fv^vfdaq 250

keit des Weisen 307. 330. un- Anm. 307. IhQl zov xa&ijxov-

terschied von dem vollkommenen zog 267. 267, 1. 323. 329 Anm.

einen Weisen zweiter Ordnung 340,2. 369,1. 380 Anm. 411,1.

434, 1. ürtheil über die Ky- 412,1. 414,1. 433 f. Hegl Zw-

niker 354 f. xQaxovq 377, 1.

Philologisch-historische Kritik: Zur Gesammtcharakteristik II

folgt dem Vorgänge des Persaios 257. 354 599 Anm. 884 f.

II 78,1. schloss sich an Erates, Parmenides

nicht an Aristarch an 257, 2. Der zweite Theil seines Gedichts

achtet auf dialektische Eigen- III 12. 52.

thümlichkeiten 261 Anm. 376, 2. na^oq Stoische Definitionen II

über Sokrates und Aristophanes 461 ff. 464, 2.

I 234 f. n 886 f. Beschäftigung nt^aq unterschieden von zbloq II

mit den Werken der Sokratiker 664, 1.

359 ff. Kritik an denselben und Pergamenische Bibliothek. Yer-

deren Gründe 360 ff. erklärt den hältniss zu den Stoikern II 41

platonischen Phaidon für unecht Anm.

I 232 ff. 11361.886,1. III 378 Pergamenische Schule

Anm. Idealbild des sokratischen Beschäftigung mit den Dialekten

Gesprächs II 364. 368, 1. 373, 2. II 260 f. Anm. Einfluss der Stoa

über den sI'qwv 365 ff. ist Atti- 904 f. Streit mit den Alexan-

cist 375 ff. über Aristipp 360 drinern 906 Anm.

Anm. Biographische Forschung ne()itxov als Bezeichnung der

377, 1. ürtheil über Demosthe- Luft HI 72 f.

nes 328,1. 380 Anm. 383. über Peripatetiker, spätere, über die

die altattische Komödie 369 ff. Liebe II 391,2.

über die Rhetorik 381 Anm. Peripatetische Schule

Darstellung: lockert die Ter- Verschiedene Ansichten über die

minologie und bedient sich einer Glückseligkeit II 715 ff.

gemeinverständlichen Ausdrucks- Persaios

weise II 267 ff. 338 f. 354. sein Lehre: II 59 ff. Historisch-phi-

Vorbild die Sokratiker 357 ff. lologische Interessen 77 f.

568

Namon- und Sachregister.

Persaios

Schriften: Sv/anottxoi didXoyoi

II 63 f. /Ud).oyot 64 f. 2£v^noxixa vnofAVt'ifjiata und Änofivrifxovtv- fiaxa 66 Anm. 79. *MS-ixal a^oXal 67Anm. lleQl ccatßfiag oder tt- aeßtlag 76, 2. tlolirtla Actxw- vixt], ÜQüi; Toi-q IDAnovoq vo- fiovq, IltQl ßaotXtiag 79.

Phaidon der Sokratiker. Echt- heit seiner Dialoge II 363. 3(53, 1.

Phaidros' Schrift tifq! S^säiv ob von Cicero benutzt I 25 f.

(pavtaola weitere und engere Be- deutung bei den Stoikern II 801 f.

Phavorinos der Skeptiker

III 3 Anm. verband die pyrrho- niscbe und akademische Skepsis 132 ff. ist nicht die Quelle des Diogenes 137, 1.

(fiXla 8. kQo>q.

Philodemos I 6, 1. 170 ff. 180. gehört zu den epikureischen So- phisten 182 f. Schrift über die Frömmigkeit als Quelle des ersten Buches de nat. deor. 1 ff. 4 ff. 17 f. vielleicht war eine seiner Schriften die Quelle des ersten Buches de finibus II 690.

Philon von Larissa

Auffassung des xazah/nTÖv III 195 ff. 302. Dogmatismus 222 ff. 230 ff. Auffassung der Skepsis des Karneades 170. 172 ff. Ging auf Piaton zurück 214 ff. 229. 301 ff. 322, 1. 451 Anm. Die skeptische Akademie ist ihm die echt platonische 220, 1. Positive Ansichten 227 f. unterscheidet zwischen der Tugend und den

Gütern 247, 1. 485, 3. über den Ursprung der Leidenschaften aus gewissen Meinungen 482 f. for- dert die Ausrottung der Leiden- schaften 448 ff. Dialektik 303 ff. 475, 2. Naturphilosophie 292 ff. 301 f. Stoisirende Richtung 235 ff. 301. 446. 452 f. 473. 476 ff. er- kannte die Verschiedenheit der stoischen und peripatetischen Philosophie an 290. Wechsel in seinen Ansichten 195 f. 223, 1. Geheimlehre 214 ff.

Verhältniss zu Panaitios III 391 f. Urtheil über Antiochos 305, 3. Polemik mit Antiochos 320 f. 337 f. 341,1.

Schriften: eine derselben die Quelle eines Abschnittes von Ciceros Acad. pr. III 279 ff. 300. 311 ff. 337 ff. der Tusculanen 342 ff. der Xoyog xaxä ipiXoco- (fiav 481 ff. Anhänger III 237 ff.

Philosophie, Geschichte der, Locale Einflüsse die sich auf sie geltend machen II 666 f. (vgl. Hermes XVII 328). 913.

7r£l^avovßedeutungIII38,l. 150,3. 179. 206, 1. 211 Anm. verschie- dene Stufen 176 ff. Anm. 180, 1.

Pia ton bezieht sich in seinen Schriften auf Demokrits Lehre I 141 ff. Einfluss Demokrits auf ihn in der Lehre von der Lust 152, 1. Verh&ltniss seiner Güter- lehre zur stoischen II 336 ff. sei- ner Tugendlehre 339 ff. ürtheil über die Tapferkeit 348 f. 476, 1. Die tvXoyiaiia 255. über den

Namen- und Sachregister.

569

Selbstmord 300,2. Kreislauf im Wechsel der Staatsverfassungen 871, 1. sein scheinbarer Mei- nungswechsel als 7ioXv<pwvla ent- schuldigt 838 Anm. Urtheil der Rhetoren über ihn 377, 2.

Flatoniker der Kaiserzeit III 249 f.

Polybios Stoiker II 841 ff. Gemässigte Richtung 855, 1. Fanaitios 882. 883 ff. 888, 1 u. 2. xMethodische Grundsätze 842 ff. Kritik 885 ff. Kenntniss der Philosophie 845 ff. über Piaton 846 f. Sprachge- brauch 850. 851,1. 853,1. 858. Der Nutzen ist der Maassstab der wissenschaftlichen Thätig- keit 852. Ursprung der sitt- lichen Begriffe 853 f. Werth- schätzung des koyog 854 f. 870. Anklang an die Paradoxa der Stoiker 855. Ideal einer Staats- verfassung 85G. Selbstmord 856 ff. Die ursprüngliche gute Natur des Menschen wird durch äussere Einflüsse verdorben 858 ff. Psy- chologie 860 f. Religion 861 ff. Ursprung des Glaubens an die Götter 866 f. Die tvxfi 863. 867 ff. Kreislauf in den Ver- änderungen der Staatsverfassun- gen 871, 1. Erklärung der My- then, bes. der homerischen 873 ff. Göttercultus 876 ff. Zweifel an der Mantik 881 f. Verhältniss zu Ephoros 889 ff. Verbindung von Erdkunde und Geschichte 891 ff. Seine Universalgeschichte unterscheidet sich wesentlich von der des Ephoros 897 ff.

Poseidonios Lehre: Güterlehre II 261 ff. 333 f. über die Lust 446 f. 464, 2. das Streben nach Ruhm und Ehre ein Naturtrieb 589 f. vermeidet das Wort 7i(}orjyfiivov 419 ff. braucht statt dessen evxQij<Jtov 424 f. Bestimmung des höchsten Gutes 516 ff. 530 f. unterschied eine doppelte Moral, für den Weisen und für den Nichtweisen 325 ff. zwei Arten der Tugend 331 f. 348 f. 485 f. 498 f. 519 ff. Definition der Weisheit 512, 1. 526 Anm. in wie fem sich seine Eintheilung der Tugenden von der ähnlichen Hekatons unter- scheidet 500 ff. 503 f. von der des Panaitios 508 ff. stimmt mit Pan. überein 512 u. 512, 1. keine Dreitheilung der Tugend 616. kri- tisirte Chrysipps Auffassung der Tugend 470 f. Anm. 485 f. 517 f. Lehrbarkeit der T. 502, 1. Psy- chologische Ableitung derT. 506 f. überdenWerth des Wissens 525, 1. 529. Religiöser Charakter seiner Ethik 535. 724. Materie der Gottheit 212. Auffassung der Materie überhaupt 758 ff. des Kosmos 764 f. die Weltbildung 770 f. unterschied zwischen Zevg, (fvaiq und slfxa()/jievrj 771. die Grösse des Mondes I 193, 2. der Weltbrand 226 ff. II 140 Anm. die Begrenztheit des ausserwelt- lichen leeren Raumes I, 228, 1. Das fjysfxovixov II 204 Anm. Sitz desselben im Menschen 772 ff.

I

zwei Principien der Seele ^ye-

570 Namen- und Sachregister.

novixbv u. loyixov 782 ff. Eigen- 382 ff. 466 Anm. Piaton sein Yor-

thümlichkeit seiner Psychologie biid 379 f. Anm.

h&ngt mit der Eigenthümlichkeit Schriften: TIiqI dfcöv war nicht

seiner Ethik zusammen 331 ff. Ciceros Quelle für die Kritik des

Die Unsterblichkeit 1 232. Er- epikureischen Vortrags im ersten

klärung des im platonischen Phai- Buche de nat. deor. I 33 ff. 192.

dros gegebenen Beweises der- Quelle für die stoische Darstel-

selben 237 ff. Leugnete dass lung im zweiten 194. 196. 203

das Ideal des Weisen jemals reali- —209. 211—216. IlfQi xQtxriQiov

sirt gewesen sei oder werden II 16, 1. llQoxQenxixol III 347 ff.

könne II 285 ff. 876 Anm. über 349, 1.

Man tik 528 f. Anm. 533. Die Ab- Praxiphanes Lehrer Epikors I

h&ngigkeit der Natur des Men- 165, 1.

schon von der des Landes 892 f. ;r(»^7rovBcdeutungII355, 1.357,2.

Die Entwickelung der Staats ver- 370 Anm.

fassungen 871, 1. Geht auf Prodikos

die älteren Stoiker, insbesondere Yerhältniss zu Persaios 1 8. 11 75.

Kleanthes zurück II 138 f. 141 nQoriyftiva U 34, 1. 44, 1. 52f.

Anm. 534 f. 771. 772 ff. 777. 788. 62 f. Verhältniss zu den d^iar

Platonismns 335. 338 f. 759. 764. f^xovta 90, 2. 563. den xara fi-

770f. 788. 789. hielt sich im An- aiv ovra 91, 1. 560 f. 563. zu

schluss an Piaton vom üeber- unterscheiden von TtQotiyovfifra

maass etymologischer Auslegung 806 f. Das Wort von den Spä-

der Vülksmythologie frei 1 220 ff. teren gemieden 418 ff. 828.

(womit beiläufig gesagt Stellen TtQotiyovfxFva II 233, 1. 805 ff.

wie Strabo I 2, 34 u. XVI 4,27 7r(>o^o7r»/, 7r()o^o7rrf«y gehören we-

nicht streiten), missbilligt die der der peripatetischen noch der

allegorische Erklärung der home- stoischen Terminologie an II 291,1.

rischen Dichtungen 528 Anm. TiQokrjipig Epikurs findet sich

875, 1. 876 f. Anm. suchte die ihrem Keime nach schon bei

stoische mit der platonischen Demokrit I 118 ff. im gewöhn-

Erkenntnisstheorie in Einklang liehen Sprachgebrauch II 851, 1.

zu bringen 16. 531 ff. Pytha- von Epikur entlehnen sie die

goreisches 781. Als Histo- Stoiker 7 ff. ihr Yerhältniss

riker Fortsetzer des Polybios 906. zur xataXijiixixti ifavtaola 195 f.

Darstellung: nimmt Rücksicht zum dg^q ^oyoq 197 f.

auf Geschmack und Verständniss Ttpätta xara tpvatv II 248, 1. 452.

eines grösseren Leserkreises II 805. 829 ff.

269 ff. bindet sich nicht streng Pyrrhonische Schule ürspraog

an die stoische Terminologie 338 f. III 1 ff. 31 Anm. 148. Eutwicke-

Namen- und Sachregister. 571

lung39ff. 147f. Demokriteer 3ff. verschieden beurtheilt II 453 ff. 31 Anm. 66, 1. von Athen nach 457 f. 562. 581 f. Alexandrien verpflanzt 2 Anm. Seiendes und Körperliches. Ver- £influss der akademischen Skep- hältniss beider nach der Ansicht Bis 75 Anm. 130 ff. 141. BegrOn- der Stoiker II 548, 1. 913. düng der inoxn 26. Eigenthüm- Seneca Zur Characteristik seines Uchkeit ihrer Skepsis 29, 1. 31. philosophischen Dilettantismus II Anerkennung gemeinsamer bei 306 ff. 498. In wie weit seine allen Menschen geltender Vor- Schriften als Quelle zur Kennt- stellungen 96 ff. die vernünftige niss der stoischen Lehre benutzt Erwägung entscheidet über die werden können 317 f. Vorstellungen denen wir im Han- Sex tos Empeirikos dein folgen sollen 62 f. 156 f. von Agrippas Skepsis beeinflusst Unterschied von Timon und der III 136. 141. Ansehen in der Akademie 63. Interesse an der Bket)ti8chen Schule 84. Zuver- Naturwissenschaft 22. 111, 1. Zu- lässigkeit als Berichterstatter 11 sammenhang mit den empirischen 283 Anm. 308. Verhältniss zu Aerzten 135, 1. Ideal des Weisen seinen Quellen III 84 f. Pyrrh. II 278, 1 III 19 Anm. spürt den 1222 ff. kann auf Ainesidem oder Anfängen desSkepticismus bei den Menodotos zurückgeführt werden früheren Philosophen nach 74, 4. 79, 1. 176 Anm. Sein Bericht ihre Skepsis bequemt sich den über Hcraklit adv. dogm. I 129 ff. verschiedenen Zeiten au III 128. geht nicht auf Ainesidem zurück Dialektische Richtung 128. 130. 73. 83, sondern wie der ganze Beschränkung der Naturforschung die Erkenntnisstheorie der Natur- bei den Späteren im Zusammen- philosophen behandelnde Ab- hang mit einem gesteigerten Skep- schnitt (89 141) auf einen Dog- ticismus 111, 1. Verschieden- matiker 73 ff. 85. Und zwar auf heiten unter den Mitgliedern 39 ff. Antiochos 103 Anm. 175 Anm. 74,4. Spätere Mitglieder treiben 493 ff. Dagegen gehört der Ver- den Skepticismus auf die Spitze ausgehende Abschnitt (47 89) 46 f. dem Kleitomachos 521 ff.

R. Siron der Epikureer I 170 f.

Rhetorik Abweichende Ansichten Skepticismus Die verschiedenen

bei den Stoikern II 796. 798 f. Formen desselben III 1 ff.

Zusammenhang mit der akade- Sklaven

mischen Skepsis III 178, 1. Rechte derselben II 601 ff.

axonbq s. x^Xoq.

S* Sokrates Seine Gedanken wur-

Schmerz, der, von den Stoikern zeln in den Anschauungen des

572

Namen- und Sachregister.

Zeitalters I 163, 1. Verhältniss zu AristophaDes und Euripidcs 234 f. Angebliche Schriften II 295 f. Anm. 362. Spätere Philo- sophen knüpfen wieder an ihn an III 36.

SokratischeDialoge. lieber deren Sprache II 357, 2. Kunst des Gesprächs 358. Verschiedenhei- ten des schriftstellerischen Cha- rakters 362, 2.

Sonne die, als Sitz des rjyefiovi' xhv II 139 f. Anm.

Sophisten unter den Epikureern I 180 ff. Bezeichnung für Kar- neades und seine Anhänger II 247. 912.

sorites II 62(), 2. III 33, 2.

Sphairos der Stoiker II 32 Anm. 912.

Stobaios seine Darstellung der stoischen Ethik aus Werken älterer und jüngerer Stoiker zu- sammengesetzt II 390, 1. 401, 1 und 2. 409 Anm. 495. 535f. Der Abschnitt 114 aQf-xaq rf' elvai bis zum Titel thqI aiQexwv 124 ge- hört einem Stoiker aus der Zeit vor Panaitios , wahrscheinlich Chrysipp an 469, 1. 478 f. Anm. Der Abschnitt 104 xoivoxeqov 6t ttjv d()ertiv öia^eaiv sival tpaai 114 öixxwi; 6^ (ft^aiv o Jio- yivrjg hängt unter sich zusammen 472 ff. 474, 1 und geht auf He- katon zurück 492. 502. 504. 514. GOG, 1. G18. Der Abschnitt 102 (pQovTjaiv 6' slvai imoxi]f4rjv dtv TiotTjxiov 104 xoivoxsQov 6h xtiv cLQtxry 6id&60iv ist von dem

folgenden zu trennen 473 ff. und wahrscheinlich von Chrysipp ab- zuleiten 476, 1 Dass 140 f. aus einer anderen und zwar jüngeren Quelle geflossen ist als 196 beweist die Vergleichung der Art wie an beiden das Ver- hältniss des algetov zum aipe- xiov bestimmt wird 540 ff. 544. 546 f. Auf verschiedene Quel- len deutet der Widerspruch in der Güterlehre 552 f. In dem Abschnitt über die d6ia<poQa lassen sich die Bestandtheile verschiedener Quellenschriften unterscheiden: 1. 142 xaxa xo n(}6xe()0v 6ti kexr^or 558 ff.

2. 144 hl 6h xwv d6iaip6' Qwv xa (ihv nie laß d^iav 558 ff.

3. 148 sxi 6h xdiv d6iaipoQiov (fKol xa fihv eivai OQ/a^g xirtj- xixa 562. 4. 158 dxoXov^o; d* iaxl xip Xoyift 560. 562. Dieser letzte Theil rührt wahrscheinlich von demselben Stoiker (Hekaton) her von dem Cicero de fin. III genommen ist 566. 605, 1. 166 ff. Hekatons Schrift nepl na- &aßv die Quelle 594 Anm. Ver- wirrung in der Darstellong 557, 1. Vermischung verschiedener For- men des Stoicismus 770. Die Darstellung der peripatetischen Ethik geht auf verschiedene Quellen zurück II 693 ff. üeber- Schriften der einzelnen Abschnitte 696, 1. Insbesondere sind der Abschnitt ne^l al^exwv xal ffv- xxiSv (p. 272 f.) und der die Frage noaaxiSg Ityetai t6 dyad'hv er-

Namen- und Sachregister.

573

örternde (p. 286 ff.) Excerpte aus den Schriften verschiedener Pe- ripatetiker 707. So gehört p. 294 ff. einem reineren Perip., p. 312 f. einem stoisirenden 710. p. 266 f. finden wir eine strengere, der des Aristoteles näher stehende Ansicht als p. 276 ff. 711. 715. 717.

In ecl. I 312 f. werden spätere Interpolationen nachgewiesen, die weder Chrysipp noch Areios Di- dymos gehören können II 738 ff. Interpolation im peripatetischen Abschnitt 811, 1.

Die Hand eines Redaktors be- merkbar II 822 f. Die Reste der Schrift des Didymos liegen bei ihm nicht unmittelbar vor 835, 1. Excerpirt den Didymos 837 Anm. azoixfiov yerschiedene Bedeu- tungen II 738 ff. 769 f. Stoische Schule. Entwicklung der Lehre II Iff. Auseinander- gehende Meinungen über die Ein- theilung der Philosophie 173 ff.

Erkenntnisstheorie 183 ff. Die Frage nach dem obersten Begriff verschieden beantwortet 548, 1.

Das Vcrhältniss des Seienden zum Körperlichen 549 Anm. 913. Auffassung der Materie 758 ff. Materie an welche die Gottheit gebunden 212. Verschiedene An- sichten über Entstehen und Ver- gehen der Welt 124 f. 132. 770f. Verschiedene Meinungen über das Verhältniss der Gottheit zur Welt 221. Das lyefiovixov im Menschen 775f. in der Welt 780.

Bedeutiuigen des Wortes 777 f. Pantheismus 198 ff. Die Gestirne nähren sich von der Erde und dem Meere 749 f. Abhängigkeit der Natur des Menschen von der des Landes 891 ff. Der Unsterb- lichkeitsglaube III 530. Ausein- andergehende Meinungen über die Unsterblichkeit II 150 Anm. Psychologie in ihrem Zusammen- hange mit der Moral 331 f.

Verschiedene Ansichten über das höchste Gut II 230 ff. 436 f. 467 f. 514 ff. 516,1. 611 f. über aXgerbv u. cuQexiov 536 ff. Ein- fluss des Karneades 239 ff. des Piaton 256 f. 335 ff. 377. Erst spätere Stoiker erklären das bv- SatfjioveTv für das tilogf die sv- öaifjLovla für den axonoq 553. Das dya^bv mit dem ovfinkri' Qcjxixbv identificirt 584 Anm. Verschiedene Ansichten über die döicapoga 558 ff. Dogma von der Gleichheit der Fehler nicht immer festgehalten 61,2. Dop- pelte Moral der Späteren, die für den Weisen und die für die Masse der Menschen geltende 312 ff 325. 332. 333, 1. Piatons Einfluss hierauf 339 ff. Einthei- lung der Tugenden s. Tugend. Zenon gegen den Vorwurf des Widerspruchs in der Tugendlehre vertheidigt 100 f. Abweichende Definitionen der Tapferkeit 476,1. 507, 1. Schwanken der Ansich- ten über die Lust 89, 3. 440. Ab- weichende Ansichten über die Liebe 392 ff. 400 ff. 469, 1. An-

574 Namen- und Sachregister.

sichten über die Trunkenheit

68, 3. 104. über den Werth des '^'

Wissens als solchen 523,1. 529. Tapferkeit Definitionen bei den

852, 1. Das Ideal des Weisen 27 1 ff. verschiedenen Philosophen II

Philosophische Terminologie 476, 1. 507, 1.

II 351 ff. Opposition der Puristen riXog Schriften darüber II 579 f.

gegen dieselbe 378 ff. 549 f. 802 f. untersch. von axonbg 551 ff. 556, 1.

Homererkl&rung 873, 1. 874, 1. 818. Verschiedene Bedeutungen

Mythendeutung kommt nach des Wortes bei den Stoikern

Chrysipps Zeit in Misscredit I 551, 1. bei anderen Philosophen

224, 1. 609. Darstellungen der 663 ff. III 87 ff. 190. s. auch das

Unterwelt II 28 Anm. 30 Anm. höchste Gut.

Einflussaufdie Grammatik 903 ff. Terminologie die Ursachen des

die Geschichtschreibung 906 f. Aufkommens einer solchen in der

Arbeitet der römischen Juris- griechischen Philosophie II 351 ff.

prudenz vor 726,1. Rhetorik s. Theodosios der Pyrrhonecr III

dieses Wort. 112 Anm. 136,1. 137,1.

Stellung zum Kynismus II 35 f. 9-eol xal ävd'QtoTcoi III 145, 1. 44 f. 62. 261. 354. 454 ff. 481 f. Timaios der Lokrer. Ueber des- Anm. 523 f. 526 Anm. 587 f. 852. sen Schrift II 144 Anm. Polemik gegen die skeptischen Timokrates der Epikureer. Ei- Akademiker III 32, 1. genthümliche Lehre, Streit mit

Einig in der Verehrung für Metrodor I 165 ff.

Sokrates II 84. Knüpft an Pro- Timon der Pyrrhoneer

dikos an 75, 1. An Piaton und Ziel der Skepsis III 16 Anm.

Aristoteles erinnernder Dualis- Die dtaga^ia der Maassstab an-

mus der Principien II 757 f. Pia- serer das Handeln bedingenden

tonisirende Stoiker 550, 1. 770 f. Vorstellungen 55 ff. Unterschied

Nach Chrysipp nimmt das Inter- von den sp&teren Pyrrhoneem

esse für den naturwissenschaft- 63 f. Dogmatismus 46 ff. 93.

liehen Theil der Philosophie ab scheinbar in Widerspruch mit

und tritt die Ethik mehr in den sich selbst 60 ff. ob es ein von

Vordergrund 230. 259 Anm. 515. Natur Gutes gibt 61 f. das höchste.

534. In derselben Zeit erwacht Gut 87 ff. Die sinnliche Lust

in ihr ein Streben nach weiterer kein Gut 53.

u. freierer Bildung 259 ff. Ueber- Auffassung Pyrrbons III 19

lieferung der Lehre durch eine Anm. Uebereinstimmung mit

platonisirende Richtung beein- Arkesilaos 64. 156. Verhältniss

flusst 126 Anm. 756 ff. 764. 770. seines Skepticismus zu dengeni-

avXloyta/iog II 795 f. gen Ainesidems 1101 147.

Namen- und Sachregister.

575

Schriften: 'IvÖalixol III 21. 46. 49. 51 ff. 56,1. 59 f. 61,1.

Titel von Schriften, hergenommen von Personen an die diese ge- richtet sind III 273.

xovoq II 216.

xh TL 7Jv eivai Ursprung dieses Namens II 5 Anm.

Tropen die skeptischen der Pyr- rhoneer III 5 ff. 112 ff. Die Mei- nungsverschiedenheit der Philo- sophen erst später unter sie auf- genommen 8 f. Anm.

Trunkenheit Worte zur Be- zeichnung der verschiedenen Grade II 69 f. Anm.

Tugend Definitionen derselben bei den Stoikern II 23 f. 475 f. Panaitios" Annahme einer nach dem Individuum verschiedenen Tugend 435 Anm. als t^ipov ge- fasst 470 f. Anm. von den Be- standtheilen der Glückseligkeit ausgeschlossen III 193 f. Anm. 247, 1. nicht zu den Gütern ge- rechnet II 819. III 190,2. Selbst- genügsamkeit derselben II 315 f. Eingetheilt in Wissenschaften und Fertigkeiten II 348. 469, 1. 482. 494 f. 495 f. Posidons Ein- theilung in theoretische und prak- tische 503 f. dieselbe bei Panai- tios 504 ff. dialektische physische und ethische 6 12 ff. 800. ^yxQa- Tfta 23 dieselbe tritt bei Klean- thes an die Stelle der tf^ovtiai;; 97 ff. Zahl der Tugenden 99. 479 f. Anm. 498, 1. 615. Unter- scheidung zwischen ^marrj/iTj und

^Qovfjoig 100 f. 619. Identifici- rung von Wissen und T. 619, 2 (nach Augustin Civ. Dei IV 21 leitete man ars von d^stTj ab). Die Tapferkeit 348 ff. 476, 1. 507, 1. fieyaXoipvxla 495. 507, 1.

Y.

Varro, M. Terentius in der Aufzählung der ethischen Theorien nicht ganz von Antio- chos abhängig II 644, 1. Die Satura "Äkkog oixog '^H^axX^g 277 Anm.

Vergilius benutzte Zenons Dar- stellung der Unterwelt II 25, 1.

veteres s. d()xcctoi.

W.

Wahrheit

von Timon anerkannt III 46 ff. von Ainesidem 79 ff. von ande- ren Skeptikern 82, 1.

Wahrscheinliche das, Bedeu- tung für die Moral II 54 ff. die Rhetorik 381 Anm. in der Theo- rie der Skeptiker III 64. 178 ff. 292 ff.

Weisheit Definitionen II 512, 1. 526 Anm. 650, 1. III 278, 2. 299.

Weise, der. Auftreten und Be- deutung dieses Ideals in der griechischen Philosophie II 273 ff. bei den Römern 298 ff. Von dem vollkommenen Weisen wird bei den späteren Stoikern der Welse zweiter Klasse unterschieden 319. 324. 434, 1. ebenso von Piaton 344. Verwirklicht in Odysseus, Herakles u. s. w. 875, 2.

576

Namen- und Sachregister.

WillensfreiheitProblemder, im Zeitalter des Sokrates I 163,1. Chrysipps Ansicht III 530 ff.

X.

XenophoD identißzirt den xaXo^ xaya^o^ mit dem aotfiK II 83, 2. Verhältniss zum Kynismus 85 Anm.

Z.

Zenon von Kittion

. Anschluss an die Kjniker II 3 ff. 117. 523, 1. sah in dem oq^o^ ).6yo^ das Kriterium 14 ff. De- finition des }.oyo^ 23,2. Anschluss insbes. an Antisthenes 23 ff. 84, 2. Formalismus der Logik 27 f. ol- xelot Xoyoi 31. Gleichnisse 31. weicht von Antisthenes in der Beurth eilung des Eros ab 36 f. Heraklitische Naturphilosophie durch den ).6yoq vermittelt 38 ff. Sein Pantheismus ist von dem des Klean thes zu unterscheiden 213. stimmt andererseits mit demselben überein 220. über Entstehen und Vergehen der Welt 132. Psychologie 154, 1. Be- stimmung des höchsten Gutes 105 f. 111. 112 f. Die döiaipoga 45, 1. Ueber die nQot^yfuva 34,1. 44, 1. 52 f. 91 Anm. In wie fem er der Erste war der das xcc&fj- xov einführte 405 ff. Die xara-

krj^u;; III 513 Anm. über den Werth des Wissens als solchen II 523,1. Verhältniss der Physik zur Ethik 173,2. Ueber die Trun- kenheit 70 Anm. Ueber die Un- fehlbarkeit des Weisen 56 f. Rhetorik 800.

Polemik gegen Piaton II 24. Wandelung in seinen Ansichten 34, 1.

Schriften: /lo;^ rf/a II 22 Anm. 25. 33. 34, 1. 35ft\ 67, 1. Hsgi Xoyov 40. JiaTQißai 41 Anm. lAnofivufiovBVfmxa 41 Anm. 65,1. 84, 1. *EQO}Tixri Tbxv^ 41 Anm. IhfH Tov xa^tjxoi'To^ 44, 1. Ver- zeichniss seiner Schriften bei Diogenes 40, 2.

Allgemeine Characteristik II 42 f. 216 ff. 220, 1.

Zenon von Sidon, der Epikureer. Eine seiner Schriften Ciceros Quelle im ersten Buche de natur. deor. I 27 ff. vielleicht auch im ersten Buch de finibus II 6<K). Characteristik als Schriftsteller und Philosoph a. a. 0. in seinen Ansichten über die Götter und in der Dialektik durch Karnca- des beeinflusst I lT5ff.

Zenon von Tarsos. Zweifel am Weltbrand I 242, 1. Einthcilung der Philosophie II 169 f.

ScjJov II 217f.

Drnclr von PS«ehel A Trept«« In Leipxig.

Diui'k Villi rrisi'hul k Tre|it«.4 in ht^ip/.it;.

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